IMlii'fe'inifti::
!tiH^:-i"tl-;w;i,öis
.fi'l!-llidjw.nni.|..
.i.|S5l|S:illF|i|M;£Hrii!!'!
<1
mm
!:l!'*'';ifhiI!!IJ-iI!!''!|?!|iii-liii'i!i1!'''!':'i1i''t''ii^^
m
?»«ijii
[■■j,;:.| . ,]••.
i|;IHI:M!|!;ir::;;iJ!l:!'ili
«|lMs,:i„ '.,,
ii ' " i ■ I'-:-
::».
:i'::-!n.^'
, ,| I ,1 l'i ''IflllMI
f!i!"i!iiiii'i.iii'lii''
M!!l:|'!i|Ml|:!|l',
MITTHDILUNGEN
DER
K. K. CENTRAL-COMMISSION
FÜR
ERFORSCHMd MD ERHALTÜN& DER KUNST- UND HISTORISCHEN DENKMALE.
HERAUSGEGEBEN UNTER DER UEITUNG
SEINER EXCELLENZ DES PRÄSIDENTEN DIESER COMMISSION
D"^ JOSEPH ALEXANDER FREIHERRN VON HELFERT.
XXVIII. JAHRGANG.
NEUE FOLGE
DEP MITTHEILUNGEN DER K. K. CENTRAL-COMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG VON BAUDENKMALEN.
REDACTEUR: D« KARL LIND.f
WIEN, 1902.
IN COMMISSION BEI WILHELM BRAUMÜLLER
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
WE J. PAUl GEtn' CCCi.cK
1 lonADV
INHALT
DES XXVIII. BANDES DER MITTHEILUNGEN. NEUE FOLGE.
Seite
Amoroso, Andreas, Dr. Correfpondent: Infchrift in Nesazio. 51
Cermak, Clemens, Confervator: Aufgrabung des Bodens
der Sacriftei der Peter-Pauls-Decanalkirche zu Cäslau. 50
Cervinka, J. L., Correfpondent: Zur Vorgefchichte Mäh-
rens. Forfchungsbericht im Jabre 1901 39 — 43
Czeruy, Alois, Confervator Biirgerfchullehrer: Kirchen-
Renovirungsverein in Mälirifch-Trübau 54
— Kreuz aus Sandftein in Aujezd bei Müglitz 54
— Renaiffance-Grabfteine zu Schönbrunn in Mähren. (Mit
2 Text-IUuflrationen.) 75 — 77
— Eine Bronze-Lanzenfpitze. (Mit i Text-Illuftration. 1 . .. 121
Deininger, Johann, Confervator Kegierungsrath : Kunft-
topographifches aus dem oberen Eifack- und dem
Pfitfcherthale. (Mit 3 Text-Illunrationen.) 25 — 34
— Die St. Adalari-Kirche int PiUerfeethale. (Mit 5 Texl-
lUnflrationen.) 72 — 75
Emil, Friedrich, Confervator P. : Kirche in Strogen bei
Stift Altenburg 53
— Mittelalterliche Pfeudo-Ciftemengräber. (Mit 3 Text-
Illuflrationen.) I04f.
Gnirs, Anton, Confervator Profeffor: Bauliche Ueberrefte
aus der römifchen Anfiedlung von Val Catena auf
Brioni grande. (Mit 6 Text-IUuftrationen.) 44 — 48
— Die romifche Weganlage der Porta Ercole S. 5 1 f , dazu
eine Planfkizze 122
— Zwei antike Mofaikböden im Hofe des Hotels „Cen-
tral'^ in Pola 52
— Die Bafilica St. Maria Kormosa oder del Canneto in
Pola. (Mit 2 Tafeln und 3 Text-Ilhiftrationen.) 57 — 62
Graus, Johann, Confervator fürflbifchöflich-geifllicher Rath :
Romanifche Wandmalereien zu Pürgg und Hartberg.
(Mit 8 Tafeln und 8 Text-IUuftrationen.) 78—88
Grienberger, Correfpondent Ehrendomherr: Romifche
Waffen, (Mit i Text-Illuftration.) 54
Gurlitt, IV., Confervator Profeffor: Ausgrabungen im
Pettauer Felde 1901 (vorläufiger Bericht) 20 f.
Helferl, Jofeph Alexander Freiherr von, Präfident Excellenz :
Die Wiederherftellung der Burg Karls-Tein in Böh-
men. (Mit I Tafel.) i — 17
Kenner, Friedrich, MitgUed Hofrath: Romifche Funde in
Wien 17
A'lote, Olivier, Profeffor: Romifche Meilenfteine aus Salz-
burg. (Mit I Tafel und 24 Text-Illuftrationen.) 104
Mach, Franz, Oberingenieur: Aufdeckungen in der Sandt
Georgs-Kirclie am Hradfchin (3. Berichti 18 — 20
Merz, J., Correfpondent: Guthifcher Grabftein in Wels. ... 56
Mörath, Anton, Correfpondent: Ein früh-gothifcher Bau (an
der ehemaligen Schutzengelkirche in Goldenkroni. ... 54
Seile
Much, Mitghed Regierungsrath : Steinzeitliche Keramik in
der Bukowina. iMit 4 Text-IUuftrationen.) 121 f.
Kecsey, Vi^or, Dr.: Ein altchriftliches Relief aus Ungarn.
(Mit i Text-Illuftration.) 48 — 50
Kichly, Heinrich, Confervator: Neuentdeckte Funde auf
den prähiftorifchen Verkehrswegen zwifchen dem fiid-
lichen Böhmen und der Donau
liiedl, Emaniiel, Confervator Bergrath: Bericht über eine
Urnenftätte zu Reichenegg bei Cilli. (Mit 3 Text-lllu-
ftralionen.) 51
Kassier, Stephan, k. k. Confervator Abt: Städtifches Mufeum
in Zwettl 54
Romßorfer, Karl, Confervator Direktor: Die fogenannte
,weftliche Burg" in Suczawa. (Mit 5 Text-Bluflratio-
nen.) 35—39
Rosner, Mitglied Bauratli: Spitzbogen im Haufe Schuler-
ftraße 12 54
SchmSlzer, Hans, k. k. Confervator Dr.: Gedenkftein des
Ser Paolo 116. Jahrhundert). (Mit i Text-IUufb-ation.) . 52 f.
Schneider, Ludwig, Confervator; Kupferbeile aus dem Be-
zirke Königgrätz. (Mit 13 Text-.lUuftrationen.) 105 — 111
— Thätigkeitsbericht. (Mit 4 Text-IUuftrationen.) 1 1 1 — 116
— Das La T^ne-Gräberfeld von Hofenice. (^Mit 20 Text-
IUuftrationen.) 1 16 — 121
Sitte, Alfred, Affiftent: Inventare der k. k. Hofburgcapelle
in Wien 1532 und 1679 22 — 25
Skorpil, Joseph, Confervator Mufeums-Diredlor: Berichte
über Reftaurirungen in Klattau, Pilfen und Nynic 55
Sterz, Confervator Dire(5lor: Oelgemälde und Fresken in
Znaim 53
— Reftaurirung des .Stadtthurmes in Znaim 54
Straberger, Confervator Oberpoftcontrolor: Prähiftorifches
aus Oberöfterreich. (Mit i Tafel und 5 Text-IUuftra-
tionen.) 88
Vrhovec, Johann (f)- Confervator Profeffor: Die Pfarrkirche
St. Ruprecht in Unter-Krain und ihre Reftaurirung.
(Mit 3 Text-IUuftrationen.) 63—72
Wist, Johann, Confervator Profeffor: Abbruch der Sandl
Nicolaus-Pfarrkirche zu Sachfenfeld 50
Vorgefchichtliche und romifche Funde bei Ueberetfch. 52
Das vom Grafen Otto Gottfried Kolonitfch 1642 er-
baute Palais in Graz, Schmiedgaffc 25 53
Loretto-Capelle bei Säufenftcin 54
Grabftein der Familie Neudegg (Nieder-Ranna) 54
(Zufammen 13 Tafeln und 117 im Texte vertheilte lUuftrationen.)
Mittli. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. Mst. Denkm.. Jahrg. 1902, zu Seite 1.
Taf. I.
:^.nm,:
..lO .wrS^^
■'^^^-:4.
•^ V .^A
kM
Die Burg Karls-Teii> nach ihrer Reftaurinmg^
Die Wiederherftellung der Burg Karls -Tein in Böhmen.
Vom Präfideiiten yo/eph Alexander Fi eiheryn von Helfert.
M Jahre 1Ö62 hat Dr. Franz Bock, der fich da-
mals einige Zeit in Böhmen aufhielt, fich zur
Aufgabe gefetzt, „die Parallele aufzufiichen,
die Karls-Tein mit den hervorragendften formverwand-
ten Schloßburgen des Abendlandes befitzt" und den
alten böhmifchen Königsfitz mit dem Burgpalafte der
Päpfle zu Avignon und dem Deutfchritterfchloß zu
Marienburg verglichen.' Sie alle drei, führte er weiter
aus, haben den Charakter religiöfer Waffenplätze „die auf
Krieg und Frieden im Innern und Aeußern, durch den
Genius der Kunft als arx, und zugleich als monasterium
eingerichtet waren". Der Vergleich mit Avignon liegt
fchon darum nahe, weil Karl IV. von Böhmen in frühen
Jahren mit dem päpftlichen Hofe und deffen Refidenz
im füdlichen Frankreich nähere Bekanntfchaft gemacht
hatte. Die Marienburgkann wohl nurwegen ihres zugleich
kirchlichen und profanen, militärifchen Charakters in
Vergleich gezogen werden, während fie, wie Bock zu-
gibt, „fo gewaltig in ihrem Umfange, fo eigenthümlich
in ihrer Form und Beftimmung erfcheint, dafs eine ins
einzelne gehende Parallele zwifchen diefem groß-
artigen Burgkoloffe und der in einfacherem Maßftabe
angelegten Kronvefte Karlstein fich nur gewaltfam
durchfuhren ließe". Bernliard Grueber hat feinen Blick
nach einer ganz anderen Seite gerichtet. „Dafs dem
Kaifer", fagt er „Die Kunft des Mittelalters in Böhmen"
(Wien, Gerold 1876), S. 63, „bei der Anlage der Karls-
teiner Bauten die Erinnerung an die im Titurel gefchil-
derte wunderbare Burg Montfalvage vorfchwebte, ift
mehr als wahrfcheinlich und ergibt fich fowohl aus der
künfllerifchen Ausfiattung der Innenräume, wie aus
den Vorfchriften, welche die Schloßwächter erhalten
haben".
Wie dem auch fei, jedenfalls fteht Karls-Tein als
ein bedeutendes Glied in jener Kette mittelalterlicher
Burgbauten da, die heute noch als romantifche Zeugen
einer großen thatkräftigen Vergangenheit in unfere
trockene materielle Gegenwart hereinfchauen. Es ver-
einigt nämlich diefe Kronvefte für den Archäologen in
ihren einzelnen Beftandtheilen nicht nur die Blüte der
verfchiedenen, durch den Kunflfinn Karl IV. in Böhmen
gehobenen Zweige der religiöfen und profanen Kunft,
fondern in diefer Burg mit ihren vielen Capellen und
Oratorien befand fich unter der Regierung Karls und
feiner unmittelbaren Nachfolger im Reiche jene geweihte
Stätte, in welcher die Vereinigung mit den merk-
würdigflen Reliquien, die der Orient und der Occident
reichlich gefpendet, auch zeitweife die Kleinodien des
heiligen römifch-dcutfchcn Reiches nebft den Kron-
_' BocJc, Schloß Krirlftein in nuhriicn; iMitlhclIuiigcn der k. k. Cc-ntral-
Commiffion für Baiidenkmalc 1862, S. 69—78, 90—99. mit 3 l'afeln und 15 Tcxt-
bildern. Die Schreibweife K.irlftein ift unrichtig, es mnll Karlstein, Karis-Tein.
Karlüv Tyn gefchrieben werden. Tyn, tejn, Tein bedeutet einen für gcwifTe
Zwecke eingefriedeten, allenfalls umwallten, daher auch verfchanzten Ort. als
deffen erftes Beifpiel uns der uralte Tein in Prag, der für die fremden nach
Böhmen Handel treibenden Kaufleute beftimmt und umfriedet war, erfcheint. Der
Beiname tyn, tein findet lieh in mehreren böhmifchen Ortsnamen, zum Beifpiel
M()ltlau-Tein. Elbe-Teinitz, Bifchof-Tcinitz, Teinitz an der Sazawa, Jungfern-
Teinitz.
fchätzen Böhmens und den wichtigften ftaatsrechtlichen
Urkunden des Königreiches und feiner Kronländer ein
weihevolles Unterkommen gefunden haben.'
Das mächtige Bauwerk hat frühzeitig, zum Theile
wohl noch unter feinem Schöpfer felbft, bedeutend mehr
unter den folgenden Königen bis auf Wladislaw den
Jagielloniden, mancherlei Aenderungen und Zufätze
erfahren. Dr. J. Erasmus VVocel hat in diefe Mittheilungen
1858, S. 274 f. ein Refume und eine Relation vom Jahre
1597 veröffentlicht „über die am Schluße des i6. Jahr-
hunderts in der Burg Karls-Tein ausgeführten Reflau-
rations-Arbeiten". Dabei blieben aber, fo lange die
Könige Böhmens im Lande weilten, alfo noch unter
den Habsburgern von P'erdinand I. bis Ferdinand IL,
nicht bloß der Charakter der Kronvefte, fondern auch
der unfchätzbare Werth ihrer inneren Ausftattung in
ihrer urfprünglichen Reinheit erhalten.
Erft feit der Mitte des 17. Jahrhunderts, unter den
Wirren und Greueln des dreißigjährigen Krieges, be-
gann ihre Verwahrlofung und es erblich mit dem
Schwinden ihrer politifchen Bedeutung allmälig der
Glanz und die alte Herrlichkeit der heiligen Burg
Karl IV. Das bedeutungsvolle Amt eines Burggrafen von
Karls-Tein fank zu einer anfpruchslofenSinecur, zu einem
bloßen Schein herab, die Obforge für den baulichen
Stand der ehemaligen Kronvefte fiel den ftaatlichen
Bauorganen anheim, von denen fie mit der Zeit als ein
gewöhnliches Objeft der k. k. Dicafterial-Gebäude-
Adminiftration verwaltet und behandelt wurde. Eine am
8. Juli 1837 abgefafste „inventarifche Befchreibung
der fämmtlichen Karls-Teiner Burggebäude und darin
befindlichen Koftbarkeiten und Alterthümer" etc.'''
lieferte ein trauriges Bild des Zuftandes, in welchen
die einft prunkvoll, von Gold und Edelflein ftrotzende
Vefte verfallen war, wenn es auch anderfeits ein Zeugnis
dafür bietet, dafs denn doch die pietätvolle Erin-
nerung an den einftigen Ruhm und Glanz derfelben,
fowie die lobenswerthe Befliffenheit zu erhalten, was
noch vorhanden, nicht vollends erlofchen war. Leider
war bei den Ausbefferungen, die fich bald an diefem,
bald an jenem Theile der Gebäude als unauffchiebbar
htrausftellten, der gute Wille nicht mit dem nöthigen
Kunftverfländnis gepaart, fo dafs diefe Herltellungen
im Grunde als Verfchlimmbeffcrungcn zu bezeichnen
waren.
Im Jahre 1854 fand fich ilas Dach und der VVerk-
fatz der Marien-CoUegiat-Kii che in folchem Grade bau-
fällig, die eingemauerten Bundträme waren derart in
Fäulnis gerathen, dafs das ganze Dach neu hergeflellt,
für eine freie Auflage der Bundträme gcforgt und das
umlaufende Gefimfe rellaurirt werden mußte. Man
wünfchte und glaubte freilich, dem Ganzen „die alte
Form wiedergegeben" zu haben;* allein das kunftver-
' Bork a. a. O.
- Vgl. unferen Anhang i.
' Bericht der k, k. LandcsBaudircdlion vom 8. OClobcr 1854, vgl. diefe
Mittheilungen 1856, S. 89,
(Helft;!!
— 2 —
ftändige Urtheil lautete anders. Es war dies das erftemal,
dafs die neu errichtete k. k. Central- CommilTion für
Raiidenkinale Anlafs hatte, fich mit der Burg Karls-Tein
zu befchäftigen. Wie fie aus dem amtlichen Bericiitc
erfehen konnte, waren die Herftellungsarbeiten, die den
Zweck hatten „dem drohenden Verfalle zu begegnen",
handwerksmäßig nach bureaukratifchem Gebote vor-
genommen worden, ohne dem Charakter diefes hoch-
wichtigen Bauwerkes und der Zeit, in der es entl^anden
war, bei dem bellen Willen das tiefere Verlländnis
entgegen zu bringen.
Im Jahre 1862 irfchien Bocks mchrerwähntc Ab-
handlung und, wie es fcheint, inerfreulicherNachwirkung
derfelben, begann fich in Prager Kreifen das Intereffe für
eine Herftellung diefes Kleinods der böhmifchen Krone
zu regen. Es tauchte zuerft der Plan einer Subfcription
im weiteflen Umfange auf wie eine folche für die Her-
ftellung des Prager St. Veits-Domes durch Domherrn
Peffina ins Leben gerufen und mit großem Eifer durch
Jahre ins Werk gefetzt war. Der General-Confervator
(iir Böhmei-! Graf Fraf 12 T/i II >i (piach lieh mit Recht
gegen diefes Auskunftsmittel aus, das er, abgefehen,
dafs der Erfolg ein unbeftimmter und unter allen Um-
ftänden für einen fo weit ausfehenden Plan kein aus-
reichender war, Ichon darum für unpaffend, ja unwürdig
erklärte, weil es fich dabei um ein Krongut, um ein könig-
liches Befitzthum handelte. Der von ebenfo warmem
Patriotismus als feinem Kunftfnin erfüllte Graf legte
zugleich „gegen den Fortgang der bisherigen meift
fehr unglücklich ausgefallenen ftückweifen Reftaurirung
in allen Fallen, wo es fich nicht lediglich um Befeiti-
gung gefahrdrohender Baugebrechen handelte-, leb-
hafte Verwahrung ein.
In diefem .Sinne und unbeftreitbar auf Thuns An-
regung richtete der königl. böhmifche Landesausfchuß
am 2. Mai 1863, in Anbetraciit, dafs es ,,im Lande an
Fonds gebriciit, um die Kollen einer durchgreifenden
würdigen Reftauration diefes ehrwürdigen Baues irgend-
wie zu decken", an des Kunigs Majeftät die Bitte,
AUerhöchflderfelbe geruhe die fchleunige Inangriff-
nahme einer planmäßigen Reftauration anzubefehlen,
und glaubte eine Gewahrung diefer Bitte umfo ficherer
erhoffen zu dürfen, ..nachdem Euere kaiferl. königl.
Majeftät durch Einfetzung einer befonderen, würdige
Baudenkmale überwachenden Central-Commiffion das
Allerhöchfte Intereffe für zweckmäßige Erhaltung
hiftorifcher Denkmale allcrgnädigft zu bethätigen ge-
ruhten".
Als in diefer Zeit das Projekt der Merfteilung
eines neuen Hochaltarbildes für die Marien-Kirche auf-
tauchte, holte der Präfident der Central-Commiffion
das Gutachten ihres Mitghedes, des Architekten Pro-
feffors Fi-icdrich Schmidt, ein, der dasfelbe am 27. Juli
erftattete. Das vorgelegte Proje6t,' hieß es darin, erfülle
„nicht im entfernteften jene Anfprüche, die mit Recht
an einen neuen Altar in diefer merkwürdigen Burg zu
ftellen find", und es gehe überhaupt nicht an, einen
Entwurf zu einem Altarbild auszuführen, „wenn der-
felbe nicht im Zufammenhange mit einem Reftaurations-
' Es fcheint, dafs das gedachte Projc^ damals bereits in Ausführung
begriffen war. und dafs es derfclbc Altar war. der heute in einem der Burg-
räume abfeits geftellt ift, weil fich für ihn in der ftylgcmaß vollendeten Reftau-
ration der Burg keine paffende Verwendung finden ließ.
projeft für die ganze Burg oder mindeftens für die
betreffende Kirche ausgearbeitet wird".
Im Auguft darauf benützte der Pi äfidcnt der
Central-Commiffion einen kurzen Aufenthalt in Prag,
um in Begleitung des k. k. Confervators für den Prager
Kreis, Vysehrader Domdechants Adalbert Ruff, die
Burg Karls Tein in allen ihren Theilen in Augenfchein
zu nehmen. Das Ergebnis diefer Befichtigung war vor
idlem die Ueberzeugung, dafs das, „was namentlich in
den letzten Jahren gcfchehen ift, unendlich mehr zu
bedauern ift, als das was unterlaffen wurde". Um was
es fich handle, fei im Ganzen und Großen eine den
weiteren Verfall der \-erfchiedenen Räumlichkeiten
hint.inhaltcnde folide und ft\-lgemäße Bedachung. Im
Innern feien es vorzüglich vier Räume, auf deren Er-
haltung und Wahrung das Hauptaugenmerk zu richten
wäre: erftens die Marien-Collegiat-Kirche mit ihren
zum Theile noch erhaltenen I-'resken; zweitens die
Katharinen-Capelle; drittens die an den Wänden der
in den hohen Thurm hinaufführenden Treppe fort-
laufenden obwohl fchon fehr verblafsten Fresken (zur
einen Seite heil. Ludmilla-, zur andern St. Wenzels-
Legende); viertens die Kreuz-Capelie im hohen Tiiurm.
Von diefen feien zwei und vier wahre Kleinode, Pracht-
werke von höchftem kunfthiftorifchem Werthe, da fie
nicht bloß in allgemeinen Umriffen, fondern fall in der
ganzen inneren Ausfchmückung in ihrer urfprünglichen
Geftalt erhalten feien, allerdings manches lückenhaft
oder durch den Verderb fchadhaft, Gold, Silber und
koftbares Geftein aus Umrahmung und Bewandung
\'ieles abhanden gekommen. Die Rahmenbilder der
Kreuz-Capelle wiefen vier Lücken auf: es waren jene
des Mutina, des Theodorich von Prag und des
Wurmfer, die vor Jahren der Wiener kaiferl. Gemälde-
(^alerie einverleibt wurden.
Was die künftige Beftimmung eines Baudenkmales
von fo hervorragender, ja einziger Bedeutung betraf,
fo fprach fich der Präfident für eine diefem hohen
Werthe entfprechende und würdige aus, und lehnte
eine vom nüchternen Nützlichkeitsftandpunkte in An-
regung gebrachte Verwendung als Zwang.sarbeitshaus,
als Rettungsanflalt für verwahrloste Kinder u. dgi.
mit alier Entfchicdenheit ab.' In einem Dienftfchreiben
an den k. k. Statthalter Grafen Richard Belcrcdi regte
der Präfident, \on der Flrw ägung ausgehend, dafs „die
hefte l'",rhaltung eines Baudenkmales deffen Benützung"
fei, den Gedanken der Unterbringung des k. k. Statt-
halterei-Archives an, eines überaus reichhaltigen und
werthvollen Archivs, deffen Aftenftücke bislang jedem
Verderb in unbefchreiblich ungünftigen, kalten und
feuchten Kellerräumliclikeiten des St. Niclas-Gebnudes
ausgefetzt waren.
Die einmal in Fluß gekommene Idee einer voU-
ftändigen und planmäßigen Wiederherfteilung des be-
deutendften profanen Baudenkmales Böhmens wurde
nun nicht mehr aus den Augen gelaflen. Um dafür
Gönner und Freunde in weiteften Kreifen zu gewinnen,
legte der Präfident feinem gelehrten und kunftverftän-
digfen Freunde W. A. Avihros den Gedanken eines
eingehenden Auffatzes „Die Burg Karls-Tein und ihre
Reftaurirung" nahe und konnte fich bald darauf einer
freundlichen Zufage freuen.*
* Diefe Alittheilungen der k. k. Central-Commiffion 1865, S. 41 f.
2 Dienftfehreibcn vnm 27. November und Antwort vom 30. Dcccmbcr
1863.
- 3 —
Im Sommer 1864 befuchte Oberbaurath Schmidt
mit feinen Schülern die Burg. Seine Untcrfuciiung be-
il:atigtc in allen Theilen die vom Präüdenten im Jahre
zuvor gemachten Wahrnehmungen, vor allem die, dafs
lieh das Bauwerk in einem theilweife hochlT: verwahr-
losten Zuflande befinde. Was das Projecl zum Baue
neuer Dächer betreffe, fo erklärte Schmidt, ohne ein-
gehendes Studium im Detail es nicht beurtheilen zu
können ; „Hei einer Burg, deren äußere UmrilTe fich fcharf
gegen den blauen Himmel abgr;inzen, ifi; die Form der
Dächer von der größten Bedeutung." Diefe an fich ein-
fache Arbeit könne doch nur auf Grund eines reiflich
durchdachten architcktonifchen Entwurfes ausgeführt
werden. Das Hauptaugenmerk fei der rein künltleri-
fchen Aufnahme eines in ihrer jetzigen Geftalt aus fehr
verfchiedenen Stylperioden zufammengefetzten Bau-
werkes zuzuwenden. Ohne kritifche Unterfuchung aller
vorhandenen Bautheile, betonte Schmidt in einem an
den Priifidenten der Central Commiffion am i. De-
cember gerichteten Gutachten, dürfe an eine Keliau-
ratioii nicht gefchritten werden; „in keinem Falle und
unter keiner Bedingung foUte an diefer herrlichen Burg
fernerhin etwas unternommen werden ohne einen voll-
k'ommenen Bauplan."
Am 6. Februar richtete der Präfident der Central-
Commiffion ein Dienftfchreiben an den Staatsminifter
Ritter von Schmerling. An die Erwägung, „dafs es
mit theilweifen und vereinzelten Ausbefferungen
und Herftellungen an diefem altberühmten Baudenk-
male nicht abgethan fein könne, dafs es vielmehr
darauf ankomme, das Reftaurationswerk als Ganzes
aufzufallen und demfelben einen zufammenhängenden
Plan zugrunde zu legen, dafs daher vor allem eine fach-
gemäße Aufnahme der Burg in allen ihren Theilen ein-
geleitet werden müße", mußte der Präfident den Aus-
druck des Bedauerns knüpfen, dafs die Ausführung
über den Zweifel ins Stocken gerathen fei, wer eigent-
lich berufen fei, die Sache in Angriff zu nehmen und
die Koften zu tragen. Der böhmifche Landesausfchuß,
anfangs gewillt, mit einer ausgiebigen Geldanweifung
aus Landesmitteln diefen Zweck zu fördern, habe nach
Prüfung der Befitzverhältniffe der Burg als notorifchen
Eigenthums des durchlauchtigften Herrfcherhaufes von
feinem Vorhaben zurückgehen zu müßen geglaubt. Allein
wenn auch Eigcnth'.im des Allerhöchften Hofes, meinte
der Präfident, „fo ift die Burg dies doch nur durch Ver-
mittlung der böhmifchen Krone, in welcher Eigen
fchaft fic von dem damaligen Beherrfcher des Landes
Karl IV. ihr Dafein und ihre Widmung erhielt, daher
das Königreich Böhmen, be/.iehungsweife der Landtag
zunächft berufen erfcheine, an der Erhaltung der Burg
ein Intereffe zu nehmen und diefes Intereffe durch
IJereitflellung der dazu nöthigen Mittel zu bethätigen".
Die Verwendung des Präfidenten der Central-Com-
miffion hatte fürs erfte keinen Erfolg. Im Einvernehmen
mit dem Finanzminifler Herrn Ignaz von Plencr er-
klärte Schmerling dem Statthalter von Böhmen, dafs
„die bedrängte Lage der Reichsfinanzen" es nicht ge-
i1:attet, für Staatsbauten in Böhmen einen größeren
Betrag als für die Vornahme der unab weislich iioth
wendigen Reparaturen aufzuwenden" (21. Mai 1865,
Z. 18 193/1567), ein Ausfpruch, der dem Grafen Thun
die Klage ausprefste, dafs die Ccntralftaat.sbehörde
fortfahre, die „Burg Karls-Tein etwa nur als in die
Kategorie der Dicafterialgebäude fallend zu be-
trachten".
Mittlerweile war die Abhandlung Ambras' „Die
Burg Karls-Tein und ihre Reftaurirung" in diefen „Mit-
theilungen" (1865, S. 41—56) erfchienen, und der
Präfident der Central-Commiffion beeilte fich, Sonder-
abzüge davon an alle Mitglieder des böhmifchen Land-
tages und Landesausfchußes vertheilen zu laffen. Da-
durch wurde die Aufmerkfamkeit der berufenen Kreife
mit verftärktem Nachdruck auf diefe Angelegenheit
gelenkt, und die nächfte Folge war ein Antrag des
Landesausfchußes: „Der Landtag möge ihn ermäch-
tigen, im Einvernehmen mit der Krone den Plan zur
llylgemäßen Herftellung der Burg Karls-Tein als
Monument zu vereinbaren" und hievon die Statt-
halterei mit dem Wunfche in Kenntnis zu fetzen, dafs
fie Reparaturen an der Burg „nur fo weit vornehmen
laffe, als fie zur Erhaltung geradezu unvermeidlich feien,
der ftylgemäßen fpäteren Reftaurirung aber nicht im
Wege ftehen oder vorgreifen" (Juli 1865). Am 28. No-
vember darauf befchloß der Landtag, die Uebernahme
eines Theiles der Koften in einem Majeftätsgefuche
anzubieten, fürs erfte einen Betrag von 2000 fl. für
diefen Zweck in das Jahresbudget einzuftellen.
Die Angelegenheit fehlen nunmehr einen rafchen
Auffchwung nehmen zu wollen. Auf die Bitte des
Landtages, Se. Majeftät geruhe die Abfaffung eines
einheitlichen Reftaurationsplanes und fodann feine
Ausführung anzuordnen (25. Januar 1866), erfolgte der
kaiferliche Befehl an den Staatsminifter Grafen Bel-
credi, die erforderliche Einleitung zu treffen (18. März),
eine Kundgebung, die vom Landtage mit begeifterten
Bravo- und Slava-Rufen aufgenommen wurde. Auf eine
Anfrage des Staatsminifters an den Präfidenten der
Central-Commiffion wegen Namhaftmachung eines
l-'achmannes für die Verfaffung des Reftaurations-Pro-
jectes (21. März) konnte diefer auf den Oberbaurath
Profeffor Friedrich Schmidt hinweifen, der feinerfeits
feinen mit den erforderlichen Kenntniffen ausgerüfteten
und fein unbedingtes Vertrauen genießenden Gehilfen
Architekten Jofepli Mocker als jenen bezeichnete, der
unter feiner, Schmidts, fteter leitenden und prüfenden
Ueberwachung die fachmännifche Aufnahme der Burg
als erften Schritt zu einer Herftellung derfelben vor-
nehmen werde.
Im Lande felbft war es Graf Franz Thtm, der feit
Jahren mit innigem Intereffe das Reftaurationswerk
verfolgte und in feiner Eigenfchaft als k. k. Confer-
vator, als Referent im Landesausfchuße, als Ausfchuß-
mitglied der Gefellfchaft patriotifcher Kunfifreunde
und des böhmifchen Mufeums die volle Eignung befafi,
mit Rath und That einzugreifen. In einem Berichte
vom 21. Juni fchilderte er die arge, ja gefahrdrohende
Verwahrlofung des in feiner Art unvergleichlichen
Kunftdenkmales: die Bedachung fei an vielen Stellen
bereits fo fchadhaft geworden, dafs das Regen-
walfer fogar fchon durch den Plafond der herrlichen
Kreuz-Capelle, „diefes noch am bcften, ziemlich in
leinem urfprünglichen Beftande erhaltenen Juwels
architektonifchen Ausfchmucks, einrinne, fo zwar, dafs
\'on Zeit zu Zeit einzelne der den Plafontl fchmücken-
den, innerlich vergoldeten Glasfterne herabfallen, ein
Uebelftand, deffen fchleunige Abhilfe dringend ge-
boten ift, wenn die Capelle nicht in kurzem wefentlich
— 4 —
leiden foll". Um die Mitte Auguft beauftragte, im Sinne
einer vom Staatsminifter unmittelbar erhaltenen
Weifung, der Statthalter das Smichover Bexirks-Bau-
amt mit der Abhaltung einer Localcommiffion zur
Unterfuchung der angezeigten Gebrechen und Bezeich-
nung der unabweisbaren Herftellungpn; Thun verlangte
mit Recht, dafs fchon jetzt Architekt iJ/öC/tvr eingreifen
foUe, weil er mit der künftigen flylgemäßen Reftau-
rirung des ganzen Gcbäudecomplexes in Zufammen-
hang liehe.
Auf die Einladung des Präfidenten der Central-
Commiffion wegen unverzüglicher Inangriffnahme der
fachmännifchen Aufnahme — die Bedrängniffe des
unglücklichen Feldzuges von 1866 hatten eine begreif-
liche Stockung herbeigeführt — entfendete Schmidt
die y\rchitekten Mocker, Ludwig Wächtler und Frans
Jobfl, zugleich Maler, nach Karls Tein, in der erften
Hälfte September gingen fie an die Arbeit und been-
deten fie nach eingehendem Studium, für das ihnen
einige vom Landtagsausfchuße zur Verfügung gcftellte
Vorbehelfe zuflatten kamen,' mit aufopferndem und
andauerndem Fleiße, den Graf Thunhii'i wiederholtem
Befuche der Burg zu be'vundern Gelegenheit hatte,
bis anfangs December.
Die Aufnahmen befchränkten fich nicht bloß auf
die architektonifchen Verhaltniffe und Details und
auf conftru6live Einzelheiten, wie Dachllühle u. dgl.,
fondern fafsten auch die in den \'erfchiedenen Theilen
des weitläufigen Baues noch vorhandenen Ueberbleibfel
der Ornamentik, der Wandverzierungen, der Fresco-
und Tafelgemälde, der Thürbefchläge und fonftigen
Kunftfchlofferarbeiten u. f. w. ins Auge. Die Ergebniffe
diefer mühevollen und gewiffenhaften Arbeit waren auf
nicht weniger als 160 mit größter Raumerfparnis be-
nützten Folioblättern niedergelegt, wozu noch etwa
fechs bis lieben größere und künftlerifch ausgeführte
Blätter kamen. Die Burg war im Ganzen und in allen
ihren Theilen und Eigenheiten mit einer folchen Ge-
nauigkeit vermeffen und verzeichnet, dafs, wie Schmidt
feinen Getreuen das Zeugnis gab, „wenn fie durch
irgend einen Zufall zugrunde ginge, fie auf Grundlage
diefer Arbeit vollfländig in ihrem gegenwärtigen Zu-
rtande wieder liergeftellt werden könnte". Die Koften
diefer Aufnahme hatte der Oberbaurath, der die ihm
geftellte Aufgabe von allem Anfang nicht als eine
Quelle feines Erwerbe.'^, fondern mehr als eine künft-
lerifche Ehrenfache auffafste, vorfchußweife aus eigenem
beflritten, bis fie ihm nun aus dem vom Landtage bud-
getirten Betrage dankend erfetzt wurden.
Im Sommer 1868 ordnete die Statthalterei ihrer-
feits eine commiffionelle Unterfuchung der Burg zu
dem Zwecke an, um zu conftatiren, was aus Erhaltungs-
rückfichten ohne Auffchnb in Angriff zu nehmen
wäre, dabei aber zugleich tlie in der Burg vor-
handenen beweglichen, fowie die niet- und nagelfeften
Gegenflände von Kunfl- oder archäologifchem Werthe
inventarifch aufzunehmen. Die Commiffion fand am 20.
und 21. Auguft unter Leitung des Statthaltereirathes
Eduard Pstroß ftatt; Mitglieder der Commiffion waren
der k. k. Ober-Ingcnicur Einanuel Haller, der akade-
mifche Maler Friedrich Wachsmann und der fach-
verftändige und beeidete Schätzmeifter für das Ge-
werbefach Mathias Nagelhols; beigezogen waren die
* Siehe Anhang z.
Confervatoren Graf Thun und Propft Ruff, als Inter-
elTenten der Güter-Infpe(5lor des Hradfchiner Damen-
fliftes, der Ortspfarrer, der Karls- Feiner Gutsverwalter
und der Burgwächter. Wachsinann und NagclJioh ge-
lobten mit Handfchlag, dafs fie ihre Sachverlländigen-
Gutachten mit beftem Wiffen und Gewiffen abgeben
wollten; von einer Werthbeftimmung der Bilder und
Wandmalereien, Edel- und Halbedelfteine wurde ab-
gefehen, weil beide Sachverftändigen erklärten, dafs
j.die Mehrzahl diefer Gegenftände mit Rückficht auf den
Zweck und auf den Ort ihrer Aufbewahrung von un-
fchätzbarem Werthe ift, daher fich nur ein pretium affec-
tionis ausfprechen ließe, das nach Zeit und Umlländen
wandelbar iH:". Es wurde nunmehr Gebäude für Gebäude,
Zimmer für Zinnner, Raum für Raum abgegangen und
auf das genauefte mit allen darin befindlichen beweg-
lichen und unbeweglichen Werthgegenftänden inven-
tarifirt, alles in prüfendem Gegenhalte des Inventares
von 1840, wobei mancher Abgang oder Werth-
verminderung, doch anderfeits einzelne Mchrftücke zu
verzeichnen waren. Ueber den Gemäldebefund gaben
nicht bloß der Maler Wachsinann, fondern auch Graf
Thun ihr Gutachten ab.' Als dringend, ja unauffchieb-
bar wurde in baulicher Hinficht bezeichnet die fo-
gleiche Verkittung der Stoßfugen der Dachrinnen des
großen Thurmes, als wünfchenswerth in künftlerifcher
Richtung die Reftaurirung der Bilder des Mutina und
des Theodorich von Prag in der Kreuz-Capelle; die
Wandmalereien des Stiegenhaufes wären zu belaffen,
bis die am Hauptthurme nothwendigen baulichen Her-
ftellungen durchgeführt wären.
In einem am 14. Februar 1869 an den Präfidenten
der Central-Commiffion erftatteten Gutachten erklärte
Oberbaurath Schmidt die von der Commiffion in bau-
licher Hinficht gehegten Beforgniffe für nicht fo be-
gründet: „Die Maucrmaffen des großen Thurmes
find von fo koloffalen Dimenfionen, dafs die vorfindigen
Riffe Jahrhunderte läng aushalten und daher ohne alles
Bedenken für die Exiftenz des Bauwerkes einftweilen
belaffen werden können." Betreffend die beweglichen
Gegenftände wies Schmidt auf die werthvollen Truhen
aus Ahornholz mit den fchönen Befchlägen in der
Kreuz-Capelle hin, die Stück für Stück genau nach dem
Original neu angefertigt und fodann mit den Original-
Befchliigen zu verfehen wären, was übrigens bis nach
der baulichen Herftellung zu verfchieben wäre. Was
diefe letzteren betraf, fo lautete Schmidts Gutachten
wörtlich wie folgt: „Wäre die Burg in ihrer urfprüng-
liehen Gefammtanlage, wenn auch ruinenhaft, erhalten,
fo (teilte fich die Aufgabe als eine fehr einfache dar,
indem der Architekt, unbekümmert um eine fpätere
Verwendung derfelben, lediglich die fchadhaften Thcile
zu erneuern und das Fehlende zu ergänzen hätte.
..Nun iü: aber die Burg ein Comple.K von Ge
bäuden, welche im Laufe von drei Jahrhunderten nach
und nach entftanden find, die in künftlerifcher Beziehung
unter fich außer allem Zufammenhange ftehen und auch
relativ von fo verfchiedenem Kunftwerthc find, dafs,
während einige Theile würdig erfcheinen, mit allen
Mitteln der Kunft wieder hergeftellt zu werden, andere
Theile dagegen geradezu vollkommen befeitigt werden
müßen, um nicht das äfthetifche Gefühl jedes Be-
fchauers fortwährend zu verletzen.
* Siehe Anhang 3.
- 5
„Unter folcheii Umftändeii kann es nur zwei Wege
der Reftauration geben: entweder muß fich die Reftau-
ration darauf befchränken, die in künftlerifclier Be-
ziehung werthvoUen Innenräume aus der Zeit Kaifer
Karl IV. in der alten Pracht wieder herzuftellen und
die übrigen Theiie der Burg in einem leidlichen Bau-
zuftande zu erhalten, oder es muß zugleich eine allge-
meine Umgeftaltung der Burg erfolgen, wenn die
werthvoUeren Theiie derfelben neuerdings auf Jahr-
hunderte hinaus vor dem Verderben bewahrt werden
foUen.
„Letzterer Vorgang ift allerdings der richtige, aber
es gehört hiezu unbedingt ein gewiffes Programm, da
der Architekt unmöglich ohne ein folches Räume
fchaffen und deren Ausftattung durchführen kann, ohne
den Zweck und die etwaige Beftimmung diefer Räume
zu kennen.
„An diefer Schwierigkeit find bis jetzt alle Ver-
fuche, ein allgemeines Reftaurationsprojeft zu verfaffen
gefcheitert. Die Herftellung des Hauptthurmes fowohl
im Aeußern als im Innern, ebenfo die Herftellung der
übrigen Capellen ift eine künftlerifch zwar fehr fchwie-
rige, im Principe aber fehr einfache Frage; nicht
minder erfcheint es unzweifelhaft, dafs die einftigen
Wolm- und Prunkgemächer Kaifer Karl IV. wieder
als fürflliche Gemächer einzurichten find, um dem
erlauchten Nachfolger diefes Kaifers die Möglichkeit
eines Aufenthaltes auf der Burg zu verichaffen, auch
wäre die ideale Herftellung diefer Räume fchon in
archaologifcher Hinficht vollkommen gerechtfertigt.
„In gleicher Weife wird die Herftellung der Woh-
nung des Burggrafen, deren Erbauungszeit in eine
etwas fpätere Epoche des Mittelalters fallt, voll-
kommen gerechtfertigt erfcheinen.
„Es entfteht fomit nur die Frage, was foil mit den
vielen anderen Räumen der Burg gefchehen? Sollen
fammtliche Räume darauf eingerichtet werden, um
auch in der einfachften Ausftattung zur Aufnahme des
königlichen Gefolges dienen zu können, fo dafs das
Gebäude den ausfchließlichen Charakter einer König-
lichen Burg erhielte, oder follen diefe Nebenräume
einem anderen Zwecke, etwa als Archiv, Landes-
mufeum etc. dienen? In diefer Beziehung dürfte es nicht
unpaffend erfcheinen, einen Blick auf die vielen ähn-
lichen Reftaurationen zu werfen, welche in den letzten
Decennien in Europa durchgeführt wurden.
„Des mächtigen Infelvolkes der Engländer gar
nicht zu erwähnen, wo die Burgen der Vorzeit zu
Hunderten in ihrer alten Pracht wieder entftanden
find, fei hier nur erwähnt die Burg Stolzenfels am
Rhein, die Wartburg, die Burg Hohenzollern, das
Schloß in Meißen, das Schloß Pierrefonds in Frank^
reich und zum Schluße die Burg Vajda-Hunyad in
Siebenbürgen. Diefe fämmtlichen hiftorifch denk-
würdigen Burgen wurden und werden noch reftaurirt
in dem vollen Sinne als königliche Biu-gen, in welchen
zugleich werthvolle Sammlungen, Archive etc. unter-
gebracht wurden, fo dafs diefelben der Ehre des
Lantlcs, fowie der Kunll untl Wiffenfchaft gleichmJißig
dienen."
Es war das Minifterium Fürß Carlos Aiierspcrg,
in welchem Dr. Giskra das Portefeuille des Innern in)ie-
hatte. Auf ein vom Prafidenten der Central-Comnüffion
an diefen gerichtetes Dienftfchreiben wies Giskra in
feiner vom 9. März datirten Erwiderung auf das „Ge-
bieterifche der Finanzlage" hin, in welchem für ein fo
weit gehendes Proje6l, das fo außerordentliche Summen
in Anfpruch nähme, weder der Finanzminifter noch der
böhmifche Landtag zu gewinnen fein werde; man müße
fich daher auf folgende Aufgaben befchränken: die
Burg Karls -Tein vor dem Verfalle zu fiebern; die
Schäden an dem Baue und an den Kunftwerken, die fie
birgt, zu befeitigen und die nöthigen Herftellungen im
Einklänge mit dem früheren kunflgemäßen Beftande
zu bewirken. Oberbaurath Schmidt zeigte fich über
diefen Befcheid nichts weniger als betroffen. „Mit den
Andeutungen des Miniflers", erklärte er dem Präfi-
denten der Central-Commiffion, „ift fchon an und für
fich ein Bauprogramm ausgefprochen und läfst fich auf
Grund desfelben ein Reftaurationsplan mit einem
wenigfi:ens in der Hauptfumme verläfslichen Vor-
anfchlage ausarbeiten", und fomit hoffe er, es dahin zu
bringen, dafs „der Burg in ihrer äußeren Erfcheinung
eine richtige Geftalt verliehen und fo gleichfam die
noch vorhandenen Perlen der Kunft in einen würdigen
Rahmen gefafst werden."
Bevor Schmidt an die Ausarbeitung feines
Reftaurationsprojeftes fchritt, hielt er es in der erften
Hälfte April für unerläfslich, die Burg noch einmal
gewiffenhaft in Augenfchein zu nehmen. Er machte
dabei eine für ihren ferneren Beftand in hohem Grade
bedenkliche Entdeckung. Aus feinereingehendenUnter-
fuchung ging nämlich hervor, dafs der große Rifs an
dem höchftgelegenen Hauptthurme feinen Urfprung in
nichts geringerem habe, als in einer im Laufe der
Zeit durch eindringende Feuchtigkeit entftandenen
Lockerung des Steingefüges des Fehens, auf welchem
die Burg erbaut ift, eine Lockerung, die mit der Zeit in
eine voUftändige Auseinanderblätterung der einzelnen
fenkrechten Schichten des Felfens überzugehen und
folgerichtig die auf ihm laftenden Bautheile mit lieh
fortzureißen drohe, wenn nicht mit allen Mitteln \-or-
gebeugt werde. Diefe Vorkehrung, über deren Art und
Weife er fich eingehend ausfprach, fei demnach das
erfte und dringendfte, bevor an eine Reftauration des
Bauwerkes gefchritten werden könne.'
Am 4. Februar 1870 war Freiherr von Schmidt
in der Lage, der Central-Commiffion den von ihm aus-
gearbeiteten Entwurf einer voUftandigcn und durch-
greifenden Wiederherftellung der Burg Karls-Tein vor-
zulegen.
Die zu dem Entwürfe gehörigen Pläne wurden im
Mai darauf in Prag zur öffentlichen Befichtigung ge-
bracht und erfreuten fich ungetheiltcr Aufmerkfamkeit
und Billigung, der eine für diefen Zweck zufammen-
gefetzte Commiffion von Sachverftändigen, darunter
Ambras, Wocel, der Confervator Beiiefch, einhelligen
Ausdruck gaben. Im Hcrbft darauflegte Baron Schmidt
fein vüUftändiges Elaborat — ein Portefeuille mit eiif
Blattern Aufnahme und heben Blättern Entwurf, einem
ausführlichen Erläuterungsbericht und einem Koften-
übcrfchlag — der Central-Commiffion \or, das für's
erfte an den Miniller des Innern, damals Grafen Taaffe.
geleitet und im Februar 1871 dem böhmifcheu Land-
tage zur Schlußfaffung unterbreitet wurde.
' siehe Anhang 5.
6 —
Die von Schmidt als unausweiclilicli bezeichneten,
die felfige Grundlage der Burg betreffenden Schutz-
bauten und Erhaltungsvorkehrungen waren bereits in
Angriff genommen und auch für eine getreue Aufnahme
der koftbaren Wandmalereien war geforgt; ' allein es
foUte aus der „filberfchäumigen"' Beraun noch viel
Waffer in die Moldau fließen, ehe das großartige
Reftaurationsprojeft in Ausführung kommen follte. Das
Proje(5l wurde am i8. Oflober 1874 vom böhmifchen
Landtage grundfatzlich angenommen und der Wunfeh
einer ziffernmäßig beftimmten Beitragsleiftung aus
Staatsmitteln ausgefprochen. Allein nun gab es Ein-
rtreuungen und Hinhaltungen in Fülle. Es wurden Er-
hebungen über den gegenwärtigen Stand der Ange-
legenheiten gefordert, eine Ueberprüfung des Sckinidt-
fchcn Rertaurationsprojefles angeregt, ein neuer Vor-
anfchlag mit Rückficht auf die feit 1874 geänderten
Lohnverhältniffe beantragt. Müde diefer kleinlichen
Nergeleien, denen nur die Abficht zugrunde lag, die
.Angelegenheit zu \'erfchleppen, bereitete der böhmifche
Landesausfchuß eine energifche Einfprache vor, für die
er auf die kräftige Unterltützung der Central Com-
miffion zählen konnte. Am 9. Januar 1886 erklärte fich
der Landtag bereit, 150.OOO fl., zahlbar in zehn Jahres-
raten zu 15.000 fl. unter der Bedingung in fein Budget
aufzunehmen, dafs „der Ueberreft der Reftaurations-
koften in mindeftens gleichem Betrage aus Staats-
mitteln übernommen und dem Landesausfchuße eine
entfprechende Ingerenz bei der Durchführung der Re-
llauralion gewahrt bleibe".
So konnte denn endlich, nachdem nach mehr als
zwölfjährigen Bemühungen die erbetene Theilnahme der
Staatsverwaltung an den auf 300.000 fl. o. W. veran-
fchlagten Koften unter dem energifchen I'inanzminifter
Dunajcivski befchloffen war, im Jahre 1887 an die
Ausführung des Schmidt'fchen Herflellungsplanes
gefchritten werden. Im Schöße der Central-Commiffion
fetzte diefe der gefeierte Oberbaurath zeitweife in
Kenntnis über den Fortgang der Reftaurationsarbeiten,
befonders wenn fich neue, den früheren Beftand der
Burg betreffende Entdeckungen ergaben. So Hießen die
Nachforfchungen Mockers nach Reften der urfprüng-
lichen Plafonds auf ein Stück Balken nebft zwei gefalzten
]5rettern, die zunachft der Marien-Kirche eingemauert
waren und unverkennbar zu ihr gehörten; fie zeigten
blauen Grund, darauf als Knieflücke Engel in weißen
Gewiuidern mit farbigen Flügeln.^ Bald darauf erkannte
Schmidt Refte von Eingangsthüren an der Außenwand
des hohen Thurmes und der gegenüberliegenden Mauer
der Marien-Kirche, die den ehemaligen Beftand einer
Verbindungsbrücke zwifchen diefen beiden Baulich-
keiten außer Zweifel fetzten, und noch im felben Jahre
1888 das einftige Vorhandenfein fogenannter Hürden,
eines oberen Stockwerkes aus Latten, über der Marien-
Kirche und dem hohen Thurme; fie erwiefen fich als
fpäterer Anbau, aber noch aus karolinifcher oder nächft-
karolinifcher Zeit und follen die Beftiinmung als Frauen-
' Dicfclben waren von dem penlionirtcn Obcrgcrichts-Offitial Anton
iViJ'chek ausgeführt worden, der. durch feine kümmerlichen VerhältnifTc
gedrangt, einen Kaufantrag aus Rufsland anzunehmen in die Lage kam. Auf
die Nachricht hicvon wendete fich die Central. Commiffion an den bühmifclicn
Landesausfchuß, dem fie es als einen ..Ehrenpunkt" vori^ellte. „ein fo unerfet/-
lichcs Document nicht aus dem Lande gehen zu lafTen". Nachdem Baron
Schmidt die Aufnahme auf ihren Werth geprüft und die 'l'reuc der Nachbildung
erprobt hatte, wurde dicfelbe um den mehr als befchcidcncn Betrag von 400 fl,
ö. W. vom Landesausfchuße erworben.
' Mittheilungen der k. k. Central-CommirTion 1888, S. 214.
gemacher gehabt haben. Vorbilder aus Böhmen felbll,
fowie aus Deutfchhuid boten ihm die erwünfchle Hand-
habe, die Karls-Teiner Hürden in ihrer vollen alten
Form herzuftellen. Die Central-Commiffion nahm diefe
und ähnliche mündliche Erläuterungen ihres genialen
-Mitgliedes mit geziemender Anerkennung entgegen
und erklärte fein Werk für ,.ein großartiges, im Ganzen
wie in deffen Einzelnheiten geradezu überrafchendes
Unternehmen".
Schmidt erklärte als feine erfte Aufgabe die arciii-
tektonifche Löfung des oberen Aufbaues des Thurmes,
fowie der Marien-Kirche, alfo mit Wiederherftellung
der gedachten Hürden, wofür er einen Koftenüberfchlag
von 59.019 fl. 82 kr. vorlegte.
Am großen Thurme und an der Marien-Kirche
traten Aenderungen am urfprünglichen Baue zum Vor-
fcheine, die aber vielleicht noch in die karolinifcbe Zeit
hineinragten, gewifs nicht fpater als in die Wladislaw-
fche Periode zu fetzen waren und daher nach Schmidt' s
Urtheil Berückfichtigung erheifchten, während die erft
in fpäterer Zeit vorgenommenen Aenderungen, eigent-
lich Verfchlimmbefferungen. fich leicht erkennen ließen.
Anders war es mit dem Pallas, der aus drei der Reihe
nach entftandenen Bautheilen befteht, dem großen
]\Iittelbaue mit dem halbrunden Thurme, dem in der
Liingenrichtung anftoßenden Mittelbau und der foge-
nannte Dechantei. Der Entwurf für die Wiederherftel-
lung des Pallas war für Schmidt, wie er erklärte, „mit
unfaglicher Schwierigkeit verbunden, da diefer Bau-
theil im Hingange der Jahrhunderte den durchgreifend-
fteii Aenderungen unterzogen wurde, und fich erll
nach endlofen Unterfuchungen ein klares Bild des
urfprünglichen Heftandes herausftellte"'.' Die Koften
für die Herftellung des Kaiferpalaftes bezifferte
Schmidt mit 80.009 f- 72 kr., worüber es die Statt-
halterei an der Erinnerung nicht fehlen ließ, dafs die
Gefammtkoften der Reftaurirung den vom Staate und
vom Lande bewilligten Höchftbetrag von 300.000 t1.
nicht überlleigen dürfen.
Mit den Arbeiten am Mauerwerk des hohen
Thurmes und der Marien-Kirche, an der Bedachung
und Bekrönung der Gebäude gingen die Erhaltungs-
und HerltcUungsarbeiten im Innern der Räumlichkeiten
Hand in Hand. So wurden 1889 die Fenfterlaibungen
in der Marien-Kirche ausgebeffert, die Sohlbänke und
Stürze, die Fenfterkreuze hergeftellt, im Innern des
hohen Thurmes das Gewölbe unter der Kreuz-Capelle
erneuert, der Fußboden der Kreuz-Capelle in richtigen
Stand gebracht etc.- Alle Funde urfprünglichen oder
früheren Beftandes wurden forgfältig gefammelt, blos-
gelegte Fresken theils an Ort und Stelle erhalten,
theils, wo Mauerconftructionen nothwendig waren, mit
Gypsplatten abgehoben. Vorgefundene Reliquien und
Urkunden nahm vorläufig Architekt Mocker in Empfang,
um fie bis zu dem Zeitpunkte, wo fie in ihren Fundort
wieder eingelegt werden könnten, der Statthalterei
in amtliche Verwahrung zu übergeben. Daneben liefen
mancherlei Verhandlungen in anderer Richtung. Als es
fich um Verlegung des Altares der Marien-Kirche
handelte, mußte die Zullimmung des fürfterzbifchöf-
lichcn Ordinariates eingeholt werden. Mit dem there-
' Diefe Mittheilungen iS
- a. O. 1893, S. 115 f.
S. 204 f.
fianifclien adeligen Damenftifte ob dem Hradfcliin
wurde wegen i\blalTung von den Nutzungen an
mehreren zum Burggebiete gehörigen Grundftücken
und Bauparcellen eine Einigung erzielt.
Der Statthalter Graf Franz Thun d. J. hatte eine
Commiffion für die Durchführung der Reflauration von
Karls-Tein eingefetzt, in der er felblt den Vorfitz
führte Sie beftand aus Vertretern der Regierung, dar-
unter Ober-Finanzrath Franz Henncvogl von Ebenburg
und Statthaltereirath Moris Lnßner, des Landesaus-
fchußes, den Beifitzern Ottokar Zcithavuncr und Doftor
Johann Jeräbck, dann Baron Schmidt. Baurath Jofepli
Hlavka und Regierungsrath Profcffor W. W. Totnek,
feitens der Bauleitung Dombaumeifter Mocker. Zu den
Aufgaben diefer Commiffion gehörten die Prüfung der
Entwürfe und Koftenvoranfchläge für die einzelnen
Phafen des Rell:aurationswerkes, die Prüfung und Ge-
nehmigung der iMehrerforderniffe bei einzelnen Poften,
die Prüfung der Rechnungen über die durchgeführten
Arbeiten, die Genehmigung der für die Zimmermanns-,
Steinmetz- etc. -Arbeiten accordirten Einheitspreife.
Die Arbeiten am Aeußern und Innern der Marien-
Kirche waren vollendet, jene am hohen Thurme
näherten fich ihrem Abfchluße, und es konnte im März
1890 an die Abtragung des 1837 ftylwidrig errichteten
Dachftuhles oberhalb des Pallas und der Dechantei
gefchritten werden. Es waren die letzten Arbeiten, die
der geniale Schöpfer diefes großartigen Herftellungs-
werkes erleben follte. Am 23. Januar 1891 ging
Friedrich Schmidt mit Tod ab, der „ein GroßkünfHer
im eigentlichften Sinne war, ein Reicher, der aus der
Fülle feines Geiites und feines Bildnerfmnes feine
Gaben nach allen Seiten ausitreute, der fchauend und
denkend, entwerfend und prüfend, anordnend und
leitend, gleich einem Feldherrn im Bereiche der Kunft
weithin die Geifter fich dienllbar machte, der unge-
zählte Künftler, Genoffen und Gefeilen an feinem Werke
fchaffen, durch lie feine Gedanken verwirklichen, er,
der Eine, Hunderte und Taufende von Arbeitskräften
jeder Stufe in Thätigkeit treten ließ", unter deffen
Walten endlich, um auf den Gegenftand unferes Vor-
wurfes zurückzukommen, unfer Karls-Tein „aus einem
Zuftande bedauerlichen Verfalles zu jener mächtigen
und zugleich zierlichen Eigenart wieder herauswuchs,
wie es die Zeiten Karl IV. dereinft gefehen und wie
es durch Jahrhunderte den Schmuck des Landes
Böhmen gebildet hatte".'
Das Werk des großen Meifters hatte jetzt der
getreue Mocker zu Ende zu führen. Er hatte fich durch
jahrzehntelangen innigen Wechfelverkehr in folchem
Grade in deffen Ideen hineingelebt, dafs die Budget-
commiffion des böhmifchen Landtages in ihrem
Berichte vom 29. März 1892 „die außerordentliche
Gewiffcnhaftigkeit und Sorgfalt, init welcher Mocker vor-
ging", rühmend anerkannte.^ Von wiclitigen Arbeiten
in den Jahren 1893 und 1894 find her\'orzuhcbcn : die
' Aus (Iccn Nachrufe, den der Priifidcnl der Ccnlral-L'oinmifrion in der
außerordenlliclien SitziuiK vom 30. Januar 1891 feinem verehrten Freunde
widmete; ,.Zum (.JedaLlitiiifTe Friedrich Schniidt's" (Wien 1S93. Hrzczowsky;
zurammcngefteilt von Schinidt's ehcnialigein Schüler läaiirath Kosner).
• Diefe Mittheilungen 1892, S. 174— 177. (Die Reftaurirungen an Rarls-
Tein in den Jalircn 1890 und iSgi ff. nach dem Berichte des Confervators
Morhfr.)
W)llendung der Verbindungsbrücke * zwifchen der
Marien-Kirche und dem hohen Thurme, die Reftaurirung
der Schanzmauern, des erflen und zweiten Burgthores,
w-obei man abermals Gelegenheit hatte, „den in jeder
Hinficht correften Vorgang bei Vornahme der Re-
flaurationsarbeiten auf Grundlage der von weil. Ober-
baurath Schmidt aufgehellten oder gutgeheißenen
Pläne, fowie den im Geifte des Dahingefchiedenen
gründlich und gewiffenhaft vorgenommenen Unter-
fuchungen und geftellten Anträgen" ein glänzendes
Zeugnis auszuflellen (März 1896). Mit dem Jahre 1896
war die für die Reftauration von Karls-Tein berechnete
Frill: von zehn Jahren abgelaufen und damit der Staats-
und Landesbeitrag von jährlich 30.000 fl. erfchöpft.
Da es jedoch fchon ehrenhalber nicht anging, die fchon
fo weit gediehene Herftellung der Burg im letzten
Stadium in Stich zu laffen, fo wurde von Seite des
Staates und des Landes unter dem Titel ,,Mehr-
erfordernis" die benöthigte Summe alljährlich nach-
gefchoffeii.
Acht Jahre nach dem Tode des Meifters fegnete
fein bewährter Nachfolger und Stellvertreter das Zeit-
liche — 16. Januar 1899 — und es war nun ganz
ernftlich zu erwägen, in welcher Weife das groß-
artige Reftaurationswerk zu Ende zu führen fei. Die
Central CommilTion fchlugfür diefen Zweck eine infpici-
rende Oberaufficht durch den Architekten Hubert, einen
Schüler Luntz' vor, der den Auftrag dankend annahm,
allein zugleich daraufhinwies, dafs es bei einer fo überaus
verantwortlichen Aufgabe mit einer bloßen Infpicirung
nicht fein Bewenden haben könne; einzelne Herftel-
lungen, wie zum Beilpiel die Reftaurirung der Malereien
im Stiegenhaufe und in der Marien-Kirche, boten fo
erhebliche Schwierigkeiten, dafs dem controlirenden
Organe auch das Recht eingeräumt fein müße, in be-
ftimmter Weife auf die noch ausftändigen Arbeiten
Einfluß zu nehmen, was mit einer zeitweifen Infpicirung
k'aum zu erreichen fein dürfte.
Ob und inwieweit diefen fehr beachtenswerthen
Andeutungen F'olge gegeben wurde, entzog ficli der
Beurtheilung der Central-Commiffion, da diefe feit dem
.Scheiden Mocker s von dem fie periodifche Berichte
über den Fortgang und die nächft bevorflehendcn
Phafen des Reflaurationswerkes zu empfangen pflegte,
keinerlei Nachricht und Aufklärung in diefer Richtung
empfing, einen vom Baurathc Mathias Krcli an das
Minillerium für Cultus und Unterricht zu Anfang
Sommer 1900 erftattetcn Bericht ausgenommen, worin
dasjenige aufgezählt wurde, was zur Vollendung des
Rcftaurirungswerk-es noch ausfländig fei.
Der Prafident der CentralCommiflion hatte, wie
fniher erwähnt, die Verlegung des k. k. Statthalterei-
Archives von Prag nach Karls-Tein beantragt. Es
wurde von ihm das Bcifpicl Spaniens angeführt, deffen
berühmtes Staatsarchiv fich zu Simancas befinde, alfo
in einer von dem Mittelpunkte des Königreiches fehr
entlegenen Stadt, während die Entfernung Karls-Teins
von Prag dank der Eifenbahnverbindung eine mini-
male fei. Würde ferner eine zeitliche Gränzc gezogen,
allenfalls das Jahr i 848, fo dafs alle feither aufgelaufenen
und auflaufenden Stücke in Prag blieben, und nur die
vor diefem Zeitabfchnittc fallenden Archivbcflände
nach Karls-Tein kämen, fo wäre allen für den Vcr-
waltungsdieiift auftauchenden Bedenken die Spitze ab-
gebrochen, da Schriftltücke fo weit zurückreichenden
Alters für praktifche Zwecke nur in den feltenftcn Fallen
benöthigt würden. Der wiffenlchaftlichen Forfchung
endlich würden die Ruhe und Abgefchiedenheit in den
Räumen des altberühmten Königsfchloßes gewifs nur
zu ftatten kommen: „die Anfiedlung zu Füßen der
Burg fei allerdings kein Simancas, allein, fo viel von
dem dortigen Leben bekannt geworden ifl, werden
Unterkunft und Unterhalt nach unferen Gewohnheiten
und Bedürfniffen hinter jenen der fpanifchen Stadt
kaum zurückgehen. Ein mehrtägiger, fclbfl mehr-
wöchentlicher Aufenthalt des Gelehrten in der roman-
tifchen Einfamkeit mit ihrer von Nadelholzduft durch-
würzten Luft würde gevvifs weder der Gefundheit noch
der Arbeitsfreude des Forfchers zum Nachtheile ge-
reichen."
Diefer Vorfchlag fand in den berufenen Kreifen
keinerlei Anklang. Dafs von Seite der Statthalterei ein-
gewendet wurde, der Zeitabfchnitt feit 1848 fei für
ihre Zwecke nicht ausreichend, war von keiner aus-
fchlaggeljenden Bedeutung, da ja ein weiter zurück-
liegender, etwa die Scheide des Jahrhunderts gewählt
werden konnte. Entfcheidend aber waren andere Be-
denken. Im Auftrage der Statthalterei nahm im März
1898 der Prager Univerfitäts-Bibliothekar Dr. Richard
Kukula mit Beiziehung des Amanuenfis Dr. Hugo
Gläßr einen Localaugenfchein \-or, der zu dem Evgeb-
niffe führte, dafs die vom Präfidenten der CentralCom-
mifäon angeregte Idee ganz und gar undurchführbar
fei. Die für diefen Zweck zur Verfügung Itehenden
Räume feien völlig unzureichend; man müßte zu dem
allerdings großen Räume des Ritterfaales greifen,
deffen hölzerne auf eben folchen Säulen ruhende
Deckenconftruclion gegen Feuergefahr keinen befrie-
digenden Schutz biete; außer diefem Saale fei die Zahl
und der Umfang der feuerficheren Räume eine ziemlich
geringe. Dazu kämen die Schwierigkeiten des Trans-
portes der Archivfchränke über die theilweife fehr
fteilen und engen Stiegen, fowie jene, für ausreichende
Beleuchtung und Beheizung zu forgen, endlich der
Mangel von Räumlichkeiten für die Unterbringung der
Archivbeamten.
Im Hinblicke auf alle diefe Umftände, dereiT Ge-
wicht der Archivsdiredlor der Prager Statthalterei
Köpl durchans gelten ließ, regte diefer den Gedanken
an, die Burg für ein Mufeum von Denkmalen des
Wirkens und Schaffens Kai fers Karl IV. mit befonderer
Rückficht auf Böhmen zu benützen, /lu;// entwarf einen
wohl durchdachten Plan für die Verwendung der ein-
zelnen Räumlichkeiten: der Vorraum des Ritterfaales
folle die Namen aller Burggrafen von Karls-Tein auf-
führen und die noch vorhandenen Portraits derfelben
aufnehmen; der Ritterfaal fclbfl die Käften der Karls-
Teiner Vafallen mit ihren Rüftungen, Wappenfchildern,
Waffen; das Audienzzimmer des Kaifers wäre mit jener
Zeit entflammenden Einrichtungsftücken auszuftatten;
in den beiden Räumen im Erdgefchoße des hohen
Thurmes wären fchwere Gegenflände aus der Zeit der
Belagerung und Vertheidigung, wie Steinkugeln, Wutf-
mafchinen, in den Räumen unterhalb der Marien-
Kirche Gegenflände für kirchlichen Ciebrauch, Para-
mente, Kirchengeriithe unterzubringen; ebenfo wäre
auf Pläne und Modelle der Bauten Karl IV., auf
Bullen und Abbildungen von Perfönlichkeiten feiner
Zeit, auf Gegenftände der damaligen Kunft und Kunfl:-
gewerbes Bedacht zu nehmen.
Noch ein dritter Vorfchlag kam in Erwägung: die
von Friedrich Schmidt angedeutete Einrichtung der
einlligen Wohn- und Prunkzimmer Karl IV. als fürft-
liche Gemächer, um dem erlauchten Nachfolger dieles
Monarchen die Möglichkeit des Aufenthaltes auf diefer
Burg zu verfchaffen.
Im Frühjahr 1901 geruhten Se. Majeftät Kaifer
Franz Jofeph I. feine Burg Karls-Stein zu befuchen und
allergnädigfl: zu befehlen, dafs die vier aus der Kreuz-
Capelle in die Wiener kaiferliche Gemälde-Galerie
übertragenen Gemälde an ihren früheren Platz zurück-
\'erfetzt werden.
Aus diefem Anlaffe kam die F"rage wegen der
künftigen Beflimmung der Burg neuerdings in Fluß.
Um fowohl für ein Urtheil in diefer Angelegenheit
fiebere Anhaltspunkte zu gewinnen, als um Einficht
in den gegenwärtigen Stand des Herftellungswerkes
zu erlangen, veranflaltete der Präfident der Central-
Commiffion am 13. Üclober 1901 eine commiffionelle
Berichtigung, an welcher mehrere Mitglieder, die Pro-
fefforcn Liintz und Wilhelm Neiimann und die Bau-
räthe Deininger und Hermmm, fowie Vertreter der
Statthalterei, des Landesausfchußes und der kunft-
archäologifchen Landes-Commiffion theilnahmen. Das
Refultat diefer Bcfichtigung war die Conftatirung der
Thatfache, dafs in den letzten Jahren die Zuende-
fuhrung des Reftaurationswerkes, mit völliger Bei-
feitelaffung des Beirathes der Organe der Central-
Commiffion, ja felbfl der für diefen Zweck in Prag
eingefetzten Localcommiffion, lediglich als Sache der
Dicafterialgebäude - Adminiftration und des Statt-
halterei-Bauamtes angefehen und behandelt worden
fei, und dafs daher die Central-Commiffion jede Art
von Verantwortung für das, was in der Zwifchenzeit
gefchehen ift, ablehnen müße. Glücklicherweife war
an die Katharinen-Capelle keine Hand angelegt und
wurde von der Commiffion dafür geforgt, dafs diefelbe
bis auf weiteres völlig unberührt bleibe, auch von — in
dem beengten Raum fchwer zu überwachenden —
Maffenbefuchcn \erfcliont bleibe.
Bei der nach diefer commiffionellen Befichtigung
im Schöße der Central-CommilTion flattgefuiidenen
Berathung wurde von der künftigen Beftimmung der
Burg als Königsfitz abgefehen, da fie in ihrer gegen-
wartigen Gcllalt für die heutigen Bedürfniffe in diefer
Richtung nicht ausreichen würde und daher, um
denfclben zu genügen, durchgreifende Aenderungen
erfahren müßte, die den aufrecht zu erhaltenden Cha-
rakter ihres urfprünglichen Bertnndes wefentlich beein
trächtigen würde. Die Central-Commiffion entfchied
fich fchließlich für den Ä'('^^/'fchen Vorfchlag als eines
Mufeums \'on Denkmalen, Porträts, Urkunden etc. aus
der karolinifchen und diefer angränzenden Zeit.
— 9 —
I.
Inventarifche Befchreibung
der fämmtlichen Karlsteiner Burggebäude und darin befindlichen
Koflbarkeiten, dann Alterthümer zum Behufe der weiteren Auf-
bewahrung und Erhaltung derfelben nach der von dem hohen I;. k.
liöhmifchen Landespräfidium unterm 8. Juli 1837, Z. 4675, dem je-
weiligen Merrfchaft Karlsteiner Pfarradminiftrator und Karlsteiner
Amtsdire(5lor fcln'iftlich hinausgegebenen Inftnnflion.
Durch den Prugcr Erzbifchof Ai nefl ift am 10. Juni 1348 zu dem
auf einem nackten Kalkfelfen erbauten Schloße der Grund gelegt
worden, und diefer Bau ging derart von ftatten, dafs bereits in dem
Jahre 1357 die Einweihung der dortigen Kirchen und Capellen
erfolgte.
Der enge Keffel, aus delTen Mitte fich in einem Umfange von
beiläufig 650 Schritten das Denkmal von Kaifer Karl erhebt, wird von
fünf hohen wellenförmig gelagerten Bergen eingefchloffen.
Um fiii die Krone und die übrigen Schätze einen nach der da-
maligen Befeftigungsart aller Gefahr Trotz bietenden Aufbewahrungs-
ort zu finden, war die natürliche Lage der gewählten Bauftelle
befonders geeignet und diente zugleich als fiebere Freiflätte, damit fich
Kaifer Karl in völliger Zurückgezogenheit feinen geißigen tindfroiiuiicn
Belrnchhtngen widmen konnte.
1. Das Karlsteiner Scliloß befiehl aus vier in drei Ab/heiliniifen nach
Befchaffenheit und Form des zur Unterlage dienenden Berges auf-
geführten Hauptgebäuden und mehreren Nebengebäuden, welche
nach abweichenden Richtungen durch doppelte und felbfl dreifach
angelegte Ringmajiern in Verbindung flehen.
Die mit Schießfeharten verfehenen Ringmauern find durch die
letztvorgenommene Reftaurirung bis auf den in der dritten Abthei-
lung nächft dem Brunnen gelegenen Theil in guten Bauzufland
verfetzt und mit Ziegeln oder Hacken gedeckt worden.
In der oberen Ringmauer vor dem Gebäude des Domdecliants ift
eine Schieflfcharte-Oeffnung von der Art lonftruirt, dafs von dort
in der Diflanz der untern zwei Haupteinfahrtsthore alles genau
beobachtet werden kann, ohne von unten gefehen zu werden.
2. Int Innern des erßen Thores ift die Wohnung des einen Thor-
wächters, beftehend aus einem Zimmer, der Küche nebfl Stall,
überlialb der Einfahrt befindet fich noch ein Zimmer und ein
Vorhaus und ifl theilweife mit Hacken, theilweife mit Schindeln
gedeckt.
3. Links von diefem Thore fleht ein Wachthurni'^ von 3° 10" Länge
und Breite, dann im Mauerwerke 5° 4' o" hoch.
Die UmfafiTungsmauern benöthigen von Innen hinaus eine Ver-
putzung und Pflaflerung, find im Durchnitte 3' ftark; in jeder der
beiden oberen Etagen find fünf gefunde Sturyräme eingezogen,
der Werkfatz neu hergeftellt und die Dachung doppelt auf Kronen-
art mit Tafchen eingedeckt worden.
Nebft der beflehenden einflügeligen Eingangsthüre mit zwei
langen Bändern, (larken Kegeln und Anlegkette befchlagen, be-
finden fich 9 Stück Verfchalungen in den beiden oberen Etagen,
wegen Schließung der Thür- und Fenfteröffnungen, inwendig mit
hölzernen Riegeln verfehen.
4. Das zweite Thor, ober welchem fich die ehemalige Wenzels-
Capelle befand, führt zu dem erden Vorhofe oder Zwinger.
Die einflügelige Abfperrung ift von Holz, an der Anflenfeite
mit ftarkem Eifcnbleche und Schienen befchlagen und mit einem
grofien uralten Schloße fammt SchlülTel verfehen. Der Sturzboden
im Eingangsthore ift blos von Lehm und bcnöthigt eine Ver-
pulzung mit Kalkanwurf
' Nach dein urfprünglichen Bcftande befand fich auf dicfcm Gebäude eine
Thurmaufniaueruiig. Der Bauzufland ifl mittclmaliiß, befonders bedarf die
.äußere Hauptmauer gegen den Graben zu mit Strebepfeiler einer entfprechen-
den Abhilfe, weil das Mauerwerk zerfallt und hie und da zerfprunt;en ift.
Bei genauer Befichtigung diefcs Thores find ungeachtet des
langen Beftandes darauf noch fehr deutliche Merkmale verfuchter
äußerer Gewaltthätigkeit von älterer Zeit fichtbar.
Innerhalb diefer Durchfahrt hängt feitwärts ein eifcrnes Vor-
hängfchlofl fammt einem großen SchlüfTel, welches fonft bei diefem
Thore gebraucht wurde.
^. Die dritte Thoröffnung, welche eine gulhifche Form hat, gewährt
zwifchen der 1° i'g" ftarken Scheidewand, die Communication
zu dem äußerft befchränkten zweiten Burghofe.
6. Von allen Schloßgebäuden ift die ehemalige Citadelle oder der
lioloffale Hauptthtirm das höchfte Gebäude und an dem erhabenften
Punkte des Bergfelfens errichtet. Die Ringmauer um den Thurm
benöthigt von außen eine Verputzung und Ausbefferung, fo auch
die untere Etage des Thurmes, desgleichen die Ringmauer ober-
halb des Wirthshaufes, Kowarna genannt, eine Verputzung von
außen, weil der im Jahre 1837 und 1838 angeworfene Kalk fich
durch die Feuchtigkeit theilweife abgelöst hat. Diefer Thurm ift mit
einer eigenen nach einem Vierecke angelegten Schanzmauer um-
geben, und die an den Ecken befindlichen fünf Wachthürme find
theilweife neu gewölbt und mit Beachtung des früheren Beftandes
decorirt worden.
7. Der T/iurm ift ein längliches Viereck und mißt 13° 4' o" Länge
und 9° Breite, deffen Höhe durch fämmtliche fünf Etagen fammt
der oberen 2' 6" hohen Parapettmauer beträgt 20°.
Die frühere in dem oberen Theile des Gebäudes fich gezeigte
Baufälligkeit ift durch die in den Jahren 1S37 und 1838 bewerk-
ftelligten Bauherftellungen behoben, indem die fchadhaften Wöl-
bungen der Fenfter in der fünften Etage neu hergeftellt und das
Gemäuer von der Parapettmauer auf 6° Tiefe herab, mit einem
neuen Anwürfe verfehen worden ift.
Um zu dem Eingange des Thurmes zu gelangen, muß man nebft
der gedeckten Stiege, welche zur Marien-Kirche führt, an der
gegen die Schlofiauffahrt gerichteten Schanzmauer vorbei, ein
altes zur Aufbewahrung von Glocken vorgerichtetes Wachthaus
paffiren, hinter welchem eine neuhergeftellte hölzerne Nothftiege
mit 29 Stufen befteht.
Die im Glockenhaufe befindlichen und in Benützung ftehenden
Glociien enthalten Infchriften, wovon die größere mit der Jahres-
zahl ibos und die kleinere mit der Jahreszahl 1701 bezeichnet
ift; im Dache diefes Thürmchens fehlen mehrere Tafchen, wegen
welcher eine Ausbeß'erung zu veranlaflTen wäre.
8. An dem Thurme ift ein fteinernes Stiegenhaus angebaut, welches
mittels Ö4 fteinerner unbequemer S" hohen Stufen den Zutritt in
die drei erften Etagen möglich macht.
Um in die vierte Etage zu gelangen, find in der Mauerftärke des
Thurmes Stufen angebracht, und in der vierten und fünften Etage
befteht innen eine Nothftiege, ' die zur Thurmgalerie führt. Der
untere Gang und die verfchiedenen Stiegenarme bis zu der Kreuz-
capelle find mit einer ziemlich erh.altenen Fresco-Malerei verfehen,
welche rechts; Seenen ans dem Leben der heil. Ludmilla, links;
Scenen ans dem Leben des heil. IVenzel vorflellt.
9. In der erßen Etage zeigen ilie dafelbft befindlichen zwei Gemächer,
unter dem Namen Gerichtsßätte bekannt, mit Ausnahme der Ge-
wölbedecken, einen ganz verwüfteten Zuftand ohne Thüren und
Fenfter, denn die Fußböden mangeln gänzlich, auch find die
Seilenmauern in den Ecken fchadhaft. An der Rückwand befindet
fich eine OelTnung, welche urfprünglich als wälfcher Kamin gedient
haben mag.
10. In einem gleichen Znßande befindet fich die zweite Etage, welche
ebenfalls zwei gewölbte'BehältnilTe — Beralhungsfäle genannt —
in fich fafst. Solbft die fteinernen Sitzbänkc in der Fenfterfpalettc
' Die hülzernc Nothfltegc wurde in gehörigen Stand gefetzt und feil-
waris dann unlcrliatb derfelben eine Vcrfchalung angebracht.
xxvm. N. F.
— lO
eines der ftarken eifernen Fenflergitter, ilann die Bogenrippen in
der Gewölbedecke find befchsdigt.
. Die dritte Etage, der ehemalige Aufbewahrungsort der kaiferlichen
Krone, nämlich die KreuzcapcUe trägt Spuren eines ehemaligen
Prachtzuflandes, gegenwärtig aber Zeichen eines minder guten
Bauzudandes an fich.
Die mit vergoldeten Verzierungen belegte Oberdecke, welche
ein gothifcher Bogen in zwei Kreuzgewölbe theilt, hat viele Riffe
und ift durch den Abgang eines groflen Tlieiles diefer Verzierungen
befchädigt. Ebenfo find die Seitenwände vorziiglicli zunächft der
Fenfter fehr fchadhaft, nur der untere Theil bis zu dem Fuße der
gothifchen Bögen, welche mit gefchliffenen Karniolen und
Amethiftagaten, dann Jafpifen ausgelegt ift, erfreut fich bis auf
die einzelnen Stellen, wo die Steine ausgebrochen lind, eines
guten Zuftandes. Oberhalb ift ein hölzernes Täfelwerk ganz morfch
und eingegangen, worin über alle Sei tenwände große Brußgemälde
von Holz eingcfchoben find.
A. Die vier Fingangsthüren, wovon drei mit Eifenblech be-
fchlagen find, befinden fich dagegen noch in einem brauchbaren
Zuftande; nebß den bcßehenden :iwei großen Schlößern find an den
Thüren zur größeren Verwahrung noch eiferne Riegel angebracht.
In diefer Capelle befinden fich eingemattert :
B. Böhmifclie Halbedelfteine':
a) Ob der Tlüir nach der Länge des Sturzes 13 StiicU
b) Im linken Felde der Hauptftirnwand, neben der
Eingangsthiire bis zur linken Seitenwand 208 ,,
c) Im Felde der linken Seitenwand, bis zu dem eifer-
nen vergoldeten Gitter, welches die Capelle in der
Mitte abfperrt 401 ,
d) Im Felde der linken Seitenwand, vom Gitter bis
zu der Fenfterfpalette So „
e) Im Felde der linken F'enfterfpalette 112 „
f) Im Felde der rechtsfeitigen Fenfterfpalette go .,
g) Im Felde der Unken Seitenwand, von der rechts-
feitigen Fenfterfpalette bis zur Hauptftirnwand ... . 6g „
h) Im linken Felde der zweiten Hauptftirnwand bis
zu dem Altar 106 „
i) Im rechten Felde der zweiten Hauptftirnwand,
vom Altar bis zur rechten Seitenwand gg ^
k) Im Felde der rechten Seitenwand, von der
zweiten Hauptftirnwand bis zu der linken Fenfter-
fpalette 102 „
l) In der linken Fenfterfpalette bei dem rechts-
feitigen Fenfter 87 ^
m) Im felben Felde der rechten Fenfterfpalette 84 „
n) Im Felde der rechten Seitenwand, von der rechten
Fenfterfpalette bis zum Gitter 134 ,
0) Im Felde der rechten Seitenwand vom Gitter bis
zur rechten Spalette des unteren Fcnfters 129 „
f) In der linken Fenfterfpalette des rechtsfeitigen
Fenfters liei der Thür 07 „
q) Im felben Felde der rechten Fenfterfpalette 131 „
r) Im Felde der rechten Seitenwand, von der
Fenfterfpalette bis zu der erften Hauptftirnwand. . 136 .,
s) Im rechten Felde der erften Hauptftirnwand bis
zur Eingangsthür 21g „
wonach die Gefaramtzahl der vorhandenen Steine Z2bj Sliiek
beträgt; die Zwifchenräume in den einzelnen Feldern find ftark
vergoldet.
' Nach dem beftehendca Invcntare vom J.-»hrc 1705 ift die Z.ihl der
Steine mit 2419 Stück angegeben, daher find feit jener Zeit 152 Stück bcfeitigt
worden.
Die leeren Räume nach den ausgebrochenen Steinen find
mit Ziegel und Mörtel ausgefüllt und mit rother Farbe über-
tüncht.
Auf 4' Höhe von dem Fußboden anfangend, find die Seiten-
wände mit Oelgemälden verziert, felbe ßellen Kegenten und Hei
lige vor und find auf Holz und bronzirlem Grunde gemalt; an
mehreren befinden fich hölzerne, theils vergoldete, theils ver-
filberle Schilder.
Das für fämmtliche Gemälde an den Wänden beftehendc
hölzerne Getäfel enthält ijj leere Räume, worin fich urfprünglich
nach dem Inventare vom I. März I7g6 gS große, jcf mittlere
(Eekßücke) und 6 Sliiek kleine Gemälde befanden. 1
Gegenwärtig find jedoch blos 93 grofie, 2g FckfUicke und
3 kleine Bilder vorhanden.
Wegen dem vernachläffigten Bauzuftamte des Gebäudes haben
die Gemälde bedeutend gelitten, diefem Uebelftande ift jedoch
durch die bereits früher angeführten liauherftellungen begegnet,
und befonders durch die Inftandfetzung der Fenfterverglafung,
gegen die Einwirkung des Regens und Schnees, die nöthige Ab-
hilfe bewirkt worden.
Infolge AUerhöchfter Entfchließung ift zur Inftandfetzung der
Gemälde in Karlftein eine eigene Dotation erfolgt; zu diefcm
Zwecke wurden im Jahre 1837 von dem Hofmaler Gurk an drei
Gemälden die Mittel zu ihrer künftigen Erhaltung verfuchsweife
angewendet, und zur Fortfetzung des Verfahrens ift der Ueberreft
von 123 Gemälden am 2. Ocflober lS3g miltelft Trägern in die
k. k. Burg zu Prag gebracht worden.
D. Ringsherum von 4' Höhe find in der Mauer ehem.ils ver-
goldete eiferne Stangen mit fpitzigen Sliftchen befeftigt, auf
welclien Stücke Kerzen aufgefteckt werden konnten.
E. Auf gleiche Art befinden fich dort 14 Stitck fchmale läu;
liehe Käßen aufgeftellt, welche mit eifernen Bändern, Schlößeru
und Anlegketten verfehen, die Ecken mit Eifenblech befchlageii
find. Bei einem diefer Käften mangelt das Schlofi und bei einem
anderen die Anlegkette.
In fämmtlichen Käften ift das Holz von trockenem Moder und
von dem Holzwurm ergriffen und zerfällt theilweife.
F. Ein Aichivkaßen von weichem Holze mit acht Abtlieilungeii
und drei Aiilegketten, worin zwei Schubläden fehlen.
G. Zwei Archivkäflen von weichem Holze mit drei Anlegketten,
jedoch ohne Schubladen.
H. Pulpit von Ccderholz, unten acht- und oben viereckig.
I. Skelet vom Kopfe eines Krokodils.
K. ! tne alte kieferne Bettßatt, welche der heil. Ludmilla ange-
hört haben foU.
L. Ein in dof Mitte der Capelle zum Sperren vorgerichtetes und
in den Seitenwänden eingemauertes eifernes,yi'«y? aber ßark ver-
goldetes Gitter, auf welchem fich ein gothifcher Auffatz mit vier
in der Mitte angebrachten Armleuchtern auf vier Kerzen be-
findet.
Zur Zierde waren noch oben zwifchen den Stangen an einem
Drahte hängende echte Steine, wovon nur ein einziger großer
Chryfopras übrig geblieben ift.
M. Auf dem Altare befand fich ein Thiirl ; die Hälfte von einem
Tabernakel, mit dem von Thomas .Mutina gemachten Ecce homo-
Bilde, dermalen fo befchädigt, dafs nur nocli ein Theil des
Kopfes fichtbav ift. Der Kopf und Theil derBruft ift abgeblättert.
Um das Ecce homo-Bild ging ein hölzerner Rahmen, in welchem
auf jeder Seite zwei kleine Gemälde von Heiligen eingefetzt
* Von den fehlenden acht Stück Gemälden befinden fich drei Stück
kleine Gemälde in der k. k. Galerie zu Wien, ein großes Gemälde in der k. k.
Univerfitäts-Bibliothek zu Prag und ein großes (Altarblalt) war fchon zu
B.albin's Zeiten befcitigt gewefen.
1 1
waren; diefe Tabernakelthür befindet fich derzeit zur Reftaurirung
in der k. k. Burg zu Prag.
yV. Drei Stück ßhr be/chädigte höhirne Statuen, wovon die eine
die heil. Gottesmutter, die andere aber Chriftum vorftellen.
0. Zwei alte Leuchter aus Wachholderhoh, auf welchen fich die
von Baibin gemachte und in der Anmerkung zu demfelben er-
wähnte Infchrift befindet.
P. An der rückwärtigen Wand des Hochaltares befindet ficli
die Nifche, in welcher fich die königliche Krone aufbewahrt
befand, und vor derfelben ein eifernes Gitter, flark vergoldet
fammt einem Schlofie und fechs Haken ohne Schlüffel
Q. Zu beiden Seiten des Altares flehen am Fußboden zwei kunfl-
voll formirte Kaßcn mit der Jahreszahl Iül2.
R. Die drei hohen Glasßnßer diefer Capelle beflanden fonft aus
Bernftein, Kaniiolen und Amethiflen, welche in vergoldetem Blei
eingefafst waren, gegenwärtig ift nur noch ein kleines Stück von
einem folchen Fenfter vorhanden, in welchem 99 Karniolen und
Anitthiß-Steine fich befinden. Nach dem Inventare vom Jahre 1812
befanden fich noch in demfelben 63 Karniols und 6g Aiiicthißcn,
daher zufammen 132 Steine, fonach find abgängig:
5. Zivei Stück Doppelhaken.
T. Drei Stück Schaße von Doppelliaken.
U. Eine Armbriifl.
V. Ein Hebel zum Spannen der Arnihruß .
W. Eine eißrne Spitze von einem P/eile.
X. Ein Betßhemel des Kaißrs Karl IV.
Y. Zwei Stück Bretter von Cederhoh mit eingeßtzten Kreuzen,
ein Stück s' Ictng und S" breit. Nach dem Inventare vom Jahre
1812 waren drei folche Bretter vorhanden, daher eines abgängig.
Z. Ein hölzernes Geflell von einer Laterne, ehemals vergoldet.
Aa. Sechs alte Schlüffel; nach dem Inventar vom Jahre 1812.
Bb. Zwei Stücke von einem eißrnen Panzerhemde, das eine von
feineren, das andere von flärkeren Drahtringen, wahrfcheinlich
Ueberrefte von dem bei Hajek vorkommenden sub Pofl Nr. 34
bemerkten Verzeichniffe erwähnten Panzerkrägen des heiligen
Kudolphus und Wenzeslaus.
Cc. Ein auf Papier gedrucktes in einem Holzrahmen ein-
gefafstes Verzeichnis der auf dem Schloße Karlflein befindlichen
Heiligthümer, welches abzufchreiben und dort aufzubewahren
wäre, damit das alte Verzeichnis auf bewalirt werden könnte.
Dd. Der auf Pergament geßhriebene in einem Holzrahmen ein-
gefafste Beßätigungsbrief ühet die im Jahre 1588 vorgenommene
Kevifion der Privilegien fammt Namen und Wappen jener Herren,
denen die Vifitation aufgetragen wurde.
Ee. Ein großer runder fchwercr Stein, welcher während der
Belagerung des Schloßes Karlflein durch das Fentlergilter in die
Kreuzcapelle eingedrungen fein foll, welcher Vorfall durch den an
dem Fenflergitter erlittenen und ficlitbaren Schaden mehr Wahr-
fcheinlichkeit erhält.
Pf Zwei Seiten und ein rückwärtiger 7'lu'il von einer kiefei ncn,
derzeit ganz zerfchnitzten Bettßatt.
\2. Die hölzerne aus vier Armen nebft Gang beflehende Stiege,
welche zur G.ilerie führt, hat gegenwärtig durch Einziehung und
Kefeftigung eines dauerhaften Unterzuges in der oberen Etage,
dann der angebrachten mittleren Unterftützung derfelben, die
nütliige Haltbarkeit erhalten und mittels Auswechslung der fchad-
liaften Stufen und des fonftigen Gehölzes, dann der angebrachten
Verfchalung, ift für ein bequemes imd ficheres Auffteigcn geforgt.
Beim Aufgange diefer Stiege bcnöthigen die vom Winde fammt
eifernen Haken ausgeriflfenen zwei Fenfterläden im Saale der
vierten Etage eine Ausbefferung und Befeftigung.
13. Die Galerie auf dem Tliurme, mittels einer eichenen, mit einem
eifernen Querriegel verfehencn Thür zugänglich, bildet von allen
vier Seiten einen 3I/2 bis 5' breiten Gang, der von einer Parapet-
mauer eingefchloflfen ift und um das an der Stirnfeite mit Feuer-
mauer verficherte Tafchendach herumführt.
Die beftehende Belegung der Plattform mit Gaftorfer Platten in
Kitt ift im Jahre iS37und 1838 gelegentlich der letztvorgenom-
menen Burgarbeiten bewerkftelligt worden. Die eingegangene
Ziegelpflafterung auf der Thurmgalerie ift mittels einer bewerk-
ftelligten verkitteten Plattenlegung ausgewechfelt worden und
beträgt 34 Quadratklafter. Die Dachung ift nach gefchehener Ver-
ftärkung des Werkfatzes mit Tafchen eingedeckt worden.
Gegenwärtig wurde die Verkittung in den Platten theilweife aus-
gebrochen vorgefunden; auch fehlen an der Thurmdachung mehrere
Tafchen und die Parapetmauer, welche mehrere Fugen hat, be-
nöthigt abermals einer Ausbefferung und einer fchrägeren Pflafte-
rung zum belferen Ablaufe des Waffers. Die unteren drei Etagen
des Thurmes find gewölbt und mit feparaten Sturzdecken verfehen ;
die beiden oberften Gefchofiabtheilungen der vierten und fünften
Etage haften blofle Oberdecken, wovon in der vorletzten Etage
noch einige Träme fichtbar find.
Der Werkfatz iß ein ßehender Stuhl, welcher mittels ange-
brachter Bockpfelten und Säulen zur Tragung der Ziegeldeckung
verftärkt worden ift.
Zunächft dem Thurme, jedoch etwas niedriger befteht für fich
ein dreiftöckiges, gleichfalls maffives viereckiges Gebäude, ehemals
die Wohnung des Domdechants oder die vordere Citadelle genannt,
delTen Länge 58' und die Breite 54' beträgt, und im Mauerwerke
eine Höhe von 30' (?) enthält. Der Eingang in die unteren Beftand-
theile ift von dem mit Ringmauern umgebenen Walle; in die obere
Etage führt ein gewölbter Bogengang aus dem fteinernen Stiegen-
haufe des eigentlichen Burggebäudes.
14. Ebenerdig find drei gewölbte Gemächer, welche ehemals als Arreße
— Czerwenka genannt — gedient haben foUen. Außer den Seiten-
wänden und den gewölbten Decken, welche fich in einem noch
brauchbaren Zuftande befinden, ift nun niclits mehr von den
inneren Beftandtheilen zweier Gemächer vorhanden, nur bei dem
dritten Gemache befindet fich eine Eingangsthiir mit Befchlag, die
noch benutzbar ift.
15. Im erßen Stockwei ke war ehemals die Wohnung des Domdechants,
welche aus drei Gemächern beftand. In dem erften Zimmer felill
in dem linksfeitigen Fenfter die Steinplatte bei der Sitzbank der
rechten Fenfterfpalette. Die Ziegelpflafterung in demfelben ift theil-
weife verfunken und fchadhaft, was von der Fäulnis des unterhalb
befindlichen Sturzbodens herrühren mag. Die unverfchalte über-
decke ift mangelhaft und bereits durch Unterzüge geftützt, delTen-
ungeachtet noch immer gefährlich, befonders weil fich oben die
Marien-Kirche befindet und beim Gultesdicnlle fich viele Menfchen
dort verfammcin.
Uebrigcns find die Fenftergitter, Fenfterftürze und Futter theil-
weife gebrochen und man vermifst in den Gemächern die Bau-
Einrichtungsbeftandtheile, als Thüren, Fenfter und Oefen etc. und
als äußere Abfperrung befteht eine hölzerne Thür mit langen
Bändern, Kegeln, Anlegketten und Vorhängfchlofl befchlagen. Um
die Einwirkung der fchlechlen Witterung hintanzuhalten, find die
vier Fenderöffnungen in diefer Elagc jede mit einem vierflügeligen
goleinuen Fenfterläden verfehen, wovon ein Stück in Kalinien, ilie
übrigen drei Stück im Steinfulter mit langen Bändern, Kegeln,
Schubriegel nebft Vorreibcrn befchlagen find.
\b. Das zweite Stockwerk, wozu mit Inbegriff der Zahl im Stiegen-
haufe 80 ftcinernc, jedoch fchon fehr abgenützte .Stiegenftufen
füliren, enthält die Decanalkirche odei» die fogenannte Marien-
Kirche,^ im letzten Stiegenarmc find die Stufen innerhall) der
Mauerftärke angebracht.
' In diefer Kirche findet noch regelmäßig Gottcsdienft ftatl.
2*
12 —
Mehrere Bcftandtheile diefes Behältnifles, dann der aus Ziegel-
pflafter beftelicnde FußlMidtn ifl liie und da befchäciigt und ver-
funken.
Die Wölbung des rcclitsleits dus llochaltares befindlichen
Fenfters ift geborften.
Die beftehende Verrohrung fammt Suirzboden ift erft vor kurzem
zur Ausfühning gelangt, indem die alte Sturzdecke bereits ein-
zuftürzen drohte. Die Stellung der einzelnen Altäre ift gegen
frühere Zeit verfchieden, indem an der Stirnfeite, wo gegenwärtig
der Hochaltar aufgeftellt ift, eine Commuuication mit den von
Kaifer Karl IV'. bewohnten Localitäten beftand.
l") . Sonßif,'e Bezeichnung der einzelnen Gegenftände, welche diefes
Gemach zieren und ausftatten.
A. In der erften Fenfterfpalette rechts neben dem Hochaltare
bei dem Eingange in die Kreuzcapelle erfchienen zehn Stück
böhmifche Jafpis und .Amethyften in der Form eines Mallhe/er-
kreir.es eingemauert.
Nach den mehreren verputzten Stellen ift zu erfehen, dafs
diefes Kreuz in früherer Zeit .lus i6 derlei gefchloffenen Steinen
beftand.
ßö. Die Malerei an den Seitenwänden iß größtentheils ver-
■wi/cht und zeigt Spuren einer fpäter ftattgehabten Erneuerung.
Die urfprüngliche Malerei ftellt Scenen aus dem Leben Maricns
und Ckrißi, fowie aus der Apokalypfe vor, ferner befinden fich an
der rechten Wand neben dem Hochaltare nachftehende Abbil-
dungen in Lebensgröße :
1. Kai/er Karl IV., wie ev feiner Gemahlin Bianca ein Kreuz
überreicht.
2. Kai/er Karl IV., wie er feiner Gemahlin oder feinem zweiten
Sohne Sigismund einen Hing übergibt.
j. Kaifer Karl IV. wie er fich betend vor einem Kreuze beugt.
Cc. An der Wand der Eingangsthür gegenüber ift die heilige
Maria mit dem Kinde Jefu auf dem Arme in Lebensgröße abge-
bildet.
Dd. Im der Kckwand an der Epiftelfeite des Hochaltares ift zur
Aufbewahrung der Monftranze ein Tabernakel von Sandßein auf
gothifche Art mit einer eifernen Thiir zum Sperren eingemauert.
Bei dem Hochaltäre wäre die Communionbank wieder zum
Sperren vorzurichten und das beftehende fchadhafte Schloß herzu-
ftellen, damit die fremden Gäfte bis zum Hochaltare nicht hintrefen
könnten.
Ee. An der Wand unter den Abbildungen des Kaifers Karl IV.
nahe am Fußboden befindet fich ein eiftrnes Thürl zum Sperren
einer kleinen Oeffnung, mittels welcher mehrere Gegenftände in
die Katharinen-Capelle gebracht werden konnten, währenddem
fich Kaifer Karl IV. dort den Andachtsübungen unterwarf.
F. Hinter dem Hochaltäre befindet fich in dem Fenfter eine
runde Glasfeheibe von Glasmalerei, die Verkündigung Mariens
darßellend.
G. Auf dem Hochaltare ift eine gegen 3' hohe alabaßerne Statue
die heil. Mai ia mit dem fefukinde auf dem Arme, oberhalb des
Tabernakel! fichlbar, welche wegen der fchönen Arbeit befonders
beachtet zu werden verdient.
II. Ein meffingencs Reliquienkapfel in der Größe eines Thalers,
eingehängt an der Maria-Statue.
/. Ein kleines filbernes Kreuzel, welches aufgefchraubt und zur
Aufbewahrung kleiner Reliquien venvendet werden kann, im Ge-
wichte von einem halben Loth und halben Quintel angehängt an
der Maria-Statue.
K. Eine Silbermünze in der Größe eines Guldenßückes und im
Gewichte von einem halben Loth und einem Quintel, von Johann
Grafen Mansfcld des Jahres 1670
/.. Von den Kirchenparamenten find alterthümlich fünf Stück
Meßornate, welche jedoch fchon ganz morfch und zerriffen find,
als:
/. Ein aus dunkelbraunem Sammle, mit angenähten gekreuzigten
Jefu- und fechs anderen verfchiedenen Figuren.
2. Ein detto aus rothem Dainafl jedoch blos mit vier Seiten-
ßguren.
j. Ein detto aus blauem Da maß mit neun Figuren.
4. Ein detto aus kirfchrothem Sammle und darin einge-.i'irktem
Goldftoff, worauf heilige Bilder geftickt find.
j. Ein detto aus lichtbraunem gemußerten Sammle mit ein-
gefticktem gekreiuigten Chriftum und fünf Seitenfiguren, ferner;
M. Ein Stück von einem morfchen Meßgewande von grüner und
rother Farbe mit einem eingeftickten Kreuze und fieben Seiten-
figuren.
A'. Ein Stück aus einem alten rothen Sammle, angeblich von
einem Kleide Kaifer Karls IV.
0. Ein Stück Seidenzeug von einem Pluviale mit eingewirktem
Engel, ganz ausgebleicht.
P. Unter dem Chore iß in der Mauer eine Vertiefung, das heil.
Grab vorftellend.
l8. Aus der Marien-Kirche rechts vom Hochaltäre führt eine zweifache
Thür mit Eifenblech befchlagen, durch einen fchmalen Gang in
die Katharinen-Capelle, welche auf Tragfteinen über die Haupt-
mauer der Citadelle hervorfpringt, fonft aber ganz auf der Haupt-
mauer liegt. Die Thüren zeigen einen brauchbaren Zuftand, der
Gang ift aber gegenwärtig mit einem theihvcife verputzten, theil-
weife abgelösten Mörtel verfehen und an den verfchiedenen
befchädigten Stellen fchimmert die alte GoUlverzierung der Wände
hervor.
Die Wände diefes Ganges waren urfprünglich mit Edel/leinen
ausgelegt, die aber von dort weggenommen find und zur Verzierung
der St. Wenzels-Capelle der Prager Domkirche verwendet worden
fein foUen.
Die Capelle lelbft hat ein etwas fchadhaftes Ziegelplhifter und in
der aus zwei gothifchen Kreuzgewölben beftehenden vergoldeten
Oberdecke find feine RilTe, die fich felbft den dort befindlichen
zwei Fenftern mitlheilen.
Die Schlußfteine der Gewölbung find mit echten Edelfteinen
verziert, wovon aber bereits mehrere abgehen. 1 Die Seitenwände
find mit gefchliffenen Karniolen und Amethyßagaten decorirt und
befinden fich bis auf die fehlenden Steine in gutem Zuftande. Die
Verglafung der lieiden Fenfter von gothifcher Form, wovon jedes
im Lichten 2' zur Breite und 5' 6" zur Höhe hat, nebft eifernem
Gitter.
liefondcre Aufmerkfamkeil verdient die an den Fenftern ange-
wendete Kunftglasmalerei, deren Gemälde aus dem alten Teftamcnle
entlehnt und das Leiden Jefu am Kreuze vorftellen.-
In diefer Capelle befinden fich folgende böhniifclie Ilalbedel-
fteine eingelegt, als:
a) Im Thürflocke der Eifigangsthiir find vorhanden . . 18 Stück
b) In der .Stirnwand der Eingangsthür 154 ,
c) In der linken Seitenwand 326 „
d) In der Stirnwand der Altarfeite 1 0 1 „
ej In der Rundung des Bogens der Altarnifche 20 ,
f) In der s^la' dicken Kante des Altarßeines 18 „
g) In der ganzen rechten Seiten-wand 352 „
Die Gefammtzahl der gegenwärtig l)eftehenden uml eingefetzten
Steine in diefer Capelle beläuft fich daher auf 104c) Stück. 3 Ferner
ift vorhanden:
' UnKCz.ntllt.
- Die Kunftglasmalerei ift bereits fchadhaft.
■^ Von früherer Zeit ift der Beftand mit 1145 Stück Steine angegeben,
datier fehlen bereits 96 Stück.
13 —
H. Ein alterlhümliches unten ausgezacktes eifernes Altarglock-
ehen auf vier eifeinen Fiißen.
/. Ein ßlberner niedriger punklirter Becher im Cc^uichte von
7 1/2 Loth.
K. Sechs Stiiclt fonß ßark vergoldete Eiftnßangen, von welchen
vier Stück an beiden Seiten, nach der Länge der Wämle zum An-
halten oder Anlehnen angebracht find.
L. An jedem der beiden Schlußfleine der golhifchen Wölbung
betindet fich eine aus Silber getriebene und vergoldete Rofette von
fiitif Blattern. In diefem Blatte waren 6, und im äußeren Rande 20,
und mit Einfchluß des Mittelßeines j/ böhmi/che echte Edelßeine.
