Skip to main content

Full text of "Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale"

See other formats


IMlii'fe'inifti:: 


!tiH^:-i"tl-;w;i,öis 


.fi'l!-llidjw.nni.|.. 


.i.|S5l|S:illF|i|M;£Hrii!!'! 


<1 


mm 


!:l!'*'';ifhiI!!IJ-iI!!''!|?!|iii-liii'i!i1!'''!':'i1i''t''ii^^ 


m 


?»«ijii 


[■■j,;:.|       .  ,]••. 


i|;IHI:M!|!;ir::;;iJ!l:!'ili 

«|lMs,:i„     '.,, 


ii  '  "     i  ■  I'-:- 


::». 


:i'::-!n.^' 


,   ,|   I      ,1  l'i   ''IflllMI 

f!i!"i!iiiii'i.iii'lii'' 

M!!l:|'!i|Ml|:!|l', 


MITTHDILUNGEN 


DER 


K.  K.  CENTRAL-COMMISSION 


FÜR 


ERFORSCHMd  MD  ERHALTÜN&  DER  KUNST-  UND  HISTORISCHEN  DENKMALE. 


HERAUSGEGEBEN        UNTER        DER      UEITUNG 

SEINER  EXCELLENZ  DES  PRÄSIDENTEN  DIESER  COMMISSION 

D"^  JOSEPH  ALEXANDER  FREIHERRN  VON  HELFERT. 

XXVIII.  JAHRGANG. 
NEUE  FOLGE 

DEP  MITTHEILUNGEN  DER  K.  K.  CENTRAL-COMMISSION  ZUR  ERFORSCHUNG  UND  ERHALTUNG  VON  BAUDENKMALEN. 


REDACTEUR:  D«    KARL  LIND.f 


WIEN,  1902. 

IN  COMMISSION  BEI   WILHELM   BRAUMÜLLER 

AUS   DER  K.  K.   HOF-   UND  STAATSDRUCKEREI. 


WE  J.  PAUl  GEtn'  CCCi.cK 

1  lonADV 


INHALT 

DES  XXVIII.  BANDES  DER  MITTHEILUNGEN.  NEUE  FOLGE. 


Seite 
Amoroso,  Andreas,  Dr.  Correfpondent:  Infchrift  in  Nesazio.  51 

Cermak,    Clemens,   Confervator:   Aufgrabung    des    Bodens 

der  Sacriftei  der  Peter-Pauls-Decanalkirche  zu  Cäslau.  50 
Cervinka,  J.  L.,  Correfpondent:  Zur  Vorgefchichte  Mäh- 
rens. Forfchungsbericht  im  Jabre  1901 39 — 43 

Czeruy,     Alois,    Confervator    Biirgerfchullehrer:     Kirchen- 

Renovirungsverein  in  Mälirifch-Trübau 54 

—  Kreuz  aus  Sandftein  in  Aujezd  bei  Müglitz 54 

—  Renaiffance-Grabfteine  zu  Schönbrunn  in  Mähren.  (Mit 

2  Text-IUuflrationen.) 75  —  77 

—  Eine  Bronze-Lanzenfpitze.  (Mit  i  Text-Illuftration.  1 .  ..  121 
Deininger,    Johann,    Confervator    Kegierungsrath :    Kunft- 

topographifches   aus    dem    oberen    Eifack-    und   dem 
Pfitfcherthale.  (Mit  3  Text-Illunrationen.) 25 — 34 

—  Die  St.  Adalari-Kirche  int  PiUerfeethale.  (Mit  5   Texl- 
lUnflrationen.) 72 — 75 

Emil,  Friedrich,  Confervator  P. :    Kirche   in   Strogen   bei 

Stift  Altenburg 53 

—  Mittelalterliche  Pfeudo-Ciftemengräber.  (Mit  3   Text- 
Illuflrationen.) I04f. 

Gnirs,  Anton,  Confervator  Profeffor:  Bauliche  Ueberrefte 
aus  der  römifchen  Anfiedlung  von  Val  Catena  auf 
Brioni  grande.  (Mit  6  Text-IUuftrationen.) 44 — 48 

—  Die  romifche  Weganlage  der  Porta  Ercole  S.  5 1  f ,  dazu 

eine  Planfkizze 122 

—  Zwei  antike  Mofaikböden  im  Hofe   des  Hotels   „Cen- 
tral'^ in  Pola 52 

—  Die  Bafilica  St.  Maria   Kormosa   oder  del  Canneto  in 

Pola.  (Mit  2  Tafeln  und  3  Text-Ilhiftrationen.) 57 — 62 

Graus,  Johann,  Confervator  fürflbifchöflich-geifllicher  Rath  : 
Romanifche  Wandmalereien  zu  Pürgg  und  Hartberg. 
(Mit  8  Tafeln  und  8  Text-IUuftrationen.) 78—88 

Grienberger,     Correfpondent      Ehrendomherr:      Romifche 

Waffen,  (Mit  i  Text-Illuftration.) 54 

Gurlitt,     IV.,     Confervator    Profeffor:     Ausgrabungen    im 

Pettauer  Felde  1901  (vorläufiger  Bericht) 20  f. 

Helferl,  Jofeph  Alexander  Freiherr  von,  Präfident  Excellenz : 
Die  Wiederherftellung  der  Burg  Karls-Tein  in  Böh- 
men. (Mit  I  Tafel.) i  — 17 

Kenner,  Friedrich,  MitgUed  Hofrath:   Romifche  Funde  in 

Wien 17 

A'lote,  Olivier,  Profeffor:  Romifche  Meilenfteine  aus  Salz- 
burg. (Mit  I  Tafel  und  24  Text-Illuftrationen.) 104 

Mach,  Franz,  Oberingenieur:   Aufdeckungen  in  der  Sandt 

Georgs-Kirclie  am  Hradfchin  (3.  Berichti 18 — 20 

Merz,  J.,  Correfpondent:  Guthifcher  Grabftein  in  Wels.  ...  56 

Mörath,  Anton,  Correfpondent:  Ein  früh-gothifcher  Bau  (an 

der  ehemaligen  Schutzengelkirche  in  Goldenkroni.  ...  54 


Seile 

Much,  Mitghed  Regierungsrath :  Steinzeitliche  Keramik   in 

der  Bukowina.  iMit  4  Text-IUuftrationen.) 121  f. 

Kecsey,  Vi^or,  Dr.:  Ein  altchriftliches  Relief  aus  Ungarn. 

(Mit  i  Text-Illuftration.) 48  —  50 

Kichly,  Heinrich,  Confervator:  Neuentdeckte  Funde  auf 
den  prähiftorifchen  Verkehrswegen  zwifchen  dem  fiid- 
lichen  Böhmen  und  der  Donau 

liiedl,  Emaniiel,  Confervator  Bergrath:  Bericht  über  eine 
Urnenftätte  zu  Reichenegg  bei  Cilli.  (Mit  3  Text-lllu- 
ftralionen.) 51 

Kassier,  Stephan,  k.  k.  Confervator  Abt:  Städtifches  Mufeum 

in  Zwettl 54 

Romßorfer,  Karl,  Confervator  Direktor:  Die  fogenannte 
,weftliche  Burg"  in  Suczawa.  (Mit  5  Text-Bluflratio- 
nen.) 35—39 

Rosner,  Mitglied  Bauratli:   Spitzbogen   im  Haufe   Schuler- 

ftraße  12 54 

SchmSlzer,  Hans,  k.   k.  Confervator  Dr.:   Gedenkftein  des 

Ser  Paolo  116.  Jahrhundert).  (Mit  i  Text-IUufb-ation.)  .  52  f. 

Schneider,  Ludwig,  Confervator;  Kupferbeile  aus  dem  Be- 
zirke Königgrätz.  (Mit  13  Text-.lUuftrationen.) 105 — 111 

—  Thätigkeitsbericht.  (Mit  4  Text-IUuftrationen.) 1 1 1  — 116 

—  Das  La  T^ne-Gräberfeld  von  Hofenice.  (^Mit   20  Text- 
IUuftrationen.) 1 16 — 121 

Sitte,  Alfred,  Affiftent:  Inventare  der  k.  k.   Hofburgcapelle 

in  Wien  1532  und  1679 22 — 25 

Skorpil,   Joseph,   Confervator  Mufeums-Diredlor:    Berichte 

über  Reftaurirungen  in  Klattau,  Pilfen  und  Nynic 55 

Sterz,  Confervator  Dire(5lor:    Oelgemälde    und    Fresken    in 

Znaim 53 

—  Reftaurirung  des  .Stadtthurmes  in  Znaim 54 

Straberger,  Confervator  Oberpoftcontrolor:   Prähiftorifches 

aus  Oberöfterreich.   (Mit  i  Tafel  und  5  Text-IUuftra- 
tionen.)    88 

Vrhovec,  Johann  (f)-  Confervator  Profeffor:  Die  Pfarrkirche 
St.  Ruprecht  in  Unter-Krain  und  ihre  Reftaurirung. 
(Mit  3  Text-IUuftrationen.) 63—72 

Wist,   Johann,   Confervator  Profeffor:   Abbruch  der  Sandl 

Nicolaus-Pfarrkirche  zu  Sachfenfeld 50 


Vorgefchichtliche  und  romifche  Funde  bei  Ueberetfch.  52 
Das  vom  Grafen   Otto   Gottfried  Kolonitfch   1642   er- 
baute Palais  in  Graz,  Schmiedgaffc  25 53 

Loretto-Capelle  bei  Säufenftcin 54 

Grabftein  der  Familie  Neudegg  (Nieder-Ranna) 54 


(Zufammen  13  Tafeln  und  117  im  Texte  vertheilte  lUuftrationen.) 


Mittli.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  Mst.  Denkm..  Jahrg.  1902,  zu  Seite  1. 


Taf.  I. 


:^.nm,: 


..lO  .wrS^^ 


■'^^^-:4. 


•^    V    .^A 


kM 


Die  Burg  Karls-Teii>  nach  ihrer  Reftaurinmg^ 


Die  Wiederherftellung  der  Burg  Karls -Tein  in  Böhmen. 


Vom  Präfideiiten  yo/eph  Alexander  Fi  eiheryn  von  Helfert. 


M  Jahre  1Ö62  hat  Dr.  Franz  Bock,  der  fich  da- 
mals einige  Zeit  in  Böhmen  aufhielt,  fich  zur 
Aufgabe  gefetzt,  „die  Parallele  aufzufiichen, 
die  Karls-Tein  mit  den  hervorragendften  formverwand- 
ten Schloßburgen  des  Abendlandes  befitzt"  und  den 
alten  böhmifchen  Königsfitz  mit  dem  Burgpalafte  der 
Päpfle  zu  Avignon  und  dem  Deutfchritterfchloß  zu 
Marienburg  verglichen.'  Sie  alle  drei,  führte  er  weiter 
aus,  haben  den  Charakter  religiöfer  Waffenplätze  „die  auf 
Krieg  und  Frieden  im  Innern  und  Aeußern,  durch  den 
Genius  der  Kunft  als  arx,  und  zugleich  als  monasterium 
eingerichtet  waren".  Der  Vergleich  mit  Avignon  liegt 
fchon  darum  nahe,  weil  Karl  IV.  von  Böhmen  in  frühen 
Jahren  mit  dem  päpftlichen  Hofe  und  deffen  Refidenz 
im  füdlichen  Frankreich  nähere  Bekanntfchaft  gemacht 
hatte.  Die  Marienburgkann  wohl  nurwegen  ihres  zugleich 
kirchlichen  und  profanen,  militärifchen  Charakters  in 
Vergleich  gezogen  werden,  während  fie,  wie  Bock  zu- 
gibt, „fo  gewaltig  in  ihrem  Umfange,  fo  eigenthümlich 
in  ihrer  Form  und  Beftimmung  erfcheint,  dafs  eine  ins 
einzelne  gehende  Parallele  zwifchen  diefem  groß- 
artigen Burgkoloffe  und  der  in  einfacherem  Maßftabe 
angelegten  Kronvefte  Karlstein  fich  nur  gewaltfam 
durchfuhren  ließe".  Bernliard  Grueber  hat  feinen  Blick 
nach  einer  ganz  anderen  Seite  gerichtet.  „Dafs  dem 
Kaifer",  fagt  er  „Die  Kunft  des  Mittelalters  in  Böhmen" 
(Wien,  Gerold  1876),  S.  63,  „bei  der  Anlage  der  Karls- 
teiner Bauten  die  Erinnerung  an  die  im  Titurel  gefchil- 
derte  wunderbare  Burg  Montfalvage  vorfchwebte,  ift 
mehr  als  wahrfcheinlich  und  ergibt  fich  fowohl  aus  der 
künfllerifchen  Ausfiattung  der  Innenräume,  wie  aus 
den  Vorfchriften,  welche  die  Schloßwächter  erhalten 
haben". 

Wie  dem  auch  fei,  jedenfalls  fteht  Karls-Tein  als 
ein  bedeutendes  Glied  in  jener  Kette  mittelalterlicher 
Burgbauten  da,  die  heute  noch  als  romantifche  Zeugen 
einer  großen  thatkräftigen  Vergangenheit  in  unfere 
trockene  materielle  Gegenwart  hereinfchauen.  Es  ver- 
einigt nämlich  diefe  Kronvefte  für  den  Archäologen  in 
ihren  einzelnen  Beftandtheilen  nicht  nur  die  Blüte  der 
verfchiedenen,  durch  den  Kunflfinn  Karl  IV.  in  Böhmen 
gehobenen  Zweige  der  religiöfen  und  profanen  Kunft, 
fondern  in  diefer  Burg  mit  ihren  vielen  Capellen  und 
Oratorien  befand  fich  unter  der  Regierung  Karls  und 
feiner  unmittelbaren  Nachfolger  im  Reiche  jene  geweihte 
Stätte,  in  welcher  die  Vereinigung  mit  den  merk- 
würdigflen  Reliquien,  die  der  Orient  und  der  Occident 
reichlich  gefpendet,  auch  zeitweife  die  Kleinodien  des 
heiligen    römifch-dcutfchcn    Reiches    nebft   den  Kron- 

_'  BocJc,  Schloß  Krirlftein  in  nuhriicn;  iMitlhclIuiigcn  der  k.  k.  Cc-ntral- 
Commiffion  für  Baiidenkmalc  1862,  S.  69—78,  90—99.  mit  3  l'afeln  und  15  Tcxt- 
bildern.  Die  Schreibweife  K.irlftein  ift  unrichtig,  es  mnll  Karlstein,  Karis-Tein. 
Karlüv  Tyn  gefchrieben  werden.  Tyn,  tejn,  Tein  bedeutet  einen  für  gcwifTe 
Zwecke  eingefriedeten,  allenfalls  umwallten,  daher  auch  verfchanzten  Ort.  als 
deffen  erftes  Beifpiel  uns  der  uralte  Tein  in  Prag,  der  für  die  fremden  nach 
Böhmen  Handel  treibenden  Kaufleute  beftimmt  und  umfriedet  war,  erfcheint.  Der 
Beiname  tyn,  tein  findet  lieh  in  mehreren  böhmifchen  Ortsnamen,  zum  Beifpiel 
M()ltlau-Tein.  Elbe-Teinitz,  Bifchof-Tcinitz,  Teinitz  an  der  Sazawa,  Jungfern- 
Teinitz. 


fchätzen  Böhmens  und  den  wichtigften  ftaatsrechtlichen 
Urkunden  des  Königreiches  und  feiner  Kronländer  ein 
weihevolles  Unterkommen  gefunden  haben.' 

Das  mächtige  Bauwerk  hat  frühzeitig,  zum  Theile 
wohl  noch  unter  feinem  Schöpfer  felbft,  bedeutend  mehr 
unter  den  folgenden  Königen  bis  auf  Wladislaw  den 
Jagielloniden,  mancherlei  Aenderungen  und  Zufätze 
erfahren.  Dr.  J.  Erasmus  VVocel  hat  in  diefe  Mittheilungen 
1858,  S.  274  f.  ein  Refume  und  eine  Relation  vom  Jahre 
1597  veröffentlicht  „über  die  am  Schluße  des  i6.  Jahr- 
hunderts in  der  Burg  Karls-Tein  ausgeführten  Reflau- 
rations-Arbeiten".  Dabei  blieben  aber,  fo  lange  die 
Könige  Böhmens  im  Lande  weilten,  alfo  noch  unter 
den  Habsburgern  von  P'erdinand  I.  bis  Ferdinand  IL, 
nicht  bloß  der  Charakter  der  Kronvefte,  fondern  auch 
der  unfchätzbare  Werth  ihrer  inneren  Ausftattung  in 
ihrer  urfprünglichen  Reinheit  erhalten. 

Erft  feit  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  unter  den 
Wirren  und  Greueln  des  dreißigjährigen  Krieges,  be- 
gann ihre  Verwahrlofung  und  es  erblich  mit  dem 
Schwinden  ihrer  politifchen  Bedeutung  allmälig  der 
Glanz  und  die  alte  Herrlichkeit  der  heiligen  Burg 
Karl  IV.  Das  bedeutungsvolle  Amt  eines  Burggrafen  von 
Karls-Tein  fank  zu  einer  anfpruchslofenSinecur,  zu  einem 
bloßen  Schein  herab,  die  Obforge  für  den  baulichen 
Stand  der  ehemaligen  Kronvefte  fiel  den  ftaatlichen 
Bauorganen  anheim,  von  denen  fie  mit  der  Zeit  als  ein 
gewöhnliches  Objeft  der  k.  k.  Dicafterial-Gebäude- 
Adminiftration  verwaltet  und  behandelt  wurde.  Eine  am 
8.  Juli  1837  abgefafste  „inventarifche  Befchreibung 
der  fämmtlichen  Karls-Teiner  Burggebäude  und  darin 
befindlichen  Koftbarkeiten  und  Alterthümer"  etc.''' 
lieferte  ein  trauriges  Bild  des  Zuftandes,  in  welchen 
die  einft  prunkvoll,  von  Gold  und  Edelflein  ftrotzende 
Vefte  verfallen  war,  wenn  es  auch  anderfeits  ein  Zeugnis 
dafür  bietet,  dafs  denn  doch  die  pietätvolle  Erin- 
nerung an  den  einftigen  Ruhm  und  Glanz  derfelben, 
fowie  die  lobenswerthe  Befliffenheit  zu  erhalten,  was 
noch  vorhanden,  nicht  vollends  erlofchen  war.  Leider 
war  bei  den  Ausbefferungen,  die  fich  bald  an  diefem, 
bald  an  jenem  Theile  der  Gebäude  als  unauffchiebbar 
htrausftellten,  der  gute  Wille  nicht  mit  dem  nöthigen 
Kunftverfländnis  gepaart,  fo  dafs  diefe  Herltellungen 
im  Grunde  als  Verfchlimmbeffcrungcn  zu  bezeichnen 
waren. 

Im  Jahre  1854  fand  fich  ilas  Dach  und  der  VVerk- 
fatz  der  Marien-CoUegiat-Kii  che  in  folchem  Grade  bau- 
fällig, die  eingemauerten  Bundträme  waren  derart  in 
Fäulnis  gerathen,  dafs  das  ganze  Dach  neu  hergeflellt, 
für  eine  freie  Auflage  der  Bundträme  gcforgt  und  das 
umlaufende  Gefimfe  rellaurirt  werden  mußte.  Man 
wünfchte  und  glaubte  freilich,  dem  Ganzen  „die  alte 
Form  wiedergegeben"  zu  haben;*  allein  das  kunftver- 

'  Bork  a.  a.  O. 
-  Vgl.  unferen  Anhang  i. 

'  Bericht  der  k,  k.  LandcsBaudircdlion  vom  8.  OClobcr  1854,  vgl.  diefe 
Mittheilungen    1856,  S.  89, 


(Helft;!! 


—       2       — 


ftändige  Urtheil  lautete  anders.  Es  war  dies  das  erftemal, 
dafs  die  neu  errichtete  k.  k.  Central- CommilTion  für 
Raiidenkinale  Anlafs  hatte,  fich  mit  der  Burg  Karls-Tein 
zu  befchäftigen.  Wie  fie  aus  dem  amtlichen  Bericiitc 
erfehen  konnte,  waren  die  Herftellungsarbeiten,  die  den 
Zweck  hatten  „dem  drohenden  Verfalle  zu  begegnen", 
handwerksmäßig  nach  bureaukratifchem  Gebote  vor- 
genommen worden,  ohne  dem  Charakter  diefes  hoch- 
wichtigen Bauwerkes  und  der  Zeit,  in  der  es  entl^anden 
war,  bei  dem  bellen  Willen  das  tiefere  Verlländnis 
entgegen  zu  bringen. 


Im  Jahre  1862  irfchien  Bocks  mchrerwähntc  Ab- 
handlung und,  wie  es  fcheint,  inerfreulicherNachwirkung 
derfelben,  begann  fich  in  Prager  Kreifen  das  Intereffe  für 
eine  Herftellung  diefes  Kleinods  der  böhmifchen  Krone 
zu  regen.  Es  tauchte  zuerft  der  Plan  einer  Subfcription 
im  weiteflen  Umfange  auf  wie  eine  folche  für  die  Her- 
ftellung des  Prager  St.  Veits-Domes  durch  Domherrn 
Peffina  ins  Leben  gerufen  und  mit  großem  Eifer  durch 
Jahre  ins  Werk  gefetzt  war.  Der  General-Confervator 
(iir  Böhmei-!  Graf  Fraf  12  T/i II >i  (piach  lieh  mit  Recht 
gegen  diefes  Auskunftsmittel  aus,  das  er,  abgefehen, 
dafs  der  Erfolg  ein  unbeftimmter  und  unter  allen  Um- 
ftänden  für  einen  fo  weit  ausfehenden  Plan  kein  aus- 
reichender war,  Ichon  darum  für  unpaffend,  ja  unwürdig 
erklärte,  weil  es  fich  dabei  um  ein  Krongut,  um  ein  könig- 
liches Befitzthum  handelte.  Der  von  ebenfo  warmem 
Patriotismus  als  feinem  Kunftfnin  erfüllte  Graf  legte 
zugleich  „gegen  den  Fortgang  der  bisherigen  meift 
fehr  unglücklich  ausgefallenen  ftückweifen  Reftaurirung 
in  allen  Fallen,  wo  es  fich  nicht  lediglich  um  Befeiti- 
gung  gefahrdrohender  Baugebrechen  handelte-,  leb- 
hafte Verwahrung  ein. 

In  diefem  .Sinne  und  unbeftreitbar  auf  Thuns  An- 
regung richtete  der  königl.  böhmifche  Landesausfchuß 
am  2.  Mai  1863,  in  Anbetraciit,  dafs  es  ,,im  Lande  an 
Fonds  gebriciit,  um  die  Kollen  einer  durchgreifenden 
würdigen  Reftauration  diefes  ehrwürdigen  Baues  irgend- 
wie zu  decken",  an  des  Kunigs  Majeftät  die  Bitte, 
AUerhöchflderfelbe  geruhe  die  fchleunige  Inangriff- 
nahme einer  planmäßigen  Reftauration  anzubefehlen, 
und  glaubte  eine  Gewahrung  diefer  Bitte  umfo  ficherer 
erhoffen  zu  dürfen,  ..nachdem  Euere  kaiferl.  königl. 
Majeftät  durch  Einfetzung  einer  befonderen,  würdige 
Baudenkmale  überwachenden  Central-Commiffion  das 
Allerhöchfte  Intereffe  für  zweckmäßige  Erhaltung 
hiftorifcher  Denkmale  allcrgnädigft  zu  bethätigen  ge- 
ruhten". 

Als  in  diefer  Zeit  das  Projekt  der  Merfteilung 
eines  neuen  Hochaltarbildes  für  die  Marien-Kirche  auf- 
tauchte, holte  der  Präfident  der  Central-Commiffion 
das  Gutachten  ihres  Mitghedes,  des  Architekten  Pro- 
feffors  Fi-icdrich  Schmidt,  ein,  der  dasfelbe  am  27.  Juli 
erftattete.  Das  vorgelegte  Proje6t,'  hieß  es  darin,  erfülle 
„nicht  im  entfernteften  jene  Anfprüche,  die  mit  Recht 
an  einen  neuen  Altar  in  diefer  merkwürdigen  Burg  zu 
ftellen  find",  und  es  gehe  überhaupt  nicht  an,  einen 
Entwurf  zu  einem  Altarbild  auszuführen,  „wenn  der- 
felbe  nicht  im  Zufammenhange  mit  einem  Reftaurations- 

'  Es  fcheint,  dafs  das  gedachte  Projc^  damals  bereits  in  Ausführung 
begriffen  war.  und  dafs  es  derfclbc  Altar  war.  der  heute  in  einem  der  Burg- 
räume  abfeits  geftellt  ift,  weil  fich  für  ihn  in  der  ftylgcmaß  vollendeten  Reftau- 
ration  der  Burg  keine   paffende  Verwendung   finden   ließ. 


projeft  für  die  ganze  Burg  oder  mindeftens  für  die 
betreffende  Kirche  ausgearbeitet  wird". 

Im  Auguft  darauf  benützte  der  Pi  äfidcnt  der 
Central-Commiffion  einen  kurzen  Aufenthalt  in  Prag, 
um  in  Begleitung  des  k.  k.  Confervators  für  den  Prager 
Kreis,  Vysehrader  Domdechants  Adalbert  Ruff,  die 
Burg  Karls  Tein  in  allen  ihren  Theilen  in  Augenfchein 
zu  nehmen.  Das  Ergebnis  diefer  Befichtigung  war  vor 
idlem  die  Ueberzeugung,  dafs  das,  „was  namentlich  in 
den  letzten  Jahren  gcfchehen  ift,  unendlich  mehr  zu 
bedauern  ift,  als  das  was  unterlaffen  wurde".  Um  was 
es  fich  handle,  fei  im  Ganzen  und  Großen  eine  den 
weiteren  Verfall  der  \-erfchiedenen  Räumlichkeiten 
hint.inhaltcnde  folide  und  ft\-lgemäße  Bedachung.  Im 
Innern  feien  es  vorzüglich  vier  Räume,  auf  deren  Er- 
haltung und  Wahrung  das  Hauptaugenmerk  zu  richten 
wäre:  erftens  die  Marien-Collegiat-Kirche  mit  ihren 
zum  Theile  noch  erhaltenen  I-'resken;  zweitens  die 
Katharinen-Capelle;  drittens  die  an  den  Wänden  der 
in  den  hohen  Thurm  hinaufführenden  Treppe  fort- 
laufenden obwohl  fchon  fehr  verblafsten  Fresken  (zur 
einen  Seite  heil.  Ludmilla-,  zur  andern  St.  Wenzels- 
Legende);  viertens  die  Kreuz-Capelie  im  hohen  Tiiurm. 
Von  diefen  feien  zwei  und  vier  wahre  Kleinode,  Pracht- 
werke von  höchftem  kunfthiftorifchem  Werthe,  da  fie 
nicht  bloß  in  allgemeinen  Umriffen,  fondern  fall  in  der 
ganzen  inneren  Ausfchmückung  in  ihrer  urfprünglichen 
Geftalt  erhalten  feien,  allerdings  manches  lückenhaft 
oder  durch  den  Verderb  fchadhaft,  Gold,  Silber  und 
koftbares  Geftein  aus  Umrahmung  und  Bewandung 
\'ieles  abhanden  gekommen.  Die  Rahmenbilder  der 
Kreuz-Capelle  wiefen  vier  Lücken  auf:  es  waren  jene 
des  Mutina,  des  Theodorich  von  Prag  und  des 
Wurmfer,  die  vor  Jahren  der  Wiener  kaiferl.  Gemälde- 
(^alerie  einverleibt  wurden. 

Was  die  künftige  Beftimmung  eines  Baudenkmales 
von  fo  hervorragender,  ja  einziger  Bedeutung  betraf, 
fo  fprach  fich  der  Präfident  für  eine  diefem  hohen 
Werthe  entfprechende  und  würdige  aus,  und  lehnte 
eine  vom  nüchternen  Nützlichkeitsftandpunkte  in  An- 
regung gebrachte  Verwendung  als  Zwang.sarbeitshaus, 
als  Rettungsanflalt  für  verwahrloste  Kinder  u.  dgi. 
mit  alier  Entfchicdenheit  ab.'  In  einem  Dienftfchreiben 
an  den  k.  k.  Statthalter  Grafen  Richard  Belcrcdi  regte 
der  Präfident,  \on  der  Flrw  ägung  ausgehend,  dafs  „die 
hefte  l'",rhaltung  eines  Baudenkmales  deffen  Benützung" 
fei,  den  Gedanken  der  Unterbringung  des  k.  k.  Statt- 
halterei-Archives  an,  eines  überaus  reichhaltigen  und 
werthvollen  Archivs,  deffen  Aftenftücke  bislang  jedem 
Verderb  in  unbefchreiblich  ungünftigen,  kalten  und 
feuchten  Kellerräumliclikeiten  des  St.  Niclas-Gebnudes 
ausgefetzt  waren. 

Die  einmal  in  Fluß  gekommene  Idee  einer  voU- 
ftändigen  und  planmäßigen  Wiederherfteilung  des  be- 
deutendften  profanen  Baudenkmales  Böhmens  wurde 
nun  nicht  mehr  aus  den  Augen  gelaflen.  Um  dafür 
Gönner  und  Freunde  in  weiteften  Kreifen  zu  gewinnen, 
legte  der  Präfident  feinem  gelehrten  und  kunftverftän- 
digfen  Freunde  W.  A.  Avihros  den  Gedanken  eines 
eingehenden  Auffatzes  „Die  Burg  Karls-Tein  und  ihre 
Reftaurirung"  nahe  und  konnte  fich  bald  darauf  einer 
freundlichen  Zufage  freuen.* 

*  Diefe  Alittheilungen  der  k.  k.  Central-Commiffion   1865,  S.  41  f. 
2  Dienftfehreibcn  vnm  27.   November    und    Antwort    vom    30.    Dcccmbcr 
1863. 


-     3     — 


Im  Sommer  1864  befuchte  Oberbaurath  Schmidt 
mit  feinen  Schülern  die  Burg.  Seine  Untcrfuciiung  be- 
il:atigtc  in  allen  Theilen  die  vom  Präüdenten  im  Jahre 
zuvor  gemachten  Wahrnehmungen,  vor  allem  die,  dafs 
lieh  das  Bauwerk  in  einem  theilweife  hochlT:  verwahr- 
losten Zuflande  befinde.  Was  das  Projecl  zum  Baue 
neuer  Dächer  betreffe,  fo  erklärte  Schmidt,  ohne  ein- 
gehendes Studium  im  Detail  es  nicht  beurtheilen  zu 
können  ;  „Hei  einer  Burg,  deren  äußere  UmrilTe  fich  fcharf 
gegen  den  blauen  Himmel  abgr;inzen,  ifi;  die  Form  der 
Dächer  von  der  größten  Bedeutung."  Diefe  an  fich  ein- 
fache Arbeit  könne  doch  nur  auf  Grund  eines  reiflich 
durchdachten  architcktonifchen  Entwurfes  ausgeführt 
werden.  Das  Hauptaugenmerk  fei  der  rein  künltleri- 
fchen  Aufnahme  eines  in  ihrer  jetzigen  Geftalt  aus  fehr 
verfchiedenen  Stylperioden  zufammengefetzten  Bau- 
werkes zuzuwenden.  Ohne  kritifche  Unterfuchung  aller 
vorhandenen  Bautheile,  betonte  Schmidt  in  einem  an 
den  Priifidenten  der  Central  Commiffion  am  i.  De- 
cember  gerichteten  Gutachten,  dürfe  an  eine  Keliau- 
ratioii  nicht  gefchritten  werden;  „in  keinem  Falle  und 
unter  keiner  Bedingung  foUte  an  diefer  herrlichen  Burg 
fernerhin  etwas  unternommen  werden  ohne  einen  voll- 
k'ommenen  Bauplan." 

Am  6.  Februar  richtete  der  Präfident  der  Central- 
Commiffion  ein  Dienftfchreiben  an  den  Staatsminifter 
Ritter  von  Schmerling.  An  die  Erwägung,  „dafs  es 
mit  theilweifen  und  vereinzelten  Ausbefferungen 
und  Herftellungen  an  diefem  altberühmten  Baudenk- 
male nicht  abgethan  fein  könne,  dafs  es  vielmehr 
darauf  ankomme,  das  Reftaurationswerk  als  Ganzes 
aufzufallen  und  demfelben  einen  zufammenhängenden 
Plan  zugrunde  zu  legen,  dafs  daher  vor  allem  eine  fach- 
gemäße Aufnahme  der  Burg  in  allen  ihren  Theilen  ein- 
geleitet werden  müße",  mußte  der  Präfident  den  Aus- 
druck des  Bedauerns  knüpfen,  dafs  die  Ausführung 
über  den  Zweifel  ins  Stocken  gerathen  fei,  wer  eigent- 
lich berufen  fei,  die  Sache  in  Angriff  zu  nehmen  und 
die  Koften  zu  tragen.  Der  böhmifche  Landesausfchuß, 
anfangs  gewillt,  mit  einer  ausgiebigen  Geldanweifung 
aus  Landesmitteln  diefen  Zweck  zu  fördern,  habe  nach 
Prüfung  der  Befitzverhältniffe  der  Burg  als  notorifchen 
Eigenthums  des  durchlauchtigften  Herrfcherhaufes  von 
feinem  Vorhaben  zurückgehen  zu  müßen  geglaubt.  Allein 
wenn  auch  Eigcnth'.im  des  Allerhöchften  Hofes,  meinte 
der  Präfident,  „fo  ift  die  Burg  dies  doch  nur  durch  Ver- 
mittlung der  böhmifchen  Krone,  in  welcher  Eigen 
fchaft  fic  von  dem  damaligen  Beherrfcher  des  Landes 
Karl  IV.  ihr  Dafein  und  ihre  Widmung  erhielt,  daher 
das  Königreich  Böhmen,  be/.iehungsweife  der  Landtag 
zunächft  berufen  erfcheine,  an  der  Erhaltung  der  Burg 
ein  Intereffe  zu  nehmen  und  diefes  Intereffe  durch 
IJereitflellung  der  dazu  nöthigen  Mittel  zu  bethätigen". 

Die  Verwendung  des  Präfidenten  der  Central-Com- 
miffion  hatte  fürs  erfte  keinen  Erfolg.  Im  Einvernehmen 
mit  dem  Finanzminifler  Herrn  Ignaz  von  Plencr  er- 
klärte Schmerling  dem  Statthalter  von  Böhmen,  dafs 
„die  bedrängte  Lage  der  Reichsfinanzen"  es  nicht  ge- 
i1:attet,  für  Staatsbauten  in  Böhmen  einen  größeren 
Betrag  als  für  die  Vornahme  der  unab weislich  iioth 
wendigen  Reparaturen  aufzuwenden"  (21.  Mai  1865, 
Z.  18 193/1567),  ein  Ausfpruch,  der  dem  Grafen  Thun 
die  Klage  ausprefste,  dafs  die  Ccntralftaat.sbehörde 
fortfahre,  die   „Burg   Karls-Tein    etwa   nur    als   in   die 


Kategorie     der    Dicafterialgebäude     fallend     zu     be- 
trachten". 

Mittlerweile  war  die  Abhandlung  Ambras'  „Die 
Burg  Karls-Tein  und  ihre  Reftaurirung"  in  diefen  „Mit- 
theilungen" (1865,  S.  41—56)  erfchienen,  und  der 
Präfident  der  Central-Commiffion  beeilte  fich,  Sonder- 
abzüge davon  an  alle  Mitglieder  des  böhmifchen  Land- 
tages und  Landesausfchußes  vertheilen  zu  laffen.  Da- 
durch wurde  die  Aufmerkfamkeit  der  berufenen  Kreife 
mit  verftärktem  Nachdruck  auf  diefe  Angelegenheit 
gelenkt,  und  die  nächfte  Folge  war  ein  Antrag  des 
Landesausfchußes:  „Der  Landtag  möge  ihn  ermäch- 
tigen, im  Einvernehmen  mit  der  Krone  den  Plan  zur 
llylgemäßen  Herftellung  der  Burg  Karls-Tein  als 
Monument  zu  vereinbaren"  und  hievon  die  Statt- 
halterei  mit  dem  Wunfche  in  Kenntnis  zu  fetzen,  dafs 
fie  Reparaturen  an  der  Burg  „nur  fo  weit  vornehmen 
laffe,  als  fie  zur  Erhaltung  geradezu  unvermeidlich  feien, 
der  ftylgemäßen  fpäteren  Reftaurirung  aber  nicht  im 
Wege  ftehen  oder  vorgreifen"  (Juli  1865).  Am  28.  No- 
vember darauf  befchloß  der  Landtag,  die  Uebernahme 
eines  Theiles  der  Koften  in  einem  Majeftätsgefuche 
anzubieten,  fürs  erfte  einen  Betrag  von  2000  fl.  für 
diefen  Zweck  in  das  Jahresbudget  einzuftellen. 

Die  Angelegenheit  fehlen  nunmehr  einen  rafchen 
Auffchwung  nehmen  zu  wollen.  Auf  die  Bitte  des 
Landtages,  Se.  Majeftät  geruhe  die  Abfaffung  eines 
einheitlichen  Reftaurationsplanes  und  fodann  feine 
Ausführung  anzuordnen  (25.  Januar  1866),  erfolgte  der 
kaiferliche  Befehl  an  den  Staatsminifter  Grafen  Bel- 
credi,  die  erforderliche  Einleitung  zu  treffen  (18.  März), 
eine  Kundgebung,  die  vom  Landtage  mit  begeifterten 
Bravo-  und  Slava-Rufen  aufgenommen  wurde.  Auf  eine 
Anfrage  des  Staatsminifters  an  den  Präfidenten  der 
Central-Commiffion  wegen  Namhaftmachung  eines 
l-'achmannes  für  die  Verfaffung  des  Reftaurations-Pro- 
jectes  (21.  März)  konnte  diefer  auf  den  Oberbaurath 
Profeffor  Friedrich  Schmidt  hinweifen,  der  feinerfeits 
feinen  mit  den  erforderlichen  Kenntniffen  ausgerüfteten 
und  fein  unbedingtes  Vertrauen  genießenden  Gehilfen 
Architekten  Jofepli  Mocker  als  jenen  bezeichnete,  der 
unter  feiner,  Schmidts,  fteter  leitenden  und  prüfenden 
Ueberwachung  die  fachmännifche  Aufnahme  der  Burg 
als  erften  Schritt  zu  einer  Herftellung  derfelben  vor- 
nehmen werde. 

Im  Lande  felbft  war  es  Graf  Franz  Thtm,  der  feit 
Jahren  mit  innigem  Intereffe  das  Reftaurationswerk 
verfolgte  und  in  feiner  Eigenfchaft  als  k.  k.  Confer- 
vator,  als  Referent  im  Landesausfchuße,  als  Ausfchuß- 
mitglied  der  Gefellfchaft  patriotifcher  Kunfifreunde 
und  des  böhmifchen  Mufeums  die  volle  Eignung  befafi, 
mit  Rath  und  That  einzugreifen.  In  einem  Berichte 
vom  21.  Juni  fchilderte  er  die  arge,  ja  gefahrdrohende 
Verwahrlofung  des  in  feiner  Art  unvergleichlichen 
Kunftdenkmales:  die  Bedachung  fei  an  vielen  Stellen 
bereits  fo  fchadhaft  geworden,  dafs  das  Regen- 
walfer  fogar  fchon  durch  den  Plafond  der  herrlichen 
Kreuz-Capelle,  „diefes  noch  am  bcften,  ziemlich  in 
leinem  urfprünglichen  Beftande  erhaltenen  Juwels 
architektonifchen  Ausfchmucks,  einrinne,  fo  zwar,  dafs 
\'on  Zeit  zu  Zeit  einzelne  der  den  Plafontl  fchmücken- 
den,  innerlich  vergoldeten  Glasfterne  herabfallen,  ein 
Uebelftand,  deffen  fchleunige  Abhilfe  dringend  ge- 
boten ift,  wenn  die  Capelle  nicht  in  kurzem  wefentlich 


—     4     — 


leiden  foll".  Um  die  Mitte  Auguft  beauftragte,  im  Sinne 
einer  vom  Staatsminifter  unmittelbar  erhaltenen 
Weifung,  der  Statthalter  das  Smichover  Bexirks-Bau- 
amt  mit  der  Abhaltung  einer  Localcommiffion  zur 
Unterfuchung  der  angezeigten  Gebrechen  und  Bezeich- 
nung der  unabweisbaren  Herftellungpn;  Thun  verlangte 
mit  Recht,  dafs  fchon  jetzt  Architekt  iJ/öC/tvr  eingreifen 
foUe,  weil  er  mit  der  künftigen  flylgemäßen  Reftau- 
rirung  des  ganzen  Gcbäudecomplexes  in  Zufammen- 
hang  liehe. 

Auf  die  Einladung  des  Präfidenten  der  Central- 
Commiffion  wegen  unverzüglicher  Inangriffnahme  der 
fachmännifchen  Aufnahme  —  die  Bedrängniffe  des 
unglücklichen  Feldzuges  von  1866  hatten  eine  begreif- 
liche Stockung  herbeigeführt  —  entfendete  Schmidt 
die  y\rchitekten  Mocker,  Ludwig  Wächtler  und  Frans 
Jobfl,  zugleich  Maler,  nach  Karls  Tein,  in  der  erften 
Hälfte  September  gingen  fie  an  die  Arbeit  und  been- 
deten fie  nach  eingehendem  Studium,  für  das  ihnen 
einige  vom  Landtagsausfchuße  zur  Verfügung  gcftellte 
Vorbehelfe  zuflatten  kamen,'  mit  aufopferndem  und 
andauerndem  Fleiße,  den  Graf  Thunhii'i  wiederholtem 
Befuche  der  Burg  zu  be'vundern  Gelegenheit  hatte, 
bis  anfangs  December. 

Die  Aufnahmen  befchränkten  fich  nicht  bloß  auf 
die  architektonifchen  Verhaltniffe  und  Details  und 
auf  conftru6live  Einzelheiten,  wie  Dachllühle  u.  dgl., 
fondern  fafsten  auch  die  in  den  \'erfchiedenen  Theilen 
des  weitläufigen  Baues  noch  vorhandenen  Ueberbleibfel 
der  Ornamentik,  der  Wandverzierungen,  der  Fresco- 
und  Tafelgemälde,  der  Thürbefchläge  und  fonftigen 
Kunftfchlofferarbeiten  u.  f.  w.  ins  Auge.  Die  Ergebniffe 
diefer  mühevollen  und  gewiffenhaften  Arbeit  waren  auf 
nicht  weniger  als  160  mit  größter  Raumerfparnis  be- 
nützten Folioblättern  niedergelegt,  wozu  noch  etwa 
fechs  bis  lieben  größere  und  künftlerifch  ausgeführte 
Blätter  kamen.  Die  Burg  war  im  Ganzen  und  in  allen 
ihren  Theilen  und  Eigenheiten  mit  einer  folchen  Ge- 
nauigkeit vermeffen  und  verzeichnet,  dafs,  wie  Schmidt 
feinen  Getreuen  das  Zeugnis  gab,  „wenn  fie  durch 
irgend  einen  Zufall  zugrunde  ginge,  fie  auf  Grundlage 
diefer  Arbeit  vollfländig  in  ihrem  gegenwärtigen  Zu- 
rtande  wieder  liergeftellt  werden  könnte".  Die  Koften 
diefer  Aufnahme  hatte  der  Oberbaurath,  der  die  ihm 
geftellte  Aufgabe  von  allem  Anfang  nicht  als  eine 
Quelle  feines  Erwerbe.'^,  fondern  mehr  als  eine  künft- 
lerifche  Ehrenfache  auffafste,  vorfchußweife  aus  eigenem 
beflritten,  bis  fie  ihm  nun  aus  dem  vom  Landtage  bud- 
getirten  Betrage  dankend  erfetzt  wurden. 

Im  Sommer  1868  ordnete  die  Statthalterei  ihrer- 
feits  eine  commiffionelle  Unterfuchung  der  Burg  zu 
dem  Zwecke  an,  um  zu  conftatiren,  was  aus  Erhaltungs- 
rückfichten ohne  Auffchnb  in  Angriff  zu  nehmen 
wäre,  dabei  aber  zugleich  tlie  in  der  Burg  vor- 
handenen beweglichen,  fowie  die  niet-  und  nagelfeften 
Gegenflände  von  Kunfl-  oder  archäologifchem  Werthe 
inventarifch  aufzunehmen.  Die  Commiffion  fand  am  20. 
und  21.  Auguft  unter  Leitung  des  Statthaltereirathes 
Eduard  Pstroß  ftatt;  Mitglieder  der  Commiffion  waren 
der  k.  k.  Ober-Ingcnicur  Einanuel  Haller,  der  akade- 
mifche  Maler  Friedrich  Wachsmann  und  der  fach- 
verftändige  und  beeidete  Schätzmeifter  für  das  Ge- 
werbefach Mathias  Nagelhols;  beigezogen   waren   die 

*  Siehe  Anhang  z. 


Confervatoren  Graf  Thun  und  Propft  Ruff,  als  Inter- 
elTenten  der  Güter-Infpe(5lor  des  Hradfchiner  Damen- 
fliftes,  der  Ortspfarrer,  der  Karls- Feiner  Gutsverwalter 
und  der  Burgwächter.  Wachsinann  und  NagclJioh  ge- 
lobten mit  Handfchlag,  dafs  fie  ihre  Sachverlländigen- 
Gutachten  mit  beftem  Wiffen  und  Gewiffen  abgeben 
wollten;  von  einer  Werthbeftimmung  der  Bilder  und 
Wandmalereien,  Edel-  und  Halbedelfteine  wurde  ab- 
gefehen,  weil  beide  Sachverftändigen  erklärten,  dafs 
j.die  Mehrzahl  diefer  Gegenftände  mit  Rückficht  auf  den 
Zweck  und  auf  den  Ort  ihrer  Aufbewahrung  von  un- 
fchätzbarem  Werthe  ift,  daher  fich  nur  ein  pretium  affec- 
tionis  ausfprechen  ließe,  das  nach  Zeit  und  Umlländen 
wandelbar  iH:".  Es  wurde  nunmehr  Gebäude  für  Gebäude, 
Zimmer  für  Zinnner,  Raum  für  Raum  abgegangen  und 
auf  das  genauefte  mit  allen  darin  befindlichen  beweg- 
lichen und  unbeweglichen  Werthgegenftänden  inven- 
tarifirt,  alles  in  prüfendem  Gegenhalte  des  Inventares 
von  1840,  wobei  mancher  Abgang  oder  Werth- 
verminderung,  doch  anderfeits  einzelne  Mchrftücke  zu 
verzeichnen  waren.  Ueber  den  Gemäldebefund  gaben 
nicht  bloß  der  Maler  Wachsinann,  fondern  auch  Graf 
Thun  ihr  Gutachten  ab.'  Als  dringend,  ja  unauffchieb- 
bar  wurde  in  baulicher  Hinficht  bezeichnet  die  fo- 
gleiche  Verkittung  der  Stoßfugen  der  Dachrinnen  des 
großen  Thurmes,  als  wünfchenswerth  in  künftlerifcher 
Richtung  die  Reftaurirung  der  Bilder  des  Mutina  und 
des  Theodorich  von  Prag  in  der  Kreuz-Capelle;  die 
Wandmalereien  des  Stiegenhaufes  wären  zu  belaffen, 
bis  die  am  Hauptthurme  nothwendigen  baulichen  Her- 
ftellungen  durchgeführt  wären. 

In  einem  am  14.  Februar  1869  an  den  Präfidenten 
der  Central-Commiffion  erftatteten  Gutachten  erklärte 
Oberbaurath  Schmidt  die  von  der  Commiffion  in  bau- 
licher Hinficht  gehegten  Beforgniffe  für  nicht  fo  be- 
gründet: „Die  Maucrmaffen  des  großen  Thurmes 
find  von  fo  koloffalen  Dimenfionen,  dafs  die  vorfindigen 
Riffe  Jahrhunderte  läng  aushalten  und  daher  ohne  alles 
Bedenken  für  die  Exiftenz  des  Bauwerkes  einftweilen 
belaffen  werden  können."  Betreffend  die  beweglichen 
Gegenftände  wies  Schmidt  auf  die  werthvollen  Truhen 
aus  Ahornholz  mit  den  fchönen  Befchlägen  in  der 
Kreuz-Capelle  hin,  die  Stück  für  Stück  genau  nach  dem 
Original  neu  angefertigt  und  fodann  mit  den  Original- 
Befchliigen  zu  verfehen  wären,  was  übrigens  bis  nach 
der  baulichen  Herftellung  zu  verfchieben  wäre.  Was 
diefe  letzteren  betraf,  fo  lautete  Schmidts  Gutachten 
wörtlich  wie  folgt:  „Wäre  die  Burg  in  ihrer  urfprüng- 
liehen  Gefammtanlage,  wenn  auch  ruinenhaft,  erhalten, 
fo  (teilte  fich  die  Aufgabe  als  eine  fehr  einfache  dar, 
indem  der  Architekt,  unbekümmert  um  eine  fpätere 
Verwendung  derfelben,  lediglich  die  fchadhaften  Thcile 
zu  erneuern  und  das  Fehlende  zu  ergänzen  hätte. 

..Nun  iü:  aber  die  Burg  ein  Comple.K  von  Ge 
bäuden,  welche  im  Laufe  von  drei  Jahrhunderten  nach 
und  nach  entftanden  find,  die  in  künftlerifcher  Beziehung 
unter  fich  außer  allem  Zufammenhange  ftehen  und  auch 
relativ  von  fo  verfchiedenem  Kunftwerthc  find,  dafs, 
während  einige  Theile  würdig  erfcheinen,  mit  allen 
Mitteln  der  Kunft  wieder  hergeftellt  zu  werden,  andere 
Theile  dagegen  geradezu  vollkommen  befeitigt  werden 
müßen,  um  nicht  das  äfthetifche  Gefühl  jedes  Be- 
fchauers  fortwährend  zu  verletzen. 

*  Siehe  Anhang  3. 


-     5 


„Unter  folcheii  Umftändeii  kann  es  nur  zwei  Wege 
der  Reftauration  geben:  entweder  muß  fich  die  Reftau- 
ration  darauf  befchränken,  die  in  künftlerifclier  Be- 
ziehung werthvoUen  Innenräume  aus  der  Zeit  Kaifer 
Karl  IV.  in  der  alten  Pracht  wieder  herzuftellen  und 
die  übrigen  Theiie  der  Burg  in  einem  leidlichen  Bau- 
zuftande  zu  erhalten,  oder  es  muß  zugleich  eine  allge- 
meine Umgeftaltung  der  Burg  erfolgen,  wenn  die 
werthvoUeren  Theiie  derfelben  neuerdings  auf  Jahr- 
hunderte hinaus  vor  dem  Verderben  bewahrt  werden 
foUen. 

„Letzterer  Vorgang  ift  allerdings  der  richtige,  aber 
es  gehört  hiezu  unbedingt  ein  gewiffes  Programm,  da 
der  Architekt  unmöglich  ohne  ein  folches  Räume 
fchaffen  und  deren  Ausftattung  durchführen  kann,  ohne 
den  Zweck  und  die  etwaige  Beftimmung  diefer  Räume 
zu  kennen. 

„An  diefer  Schwierigkeit  find  bis  jetzt  alle  Ver- 
fuche,  ein  allgemeines  Reftaurationsprojeft  zu  verfaffen 
gefcheitert.  Die  Herftellung  des  Hauptthurmes  fowohl 
im  Aeußern  als  im  Innern,  ebenfo  die  Herftellung  der 
übrigen  Capellen  ift  eine  künftlerifch  zwar  fehr  fchwie- 
rige,  im  Principe  aber  fehr  einfache  Frage;  nicht 
minder  erfcheint  es  unzweifelhaft,  dafs  die  einftigen 
Wolm-  und  Prunkgemächer  Kaifer  Karl  IV.  wieder 
als  fürflliche  Gemächer  einzurichten  find,  um  dem 
erlauchten  Nachfolger  diefes  Kaifers  die  Möglichkeit 
eines  Aufenthaltes  auf  der  Burg  zu  verichaffen,  auch 
wäre  die  ideale  Herftellung  diefer  Räume  fchon  in 
archaologifcher  Hinficht  vollkommen  gerechtfertigt. 

„In  gleicher  Weife  wird  die  Herftellung  der  Woh- 
nung des  Burggrafen,  deren  Erbauungszeit  in  eine 
etwas  fpätere  Epoche  des  Mittelalters  fallt,  voll- 
kommen gerechtfertigt  erfcheinen. 

„Es  entfteht  fomit  nur  die  Frage,  was  foil  mit  den 
vielen  anderen  Räumen  der  Burg  gefchehen?  Sollen 
fammtliche  Räume  darauf  eingerichtet  werden,  um 
auch  in  der  einfachften  Ausftattung  zur  Aufnahme  des 
königlichen  Gefolges  dienen  zu  können,  fo  dafs  das 
Gebäude  den  ausfchließlichen  Charakter  einer  König- 
lichen Burg  erhielte,  oder  follen  diefe  Nebenräume 
einem  anderen  Zwecke,  etwa  als  Archiv,  Landes- 
mufeum  etc.  dienen?  In  diefer  Beziehung  dürfte  es  nicht 
unpaffend  erfcheinen,  einen  Blick  auf  die  vielen  ähn- 
lichen Reftaurationen  zu  werfen,  welche  in  den  letzten 
Decennien  in  Europa  durchgeführt  wurden. 

„Des  mächtigen  Infelvolkes  der  Engländer  gar 
nicht  zu  erwähnen,  wo  die  Burgen  der  Vorzeit  zu 
Hunderten  in  ihrer  alten  Pracht  wieder  entftanden 
find,  fei  hier  nur  erwähnt  die  Burg  Stolzenfels  am 
Rhein,  die  Wartburg,  die  Burg  Hohenzollern,  das 
Schloß  in  Meißen,  das  Schloß  Pierrefonds  in  Frank^ 
reich  und  zum  Schluße  die  Burg  Vajda-Hunyad  in 
Siebenbürgen.  Diefe  fämmtlichen  hiftorifch  denk- 
würdigen Burgen  wurden  und  werden  noch  reftaurirt 
in  dem  vollen  Sinne  als  königliche  Biu-gen,  in  welchen 
zugleich  werthvolle  Sammlungen,  Archive  etc.  unter- 
gebracht wurden,  fo  dafs  diefelben  der  Ehre  des 
Lantlcs,  fowie  der  Kunll  untl  Wiffenfchaft  gleichmJißig 
dienen." 

Es  war  das  Minifterium  Fürß  Carlos  Aiierspcrg, 
in  welchem  Dr.  Giskra  das  Portefeuille  des  Innern  in)ie- 
hatte.  Auf  ein  vom  Prafidenten  der  Central-Comnüffion 


an  diefen  gerichtetes  Dienftfchreiben  wies  Giskra  in 
feiner  vom  9.  März  datirten  Erwiderung  auf  das  „Ge- 
bieterifche  der  Finanzlage"  hin,  in  welchem  für  ein  fo 
weit  gehendes  Proje6l,  das  fo  außerordentliche  Summen 
in  Anfpruch  nähme,  weder  der  Finanzminifter  noch  der 
böhmifche  Landtag  zu  gewinnen  fein  werde;  man  müße 
fich  daher  auf  folgende  Aufgaben  befchränken:  die 
Burg  Karls -Tein  vor  dem  Verfalle  zu  fiebern;  die 
Schäden  an  dem  Baue  und  an  den  Kunftwerken,  die  fie 
birgt,  zu  befeitigen  und  die  nöthigen  Herftellungen  im 
Einklänge  mit  dem  früheren  kunflgemäßen  Beftande 
zu  bewirken.  Oberbaurath  Schmidt  zeigte  fich  über 
diefen  Befcheid  nichts  weniger  als  betroffen.  „Mit  den 
Andeutungen  des  Miniflers",  erklärte  er  dem  Präfi- 
denten der  Central-Commiffion,  „ift  fchon  an  und  für 
fich  ein  Bauprogramm  ausgefprochen  und  läfst  fich  auf 
Grund  desfelben  ein  Reftaurationsplan  mit  einem 
wenigfi:ens  in  der  Hauptfumme  verläfslichen  Vor- 
anfchlage  ausarbeiten",  und  fomit  hoffe  er,  es  dahin  zu 
bringen,  dafs  „der  Burg  in  ihrer  äußeren  Erfcheinung 
eine  richtige  Geftalt  verliehen  und  fo  gleichfam  die 
noch  vorhandenen  Perlen  der  Kunft  in  einen  würdigen 
Rahmen  gefafst  werden." 

Bevor  Schmidt  an  die  Ausarbeitung  feines 
Reftaurationsprojeftes  fchritt,  hielt  er  es  in  der  erften 
Hälfte  April  für  unerläfslich,  die  Burg  noch  einmal 
gewiffenhaft  in  Augenfchein  zu  nehmen.  Er  machte 
dabei  eine  für  ihren  ferneren  Beftand  in  hohem  Grade 
bedenkliche  Entdeckung.  Aus  feinereingehendenUnter- 
fuchung  ging  nämlich  hervor,  dafs  der  große  Rifs  an 
dem  höchftgelegenen  Hauptthurme  feinen  Urfprung  in 
nichts  geringerem  habe,  als  in  einer  im  Laufe  der 
Zeit  durch  eindringende  Feuchtigkeit  entftandenen 
Lockerung  des  Steingefüges  des  Fehens,  auf  welchem 
die  Burg  erbaut  ift,  eine  Lockerung,  die  mit  der  Zeit  in 
eine  voUftändige  Auseinanderblätterung  der  einzelnen 
fenkrechten  Schichten  des  Felfens  überzugehen  und 
folgerichtig  die  auf  ihm  laftenden  Bautheile  mit  lieh 
fortzureißen  drohe,  wenn  nicht  mit  allen  Mitteln  \-or- 
gebeugt  werde.  Diefe  Vorkehrung,  über  deren  Art  und 
Weife  er  fich  eingehend  ausfprach,  fei  demnach  das 
erfte  und  dringendfte,  bevor  an  eine  Reftauration  des 
Bauwerkes  gefchritten  werden  könne.' 

Am  4.  Februar  1870  war  Freiherr  von  Schmidt 
in  der  Lage,  der  Central-Commiffion  den  von  ihm  aus- 
gearbeiteten Entwurf  einer  voUftandigcn  und  durch- 
greifenden Wiederherftellung  der  Burg  Karls-Tein  vor- 
zulegen. 

Die  zu  dem  Entwürfe  gehörigen  Pläne  wurden  im 
Mai  darauf  in  Prag  zur  öffentlichen  Befichtigung  ge- 
bracht und  erfreuten  fich  ungetheiltcr  Aufmerkfamkeit 
und  Billigung,  der  eine  für  diefen  Zweck  zufammen- 
gefetzte  Commiffion  von  Sachverftändigen,  darunter 
Ambras,  Wocel,  der  Confervator  Beiiefch,  einhelligen 
Ausdruck  gaben.  Im  Hcrbft  darauflegte  Baron  Schmidt 
fein  vüUftändiges  Elaborat  —  ein  Portefeuille  mit  eiif 
Blattern  Aufnahme  und  heben  Blättern  Entwurf,  einem 
ausführlichen  Erläuterungsbericht  und  einem  Koften- 
übcrfchlag  —  der  Central-Commiffion  \or,  das  für's 
erfte  an  den  Miniller  des  Innern,  damals  Grafen  Taaffe. 
geleitet  und  im  Februar  1871  dem  böhmifcheu  Land- 
tage zur  Schlußfaffung  unterbreitet  wurde. 

'  siehe  Anhang  5. 


6     — 


Die  von  Schmidt  als  unausweiclilicli  bezeichneten, 
die  felfige  Grundlage  der  Burg  betreffenden  Schutz- 
bauten  und  Erhaltungsvorkehrungen  waren  bereits  in 
Angriff  genommen  und  auch  für  eine  getreue  Aufnahme 
der  koftbaren  Wandmalereien  war  geforgt;  '  allein  es 
foUte  aus  der  „filberfchäumigen"'  Beraun  noch  viel 
Waffer  in  die  Moldau  fließen,  ehe  das  großartige 
Reftaurationsprojeft  in  Ausführung  kommen  follte.  Das 
Proje(5l  wurde  am  i8.  Oflober  1874  vom  böhmifchen 
Landtage  grundfatzlich  angenommen  und  der  Wunfeh 
einer  ziffernmäßig  beftimmten  Beitragsleiftung  aus 
Staatsmitteln  ausgefprochen.  Allein  nun  gab  es  Ein- 
rtreuungen  und  Hinhaltungen  in  Fülle.  Es  wurden  Er- 
hebungen über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Ange- 
legenheiten gefordert,  eine  Ueberprüfung  des  Sckinidt- 
fchcn  Rertaurationsprojefles  angeregt,  ein  neuer  Vor- 
anfchlag  mit  Rückficht  auf  die  feit  1874  geänderten 
Lohnverhältniffe  beantragt.  Müde  diefer  kleinlichen 
Nergeleien,  denen  nur  die  Abficht  zugrunde  lag,  die 
.Angelegenheit  zu  \'erfchleppen,  bereitete  der  böhmifche 
Landesausfchuß  eine  energifche  Einfprache  vor,  für  die 
er  auf  die  kräftige  Unterltützung  der  Central  Com- 
miffion  zählen  konnte.  Am  9.  Januar  1886  erklärte  fich 
der  Landtag  bereit,  150.OOO  fl.,  zahlbar  in  zehn  Jahres- 
raten zu  15.000  fl.  unter  der  Bedingung  in  fein  Budget 
aufzunehmen,  dafs  „der  Ueberreft  der  Reftaurations- 
koften  in  mindeftens  gleichem  Betrage  aus  Staats- 
mitteln übernommen  und  dem  Landesausfchuße  eine 
entfprechende  Ingerenz  bei  der  Durchführung  der  Re- 
llauralion  gewahrt  bleibe". 

So  konnte  denn  endlich,  nachdem  nach  mehr  als 
zwölfjährigen  Bemühungen  die  erbetene  Theilnahme  der 
Staatsverwaltung  an  den  auf  300.000  fl.  o.  W.  veran- 
fchlagten  Koften  unter  dem  energifchen  I'inanzminifter 
Dunajcivski  befchloffen  war,  im  Jahre  1887  an  die 
Ausführung  des  Schmidt'fchen  Herflellungsplanes 
gefchritten  werden.  Im  Schöße  der  Central-Commiffion 
fetzte  diefe  der  gefeierte  Oberbaurath  zeitweife  in 
Kenntnis  über  den  Fortgang  der  Reftaurationsarbeiten, 
befonders  wenn  fich  neue,  den  früheren  Beftand  der 
Burg  betreffende  Entdeckungen  ergaben.  So  Hießen  die 
Nachforfchungen  Mockers  nach  Reften  der  urfprüng- 
lichen  Plafonds  auf  ein  Stück  Balken  nebft  zwei  gefalzten 
]5rettern,  die  zunachft  der  Marien-Kirche  eingemauert 
waren  und  unverkennbar  zu  ihr  gehörten;  fie  zeigten 
blauen  Grund,  darauf  als  Knieflücke  Engel  in  weißen 
Gewiuidern  mit  farbigen  Flügeln.^  Bald  darauf  erkannte 
Schmidt  Refte  von  Eingangsthüren  an  der  Außenwand 
des  hohen  Thurmes  und  der  gegenüberliegenden  Mauer 
der  Marien-Kirche,  die  den  ehemaligen  Beftand  einer 
Verbindungsbrücke  zwifchen  diefen  beiden  Baulich- 
keiten außer  Zweifel  fetzten,  und  noch  im  felben  Jahre 
1888  das  einftige  Vorhandenfein  fogenannter  Hürden, 
eines  oberen  Stockwerkes  aus  Latten,  über  der  Marien- 
Kirche  und  dem  hohen  Thurme;  fie  erwiefen  fich  als 
fpäterer  Anbau,  aber  noch  aus  karolinifcher  oder  nächft- 
karolinifcher  Zeit  und  follen  die  Beftiinmung  als  Frauen- 

'  Dicfclben  waren  von  dem  penlionirtcn  Obcrgcrichts-Offitial  Anton 
iViJ'chek  ausgeführt  worden,  der.  durch  feine  kümmerlichen  VerhältnifTc 
gedrangt,  einen  Kaufantrag  aus  Rufsland  anzunehmen  in  die  Lage  kam.  Auf 
die  Nachricht  hicvon  wendete  fich  die  Central. Commiffion  an  den  bühmifclicn 
Landesausfchuß,  dem  fie  es  als  einen  ..Ehrenpunkt"  vori^ellte.  „ein  fo  unerfet/- 
lichcs  Document  nicht  aus  dem  Lande  gehen  zu  lafTen".  Nachdem  Baron 
Schmidt  die  Aufnahme  auf  ihren  Werth  geprüft  und  die  'l'reuc  der  Nachbildung 
erprobt  hatte,  wurde  dicfelbe  um  den  mehr  als  befchcidcncn  Betrag  von  400  fl, 
ö.  W.  vom  Landesausfchuße  erworben. 

'  Mittheilungen   der  k.  k.  Central-CommirTion  1888,  S.  214. 


gemacher  gehabt  haben.  Vorbilder  aus  Böhmen  felbll, 
fowie  aus  Deutfchhuid  boten  ihm  die  erwünfchle  Hand- 
habe, die  Karls-Teiner  Hürden  in  ihrer  vollen  alten 
Form  herzuftellen.  Die  Central-Commiffion  nahm  diefe 
und  ähnliche  mündliche  Erläuterungen  ihres  genialen 
-Mitgliedes  mit  geziemender  Anerkennung  entgegen 
und  erklärte  fein  Werk  für  ,.ein  großartiges,  im  Ganzen 
wie  in  deffen  Einzelnheiten  geradezu  überrafchendes 
Unternehmen". 

Schmidt  erklärte  als  feine  erfte  Aufgabe  die  arciii- 
tektonifche  Löfung  des  oberen  Aufbaues  des  Thurmes, 
fowie  der  Marien-Kirche,  alfo  mit  Wiederherftellung 
der  gedachten  Hürden,  wofür  er  einen  Koftenüberfchlag 
von  59.019  fl.  82  kr.  vorlegte. 

Am  großen  Thurme  und  an  der  Marien-Kirche 
traten  Aenderungen  am  urfprünglichen  Baue  zum  Vor- 
fcheine,  die  aber  vielleicht  noch  in  die  karolinifcbe  Zeit 
hineinragten,  gewifs  nicht  fpater  als  in  die  Wladislaw- 
fche  Periode  zu  fetzen  waren  und  daher  nach  Schmidt' s 
Urtheil  Berückfichtigung  erheifchten,  während  die  erft 
in  fpäterer  Zeit  vorgenommenen  Aenderungen,  eigent- 
lich Verfchlimmbefferungen.  fich  leicht  erkennen  ließen. 
Anders  war  es  mit  dem  Pallas,  der  aus  drei  der  Reihe 
nach  entftandenen  Bautheilen  befteht,  dem  großen 
]\Iittelbaue  mit  dem  halbrunden  Thurme,  dem  in  der 
Liingenrichtung  anftoßenden  Mittelbau  und  der  foge- 
nannte  Dechantei.  Der  Entwurf  für  die  Wiederherftel- 
lung  des  Pallas  war  für  Schmidt,  wie  er  erklärte,  „mit 
unfaglicher  Schwierigkeit  verbunden,  da  diefer  Bau- 
theil  im  Hingange  der  Jahrhunderte  den  durchgreifend- 
fteii  Aenderungen  unterzogen  wurde,  und  fich  erll 
nach  endlofen  Unterfuchungen  ein  klares  Bild  des 
urfprünglichen  Heftandes  herausftellte"'.'  Die  Koften 
für  die  Herftellung  des  Kaiferpalaftes  bezifferte 
Schmidt  mit  80.009  f-  72  kr.,  worüber  es  die  Statt- 
halterei  an  der  Erinnerung  nicht  fehlen  ließ,  dafs  die 
Gefammtkoften  der  Reftaurirung  den  vom  Staate  und 
vom  Lande  bewilligten  Höchftbetrag  von  300.000  t1. 
nicht  überlleigen  dürfen. 

Mit  den  Arbeiten  am  Mauerwerk  des  hohen 
Thurmes  und  der  Marien-Kirche,  an  der  Bedachung 
und  Bekrönung  der  Gebäude  gingen  die  Erhaltungs- 
und HerltcUungsarbeiten  im  Innern  der  Räumlichkeiten 
Hand  in  Hand.  So  wurden  1889  die  Fenfterlaibungen 
in  der  Marien-Kirche  ausgebeffert,  die  Sohlbänke  und 
Stürze,  die  Fenfterkreuze  hergeftellt,  im  Innern  des 
hohen  Thurmes  das  Gewölbe  unter  der  Kreuz-Capelle 
erneuert,  der  Fußboden  der  Kreuz-Capelle  in  richtigen 
Stand  gebracht  etc.-  Alle  Funde  urfprünglichen  oder 
früheren  Beftandes  wurden  forgfältig  gefammelt,  blos- 
gelegte  Fresken  theils  an  Ort  und  Stelle  erhalten, 
theils,  wo  Mauerconftructionen  nothwendig  waren,  mit 
Gypsplatten  abgehoben.  Vorgefundene  Reliquien  und 
Urkunden  nahm  vorläufig  Architekt  Mocker  in  Empfang, 
um  fie  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  fie  in  ihren  Fundort 
wieder  eingelegt  werden  könnten,  der  Statthalterei 
in  amtliche  Verwahrung  zu  übergeben.  Daneben  liefen 
mancherlei  Verhandlungen  in  anderer  Richtung.  Als  es 
fich  um  Verlegung  des  Altares  der  Marien-Kirche 
handelte,  mußte  die  Zullimmung  des  fürfterzbifchöf- 
lichcn  Ordinariates  eingeholt  werden.  Mit   dem    there- 


'  Diefe  Mittheilungen  iS 
-  a.  O.   1893,  S.  115  f. 


S.  204  f. 


fianifclien  adeligen  Damenftifte  ob  dem  Hradfcliin 
wurde  wegen  i\blalTung  von  den  Nutzungen  an 
mehreren  zum  Burggebiete  gehörigen  Grundftücken 
und  Bauparcellen  eine  Einigung  erzielt. 

Der  Statthalter  Graf  Franz  Thun  d.  J.  hatte  eine 
Commiffion  für  die  Durchführung  der  Reflauration  von 
Karls-Tein  eingefetzt,  in  der  er  felblt  den  Vorfitz 
führte  Sie  beftand  aus  Vertretern  der  Regierung,  dar- 
unter Ober-Finanzrath  Franz  Henncvogl  von  Ebenburg 
und  Statthaltereirath  Moris  Lnßner,  des  Landesaus- 
fchußes,  den  Beifitzern  Ottokar  Zcithavuncr  und  Doftor 
Johann  Jeräbck,  dann  Baron  Schmidt.  Baurath  Jofepli 
Hlavka  und  Regierungsrath  Profcffor  W.  W.  Totnek, 
feitens  der  Bauleitung  Dombaumeifter  Mocker.  Zu  den 
Aufgaben  diefer  Commiffion  gehörten  die  Prüfung  der 
Entwürfe  und  Koftenvoranfchläge  für  die  einzelnen 
Phafen  des  Rell:aurationswerkes,  die  Prüfung  und  Ge- 
nehmigung der  iMehrerforderniffe  bei  einzelnen  Poften, 
die  Prüfung  der  Rechnungen  über  die  durchgeführten 
Arbeiten,  die  Genehmigung  der  für  die  Zimmermanns-, 
Steinmetz-  etc.  -Arbeiten  accordirten  Einheitspreife. 

Die  Arbeiten  am  Aeußern  und  Innern  der  Marien- 
Kirche  waren  vollendet,  jene  am  hohen  Thurme 
näherten  fich  ihrem  Abfchluße,  und  es  konnte  im  März 
1890  an  die  Abtragung  des  1837  ftylwidrig  errichteten 
Dachftuhles  oberhalb  des  Pallas  und  der  Dechantei 
gefchritten  werden.  Es  waren  die  letzten  Arbeiten,  die 
der  geniale  Schöpfer  diefes  großartigen  Herftellungs- 
werkes  erleben  follte.  Am  23.  Januar  1891  ging 
Friedrich  Schmidt  mit  Tod  ab,  der  „ein  GroßkünfHer 
im  eigentlichften  Sinne  war,  ein  Reicher,  der  aus  der 
Fülle  feines  Geiites  und  feines  Bildnerfmnes  feine 
Gaben  nach  allen  Seiten  ausitreute,  der  fchauend  und 
denkend,  entwerfend  und  prüfend,  anordnend  und 
leitend,  gleich  einem  Feldherrn  im  Bereiche  der  Kunft 
weithin  die  Geifter  fich  dienllbar  machte,  der  unge- 
zählte Künftler,  Genoffen  und  Gefeilen  an  feinem  Werke 
fchaffen,  durch  lie  feine  Gedanken  verwirklichen,  er, 
der  Eine,  Hunderte  und  Taufende  von  Arbeitskräften 
jeder  Stufe  in  Thätigkeit  treten  ließ",  unter  deffen 
Walten  endlich,  um  auf  den  Gegenftand  unferes  Vor- 
wurfes zurückzukommen,  unfer  Karls-Tein  „aus  einem 
Zuftande  bedauerlichen  Verfalles  zu  jener  mächtigen 
und  zugleich  zierlichen  Eigenart  wieder  herauswuchs, 
wie  es  die  Zeiten  Karl  IV.  dereinft  gefehen  und  wie 
es  durch  Jahrhunderte  den  Schmuck  des  Landes 
Böhmen  gebildet  hatte".' 

Das  Werk  des  großen  Meifters  hatte  jetzt  der 
getreue  Mocker  zu  Ende  zu  führen.  Er  hatte  fich  durch 
jahrzehntelangen  innigen  Wechfelverkehr  in  folchem 
Grade  in  deffen  Ideen  hineingelebt,  dafs  die  Budget- 
commiffion  des  böhmifchen  Landtages  in  ihrem 
Berichte  vom  29.  März  1892  „die  außerordentliche 
Gewiffcnhaftigkeit  und  Sorgfalt,  init  welcher  Mocker  vor- 
ging", rühmend  anerkannte.^  Von  wiclitigen  Arbeiten 
in  den  Jahren   1893  und  1894  find   her\'orzuhcbcn :   die 


'  Aus  (Iccn  Nachrufe,  den  der  Priifidcnl  der  Ccnlral-L'oinmifrion  in  der 
außerordenlliclien  SitziuiK  vom  30.  Januar  1891  feinem  verehrten  Freunde 
widmete;  ,.Zum  (.JedaLlitiiifTe  Friedrich  Schniidt's"  (Wien  1S93.  Hrzczowsky; 
zurammcngefteilt  von  Schinidt's  ehcnialigein  Schüler  läaiirath  Kosner). 

•  Diefe  Mittheilungen  1892,  S.  174—  177.  (Die  Reftaurirungen  an  Rarls- 
Tein  in  den  Jalircn  1890  und  iSgi  ff.  nach  dem  Berichte  des  Confervators 
Morhfr.) 


W)llendung  der  Verbindungsbrücke  *  zwifchen  der 
Marien-Kirche  und  dem  hohen  Thurme,  die  Reftaurirung 
der  Schanzmauern,  des  erflen  und  zweiten  Burgthores, 
w-obei  man  abermals  Gelegenheit  hatte,  „den  in  jeder 
Hinficht  correften  Vorgang  bei  Vornahme  der  Re- 
flaurationsarbeiten  auf  Grundlage  der  von  weil.  Ober- 
baurath  Schmidt  aufgehellten  oder  gutgeheißenen 
Pläne,  fowie  den  im  Geifte  des  Dahingefchiedenen 
gründlich  und  gewiffenhaft  vorgenommenen  Unter- 
fuchungen  und  geftellten  Anträgen"  ein  glänzendes 
Zeugnis  auszuflellen  (März  1896).  Mit  dem  Jahre  1896 
war  die  für  die  Reftauration  von  Karls-Tein  berechnete 
Frill:  von  zehn  Jahren  abgelaufen  und  damit  der  Staats- 
und Landesbeitrag  von  jährlich  30.000  fl.  erfchöpft. 
Da  es  jedoch  fchon  ehrenhalber  nicht  anging,  die  fchon 
fo  weit  gediehene  Herftellung  der  Burg  im  letzten 
Stadium  in  Stich  zu  laffen,  fo  wurde  von  Seite  des 
Staates  und  des  Landes  unter  dem  Titel  ,,Mehr- 
erfordernis"  die  benöthigte  Summe  alljährlich  nach- 
gefchoffeii. 

Acht  Jahre  nach  dem  Tode  des  Meifters  fegnete 
fein  bewährter  Nachfolger  und  Stellvertreter  das  Zeit- 
liche —  16.  Januar  1899  —  und  es  war  nun  ganz 
ernftlich  zu  erwägen,  in  welcher  Weife  das  groß- 
artige Reftaurationswerk  zu  Ende  zu  führen  fei.  Die 
Central  CommilTion  fchlugfür  diefen  Zweck  eine  infpici- 
rende  Oberaufficht  durch  den  Architekten  Hubert,  einen 
Schüler  Luntz'  vor,  der  den  Auftrag  dankend  annahm, 
allein  zugleich  daraufhinwies,  dafs  es  bei  einer  fo  überaus 
verantwortlichen  Aufgabe  mit  einer  bloßen  Infpicirung 
nicht  fein  Bewenden  haben  könne;  einzelne  Herftel- 
lungen,  wie  zum  Beilpiel  die  Reftaurirung  der  Malereien 
im  Stiegenhaufe  und  in  der  Marien-Kirche,  boten  fo 
erhebliche  Schwierigkeiten,  dafs  dem  controlirenden 
Organe  auch  das  Recht  eingeräumt  fein  müße,  in  be- 
ftimmter  Weife  auf  die  noch  ausftändigen  Arbeiten 
Einfluß  zu  nehmen,  was  mit  einer  zeitweifen  Infpicirung 
k'aum  zu  erreichen  fein  dürfte. 

Ob  und  inwieweit  diefen  fehr  beachtenswerthen 
Andeutungen  F'olge  gegeben  wurde,  entzog  ficli  der 
Beurtheilung  der  Central-Commiffion,  da  diefe  feit  dem 
.Scheiden  Mocker  s  von  dem  fie  periodifche  Berichte 
über  den  Fortgang  und  die  nächft  bevorflehendcn 
Phafen  des  Reflaurationswerkes  zu  empfangen  pflegte, 
keinerlei  Nachricht  und  Aufklärung  in  diefer  Richtung 
empfing,  einen  vom  Baurathc  Mathias  Krcli  an  das 
Minillerium  für  Cultus  und  Unterricht  zu  Anfang 
Sommer  1900  erftattetcn  Bericht  ausgenommen,  worin 
dasjenige  aufgezählt  wurde,  was  zur  Vollendung  des 
Rcftaurirungswerk-es  noch  ausfländig  fei. 

Der  Prafident  der  CentralCommiflion  hatte,  wie 
fniher  erwähnt,  die  Verlegung  des  k.  k.  Statthalterei- 
Archives  von  Prag  nach  Karls-Tein  beantragt.  Es 
wurde  von  ihm  das  Bcifpicl  Spaniens  angeführt,  deffen 
berühmtes  Staatsarchiv  fich  zu  Simancas  befinde,  alfo 
in  einer  von  dem  Mittelpunkte  des  Königreiches  fehr 
entlegenen  Stadt,  während  die  Entfernung  Karls-Teins 
von  Prag  dank  der  Eifenbahnverbindung  eine  mini- 
male fei.  Würde  ferner  eine  zeitliche  Gränzc  gezogen, 
allenfalls  das  Jahr  i  848,  fo  dafs  alle  feither  aufgelaufenen 
und  auflaufenden  Stücke  in  Prag  blieben,  und  nur  die 
vor    diefem    Zeitabfchnittc    fallenden     Archivbcflände 


nach  Karls-Tein  kämen,  fo  wäre  allen  für  den  Vcr- 
waltungsdieiift  auftauchenden  Bedenken  die  Spitze  ab- 
gebrochen, da  Schriftltücke  fo  weit  zurückreichenden 
Alters  für  praktifche  Zwecke  nur  in  den  feltenftcn  Fallen 
benöthigt  würden.  Der  wiffenlchaftlichen  Forfchung 
endlich  würden  die  Ruhe  und  Abgefchiedenheit  in  den 
Räumen  des  altberühmten  Königsfchloßes  gewifs  nur 
zu  ftatten  kommen:  „die  Anfiedlung  zu  Füßen  der 
Burg  fei  allerdings  kein  Simancas,  allein,  fo  viel  von 
dem  dortigen  Leben  bekannt  geworden  ifl,  werden 
Unterkunft  und  Unterhalt  nach  unferen  Gewohnheiten 
und  Bedürfniffen  hinter  jenen  der  fpanifchen  Stadt 
kaum  zurückgehen.  Ein  mehrtägiger,  fclbfl  mehr- 
wöchentlicher Aufenthalt  des  Gelehrten  in  der  roman- 
tifchen  Einfamkeit  mit  ihrer  von  Nadelholzduft  durch- 
würzten Luft  würde  gevvifs  weder  der  Gefundheit  noch 
der  Arbeitsfreude  des  Forfchers  zum  Nachtheile  ge- 
reichen." 

Diefer  Vorfchlag  fand  in  den  berufenen  Kreifen 
keinerlei  Anklang.  Dafs  von  Seite  der  Statthalterei  ein- 
gewendet wurde,  der  Zeitabfchnitt  feit  1848  fei  für 
ihre  Zwecke  nicht  ausreichend,  war  von  keiner  aus- 
fchlaggeljenden  Bedeutung,  da  ja  ein  weiter  zurück- 
liegender, etwa  die  Scheide  des  Jahrhunderts  gewählt 
werden  konnte.  Entfcheidend  aber  waren  andere  Be- 
denken. Im  Auftrage  der  Statthalterei  nahm  im  März 
1898  der  Prager  Univerfitäts-Bibliothekar  Dr.  Richard 
Kukula  mit  Beiziehung  des  Amanuenfis  Dr.  Hugo 
Gläßr  einen  Localaugenfchein  \-or,  der  zu  dem  Evgeb- 
niffe  führte,  dafs  die  vom  Präfidenten  der  CentralCom- 
mifäon  angeregte  Idee  ganz  und  gar  undurchführbar 
fei.  Die  für  diefen  Zweck  zur  Verfügung  Itehenden 
Räume  feien  völlig  unzureichend;  man  müßte  zu  dem 
allerdings  großen  Räume  des  Ritterfaales  greifen, 
deffen  hölzerne  auf  eben  folchen  Säulen  ruhende 
Deckenconftruclion  gegen  Feuergefahr  keinen  befrie- 
digenden Schutz  biete;  außer  diefem  Saale  fei  die  Zahl 
und  der  Umfang  der  feuerficheren  Räume  eine  ziemlich 
geringe.  Dazu  kämen  die  Schwierigkeiten  des  Trans- 
portes der  Archivfchränke  über  die  theilweife  fehr 
fteilen  und  engen  Stiegen,  fowie  jene,  für  ausreichende 
Beleuchtung  und  Beheizung  zu  forgen,  endlich  der 
Mangel  von  Räumlichkeiten  für  die  Unterbringung  der 
Archivbeamten. 

Im  Hinblicke  auf  alle  diefe  Umftände,  dereiT  Ge- 
wicht der  Archivsdiredlor  der  Prager  Statthalterei 
Köpl  durchans  gelten  ließ,  regte  diefer  den  Gedanken 
an,  die  Burg  für  ein  Mufeum  von  Denkmalen  des 
Wirkens  und  Schaffens  Kai  fers  Karl  IV.  mit  befonderer 
Rückficht  auf  Böhmen  zu  benützen,  /lu;// entwarf  einen 
wohl  durchdachten  Plan  für  die  Verwendung  der  ein- 
zelnen Räumlichkeiten:  der  Vorraum  des  Ritterfaales 
folle  die  Namen  aller  Burggrafen  von  Karls-Tein  auf- 
führen und  die  noch  vorhandenen  Portraits  derfelben 
aufnehmen;  der  Ritterfaal  fclbfl  die  Käften  der  Karls- 
Teiner  Vafallen  mit  ihren  Rüftungen,  Wappenfchildern, 
Waffen;  das  Audienzzimmer  des  Kaifers  wäre  mit  jener 
Zeit  entflammenden  Einrichtungsftücken  auszuftatten; 
in  den  beiden  Räumen  im  Erdgefchoße  des  hohen 
Thurmes  wären  fchwere  Gegenflände  aus  der  Zeit  der 
Belagerung  und  Vertheidigung,  wie  Steinkugeln,  Wutf- 


mafchinen,  in  den  Räumen  unterhalb  der  Marien- 
Kirche  Gegenflände  für  kirchlichen  Ciebrauch,  Para- 
mente,  Kirchengeriithe  unterzubringen;  ebenfo  wäre 
auf  Pläne  und  Modelle  der  Bauten  Karl  IV.,  auf 
Bullen  und  Abbildungen  von  Perfönlichkeiten  feiner 
Zeit,  auf  Gegenftände  der  damaligen  Kunft  und  Kunfl:- 
gewerbes  Bedacht  zu  nehmen. 

Noch  ein  dritter  Vorfchlag  kam  in  Erwägung:  die 
von  Friedrich  Schmidt  angedeutete  Einrichtung  der 
einlligen  Wohn-  und  Prunkzimmer  Karl  IV.  als  fürft- 
liche  Gemächer,  um  dem  erlauchten  Nachfolger  dieles 
Monarchen  die  Möglichkeit  des  Aufenthaltes  auf  diefer 
Burg  zu  verfchaffen. 

Im  Frühjahr  1901  geruhten  Se.  Majeftät  Kaifer 
Franz  Jofeph  I.  feine  Burg  Karls-Stein  zu  befuchen  und 
allergnädigfl:  zu  befehlen,  dafs  die  vier  aus  der  Kreuz- 
Capelle  in  die  Wiener  kaiferliche  Gemälde-Galerie 
übertragenen  Gemälde  an  ihren  früheren  Platz  zurück- 
\'erfetzt  werden. 

Aus  diefem  Anlaffe  kam  die  F"rage  wegen  der 
künftigen  Beflimmung  der  Burg  neuerdings  in  Fluß. 
Um  fowohl  für  ein  Urtheil  in  diefer  Angelegenheit 
fiebere  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  als  um  Einficht 
in  den  gegenwärtigen  Stand  des  Herftellungswerkes 
zu  erlangen,  veranflaltete  der  Präfident  der  Central- 
Commiffion  am  13.  Üclober  1901  eine  commiffionelle 
Berichtigung,  an  welcher  mehrere  Mitglieder,  die  Pro- 
fefforcn  Liintz  und  Wilhelm  Neiimann  und  die  Bau- 
räthe  Deininger  und  Hermmm,  fowie  Vertreter  der 
Statthalterei,  des  Landesausfchußes  und  der  kunft- 
archäologifchen  Landes-Commiffion  theilnahmen.  Das 
Refultat  diefer  Bcfichtigung  war  die  Conftatirung  der 
Thatfache,  dafs  in  den  letzten  Jahren  die  Zuende- 
fuhrung  des  Reftaurationswerkes,  mit  völliger  Bei- 
feitelaffung  des  Beirathes  der  Organe  der  Central- 
Commiffion,  ja  felbfl  der  für  diefen  Zweck  in  Prag 
eingefetzten  Localcommiffion,  lediglich  als  Sache  der 
Dicafterialgebäude  -  Adminiftration  und  des  Statt- 
halterei-Bauamtes  angefehen  und  behandelt  worden 
fei,  und  dafs  daher  die  Central-Commiffion  jede  Art 
von  Verantwortung  für  das,  was  in  der  Zwifchenzeit 
gefchehen  ift,  ablehnen  müße.  Glücklicherweife  war 
an  die  Katharinen-Capelle  keine  Hand  angelegt  und 
wurde  von  der  Commiffion  dafür  geforgt,  dafs  diefelbe 
bis  auf  weiteres  völlig  unberührt  bleibe,  auch  von  —  in 
dem  beengten  Raum  fchwer  zu  überwachenden  — 
Maffenbefuchcn  \erfcliont  bleibe. 

Bei  der  nach  diefer  commiffionellen  Befichtigung 
im  Schöße  der  Central-CommilTion  flattgefuiidenen 
Berathung  wurde  von  der  künftigen  Beftimmung  der 
Burg  als  Königsfitz  abgefehen,  da  fie  in  ihrer  gegen- 
wartigen Gcllalt  für  die  heutigen  Bedürfniffe  in  diefer 
Richtung  nicht  ausreichen  würde  und  daher,  um 
denfclben  zu  genügen,  durchgreifende  Aenderungen 
erfahren  müßte,  die  den  aufrecht  zu  erhaltenden  Cha- 
rakter ihres  urfprünglichen  Bertnndes  wefentlich  beein 
trächtigen  würde.  Die  Central-Commiffion  entfchied 
fich  fchließlich  für  den  Ä'('^^/'fchen  Vorfchlag  als  eines 
Mufeums  \'on  Denkmalen,  Porträts,  Urkunden  etc.  aus 
der  karolinifchen  und  diefer  angränzenden  Zeit. 


—     9     — 


I. 
Inventarifche  Befchreibung 

der  fämmtlichen  Karlsteiner  Burggebäude  und  darin  befindlichen 
Koflbarkeiten,  dann  Alterthümer  zum  Behufe  der  weiteren  Auf- 
bewahrung und  Erhaltung  derfelben  nach  der  von  dem  hohen  I;.  k. 
liöhmifchen  Landespräfidium  unterm  8.  Juli  1837,  Z.  4675,  dem  je- 
weiligen Merrfchaft  Karlsteiner  Pfarradminiftrator  und  Karlsteiner 
Amtsdire(5lor  fcln'iftlich  hinausgegebenen  Inftnnflion. 

Durch  den  Prugcr  Erzbifchof  Ai  nefl  ift  am  10.  Juni  1348  zu  dem 
auf  einem  nackten  Kalkfelfen  erbauten  Schloße  der  Grund  gelegt 
worden,  und  diefer  Bau  ging  derart  von  ftatten,  dafs  bereits  in  dem 
Jahre  1357  die  Einweihung  der  dortigen  Kirchen  und  Capellen 
erfolgte. 

Der  enge  Keffel,  aus  delTen  Mitte  fich  in  einem  Umfange  von 
beiläufig  650  Schritten  das  Denkmal  von  Kaifer  Karl  erhebt,  wird  von 
fünf  hohen  wellenförmig  gelagerten  Bergen  eingefchloffen. 

Um  fiii  die  Krone  und  die  übrigen  Schätze  einen  nach  der  da- 
maligen Befeftigungsart  aller  Gefahr  Trotz  bietenden  Aufbewahrungs- 
ort zu  finden,  war  die  natürliche  Lage  der  gewählten  Bauftelle 
befonders  geeignet  und  diente  zugleich  als  fiebere  Freiflätte,  damit  fich 
Kaifer  Karl  in  völliger  Zurückgezogenheit  feinen  geißigen  tindfroiiuiicn 
Belrnchhtngen  widmen  konnte. 

1.  Das  Karlsteiner  Scliloß  befiehl  aus  vier  in  drei  Ab/heiliniifen  nach 
Befchaffenheit  und  Form  des  zur  Unterlage  dienenden  Berges  auf- 
geführten Hauptgebäuden  und  mehreren  Nebengebäuden,  welche 
nach  abweichenden  Richtungen  durch  doppelte  und  felbfl  dreifach 
angelegte  Ringmajiern  in  Verbindung  flehen. 

Die  mit  Schießfeharten  verfehenen  Ringmauern  find  durch  die 
letztvorgenommene  Reftaurirung  bis  auf  den  in  der  dritten  Abthei- 
lung nächft  dem  Brunnen  gelegenen  Theil  in  guten  Bauzufland 
verfetzt  und  mit  Ziegeln  oder  Hacken  gedeckt  worden. 

In  der  oberen  Ringmauer  vor  dem  Gebäude  des  Domdecliants  ift 
eine  Schieflfcharte-Oeffnung  von  der  Art  lonftruirt,  dafs  von  dort 
in  der  Diflanz  der  untern  zwei  Haupteinfahrtsthore  alles  genau 
beobachtet  werden  kann,  ohne  von  unten  gefehen  zu  werden. 

2.  Int  Innern  des  erßen  Thores  ift  die  Wohnung  des  einen  Thor- 
wächters, beftehend  aus  einem  Zimmer,  der  Küche  nebfl  Stall, 
überlialb  der  Einfahrt  befindet  fich  noch  ein  Zimmer  und  ein 
Vorhaus  und  ifl  theilweife  mit  Hacken,  theilweife  mit  Schindeln 
gedeckt. 

3.  Links  von  diefem  Thore  fleht  ein  Wachthurni'^  von  3°  10"  Länge 
und  Breite,  dann  im  Mauerwerke  5°  4' o"  hoch. 

Die  UmfafiTungsmauern  benöthigen  von  Innen  hinaus  eine  Ver- 
putzung und  Pflaflerung,  find  im  Durchnitte  3'  ftark;  in  jeder  der 
beiden  oberen  Etagen  find  fünf  gefunde  Sturyräme  eingezogen, 
der  Werkfatz  neu  hergeftellt  und  die  Dachung  doppelt  auf  Kronen- 
art mit  Tafchen  eingedeckt  worden. 

Nebft  der  beflehenden  einflügeligen  Eingangsthüre  mit  zwei 
langen  Bändern,  (larken  Kegeln  und  Anlegkette  befchlagen,  be- 
finden fich  9  Stück  Verfchalungen  in  den  beiden  oberen  Etagen, 
wegen  Schließung  der  Thür-  und  Fenfteröffnungen,  inwendig  mit 
hölzernen  Riegeln  verfehen. 

4.  Das  zweite  Thor,  ober  welchem  fich  die  ehemalige  Wenzels- 
Capelle  befand,  führt  zu  dem  erden  Vorhofe  oder  Zwinger. 

Die  einflügelige  Abfperrung  ift  von  Holz,  an  der  Anflenfeite 
mit  ftarkem  Eifcnbleche  und  Schienen  befchlagen  und  mit  einem 
grofien  uralten  Schloße  fammt  SchlülTel  verfehen.  Der  Sturzboden 
im  Eingangsthore  ift  blos  von  Lehm  und  bcnöthigt  eine  Ver- 
pulzung  mit  Kalkanwurf 

'  Nach  dein  urfprünglichen  Bcftande  befand  fich  auf  dicfcm  Gebäude  eine 
Thurmaufniaueruiig.  Der  Bauzufland  ifl  mittclmaliiß,  befonders  bedarf  die 
.äußere  Hauptmauer  gegen  den  Graben  zu  mit  Strebepfeiler  einer  entfprechen- 
den  Abhilfe,  weil   das   Mauerwerk   zerfallt  und  hie   und   da  zerfprunt;en  ift. 


Bei  genauer  Befichtigung  diefcs  Thores  find  ungeachtet  des 
langen  Beftandes  darauf  noch  fehr  deutliche  Merkmale  verfuchter 
äußerer  Gewaltthätigkeit  von  älterer  Zeit  fichtbar. 

Innerhalb  diefer  Durchfahrt  hängt  feitwärts  ein  eifcrnes  Vor- 
hängfchlofl  fammt  einem  großen  SchlüfTel,  welches  fonft  bei  diefem 
Thore  gebraucht  wurde. 
^.  Die  dritte  Thoröffnung,  welche  eine  gulhifche  Form  hat,  gewährt 
zwifchen  der  1°  i'g"  ftarken  Scheidewand,  die  Communication 
zu  dem  äußerft  befchränkten  zweiten  Burghofe. 

6.  Von  allen  Schloßgebäuden  ift  die  ehemalige  Citadelle  oder  der 
lioloffale  Hauptthtirm  das  höchfte  Gebäude  und  an  dem  erhabenften 
Punkte  des  Bergfelfens  errichtet.  Die  Ringmauer  um  den  Thurm 
benöthigt  von  außen  eine  Verputzung  und  Ausbefferung,  fo  auch 
die  untere  Etage  des  Thurmes,  desgleichen  die  Ringmauer  ober- 
halb des  Wirthshaufes,  Kowarna  genannt,  eine  Verputzung  von 
außen,  weil  der  im  Jahre  1837  und  1838  angeworfene  Kalk  fich 
durch  die  Feuchtigkeit  theilweife  abgelöst  hat.  Diefer  Thurm  ift  mit 
einer  eigenen  nach  einem  Vierecke  angelegten  Schanzmauer  um- 
geben, und  die  an  den  Ecken  befindlichen  fünf  Wachthürme  find 
theilweife  neu  gewölbt  und  mit  Beachtung  des  früheren  Beftandes 
decorirt  worden. 

7.  Der  T/iurm  ift  ein  längliches  Viereck  und  mißt  13°  4'  o"  Länge 
und  9°  Breite,  deffen  Höhe  durch  fämmtliche  fünf  Etagen  fammt 
der  oberen  2'  6"  hohen  Parapettmauer  beträgt  20°. 

Die  frühere  in  dem  oberen  Theile  des  Gebäudes  fich  gezeigte 
Baufälligkeit  ift  durch  die  in  den  Jahren  1S37  und  1838  bewerk- 
ftelligten  Bauherftellungen  behoben,  indem  die  fchadhaften  Wöl- 
bungen der  Fenfter  in  der  fünften  Etage  neu  hergeftellt  und  das 
Gemäuer  von  der  Parapettmauer  auf  6°  Tiefe  herab,  mit  einem 
neuen  Anwürfe  verfehen  worden  ift. 

Um  zu  dem  Eingange  des  Thurmes  zu  gelangen,  muß  man  nebft 
der  gedeckten  Stiege,  welche  zur  Marien-Kirche  führt,  an  der 
gegen  die  Schlofiauffahrt  gerichteten  Schanzmauer  vorbei,  ein 
altes  zur  Aufbewahrung  von  Glocken  vorgerichtetes  Wachthaus 
paffiren,  hinter  welchem  eine  neuhergeftellte  hölzerne  Nothftiege 
mit  29  Stufen  befteht. 

Die  im  Glockenhaufe  befindlichen  und  in  Benützung  ftehenden 
Glociien  enthalten  Infchriften,  wovon  die  größere  mit  der  Jahres- 
zahl ibos  und  die  kleinere  mit  der  Jahreszahl  1701  bezeichnet 
ift;  im  Dache  diefes  Thürmchens  fehlen  mehrere  Tafchen,  wegen 
welcher  eine  Ausbeß'erung  zu  veranlaflTen  wäre. 

8.  An  dem  Thurme  ift  ein  fteinernes  Stiegenhaus  angebaut,  welches 
mittels  Ö4  fteinerner  unbequemer  S"  hohen  Stufen  den  Zutritt  in 
die  drei  erften  Etagen  möglich  macht. 

Um  in  die  vierte  Etage  zu  gelangen,  find  in  der  Mauerftärke  des 
Thurmes  Stufen  angebracht,  und  in  der  vierten  und  fünften  Etage 
befteht  innen  eine  Nothftiege, '  die  zur  Thurmgalerie  führt.  Der 
untere  Gang  und  die  verfchiedenen  Stiegenarme  bis  zu  der  Kreuz- 
capelle  find  mit  einer  ziemlich  erh.altenen  Fresco-Malerei  verfehen, 
welche  rechts;  Seenen  ans  dem  Leben  der  heil.  Ludmilla,  links; 
Scenen  ans  dem  Leben  des  heil.  IVenzel  vorflellt. 

9.  In  der  erßen  Etage  zeigen  ilie  dafelbft  befindlichen  zwei  Gemächer, 
unter  dem  Namen  Gerichtsßätte  bekannt,  mit  Ausnahme  der  Ge- 
wölbedecken, einen  ganz  verwüfteten  Zuftand  ohne  Thüren  und 
Fenfter,  denn  die  Fußböden  mangeln  gänzlich,  auch  find  die 
Seilenmauern  in  den  Ecken  fchadhaft.  An  der  Rückwand  befindet 
fich  eine  OelTnung,  welche  urfprünglich  als  wälfcher  Kamin  gedient 
haben  mag. 

10.  In  einem  gleichen  Znßande  befindet  fich  die  zweite  Etage,  welche 
ebenfalls  zwei  gewölbte'BehältnilTe  —  Beralhungsfäle  genannt  — 
in  fich  fafst.  Solbft  die  fteinernen  Sitzbänkc  in  der  Fenfterfpalettc 

'  Die  hülzernc  Nothfltegc  wurde  in  gehörigen    Stand    gefetzt    und    feil- 
waris  dann  unlcrliatb  derfelben  eine  Vcrfchalung  angebracht. 


xxvm.  N.  F. 


—        lO 


eines  der  ftarken  eifernen  Fenflergitter,  ilann  die  Bogenrippen  in 
der  Gewölbedecke  find  befchsdigt. 
.  Die  dritte  Etage,  der  ehemalige  Aufbewahrungsort  der  kaiferlichen 
Krone,  nämlich  die  KreuzcapcUe  trägt  Spuren  eines  ehemaligen 
Prachtzuflandes,  gegenwärtig  aber  Zeichen  eines  minder  guten 
Bauzudandes  an  fich. 

Die  mit  vergoldeten  Verzierungen  belegte  Oberdecke,  welche 
ein  gothifcher  Bogen  in  zwei  Kreuzgewölbe  theilt,  hat  viele  Riffe 
und  ift  durch  den  Abgang  eines  groflen  Tlieiles  diefer  Verzierungen 
befchädigt.  Ebenfo  find  die  Seitenwände  vorziiglicli  zunächft  der 
Fenfter  fehr  fchadhaft,  nur  der  untere  Theil  bis  zu  dem  Fuße  der 
gothifchen  Bögen,  welche  mit  gefchliffenen  Karniolen  und 
Amethiftagaten,  dann  Jafpifen  ausgelegt  ift,  erfreut  fich  bis  auf 
die  einzelnen  Stellen,  wo  die  Steine  ausgebrochen  lind,  eines 
guten  Zuftandes.  Oberhalb  ift  ein  hölzernes  Täfelwerk  ganz  morfch 
und  eingegangen,  worin  über  alle  Sei tenwände  große  Brußgemälde 
von  Holz  eingcfchoben  find. 

A.  Die  vier  Fingangsthüren,  wovon  drei  mit  Eifenblech  be- 
fchlagen  find,  befinden  fich  dagegen  noch  in  einem  brauchbaren 
Zuftande;  nebß  den  bcßehenden  :iwei großen  Schlößern  find  an  den 
Thüren  zur  größeren  Verwahrung  noch  eiferne  Riegel  angebracht. 

In  diefer  Capelle  befinden  fich  eingemattert : 

B.  Böhmifclie  Halbedelfteine': 

a)  Ob  der  Tlüir  nach  der  Länge  des  Sturzes 13  StiicU 

b)  Im  linken  Felde  der  Hauptftirnwand,  neben  der 
Eingangsthiire  bis  zur  linken  Seitenwand 208      ,, 

c)  Im  Felde  der  linken  Seitenwand,  bis  zu  dem  eifer- 
nen vergoldeten  Gitter,  welches  die  Capelle  in  der 

Mitte  abfperrt 401      , 

d)  Im  Felde  der  linken   Seitenwand,  vom  Gitter  bis 

zu  der  Fenfterfpalette So  „ 

e)  Im  Felde  der  linken  F'enfterfpalette 112  „ 

f)  Im  Felde  der  rechtsfeitigen  Fenfterfpalette go  ., 

g)  Im  Felde  der  Unken  Seitenwand,  von  der  rechts- 
feitigen Fenfterfpalette  bis  zur  Hauptftirnwand ...  .  6g  „ 

h)  Im  linken  Felde   der  zweiten  Hauptftirnwand   bis 

zu  dem  Altar 106      „ 

i)  Im   rechten    Felde    der    zweiten    Hauptftirnwand, 

vom  Altar  bis  zur  rechten  Seitenwand gg      ^ 

k)  Im  Felde  der  rechten  Seitenwand,  von  der 
zweiten  Hauptftirnwand  bis  zu  der  linken  Fenfter- 
fpalette     102      „ 

l)  In  der  linken  Fenfterfpalette  bei  dem  rechts- 
feitigen Fenfter 87     ^ 

m)  Im  felben  Felde  der  rechten  Fenfterfpalette 84      „ 

n)  Im  Felde  der  rechten  Seitenwand,  von  der  rechten 

Fenfterfpalette  bis  zum  Gitter 134     , 

0)  Im  Felde  der  rechten  Seitenwand  vom  Gitter  bis 

zur  rechten  Spalette  des  unteren  Fcnfters 129      „ 

f)  In  der  linken  Fenfterfpalette   des   rechtsfeitigen 

Fenfters  liei  der  Thür 07     „ 

q)  Im  felben  Felde  der  rechten  Fenfterfpalette 131      „ 

r)  Im    Felde    der    rechten    Seitenwand,     von    der 

Fenfterfpalette  bis  zu  der  erften  Hauptftirnwand.  .    136      ., 

s)  Im  rechten  Felde   der   erften    Hauptftirnwand  bis 

zur  Eingangsthür 21g     „ 

wonach  die  Gefaramtzahl  der  vorhandenen  Steine  Z2bj  Sliiek 
beträgt;  die  Zwifchenräume  in  den  einzelnen  Feldern  find  ftark 
vergoldet. 


'  Nach  dem  beftehendca  Invcntare  vom  J.-»hrc  1705  ift  die  Z.ihl  der 
Steine  mit  2419  Stück  angegeben,  daher  find  feit  jener  Zeit  152  Stück  bcfeitigt 
worden. 


Die  leeren  Räume  nach  den  ausgebrochenen  Steinen  find 
mit  Ziegel  und  Mörtel  ausgefüllt  und  mit  rother  Farbe  über- 
tüncht. 

Auf  4' Höhe  von  dem  Fußboden  anfangend,  find  die  Seiten- 
wände mit  Oelgemälden  verziert,  felbe  ßellen  Kegenten  und  Hei 
lige  vor  und  find  auf  Holz  und  bronzirlem  Grunde  gemalt;  an 
mehreren  befinden  fich  hölzerne,  theils  vergoldete,  theils  ver- 
filberle  Schilder. 

Das  für  fämmtliche  Gemälde  an  den  Wänden  beftehendc 
hölzerne  Getäfel  enthält  ijj  leere  Räume,  worin  fich  urfprünglich 
nach  dem  Inventare  vom  I.  März  I7g6  gS  große,  jcf  mittlere 
(Eekßücke)  und  6  Sliiek  kleine  Gemälde  befanden.  1 

Gegenwärtig  find  jedoch  blos  93  grofie,  2g  FckfUicke  und 
3  kleine  Bilder  vorhanden. 

Wegen  dem  vernachläffigten  Bauzuftamte  des  Gebäudes  haben 
die  Gemälde  bedeutend  gelitten,  diefem  Uebelftande  ift  jedoch 
durch  die  bereits  früher  angeführten  liauherftellungen  begegnet, 
und  befonders  durch  die  Inftandfetzung  der  Fenfterverglafung, 
gegen  die  Einwirkung  des  Regens  und  Schnees,  die  nöthige  Ab- 
hilfe bewirkt  worden. 

Infolge  AUerhöchfter  Entfchließung  ift  zur  Inftandfetzung  der 
Gemälde  in  Karlftein  eine  eigene  Dotation  erfolgt;  zu  diefcm 
Zwecke  wurden  im  Jahre  1837  von  dem  Hofmaler  Gurk  an  drei 
Gemälden  die  Mittel  zu  ihrer  künftigen  Erhaltung  verfuchsweife 
angewendet,  und  zur  Fortfetzung  des  Verfahrens  ift  der  Ueberreft 
von  123  Gemälden  am  2.  Ocflober  lS3g  miltelft  Trägern  in  die 
k.  k.  Burg  zu  Prag  gebracht  worden. 

D.  Ringsherum  von  4'  Höhe  find  in  der  Mauer  ehem.ils  ver- 
goldete eiferne  Stangen  mit  fpitzigen  Sliftchen  befeftigt,  auf 
welclien  Stücke  Kerzen  aufgefteckt  werden  konnten. 

E.  Auf  gleiche  Art  befinden  fich   dort  14  Stitck  fchmale  läu; 
liehe  Käßen  aufgeftellt,  welche  mit  eifernen  Bändern,   Schlößeru 
und  Anlegketten  verfehen,  die  Ecken  mit  Eifenblech  befchlageii 
find.  Bei  einem  diefer  Käften  mangelt  das  Schlofi   und   bei  einem 
anderen  die  Anlegkette. 

In  fämmtlichen  Käften  ift  das  Holz  von  trockenem  Moder  und 
von  dem  Holzwurm  ergriffen  und  zerfällt  theilweife. 

F.  Ein  Aichivkaßen  von  weichem  Holze  mit  acht  Abtlieilungeii 
und  drei  Aiilegketten,  worin  zwei  Schubläden  fehlen. 

G.  Zwei  Archivkäflen  von  weichem  Holze  mit  drei  Anlegketten, 
jedoch  ohne  Schubladen. 

H.  Pulpit  von  Ccderholz,  unten  acht-  und  oben  viereckig. 

I.  Skelet  vom  Kopfe  eines  Krokodils. 
K.  !  tne  alte  kieferne  Bettßatt,  welche  der  heil.   Ludmilla  ange- 
hört haben  foU. 

L.  Ein  in  dof  Mitte  der  Capelle  zum  Sperren  vorgerichtetes  und 
in  den  Seitenwänden  eingemauertes  eifernes,yi'«y?  aber ßark  ver- 
goldetes Gitter,  auf  welchem  fich  ein  gothifcher  Auffatz  mit  vier 
in  der  Mitte  angebrachten  Armleuchtern  auf  vier  Kerzen  be- 
findet. 

Zur  Zierde  waren  noch  oben  zwifchen  den  Stangen  an  einem 
Drahte  hängende  echte  Steine,  wovon  nur  ein  einziger  großer 
Chryfopras  übrig  geblieben  ift. 

M.  Auf  dem  Altare  befand  fich  ein  Thiirl ;  die  Hälfte  von  einem 
Tabernakel,  mit  dem  von  Thomas  .Mutina  gemachten  Ecce  homo- 
Bilde, dermalen  fo  befchädigt,  dafs  nur  nocli  ein  Theil  des 
Kopfes  fichtbav  ift.  Der  Kopf  und  Theil  derBruft  ift  abgeblättert. 
Um  das  Ecce  homo-Bild  ging  ein  hölzerner  Rahmen,  in  welchem 
auf  jeder   Seite   zwei    kleine    Gemälde    von    Heiligen    eingefetzt 

*  Von  den  fehlenden  acht  Stück  Gemälden  befinden  fich  drei  Stück 
kleine  Gemälde  in  der  k.  k.  Galerie  zu  Wien,  ein  großes  Gemälde  in  der  k.  k. 
Univerfitäts-Bibliothek  zu  Prag  und  ein  großes  (Altarblalt)  war  fchon  zu 
B.albin's  Zeiten  befcitigt  gewefen. 


1 1 


waren;  diefe  Tabernakelthür  befindet  fich  derzeit  zur  Reftaurirung 
in  der  k.  k.  Burg  zu  Prag. 

yV.  Drei  Stück ßhr  be/chädigte  höhirne  Statuen,  wovon  die  eine 
die  heil.  Gottesmutter,  die  andere  aber  Chriftum  vorftellen. 

0.  Zwei  alte  Leuchter  aus  Wachholderhoh,  auf  welchen  fich  die 
von  Baibin  gemachte  und  in  der  Anmerkung  zu  demfelben  er- 
wähnte Infchrift  befindet. 

P.  An  der  rückwärtigen  Wand  des  Hochaltares  befindet  ficli 
die  Nifche,  in  welcher  fich  die  königliche  Krone  aufbewahrt 
befand,  und  vor  derfelben  ein  eifernes  Gitter,  flark  vergoldet 
fammt  einem  Schlofie  und  fechs  Haken  ohne  Schlüffel 

Q.  Zu  beiden  Seiten  des  Altares  flehen  am  Fußboden  zwei  kunfl- 
voll formirte  Kaßcn  mit  der  Jahreszahl  Iül2. 

R.  Die  drei  hohen  Glasßnßer  diefer  Capelle  beflanden  fonft  aus 
Bernftein,  Kaniiolen  und  Amethiflen,  welche  in  vergoldetem  Blei 
eingefafst  waren,  gegenwärtig  ift  nur  noch  ein  kleines  Stück  von 
einem  folchen  Fenfter  vorhanden,  in  welchem  99  Karniolen  und 
Anitthiß-Steine  fich  befinden.  Nach  dem  Inventare  vom  Jahre  1812 
befanden  fich  noch  in  demfelben  63  Karniols  und  6g  Aiiicthißcn, 
daher  zufammen  132  Steine,  fonach  find  abgängig: 

5.  Zivei  Stück  Doppelhaken. 

T.  Drei  Stück  Schaße  von  Doppelliaken. 

U.  Eine  Armbriifl. 

V.  Ein  Hebel  zum  Spannen  der  Arnihruß . 

W.  Eine  eißrne  Spitze  von  einem  P/eile. 

X.  Ein  Betßhemel  des  Kaißrs  Karl  IV. 

Y.  Zwei  Stück  Bretter  von  Cederhoh  mit  eingeßtzten  Kreuzen, 
ein  Stück  s'  Ictng  und  S"  breit.  Nach  dem  Inventare  vom  Jahre 
1812  waren  drei  folche  Bretter  vorhanden,  daher  eines  abgängig. 

Z.  Ein  hölzernes  Geflell  von  einer  Laterne,   ehemals  vergoldet. 

Aa.  Sechs  alte  Schlüffel;  nach  dem  Inventar  vom  Jahre  1812. 

Bb.  Zwei  Stücke  von  einem  eißrnen  Panzerhemde,  das  eine  von 
feineren,  das  andere  von  flärkeren  Drahtringen,  wahrfcheinlich 
Ueberrefte  von  dem  bei  Hajek  vorkommenden  sub  Pofl  Nr.  34 
bemerkten  Verzeichniffe  erwähnten  Panzerkrägen  des  heiligen 
Kudolphus  und  Wenzeslaus. 

Cc.  Ein  auf  Papier  gedrucktes  in  einem  Holzrahmen  ein- 
gefafstes  Verzeichnis  der  auf  dem  Schloße  Karlflein  befindlichen 
Heiligthümer,  welches  abzufchreiben  und  dort  aufzubewahren 
wäre,  damit  das  alte  Verzeichnis  auf  bewalirt  werden  könnte. 

Dd.  Der  auf  Pergament  geßhriebene  in  einem  Holzrahmen  ein- 
gefafste  Beßätigungsbrief  ühet  die  im  Jahre  1588  vorgenommene 
Kevifion  der  Privilegien  fammt  Namen  und  Wappen  jener  Herren, 
denen  die  Vifitation  aufgetragen  wurde. 

Ee.  Ein  großer  runder  fchwercr  Stein,  welcher  während  der 
Belagerung  des  Schloßes  Karlflein  durch  das  Fentlergilter  in  die 
Kreuzcapelle  eingedrungen  fein  foll,  welcher  Vorfall  durch  den  an 
dem  Fenflergitter  erlittenen  und  ficlitbaren  Schaden  mehr  Wahr- 
fcheinlichkeit  erhält. 

Pf  Zwei  Seiten  und  ein  rückwärtiger  7'lu'il  von  einer  kiefei  ncn, 
derzeit  ganz  zerfchnitzten  Bettßatt. 
\2.  Die  hölzerne  aus  vier  Armen  nebft  Gang  beflehende  Stiege, 
welche  zur  G.ilerie  führt,  hat  gegenwärtig  durch  Einziehung  und 
Kefeftigung  eines  dauerhaften  Unterzuges  in  der  oberen  Etage, 
dann  der  angebrachten  mittleren  Unterftützung  derfelben,  die 
nütliige  Haltbarkeit  erhalten  und  mittels  Auswechslung  der  fchad- 
liaften  Stufen  und  des  fonftigen  Gehölzes,  dann  der  angebrachten 
Verfchalung,  ift  für  ein  bequemes  imd  ficheres  Auffteigcn  geforgt. 
Beim  Aufgange  diefer  Stiege  bcnöthigen  die  vom  Winde  fammt 
eifernen  Haken  ausgeriflfenen  zwei  Fenfterläden  im  Saale  der 
vierten  Etage  eine  Ausbefferung  und  Befeftigung. 
13.  Die  Galerie  auf  dem  Tliurme,  mittels  einer  eichenen,  mit  einem 
eifernen  Querriegel  verfehencn  Thür  zugänglich,  bildet  von  allen 
vier  Seiten  einen  3I/2  bis  5'  breiten   Gang,   der  von  einer  Parapet- 


mauer  eingefchloflfen  ift  und  um  das  an  der  Stirnfeite  mit  Feuer- 
mauer verficherte  Tafchendach  herumführt. 

Die  beftehende  Belegung  der  Plattform  mit  Gaftorfer  Platten  in 
Kitt  ift  im  Jahre  iS37und  1838  gelegentlich  der  letztvorgenom- 
menen Burgarbeiten  bewerkftelligt  worden.  Die  eingegangene 
Ziegelpflafterung  auf  der  Thurmgalerie  ift  mittels  einer  bewerk- 
ftelligten  verkitteten  Plattenlegung  ausgewechfelt  worden  und 
beträgt  34  Quadratklafter.  Die  Dachung  ift  nach  gefchehener  Ver- 
ftärkung  des  Werkfatzes  mit  Tafchen  eingedeckt  worden. 

Gegenwärtig  wurde  die  Verkittung  in  den  Platten  theilweife  aus- 
gebrochen vorgefunden;  auch  fehlen  an  der  Thurmdachung  mehrere 
Tafchen  und  die  Parapetmauer,  welche  mehrere  Fugen  hat,  be- 
nöthigt  abermals  einer  Ausbefferung  und  einer  fchrägeren  Pflafte- 
rung  zum  belferen  Ablaufe  des  Waffers.  Die  unteren  drei  Etagen 
des  Thurmes  find  gewölbt  und  mit  feparaten  Sturzdecken  verfehen  ; 
die  beiden  oberften  Gefchofiabtheilungen  der  vierten  und  fünften 
Etage  haften  blofle  Oberdecken,  wovon  in  der  vorletzten  Etage 
noch  einige  Träme  fichtbar  find. 

Der  Werkfatz  iß  ein  ßehender  Stuhl,  welcher  mittels  ange- 
brachter Bockpfelten  und  Säulen  zur  Tragung  der  Ziegeldeckung 
verftärkt  worden  ift. 

Zunächft  dem  Thurme,  jedoch  etwas  niedriger  befteht  für  fich 
ein  dreiftöckiges,  gleichfalls  maffives  viereckiges  Gebäude,  ehemals 
die  Wohnung  des  Domdechants  oder  die  vordere  Citadelle  genannt, 
delTen  Länge  58'  und  die  Breite  54'  beträgt,  und  im  Mauerwerke 
eine  Höhe  von  30'  (?)  enthält.  Der  Eingang  in  die  unteren  Beftand- 
theile  ift  von  dem  mit  Ringmauern  umgebenen  Walle;  in  die  obere 
Etage  führt  ein  gewölbter  Bogengang  aus  dem  fteinernen  Stiegen- 
haufe des  eigentlichen  Burggebäudes. 

14.  Ebenerdig  find  drei  gewölbte  Gemächer,  welche  ehemals  als  Arreße 
—  Czerwenka  genannt  —  gedient  haben  foUen.  Außer  den  Seiten- 
wänden und  den  gewölbten  Decken,  welche  fich  in  einem  noch 
brauchbaren  Zuftande  befinden,  ift  nun  niclits  mehr  von  den 
inneren  Beftandtheilen  zweier  Gemächer  vorhanden,  nur  bei  dem 
dritten  Gemache  befindet  fich  eine  Eingangsthiir  mit  Befchlag,  die 
noch  benutzbar  ift. 

15.  Im  erßen  Stockwei  ke  war  ehemals  die  Wohnung  des  Domdechants, 
welche  aus  drei  Gemächern  beftand.  In  dem  erften  Zimmer  felill 
in  dem  linksfeitigen  Fenfter  die  Steinplatte  bei  der  Sitzbank  der 
rechten  Fenfterfpalette.  Die  Ziegelpflafterung  in  demfelben  ift  theil- 
weife verfunken  und  fchadhaft,  was  von  der  Fäulnis  des  unterhalb 
befindlichen  Sturzbodens  herrühren  mag.  Die  unverfchalte  über- 
decke ift  mangelhaft  und  bereits  durch  Unterzüge  geftützt,  delTen- 
ungeachtet  noch  immer  gefährlich,  befonders  weil  fich  oben  die 
Marien-Kirche  befindet  und  beim  Gultesdicnlle  fich  viele  Menfchen 
dort  verfammcin. 

Uebrigcns  find  die  Fenftergitter,  Fenfterftürze  und  Futter  theil- 
weife gebrochen  und  man  vermifst  in  den  Gemächern  die  Bau- 
Einrichtungsbeftandtheile,  als  Thüren,  Fenfter  und  Oefen  etc.  und 
als  äußere  Abfperrung  befteht  eine  hölzerne  Thür  mit  langen 
Bändern,  Kegeln,  Anlegketten  und  Vorhängfchlofl  befchlagen.  Um 
die  Einwirkung  der  fchlechlen  Witterung  hintanzuhalten,  find  die 
vier  Fenderöffnungen  in  diefer  Elagc  jede  mit  einem  vierflügeligen 
goleinuen  Fenfterläden  verfehen,  wovon  ein  Stück  in  Kalinien,  ilie 
übrigen  drei  Stück  im  Steinfulter  mit  langen  Bändern,  Kegeln, 
Schubriegel  nebft  Vorreibcrn  befchlagen  find. 
\b.  Das  zweite  Stockwerk,  wozu  mit  Inbegriff  der  Zahl  im  Stiegen- 
haufe 80  ftcinernc,  jedoch  fchon  fehr  abgenützte  .Stiegenftufen 
füliren,  enthält  die  Decanalkirche  odei»  die  fogenannte  Marien- 
Kirche,^  im  letzten  Stiegenarmc  find  die  Stufen  innerhall)  der 
Mauerftärke  angebracht. 

'   In  diefer   Kirche   findet  noch  regelmäßig  Gottcsdienft  ftatl. 


2* 


12       — 


Mehrere  Bcftandtheile  diefes  Behältnifles,  dann  der  aus  Ziegel- 
pflafter  beftelicnde  FußlMidtn  ifl  liie  und  da  befchäciigt  und  ver- 
funken. 

Die  Wölbung  des  rcclitsleits  dus  llochaltares  befindlichen 
Fenfters  ift  geborften. 

Die  beftehende  Verrohrung  fammt  Suirzboden  ift  erft  vor  kurzem 
zur  Ausfühning  gelangt,  indem  die  alte  Sturzdecke  bereits  ein- 
zuftürzen  drohte.  Die  Stellung  der  einzelnen  Altäre  ift  gegen 
frühere  Zeit  verfchieden,  indem  an  der  Stirnfeite,  wo  gegenwärtig 
der  Hochaltar  aufgeftellt  ift,  eine  Commuuication  mit  den  von 
Kaifer  Karl  IV'.  bewohnten  Localitäten  beftand. 
l") .  Sonßif,'e  Bezeichnung  der  einzelnen  Gegenftände,  welche  diefes 
Gemach  zieren  und  ausftatten. 

A.  In  der  erften  Fenfterfpalette  rechts  neben  dem  Hochaltare 
bei  dem  Eingange  in  die  Kreuzcapelle  erfchienen  zehn  Stück 
böhmifche  Jafpis  und  .Amethyften  in  der  Form  eines  Mallhe/er- 
kreir.es  eingemauert. 

Nach  den  mehreren  verputzten  Stellen  ift  zu  erfehen,  dafs 
diefes  Kreuz  in  früherer  Zeit  .lus  i6  derlei  gefchloffenen  Steinen 
beftand. 

ßö.  Die  Malerei  an  den  Seitenwänden  iß  größtentheils  ver- 
■wi/cht  und  zeigt  Spuren  einer  fpäter  ftattgehabten  Erneuerung. 
Die  urfprüngliche  Malerei  ftellt  Scenen  aus  dem  Leben  Maricns 
und  Ckrißi,  fowie  aus  der  Apokalypfe  vor,  ferner  befinden  fich  an 
der  rechten  Wand  neben  dem  Hochaltare  nachftehende  Abbil- 
dungen in  Lebensgröße : 

1.  Kai/er  Karl  IV.,  wie  ev  feiner  Gemahlin  Bianca  ein  Kreuz 
überreicht. 

2.  Kai/er  Karl  IV.,  wie  er  feiner  Gemahlin  oder  feinem  zweiten 
Sohne  Sigismund  einen  Hing  übergibt. 

j.  Kaifer  Karl  IV.  wie  er  fich  betend  vor  einem  Kreuze  beugt. 

Cc.  An  der  Wand  der  Eingangsthür  gegenüber  ift  die  heilige 
Maria  mit  dem  Kinde  Jefu  auf  dem  Arme  in  Lebensgröße  abge- 
bildet. 

Dd.  Im  der  Kckwand  an  der  Epiftelfeite  des  Hochaltares  ift  zur 
Aufbewahrung  der  Monftranze  ein  Tabernakel  von  Sandßein  auf 
gothifche  Art  mit  einer  eifernen  Thiir  zum  Sperren  eingemauert. 
Bei  dem  Hochaltäre  wäre  die  Communionbank  wieder  zum 
Sperren  vorzurichten  und  das  beftehende  fchadhafte  Schloß  herzu- 
ftellen,  damit  die  fremden  Gäfte  bis  zum  Hochaltare  nicht  hintrefen 
könnten. 

Ee.  An  der  Wand  unter  den  Abbildungen  des  Kaifers  Karl  IV. 
nahe  am  Fußboden  befindet  fich  ein  eiftrnes  Thürl  zum  Sperren 
einer  kleinen  Oeffnung,  mittels  welcher  mehrere  Gegenftände  in 
die  Katharinen-Capelle  gebracht  werden  konnten,  währenddem 
fich  Kaifer  Karl  IV.  dort  den  Andachtsübungen  unterwarf. 

F.  Hinter  dem  Hochaltäre  befindet  fich  in  dem  Fenfter  eine 
runde  Glasfeheibe  von  Glasmalerei,  die  Verkündigung  Mariens 
darßellend. 

G.  Auf  dem  Hochaltare  ift  eine  gegen  3'  hohe  alabaßerne  Statue 
die  heil.  Mai  ia  mit  dem  fefukinde  auf  dem  Arme,  oberhalb  des 
Tabernakel!  fichlbar,  welche  wegen  der  fchönen  Arbeit  befonders 
beachtet  zu  werden  verdient. 

II.  Ein  meffingencs  Reliquienkapfel  in  der  Größe  eines  Thalers, 
eingehängt  an  der  Maria-Statue. 

/.  Ein  kleines  filbernes  Kreuzel,  welches  aufgefchraubt  und  zur 
Aufbewahrung  kleiner  Reliquien  venvendet  werden  kann,  im  Ge- 
wichte von  einem  halben  Loth  und  halben  Quintel  angehängt  an 
der  Maria-Statue. 

K.  Eine  Silbermünze  in  der  Größe  eines  Guldenßückes  und  im 
Gewichte  von  einem  halben  Loth  und  einem  Quintel,  von  Johann 
Grafen  Mansfcld  des  Jahres  1670 


/..  Von  den  Kirchenparamenten  find  alterthümlich  fünf  Stück 
Meßornate,  welche  jedoch  fchon  ganz  morfch  und  zerriffen  find, 
als: 

/.  Ein  aus  dunkelbraunem  Sammle,  mit  angenähten  gekreuzigten 
Jefu-  und  fechs  anderen  verfchiedenen  Figuren. 

2.  Ein  detto  aus  rothem  Dainafl  jedoch  blos  mit  vier  Seiten- 
ßguren. 

j.  Ein  detto  aus  blauem  Da  maß  mit  neun  Figuren. 

4.  Ein  detto  aus  kirfchrothem  Sammle  und  darin  einge-.i'irktem 
Goldftoff,  worauf  heilige  Bilder  geftickt  find. 

j.  Ein  detto  aus  lichtbraunem  gemußerten  Sammle  mit  ein- 
gefticktem  gekreiuigten  Chriftum  und  fünf  Seitenfiguren,  ferner; 

M.  Ein  Stück  von  einem  morfchen  Meßgewande  von  grüner  und 
rother  Farbe  mit  einem  eingeftickten  Kreuze  und  fieben  Seiten- 
figuren. 

A'.  Ein  Stück  aus  einem  alten  rothen  Sammle,  angeblich  von 
einem  Kleide  Kaifer  Karls  IV. 

0.  Ein  Stück  Seidenzeug  von  einem  Pluviale  mit  eingewirktem 
Engel,  ganz  ausgebleicht. 

P.  Unter  dem  Chore  iß  in  der  Mauer  eine  Vertiefung,  das  heil. 
Grab  vorftellend. 
l8.  Aus  der  Marien-Kirche  rechts  vom  Hochaltäre  führt  eine  zweifache 
Thür  mit  Eifenblech  befchlagen,  durch  einen  fchmalen  Gang  in 
die  Katharinen-Capelle,  welche  auf  Tragfteinen  über  die  Haupt- 
mauer der  Citadelle  hervorfpringt,  fonft  aber  ganz  auf  der  Haupt- 
mauer liegt.  Die  Thüren  zeigen  einen  brauchbaren  Zuftand,  der 
Gang  ift  aber  gegenwärtig  mit  einem  theihvcife  verputzten,  theil- 
weife  abgelösten  Mörtel  verfehen  und  an  den  verfchiedenen 
befchädigten  Stellen  fchimmert  die  alte  GoUlverzierung  der  Wände 
hervor. 

Die  Wände  diefes  Ganges  waren  urfprünglich  mit  Edel/leinen 
ausgelegt,  die  aber  von  dort  weggenommen  find  und  zur  Verzierung 
der  St.  Wenzels-Capelle  der  Prager  Domkirche  verwendet  worden 
fein  foUen. 

Die  Capelle  lelbft  hat  ein  etwas  fchadhaftes  Ziegelplhifter  und  in 
der  aus  zwei  gothifchen  Kreuzgewölben  beftehenden  vergoldeten 
Oberdecke  find  feine  RilTe,  die  fich  felbft  den  dort  befindlichen 
zwei  Fenftern  mitlheilen. 

Die  Schlußfteine  der  Gewölbung  find  mit  echten  Edelfteinen 
verziert,  wovon  aber  bereits  mehrere  abgehen.  1  Die  Seitenwände 
find  mit  gefchliffenen  Karniolen  und  Amethyßagaten  decorirt  und 
befinden  fich  bis  auf  die  fehlenden  Steine  in  gutem  Zuftande.  Die 
Verglafung  der  lieiden  Fenfter  von  gothifcher  Form,  wovon  jedes 
im  Lichten  2'  zur  Breite  und  5' 6"  zur  Höhe  hat,  nebft  eifernem 
Gitter. 

liefondcre  Aufmerkfamkeil  verdient  die  an  den  Fenftern  ange- 
wendete Kunftglasmalerei,  deren  Gemälde  aus  dem  alten  Teftamcnle 
entlehnt  und  das  Leiden  Jefu  am  Kreuze  vorftellen.- 

In  diefer  Capelle  befinden  fich  folgende  böhniifclie  Ilalbedel- 
fteine  eingelegt,  als: 

a)  Im  Thürflocke  der  Eifigangsthiir  find  vorhanden  .  .      18  Stück 

b)  In  der  .Stirnwand  der  Eingangsthür 154      , 

c)  In  der  linken  Seitenwand 326      „ 

d)  In  der  Stirnwand  der  Altarfeite 1 0 1      „ 

ej  In  der  Rundung  des  Bogens  der  Altarnifche 20      , 

f)  In  der  s^la'  dicken  Kante  des  Altarßeines 18      „ 

g)  In  der  ganzen  rechten  Seiten-wand 352     „ 

Die  Gefammtzahl  der  gegenwärtig  l)eftehenden  uml  eingefetzten 

Steine  in  diefer  Capelle  beläuft  fich  daher  auf  104c)  Stück.  3  Ferner 
ift  vorhanden: 

'  UnKCz.ntllt. 

-  Die  Kunftglasmalerei  ift  bereits  fchadhaft. 

■^  Von   früherer  Zeit  ift  der  Beftand  mit    1145    Stück    Steine    angegeben, 
datier  fehlen  bereits  96  Stück. 


13     — 


H.  Ein  alterlhümliches  unten  ausgezacktes  eifernes  Altarglock- 
ehen auf  vier  eifeinen  Fiißen. 

/.  Ein  ßlberner  niedriger  punklirter  Becher  im  Cc^uichte  von 
7 1/2  Loth. 

K.  Sechs  Stiiclt  fonß ßark  vergoldete  Eiftnßangen,  von  welchen 
vier  Stück  an  beiden  Seiten,  nach  der  Länge  der  Wämle  zum  An- 
halten oder  Anlehnen  angebracht  find. 

L.  An  jedem  der  beiden  Schlußfleine  der  golhifchen  Wölbung 
betindet  fich  eine  aus  Silber  getriebene  und  vergoldete  Rofette  von 
fiitif  Blattern.  In  diefem  Blatte  waren  6,  und  im  äußeren  Rande  20, 
und  mit  Einfchluß  des  Mittelßeines  j/  böhmi/che  echte  Edelßeine. 

In  der  Rofette  zunächft  des  Altares  find  mit  Einfchluß  des  Mittel- 
fteines, eines  großen  Rauchtopafes  noch  jo  Stück  vorhanden,  i  In 
der  Rofette  zunächfl  der  Thür  find  mit  Einfchluß  des  Mittellleines, 
eines  Chalcedons,  auf  welchem  ein  Engelskopf  erhaben  ein- 
gefchnitten  ifl,  noch  vorhanden: 2 

M.  Zwei  über  j'  lange  und  2"  dicke  Holzlatten,  von  dem  Wagen, 
auf  welchem  der  Leib  des  heil.  Wenzel  nach  Prag  überbracht 
worden  ill. 

N.  Eine  ßarke  tifernc  Fußfchelle  mit  einer  Kette  von  drei 
eifernen  Ringen.  Nach  Baibin  foll  es  eine  von  jenen  fein,  mit 
welchem  die  MiiTethSter  in  dem  Kleinfeitner  Kerker  gefeffelt  waren, 
vor  welchen  der  Leib  des  heil.  Wenzel  bei  feiner  geheimen  Ueber- 
führung  von  Bunzlau  nach  Prag  plötzHch  liehen  blieb  und  nicht 
eher  weiter  gebracht  werden  konnte,  bis  die  Gefangenen  auf  freien 
Fuß  gefetzt  worden  find. 

0.  Zwei  kupferne,  emaillirte  runde  Altarleuc'tier. 

P.  Ein  kleiner  AUarftein  aus  einem  rothen  böhmifchen  Jafpis. 

Die  Nifche  des  Altars  hat  eine  fchöne  aber  befchlidigte  Malerei ; 
der  untere  Theil  des  Altars  mit  Goldverzienmgen  ift  aber  bisher 
gut  confervirt.  Nebftljei  befinden  fich  darin  aufgeftellt: 

Zwei  hölzerne  ganz  vermorfchte,  kleine  längliche  Kiißchen  mit 
Reliqttien,  welche  ehemals  mit  rothem  .Seidenzeuge  bedeckt  waren. 
In  dem  linksfeitigen  Ijefinden  fich  das  Haupt  der  heil.  Euphemie,  die 
Beine  der  heil.  Jußine  und  Margaretha  und  der  Kinnbacken  und 
der  Arm  des  heil.  Bifchofs  Burghardt. 

Der  Deckel  von  diefem  Kärtchen  ift  verrückt  und  daher  das 
Kärtchen  zum  Theile  geöffnet.  In  den  rechtsfeitigen  irt  das  Haupt 
und  andere  Ueberbleibfel  des  heil.  Märtyreri  Palmatius. 

Q.  Zwei  hölzerne  halbrunde  Betfchemel,  angeblich  von  Kai/er 
Karl  IV.  felbrt  gearbeitet.  Auf  dem  Dachboden  führt  die  in  dem 
Mauerwerke  fortgefetzte  fteinerne  Stiege. 

Die  Eindeckung^  des  foeben  befchriebenen  Gebäudes  ift  ein 
gewöhnliches  mit  Schindeln  befchlagenes  Satteldach,  auf  welchem 
fich  ein  kleiner  Glockenthurm  erhebt. 

19.  Mittels  des  doppelten  Uebergangsbogcns  und  der  anftoßenden  Stiege 
findet  die  Verbindung  aus  dem  genannten  Gebäude  in  die  oberen 
Etagen  jenes  Burggebäudetheiles  ftatt,  worin  ßch  die  eigentlichen 
Wohnbeßandtheile  Kai/er  Karls  IV.  befanden  und  deren  Fenftcr 
gegen  den  Ort  Budnian  iiml  das  Thal  vom  Beraunfluße  gerichtet 
find. 

Das  Stiegenhaus  ift  vierarmig  angelegt  und  die  fteinerncn  Stufen, 
welche  bis  zum  Dachlioden  führen,  find  8  bis  9"  hoch. 