In der Rofette zunächft des Altares find mit Einfchluß des Mittel-
fteines, eines großen Rauchtopafes noch jo Stück vorhanden, i In
der Rofette zunächfl der Thür find mit Einfchluß des Mittellleines,
eines Chalcedons, auf welchem ein Engelskopf erhaben ein-
gefchnitten ifl, noch vorhanden: 2
M. Zwei über j' lange und 2" dicke Holzlatten, von dem Wagen,
auf welchem der Leib des heil. Wenzel nach Prag überbracht
worden ill.
N. Eine ßarke tifernc Fußfchelle mit einer Kette von drei
eifernen Ringen. Nach Baibin foll es eine von jenen fein, mit
welchem die MiiTethSter in dem Kleinfeitner Kerker gefeffelt waren,
vor welchen der Leib des heil. Wenzel bei feiner geheimen Ueber-
führung von Bunzlau nach Prag plötzHch liehen blieb und nicht
eher weiter gebracht werden konnte, bis die Gefangenen auf freien
Fuß gefetzt worden find.
0. Zwei kupferne, emaillirte runde Altarleuc'tier.
P. Ein kleiner AUarftein aus einem rothen böhmifchen Jafpis.
Die Nifche des Altars hat eine fchöne aber befchlidigte Malerei ;
der untere Theil des Altars mit Goldverzienmgen ift aber bisher
gut confervirt. Nebftljei befinden fich darin aufgeftellt:
Zwei hölzerne ganz vermorfchte, kleine längliche Kiißchen mit
Reliqttien, welche ehemals mit rothem .Seidenzeuge bedeckt waren.
In dem linksfeitigen Ijefinden fich das Haupt der heil. Euphemie, die
Beine der heil. Jußine und Margaretha und der Kinnbacken und
der Arm des heil. Bifchofs Burghardt.
Der Deckel von diefem Kärtchen ift verrückt und daher das
Kärtchen zum Theile geöffnet. In den rechtsfeitigen irt das Haupt
und andere Ueberbleibfel des heil. Märtyreri Palmatius.
Q. Zwei hölzerne halbrunde Betfchemel, angeblich von Kai/er
Karl IV. felbrt gearbeitet. Auf dem Dachboden führt die in dem
Mauerwerke fortgefetzte fteinerne Stiege.
Die Eindeckung^ des foeben befchriebenen Gebäudes ift ein
gewöhnliches mit Schindeln befchlagenes Satteldach, auf welchem
fich ein kleiner Glockenthurm erhebt.
19. Mittels des doppelten Uebergangsbogcns und der anftoßenden Stiege
findet die Verbindung aus dem genannten Gebäude in die oberen
Etagen jenes Burggebäudetheiles ftatt, worin ßch die eigentlichen
Wohnbeßandtheile Kai/er Karls IV. befanden und deren Fenftcr
gegen den Ort Budnian iiml das Thal vom Beraunfluße gerichtet
find.
Das Stiegenhaus ift vierarmig angelegt und die fteinerncn Stufen,
welche bis zum Dachlioden führen, find 8 bis 9" hoch.
Die Hauptmauer und die Wölbung des genannten Stiegenhaufes
ift bei Gelegenheit der letztvorgenonmienen Bauherrtellung aus-
gezwickt und mit einem neuen .\nwurf verfehen worden.
20. Das eigentliche Burggebäude befteht aus mehreren Abtheilungen
und hat von den übrigen Schloßgebäuden die größte Ausdclinung
und in den äußeren UmrilTen eine äußerft irreguläre Figur.
' Daher 21 Stück Steine ausgebrochen.
- Ausgebrochene Stellen neun Stück.
' Der Dachftuhl ift in den einzelnen Theilen fchndhaft, die Schindel-
eindeckung dagegen noch in mittcImülMgeni Zuftande.
Durch die feit der erften Anlage in dem Gebäude vorgenom-
menen Baulichkeiten und Reparaturen haben jedoch die einzelnen
Beftandtheile und Abtheilungen eine folche Veränderung erlitten,
dafs fich ihr urfprünglicher Stand und ihre Eintheilung gar nicht
mehr erkennen läfst.
Ehemals follen dafelbft zwei Capellen, 34 Gemächer von
abweichender Größe und zS verfchiedene andere Beftandtheile,
worunter j- Vorhäufer, 6 Küchen, s Gewölbe, 4 Keller,^ Stallungen,
I Schupfe und 2 Arreße begriffen find, beftanden haben.
2\. Diefcs angeführte funfßöckige Gebäude (t. Abthei'.ungi mit Aus-
nahme des halbrunden Anbaues 24° lang und 6° 3' o" mittlerer
Breite hat in die höheren Etagen den Zutritt von unten aus dem
zweiten Burghofe und von oben theils von der Marien-Kirche,
theils von der Dechantei-Wohnung.
E>ie unte'ße Elage^ ift bloß durch eine Quermaucr abgetheilt
und in den beiden Räumen find gemauerte Pfeiler, dann hölzerne
Säulen auf Untermauerung vorhanden, welche als mittlere Unter-
ftützung der Sturzdecke dienen. Die Einwirkung der Lichte
gefchielit mittels der in den vorderen Hauptmauern angebrachten
2' ö" breiten und hohen Oeflnungen, welche mit eifernem Gitter
verfichert find.
Die zweite Etage liegt in gleicher Höhe mit dem zum rteinernen
Stiegenhaufe führenden offenen Gange, welcher auch als Zutritt
in die als Wagen- und Vorrathsfchupfe benützten Räume dient. 2
Die 12 bis 27" breiten und hohen Fenfteröflnungen find
mit eifernen Stäben verfehen, und die bertehenden Sturzträme
find mit Röften gefiebert, welch' letztere auf fünf gemauerten
Pfeilern aufliegen. Der Fußboden irt mit Mauerziegeln gepflartert,
jedoch ftellenweifc fchadhaft.
Die dritte Etage ift aus dem rteinernen Stiegenhaufe zugäng-
lich, und mit der in gothifchen Bogen angefertigten neuen Ein-
gangsthür gelangt man in den Vorfaal, in welchem fich vier Stück
vierßügelige Fenßer mit Verglafung von kleinen Scheiben in Blei
befinden.
Linkerhand führt eine zwcißügelige harte Thür in die Nicolai-
Capelle; die drei Stück vicrßügeligen großen und ein kleines Eenßer
find mit kleinen Scheiben in Blei verglast. 3
Die darin angebrachte Sturzdecke fammt Unterzug, dann die
Wandmalerei fchreibt fich von der im Jahre 1700 unter der Re-
gierung der Kaiferin Maria Therefia rtattgehablen Renoviiung
der Vefte her.
In diefer Capelle bcfin det fich :
a) Die Statue des heil. Xieolai aus Lindenholz gegen 4' lioch
und rtaffirt, angeblich von Sr. Majertät dem Kaifer Karl felbrt
verfertigt. '
b) An der linken Seile nicht weit vom Eingange iß an der Wand
ein altes Altarblatt, beftehend aus dem mittleren Haupttheile
und zwei Seitenflügeln, welche fich in Angeln bewegten. Das
Gemälde ift auf Gypsgrund in Oel gemalt und aus alt-
deutfcher Schule. Das Hauptßück ßellt den heil. Palmatius,
Jefu und den heil. Weitzcslaus vor. 5
Auf den beiden Seitenflügeln, und zwar auf der äußeren und
inneren Seite befinden fich : Die Verkündigung Mariens, Geburt
Chrißi, die Ankunft der heil, drei Könige, die Befchneidung
Chrißi, Jefus am Oelberge. Die Geißelung, Kreuzigung und
Himmelfahrt Chrißi.
' Wird der urfprünglichen Bcftimmung gemäß nis Sttlllung benutzt,
jedoch mangelt den Localithten die gehörige Verwahrung und Bequemlichkeit.
- Die Röfte wurden im Jahre 1838 angefertigt und eingezogen.
' Sturzträme und Roft ift neu beigegeben worden.
* Befindet fich auf dem rechten Seitenaltarc aufgeftellt.
■'■ Diefes Altarbild ift Eigenthum der Budnianer Kirche und auch in dem
Invcntare derfelben cnthahen.
— 14
Anfloßend an der rückwärtigen Slirnwaiul ift in dem halb-
runden Anbau die gewölbte Sacriftei, mit einem 14" breiten und
4' 3" hohen in Blei verglasten Bogenfenfter verfehen und ge-
pflaftert.
Aus dem Vorfaale rechts führt eine einflügelige geleimte Thür
in an geräumiges Gemach mit vier Stück doppelten gekuppelten
Fenfteröffnungen, welche an den drei Wänden vertheilt und mit
angefertigten Bretterverfchalungen gefchloffen find.
Die Deckel ifl ein ordinärer Sturzboden mit einem mittleren
Rolle verfehen. Sämmtliche läeftandtheile find gepflaflert und an
der Stirnfeile befteht eine Communicaiionstluir, welche in den
weiteren fchmäleren Burggebäudetheil führt.
Die vierte Etage hat mit der unleren eine ziemlich gleiche Ein
theilung. indem bloß der Raum der Nicolai-Capelle, oberhalb
mittelfl einer beftehenden Schroltwand in zwei Piegen abgetheilt
ift, wovon erflere gemäß ihrer urfprünglichen Beftimnumg als
Audienzzimmer, und die zweite als Schlafzimmer des Kai/ers Karl
benutzt wurde.
Die Verbindung und der Zutritt in diefe beiden BehältniHTe ifl mit
einflügeligen Pfoftenthüren bewerkftelligt, welche mit kunftvoll
gearbeiteten großen Schlößern verfehen find.
Die Wände und die Decke des Audienzzimmers find mit einem
nach dem ehemaligen Gefchmacke verfertigten hölzernen Tafel-
werke decorirt, wo in der Mitte der einzelnen Felder vergoldete
Knöpfe beflanden haben.
Das anftoßende Schlafzimmer hat eine mit gekehlten Tramen
und Sturzbrettern verzierte neue Oberdecke erhalten.
Das Pflafter fämmtlicher Behältniffe ift mit vcrfchiedenarlig
gefärbten Ziegeln mofaikartig hergeßellt.
Die Hauptmauer des in einem Halbkreife angebauten Thurmes
war in der vorletzten Etage bloß auf die Höhe von 4' vorgefunden
und mit einem Nothdache gefiebert.
Bei der im Jahre 1837 und 1838 vorgenommenen Renovirung
und ilen bewerkftelligten Baulichkeiten wurde das Mauerwerk
und die Dachung des Halbthurmes mit dem Theile des langen
Burggebäudes in gleiche Höhe gebracht und die innere Communi-
cation der beiden Etagen mittelft Ergänzung der früher beflan-
denen 2' 9" breiten fleinerneu Wendeltreppe wieder hergeftellt.
22. In dem 7° s' langen und 4° j' breiten Saal find ig große und fechs
kleine, zufammen 2^ Stück Thürßügel- mit gemalten Wappen,
von jenen Behältniffen, welche in einem für Mannen des Ritters
und Adelftandes beflimmten Saal des tiefer gelegenen Burg-
gebäudes an den Wänden herum aufgeflellt waren und zur Ab-
fperrung der verfchiedenen Waffen dienten, ferner zwei hölzerne
Wagenkaflen von den Zeiten Kaifer Rudolphs II.
Die oberflefünfte Etage iß ohne Sturzdecie mit zwei Schrott
fcheidewänden abgetheilt, mit Ausnahme des gepflafterten halb-
runden Behältniffes find die übrigen Räume, fo auch der große
Speifefaal bloß mit einer geringen Abfchüttung verfehen.
Der Wirkfatz beßeht aus einem liegenden Stuhle, im Jahre 18 1 8
neu abgebunden und die Dachung mit Haken und Preifen ein-
gedeckt, welche kürzlich mit dem erhöhten Halbthurme in Ver-
bindung gefetzt worden ifl. Um bei vorkommenden Reparaturen
eine Communication zu erzielen, wurde nach der ganzen Länge
des Gebäudes eine 3' breite Laufbrücke hergeftellt, welche gleich-
zeitig den Zutritt zu der an der Stinifeite aufgeftellten allen
lifernen Uhr gewährt.
23. Das Domherrengebäude ift ein zweiftöckiges, die zweite Haupt-
abtheilung der Burg bildendes Gebäude, welches mittelft Ein-
ziehung neuer Sturzträme und Anarbeilung einer Sturzdecke,
eines neuen Dachwerkfatzes, dann angewandten äußeren und
' Die Sturzdecken wurden mit Ausnahme der Nicolai-Capelle in den
beiden oberen Etagen neu angefertigt.
' Die as Stück Tliürflügcl waren früher im Vorhaufe.
inneren Mauerverputzes bei den im Jahre 1837 und 1838 ftatt-
gehablcn Renovirungsarbeiten in einen befferen Bauzuftand ver-
fetzt wurde.
Das alte Schindeldach wurde abgetragen und die neue Dachung
mit Ziegeltafchen eingedeckt
24. Gegen Werten fchließen fich an die erfte Burgabtheilung die ehe-
maligen Wohnungen der Burggrafen, Ritler und fonßigen kaifer-
liehen Diener, worin fich auch die oben sub Nr. 4 angeführte
St. Wenzels Capelle befand.
Diefe fämmtlichen Gebäude find ein-, zwei-, drei- und frlbll
vierftöckig und gegenwärtig nach den liedürfniffen der Bewohner
in der Eintheilung gegen früher wefentlich abgeändert.
25. Der an die kaiferliche Wohnung anßoßende fchmälere Theil i(i mit
einem neuen Ilaken- und Preifendach verfehen und wird unten
als Stall, in den oberen zwei Etagen aber gar nicht benutzt. Die
Hauptmauer gegen die Hoffeite mußte wegen Baufälligkeit auf
eine gewin"e Höhe al)getragen werden, und zur Schließung der
äußeren Thür- und Fenfteröffnungen beftehen bretterne Ver-
fchalungen.
26. Der Weiler anßoßi-nde Theil fchließt ebenerdig den Vorhuf in ficli
ein und fafst mehrere Gemächer, welche als Beamtenwohnungeii
und Kanzleien benützt werden.
Mehrere Beftandtheile diefer Gebäude find gewölbt, wovon ficli
jene in der Wohnung des dermaligen Rentmeiftcrs wegen der
eigenen und kunftvollen Strutflur auszeichnen, felbe find in gothi-
fcher Form hergeftellt und mit gerügten (?) Bögen verfehen. Die
Wohnungen und die Amtslocalitäten haben feparate Zugänge und
gegen den Vorhof eine etwas tiefere Lage.
In dem nach den Bergrücken noch tiefer gelegenen Hurgtheile
führt ein Sliegengang, mittels delTen man zu dem fogenannten
W.ifch- und Backhaufe gelangt, welches in feiner Ausdehnung
unbedeutend ift und wegen des verwahrlosten Zuftandes außer
aller Benützung fteht.
27. Rechts von diefem Haufe befindet fich der Brunnenihurnt, welcher
in fich einen im Felfen ausgehauenen 290' tiefen Brunnen ein-
fcliließt; derfelbe ift an der Außenfeite zum Theile nach einem
ganzen Kreife, im Innern aber viereckig angelegt, hält 21' im
DurchmelTer und ift in den Umfaffungsniauern 6' ftark. Die beiden
Fenfteröffungen find mittels zweiflügeliger Vorläden im Rahmen,
mit dem nöthigcn Befchlage verfehen, gefchlofTen. Zum Behufe der
Hebung des WalTers aus dem erwähnten Brunnen befteht ein
großes Trittrad mit einem hölzernen iMmer und Seil.
Endlich befindet fich in der Oberamiskanzlei ein großes Bild
des Kaifers Karl IV. in Lebensgröße und in feinem Krönungs-
ornate, worauf die Vcfte Karlftein zugleich ganz abgebildet ift.
Ferners:
ig Sliick gebundene Bücher in Folio, wovon iS gefchrieben find
und eines gedruckt iß, ehemals dem Karlßeiner Domherrn ange-
hörig.
Diefe fämmtlichen Bücher wurden in die Kreuzcapelle über-
tragen und in die darin sub q angeführten zwei kunftvoU formirten
Karten aufgertellt.
Da fich weiter nichts vorgefunden hat und auch kein Theil
nichts mehr zu erinnern hatte, fo wurden dem gefertigten Karls-
teiner Pfarradminiftralor und Herrfi:haft Karlsteiner Amtsdiretflor
fämmtliche Gegenftände von dem mitgefertigten KreiscommilTär
zur weiteren Aufbewahrung und Erhaltung übergeben und jedem
eine Ahfchrift von diefem Inventar eingehändigt.
Karlstein, am 2. Juni 1S40.
I'rokop Ilaaß m. p., Worel m. p., I'erd. Jitfchinsky m. p.,
Adminiftrat(jr. KreiscommilTär. /itutsdiredttir.
Reifif m. p.,
Aätuar.
15 -
Verzeichnis
über luicliftoheiule Aiflen, welche am heuligen Tage vom Unler-
fertigleii ilem Herrn Architekten Mocker beliufs der weiteren Ueber-
gabe derfelben an den Herrn Oberbauratli Pf. I^rUdrich SchmUlt
übergeben wurden, und zwar:
I. Ein Stück Inventar der Herrfchaft Karlstein und des dazu-
gehörigen Gutes MiUin, in Leder gebunden mit zwei beiliegenden
Anflehten der Burg Karlstein.
n. Ein Convolut Schriften, enthaltend:
1. Eine geheftete Handfchrift, 13 Blatt flark mit der Auffchrift:
„Ideen zur Wiederherftellung des Schloßes KarUtein" ddo. Prag,
iS. Mai 1837 vom Maler Eduard Gurk.
2. Zwei Quarlblätter (vier Blätter) „Bemerkungen über die
bereits projeeflirtcn Baureparaturen des Schloßes Karlstein" von dem-
fclbon. Undatirt.
3. Zwei Quartblätter „Gegenbemerkungen". Ohne Datum und
ohne Unterfchrift.
4. Ein Quariblatt (zwei Seiteni mit der Auffchrift: ..Für den
großen Thurm des Karlstciner Schloßes" von Ed. Gurk, ohne Datum.
5. Zwei Briefe in Quart von demfelben an Se. Excellenz weiland
Oberftlandrichter Baron Heß; einer ohne Datum, der andere vom
iS. Juni 1S37.
0. Ein Manufcript, ein Bogen lacht Quartfeiten 1 flark von dem-
felben ddo. 15.JUU 1837 mit der Auffchrift: , Ideen über eine aus-
gedehnte Reflaurirung des Schloßes Karlflein".
Prag, am 7. November 186Ö.
F. Thiin m. p.
Aus dem Protokolle vom 20. und 21. Auguft 1868.
Am SchluBe der vorflehenden Inventar-Rubriken A. Alter-
thümcr, bewegliche, dann niet- und nagelfefle Gegenflände, und B.
Bilder und Wandmalereien, haben der hochgeborene Herr Griif /-'ranz
Thun und der akademifche Maler Herr Friedrich Wnchsinnnn nach-
flehende Aeußerung zu Protokoll gegeben.
I.
Der Herr Graf Thun bezeichnet es im höchllcn Graile
wüiifchenswerth, dafs erftens die genaue Durchpaufung und Copirung
frtmmtlichcr in den einzelnen Localitäten, namentlich der Marien-,
Katharina- und Kreuz-Capelle noch vorhandenen und doch immer
mch'- leidenden und verfchwindenden Wandgemälde vielleicht durch
Intervention der Gefellfchaft patriotifcher Kunftfreunde vorgenommen
werde; zweitens die genaue Unterfuchung des Zuflandes der im Jahre
1S3Ö und 1837 durch Gurk und nach feiner Vorfchrift (wenn ich nicht
irrei durch Markowsky, wie ich zu befürchten Anlafs habe, keineswegs
in zweckmäßigfter Weife reflaurirten Heiligenbilder Mutina's und
Theodorich's von Prag in der Kreuz-Capelle durch vielleicht von der-
felben Gefellfchaft oder von den Confervatoren beizuziehende Fach-
männer fchlcunigfl veranlafst werde, damit erflcre idie Wandgemälde)
wenigftens in Copien erhalten bleiben und vielleicht auch die letzteren
erneuert werden könnten, den bei den letzteren fHciligcnbilderni lieh
etwa zeigenden Schäden aber thunlichfl fchnell abgeholfen und dem
Fortfehreiten der Schäden vorgebeugt werde.
II.
Herr Friedrich Wachsinann äußert fich nachlleliend :
Die gepflogene Belichtigung und nähere Unterfuchung der
archäologifchen Kunflobjecfle der Burg Karlstein bei der am 20. und
21. Auguft l868 ftattgehabten Revifion und Richtigftellung des Inven-
tares vom Jahre 1840 regt in Betreff der ferneren Confervirung, der
zweckmäßigen Placirung und der vom kunftgewerblichen Standpunkte
aus gehörigen Würdigung der Karlsteiner Kunftfchätze zu einigen
Bemerkungen an, die ich, ermuthigt durch das mir von einer hohen
k. k. Statthalterei gefchenkte Vertrauen, dem neuen Inventar anzu-
fchließen mir erlaube.
In Betreff der Erhaltung können fich hier die Bemerkungen
allerdings nur infoweit auf den baulichen Zuftand der Burg erftrecken,
als diefer unmittelbar auf den Zuftand der Kunftobjec^le Einfluß nimmt.
In diefer Hinficht ift nun vor allem auf den Zuftand des Treppen-
haufes an dem großen Thurme aufmerkfam zu machen, da diefes in
feiner ganzen inneren Ausdehnung einen fo reichen Schatz hiftorifcher
Darftellungen aus der karolinifchen Kunftepoche bewahrt, wie er fo
reichhaltig und wenn auch nicht gänzlich erhalten, doch meiftens fo
deutUch noch erkennbar ift, wie feiten anderswo. Diefes Treppenhaus
ift in allen feinen Theilen von unzählbaren Mauerriffen durchfurcht,
die an manchen Stellen das bedenklichfte Anfehen haben.
Wie weit hier eine faftifche BaufäUigkeit bereits eingetreten ift,
liegt ftreng genommen nicht in meiner Beurtheilungsfphäre, dennoch
fchcint mir der Zuftand gefahrdrohend und wird hier nur darauf
befcheidenthch aufmerkfam gemacht, dafs bei einer möglichft bald zu
wünfchenden voUftändigen Herftellung diefes Bautheiles fchonender
gegen die aUen Wandmalereien verfahren werde, als dies bei früheren
Verputzungen der Mauerriffe ftattgehabt zu haben fcheint.
Selbftverftändlich würde es unausweichlich nöthig fein, eine
neue Baurenovirungsarbeit nur unter ftetem Beifein eines fachverftän-
digen Künftlers und berathendera Verkehr diefes mit dem Baiüeiter
vor fich gehen zu laffen. Der Erhaltung der unfchäfzbaren alten Ge-
mälde (Heiligenbilder) in der Vertäfelung der Kreuz-Capelle ift fchon
vor Jahrzehnten große Aufmerkfamkeit gewidmet worden, jedoch, wie
der Augenfchein jetzt zeigt, nicht durchwegs mit gutem Erfolge.
So erfcheinen mehrere Bilder an der linken Wand hinter dem
Gitter ganz fleckig, welcher Zuftand nur durch die ftattgehabte Reftau-
rirung herbeigeführt wurde. Zeugcnfchaft hiefür gibt der hiebei ange-
wendete Ueberzug, welcher fich heute noch an den Bildern felbft faft
klebig anfühlt, und an der Holzumrahmung wie herabzurinnen fcheint ;
hier wäre möglichft baldige Hilfe nöthig, um diefen traurigen Zuftand
nicht für die Zukunft ganz unverbelTerlich fich einwurzeln zu laffen.
Die ornamentale Decoration der Kreuz- und Katharinen-Capclle,
die in einem fo vollftändig fichtbaren Zufammenhang und folcher Aus-
dehnung der Ausfchmückung innerer RäumHchkeiten aus der Zeit des
14. Jahrhunderts wohl feiten irgendwo wieder vorzufinden fein dürfte,
bieiet fowohl aus diefem Grunde, befonders aber auch wegen ihrer
höchft auffallenden, nur unferem Heimatlande anzugehören fcheinen-
den Eigenthümlichkeiten gegenüber anderen derlei Reften der
Kunftarchäologie, den Künftlern und dem Kunftgewerbe einen
unfchätzbaren Quell des Studiums und der Belehrung.
Ihr heutiger Zuftand ift aber ein folcher, dafs der Befchauer,
ob Künftler, Kunftfreund oder Laie, bei dem Gedanken an ihren
ferneren Beftand mit tieffter Wehmuth erfüllt werden muß.
Die Vergoldungen an den Gewölben und Baugliedern blättern
fich immer mehr ab, find an dem Eifentheile faft überall zum Schmutz
geworden, die erhabenen Ornamente aus Gyps und Kreidemalfe lofen
fich los, die innen vergoldeten Glaslinfen der Gewölbekappen der
Kreuz-Capelle fallen alljährlich mehr und mehr herab, im Sturze fich
zertrümmernd, fo dafs der größte Theil fchon fehlt. Einem gleichen
Ruine gehen die Gewolbekappen in der Katharinen-Capclle entgegen.
Wie die jetzt ftatigcfundene nähere Unterfuchung erwiefcn hat,
waren diefelben urfprunglich mit einem lichtblauen Grunde über,
zogen. Schon in derfelben Bauperiode wurden auf diefem aus Gyps-
malTe gebildete Relief- Kreuzchen, Sternchen und Rofetten aufgefetzt
und darauf die ganzen Kappen vergoldet; die Kreuze und Sternchen,
von unten angefehen, fcheinbar blau angelegt, erzeugen diefe Tau-
— i6
fchung mir dadurch, dafs fich ihre MaflTe vom blauem Grande loslöste,
und herabgefallen, nun in blauer Zeiclinung erfcheinen.
Da auch der übrige Goldgrund in fortwährendem Abblättern
begrilVen ift, fo ift leicht vorauszufehen, dafs die urfprüngliche Anlage
bald nur ein Räthfel fein wird.
Es wird nicht verkannt, dafs die Herftellung diefer Objecfle bei
ihrer Ausdehnung bedeutende Koften veranlalTen würde, dennoch
kann der Nachdruck auf die Dringlichkeit derfelben hier nicht ver-
fchwiegen werden, wenn man die Ehre imd den Ruhm vor der ganzen
gebildeten und Kunftwelt Europas nicht unterfchätzt, einen fo kofi-
baren Schatz des Alterthums in und für unfere Heimat zu erhalten.
Ebenfalls in hohem Grade beforgniserrcgend für den ferneren
Beftand des Holzwerkes in der Kreuz-Capelle ifl der Zuftand der
14 hölzernen Truhen, welche längs der Wände an dem Gitter auf-
geftellt find. Ihr Holzwerk ift zum großen Theile fo vom Wurm zer-
freffen, dafs viele Theile bereits völlig vernichtet find und viele bei
bloßer Berührung zerfallen.
Die Anhäufung diefer Unmaffc des Holzmehles muß den übrigen
Holzgegenftänden offenbar zum höchften Nachtheile dienen, da
hiedurch die Vermehrung und Verbreitung des vernichtenden Infcfles
nur gefördert wird.
Die Entfernung diefer Truhen aus der Kreuz-Capelle ift höchfte
Nothwendigkeit ; da fie aber als ehemaliger Aufbewahrungsort der
Schätze und Privilegien dem ganzen Raum als Schatzkammer das
Gepräge geben und zu den wefentlichften Beftandtheilen desfelben
gehören, fo wäre ihre unmittelbare Erneuerung unabweislich.
üiefe wäre umfo leichter herzuftellen, da das Bretterwerk dieler
Truhen völUg glatt, ohne jeglichen dccorativen Schmuck ift, außer den
Eifenbeftandtheilen, welche, mit Ausnahme ganz unbedeutender Ab-
gänge, wie das Inventar aufweist, ganz wohl erhalten find, und den
neuen Truhen nur in ihrer alten Ordnung wieder angefügt zu werden
brauchen.
Was endlich die Aufbewahrung verfchiedener einzelner Kunft-
und Alterthumsgegenftände betrifft, fo wäre fowohl in Beziehung der
Art und Weife als des Ortes folgendes zu bemerken:
Die zwei Seitenflügel eines Altarwerkes von Mutina lind jetzt
in einem Glasfchranke der Kreuz-Capelle völlig ungenießbar aufgcftellt.
Der Schranken ift zu eng, die Ilolzkreuze der Glasflügel verdecken
faft das Schönfte gänzlich, nämlich fünf an dem einen und die zwei an
dem anderen Flügel der äußerft zart und miniaturartig und meifterlich
gemalten kleinen Figuren. Diefe Flügel wären entweder in einem
neuen geräumigen Glasfchrank oder bei gehöriger Beauffichtigung
vor Bcfchädigung frei aufzuftellen.
Femer find verfchiedene Alterthumsgegenftände, denen die
l'ietät allerdings die Erhaltung fiebern foll, in der Kreuz-C.npelle als
nicht am paffenden Orte angebracht; fie hatten mit der Beftimmung
und mit der Würde diefes Raumes nie etwas zu fchalTen. Diefelben find
zwei eiferne Feldfchlangen, drei hölzerne morfche Gewehrfchäfte, eine
Armbnift fammt Zughebel, ein fkeletirter Krokodilkopf etc. Auch die
zwei fchönen Renaiffance-Käften aus der Zeit Kaifer Mathias, die drei
fchmucklofen Archivkäften und felbft die beiden Glasfehränke mit
vcrfchiedenen Alterthümern und den für die Kunftarchäologie höchft
werthvollen Meßornaten aus früherer und fpäterer gothifcher Periode
können in der Kreuz-Capelle, felbft vor einer völligen Herftellung.
nicht als am rechten Platze angefehen werden.
Zur Aufbewahrung aller diefer und noch anilerer in der lUirg
zerftreut befindlicher Gegenftände wäre ein mit Fenfter und Thür-
vcrfchluß wohl verfehener Raum, an denen die Burg ja keinen Mangel
hat, auszuwählen und zu beftimmen.
Da in der Neuzeit die Staatsbehörden, Landesgemeinden und
Privat-InfHtutionen der Ausbildung des Kunftgewerbes in unferer
Heimat große Aufmerkfamkeit zuwenden, fo fei es erlaubt, noch ein-
mal auf den feltenen Reichthum der Karlsteiner Kunftfchätze hinzu-
weifen und hier namentlich als Quelle für das Studium der Orna-
mcnlik Die Kunftgewerbe finden hier eine reiche Auswahl von
Muftern, unbezweifelt in ihrer Originalität und ihrer Altersftnfe, in faft
jeglichem Material, in Glasmalerei, Schmiede- und Schlofi^erarbeit, in
Holz und Stein, in edlen Metallen, in Schmelz und Email, in Stoffen
und kirchlichen Kunftftickereien, aus den Epochen der früheren und
fpäteren Gothik, der reichen Renaiffance bis zu ihrem Verfall.
Wie wäre es zu wünfchen, dafs die Aufnahme uml Vervielfälti-
gung fo reichhahigen Materiales in Angriff genommen und unterftützt
würde zur Erweiterung der l.chr- und Bildungsniittcl unferer Kunft-
gewerbe und Induftrie. zu gutem und aufmuntermlem Beifpiel gegen-
über immer noch zu häufigem Vandalismus und zu verbreiteter Aner-
kennung der Stellung, welche unfer Land in der heutigen gebildeten
und Culturwelt auch einzunehmen berechtigt ift.
Votum Friedrich Schmidts vom 9. Mai 1869.
Bei der Unterfuchung des hohen Thurmes, in welchem fich die
Kreuz-Capelle befindet, hat fich eine Thatfache ergeben, welche für
den Beftand diefes wichtigften Bautheiles von verhängnisvoller Be
deutung ift. Es weist diefer Thurm mehrere von unten nach oben
durchgehende Riffe auf, durch welche die ganze füdweftliche Ecke
des Thurmes von dem Hauptkörper desfelben gleichfam abgelöst
erfcheint. Diefe Riffe waren mir allerdings fchon früher bekannt,
doch glaubte ich denfelben mit Rückficht auf die koloffale Stärke
der Mauern eine erhöhte Bedeutung nicht beilegen zu müßen, in
welcher Anficht ich auch durch den Umftand beftärkt wurde, dafs
derartige Riffe oft fehr frühe n.ich Vollendung der Bauwerke infolge
der erften Setzung entftehen, womit dann ein für allemal jede weitere
Bewegung abgefchloffen ift.
In dem vorliegenden Falle datiren diefe Riffe zwar auch fchon
aus einer ziemlich frühen Epoche, doch beruht die Urfachc davon
nicht in einer einfachen Setzung des Mauerwerkes, fondern in dem
bedenklichen Umftande, dafs ein Theil des Felfens, auf welchem der
Thurm errichtet ift, fich in eine ftetige Bewegung gefetzt hat und
fonüt folgerichtig die auf ihm laftenden Mauertheile mit fich fort reißt.
Der in feiner Art einzig daftehende Sachverhalt ift folgender:
Der ganze Hügel, auf welchem die Burg erbaut ift, befteht aus einer
grauen Kalkfteinmaffe, welche in durchaus vertical ftehende ein bis fechs
Zoll dicke Platten zerklüftet ift. Diefes verticale Gefüge des Felfens
ftreicht ungefähr in der Richtung von Süden nach Norden, und zwar
genau in der Richtung der an dem Thurme befindlichen Riffe.
Zwifchen den einzelnen Platten ift je ein Zwifchenraum von
einigen Linien bis zu mehreren Zollen, welche mit der Erde aus-
gefüllt find, in welche jedoch natürlich das Wafler eindringt, fo dafs
bei eintretendem Frofte diefe einzelnen Platten, wie die Blätter eines
offenen Buches auseinandergeprefst werden. In den Fällen, wo fich
diefer Wirkung des Froftes eine zu compacte Felsmaffe entgegen-
ftemmt, kann die Ausdehnung des Eifes nur nach oben zu ftattfinden,
durch welchen Umftand die Sicherheit der Burg im allgemeinen
gefährdet ift; in dem ganz fpeciellen Falle jedoch verhält fich die
Sache anders.
Der ganze Felfenhügel, auf welchem die Burg erbaut ift, theilt
fich in vier Terraffen, welche theils von der Natur, theils durch Kunft
gefchaffen wurden ; auf diefen Terraffen find die einzelnen Theile der
liurg nach richtigen ftrategifchen Grundfätzen fo angeordnet, dafs
jeder Theil die anderen behcrrfchte und der am höchften gelegene Theil,
nämlich der hohe Thurm mit der Kreuz-Capelle, durch feine .Stellung
auf einem fteilen Felsabfturze in der Richtung gegen die übrige Burg
noch außerdem eine felbftändige Vertheidigung ermöglichte und fomit
der Befatzung im Falle der Noth als letztes reduit diente. Diefe dem
Zwecke der Burg gewifs fehr entfprechende Anordnung, dafs der
llaujitthurm an den Rand eines fteilen l'elfens von drei bis vier
Klafter Höhe geftellt wurde, hatte jedoch zur traurigen Folge, dafs die
•7 —
Kraft des Eifes fich in horizontaler Richtung geltend machen, die
einzelnen Felsplatten verfchieben und fomit auch die Maffe des darauf
ladenden Mauerwerkes mit fich fortreißen konnte.
Wenn nun auch nach menfchlicher Berechnung der Eintritt
einer Kalaftrophe erfl in ferner Zeit zu befürchten flünde, fofern dies
den eigentlichen Thurm betrifft, fo ifl doch ein kleines, den Eingang
zum Thurme deckendes fehr fchönes Vorwerk, fchon in direkter
Gefahr, indem fich die letzte vorflehende Felsplatte dort fchon ab-
gelöst hat, fo dafs die Flucht des Mauerwerkes mit der Flucht des
Felfens nunmehr vollkommen gleichfleht, und jede weitere fich löfende
Platte diefem Bautheil zum Falle bringen mußte.
Unter folchen Umftänden helfen dann allerdings keine Palliativ-
mittel und würde das Verftreichen der Riffe, fowie das Einziehen von
Mauerfchließen nicht den minderten Sinn haben, infolange nicht das
Ucbel an feiner Wurzel gefafst ifl, und hiezu ifl es hohe Zeit.
Zum Glücke bietet fich ein fehr einfaches Mittel dar, um der
fchädlichen Wirkung der Naturkräfte zu begegnen, welches darin
befleht, dafs durch Anwendung von technifchen Mitteln jedes weitere
Eindringen von Feuchtigkeit zwifchen die einzelnen Fekplatten abfolul
unmöglich gemacht wird.
Zu dem Ende ifl es unerläfsUch, dafs der ganze Theil des
Felfens, welcher fich in Bewegung gefetzt hat, zunächft von der auf-
liegenden dünnen Erdfchichte gänzlich befreit wird. Dann find alle
Felsfpaltcn, welche fich zeigen, fo tief als irgend möglich vollkommen
zu reinigen und hierauf mit einer Betonmaffe aus dem beflen Materiale
volldändig auszufüllen. An derjenigen Seite des Felfens, wo, wie oben
l)emerkt, das Mauerwerk fchon an die äußerfte Gränze desfelben tritt,
erfcheint es unerläfsUch, dafs eine Stützmauer von entfprechender
Stärke aufgeführt wird.
Aus der ganzen Sachlage ergibt fich nun, dafs diefe Arbeit mit
großer X'orficht und unter der Leitung eines tüchtigen Fachmannes
ausgeführt werden muß, da fonfl die Gefahr vorhanden ift, dafs diefe
Maßregel eher zum Nachtheile der Sache ausfallen könnte.
Bei richtiger Durchführung wird jedoch durch diefen Vorgang
bis auf ferne Zeiten jede Gefahr von diefem Theile der Burg abge-
wendet werden.
Römifche Funde in Wien.
Von Friedrich Kenner.
|N der zweiten Hälfte des Jahres igoi war die
Naglergaffe ä\Q topographifch wichtigfte Fund-
ftelle. Als die Häufer Nr. 4 bis 16 (Eckhaus
der Irisgafle) demolirt «urdeii, zeigte fich diefelbe Er-
fcheinung, die im Frühjahre beim Umbaue des Haufes
Nr. 2 beobachtet worden ifl; ihre Fronten in der
Naglergaffe ftanden auf einer römifchen UmfaJJungs-
ijianer von 2 M. Stärke und durchaus gleicher Con-
ftruction; der Kern beftand auch hier aus Bruchfteinen
(Aehrenwerk"), in fteinharten weißen Mörtel gelegt. Die
Mauer ragte der Breite nach zum Theile unter das
Trottoir der Naglergaffe hinein, fo dafs bisher nur
ihre Innenfeite biosgelegt werden konnte. Erft der Bau
des Canales für die iin Umbaue begriffenen Häufer bot
Gelegenheit, auch die Außenfeite (bisher auf eine
Länge von 73 M.) kennen zu lernen. Sie hatte einen
Belag von Buckelquadern, deren unterfte Reihe auf
einem fockelartigen Vorfprung des Kernes auflag. Vor
der Mauer gewahrte man die Bofchung des Grabens;
die Berme war entweder fchon früher zerftört oder eine
folche überhaupt nicht vorhanden. Der Graben zeigte
fich mit Buckelquadern ausgefüllt, die fofort wieder
bauliche Verwendung fanden.
Vor der gegen den Platz „Am Graben" hin liegen-
ilen Ecke des neuen Hanfes Nr. 2 fchnitt die Baulinie
des Canales einen rechteckigen T/iort/nirm, der con-
flru6liv mit der Umfaffungsmauer verbunden war und
die gleiche Bauart, wie letztere verrieth. Bisher konnte
nur feine Breite (5 M. im Lichten) feflgeftellt werden.
Kr fprang yg M, aus der Flucht der Umfaffungsmauer
\'or. Nachll feiner gegen den „Graben" gekehrten
Ecke wurde ein Bruchftück jener Rölirenleitung auf-
gegraben, die man fchon im Jahre 1874 aus Anlaß der
Arbeiten für die Hoch(]uellenleitung vor den Häiifern
Tuchlauben Nr. 2 bis 6 voUfländig im alten Gefüge
erhalten vorgefunden hat, in einzelnen Bruchftücken
aber bis Haus Nr. 12 verfolgen konnte. Ihr Gefalle
ging gegen Außen; an der neuen Fundftelle lief fie an
der Ecke des Thorthurmes vorbei, und zwar in fchräger
Richtung gegen die Wallnerftraße. Ihre Auffindung
allein beweist fchon das Vorhandenfein eines Thores an
diefer Stelle. Sein Verhältnis zum Standlager ift noch
nicht klar und wird mit Sicherheit erft von den Erd-
ai beiten erwartet werden können, welche mit dem
Umbaue des jetzigen Gebäudes des Reichs-Kriegs-
Minifteriums verbunden fein werden.
Die übrigen Funde aus der zweiten Hälfte des
Jahres 1901 betreffen ausfchließlich Fragmente von
Straß enzügett und Gräber.
Von der am Limes hinziehenden Heeresftraße
winden mehrere Bruchflücke aufgegraben, welche
nahezu in der fchon früher vorausgefetzten Richtung
diefes Heerweges liegen. So vor dem Eingange des
Beamtenvereinsgebäudes in der Renngajfe Nr. 14,
wo die ganze Breite der Straße von 7 M. blosgelegt
werden konnte, dann vor Haus Nr. 8 der Schottenbaßei-
gaffe, endlich in der Wiihringerßraße ; in letzterer
konnte beobachtet werden, dafs die Straße unter Haus
Nr. 16, zugleich Nr. i des Schottenringes eine leichte
Krümmung machte, um üatt der bis zu diefer Stelle
reichenden - nordweftlichen Richtung eine nördliche
einzufchlagen. Sie ließ lieh bis zum Gebäude des Che-
mifchen Inflitutes verfolgen; von welchem Punkte aus
fie wieder in die nordweftliche Richtung, gegen das
Garnifonsfpital hin, eingebogen zu haben fcheint.
Auf der entgegengefetzten Seite der Inneren
Stadt wurde zwar nicht der Limes felbft aufgegraben,
doch kamen zahlreiche Gräber in der Richtung feines
Zuges zutage, als die auf die Dominicaner Baflei
führende Rampe zum Theile abgegraben wurde; fie
zeigten fich in einer von der Ecke der Wollzeile auf
20 M. verfolgten Linie, deren Richtung gegen Süd-
orten zielt, und waren alle zerdruckt. Die meiften
fcheinen aus Ziegelplatten beftanden zu haben, doch
fehlten auch ummauerte Grabftellcn nicht. Ihre Tiefen-
lage und die Beigaben, darunter auch Münzen, laffen
XXVIII. N. K.
i8
verfchiedcne Kpocheii der Gräberanlagc erkennen. Die
untere Schichte mit feineren Thon- und Glasgefaßen
gehört nach einer mitgefundenen Münze mit dem
jugendhchen Bildniffe des Kaifers M. Aurel noch dem
2., dagegen die obere Schichte mit gröberem Thon-
gefchirre und einer Münze des Kaifers Gallicnus der
zweiten Ilalfte des 3. Jahrhunderts an. Intereffant ift,
dafs über einem Grabe der älteren Epoche ein Pfcrdc-
grab der jüngeren errichtet war. In einer mit Steinen
lunflellten Grube, deren Boden mit Beton belegt war,
traf man die Refte einer aus Brettern mittelft Eifen-
nkgel zufammengefügten vermorfchten Holzkifte und in
diefer das Skelet des Pferdes nebfi: den bronzenen
Zierftücken, meift Buckeln, feines Gefchirres; hart
nebenan fcheint der Reiter in einem Sarge beigefetzt
gewefen zu fein, der aus Ziegelplatten mit dem Stempel
der XIV. Legion bel^and.
Andere Straßenrefle fand man zwifchen den
Häufern Nr. 12 und 9 der Habsbiirgcrgajfe, nahebei
ein 2 M. hohes, mit Reliefs ausgeflattetes und ganz
bemaltes Grabdenkmal eines Reiters Draccus des
Erften britannifchen Reitergefchwaders zu taufend
Mann, die alle das römifche Bürgerrecht befaßen ; es
ifl: das dritte Denkmal diefer Art, das feit dem Baue
der Stallburg (1559) auf dem ehemaligen St. Michaels-
l'reithof zutage kam. Auch auf dem Neuen Markte
fließ man neben der elektrifchen Bahn auf ein Straßen-
ftück von 21 M. Länge; es ftrich vor der Fronte der
Capuciner-Kirche, 20 M. von diefer entfernt, vorbei In
recht fpäter Zeit errichtet, führte diefe Straße über ein
Steinplattengrab und eine zweite ummauerte Grab-
ftclle älterer Zeit hinweg; beide Gräber waren genau
von Nord nach Süd orientirt, wie die vielen anderen
auf diefem Platze noch in situ angetroffenen Gräber,
während die Straße von Südweft nach Nordoft verlief
Vor der Ecke des Haufes Neuer Markt Nr. i, zugleich
Kupferfchmicdgaffc Nr. i gerieth man auf Refte zer-
flörter Brandgräber; fie bildeten eine 2 M. lange und
35 Cm. hohe Schichte von Kohlen und Afche, durch-
fetzt mit calcinirten Theilen menfchlicher und thieri-
fcher Knochen, Ziegelrtücken der XIV. Legion, Thon-
und Ghisfragmenten verfchiedener Art und Güte.
Andere Gräberfunde boten heuer zwei, fchon von
früher her bekannte Fundftellen, UinvcrfilätsßraJJe und
Poflgaffe. In erflerer fand fich das im „Deutfchcn
Volksblalt" ausführlich gcfchilderte gemauerte Grab
mit Bodenbelag aus Thonplattcn und mit einem aus
Ziegelplatten hergeftellten Deckel; in demfelben lag
ein von Wert nach Oft gelegtes Skelet mit einer Bügel-
hafte aus Bronze. Es ftand am Rande der Parkanlage
vor der Votivkirche, nahe dem Schottenring. In der
gleichen Linie zeigten fich, gegen die Alfervorftadt hin,
Refte zerftörter Ziegelfarge und an einer Stelle, die
etwa 1 10 Schritte von dem obengenannten gemauerten
Grabe entfernt liegt, zwei Beigaben eines vornehmeren
Grabes, ein Ohrgehänge ans Gold und der obere Theil
eines kleinen Glasgefäßes mit eingezogenen Wänden.
In der Poßgajfe, nachft der Mündung der Schönlatern-
gaffe, gerieth man auf ein vollfländig erhaltenes Stein-
])lattengrab mit dem Skelette eines jungen Mannes von
hohem Wuchs. Der gegen Norden gerichtete Kopf lag
auf einem Polfter von Cementguß, der Boden war unter
dem Leibe mit Stein-, unter den Füßen mit Ziegel-
platten belegt. Von den Beigaben ift ein voUftändig
erhaltener Thonkrug von gewählter Form zu nennen.
Eine Anzahl von Ziegelgräbern muß vor der Domini-
caner Kirche bis nahe zur Barbaragaffe beftanden
haben und zerftört worden fein. Es wurde dort eine
machtige Schuttfchichte aufgegraben, die übervoll war
von Ziegelftücken, Thon- und Glasgefaßen und Theilen
menfchlicher Skelette. Vor Haus Nr. 6 der Poitgaffe
kam das Bruchftück einer Mauer aus Bruchfteinen in
Mörtel gelegt zutage, deren Richtung mit jener des
oben angeführten Steinplattengrabes und anderer
früher in der Poflgaffe und am Fleifchmarkt gefundener
wohlerhaltener Särge übereinftimmt, wohl alfo auch
zur Umfaffung einer größeren Grabflelle gehörte.
Aufdeckungen in der St. Georgs-Kirche am Hradfchin.
Von Franz Mach, k. k. Oberingenieur 13. Bericht).
E^5^^M Anfchluße an die Berichte vom 20. November
t^ ^ 1S97 und vom 16. März 1900 wird im Nach-
,l,'y^.»^l, flehenden das Refultat der im Jahre 1900
durchgeführten Aufdeckungsarbeiten bei der Sanft
Georgs-Kirche am Hradfchin in Prag zur Kenntnis
gebracht.
Die Aufdeckungen haben fich auf die (an die Oil;-
feite des füdlichen Seitenfchiffes und des fudlichen
Thurmes anfchließende) St. Ludmilla-Capelle crftreckt.
Zunächft wurde das fchwere auf der Ziegel-
ummauerung der Capclle ruhende Preifendach abge-
tragen, damit die Ummaucrung, welche das alte Werk-
ln mächtigen Maffen einhüllt und überragt, demolirt
werden könne. Diefe Ziegelummauerung ift an der
Oberfläche mit eingeritztem Sgrafittoverputz vcrfehen,
und zwar in Quadrat\'ertheilung, über welchen lunetten-
förmige Verzierungen zum Hauptgefimfe auffteigen.
An dem füdlichen Theile diefer Ummauerung find
in den Lunetten reiche Verzierungen aus Ornamenten,
Blättern und in einem Bogcnfekle ein Uhu mit Papagei
aufgedeckt, photographirt und in Gyps abgeformt
worden.
In der unteren Quadernpartie am olllichen P'cnfter-
pfeiler ift in Sgrafitto die Jahreszahl 1574 eingeritzt.
Ueber diefen Lunettenverzierungen ift das alte gothi-
fche Hauptgefimfe der Capclle als Deckplatten ein-
gemauert und gut erhalten aufgedeckt worden. Im Ver-
laufe der Abtragung diefes Ziegelmauerwerkes ift die
alte Form der Strebepfeiler ficliergeftellt worden; ihre
Formen und Verzierungen find gut erhalten.
Desgleichen find die Leibungen und Rippen der
alten gothifchen Fenfter, durchwegs aus Opukaftein
werksmäßig und rein gearbeitet, aufgedeckt worden.
19 —
Unter Ziegelummauerung befindet fich eine ältere
Ummauerung aus Opukaftein, welche vom alten Hof-
und Gaffenniveau in mäßiger Böfchung bis zum gothi-
fchen Sohlbankgefimfe der Capellenfenfter reicht.
In der Opukaummauerung befinden ficli Bruch-
ftücke von bemalten gothifchen Gewölbsrippen, Maß-
werken, Grabfteinen, Reliefs etc., durchwegs in kunft-
voUer Arbeit aus Opukaftein und gebranntem Thon.
In der Ziegelummauerung find überhaupt keine
Bruchftücke alter Baubeftandtheile vorhanden.
Nach faft gänzlicher Abtragung der Umhüllungs-
mauerwerke, bei proviforifcher Belaffung von zwei
Schutzpfeilern, wurde folgender Beftand der St. Lud-
milla-Capelle und der anftoßenden alten Kirchentheile
in baulicher Beziehung fichergeftellt.
1. Die Capelle unter dem fudlichen Thurme bildet
jedenfalls den alterten Theil der St. Georgs-Kirche,
nämlich die vom Fürften Wratislaw im Jahre 915
erbaute kleine quadratifche Kirche des St. Georg mit
Vorhalle und Apfide. Die Apfide ift an der äußeren
Fläche gegen die GalTe und die St. LudmillaCapelle
als felbftändiger Kirchentheil fichtbar, rein gemauert
und in der Längsachfe des Kirchlcins mit einem voll-
kommen erhaltenen romanifchen Fenfter verfehen.
Auch die übrigen Mauern diefer alterten Kirche zeigen
den Charakter der regelmäßigen Häckelrteinmauerung
des alten romanifchen Styles.
2. An diefes ältefte Kirchlein ift nach den auf-
gedeckten Spuren die jetzige dreifchiffige Kirche mit
Apfiden am öftlichen Ende eines jeden Schiffes mit
öftlicher und weftlicher Krypta und Nonnenchor, vom
Fürften Boleslaw II. und deffen Schwerter Mlada, der
erften Aebtiffin des St Georgs-Klofters, im Jahre 973
angebaut worden.
Dabei wurde der ältere Beftand der alten Wratis-
law'fclien Kirche, durch Anlage des niedrigeren erften
Bogens am fudlichen Seitenfchiffe, fo wie bei Durch-
brechung des correfpondirenden Bogens zur alten
Kirche ausgeprägt, indem diefer letztere Bogen zwar
a.\ial auf die Wölbung desSeitcnfchiffes, aber um 56 Cm.
aus der Mitte der Kreuzwölbung der Wratislaw'fchen
Kirche angelegt worden ift.
Die Krypta der neuen Kirche zeigt noch heute an
der Außenfeite der Mauern einen Sockelabfatz, welcher
46 Cm. unter der äußeren Parapetkante der romani-
fchen Kryptafenfter liegt; bei der anftoßenden Apfide
des Mittelfchiffes befindet fich der Sockelabfatz in der
Höhe diefer Parapetkante.
3. Beim Wiederaufbau der Kirche nach dem Brande
und der Zerftörung während der Belagerung Prags
durch Konrad von Znaym im Jahre 1142 wurde der
füdliche Thurm über dem Wratislaw'fchen Kirchlein
aufgefetzt, und ift die öftliche über der Apfide des
Kirchlcins ftehende Thurmauer durch eine Fntlaftungs-
gurte ifolirt.
4. In der romanifciien Zeitperiode, vielleicht unter
Wladislaw II., ift ferner öftlich vom äiteften Kirchlein
und dem Thurme und füdlich von der Krypta der
neuen Kirche eine romanifche Capelle mit Apfide
felbftändig angebaut worden. Diefe Capelle enthielt in
der fudlichen Hauptmauer, und zwar im unteren Theile
derfelben, zwei kleine rechteckige Fenfterluken und
über denfclben zwei romanifche halbkreisförmige
Fenfter, welche an der äußeren Leibungskante mit
Rundftab verziert waren.
Die Lifene des beftandenen Triumphbogens
diefer Capelle ift an der Nordfeite noch vorhanden.
In der Apfide diefer Capelle ift eine bis zum Pflaftcr
reichende Rundbogenöffnung gegen den alten öftlichen
Friedhof angelegt. Das Pflafter diefer Capelle liegt
78 Cm. über dem Pflafter der Krypta, 47 Cm. unter
dem Pflafter der Kirche und im Niveau des alten öft-
lichen Friedhofes, beziehungsweife des äußeren Funda-
mentabfatzes der Hauptapfiden.
5. Ueber diefer romanifchen Capelle ift in der
gothifchen Bauperiode die gegenwärtige gothifche
St. Ludmilla-Capelle in der Weife aufgebaut worden,
dafs der viereckige Theil der alten romanifchen
Capelle behalten und über der Apfide der polygonale
Chorfchluß mit Strebepfeilern angelegt wurde. Die
Ausführung ift durchwegs aus Opukaftein, und deuten
die Formen auf den Anfang des 14. Jahrhunderts hin.
Der untere Theil der romanifchen Capelle wurde durch
Einwölbung auf Pfeilern mit romanifchen Remini-
fcenzen als Unterlage für das Grabmal der heil. Lud-
milla abgefchloffen, und ift dabei behufs befferer Be-
leuchtung des Raumes an der Südwand die öftliche
Fenfterluke durch ein gothifches Fenfter mit Opuka-
einrahmung erfetzt worden.
Ueber diefem Räume wurde durch den zuge-
arbeiteten Triumphbogen das Capellenviereck ge-
fchaffen und mit gothifchem Gewölbe verfehen, deffen
reichprofilirte Rippen in einen mächtigen Schlußftein
eingefpannt waren.
Der polygonale Chorfchluß ruhte über der Apfide
auf einem mächtigen Steinkranze von 35 Cm. Höhe in
Kreisform, auf welchen fich auch die drei gleich
breiten und ftarken Strebepfeiler ftützten. Im Polygon
befinden fich drei fchmale gothifche Fenfter mit Spuren
von zweitheiligem Maßwerk; an der Südfeite des Ca-
pellenvierecks ift ein breites Fenfter mit dreitheiligem
Maßwerk, durchwegs in Opukaftein rein gearbeitet.
6. Diefer urfprüngliche, reich ausgeftattete und
polychromirte Beftand der gothifchen St. Ludmilla-
Capelle ift durch Berftung der unteren Capellenmauern
und Einfturz des fchweren Rippengewolbes zerftört
worden, und aus diefem Grunde wurde mit großen
Opukaquadern und Bruchftücken der eingeftürzten
Wölbungsrippen und zerftorten Kunftdenkmalen die
erfte gebol'chte Ummauerung des Capellenmauer-
werkes bis zum Sohlbankgefimfe der gothifchen
Fenfter ausgeführt und die neue leichtere Einwöl-
bung der Capelle ohne Schlußftein und ohne Triumph-
bogen, deffen alte Lifenen belaffen wurden, bewerk-
ftelligt.
In diefer Opukaummauerung find die Bruchftücke
der Kippen, des Schlußfteines, der Lifenen- und
Triumphbogenquadern in feiner Ausführung und Poly-
chromirung mit ungeiirochenen Farbentonen, fowie
Bruchftücke von kunftvollen gothifchen Reliefs (Kreuzi-
gung Chrifti, Löwenkopf etc.) gefunden worden.
In diefer Geftalt fcheint fotlann die St. Luilmilla-
Capelle lange Zeit beftandcn zu liaben, und ift das
Aeußerc derfelben mit Mortelverputz verfehen ge-
wefen, was bei i.\cn Abtragungen genau fichergeftellt
wurde.
— 20
7- Eine zweite Kataftrophe ift über die San6l
Georgs-Kirche und namentlich über die St. Ludmilla-
Capeile bei dem großen Brande im Jahre 1541 ein-
gebrochen, nach welcher die ganze Capeile an den
Außenfeiten mit der machtigen Ziegelummauerung,
wie felbe bis heute beftand, umfchloffen wurde.
Die im Sgrafittovcrputz eingeritzte Jahreszahl
1574, welche abgenommen, in Gyps gelegt und auf-
bewahrt wurde, deutet auf die Vollendung diefer Um-
mauerung hin. Das alte gothifche Hauptgefimfe, als
Platte des Renaiffancegefimfes verwendet, ift vor-
gefunden worden.
8. Bei näherer Unterfuchung der öftlichen Krypta
der Kirche wurde durch Abfchlagen des Verputzes
und Befcitigung von Vermauerungen conftatirt, dafs
urfprünglich der Aufgang zum oberen Presbyterium in
der Mitte und der Eingang zu der Krypta an beiden
Seiten mittels Bogenöffnungen angelegt war.
Bei Errichtung des barocken Stiegenaufganges
zum Presbyterium von den Seiten, durch die Aebtiffin
Widmann im Jahre 1732, ift der Zugang zur Krypta in
der Mitte der weHlichen Kryptamauer durchgebrochen
worden, nachdem bei der pompöfen Anlage des Pres-
byteriumaufganges die alten feitlichen Kryptaeingänge
vermauert werden mußten.
9. Bei Ausbefferung des Mauerwerkes im Haupt-
fchiffe wurde an der Nordfeite desfelben in einer
Mauerfpalte ein zufammengefalteter, mit einem Perga-
mentpfeile durchftochener Pergamentflreifen gefunden,
welcher folgende lateinifche Formel enthält:
t In nomine f patris f et filii f
et Spiritus f sancti f
t In monte f Celion f requiescunt
Septem dormientes f Maximianus
1 Martinianus f Malcus f Constan-
tinus t et Dionisius f Seraphion
t et Johannes.
t Domine Jesu Christe liberare
digneris hanc famulam j
Dobrozlauam a febribus
quintanis. Fax j nax vax
sit huic famule Dei remedi-
um Amen.
Diefe Befchwörungsformel der mit fünftägigem
Fieber befallenen Nonne Dobroslawa ift ein höchfl
intereffantes Schriftftück und ftammt der Schrift nach
aus dem 14. Jahrhunderte.
10. In der Steinumhüllung der St. Ludmilla-
Capelle iil; ein altes einfaches Weihwafferbecken aus
rothem Sandftein gefunden worden, deffen kreisrunde
Höhlung mit eingemeißeltem einfachen Kreuze ge-
ziert ilt,
11. Ferner wurde in diefer Umhüllung die Form
des aus Opukaftein rein gearbeiteten und bemalten
gothifchen Maßwerkes der drei offlichen Fenlter der
Capeile gefunden.
Nebfl den reich profilirten vmd durchwegs be-
malten alten Gewolbsrippen der urfprunglichen gothi-
fchen Wölbung der Capeile ill der verzierte Schluß-
llein des Capellenviereckes in kleinen Bruchftücken
gefunden, welche, zufammengekittet, die urfprüngliche
Form des Schlußfleines ergaben.
Die Form des gothifchen Maßwerkes im füdlichen
Fenfter wird jedenfalls bei Abtragung der noch be-
lalTenen Schutzpfeiler der alten UmhüUungsmauern ge-
funden werden.
12. Bei Inftandfetzung der Triforien an der Süd-
feite des Mittelfchiffes ift die gänzliche Aufdeckung
der ornamentalen Malerei auf Opukaftein, fowie der
drei Heiligenbilder auf der Vermauerung diefer Tri-
forien erfolgt. Die Malerei flammt aus romanifcher
Zeit, als die Triforien an der Südfeite auf die Hälfte
der Mauerftärke vermauert waren. Die Leibungen und
inneren Bogenflächen der Triforien enthalten ornamen-
tale Malerei direft auf Opukaftein aufgetragen, und
bietet felbe fchätzbare Anhaltspunkte für die innere
Ausfchmückung der Kirche. An den Füllungsmauern
der Triforie ift auf Mörtelverputz aufgetragen und gut
erhalten: Die F"igur des heil. Petrus (^ganze Statue) im
linken Felde. Die halbe Figur des heil. Wenzeslaus mit
der Fahne im mittleren Felde. Die ganze Figur Chrifti
mit Gloriafchein im rechten Felde. Die drei Bilder wurden
forgfältig abgenommen und in Gyps gelegt, daher
voUftändig erhalten.
13. Bei Ausmauerung der oberen Partien der füd-
lichen vom Brande im Jahre 1541 ftark angegriffenen
Hauptfchiffmauer wurde wahrgenommen, dafs bereits
bei früherer Ausführung diefer Mauer im Innern der-
felben geröthete Opukafteine von früheren Brand-
kataftrophen zur Verwendung gelangt fuid. In diefer
Beziehung werden bei Abtragung der nördlichen
Klofterpartien weitere Anhaltspunkte gefucht werden.
Ausgrabungen im Pettauer Felde 1901.
Von ProfelTor Dr. IV. Gurlitt, k. k, Confervator (vorläufiger Bericht).
M 10. Oflober v. J. habe ich die Ausgrabungen
bei Unter-Haidin mit zehn Arbeitern, dann
16 Arbeitern, wieder aufgenommen. Meiner
Abficht, anfchließend an das von mir in den Jahren
1898/99 entdeckte Mithraeum, füdlich in der Richtung
der von mir gefundenen Straße, des vicus Fortunae,
weiterzugraben, wurde durch den Widerftand des Be-
fitzers zunächft vereitelt. Ich entfchloß mich daher in
dem nächften fudlich anftoßenden Grundftücke (Garten
der Frau Senekovic) zu graben, etwa 30 M. füdlich vom
früher gefundenen Mithraeum. Um 6 Uhr früh begannen
die Ausgrabungen, um 10 Uhr ftießen die Arbeiter auf
Gemäuer und fchon um 2 Uhr nachmittags konnte ich
aus dem erften Fundftücke, das aus der Erde gehoben
wurde, erkennen, dafs ich ein zweites Mithraeum ge-
funden hatte, .seitdem — in der Zeit vom 10. bis
— 21 —
29- Oftober — ift das ganze Mithraeum im Ausmaße
\-on rund l6 M. zu 8 M. aufgedeckt worden. Ms ill; nicht
nur größer als das erftentdeckte Mithraeum, mit dem
parallel es an derfelben Straße lag, fondern auch viel
reicher an Funden. Freilich find diefe Funde nicht in
dem vorzüglichen Erhaltungszuflande, wie im erften
Mithraeum, wieder der Erde entftieL;en, aber fie
erfetzen durch Mannigfaltigkeit, was ihnen an guter
Erhaltung abgeht.
Die architektonifche Einrichtung ift die aller
Mithraeen: um einen vertieften Mittelraum find rechts
und links erhöhte Podien angeordnet. Das Mittelfchiff
ilt durch eine Ouermauer in zwei Abtheilungen ge-
fchieden. In der inneren Abtheilung ift eine vollftändig
erhaltene Brunnenanlage gefunden worden. Vier auf-
rechte Marmorplatten umgeben einen quadratifchen
Raum, auch unten ift eine Marmorplatte mit runder
Oeffnung, durch die das Waffer aufquillt, gelegt; von
oben, von rechts und links ifl für Zufluß des Sickerwaffers
geforgt. Unten gegen Oflen fchließt fich ein aus aus-
gehöhlten Quadern des fogenannten Barbarafteines
wohlgefijgter Canal an, der in feiner ganzen Länge, foweit
er das Heiligthum durchfchneidet, mit Marmorplatten
bedeckt aufgefunden wurde. In der Eingangswand
(gegen Often) find zwei Nifchen angeordnet: vor der
nordlichen liegend wurde eine Säule gefunden, die
offenbar früher in der Nifche aufgerichtet war, mit einer
Weihung an Mithras für das Wohl des Severus, Cara-
calla und Geta: unter und neben dem Infchriftfelde
find Blumenranken eingemeißelt, die aus Vafen auf-
fleigen. Zu beiden Seiten des Mittelraumes find je fechs
Trapezophoren (Tifchfüße) angeordnet: Löwenkopf auf
Löwenpranke. Zwifchen ihnen ftehen die Untertheile
von Altären.
Gefunden wurden ein ganz erhaltenes Relief des
Itiertödtenden Mithras und 26 größere und kleinere
Bruchftücke, die zu Mithrasreliefs von verfchiedener
Größe und Ausführung gehören. Aber das Heiligthum
enthält nicht nur auf den Mithrascult bezügliche Dar-
ftellungen: zwei Reliefs, von denen das eine als Deck-
platte über den Canal verwendet war, und zwei Infchriften
ftammen offenbar aus dem von mir im Jahre 1895 ent-
deckten Heiligthum der Nutrices Augustae, das 500
Schritte in der Luftlinie von unferem Mithraeum entfernt
ifl. Ein Relief: Jupiter und Hercules, beide nackt neben-
einanderftehend, ein plaflifch ausgeführter Wagen mit
zwei Pferden, zahlreiche Torfi, zu großen nackten Ge-
flalten gehörig, die fich von den zahlreich gefundenen
Köpfen, Armen, Beinen und Torfen des Mithras und
Cautes oder Cautopates deutlich unterfcheiden, be-
weifen, dafs bei einer Reftauration, die im 4. Jahr-
hundert vorgenommen wurde, zahlreiche Refte aus
anderen Tempeln zur Wiedcrherflellung oder zum
Schmucke' des Mithraeums herbeigefchafft wurden.
Die Infchriftenfunde ergaben 33 Nummern. Zu
ihnen gehört !. die fchon erwähnte Weihung für das
Wohl des Severus, Caracalla und Geta von einem
Contrafcriptor (Controllor) der Station Atrans (Sanft
Oswald an der Gränze von Krain und Steiermark);
2. eine Weihung für Charidemus, Aug(usti) n(ostri)
(servus) von der statio Enensis (pons Aeni bei Rofen-
heim am Inn); 3. eine Weihung für das Wohl eines
1-1. Jovinus (der Name des Dedicanten fehlt), Pere-
grino et Aemiliano co(n)s(ulibus) aus dem Jahre 244
n. Chr.; 4. eine befchadigte Weihung eines tabul(arius)
und vil(icus) stat(ionis) Conflent(ibus): es ifl Confl(u- 1
entes gegenüber von Singidunum (Belgrad) gemeint an
der Gränze von Pannonia inferior und Mofien. Die
Lifchriften 2, 3, 4 find, wie Material und Buchflaben-
formen zeigen, gleichzeitig, die Infchrift i etwas älter.
Das Heiligthum ifl alfo in den erllen Jahrzehnten des
3. Jahrhunderts n. Chr. erbaut und ifl daher um rund
50 Jahre junger als das zuerfl gefundene Mithraeum.
Neben dem oben befchriebenen Brunnen fland
ein Altar mit 5. der Weihung an den fons perennis —
eben diefe Brunnenanlage — er ifl auch dadurch inter-
effant, dafs er wie Marmor, Buchflabenformen und die
Namen der Dedicanten, Epictetus und Viator, Sclaven
des Zollpächters Q. Sabinius Veranius beweifen, aus
dem erflen Mithraeum flammt und unverändert in das
neue Mithraeum übertragen wurde. Auch läfst fich im
alten Mithraeum noch heute die Stelle beflimmen, an
der der Altar urfprünglich aufgeflellt war. Die übrigen
Infchriften find Weihungen eines mil(es) leg(ionis) II
Ita(licae) und von Privatleuten an Mithras, zwei ent-
halten Weihungen an die Nutrices Augustae, drei ge-
hörten ficher zu Grabfleinen.
Ein intereffantes Fundflück will ich noch erwähnen:
eine ovale, durchbohrte Elfenbeinplatte (tessera), mit
der eingeritzten Infchrift eines Justus, der optio der
cohors II Aur(elia) Dacorum war. Auch der bronzene
Tempelfchlüffel wurde wohlerhalten gefunden, fowie
eine Terracotta-Statuette des auf dem Stier knieenden
Mithras mit voUfländig erhaltener Bemalung.
Befonders reich war der Ertrag an Münzen: gegen
300 Stück, von denen 80 allein innerhalb der Brunnen-
anlage gefunden wurden; foweit ich fie bisher beflim-
men konnte, herrfchen Gepräge aus der Zeit Condan-
tius II. (^323 bis 361 n. Chr.) vor. Ein hervorragendes
Fundflück ifl ein Aureus des genannten Kaifers
(Cohen VI', p. 284 n. 44, aber mit anderen Munzbuch-
flaben im Abfchnitt).
Ich werde fämmtliche Fundflücke, foweit fie trans-
portabel find, in das flädtifche Ferkmufeum nach
Pettau übertragen laffcn und dort in einem geeigneten
Räume fo aufflcllen, dafs das gefammte Heiligthum in
feinen wefentlichen Beflandtheilen wieder in der Form
und Anordimng erfcheint, wie ich es gefunden habe.
— 22
Inventare der Hof burgcapelle in Wien 1532 und 1679.
Von ^. SitteA
XTER deiT Aften und Urkundenabfchriften
über die Burgpfarre und Burgcapelle im Ar-
_ chive des k. und k. Reichs-Finanzminifteriums"
befinden fich mehrere Inventare über feinerzeit vor-
handene Ornate und Kirchenzierden.
Das altefle ift aus dem Jahre 1532 (Abfchrift aus
einer fpäteren Zeit);
eines v. 5 May 1607 (Uebergabe an den neuen
Cuftos Laurenz Dominco);
ein weiteres v. 20. April 1629 (für den neuen
Cuftos Melchior Schneppen);
eines v. i. Martij 1639 und das jüngfte vom Jahre
1684. An der Hand diefes letzteren, das mit dem im
Vicedomamts-Teftament — Vertrag — Vergleich —
Schätzungsbuch 1660 bis 1689 (Seite 408 bis 416),
abgefchriebenen Inventar \'om 7. Juli 1679 völlig über-
einftimmt, wurde ein großer im Jahre 1684 ausgeführter
Raub feftgeaellt.
Die in CurfivSc\\n{t angeführten Gegenftändc
ftellen den Abgang vom Jahre 1684 feft.
Inventar a. ijj2
vermerkht, was für Meßgwandt in der grollen Truchcn,
fo in der Rat Stubn geftandn, geuefen, die von Rab
herauf gepracht, vnnd Inuentirt, auch furter Jacoben
Purckhart dem Cuftos in der Purckh allhie zu Wien zu
nndturfft der Capellen daffelbft zuegeftelt fein worden.
Erftlichen ain Altarturch mit ainem guldin forhang.
it. Ain plab guldin florifirt Meßgewandt fambt
ainer folchen Stollen, Manipl vnd Humeral.
it. Ain Rot Samatein Meßgwandt mit ainem guldin
Khreitz vnd fyben pildern darjnnen, on Zurgehörung.
it. Ain alter Roter Samateinr Leuiten Rockh mit
zuaien guldin Taflyn.
it. Zwen guldin Leuitn Röckh mit guldin leuiten
Tollen.
it. Ain alter Roter feydener Leuite Rockh mit
guldin dradtcn.
it. Ain Rot famatein Meßgwandt mit guldin plue-
men vnnd ainem perlein Khreit/., SloU vnd Manipl.
it. Ain weiß Tamafchtens Meßgwandt mit ainem
alten perlein Creytz vnd ain alten Albin.
it. Humeral mit fdberein Spanngen, Ain Rote
guldine Corporal Tafchen.
it. Zway guldine Khüß, aber albeg die ain fchniel-
1er feytten von grawer feyden gemacht.
it. Ain groffen Khuphrein vergoltn Bifchofllab.
it. Ain weiß Tamafchten Meßgewandt mit ainem
perlein Creytz, Humeral, StoU vnd Manipl.
it. Vnnd vber das ift Ime noch ain Dreueggete
Lafftn mit der Herren Chamer Rate pedfchaden ver-
wart, darinnen ain perleine ynnffi, Clainate Heiligthumb
vnd annders ligt, daffelb alles bey der Capellen, bis
auf erforderung vnd weidterbevelch vleiffig zubehalten
zuegeftellt, vnd vberantwurt worden.
* Herr .•/. Sitte bittet, den Lefern diefer Zeitfchrift mitzutheilen. dafs die
Angabe im Inhaltsverzeichnis XXVII. 1902. S. IV „Alphons Sitte, k. k. Offif.ial"
rii-'htig 711 (lellcn fei in „Alfred Sitte, k. k. ,\fllftcnt".
- Hcrifchnftmactcn 17712 W. Ka*c. 32.
Aftum den Zwainczigiften Tag Marcij Anno p Q\
Im Zway \nnd dreilfigiften.
InventariiDH.
Vber die ornata vnd Kirchen Zierdt in der kay:
Burg Capellen alhier in Wienn, was fich yber die auf
der Hochlöb: Kay: Hoff Cafüer Voterm 4. Decembris
674 vnndt 3. Decembris 675 Ergangenen Verordnun-
gen Befchehener Veränderungen durch thails Hinweeg
Khombener alten: vndt Entgegen l^cyfchaffung Neuer
Sachen anirzo in allem Befundten hat, So in Beifein
deß (Titl) Herrn Herrn Johann Friderich Herrn von
Kriechpaumb Zu Kirch: vndt Hochenberg der Rom:
Kay: May: Rath, Landtrath in Öffterreich ob vnndt
Vicedomben Vndter der Ennß, dann auch deß Hoch-
würdig in Gott Geiftlichen Herrn Hieronymi Genotta
Rom: Kay: May: Eleemosinary vndt Burgg Pfarrern,
Wie auch der Edl vndt Geftrengen Herrn Johann
Ehinger Höchftgedachter Kay: May: Burgg Ziirier-
warthern alhier in Wienn, auch Andrem Troger Cufto-
dio in Gedachter Kha}-: Purgg Capellen, Durch-
gangen: Befchriben: vndt nachmals ihme — Troger Zu
feiner Khünfftägen Verantworttung Eingeraumbt
wordten Wie Voigt:
Erftlichen Ain Silberne Vnd Vergölte Neue
Monftranzen, daran Etwaß mit weifßer Zier, Vndt mit
Stainen verfezt, auf den Fueß Vier Engels Köpf, vnndt
oben auf der Namben Jefus.
Item drey Silber Vnndt Vergoldte Kölch, Sambt
den Paten fo Taglich gebraucht wcrdten.
Mehr Zway Neue Kölch, Silber vnndt vergoldt,
darunter ainer mit ainer weifßen Kappen Sambt den
Paten.
Item ain Ciborium Silber Vnndt Vergoldt fo
Stehts im Tabernackel Stehet.
Mehr ain Silberne Ampi mit drey Kötl, die Stehts
in d Kirchen hangt.
Item ain paar opfer Kändtl fambt dem Blätl
Silber vnndt Getriben arbeith vergoldt.
Mehr ain paar opfer Kändtl fambt dem
Silber vnndt gannz vergoldt.
Item ain Paar Criftallene opffer Kändl in
Eingefaft, vnndt Vergoldt.
Mehr ain Silbernes Glöckhl.
Item ain dreyfaches Capfel Zum H: öU.
Gehet ab:
Mehr ain Facifical Silber vnndt vergoldt mit den
Eccc Homo.
Item ain Silheres Rauchfujl fambt den Schiffet
vnndt Löffel.
Mehr ain Cron von Silber -velche Stets anf Vnfer
Lieben Franen ijl
Item ain Kleines Krändl von Silber auf daß Jefus
Kindt.
Welche Beede C rönnen die Rom: Kay f er in Mar-
garith machen Lafßen Vnndt Stets auf den Bildnufßen
Stehen.
Plätl,
Silber
23 —
Mehr Ein Klaincs Krändl von Silber auf da/I
das 'Jcjuli Kliiiidtel.
Item ain Cron von Gueten Perle7i fo die Kayßcrin
Anna für Vtifer Lieben Frauen Bildtnus machen
Lafßcn.
Mehr ain Klaines Crändl ]'on Perlen, für da/J
Jefus Kindtl auch von d Kayferin Anna.
Item ain Klainodt von Golt mit Vier Robinen Ver-
fest, Vnndt in der Mitten ain Klainer Dicinannt, fambt
Etlichen Granaten an ainer Sehnierl, daran als Kleinodt
Hanget, ivelches die Frau Danina Zlorgin Vnfer
Lieben Frauen Bildtnus VereJiret hat.
Mehr Sechs Möfßinge altar Leichter, fo Stäths anf
den altärn Stehen. Item ain Zinerner Weich Köfßi,
Mehr Zween Schlecht Zünerne altar Leichter.
Item drey Crucifix darunter aines Von Möfßing vndt
Zvvay Von Holz.
Mehr acht auf Silberarth Von Möfßing getriebene,
vndt Verfilberte Bilder, vd Taffein.
Item ain Canon fambt den Johannis Evangelio
vnndt Lauabo, fo in Ramen Eingefofft, Vndt mit getri-
benen Verfilberten Möfßing gezierth.
Mehr drey Möfßing oder Metallene glögl, zur
Wandtlung Bey der Heyl: Meeß Zu gebrauchen.
Z'ivar verhandten aber von dem 66i Jar anfing
abgengig.
Item, fünff Mijkil darauf die Jahr zahl i^p6:,
1616 :, 162p; 1661 :, 16J5: Mehr Zu'o Taffein von Stain,
darauf Gemacht daß Leiden Chrißj.
Item Vier Zinene May Krieg, Sambt dennen Ge-
machten Maybufchen. Mehr auf Atlaß Gemahlen daß
Schwaißtuech Chriftj.
Volgen Hierauf die ornath.
Seindt Zivar verhandten jedoch aller Perlen be-
raubt.
Erßlichen Zzvay Meeßgewändter von Zieratfarben
Goldjlukh, mit Doppeltaffet Gefüettert, Vnndt mit Perlen
Gezierth, darbi/y Zivay Stollen, Zivay Manipl, vnd Zwo
Corporal Tafchen.
abgengieg
Item ain Inphel von Gelben Goldßuckh, durchaus
mit Perlen Gezierth.
iß allein das fuetter Verhandten.
Mehr ain Meeßgcwandt von Grienn Goldßuckh,
mit Goldt, vnd Silber Geßiekht, mit durchbrochenen
Goldt Porten, dabey ein Stollen ein Manipl.
Iß zwar alles verhandten., allein feindt alle Stollen
vnd Manipl von d. filbern brämb beraubt.
Item Ein Schivarz Adles Gejlickhter ornat. alß
ein Mcejjgewandt. mit ain Weiß Silberjtiickhnen Creuz
dabey ein Stoll, ain Manipl. ain Corporal Tafchen, dann
Zween darzue Gehörige Leuitcn R'ockh, mit Ihren
(juafßen fambt am .Stollen, vndt Ztvay Manipl.
Mehr ain Schwarz Geniußert Sametes Meeß-
gezvandt mit ainen Schwarz Silber Jluckheu Creuz mit
Schwarzen Doppel Taffet Gefüettert. dabey ain Stoll,
ain Manipl, dann Zween darzue gehörige Leuitcn
Röckh mit Ihren quaßen ßambt ain StoUn, vnd Zway
Manipl.
Hievon abgengig ein Jloll 2 Manipl, vnd das mcf/l-
gcwandt völlig vbrigens aller bräumb beraubt.
Item ain Griene r ornath von Getruckhten Sani ct.
mit Goldt, vndt Silbern Pojlmen verbrämbt, vnd mit
Doppel Daffet Gefietteri, Alß aiti Meeßgcwandt, Zway
Lcuitteu Röckh, mit ihren quaßen, ain Pluuial mit dem
Schildt, darzue Zivay Stollen, drey Manipl. Zivay
Mißsal Kaff], ain Mifjial Deckhen ain Groß, vnndt
Zway Klaine Antipendia Von dergleichen Samet, Mehr
ain Getruckht Roth Sameter ornath, mit Goldt, Vndt
Silbern Poßmen Verprämbt, Vndt mit Rothen Doppel-
daffet Gefüettert, Al/J Zway Mcejlgcxvändtcr, fambt
Stollen, Vnndt Manipl, Zway Leuitcn Röckh mit Ihren
quaßen, ain Pluuial mit dem Schildt, Von Glatten,
Rothen Samet ain Stoll Zway manipl Zu den Leniten
Röckhen.
Von dießen gehen ab beede antependia vnd mtfsal,
vbrigens der bräumb völlig beraubt.
Item von Sclnvarz Glatten Samet ain Pluuial mit
dem ßchildt, daß fueter aber Zerrifßen, drey Meeß-
geivändter drey Stollen, drey Manipl, ain Grofß, vnd
ain Khlaines Antipendium, ain Mifsaldcckhen, alß mit
Goldt, vnndt Silberen Poßmen Verbrämbt, Vnd mit
Sclnvarzer Leimvath Gefüettert, auch darbey Zway
Mifsal Kiißß.
Verhandten doch aller brännb beraubt.
Ingleichen ain Meergrien Altes Meeßgewandt mit
Getviirckhten Golden, vnndt Seidten blumcn, vnd mit
Goltenparten ]'erbräinbt ßambt Stollen, vnd Manipl.
Mehr ain Meeßgcwandt, 1 'on Schwarz Gemußic rten
Goltfluckh mit Gold in Seiden Eingetragenen Schmer
darbey ain Stoll ain Manipl, ain Corporaldafchen, vndt
ain Antipendium .
Item Von Getruckhten J^eiglhraun Sammet. Ztvay
Meeßgewändter, Zway Stollen, Zivay Manipel mit der-
gleichen färb Doppcldaffet Gefiiettert mit Goldt. vndt
Silber Pofßmen Verprämbt auch dabey Ein Mifsaf
deckhen, vndt ain Corporal Dafchen.
Mehr ain altes Roth domafchces Meeßgewandt
fambt Stollen, vndt Manipl da Bey ein Antipendium
Beede gar Schlecht.
Item ein Neues Roth damafchkhenes Meeß-
gewandt, fambt Stollen, vnd Manipl, mit Leonifchen
Goldt verbrämbt, vnnd mit I,einwath Gefüettert.
Mehr ain Neues Grien damasckhenes Meeß-
gewandt, fambt Stollen, vnd Manipl, mit Leonifchen
Goldt Verprämbt, vndt mit Leinwath gefüettert.
Item ain Blabes mit Silber Vermifchten Zeug
Neues Meeßgewandt, fambt Stollen, vndt Manipl mit
Leonifchen Silber verbrämbt, Vndt mit Leinwath ge-
füettert.
Item ain Roth vndt weißgeblaumbt Terzenellen
Meeßgewandt, Sambt Stollen, Vndt Manipl, mit Grien
Seiden Schnicrcn Verbrämbt aber .Schlecht.
Mehr ain weiß Meeßgcwandt von Damafchkh mit
Gelb Seiden Schnicrcn Verprämbt ain Stoll, ain
Manipl.
Item ain Meeßgewandt von Gelb Spalier Atlas,
famlit .Stollen vndt !\Ianipl, mit Leonifch Silber Ver-
brämbt, vnd mit Gelber Leinwath Gefüettert.
/// Zertrent, Stoll vnd Manipel ab abgengig.
Mehr ain altes weiß Silbcrßuckhen Meeßgewandt
mit Gefärbten Blumen fambt Stollen \'ndt Manipl aber
nit mehr zubrauchen.
Item ain Meeßgewandt von Schwarz Spallier
Atlas, mit Leonifchen Silber Verbrämbt vnndt mit
J4 —
Schwarzer Leinuatli Gefüettert, fambt Stoll, \iidt
Manipl.
Mehr Vier Meeßgewändter Von Türckhifchen
weifßen Silber Stuckh dabey Vier Stollen Vier Manipl
mit Leonifchen Porten außgemacht vnnd mit Lcinwath
gefüettert.
Item Von Türckhifchen Weifßen Silber lluckh,
Vier Antipendia mit Leonifchen Porthen Verprämbt,
vnd mit Leinwath gefüettert, alß ains für den Hochen
Altar Zwa)- für die Scithen altär vnd ains klaines für
•die Credenz.
Item Zuay gar alte Goltlluckhem Antipendia fvir
die Seithen altär mit Rothen Samet eingetragen.
abgetigig.
Mehr ain Klain Aniipendium Roth, in Weiß Goldt-
ftuckli fitr ain Seithen altar.
Item ain Klain Antipendium Von Weiß Silber-
fluckh mit Goldten Blumen, aber gar Schlecht für ain
Seithen altar Zubrauchen.
Mehr ein altes Veiglfarb Damafchkhenes Anti-
pendium mit Grien vnd Blaw Seiden Franzen, für die
Seithen altar Zubrauchen fambt ainen Mifsal Polfler
Blaw vnndt Grien.
Item ain Schwarz damafchkhen Antipendium, mit
Schwarz, vnd Weiß Seiden Franzen, aber gar fchlecht.
Mehr ain klain Klain Antipendium von Gelben
Goldfluckh Rir die Credenz auch gar Schlecht.
abgengig.
Item ain klain Schlecht Grien Antipendium fiir die
Credenz.
Mehr ain dgleichen Schlecht Antipendium Von
Feiglfarben dainafch.
Item ain Schlecht Gelb Antipendium von leiden
parat für die Seithen Altar.
geht ab.
Mehr ain Klain Schlecht Weißgeblimtes antipen-
dium für die Seithen altär.
Item ain gar altes Antipendium Von Gmofierten
(gemufterte«) Rothen Samet für die Seithen altär.
ifl beraubt.
Mehr ain Gelbe Goldtßückhene Mifsaldeckhen.
Item ain Rothfarriete Miffal deckhen Mehr ain alt
Rothfametes Mißal Küfß.
Item ain Grien Samete Mifsael deckhen, Mehr
Zway Geftickhte Kufß, mit Goldt, vnndt Silber Ge-
ftickht, vnd mit Schmekhend Materj gefult.
Item ain Schwarz damafchgen Mifsal Küfß vnndt
ein Corporal Tafchen.
Nun Volgen die Kolchdiechel.
Erftlichen ain Rothcs Kölche Tiechl mit Vndter-
fchiedlichen färben außgenäth, fo frau Raineracherin
Verehit hat.
gehet ab.
Mehr ain Roth, vnnd Meergriten Kölchtiechel, mit
Leonifchen Spizen.
Item ain Pferßigblüefarbs Kdlchtiechcl mit Leo-
nifchen Spizen.
iß d Spizl beraubt.
Mehr atn Blaw Alußertes K'olchdirchl mit Goldt
\ 'ndt Silbern Spizen.
eilt altes abgengig.
Item Vier Rothe Taffete Kölchdiechl darundter
ain Neues.
Mehr Zway feiglfarbe Daffete Kölchdiechl Mehr
ain Grüenes vnd in Strickh mit Goldt. vnd .Silber
darein Genäthes Kolchdiechel.
eines abgengig.
Mehr drey Schwarz Taffctc neue Kolchdiechel, mit
Leoni fclie7i Spizen.
Item Zwa\- Neue weiß daffete Kolchdiechel, mit
Leonifche Spizen.
Mehr ain Neu Griendaffetes Kolchdiechel mit
Leonifchen Spizen.
Item ain Neu Blaw Taffetes Kolchdiechel mit
Leonifchen Spizen.
Mehr Zway Schwarze Kolchdiechel aber gar
Schlecht.
Item ain außgenäthes Kolchdiechel, Von Lein-
wath,
eines abgengig
Mehr s'tvay -weifße Kolchdiechel von Atlas mit
Goldten Spizen.
Item ain feiglfarbes Vellum, Von Toppeldaffet
mit goldenen Spizen.
abgengig
Mehr ain dergleichen Velum ohne Spizen.
Item Zway Roth äatnafchgene Gefchirpte Pult-
bectlideckUen. vmb vnndt l'mb mit Roth, vnnd Weiß
Seiden franzen.
Mehr ain Weifße Corporaltafchen.
Item funff Mifsal Pölfter, auf ainer Seith von Weiß
Turckifchen Silberftuckh.
Mehr, ein Roth, vnndt weiß Mifsal Khüfß von
Atlas, Vnndt damaßg.
abgengig
Item ain alte Corporaltafchen darauf der Nomben
Mariae mit Silber Geßickht.
Voigt Hernach vnßer Lieben hauen vnd deß Jeßus
Khindt Bekhlaidung.
hievon d fchlaye abgengig, vbrigen aller brämb
beraubt
Erfllichen ain zveiß Silberßuckhen Neuer Rockh,
mit Goldt, vndt Silber Pofhnen Verprämbt, fambt den
Schlayr, oder Mantel, wie auch daß fefus Röckhl,
Welches die Käyßerin Margarita Verehret Hat.
Aller bräutnb beraubt.
Mehr ain Rockh von Erhebt: vndt Gebliemtten
Goldßuckh, Vorherab mit 4. gölten Parten Auf der
Seithen mit 2 gölten Parten I 'crprämbt.
d Rockhl gehet ab, fonflen auch aller bräumb be-
raubt.
Item ain 'weiß Silberßuckhen Rockh, fambt der-
gleichen jfefus Röckhl, alle Beede tnii 2 gölten bertl
Verbrämbt.
Mehr ain Rockh \on Leibfarben.
gehet alles ab.
Goldtßuckh, fambt dergleichen Jefus Rockhl, Beedc
l inb, vnd Vmb, mit durchfichtigen Goldten Parten
I 'erprämbt, welche die R'omifchc Kayfcriu Anna Ver-
ehrt hat.
Item ain Weifßer Schiair mit Silber Eingetragen,
auch \on Bemelter Kayferin.
— 25
gehet ab.
Mehr Zway mit Goldt Geflickhte Jefus R'öckhl.
Item Zway Fliigl von Turckliifclien Silbcrfliickh,
an Stath aines Schlayrs, auf ds Marien Bildt mit
Goldten Spisen.
Mehr Zway Rotlie Flügl mit Leonifchen Silber
aufgemacht.
Ingleiclien ein Röckhl yber ds Ciborium, yber vnd
yber mit falfcheii Perlen Gezierth.
Hierauf Voigt daß Leingewandt.
Ertlichen Von Neuen Gemacht wordten 8 yber-
leg, oder Altar diecher, mit Spizen, Zway für den
Hochen Altar. 4. für die Seithen altär, vndt 2. fiu- die
Credenz.
5 Almb mit Spizen.
6 Almb Gürttel.
4 Handtiecher.
12 Purificatoria.
8 Huirieral.
I Corock mit Spizen.
4 Corporal mit Spizen.
8 facinet mit Eckh Spizen.
Volgen die alten .Sachen.
Hievon Zwey abgengig.
j Almb von Schiair, mit Porten vndt Spi::cn,Jdnibt
den Humerali, darunter aine gar Schlecht.
20 Andere Almb, darunter 10 Gebefßert, Vnndt
andere Erbl Eingefezt wordten, dn. 1 1 mit Spizen vndt
9 ohne Spizen.
16 Humeralien fo noch zubrauchen feindt.
4 alte almb Gürtl, aber noch Zugebrauchen.
3 Coröckh Zween mit Spizen der dritte ohne
Spizen aber noch ganz Güet.
4 alte Handtiecher.
4 Corporal mit Spizen
26 Purificatoria
3 yberleg von Schlayr, fo noch zu brauchen, aber
gar Schlecht.
10 Andere Leinwathene yberlegen, welche noch
Zubrauchen, aber Schlecht.
alles abgengig.
8 Siibßratoria darunder ain Neues, mit Grofßen
Spizen, zvelches die Rom: Kayfcrin Margaritta ver-
ehrt hat.
Zway Türckhifche Diecher Von Schlayr.
8 Palla.
14 alte facineth.
abgengig.
I Palla, darauf der
Perlen Geßickht.
Namben Jefus mit Klein
Aniezo Volgen die Alte Biecher.
Erftlichen ain Groß altes breuier, de äö 1574.
Item ain Gradual Buech de So 1580.
Mehr Zway Grofße Bfalteria Eine.s de 3<5: 1543
daß andere de aö 1571.
Item ain Groß Gefchribenes Buech.
Mehr ain Antiphonarium in Zwayen Blechern, alß
Sorner vndt Winterthaill Beede de äö: 1573.
Zu Urkhundt feindt dißes Inuentary Vier Gleich
Lauttendte Exemplaria aufgericht Jedwedes mit Vor-
gemelter Vier Herrn, vnndt deß Cuftodis Trogers,
Handtfchriifft, vnd Pettfchafften Verferttiget: aines
Hiruon, der Hochlöbl. Khay: Hoffcainer daß andere
Herrn Vicedomp, daß dritte Herrn Burg Pfarrer vndt
daß vierdte dem Cuftodj Troger Zuegeftölt wordten
aftum Wien den 19. oftobris 676
Jo: Fridt: H: V: Kriechpaumb Frh. (L: S.J
Vicedom
fL: S:J Johann Offter- fL: S:J Att^Sour: Genoua
mayr Kay: Hoff Purggraff
fL: S:J Andreas Troger
Cuftos d Kay: Hoff-
Capellen
Aulae Dom:
fL: S:J Johann Ehinger
Kay: Hoff Purgg Zimer-
warter
Den 7. July 1679 ift in Beyfein Vnfer Hier Vnd-
fchribenen die Kay: Burgg Capelln, vnd deren Zueg-
gchör auf Ein Neues Inuentiert: nach dißem Vorfte-
hendten Inuentario alles Richtig Befundten, vnd dem
Neu Refoluierten Cuftodj, Michaeln Troger yberant-
worttet wordten.
A6lum ut Supra
Joh: Frid: H: V: Kriechpaumb Frh. fL: S:J
Vicedom.
fL: S:J Petrus Parent
de Clerfort
Kay: Hoff Burggraff
fL: S:J Michael Trogr
Cuftos d. Kay: Hoff-
Capellen,
fL: S:J Joannes Gergio
Cennger
Kay Burgg Pfarrer vnd
Thumbherr bei St. Stephan
fL: S.J Johann Ehingr
Kay: Hoft' Purgg Zirner-
wartter.
Kunfttopographifches aus dem oberen Eifack- und dem
Pfitfcherthale.
Von Joliann Deininger.
ON der Paßhöhe des Brenner dem Laufe des
lufack in füdlicher Richtung folgend, gelangt
man durch eine fcharfe Terrainfenkung hinab
an die Mündung des Pflerfchthalcs. Hier liegt 1 100 M.
über dem Meere die alte Ortfchaft Gojfenfafs. Der zu-
nehmende Fremdenverkehr Tyrols hat diefcn Ort zu
einer beliebten Sommerfrifche geftaltet, wovon man-
cherlei Veränderungen an den hier noch beftehenden
alten Knappcnhiiufern datiren, welche anfangs des
16. Jahrhunderts entftandcn find, als in jener Gegend
der Silberbergbau emfig betrieben wurde. Nur einzelne
Theile der maffiv gebauten ehemaligen Wohnhaufer
der Knappfchaft mit ihren fpitzbogigen Thoren, über
welchen nach alter Gepflogenheit Erzftücke einge-
XXVIII. N. F.
26
mauert wurden, find auf unfere Tage erhalten ge-
blieben.
Die St. Barbara-Capelle , ein ehrwürdiges kleines
Baudenkmal am Nordende der Ortfchaft, ill hingegen
wenig verändert worden. Diefe Capelle wurde 1510
von der Bruderlade der Knappfchaft erbaut, nach Auf-
lafTung der Erzgruben vernachläffigt und im Jahre 1786
gcfchloffen. Die Gemeinde Goffenfafs, welcher 1852
diele Capelle überlaffen wurde, hat fic im folgenden
Jahre wieder in Stand gefetzt.
Das zweigefchoßige Bauwerk (Fig. i, 2) ifl zum
Theile an einen Felfenhügel gelehnt, zum 1 heile auf
diefem errichtet. Das Untergefchoß enthält die Grab-
capelle, welche gleich der darüber gelegenen Capelle
einen quadratifchen Raum mit drei angefetzten Acht
eckfeiten bildet. Das Gewölbe der Grabcapelle ftützt fich
inmitten des Raumes auf einen kräftigen Rundpfeiler.
Zu diefem Räume führt zunächft eine Steintreppe von
dem das Bauwerk umgebenden Friedhofe. Auf der
Freitreppe weiter anfteigend, gelangt man zum oberen
Capellenraume, welchem eine Vorhalle angebaut ift.
Letztere ftanmit mit Ausnahme des der urfprünglichen
Fig. I. (St. Ilarljara-Capelle bei Goflenfafs, Giundrifs.)
Vorhalle angehörigen gothifch profilirten Thorpfeilers
bei /^ (Fig. i) aus fpnterer Zeit. Auf dem Pfeiler P ift
folgende Infchrift eingemeißelt:
„Dife Capell Ifl geweicht in der er (zu Ehren) der
edlen Junckfraw Sand (Sanft) barbara. 15 10".
Das fpitzbogige Capellenportale, gleich dem vor-
benannten Pfeiler aus weißem Ratfchingfer Marmor, ift
vortrefflich erhalten. An der reich profilirten Leibung
find beiderfeits Wappen der Knappfchaft, am Bogen-
fchluße ein menfchlicher Skeletkopf mit Schlange en
relief gemeißelt und über letzterem ein Band mit der
Jahreszahl i 5 10.
Im Chore befindet fich ein fchöner gothifcher
Flügelaltar aus der erllen Hälfte des 16. Jahrhunderts,
welcher vor einigen Jahren mit Verftändnis reftaurirt
wurde. Diefer Altar fchließt nach oben kielbogenförmig
mit reichem Ornament-.Schnitzwerk und einer Kreuz-
blume ab. Im Schreine entliält er Holzftatuettcn, welche
die Heil. Barbara, Laurentius und Sebaflian darfteilen.
Die Reliefs an den Innenfeiten der Altarflügel verfinn-
lichen die Vermählung Mariens, die heil, l'amilie und
den Tempelgang. An den Außenfeiten der Flügel
ftellen Gemälde die Befchneidung Chrifti, die Dar-
bietung im Tempel, die Anbetung der Könige und den
Chriftusknaben im Tempel dar. Diefe Gemälde find
künltlcrifch weniger bedeutend als die auf Goldgrund
gemalten Bruftbilder der heil. Barbara und der heil.
Katharina, deren Entftehung fchon vor jener des
Altares zu datiren fein dürfte.
An einer Chorwand findet fich noch ein Fresco,
welches den Tod Mariens, darunter den Donator mit
fünf Söhnen und deffen Gemalin mit vier Töchtern
darflellt. Hier ifl die Infchrift: „Lienhart pharkircher
diefer Kappeln Pauwmeefler 15 15"' beigefügt.
Der Weg von Goffenfafs nach Sterzing in dem
engen Thale des Eifack führt an der örtlichen Berg-
lehne zur Ruine Straßberc:, vermuthlich einer ehe-
Fig. 2. (St. Barbara-Capelle bei Goffenfafs, Außenanficht.)
maligen Thalfperre oder einem Poflenthurme, deren
Bergfried gefchwcifte Zinnen nach Art iler lombardifch-
mittelalterlichen Thurmbekrönungen trägt, welche in
neuerer Zeit mit einem Pyramidendachc überdeckt
wurden.
An der wefllichen Berglehne findet fich an der
Außenfeite eines zum Weiler Ried gehörigen vereinzelt
flehenden Bauernhaufes ein italienifches Fresco aus
dem 15. Jahrhunderte. Es ifl gefchirmt durch das weit
ausladende Rottdach des Haufes und deshalb noch
ziemlich gut erhalten. Diefes an der alten Heerftraße
gelegene Wandgemälde enthält innerhalb einer recht-
eckigen Umrahmung in vortrefflicher Ausführung die
^ Dlcfc Infchrift in.ig Tinkhau/fy vcrlfitcl hallen in feiner Befchieibmig
der Diocefe Brixen das Jahr 1515 als jenes der Krbauung der Capelle anzu-
fetzen; dem widcrfpricht die Jahreszahl „1510" an dem Vorhallenpfeiler und
ani Portale.
— 27
Figur St. Chrifloplis, des Patrons der Wanderer, und
des St. Jacobus. Ueber diefen Figuren ill: ein gothi-
fcher Baldachin gemalt. Man hat hier muthmaßlich das
Werk eines jener tüchtigen Wandermaler vor fich,
welche zu jener Zeit an der Ausfchmückung des
Kreuzganges am Brixener Dome thätig waren.
Die am jenfeitigen Flußufer gelegene kleine Kirche
des Weilers Ried flammt aus dem Jahre 1669 und ift
im deutfchen Style jener Zeit gut erhalten geblieben.
Von den drei Altären diefer Kirche ift der Hochaltar
durch fchönen Aufbau und figuralen Schmuck be-
merkenswerth.
Auf der Straße gelangen wir weiter zum „alten
Zoll", einem Gebäude, das einft Edelanfitz war und
gegenwärtig als Bauernhaus dient. Zwei rechtwinklig
gegeneinander geftellte Gebäudeflügel mit zwei zinnen-
bekrönten Mauern umfchließen einen kleinen Hof. Diefe
Bauanlage ift völlig verwandt mit jener der kleinen
landesfürfllichen Burg zu Meran. Der rechtwinklig an-
l'ig. 3. (Giundrifs der Pfarrkirche in Sterzing.)
gelegte Erker mit Spitzgiebel an der Straßenfront ill;
mit fchönen Fenflergittern geziert.
Das im weiten Thalkeffel gelegene Städtchen
Sterzing, wo fich das Ridnaun- und das Pfitfcherthal
von dem Eifackthale abzweigen, ift reich an kunft-
hiltorifchen Denkmalen. Unter diefen fei zunächfl die
außerhalb der Stadt am Moos gelegene Pfarrkirche,
„vnfer lieben Frawen im mofe" genannt, näher be-
trachtet.
Es ift ein ftattliches Bauwerk gothifchen Styls mit
dreifchiffigem Langhaufe (Fig. 3) als Hallenkirche
errichtet. Das ältere Presbyterium diefer Kirche ift
niedriger als das Langhaus. Letzteres mifst 38 M. in der
Länge und 23 M. in der Breite. Die Mittelfchiffbreite
ill doppelt fo groß als jene der Seitenfchiffe, und die
Trennung der Schiffe wird durch acht Marmorfäulen
bewirkt. Im Gegenfatze zu dem in feiner äußeren
Architektur einfach geftalteten Langhaufe ift das
21 M. lange und 11 M. hohe Presbyterium mit reicher
gegliederten Strebepfeilern verfehen. Diefelben find
durch Fialen, die auf die vorladenden Pfeilerfockel
geflellt find, und im oberen Theilc durch je eine Nifche
mit darüber gefetztem Baldachin belebt, jedoch nicht
mehr wohl erhalten und einer Reftaurirung bedürftig.
Der Thurm an der Nordfeite diefer Kirche wurde
anno 1443 begonnen und 1450 beendet.* Es erfcheint
indes fraglich, ob diefer Thurm im Jahre 1566, als eine
Feuersbrunft im benachbarten Deutfchordenshaufe
auch das Dach des Langhaufes der Pfarrkirche zer-
ftörte, fchon völlig ausgebaut war; vielmehr fcheint
der alte quadratifch angelegte, verhältnismäßig nie-
drige Thurmkörper, auf dem fpäterhin ein Achtecks-
bau mit barockem Kappendache aufgefetzt wurde,
damals noch nicht zur vollen Höhe aufgeführt gewefen
zu fein, da durch den Brand etwa ein proviforifch auf-
gefetzter hölzerner Thurmhelm, nicht aber eine größere
Partie des oberen Mauerwerkes zerftört werden
konnte. Das um 1 569 wieder hergeftellte Langhaus-
dach zeigt nicht die Form des urfprünglichen gothi-
fchen Steildaches, fondern eine Eferinsrere Steieunfr.
Das Presbyterium entftand 1469 bis 1473 als
felbftändiger Kirchenbau nach dem Plane des zu jener
Zeit in Sterzing weilenden Melfters Hans Sewr, „Stein-
metz und Bürger diefer Stadt". Wenn nicht fchriftliche
Urkunden* dies evident nachwiefen, müßte eine Ver-
gleichung der Architekturdetails an diefem Baue mit
jenen am gothifchen Campanile zu Tramin auf die Ver-
muthung führen, dafs auch das letztgenannte l>auwerk
von diefem Meifter flammt.
Schon 23 Jahre nach der Vollendung des gegen-
wärtigen Presbyteriums wurde mit dem Anbaue des
großen dreifchiffigen Langhaufcs begonnen. Die Bürger-
fchaft der Stadt und die Bergknappen von Schneeberg
(Ridnaun) und Goffenfafs, auch Mitglieder benachbarter
Gemeinden, haben fich corporativ an der Aufbringung
der Baukoften betheiligt. Von der Gemeindevertretung
wurden eigene „pawmeifter", welche die Bauaufficht
und die finanzielle Gebarung führten, gewählt. Dazu
waren gewöhnlich zwei beftellt, doch verfall in der
Regel nur einer diefes Amt. Als erfler „pawmeifler"
am Langhaufe ift Cafpar Köchl anzufeilen, deffen
Regiiler' „angefangen am Sunntag in der vaften jni
1496 jar".
In den Rechnungen Cafpar Köchl's findet fich
unter anderem die intereffante Bemerkung: „Freitag
nach fandt Tomas tag 1497 .... haben maifter Bene-
di6len mit den gefeilen, den ftainmetzen ein fürgeding"
gemacht: „dy pruchftain zu hawen nach dem gefchworn
werchfchuch, vnd füllen alles quader hawen vnd fchon
ftosfugen, und füllen fchön vnd wol hawen als dye yetz
angemawert fein vnd geben vom werchfchuch 12 f."