Die  Hauptmauer  und  die  Wölbung  des  genannten  Stiegenhaufes 
ift  bei  Gelegenheit  der  letztvorgenonmienen  Bauherrtellung  aus- 
gezwickt und  mit  einem  neuen  .\nwurf  verfehen  worden. 

20.  Das  eigentliche  Burggebäude  befteht  aus  mehreren  Abtheilungen 
und  hat  von  den  übrigen  Schloßgebäuden  die  größte  Ausdclinung 
und  in  den  äußeren  UmrilTen  eine  äußerft  irreguläre  Figur. 

'  Daher  21  Stück  Steine  ausgebrochen. 
-  Ausgebrochene  Stellen  neun  Stück. 

'  Der  Dachftuhl  ift  in  den    einzelnen    Theilen    fchndhaft,    die     Schindel- 
eindeckung  dagegen  noch  in  mittcImülMgeni  Zuftande. 


Durch  die  feit  der  erften  Anlage  in  dem  Gebäude  vorgenom- 
menen Baulichkeiten  und  Reparaturen  haben  jedoch  die  einzelnen 
Beftandtheile  und  Abtheilungen  eine  folche  Veränderung  erlitten, 
dafs  fich  ihr  urfprünglicher  Stand  und  ihre  Eintheilung  gar  nicht 
mehr  erkennen  läfst. 

Ehemals  follen  dafelbft  zwei  Capellen,  34  Gemächer  von 
abweichender  Größe  und  zS  verfchiedene  andere  Beftandtheile, 
worunter j-  Vorhäufer,  6  Küchen, s  Gewölbe,  4  Keller,^  Stallungen, 
I  Schupfe  und  2  Arreße  begriffen  find,  beftanden  haben. 
2\.  Diefcs  angeführte funfßöckige  Gebäude  (t.  Abthei'.ungi  mit  Aus- 
nahme des  halbrunden  Anbaues  24°  lang  und  6°  3'  o"  mittlerer 
Breite  hat  in  die  höheren  Etagen  den  Zutritt  von  unten  aus  dem 
zweiten  Burghofe  und  von  oben  theils  von  der  Marien-Kirche, 
theils  von  der  Dechantei-Wohnung. 

E>ie  unte'ße  Elage^  ift  bloß  durch  eine  Quermaucr  abgetheilt 
und  in  den  beiden  Räumen  find  gemauerte  Pfeiler,  dann  hölzerne 
Säulen  auf  Untermauerung  vorhanden,  welche  als  mittlere  Unter- 
ftützung  der  Sturzdecke  dienen.  Die  Einwirkung  der  Lichte 
gefchielit  mittels  der  in  den  vorderen  Hauptmauern  angebrachten 
2'  ö"  breiten  und  hohen  Oeflnungen,  welche  mit  eifernem  Gitter 
verfichert  find. 

Die  zweite  Etage  liegt  in  gleicher  Höhe  mit  dem  zum  rteinernen 
Stiegenhaufe  führenden  offenen  Gange,  welcher  auch  als  Zutritt 
in  die  als  Wagen-  und  Vorrathsfchupfe  benützten  Räume   dient.  2 

Die  12  bis  27"  breiten  und  hohen  Fenfteröflnungen  find 
mit  eifernen  Stäben  verfehen,  und  die  bertehenden  Sturzträme 
find  mit  Röften  gefiebert,  welch'  letztere  auf  fünf  gemauerten 
Pfeilern  aufliegen.  Der  Fußboden  irt  mit  Mauerziegeln  gepflartert, 
jedoch  ftellenweifc  fchadhaft. 

Die  dritte  Etage  ift  aus  dem  rteinernen  Stiegenhaufe  zugäng- 
lich, und  mit  der  in  gothifchen  Bogen  angefertigten  neuen  Ein- 
gangsthür  gelangt  man  in  den  Vorfaal,  in  welchem  fich  vier  Stück 
vierßügelige  Fenßer  mit  Verglafung  von  kleinen  Scheiben  in  Blei 
befinden. 

Linkerhand  führt  eine  zwcißügelige  harte  Thür  in  die  Nicolai- 
Capelle;  die  drei  Stück  vicrßügeligen  großen  und  ein  kleines  Eenßer 
find  mit  kleinen  Scheiben  in  Blei  verglast.  3 

Die  darin  angebrachte  Sturzdecke  fammt  Unterzug,  dann  die 
Wandmalerei  fchreibt  fich  von  der  im  Jahre  1700  unter  der  Re- 
gierung der  Kaiferin  Maria  Therefia  rtattgehablen  Renoviiung 
der  Vefte  her. 

In  diefer  Capelle  bcfin  det  fich  : 

a)  Die  Statue  des  heil.  Xieolai  aus  Lindenholz  gegen  4'  lioch 
und  rtaffirt,  angeblich  von  Sr.  Majertät  dem  Kaifer  Karl  felbrt 
verfertigt.  ' 

b)  An  der  linken  Seile  nicht  weit  vom  Eingange  iß  an  der  Wand 
ein  altes  Altarblatt,  beftehend  aus  dem  mittleren  Haupttheile 
und  zwei  Seitenflügeln,  welche  fich  in  Angeln  bewegten.  Das 
Gemälde  ift  auf  Gypsgrund  in  Oel  gemalt  und  aus  alt- 
deutfcher  Schule.  Das  Hauptßück  ßellt  den  heil.  Palmatius, 
Jefu  und  den  heil.   Weitzcslaus  vor.  5 

Auf  den  beiden  Seitenflügeln,  und  zwar  auf  der  äußeren  und 
inneren  Seite  befinden  fich :  Die  Verkündigung  Mariens,  Geburt 
Chrißi,  die  Ankunft  der  heil,  drei  Könige,  die  Befchneidung 
Chrißi,  Jefus  am  Oelberge.  Die  Geißelung,  Kreuzigung  und 
Himmelfahrt  Chrißi. 

'  Wird  der  urfprünglichen  Bcftimmung  gemäß  nis  Sttlllung  benutzt, 
jedoch  mangelt  den   Localithten  die   gehörige  Verwahrung  und    Bequemlichkeit. 

-  Die  Röfte  wurden  im  Jahre  1838  angefertigt  und  eingezogen. 

'  Sturzträme  und  Roft  ift  neu  beigegeben  worden. 

*  Befindet  fich  auf  dem  rechten  Seitenaltarc  aufgeftellt. 

■'■  Diefes  Altarbild  ift  Eigenthum  der  Budnianer  Kirche  und  auch  in  dem 
Invcntare  derfelben  cnthahen. 


—      14 


Anfloßend  an  der  rückwärtigen  Slirnwaiul  ift  in  dem  halb- 
runden Anbau  die  gewölbte  Sacriftei,  mit  einem  14"  breiten  und 
4'  3"  hohen  in  Blei  verglasten  Bogenfenfter  verfehen  und  ge- 
pflaftert. 

Aus  dem  Vorfaale  rechts  führt  eine  einflügelige  geleimte  Thür 
in  an  geräumiges  Gemach  mit  vier  Stück  doppelten  gekuppelten 
Fenfteröffnungen,  welche  an  den  drei  Wänden  vertheilt  und  mit 
angefertigten  Bretterverfchalungen  gefchloffen  find. 

Die  Deckel  ifl  ein  ordinärer  Sturzboden  mit  einem  mittleren 
Rolle  verfehen.  Sämmtliche  läeftandtheile  find  gepflaflert  und  an 
der  Stirnfeile  befteht  eine  Communicaiionstluir,  welche  in  den 
weiteren  fchmäleren  Burggebäudetheil  führt. 

Die  vierte  Etage  hat  mit  der  unleren  eine  ziemlich  gleiche  Ein 
theilung.  indem  bloß  der  Raum  der  Nicolai-Capelle,  oberhalb 
mittelfl  einer  beftehenden  Schroltwand  in  zwei  Piegen  abgetheilt 
ift,  wovon  erflere  gemäß  ihrer  urfprünglichen  Beftimnumg  als 
Audienzzimmer,  und  die  zweite  als  Schlafzimmer  des  Kai/ers  Karl 
benutzt  wurde. 

Die  Verbindung  und  der  Zutritt  in  diefe  beiden  BehältniHTe  ifl  mit 
einflügeligen  Pfoftenthüren  bewerkftelligt,  welche  mit  kunftvoll 
gearbeiteten  großen  Schlößern  verfehen  find. 

Die  Wände  und  die  Decke  des  Audienzzimmers  find  mit  einem 
nach  dem  ehemaligen  Gefchmacke  verfertigten  hölzernen  Tafel- 
werke  decorirt,  wo  in  der  Mitte  der  einzelnen  Felder  vergoldete 
Knöpfe  beflanden  haben. 

Das  anftoßende  Schlafzimmer  hat  eine  mit  gekehlten  Tramen 
und  Sturzbrettern  verzierte  neue  Oberdecke  erhalten. 

Das  Pflafter  fämmtlicher  Behältniffe  ift  mit  vcrfchiedenarlig 
gefärbten  Ziegeln  mofaikartig  hergeßellt. 

Die  Hauptmauer  des  in  einem  Halbkreife  angebauten  Thurmes 
war  in  der  vorletzten  Etage  bloß  auf  die  Höhe  von  4'  vorgefunden 
und  mit  einem  Nothdache  gefiebert. 

Bei  der  im  Jahre  1837  und  1838  vorgenommenen  Renovirung 
und  ilen  bewerkftelligten  Baulichkeiten  wurde  das  Mauerwerk 
und  die  Dachung  des  Halbthurmes  mit  dem  Theile  des  langen 
Burggebäudes  in  gleiche  Höhe  gebracht  und  die  innere  Communi- 
cation  der  beiden  Etagen  mittelft  Ergänzung  der  früher  beflan- 
denen  2'  9"  breiten  fleinerneu   Wendeltreppe   wieder   hergeftellt. 

22.  In  dem  7°  s'  langen  und  4°  j'  breiten  Saal  find  ig  große  und fechs 
kleine,  zufammen  2^  Stück  Thürßügel-  mit  gemalten  Wappen, 
von  jenen  Behältniffen,  welche  in  einem  für  Mannen  des  Ritters 
und  Adelftandes  beflimmten  Saal  des  tiefer  gelegenen  Burg- 
gebäudes an  den  Wänden  herum  aufgeflellt  waren  und  zur  Ab- 
fperrung  der  verfchiedenen  Waffen  dienten,  ferner  zwei  hölzerne 
Wagenkaflen  von  den  Zeiten  Kaifer  Rudolphs  II. 

Die  oberflefünfte  Etage  iß  ohne  Sturzdecie  mit  zwei  Schrott 
fcheidewänden  abgetheilt,  mit  Ausnahme  des  gepflafterten  halb- 
runden Behältniffes  find  die  übrigen  Räume,  fo  auch  der  große 
Speifefaal  bloß  mit  einer  geringen  Abfchüttung  verfehen. 

Der  Wirkfatz  beßeht  aus  einem  liegenden  Stuhle,  im  Jahre  18 1 8 
neu  abgebunden  und  die  Dachung  mit  Haken  und  Preifen  ein- 
gedeckt, welche  kürzlich  mit  dem  erhöhten  Halbthurme  in  Ver- 
bindung gefetzt  worden  ifl.  Um  bei  vorkommenden  Reparaturen 
eine  Communication  zu  erzielen,  wurde  nach  der  ganzen  Länge 
des  Gebäudes  eine  3'  breite  Laufbrücke  hergeftellt,  welche  gleich- 
zeitig den  Zutritt  zu  der  an  der  Stinifeite  aufgeftellten  allen 
lifernen  Uhr  gewährt. 

23.  Das  Domherrengebäude  ift  ein  zweiftöckiges,  die  zweite  Haupt- 
abtheilung der  Burg  bildendes  Gebäude,  welches  mittelft  Ein- 
ziehung neuer  Sturzträme  und  Anarbeilung  einer  Sturzdecke, 
eines    neuen    Dachwerkfatzes,    dann    angewandten    äußeren   und 

'  Die  Sturzdecken    wurden    mit   Ausnahme    der   Nicolai-Capelle    in    den 
beiden  oberen  Etagen  neu  angefertigt. 

'  Die  as  Stück  Tliürflügcl  waren  früher  im  Vorhaufe. 


inneren  Mauerverputzes  bei  den  im  Jahre  1837  und  1838  ftatt- 
gehablcn  Renovirungsarbeiten  in  einen  befferen  Bauzuftand  ver- 
fetzt wurde. 

Das  alte  Schindeldach  wurde  abgetragen  und  die  neue  Dachung 
mit  Ziegeltafchen  eingedeckt 

24.  Gegen  Werten  fchließen  fich  an  die  erfte  Burgabtheilung  die  ehe- 
maligen Wohnungen  der  Burggrafen,  Ritler  und  fonßigen  kaifer- 
liehen  Diener,  worin  fich  auch  die  oben  sub  Nr.  4  angeführte 
St.  Wenzels  Capelle  befand. 

Diefe  fämmtlichen  Gebäude  find  ein-,  zwei-,  drei-  und  frlbll 
vierftöckig  und  gegenwärtig  nach  den  liedürfniffen  der  Bewohner 
in  der  Eintheilung  gegen  früher  wefentlich  abgeändert. 

25.  Der  an  die  kaiferliche  Wohnung  anßoßende fchmälere  Theil  i(i  mit 
einem  neuen  Ilaken-  und  Preifendach  verfehen  und  wird  unten 
als  Stall,  in  den  oberen  zwei  Etagen  aber  gar  nicht  benutzt.  Die 
Hauptmauer  gegen  die  Hoffeite  mußte  wegen  Baufälligkeit  auf 
eine  gewin"e  Höhe  al)getragen  werden,  und  zur  Schließung  der 
äußeren  Thür-  und  Fenfteröffnungen  beftehen  bretterne  Ver- 
fchalungen. 

26.  Der  Weiler  anßoßi-nde  Theil  fchließt  ebenerdig  den  Vorhuf  in  ficli 
ein  und  fafst  mehrere  Gemächer,  welche  als  Beamtenwohnungeii 
und  Kanzleien  benützt  werden. 

Mehrere  Beftandtheile  diefer  Gebäude  find  gewölbt,  wovon  ficli 
jene  in  der  Wohnung  des  dermaligen  Rentmeiftcrs  wegen  der 
eigenen  und  kunftvollen  Strutflur  auszeichnen,  felbe  find  in  gothi- 
fcher  Form  hergeftellt  und  mit  gerügten  (?)  Bögen  verfehen.  Die 
Wohnungen  und  die  Amtslocalitäten  haben  feparate  Zugänge  und 
gegen  den  Vorhof  eine  etwas  tiefere  Lage. 

In  dem  nach  den  Bergrücken  noch  tiefer  gelegenen  Hurgtheile 
führt  ein  Sliegengang,  mittels  delTen  man  zu  dem  fogenannten 
W.ifch-  und  Backhaufe  gelangt,  welches  in  feiner  Ausdehnung 
unbedeutend  ift  und  wegen  des  verwahrlosten  Zuftandes  außer 
aller  Benützung  fteht. 

27.  Rechts  von  diefem  Haufe  befindet  fich  der  Brunnenihurnt,  welcher 
in  fich  einen  im  Felfen  ausgehauenen  290'  tiefen  Brunnen  ein- 
fcliließt;  derfelbe  ift  an  der  Außenfeite  zum  Theile  nach  einem 
ganzen  Kreife,  im  Innern  aber  viereckig  angelegt,  hält  21'  im 
DurchmelTer  und  ift  in  den  Umfaffungsniauern  6'  ftark.  Die  beiden 
Fenfteröffungen  find  mittels  zweiflügeliger  Vorläden  im  Rahmen, 
mit  dem  nöthigcn  Befchlage  verfehen,  gefchlofTen.  Zum  Behufe  der 
Hebung  des  WalTers  aus  dem  erwähnten  Brunnen  befteht  ein 
großes  Trittrad  mit  einem  hölzernen  iMmer  und  Seil. 

Endlich  befindet  fich  in  der  Oberamiskanzlei  ein  großes  Bild 
des  Kaifers  Karl  IV.  in  Lebensgröße  und  in  feinem  Krönungs- 
ornate, worauf  die  Vcfte  Karlftein  zugleich  ganz  abgebildet  ift. 
Ferners: 

ig  Sliick  gebundene  Bücher  in  Folio,  wovon  iS  gefchrieben  find 
und  eines  gedruckt  iß,  ehemals  dem  Karlßeiner  Domherrn  ange- 
hörig. 

Diefe  fämmtlichen  Bücher  wurden  in  die  Kreuzcapelle  über- 
tragen und  in  die  darin  sub  q  angeführten  zwei  kunftvoU  formirten 
Karten  aufgertellt. 

Da  fich  weiter  nichts  vorgefunden  hat  und  auch  kein  Theil 
nichts  mehr  zu  erinnern  hatte,  fo  wurden  dem  gefertigten  Karls- 
teiner Pfarradminiftralor  und  Herrfi:haft  Karlsteiner  Amtsdiretflor 
fämmtliche  Gegenftände  von  dem  mitgefertigten  KreiscommilTär 
zur  weiteren  Aufbewahrung  und  Erhaltung  übergeben  und  jedem 
eine  Ahfchrift  von  diefem  Inventar  eingehändigt. 

Karlstein,  am  2.  Juni  1S40. 

I'rokop  Ilaaß  m.  p.,  Worel  m.  p.,  I'erd.  Jitfchinsky  m.  p., 

Adminiftrat(jr.  KreiscommilTär.  /itutsdiredttir. 

Reifif  m.  p., 

Aätuar. 


15     - 


Verzeichnis 

über    luicliftoheiule    Aiflen,    welche    am    heuligen    Tage    vom    Unler- 

fertigleii  ilem  Herrn  Architekten  Mocker  beliufs  der  weiteren   Ueber- 

gabe  derfelben   an    den   Herrn    Oberbauratli    Pf.    I^rUdrich    SchmUlt 

übergeben  wurden,  und  zwar: 

I.  Ein  Stück  Inventar  der  Herrfchaft  Karlstein  und  des  dazu- 
gehörigen Gutes  MiUin,  in  Leder  gebunden  mit  zwei  beiliegenden 
Anflehten  der  Burg  Karlstein. 

n.  Ein  Convolut  Schriften,  enthaltend: 

1.  Eine  geheftete  Handfchrift,  13  Blatt  flark  mit  der  Auffchrift: 
„Ideen  zur  Wiederherftellung  des  Schloßes  KarUtein"  ddo.  Prag, 
iS.  Mai  1837  vom  Maler  Eduard  Gurk. 

2.  Zwei  Quarlblätter  (vier  Blätter)  „Bemerkungen  über  die 
bereits  projeeflirtcn  Baureparaturen  des  Schloßes  Karlstein"  von  dem- 
fclbon.  Undatirt. 

3.  Zwei  Quartblätter  „Gegenbemerkungen".  Ohne  Datum  und 
ohne  Unterfchrift. 

4.  Ein  Quariblatt  (zwei  Seiteni  mit  der  Auffchrift:  ..Für  den 
großen  Thurm  des  Karlstciner  Schloßes"  von  Ed.  Gurk,  ohne  Datum. 

5.  Zwei  Briefe  in  Quart  von  demfelben  an  Se.  Excellenz  weiland 
Oberftlandrichter  Baron  Heß;  einer  ohne  Datum,  der  andere  vom 
iS.  Juni  1S37. 

0.  Ein  Manufcript,  ein  Bogen  lacht  Quartfeiten  1  flark  von  dem- 
felben ddo.  15.JUU  1837  mit  der  Auffchrift:  , Ideen  über  eine  aus- 
gedehnte Reflaurirung  des  Schloßes  Karlflein". 

Prag,  am  7.  November  186Ö. 

F.   Thiin  m.  p. 


Aus  dem  Protokolle  vom  20.  und  21.  Auguft  1868. 

Am  SchluBe  der  vorflehenden  Inventar-Rubriken  A.  Alter- 
thümcr,  bewegliche,  dann  niet-  und  nagelfefle  Gegenflände,  und  B. 
Bilder  und  Wandmalereien,  haben  der  hochgeborene  Herr  Griif  /-'ranz 
Thun  und  der  akademifche  Maler  Herr  Friedrich  Wnchsinnnn  nach- 
flehende Aeußerung  zu  Protokoll  gegeben. 

I. 

Der  Herr  Graf  Thun  bezeichnet  es  im  höchllcn  Graile 
wüiifchenswerth,  dafs  erftens  die  genaue  Durchpaufung  und  Copirung 
frtmmtlichcr  in  den  einzelnen  Localitäten,  namentlich  der  Marien-, 
Katharina-  und  Kreuz-Capelle  noch  vorhandenen  und  doch  immer 
mch'-  leidenden  und  verfchwindenden  Wandgemälde  vielleicht  durch 
Intervention  der  Gefellfchaft  patriotifcher  Kunftfreunde  vorgenommen 
werde;  zweitens  die  genaue  Unterfuchung  des  Zuflandes  der  im  Jahre 
1S3Ö  und  1837  durch  Gurk  und  nach  feiner  Vorfchrift  (wenn  ich  nicht 
irrei  durch  Markowsky,  wie  ich  zu  befürchten  Anlafs  habe,  keineswegs 
in  zweckmäßigfter  Weife  reflaurirten  Heiligenbilder  Mutina's  und 
Theodorich's  von  Prag  in  der  Kreuz-Capelle  durch  vielleicht  von  der- 
felben Gefellfchaft  oder  von  den  Confervatoren  beizuziehende  Fach- 
männer fchlcunigfl  veranlafst  werde,  damit  erflcre  idie  Wandgemälde) 
wenigftens  in  Copien  erhalten  bleiben  und  vielleicht  auch  die  letzteren 
erneuert  werden  könnten,  den  bei  den  letzteren  fHciligcnbilderni  lieh 
etwa  zeigenden  Schäden  aber  thunlichfl  fchnell  abgeholfen  und  dem 
Fortfehreiten  der  Schäden  vorgebeugt  werde. 

II. 

Herr  Friedrich   Wachsinann  äußert  fich  nachlleliend : 
Die     gepflogene    Belichtigung    und    nähere    Unterfuchung    der 
archäologifchen  Kunflobjecfle  der  Burg  Karlstein  bei  der  am   20.   und 


21.  Auguft  l868  ftattgehabten  Revifion  und  Richtigftellung  des  Inven- 
tares  vom  Jahre  1840  regt  in  Betreff  der  ferneren  Confervirung,  der 
zweckmäßigen  Placirung  und  der  vom  kunftgewerblichen  Standpunkte 
aus  gehörigen  Würdigung  der  Karlsteiner  Kunftfchätze  zu  einigen 
Bemerkungen  an,  die  ich,  ermuthigt  durch  das  mir  von  einer  hohen 
k.  k.  Statthalterei  gefchenkte  Vertrauen,  dem  neuen  Inventar  anzu- 
fchließen  mir  erlaube. 

In  Betreff  der  Erhaltung  können  fich  hier  die  Bemerkungen 
allerdings  nur  infoweit  auf  den  baulichen  Zuftand  der  Burg  erftrecken, 
als  diefer  unmittelbar  auf  den  Zuftand  der  Kunftobjec^le  Einfluß  nimmt. 
In  diefer  Hinficht  ift  nun  vor  allem  auf  den  Zuftand  des  Treppen- 
haufes  an  dem  großen  Thurme  aufmerkfam  zu  machen,  da  diefes  in 
feiner  ganzen  inneren  Ausdehnung  einen  fo  reichen  Schatz  hiftorifcher 
Darftellungen  aus  der  karolinifchen  Kunftepoche  bewahrt,  wie  er  fo 
reichhaltig  und  wenn  auch  nicht  gänzlich  erhalten,  doch  meiftens  fo 
deutUch  noch  erkennbar  ift,  wie  feiten  anderswo.  Diefes  Treppenhaus 
ift  in  allen  feinen  Theilen  von  unzählbaren  Mauerriffen  durchfurcht, 
die  an  manchen  Stellen  das  bedenklichfte  Anfehen  haben. 

Wie  weit  hier  eine  faftifche  BaufäUigkeit  bereits  eingetreten  ift, 
liegt  ftreng  genommen  nicht  in  meiner  Beurtheilungsfphäre,  dennoch 
fchcint  mir  der  Zuftand  gefahrdrohend  und  wird  hier  nur  darauf 
befcheidenthch  aufmerkfam  gemacht,  dafs  bei  einer  möglichft  bald  zu 
wünfchenden  voUftändigen  Herftellung  diefes  Bautheiles  fchonender 
gegen  die  aUen  Wandmalereien  verfahren  werde,  als  dies  bei  früheren 
Verputzungen  der  Mauerriffe  ftattgehabt  zu  haben  fcheint. 

Selbftverftändlich  würde  es  unausweichlich  nöthig  fein,  eine 
neue  Baurenovirungsarbeit  nur  unter  ftetem  Beifein  eines  fachverftän- 
digen  Künftlers  und  berathendera  Verkehr  diefes  mit  dem  Baiüeiter 
vor  fich  gehen  zu  laffen.  Der  Erhaltung  der  unfchäfzbaren  alten  Ge- 
mälde (Heiligenbilder)  in  der  Vertäfelung  der  Kreuz-Capelle  ift  fchon 
vor  Jahrzehnten  große  Aufmerkfamkeit  gewidmet  worden,  jedoch,  wie 
der  Augenfchein  jetzt  zeigt,  nicht  durchwegs  mit  gutem  Erfolge. 

So  erfcheinen  mehrere  Bilder  an  der  linken  Wand  hinter  dem 
Gitter  ganz  fleckig,  welcher  Zuftand  nur  durch  die  ftattgehabte  Reftau- 
rirung  herbeigeführt  wurde.  Zeugcnfchaft  hiefür  gibt  der  hiebei  ange- 
wendete Ueberzug,  welcher  fich  heute  noch  an  den  Bildern  felbft  faft 
klebig  anfühlt,  und  an  der  Holzumrahmung  wie  herabzurinnen  fcheint ; 
hier  wäre  möglichft  baldige  Hilfe  nöthig,  um  diefen  traurigen  Zuftand 
nicht  für  die  Zukunft  ganz  unverbelTerlich  fich  einwurzeln  zu  laffen. 

Die  ornamentale  Decoration  der  Kreuz-  und  Katharinen-Capclle, 
die  in  einem  fo  vollftändig  fichtbaren  Zufammenhang  und  folcher  Aus- 
dehnung der  Ausfchmückung  innerer  RäumHchkeiten  aus  der  Zeit  des 
14.  Jahrhunderts  wohl  feiten  irgendwo  wieder  vorzufinden  fein  dürfte, 
bieiet  fowohl  aus  diefem  Grunde,  befonders  aber  auch  wegen  ihrer 
höchft  auffallenden,  nur  unferem  Heimatlande  anzugehören  fcheinen- 
den  Eigenthümlichkeiten  gegenüber  anderen  derlei  Reften  der 
Kunftarchäologie,  den  Künftlern  und  dem  Kunftgewerbe  einen 
unfchätzbaren  Quell  des  Studiums  und  der  Belehrung. 

Ihr  heutiger  Zuftand  ift  aber  ein  folcher,  dafs  der  Befchauer, 
ob  Künftler,  Kunftfreund  oder  Laie,  bei  dem  Gedanken  an  ihren 
ferneren  Beftand  mit  tieffter  Wehmuth  erfüllt  werden  muß. 

Die  Vergoldungen  an  den  Gewölben  und  Baugliedern  blättern 
fich  immer  mehr  ab,  find  an  dem  Eifentheile  faft  überall  zum  Schmutz 
geworden,  die  erhabenen  Ornamente  aus  Gyps  und  Kreidemalfe  lofen 
fich  los,  die  innen  vergoldeten  Glaslinfen  der  Gewölbekappen  der 
Kreuz-Capelle  fallen  alljährlich  mehr  und  mehr  herab,  im  Sturze  fich 
zertrümmernd,  fo  dafs  der  größte  Theil  fchon  fehlt.  Einem  gleichen 
Ruine  gehen  die  Gewolbekappen  in  der  Katharinen-Capclle  entgegen. 
Wie  die  jetzt  ftatigcfundene  nähere  Unterfuchung  erwiefcn  hat, 
waren  diefelben  urfprunglich  mit  einem  lichtblauen  Grunde  über, 
zogen.  Schon  in  derfelben  Bauperiode  wurden  auf  diefem  aus  Gyps- 
malTe  gebildete  Relief- Kreuzchen,  Sternchen  und  Rofetten  aufgefetzt 
und  darauf  die  ganzen  Kappen  vergoldet;  die  Kreuze  und  Sternchen, 
von  unten  angefehen,  fcheinbar  blau    angelegt,    erzeugen    diefe   Tau- 


—      i6 


fchung  mir  dadurch,  dafs  fich  ihre  MaflTe  vom  blauem  Grande  loslöste, 
und  herabgefallen,  nun  in  blauer  Zeiclinung  erfcheinen. 

Da  auch  der  übrige  Goldgrund  in  fortwährendem  Abblättern 
begrilVen  ift,  fo  ift  leicht  vorauszufehen,  dafs  die  urfprüngliche  Anlage 
bald  nur  ein  Räthfel  fein  wird. 

Es  wird  nicht  verkannt,  dafs  die  Herftellung  diefer  Objecfle  bei 
ihrer  Ausdehnung  bedeutende  Koften  veranlalTen  würde,  dennoch 
kann  der  Nachdruck  auf  die  Dringlichkeit  derfelben  hier  nicht  ver- 
fchwiegen  werden,  wenn  man  die  Ehre  imd  den  Ruhm  vor  der  ganzen 
gebildeten  und  Kunftwelt  Europas  nicht  unterfchätzt,  einen  fo  kofi- 
baren Schatz  des  Alterthums  in  und  für  unfere  Heimat  zu  erhalten. 

Ebenfalls  in  hohem  Grade  beforgniserrcgend  für  den  ferneren 
Beftand  des  Holzwerkes  in  der  Kreuz-Capelle  ifl  der  Zuftand  der 
14  hölzernen  Truhen,  welche  längs  der  Wände  an  dem  Gitter  auf- 
geftellt  find.  Ihr  Holzwerk  ift  zum  großen  Theile  fo  vom  Wurm  zer- 
freffen,  dafs  viele  Theile  bereits  völlig  vernichtet  find  und  viele  bei 
bloßer  Berührung  zerfallen. 

Die  Anhäufung  diefer  Unmaffc  des  Holzmehles  muß  den  übrigen 
Holzgegenftänden  offenbar  zum  höchften  Nachtheile  dienen,  da 
hiedurch  die  Vermehrung  und  Verbreitung  des  vernichtenden  Infcfles 
nur  gefördert  wird. 

Die  Entfernung  diefer  Truhen  aus  der  Kreuz-Capelle  ift  höchfte 
Nothwendigkeit ;  da  fie  aber  als  ehemaliger  Aufbewahrungsort  der 
Schätze  und  Privilegien  dem  ganzen  Raum  als  Schatzkammer  das 
Gepräge  geben  und  zu  den  wefentlichften  Beftandtheilen  desfelben 
gehören,  fo  wäre  ihre  unmittelbare  Erneuerung  unabweislich. 

üiefe  wäre  umfo  leichter  herzuftellen,  da  das  Bretterwerk  dieler 
Truhen  völUg  glatt,  ohne  jeglichen  dccorativen  Schmuck  ift,  außer  den 
Eifenbeftandtheilen,  welche,  mit  Ausnahme  ganz  unbedeutender  Ab- 
gänge, wie  das  Inventar  aufweist,  ganz  wohl  erhalten  find,  und  den 
neuen  Truhen  nur  in  ihrer  alten  Ordnung  wieder  angefügt  zu  werden 
brauchen. 

Was  endlich  die  Aufbewahrung  verfchiedener  einzelner  Kunft- 
und  Alterthumsgegenftände  betrifft,  fo  wäre  fowohl  in  Beziehung  der 
Art  und  Weife  als  des  Ortes  folgendes  zu  bemerken: 

Die  zwei  Seitenflügel  eines  Altarwerkes  von  Mutina  lind  jetzt 
in  einem  Glasfchranke  der  Kreuz-Capelle  völlig  ungenießbar  aufgcftellt. 
Der  Schranken  ift  zu  eng,  die  Ilolzkreuze  der  Glasflügel  verdecken 
faft  das  Schönfte  gänzlich,  nämlich  fünf  an  dem  einen  und  die  zwei  an 
dem  anderen  Flügel  der  äußerft  zart  und  miniaturartig  und  meifterlich 
gemalten  kleinen  Figuren.  Diefe  Flügel  wären  entweder  in  einem 
neuen  geräumigen  Glasfchrank  oder  bei  gehöriger  Beauffichtigung 
vor  Bcfchädigung  frei  aufzuftellen. 

Femer  find  verfchiedene  Alterthumsgegenftände,  denen  die 
l'ietät  allerdings  die  Erhaltung  fiebern  foll,  in  der  Kreuz-C.npelle  als 
nicht  am  paffenden  Orte  angebracht;  fie  hatten  mit  der  Beftimmung 
und  mit  der  Würde  diefes  Raumes  nie  etwas  zu  fchalTen.  Diefelben  find 
zwei  eiferne  Feldfchlangen,  drei  hölzerne  morfche  Gewehrfchäfte,  eine 
Armbnift  fammt  Zughebel,  ein  fkeletirter  Krokodilkopf  etc.  Auch  die 
zwei  fchönen  Renaiffance-Käften  aus  der  Zeit  Kaifer  Mathias,  die  drei 
fchmucklofen  Archivkäften  und  felbft  die  beiden  Glasfehränke  mit 
vcrfchiedenen  Alterthümern  und  den  für  die  Kunftarchäologie  höchft 
werthvollen  Meßornaten  aus  früherer  und  fpäterer  gothifcher  Periode 
können  in  der  Kreuz-Capelle,  felbft  vor  einer  völligen  Herftellung. 
nicht  als  am  rechten  Platze  angefehen  werden. 

Zur  Aufbewahrung  aller  diefer  und  noch  anilerer  in  der  lUirg 
zerftreut  befindlicher  Gegenftände  wäre  ein  mit  Fenfter  und  Thür- 
vcrfchluß  wohl  verfehener  Raum,  an  denen  die  Burg  ja  keinen  Mangel 
hat,  auszuwählen  und  zu  beftimmen. 

Da  in  der  Neuzeit  die  Staatsbehörden,  Landesgemeinden  und 
Privat-InfHtutionen  der  Ausbildung  des  Kunftgewerbes  in  unferer 
Heimat  große  Aufmerkfamkeit  zuwenden,  fo  fei  es  erlaubt,  noch  ein- 
mal auf  den  feltenen  Reichthum  der  Karlsteiner  Kunftfchätze  hinzu- 
weifen und  hier   namentlich   als   Quelle   für   das   Studium   der   Orna- 


mcnlik  Die  Kunftgewerbe  finden  hier  eine  reiche  Auswahl  von 
Muftern,  unbezweifelt  in  ihrer  Originalität  und  ihrer  Altersftnfe,  in  faft 
jeglichem  Material,  in  Glasmalerei,  Schmiede-  und  Schlofi^erarbeit,  in 
Holz  und  Stein,  in  edlen  Metallen,  in  Schmelz  und  Email,  in  Stoffen 
und  kirchlichen  Kunftftickereien,  aus  den  Epochen  der  früheren  und 
fpäteren  Gothik,  der  reichen  Renaiffance  bis  zu  ihrem  Verfall. 

Wie  wäre  es  zu  wünfchen,  dafs  die  Aufnahme  uml  Vervielfälti- 
gung fo  reichhahigen  Materiales  in  Angriff  genommen  und  unterftützt 
würde  zur  Erweiterung  der  l.chr-  und  Bildungsniittcl  unferer  Kunft- 
gewerbe und  Induftrie.  zu  gutem  und  aufmuntermlem  Beifpiel  gegen- 
über immer  noch  zu  häufigem  Vandalismus  und  zu  verbreiteter  Aner- 
kennung der  Stellung,  welche  unfer  Land  in  der  heutigen  gebildeten 
und  Culturwelt  auch  einzunehmen  berechtigt  ift. 


Votum  Friedrich  Schmidts  vom  9.  Mai  1869. 

Bei  der  Unterfuchung  des  hohen  Thurmes,  in  welchem  fich  die 
Kreuz-Capelle  befindet,  hat  fich  eine  Thatfache  ergeben,  welche  für 
den  Beftand  diefes  wichtigften  Bautheiles  von  verhängnisvoller  Be 
deutung  ift.  Es  weist  diefer  Thurm  mehrere  von  unten  nach  oben 
durchgehende  Riffe  auf,  durch  welche  die  ganze  füdweftliche  Ecke 
des  Thurmes  von  dem  Hauptkörper  desfelben  gleichfam  abgelöst 
erfcheint.  Diefe  Riffe  waren  mir  allerdings  fchon  früher  bekannt, 
doch  glaubte  ich  denfelben  mit  Rückficht  auf  die  koloffale  Stärke 
der  Mauern  eine  erhöhte  Bedeutung  nicht  beilegen  zu  müßen,  in 
welcher  Anficht  ich  auch  durch  den  Umftand  beftärkt  wurde,  dafs 
derartige  Riffe  oft  fehr  frühe  n.ich  Vollendung  der  Bauwerke  infolge 
der  erften  Setzung  entftehen,  womit  dann  ein  für  allemal  jede  weitere 
Bewegung  abgefchloffen  ift. 

In  dem  vorliegenden  Falle  datiren  diefe  Riffe  zwar  auch  fchon 
aus  einer  ziemlich  frühen  Epoche,  doch  beruht  die  Urfachc  davon 
nicht  in  einer  einfachen  Setzung  des  Mauerwerkes,  fondern  in  dem 
bedenklichen  Umftande,  dafs  ein  Theil  des  Felfens,  auf  welchem  der 
Thurm  errichtet  ift,  fich  in  eine  ftetige  Bewegung  gefetzt  hat  und 
fonüt  folgerichtig  die  auf  ihm  laftenden  Mauertheile  mit  fich  fort  reißt. 

Der  in  feiner  Art  einzig  daftehende  Sachverhalt  ift  folgender: 
Der  ganze  Hügel,  auf  welchem  die  Burg  erbaut  ift,  befteht  aus  einer 
grauen  Kalkfteinmaffe,  welche  in  durchaus  vertical  ftehende  ein  bis  fechs 
Zoll  dicke  Platten  zerklüftet  ift.  Diefes  verticale  Gefüge  des  Felfens 
ftreicht  ungefähr  in  der  Richtung  von  Süden  nach  Norden,  und  zwar 
genau  in  der  Richtung  der  an  dem  Thurme  befindlichen  Riffe. 

Zwifchen  den  einzelnen  Platten  ift  je  ein  Zwifchenraum  von 
einigen  Linien  bis  zu  mehreren  Zollen,  welche  mit  der  Erde  aus- 
gefüllt find,  in  welche  jedoch  natürlich  das  Wafler  eindringt,  fo  dafs 
bei  eintretendem  Frofte  diefe  einzelnen  Platten,  wie  die  Blätter  eines 
offenen  Buches  auseinandergeprefst  werden.  In  den  Fällen,  wo  fich 
diefer  Wirkung  des  Froftes  eine  zu  compacte  Felsmaffe  entgegen- 
ftemmt,  kann  die  Ausdehnung  des  Eifes  nur  nach  oben  zu  ftattfinden, 
durch  welchen  Umftand  die  Sicherheit  der  Burg  im  allgemeinen 
gefährdet  ift;  in  dem  ganz  fpeciellen  Falle  jedoch  verhält  fich  die 
Sache  anders. 

Der  ganze  Felfenhügel,  auf  welchem  die  Burg  erbaut  ift,  theilt 
fich  in  vier  Terraffen,  welche  theils  von  der  Natur,  theils  durch  Kunft 
gefchaffen  wurden ;  auf  diefen  Terraffen  find  die  einzelnen  Theile  der 
liurg  nach  richtigen  ftrategifchen  Grundfätzen  fo  angeordnet,  dafs 
jeder  Theil  die  anderen  behcrrfchte  und  der  am  höchften  gelegene  Theil, 
nämlich  der  hohe  Thurm  mit  der  Kreuz-Capelle,  durch  feine  .Stellung 
auf  einem  fteilen  Felsabfturze  in  der  Richtung  gegen  die  übrige  Burg 
noch  außerdem  eine  felbftändige  Vertheidigung  ermöglichte  und  fomit 
der  Befatzung  im  Falle  der  Noth  als  letztes  reduit  diente.  Diefe  dem 
Zwecke  der  Burg  gewifs  fehr  entfprechende  Anordnung,  dafs  der 
llaujitthurm  an  den  Rand  eines  fteilen  l'elfens  von  drei  bis  vier 
Klafter  Höhe  geftellt  wurde,  hatte  jedoch  zur  traurigen  Folge,  dafs  die 


•7     — 


Kraft  des  Eifes  fich  in  horizontaler  Richtung  geltend  machen,  die 
einzelnen  Felsplatten  verfchieben  und  fomit  auch  die  Maffe  des  darauf 
ladenden  Mauerwerkes  mit  fich  fortreißen  konnte. 

Wenn  nun  auch  nach  menfchlicher  Berechnung  der  Eintritt 
einer  Kalaftrophe  erfl  in  ferner  Zeit  zu  befürchten  flünde,  fofern  dies 
den  eigentlichen  Thurm  betrifft,  fo  ifl  doch  ein  kleines,  den  Eingang 
zum  Thurme  deckendes  fehr  fchönes  Vorwerk,  fchon  in  direkter 
Gefahr,  indem  fich  die  letzte  vorflehende  Felsplatte  dort  fchon  ab- 
gelöst hat,  fo  dafs  die  Flucht  des  Mauerwerkes  mit  der  Flucht  des 
Felfens  nunmehr  vollkommen  gleichfleht,  und  jede  weitere  fich  löfende 
Platte  diefem  Bautheil  zum  Falle  bringen  mußte. 

Unter  folchen  Umftänden  helfen  dann  allerdings  keine  Palliativ- 
mittel und  würde  das  Verftreichen  der  Riffe,  fowie  das  Einziehen  von 
Mauerfchließen  nicht  den  minderten  Sinn  haben,  infolange  nicht  das 
Ucbel  an  feiner  Wurzel  gefafst  ifl,  und  hiezu  ifl  es  hohe  Zeit. 

Zum  Glücke  bietet  fich  ein  fehr  einfaches  Mittel  dar,  um  der 
fchädlichen  Wirkung  der  Naturkräfte  zu  begegnen,  welches  darin 
befleht,  dafs  durch  Anwendung  von  technifchen  Mitteln  jedes  weitere 


Eindringen  von  Feuchtigkeit  zwifchen  die  einzelnen  Fekplatten  abfolul 
unmöglich  gemacht  wird. 

Zu  dem  Ende  ifl  es  unerläfsUch,  dafs  der  ganze  Theil  des 
Felfens,  welcher  fich  in  Bewegung  gefetzt  hat,  zunächft  von  der  auf- 
liegenden dünnen  Erdfchichte  gänzlich  befreit  wird.  Dann  find  alle 
Felsfpaltcn,  welche  fich  zeigen,  fo  tief  als  irgend  möglich  vollkommen 
zu  reinigen  und  hierauf  mit  einer  Betonmaffe  aus  dem  beflen  Materiale 
volldändig  auszufüllen.  An  derjenigen  Seite  des  Felfens,  wo,  wie  oben 
l)emerkt,  das  Mauerwerk  fchon  an  die  äußerfte  Gränze  desfelben  tritt, 
erfcheint  es  unerläfsUch,  dafs  eine  Stützmauer  von  entfprechender 
Stärke  aufgeführt  wird. 

Aus  der  ganzen  Sachlage  ergibt  fich  nun,  dafs  diefe  Arbeit  mit 
großer  X'orficht  und  unter  der  Leitung  eines  tüchtigen  Fachmannes 
ausgeführt  werden  muß,  da  fonfl  die  Gefahr  vorhanden  ift,  dafs  diefe 
Maßregel  eher  zum  Nachtheile  der  Sache  ausfallen  könnte. 

Bei  richtiger  Durchführung  wird  jedoch  durch  diefen  Vorgang 
bis  auf  ferne  Zeiten  jede  Gefahr  von  diefem  Theile  der  Burg  abge- 
wendet werden. 


Römifche  Funde  in  Wien. 


Von  Friedrich  Kenner. 


|N  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  igoi  war  die 
Naglergaffe  ä\Q  topographifch  wichtigfte  Fund- 
ftelle.  Als  die  Häufer  Nr.  4  bis  16  (Eckhaus 
der  Irisgafle)  demolirt  «urdeii,  zeigte  fich  diefelbe  Er- 
fcheinung,  die  im  Frühjahre  beim  Umbaue  des  Haufes 
Nr.  2  beobachtet  worden  ifl;  ihre  Fronten  in  der 
Naglergaffe  ftanden  auf  einer  römifchen  UmfaJJungs- 
ijianer  von  2  M.  Stärke  und  durchaus  gleicher  Con- 
ftruction;  der  Kern  beftand  auch  hier  aus  Bruchfteinen 
(Aehrenwerk"),  in  fteinharten  weißen  Mörtel  gelegt.  Die 
Mauer  ragte  der  Breite  nach  zum  Theile  unter  das 
Trottoir  der  Naglergaffe  hinein,  fo  dafs  bisher  nur 
ihre  Innenfeite  biosgelegt  werden  konnte.  Erft  der  Bau 
des  Canales  für  die  iin  Umbaue  begriffenen  Häufer  bot 
Gelegenheit,  auch  die  Außenfeite  (bisher  auf  eine 
Länge  von  73  M.)  kennen  zu  lernen.  Sie  hatte  einen 
Belag  von  Buckelquadern,  deren  unterfte  Reihe  auf 
einem  fockelartigen  Vorfprung  des  Kernes  auflag.  Vor 
der  Mauer  gewahrte  man  die  Bofchung  des  Grabens; 
die  Berme  war  entweder  fchon  früher  zerftört  oder  eine 
folche  überhaupt  nicht  vorhanden.  Der  Graben  zeigte 
fich  mit  Buckelquadern  ausgefüllt,  die  fofort  wieder 
bauliche  Verwendung  fanden. 

Vor  der  gegen  den  Platz  „Am  Graben"  hin  liegen- 
ilen  Ecke  des  neuen  Hanfes  Nr.  2  fchnitt  die  Baulinie 
des  Canales  einen  rechteckigen  T/iort/nirm,  der  con- 
flru6liv  mit  der  Umfaffungsmauer  verbunden  war  und 
die  gleiche  Bauart,  wie  letztere  verrieth.  Bisher  konnte 
nur  feine  Breite  (5  M.  im  Lichten)  feflgeftellt  werden. 
Kr  fprang  yg  M,  aus  der  Flucht  der  Umfaffungsmauer 
\'or.  Nachll  feiner  gegen  den  „Graben"  gekehrten 
Ecke  wurde  ein  Bruchftück  jener  Rölirenleitung  auf- 
gegraben, die  man  fchon  im  Jahre  1874  aus  Anlaß  der 
Arbeiten  für  die  Hoch(]uellenleitung  vor  den  Häiifern 
Tuchlauben  Nr.  2  bis  6  voUfländig  im  alten  Gefüge 
erhalten  vorgefunden  hat,  in  einzelnen  Bruchftücken 
aber  bis  Haus  Nr.  12  verfolgen  konnte.  Ihr  Gefalle 
ging  gegen  Außen;  an  der  neuen  Fundftelle  lief  fie  an 


der  Ecke  des  Thorthurmes  vorbei,  und  zwar  in  fchräger 
Richtung  gegen  die  Wallnerftraße.  Ihre  Auffindung 
allein  beweist  fchon  das  Vorhandenfein  eines  Thores  an 
diefer  Stelle.  Sein  Verhältnis  zum  Standlager  ift  noch 
nicht  klar  und  wird  mit  Sicherheit  erft  von  den  Erd- 
ai  beiten  erwartet  werden  können,  welche  mit  dem 
Umbaue  des  jetzigen  Gebäudes  des  Reichs-Kriegs- 
Minifteriums  verbunden  fein  werden. 

Die  übrigen  Funde  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
Jahres  1901  betreffen  ausfchließlich  Fragmente  von 
Straß enzügett  und  Gräber. 

Von  der  am  Limes  hinziehenden  Heeresftraße 
winden  mehrere  Bruchflücke  aufgegraben,  welche 
nahezu  in  der  fchon  früher  vorausgefetzten  Richtung 
diefes  Heerweges  liegen.  So  vor  dem  Eingange  des 
Beamtenvereinsgebäudes  in  der  Renngajfe  Nr.  14, 
wo  die  ganze  Breite  der  Straße  von  7  M.  blosgelegt 
werden  konnte,  dann  vor  Haus  Nr.  8  der  Schottenbaßei- 
gaffe,  endlich  in  der  Wiihringerßraße ;  in  letzterer 
konnte  beobachtet  werden,  dafs  die  Straße  unter  Haus 
Nr.  16,  zugleich  Nr.  i  des  Schottenringes  eine  leichte 
Krümmung  machte,  um  üatt  der  bis  zu  diefer  Stelle 
reichenden  -  nordweftlichen  Richtung  eine  nördliche 
einzufchlagen.  Sie  ließ  lieh  bis  zum  Gebäude  des  Che- 
mifchen  Inflitutes  verfolgen;  von  welchem  Punkte  aus 
fie  wieder  in  die  nordweftliche  Richtung,  gegen  das 
Garnifonsfpital  hin,  eingebogen  zu  haben  fcheint. 

Auf  der  entgegengefetzten  Seite  der  Inneren 
Stadt  wurde  zwar  nicht  der  Limes  felbft  aufgegraben, 
doch  kamen  zahlreiche  Gräber  in  der  Richtung  feines 
Zuges  zutage,  als  die  auf  die  Dominicaner  Baflei 
führende  Rampe  zum  Theile  abgegraben  wurde;  fie 
zeigten  fich  in  einer  von  der  Ecke  der  Wollzeile  auf 
20  M.  verfolgten  Linie,  deren  Richtung  gegen  Süd- 
orten  zielt,  und  waren  alle  zerdruckt.  Die  meiften 
fcheinen  aus  Ziegelplatten  beftanden  zu  haben,  doch 
fehlten  auch  ummauerte  Grabftellcn  nicht.  Ihre  Tiefen- 
lage und  die  Beigaben,  darunter   auch    Münzen,   laffen 


XXVIII.  N.  K. 


i8 


verfchiedcne  Kpocheii  der  Gräberanlagc  erkennen.  Die 
untere  Schichte  mit  feineren  Thon-  und  Glasgefaßen 
gehört  nach  einer  mitgefundenen  Münze  mit  dem 
jugendhchen  Bildniffe  des  Kaifers  M.  Aurel  noch  dem 
2.,  dagegen  die  obere  Schichte  mit  gröberem  Thon- 
gefchirre  und  einer  Münze  des  Kaifers  Gallicnus  der 
zweiten  Ilalfte  des  3.  Jahrhunderts  an.  Intereffant  ift, 
dafs  über  einem  Grabe  der  älteren  Epoche  ein  Pfcrdc- 
grab  der  jüngeren  errichtet  war.  In  einer  mit  Steinen 
lunflellten  Grube,  deren  Boden  mit  Beton  belegt  war, 
traf  man  die  Refte  einer  aus  Brettern  mittelft  Eifen- 
nkgel  zufammengefügten  vermorfchten  Holzkifte  und  in 
diefer  das  Skelet  des  Pferdes  nebfi:  den  bronzenen 
Zierftücken,  meift  Buckeln,  feines  Gefchirres;  hart 
nebenan  fcheint  der  Reiter  in  einem  Sarge  beigefetzt 
gewefen  zu  fein,  der  aus  Ziegelplatten  mit  dem  Stempel 
der  XIV.  Legion  bel^and. 

Andere  Straßenrefle  fand  man  zwifchen  den 
Häufern  Nr.  12  und  9  der  Habsbiirgcrgajfe,  nahebei 
ein  2  M.  hohes,  mit  Reliefs  ausgeflattetes  und  ganz 
bemaltes  Grabdenkmal  eines  Reiters  Draccus  des 
Erften  britannifchen  Reitergefchwaders  zu  taufend 
Mann,  die  alle  das  römifche  Bürgerrecht  befaßen ;  es 
ifl:  das  dritte  Denkmal  diefer  Art,  das  feit  dem  Baue 
der  Stallburg  (1559)  auf  dem  ehemaligen  St.  Michaels- 
l'reithof  zutage  kam.  Auch  auf  dem  Neuen  Markte 
fließ  man  neben  der  elektrifchen  Bahn  auf  ein  Straßen- 
ftück  von  21  M.  Länge;  es  ftrich  vor  der  Fronte  der 
Capuciner-Kirche,  20  M.  von  diefer  entfernt,  vorbei  In 
recht  fpäter  Zeit  errichtet,  führte  diefe  Straße  über  ein 
Steinplattengrab  und  eine  zweite  ummauerte  Grab- 
ftclle  älterer  Zeit  hinweg;  beide  Gräber  waren  genau 
von  Nord  nach  Süd  orientirt,  wie  die  vielen  anderen 
auf  diefem  Platze  noch  in  situ  angetroffenen  Gräber, 
während  die  Straße  von  Südweft  nach  Nordoft  verlief 
Vor  der  Ecke  des  Haufes  Neuer  Markt  Nr.  i,  zugleich 
Kupferfchmicdgaffc  Nr.  i  gerieth  man  auf  Refte  zer- 
flörter  Brandgräber;  fie  bildeten  eine  2  M.  lange  und 
35  Cm.  hohe  Schichte  von  Kohlen   und  Afche,  durch- 


fetzt mit  calcinirten  Theilen  menfchlicher  und  thieri- 
fcher  Knochen,  Ziegelrtücken  der  XIV.  Legion,  Thon- 
und  Ghisfragmenten  verfchiedener  Art  und  Güte. 

Andere  Gräberfunde  boten  heuer  zwei,  fchon  von 
früher  her  bekannte  Fundftellen,  UinvcrfilätsßraJJe  und 
Poflgaffe.  In  erflerer  fand  fich  das  im  „Deutfchcn 
Volksblalt"  ausführlich  gcfchilderte  gemauerte  Grab 
mit  Bodenbelag  aus  Thonplattcn  und  mit  einem  aus 
Ziegelplatten  hergeftellten  Deckel;  in  demfelben  lag 
ein  von  Wert  nach  Oft  gelegtes  Skelet  mit  einer  Bügel- 
hafte aus  Bronze.  Es  ftand  am  Rande  der  Parkanlage 
vor  der  Votivkirche,  nahe  dem  Schottenring.  In  der 
gleichen  Linie  zeigten  fich,  gegen  die  Alfervorftadt  hin, 
Refte  zerftörter  Ziegelfarge  und  an  einer  Stelle,  die 
etwa  1 10  Schritte  von  dem  obengenannten  gemauerten 
Grabe  entfernt  liegt,  zwei  Beigaben  eines  vornehmeren 
Grabes,  ein  Ohrgehänge  ans  Gold  und  der  obere  Theil 
eines  kleinen  Glasgefäßes  mit  eingezogenen  Wänden. 
In  der  Poßgajfe,  nachft  der  Mündung  der  Schönlatern- 
gaffe,  gerieth  man  auf  ein  vollfländig  erhaltenes  Stein- 
])lattengrab  mit  dem  Skelette  eines  jungen  Mannes  von 
hohem  Wuchs.  Der  gegen  Norden  gerichtete  Kopf  lag 
auf  einem  Polfter  von  Cementguß,  der  Boden  war  unter 
dem  Leibe  mit  Stein-,  unter  den  Füßen  mit  Ziegel- 
platten belegt.  Von  den  Beigaben  ift  ein  voUftändig 
erhaltener  Thonkrug  von  gewählter  Form  zu  nennen. 
Eine  Anzahl  von  Ziegelgräbern  muß  vor  der  Domini- 
caner Kirche  bis  nahe  zur  Barbaragaffe  beftanden 
haben  und  zerftört  worden  fein.  Es  wurde  dort  eine 
machtige  Schuttfchichte  aufgegraben,  die  übervoll  war 
von  Ziegelftücken,  Thon-  und  Glasgefaßen  und  Theilen 
menfchlicher  Skelette.  Vor  Haus  Nr.  6  der  Poitgaffe 
kam  das  Bruchftück  einer  Mauer  aus  Bruchfteinen  in 
Mörtel  gelegt  zutage,  deren  Richtung  mit  jener  des 
oben  angeführten  Steinplattengrabes  und  anderer 
früher  in  der  Poflgaffe  und  am  Fleifchmarkt  gefundener 
wohlerhaltener  Särge  übereinftimmt,  wohl  alfo  auch 
zur  Umfaffung  einer  größeren  Grabflelle  gehörte. 


Aufdeckungen  in  der  St.  Georgs-Kirche  am  Hradfchin. 


Von  Franz  Mach,  k.  k.  Oberingenieur  13.  Bericht). 


E^5^^M  Anfchluße  an  die  Berichte  vom  20.  November 
t^  ^  1S97  und  vom  16.  März  1900  wird  im  Nach- 
,l,'y^.»^l,  flehenden  das  Refultat  der  im  Jahre  1900 
durchgeführten  Aufdeckungsarbeiten  bei  der  Sanft 
Georgs-Kirche  am  Hradfchin  in  Prag  zur  Kenntnis 
gebracht. 

Die  Aufdeckungen  haben  fich  auf  die  (an  die  Oil;- 
feite  des  füdlichen  Seitenfchiffes  und  des  fudlichen 
Thurmes  anfchließende)  St.  Ludmilla-Capelle  crftreckt. 

Zunächft  wurde  das  fchwere  auf  der  Ziegel- 
ummauerung der  Capclle  ruhende  Preifendach  abge- 
tragen, damit  die  Ummaucrung,  welche  das  alte  Werk- 
ln mächtigen  Maffen  einhüllt  und  überragt,  demolirt 
werden  könne.  Diefe  Ziegelummauerung  ift  an  der 
Oberfläche  mit  eingeritztem  Sgrafittoverputz  vcrfehen, 
und  zwar  in  Quadrat\'ertheilung,  über  welchen  lunetten- 
förmige  Verzierungen  zum  Hauptgefimfe  auffteigen. 


An  dem  füdlichen  Theile  diefer  Ummauerung  find 
in  den  Lunetten  reiche  Verzierungen  aus  Ornamenten, 
Blättern  und  in  einem  Bogcnfekle  ein  Uhu  mit  Papagei 
aufgedeckt,  photographirt  und  in  Gyps  abgeformt 
worden. 

In  der  unteren  Quadernpartie  am  olllichen  P'cnfter- 
pfeiler  ift  in  Sgrafitto  die  Jahreszahl  1574  eingeritzt. 
Ueber  diefen  Lunettenverzierungen  ift  das  alte  gothi- 
fche  Hauptgefimfe  der  Capclle  als  Deckplatten  ein- 
gemauert und  gut  erhalten  aufgedeckt  worden.  Im  Ver- 
laufe der  Abtragung  diefes  Ziegelmauerwerkes  ift  die 
alte  Form  der  Strebepfeiler  ficliergeftellt  worden;  ihre 
Formen  und  Verzierungen  find  gut  erhalten. 

Desgleichen  find  die  Leibungen  und  Rippen  der 
alten  gothifchen  Fenfter,  durchwegs  aus  Opukaftein 
werksmäßig  und  rein    gearbeitet,    aufgedeckt   worden. 


19     — 


Unter  Ziegelummauerung  befindet  fich  eine  ältere 
Ummauerung  aus  Opukaftein,  welche  vom  alten  Hof- 
und  Gaffenniveau  in  mäßiger  Böfchung  bis  zum  gothi- 
fchen  Sohlbankgefimfe  der  Capellenfenfter  reicht. 

In  der  Opukaummauerung  befinden  ficli  Bruch- 
ftücke  von  bemalten  gothifchen  Gewölbsrippen,  Maß- 
werken, Grabfteinen,  Reliefs  etc.,  durchwegs  in  kunft- 
voUer  Arbeit  aus  Opukaftein  und  gebranntem  Thon. 

In  der  Ziegelummauerung  find  überhaupt  keine 
Bruchftücke  alter  Baubeftandtheile  vorhanden. 

Nach  faft  gänzlicher  Abtragung  der  Umhüllungs- 
mauerwerke, bei  proviforifcher  Belaffung  von  zwei 
Schutzpfeilern,  wurde  folgender  Beftand  der  St.  Lud- 
milla-Capelle  und  der  anftoßenden  alten  Kirchentheile 
in  baulicher  Beziehung  fichergeftellt. 

1.  Die  Capelle  unter  dem  fudlichen  Thurme  bildet 
jedenfalls  den  alterten  Theil  der  St.  Georgs-Kirche, 
nämlich  die  vom  Fürften  Wratislaw  im  Jahre  915 
erbaute  kleine  quadratifche  Kirche  des  St.  Georg  mit 
Vorhalle  und  Apfide.  Die  Apfide  ift  an  der  äußeren 
Fläche  gegen  die  GalTe  und  die  St.  LudmillaCapelle 
als  felbftändiger  Kirchentheil  fichtbar,  rein  gemauert 
und  in  der  Längsachfe  des  Kirchlcins  mit  einem  voll- 
kommen erhaltenen  romanifchen  Fenfter  verfehen. 
Auch  die  übrigen  Mauern  diefer  alterten  Kirche  zeigen 
den  Charakter  der  regelmäßigen  Häckelrteinmauerung 
des  alten  romanifchen  Styles. 

2.  An  diefes  ältefte  Kirchlein  ift  nach  den  auf- 
gedeckten Spuren  die  jetzige  dreifchiffige  Kirche  mit 
Apfiden  am  öftlichen  Ende  eines  jeden  Schiffes  mit 
öftlicher  und  weftlicher  Krypta  und  Nonnenchor,  vom 
Fürften  Boleslaw  II.  und  deffen  Schwerter  Mlada,  der 
erften  Aebtiffin  des  St  Georgs-Klofters,  im  Jahre  973 
angebaut  worden. 

Dabei  wurde  der  ältere  Beftand  der  alten  Wratis- 
law'fclien  Kirche,  durch  Anlage  des  niedrigeren  erften 
Bogens  am  fudlichen  Seitenfchiffe,  fo  wie  bei  Durch- 
brechung des  correfpondirenden  Bogens  zur  alten 
Kirche  ausgeprägt,  indem  diefer  letztere  Bogen  zwar 
a.\ial  auf  die  Wölbung  desSeitcnfchiffes,  aber  um  56  Cm. 
aus  der  Mitte  der  Kreuzwölbung  der  Wratislaw'fchen 
Kirche  angelegt  worden  ift. 

Die  Krypta  der  neuen  Kirche  zeigt  noch  heute  an 
der  Außenfeite  der  Mauern  einen  Sockelabfatz,  welcher 
46  Cm.  unter  der  äußeren  Parapetkante  der  romani- 
fchen Kryptafenfter  liegt;  bei  der  anftoßenden  Apfide 
des  Mittelfchiffes  befindet  fich  der  Sockelabfatz  in  der 
Höhe  diefer  Parapetkante. 

3.  Beim  Wiederaufbau  der  Kirche  nach  dem  Brande 
und  der  Zerftörung  während  der  Belagerung  Prags 
durch  Konrad  von  Znaym  im  Jahre  1142  wurde  der 
füdliche  Thurm  über  dem  Wratislaw'fchen  Kirchlein 
aufgefetzt,  und  ift  die  öftliche  über  der  Apfide  des 
Kirchlcins  ftehende  Thurmauer  durch  eine  Fntlaftungs- 
gurte  ifolirt. 

4.  In  der  romanifciien  Zeitperiode,  vielleicht  unter 
Wladislaw  II.,  ift  ferner  öftlich  vom  äiteften  Kirchlein 
und  dem  Thurme  und  füdlich  von  der  Krypta  der 
neuen  Kirche  eine  romanifche  Capelle  mit  Apfide 
felbftändig  angebaut  worden.  Diefe  Capelle  enthielt  in 
der  fudlichen  Hauptmauer,  und  zwar  im  unteren  Theile 
derfelben,  zwei  kleine  rechteckige  Fenfterluken  und 
über    denfclben     zwei     romanifche      halbkreisförmige 


Fenfter,   welche   an    der   äußeren    Leibungskante   mit 
Rundftab  verziert  waren. 

Die  Lifene  des  beftandenen  Triumphbogens 
diefer  Capelle  ift  an  der  Nordfeite  noch  vorhanden. 
In  der  Apfide  diefer  Capelle  ift  eine  bis  zum  Pflaftcr 
reichende  Rundbogenöffnung  gegen  den  alten  öftlichen 
Friedhof  angelegt.  Das  Pflafter  diefer  Capelle  liegt 
78  Cm.  über  dem  Pflafter  der  Krypta,  47  Cm.  unter 
dem  Pflafter  der  Kirche  und  im  Niveau  des  alten  öft- 
lichen Friedhofes,  beziehungsweife  des  äußeren  Funda- 
mentabfatzes  der  Hauptapfiden. 

5.  Ueber  diefer  romanifchen  Capelle  ift  in  der 
gothifchen  Bauperiode  die  gegenwärtige  gothifche 
St.  Ludmilla-Capelle  in  der  Weife  aufgebaut  worden, 
dafs  der  viereckige  Theil  der  alten  romanifchen 
Capelle  behalten  und  über  der  Apfide  der  polygonale 
Chorfchluß  mit  Strebepfeilern  angelegt  wurde.  Die 
Ausführung  ift  durchwegs  aus  Opukaftein,  und  deuten 
die  Formen  auf  den  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  hin. 
Der  untere  Theil  der  romanifchen  Capelle  wurde  durch 
Einwölbung  auf  Pfeilern  mit  romanifchen  Remini- 
fcenzen  als  Unterlage  für  das  Grabmal  der  heil.  Lud- 
milla  abgefchloffen,  und  ift  dabei  behufs  befferer  Be- 
leuchtung des  Raumes  an  der  Südwand  die  öftliche 
Fenfterluke  durch  ein  gothifches  Fenfter  mit  Opuka- 
einrahmung  erfetzt  worden. 

Ueber  diefem  Räume  wurde  durch  den  zuge- 
arbeiteten Triumphbogen  das  Capellenviereck  ge- 
fchaffen  und  mit  gothifchem  Gewölbe  verfehen,  deffen 
reichprofilirte  Rippen  in  einen  mächtigen  Schlußftein 
eingefpannt  waren. 

Der  polygonale  Chorfchluß  ruhte  über  der  Apfide 
auf  einem  mächtigen  Steinkranze  von  35  Cm.  Höhe  in 
Kreisform,  auf  welchen  fich  auch  die  drei  gleich 
breiten  und  ftarken  Strebepfeiler  ftützten.  Im  Polygon 
befinden  fich  drei  fchmale  gothifche  Fenfter  mit  Spuren 
von  zweitheiligem  Maßwerk;  an  der  Südfeite  des  Ca- 
pellenvierecks  ift  ein  breites  Fenfter  mit  dreitheiligem 
Maßwerk,  durchwegs  in  Opukaftein  rein  gearbeitet. 

6.  Diefer  urfprüngliche,  reich  ausgeftattete  und 
polychromirte  Beftand  der  gothifchen  St.  Ludmilla- 
Capelle ift  durch  Berftung  der  unteren  Capellenmauern 
und  Einfturz  des  fchweren  Rippengewolbes  zerftört 
worden,  und  aus  diefem  Grunde  wurde  mit  großen 
Opukaquadern  und  Bruchftücken  der  eingeftürzten 
Wölbungsrippen  und  zerftorten  Kunftdenkmalen  die 
erfte  gebol'chte  Ummauerung  des  Capellenmauer- 
werkes  bis  zum  Sohlbankgefimfe  der  gothifchen 
Fenfter  ausgeführt  und  die  neue  leichtere  Einwöl- 
bung der  Capelle  ohne  Schlußftein  und  ohne  Triumph- 
bogen, deffen  alte  Lifenen  belaffen  wurden,  bewerk- 
ftelligt. 

In  diefer  Opukaummauerung  find  die  Bruchftücke 
der  Kippen,  des  Schlußfteines,  der  Lifenen-  und 
Triumphbogenquadern  in  feiner  Ausführung  und  Poly- 
chromirung  mit  ungeiirochenen  Farbentonen,  fowie 
Bruchftücke  von  kunftvollen  gothifchen  Reliefs  (Kreuzi- 
gung Chrifti,  Löwenkopf  etc.)  gefunden  worden. 

In  diefer  Geftalt  fcheint  fotlann  die  St.  Luilmilla- 
Capelle  lange  Zeit  beftandcn  zu  liaben,  und  ift  das 
Aeußerc  derfelben  mit  Mortelverputz  verfehen  ge- 
wefen,  was  bei  i.\cn  Abtragungen  genau  fichergeftellt 
wurde. 


—       20 


7-  Eine  zweite  Kataftrophe  ift  über  die  San6l 
Georgs-Kirche  und  namentlich  über  die  St.  Ludmilla- 
Capeile  bei  dem  großen  Brande  im  Jahre  1541  ein- 
gebrochen, nach  welcher  die  ganze  Capeile  an  den 
Außenfeiten  mit  der  machtigen  Ziegelummauerung, 
wie  felbe  bis  heute  beftand,  umfchloffen  wurde. 

Die  im  Sgrafittovcrputz  eingeritzte  Jahreszahl 
1574,  welche  abgenommen,  in  Gyps  gelegt  und  auf- 
bewahrt wurde,  deutet  auf  die  Vollendung  diefer  Um- 
mauerung  hin.  Das  alte  gothifche  Hauptgefimfe,  als 
Platte  des  Renaiffancegefimfes  verwendet,  ift  vor- 
gefunden worden. 

8.  Bei  näherer  Unterfuchung  der  öftlichen  Krypta 
der  Kirche  wurde  durch  Abfchlagen  des  Verputzes 
und  Befcitigung  von  Vermauerungen  conftatirt,  dafs 
urfprünglich  der  Aufgang  zum  oberen  Presbyterium  in 
der  Mitte  und  der  Eingang  zu  der  Krypta  an  beiden 
Seiten  mittels  Bogenöffnungen  angelegt  war. 

Bei  Errichtung  des  barocken  Stiegenaufganges 
zum  Presbyterium  von  den  Seiten,  durch  die  Aebtiffin 
Widmann  im  Jahre  1732,  ift  der  Zugang  zur  Krypta  in 
der  Mitte  der  weHlichen  Kryptamauer  durchgebrochen 
worden,  nachdem  bei  der  pompöfen  Anlage  des  Pres- 
byteriumaufganges  die  alten  feitlichen  Kryptaeingänge 
vermauert  werden  mußten. 

9.  Bei  Ausbefferung  des  Mauerwerkes  im  Haupt- 
fchiffe  wurde  an  der  Nordfeite  desfelben  in  einer 
Mauerfpalte  ein  zufammengefalteter,  mit  einem  Perga- 
mentpfeile durchftochener  Pergamentflreifen  gefunden, 
welcher  folgende  lateinifche  Formel  enthält: 

t  In  nomine  f  patris  f  et  filii  f 

et  Spiritus  f  sancti  f 

t  In  monte  f  Celion  f  requiescunt 

Septem  dormientes  f  Maximianus 

1  Martinianus  f  Malcus  f  Constan- 

tinus  t  et  Dionisius  f  Seraphion 

t  et  Johannes. 

t  Domine  Jesu  Christe  liberare 

digneris  hanc  famulam  j 

Dobrozlauam  a  febribus 

quintanis.  Fax  j  nax  vax 

sit  huic  famule  Dei  remedi- 

um  Amen. 

Diefe  Befchwörungsformel  der  mit  fünftägigem 
Fieber   befallenen   Nonne    Dobroslawa   ift    ein   höchfl 


intereffantes  Schriftftück  und  ftammt  der  Schrift    nach 
aus  dem  14.  Jahrhunderte. 

10.  In  der  Steinumhüllung  der  St.  Ludmilla- 
Capelle  iil;  ein  altes  einfaches  Weihwafferbecken  aus 
rothem  Sandftein  gefunden  worden,  deffen  kreisrunde 
Höhlung  mit  eingemeißeltem  einfachen  Kreuze  ge- 
ziert ilt, 

11.  Ferner  wurde  in  diefer  Umhüllung  die  Form 
des  aus  Opukaftein  rein  gearbeiteten  und  bemalten 
gothifchen  Maßwerkes  der  drei  offlichen  Fenlter  der 
Capeile  gefunden. 

Nebfl  den  reich  profilirten  vmd  durchwegs  be- 
malten alten  Gewolbsrippen  der  urfprunglichen  gothi- 
fchen Wölbung  der  Capeile  ill  der  verzierte  Schluß- 
llein  des  Capellenviereckes  in  kleinen  Bruchftücken 
gefunden,  welche,  zufammengekittet,  die  urfprüngliche 
Form  des  Schlußfleines  ergaben. 

Die  Form  des  gothifchen  Maßwerkes  im  füdlichen 
Fenfter  wird  jedenfalls  bei  Abtragung  der  noch  be- 
lalTenen  Schutzpfeiler  der  alten  UmhüUungsmauern  ge- 
funden werden. 

12.  Bei  Inftandfetzung  der  Triforien  an  der  Süd- 
feite des  Mittelfchiffes  ift  die  gänzliche  Aufdeckung 
der  ornamentalen  Malerei  auf  Opukaftein,  fowie  der 
drei  Heiligenbilder  auf  der  Vermauerung  diefer  Tri- 
forien erfolgt.  Die  Malerei  flammt  aus  romanifcher 
Zeit,  als  die  Triforien  an  der  Südfeite  auf  die  Hälfte 
der  Mauerftärke  vermauert  waren.  Die  Leibungen  und 
inneren  Bogenflächen  der  Triforien  enthalten  ornamen- 
tale Malerei  direft  auf  Opukaftein  aufgetragen,  und 
bietet  felbe  fchätzbare  Anhaltspunkte  für  die  innere 
Ausfchmückung  der  Kirche.  An  den  Füllungsmauern 
der  Triforie  ift  auf  Mörtelverputz  aufgetragen  und  gut 
erhalten:  Die  F"igur  des  heil.  Petrus  (^ganze  Statue)  im 
linken  Felde.  Die  halbe  Figur  des  heil.  Wenzeslaus  mit 
der  Fahne  im  mittleren  Felde.  Die  ganze  Figur  Chrifti 
mit  Gloriafchein  im  rechten  Felde.  Die  drei  Bilder  wurden 
forgfältig  abgenommen  und  in  Gyps  gelegt,  daher 
voUftändig  erhalten. 

13.  Bei  Ausmauerung  der  oberen  Partien  der  füd- 
lichen vom  Brande  im  Jahre  1541  ftark  angegriffenen 
Hauptfchiffmauer  wurde  wahrgenommen,  dafs  bereits 
bei  früherer  Ausführung  diefer  Mauer  im  Innern  der- 
felben  geröthete  Opukafteine  von  früheren  Brand- 
kataftrophen  zur  Verwendung  gelangt  fuid.  In  diefer 
Beziehung  werden  bei  Abtragung  der  nördlichen 
Klofterpartien  weitere  Anhaltspunkte  gefucht  werden. 


Ausgrabungen  im  Pettauer  Felde  1901. 

Von  ProfelTor  Dr.  IV.  Gurlitt,  k.  k,  Confervator  (vorläufiger  Bericht). 


M  10.  Oflober  v.  J.  habe  ich  die  Ausgrabungen 
bei  Unter-Haidin  mit  zehn  Arbeitern,  dann 
16  Arbeitern,  wieder  aufgenommen.  Meiner 
Abficht,  anfchließend  an  das  von  mir  in  den  Jahren 
1898/99  entdeckte  Mithraeum,  füdlich  in  der  Richtung 
der  von  mir  gefundenen  Straße,  des  vicus  Fortunae, 
weiterzugraben,  wurde  durch  den  Widerftand  des  Be- 
fitzers  zunächft  vereitelt.  Ich   entfchloß  mich  daher  in 


dem  nächften  fudlich  anftoßenden  Grundftücke  (Garten 
der  Frau  Senekovic)  zu  graben,  etwa  30  M.  füdlich  vom 
früher  gefundenen  Mithraeum.  Um  6  Uhr  früh  begannen 
die  Ausgrabungen,  um  10  Uhr  ftießen  die  Arbeiter  auf 
Gemäuer  und  fchon  um  2  Uhr  nachmittags  konnte  ich 
aus  dem  erften  Fundftücke,  das  aus  der  Erde  gehoben 
wurde,  erkennen,  dafs  ich  ein  zweites  Mithraeum  ge- 
funden   hatte,    .seitdem    —   in    der   Zeit    vom    10.    bis 


—       21       — 


29-  Oftober  —  ift  das  ganze  Mithraeum  im  Ausmaße 
\-on  rund  l6  M.  zu  8  M.  aufgedeckt  worden.  Ms  ill;  nicht 
nur  größer  als  das  erftentdeckte  Mithraeum,  mit  dem 
parallel  es  an  derfelben  Straße  lag,  fondern  auch  viel 
reicher  an  Funden.  Freilich  find  diefe  Funde  nicht  in 
dem  vorzüglichen  Erhaltungszuflande,  wie  im  erften 
Mithraeum,  wieder  der  Erde  entftieL;en,  aber  fie 
erfetzen  durch  Mannigfaltigkeit,  was  ihnen  an  guter 
Erhaltung  abgeht. 

Die  architektonifche  Einrichtung  ift  die  aller 
Mithraeen:  um  einen  vertieften  Mittelraum  find  rechts 
und  links  erhöhte  Podien  angeordnet.  Das  Mittelfchiff 
ilt  durch  eine  Ouermauer  in  zwei  Abtheilungen  ge- 
fchieden.  In  der  inneren  Abtheilung  ift  eine  vollftändig 
erhaltene  Brunnenanlage  gefunden  worden.  Vier  auf- 
rechte Marmorplatten  umgeben  einen  quadratifchen 
Raum,  auch  unten  ift  eine  Marmorplatte  mit  runder 
Oeffnung,  durch  die  das  Waffer  aufquillt,  gelegt;  von 
oben,  von  rechts  und  links  ifl  für  Zufluß  des  Sickerwaffers 
geforgt.  Unten  gegen  Oflen  fchließt  fich  ein  aus  aus- 
gehöhlten Quadern  des  fogenannten  Barbarafteines 
wohlgefijgter  Canal  an,  der  in  feiner  ganzen  Länge,  foweit 
er  das  Heiligthum  durchfchneidet,  mit  Marmorplatten 
bedeckt  aufgefunden  wurde.  In  der  Eingangswand 
(gegen  Often)  find  zwei  Nifchen  angeordnet:  vor  der 
nordlichen  liegend  wurde  eine  Säule  gefunden,  die 
offenbar  früher  in  der  Nifche  aufgerichtet  war,  mit  einer 
Weihung  an  Mithras  für  das  Wohl  des  Severus,  Cara- 
calla  und  Geta:  unter  und  neben  dem  Infchriftfelde 
find  Blumenranken  eingemeißelt,  die  aus  Vafen  auf- 
fleigen.  Zu  beiden  Seiten  des  Mittelraumes  find  je  fechs 
Trapezophoren  (Tifchfüße)  angeordnet:  Löwenkopf  auf 
Löwenpranke.  Zwifchen  ihnen  ftehen  die  Untertheile 
von  Altären. 

Gefunden  wurden  ein  ganz  erhaltenes  Relief  des 
Itiertödtenden  Mithras  und  26  größere  und  kleinere 
Bruchftücke,  die  zu  Mithrasreliefs  von  verfchiedener 
Größe  und  Ausführung  gehören.  Aber  das  Heiligthum 
enthält  nicht  nur  auf  den  Mithrascult  bezügliche  Dar- 
ftellungen:  zwei  Reliefs,  von  denen  das  eine  als  Deck- 
platte über  den  Canal  verwendet  war,  und  zwei  Infchriften 
ftammen  offenbar  aus  dem  von  mir  im  Jahre  1895  ent- 
deckten Heiligthum  der  Nutrices  Augustae,  das  500 
Schritte  in  der  Luftlinie  von  unferem  Mithraeum  entfernt 
ifl.  Ein  Relief:  Jupiter  und  Hercules,  beide  nackt  neben- 
einanderftehend,  ein  plaflifch  ausgeführter  Wagen  mit 
zwei  Pferden,  zahlreiche  Torfi,  zu  großen  nackten  Ge- 
flalten  gehörig,  die  fich  von  den  zahlreich  gefundenen 
Köpfen,  Armen,  Beinen  und  Torfen  des  Mithras  und 
Cautes  oder  Cautopates  deutlich  unterfcheiden,  be- 
weifen,  dafs  bei  einer  Reftauration,  die  im  4.  Jahr- 
hundert vorgenommen  wurde,  zahlreiche  Refte  aus 
anderen  Tempeln  zur  Wiedcrherflellung  oder  zum 
Schmucke' des  Mithraeums  herbeigefchafft  wurden. 


Die  Infchriftenfunde  ergaben  33  Nummern.  Zu 
ihnen  gehört  !.  die  fchon  erwähnte  Weihung  für  das 
Wohl  des  Severus,  Caracalla  und  Geta  von  einem 
Contrafcriptor  (Controllor)  der  Station  Atrans  (Sanft 
Oswald  an    der   Gränze   von   Krain    und    Steiermark); 

2.  eine  Weihung  für  Charidemus,  Aug(usti)  n(ostri) 
(servus)  von  der  statio  Enensis  (pons  Aeni  bei  Rofen- 
heim  am  Inn);  3.  eine  Weihung  für  das  Wohl  eines 
1-1.  Jovinus  (der  Name  des  Dedicanten  fehlt),  Pere- 
grino  et  Aemiliano  co(n)s(ulibus)  aus  dem  Jahre  244 
n.  Chr.;  4.  eine  befchadigte  Weihung  eines  tabul(arius) 
und  vil(icus)  stat(ionis)  Conflent(ibus):  es  ifl  Confl(u- 1 
entes  gegenüber  von  Singidunum  (Belgrad)  gemeint  an 
der  Gränze  von  Pannonia  inferior  und  Mofien.  Die 
Lifchriften  2,  3,  4  find,  wie  Material  und  Buchflaben- 
formen zeigen,  gleichzeitig,  die  Infchrift  i  etwas  älter. 
Das  Heiligthum  ifl  alfo  in  den  erllen   Jahrzehnten   des 

3.  Jahrhunderts  n.  Chr.  erbaut  und  ifl  daher  um  rund 
50  Jahre  junger  als  das    zuerfl    gefundene   Mithraeum. 

Neben  dem  oben  befchriebenen  Brunnen  fland 
ein  Altar  mit  5.  der  Weihung  an  den  fons  perennis  — 
eben  diefe  Brunnenanlage  —  er  ifl  auch  dadurch  inter- 
effant,  dafs  er  wie  Marmor,  Buchflabenformen  und  die 
Namen  der  Dedicanten,  Epictetus  und  Viator,  Sclaven 
des  Zollpächters  Q.  Sabinius  Veranius  beweifen,  aus 
dem  erflen  Mithraeum  flammt  und  unverändert  in  das 
neue  Mithraeum  übertragen  wurde.  Auch  läfst  fich  im 
alten  Mithraeum  noch  heute  die  Stelle  beflimmen,  an 
der  der  Altar  urfprünglich  aufgeflellt  war.  Die  übrigen 
Infchriften  find  Weihungen  eines  mil(es)  leg(ionis)  II 
Ita(licae)  und  von  Privatleuten  an  Mithras,  zwei  ent- 
halten Weihungen  an  die  Nutrices  Augustae,  drei  ge- 
hörten ficher  zu  Grabfleinen. 

Ein  intereffantes  Fundflück  will  ich  noch  erwähnen: 
eine  ovale,  durchbohrte  Elfenbeinplatte  (tessera),  mit 
der  eingeritzten  Infchrift  eines  Justus,  der  optio  der 
cohors  II  Aur(elia)  Dacorum  war.  Auch  der  bronzene 
Tempelfchlüffel  wurde  wohlerhalten  gefunden,  fowie 
eine  Terracotta-Statuette  des  auf  dem  Stier  knieenden 
Mithras  mit  voUfländig  erhaltener  Bemalung. 

Befonders  reich  war  der  Ertrag  an  Münzen:  gegen 
300  Stück,  von  denen  80  allein  innerhalb  der  Brunnen- 
anlage gefunden  wurden;  foweit  ich  fie  bisher  beflim- 
men konnte,  herrfchen  Gepräge  aus  der  Zeit  Condan- 
tius  II.  (^323  bis  361  n.  Chr.)  vor.  Ein  hervorragendes 
Fundflück  ifl  ein  Aureus  des  genannten  Kaifers 
(Cohen  VI',  p.  284  n.  44,  aber  mit  anderen  Munzbuch- 
flaben  im  Abfchnitt). 

Ich  werde  fämmtliche  Fundflücke,  foweit  fie  trans- 
portabel find,  in  das  flädtifche  Ferkmufeum  nach 
Pettau  übertragen  laffcn  und  dort  in  einem  geeigneten 
Räume  fo  aufflcllen,  dafs  das  gefammte  Heiligthum  in 
feinen  wefentlichen  Beflandtheilen  wieder  in  der  Form 
und  Anordimng  erfcheint,  wie  ich  es  gefunden  habe. 


—        22 


Inventare  der  Hof  burgcapelle  in  Wien  1532  und  1679. 


Von  ^.  SitteA 


XTER  deiT  Aften  und  Urkundenabfchriften 
über  die  Burgpfarre  und  Burgcapelle  im  Ar- 
_  chive  des  k.  und  k.  Reichs-Finanzminifteriums" 

befinden  fich  mehrere  Inventare  über  feinerzeit  vor- 
handene Ornate  und  Kirchenzierden. 

Das  altefle  ift  aus  dem  Jahre  1532  (Abfchrift  aus 
einer  fpäteren  Zeit); 

eines  v.  5  May  1607  (Uebergabe  an  den  neuen 
Cuftos  Laurenz  Dominco); 

ein  weiteres  v.  20.  April  1629  (für  den  neuen 
Cuftos  Melchior  Schneppen); 

eines  v.  i.  Martij  1639  und  das  jüngfte  vom  Jahre 
1684.  An  der  Hand  diefes  letzteren,  das  mit  dem  im 
Vicedomamts-Teftament  —  Vertrag  —  Vergleich  — 
Schätzungsbuch  1660  bis  1689  (Seite  408  bis  416), 
abgefchriebenen  Inventar  \'om  7.  Juli  1679  völlig  über- 
einftimmt,  wurde  ein  großer  im  Jahre  1684  ausgeführter 
Raub  feftgeaellt. 

Die  in  CurfivSc\\n{t  angeführten  Gegenftändc 
ftellen  den  Abgang  vom  Jahre  1684  feft. 

Inventar  a.  ijj2 

vermerkht,  was  für  Meßgwandt  in  der  grollen  Truchcn, 
fo  in  der  Rat  Stubn  geftandn,  geuefen,  die  von  Rab 
herauf  gepracht,  vnnd  Inuentirt,  auch  furter  Jacoben 
Purckhart  dem  Cuftos  in  der  Purckh  allhie  zu  Wien  zu 
nndturfft  der  Capellen  daffelbft  zuegeftelt  fein  worden. 

Erftlichen  ain  Altarturch  mit  ainem  guldin  forhang. 

it.  Ain  plab  guldin  florifirt  Meßgewandt  fambt 
ainer  folchen  Stollen,  Manipl  vnd  Humeral. 

it.  Ain  Rot  Samatein  Meßgwandt  mit  ainem  guldin 
Khreitz  vnd  fyben  pildern  darjnnen,  on    Zurgehörung. 

it.  Ain  alter  Roter  Samateinr  Leuiten  Rockh  mit 
zuaien  guldin  Taflyn. 

it.  Zwen  guldin  Leuitn  Röckh  mit  guldin  leuiten 
Tollen. 

it.  Ain  alter  Roter  feydener  Leuite  Rockh  mit 
guldin  dradtcn. 

it.  Ain  Rot  famatein  Meßgwandt  mit  guldin  plue- 
men  vnnd  ainem  perlein  Khreit/.,  SloU  vnd  Manipl. 

it.  Ain  weiß  Tamafchtens  Meßgwandt  mit  ainem 
alten  perlein  Creytz  vnd  ain  alten  Albin. 

it.  Humeral  mit  fdberein  Spanngen,  Ain  Rote 
guldine  Corporal  Tafchen. 

it.  Zway  guldine  Khüß,  aber  albeg  die  ain  fchniel- 
1er  feytten  von  grawer  feyden  gemacht. 

it.  Ain  groffen  Khuphrein  vergoltn  Bifchofllab. 

it.  Ain  weiß  Tamafchten  Meßgewandt  mit  ainem 
perlein  Creytz,  Humeral,  StoU  vnd  Manipl. 

it.  Vnnd  vber  das  ift  Ime  noch  ain  Dreueggete 
Lafftn  mit  der  Herren  Chamer  Rate  pedfchaden  ver- 
wart, darinnen  ain  perleine  ynnffi,  Clainate  Heiligthumb 
vnd  annders  ligt,  daffelb  alles  bey  der  Capellen,  bis 
auf  erforderung  vnd  weidterbevelch  vleiffig  zubehalten 
zuegeftellt,  vnd  vberantwurt  worden. 

*  Herr  .•/.  Sitte  bittet,  den  Lefern  diefer  Zeitfchrift  mitzutheilen.  dafs  die 
Angabe  im  Inhaltsverzeichnis  XXVII.  1902.  S.  IV  „Alphons  Sitte,  k.  k.  Offif.ial" 
rii-'htig  711  (lellcn  fei  in  „Alfred  Sitte,  k.   k.  ,\fllftcnt". 

-  Hcrifchnftmactcn   17712  W.   Ka*c.   32. 


Aftum  den  Zwainczigiften  Tag  Marcij  Anno  p  Q\ 
Im  Zway  \nnd  dreilfigiften. 

InventariiDH. 

Vber  die  ornata  vnd  Kirchen  Zierdt  in  der  kay: 
Burg  Capellen  alhier  in  Wienn,  was  fich  yber  die  auf 
der  Hochlöb:  Kay:  Hoff  Cafüer  Voterm  4.  Decembris 
674  vnndt  3.  Decembris  675  Ergangenen  Verordnun- 
gen Befchehener  Veränderungen  durch  thails  Hinweeg 
Khombener  alten:  vndt  Entgegen  l^cyfchaffung  Neuer 
Sachen  anirzo  in  allem  Befundten  hat,  So  in  Beifein 
deß  (Titl)  Herrn  Herrn  Johann  Friderich  Herrn  von 
Kriechpaumb  Zu  Kirch:  vndt  Hochenberg  der  Rom: 
Kay:  May:  Rath,  Landtrath  in  Öffterreich  ob  vnndt 
Vicedomben  Vndter  der  Ennß,  dann  auch  deß  Hoch- 
würdig in  Gott  Geiftlichen  Herrn  Hieronymi  Genotta 
Rom:  Kay:  May:  Eleemosinary  vndt  Burgg  Pfarrern, 
Wie  auch  der  Edl  vndt  Geftrengen  Herrn  Johann 
Ehinger  Höchftgedachter  Kay:  May:  Burgg  Ziirier- 
warthern  alhier  in  Wienn,  auch  Andrem  Troger  Cufto- 
dio  in  Gedachter  Kha}-:  Purgg  Capellen,  Durch- 
gangen: Befchriben:  vndt  nachmals  ihme  —  Troger  Zu 
feiner  Khünfftägen  Verantworttung  Eingeraumbt 
wordten  Wie  Voigt: 

Erftlichen  Ain  Silberne  Vnd  Vergölte  Neue 
Monftranzen,  daran  Etwaß  mit  weifßer  Zier,  Vndt  mit 
Stainen  verfezt,  auf  den  Fueß  Vier  Engels  Köpf,  vnndt 
oben  auf  der  Namben  Jefus. 

Item  drey  Silber  Vnndt  Vergoldte  Kölch,  Sambt 
den  Paten  fo  Taglich  gebraucht  wcrdten. 

Mehr  Zway  Neue  Kölch,  Silber  vnndt  vergoldt, 
darunter  ainer  mit  ainer  weifßen  Kappen  Sambt  den 
Paten. 

Item  ain  Ciborium  Silber  Vnndt  Vergoldt  fo 
Stehts  im  Tabernackel  Stehet. 

Mehr  ain  Silberne  Ampi  mit  drey  Kötl,  die  Stehts 
in  d  Kirchen  hangt. 

Item  ain  paar  opfer  Kändtl  fambt  dem  Blätl 
Silber  vnndt  Getriben  arbeith  vergoldt. 

Mehr    ain   paar   opfer   Kändtl    fambt    dem 
Silber  vnndt  gannz  vergoldt. 

Item  ain  Paar  Criftallene  opffer   Kändl    in 
Eingefaft,  vnndt  Vergoldt. 

Mehr  ain  Silbernes  Glöckhl. 

Item  ain  dreyfaches  Capfel  Zum  H:  öU. 

Gehet  ab: 

Mehr  ain  Facifical  Silber  vnndt  vergoldt  mit  den 
Eccc  Homo. 

Item  ain  Silheres  Rauchfujl  fambt  den  Schiffet 
vnndt  Löffel. 

Mehr  ain  Cron  von  Silber  -velche  Stets  anf  Vnfer 
Lieben  Franen  ijl 

Item  ain  Kleines  Krändl  von  Silber  auf  daß  Jefus 
Kindt. 

Welche  Beede  C rönnen  die  Rom:  Kay f er  in  Mar- 
garith  machen  Lafßen  Vnndt  Stets  auf  den  Bildnufßen 
Stehen. 


Plätl, 
Silber 


23     — 


Mehr  Ein  Klaincs  Krändl  von  Silber  auf  da/I 
das  'Jcjuli  Kliiiidtel. 

Item  ain  Cron  von  Gueten  Perle7i  fo  die  Kayßcrin 
Anna  für  Vtifer  Lieben  Frauen  Bildtnus  machen 
Lafßcn. 

Mehr  ain  Klaines  Crändl  ]'on  Perlen,  für  da/J 
Jefus  Kindtl  auch  von  d  Kayferin  Anna. 

Item  ain  Klainodt  von  Golt  mit  Vier  Robinen  Ver- 
fest, Vnndt  in  der  Mitten  ain  Klainer  Dicinannt,  fambt 
Etlichen  Granaten  an  ainer  Sehnierl,  daran  als  Kleinodt 
Hanget,  ivelches  die  Frau  Danina  Zlorgin  Vnfer 
Lieben  Frauen  Bildtnus  VereJiret  hat. 

Mehr  Sechs  Möfßinge  altar  Leichter,  fo  Stäths  anf 
den  altärn  Stehen.  Item  ain  Zinerner  Weich  Köfßi, 

Mehr  Zween  Schlecht  Zünerne  altar  Leichter. 
Item  drey  Crucifix  darunter  aines  Von  Möfßing  vndt 
Zvvay  Von  Holz. 

Mehr  acht  auf  Silberarth  Von  Möfßing  getriebene, 
vndt  Verfilberte  Bilder,  vd  Taffein. 

Item  ain  Canon  fambt  den  Johannis  Evangelio 
vnndt  Lauabo,  fo  in  Ramen  Eingefofft,  Vndt  mit  getri- 
benen  Verfilberten  Möfßing  gezierth. 

Mehr  drey  Möfßing  oder  Metallene  glögl,  zur 
Wandtlung  Bey  der  Heyl:  Meeß  Zu  gebrauchen. 

Z'ivar  verhandten  aber  von  dem  66i  Jar  anfing 
abgengig. 

Item,  fünff  Mijkil  darauf  die  Jahr  zahl  i^p6:, 
1616 :,  162p;  1661 :,  16J5:  Mehr  Zu'o  Taffein  von  Stain, 
darauf  Gemacht  daß  Leiden  Chrißj. 

Item  Vier  Zinene  May  Krieg,  Sambt  dennen  Ge- 
machten Maybufchen.  Mehr  auf  Atlaß  Gemahlen  daß 
Schwaißtuech  Chriftj. 

Volgen  Hierauf  die  ornath. 

Seindt  Zivar  verhandten  jedoch  aller  Perlen  be- 
raubt. 

Erßlichen  Zzvay  Meeßgewändter  von  Zieratfarben 
Goldjlukh,  mit  Doppeltaffet  Gefüettert,  Vnndt  mit  Perlen 
Gezierth,  darbi/y  Zivay  Stollen,  Zivay  Manipl,  vnd  Zwo 
Corporal  Tafchen. 

abgengieg 

Item  ain  Inphel  von  Gelben  Goldßuckh,  durchaus 
mit  Perlen  Gezierth. 

iß  allein  das  fuetter  Verhandten. 

Mehr  ain  Meeßgcwandt  von  Grienn  Goldßuckh, 
mit  Goldt,  vnd  Silber  Geßiekht,  mit  durchbrochenen 
Goldt  Porten,  dabey  ein  Stollen  ein  Manipl. 

Iß  zwar  alles  verhandten.,  allein  feindt  alle  Stollen 
vnd  Manipl  von  d.  filbern  brämb  beraubt. 

Item  Ein  Schivarz  Adles  Gejlickhter  ornat.  alß 
ein  Mcejjgewandt.  mit  ain  Weiß  Silberjtiickhnen  Creuz 
dabey  ein  Stoll,  ain  Manipl.  ain  Corporal  Tafchen,  dann 
Zween  darzue  Gehörige  Leuitcn  R'ockh,  mit  Ihren 
(juafßen  fambt  am  .Stollen,  vndt  Ztvay  Manipl. 

Mehr  ain  Schwarz  Geniußert  Sametes  Meeß- 
gezvandt  mit  ainen  Schwarz  Silber Jluckheu  Creuz  mit 
Schwarzen  Doppel  Taffet  Gefüettert.  dabey  ain  Stoll, 
ain  Manipl,  dann  Zween  darzue  gehörige  Leuitcn 
Röckh  mit  Ihren  quaßen  ßambt  ain  StoUn,  vnd  Zway 
Manipl. 

Hievon  abgengig  ein  Jloll  2  Manipl,  vnd  das  mcf/l- 
gcwandt  völlig  vbrigens  aller  bräumb  beraubt. 


Item  ain  Griene  r  ornath  von  Getruckhten  Sani  ct. 
mit  Goldt,  vndt  Silbern  Pojlmen  verbrämbt,  vnd  mit 
Doppel  Daffet  Gefietteri,  Alß  aiti  Meeßgcwandt,  Zway 
Lcuitteu  Röckh,  mit  ihren  quaßen,  ain  Pluuial  mit  dem 
Schildt,  darzue  Zivay  Stollen,  drey  Manipl.  Zivay 
Mißsal  Kaff],  ain  Mifjial  Deckhen  ain  Groß,  vnndt 
Zway  Klaine  Antipendia  Von  dergleichen  Samet,  Mehr 
ain  Getruckht  Roth  Sameter  ornath,  mit  Goldt,  Vndt 
Silbern  Poßmen  Verprämbt,  Vndt  mit  Rothen  Doppel- 
daffet  Gefüettert,  Al/J  Zway  Mcejlgcxvändtcr,  fambt 
Stollen,  Vnndt  Manipl,  Zway  Leuitcn  Röckh  mit  Ihren 
quaßen,  ain  Pluuial  mit  dem  Schildt,  Von  Glatten, 
Rothen  Samet  ain  Stoll  Zway  manipl  Zu  den  Leniten 
Röckhen. 

Von  dießen  gehen  ab  beede  antependia  vnd  mtfsal, 
vbrigens  der  bräumb  völlig  beraubt. 

Item  von  Sclnvarz  Glatten  Samet  ain  Pluuial  mit 
dem  ßchildt,  daß  fueter  aber  Zerrifßen,  drey  Meeß- 
geivändter  drey  Stollen,  drey  Manipl,  ain  Grofß,  vnd 
ain  Khlaines  Antipendium,  ain  Mifsaldcckhen,  alß  mit 
Goldt,  vnndt  Silberen  Poßmen  Verbrämbt,  Vnd  mit 
Sclnvarzer  Leimvath  Gefüettert,  auch  darbey  Zway 
Mifsal  Kiißß. 

Verhandten  doch  aller  brännb  beraubt. 

Ingleichen  ain  Meergrien  Altes  Meeßgewandt  mit 
Getviirckhten  Golden,  vnndt  Seidten  blumcn,  vnd  mit 
Goltenparten  ]'erbräinbt ßambt  Stollen,  vnd  Manipl. 

Mehr  ain  Meeßgcwandt,  1  'on  Schwarz  Gemußic  rten 
Goltfluckh  mit  Gold  in  Seiden  Eingetragenen  Schmer 
darbey  ain  Stoll  ain  Manipl,  ain  Corporaldafchen,  vndt 
ain  Antipendium . 

Item  Von  Getruckhten  J^eiglhraun  Sammet.  Ztvay 
Meeßgewändter,  Zway  Stollen,  Zivay  Manipel  mit  der- 
gleichen färb  Doppcldaffet  Gefiiettert  mit  Goldt.  vndt 
Silber  Pofßmen  Verprämbt  auch  dabey  Ein  Mifsaf 
deckhen,  vndt  ain  Corporal  Dafchen. 

Mehr  ain  altes  Roth  domafchces  Meeßgewandt 
fambt  Stollen,  vndt  Manipl  da  Bey  ein  Antipendium 
Beede  gar  Schlecht. 

Item  ein  Neues  Roth  damafchkhenes  Meeß- 
gewandt, fambt  Stollen,  vnd  Manipl,  mit  Leonifchen 
Goldt  verbrämbt,  vnnd  mit  I,einwath  Gefüettert. 

Mehr  ain  Neues  Grien  damasckhenes  Meeß- 
gewandt, fambt  Stollen,  vnd  Manipl,  mit  Leonifchen 
Goldt  Verprämbt,  vndt  mit  Leinwath  gefüettert. 

Item  ain  Blabes  mit  Silber  Vermifchten  Zeug 
Neues  Meeßgewandt,  fambt  Stollen,  vndt  Manipl  mit 
Leonifchen  Silber  verbrämbt,  Vndt  mit  Leinwath  ge- 
füettert. 

Item  ain  Roth  vndt  weißgeblaumbt  Terzenellen 
Meeßgewandt,  Sambt  Stollen,  Vndt  Manipl,  mit  Grien 
Seiden  Schnicrcn  Verbrämbt  aber  .Schlecht. 

Mehr  ain  weiß  Meeßgcwandt  von  Damafchkh  mit 
Gelb  Seiden  Schnicrcn  Verprämbt  ain  Stoll,  ain 
Manipl. 

Item  ain  Meeßgewandt  von  Gelb  Spalier  Atlas, 
famlit  .Stollen  vndt  !\Ianipl,  mit  Leonifch  Silber  Ver- 
brämbt, vnd  mit  Gelber  Leinwath  Gefüettert. 

///  Zertrent,  Stoll  vnd  Manipel  ab  abgengig. 

Mehr  ain  altes  weiß  Silbcrßuckhen  Meeßgewandt 
mit  Gefärbten  Blumen  fambt  Stollen  \'ndt  Manipl  aber 
nit  mehr  zubrauchen. 

Item  ain  Meeßgewandt  von  Schwarz  Spallier 
Atlas,    mit   Leonifchen   Silber  Verbrämbt  vnndt  mit 


J4     — 


Schwarzer  Leinuatli  Gefüettert,  fambt  Stoll,  \iidt 
Manipl. 

Mehr  Vier  Meeßgewändter  Von  Türckhifchen 
weifßen  Silber  Stuckh  dabey  Vier  Stollen  Vier  Manipl 
mit  Leonifchen  Porten  außgemacht  vnnd  mit  Lcinwath 
gefüettert. 

Item  Von  Türckhifchen  Weifßen  Silber  lluckh, 
Vier  Antipendia  mit  Leonifchen  Porthen  Verprämbt, 
vnd  mit  Leinwath  gefüettert,  alß  ains  für  den  Hochen 
Altar  Zwa)-  für  die  Scithen  altär  vnd  ains  klaines  für 
•die  Credenz. 

Item  Zuay  gar  alte  Goltlluckhem  Antipendia  fvir 
die  Seithen  altär  mit  Rothen  Samet  eingetragen. 

abgetigig. 

Mehr  ain  Klain  Aniipendium  Roth,  in  Weiß  Goldt- 
ftuckli  fitr  ain  Seithen  altar. 

Item  ain  Klain  Antipendium  Von  Weiß  Silber- 
fluckh  mit  Goldten  Blumen,  aber  gar  Schlecht  für  ain 
Seithen  altar  Zubrauchen. 

Mehr  ein  altes  Veiglfarb  Damafchkhenes  Anti- 
pendium mit  Grien  vnd  Blaw  Seiden  Franzen,  für  die 
Seithen  altar  Zubrauchen  fambt  ainen  Mifsal  Polfler 
Blaw  vnndt  Grien. 

Item  ain  Schwarz  damafchkhen  Antipendium,  mit 
Schwarz,  vnd  Weiß  Seiden  Franzen,  aber  gar  fchlecht. 

Mehr  ain  klain  Klain  Antipendium  von  Gelben 
Goldfluckh  Rir  die  Credenz  auch  gar  Schlecht. 

abgengig. 

Item  ain  klain  Schlecht  Grien  Antipendium  fiir  die 
Credenz. 

Mehr  ain  dgleichen  Schlecht  Antipendium  Von 
Feiglfarben  dainafch. 

Item  ain  Schlecht  Gelb  Antipendium  von  leiden 
parat  für  die  Seithen  Altar. 

geht  ab. 

Mehr  ain  Klain  Schlecht  Weißgeblimtes  antipen- 
dium für  die  Seithen  altär. 

Item  ain  gar  altes  Antipendium  Von  Gmofierten 
(gemufterte«)  Rothen  Samet  für  die  Seithen  altär. 

ifl  beraubt. 

Mehr  ain  Gelbe  Goldtßückhene  Mifsaldeckhen. 

Item  ain  Rothfarriete  Miffal  deckhen  Mehr  ain  alt 
Rothfametes  Mißal  Küfß. 

Item  ain  Grien  Samete  Mifsael  deckhen,  Mehr 
Zway  Geftickhte  Kufß,  mit  Goldt,  vnndt  Silber  Ge- 
ftickht,  vnd  mit  Schmekhend  Materj  gefult. 

Item  ain  Schwarz  damafchgen  Mifsal  Küfß  vnndt 
ein  Corporal  Tafchen. 

Nun  Volgen  die  Kolchdiechel. 

Erftlichen  ain  Rothcs  Kölche  Tiechl  mit  Vndter- 
fchiedlichen  färben  außgenäth,  fo  frau  Raineracherin 
Verehit  hat. 

gehet  ab. 

Mehr  ain  Roth,  vnnd  Meergriten  Kölchtiechel,  mit 
Leonifchen  Spizen. 

Item  ain  Pferßigblüefarbs  Kdlchtiechcl  mit  Leo- 
nifchen Spizen. 

iß  d  Spizl  beraubt. 

Mehr  atn  Blaw  Alußertes  K'olchdirchl  mit  Goldt 
\  'ndt  Silbern  Spizen. 

eilt  altes  abgengig. 


Item  Vier  Rothe  Taffete  Kölchdiechl  darundter 
ain  Neues. 

Mehr  Zway  feiglfarbe  Daffete  Kölchdiechl  Mehr 
ain  Grüenes  vnd  in  Strickh  mit  Goldt.  vnd  .Silber 
darein  Genäthes  Kolchdiechel. 

eines  abgengig. 

Mehr  drey  Schwarz  Taffctc  neue  Kolchdiechel,  mit 
Leoni fclie7i  Spizen. 

Item  Zwa\-  Neue  weiß  daffete  Kolchdiechel,  mit 
Leonifche  Spizen. 

Mehr  ain  Neu  Griendaffetes  Kolchdiechel  mit 
Leonifchen  Spizen. 

Item  ain  Neu  Blaw  Taffetes  Kolchdiechel  mit 
Leonifchen  Spizen. 

Mehr  Zway  Schwarze  Kolchdiechel  aber  gar 
Schlecht. 

Item  ain  außgenäthes  Kolchdiechel,  Von  Lein- 
wath, 

eines  abgengig 

Mehr  s'tvay  -weifße  Kolchdiechel  von  Atlas  mit 
Goldten  Spizen. 

Item  ain  feiglfarbes  Vellum,  Von  Toppeldaffet 
mit  goldenen  Spizen. 

abgengig 

Mehr  ain  dergleichen  Velum  ohne  Spizen. 

Item  Zway  Roth  äatnafchgene  Gefchirpte  Pult- 
bectlideckUen.  vmb  vnndt  l'mb  mit  Roth,  vnnd  Weiß 
Seiden  franzen. 

Mehr  ain  Weifße  Corporaltafchen. 

Item  funff  Mifsal  Pölfter,  auf  ainer  Seith  von  Weiß 
Turckifchen  Silberftuckh. 

Mehr,  ein  Roth,  vnndt  weiß  Mifsal  Khüfß  von 
Atlas,  Vnndt  damaßg. 

abgengig 

Item  ain  alte  Corporaltafchen  darauf  der  Nomben 
Mariae  mit  Silber  Geßickht. 

Voigt  Hernach  vnßer  Lieben  hauen  vnd  deß  Jeßus 
Khindt  Bekhlaidung. 

hievon  d  fchlaye  abgengig,  vbrigen  aller  brämb 
beraubt 

Erfllichen  ain  zveiß  Silberßuckhen  Neuer  Rockh, 
mit  Goldt,  vndt  Silber  Pofhnen  Verprämbt,  fambt  den 
Schlayr,  oder  Mantel,  wie  auch  daß  fefus  Röckhl, 
Welches  die  Käyßerin  Margarita  Verehret  Hat. 

Aller  bräutnb  beraubt. 

Mehr  ain  Rockh  von  Erhebt:  vndt  Gebliemtten 
Goldßuckh,  Vorherab  mit  4.  gölten  Parten  Auf  der 
Seithen  mit  2  gölten  Parten  I  'crprämbt. 

d  Rockhl  gehet  ab,  fonflen  auch  aller  bräumb  be- 
raubt. 

Item  ain  'weiß  Silberßuckhen  Rockh,  fambt  der- 
gleichen jfefus  Röckhl,  alle  Beede  tnii  2  gölten  bertl 
Verbrämbt. 

Mehr  ain  Rockh  \on  Leibfarben. 

gehet  alles  ab. 

Goldtßuckh,  fambt  dergleichen  Jefus  Rockhl,  Beedc 
l  inb,  vnd  Vmb,  mit  durchfichtigen  Goldten  Parten 
I  'erprämbt,  welche  die  R'omifchc  Kayfcriu  Anna  Ver- 
ehrt hat. 

Item  ain  Weifßer  Schiair  mit  Silber  Eingetragen, 
auch  \on  Bemelter  Kayferin. 


—     25 


gehet  ab. 

Mehr  Zway  mit  Goldt  Geflickhte  Jefus  R'öckhl. 

Item  Zway  Fliigl  von  Turckliifclien  Silbcrfliickh, 
an  Stath  aines  Schlayrs,  auf  ds  Marien  Bildt  mit 
Goldten  Spisen. 

Mehr  Zway  Rotlie  Flügl  mit  Leonifchen  Silber 
aufgemacht. 

Ingleiclien  ein  Röckhl  yber  ds  Ciborium,  yber  vnd 
yber  mit  falfcheii  Perlen  Gezierth. 

Hierauf  Voigt  daß  Leingewandt. 

Ertlichen  Von  Neuen  Gemacht  wordten  8  yber- 
leg,  oder  Altar  diecher,  mit  Spizen,  Zway  für  den 
Hochen  Altar.  4.  für  die  Seithen  altär,  vndt  2.  fiu-  die 
Credenz. 


5  Almb  mit  Spizen. 

6  Almb  Gürttel. 
4  Handtiecher. 

12  Purificatoria. 


8  Huirieral. 
I  Corock  mit  Spizen. 
4  Corporal  mit  Spizen. 
8  facinet  mit  Eckh  Spizen. 


Volgen  die  alten  .Sachen. 

Hievon  Zwey  abgengig. 

j  Almb  von  Schiair,  mit  Porten  vndt  Spi::cn,Jdnibt 
den  Humerali,  darunter  aine  gar  Schlecht. 

20  Andere  Almb,  darunter  10  Gebefßert,  Vnndt 
andere  Erbl  Eingefezt  wordten,  dn.  1 1  mit  Spizen  vndt 
9  ohne  Spizen. 

16  Humeralien  fo  noch  zubrauchen  feindt. 
4  alte  almb  Gürtl,  aber  noch  Zugebrauchen. 

3  Coröckh    Zween   mit   Spizen    der   dritte    ohne 
Spizen  aber  noch  ganz  Güet. 

4  alte  Handtiecher. 
4  Corporal  mit  Spizen 

26  Purificatoria 
3  yberleg  von  Schlayr,  fo  noch  zu  brauchen,  aber 
gar  Schlecht. 

10  Andere  Leinwathene  yberlegen,  welche  noch 
Zubrauchen,  aber  Schlecht. 

alles  abgengig. 

8  Siibßratoria  darunder  ain  Neues,  mit  Grofßen 
Spizen,  zvelches  die  Rom:  Kayfcrin  Margaritta  ver- 
ehrt hat. 

Zway  Türckhifche  Diecher  Von  Schlayr. 


8  Palla. 
14  alte  facineth. 


abgengig. 

I   Palla,   darauf  der 
Perlen  Geßickht. 


Namben    Jefus    mit   Klein 


Aniezo  Volgen  die  Alte  Biecher. 

Erftlichen  ain  Groß  altes  breuier,  de  äö  1574. 

Item  ain  Gradual  Buech  de  So  1580. 

Mehr  Zway  Grofße  Bfalteria  Eine.s  de  3<5:  1543 
daß  andere  de  aö  1571. 

Item  ain  Groß  Gefchribenes  Buech. 

Mehr  ain  Antiphonarium  in  Zwayen  Blechern,  alß 
Sorner  vndt  Winterthaill  Beede  de  äö:  1573. 

Zu  Urkhundt  feindt  dißes  Inuentary  Vier  Gleich 
Lauttendte  Exemplaria  aufgericht  Jedwedes  mit  Vor- 
gemelter  Vier  Herrn,  vnndt  deß  Cuftodis  Trogers, 
Handtfchriifft,  vnd  Pettfchafften  Verferttiget:  aines 
Hiruon,  der  Hochlöbl.  Khay:  Hoffcainer  daß  andere 
Herrn  Vicedomp,  daß  dritte  Herrn  Burg  Pfarrer  vndt 
daß  vierdte  dem  Cuftodj  Troger  Zuegeftölt  wordten 
aftum  Wien  den  19.  oftobris  676 

Jo:  Fridt:  H:  V:  Kriechpaumb  Frh.  (L:  S.J 
Vicedom 

fL:  S:J  Johann  Offter-         fL:  S:J  Att^Sour:  Genoua 


mayr  Kay:  Hoff  Purggraff 

fL:  S:J  Andreas  Troger 

Cuftos  d  Kay:  Hoff- 

Capellen 


Aulae  Dom: 

fL:  S:J  Johann  Ehinger 

Kay:  Hoff  Purgg  Zimer- 

warter 


Den  7.  July  1679  ift  in  Beyfein  Vnfer  Hier  Vnd- 
fchribenen  die  Kay:  Burgg  Capelln,  vnd  deren  Zueg- 
gchör  auf  Ein  Neues  Inuentiert:  nach  dißem  Vorfte- 
hendten  Inuentario  alles  Richtig  Befundten,  vnd  dem 
Neu  Refoluierten  Cuftodj,  Michaeln  Troger  yberant- 
worttet  wordten. 

A6lum  ut  Supra 

Joh:  Frid:  H:  V:  Kriechpaumb  Frh.  fL:  S:J 
Vicedom. 


fL:  S:J  Petrus  Parent 

de  Clerfort 

Kay:  Hoff  Burggraff 

fL:  S:J  Michael  Trogr 

Cuftos  d.  Kay:  Hoff- 

Capellen, 


fL:  S:J  Joannes  Gergio 

Cennger 

Kay  Burgg  Pfarrer  vnd 

Thumbherr  bei  St. Stephan 

fL:  S.J  Johann  Ehingr 

Kay:  Hoft' Purgg  Zirner- 

wartter. 


Kunfttopographifches  aus  dem  oberen  Eifack-  und  dem 

Pfitfcherthale. 


Von  Joliann  Deininger. 


ON  der  Paßhöhe  des  Brenner  dem  Laufe  des 
lufack  in  füdlicher  Richtung  folgend,  gelangt 
man  durch  eine  fcharfe  Terrainfenkung  hinab 
an  die  Mündung  des  Pflerfchthalcs.  Hier  liegt  1 100  M. 
über  dem  Meere  die  alte  Ortfchaft  Gojfenfafs.  Der  zu- 
nehmende Fremdenverkehr  Tyrols  hat  diefcn  Ort  zu 
einer  beliebten  Sommerfrifche    geftaltet,   wovon   man- 


cherlei Veränderungen  an  den  hier  noch  beftehenden 
alten  Knappcnhiiufern  datiren,  welche  anfangs  des 
16.  Jahrhunderts  entftandcn  find,  als  in  jener  Gegend 
der  Silberbergbau  emfig  betrieben  wurde.  Nur  einzelne 
Theile  der  maffiv  gebauten  ehemaligen  Wohnhaufer 
der  Knappfchaft  mit  ihren  fpitzbogigen  Thoren,  über 
welchen    nach    alter    Gepflogenheit    Erzftücke    einge- 


XXVIII.  N.  F. 


26 


mauert  wurden,  find  auf  unfere  Tage  erhalten  ge- 
blieben. 

Die  St.  Barbara-Capelle ,  ein  ehrwürdiges  kleines 
Baudenkmal  am  Nordende  der  Ortfchaft,  ill  hingegen 
wenig  verändert  worden.  Diefe  Capelle  wurde  1510 
von  der  Bruderlade  der  Knappfchaft  erbaut,  nach  Auf- 
lafTung  der  Erzgruben  vernachläffigt  und  im  Jahre  1786 
gcfchloffen.  Die  Gemeinde  Goffenfafs,  welcher  1852 
diele  Capelle  überlaffen  wurde,  hat  fic  im  folgenden 
Jahre  wieder  in  Stand  gefetzt. 

Das  zweigefchoßige  Bauwerk  (Fig.  i,  2)  ifl  zum 
Theile  an  einen  Felfenhügel  gelehnt,  zum  1  heile  auf 
diefem  errichtet.  Das  Untergefchoß  enthält  die  Grab- 
capelle,  welche  gleich  der  darüber  gelegenen  Capelle 
einen  quadratifchen  Raum  mit  drei  angefetzten  Acht 
eckfeiten  bildet.  Das  Gewölbe  der  Grabcapelle  ftützt  fich 
inmitten  des  Raumes  auf  einen  kräftigen  Rundpfeiler. 
Zu  diefem  Räume  führt  zunächft  eine  Steintreppe  von 
dem  das  Bauwerk  umgebenden  Friedhofe.  Auf  der 
Freitreppe  weiter  anfteigend,  gelangt  man  zum  oberen 
Capellenraume,  welchem  eine  Vorhalle  angebaut  ift. 
Letztere  ftanmit  mit  Ausnahme  des  der  urfprünglichen 


Fig.  I.  (St.  Ilarljara-Capelle  bei  Goflenfafs,  Giundrifs.) 

Vorhalle  angehörigen  gothifch  profilirten  Thorpfeilers 
bei  /^  (Fig.  i)  aus  fpnterer  Zeit.  Auf  dem  Pfeiler  P  ift 
folgende  Infchrift  eingemeißelt: 

„Dife  Capell  Ifl  geweicht  in  der  er  (zu  Ehren)  der 
edlen  Junckfraw  Sand  (Sanft)  barbara.  15  10". 

Das  fpitzbogige  Capellenportale,  gleich  dem  vor- 
benannten Pfeiler  aus  weißem  Ratfchingfer  Marmor,  ift 
vortrefflich  erhalten.  An  der  reich  profilirten  Leibung 
find  beiderfeits  Wappen  der  Knappfchaft,  am  Bogen- 
fchluße  ein  menfchlicher  Skeletkopf  mit  Schlange  en 
relief  gemeißelt  und  über  letzterem  ein  Band  mit  der 
Jahreszahl  i  5  10. 

Im  Chore  befindet  fich  ein  fchöner  gothifcher 
Flügelaltar  aus  der  erllen  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts, 
welcher  vor  einigen  Jahren  mit  Verftändnis  reftaurirt 
wurde.  Diefer  Altar  fchließt  nach  oben  kielbogenförmig 
mit  reichem  Ornament-.Schnitzwerk  und  einer  Kreuz- 
blume ab.  Im  Schreine  entliält  er  Holzftatuettcn,  welche 
die  Heil.  Barbara,  Laurentius  und  Sebaflian  darfteilen. 
Die  Reliefs  an  den  Innenfeiten  der  Altarflügel  verfinn- 
lichen  die  Vermählung  Mariens,  die  heil,  l'amilie  und 
den    Tempelgang.    An    den    Außenfeiten    der    Flügel 


ftellen  Gemälde  die  Befchneidung  Chrifti,  die  Dar- 
bietung im  Tempel,  die  Anbetung  der  Könige  und  den 
Chriftusknaben  im  Tempel  dar.  Diefe  Gemälde  find 
künltlcrifch  weniger  bedeutend  als  die  auf  Goldgrund 
gemalten  Bruftbilder  der  heil.  Barbara  und  der  heil. 
Katharina,  deren  Entftehung  fchon  vor  jener  des 
Altares  zu  datiren  fein  dürfte. 

An  einer  Chorwand  findet  fich  noch  ein  Fresco, 
welches  den  Tod  Mariens,  darunter  den  Donator  mit 
fünf  Söhnen  und  deffen  Gemalin  mit  vier  Töchtern 
darflellt.  Hier  ifl  die  Infchrift:  „Lienhart  pharkircher 
diefer  Kappeln  Pauwmeefler  15  15"'  beigefügt. 

Der  Weg  von  Goffenfafs  nach  Sterzing  in  dem 
engen  Thale  des  Eifack  führt  an  der  örtlichen  Berg- 
lehne   zur    Ruine    Straßberc:,    vermuthlich    einer    ehe- 


Fig.  2.  (St.  Barbara-Capelle  bei  Goffenfafs,  Außenanficht.) 

maligen  Thalfperre  oder  einem  Poflenthurme,  deren 
Bergfried  gefchwcifte  Zinnen  nach  Art  iler  lombardifch- 
mittelalterlichen  Thurmbekrönungen  trägt,  welche  in 
neuerer  Zeit  mit  einem  Pyramidendachc  überdeckt 
wurden. 

An  der  wefllichen  Berglehne  findet  fich  an  der 
Außenfeite  eines  zum  Weiler  Ried  gehörigen  vereinzelt 
flehenden  Bauernhaufes  ein  italienifches  Fresco  aus 
dem  15.  Jahrhunderte.  Es  ifl  gefchirmt  durch  das  weit 
ausladende  Rottdach  des  Haufes  und  deshalb  noch 
ziemlich  gut  erhalten.  Diefes  an  der  alten  Heerftraße 
gelegene  Wandgemälde  enthält  innerhalb  einer  recht- 
eckigen Umrahmung  in  vortrefflicher   Ausführung   die 

^  Dlcfc  Infchrift  in.ig  Tinkhau/fy  vcrlfitcl  hallen  in  feiner  Befchieibmig 
der  Diocefe  Brixen  das  Jahr  1515  als  jenes  der  Krbauung  der  Capelle  anzu- 
fetzen;  dem  widcrfpricht  die  Jahreszahl  „1510"  an  dem  Vorhallenpfeiler  und 
ani  Portale. 


—     27 


Figur  St.  Chrifloplis,  des  Patrons  der  Wanderer,  und 
des  St.  Jacobus.  Ueber  diefen  Figuren  ill:  ein  gothi- 
fcher  Baldachin  gemalt.  Man  hat  hier  muthmaßlich  das 
Werk  eines  jener  tüchtigen  Wandermaler  vor  fich, 
welche  zu  jener  Zeit  an  der  Ausfchmückung  des 
Kreuzganges  am  Brixener  Dome  thätig  waren. 

Die  am  jenfeitigen  Flußufer  gelegene  kleine  Kirche 
des  Weilers  Ried  flammt  aus  dem  Jahre  1669  und  ift 
im  deutfchen  Style  jener  Zeit  gut  erhalten  geblieben. 
Von  den  drei  Altären  diefer  Kirche  ift  der  Hochaltar 
durch  fchönen  Aufbau  und  figuralen  Schmuck  be- 
merkenswerth. 

Auf  der  Straße  gelangen  wir  weiter  zum  „alten 
Zoll",  einem  Gebäude,  das  einft  Edelanfitz  war  und 
gegenwärtig  als  Bauernhaus  dient.  Zwei  rechtwinklig 
gegeneinander  geftellte  Gebäudeflügel  mit  zwei  zinnen- 
bekrönten Mauern  umfchließen  einen  kleinen  Hof.  Diefe 
Bauanlage  ift  völlig  verwandt  mit  jener  der  kleinen 
landesfürfllichen  Burg  zu  Meran.  Der  rechtwinklig   an- 


l'ig.  3.  (Giundrifs  der  Pfarrkirche  in  Sterzing.) 

gelegte  Erker  mit  Spitzgiebel  an  der  Straßenfront  ill; 
mit  fchönen  Fenflergittern  geziert. 

Das  im  weiten  Thalkeffel  gelegene  Städtchen 
Sterzing,  wo  fich  das  Ridnaun-  und  das  Pfitfcherthal 
von  dem  Eifackthale  abzweigen,  ift  reich  an  kunft- 
hiltorifchen  Denkmalen.  Unter  diefen  fei  zunächfl  die 
außerhalb  der  Stadt  am  Moos  gelegene  Pfarrkirche, 
„vnfer  lieben  Frawen  im  mofe"  genannt,  näher  be- 
trachtet. 

Es  ift  ein  ftattliches  Bauwerk  gothifchen  Styls  mit 
dreifchiffigem  Langhaufe  (Fig.  3)  als  Hallenkirche 
errichtet.  Das  ältere  Presbyterium  diefer  Kirche  ift 
niedriger  als  das  Langhaus.  Letzteres  mifst  38  M.  in  der 
Länge  und  23  M.  in  der  Breite.  Die  Mittelfchiffbreite 
ill  doppelt  fo  groß  als  jene  der  Seitenfchiffe,  und  die 
Trennung  der  Schiffe  wird  durch  acht  Marmorfäulen 
bewirkt.  Im  Gegenfatze  zu  dem  in  feiner  äußeren 
Architektur  einfach  geftalteten  Langhaufe  ift  das 
21  M.  lange  und  11  M.  hohe  Presbyterium  mit  reicher 
gegliederten  Strebepfeilern  verfehen.  Diefelben  find 
durch  Fialen,  die  auf  die  vorladenden  Pfeilerfockel 
geflellt  find,  und  im  oberen  Theilc  durch  je  eine  Nifche 


mit  darüber  gefetztem  Baldachin  belebt,  jedoch  nicht 
mehr  wohl  erhalten  und  einer   Reftaurirung   bedürftig. 

Der  Thurm  an  der  Nordfeite  diefer  Kirche  wurde 
anno  1443  begonnen  und  1450  beendet.*  Es  erfcheint 
indes  fraglich,  ob  diefer  Thurm  im  Jahre  1566,  als  eine 
Feuersbrunft  im  benachbarten  Deutfchordenshaufe 
auch  das  Dach  des  Langhaufes  der  Pfarrkirche  zer- 
ftörte,  fchon  völlig  ausgebaut  war;  vielmehr  fcheint 
der  alte  quadratifch  angelegte,  verhältnismäßig  nie- 
drige Thurmkörper,  auf  dem  fpäterhin  ein  Achtecks- 
bau mit  barockem  Kappendache  aufgefetzt  wurde, 
damals  noch  nicht  zur  vollen  Höhe  aufgeführt  gewefen 
zu  fein,  da  durch  den  Brand  etwa  ein  proviforifch  auf- 
gefetzter hölzerner  Thurmhelm,  nicht  aber  eine  größere 
Partie  des  oberen  Mauerwerkes  zerftört  werden 
konnte.  Das  um  1 569  wieder  hergeftellte  Langhaus- 
dach zeigt  nicht  die  Form  des  urfprünglichen  gothi- 
fchen Steildaches,  fondern  eine  Eferinsrere  Steieunfr. 

Das  Presbyterium  entftand  1469  bis  1473  als 
felbftändiger  Kirchenbau  nach  dem  Plane  des  zu  jener 
Zeit  in  Sterzing  weilenden  Melfters  Hans  Sewr,  „Stein- 
metz und  Bürger  diefer  Stadt".  Wenn  nicht  fchriftliche 
Urkunden*  dies  evident  nachwiefen,  müßte  eine  Ver- 
gleichung  der  Architekturdetails  an  diefem  Baue  mit 
jenen  am  gothifchen  Campanile  zu  Tramin  auf  die  Ver- 
muthung  führen,  dafs  auch  das  letztgenannte  l>auwerk 
von  diefem  Meifter  flammt. 

Schon  23  Jahre  nach  der  Vollendung  des  gegen- 
wärtigen Presbyteriums  wurde  mit  dem  Anbaue  des 
großen  dreifchiffigen  Langhaufcs  begonnen. Die  Bürger- 
fchaft der  Stadt  und  die  Bergknappen  von  Schneeberg 
(Ridnaun)  und  Goffenfafs,  auch  Mitglieder  benachbarter 
Gemeinden,  haben  fich  corporativ  an  der  Aufbringung 
der  Baukoften  betheiligt.  Von  der  Gemeindevertretung 
wurden  eigene  „pawmeifter",  welche  die  Bauaufficht 
und  die  finanzielle  Gebarung  führten,  gewählt.  Dazu 
waren  gewöhnlich  zwei  beftellt,  doch  verfall  in  der 
Regel  nur  einer  diefes  Amt.  Als  erfler  „pawmeifler" 
am  Langhaufe  ift  Cafpar  Köchl  anzufeilen,  deffen 
Regiiler'  „angefangen  am  Sunntag  in  der  vaften  jni 
1496  jar". 

In  den  Rechnungen  Cafpar  Köchl's  findet  fich 
unter  anderem  die  intereffante  Bemerkung:  „Freitag 
nach  fandt  Tomas  tag  1497  ....  haben  maifter  Bene- 
di6len  mit  den  gefeilen,  den  ftainmetzen  ein  fürgeding" 
gemacht:  „dy  pruchftain  zu  hawen  nach  dem  gefchworn 
werchfchuch,  vnd  füllen  alles  quader  hawen  vnd  fchon 
ftosfugen,  und  füllen  fchön  vnd  wol  hawen  als  dye  yetz 
angemawert  fein  vnd  geben  vom  werchfchuch  12  f." 

Für  Pfeiler  und  Portale  wurde  Marmor  von  Rat- 
fchinges  geliefert  und  damit  im  Jahre  1498  begonnen. 
„Maifter  Thoman"  begann  im  felben  Jahre  die  15e- 
hauung  der  Werkftücke  für  die  Portale.  Am  Haupt- 
portale an  der  Giebelfront  finden   fich  die   Steinmetz- 

'  C.  Ftfi-hnaler,  .,BciträKt:  zur  Gcfcliichtc  der  Pfarre  Sterzing  und  ues 
Kirciienb.iucs",  Zeitfchrift  des  Fcrdinaiideiims  zu  Innsbruck   1884. 

-  Anläßlich  der  Rcft.-iurirung  des  freiftehenden  8a  M.  hohen  gothifchen 
Glockenthurmcs  der  Pf.irrkirchc  zu  'rrainin,  welche  unter  Lcitunj;  des  Vcr- 
faffcrs  in  den  J.ihren  187g — i88t  erfolgte,  fanden  fich  in  dem  an  der  Spitze 
des  Steinhelmes  angebrachten  Knaufe  mehrere  Urkunden  über  diefen  Bau. 
Außerdem  befagt  eine  im  I'farrarchive  zu  Tramin  aufliewalirte  Urkunde  votn 
St.  Georgstage  1466,  dafs  Maifter  Hans  Sewr,  Steinmet/  und  Bürger  von 
Sterzing  „ain  auffnelimen  des  gcpews  des  Kirchtunub  zu  'l'ramin  getan  hat. 
dcnfelbigen  paw  in  drein  Jarn  zu  .antwortten  vnd  zu  volpringcn".  'rhatfachlich 
wurde  mit  dem  Haue  des  Traminer  Kirchthurmes  jedoch  erft  1469  begonnen, 
fohin  gleichzeitig  mit  jenem  des  gegenwärtigen  Presbyteriums  an  der  Stcrzinger 
Pfarrkirche. 

3  Stadtarchiv  Sterzing. 

4» 


2S 


z 

Seit 


eichen:  T  j  .  ./K  -^  •  ->.»■•  ""'^  ^'■'''  nördlichen 
leiten-  \J~^  i  — >|  X.  po''t;ilc':  \/"  ^  -^  • 
I— H  ,   JiC  ,  eingemeißelt.  /         — «J 


Der  Frohnljogen  und  die  Wandpfeiler 
nächlt  ihm  wurden  von  „nnaifter  adam"  hergeftellt  ge- 
meinfam  mit  dem  „maifter  hanns  Stertzinger'',  wie  aus 
der  Rechnung  des  „pawmaifters  Jörg  Treibenraiff 
(1514)  hervorgeht;  die  übrigen  von  Meifter  Thoman 
und  dem  Polier  vJörg  von  Aufhofen"'. 

Ueber  die  Herftellung  der  Schiffpfeiler,  welche  aus 
privaten  Mitteln  beflritten  wurde,  geben  die  an  den- 
felbcn  en  relief  gemeißelten  Wappen  und  Infcliriften  in 
gothifchen  Minuskeln  Auffchluß. 

Am  erflen  Pfeiler  links  befindet  fich  ein  Wappen- 
fchild  mit  drei  Mufcheln  und  zwei  gekreuzten  Pilger- 
fläben,  darunter  die  Infchrift:  „Zu  lob  got  den  all- 
mächtigen der  junkfrau  maria  und  des  heiligen  Jacob 
hat  lafen  machen  die  erwürdig  und  löblich  pruedfchaft 
fant  Jacob  den  pfeiler  15  15". 

Am  zweiten  Pfeiler:  Wappenfchild  mit  Einhorn 
über  Mauerzinnen  und  Infchrift:    „hanns  Pollerl  15  12''. 

Der  dritte  Pfeiler,  an  dem  fich  die  Kanzel  befindet, 
trägt  keine  Infchrift. 

Der  erfte  Pfeiler  rechts  trägt  etwa  2  M.  über  dem 
Fußboden  friesartig  aneinander  gereiht  die  Wappen 
der  Jöchl,  Gertinger,  Ecker,  Vintler,  Malbsleben, 
Weczner,  Palaus  u.  A.,  darunter  die  Infchrift:  „zu  lob 
got  dem  allmächtigen  vnd  der  junkfrawen  maria  haben 
die  edlen  und  ernfeflen  hanns  und  andrae  jöchl  die 
prueder  difen  pfeiler  machen  laffn  vnd  ift  durch  Jacob 
Jöchl  volend  15 12".  An  diefem  Pfeiler  befindet  fich 
ferner  ein  fchönes  Bronze-Epitaph  im  Style  der  Früh- 
Renaiffance  zur  Erinnerung  an  den  15  17  verftorbenen 
„Andrae  Joechl". 

Den  zweiten  Pfeiler  rechts  ließ  der  oben  erwähnte 
„Hanns  Köchl  1509"  und  den  dritten  „Chriftof  Kauf- 
mann 1505"  errichten.  Auf  dem  \'orderften  Pfeiler  be- 
findet fich  das  Wappen  derer  von  Freundsberg  und  die 
Infchrift:  „Im  1518  jar  got  zu  lob  vnd  Er  hat  verornet 
zu  machen  difen  pfeiler  der  Edel  Geftreng  herr  Jörg 
von  Fruintsperg  zu  Muendhaim  st.  peterspcrg  vnd 
ftrasperg  Rö:  Kay:  vnd  Kn:  Mt:  Rat  vnd  obrifl  Veld- 
hauptmann". 

Von  kunftgefchichtlichcm  Intcreffe  ilT;  ferner  eine 
in  der  Baumciflerrechnung  des  Jörg  Traibenraiff  vom 
Jahre  15  13  enthaltene  Bemerkung,  wonach  „Hannfen 
Luts"  als  „vnfer  Frawen  werchmaifter"  bezeichnet 
wird,  desgleichen  in  der  Rechnung  desfelben  „Bau- 
meifters"  vom  Jahre  15 14,  woraus  hervorgeht,  dafs 
Ilans  Lutz  von  Schuffeiiried  in  Schwaben,  der  Erbauer 
des  Thurmes  an  der  Pfarrkirche  in  Bozen  auch  am 
Baue  der  Sterzinger  Pfarrkirche  mitwirkte.  Ob  er  es  ift, 
welcher  auch  den  Plan  zum  Baue  des  Langhaufes  ent- 
worfen hat,  erfcheint  fehr  fraglich,  da  Lutz  auch  am 
Thurme  zu  Bozen  nur  als  ausführende  Kraft  („Palier", 
refpeflive  Bauleiter)  an  Stelle  des  eigentlichen  Archi- 
tekten Burkhard  Engelsberger,  welcher  damals  in 
Augsburg  und  Ulm  viel  befchäftigt  war,  fich  bethätigte. 
In  ähnlicher  Stellung  fcheint  Lutz  zeitweife  auch  in 
Sterzing  gewirkt  zu  haben.  Der  Umftand,  dafs  die  Zeit 
feiner  Thätigkeit  in  Bozen  theilvveife  mit  jener  in  Ster- 
zing zufammenfällt,  läfst  vielmehr  darauf  fchließen,  dafs 
Hans  Lutz  gleich  einem  in  den  baugefchichtlichen  Ur- 
kunden   diefer    Kirche    mehrfach   erwähnten    „Maifter 


Benedict"  hier  nur  in  fchwierigeren  Baufragen  zeitweilig 
zu  Rathe  gezogen,  beziehungsweife  zur  unmittelbaren 
Leitung  der  Ausführung  einzelner  Conftruclionen  ver- 
anlafst  wurde. 