Für Pfeiler und Portale wurde Marmor von Rat-
fchinges geliefert und damit im Jahre 1498 begonnen.
„Maifter Thoman" begann im felben Jahre die 15e-
hauung der Werkftücke für die Portale. Am Haupt-
portale an der Giebelfront finden fich die Steinmetz-
' C. Ftfi-hnaler, .,BciträKt: zur Gcfcliichtc der Pfarre Sterzing und ues
Kirciienb.iucs", Zeitfchrift des Fcrdinaiideiims zu Innsbruck 1884.
- Anläßlich der Rcft.-iurirung des freiftehenden 8a M. hohen gothifchen
Glockenthurmcs der Pf.irrkirchc zu 'rrainin, welche unter Lcitunj; des Vcr-
faffcrs in den J.ihren 187g — i88t erfolgte, fanden fich in dem an der Spitze
des Steinhelmes angebrachten Knaufe mehrere Urkunden über diefen Bau.
Außerdem befagt eine im I'farrarchive zu Tramin aufliewalirte Urkunde votn
St. Georgstage 1466, dafs Maifter Hans Sewr, Steinmet/ und Bürger von
Sterzing „ain auffnelimen des gcpews des Kirchtunub zu 'l'ramin getan hat.
dcnfelbigen paw in drein Jarn zu .antwortten vnd zu volpringcn". 'rhatfachlich
wurde mit dem Haue des Traminer Kirchthurmes jedoch erft 1469 begonnen,
fohin gleichzeitig mit jenem des gegenwärtigen Presbyteriums an der Stcrzinger
Pfarrkirche.
3 Stadtarchiv Sterzing.
4»
2S
z
Seit
eichen: T j . ./K -^ • ->.»■• ""'^ ^'■''' nördlichen
leiten- \J~^ i — >| X. po''t;ilc': \/" ^ -^ •
I— H , JiC , eingemeißelt. / — «J
Der Frohnljogen und die Wandpfeiler
nächlt ihm wurden von „nnaifter adam" hergeftellt ge-
meinfam mit dem „maifter hanns Stertzinger'', wie aus
der Rechnung des „pawmaifters Jörg Treibenraiff
(1514) hervorgeht; die übrigen von Meifter Thoman
und dem Polier vJörg von Aufhofen"'.
Ueber die Herftellung der Schiffpfeiler, welche aus
privaten Mitteln beflritten wurde, geben die an den-
felbcn en relief gemeißelten Wappen und Infcliriften in
gothifchen Minuskeln Auffchluß.
Am erflen Pfeiler links befindet fich ein Wappen-
fchild mit drei Mufcheln und zwei gekreuzten Pilger-
fläben, darunter die Infchrift: „Zu lob got den all-
mächtigen der junkfrau maria und des heiligen Jacob
hat lafen machen die erwürdig und löblich pruedfchaft
fant Jacob den pfeiler 15 15".
Am zweiten Pfeiler: Wappenfchild mit Einhorn
über Mauerzinnen und Infchrift: „hanns Pollerl 15 12''.
Der dritte Pfeiler, an dem fich die Kanzel befindet,
trägt keine Infchrift.
Der erfte Pfeiler rechts trägt etwa 2 M. über dem
Fußboden friesartig aneinander gereiht die Wappen
der Jöchl, Gertinger, Ecker, Vintler, Malbsleben,
Weczner, Palaus u. A., darunter die Infchrift: „zu lob
got dem allmächtigen vnd der junkfrawen maria haben
die edlen und ernfeflen hanns und andrae jöchl die
prueder difen pfeiler machen laffn vnd ift durch Jacob
Jöchl volend 15 12". An diefem Pfeiler befindet fich
ferner ein fchönes Bronze-Epitaph im Style der Früh-
Renaiffance zur Erinnerung an den 15 17 verftorbenen
„Andrae Joechl".
Den zweiten Pfeiler rechts ließ der oben erwähnte
„Hanns Köchl 1509" und den dritten „Chriftof Kauf-
mann 1505" errichten. Auf dem \'orderften Pfeiler be-
findet fich das Wappen derer von Freundsberg und die
Infchrift: „Im 1518 jar got zu lob vnd Er hat verornet
zu machen difen pfeiler der Edel Geftreng herr Jörg
von Fruintsperg zu Muendhaim st. peterspcrg vnd
ftrasperg Rö: Kay: vnd Kn: Mt: Rat vnd obrifl Veld-
hauptmann".
Von kunftgefchichtlichcm Intcreffe ilT; ferner eine
in der Baumciflerrechnung des Jörg Traibenraiff vom
Jahre 15 13 enthaltene Bemerkung, wonach „Hannfen
Luts" als „vnfer Frawen werchmaifter" bezeichnet
wird, desgleichen in der Rechnung desfelben „Bau-
meifters" vom Jahre 15 14, woraus hervorgeht, dafs
Ilans Lutz von Schuffeiiried in Schwaben, der Erbauer
des Thurmes an der Pfarrkirche in Bozen auch am
Baue der Sterzinger Pfarrkirche mitwirkte. Ob er es ift,
welcher auch den Plan zum Baue des Langhaufes ent-
worfen hat, erfcheint fehr fraglich, da Lutz auch am
Thurme zu Bozen nur als ausführende Kraft („Palier",
refpeflive Bauleiter) an Stelle des eigentlichen Archi-
tekten Burkhard Engelsberger, welcher damals in
Augsburg und Ulm viel befchäftigt war, fich bethätigte.
In ähnlicher Stellung fcheint Lutz zeitweife auch in
Sterzing gewirkt zu haben. Der Umftand, dafs die Zeit
feiner Thätigkeit in Bozen theilvveife mit jener in Ster-
zing zufammenfällt, läfst vielmehr darauf fchließen, dafs
Hans Lutz gleich einem in den baugefchichtlichen Ur-
kunden diefer Kirche mehrfach erwähnten „Maifter
Benedict" hier nur in fchwierigeren Baufragen zeitweilig
zu Rathe gezogen, beziehungsweife zur unmittelbaren
Leitung der Ausführung einzelner Conftruclionen ver-
anlafst wurde.
Zur Herftellung der Gewölbe, welche gleich wie
im Presbyterium auch im Langhaufe urfprünglich mit
fpät-gothifchem Rippenwerk belebt waren, wurde Tuff
ftein verwendet.
Die drei Portale diefer Kirche zeigen durchwegs
einfache Gewändprofilirung mit am Bogenfchluße fich
Fig. 4. (Südpoital der l'farrkirclie zu Slerzing.^
übergreifenden durch Hohlkehlen und Plättchen vcm
einander getrennten Rundftaben.
Das Portal an der Südfeite nahe dem Presbyte-
rium (Fig. 4') weist jedoch eine reichere Geftaltung
durch eine Bogenlunette auf, welche mit Wappen-
fculpturen und Infcluiften geziert ift. Diefe Sculpturen
wurden nach dem Entwürfe des Malers Mathias
Stöberl, desfelben Meiftcrs, welcher auch die inter-
effanten Gemälde am Altare der St. Magdalena-Kirche
' N:ich photographifcher Aufnahme von Otto Schmidt in Wien.
29
im Ridnaun anno 1509 lierftellte' vom Steinmetz und
Bildhauer Thoman ausgeführt.
Das Gewände diefes Portales (ohne Bogenlunette)
dürfte dem Portale der alten Kirche (jetzt Presbyte-
rium) angehört haben und anläfslich des Anbaues des
Langhaufes an die gegenwärtige Stelle verfetzt worden
fein, worauf es zur Feier der Grundfteinlegung des
Langhaufes durch Einfetzen des von Confolen ge-
tragenen Horizontalbalkens, der wappengezierten
Werkflücke unter dem Bogenanlaufe und der reich
fculptirten Bogenlunette weiter ausgeftattet wurde.
Die Grundfteinlegung des Langhaufes erfolgte auf
kaiferlichen Befehl durch „Herrn Wolfgang von Neu-
haus, teutfch Ordens lannt kommenteur der Balaj an
der Etfch und im gepurg"^ und wurde auf vorgenann-
tem Portale durch folgende lufchrift verewigt: „Rex
edis huius primum Maximilianum pro fundamentis hie
posuit lapidem ä Brixin. Suffragano devotissimo bene-
dictum. Ann. 1497". Daneben befindet fich das Stein-
metzzeichen: y| _ Das Relief in der Bogenlunette
flcllt oben L/" Maria mit dem Jefukinde, darunter
das Reichswappen, diefem zur Linken den öflerreichi-
fchen Bindenfchild und zur Rechten das Landes-
wappen von Tyrol dar.
Ueber dem Portale der Sacriftei befindet fich ein
ähnliches fpätgothifches Relief aus dem Ende des
I 5. Jahrhunderts, welches eine Oelberggruppe verfinn-
licht.
Die Spitzbogenfenfler des Presbyteriums zeigen
reiches Maßwerk mit Fifchblafenmotivcn, die Lang-
hausfenfter jedoch keines. Ueber dem Hauptportale
befindet fich ein fchönes Rofettenfenfter und darüber
am Giebel eine Madonna gemalt von Mathias Stöberl
aus dem Jahre 15 12, welches Fresco fpäterhin rcftau-
rirt wurde.
Zahlreich find die Denkfteine, welche die Außen-
fronten diefcr Kirche zieren. Darunter bcfonders inter-
cffant ein römifcher Grabftein, welcher an der Südfront
eingemauert ifl und die Infchrift: ,,v. f. Postumia. Vic-
torina, sibi. et. Ti. Claudio. Raeticiano. genero. piisimo" ^
trägt. Dicfer Denkftein wurde bei der Erdaushebung
für die Fundamente des Langhaufes durch C. Köchl
aufgefunden und von diefem zum Andenken an diefes
Ereignis durch eine Marmortafel mit folgender Infchrift
danmter gefetzt: ,.Der. ober, flain. ifl:. funden. an.
dem. eck. zu. unterifl:. im grvnt. als. der. ift. gegraben,
an. vnfer. frawen. zu. lichtmes. abent. anno, domini.
MCCCCLXXXXVIJ jar".
Die eingemauerten Grabfteine, von welchen die
älteften aus dem Beginne des 16. Jahrhunderts flam-
men, find größtentheils aus Ratfchingfer Mai-nior. Dar-
unter find befonders bemerkenswerth das Epitaph von
Michael Geizkofler, f 1502, und feiner Gemahn, f 1518;
jenes von Hans Jöchl und deffen Sohn Hans aus dem
Jahre 1505, und des Sterzinger Bürgers Stephan
Selaner, 1 506. Außer diefen finden fich noch gut er-
haltene Grabplatten aus den Jahren 1536, 1550, 1567,
1570. 1578 "nd 1592 vor, letztere der Frau Salome,
zweiter Gemahn des Ulrich Geizkofler, welches Denk-
mal an ähnliche Arbeiten Alexander Collin's erinnert.
45 f.
^ Siehe den Bericfit des Verf.ilTcrs in diefen Mitlhciliingcn 1897, XXUI,
- Stadtarchiv Sterzing, Reitbuch II.
• = CIL V so 84.
Im Jahre 1753 wurde leider eine Erneuerung diefes
Kirchenbaues vorgenommen, bei welcher fämmtliche
Gewölberippen herabgefchlagen wurden. Ein Schluß-
ftein, welcher die Jahreszahl 15 10 trägt, ift dermalen
neben dem Portale der Südfront eingemauert. Anno
1773 hat Adam Mölckh die gegenwärtig beflehenden
Gewölbemalereien im Langhaufe, welche Scenen aus
dem Leben der altteftamentarifchen Efther und der
heil. Elifabeth darfteilen, ausgeführt.
Das Gewölbe des Presbyteriums wurde 1869 mit
einigem Gefchick wieder im gothifchen Style her-
geftellt.
Der alte Flügelaltar ift zur Zeit der decorativen
Veränderung des Kircheninterieurs entfernt worden,
doch fanden die Statuen des alten Altares am neuen
Hochaltare und an der Kanzel, welche ebenfalls ver-
ändert wurde, wieder theilweife Verwendung. Von der
alten Kanzel ift eine Abbildung in Federzeichnung im
Rathhaufe zu Sterzing aufbewahrt.
Während eine künftlerifch werthvolle Madonnen-
flatue, welche einft die Hauptfigur im Schreine des
alten Plügelaltares bildete, ferner die alten Altarfiguren
St. Urfula, St. Katharina und Apollonia am neuen
Altare aufgeftellt wurden, find die zu Vollfiguren um-
geftalteten Halbfiguren St. Barbara und Margaretha,
weiß angeftrichen, in der am Ende des 17. Jahrhunderts
erbauten, künftlerifch wenig bedeutenden Margarethen-
Kirche zu Sterzing zur Aufftellung gelangt. Dafelbft
befinden fich auch zwölf Bruftbilder der Apoftel,
welche wahrfcheinlich an der Bekrönung des alten
Flügelaltares der Pfarrkirche vertheilt waren.
Die auf beiden Seiten bemalten vier Flügel des
alten gothifchen Altares der Pfarrkirche find noch
erhalten und an den getäfelten Wänden des großen
Saales im Sterzinger Rathhaufe folcherart aufgeftellt,
dafs die Befichtigung beider Seiten leicht ermöglicht
ift. Die Gemälde ftammen von Meifter Hans Mueltfcher
aus Ulm und feinen Gehilfen. Sie entftanden in den
Jahren 1456 bis 1458. Mueltfcher befand fich zur Zeit,
als er \-on den Sterzinger Bürgern den Auftrag zur
Herftellung diefer „taweln" erhielt, in Innsbruck. Diefe
Tafelbilder enthalten auf der Vorderfeite fcenifche
Darftellungen aus dem Leben der heil. Maria, und
Paffionsdarftellungen an den Rückfeiten. In fpäterer
Zeit waren diefe Bilder roh übermalt worden und im
Jahre 1 89S durch Profeffor A. Haufer in München wieder
entfprechend reftaurirt.
In der Pfarrkirche find noch Holzfculpturen aus
dem 16. Jahrhundert vorhanden, und zwar eine Kreuzi-
gungsgruppe und Chriftus das Kreuz tragend mit
Simon von Cyrene; außerdem verdient eine Anzahl
fchöner Zunftftangen aus dem 18. Jahrhunderte, dar-
unter einige von zierlicher Conception in gothifchen
Architekturformen bcfondere ]5eachtung.
Unter den kirchlichen Baudenkmalen in Sterzing
ift nächft der Pfarrkirche die St. Peter- und Paul-Kirche
bemerkenswerth. Es ift ein kleiner einfchiffiger Bau
gothifchen Styls, der \on den ]5rüdern Hans und Licn-
hard Jöchl begonnen und anno 1474 beendet wurde.
Laut Infchrift am Frohnbogen wurde diefes Kirchlein,
das ein hübfches Netzgewölbe aufweist, im Jahre 1744
reftaurirt. Doch wurde es damals keiner ftyliftifchen
Veränderung unterzogen. Die Fagaden diefes l^aues,
der jetzt theilweife in Wohnftättcn umgewandelt ift, find
— "iO —
einfach gehalten. Die Giebelfront trägt einen zierlichen
quadratifch angelegten Dachreiter mit hölzernem Spitz-
helm. Außer dem Portale an diefer Front, welches fpitz-
bogig geflaltet, noch eine theilweife erhaltene gothifclie
Thürc mit Blendmaßwerk und ausgegründetem Flach-
ornamcnt befitzt, findet fich noch ein kleines gothifches
Seitenportal an der gegen die Gaffe hin freiliegenden
Siidfront und fchmale Spitzbogenfenfter mit einfachem
Maßwerk. Im Innern birgt diefes Kirchlein, nahe dem
Hochaltäre im Spät-Renaiffanceftyle, eine in einem
Glasfchranke aufgeflellte Figur der Madonna mit dem
Jefukinde, welche als ein hervorragendes Werk deut-
fcher Steinplaftik aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
anzufehen ift. Bemerkenswerth erfcheint ferner das aus
Ratfchingfer Marmor in Form eines gothifchen Kelches
gemeißelte Taufbecken, und endlich mehrere Grab-
platten der Sonncnburger Nonnen und von Mitgliedern
der gräflich Enzenberg'fchen Familie.
Nahe der Pfarrkirche zu Sterzing befindet fich das
„Deutfchc Haus", ein Grundcomplex, welcher aus dem
heil. Geift-Kirchlein, einem Commcndegebäude des
deutfchen Ritterordens, welch' letzteres derzeit als
Stadtfpital dient, und einigen Wirthfchaftsgebäuden
befteht. Die Gründung der Deutfchordens-Commende
in Stcr/.ing datirt aus dem Jahre 1254, zu welcher Zeit
das um 1241 von Hugo von Taufers und feiner Ge-
mahn Adelheid gefliftete Hofpital zum heil. Geift
fammt der Pfarrkirche (an Stelle des gegenwärtigen
Kirchenbaues und romanifchen Styls) dem deutfchen
Ritterorden übergeben wurde. Während der Bauern-
kriege (1525) geplündert und im Jahre 1566 durch
einen Brand vollftändig zerftört, wurde das gegen-
wärtige Ordensgebäude anno 1587 fammt dem heil.
Geill-Kirchlein wieder hcrgeftcllt. Die Stadt Sterzing
erwarb das Deutfch.e Haus 18S4 aus dem Befitze der
Grafen Thurn und Taxis.
Das gegenwärtig beflehende heil. Geilt-Kirchlein
ill anno 1729 von Jofeph de Layo erbaut worden. Es
enthält ein gutes Deckengemälde, darftcllcnd die heil.
Dreifaltigkeit und darunter die almofenfpendende heil.
Elifabeth. Diefes Fresco, ein Werk des Augsburger
Malers Math. Günther, ifl von fchönen Stucco-Orna-
menten umrahmt.
Das Commendegebäudc birgt einen reichgezierten
aus Holz gefertigten Altar im Charakter deutfcher
Renaiffance mit der Jahreszahl 1590, der ehedem in
dem älteren heil. GeiflKirchlein aufgeflellt war. In der
fogenannten Convcntftube ifl noch eine hübfche Wand-
vertäfelung und ein Kachelofen aus dem Jahre 1648
mit dem Vintler'fchen Wappen erhalten geblieben. Die
übrigen Räume zeigen mittelmäßige Wandgemälde,
welche Anflehten der Deutfchordcns-IIäufer zu Leng-
moos, Siebeneich, Schlanders und Weggenflein, eine
Anficht der Stadt Sterzing aus dem 18. Jahrhunderte,
Darflellungen aus der Gefchichte des deutfchen Ritter-
ordens nach Kupfcrftichen von Salver u. A. verfinn-
lichcn.
Unter den profanen kunflhiflorifchen Denkmalen
ifl der unter dem Namen „Zwölferthurni'' bekannte
Thorthurm zunächfl bemerkenswerth. Diefer Thurm,
von rechteckiger Grundform, cntfland im Jahre 1468,
zu welcher Zeit, wie aus einer Infchrift über dem
gothifch profilirten Thorgewände hervorgeht, Erz-
herzog Sigmund von Oeflerreich ,,den crflcn grunt-
flain" für denfelben gelegt hat. Gegenwärtig ifl diefer
Thortluu-m mit Zinnengiebeln bekrönt, während er
urfprünglich, wie aus einer im Rathhaufc zu Sterzing
aufbewahrten Federzeichnung aus dem Jahre 160S
erfichtlich ift, mit einem pyramidenförmigen Spitzhelm
abgefchloffen war.
In die Zeit der Erbauung des „Zwölferthurmes"
fällt auch die Gründung des cr(l um 1524 feiner Voll-
endting zugeführten Rathhaufes zu Sterzing, worüber
das „RayttReygifler" des Lienhard Jöchl, welcher
beim Rathhausbau als flädtifcher Bauleiter tliätig war,
Auffchluß gibt.
Das Rathhaus (Fig. 5) bildet durch feine im Erd-
gefchoße angeordneten fpitzbogigen auf kurzen kräf-
tigen Rundpfcilern ruhenden Arcaden den nördlichen
Zugang zu den malcrifchen „Lauben" in Sterzing. Der
Bau ifl nach der typifchen Anlage altdeutfcher Bürger-
häufer mit der Schmalfeite gegen die Straße gewendet
und i(l deffen Fagade durch zwei polygonale über
beide Obergefchoße reichende Erker, welche gleich
der ganzen Hausfront durch eine Zinnenbekrönung ab-
gefchloffen find, gegliedert. Eine annähernd quadratifch
angelegte geräumige und von oben erhellte Halle ent-
hält die Treppen und den unmittelbaren Zugang zum
getäfelten Rathsfaale im erflen Stocke, während an
drei Seiten in der Höhe des zweiten Stockes gelegene
Galerien die Verbindung mit den in diefem Stock-
werke gelegenen Räumlichkeiten vermitteln.
Derartige Hallenanlagen waren im Gebiete des
Eifackthales bei größeren Wohnbauten im 15. und
16. Jahrhunderte üblich.'
Der Eckerker des Rathhaufes mit gothifch profi-
lirten Umrahmungen an den rechteckig geftalteten
Fenllern ifl gleich der Arcaden-Architektur aus weißem
Marmor errichtet.* Seine Brüflungen im erflen Stocke
find mit Wappenfchildern geziert, deren Relief-Em-
bleme das öflerreichifche, das tyrolifche, das Stadt-
wappen und das Gerichtswappen (Freundsberg) dar-
flellen. Hier ifl auch die Jahreszahl 1524 (Zeit der
Vollendung des Baues) eingemeißelt. Im zweiten Stocke
find die Erkerbrüflungen mit Blendmaß werken belebt.
Dermalen find in der Stiegenhalle mehrere Epi-
taphien adeliger Familien Sterzings aus dem 16. und
17. Jahrhunderte aufgeflellt, welche fich vordem in der
im Jahre 1853 demolirten Todtencapelle nächif: der
Pfarrkirche befanden.
Außer den fchon oben erwähnten Gemälden und
Zeichnungen birgt der einfach getäfelte Kathsfaal
kunflvolle gothifchc Thürbefchläge und einen berühmt
gewordenen Dcckenlufler (Lullerweibchen) mit großem
Steinbockgehörnc, einer in Holz vortrefflich gefchnitz-
ten und bemalten Halbfigur der Lucrctia ncbfl Putti-
figürchen, welche die Leuchter halten.
An die Räumlichkeiten des Sterzinger Rathhaufes
knüpft fich eine Reihe von hiflorifchen Erinnerungen,
da diefelbcn während des Bauernaufflandes um 1525
zu Verfannnlungen dienten, und fpätcrhin mehrmals zu
• Ein fchoncs Bcifpli:! Iiicfür bietet die ilircr m.ilerifchen Wirkung wegen
Ijckanntc Halle im Kantiuler Haufe (G.ifthof zum Lamm) in Klaufcn.
= Die fchlcchte Kimdirung des Eckpfeilers, welcher, wie die Unterfnchiin;;
erg.-il), nur auf ein müßig ftarkes Werkflück aus Thonfchiefcr oline jede Unter-
mauerun;; geftellt war, verurfachte um 1886 eine derartige Senkung, dafs nicht
allein alle Steinverbande am Erker bedenklich gelockert, fondern auch der Ein-
fturz der ganzen Straßenfront diefes Rathhaufes zu befürchten war. Durch eine
hierauf mit namhaften Unterftützungen aus Staats- und Landcsmitteln vor-
genommene ReconftruCtion. welche VerfalTer diefes leitete, wurde der fernere
Ilcftand diefes Baudenkmales gefichcrt.
— ^I —
Verhandlungen des Tyroler Landtages, bei feftlichen
Anläffen, wie der Ankunft Philipps des Sohnes Kaifer
Karls V., des Erzherzogs Ferdinand II., des Feld-
hauptmanns Jörg von Freundsberg u. A. benutzt
wurden.
Der Anfitz Jöchelsthurn in Sterzing ift nächlt dem
Rathhaufe der kunfthiftorifch intereffantefte Profanbau
diefer Stadt. Sowohl der thurmartig emporftrebende
inmitten der fo reich gezierten Rautenfelder befindet
fich das Wappen des Mathias Jöchl mit der Jahreszahl
1469.
An den erkerreichen und zinnenbektabnten älteren
Wohnbauten Sterzings, von denen ein größerer Theil
im 16. Jahrhundert entftand, finden fich allenthalben
noch rcichprofilirte Portale und gewölbte Hallen mit
Nathrippenwerk fpät-gothifchen Charakters.
Fig. 5. (Rathhaus zu Sterzing.)
Mitteltradt als die an beiden Seiten angefchioffenen
niedrigen Tra6te diefes um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts durch Hans Jöchl gegründeten Bauwerkes
find durch Zinnengiebel abgefchloffen. Die Decoration
mehrerer Innenrhume flammt noch aus der Zeit der
lü'bauung dicfcs Anfitzes. Darunter ift der in feiner
Urfprünglichlceit wohlcrhaltene reich gefchnitztc Hoiz-
plafond eines Zimmers im zweiten Stocke als ein her-
vorragendes und feltenes Werk fpat-gothifcher IIolz-
fculptur zu bezeichnen. Dicfe Decke befitzt 130 ver-
fchiedcn gcftaltete FiiUungcn mit Kclicflaubwerk und
Nahe dem Rathhaufe lieht das Votivmonumcnt
des heil. Johannes von Ne[)onuik aus dem Jahre 1739-
Es ift aus Ratfchingfer Marmor errichtet und zeigt gut
gearbeitete figürliche Details in malerifch wirklamer
Gruppirung.
Hei dem achtfcitig angelegten, kiniitlcrifch nicht
belangreichen, um 1689 cntllandencn Harockbau der
heil. Kreuz-Capclle am Südcndc der Stadt lieht an der
Landftraße eine einfache gothlfche Bildfäulc aus Mar-
mor, deren vier Bildflächen in ziemlicli gut erhaltenen
Reliefs Paffionsdarllellungen enthalten. Nach der auf
diefer Bildräule angebrachten Infchrift ill dicfelbe im
Jahre 1516 von Oswald Eppaner errichtet worden.
Auf dem Vorfprunge des Telferer IJerges, einer
mäßigen Erh'bhung an der VVeftfeite Sterzings Hegt das
Dorf Thuins. Die kleine Ortskirche dafelbft ift ein-
fchifhgund in gothifcher Anlage am Beginne des lö.Jahr-
iinndcrts erbaut worden. Durch eine im 17. Jahrhundert
vorgenommene Renovirung i(l diefes Kirchlein mit
Ausnahme des quadratifch angelegten hohen Thurmes,
der mit einem achtfeitigen hölzernen Spitzhelm abge-
fchloffen ift, und des aus weißem Marmor hergeftellten
Portales umgebaut worden. Das Innere zeigt nunmelir
ein Tonnengewölbe, das mit gothifchen Rippen ge-
gliedert ift und einen halbkreisförmigen Frohnbogen.
Der Schlußftein des Portales ift mit einer Mufchcl ge-
ziert und trägt die Jahreszahl 151 1.
Das am oftfeitigen Mittelgebirge an der Aus-
mi.indung des Pfitfcherthales gelegene Dörfchen Flaiiis
(Fluens) befitzt eine kleine einfchiffige gothifche Kirche
mit polygonalem Chorabfchluß imd nordfeitig ange-
legtem Thurm von quadratifcher Grundform mit nie-
drigem Pyramidenhelm. Diefes Kirchlein ift durch
fchöne Raumvcrhältniffe ausgezeichnet. Das Marmor-
portale an der Weftfeite ift gleich den Fenitern des
Schiffes und Chores fpitzbogig abgefchloffen und
befitzt reichgegliederte Gewände. Beachtenswerth ift
das fchöne Netzgewölbe, deffen Hohlkehlenrippen fich
mit wappengezierten Schlußfteinen verbinden. Auch
diefer Bau ftammt aus dem Beginne des 16. Jahr-
hunderts, wie die Jahreszahl 15 14 am Portale angibt.
Von der Flainfer Anhöhe in öftlicher Richtung
zur Thalfohle herabfteigend gelangen wir zum Schloße
Moos. Es ift dies ein zweigefchoßiger Bau von geringer
Ausdehnung und annähernd quadratifcher Anlage mit
hohen Steildächern und feitlich angegliedertem Wirth-
fchaftshofe. Der maffige vierfeitige Donjon diefes
Schloßes erhebt fich nur wenig über den Firft des
Hauptgebäudes und ift mit Zinnen bekrönt, über
welchen ein Pyramidendach gefetzt ift. Diefer Thurm,
fowie die Hauptumriffe der ganzen Schloßanlage,
ftammen muthmaßlich aus dem 14. Jahrhundert, zu
welcher Zeit das Schloß als landesfürftliches Lehen
beftand und von Herzog Sigismund an Chriftoph Tänzl
verkauft wurde. Der Wohnbau in feiner gegenwartigen
Geftalt enlftand im 16. Jahrhundert und befand fich
damals im Befitze der Freiherren von Tannhaufer.
Mehrere gut erhaltene Holztäfelungen einfacher Art
fchmücken noch einzelne Räumlichkeiten des gegen-
wärtig an einen Bauer verpachteten Gebäudes.
Den Weg in das Pfitfcherthal weiter verfolgend
gelangen wir zum Dorfe Wiefen, deffen zum heil. Kreuz
geweihte Kirche fich in ihrer äußeren Architektur als
ein ftattlicher gothifcher Bau aus regelmäßigen Sand-
fteinquadern repräfentirt. Eine ältere hier beftandene
Kirche wird im Teftamente Heinrichs von Rottenburg
um 1337 und in einem Ablaßbriefe vom Jahre 1397
erwähnt. Der gegenwärtige Bau entftand in der erften
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Kirche ift einfchiffig,
nach Often orientirt mit füdfeitig angelegtem Thurme,
den ein niedriger vierfeitiger Helm bekrönt. Die Spitz-
bogenfenfter bcfitzen fchöne fpät-gothifche Maßwerke,
desgleichen die Schallfenfter des Thurmes. Durch eine
im Jahre 1830 vorgenommene Renovirung wurde das
Innere diefes Baudenkmales leider feiner gothifchen
Architektur beraubt. An der Giebelfront der Kirche
betiiulen fich fchöne Epitaphien der Urfula Kalch-
gruberin, f 1550, und des Chriftoph Geizkofler, f 1616.
Der die Kirche umgebende PViedhof enthält noch eine
künftlerifch unbedeutende Mariahilf-Capelle, welche um
1714 geweiht wurde.
Dem Laufe des Pfitfcherbaches folgend gelangen
wir allmählich berganfteigend zum Weiler Afeiis, wel-
cher eine zierliche dem Schutzengel geweihte Capelle
enthält. Auf fteilem Wege paffiren wir die gewaltige
Stromfchnelle des Baches, die „Wöhr" genannt, und
gelangen weiter nach Außerpfitfch zum Dorfe Keniaten.
Hier befindet fich eine in ihrer architektonifchen Ge-
ftaltung wenig bemerkenswerthe, urfprünglich im
gothifchen Style angelegte einfchiffige Kirche. Die-
felbe wurde anno 1468 erbaut und bei der im Jahre
1833 erfolgten Renovirung ungünftig verändert. Ur-
kundlich wird fchon 1345 ein dort früher beftandener
Kirchenbau erwähnt.
Am Thalfchluße (Innerpfitfcli) befteht zu St. Jacob
von der älteren Kirche gleichen Namens nur noch der
mächtige aus foliden Quadern erbaute Glockenthurm
in feiner urfprünglichen früh-gothifchen Bauart mit ge-
kuppelten fpitzbogigen Schallöffnungen, deren Thei-
lungsfäulchen romanifche Capitäle aufweifen. Der kleine
einfchiffige Kirchenbau wurde fchon um 1714 erneuert.
Im Jahre 1817 zerftörte eine Lawine diefe Kirche faft
voUftändig und Muhrbrüche verfchütteten einen Theil
des fchönen Thurmes fo, dafs diefer gegenwärtig nicht
mehr in feiner ganzen Höhe zur Plrfcheinung gelangt
und darum ein gedrungenes Verhältnis aufweist. Das
erhalten gebliebene einfache Spitzbogenportal des
Kirchleins befitzt noch eine gothifche Thüre mit Kerb-
fchnittverzierungen.
Wieder in das Eifackthal herabfteigend wandern
wir von hier noch eine kurze Wegftrecke füdlich von
Sterzing. Zwei Felfenriegel auf beiden Seiten des Ster-
zinger Moofes find hier \on ftattlichen, zum Theile
ruinenhaften Burgen bekrönt.
An der öftlichen Thalfeite die Burg Spreclienßein
mit altem Rundthurme, dem einzig erhalten gebliebenen
Theile der urfprünglichen Bauanlage aus dem 13. Jahr-
hunderte. Die dem heil. Erasmus geweihte Burgcapelle
beftand fchon im 14. Jahrhundert, doch wurde fie gleich
dem Wohnbaue in fpäterer Zeit wiederholt umgebaut.
In der Capelle befindet fich ein altdeutfcher Flügel-
altar, welcher laut einer am Sockel angebrachten In-
fchrift von Hans Meuchwez anno ii;o5 gefertigt wurde.
Den Altar zieren Statuetten der heil. Erasmus, Chri-
ftoph und Georg. Die „Fürftenzimmer" enthalten der-
zeit diverfes altes Mobiliar im gothifchen und im Re-
naiffanceStyle.
Zu der an der weftlichen Thalfeite gelegenen,
räumlich ausgedehnteren Burg Reiffenßein gelangt man
auf fteilem Anftiege. Die Ruinen der äußeren Ring-
mauer an der nordweftlichen Seite enthalten das Burg-
thor, über welchem noch das alte mit Eifenfpitzen
befchlagene Fallgitter fichtbar ift. Dahinter liegt die
Burgfreiheit mit Ruinen der Gefindewohnungen oder
Wirthfchaftsbauten, von wo aus man durch einen Holz-
fteg über eine fchmale P"elsfchlucht in den Burghof
gelangt. An Stelle diefes Steges befand fich ehedem
eine Zugbrücke, \on welcher noch die Scharten für
die Zugketten an der inneren mit Zinnen bekrönten
Ringmauer Zeugnis geben. An letzterer befindet fich
zur Linken des Thores, durch welches man den fchma-
len Zwinger betritt, ein in Stein gehauenes Wappen des
Commenthurs des deutfchen Ritterordens, Heinrich
von Knörringen (1504 — 1534).
Dem an der nördlichen Seite fituirten Donjon ift
wcftlich im Erdgefchoße die Capelle angegliedert,
welche aus einem quadratifchen mit Kreuzgewölbe
überfpannten Räume befteht, der längft nicht mehr
kirchlichen Zwecken dient.Unmittelbar nebenan gelangt
man durch ein Spitzbogenthor in den inneren kleinen
Burghof, welcher im Erdgefchoße nebft der zur Ver-
bindung mit den Obergefchoßen angelegten Holztreppe
vom Baffin eines mächtigen Ziehbrunnens ausgefüllt
wird.
Unter den Räumlichkeiten des Wohnbaues ver-
dient die im erflen Stocke gelegene fogenannte
Conventftube befondere Beachtung. Diefer Raum, mit
einfacher gothifcher Wandtäfelung, welche mit Sitz-
truhen in Verbindung fleht, enthält eine reichgefchnitzte
Thürumrahmung mit dem bemalten Wappen des
Commenthurs Wolfgang von Neuhaus (149S — 1504)
und ein mit ausgegründetem Ornament, fowie mit ge-
fchnitztem Maßwerk geziertes Waichkäftchen, das
ebenfalls mit der Wandtäfelung verbunden nahezu bis
zur Decke reicht. An der W^andtäfelung finden fich
Wandfchränkchen, deren Thüren mit Holzmofaik in
seometrifchen Muftern umrahmt find. Ein mit gefchnitz-
tem Maßwerk und Wappenfchildern reich gezierter
Unterzugbalken fcheidet die flach getäfelte Decke in
zwei Theile, deren rechteckige Felder durch Friefe mit
ausgegründetem gothifchem Flachornament geziert find.
Von den beiden Erkern, welche diefer Raum befitzt,
ift der geräumige rechtwinklig angelegte urfprünglich,
während der polygonale Erker erft im 16. Jahrhun-
derte zugefügt wurde.
Aus der Conventftube gelangt man durch eine
fchmale Wendeltreppe aufwärts fleigend in einen Saal,
deffen Wände al fresco gemaltes gothifches Ranken-
werk in verfchiedenen Compofitionen mit eingeflreuten
Figürchen ziert. Diefe Malerei in grünem Localton mit
fchwarzen Contouren und Schatten und weiß auf-
gefetzten Lichtern, fpärlich unterbrochen durch poly-
chrom gemilte Blütenformen, ift von eigenartig ftim-
mungsvoller Wirkung und findet fich auch auf der
fichtbaren Tramdecke des Saales fowie an Wänden
und Gewölbe der kleinen Capelle, welche mit diefem
in unmittelbarer Verbindung fteht. Außer der über
einer Thüre diefes Saales gemalten Jahreszahl 1498,
welche die Zeit der Entftelnmg diefer Wanddecoration
angibt, findet fich auch über der Capellenthüre die
Jahreszahl 1660, zu welcher Zeit verfchiedenc Reftau-
rirungen in den Räumen diefer Burg vorgenommen
wurden. Die aus gefchnitztem Maßwerkgitter gebildete
Capellenthüre ift eine fehr beachtenswerthe Arbeit.
In einem Gemache des Donjon finden fich ferner
noch einzehie Spuren figuraler Fresken, welche einen
noch älteren Urfprung als die vorerwähnten Reue
decorativer Kunft aus dem Ende des 15. Jahrhunderts
erkennen laffcn. Dagegen ftammen die theilweife noch
erhaltenen Malereien an der l-'agade zu beiden Seiten
des Burghofportales aus dem 16. Jahrhunderte. Man
erkennt unter anderem die Darfteilung von zwei Thor-
wächtern im Coftüme der Kriegsknechtc jener Zeit.
Burg Reiffenftein wird zuerft anno iioo als
castrum Riffinftein erwähnt, war um 1142 im Befitze
des Udalchalchus de Stilfes, 1315 in jenem des Edlen
Zant von Elzenbaum und kam nach deffen Tode (1370)
an feine drei Töchter. Durch den Gemal der Tochter
Siguna Zant, Ulrich Säbner, kam die Burg an diefes
Gefchlecht und verblieb demfelben bis 1465, um
welche Zeit der letzte Säbner flarb, Herzog Sigmund
diefen Befitz als Lehen einzog und 1470 an den deut-
fchen Ritterorden übergab. Nach Aufhebung der Ster-
zinger Commende unter bayrifcher Herrfchaft in Tyroi
kam Reiffenftein an die dermaligen Befitzer, die Grafen
von Thurn und Taxis.
Eine zur Burg gehörige Capelle erhebt fich am
nördlichen Ende des langgeftreckten Felfenhügels.
Diefelbe entfland im 16. Jahrhundert, wurde zu den
heil. Borromäus und Zeno geweiht und erhielt bei der
um 1663 erfolgten Renovirung ihre heutige Geflalt im
Style der Spat-Renaiffance.
Allem Anfcheine nach befaß die Burg Reiffenftein
im frühen Mittelalter ausgedehnte Vertheidigungs-
vorwerke, welche nicht nur füdlich auf eine weite
Strecke das Eifackthal, fondern auch die benachbarten
Gebiete des Ridnaun- und Pfitfcherthales beherrfch-
ten, wovon mehrfach noch theilweife erhalten geblie-
bene ifolirte Thurmbauten in jener Gegend erkenn-
bar find.
Von Reiffenftein an der rechtsfeitigen Berglehne
füdwärts wandernd, gelangen wir zu dem Dorfe Stilfcs.
Die dortige auf einem Hügel erbaute Pfarrkirche ift in
den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts derart um-
gebaut worden, dafs nur noch der fchlanke quadratifch
angelegte Thurm mit dem achtfeitigen Spitzhelme,
theilweife das Hauptportale und ein kleines fpitzbogiges
Seitenportal von der urfprünglich gothifchen Bauart
diefer Kirche erhalten geblieben find. Bei dem Umbaue
Avurde der Haupteingang an die Südfeite verlegt und
die Kirche auf Kofi;en ihres ehedem polygonalen
Chores vergrößert. Am Hauptportale, deffen gothifch
profilirtes Steingewände nunmehr rundbogig abge-
fchloffen ift, findet fich an der noch vom alten Kirchen-
bau ftammenden unteren Partie des Gewändes die ein-
gemeißelte Infchrift „Johannes Aerb 1477".
Johannes Aerb war Pfarrer von Stilfes und ftarb
am Beginne des 17. Jahrhunderts, wie fein an der nörd-
lichen Kirchenfront noch erhaltenes Grabepitaph aus-
weist. Sein Monogramm ,,Ä" findet fich fowohl an
einem Wappenfchilde des vorgenannten Portales, als
auch an dem Seitenportale der Wallfahrtskirche in dem
benachbarten Dorfe Trens. Die gegenwärtige Kirche
in Stilfes befitzt fünf Altäre. Drei dcrfelben enthalten
gute Gemälde des Tyrolcr Malers Alois Stadler und
noch einige trefflich gearbeitete Hciligenftatuon aus
dem 16. Jahrhunderte, weiche leider bei der Umwand-
lung des Kirchenbaues weiß angeftrichen wurden.
Das nachft der Kirche gelegene Widum, ehemals
Deutfchordensliaus, ift durch einen Erker mit fchöncm
Schmiedeifengitter, das die Jahreszahl 1636 trägt, be-
achtenswerth.
Gegenüber Stilfes, am linken Ufer des lüfack liegt
auf mäßiger Anhohe das Dorf Trciis mit der berühm-
ten zur heil. Maria geweihten Wallfahrtskirche. Diefer
Kirchenbau flammt aus dem 15. Jahrhundert, ift ein-
fchiffig, von fchönen Verhältniffen und mit Ausnahme
XXVIII. N. F.
34 —
der im Jahre 1727 an der Nordoüfeite des Langhaufes
angefügten Capelle mit Kuppel in feiner äußeren Ge-
ftaltung im gothifclien Style erhalten geblieben. Die
decorative Ausflattung des Innern wurde Anno 1753
erneuert, wobei von Adam Molckh die jetzt bcftehenden
F'resken am Gewölbe hergeftellt wurden. Gleich dem
übrigen Kirchenmauerwerk ift auch der fchlanke fpitz-
helmige Thurm aus Sandfteinquadern errichtet. Ueber
dem Spitzbogenportale an der Weflfeite befindet fich ein
Steinbild der Madonna mit dem Jefukinde unter einem
gothifchen Baldachine. Diefe intereffante Sculptur, an
der auch die urfprüngliclie Bemalung zum Theile noch
erkennbar ifl, Hammt offenbar aus der Zeit der Er-
bauung diefer Kirche, über welche die am nördlichen
Seitenportale gemeißelte Jahreszahl 1498 mit dem
oben erwähnten Monogramm des Pfarrers Johannes
Aerb Auffchluß gibt.
Am Hochaltare der Marien-Kirche zu Trens be-
findet fich ein Gemälde des Tyroler Meifters Jofeph
Schöpf, welches die Himmelfahrt Mariens darfteilt. Im
Langhaufe befinden fich noch zwei Altäre aus dem
18. Jahrhunderte und in der Capelle ein reich gebil-
deter fchöner Marmoraltar von Chriftoph Benedetti.
Südlich von Trens bei dem Weiler Vagetiin fteht
auf fteil anrteigendem Hügel das Kirchlein St. Valentitt.
Diefer einfchiffige Bau flammt aus der erRen Hiilfte
des 16. Jahrhunderts und befitzt mit Ausnahme
weniger Einzelheiten, welche im 17. Jahrhundert
entftanden, noch durchwegs feine urfprimglichen
gothifchen Bauformen. Das Kirchlein ifl rücklichtlich
des befchränkten ringsum fteil abfallenden und mit
Futtermauern geficherten Bauterrains nach Nordoften
orientirt. Das Langhaus, mit drei Gewölbetravces, ifl
von dem mit fchönem Netzgewölbe verfehenen Presby-
terium durch einen einfach profilirten Frohnbogen ge-
trennt. Die Strebepfeiler erfetzen nach innen vor-
gebaute Wandpfciler mit Dienften. Das fpitzbogige
Hauptportal an der Giebelfront ift reich profilirl und
aus weißem Ratfchingfer Marmor hergeftellt. Die
fchmalen und hohen Spitzbogenfenftcr zeigen durch-
wegs einfache Maßwerke. Am Tluirme ftelit die Jahres-
zahl 151 1 und an der Sacrifteithüre 1683. Aus der
Zeit des Anbaues der Sacriftei ftammt wahrfcheinlich
auch die im erften Gewölbetravee eingefchaltete Orgel-
bühne fowie die Vorhalle an der Giebelfront.
Neuentdeckte Funde auf den prähiftorifchen Verkehrswegen
zwifchen dem füdlichen Böhmen und der Donau.
Berichtet von k. k. Confervator Heinrich Kichlv.
iNTER diefer und ähnlicher Ueberfchrift habe
ich bereits des öfteren über die zwifchen dem
I füdlichen Böhmen und der Donau in vor-
gefchichtlicher Zeit beftandenen Verbindungen be-
richtet und insbefondere im XXVI. Bande diefer Mit-
theilungen die überhaupt bis dahin zur Kenntnis
gelangten, auf einen uralten Verkehr in der ange-
deuteten Richtung weifenden Einzelfunde angeführt
und auf der bcigefchloffenen Karte verzeichnet.
Seither find mir neuerliche prähiftorifche Funde
innerhalb der Gemarkungen des hier in Rede ftehenden
Grenzwaldes — silva media — - bekannt geworden,
und fie find Veranlaffung, dafs ich über diefelben die
nachfolgenden Mittheilungen mache:
In erller Linie ift ein überaus feltenes, ja in der
hier zur Sprache kommenden Gegend in feiner Art
einziges Fundftück prähiftorifcher Gattung (und zwar
der Bronzezeit angehörend) zu nennen, welches bei
dem Orte Deutfch-Moliken (von Neuhaus I 7» Stunden
füdlichj etwa 74 Stunde füdlich vom Dorfe beim Tief-
ackern eines Feldes durch die Pflugfchar zutage
gefördert und durch den Schulleiter Herrn Karl Migl,
welchem der Fund zur Kenntnis kam, in Aufbewahrung
genommen wurde. Als Correfpondent Prof Dr. Nowak
nun gelegentlich Befchaffung von Materiale für den
..Soupis" des Neuhaufer Bezirkes auch Deutfch-
Moliken befuchte, wurde ihm das ungewöhnlich rare
Objecl durch den genannten Schulleiter vorgewiefen,
und dies war Veranlaffung, dafs auch ich von dem
Funde Nachricht erhielt und mich fofort nach Deutfch-
Moliken begab, wo es mir namentlich durch das fehr
dankcnswerthe Entgegenkommen des Herrn Karl Migl
gelang, das Objcft von dem Finder zu erkaufen und
gemeinfchaftlich mit meinem Freunde Hofrath Prof
Dr. Studnicka, welcher die Hälfte des Kaufpreifes
miterlegte, für das ftadtifche Mufeum in Neuhaus zu
fiebern.
Der Fundort felbft ift eine maßig gegen Weften
abfallende Berglehne, welche in dem in füdlicher
Richtung bis zu 550 M. aufftrcbenden Schmiedhanfel-
berg den der weiten Umgebung dominirenden Höhe-
punkt erreicht und eine fchöne Ueberficht nach allen
Richtungen gewahrt; derfelbe — der Fundort nämlich
— ift von dem umliegenden Terrain durch nichts
besonderes ausgezeichnet und bietet dem Befchauer
auch an Ort und Stelle, welche ich in Gefellfchaft des
Herrn Karl Migl und des Finders, Grundbesitzers
Lukfeh, fofoi-t befuchte, nichts Auffallendes. Die Acker-
krumme ift nämlich überall gleich gefärbter leichter
Sandboden; nur zwei größere Steine wurden an der
Oberfläche beobachtet, find aber auch nach Ausfage
des ortseinheimifchen F"inders eine häufig auftretende
Erfcheinung und für die Fundftelle belanglos. Beim
Ackern ftand das Fundftück mit dem Kopfende nach
oben und es gelang nur bei fcfterem Einfetzen des
Pfluses dasfelbe aus der Erde zu heben, in welcher es
an 30 Cm. tief fteckte. Eine Grabung am Fundorte
war augenblicklich unstatthaft, da das Grundftück mit
Korn bcftellt war, wurde jedoch für fpätere Zeit —
nach der Fechfung in Ausficht genommen.
Das Fundftück endlich ift ein ungewöhnlich
großer maffiver Lappenkelt — Palftab — an der Ober-
fläche mit dunkelgrüner glänzender Patina bedeckt;
nur einzelne Stellen find afchgrau gefärbt oder das
— 35 —
goldgelbe Metall — Bronze — tritt an zahlreichen
receiiten Kratzfpuren zutage. Das Bahnende \i\ feicht
eingebuchtet, 35 Cm. breit und erreicht, von zwei
mäßig aufftrebenden Randleiften eingefafst, in der
Mitte eine Breite von 4 Cm., worauf fich der Körper
unterhalb der mittelftändigen mäßig gefchloffenen vollen
Lappen bis zu 3 Cm. verengt und in der 6'5 Cm.
breiten, halbmondförmig gekrümmten fcharfenSchneide
endigt. Die Lappen welche gegen die Schneide zu in
fpitzem Winkel zufammcnlaufen, übergehen beiderfeits
in mäßig geböfchte Seitenflächen, welche fich fucceffive
verengend an den Endpunkten der flark ausladenden
Schneide abfchließen und dem ganzen, in allen Con-
touren meifterhaft ausgeführten Objefte den Stempel
vollendeter Schmiedekunft aufdrucken.
Zwifchen der Schneide und den Lappen befinden
fich zahlreiche parallele und gewellte, mäßig hervor-
tretende, ftumpfrandige Querftreifen, welche groben
Feilenflreifen ähnlich fehen, jedoch nicht fcharfe,
fondern wie fchon gefagt abgerundete Contouren
befitzen und aus diefem Grunde als Unebenheiten des
Gußes zu bezeichnen wären. Diefe Erfcheinung mit
der fehr geringen oder gar nie stattgefundenen Ab-
nutzung des Objektes, fowie der bedeutenden Tiefe,
in der es gefunden wurde, in Verbindung gebracht,
läßt die Möglichkeit zu, dafs das Stück einem Depot-
fund der Bronzezeit angehört hatte und abfichtlich
geborgen wurde. Die Länge des Objeftes beträgt
20 Cm., fein Gewicht 72 Dkg.'
Der Fund von Deutfch-Moliken erfcheint nament-
lich aus dem Grunde von nicht zu unterfchätzender
Bedeutung, weil derfelbe die Richtung eines fchon in
der Steinzeit (Holicky, Platz, Neuhaus) beftandenen
und auch noch in der Römerzeit (Piftin,^ Neuhaus
' Analoge oder doch fehr nahe verwandte Artefatfle (Lappenkelte)
gehören auch in Böhmen keineswegs zu den Seltenheiten und wir bciiegnen
ihnen zum Beifpiel in den Depotfunden der Bronzezeit. H. Richly. Die Bronze-
zeit in Böhmen bei Cerekvice horni (Ober-Cerekwe), Tab. IV. Fig. i ; Ji':ineves,
Taf. XXX. Hostoun (Hoflau), Taf. IX; Kj-Mce. Taf. XV, Fig. 2. oder in
Hügelgrabern; Pamätky arch. Na Husine XIV, Tab. I, Fig. 18 bei Velkä
Dobri (Palflabi. 18-5 Cm. lang, Schneide 4-7 Cm. breit: PXVTXXII, Fig. 3.
Kbely Pam. XVI. Tab. XXIX. Fig. 3; dann Pam. XI. Taf, XXI Fig. 18 bis
21 etc. etc.; oder Dr. M. Much „Kunfthiftorifcher Atlas''. Tab. XXXI. Fig. 19
bis 20 und 21. J. L. Pic „Cecliy pfedhistoricke"', Tab. II, Fig. 6, Tab. III,
Fig. 3, etc.
* Piftin (Pistina). Römifche Münze von Trajanus in der Münzfammlung
des Dr. Sedivy in Neuhaus.
(Biflric rechtslaffend) forterhaltenen Verkehrs- und
Handelsfteiges auch in der zwifchenliegenden, bis zur
Stunde in der weiten Umgebung durch Funde nicht
vertretenen Bronzezeit in einem fo überaus beweis-
kräftigen und lypifchen h'undobjeft außer jeglichen
Zweifel flellt.
Der weitere Verlauf diefes Steiges ilt heute noch
unerwiefen, da nicht anzunehmen ifl, dafs derfelbe von
Neuhaus in weftlicherRichtung über Lomnitz,'Mazalov,
Bukovsko u. f. w. feine Fortfetzung gefunden, refp.
ohne genügenden Grund geradezu nach dem Aus-
gangspunkte (Holicky) zurückgeführt hätte! Es wäre
vielmehr zu vermuthen, dafs diefer Steig über Pocätek*
und das etwas zweifelhafte Ober-Cerekwe^ gegen Oflen
oder über das ebenfalls nicht ganz \'erbürgte Patzau*
nach Norden geführt habe.
Nur weitere typifche Funde können in diefer und
in ähnlichen Fragen entfcheiden.
Zum Schluffe fei hier auch noch eines Fundes
Erwähnung gethan, welcher in der unmittelbaren Nähe
der Stadt Budweis gefchah und in öffentlichen Blättern
fignalifirt wurde. Ich habe mich zur Erlangung näherer,
verläßlicher Auskünfte an Confervator J. Branis nach
Budweis gewandt und erhielt fofort die mit feltener
Freundlichkeit ertheilten Details, denen ich Folgendes
entnehme: Der Fund gefchah in einer Entfernung von
nur etwa i '4 Km. weftlich von der Stadt Budweis, un-
mittelbar neben der „Schönen Ausficht", auf der Stelle
wo auf der Generalftabskarte der Höhepunkt 401 ver-
zeichnet erfcheint und wo gelegentlich Tiefgrabung in
dem der cechifchen Ackerbaufchule gehörigen Garten
durch den Lehrer H. Stepän ein flark abgenützter
Palftab und ein Stück Bronzeguß erhoben wurden.
Nach den, diefen intereffanten Fund begleitenden
Umftänden wäre zu fchließen, dafs derfelbe als Depot-
fund zu bezeichnen fei. Herr Lehrer Stepän hat ver-
fprochen, die in Redeftehenden Fundftücke dem Laiides-
mufeum zu übergeben.
' Lomnic, Römifche Münze (ohne nähere Beftimmung). F. Mares
„Soupis pol. okresu Tfebonskeho."
' Pocatek. Römifche Münze: Avers: Büfte mit Legende „Urbs Roma";
Revers: Wölfin zwei Kinder fangend mit: „Aflls" ; L. Domecka, „Osidleni
kraje jindficho hradeckeho.**
3 Ober-Cerekve. Richly. „Mittheilungen der Anthropologifchen Gefeil,
fchaft in Wien", XXII 32.
* Patzau; H. Richly diefe Mittheilungen XVIII 122.
Die fogenannte „weftliche Burg*' in Suczawa.
Vom k. k. Confervator Diredlor A'ar/ Romßorfer .
UR kurze Zeit hindurch war Sereth — wenn
-\f\ überhaupt jemals — die Refidenz der VVoje-
woden des moldauifchen Fürllenthumes ge-
welcn, delTen Begründung demFührer derMarniarofcher
Rumänen, Dragofch, um das Jahr 1343 zugefchrieben
wird; denn fchon Fürft Peter I. aus dem Haufe
Mufchat (1375 bis 1391) verlegte diefelbe nach dem
ftrategifch und commerciell viel wichtigeren Suczawa;
wenigflens ift eine Urkunde Peters bekannt, welche in
Suczawa 1388 ausgcftellt wurde. Vor ihm dürfte
übrigens bereits der Lithauer Georg Koriatowicz
(juga), der 1374 die moldauifche Metropole errichtete,
als Fürft der unteren Moldau, möglicherweife in Sucza-
wa (wofelbfi: er ein zweitesmal im Jahre 1400 moldau-
ifcher VVojewode war), refidirt haben. In Suczawa be-
fland unzweifelhaft bereits eine, vielleicht von den
Johannitern oder dem deutfchen Ritterorden her-
rührende Befertigung. Vom jüngeren Bruder und Nach-
folger Peters, dem Wojewoden Roman I., find Ur-
kunden aus dem Jahre i 392 bekannt, auf welchen als
Ausftellungsort ausdrücklich angeführt ift: „in unferer
Stadt zu Suczawa."
Suczawa liegt auf dem Plateau, das fteil gegen
den im Norden vorbeiziehenden Fluß gleichen Namens
abfallt und vornehmlich durch den tief eingefchnittenen
Kakainabach und deffen Nebenfchluchten zerklüftet
— .^6
erfcheint. Die Cetatea, das ift Burg, befindet fich oft-
wärts der Stadt, nahe der ehemaligen Mündung des
genannten Baches in den Fluß an einem nafcnförmigen,
theilweife verdeckten Vorfprunge, von drei Seiten
durch die natürlichen Steilhänge gefchützt und bloß
von Südoft her leichter zugänglich, wofelbft noch zahl-
reiche ausgedehnte Verfchanzungen nachgewiefen
werden können. Wie deutlich erkennbar, wurde fie zu
verfchiedenen Zeiten erweitert und verflärkt, überhaupt
baulich umgeändert. Die erftc bedeutendere Aus-
gcftaltung der, wie erwähnt, wahrfcheinlich wohl fchon
von früher her beftandenen Befeftigung dürfte unzweifel-
jiaft und fpätcftens Peter 1. vorgenommen haben; unter
Koriatowicz konnte dies, der kurzen Regierungszeit
diefes Fürften wegen, nicht gefchehen fein. Am ent-
gegengefetzten (linken) Ufer des Kakainabaches liegt
auf einer dominirenden Kuppe, welche — wie eine
Sage, wohl fälfchlich, berichtet — durch die Tataren
wohl nur ein Jahr betrug, \ü. es unwahrfchcinlich, dafs
derfelbe die, allerdings in einfacher und in mancher
Hinlicht conftructiv ungenau ausgeführte Kirche ein-
fchließlich der Ikonoftafis und der fonfligen Einrich-
tung \-ollendete, ja dicfelbe, für welche wohl noch kein
befonderes Bedürfnis vorlag, damals überhaupt ftiftete.
Anderfeits wird diefe Kirche, welche \-ielleicht vorerll
klofterlichen Zwecken gewidmet war, in der Chronik
des Urechia bereits 1401 während der Regierungszeit
Alexander des Guten als beftehend angeführt, in welclie
diefer Fürft, naciidem er fie zur Kathedralkirche be-
ftimmte, 1402 die Reliquien des heil. Johannes Novi,
anläfslich der Erhebung des Bifchofs von Akerman,
Jofif, zum Metropoliten von Suczawa, gebracht liat.'
Nun fpricht die Bauweife der Miroutz-Kirche,
welche mit jener der älteren Mauern des Schloßes
übereinftimmt, und diesfalls insbefonders die That-
fache, dafs im unteren Theile der Nordwand einige
nhol'
wdajeni
Fig.
durch Hinauftragen von Erde in ihren Kopfbedeckungen
aufgcfchüttet worden fein foU und deshalb noch heute
Tatarenhügel heißt, die fogenannte Miroutzer Kirche,
die alte Metropolitan- und Krönungskirche der moldau-
ifchen Fürften.
Eine Brücke aus Leder, welche allerdings über
200 M. lang hätte fein müßen, foU fie mit dem Schloße
in direfle Verbindung gebracht haben. Ihre Erbauung
fchreibt die Fabel Dragofch zu, nach einer anderen
Sage errichtete he Georg Koriatowicz. Für die letztere
Annahme fpricht vielleicht der Umftand, dafs fie dem
heil. Giorgi, dem Namenspatron Koriatowicz', geweiht
war. Nachdem indes das Bukowinaer griechifch-ortho-
doxe erzbifchöfliche Confiflorium im Diöccfan-Schema-
tismus ausdrücklich hervorhebt, dafs der erfle von
Koriatowicz eingefetzte Landesmetropolit (Theoktift)
nicht in Suczawa refidirt haben dürfte und nachdem
die erfte Regierungsdauer des genannten Wojewoden
grünglafirte Ziegel, wie fie auch am Schloße gefunden
wurden, vermauert erfcheincn, dafür, dafs fie wohl ziem-
lich gleichzeitig mit dem Bau der als fefte Burg errich-
teten Cetatea entftanden ift. Zu bemerken ift in diefer
Hinficht noch, dafs es als fehr wahrfcheinlich bezeich-
net werden muß, dafs die dermalen nachweisbare
Schloßcapelle — für deren Errichtung reich profilirte,
von einem anderen Gebäude herrührende Quader an
der Außenwand des Altarraumes benützt wurden —
erft viel fp.iter entltand.
Aus all diefem kann wohl mit großer Wahr-
fcheinlichkeit der Schluß gezogen werden, dafs die
Miroutz-Kirche dem Wojewoden Peter l. (etwa um das
Jahr 1380) ihre Entllehung und Vollendung verdankt.
Vielleicht ergeben einzelne, gelegentlich der im Zuge
' Spaterhin kamen die Reliquien mit der Metropole in die 1514 bis 1522
von den Wojewoden liopd.m und Stepluin crbante neue St. Georgs-Kirche, bei
welcher fleh gegenwartig die Kloftcrexpofitur aus Dragoniirna befindet.
17
befinciliclien Reftaurirung der Kirclie zutage tretenden
Funde beftimmtere Anhaltspunkte über den Stifter.
Tliatfache ift, dafs in fpäterer Zeit bauliche Verände-
rungen vorgenommen worden find, wie dies insbe-
fonders die gelegentlich der Demolirung der ehe-
maligen Laterne im inneren Mauerwerke aufgefundene
Münze, ein fogenannter Dreigröfcher Sigismund 111.,
bezeugt.
Die Cetatea in Suczawa foll nach E. R. Neubauer
von Roman 1., der allerdings bloß von 1391 bis 1393
regierte, im letztgenannten Jahre neu hergerichtet
worden fein. Ihm folgten deffen Bruder Stephan, fodann
vorübergehend abermals Roman 1. und Koriatovvicz,
bis Alexander I. der Gute 1400 den Thron beflieg, den
der letztgenannte Furft 32 Jahre inne hatte. Es wird
erzählt, dafs diefer in den ausgedehnten unterirdifchen
Gewölben ungeheuere Schätze verborgen hielt, was
als Beweis für die Thatfache gelten muß, dafs das
Schloß zu jener Zeit der Hauptfache nach vollendet
war. Größere Bauveränderungen ließen insbefonders
Fig. 2.
Fürft Stephan der Große in der zweiten Hälfte des
1 5. Jahrhunderts mit Hilfe von Tataren und Frohn-
arbeitern vornehmen, ferner Wojewode Peter Rarefch
im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts, vornehmlich
aber Jacob Heraclides nach der Mitte des 16. Jahr-
hunderts, der es nach Art deutfcher Ritterburgen
umbauen ließ.
Außer dem Schloße beftand in Suczawa, deffen erftc
Befiedelung unterhalb desfelben an den Ufern des
Kakainabaches war, noch eine „Refidenz", welche
General Karl Freiherr von Enzenberg als bereits zu-
famniengefallcn bezeichnete. Jetzt find von derfelben in
der Nähe der St. Demetrius-Kirche' und nahezu 400 M.
von der Miroutz-Kirche entfernt nur noch einige
Fundamentmauern nachzuweifen, welche nach dem
Verfalle der Refidenz für l'rivathäufer benützt wurden.
Vielleicht hat diefes in der Stadt liegende, ziemlich
umfangreiche und mit Badeanlagen beim wafferreichen
' Und zwar nicht von Stephan W., tlcm Sohne Bogdan III.. wie es
griechifchoithodoxen Dioccfan-Schematisnnis heißt, fondern. nach Mariaii,
Peter Rarefch in den Jahren 1534 und 1535 erbaut.
Szipot im Zufammenhange ftehende Gebäude gleich
der Demetrius-Kirche ebenfalls Peter Rarefch erbauen
laffen.
Der höchfte Punkt des nördlichen Theiles des
Hochplateau Areni (= Sandgeftätte) bei Suczawa
liegt weftlich von diefer Stadt, bei Z, wolelbft fich das
ehemalige armenifche Klofter Zamka befindet. Die
Anlage befteht aus einem kleinen mehrgefchoßigen
Hauptgebäude, an das fich die bloß etwa meterdicken,
mitStrebepfeilern verfehenen, den an der Südollfeite
gelegenen Hof umgebenden Mauern anfchließen. Im
Hofraume war an der Südweftmauer ein Nebengebäude
angefchloffen, von welchem man noch Refte bemerkt;
in der Oftecke fleht ein mehrgefchoßiger Thurm, deffen
Einfahrt von außen her nachträglich vermauert wurde.
Der Schlußftein des gegen außen gekehrten Einfahrt-
bogens trägt die Jahreszahl 1606. Eine dem Thurme
angefügte Wendeltreppe führte auf einen offenen Gang
im erflen Stocke. Im zweiten Stocke ifl eine Capelle
angeordnet. In der Mitte des großen Hofes erhebt fich
die rund 8 M. breite und 20 M. lange Kirche mit dem
Grabmale des Gründers, als welcher der Armenier
Agopfcha zum Jahre 1551 bezeichnet wird. In der An-
lage ift diefe einfache Kirche den moldauifch-byzantini-
fchen fehr verwandt. Die an der Nordweflwand befind-
liche Thüröffnung ifl mit einem kleeblattartig aus-
DOoI:
Fig. 3-
Fig. 4-
gearbeiteten, alten armenifchen Grabflein überdeckt.
Das intereffantefle und ficher alterte Bauwerk der
ganzen Anlage ifl das erwähnte i 5 M. lange und kaum
10 M. breite Hauptgebäude, durch delTen Erdgefchoß
eine niedrige überwölbte Einfahrt den Hauptzugang in
den Hof bildet. Im äußeren, vorhallenartig vorfpringen-
den, mit ornamental verzierten Steinen gewölbten
Thorbogen, deffen einer an der Innenfeite ein (Stein-
metz-) Zeichen von diefer Form j j i (^etwa 6 Cm.
lang) trägt, ifl in der Decke ein Gießloch gegen ein-
dringende Feinde angebracht; der zweite und der hof-
feitige Thorbogen find nachträglich zu kleinen Thüren
umgertaltet worden. Im Ertlgcfchoße befinden fich
rechts und links von der ehemaligen Einfahrt je ein
gewölbter Wohnraum mit kleinen vergitterten Fenftern
in den flarken Umfaffungsmauern. Eine 60 Cm. breite
zweiarmige Stiege fuhrt in den erflen Stock, in wel-
chem fich linksfeitig eine im Lichten 4 M. breite und
fammt dem apfidenformigcn Altarraume 6'loM. lange,
der Entfchlafung Mariens geweihte Capelle mit noch
recht gut erhaltenen Malereien befindet. Der fteinerne
I'liürflock' mit dreibogig gellaltetem Sturz trägt pr.äch-
tige Kerbfchnittornamcnte. Ueberwolbt ill der ilaupt-
raum in typifch moldauifch-byzantinifcher Weife gleich
der Miroutz-Kirche, indem aus dem Gurtenviereck
mittels Pendentifs der Uebergang in i.\cn unteren
- 38
Cylitider bewerkftelligt wurde, in welchem vier diago-
nal geseilte Gurten eingebaut find, welche die Laterne
tragen. In die unteren fowohl als in die oberen Pcnden-
tifs find je drei fogenannte Schallverftärker vermauert.
Die Malerei im Altarraume zeigt in der Nifchen-
wölbung die Grablegung Marien.s und darunter die
Verkündigung Mariens, fowie Chrifti Darftellung im
Tempel (.'). In die letzte Malerei erfcheinen die
Jahreszahlen 1686 (Oclober) und 1690 eingekratzt,
welche alfo aus der Zeit der Anwefenheit der Polen
unter Konig Sobieski flammen. Im erften Stocke
befindet fich ferner ein großes Zimmer und ein kleinerer
Raum, welch letzterer wohl als Küche diente. Im
zweiten Gefchoße liegt einerfeits die Capellenuölbung
und über dem Altarraume ein ganz kleines Gemach,
während der übrige, nachträglich aufgebaute Raum die
Größe der Einfahrt einfchließlich des rechtsfeitigen
Zimmers befitzt.
Das Gebäude ill; im wefentlichen aus Bruchftein
errichtet. Das Cordongefims über den P'enfterchen des
erften Stockes ift in charakteriflifcher Weife aus dem
F'g- 5-
kräftig gehaltenen, fchön gemetzten verknüpften Wullf
hergeflellt, den oben und unten je drei Scharen grün
und braun glafirte Ziegel begleiten. Das Cordongefims
erflreckt fich nicht über den nachträglichen Zubau des
zweiten Stockes, il1: aber dagegen auch im Innern des
Gebäudes, und zwar innerhalb diefes Zubaues an der
Capellenwand fichtbar. Im Hof zog fich ein auf Stein-
trägern ruhender offener Gang theilweife um das Ge-
bäude, das noch jetzt ein fehr malerifches Aeußere
befitzt (fiehe die Abbildung im Bande Bukowina,
S. 419 des Werkes „Die öflerreichifch-ungarifche
Monarchie in Wort und Bild"), vor dem Zubau jedoch
befonders reizend ausgefehen haben muß. Es wäre zu
wünfchen, dafs diefes, der armenifch-orientalifchen Ge-
meinde in Suczawa gehörige, reizende, flylgerechte
Bauwerk als Kunftdenkmal reflaurirt und in den alten
Stand verfetzt würde.
Vor dem Gebäude befindet fich ein fchmaler
Theil des Plateau, das dann Heil gegen den Skejabach
abftürzt. An den drei übrigen Seiten der an und für
fich wohl nur geringe Sicherheit gegen Angriffe bieten-
den Hofmauern find hohe, fehr "ut erhaltene Wälle auf
getragen, hinter denen 8 M. tiefe Gräben angeordnet
wurden. An den Ecken befinden fich ballionenartige
Erdbauten. Diefe Wälle und Griiben wurden \on
Sobieski errichtet, als er 1686 aus Jaffy nach Polen
zurückkehrte. Die Thatfache, dafs die Einfahrt des an
der Oflecke befindlichen Thurmes erft nachtraglich
vermauert wurde, beweist, dafs zur Zeit der Erbauung
desfelben Wälle und Gräben thatfächlich noch nicht
vorhanden waren.
Die Gtfchichte der Errichtung Zamka's ill noch
lückenhaft; manches hierüber dürfte fich im armeni-
fchen Archiv in Lemberg finden laffen. Nach einer
Mittheilung des 1901 verftorbenen Gefchichtsforfchers
Profeffors Wilhelm Schmidt in Suczawa erbaute der
P\irft Johann der Sachfe (Jancu, 1579 bis 15S2), der
eine Armenierin zur Frau belaß, in dem Kirchencaftelle
Zamka eine ftattliche Refidenz (und die von einigen
Mönchen gehütete Domkirche.'), der W'ojewode Jerc-
mias Mohila (1595 bis 1607) aber in der Umfaffung
Zamka's den liohen Thurm, welcher namentlich den
altherkömmlichen, über Illifcheflie führenden Tataren-
weg beherrfchte. Im Archiv der Gemeinde Suczawa
befagt eine Urkunde des Wojewoden Anton Rufet
(1675 bis 1678) aus dem Jahre 1677, dafs derfelbe den
armenifchen Bifchof zu Zamka mit drei Familien be-
gnadete. Die ftrategifche Bedeutung von Areni war es
wohl, welche Johann Sobieski bewog, Zamka, das erft
aus diefer Zeit feinen jetzigen Namen erhielt, mit Wall
und Graben zu umgeben, wie feine Truppen auch die
Erdarbeiten zu beiden Seiten der von der Höhe nach
Illifcheftie ziehenden Straße ausgeführt haben follen.
Die Bauart des Wohngebäudes nun läfst es als fehr
wahrfcheinlich erfcheinen, dafs dasfelbe wohl aus
früherer Zeit ftammt; vielleicht ließ es Fürfl Johann
bloß umbauen oder vergrößern. Die Errichtung möchte
ich noch ins 15. Jahrhundert datiren. Die Verwendung
von glafirten Ziegeln und fpäterhin auch Kacheln (als
Schmuck und für Oefen) war eine ausgebreitete und
kam fowohl auf der Cetatea und bei der Miroutz-
Kirche, fowie an den Kirchen in Badeutz, Suczawa
(St. Georgs-Kirche), St. Illie u. f w. vor. Möglicher-
weife wurde das Wohngebaude urfprünglicli a!s Luft-
fchlößchen mit HauscapcUe von einem früheren Woje-
woden errichtet.
Faft genau nördlich von Zamka, in einer Ent-
fernung von rund iioo M. Luftlinie, ifl auf dem
kuppenförmig geflalteten Theil der fchroff abfallenden
Nafe, und zwar am weftlichen Hange gegen den Skeja-
bach zu, altes feftes Bruchfteingemäuer erfichtlich
(Fig. 2). Es gehörte unzweifelhaft einem wohl quadra-
tifchen Thurme an, deffen Weftfeite völlig abgellürzt
oder abgebrochen wurde, während von der Nord- und
Südfeite der größere Theil, von der Oftfeite aber
bloß der über dem Terrain liegende Theil fehlt. Im
Jahre 1895 machte ich hievon bereits eine photogra-
phifche Aufnahme, im Jahre 1899 nahm ich eine ge-
naue Unterfuchung der Ruine vor. Die lichte Weite
beträgt nahezu 5 M., die Stärke der Mauern im unteren
Thcile nahezu 3 M. (Fig. 3). Bei a (Fig. 2) find Ver-
tiefungen erfichtlich, in denen wahrfcheinlich Decken-
balken fleckten. Bei b lag eine durch Unterzüge unter-
flützte Balkendecke, nach Fig. 4, wie dies die Balken-
locher und in denfelben die beifpielsweife bei x noch
ci fichtlichen Abdrücke der Holzflruflur im fetten
39 --
Mörtel deutlich beweifen. Auch bei c (Fig. 2) war ein
Balken eingefügt gewefen. In der Höhe d war eine in
Mörtel gelegte Hruchfleinpflafterung nachweisbar, zum
Theil befand fich dafelblt natürlicher Fels. Im Volks-
munde hieß diefer Tliurm: „Cetatea de la apus Stefan
cel mare",das ift „weftliche Burg Stephan des Großen".
Ob derfelbe thatfächlich von diefem Wojewoden her-
rührt, ift noch nicht nachgewiefen , die Bauart und
namentlich der mit Ziegelmehl verfetzte Mörtel, wie er
auch an vielen nachweisbar fpater errichteten Theilen
des Schloßes Suczawa verwendet wurde, laffen dies
nicht unwahrfcheinlich erfcheinen.
Jedenfalls bildete der Thurm eine zum Berg- oder
Fürftenfchloße gehörige Warte oder eine Art Boll-
werk.' Von ihm aus bietet fich dem Auge eine weite
h'ernficht dar, fowohl im Flußthale aufwärts, wo weit-
hin die Verbindungswege mit Polen beobachtet werden
Iconnten, und abwärts gegen die Moldau zu, als im
Süden und Weften nach den moldauifchen Bergen und
dem an das Siebenbürgifche anfchließenden Gebirge.
Von hier aus mögen die auf der Kuppe Kopec bei
Chilifcheni gegebenen Feuerzeichen wohl fehr gut, viel-
leicht auch die auf dem ähnlichen Wartthurme am
Cäcina bei Czernowitz, etwa mittelft Zwifchenftationen,
gegebenen Zeichen gefehen worden fein. Ein gewiffer
Zufammenhang des Schloßes hat fichei' auch mit den auf
den Anhöhen und deren Fuß bei Bordujeni im heutigen
Rumänien, auf dem entgegengefetzten Ufer der Sucza-
wa gelegenen Befeftigungswerken beflanden, wofelbfl
die Errichtung einer alten Brücke Stephan dem Großen
zup-efchrieben wird.
' Nach W. Schmidt war his zu König Sobieski's Tagen oberhalb Skeja,
uie fchon der Name des Ortes befagt, eine Zollegftätte. Im Jahre 1895 erzahlte
mir der damals 76 Jahre alte Pfarrer Protopr. V. Popovici, dafs die Baulichkeit
nicht unbedeutend war und dafs derfelbpn zahlreiche Steine entnommen wurden.
Pls geht die Sage, dafs vom Weftthurme 5 aus ein
unterirdifcher Gang gegen die Stelle iV hin führte, wo
das fogenannte Meixner'fche Haus ftand, das im
Frühjahre 1901 abgebrochen und etwa 300 M.
weiter an der Straße gegen Neu-Itzkany neu errichtet
wurde, wie in gleicher Weife die Fabel beifpielsweife
\on einem unterirdifchen Gange berichtet, der von der
Cetatea aus in die Stadt Suczawa gefuhrt haben foll.
Die Umgebung der wefllichen Burg zeigt im Tenain
zahlreiche Erhöhungen und Vertiefungen, namentlich
an dem Nordhange gegen das Meixner'fche Haus hin.
Diefelbcn fmd wohl größtentheils auf natürliche Weife
durch Terrainrutfchungen entÜanden. Zum Tlieile
rühren fie von Steinbrüchen her, die hier — wie feit
1901 neuerdings — wahrfcheinlich auch früher zeitweife
beftanden haben. Zum Theile mag das unebene Terrain
ziniächft des Thurmes durch geringfügigere Abgra-
bungen und Auffchüttungen zu einer Art Verfchanzung
umgeftaltet worden fein.
Gelegentlich der jüngfien Steingewinnungen hat
man leider auch das Mauerwerk des Thurmes ziemlich
bedeutend bloßgelegt und derart unterwühlt, dafs
wenigftens an der Nordwand R (F^ig. 3) ein baldiges
weiteres Abftürzen zu befürchten ift, wenn das Funda-
ment dafelbft nicht baldigft untermauert wird. Die ehe-
malige Böfchung verlief nämlich in der Richtung mn
(Fig. 5). Jetzt zeigt fie die Linie pqr mit einer Grube
unter dem Mauerwerk; die Erhöhung k ift der Gruben-
aushub. Die Fundamente ruhten auf der ziemlich
trockenen, lettenartigen feften Schichte /; unter der-
fclben befindet fich ein etwa 05 M. dickes Lager
plattenförmiger Steine g, worunter ein Lager fefter
Sandfteine // von bedeutender Dicke liegt. Hier nun
wurden Steine gebrochen, was zur Folge hatte, dafs
fich bereits ein Theil der Thurmmauer ablöste, während
l'5 M. derfelben freifchwebend erfcheinen.
Zur Vorgefchichte Mährens.
P"orfchungeti im Jnhre 1901 des Correfpondeiiten /. L. Cervinka.
^iEINE F'orfchung im Jahre igoi befchränkte
lieh hauptfachlich auf das Durclifuchen meh-
rerer bereits bekannter Fundorte. Es gelang
mir zwar auch einige bis jetzt unbekannte Fundftätten
zu entdecken; zu größeren Ausgrabungen jedoch, zu
welchen ich mich anfchickte, bin ich leider aus Mangel
an Zeit im Laufe der folchen Arbeiten günftigften
Monate nicht gekommen.
Aus neolithifchen Fundorten reihte ich meinen
Sannn hingen neu' ein:
Buch'.owitz. Auf herrfcbaftlicliem J*"eldc öftlich
vom .Schloßparke wird eine größere Anfiedlung durch-
ackert, welche fich durch fehr zahlreiche Wohngruben
und ausgedehnte Culturfchichtcn auszeichnet. Ich fand
eine Menge Scherben von Bandkeramik, wie uns folche
aus der Vypuslek-Höhle, den Anfiedlungen bei Velc-
hrad, Zopy u. a. m. bekannt ift, Feuerfteinmeffer, einen
Klopfer, Bohrzapfen, einen übfidianfplitter, ein .Steinbeil
und einen Mahlftein.
' Ausführlich befchrieben : I. L. Ccrvinka, .Sbirka pravckvcli staro-
iitnosti. (Uh. Hradiste 1900.) Mit XIV Tafehi, 24 Abb., 37 S.
Bfezolupy. Eine Anfieillung gleichen Alters' „Na
Pastvisku" lieferte im heurigen Frühjahre eine be-
fonders reiche Beute. Auf den durchackerten Gruben
fammelte ich bei 30 Feuerfteinmefter und Schaber,
Nucleen, hübfch erhaltene Beile und Meißel der be-
kannten Leiftenform, Glatter, zerfchlagene Beile, Mahl-
fteine u. a. Die Keramik ift erklärlicherweile bloß durch
einzelne Scherben vertreten, und zwa"- älteften Typus
(ä la Buchlowitz, Vypustek- Höhle).
Cechowitz (bei Proßnitz). Diefe bekannte neoli-
thifche Anfiedlung auf der Anhöhe „Cecho\'sko" mit
fpärlicher Keramik des jüngften Typus ift eine beinahe
unerfchöpfliche Fundftättc an Steinwerkzeugen und
Wirtein.''' Heuer fand ich fchöne Mcffer und Schaber
aus Feuerftein, acht Bohrzapfen aus Steinhämmern,
zwei ganze ungcbohrte l^eile, einige gebrochene Stein-
beile mit Bohrung und ohne folcho, Mahlfteine, einige
' Casopis vlast. niuzcjniho spolku v Olomouci 1896, S. iiS.
- I, L. Ccrvinka. Archacologicky vyzkum na Prostcjovsku (Profsnitx
1900), S. 12.
— 40 —
Wirtel und ein (wahrfchcinlicli) Kiiuicrfpicl/.ous;- in der
Form eines Mützchens.
Maratitz. Aus der Ziegelei des BiJrgenneifters
Stand, wo die bereits bekannte Anfiedlung mit Band-
und bemalter Keramik durchgraben wird,' erhielt ich
ein fchönes Feuerfleinmeffer, einen walzenförmigen
Glatter und ein gebrochenes Beil, gleichfalls als Glätter
ehemals benützt.
Altftadt (bei Ungarifch Hradifch). Im Bereiche
diefes Dorfes befinden fich zwei neolithifche Anficd-
lungen mit Ban(ll;eramik.^ Im Hifenbahncinfchnitte „na
Spitalkäch" fand ich zwei gebrochene Beile, Feuer-
fl:einrr>effer und einige Scherben; hinter dem Nordbahn-
hofe ,.v Oisi" Bruchftücke von Steinbeilen, Feuerflein-
meffer und ebenfalls einige Scherben.
Neudorf (bei Osla\'an). Auf der bekannten Anfied-
lung „na Kopaninaclr' fand ich Feuerfteinmcffer, Stein-
beile, einen Glätter und Scherben, denen von Buchlo-
witz ähnlich, andere wieder mit punktirten und be-
malten Ornamenten.
Velehrad. Die bekannte Anlledlung ,,na Dohm
Räkosi" mit charakteriftifcher Bandkeramik ^ lieferte
einige F'euerfleinmeffer, einen Bohrzapfen, hübfch er-
lialtcne Beile und Glätter, ein gebrochenes Beil mit
Bohrung fowie zahlreiche Scherben.
Aus Einzelfunden führe ich an: „Donnerkeile" aus
Blatnicka, einige Beile gewöhnlicher Form; Ungarifch-
Hradifck: ein Beil aus den Feldern nächft der Kuno-
witzer Straße; Kunotvits: ein fchönes gebohrtes Hand-
beil; Maratits : ein ähnliches Beil aus dem Bukowina-
Haine; aus Rapotits (bei Roffitz) erhielt ich vom
Ehrw. H. Kratochwi'l ein gebrochenes Beil mit Bohrung,
gefunden im dortigen Schulgarten; Vclkd: ein ge-
bohrtes leiftenförmiges und kleine gewöhnliche Beile.
Aus Bronzefunden erwarb ich aus dem Maffen-
funde bei Sclilapanitz zwei kurze Speere und einen
intereffanten Stachel-Streitkolben, aus Hei-fpits (bei
Auflerlitz) einen fchon im Jahre 1896 „na Üjezdech"
ausgeackerten Speer, aus Hluk einen Speer und einen
größeren fchönen Lappenkelt.
Von Wohnftätten mit der Cultur der liegenden
Hocker forfchte ich in der herrfchaftlichcn und der dem
Herrn Nedbal gehörigen Ziegelei bei Kunowitz.* Diefe
ausgedehnte Anfiedlung ift höchft intereffant, die
Ziegelarbeiten gehen jedoch fo langfam von ftatten,
dafs im Laufe des Jahres kaum eine oder zwei Gruben
erfchloffcn werden. Unter der heuer gefundenen Kera-
mik find wieder Scherben, welche unbeltritten den
Einfluß der Cultur der Urnenfelder aufweifen.
Altftadt. Eine ahnliche Anfiedlung „na Kruhach"
im Marchufer' war heuer minder ergiebig; ich fand
einen langen engen Bronzemeißel, ein Steinbeil und
W'irtcl nebft Gcfäßfcherben.
Bofenitz. In der Gemeindeziegelei durchfuchte
ich die Cultur- und Abfällegruben, welche, etwa zwölf
an der Zahl, fich in der Ziegelerde in allen möglichen
Formen und Größen bemerkbar machten. Ich ließ
einige von ihnen durchgraben, allein nur Scherben
waren der Lohn unferer Mühe.
' C.-»«. vi. muz. sp. V Ol. 1896, S. 10. Milthcilungcn der prähiftorifchen
CommifTion, I. Bd., S. 247.
2 Gas. vi. m. sp. V Ol. 1897, S. 140. J. L. Ccrvink.-i, Dcvin a Velehrad.
dva hradj Vclkomoravske (Kremfier 1902), S. 53, 57.
' Cas. vi. m. sp. V. Ol. 1895, S. 146.
* Ebcndort 1896, S. 120.
'•> Ebcndort 1896, S. 113.
Weimisslitz (bei Kromau). Auf dem herrfchaft-
lichcn hYldc „na Vyhou'' entdeckte ich eine aus-
gedehnte Anfiedlung mit zahlreichen Wohn- und Ab-
fällegruben. Ich ließ mehrere öffiien, fand jedoch bloß
fpärliche Scherben, einige Feuerfleinmeffer und Scha-
ber, zahlreiche Splitter, ein halbfertiges Steinbeil, einen
Mahlllcin und einige Hausthierknochen. In einer Grube
befand fich unter groben Scherben ein Gefäßftück aus
feinem Thone mit rother Farbe bemalt, ganz ähnlich
denen, die auf der neolithifchen Anfiedlung in Mai^atitz
oder Borsitz gefunden werden. Die übrige Keramik
diefer fowie auch aller übrigen Gruben hat den Cha-
rakter der Cultur, welche den Anfiedlungen der liegen-
den Hocker eigenthümlich ift. Eine andere Grube in der
Form einer Walze wies bedeutende Dimenfionen auf:
r8o M. Tiefe und 4 M. Durchmeffer. Ausgefüllt war
felbe mit dunklem mit Afche vermifchtem Erdreiche,
worin zahlreiche größere Stücke Holzkohle und ge-
brannter Schlacken vorkamen, Scherben jedoch waren
nur fpärlich vorhanden.
Im heurigen Herbfte befuchte ich auch die Grab-
rtatte bei
Wranowitz (bei Proßnitz), von welcher fo mancher
lärmende und unwahrfcheinliche Bericht (durch die
Localblätter) in die Oeffentlichkeit gedrungen war.
Im Jahre 190O entdeckte man auf dem Riede
„Ctvrte" unterhalb des Kreuzes ein Urnenfeld, und
etwas tiefer von da gelegen, auf den Nachbarfeldern
„Di'Iy" eine andere Grabflätte mit liegenden Hockern.
Der Wranowitzer Pfarrer Pospisil, ein großer Liebhaber
\orgefchichtlicher Alterthümer, durchgrub mit befon-
derem Eifer drei Hockergräber „na Dilech" und in
Gemeinfchaft mit den dortigen Lehrern etwa 30 Gräber
„na Ctvrtich". Die Ausbeute diefer ift jedoch \'erhält-
nismäßig gering und von keiner hervorragenden Be-
deutung, nachdem durch die Steinumfaffung beinahe
fämmtliche Gefäße zertrümmert und auch fonft ver-
nichtet waren.
Im Vereine mit meinem Freunde, dem Lehrer
Anton Gottwald, unternahm ich eine Probegrabung
und es gelang uns drei Hockergräber und ein Urnen-
grab zu entdecken.
Gelegentlich der Ausbcfferung des Weges, welcher
zwifchcn diefen beiden Fundorten führt, fließen die
Arbeiter in dem Hohlwege des herrfchaftlichcn Feldes
auf vier Gräber mit liegenden Hockern. Bei diefen be-
fanden fich mehrere Gefäße, welche jedoch aus Un-
achtfamkeit vernichtet wurden. Der Pfarrer rettete aus
einem diefer Gräber, deffen Umriffe in dem abgegra-
benen Erdreiche fich durch ihre dunkle Färbung deut-
lich abhoben, ein kleines Krüglein mit eingeritzten
Ornamenten, welche mit weißer F'arbe ausgefüllt waren.
In dcrfelben Reihe mit diefen vier fiüher entdeckten
Gräbern fand ich zwei neue, ganz nahe bei einander,
und in einiger Entfernung davon, auf herrfchaftlichem
l'elde, Lehrer Gottwald ebenfalls zwei Skelette: eines
lag auf der rechten Seite und hatte bei den Knien zwei
kleine Töpfe und eine Beinahle, der Kopf aber fehlte.
Das zweite Grab war durch den Umfland intereffant,
dafs der Leichnam in fitzendhockendcr Lage zwifchen
tlrei größeren Steinen begraben war. Beigegeben war
ein kleiner Topf
Die Gräber unter dem Feldraine, in einer Reihe
mit den zerflörten, waren eng bei einander. Die Skelette
— 41 —
lagen auf der rechten Seite, die Knie angezogen, mit
dem Kopfe gegen Süden, die Füße gegen Norden.
Das öftlichere gehörte einer halberwachfenen Frau an;
beim Kopfe befand fich ein Stein, in der Bauchgegend
eine Schüffei. Das andere Skelet war das eines etwa
fechsjährigen Kindes, einfach, ohne Beigaben in bloßer
Erde begraben. Die Schädel aller diefer Skelette waren
fämmtlich lang, die Knochen im ganzen gut erhalten;
durch Unachtfamkeit der Arbeiter wurden fie jedoch
beim Transporte vernichtet. Alle Gräber warffn gleich-
fam in Neftern dunklen Erdreiches gelagert.
In der Nähe diefer Gräber wurden drei Wohn-
gruben entdeckt mit fpärlicher Keramik, welche voll-
kommen jener der in den Gräbern gefundenen Gefäße
entfprach.
Im felben Hohlwege, nur etwas mehr weftlich, ent-
deckte der Herr Pfarrer Urnengräber. Durch probe-
weifes Durchgraben ftieß ich auf ein kleines Urnengrab
mit einem ausgebauchten Gefäße, welches mit einer
Schüffei überdeckt war; in der Nähe befand fich eine
zweite umgeflürzte Schüffei. Gleich daneben fand auch
Lehrer Gottwald ein größeres Grab.
Die Gefäße aus diefen Gräbern fowie aus der
Gruppe beim Kreuze haben einen ausgefprochenen
Laufitzer Charakter, wie uns folche Keramik bekannt
ift aus den Funden bei IVIoftkowitz, Tesetitz u. a. Auf-
fallend find hier bloß die Urnen mit konifchem Hälfe,
ftark ausgebaucht, einer bereits niederen Form, und
dann die Form eines Blumentopfes, wie wir bis jetzt
folche Formen bloß auf Urnenfeldern fchlefifchen
Typus vorfanden (Krumfin, Trfchitz).
Hullein. In der Ziegelei des Herrn Hyza, oberhalb
der Eifenbahnkreuzung der Nord- und Kremfiererbahn,
fand ich heuer drei Gräber mit Urnen fchlefifchen
Typus: Im erflen Grabe war eine größere vafenförmige
Urne mit halbverbrannten Knochenftückeln am Boden,
daneben ftand ein ähnliches Gefäß, kleiner, eingedrückt,
bloß mit Erde angefüllt und dahinter ein Schüffelchen
mit überragendem Henkel. Das zweite Grab, bloß drei
Schritte vom erften entfernt, enthielt acht Gefäße. In
einer vafenförmigen Urne waren am Boden Knochen,
auf ihnen ein kleines Gefäß; beide gingen in Stüclce.
Links von ihnen ftand eine ähnliche Urne, jedoch ohne
Knochen mit einem kleinen Topfe im Innern, rechts
lag ein ornamentirtes Schüffelchen mit überragendem
Henkel; daneben ein rothes Gefäß in Blumentopfform,
bedeckt mit einem Icreisförmigen Sturze, oben mit
einem getupften Nabel verfelien; daneben lag ein
zweiter ähnlicher Sturz mit großem Henkel.
Aus dem dritten Grabe rettete ich bloß ein
blumentopfahnliches Gefäß mit Graphit geglättet, unter
dem Hälfe mit Furchen und Kreifen ornamentirt, dann
ein Urnenftück; alles übrige hatten die Ziegelarbeiter
mit der Erde heruntergeriffen. In dem blumentopfähn-
lichen Gefäße befanden fich am Boden einige halb-
verbrannte Knochen
Die Anfiedlung bei Bilowitz (Bezirk Üngarifch-
Hradifch") „na Plostinäch", wo ausfchließlich fchlefifche
Keramik mit älteren I^ronzegegenftänden vorkommt,'
lieferte heuer einige Steinbeile, Feuerftcinmeffer, eine
Bronzenadel und ein Stück Rohbronze.
Weimisslitz. Große Hoffnung fetzte icli auf die
Grabftätte „na Ledvici", wo ein Brandgrab mit Ge-
' Kliendon 1896, S, 114.
fäßen und Schüffein des Hallftätter Typus ausgeackert
wurde, wie wir folche aus den bohmifchen Grabftätten
von Citoliby und Bylany kennen. Zwilchen halbver-
brannten Knochen befand fich ein Eifenring, Bronze-
knöpfe und Korallen. Graber diefer Art waren bisher
in Mähren unbekannt. Leider blieb mein Nachgraben
vorderhand ohne Erfolg.
Ein Grab mit Schmuck gallifcher Cultur gelang
mir bei Aufterlitz zu entdecken. Vor zwei Jahren riffen
die Arbeiter in der ftädtifchen Ziegelei die Wand her-
unter und dabei fanden fie ca. i M. unter der Oberfläche
ein Skelet mit Bronzegegenftänden und einem größeren
Gefäße. Einen Theil des Fundes barg der zufallig an-
wefende Herfpitzer Schulleiter A. Pavlik, den Reft zum
Theile der Ziegelmeifter Kucera, zum anderen Theile
Lehrer A. Prochäzka in Blafewitz. Ich erwarb den
ganzen Fund und verfuchte an Ort und Stelle fämmt-
liche Begleitumftände ficherzuftellen.
Das Skelet lag rücklings ausgeftreckt mit deni
Kopfe gegen Süden, einfach in der Erde ohne jede
Steinumfaffung. Die Füße zielten gegen die Stadt und
bei ihnen ftand ein größeres Gefäß. An den Händen
fowie an den Beinen befand fich oberhalb der Knöchel
je ein Ring. In der aus dem Grabe herausgeworfenen
Erdmaffe fand man noch eine Fibel und einen glatten
maffiven Ring. Die Lage diefer beiden letzteren Gegen-
ftände beim Skelet ließ fich nicht mehr conftatiren.
Das kleinere Armbandpaar für eine zarte Frauen-
hand ift in einer Gußform verfertigt, mit plaftifchen
Ornamenten in der Form zufammengerollter Pflanzen-
blätter. Die Größe und das Ornament beider find
jedoch nicht gleich. Die Fußringe find größer, von
außen fein gekerbt und mit eingeprägten kleinen
Kreifen verziert. Die Enden fämmtlicher Ringe find
ftempelförmig erweitert. Der glatte maffive Ring konnte
als Armband wohl benützt werden oder mag den Kopf
fchleier zufammengehalten haben.
Die Fibel in der Form der Früh-La Tene- (Duxer)
-Fibel hat ein freies mit einer Rofette verziertes Schluß-
ftück.
Das Gefäß hat die Forin eines Topfes, ift im Ober-
theile mäßig ausgebaucht, mit eingeengtem Hälfe und
ein wenig wulftformig aufgeworfenem Rande. Zwei
plaftifche Bänder unter dem Hälfe find das einzige
Ornament. Auf der Topferfcheibe aus feinem Thon
gearbeitet, ift das Gefäß auf der Oberfläche geglättet
und mit einer fchwarzen Lackfarbe angeftrichen.
Vom Skelet ift nichts geblieben, obzwar es voll-
kommen erhalten gevvefen fein foll. Aus den Beigaben
erfehen wir, dafs es fich um ein Frauengrab gallifchcn
Charakters handelt, wie ähnliche in Mähren im ganzen
feiten und nur einzeln gefunden werden. Hier jedoch
in der Aufterlitzer Ziegelei follen nach Angabe des
Ziegelmeifters bereits drei ähnliche Gräber entdeckt
worden fein; in allen lagen die Skelette rücklings aus-
geftreckt, bei ihren Füßen befand fich je ein Gefäß.
Bronzebeigaben foll man nur in einem Grabe gefunden
haben. Die Skeletknochen warf man mit den Gefäß-
fcherben auf einen Haufen. Aus den Scherben fetzte
Lehrer Prochäzka ein Gefäß vollkommen zufammen.
Nach alledem ift es nicht ausgefchloffcn, dafs wir hier
vor einer größeren Grabftätte mit gallifcher Cultur
ftehen.'
' l-',I>endoit 1902, S. 1.
XXVIII. N. F.
Befondere Aufmorkfamkeit widmete ich der
Ziegelei bei Kfenowitz (Bezirk Kojetein). Bekanntlich
dehnt fich da oberhalb der Kremfierer Straße ein
intereffanter Burgwall, ,,Hradisko" benannt, aus.' Diefe
Burgftätte ovaler Form ilT: mit abgegrabenen Abhängen
umrandet, vor ihnen zieht fich ein Graben, welcher
jedoch durch Ackern bereits zerftört ift.
Auf dem Weftabhange des Burgwalles erftrecken
fich mächtige Culturfchichtcn bis zur Straße. Sie find
heute durch Schottergruben und bei der durch die
Ziegelei führenden Straße offen. In der Ziegelei ftellt
man jährlich eine größere Menge ungebrannter Ziegel
her. dabei werden von den Ziegelarbeitern die mäch-
tigen Culturfchichtcn oder zahlreiche Wohn- und Ab-
fällegriiben mit intereffanten Alterthiimern herunter-
geriffen. Die Herren J. Telicka, J. B. Knies und F. J.
Slovak, fämmtlich bekannte Freunde der prähiflorifchen
Archäologie, fammelten im Laufe der Jahre eine Un-
maffe diefer werthvollen Artefa6le, wie fie theils in den
Schottergruben, theils in der Ziegelei aufgedeckt
wurden.
Ich felber fand am Hradisko intereffante Gefaß-
fcherben des Urnenfelder Typus und Wirtel, unter dem
Walle einen Knochenpfeil in der Form einer vierkan-
tigen Pyramide mit einer DüUe in der Balis.
In der Ziegelei ließ ich die Schichten fowie ein-
zelne Gruben durchgraben. Die dunklen afchehaltigen
I'Irdfchichten find, je näher fie an die Straße reichen,
delto mächtiger (llellenweife bis 2 M. Stärke), nach
obenzu werden fie fchwächer. Wahrfcheinlich wurden
die leichten, ftaubigen Ueberrefte aus den höher gele-
genen Stellen durch Wind und Regen in die Niede-
rungen herabgeweht und heruntergefchwemmt und hier
abgelagert. In den Schichten findet man hie und da
Scherben, ein oder das andere Knochenftück, an man-
chen Stellen Schotterfchichten, wie fie durch An-
fchwemmung nach Gußregen entftanden. Unter diefer
Schichte find verkehrt trichterförmige und keffel-
förmige Gruben ausgehöhlt, mitunter von bedeutenden
Dimenfionen. In einigen war der Boden geftampft, mit
Lehm oder Koth beftrichen und durch lang angehal-
tenes Feuer rothgebrannt. Anderswo fchichteten fich
ausgebrannte Lehmftiicke mit Abdrücken von Strauch-
werk und Pfählen; überall jedoch eine Unmaffe von
Afche, dazwifchen Bruchftücke von Knochen verfchie-
dcner Hausthiere, hie und da wohl auch ein Stück
Hirfch- oder Rehgeweih, Scherben u. f. f. Außer zahl-
reichen Wirtein aller Formen und Größen grub ich
weiters aus: ein glattes Bronzearmband, eine Nadel
mit gekerbtem Kopfe, Eifenfkäbe, Drahtftücke, Meffer,
an denen noch Spuren hölzerner Scheiben bemerkbar
waren, eine Sichel mit langer enger Scheide, ein Beil
mit vierkantiger Dülle, aus Knochen gefchliffene Ahlen
und Spitzen, ähnliche Werkzeuge aus Geweih, behauene
Geweihftücke, eine Mefferhandhabe aus zwei Knochen-
flücken, mit Eifennieten zufammengehalten, Stücke von
Pyramiden, Gewichte (Webftuhlgcwichte), fünf ganze
überließ mir ein Ziegelarbeiter, welcher deren in einer
Grube zwölf Stück gefunden hatte. Aus Stein waren
da: zwei gefchliffene Beile, Feuei"fl:einmeffer, ein Bohr-
' Kbendort 1894. S. i
zapfen aus einem Steinhammer, ein Klopfflein, Schleif-
fteine u. a. m. Auch fanden wir eine kugelförmige
Rodel und ein Sichelhorn von einer größeren Statuette
oder einem Widderkopfe.
Die Keramik, deren Ueberrefte fehr zahlreich
waren, gehörte dreierlei Arten an:
a) Der beiweitem größte Theil hat den Charakter
der fchlefifchen Urnenfelder mit offenbaren Einflüßen
der Hallftätter Cultur. Ganze Gefäße kamen nicht vor,
nur zwei Schüffein mit eingedrücktem Boden (Umbo)
ließen fich aus den Scherben zum größten Theile zu-
fammenfetzen. Die eine von ihnen hat am Boden ein
knopfartiges Ornament und war mit Graphit ge- '
glättet; die andere hat an der weiteften Ausbauchung
einen gezähnten Rand, wie ähnliche Schüffein aus der
„Byciskäla"-Höhle, im Innern auf der Bodenfläche ein
Sternornament mit unregelmäßigen Strichen eingeritzt.
Sie ift mit Graphit geglättet, jedoch von auffallend
fchwarzer Färbung, fo dafs fie früher mit einem fchwar-
zen Anftriche verfehen, dann erfl mit Graphit geglättet
und endlich gut gebrannt gewefen zu fein fchcint. Die
übrigen Scherben flammen von Schüffein mit über-
ragenden Henkeln her, urnenförmigen Töpfen aller
Größen mit Warzen, Wulften, mit den P'ingern ge-
tupften Bändern oder mit canellirten Ornamenten.
Diefe Keramik entfpricht vollkommen jener, die am
Burgwalle gefunden wird.
b) Die Gefäße der zweiten Gruppe find auf der
Töpferfcheibe aus unreinem Thone gearbeitet, ge-
wöhnlich ftark mit Graphit vermengt, in der Form
niedriger ausgebauchter Töpfe oder Schüffein mit ein-
wärts gebogenem Rande. Die Ränder diefer topfartigen
Gefäße find ftark wulftig aufgeworfen oder gegen die
Außenfeite fchief abgefchnitten. Unter der Wulfl ill
in der Regel ein Band mit eingedrücktem Ornamente,
beftehend aus verkehrten 333 oder 3 32, von da
reichen bis zum Boden abwärts geführte Furchen.
Solche Gefäße find bekannt: vom Hradiste bei
Stradonitz in Böhmen, auf der Dammwiefe bei Hall-
ftatt, bei Gurina in Krain etc., überall in Verbindung
mit provincial römifchen Alterthümern. Ich fand folche
in den Ruinen von Carnuntum. Diefe Keramik ähnelt
fehr den fpäteren Gefäßen des Burgwalltypus, und es
fleht heute unbeftritten feft, dafs fich diefer aus folchen
Graphitgefäßen in den römifchen Provinzen an der
Donau und bei uns entwickelt hat. Die Belege hiefür
mehren fich täglich durch neuentdeckte Fundorte,
mcirtens auf unferer Hanna. Und gerade diefe Ent-
wicklungsftufe und Ueberzug repräfentirt
c) die dritte Gruppe der Keramik aus der Ki^eno-
witzer Ziegelei. Es find dies die hiefigen Töpfe, auf der
Drehfeheibe gearbeitet und mit mehrfacher Wellenlinie
in den vcrfchiedenften Formen und Modulationen
verziert.
Es kommen hier auch Gefäßfeherben vor, welche
den Charakter der bekannten Gefaßformen aus den
Ausgrabungen von Carnuntum und Brigetio an fich
tragen. Ihre vollendete Technik, das Material und das
Ausbrennen bezeugen augenfcheinlich, dafs fie hieher
jedenfalls aus den römifchen Donauprovinzen gebracht
- 43 -
worden find. Daher wage ich ohne Bedenken auch
einige Scherben mit Wellenlinie für das Fabrikat
römifcher Töpfer auszugeben; denn eine fo fein und
kunftvoll ausgeführte Wellenlinie habe ich auf den
fpateren Gefäßen der Burgwallperiode nie beobachtet.