Zur  Herftellung  der  Gewölbe,  welche  gleich  wie 
im  Presbyterium  auch  im  Langhaufe  urfprünglich  mit 
fpät-gothifchem  Rippenwerk  belebt  waren,  wurde  Tuff 
ftein  verwendet. 

Die  drei  Portale  diefer  Kirche  zeigen  durchwegs 
einfache  Gewändprofilirung  mit  am  Bogenfchluße   fich 


Fig.  4.  (Südpoital  der  l'farrkirclie  zu  Slerzing.^ 

übergreifenden  durch  Hohlkehlen    und    Plättchen    vcm 
einander  getrennten  Rundftaben. 

Das  Portal  an  der  Südfeite  nahe  dem  Presbyte- 
rium (Fig.  4')  weist  jedoch  eine  reichere  Geftaltung 
durch  eine  Bogenlunette  auf,  welche  mit  Wappen- 
fculpturen  und  Infcluiften  geziert  ift.  Diefe  Sculpturen 
wurden  nach  dem  Entwürfe  des  Malers  Mathias 
Stöberl,  desfelben  Meiftcrs,  welcher  auch  die  inter- 
effanten  Gemälde  am  Altare  der  St.  Magdalena-Kirche 

'   N:ich  photographifcher  Aufnahme  von   Otto  Schmidt  in   Wien. 


29 


im  Ridnaun  anno  1509  lierftellte' vom  Steinmetz  und 
Bildhauer  Thoman  ausgeführt. 

Das  Gewände  diefes  Portales  (ohne  Bogenlunette) 
dürfte  dem  Portale  der  alten  Kirche  (jetzt  Presbyte- 
rium)  angehört  haben  und  anläfslich  des  Anbaues  des 
Langhaufes  an  die  gegenwärtige  Stelle  verfetzt  worden 
fein,  worauf  es  zur  Feier  der  Grundfteinlegung  des 
Langhaufes  durch  Einfetzen  des  von  Confolen  ge- 
tragenen Horizontalbalkens,  der  wappengezierten 
Werkflücke  unter  dem  Bogenanlaufe  und  der  reich 
fculptirten  Bogenlunette  weiter  ausgeftattet  wurde. 

Die  Grundfteinlegung  des  Langhaufes  erfolgte  auf 
kaiferlichen  Befehl  durch  „Herrn  Wolfgang  von  Neu- 
haus, teutfch  Ordens  lannt  kommenteur  der  Balaj  an 
der  Etfch  und  im  gepurg"^  und  wurde  auf  vorgenann- 
tem Portale  durch  folgende  lufchrift  verewigt:  „Rex 
edis  huius  primum  Maximilianum  pro  fundamentis  hie 
posuit  lapidem  ä  Brixin.  Suffragano  devotissimo  bene- 
dictum.  Ann.  1497".  Daneben  befindet  fich  das  Stein- 
metzzeichen: y|  _  Das  Relief  in  der  Bogenlunette 
flcllt  oben  L/"  Maria  mit  dem  Jefukinde,  darunter 

das  Reichswappen,  diefem  zur  Linken  den  öflerreichi- 
fchen  Bindenfchild  und  zur  Rechten  das  Landes- 
wappen von  Tyrol  dar. 

Ueber  dem  Portale  der  Sacriftei  befindet  fich  ein 
ähnliches  fpätgothifches  Relief  aus  dem  Ende  des 
I  5.  Jahrhunderts,  welches  eine  Oelberggruppe  verfinn- 
licht. 

Die  Spitzbogenfenfler  des  Presbyteriums  zeigen 
reiches  Maßwerk  mit  Fifchblafenmotivcn,  die  Lang- 
hausfenfter  jedoch  keines.  Ueber  dem  Hauptportale 
befindet  fich  ein  fchönes  Rofettenfenfter  und  darüber 
am  Giebel  eine  Madonna  gemalt  von  Mathias  Stöberl 
aus  dem  Jahre  15  12,  welches  Fresco  fpäterhin  rcftau- 
rirt  wurde. 

Zahlreich  find  die  Denkfteine,  welche  die  Außen- 
fronten diefcr  Kirche  zieren.  Darunter  bcfonders  inter- 
cffant  ein  römifcher  Grabftein,  welcher  an  der  Südfront 
eingemauert  ifl  und  die  Infchrift:  ,,v.  f.  Postumia.  Vic- 
torina, sibi.  et.  Ti.  Claudio.  Raeticiano.  genero.  piisimo"  ^ 
trägt.  Dicfer  Denkftein  wurde  bei  der  Erdaushebung 
für  die  Fundamente  des  Langhaufes  durch  C.  Köchl 
aufgefunden  und  von  diefem  zum  Andenken  an  diefes 
Ereignis  durch  eine  Marmortafel  mit  folgender  Infchrift 
danmter  gefetzt:  ,.Der.  ober,  flain.  ifl:.  funden.  an. 
dem.  eck.  zu.  unterifl:.  im  grvnt.  als.  der.  ift.  gegraben, 
an.  vnfer.  frawen.  zu.  lichtmes.  abent.  anno,  domini. 
MCCCCLXXXXVIJ  jar". 

Die  eingemauerten  Grabfteine,  von  welchen  die 
älteften  aus  dem  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  flam- 
men, find  größtentheils  aus  Ratfchingfer  Mai-nior.  Dar- 
unter find  befonders  bemerkenswerth  das  Epitaph  von 
Michael  Geizkofler,  f  1502,  und  feiner  Gemahn,  f  1518; 
jenes  von  Hans  Jöchl  und  deffen  Sohn  Hans  aus  dem 
Jahre  1505,  und  des  Sterzinger  Bürgers  Stephan 
Selaner,  1 506.  Außer  diefen  finden  fich  noch  gut  er- 
haltene Grabplatten  aus  den  Jahren  1536,  1550,  1567, 
1570.  1578  "nd  1592  vor,  letztere  der  Frau  Salome, 
zweiter  Gemahn  des  Ulrich  Geizkofler,  welches  Denk- 
mal an  ähnliche  Arbeiten  Alexander  Collin's   erinnert. 


45  f. 


^  Siehe  den  Bericfit  des  Verf.ilTcrs  in  diefen  Mitlhciliingcn    1897,    XXUI, 

-  Stadtarchiv  Sterzing,  Reitbuch  II. 
•  =  CIL  V  so  84. 


Im  Jahre  1753  wurde  leider  eine  Erneuerung  diefes 
Kirchenbaues  vorgenommen,  bei  welcher  fämmtliche 
Gewölberippen  herabgefchlagen  wurden.  Ein  Schluß- 
ftein,  welcher  die  Jahreszahl  15 10  trägt,  ift  dermalen 
neben  dem  Portale  der  Südfront  eingemauert.  Anno 
1773  hat  Adam  Mölckh  die  gegenwärtig  beflehenden 
Gewölbemalereien  im  Langhaufe,  welche  Scenen  aus 
dem  Leben  der  altteftamentarifchen  Efther  und  der 
heil.  Elifabeth  darfteilen,  ausgeführt. 

Das  Gewölbe  des  Presbyteriums  wurde  1869  mit 
einigem  Gefchick  wieder  im  gothifchen  Style  her- 
geftellt. 

Der  alte  Flügelaltar  ift  zur  Zeit  der  decorativen 
Veränderung  des  Kircheninterieurs  entfernt  worden, 
doch  fanden  die  Statuen  des  alten  Altares  am  neuen 
Hochaltare  und  an  der  Kanzel,  welche  ebenfalls  ver- 
ändert wurde,  wieder  theilweife  Verwendung.  Von  der 
alten  Kanzel  ift  eine  Abbildung  in  Federzeichnung  im 
Rathhaufe  zu  Sterzing  aufbewahrt. 

Während  eine  künftlerifch  werthvolle  Madonnen- 
flatue,  welche  einft  die  Hauptfigur  im  Schreine  des 
alten  Plügelaltares  bildete,  ferner  die  alten  Altarfiguren 
St.  Urfula,  St.  Katharina  und  Apollonia  am  neuen 
Altare  aufgeftellt  wurden,  find  die  zu  Vollfiguren  um- 
geftalteten  Halbfiguren  St.  Barbara  und  Margaretha, 
weiß  angeftrichen,  in  der  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
erbauten,  künftlerifch  wenig  bedeutenden  Margarethen- 
Kirche  zu  Sterzing  zur  Aufftellung  gelangt.  Dafelbft 
befinden  fich  auch  zwölf  Bruftbilder  der  Apoftel, 
welche  wahrfcheinlich  an  der  Bekrönung  des  alten 
Flügelaltares  der  Pfarrkirche  vertheilt  waren. 

Die  auf  beiden  Seiten  bemalten  vier  Flügel  des 
alten  gothifchen  Altares  der  Pfarrkirche  find  noch 
erhalten  und  an  den  getäfelten  Wänden  des  großen 
Saales  im  Sterzinger  Rathhaufe  folcherart  aufgeftellt, 
dafs  die  Befichtigung  beider  Seiten  leicht  ermöglicht 
ift.  Die  Gemälde  ftammen  von  Meifter  Hans  Mueltfcher 
aus  Ulm  und  feinen  Gehilfen.  Sie  entftanden  in  den 
Jahren  1456  bis  1458.  Mueltfcher  befand  fich  zur  Zeit, 
als  er  \-on  den  Sterzinger  Bürgern  den  Auftrag  zur 
Herftellung  diefer  „taweln"  erhielt,  in  Innsbruck.  Diefe 
Tafelbilder  enthalten  auf  der  Vorderfeite  fcenifche 
Darftellungen  aus  dem  Leben  der  heil.  Maria,  und 
Paffionsdarftellungen  an  den  Rückfeiten.  In  fpäterer 
Zeit  waren  diefe  Bilder  roh  übermalt  worden  und  im 
Jahre  1 89S  durch  Profeffor  A.  Haufer  in  München  wieder 
entfprechend  reftaurirt. 

In  der  Pfarrkirche  find  noch  Holzfculpturen  aus 
dem  16.  Jahrhundert  vorhanden,  und  zwar  eine  Kreuzi- 
gungsgruppe und  Chriftus  das  Kreuz  tragend  mit 
Simon  von  Cyrene;  außerdem  verdient  eine  Anzahl 
fchöner  Zunftftangen  aus  dem  18.  Jahrhunderte,  dar- 
unter einige  von  zierlicher  Conception  in  gothifchen 
Architekturformen  bcfondere  ]5eachtung. 

Unter  den  kirchlichen  Baudenkmalen  in  Sterzing 
ift  nächft  der  Pfarrkirche  die  St.  Peter-  und  Paul-Kirche 
bemerkenswerth.  Es  ift  ein  kleiner  einfchiffiger  Bau 
gothifchen  Styls,  der  \on  den  ]5rüdern  Hans  und  Licn- 
hard  Jöchl  begonnen  und  anno  1474  beendet  wurde. 
Laut  Infchrift  am  Frohnbogen  wurde  diefes  Kirchlein, 
das  ein  hübfches  Netzgewölbe  aufweist,  im  Jahre  1744 
reftaurirt.  Doch  wurde  es  damals  keiner  ftyliftifchen 
Veränderung  unterzogen.  Die  Fagaden  diefes  l^aues, 
der  jetzt  theilweife  in  Wohnftättcn  umgewandelt  ift,  find 


—       "iO       — 


einfach  gehalten.  Die  Giebelfront  trägt  einen  zierlichen 
quadratifch  angelegten  Dachreiter  mit  hölzernem  Spitz- 
helm. Außer  dem  Portale  an  diefer  Front,  welches  fpitz- 
bogig  geflaltet,  noch  eine  theilweife  erhaltene  gothifclie 
Thürc  mit  Blendmaßwerk  und  ausgegründetem  Flach- 
ornamcnt  befitzt,  findet  fich  noch  ein  kleines  gothifches 
Seitenportal  an  der  gegen  die  Gaffe  hin  freiliegenden 
Siidfront  und  fchmale  Spitzbogenfenfter  mit  einfachem 
Maßwerk.  Im  Innern  birgt  diefes  Kirchlein,  nahe  dem 
Hochaltäre  im  Spät-Renaiffanceftyle,  eine  in  einem 
Glasfchranke  aufgeflellte  Figur  der  Madonna  mit  dem 
Jefukinde,  welche  als  ein  hervorragendes  Werk  deut- 
fcher  Steinplaftik  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
anzufehen  ift.  Bemerkenswerth  erfcheint  ferner  das  aus 
Ratfchingfer  Marmor  in  Form  eines  gothifchen  Kelches 
gemeißelte  Taufbecken,  und  endlich  mehrere  Grab- 
platten der  Sonncnburger  Nonnen  und  von  Mitgliedern 
der  gräflich  Enzenberg'fchen  Familie. 

Nahe  der  Pfarrkirche  zu  Sterzing  befindet  fich  das 
„Deutfchc  Haus",  ein  Grundcomplex,  welcher  aus  dem 
heil.  Geift-Kirchlein,  einem  Commcndegebäude  des 
deutfchen  Ritterordens,  welch'  letzteres  derzeit  als 
Stadtfpital  dient,  und  einigen  Wirthfchaftsgebäuden 
befteht.  Die  Gründung  der  Deutfchordens-Commende 
in  Stcr/.ing  datirt  aus  dem  Jahre  1254,  zu  welcher  Zeit 
das  um  1241  von  Hugo  von  Taufers  und  feiner  Ge- 
mahn Adelheid  gefliftete  Hofpital  zum  heil.  Geift 
fammt  der  Pfarrkirche  (an  Stelle  des  gegenwärtigen 
Kirchenbaues  und  romanifchen  Styls)  dem  deutfchen 
Ritterorden  übergeben  wurde.  Während  der  Bauern- 
kriege (1525)  geplündert  und  im  Jahre  1566  durch 
einen  Brand  vollftändig  zerftört,  wurde  das  gegen- 
wärtige Ordensgebäude  anno  1587  fammt  dem  heil. 
Geill-Kirchlein  wieder  hcrgeftcllt.  Die  Stadt  Sterzing 
erwarb  das  Deutfch.e  Haus  18S4  aus  dem  Befitze  der 
Grafen  Thurn  und  Taxis. 

Das  gegenwärtig  beflehende  heil.  Geilt-Kirchlein 
ill  anno  1729  von  Jofeph  de  Layo  erbaut  worden.  Es 
enthält  ein  gutes  Deckengemälde,  darftcllcnd  die  heil. 
Dreifaltigkeit  und  darunter  die  almofenfpendende  heil. 
Elifabeth.  Diefes  Fresco,  ein  Werk  des  Augsburger 
Malers  Math.  Günther,  ifl  von  fchönen  Stucco-Orna- 
menten  umrahmt. 

Das  Commendegebäudc  birgt  einen  reichgezierten 
aus  Holz  gefertigten  Altar  im  Charakter  deutfcher 
Renaiffance  mit  der  Jahreszahl  1590,  der  ehedem  in 
dem  älteren  heil.  GeiflKirchlein  aufgeflellt  war.  In  der 
fogenannten  Convcntftube  ifl  noch  eine  hübfche  Wand- 
vertäfelung und  ein  Kachelofen  aus  dem  Jahre  1648 
mit  dem  Vintler'fchen  Wappen  erhalten  geblieben.  Die 
übrigen  Räume  zeigen  mittelmäßige  Wandgemälde, 
welche  Anflehten  der  Deutfchordcns-IIäufer  zu  Leng- 
moos, Siebeneich,  Schlanders  und  Weggenflein,  eine 
Anficht  der  Stadt  Sterzing  aus  dem  18.  Jahrhunderte, 
Darflellungen  aus  der  Gefchichte  des  deutfchen  Ritter- 
ordens nach  Kupfcrftichen  von  Salver  u.  A.  verfinn- 
lichcn. 

Unter  den  profanen  kunflhiflorifchen  Denkmalen 
ifl  der  unter  dem  Namen  „Zwölferthurni''  bekannte 
Thorthurm  zunächfl  bemerkenswerth.  Diefer  Thurm, 
von  rechteckiger  Grundform,  cntfland  im  Jahre  1468, 
zu  welcher  Zeit,  wie  aus  einer  Infchrift  über  dem 
gothifch  profilirten  Thorgewände  hervorgeht,  Erz- 
herzog Sigmund   von    Oeflerreich    ,,den    crflcn    grunt- 


flain"  für  denfelben  gelegt  hat.  Gegenwärtig  ifl  diefer 
Thortluu-m  mit  Zinnengiebeln  bekrönt,  während  er 
urfprünglich,  wie  aus  einer  im  Rathhaufc  zu  Sterzing 
aufbewahrten  Federzeichnung  aus  dem  Jahre  160S 
erfichtlich  ift,  mit  einem  pyramidenförmigen  Spitzhelm 
abgefchloffen  war. 

In  die  Zeit  der  Erbauung  des  „Zwölferthurmes" 
fällt  auch  die  Gründung  des  cr(l  um  1524  feiner  Voll- 
endting  zugeführten  Rathhaufes  zu  Sterzing,  worüber 
das  „RayttReygifler"  des  Lienhard  Jöchl,  welcher 
beim  Rathhausbau  als  flädtifcher  Bauleiter  tliätig  war, 
Auffchluß  gibt. 

Das  Rathhaus  (Fig.  5)  bildet  durch  feine  im  Erd- 
gefchoße  angeordneten  fpitzbogigen  auf  kurzen  kräf- 
tigen Rundpfcilern  ruhenden  Arcaden  den  nördlichen 
Zugang  zu  den  malcrifchen  „Lauben"  in  Sterzing.  Der 
Bau  ifl  nach  der  typifchen  Anlage  altdeutfcher  Bürger- 
häufer  mit  der  Schmalfeite  gegen  die  Straße  gewendet 
und  i(l  deffen  Fagade  durch  zwei  polygonale  über 
beide  Obergefchoße  reichende  Erker,  welche  gleich 
der  ganzen  Hausfront  durch  eine  Zinnenbekrönung  ab- 
gefchloffen find,  gegliedert.  Eine  annähernd  quadratifch 
angelegte  geräumige  und  von  oben  erhellte  Halle  ent- 
hält die  Treppen  und  den  unmittelbaren  Zugang  zum 
getäfelten  Rathsfaale  im  erflen  Stocke,  während  an 
drei  Seiten  in  der  Höhe  des  zweiten  Stockes  gelegene 
Galerien  die  Verbindung  mit  den  in  diefem  Stock- 
werke gelegenen  Räumlichkeiten  vermitteln. 

Derartige  Hallenanlagen  waren  im  Gebiete  des 
Eifackthales    bei    größeren   Wohnbauten   im    15.    und 

16.  Jahrhunderte  üblich.' 

Der  Eckerker  des  Rathhaufes  mit  gothifch  profi- 
lirten Umrahmungen  an  den  rechteckig  geftalteten 
Fenllern  ifl  gleich  der  Arcaden-Architektur  aus  weißem 
Marmor  errichtet.*  Seine  Brüflungen  im  erflen  Stocke 
find  mit  Wappenfchildern  geziert,  deren  Relief-Em- 
bleme das  öflerreichifche,  das  tyrolifche,  das  Stadt- 
wappen und  das  Gerichtswappen  (Freundsberg)  dar- 
flellen.  Hier  ifl  auch  die  Jahreszahl  1524  (Zeit  der 
Vollendung  des  Baues)  eingemeißelt.  Im  zweiten  Stocke 
find  die  Erkerbrüflungen  mit  Blendmaß  werken    belebt. 

Dermalen  find  in  der  Stiegenhalle  mehrere  Epi- 
taphien adeliger  Familien  Sterzings  aus  dem    16.  und 

17.  Jahrhunderte  aufgeflellt,  welche  fich  vordem  in  der 
im  Jahre  1853  demolirten  Todtencapelle  nächif:  der 
Pfarrkirche  befanden. 

Außer  den  fchon  oben  erwähnten  Gemälden  und 
Zeichnungen  birgt  der  einfach  getäfelte  Kathsfaal 
kunflvolle  gothifchc  Thürbefchläge  und  einen  berühmt 
gewordenen  Dcckenlufler  (Lullerweibchen)  mit  großem 
Steinbockgehörnc,  einer  in  Holz  vortrefflich  gefchnitz- 
ten  und  bemalten  Halbfigur  der  Lucrctia  ncbfl  Putti- 
figürchen,  welche  die  Leuchter  halten. 

An  die  Räumlichkeiten  des  Sterzinger  Rathhaufes 
knüpft  fich  eine  Reihe  von  hiflorifchen  Erinnerungen, 
da  diefelbcn  während  des  Bauernaufflandes  um  1525 
zu  Verfannnlungen  dienten,  und  fpätcrhin  mehrmals  zu 

•  Ein  fchoncs  Bcifpli:!  Iiicfür  bietet  die  ilircr  m.ilerifchen  Wirkung  wegen 
Ijckanntc  Halle  im  Kantiuler  Haufe   (G.ifthof  zum  Lamm)  in  Klaufcn. 

=  Die  fchlcchte  Kimdirung  des  Eckpfeilers,  welcher,  wie  die  Unterfnchiin;; 
erg.-il),  nur  auf  ein  müßig  ftarkes  Werkflück  aus  Thonfchiefcr  oline  jede  Unter- 
mauerun;;  geftellt  war,  verurfachte  um  1886  eine  derartige  Senkung,  dafs  nicht 
allein  alle  Steinverbande  am  Erker  bedenklich  gelockert,  fondern  auch  der  Ein- 
fturz  der  ganzen  Straßenfront  diefes  Rathhaufes  zu  befürchten  war.  Durch  eine 
hierauf  mit  namhaften  Unterftützungen  aus  Staats-  und  Landcsmitteln  vor- 
genommene ReconftruCtion.  welche  VerfalTer  diefes  leitete,  wurde  der  fernere 
Ilcftand  diefes  Baudenkmales  gefichcrt. 


—     ^I    — 


Verhandlungen  des  Tyroler  Landtages,  bei  feftlichen 
Anläffen,  wie  der  Ankunft  Philipps  des  Sohnes  Kaifer 
Karls  V.,  des  Erzherzogs  Ferdinand  II.,  des  Feld- 
hauptmanns Jörg  von  Freundsberg  u.  A.  benutzt 
wurden. 

Der  Anfitz  Jöchelsthurn  in  Sterzing  ift  nächlt  dem 
Rathhaufe  der  kunfthiftorifch  intereffantefte  Profanbau 
diefer  Stadt.  Sowohl    der    thurmartig   emporftrebende 


inmitten  der  fo  reich  gezierten  Rautenfelder  befindet 
fich  das  Wappen  des  Mathias  Jöchl  mit  der  Jahreszahl 
1469. 

An  den  erkerreichen  und  zinnenbektabnten  älteren 
Wohnbauten  Sterzings,  von  denen  ein  größerer  Theil 
im  16.  Jahrhundert  entftand,  finden  fich  allenthalben 
noch  rcichprofilirte  Portale  und  gewölbte  Hallen  mit 
Nathrippenwerk  fpät-gothifchen  Charakters. 


Fig.  5.  (Rathhaus  zu  Sterzing.) 


Mitteltradt  als  die  an  beiden  Seiten  angefchioffenen 
niedrigen  Tra6te  diefes  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts durch  Hans  Jöchl  gegründeten  Bauwerkes 
find  durch  Zinnengiebel  abgefchloffen.  Die  Decoration 
mehrerer  Innenrhume  flammt  noch  aus  der  Zeit  der 
lü'bauung  dicfcs  Anfitzes.  Darunter  ift  der  in  feiner 
Urfprünglichlceit  wohlcrhaltene  reich  gefchnitztc  Hoiz- 
plafond  eines  Zimmers  im  zweiten  Stocke  als  ein  her- 
vorragendes und  feltenes  Werk  fpat-gothifcher  IIolz- 
fculptur  zu  bezeichnen.  Dicfe  Decke  befitzt  130  ver- 
fchiedcn  gcftaltete  FiiUungcn  mit    Kclicflaubwerk   und 


Nahe  dem  Rathhaufe  lieht  das  Votivmonumcnt 
des  heil.  Johannes  von  Ne[)onuik  aus  dem  Jahre  1739- 
Es  ift  aus  Ratfchingfer  Marmor  errichtet  und  zeigt  gut 
gearbeitete  figürliche  Details  in  malerifch  wirklamer 
Gruppirung. 

Hei  dem  achtfcitig  angelegten,  kiniitlcrifch  nicht 
belangreichen,  um  1689  cntllandencn  Harockbau  der 
heil.  Kreuz-Capclle  am  Südcndc  der  Stadt  lieht  an  der 
Landftraße  eine  einfache  gothlfche  Bildfäulc  aus  Mar- 
mor, deren  vier  Bildflächen  in  ziemlicli  gut  erhaltenen 
Reliefs  Paffionsdarllellungen  enthalten.   Nach   der   auf 


diefer  Bildräule  angebrachten  Infchrift   ill   dicfelbe   im 
Jahre  1516  von  Oswald  Eppaner  errichtet  worden. 

Auf  dem  Vorfprunge  des  Telferer  IJerges,  einer 
mäßigen  Erh'bhung  an  der  VVeftfeite  Sterzings  Hegt  das 
Dorf  Thuins.  Die  kleine  Ortskirche  dafelbft  ift  ein- 
fchifhgund  in  gothifcher  Anlage  am  Beginne  des  lö.Jahr- 
iinndcrts  erbaut  worden.  Durch  eine  im  17.  Jahrhundert 
vorgenommene  Renovirung  i(l  diefes  Kirchlein  mit 
Ausnahme  des  quadratifch  angelegten  hohen  Thurmes, 
der  mit  einem  achtfeitigen  hölzernen  Spitzhelm  abge- 
fchloffen  ift,  und  des  aus  weißem  Marmor  hergeftellten 
Portales  umgebaut  worden.  Das  Innere  zeigt  nunmelir 
ein  Tonnengewölbe,  das  mit  gothifchen  Rippen  ge- 
gliedert ift  und  einen  halbkreisförmigen  Frohnbogen. 
Der  Schlußftein  des  Portales  ift  mit  einer  Mufchcl  ge- 
ziert und  trägt  die  Jahreszahl  151 1. 

Das  am  oftfeitigen  Mittelgebirge  an  der  Aus- 
mi.indung  des  Pfitfcherthales  gelegene  Dörfchen  Flaiiis 
(Fluens)  befitzt  eine  kleine  einfchiffige  gothifche  Kirche 
mit  polygonalem  Chorabfchluß  imd  nordfeitig  ange- 
legtem Thurm  von  quadratifcher  Grundform  mit  nie- 
drigem Pyramidenhelm.  Diefes  Kirchlein  ift  durch 
fchöne  Raumvcrhältniffe  ausgezeichnet.  Das  Marmor- 
portale an  der  Weftfeite  ift  gleich  den  Fenitern  des 
Schiffes  und  Chores  fpitzbogig  abgefchloffen  und 
befitzt  reichgegliederte  Gewände.  Beachtenswerth  ift 
das  fchöne  Netzgewölbe,  deffen  Hohlkehlenrippen  fich 
mit  wappengezierten  Schlußfteinen  verbinden.  Auch 
diefer  Bau  ftammt  aus  dem  Beginne  des  16.  Jahr- 
hunderts, wie  die  Jahreszahl  15  14  am  Portale  angibt. 
Von  der  Flainfer  Anhöhe  in  öftlicher  Richtung 
zur  Thalfohle  herabfteigend  gelangen  wir  zum  Schloße 
Moos.  Es  ift  dies  ein  zweigefchoßiger  Bau  von  geringer 
Ausdehnung  und  annähernd  quadratifcher  Anlage  mit 
hohen  Steildächern  und  feitlich  angegliedertem  Wirth- 
fchaftshofe.  Der  maffige  vierfeitige  Donjon  diefes 
Schloßes  erhebt  fich  nur  wenig  über  den  Firft  des 
Hauptgebäudes  und  ift  mit  Zinnen  bekrönt,  über 
welchen  ein  Pyramidendach  gefetzt  ift.  Diefer  Thurm, 
fowie  die  Hauptumriffe  der  ganzen  Schloßanlage, 
ftammen  muthmaßlich  aus  dem  14.  Jahrhundert,  zu 
welcher  Zeit  das  Schloß  als  landesfürftliches  Lehen 
beftand  und  von  Herzog  Sigismund  an  Chriftoph  Tänzl 
verkauft  wurde.  Der  Wohnbau  in  feiner  gegenwartigen 
Geftalt  enlftand  im  16.  Jahrhundert  und  befand  fich 
damals  im  Befitze  der  Freiherren  von  Tannhaufer. 
Mehrere  gut  erhaltene  Holztäfelungen  einfacher  Art 
fchmücken  noch  einzelne  Räumlichkeiten  des  gegen- 
wärtig an  einen  Bauer  verpachteten  Gebäudes. 

Den  Weg  in  das  Pfitfcherthal  weiter  verfolgend 
gelangen  wir  zum  Dorfe  Wiefen,  deffen  zum  heil.  Kreuz 
geweihte  Kirche  fich  in  ihrer  äußeren  Architektur  als 
ein  ftattlicher  gothifcher  Bau  aus  regelmäßigen  Sand- 
fteinquadern  repräfentirt.  Eine  ältere  hier  beftandene 
Kirche  wird  im  Teftamente  Heinrichs  von  Rottenburg 
um  1337  und  in  einem  Ablaßbriefe  vom  Jahre  1397 
erwähnt.  Der  gegenwärtige  Bau  entftand  in  der  erften 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Die  Kirche  ift  einfchiffig, 
nach  Often  orientirt  mit  füdfeitig  angelegtem  Thurme, 
den  ein  niedriger  vierfeitiger  Helm  bekrönt.  Die  Spitz- 
bogenfenfter  bcfitzen  fchöne  fpät-gothifche  Maßwerke, 
desgleichen  die  Schallfenfter  des  Thurmes.  Durch  eine 
im  Jahre  1830  vorgenommene  Renovirung  wurde  das 
Innere    diefes    Baudenkmales   leider   feiner  gothifchen 


Architektur  beraubt.  An  der  Giebelfront  der  Kirche 
betiiulen  fich  fchöne  Epitaphien  der  Urfula  Kalch- 
gruberin,  f  1550,  und  des  Chriftoph  Geizkofler,  f  1616. 
Der  die  Kirche  umgebende  PViedhof  enthält  noch  eine 
künftlerifch  unbedeutende  Mariahilf-Capelle,  welche  um 
1714  geweiht  wurde. 

Dem  Laufe  des  Pfitfcherbaches  folgend  gelangen 
wir  allmählich  berganfteigend  zum  Weiler  Afeiis,  wel- 
cher eine  zierliche  dem  Schutzengel  geweihte  Capelle 
enthält.  Auf  fteilem  Wege  paffiren  wir  die  gewaltige 
Stromfchnelle  des  Baches,  die  „Wöhr"  genannt,  und 
gelangen  weiter  nach  Außerpfitfch  zum  Dorfe  Keniaten. 
Hier  befindet  fich  eine  in  ihrer  architektonifchen  Ge- 
ftaltung  wenig  bemerkenswerthe,  urfprünglich  im 
gothifchen  Style  angelegte  einfchiffige  Kirche.  Die- 
felbe  wurde  anno  1468  erbaut  und  bei  der  im  Jahre 
1833  erfolgten  Renovirung  ungünftig  verändert.  Ur- 
kundlich wird  fchon  1345  ein  dort  früher  beftandener 
Kirchenbau  erwähnt. 

Am  Thalfchluße  (Innerpfitfcli)  befteht  zu  St.  Jacob 
von  der  älteren  Kirche  gleichen  Namens  nur  noch  der 
mächtige  aus  foliden  Quadern  erbaute  Glockenthurm 
in  feiner  urfprünglichen  früh-gothifchen  Bauart  mit  ge- 
kuppelten fpitzbogigen  Schallöffnungen,  deren  Thei- 
lungsfäulchen  romanifche  Capitäle  aufweifen.  Der  kleine 
einfchiffige  Kirchenbau  wurde  fchon  um  1714  erneuert. 
Im  Jahre  1817  zerftörte  eine  Lawine  diefe  Kirche  faft 
voUftändig  und  Muhrbrüche  verfchütteten  einen  Theil 
des  fchönen  Thurmes  fo,  dafs  diefer  gegenwärtig  nicht 
mehr  in  feiner  ganzen  Höhe  zur  Plrfcheinung  gelangt 
und  darum  ein  gedrungenes  Verhältnis  aufweist.  Das 
erhalten  gebliebene  einfache  Spitzbogenportal  des 
Kirchleins  befitzt  noch  eine  gothifche  Thüre  mit  Kerb- 
fchnittverzierungen. 

Wieder  in  das  Eifackthal  herabfteigend  wandern 
wir  von  hier  noch  eine  kurze  Wegftrecke  füdlich  von 
Sterzing.  Zwei  Felfenriegel  auf  beiden  Seiten  des  Ster- 
zinger  Moofes  find  hier  \on  ftattlichen,  zum  Theile 
ruinenhaften  Burgen  bekrönt. 

An  der  öftlichen  Thalfeite  die  Burg  Spreclienßein 
mit  altem  Rundthurme,  dem  einzig  erhalten  gebliebenen 
Theile  der  urfprünglichen  Bauanlage  aus  dem  13.  Jahr- 
hunderte. Die  dem  heil.  Erasmus  geweihte  Burgcapelle 
beftand  fchon  im  14.  Jahrhundert,  doch  wurde  fie  gleich 
dem  Wohnbaue  in  fpäterer  Zeit  wiederholt  umgebaut. 
In  der  Capelle  befindet  fich  ein  altdeutfcher  Flügel- 
altar, welcher  laut  einer  am  Sockel  angebrachten  In- 
fchrift von  Hans  Meuchwez  anno  ii;o5  gefertigt  wurde. 
Den  Altar  zieren  Statuetten  der  heil.  Erasmus,  Chri- 
ftoph und  Georg.  Die  „Fürftenzimmer"  enthalten  der- 
zeit diverfes  altes  Mobiliar  im  gothifchen  und  im  Re- 
naiffanceStyle. 

Zu  der  an  der  weftlichen  Thalfeite  gelegenen, 
räumlich  ausgedehnteren  Burg  Reiffenßein  gelangt  man 
auf  fteilem  Anftiege.  Die  Ruinen  der  äußeren  Ring- 
mauer an  der  nordweftlichen  Seite  enthalten  das  Burg- 
thor, über  welchem  noch  das  alte  mit  Eifenfpitzen 
befchlagene  Fallgitter  fichtbar  ift.  Dahinter  liegt  die 
Burgfreiheit  mit  Ruinen  der  Gefindewohnungen  oder 
Wirthfchaftsbauten,  von  wo  aus  man  durch  einen  Holz- 
fteg  über  eine  fchmale  P"elsfchlucht  in  den  Burghof 
gelangt.  An  Stelle  diefes  Steges  befand  fich  ehedem 
eine  Zugbrücke,  \on  welcher  noch  die  Scharten  für 
die  Zugketten  an  der   inneren   mit   Zinnen    bekrönten 


Ringmauer  Zeugnis  geben.  An  letzterer  befindet  fich 
zur  Linken  des  Thores,  durch  welches  man  den  fchma- 
len  Zwinger  betritt,  ein  in  Stein  gehauenes  Wappen  des 
Commenthurs  des  deutfchen  Ritterordens,  Heinrich 
von  Knörringen  (1504 — 1534). 

Dem  an  der  nördlichen  Seite  fituirten  Donjon  ift 
wcftlich  im  Erdgefchoße  die  Capelle  angegliedert, 
welche  aus  einem  quadratifchen  mit  Kreuzgewölbe 
überfpannten  Räume  befteht,  der  längft  nicht  mehr 
kirchlichen  Zwecken  dient.Unmittelbar  nebenan  gelangt 
man  durch  ein  Spitzbogenthor  in  den  inneren  kleinen 
Burghof,  welcher  im  Erdgefchoße  nebft  der  zur  Ver- 
bindung mit  den  Obergefchoßen  angelegten  Holztreppe 
vom  Baffin  eines  mächtigen  Ziehbrunnens  ausgefüllt 
wird. 

Unter  den  Räumlichkeiten  des  Wohnbaues  ver- 
dient die  im  erflen  Stocke  gelegene  fogenannte 
Conventftube  befondere  Beachtung.  Diefer  Raum,  mit 
einfacher  gothifcher  Wandtäfelung,  welche  mit  Sitz- 
truhen in  Verbindung  fleht,  enthält  eine  reichgefchnitzte 
Thürumrahmung  mit  dem  bemalten  Wappen  des 
Commenthurs  Wolfgang  von  Neuhaus  (149S — 1504) 
und  ein  mit  ausgegründetem  Ornament,  fowie  mit  ge- 
fchnitztem  Maßwerk  geziertes  Waichkäftchen,  das 
ebenfalls  mit  der  Wandtäfelung  verbunden  nahezu  bis 
zur  Decke  reicht.  An  der  W^andtäfelung  finden  fich 
Wandfchränkchen,  deren  Thüren  mit  Holzmofaik  in 
seometrifchen  Muftern  umrahmt  find.  Ein  mit  gefchnitz- 
tem  Maßwerk  und  Wappenfchildern  reich  gezierter 
Unterzugbalken  fcheidet  die  flach  getäfelte  Decke  in 
zwei  Theile,  deren  rechteckige  Felder  durch  Friefe  mit 
ausgegründetem  gothifchem  Flachornament  geziert  find. 
Von  den  beiden  Erkern,  welche  diefer  Raum  befitzt, 
ift  der  geräumige  rechtwinklig  angelegte  urfprünglich, 
während  der  polygonale  Erker  erft  im  16.  Jahrhun- 
derte zugefügt  wurde. 

Aus  der  Conventftube  gelangt  man  durch  eine 
fchmale  Wendeltreppe  aufwärts  fleigend  in  einen  Saal, 
deffen  Wände  al  fresco  gemaltes  gothifches  Ranken- 
werk in  verfchiedenen  Compofitionen  mit  eingeflreuten 
Figürchen  ziert.  Diefe  Malerei  in  grünem  Localton  mit 
fchwarzen  Contouren  und  Schatten  und  weiß  auf- 
gefetzten Lichtern,  fpärlich  unterbrochen  durch  poly- 
chrom gemilte  Blütenformen,  ift  von  eigenartig  ftim- 
mungsvoller  Wirkung  und  findet  fich  auch  auf  der 
fichtbaren  Tramdecke  des  Saales  fowie  an  Wänden 
und  Gewölbe  der  kleinen  Capelle,  welche  mit  diefem 
in  unmittelbarer  Verbindung  fteht.  Außer  der  über 
einer  Thüre  diefes  Saales  gemalten  Jahreszahl  1498, 
welche  die  Zeit  der  Entftelnmg  diefer  Wanddecoration 
angibt,  findet  fich  auch  über  der  Capellenthüre  die 
Jahreszahl  1660,  zu  welcher  Zeit  verfchiedenc  Reftau- 
rirungen  in  den  Räumen  diefer  Burg  vorgenommen 
wurden.  Die  aus  gefchnitztem  Maßwerkgitter  gebildete 
Capellenthüre  ift  eine  fehr  beachtenswerthe  Arbeit. 

In  einem  Gemache  des  Donjon  finden  fich  ferner 
noch  einzehie  Spuren  figuraler  Fresken,  welche  einen 
noch  älteren  Urfprung  als  die  vorerwähnten  Reue 
decorativer  Kunft  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
erkennen  laffcn.  Dagegen  ftammen  die  theilweife  noch 
erhaltenen  Malereien  an  der  l-'agade  zu  beiden  Seiten 
des  Burghofportales  aus  dem  16.  Jahrhunderte.  Man 
erkennt  unter  anderem  die  Darfteilung  von  zwei  Thor- 
wächtern im  Coftüme  der  Kriegsknechtc  jener  Zeit. 


Burg  Reiffenftein  wird  zuerft  anno  iioo  als 
castrum  Riffinftein  erwähnt,  war  um  1142  im  Befitze 
des  Udalchalchus  de  Stilfes,  1315  in  jenem  des  Edlen 
Zant  von  Elzenbaum  und  kam  nach  deffen  Tode  (1370) 
an  feine  drei  Töchter.  Durch  den  Gemal  der  Tochter 
Siguna  Zant,  Ulrich  Säbner,  kam  die  Burg  an  diefes 
Gefchlecht  und  verblieb  demfelben  bis  1465,  um 
welche  Zeit  der  letzte  Säbner  flarb,  Herzog  Sigmund 
diefen  Befitz  als  Lehen  einzog  und  1470  an  den  deut- 
fchen Ritterorden  übergab.  Nach  Aufhebung  der  Ster- 
zinger  Commende  unter  bayrifcher  Herrfchaft  in  Tyroi 
kam  Reiffenftein  an  die  dermaligen  Befitzer,  die  Grafen 
von  Thurn  und  Taxis. 

Eine  zur  Burg  gehörige  Capelle  erhebt  fich  am 
nördlichen  Ende  des  langgeftreckten  Felfenhügels. 
Diefelbe  entfland  im  16.  Jahrhundert,  wurde  zu  den 
heil.  Borromäus  und  Zeno  geweiht  und  erhielt  bei  der 
um  1663  erfolgten  Renovirung  ihre  heutige  Geflalt  im 
Style  der  Spat-Renaiffance. 

Allem  Anfcheine  nach  befaß  die  Burg  Reiffenftein 
im  frühen  Mittelalter  ausgedehnte  Vertheidigungs- 
vorwerke,  welche  nicht  nur  füdlich  auf  eine  weite 
Strecke  das  Eifackthal,  fondern  auch  die  benachbarten 
Gebiete  des  Ridnaun-  und  Pfitfcherthales  beherrfch- 
ten,  wovon  mehrfach  noch  theilweife  erhalten  geblie- 
bene ifolirte  Thurmbauten  in  jener  Gegend  erkenn- 
bar find. 

Von  Reiffenftein  an  der  rechtsfeitigen  Berglehne 
füdwärts  wandernd,  gelangen  wir  zu  dem  Dorfe  Stilfcs. 
Die  dortige  auf  einem  Hügel  erbaute  Pfarrkirche  ift  in 
den  vierziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  derart  um- 
gebaut worden,  dafs  nur  noch  der  fchlanke  quadratifch 
angelegte  Thurm  mit  dem  achtfeitigen  Spitzhelme, 
theilweife  das  Hauptportale  und  ein  kleines  fpitzbogiges 
Seitenportal  von  der  urfprünglich  gothifchen  Bauart 
diefer  Kirche  erhalten  geblieben  find.  Bei  dem  Umbaue 
Avurde  der  Haupteingang  an  die  Südfeite  verlegt  und 
die  Kirche  auf  Kofi;en  ihres  ehedem  polygonalen 
Chores  vergrößert.  Am  Hauptportale,  deffen  gothifch 
profilirtes  Steingewände  nunmehr  rundbogig  abge- 
fchloffen  ift,  findet  fich  an  der  noch  vom  alten  Kirchen- 
bau ftammenden  unteren  Partie  des  Gewändes  die  ein- 
gemeißelte Infchrift  „Johannes  Aerb  1477". 

Johannes  Aerb  war  Pfarrer  von  Stilfes  und  ftarb 
am  Beginne  des  17.  Jahrhunderts,  wie  fein  an  der  nörd- 
lichen Kirchenfront  noch  erhaltenes  Grabepitaph  aus- 
weist. Sein  Monogramm  ,,Ä"  findet  fich  fowohl  an 
einem  Wappenfchilde  des  vorgenannten  Portales,  als 
auch  an  dem  Seitenportale  der  Wallfahrtskirche  in  dem 
benachbarten  Dorfe  Trens.  Die  gegenwärtige  Kirche 
in  Stilfes  befitzt  fünf  Altäre.  Drei  dcrfelben  enthalten 
gute  Gemälde  des  Tyrolcr  Malers  Alois  Stadler  und 
noch  einige  trefflich  gearbeitete  Hciligenftatuon  aus 
dem  16.  Jahrhunderte,  weiche  leider  bei  der  Umwand- 
lung des  Kirchenbaues  weiß  angeftrichen  wurden. 

Das  nachft  der  Kirche  gelegene  Widum,  ehemals 
Deutfchordensliaus,  ift  durch  einen  Erker  mit  fchöncm 
Schmiedeifengitter,  das  die  Jahreszahl  1636  trägt,  be- 
achtenswerth. 

Gegenüber  Stilfes,  am  linken  Ufer  des  lüfack  liegt 
auf  mäßiger  Anhohe  das  Dorf  Trciis  mit  der  berühm- 
ten zur  heil.  Maria  geweihten  Wallfahrtskirche.  Diefer 
Kirchenbau  flammt  aus  dem  15.  Jahrhundert,  ift  ein- 
fchiffig,  von  fchönen  Verhältniffen  und    mit    Ausnahme 


XXVIII.  N.  F. 


34     — 


der  im  Jahre  1727  an  der  Nordoüfeite  des  Langhaufes 
angefügten  Capelle  mit  Kuppel  in  feiner  äußeren  Ge- 
ftaltung  im  gothifclien  Style  erhalten  geblieben.  Die 
decorative  Ausflattung  des  Innern  wurde  Anno  1753 
erneuert,  wobei  von  Adam  Molckh  die  jetzt  bcftehenden 
F'resken  am  Gewölbe  hergeftellt  wurden.  Gleich  dem 
übrigen  Kirchenmauerwerk  ift  auch  der  fchlanke  fpitz- 
helmige  Thurm  aus  Sandfteinquadern  errichtet.  Ueber 
dem  Spitzbogenportale  an  der  Weflfeite  befindet  fich  ein 
Steinbild  der  Madonna  mit  dem  Jefukinde  unter  einem 
gothifchen  Baldachine.  Diefe  intereffante  Sculptur,  an 
der  auch  die  urfprüngliclie  Bemalung  zum  Theile  noch 
erkennbar  ifl,  Hammt  offenbar  aus  der  Zeit  der  Er- 
bauung diefer  Kirche,  über  welche  die  am  nördlichen 
Seitenportale  gemeißelte  Jahreszahl  1498  mit  dem 
oben  erwähnten  Monogramm  des  Pfarrers  Johannes 
Aerb  Auffchluß  gibt. 

Am  Hochaltare  der  Marien-Kirche  zu  Trens  be- 
findet fich  ein  Gemälde  des  Tyroler  Meifters  Jofeph 
Schöpf,  welches  die  Himmelfahrt  Mariens  darfteilt.  Im 
Langhaufe  befinden  fich  noch  zwei  Altäre  aus  dem 
18.  Jahrhunderte  und  in  der  Capelle  ein  reich  gebil- 
deter fchöner  Marmoraltar  von  Chriftoph  Benedetti. 


Südlich  von  Trens  bei  dem  Weiler  Vagetiin  fteht 
auf  fteil  anrteigendem  Hügel  das  Kirchlein  St.  Valentitt. 
Diefer  einfchiffige  Bau  flammt  aus  der  erRen  Hiilfte 
des  16.  Jahrhunderts  und  befitzt  mit  Ausnahme 
weniger  Einzelheiten,  welche  im  17.  Jahrhundert 
entftanden,  noch  durchwegs  feine  urfprimglichen 
gothifchen  Bauformen.  Das  Kirchlein  ifl  rücklichtlich 
des  befchränkten  ringsum  fteil  abfallenden  und  mit 
Futtermauern  geficherten  Bauterrains  nach  Nordoften 
orientirt.  Das  Langhaus,  mit  drei  Gewölbetravces,  ifl 
von  dem  mit  fchönem  Netzgewölbe  verfehenen  Presby- 
terium  durch  einen  einfach  profilirten  Frohnbogen  ge- 
trennt. Die  Strebepfeiler  erfetzen  nach  innen  vor- 
gebaute Wandpfciler  mit  Dienften.  Das  fpitzbogige 
Hauptportal  an  der  Giebelfront  ift  reich  profilirl  und 
aus  weißem  Ratfchingfer  Marmor  hergeftellt.  Die 
fchmalen  und  hohen  Spitzbogenfenftcr  zeigen  durch- 
wegs einfache  Maßwerke.  Am  Tluirme  ftelit  die  Jahres- 
zahl 151 1  und  an  der  Sacrifteithüre  1683.  Aus  der 
Zeit  des  Anbaues  der  Sacriftei  ftammt  wahrfcheinlich 
auch  die  im  erften  Gewölbetravee  eingefchaltete  Orgel- 
bühne fowie  die  Vorhalle  an  der  Giebelfront. 


Neuentdeckte  Funde  auf  den  prähiftorifchen  Verkehrswegen 
zwifchen  dem  füdlichen  Böhmen  und  der  Donau. 


Berichtet  von  k.  k.  Confervator  Heinrich  Kichlv. 


iNTER    diefer   und   ähnlicher  Ueberfchrift  habe 

ich   bereits  des  öfteren  über  die  zwifchen  dem 

I  füdlichen    Böhmen   und    der   Donau    in     vor- 


gefchichtlicher  Zeit  beftandenen  Verbindungen  be- 
richtet und  insbefondere  im  XXVI.  Bande  diefer  Mit- 
theilungen die  überhaupt  bis  dahin  zur  Kenntnis 
gelangten,  auf  einen  uralten  Verkehr  in  der  ange- 
deuteten Richtung  weifenden  Einzelfunde  angeführt 
und  auf  der  bcigefchloffenen  Karte  verzeichnet. 

Seither  find  mir  neuerliche  prähiftorifche  Funde 
innerhalb  der  Gemarkungen  des  hier  in  Rede  ftehenden 
Grenzwaldes  —  silva  media  — -  bekannt  geworden, 
und  fie  find  Veranlaffung,  dafs  ich  über  diefelben  die 
nachfolgenden  Mittheilungen  mache: 

In  erller  Linie  ift  ein  überaus  feltenes,  ja  in  der 
hier  zur  Sprache  kommenden  Gegend  in  feiner  Art 
einziges  Fundftück  prähiftorifcher  Gattung  (und  zwar 
der  Bronzezeit  angehörend)  zu  nennen,  welches  bei 
dem  Orte  Deutfch-Moliken  (von  Neuhaus  I  7»  Stunden 
füdlichj  etwa  74  Stunde  füdlich  vom  Dorfe  beim  Tief- 
ackern eines  Feldes  durch  die  Pflugfchar  zutage 
gefördert  und  durch  den  Schulleiter  Herrn  Karl  Migl, 
welchem  der  Fund  zur  Kenntnis  kam,  in  Aufbewahrung 
genommen  wurde.  Als  Correfpondent  Prof  Dr.  Nowak 
nun  gelegentlich  Befchaffung  von  Materiale  für  den 
..Soupis"  des  Neuhaufer  Bezirkes  auch  Deutfch- 
Moliken  befuchte,  wurde  ihm  das  ungewöhnlich  rare 
Objecl  durch  den  genannten  Schulleiter  vorgewiefen, 
und  dies  war  Veranlaffung,  dafs  auch  ich  von  dem 
Funde  Nachricht  erhielt  und  mich  fofort  nach  Deutfch- 
Moliken  begab,  wo  es  mir  namentlich  durch  das  fehr 
dankcnswerthe  Entgegenkommen  des  Herrn  Karl  Migl 


gelang,  das  Objcft  von  dem  Finder  zu  erkaufen  und 
gemeinfchaftlich  mit  meinem  Freunde  Hofrath  Prof 
Dr.  Studnicka,  welcher  die  Hälfte  des  Kaufpreifes 
miterlegte,  für  das  ftadtifche  Mufeum  in  Neuhaus  zu 
fiebern. 

Der  Fundort  felbft  ift  eine  maßig  gegen  Weften 
abfallende  Berglehne,  welche  in  dem  in  füdlicher 
Richtung  bis  zu  550  M.  aufftrcbenden  Schmiedhanfel- 
berg  den  der  weiten  Umgebung  dominirenden  Höhe- 
punkt erreicht  und  eine  fchöne  Ueberficht  nach  allen 
Richtungen  gewahrt;  derfelbe  —  der  Fundort  nämlich 
—  ift  von  dem  umliegenden  Terrain  durch  nichts 
besonderes  ausgezeichnet  und  bietet  dem  Befchauer 
auch  an  Ort  und  Stelle,  welche  ich  in  Gefellfchaft  des 
Herrn  Karl  Migl  und  des  Finders,  Grundbesitzers 
Lukfeh,  fofoi-t  befuchte,  nichts  Auffallendes.  Die  Acker- 
krumme ift  nämlich  überall  gleich  gefärbter  leichter 
Sandboden;  nur  zwei  größere  Steine  wurden  an  der 
Oberfläche  beobachtet,  find  aber  auch  nach  Ausfage 
des  ortseinheimifchen  F"inders  eine  häufig  auftretende 
Erfcheinung  und  für  die  Fundftelle  belanglos.  Beim 
Ackern  ftand  das  Fundftück  mit  dem  Kopfende  nach 
oben  und  es  gelang  nur  bei  fcfterem  Einfetzen  des 
Pfluses  dasfelbe  aus  der  Erde  zu  heben,  in  welcher  es 
an  30  Cm.  tief  fteckte.  Eine  Grabung  am  Fundorte 
war  augenblicklich  unstatthaft,  da  das  Grundftück  mit 
Korn  bcftellt  war,  wurde  jedoch  für  fpätere  Zeit  — 
nach  der  Fechfung  in  Ausficht  genommen. 

Das  Fundftück  endlich  ift  ein  ungewöhnlich 
großer  maffiver  Lappenkelt  —  Palftab  —  an  der  Ober- 
fläche mit  dunkelgrüner  glänzender  Patina  bedeckt; 
nur    einzelne   Stellen    find    afchgrau   gefärbt    oder  das 


—     35     — 


goldgelbe  Metall  —  Bronze  —  tritt  an  zahlreichen 
receiiten  Kratzfpuren  zutage.  Das  Bahnende  \i\  feicht 
eingebuchtet,  35  Cm.  breit  und  erreicht,  von  zwei 
mäßig  aufftrebenden  Randleiften  eingefafst,  in  der 
Mitte  eine  Breite  von  4  Cm.,  worauf  fich  der  Körper 
unterhalb  der  mittelftändigen  mäßig  gefchloffenen  vollen 
Lappen  bis  zu  3  Cm.  verengt  und  in  der  6'5  Cm. 
breiten,  halbmondförmig  gekrümmten  fcharfenSchneide 
endigt.  Die  Lappen  welche  gegen  die  Schneide  zu  in 
fpitzem  Winkel  zufammcnlaufen,  übergehen  beiderfeits 
in  mäßig  geböfchte  Seitenflächen,  welche  fich  fucceffive 
verengend  an  den  Endpunkten  der  flark  ausladenden 
Schneide  abfchließen  und  dem  ganzen,  in  allen  Con- 
touren  meifterhaft  ausgeführten  Objefte  den  Stempel 
vollendeter  Schmiedekunft  aufdrucken. 

Zwifchen  der  Schneide  und  den  Lappen  befinden 
fich  zahlreiche  parallele  und  gewellte,  mäßig  hervor- 
tretende, ftumpfrandige  Querftreifen,  welche  groben 
Feilenflreifen  ähnlich  fehen,  jedoch  nicht  fcharfe, 
fondern  wie  fchon  gefagt  abgerundete  Contouren 
befitzen  und  aus  diefem  Grunde  als  Unebenheiten  des 
Gußes  zu  bezeichnen  wären.  Diefe  Erfcheinung  mit 
der  fehr  geringen  oder  gar  nie  stattgefundenen  Ab- 
nutzung des  Objektes,  fowie  der  bedeutenden  Tiefe, 
in  der  es  gefunden  wurde,  in  Verbindung  gebracht, 
läßt  die  Möglichkeit  zu,  dafs  das  Stück  einem  Depot- 
fund der  Bronzezeit  angehört  hatte  und  abfichtlich 
geborgen  wurde.  Die  Länge  des  Objeftes  beträgt 
20  Cm.,  fein  Gewicht  72  Dkg.' 

Der  Fund  von  Deutfch-Moliken  erfcheint  nament- 
lich aus  dem  Grunde  von  nicht  zu  unterfchätzender 
Bedeutung,  weil  derfelbe  die  Richtung  eines  fchon  in 
der  Steinzeit  (Holicky,  Platz,  Neuhaus)  beftandenen 
und   auch    noch   in    der   Römerzeit    (Piftin,^   Neuhaus 


'  Analoge  oder  doch  fehr  nahe  verwandte  Artefatfle  (Lappenkelte) 
gehören  auch  in  Böhmen  keineswegs  zu  den  Seltenheiten  und  wir  bciiegnen 
ihnen  zum  Beifpiel  in  den  Depotfunden  der  Bronzezeit.  H.  Richly.  Die  Bronze- 
zeit in  Böhmen  bei  Cerekvice  horni  (Ober-Cerekwe),  Tab.  IV.  Fig.  i ;  Ji':ineves, 
Taf.  XXX.  Hostoun  (Hoflau),  Taf.  IX;  Kj-Mce.  Taf.  XV,  Fig.  2.  oder  in 
Hügelgrabern;  Pamätky  arch.  Na  Husine  XIV,  Tab.  I,  Fig.  18  bei  Velkä 
Dobri  (Palflabi.  18-5  Cm.  lang,  Schneide  4-7  Cm.  breit:  PXVTXXII,  Fig.  3. 
Kbely  Pam.  XVI.  Tab.  XXIX.  Fig.  3;  dann  Pam.  XI.  Taf,  XXI  Fig.  18  bis 
21  etc.  etc.;  oder  Dr.  M.  Much  „Kunfthiftorifcher  Atlas''.  Tab.  XXXI.  Fig.  19 
bis  20  und  21.  J.  L.  Pic  „Cecliy  pfedhistoricke"',  Tab.  II,  Fig.  6,  Tab.  III, 
Fig.  3,  etc. 

*  Piftin  (Pistina).  Römifche  Münze  von  Trajanus  in  der  Münzfammlung 
des  Dr.    Sedivy  in  Neuhaus. 


(Biflric  rechtslaffend)  forterhaltenen  Verkehrs-  und 
Handelsfteiges  auch  in  der  zwifchenliegenden,  bis  zur 
Stunde  in  der  weiten  Umgebung  durch  Funde  nicht 
vertretenen  Bronzezeit  in  einem  fo  überaus  beweis- 
kräftigen und  lypifchen  h'undobjeft  außer  jeglichen 
Zweifel  flellt. 

Der  weitere  Verlauf  diefes  Steiges  ilt  heute  noch 
unerwiefen,  da  nicht  anzunehmen  ifl,  dafs  derfelbe  von 
Neuhaus  in  weftlicherRichtung  über  Lomnitz,'Mazalov, 
Bukovsko  u.  f.  w.  feine  Fortfetzung  gefunden,  refp. 
ohne  genügenden  Grund  geradezu  nach  dem  Aus- 
gangspunkte (Holicky)  zurückgeführt  hätte!  Es  wäre 
vielmehr  zu  vermuthen,  dafs  diefer  Steig  über  Pocätek* 
und  das  etwas  zweifelhafte  Ober-Cerekwe^  gegen  Oflen 
oder  über  das  ebenfalls  nicht  ganz  \'erbürgte  Patzau* 
nach  Norden  geführt  habe. 

Nur  weitere  typifche  Funde  können  in  diefer  und 
in  ähnlichen  Fragen  entfcheiden. 

Zum  Schluffe  fei  hier  auch  noch  eines  Fundes 
Erwähnung  gethan,  welcher  in  der  unmittelbaren  Nähe 
der  Stadt  Budweis  gefchah  und  in  öffentlichen  Blättern 
fignalifirt  wurde.  Ich  habe  mich  zur  Erlangung  näherer, 
verläßlicher  Auskünfte  an  Confervator  J.  Branis  nach 
Budweis  gewandt  und  erhielt  fofort  die  mit  feltener 
Freundlichkeit  ertheilten  Details,  denen  ich  Folgendes 
entnehme:  Der  Fund  gefchah  in  einer  Entfernung  von 
nur  etwa  i  '4  Km.  weftlich  von  der  Stadt  Budweis,  un- 
mittelbar neben  der  „Schönen  Ausficht",  auf  der  Stelle 
wo  auf  der  Generalftabskarte  der  Höhepunkt  401  ver- 
zeichnet erfcheint  und  wo  gelegentlich  Tiefgrabung  in 
dem  der  cechifchen  Ackerbaufchule  gehörigen  Garten 
durch  den  Lehrer  H.  Stepän  ein  flark  abgenützter 
Palftab  und  ein  Stück  Bronzeguß  erhoben  wurden. 
Nach  den,  diefen  intereffanten  Fund  begleitenden 
Umftänden  wäre  zu  fchließen,  dafs  derfelbe  als  Depot- 
fund zu  bezeichnen  fei.  Herr  Lehrer  Stepän  hat  ver- 
fprochen,  die  in  Redeftehenden  Fundftücke  dem  Laiides- 
mufeum  zu  übergeben. 

'  Lomnic,  Römifche  Münze  (ohne  nähere  Beftimmung).  F.  Mares 
„Soupis  pol.  okresu  Tfebonskeho." 

'  Pocatek.  Römifche  Münze:  Avers:  Büfte  mit  Legende  „Urbs  Roma"; 
Revers:  Wölfin  zwei  Kinder  fangend  mit:  „Aflls" ;  L.  Domecka,  „Osidleni 
kraje  jindficho  hradeckeho.** 

3  Ober-Cerekve.  Richly.  „Mittheilungen  der  Anthropologifchen  Gefeil, 
fchaft  in  Wien",  XXII   32. 

*  Patzau;  H.  Richly  diefe  Mittheilungen  XVIII   122. 


Die  fogenannte  „weftliche  Burg*'  in  Suczawa. 


Vom  k.  k.  Confervator  Diredlor  A'ar/  Romßorfer . 


UR  kurze  Zeit  hindurch    war    Sereth    —    wenn 
-\f\   überhaupt  jemals —  die   Refidenz    der    VVoje- 


woden  des  moldauifchen  Fürllenthumes  ge- 
welcn,  delTen Begründung  demFührer  derMarniarofcher 
Rumänen,  Dragofch,  um  das  Jahr  1343  zugefchrieben 
wird;  denn  fchon  Fürft  Peter  I.  aus  dem  Haufe 
Mufchat  (1375  bis  1391)  verlegte  diefelbe  nach  dem 
ftrategifch  und  commerciell  viel  wichtigeren  Suczawa; 
wenigflens  ift  eine  Urkunde  Peters  bekannt,  welche  in 
Suczawa  1388  ausgcftellt  wurde.  Vor  ihm  dürfte 
übrigens  bereits  der  Lithauer  Georg  Koriatowicz 
(juga),  der  1374  die  moldauifche  Metropole  errichtete, 
als  Fürft  der  unteren  Moldau,  möglicherweife  in  Sucza- 


wa (wofelbfi:  er  ein  zweitesmal  im  Jahre  1400  moldau- 
ifcher  VVojewode  war),  refidirt  haben.  In  Suczawa  be- 
fland  unzweifelhaft  bereits  eine,  vielleicht  von  den 
Johannitern  oder  dem  deutfchen  Ritterorden  her- 
rührende Befertigung.  Vom  jüngeren  Bruder  und  Nach- 
folger Peters,  dem  Wojewoden  Roman  I.,  find  Ur- 
kunden aus  dem  Jahre  i  392  bekannt,  auf  welchen  als 
Ausftellungsort  ausdrücklich  angeführt  ift:  „in  unferer 
Stadt  zu  Suczawa." 

Suczawa  liegt  auf  dem  Plateau,  das  fteil  gegen 
den  im  Norden  vorbeiziehenden  Fluß  gleichen  Namens 
abfallt  und  vornehmlich  durch  den  tief  eingefchnittenen 
Kakainabach    und    deffen   Nebenfchluchten    zerklüftet 


—     .^6 


erfcheint.  Die  Cetatea,  das  ift  Burg,  befindet  fich  oft- 
wärts  der  Stadt,  nahe  der  ehemaligen  Mündung  des 
genannten  Baches  in  den  Fluß  an  einem  nafcnförmigen, 
theilweife  verdeckten  Vorfprunge,  von  drei  Seiten 
durch  die  natürlichen  Steilhänge  gefchützt  und  bloß 
von  Südoft  her  leichter  zugänglich,  wofelbft  noch  zahl- 
reiche ausgedehnte  Verfchanzungen  nachgewiefen 
werden  können.  Wie  deutlich  erkennbar,  wurde  fie  zu 
verfchiedenen  Zeiten  erweitert  und  verflärkt,  überhaupt 
baulich  umgeändert.  Die  erftc  bedeutendere  Aus- 
gcftaltung  der,  wie  erwähnt,  wahrfcheinlich  wohl  fchon 
von  früher  her  beftandenen  Befeftigung  dürfte  unzweifel- 
jiaft  und  fpätcftens  Peter  1.  vorgenommen  haben;  unter 
Koriatowicz  konnte  dies,  der  kurzen  Regierungszeit 
diefes  Fürften  wegen,  nicht  gefchehen  fein.  Am  ent- 
gegengefetzten (linken)  Ufer  des  Kakainabaches  liegt 
auf  einer  dominirenden  Kuppe,  welche  —  wie  eine 
Sage,  wohl  fälfchlich,  berichtet  —    durch   die   Tataren 


wohl  nur  ein  Jahr  betrug,  \ü.  es  unwahrfchcinlich,  dafs 
derfelbe  die,  allerdings  in  einfacher  und  in  mancher 
Hinlicht  conftructiv  ungenau  ausgeführte  Kirche  ein- 
fchließlich  der  Ikonoftafis  und  der  fonfligen  Einrich- 
tung \-ollendete,  ja  dicfelbe,  für  welche  wohl  noch  kein 
befonderes  Bedürfnis  vorlag,  damals  überhaupt  ftiftete. 
Anderfeits  wird  diefe  Kirche,  welche  \-ielleicht  vorerll 
klofterlichen  Zwecken  gewidmet  war,  in  der  Chronik 
des  Urechia  bereits  1401  während  der  Regierungszeit 
Alexander  des  Guten  als  beftehend  angeführt,  in  welclie 
diefer  Fürft,  naciidem  er  fie  zur  Kathedralkirche  be- 
ftimmte,  1402  die  Reliquien  des  heil.  Johannes  Novi, 
anläfslich  der  Erhebung  des  Bifchofs  von  Akerman, 
Jofif,  zum  Metropoliten  von  Suczawa,  gebracht  liat.' 

Nun  fpricht  die  Bauweife  der  Miroutz-Kirche, 
welche  mit  jener  der  älteren  Mauern  des  Schloßes 
übereinftimmt,  und  diesfalls  insbefonders  die  That- 
fache,  dafs  im    unteren   Theile    der   Nordwand    einige 


nhol' 
wdajeni 


Fig. 


durch  Hinauftragen  von  Erde  in  ihren  Kopfbedeckungen 
aufgcfchüttet  worden  fein  foU  und  deshalb  noch  heute 
Tatarenhügel  heißt,  die  fogenannte  Miroutzer  Kirche, 
die  alte  Metropolitan-  und  Krönungskirche  der  moldau- 
ifchen  Fürften. 

Eine  Brücke  aus  Leder,  welche  allerdings  über 
200  M.  lang  hätte  fein  müßen,  foU  fie  mit  dem  Schloße 
in  direfle  Verbindung  gebracht  haben.  Ihre  Erbauung 
fchreibt  die  Fabel  Dragofch  zu,  nach  einer  anderen 
Sage  errichtete  he  Georg  Koriatowicz.  Für  die  letztere 
Annahme  fpricht  vielleicht  der  Umftand,  dafs  fie  dem 
heil.  Giorgi,  dem  Namenspatron  Koriatowicz',  geweiht 
war.  Nachdem  indes  das  Bukowinaer  griechifch-ortho- 
doxe  erzbifchöfliche  Confiflorium  im  Diöccfan-Schema- 
tismus  ausdrücklich  hervorhebt,  dafs  der  erfle  von 
Koriatowicz  eingefetzte  Landesmetropolit  (Theoktift) 
nicht  in  Suczawa  refidirt  haben  dürfte  und  nachdem 
die  erfte  Regierungsdauer  des  genannten    Wojewoden 


grünglafirte  Ziegel,  wie  fie  auch  am  Schloße  gefunden 
wurden,  vermauert  erfcheincn,  dafür,  dafs  fie  wohl  ziem- 
lich gleichzeitig  mit  dem  Bau  der  als  fefte  Burg  errich- 
teten Cetatea  entftanden  ift.  Zu  bemerken  ift  in  diefer 
Hinficht  noch,  dafs  es  als  fehr  wahrfcheinlich  bezeich- 
net werden  muß,  dafs  die  dermalen  nachweisbare 
Schloßcapelle  —  für  deren  Errichtung  reich  profilirte, 
von  einem  anderen  Gebäude  herrührende  Quader  an 
der  Außenwand  des  Altarraumes  benützt  wurden  — 
erft  viel  fp.iter  entltand. 

Aus  all  diefem  kann  wohl  mit  großer  Wahr- 
fcheinlichkeit  der  Schluß  gezogen  werden,  dafs  die 
Miroutz-Kirche  dem  Wojewoden  Peter  l.  (etwa  um  das 
Jahr  1380)  ihre  Entllehung  und  Vollendung  verdankt. 
Vielleicht  ergeben  einzelne,  gelegentlich  der  im  Zuge 

'  Spaterhin  kamen  die  Reliquien  mit  der  Metropole  in  die  1514  bis  1522 
von  den  Wojewoden  liopd.m  und  Stepluin  crbante  neue  St.  Georgs-Kirche,  bei 
welcher  fleh  gegenwartig  die   Kloftcrexpofitur  aus  Dragoniirna  befindet. 


17 


befinciliclien  Reftaurirung  der  Kirclie  zutage  tretenden 
Funde  beftimmtere  Anhaltspunkte  über  den  Stifter. 
Tliatfache  ift,  dafs  in  fpäterer  Zeit  bauliche  Verände- 
rungen vorgenommen  worden  find,  wie  dies  insbe- 
fonders  die  gelegentlich  der  Demolirung  der  ehe- 
maligen Laterne  im  inneren  Mauerwerke  aufgefundene 
Münze,  ein  fogenannter  Dreigröfcher  Sigismund  111., 
bezeugt. 

Die  Cetatea  in  Suczawa  foll  nach  E.  R.  Neubauer 
von  Roman  1.,  der  allerdings  bloß  von  1391  bis  1393 
regierte,  im  letztgenannten  Jahre  neu  hergerichtet 
worden  fein.  Ihm  folgten  deffen  Bruder  Stephan,  fodann 
vorübergehend  abermals  Roman  1.  und  Koriatovvicz, 
bis  Alexander  I.  der  Gute  1400  den  Thron  beflieg,  den 
der  letztgenannte  Furft  32  Jahre  inne  hatte.  Es  wird 
erzählt,  dafs  diefer  in  den  ausgedehnten  unterirdifchen 
Gewölben  ungeheuere  Schätze  verborgen  hielt,  was 
als  Beweis  für  die  Thatfache  gelten  muß,  dafs  das 
Schloß  zu  jener  Zeit  der  Hauptfache  nach  vollendet 
war.   Größere   Bauveränderungen   ließen   insbefonders 


Fig.  2. 

Fürft  Stephan  der  Große  in  der  zweiten  Hälfte  des 
1 5.  Jahrhunderts  mit  Hilfe  von  Tataren  und  Frohn- 
arbeitern  vornehmen,  ferner  Wojewode  Peter  Rarefch 
im  zweiten  Viertel  des  16.  Jahrhunderts,  vornehmlich 
aber  Jacob  Heraclides  nach  der  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts, der  es  nach  Art  deutfcher  Ritterburgen 
umbauen  ließ. 

Außer  dem  Schloße  beftand  in  Suczawa,  deffen  erftc 
Befiedelung  unterhalb  desfelben  an  den  Ufern  des 
Kakainabaches  war,  noch  eine  „Refidenz",  welche 
General  Karl  Freiherr  von  Enzenberg  als  bereits  zu- 
famniengefallcn  bezeichnete.  Jetzt  find  von  derfelben  in 
der  Nähe  der  St.  Demetrius-Kirche'  und  nahezu  400  M. 
von  der  Miroutz-Kirche  entfernt  nur  noch  einige 
Fundamentmauern  nachzuweifen,  welche  nach  dem 
Verfalle  der  Refidenz  für  l'rivathäufer  benützt  wurden. 
Vielleicht  hat  diefes  in  der  Stadt  liegende,  ziemlich 
umfangreiche  und  mit  Badeanlagen  beim  wafferreichen 


'  Und   zwar  nicht  von   Stephan  W.,  tlcm   Sohne  Bogdan   III..  wie    es 
griechifchoithodoxen   Dioccfan-Schematisnnis  heißt,  fondern.  nach    Mariaii, 
Peter  Rarefch  in  den  Jahren    1534   und   1535  erbaut. 


Szipot  im  Zufammenhange  ftehende  Gebäude  gleich 
der  Demetrius-Kirche  ebenfalls  Peter  Rarefch  erbauen 
laffen. 

Der  höchfte  Punkt  des  nördlichen  Theiles  des 
Hochplateau  Areni  (=  Sandgeftätte)  bei  Suczawa 
liegt  weftlich  von  diefer  Stadt,  bei  Z,  wolelbft  fich  das 
ehemalige  armenifche  Klofter  Zamka  befindet.  Die 
Anlage  befteht  aus  einem  kleinen  mehrgefchoßigen 
Hauptgebäude,  an  das  fich  die  bloß  etwa  meterdicken, 
mitStrebepfeilern  verfehenen,  den  an  der  Südollfeite 
gelegenen  Hof  umgebenden  Mauern  anfchließen.  Im 
Hofraume  war  an  der  Südweftmauer  ein  Nebengebäude 
angefchloffen,  von  welchem  man  noch  Refte  bemerkt; 
in  der  Oftecke  fleht  ein  mehrgefchoßiger  Thurm,  deffen 
Einfahrt  von  außen  her  nachträglich  vermauert  wurde. 
Der  Schlußftein  des  gegen  außen  gekehrten  Einfahrt- 
bogens  trägt  die  Jahreszahl  1606.  Eine  dem  Thurme 
angefügte  Wendeltreppe  führte  auf  einen  offenen  Gang 
im  erflen  Stocke.  Im  zweiten  Stocke  ifl  eine  Capelle 
angeordnet.  In  der  Mitte  des  großen  Hofes  erhebt  fich 
die  rund  8  M.  breite  und  20  M.  lange  Kirche  mit  dem 
Grabmale  des  Gründers,  als  welcher  der  Armenier 
Agopfcha  zum  Jahre  1551  bezeichnet  wird.  In  der  An- 
lage ift  diefe  einfache  Kirche  den  moldauifch-byzantini- 
fchen  fehr  verwandt.  Die  an  der  Nordweflwand  befind- 
liche  Thüröffnung   ifl    mit    einem    kleeblattartig    aus- 


DOoI: 


Fig.  3- 


Fig.  4- 


gearbeiteten,  alten  armenifchen  Grabflein  überdeckt. 
Das  intereffantefle  und  ficher  alterte  Bauwerk  der 
ganzen  Anlage  ifl  das  erwähnte  i  5  M.  lange  und  kaum 
10  M.  breite  Hauptgebäude,  durch  delTen  Erdgefchoß 
eine  niedrige  überwölbte  Einfahrt  den  Hauptzugang  in 
den  Hof  bildet.  Im  äußeren,  vorhallenartig  vorfpringen- 
den,  mit  ornamental  verzierten  Steinen  gewölbten 
Thorbogen,  deffen  einer  an  der  Innenfeite  ein  (Stein- 
metz-) Zeichen  von  diefer  Form  j  j  i  (^etwa  6  Cm. 
lang)  trägt,  ifl  in  der  Decke  ein  Gießloch  gegen  ein- 
dringende Feinde  angebracht;  der  zweite  und  der  hof- 
feitige  Thorbogen  find  nachträglich  zu  kleinen  Thüren 
umgertaltet  worden.  Im  Ertlgcfchoße  befinden  fich 
rechts  und  links  von  der  ehemaligen  Einfahrt  je  ein 
gewölbter  Wohnraum  mit  kleinen  vergitterten  Fenftern 
in  den  flarken  Umfaffungsmauern.  Eine  60  Cm.  breite 
zweiarmige  Stiege  fuhrt  in  den  erflen  Stock,  in  wel- 
chem fich  linksfeitig  eine  im  Lichten  4  M.  breite  und 
fammt  dem  apfidenformigcn  Altarraume  6'loM.  lange, 
der  Entfchlafung  Mariens  geweihte  Capelle  mit  noch 
recht  gut  erhaltenen  Malereien  befindet.  Der  fteinerne 
I'liürflock'  mit  dreibogig  gellaltetem  Sturz  trägt  pr.äch- 
tige  Kerbfchnittornamcnte.  Ueberwolbt  ill  der  ilaupt- 
raum  in  typifch  moldauifch-byzantinifcher  Weife  gleich 
der  Miroutz-Kirche,  indem  aus  dem  Gurtenviereck 
mittels     Pendentifs    der    Uebergang    in    i.\cn     unteren 


-     38 


Cylitider  bewerkftelligt  wurde,  in  welchem  vier  diago- 
nal geseilte  Gurten  eingebaut  find,  welche  die  Laterne 
tragen.  In  die  unteren  fowohl  als  in  die  oberen  Pcnden- 
tifs  find  je  drei  fogenannte  Schallverftärker  vermauert. 
Die  Malerei  im  Altarraume  zeigt  in  der  Nifchen- 
wölbung  die  Grablegung  Marien.s  und  darunter  die 
Verkündigung  Mariens,  fowie  Chrifti  Darftellung  im 
Tempel  (.').  In  die  letzte  Malerei  erfcheinen  die 
Jahreszahlen  1686  (Oclober)  und  1690  eingekratzt, 
welche  alfo  aus  der  Zeit  der  Anwefenheit  der  Polen 
unter  Konig  Sobieski  flammen.  Im  erften  Stocke 
befindet  fich  ferner  ein  großes  Zimmer  und  ein  kleinerer 
Raum,  welch  letzterer  wohl  als  Küche  diente.  Im 
zweiten  Gefchoße  liegt  einerfeits  die  Capellenuölbung 
und  über  dem  Altarraume  ein  ganz  kleines  Gemach, 
während  der  übrige,  nachträglich  aufgebaute  Raum  die 
Größe  der  Einfahrt  einfchließlich  des  rechtsfeitigen 
Zimmers  befitzt. 

Das  Gebäude  ill;  im  wefentlichen  aus  Bruchftein 
errichtet.  Das  Cordongefims  über  den  P'enfterchen  des 
erften   Stockes  ift  in  charakteriflifcher  Weife  aus   dem 


F'g-  5- 

kräftig  gehaltenen,  fchön  gemetzten  verknüpften  Wullf 
hergeflellt,  den  oben  und  unten  je  drei  Scharen  grün 
und  braun  glafirte  Ziegel  begleiten.  Das  Cordongefims 
erflreckt  fich  nicht  über  den  nachträglichen  Zubau  des 
zweiten  Stockes,  il1:  aber  dagegen  auch  im  Innern  des 
Gebäudes,  und  zwar  innerhalb  diefes  Zubaues  an  der 
Capellenwand  fichtbar.  Im  Hof  zog  fich  ein  auf  Stein- 
trägern ruhender  offener  Gang  theilweife  um  das  Ge- 
bäude, das  noch  jetzt  ein  fehr  malerifches  Aeußere 
befitzt  (fiehe  die  Abbildung  im  Bande  Bukowina, 
S.  419  des  Werkes  „Die  öflerreichifch-ungarifche 
Monarchie  in  Wort  und  Bild"),  vor  dem  Zubau  jedoch 
befonders  reizend  ausgefehen  haben  muß.  Es  wäre  zu 
wünfchen,  dafs  diefes,  der  armenifch-orientalifchen  Ge- 
meinde in  Suczawa  gehörige,  reizende,  flylgerechte 
Bauwerk  als  Kunftdenkmal  reflaurirt  und  in  den  alten 
Stand  verfetzt  würde. 

Vor  dem  Gebäude  befindet  fich  ein  fchmaler 
Theil  des  Plateau,  das  dann  Heil  gegen  den  Skejabach 
abftürzt.  An  den  drei  übrigen  Seiten  der  an  und  für 
fich  wohl  nur  geringe  Sicherheit  gegen  Angriffe  bieten- 
den Hofmauern  find  hohe,  fehr  "ut  erhaltene  Wälle  auf 


getragen,  hinter  denen  8  M.  tiefe  Gräben  angeordnet 
wurden.  An  den  Ecken  befinden  fich  ballionenartige 
Erdbauten.  Diefe  Wälle  und  Griiben  wurden  \on 
Sobieski  errichtet,  als  er  1686  aus  Jaffy  nach  Polen 
zurückkehrte.  Die  Thatfache,  dafs  die  Einfahrt  des  an 
der  Oflecke  befindlichen  Thurmes  erft  nachtraglich 
vermauert  wurde,  beweist,  dafs  zur  Zeit  der  Erbauung 
desfelben  Wälle  und  Gräben  thatfächlich  noch  nicht 
vorhanden  waren. 

Die  Gtfchichte  der  Errichtung  Zamka's  ill  noch 
lückenhaft;  manches  hierüber  dürfte  fich  im  armeni- 
fchen  Archiv  in  Lemberg  finden  laffen.  Nach  einer 
Mittheilung  des  1901  verftorbenen  Gefchichtsforfchers 
Profeffors  Wilhelm  Schmidt  in  Suczawa  erbaute  der 
P\irft  Johann  der  Sachfe  (Jancu,  1579  bis  15S2),  der 
eine  Armenierin  zur  Frau  belaß,  in  dem  Kirchencaftelle 
Zamka  eine  ftattliche  Refidenz  (und  die  von  einigen 
Mönchen  gehütete  Domkirche.'),  der  W'ojewode  Jerc- 
mias  Mohila  (1595  bis  1607)  aber  in  der  Umfaffung 
Zamka's  den  liohen  Thurm,  welcher  namentlich  den 
altherkömmlichen,  über  Illifcheflie  führenden  Tataren- 
weg  beherrfchte.  Im  Archiv  der  Gemeinde  Suczawa 
befagt  eine  Urkunde  des  Wojewoden  Anton  Rufet 
(1675  bis  1678)  aus  dem  Jahre  1677,  dafs  derfelbe  den 
armenifchen  Bifchof  zu  Zamka  mit  drei  Familien  be- 
gnadete. Die  ftrategifche  Bedeutung  von  Areni  war  es 
wohl,  welche  Johann  Sobieski  bewog,  Zamka,  das  erft 
aus  diefer  Zeit  feinen  jetzigen  Namen  erhielt,  mit  Wall 
und  Graben  zu  umgeben,  wie  feine  Truppen  auch  die 
Erdarbeiten  zu  beiden  Seiten  der  von  der  Höhe  nach 
Illifcheftie  ziehenden  Straße  ausgeführt  haben  follen. 
Die  Bauart  des  Wohngebäudes  nun  läfst  es  als  fehr 
wahrfcheinlich  erfcheinen,  dafs  dasfelbe  wohl  aus 
früherer  Zeit  ftammt;  vielleicht  ließ  es  Fürfl  Johann 
bloß  umbauen  oder  vergrößern.  Die  Errichtung  möchte 
ich  noch  ins  15.  Jahrhundert  datiren.  Die  Verwendung 
von  glafirten  Ziegeln  und  fpäterhin  auch  Kacheln  (als 
Schmuck  und  für  Oefen)  war  eine  ausgebreitete  und 
kam  fowohl  auf  der  Cetatea  und  bei  der  Miroutz- 
Kirche,  fowie  an  den  Kirchen  in  Badeutz,  Suczawa 
(St.  Georgs-Kirche),  St.  Illie  u.  f  w.  vor.  Möglicher- 
weife wurde  das  Wohngebaude  urfprünglicli  a!s  Luft- 
fchlößchen  mit  HauscapcUe  von  einem  früheren  Woje- 
woden errichtet. 

Faft  genau  nördlich  von  Zamka,  in  einer  Ent- 
fernung von  rund  iioo  M.  Luftlinie,  ifl  auf  dem 
kuppenförmig  geflalteten  Theil  der  fchroff  abfallenden 
Nafe,  und  zwar  am  weftlichen  Hange  gegen  den  Skeja- 
bach zu,  altes  feftes  Bruchfteingemäuer  erfichtlich 
(Fig.  2).  Es  gehörte  unzweifelhaft  einem  wohl  quadra- 
tifchen  Thurme  an,  deffen  Weftfeite  völlig  abgellürzt 
oder  abgebrochen  wurde,  während  von  der  Nord-  und 
Südfeite  der  größere  Theil,  von  der  Oftfeite  aber 
bloß  der  über  dem  Terrain  liegende  Theil  fehlt.  Im 
Jahre  1895  machte  ich  hievon  bereits  eine  photogra- 
phifche  Aufnahme,  im  Jahre  1899  nahm  ich  eine  ge- 
naue Unterfuchung  der  Ruine  vor.  Die  lichte  Weite 
beträgt  nahezu  5  M.,  die  Stärke  der  Mauern  im  unteren 
Thcile  nahezu  3  M.  (Fig.  3).  Bei  a  (Fig.  2)  find  Ver- 
tiefungen erfichtlich,  in  denen  wahrfcheinlich  Decken- 
balken fleckten.  Bei  b  lag  eine  durch  Unterzüge  unter- 
flützte  Balkendecke,  nach  Fig.  4,  wie  dies  die  Balken- 
locher und  in  denfelben  die  beifpielsweife  bei  x  noch 
ci  fichtlichen    Abdrücke    der    Holzflruflur     im     fetten 


39     -- 


Mörtel  deutlich  beweifen.  Auch  bei  c  (Fig.  2)  war  ein 
Balken  eingefügt  gewefen.  In  der  Höhe  d  war  eine  in 
Mörtel  gelegte  Hruchfleinpflafterung  nachweisbar,  zum 
Theil  befand  fich  dafelblt  natürlicher  Fels.  Im  Volks- 
munde hieß  diefer  Tliurm:  „Cetatea  de  la  apus  Stefan 
cel  mare",das  ift  „weftliche  Burg  Stephan  des  Großen". 
Ob  derfelbe  thatfächlich  von  diefem  Wojewoden  her- 
rührt, ift  noch  nicht  nachgewiefen ,  die  Bauart  und 
namentlich  der  mit  Ziegelmehl  verfetzte  Mörtel,  wie  er 
auch  an  vielen  nachweisbar  fpater  errichteten  Theilen 
des  Schloßes  Suczawa  verwendet  wurde,  laffen  dies 
nicht  unwahrfcheinlich  erfcheinen. 

Jedenfalls  bildete  der  Thurm  eine  zum  Berg-  oder 
Fürftenfchloße  gehörige  Warte  oder  eine  Art  Boll- 
werk.' Von  ihm  aus  bietet  fich  dem  Auge  eine  weite 
h'ernficht  dar,  fowohl  im  Flußthale  aufwärts,  wo  weit- 
hin die  Verbindungswege  mit  Polen  beobachtet  werden 
Iconnten,  und  abwärts  gegen  die  Moldau  zu,  als  im 
Süden  und  Weften  nach  den  moldauifchen  Bergen  und 
dem  an  das  Siebenbürgifche  anfchließenden  Gebirge. 
Von  hier  aus  mögen  die  auf  der  Kuppe  Kopec  bei 
Chilifcheni  gegebenen  Feuerzeichen  wohl  fehr  gut,  viel- 
leicht auch  die  auf  dem  ähnlichen  Wartthurme  am 
Cäcina  bei  Czernowitz,  etwa  mittelft  Zwifchenftationen, 
gegebenen  Zeichen  gefehen  worden  fein.  Ein  gewiffer 
Zufammenhang  des  Schloßes  hat  fichei'  auch  mit  den  auf 
den  Anhöhen  und  deren  Fuß  bei  Bordujeni  im  heutigen 
Rumänien,  auf  dem  entgegengefetzten  Ufer  der  Sucza- 
wa gelegenen  Befeftigungswerken  beflanden,  wofelbfl 
die  Errichtung  einer  alten  Brücke  Stephan  dem  Großen 
zup-efchrieben  wird. 


'  Nach  W.  Schmidt  war  his  zu  König  Sobieski's  Tagen  oberhalb  Skeja, 
uie  fchon  der  Name  des  Ortes  befagt,  eine  Zollegftätte.  Im  Jahre  1895  erzahlte 
mir  der  damals  76  Jahre  alte  Pfarrer  Protopr.  V.  Popovici,  dafs  die  Baulichkeit 
nicht  unbedeutend  war  und  dafs  derfelbpn   zahlreiche  Steine  entnommen  wurden. 


Pls  geht  die  Sage,  dafs  vom  Weftthurme  5  aus  ein 
unterirdifcher  Gang  gegen  die  Stelle  iV  hin  führte,  wo 
das  fogenannte  Meixner'fche  Haus  ftand,  das  im 
Frühjahre  1901  abgebrochen  und  etwa  300  M. 
weiter  an  der  Straße  gegen  Neu-Itzkany  neu  errichtet 
wurde,  wie  in  gleicher  Weife  die  Fabel  beifpielsweife 
\on  einem  unterirdifchen  Gange  berichtet,  der  von  der 
Cetatea  aus  in  die  Stadt  Suczawa  gefuhrt  haben  foll. 
Die  Umgebung  der  wefllichen  Burg  zeigt  im  Tenain 
zahlreiche  Erhöhungen  und  Vertiefungen,  namentlich 
an  dem  Nordhange  gegen  das  Meixner'fche  Haus  hin. 
Diefelbcn  fmd  wohl  größtentheils  auf  natürliche  Weife 
durch  Terrainrutfchungen  entÜanden.  Zum  Tlieile 
rühren  fie  von  Steinbrüchen  her,  die  hier  —  wie  feit 
1901  neuerdings  —  wahrfcheinlich  auch  früher  zeitweife 
beftanden  haben.  Zum  Theile  mag  das  unebene  Terrain 
ziniächft  des  Thurmes  durch  geringfügigere  Abgra- 
bungen  und  Auffchüttungen  zu  einer  Art  Verfchanzung 
umgeftaltet  worden  fein. 

Gelegentlich  der  jüngfien  Steingewinnungen  hat 
man  leider  auch  das  Mauerwerk  des  Thurmes  ziemlich 
bedeutend  bloßgelegt  und  derart  unterwühlt,  dafs 
wenigftens  an  der  Nordwand  R  (F^ig.  3)  ein  baldiges 
weiteres  Abftürzen  zu  befürchten  ift,  wenn  das  Funda- 
ment dafelbft  nicht  baldigft  untermauert  wird.  Die  ehe- 
malige Böfchung  verlief  nämlich  in  der  Richtung  mn 
(Fig.  5).  Jetzt  zeigt  fie  die  Linie  pqr  mit  einer  Grube 
unter  dem  Mauerwerk;  die  Erhöhung  k  ift  der  Gruben- 
aushub. Die  Fundamente  ruhten  auf  der  ziemlich 
trockenen,  lettenartigen  feften  Schichte  /;  unter  der- 
fclben  befindet  fich  ein  etwa  05  M.  dickes  Lager 
plattenförmiger  Steine  g,  worunter  ein  Lager  fefter 
Sandfteine  //  von  bedeutender  Dicke  liegt.  Hier  nun 
wurden  Steine  gebrochen,  was  zur  Folge  hatte,  dafs 
fich  bereits  ein  Theil  der  Thurmmauer  ablöste,  während 
l'5  M.  derfelben  freifchwebend  erfcheinen. 


Zur  Vorgefchichte  Mährens. 


P"orfchungeti  im  Jnhre  1901  des  Correfpondeiiten  /.  L.  Cervinka. 


^iEINE  F'orfchung  im  Jahre  igoi  befchränkte 
lieh  hauptfachlich  auf  das  Durclifuchen  meh- 
rerer bereits  bekannter  Fundorte.  Es  gelang 
mir  zwar  auch  einige  bis  jetzt  unbekannte  Fundftätten 
zu  entdecken;  zu  größeren  Ausgrabungen  jedoch,  zu 
welchen  ich  mich  anfchickte,  bin  ich  leider  aus  Mangel 
an  Zeit  im  Laufe  der  folchen  Arbeiten  günftigften 
Monate  nicht  gekommen. 

Aus  neolithifchen  Fundorten  reihte  ich  meinen 
Sannn hingen  neu'  ein: 

Buch'.owitz.  Auf  herrfcbaftlicliem  J*"eldc  öftlich 
vom  .Schloßparke  wird  eine  größere  Anfiedlung  durch- 
ackert, welche  fich  durch  fehr  zahlreiche  Wohngruben 
und  ausgedehnte  Culturfchichtcn  auszeichnet.  Ich  fand 
eine  Menge  Scherben  von  Bandkeramik,  wie  uns  folche 
aus  der  Vypuslek-Höhle,  den  Anfiedlungen  bei  Velc- 
hrad,  Zopy  u.  a.  m.  bekannt  ift,  Feuerfteinmeffer,  einen 
Klopfer,  Bohrzapfen,  einen  übfidianfplitter,  ein  .Steinbeil 
und  einen  Mahlftein. 

'  Ausführlich  befchrieben :  I.  L.  Ccrvinka,  .Sbirka  pravckvcli  staro- 
iitnosti.  (Uh.  Hradiste  1900.)  Mit  XIV  Tafehi,  24  Abb.,  37  S. 


Bfezolupy.  Eine  Anfieillung  gleichen  Alters'  „Na 
Pastvisku"  lieferte  im  heurigen  Frühjahre  eine  be- 
fonders  reiche  Beute.  Auf  den  durchackerten  Gruben 
fammelte  ich  bei  30  Feuerfteinmefter  und  Schaber, 
Nucleen,  hübfch  erhaltene  Beile  und  Meißel  der  be- 
kannten Leiftenform,  Glatter,  zerfchlagene  Beile,  Mahl- 
fteine  u.  a.  Die  Keramik  ift  erklärlicherweile  bloß  durch 
einzelne  Scherben  vertreten,  und  zwa"-  älteften  Typus 
(ä  la  Buchlowitz,  Vypustek- Höhle). 

Cechowitz  (bei  Proßnitz).  Diefe  bekannte  neoli- 
thifche  Anfiedlung  auf  der  Anhöhe  „Cecho\'sko"  mit 
fpärlicher  Keramik  des  jüngften  Typus  ift  eine  beinahe 
unerfchöpfliche  Fundftättc  an  Steinwerkzeugen  und 
Wirtein.'''  Heuer  fand  ich  fchöne  Mcffer  und  Schaber 
aus  Feuerftein,  acht  Bohrzapfen  aus  Steinhämmern, 
zwei  ganze  ungcbohrte  l^eile,  einige  gebrochene  Stein- 
beile mit  Bohrung  und  ohne  folcho,  Mahlfteine,    einige 

'  Casopis  vlast.   niuzcjniho  spolku  v   Olomouci   1896,   S.    iiS. 
-  I,    L.    Ccrvinka.    Archacologicky    vyzkum    na    Prostcjovsku    (Profsnitx 
1900),  S.   12. 


—     40     — 


Wirtel  und  ein  (wahrfchcinlicli)  Kiiuicrfpicl/.ous;-  in  der 
Form  eines  Mützchens. 

Maratitz.  Aus  der  Ziegelei  des  BiJrgenneifters 
Stand,  wo  die  bereits  bekannte  Anfiedlung  mit  Band- 
und  bemalter  Keramik  durchgraben  wird,'  erhielt  ich 
ein  fchönes  Feuerfleinmeffer,  einen  walzenförmigen 
Glatter  und  ein  gebrochenes  Beil,  gleichfalls  als  Glätter 
ehemals  benützt. 

Altftadt  (bei  Ungarifch  Hradifch).  Im  Bereiche 
diefes  Dorfes  befinden  fich  zwei  neolithifche  Anficd- 
lungen  mit  Ban(ll;eramik.^  Im  Hifenbahncinfchnitte  „na 
Spitalkäch"  fand  ich  zwei  gebrochene  Beile,  Feuer- 
fl:einrr>effer  und  einige  Scherben;  hinter  dem  Nordbahn- 
hofe ,.v  Oisi"  Bruchftücke  von  Steinbeilen,  Feuerflein- 
meffer und  ebenfalls  einige  Scherben. 

Neudorf  (bei  Osla\'an).  Auf  der  bekannten  Anfied- 
lung  „na  Kopaninaclr'  fand  ich  Feuerfteinmcffer,  Stein- 
beile, einen  Glätter  und  Scherben,  denen  von  Buchlo- 
witz  ähnlich,  andere  wieder  mit  punktirten  und  be- 
malten Ornamenten. 

Velehrad.  Die  bekannte  Anlledlung  ,,na  Dohm 
Räkosi"  mit  charakteriftifcher  Bandkeramik ^  lieferte 
einige  F'euerfleinmeffer,  einen  Bohrzapfen,  hübfch  er- 
lialtcne  Beile  und  Glätter,  ein  gebrochenes  Beil  mit 
Bohrung  fowie  zahlreiche  Scherben. 

Aus  Einzelfunden  führe  ich  an:  „Donnerkeile"  aus 
Blatnicka,  einige  Beile  gewöhnlicher  Form;  Ungarifch- 
Hradifck:  ein  Beil  aus  den  Feldern  nächft  der  Kuno- 
witzer  Straße;  Kunotvits:  ein  fchönes  gebohrtes  Hand- 
beil; Maratits :  ein  ähnliches  Beil  aus  dem  Bukowina- 
Haine;  aus  Rapotits  (bei  Roffitz)  erhielt  ich  vom 
Ehrw.  H.  Kratochwi'l  ein  gebrochenes  Beil  mit  Bohrung, 
gefunden  im  dortigen  Schulgarten;  Vclkd:  ein  ge- 
bohrtes leiftenförmiges  und  kleine   gewöhnliche   Beile. 

Aus  Bronzefunden  erwarb  ich  aus  dem  Maffen- 
funde  bei  Sclilapanitz  zwei  kurze  Speere  und  einen 
intereffanten  Stachel-Streitkolben,  aus  Hei-fpits  (bei 
Auflerlitz)  einen  fchon  im  Jahre  1896  „na  Üjezdech" 
ausgeackerten  Speer,  aus  Hluk  einen  Speer  und  einen 
größeren  fchönen  Lappenkelt. 

Von  Wohnftätten  mit  der  Cultur  der  liegenden 
Hocker  forfchte  ich  in  der  herrfchaftlichcn  und  der  dem 
Herrn  Nedbal  gehörigen  Ziegelei  bei  Kunowitz.*  Diefe 
ausgedehnte  Anfiedlung  ift  höchft  intereffant,  die 
Ziegelarbeiten  gehen  jedoch  fo  langfam  von  ftatten, 
dafs  im  Laufe  des  Jahres  kaum  eine  oder  zwei  Gruben 
erfchloffcn  werden.  Unter  der  heuer  gefundenen  Kera- 
mik find  wieder  Scherben,  welche  unbeltritten  den 
Einfluß  der  Cultur  der  Urnenfelder  aufweifen. 

Altftadt.  Eine  ahnliche  Anfiedlung  „na  Kruhach" 
im  Marchufer'  war  heuer  minder  ergiebig;  ich  fand 
einen  langen  engen  Bronzemeißel,  ein  Steinbeil  und 
W'irtcl  nebft  Gcfäßfcherben. 

Bofenitz.  In  der  Gemeindeziegelei  durchfuchte 
ich  die  Cultur-  und  Abfällegruben,  welche,  etwa  zwölf 
an  der  Zahl,  fich  in  der  Ziegelerde  in  allen  möglichen 
Formen  und  Größen  bemerkbar  machten.  Ich  ließ 
einige  von  ihnen  durchgraben,  allein  nur  Scherben 
waren  der  Lohn  unferer  Mühe. 

'  C.-»«.  vi.  muz.  sp.  V  Ol.  1896,  S.  10.  Milthcilungcn  der  prähiftorifchen 
CommifTion,  I.  Bd.,  S.  247. 

2  Gas.  vi.  m.  sp.   V  Ol.   1897,  S.   140.  J.  L.  Ccrvink.-i,  Dcvin  a  Velehrad. 
dva  hradj    Vclkomoravske  (Kremfier  1902),  S.  53,  57. 
'  Cas.   vi.   m.  sp.  V.   Ol.    1895,  S.   146. 
*  Ebcndort  1896,  S.   120. 
'•>  Ebcndort  1896,   S.   113. 


Weimisslitz  (bei  Kromau).  Auf  dem  herrfchaft- 
lichcn hYldc  „na  Vyhou''  entdeckte  ich  eine  aus- 
gedehnte Anfiedlung  mit  zahlreichen  Wohn-  und  Ab- 
fällegruben. Ich  ließ  mehrere  öffiien,  fand  jedoch  bloß 
fpärliche  Scherben,  einige  Feuerfleinmeffer  und  Scha- 
ber, zahlreiche  Splitter,  ein  halbfertiges  Steinbeil,  einen 
Mahlllcin  und  einige  Hausthierknochen.  In  einer  Grube 
befand  fich  unter  groben  Scherben  ein  Gefäßftück  aus 
feinem  Thone  mit  rother  Farbe  bemalt,  ganz  ähnlich 
denen,  die  auf  der  neolithifchen  Anfiedlung  in  Mai^atitz 
oder  Borsitz  gefunden  werden.  Die  übrige  Keramik 
diefer  fowie  auch  aller  übrigen  Gruben  hat  den  Cha- 
rakter der  Cultur,  welche  den  Anfiedlungen  der  liegen- 
den Hocker  eigenthümlich  ift.  Eine  andere  Grube  in  der 
Form  einer  Walze  wies  bedeutende  Dimenfionen  auf: 
r8o  M.  Tiefe  und  4  M.  Durchmeffer.  Ausgefüllt  war 
felbe  mit  dunklem  mit  Afche  vermifchtem  Erdreiche, 
worin  zahlreiche  größere  Stücke  Holzkohle  und  ge- 
brannter Schlacken  vorkamen,  Scherben  jedoch  waren 
nur  fpärlich  vorhanden. 

Im  heurigen  Herbfte  befuchte  ich  auch  die  Grab- 
rtatte  bei 

Wranowitz  (bei  Proßnitz),  von  welcher  fo  mancher 
lärmende  und  unwahrfcheinliche  Bericht  (durch  die 
Localblätter)  in  die  Oeffentlichkeit  gedrungen  war. 

Im  Jahre  190O  entdeckte  man  auf  dem  Riede 
„Ctvrte"  unterhalb  des  Kreuzes  ein  Urnenfeld,  und 
etwas  tiefer  von  da  gelegen,  auf  den  Nachbarfeldern 
„Di'Iy"  eine  andere  Grabflätte  mit  liegenden  Hockern. 
Der  Wranowitzer  Pfarrer  Pospisil,  ein  großer  Liebhaber 
\orgefchichtlicher  Alterthümer,  durchgrub  mit  befon- 
derem  Eifer  drei  Hockergräber  „na  Dilech"  und  in 
Gemeinfchaft  mit  den  dortigen  Lehrern  etwa  30  Gräber 
„na  Ctvrtich".  Die  Ausbeute  diefer  ift  jedoch  \'erhält- 
nismäßig  gering  und  von  keiner  hervorragenden  Be- 
deutung, nachdem  durch  die  Steinumfaffung  beinahe 
fämmtliche  Gefäße  zertrümmert  und  auch  fonft  ver- 
nichtet waren. 

Im  Vereine  mit  meinem  Freunde,  dem  Lehrer 
Anton  Gottwald,  unternahm  ich  eine  Probegrabung 
und  es  gelang  uns  drei  Hockergräber  und  ein  Urnen- 
grab  zu  entdecken. 

Gelegentlich  der  Ausbcfferung  des  Weges,  welcher 
zwifchcn  diefen  beiden  Fundorten  führt,  fließen  die 
Arbeiter  in  dem  Hohlwege  des  herrfchaftlichcn  Feldes 
auf  vier  Gräber  mit  liegenden  Hockern.  Bei  diefen  be- 
fanden fich  mehrere  Gefäße,  welche  jedoch  aus  Un- 
achtfamkeit  vernichtet  wurden.  Der  Pfarrer  rettete  aus 
einem  diefer  Gräber,  deffen  Umriffe  in  dem  abgegra- 
benen Erdreiche  fich  durch  ihre  dunkle  Färbung  deut- 
lich abhoben,  ein  kleines  Krüglein  mit  eingeritzten 
Ornamenten,  welche  mit  weißer  F'arbe  ausgefüllt  waren. 
In  dcrfelben  Reihe  mit  diefen  vier  fiüher  entdeckten 
Gräbern  fand  ich  zwei  neue,  ganz  nahe  bei  einander, 
und  in  einiger  Entfernung  davon,  auf  herrfchaftlichem 
l'elde,  Lehrer  Gottwald  ebenfalls  zwei  Skelette:  eines 
lag  auf  der  rechten  Seite  und  hatte  bei  den  Knien  zwei 
kleine  Töpfe  und  eine  Beinahle,  der  Kopf  aber  fehlte. 
Das  zweite  Grab  war  durch  den  Umfland  intereffant, 
dafs  der  Leichnam  in  fitzendhockendcr  Lage  zwifchen 
tlrei  größeren  Steinen  begraben  war.  Beigegeben  war 
ein  kleiner  Topf 

Die  Gräber  unter  dem  Feldraine,  in  einer  Reihe 
mit  den  zerflörten,  waren  eng  bei  einander.  Die  Skelette 


—     41      — 


lagen  auf  der  rechten  Seite,  die  Knie  angezogen,  mit 
dem  Kopfe  gegen  Süden,  die  Füße  gegen  Norden. 
Das  öftlichere  gehörte  einer  halberwachfenen  Frau  an; 
beim  Kopfe  befand  fich  ein  Stein,  in  der  Bauchgegend 
eine  Schüffei.  Das  andere  Skelet  war  das  eines  etwa 
fechsjährigen  Kindes,  einfach,  ohne  Beigaben  in  bloßer 
Erde  begraben.  Die  Schädel  aller  diefer  Skelette  waren 
fämmtlich  lang,  die  Knochen  im  ganzen  gut  erhalten; 
durch  Unachtfamkeit  der  Arbeiter  wurden  fie  jedoch 
beim  Transporte  vernichtet.  Alle  Gräber  warffn  gleich- 
fam  in  Neftern  dunklen  Erdreiches  gelagert. 

In  der  Nähe  diefer  Gräber  wurden  drei  Wohn- 
gruben entdeckt  mit  fpärlicher  Keramik,  welche  voll- 
kommen jener  der  in  den  Gräbern  gefundenen  Gefäße 
entfprach. 

Im  felben  Hohlwege,  nur  etwas  mehr  weftlich,  ent- 
deckte der  Herr  Pfarrer  Urnengräber.  Durch  probe- 
weifes  Durchgraben  ftieß  ich  auf  ein  kleines  Urnengrab 
mit  einem  ausgebauchten  Gefäße,  welches  mit  einer 
Schüffei  überdeckt  war;  in  der  Nähe  befand  fich  eine 
zweite  umgeflürzte  Schüffei.  Gleich  daneben  fand  auch 
Lehrer  Gottwald  ein  größeres  Grab. 

Die  Gefäße  aus  diefen  Gräbern  fowie  aus  der 
Gruppe  beim  Kreuze  haben  einen  ausgefprochenen 
Laufitzer  Charakter,  wie  uns  folche  Keramik  bekannt 
ift  aus  den  Funden  bei  IVIoftkowitz,  Tesetitz  u.  a.  Auf- 
fallend find  hier  bloß  die  Urnen  mit  konifchem  Hälfe, 
ftark  ausgebaucht,  einer  bereits  niederen  Form,  und 
dann  die  Form  eines  Blumentopfes,  wie  wir  bis  jetzt 
folche  Formen  bloß  auf  Urnenfeldern  fchlefifchen 
Typus  vorfanden  (Krumfin,  Trfchitz). 

Hullein.  In  der  Ziegelei  des  Herrn  Hyza,  oberhalb 
der  Eifenbahnkreuzung  der  Nord-  und  Kremfiererbahn, 
fand  ich  heuer  drei  Gräber  mit  Urnen  fchlefifchen 
Typus:  Im  erflen  Grabe  war  eine  größere  vafenförmige 
Urne  mit  halbverbrannten  Knochenftückeln  am  Boden, 
daneben  ftand  ein  ähnliches  Gefäß,  kleiner,  eingedrückt, 
bloß  mit  Erde  angefüllt  und  dahinter  ein  Schüffelchen 
mit  überragendem  Henkel.  Das  zweite  Grab,  bloß  drei 
Schritte  vom  erften  entfernt,  enthielt  acht  Gefäße.  In 
einer  vafenförmigen  Urne  waren  am  Boden  Knochen, 
auf  ihnen  ein  kleines  Gefäß;  beide  gingen  in  Stüclce. 
Links  von  ihnen  ftand  eine  ähnliche  Urne,  jedoch  ohne 
Knochen  mit  einem  kleinen  Topfe  im  Innern,  rechts 
lag  ein  ornamentirtes  Schüffelchen  mit  überragendem 
Henkel;  daneben  ein  rothes  Gefäß  in  Blumentopfform, 
bedeckt  mit  einem  Icreisförmigen  Sturze,  oben  mit 
einem  getupften  Nabel  verfelien;  daneben  lag  ein 
zweiter  ähnlicher  Sturz  mit  großem  Henkel. 

Aus  dem  dritten  Grabe  rettete  ich  bloß  ein 
blumentopfahnliches  Gefäß  mit  Graphit  geglättet,  unter 
dem  Hälfe  mit  Furchen  und  Kreifen  ornamentirt,  dann 
ein  Urnenftück;  alles  übrige  hatten  die  Ziegelarbeiter 
mit  der  Erde  heruntergeriffen.  In  dem  blumentopfähn- 
lichen Gefäße  befanden  fich  am  Boden  einige  halb- 
verbrannte Knochen 

Die  Anfiedlung  bei  Bilowitz  (Bezirk  Üngarifch- 
Hradifch")  „na  Plostinäch",  wo  ausfchließlich  fchlefifche 
Keramik  mit  älteren  I^ronzegegenftänden  vorkommt,' 
lieferte  heuer  einige  Steinbeile,  Feuerftcinmeffer,  eine 
Bronzenadel  und  ein  Stück  Rohbronze. 

Weimisslitz.  Große  Hoffnung  fetzte  icli  auf  die 
Grabftätte  „na  Ledvici",    wo    ein   Brandgrab    mit    Ge- 

'   Kliendon    1896,  S,    114. 


fäßen  und  Schüffein  des  Hallftätter  Typus  ausgeackert 
wurde,  wie  wir  folche  aus  den  bohmifchen  Grabftätten 
von  Citoliby  und  Bylany  kennen.  Zwilchen  halbver- 
brannten Knochen  befand  fich  ein  Eifenring,  Bronze- 
knöpfe und  Korallen.  Graber  diefer  Art  waren  bisher 
in  Mähren  unbekannt.  Leider  blieb  mein  Nachgraben 
vorderhand  ohne  Erfolg. 

Ein  Grab  mit  Schmuck  gallifcher  Cultur  gelang 
mir  bei  Aufterlitz  zu  entdecken.  Vor  zwei  Jahren  riffen 
die  Arbeiter  in  der  ftädtifchen  Ziegelei  die  Wand  her- 
unter und  dabei  fanden  fie  ca.  i  M.  unter  der  Oberfläche 
ein  Skelet  mit  Bronzegegenftänden  und  einem  größeren 
Gefäße.  Einen  Theil  des  Fundes  barg  der  zufallig  an- 
wefende  Herfpitzer  Schulleiter  A.  Pavlik,  den  Reft  zum 
Theile  der  Ziegelmeifter  Kucera,  zum  anderen  Theile 
Lehrer  A.  Prochäzka  in  Blafewitz.  Ich  erwarb  den 
ganzen  Fund  und  verfuchte  an  Ort  und  Stelle  fämmt- 
liche  Begleitumftände  ficherzuftellen. 

Das  Skelet  lag  rücklings  ausgeftreckt  mit  deni 
Kopfe  gegen  Süden,  einfach  in  der  Erde  ohne  jede 
Steinumfaffung.  Die  Füße  zielten  gegen  die  Stadt  und 
bei  ihnen  ftand  ein  größeres  Gefäß.  An  den  Händen 
fowie  an  den  Beinen  befand  fich  oberhalb  der  Knöchel 
je  ein  Ring.  In  der  aus  dem  Grabe  herausgeworfenen 
Erdmaffe  fand  man  noch  eine  Fibel  und  einen  glatten 
maffiven  Ring.  Die  Lage  diefer  beiden  letzteren  Gegen- 
ftände  beim  Skelet  ließ  fich  nicht  mehr  conftatiren. 

Das  kleinere  Armbandpaar  für  eine  zarte  Frauen- 
hand ift  in  einer  Gußform  verfertigt,  mit  plaftifchen 
Ornamenten  in  der  Form  zufammengerollter  Pflanzen- 
blätter. Die  Größe  und  das  Ornament  beider  find 
jedoch  nicht  gleich.  Die  Fußringe  find  größer,  von 
außen  fein  gekerbt  und  mit  eingeprägten  kleinen 
Kreifen  verziert.  Die  Enden  fämmtlicher  Ringe  find 
ftempelförmig  erweitert.  Der  glatte  maffive  Ring  konnte 
als  Armband  wohl  benützt  werden  oder  mag  den  Kopf 
fchleier  zufammengehalten  haben. 

Die  Fibel  in  der  Form  der  Früh-La  Tene-  (Duxer) 
-Fibel  hat  ein  freies  mit  einer  Rofette  verziertes  Schluß- 
ftück. 

Das  Gefäß  hat  die  Forin  eines  Topfes,  ift  im  Ober- 
theile  mäßig  ausgebaucht,  mit  eingeengtem  Hälfe  und 
ein  wenig  wulftformig  aufgeworfenem  Rande.  Zwei 
plaftifche  Bänder  unter  dem  Hälfe  find  das  einzige 
Ornament.  Auf  der  Topferfcheibe  aus  feinem  Thon 
gearbeitet,  ift  das  Gefäß  auf  der  Oberfläche  geglättet 
und  mit  einer  fchwarzen  Lackfarbe  angeftrichen. 

Vom  Skelet  ift  nichts  geblieben,  obzwar  es  voll- 
kommen erhalten  gevvefen  fein  foll.  Aus  den  Beigaben 
erfehen  wir,  dafs  es  fich  um  ein  Frauengrab  gallifchcn 
Charakters  handelt,  wie  ähnliche  in  Mähren  im  ganzen 
feiten  und  nur  einzeln  gefunden  werden.  Hier  jedoch 
in  der  Aufterlitzer  Ziegelei  follen  nach  Angabe  des 
Ziegelmeifters  bereits  drei  ähnliche  Gräber  entdeckt 
worden  fein;  in  allen  lagen  die  Skelette  rücklings  aus- 
geftreckt, bei  ihren  Füßen  befand  fich  je  ein  Gefäß. 
Bronzebeigaben  foll  man  nur  in  einem  Grabe  gefunden 
haben.  Die  Skeletknochen  warf  man  mit  den  Gefäß- 
fcherben  auf  einen  Haufen.  Aus  den  Scherben  fetzte 
Lehrer  Prochäzka  ein  Gefäß  vollkommen  zufammen. 
Nach  alledem  ift  es  nicht  ausgefchloffcn,  dafs  wir  hier 
vor  einer  größeren  Grabftätte  mit  gallifcher  Cultur 
ftehen.' 

'   l-',I>endoit   1902,  S.   1. 


XXVIII.  N.  F. 


Befondere  Aufmorkfamkeit  widmete  ich  der 
Ziegelei  bei  Kfenowitz  (Bezirk  Kojetein).  Bekanntlich 
dehnt  fich  da  oberhalb  der  Kremfierer  Straße  ein 
intereffanter  Burgwall,  ,,Hradisko"  benannt,  aus.'  Diefe 
Burgftätte  ovaler  Form  ilT:  mit  abgegrabenen  Abhängen 
umrandet,  vor  ihnen  zieht  fich  ein  Graben,  welcher 
jedoch  durch  Ackern  bereits  zerftört  ift. 

Auf  dem  Weftabhange  des  Burgwalles  erftrecken 
fich  mächtige  Culturfchichtcn  bis  zur  Straße.  Sie  find 
heute  durch  Schottergruben  und  bei  der  durch  die 
Ziegelei  führenden  Straße  offen.  In  der  Ziegelei  ftellt 
man  jährlich  eine  größere  Menge  ungebrannter  Ziegel 
her.  dabei  werden  von  den  Ziegelarbeitern  die  mäch- 
tigen Culturfchichtcn  oder  zahlreiche  Wohn-  und  Ab- 
fällegriiben  mit  intereffanten  Alterthiimern  herunter- 
geriffen.  Die  Herren  J.  Telicka,  J.  B.  Knies  und  F.  J. 
Slovak,  fämmtlich  bekannte  Freunde  der  prähiflorifchen 
Archäologie,  fammelten  im  Laufe  der  Jahre  eine  Un- 
maffe  diefer  werthvollen  Artefa6le,  wie  fie  theils  in  den 
Schottergruben,  theils  in  der  Ziegelei  aufgedeckt 
wurden. 

Ich  felber  fand  am  Hradisko  intereffante  Gefaß- 
fcherben  des  Urnenfelder  Typus  und  Wirtel,  unter  dem 
Walle  einen  Knochenpfeil  in  der  Form  einer  vierkan- 
tigen Pyramide  mit  einer  DüUe  in  der  Balis. 

In  der  Ziegelei  ließ  ich  die  Schichten  fowie  ein- 
zelne Gruben  durchgraben.  Die  dunklen  afchehaltigen 
I'Irdfchichten  find,  je  näher  fie  an  die  Straße  reichen, 
delto  mächtiger  (llellenweife  bis  2  M.  Stärke),  nach 
obenzu  werden  fie  fchwächer.  Wahrfcheinlich  wurden 
die  leichten,  ftaubigen  Ueberrefte  aus  den  höher  gele- 
genen Stellen  durch  Wind  und  Regen  in  die  Niede- 
rungen herabgeweht  und  heruntergefchwemmt  und  hier 
abgelagert.  In  den  Schichten  findet  man  hie  und  da 
Scherben,  ein  oder  das  andere  Knochenftück,  an  man- 
chen Stellen  Schotterfchichten,  wie  fie  durch  An- 
fchwemmung  nach  Gußregen  entftanden.  Unter  diefer 
Schichte  find  verkehrt  trichterförmige  und  keffel- 
förmige  Gruben  ausgehöhlt,  mitunter  von  bedeutenden 
Dimenfionen.  In  einigen  war  der  Boden  geftampft,  mit 
Lehm  oder  Koth  beftrichen  und  durch  lang  angehal- 
tenes Feuer  rothgebrannt.  Anderswo  fchichteten  fich 
ausgebrannte  Lehmftiicke  mit  Abdrücken  von  Strauch- 
werk und  Pfählen;  überall  jedoch  eine  Unmaffe  von 
Afche,  dazwifchen  Bruchftücke  von  Knochen  verfchie- 
dcner  Hausthiere,  hie  und  da  wohl  auch  ein  Stück 
Hirfch-  oder  Rehgeweih,  Scherben  u.  f.  f.  Außer  zahl- 
reichen Wirtein  aller  Formen  und  Größen  grub  ich 
weiters  aus:  ein  glattes  Bronzearmband,  eine  Nadel 
mit  gekerbtem  Kopfe,  Eifenfkäbe,  Drahtftücke,  Meffer, 
an  denen  noch  Spuren  hölzerner  Scheiben  bemerkbar 
waren,  eine  Sichel  mit  langer  enger  Scheide,  ein  Beil 
mit  vierkantiger  Dülle,  aus  Knochen  gefchliffene  Ahlen 
und  Spitzen,  ähnliche  Werkzeuge  aus  Geweih,  behauene 
Geweihftücke,  eine  Mefferhandhabe  aus  zwei  Knochen- 
flücken,  mit  Eifennieten  zufammengehalten,  Stücke  von 
Pyramiden,  Gewichte  (Webftuhlgcwichte),  fünf  ganze 
überließ  mir  ein  Ziegelarbeiter,  welcher  deren  in  einer 
Grube  zwölf  Stück  gefunden  hatte.  Aus  Stein  waren 
da:  zwei  gefchliffene  Beile,  Feuei"fl:einmeffer,  ein  Bohr- 

'  Kbendort  1894.  S.   i 


zapfen  aus  einem  Steinhammer,  ein  Klopfflein,  Schleif- 
fteine  u.  a.  m.  Auch  fanden  wir  eine  kugelförmige 
Rodel  und  ein  Sichelhorn  von  einer  größeren  Statuette 
oder  einem  Widderkopfe. 

Die  Keramik,  deren  Ueberrefte  fehr  zahlreich 
waren,  gehörte  dreierlei  Arten  an: 

a)  Der  beiweitem  größte  Theil  hat  den  Charakter 
der  fchlefifchen  Urnenfelder  mit  offenbaren  Einflüßen 
der  Hallftätter  Cultur.  Ganze  Gefäße  kamen  nicht  vor, 
nur  zwei  Schüffein  mit  eingedrücktem  Boden  (Umbo) 
ließen  fich  aus  den  Scherben  zum  größten  Theile  zu- 
fammenfetzen.  Die  eine  von  ihnen  hat  am  Boden  ein 
knopfartiges  Ornament  und  war  mit  Graphit  ge-  ' 
glättet;  die  andere  hat  an  der  weiteften  Ausbauchung 
einen  gezähnten  Rand,  wie  ähnliche  Schüffein  aus  der 
„Byciskäla"-Höhle,  im  Innern  auf  der  Bodenfläche  ein 
Sternornament  mit  unregelmäßigen  Strichen  eingeritzt. 
Sie  ift  mit  Graphit  geglättet,  jedoch  von  auffallend 
fchwarzer  Färbung,  fo  dafs  fie  früher  mit  einem  fchwar- 
zen  Anftriche  verfehen,  dann  erfl  mit  Graphit  geglättet 
und  endlich  gut  gebrannt  gewefen  zu  fein  fchcint.  Die 
übrigen  Scherben  flammen  von  Schüffein  mit  über- 
ragenden Henkeln  her,  urnenförmigen  Töpfen  aller 
Größen  mit  Warzen,  Wulften,  mit  den  P'ingern  ge- 
tupften Bändern  oder  mit  canellirten  Ornamenten. 
Diefe  Keramik  entfpricht  vollkommen  jener,  die  am 
Burgwalle  gefunden  wird. 

b)  Die  Gefäße  der  zweiten  Gruppe  find  auf  der 
Töpferfcheibe  aus  unreinem  Thone  gearbeitet,  ge- 
wöhnlich ftark  mit  Graphit  vermengt,  in  der  Form 
niedriger  ausgebauchter  Töpfe  oder  Schüffein  mit  ein- 
wärts gebogenem  Rande.  Die  Ränder  diefer  topfartigen 
Gefäße  find  ftark  wulftig  aufgeworfen  oder  gegen  die 
Außenfeite  fchief  abgefchnitten.  Unter  der  Wulfl  ill 
in  der  Regel  ein  Band  mit  eingedrücktem  Ornamente, 
beftehend  aus  verkehrten  333  oder  3  32,  von  da 
reichen  bis  zum  Boden  abwärts  geführte  Furchen. 

Solche  Gefäße  find  bekannt:  vom  Hradiste  bei 
Stradonitz  in  Böhmen,  auf  der  Dammwiefe  bei  Hall- 
ftatt,  bei  Gurina  in  Krain  etc.,  überall  in  Verbindung 
mit  provincial  römifchen  Alterthümern.  Ich  fand  folche 
in  den  Ruinen  von  Carnuntum.  Diefe  Keramik  ähnelt 
fehr  den  fpäteren  Gefäßen  des  Burgwalltypus,  und  es 
fleht  heute  unbeftritten  feft,  dafs  fich  diefer  aus  folchen 
Graphitgefäßen  in  den  römifchen  Provinzen  an  der 
Donau  und  bei  uns  entwickelt  hat.  Die  Belege  hiefür 
mehren  fich  täglich  durch  neuentdeckte  Fundorte, 
mcirtens  auf  unferer  Hanna.  Und  gerade  diefe  Ent- 
wicklungsftufe  und  Ueberzug  repräfentirt 

c)  die  dritte  Gruppe  der  Keramik  aus  der  Ki^eno- 
witzer  Ziegelei.  Es  find  dies  die  hiefigen  Töpfe,  auf  der 
Drehfeheibe  gearbeitet  und  mit  mehrfacher  Wellenlinie 
in  den  vcrfchiedenften  Formen  und  Modulationen 
verziert. 

Es  kommen  hier  auch  Gefäßfeherben  vor,  welche 
den  Charakter  der  bekannten  Gefaßformen  aus  den 
Ausgrabungen  von  Carnuntum  und  Brigetio  an  fich 
tragen.  Ihre  vollendete  Technik,  das  Material  und  das 
Ausbrennen  bezeugen  augenfcheinlich,  dafs  fie  hieher 
jedenfalls  aus  den  römifchen  Donauprovinzen  gebracht 


-     43     - 


worden  find.  Daher  wage  ich  ohne  Bedenken  auch 
einige  Scherben  mit  Wellenlinie  für  das  Fabrikat 
römifcher  Töpfer  auszugeben;  denn  eine  fo  fein  und 
kunftvoll  ausgeführte  Wellenlinie  habe  ich  auf  den 
fpateren  Gefäßen  der  Burgwallperiode  nie  beobachtet. 

Alle  diefe  drei  Arten  verfchicdenenartiger  Gefäß- 
formen finden  fich  in  intakten  Schichten  beifammen, 
gleichfam  ein  Zeugnis  dafür,  dafs  man  fie  im  Haushalte 
gleichzeitig  benützte  oder  mit  anderen  Worten:  auf 
dem  Burgwall  von  Kfenowitz  war  ein  Volk  mit  der 
Cultur  der  Urnenfelder  anfr:ffig,  gleichzeitig  mit  diefem 
war  der  Abhang  unter  dem  Burgwalle,  die  Unterburg 
bewohnt.  Da  entftand  im  Laufe  der  Zeit  ficherlich  ein 
Markt  an  dem  alten  Wege,  der  durch  diefe  fruchtbare 
Gegend  führte;  und  da  begegneten  einander  die  Ein- 
flüffe  der  Hallftätter  Cultur  (am  beften  erfichtlich  an 
der  Keramik),  mit  folchen  der  gallifchen  Cultur  (Buckel- 
armringe aus  Bronze,  Eifenficheln,  Beile  mit  gefpalte- 
ner  DüUe  u.  a.  m.)  und  der  noch  intenfiveren  römifch- 
provinzialen  Cultur  (Keramik,  Münzen  der  Kaifer), 
welche  hier  den  Charakter  der  Urnenfelder  in  den 
Hintergrund  drängt  und  im  Laufe  der  Zeit  in  den  Burg- 
walltypus übergeht. 

Denfelben  Umftand  ftellte  ich  weiters  feft  auf  der 
Siedehmg  „Na  Ostrove"  bei  Hrubcic;  neulich  wurde 
ähnliches  auf  den  Anfiedlungen  gleichen  Alters  bei 
Olsan  (Bezirk  Proßnitz),  Vrahovitz  und  Bfezolup  con- 
ftatirt. 

In  Bfezolup  „NaPastvisku"  entdeckte  ich  mehrere 
Gruben  mit  diefer  eigenartigen  Graphit-Keramik  und 
Scherben  des  Burgwalltypus.  Unter  diefen  fanden  fich 
auch  Stücke  geglätteter  und  fchwarzer  Gefäße,  wie 
folche  auf  der  Grabfhätte  bei  Dobi^ichowitz  in  Böhmen, 
dann  bei  uns  in  Bifenz  und  bei  Mezitz  gefunden  werden. 
Ebenfolche  Scherben  hob  ich  aus  den  Gruben  mit 
Burgwallkeramik  im  Marchufer  „Na  Kruhäch"  bei  Alt- 
ftadt  auf 

In  Hradisko  (Ortfchaft  bei  Kremfier)  erwarb  ich 
eine  intereffante  Francisca  aus  einem  fchon  im  Jahre 
1890  geöffneten  Skeletgrabe,  in  Herfpitz  (bei  Aufter- 
litz)  aus  einem  ebenfolchen  Grabe  „Na  Ujezde"  einen 
hakenförmigen  Bronze-Ohrring,  welcher  verfilbert  war. 

Drei  merkwürdige  Eifengeräthe  in  der  Form  zarter 
Axt  jungarifch  Fökos)  fand  ich  in  einer  tiefen  Furche 
„na  Spitälkäch"  bei  Altftadt,  wo  man  bekanntlich  eine 
Anfiedlung  des  Burgwalltypus  durchackert. 

Mufchau.  Fortwahrentl  wird  gefprochen  und  ge- 
fchrieben,  dafs  der  „Mufchauer  Berg"  (Zeifelberg)  ehe- 
mals von  den  Römern,  wenn  nicht  gerade  befetzt  und 
bewohnt  war,  doch  wenigftens  öfters  befucht  worden 
fei.  Viele  verlegen  dorthin  mit  einiger  Wahrfcheinlich- 
keit   die    Felicia   des    I'tolcmaeus,    andere   wieder    die 


Stadt  Maffovia,  welche  der  Tradition  nach  unter  Maxi- 
minus zerflört  wurde.  Für  diefe  Annahme  führt  man 
als  Begründung  die  älteren  Funde  römifcher  Münzen 
an,  dann  aus  den  fünfziger  Jahren  zwei  römifche 
Lampen  mit  der  Auffchrift  FORTIS  am  Boden';  in  den 
achtziger  Jahren  wird  eines  Gewölbes  oder  einer 
Cifterne  erwähnt;  ja  es  foUen  fogar  hier  Bruchftücke 
römifcher  Ziegeln  mit  der  Signatur  der  XII.  Legion 
gefunden  worden  fein. 

Ohne  die  Glaubwürdigkeit  diefer  Berichte  vollends 
bezweifeln  zu  wollen,  bemerke  ich  bloß,  dafs  die 
XII.  Legion  niemals  bis  zu  uns  hat  vordringen  können, 
da  fie  weder  in  Noricum  noch  in  Rhaetien  als  Befatzung 
lag.  Die  Münzen  endlich  können  an  fich  felber  nicht 
entfcheiden;  denn  folche  findet  man  in  ganz  Mähren 
zerftreut  genug  vor. 

Da  jedoch  diefer  jedenfalls  bemerkenswerthe  Ort 
bis  jetzt  nicht  erforfcht,  ja  nicht  einmal  oberflächlich 
durchfucht  worden  ift,  entfchloß  ich  mich  denfelben 
wenigftens  in  Augenfchein  zu  nehmen. 

Diefer  ziemlich  ausgedehnte  Hügel  erhebt  fich  aus 
der  Ebene  weftlich  etwa  50  M.  über  dem  Städtchen 
und  man  kann  ihm  eine  ftrategifche  Bedeutung  nicht 
abfprechen.  Sein  Plateau  ift  groß  genug,  um  ein 
größeres  Heereslager  oder  eine  größere  prähiftorifche 
Siedelung  zu  faffen.  Der  ganze  Berg  wird  zur  Zeit  zum 
Theile  durchackert,  zum  anderen  Theile  ift  er  mit 
Weinbergen  befetzt.  Ich  habe  ihn  zu  einer  Zeit,  wo  die 
Feldculturen  bereits  eingeheimst  waren,  gründlich 
durchfchritten,  und  zwar  fowohl  auf  dem  Plateau  als 
auch  den  Abhängen  entlang.  Allein  \-on  einer  prähifto- 
rifchen  Siedelung  oder  gar  einem  ehemaligen  Heeres- 
lager mit  Ziegelbauten  ift  keine  Spur  zu  finden.  Nicht 
einmal  ein  Erdwall  hat  da  jemals  geftanden.  Ebenfo- 
wenig  findet  man  die  geringfte  Spur  von  Feuerherden, 
Afche  und  Culturfchichten,  welche  überall  zurück- 
bleiben, wo  der  prähiftorifche  Menfch  durch  längere 
Zeit  angefiedelt  war.  Hier  jedoch  findet  man  nichts  als 
durch  Dünger  gefchwärzte  Ackererde  und  die  lockere 
Weinbergerde  ohne  Afche,  ohne  Scherben  und  ohne 
andere  Ueberrefte,  welche  eine  menfchliche  Anfiedlung 
bezeugen  könnten.  Wenn  wir  tiefer  graben,  wälzt  fich 
unter  dem  Spaten  Schotter  hervor  oder  man  ftößt  auf 
Fels. 

Wenn  ich  nun  den  „Mufchauer  Berg"  doch  nicht 
aus  der  Reihe  unferer  Fundorte  mit  römifch-provin- 
cialer  Cultur  ftreiche,  fo  gefchieht  dies  deshalb,  damit 
man  auf  feine  griuidlichcre  Durclifuchung  und  Erfor- 
fchung  bedacht  fei  und  die  bis  jetzt  niciit  erwiefene 
Annahme  von  der  hiefigen  Stadt  Felicia  oder  Maffovia 
etftwcder  beftätigt  oder  aus  ernften  Schriften  aus- 
gemerzt werde. 


'   ProfcIT^>r  A.   Rycli;il:   l>c(li-citcl  dies-   ...Xiiiialcs  Mij.sci  l-Viiiiciscci**  iHri 
1898).  S.  83. 


6* 


—     44 


Bauliche  Ueberrefte  aus  der  römifchen  Anfiedlung  von 
Val  Catena  auf  Brioni  grande. 


Von  .-/.  Gntrs,  k.  und  k.  rrofelfor. 


IXEN    Uebcrblick    über    die    Ueberrefte     der 
antiken   Anfiedlungen,    die   auf  Brioni   grande 
rtaiideii,     gab    bereits    Confervator    Profeffor 
Albert   Pusclii    in   einem   intereffanten   Auffatze. '    Ich 


torre,  wie  die  antiken  Wafferverforgungsanlagen  beider 
Infein  erwähnen. '  Den  Mittelpunkt  der  in  römifcher 
Zeit  dicht  befiedelten  und  erträgnisreichen  Infel  Brioni, 
die   auf  der   Tabula   Peutingeriana   Ursaria*    genannt 


Fig.  I.  (Grundrifs  einer  römifchen  Wohnhriusanlage  mit  einem  Rundliau,  auf  der  Infel  Brioni  grande.)  • 

will    in    Ergänzung    diefer    Ausführungen     noch    die      wird,  hat  man  im  Hafen  von  Val  Catena  zu  fuchen,  der 
römifche    Anfiedlung    von    Brioni    minore^    und    Val      in     der    Zeit    des    Imperiums     gut     ausgebaut     war. 


'  Osserv.Ttorc  Tricsliuo  I.  April  1S99,  übcrfctzt  in  den  MilthcilunKCn  der 
Ccntr-tl-Commirfion  1900.  .^5  f. 

2  Vgl.  meinen  Artikel  in  den  Mitlhcilungcn  der  entr.il-Conimiffion 
1901     139. 


'  Vgl.  meinen  PrOEramm.-luffatz:  Römifche  Wafferverforgungsanlagen  im 
füdlichen  Itlrien  (k.   und  k.   Marinc-Unterrealfchulc  in  Pola   1901). 

-  Das  Pullaria  der  Tabula  und  des  Plinius  (III,  36.  151)  bezieht  fich  auf 
Luffin  oder  Cherfo:  eine  Identificirung  mit  Brioni  ift  nicht  haltbar. 


—     45     — 


In  den  Fundamenten  laffen  fich  heute  noch,  befonders 
bei  ftarken  Ebben,  feine  fämmtHchen  Wafferbau- 
anlagen  deutlich  verfolgen.  Sie  geben  das  gut  erhal- 
tene Beifpiel  einer  antiken  Hafenanlage. 

An  der  gegen  die  Nordwinde  durch  die  Abhänge 
des  Moribuon  gefchützten  Nordküfte  lag  ein  Villenort, 
der  fich  auf  künl^lich  angelegten  Terraffen  erhob  und 
gesjen  die  Bucht  von  Val  Catena  öffnete.  Die  Terraffen 
fchließen  fich  an  die  Riva  des  Hafens  in  einer  Länge 
von  beiläufig  05  Km.  an. 

Was  an  Baureften  der  Gebäude  in  den  Subftruc- 
tionen  und  Mofaikbödcn  der  Parterrelocalitäten  noch 
befteht,  ift  zum  allergrößten  Theile  im  Baufchutte 
begraben  und  mit  Vegetation  überdeckt.  Nur  drei 
größere  Obje6le  find  gelegentlich  eines  Wegbaues 
freigelegt  worden;  was  von  ihnen  am  Strande  liegt,  ift. 


eines  römifchen  Wohngebäudes  kenntlich  find,  zu  dem 
auch  der  Cifternenbau  gehört. 