Alle diefe drei Arten verfchicdenenartiger Gefäß-
formen finden fich in intakten Schichten beifammen,
gleichfam ein Zeugnis dafür, dafs man fie im Haushalte
gleichzeitig benützte oder mit anderen Worten: auf
dem Burgwall von Kfenowitz war ein Volk mit der
Cultur der Urnenfelder anfr:ffig, gleichzeitig mit diefem
war der Abhang unter dem Burgwalle, die Unterburg
bewohnt. Da entftand im Laufe der Zeit ficherlich ein
Markt an dem alten Wege, der durch diefe fruchtbare
Gegend führte; und da begegneten einander die Ein-
flüffe der Hallftätter Cultur (am beften erfichtlich an
der Keramik), mit folchen der gallifchen Cultur (Buckel-
armringe aus Bronze, Eifenficheln, Beile mit gefpalte-
ner DüUe u. a. m.) und der noch intenfiveren römifch-
provinzialen Cultur (Keramik, Münzen der Kaifer),
welche hier den Charakter der Urnenfelder in den
Hintergrund drängt und im Laufe der Zeit in den Burg-
walltypus übergeht.
Denfelben Umftand ftellte ich weiters feft auf der
Siedehmg „Na Ostrove" bei Hrubcic; neulich wurde
ähnliches auf den Anfiedlungen gleichen Alters bei
Olsan (Bezirk Proßnitz), Vrahovitz und Bfezolup con-
ftatirt.
In Bfezolup „NaPastvisku" entdeckte ich mehrere
Gruben mit diefer eigenartigen Graphit-Keramik und
Scherben des Burgwalltypus. Unter diefen fanden fich
auch Stücke geglätteter und fchwarzer Gefäße, wie
folche auf der Grabfhätte bei Dobi^ichowitz in Böhmen,
dann bei uns in Bifenz und bei Mezitz gefunden werden.
Ebenfolche Scherben hob ich aus den Gruben mit
Burgwallkeramik im Marchufer „Na Kruhäch" bei Alt-
ftadt auf
In Hradisko (Ortfchaft bei Kremfier) erwarb ich
eine intereffante Francisca aus einem fchon im Jahre
1890 geöffneten Skeletgrabe, in Herfpitz (bei Aufter-
litz) aus einem ebenfolchen Grabe „Na Ujezde" einen
hakenförmigen Bronze-Ohrring, welcher verfilbert war.
Drei merkwürdige Eifengeräthe in der Form zarter
Axt jungarifch Fökos) fand ich in einer tiefen Furche
„na Spitälkäch" bei Altftadt, wo man bekanntlich eine
Anfiedlung des Burgwalltypus durchackert.
Mufchau. Fortwahrentl wird gefprochen und ge-
fchrieben, dafs der „Mufchauer Berg" (Zeifelberg) ehe-
mals von den Römern, wenn nicht gerade befetzt und
bewohnt war, doch wenigftens öfters befucht worden
fei. Viele verlegen dorthin mit einiger Wahrfcheinlich-
keit die Felicia des I'tolcmaeus, andere wieder die
Stadt Maffovia, welche der Tradition nach unter Maxi-
minus zerflört wurde. Für diefe Annahme führt man
als Begründung die älteren Funde römifcher Münzen
an, dann aus den fünfziger Jahren zwei römifche
Lampen mit der Auffchrift FORTIS am Boden'; in den
achtziger Jahren wird eines Gewölbes oder einer
Cifterne erwähnt; ja es foUen fogar hier Bruchftücke
römifcher Ziegeln mit der Signatur der XII. Legion
gefunden worden fein.
Ohne die Glaubwürdigkeit diefer Berichte vollends
bezweifeln zu wollen, bemerke ich bloß, dafs die
XII. Legion niemals bis zu uns hat vordringen können,
da fie weder in Noricum noch in Rhaetien als Befatzung
lag. Die Münzen endlich können an fich felber nicht
entfcheiden; denn folche findet man in ganz Mähren
zerftreut genug vor.
Da jedoch diefer jedenfalls bemerkenswerthe Ort
bis jetzt nicht erforfcht, ja nicht einmal oberflächlich
durchfucht worden ift, entfchloß ich mich denfelben
wenigftens in Augenfchein zu nehmen.
Diefer ziemlich ausgedehnte Hügel erhebt fich aus
der Ebene weftlich etwa 50 M. über dem Städtchen
und man kann ihm eine ftrategifche Bedeutung nicht
abfprechen. Sein Plateau ift groß genug, um ein
größeres Heereslager oder eine größere prähiftorifche
Siedelung zu faffen. Der ganze Berg wird zur Zeit zum
Theile durchackert, zum anderen Theile ift er mit
Weinbergen befetzt. Ich habe ihn zu einer Zeit, wo die
Feldculturen bereits eingeheimst waren, gründlich
durchfchritten, und zwar fowohl auf dem Plateau als
auch den Abhängen entlang. Allein \-on einer prähifto-
rifchen Siedelung oder gar einem ehemaligen Heeres-
lager mit Ziegelbauten ift keine Spur zu finden. Nicht
einmal ein Erdwall hat da jemals geftanden. Ebenfo-
wenig findet man die geringfte Spur von Feuerherden,
Afche und Culturfchichten, welche überall zurück-
bleiben, wo der prähiftorifche Menfch durch längere
Zeit angefiedelt war. Hier jedoch findet man nichts als
durch Dünger gefchwärzte Ackererde und die lockere
Weinbergerde ohne Afche, ohne Scherben und ohne
andere Ueberrefte, welche eine menfchliche Anfiedlung
bezeugen könnten. Wenn wir tiefer graben, wälzt fich
unter dem Spaten Schotter hervor oder man ftößt auf
Fels.
Wenn ich nun den „Mufchauer Berg" doch nicht
aus der Reihe unferer Fundorte mit römifch-provin-
cialer Cultur ftreiche, fo gefchieht dies deshalb, damit
man auf feine griuidlichcre Durclifuchung und Erfor-
fchung bedacht fei und die bis jetzt niciit erwiefene
Annahme von der hiefigen Stadt Felicia oder Maffovia
etftwcder beftätigt oder aus ernften Schriften aus-
gemerzt werde.
' ProfcIT^>r A. Rycli;il: l>c(li-citcl dies- ...Xiiiialcs Mij.sci l-Viiiiciscci** iHri
1898). S. 83.
6*
— 44
Bauliche Ueberrefte aus der römifchen Anfiedlung von
Val Catena auf Brioni grande.
Von .-/. Gntrs, k. und k. rrofelfor.
IXEN Uebcrblick über die Ueberrefte der
antiken Anfiedlungen, die auf Brioni grande
rtaiideii, gab bereits Confervator Profeffor
Albert Pusclii in einem intereffanten Auffatze. ' Ich
torre, wie die antiken Wafferverforgungsanlagen beider
Infein erwähnen. ' Den Mittelpunkt der in römifcher
Zeit dicht befiedelten und erträgnisreichen Infel Brioni,
die auf der Tabula Peutingeriana Ursaria* genannt
Fig. I. (Grundrifs einer römifchen Wohnhriusanlage mit einem Rundliau, auf der Infel Brioni grande.) •
will in Ergänzung diefer Ausführungen noch die wird, hat man im Hafen von Val Catena zu fuchen, der
römifche Anfiedlung von Brioni minore^ und Val in der Zeit des Imperiums gut ausgebaut war.
' Osserv.Ttorc Tricsliuo I. April 1S99, übcrfctzt in den MilthcilunKCn der
Ccntr-tl-Commirfion 1900. .^5 f.
2 Vgl. meinen Artikel in den Mitlhcilungcn der entr.il-Conimiffion
1901 139.
' Vgl. meinen PrOEramm.-luffatz: Römifche Wafferverforgungsanlagen im
füdlichen Itlrien (k. und k. Marinc-Unterrealfchulc in Pola 1901).
- Das Pullaria der Tabula und des Plinius (III, 36. 151) bezieht fich auf
Luffin oder Cherfo: eine Identificirung mit Brioni ift nicht haltbar.
— 45 —
In den Fundamenten laffen fich heute noch, befonders
bei ftarken Ebben, feine fämmtHchen Wafferbau-
anlagen deutlich verfolgen. Sie geben das gut erhal-
tene Beifpiel einer antiken Hafenanlage.
An der gegen die Nordwinde durch die Abhänge
des Moribuon gefchützten Nordküfte lag ein Villenort,
der fich auf künl^lich angelegten Terraffen erhob und
gesjen die Bucht von Val Catena öffnete. Die Terraffen
fchließen fich an die Riva des Hafens in einer Länge
von beiläufig 05 Km. an.
Was an Baureften der Gebäude in den Subftruc-
tionen und Mofaikbödcn der Parterrelocalitäten noch
befteht, ift zum allergrößten Theile im Baufchutte
begraben und mit Vegetation überdeckt. Nur drei
größere Obje6le find gelegentlich eines Wegbaues
freigelegt worden; was von ihnen am Strande liegt, ift.
eines römifchen Wohngebäudes kenntlich find, zu dem
auch der Cifternenbau gehört.
Die erften beiden Objefte find nach ihrer Auf-
deckung über Auftrag des Marine -Land- und Waffer-
baudirectors a. D., Herrn Franz Oliva, durch das
k. und k. Marine-Land- und Waffcrbauamt in Pola
aufgenommen worden.
Fig. I ftellt den Grundrifs, Fig. 2 Schnitte und
Details des erfterwahntcn Objecles dar. Zu befprechen
wäre zunächft der Rundbau am Wege. Er deutet nach
feiner Anlage und vor allem nach der Art feines Mofaik-
bodens (Fig. 4) auf den Ueberreft des Badegemaches
einer beftandenen Villa hin. Seine Umfaffungsmaucr
ftellt einen kreisförmigen Grundrifs dar, und ift durch
vier gleich große Apfiden, fowie durch vier zwifchen
ihnen nach innen fich öffnende Nifchen gegliedert. Zu
d«3 '7IU.n-.,6|.-fC:.5u»
tnm mrr.TmTTiTTt n n
e^cliiiitl' c -d
-^^^^^^
-T-
r
cf.f....lU.
Fig. 2. (Schniue und Details zum Grundrifs Fig. i.
fovveit es von der Brandung erreichbar ift, durch die
Wellen vom Baufchutte befreit worden.
Hart am Wege, der längs des Nordgeftades von
Val Catena führt, fallt dem Spaziergänger zunächft ein
Rundbau auf, deffen vertiefter Boden mit Ziegeln und
vielen Mofaikfteinchen ausgefüllt ift. Daran ftoßen
einige Mauerzüge. Wenige Schritte öftlich davon
liegen, links vom Wege, die Lheile eines im Fifch-
grätenvcrbande gelegten Ziegelpflafters und, diefcs
abfchließend, drei Steintröge von auffallend geringer
Tiefe (01 M.) in einer Reihe. Verfolgt man den Strand-
weg weiter, fo kommt man an einem langen Cifternen-
bau' vorbei und durchfchreitet vier an den Waffer-
fpcicher angebaute Räume, die durch ihre Lage, wie
durch ihre rohe l'flafterung als Wiithschaftsräunu-
' Vgl. Progr;itnnKUiff.il/ der k. und k. M.-iriin: Untcnc.tlr. luil'j lyoi.
der gegen Weft gerichteten fuhrt ein breiterer Haupt-
eingang, deffen fteinerne Schwelle noch in situ liegt.
Noch bemerkt man Uebcrrefte von eifernen Dreh-
zapfen einer Doppelthüre, die, wie die Anfchlagleifte
zeigt, fich nach innen öffnete (Fig. 3 bei S).
Durch eine zweite Thür öffnet sich das Gemach
gegen Süden nach einem Hofraume, der fich zwifchen
dem rückwärtigen und denn vorderen, fecwärts gele-
genen Villentheile cinfchiebt. Er ift mit einer mäch-
tigen Schichte von opus signinum gepflaftcrt. Das
intercffanteftc Baudetail des Badegemaches bildet feine
mit einer suspensura überdeckte Unterkellerung. Dic-
felbe befteht aus einem Hohlräume, über dem auf
gemauerten Pfeilerchen die suspen>ura liegt. Nur an
einigen Stellen ftehen die Fußplatten diefer Pfeilerchen
in situ; fie find im Plane des Gemaches (^Fig. T) durch
fchwarze Quadrate wiedergegeben. Sic waren jedenfalls
46
über den ganzen Boden hin veitheill; ihre Reconitruction
wird durch das herumliegende Ziegehnaterial und die
der Sockeimauer anhaftenden Mörtelrefte möglich
gemacht. An letzteren bemerkt man, befonders deut-
lich unterhalb des Wefteinganges, die erwähnte Fuß-
Fig. 3. (Qucrrchiiitt cluich die Unleikellenin!,' des Rundbaues.)
platte, beftehend aus zwei Ziegeln (28' 5 X 28-5 X /Cm.).
F"ür die mittleren Theile des Pfeilers find dann Ziegel
kleinerer^ Dimenfion (17 X 17X7 Cm.) gewählt, wo-
durch der Hohlraum zwifchen den Pfeilern vergrößert
wird. AufdemPfeilerkopfefitzenPlatten(i9X i9X8Cm.)
die etwas ausladen, wodurch dann die großen Platten
Fig. 4. 'Rede des Rundbaues mit dem großwürfligeii .Mulaikpfl.ifter
welche den untcrften Thcil der suspensura bilden, etwas
entlaftet werden.
'&• -•)
zeigt einen Schnitt durch die Untcrkc
rung des Baderaumes längs der Schnittlinie ab des
Grundriffes Fjg. i.
Die suspensura befteht zunächfl aus mächtigen
Ziegelplatten von ausgezeichneter Qualität (Größe
60 X 60 X 6-2 Cm.), die derart den Hohlraum über-
decken, dafs je vier auf einem Pfeilerchen zufammen-
flößen. Auf die Plattenlage folgt eine 12 Cm. ftarke
Kfkrichlage, die aus Staubkalk, Ziegelgries und Sand
hergeftellt ifl. Sie bildet die Unterlage für den aus
weißen Kalklleinftiften zufammengefetzten Mofaik-
boden; eine Belebung desfelben durch eingefetzte
Ornamente oder durch die übliche Bordüre wird dies-
mal vermifst. Wie in dem Boden einer großen Cement-
waiuie, die 9 IVI. von der Cifterne entfernt am Nord-
rtrande von Val Catena liegt, fo find
auch hier (Fig. 4) anflatt der Mofaik-
würfel lange Kalkfleinprismen zur Her-
rtellung der mufivifchen Arbeit ver-
wendet, um diefelbe fefler zu binden
und widerftandsfähiger gegen Waffer-
cinwirkung zu machen. Soweit die
UmfalTungsmauern des Raumes noch
flehen, läfst fich an ihnen ein älterer
und ein jüngerer Anwurf feflflellen ;
der ältere befleht aus zwei Lagen Roh-
verputz und einer darüber gezogenen
Schichte eines Feinverputzes. Auf ihm
ill eine rothe Farbe al fresco auf-
getragen. Sie dürfte durchgängig die
ganze Innenwand überzogen haben;
von einer bcfonderen Sockelbemalung oder Flächen-
theilung, wie man fie fonfl im rcmifchen Haufe findet,
ifl nichts zu bemerken. Möglicherweife fetzte dicfe erfl
in den höheren Theilen der Wand an, von denen nichts
mehr vorhanden ifl:.
Die rothe Bemalung der Wände fcheint dem
Gefchmacke einer viel fpäteren Zeit
nicht mehr behagt zu haben, vielleicht
war fie auch fchadhaft geworden. Man
zog eine neue Verputzfchichte über
fie und färbte ^\e. fchwarz. Bis in eine
Höhe von 54 Cm. reicht die fpätere
Sockelbemalung; auf ihren fchwarzen
Grund find gelbe Streifen diagonal
gelegt, fo dafs der Sockelfireifen mit
Rauten gemullert ifl. Darauf folgt ein
fchwarzer Streifen (ca. 20 Cm. breit),
tler mit fchmalen weißen Bändern ge-
fafst ifl:. Außer dem Fragmente eines
korinthifchen Pilaftercapitäls wurde
hier nichts Beachtenswerthes ge-
funden.
Wefllich floßt an das Bade-
gemach eine größere, mit Mofaik-
boden gepfiaflerte Fläche; fie gehört
einem Wohnraum an, der duixh einen
kurzen, mit Steinplatten belegten
Gang auch von dem Hofraum aus
betreten werden kann. Der Hofraum
liegt um beiläufig 0*40 M. höher als
der Mofaikboden; der Höhenunter-
fchied ill durch zwei Stufen ausgeglichen. An Ver-
putzreften des Corridors ficht man noch die fchöne
grüne Färbung des Sockels. Der fchwarzen Färbung
des Mofaikbodens (Fig. 2) ift die Eintönigkeit dadurch
benommen, dafs um das Bodenfeld herum zwei weiße
Streifen als Bordüre umlaufen, und dafs in das innere
Feld in regelmäßigen Abftändcn Sternchen aus je
vier weißen Mofaikfteinchen eingeflreut find. Die
Mofaiken, wie der Mörteleftrich find mit ihren Unter-
lagen (Steinwurf, durch Mörtel gebunden) unmittelbar
auf die Erde aufgelegt. Hingegen liegen die Räume,
die den vorderen Tra6l der Villa bildeten und fich
47
cV-fi 1 1 1 1 f (l 1>
P^^'V^VT
111,1111-1,1
!
r^r^- ; : Im
Fig. 5. (Wäftherei-Anlage bei einer röinifclien Anfieclhmg auf ISiioiii grande. (Jiundrifs und Queifchnilt.
gegen die See öffneten, auf tonnengewölbten Unter-
kellerungen. Zum großen Theile find die Tonnen und
ihre Widerlager erhalten (Fig. i, •, 2. 3). Ein viertes
Gewölbe, von dem nur mehr geringe Theile auf den
VViderlagen aufruhen, fetzte fich an die füdliche Stirnwand
des Kellers Fig. i, ■ an. Eine Unterfuchung zeigt, dafs
diefer Keller ohne jedweden Zugang angelegt ifl, wo-
durch allein fchon die Vermuthung, dafs es ein Sclaven-
zwinger war, widerlegt erfcheint. Zweck der Keller
war lediglich, für die Wohnräume über ihnen einen
trockenen Unterbau zu gewinnen, der umfo nöthiger war,
als das Meer in unmittelbarer Nähe wogt. Da nur die
Mauerzüge des unteren Theiles der Terraffe, auf welcher
der Villenbau lag, am Strande liegen, wo fie mehrfach
bis ins Meer hinein verlaufen, fo laffen fich aus ihnen
keine ficheren Schlüffe auf das bauliche Arrangement
der Wohnräume gewinnen. Diefe Mauerzüge find ledig-
lich die Subftru6lionen der Terraffe. Zwifchen den
Kellerräumen lagen Gänge, die fich durch die Futter-
mauern hindurch auf den Quai des römifchen Hafens
öffneten. Durch fie gelangte man dire6l vom Hafen
aus in die rückwärtigen Theile der Villa. Mit diefer
Anlage wird man vielfach an ein bekanntes pompeja-
nifches Wandgemälde' erinnert, das eine Villa am
Meeresufer mit Terraffenanlage zur Darflellung bringt.
Von Funden aus letzteren Räumen ift nicht viel zu
erwähnen. Auffallend ifl das Vorkommen vieler Blei-
ftücke im Strandgerölle; fie rühren von Zapfen\er-
gießungen her. Ungefähr 1 5 M. von den Kellern ent-
fernt, liegen in der See die Fundamente der römifchen
Hafenmauer, fowie drei große Piscinen, die für die
Züchtung und Aufbewahrung von Seefifchen beftimmt
waren. Die Wafferbauten find heute von der See
bedeckt.
^ Abgebildet bei Julius Jung. Leben und Sitten der Runicr I. 138.
Fig. 0 iW.afclievei-Anlage Ijei einer rümifclien Anfiedluiig auf Brioiii
graiule. Draufficlil auf die drei Steintröge. 1
Grabungsverfuchen in der Umgebung des
fchriebenen Objektes find noch reiche
gefichert.
be-
Ergebniffe
48
Fig. 5 ftellt im Gruiidrifs den zweiten Ueberreft
eines antiken Bauwerkes dar, das zu den Anlagen von
Val Catena gehört. Mit dem eben befchriebenen Objcfl
fteht er in keinem Zufammenhang; hingegen ifl er mit
den Uebcrreften von langen Tonnengewölben, die in
der nächften Nähe am Strande liegend, heute zum
Thcil ins Meer hineinreichen, gleich orientirt. Zu dem
gleichen großen Villenbau gehören Mauerziige, die
öftlich an die P'undamente diefer Gewölbe fich an-
fchließen, Refte von Mofaikböden und eine Badeanlage,
fchließlich auch der früher erwähnte Cifternenbau und
die vier Wirthfchaftsräume hinter ihm, die begreiflicher-
weife in die Nähe des Wafferfpeichers und in die rück-
wärtigen Theile des Villenhaues verlegt wurden. Dafs
hier ein Bau iland, dereinem induftriellen Unternehmen
diente, ifl nicht gut anzunehmen. Weder erinnert die
Anlage an eine Fullonica, eine Färberei oder eine Oel-
preffe, noch fpricht die Wahl des Ortes, die unmittel-
bare Nähe eines großen Lu.xusbaues dafür. Am
treffendflen dürfte es fein, auch hier Wirthfchaftsräume
für diefen anzunehmen, und zwar den Ort, der für das
Reinigen der Wäfche beftimmt war. Für das Austreten
oder das Ausfchlagen der aufgeweichten Wäfche, wie
CS heute nocli im Süden üblich ifl:, reichten die drei
feichten Steintröge, die in einer Reihe nebeneinander
flehen (Flg. 5 und 6), vollkommen aus. Vor der Reihe
der Steintröge ift in das gut gelegte Ziegelpflafter eine
feichte Ablaufrinne gelegt, die bei dem letzten Stein-
trog wegbiegt und eine Richtung zum Gefladc nimmt.
Hier konnte das beim Auswinden der Wäfchcftücke
ausgeprefste Waffer ablaufen. Auf das Ziegelpfiafler
der Rinne folgt ein opus spicatum aus kleinen Ziegeln
hergeftellt. Vor jedem Steintrog ifl in ihm eine kreis-
runde Fläche ausgefpart,' die zur Aufteilung großer,
irdener Wafferbecken beflimmt war, in denen die
Wäfcheflücke aufgeweicht werden konnten. Große
Fragmente diefer dickwandigen Thongefäße bedeuten-
den Faffungsraumes fand man in situ.
Die Zeit der Entftehung diefer Bauwerke feftzu-
ftelleii, vermögen wir nicht, da bis jetzt verkifsliche
Anhaltspunkte fehlen. Aus der Gleichheit der ver-
wendeten Baumaterialien und ausderUebeieinftimmung-
in der Durchführung einzelner Baudetails läfst fich
fchließen, dafs die Villen von Val Catena in eine
gleiche Zeit wie die ländlichen Bauanlagen an der
gegenüberliegenden Fefllandskülle fallen, wie z. B. die
Villa von Barbariga. Wir werden auf die Zeit eines
großen wirthfchaftlichen Auffchwunges im II. oder
III. face. p. Chr. in Iflrien hingewiefen, in der man die
nölhigen Mittel für die Errichtung von ländlichen
Luxusbauten zur V'erfügung hatte; wahrfcheinlich ift,
es die nämliche Zeit wirthfchaftlicher Blüthe, in der
man den Mittelpunkt des römifchen Iftrien, Pola, mit
großen Monumentalbauten, wie die Arena, aus-
fchmücken konnte.
' In Fig. 4 ift die mittlere diefer kreisrunden Flächen nicht mit auf-
genommen, doch find deutliche Spuren derfclbcn noch erkennb.-ir.
Ein altchriftliches Relief aus Ungarn.
Von Dr. Victor liccsey, Stifts-Bibliothekar der Erzabtei Martinsl)erg in Ungarn.'
N Ungarn find infolge der Verheerungen,
welche die Tataren und fpäter die Türken
verurfacht haben, aus den Zeiten der erflen
Chriftianifirung diefes Königreiches wenige Denkmäler
übrig geblieben. Noch aus den Zeiten des heil. Ste-
phanus, des erllen Königs von Ungarn, ftammt die
Unterkirche der Bafilica von Fünfkirchen (de Ouinque-
Ecclesiis) und etliche Ueberrefte der erflen Kirche von
Mofaburg (Zalavär), welche der flavifche Fürft Privina
vor der Landnahme der Ungarn geftiftet hatte.
Die eigentliche Chriftianifirung Ungarns datirt aus
der Zeit, da der heil. Adalbert, der erfte Bifchof von
Prag, von feinen Landsleuten verfolgt, fich in die Abtei
des heil. Bonifacius in Rom zurückzog und fodann von
hier aus mit Zuflimmung des Papftes mit Benediftinern
aus der genannten Abtei daran gegangen ifl, dieUngarn
zu bekehren. Es gelang ihm, den Fürften Geiza unferem
heil. Glauben zu gewinnen, und diefer begann auch im
Jahre 998 ein Stift für die neuen Benediftiner-Apoftcl
des Landes zu bauen, welches dann fein Sohn, der von
Adalbert getaufte erfle König von Ungarn, der heil.
Stephan, im Jahre looo vollendete.
Aus diefer Zeit der erften chriftllchen Stiftung des
erften heiligen Königs blieb in Ungarn, namentlich in
der Erzabtei Martinsberg (Sanfli Martini de S. Monte
< Auf Grund eines VortraKes. den der Vcrfalfer am Internationalen Con
Rrefle fDr chriftlichc Archäologie zu Rom im April 1900 gehalten hat.
Pannoniae), kaum ein Stein auf dem anderen. Wenige
Bruchflücke find es, die in diefe Zeit zurückreichen:
Eine au rothem Marmor gehauene thronartige roma-
nifche Nifche, in welcher der heil. König dem Gottes-
dienfte der Abteilcirche beigewohnt haben foll, eine
gewundene Säule mit Reliefverzierung, ein Weihwaffer-
becken aus rothem Marmor mit drei Löwenhäuptern und
endlich die Bafen der kleinen Säulen der romanifchen
Fenfter des älteften Kreuzganges in Martinsberg.
Aelter als alle diefe figuraleii und decorativen
Ueberrefle der älteften Stifts]<irche in Ungarn ift das
Fragment eines Steinreliefs, das ich hier in einer Ab-
bildung zur Anfchauung bringe. Diefes Relief ift jetzt
an der Außenfeite der aus dem 13. Jahrhundert ftam-
menden Stiftskirche, und zwar an der Benediflus-
Capelle eingemauert. Seine Höhe beträgt 55 Cm., die
Breite 72 Cm.
Das Relief flellt drei Geflalten dar: in der Mitte
eine große männliche Figur, \on der jedoch bloß die
mittlere Partie zwifchen Kinn uiul Knien übrig geblieben
ifl; zu beiden Seiten je eine kleine männliche Figur, alle
drei en face. Die Bekleidung der Mittelfigur bildet eine
tunica talaris et manicata (/'.töjv z-wir/t^:, xal yjt^v'.Sdjrö;),
die um die Lenden durch einen breiten Gürtel mit
großer einfacher Schnalle zufammengehalten wird; um
die Schulter legt fich eine Art Paenula oder Lacerna;
in der Linken hält die Geflalt ein Buch, auf welches fie
49
mit zwei Fingern fegenfpendend hinweist. Der Falten-
wurf der Tunica zeigt eine grobe primitive Steinmetz-
arbeit.
Zur rechten Seite der Hauj^tgcltalt fteht, etwa um
die Hälfte kleiner, ein Jüngling, der auch eine Tunica
trägt und mit den beiden Händen einen nicht zu er-
kennenden Gegenfland fefthält. Zur Linken eine zweite
Figur von ähnlichen Dimenfionen, in eine kürzere, nur
bis zu den Knien reichende Tunica cincla gekleidet;
die rechte Hand hält die Figur über den Kopf erhoben.
Der ungarifche Archäolog Romer hat die Ent-
ftchung diefes Reliefs in die Zeit der Römcrherrfchaft in
Pannonien verfetzt. Meiner befcheidenen Anficht nach
ift es aber ein Denkmal, welches die italienifchen Hene-
difliner mit nach Martinsberg gebracht oder bereits
hier nach alten Muflcrn angefertigt haben. Die Haupt-
geftalt vollzieht einen rein chriftlichen Aftus mit den
zwei fegenfpendenden Fingern und weist zugleich auf
das Buch hin, als ob fie fagen wollte ..Tolle, lege!
Kig. 2. I Altclinftliches Stein Relief- .M.irtinsbcig, Ungarn )
Ausculta, o fili, praecepta magistri!" Diefe Handlung
und Auffaffung läfst mich in der Figur den heil. Bene-
diftus erkennen, und feine Begleiter wären hienach zur
Rechten Maurus, zur Linken Placidus.
Diefe Vermuthung glaube ich noch mit folgenden
äußeren Gründen unterAiitzen zu k'önnen.
M VVilpert beweist in feiner Studie über ,,Dic
Gewänder der Chriften in den erften Jahrhunderten"
an der Hand von Gemälden der Katakomben, dafs die
Kleidungsflücke der Ciiriften in den erften Jahr-
hunderten von denen der heidnifchen Römer in Nichts
verfchieden waren, ja dafs fogar die Priefter die gleichen
Kleider trugen, wie die Laien.
Die Tunica, welche an unfercm Relief die Form
einer Alba annimmt, wurde im 3. Jahrhundert mit
Aermcln vcrfehen, im 4. Jahihundcrt bis zu den Knö-
cheln verlängert, während fie urfprimglich nur bis zu
den Knien gereicht hatte. Diefe Kleidung wurde
Tunica Talaris genannt. In den Katakomben-Bildern
des heil. Petrus und Marcellinus findet M. Wilpert den
Orans, in anderen Bildern den guten Hirten in diefer
Tunica Talaris' dargeftcllt. In den fpäteren Denk-
mälern der Römerherrfchaft, fowie an dem Triumph-
bogen des Conflantin bildet fie die Bekleidung des
Kaifers und der Togaten, während das Volk eine kurze
Tunica trägt. Durch zahlreiche ältere Bilder der Kata-
komben beweist Wilpert, dafs die Alba urfprünglich
eine Tunica Talaris et Manicata gewefen fei. Dafs
unfere Hauptfigur über diefes Gewand auch einen
Gürtel Uägt, weist auf den geifllichen cingulus hin.
Man braucht aber gar keine Alba vorauszufetzen,
wenn wir angefichts unferer Hauptfigur an den heil.
Benedi6lus denken, denn diefer bezeichnet ausdrück-
lich als die Gewandung feiner Ordensbrüder in dem
55. Capitel feiner Regel die Tunica: „Sufficit autem,
Monacho duas tunicas et duas cucullas habere".
Die auf den Schultern der Hauptgeftalt fichtbare
paenula oder lacerna kann auch die fpätere Form der
Stola und des Scapuliers bezeichnen. Die Entwicklung
diefes Scapulares fchildert uns recht anfchaulich
M. Wilpert auf Grund der altchrilllichen Monumente.
Die Paenula ((patvövYj?), welche bei den Römern den
Rücken und die Schulter zu decken hatte, beftand aus
Leder und war öfters mit einer Cuculla (Caputze) ver-
fehen, wie fie auch der vielgereiste Apoftel Paulus ge-
tragen hat (vgl. feinen Brief an Timotheus). Aus dem
Ende des 3. und dem Anfange des 4. Jahrhunderts
haben wir ein Bild in der CallilUis-Katakombe, in wel-
chem fünf Heilige an den Schultern die aufgeftülpte
Paenula tragen.^ Rohault de Fleury (La Messe VII,
529) hat die Paenula diefer Heiligenfiguren für die
ältefte Form der Stola erklärt, wie fie fich auch auf
einem Mofaikbilde zu Ravenna findet.
Verfolgen wir die paenula- oder flolaartige Be-
kleidung noch weiter, fo gelangen wir zum Bene-
diftiner-Scapulier. Durch Verfchmälerung der römi-
fchen Paenula entfland ein Kleidungsftück, welches
nur zur Zierde diente und Clavus hieß, wie bei de
Rossi (Roma Sotterranea I. tav. XIV.) und Garucci
(Storia II. tav. I. 3) an einigen Geftalten der Lucina-
Krypta zu fehen ift. Ja nach Meinung des M. Wilpert
entftand es durch die bloße Verfchmälerung des Sca-
puliers der erften Mönche, der Benedifliner. Ueber-
gangsformcn der Paenula und des Scapulares zeigen
die Miniaturbilder eines vaticanifchen Codex (Cod. Vat.
Lat. 1202, P"ol. 157 r.) aus dem 11. Jahrhundert. Eine
gänzlich verftümmelte, an beiden Seiten gerade abge-
fchnittene Paenula zeigen uns die Miniaturen des vati-
canifchen Menologiums (Cod. Vat. gr. 161 3) und des
Climacus- Codex (Cod. Vat. gr. 394). Diefes Scapularc
der alten Paenula-Form war fo kurz, dafs es nur bis zu
den Hüften reichte und als folches betrachte ich nun
die Kleidung der Hauptfigur unferes Reliefs. Die
gleiche fcapulierförmigc Paenula führt uns Wilpert in
einer gelungenen Reprodu61:ion vor, deren Original
fich unter den vaticanifchen Reliefs befindet (Wilpert
a. a. O. Taf. 14), und auch der Bifchof bei der feier-
lichen Einkleidung der heil. Priscilla (Wilpert ..Gott-
geweihte Jungfrauen", Taf 1) ift in diefelbe Paenula
eekleidet.
' Wilpert, ,Gew. d. Chriften". 1898. Cuiri. Abb. 5.
• r>c Rossi Rum.l Sotlerrane.l MI. I.-iv. I — II. tl.irucci, Storia II. tav
XWIII. N. !••
- so
Wenn wir nun diefes aus der Paenula cntftandene
Scapulare als das Kleidungsftück anfehen, das die
Hauptfigur unferes Reliefs über der Tunica Talaris
trägt, dann ift wohl meine Vennuthung bekräftigt, dafs
wir es hier mit einer fehr alten Darlleliung des Ordens-
patriarchen Benediflus zu thun haben.
Die Verfchiedenheit in der Kleidung der beiden
Nebenfiguren glaube ich folgendermaßen erklären zu
follcn. Die zur Rechten der Hauptperfon flehende Ge-
ftalt träet eine lange Tunica Talaris und Manicata.
Wenn wir dabei bleiben, dafs dies fchon ein diftingui-
rendes Gewand war, fo würde dies auf den älteren
Schüler des heil. Benediftus, auf den heil. Maurus hin-
weifen, der fchon als Mönch eingekleidet war.
Die Figur zur linken Seite der Hauptperfon trägt
aber eine kürzere Tunica cinfla und eine kleine Paenula.
Sie hebt den rechten Arm über den Kopf, wie wenn
fie um den Segen oder die Aufnahme feitens des heil.
Benedi6tus bitten würde. Damit würde Itimmen, dafs
die Hauptfigur mit einem alt-chrilllichen Geflus die
zwei Finger fegnend über das in ihrer Rechten ruhende
Buch legt, als wollte fie wie in anderen alten Darftel-
lungen des heil. Benediftus fagen: „Ausculta, o fili!
praecepta magistri!"
Diefe zweite Nebenfigur wäre fomit der zweite
jüngere Schüler des heil. Benediftus, der heil. Placidus.
Die erften Apoftel von Ungarn, die laut der neue-
ften Forfchungen ungarifcher Linguiften italienilche,
genauer gefagt, römifche Benediftiner waren, müßen
entweder diefes alte Relief im 9. oder 10. Jahrhundert
nach Martinsberg (Pannonhalma) mitgebracht haben,
oder aber dasfelbe nach altchriftlichen römifchen
Muftern gearbeitet haben.'
' Um lI.ts mcrkwiirdiije und kunfthiftorifch anfcheiiicnd nicht unwichtige
Relief bek.innt zn in.ichen, h.iben wir gerne den .inregcndcn Aiisfiihningcn des
Vcrf.T(rers R.ium gegeben, wiewohl die Möglichkeit einer Herftellung des Reliefs
im II. J:ihrhnndert fchlankweg abgewiefen, eine Uebertragung aus Italien um
diefelbe Zelt als unwahrfcheinlich bezeichnet weiden muß. und auch die ikono-
graphifche Deutung kaum ohne Widerfpruch bleiben dürfte.
Die Redai^tion.
Notizen.
1. Confervator Profeffor Joh. Wist in Gras be-
richtet über die Verhandlungen bezüglich des beab-
fichtigten Abbruches der St. Nicolaus-Pfarrkirche zu
Sachfenfeld (befchrieben bei Orozen, Das Bisthum der
Diöcefe Lavant III, 354) und empfiehlt die Erhaltung
der barocken St. LuciaCapelle, der Grabfteine, des
reichen Portales, des Altarbildes, der harten Kirchen-
ftuhle und der aus der Türkenzeit ftammenden Um-
friedungsmauern, die mit ihren zwei Eckthürmen mit
Schießfeharten und anderen Theilen noch in den heu-
tigen Pfarrhof (Caplanei) eingebaut find.
2. Confervator Clemens Cennak in Cdslau be-
richtet über die Refultate einer von ihm und dem
Secretär des dortigen Mufeumvereines vorgenomme-
nen Aufgrabung des Bodens der Sacriftei der Peter-
Pauls-Decanalkirche zu Cäslau. Es ift dies ein ein-
fchiffiger romanifcher Bau mit Apfis und Weftthurm,
der einftens die ältefte Kirche des Ortes gebildet hatte,
bis er in gothifcher Zeit von einem gewaltigen Neubau
überflügelt und in denfelben als Seitenraum des Chores
einbezogen wurde.
Die Ausgrabungen, die zwifchen liem 5. bis
20. Auguft 1901 durchgeführt wurden, begannen in
der Apfis; hier ftieß man in einer Tiefe von 55 M. auf
den Unterbau des Altares. aus Bruchfteinen, die mittels
gelblichen Mörtels feft verbunden waren; daneben lag
eine Sandfteinplatte von 070 M. Länge, 0-35 M. Breite,
Ol 5 M. Dicke und dazwifchen unbedeutende frag-
mcntarifche Kleinfunde. Am Anfang des Schiffes, in
das man nun von der Apfis aus vordrang, fand man
fofort die Stelle, an welcher früher der gegenwärtig an
der Wcftwand der Thurmhalle verwahrte Grabftein in
den Ziegelpflafterboden verfenkt gewefen war. Diefer
Grabftein zeigt die Figur eines Ritters en face mit einer
Beifchrift, die nach Cermak urfpriinglich das Wort
M.STH1SLAVS erkennen ließ; eine feither vorgenom-
mene ungefchickte Rcftaurirung habe den Namen leider
voliftändig entftellt. Unweit davon fanden fich zwei
männliche Skelette, die der Berichterftatter auf Bleh
von Chlum und deffen Sohn Mstislav bezieht, zwei
Perfonen, die nachweislich für die Gefchicke der Stadt
Cäslau in der Zeit Pf emysl Otakars II. von größter Be-
deutung gewefen waren. Links davon entdeckte man eine
übelriechende Maffe von Kohlen, Knochen, Afche und
Scherben vom Burgwalltypus, die vermuthungsweife
als Opferftätte erklärt wird, feiner einen romanifchen
Bronzeleuchter von 7-1 Cm. Höhe mit durchbrochener
Dille und breitem Fuße, 5-8 Cm. Durchmcffer, der am
Rande mit drei emporftarrenden Sporen verfehen ift.
Endlich fand man gegen die linke Seitenwand hin noch
einen kleinen Herd aus fechs Ziegeln, 30 Cm. breit und
mit Holzkohle und Afche gefüllt. Im Thurme ftieß man
zunächft auf einen Unterbau aus Ziegeln und eine
Grube daneben, ferner auf zwei Skelette ohne Haupt,
für deren Beftiinmung es an Anhaltspunkten gebricht.
Da im Jahre 1801 in diefer Sacriftei zwei in der Gegen-
reformationszeit eingemauerte (feither längft verfchol-
lene) Monftranzen utraquiitifcher Provenienz entdeckt
worden waren, gab man fich eine Zeit lang der Er-
wartung hin, im Boden der Sacriftei die Gebeine Zizka's
aufzufinden. Wiewohl die Grabungen nach diefer Seite
nicht den gewünfchten Erfolg gebracht haben, wird
man ihr Ergebnis immerhin als ein befriedigendes
bezeichnen dürfen.
3. Am 30. I\Iai 1901 ftarb der langjährige Corre-
fpondent der k. k. Central-Commiffion, der emeritirte
Gymnafial-Profeffor W. Schmidt im 84. Lebensjahre
zu Czernowitz, einer der eifrigften Gefchichtsforfcher
der Bukowina und bis zu feinem Lebensende unge-
achtet zahlreicher körperlicher Gebrechen noch fehr
thätig. Confervator Direflor Ronißorfer widmete ihm
einen warmen Nachruf
4. In den Mittheilungen 1901, 232 f ift der Bericht
des Confervators Bergrathes Evinnuel Ricdl über eine
Urncnßätle zu Reiclienegg bei Cilli abgedruckt; die
51 -
Redaktion trägt hier die dort aus Verfehen ausgefallene
liluftration nach:
la—
(< O f (I
CO od.
\\-,'.»;l"^""
~0 ■^■''('f,*W^-7!-iWEf^
° „■ '"
V.
o
TT.
o
Daran fchließt der Einfender einen Bericht über
die jwigfien Funde der Gi'äbcrßätte zu Rciclienegg.
Sehr nett gearbeitete, bis auf die Nadel voll-
kommen erhaltene Bronzefibel (Fig. i), volllländig mit
reiner, glänzender, lichtgriiner Patina bedeckt.
Fig. I. fNat. Gr.)
Nebftdem ein Halsring aus Bronze mit 3 1 Cm.
Umfang, lichtgrün patinirt, von elliptifchemQuerfchnitte,
welcher zvvifchen 5 bis 7 und 8 bis 1 1 Mm. fchwankt.
Ferner drei Bronzeringe mit 38 Mm. im Durch-
meffer und 3 bis 5 Mm. im Querfchnitte.
Endlich eine Urne (Fig. 2) aus Schwarzhafncrthon,
vollftändig erhalten; Inhalt Afche und Knochenrefte;
beim Rigolen für einen Weingarten gefunden im Grunde
des J. Sazbec.
5. Correfpondcnt Dr. Andreas Ainoroso berich-
tete am 31. Juli I90[, dafs bei Grabungen in Nesazio
auf einer Statuenbafis eine Iiifchiift entdeckt worden
fei, die von der r(cs) p(ublica) Nes(acticnsiuin ) dem
Kaifer Gordian (regierte 244 bis 248 n. Chr. ) dedicirt
worden fei; ilir Abdruck foll in diefen Mittheilungen
III. Folge Bd. I erfolgen.
6. (Die r'dmifche Wegaidage der Porta Ercole.)
Gelegentlich einer Fundamentlegung in der näch-
ften Nähe der Porta Ercole wurden Ueberrefte ver-
fchiedener antiker Bauanlagen an den Tag gebracht.
Während die aufgedeckten Grundmauern antiker Hoch-
bauten nicht derart sind, um unfer Intereffe flärker
feffeln zu können, erhalten wir mit der an drei Stellen
durchgeführten Bloßlegung einer antiken Weganlage,
die bereits im Stadtgebiete des römifchen Pola lag,
einen erwähnenswerten Beitrag für die alte Topo-
graphie diefer Stadt. Der mit der Porta Ercole (i)
beginnende Straßenzug wurde bei 2 und 6 neuerdings
getroffen und an diefen Stellen feines Verlaufes unter-
fucht. Die Straßenbreite wurde mit 3-80 M. bemeffen,
wovon 2-40 M. auf die P'ahrftraße und die refllichen
1-40 M. auf das linksseitige (von der Porta Ercole aus
gefehen) Trottoir entfallen. Ein rechtsseitiges Trottoir
dürfte vorhanden gewefen fein; feine Steinfaffungen
find jedoch vor langer Zeit bereits abgeräumt worden.
Es ergibt fich demnach für diese Straße eine Gcfammt-
breite von 4-20 M., ein Mittelwerth für die Breite der
Straßen antiker Städte. Das Querprofil der Fahrstraße
.w
(agger) zeigt eine fchwache Wölbung. Die Pflafterung
ift aus polygonalen Steinblöcken hergeflellt. Von
Geleisrillen ift keine Spur vorhanden. Uebrigens dürfte
der Wagenverkehr bei dem ftarken Gefälle der Straße
ein fehr befchränkter gewefen fein. Das Trottoir ift mit
langen, 30 Cm. breiten Kantsteinen eingefafst und
liegt vom Niveau des Agger aus gemeffen 30 Cm. hoch.
Die Trottoirfiäche zwifchen den zwei Reiiieii derKant-
fleine ift aus feftgeflampfter Erde hergeflellt. Ob auf
diefer noch Sand oder ein anderes Material als Belag
in Verwendung gekommen war, ließ fich nicht mehr
erkennen. Die Straße begann in der Porta Ercole und
lag dort 130 M. über dem Niveau der Via Carrara. Die
nächftc Stelle der Straße wurde i-8o M. unter dem
Niveau des Gartens angetroffen, woraus fich ergibt, dafs
die Straße bei 22 M. Länge um 90 Cm. gertiegen ilt.
Links vom Straßenzug liegen bei 3, 5 und 4 die Rede
römifcher Bauobje6te. Bei dem Mauerzug 3, der fich
nur bis zur Straßenhöhe erhalten hat, fällt die große
Sliu'ke auf. P'ür die Baudurchfiihrung läfst fich geringe
Sorgfalt in der Arbeil und in der Auswahl des ver-
wendeten Materials erkennen. Dasfelbe gilt auch von
den beiden parallel zieJienden Mauern, die auf 3 folgen.
— 5:
Es läfst fich überhaupt bemerken, dafs die bisher auf-
gedeckten Refte, foweit fie am Nnrdabhange des
Caftellhügels liegen, auf ärmliche und weniger vor-
nehme Bauwerke hindeuten als die, denen man auf dem
Südabhangc begegnet, der zum Forum und derHaupt-
ftraße des alten Pola abfallt. Das mittelalterliche Pola
hatte dann den Nordabhang des Caftellhügels ganz
verlaffen, den man erft in allerjüngfter Zeit zu verbauen
beginnt. Die antiken Wcrkftücke, die man hier findet,
liegen nicht in situ, fondern find von der Höhe des
Hügels herabgefchleppt worden, auf dem größere,
öffentliche Rauten zu vermuthen find. Schließlich ift zu
erwähnen, dafs bei 5 bis zu dem Mauereck 4 reichend
in der Höhe der Straße ein Mortcleftrich (opus
Signi num) bei der Grabung durchbrochen wurde, der
die Bodenfläche eines Hofraumes bedeckt zu haben
fcheint. Auf demfelben lagen ungcftörtc Culturfchichten,
die aus Holzkohlenafche, verkohltem Holz und Küchen-
abfiillen beftanden. Zwifchcn ihnen kamen Knochen und
Scherben ordinärer Thongcfäße zum Vorfchein.
Pola, Februar 1901. A. Gnirs.
7. Profeffor Anton Gniis berichtete unterm
4. Auguft 1901, dafs in Pola im Hofe des Hotels
„Central" (.'\rfenalftraße) vor drei Jahren zwei umfang-
reiche antike Mofaikböden blosgelegt wurden. Diefem
Funde wurde feinerzeit keine weitere Beachtung
gefchenkt. Durch einen Zufall wurde derfelbe dem
Gefertigten im Juni diefes Jahres bekannt. Ein Boden
liegt in den Stallungen des genannten Hotels, der andere
in unmittelbarer Nähe im Hofraum diefes Gebäudes. Bei
ihrer Aufdeckung waren diefe antiken Fußböden, wie
dem Gefertigten erzählt wurde, in ihrer gefammten
Ausdehnung ziemlich erhalten. Durch verfchiedene Erd-
arbeiten ilt dann ein bedeutender Theil diefer reichen
Mofaiken einfach befeitigt worden ; der Reft hat dann
unter den Hufen der Pferde und durch den Wagenver-
kehr ftark gelitten, fo dafs fich an eine Erhaltung und
Confervirung des im Hofraume befindlichen Bodens
nicht mehr denken läfst. YÄwe Bergung des in den
Stallungen befindlichen Mofaikfragmentes ließe fich
durchführen.'
Im Juli diefes Jahres hat ferner der Gefertigte in
Erfahrung gebracht, dafs im Winter 1898/99 im Garten
der Villa Mallinarich (zvvifchen dem Aufnahmsgebäude
der k. k. Staatsbahn und der nach Dignano führenden
Straße) auf einem verhältnismäßig kleinen Raum
16 römifche Gräber aufgedeckt wurden, die nach den
gleichzeitig gemachten Münzfunden aus der Zeit der
Kaifer Hadrian und Antoninus Pius flammen. Diefe
Funde zeigen im Zufammenhang mit den zahlreichen
aufgedeckten Gräbern aus antiker Zeit, die der Um-
gebung des Amphitheaters angehören (cf. Mit-
theilung der k. k. Central Commiffion 1894, pag. 217;
1897, pag. I ff, Jahreshefte des archäologifchen
Inftitutes 1900, pag. 197), dafs die Nekropole des
römifchen Pola von der Gegend des Amphitheaters
* Es ift im höchften Grade zu bedauern, dafs diefe ausgedehnten
Mofaikböden zu Pola erft faft nach ihrer Zcrftbrvuig zur Kenntnis der Fach-
männer gelangten, d. i. im Jahre 1898. Die gefundenen liruchftücke zeigen
zwar nur fogenannte weißbunle Flächen, gehören aber fichcr einer guten Zeit
und Führung an.
Bezüghch der Aushebung und Erhaltung der im Stalle des Hotels
gefundenen Mofaiks empfiehlt die Central-Commiffion eine bcfonderc Würdigung.
Eine genauere Monographie über diefe Kirche wird im nachftcn Hefte er-
fcheinen.
weg bis gegen Valle S. Pietro fich hinzog. Die bei der
Oeffiuing der vorerwähnten Grabficllen gemachten
Kleinfunde (Thonlämpchen, Thränenfläfchchen, Urnen,
aus Glas und Stein, ein Metallfpiegel, Ringe, Münzen,
eiferne Nägel) find im Befitz des Herrn Linienfchiffs-
lieutenauts von Mallinarich. Eine genauere Aufnahme
des Fundinventars hat der Berichterftatter gemacht.
8. Zahlreiche vorgefchichtliche und römifche Funde
beweifen, dafs die Gegend von Ueberetfch in der älteftcn
Zeit bewohnt war. So wurde 1825 in der Nähe von
Kaltem ein Sarkophag ausgegraben und fpäter der
kleine Schatzfund von „den todten Wegen", der gegen-
wärtig im Landesmufeum in Innsbruck aufbewahrt ift
(Wappenbuch der Städte und Märkte von Tyrol,
C. Fifchnaller, S. 95). In letzter Zeit wurden nach dem
Berichte des Hofrathes Profeffor von Wiefer in den
Mittheilungen der Anthropologifchen Gefellfchaft in
Wien, XXX. Band, bei St. Pauls in Eppan mehrere mit
Kalk ausgefchüttete Skeletgräber aus der römifchen
Kaiferzeit aufgedeckt, wobei Fragmente von Falz- und
Hohlziegel, ein Armring aus Bronzedraht u. dgl. zum
Vorfchein kamen. In der Gemeinde Eppan, nahe den
Montiggler Seen, befinden fich auch die von Dr. Fr. von
Tappeiner forgfaltig unterfuchten und befchriebenen
rhatifchen Steinwälle: am Hohenbühel, vom Volke „das
alte Nörggele G'fchloss" genannt und am Jobenbühel,
das eine Stunde füdlich vom erfteren entfernt ifl (diefe
Mittheilungen XXII). Dies Alles fpricht für uralte An-
fiedelung des weinreichen Mittelgebirges von Ueber-
etfch.
9. „Ser Paolo", der Luftigmacher am glanzvollen
Hofe des Cardinais Bernhard von Cles in Trient, ifl
noch heute eine fehr volksthümliche Geftalt unter
der liebenswürdigen und leichtlebigen Bevölkerung von
Trient. Dafs fein Andenken fich noch immer diefer
Frifche erfreut, um die ihn alle Großen am ehemaligen
Hofe des Cardinais beneiden müßen, nachdem doch
feine Späffe und Schwanke längft verflummt find, dies
verdankt er wohl einzig und allein feiner echt popu-
lären prächtigen Figur auf dem Gedenkfteine, welchen
ihm der Cardinal mit folgender Infchrift fetzen ließ:
Ouae modo festivo sonuere palacia risu,
Lugeiit funestae quid refcrunt lachrymae,
Paulus obit; periere sales, periere lepores.
Cum quo prodierant, deperiere loci.
Der Stein ifl dem Style nach ein Werk jenes
maestro Alessio von Como, der auch die Kaifer-
medaillons an der Loggia des Löwenhofes des Castello
del Buon Consiglio in Trient fchuf Derfelbe ftand
wohl ehemals in einer Kirche als Grabmonument, fei
es in jener von S. Marco, die fpäter umgebaut wurde,
oder in der Kirche S. Maria Maddalena, die in eine
Kaferne umgebaut ifl, oder in der demolirten Kirche
S. Maria del Carmine. Jetzt hat er mit mehreren
Wappenfleinen, darunter einem, der fich auf eine Zoll-
ftätte bezieht, eine Zuflucht in dem Hofe des foge
nannten alten Municipiums, einem der Stadt gehörigen
Gebäude, gefunden, in welchem dermalen die Handels-
fchule untergebracht ifl. Allein das prächtige Steinbild
gehört auf einen öffentlichen Platz, mitten hinein unter
- 53 -
das Volk, deffen Lieblingsfigur Ser Paolo ift. Ser Paolo
war bei heiteren Lebzeiten dem Waflcr nicht hold, und
jetzt bedroht es ihn von allen Seiten. Schon der ganze
Hof ilt feucht und ebenfo die Mauer, in welche das
Denkmal eingelaffen ift; dann aber bedrängt ihn auch
Fig. 3. fGedenkfleiii de^ Sei' I'aolo, 16. Jahrhundert, Trienti
von oben das Regenwaffer, da er des fchützenden Ob-
daches entbehrt. Und der Stein weist fchon bedeu-
tende Schäden, Spri^inge und Abbruche auf, wie aus
beiliegender photographifcher Aufnahme zu erfehen ifl.
Dr. Hans Schnwhcr, k. k. Confervator.
10. Confervator I'. Friedrick £«<// berichtete itber
die Ausmalung der Kirche in Slrögcn bei Stift Alten-
burg und iiber die Reinigung ihrer Altarbiklcr. An dun
noch n)m,inifircnden Fciiftcrn des Thurmes' wurden
' r.cilaufig in der Milte des Tliurmes zeigen fich an den iiacli außen ge-
keliiten Kamen zwei monftröfe ronianifche Köpfe, an der zwifchen ihnen liegenden
Flache ein Rehef bildwerk. gegenwartig arg zerflbrt. Die Kirche von Strogen
war eine der landcsfiirftlichen Kirchen, welche znr Zeit der Chriftianifirung
dicfer Gegend erbaut worden war. Sic exiftirte ficher fchon 11 44 und dürfte,
da St. Stephan zu Hörn 1046 von dem Grafen Karl zu Hörn erbaut, rcfpebtive
gediftet oder befliftel worden ifl, wahrfcheinlich fchon damals von den Baben-
bergern gcfchirnit worden fein. Spater erft kam fie als Vicariat an Altenblirg.
Die Form der alten Kirche dürfte die landLaiiügc gcwefen fein, mit geradem
Abfchluß. flacher Uecke, und dem Thurm an der Seite.
ff
halbe Jaloufien, des Luftdurchganges wegen, eingeletzt
und das Walmdach des Thurmes mit neuen Spitzen
bekrönt. Ein Grabftein mit der Infchrift:
t Anno . DNI . M . CCC | XLIX . JNDIE . SCI . REMIGIJO.
DNS ULRIC I VS.PLEBANVS JN | STREGEN.HIC
SP:PVLTVS JN FOSSA
abgebildet von Dollmayr im Bande „Berichte des
Wiener Alterthumsvereines" XXVI, 223 ff., lag in zwei
Stücken auf der Chorfliege. Er zeigt einen Dreiecks-
fchild, deffen obere Spitze in eine Lilie ausläuft. Das
Fragment wurde abseits an der Thurmmauer auf-
geffellt.
Eine fchöne Freske aus der Troger'fchen Schule
an der Außenfeite (Südfeite) des Presbyteriums (wo
einft zwifchen den Strebepfeilern gedeckte capellen-
artige Räume für Widmungen von Wohlthätern mit ver-
fchiedenartigen Malereien angebracht waren): die Aul-
eiftehung Chrifti mit fchöner Landfchaft gegen Jeru-
falem hin, in der die erften Befucher des Grabes \'on
ferne fichtbar werden, war unten fcliadhaft; nur die
fchadhafteii oder abgebrochenen Theile wurden mit
feinem Mörtel ergänzt (Berichte des Wiener Alter-
thumsvereines XXVI, 218).
P. Friedrich Endl, k. k. Confervator.
11. Der Confervator Dire6lor Sterz in Ziiaim
berichtet, i. dafs er ein über dem Einfahrtsthore des
Haufes, Znaim, Alleegaffe 5, aufgehängtes Oelgemälde
des ij. Jahrhunderts, Maria mit dem Jefukinde dar-
fteilend, gereinigt habe; 2. dafs er ein Fresco unter
einem P'enfter des erften Stockwerkes im Haufe Unterer
Platz 8, mit einer Darfteilung der Mutter Gottes von
zwei Engeln gekrönt, nicht vor einer Uebertünchung
habe fchützen können; 3. dafs ein Fresco aus dem
18. Jahrhundert am erften Stockwerke des Haufes
Schmidgaffe 6, die Madonna mit dem Kinde zeigend,
das mit der Rechten das Kreuz gegen einen Drachen
ftößt, fachverftändig gereinigt worden fei.
12. Herr Major Martin PrandßetterTeiiiu-r, dcv
vor mehr als 20 Jahren das vom Grafen Otto Gottfried
Kolonitfch 1642 erbaute Palais in Graz, Schmiedgaffe
Nr. 25 (neu 21) angekauft und mit namhaften der
Sicherung des in künftlerifcher Beziehung bcachteiis-
wcrthen Baues gewidmeten Koften reftaurirt hatte, hat
fich an die Central-Commiffion mit dem Erfuchen ge-
wendet, einen Recurs zu unterftützen, den er an das
Miniftcrium des Innern gegen eine Entfcheidung des
Grazer Stadtrathes gerichtet hatte. Es ift nämlich vom
Grazer Stadtrathe bcfchloffen worden, zur Regulirung
der Straße vor einem bald zu erbauenden Amtshaufe
einen 4 M breiten Streifen jenes Gebäudes, noch dazu
feiner Fatjade, zu verwenden. Da auch der Confervator
Monsignore Graus den monumentalen Charakter des
bedrohten Baues betonte und eifrig der Schonung
empfahl, hat die Central-Commiffion an das Miniftcrium
die Bitte gerichtet: falls fich eine gefetzliche Handhabe
dazu bieten follte, möge die Entfcheidung des Grazer
Stadtrathes abgeändert werden, und wenn dies nicht
anginge, möge durch die k. k. Statthalterei auf ihn
Einfluß genommen werden, damit er freiwillig von
feinem Vorhaben Abftanil neiime.
- 54 -
13- Nach einer Mittlieilung des Herrn Kail Kalb-
w^rt/ifr, Pfarrer in Säufcnftein, hat fich der neue Eigen-
thümer der Herrfchaft Säufcnftein, Herr Kirfch, bereit
erklärt, die dortige Lorctto-CapcUe auf eigene Koften
zu rellauriren. Die Ccntral-Commiffion liat durch ihr
Mitglied, Herrn Baurath Rosner, über den Zuftand des
Gebäudes Erkundigungen eingezogen untl RatlifchHige
für deren VViederherftelluiig ertheilt.
14. An die eliemalige Sclmtzengel-Kirclic in
Goldenkron, welche neben der großen Stiftskirche liegt
und welche nach der Verwüllung der letzteren durch
die. Huffiten im Jahre 1420 bis in die Mitte des 17. Jahr-
hunderts als Kloftcrkirche benützt wurde, ift ein Ge-
wölbe angebaut, das derzeit zur Aufbewahrung von
Afche dient, hi deffeii Hintergrund war ein bis zur
Hälfte der Säulencapitäle biosgelegtes Portal zu fehen.
Nach der Anficht des Correfpondenten Dr. Alfred
Schnerich und des Unterzeichneten, welche am 28. Mai
1. J. diefes Portal gemeinfchaftlich bcfichtigten, wurde
es im früh-gothifchen St}-le aufgeführt und ift daher
älter als die große im 14. Jahrhunderte erbaute Stifts-
kirche.
Da das den obcrften Tlieil diefes Portales be-
deckende Mauerwerk nur aus einem auf Binfengeflecht
aufgetragenen Mörtel beftand, fo wurde Herr Fabri-
kant Schullerbauer erfucht, die weitere Abdeckung zu
verfuchen. Am 31. Mai erfuhr der Einfender von Herrn
Schullerbauer, dafs fic gelungen fei, und an denfelben
Nachmittag begab er fich mit dem Photographen
Wolf nach Goldenkron, um es bei Magnefiumlicht
photographifch aufzunehmen.
Die BogenfüUung ift mit fehr fein ausgeführten
Sandftcinfculpturen (Laubwerk) geziert. Den Bogen
fclbft tragen zwei liockende Geftalten auf ihrem
Rücken. Die aus grauem Sandftein beftehenden Capi-
täle der beiden Säulen find mit Eichenblättern ge-
fchmückt. Die Gefammthöhe des derzeit bloßgelegten
Theiles beträgt 272 M., die Breite einfchließlich der
derzeit fichtbaren Steinverkleidung 1-31. M.
Es ift dies der ältefte Baubeftandtheil Goldeii-
krons, gewifs im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts
im früh-gothifchen St}'le aufgeführt. Die Schutzengel-
Kirche fclieint alfo auch die erfte Klofterkirche des im
Jahre 1263 gegründeten Ciftercienferftiftes Goldenkron
gewefen zu fein.' Anton Mörath, Correfpondent.
1 5. Die k k. Central Commiffion erhielt Nachricht,
dafs der in der ehemaligen Pauliner-Kirche befindliche
Grabftein der Familie Neudegg in die Pfarrkirche zu
Nieder-Ranna (Nieder-Oefterreich) überführt und an
der äußeren Kirchenmauer aufgeftellt worden ift. Die
beiden nahe dem Calvarienberge befindlichen Steine
und Bruchftückc wurden leider bisher nicht aufgeftellt.
16. Confervator Direftor Adolf Sterz in Znaim
berichtet über die durchgeführte Reftaurirung des
Stadtlhurmes in Znaim und einige bei diefer Gelegen-
heit gemachte Entdeckungen und Funde. Am Aeußcrn
wurde der alte Verputz entfernt, der bereits im beftän-
digen Abblättern begriffen war und dadurch die
Dächer der Nachbarfchaft und die Vorübergehenden
' Zwei Photographien, die Herr nirciflor Mor.ith von diefcin Port.iIe hat
anfertigen laffen. find dem Arcliiv der Central-Commin'ion einverleibt worden.
Die Red.
gefährdete und an feine Stelle eine neue Vermörtelung
angebracht; ferner die unzweckmäßige Steintreppe
durch eine eiferne Wendeltreppe erfetzt. Beim Ab-
iöfen des allen Verputzes wurtle im Erdgefchoß an der
Nordweftwand des viereckigen Thurmes ein einfaches
gothifches Fenfter entdeckt, das in einen bisher unbe-
kannt gewefenen kellerartigen Raum Einblick ge-
währte, ohne dafs aber ein äußerer Zugang zu dem-
felben von den Seiten her möglich erfchienen wäre. Da
nun ein Raum des erften Stockwerkes im Thurme als
Depofitenkammer für das unmittelbar daneben ange-
baute und damit communicirende k. k. Kreisgerichts-
gebäude dient, fo wurde in diefer Kammer der Fuß-
boden aufgedeckt und darunter eine viereckige von
Steinen eingefafste Oeffnung bloßgelegt, die einftmals
den Einlafs zu dem erwähnten neuentdeckten Thurm-
verließe gebildet hatte. Man konnte nun diefes felbft
betreten und fand es von Cjuadratifcher Form mit
270 M. Länge und 5-30 M. Höhe, wovon 2-05 M. unter
dem Straßenniveau liegen. Der Boden ift geebneter
Felsgrund, die Decke ein Tonnengewölbe. Auf dem
Boden fanden fich einige Gefäße aus Thon und Glas,
Topffcherben mit Bleiglafur und Kleeblattranken, zwei
durch Oxydiruiig unkenntlich gewordene pfennigartige
Münzen, endlich Fragmente aus Metall und Leder und
einige Knochen. Von den Gefaßformen und einer beffer
erhaltenen Topffcherbe hat Confervator Sterz feinem
Berichte Skizzen beigefügt, auf Grund welcher man die
Entftehung diefer Gegenftände in das 16. und 17. Jahr-
hundert zu verfetzen hätte.
17. Confervator Alois Czerny in Mährifch-Trübau
berichtet, dafs fich dafelbft ein ,,Kircheii-Renovirungs-
verein" gebildet hat, um die Mittel für die nothwendig
gewordene Reftaurirung der Supper'fchen Fresken aus
dem 18. Jahrhunderte in der dortigen Pfarrkirche auf-
zubringen; ferner befteht die Abficht, dem Glocken-
thurme an Stelle des feit dem Brande von 1844 be-
ftehenden Nothdaches ein anderes unter Erneuerung
der hiftorifch fichergeftellten urfprünglichen Form zu
verleihen.
Derfelbe Confervator berichtet ferner über ein aus
Sandftein roh ausgehauenes Kreuz, das in der Gemeinde
Aiijezd bei Miiglitz am Ufer eines der dortigen Dorf-
teiche fteht. Es mifst ri2 M. in der Höhe, 0-40 M. in
der Breite am unteren Ende und 03 2 M. in der Tiefe.
Der Schaft verjüngt fich etwas von unten nach oben;
die drei kurzen oberen Arme find kleeblattförmig ge-
fchloßen und ftark befchädigt, der rechtsfeitige Arm
faft \ollftändig abgebrochen. Unter der Kreuzungsftelle
der Arme findet fich die Jahreszahl 1533 in echten
alten Ziffern eingemeißelt, was für die Datirung ähn-
licher Denkmäler (vgl. Mittheilungen 1901, S. 98 ff. mit
Tafel) von Bedeutung ift.
18. Mitglied Baurath Rosner berichtet, dafs durch
Zurückrückung der P'ront des Haufes Nr. 14 in der
Schulerftraße die Anfchlußmauer des Haufes Nr. 12
theilweife freigelegt wurde und dadurch ein vermauerter
ftumpfcr Spitzbogen fichtbar geworden ift. Da die
Iläufer Nr. 10, 12 und 14 der Schulerftraße nach dem
SuffingerTchen Plane der Stadt Wien vom Jahre 1684
Eigenthum der Juriftenfchule gewefen find, befteht die
Vermuthung, dafs der erwähnte Spitzbogen den Quer-
fchnitt der im Jahre 1397 gegründeten St. Ivo Capelle
55
darftellen könnte, wobei jedoch nach Profeffor 11'. Neii-
niann's Mittheilungen zu berückfichtigen bleibt, dafs im
fclben Gebäude noch eine zweite, allerdings
für den Gottesdienft nicht benützte Capellc
exiftirt hat. In dem Gemäuer, womit der Spitz-
bogen ausgefiillt wurde, fand fich eine Infchrift-
fläche mit dem Vermerk: RENOVIERT
MDCXXXXIII.
19. Conferv-ator Abt Stephan Rö/llcr in
Zzvettl berichtet, dafs in der Stadt Zwcttl ein
ftädtifches Mufeum im Entliehen begriffen fei,
zu welchem die Stadtgemeinde die erforder-
lichen Räumlichkeiten beigeftellt und auch die
nöthigcn Geldmittel für die Rellreitung der
nächften Bedürfniffe bewilligt hat.
20. Beim Umbaue eines Haufes zu Efer-
ding, in deffen Umgebung vor mehreren Jahren
römifche Anticaglien gefunden worden find,
wurde eine eiferne, fehrverroftete Lanzenfpitze
etwa I M. unter dem Erdboden entdecl<t; nach
Much's Typentafel darf ich fie wohl als römi-
fchen Urfprungs beftimmen. — In einem eine
Stunde von hier entfernten Walde wurde fehr
nahe der Stelle, wo 1894 ein bronzenes
Lappenbeil gefunden worden war, ein römi-
fches Pilum, etwas verbotjen, wenig verroftet,
ausgegraben. Es ift 43'S Cm. lang, rundlich,
unten zugefpitzt, oben in eine fafl 8 Cm. lange
Spitze endigend, die Q ein abgekantetes
Quadrat im Durchfchnitt zeigt; fiehe E'ig. 4.
Correfpondent Ehrendomherr Grienberger.
21. Coniervator Mufeums-Direftor Jofeph
Skorpil in Pil/eti berichtet:
I. über den Fortgang der Reftaurirungs-
arbeiten an der gothifchen Dechantei-Kirchc
in Klattan. Die Außenwände find nun nach
Entfernung aller Anbauten freigelegt, der Ver-
putz am ^Veußern und Innern mit Ausnahme
der Fresco-Malereien befeitigt, das Rippcii-
werk und die Gewölbek'appen ausgebeffert und
nach Bedarf erneuert. Am Haupteingange
wurde das alte gothifche Portal wieder bloß-
gelegt, und das Spät-RenailTance-Portal, das
davorgeftanden war, an den Durchgang der
zwifchen der Kirche und ihrem ifolirt daneben
flehenden Thurme verfetzt. Die Fresco-
Malereien im Innern wurden nach Möglichkeit
unberührt gelaffen ; wo aber die damit ver-
zierten Gewölbekappen durch neue erfetzt wer-
den mußten, wurden die bezüglichen Malereien
an Ort und Stelle genau abpaufirt, um die
neuen Kappen mit getreuen Copicn der alten
Malereien bedecken zu können. Hicbci bleibt
nur zu bedauern, dafs die alten Malereien, die
auf folche Weife von ihrem Platze entfernt wer-
den mußten, nicht forgfältig abgelöst und im
Original erhalten wurden. Augenblicklich ill im
l''ig. 4. E'ortgange der Arbeiten infolge Verfiegens
der Geldmittel eine Stockung eingetreten.
2. Ueber die Reftaurirung der Fresken in der
St. Barbara Capellc des Franciscaner Kloftcrs zu Pilfcit,
die im Laufe des Sommers 1900 der Maler J. Mikfch
bis auf die Gewölbepartien durchgeführt hat. Diefer
befchränkte fich wefentlich bloß auf die Wieder-
belebung der mehr oder minder erlofchenen Farben,
entweder durch Befpritzung mit Kalkwaffer oder unter
Anwendung von Käsleim, nur wo einzelne Partien in-
folge Befchädigung abgefallen waren, hat Herr Mikfch
das Nöthigfle ergänzt, foweit es fich aus dem Vor-
handenen mit Sicherheit erfchließen ließ. Da aber die
alfo reftaurirtcii Wandfresken bloß den halben Schmuck
der Capelle darfteilen, und die andere Hälfte, die im
Originale vollftändig x^erloren ift, nach freier Wahl
ergänzt werden muß, fchlägt der Berichterllatter vor,
um des erwünfchten einheitlichen Eindrucks willen in
S.«»lfija,^.;
Fig 5. iKreiu ans Sclimicdeeifen, 18. Jahrhundert, Ziflersdorf
[flehe Mittheilungen XXVII, 235].;
der zweiten Hälfte die Gemälde der erftcn einfach zu
wiederholen, jedoch in verkehrter Anordnung, womit
die Monotonie unmittelbar evidenter Wiederholung
vermieden würde.
3 Ueber den barocken Hauptaltar in der Francis-
caner-Klofterkirche zu Piljcii, die der dortige Convent
durch einen modernen im gothifchen Style zu erfetzen
im Begriffe fteht. Da diefer Befchluß kaimi mehr rück-
gimgig gemacht worden kann, hat der Berichtcrfiatter
56
vvenigftens die nöthigen Schritte eingeleitet, um den
barocken Altar vor Vernichtung zu bewahren.
4. Ueber die Rell:auriruiig der Marien Dechantei-
kirche zu Prcstic bei I'iifen, eines impofanten fpiit-
barocken Bauwerkes, das nach Dr. Hugo Schmölbcr
(Beiträge zur Gcfchichte der Dinzenhofer) über Auftrag
des Kladraucr Abtes Lieber von Kilian Dinzenhofer
entworfen und zwifclien 1650 bis 1665 durch Anfehii
Lurago und Anton Hafenecker aufgeführt wurde. Die
Innenausftattung war nur im l'resbytcrium voUftändig
zur Ausführung gelangt, und chi der Dachftuhl der
Kirciie im Jahre 1892 durch Hlit/.llrahl eingeäfchert
wurde, was natürlich auch für das Innere manclien
Schaden im Gefolge iiatte, war man vor die Noth
wendigkeit gcftellt, nicht allein das Dach zu erneuern,
fondern auch das Innere zu reftauriren und auszuftatten.
Ein locales Baucomite hat die Sache in die Hand ge-
nommen und den Architekten Obmann mit der Auf-
gabe betraut, der fie auch hinfichtlich des Presby-
teriums bereits in befriedigender Weife gelöst hat.
Nach Befchaffung der erforderlichen Geldmittel wird
auch das Uebrige der Vollendung zugeführt werden.
5. Ueber die Abheilten der Stadtgemeinde Pilfen,
die Reflaurirung folgender, in den Kreis ihrer Wirkfam-
keit fallender Bauten vorzunehmen:
der fehr baufälligen fogenannten Sternberg'fcJien
Capelle gothifchen Styls, an der Südfeite des Presby-
teriums der Erzdecanalkirche zu Pilfen;
der St. Nicolai-Kirche auf dem gleichnamigen
Friedhofe;
der St. Georgs-Kirchc bei der Gemeinde Doli-
bravka, eines gothifchen Bauwerkes mit romanifcher
Apfis, das die Mutterkirche der Pilfener Erzdecanal-
kirche bildet.
6. Ueber die bevorftehendc Rcflaurirung der
barocken Capelle auf dem Dorfplatze von Nymc.
22. Vor kurzem fand der Photograph Franz
Dhvsky in Wels in feinem Garten das Fragment eines
gothifchen Grabfleines von rothem Marmor nebft
mehreren trümmcrhaften Stücken eines anderen.
Das erfkere ift 122 M. hoch, 085 M. breit und
OII M. ftark und zeigt in der oberen Hälfte die Dar-
fteilung der St. Anna Selbdritt in flachem Relief. Die
Figuren fitzen auf einem nifchealmlichcn Geftühle, über
deffen Rücklehne die Hände von vier im übrigen weg-
gebrochenen Figuren (darunter einer bärtigen) erficht-
lich find. Unterhalb fleht folgende fchön ausgeführte
Minuskelinfchrift in feclis Zeilen:
Hie ligt begrabn die Edl fraw sabina |
ein geborni vberackherin untl hern |
Criflofn jorgers zu reuilt und neith [
arting ritter glasne witib ift geftorbe ]
des fambstag nach gallus tag als |
man zeit 1523 jar.
Zu unterft befinden fich in beiden Ecken zwei ge-
fchwcifte VVappenfchilde und zwar: im heraldifch
rechten im erften und vierten Felde ein Schrägbalken,
im zweiten und dritten die Pflugfeharen der Jörger; im
linken Schilde erkennt man im erflen und vierten P'elde
zwei \-oneinaiider gekehrte halbe Räder, im zweiten
und dritten ein erhöhtes Ort der Familie Ueberracker.
Chrilloph Jörger zu Reuth ( Roith) und Neid-
harting, Sabina's Gemahl, ftarb 151S und ifl: in der
Kirche zu St. Georgen bei Tollet begraben, wo diefc
l~amilie ihre Erbgruft hatte, und auch das Grabmal des
*-
j 1
\1
\
urau\liu iiu-cbl f^.tai latuual
ia\i" •:)bn.iitbf.-iiumiVbfvu I
" mi viitn iiliitw ^iiftili iit firriciibt ~
[aiulJiluiiT waüi n.t.ViliuX tön ■"'^^: '
>>#!«•
Fig. 6, iGrabflein aus Marmor, 16. Jalirlunulert, eifle llälfle, Wels )
Genannten aus rothem Marmor mit auf einem Löwen
Gehender Ritterfigur erhalten ift.
Der Grabflcin der Sabina Jörger befand fich
früher bei der Stadtpfarrkirche in Wels, deren Grab-
monumente jetzt größtentheils verftreut, hie und da
wieder durch Zufall zum Vorfchein kommen.
Die weiter gefundenen Trümmer eines pracht-
\-ollen gothifchen Grabfteines laffen unter anderem das
\icrfeldige Wappen der Hohenfelder erkennen.
Correfpondent J. Merz, Wels.
23. (Nacliträge )
Zu Seite 22: Herr A. Sitte erfucht uns mit-
zutheilen, dafs die Angabe im Inhalts-Ver/eichniffc
XXVII 1902, S. IV: „Älphons Sitte, k. k. Official"
richtig zu lauten habe: „Alfred Sitte, k. k. Affifient".
Zu Seite 34: Confervator H. Richly theilt mit, dafs
das Vorhaben, an der Fundflelle des von ihm befchrie-
benen Palftabes Grabungen anzuflellen, am 17. y\uguft
v. J. zur Ausfuhnuig gelangt ift, ohne jedoch die
erhofften Refultate zu ergeben.
-C**Ci5C*=<Jt<;i^
— 57
Die Bafilica St. Maria Formosa oder del Canneto in Pola.
Vom k. k. Confervator Profeffor Anton Gnirs.
(Hiezu Taf. II und Taf. III.)
flE Errichtung eines Bifchoffitzes in Pola ('524'),
fowie die bald darauf (539) durchgeführte Be-
fetzung des ager Polensis durch die Oftrömer
und die Vereinigung Iftriens mit dem Reiche Juftinians
bedeuteten für diefe Stadt eine neue Zeit innerer Ent-
wicklung. Ueberhaupt war die Bedeutung Polas als
Stadt und Hafenplatz gewachfen, feitdem das politifche
Schwergewicht Italiens von der Weftküfte an die Oft-
küfte der Halbinfel getragen worden war, Kaifer
Honorius (404) Ravenna zur neuen Hauptftadt des
Reiches beftimmt hatte. Unter allen wichtigeren
Punkten der gegenüberliegenden iftrianifch-dalmatini-
fchen KülVe lag ihr Pola am nächften.
So Icam es, dafs bald lebhafte und innige Be-
ziehungen zwifchen Ravenna und der bedeutendflen
Stadt Iftriens angekni.ipft wurden, die nicht ohne Rück-
wirkung auf ihre äußere und innere Geftaltung bleiben
konnten. Mit der Begründung des griechifchen Ex-
archats, das ebenfalls in Ravenna feinen Mittelpunkt in
politifcher wie in kirchlicher Richtung fand, haben fich
diefe Verhältniffe wohl kaum geändert; wir fehen, dafs
Pola im 6. Jahrhundert und unmittelbar darauf in kirch-
licher Beziehung und in feinem Kunftleben engeren
Anfchluß an Ravenna zu gewinnen wufste.
Zu jener Zeit erftehen in Pola in rafcher Auf-
einanderfolge bedeutende kirchliche Bauten, wobei es
an Anregung wie an Uiiterftützung von Ravenna aus
nicht gefehlt zu haben fcheint. Von jenen Bauwerken
wäre vor allem die auf den Trümmern des antiken
Minerva-Tempels' erftandene Bafilica St. MariaFormosa
oder del Canneto* zu nennen, in deren Nähe fich bald
ein Benedi6liner-Klofter erhob; der Reichthum des
Kloflers an Grundbefitz war nicht unbedeutend und
die locale Tradition weiß noch viel von demfelben zu
erzählen. Die Blütezeit diefer Benedi6liner-Abtei währte
bis ins 14. Jahrhundert.
Auf der größten der im Hafen von Pola liegenden
Infein, dem scoglio grande oder S. Andrea, wurde in der
zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein Klofter gegründet
und in Verbindung mit demfelben eine Kirche erbaut,
deren letzte Spuren nicht gänzlich verwifcht find, wie-
wohl in der venetianifchen Aera und in den Tagen der
franzöfifchen Herrfchaft wie in der jüngflen Zeit bei der
Aufführung von fortificatorifchen Bauten hier große
Veränderungen vor fich gegangen find."' Verfchwunden
ifl: leider der Kloflerbau und die intereffante Doppel-
' KantUer, Forma urbis Polae. in den Nolizie storiche di Pola (Parcn/o
1876), pag. 22.
- Im Volke hört man auch von einer Kirche St. Maria Maggiore und
St. Maria dcll' Abbazia fprechen.
^ An der Nordweftfcite des Scoglio S. Andrea liegen unmittelbar am Ufer
die Ueberreftc von drei römifchen Cifternenanlagcn (oberirdifchc WafTer-
fpeicher) als die letzten Zeugen von Wohnhausanlagen der römifchen Zeit.
Die nördliche Ciftcrnc liegt frei, ift derzeit ausger.auint und ihre Beton-
wandungen find durch fpatercs Älauerwerk (90 Cm. hoch) erhöht. Wie alle
römifchen Cifternen war fie innen mit Hetonwandcn ausgeftattet, die von einer
Bruchfteintnauer umfiittert find; letztere ifl in den Fundamenten noch fichtbar.
Die Cifterne ift 1-70 M, tief; die Grundflache ift ein unregelmafiiges Viereck
mit den Seitenlangen 5-2, 2-8, 4-6 und 3 M.
Von den beiden anderen Cifternen ift die eine verfchiittet. die andere
nur in einzelnen Theilcn erhalten.
Bafilica S. Michele, die vor den Mauern der Stadt auf
dem gleichnamigen Hügel lag. Nicht zu vergeffen ift
die Begräbniskirche St. Caterina auf dem Scoglio, der
im Hafen zwifchen S. Andrea und der Halbinfel
Monumenti liegt und nach ihr benannt ifl:; auch fie
gehört jener frühen Zeit an. Ihre Fundamente liegen
im Schutte begraben, laffen aber deutlich den der
Kirche zugrunde gelegten Plan erkennen. Auch die
Architektur-Stücke, die heute das Portal der kleinen
Capelle S. Giovanni fchinücken, gehören nach ihren
Sculpturen (dreifträhniges Flechtwerk) der Bauperiode
der byzantinifchen Zeit an.'
Doch keines der Bauwerke diefer Zeit, die in ihrer
Anlage und vielleicht auch in ihrer Ausführung den
fafl gleichzeitigen Monumenten früh-chriftlicher Zeit
von Ravenna an die Seite geftellt werden können, hat
das Mittelalter überdauert; nur als verfallene Ruinen
kennt fie die fpätere Zeit. Immerhin waren noch im
19. Jahrhundert größere Mauertheile, die Mofaiken der
P'ußböden und manches werthvoUe Werkftück vor-
handen, fo dafs fich wenigfl:ens der Grundrifs der An-
lagen herflellen und mancher Schluß auf den Innen-
ausbau ziehen ließ. So war es eigentlich erfl die jüngfte
Zeit, theilweife unfere Tage, die mit den letzten Ueber-
reften jener wenigen und wichtigen Documente für die
Gefchichte der früh-chriftlichen Zeit Polas aufgeräumt
hat.
Kandier war noch in der Lage, aus den Ruinen
der Bafilica St. Maria Formosa ihren Grundplan her-
zuflellen.* Der Bau des Hotels „Central" und die Er-
richtung dazu gehöriger Nebenbauten, die vor einer
Reihe von Jahren auf dem Platze der ehemaligen Bafi-
lica zur Ausführung kamen, haben den größeren Theil
der damals erhaltenen Ueberrefte jenes Kirchenbaues
entfernt. Was fich bis heute erhalten hat, foU mit Be-
nützung deffen, was Kandier beobachten konnte, zur
Befprechung gelangen.
Der Baugrund der Bafilica St. Maria Formosa liegt
an der heutigen Arfenalsftraße zwifchen der Via Minerva
(genannt zur Erinnerung an den hierbertandenen antiken
Minerva-Tempel) und der Via Abbazia. Er wird heute
bedeckt von den Hofgebäuden, den Stallungen und dem
Hof des Hotels Central, fowie von den Häufcrn Nr. i i
und 15 der Arfenalsftraße und den Häufern Nr. 22, 20
und i8 der Via Minerva.
Der beigegebene Plan (l'ig. i) zeigt eine drei-
fchiffige Bafilica. Das Mittclfchiff (Länge 31-8 M., Breite
des gefammten Innenraumes 192 M.) foll nach den
Beobachtungen Kandlers* von den Seitenfchiffen nicht
allein durch die Säulenreihen, fondern in ganz unge-
wöhnlicher Weife auch noch durch eine meterhohe
Mauer, auf der Säulen aufllanden, gefchieden gewefen
' Uebcr einen größeren .Schatzfund von ErzeugnifTen der friih chrifthchcn
Kunft byzanlinifchcr Richtung, der in der Nahe des Domes zu Pola im Jahre
1860 gehoben wurde, vgl. Heinrich SiuüöoJh, Kruh-chriftliche Kcliquianen dct
k. k. Münz- und Antikenc.diinetcs. in M. C. C. N. F. XVI i IT.
* Notizie storiche di Pola 'I'af. I.
* Notizie storiche di Pola S. 173.
XXVIII N. F.
8
- 58 -
fein. Eine Querfchiffanlage ifl: hier bereits nach dem
Beifpiel der Bafiliken Ravennas vermieden. Den Ab-
fchluß des Mittehchiffes bildet eine Apfis, vor der
noch ein Triumphbogen anzunelimen ift. Wie in allen
Bafiliken der früh-chrifllichen Zeit fchließen auch hier
die Seitenfchiffe mit geradliniger Riickwand ab; doch
führt durch diefe je ein Eingang in einen kleinen Rund-
bau i^ß und C), deffen Mittelpunkt in der verlängerten
und die Capelle £; der Bauzuftand beider Obje6le kann
bis auf das fchadhafte Dach der Capelle als ein guter
bezeichnet werden. Von anderen Bautheilen der Bafi-
lica find die Mauerzi^ige zum Theile noch erkenntlich;
fo ift die füdlichc Hälfte des Rundbaues C bis zum
Gewolbeanfatz hinauf vorhanden, der nördliche Theil
der Apfis ift im Haufe Nr. 20 der Via Minerva als
tragende Außenmauer verwendet. Vom Mofaikboden
ALTES ÄBTErTMOR
VIA AB8AZIA
Fig. I. Grundplan der Bafilica St. Maria Formosa zu Pola. 1
Längsaxe des Seiten fchiffes Hegt. An diefe Rotunden
ift in den Ecken der Oftfagade je eine Capelle an-
gebaut.
Von diefcr nur flüchtig fkizzirten Anlage haben
fich einige Theile voUftändig erlialten: der Rundbau B
* Die fchwarz angelegten Mauerzüge find heute noch nachweisbar, zum
Theil vollkommen erhalten. Die punktlrten Linien bezeichnen die Granzcn der
in moderner Zeit verbauten Flachen.
liegt manches Fragment noch in situ. An die Ucberrefte
der nördlichen Umfaffungsmauer des Kirchenfchiffes
lehnen fich die Stallungen des Hotels Central an.
Diefer Mauerzug befteht noch in feiner gefammten
Länge von 33 M. Als Baumaterial ift Bruchllein ver-
wendet; ab und zu ift den Maurern auch ein befferes
Werkftück in die Hände gerathen, das von einem an-
tiken Bau herrührt. Aus der folid geführten Mauer
- 59
fpringen nacli außen in einer Entfernung von 2'20 M.
Verftarkungspfeiler (Grundfläche 069 X 020 M.) her-
aus, die jedenfalls mit den Säulenftellungen im Innern
der Bafilica und ihren Bogenconftructionen corre-
fpondirt haben. Aus ihrer Anzahl ergibt fich für das
Innere des Baues je eine Reihe von zehn Säulen.
1020 M. von der Weftfagade entfernt, ifl die Mauer
durch ein Eingangsthor durchbrochen, das in das linke
Seitenfchiff einmündet; eine Gurte überfpannt dasfelbe
und gibt dem Eingang (vom Scheitel gemeffen) eine
Höhe von 3-30 M.; feine Breite ift mit 1-50 M. be-
meffen. Gewandftücke, auf die bei der Anlage des
Thores Rückficht genommen erfcheint, fehlen heute.
Mehr nehmen unfer Intereffe zwei größere Frag-
mente mufivifcher Arbeit in Anfpruch, ' die fich auf
dem Boden des Kirchenraumes neben anderen kleinen
bedeutungsvollen Partien erhalten haben.
Das eine Stück (Taf. II) fchließt unmittelbar an die
Nordwand des Baues an der Stelle an, wo das er-
wähnte Thor in das Seitenfchiff einmündet und ftellt
das Eck eines mit einer Bordüre umfafsten Feldes dar.
Dasfelbe trägt ein polychromes Wellenlinien- Orna-
ment, das auf einen Grund von geblich-weißen Mofaik-
fteinchen gelegt erfcheint; es erinnert ftark an byzanti-
nifche Ornamentik und kehrt häufig in orientalifchen
Teppichmuftern wieder.^ Die Bordüre felbft ift mit
einem breiten, weißen und zwei fchmalen fchwarzen
Streifen gegen das Innenfeld abgefchloffen. Sie ift an
der einen der Mauer zugewendeten Seite von einem
Blütenornament gefüllt; durch die Gegenüberftellung
feiner Elemente wird größereAbwechslungfo wie völlige
Ausfüllung des Streifens erzielt. In der Blüte erkennt
man unfchwer den Lotustypus einer fehr fpäten Zeit,
bei dem die Andeutung eines Kelchanfatzes auffällt.
An der Ecke des Feldes ift leider die Bordüre zerftört,
fo dafs fich nicht mehr erkennen läfst, in welcher Art
die Ecklöfung zwifchen den beiden zufammenftoßenden
Einfaffungsflreifen durchgeführt war. Allem Anfcheinc
nach lief die zweite noch zu befprechende Bordüre in
der erfteren todt, zumal diefe längs der Wand noch
weiter ging, um daneben ein zweites Feld zu be-
gränzen, von dem fich noch ein fchwacher Anfatz
findet. Wir begegnen dem gleichen Streifen zum
zweitenmale an der Schwelle des nördlichen Seiten-
thores. Der andere zu einem kleinen Theile erhaltene
Einfaffungsftreifen enthält nebeneinander gereihte
Blätter. Die Zwickel werden durch farbige concen-
trifche Füllungen belebt, die mit feichten, von Blatt-
fpitze zu Blattfpitze gefpannten Bogen gefchlofien
werden. Nach außen zu fchließt das einfaffendc Band
mit einem fchmalen fchwarz geränderten Streifen ab.
Reicher an Farbe und ornamentalen Details ift
das zweite Mofaikfragment, das dem Mittelfchiff der
Bafilica zuzugehören fcheint (Taf. III). Bei feiner
Auffindung war es ein noch umfangreiches Bruchftück
und ift auf feinen jetzigen geringen Umfang reducirt
worden, als man an diefer Stelle eine Pflafterung vor-
' Diefe und bereits vor einigen Jaliren blolißelegt worden; IciJer wurde
ihnen damals, wo Tie in einem belTeren Zndand und größeren Umfange zutage
traten, k(--iiie Beachtung gefchcnkt.
' Die Elemente diefes Ornamentes finden fich fchon in der römifchen
Zeit zur Füllung von Flachen verwendet; fo in einem 1815 bei Salzburg ent-
deckten Mofaik (abgebildet bei Arneth Archaologifchc Analedlen Taf. V). Das-
felbe Ornamentmotiv ift aus einer friih-chriftlichen Bafilica bekannt, deren fpiir-
liche Refte im Frühjahre 1897 in Cilli aufgedeckt worden find (dicfc .Mitthei-
lungen N. F XXIV S- 2äo Fig. I).
nahm. Der urfprüngliche Boden hat fich in der Nähe
des Hauptportales glücklicherweife noch foweit er-
halten, dafs fich die wichtigeren Elemente diefes reichen
Ornamentes erkennen laffen. Um größere Kreisflächen,
die mit kleineren abwechfeln, verfchlingen fich drei
Bandmotive zu einem Flechtwerk. Die größeren Kreis-
flachen find mit einer achtblätterigen Rofette gefüllt,
in welcher vier herzförmige Blätter mit vier fchmalen
und fpitzen abwechfeln. Die anderen Kreife haben einen
derart kleinen Halbmeffer, dafs an ihnen eine Füllung
nicht vermifst wird. Die gefchlungenen Bänder ent-
halten folgende Füllungen: zwifchen zwei einfaffenden
Streifen lauft in dem einen Band das alt-orientalifche
Flechtband. In dem anderen Band wird in gleicher
Weife ein einfaches Wellenornament (laufender Hund)
gefafst. Das dritte Band entbehrt einer ornamentalen
Füllung; eine Eintönigkeit wird hier durch farbige
Effe6le behoben, indem verfchiedenfarbige Steinchen
in Streifen fo angeordnet find, dafs die einzelnen Farben
ineinander überzugehen fcheinen. Zwifchen den Band-
verfchlingungen ergeben fich polygonal geftaltete
Flächen, die mit pflanzlichen Motiven belebt werden.
In dem einen Fragment erkennen wir einen in grünen
Steinchen gelegten Zweig, an dem eine apfelähnliche
Frucht hängt. Die Ausdehnung der mit diefem reichen
Ornament gefchmückten Fläche ift ziemlich groß.
5 M. von dem jetzt befprochenen Fragment liegt gegen
die Apfis zu ein zweites Bruchftück des ehemaligen
Mofaikbodens, das die nämlichen Mufter in der gleichen
Anordnung zeigt. Es enthält eine größere Cartouche,
in der die erwähnte Rofette liegt, und eine benachbarte
kleinere, fowie die unmittelbar daran anliegenden
Bänder. Die Auffaffung des Ornamentes und auch die
Technik der Arbeit verweifen in das 6. Jahrhundert,
in das Zeitalter Juftinians. Es fpricht für die fpäte Zeit,
dafs die Ornamente, die in der Antike nur in unter-
geordneter Weife zur Herftellung oder Füllung des
Saumes verwendet wurden, hier durch Anwendung
entfprechender Combinationen zu flächenfüllenden Ele-
menten geworden find.
Als Material find naturfarbene, fowie gefärbte
Kalkfteinwurfel von einer Größe, die zwifchen 1-5 Cm.
bis 2 Cm. fchwankt, verwendet. Die würfelförmige Ge-
ftalt der Steinchen ift nicht immer genau beobachtet.
Das Bindemittel war fehr forgfältig bereitet, und auch
der Unterbau des Bodens, der aus Sand, Ziegelgries
und Staubkalk in einer Mächtigkeit von 10 Cm. und
ftellenweife darüber hergeftellt ift, zeigt gute Arbeit.
Der Erhaltungszuftand des im Seitenfchiffe gelegenen
Mofaikfeldes ift ein derart guter, dafs eine Hebung des-
felben und Bergung möglich ift. Dagegen ift das Bruch-
ftück, das dem Mittclfchitf angehört, fchon fehr ftark
zerftört; durch einige Jahre bereits fahren auf ihm die
Hötelwagen herum und von den Hufen der Pferde find
die Steinchen ftark zerfplittert. Die fchwache Erd-
fchichte, die darauf lagert, hat befonders bei naffem
Wetter wenig Schutz bieten können.
Nachforfchungen nach Mofaiken im Boden des
ehemaligen Bafilicaraumes haben, abgefehen von lofe
im lirdreich liegenden Mofaiksteinchen, kein Refultat
gebracht; da fic nur an einzelnen Stellen durchgeführt
werden konnten, bleibt es nicht ausgefchlolVen, dafs
befonders an der Nordfeite und Oftfeite der Bafilica
Partien des Fußbodens fich erhalten haben.
8*
6o —
Zuni Innenausbau der Bafiiica gehören einige
Säuleutrommeln, die im Hofe des liaufes Nr. 15 der
Arfenalsftraße in der Nähe der Mofaikrefte liegen. Sie
flammen von glatt abgearbeiteten Säulen (Durch-
meffer 05 i M.), die aus einem grauen, weißgeaderten
Marmor hergeflellt find. Die Planfkizze zeigt die
Gegend der Apfis am meiften der Verbauung aus-
gefetzt. Das Haus Nr. 20 der Via Minerva ifl mit
einem Gaffentradl und einem Hofgebäude in die noch
beftehenden ]5autheile der Bafiiica hineingebaut. Wir
treten aus der Flur des genannten Haufes in den eben-
erdigen Küchenraum, deffen gaffenfeitige Wand theil-
weife durch die Apfiswand gebildet ift. Die füdliche
Hälfte der Apfis war bereits abgetragen, als diefes
Haus gebaut wurde. An der Nordfeite der Küche ifl
durch den geraden Theil der Apfiswand eine Thür
gebrochen, durch die man den Rundbau B betritt.
Seine kreisrunde Bodenfläche hat einen Durchmeffer
von 4'30 M. Die Wandung enthält gegen die Apfis
zu zwei Nifchen (Tiefe 0'6s M., Breite 106 M. und
Höhe 3-32 M.). Ihnen gegenüber liegen zwei größere
ebenfalls halbkreisförmige Nifchen {Tiefe 1-03 M.,
Breite 163 M.) von gleicher Höhe. Von dem urfprüng-
lichen Boden zeigt fich heute nichts mehr; er ifi:
durch ein fchlechtes Steinplattenpflafler erfetzt. ' Ein
urfprünglicher Zugang vom Seitenfchiff aus ift noch
erkennbar. In einer Höhe von 3'92 M. ift über dem
Rundbau eine in fchönen Verhältniffen gehaltene
Kuppel gefpannt, die eine Scheitelhöhe (vom Boden
aus gemeffen) von 6 M. erreicht. Im Schluffe des
Gewölbes ift ein Steinring eingefügt (lichte Weite
beiläufig 0'5 M.). Durch ihn empfieng der Raum ein
angenehm wirkendes Oberlicht; das gegen den Hof
des Nachbarhaufes geöffnete Fenfter ift erft fpäter
durchgebrochen worden. Durch einen einfachen
Bretterboden ift der Raum in ein Erdgefchoß und ein
Obergefchoß getheilt; er wird derzeit als Hühnerftall
verwendet.
Südlich von der Apfis lag ein gleicher Bau C,
deffen nördlicher Theil bereits verfchwunden ift.
Die füdliche Hälfte zeigt ebenfalls zwei halbkreis-
förmige Nifchen von derfelben Art und Größe wie fie
der Rundbau B aufweift. Neben der einen Nifche
enthält die Mauer eine Vertiefung in der Größe, von
72 X 50 X 50 Cm. Der Boden derfelben ift vom Pflafter
des Raumes So Cm. entfernt. Der folide Steinrahmen
diefer Maueröffnung und feine Anfchlaglciften deuten
auf einen wohl geficherten Raum, der dazu beftimmt
war, werthvoUes Kleingcräth oder Geld zu bergen. Bei
diefer Gelegenheit könnte man auch einen Schluß über
die Beftimmung und den Zweck diefer zwei, die Apfis
flankierenden Rotunden zu ziehen verfuchen. In erfter
Linie wäre man beftimmt, diefelben für Grabcapellen
zu halten, die für Perfonen beftimmt waren, die der
Kirche befonders nahe geftanden find; doch find, wie
fich gleich zeigen wird, zwei Capellen mit derartiger
Beftimmung der Rückfeite der Bafiiica angegliedert,
die eine grundverfchiedene Anlage gegenüber den
beiden in Frage ftchenden Bauten zeigen. Die eine
erwähnte kleine Nifche, die durch ihre Anlage und
Sicherung befonders auffällt, fuhrt zu dem Gedanken,
dafs diefe beiden Zellen zur Aufnahme der Paramente
* Die im rüdweftlichcn Theil des Raumes liegende Kauscillerne ift
Tpäter eingebaut.
und zur Bergung des Kirchenfchatzes beftimmt waren.
Als ein ficheres, thurmartiges Gebäude, das eingewölbt
war und nur durch das Oberlicht fich nach außen
öfifnete, war es für diefen Zweck befonders geeignet.
Auch die Nifchen von verfchiedener Größe waren
wohl nicht allein beftimmt die Innenwandung architek-
tonifch zu gliedern, fondern auch zu dem praktifchen
Zwecke, dafs in ihnen Gegenftände zur Aufbewahrung
aufgeftellt werden konnten.
Hart an die Ecken der Ruckfront der Bafiiica an-
fchließend und in die Umfaffungsmauem der Räume
B und C eingebunden, bilden Capellen den Abfchluß
der an die Apfis angegliederten Bautheile. Ihre Anlage
und vor allem das Fehlen einer dire6len Communica-
tion zwifchen Bafiiica und Capellen läfst letztere als
felbftändige Bauten von befonderer Beftimmung er-
kennen. Eine derfelben hat fich in gutem Zuftande
am Südofteck des Hauptbaues noch vollkommen er-
halten, während die andere, die fich dem entgegen-
gefetzten Eck angegliedert hatte, verfchwunden ilt.
Das erhaltene Kirchlein, der St. Maria Carmelo ge-
weiht, hat feinen freien Platz, auf dem es cinftmals
ftand, verloren und ift derzeit von Küchenräumen,
Weinkellern und dem Hofe des Hotels Central um-
fchloffen; von der Umbauung frei geblieben ift nur die
Vorderfagade.
Die Capelle ift ein Centralbau und zeigt eine
kreuzförmige Anlage, mit welcher fie fehr an das Grab-
kirchlein der Galla Placidia (jetzt die Kirche S. Nazario
e Celso, erbaut 440) in Ravenna erinnert-' Einen
ähnlichen Grundrifs hat auch die Grabcapelle, die auf
dem Scoglio S. Caterina im Hafen von Pola liegt. Die
Capelle S. Maria Carmelo hat drei rechteckige Kreuz-
arme, während den vierten die überwölbte Apfis
bildet, die ebenfo wie die Längsaxe der Bafiiica
genau nach Often orientirt ift. Die Querarme des
Kreuzes find mit Tonnengewölben (Spannung 292 M.,
Scheitelhöhe 178 M., Abftand des Gewölbfcheitels
vom Boden des Raumes 5'33 M.) eingedeckt. Ein
Gewölbe derfelben Conftruftion und Größe spannt
fich über den größeren Längsarm; die Länge des-
felben beträgt 4' 20 M., während die Tiefe der Quer-
arme nur 2 02 M. groß ift. In der Vierung erhebt fich
über den Stirnbogen der vier zufammenftoßenden
Gewölbe ein Mittelraum, der gleichfalls eingewölbt
ift. i^Höhe des Kampfers vom Boden aus gemeffen
6-90 M., Scheitelhöhe des Gewölbes 2-50 M.V Seine
vier Wände find durch je ein Fenfter durchbrochen,
durch welche von oben herab der Capellenraum fein
Licht empfangt. Von der ehemaligen Innenausftattung,
dem urfprünglichen Schmuck der Wände und des
Bodens, der dem Gefchmacke der byzantinifchen Zeit
• Allerdings fehlt der Capelle mit der Gleicharmigkeit (griechifche
Kreuzform} das wefentliche Kriterium des Centralbaues. Der Grundrifs zeigt
vielmehr mit dem langem Wcftarme und den kürzeren Querarmen in N und
S die ausgefprochene Dii^pofition des T-Krcuzes; und der Anlauf zu einem
örtlichen Arme vor der Apfis repräfentirt fotjar gewilTermaßen einen Ueber-
gang zur lateinifchen Kreuzform. Mit der durchgangigen Wölbung und der
Fenftcrlofigkeit fallt aber anderfeits das merkwürdige Denkmal, enlfprechend
der von Herin Gnirs gewählten Bezeichnung, wenigllens der Grundidee nach
mit tiem Centralbau zufammcn.
In diefen fehwankenden Difpofitionen der nur äußerlich durch die
Symmetrie des Anbaues, aber nicht durch inneren Zufammenhang in die B.ifi-
lica einbezogenen zwei Nebenbauten, ferner in der Anordnung nili hengcglie-
derter Rotunden an Stelle von Seitenapfiden. endlich in der Aufftellung von
Trennungsmauern als Bafanient der beiden Säulenreihen zwifchen Mittel- und
SeitenfchiflTen (falls die bezügliche Beobachtung Kandlers in der That be-
gründet gewefen fein folUe) ruht hauptfächlich die kunflhiftorifche Bedeutung
diefes Bauwerkes, foweic fich diefelbe heute noch fcftftellen läfst.
Die Reda(ftion.
Mitth. der k. k. Centr.-Corain. f. K. ii. Mst. Denkmale N. F. XXVIII, 1902.
Mosaik im nördlichen Seitenschiff der Basilika S. Maria Formosa in Pola
Tafel II.
■' Ih *
J
Gez. Gnirs, Mai 1901.
mi
«■«■>■■•
nMiitinViiiMi'
LUh. 11. Dnick 1'. Slxkitigrr <t Muraark, Wim,
Mitth. der k. k. Centr.-Comm. f. K. u. bist. Denkmale N. F. XXYIII, 1902.
Tafel 111.
Mosaik im Mittelschiff der Basilika S. Maria Formosa in Pola.
Gez. Gnirs, Mai igoi.
Lilh. u. Druck V. SfiH-kmgrr .t iforitack, W'kti.
6i —
entfprechend gewifs aus farbenreichen Mofaiken
bertand, hat fich nichts erhalten. Eine kahe, weiße
Tünche überzieht heute die Wände und am Boden
liegen als Pflafter rothe Mauerziegel. In einem
gleichen Contraft zur Anlage fteht die gefchmacklofe
Ausfchmückung des Innenraumes.
Viel mehr hat der Außenbau feinen alterthümlichen
Charakter bewahrt, und mehrere urfprüngliche Details
haben fich davon erhalten. Die Bedachung des
Objectes fcheint noch die urfprüngliche zu fein, oder
wenn das nicht zutreffen follte, ilT; doch die nicht un-
intereffante Thatfache vorhanden, daß zur letzten Ein-
deckung, die gewifs fchon einige Jahrhunderte alt ill:,
durchgängig antikes Dachdeckungsmaterial in antiker
Manier zur Herftelluny der Dachflächen verwendet
wurde. Auf den Dachfluhl find zunachft die unver-
würtlichen und großen tegulae gelegt. Wo die ge-
hobenen Ränder der Längsfeiten aneinander flößen, ift
die Fuge mit Mörtel gut verlegt. Ueber diefe lagern
dann die imbrices. Die Bedachung der Gewölbe über
den Querarmen zeigt uns noch vollkommen freiliegend
diefes wohl fehr feltene Beifpiel einer antiken Dach-
conftru(5lion. Auf den vier Dachflächen des Mittelbaues,
die in einem krönenden Steinkegel ihren gemeinfanien
Abfchluß haben, wie auf dem Dache des Längsarmes
liegt ebenfalls noch das aus den tegulae und imbrices
hergeflellte Dach. Als es fchadhaft geworden war,
wurde es nicht entfernt, fondern nur mit einer Lage
von halbcylindrifchen Hohlziegeln überdeckt.
Ein Gefims unter dem Dachanfatz, wie die Ent-
laftungsgurten über den Tonnengewölben geben eine
gewiffe Gliederung des die Seitendächer überragenden
Mittelbaues. Wo letztere auf den Mauern aufruhen,
läuft um das Gebäude in der Höhe von 370 M. ein
zweites ftark ausladendes Gefims herum, das nun-
mehr nur an den rückwärtigen Theilen der Capelle
conflatirt werden kaim. Auf dem Giebel der Vorder-
fagade fteht eine annähernd quadratifche Kalkftein-
platte, die den kleinen Glockenfluhl trägt. Der
Charakter ihrer Sculpturen verweift früheftens auf das
7. Jahrhundert. Zwei Pilafler mit angedeuteten Capi-
tälen tragen einen Bogen. Er fpannt fich über das
Zeichen des Kreuzes, unter deffen Armen zwei Pal-
menzweige, die Symbole des Sieges und Friedens,
ftehen (Fig. 2).'
Dafür, dafs dem Grundrifs des Capellenbaues die
Kreuzform gegeben wurde, waren wohl weniger
fymbolifche Gründe maßgebend, die die heilige Kreuz-
form nachgeahmt wiffen wollten, fondern es waren
technifche Rückfichten, die hier beobachtet werden
mufsten, und welche die Form des Baues beftimmten.
Mit Hinblick auf die fchon erwähnte Grabkirche der
Galla Placidia in Ravenna und derfelben verwandte
Bauten, wie auf antike Gräberanlagen, waren die
Kreuzarme für die Aufftellung von Sarkophagen be-
flimmt, während im Mittelraum und hier noch in der
Apfis Gelegenheit zur Vornahme von gottesdienlllichen
Handlungen geboten war. So war das Kirchlein
St. Maria Carmelo in Pola in feiner urfprünglichen
Anlage als Begräbniskirche gedacht. Trifft diese Ver-
muthung das Richtige, dann wäre damit auch die
' Die nämliche Kreuzcsdarftclluiig in Verbindung mit denfclbcn .Sym-
bolen in von einer Sculptur aus dem ehemaligen Kloftcrgebäude zu MillÄatt
bekannt (abgebildet in den M. C. C. XXIV 345).
Frage gelöft, wiefo man fich bewogen gefühlt hat, mit
dem großen Kirchenbau noch zwei kleinere Cultflätten
in Verbindung zu bringen. Wie man in der erften
chriftlichen Zeit bei der Errichtung der Kirchen mit
Vorliebe die Orte aufgefucht hat, die vom Blute der
Märtyrer geheiligt waren, oder wo diefe ihre letzte
Ruheftätte gefunden haben, fo hat man dann in der
folgenden Zeit die Gräber derer, die der Kirche
befonders nahe geflanden find, in der nächften Um-
gebung der heiligen Stätte verlegt.' Hochgeflellte
Perfönlichkeiten, die fich als letzte Ruheftätte Grab-
kirchen erbauen konnten, verlegten diefe Anlagen,
fofern es möglich war, gern in die Nähe der Kirchen;
von der Umgebung derfelben war natürlich die Nähe
der Apfis befonders bevorzugt.
~'^:1#*?^^:^
•.er-
Kig. 2. Giebelauffatz mit Glockenftuhl über dem Eingange zur Capelle
St. Maria Carmelo zu I'ola.
Für die Griindungsgefchichte und die Erkenntnis
der weiteren Gefchicke der Bafilica St. Maria Formosa
fließen die Quellen fehr fpärlich. Die wichtigllen zu-
gänglichen Daten hat bereits Kandier gefammelt und
in der Zeitfchrift „L'Istria" (Jahrg. 1847, Nr. 32) ver-
öffentlicht. Was uns über die Gründungs- und Bau-
gefchichte diefer Bafilica bekannt ift, verdanken wir
dem Biographen des heil. Ma.ximinianus.* Der heil.
Maximinianus, der bedeutendfte Erzbifchof von Ravenna
in der Zeit Juflinians, flainmte aus Vistro, einem fonll
nicht viel erwähnten Ort, der unweit der Killte im
* Im Hinblick auf das in der Grabkirclie St- Maria Carmelo gegebene
Beifpiel wird fich auch die Apfis. die ftidlich von der Domkirche in Pola gleich-
zeitig mit dem Reliquiengiab im Jahre 1860 aufgedeckt wurde, beffer durch
(iic Annahme einer der Rückfront des Domes angegliederten Grabkirche
erklaren lafTeti als durch die V'erniuthung. dnfs man es hier mit einer Doppel-
bafilica zu ihun h.ibc.
- Agncllus, Vita S. Maximiniani.
- 62
nordlichften Theile des ager Polensis lag.' Als er in
Ravcnna zu großen Ehren und Keichthümern ge-
kommen war, ließ er aus Dankbarkeit und Anhänglich-
keit an feine Heimat Pola dafelbft eine prachtige Bafi-
lica zu Ehren der Gottcs-Mutter erbauen; er begab
fich felbft nach Pola, um die Einweihung des präch-
tigen Kirchenbaues vorzunehmen. Als Jahr der Voll-
endung desfelben wird das Jahr 546 angegeben. In
Verbindung mit der Errichtung der Bafilica erfolgte
gleiclifalls durch Maximinianus die Gründung einer
Henedi6tincr-Abtei, die mit ihrem umfangreichen
Grundbefitz in der Umgebung Polas wie im Gebiete
von Ravenna wohl bald zu den reichften Klöflern
Iftriens gezählt wurde. Mit den Gefchicken der Bafilica
laufen die der Abtei parallel. Der Klofterbau lag zwi-
fchen der Kirche und der heutigen Via Abbazia und
zog fich bis zum Vicolo della Bissa hin. Auf feinem
Grunde flehen heute die Häufer Nr. 39, 37, 35 dererftge-
Bafilica zu erzählen, bewundert aber die vorhandenen
Ueberrefte von prachtigen Säulen, Mofaiken und Wer-
ken der Sculptur, die zu feiner Zeit noch am Platze zu
fehen waren. Im 17. Jahrhunderte wurden am damals
halb zerfallenen Palazzo publico (Municipalgebäude)
Rcftaurirungs- und Neubauten durchgeführt, zu denen
die Ruinen von St. Maria Formosa aus ihren noch
Gehenden Umfaffungsmauern das hiezu erforderliche
Steinmaterial liefern mußten.
Nachtrag.
Durch eine Grabung in der Wagenremife des
Hotels Central in Pola wurde im Frühjahre 1902 neuer-
dings ein Bruchltück (Fig. 3) des Mofaikbodens' im
ehemaligen Mittelfchiffe der Bafiüca St. Maria For-
mosa aufgedeckt, an welchem namentlich die figuralen
Darftellungen, darunter ein bekanntes chriflliches
Fig. 3. (Fragment des Mofaikbodens im Mittelfchiffe der Bafilica St. Maria Formosa zu Pola.)
nannten Gaffe. Von Fundamentrerten abgefchen, inner-
halb derer jetzt Häufer hineingebaut find, hat fich auf
unfere Zeit nichts anderes als die monumentale Klofter-
pforte erhalten, deren Bogen fich über das Gäfschen
fpannt, das zwifchen den Häufern Nr. 27 und 33 in der
Vi>i Minerva liegt. Sie bildet nunmehr das einzige
Wahrzeichen für den einftigen Beftand einer berühmten
Abtei Polas. Die letzten Nachrichten über Klofter und
Bafilica gehören der Mitte des 13. Jahrhunderts an;
fpätere Quellen berichten nur mehr von den Ruinen
diefer Bauten. Es ift daher anzunehmen, dafs fie bei
der Eroberung Polas durch die Venetianer unter Gia-
como Tiepolo und Leonardo Querini im Jahre 1243
wie mancher andere Theil der Stadt der Zerftörung
durch Feuer und Menfchenhand anheimgefallen find.
So weiß auch der anonyme Dichter (um 1600) des dia-
logus sulle antichitä di Pola nur von den Ruinen der
Symbol, intereffiren. Die Darfteilung der Apfelfrucht
begegnete bereits in dem Fragment auf Taf II; dazu
gefeilt fich jetzt das Zeichen des Fifches. Die einzelnen
fyinbolifchen Figuren find derart in die polygonalen
Felder hineincomponirt, dafs fich ihre Längsrich-
tungen kreuzen. Zu dem früher im Boden der Bafilica
beobachteten Mofaikmaterial kommen nun noch Wüifel
und prismatifche Stifte aus Glas, aus denen die Bänder
unterhalb des Fifches, die das Waffer darfteilen follen,
zufammengefetzt find. Des fchlechten Erhaltungs-
zuftandes halber konnte nur an die Confervirung ein-
zelner Partien gedacht werden. Die Unterfuchung des
Unterbaues ergab, dafs die ungefähr 10 Cm. mächtige
Eflrichfchichte (Mörtel mit Zufatz \'on Ziegelgries),
auf welche die Mofaiken gebettet liegen, auf einer
Schichte antiken Baufchuttes auffitzt, die in einer Tiefe
\-on i^j.-, M. noch nicht durchbrochen wurde.
' Der Name diefer vcrfchwundciicn Ortfchaft hat fich bis heute im
Namen des Porto Vestre und des .Monte Veslro (beide Tüdlich von Rovigno"
erhalten.
• Von diefcDi Funde wurde die Central-CommifRon auch durch Herrn
Dr. Vicior Recsey, Stiftsbibliolhekar der Erzabtei Martinsberg in Ungarn, in
Kenntnis gefetzt. Die RedacUon.
- 63 -
Die Pfarrkirche St. Ruprecht in Unter-Krain und ihre Reftau-
rirung.
Vom k. k. Confervator ProfelTor yohann Vrhovec (f).
[N hiftorifchen oder gar kunftliiftorifchen Bau-
denkmalen aus früheren Jahrhunderten ift
Krain ein auffallend armes Land. Ganz be-
fonders gilt dies von kunfthiflorifch denkwürdigen Ob-
je6len aus dem Mittelalter. Die romanifche Bauperiode
hat in Krain nur äußerft fpärliche Reite hinterlaffen ;
ihre Spuren laffen fich kaum in kirchlichen Bauten ver-
folgen, von profanen gar nicht zu reden. Der Karner zu
Trebelno bei Naffenfuß und die Doppelcapelle in der
Stadt Stein dürften fo ziemlich die einzigen Vertreter
diefes Styles in Krain fein. Allenfalls wird dann und
wann auch die St. Georgs-Capelle auf dem Laibacher
Schloßberge als demfelben angehörig genannt, doch
find es nur einige wenige Formen, die vielleicht daran
erinnern; die Capelle gehört höchftens der Ueber-
gangszeit an. Zweifellos ifh die romanifche Bauperiode
auch an Krain nicht fpurlos vorübergegangen, allein
die wenigen romanifchen Bauten, die das Mittelalter
überdauert hatten, find entweder der Ungunft der
Zeiten während der Türkenkriege oder dem Unver-
ftändniffe der Neuzeit zum Opfer gefallen. So waren
zum Beifpiel einftens zweifellos romanifch die Kirchen
von Hrenowitz, Slavina und Vrem, allein fie wurden
nachweislich in den Jahren 1625, 1636 und 1650 um-
gebaut.' Dasfelbe gefchah mit der im Jahre 1324,
übrigens aber auch fchon der Uebergangszeit ange-
hörenden Kirche von Scharfenberg ob Ratfchach an
der Save. Urfprünglich romaiiifch dürften auch die
Kirchen von Treffen (Unterkrain) und jene von Alten-
markt bei Laas (Innerkrain) gewefen fein, an denen fich
jedoch bis auf unfere Zeit nicht einmal Spuren roma-
nifcher Architektur oder Ornamentik erhalten haben.
Die wenigen übrigen mittelalterlichen Baudenk-
male Krains gehören ausnahmslos dem gothifchen, und
zwar dem fpät-gothifchen Bauftyle an. Ihre Entflehung
fällt zum Theile in die letzten Jahrzehnte des ausgehen-
den Mittelalters, zum größeren Theile aber fogar erfl.
in den Beginn der Neuzeit, alfo in eine Zeitperiode, in
welcher der gothifche Styl im wefllichen und mittleren
Europa fchon längft feine großartigften Triumphe ge-
feiert hat. Zu den älteflen diefer fpät-gothifchen Bau-
denkmale Krains zählt dieKloflerkirche des Karthäufer-
ordens Pletriach in Unterkrain. Ihre Formen gehören
noch vielfach dem rein gothifchen Kunflgefchmacke
an. Nachweislich ift diefer fchöne Bau zwifchen 1410
und 1420 vollendet worden.
Die Karthaufe Pletriach ift
Cillier Grafen Hermann II. Diefe ftolze Adelsfamilie
war eine warme Freundin und Gönncrin der Kloftcr,
denen fie gerne von ihrer reichen Habe fpendete,
befonders aber fcheint fie dem Orden der Karthäufer
gewogen gewefen zu fein. Die Gründung diefes Klofters
follte den Ruhm der Cillier in der Nachwelt fichern
' iMittheiliiiig<:n des hifti'riri.licri Vereines für Kr.iin i8fJ5 p 97.
eine Stiftung des
und auch in diefer Beziehung fie andern mächtigen
Adelsgefchlechtern gleichftcllen. Um 1410 conftituirte
fich der Convent; die Kirche weihte im Jahre 1420 mit
Einwilligung des Patriarchen Ludwig, der Bifchof von
Freifingen, Hermann. Im Jahre 1595 überging das
inzwifchen fehr reich gewordene Klofter in den Befitz
des Jefuitenordens. ' Nach Aufhebung desfelbcn durch
Kaifer Jofeph II. wurde zugleich mit allem beweglichen
und unbeweglichen Vermögen des Klofters natürlich
auch die fchmucke Kirche zu Gelde gemacht und an
den Meiftbietenden hintangegeben. Sie diente fortan
als herrfchaftliches Magazin für Brenn- und Bauholz
und als Rumpelkammer für die verfchiedenften land-
wirthfchaftlichen Geräthfchaften. Vor ein paar Jahren
nun wurde diefes einftige Kirchengut neuerdings vom
Karthäuferorden käuflich erworben, der, wie man
hört, fich mit der Abficht trägt, fich in Pletriach
niederzulaffen und die verwahrloste Kirche ihrer ein-
ftigen Beftimmung wieder zuzuführen. Bei diefer Ge-
legenheit halte ich es für meine Pflicht, darauf aufmerk-
fam zu machen, dafs, wie die Erfahrung lehrt, die
Gefahr, unkundige Hände könnten der Schönheit diefer
Kirche einen nicht wieder gutzumachenden Abbruch
thun, gegenwärtig noch größer ift, als vor mehr denn
hundert Jahren in der Zeit ihrer Profanirung.
Einzig nur von diefer Kirche alfo abgefehen, ge-
hören alle anderen gothifchen Baudenkmale Krains erft
dem Ausgange des 15. oder der erften Hälfte des
16. Jahrhunderts an. Diefe verhältnismäßig fo fpäte
Ausbreitung des gothifchen Styles in Krain ift jeden-
falls eine auffallende Erfcheinung, um fo auffallender,
als ja bekanntlich der Krain er von jeher bemüht war,
feinen gläubigen Sinn durch Errichtung von fchönen,
zahlreichen und, foweit es feine Kräfte zuließen, auch
ftattlichen Kirchen zu bethätigcn.
Ich will jedoch hier diefer dankbaren und vom
kunfthiftorifchen Standpunkte aus intercffanten Frage
ificht weiter nachgehen, fondern ftelle nur noch einmal
feft, dafs merkwürdigerweile der Bau aller noch gegen-
wärtig erhaltenen gothifchen Kirchen in Krain gerade
mit der ärgften Türkennoth zufammenfällt. So wurden
erbaut: im Jahre 1482 die Kirche von Vigaun bei Zirk-
nitz, im Jaiire 1491 jene \on Krainburg, im Jahre 1493
die Kirche \'on Ehrengruben bei Krainburg, im Jahre
1497 die Kirchen von St. Ruprecht und Rudolphs-
werth und im Jahre 1500 die Kirchen von Radmanns-
dorf und Hafelbach bei Gurkfeld u. a. In der erften
Hälfte des 16. Jahrhunderts enlftanden: im Jahre 1520
die Kirche von Bil'choflack, 1524 die Kirche in Pra-
precc, 1532 die Kirche von Gradisce bei Egg und im
Jahre 1548 die Kirche in Dvor bei Biliichgratz.'
> W. Milkowicz, Die Kluder in Krain p. 141 — 150.
- C.-\t.iIoKHS cicri dioecc&is Labacensis 1871.
- 64
Unter allen diefen gothifchen Bauwerken nimmt
die Kirche von St. Ruprecht in Unterkrain hinfichtiich
ihrer kiinftlerifchen Schönheit unbeftreitbar weitaus
den allererften Rang ein. Auch liinfichtlich ihrer Größe
fleht fie nur wenigen, vielleicht nur der Kirche von
Krainburg nach. Sie dürfte zugleich auch die einzige
Kirche Krains fein, die ihre urfpriinglichc Form — von
einigen wenigen und unwefentlichen Befchädigungcn
abgefelien — faft ganz unverändert bis auf unfere Tage
bewahrt hat. Im Hinblicke darauf und in Erwägung der
Seltenheit der gotiiifchen Bauten in Krain ift es ein
fehrlobenswerthes Beginnen gcwcfen, dafs die Kirchen-
vorftehung vor einigen Jahren den Entfchluß fafste, an
die Rertaurirung diefes fcliönen Gottestempeis zu
gehen. Kein Freund der heimatlichen Kunft wird An-
ftand nehmen, dem gegenwärtigen Pfarrer von San6l
Ruprecht Herrn Joliann Mervec dafür die voilfle An-
erkeimung zu zollen.
Zur Gefchichte der Kirche.
Die l'farre St. Ruprecht liegt in der Bezirkshaupt-
mannfchaft Gurkfeld am Rande eines fruchtbaren,
ringsum von weinreichem Berg- und Hügellande um-
gebenen reizenden Thalbeckens, nach jenem der
oberen Save dem größten im Lande. Am Fuße eines
weinrebenbekränzten Hügelzuges erhebt fich die Pfarr-
kirche in der Mitte des nach ihr genannten Dorfes. Es
ift ein nettes Unterkrainer Dorf mit 78 Häufernummern
und einer Bevölkerung von beiläufig 300 Seelen. Seine
durchwegs gemauerten Haufer und Hauschen haben
fich im Laufe der Zeit in lofem Durcheinander um die
ftattliche, weit über die Ebene hin fichtbare Kirche
gruppirt.
Die Pfarre St. Ruprecht gehört zu den älteften im
Lande.
In den Urkunden erfcheint fie fchon im Jahre
1 162,' und zwar unter dem Namen „Sanfli Ruperti zu
Grailach".* Selbftverftändlich war fie damals viel
größer, als fie es heutzutage ift, und zählte zu den
reicheren Pfarren Krains. Dies geht aus einem Pfarr-
verzeichniOTe hervor, das im Jahre 1370 der Patriarch
von Aquileja, zu deffen Erzfprengel ja bekanntlich auch
Krain gehörte, anfertigen ließ. Um für die Rcpartirung
des päpftlichcn Zehents eine zweckentfprechende Bafis
zu gewinnen, ließ er nämlich die Klöfter und Pfarren
feiner Erzdiöcefe nach ihrem Einkommen einfchätzen.
Die überaus reiche Cifterce Sittich in"inmt in diefem
Verzeichniffe felbftverftändlich den erften Rang ein. Sic
wurde mit einer Beitragsquote von 100 Mark belegt.
Unter den Pfarren aber fteht die Pfarre St. Peter bei
Laibach mit einem Repartirungsbeitrag von 60 Mark
obenan. An zweiter Stelle finden wir Bifchoflack mit
48 .Mark, an dritter Mann.'^burg und St. Veit bei Sittich
mit 30 Mark, an vierter St. Martin bei Krainburg mit
25 Mark, an fünfter Stein mit 22 Mark und an fechster
St. Ruprecht mit 20 Mark.' Sie wurde hinfichtiich ihres
Beitrages der großen und reichen Abtei Landllraß utid
der die ganze Wochein umfaffenden Veldefer Hcrrfchaft
der Brixener Bifchöfe gleichgeftellt.
' Schumi. Urkunden und RcEcftcnbuch 128.
- Orailach ift ein ur.iltes Schloflchen am nördlichen Abhänge eines
kleinen HüRcIs. eine gute Vicrtclftundc von St. Ruprecht entfernt. Gegen-
wärtig ift e.s im Jicfitzc des Czcrnonitzer Univcrfitatsprofeirors Dr. Skedl.
eines Kr.iincrs.
* Schumi, Archiv.
Sie gehörte fomit damals zu den größten Pfarren
im Lande.
Einen wie großen Umfang fie noch zu Beginn der
Neuzeit, alfo damals hatte, als der Bau der gegen-
wärtigen Kirche in Angriff genommen wurde, geht aus
dem Umftande hervor, dafs feit dem Jahre 1509 nicht
weniger als fechs Tochterpfarren aus ihr ausgefchieden
wurden: im Jahre 1509 die heutigen Pfarren Naffenfuß,
Savenftein und Billichberg (Pol.siiik) bei Sagor an der
Save, im Jahre 1652 die Pfarre Mariathal und im Jahre
1752 die Pfarren Johannisthai und Trzisce (Dreifaltig-
keit).' Noch zu Valvafor's Zeiten hatte fie 23 Filial-
kirchen,* deren Zahl bis nun auf acht zufammen-
gefchrumpft ift. Doch gehört St. Ruprecht immerhin
noch zu den größten Landpfarren Krains, und ift der
Pfarrer von St. Ruprecht Wähler in der Curie des
Großgrundbefitzes.
Am Ende des Mittelalters zählte der Pfarrer von
St. Ruprecht zu den angefehenften Kirchenwürden-
trägern Krains. Als Kaifer Friedrich IV. in feinem
Todesjahre (1493) in der Stadt Rudolphswerth eine
Probftei mit zwölf Canonici errichtete, ernannte er den
damaligen St. Ruprechter Pfarrer Jacob Auersperger^
zum erften Domprobft dafelbft.
Befchreibung der Kirche.
Die gefchilderten Umftande machen es erklärlich,
dafs fich in dem kleinen, zwar netten, aber fonft ganz
unfcheinbaren Dorfe, welches in der Landesgefchichte
niemals irgend welche Rolle gefpielt hat, ein kirch-
liches Baudenkmal mit dreifchiffigem Langhaufe und
langem einfchiffigen Chore (vgl. den Grundrifs Fig. r)
erhebt, das in Bezug auf feinen künftlerifchen Werth
und feine künftlerifche Bedeutung feinesgleichen im
Lande fucht.
Den Grundftein zu demfelben hat zweifelsohne der
im Jahre 1493 zum Dompropfte von Rudolphswerth
beförderte Pfarrer Jacob Auersperger gelegt, doch hat
er die Fertigftellung des Baues — wenigftens in Sanft
Ruprecht — nicht erlebt. Denn die Vollendung der
Kirche erfolgte im Jahre 1497, was der in der Giebel-
mauer der FaQade über dem Portale eingemauerten
Steininfchiift zu entnehmen ift.
a) Das Aei/ßere der Kirclie.
Aeußcriich präfentirt fich die auffallcnderweife
nicht orientirte Kirche* als bcfcheidencr, fchmucklofer,
ja in einzelnen Partien fogar als ein etwas langweiliger
Bau. Befonders gilt dies von den ganz ungegliederten,
aus einfachen leichten Bruchfteinen (Tuff, der in nächfter
Nähe gewonnen wurde) aufgeführten Wänden des
Langhaufes. Dasfelbe entbehrt fogar der Streben;
nicht einmal ein Gefims vermittelt den Uebergang von
den kahlen Kirchenwänden zum Dache, das wiederum
weder durch feine Höhe noch feine Steilftellung irgend-
welche gothifche Erinnerungen wachruft. Eingedeckt
' C.italogus dioeccsis Labarcnsis.
= Valvafor. Ehre des Herzo^thums Krain VIU 7.
' Er ift kein SproflTc des .allberühmtcn kr.-linirchen Adelsgefchlechtcs der
' Grafen von Aucrspcrg.
' Die Haupirichtung der Kirche ift im allgemeinen Südfüdoft ru Nord
nordweft, l)afs fie nicht orientirt ift. fallt umfomebr auf, als fie auf einem
nacli allen Seiten hin freiem PIat7e mitten im Dorfe fteht. Raummanse! ver-
anlafstc den Haumcifter cutfchiedcn nicht dazu, von der fonft belicblen Orts-
richtung abzuweichen.
- 65
ift es mit gewöhnlichen, im Lande allgemein üblichen
Ziegeln.
Am fchmucklofeften und am wenigften gegliedert
ift die Fagade. Mit Ausnahme eines einzigen drei-
theiligen Fenfters (mit Fifchblalenmaßweik) über dem
Portale unterbricht kein architektonifcher oder orna-
mentaler Schmuck die Oedigkeit der breiten und hohen
Giebelmauer, man wollte denn die fchon erwähnte,
übrigens aber auch fehr befcheidene Steininfchrift mit
der Jahreszahl 1497 als einen folchen gelten laffen.
Fig. I. (St. Ruprecht in Unterkrain, Gnindrifs.)
Von ähnlicher BefchatTenheit find die beiden Längs-
mauern des Langhaufes aus ganz roh bearbeiteten
Bruchrteinen. Die einzige Gliederung derfelben bilden
je drei fchön geformte, durch zwei Pfoften in drei Ab-
theilungen getheilte Spitzbogenfenrter mit fchönem
Maßwerk, in welchem Drei- und Vierpäffe, der Ent-
ftehungszeit entfprechend felbflverftändlich mit der
unvermeidlichen Fifchblafenfüllung, abwechfcln. Die
fechs Fenfter des Langhaufes fnul mit Ausnahme eines
einzigen in der linken Evangelienfeitenwand, das nur
durch einen Pfoften getheilt ift, dreitheilig, 15 M. breit
und waren urfprünglich 715 M. hoch. Gegenwärtig
befitzen fie jedoch diefe Höhe nicht mehr, da fie (aller
Wahrfcheinlichkeit nach) fchon bald nach der Erbauung
der Kirche in ihren unteren Theilen über 214M. hoch
vermauert wurden. Die in diefer Vermauerung noch
gegenwärtig \orhandenen rß M. hohen, aber äußerft
engen Schießfcharten fprechen es deutlich genug aus,
zu welchem Zwecke dies gefchehen war. Die Entfte-
hung der Kirche, fowie die ihr unmittelbar folgende
Zeit fällt ja in die Periode der fiirchterlichflen Türken-
einfälle, wo die Landbevölkerung keinen Augenblick,
weder bei Tag, noch bei Nacht ihres Eigenthums und
ihres Lebens ficher war. Die Kirche war für fie der
ficherfte Zufluchtsort.
Selbftverftändlich vermehrt diefe Vermauerung
noch den Eindruck des Kahlen und Oeden der Außen-
wände. Kein Wunder, dafs infolge deffen im Laufe der
Zeit oft Verfuche gemacht wurden, den natürlichen
Schmuck des rauhen Bruch Heines unter einer Schichte
von Verputz zu verbergen. Zum Glück ift es aber bis-
her einer befferen Einficht noch jedesmal gelungen,
eine folche Maßnahme zu vereiteln.
Viel mehr Sorgfalt als auf die äußere Ausftattung
des Langhaufes veiwendete der Baumeifter auf das
Aeußere des Chores (vgl. Fig. 2). Diefer Theil der
Kirche wird von fieben Strebepfeilern flankirt, von
denen der erfte (wcftliche), da er eben dem Triumph-
bogen zur Stütze zu dienen hat, viel kräftiger ift, als
die anderen. Die fehr hübfch geformten Streben find
dreimal abgetreppt; das erftemal in der Höhe des um
den ganzen Chorraum herumlaufenden Sockels. Ueber
der zweiten Schräge erheben lieh zierliche, übereck
geftellte dreifeitige Fialen, fo dafs nur zwei Seiten-
flächen derfelben aus dem Mauerkörper der Streben
hervortreten, die dritte fich aber an die Strebewand
anlehnt. Die Kanten der Fialenleiber find mit Rund-
ftäben verziert und mit gleichfchenkeligen Giebeln ab-
gefchloffen. Darüber erheben fich auf eigenen Gefimfen
aufruhend zierliche dreifeitige Pyramidchen, die jedoch
von den Ibnft üblichen Fialenriefen bedeutend abweichen.
Ihre Kanten haben keine Krabben, dafür aber find ihre
Flachen in phantafievollfter Weife mit theils gerade-,
theils krummlinigen, auf das reichfte ineinander ver-
fchlungenen geometrifchen Figuren und Arabesken in
reizendfler Abwechslung in Flachrelief gefchmückt.
Eine jede Fläche hat ihr eigenes Deffin ohne Wieder-
holungen. Die Pyramidenenden find mit Kreuzblumen
geziert, die aber auch von der gewöhnlichen Form ab-
weichen; leider find die meiften zum Theile verftüm-
melt, zum Theile aber find fie den Witterungsein-
flüffen gänzlich zum Opfer gefallen.
Von ähnlich geftalteten Pyramidchen werden auch
die Strebepfeiler felbft bekrönt.
Auf der Oftfeite des Chores (fiehe Fig. i) ift die
mit der oben erwähnten elften ftärkeren (weftlichen)
correfpondirende Strebe wegen des hier ftehendeii,
äußerft maffiven, üi)er 60 M. hohen und weithin über
die reizende Ebene fichtbaren Glockcnthurmes über-
flüßig geworden. Im Grundrifs quadraiifch, ift der
Thurm etwas über der Höhe des Dachfirftes ins Acht-
eck übergeführt und feit dem Jahre 1870 mit einer ftyl-
gerechten achteckigen Blcchpyramide überdeckt,
während er früher einen „Zwiebelhelm" trug. In feiner
unterften Etage, die als Sacriftei dient und in welche
XXVIII. N. F.
66 —
ein fpitzbogiges, einfach profilirtes Portal führt, ift er
mit einem gothifchen Sterngewölbe überwölbt.
Wie die Längswände der Kirche, fo ift auch der
Thurm ohne jede Gliederung und weder durch Gefimfe
noch fonflige architektonifche Linien etagirt. Die
einzige befcheidene Belebung erhält fein maffives
Mauerwerk durch die viereckigen fchmalen Licht-
fchlitze, deren unter den Schallöchern in jeder
Wand je zwei angeordnet find, die fo eine Art Etagi-
rung des Thurmes herbeiführen. Nicht einmal ein
Sockel ifl an demfelben zu bemerken, weshalb der Ein-
druck der Maffigkeit desfelben noch erhöht wird. Seine
Gefammtanlage und die ganz außerordentliche Stärke
der Mauern, nahezu 3 M., laden auf den erften Blick
An der Nordfeite des Glockenthurmes führt ein
fchlankes, rundgehaltenes Eckthürmchen auf einer
fteilen Wendeltreppe in die oberen Etagen desfelben.
Nördlich vom Thurme iü: der öftlichen Längs-
wand der Kirche eine Vorhalle angebaut, unter welcher
man einerfeits in das Kirchenfchiff, anderfeits aber auf
einer Treppe zur Mufikempore gelangt. Ob eine Vor-
l'ialle fchon urfprünglich befanden, ift fchwer zu fagen,
jedenfalls muß fic aber eine andere Form gehabt
haben. Die gegenwärtige datirt erfl aus der neueften
Zeit. Man hat fich zwar bei ihrer Aufführung angelegen
fein laffen, fie möglichft in Einklang mit dem übrigen
Bau zu bringen, allein es ift dies doch nur im aller-
befcheidcnftcn Maße gelungen.
Kig. 2. (St. Ruprecht in Unterkrain, Auflenar.ficht von Südoflen.)
erkennen, dafs er außer feiner eigentlichen Beftiinmung
in den Zeiten der Türkennoth auch Vertheidigtings-
zwecken gewidmet war. Eine geräumige gegenwärtig
jedoch vermauerte viereckige (nicht fpitzbogige) Oeff-
nung unter den gothifchen Schallöchern führte einftens
aus dem Innern des Thurmes auf einen rings um ihn
herumlaufenden Wehrgang. '
' Im Thurme hängen vier Glocken. Die kleinftc von elwa 6 Ztr. Ge-
wicht hat unter der Krone die Infchrift: „Sancte Ruperte, ora pro nobis".
unten am Rrnde: „Lucas Oimiz me fudit anno 1735" — L. Dimiz war ein
Laibachcr Glockengießer.
Die zweite mit der Infchrift; ..O rex gloriae Gelte (?) veni cum Tiia
pace amen 1474' ftanimt, wie die Jahreszahl beweist, noch aus dem Mittel-
alter her und foU die Hauptglocke der alten Kirche gcwcfcn fein. Dimcnfioncn ;
0-98 X 0-95 M. (im Lichten).
Die dritte, 20 Ztr. 97 Pfd. fchwer. trägt die Infchrift: „Antonii Samassa
Labaci Anno 1845, Nr. 584**.
Von ebendemfelben SamalTa wurde auch die vierte 44 Ztr. 25 Pfd.
fchwcre Glocke gegotfcn ; „Svctimu Rupcrtu patronu J. Supin in farmani, ulit
Ebenfalls erfl unferem Jahrhundert gehört auch
das \'ielleicht etwas beffer gelungene kleine Seiten-
portale in der rechten (Weft-) Wand des Chores zwi-
fchen dem zweiten und dritten Strebepfeiler (Fig. 2)' an.
Es ift ein aus einem etwas gedrückten Spitzbogen con-
ftruirtcs Doppelthor, deffen Bogenfeld mit einem durch-
brochenen RadfciiRer geziert ift. Die Leibungen der
beiden Spitzbogen fowie das Capital der drei Pfeiler,
die das Portale bilden, find mit Arabesken gefchmückt.
Der ftark abgcfchrägten gemeinfamen Thorbekrönung
find drei Pyramidchen von ähnlicher Form, wie jene
A. Samassa v Ljubij.-iiii v letu 1845, Nr. 585". (Dem Patron, dem heil. Rupert,
der Pfarrer J. Supin und PfarrinfatTen, gegoffen A. SamalTa in Laibach im
Jahre 1845, Nr. 585.)
' Im GrundrilTe, Fig. i, ift diefer Zubau hinweggelalTcn. der daneben
angebrachte Zugang zum gräflichen Oratorium hingegen, von dem fofort die
Rede fein wird, aufgenommen.
6;
an den Fialen und Streben aufgefetzt. Schade, dafs der
keineswegs ungefällige Eindruck, welchen diefes Seiten-
portale macht, durch einen recht gefchmacklofen, eben-
falls der neueften Zeit angehörigen Zubau zwifchen
dem erften und zweiten Strebepfeiler, beeinträchtigt
wird. Diefer Zubau vermittelt den Aufgang zum Ora-
torium der gräfl. Familie Barbo, und es wäre fehr zu
wünfchen, dafs er baldmöglichft einem ftylgerechten
Nachfolger Platz machte.
b) Das Innere der Kirche.
Diefes befcheidene Aeußere der Kirche läfst es im
entfernteften nicht ahnen, welche Herrlichkeiten das
Innere derfelben birgt. Paffirt man das fchmucklofe,
mit einigen wenigen Rundftäben und Hohlkehlen im
befcheidenften Maße profilirte Hauptportale (ohne
Sturz und Tympanoni, fo eröffnet fich dem erftaunten
Auge ein überaus reizender Anblick.
Die Kirche befteht aus zwei Haupttheilen, die fehr
gefällige Verhältniffe zeigen: dem Chorraume und dem
dreifchiffigen Langhaufe.
a I Der C h o r r a u m.
Der dem Langhaufe vorgelegte um eine Stufe
erhöhte Chorraum hat im Lichten i3'8o M. Länge,
7-17 M. Breite und 12-30 M. Höhe. Er ift um die Breite
der am Abfchluß der Seitenfchiffe befindlichen zwei
Seitenaltäre abgefetzt fchmäler als das Langhaus und
von diefem durch den imponirenden, fchön profilirten
Triumphbogen, unter welchem links die Kanzel ange-
bracht ift, getrennt. Merkwürdigerweife neigt fich der
Chorraum gegen die Axenrichtung des Schiffes etwas
nach hnks; dem bloßen Auge entgeht jedoch diefe
geringe Neigung und kann nur durch genaue Meffung
feftgeftellt werden.
Immerhin ift es eine auffällige Erfcheinung, umfo
auffälliger als etwa Raummangel ficherlich nicht zu
einer folchen Brechung der Hauptaxenrichtung zwingen
konnte, denn die Kirche fleht und ftand feit jeher voll-
kommen frei mitten im Dorfe, deffen Nachbarhäufer
von derfelben fo weit zurückgedrängt ftehen, dafs fich
rings um die Kirche ein freier Platz ausbreitet, der
einftens jedenfalls der Pfarrkirchhof gewefen ift. Inter-
effant ift hiebei die Wahrnehmung, dafs uns diefelbe
Erfcheinung auch in der Bauanlage der Propfteikirche in
der Stadt Rudolphswerth entgegen tritt: alfo in der
Kirche, deren Errichtung von ebendemfelben Manne,
dem gewefen en St. Ruprechter Pfarrer und fpätereii
Dompropft von Rudolphswerth, Jacob Auersperger, in
Angriff genommen wurde, der auch zu unferer Kirche
den Grundftein gelegt hat. In Rudolphswerth legte der
ihm zur Verfügung ftehende überaus geräumige Platz
noch weniger Hinderniffc in den Weg. Und doch iil die
Brechung der Axenrichtung des Langhaufes dort noch
viel bedeutender und fo groß, dafs fie das Auge verletzt
und die ganze Kirchenanlage in hohem Grade verun-
ftaltet. Was mag nun der Grund für ein folches Be-
ginnen gewefen fein? lune Laune des gewefenen Pfarrers
und fpiiteren Dompropftes war es ficherlich nicht, was
fchon daraus erhellt, dafs man auch in anderen Län-
dern, zum Bcifpiel in Tyrol, bei einer Anzahl von
Kirchen derfelben auffälligen Erfcheinung begegnet, fo
in Bozen, Terlan u. f. w.' Eine befriedigende Erklärung
hat man aber dafür auch dort nicht finden können.
Der Chorraum hat einen aus drei Achteckfeiten
conlTiruirten Abfchluß. Erhellt wird er durch fünf hohe,
fchlanke, fchön geformte Spitzbogenfenfter, von denen
vier durch je zwei Pfoflen dreimal getheilt find; ein
Fenfter aber ift nur zweitheilig, da der hier ftehende
maffive Glockenthurm die Anbringung eines drei-
theiligen Fenfters nicht geftattete. Dasfelbe ift nur
^6 Cm. breit, während die anderen vier eine Breiten-
ausdehnung von 1-22 M. im Lichten haben. Auch die
Chorfenfter find an ihren unteren Enden 1-54 M. ver-
mauert und mit jetzt freilich gefchloffenen engen
Schießfeharten (Schießfchlitzen) verfehen.
Der mit einem reichen Sterngewölbe von vier
Jochfeldern überdeckte Chorraum macht einen äußerfl
lieblichen und anheimelnden Eindruck. Die zwar ein-
fach aber hübfch profilirten birnförmigen Rippen des
Chorabfchlußes (im Grundrifs Fig. i a, b, c, d) ruhen
auf halbrunden Wanddienften, die ohne Bafen unmittel-
bar vom Boden auffteigen. Die Capitäle der Dienfte
find phantaftifche Fratzenköpfe, doch find nur zwei
von ihnen inta6t erhalten, a und d, während die an der
hinterften Abfchlußwand befindlichen zwei, b und c, in
barbarifcher Weife verftümmelt und von dem Rippen-
anfatze abwärts gänzlich zerflört find. Gefchehen ift
dies zweifellos erft in der neueften Zeit, gelegentlich
der Aufftellung des neuen großen, tief hinein an die
Abfchlußwände gedrängten Hauptaltares.
Die übrigen von den Wänden auslaufenden Rippen
ruhen auf Confolen mit Rofetten und Schildern und
Engelsköpfen.
Die Schlußfteine find mit Wappen (vier), Schilder
(elf), Rofetten (zwei), Thierfiguren (zwei), Engels- und
Heiligenköpfen (zwei) in Relief belegt. Die vier Haupt-
fchlußfteine find natürlich etwas größer als die Neben-
fchlußftcine und tragen ebenfalls in Relief: I. das
Wappen eines bereits ausgeftorbenen Grafengefchlech-
tes,' II. das Wappen der Grafen Barbo, III. einen
Engelskopf, IV. eine Rofette.
ß) Das Langhaus.
Mit noch reicherem Schmucke bedacht ift das
Langhaus, eine prächtige, 12 M. hohe, 10 M. breite
und 17 80 M. lange Hallenkirche, wie folche damals
befonders in Süddeutfchland und den öfterreichifchen
Ländern üblich waren. Drei fchlanke aus prismatifchen
achteckigen Trommeln zufammengefetzte Pfeilerpaare
theilen fie in drei gleich hohe und merkwürdigerweife
auch gleich breite Schiffe, die mit einem reizend
fchönen, überaus reichem Netzgewölbe überwölbt find.
Der Meifter hat bei der Conftrudtion desfelben feiner
überfprudelnden und fpielenden Phantafie vollauf die
Zügel fchießcn laffcn und ein Werk gefchaffen, das im
Lande nicht bald Seinesgleichen hat. Ein Blick auf den
Grundrifs bekräftigt dies zur Genüge, ja allzuwarme
Freunde der Früh-Gothik würden vielleiclit nicht übel
verfucht fein, in diefem fcheinbaren Gewirre der
' MiCthcilunccn der Ccntral-Commiffion 1898.
- Nach Anficht des Pfarrers Mcrvec foU es das Wappen der Cillicr
(trafen fein. Ich kann das nicht entfchctdcn, weil ich bei meinen mehrfachen
Hcfiichcn der Kirche zufalÜKerwcife niemals eine hinlänglich giinftif^e Beleuch-
tung fand, um die Details ausnehmen zu können. Uebrigens id mir die An-
bringung eines folchen W.ippcns im Jahre 1497 — mehr als eine Generation
nach dem Ausllerben der Cillicr Grafen — nicht fo recht einleuchtend.
— 68
Rippenführungen fogar einen Fehler zu erblicken. Ich
weiß recht wohl, dafs man den Netzgevvölbeentwürfen
der Spät-Gothiker den Vorwurf der Willkür, der Regel-
lofigkeit, des Phantaflifchen, Gefachten, Spielenden
u. f. w. macht, allein ähnliche Vorwürfe hat man auch
den Kunftbeftrebungen gemacht, aus welchen fich die
Barocke und das Rococo zu Stylgattungen heraus-
gebildet haben, die in der allerneueften Zeit fowohl in
der Architektur als auch Sculptur eine geradezu
glänzende Auferftehung feiern. Ich wäre der unmaß-
geblichen Meinung, dafs man auch bei den Spat-
Gothikern Unterfchiede machen müße. Nicht jedes
Netzgewölbe ift fchon deshalb, weil es ein folches ift;,
ein mifslungenes Machwerk. So gut wie die Einfach-
heit ifl: ja doch auch die Mannigfaltigkeit und Vicl-
feitigkeit — freilich fo lange fie die Gränzen der Gefetz-
mäßigkeit nicht überfchreitet — eine Hauptforderung
jeder Kunftgattung.
Dafs auch unfer leider uns unbekannter Meifter
feiner überreichen Phantafie die durch die Kunftregeln
ihm vorgefchriebenen Zügel anlegte, erkennt man fofort,
fobald man feinem Werke ernftlich etwas näher tritt.
Trotz des fcheinbaren Gewirres in den Rippenlinien
offenbart ficli einem blickgewohnten Auge alsbald eine
flrenge Gefetzmäßigkeit in der Führung derfelben. Vor
allem erfcheint einmal durch die drei achteckigen
Säulenpaare das ganze Gewölbe deutlich genug in vier
ganz gleiche Jochfelder (Travees) getheilt. Jedes von
ihnen fetzt fich aus je drei fchönen, aus Rhomben und
Rhomboiden beftehenden achtftrahligen Sternen zu-
fammen. Die Mittelrippen eines jeden fo geftalteten
Sternes laufen in einem Hauptfchlußfteine zufammen,
welchen der Künftler durch auffallende Größe gegen-
über den Nebenfchlußfteinen markant hervorgehoben
hat.
So löst fich das fcheinbare Gewirr in ftrenge Ge-
fetzmäßigkeit auf.
Ein zweites Mittel, einer etwaigen Ermüdung des
Auges entgegenzuarbeiten, fand der Künftler darin,
dafs er unter das ganze vierte Jochfeld (beim Haupt-
portale) die Mufikempore einfügte. Aber auch in den
drei übrigen Jochfeldern wufste er für das Auge einen
geradezu verblüffend fchönen Ruhepunkt zu finden,
indem er den mittleren Gewölbeftern in ganz eigen-
artiger Weife behandelte. Den Hauptfchlußftein erfetzte
er durch eine kreisrunde mit Rundftab und Wulft ver-
zierte Oeffnung, groß genug, dafs man durch diefelbe,
wenn fie nicht zugedeckt wäre, in das Sparrenwerk des
Daches hinaufblicken könnte. Weiters verwandelte er
die vier von den Pfeilern auslaufenden und in der ge-
nannten Oeffnung fich vereinigenden Rhomben, indem
er je zwei zufammenftoßende Seiten derfelben durch
Kreisfegmente erfctzte und ihnen je zwei Nafen ein-
fügte, in fifchblafen- oder flammenähnliche Gebilde.
Hiemit erzielte er, abgefehen davon, dafs er für das
Auge einen behaglichen Ruhepunkt fchuf, eine rei-
zende Wirkung.
Die eigentlichen Träger diefes Stern- oder Netz-
gewölbes find felbflverftändlich die drei Pfeilerpaare,
aus deren Kanten fich die Hauptrippen unmittelbar,
ohne Capitäle entwickeln; freilich bemerkt man das
gegenwärtig nicht mehr, da ein verbildeter Gefchmack
vor nicht langer Zeit die Rippenanfätze durch häß-
liche, ganz ftyllofe Capitäle aus Gyps verhüllt hat. In
urfprünglicher Geflalt haben fich die Rippenanfätze
nur noch unter der Mufikempore erhalten.
Die die Wände anlaufenden Rippen ruhen aus-
nahmslos alle auf Confolen, und zwar find die aus 'der
vollen Wand hervortretenden, die Jochgurten tragen-
den — wenn überhaupt von folchen die Rede fein
kann — kräftiger als die über den Fenflern ange-
brachten. Diefe find mit Rofetten, die erfteren durch-
wegs mit Hüften fingender Engel geziert, die Mufik-
noten in den Händen halten. Auf diefe Weife wird ein
wohlberechneter Uebergang zur Mufikempore ver-
mittelt.
Wie in den Rippen, zeigt fich ein ungewöhnlich
großer Rcichthum der Erfindung auch in der Behand-
lung der Schlußfteine. Jedes Jochfeld zählt ihrer nicht
weniger als 29, das mittlere (zweite) ihrer fogar 31. In
jedem Jochfelde find die drei Hauptfchlußfteine durch
ihre Größe vor den Nebenfchlußfteinen ausgezeichnet
und im reichflen Maße mit Reliefs gefchmückt. Im
erften Jochfelde befinden fich die Darftellung der
Muttergottes mit dem Chriftuskinde, des heil. Ruper-
tiis, des Patrons der Kirche, und des heil. Andreas. Im
zweiten Jochfelde eine Heilige mit Schlüffel und Buch
und ein Efel mit Nafenring. Im dritten Jochfelde der
königliche Sänger David, die heil. Barbara und der
heil. Bartholomäus; endlich über der Mufikempore die
Bilder zweier Heiligen und einer Blume.
Von den bildlichen Darftellungen auf den Neben-
fchlußfteinen fei nur bemerkt, dafs einige von ihnen glatt
find, fei es, dafs der Belag derfelben abgefallen ift,
oder dafs fie fchon urfprünglich fo befchaffen waren;
fonft aber begegnen am zahlreichften verfchiedenartig
geformte Rofetten, Wappen, Schilder, männliche und
weibliche Heiligenköpfe mit und ohne Nimbus, Engels-
köpfe, Sterne u. f. vv.
Aehnlich geftaltet wie das Hauptnetzgewölbe ifl
auch dasjenige, welches die ein ganzes Jochfeld in An-
fpruch nehmende Mufikempore trägt, nur ift diefes Ge-
wölbe viel gedrückter und macht nicht jenen heiteren
und gefälligen Eindruck, wie das Hauptgewölbe über
der Empore. Auch entwickeln fich die Rippen nicht
unmittelbar aus den Säulenfchäften, was ja übrigens
aus ftatifchen Gründen faft felbftverftändiich ift, fon-
dern aus maffiven quadratifchen Blocken, die als ver-
ftärkte Träger der Mufikempore fich an die fchlanken
Pfeiler anlehnen. Auffallend ift im Entgegenhalt des
reichen Schmuckes des Sternengewolbes, dafs die
Stirnwand der Mufikempore weder durch conftru6live
noch andere architektonifche Linien gegliedert er-
fcheint. Nur durch je einen Rundftab und eine Hohl-
kehle wird eine Art Brüftung von 30 Cm. Höhe erzielt.
Die innere Ausftattung der Kirche.
Diefelbe ift eher eine befcheidene als reiche zu
nennen, doch beherbergt das Presbyterium ein un-
fchätzbarcs Kleinod, das berühmte Sacramentshäus-
chen an der Evangelienfeite des Hauptaltars (Fig. 3). Es
ill nicht fo fehr feine künftlerifche Ausgeftaltung, welche
es fo werlhvoll macht — es gibt in Oefterreich eine
Anzahl fchöuerer und künftlerifch vollendeterer Sacra-
mentshäuschen — vielmehr der Umftand, dafs es das
einzige im Lande Krain ift, alfo ein wahres Unicum! Die
69 -
leichtverzeihliche Ueberfchätzung diefes Unicums hat
aber zu einem merkwürdigen Irrthum Anlafs gegeben.
Das allzu freudetrunkene Auge eines Kunftenthufiaften
glaubte nämlich in dem damals wahrfchcinlich mit
einer weißen Emailfarbe angeftrichenen Material des
Sacramentshäuschens Elfenbein zu erblicken. Und fo
liest man in den „Mittheilungen der k. k. Central-Com-
miffion 1858, p. 304" wörtlich folgenden Satz: „Die
Kirche (sc. von St. Ruprecht) .... ift wahrfcheinlich
auch die einzige Kirche im Kaiferreiche, welche im
Innern ein fo prachtvolles Sacramenlshäuschen aus
Elfenbein aufzuweifen hat".'
Das Sacramentshäuschen ift alfo aus
Stein, von demfelben Kalktuff wie die
Kirche felbft.
Der eigentliche Träger des Sacra-
mentshäuschens, eine achtfeitige, nach
oben und unten jedoch in ein Viereck
übergehende Stützfaule, fteht auf einem
dreiftufigen Poftamente von quadrati-
fchem Grundrifs. lieber die Verkröpfung
der Stützfäule baut fich in drei kiel-
bogigen, fehr einfach gehaltenen und fich
nach oben verjüngenden Etagen das
Sacramentshäuschen felbll: auf Auch
diefes hat einen quadratifchen Grundrifs.
Von den drei Etagen trägt nur die unterfte
einigen architektonifchenSchmuck, kleine
mit Fialen bekrönte Rundfaulchen. Um
ihr mehr Stabilität zu verleihen, ift fie
mit dem Architrave und einer Seiten-
fläche in die Chormauer verfetzt worden.
Sie diente urfprünglich zur Aufnahme und
Aufbewahrung des Hochwürdigften,
fpäter des heil. Oeles und ift mit einem
gefchmackvoU ornamentirten
thürchen verfperrt. Gegenwärtig ift
leer. Mit ganz gleichen Gittern find auch
die beiden andern freiftehenden Seiten
verfchloffen.
Ueber der Zinnenbekrönung der
erften Etage erhebt fich (eben um die
Mächtigkeit diefer Bekronung abgefetzt)
die zweite, die aber mit allen vier Seiten
frei fteht und offen ift. Den Abfchluß
Fig. 3. bildet über einer Schmiege die dritte
iSt. Ruprecht Etage, eigentlich eine Fiale mit Leib,
in Uiiterkrain, gi^^g^ (.j^jj Knorren befetzten Rifen und
Sacraments- . ., , ,
häuschen. Kalk- emer Kreuzblume.
flein. Anfang Die Gefammthöhe des Sacraments-
lö. Jahrhundert.) Häuschens beträgt 6- II M.
Ein wahres Prunkftiick des Chores
bildet ferner der über 10 M. hohe, aus tadellofem carra-
rifchem Marmor hergeflellte und in rein gothifchen
Meffing-
fie
' Amüfant ift es nun zu beobachten, wie ein folcller Irrthuin fich in den
Büchern fortzupflanzen pflegt. In denfelben Mittheilungen der k. k. CentralCom-
miffion 1862 p. 188 — 190. hat der dam.-ilige Confcrvator Ingenieur Jofeph
Leinmüllcr eine Refchrcibung der Kirche von St. Ruprecht veröffentlicht und
fich p. igo über das Sacramentshäuschen folgendermaßen gealißen: „In Fig. 6
und 7 ift auch das in den „Mittheilungen des hiftorifchen Vereines für Krain"
von Herrn Pfarrer l'etcr Hitzinger erwähnte Sacramentshäuschen aus Elfenbein
abgebildet." Dlefc Abbildung hat der Ingenieur Leinmüllcr felbft geliefert. Ich
fchlug die einfchlagige Stelle „Mittheilungen des hiftorifchen Vereines für Krain"
1847, p. 53, nach (an einer anderen hat Hitzinger über das Sacramcntsh.-ius-
chen nicht gefchriebenl und las dafclbft zu meinem nicht geringen F.rftaunen;
„....fchön ift jedoch das Behältnis für die heil. Oele. in der Nahe des Hoch-
altars auf einigen Stufen, wie ein gothifches Thürmchen, aus Stein gehauen,
fich erhebend." Pfarrer Hitzinger weiß alfo nichts von Elfenbein, und doch hat
Formen gehaltene Hochaltar. Allein er ifl kein Erb-
Itück alter Zeiten, fondern wurde erft im Jahre 1865
vom Steinmetzmeifler Ignatz Thomann in Laibach
gemeißelt.
Das Mittelftück ifl, ein reichverziertes gothifches
Spitzbogenfenfler mit Giebel und einer Fiale auf jeder
Seite, unter deren Baldachinen jederfeits ein Engel
feine Auffkellung hat. Die beiden Seitenflücke find ähn-
lichgeftaltet:zwei, auf hohen Confolen flehende Nifchen-
gehäufe, in denen zwei überlebensgroße Heiligen-
ii:atuen flehen, der heil. Nicolaus und der heil. Ulrich.
Weniger gelungen ift das Tabernakel, eine etwas ge-
fuchte und gekunflelte Nachahmung irgend eines zwei-
thürmigen gothifchen Domes, der hier ganz und gar
nicht am Platze ift. Außerdem zeigen auch die gothi-
fchen Formen desfelben nicht jene Strenge und Rein-
heit, die fonft in allen Theilen des Altars auf das
genauefte befolgt erfcheinen; fo flören zum Beifpiel
ganz befonders die beiden quadratifchen Fenfter in der
dritten Etage der Thürme. Es drängt fich bei der Be-
trachtung des Tabernakels der Gedanke auf, als ob der
Entwurf desfelben von einem anderen Gefchmacke
beeinflußt worden wäre, als demjenigen des übrigen
Altars.
Beachtenswerth aber find die drei kunflvoU
getriebenen Meffingplatten, welche die Stirnwand der
Menfa bekleiden und altteftamentliche Scenen zur
Darftelhing bringen. Befonders gelungen fowohl in der
Compofition als auch in der Zeichnung ift das Opfer
Abrahams. Im ganzen Großen ift der St. Ruprechter
Hochaltar einer der fchönften und koftbarften Altäre
Kraiiis,
Wenn ich noch das an der rechten Wand ange-
brachte Oratorium erwähne, fo gefchieht es nur um
dem Bedauern Ausdruck zu geben, dafs man es vor
einigen Jahren angehen ließ, ein fo gefchmacklofes und
die Wirkung des fchönen Presbyteriums beeinträchti-
gendes, gothifchfein follendes Oratorium dafelbft anzu-
bringen.
Seiten altäre gibt es im Chorraume keine, wohl
aber befinden fich zwei folche im Langhaufe am
Triumphbogen, am Abfchluße der beiden Seitcnfchiffe.
Sie wurden um 1860 errichtet, beftehen aus irgend
einer Gußmaffe und bieten kein Intereffe.
Die Bänke und Beichtftühle (ihrer drei) find dem
Style der Kirche angepafst.
Grabmonunienle befitzt die Kirche mit Ausnahme
eines in die linke Längswand eingemauerten Ge-
dächtnisfteines keine. Die obere Hälfte der 270 M.
hohen und 115 M. breiten Steinplatte nimmt ein in
Halbrelief ausgeführtes Knieftück ein, das einen ge-
panzerten Ritter in Allongeperücke darfteilt; die linke
halt einen bcbufchten Helm, während die rechte aul
dem gräfl. Barbo'fchen Wappenfchilde ruht. Die dar-
unter angebrachte Infchrift lautet: „Difes Ruhe Betlein
Hatt Av'fgcricht. An: 1697. D'-^'' Hoch Und WoU-
gebohrne Des H. Rom: Reichs Herr Herr Ma.K Valeri
Barbo Graff Von Waxenftein, ein Freiherr Avf Guten-
eg, Paas VndZoblsperg, Herr AvfKislingfteinKrevsee-
bach Vnd Dragcmcl, Rom. Kay. May. Camrer Vnd
Obrifter Einer Lobl. Laa. In Crain Über Dero In
der Ingenieur Lcinmüller das Sacramentshäuschen mit eigenen Augen gefchcn,
er hat es ja felbft aufgenommen und in den Mittheihingen der Central-Com-
nülTion ein gelungenes naturgetreues Bild davon geliefert 1
- 70 -
VVartgelt Haltende Gerifte Pferd, Beftellter Rittineifter
Vnd Kriegs ComilTarius in Vnter Crain, So In Gott
Verfiden ift, Deme Gott Gnedig Sein Wolle Den:
16 üclower Anno 1699".
Die Reftaurirung, refpective Bemalung des Kirchen-
Innern.
So um die Mitte des eben ausgegangenen Jahr-
hunderts füll fich das Innere unferer Kirche in einem
äußerll verwahrlosten Zuftande befunden haben. Selbft
recht craffe DefecSle an der Verglafung der Fenfter
wurden nicht bemerkt oder wollten nicht bemerkt
werden, fo dafs man zeitweilig in der Kirche auch
Schnee felien konnte. Als fich aber dann ein etwas
eifrigerer Pfarrvorftelier denn doch veranlafst fand, den
ärgften Mifsfländen Abhilfe zu fchaffen, fliftete er eher
Schaden als Nutzen. Er dürfte derjenige gewefen fein,
der fo ziemlich die letzten Spuren der urfprünglichen,
bis auf feine Zeit doch noch theilweife erhaltenen
gothifchen Bemalung entweder abkratzen oder unter
Kalktünche verfch winden ließ; er war es wahrfchein-
lich auch, der manches ihm nicht paffend erfcheinende
Sculptur-Ornament vernichtete. Weiiigftens glaube ich
dies aus mündlichen Mittheilungen von Leuten, die
fich noch an diefe Ausfchmückung zu erinnern wiffen,
fowie aus einer in jenem Berichte des Ingenieurs Lein-
maller' enthaltenen Bemerkung fchließen zu dürfen,
der da fchreibt, „dafs nach Angabe des damaligen
Cooperators Joh. Koprivnikar die Kirche einft mit
fratzenhaften, ja felbft anftößigen Bildern bemalt ge-
wefen fei. Sie wurden, man wufste nicht wann, über-
timcht, welche Tünche fich jedoch allmählig abblätterte
und die alte Malerei theilweife wieder anfichtig werden
ließ, bis man bei der jüngften Reftaurirang (in den
fünfziger Jahren) diefelbe ganz ablcratzte und durch
eine halbdunkle Steinfarbe erfetzte".
Damals erhielten auch die Pfeiler jene flyl- und
gefchmacklofen Capitäle, deren fchon gelegentlich
gedacht wurde.
Als man nun in den fiebziger Jahren auf Anre-
gung des Ordinariates den kirchlichen Bauwerken auch
in Krain eine größere Aufmerkfamkcit zu widmen be-
gann und eine Anzahl von Kirchen in der Laibacher
Dlöcefe in mehr oder minder gelungener Weife ge-
reinigt, mit neuen Altären, Kanzeln u. f. w. verfehen,
einige auch mit ornamentalem und figuralem Schmuck
bedacht wurden, regte fich auch bei den Pfarrinfaffen
von St. Ruprecht der Wunfeh, ihrer fchönen Pfarr-
kirche eine würdigere Innenausftattung zu geben. Frei-
lich hat der im Jahre 1865 mit einem Koftenaufwande
von über 3000 fi. hergeftellte gothifche Hauptaltar aus
fchönftem carrarifchen Marmor die Kirchencaffe völlig
erfchöpft, fo dafs an weitere koflfpielige Reftaurirung
und Ausfchmückung der Kirche lange nicht gedacht
werden konnte. Der erfle Schritt dazu wurde durch die
Erfetzung der bishin nur einfachen farblofen Glas-
fcheiben in den fünf Fenftern des Presbyteriums durch
moderne Glasmalerei gemacht. Aus finanziellen Grün-
den war man aber freilich genöthigt, möglichft haus-
zuhalten. Trotzdem muß zugegeben werden, dafs die
aus einer Tyroler Fabrik flammende Verglafung, wenn
* Mittheilungen der Central-Comniiffion 1862 p. 189.
fic auch keineswegs eine kunftvollcndete zu nennen ifl:,
den Anfpriichen, die an eine Landpfarrkirche geftellt
werden können, vollauf entfpricht.
Natürlich wurde auch die Frage der Ausmalung
der Kirche zu wiederholtenmalen in Anregung ge-
bracht, befonders von Leuten, die fich noch zu erinnern
oder wenigftens zu erzählen wußten, dafs das zierliche
Gewölbe einflens im fchönften P"arbenfchmucke
prangte. Allein der Wunfeh nach Wiedererfetzung des-
felben mußte auf längere Zeit nur ein frommer bleiben,
da die Kirchencaffe durch die verfchiedenen voraus-
gegangenen, zum Theile auch verunglückten „Reftau-
rirungen" gänzlich erfchöpft wurde.
Als aber der gegenwärtige Pfarrer im Jahre 1892
die Pfarrleitung übernahm, da nahm er die Angelegen-
heit energifch in Angriff und ruhte nicht eher, als bis
fie im Jahre 1896 in Fluß gerieth.
Der Anfang wurde im Presbyterium gemacht.
Nach Aufrtellung des Gerüftes und fchon der erften
oberflächlichen Unterfuchung des Rippenwerkes zeigte
es fich, wie nothwendig hier die Reparatur war.
Mehrere Rippen waren fo fchadhaft, dafs fie unverzüg-
lich durch neue erfetzt werden mußten. Auch einige
Schlußfteine faßen nur ganz locker in ihrem Gefiige, fo
dafs man es kaum begreifen Iconnte, wie es möglich
war, dafs die Erdbebenkataftrophe vom Jahre 1895
vorübergegangen war, ohne an dem Netzgewölbe
einen Schaden verurfacht zu haben.
Die Ausmalung der Kirche wurde dem Maler
M. Kozelj aus Stein anvertraut, der in der Bemalung
und Polychromirung von Kirchen fchon hübfche
Proben feines Könnens geliefert hat. Er forgte vor
allem für einen foliden Malgrund, da fchon eine nur
beiläufige Unterfuchung des vor einem halben Jahr-
hundert angebrachten groben, ftellenweife 10 Cm.
dicken Anwurfes die Nichteignung desfelben zur Auf-
nahme der neuen beabfichtigten Bemalung ergab. Man
entfchloß fich zur Entfernung des ganzen alten Anwurfes
und zur Erfetzung desfelben durch einen frifchen, auf
das forgfältigfte vorbereiteten. Hiezu nahm man das
befle Material, einen fchon durch mehr als zehn Jahre
gelagerten, in diefer Gegend ohnehin in vorzüglicher
Qualität zu gewinnenden gelöfchten Kalk, dem man über-
diesauch ein wenig Cement beimengte, und feinen Fluß-
fand aus dem nicht weit von der Kirche vorüberfließen-
den filberklaren Feiftritzbache. Um ein gleichmäßiges
Korn für den Malgrund zu gewinnen, wurde der Sand
noch durchficht und mit dem fo praparirten Mörtel
die Wände möglichft dünn angeworfen. Da man aber
dies nur partienweife that, fo konnte der Maler auf
halbnaffem Grunde arbeiten.
Die Entwürfe zur Bemalung rühren vom Maler
Fr. Kozelj felbfi: her. Diefelben wurden dem bifchöf-
lichen Ordinariate in Laibach zur Prüfung vorgelegt,
worauf nach ihrer Begutachtung im Monate Mai 1896
an die Ausführung gegangen wurde.
Begonnen wurde mit der Arbeit im Presbyterium.
Bei der Entfernung der Tünche und Zurichtung des
neuen Malgrundes wurde mit der größten Vorficht und
Aufinerkfamkeit zu Werke gegangen, da man auf mehr
oder minder gut erhaltene Ueberrefte der urfprüng-
lichen Bemalung zu flößen hoffte, was jedoch im Pres-
byterium leider nicht eintrat; fo gründlich war man
71 —
vor Jahren mit der Abkratzung des einftigen Gewölbe-
fchmuckes vorgegan^^en.
Mit derfelben Genauigkeit und Vorficht verfulir
man auch im Langhaufe, als das Presbyterium aus-
gemalt und das Gerufte nun dahin übertragen wurde.
Schon war der Maler mit der Skizzirung des erften
Jochfeldes nahezu fertig geworden, als man im dritten
Jochfelde unmittelbar \or der Mufikempore auf eine faft
ganz inta6l erhaltene urfpiüngliche Bemalung einer
ganzen Gewölbekappe fließ. Diefelbe wurde auf das
gewiffenhafteflie copirt, fie zu erhalten war jedoch
leider unmöglich. Der Maler fuchte zwar Mittel und
Wege, um den Fund, ein reiches und originell ftyli-
firtes Blumenbouquet, das die betreffende Gewölbe-
kappe faft ganz ausfüllte, feinen Entwürfen einzufügen
und es zum Mufter für feine weitere Arbeit zu machen;
er mußte fich jedoch fchließlich eingeftehen, dafs der
k'und mit feinem Entwürfe und der fchon fertigen
Arbeit im Presbyterium durchaus nicht in Einklang zu
bringen fei. Nach feinem Entwürfe und Plane waren
nämlich zur Anbringung der Malerei nicht etwa die
Gewölbekappen in ihrer ganzen Ausdehnung, fondern
nur die Zwickel zwifchen den Rippen beftimmt. Aus
diefen Zwickeln entwickeln fich die Stengel gewöhn-
licher Pflanzen und Blumen, wie fie allenthalben Feld
und Flur hervorbringen: Difteln, Getreideähren, kleine
Rebenzweige mit Trauben, Feldblumen u. f w. Die
Mittelpartie der Gewölbekappen follte unbemalt
bleiben. Seine Entwürfe decken fich fo ziemlich mit der
Bemalung, wie folche die Mittheilungen der k. k.
Central-Commiffion 1898 auf der Tafel zu pag. 207 für
die Kirche von Zeltfchach oder 1900 Taf VI für die
Kirche von St. Wolfgang bei Grades in Kärnten zur
Veranfchaulichung gebracht haben.
Da nun, wie aus dem Gefaxten hervorgeht, eine
PLinfügung des aufgefundenen Blumenbouquets mit
Rückficht auf die fchon fertige Bemalung des Presby-
teriums und theilweife fchon begonnene des Lang-
haufes durchaus nicht thunlich war, fo verfiel der
Maler, der den Fund auf jeden Fall verwerthen wollte,
auf den glücklichen Gedanken, das reiche Blumen-
bouquet in feine Beflandtheile aufzulöfen und diefelben
fyftematifch in die einzelnen Zwickel des Netz-
gewölbes zu vertheilen. Auf diefe Weife erhielt das
Langhaus einen Farbenfchmuck, der fich in vortheil-
hafter Weife gegen jenen im Presb)'terium bemerkbar
macht, womit jedoch keineswegs ein abfprechendes
Urtheil über die durchaus wohlgelungene Bemalung
des Presbyteriums felbft gefällt werden will; es foU
damit vielmehr dem Maler die verdiente Anerkennung
für feinen glücklichen Einfall gezollt werden. Die Be-
nützung des aufgefundenen Originals zu Motiven für
die Bemalung des Gewölbes im Langhaufe hatte eine
viel ftylgerechtere Ausfchmückung diefes Theiles der
Kirche zur P'olge. Während niimlich die Pflanzenorna-
mentirung im Presbyterium in naturaliftifchen p'ormen
durchgeführt ifl:, kamen hingegen im Langhaufe fall
durchwegs ftylifirte Formen zur Geltung, wodurch die
Ausmalung jedenfalls nur gewonnen hat.
Was die Ausfchmückung der Kirchenwände be-
trifft, fo mag nur ganz kurz gefagt werden, dafs die-
felbe in der einfachften Weife durch Färbelung be-
werkftelligt wurde. Da die aus unbehauenen Bruch-
fteincn erbaute Kiiche im Innern felbflverAiuidlicli
angeworfen und verputzt ift, fo wurde fie nur mit einem
cremefarbenen Tone gefärbelt, zur Belebung der
Wände jedoch eine mit feinen dünnen Linien aus-
geführte und deshalb möglichft wenig in die Augen
fallende Quaderimitirung, Ruftica (ohne Schatten in
den Fugen) gewählt, welche Färbelung auch auf die
fchönen fchlanken achteckigen Pfeiler ausgedehnt
wurde. Fieilich dürfte es vielleicht beffer gewefen fein,
wenn man die aus forgfaltig behauenen mächtigen
Werkfteinen zufammengefetzten Pfeiler von ihrer mehr-
hundertjährigen Tünche gereinigt und die Gliederung
der Pfeiler durch ihre natürliche Conflruflion hätte
wirken laffen.
Figurale Darftellungen find mit Ausnahme jener
Engel in den vier fifchblafenähnlichen Kappen rings
um die Oeffnung in der Mitte des Netzgewölbes in der
ganzen Kirche nur noch an zwxi Stellen angebracht
worden. Dies ifl am impofanten Scheidebogen ge-
fchehen, und zwar in der Breite, um welche der Chor-
abfchluß fchmäler gegen das Langhaus abfetzt. Da
flehen, wie fchon oben erwähnt, die einzigen zwei
Nebenaltäre, welche die Kirche gegenwärtig befitzt.'
Oberhalb derfelben find medaillenartig je in einem
Vierblatt: links die Verkündigung Mariens, rechts die
heil. Familie zur Darflellung gelangt.
Mit derfelben Färbelung wie das Langhaus wurde
auch der Chorabfchluß verfehen, nur erhielt er eine
prunkvollere Aufflattung dadurch, dafs deffcn Wände
vom Boden aufwärts mit einem rings um den Chor lau-
fenden, bedeutend übermannshohen Teppich in leuch-
tenden Farben, und zwar in fresco geziert wurden.
Diefer foll eine getreue Copie des Chorteppiches in
der Votivkirche in Wien fein. Auf der Evangelienfeite
ift er an einer Stelle von der Thür unterbrochen, die
aus der Sacriflei in den Chorraum führt. Diefe ftreng
flylgerechte gothifche Thüre mit horizontalem Sturz
fowie auch der fchöne Eifenbefchlag derfelben find
eine genaue Nachbildung der beiden Objcfte, wie fie fich
noch gegenwärtig in der eingangs erwähnten Kirche
von Pletriach in der Nahe von Rudolphswerth in Unter-
krain befinden.
Die Erinnerung an die Rellaurirung der Kirche
bewahrt eine über diefer Thür angebrachte Gedächtnis-
fteintafel mit der Infchrift: „A. D. MDCCCXCVII in
festo nativitatis B. M. V. consecravit Jacobus Missia
Princ. Episcopus Labacensis in honorem St. Rupert!
ecclesiam haue et altare malus iniponendo in illud
sacratissimas St. Cantii, Cantiani et Cantianillae S.
Felicitatis SS. Septem fratrum majorum reliquias".
Der Eindruck, den nun das fo reflaurirte Innere
der St. Ruprechter Kirche auf den Eintretenden
macht, ift ein mächtiger und herzerfreuender und findet
nicht nur bei den Pfarrin faffen, die mit Stolz auf ihre
in herrlichem P^arbenfclimucke prangende Kirche
blicken, fondern auch feilens der Kenner und Fach-
leute uiigetheilten l^eifall.
Trotzdem kann ich eine Bemerkung niclit untcr-
driicken. Dielelbe bezieht fich auf die Farbengebung,
die fich in zu zarten, faft durchwegs gebrochenen Tönen
bewegt. Die Wirkung wäre zweifelsohne eine viel
mächtigere, wenn der Maler nicht mit einer gewiffen
* Nach Vcrficlicrungcn alter Lciile foll die Kirche vor Jahren deren
nicht weniger als zehn gehabt haben.
- 72 -
Scheu und Aengftlichkeit den tiefen, falten, kraftvollen
Farben des Roth, Blau und Gelb, die fo recht eigent-
h'ch die Grund- und Charakterfarben des gothifchen
Styles find, aus dem Wege gegangen wäre. Er mochte
hiezu vielleicht durch die zu helle Beleuchtung der
Kirche veraiilafst worden fein. Die hohen und
fchlanken Fenfter des Langhaufes find nämlich mit
gewöhnlichen Glasfeheiben ausgefüllt, fo dafs das
Tageslicht durch diefelben ungedämpft und mit voller
Kraft hereinfluten kann. Deshalb entbehrt auch das
Innere der Kirche jenes geheimnisvollen Düfters, das
uns fonft beim Betreten gothifcher Kirchen in eine
weihevolle Stimmung zu verfetzen pflegt. Diefe Hellig-
keit des Innern mochte vielleicht den Maler zu der
Erwägung beftimmt liaben, dafs eine tiefe und fatte
Farbengebung fein Werk als zu grell würde erfcheinen
laffen. Diefe Befürchtung wäre aber vielleicht gegen-
ftandslos geworden, wenn der Maler gleich von Anfang
an feiner Arbeit ftatt des hellen cremefarbenen einen
etwas dunkleren Malgrundton gegeben hätte.
Nichtsdeftoweniger muß die Reftaurirung und
Ausmalung des Kircheninnern als wohlgclungen und
durchwegs ftylgerecht genannt werden, fo dafs jeder
Freund mittelalterlicher Kunftdenkmäler feine Freude
daran haben kann.
Diefe F"reude wird aber gar fehr durch den An-
blick getrübt, welchen die Umfaflungsmauern der
Kirche bieten. Diefelben befinden fich in einem fo
defolaten Zuftande, dafs diefes fchöne Kunftdenkmal
des Mittelalters ernftlich gefährdet erfcheint, wenn
nicht baldmöglichft Wandel gefchaffen wird. Befonders
baufällig find die Außenwände und Stützen des Chor-
abfchlußes. Die Strebepfeiler find im Laufe der Jahr-
hundertc ganz morfch geworden; nicht unbeträchtliche
Theile der Wafferfchläge und der Bekrönung der zier-
lichen Streben find herabgeftürzt, ftellenweife find
ganze Mauerftücke ausgebrochen und herabgefallen.
Dafs auch das Kirchenpflafter dringend einer Aus-
wechslung bedarf, mag nur nebenbei erwähnt werden.
Die Gefahr einer ernftlichen Kataftrophe ift umfo
größer, als zur Abwendung derfelben der völlig er-
fchöpften Kirchencaffe gegenwärtig und vorausficht-
lich noch fiir längere Zeit keine Mittel zur Verfügung
liehen. Noch weniger aber kann von der Opferwillig-
keit, oder beffer gefagt, von der Opferfähigkeit der
Pfarrbevölkerung erwartet werden, da diefelbe ganz
und gar nicht wohl fituirt ifl; und fich bei der Reftauri-
rung des Kircheninnern fchon ohnehin uber^ihre Ver-
mögenskräfte angeflrengt hat.
Bei fo bewandten Umftänden halte ich es für
meine Confer\atorenpflicht, auf den bedauerlichen Zu-
ftand diefer fchönen und gerade wegen der Seltenheit
kunfthiftorifcher Baudenkmale in Krain für diefes Kron-
land noch ganz befonders wichtigen und werthvoUen
Kirche aufmerkfam zu machen.'
' Die Verhatidiuiiyen über die nothwendigeii Reftaurirung.sarbeiten 'an
der Kirche St. Rupreclit in Unterkraiii find feit Febru.ir 1902 bereits ein-
geleitet.
Die St. Adalari-Kirche im Pillerfeethale.
Vom k. k. Confeivator Regierungsiath Johann Deiningir.
|AS Kirchlein zum heil. Adalar, über deffen
Erhaltungszuftand kürzlich in der Münchner
und Innsbrucker Preffe ohne Grund beun-
ruhigende Nachrichten aufgetaucht waren, liegt auf
einem vorfpringenden Felfenhügel am Nordende des
Pillerfeethales, ungefähr 3 Km. von dem kleinen Dorfe
St. Ulrich entfernt. In unmittelbarer Nähe umgeben
diefen Bau an der Wellfeitc fteil anfteigende Felswände
mit Fichtenbeftänden, füdfeitig ein Gafthaus mit
Oekonomiegebäuden und an der Oft- und Nordfeite
eine Veranda mit der zum Gafthaufe gehörigen Kegel-
bahn.
Der Weftfront diefes Kirchleins ift ein im Erd-
gefchoße gemauerter, im Obergefchoße als Ständerbau
mit Bretterverfchalung hergefteller fchmaler Vorbau
vorgefetzt, welcher die ganze Frontbreite und Höhe
einnimmt und auch durch feine Bedachung mit dem
Kirchenbau verbunden ift. Diefer Vorbau dient unten
als Wagenremife und oberhalb diefer als Depotraum
für Kiften u. dgl.
Das gegenwärtige St. Adalari-Kirchlein, deffen
Grundrifs Fig. i und perfpeflivifche Anficht Fig. 2
wiedergibt, gehört nur zum Theile der gothifchen Bau-
periode an und ftammt hinfichtlich diefer älteren Bau-
theile offenbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts.
Das Presbyterium ift mit Ausnahme des Gewölbes
noch im gothifchen Style erhalten geblieben, während
Kl«
(St. Acl.ilari im Pillerfeethale; Grundrifs.)
das urfprünglich ganz quadratifch angelegte
muthmaßlich fchon im 17. Jahrhunderte
Schiff
baulich
— 73 -
verändert wurde. Bei diefer Veränderung, welche augen-
fcheinlich anläfslich des Einbaues der breiten von ftark
gefchwellten runden Holzfaulen getragenen Orgelbühne
vorgenommen wurde, ift die Südfront des Schiffes
in die Flucht der Presbyteriumswand zurückgerückt,
und die ehemals hohen fpitzbogigen Fenfter an diefer
Front durch kurze fegmentförmig nach oben abgc-
fchloffene Fenfter erfetzt worden. Das einfach mit Hohl-
kehlen und Plättchen profllirte Portale aus Tuffftein (an
diefer Front) hat wohl fchon dem alten Bau angehört
und am neuen wieder Verwendung gefunden.
Dagegen ifh die nördliche Wand des Schiffes, die
außen über die Flucht der Chorwand vortritt, ferner die
Weftfront mit dem nunmehr gegen das Innere des
erwähnten Remifenvorbaues geöffneten gothifchen
Portale noch vom alten Baue erhalten geblieben. Im
I 1
'A
.^^
j.'ifei'aLt
Fig. 2. (St. Adalari im Pillerfeethale; Aeußeres.)
Innern erfcheincn die urfprünglich gothifchen Wand-
pfeiler des Schiffes im Renaiffance-Charakter verändert
und das gothifche Gewölbe durch ein Tonnengewölbe
mit Schildkappen erfetzt.
Der fpitze Frohnbogcn blieb erhalten, desgleichen
Wände und Pfeilerdicnfte im Prcsbyterium; doch
wurden hier die Gewölberippen etwa bis zur Hälfte
ihrer Ausladung herabgefchlagen und die fonach noch
vortretenden Theile derfelben durch Mörtelverputz mit
der Gewölbefläche ausgeglichen. Bei genauer Befichti-
gung der gegenwärtigen Gewölbe im Presbyterium find
auf der weiß getünchten Vcrputzfläche an gewiffen
rauhen Stellen noch deutlich die Spuren der Rippen zu
erkennen.
Das fchindclgedeckte Steildach des Kirchleins ift
an der Weftfront durch einen hölzernen ganz mit
Schindeln bekleideten Dachreiter, welcher einen acht-
feitigen Spitzhelm trägt, bekrönt.
In den oben fpitzbogig abgefchloffenen Wand-
feldern a und b (fiehe Grundrifs) des Presbyteriums
befinden fich Wandgemälde, die abwärts bis zur Höhe
derFenfterfohlbank herabreichen, oben die ganze Fläche
bis zum Bogenfchluß ausfüllen.
Diefe Gemälde find nicht al fresco, fondern al
tempera auf rothen Bolusgrund gemalt, der auf glattem
Verputz aufgetragen ift und an einzelnen Stellen durch-
fchimmert.
Das Gemälde bei a, unter welchem fich nahe dem
Frohnbogenpfeiler die kleine fpitzbogige Sacrifteithüre
befindet, ftellt zur Rechten den heil. Adalar dar, welcher
im Bifchofsgewande vor einem Altare knieend durch
von links her auftürmende Kriegsknechte mit gezückten
Schwertern überfallen wird; darüber fchwebt in Wolken
eine Gruppe von Engeln, welche Palmzweige halten
und Blumen herabftreuen. Die Krieger find mitWamms
und Barrett bekleidet, ihre Schwerter nach orientalifcher
Art gekrümmt.
Diefes Wandgemälde, in Compofition und Aus-
führung von geringerem künftlerifchen Werthe als jenes
bei b, ift fpäterhin von ungefchickter Hand zum großen
Theile mit Kalkfarbcn übermalt worden. Befonders
verunftaltet wurden hiedurch die Engelgruppe und die
Figur des heil. Adalar. Da die Übermalung gleich einer
Tünche auf die glatte Malfläche der urfprünglichen
Temperamalerei gefetzt wurde, erfolgte naturgemäß
eine theilweife Abblätterung derfelben.
Eine Zerftörung der Malerei durch Mauerfeuchtig-
keit erfcheint an diefer Stelle ausgefchloffen, da die
Mauern hier fo vollkommen trocken find, wie dies feiten
an einem älteren Bauwerke der Fall ift.
Das Temperagemälde im Wandfelde bei b zeigt
eine reich bewegte Gruppe von Hirten mit allerlei
Herdenthieren, über welche St. Adalar in den Wolken
fchwebend den Segen fpendet. Ganz im Vordergrunde
erblickt man einen höfifch gekleideten Jüngling, welcher
gemeinfam mit einem Mädchen damit befchäftigt ift
einen Ziegenbock zu halten und an deffen Hörner ein
blaues Band zu knüpfen. Den Hintergrund des Gemäldes
bildet eine Landfchaft, welche etwa das Pillerfeethal
vorftellen mag, mit weidenden Rindern. An der linken
unteren Ecke diefes Wandgemäldes ift eine Cartouche
italienifchen Charakters mit ovalem Felde gemalt.
Vermuthlich befand fich in diefem Felde eine Infchrift,
welche fich vielleicht auf die Gründung der Colonie am
Pillerfee und auf jene der (vordem an Stelle diefes
Kirchleins geftandenen) alten Capelle bezogen haben
mochte — eine Vermuthung, die durch weiter unten
anzuführende hiftorifche Nachrichten über die Gründung
der Colonie am Pillerfee geftützt wird.
Auf dem erft in neuerer Zeit weiß übertünchten
ovalen Felde der erwähnten Cartouche wurde in etwa
15 Cm. großen Ziffern mit Blauftift die Jahrzahl 1013
gefchrieben. Nach forgfältiger
lofen Auffchrift fammt Tiüiche
mehr von der alten Infchrift,
Grundirung.
Das Tempcragemälde im Felde b ift weniger ftark
übermalt worden, als jenes bei a. Es erinnert an die
Malweife der oberitalienifchen Schule am Beginne des
17. Jahrhunderts, auf welche Entfteluingszeit (etwa
Entfernung diefer finn-
zeigte fich keine Spur
fondern nur die rolhe
XXVUI. N. F.
74
i6i3)' auch die Coftüme der dargeftellten Figuren
deuten.
An den von Spitzbogenfenftern durchbrochenen
Wandflächen des Presbyteriiimraumes, von der Höhe
der Fenfterfohlbank aufwärts, zeigen fich Fragmente
einer, im Gegenfatze zu den oben erwähnten Tempera-
gemälden, al fresco hcrgcftelltcn Malerei, welche im
mittelalterlichen Charakter gehalten ift und offenbar aus
der Zeit der Erbauung diefes Kirchlcins ftammt.
Entfernt man hier forgfaltig die weiße Kalktünche,
womit Wände und Gewölbe des ganzen Innenraumes
in mehreren Schichten überzogen find, fo kommen
wenigftens jene Partien der urfprünglichen Fresco-
malcrei, welche in rother Farbe hcrgeftellt wurden,
d. i. fcharf abgegrenzte Gewandftücke von Figuren,
ferner Partien des in lichtem Blaugrün gemalten Hinter-
grundes zum Vorfchcin. Die übrigen Farben fcheinen
nicht Mineralfarben gewefen und infolge deffen mit dem
Kalke des Frescoverputzes keine haltbare Verbindung
eingegangen oder durch das Kalkhydrat zerftört worden
zu fein.
Der Berichterftatter fand einzelne diefer Fresken-
fragmente bereis bloßgelegt und hat felbft weitere
Aufdeckungen vorgenommen, immer jedoch mit dem
erwähnten Refultate. Es waren zumeifl Draperie-
Fig. 3. (Draperien von Wandmalereien des 15. Jahrhunderts an den
Chorwänden von St. .\dalari,)
Fragmente in Roth, Rothbraun oder Rothgelb, theil-
weife mit feitlicher Angränzung des blaugrünen
Fondes, wovon in Fig. 3 einige fkizzirte Proben vor-
gelegt fein mögen.
Derartige Fragmente finden fich auch an den
inneren Leibungen der Spitzbogenfenfler, auf die fie
theilweife von den Wänden übergreifen.
Vom Inhalte diefer Malereien läfst fich an derHand
der fichtbaren Fragmente nur foviel vermuthen, dafs
hier Heiligenfiguren dargestellt waren.
Unter der Sohlbankkante der Fenfter finden fich
mehrfach Spuren eines in rother und gelber Farbe al
fresco gemalten Teppichmuflers. Der Umftand, dafs
auch an der nördlichen (noch vom urfprünglich gothi-
fchen Bau erhalten gebliebenen) Wand des Kirchen-
fchiffes Spuren desfelben Teppichmuflers aufzufinden
find, beweift, dafs ehedem der ganze Innenraum diefes
Kirchleins bis auf die Höhe von etwa 2 M. über den Fuß-
boden mit diefer Malerei decorirt war, während fich
ober derfelben wahrfcheinlich durchwegs figurale Dar-
ftellungen befunden haben dürften.
Das St. Adalari-Kirchlcin befitzt gegenwärtig drei
Altäre, welche aus dem 18. Jahrhunderte flammen.
Der Hochaltar im Presbyterium zeigt fchönen Auf-
bau und reiche Vergoldung und enthält in der Mitte
eine Marienftatue mit dem Jefukinde, beide in barocker
Stoffgewandung, darüber einen Schild mit der Infchrift:
„Adalarius Episc(op)us & Mart(yr) Erfurt(ensis)".
Die Seitenaltäre, deren hölzerne Mensa theilweife
über die Frohnbogenpfeiler ausladet, find von minder-
werthiger Architektur und enthalten fchlechte, zum
Theile zerftörte Oelgemälde. An den Wanden des Pres-
byteriums befinden fich Chorftühle ohne künfllerifchen
Werth.
Nur fpärlicli find die hiflorifchen Nachrichten über
den Bau diefes Kirchleins.
Nach Stafflers Befchreibung von Tyrol, S. 911,
befand fich im Klofler Rott am Inn, welches als Abtei
im Jahre 1803 fäcularifirt wurde, die deutfche Ueber-
fetzung einer urfprünglich in italienifcher Sprache ge-
fchriebenen Chronik aufbewahrt. Diefelbe berichtet über
die älteften Anfiedlungen im Pillauthale (l'illerfecthal)
und bemerkt, dafs im Jahre 992 ein Graf Pallfifch mit
Bergleuten und Jägern im Thale erfchien und dort nach
Silber und Kupfer zu graben begann. Die Weiden am
See nahm Graf Hugenoth aus Juvavia mit neuen An-
fiedlern in Befitz. Sie bauten dort dem heil. Adalar eine
Capelle', wurden aber fpäter aus ihrer Anfiedlung ver-
trieben. Ihre Wohnplätze bezogen anno 1016 Coloniften
des Grafen Perfeld aus Alt-Norikum. Graf Perfeld ftarb
1048; über feine Erbfchaft entftand Streit und eine
Seuche wüthete furchtbar im Thale. Mit diefem Jahre
endet die vorgenannte Chronik, vermuthlich weil der
Verfaffer derfelben -- wie eine beigefügte Anmerkung
fagt — an der Seuche flarb. Ein weiterer Anhang diefer
Chronik, welche auch der im Jahre 1018 erfolgten
Gründung der Kirche in St. Jacob in Haus (einer Ort-
fchaft füdweftlich von St. Ulrich) gedenkt, meldet, dafs
Fürfl Kunibert von Baiern 1073 das Thal Pillau dem
Klofter Rott gefchenkt habe. Alle diefe Angaben find
aber nur mit Vorficht aufzunehmen.
Papft Alexander VI. verlieh um 1500 einen Ablaß
allen jenen, welche die St. Adalari-Kirche andächtig
befuchen. Wenige Jahre vorher fcheint die im fpät-
gothifchen Style erbaute und im 17. Jahrhundertc theil-
weife umgebaute gegenwärtige Adalari-Kirche ent-
ftanden zu fein.
Wenn man den oben gefchilderten Zuftand des
ganzen Kirchleins überblickt und hiebei erwägt, dafs
einerfeits ein zerftörender Einflufs durch Mauerfeuchtig-
keit hier nicht vorhanden ift.anderfeits eineReflaurirung
der erwähnten Tempera-Wandgemälde kaum geeignet
wäre diefe in künftlerifcher oder kunflhiftorifcher Hin-
ficht werthvoUer zu machen, dafs ferner eine Wieder-
herflellung der gothifchen Fresken im Presbyterium
nach den noch auffindbaren Fragmenten ausgefchloflen
erfchcint und lediglich eine Malerei neuer Erfindung an
deren Stelle treten müßte, fo wird man zwingend zu
der Schlußfolgerung geführt, dafs es das Rathfamfte
ifl, das Adalari-Kirchlcin hinfichtlich feiner Innen-
decoration im gegenwärtigen Zuftande zu belaffen. Im
Intercffe der Erhaltung diefes Baudenkmales, das
fammt den Grundftücken in feiner Umgebung dem
< Anno T613 erhielt das H.-1US Rosenberg zu Augsburg die Berechtigung
zum Betriebe des Bergbaues in jener Gegend (Staffier Tyrol und Vor-
ralberg S. 906).
' Dies wäre ein Bau, der wahrfcheinlich an der Stelle des gegen-
wärtigen Adalari-Kirchleins geftaiiden haben und entweder eine in Stein
erbaute romanifche Capelle oder eine folchc aus Holz gewefen fein müßte.
- 75
geiftlichenConfiftorium in Salzburg gehört, würde es fich
jedoch empfehlen die flellenweife fchadhaft gewordene
Schindelbedachung entfprechend auszubeffern. Denn
* Diefe Feuchtflecken hat offenbar der Verfaffer des Artikels „Gefähr-
dete Fresken" („Allgemeine Zeitung" und „Innsbrucker Nachrichten" vom
20. September v. J., welchen der Berichterftatter der k. k. Central-Commiffion
überfendet hat) für Fresken, welche die Kalktünche durchfchimmern, gehalten.
am Gewölbe des Presbyteriums zeigen fich bereits
Feuchtflecken/ welche durch oben eindringendes
Regenwaffer entftanden find.
Da aber die alte Gewölbfläche, wie oben nachgcwiefcn wurde, nicht mehr
erhalten ift, kann auch von Freskenfpuren am Gewölbe nicht gefprochen
werden.
Renaiffance-Grabfteine an der Pfarrkirche zu Schönbrunn in
Mähren.
Von k. k. Confervator Bürgerfchullehrer Alois Cserny.
TWA 4 Km. füdlich von Mährifch Schönberg
liegt am Fuße der Ausläufer des Sudeten-
gebirges gegen das Tefsthal am linken . Tefs-
ufer das ftattliche Dörfchen Schönbrunn. Die dem heil.
Bernhard geweihte Ortskirche, vormals Begräbnisftätte
der Befitzer des nahen Schloßes Johrnsdorf weist an
der weftlichen Außenfeite zwei in die Mauer eingelaffene
Grabdenkmale von hiftorifchem und künftlerifchem
Intereffe auf
Das eine Denkmal (Fig. i), eine oblonge Sandfl: ein-
platte von 2-04 M. Höhe und i M. Breite, zeigt in
flacher Nifche unter einem von zwei Halbfäulen getra-
genen Rundbogen die Relieffigur einer aufrecht flehen-
den und en face zum Befchauer gewendeten Dame mit
einem Wickelkinde auf den Armen. Ihr Haupt bedeckt
eine breite Haube, die Schultern ein breiter Kragen,
der bis über die halbe Brufl herabfällt; das eng anlie-
gende, nach unten trichterförmig verbreiterte Kleid
mit einer Bordüre am Saume, das nur die Fußfpitzen
fehen läfst, wird von einem faltenreichen Ueberwurfe,
mit engen, am Oberarme reicli gefältelten und am
Handgelenke mit geflicktem Befatz verfehenen Aer-
meln bedeckt.
Die korinthifchen Halbfäulen die den Nifchen-
bogen tragen, zeigen im unterflen Viertel des Schaftes
über der attifchen Bafis das fogenannte Lederband-
Ornament der deutfchen Renaiffance, darüber von
breiten Stegen getrennte Caneluren mit Rundfläben
im unteren Drittel, die durch vertiefte Punkte verziert
find. Das Capital krönt rechts eine männliche, links
eine weibliche Gefichtsmaske, beide von Tüchern um-
rahmt, die an den Schläfen breite Knoten und herab-
fallende Enden aufweifen. Unten ruhen diefe Halb-
fäulen auf Sockeln, die innerhalb ovaler Blattkränzc
ritterbürtige Wappen mit Helmdecken aus bewegten
Akanthusblättern zeigen. Im linken Schilde fehlt jetzt
das Wappenbild und ifl vielleicht niemals vorhanden
gewefen ; der etwas befchädigtc Stechhelm mit Hals-
kleinod trägt als Zimier einen Pfauenfchweif (?), der
aus einer Krone herauswächst; darüber ein Täfelchen
ohne Auffclirift.
Der Schild zur Rechten zeigt im Wappcnbildc
zwei gegeneinander geflellte Hirfcligcweihe mit fünf
Sproffen, wie folche aucli aus der Krone über dem
Stechhelm herauswachfen. Auf dem darüber ange-
brachten Täfelchen ifl der Name des Wappenträgers
eingemeißelt:
ALINA PRAZMINKA
ZBILKOWA
„Alina Prazma von Bilkow''.
Die Zwickelfelder zu beiden Seiten des Nifchen-
bogens find durch fchräg geflellte Wappen belebt.
Fig. I. iGiabHein der Eftlicr Syrakowsky von Pierkow, datirl 1562. —
Sandftein. — An der Pfarrkirche zu Scliünbrunn in Mithren.)
Das linke mit akanthusartigen Helmdeckcn zeigt im
Wappenbildc ein Wurfeifen, der Stechhelm mit Hals-
10*
- 76 -
kleinod trägt als Zimier zwei aus einer Zackenkrone
hervorbrechende flehende Frauenarme, die in den
Händen einen Ring halten (etwas befchädigt); darüber
ein im Bogen hingelegtes Band mit erhaben aus-
geführter Infchrift:
ESTERA SYRAKoWSKA Z PIERKoWA
„Efther Syrakowsky von Pierkow".
Im rechten, ebenfo behandelten Wappen, erfcheint
als Wappenbild und Helmzier ein nach rechts gewen-
deter Pfau mit gefenktem Schweife; das darübergelegte
Schriftband zeigt die Legende:
KATERZINKA Z PETRZWALDV
„Katharina von Peterswald".
Ucber der Nifche erhebt fich eine von einem ge-
flügelten Engelskopfe bekrönte rechteckige Infchrift-
tafel, deren eingerollte Seitentheile flark befchädigt
find. Die neunzeilige in erhabenen Renaiffancelettern
ausgeführte Infchrift lautet:
(LETHA-i-5)-9-2WYTESAN GESTTENTO-OBRAZ- VROZEfEIPANI ESTERY
(SYR)AKo WSKE • Z • PIERKOWA • MANZIELKY • WELMIMILE • VROZE^EHO • PANA • lANA Z BVKV
(W)KY • KT ERAVZ ■ GEST • PAN • BVH • SMRTI • CASNA VZTOHOTO • S WIETA PO WOLATI RA •
CIL • N ATRZEMiSSKV • LETH A • i • 5 • 8 • 9 ■ WPATEK PoHRoMlCICH MEZY • 9 • A • i o • HODIN A
(V) PREDE DNiMWSSESTI NiDIELICH-POPORODV- AZINCY-DITIETE-GEGIHOT'O
SLEDNIHOKrEHAZ-TAKYVMRIELA-WSEDMI ISEDIELICH ZA MATERZL
SWAVGEGIZTO-OBRAZEK-WYTESAN W NARVCIM GEST-WSSEMOHAVCZY
PAN • BVH • R AC • D VSSIM GEGICH • MILOSTI W • BEYTI • ADORADOSTI NEBESKE
K SOBIE PRZIGYTI-AMEN-
„Im Jahre 1592 ifl: ausgemeißelt worden diefes
Bild der wohlgeborenen Frau Efther Syrakowsky von
Pierkow, der vielgeliebten Gemahlin des wohlgeborenen
Herrn Johann von Bukuwky, welche der Herr Gott auf
Johrnsdorf im Jahre 1589 Freitag nach Maria Licht-
meß zwifchen 9 und lO Uhr vor Tags in der fechsten
Woche nach der Geburt Alina's, ihres letzten Kindes,
welches auch fieben Wochen nach der Mutter flarb und
— — ^^^
Fig. 2. (Grabftein der drei Söhnchen des Johann von Bukowsky und der Efther Syra
kowsky, um 1590. — Sandftein. — An der Pfarrkirche zu Schönbrunn in .Maliren.)
deffen ausgemeißeltes Bildchen in ihren Armen ruht,
durch den zeitlichen Tod von diefer Welt abzuberufen
geruhte. Der allmächtige Herr Gott geruhe ihren
Seelen gnädig zu fein und wolle fie zu fich in die himm-
lifchen Freuden aufnehmen. Amen."
Das zweite Denkmal (Fig. 2), ebenfalls aus Sandftein,
in F"orm eines liegenden Rechteckes von i'30 M. Breite
und 087 M. Höhe wird durch ein horizontales Gefimfe
in zwei ungleiche Felder getheilt. Das untere größere
Feld ift in drei flache rundbogige Nifchen gegliedert,
die durch gedrungene Halbfäulen voneinander getrennt
find. Jede Nifche enthält in Relief auf granulirtem
Grunde die Figur eines en face knieenden Kindes mit
lockigem Haupthaar und zum Gebete gefalteten
Händen. Den Hals umfchließt jedesmal eine fteife
Kraufe, den Körper ein langes, an den Hüften ge-
fchürztes Gewand mit dichten und regelmäßigen Falten
und mit engen, am Saume verzierten
Aermeln.
— .: - Die trennenden Halbfäulchen da-
zwifchen, mit dorifirenden Capitälen,
zeigen an den Schäften arabeskenartiges
Blätterwerk, die Zwickelfelder darüber
geflügelte Engelsköpfe, die an den Eck-
zwickeln durch Kinderköpfe mit Hals-
draperie erfetzt erfcheinen. Am Gefimfe
find ober jedem Kinde Täfelchen be-
feftigt. Das mittlere trägt die Auffchrift:
•PETR-ZBV-
KVWKY-
„Peter von Bukuwky".
Auf den beiden anderen ifl: zu lefeii:
•VRODIL-SE-
■MRTWY-
„Wurde todtgeboren".
Die Mitte des oberen Feldes ziert
das von einem viermal gebundenen kreis-
ähnlichen Lorbeerkranze umrahmte
väterliche Wappen mit einer Achterfchlinge im
Schilde, welchen bewegte Akanthusblätter einfchließen.
Dem Stechhelm, mit Halskleinod, ift die aus einer
Krone herauswachfende Zier abgebrochen. Zu beiden
Seiten des Wappens je eine rechteckige Tafel mit
volutenartig aufgerollten Rändern, darin in erhöhten
AntiquaCapitalbuchftaben ausgeführte Infchriften, die
fich auf die Kinderfiguren darunter beziehen. Die
rechte Flachrelief-Infchrift lautet:
— n
WYTESANY-SAVTYTO-OBRAZY WLASTNICH
DYTEK VROZE ^EHO■PANA lANA Z BVKVVV
KYANA TKZEIVESSKV-ZPLOZEISEICH-ZVR
OZENAV • PANI ■ ESTERAV SIR AKOWSKAV •
Z PIERKOWA . M.KLADEM • GEHo • KTEREZ •
SAV-SEZRODILI LETHA- 1586-lVESICZE-
CZERWNA • 23 • D]SE • OKoLo POLEDNE •
VRODILSE- GEBEN SYN MRTWY-
„Ausgemeißelt auf feine Koften find diefe Bilder
der leiblichen Kinder des wohlgeborenen Herrn Johann
von Bukuwky und auf Johrnsdorf, gezeugt mit der
wohlgeborenen Frau Efther Syrakowsky von Pierkow,
welche geboren wurden im Jahre 1586 den 23. Tag
des Monates Juni um den Mittag. Ein Sohn wurde tod-
geboren."
Die Infchrift der linken Tafel hat folgenden Wort-
laut:
• TEZ • HoDIN Y • VRODIL • SE • DRVHY ■ SYN • GIVENEM
PETR ■ AVMRZEL • TEHoZ • LETHA 25 • DN£ ■ CZER
WNA ■ S A VCZE • ZYW • DOTRZETIHo • DISE LE
THA • I s 87 • MIESICZE • RZ YGN A • 2 5 • DISE ■ VRoDIE
SE -TRZETISYN MRTWY • GEGICHZ • TO • DVSS :
YM ■ VVSSEMoH A VCZ Y ■ PAN • B VH • R ACZ • MILOSTIW
BE YTT ADONEBESKE • RADOSTI • PRZIGITI •
• :• AMEN •:.
„Um diefelbe Stunde ward ein zweiter Sohn, Peter
mit Namen, geboren, er ftarb in demfelben Jahre am
25. Tage im Juni, nachdem er den dritten Tag erlebte.
Im Jahre 1587 am 25. Tage des Monates 06lober
wurde der dritte Sohn todgeboren. Ihren Seelen geruhe
der allmächtige Herr Gott gnädig zu fein und nehme
fie auf in die himmlifchen Freuden. Amen."
Die Stammburg des heute noch blühenden Ge-
fchlechtes der Bukuwky von Bukuwka,' von welchem
Sigmund Thomas und feine Nachkommen am 17. Au-
guft 1800 durch Kaifer Franz II. in den erbländifchcn
Grafenftand erhoben wurden, war die nun feit Langem
in Trümmern liegende kleine Vefte Bukowka w. n. w.
von Pardubitz in Böhmen.* Nach der zweiten Hälfte
des I 5. Jahrhunderts tauchen die Glieder diefes alten
Wladykengefchlechtes in Mahren auf und Peter, Käm-
merer des Olmüzer kleinen Landgerichtes, eiwarb um
1559 das Gut Johrnsdorf. Er war ein eifriges Glied der
Unität (derBöhmifch-mährifchen Brüder), für deren Ge-
fangsbuch er einige Gefänge lieferte-'' und überließ das
Gut feinem Sohne Johann,* welcher fich mit Efther, einer
Tochter des Hieronimus Syrakowsky von Pierkow,
verehelichte. Diefer Schwiegervater Johanns war im
1530 aus Polen nach Mähren gekommen und durch
Heirat mit Katharina Peterswaldsky von Petcrswald in
den Befitz des Olmüzer bifchöflichen Lehens Altendorf
' Gothaifches genealogifches T.ifchcnbuch der graflichen Käufer. Jahr-
gang 1884. S. 136, dann 1846, 1848, 1866, 1877. S. 153; 1878, .S. 149 und Hand-
buch, S. 105.