Die  erften  beiden  Objefte  find  nach  ihrer  Auf- 
deckung über  Auftrag  des  Marine -Land-  und  Waffer- 
baudirectors  a.  D.,  Herrn  Franz  Oliva,  durch  das 
k.  und  k.  Marine-Land-  und  Waffcrbauamt  in  Pola 
aufgenommen  worden. 

Fig.  I  ftellt  den  Grundrifs,  Fig.  2  Schnitte  und 
Details  des  erfterwahntcn  Objecles  dar.  Zu  befprechen 
wäre  zunächft  der  Rundbau  am  Wege.  Er  deutet  nach 
feiner  Anlage  und  vor  allem  nach  der  Art  feines  Mofaik- 
bodens  (Fig.  4)  auf  den  Ueberreft  des  Badegemaches 
einer  beftandenen  Villa  hin.  Seine  Umfaffungsmaucr 
ftellt  einen  kreisförmigen  Grundrifs  dar,  und  ift  durch 
vier  gleich  große  Apfiden,  fowie  durch  vier  zwifchen 
ihnen  nach  innen  fich  öffnende  Nifchen  gegliedert.    Zu 

d«3  '7IU.n-.,6|.-fC:.5u» 


tnm  mrr.TmTTiTTt  n  n 


e^cliiiitl'  c -d 


-^^^^^^ 


-T- 


r 


cf.f....lU. 


Fig.  2.  (Schniue  und  Details  zum  Grundrifs  Fig.  i. 


fovveit  es  von  der  Brandung  erreichbar    ift,    durch    die 
Wellen  vom  Baufchutte  befreit  worden. 

Hart  am  Wege,  der  längs  des  Nordgeftades  von 
Val  Catena  führt,  fallt  dem  Spaziergänger  zunächft  ein 
Rundbau  auf,  deffen  vertiefter  Boden  mit  Ziegeln  und 
vielen  Mofaikfteinchen  ausgefüllt  ift.  Daran  ftoßen 
einige  Mauerzüge.  Wenige  Schritte  öftlich  davon 
liegen,  links  vom  Wege,  die  Lheile  eines  im  Fifch- 
grätenvcrbande  gelegten  Ziegelpflafters  und,  diefcs 
abfchließend,  drei  Steintröge  von  auffallend  geringer 
Tiefe  (01  M.)  in  einer  Reihe.  Verfolgt  man  den  Strand- 
weg weiter,  fo  kommt  man  an  einem  langen  Cifternen- 
bau' vorbei  und  durchfchreitet  vier  an  den  Waffer- 
fpcicher  angebaute  Räume,  die  durch  ihre  Lage,  wie 
durch    ihre    rohe    l'flafterung    als    Wiithschaftsräunu- 

'    Vgl.     Progr;itnnKUiff.il/    der     k.     und    k.     M.-iriin:  Untcnc.tlr.  luil'j     lyoi. 


der  gegen  Weft  gerichteten  fuhrt  ein  breiterer  Haupt- 
eingang, deffen  fteinerne  Schwelle  noch  in  situ  liegt. 
Noch  bemerkt  man  Uebcrrefte  von  eifernen  Dreh- 
zapfen einer  Doppelthüre,  die,  wie  die  Anfchlagleifte 
zeigt,  fich  nach  innen  öffnete  (Fig.  3  bei  S). 

Durch  eine  zweite  Thür  öffnet  sich  das  Gemach 
gegen  Süden  nach  einem  Hofraume,  der  fich  zwifchen 
dem  rückwärtigen  und  denn  vorderen,  fecwärts  gele- 
genen Villentheile  cinfchiebt.  Er  ift  mit  einer  mäch- 
tigen Schichte  von  opus  signinum  gepflaftcrt.  Das 
intercffanteftc  Baudetail  des  Badegemaches  bildet  feine 
mit  einer  suspensura  überdeckte  Unterkellerung.  Dic- 
felbe  befteht  aus  einem  Hohlräume,  über  dem  auf 
gemauerten  Pfeilerchen  die  suspen>ura  liegt.  Nur  an 
einigen  Stellen  ftehen  die  Fußplatten  diefer  Pfeilerchen 
in  situ;  fie  find  im  Plane  des  Gemaches  (^Fig.  T)  durch 
fchwarze  Quadrate  wiedergegeben.  Sic  waren  jedenfalls 


46 


über  den  ganzen  Boden  hin  veitheill;  ihre  Reconitruction 
wird  durch  das  herumliegende  Ziegehnaterial  und  die 
der  Sockeimauer  anhaftenden  Mörtelrefte  möglich 
gemacht.  An  letzteren  bemerkt  man,  befonders  deut- 
lich unterhalb  des  Wefteinganges,    die    erwähnte  Fuß- 


Fig.  3.  (Qucrrchiiitt  cluich  die  Unleikellenin!,'  des  Rundbaues.) 


platte,  beftehend  aus  zwei  Ziegeln  (28' 5  X  28-5  X  /Cm.). 
F"ür  die  mittleren  Theile  des  Pfeilers  find  dann  Ziegel 
kleinerer^  Dimenfion  (17  X  17X7  Cm.)  gewählt,  wo- 
durch der  Hohlraum  zwifchen  den  Pfeilern  vergrößert 
wird.  AufdemPfeilerkopfefitzenPlatten(i9X  i9X8Cm.) 
die  etwas  ausladen,   wodurch  dann  die  großen  Platten 


Fig.  4.  'Rede  des  Rundbaues  mit  dem  großwürfligeii  .Mulaikpfl.ifter 


welche  den  untcrften  Thcil  der  suspensura  bilden,  etwas 
entlaftet  werden. 


'&•  -•) 


zeigt    einen  Schnitt   durch    die  Untcrkc 


rung   des  Baderaumes   längs   der  Schnittlinie   ab    des 
Grundriffes  Fjg.  i. 

Die  suspensura  befteht  zunächfl  aus  mächtigen 
Ziegelplatten  von  ausgezeichneter  Qualität  (Größe 
60  X  60  X  6-2  Cm.),  die  derart  den  Hohlraum  über- 
decken, dafs  je  vier  auf  einem  Pfeilerchen  zufammen- 
flößen.  Auf  die  Plattenlage  folgt  eine  12  Cm.  ftarke 
Kfkrichlage,  die  aus  Staubkalk,  Ziegelgries  und  Sand 
hergeftellt   ifl.    Sie   bildet   die   Unterlage   für  den    aus 


weißen  Kalklleinftiften  zufammengefetzten  Mofaik- 
boden;  eine  Belebung  desfelben  durch  eingefetzte 
Ornamente  oder  durch  die  übliche  Bordüre  wird  dies- 
mal vermifst.  Wie  in  dem  Boden  einer  großen  Cement- 
waiuie,  die  9  IVI.  von  der  Cifterne  entfernt  am  Nord- 
rtrande  von  Val  Catena  liegt,  fo  find 
auch  hier  (Fig.  4)  anflatt  der  Mofaik- 
würfel  lange  Kalkfleinprismen  zur  Her- 
rtellung  der  mufivifchen  Arbeit  ver- 
wendet, um  diefelbe  fefler  zu  binden 
und  widerftandsfähiger  gegen  Waffer- 
cinwirkung  zu  machen.  Soweit  die 
UmfalTungsmauern  des  Raumes  noch 
flehen,  läfst  fich  an  ihnen  ein  älterer 
und  ein  jüngerer  Anwurf  feflflellen ; 
der  ältere  befleht  aus  zwei  Lagen  Roh- 
verputz und  einer  darüber  gezogenen 
Schichte  eines  Feinverputzes.  Auf  ihm 
ill  eine  rothe  Farbe  al  fresco  auf- 
getragen. Sie  dürfte  durchgängig  die 
ganze  Innenwand  überzogen  haben; 
von  einer  bcfonderen  Sockelbemalung  oder  Flächen- 
theilung, wie  man  fie  fonfl  im  rcmifchen  Haufe  findet, 
ifl  nichts  zu  bemerken.  Möglicherweife  fetzte  dicfe  erfl 
in  den  höheren  Theilen  der  Wand  an,  von  denen  nichts 
mehr  vorhanden  ifl:. 

Die  rothe  Bemalung  der  Wände  fcheint  dem 
Gefchmacke  einer  viel  fpäteren  Zeit 
nicht  mehr  behagt  zu  haben,  vielleicht 
war  fie  auch  fchadhaft  geworden.  Man 
zog  eine  neue  Verputzfchichte  über 
fie  und  färbte  ^\e.  fchwarz.  Bis  in  eine 
Höhe  von  54  Cm.  reicht  die  fpätere 
Sockelbemalung;  auf  ihren  fchwarzen 
Grund  find  gelbe  Streifen  diagonal 
gelegt,  fo  dafs  der  Sockelfireifen  mit 
Rauten  gemullert  ifl.  Darauf  folgt  ein 
fchwarzer  Streifen  (ca.  20  Cm.  breit), 
tler  mit  fchmalen  weißen  Bändern  ge- 
fafst  ifl:.  Außer  dem  Fragmente  eines 
korinthifchen  Pilaftercapitäls  wurde 
hier  nichts  Beachtenswerthes  ge- 
funden. 

Wefllich  floßt  an  das  Bade- 
gemach eine  größere,  mit  Mofaik- 
boden  gepfiaflerte  Fläche;  fie  gehört 
einem  Wohnraum  an,  der  duixh  einen 
kurzen,  mit  Steinplatten  belegten 
Gang  auch  von  dem  Hofraum  aus 
betreten  werden  kann.  Der  Hofraum 
liegt  um  beiläufig  0*40  M.  höher  als 
der  Mofaikboden;  der  Höhenunter- 
fchied  ill  durch  zwei  Stufen  ausgeglichen.  An  Ver- 
putzreften  des  Corridors  ficht  man  noch  die  fchöne 
grüne  Färbung  des  Sockels.  Der  fchwarzen  Färbung 
des  Mofaikbodens  (Fig.  2)  ift  die  Eintönigkeit  dadurch 
benommen,  dafs  um  das  Bodenfeld  herum  zwei  weiße 
Streifen  als  Bordüre  umlaufen,  und  dafs  in  das  innere 
Feld  in  regelmäßigen  Abftändcn  Sternchen  aus  je 
vier  weißen  Mofaikfteinchen  eingeflreut  find.  Die 
Mofaiken,  wie  der  Mörteleftrich  find  mit  ihren  Unter- 
lagen (Steinwurf,  durch  Mörtel  gebunden)  unmittelbar 
auf  die  Erde  aufgelegt.  Hingegen  liegen  die  Räume, 
die    den    vorderen    Tra6l    der    Villa    bildeten   und  fich 


47 


cV-fi 1 1 1 1  f  (l  1> 


P^^'V^VT 


111,1111-1,1 


! 


r^r^- ;  :        Im 

Fig.  5.  (Wäftherei-Anlage  bei  einer  röinifclien  Anfieclhmg  auf  ISiioiii  grande.  (Jiundrifs  und  Queifchnilt. 


gegen  die  See  öffneten,  auf  tonnengewölbten  Unter- 
kellerungen. Zum  großen  Theile  find  die  Tonnen  und 
ihre  Widerlager  erhalten  (Fig.  i,  •,  2.  3).  Ein  viertes 
Gewölbe,  von  dem  nur  mehr  geringe  Theile  auf  den 
VViderlagen  aufruhen,  fetzte  fich  an  die  füdliche Stirnwand 
des  Kellers  Fig.  i,  ■  an.  Eine  Unterfuchung  zeigt,  dafs 
diefer  Keller  ohne  jedweden  Zugang  angelegt  ifl,  wo- 
durch  allein  fchon  die  Vermuthung,  dafs  es  ein  Sclaven- 
zwinger  war,  widerlegt  erfcheint.  Zweck  der  Keller 
war  lediglich,  für  die  Wohnräume  über  ihnen  einen 
trockenen  Unterbau  zu  gewinnen,  der  umfo  nöthiger  war, 
als  das  Meer  in  unmittelbarer  Nähe  wogt.  Da  nur  die 
Mauerzüge  des  unteren  Theiles  der  Terraffe,  auf  welcher 
der  Villenbau  lag,  am  Strande  liegen,  wo  fie  mehrfach 
bis  ins  Meer  hinein  verlaufen,  fo  laffen  fich  aus  ihnen 
keine  ficheren  Schlüffe  auf  das  bauliche  Arrangement 
der  Wohnräume  gewinnen.  Diefe  Mauerzüge  find  ledig- 
lich die  Subftru6lionen  der  Terraffe.  Zwifchen  den 
Kellerräumen  lagen  Gänge,  die  fich  durch  die  Futter- 
mauern hindurch  auf  den  Quai  des  römifchen  Hafens 
öffneten.  Durch  fie  gelangte  man  dire6l  vom  Hafen 
aus  in  die  rückwärtigen  Theile  der  Villa.  Mit  diefer 
Anlage  wird  man  vielfach  an  ein  bekanntes  pompeja- 
nifches  Wandgemälde'  erinnert,  das  eine  Villa  am 
Meeresufer  mit  Terraffenanlage  zur  Darflellung  bringt. 
Von  Funden  aus  letzteren  Räumen  ift  nicht  viel  zu 
erwähnen.  Auffallend  ifl  das  Vorkommen  vieler  Blei- 
ftücke  im  Strandgerölle;  fie  rühren  von  Zapfen\er- 
gießungen  her.  Ungefähr  1 5  M.  von  den  Kellern  ent- 
fernt, liegen  in  der  See  die  Fundamente  der  römifchen 
Hafenmauer,  fowie  drei  große  Piscinen,  die  für  die 
Züchtung  und  Aufbewahrung  von  Seefifchen  beftimmt 
waren.  Die  Wafferbauten  find  heute  von  der  See 
bedeckt. 

^  Abgebildet  bei  Julius  Jung.   Leben  und   Sitten   der  Runicr    I.   138. 


Fig.  0   iW.afclievei-Anlage  Ijei  einer  rümifclien  Anfiedluiig   auf  Brioiii 
graiule.  Draufficlil  auf  die  drei  Steintröge. 1 


Grabungsverfuchen    in    der  Umgebung    des 
fchriebenen    Objektes    find     noch     reiche 
gefichert. 


be- 


Ergebniffe 


48 


Fig.  5  ftellt  im  Gruiidrifs  den  zweiten  Ueberreft 
eines  antiken  Bauwerkes  dar,  das  zu  den  Anlagen  von 
Val  Catena  gehört.  Mit  dem  eben  befchriebenen  Objcfl 
fteht  er  in  keinem  Zufammenhang;  hingegen  ifl  er  mit 
den  Uebcrreften  von  langen  Tonnengewölben,  die  in 
der  nächften  Nähe  am  Strande  liegend,  heute  zum 
Thcil  ins  Meer  hineinreichen,  gleich  orientirt.  Zu  dem 
gleichen  großen  Villenbau  gehören  Mauerziige,  die 
öftlich  an  die  P'undamente  diefer  Gewölbe  fich  an- 
fchließen,  Refte  von  Mofaikböden  und  eine  Badeanlage, 
fchließlich  auch  der  früher  erwähnte  Cifternenbau  und 
die  vier  Wirthfchaftsräume  hinter  ihm,  die  begreiflicher- 
weife in  die  Nähe  des  Wafferfpeichers  und  in  die  rück- 
wärtigen Theile  des  Villenhaues  verlegt  wurden.  Dafs 
hier  ein  Bau  iland,  dereinem  induftriellen  Unternehmen 
diente,  ifl  nicht  gut  anzunehmen.  Weder  erinnert  die 
Anlage  an  eine  Fullonica,  eine  Färberei  oder  eine  Oel- 
preffe,  noch  fpricht  die  Wahl  des  Ortes,  die  unmittel- 
bare Nähe  eines  großen  Lu.xusbaues  dafür.  Am 
treffendflen  dürfte  es  fein,  auch  hier  Wirthfchaftsräume 
für  diefen  anzunehmen,  und  zwar  den  Ort,  der  für  das 
Reinigen  der  Wäfche  beftimmt  war.  Für  das  Austreten 
oder  das  Ausfchlagen  der  aufgeweichten  Wäfche,  wie 
CS  heute  nocli  im  Süden  üblich  ifl:,  reichten  die  drei 
feichten  Steintröge,  die  in  einer  Reihe  nebeneinander 
flehen  (Flg.  5  und  6),  vollkommen  aus.  Vor  der  Reihe 
der  Steintröge  ift  in  das  gut  gelegte  Ziegelpflafter  eine 
feichte  Ablaufrinne  gelegt,  die  bei  dem  letzten  Stein- 
trog wegbiegt  und  eine  Richtung  zum   Gefladc  nimmt. 


Hier  konnte  das  beim  Auswinden  der  Wäfchcftücke 
ausgeprefste  Waffer  ablaufen.  Auf  das  Ziegelpfiafler 
der  Rinne  folgt  ein  opus  spicatum  aus  kleinen  Ziegeln 
hergeftellt.  Vor  jedem  Steintrog  ifl  in  ihm  eine  kreis- 
runde Fläche  ausgefpart,'  die  zur  Aufteilung  großer, 
irdener  Wafferbecken  beflimmt  war,  in  denen  die 
Wäfcheflücke  aufgeweicht  werden  konnten.  Große 
Fragmente  diefer  dickwandigen  Thongefäße  bedeuten- 
den Faffungsraumes  fand  man  in  situ. 

Die  Zeit  der  Entftehung  diefer  Bauwerke  feftzu- 
ftelleii,  vermögen  wir  nicht,  da  bis  jetzt  verkifsliche 
Anhaltspunkte  fehlen.  Aus  der  Gleichheit  der  ver- 
wendeten Baumaterialien  und  ausderUebeieinftimmung- 
in  der  Durchführung  einzelner  Baudetails  läfst  fich 
fchließen,  dafs  die  Villen  von  Val  Catena  in  eine 
gleiche  Zeit  wie  die  ländlichen  Bauanlagen  an  der 
gegenüberliegenden  Fefllandskülle  fallen,  wie  z.  B.  die 
Villa  von  Barbariga.  Wir  werden  auf  die  Zeit  eines 
großen  wirthfchaftlichen  Auffchwunges  im  II.  oder 
III.  face.  p.  Chr.  in  Iflrien  hingewiefen,  in  der  man  die 
nölhigen  Mittel  für  die  Errichtung  von  ländlichen 
Luxusbauten  zur  V'erfügung  hatte;  wahrfcheinlich  ift, 
es  die  nämliche  Zeit  wirthfchaftlicher  Blüthe,  in  der 
man  den  Mittelpunkt  des  römifchen  Iftrien,  Pola,  mit 
großen  Monumentalbauten,  wie  die  Arena,  aus- 
fchmücken  konnte. 


'  In  Fig.   4  ift  die    mittlere    diefer    kreisrunden    Flächen    nicht    mit     auf- 
genommen, doch  find  deutliche  Spuren  derfclbcn  noch  erkennb.-ir. 


Ein  altchriftliches  Relief  aus  Ungarn. 

Von  Dr.   Victor  liccsey,  Stifts-Bibliothekar  der  Erzabtei  Martinsl)erg  in  Ungarn.' 


N  Ungarn  find  infolge  der  Verheerungen, 
welche  die  Tataren  und  fpäter  die  Türken 
verurfacht  haben,  aus  den  Zeiten  der  erflen 
Chriftianifirung  diefes  Königreiches  wenige  Denkmäler 
übrig  geblieben.  Noch  aus  den  Zeiten  des  heil.  Ste- 
phanus,  des  erllen  Königs  von  Ungarn,  ftammt  die 
Unterkirche  der  Bafilica  von  Fünfkirchen  (de  Ouinque- 
Ecclesiis)  und  etliche  Ueberrefte  der  erflen  Kirche  von 
Mofaburg  (Zalavär),  welche  der  flavifche  Fürft  Privina 
vor  der  Landnahme  der  Ungarn  geftiftet  hatte. 

Die  eigentliche  Chriftianifirung  Ungarns  datirt  aus 
der  Zeit,  da  der  heil.  Adalbert,  der  erfte  Bifchof  von 
Prag,  von  feinen  Landsleuten  verfolgt,  fich  in  die  Abtei 
des  heil.  Bonifacius  in  Rom  zurückzog  und  fodann  von 
hier  aus  mit  Zuflimmung  des  Papftes  mit  Benediftinern 
aus  der  genannten  Abtei  daran  gegangen  ifl,  dieUngarn 
zu  bekehren.  Es  gelang  ihm,  den  Fürften  Geiza  unferem 
heil.  Glauben  zu  gewinnen,  und  diefer  begann  auch  im 
Jahre  998  ein  Stift  für  die  neuen  Benediftiner-Apoftcl 
des  Landes  zu  bauen,  welches  dann  fein  Sohn,  der  von 
Adalbert  getaufte  erfle  König  von  Ungarn,  der  heil. 
Stephan,  im  Jahre  looo  vollendete. 

Aus  diefer  Zeit  der  erften  chriftllchen  Stiftung  des 
erften  heiligen  Königs  blieb  in  Ungarn,  namentlich  in 
der  Erzabtei  Martinsberg  (Sanfli  Martini  de  S.  Monte 

<  Auf  Grund  eines  VortraKes.  den  der  Vcrfalfer  am  Internationalen  Con 
Rrefle  fDr  chriftlichc  Archäologie  zu  Rom  im  April   1900  gehalten  hat. 


Pannoniae),  kaum  ein  Stein  auf  dem  anderen.  Wenige 
Bruchflücke  find  es,  die  in  diefe  Zeit  zurückreichen: 
Eine  au  rothem  Marmor  gehauene  thronartige  roma- 
nifche  Nifche,  in  welcher  der  heil.  König  dem  Gottes- 
dienfte  der  Abteilcirche  beigewohnt  haben  foll,  eine 
gewundene  Säule  mit  Reliefverzierung,  ein  Weihwaffer- 
becken  aus  rothem  Marmor  mit  drei  Löwenhäuptern  und 
endlich  die  Bafen  der  kleinen  Säulen  der  romanifchen 
Fenfter  des  älteften  Kreuzganges  in  Martinsberg. 

Aelter  als  alle  diefe  figuraleii  und  decorativen 
Ueberrefle  der  älteften  Stifts]<irche  in  Ungarn  ift  das 
Fragment  eines  Steinreliefs,  das  ich  hier  in  einer  Ab- 
bildung zur  Anfchauung  bringe.  Diefes  Relief  ift  jetzt 
an  der  Außenfeite  der  aus  dem  13.  Jahrhundert  ftam- 
menden  Stiftskirche,  und  zwar  an  der  Benediflus- 
Capelle  eingemauert.  Seine  Höhe  beträgt  55  Cm.,  die 
Breite  72  Cm. 

Das  Relief  flellt  drei  Geflalten  dar:  in  der  Mitte 
eine  große  männliche  Figur,  \on  der  jedoch  bloß  die 
mittlere  Partie  zwifchen  Kinn  uiul  Knien  übrig  geblieben 
ifl;  zu  beiden  Seiten  je  eine  kleine  männliche  Figur,  alle 
drei  en  face.  Die  Bekleidung  der  Mittelfigur  bildet  eine 
tunica  talaris  et  manicata  (/'.töjv  z-wir/t^:,  xal  yjt^v'.Sdjrö;), 
die  um  die  Lenden  durch  einen  breiten  Gürtel  mit 
großer  einfacher  Schnalle  zufammengehalten  wird;  um 
die  Schulter  legt  fich  eine  Art  Paenula  oder  Lacerna; 
in  der  Linken  hält  die  Geflalt  ein  Buch,  auf  welches  fie 


49 


mit  zwei  Fingern  fegenfpendend  hinweist.  Der  Falten- 
wurf der  Tunica  zeigt  eine  grobe  primitive  Steinmetz- 
arbeit. 

Zur  rechten  Seite  der  Hauj^tgcltalt  fteht,  etwa  um 
die  Hälfte  kleiner,  ein  Jüngling,  der  auch  eine  Tunica 
trägt  und  mit  den  beiden  Händen  einen  nicht  zu  er- 
kennenden  Gegenfland  fefthält.  Zur  Linken  eine  zweite 
Figur  von  ähnlichen  Dimenfionen,  in  eine  kürzere,  nur 
bis  zu  den  Knien  reichende  Tunica  cincla  gekleidet; 
die  rechte  Hand  hält  die  Figur  über  den  Kopf  erhoben. 

Der  ungarifche  Archäolog  Romer  hat  die  Ent- 
ftchung  diefes  Reliefs  in  die  Zeit  der  Römcrherrfchaft  in 
Pannonien  verfetzt.  Meiner  befcheidenen  Anficht  nach 
ift  es  aber  ein  Denkmal,  welches  die  italienifchen  Hene- 
difliner  mit  nach  Martinsberg  gebracht  oder  bereits 
hier  nach  alten  Muflcrn  angefertigt  haben.  Die  Haupt- 
geftalt  vollzieht  einen  rein  chriftlichen  Aftus  mit  den 
zwei  fegenfpendenden  Fingern  und  weist  zugleich  auf 
das  Buch   hin,    als   ob   fie    fagen    wollte    ..Tolle,    lege! 


Kig.  2.  I Altclinftliches  Stein  Relief-  .M.irtinsbcig,  Ungarn  ) 

Ausculta,  o  fili,  praecepta  magistri!"  Diefe  Handlung 
und  Auffaffung  läfst  mich  in  der  Figur  den  heil.  Bene- 
diftus  erkennen,  und  feine  Begleiter  wären  hienach  zur 
Rechten  Maurus,  zur  Linken  Placidus. 

Diefe  Vermuthung  glaube  ich  noch  mit  folgenden 
äußeren  Gründen  unterAiitzen  zu  k'önnen. 

M  VVilpert  beweist  in  feiner  Studie  über  ,,Dic 
Gewänder  der  Chriften  in  den  erften  Jahrhunderten" 
an  der  Hand  von  Gemälden  der  Katakomben,  dafs  die 
Kleidungsflücke  der  Ciiriften  in  den  erften  Jahr- 
hunderten von  denen  der  heidnifchen  Römer  in  Nichts 
verfchieden  waren,  ja  dafs  fogar  die  Priefter  die  gleichen 
Kleider  trugen,  wie  die  Laien. 

Die  Tunica,  welche  an  unfercm  Relief  die  Form 
einer  Alba  annimmt,  wurde  im  3.  Jahrhundert  mit 
Aermcln  vcrfehen,  im  4.  Jahihundcrt  bis  zu  den  Knö- 
cheln verlängert,  während  fie  urfprimglich  nur  bis  zu 
den  Knien  gereicht  hatte.  Diefe  Kleidung  wurde 
Tunica  Talaris  genannt.  In  den  Katakomben-Bildern 
des  heil.  Petrus  und  Marcellinus  findet  M.  Wilpert  den 


Orans,  in  anderen  Bildern  den  guten  Hirten  in  diefer 
Tunica  Talaris'  dargeftcllt.  In  den  fpäteren  Denk- 
mälern der  Römerherrfchaft,  fowie  an  dem  Triumph- 
bogen des  Conflantin  bildet  fie  die  Bekleidung  des 
Kaifers  und  der  Togaten,  während  das  Volk  eine  kurze 
Tunica  trägt.  Durch  zahlreiche  ältere  Bilder  der  Kata- 
komben beweist  Wilpert,  dafs  die  Alba  urfprünglich 
eine  Tunica  Talaris  et  Manicata  gewefen  fei.  Dafs 
unfere  Hauptfigur  über  diefes  Gewand  auch  einen 
Gürtel  Uägt,  weist  auf  den  geifllichen  cingulus  hin. 

Man  braucht  aber  gar  keine  Alba  vorauszufetzen, 
wenn  wir  angefichts  unferer  Hauptfigur  an  den  heil. 
Benedi6lus  denken,  denn  diefer  bezeichnet  ausdrück- 
lich als  die  Gewandung  feiner  Ordensbrüder  in  dem 
55.  Capitel  feiner  Regel  die  Tunica:  „Sufficit  autem, 
Monacho  duas  tunicas  et  duas  cucullas  habere". 

Die  auf  den  Schultern  der  Hauptgeftalt  fichtbare 
paenula  oder  lacerna  kann  auch  die  fpätere  Form  der 
Stola  und  des  Scapuliers  bezeichnen.  Die  Entwicklung 
diefes  Scapulares  fchildert  uns  recht  anfchaulich 
M.  Wilpert  auf  Grund  der  altchrilllichen  Monumente. 
Die  Paenula  ((patvövYj?),  welche  bei  den  Römern  den 
Rücken  und  die  Schulter  zu  decken  hatte,  beftand  aus 
Leder  und  war  öfters  mit  einer  Cuculla  (Caputze)  ver- 
fehen,  wie  fie  auch  der  vielgereiste  Apoftel  Paulus  ge- 
tragen hat  (vgl.  feinen  Brief  an  Timotheus).  Aus  dem 
Ende  des  3.  und  dem  Anfange  des  4.  Jahrhunderts 
haben  wir  ein  Bild  in  der  CallilUis-Katakombe,  in  wel- 
chem fünf  Heilige  an  den  Schultern  die  aufgeftülpte 
Paenula  tragen.^  Rohault  de  Fleury  (La  Messe  VII, 
529)  hat  die  Paenula  diefer  Heiligenfiguren  für  die 
ältefte  Form  der  Stola  erklärt,  wie  fie  fich  auch  auf 
einem  Mofaikbilde  zu  Ravenna  findet. 

Verfolgen  wir  die  paenula-  oder  flolaartige  Be- 
kleidung noch  weiter,  fo  gelangen  wir  zum  Bene- 
diftiner-Scapulier.  Durch  Verfchmälerung  der  römi- 
fchen  Paenula  entfland  ein  Kleidungsftück,  welches 
nur  zur  Zierde  diente  und  Clavus  hieß,  wie  bei  de 
Rossi  (Roma  Sotterranea  I.  tav.  XIV.)  und  Garucci 
(Storia  II.  tav.  I.  3)  an  einigen  Geftalten  der  Lucina- 
Krypta  zu  fehen  ift.  Ja  nach  Meinung  des  M.  Wilpert 
entftand  es  durch  die  bloße  Verfchmälerung  des  Sca- 
puliers der  erften  Mönche,  der  Benedifliner.  Ueber- 
gangsformcn  der  Paenula  und  des  Scapulares  zeigen 
die  Miniaturbilder  eines  vaticanifchen  Codex  (Cod.  Vat. 
Lat.  1202,  P"ol.  157  r.)  aus  dem  11.  Jahrhundert.  Eine 
gänzlich  verftümmelte,  an  beiden  Seiten  gerade  abge- 
fchnittene  Paenula  zeigen  uns  die  Miniaturen  des  vati- 
canifchen Menologiums  (Cod.  Vat.  gr.  161 3)  und  des 
Climacus- Codex  (Cod.  Vat.  gr.  394).  Diefes  Scapularc 
der  alten  Paenula-Form  war  fo  kurz,  dafs  es  nur  bis  zu 
den  Hüften  reichte  und  als  folches  betrachte  ich  nun 
die  Kleidung  der  Hauptfigur  unferes  Reliefs.  Die 
gleiche  fcapulierförmigc  Paenula  führt  uns  Wilpert  in 
einer  gelungenen  Reprodu61:ion  vor,  deren  Original 
fich  unter  den  vaticanifchen  Reliefs  befindet  (Wilpert 
a.  a.  O.  Taf.  14),  und  auch  der  Bifchof  bei  der  feier- 
lichen Einkleidung  der  heil.  Priscilla  (Wilpert  ..Gott- 
geweihte Jungfrauen",  Taf  1)  ift  in  diefelbe  Paenula 
eekleidet. 


'   Wilpert,  ,Gew.  d.  Chriften".    1898.  Cuiri.   Abb.   5. 

•  r>c   Rossi    Rum.l  Sotlerrane.l  MI.    I.-iv.    I — II.    tl.irucci,    Storia    II.    tav 


XWIII.   N.  !•• 


-      so 


Wenn  wir  nun  diefes  aus  der  Paenula  cntftandene 
Scapulare  als  das  Kleidungsftück  anfehen,  das  die 
Hauptfigur  unferes  Reliefs  über  der  Tunica  Talaris 
trägt,  dann  ift  wohl  meine  Vennuthung  bekräftigt,  dafs 
wir  es  hier  mit  einer  fehr  alten  Darlleliung  des  Ordens- 
patriarchen Benediflus  zu  thun  haben. 

Die  Verfchiedenheit  in  der  Kleidung  der  beiden 
Nebenfiguren  glaube  ich  folgendermaßen  erklären  zu 
follcn.  Die  zur  Rechten  der  Hauptperfon  flehende  Ge- 
ftalt  träet  eine  lange  Tunica  Talaris  und  Manicata. 
Wenn  wir  dabei  bleiben,  dafs  dies  fchon  ein  diftingui- 
rendes  Gewand  war,  fo  würde  dies  auf  den  älteren 
Schüler  des  heil.  Benediftus,  auf  den  heil.  Maurus  hin- 
weifen, der  fchon  als  Mönch  eingekleidet  war. 

Die  Figur  zur  linken  Seite  der  Hauptperfon  trägt 
aber  eine  kürzere  Tunica  cinfla  und  eine  kleine  Paenula. 
Sie  hebt  den  rechten  Arm  über  den  Kopf,  wie  wenn 
fie  um  den  Segen  oder  die  Aufnahme  feitens  des  heil. 
Benedi6tus  bitten  würde.  Damit    würde    Itimmen,   dafs 


die  Hauptfigur  mit  einem  alt-chrilllichen  Geflus  die 
zwei  Finger  fegnend  über  das  in  ihrer  Rechten  ruhende 
Buch  legt,  als  wollte  fie  wie  in  anderen  alten  Darftel- 
lungen des  heil.  Benediftus  fagen:  „Ausculta,  o  fili! 
praecepta  magistri!" 

Diefe  zweite  Nebenfigur  wäre  fomit  der  zweite 
jüngere  Schüler  des  heil.  Benediftus,  der  heil.  Placidus. 

Die  erften  Apoftel  von  Ungarn,  die  laut  der  neue- 
ften  Forfchungen  ungarifcher  Linguiften  italienilche, 
genauer  gefagt,  römifche  Benediftiner  waren,  müßen 
entweder  diefes  alte  Relief  im  9.  oder  10.  Jahrhundert 
nach  Martinsberg  (Pannonhalma)  mitgebracht  haben, 
oder  aber  dasfelbe  nach  altchriftlichen  römifchen 
Muftern  gearbeitet  haben.' 

'  Um  lI.ts  mcrkwiirdiije  und  kunfthiftorifch  anfcheiiicnd  nicht  unwichtige 
Relief  bek.innt  zn  in.ichen,  h.iben  wir  gerne  den  .inregcndcn  Aiisfiihningcn  des 
Vcrf.T(rers  R.ium  gegeben,  wiewohl  die  Möglichkeit  einer  Herftellung  des  Reliefs 
im  II.  J:ihrhnndert  fchlankweg  abgewiefen,  eine  Uebertragung  aus  Italien  um 
diefelbe  Zelt  als  unwahrfcheinlich  bezeichnet  weiden  muß.  und  auch  die  ikono- 
graphifche  Deutung  kaum  ohne  Widerfpruch  bleiben   dürfte. 

Die   Redai^tion. 


Notizen. 


1.  Confervator  Profeffor  Joh.  Wist  in  Gras  be- 
richtet über  die  Verhandlungen  bezüglich  des  beab- 
fichtigten  Abbruches  der  St.  Nicolaus-Pfarrkirche  zu 
Sachfenfeld  (befchrieben  bei  Orozen,  Das  Bisthum  der 
Diöcefe  Lavant  III,  354)  und  empfiehlt  die  Erhaltung 
der  barocken  St.  LuciaCapelle,  der  Grabfteine,  des 
reichen  Portales,  des  Altarbildes,  der  harten  Kirchen- 
ftuhle  und  der  aus  der  Türkenzeit  ftammenden  Um- 
friedungsmauern, die  mit  ihren  zwei  Eckthürmen  mit 
Schießfeharten  und  anderen  Theilen  noch  in  den  heu- 
tigen Pfarrhof  (Caplanei)  eingebaut  find. 

2.  Confervator  Clemens  Cennak  in  Cdslau  be- 
richtet über  die  Refultate  einer  von  ihm  und  dem 
Secretär  des  dortigen  Mufeumvereines  vorgenomme- 
nen Aufgrabung  des  Bodens  der  Sacriftei  der  Peter- 
Pauls-Decanalkirche  zu  Cäslau.  Es  ift  dies  ein  ein- 
fchiffiger  romanifcher  Bau  mit  Apfis  und  Weftthurm, 
der  einftens  die  ältefte  Kirche  des  Ortes  gebildet  hatte, 
bis  er  in  gothifcher  Zeit  von  einem  gewaltigen  Neubau 
überflügelt  und  in  denfelben  als  Seitenraum  des  Chores 
einbezogen  wurde. 

Die  Ausgrabungen,  die  zwifchen  liem  5.  bis 
20.  Auguft  1901  durchgeführt  wurden,  begannen  in 
der  Apfis;  hier  ftieß  man  in  einer  Tiefe  von  55  M.  auf 
den  Unterbau  des  Altares. aus  Bruchfteinen,  die  mittels 
gelblichen  Mörtels  feft  verbunden  waren;  daneben  lag 
eine  Sandfteinplatte  von  070  M.  Länge,  0-35  M.  Breite, 
Ol 5  M.  Dicke  und  dazwifchen  unbedeutende  frag- 
mcntarifche  Kleinfunde.  Am  Anfang  des  Schiffes,  in 
das  man  nun  von  der  Apfis  aus  vordrang,  fand  man 
fofort  die  Stelle,  an  welcher  früher  der  gegenwärtig  an 
der  Wcftwand  der  Thurmhalle  verwahrte  Grabftein  in 
den  Ziegelpflafterboden  verfenkt  gewefen  war.  Diefer 
Grabftein  zeigt  die  Figur  eines  Ritters  en  face  mit  einer 
Beifchrift,  die  nach  Cermak  urfpriinglich  das  Wort 
M.STH1SLAVS  erkennen  ließ;  eine  feither  vorgenom- 
mene ungefchickte  Rcftaurirung  habe  den  Namen  leider 
voliftändig   entftellt.    Unweit    davon    fanden   fich    zwei 


männliche  Skelette,  die  der  Berichterftatter  auf  Bleh 
von  Chlum  und  deffen  Sohn  Mstislav  bezieht,  zwei 
Perfonen,  die  nachweislich  für  die  Gefchicke  der  Stadt 
Cäslau  in  der  Zeit  Pf  emysl  Otakars  II.  von  größter  Be- 
deutung gewefen  waren.  Links  davon  entdeckte  man  eine 
übelriechende  Maffe  von  Kohlen,  Knochen,  Afche  und 
Scherben  vom  Burgwalltypus,  die  vermuthungsweife 
als  Opferftätte  erklärt  wird,  feiner  einen  romanifchen 
Bronzeleuchter  von  7-1  Cm.  Höhe  mit  durchbrochener 
Dille  und  breitem  Fuße,  5-8  Cm.  Durchmcffer,  der  am 
Rande  mit  drei  emporftarrenden  Sporen  verfehen  ift. 
Endlich  fand  man  gegen  die  linke  Seitenwand  hin  noch 
einen  kleinen  Herd  aus  fechs  Ziegeln,  30  Cm.  breit  und 
mit  Holzkohle  und  Afche  gefüllt.  Im  Thurme  ftieß  man 
zunächft  auf  einen  Unterbau  aus  Ziegeln  und  eine 
Grube  daneben,  ferner  auf  zwei  Skelette  ohne  Haupt, 
für  deren  Beftiinmung  es  an  Anhaltspunkten  gebricht. 
Da  im  Jahre  1801  in  diefer  Sacriftei  zwei  in  der  Gegen- 
reformationszeit eingemauerte  (feither  längft  verfchol- 
lene)  Monftranzen  utraquiitifcher  Provenienz  entdeckt 
worden  waren,  gab  man  fich  eine  Zeit  lang  der  Er- 
wartung hin,  im  Boden  der  Sacriftei  die  Gebeine  Zizka's 
aufzufinden.  Wiewohl  die  Grabungen  nach  diefer  Seite 
nicht  den  gewünfchten  Erfolg  gebracht  haben,  wird 
man  ihr  Ergebnis  immerhin  als  ein  befriedigendes 
bezeichnen  dürfen. 

3.  Am  30.  I\Iai  1901  ftarb  der  langjährige  Corre- 
fpondent  der  k.  k.  Central-Commiffion,  der  emeritirte 
Gymnafial-Profeffor  W.  Schmidt  im  84.  Lebensjahre 
zu  Czernowitz,  einer  der  eifrigften  Gefchichtsforfcher 
der  Bukowina  und  bis  zu  feinem  Lebensende  unge- 
achtet zahlreicher  körperlicher  Gebrechen  noch  fehr 
thätig.  Confervator  Direflor  Ronißorfer  widmete  ihm 
einen  warmen  Nachruf 

4.  In  den  Mittheilungen  1901,  232  f  ift  der  Bericht 
des  Confervators  Bergrathes  Evinnuel  Ricdl  über  eine 
Urncnßätle  zu   Reiclienegg   bei  Cilli  abgedruckt;    die 


51      - 


Redaktion  trägt  hier  die  dort  aus  Verfehen  ausgefallene 
liluftration  nach: 


la— 


(<  O  f  (I 

CO       od. 


\\-,'.»;l"^"" 


~0   ■^■''('f,*W^-7!-iWEf^ 


°       „■       '" 


V. 

o 


TT. 

o 


Daran  fchließt  der  Einfender  einen  Bericht  über 
die  jwigfien  Funde  der  Gi'äbcrßätte  zu  Rciclienegg. 

Sehr  nett  gearbeitete,  bis  auf  die  Nadel  voll- 
kommen erhaltene  Bronzefibel  (Fig.  i),  volllländig  mit 
reiner,  glänzender,  lichtgriiner  Patina  bedeckt. 


Fig.  I.  fNat.  Gr.) 

Nebftdem  ein  Halsring  aus  Bronze  mit  3 1  Cm. 
Umfang,  lichtgrün  patinirt,  von  elliptifchemQuerfchnitte, 
welcher  zvvifchen  5  bis  7  und  8  bis    1 1    Mm.  fchwankt. 

Ferner  drei  Bronzeringe  mit  38  Mm.  im  Durch- 
meffer  und  3  bis  5  Mm.  im  Querfchnitte. 

Endlich  eine  Urne  (Fig.  2)  aus  Schwarzhafncrthon, 
vollftändig  erhalten;  Inhalt  Afche  und  Knochenrefte; 
beim  Rigolen  für  einen  Weingarten  gefunden  im  Grunde 
des  J.  Sazbec. 

5.  Correfpondcnt  Dr.  Andreas  Ainoroso  berich- 
tete am  31.  Juli  I90[,  dafs  bei  Grabungen  in  Nesazio 
auf  einer  Statuenbafis  eine  Iiifchiift  entdeckt  worden 
fei,  die  von  der  r(cs)  p(ublica)  Nes(acticnsiuin )  dem 
Kaifer  Gordian  (regierte  244  bis  248  n.  Chr. )  dedicirt 
worden  fei;  ilir  Abdruck  foll  in  diefen  Mittheilungen 
III.  Folge  Bd.  I  erfolgen. 


6.  (Die  r'dmifche  Wegaidage  der  Porta  Ercole.) 
Gelegentlich  einer  Fundamentlegung  in  der  näch- 
ften  Nähe  der  Porta  Ercole  wurden  Ueberrefte  ver- 
fchiedener  antiker  Bauanlagen  an  den  Tag  gebracht. 
Während  die  aufgedeckten  Grundmauern  antiker  Hoch- 
bauten nicht  derart  sind,  um  unfer  Intereffe  flärker 
feffeln  zu  können,  erhalten  wir  mit  der  an  drei  Stellen 
durchgeführten  Bloßlegung  einer  antiken  Weganlage, 
die  bereits  im  Stadtgebiete  des  römifchen  Pola  lag, 
einen  erwähnenswerten  Beitrag  für  die  alte  Topo- 
graphie diefer  Stadt.  Der  mit  der  Porta  Ercole  (i) 
beginnende  Straßenzug  wurde  bei  2  und  6  neuerdings 
getroffen  und  an  diefen  Stellen  feines  Verlaufes  unter- 
fucht.  Die  Straßenbreite  wurde  mit  3-80  M.  bemeffen, 
wovon  2-40  M.  auf  die  P'ahrftraße  und  die  refllichen 
1-40  M.  auf  das  linksseitige  (von  der  Porta  Ercole  aus 
gefehen)  Trottoir  entfallen.  Ein  rechtsseitiges  Trottoir 
dürfte  vorhanden  gewefen  fein;  feine  Steinfaffungen 
find  jedoch  vor  langer  Zeit  bereits  abgeräumt  worden. 
Es  ergibt  fich  demnach  für  diese  Straße  eine  Gcfammt- 
breite  von  4-20  M.,  ein  Mittelwerth  für  die  Breite  der 
Straßen  antiker  Städte.  Das  Querprofil  der  Fahrstraße 


.w 


(agger)  zeigt  eine  fchwache  Wölbung.  Die  Pflafterung 
ift  aus  polygonalen  Steinblöcken  hergeflellt.  Von 
Geleisrillen  ift  keine  Spur  vorhanden.  Uebrigens  dürfte 
der  Wagenverkehr  bei  dem  ftarken  Gefälle  der  Straße 
ein  fehr  befchränkter  gewefen  fein.  Das  Trottoir  ift  mit 
langen,  30  Cm.  breiten  Kantsteinen  eingefafst  und 
liegt  vom  Niveau  des  Agger  aus  gemeffen  30  Cm.  hoch. 
Die  Trottoirfiäche  zwifchen  den  zwei  Reiiieii  derKant- 
fleine  ift  aus  feftgeflampfter  Erde  hergeflellt.  Ob  auf 
diefer  noch  Sand  oder  ein  anderes  Material  als  Belag 
in  Verwendung  gekommen  war,  ließ  fich  nicht  mehr 
erkennen.  Die  Straße  begann  in  der  Porta  Ercole  und 
lag  dort  130  M.  über  dem  Niveau  der  Via  Carrara.  Die 
nächftc  Stelle  der  Straße  wurde  i-8o  M.  unter  dem 
Niveau  des  Gartens  angetroffen,  woraus  fich  ergibt,  dafs 
die  Straße  bei  22  M.  Länge  um  90  Cm.  gertiegen  ilt. 
Links  vom  Straßenzug  liegen  bei  3,  5  und  4  die  Rede 
römifcher  Bauobje6te.  Bei  dem  Mauerzug  3,  der  fich 
nur  bis  zur  Straßenhöhe  erhalten  hat,  fällt  die  große 
Sliu'ke  auf.  P'ür  die  Baudurchfiihrung  läfst  fich  geringe 
Sorgfalt  in  der  Arbeil  und  in  der  Auswahl  des  ver- 
wendeten Materials  erkennen.  Dasfelbe  gilt  auch  von 
den  beiden  parallel  zieJienden  Mauern,  die  auf  3  folgen. 


—     5: 


Es  läfst  fich  überhaupt  bemerken,  dafs  die  bisher  auf- 
gedeckten Refte,  foweit  fie  am  Nnrdabhange  des 
Caftellhügels  liegen,  auf  ärmliche  und  weniger  vor- 
nehme Bauwerke  hindeuten  als  die,  denen  man  auf  dem 
Südabhangc  begegnet,  der  zum  Forum  und  derHaupt- 
ftraße  des  alten  Pola  abfallt.  Das  mittelalterliche  Pola 
hatte  dann  den  Nordabhang  des  Caftellhügels  ganz 
verlaffen,  den  man  erft  in  allerjüngfter  Zeit  zu  verbauen 
beginnt.  Die  antiken  Wcrkftücke,  die  man  hier  findet, 
liegen  nicht  in  situ,  fondern  find  von  der  Höhe  des 
Hügels  herabgefchleppt  worden,  auf  dem  größere, 
öffentliche  Rauten  zu  vermuthen  find.  Schließlich  ift  zu 
erwähnen,  dafs  bei  5  bis  zu  dem  Mauereck  4  reichend 
in  der  Höhe  der  Straße  ein  Mortcleftrich  (opus 
Signi  num)  bei  der  Grabung  durchbrochen  wurde,  der 
die  Bodenfläche  eines  Hofraumes  bedeckt  zu  haben 
fcheint.  Auf  demfelben  lagen  ungcftörtc  Culturfchichten, 
die  aus  Holzkohlenafche,  verkohltem  Holz  und  Küchen- 
abfiillen  beftanden.  Zwifchcn  ihnen  kamen  Knochen  und 
Scherben  ordinärer  Thongcfäße  zum  Vorfchein. 

Pola,  Februar  1901.  A.  Gnirs. 

7.  Profeffor  Anton  Gniis  berichtete  unterm 
4.  Auguft  1901,  dafs  in  Pola  im  Hofe  des  Hotels 
„Central"  (.'\rfenalftraße)  vor  drei  Jahren  zwei  umfang- 
reiche antike  Mofaikböden  blosgelegt  wurden.  Diefem 
Funde  wurde  feinerzeit  keine  weitere  Beachtung 
gefchenkt.  Durch  einen  Zufall  wurde  derfelbe  dem 
Gefertigten  im  Juni  diefes  Jahres  bekannt.  Ein  Boden 
liegt  in  den  Stallungen  des  genannten  Hotels,  der  andere 
in  unmittelbarer  Nähe  im  Hofraum  diefes  Gebäudes.  Bei 
ihrer  Aufdeckung  waren  diefe  antiken  Fußböden,  wie 
dem  Gefertigten  erzählt  wurde,  in  ihrer  gefammten 
Ausdehnung  ziemlich  erhalten.  Durch  verfchiedene Erd- 
arbeiten ilt  dann  ein  bedeutender  Theil  diefer  reichen 
Mofaiken  einfach  befeitigt  worden  ;  der  Reft  hat  dann 
unter  den  Hufen  der  Pferde  und  durch  den  Wagenver- 
kehr ftark  gelitten,  fo  dafs  fich  an  eine  Erhaltung  und 
Confervirung  des  im  Hofraume  befindlichen  Bodens 
nicht  mehr  denken  läfst.  YÄwe  Bergung  des  in  den 
Stallungen  befindlichen  Mofaikfragmentes  ließe  fich 
durchführen.' 

Im  Juli  diefes  Jahres  hat  ferner  der  Gefertigte  in 
Erfahrung  gebracht,  dafs  im  Winter  1898/99  im  Garten 
der  Villa  Mallinarich  (zvvifchen  dem  Aufnahmsgebäude 
der  k.  k.  Staatsbahn  und  der  nach  Dignano  führenden 
Straße)  auf  einem  verhältnismäßig  kleinen  Raum 
16  römifche  Gräber  aufgedeckt  wurden,  die  nach  den 
gleichzeitig  gemachten  Münzfunden  aus  der  Zeit  der 
Kaifer  Hadrian  und  Antoninus  Pius  flammen.  Diefe 
Funde  zeigen  im  Zufammenhang  mit  den  zahlreichen 
aufgedeckten  Gräbern  aus  antiker  Zeit,  die  der  Um- 
gebung des  Amphitheaters  angehören  (cf.  Mit- 
theilung der  k.  k.  Central  Commiffion  1894,  pag.  217; 
1897,  pag.  I  ff,  Jahreshefte  des  archäologifchen 
Inftitutes  1900,  pag.  197),  dafs  die  Nekropole  des 
römifchen   Pola   von    der  Gegend  des  Amphitheaters 

*  Es  ift  im  höchften  Grade  zu  bedauern,  dafs  diefe  ausgedehnten 
Mofaikböden  zu  Pola  erft  faft  nach  ihrer  Zcrftbrvuig  zur  Kenntnis  der  Fach- 
männer gelangten,  d.  i.  im  Jahre  1898.  Die  gefundenen  liruchftücke  zeigen 
zwar  nur  fogenannte  weißbunle  Flächen,  gehören  aber  fichcr  einer  guten  Zeit 
und  Führung  an. 

Bezüghch  der  Aushebung  und  Erhaltung  der  im  Stalle  des  Hotels 
gefundenen  Mofaiks  empfiehlt  die  Central-Commiffion  eine  bcfonderc  Würdigung. 
Eine  genauere  Monographie  über  diefe  Kirche  wird  im  nachftcn  Hefte  er- 
fcheinen. 


weg  bis  gegen  Valle  S.  Pietro  fich  hinzog.  Die  bei  der 
Oeffiuing  der  vorerwähnten  Grabficllen  gemachten 
Kleinfunde  (Thonlämpchen,  Thränenfläfchchen,  Urnen, 
aus  Glas  und  Stein,  ein  Metallfpiegel,  Ringe,  Münzen, 
eiferne  Nägel)  find  im  Befitz  des  Herrn  Linienfchiffs- 
lieutenauts  von  Mallinarich.  Eine  genauere  Aufnahme 
des  Fundinventars   hat  der  Berichterftatter  gemacht. 

8.  Zahlreiche  vorgefchichtliche  und  römifche  Funde 
beweifen,  dafs  die  Gegend  von  Ueberetfch  in  der  älteftcn 
Zeit  bewohnt  war.  So  wurde  1825  in  der  Nähe  von 
Kaltem  ein  Sarkophag  ausgegraben  und  fpäter  der 
kleine  Schatzfund  von  „den  todten  Wegen",  der  gegen- 
wärtig im  Landesmufeum  in  Innsbruck  aufbewahrt  ift 
(Wappenbuch  der  Städte  und  Märkte  von  Tyrol, 
C.  Fifchnaller,  S.  95).  In  letzter  Zeit  wurden  nach  dem 
Berichte  des  Hofrathes  Profeffor  von  Wiefer  in  den 
Mittheilungen  der  Anthropologifchen  Gefellfchaft  in 
Wien,  XXX.  Band,  bei  St.  Pauls  in  Eppan  mehrere  mit 
Kalk  ausgefchüttete  Skeletgräber  aus  der  römifchen 
Kaiferzeit  aufgedeckt,  wobei  Fragmente  von  Falz-  und 
Hohlziegel,  ein  Armring  aus  Bronzedraht  u.  dgl.  zum 
Vorfchein  kamen.  In  der  Gemeinde  Eppan,  nahe  den 
Montiggler  Seen,  befinden  fich  auch  die  von  Dr.  Fr.  von 
Tappeiner  forgfaltig  unterfuchten  und  befchriebenen 
rhatifchen  Steinwälle:  am  Hohenbühel,  vom  Volke  „das 
alte  Nörggele  G'fchloss"  genannt  und  am  Jobenbühel, 
das  eine  Stunde  füdlich  vom  erfteren  entfernt  ifl  (diefe 
Mittheilungen  XXII).  Dies  Alles  fpricht  für  uralte  An- 
fiedelung  des  weinreichen  Mittelgebirges  von  Ueber- 
etfch. 

9.  „Ser  Paolo",  der  Luftigmacher  am  glanzvollen 
Hofe  des  Cardinais  Bernhard  von  Cles  in  Trient,  ifl 
noch  heute  eine  fehr  volksthümliche  Geftalt  unter 
der  liebenswürdigen  und  leichtlebigen  Bevölkerung  von 
Trient.  Dafs  fein  Andenken  fich  noch  immer  diefer 
Frifche  erfreut,  um  die  ihn  alle  Großen  am  ehemaligen 
Hofe  des  Cardinais  beneiden  müßen,  nachdem  doch 
feine  Späffe  und  Schwanke  längft  verflummt  find,  dies 
verdankt  er  wohl  einzig  und  allein  feiner  echt  popu- 
lären prächtigen  Figur  auf  dem  Gedenkfteine,  welchen 
ihm  der  Cardinal  mit  folgender  Infchrift  fetzen  ließ: 

Ouae  modo  festivo  sonuere  palacia  risu, 
Lugeiit  funestae  quid  refcrunt  lachrymae, 
Paulus  obit;  periere  sales,  periere  lepores. 
Cum  quo  prodierant,  deperiere  loci. 

Der  Stein  ifl  dem  Style  nach  ein  Werk  jenes 
maestro  Alessio  von  Como,  der  auch  die  Kaifer- 
medaillons  an  der  Loggia  des  Löwenhofes  des  Castello 
del  Buon  Consiglio  in  Trient  fchuf  Derfelbe  ftand 
wohl  ehemals  in  einer  Kirche  als  Grabmonument,  fei 
es  in  jener  von  S.  Marco,  die  fpäter  umgebaut  wurde, 
oder  in  der  Kirche  S.  Maria  Maddalena,  die  in  eine 
Kaferne  umgebaut  ifl,  oder  in  der  demolirten  Kirche 
S.  Maria  del  Carmine.  Jetzt  hat  er  mit  mehreren 
Wappenfleinen,  darunter  einem,  der  fich  auf  eine  Zoll- 
ftätte  bezieht,  eine  Zuflucht  in  dem  Hofe  des  foge 
nannten  alten  Municipiums,  einem  der  Stadt  gehörigen 
Gebäude,  gefunden,  in  welchem  dermalen  die  Handels- 
fchule  untergebracht  ifl.  Allein  das  prächtige  Steinbild 
gehört  auf  einen  öffentlichen  Platz,  mitten  hinein  unter 


-     53     - 


das  Volk,  deffen  Lieblingsfigur  Ser  Paolo  ift.  Ser  Paolo 
war  bei  heiteren  Lebzeiten  dem  Waflcr  nicht  hold,  und 
jetzt  bedroht  es  ihn  von  allen  Seiten.  Schon  der  ganze 
Hof  ilt  feucht  und  ebenfo  die  Mauer,  in  welche  das 
Denkmal  eingelaffen  ift;  dann  aber  bedrängt  ihn   auch 


Fig.  3.  fGedenkfleiii  de^  Sei'  I'aolo,  16.  Jahrhundert,  Trienti 

von  oben  das  Regenwaffer,  da  er  des  fchützenden  Ob- 
daches entbehrt.  Und  der  Stein  weist  fchon  bedeu- 
tende Schäden,  Spri^inge  und  Abbruche  auf,  wie  aus 
beiliegender  photographifcher  Aufnahme  zu  erfehen  ifl. 
Dr.  Hans  Schnwhcr,  k.  k.  Confervator. 

10.  Confervator  I'.  Friedrick  £«<// berichtete  itber 
die  Ausmalung  der  Kirche  in  Slrögcn  bei  Stift  Alten- 
burg und  iiber  die  Reinigung  ihrer  Altarbiklcr.  An  dun 
noch  n)m,inifircnden    Fciiftcrn    des   Thurmes'    wurden 

'  r.cilaufig  in  der  Milte  des  Tliurmes  zeigen  fich  an  den  iiacli  außen  ge- 
keliiten  Kamen  zwei  monftröfe  ronianifche  Köpfe,  an  der  zwifchen  ihnen  liegenden 
Flache  ein  Rehef bildwerk.  gegenwartig  arg  zerflbrt.  Die  Kirche  von  Strogen 
war  eine  der  landcsfiirftlichen  Kirchen,  welche  znr  Zeit  der  Chriftianifirung 
dicfer  Gegend  erbaut  worden  war.  Sic  exiftirte  ficher  fchon  11 44  und  dürfte, 
da  St.  Stephan  zu  Hörn  1046  von  dem  Grafen  Karl  zu  Hörn  erbaut,  rcfpebtive 
gediftet  oder  befliftel  worden  ifl,  wahrfcheinlich  fchon  damals  von  den  Baben- 
bergern  gcfchirnit  worden  fein.  Spater  erft  kam  fie  als  Vicariat  an  Altenblirg. 
Die  Form  der  alten  Kirche  dürfte  die  landLaiiügc  gcwefen  fein,  mit  geradem 
Abfchluß.  flacher  Uecke,  und  dem  Thurm  an  der  Seite. 

ff 


halbe  Jaloufien,  des  Luftdurchganges  wegen,  eingeletzt 
und  das  Walmdach  des  Thurmes  mit  neuen  Spitzen 
bekrönt.  Ein  Grabftein  mit  der  Infchrift: 

t  Anno .  DNI .  M .  CCC  |  XLIX .  JNDIE .  SCI .  REMIGIJO. 

DNS  ULRIC  I  VS.PLEBANVS  JN  |  STREGEN.HIC 

SP:PVLTVS  JN  FOSSA 

abgebildet  von  Dollmayr  im  Bande  „Berichte  des 
Wiener  Alterthumsvereines"  XXVI,  223  ff.,  lag  in  zwei 
Stücken  auf  der  Chorfliege.  Er  zeigt  einen  Dreiecks- 
fchild,  deffen  obere  Spitze  in  eine  Lilie  ausläuft.  Das 
Fragment  wurde  abseits  an  der  Thurmmauer  auf- 
geffellt. 

Eine  fchöne  Freske  aus  der  Troger'fchen  Schule 
an  der  Außenfeite  (Südfeite)  des  Presbyteriums  (wo 
einft  zwifchen  den  Strebepfeilern  gedeckte  capellen- 
artige  Räume  für  Widmungen  von  Wohlthätern  mit  ver- 
fchiedenartigen  Malereien  angebracht  waren):  die  Aul- 
eiftehung  Chrifti  mit  fchöner  Landfchaft  gegen  Jeru- 
falem  hin,  in  der  die  erften  Befucher  des  Grabes  \'on 
ferne  fichtbar  werden,  war  unten  fcliadhaft;  nur  die 
fchadhafteii  oder  abgebrochenen  Theile  wurden  mit 
feinem  Mörtel  ergänzt  (Berichte  des  Wiener  Alter- 
thumsvereines XXVI,  218). 

P.  Friedrich  Endl,  k.  k.  Confervator. 

11.  Der  Confervator  Dire6lor  Sterz  in  Ziiaim 
berichtet,  i.  dafs  er  ein  über  dem  Einfahrtsthore  des 
Haufes,  Znaim,  Alleegaffe  5,  aufgehängtes  Oelgemälde 
des  ij.  Jahrhunderts,  Maria  mit  dem  Jefukinde  dar- 
fteilend, gereinigt  habe;  2.  dafs  er  ein  Fresco  unter 
einem  P'enfter  des  erften  Stockwerkes  im  Haufe  Unterer 
Platz  8,  mit  einer  Darfteilung  der  Mutter  Gottes  von 
zwei  Engeln  gekrönt,  nicht  vor  einer  Uebertünchung 
habe  fchützen  können;  3.  dafs  ein  Fresco  aus  dem 
18.  Jahrhundert  am  erften  Stockwerke  des  Haufes 
Schmidgaffe  6,  die  Madonna  mit  dem  Kinde  zeigend, 
das  mit  der  Rechten  das  Kreuz  gegen  einen  Drachen 
ftößt,  fachverftändig  gereinigt  worden  fei. 

12.  Herr  Major  Martin  PrandßetterTeiiiu-r,  dcv 
vor  mehr  als  20  Jahren  das  vom  Grafen  Otto  Gottfried 
Kolonitfch  1642  erbaute  Palais  in  Graz,  Schmiedgaffe 
Nr.  25  (neu  21)  angekauft  und  mit  namhaften  der 
Sicherung  des  in  künftlerifcher  Beziehung  bcachteiis- 
wcrthen  Baues  gewidmeten  Koften  reftaurirt  hatte,  hat 
fich  an  die  Central-Commiffion  mit  dem  Erfuchen  ge- 
wendet, einen  Recurs  zu  unterftützen,  den  er  an  das 
Miniftcrium  des  Innern  gegen  eine  Entfcheidung  des 
Grazer  Stadtrathes  gerichtet  hatte.  Es  ift  nämlich  vom 
Grazer  Stadtrathe  bcfchloffen  worden,  zur  Regulirung 
der  Straße  vor  einem  bald  zu  erbauenden  Amtshaufe 
einen  4  M  breiten  Streifen  jenes  Gebäudes,  noch  dazu 
feiner  Fatjade,  zu  verwenden.  Da  auch  der  Confervator 
Monsignore  Graus  den  monumentalen  Charakter  des 
bedrohten  Baues  betonte  und  eifrig  der  Schonung 
empfahl,  hat  die  Central-Commiffion  an  das  Miniftcrium 
die  Bitte  gerichtet:  falls  fich  eine  gefetzliche  Handhabe 
dazu  bieten  follte,  möge  die  Entfcheidung  des  Grazer 
Stadtrathes  abgeändert  werden,  und  wenn  dies  nicht 
anginge,  möge  durch  die  k.  k.  Statthalterei  auf  ihn 
Einfluß  genommen  werden,  damit  er  freiwillig  von 
feinem  Vorhaben  Abftanil  neiime. 


-      54     - 


13-  Nach  einer  Mittlieilung  des  Herrn  Kail  Kalb- 
w^rt/ifr,  Pfarrer  in  Säufcnftein,  hat  fich  der  neue  Eigen- 
thümer  der  Herrfchaft  Säufcnftein,  Herr  Kirfch,  bereit 
erklärt,  die  dortige  Lorctto-CapcUe  auf  eigene  Koften 
zu  rellauriren.  Die  Ccntral-Commiffion  liat  durch  ihr 
Mitglied,  Herrn  Baurath  Rosner,  über  den  Zuftand  des 
Gebäudes  Erkundigungen  eingezogen  untl  RatlifchHige 
für  deren  VViederherftelluiig  ertheilt. 

14.  An  die  eliemalige  Sclmtzengel-Kirclic  in 
Goldenkron,  welche  neben  der  großen  Stiftskirche  liegt 
und  welche  nach  der  Verwüllung  der  letzteren  durch 
die. Huffiten  im  Jahre  1420  bis  in  die  Mitte  des  17.  Jahr- 
hunderts als  Kloftcrkirche  benützt  wurde,  ift  ein  Ge- 
wölbe angebaut,  das  derzeit  zur  Aufbewahrung  von 
Afche  dient,  hi  deffeii  Hintergrund  war  ein  bis  zur 
Hälfte  der  Säulencapitäle  biosgelegtes  Portal  zu  fehen. 
Nach  der  Anficht  des  Correfpondenten  Dr.  Alfred 
Schnerich  und  des  Unterzeichneten,  welche  am  28.  Mai 
1.  J.  diefes  Portal  gemeinfchaftlich  bcfichtigten,  wurde 
es  im  früh-gothifchen  St}-le  aufgeführt  und  ift  daher 
älter  als  die  große  im  14.  Jahrhunderte  erbaute  Stifts- 
kirche. 

Da  das  den  obcrften  Tlieil  diefes  Portales  be- 
deckende Mauerwerk  nur  aus  einem  auf  Binfengeflecht 
aufgetragenen  Mörtel  beftand,  fo  wurde  Herr  Fabri- 
kant Schullerbauer  erfucht,  die  weitere  Abdeckung  zu 
verfuchen.  Am  31.  Mai  erfuhr  der  Einfender  von  Herrn 
Schullerbauer,  dafs  fic  gelungen  fei,  und  an  denfelben 
Nachmittag  begab  er  fich  mit  dem  Photographen 
Wolf  nach  Goldenkron,  um  es  bei  Magnefiumlicht 
photographifch  aufzunehmen. 

Die  BogenfüUung  ift  mit  fehr  fein  ausgeführten 
Sandftcinfculpturen  (Laubwerk)  geziert.  Den  Bogen 
fclbft  tragen  zwei  liockende  Geftalten  auf  ihrem 
Rücken.  Die  aus  grauem  Sandftein  beftehenden  Capi- 
täle  der  beiden  Säulen  find  mit  Eichenblättern  ge- 
fchmückt.  Die  Gefammthöhe  des  derzeit  bloßgelegten 
Theiles  beträgt  272  M.,  die  Breite  einfchließlich  der 
derzeit  fichtbaren  Steinverkleidung  1-31.  M. 

Es  ift  dies  der  ältefte  Baubeftandtheil  Goldeii- 
krons,  gewifs  im  letzten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts 
im  früh-gothifchen  St}'le  aufgeführt.  Die  Schutzengel- 
Kirche  fclieint  alfo  auch  die  erfte  Klofterkirche  des  im 
Jahre  1263  gegründeten  Ciftercienferftiftes  Goldenkron 
gewefen  zu  fein.'  Anton  Mörath,  Correfpondent. 

1  5.  Die  k  k.  Central  Commiffion  erhielt  Nachricht, 
dafs  der  in  der  ehemaligen  Pauliner-Kirche  befindliche 
Grabftein  der  Familie  Neudegg  in  die  Pfarrkirche  zu 
Nieder-Ranna  (Nieder-Oefterreich)  überführt  und  an 
der  äußeren  Kirchenmauer  aufgeftellt  worden  ift.  Die 
beiden  nahe  dem  Calvarienberge  befindlichen  Steine 
und  Bruchftückc  wurden  leider  bisher  nicht  aufgeftellt. 