-Johann Gottfried Sommer, Das Königreich Böhmen, (latiftifch und
topographifch dargeftellt. V. Band Chrudimer Kreis. Prag 1837, S. 62.
Franz Alexander Heber, Böhmens Burgen, Veften und Bergfchlüßer.
V. Band. Prag 1847, S, 143.
* Anton Gindely, Gefchichte der böhmifclicn Brüder. Prag 1868. I. Band
S. 460.
* Gregor Wolny, Die Marl<graffchaft Mahren, topographifch, (latiflifch
und hiftorifch gefchildcrt. Brunn 1839. V. Band, S. 474.
Franz Jofeph Schwoy, Topogr.apliic vom Markgiafthum Mahren. Wien
1793. I. Band, S. 296.
gelangt. Seine Nachkommen, von denen Ctibor, Obrift-
landfchreiber in Mähren, das Gut Paskau und Hynek,
1604 das Gut Zabfeh erwarben, waren bereits 1629
gänzlich verarmt und der oben genannte Johann hat
im Jahre 16 16 wegen Betheiligung an der Rebellion
feinen Befitz eingebüßt.' In der Folge wurde das Ge-
fchlecht am 26. Juni 1775 in den österreichifchen
Grafenftand erhoben (in den preußifchen am 18. Juni
1776); die Nachkommen find noch jetzt in Weftpreußen
und Ruffifch-Polen begütert.*
Mütterlicherfeits entftammte fomit Efther dem
illuftren Gefchlechte der Peterswalde, deren Wiege die
Vefte Peterswald bei Hochwald in Mähren war. Die
Träger des filbernen Pfaues im gefpaltenen blau-gol-
denen Schilde mit der Devife: „Candore et vigilantia"
wurden 1650 in den Freiherrnftand erhoben. Johann
Bernhard, Herr auf Buchlau etc., war der reichfte und
angefehenfte aller Sproffen diefes Haufes, deffen Mann-
ftamm im Jahre 1763 erlofch.^
Die alten Genealogen verfetzen die Wiege
der Prafchmas, welche ein fchwarzes Hirfch-
geweih im blauen Felde und über dem Helme
führten, nach der Burg Bilkau auf der Herrfchaft
Datfchitz im Iglauer Kreife Mährens. Das ritter-
bürtige Gefchlecht heiratete in die erften und
mächtigften Herrengefchlechter und erwarb fo
zahlreiche Güter in Mähren und Schlefien. Alina*
(Helene) Prazminka von Bilkow vermählte fich
mit Johann Peterswaldsky von Peterswald ^ und
wurde dadurch Großmutter der Efther Syrakowsky
von Pierkow. Die Nachkommen der Freiherren von
Prafchma wurden ddo. Preßburg 24. Mai 1655 in den
böhmifchen Grafenftand erhoben und blühen noch
gegenwärtig auf Falkenberg in der preußifchen Provinz
Ober-Schlefien.*
Es ift zu bedauern, dafs diefe Sculpturen, deren
ftylvolle Einzelnheiten eine vollendete Gefammt-
wirkung erzeugen und durch ihre künftlerifche Aus-
führung das Maß der Mittelmäßigkeit überfteigen, ent-
weder vom Zahne der Zeit oder von böswilliger Hand
befchädigt wurden.
Ein uns derzeit unbekannter KüniTiler ■ — mög-
licherweife derfelbe, welcher 1587 \^.) das Schloßportal
in Johrnsdorf angefertigt — hat fie mit außerordent-
licher Sorgfalt in Moleteiner Sandftein ausgearbeitet,
und fie legen noch heute ein erhebendes Zeugnis feines
Könnens und Schaffens ab. In idealer Begeifterung für
die Kunft, von der das obengenannte ungemein reiche
und zierliche Portal Zeugnis gibt, hat Johann Bukuwky
von Bukuwka, Befitzer des Gutes Johrnsdorf, dasfelbe
drei Jahre nach dem Tode feiner erften Gemahlin her-
ftellen laffen. Die hier publicirten zwei Grabfteine aber
berichten uns von einem tragifchen Gefchick, das fich
auf Schloß Johrnsdorf zu Ende des 16. Jahrhunderts
abgefpielt hat; umfo berechtigter mag hicnach der
Wunfeh erfcheinen, dicfelben pietätvoll zu erhalten.
' Woiny. I. Band, S. 31, 370 und 379.
Schwoy. ni. Band, S, 9, 14s und 309.
• Gothacr genealogifches Tafchenbuch der gränichcii Häufer 1884.
S. 895. und Handbuch S. 919.
^ Leopold Graf Berchtold, Vergangenheit und Gegenwart der Hcrren-
burg Buchlau im mahrifchcn Marsgehirgc. Brunn 1893. S. 120, 121 und 177.
J. Müller, Die Herrnburg Buchlau im gefegnetcn Marchlandc. Prag
1837, S, 147 und 148.
* Alena-Helena. V. Brandl. Glossarium illustrans bohemico-mora\icae
historiae. S. 2. Briinn 1876.
^ J. Müller, ibid. S. 123.
" Gothaifchcs genealogifches 'rafchenbuch der gräflichen Häufer. Jahr-
gang 1884, S. 726 und 727, fernei Handbuch S. 724, fowic Jahrgang 1875,
S. 664 und 665.
- 78 -
Romanifche Wandmalereien zu Pürgg und Hartberg.
Vom k, k Confervator f. b. geiftl. Rath jfohann Graus.
(Hi«u Taf. IV— XI.)
I.
lER Innenfchmuck von Kirchenräumen durcli
Wandmalereien in zufammenhängender Com-
pofition ift eine Tradition der altchriftlichen
Periode. Vom Grunde des Apfisgewölbes, von der
Fläche über dem Triumphbogen, von den Hochwänden
des Hauptschiffes der berühmten Bafiliken leuchten die
heiligen Darftellungen, in Mofaik hergeftcUt, und bilden
eine fyftematische Darlegung der kirchlichen Ideen.
Diefe Tradition fand eine treue Fortübung fovvohl in
den byzantinifchen Kuppelbauten als auch in den
abendländifchen Kirchen des romanifchen Styles, frei-
lich in letzteren nicht mehr durch Mofaik, fondern in ge-
wöhnlicher Maltechnik. Im gothifchen Style war durch
die Durchgliederung und Durchbrechung der Um-
faffungsmauern der Innenbemalung der Raum zur
Cyclusbildung benommen. Erft infolge des Stylwechfels
zur Renaiffance und Barocke konnte fie wieder in unfere
Kirchen einziehen. Eigentliche Gemäldecyclen aus dem
Alittclalter dürfen wir daher heute kaum anderswo als
in Kirchen der romanifchen Stylzeit erwarten und felbft
von folchen werden gewöhnlich nur kleine Bauten,
welche von zeitgemäßen Umbauten, Erweiterungen
oder Verfchönerungen unberührt geblieben find, der-
gleichen alte Malereien noch zu fchaucn bieten.
Solche Nebenkirchen Steiermarks waren es, die
unfere Zeitgenoffen mit der Entdeckung alter Mal-
cyclcn erfreuten: die St. Johannes-Capelle zu Pürgg
im oberftcirifchen Ennsthale und der Karner zu Hart-
berg in Oftfleiermark, der Stadtkirchc zur Seite. Beider
Malereien entflammen der Kunftperiode des romani-
fchen Styles; beide mußten unter fpäterer Ueber-
tünchung hervorgefucht und reftaurirt werden, unter
kräftiger Ergänzung der unterbrochenen Umriffe und
Neubelebung der Farbenflächen. Ohne diefe zwei dem
Archäologen unerwünfchtcn
Beigaben
werden fich
leider wohl kaum irgendwo romanifche Wandmalereien
in Räumen fortdauernder Cultusübung finden laffen.
Reftaurirt (und zwar mit nicht ganz unbedenklichem
Erfolge) find die Malereien zu Schwarzrheindorf, im
Kapitelfaal von Brauweiler, im Domchore zu Braun-
fchweig: und das find Beifpiele hochbedeutendfter
Werke. Da auch die beiden fteirifchcn Kirchlein im
Vollzuge gewiffer Stiftungen vom Cultus fortdauernd
beanfprucht werden, war die Reflauration ihrer
Malereien nicht zu entbehren, wenn ihr Fortbefland für
die Zukunft nicht in Frage geftellt werden follte. Leider
hat man fich hiebei nicht fo ausfchließlich, wie zu
wünfchen gewefen wäre, auf bloße felbftverftändliche
Ergänzungen und Wiederbelebungen befchränkt; die
Partien, in denen man darüber hinaus zu felbftfländiger
Mache gefchritten ift, follen in der nachfolgenden Be-
fchreibung im Intereffe der Forfchung über die Ge-
fchichte der chriftlichen Kunft ausdrücklich als folche
bezeichnet werden. Wir nehmen die St. Johannes-
Capelle von Pürgg voraus, da fie durch ein höheres
Alter ihrer Malereien ausgezeichnet ift.
Pürgg, der am fteilen Gelände über dem Ennsthale
horftende Pfarrort, hieß zu ältefter Zeit feines ur-
kundlichen Vorkommens Graufcharn und hatte neben
fich ein herzogliches Schloß ..castrum Gruscharn", das
zeitweife dem Markgrafen Ottokar V. dem Traungauer,
in gewöhnlichen Zeiten aber einem Verwalter „econo-
mus marchionisse" zum Aufenthalt diente. Das Schloß
ifl vom F>dboden verfchwunden und nur der Kirchort
ift geblieben. Sein Gotteshaus, in der Hauptfache
eine romanifche Pfeilerbafilica, geht mit feinem Ur-
fprunge ficher ins XII. Säculum zurück, wo 1185 ein
Heinricus als „Archidiaconus", 1195 vielleicht derfelbe
als Archipresby ter des Amtes waltete. Die Pfarre reichte
weit hinaus in die Umgegend, fo dafs im 14. Jahrhundert
das Terrain von Auffee und jenes von Mitterndorf von
ihr ausgefchieden werden mußten. Im 15. Jahrhunderte
war Pürgg dem St Georgs-Ritter-Orden von Millftatt in
Kärnten zufländig und ging von demfelben im XVI.
Fig. I. iGrundrifs der St. Johanniskirche zu Pürgg.)
Säculum an das Jefuitencolleg von Graz über. Eine
Befchreibung der Pfarrkirche gab ich im „Kirchen-
fchmuck" 1881 S. 121.
Zur Zeit, wo diefe Pfarre Sitz des Archidiaconats
der Metropole Salzburg war und jener Heinricus 1195,
1203, 1209, 121 1, 1214, 1220 und 1230 urkundlich
durch angefehene Vertrauensämter im Lande aus-
gezeichnet erfcheint, entfland unter der Pfarrkirche
auf einem Felfenhügel die St. Johannes-Baptiftcapelle,
e.v voto oder als Baptiflerium, die noch heute den
Charakter der romanifchen Kirchenanlagen kleinerer
Art felbft in den architektonifchen Einzelheiten wohl
bewahrt hat. Wie unzählige folcher Bauten beftand fie
aus einem oblongen flachgedeckten Schiffe von 830 M.
lichter Länge, 4-50 M. Weite und 6 M. Hohe bis zur
Holzdecke (Fig. i. 2).' Oftwärts zu öffnet ein im Halb-
kreife gefchloffener Scheidebogen den Einblick in den
apfislofen Altarraum von beiläufig quadratifchcr Grund-
form (3'40:3-65 M.) und mit Flachkuppeigewölbc (F"ig. 4).
Die Wände diefes „Chorquadrates" find mit je drei
Nifchen belebt, deren mittlere mit ihrem Rundbogen das
' Der GrundriCs Fig. i und die Außenanficht Fig. 3 find nach Auf-
nahmen des VerfafTers, der Längfchnitt Fig. 2 nach einer Skizze Th. Melicher's
hergeftellt.
Mitth.
* '• ^
K~
Mitth. d. k. t. Centv.-Comm. f. Kunst- u. bist. Denkm., Jahrg. 1902.
Taf. IT.
#
SuJwftnd .Ici LnHghftiifci der St, Juhnnuiikifclic i\i TäcRg.
Mitth.
r
vw^
tg
^^y^'
^
1
.1 \.
:^Q
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. bist. Lenkm., Jahrg. 1902.
Taf. V.
1
^W4.^i^ tJF^ar^^a. ^;. ,:,
Nonlwm.l Jei I.angh:iufi:* der St, Joh.inniskiKhc /ii rurg^;,
L
in
I
- 19 -
eine Fenfler in jeder der drei Wände überfteigt und
umrahmt. Die Fenfter bilden verliältnismäßig fchmale
Schlitze mit breiter Abfchrägung der Leibungen. Je
drei durchbrechen die Längsfeiten des Schiffes; je eines,
wie fchon bemerkt, jede der drei freiliegenden Wände
des Altarraumes. Die rundbogige Pforte an der Wefl-
fagade zeigt außer einem Capitälgefimfe keine Gliede-
rung oder Verzierung. Spätere veränderungsluftige
Zeiten konnten am urfprünglichen Baugefüge glück-
licherweife wenig verderben. Das fchlimmfte war die
Einziehung eines Gratgewölbes in den Schiffraum. Bei
Fig. 2. (Längenschnitt der St. Johanniskirche zu IHirgg.)
der neueftcn Reftaurirung hat man dasfelbe entfernt
und durch eine einfache Bretterdecke erfetzt.
Jn den fiebziger Jahren entdeckte ein kunftfinniger
Priefler der Pürgger Pfarre über dem Gewölbe Mal-
fpuren und machte darauf weitere Kreife aufmerkfam.
Namentlich infolge des Eingreifens der fürftlichen
Familie von Hohenlohe-Schillingsfürft wurden die
Gemälde allmälig von der Tünche befreit. Unter der
Obforge der k. k. Central-Commiffion kam endlich zu
diefem Zwecke ein förmliches Reflaurationsunter-
nehmen zu Stande, das dem akademifchen Maler
^wAS;^:
A-'^-'^^^^-'-'^-iS^-
Fig. 3. (Außenanficht Uer Sl. Juliaiini.skiiclic zu Pürgg von Norden.)
Theophil Mclicher unter der Oberleitung des Mitgliedes
der Central-Commiffion und Profcffors der k. k.
Akademie kaif. Rath Jofeph Trenkwald anvertraut
wurde. Die Arbeiten wurden in den Jahren 1893 und
1894 durchgeführt unil in den Mittheilungen der k. k.
Central-Commiffion 1894 S. 17 und S. 196 und 1895
S. 186 darüber berichtet. Da dicfe Veröffentlichungen
aber infolge Mangels aller Illuftrationen der Wichtig-
keit der Kunftfchätze nicht hinreichciul Rechnung
trugen, foll im Nachgehenden das bisherige Vcr-
fäumnis durch Vorführung der Denkmäler in Bild und
Wort gutgemacht werden.
Die Malereien der St. Johannes-Capelle erfüllen
Schiff und Altarraum. Im Schiff zieren fie die zwei
Längswände und die denfelben zugekehrte Fläche der
gegen den Altarraum gerichteten öftlichen Wand,
während die Weflwand bis auf eine Abfchlußbordüre
unter der Decke nichts zu fehen bot. Der Altarraum
war fowohl an den Wänden als am Gewölbe ausgemalt.
Befleller und Maler fämmtlicher erhaltenen Bilder haben
zweifellos einer und derfelben Zeit angehört. Dafs wir
den Befteller der Bemalung in einem Priefter zu
fachen haben, geht fchon aus den in ftrengem Zu-
fammenhange gefafsten corie6t kirchlichen Ideen nahezu
mit Gewifsheit hervor. Wahrfcheinlich war er mit jenem
Heinricus archidiaconus identifch, der am Schluffe des
XII. und tief ins XIII. Säculum hinein in Pürgg gewaltet
hat. Die Gemälde felbft liefern dafür eine Stütze. An
hervorragender und bedeutfamer Stelle, rechts und links
vom Eingange zum Altarraume (Taf. VI), fehen wir
zwei als Donatoren gekennzeichnete Perfonen, links
einen Geiftlichen mit dem Kirchenmodell, rechts einen
vornehmen Laien. In Stellung und Geberde correfpon-
diren fie mit den darüber dargeftellten Erftlingen der
opfernden Menfchheit, Kain und Abel. Der Styl des
Baues und der Malereien deuten aber genau auf jene
Zeit der Wende des 12. zum 13. Jahrhundert, in
welcher jener Archidiacon zu Pürgg gewirkt hat. Sein
Gegenüber werden wir wohl am eheften auf einen
der damaligen Schloßverwefer des landesfürfllichcn
Caftrum Grufcharn oder auf den adeligen Befitzer einer
nahen Herrfchaft beziehen dürfen, der an der Stiftung
in irgend welchem Maße Theil gehabt haben mochte.
Der vermuthliche geiftliche Befleller hatte nun offenbar
nach verbürgt uralter Sitte beabfichtigt, die Einzel-
darllellungen fo zu wählen, dafs fie auf ein Centrum
abzielten, wie ein folches im chriftlichen Gottesdienft
durch das heilige Opfer, in der Kirche durch den Altar,
in der chriftlichen Gemeinde durch denErlöfer gegeben
war. Von diefem Standpunkte erwogen, ift das Ganze
der Pürgger Malereien wohl berechnet.
Im Schiffe, als dem Vorraum des Altares, beginnt
der Cyclus an der Südwand (Taf IV) den Urfprung des
Erlöfungsopfers, die Menfchwerdung Chrifti in der Ver-
kündigung und Chrifti Geburt zu fchildern. Die wunder-
bare Brodvermehrung auf der Nordwand (Taf. V) be-
zeichnet näher die Weife, die die Opferhandlung der
Kirche (die heil. Meffe) infolge der Einfetzung des
letzten Abendmahles einhält, als das neuteftamentari-
fche Opfer Melchifedechs nach Chrifli Worten: „Ich bin
das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ift".
Die Forderung der Würdigkeit, welche Chriftus an die
Theilnehmcr an feiner Opferfeier ftellt, künden im l^ilde
die klugen und thörichten Jungfrauen über den Haupt-
darftellungen beider Längswände. Die erfteren finden
die Gnadenthüre geöffnet und des Bräutigams bewill-
kommende Hand entgegengeftreckt; die letzteren
weichen trauernd zurück vor der vcrfchloffenen Pforte.
Am Scheidebogen (Taf VI) aber, durch welchen der
Blick und Zugang frei wird zum Opferaltare, zeigt hoch
in der Mitte das Bild des ewigen Vaters zwifchen den
zwei opfernden Söhnen der Stammcltern des Men-
fchengcfchlechles Abel und Kain, das ältcfte Opfer,
für Chrifti Opfer das Vorbild. Mit diefen Opfernden der
80 —
Urzeit vereinigen fich der Donator-Priefter diefes
Ileiligthumes und feines Schmuckes und der vornehme
Laie, unter Kain und Abel liier dargeÜellt.
Wie der Lobgefang der Engel, das Trisagion in
der Meffe zum Canon und zur eigentlichen Opferhand-
lung einführt, fo fchauen von der Schwelle des Altar-
raumes von der inneren Bogenfläche die Bilder der
drei heil. Erzengel herab. Im Altarraume felbft; trägt
die Gewölbefläche (Taf. VII) die Ilauptdarflellung. Ihr
Quadrat zeigt zwei concentrifclie Kreife eingezeichnet,
in deren innerem, gerade über dem Altare, das Lamm
Gottes als Ausdruck des Erlöfungsopfers erfcheint,
das feine Fortfetzung in der heil. Meffe findet. Vier
Strahlcnlinien, vom inncrflen Kreife durch den äußeren
geführt, theilen diefen in vier Felder zur Aufnahme der
Symbole der vier Evangeliften; die vier äußerflen
Fig. 4. (Einblick in den Chor der Sl. Joh.mniskirche zu Pürgg.)
Zwickelfelder des Gewölbes find mit vier theils bärtigen
theils unbärtigen Männerfiguren gefüllt, welche atlan-
tenförmig das Rund des großen Kreifes emporzutragen
fcheinen. Sie ftellen die ganze Menfchheit der vier Welt-
gegenden, die Völker der vier Erdthcilc vor ; der Predigt
des Evangeliums folgend, von „Gott erkauft mit dem
Blute des Lammes aus allen Stämmen und Sprachen
und Völkern und Nationen" (Apok. 5, 9) dienen fie jetzt
in feinem Reiche, wie die Umfchrift im inncrften Kreife
lautet: J • XPO • DANT • NACIONES • AGNI • PRECO-
NES". Unten aber (Fig. 4) an den drei Wänden hinter
dem Altartifche und zur Rechten und Linken davon
ficht man Vollfiguren von Heiligen von den Nifchen wohl
umrahmt, und zwar an der Oflfchlußwand den Titel-
heiligen der Capelle St. Johannes-Baptift und (wahr-
fcheinlich, weil mit der Bezeichnung als Apoflel, die
Rolle haltend dargeflellt) Johannes den Apoflel, ferner
auf den anderen Wänden einerfeits einen heil. Bifchof
mit dem Pallium und Buch, anderfeits einen zweiten
folchcn mit Infel und Paftorale und zwei Könige mit
den Schriftrollen, die wir wohl als Propheten im weiteren
Sinne des Mittelalters nehmen dürfen, da fie ohne den
Nimbus gegeben find. Die demonftrirende Hand-
bewegung des Einen fcheint dies zu bekräftigen; zu-
dem trägt der andere nebfl: dem Spruchbande eine
weiße mit dem Kreuze verfehene Brodfeheibe (Hoflie)
und dürfte Melchifedech fein; fein Gegenüber aber
möchte den König David vorftellcn, der im Pfalm 109, 4
den Meffias ficht als den „Priefler ewiglich nach der
Ordnung des Melchifedech". Die fchmalen Räume ober
diefen Figurennifchcn und unter dem Chorgewölbe hat
der Maler verwerthet, indem er ihnen je zwei fchwebende
Figuren von jugendlichem, beziehungsweife weiblichem
Typus einordnete. Zwei dicfer Paare, welche von ein-
einander fich entfernend niederwärts fliegen, find durch
die Flügel und Nimben als Engel charakterifirt.
Weibliche nimbenlofe Figuren laffen die anderen zwei
Paare erkennen. Der Context aller Malereien verbietet
es, diefe Gertalten für Anfpielungen auf profane Ereig-
niffe jener Zeit zu nehmen; fie werden wohl auch
religiöfe Ideen verfinnlichen follen. Je ein Paar
fchweben fie aufeinander zu, flrecken fich die Hände
entgegen und faffen fich damit, wobei die eine Figur
ein Ringlein hält, um es der anderen anzuftecken.
Halten wir das Hauptthema des heil. Opfers feft, in dem
fich hier alle Darflellungen zufammenfinden,fo möchten
fie uns wohl jenen Pfalmvers 84, 1 1 illuftriren, den der
Priefter im Vorbercitungsgebet zur Meffe zu recitiren
hat: „Misericordia et veritas obviaverunt sibi; justitia
et pax osculatae sunt". Barmherzigkeit und Wahrheit,
Gerechtigkeit und Friede vergleichen fich über die
Differenzen der Sünde, welche Chrirti Erlöfungsopfer
aufliebt. In der Kunft des romanifchen Styles war ja
die Uebung finnbildlicher Darftellungen der Kräfte,
Tugenden und Lafter und Illuftrationen obiger Schrift-
ftelle ganz befonders verbreitet.
So wären alle Darflellungen zufammenhängend
durch den Gedanken verknüpft, welcher dem Zwecke
des Raumes, dem kirchlichen Opfer am Altare genau ent-
fpricht. Nur eine einzige Compofition fleht außer Bezie-
hung, wenigftens foweit fich bis jetzt beurthcilen läfst,
und fchon ihre Stellung, fern vom Altare und abgefchie-
den von den anderen Bildern, knapp an der Südweftecke
(Taf. IV) des Schiffes, läfst fühlen, dafs diefes Gemälde,
wenn auch gleichzeitigen Urfprunges mit den übrigen,
doch mit feiner Bedeutung abfcits fleht. Es ift dies die
Belagerung einer Burg, die vonMäufen vertheidigt, von
Katzen angegriffen wird (Taf IV). Ueber einer zinnen-
bewehrten Ringmauer mit Eckvorfprüngen erhebt fich
eine Burg mit fechs Tiiürmen, von welcher dunkle und
lichte Mäufe, ausgerüftet mit Schwertern und Bogen,
durch Pfeilfchüffe die unten andringenden zum Theile
mit Schilden verfehenen Katzen abzuwehren fuchen.
Was diefe Compofition hier foll, ifl nicht ganz ohne
Schwierigkeit fcflzufi eilen. Indes mag man fie zuerft
als eine poetifche Illuftration des Ortsnamens anfehen
dürfen. Denn das ältefte Wort Graufcharn kann, wie fo
viele Ortsnamen der Steiermark, aus dem Slavifchen
erklärt werden und heißt dann dasfelbe wie „Burg",
weshalb es fpäter auch ins jetzige „Pürgg" umgeändert
Mittli. d, k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. bist. Denkm., Jahrg. 1902.
Taf. VI.
Oftivand des Langhaufes der St. Johanniskirche zu Pürgg.
Dnick^ius d8rk.kHofu.Stsi,iür..-
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. bist. Denkm., Jahrg. 1902.
Taf. VII.
Gewölbe des Chores der St. Johnnniskirche zu I'iirgg.
Druck aus der k k Hofu Slaalsdruckerei,
Mittli. d. k, k. Centr.-Comra, f. Kunst- u. kist. Denkm,, Jahrg. 1902,
Taf. VIII.
I. 'rriumphbos^en von der Cliorfeite. 2. T.oibung des Triumphbogens. 3. 4. Fenftcrleibungen.
^
.^-^
^5)
m
l|i'Ni;lr'J
zu IIa
Uitth. ü. t. i. CectL-ComiD. t. Euiist- n. bist Denkm., Jahrg. 1902.
(^
r^
Mitth. d. k. k. Cec
j-v\r\f\j-\rij'\
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. bist. Denkm., Jahrg. 1902.
Taf. X.
Die Malereien der Aptiswand des Kamers lu Harlberu.
r
Mittli, d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. Mst. Denkm., Jalirg. 1902.
Taf. XL
Decorative Wandmalereien,
2 nus ..l'-r Joluinniskirclie zu Pürgg. 3 His 6 aus der Uotiuidf '-^ ^<
IT »rtlierg.
8i —
wurde.' Mit diefem Namen möchte nun vielleicht eine
mittelalterliche Thierfabel, der „Katzen-Mäufekrieg" in
Verbindung gebracht worden fein.
Die Güte des Herrn P. Stephan Beißel vermittelte
mir darüber nachftehende Mittheilung des Herrn P.
Baumgartner: Der „Katzen-Mäufekrieg" (FaXsojxoojAa-^i'ci,
beffer Kazoivio^LOLytoC) , eine dramatifche Parodie zur
homerifchen Batrachomyomachie, wurde verfafst von
Theodoros Prodromos, der um die erfte Hälfte des
12. Jahrhunderts in Conftantinopel lebte. Es ift dies
ein Gedicht von 384 Trimetern (Ausgabe zu Leipzig
1873): „Der Mäufekönig und feine Gattin rufen die
übrigen Mäufe zum Kampfe gegen die Katze auf,
welche furchtbare Verheerungen unter ihnen anrichtet.
Die Mäufe wären verloren, wenn nicht als Deus ex
machina ein Balken herniederftürzte und die Katze
erfchlüge". P. Stephan Beißel machte aufmerkfam,
dafs der Balken fich im Bilde zu Pürgg dargeflellt
findet. Er ift auf der Spitze des mittleren Thurmes in
Kreuzform fichtbar und eine oben mit dem Pfeil-
fchießen befchäftigte Maus fcheint ihn vom Thurm-
dache loszumachen, damit er auf die unten in fchwerer
Rüftung herzueilende Katze herabfalle. Ob eine be-
fondere Begebenheit zu Pürgg diefe Darfteilung ver-
anlafst hat, ift wohl nicht feftzuftellen. Die mittelalter-
liche Unbefangenheit hat wohl manches zuwege ge-
bracht, das zu anderen, etwa unferen Tagen unerklär-
lich erfcheinen müßte. Das gilt befonders von den
Thierfabeldarftellungen an kirchlichen Objekten.
Hinfichtlich der Eintheilung der Wandmalereien
wäre noch anzugeben, dafs Horizontalbänder die
Schiffwände in drei Gefchoffe von beiläufig gleicher
Höhe fondern. Das unterfte nimmt die Decoration
eines gemalten ftylifirten Teppichgehänges ein. Hierauf
folgen die angeführten wichtigften Darftellungen. Im
oberften, von den Fenftern durchbrochenen Gefchoffe
begegnen wir den klugen und thörichten Jungfrauen,
worauf ein breites Mäanderband gegen die Flachdecke
den Abfchluß bildet.
Im Altarraume, der an Höhe gegenüber dem
Schiffe zurückfteht, läuft das erwähnte Horizontal-
fockelgefchoß durch; doch ift das Gehänge durch eine
Teppich mufterung erfetzt. Die Scheidebogenpfeiler
und fämmtliche F"enflerleibungen find durchaus mit
Muftern verziert.
Was nun das Styliflifche der figuralen Compofi-
tionen betrifft, fo haben wir da, wie auch durch die
vor der Reftauration vollzogenen, im Archive der k. k.
Central-Commiffion erliegenden Aufnahmen beftätigt
wird, Werke aus romanifchem Style der kräftigflen Mitte
feiner Periode vor Augen, denen die eigenthümliche
fchwunghaftere Behandlung der Uebergangszeit zum
gothifchen Style noch abgeht. Derb und kräftig find
die Leibesbildungcn, ruhig und rundlich die Faltenzüge
und ihre Brüche; dagegen find fpitze Auszackungen
dcrfelben, feinere Ausführungen, die auf dünnere
Gewandfloffe hinzeigten und zum Beifpiel an den
Gurker Nonnenchormalereien fchon eine vorgerückte
Phafe erkennen laffen, in Pürgg noch nicht zu treffen.
Die Figuren des Antiphonars zu St. Peter in .Salzburg
(Mitth. der Centr. -Comm. 1869 S. 173) haben am
allermeiftcn des Verwandten mit jenen in Pürgg.
' Noch jetzt ift
Gebrauch.
Krain .ils Schloßbczcichnunf; das Wort Grajsina
Diefes Antiphonar ift durch feinen Befchreiber Doflor
Lind auf den Urfprung ins 12. Jahrhundert eingefchätzt
worden; von dem Kraftflyl diefes Säculums haben fich
die Pürgger Darftellungen noch nicht entfernt, wenn-
gleich fie bereits der Wende zum XIII. Säculum ange-
hören dürften. Es möchte nicht fo unwahrfcheinlich
fein, dafs ihr Maler aus oder über Salzburg hergerufen
wurde. Die älteren Darflellungsarten der apokryphen
Legende find bei den Bildern der Verkündigung
Mariens und Geburt Chrifti eingehalten. Der beflügelte
Jünglingsengel fchreitet heran, mit dem Stabe in der
Linken, die Rechte wie fegnend erhoben, Maria fitzt
auf dem Thronfeffel fpinnend, Haupt und Oberleib
verhüllt mit einem Manteltuchc, das ein Kreuzchen auf
der Schulter ziert. Eigenthümliche, einer Umhüllung
ähnliche Contouren zeigen beim nächflen Bilde die
Grotte zu Bethlehem an, in der die Gottesgebärerin
auf breitem Polfler ruht. Der heil. Jofeph fitzt fchlafend
daneben ; hinter der heil. Jungfrau aber, deren Blick
nach anderer Seite gerichtet ift, liegt das Chrift-
kind in der truhenartigen ftoffgemufterten Krippe, über
welche die beiden Thiere ihre Köpfe neigen, mit ihrem
Hauch gemäß der Legende das Kind zu erwärmen.
Rechts davon kommen zwei Hirten heran, vom Engel
gemahnt, dem gegenüber ein anderer Engel mit erha-
benen Händen feine Freude kundgibt zum Lobgefange.
Im Bilde der Brodvermehrung ift zuerft die Menge
des Volkes in einer Gruppe fkizzirt; die Vorderften
haben fich ein Tifchtuch über den Schoß gelegt, um
bequemer des Effens zu pflegen. Dann kommt der
göttliche Heiland, die Arme betend ausgeftreckt und
erhoben, zwifchen zwei Apofteln, die ihm Fifche und
Brode darreichen. Weiters fchüttet ein dritter Apoftel
die übriggebliebenen Refte in einen hohen Korb und
drei Diener, gekleidet in kurze Röcke, tragen diefelben
in Körben auf einer gefchulterten Tragftange davon.
Die Trachten diefer Diener und der Hirten vom vorigen
Bilde mit den verflochtenen Beinkleidern kann man
im Salzburger Antiphonar wiederfinden.
Die klugen und thörichten Jungfrauen im Fenfter-
gefchoffe des Schiffes haben famnitlich Nimben; die
erfleren halten die hornartigen Lichtträger aufrecht,
die letzteren zur Erde gelenkt. Die Mitte der Hoch-
wand des Chorfcheidebogens, den ein breites, in feinem
Ornamente auffallendes Zierband umzieht, nimmt das
viereckig eingerahmte Bruftbild des ewigen Vaters
ein, mit dem Buche in der Linken, die Rechte fegnend
erhoben. Beiderfeits der Umrahmung erblickt man
Wolkenhaufen: licht mit fegnender Hand gegen Abel,
dunkel wie abwehrend gegen Kain. Der erftere hebt
opfernd das Lamm, der zweite ein Aehrenbündel zum
Ewigen hinauf Ein Gefchoß tiefer erfcheinen die beiden
Donatoren: links der Priefter, der das Kirchenmodcll
darbringt mit der Tonfur, angethan mit Albe, Pluviale
und Manipel an der Linken. Der barhäuptige Laie
rechts gegenüber llreckt die Hände betend vor, fein
Mantel trägt einen verzierten Kragen. An den
Wänden des Altarraumes begegnet erfllich der heil.
Johannes ]?aptil1: mit langem Haar und Bartwuchs, die
Rolle in der Linken und mit der Rechten aufzeigend.
Ueber dem dunklen langen Unterklcide hängt ihm
weit herab ein Pelzmantel mit lichtem Befatze, in Er-
innerung an fein kameelhaarencs Büßergewand. Von
den heil. Bifchöfen trägt jeder das Pallium, einer auch
XXVIII. N. F.
II
— 82 —
die niedere mitten eingedrückte Infel; die beiden
Könige bedeckt eine zu drei Giebelfpitzen gezackte
Krone mit Hängezierrathen. Das Antiphonar zu Sanfl
Peter in Salzburg gewährt auch zu diefen Tracht-
details manche Analogien. Desgleichen vermögen wir
darin die pilzähnlichen Baumgebilde von der Piirgger
Darfteilung der Geburt Chril^i wiederzufinden.
Die decorativen Motive (Taf. VIII und XI) in der
Flächenmufterung und den trennenden Bändern unter-
fcheiden fich ziemlich wefentlich von den in der Plaftik
angewendeten Ornamenten der romanifchen Architek-
turen. Blattwerk in einer Aneinanderreihung von Pal-
mctteii erfcheint faft nur bei den Capitälgefimfen der
Wandpfeiler; dagegen wurde überall Zierucrk geome-
trifcher Zeichnung vorgezogen, vielleicht allein fchon
wegen feiner leichteren Ausführbarkeit. Der ziemlich
complicirt gezeichnete, plaflifch gedachte Mäander, den
wir in Oberzell oder Burgfeld treffen, zeigt fich auch in
Pürgg als beliebtes Ornament in polychromer Wirkung,
Ein Fries von mehreren Reihungen ganz kleiner Rund-
bogen, wellenähnlich in verfchiedenen Farben über-
einander verlaufend, befäumt oben die Wände beider
Räume. Daneben begegnet auch der eigentliche Zick-
zack in einfachen lichten Linien und als breiteres
Band, der „laufende Hund", der Perlenfries, endlich
das Quadernmotiv: eine ftyliftifche Marmorimitation.
Abweichend von allen folchen der Antike ent-
ftammenden Ornamenten des romanifchen Styles
findet fich als Umzug (Archivolte) des Chorfcheide-
bogens, alfo an hervorragender Stelle ein Ziermotiv
eigenfter Art, das mich in feiner Zeichnung und
Farbengebung an arabifch-kufifche Schriftzeichen ge-
mahnte. In neunmaliger Wiederkehr zeigt dasfelbe je
vier fenkrechte, oben nagelkopfförmig verbreiterte und
am Ende zugefpitztc Linien, die unterhalb durch hori-
zontale gleich breite Linien verbunden find, fo dafs
jedoch die zwei mittleren Striche fenkrechter Führung
unten durch einen Halbkreis zufammenhängen und eine
weitere Ausbuchtung der Horizontalen die neun Grup-
pen fcheidet. Die Linien find weiß, der Grund des
ganzen Friesbandes blau; eine polychrome Blattranke
mit Blumen und Trauben durchflicht die Linienführung,
fo dafs dadurch die Wirkung monumentaler arabifcher
Schriftzeichen wie fie in der Alhambra Granadas oder in
den Mofchecn Cairos vorkommen, noch lebhafter her-
vorgebracht wird. Gewiffen arabifchen Schriftgattungen,
zum Beifpiel den mehr fcharfeckigen von der Sultan
Haffan-Mofchee zu Cairo, kommt die in Rede ftehende
Pürgger Decoration fehr nahe und fuchen wir nach
einem beftimmten arabifchen Worte, deffen freie Nach-
ahmung hier beabfichtigt gewefen fein könnte, fo
ergibt fich das Wort Allah = Gott, deffen neunmalige
Wiedergabe an diefer Stelle gerade unter dem Bilde
des Ewigen jedenfalls eine Bedeutung hat. Dafs ein
Künftler von den Orientfahrten und Kreuzzugspilger-
reifen von arabifcher Schrift und ihrem Gebrauche in
der architektonifchen Decoration Kenntnis erhalten
und Luft zu ihrer Nachahmung gefafst haben könne, ift
wohl nicht abzuweifen.' Uebrigens fehlt es nicht an
anderen Bcifpielen ähnlicher Verfahrungsweife. In der
Bergfrietcapelle am Petersberge der alten falzburgifchen
' Der Künftler konnte aber das Ziermotiv arabifcher Schriftziige etwa
auch aus der Anfchauun^ der im Abendland damals fo verbreiteten arabifchen
Seidengewebe kennen gelernt haben.
Stadt Friefach' begegnet eine Decoration, die in auf-
fallender Weife mit der Pürgger übereinftimmt. Der
Maler, welcher in Friefach in der Burgcapelle der falz-
burgifchen Erzbifchöfe fchaffen durfte, mochte wohl
aus Salzburg gekommen fein, vielleicht fchon unter
dem Erzbifchof Adalbert III, (i i68 bis I200, mit Unter-
brechung von 1177 bis 1183), jedenfalls aber unter
feinem thatkräfligen Nachfolger Eberhard II. (1200 bis
1246), unter welchem fo viel für das kirchliche Leben
gewirkt wurde. ^ An diefcm Centralpunkte kirchlicher
Verwaltung hat es an Künftlern nie gefehlt; fo begeg-
net in Salzburger Urkunden ein „Geroldus piftor"
1 160 und ein „Udalricus piftor-' 1180. Im 13. Jahr-
hunderte war zu Gurk in der Nähe von Friefach eine
ganze Malerfchule thätig, in welcher ein „Heinricus
pidtor de Gurc" eine hervorragende Stellung ein-
genommen zu haben fcheint und von 1191 bis 12 18
nachzuweifen ift. ^ Daneben gab es dort noch einen
Johannes piftor (12 17), einen Dietricus et filius Heinri-
cus und Rudgerus, die alle um 12 18 Maler waren. Mit
den Gurker Malereien in der Thurmempore* ftimmen
aber die Friefacher Donjonmalereicn trotz der gleich-
artigen Hauptgruppe der thronenden Madonna im Styl-
charakter nicht völlig überein; noch viel weniger gilt
dies von den Pürggern, die eher mit den Friefacher
Gemälden einem und demfelben Künftler zugewiefen
werden könnten, wofür jenes ganz originale und nur in
diefen beiden Orten anzutreffende arabifche Schrift-
ornament den Beweis zu liefern fcheint.
II.
In der Reihe von Städten, die heute die Oftgränze
Steiermarks gegen Ungarn markiren (Friedberg, Hart-
berg, Fürftenfeld, Radkersburg, Friedau) und cinftmals
zu deren Sicherung beftimmt waren, ift Hartberg
vielleicht die ältefte. Römerfteine, hier und in der Um-
gebung gefunden (Muchar, Steir. Gefch. I 387) laffen auf
Anfiedlungen der großen antiken Culturmacht an diefer
Stelle fchließen, zumal eine große Römerftraße nicht
allzuferne vorbeiführte und die Lage des Ortes am
Ablaufe des letzten höheren Gebirgszuges den leichten
Hügelwellen Ungarns gegenüber eine dominirende ift.
Immerhin vergingen viele Jahrhunderte des Mittel-
alters, bis fein Name das erftemal 11 28 urkundliche
Erwähnung fand. Im Jahre 1157 erfcheint es als Sitz
eines Pfarrers Erkenger der unter feinen Standes-
genoffen Anfehen genofs, und eine Urkunde von 1166
zollt ihm den Ehrcnnamen des Forums (Marktes), in
welchem die Landesfürftin Markgräfin Kunegundis eine
Verfammlung fteierifcher Edcln abhielt. Bereits 1310
finden wir Hartberg im Befitze der Stadtrechte. Die
Refte der einftigen Thurm- und Ringmaucrbefefti-
gungen zeugen noch heute von feiner vormaligen Selbft-
ftändigkeit und Herrfchaft über eine weite Umgebung;
von kirchlichen oder profanen Kunftbauten dürfen wir
uns desungeachtet nicht allzuviel erwarten. Gleich
anderen fteierifchcn Städten hat Hartberg fich im Mittel-
alter nur mit einem einfchiffigen Baue fiir den Pfarr-
* Publicirt von P. Grueber in den Mittheilungen igoo S. 22.
' Vgl. Sighart über die Maler in Salzburg, Mittheilungen 1866 S. 65.
* Siehe den Artikel in den Mittheilungen der k. k. Central-CommifTion
1871 und die eingehende frühere Angaben durchaus corrigirende Arbeit von
Dr. A. Schnerich 1890 S. X28 und 177.
* Nach Dr. A. Schnerich ift die Bezeichnung „Nonnenchor" unrichtig.
83 -
gottesdienft begnügt, der in romanifcher Zeit flachge-
deckt gewefen und im 15. Jahrhunderte durch einen
Hochchor verlängert und mit Rippengewölben in
Sternform gedeckt worden ift. Um die Wende vom
17. zum 18. Jahrhunderte wuchfen dem aUen Schiffe
niedere Abfeiten und Emporen darüber zu, um der
gewachfenen Volkszahl Rechnung zu tragen.
Angefichts diefer Schlichtheit der Hauptkirche
muß es auffallen, dafs auf ein kirchliches Nebengebäude
wie es der im 13. Jahrhunderte daneben aufgeführte
Karner ift, verhältnismäßig reiche Mittel
verwendet wurden.
Allerdings mag der Ort inzwifchen
zu einer anfehnlicheren Wohlhabenheit
gediehen fein, und da der Karner am
Stadtkirchhofe als Gefammtgrabmal der
der Fußboden des Capellengefchoßes bei 2'/g M. er-
hebt. Bald nach feiner Vollendung, vermuthlich noch
in der erften Hiilfte des 13. Jahrhundertes, muß das Bau-
werk im Innern (Fig. 6) ziemlich vollftändig ausgemalt
worden fein. Da diefer Wandfchmuck jedoch im Laufe
der Neuzeit übertüncht worden war, mußte derfelbe in
unferen Tagen erfl: wiederum neu entdeckt werden,
was anläßlich der im Jahre 1888 durch den verdienten
Bürgermeifter Ressavar ins Werk gefetzten Reftauri-
rung des Karners gefchehen ift. Die Spuren alter
Fig. 5 (Grundrifs des Karners zu Hartberg.)
Bevölkerung gelten durfte, deren Gebeine
fich allmälig in feinem Souterrain auf-
fammelten, mag ein gcwiffer Aufwand von
Kunitmitteln an diefem Denkmal gerecht-
fertigt gewefen fein. Der Karner, der
fchönfte in fteierifchen Landen, gehört
zwar der fpät-romanifchen Stylperiode
etwa vom erften Viertel des 13. Jahrhundertes an; die
fettlappigen Capitäle feiner Wandfäulchen, der Klee-
blattfries, die Umbildung der äußeren Gliederungsfäulen
in „Dienflbündel", die Anwendung von Gewölberippen,
wenn auch noch viereckigen Profiles: alles dieß fpricht
für die Einfehätzung des Karners in die Zeit zwifchen
1200 bis 1220. Wie alle Friedhofdenkmale diefer Art
befteht er aus einem Untcrraume und einem Capellen«
gefchoße (Fig. 5 — 8). Da er an einer ftcilen Abdachung
fleht, verfenkt fich fein Unterraum tief unter dem an-
floßenden Rafenplatze des Kirchhofes, über den fich
Fig. 6. (Längenfchnitt des Karners zu Haitberg.)
Malereien die da allmälig zutage traten, wurden anfang-
lich als gothifche erklärt und erft fpäter für folchc
des romanifchen Styles erkannt. Rafch waren die
nöthigen Mittel für eine Reftauration aufgebracht, die
der in folchen Arbeiten und fpäter auch in l'ürgg
erprobte akademifche Maler Theophil Mclicher in den
Jahren 1893 bis 1894 ausgeRilnt hat. Die Schwierig-
keit, welche die Deutung der höchft feltenen Haupt-
darfteilungen nicht bloß dem Reftaurator, fondern auch
feinen gelehrten Beiräthen bereitete, vcranlaßte ein
paar Zufätze, die wir allerdings bedauern müßen, weil
II*
- 84 -
fie geeignet find, den eigentlichen Sinn des betreffen-
den Malcyclus zu verfchleiern und in der Erklärung
desfelben auf eine falfche Bahn zu führen. Die Richtig-
ftcUung, welche feit meiner Publication im ,,Kirchcn-
fchmuck" 1898 durch neue Belege noch erheblich
gefichert wurde, will ich im Nachftehenden liefern, in
der Erwartung, dafs die Malereien dadurch in der all-
gemeinen Werthfchätzung nur fteigen dürften.
Diefe Malereien bilden ein Syflem und zieren
gleichmäßig die beiden Räume, welche der Karner
einfchließt: fovvohl das Schiff als den Altarraum. Das
Schiff ift wie bei allen folchen Karneranlagen des
romanifchen Styles, kreisrund, von 680M. Durchmeffer.
mit einem Kuppelgewölbe zu 7-75 M. bedeckt. Sieben
Wandfäulchen und eine Confole bilden die Träger der
acht Gurten, welche das Kuppelgewölbe theilen.Von den
alfo entflandenen acht Wandflächen (Taf IX) ' erfcheinen
Fig. 7. (Außenanficht des Karners zu Hartberg von Oflen.)
zwei am Wertende durch die Portalöffnung und eine leicht
vorfpringende zum Dache empor führende Wendel-
treppe eingenommen, während eine dritte im Often vom
Scheidebogen durchbrochen ift, der zum Altarraume
fuhrt. Dem alten Maler ftanden alfo im Rundfchiffe nur
fünf und ein halbes Wandfeld zur Verfügung. Weder
am Kuppelgewölbe noch am vorfpringenden Polygon
der Treppe links vom Eingange wurden Spuren von
alter Malerei gefunden, was den Gedanken nahelegt,
dafs diefe Treppe und das Gewölbe erft nach Durch-
führung der Malerarbeit entflanden feien. Es entfprach
fomit keineswegs den Intentionen der urfprünglichen
Ausfchmückung, dafs bei der jüngflen Reflaurirung
das Gewölbe und das polygone Treppengehäufe mit
' In die Aufrollung aller Gemälde des Rundfchiffes auf Taf. IX wurden aus-
fchtießlich nur diejenigen Thcilc aufgenommen, die eine ganz zuvcrliiffige Hafis
für die Reftaurirung geboten h.ittcn. Hingegen wurden nicht allein die vom
Rellaurator völlig neu componirten Partien, fondern auch die nach feiner An-
gabe von ihm bloß nach ,.fchwachen Spuren" wiedcrhcrgeftellten, als nicht
zuvcrläflTg von der Wiedergabe auf Taf. IX ausgefchloffen. Die Red.i(^ion.
figuralen Darftellungcn neuer Erfindung bemalt worden
find. Die fechfthalb Felder theilte der alte Kiuiftler
durch ein kräftiges Horizontalband in ein unteres
und oberes Gefchoß von annähernd gleicher Hohe, um
dadurch eine gewiffe Unter- und Ueberordnung, eine
Nacheinanderfolge des Dargeftellten zum Ausdrucke zu
bringen. Die obere Figurenreihe vermittelt die leitende
lükliirung; fie zeigt Chriltus am Throne, umgeben von
den zwölf heil. Apofteln, deren Geftalten neben den
P'enftem, wo es der erübrigte Raum gerade empfahl,
romanifch ftylifirte Baumformen neben fich haben. Die
fiellenweife weit vorgefchrittene Zerftörung der alten
Malrcfte dürfte auch hier eine irrige Ergänzung veran-
laßt haben, da neben dem thronenden Chriflus nebft
dem heil. Petrus wohl der heil. Paulus dargeftellt
gewefen fein wird, an deffen Stelle der Reftaurator aber
den heil. Johannes angebracht hat. Ebcnfowenig
Berechtigung hat in diefem Cyclus der Judas zu bean-
fpruchen, den der Reftaurator neu erfunden und an die
Polygonwand der Treppe gemalt hat. Der thronende
Chriftus mit den heil. Apofteln in der oberen Reihe
bedeutet nichts anderes als das heil. Reich der chrift-
lichen Kirche; die Geftalten ohne Nimben in der
unteren Reihe hingegen bedeuten das Profane der vor-
chriftlichen Zeit, die Weltreiche des Heidenthums vom
alten Teftamente.
Das alte Teftament, dargcllcllt als Vorbereitung
der Heilsordnung des neuen Bundes und in Parallele
zu diefem ift eine feftftehende Uebung der chriftlichen
Kunft, deren Anfänge man fchon in den Katakomben
beobachten kann. In der Regel wurden hiezu allerdings
die religiöfen Typen des altes Bundes ausgewählt, um
das Fundament und die Verheißung des chriftlichen
Wefens auszudrücken. Es begegnet aber auch die
Ausnahme, dafs die heidnifchen Weltreiche im Bilde
"■ecieben werden, denen dann das alles überwindende
chriflliche Weltreich gegenübergeftellt wird.
Diefe ziemlich feltene Darftellung gründet fich
auf die Vifion Daniels VII i — 27 von den vier großen
Thieren (als Repräfentanten der vier altorientalifchen
Weltreiche), die aus dem Meere ftiegen, um die Gottes-
kinder zu bedrängen, bis des „Menfchen Sohn" in
höchfter Gewalt kommen werde, ein ewiges Reich zu
begründen. ' Nach dem Schrifttexte fah der Prophet
dies Traumgeficht von feinem Lager aus, und zwar
zuerft das große Meer, auf dem die vier Winde mit ein-
ander kämpften, und dem fodann die genannten vier
Thiere entfliegen; zuerft ein Thier wie eine Löwin mit
Adlersflügeln, dann das zweite Thier gleich einem Bären
mit drei Reihen Zähne im Rachen, ferner das dritte, gleich
einem Parder mit vier Flugein und vier Köpfen und
endlich das vierte Thier „fürchterlich und wunderbarlich
und fehr ftark mit großen eifernen Zähnen und zehn
Hörnern, zwifchen denen ein anderes kleines Hörn
hervorkam und die erften drei Hörner ausbrach;
Augen befaß es gleich Menfchcnaugen und ein Maul,
das große Dinge redete".
Dafs die chriftliche Kunft fich mit Darftellungen
diefer Vifion befchaftigte, bezeugen nicht bloß diefe
Hartberger Malereien, fondern auch die Aufzeich-
nungen des Malerbuches vom Berge Athos, von deffen
• Ich verdanke die richtige Hinweifung auf diefe Schriftftelle dem Herrn
Univcrnt.ilsprofefror Dr. Franz Stanonik in Graz. Profeffor Jofeph Strzygowski
machte mich auf die bei Garrucci abgebildeten Daniel'fchcn Reiter des „Indiko-
plcustcs" aufmcrkfam.
SS
Einzelheiten fehr viele auf frühe Kunfttraditionen
y.urückgehen, wenngleich die endgültige Sammlung
der Malvorfchriften ein befonderes hohes Alter nicht
beaiifpruchen kann. In der deutfchen Ueberfetzung
diefes griechifchen Buches von Dr. Schäfer (Trier,
Linz'fche Buchh. 1855), S. 139, wird auch vorge-
fchrieben, wie diefe Vifion des Propheten Daniel VII. c.
darzuftellen fei, wobei es von den vier Thieren heißt:
„Das erfle ift ein Löwe mit Adlerflugeln, und auf dem-
felben fitzt der König von Babylon Nabuchodonofor,
ein Scepter haltend. Das zweite, ein Bär, hat drei
Reihen feiner Zähne, und auf demfelben der Penfer-
könig Darius, ein gezogenes Schwert haltend. Das
dritte ift ein gefleckter Panther mit vier Flügeln und
mit vier Köpfen und auf demfelben der König der
Macedonier Alexander, einen Speer haltend und das
vierte ift ein fchwarzer Löwe mit eifernen Zähnen und
Fig. 8. (,Außenanficht des Karners zu Hartberg von Werten.)
zehn Hörnern auf feinem Haupte; drei find ausgeriffen
und zwifchen denfelben ein kleines Hörn hervor-
gewachfen, welches Augen und Mimd eines Menfchen
hat, und auf demfelben der König der Römer Auguftus,
das Scepter tragend". Wir fehen, wie die Kunfttradi-
tion den Thieren regelmäßig die Reiterkönige beige-
geben hat, um den Gedanken des Propheten von den
Weltreichen klarer auszudrücken. Aber auch in Ilin-
ficht auf die Thiere felbfl; hat man es in ihrer Charak-
terifirung als Löwe, Bär etc. nicht allzu ftreng ge-
halten, wie die lUuilration eines geographifchcn Buches
aus dem 6. Jahrhunderte, der „Topographia cliristiana"
des Cosmas Indikopleustes von Alexandrien lehrt, der
als Kaufmann Acthiopien, Indien und andere Länder
des Orients bereist hatte, dann Mönch geworden war
und als folcher fein Werk um 535 bis 547 verfafste. Von
diefem Werke erliegt ein Manufcriptcxcmplar aus dem
10. Jahrhunderte in der Bibliothek der Laurentiana zu
Florenz, ein anderes vom 9. Jahrhunderte in der vati-
canifchen Bibliothek zu Rom, und aus diefem hat
Garrucci in dem 3. Bande feiner Storia dell' arte cristiana
die bezüglichen Bilder gefchöpft.
Nach der Meinung des Verfaffers des Commentarius
de scriptoribus ecclesiae antiquis, Cafimir Oudin, find
die lUuftrationen der genannten zwei Handfchriften
noch älteren Manufcripten entnommen. Die angezogene
lUuftration jedoch flellt einmal den Propheten Daniel
vor, wie er den Katakobenmalereien entfprechend unter
zwei fitzenden Löwen als Orans mit den ausgebreiteten
Armen fteht. Daneben erfcheint er wieder auf den
Plan niederfchreitend, auf welchem die vier Thiere
hintraben mit ihren Reitern, deren drei erfte nur die
orientalifche Spitzmütze tragen, der vierte aber mit der
Krone bedeckt ift. Alle deuten mit der Rechten vor-
wärts, führen aber weder Scepter noch ein anderes
Attribut. Genauer find die Thiere gebildet: das erfte als
Löwin, das zweite als Bär, als gefleckterPardel das dritte
das vierte groß und recht ungefchlacht, während es
feine zehn Hörner nur in Form einer niederen Krone
angedeutet hat. Zweifellos hat fich die mittelalterliche
Kunft in folchen DarÜellungen der Daniel'fchen Welt-
reiche öfters verfucht und manche VierReiterfculp-
turen an den chrifllichen Domen mochten hienach
nicht Königsfiguren des chriftlichen Zeitalters, fon-
dern Repräfentationen der biblifchen Reichsf}-mbole
zu bedeuten haben. So hat man auch kürzlich anläfs-
lich einer Reflauration der Weftfagade des Regens-
burger Domes gefunden, dafs die dafelbft an den vier
Strebepfeilern angebrachten vier Reiterftatuen in
Lebensgröße aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts,
nicht wie man bisher annahm, die Könige Salomon,
David oder Karl den Großen und Arnulf, Otto den
Großen, Heinrich den Heiligen darftellen, fondern dafs
fie auf vierfüßigen Ungethümen reiten, von denen eines
ficher ein Bär, das andere den Löwen mit nur einem
Hörne vorftellt. (Jacob in der Zeitfchrift für chriftliche
Kunft 1900 S 1 18.)
Herr Lyceal-Profeffor J. A. P'ndres zu Regens-
burg hat in der „Zeitfchrift für chriflliche Kunft",
XIII 363 eine weitere Darftellung der vier Daniel'fchen
Weltreiche conflatirt, die fich einft an der Flachdecke
der Abteikirche St. Emmeram zu Regensburg be-
funden hatte, bald nach dem Brande der Kirche von
1160 ausgeführt wurde, aber fpäter zu Grunde ge-
gangen ift. Glücklicherweife hat fich eine Befchreibung
diefer Deckenmalereien „in summitate chori S. Dionisy"
in handfchriftlichen Aufzeichnungen mittelalterlicher
„Tituli" der Kirchenausfcluiiückung erhalten und fie
werden dafelbft als „visio Danielis de quatuor regnis
fortissimis" gefchildert, wie folgt:
„Primum regnum Chaldeorum signatur per lee-
nam, cui insidet Nabuchodonosor
De secundo videlicet regno Persarum et Medo-
rum.. cui insidet Cirus rex persarum et medorum;
habetur hoc distichon: Ursa
De tcrtio regno videlicet grecorum signato per
pardum, cui insidet Alexander magnus Macedo
De quarto Regno videlicet Romanorum, Quod
erit ultimum, ex quo orietur Regnum antichristi sig-
natum per bestiam tcrribilem et mirabilem habentem
X cornua e (juorum mcdio aliud parvum cornu orietur,
cui insidet Julius primus Rex seu Cesar Romanorum."
86 —
Der Hartberger Maler wurde nun offenbar fchon
durch die bauliche Gliederung der Karnerwände zu
beftimmten Abweichungen von der Daniel'fchen Be-
fchreibung veranlafst, die den Sinn des Textes zwar
nicht aufhoben, aber eine Bereicherung der Vorflel-
lungen gewinnen ließen. Es ftanden ihm nämlich nicht
vier, fondern fünf gleich große Felder zur Verfügung,
zu denen fich noch ein Schmalfeld neben der Thüre
gefeilte. Diefes Schmalfeld nimmt eine Figur mit einem
Drachen unter den Füßen ein; fie erfcheint gegen-
wärtig als König mit dem Scepter reflaurirt, wobei die
Kopfbedeckung ebenfo leicht für ein Barett als für eine
Krone genommen werden kann. Da fich aber in diefem
Felde nach der Mittheilung de.s Reftaurators Th. Me-
licher in der ganzen unteren Partie nur geringe Spuren
der Farbe vorgefunden hatten, fo glaube ich diefe
Figur nicht als einen der Konige der Weltreiche, fon-
dern für den Propheten Daniel nehmen zu dürfen, der
den Drachen zu Babylon, an dem Götzendienft ge-
trieben wurde, überwunden hat. llätte dagegen die
Reftauration der Figur als König das Richtige ge-
troffen, dann wäre fie wohl als der „Fürfl diefer Welt"
zu erklären, der durch die Schlange des Paradiefes die
Herrfchaft der Sünde auf der Welt angetreten und
darum das Wirken aller dem Gottesreiche feindlichen
Mächte inaugurirt hat.'
Rechts davon im nächften Breitfelde nach vor-
wärts erfcheint der erfte der Könige aus der Daniel-
fchen Reihe auf einem pferdeartigen Thiere; der Pferde-
kopf foll nach Angabe des Reftaurators bei der Auf-
deckung der Malereien deutlich erkennbar gewefen
fein.* Da ein Pferd in der heil. Schrift nicht erwähnt
wird, fo haben wir es hier entweder mit einer mifs-
lungenen Darfteilung für den an erfter Stelle genannten
Löwen (oder Löwin) oder aber mit einer künftleri-
fchen Licenz zu thun, die auch das vorzüglichftc Reit-
thier in der Compofition unterzubringen bemüht war.
Uebrigens begegnet der Löwe als Rcitthier ganz un-
zweifelhaft an dritter Stelle, wo er auch bereits vor der
Reftauration genau zu erkennen war. Zwifchen dem
Pferde und dem Löwen fehen wir den geflügelten
Panther, der ebenfalls fchon vor der Herftellungsarbeit
deutlich wahrnehmbar gewefen war. Weiterfchreitend
im Rund des Karnerfchiffes fchauen wir jenes vierte
'Phier ,,fürchterlich und wunderbarlich und fehr ftark",
für deffen Kopf bildung der mittelalterliche Maler befon-
dere Mittel aufbieten zu müßen glaubte. In der That
fleht es „fürchterlicher" aus, als alle übrigen Reit-
thiere und ähnelt in fehr beftimmter Weife demjenigen
eines Ebers. Der offene Rachen zeigt einen gewaltigen
Hauer (die „großen eifernen Zähne"\ dem Kopfe aber
entfteigen die zehn Hörner mit eigcnthümlichen
tafelartigen Endigungen, die wahrfchciniich auf die
„Menfchenaugen" und das „Maul"' des einen Hornes
Bezug haben follten. Diefe Figur war fo gut erhalten,
dafs ihre Wiederhcrftellung bloß unwefentliche Er-
gänzungen nöthig machte. Sie beweist deutlicher als
alle übrigen, dafs hier nichts anderes als die Daniel'fche
Vifion der vier Weltreiche dem Maler vorgefchwebt
' Da diefe Figur vom Reftaiirator nach deffen Eingcft.^ndnis bloß nach
fchwachcn Spuren wicdcrhcrgclletit wurde, hat fie die Redaktion von der
Wiedergabe auf Taf. IX ausschließen zu follcn geglaubt.
2 Auf feiner Wiedergabe hat der Rcltaurator die Wicderherftcllung als
nach „fchwachen Spuren^ vollzogen bezeichnet; es wurde daher auch diefe
Figur auf Taf. IX nicht reproducirt.
hat. Er hatte nun alle vier Thiere der Vifion angebracht,
aber noch ein fünftes gleich großes Feld mit Malerei
auszufüllen. Das brachte ihn offenbar auf eine Er-
weiterung des Stoffes, die zwar in der heil. Schrift nicht
vorgefehen war, aber auch nicht gegen ihren Sinn ver-
ftoßen hat. Die vier Weltreiche, die eines nach dem
anderen auf der Erde entftanden waren und viel ..Krieg
wider die Heiligen" mit fich gebracht hatten, wurden
von der Schriftauslegung von altersher der Reihe nach
auf das aflyrifch-chaldäifche, medifchperfifche, mace-
donifch-griechifche und römifche Reich gedeutet. Sie
alle follten dem Gottesgerichte anheim fallen und dem
Reiche des „Menfchenfohnes", dem ewigen Reiche
aller Völker, Gefchlechter und Zungen unterliegen.
Die Reihe der altteftamentarifchen Weltreiche vertrug
aber noch eine Vervollftändigung durch Vorführung
des ägyptifchen Reiches, das mit dem Berufe des
Volkes Daniels zuerft in Conflifl gerathen war. Und
das Thier, welches die heidnifche Macht Aegyptens am
heften verfinnlichen konnte, war nach der Bibel wohl der
Apisftier. Das letzte Reitthier war hienach als Stier dar-
zuftellen und fo fand es auch in guter Erhaltung der
Reftaurator vor. Die fünf Reiter find alle als Könige
bezeichnet, tragen Kronen und Reichsapfel und bis auf
den Stierreiter auch das Scepter der Herrfchaft. Die
freien Gründe neben diefen Geftalten füllte der Maler
mit Baumformen in der üblichen" romanifchcn Styli-
firung.
Alle diefe befchriebenen Compofitionen nehmen
die untere Hälfte der Schiffswände ein. Ein in compli-
cirter Weife gebrochenes breites Mäanderband fchließt
das Untergefchoß ab und darüber entfaltet fich eine
ganz anders geordnete Darfteilung der zwölf Apoftel
mit dem Weltheilande in ihrer Mitte. Der Zufammen-
hang verlangt es, hierin das Weltreich des Meffias zu
fehen, wie Daniel es ausdeutet: ,,Das Reich und die
Gewalt und die Herrlichkeit der Herrfchaft unter dem
ganzen Himmel wird dem Volke der Heiligen des
Allerhöchften gegeben werden, deffen Reich ein ewiges
Reich ift, dem alle Könige dienen und gehorchen
werden" Dan. VII 27. Die Anordnung dazu ift wohl
berechnet. Gerade ober dem Gemälde des letzten
größten Thieres fehen wirChriftum den Herrn' auf dem
Throne fitzend, die Rechte fegnend erhoben. Daneben
ftehen zwei Apoftel, während in dem vorftehenden
Felde, das von keinem Fenfter durchbrochen ift, drei
folche untergebracht werden konnten.
Die zwölf Apoftelfiguren hatte der Reftaurator
bis auf Einen in guter Erhaltung vorgefunden. Diefer
Eine fteht neben dem Heihinde und ift, wie fchon be-
merkt wurde, meines Erachtens unrichtig als heil.
Johannes an Stelle des heil. Paulus ergänzt worden.*
Ein kleines Feld über der Weftthüre zeigt die von
altersher überkommene Malerei eines Wolfes, der ein
weißes Lamm im Rachen davonträgt. In diefem An-
fchlußgemälde eine Beziehung zum Reiche Gottes auf
Erden zu erblicken, ermuntern uns zahlreiche Bibel-
ftellen, Ausfprüche des Herrn und der Apoftel. Wie
oft wird da von den Wolfen, das heißt den Feinden
der Heerde Chrifti gefprochen, denen fich der gute
Hirt und feine Stellvertreter mit aller Aufopferung ent-
gegenftellen. Mit diefem kleinen Gemälde fchließt der
' Vom Redaurator ganz neu gemalt und daher auf Taf. IX unterdrückt.
= Weshalb er ebenfalls auf Taf. IX hinweggelalTen wurde.
87
Cyclus ab; was dem Stiegenhaufe über Wunfeh localer
Fadloren hinzugefügt wurde, hat mit der alten Compo-
fition nichts zu fchaffen und ift eher geeignet, deren
richtige Auffaffung zu beeinträchtigen. Darum fcheue
ich mich nicht, unumwunden den Wunfeh auszu-
fprechen: diefe fmnftörenden Geftalten am Stiegen-
haufe mögen baldmöglich wieder zugedeckt und etwa
durch eine ftylentfprcchende einfache Decoration er-
fetzt werden.
Vom Rund des Schiffes öffnet der gegliederte
Scheidebogen den Einblick in den Altarraum. Es ift dies
eine faft zu drei Vierteln eines Kreifes erweiterte Apfis
mit drei Fenftern, deren feitliche zum theilweifen
Schaden der alten Malereien etwa im i8. Jahrhunderte
erweitert worden find. Von einer Sockelhöhe angefangen
find die Wände und das Kuppelgewölbe diefes Apfis-
raumes völlig bemalt (Taf X), und zwar fteht der Inhalt
diefer Malereien in engem Zufammenhange mit den-
jenigen des Laienfchiffes: jene hatten die äußeren Be-
ziehungen desReiches Gottes zu den feindlichen Mächten
der Welt darzuftellen, hier dagegen entfchleiert fich das
Intime feiner Ankunft auf der Erde, die von den Pro-
pheten geweisfagte Abflammung des Erlöfers, des
„Zweiges aus der Wurzel Jeffe", des Sohnes der Jung-
frau, in dem der Geifl Gottes ruht mit feinen fieben
Gaben (Ifai. XI i — 3). Ein mächtiger Stamm greift aus
der Tiefe herauf, verzweigt fich zu ftarken Giebeläften
und leicht gefchwungenen Ranken. Patriarchen und
Könige, die Vorahnen Chrifti, ficht man Spruchbänder
haltend in den Schlingen diefer Laubranken, fiebzehn an
der Zahl. Wo aber in der Mitte die ftärkften Aefte fich
auseinanderbiegen, erfcheint die thronende gekrönte
Gottesmutter mit dem Chriftkinde im Schöße, über
welchem fieben Tauben niederfchweben — die fieben
Gaben des hell. Geifles. (Man vergleiche die Funde des
gleichen Motives an der Domthüre zu Gurk und im
„Speculum humanae salutis" im Stifte Kremsmünfter,
publicirt durch Dr. Alfred Schnerich in den Mitthei-
lungen der CentralCommiffion 1889 S. 174.) Unten,
wo der Stammbaum Chrifti entfpringt, find beiderfeits
nahe Figurengruppen, die gleichfalls mit der das Ge-
wölbe ganz erfüllenden Hauptdarflellung in Zufammen-
hang ftehen. Links (durch das fpäter eingebrochene
Fenfter theilweife abgefchlagen) ficht man den Pro-
pheten Balaam, dem der Engel mit dem Schwerte
wehret, dem auserwählten Volke zu fluchen, und der
dann im Gegentheil eine Weisfagung über die Ankunft
des Meffias ausfprach: „Ein Stern geht auf aus Jacob,
ein Scepter kommt auf in Jsrael" Mofes IV 22 und
24. Rechts unter dem Stammbaume fallt die Geflalt
eines Engels auf, der in liturgifcher Gewandung (Alba
und Stola) die Aefte des Baumes hält (Gabriel.?). Der
Krieger daneben in voller Kettenrüftung mit Schwert
und Lanze hat uns wohl auch als altteftamentarifchc
Perfonlichkeit von irgend einer Beziehung zur Meffias-
hoffnung zu gelten. Da neben ihm (durch die fpäterc
Erweiterung der Fenfter nur mehr in einem kleinen
Stück übrig gelaffen) etwas Rauhfaferiges fichtbar wird,
fo möchte ich an den Helden Gedeon mit dem
wolligen Felle denken, deffen Thautränkung in allge-
meiner Trockenheit in mittelalterlichen Traftaten und
Kunftwerken oft als ein Sinnbild der Jungfräulichkeit
Mariens verwendet wurde, die durch den hiinmlifchcn
Thau des heil. Geifte.s zur Mutterfchaft Jefu befruchtet
worden war (Richter VI 37—40). An diefe beiden
Gruppen am Auslaufe des Stammbaumes Chrifti
fchließen fich ganz zu äußerll noch zwei felbftftändige
Scenen. Neben Gedeon treten die Mannafammler auf,
in Geftalt zweier Männer in Laientracht, mit vier-
eckigen flachen Sieben in den Händen, auf denen
kleine weiße Körperchen liegen; der Eine hebt ein folches
rundes Korn heraus, während der Andere fragend
daraufdeutet: „Manhu" d. h. was ift das? In dernächften
Umgebung des Opferaltares, von dem das Brod, das
vom Himmel kommt (Johann VI 31), empfangen wird,
hat diefe Vorftellung berechtigten Sinn. Auf der an-
deren Seite fehen wir ebenfalls am Rande des ganzen
Apfisgemäldes einen heil. Bifchof in vollem Ornate mit
zwei Schutzflehenden vor einem Kirchenmodelle. In den
letzteren haben wir wohl die Donatoren und hervor-
ragende Mitglieder der Hartberger Pfarrgemeinde, in
dem Bifchof hingegen den heil. Martin als Pfarrpatron
zu erblicken. Alle Gemälde der Apfis waren hier vom
Reftaurator in allen wichtigeren Theilen in deutlicher
Erhaltung vorgefunden worden.
Nach dem Gefagten darf die malerifche Aus-
fchmückung des Hartberger Karners mit vollem Rechte
eine bcfondere Werthfchätzung unter den älteften
Wandmalereien Oefterreichs in Anfpruch nehmen. Ihr
Inhalt ift fo feltfam und eigenthümlich, dafs man
auch in Deutfchland kein zweites Beifpiel findet,
das fie voUgiltig erfetzen könnte. Schon der fpät-
romanifche Stylcharakter des Karners als Bauwerk
zwingt uns, auch die Entftehung der Malereien, wie-
wohl fie noch den romanifchen Styl verrathen, nicht
früher als ins zweite Viertel des 13. Jahrhunderts zu
verfetzen. Mit den berühmten Emporenmalereien von
Gurk haben fie die Manier der flatternden Oberkleider,
des fcharfkantigen mehr gebrochenen Gefälteis und
befonders der fpitzzackig auslaufenden Faltenzipfel
gemein. Freilich hinter der überrafchenden Raffinirtheit
der Zeichnung und der allgemeinen Kunfthöhe der
Gurker Malereien ftehen die Hartberger wohl ein gutes
Stück zurück. Im Gebrauche des Ornamentes (Taf XI)
leiften fie aber Höheres als der oder die Maler von
Pürgg zuwegegebracht hatten ; mit den trockenen Mufte-
rungen, die man in der St. JohannesCapelle ange-
troffen hatte, gab man fich in Hartberg nicht zufrieden.
Die Wandgliederungsfaulchen find mit gefchlängelten
Bändern gleich einer Marmorirung geziert. Befonders
anfprechend wirkt die Ornamentirung des Chorfcheide-
bogens. Als horizontales Band kommt auch das Motiv
des mehrfchichtigen polychromen Wellenlaufes (oder
umgekehrten Schuppenfriefes) von Pürgg wieder vor.
Die Reftauration des Baues brachte auch ein
anderes archäologifches Stück zum Vorfchein, das
wcnigftens bei uns recht rar gewefen fein möchte:
eine primitive Form der Altarmenfa. Sie beftand nur
aus einem viereckigen Pfeilerftänder von 71 : 58 Cm.
Seitenfläche und "j"] Cm. Höhe, worauf die Mcnfaplatte,
125:79 Cm. im Geviert und 15 Cm. in der Dicke
meffend, lag. Das Reliquien fcpulcrum war im Pfeiler
unmittelbar unter der Mcnfaplatte von vornehcr ein-
getieft. Leider kam ich zu fpät, um die Erhaltung
dicfcs archäologifchen Wcrthftückes durchzufetzen und
konnte feine Auswechslung gegen eine neue Marmor-
menfa nicht mehr hindern.
— 88 —
Die alten Hartberger Bewohner hielten etwas
auf ihren Karner und bedachten ihn wiederholt mit
Stiftungen von Gottesdienflen, die in ihm vollzogen
werden foUten. Der Bürger Jacob der Schufter ftiftete
1358 für alle Montage eine Meffe im Karner; 15 10
that dasfelbe Michael Kurzbeck, Pfarrer zu Hartberg,
der hier auch ein Beneficium zum Zwecke der ..ewigen
Meß" fchuf. Diefe alte Liebe zum fchönen Stadtdenk-
male hat Bürgermeifter Reffavar in unferen Tagen aufs
neue bethatigt; ihm verdankt man auch die Ent-
deckung der merkwürdigen Malereien und ihre Wieder-
belebung, der wir, jene unberechtigten, finnftörenden,
modcrnften Zuthaten ausgenommen, längfte Dauer
vom Herzen wiinfchen.
Prähiftorifches aus Oberöfterreich.
Vom k. k. Conferv.itor Oberpoftcontrolor y. Straberger.
(Hiezu Tafel XH.)
3M Sommer 1899 ^^d an der Weftgränze von
Übcröfterreich, wo noch viele Spuren vor-
gcl'chichtticher Befiedelung vorkommen, in
größerem Umfange Forfchungen zur Ausführung ge-
langt. Sie knüpften an die Thätigkeit früherer Jahre an
und erweiterten planmäßig das Gebiet der durch-
geführten Unterfuchungen. Es kamen für die Forfchung
im Jahre 1899 insbefondere in Betracht: Einerfeits die
Gegend von Rothenbuch am Inn, gegen das Innere des
Weilharts - Forftes zu, anderfeits von Mattighofen
(Siedelberg) im Mattigthale aufwärts dem Flußlaufe
der Mattig nach, bis in die Nähe der Salzburger
Landesgränze.
An dem fogenannten Ochfenwege, einem von
Rothenbuch durch den Weilhartsforft zur Salzach
fahrenden Waldwege find fchon 1898 von einer dort-
felbft vorhandenen Gruppe von Grabhügeln, je ein
größerer und einer von geringerem Umfange verfuchs-
weife unterfucht worden. Dabei wurde die Wahr-
nehmung gemacht, dafs fie verfchiedenen Cultur-
perioden, theils der fpäteren Hallftätter-, theils der
Römerzeit angehören.'
Im Jahre 1899 gelangten nun weitere vier Gräber
diefer Gruppe zur Unterfuchung.
Grab i ift ein Brandgrab der jüngeren Hallftätter-
zeit. Der dasfelbe einfchließende Hügel war i M. hoch
und hatte einen Durchmeffer von 10 M. Aus 0-3 M.
unter der Oberfläche kam ein fchwachgebranntes
fchalenförmiges Thongefäß in zerdrücktem Zuftand
zutage. Das aus Lehm beftehende Materiale war bis
zur Hügelfohle mit Afche gemengt, welche eine größere
Menge von gebrannten Knochenreften einer jugend-
lichen Perfon enthielt. Bei forgfaltiger Durchfuchung
der knochenfiihrenden Schichte wurden noch mehrere
]?ruchftücke von Thongefäßen und ein Fragment eines
hohlen Bronzereifes gefunden.
Grab 2. Diefes der gleichen Periode angehörige
Brandgrab, der drittgrößte Hügel der ganzen Gruppe,
hatte ein Durchmaß von 75 M. und 0*9 M. Höhe. In
der Tiefe von von 0'3 M. zeigte fich eine mit Afche
durchfetzte Schichte, die bis auf den gevvachfenen
Boden reichte und fich gleichmäßig über die ganze
Grundfläche des Hügels ausdehnte. Im Mittel des
Hügels, nahe feiner Bafis, lagen zwei Bronze-Schalen-
fibeln und ein abgeflachtes Bronzekügelchen Die
beiden gleichgeformten Schalenfibeln (Fig. 12), von
welchen eine ziemlich gut erhalten ifl, find formfchön
und können den heften, gefchmackvollften Arbeiten der
' iMittheilungen der Ccntral-CommifTion XXV 167.
Hallftätterzeit beigezählt werden. Außerdem enthielt
diefes Grab ein 1-5 M. langes verkohltes Ilolzftück,
einige gebrannte Knochenrefte und ein mit Längs-
furchen verziertes Bruchftück einer kleinen Thonfchale.
Grab j (Brandgrab aus der Römerzeit), ein nur
wenig über das Terrain aufragendes Hügelgrab, hatte
einen Durchmeffer von 4 M. und dürfte, wie noch gut
kenntliche Spuren erfehen laffen, urfprünglich mit
einem Graben umfangen gewefen fein. Die bei der
Abgrabung vorgekommenen Funde find kaum nennens-
werth und befchränken fich auf den Oberrand einer
Thonfchale und einige zugehörige Scherben.
Grab ^ (Brandgrab aus der Römerzeit), ein gleich-
falls fehr flacher Hügel, hatte nahezu einen doppelt
großen Durchmeffer wie Grab 3. Die Beigaben, welche
in der den natürlichen Boden bedeckenden Afche
lagen, beftehen aus Scherben verfchiedener Thon-
gefäße und einem Bruchftücke eines maffiven, 6 Mm.
dicken Bronzereifens.
Die im Mattigthale durchgeführten Grabungen
waren von günftigem Erfolg. Das durchforfchte, räum-
lich nicht fehr ausgedehnte Terrain ift begränzt im
Often von dem im Kobernauferwalde entfpringenden,
den weftlichen Abhang des Waldes begleitenden
Schwemmbache, und im Weften vom Mattigfluße. Die
grasreiche, mit kleinen Waldremifen und fruchtbaren
Geländen abwechfelnde Flur des Thaies ift von dem
Gerinne des vom Thanberge kommenden Mühlberger-
baches durchfloffen, welcher bei Ober-Weißau den
Namen Weißauerbach annimmt und bei Hochholting
von der Mattig aufgenommen wird. Die naturlichen
Bedingungen für die Befiedelung waren hier die denk-
bar günftigften, fowohl für ein ackerbautreibendes
Volk, wie auch für Fifcher und Jäger.
Auf diefem engbegränzten Gebiete ift eine ver-
hältnismäßig große Zahl von Gräbern vorhanden. Die
meiften, befonders die in Wäldern gelegenen, treten
deutlich in der Form von kreisrunden Hügeln auf,
während die auf Wiefen und Acckern fituirten, durch
die Bodencultur fehr verflacht und kaum wahrnehm-
bar find. Sie bilden durchwegs kleine zerftreute
Gruppen von nur wenigen Hügeln.
Grjippe J, beßeliend aus drei Gräberii ivi fogenannten
Filzmoos bei Babenhavi, Ortsgemeinde Lochen.
Grab i. Der aus Lehm aufgeführte Hügel hatte
5 M. Durchmeffer und 0-4 M. Hohe. Nach Abräumung
der Humusdecke kamen in der Tiefe von 03 M. zunächft
X
o3
Er-«
03
6X1
,s=\
s
•r-H
,£3
PI
0
a
o
ö
CD
•r— I
- 89 -
fauftgroße Sandfteinfindlinge zum Vorfcliein, von wel-
chen einer die Aufmerkfamkeit durch eine eingegrabene
Marke auf fich zog. Eine derartige Beigabe hat fich
noch in keinem der in den früheren Jahren unterfuchten
Gräber im Mattigthaie vorgefunden, während im
Grabe 2 diefer Gruppe die gleiche Erfcheinung, wenn
auch in abweichender Form, fich wiederholte.
Die weiteren Beigaben des Grabes beftanden in
einem Armreif aus Bronze, deffen Endungen über-
greifen und mit Einkerbungen verziert find; ferner in
einer gehenkelten und einer henkellofen kleinen Schale
und in Scherben von drei größeren \erfchiedenartigen
Thongefaßcn.
Gral) 2 (Durchmeffer 5 M., Höhe 0-4 M). Der
Hügel war mit einer ringförmigen Steinfetzung aus-
geftattet, innerhalb welcher eine Lage kleiner Stein-
chen in der beiläufigen Flächenausdehnung eines
Quadratmeters die Unterlage der Grabbeigaben bil-
dete. Im Mittel diefer Schichte lag in fchwarzer Erde
ein großer Sandflein, welcher mit einer befonders deut-
lich eingegrabenen Marke in Geflalt eines rechten
Winkels bezeichnet ift. Weiters fanden fich ein breites,
kräftiges Speereifen mit ftark vortretender Mittelrippe;
ferner Scherben einer gehenkelten Thonfchale und
folche von anderen Gefäßen, endlich ein fauftgroßes
Mineral von meteorartigem Anfchen.
Die durch Vermittlung der C. C. von dem chemi-
fchen Laboratorium der Kunftgewerbefchule des k. k.
öfterreichifchen Mufeums für Kunft: und Induftrie in
Wien vorgenommene quantitative Analyle diefes Ob-
jeftes ergab folgendes Refultat: Knollen mit fchwarzer,
fchlackiger Rinde, innen grau.
In Salzfäure unlöslich Frocent 1850
darin: Kiefelerde „ iSoo
Eifenoxyd und Thoncrde „ 0"36
Kalk und Magnefia .... Spuren.
In Salzfäure löslich:
FeO Frocent 10 77
FeaOs „ i-8o
Al,03 „ 639
MnO „ 30- 52
CoO „ 4-25
MgO „ 670
Ren: Kohlenfäure und Waffer „ 2107
Procent loooo.
Grab 3 (Durchmeffer 8 M., Hohe 06 M). Weftlich
von diefem Hügel ift eine Trichtergrube, zwifchen
diefer und dem Hügel felbfi: find Hochäcker deutlich
wahrnehmbar. Nach Abtragung des Hügels wurde nahe
der Sohle inmitten von Scherben eines großen Gefäßes
eine ganz erhaltene kleine Henkelfchale gefunden. In
ihrer Nähe fand fich ein fchlankes Speereifen.
Gnippe JJ, hcßelunid aus zwei Gräbern bei Sprinzeii-
ßeiti, Ortsgemeinde Lochen.
Grab i (Durchmeffer 1 2 M., Höhe 1-5 M.). Die Unter-
fuchung diefes Grabes konnte nicht vollfländig durch-
geführt werden. Die theilweife Aufdeckung hat gezeigt,
XXVIII. N. F.
dafs es mit einer Steinfetzung ausgeftattet war. Im
Mittel des Hügels find Erfcheinungen zutage getreten,
die auf eine römifchc Nachbeftattung mit voller Sicher-
heit fchlicßen laffen. Die vollftändige Durchforfchung
diefer Grabanlage ift einem fpäteren Zeitpunkte vor-
behalten.
Grab 2 (Durchmeffer 8 M., Höhe i M.). Die Auf-
füllung diefes mit einer ringförmigen Steinfetzung aus-
geftatteten Grabes war reichlich mit Kohlen und ge-
brannten Knochenreften gemengt. Nahe der Hügel-
fohle lagen die Grabbeigaben: eine ziemlich gut erhal-
tene eiferne Dolchklinge mit Griffangel, eine Meffer-
klinge von gleichem Materiale und Bruchftückc einer
folchen, dann Scherben eines ornamentirten Thon-
gefaßes und einer an der Innenfeite verzierten flachen
Schüffcl.
Gruppe III, beßehend aus vier Hügeln auf dem
Stockerfelde füdweßlich von Eichet bei Engelharting.
Grab i. Der Hügel hatte den beträchtlichen
Durchmeffer von 20 M. und 1-5 M. Höhe. Zu feiner
Unterfuchung wurde vom Scheitel aus Erde im Aus-
maße von 3 M^ ausgehoben; dabei kamen in der
Tiefe von i M. zerftreute Kohlenftücl<c zum Vorfcliein.
Die Hügelbafis war ziegelroth hart gebrannt. Bei der
Nachgrabung gegen die Peripherie fanden fich größere
Mengen von gebrannten Knochen, Scherben eines
fchwachgebrannten fchwarzen Thongefäßes, ein eiferner
Ring und die 5 Cm. lange Tülle eines Speereifens.
Grab 2 (Durchmeffer 14 M., Höhe i M.) enthielt
verbrannte Knochen, rothbraune Gefäßfeherben, ein
flaches Schälchen mit kleiner Bodenfläche und Bruch-
ftücke einer verzierten Schüffei mit eingeritzten Linien
und fchraffirten Dreiecken an der Innenfläche des
Oberrandes.
Grab 3 (Durchmeffer 13 M., Höhe 07 M.). Nach
Abhebung der Humusdecke trat eine Lage großer
Rolllteine zutage, welche im Mittel des Hügels eine
Fläche von 1-5 M. Länge und 05 M. Breite bedeckte.
In der tieferen Schichte, welche mit Afche, Kohlen
und gebrannten Knochen durchfetzt war, lag eine
Schmucknadel aus Bronze mit brillenförmigen Spiral-
fcheiben, welche je 16 Umgänge haben und fehr genau
gearbeitet find (Fig. 3); der Nadelfortfatz fehlt; weiters
zwei ftark oxydirte fcheibenförmige Eifenftücke, welche,
wie fich nach ihrer Reinigung deutlich gezeigt hat, eine
in Eifen ausgeführte Nachbildung einer Brillenfibel dar-
fteilen.
Grab 4 (Durchmeffer 85 M., Höhe 05 M.). Die
in der Kohlen und Knochen führenden Brandfchichte
diefes Grabes gefundenen Artefa6le beftehen aus einer
zerbrochenen Thonfchale von zierlicher Form, mit
Strichornamenten und Grübchen decorirt, und aus
einem Eifenfpeer.
Gruppe IV, beßehend aus fitn/ Gräbern im fogenannten
Galgenholze, in unmittelbarer Nähe der Eifenbahnhalte-
ßelle Teichßätt.
Grab i (Durchmeffer 12 M., Hohe i M.). Zum
Behufe der Unterfuchung wurde ein S M. langer und
2 M. iireiter Einfchnitt in den Hügel gemacht. Im Mittel
wurden nahe der Überfläche gebrannte Knochen und
13
— 90 -
Kohlen gefunden, die in weiterer Tiefe reichlicher auf-
traten. Unter diefer Schichte war eine Lage flacher
Kiefel, auf welcher Scherben eines rohgearbeiteten
größeren Thongefäßes inmitten von fchwarzer Erde
lagen. Die Hügelfohle befland aus einem Eftrich von
fehr hartem Lehm, in welchem zwei nahezu meterlange
Eifenfchienen fo fefl eingebettet waren, dafs fie nur
ftückweife lo.sgelöst werden konnten.
Auf diefer feften Unterlage fanden fich Bruch-
ftücke einer oberhalb des Bodens mit Löchern ver-
fehenen Schale, ein großer Eifcnkelt mit Schaftlappen,
mehrere Eifenringe, dann Bruchftücke eiferner Rad-
reifen, mit theilwcife noch erhaltenen Haftnägeln und
Refte einer Pferdetrenfe aus Eilen. Inmitten der Rad-
reifen lagen die Radnabenbcfchliige.
Grab 2. Diefer abgeflachte, mit hochgewachfenen
Bäumen beflandene Hügel hatte ein mittleres Durch-
maß von 10 bis 12 M. und erhob fich kaum 0-5 M.
über das Terrain. Um die koftfpielige Abholzung zu
vermeiden, wurde ein 4 M. breiter und ebenfolanger
Einfchnitt gemacht. Zunächft traten 12 große Kiefel,
und nach Abräumung derfelben in dem mit Knochen
und Kohlen durchfetzten Material die Bruchftücke einer
Thonurne von befonderer Größe, dann Scherben einer
folchen von geringeren Dimenfionen und eine kleine
Schale zutage.
Grabhügel j (Durchmeffer 13 M., Höhe 07 M.)
lag auf Hochackerbeeten und enthielt nebfl vielen
Kohlenreften ein großes Speereifen, Scherben einer
flachen Schale und einer großen Urne, auf deren Boden
eine kleine einhenkelige Schale fland.
Grab 4.. Der gleichfalls über Hochackerbeeten auf-
gebaute Hügel hatte einen Durchmeffer von 9 M. und
eine Höhe von 07 M. Bei der Abgrabung wurde unter
den gleichen Umftänden, wie bei Grab 3, eine zerbro-
chene große Urne mit Buckeln an der Bauchung und
ein zur Hälfte erhaltener Eifenkelt mit Schaftlappen
aufgefunden.
Grab 5 (Durchmeffer 16 M., Höhe 05 M,). Diefer
mit einem Graben umgebene Hügel enthielt mehrere
kopfgroße und noch größere Steinfindlinge, welche auf
der mit Kohlen, Knochen und fchwarzer Erde
gemengten Brandfchichte auflagen. Außer den Bruch-
ftücken einer mit Rautenornamenten verzierten Schale
fanden fich keine weiteren Beigaben.
Einzelnes Grab auf der Mooswiefe (auch Mairin ge-
nannt), tiächß Aug, nördlich von Teichßätt.
Aus dem fumpfigen Wiesgrunde ragt eine 30 M.
lange, 16 M. breite natürliche Bodenanfchwellung
hervor, auf deren nordwefllichem Ende ein kreisrunder
Hügel von 6 M. Durchmeffer und 05 M. Höhe auf-
fitzt. Nach Abgrabung der Auffüllung zeigte fich eine
mit Kohlen, Afche und Gefäßfchcrben gemengte Brand-
fchichte. In diefer Schichte lag ein Speereifen von
großen Dimenfionen und ein kleineres mit abgebro-
chener Spitze. Wie im Innern des Grabhügel.s, wurden
auch bei der auf feine Umgebung ausgedehnten Nach-
grabung keramifche Fragmente zutage gefördert, die
fich aber wefentlich von den im Grabe felbft gefundenen
Scherben unterfcheiden. Es kommen darunter folche
aus Graphit und aus hart gebrannten, mit Quarzfand
vermifchtem Thon in Formen vor, welche auf die An-
wendung der Drehfcheibe fchließen lafi'en.
So verfchieden die unterfuchten Hügelgräber in
ihren Größenverhältniffen find, fo gleichartig und über-
einftimmend ift ihr .Aufbau, die innere Anlage, die Art
der Ausbreitung der Afche und Knochenrefle auf der
mit Sorgfalt geebneten Hügelfohle und der Deponirung
der Grabbeigaben.
An Schmuckgegenftänden waren die Gräber fehr
arm, dagegen ziemlich reichhaltig an Waffen und
anderen Objeften aus Eifen, wie auch an Thongefaßen.
Es ift gelungen, aus Bruchftücken der letzteren eine
Anzahl von Gefäßen zu reconftruiren. Die photogra-
phifche Darfteilung derfelben auf Taf I zeigt deutlich,
dals die aus großen Urnen und verfchiedenen Schalen
beflehenden Gefäße aus freier Hand, ohne Anwendung
der Drehfcheibe, geformt find.
F!g 3-
Flg.
Fig. 2.
Für die Zeitbellimmung der aufgedeckten prä-
hiflorifchen Grabftätten bieten die Beigaben und die
bei ihrer Auffindung beobachteten Erfcheinungen hin-
längliche Anhaltspunkte. Es ift kaum zu bezweifeln,
dafs alle diefe Gräber einer und derfelben Culturperiode,
und zwar der jüngeren Hallftätter, refpe6li\-e der älteren
fchon ziemlich entwickelten Eifenzeit angehören.
Sämmtliche Funde find in den Befitz des Mufeums
Francisco-Carolinum in Linz gelangt, welches wieder
wie in den Vorjahren in dankenswerther Weife die
Koften der Grabungen beftritten hat. Durch diefe
Neuerwerbungen haben feine Sammlungen von Landes-
funden aus urgefchichtlicher Zeit eine wefentliche Be-
reicherung erfahren.
BefondereErwähnung verdient ein ungewöhnliches
Vorkommnis auf dem durchforfchten Gebiete, das
möglicherweife mit den eröffneten Gräbern in einem
gewiffen Zufammenhange fleht. An der von Teichftätt
nach Weißau führenden Straße, nahe der Ortfchaft
Oberhaft, wurde ein im freien Felde gelegener größerer
Hügel, deffen Scheitel muldenartig eingefunken war,
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- ii. bist. Denkm., Jahrg'. 1902.
Taf. XIII.
— 91
unterfucht, wobei vier Sandfteinfindlinge zum Vorfchein
kamen, die in ähnlicher Weife wie die in den Gräbern i
[j [ Fig. 4.
^
/
Fig- 5-
; 2 j 'i -5
Fig. 6.
?» an
und 2 der Gruppe I mit fcliarf eing'egrabenen Zeichen
verfehen find. Sie lagen auf einem Pflafler von
größeren, nicht markirten Steinen. Da der Hügel nur
wenige kleine Kohlen, aber weder Afche noch fonflige
Culturrefte enthielt, fo ifl aucli nicht anzunehmen, dafs
er eine Begräbnisftätte war.
In geringer Entfernung von dem eben erwähnten
Fundplatze find zwei dammartige Erderhebungen, und
auf einer derfelben fitzt ein meterhoher Hügel von
großem Umfange auf, welcher, wie es den Anfchein
hat, fchon in einer früheren Zeit zum Theile abge-
tragen wurde. Bei Unterfuchung de.s noch inta6ten
Theiles find nun zahlreiche, mit den verfchiedenften
Marken bezeichnete Steine an das Licht gelangt. Fig. 4
bis 6.
Ich habe ganz genaue, naturgroße Abbildungen
von 66 folchen markirten Steinen anfertigen laffen.' Es
ift vollkommen ausgefchloffen, dafs die Zeichen etwa
zufällig entftanden feien. Die oftmalige Wiederholung
einzelner Charaktere, Zeichen oder Marken, das Vor-
kommen folcher auf der Vorder- und Kehrfeite vieler
E.xemplare, die fchalenförmige, kreisrunde Ausmeiße-
lung einzelner laffen es als unzweifelhaft erfcheinen,
dafs diefe Zeichen von Menfchenhand mittelft fcharfer
Werkzeuge abfichtlich eingegraben worden find, und
dafs fie eine befondere Bedeutung hatten.
Wenn nun die abfichtliche Markirung der Steine,
von welchen außer den ohne gefliffentliche Auswahl
abgebildeten noch 214 Stücke vorhanden find, nicht
angezweifelt werden kann, fo drängt fich die Frage
auf, welchen Zweck fie hatten, und welche Bedeutung
ihnen beizumeffen fei.
Dafs, wie fchon erwähnt, derartige Steine auch in
Gräbern, und zwar mit befonderer Sorgfalt in fchwarzer
Erde gebettet vorgefunden worden find, ifl für die
Beurtheilung ihrer Bedeutung wohl nicht belanglos,
jedoch nicht hinreichend, das Vorkommen fo zahl-
reicher Exemplare in Hügeln, die nicht als Grabflätten
angefehen werden können, zu erklären.
Verfügung.
Auf Verlangen ftelic ir ti cüefe Abbildungen für Studienzwecke zur
Die römifchen Meilenfteine im ftädtifchen Mufeum Carolino-
Augufteum in Salzburg.
Von Piufclfor U/ivu-y KloßA
iHiezu Taf. XUI.)
Ein Verzeiclinis der henützUn Autoren voiauszufchicken, ift nicht
Höthig, indem der Band III des Corpus inscriptionuni Latinanim und
fein Supplement alle einfchlägigen Buchtitel mit wünfchenswerther
Ausführlichkeit im Index auctorum aufzählen. Ich brauche bloß
folgende Werke hinzuzufügen;
Jos. Diiiiinger, liiftorifch-ftatiftifches Ilandliutli von Pongau,
.Salzburg 1867.
Joh. Aiulr. Scfllialer, Nachrichten von den alterten Dcnk-
mählern in Salzburg (Manufcript des Salzburger Mufeunis aus dem
Jahre 1836). — Allgemeines Verzeichnis der Denkmähler der Vorwelt,
welche nach Salzburg gekommen find (dsgl. 1837J. — Die Denk-
' Die Drucklegung diefes Auffatzes ift durch Refchluß der Central -
Coniiniflion von igoo angeordnet worden. Der Verfaifer hat nachträglich auf
lirfuchen der Rcdatilion feine Ausführung an vielen Stellen erheblich gekürzt.
niähler der Vorwelt bey ihrer Ül)erfclzung aus dem Studiengebäude
in das ftädtifche Mufeum (dsgl. 1837).
jfoh. Steinhaiifer, Chronica.. .. der Stadt Juvavia (dsgl. 1601).
Vgl. unten die Anmerkung zum XI. Meilenfteine.
Indern ich meine Arbeit einer wohlwollenden
Prüfiing empfehle, komme ich der angenehmen Pflicht
nach, den Herren Eberhard Fugger, k. k. Profeffor
i. R., P. Willibald Mauthaler, Abt des Benedifliner-
Klollers, Richard R. v. Strele, k. k. Cuflos der Studien-
bibliothek, und befonders Dr. Alexander Fetter, kaif.
Rath und Mufeumsdireflor in Salzburg, die mir in bereit-
willigltcr Weife theils Handfchrificn und Bucher zur
92 —
Verfügung ftellteii, theils meine Arbeit durch inünd-
liciie Auskünfte förderten, den warmften Dank aus-
zufprechen.
Unter der Regierung des Erzherzogs Ferdinand,
Kurfürften von Salzburg, erHeß der kurfalzburgifche
StaatsminifterMarquis Manfredini am 20. Dccember 1803
einen Befehl, durch den ,,fämmtlichen Beamten fowohl
tue forgfältige Sammlung und Aufbewahrung der rö-
mifchen Denkmale und Altcrthümer, welche in meh-
reren Gegenden des Landes von Zeit zu Zeit noch ge-
funden werden, als die Erhaltung derjenigen, welche
bereits früher entdeckt und zum größten Theile fchon
durch Schriften bekannt geworden find, empfohlen"
und angeordnet wurde „über die in jedem Gerichts-
bezirke gefammclten einzelnen Stücke ein Verzeichnis
zu faffen und cinzufchicken". Im folgenden Jahre wurde
fodann befohlen, die Monumente felbft nach Salzburg
zu liefern, wo fie in der Halle des Studiengebäudes
aufgefliellt werden follten.
Da jedoch trotz diefes Regierungsbefehles viele
Denkmale auf ihrem Standplatze belaffen wurden und
einige ihren Weg nicht nach Salzburg, fondern nach
Wien oder München nahmen, fo kamen im ganzen nur
17 Denkmale in das Studiengebäude zu Salzburg. Sie
blieben aber infolge der damaligen Kriege im Hof-
raume desfelben, wo und wie fie abgeladen wurden,
unter freiem Himmel länger als ein Jahrzehnt unbe-
achtet auf der Erde liegen. Endlich wurden fie in einem
der vier Bogengänge des Gebäudes ganz ohne Ordnung
aufgeftellt. Dann verftrichen noch mehrere Jahre. Erft
I'rofcffor Stephan, Cuflos der Studienbibliothek, wür-
digte fie 1825 einer ausfuhrlichen Befchreibung.
Nachdem darauf 1835 das flädtifche Mufeum an-
gelegt worden war, mit deffen Leitung Maria Vincenz
Süß, der fich um die Gründung die größten Ver-
dienfle erworben hatte, betraut wurde, wurden zufolge
der Verordnung der k. k. Hofkanzlei in Wien vom
20. Januar 1837 die erwähnten 17 Denkmale aus dem
Lycealgebäude dem Mufciun übergeben und bildeten
nun den Grundftock feiner Antikenfammlung. '
I. ,,Auf der gefchnittenen Baumtratten'
St. Margarethen.
füdlich von
„Rusticiiä ante cujus aedes modo prostat, vulgo Krägler voca-
lur. inveniHs autem fuit hie lapis cum inscriptior.e in alpibiis Duferni-
anis infra Alpes Einegg hora abhinc distantibus prope viam, quac
olim Romanonim fuisse creditur. Ubi ctiam aliiim vidi candidum
S", i-j pedum longitudine, 3' '3 pedum crassitudine sine inscriptione qui
statuae figuram aliquando prae se tulisse apparct, nam caput, brachia.
que abscissa fuisse videntur. . . Ajunt tertium multa cum inscriptione
ibidem quondam exstitisse, sed propter incuriam hominum super-
crcscenteherbae memoria cvanuisse locum" Lengauer{zvi. 1760-17661.
„Die Mcilenfäule, welche im Dorfe St. Margarethen beim Grangglcr
Bauern aufgeftellt war, unlängft von da in die Univerfitilt nach Salzburg
abgeführt wurde, ftand nicht auf der Taferncralpe, fondern auf einem
vorfpringonden, hübfchen und geräumigen Plätzchen, das man gegen-
wärtig „auf der gefchnittenen Baumtratten" nennt. Diefes würde
jemand antreffen, wenn er von der Kirche St. Margarethen eine
' V^l. Salzburgcr Intdiigcnzblatt 1803, 827; Vicrthalcr, Wanderungen I.
a68; Stephan, Manufcript der Studicnbibliolhck ; Sccthaler. Die Denkm.-ihlcr;
Süß, Das (ladtifche Mufeum, 7 — 13.
Viertelftunde weit in den Lausnitzgrabcn hineinginge, und dann links
gerade den Berg hinanftiege." Winkllwjer (iSigj, „Meilenzeiger im
Jahre 1804 abgeführt". IVeilmeyr (1812). — Ueber die folgenden '
Schickfale der Meilenfaule fiehe die Einleitung.
Die kleine Säule befleht aus Kalkfcliiefer und ifl
I M. 26 Cm. hoch; der horizontale Durchfchnitt bildet
eine Ellipfe, deren große Achfe 35 Cm. lang ilt, während
die kleine Achfe 30 Cm. beträgt. Oben ift der Stein
fall: kugelförmig abgerundet, am Fuße links unterhalb
der Schrift etwas abgefchlagen, eine Verletzung, die
erft nach der Zeit Lengaueis flallgefunden hat, wie
aus deffen Zeichnung erfichtlich ift. Die Buchflaben
find feit alter Zeit — oft unrichtig — mit fchwarzer
Farbe angeflrichen.
Die ziemlich gut erhaltene Infchrift, deren ]5uch-
llabenhöhe 42 Cm. und Zeilenabfland 2 Cm. (10. Zeile
zur II. Zeile 5-5 Cm., 11. Zeile ziu- 12. Zeile 4 Cm.)
beträgt, lautet:
IMP-CAES
L-SEPTSEVERVS
AB-AOll B PAPv-MXPON
S TRI ß-pR VlllHAAXII
CO s-wv P-Pio
C OS- E T-l AA pkAEi
/V\..»AVR.EL I VS
PIV5-AVC-TR.Iß-P0T
^0 l/ll-PRO-C OS
A-T-M P'
Zeile 3: C ftatt G in AVG, ein Fehler des Stein-
metzen. Zeile 4: Da die Lücke zwifchen AD und B
reichlich Raum für drei Buchflaben bietet, fo fcheint
der Stein fchon zu der Zeit, als er bearbeitet wurde,
einen Sprung gehabt zu haben.
Mommfens Zweifel, ob PON echt oder fpäter hin-
zugefügt worden fei, da es größer als die anderen Buch-
flaben fei, kann ich nicht theilen; denn Größe und Form
der Buchflaben ifl diefelbe wie fonfl auf der Infchrift.
Auch kann man hinter PON kein T erkennen. Mit der
Abkürzung PON (nicht PONT) ftimmt Zeile 3 PER,
Zeile 4 PAR und Zeile 5 IM überein. Wie hier, fo ift
auch auf dem III. Meilenfteine PON ftatt PONT -MAX,
das wir auf den meiften Meilenfäulen des Sevcrus lefen
(vgl. CIL III II 13 f.), gefchrieben. PONTIF (ohne
MAX) fteht auf dem II. und IV. Meilcnfteine.
Zu erwähnen ift noch, dafs fcheinbar RON ftatt
PON eingemeißelt ift; es ift dies jedoch nur ein Fehler
im Materiale, denn bei dem wirklichen R ift der Diffe-
rcnzirungsftrich länger.
Zu Zeile 8 ift Mommfen zu vergleichen.
Von der Auslaffung einer Zeile nach der 10. Zeile
kann überhaupt nicht die Rede fein, da der Zwifchen-
ratim zwifchen der 10. und 1 1. Zeile zu gering ift; vgl.
auch den III. iMeilenftein.
Danach düifte das unverftümmeltc Original fo
ausgefehen haben:
93
IMP.CAES
L-SEPT-SEVERV5
PIVf-PEtfVAVC-Al«.
Aß-ADilAß-PAH-MX-PON
TRIB-POT-VfllHAA-Xll
CO j"-Ü'P-P-PRO
C 0 S-^T-l M P-CA ES
maf:-avr.el I Vj-
PIV5.AVC-TKIß-P0T
llll-PR 0-COS
A-T-M-P-
IIXXX
Der Meilenftein wurde ebenfo wie die Meilenfteine
Nr. II — VI, IXrt und XI zu Ehren des L. Septimius
Severus und feines alteren Sohnes Bassianus, des fpäter
fogenannten Caracalla, errichtet und bezeichnet den
Kaifer als den Erbauer der Straße, an der er, 28.000
Doppelfchritte von Teurnia entfernt, aufgeftellt war.
Diefe Straße führte von Teurnia in nördlicher Rich-
tung über die Taferneralpe' und durch St. Marga-
rethen in die Nähe (weftlich) von Mauterndorf, wo die
von Virunum über Treibach, Grades, Murau und
Tamsweg kommende Römerftraße fich mit ihr ver-
einigte, weiter über Tweng, den Radftädter Tauern,
Altenmarkt, Hüttau, Werfen und Golling nach Juva-
vum (Salzburg). Sie wird in den Itinerarien nicht er-
wähnt, doch kommt ihr nördlicher Theil (von Mautern-
dorf angefangen) auf der Peutinger'fchen Tafel vor,
indem auf diefer die Straße von Virunum nach Juva-
vum folgendermaßen eingezeichnet ift: Varuno — XIIII
— Matucaio — XIII — Beüandro — XIIII — Tarna-
sici — XIIII — Graviacis — XVI — Mimurio — XIIII
— in Alpe — XVI — Ani — XVII — Vocario —
XVII — Cuculle — XIIII ^ Juvavo (vgl. die beige-
fügte Kartenfkizze).
Der Meilenftein wurde, wie fich aus der Erwäh-
nung der 9. tribunicia potestas Severs, mit der die
4. tribunicia potestas Caracallas zufammenfällt, ergibt,
201 gefetzt. Erwähnenswert!! ift, dafs auf diefem und
dem III. Meilenfteine der wahrfcheinlich im Jahre 198
zum Caefar erhobene P. Septimius Geta nicht ge-
nannt ift.
Die Infchrift führen an: Lengcxuer mit einer Zeich-
nung. Von ihm hängt ab Kleiinayrn, Juvavia, 53; von
letzterem JF«7;//^/r, Top.Lex. 2,200. Viertiialcr,\nteW.-
Bl. 1803, 720. V. K., 1825. Stephan, Studienbibliothek,
55 und Wiener Mufeum; aus letzterem Steinbüchel,
Jahrbücher, 46. Bd., 49, n. 94.^ Braune, 3. Aufl. 149
(2. Aufl., S. 10)? Hefner, Salzburg, XXIV. Denkmal,
mit Fig. 10; danach Steiner, n. 2810; vgl. n. 4062.
Jabornegg (viermal, immer anders): i. Alterthümer,
1S45, XVI. Taf, Fig. 3; 2. Notizenblatt, 4. Jahrg., 195;
' lieber die Richtung der Straße haben außer Mommfen CIL \\\ p. 694
u. 622 einKchend gehandelt; Winklhofcr, Carinthia 1819, n. 18; Kürfinger.
677; Prinzinger, Landeskunde, 1874, 69 ff.; Fried. Kenner. Noricum und
Pannania. 135; S. P. N. (Sicginund Pollatfchek v. Nordwall), Eines alten Sol-
daten Romeriludien nach der Natur, Wien 1882. H. Th.
- Das Manufcript Stephans in der Studienbibliothek (Bcfchrcibung der
römifchen Alterthümer) dürfte, da die einfchlagige Literatur nur bis /um Jahre
1825 angeführt wird und die Aeußerungen über die Pfleger von St. Michael und
Radft:idt (S. 86) auf 1824 und 1825 palTen. aus dem jähre 1825 oder 1826
flammen. Außerdem fanclle Stephan einen (im Wiener ^lufeum aufbewahrten,
von Mommfen benutzten) P.ericht an Steinbüchel, der daraus 13 Infchriften
veröfTcntlichte, jcdocli n. 87, gl und 92 fchlecht n. 95, 9Ö und 97 ungenau. Die
Berichtigungen im 55. Pandc der Jahrbücher rühren nicht von Steplian her.
' Braune (Der Fremde in Salzburg) beruft fleh auf Seethalcr's M.anu-
fcript ..Topograjjiiie der a'leften Dcnkini'lcr in und um Salzburg", d.iN ich leider
nirgends au''trcibcn konnte.
3. Archiv, 6. Jahrg., 1 10; 4. Alterthümer, 1870, 187.
Kürfinger, 680, mit Fig. XX. Knabl, Archiv, 4. Jahrg.,
Tl (zwei Lefearten, nach v. Jabornegg 1845 und nach
einer Mittheilung Mommfens). Mommfen, 5714 und
11834-
Den Meilenftein erwähnen: Vierthaler, Wande-
rungen, I 143. Winklhofer, Carinthia, 1819, n. 18;
Intell.-Bl. 1820,715. Aluchar, Noricum, I 294 (nach
Winklhofer 18 19). Secthaler, Nachrichten, n. III 14;
Allgemeines Verzeichnis, n. IX. Süß, Das flädtifche
Mufeum, 12 f, n. 11. A. Huber, Landeskunde, 1870,9.
Richter, Verzeichnis, 93 (in Salzburger Landeskunde
1881).
II. Tweng.
Tweng... Lungaviae locvis; ibi tabernam hospitariam iiigres-
siiris extra portam a lateie dextro lapis Candidas parieti insertus obji-
citur altitudinis i^/,., latitudinis 6 pedum, cui talis sctiptiira germanici
idiomatis insculpta legitur; „Anno 1750. den 8. May wurdte In denen
Nächften Feldern difer flein Nebfl Einigen Menfchen Peinern Von
Herrn Jofeph Seemann Inhabern difer Tafern nnd Nebfl gegen yber-
ftehender Säulen als Ein Antiquitet Anhero gefetzt." I.engauer
zwifchen 1760— 1766 1: „Zu Tweng dem Pofthaufe gerade gegenüber
fteht eine Meilenfäule. " Viert/ialer (1801): „Im Jahre 1806 nach
Salzburg geliefert." — Vgl. die Einleitung.
Eine cylindrifchc Säule aus Kalkfchiefer von
49 Cm. im Durchmeffer und i M. 63 Cm. Höhe über
dem Fußboden, in den fie jetzt mit ihrem etwas ver-
dickten Fuße eingemauert ift. Sie ift fehr verftümmelt,
und fchon Lengaucr's Zeichnung, die mit der gelun-
genen Abbildung bei Hefner übereinflimmt, zeigt uns
die Säule in demfelben Zuftande. Die Schrift ift ziem-
lich ftark verwittert, einzelne Buchftaben weifen noch
Spuren der fchon von Hacquet (1791) erwähnten Aus-
malung mit fchwarzer Farbe auf.
Höhe der i. Zeile 7-5 Cm., der 2. Zeile 65 Cm.,
der 3. Zeile 55 Cm., der 4. bis 8. Zeile 4-5 Cm., der
9. bis II. Zeile 4 Cm., der 12. Zeile 55 Cm. Abftand
der I. zur 2. Zeile 4 Cm., der 2. zur 3. Zeile 35 Cm.,
zwifchen den übrigen Zeilen 23 Cm.
/CA. 6
£\£RV5PV,...
CARAßAD'
TvNiFTkßPO-^-
S :■■; SnpppROCO..
ri^... - GTfißPOT-'-
/////////////////// ylL I ß^;
\\ PR AT' M P
XL
Iki dicfcr Infcluift ift es mir gelungen, eine nicht
unerhebliche Anzahl Buchftaben mehr herauszubringen,
als bisher bekannt waren.
Zeile 4 und 7 ill nicht TUli, fondern tUB ge-
fchrieben, während fonfl die Ligatur k für IR Itelit
(vgl. E. Hübner, E.xcmpla, p I.XIXi.
f<r
_ 94 -
Zeile 8. Vor MILIARIA find die Buchftaben nicht
verwittert, fondern ganz zerftört, und da auch die
anderen Mcilenfteinc, auf denen M. Juventius Surus
ProcuUis erwähnt wird, nämlich Nr. IV, V und VI, dic-
felbe Erfcheinung zeigen, fo muß man annehmen, dafs
die Buchftaben abfichtiich weggemeißelt worden find,
was nach der Ermordung des P. Scptimius Geta durch
Caracalla (212) auch auf vielen anderen MeilcnRcincn
gefchah. Vgl. Mommfen CIL III 1 1 16.
Zeile 1 1. Statt des ftark verwitterten T hat Leng-
auer S, das ift Solva, gelefen, dem die meiften Heraus-
geber gefolgt find. Mommfen hat richtig T wieder-
gegeben.
Punkte zur Trennung der Wörter find auf der In-
fchrift ebenfowenig fichtbar, wie auf dem noch fehr gut
erhaltenen IV. Meilenflcine.
Um nun die unverftünimelte Infchrift zu recon-
ftruiren, gehen wir von Zeile 9 aus, die wahrfchcinlich
mit KStTWRVI^ geendet hat; danach ergibt fich
als Anfang der 10. Zeile CVRN, wodurch auch der
Anfang der 9. Zeile beftimmt ift; die 8. Zeile habe ich
nach Mommfen ergänzt, fo dafs der Anfang diefer drei
Zeilen mit dem überlieferten Anfange der 7. Zeile
ftimmt. Auf diefe Weife erhalten wir eine Infchrift von
regelmäßiger Form, für deren Regelmäßigkeit auch der
Umftand fpricht, dafs diejenigen Schriftzüge, die noch
deutlich erkennbar find, eine forgfältige Arbeit des
Steinmetzen bezeugen:
ifvPC/t5LS£ PT
S£\fRVSPVSPEKr
PONlFTkB POT-':.:i/v«Xn
^ C0S'ipppR0C05;"" '"
PiVSAVGTftßPOTMMPiiOCOSHT
Viz iVSTAlCOMAPiAHStTV-^^'^
10 Cy:^N-EM/V\fN-|OS ROPROC --'
L£G PR PR A T M P
XL
Zeile 4. Nach POT hat Mommfen mit Recht
Villi IM XII ergänzt, wofür ein infchriftlicher Beleg auf
einer Meilenfäule (CIL III 3746) enthalten ift, welche,
von demfelben Legaten ii demfelbcn Jahre wieder-
hergeftellt, an der Straße von Juvavum nach I.auria-
cum ftand.
Zeile 7. Der Meilenftein wurde im Jahre 201, dem
vierten Tribunatsjahre Caracalla's, errichtet.
Zeile 10. Ob der Statthalter M. Juventius Surus
Proculus — woran Gaisberger (28. Bericht über das
Mufeum Francisco-Carolinum, Linz 1869, 246J dachte
— diefelbe Perfönlichkeit ift, die dem Kaifer Severus
fechs Jahre vorher das im Mufeum zu Augsburg be-
wahrte Dedications-Monument (CIL III 5809) zum
Danke für die Wicderherftellung von Mauern und
Brücken errichtet hat, läfst fich nicht entfchciden, da
auf jenem Monumente von dem Namen nur VS SVRVS
erhalten, SVRVS aber nach Mommfen, 1 105, ein nicht
feltenes cognomen ift.
Die Infchrift führen an: Lcngauer, mit einer Zeich-
nung. Von ihm hängt ab Kleimayrn, 52; von letzte-
rem Weilmeyr, Top. Le.x. II 3 1 8, und wahrfchcinlich Jos.
Huber, Der Aufmerkfame, 181 8, n. 24. Hacquet, I 218.
Vicrlhaler, Reifen, 349, vgl. y6; wiedergegeben von
Koch-Steritfeld, Rcpertorium, j6, Anm. V. K. 1825.
Stephan, Studienbibliothek 87 und Wiener Mufeum;
aus letzterem Steinbüchel, Jahrb. XL VI, 50, n. 96; be-
richtigt LV, 22 Anm. Bucliner, Documente, 75 (führt
irrthümlich eine Infchrift an, die einer bei Apianus
erhaltenen [= CIL IIl 5722] fehr ähnlich ift). Ankers-
Iiofen, Handbuch, i. Abth., 453. Braune (nach See-
thaler), 3. Aufl., 149 (2. Aufl., 29). Hefner, Salzburg,
XXI. Denkm., mit Fig. 8; danach Steiner, 2809. Kür-
finger, 89, vgl. 61 und 74, mit Fig. VII. Mommfen,
Den Meilenftein erwähnen: Vierthaler, Intcll.-Bl.
iSoi, 372 und 1803, 719, wiederholt in: Wanderungen
1 122 (danach Franz Sartori, Neuefte Reife durch
Oefterreich, Salzburg u. f w., Wien 1811, 2. Bd., 107)
und Anm. n. 146.' Mucliar, Noricum, i, 293. Seethaler,
Nachrichten n. III, 12, und Allgemeines Verzeichnis
n. XI. Siiß, Das ftädt. Mufeum, 12, n. 13. A. Hiibcr,
Landeskunde, 1870, 9. Richter, Verzeichnis, 96.
in. Breitlahner Brücke, füdlich vom Radftädter
Tauern.
„Römilcher Meilenzeiger aufgefunden auf der linken Seite des
Taurachbaches ein wenig oberhalb dem ehemaligen Paß 1820
Knechte hatten Kalk gebrannt, und zu dem Ende Steine zufammen-
getragen. Wie fie den Meilenzeiger umwandten, fahen fie die Schrift
und ließen ihn liegen." Winklhofer (Manufcript in der hiefigen Studien-
bibliothek). Ausführlicher „neu aufgefunden auf der mittägigen Seite
des Radftädter Tauern zwifchen dem 1800 abgebrochenen Pafs und
der Breitlahner Brücke, eine kleine Strecke vorwärts diefer Brücke
links am Berge hinan, nicht auf der rechten Seite der Taurach, wo
jetzt die Straße läuft, fondern auf der linken bei der Stundenfäule
26-'/jj von Salzburg". Winklhofer" „Meilenfäule in St. Michael, neben
der dermaligen Tauernftraße herunterhalb des Schmidberger Wirthes
. . .Eingemauert auf dem Platze, wo fie gefunden wurde". Steinbüchel
(1829); wie hier die Worte, „wo fie gefunden wurde", unrichtig find, fo
beruhen auch die von Mommfen aufgenommenen Worte „in Sancfl
Michael u. f. w." auf einem Mifsverftändnifte; denn die folgenden
Nachrichten wiffen — was Prinzinger auch durch mündliche Erhe-
bungen feftftellte — nichts von einer Uebertragung des Steines nach
St. Michael. „Bei dem Breitlahnbrückel fteht zur Linken der Straße
eine römifche Meilenfäule. . . Vor einigen zwanzig Jahren hat fie der
bereits verftorbene Liendlbauer von Strannach jenfeits der Taurache
an der .Sonnfeite der Wachtwände in der Gegenrl des noch fichtbaren
Römerweges gefunden. Die Infchrift lag im Boden, der Rücken des
Steines nach aufwärts. Die Säule war nochmal fö lange, durch das
Ungefchick des Finders brach die untere Hälfte ab. Der Stegerwirth
auf dem Tauern verführte die Säule nach Radftadt („vor einigen
[.-ihren gefunden und vom Plleger zu Radftadt nach Radftadt ge-
fchleppt, wo fie fich noch befindet" Stephan, Studienbibliothek 1825),
von wo fie Pfarrer Winklhofer von St. Michael, der unermüdliche Alter-
thumsforfcher, vom Pnt'ggcrichle Kadftadl rcclamirte und erhielt. Die
Saide kam fonach auf ihren alten Fundplatz, bis der k. k. Straßen-
conimiffär Zehenihofer fie durch den Wegmacher Grueber vor unge-
fähr 15 Jahren auf ihren ilermaligen Stand hinfclzen und ihr einen
' Der Inhalt der „Wanderungen" geht größtciithcils auf Aufzeichnungen
zurück, die Vierihaler zwifchen den Jahren 1794 — 1806 gemacht hat; die An-
n-.erkungen hat er vielfach erft Ijci der Herausgabe im Jahre 1816 hinzugefügt.
* So citirt Mommfen.
— 95 —
eigenen Sockel geben ließ." K'ürfin^er (1853): b^'"' erhielten das
IJruchftück einer römifchen Meilenfäule, welches . . . am fogenannten
lireitlahnbrückl fich aufgeflellt befand." Süß (1853).
Der kleine, ebenfalls aus Kalkfchiefer beftehende
Meilenftein hat jetzt nocli eine Hohe von 85 Cm., ift
oben ein wenig abgerundet und zeigt vorn eine ebene,
nur an den beiden Seiten nach rückwärts gekrümmte
Fläche in der Breite von 46 Cm., welclie die Schrift
trägt. Rückwärts ifl er jetzt halbkreisförmig mit Mörtel
übcrkleidet, entfprechend dem cylindrifchen Sockel,
auf dem er im Mufeum fteht; doch kann man auf die
Dicke des Steines nach dem Loche fchließen, das,
unterhalb des zweiten P in Zeile 9 den ganzen Stein
von vorn nach rückwärts durchbohrend, 12 Cm.
tief ifl und bis an den Mörtel reicht; vermittelft diefes
Loches wurde der plattenförmige Meilenftein „auf der
Fundftelle an einen Felfen geklammert" (Stephan,
Studienbibliothek, 86"). Die Ausmalung der Schrift mit
fchwarzer Farbe muß vor der Ueberführung ins Mufeum
erfolgt fein; denn ich habe aus einigen Buchftaben am
rechten Rande den Mörtel weggekratzt, worauf die
fchwarze Farbe zum Vorfchein kam. Am Ende der
5. Zeile ift unrichtig noch N dazugemalt. Zeilenhöhe
durchfchnittlich 4'2 Cm., Abftand durchfchnittlich
I Cm., von der 9. zur 10. Zeile 38 Cm.
i£VER\/5-P/'PER-A/C
/\Rß-A3lA'PARrMAX
PON-TR Iß'POT-VlIll
s IN^-XIICOSII-P-PCO
l'IN^CE5M'AVR
ANTON /NV5
PIV5-PA/CTr-PoT
lxP';>>.PAoc
ir
XLI
Diefe deutlich lesbare Infchrift verräth die Hand
eines fehr nachläffigen Steinmetzen, indem fie mehrere
Fehler und ungewöhnliche Abkürzungen aufweist:
Zeile 2. PL
Zeile 3. ARB und ÄilA.
Zeile 5. G für C in COS.
Zeile s und 6. P-PCO IUI hat Mommfen in PRO-
COS'ET verbeffert; vielleicht könnte man noch mehr
ergänzen; denn da der Beiname P(ater) P(atriae) auf
keiner der hiefigen Meilenfäulen fehlt, fo hätte der
Steinmetz wohl P-P- PROCOS-ET fchreiben follen.
Zeile 6. CES ftatt CAES.
Zeile 9 hat Mommfen richtig bemerkt, dafs IUI
ftatt IX'PP zu fchreiben war, was fich aus Zeile 5
TRIB'POT- Villi und au.s der Vergleichung mit den
anderen Meilenfteinen ergibt.' Vgl. Zeile 5.
Außerdem find nachläffigervveife einige Punkte
weggelaffen. Die Buchftaben zeigen im allgemeinen
eine geringe Regelmäßigkeit, find bald größer, bald
kleiner und ragen öfters über die gewöhnliche Zeilen-
hohe hinaus.
Mit Rückficht auf das neunte Tribunat Severs
müßen wir den Stein in das Jahr 201 fetzen.
Die Infchrift führen an: Winklhofer Sudienbiblio-
thek; Steyerm. Zeitfchr. 1825, 6. Heft, 153; Manufcript,
benützt von Mommfen. Von ihm hängt ab: Orelli, 4975,
Schedae mus. Vind.' und daraus Steinbüchel,]2i\\x\,wc\\,
46. Bd, 51, n. 100; ihm folgt mit einigen Aenderungen
Hefner, Salzburg, XXIII. Denkm.; dem letzteren folgt
Steiner, 281 1. Kürfinger, 73. Mommfen, 5720.
Den Stein erwähnen: Mucliar, Noricum, i, 281
Anm. (nach Winklhofer, Steyerm. Zeitfchr.). Stephan,
Studienbibliothek, 86 und 96. Süß, Jahresbericht,
1853, 32. A. Huber, Landeskunde, 1870, 4, und Ge-
fchichte 3, 38. Prinzinger, Landeskunde, 1881, 89.
Richter, Verzeichnis, 95. S. P. N. II, 84 Anm.
IV. St. Gertraud bei Mauterndorf.
,.Juxta eam viam, qua itur . . . Danisweig." Fickler (1619). „Uno
alterove tormenti jactu distat Mauttcrndorffio Ecclesia Divae Gertrudi
. . Sacra; ibi prope viam, quae Dambshoffium tendit, Columna . . ."
Zc«^ö«^r (zwifchen 17Ü0 — 1766). Dort fah fie noch Vierthaler (ivi\-
fchen 1794 — 1804). Um das Jahr 1804 in das Studiengebäude zu
Salzburg überfiihrt; vgl. die Einleitung.
Ein fchöner, mächtiger Cylinder von weißer Farbe,
aus Kalkftein, i M. 70 Cm. hoch und 50 Cm. im Durch-
meffer. In der Mitte der oberen, wahrfcheinlich erft fpäter
geebneten Begränzungsfläche ift ein ftarker, 6 Cm. her-
vorragender Eifenftift eingekeilt, mittels deffen wahr-
fcheinlich der kleine Feldaltar befeftigt war, der, wie
Lengauer und Vierthaler fahen, die Säule auf ihrem
Standplatze bei der St. Gertrauden-Kirche krönte. Den
Dienft als Marterfäule bezeugt noch die unterhalb der
Schrift eingehauene kleine Capelle mit Spitzbogen, die
durch ein eifernes Gitter gefchloffen werden konnte.
Die Infchrift ift in der Mitte noch fo gut erhalten, als
hätte fie erft vor kurzem die Werkftätte verlaffen, auf
beiden Seiten dagegen vollftändig abgewetzt, eine
Erfcheinung, die weiter unten ihre Erklärung finden
wird. Zeilenhöhe 45 bis 5 Cm., Abftand 2 Cm. Wann
die Buchftaben mit fchwarzer Farbe ausgemalt wurden,
ift uns nicht überliefert.
PCAiL^tPtMV.>
3 P E RtNA7 AV C ■
BMXPONtFTP ■
vP\i.C0S'iPPPROQ
S CASMAVKLNTOI^NV
PR0Tli»PR0C05
i!!!!!!!!!!!!!l!'iAuk\M
G^JLAP^EStTV^i
cVnMiMiv\ffvri(i.::'\
f(^ PROCVLOLEG
PR PRAT M P
XLV
' Schon Hefner führt in willkürlicher Weife die Infchrift fo an, dafs er
Zeile s PROCON fchreiln, Zeile 6 IUI lilgt und Zeile 9 IX in IUI ;indctt;
er erwähnt aber dabei nicht, dafs dies nur Conjet^turcii find, fonticrn meint.
es fei fo auf dem Steine cinKcmeißclt. Die Infchrift hat er jedenfalls nicht
felbft gefehen. fondern kennt fie nur durch Vermittlung Stcinbüchcis ; denn er
theilc mit diefem den Irrthum bezüglich des Standortes des Steines.
Zeile I. Da man oberhalb <\q?^ rcclitsfeitigen fenk-
rechten Striches des M eine Abfplittcrung des Steines
So von Mommfen, der fie benutzte, citirt.
- 96
wahrnimmt und Zeile 7 MI durch M ausgedrückt ift,
(o ift nicht zu zweifeln, dafs aucli Zeile i das I mit dem
M verbunden war, was fchon Mommfen angedeutet hat.
Zeile 2 fleht am Anfange das fonfl nicht nach-
weisbare Zeichen 3; der untere Theil desfelben gleicht
der unteren Hälfte von S, und Mommfen vermuthet
darin wohl mit Recht die verfchränkten Buchflaben
VS. Ueberhaupt weist die Infchrift noch manche mehr
oder weniger feltfame Formen auf; befondcrs Zeile 8
fcheint "^ (ganz deutlich als vorn abgefchloffencr, nicht
als vorn abgewetzter Buchftabe) für N zu flehen.
Zeile 3 ift unrichtil;^'■I flatt'H gemeißelt.
Schreiten wir an die Rcconftruftion des unver-
ftümmelten Originals, fo müßen wir darauf Rückficht
nehmen, dafs die Buchftaben der zwei erften Zeilen
größer fmd als die der folgenden Zeilen; ferner dafs
die Regelmäßigkeit der Buchftaben und der fich von
felbft ergebende, in fenkrechter Richtung gleichmäßige
Anfang der Zeilen auf der Hnken Seite auch einen
gleichmäßigen Abfchluß derfelben auf der rechten
Seite erwarten laffen. Auf diefe Weife kommen wir zu
folgendem Originale:
nvfCASL5EPtMvSSi:vfK
pi3PERtMA7AVC;A--DAB
PAKl/MXPONtFTRPOlVHM
\NP)Q'COSnPPPKOQOStT\M'
S CASMAVffLNT0h[NVSPiy5ÄVG
TR R OTii'-PROCOS ET?SiiPTQt
TAWOBC/vSN^Ll A h AVÜ-TV5TME
C0^1.APJAKStT\fRVi-T
CVRN'ElMIVlftTIOSVKO
ro PROCVLOLEG
PR PRAT M P
XLV
Uebcr die Zeit der Aufftellung des Meilenfteines
gilt das über den II. Stein Gefagte.
Die Infchrift führen an: Lengauei- ; ihm folgt Klei-
mayrn,^ä,. Hacqiiet, 220. Vürt/ia/er,lnte\\.-B\. 1803,720
und (etwas richtiger) Wanderungen i, 270, vgl. i, 131.
Hjiber, Der Aufmerkfame, 1818, Nr. 24. V. K. 1825.
Stephan, Studienbibliothek, 70. und Wiener Mufeum;
aus letzterem Steinbüchel, Jahrbücher, 46. Bd., 50, n. 95 ;
berichtigt 55. Bd., 22 Anm. Ankershofen, Handbuch,
1. Abth., 453 (drei Lefearten: i. nach Kleimayrn;
2. ohne Angabe des Gewährsmannes; 3. nach Jabor-
negg). Braune (nach Seethaler), 3. Aufl., 150 (2. Aufl.,
32). Hefner, Salzburg, XXII. Denkm., mit Fig. 9,
wiedergegeben von Kürfinger, 152, mit Fig. 9, vgl.
61, und Steüier, 2807. Jabornegg, Notizenblatt 1854,
196 (wiederholt im Archiv, 6. Jahrg., 1 1 1) und Alterth.
1870, 188. Knabl, Archiv, 4. Jahrg., 57 (nach Jabor-
negg, 1854). Mommfen, 5715 und 11835.
Den Meilenftein erwähnen: Fickler (bei Gewold,
p. 141) gibt ungenau den Standort des Steines an,
citirt aber, wie Mommfen richtig bemerkt, nicht die
vorliegende Infchrift, die damals noch nicht veröffent-
licht war, fondern eine aus Aventinus {z^ CIL III 5722)
ungenau abgefchriebene. Viertlialer, Reifen, "/ß.Muchar,
Noricum, i, 293. Seethaler, Nachrichten n. III, 13, und
Allgemeines Verzeichnis n. X. Süß, Das ftädtifchc
Mufeum, 12, n. 12. A. Huber, Landeskunde, 1870, 10.
Richter, Verzeichnis, 92.
V. Hüttau.
„Columnae fragmenlum conspicitur in via, qua .'^alisburgo ilur
Ratstaclium, in vico Hiltcii, iuxla Ecciesiam fixiini: in quo et Severi
iuscriptio cum titulis scu cognominibus Arabico, Parthico, et Adiabe-
iiico, et M. Aurelio Antonino: licet scriptura vetustatis et proxinii
amnis, in quo leperluni, iniuria, pene consumpta est." Fickler (1619).
,.Monumentum Milliarc ceinitur retrol Etclesiam S. Leonaidi in
Ilitlau." Lengai4er <i\\i{i:\\cn 1760 — 1766). „Meilenfäule, «eiche vor
200 Jahren bei Hüttau im Rinnfale der Fritz gefunden worden ift",
Vierthaler (zwifchen 1794—1806). Demnach fcheint der Stein im
Jahre 1613 von der Fritz angefchwemmt worden zu fein; denn wir
lefen bei Vierthaler fReifen, 1799, 2)6 Anm.): ,.Im Jahre 1613 riß die
Fritz, ein Gebirgftrom, welcher oft gewaltig anfchwillt, die Kirche zu
llUttau zur Hälfte ein, wie eine Infchrift an der Kirchenmauer dafelbft
bezeuget." Um das Jahr 1804 wurde die Meilenfäule in das Studien-
gclKuide zu Salzburg überführt; vgl. die Einleitung.
Ein mächtiger Cylinder aus Kalk-Plij'ilit,^ i M.
70 Cm. hoch, 60 Cm. im Durchmcffer, oben von einer
ebenen Fläche abgefchloffen. Er zeigte fchon zu Leng-
auers Zeit diefelben zahlreichen Sprünge wie heutzu-
tage. Zeilenhöhe 4-5 Cm., Abftand 2 Cm. Die von dem
Pfleger von Werfen P. v. Kurz (geftorben 1S29) vor-
genommene Ausmalung der Schrift mit fclnvarzer
Farbe ift noch an einzelnen Buchftaben kenntlich.
Die Schrift diefes Steines ift arn meiften unter allen
hiefigen Meilenfteinen verblafst, und fchon Lengauer
fpricht von „litterae paucae, quas adhuc Lynceo lu-
mine deprehendimus"; dennoch vermochte ich die
Infchrift zum größten Theile zu entziffern. Sie lautet:
LiEPT'^ IV c
AB-ADlAß-^'' H
ONTiFM'\;( \?0T
f PX II COSüf 0
f^ '^^ C. i: ~"
V- Ol- I
CAESVWRELAr ONIN
M MfyPO III:
P i^ 0 C.
w !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! liLl \
VETySTATu.CÖ^' ,,PSA
iTVEfWN^O viTE
E NTiOSyHO
Li: C-PR-PS.-A
tf
Lengauer, der in der Entzifferung der Meilen-
fteine fehr genau ift, konnte auf diefem Steine keine
Diftanzangabe entdecken. Seethaler aber gibt in feinen
„Nachrichten", indem er fich auf Lazius beruft, ihn
jedoch ungenau abfchreibt, die Diftanz A-T-M-P*LX
an (und nach ihm Braune, 3. Aufl.) und hat fpäter im
„Allgemeinen Verzeichnis" die Zahl nach Lazius richtig
in LIII verbeffert. Lazius hinwieder (Reipublicae Ro-
manae in e.xteris provinciis constitutae commentario-
rum libri XII, Francofurti a. M. 1598, p. 163) fcheint
' D.imit ftimmt. dafs mir dort eine Stelle h.irt an der Mauer des Presby-
teriums In der Nahe des Sacrifleieinganges, aber doch auf der Seite der Poft-
ftraßc aU ehemaliger Standplatz des Steines gereist wurde.
- Herr Profciror E. Kugger war fo freundlich, mir die Gefteinsart der
einzelnen Meilcnzeiger zu bcftimmen, und fügte hinzu, dafs fie dem Charakter
der betreffenden Gegenden, bcziehungsweife dort vorkommenden Findlingen
entfpricht.
— 97
feinen Meilenllein, dem er den Standplatz „Norici
tractu, civitate Styriae, versus Salisburgiim, Rach-
stadio" zuweist, von Apianus (Inscriptiones sacro-
sanctae vetustatis, Ingolstadii 1534, 411, 3) entlehnt
zu haben, delTen Infchrift Mommfen unter n. 5722 be-
handelt hat. Ich werde auf letztere Infchrift noch unten
bei der Bcfprecluing der Diftanzangaben zurück-
kommen.
Die Zeitbeftimmung unferes Meilenfteines ift die-
felbe wie bei n. IL
Danach erhält man ungefähr folgendes unver-
flümmelte Original mit ziemlich fymmetrifcher Anord-
nuncf der Zeilen:
Ein im ganzen \ M. 83 Cm. hoher, i M. 35 Cm.
im Umkreis haltender, vorn (auf der Schriftfeite) und
rückwärts ein wenig abgeplatteter Cylinder aus Kalk-
glimmcrfchiefer, einer Geflcinsart, die man dort mehr-
fach bei Findlingen, die von der Tauernkette herrühren,
antrifft. Oben ift der Stein zu einem nur 5 Cm. hohen
Kegel zugefpitzt, während in der Grundfläche ein Loch,
wahrfcheiiilich zum Zwecke der Befeftigung des Steines
am Boden, ausgehöhlt ift. Die rückwärtige Hälfte des
Steines ift von oben herab bis 'j6 Cm. über dem
Boden faft rechtwinkelig ausgebrochen, dem Anfcheine
nach ein natürliclicr Bruch.
10
15-
l;S E P T I M I V 5'i iH V E R
P h/S'PE RTINlAX'AvG
ÄRA ß'ADIAB'PAKTHV\AA>
P ONTI F^M AXA■^Uß"POP^
/ MP-X M'C05"Jlf--'PRO
CAES-MAVR E L-A NTQNIN^
FiV5-AvAA Rl ß'PO PK II
PRO CüS'H T
K::Vi-Q E TA'iv O e-CA E; AA/1 1 L I A
VET VSTATE'CONLAPSA
■ST IT VER V NTCVRANT E'M
- E NTIO-S V ROAA'AAlVL 0
LE G'P R.pR.A'jVv-
.M'P
Die Infchrift führen an: Lengaiicr, mit einer Zeich-
nung; von ihm hängt ab Kleimayrii, 50. V. K. 1825.
Stephan, Studienbibliothek, 93, und Wiener Mufeum;
aus letzterem Sicinbüclicl, Jahrbuch, 46. Bd., 50, n.97;
berichtigt 55. Bd., 23 Anm. Braune (nach Seethaler),
3. Aufl., 150 (2. Aufl., 30). Jlefncr, Salzburg, XX.
Denkm., mit Fig. 7; nach ihm Steiner, 2S07. Mommfen,
5723, und verbeffert 11837.
Den Meilenzeiger erwähnen: Fickler (bei Gewold,
p. 141). Viertlialer, Reifen, 348, und Wanderungen I,
104, und Anm. n. 132. Seethaler, Nachrichten n. III, 3,
und Allgemeines Verzeichnis n. XII. SiiJJ, Das itädti-
fche Mufeum, 12, n. 14. Prinzinger, Landeskunde,
1874, 69 und 72. Richter, Verzeichnis, 93. Dürlinger,
Pongau, 1 20.
VI. Concordiahütte bei Werfen.
Dur Mcik'nlUin winde, wie mir Herr Dr. l'elter nülllieille, im
Jahre 1894 in der Salzach nahe dem linken Ufer, hart am linksfeitigcn
Kopfe der Uriicke, die bei der Balinnalion Concordiahütte (3 Km.
nördlich von Werfen im Pongau) über die Sahach führt, gefunden,
von der Hüttenverwaltung der Concordiahütte dem Mufeum gcfchcnkt
und im Monate Mai dcsfelbcn Jahres in dasfclbc überführt.
VI. Mcilentlcin.
Die Schrift i(l größtentheils verfchwundcti und
felbll die noch vorhandenen Buchftaben verurfachen
infolge der ftarken Verwitterung dem Lefer große
Schwierigkeiten. Zcilenhöhe 45 Cm., Abftand l'5 bis
2 Cm.
X.WIII X. !■■,
1.5
- 98 -
ONt ^
S illMM
...OS
y R E L i\l
AVC
OS i:;T
'"^ ///////////
i y S TAI E
VER
V NTIO
R PR
Die Schrift betreffend find einige fchief gesellte
Buchflabcn zu bemerken: Zeile 2 und 1 1 T, Zeile 12 i?.
Zeile 10 find nicht einmal Refte von Buchflaben
zu entdecken; es ift dies die Zeile, welche den abficht-
lich zerftörten Zeilen auf den drei befprochenen In-
fchriften, die den Namen des luventius tragen, ent-
fpricht.
Mit Zuhilfenahme diefer Infchriften läfst fich etwa
folgendes Original wiederherftellen:
lySFkiRriNAKAVG
MAX FONtFMAXTHB
PGTyilll-IM'XiiCOSliPP
PB 0 cosirr/ivfCÄS
MA VR E L NTONIN
pi VS AVC iisS FOTilii
PfiOCOS E Ti'SSPT
STVS TÄTE CO N LA PS^
S Sf TV£RVN'CVnA\Tt
MiVVBNTIOSVKO ?R0(
li^G PR PR A Wmiv^P
10-
1S
Für die Zeit der Errichtung des Steines haben
wir einen Anhaltspunkt in der Zahl IUI in Zeile 6, die
uns zunächfl; auf das vierte Tribunat Severs, das in das
Jahr 196 fällt, führen würde. Da jedoch Caracalla, der
erft im Jahre 198 zum Mitkaifer erhoben wurde, und
Juventius erwähnt werden, fo werden wir nach dem
Mufter der Meilenfteinc n. II, IV und V die Zahl V
vor IUI hinzufügen, fo dafs wir wiederum das neunte
Tribunat, alfo das Jahr 201 erhalten.
Den Meilenzeiger erwähnt Fetter, Jahresbericht
des Mufeums 1894, 61.
VII. Golling.
„Im Markte GoUing .. . ward 1803 vor dem Ilaufe des Brot-
führers n. 60 der Rumpf einer Römerfäule als Eckftein gefunden."
ll'änz/ir (18091. „Ein Milliare des Kaifers .Septimius Scverus, welches
ich als Koadjutor zu Golling in den Jahren 1800 — 1803 vor dem
Maufe des Brolführers, größtentheils in der Erde befindlich, gewahrte,
kam dem Vernehmen nach bis Wien." Sleplum (1825). „Ging bei der
Ueberführung nach Salzburg verloren." Seithalar U837J. Heim Aus-
graben des Grundes der Faber'fchen Häufer in Salzburg im Jahre 1873
fand man ein „Bruchftück eines Meilenfteines an der Grundfefte des ein-
aigen Mirabcll- oder St. Virgils-Thores." Pizolt (1874). „Gefchenkt
wurde von Herrn Faber ein Bruchtheil eines römifchen Meilenileines."
Mujealberkhl ' 18741.
Das aus Kalkflein beflehende Bruchflück, das fich
durch die leichte Rundung der Schriftfläche als Refl
eines Meilenfteines verräth, wurde unter dem Mufeums-
Direftor Jofl Schiffmann in der vom Eingange aus
rechten Seitenwand der Antikenhalle eingemauert. Es
hat die Geflalt eines Rechteckes von 18 Cm. Höhe und
25 Cm. Breite, deffen linke untere Ecke ein wenig ab-
gefchlagen ift. Die deutlich lesbaren Buchftabcn find
fchwarz ausgemalt. Zeilcnhöhe 4'S Cm., Abftand
1-5 Cm.
Vl-5E\£R
Wenn man CIL III 202:
imp . caESaRIDIVI
1. sepTiml.SeVErl-PIipert.
u. f. w. (7 Zeilen)
M • aVrelio • ANTONINO • PIO • A VG
u. f. w.,
die Infchrift eines in Syrien gefundenen, aus dem Jahre
213 n. Chr. llammenden Meilenzeigers, zur Ver-
gleichung heranzieht, fo wird man nicht irre gehen,
wenn man unfer Fragment dem Caracalla, dem Sohne
des Divus Severus, zufchreibt. Steiner hat das Bruch-
flück in ähnlicher Weife auf Heliogabalus oder Ale-
xander Severus bezogen, von denen jeder fich in amt-
licher F'orm als Sohn des „Divus Antoninus" (Cara-
calla) und Enkel des „Divus Severus" zu bezeichnen
pflegte. Es find jedoch von diefen Kaifern keine
Meilenfleine in Noricum zum Vorfchein gekommen,
und außerdem weichen ihre anderweitig gefundenen
Meilenfleine ein wenig in der Form ab, zum Beifpiel
CIL III 6058, 3675, 226 und 3713.
Der unverllümniclte Meilenflein fing demnach mit
folgenden Zeilen an:
iM^CAES-DiV
i.-SEPTiMI-SE\f"Ä!'PHvERT
Die Infchrift führen an: Wänzler, Intelligenzblatt
1809, 70; von ihm hängen ab: Weihneyr, Top. Lex. i,
246; Seethaler in schedis mus. Salzburg;' Hefner,
Salzburg, CIL Denkm., der unrichtig die Schenkungs-
gefchichte des VIII. Meilenfteines hieher bezog; Steiner,
2799. Pezoll, Salzburger Volksblatt 1874, n. 52 und
Salzburger Zeitung 1874, n. 53. Alonimfen, 11840.
Den Meilenflein erwähnen: F/Vr/Z^rfAv, Intelligenz-
blatt 1803, 721, n. XXI. Stephan, Studienbibliothek,
' Diefe von Monimfen citirten schedae (Ind im hiefigcn Mufcum leider
nicht mehr vorhanden; fic find wahrfcheinlich mit dem bei dem I. Meilenfleine
(Anm.) angeführten ^ianufc^ipt Seethalcrs, das Braune benützte, identifch.
99 —
85- Seethaler, Allgemeines Verzeichnis XXVII. Scliiff-
inann, Bericht des Mufeums 1874, 7. Prinzinger,
Landeskunde, 1876, 20. Richter, Verzeichnis, 92.
Monnnfen hat, da er bei feinem Befuche des
Mufeums im Jahre 1857 das Bruchftück nicht vorfand,
unter n. 5724 die Fundgefchichte und Literatur des-
felben auf den IX. Meilenftein bezogen.
VIII. Jadorf, zwifchen Golling und Hallein.
„Koch-Sternfeld liat im Monat Aiigufl v. J. (alfo 180S) mehrere
Monumente entdeckt: am nördlichen Ende des St. Georgenhügels am
Gute Bachrain, kopfüber am Hnken Straßenrande, eine römifche
Meilenfäule, welche feit dem auf Befehl der hochlöbl. Regierung in
das Pflegefchloß Golling gebracht wurde." Wänzler (1809). „Bereits
vor 30 Jahren (ließen wir an der Heidenftraße bey Jardorf ob Hallein
auf eine Meilenfäule und flellten diefe an der Burg zu Golling auf."
Koch- Sternfeld (\%T,ii). „ nach GoUing gebracht, wo er hnks vor
der Brücke aufgeftellt worden ift, über welche man ins Pfleg-Schloß
geht." Stephan (1825). „Eine Meilenfäule von Golling (fiehe das Salz-
burger Intelligenzblatt 1809, Fol. 69 und 70;. Durch die befondere
Gefälligkeit des k. k. Herrn Pflegers May für das ftädtifche Mufeum
erworben." Süß (1844).
Ein Cylinder aus fchwarzem Kalkftein von i M.
34 Cm. Hohe und i M. 84 Cm. im Umfange, oben von
einer einft wahrfcheinlich geebneten, jetzt aber fehr
zerfchlagenen Fläche abgefchloffen. Die Höhe der ein-
zelnen Buchftaben fchwankt zwifchen 3'5 und 5 Cm.,
der Zeilenabftand zwifchen i und 2 Cm.
Die Infchrift hat an einigen Stellen durch Ver-
witterung ftark gelitten, fo dafs fie der Entzifferung
faft ebenfo große Schwierigkeiten bietet wie die des
V. Meilenfteines.
V) D N M t' ^
C0N5TAvNTlN0i-i.... .l.
\^xvicTOR^!:; ^gni,
g OTOGEN ERI...^vV^^N^
S NATOCRI5POETC0N M p
^TAN T I N 0-ßfATlSSlMi::;
CAfS'A IV
MP XIII
Die conftantinifche Zeit verräth fich durch die
Unregelmäßigkeit der Schrift und durch einige der
scriptura actuaria et cursiva eigene Buchftabenformen :
K in Zeile i und 4; F in Zeile i und 2; A in MAX
Zeile 3.
Das X des letztangeführten Wortes wird nur ficht-
bar, wenn man den Stein von der linken Seite be-
leuchtet.
Zeile 4 VMAN für HVMAN, ein Fehler, den wir
auch auf dem Meilenfteine n. X b annehmen müßcn;
einige Beifpiele der Auslaffung des H bei anderen
Worten hat Mommfen p. 11 87 angeführt.
Auf der rechten Seite der Schrift habe ich einige
Buchftaben entdeckt, die nicht zu der dem Kaifer
Conftantin I. gewidmeten Infchrift gehören können,
eine Eigenthümlichkeit, die noch deutlicher auch bei
dem X. Meilenfteine zu erkennen ift und daher dort
erklärt werden wird; diefe Buchftaben find: Zeile 5 M
und (nur wenig fichtbar) P; Zeile 2 einige Buchftaben-
rcfte; Zeile i (nach F) der Anfang eines N oder M;
Zeile 3 ein Anfangsftrich eines Buchftaben; hieher
möchte ich auch das diefem Striche vorangehende N
rechnen, weil dadurch die vorliegende Infchrift mit der
des Meilenfteines n. X (5 gleichlautend wird; dafs
aber diefe beiden Infchriften in einem engeren Zu-
fammcnhange miteinander ftehen, folgt befonders aus
dem gemeinfamen Fehler VMAN, wobei hinzuzufügen
ift, dafs in beiden Fällen auch das Genitiv-i fehlt. Da-
gegen hat Mommfen das N (= noster) zur Infchrift
Conftantins gezogen.
Das unverfehrte Original hatte alfo, wenn wir die
nicht dazu gehörigen Buchftaben abfondern, folgenden
Wortlaut:
D DNAJKL[^
constantinopkL ^u
AA/\ X V f C TO R .> EMAVGIn/,
BO/VOCEN ERISVMA/
S NAT0CRf5PQETC0N [M P
5TAN Tl NO-ßFATISSl/VOT]
CAES-Aiv
M P XIII
Die Erklärung der Infchrift wird bei dem Meilen-
fteine n. X ^ gegeben werden.
Die Infchrift führen an: Wänzler, Intelligenzblatt
1809, 69 f ; von ihm hängen ab: Weilvieyr, Top. Lex.
I, 391; Hefner, Salzburg, XXVI. Denkm. ; letzterem
folgt Steiner, 2800. Koch- Sternfeld, act. Monac. 2, 2
(1837), tab. 7; vgl. 14 und 71. Monwifen, 5725 und
11838.
Den Stein erwähnen: Vierthaler, Wanderungen i,
55, Anm. n. 90. Stephan, Studienbibliothek 85. Stein-
3Är/i^/,Jahrbücher, 46. Bd., 5l,n. 98. Siiß, Das ftädtifche
Mufeum, 13, n. 18. Rupert Mitterinidler, Jahresbericht
des falzburgifchen Mufeums 1858, 70. Koch-Sternfeld,
ebenda 1859, 58. ^. Huber, Landeskunde, 1870, 11.
Prijisijtger, Landeskunde, 1879, 102, und 1881, 3.
Richter, Verzeichnis, 93.
IX. Oberalm bei Hallein.
„In Oberalbe an der Kaferer Mühle noch ein Milliare, das bcy
der Kaferer Mühle den linken Thüqifoften nach der Fcldflur bildet,
und fo verwittert ift, dafs daran nur noch ein P und II, auf Millia
passuum deutend, erkennbar find." Seethaler. Später gerieth der Stein
in Vergcdcnheit; denn Si'iß (\%12) berichtet: „Befondere Erwähnung
verdient gewifs auch der in Obcralm von dem Herrn Juftin von Robert,
Fabrikenbefitzer, in einer Ilofraummauer bei der Kaferer Mühle,
wo er aufrecht ftehend eingemauert war, neuentdeckte römifche
Meilenftein. Der genannte Entilccker ließ ihn in das Mufeum ab-
führen."
Ein I M. 49 Cm. hoher, i M. 23 Cm. im Umkreis
haltender, oben von einer ebenen Fläche abgcfchlof-
fener Cylinder, dcffen horizontaler Durchfchnitt einen
vorne und rückwärts ftark abgeplatteten Kreis ergibt.
Der Stein ift ftark verwittert und von mehrfachen
Sprüngen zerriffen. Zeilenhuhe 45 C, Abftand 2 Cm.
«3*
— lOO —
IX. AFeilcnftein.
Die nur fchr wenig fichtbare Infchiift lautet:
M'CAE 1
CORDlAfp
Der Meilenzeiger ifi: dem Kaifer M. Antonius
Gordianus III. (238 — 244) gewidmet.
Da die Buchftaben der 4. Zeile die Refte des
Namens Gordianus zu fein fcheinen, fo waren in diefcr
Infchrift die Vorfahren des Kaifers aufgezählt.
Die von Seethaler angefülirten Refte der Diftanz-
angabe P II, die auf die Entfernung (niillia) pa.ssuum
duo(decim) hindeuten, konnte ich nicht mehr ent-
decken; anderfeits ifl: diefem Gewährsmanne der aller-
dings fehr verblafste obere Thcil der Infchrift ent-
gangen.
Die Infchrift führen an: Seethaler in dem unten
(Anm. zum X. Meilenfleine) angefüln-ten Manufcripte,
n. LXXXIII, 3. Süß, Jahresbericht 1852, 45. Movtmfen,
5724 (nur die Infchrift; vgl. den VII Meilcnftein).
Den IMeilenftein erwähnen: Priiizinger, Landes-
kunde, 1881, 2. Richter, Verzeichnis, 92.
X a und b. Aus dem Almbache bei Oberalm nächft
Hallein.
^ante Sexaginta circitcr vel plures omnino aiinos in viciiiia
Hallcnsis Urbis... propc Filialen! Ecclesiam Obcralmb e praetei-
niicnte Amne Albula (Gtrm. Almb) extracta et jiixta viam publicam
locata" Lengauer (zwifchen 1760— 1766). „Zu Oberalm, gerade vor
dem Tliorc am Schmelzwcrke fahen wir eine römifchc Meilcnfäide.
Im Jahre 1726 wurde fie von einem Bauer im Albcnfiirlh gefunden
und an der Slraßc vor feinem Haufe zum Eckftein verwandt. Ein
Arbeiter in der Meffingfabrik, welcher ihren Wcrth ahndete, lieferte
dem Bauer dafür einen anderen .Stein und verfetzte das Monument im
Jahre 1766 an den Eingang der I'abrik. Durch die Stüße der Wagen,
welche da befländig vorbeifahren, ifl der größte Theil der Infchrift
ausgetilgt worden." Vicrlhaler (1816). „Herr Jüdin v. Robert, F.ibriks-
befitzer in Oberalm, übergab dem Mufeum jenes infchriftliche Römer-
denkmal, welches zunächll dem Thore an fci[iem Fabriksgebäude bis-
her als Eckftein ftand." Süß ("18501.1
X. Meiicnrtein (linke Seile 1,
X. Meilenflein die rechte Seite, auf
der die ältere und jüngere Infchrift
erkennbar ifl).
Ein aus Kalkftein beflehender Cylinder von I M.
14 Cm. Höhe und i M. 54 Cm. Umfang; er ifl jedoch
fowohl vorn und rückwärts, als auch auf den beiden
.Seiten etwas abgeplattet; die obere Begränzungs-
fläche ifl nur ein weni^r zuijehauen. Die Infchrift ifl
' Im crften Augcutjlicke fcheint auch die Rcmcrkun^ Wcilmiryrs (181s),
Top. Lex. 2, 64 yX^KX Bezirk Oberalm begreift auch die Landgüter Haunsberg,
Wicßbach und Winkl in fich. Hicfelbft wurde vor 50 Jahren ein römifchcr
Meilenflein aus der Oberalm (Albe) gehoben und aufgcftelit, der jedoch der-
malen \imgcworfen vor einer Hütte liegf* auf obigen McilcnAein zu paffen,
und zwar müßte man dabei ein Vcrfehcn Weiimcyrs annehmen und die Be-
merkung auf die Zeit vor dem Jahre 1766 beziehen. Jedoch Sectlialer erwähnt
in einem im bicfigcn Mufeum aufbewahrten Manufcripte (einem lofen Blatte)
unter n. ..LXXXIII" vier Alterthümer von Überalbe, und zwar führt er an
/weiter Stelle oben behandelten X. Mejlenzcigcr an und fagt dann an vierter
Stelle Folgendes : „Ebendafclbft neben dem Schloße Haunsperg an der Straße
ywifchen Hatlein und Ebenati noch eine gleiche voUftandig verwitterte Meilen-
fäule." Diefcr letzte Meilenflein Seethalers ift «ohl identifch mit dem Wcil-
meyrs; jetzt fcheint er verloren zu fein.
— rol —
auf den beiden Seiten noch halbwegs erhalten, in der
Mitte aber fafi: vollftändig verfchwunden; hier las der
gewiffenhafte Lengauer noch einige Buchftaben, von
denen jetzt keine Spuren mehr vorhanden find (vgl.
oben Vierthalcr'), nämlich Zeile i NS in CONSTAN-
TINO, Zeile 2 T in VICTORI und Zeile 3 O vor GEN.
Die Buchftaben find — jedenfalls feit älterer Zeit —
mit fchwarzer Farbe ausgemalt.
KOFI 0
DDNNV LCO
P"^/V\ VI'. C
AVC' Gl/
i i<:|.:MP£R^O^"
NATc Sl V
i'T COM- ^X
STANTINO /
u ISSIMISOIS
CA fj" AI WA
MPVIlll
NClPlDC^KlO
M:VLC£NTISSIM0
Zuerft fällt uns die unregelmäßige Infchrift Kaifer
Conftantins I. und feiner Söhne in die Augen, welche
einige der Vulgärfchrift eigenthümliche Buchftaben-
formen zeigt: Zeile 3 und 5 Aa, Zeile 3 Ä, Zeile i und
2 V. Zeilenhöhe 45 bis 55 Cm., Abftand 2 bis 3 Cm.
Dann erblicken wir auf der rechten Seite noch
Buchftaben, welche einerfeits dem Sinne nach nicht zu
der erwähnten Infchrift paffen, anderfeits in Zeilenhöhc
und durch fchönere Formen abweichen. Diefe Refte
laffen erkennen, dafs der Meilenftein fchon unter Severus
und Caracalla diefelben Dienfte geleiftet hatte. Momm-
fen erkannte zuerft die doppelte Bearbeitung, während
feine Vorgänger beide Infchriften in finnlofer Weife
miteinander verquickt'hatten.' Zeilenhöhe 4 Cm., Ab-
ftand 3-5 Cm.
Die ältere Infchrift (Xa) möchte ich mit Heran-
ziehung des XI. Meilenfteines ungefähr in folgender
Weife reconftruiren:
LSEPTiiviiOSEVEROPIOPEhTM
A R ASAD I A e P A RTMAX ß R I TM AX
poNmAK-mPo-Esmmvucosiu^pp
cos E r i ivpc a:;,5Havr/;; /.an ton i n ;
ci;;rmawhaxpon7>-;axtrpo'esxv;
!MPJiiC0SiiiiPi'PR0C0SFCBT:-v5
ACF-HJCiSJiMO^FJNJCIPIDON^O
INDVLCENTISSIMO
/l!^
M
Zu erwähnen ift, dafs in Zeile 2 der vorletzte les-
bare Buchftabc fcheinbar L ift; doch ift der wagrechte
Strich im Vergleiche mit den anderen Schriftzügen zu
kurz und daher als ein Fehler im Materiale zu be-
zeichnen. Die ICrklärung derinfchrift wird beim XI. Steine
folgen.
Das unverftiimmelte Original der jüngeren In-
fchrift (X/') dürfte fo gelautet haben:
ODNNU CO^; ■ TAN TINO
P'V'M V; VIC OR I S EMPfR
A V C- n 0 ; vOC ENtHiSVMAN
N AToCA^SPOET CO N
i" STANTINO B: ATI S SIAMS
(AESAiWA
Zeile 3 habe ich nach dem Beifpiele des VIII.
Meilenfteines VMAN gefchrieben, weil das anlautende
II keinen Platz hat.
Zu interpretiren find diefer und der VIII. Meilen-
ftein:
Dominis nostris Flavio Constantino, Pio, Felici, maxi-
mo Victori, semper Augusto, bono generis humani
nato, Crispo et Constantino, beatissimis Caesaribus,
a Juvavo
millia passuum tredecim. 1 millia passuum novem
Nr. VIII I Nr. X ^
Die Zeit der Meilenfteine n. VIII und X ^ ift
nach unten durch den Beinamen Viflor, den Conftan-
tin wahrfcheinlich feit der völligen Befiegung des
Licimus (324) führte, nach oben durch die Ermordung
des Crispus (326) befi:immt.'
Die Infchrift fuhren an: Lengmur, mit einer Zeich-
nung. Kleimayrn, 50. Vierthalcr, Intelligenzblatt
1801, 122; wiederabgedruckt ebenda 1803, 433; und
Koch - Sternfdd, Repert., 55, Note **). Buchier,
Docum. I, 75. Schumann, Juvavia, Salzburg 1842, 275.
Hcfncr, Salzburg, XVIII. Denkm. (eine nach Klei-
mayrn und Vierthaler combinirte Infchrift); ihm folgt
Steiner, 2-jgj. Mommfen, 5726 und verbeffert 11S39.
Ohlenfchlager, Ephem. II, 991.
Den Meilenftein erwähnen: Vierthaler, Reifen,
347, und Wanderungen 1,55. Wcilvieyr, Top. Lex. 2,
64. Stephan, Studienbibliothek, 98. Seethaler, Manu-
fcript des Salzburger Mufeums (ein lofes Blatt),
n. LXXXIII, 2. Süß, Jahresbericht 1850, 14. Prin-
Singer, Landeskunde, 1881, 7. Richter, Verzeichnis, 94.
XI. Henndorf.
„Lapis abiectus t.imdiu delituit, iisqiie dum .ib Illustrissinia
familia D : D : Comitum ab Überacker e barbarorum tyrannorum
eversionibus erutus, restauratus, et in memoriam .\ntiquitatis Romanac
' Dafs der drittiiltelle Sohn Conllantius, der j.-j zum Caefar er.
nannt wurde, hier nicht erwähnt wird, ift für die Zcitbeftinlmung ohne Belang
da wir eine ahnliche AuslalTung fchon auf dem I. und III. Meilenfteine fanden'
maximus mnlj hier als Adjefliv zu Viflor aufgefafst werden, da der Beiname
Ma.\imus officiell auf Münzen erft in den letzten Regierungsj.ihren Conftantins
auftritt (vgl. Cohen-Feuardcnt, Dcscription bist, des monnaies frappees sous
1 empire Rom.lin. Paris 1888, ed. 2.. tom. 7. p. 227). wenn auch Conftantin in
niclit ofhcieller Weife fchon früher fo bezeichnet wurde (vgl. die ftehende An.
rede „Constantine maxime" bei Nazarius. paneg. Const. c. 3. 6, 29. 36 37
38, aus dem Jahre 321. wozu noch paneg. VII. c. 13, .ins dem J.ahre'sio'
heranzuziehen ift). Den Titel Auguftus crliielt Conftantin zuerft vin Maximia-
nus 307. Das semper wurde entweder nach dem Tode des letzteren (310) vor-
gefetzt (vgi. paneg. VI. c. 1 , Maximiane, velis noUs, semper Auguste, et Con-
stantine, oriens Imperator"), oder nach dem Tode des G.alerins (311); denn
CIL III 5565 (aus dem Jahre 311) werden Maximinus. Conftantinus, Licinins
scnipcr Angusti genannt. Die nezeichnung bono generis humani n.atus, die ich
fonft nirgends finden konnte, nahm Conftantin wahrfcheinlich im Jahre 312 an,
als das Volk und der Senat in Rom ihn nach dem Unterg.tnge des Maxentius
jauchzend als Befreier begrüßten; Eusebius (vita Constantini I 41) fagt nümlich
bei der Schilderung jener Ereigniire: ...fiüv^ IE (uä »a! Ivi atijKiri xoiviv ™-(aitt.v
«yO-pwiio:? ex »aoo X'^P'"? »' tavtt; Kwvatavtivov (jinoX^iouv enadnim." Aehnli.lie
A'w III ' "'"" ''"''^" *■'■■ ^'^^^ anderweitig: „bono rci publicae natus-
CIL III 5326 und Cohen, p. 276, n. 404; „gandium populi Rumani", p. 248,
n. 160; ..gaudium Romanorum". p. 248, n. 164, 168. 169; .saecnli felicitas",
p. 283, n. 477; „Salus et spes reipublicae", p. 28,1, n, 480.
102 —
iterum erectus est Anno Domini 1541. Eodem insuper anno mox prae-
fata lUustrissima familia huic lapicli altenim quoque, avitae Religioni<i
nostrae Romano-Catliolicae Monumentum et signaculum imposuit
Imaginem niminim Domini ac Salvatoris nostri crucifixi." Dickh (176ÖV
^In Straetsualtio pago (das ift Straflwalchen) Saltzburgum versus lapis
railiarius, quem medio itinere repercrunt." Pighius (15 74)- „Extra
Salisburgum tribus milliarib. Germanicis ab hac civitate in via versus
Austriam. . . in vico Hcndorff." FickUr (1619). „Zu Henndoffif J meil
von Salzburg, AltenlhannergTits flehet vor dem gerichtshauß ein ftainern
runde Saul." Suinhaufer (1601). „Vor dem Haus des Wirlhs Johann
Moißl fleht eine Säule; an Stelle des Gerichtshaufes des Altenthaner
Gerichlesl ift vermuthlich gegenwärtiges Wirthshaus gekommen."
Hübner (1796). „Die älteflen Leute fahen die Säule dem MoiÜI-
Wirthshaufe gegenüber bei der Brücke am Wege. Als diefer zu einer
Landflrafle erweitert wurde, ifl die Säule auf die entgegengefetzte (von
Salzburg aus rechte) Seite der Straße verfetzt worden, und zwar auf
den Platz, wo gegenwärtig ein Stadel des Wirthcs fleht. Bei Erbauung
diefes Stadels wurde die Säule aber an das Eck des Wirthshaufes
überfetzt, wo fie noch flehet." 5/,///(J» (i 816). „Herr Kafpar Mofer.
Brauereibefitzer in Henndorf, unternahm es, den vor dem Haufe des
Girlinger Cjctzt Lechner) Wirthes in Henndorf bis jetzt geflandenen
römifchen Meilenzeiger von dem Eigenthümer nicht nur zu erwerben,
fondern er führte denfelben mit dem daraufgeftandenen mittelalter-
lichen kubifchen Auffatz an die Schwelle unferes Mufeums." Si'iß
fiS54i-
jtAS-L-SEPI-
'PlOPEUriNA
wp-vikos •■/
(NfiCTOAVC;
VcoM4X-GER"
TIF/VWFTfllÖ
ill-COSoill.p.P
IfEticifiMO- ,
fLengauers Zeichnung.)
Eine Itarkc Säule aus Kalkftein, die fich i M.
40"5 Cm. über den Boden erhebt* und i M. 67 Cm. im
Umfange mifst. Der horizontale Durchfchnitt ift ein fo-
wohl vorn und ritckw ärts, als aucii auf den beiden Seiten
abgeplatteter Krei.s. Die Mitte der oberen, wohl erfl:
1541 geebneten (vgl. n. IV) Begränzungsfläche zeigt
ein Loch, in welchem wahrfcheinlich das oben erwähnte
chriflliche Monument befeftigt war. Letzteres beftand au.s
röthlichem Kalkftein, hatte im allgemeinen kubifche
Form, nur dafs es fich oben zufpitzte. Es ftellte „an der
* Wahrfcheinlich a\if Grund diefer K.ichricht behauptete Gaisherger
(1853): „Diefer Stein w.trd von Altentan nach Höhendorf übertragen;" denn
nach Pitlwein erhielten die Ritter von Uebcracker im Jahre 1304 die Herr-
fchaft Altenthan.
- Wenn Lengaucr die Höhe der Säule mit 5V3 Fuß i'= i M. 79 Cm.),
die des Auffatzes mit 2'/. Fuß (= 8 Fuß bei Pighius) angibt, fo ift dies nur
ein Vcrfehen; denn der hlcilenftein ficht jetzt noch cbenfo aus. wie in der
Abbildung bei Hcfner fder 7 Fuß angibt), die aus der Zeit herrührt, als die
Säule in Henndorf fland.
Vorderfeite Chriftus am Kreuze ausgehauen dar. Ge-
trennt durch den Kreuzesftamm, unter den Armen des
Heilandes ifl die Jahrzahl 15 41, und unmittelbar unter
den beiden erften Ziffern das Uiberacker'lche Familien-
wappen — zwei gegeneinander gekehrte Rader im
fchwarzen Felde. Diefes Wappen wiederholt fich auf
der Meilenfäule unter der Infchrift und trennt wieder
die obige Jahrzahl". (Gaisberger.) Noch jetzt ift das
letztere 10 Cm. hohe Wappen eingemeißelt zu fehen.
Da diefes heidnifch-chriftliche Monument über drei
Jahrhunderte an der Landftraße ftand, fo hielt ich es
nicht für unpaffend, Lengauers Zeichnung desfelben
getreu wiederzugeben.
Die I. Zeile der felir gut erhaltenen Infchrift ift
7 Cm., die 2. Zeile 5 Cm., die 3. bis 12. Zeile 45 Cm.,
die 13. Zeile 6 Cm. hoch; ihr Abftand beträgt 07 Cm.
Einzelne Buchflaben zeigen noch Spuren der Aus-
malung mit fchwarzer Farbe.
IMP-C/A5-L-SEPriM(0-
SEVBRO-PIO-PERTINACI-AVC-
ARAB-APIAB-PARTHICO-MAX-
BRITAN- M AX-PONTlF-MAX-TR(B-
5 PqrfS-lll-/MP-VII-C0S-ll-P.p.PROCoS-
ET-IMP-CAS-M-AVRE L(-ANTONINO-
PIO-INVICTO-AVG-PARTHICOMAX-
6RlTANNIC0-M/\X-GE R MAN ICO-
MAX-PONTIF-M/IX-TRI ß-POTFS-XVI-
10 |MP-lll-C0S-llll-P.P^'R0C05-F0RTlS
SIMO-/\C-FFL(CIS5IMO-PRINCIPI-
DOMIMO-IIMDVLCENTISSIMO'
M'P-XI'
Zeile \. Wenn Gaisberger, 22, und andere einen
Fehler des Steinmetzen (^IMR ftatt IMP) conftatiren, fo
finden wir bei genauer Betrachtung, dafs der die Buch-
ftaben P und R unterfcheidende Strich fich nicht un-
mittelbar an den oberen Bogen des P anfchließt, was
fonft bei den anderen R der Infchrift der Fall ift; wir
können daher nur einen Fehler im Materiale annehmen.
Zeile I und 6 CAS ftatt CAES, ein Verfehen des
Steinmetzen.
Der Meilenftein enthält — eine Erfcheinung, die
auch anderweitig vorkommt* — eine doppelte Zeit-
angabe: das dritte Tribunat Severs weist auf das Jahr
195, das 16. Tribunat feines Sohnes auf das Jahr 213
hin. Dadurch wird, wie Hefner bemerkt, die Wieder-
herftellung der Straße in beiden Jahren bezeugt. Dafs
Sever die Straße neuerbaut habe (Mommfen „cippus. . .
in Severo designat annum 195 viae opinor inchoate"),
möchte ich nicht glauben, da man doch annehmen
muß, dafs fchon früher eine Verbindungsftraße zwi-
fchen dem Municipium (feit Hadrian) Juvavum und
Ovilava (Wels), das von Hadrian zur Stadt, von Marc
Aurel zur Colonie erhoben wurde, beftanden habe, und
da es unwahrfcheinlich ift, dafs die über den Radftädter
Tauern nach Juvavum führende Heerftraße, welche,
nach den Worten der Meilenfteine n. II und IV bis VI
,,Severus ... et . . . Aurelius Antoninus... miliaria
* Zum Beifpiele weifen die in Ratien gefundenen Meilenfteine CIL III
5980 5997 und 5999 auf die Jahre 195 und 315 hin.
— I03
vctustate conlapsa restitucruiif zu fchließen, fclion
lange vor dem Jahre 201 beftand, bis zum Jahre 195
nur bis Juvavum gereiclit habe.
In Zeile 3 und 4 werden durch einen naheliegen-
den Anachronismus die Beinamen Parthicus maximus
und Britannicus maximus dem Sever fchon für das Jahr
■95 beigelegt, während er den erüeren erft nach der
Eroberung Ktefiphons 198, den letzteren nach der
Befiegung der Schotten 210 annahm.
Die Infchrift führen an: Pigliius (der fie gelegent-
lich feiner Reife nach Italien im Jahre 1574 abfchrieb),
15S7, p. 213; 1609, p. 141. Von ihm hängen ab: Crz/Z^r,
CLVII i; p^>r///«/^r, Intelligenzblatt 1803, 432; ver-
beffert: Reifen, 61 und 346. Von letzterem hängt ab
Kocli-Sternfcld, Repert., 32, Note *. Fickler (bei Gewold,
p. 140). Steitiliaiifer, Chronica der Stadt Juvavia, Cap. 10
a. E. ' Lengatier, mit einer Zeichnung, 39. Diefem
Manufcripte find einige von Dickh (Pfarrer in Henndorf
1763 — 1781) gefchriebene Blätter beigebunden, der,
wie er fagt, die Fundgefchichte aus Hauspapieren der
gräfl. Ueberacker'fchen Familie in Sighardftein abge-
fchrieben hat. Von Lengauer hängt Kleimayrn, 49
(vgl- 13) ab, der jedoch nicht deffen vollftändige In-
fchrift, fondern nur den Mittelftreifen derfelben, der in
die Zeichnung Lengauers eingefchrieben ift, bringt.
Buchner, Docum., führt die Infchrift i, Ji nach Klei-
mayrn, dagegen i, 74 nach Gruter an und meint, es
feien zwei verfchiedene Meilenfteine. Scliumami, Juva-
via, 275 (nach Kleimayrn). Hitbncr, Befchreibung,
I. Bd., 192; ihm folgt Weiliiicyr, Top. Lex. i, 299.
Georg Piireberl, Die Reife nach Neumarkt nächft Salz-
burg, Salzburg 1814, 7. Stephan, Intelligenzblatt 1816,
760; ihm folgt Honnayr, Neues Archiv 1830, 709.
Matthias Koch, Reife durch Oberöfterreich und Salz-
burg, Wien 1846, 93. Hefner, Salzburg, XIX. Denk-
mal, mit Fig. 6; ihm folgt Steiner, 2798. Gaisberger,
Römifche Infchriften, 1853. Moinmfen, 5745.^
Den Meilenftein erwähnen: Mucliar, Noricuni i,
267 (nach Vierthaler, Reifen). Steinbüchel, Jahrbücher,
46. Bd., 51, n. 99; berichtigt: 55. Bd., 23, Anm. Bene-
difi Pilhuein, Gefchichte, Geographie und Statiftik des
Herzogthums Oefterreich ob der Enns und Salzburg,
Linz 1843, 5. Th., 255 (256, Altenthan). Süß, Jahres-
bericht 1854, 24. A. Hnber, Gefchichte, 3, 12. Richter,
Verzeichnis, 93.
Ueberlicht über die Meilenfteine des Severus und
Caracalla.
Ein Vergleich diefer Infchriften zeigt, dafs ihr
Wortlaut, abgefehen von den durch die näheren Um-
ftände bedingten Verfchiedenheiten und von einigen
' Diefcs Manufcript ift nur eine Aljfchrifl, injit das Original, wie eine
Vcrglcichung mit dem Aulograph Stcinhaufers im Cod. Monac. Bav. 1699,
469 ff. ergibt.
= Bei der Prüfung des Wertes der von den ein/einen Gewährsmännern
angeführten Infchriften findet man, dafs Lengauer und Stephan gewiffenhafte
und für die damalige Zeit erfahrene Bearbeiter der Infchriften find; aber erft
Mummfen gcbürt das Verdierift, eine grundlegende Arbeit für jede weitere
Forfchung geliefert zu haben. Ankershofcn, Jabornegg und Knabl haben die
hiefigen Meilenfteine nicht aus eigener Anfchauung gekannt. Ueber alle anderen
Ciewahrsmanner muß man fagen. dafs fie entweder nicht das richtige Vcrftand-
nis hatten oder oberfl.ichlicli. ja fogar willkürlich waren. Diefe Vorwürfe kann
m.in auch Kleimayrn nicht crfparen, der Lengauer abfchrieb, dabei jedoch
die von diefem getreu und mit Verftatidiiis gezeichneten Ligaturen nicht begriff.
Klcitnayrns Infchriften aber waren für eine ganze Reihe von Nachfolgern,
unter denen ich Weilmeyr hervorhebe, maßgebend. Als liefondcrs unzulaffig
find Buchners Infchriften zu bezeichnen. Steiner gibt Copien aus Ilefner. Das
Verhältnis Steinbücheis zu Stephan ift bei dem 1. Meilenfteine dargelegt
worden.
P^chlcrn, im allgemeinen derfelbe ift. Nur der dritte
Meilenftein hat Felix unter den Beinamen Caracallas,
das fich auch auf zwei anderen Meilenfteinen Noricums
(CIL III S704 und 5735), und auf acht Meilenfteinen
Galatiens findet (CIL III, p. 1114). Auffällig ift die
Ungenauigkeit, dafs auf I und III der Cäfar Geta nicht
erwähnt wird, obwohl fie aus demfelben Jahre (201)
ftammen wie II, IV, V und VI. Da ferner I und III von
unanfehnlicher Geftalt find und nicht wenige Fehler
des Steinmetzen aufvveifen, während die letzteren vier
Meilenfteine fich als mächtige Cylinder mit forgfältig
ausgeführten Infchriften darftellen und den kaiferlichen
Legaten verewigen, fo liegt die Vermuthung nahe,
dafs I und III einige Monate älter find, dagegen 11, IV,
V und VI ihre Entftehung der energifcheren Fürforge
für das Straßenwefen von Seiten des vielleicht neu-
ernannten Legaten zu verdanken haben.
Die Diftanzangaben.
Mifst man die auf den Meilenfteinen angegebenen
Entfernungen auf der Landkarte ab, fo ftimmt bei
n. II (A-T-M-P-XL, Tweng), III (XLII, Breitlahner
Brücke), VIII (A-IV-M-P-XIII, Jadorf), Xb (A-IVVA
■M-P- Villi, Almbach) und XI (M-P-XI, Henndorf)
die Diftanzangabe mit dem Fundorte überein; fie ftan-
den alfo in der Nähe ihrer Fundorte an der alten
Römerftraße.
Bei n. I fpricht fowohl die Entfernung von Teur-
nia (A-T-M-PTIXXX) als auch die zum Vergleiche
heranzuziehende Entfernung des Meilenfteines von
Tweng (12.000 römifche Doppelfchritte) mehr für „die
gefchnittene Baumtratte" als für die ungefähr 2 Km.
füdlich davon gelegene Taferncr Alpe als urfprüng-
lichen Standplatz.
Dagegen finden wir bei n. IV einen bedeutenden
Widerfpruch zwifchen der Diftanzangabe (A'T'M'P*
XLV) und dem Fundorte St. Gertraud, indem jene auf
einen urfprünglichen Standplatz hinweist, der von
Teurnia weiter entfernt war als Tweng. Wenn man fich
nur von dem Fundorte St. Gertraud leiten ließe, müßte
man — was Winklhofer (Steyermärk. Zeitfchrift
1825, VI. Heft, 154) und andere gethan haben —
meinen, dafs diefe Säule der Straße angehört habe, die
von VirLinuni über Matucaium auf den Radftädter
Tauern führte; allein da an diefer Straße kein mit T
anlautender Ort gelegen war, auf den die Entfernung
M-P'XLV paffen würde, fo inüßcn wir den Meilenftein
der von Teurnia ausgehenden Straße zufprechen. Die
auf ihm angegebene Diftanz ftimmt, was A. Huber,
Mittheilungen 1870, 10, erkannte, ungefähr mit der
Tauernhöhe überein, fo dafs wir annehmen müßen, dafs
er urfprünglich dort ftand. In chriftlicher Zeit wurde er
entweder wegen feiner Größe und Schönheit oder da
feine damals wohl myfteriöfe Infchrift wegen der auf-
fallenden Aehnlichkcit des mehrmaligen f mit der
Kreuzesgeftalt für eine chriftliche gehallcn wurde, bei
der St. Gertraudenkirche als Mnrtcrfäule aufgcftcllt,
eine Ehre, die in älinlicher Weife auch dem Meilen-
fteine n. XI in Henndorf widerfuhr. Die Uebcrführung
fand wahrfcheinlich mittels eines Schlittens ftatt, indem
die Säule in der Weife darauf gebunden wurde, dafs
die Infchrift unmittelbar auf ihn zu liegen kam und
dadurch gefchützt wurde, während die beiden Seiten
I04 —
der Infchrift über den Schlitten nach rechts und links
hinausragten und daher voUftändig abgewetzt wurden.
Im Anfchluße daran muß ich die Diltanz des oben
unter n. V erwähnten, von Apianus überlieferten
Meilenfteines (CIL III 5722) A-T-M-P-LIIII in Be-
tracht ziehen. Schon Stephan (Studienbibliothek, 97)
hat, von der Beobachtung ausgehend, dafs die Meilen-
fteine von Oberalm (Almbach) und Jadorf die Schritte
von Juvavum aus, dagegen die füdlich vom Radrtädter
Tauern gefundenen von Teurnia aus zählen, bemerkt:
„Ich bin überzeugt, dafs die Meilenfäulen von diefen
zwei Orten aus nur bis auf die Höhe der Scharte des
Radllädter Tauern gefetzt wurden und die millia
passuum angegeben haben." Diefelbe Anficht fpricht
Mommfen, p. 694, aus. Da die Entfernung A'T-M-P-
XLV, wie ich oben gezeigt habe, auf die Tauernhöhe
pafst, fo müßen wir entweder den RIeilenftein des Apia-
nus wegen Ungenauigkeit in das Reich der Fabel ver-
vveifen, oder, wenn wir uns dazu nicht entfchließen
können, ihm einen urfpriinglichen Standort in der Mitte
von Untertauern und Radfladt zutheilen und annehmen,
dafs die Zählung der Meilenfleine von Teurnia aus
noch nördlich über den Tauern hinaus erfolgte.
Wie oben bei n. XI und I bemerkt wurde, hat
die Straße, welche von Virunum über Matucaium nach
Juvavum führte, fchon lange vor dem Jahre 201 n. Chr.
beflanden; dagegen wurde die Straße von Teurnia über
die Taferneralpe bis in die Gegend des jetzigen
Mauterndorf erfl im Jahre 201 erbaut. Dafs die erftere
Straße die ältere war, dafür fpricht auch der Umftand,
dafs die tabula Peutingeriana nur diefe kennt. Die
Meilenfteine von Mauterndorf bis auf den Radftädter
Tauern (n. II, III und IV^) geben jedoch nicht die
Entfernungen der älteren Straße, von Virunum gerech-
net, an, fondern die der jüngeren Straße, von Teurnia
gerechnet; daraus ergibt fich, dafs feit 201 von Santi-
cum aus der Weg über die Taferneralpe als Haupt-
weg nach Juvavum galt, auf dem man gegenüber der
alten Straße über Virunum und Matucaium mehr als
31.000 Doppelfchritte erfparte.
Mittelalterliche Pfeudo-Cifternengräber.
Von Confervator 1'. Friedrich Emil.
UN Beitrag zum Capitel der mittelalterlichen
Pfeudo-Cifternengräber' fei mein Hinweis
auf einen ähnlichen Fund in dem dem
Stifte Altenburg gehörigen Stranzlwalde.^ Dort
erhebt fich nämlich auf der öftlichen und höchllen
Spitze eines Bergrückens ein ovaler, abgeplattete!',
künftlich aus reiner Erde aufgeführter und von dem
Graben, aus dem diefe Erde gehoben ifl, umgebener
mehrere Meter langer Hügel (Richtung von Oft nach
Wefl). Am Weflende (Fig. i) liegt bei a eine aus
trockenem Steinmaterial aufgemauerte cylindrifche
Vertiefung, welche ca. 125 M. tief und 05 M. breit
Fig. I.
ift und unten auf dem blanken flachen Fclfen aufficht.
Diefe brunnenartige Vertiefung wurde vor längerer
oder kürzerer Zeit von der Nordfcitc her angegraben.
Ein zweiter Verfucli einer folchen Grabung zeigte fich
bei b. Eine kleine Vertiefung bei c führte mich auf die
Entdeckung einer zweiten cifternenartig aufgemauerten
Oeffnung; der rund zubchauene Stein, der fic ver-
fchloffen hatte, war etwas unter den oberen Rand
A. Rzchak in dicfcn Milth XXVII {1901). 133.
- Im Stranzlwaldc foll cinflmals ein Dorf ,,StranzcndorP Ijcftandcu
laben. An der Nordfcitc des Hügels, von dem hier die Rede ift, zeigen ficli
tcrrafTeiiförniige Abhänge, anfchcinend ehemalige Aecker mit Steinhaufen. Von
Dorfruinen ficht man in der Nahe nichts.
h:
hineingefunken. Diefe Vertiefung wurde von der Süd-
feite angegraben; fo wurde die behutfame Hebung des
Deckfleines möglich, unter welchem reine, faft gefiebte
Erde mit etwas Kohlenreflen in Afche (?) und ein
eiferner ftark \errofteter Gegenftand (Nagel) mit einer
Oefe an dem einen Ende (Fig. 3), wie man fie heute
noch an Pflugaxen durchfteckt, um das Ablaufen des
Rades zu verhindern, zum Vorfchein kamen. Scherben
oder anderes Material wurde in der Vertiefung nicht
gefunden.
Ein Längsfchnitt durch den ganzen Hügel ergab
jedoch in einer Tiefe von ca. 20 Cm glafirte (!)
Topffcherben ' neuer Provenienz. Ein bis zur Fels-
I
Fig. 2.
^''g- 3-
unterläge ausgeführter Durchfchnitt von d bis e (in
einer Tiefe von i bis 12 M.) lieferte keinen Fund, wohl
aber die Gewifsheit, dafs auch auf diefer Seite der Tu-
mulus durch künftliche Anfchüttung entftandcn war.
Wie ein Durchftich (Fig. 2) zeigte, ifl bei der
Anläse diefer Vertiefungen rechts und links von
dem diefe Höhe bekrönenden Felfen (Fig. 2/) der
Fels geebnet worden; fodann find beide Rohre
angelehnt, mit Steinmaterial umgeben und dann mit
reiner afchenartiger Erde vcrfchüttet worden. Der
Verfchluß gefchah bei a wahrfcheinlich mit einem
■ Vgl. Rzcli.ak a. a. O.
— IC5
platten Steine, bei c mit einem kugelartig beliauenen
oder zugeformten harten Steine.
Welchem Zwecke die beiden trocken gemauerten
Rohre, auf der höchften Spitze des Rückens am linken
Ufer des Kampflußes gedient haben mögen, mögen
fpätere Forfchungen ermitteln. Es kann fein, dafs beide
Rohre fchon vor längerer oder kürzerer Zeit unter-
fucht und beraubt worden fmd; allerdings war das
Rohr c noch mit dem hineingefunkenen Steine be-
deckt. Auch die Frage bleibt offen, ob nicht auf diefem
Hügel einft eine kleine hölzerne Behaufung ftand und
die beiden kiinftlichen Rohre verfleckte Depots des
Anfiedlers waren. Als Brunnen können fie nicht ver-
wendet worden fein, denn hier würde fich kaum Waffer
haben erhalten können.
Kupferbeile aus dem Bezirke Königgrätz.
Vom k. k. Confervator Ludwig Schneider.
JNderprahiftorifchen AbthcilungdesHiftorifchen
Mufeums zu Königgrätz werden feit vielen
ijahren zwei Kupferbeile mit doppelten, quer-
geftellten Schneiden aufbewahrt. Das eine (Nr. 208),
270 Mm. lang und i'555 Kg. fclnvcr (Fig. lO und 11),
nahen Dörfchen Zely gelegenen) Walde gemachten
Funde erworben hatte. Es war hier angeblich eine
größere Anzahl von Gegenftänden gefunden worden,
und darum ift es fehr wahrfcheinlich, dafs auch das
zweite 285 Mm. lange, aber nur ri35 Kg. fchwere Beil,
Fig. I, 2 (Steinbeil von Bylar.y); 3, 4 (Kupferl eil
von Krinec).
Fig. 5, 9 (Kupferbeil von Dobra voda); 6 (von Rosnice); 7, 8, 9, 10, 1 1 (von
Roudnice Libcany).
fchenkte der ehemaligen flädtifchen Alterthiimerfamm-
lung Herr W. Kupfer, Befitzer einer lithographifchcn
And alt in Podebrad, welcher es aus einem 1865 durch
einen gewiffen F. Kuchynka an dem ,,na horkäch" ge-
nannten (im Weichbilde der Gemeinde Roudnice bei
Libcany, nördlich von Roudnice und weftlich von dem
(Fig. 7 und 8), — wir wiffen nicht, wann und wie es in
die Alterthümcrfammlung gelangt ift — aus diefem
Funde herrühre.'
' Diefc Annahme wurde fpülcr über Anfr.lgc durch Herrn Kupfer fcihft
hcftntigt; der Fund gcfchah auf einem Felde feines Srtiwiegerv.itcrs.
XXVIII. N. F.
14
— io6 —
Beide Beile waren urfpriinglich von einem glatten,
hellgrauenUeberzLige bedeckt, unter welchem fich eine
dicke Schichte hellgrünen Malachits tief in das Metall
eingefreffen hatte. Mit der Zeit bröckelte fich die Rinde
faft voUfländig, die Malachitfchichte zum größten
Theile ab, fo dafs gegenwärtig beinahe auf der ganzen
Oberflache der Beile das nur von einer ganz dünnen
Schichte rothbraunen Kupferoxydes überzogene Metall
zu Tage tritt.
Die horizontale Schneide des leichteren Beiles wurde
wahrfcheinlich vom Finder durch wuchtige Ilammer-
fchläge an der einen Langsfeite verunflaltet und zer-
fplittert. Einige der abgetrennten Splitter wurden durch
Profefl'or Linke vom chemifchen Laboratorium der
k. k. Kunflgewerbefchule in Wien einer chemifchen
Anah-fe unterworfen und folgendes Rcfultat gewonnen;
Kupfer 9947 Procent
Blei Oio „
Zink O- 1 1 „
Eifcn Spur
Summa. . 99-68 Procent.
Feilfpjine vom zweiten Beile enthielten:
Kupfer 9929 Procent
Zinn 038 „
Eifen Spur
Summa. . gg'Oj Procent.
Beide Heile fcheinen alfo aus bloßem Kupfer ohne
abfichtlichen Zufatz eines anderen Metalles' hergeftellt
worden zu fein.
* Ueber Vermittlung der Central-Commiffion hat Profefl'or Linke noch
einige pr.'ihiftorifche Artefacle Taus einer Sammlung des Autors) der chemifchen
Analyfe unterworfen und dabei gefunden :
11} In einem großen Halsringe mit abgeplatteten und zufammengerollten
Enden aus dem zweiten Depotfunde (1880) von Jicineves bei Jicin
(i2 Beile, 5 Halsringe mit gerollten Enden, 3 mit Pfötchen. Mittheiluugen
N. K. VII, p. IL, abgebildet in meinen „Materialy k dejinäm kulturnim
lidi bydlivsich V hofejsini pofici Labe", Jicin 1881, Artikel 2), welcher voll-
kommen mit zahlreichen anderen böhmifchen Funden von Halsringen,
wie Sobcnic, Oberklec, Stachau. Hospozin und mit den fchlefifchen
Funden von Glogau (auch hier feinere Halsringe mit Pfctcheni. Scheit-
nig, Piltfch u. f. w. übereinftimmt:
Kupfer 97*31 Procent
Zinn o'S9 n
Sun
97
60 Procent.
Der Reft cntKiclt Blei und Kifen und eine organifclie Materie
(wahrfcheinlich Ocl, womit die Bohrfpanc vielleicht in der SchlolTcr-
wcrkftättc der Zuckerfabrik verunreinigt wurden).
t) In einem kleinen Beile mit fehr niedrigen Randleiflen und beinahe halb-
kreisförmiger Schneide, 115 Mm. lang und 181 Gr. fchwer, aus dem.
fclben Depotfunde;
Kupfer 92* 14 Procent
Zinn 7*72 V,
Summa.. 99*86 Procent.
Es ill gcwifs lehr bemerkenswerth, dafs das Metall des einen
von den bcifammcn gefundenen Gcgcnftanden, des Halsringes, fo wenig
Zinn enthalt, wahrend in dem Metalle des anderen, des Beiles, beinahe
8 Procent Zinn gefunden wurden. Es wurde auch bei anderen Funden
(Hospozin, Stachau, Richly, Bronzezeit in Böhmen) conftatirt. dafs die
groben Halsringe mit abgeplatteten und eingerollten Enden faft nur aus
unreinem Kupfer beftehen. Man kann daraus fchlielien. dafs zur Anfer-
tigung billiger Schmuckgegenft.'inde, bei welchen die Harte des Metallcs
nicht in Betracht kam, tlie priihiftorifchen Metallarbeiter fich noch lange
Zeit hindurch mit bloßem Kupfer begnügten, als bei Anfertigung der
fcharfen, alfo harten Waffen und Werkzeuge bereits recht bedeutende
Mengen des theuren Zinnes als Härtemittel verwendet wurden.
c) In dem Bruchflückc eines maffiven fvon den Findern zerbrochenen)
offenen Fußringes ohne alle Verzierungen und mit gleichf.xm abge-
hackten verjüngten Enden, welche Montelius in die erfte Hälfte feiner
I. Bronzepetiode verlegt (fie kamen in dem Depot von Glogau mit Beilen
und Halsringen vor, in Böhmen zu .Stolmif bei Böhmifch-Brod — Geo-
logifchcs ln(\itut der böhmifchen Univerfitat — ähnliche in den Funden
von Sobcnic, N'tclno, Zvoleneves), aus graugelbem, fehr weichem Metall
und aus einem um 18B4 im Walde nachft dem Cesover Burgw.alle bei
Jicineves gemachten Depotfunde (der Fund gelangte in den Befitz des
vcrftorbenen Revierförfters von Jicineves, delTen Schwager mir einen
ganzen King und zwei Bruchdücke eines anderen abtrat; den ganzen
Ring habe ich in dem ftädtifchen Mufeum zu Jicin deponirt) herrührend:
Der GrundwirthJohannSuchanek imDorfeRosnice
(norduefllich von Königgrätz) ließ feit 1881 die hinter
den W'irthfchaftsgebäuden feines Hofes Nr. 36 an-
flehende humofe Erde abgraben. Bei diefen Arbeiten,
welche einige Jahre dauerten, wurde außer anderen
Gegenftänden eine filbenie römifche Fibula (König-
griitzer Mufeum) und angeblich bei einem Skelete ein
einfaches Kupferbeil von 137 Mm. Lange gefunden.
Die Verfuche, das Beil gleichfalls für das Königgrätzer
Mufeum zu erlangen, hatten keinen Erfolg; als die
Witwe Suchfinek das Beil der Mufeumsverwaltung
auf kurze Zeit lieh, wurde unterlaffcn, das Gewicht zu
erheben und eine gute Photographie anzufertigen, und
fpäter nahm ihr Sohn, ein Gärtnergehilfe, das Object
nach Prag mit.
Der Zeichnung nach (Duska, Nalezy pi^edhistoricke
Tab. III, Fig. 12) ftimmt die Form des Beils (Fig. 6)
mit einem bei Jordansmühle (Kreis Nimtfch) in
Schlefien gefundenen und von Montelius in deffen
Anhange zur „Chronologie der älteflen Bronzezeit"
abgebildeten Kupferbeile (nach Mertins aus ggOo Pro-
cent Kupfer mit Spuren von Zinn und Blei) überein.
Ein viertes Kupferbeil aus dem Königgrätzer
Bezirke wird im Mufeum zu Hofic aufbewahrt. Es
wurde bei Entwäfferung der Flur ..Meziluzi" zwifchen
den Dörfern Dobrävoda und Liskovice bei Horic ge-
funden (Fig. 5 und 9). Der wackere Schmiedemeifler,
in deffen Befitz das feltene Objeft zunächft gelangte,
trat es für das gleiche Gewicht von Kupferkreuzern der
Hoficer Mulealgefellfchaft ab. Der Mufealcuftos Po-
korny überbrachte mir das Kupferbeil, welches auch
1891 in der retrofpefliven Abtheilung der Prager
Jubilarausflellung ausgeftellt, im Kataloge sber irrthüm-
lich als Beil aus Eifen angeführt war, gefälligft zur
Abzeichnung und Gewichtserhebung. Der Form nach
ftimmt es mit vielen Kyprifchen Kupferbeilen überein
und wiegt 316 Gr. bei I15 Mm. Länge. Eine Photo-
graphie anzufertigen, fehlte mir die Zeit.
Das Beil^des ftädtifchen Mufeums in Nimburg, das
Confervator Cermäk im Vestnik musei 1899 als denen
von Roudnice ähnlich bezeichnet hat, gleicht nicht den
Doppelbeilen von Roudnice, fondern ift ein fehr großes
kupfernes Hammerbeil, 250 Mm. lang, 2-i i Kg. fchwer
(Fig. 3 und 4). Nach gefälliger Mittheilung des Cuftos
Jedlicka wurde diefes Hammerbeil auf einem Felde bei
dem Städtchen Kfinec (Bezirk Nimburg) gefunden und
Kupfer 82*56 Procent
Antimon i6*03 „
Sandkörner 0*90 „
Eifen ) _
Blei i Spur
Summa.... 99*48 Procent.
Prähiftorifche Artefatflc aus Antimonbronze wurden bereits mehr-
mals in Ungarn und Siebenbürgen gefunden, auch einige in Oftpreußen
gefundene Bronzcgegenftandc enthielten, nach Dr. Otto Helm in Danzig,
Antimon, aber in der Regel neben größeren Mengen von Zinn oder nur
in kleinen Mengen (Maximum 4*48 Procent in einem Hohlcelte, Ver-
handlungen der Berliner Anthropologifchen Gefellfchaft 1897, S. 124).
tf) Ein maffives Beil (Schaftcelt) von 670 Gr. Gewicht und 19s Mm.
Liinge, irgendwo im Königgrätzer Krcife gefunden, mit fpitzwinkeligcm
,\bfatz und uhne Randleiflen; es ftimmt in der Form mit den beiden
Bronzcbcilen iibcrcin, welche zu Königgrätz beim "Umbaue des HaufeS
\r. 138 am Ringplatze mit (angeblich 50) Golddrahtgewinden gefunden
wurden; einigermaßen auch mit den Beilen aus Belec (im Königgrätzer
Mufeum), vom Berge Melechov bei I.edec und denen aus dem erften
(vor 1826 gemachten) Depotfunde von Jicineves; feine Legirung enthalt:
Kupfer 9S*99 Pi"occnt
Zinn 3' 10 n
Eifen Spur
Summa.. 99*09 Procent
I07 —
dem Mufeum von einem im Vorjahre verflorbenen Herrn
Skobis gefchenkt. Der Form nach gleicht es einiger-
maßen dem viel kleineren (Gewicht r 162 Kg.) kupfernen
(99'87 Procent Kupfer) Hammerbeile, welches auf dem
Galgenberge bei Ottwitz (Kreis Strehlen) in Schlehen
gefunden wurde (Montelius, Chronologie S. 218); doch
felilt dem Ottwitzer Hammerbeile die Röhre, und hat
dasfelbe eine viel breitere Schneide, fo dafs es faft
dreifeitig erfchcint.
Von befonderem Intereffe ift, dafs zwei im Gräber-
felde von Bylany bei Böhmifch-Brod gefundene ge-
fchweifte Hammerbeile aus Stein (Fig. i und 2)' offen-
bar folchen kupfernen Hammerbeilen nachgebildet find.
Im Brüimer Franzeiismufeum befindet fich ein
kupfernes Doppelbeil mit quergefteliten Schneiden,
welches dem einen Doppelbeile von Roudnice voll-
kommen ähnlich, 1822 auf dem Berge Ruda bei Platfch
(^Plavec im Bezirke Znaim) angeblich in einem alten
Eifenerzbau gefunden wurde. Auch ein kupfernes
Hammerbeil befindet fich hier, 1872 bei Rofic wefllich
von Brunn gefunden, doch nicht von der Form des
Kfinecer Hammerbeiles; das Roficer ficht vielmehr fo
aus, als wenn man einem Doppelbeile mit quergefteliten
Schneiden die horizontale Schneide etwa in der Mitte
des betreffenden Armes abgehackt hätte. Auf dem
Arme mit der fenkrechten Schneide befinden fich an
der das Schaftloch umgebenden Röhre drei tiefe keil-
förmige Eindrücke.
Im Herbfle 1901 wurden im Weichbilde des
Dorfes Ostfetin (Bezirk Pardubic, 22 Km. füdöftlich von
Königgrätz) beim Legen von Drainageröhren in der
Nähe der „na hradcich" genannten Lehne, i M. tief un-
gefähr 15 Golddrahtgewinde ausgegraben, welche mit
Schleifen endigten und fo ineinander gefchlungen
waren, dafs fie eine Art Kette bildeten. Der größte
Theil der Gewinde gerieth in die Hände von Gold-
arbeitern, nur zwei erwarb das Mufeum zu Pardubic.^
Zur vollen Würdigung diefer Funde haben wir in
Betracht zu ziehen, dafs im Königgrätzer Kreife bereits
mehrfach Funde von Golddrahtgewinden gemacht
worden find. Diefe find namentlich:
In der Sladt Königgrätz felbfl:
<>) 1853 bei dem Graben von Keilenäiinien in dem Gemeindebaufe
Nr. 230, drei „Königgrätzer Achter" 3 und neun kleinere Gold-
drahtgewinde, welche wie eine Kette ineinander gefchlungen
waren (Woccl, Casopis ces. mus. XXVII 573, Sitzungsberichte
der k. Akademie der WilTenfchaften 18531;
/'/ bei dem Baue einer MilitärfchieflfVätte vor dem ehemaligen
Schlefifchen Thore einige Gewinde (Duska, Nälezy pfcd-
historickfi v kraji Krdlovehradeck^m p. 9);
' I. Gcfiitidcn im Gr.ibe Nr. 31 nchen einem mit eiiigczogeiicii ßciiien
hcgrabcnen Skelctc zuelcicli mit einem FlintmetTcr und einem gehenkelten,
krugfbrmigcn Gefäße ohne Orn.iment.
2. Gefnnden im Gr.lhe Nr. 35 bei einem faft voIHg nufgelbsten Skclete
und verbrannten Knochenpartikeln an zwei vcifcliicdenen Stellen, mit einem
Steinkeile und den Bruchftiicken von ficbcn Gefiißen. danmter drei Amphoren,
einem den Srhnurbechcrn gleichenden Gefäße und drei halbkugelförmigen (.-)
Gefäßen mit hohem Hälfe. Pic Pam.itky archacologicke X\'1I 381 ff.
- Bericht der Mufealverwaltung fiir das Jahr 1901, Pernstyn. 190a Nr. 5.
■^ Zwei folche. aber bei weitem kleinere Achter aus C^olddraht. deren
fchleifenfürmige Enden zu Kmgerringcn gerollt find, wurden zu Tschanfchwitz im
fchlcfifchcn Kreife Strehlen in einer (iratiurne und ficben oder .acht Paare von
folchen zu Brzezie im Pofener Kreife Plcfchen unter einem Sleinblockc gefun-
den (Olshaufen. Verhandlungen der Berliner anthropoloyifclien Gefellfchaft
i386, S. 46).
cj 1884 am großen Ringe vor dem ILtufe Nr. 164 ein Gewinde
(Lüfsner, M. C. C. XIV, 2251;
ilj 1889 bei dem Umbaue des Haufes Nr. 13S auf dem großen Ringe
eine große Anzahl (angeblich 50) Golddrahtgewinde, zwei Pal-
ftave mit winkelförmigem Abfatz und ein Bronzemorgenftern
(Lüfsner, ebenda, XVII 57; Domecka, VestniTc ceskych museii
II 971;
vor 1853 in iler Vorftadl NeuKöniggrätz; Stücke von Gold-
fäden (Wocel, Casop. ces. nius. XXVII 573),
187g bei Lhota Krälovä auf dem Felde des J. Drahorad lieben
Golddrahtgewinde, von denen fechs in das Landesmufeum zu Prag,
eines in das Nachoder Mufeum gelangte (DuJka, Nälezy etc. 20).
1878 wurde hier auf dem Felde eines gewiffen Bukac ein Gefäß
mit Golddrahtgewinden und angeblich auch verbrannten Knochen aus-
gegraben und jene einem Goldfchmiede verkauft.
Nächfl Skahcka (KJein-Skalitz) wurde 1S72 bei Regulirung des
ehemaligen Elbearmes Rohaj ein ganzer Knäuel von Golddrahl
gefunden, welchen der Maierhoffchafl'er Zylvar und die Handarbeiter
in Befitz nahmen und großentheils dem Händler Levi in Skalicka ver-
kauften (Du.ska 21, Hrase, il. C. C. 1881. CXXXI); außer den
Golddrähten wurde hier ein kleiner Ausftreckhammer aus Bronze von
der Form des bekannten von Ritfchen, zwei Bronzebeile mit Tülle
(Gelte) und eine kleine Sichel gefunden (jetzt in der Saiumlung des
Grundwirthes Rydlo zu Nahoran).
Hei Libiic, in der Nähe der Fafanerie Kalloufy, wurden im
jähre 1880, 1-5 M. tief, fechs ganze Golddrahtgewinde und eilf
Bruchftücke gefunden (Pamdtky archaeol XI, 629; Duska, Nalezy 2Ö"l;
zwei ganze befitzt der Müller Prochäzka in Alt-Ples, drei ganze und
die Bruchftücke erwarb das Landesmufeum.
Bei Cernilov 1889 fünf Golddrahtgewinde von der Form und
Größe des Königgrätzer Achter; jetzt im Landesmufeum (Lüfsner M.
C. C. XVII 57).
Bei Vyrava hat ein ficherer Kubäsek auf einem Gemeindefelde
gewöhnliche Golddrahtgewinde ausgegraben (Uuska Nälezy, 27), welche
fein Weib einem Goldfchmiede in Königgrätz verkaufte.
Zu Holohlavy (?1 haben zwei Taglöhner bei Reinigung des Ktina-
baches in der ehemaligen Fafanerie, einft einer neolithifchen An-
fiedelung, 1846 einen Goldfehatz gefunden und (Ich für den Erlös
Kleinbauernhöfe ('Chalupen) angekauft. (Petera, Pamätky III 28 1).
Lipa, hinter dem Bauernhofe des Jos. Siränsky, 1886 in einer
Böfchung kleine Golddrahtgewinde (68 Gr.). welche den Königgrätzern
ähnlich find (Du.ska, Nälezy 63), noch heute dort.
Bei Vsestary, in der aufgelaflenen Ziegelei des Herrn Soucek,
haben angeblich Arbeiter i8So Golddrahtgewinde gefunden (Duska 71)
und dem Königgrätzer Goldfchmiede Biterlich verkauft.
Bei Roudnice fand der Straßenräumer 1880 im Graben der
Aerarialftraße ein Gefäß, welches angeblich mit verbrannten Knochen
gefiillt war und einen in eine Spirale gewundenen Golddraht enthielt
(Duska 71), er verkaufte den Dr.iht an einen Goldfchmied.
Schließlich erwähne ich noch eines Clolddralitgewindcs in
I'ingerringform ohne Schleifen, welches beim Baue der Laiidwehr-
kaferne zu Jaromef gefunden wurde (Duska 53); der lugleich ge-
fundenen fattelförmigen Zicrplatte nach gehört diefer Fund fchon der
La T^nc-Zeit an.
Ferner find die im nordöftlichcn Böhmen ge-
machten Depotfunde zu beachten, zum Boifpici:
Zu llemze, in der Nähe des Adlerfluffes bei Chocen, ein größeres
Depot, aus welchem eine Sichel und ein Palftav in das Mufeum zu
Pardubic gelangten,
in Chvojenec zwifchen der Elbe uud dem FliilTe Loucnä Ringe,
Cell und Sicliel (Pamätky XIII 430, 442),
in der Nähe von Castolovic, ober dem Ufer des AlbaflulTcs drei
Gelte mit Oefcn, die Hälfte eines folchen, zwei Sicheln, Pfeilfpitzen
— io8 —
und drei Sliickclieii Gußmetall (im Mufeiim zu Kostelec a. A. ; Duska,
Ndlery 17).
Roudiiicc, Depot von zwei Kupferbeilen im Königgrälzer
Mufeum,
beim Hau des Jofefftädicr Bahnhofs im Jahre 1857 neben dem
Wächterhaufc Nr. 45 ein Palftav und zwei Sicheln (l'etera. Pamdtky,
HI 191J.
Die Funde: von Jaromef in der Flur .na ptäku" (Vogelfchieß-
ilältc) ober der Präger Vorfladt, ein Bronzegefäfl, das zwölf Pha-
leren entliieU (Petera, Pamdtky III 20 Wocel, Pravek 51 ;,
von Jasennd, mit fiinf gravirten offenen Ringen, gefunden am
Walde Zdär (Abb. M. C. C. 1882 XI),
von Tfebesov, auf einem herrfchaftlichen Felde 16 torquirtc
Ringe mit Schlußhaken (Pamdtky XII 187 M. C. C. XI 99),
von Freiwalde an der Adler, in der Graffchaft Glatz, neun
ganze gravirtc offene Ringe und 20 in Bruchftiicken (Merlins, Depot-
funde in Schlefien Schlefifche Vorzeit VI 291 ff.j,
l)ci Lipuvka in der Nähe der Alba (Pamdtky XVI 339) und
bei Nahofany in der Nähe der Mettau, je ein Bronzefchwert mit
maffivem Griff (M. C. C. 1888 281) fowie der bedeutende Fund römi-
fcher Kaifermünzen am Walde
Rousin bei Spy in der Nähe von Böhmifch-SkaUc (Hrase
M. C.C. XI, XLIX), welche theils (zwölf Stück) in das Landesmufeum
gelangten, theils in der Sammlung Rydlo zu Nahofan fich befinden.
Schließlich ill zu erwägen, dafs auf der Area eines
dem Grundwirthe Fesek gehörigen, am Nordende des
Dorfes Lochenice auf einer Anhöhe zwifchen zwei in
die Elbe einmündenden Bächen unter C. Nr. 41
fituirten Gehöftes bei Abgrabung der höchften Stelle
zahlreiche Scherben von derfelben ungarifchen
(Lengyel-) Art gefunden wurden, wie die Gefäße, die auf
dem Pitfchkowitzer Berge bei Jordansmühle im
fchlefifchen Kreife Nimptfch beim Bahnbau 189S in
Skeletgräbern zugleich mit Schmuck (Armbändern und
Locken) aus bloßem Kupfer gefunden wurden.*
Auf Grund diefer großen Zahl von Funden find
wir gezwungen, den Schluß zu ziehen, es habe bereits
in fehr früher Zeit ein wichtiger Handelsweg aus dem
kupfer- und goldreichen Ungarn durch Mähren und
das nordöftliche Böhmen nach Mittel- und Nieder-
Schlefien und weiter an das Geftade der Oflfee
geführt.
Diefer Handelsweg lafst fich von dem Zufammen-
flulTe der Svit-ava und der Schwarc-ava (des weißen
und des fchwarzen Waffers r) bei Brunn durch eine
ganze Reihe prähiftorifcher Fundplätze verfolgen, fo:
An der Svarcawa Rofic mit einem Jlammerbeil aus Kupfer,
Maloflovic, Urnenfeld, Tifchnowitz(Tisnov) Depotfund von Armringen ;'-
längs der Svitava Brunn, Löfch (Lisen) mit dem bekannten Burgwall
, Stare Zdmky" und einem Depotfunde von Bron/.eficheln auf der An-
höhe ,u Koflelicka' (Brandl, Kniha pro kazdiho Moravana 89)
Obrany, Urnenfeld, in den Gebieten beider Fliiffe, die Umgebung
von Blansko mit ihren reichen Funden, namentlich der berühmten
„Byciskäla', Borftendorf, Urnenfeld, Bozkovic, zwei Kupferhämmer
(zwei ganz ähnliche in dem unferuen Jedovnic, Trapp M. C. C. 1895
130), Skalic (römifche Münzen), Vodcrady (Urnenfeld), Vanovice und
Drbalovice, Anfiedelungen aus allerer Bronzezeit, GroßRoutka, Depot
von Bronzefichcln in der Sammlung .Maska, Lhola Skocovd, Urnenfeld,
Trnavka, Urnenfeld, Vierzighuben bei Zwittau, zwei Hammer und eine
Kugel aus Stein. Hier trat der Weg über die Einfattelung zwifchen
den Zddrske hory und dem Gebirge Jesenfli (Gefenke), über die einft
1 Schlefiens Vorzeit VII, 540.
- Cas. mus. sp. dorn. 189a, 121.
auch das böhmifche Kreidemeer eine lange Bucht bis in die Gegend
von Bozkovic gefendet hatte, auf böhmifchen Boden.
Hier treffen wir die Fundplätze: Karlsbrunn, zweij Steinwerk-
zeuge und römifche Münzen, Trstenice, Steinmeifel, Vranice, liron/.e-
fpeerfpitzen, Jarosov, eine Bronzefpeerfpitze in der Nähe eines Burg-
walles, Lubnd und Stritez, zwifchen beiden ein Steinhannner, Dolni
Uje/d, gebohrter Steinhammer, Benätky, Steinhamnier, Leitomyfchl,
Steinhammer, Osik, Bronzedolch, Tynisko, prähiftorifche Umwallung
mit mittelalterlicher Vefte ob dem Loucnafluffe, von da quer durch die
Albrechticer königlichen F"orfle auf einer während des gan.^eu Mittel-
alters und bis in die Neuzeit wichtige Straße über Ostretin, Golddr.iht-
depöt, Ilolicc, Fund eines Golddrahtgewindes, Chvojenec, Bronze-
depotfund, Hodesovice, Bronzefpeerfpitze im Pardubicer Mufeum,
Neu-Königgrälz, Goldfäden, und Königgrätz mit zahlreichen Funden
in der Stadt und einem Urnenfelde auf dem ehemaligen Kroalenberge
vor dem Mauther Thore, weiter längs der Elbe Plotiste mit drei
neolithifchen Anfiedelungen, Predmefice mit zwei prähiftorifchen An-
fiedelungen und La T^neGräbern, Lochenice mit drei Anfiedelungen
und dem Urnenfelde ober dem Weiler Trotina, Skalicka, Goldfund
und Urncnfcld, deffen reicher Inhalt eben von dem Königgrälzer
Mufeum ausgebeutet wird, welter quer zur Mettau über Cernilov,
mehrere Funde, darunter der von neuen Königgrälzer Achtern und
ein Urnenfeld fim letzten Sommer durch Profeffor Pic unterfuchti,
Vyrava, Golddrahtgewinde, Librice, desgleichen, Lhota Kralovd, zwei
derartige F"unde, Jasenna, Depot von Bronzearmringen ; längft der
Metlau ziehen lieh die Fundplälze Koztoky, Bronzepalftav in der
Sammlung Bienenberg's, Vefelice, Urnengräber unter kleinen Tumuli,
Nahorany, neolithifche Anfiedelung, Urnenfeld und das Depot eines
Bronzefchwertes, Neufladl an der Meltau, Burgftall,in welchem wieder-
holt BronzeceUe gefunden wurden, Pfibyslav-Vrchoviny, Steinwerk-
zeuge, Altftadt-Nachod, desgleichen. Längs der Bäche Slana und
Kelna führte der Weg über Lewin (Mefleekol über den Pafs zwifchen
der Hohen Menfe (1087 M.i im Adlergebirge und dem Ausläufer der
Heufcheuer (920 M.i, Ratfchenberg (Hradiste:^ nach Reinerz (Dusni'ky)
und weiter längs des Fluffes Bystrice (Weiflrilz; zur Neiffe bei Glatz.
Oflenbar war der Weg von Nachod bis Glatz ein bloßer Saumweg in
dichtem Walde, denn bis heute wurde längs desfelben kein einziger
Fund von prähiftorifchen Arlefacten gemacht. Durch einen weiteren
Pafs unter dem Berge Warta (Brdo 7Ü3 M.) trat der Weg aus dem
Glatzer Gebiete, welches früher zu Böhmen gehörte,! in den
' N-K-h einer Nachricht des Chroniften Kosma.s gehörte es zum Gebiete
der oftbohmifchen Kurilen und war namentlich Glatz (Kladsko) ein feiler PLltz
des Kurilen Slavnik (Vaters des heil. Adalbert) gegen die Polen. Im Glalzer
Gebiete vereinigten fich in der jiingeren Bronzezeit mit dein H.iuptwegc noch
zwei Nebenwege, und zwar:
a) Der Weg von der wilden Adler längs des Flußes -Mba über Sattel zum
heutigen Reinerz mit den Kundplatzen:
Adlerkolleletz, Steinhammer im Kluße.
Alba-Ufer nördlich von Cästolovic, Depot von Siclieln und Gelten.
Hodcsin, Steinhammer, Llpüvka, Bronzefchwert.
b) Längs der wilden Adler in das Klußgebict der Glatzer NcilTe; Kund-
plätze: der Berg Chlum bei Zachlumi, geknickte Nadel mit Ocfe, und
Freiwalde, Depot von Brouzearmringen.
Fig. 13. 13- (Neolithifche Gefäße von Breila und Priedemost.)
Auf diefem Wege gelangten auch die brünetten, neolithifchen Be-
wohner des nordlichen Böhmen (noch bei Nahofan an der .Meltau befindet fich
eine neoHthifche Anfiedlung ältcfter Art mit Vypustekrchcrbcn) ii.ich Mittel-
und Nicderfchlcfien, wo dasfelbe an einigen Platzen keramifche Denkmale,
Gefäße mit eingcftochcnen Bandornamcnlen. hinterlaffen hat, zum Beifpicl:
Stabelwitz (Kreis Bresl.au). Gefäße von derfelben birnformigen Ge-
ftalt und Verzierung, wie fie in .allen jüngeren neolithifchen Anfiedlungen des
nördlichen Böhmens vorkommen,
— 109 —
fchlefifchen Kreis Fiankenftein, in welchem bei Dittmannsdorf ein
Depot von Bronzeringen aus der jüngeren Bronzezeit (wie dasjenige
von p'reiwaldej gefunden wurde. Aus dem Nachbcirkreife Münflerberg
lind die Kupferfunde von Frömsdorf, Kupfermeifel mit 9875 Procent
Kupfergehalt, und XeuKunzendorf, Kupfermeifel aus reinem Kupfer,
bekannt. In diefen beiden Kreil'en entfpringen die Flüffe Lohe (Sleza)
und Ohlaii (Ohlava), in deren Flußgebieten liegen die Fundplätze
Thomitz, Depot von Halsringen und Palftaben, wie die von Oberklee,
großentheils aus bloßem Kupfer, Rudelsdorf, Depot von Fingerringen,
welche in kleine Spiralen auslaufen, Bronzeperlen und Locken, Klein-
Johnsdorf, Bronzedepöt aus jüngerer Bronzezeit, und Jordansmühle,
Skeletgräber mit Kupferfchmuck auf dem Pitschkowilzer Berge und
Kupferbeil mit 9960 Procent Kupfergehalt an einem anderen Platze,
im Kreife Nimptfch; der Rumeisberg, Fundort eines Kupferbeiles mit
99'78 Procent Kupfergehalt, und Ottwitz, Gräberfeld mit Hocker-
fkeleten und Gefäßen vom Aunetitzer Typus, dann ein Kupferbeil mit
Schaftloch von 99'S7 Procent Kupfergehalt und die beiden „Achter"
aus Golddraht bei Tfchanfchwitz im Kreife Strehlen; Weisdorf, Depot-
fund von fieben Palftaben und 17 Halsringen von der Form Oberklee,
Bfchanz, Fußbecher wie Jordansmühle, im Kreife Ohlau ; Wirwitz,
Depot von vier Palftaben und acht Halsringen (Oberkleei, Damsdorf,
Palftäbe und Halsringe von derfelben Form, Scheitnig, fieben Palftäbe,
drei maffive Armringe ein Spiralarmring iF. Oberklee;, Gallowitz,
geknickte Haarnadel mit Oefe an der Knickung, PolnifchPeterwitz,
Sicheln, Speerfpitzen, ein MefTer und Wendelringe, Woifchwitz,
Brockau und Gnichwitz, Skeletgräberfelder mit ungarifchen (Lengyel-
Gefäßen; in Woifchwitz auch Zonenbecher) im Kreife Breslau ;i
Namslau, Depot enthaltend eine geknickte Nadel mit Oefe, einen
Dulch ohne Griffangel und eine Nadel mit großem konifchen Kopfe,
Lorzendorf, zwei Depots, deren eines drei Bronzeciften und eigen-
thümliche Stangenketten enthielt (bei Groß-Hennersdorf wurden
acht Maafel Bernftein gefunden!, im Kreife Namslau. Den weiteren
Weg längs der Oder bezeichnen die Funde von Laferwitz (Kreis
Wohlau), Depot: Oefennadeln, Spiralarmringe, Armringe mit End-
ftollen und Zierbleche, Krehlau (Kreis Wohlau), Beil aus reinem
Kupfer, Groß-Tinz (Kreis Liegnitz), zwei Palftäbe aus reinem Kupfer,
Talbendorf (Kreis Lüben), Depot aus jüngerer Bronzezeit, Zedlitz
(Kreis Steinalt), Depot von Palftaben, Glogau (Kreis Glogaui, Depot
von Halsringen und Palftaben von Typus Oberidee und Jicineves,
Gurkau (Kreis Glogau), Depot von gleicher Art, Malfchwitz (Kreis
Freiftadt), Depot von Wendelringen.
Im Gebiete des linksfeitigenOder-Zufluffes, der Katzbach, wurden
im Kreife Goldberg drei Depotfunde aus jüngerer Bronzezeit gemacht,
nämlich bei Reificht, Armringe, wie die vom Freiwalde, bei Seifenau,
Gelte, Speerfpitzen und drei Bronzenäpfe und Goltfchau; im Gebiete
des rechtsfeitigen ZufluffesBarycz im Kreife Militfch die beiden Depots
von Protfch und Carmine, Gelte, Sicheln und Ringe; höchftwahr-
fcheinlich führte längs des Barycz der Weg nach GroB-Polen.
Parallel mit dem Handelswege im Gebiete der Svarcava und der
Svitava führte gegen Nord ein zweiter entlang der March und ihres
Zufluffes Desna (Vehj zum Fuße des Altvaters und von da der Vid-
nava (Weidenau) oder der Bela entlang zur mittleren Neiffe und zur
Oder. ^ Bis in die Umgebung von Littau ift (iiefer Weg durch zahl-
reiche Funde, von denen ich nur die am meiften charakteriftifchen
anführe, bezeichnet.
Deutfch-Breüa (Kreis Ohlau\ Gefäße in Fortii und Ornainciitik ctw.is
.-ibwcichend, doch wurden fo verzierte Scherben auch in der Anliedlung von
Ncn-Bydzov in Böhmen gefunden (SchülTcl auf Tabelle II* und .Scherbe auf
Tabelle VIII meiner Matcrialy k dejinäm kulturniin/,
Priedemost (Kreis Glogau), ebenfalls altweichend in der Ornamentik;
außerdem in allen Krcifen am Fuße des Riefengebirges feine Nachkommen in der
heutigen mehr brijnetten Hcvölkerung. Virchow fagt in lJc7ug auf diefe Erfchei-
nung (Erhebungen .'^. 382): „Es fchiebt fich eine Reibe Kreife; Waidenburg,
Landshut, .Schweidnitz etc. bis gegen Licynilz vor, welche die lichte Haupt-
inafTe von Mittel- und Nicdcrfchleficn, wie ein Keil durchbrechen."
' Nach Mertins Depotfunde der Bronzezeitin Schlefien (Schlefifchc Vorzeit
VI). Mertins. Kupfer- und Bronzefundc in Schlefien (Schlefifchc Vorzeit VII) und
Montelius, Chronologie der alteftcu IJiouzczeit.
ä Knies, Cesky lid. II. 693.
Im Bezirke Göding fHodonin):
Koftice, Depot von 45 Halsringen (Cervinka, Sbirka, 24;.
Göding, zwei Depots von Halsringen von Typus Oberklee, im
lahre 1886 Stücke 42, im Jahre 1889 an 600 Stück aus rothem
Metall (Gas. mus. sp Ülom. 189O 1241.
Straznice, fchnurverzierte Scherben (Sammlung Maska, Gas.
mus. sp. Olom. 1895 921.
C'ejkovice, Depot, vier Armringe und ein Halsring (Cervinka,
Sbirka, 24 1.
Mutenice, Kupferbeil im Wiener Hofmufeum.
Cejc, Depot, Halsring und Spiralarmbänder CSammlung (.'ervinka
in Ung.-Hradifch).
Klobouky im Bezirke Aufpitz, Zonenbecher (Gas. mus. sp. Ülom.
1896 18),
im Bezirke Gaya (Kyjovi:
Dambofice (Domabofice), zwei Depots, vor 'Jahren Halsringe
wie Oberklee und Armringe iFranzensmufeum), 1891 Halsringe, Pal-
ftab und Dolch (Cesky lid. II, 51 ii.
Steinitz (Zddnice), 1888 Depot von Halsringen wie Oberklee
(Cesky lid. II, 5121.
Syrovin, 1891 Depot, Sicheln und Gelte (Cas. mus. sp. Olom.
1895, I im Bezirke Ung.-Hradifch [Hradisteji,
Lhota ostrozskd, Meifel aus Kupfer (Cervinka, Sbirka 26).
Ostroh (Ung.-Ostra), Kupferbeil bei der Zuckerfabrik (Cas.
mus. sp. Olom. 1896 122).
Hluk, Depot, Bronzefchwert (Cervinka, archäolog. zpravy z okoli
Uh.-Hradiste 21).
Kunovice, Zonenbecher (Cervinka, Sbirka 24).
Biestek, Depot, drei Gelte (Cervinka, Sbirka 24).
Bilovice, Depot, Sicheln (Cervinka, archäolog. zprävy 14).
Sazovice, Depot, im Jahre 1896 fieben ineinander gehängte
Ringe, Gelte, ein Meifel, Sicheln, Nadeln, Fibeln mit Schild und
Spiralen etc. (Sammlung Cervinka, Cas. mus. sp. ülom. 1898 42).
^arovy, Depot, Hallftädter Bronzeringe und Bernfteinperlen (Cer-
vinka, archäolog. zprävy 19), an der Gränze des Nachbarbezirkes
Ung.-Brod.
Hier die Funde :
Brod, Depot, einige Hunderte kleine Ringe von fünferlei Größe
(Cas. mus. sp. Olom. 1892 121), und
Nedachlebice, Depot, Bronzeficheln und Gelte (Cervinka,
archäolog. zprävy 19, M. d. W. A. G. 1884 301;
im Bezirke Kremfier (Kromezif);
Kotojedy, flaches Kupferbeil (M. C. C. 1887, CLXXXIV, Cas.
mus. sp. Olom. 1S86 119, Abb. 1888 58),
Hradisko, fchnurverzierte Becher (Cas. mus. sp. ülom. 1895 92).
Ilulin, Depot, zwei Spiralarmringe, Dolch und Halsring (Cer-
vinka, archäolog. zpravy 25),
Zalkovice, 1894, Zonenbechcr und Schüffel bei Skeleten,
Dentalien, Abb. Cas. mus. sp. Olom 1895, 9)'
Pi-iluky bei Zlln, Kupferbeil (Cas. mus. sp. Olnm. 1895, 117),
und
Zeranovicc (im Bezirke llolefchau), Depot imjalirc 1S50, Hals-
ring und Speerfpitze (Cervinka 25),
im Bezirke Prerau (Prerov) :
Krenovicc, Depot, darin ungarifches Bronzebeil mit Schafi-
röhren (Abb. Gas. mus. sp. Olom. 1893 112),
Vrchoslavice, Zonenbecher (,\bb. Cas. mus. sp. Olom.
1895 75).
Kojetfn, fchnurverzierter Becher (Cas. mus. sp. ülom. 1896
■ 59);
im Bezirke Piofsnilz (Proslejov):
Dobrochov, Depot von Bronzelicheln (Hramll, Kniha prn kaz-
deho Moravana 89),
— I lO —
Otaslavice, Meifel aus Kupfer im Profsnilzer Mufeum • fAbb.
(.'ervinka, Vyzkum 201,
Budhost, Depot, Sicheln und Celle i^Cervinka, archäolog. vyz-
kum, 221,
llrubcice, zahlreiche Zoiieiibecher, Skelette in Gräbern, eine
Arnifchul2])latte (Cervinka, archäolog. vyzkum na Prostejovsku, 18),
Cechuvky, Zonenbecherfch^rben (Cas. mus. sp. Olom. 1901, 27),
Mostkovice, Zonenbecher und Depot von 25 Ilalsringen (Cer-
Ninka, vyzkum, 22, Ethnogr. Ausft. in Prag),
Plumlov (Plumenau) Depot, 16 bis 30 Kupferbeile (Ces. mus.
sp. Olom. 1887, i3o\
Zarovice, Depot, 120 Armringe, ornamentirt wie Sazovic (Ces.
mus. sp. Olom. 1896, 165),
Drzovice, Schüffelfcheiben vom Typus der Zonenbecher (^Cas.
mus. sp. Olom. 1900, 27),
Bilovice, Zonenbeclier mit Skelet (Cervinka, archäolog.
vyzkum, 17),
Zesov, Zonenbecher und .\rmfchulzplatte (Cas. mus. sp. Ulom.
1901, 28);
im Bezirke Olmütz (Olomouc):
Drahanovice, Depot, Bronzeficheln (Kranzensmufeum, Cas. mus.
sp. Olom. 1896, 114).
Prestavlky im Jahre 1899 das größte mährifche Depot, einige
Hunderte von meill befchädigten .\rtefakten (Cas. mus. sp. Olom.
1900, 67).
Slalenice, Dqjöt, 24 ornamentirte Ringe wie Sazovic (Cas.
mus. sp. Olom. 1885, 92 u. 1891, 89).
Slatinky, vor vielen Jahren (60) .-ingeblich neun Pfund Beile,
Ringe mit Spiralen etc. (Cas. 1885. 92);
im Bezirke Littau (Litovel):
Naklo, fchnurverzierler Becher (Cas. mus. sp. Olom. 1900, 122)
und Bronzenäpfe im Moore (Wankel. Cas. mus. sp. Olom. 1889, 49),
Rybnicek, Depot, im Jahre 1793 Halsringe vom Typus Ober-
klee (Franzensnnifeuni) (Cas. mus. sp. Olom. 1896, 124);!
fchUeßlich im Bezirke Schönberg:
Wiefenberg an der Tefs, Depot von Bronzeficheln und Celteu
(Wocel, Grundzüge der böhm. Alterthumskunde, 10).
Jm Flußgebiete der Becva führte aus dem heutigen Bezirke
Kremfier ein Handelsweg gegen Orten, welchen die Fundplätze:
Turovice im Bezirke Holefchau (Holesov), Zonenbecher in Grab-
hügeln (Armfchutzplatte und Bronzedolch mit flacher Griffzunge, Cas.
mus. sp. Olom. 1894, 146 undPalliardi XeolithifcheAnfiedelungen,2S'),
Kelc und Bezuchov im Bezirke Weißkirchen (Hranice) des-
gleichen (Cas. mus. sp. Olom. 1891, 16, Abb. Cas. 1895, 74).
Usti an der Becva, im Burgflall Hradisko ein Kupferbeil (Cas.
mus. sp. Olom. 1891, 16),
kennzeichnen. .\us der Gegend von Weißkirchen führte der auch im
Mittelalter benützte Handelsweg über die Oder bei Mankendorf
(Mankovice), 1891 Depot aus der jüngeren Bronze- oder Hallftattzeit
(Cas. mus. sp. Olom. 1892, 1171,
zur Branka (Pfortei bei Hradec (Grätz), Depot (zwei Beile mit
Abfatz, zwei große Armringe, zwei Sicheln und eine lange Speer-
fpitze)2 und zum Fluße Opava, an welcher der Burgflall von Holaso-
vice (Kreuzendorf; mit typifcher Terramarakeramik» liegt.
In Preußifch-Schlefien belinden fich dann im Kreife Leubfchütz
(.Hlubcice) die Fundplätzc:
Piltfch (Belcice;, Depot ältefter Bronzen, 20 Beile, 17 Hals-
ringc, fieben Spiralarmringe etc.,
* Von anderen Denkmalen dicfcs Bezirkes erwähne ich nur d.-is Urnen-
feld von Miiglitz und den Schlacken«-,-»!! 01)crsl<o mit Hallflattfcherbcn hei
Losticc. Auf dicfem Wege längs der unteren NeiflTe, der Bel.i und der Desna
find huchll wahrfcheinlich die Weftflaven nach Mahren eingedrungen, darauf
weift fowohl der raircn.anatomifche Charakter derNcilTeanwohner, als auch die
Flüßenamen Belä und Desna hin.
' Pospisil, Pfchlcd pfcdhistorickych pamatck slczskych im Vcstnik
Matice Opavskc 1899. ^'r. 8.
' Kulka, Mittheilungen der Wiener .-Vnthropologifchcn Gcfcllfchaft, 1889, 13.
Tfchirmkau iCervenkov), Depot, drei Gelte,
im Kreife Ratibor:
die neolithifche Anfiedelung von Colon ie Ottitz mit Fußfchalen
wie Jordansmühle,
Kohow, Depot,
Sudoll iSudüli, Celte, Palfläbe mit gefchloffencn Schafilappen,
Makau (Makov), K«])ferfpiralen (reines Kupfer);
im Kreife Gleiwitz:
Ottmachau (Odmuchov), Depot, Celte, Sichel und Specrfpilzen,
im Kreife Lublinitz:
Helenenthal, Depot aus mittlerer Bmnzezeit, welche die
Richtung des Handelsweges zur Warta und zur unteren Weichfei
genügend bezeichnen.
Durch die Hannaebene führte ein Verbindungsweg längll der
Litava, welchen Fundplätze
in den Bezirken Aufpitz und Brunn:
Sokolnice, im Jahre 1892 Depot von Ringen und Sicheln (Cas,
mus. sp. Ulom. 1896, I24\
Slapanice, degenerirte Sclmurbeclier bei Skeleten ^M. C. C.
1887, 169),
im Bezirke Wifchau (Vyskov):
Austerlitz ISlavkov), im Jahre 1S90 Depot von eiica 80 Hals-
riiigcn wie Oberklee (M. C. C. 1S911 und (Cas. mus. sp. Olom.
1892, 104,
Hodejice, im Jahre 1891 Depot von drei Halsringen wie Ober-
klee ;Cas. mus. sp. Olom. 1892, 104), und Zonenbecher mit Arm-
fchutzplatte (Reinecke Correfp. -Blatt 1897, i8j,
Kojatky, Kupferbeil lAbb. Cas. mus. sp. Olom. 1895, "7).
Drazovice, 1895 Depot vun Halsringen (Cas. mus. sp. Olom,
1900, ii'l,
Hlubocany, Depot im Jahre 1882, vier Halsringe wie Oberklee
i,Cas. mus. sp. Olom. 1892, 104),
das an dem Fluße Hana liegende Opatovic bei Dedice, Depot
1899, vier Halsiinge wie Oberklee, drei Ringe mit Schleifennoppcn
(Cas. mus. sp. Olom. igoo, 11) und andere bereits früher angeführte
nachweifen.
Ein vierter Handelsweg führte durch das füdweflliche Mähren
in das centrale Böhmen in den Flußgebieten der Thaya (Dyjai, der
Jihlava und der Oslava. Aus diefer Gegend lind drei oder vier
Ilandelsfaktoreien bekannt, namentlich :
aj die Felshöhe ob dem Mirovec bei Gröfchelniaulh mit geflochener
Bandkeramik, füdländifcher und Schnurkeramik (Palliardi Cas.
mus. sp. Olom. 1895, '^ ^)'
ii) das Burgflall bei Senohraby an der Oslava, mit Tcrramara-
i.'^tterfee) Keramik und Kupferbeil (Fifcher, M. C. C. 1897, 11);
c) das Burgflall von Kiepice mit Kupferartefaklen (Cas. mus. sp.
Olom. 1893, 30) und einem Kupferbeil auf dem Hügel Hajek
(Cas. mus. sp. Olom. 1893, 113);
J) vielleicht auch das Burgflall Naporky an der Oslava (Knies,
Cas. mus. sp. Olom. 1893, 17).
Sonftige Kupfer- und Depotfunde kennen wir aus:
Alt-Lundenburg (Stara Bieclav) an der Thaya im Bezirke Göding
(Hodonin), Zonenbecher (Cas. mus. sp. Olom. 1896, 18;, Depot von
Bronzeartefakten (.Maska, Slovnik XVII, 705 ff).
GroßPavlovic, Depot von Bronzeartefakten iMaska ibid.i und
Vranovic, Zonenbecher (Cas. mus. sp. Olom. 1896, 18)
im Bezirke .^uspitz (Hustopec);
Woftitz (Vlasaticej 1888 Depot, größere Zahl Halsringc (Cesky
lid II, 512)
im Bezirke Nikolsburg;
Borotice, Depot, vier Blccharmringe, fcchs.Spiralarmringe, ein
Palftab (ein Armring enthält 97-7 Procent Kupfer, o'55 Procent Zinn,
Palliardi Cas. mus. sp. Olom. 1899, i^\.
— III
Oblaz (OblekoviceV Hockergräber mit Kiipferfchmuck (Cas.
mus. sp. Olom. 189J, l),
Znaim, Depot von Ö5 — 70 Halsringen (M. C. C. 1894, 179 und
las. mus. ^p. Oloni. 1894, 1041, Fußfchalen und gemalte Keramik,
Gaiwitz (Kyjovice), Hockergräber mit Kupferfchmuck iCas. mus.
sp. Olom. 1895, 34), in einer Herdftelle Zonenbecherkeramik,
Tvoriraz, flaches Beil aus Kupfer (Abb. Cas. nuis. sp. Olom.
1S93, 113),
Plavec (Platfch), Doppelbeil mit quergeflellten Schneiden aus
Kupfer (Cas. mus. Olom. 1893, 3°''
Vevcice, Depot, zwei Kupferbeile, eines mit Schaftloch (Abb.
<'as. mus. sp. Olom. 1S93, 301.
im Bezirke Znaim;
Kninice, im Jahre 1889 Depot, drei Ilalsringe und zwei Meifel
(Cas. mus. sp. Olom. 1896, 124),
Lesovice, Depot, 13 Halsringe i^Woldi-fch, Cas. mus. sp. Olom.
1890, 162"),
Zabrdovice, Scherben mit Schnurornamenten (.Sammlung Maska,
Cas. mus. sp. Olom. 1895, 90'i ""<i
Krumau, degenerirter Schnurbecher (Cas. mus. sp. Olom.
1890, 150)
im Bezirke Krumau (Krumlovi.
Beachtenswert find die Funde von Tiebic, Bronzebeil, und
Zasovic, byzantinifche Münzen.
Bei OberCerekve, Depotfund von Halsringen, Typus Oberklee,
und einem Kupferbeile ^Sitzungsbericht der Wiener Anthropologifchen
Gefellfchaft 1892, 32J, trat der Handelsweg auf böhmifchen Boden
über in das Gebiet der Sazawa. Die Funde von
Pollerskirchen (Usobi), wo im Walde Hradiste ein Steinbeil
gefunden wurde,
Dürre (Suchd), Steinbeil,
Berg Melechov (früher NelechovV Bronzepalftab mit fpitzem
Abfatz,
Svella, Hammerbeil aus Stein,
Dobrä voda bei Lucice, Steinbeil,
Malcin, Bronzebeil im Walde,
Lhota OvesniS, Steinbeil,
.Smrdov, Steinbeil.
Chlomek l>ei Kimovic, Flintbeil,
Tis, Bronzepalftab mit fpitzem Abfatz,
Drobovice, zwei neolithifche Anfiedelungen,
Markovice, Zonenbecher in einer Ziegelei, und
Filipov, neolithifche Anfiedelung, weifen uns den Weg, die
fpäter berühmte »via na gabr«, zu der Handelsfaktorei auf dem
Hradek von Caslau, deffen tieffle Culturfchichte Terramara-
keramik und Bronzen vom Typus des Auneticer Skeletgräber ge-
liefert hat. 1 In den Ziegeleien am Fuße des Hradek wurde in der
einen ein Kindergrab mit Schnurbecher, in einer anderen ein Zonen-
becher mit entfprechender SchülTel gefunden.
Die Depotfunde von Zehusice, mächtige Armbänder mit
Spiralfcheiben und von Zbislav an der Doubrava, Speerfpitzen, Meifel
und Golddraht, wie die Handelsfaktorei ob der Cimburkmühle bei
Kuttenberg zeigen den weiteren Verlauf des Weges zur Elbe, ob
welcher gegenüber der Doubravamündung das große Burgftall von
Elbeteinitz, welches nach dem im Innern gelegenen Dörfchen
gewöhnlich Burgftall von Lzovice genannt wird, fich ausbreitet.
In diefem Burgftalle wurde außer anderen Funden ein Depot von
ornamenlirten, gefchloffenen Armringen und eines von Golddraht-
gewinden ausgegraben, während ein anderes von hohlen Gold-
drähten vom Ingenieur Perner beim Bau der Prag-Wiener Eifen-
bahn 1845 '" ^^" Felfen auf dem jenfeitigen Ufer entdeckt wurde.
' Man vergleiche die K.irte Richlys, M. C. C- 1900 zu S. 58.
Thätigkeitsbericht
des k. k. Confervators L. Schneider.
Königgrätz. Das Legen der Rohrleitung für Trink-
waffer aus der Gemeinde Plotiste in die Stadt König-
grätz (1899) hatten wir mit großen Hoffnungen
erwartet; es follte ja ein Graben von 3 M. Tiefe den
beiden Ringplatzen (dem großen und dem kleinen)
entlang vom ehemaligen Prager bis zum ehemaligen
fchlefifchen Thore geführt werden, alfo in der Längs-
achfe der ganzen mittelalterlichen Stadt und nur wenige
Meter von den Fronten der Häufer C.-Nr. 138 und
C.-Nr. 137, an deren Gränzfcheide bei Umbau des
Haufes C.-Nr. 138 1889 eine Menge (angeblich 50)
Golddrahtgewinde und zwei Palftabe in einer Tiefe von
3'8 M. gefunden worden find. Wir hofften volles Licht
zu erlangen für die verfchiedenen Culturfchichten von
der Zeit an, wo die .Stadt Königgrätz mit einem
Straßcnpfiafter verfehen wtirde, bis zurück in die
älteften Zeiten, und unfere Hoffnungen wurden voll-
fländig getäufcht. Obwohl bei diesen Grabungen über-
all der unberührte Roden erreicht wurde — am Markt-
platze felbft und bei dem fchlefifchen Thore mergeliger
Kalkflein, in der Nähe des Prager Thores Sand — , so
wurde doch in der ganzen Länge des Grabens kein
bemerkenswerter Fund gemacht; und der ganze Ring
war wohl feit jeher freier Marktplatz ohne alle Bau-
lichkeiten.
Daraus und aus den früheren Fundorten könnte
man fcliließen, dafs die prähirtorifclie Anfiedlung fich
auf den nordweftlichen Theil der Anhöhe befchränkt
habe, auf welcher im Beginn des Mittelalters die
flavifcheGauburg und fpäter die königliche Stadt Hradec
fich ausgebreitet haben. Aber auch in diefer Bezie-
hung tauchten Zweifel auf Die Se6lion des hiftorifchen
Mufeums ließ Grabungen in dem Gärtchen vornelimen,
welches von dem Bauplatze des Gemeindehauses
C.-Nr. 230 übergeblieben war, in deffen Kellern und zwar
gerade unter der Durchfahrt in den Hofraum feinerzeit
die berühmten Königgriitzer Achter gefunden worden
waren.
In geringer Tiefe fand man zugleich mit den Reflen
eines gothifclien Baues das Skelet eines jungen Matnies,
in deffen Schädel fcnkrecht \on oben mit der Spitze
bis in die Schädelbafis reichend ein fchwerer Pfeilbolzen
aus Eifen fleckt. Etwas tiefer wurden Skelette des
ehemaligen frühchriftlichen Friedhofes bei der Kirche
Johannes des Täufers mit zwei Schläfenringen (wie im
Jahre 1853) gefunden; dann folgte Schutt mit Gefäß-
fcherben und endlich in einer Tiefe von 4 M. todter
Sandboden. Die Scherben rühren insgefammt von
Gefäßen her, welche auf der Töpferfchcibe gedreht, mit
dem Wellenornament und verwandten Verzierungen
— 112 —
gefchniückt waren und auf den Böden erhabene Töpfer-
zeichen trugen. Es wurde alfo auch hier keine eigent-
lich prahiflorifche Cuhurfchichte vorgefunden. Es ift
wahrfcheinlich, dafs 1852/53 bei dem Baue des Ge-
meindehaufes ein oder mehrere Gräber aus der
älteren Bronzezeit gefunden worden find, dafür fpricht
auch der Schädel, welcher damals mit einem 15ronzc-
dolche und den beiden Palfläben zum Vorfchein kam.
Diefe Gegenftände wurden damals in einer Tiefe von
zwei Klaftern (38 M.) aufgefunden; heuer traf man erfl:
bei einer Tiefe von 4 M. auf den Urboden, was fich
(falls damals und heuer exaft gemeffen wurde) nur
durch eine neuzeitige Auffchüttung in dem Gärtchen
des Gemeindehaufes (ehemals Pädagogiums) erklären
ließe.
Dem Stadttheile entlang, welcher „na hrade" (in
der Burg) heißt, und wo fich heutzutage unter anderem
Platzes der fpäteren königlichen Stadt einnahm, und
dafs an der Stelle der heutigen „Tomkova ulice" und
der Riickfeiten der Marktplatzhäufer fich ein zweiter
Wall und Graben hinzogen, welche die eigentliche Burg
(Sitz der landesfürftlichen Beamten) von der Vorburg,
in welcher die Märkte abgehalten wurden, trennten,
wie man das auch an anderen bohmifchen Gauburgen
ficht.'
Plotiste. In der Ziegelei der Herren Dr. Srdinko
und Soucek fanden die Herren Buchtela und Domecka
eine prahiflorifche Anfiedlung, welche bi.s in die neo-
lithifche Zeit zurückreicht. In den mit fchwarzer Erde
gefüllten Gruben kamen Scherben vor, welche mit ge-
ftochenen Bändern nnd Sparren verziert find, außer-
dem aber auch Skelette; ja bei Beginn der heurigen
Campagne wurde ein Grab gefunden, welches die
Skelette von fünf erwachfenen Perfonen und zwei Kin-
Fig. I. (Plan von Königgrätz.)
A. Fundplatz der „Königgrätzer Achter", zweier Palftäbe und eines Dolches (1853); B. Borromäum (Steinkeil, 1858); C. Rudolphinum (goldener
Ohrring, 1881); D. Haus Nr. 164 (ein Golddrahtgewinde, 1884); E. Haus Nr. 138 (viele Golddrahtgewinde, zwei Palftäbe, ein Morgenflern,
18991; F. Adalbertinum (Morgenflern aus Bronze, 1896); H, I. mittelalterliche Funde, k. k. ehemaliger Burggraben; m, n. Prager und
fchlefifches (Mauter) Thor; •— Wafferleitung.
das Gemeindehaus, das bifchöfliche Seminar, das
Boromäum, das Rudolfinum und das Militärkranken-
haus befinden, zieht fich die Tomkova uiice, welcher
die Rückfeiten der Häuferreihe des großen Markt-
platzeszugekehrt find. Bei den Umbauten einiger diefer
Häufer war man flets gezwungen, die Fundamente in
großer Tiefe zu legen (bis 9 M. unter das heutige
Straßenpflafter); was dabei aufgegraben wurde und
worauf die alten Häufer flehen, ifl eine fchwarze,
fchmierige Maffe mit Stücken von Holzbohlen, Thier-
knochen und einer Menge von Scherben und mittel-
alterlichen Gefäßen durchfetzt; an ganzen oder wenig
befchädigten Gefäßen wurden im Laufe der letzten drei
Jahre allein an 150 Stücke ausgehoben.
Es fcheint, dafs der Graben, welcher bis in das
14. Jahrhundert den großen Marktplatz bei der heutigen
Marienkirche quer durchfchnitt, zugleich mit einem
Erdwalle die Befefligung der ehemaligen Gauburg
darftellte, welche folglich nur die weftliche Hälfte des
dem barg. Bei den Skeletten, deren Refte in das hiflo-
rifche Mufeum gefchafft wurden, lagen Scherben von
großen Gefäßen, welche, obwohl noch nicht zufammen-
gefetzt, mit den großen Gefäßen (von 65 Cm. Höhe)
aus der Zuckerfabrik zu Mährilch-Kromau überein-
zuftimmen fcheinen, von denen Profeffor Woldfich
eines im Casopis mus. spol. Olomuckeho 1890, S. 151,
bcfchrieben und abgebildet hat.
In dem Weiehbilde derfclben Gemeinde Plotiäte
fanden die Herren Buchtela und Domecka bei dem
Weiler Pläcka zwifchen dem von Königgrätz nach
Pläcka führenden Wege und der Elbe eine neue neo-
lithifche Anfiedlung. Im heurigen Frühjahre haben fie
' Von den ca. 150 (Jefaßen. welche aus dem Graben in der „Tomkova
iilice-' gewonnen wurden und im hiftorifchen Mufeum aufgeftellt find, befitzen
einige einen Henkel, mitunter auch zwei Henkel; andere find gemalt, einige
wenige find auch mit eingeritzten Wellenlinien verziert (ein fo verziertes trägt
auch als Bodcnzeichen das quadrirte Rad Q) , es ift alfo hier die Keramik
vom 10. Jahrhundert circa bis in das fpate Mittelalter hinein vertreten, die
erftere freilich nur fpiirlich, ein Beweis, dafs der Graben erft nach Gründung
der Stadt aufgelafi'en und mit Schutt gefüllt wurde.
— II
einige der zahlreichen Gruben ausgebeutet und aus
ihnen für das hiftorifche Mufeum von Königgrätz außer
einer großen Menge Artefacle aus Feuerftein und po-
Hrtcm Steine auch viele Scherben gewonnen, welche
mit Voluten, geftochenen Bändern und Sparren ver-
ziert find. Dies ift die ältefte der drei neolithifchen
Anfiedlungen im Weichbilde der Gemeinde Plotiste.
Schlefifche Vorftadt. Auf den Feldern der „Schle-
fifchen Vorftadt" bei Königgrätz fanden die Herren
Buchtela und Domecka eine prähiftorifche Anfiedlung
aus der Periode der Urnengräber vom fogenannten
fchlefifchen oder jüngeren Typus. Sie lag am Fuße der
ehemaligen Anhöhe „Rozberk" oder „Kroatenberg",
welche beim Baue der Feftung Königgrätz 1768 behufs
Auffchuttung der Wälle abgetragen wurde. Dabei ift
ein Urnenfeld vernichtet worden, von deffen Beftehen
und Charakter durch Bienenberg uns Kunde erhalten
blieb.
Pfedmerice. Im weftlichen Theilc der Ziegelei des
Herrn Morävek, in deren öftlichem Theile 1897 ein
La Tene-Grab mit Skelet, zwei auf der Scheibe ge-
drehten Gefäßen und drelBronzearmringen und ein Jahr
zuvor ein Skelet (ohne Beigaben?) gefunden worden
waren, kamen 1900 (vor den Arbeitervvohnungen)
Refte einer prähiflorifchen Anfiedlung zum Vorfchein.
Ein Arbeiter fand hier die Scherben eines großen, weit-
bauchigen Gefäßes mit verhältnismäßig engem und
niedrigem Hälfe und wagrecht ausgelegtem Rande,
ferner Scherben einiger kleinen Gefäße, von denen ein
Schüffelchen mit Gitterornamenten in Sternform auf
der Innenfeite die Anfiedlung als zur Reihe der Anfied-
lungen mit Urnenfeldern des fchlefifchen Typus (wie
Redice bei Pardubic und Chlomek bei Holohlavy)
gehörig hinreichend charakterifirt.
Kukleny. Beim Baue eines neuen Schulgebäudes
am nordöfllichen Ende der Königgrätzer Vorftadt
Kukleny wurde im letzten Herbfte in einer Sandgrube
eine prähiftorifche Anfiedlung mit Scherben vom
Typus der fchlefifchen Urnenfelder entdeckt. Auf einer
benachbarten Bodenerhebung kamen gleichzeitig die
Refte einer mittelalterlichen Anfiedlung zum Vorfchein;
es beftand hier vor Beginn der hufitifchen Wirren ein
Hof oder Vefte.
Stezirky. Am Anfange des Dorfes liegt eine
Ziegelei, der wir Scherben verdanken, welche nach
Herrn Buchtela's Anficht der Keramik der fogenannten
Uneticer Gräber cntfprechen.
Cernilov. Bei tiefem Ackern wurden am nordweft-
lichen Ende des langgeftreckten Dorfes viele Scherben
ausgeackert. Es fcheint, dafs liier durch den Pflug ein
Urncnfcld zerftört worden ift. Ein fchr intereffanter
Fundplatz ift die bei dem I^auernhofe C.-Nr. 54 befind-
liclie Mergelgrube am füdweftlichen Ende des Dorfes.
In diefer Grube wurde vor einigen Jahren ein Feuer-
fteinfchaber gefunden, welcher auf der Königgrätzer
RegionalausftclUmg im Jahre 1894 durch feine für
unfere neolithifchen Artefakte ungewöhnliche Größe
(derfelbe ift 123 Mm. lang) meine Aufmerkfamkeit auf
fich zog. Ich unterfuchte infolgedeffen die betreffende
Mergelgrube, fand hier aber keine Spur einer Cultur-
fchichte. Im letzten Winter wurde auf dem P'elde, in
welchem fich diefe Grube befindet, eine Spccrfpitzc
aus Feuerftein von noch größeren Dimenfionen aus-
geackert; fic ift 140 Mm. lang und 52 Mm. breit.
Smifice. Aus dem Elbebette wurde bei Gewin-
nung von Flußfand eine filbernc, ftark abgenützte
römifche Rlünze' ausgebaggert.
Choteborky. Auf dem erweiterten Friedhofe von
Choteborky ftieß der Todtengräber auf Skelette; im
Laufe der letzten Jahre wurden ihrer angeblich zwanzig
gefunden. Das Mufeum von Jaromei^ erwarb hier heuer
einige große Schläfenringe und eine eiferne Lanzen-
fpitze mit Tülle, welche zu beiden Seiten nur mit ganz
niedrigen Grathen verfehen ift.
Lochenice. 1897 brannte der am Nordende des
Dorfes gelegene Bauernhof 41 ab. Weil der Hofraum
des Anwefens fehr abfchüffig war, benützte der Grund-
wirth Pesek die Gelegenheit, den Hofraum durch Ab-
tragen des einen Theiles zu reguliren. Dabei fand man
einerfeits eine afchige Culturfchichtc und Gruben mit
zahlreichen Scherben von Gefäßen, welche mit Wellen-
linien und verwandten Ornamenten verziert waren und
Töpferzeichen auf den Böden trugen, anderfeits
Gruben, welche mit fchwarzer Erde gefüllt waren.
Pecek fchaffte beiderlei Erde, die graue und die
fchwarze auf fein knapp an das Anwefen ftoßendes
Feld. Aus dem Haufen der fchwarzen Erde gewann
ich damals das Bruchftück eines fteincrnen Hammers,
einen Bohrkegel, einige Schaber und Meffer aus Feuer-
ftein und eine größere Anzahl Scherben von Freihand-
gefäßen, auf welchen fich aber keine Spur von ein-
gegrabenen Voluten und Liniengrübchen oder von ein-
geftochenen Bändern und Sparren vorfand; es waren
insgefammt Scherben von geglätteten Gefäßen ohne
alle Ornamente, aber auch ohne den bekannten
Graphitanftrich und von recht ungewöhnlichen Formen.
Als nun im Vorjahre der VII. Band von „Schlefiens
Vorzeit in Wort und Bild" in meine Hände gelangte,
erkannte ich, dafs die Scherben von Lochenice in
hohem Grade mit den Gefäßen übereinftimmen, welche
bei Jordansmühle im Kreife Nimptfch bei Skeletten
zugleich mit Schmuckgegenftändcn aus reinem Kupfer
gefunden worden waren. Namentlich ein Randftück
von einer Schüffei mit einem runden Knopfe unterhalb
der Bauchkannte ftimmt vollkommen mit der Jordans-
mühler Schüffei auf hohem walzenförmigen Fuße vom
Typus Lengyel überein, von dem Unterthcile einer
anderen Schüffcl waren die Refte des Fußes forgfältig
abgefprengt, von einem dritten Gefäße wurde ein
Stück des konifclien Fußes gefunden; folche Gefäße
auf hohlen konifchen Füßen wurden bei Roztoky' und
fchließlich von den Herren Jira und Buchtcia in der
Reifer'fchen Sandgrube'' und in Mailbek's Ziegelei' bei
Podbaba zugleich mit jenen eigenthümlich verzierten
Gefäßen ausgegraben, von denen eines auch bei
Jordansmühle gefunden wurde. Unter den Scherben
von Lochenice befindet fich noch eine größere Anzahl
ähnlicher Schüffelrandftücke.
Zum Anwefen 41 gehört eine aufgclaffene Ziegelei
mit einer Lehmgrube, in deren Lößwand feit Jahren
' Nach der Befchrcibung ift wohl auf einen Denar des Tilus n it Jo-jis
custos zu fchli;Dcn. D'>: R«<i-
= Pic. Ccchy ]ifedhistorickc I. Taf. XXXV. Fig. a.
3 Eine folche Schüffcl mit konifchcm l-'iiße und eine andere mit diefem
charakteriftlrchen Ornamente und zwei fcnkrccht durchbohrten Ocfen am Rande
hat Spbttcl (Mittheilunpen der Wiener anthropclogifchcn Gefellfchaft 1890,
ji. 68 [aus Wcikcrsdorf)) abgchildcl; auch eine mit demfcllien Ornamente
htmalte Scherbe {Palliardi, Ncolithifche Anfiedlungen mit bemalter Keramik,
l'af. V. 6 ti, b) ift dort gefunden worden.
* Die Grube in Mailbek's Ziegelei, welche eine folche wohlerhaltenc
SchiilTcl mit Fuß geliefert h.Tl war mit Erde vcrfchüttct. die kleine Scherben
mit eingcftochenen Ornamenten enlliielt.
X.WIII, N. F.
>s
— 114
eine dunkelgefärbte Stelle fichtbar ift. Duska fagt in
feinen Nälezy prachiflorickc v kraji Kralove hradcclccm:
es fei das der Rcll eines Grabes, in welchem 187S ein
menfchliches Skelet mit einem Bronzefchvverte und
Hirfchgeweihen gefunden worden wäre. Ich unterfuchte
diefe Stelle bereits vor einigen Jahren, fand aber nichts
dort.
Im Laufe des vorigen Sommers übergab mir Herr
Svatos, Lehrer zu Smiric, eine Partie Scherben, welche
ihm ein Sohn des Grundwirtes Pesek aus Lochenic, im
Frühling überbracht hatte. Ich erkannte darunter zahl-
reiche mit Wellenlinien verzierte Scherben, und auch
einzelne Scherben älteren Charakters, welche der
Knabe offenbar auf dem Felde feines Vaters aufgelefen
hatte; außerdem waren viele Scherben darunter, welche
zu kleinen, freilich unvollfländigen Schüffuln zufammen-
zufetzen Herrn Svatcs gelungen war. Diefe Scherben
wiefen eine eigenthümliche Technik und fehr fcharfen
Brand auf und es befanden fich darunter auch welche
mit Graphitanftrich. Ich fah in ihnen keramifche
Produfte der älteren römifchen Kaifcrzeit und ver-
muthete, der Knabe habe fie aus der Herdftelle der
väterlichen Ziegelei gewonnen. Die letztere Verniuthung
wurde alsbald beftätigt; von der Richtigkeit meiner
Zeitbeftimmung wurde ich überzeugt, als bei weiterem
Abgraben der HerdAelle durch Herrn Buchtela in
derfelben Refte einer La Tene-Schüffel von fchwachem
Brand und aus ganz vcrfchiedenem, fandigem Materiale
auf der Töpferfcheibe gedreht, (die übrigen Scherben
ftammen insgefammt von ftarkgebrannten Freihand-
gefäßen) und gleichzeitig eine Scherbe fich zeigte,
welche einft eine aufgeklebte, raupenförmige Ver-
zierung getragen hatte, wie fie häufig auf dem Gräber-
felde von Darzau und bei uns zu Piahan (Pamatky XVII,
Taf XXVII) gefunden worden war.
Das Bronzefchwert des Herrn Duska hat nie
exiftirt, wie übrigens auch der alte Ziegeleimeifter
durch die Ausfage beftätigt, er habe in dem abge-
grabenen Theile der Herdflelle wohl ein Hirfchgeweih
und drei Drähte aus „Kupfer", aber fonft nichts außer
Scherben und Thierknochen gefunden.
Der Oberlauf der Wilden Adler. In ,.Schlefiens
Vorzeit in Wort und Bild" VI 29 ff. crfcheinen unter
den Depotfunden von Bronzeartefaften auch der Fund
von 9 ganzen und 20 zerbrochenen, offenen Bronze-
armringen aus mittlerer Bronzezeit und mit eigenthüm-
licher Gravirung, wie fie bei uns nicht vorzukommen
pflegt,' welcher vor Jahren bei dem Dorfe Freiwalde im
Kreife Habelfchwert gemacht wurde.
Freiwalde liegt am linken Ufer der Wilden Adler
auf preußifchem Gebiete, 4 Km. vom Oberlaufe der
Glatzer Neiffe bei Mittelwalde. Hält man diefen Funtl
zufammen mit denen an der Wilden Adler auf böhmi-
fchem Gebiete (Depotfund von Castolovic und ge-
knickte Bronzenadel mit Oefe von Zachlumi bei
Senftenberg), fo darf man vermuthen, dafs zur mittleren
Bronzezeit ein Ilandelsweg aus Böhmen längs der
Wilden Adler zur Glatzer Neiffe und längs dicfer weiter
nach Nieder-Schlefien führte.
Hustifany. Im Frühjahre 1900 brachte mir der
Fabriksarzt Dr. Zemek zwei Scherben als Probe zahl-
' Depots von fo ornamentirtcn ofTenen Armringen wurden in Schlefien
auch bei Ditmansdorf (Kreis Frankenftcin) und bei Rcificht (Krci.s Goldberg)
gemacht.
reicher anderer, welche auf einem Felde feines
Schwiegervaters, des Grundwirthcs Kopecky zu
Hustiran, gefammelt worden waren. Beide Scherben
waren dunkelgrau, geglättet und mit eingeftochenen
Bändern genau in der Weife verziert, wie die Scherben,
\\ eiche in den Reiten von drei Hütten gegenüber dem
Friedhofe zu Smiric zugleich mit zahlreichen Arte-
fakten aus Feuerftein neben einzelnen polirten Stein-
geräthen gefunden wurden.
Als ich im Sommer den Fundplatz unterfuchte,
fand ich, dafs öfllich \-on dem Dorfe Hustifany in der
Richtung gegen den Badeort Welichowky, unmittelbar
hinter dem Garten des Grundwirtlies Kopecky auf
deffen und anderer Infaffen Feldern, an einem fanften
Abhänge zum Bache eine weitläufige prähiftorifche
Anfiedlung fich ausbreite. Aus zwei Abfallgruben hatte
Herr Kopecky bereits zwei untere Getreidereibfleine,
einen oberen, zwei kleine Bruchllückc von polirten
Steingeräthen und eine große Anzahl von Scherben
ausgegraben. Von den Scherben trägt eine mit Grüb-
chen verzierte einen niedrigen cylindrifchen Knauf
(ältefte Phafe der- Bandkeramik), fünf find mit ein-
geflochenen Bändern verziert; ferner waren vorhanden
je einige (theilweife zufammenpaffende) Scherben von
drei Gefällen, deren Ornamente aus feichten breiten
Rillen beflehen. Außerdem wurden viele Scherben
ohne alle Ornamente gefunden, aber nichteine einzige
graphitirte oder fonfi; zur Keramik der Laufitzer
Urnenfelder gehörige.
Ueber Anzeige des Bezirksvorftandes Jaros
fchickte Profeffor Pic den Alufeumslaboranten Landa
zur Vornahme von Grabungen nach Hustifany (vgl.
Pic „Cechy predhistoricke" II, 108). Pic fieht in dem
Umltande, dafs dort in einer Grube zugleich mit
Scherben, die mit eingeflochenen Ornamenten verziert
waren, auch Scherben mit aufgeklebter Leifte mit
Tupfen fich \orfanden, keinen Grund dafür, die Scher-
ben mit eingeflochenen Ornamenten bei uns an den
Beginn der neolithifchen Zeit zu verlegen. Diefe Be-
hauptung nöthigt mich zu conftatiren, dafs ich in der
mittleren Hütte gegenüber dem Smii^icer Friedhofe
neben Scherben mit eingeftochenen Ornamenten,
welche vollkommen mit denen von Hustifany überein-
ftimmen, auch genug Scherben von Gefäßen fand, die
aus Lehm mit Zul'atz von fehr viel Sand geformt
waren, alfo von demfelben Materiale, wie ich fie auch in
den Abfallgruben zu Ncu-Bydzov und zwar in einer
von denfelben faft ausfchließlich zugleich mit zwei
Steinbeilen fand,' unter diefen (Smiricer) Scherben ift
auch eine, welche von einem Gefäße herrührt, das eine
getupfte Leifte unterhalb des Halfes trug. Wir haben
mithin keinen Grund die Tupfenlcifte, welche übrigens
auch noch auf Gefäßen aus dem I.Jahrhundert nach
Chrifti vorkommt, erft in die Bronzezeit zu verlegen.
In dem Thale zwifchen Huftifany und Velichovky
befinden fich die Refte einer kleinen Befeftigung, Pupek
(Nabel) genannt. Fs ift dies der weniichflc Ausläufer
des waldigen Höhenrückens, der von Velichovky gegen
W'efl und Süd flreicht und durch einen tiefen Graben,
in welchen das Rinnfal eines kleinen Baches geleitet
wurde, abgetrennt ift. Der Fuß der Befeftigung ift nach
Ausfage des Befitzers Herrn Kopecky ringsum von
' Matcrialy k dejinain kulturnini lidi bydlivsich v hofejsim pofi-:i labskem
Artikel I. S. 6, Taf. IX, /..
— 115 -
einer Trockenmauer aus Planer verfehen, welclie der
Vater des jetzigen Befitzers theilweile demolirt hat;
feine nächfte Umgebung konnte durch Aufftaucn des
Waffers in den Burggraben in einen Sumpf verwandelt
werden. Kopecky fand an der Oberfläche der Befe-
stigung zwei kupferne Schlafenringe (im Mufeum zu
Jromei^) und einen eifernen Sporn mit Stachel; ich
felblt fammelte auf den MauKvurfshügeln kleine Scher-
ben von gedrehten Gefäßen; ein bemalter ftammt
aus den 13. oder 14. Jahrhundert.
Zderaz. Die prähiftorifche Anfiedelung um den
Maierhof Zderaz zieht fich nicht bloß weithin gegen
Norden (bis gegenüber dem Smii^icer Friedhofe und in
die Smificer Ziegelei), londern auch gegen Süden. Nach
dem heurigen Frühjahrsackern fand ich die Refte von
drei Hütten bis gegenüber den Scheunen des Maier-
hofes zwifchen derTrace der böhmifchen Commercial-
bahnen und dem nach Trotina führenden Wege. Die
vorgefundenen Scherben waren mit Ausnahme eines
einzigen mit geftochenen Sparren verzierten wenig
Fig. 2. (Ring und Sichel von Holovousy.)
charakteriftifch. Von Intereffe ift, dafs unter den
Scherben zwei Stückchen ungarifchen Edelopals lagen,
welche augenfcheinlich von einem und demfelben zer-
fchlagenen Knollen herrühren.
Umgebung von Horic. In den nordöftlichen Theile
der Ziegelei von Dobrä Woda bei Hofic, wo bereits
vor einigen Jahren la tene zeitliche Skeletgräber ' ge-
funden wurden, fand man im Sommer 1900 und im
heurigen J^'rühjahr eine größere Anzahl von folchen
Gräbern. Von den bei den Skeleten gefundenen Gegen-
fländen: eifernen Schwertern, Schildbuckeln, Wehr-
gehängen (r) aus langen (8 cm) tordirten Gliedern, wie
fie auch in Hradi.ste von Stradonice, zu Letky und zu
Pfemyslcni gefunden wurden, eifernen Fibeln, Lignit-
und Bronzeringen etc. wurde das Meifte dem Mufeum
zu Ilofic übergeben. Einiges erlangten die Herren
Buchtcia und Domecka durch eigene Grabungen für
das Mul'cum zu Königgrätz.
Urnenfeld. Zwifchen Chvalina und Biczovic an
der Grenze des Weichbildes von letzterem Orte fand
1 Pokorny, Pam.ilky XVH. 744.
der Mufeal Cuftos Pokorny im Herbfte 1899 ein Urnen-
feld. Ein Grab enthielt 13 Gefäße, faft insgefammt zer-
drückt und ohne die vom Pfluge längft weggeriffenen
Obertheile. Nur ein ganzes und ein befchädigtes
kleineres Gefäß konnten gerettet werden; die Gefäße
ftimmen vollkommen mit denen aus dem Urnenfelde
von Dobrä Woda überein. Neben dem Urnenfelde ifl
die Stätte einer prähiftorifchen Anfiedelung, auf welcher
fteinerne Bohrkegel gefunden wurden.
F'g- 3- (Verzierungen dreier Gefäße des hiftorifchen Mufeums in
Königgrätz S. 1 16.)
Holovousy. Zwifchen den Dörfern Holovousy und
Chlomek im Walde oberhalb des Burgwalles von
Holovousy' wurde im Mai 1900 ein Depotfund von
Bronzen gemacht. Er befteht aus fünf Sicheln mit
Rippen und Warzen (auf einer Seite flach), 14 glatten
ziemlich weit offenen Armringen mit ftumpfen Enden,
einem ebenfolchen Halsringe und einem Beile mit
Tülle. Alles befand fich nur einen Spatenftich tief in
der Erde und wurde von Herrn Pokorny bis auf drei
Gegenftände für das Mufeum zu Hofic erworben.*
Fig. 4. (Gefäß von Ufelice.)
Freihöfen. Das Mammuthfkelett aus der Ziegelei
Mordvek - Tvrzsky wurde durch das „hillorifche
Mufeum" zu Königgrätz erworben.
Tunechody und Ufetice. Hart an der Gränze
meines Rayons, aber fchon im Chrudimer Bezirke
liegen zwifchen den Dörfern Tunechody und Ufetice
(am Zufaninicnflußc der beiden Kanienice') drei i^roße
Ziegeleien mit ausgedchnlen Lehmgruben. Ueber die
' Unterhalb diefcs BuiRwallcs wurde 1880 im Schloßgartc" ein iidciies
mit (ca. 30) Bronzeringen Kcfiilltes Gcfaß ausgegraben. Den Reft des Fundes,
fünf ganze mit Linienornamenten bedeckte Ringe und einige Hruchdiicke.
erwarb erft nacli Ablauf von einigen Jahren Herr Pokorny für das Mufeum zu
Hofic; Ccsky lid. IV. 457.
2 Zwei Stücke im Königgratzer Mufeum.
IS*
— ii6 —
neolithifche Station in der mittleren Ziegelei — dem
Grundwirthe Franz Slavik gehörend — hat vor einigen
Jahren der Chrudimer Archäologe Herr Anton Solta
in der Abendausgabe der ,,N:irodni listy" berichtet.
Die von iiim erwähnten Gefäße kamen im heurigen
Sommer als Gefchenk des Mikalovicer Cooperators
P. Vanicek, eines geborenen Königgrätzers, in das
hiftorifche Mufeum zu Königgrätz, was mich bewog,
im Auguft diefe Gegend zu hefuchen. In der neuen, zu
Tunechody gehörigen Mafchincnziegelei des Herrn
Slavik fand ich einige Abfallgruben, welche insge-
fammt Scherben vom Burgvyalltypus enthielten, in der
zweiten, im Katafter von Üi^etice gelegenen, älteren
Ziegelei desfelben Befitzers fand ich eine weitläufige
prähiftorifche Anfiedlung vor mit ausgezeichneter neo-
lithifcher Keramik,' weiter mit Scherben, welche der
Epoche der älteren Urnenfeldcr angehören, und einer
ganzen Reihe Scherben von La Tene-Gefäßen; in der
* Dnrunier mehrere Scherben von einem bombenförminen Gefäße (Fig. 4)
mit Eindrücken von Fingernägeln verziert. An Steinartefaiflen fand ich zwei
Klopfer und die Schneide eines fchuhleiftenförmigeu Steinkeiles.
dritten, dem_ Grundwirthe Herrn Kopifta gehörigen
Ziegelei zu Ui'ctice wgr kurz vor meiner Ankunft eine
Zeitlang auf Koften des Chrudimer Mufeums unter
Leitung des Profeflors Pic aus Prag gegraben worden.
In dicfer Ziegelei befinden fich die zu der Anfiedlung
in der Ziegelei Slavik gehörigen Gräber und wurden
bei den Grabungen mehrere Urnengräber, ein Hocker-
grab (welches inta6l in das Mufeums zu Chrudim ge-
fchafift wurde) und ein La Töne Grab gefunden.
Von den im hiftorifchen Mufeum zu Königgrätz
befindlichen (jcfäßen, welche insgefammt ganz klein
und wohlcrhalten find, weifen drei die für die ältefle
Bandkeramik charakteriftifchen Formen und Ver-
zierungen auf; zwei find halbkugelig (eines glatt, das
zweite mit drei cylindrifchen Knöpfen), eines vafen-
förmig mit vier nach aufwärts gerichteten Hörnchen.
Die Verzierungen diefer drei Gefäße find (Fig. 3) auf-
gerollt dargeftellt. Nach Ausfage des Ziegeleimeifters
würden die hier bereits ausgegrabenen Scherben ganze
Wasenladumjen abgeben.
Das La Tene-Gräberfeld von Hofenice.
Von L. Schneider, k. k. Confervator.
NGEI-'AHR einen Kilometer von den letzten
't' Häufern der Jaromefer Vorftadt „Cihelny"
gegen Nord, ober der Stelle, wo die Trace der
Eifenbahn Pardubic — Reichenberg die Straße von
Jofefftadt nach Trautenau überfchreitet, liegt links
von der Straße auf einem gegen
Oft mäßig abfallenden Abhänge
knapp an der Gränze des Ka-
tafters von Hofenice die Jar-
chovsky'fche Ziegelei. Sie be-
fteht aus mehreren Lehm-
gruben, deren ältefte und tiefft-
gelegene gegenwärtig von dem
ausgedehnten Rundbrennofen
ausgefüllt ift, während eine
zweite, füdweftliche (ältere) und
eine dritte, nordweftliche (jün-
gere) faft bis an das Feld des
jaromei^cr Bäckers Kuhn
reichen.
In der Mitte der dritten
Lehmgrube traf der Arbeiter
See 1897 auf ein Skeletgrab,
welchem er eine eiferne Lanzen-
fpitze und einen Armring aus
Bronze entnahm; die Speer-
fpitze verlegte er und konnte
fie, als das „Hiftorifche Mufeum"
in Königgrätz, welches durch
Vermittlung des Jofefftädter
Antiquars Duska den Armring
erworben hatte, danach fragte,
nicht wieder auffinden.' Der erhaltene Armring zeichnet
fich durch feine recht ungewöhnliche I-'orm aus; er wird
nämlich von dem Mittelftücke (einem runden oder eher
' Dii^ka, Sitzungsberichte der Wiener Anlhropoloßifchen Ocrcllfchaft
l8g8. Jahresbericht p. 4.
Fig. I . (Gräberfeld von
Horenice.)
elliptifchen Knoten) nach rechts und links immer
fchmäler, um dann abermals ftärker werdend in abge-
flachte, ausgehöhlte Knöpfe zu enden; die eine Hälfte
diefes zweiten Theiles (alfo ein Viertel des ganzen
Armringes) ift verloren. Der Armring \\\i ganz corrodirt
und ohne alle Patina, vielleicht ift er nach der Auf-
findung gebrannt oder mittelfi: Säure ,,gereinigt"
worden (Fig. 2 I).
Im Sommer 1S98 gruben andere Arbeiter weftlich
von diefem Grabe bis nahe an den Rain des Kuhn'fchen
Feldes und ftießen in einer Tiefe von ca. i'5 M. aber-
mals auf Gräber.'
Aus den erften drei Gräbern wurden erhalten: ein
zerbrochenes Schwert in Eifenfcheide, zwei^ gleich-
geformte Fußringe aus Bronze, eine kurze einfache
Speerfpitze aus Eifen, ein großer glatter Lignitring,
weitere zwei Fußringe von gleicher Geftalt, aber in
mehrere Stücke gebrochen (Fig. 2 II), eine Bronze-
fibula ohne Nadel und Schlußftück (Fig. 2 III), ein
flacher Armring mit Endknöpfen Fig. 2 IV. V), ein
Bronzearmring mit Knoten von zweierlei Größe, zwei
einfache Armringe aus ftarkem Bronzedraht, eine ein-
fache lange Speerfpitze und ein Lanzenfchuh aus Eifen,
Bruchftücke eines eifcrnen Schildbuckels, Bruchftücke
eines Schildrandbcfchlagcs, ein großer eiferner Ring
mit Endknöpfen und kleine Bruchftücke eines irdenen
Gefäßes.
Im Juli wurde in einem anderen Skeletgrabe ein
großer perlenfchnurähiilicher Ring mit Endknöpfen,
ein kleiner Ring aus Bronze und diverfe Eifenfrag-
mente, vier kleine Fibeln, im Auguft in einem fünften
Grabe ein eifernes Schwert mit Scheide, eine tiefe
Schüffei, eine eiferne Speerfpitze mit breitem l?latt und
' Duska. ebenda 1899. Jahresbericht pag. n (die vermeintlichen Pfeil-
fpitzen find Refte des Schildrandbefchlages) ; derfelbc ,.Nälczy pfedhistoritke
V kraji kralovehradcckcm. S. 41.
• Einer gelangte in das ft.idtifclKr Mufeum in Jaromcf, den zweiten
behielt der Eigenthiinicr der Ziegelei.
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. Mst. D(
Fig. 2. Funde von Hofenice
Mitth. d. k. k. Centr.-Comm. f. Kunst- u. liist. Denkm., Jahrg. 1902.
Beilage zu Seite 116.
r
— n;
zwei Bronzenägeln mit großen Köpfen in der Tülle
(Fig. 2 VII) und ein Bronzearmring mit Endknöpfen
gefunden^
1899 änderten die Arbeiter, welche gegen Weft
nahezu den Rain desKuhn'fchen Feldes erreicht hatten,
die Richtung gegen Nord in eine für die Erhaltung
der Funde viel günftigere Richtung.
Sie fanden kein Skeletgrab mehr, fondern eine
Grube mit afchiger Erde, in deren Nähe (angeblich
beifammen) zwei Gefäße mit verbrannten Knochen.
Wie ich glaube, ift dieß der erfle Fund eines relativ
gleichzeitigen Brandgrabes auf einem Gräberfelde mit
Skeleten aus der La Tene Zeit in Böhmen.' Als Urne,
welche die verbrannten Knochen enthielt (erft nach
der Auffindung wurde ein Stück des Randes ab-
gebrochen und ging verloren), diente ein Hafen von
einer für die LaTene-Zeit in Böhmen charakteriftifchen
Form. Derfelbe ift dunkelgrau und fehr ähnlich einem
Hafen mit einer vermeintlichen Runenfchrift, welcher
1859 beim Bahnbau in der Nähe des Dorfes Drahelcice
(Bezirk Smichov) neben einem Skelete zugleich mit
einem Schwerte von Eifen gefunden und von dem
Archäologen P. Krolmus erworben wurde. ^ Aus feinem
Nachlaffe wurde er für das böhmifche Landesmufeum
Fig. 3. iHaTen aus Ilofenice.)
angekauft und von Profeffor Wocel Pravek zeme ceske
S. 459 publicirt.
Auch die Töpfe, welche die Bewohner des Hra-
diste von Stradonice als Kochgefchirr benutzten, find
unferem Hafen fehr ähnlich und die Abbildung eines
folchen befindet fich in meinen „Materialy k dejinäm
kulturnim lidi bydlivsich v hoi^ejsim pofici Labe. 1881
Artikel V, Taf IV*.
Die Urne enthielt nach einem Berichte Duskas
einen Bronze-Armring mit Endknöpfen und einen
Fingerring aus Glas. In das Königgrätzcr Mufeum
gelangten bloß zwei Bruchftücke eines glatten Arm-
ringes ohne Knopfe (circa 50 Mm. Durchmeffer) und
ein Drittheil eines Ringlcins aus farblofem Glas (von
circa 18 Mm. Durclimeffer.) Ob auch das zweite Gefäß,
' Vgl. Sitzungsberichte der Wiener Anthropologifchcn Gercllfchaft 1900.
Jahresbericht S. 9 und in den Verhandlungen der Rcrlincr anthropologifchcn
Gcfellfchnft 1900. S. 177.
' Pamatky archaeologicke 1860, .S. 45. Ein zweiter Fund (Scliwert, Speer-
fpitze und 7wei Ringe) ift abgebildet bei Pic, echy na usvite dcjin I, Taf. I.
Kig- 4 bis 7.
\on welchem nur (zufammenpaffende) Scherben mit
alten Bruchflächen ohne Rand von recht roher Arbeit
und einer für LaTtl-ne-Gefäße ungewöhnlichen Form er-
halten find, aus dem Brandgrabe und nicht eher aus
der nebenan gefundenen Grube herrührt, ift fraglich.
Eine neue Reihe von Gräbern kam im P^rühjahre
1900 zum Vorfchein.
Als ich im Juli diefesjahres mit denHerrenFinanz-
ratli Buchfela und Sekretär Domecka die Ziegelei
befuchte, fahen wir in der nördlichen Wand der Lehm-
grube fechs tiefe Oeffnungen, welche die Arbeiter hier
ausgehöhlt hatten. Es waren Gräber, deren Bafis 130
Fig. .]. iKrug von Huitnicc.)
bis 150 Cm unter der Oberfläche des Feldes lag. Aus
ihnen hatten die Arbeiter folgende Gegenftände
gewonnen:
einen Armring aus Eifen, einen Armring aus
Bronze (er befleht theilweife aus fchneckengehäus-
ähnlichen Bukein, Fig. 2 X), einen halbflachen Arm-
ring aus Bronze, von dem aber nur ein kleiner Theil
erhalten blieb, ein Bruchftück eines Armringes aus
Eifen, eine kleine Fibel aus Eifen und die Scherben
einer Schüffei, welche faft ganz zufammenzuflellen mir
gelang (Abb. 5). Später gelangten in das Koniggrätzer
Mufeum noch Bruchftücke einer Speerfpitze und im
Fig. 5. iScliale von lloienice.l
Juni wurde in der gleichen Reihe, aber näher an dem
Raine des Kuhn fchen Feldes noch ein fiebentcs Grab
und in dicfem ein cifernes Schwert mit Scheide
gefunden.
Von da ab wurden bis zumSchluffe der Campagne
im Monate 06lober keine Gräberrefte melir gefunden,
obwohl das Abgraben des Lehms noch ziemlich weit
in nördlicher Richtung fortgefetzt wurde.
Die in den bisher entdeckten Gräbern aufgefun-
denen Gegenftände bcftehcn aus irdenen Gefäßen, aus
Waffen von Eifen und aus Gefchmeide von Bronze,
Eifen, Lignit und Glas.
Ii8 —
Die Gefäße:
a) war eine tiefe Schale, auf der Töpferfchcibe ge-
drelit, geglättet von hellbrauner Farbe, wenig ge-
brannt, 8 Cm. hoch, in der Mündung ca. 32 Cm.
weit; aus den zahlreichen größeren und kleinen
Scherben gelang es mir eine große Anzahl zu ver-
binden, doch blieben immerhin noch viele, die zu
anderen nicht pafsten, übrig (im hiftorifchen
Mufeum zu Königgrätz, Fig. 5 a);
b) ein Hafen mit weiter Mündung und einer leichten
Einbuchtung knapp unter ihr; dunkelgrau, 1 1 Cm.
hoch mit einem Durchmeffer von 1 17 Cm. in der
Mündung und 75 Cm. im Boden (im Mufeum zu
Königgrätz, Abb. 3);
Fig. S a. (Schale von Hofenice.)
d) zufammenpaffende Scherben eines Kruges ohne
Rand von fehr grober Arbeit (Mufeum in König-
grätz, Abb. 4);
e) eine tiefe Schale (8 Cm. hoch) auf der Töpfer-
fcheibe gedreht, hellbraun mit einer Leifte unter
dem Hälfe; der Durchmeffer der größten Aus-
bauchung ift größer, als der Durchmeffer der
Mündung; diefelbe ließ fich aus den gefammelten
Scherben faft vollftändig zufammenfetzen (Mufeum
in Königgrätz, Abb. 5).
Waffen aus Eifen:
a) eine Speerfpitze mit angeblich fehr langer Tülle;
verloren;
keines von diefcn Schwertern hat eine Parirflange
(Abb. 5 b);
e) ein Schildbuckel von Eifen ; erhalten blieb der
größere Theil des einen Flügels, welcher die
Form eines rechtwinkeligen Viereckes befaß,
fammt der Niete und drei Stücke des eigentlichen
Buckels, welcher aber nicht die Form eines halben
Cylindermantels hatte wie der Schildbuckel von
Neu-Bydzov im böhmifchen Landesmufeum,' fon-
dern nach allen Seiten gewölbt eher einem bei
Groß,LaTene un oppidum helvete.Taf. VII, Fig. 13
abgebildeten Schildbuckel glich; an die Außenfeite
des Schildbuckels ift durch Eifenroft verbunden
eine Niete von 6 Mm. Länge mit großem Kopfe,
wahrfcheinlich aus dem zweiten Flügel heraus-
geriffen (Mufeum zu Königgrätz);
f) ein eiferner Schildrandbefchlag, von welchem
fcchs größere und kleinere Bruchftücke in Form
von offenen Röhrchen, die mit in Eifenoxydhydrat
verwandelten Holzrerten ausgefüllt find, erhalten
blieben; auch er unterfchcidet fich von dem Rand-
befchlage aus Neu-Bydzov, da alle feine
Bruchftücke vollkommen gerade find und folglich
von einem viereckigen Schilde herrühren, während
der gekrümmte Randbefchlag des Bydzover
Schildes zu einem kreisförmigen Schilde, welches
gerade eine Elle im Durchmeffer hatte, gehorte
(Mufeum zu Königgrätz);
g) eine kurze eiferne Speerfpitze mit Tülle, urfprüng-
lich ungefähr 18 Cm. lang und im Blatte 3-5 Cm.
breit (Mufeum zu Königgrätz);
It) eine lange Speerfpitze mit Tülle; ihre Länge be-
trägt 40 Cm., von denen i8'5 Cm. auf die an der
Mündung mit einer Rille verzierte Tülle entfallen
(Mufeum zu Königgrätz);
i) eine breite Speerfpitze mit Tülle urfprünglich ca.
28 Cm. lang und im Blatte 105 Cm. breit; die
Tülle ift faft vollftändig erhalten fammt den
großen Köpfen von zwei Bronzenieten, welche das
Holz in der Tülle fefthielten, von dem mit einer
Fig. 5 b. lEilenfchwert von Iloienice.)
b) ein Schwert in Eifenfcheide, nach Duska's Bericht
82 Cm. lang, 15 Cm. breit, in Stücke zerbrochen
(im ftädtifchen Mufeum zu Jaromef);
c) ein Schwert in Eifenfcheide, gleichfalls in mehrere
zufammenpaffende Stücke zerbrochen (Mufeum in
Königgrätz);
d) ein Schwert in Eifenfcheide zwar zerbrochen, aber
fonfl ganz erhalten, -Ji Cm. lang; auf der Rück-
feite der Scheide unter der Mündung befindet fich
ein großes Stück eines groben Gewebes in Eifen-
oxydhydrat verwandelt' (Mufeum zu Königgrätz);
' Groß, .La Tille" ift Taf. XI eine Schwcrtfcheide abgebildet, deren
ganze Oberflache mit gcwcbcahnlichcn Eindrücken bedeckt ift. Nach Tifchlcr
wurden die Schwcrlfchciden der Gallier auf diefe Weife mittclft Stempel
verziert; auf der Hofenicer Scheide erkennt man aber die Ran/ regelmitßii;
gelagerten Faden des Gewebes und find alle Theile der Scheide, foweit fic
nicht auf den Kleidern der Leiche lag. mit einer dicken Krufte von Lehm und
Eifenoxydhydrat umhüllt.
ftarken Rippe verfehenen Blatte wurden nur drei
Stücke gerettet (Mufeum zu Königgrätz, Fig. 2 VII);
k) eine große blattförmige Speerfpitze, welche ur-
fprünglich ungefähr 35 Cm. lang und 75 Cm. breit
war. Sowohl von dem mit einer Mittelrippe ver-
fehenen Blatte als auch von der Tülle mit zwei
großköpfigen eifernen Nieten haben fich nur unzu-
lammenhängende Refle erhalten (Mufeum zu
Königgrätz, Fig. 2 VIII);
l) ein Lanzenfchuh (Mufeum zu Königgrätz);
Gefchmeide aus Bronze, l^ifen, Lignit und Glas:
a) ein Armring aus Bronze mit Endknöpfen und
einem Knoten in der Mitte; elliptifch mit einem
Durchmeffer von 58 Mm. (Mufeum zu Königgrätz,
Fig. 2I);
' Abgebildet in diefen Mittheilungen 1884, S. LXVIM, Fig. 5.
119 —
b) zwei gleiche Fußringe aus Bronze aus je zwei
Hälften zufammengefetzt; jede Hälfte befleht aus
fechs elliptifchen hohlen Buckeln und einem
Zapfen, welcher in den correfpondirenden Buckel
der zweiten Hälfte gefchoben und mittelfl einer
Niete befeftigt wurde; ein vollkommen erhaltenes
Exemplar befindet fich im ftädtifchen Mufeum zu
Jaromer (Fig. 6 =r Abb. 2 IX), das zweite hat
angeblich der Befitzer der Ziegelei behalten;
c) zwei gleiche Fußringe aus Bronze ebenfalls aus je
zwei Hälften zufammengefetzt; jede Hälfte befteht
aus fünf elliptifchen Buckeln und vier glatten
Zwifchengliedern, die Endbuckel find mit Oehfen
verfehen, welche durch kleine Bronzeringe mit
einander verbunden waren; leider wurden beide
Fußringe von den Arbeitern in der Ziegelei in
Stücke zerbrochen, ja manche an der Bruchfläche
abgefeilt; alle Bruchftücke (20 Buckel) und zwei
Ringlein find im Königgrätzer Mufeum; Fig. 2 11);'
d) ein großer offener Bronzering mit Endknöpfen,
faft kreisförmig mit einem Durchmeffer im Lichten
von circa 75 Mm. (ein Drittel des Ringes fehlt)
der Reft befteht aus 39 verbundenen Perlen und
dem Endknopfe (ebenda);
artig geformt find ; die Verbindungsglieder zwifchen
den einzelnen Buckeln und Endknöpfen tragen je
drei kleinere Buckel oder Perlen; der größere
Durchfchnitt beträgt 52 Mm. im Lichten; (ebenda,
Abb. 2 X);
k) ein flacher, offener Bronzearmring mit Endknöpfen,
fehr ähnlich dem Armringe f, aber weniger flach;
erhalten hat fich bloß ein kleiner Theil mit dem
Endknopfe (ebenda, Fig. 8);
l) ein Bronzearmring aus Runddraht angeblich mit
Endknöpfen, in einer Urne mit verbrannten
Knochen gefunden; in das Königgrätzer Mufeum
gelangten bloß zwei Bruchftücke ohne Knöpfe;
^
Fig. 6. (Fußring aus Hoi^enice.)
S 9 10
Fig. 8 — 10. (Armringe von Horenice.j
m) ein dicker, kleiner Bronzering (unganz), der Durch-
meffer beträgt 20 Mm. im Lichten (Mufeum zu
Königgrätz);
7t) eine Fibula aus Bronze mit gekerbtem Bügel,
welcher dem Bügel einer Fibula von Langujezd im
hohen Grade ähnlich ficht;' in das Königgrätzer
Mufeum gelangte die Fibel ohne Nadel und
.Schlußftück des Fußes; Fig. 2 III.
Aus Eifen:
e) ein kleiner offener Bronzearmring mit Endknöpfen,
der größere Durchmeffer beträgt im Lichten
46 Mm. (ein Viertheil des Ringes fehlt), der auf
der Innenfeite glatte Ring befteht nach außen
aus abwechfelnd höheren und niedrigeren Knoten,
von denen fich 12 mit dem einen Endknopfe
erhalten haben; im Mufeum zu Königgrätz;
f) ein kleiner Bronzearmring, flach, nach außen
wenig gewölbt und mit Endknöpfen verfehen; der
größere Durchmeffer beträgt 57 Mm. im Lichten,
(ebenfo), Fig. 2 IV. V);
g) ein glatter Bronzearmring im Querfchnitte rund
mit Endknöpfen, welchen beiderfcits je ein Punkt
cingepunzt ift, der größere Durchmeffer beträgt
58 Mm. im Lichten, bewahrt im Königgrätzer
Mufeum, Abb. Fig. 2 VI;
h) zwei kleine Armringe, im Ovierfchnitte rund, glatt,
offen, aber ohne Endknöpfe; der größere Durch-
meffer beträgt 44 Mm. im Lichten, Mufeum zu
Königgrätz;
i) ein offener Bronzearmring, auf der Innenfeite glatt,
befteht nach außen aus zwei Endknöpfen und
fieben größeren Buckeln, welche fchncckengehäus-
Fig. 1 1. (Reit einer eifernen Fibel vun Ilorcnice.l
a) ein maffiverRing mit Endknöpfen (.'), von welchem
nur ein kleiner Theil erhalten blieb (Mufeum zu
Königgrätz);
b) ein ganzer Armring mit rtarkcr Eifenoxydhydrat-
fchichte bedeckt und infolge deffen nicht meßbar
(ebenda) (Fig. 9);
c) ein Bruchflück von einem Ringe (ebenda) (Fig. 10);
(/; eine kleineFibula ausEifen, kurz mit großköpfigem
Schlußftück des Fußes und ohne Nadel (ebenda)
(Fig- 17)-
Aus Lignit: ein großer Ring nicht ganz regelmäßig
geformt, im Durchfchnitte abgeflacht, Durchmeffer im
Lichten 80 und 85 Mm., die Dicke nur 6 Mm (ebenda).
Aus Glas: angeblich ein Fingerring in der Afchen-
urne; in das Königgrätzer Mufeum gelangte bloß ein
kleiner Theil eines Ringes aus farblofem Glafe von circa
18 Mm. Durchmeffer im Lichten.
' Zwei Ftißringe. welche denen von Hofenice gleichen und ebenf.ills aus
je zehn IJuckcln beftchen, wurden bei einem Skelette zu Cicevicky in der Nahe
von Kladno gefunden. Pam.-ttky archaeolog. XVII, loo.
' Weinzierl, Das Gräberfeld von Langujezd, S. 41. Die Ucbcreinftim ■
mung ift fo groß, dafs ich mir erlaubt habe, in der Zeichtumg die Fibel von
Hofenice nach der von L.mgujczd zu erganzen.
I20
Nachtrag:
Im heurigen Frühjalir wurde eine fehr ausgedelinte
Partie des Lößlagers in derfelben Ziegelei (in der
l'lanfkiz/.e mit i/VI. 1901 bezeichnet) abgegraben,
aber nur zwei Gräber gefunden. Aus dem einen Grabe
(Nr. 8) wurde ein gut erhaltenes Schwert von Eifen
und drei irdene Gefäße (im Mufeum zu Königgrntz) ge-
wonnen, das zweite (Nr. 9) enthielt angeblich bloß
ganz geringe Kifenrefte, welche die Arbeiter unbe-
achtet ließen.
Im Sommer wurde die Südoftecke der oberen
Lehmgrube mit der unteren Lehmgrube (mit Brenn-
öfen) vcrmittelft eines 52 Schritte langen und 11 Schritte
breiten in füdoftlicher Richtung ftreichenden Durch-
ftiches verbunden. Ungefähr in der Mitte derfelben
fließen die Arbeiter auf ein Grab, in welchem fie drei
kleine Bronzearmringe fanden, aber fofort in Stückchen
zerbrachen ; in der füdlichen Wand des Durchftiches
wurde ein Skeletgrab von r75 M. Tiefe angefchnitten
und daraus vorläufig ein wohlerhaltenes Schwert mit
Eifenfcheide gewonnen; noch weiter öfllich traf man
auf eine r25 M. tiefe afchige Grube, welche nichts
enthielt als abgewetzte Scherben eines aus Grajibit
N'erfertigten Gefäßes, deffen Außenwände durch fenk-
rechte Striche in Felder getheilt und diefe mittelft
feichter Striche in abwechfelnden Muftern (fchiefe,
gebrochene und gekreuzte Striche) verziert waren.
Alle diefe Gegcnüände gelangten in das Königgrätzer
IMufeuni. Später wurde der füdliche Schupfen demolirt
und fein Platz abgegraben, dabei wurde am 23. Sep-
tember ein befonders reiches Grab gefunden, deffen
Inhalt durch den zufällig anwefenden Cuftos des böh-
mifchen Landesmufeums Dr. Pic für diefes Mufeums
erworben wurde. Derfelbe befland aus einem zer-
drückten irdenen Gefäße, welches Vogelknochen ent-
hielt, drei offenen gekerbten Armringen (zwei davon
mit fchildformigen Fuße ), einem maffiven gefchloffenen
Ringe, dann einem größeren und zehn kleinen Ringen
von einer Kette.
Notizen.
24. (Steinzeitliche Keramik in der Bukowina) von Feldarbeiten auf dem Grunde des Oberlehrers
Confervator Regierungsrath Klaufcr hat folgenden Arejczuk in Szypenitz in einer Tiefe von etwa 20 Cm.
kleine Scherben von gebrannten Thongefäßen
und bei einer Grabung von etwa 120 Cm. Tiefe
eine Anzahl von zum Theile zerbrochenen Thon-
gefäßen gefunden.
Fig. 3. 4-
Diefe find nicht auf der Drehfeheibe, fondern
mit freier Hand gemacht; die urfpiüngliche Be-
ftimmung der Näpfe und Schalen ifl einleuchtend,
"''■ '' ^' nicht fo aber die der übrigen, fo eigenthümlich
Bericht am 25. April 1901 der Central-Commiffion zufammengeftellten Zwillingsgefäße, deren Abbildung
eingefendet: „Im Herbfle V. J. wurden bei Gelegenheit beigegeben ifl (Fig. 1 bis 4), da in denfelben
121 —
die Schale und die Verbindungsftücke durchlöchert
find."
Es ift bedauerlich, dafs nicht auch die Scherben
aufbewahrt worden find, weil diefe möglicherweife
Auffchluß über die Zeitftellung hätten geben können.
So aber läfst fich auf Grund der forgfältigen Arbeit
und der hellbraunen Farbe des Thones, die auch einen
Anhalt.'^punkt zur Beurtheilung feiner Befchaffenheit
bietet, nur vermuthen, dafs diefe eigenthümlichen Gegen-
ftände zu der in Galizien und in der Bukowina verbrei-
teten fteinzeitlichen Keramik mit gemalter Decoration
gehören. Much.
25. Planfkizze zu dem Auffatze des Confervators
Gnirs über die Grabungen bei Porta Ercole S. 51 f.
(Siehe die hier beigefügte Planfkizze.)
förmigen Blatte hervor und hat an der Dülle
einen Durchmefler von 22 Mm. Etwa 2 Mm.
unter dem Blatte befinden fich zwei runde
einander gegenüberliegende Löcher von
4 Mm. Diameter zur Aufnahme von Stiften,
um die Waffe an einem Holzftabe befeftigen
zu können.
Die Blattfiügel, welche unmittelbar an
den 38 Mm. vom DüUenrande entfernten
Schaftlöchern anfetzen, fleigen bogenförmig
empor und verlaufen dann von ihrer größten
Breite von 40 Mm. in fchwachem Bogen
zur abgerundeten Spitze.
Diefe Lanzenfpitze gehört der jüngeren
Bronzezeit an, worauf die längere und un-
verzierte Schaftröhre hindeutet, die in
fcharfer Verjüngung bis zur Spitze geht.
I-'ig- 5-
26. fEine Bronze-Lanzenfpitse .)
In den erften Frühlingstagen 190 I wurden in der
Libor Ficker'fchen Ziegelei zu Ranigsdorf in einer Tiefe
von 2 M. zwei Metallgegenftände gefunden, von denen
der eine durch Grünfpann fo ftark zerfetzt war, dafs er
den Arbeitern unter den Fingern zerbrach, weshalb fie
ihn wegwarfen. Nach der mangelhaften Befchreibung
dürfte es eine Fibel gewcfen fein.
Das erhaltene Obje6l ift eine Lanzenfpitze aus
Bronze, 168 Mm. lang und 116 Gr. fchwer. Der kegel-
förmige Schaft (120 Mm.) tritt fcharf aus dem zungen-
Sie ift mit glänzender dunkelgrüner Patina, welche
leider an einigen Stellen von den Arbeitern abge-
rieben wurde, überzogen.
Aus diefem Einzelfunde darf wohl weder auf eine
Bronzeftation noch auf ein Grab gefchloffen werden,
da keinerlei Menfchenknochen oder Thonfcherben auf-
gedeckt wurden. Ein Jäger der Bronzezeit mag fie ver-
loren haben. In den mittleren Löfslagen diefer Ziegelei
wurden Knochen und Geweihftücke vom Rennthier, in
den tieferen Lagen Schenkelknochen und Schulterblatt
etc. vom Nashorn (Rhinoccros tichorhinus) gefunden.
Confervalor Alois Czerny.
XXVIII. N. F.
16
122
REGISTER
DER
IN DIESEM (XXVIII.) BANDE AUFGEFÜHRTEN PERSONEN-, ORTS- UND SACH-NAMEN.
A.
A/ens (Tyrol), Capelle, 32.
Altßadt bei Ungarifch-Hradifcli (Mähren), prä-
hiftorifcher Fundort, 40, 43.
Aujezd bei Müglitz (Mähren), Sandfleinkreuz
vom Jahre 1533, 54.
^»</?,rj-/»V0 (Mähren), prähiftorifche Funde, 41.
B.
Befchvjörungsformel {\^. Jahrhundert), 20.
Biloiuitz (Mähren), prähiftorifche Funde, 41.
Blalnicka (Mähren), prähiftorifche Funde, 40.
Bofctiitz (Mähren), prähiftorifche Funde 40.
Breitlahiier Brücke, fiitllich vom Radftätter
Tauem, 94.
Bfezolupy (Mähren), prähiftorifcher Fundort,
39- 43-
Brioni grande (Küftenland', bauhche Ueber-
refte der römifchen Anfiedlung von Val
Catena, 44.
— römifche Wäfcherei, ebenda, 4S.
Bramt/ibel &\\s, Reichenegg, 51, Abb I.
Buchlo-tuitz (Mähren), prähiftorifcher Fundort,
39-
Budweis bei der „fchönen Ausficlit', prä-
hiftorifche Funde, 35.
Bukmoky von Bukuwka, Grabfteine an der
Pfarrkirche zu Schönbrunn (Mähren),
75 ff.
Burgen: fiehe Karls-Tein, Moos, Reißenftein,
Sprechenftein, Straßberg, Suczawa.
c.
Caslau, (Böhmen), Aufgrabung des Bodens der
Sacriftei der Peter-Pauls-Decanalkirche,
5°-
Cechowitz (Mähren), prähiftorifcher Fundort,
39-
Cernilov (Böhmen), prähiftorifche Funde, 1 13.
Choteborky (Böhmen), prähiftorifche Funde,
D.
Deutfeh - Moliken fBöhmen), prähiftorifche
Funde, 34.
— vgl. Nachtrag, 56.
Doubravka fiehe Pilfen.
Bferding, römifche Funde iLanzenfpitze,
Pilum), 55.
Eppan (Tyrol), römifche Skeletgräber, 52.
— rhätifclie Steinwälle, 52.
Freihöfen (Böhmen), Mammuthfkelet, 115.
Freiwalde (Preußifch-Schlefien), prähiftorifche
Funde, 1 14.
Flains (Fluens) (Tyrol), Kirche (1514), 32.
Früh-chrißliches fiehe Martinsberg.
G.
Goldenkron, ein früh-gothifcher Bau (an der
ehemaligen Schutzengelkirche), 54.
G offenfaß (Tyrol), 25.
— Barbara-Capelle, 26.
(7r<7^««^ fiehe Bukuwky von Bukuwka, Neu-
degg, Petersvvaldsky von Peterswald,
Schönbrunn, Trient, Wels.
Graz, SchmiedgalTe 25, Palais des Grafen
Otto Gottfried Kolonitfch (1642), 53.
H.
Haidin, Unter- (Poetovio), Ausgrabungen, 20.
Hartberg (Steiermark), romanifche Wand-
malereien, 82 ff.
Herfpitz bei Aufterlitz (Mähren), prähiftorifche
Funde, 40, 43.
Hluk (Mähren), prähiftorifche Funde, 40.
Äj/öZ'ou.fj/ (Böhmen), prähiftorifche Funde, 115.
Horenice (Böhmen), La T^ne-Gräberfeld, 116.
Hofic (Böhmen), prähiftorifche Funde, 1 15.
Hradisko (Mähren), prähiftorifche Funde, 43.
Hiittau, römifcher Meilenftein, qö
Hiillein (Mähren), prähiftorifche Funde, 41.
Hustifany (Böhmeni, prähiftorifche Funde,
114.
J-
St. Jacob in Innerpfitfch (Tyrol), Kirche. J2.
K.
Kaltem ^Tyrol), römifcher Sarkophag, 52.
Karls-Tein, Wiederherftellung der Burg K. in
Böhmen, I.
— Inventar von K., 9.
Keniaten (Tyrol 1. Kirche (1468), 32.
Klattau (Böhmen), gothifche Dechanteikirche,
55-
Königgrätz 1 Böhmen;, prähiftorifche Funde,
H3-
Krain, romanifche Kirchen, Ö3.
— gothifche Kirchen, 03.
Ki'enowitz (Mähren 1, prähiftorifche Funde, 42.
Kiikleny (Böhmen), prähiftorifche Funde, 113.
A'tinowit: (^Mähren), prähiftorifche Funde, 40.
L.
Lochenice (Böhmen), prähiftorifche Funde,
M.
Mährifch- Trübau, Kirchen-Rcnovirungs-
verein, 54.
Mafatitz (Mähren t, prähiftorifcher Fundort,
40.
Margarethen, St., ,.'Vuf der gefchnittenen
Bauratratten ", römifcher Meilenftein, 92.
Alartimberg in Ungarn, alt-chriftliches Stein-
rclief an der Stiftskirche, 48.
Mauterndorf, St. Gertraud, römifcher Meilen-
ftein, 95.
Meilenßeine, römifclie, fiehe Salzburg.
Moos iTyrol), SchloiS ' 14 Jahrhundert), 33.
— 123
Mofaik aus der Bafilica St. Maiia Formosa
oder del Canneto in Pola, 59, 62, Taf. II,
III.
Mufchaii (Mälirenl, prähiftorifclie Funde, 43.
— römische Funde, 43.
N.
Nesazio (Nesadlium), römifche Infchrift, 51.
Neudegg, Grabftein der Familie N., jetzt in
Nieder-Ranna, 54.
Neudorf \>&\ Oslavan (Mähren), prähiflorifcher
Fundort. 40.
Nynic (Böhmen), barocke Capelle auf dem
Dorfplatze, 56.
Paolo, Ser, Gedenkflein, 52.
Peterr..i'aldsky von Peterswald , Katharina,
Grabftein an der Pfarrkirche zu Schön-
brunn (Mähren), 75 ff.
Peüan flehe Unter Haidin.
Pletriach (Krain;, Karthaufe, 63.
Pil/eii, Barbara -Capelle des Franciscaner-
klofters, 55.
— Hauptaltar der Kluflerkirche der Francis-
caner, 55.
— Stemberg'fche Capelle am Presbyteriura
der Erzdecanalkirche, 56.
— Nicolai-Kirche, 56.
— Georgs-Kirche bei Doubravka, 5O.
Pola, römifche Weganlage der porta Ercole,
51, 121.
— römifche Mofaikböden im Hofe des
Hotels Central, 52.
— römifche Gräber in der Villa Mallinarich,
52-
— Bafilica Sta Maria Formosa oder del
Canneto, 57.
Prähiflorifches aus Oberöfterreich, 88.
— Grabhügel am Ochfenweg bei Rothen-
buch, S8.
— im Mattigthal, 88.
Prähißorifche Funde fiehe Altftadt, Aufterlitz,
Bilowitz, Blatnicka, Bofenitz, Biezolupy,
Buchlowitz, Budweis, Cechowitz, Cemi-
low, Choleborky, Deutfeh - Moliken ,
Eppan, Freiwalde, Herfpitz, Hluk, Holo-
vousy, Horenice, Hof ic, Hradisko, HuUein,
Hustifany, Königgrätz, Krenowitz, Kuk-
leny, Kunowitz, Lochenice, Mafatitz,
Mufchau, Neudorf, Pi-edmefice Ranigs-
dorf, Rapotitz, Reichenegg, Schlapanitz,
Stezirsky, Szypenitz, Tunechody, Uebe-
retfch, Ungarifch-IIradifch, Uzetice,
Velehrad, Velkd, Weißmifslitz, Wrano-
witz. Zderaz.
Prag, Aufdeckungen in der Georgs-Kirche
am Hradfchin, iS.
Predmerice (Böhmern, prähiftorifche Funde,
113-
Pfestic bei Pilfen, fpätbarockes Bauwerk
(1650— 16Ö51, 56.
P'irgg (Steiermark), romanifche Wand-
malereien, 78 ff.
R.
Ranigsdorf (Mähren), Bronze-Lanzenfpitze,
121.
Ranna, Nieder-, Grabftein der Familie Neu-
degg, 54.
Rapotitz bei Roffitz (Mähren\ prähiftorifche
Funde, 40.
Reichenegg hnK Cilli, Gräberfeld, 51.
Reißenßein (Tyrol), Burg, 32.
Ried\)e\ Sterzing (Tyrol), Fresken (15. Jahr
hundert), 26.
— Kirche (1669;, 27,
Römifche Funde fiehe Brioni grande, Eferding,
Eppan, Haidin, Hüttau, Kaltem, St.
Margarethen, Mautemdorf, Meilenfteine,
Mufchau, Nesazio, Pola, Reichenegg,
Salzburg, Smifice, Teurnia, Tweng,
Ueberetfch, Wien.
Ruprecht, St. (Krain), Pfarrkirche, 63.
— Sacramentshäuschen, 68.
Sachfenfeld (Steiermark), St. Nicolaus-Pfarr-
kirche, 50.
Siiufenßcin, Loretto-Capelle, 54.
Salzburg, ftädtifches Mufeum, die römifchen
Meilenfteine, 91.
Schlapanitz (Mähren), prähiftorifche Funde, 40.
Schmidt, W., f , Correfpondent, Profeffor, 50.
Schönbrnnn (Mähren), Grabfteine an der Pfarr-
kirche, 75.
Sculpturen, Steinkreuze fiehe Aujezd; Sacra-
mentshäuschen fiehe St. Ruprecht.
.?»/('r!V? (Böhmen), römifche Fundmünze, 113.
Sprechenßein iJ^ytoX), Burg (13. Jahrhundert),
32-
Sterzing (Tyrolj, Pfarrkirche, 27.
— Deulfches Haus und andere Gebäude, 30.
— Rathhaus, 30.
Stezirky (Böhmen), prähiftorifche Funde, 113.
Stilfes (Tyrol), Kirche und Widum, 33.
Straßberg (Tyrolj, Ruine, 26
Strogen bei Stift Altenberg, Fresken in der
Kirche, 53.
Suczawn, die fogenannte „weftUche Burg"
(Cetatea), 35,
— Miroutz-Kirche, 36.
— Refidenz, 37.
Szypenitz (Bukowina), fteinzeitliclie Keramik.
120.
T.
Teurnia, Kopfftation einer römifchen Straße,
92 AT.
Thuins (Tyrol), Kirche (im), 32.
Trens (Tyrol), Wallfahrtskirche (15. Jahr-
hundert), 33.
Trient, Gedenkftein des Ser Paolo, jetzt im
Municipium, 52.
Tunechody (Böhmen), prähiftorifche Funde,
115.
Tweng, römifcher Meilenftein, 93.
u.
Ueberetfch (Tyiol), in vorgefchichtlicher und
römifcher Zeit, 52.
Ungarifch-Hradifch (Mähren), prähiftorifcher
Fund, 40.
Ufetice (Böhmen), prähiftorifche Funde, 115.
Urnen aus dem Gräberfeld von Reichenegg,
51-
V.
Vagetiin (Tyroli, Valentins-Kirchleini 16. Jahr-
hundert), 34.
Velehrad ('Mähren), prähiftorifcher Fundort,
40.
Velkd (Mähren), prähiftorifche Funde, 40.
w.
Wandmalereien fiehe Hartberg, Pürgg, Ried,
Strogen, Znaim.
Weißmifslitz bei Kroniau (Mähren), prähift.
Funde, 40, 41.
Wels (Oberöfterreich), gothifche Grabfteine,
Wien, römifche Funde, 17.
— Inventare der Hofburgcapelle 1532,
1679, 22.
— I., Schulerftraße 12—14, St. Ivo-Capelle
l'397)-' 54-
Wiefen bei Sterzing (Tyrol, Kirche (16. Jahr-
hundert), 32.
Wranowitz bei Profsnitz (M.'ihren), pr.lhift.
Funde, 40.
Zamka (Bukowina), armenifches Klofter, 37.
Zderaz (Böhmern, prähiftorifche .Vnfiedhing,
115.
Znaim, Oelgemälde und Fresken, 53.
— Stadtlhurm, 54.
Zwclil, ftädtifches Mufeum, 55.
16*
GETTY CENTER LIBRARY
3 3125 00614 8718
vmm
I ,il.UiiHMii!fii >ii
liFllil(j,)j-i\ii.Uii(:<j*i'iifi,
vmmm
ti'htii'ijj
i'ltfF
■A
.''■fi,''C
i'i' !
':!''''
,. .
;
:..y':r
;\'i",'"f:'-l,::
■ , ■ ' ''
i'':;:!«'
'' '':'' '.liitlMH
■■: I ;
■lu..'.;;,?
-■ / !:.":,..'i;rii.:,.
;. / ^ .i
1
■■■■■i.