16.  Confervator  Direftor  Adolf  Sterz  in  Znaim 
berichtet  über  die  durchgeführte  Reftaurirung  des 
Stadtlhurmes  in  Znaim  und  einige  bei  diefer  Gelegen- 
heit gemachte  Entdeckungen  und  Funde.  Am  Aeußcrn 
wurde  der  alte  Verputz  entfernt,  der  bereits  im  beftän- 
digen  Abblättern  begriffen  war  und  dadurch  die 
Dächer  der  Nachbarfchaft  und   die   Vorübergehenden 

'  Zwei  Photographien,  die  Herr  nirciflor  Mor.ith  von  diefcin  Port.iIe  hat 
anfertigen  laffen.  find  dem   Arcliiv  der  Central-Commin'ion    einverleibt    worden. 

Die  Red. 


gefährdete  und  an  feine  Stelle  eine  neue  Vermörtelung 
angebracht;  ferner  die  unzweckmäßige  Steintreppe 
durch  eine  eiferne  Wendeltreppe  erfetzt.  Beim  Ab- 
iöfen des  allen  Verputzes  wurtle  im  Erdgefchoß  an  der 
Nordweftwand  des  viereckigen  Thurmes  ein  einfaches 
gothifches  Fenfter  entdeckt,  das  in  einen  bisher  unbe- 
kannt gewefenen  kellerartigen  Raum  Einblick  ge- 
währte, ohne  dafs  aber  ein  äußerer  Zugang  zu  dem- 
felben  von  den  Seiten  her  möglich  erfchienen  wäre.  Da 
nun  ein  Raum  des  erften  Stockwerkes  im  Thurme  als 
Depofitenkammer  für  das  unmittelbar  daneben  ange- 
baute und  damit  communicirende  k.  k.  Kreisgerichts- 
gebäude dient,  fo  wurde  in  diefer  Kammer  der  Fuß- 
boden aufgedeckt  und  darunter  eine  viereckige  von 
Steinen  eingefafste  Oeffnung  bloßgelegt,  die  einftmals 
den  Einlafs  zu  dem  erwähnten  neuentdeckten  Thurm- 
verließe  gebildet  hatte.  Man  konnte  nun  diefes  felbft 
betreten  und  fand  es  von  Cjuadratifcher  Form  mit 
270  M.  Länge  und  5-30  M.  Höhe,  wovon  2-05  M.  unter 
dem  Straßenniveau  liegen.  Der  Boden  ift  geebneter 
Felsgrund,  die  Decke  ein  Tonnengewölbe.  Auf  dem 
Boden  fanden  fich  einige  Gefäße  aus  Thon  und  Glas, 
Topffcherben  mit  Bleiglafur  und  Kleeblattranken,  zwei 
durch  Oxydiruiig  unkenntlich  gewordene  pfennigartige 
Münzen,  endlich  Fragmente  aus  Metall  und  Leder  und 
einige  Knochen.  Von  den  Gefaßformen  und  einer  beffer 
erhaltenen  Topffcherbe  hat  Confervator  Sterz  feinem 
Berichte  Skizzen  beigefügt,  auf  Grund  welcher  man  die 
Entftehung  diefer  Gegenftände  in  das  16.  und  17.  Jahr- 
hundert zu  verfetzen  hätte. 

17.  Confervator  Alois  Czerny  in  Mährifch-Trübau 
berichtet,  dafs  fich  dafelbft  ein  ,,Kircheii-Renovirungs- 
verein"  gebildet  hat,  um  die  Mittel  für  die  nothwendig 
gewordene  Reftaurirung  der  Supper'fchen  Fresken  aus 
dem  18.  Jahrhunderte  in  der  dortigen  Pfarrkirche  auf- 
zubringen; ferner  befteht  die  Abficht,  dem  Glocken- 
thurme  an  Stelle  des  feit  dem  Brande  von  1844  be- 
ftehenden Nothdaches  ein  anderes  unter  Erneuerung 
der  hiftorifch  fichergeftellten  urfprünglichen  Form  zu 
verleihen. 

Derfelbe  Confervator  berichtet  ferner  über  ein  aus 
Sandftein  roh  ausgehauenes  Kreuz,  das  in  der  Gemeinde 
Aiijezd  bei  Miiglitz  am  Ufer  eines  der  dortigen  Dorf- 
teiche fteht.  Es  mifst  ri2  M.  in  der  Höhe,  0-40  M.  in 
der  Breite  am  unteren  Ende  und  03  2  M.  in  der  Tiefe. 
Der  Schaft  verjüngt  fich  etwas  von  unten  nach  oben; 
die  drei  kurzen  oberen  Arme  find  kleeblattförmig  ge- 
fchloßen  und  ftark  befchädigt,  der  rechtsfeitige  Arm 
faft  \ollftändig  abgebrochen.  Unter  der  Kreuzungsftelle 
der  Arme  findet  fich  die  Jahreszahl  1533  in  echten 
alten  Ziffern  eingemeißelt,  was  für  die  Datirung  ähn- 
licher Denkmäler  (vgl.  Mittheilungen  1901,  S.  98  ff.  mit 
Tafel)  von  Bedeutung  ift. 

18.  Mitglied  Baurath  Rosner  berichtet,  dafs  durch 
Zurückrückung  der  P'ront  des  Haufes  Nr.  14  in  der 
Schulerftraße  die  Anfchlußmauer  des  Haufes  Nr.  12 
theilweife  freigelegt  wurde  und  dadurch  ein  vermauerter 
ftumpfcr  Spitzbogen  fichtbar  geworden  ift.  Da  die 
Iläufer  Nr.  10,  12  und  14  der  Schulerftraße  nach  dem 
SuffingerTchen  Plane  der  Stadt  Wien  vom  Jahre  1684 
Eigenthum  der  Juriftenfchule  gewefen  find,  befteht  die 
Vermuthung,  dafs  der  erwähnte  Spitzbogen  den  Quer- 
fchnitt  der  im  Jahre  1397  gegründeten  St.  Ivo  Capelle 


55 


darftellen  könnte,  wobei  jedoch  nach  Profeffor  11'.  Neii- 
niann's  Mittheilungen  zu  berückfichtigen  bleibt,  dafs  im 
fclben  Gebäude  noch  eine  zweite,  allerdings 
für  den  Gottesdienft  nicht  benützte  Capellc 
exiftirt  hat.  In  dem  Gemäuer,  womit  der  Spitz- 
bogen ausgefiillt  wurde,  fand  fich  eine  Infchrift- 
fläche  mit  dem  Vermerk:  RENOVIERT 
MDCXXXXIII. 

19.  Conferv-ator  Abt  Stephan  Rö/llcr  in 
Zzvettl  berichtet,  dafs  in  der  Stadt  Zwcttl  ein 
ftädtifches  Mufeum  im  Entliehen  begriffen  fei, 
zu  welchem  die  Stadtgemeinde  die  erforder- 
lichen Räumlichkeiten  beigeftellt  und  auch  die 
nöthigcn  Geldmittel  für  die  Rellreitung  der 
nächften  Bedürfniffe  bewilligt  hat. 

20.  Beim  Umbaue  eines  Haufes  zu  Efer- 
ding,  in  deffen  Umgebung  vor  mehreren  Jahren 
römifche  Anticaglien  gefunden  worden  find, 
wurde  eine  eiferne,  fehrverroftete  Lanzenfpitze 
etwa  I  M.  unter  dem  Erdboden  entdecl<t;  nach 
Much's  Typentafel  darf  ich  fie  wohl  als  römi- 
fchen  Urfprungs  beftimmen.  —  In  einem  eine 
Stunde  von  hier  entfernten  Walde  wurde  fehr 
nahe  der  Stelle,  wo  1894  ein  bronzenes 
Lappenbeil  gefunden  worden  war,  ein  römi- 
fches  Pilum,  etwas  verbotjen,  wenig  verroftet, 
ausgegraben.  Es  ift  43'S  Cm.  lang,  rundlich, 
unten  zugefpitzt,  oben  in  eine  fafl  8  Cm.  lange 
Spitze  endigend,  die  Q  ein  abgekantetes 
Quadrat  im  Durchfchnitt   zeigt;   fiehe   E'ig.   4. 

Correfpondent  Ehrendomherr  Grienberger. 

21.  Coniervator  Mufeums-Direftor  Jofeph 
Skorpil  in  Pil/eti  berichtet: 

I.  über  den  Fortgang  der  Reftaurirungs- 
arbeiten  an  der  gothifchen  Dechantei-Kirchc 
in  Klattan.  Die  Außenwände  find  nun  nach 
Entfernung  aller  Anbauten  freigelegt,  der  Ver- 
putz am  ^Veußern  und  Innern  mit  Ausnahme 
der  Fresco-Malereien  befeitigt,  das  Rippcii- 
werk  und  die  Gewölbek'appen  ausgebeffert  und 
nach  Bedarf  erneuert.  Am  Haupteingange 
wurde  das  alte  gothifche  Portal  wieder  bloß- 
gelegt, und  das  Spät-RenailTance-Portal,  das 
davorgeftanden  war,  an  den  Durchgang  der 
zwifchen  der  Kirche  und  ihrem  ifolirt  daneben 
flehenden  Thurme  verfetzt.  Die  Fresco- 
Malereien  im  Innern  wurden  nach  Möglichkeit 
unberührt  gelaffen  ;  wo  aber  die  damit  ver- 
zierten Gewölbekappen  durch  neue  erfetzt  wer- 
den mußten,  wurden  die  bezüglichen  Malereien 
an  Ort  und  Stelle  genau  abpaufirt,  um  die 
neuen  Kappen  mit  getreuen  Copicn  der  alten 
Malereien  bedecken  zu  können.  Hicbci  bleibt 
nur  zu  bedauern,  dafs  die  alten  Malereien,  die 
auf  folche  Weife  von  ihrem  Platze  entfernt  wer- 
den mußten,  nicht  forgfältig  abgelöst  und  im 
Original  erhalten  wurden.  Augenblicklich  ill  im 

l''ig.  4.       E'ortgange    der    Arbeiten    infolge   Verfiegens 
der  Geldmittel  eine  Stockung  eingetreten. 
2.    Ueber   die   Reftaurirung    der    Fresken    in    der 

St.  Barbara  Capellc  des  Franciscaner  Kloftcrs  zu  Pilfcit, 


die  im  Laufe  des  Sommers  1900  der  Maler  J.  Mikfch 
bis  auf  die  Gewölbepartien  durchgeführt  hat.  Diefer 
befchränkte  fich  wefentlich  bloß  auf  die  Wieder- 
belebung der  mehr  oder  minder  erlofchenen  Farben, 
entweder  durch  Befpritzung  mit  Kalkwaffer  oder  unter 
Anwendung  von  Käsleim,  nur  wo  einzelne  Partien  in- 
folge Befchädigung  abgefallen  waren,  hat  Herr  Mikfch 
das  Nöthigfle  ergänzt,  foweit  es  fich  aus  dem  Vor- 
handenen mit  Sicherheit  erfchließen  ließ.  Da  aber  die 
alfo  reftaurirtcii  Wandfresken  bloß  den  halben  Schmuck 
der  Capelle  darfteilen,  und  die  andere  Hälfte,  die  im 
Originale  vollftändig  x^erloren  ift,  nach  freier  Wahl 
ergänzt  werden  muß,  fchlägt  der  Berichterllatter  vor, 
um  des  erwünfchten  einheitlichen   Eindrucks  willen   in 


S.«»lfija,^.; 


Fig    5.  iKreiu  ans  Sclimicdeeifen,  18.  Jahrhundert,  Ziflersdorf 
[flehe  Mittheilungen  XXVII,  235].; 


der  zweiten  Hälfte  die  Gemälde  der  erftcn  einfach  zu 
wiederholen,  jedoch  in  verkehrter  Anordnung,  womit 
die  Monotonie  unmittelbar  evidenter  Wiederholung 
vermieden  würde. 

3  Ueber  den  barocken  Hauptaltar  in  der  Francis- 
caner-Klofterkirche  zu  Piljcii,  die  der  dortige  Convent 
durch  einen  modernen  im  gothifchen  Style  zu  erfetzen 
im  Begriffe  fteht.  Da  diefer  Befchluß  kaimi  mehr  rück- 
gimgig  gemacht  worden  kann,  hat  der  Berichtcrfiatter 


56 


vvenigftens   die   nöthigen   Schritte  eingeleitet,  um  den 
barocken  Altar  vor  Vernichtung  zu  bewahren. 

4.  Ueber  die  Rell:auriruiig  der  Marien  Dechantei- 
kirche  zu  Prcstic  bei  I'iifen,  eines  impofanten  fpiit- 
barocken  Bauwerkes,  das  nach  Dr.  Hugo  Schmölbcr 
(Beiträge  zur  Gcfchichte  der  Dinzenhofer)  über  Auftrag 
des  Kladraucr  Abtes  Lieber  von  Kilian  Dinzenhofer 
entworfen  und  zwifclien  1650  bis  1665  durch  Anfehii 
Lurago  und  Anton  Hafenecker  aufgeführt  wurde.  Die 
Innenausftattung  war  nur  im  l'resbytcrium  voUftändig 
zur  Ausführung  gelangt,  und  chi  der  Dachftuhl  der 
Kirciie  im  Jahre  1892  durch  Hlit/.llrahl  eingeäfchert 
wurde,  was  natürlich  auch  für  das  Innere  manclien 
Schaden  im  Gefolge  iiatte,  war  man  vor  die  Noth 
wendigkeit  gcftellt,  nicht  allein  das  Dach  zu  erneuern, 
fondern  auch  das  Innere  zu  reftauriren  und  auszuftatten. 
Ein  locales  Baucomite  hat  die  Sache  in  die  Hand  ge- 
nommen und  den  Architekten  Obmann  mit  der  Auf- 
gabe betraut,  der  fie  auch  hinfichtlich  des  Presby- 
teriums  bereits  in  befriedigender  Weife  gelöst  hat. 
Nach  Befchaffung  der  erforderlichen  Geldmittel  wird 
auch  das  Uebrige  der  Vollendung  zugeführt  werden. 

5.  Ueber  die  Abheilten  der  Stadtgemeinde  Pilfen, 
die  Reflaurirung  folgender,  in  den  Kreis  ihrer  Wirkfam- 
keit  fallender  Bauten  vorzunehmen: 

der  fehr  baufälligen  fogenannten  Sternberg'fcJien 
Capelle  gothifchen  Styls,  an  der  Südfeite  des  Presby- 
teriums  der  Erzdecanalkirche  zu  Pilfen; 

der  St.  Nicolai-Kirche  auf  dem  gleichnamigen 
Friedhofe; 

der  St.  Georgs-Kirchc  bei  der  Gemeinde  Doli- 
bravka,  eines  gothifchen  Bauwerkes  mit  romanifcher 
Apfis,  das  die  Mutterkirche  der  Pilfener  Erzdecanal- 
kirche bildet. 

6.  Ueber  die  bevorftehendc  Rcflaurirung  der 
barocken  Capelle  auf  dem  Dorfplatze  von  Nymc. 

22.  Vor  kurzem  fand  der  Photograph  Franz 
Dhvsky  in  Wels  in  feinem  Garten  das  Fragment  eines 
gothifchen  Grabfleines  von  rothem  Marmor  nebft 
mehreren  trümmcrhaften  Stücken  eines  anderen. 

Das  erfkere  ift  122  M.  hoch,  085  M.  breit  und 
OII  M.  ftark  und  zeigt  in  der  oberen  Hälfte  die  Dar- 
fteilung der  St.  Anna  Selbdritt  in  flachem  Relief.  Die 
Figuren  fitzen  auf  einem  nifchealmlichcn  Geftühle,  über 
deffen  Rücklehne  die  Hände  von  vier  im  übrigen  weg- 
gebrochenen Figuren  (darunter  einer  bärtigen)  erficht- 
lich  find.  Unterhalb  fleht  folgende  fchön  ausgeführte 
Minuskelinfchrift  in  feclis  Zeilen: 

Hie  ligt  begrabn  die  Edl  fraw  sabina  | 
ein  geborni  vberackherin  untl  hern  | 
Criflofn  jorgers  zu  reuilt  und  neith  [ 
arting  ritter  glasne  witib  ift  geftorbe  ] 
des  fambstag  nach  gallus  tag  als  | 
man  zeit  1523  jar. 

Zu  unterft  befinden  fich  in  beiden  Ecken  zwei  ge- 
fchwcifte     VVappenfchilde     und     zwar:    im    heraldifch 


rechten  im  erften  und  vierten  Felde  ein  Schrägbalken, 
im  zweiten  und  dritten  die  Pflugfeharen  der  Jörger;  im 
linken  Schilde  erkennt  man  im  erflen  und  vierten  P'elde 
zwei  \-oneinaiider  gekehrte  halbe  Räder,  im  zweiten 
und  dritten  ein  erhöhtes  Ort  der  Familie  Ueberracker. 
Chrilloph  Jörger  zu  Reuth  ( Roith)  und  Neid- 
harting,  Sabina's  Gemahl,  ftarb  151S  und  ifl:  in  der 
Kirche  zu  St.  Georgen  bei  Tollet  begraben,  wo  diefc 
l~amilie  ihre  Erbgruft  hatte,  und  auch  das  Grabmal  des 


*- 


j     1 


\1 


\ 


urau\liu  iiu-cbl  f^.tai  latuual 
ia\i"  •:)bn.iitbf.-iiumiVbfvu  I 

"  mi  viitn  iiliitw  ^iiftili  iit  firriciibt  ~ 
[aiulJiluiiT  waüi  n.t.ViliuX  tön  ■"'^^: ' 


>>#!«• 


Fig.  6,  iGrabflein  aus  Marmor,  16.  Jalirlunulert,  eifle  llälfle,   Wels  ) 

Genannten  aus  rothem  Marmor  mit  auf  einem    Löwen 
Gehender  Ritterfigur  erhalten  ift. 

Der  Grabflcin  der  Sabina  Jörger  befand  fich 
früher  bei  der  Stadtpfarrkirche  in  Wels,  deren  Grab- 
monumente jetzt  größtentheils  verftreut,  hie  und  da 
wieder  durch  Zufall  zum  Vorfchein  kommen. 

Die  weiter  gefundenen  Trümmer  eines  pracht- 
\-ollen  gothifchen  Grabfteines  laffen  unter  anderem  das 
\icrfeldige  Wappen  der  Hohenfelder  erkennen. 

Correfpondent  J.  Merz,  Wels. 

23.  (Nacliträge ) 

Zu  Seite  22:  Herr  A.  Sitte  erfucht  uns  mit- 
zutheilen,  dafs  die  Angabe  im  Inhalts-Ver/eichniffc 
XXVII  1902,  S.  IV:  „Älphons  Sitte,  k.  k.  Official" 
richtig  zu  lauten  habe:  „Alfred  Sitte,   k.  k.   Affifient". 

Zu  Seite  34:  Confervator  H.  Richly  theilt  mit,  dafs 
das  Vorhaben,  an  der  Fundflelle  des  von  ihm  befchrie- 
benen  Palftabes  Grabungen  anzuflellen,  am  17.  y\uguft 
v.  J.  zur  Ausfuhnuig  gelangt  ift,  ohne  jedoch  die 
erhofften  Refultate  zu  ergeben. 


-C**Ci5C*=<Jt<;i^ 


—     57 


Die  Bafilica  St.  Maria  Formosa  oder  del  Canneto  in  Pola. 


Vom  k.  k.  Confervator  Profeffor  Anton  Gnirs. 
(Hiezu  Taf.  II  und  Taf.  III.) 


flE  Errichtung  eines  Bifchoffitzes  in  Pola  ('524'), 
fowie  die  bald  darauf  (539)  durchgeführte  Be- 
fetzung  des  ager  Polensis  durch  die  Oftrömer 
und  die  Vereinigung  Iftriens  mit  dem  Reiche  Juftinians 
bedeuteten  für  diefe  Stadt  eine  neue  Zeit  innerer  Ent- 
wicklung. Ueberhaupt  war  die  Bedeutung  Polas  als 
Stadt  und  Hafenplatz  gewachfen,  feitdem  das  politifche 
Schwergewicht  Italiens  von  der  Weftküfte  an  die  Oft- 
küfte  der  Halbinfel  getragen  worden  war,  Kaifer 
Honorius  (404)  Ravenna  zur  neuen  Hauptftadt  des 
Reiches  beftimmt  hatte.  Unter  allen  wichtigeren 
Punkten  der  gegenüberliegenden  iftrianifch-dalmatini- 
fchen  KülVe  lag  ihr  Pola  am  nächften. 

So  Icam  es,  dafs  bald  lebhafte  und  innige  Be- 
ziehungen zwifchen  Ravenna  und  der  bedeutendflen 
Stadt  Iftriens  angekni.ipft  wurden,  die  nicht  ohne  Rück- 
wirkung auf  ihre  äußere  und  innere  Geftaltung  bleiben 
konnten.  Mit  der  Begründung  des  griechifchen  Ex- 
archats,  das  ebenfalls  in  Ravenna  feinen  Mittelpunkt  in 
politifcher  wie  in  kirchlicher  Richtung  fand,  haben  fich 
diefe  Verhältniffe  wohl  kaum  geändert;  wir  fehen,  dafs 
Pola  im  6.  Jahrhundert  und  unmittelbar  darauf  in  kirch- 
licher Beziehung  und  in  feinem  Kunftleben  engeren 
Anfchluß  an  Ravenna  zu  gewinnen  wufste. 

Zu  jener  Zeit  erftehen  in  Pola  in  rafcher  Auf- 
einanderfolge bedeutende  kirchliche  Bauten,  wobei  es 
an  Anregung  wie  an  Uiiterftützung  von  Ravenna  aus 
nicht  gefehlt  zu  haben  fcheint.  Von  jenen  Bauwerken 
wäre  vor  allem  die  auf  den  Trümmern  des  antiken 
Minerva-Tempels'  erftandene  Bafilica  St.  MariaFormosa 
oder  del  Canneto*  zu  nennen,  in  deren  Nähe  fich  bald 
ein  Benedi6liner-Klofter  erhob;  der  Reichthum  des 
Kloflers  an  Grundbefitz  war  nicht  unbedeutend  und 
die  locale  Tradition  weiß  noch  viel  von  demfelben  zu 
erzählen.  Die  Blütezeit  diefer  Benedi6liner-Abtei  währte 
bis  ins  14.  Jahrhundert. 

Auf  der  größten  der  im  Hafen  von  Pola  liegenden 
Infein,  dem  scoglio  grande  oder  S.  Andrea,  wurde  in  der 
zweiten  Hälfte  des  6.  Jahrhunderts  ein  Klofter  gegründet 
und  in  Verbindung  mit  demfelben  eine  Kirche  erbaut, 
deren  letzte  Spuren  nicht  gänzlich  verwifcht  find,  wie- 
wohl in  der  venetianifchen  Aera  und  in  den  Tagen  der 
franzöfifchen  Herrfchaft  wie  in  der  jüngflen  Zeit  bei  der 
Aufführung  von  fortificatorifchen  Bauten  hier  große 
Veränderungen  vor  fich  gegangen  find."' Verfchwunden 
ifl:  leider  der  Kloflerbau  und  die   intereffante    Doppel- 

'  KantUer,  Forma  urbis  Polae.  in  den  Nolizie  storiche  di  Pola  (Parcn/o 
1876),  pag.  22. 

-  Im  Volke  hört  man  auch  von  einer  Kirche  St.  Maria  Maggiore  und 
St.  Maria  dcll'  Abbazia   fprechen. 

^  An  der  Nordweftfcite  des  Scoglio  S.  Andrea  liegen  unmittelbar  am  Ufer 
die  Ueberreftc  von  drei  römifchen  Cifternenanlagcn  (oberirdifchc  WafTer- 
fpeicher)  als  die  letzten  Zeugen   von  Wohnhausanlagen  der  römifchen  Zeit. 

Die  nördliche  Ciftcrnc  liegt  frei,  ift  derzeit  ausger.auint  und  ihre  Beton- 
wandungen find  durch  fpatercs  Älauerwerk  (90  Cm.  hoch)  erhöht.  Wie  alle 
römifchen  Cifternen  war  fie  innen  mit  Hetonwandcn  ausgeftattet,  die  von  einer 
Bruchfteintnauer  umfiittert  find;  letztere  ifl  in  den  Fundamenten  noch  fichtbar. 
Die  Cifterne  ift  1-70  M,  tief;  die  Grundflache  ift  ein  unregelmafiiges  Viereck 
mit  den   Seitenlangen   5-2,  2-8,  4-6  und  3  M. 

Von  den  beiden  anderen  Cifternen  ift  die  eine  verfchiittet.  die  andere 
nur  in  einzelnen  Theilcn  erhalten. 


Bafilica  S.  Michele,  die  vor  den  Mauern  der  Stadt  auf 
dem  gleichnamigen  Hügel  lag.  Nicht  zu  vergeffen  ift 
die  Begräbniskirche  St.  Caterina  auf  dem  Scoglio,  der 
im  Hafen  zwifchen  S.  Andrea  und  der  Halbinfel 
Monumenti  liegt  und  nach  ihr  benannt  ifl:;  auch  fie 
gehört  jener  frühen  Zeit  an.  Ihre  Fundamente  liegen 
im  Schutte  begraben,  laffen  aber  deutlich  den  der 
Kirche  zugrunde  gelegten  Plan  erkennen.  Auch  die 
Architektur-Stücke,  die  heute  das  Portal  der  kleinen 
Capelle  S.  Giovanni  fchinücken,  gehören  nach  ihren 
Sculpturen  (dreifträhniges  Flechtwerk)  der  Bauperiode 
der  byzantinifchen  Zeit  an.' 

Doch  keines  der  Bauwerke  diefer  Zeit,  die  in  ihrer 
Anlage  und  vielleicht  auch  in  ihrer  Ausführung  den 
fafl  gleichzeitigen  Monumenten  früh-chriftlicher  Zeit 
von  Ravenna  an  die  Seite  geftellt  werden  können,  hat 
das  Mittelalter  überdauert;  nur  als  verfallene  Ruinen 
kennt  fie  die  fpätere  Zeit.  Immerhin  waren  noch  im 
19.  Jahrhundert  größere  Mauertheile,  die  Mofaiken  der 
P'ußböden  und  manches  werthvoUe  Werkftück  vor- 
handen, fo  dafs  fich  wenigfl:ens  der  Grundrifs  der  An- 
lagen herflellen  und  mancher  Schluß  auf  den  Innen- 
ausbau ziehen  ließ.  So  war  es  eigentlich  erfl  die  jüngfte 
Zeit,  theilweife  unfere  Tage,  die  mit  den  letzten  Ueber- 
reften  jener  wenigen  und  wichtigen  Documente  für  die 
Gefchichte  der  früh-chriftlichen  Zeit  Polas  aufgeräumt 
hat. 

Kandier  war  noch  in  der  Lage,  aus  den  Ruinen 
der  Bafilica  St.  Maria  Formosa  ihren  Grundplan  her- 
zuflellen.*  Der  Bau  des  Hotels  „Central"  und  die  Er- 
richtung dazu  gehöriger  Nebenbauten,  die  vor  einer 
Reihe  von  Jahren  auf  dem  Platze  der  ehemaligen  Bafi- 
lica zur  Ausführung  kamen,  haben  den  größeren  Theil 
der  damals  erhaltenen  Ueberrefte  jenes  Kirchenbaues 
entfernt.  Was  fich  bis  heute  erhalten  hat,  foU  mit  Be- 
nützung deffen,  was  Kandier  beobachten  konnte,  zur 
Befprechung  gelangen. 

Der  Baugrund  der  Bafilica  St.  Maria  Formosa  liegt 
an  der  heutigen  Arfenalsftraße  zwifchen  der  Via  Minerva 
(genannt  zur  Erinnerung  an  den  hierbertandenen  antiken 
Minerva-Tempel)  und  der  Via  Abbazia.  Er  wird  heute 
bedeckt  von  den  Hofgebäuden,  den  Stallungen  und  dem 
Hof  des  Hotels  Central,  fowie  von  den  Häufcrn  Nr.  i  i 
und  15  der  Arfenalsftraße  und  den  Häufern  Nr.  22,  20 
und  i8  der  Via  Minerva. 

Der  beigegebene  Plan  (l'ig.  i)  zeigt  eine  drei- 
fchiffige  Bafilica.  Das  Mittclfchiff  (Länge  31-8  M.,  Breite 
des  gefammten  Innenraumes  192  M.)  foll  nach  den 
Beobachtungen  Kandlers*  von  den  Seitenfchiffen  nicht 
allein  durch  die  Säulenreihen,  fondern  in  ganz  unge- 
wöhnlicher Weife  auch  noch  durch  eine  meterhohe 
Mauer,  auf  der  Säulen  aufllanden,  gefchieden  gewefen 

'  Uebcr  einen  größeren  .Schatzfund  von  ErzeugnifTen  der  friih  chrifthchcn 
Kunft  byzanlinifchcr  Richtung,  der  in  der  Nahe  des  Domes  zu  Pola  im  Jahre 
1860  gehoben  wurde,  vgl.  Heinrich  SiuüöoJh,  Kruh-chriftliche  Kcliquianen  dct 
k.   k.   Münz-  und  Antikenc.diinetcs.  in  M.  C.  C.   N.  F.    XVI   i    IT. 

*  Notizie  storiche  di  Pola  'I'af.  I. 

*  Notizie  storiche  di  Pola  S.   173. 


XXVIII   N.  F. 


8 


-     58     - 


fein.  Eine  Querfchiffanlage  ifl:  hier  bereits  nach  dem 
Beifpiel  der  Bafiliken  Ravennas  vermieden.  Den  Ab- 
fchluß  des  Mittehchiffes  bildet  eine  Apfis,  vor  der 
noch  ein  Triumphbogen  anzunelimen  ift.  Wie  in  allen 
Bafiliken  der  früh-chrifllichen  Zeit  fchließen  auch  hier 
die  Seitenfchiffe  mit  geradliniger  Riickwand  ab;  doch 
führt  durch  diefe  je  ein  Eingang  in  einen  kleinen  Rund- 
bau i^ß  und  C),  deffen  Mittelpunkt  in  der  verlängerten 


und  die  Capelle  £;  der  Bauzuftand  beider  Obje6le  kann 
bis  auf  das  fchadhafte  Dach  der  Capelle  als  ein  guter 
bezeichnet  werden.  Von  anderen  Bautheilen  der  Bafi- 
lica  find  die  Mauerzi^ige  zum  Theile  noch  erkenntlich; 
fo  ift  die  füdlichc  Hälfte  des  Rundbaues  C  bis  zum 
Gewolbeanfatz  hinauf  vorhanden,  der  nördliche  Theil 
der  Apfis  ift  im  Haufe  Nr.  20  der  Via  Minerva  als 
tragende  Außenmauer  verwendet.  Vom  Mofaikboden 


ALTES  ÄBTErTMOR 

VIA  AB8AZIA 
Fig.  I.  Grundplan  der  Bafilica  St.  Maria  Formosa  zu  Pola.  1 


Längsaxe  des  Seiten fchiffes  Hegt.  An  diefe  Rotunden 
ift  in  den  Ecken  der  Oftfagade  je  eine  Capelle  an- 
gebaut. 

Von  diefcr  nur  flüchtig   fkizzirten   Anlage   haben 
fich  einige  Theile  voUftändig  erlialten:  der  Rundbau  B 


*  Die  fchwarz  angelegten  Mauerzüge  find  heute  noch  nachweisbar,  zum 
Theil  vollkommen  erhalten.  Die  punktlrten  Linien  bezeichnen  die  Granzcn  der 
in  moderner  Zeit  verbauten  Flachen. 


liegt  manches  Fragment  noch  in  situ.  An  die  Ucberrefte 
der  nördlichen  Umfaffungsmauer  des  Kirchenfchiffes 
lehnen  fich  die  Stallungen  des  Hotels  Central  an. 

Diefer  Mauerzug  befteht  noch  in  feiner  gefammten 
Länge  von  33  M.  Als  Baumaterial  ift  Bruchllein  ver- 
wendet; ab  und  zu  ift  den  Maurern  auch  ein  befferes 
Werkftück  in  die  Hände  gerathen,  das  von  einem  an- 
tiken   Bau   herrührt.    Aus    der   folid   geführten   Mauer 


-     59 


fpringen  nacli  außen  in  einer  Entfernung  von  2'20  M. 
Verftarkungspfeiler  (Grundfläche  069  X  020  M.)  her- 
aus, die  jedenfalls  mit  den  Säulenftellungen  im  Innern 
der  Bafilica  und  ihren  Bogenconftructionen  corre- 
fpondirt  haben.  Aus  ihrer  Anzahl  ergibt  fich  für  das 
Innere  des  Baues  je  eine  Reihe  von  zehn  Säulen. 
1020  M.  von  der  Weftfagade  entfernt,  ifl  die  Mauer 
durch  ein  Eingangsthor  durchbrochen,  das  in  das  linke 
Seitenfchiff  einmündet;  eine  Gurte  überfpannt  dasfelbe 
und  gibt  dem  Eingang  (vom  Scheitel  gemeffen)  eine 
Höhe  von  3-30  M.;  feine  Breite  ift  mit  1-50  M.  be- 
meffen.  Gewandftücke,  auf  die  bei  der  Anlage  des 
Thores  Rückficht  genommen    erfcheint,   fehlen   heute. 

Mehr  nehmen  unfer  Intereffe  zwei  größere  Frag- 
mente mufivifcher  Arbeit  in  Anfpruch, '  die  fich  auf 
dem  Boden  des  Kirchenraumes  neben  anderen  kleinen 
bedeutungsvollen  Partien  erhalten  haben. 

Das  eine  Stück  (Taf.  II)  fchließt  unmittelbar  an  die 
Nordwand  des  Baues  an  der  Stelle  an,  wo  das  er- 
wähnte Thor  in  das  Seitenfchiff  einmündet  und  ftellt 
das  Eck  eines  mit  einer  Bordüre  umfafsten  Feldes  dar. 
Dasfelbe  trägt  ein  polychromes  Wellenlinien- Orna- 
ment, das  auf  einen  Grund  von  geblich-weißen  Mofaik- 
fteinchen  gelegt  erfcheint;  es  erinnert  ftark  an  byzanti- 
nifche  Ornamentik  und  kehrt  häufig  in  orientalifchen 
Teppichmuftern  wieder.^  Die  Bordüre  felbft  ift  mit 
einem  breiten,  weißen  und  zwei  fchmalen  fchwarzen 
Streifen  gegen  das  Innenfeld  abgefchloffen.  Sie  ift  an 
der  einen  der  Mauer  zugewendeten  Seite  von  einem 
Blütenornament  gefüllt;  durch  die  Gegenüberftellung 
feiner  Elemente  wird  größereAbwechslungfo wie  völlige 
Ausfüllung  des  Streifens  erzielt.  In  der  Blüte  erkennt 
man  unfchwer  den  Lotustypus  einer  fehr  fpäten  Zeit, 
bei  dem  die  Andeutung  eines  Kelchanfatzes  auffällt. 
An  der  Ecke  des  Feldes  ift  leider  die  Bordüre  zerftört, 
fo  dafs  fich  nicht  mehr  erkennen  läfst,  in  welcher  Art 
die  Ecklöfung  zwifchen  den  beiden  zufammenftoßenden 
Einfaffungsflreifen  durchgeführt  war.  Allem  Anfcheinc 
nach  lief  die  zweite  noch  zu  befprechende  Bordüre  in 
der  erfteren  todt,  zumal  diefe  längs  der  Wand  noch 
weiter  ging,  um  daneben  ein  zweites  Feld  zu  be- 
gränzen,  von  dem  fich  noch  ein  fchwacher  Anfatz 
findet.  Wir  begegnen  dem  gleichen  Streifen  zum 
zweitenmale  an  der  Schwelle  des  nördlichen  Seiten- 
thores.  Der  andere  zu  einem  kleinen  Theile  erhaltene 
Einfaffungsftreifen  enthält  nebeneinander  gereihte 
Blätter.  Die  Zwickel  werden  durch  farbige  concen- 
trifche  Füllungen  belebt,  die  mit  feichten,  von  Blatt- 
fpitze  zu  Blattfpitze  gefpannten  Bogen  gefchlofien 
werden.  Nach  außen  zu  fchließt  das  einfaffendc  Band 
mit  einem  fchmalen  fchwarz  geränderten    Streifen    ab. 

Reicher  an  Farbe  und  ornamentalen  Details  ift 
das  zweite  Mofaikfragment,  das  dem  Mittelfchiff  der 
Bafilica  zuzugehören  fcheint  (Taf.  III).  Bei  feiner 
Auffindung  war  es  ein  noch  umfangreiches  Bruchftück 
und  ift  auf  feinen  jetzigen  geringen  Umfang  reducirt 
worden,  als  man  an  diefer  Stelle  eine  Pflafterung   vor- 


'  Diefe  und  bereits  vor  einigen  Jaliren  blolißelegt  worden;  IciJer  wurde 
ihnen  damals,  wo  Tie  in  einem  belTeren  Zndand  und  größeren  Umfange  zutage 
traten,  k(--iiie   Beachtung  gefchcnkt. 

'  Die  Elemente  diefes  Ornamentes  finden  fich  fchon  in  der  römifchen 
Zeit  zur  Füllung  von  Flachen  verwendet;  fo  in  einem  1815  bei  Salzburg  ent- 
deckten Mofaik  (abgebildet  bei  Arneth  Archaologifchc  Analedlen  Taf.  V).  Das- 
felbe Ornamentmotiv  ift  aus  einer  friih-chriftlichen  Bafilica  bekannt,  deren  fpiir- 
liche  Refte  im  Frühjahre  1897  in  Cilli  aufgedeckt  worden  find  (dicfc  .Mitthei- 
lungen  N.  F    XXIV  S-   2äo  Fig.    I). 


nahm.  Der  urfprüngliche  Boden  hat  fich  in  der  Nähe 
des  Hauptportales  glücklicherweife  noch  foweit  er- 
halten, dafs  fich  die  wichtigeren  Elemente  diefes  reichen 
Ornamentes  erkennen  laffen.  Um  größere  Kreisflächen, 
die  mit  kleineren  abwechfeln,  verfchlingen  fich  drei 
Bandmotive  zu  einem  Flechtwerk.  Die  größeren  Kreis- 
flachen find  mit  einer  achtblätterigen  Rofette  gefüllt, 
in  welcher  vier  herzförmige  Blätter  mit  vier  fchmalen 
und  fpitzen  abwechfeln.  Die  anderen  Kreife  haben  einen 
derart  kleinen  Halbmeffer,  dafs  an  ihnen  eine  Füllung 
nicht  vermifst  wird.  Die  gefchlungenen  Bänder  ent- 
halten folgende  Füllungen:  zwifchen  zwei  einfaffenden 
Streifen  lauft  in  dem  einen  Band  das  alt-orientalifche 
Flechtband.  In  dem  anderen  Band  wird  in  gleicher 
Weife  ein  einfaches  Wellenornament  (laufender  Hund) 
gefafst.  Das  dritte  Band  entbehrt  einer  ornamentalen 
Füllung;  eine  Eintönigkeit  wird  hier  durch  farbige 
Effe6le  behoben,  indem  verfchiedenfarbige  Steinchen 
in  Streifen  fo  angeordnet  find,  dafs  die  einzelnen  Farben 
ineinander  überzugehen  fcheinen.  Zwifchen  den  Band- 
verfchlingungen  ergeben  fich  polygonal  geftaltete 
Flächen,  die  mit  pflanzlichen  Motiven  belebt  werden. 
In  dem  einen  Fragment  erkennen  wir  einen  in  grünen 
Steinchen  gelegten  Zweig,  an  dem  eine  apfelähnliche 
Frucht  hängt.  Die  Ausdehnung  der  mit  diefem  reichen 
Ornament  gefchmückten  Fläche  ift  ziemlich  groß. 
5  M.  von  dem  jetzt  befprochenen  Fragment  liegt  gegen 
die  Apfis  zu  ein  zweites  Bruchftück  des  ehemaligen 
Mofaikbodens,  das  die  nämlichen  Mufter  in  der  gleichen 
Anordnung  zeigt.  Es  enthält  eine  größere  Cartouche, 
in  der  die  erwähnte  Rofette  liegt,  und  eine  benachbarte 
kleinere,  fowie  die  unmittelbar  daran  anliegenden 
Bänder.  Die  Auffaffung  des  Ornamentes  und  auch  die 
Technik  der  Arbeit  verweifen  in  das  6.  Jahrhundert, 
in  das  Zeitalter  Juftinians.  Es  fpricht  für  die  fpäte  Zeit, 
dafs  die  Ornamente,  die  in  der  Antike  nur  in  unter- 
geordneter Weife  zur  Herftellung  oder  Füllung  des 
Saumes  verwendet  wurden,  hier  durch  Anwendung 
entfprechender  Combinationen  zu  flächenfüllenden  Ele- 
menten geworden  find. 

Als  Material  find  naturfarbene,  fowie  gefärbte 
Kalkfteinwurfel  von  einer  Größe,  die  zwifchen  1-5  Cm. 
bis  2  Cm.  fchwankt,  verwendet.  Die  würfelförmige  Ge- 
ftalt  der  Steinchen  ift  nicht  immer  genau  beobachtet. 
Das  Bindemittel  war  fehr  forgfältig  bereitet,  und  auch 
der  Unterbau  des  Bodens,  der  aus  Sand,  Ziegelgries 
und  Staubkalk  in  einer  Mächtigkeit  von  10  Cm.  und 
ftellenweife  darüber  hergeftellt  ift,  zeigt  gute  Arbeit. 
Der  Erhaltungszuftand  des  im  Seitenfchiffe  gelegenen 
Mofaikfeldes  ift  ein  derart  guter,  dafs  eine  Hebung  des- 
felben  und  Bergung  möglich  ift.  Dagegen  ift  das  Bruch- 
ftück, das  dem  Mittclfchitf  angehört,  fchon  fehr  ftark 
zerftört;  durch  einige  Jahre  bereits  fahren  auf  ihm  die 
Hötelwagen  herum  und  von  den  Hufen  der  Pferde  find 
die  Steinchen  ftark  zerfplittert.  Die  fchwache  Erd- 
fchichte,  die  darauf  lagert,  hat  befonders  bei  naffem 
Wetter  wenig  Schutz  bieten  können. 

Nachforfchungen  nach  Mofaiken  im  Boden  des 
ehemaligen  Bafilicaraumes  haben,  abgefehen  von  lofe 
im  lirdreich  liegenden  Mofaiksteinchen,  kein  Refultat 
gebracht;  da  fic  nur  an  einzelnen  Stellen  durchgeführt 
werden  konnten,  bleibt  es  nicht  ausgefchlolVen,  dafs 
befonders  an  der  Nordfeite  und  Oftfeite  der  Bafilica 
Partien  des  Fußbodens  fich  erhalten  haben. 


8* 


6o     — 


Zuni  Innenausbau  der  Bafiiica  gehören  einige 
Säuleutrommeln,  die  im  Hofe  des  liaufes  Nr.  15  der 
Arfenalsftraße  in  der  Nähe  der  Mofaikrefte  liegen.  Sie 
flammen  von  glatt  abgearbeiteten  Säulen  (Durch- 
meffer  05  i  M.),  die  aus  einem  grauen,  weißgeaderten 
Marmor  hergeflellt  find.  Die  Planfkizze  zeigt  die 
Gegend  der  Apfis  am  meiften  der  Verbauung  aus- 
gefetzt. Das  Haus  Nr.  20  der  Via  Minerva  ifl  mit 
einem  Gaffentradl  und  einem  Hofgebäude  in  die  noch 
beftehenden  ]5autheile  der  Bafiiica  hineingebaut.  Wir 
treten  aus  der  Flur  des  genannten  Haufes  in  den  eben- 
erdigen Küchenraum,  deffen  gaffenfeitige  Wand  theil- 
weife  durch  die  Apfiswand  gebildet  ift.  Die  füdliche 
Hälfte  der  Apfis  war  bereits  abgetragen,  als  diefes 
Haus  gebaut  wurde.  An  der  Nordfeite  der  Küche  ifl 
durch  den  geraden  Theil  der  Apfiswand  eine  Thür 
gebrochen,  durch  die  man  den  Rundbau  B  betritt. 
Seine  kreisrunde  Bodenfläche  hat  einen  Durchmeffer 
von  4'30  M.  Die  Wandung  enthält  gegen  die  Apfis 
zu  zwei  Nifchen  (Tiefe  0'6s  M.,  Breite  106  M.  und 
Höhe  3-32  M.).  Ihnen  gegenüber  liegen  zwei  größere 
ebenfalls  halbkreisförmige  Nifchen  {Tiefe  1-03  M., 
Breite  163  M.)  von  gleicher  Höhe.  Von  dem  urfprüng- 
lichen  Boden  zeigt  fich  heute  nichts  mehr;  er  ifi: 
durch  ein  fchlechtes  Steinplattenpflafler  erfetzt. '  Ein 
urfprünglicher  Zugang  vom  Seitenfchiff  aus  ift  noch 
erkennbar.  In  einer  Höhe  von  3'92  M.  ift  über  dem 
Rundbau  eine  in  fchönen  Verhältniffen  gehaltene 
Kuppel  gefpannt,  die  eine  Scheitelhöhe  (vom  Boden 
aus  gemeffen)  von  6  M.  erreicht.  Im  Schluffe  des 
Gewölbes  ift  ein  Steinring  eingefügt  (lichte  Weite 
beiläufig  0'5  M.).  Durch  ihn  empfieng  der  Raum  ein 
angenehm  wirkendes  Oberlicht;  das  gegen  den  Hof 
des  Nachbarhaufes  geöffnete  Fenfter  ift  erft  fpäter 
durchgebrochen  worden.  Durch  einen  einfachen 
Bretterboden  ift  der  Raum  in  ein  Erdgefchoß  und  ein 
Obergefchoß  getheilt;  er  wird  derzeit  als  Hühnerftall 
verwendet. 

Südlich  von  der  Apfis  lag  ein  gleicher  Bau  C, 
deffen  nördlicher  Theil  bereits  verfchwunden  ift. 
Die  füdliche  Hälfte  zeigt  ebenfalls  zwei  halbkreis- 
förmige Nifchen  von  derfelben  Art  und  Größe  wie  fie 
der  Rundbau  B  aufweift.  Neben  der  einen  Nifche 
enthält  die  Mauer  eine  Vertiefung  in  der  Größe,  von 
72  X  50  X  50  Cm.  Der  Boden  derfelben  ift  vom  Pflafter 
des  Raumes  So  Cm.  entfernt.  Der  folide  Steinrahmen 
diefer  Maueröffnung  und  feine  Anfchlaglciften  deuten 
auf  einen  wohl  geficherten  Raum,  der  dazu  beftimmt 
war,  werthvoUes  Kleingcräth  oder  Geld  zu  bergen.  Bei 
diefer  Gelegenheit  könnte  man  auch  einen  Schluß  über 
die  Beftimmung  und  den  Zweck  diefer  zwei,  die  Apfis 
flankierenden  Rotunden  zu  ziehen  verfuchen.  In  erfter 
Linie  wäre  man  beftimmt,  diefelben  für  Grabcapellen 
zu  halten,  die  für  Perfonen  beftimmt  waren,  die  der 
Kirche  befonders  nahe  geftanden  find;  doch  find,  wie 
fich  gleich  zeigen  wird,  zwei  Capellen  mit  derartiger 
Beftimmung  der  Rückfeite  der  Bafiiica  angegliedert, 
die  eine  grundverfchiedene  Anlage  gegenüber  den 
beiden  in  Frage  ftchenden  Bauten  zeigen.  Die  eine 
erwähnte  kleine  Nifche,  die  durch  ihre  Anlage  und 
Sicherung  befonders  auffällt,  fuhrt  zu  dem  Gedanken, 
dafs   diefe  beiden  Zellen  zur  Aufnahme  der  Paramente 

*  Die  im  rüdweftlichcn  Theil  des  Raumes  liegende  Kauscillerne  ift 
Tpäter  eingebaut. 


und  zur  Bergung  des  Kirchenfchatzes  beftimmt  waren. 
Als  ein  ficheres,  thurmartiges  Gebäude,  das  eingewölbt 
war  und  nur  durch  das  Oberlicht  fich  nach  außen 
öfifnete,  war  es  für  diefen  Zweck  befonders  geeignet. 
Auch  die  Nifchen  von  verfchiedener  Größe  waren 
wohl  nicht  allein  beftimmt  die  Innenwandung  architek- 
tonifch  zu  gliedern,  fondern  auch  zu  dem  praktifchen 
Zwecke,  dafs  in  ihnen  Gegenftände  zur  Aufbewahrung 
aufgeftellt  werden  konnten. 

Hart  an  die  Ecken  der  Ruckfront  der  Bafiiica  an- 
fchließend  und  in  die  Umfaffungsmauem  der  Räume 
B  und  C  eingebunden,  bilden  Capellen  den  Abfchluß 
der  an  die  Apfis  angegliederten  Bautheile.  Ihre  Anlage 
und  vor  allem  das  Fehlen  einer  dire6len  Communica- 
tion  zwifchen  Bafiiica  und  Capellen  läfst  letztere  als 
felbftändige  Bauten  von  befonderer  Beftimmung  er- 
kennen. Eine  derfelben  hat  fich  in  gutem  Zuftande 
am  Südofteck  des  Hauptbaues  noch  vollkommen  er- 
halten, während  die  andere,  die  fich  dem  entgegen- 
gefetzten Eck  angegliedert  hatte,  verfchwunden  ilt. 
Das  erhaltene  Kirchlein,  der  St.  Maria  Carmelo  ge- 
weiht, hat  feinen  freien  Platz,  auf  dem  es  cinftmals 
ftand,  verloren  und  ift  derzeit  von  Küchenräumen, 
Weinkellern  und  dem  Hofe  des  Hotels  Central  um- 
fchloffen;  von  der  Umbauung  frei  geblieben  ift  nur  die 
Vorderfagade. 

Die  Capelle  ift  ein  Centralbau  und  zeigt  eine 
kreuzförmige  Anlage,  mit  welcher  fie  fehr  an  das  Grab- 
kirchlein der  Galla  Placidia  (jetzt  die  Kirche  S.  Nazario 
e  Celso,  erbaut  440)  in  Ravenna  erinnert-'  Einen 
ähnlichen  Grundrifs  hat  auch  die  Grabcapelle,  die  auf 
dem  Scoglio  S.  Caterina  im  Hafen  von  Pola  liegt.  Die 
Capelle  S.  Maria  Carmelo  hat  drei  rechteckige  Kreuz- 
arme, während  den  vierten  die  überwölbte  Apfis 
bildet,  die  ebenfo  wie  die  Längsaxe  der  Bafiiica 
genau  nach  Often  orientirt  ift.  Die  Querarme  des 
Kreuzes  find  mit  Tonnengewölben  (Spannung  292  M., 
Scheitelhöhe  178  M.,  Abftand  des  Gewölbfcheitels 
vom  Boden  des  Raumes  5'33  M.)  eingedeckt.  Ein 
Gewölbe  derfelben  Conftruftion  und  Größe  spannt 
fich  über  den  größeren  Längsarm;  die  Länge  des- 
felben  beträgt  4' 20  M.,  während  die  Tiefe  der  Quer- 
arme nur  2  02  M.  groß  ift.  In  der  Vierung  erhebt  fich 
über  den  Stirnbogen  der  vier  zufammenftoßenden 
Gewölbe  ein  Mittelraum,  der  gleichfalls  eingewölbt 
ift.  i^Höhe  des  Kampfers  vom  Boden  aus  gemeffen 
6-90  M.,  Scheitelhöhe  des  Gewölbes  2-50  M.V  Seine 
vier  Wände  find  durch  je  ein  Fenfter  durchbrochen, 
durch  welche  von  oben  herab  der  Capellenraum  fein 
Licht  empfangt.  Von  der  ehemaligen  Innenausftattung, 
dem  urfprünglichen  Schmuck  der  Wände  und  des 
Bodens,  der  dem  Gefchmacke  der  byzantinifchen  Zeit 

•  Allerdings  fehlt  der  Capelle  mit  der  Gleicharmigkeit  (griechifche 
Kreuzform}  das  wefentliche  Kriterium  des  Centralbaues.  Der  Grundrifs  zeigt 
vielmehr  mit  dem  langem  Wcftarme  und  den  kürzeren  Querarmen  in  N  und 
S  die  ausgefprochene  Dii^pofition  des  T-Krcuzes;  und  der  Anlauf  zu  einem 
örtlichen  Arme  vor  der  Apfis  repräfentirt  fotjar  gewilTermaßen  einen  Ueber- 
gang  zur  lateinifchen  Kreuzform.  Mit  der  durchgangigen  Wölbung  und  der 
Fenftcrlofigkeit  fallt  aber  anderfeits  das  merkwürdige  Denkmal,  enlfprechend 
der  von  Herin  Gnirs  gewählten  Bezeichnung,  wenigllens  der  Grundidee  nach 
mit  tiem  Centralbau  zufammcn. 

In  diefen  fehwankenden  Difpofitionen  der  nur  äußerlich  durch  die 
Symmetrie  des  Anbaues,  aber  nicht  durch  inneren  Zufammenhang  in  die  B.ifi- 
lica  einbezogenen  zwei  Nebenbauten,  ferner  in  der  Anordnung  nili  hengcglie- 
derter  Rotunden  an  Stelle  von  Seitenapfiden.  endlich  in  der  Aufftellung  von 
Trennungsmauern  als  Bafanient  der  beiden  Säulenreihen  zwifchen  Mittel-  und 
SeitenfchiflTen  (falls  die  bezügliche  Beobachtung  Kandlers  in  der  That  be- 
gründet gewefen  fein  folUe)  ruht  hauptfächlich  die  kunflhiftorifche  Bedeutung 
diefes  Bauwerkes,  foweic  fich  diefelbe  heute  noch  fcftftellen  läfst. 

Die  Reda(ftion. 


Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Corain.  f.  K.  ii.  Mst.  Denkmale  N.  F.  XXVIII,  1902. 


Mosaik  im  nördlichen  Seitenschiff  der  Basilika  S.  Maria  Formosa  in  Pola 


Tafel  II. 


■'  Ih   * 


J 


Gez.  Gnirs,   Mai   1901. 


mi 


«■«■>■■• 
nMiitinViiiMi' 


LUh.  11.  Dnick  1'.  Slxkitigrr  <t  Muraark,   Wim, 


Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  K.  u.  bist.  Denkmale  N.  F.  XXYIII,  1902. 


Tafel  111. 


Mosaik  im  Mittelschiff  der  Basilika  S.  Maria  Formosa  in  Pola. 


Gez.  Gnirs,  Mai   igoi. 


Lilh.  u.   Druck  V.   SfiH-kmgrr  .t  iforitack,    W'kti. 


6i     — 


entfprechend  gewifs  aus  farbenreichen  Mofaiken 
bertand,  hat  fich  nichts  erhalten.  Eine  kahe,  weiße 
Tünche  überzieht  heute  die  Wände  und  am  Boden 
liegen  als  Pflafter  rothe  Mauerziegel.  In  einem 
gleichen  Contraft  zur  Anlage  fteht  die  gefchmacklofe 
Ausfchmückung  des  Innenraumes. 

Viel  mehr  hat  der  Außenbau  feinen  alterthümlichen 
Charakter  bewahrt,  und  mehrere  urfprüngliche  Details 
haben  fich  davon  erhalten.  Die  Bedachung  des 
Objectes  fcheint  noch  die  urfprüngliche  zu  fein,  oder 
wenn  das  nicht  zutreffen  follte,  ilT;  doch  die  nicht  un- 
intereffante  Thatfache  vorhanden,  daß  zur  letzten  Ein- 
deckung,  die  gewifs  fchon  einige  Jahrhunderte  alt  ill:, 
durchgängig  antikes  Dachdeckungsmaterial  in  antiker 
Manier  zur  Herftelluny  der  Dachflächen  verwendet 
wurde.  Auf  den  Dachfluhl  find  zunachft  die  unver- 
würtlichen  und  großen  tegulae  gelegt.  Wo  die  ge- 
hobenen Ränder  der  Längsfeiten  aneinander  flößen,  ift 
die  Fuge  mit  Mörtel  gut  verlegt.  Ueber  diefe  lagern 
dann  die  imbrices.  Die  Bedachung  der  Gewölbe  über 
den  Querarmen  zeigt  uns  noch  vollkommen  freiliegend 
diefes  wohl  fehr  feltene  Beifpiel  einer  antiken  Dach- 
conftru(5lion.  Auf  den  vier  Dachflächen  des  Mittelbaues, 
die  in  einem  krönenden  Steinkegel  ihren  gemeinfanien 
Abfchluß  haben,  wie  auf  dem  Dache  des  Längsarmes 
liegt  ebenfalls  noch  das  aus  den  tegulae  und  imbrices 
hergeflellte  Dach.  Als  es  fchadhaft  geworden  war, 
wurde  es  nicht  entfernt,  fondern  nur  mit  einer  Lage 
von  halbcylindrifchen  Hohlziegeln  überdeckt. 

Ein  Gefims  unter  dem  Dachanfatz,  wie  die  Ent- 
laftungsgurten  über  den  Tonnengewölben  geben  eine 
gewiffe  Gliederung  des  die  Seitendächer  überragenden 
Mittelbaues.  Wo  letztere  auf  den  Mauern  aufruhen, 
läuft  um  das  Gebäude  in  der  Höhe  von  370  M.  ein 
zweites  ftark  ausladendes  Gefims  herum,  das  nun- 
mehr nur  an  den  rückwärtigen  Theilen  der  Capelle 
conflatirt  werden  kaim.  Auf  dem  Giebel  der  Vorder- 
fagade  fteht  eine  annähernd  quadratifche  Kalkftein- 
platte,  die  den  kleinen  Glockenfluhl  trägt.  Der 
Charakter  ihrer  Sculpturen  verweift  früheftens  auf  das 
7.  Jahrhundert.  Zwei  Pilafler  mit  angedeuteten  Capi- 
tälen  tragen  einen  Bogen.  Er  fpannt  fich  über  das 
Zeichen  des  Kreuzes,  unter  deffen  Armen  zwei  Pal- 
menzweige, die  Symbole  des  Sieges  und  Friedens, 
ftehen  (Fig.  2).' 

Dafür,  dafs  dem  Grundrifs  des  Capellenbaues  die 
Kreuzform  gegeben  wurde,  waren  wohl  weniger 
fymbolifche  Gründe  maßgebend,  die  die  heilige  Kreuz- 
form nachgeahmt  wiffen  wollten,  fondern  es  waren 
technifche  Rückfichten,  die  hier  beobachtet  werden 
mufsten,  und  welche  die  Form  des  Baues  beftimmten. 
Mit  Hinblick  auf  die  fchon  erwähnte  Grabkirche  der 
Galla  Placidia  in  Ravenna  und  derfelben  verwandte 
Bauten,  wie  auf  antike  Gräberanlagen,  waren  die 
Kreuzarme  für  die  Aufftellung  von  Sarkophagen  be- 
flimmt,  während  im  Mittelraum  und  hier  noch  in  der 
Apfis  Gelegenheit  zur  Vornahme  von  gottesdienlllichen 
Handlungen  geboten  war.  So  war  das  Kirchlein 
St.  Maria  Carmelo  in  Pola  in  feiner  urfprünglichen 
Anlage  als  Begräbniskirche  gedacht.  Trifft  diese  Ver- 
muthung    das    Richtige,    dann    wäre    damit    auch    die 


'  Die  nämliche  Kreuzcsdarftclluiig  in  Verbindung  mit  denfclbcn  .Sym- 
bolen in  von  einer  Sculptur  aus  dem  ehemaligen  Kloftcrgebäude  zu  MillÄatt 
bekannt  (abgebildet  in  den  M.  C.  C.  XXIV  345). 


Frage  gelöft,  wiefo  man  fich  bewogen  gefühlt  hat,  mit 
dem  großen  Kirchenbau  noch  zwei  kleinere  Cultflätten 
in  Verbindung  zu  bringen.  Wie  man  in  der  erften 
chriftlichen  Zeit  bei  der  Errichtung  der  Kirchen  mit 
Vorliebe  die  Orte  aufgefucht  hat,  die  vom  Blute  der 
Märtyrer  geheiligt  waren,  oder  wo  diefe  ihre  letzte 
Ruheftätte  gefunden  haben,  fo  hat  man  dann  in  der 
folgenden  Zeit  die  Gräber  derer,  die  der  Kirche 
befonders  nahe  geflanden  find,  in  der  nächften  Um- 
gebung der  heiligen  Stätte  verlegt.'  Hochgeflellte 
Perfönlichkeiten,  die  fich  als  letzte  Ruheftätte  Grab- 
kirchen erbauen  konnten,  verlegten  diefe  Anlagen, 
fofern  es  möglich  war,  gern  in  die  Nähe  der  Kirchen; 
von  der  Umgebung  derfelben  war  natürlich  die  Nähe 
der  Apfis  befonders  bevorzugt. 


~'^:1#*?^^:^ 


•.er- 


Kig.  2.  Giebelauffatz  mit  Glockenftuhl  über  dem  Eingange  zur  Capelle 
St.  Maria  Carmelo  zu  I'ola. 


Für  die  Griindungsgefchichte  und  die  Erkenntnis 
der  weiteren  Gefchicke  der  Bafilica  St.  Maria  Formosa 
fließen  die  Quellen  fehr  fpärlich.  Die  wichtigllen  zu- 
gänglichen Daten  hat  bereits  Kandier  gefammelt  und 
in  der  Zeitfchrift  „L'Istria"  (Jahrg.  1847,  Nr.  32)  ver- 
öffentlicht. Was  uns  über  die  Gründungs-  und  Bau- 
gefchichte  diefer  Bafilica  bekannt  ift,  verdanken  wir 
dem  Biographen  des  heil.  Ma.ximinianus.*  Der  heil. 
Maximinianus,  der  bedeutendfte  Erzbifchof  von  Ravenna 
in  der  Zeit  Juflinians,  flainmte  aus  Vistro,  einem  fonll 
nicht  viel   erwähnten    Ort,    der   unweit   der   Killte   im 

*  Im  Hinblick  auf  das  in  der  Grabkirclie  St-  Maria  Carmelo  gegebene 
Beifpiel  wird  fich  auch  die  Apfis.  die  ftidlich  von  der  Domkirche  in  Pola  gleich- 
zeitig mit  dem  Reliquiengiab  im  Jahre  1860  aufgedeckt  wurde,  beffer  durch 
(iic  Annahme  einer  der  Rückfront  des  Domes  angegliederten  Grabkirche 
erklaren  lafTeti  als  durch  die  V'erniuthung.  dnfs  man  es  hier  mit  einer  Doppel- 
bafilica  zu  ihun  h.ibc. 

-  Agncllus,  Vita  S.   Maximiniani. 


-       62 


nordlichften  Theile  des  ager  Polensis  lag.'  Als  er  in 
Ravcnna  zu  großen  Ehren  und  Keichthümern  ge- 
kommen war,  ließ  er  aus  Dankbarkeit  und  Anhänglich- 
keit an  feine  Heimat  Pola  dafelbft  eine  prachtige  Bafi- 
lica  zu  Ehren  der  Gottcs-Mutter  erbauen;  er  begab 
fich  felbft  nach  Pola,  um  die  Einweihung  des  präch- 
tigen Kirchenbaues  vorzunehmen.  Als  Jahr  der  Voll- 
endung desfelben  wird  das  Jahr  546  angegeben.  In 
Verbindung  mit  der  Errichtung  der  Bafilica  erfolgte 
gleiclifalls  durch  Maximinianus  die  Gründung  einer 
Henedi6tincr-Abtei,  die  mit  ihrem  umfangreichen 
Grundbefitz  in  der  Umgebung  Polas  wie  im  Gebiete 
von  Ravenna  wohl  bald  zu  den  reichften  Klöflern 
Iftriens  gezählt  wurde.  Mit  den  Gefchicken  der  Bafilica 
laufen  die  der  Abtei  parallel.  Der  Klofterbau  lag  zwi- 
fchen  der  Kirche  und  der  heutigen  Via  Abbazia  und 
zog  fich  bis  zum  Vicolo  della  Bissa  hin.  Auf  feinem 
Grunde  flehen  heute  die  Häufer  Nr.  39,  37,  35  dererftge- 


Bafilica  zu  erzählen,  bewundert  aber  die  vorhandenen 
Ueberrefte  von  prachtigen  Säulen,  Mofaiken  und  Wer- 
ken der  Sculptur,  die  zu  feiner  Zeit  noch  am  Platze  zu 
fehen  waren.  Im  17.  Jahrhunderte  wurden  am  damals 
halb  zerfallenen  Palazzo  publico  (Municipalgebäude) 
Rcftaurirungs-  und  Neubauten  durchgeführt,  zu  denen 
die  Ruinen  von  St.  Maria  Formosa  aus  ihren  noch 
Gehenden  Umfaffungsmauern  das  hiezu  erforderliche 
Steinmaterial  liefern  mußten. 

Nachtrag. 

Durch  eine  Grabung  in  der  Wagenremife  des 
Hotels  Central  in  Pola  wurde  im  Frühjahre  1902  neuer- 
dings ein  Bruchltück  (Fig.  3)  des  Mofaikbodens'  im 
ehemaligen  Mittelfchiffe  der  Bafiüca  St.  Maria  For- 
mosa aufgedeckt,  an  welchem  namentlich  die  figuralen 
Darftellungen,     darunter     ein     bekanntes    chriflliches 


Fig.  3.  (Fragment  des  Mofaikbodens  im  Mittelfchiffe  der  Bafilica  St.  Maria  Formosa  zu  Pola.) 


nannten  Gaffe.  Von  Fundamentrerten  abgefchen,  inner- 
halb derer  jetzt  Häufer  hineingebaut  find,  hat  fich  auf 
unfere  Zeit  nichts  anderes  als  die  monumentale  Klofter- 
pforte  erhalten,  deren  Bogen  fich  über  das  Gäfschen 
fpannt,  das  zwifchen  den  Häufern  Nr.  27  und  33  in  der 
Vi>i  Minerva  liegt.  Sie  bildet  nunmehr  das  einzige 
Wahrzeichen  für  den  einftigen  Beftand  einer  berühmten 
Abtei  Polas.  Die  letzten  Nachrichten  über  Klofter  und 
Bafilica  gehören  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  an; 
fpätere  Quellen  berichten  nur  mehr  von  den  Ruinen 
diefer  Bauten.  Es  ift  daher  anzunehmen,  dafs  fie  bei 
der  Eroberung  Polas  durch  die  Venetianer  unter  Gia- 
como  Tiepolo  und  Leonardo  Querini  im  Jahre  1243 
wie  mancher  andere  Theil  der  Stadt  der  Zerftörung 
durch  Feuer  und  Menfchenhand  anheimgefallen  find. 
So  weiß  auch  der  anonyme  Dichter  (um  1600)  des  dia- 
logus  sulle  antichitä  di  Pola  nur   von    den    Ruinen    der 


Symbol,  intereffiren.  Die  Darfteilung  der  Apfelfrucht 
begegnete  bereits  in  dem  Fragment  auf  Taf  II;  dazu 
gefeilt  fich  jetzt  das  Zeichen  des  Fifches.  Die  einzelnen 
fyinbolifchen  Figuren  find  derart  in  die  polygonalen 
Felder  hineincomponirt,  dafs  fich  ihre  Längsrich- 
tungen kreuzen.  Zu  dem  früher  im  Boden  der  Bafilica 
beobachteten  Mofaikmaterial  kommen  nun  noch  Wüifel 
und  prismatifche  Stifte  aus  Glas,  aus  denen  die  Bänder 
unterhalb  des  Fifches,  die  das  Waffer  darfteilen  follen, 
zufammengefetzt  find.  Des  fchlechten  Erhaltungs- 
zuftandes  halber  konnte  nur  an  die  Confervirung  ein- 
zelner Partien  gedacht  werden.  Die  Unterfuchung  des 
Unterbaues  ergab,  dafs  die  ungefähr  10  Cm.  mächtige 
Eflrichfchichte  (Mörtel  mit  Zufatz  \'on  Ziegelgries), 
auf  welche  die  Mofaiken  gebettet  liegen,  auf  einer 
Schichte  antiken  Baufchuttes  auffitzt,  die  in  einer  Tiefe 
\-on  i^j.-,  M.  noch  nicht  durchbrochen  wurde. 


'  Der  Name  diefer  vcrfchwundciicn  Ortfchaft  hat  fich  bis  heute  im 
Namen  des  Porto  Vestre  und  des  .Monte  Veslro  (beide  Tüdlich  von  Rovigno" 
erhalten. 


•  Von  diefcDi  Funde  wurde  die  Central-CommifRon  auch  durch  Herrn 
Dr.  Vicior  Recsey,  Stiftsbibliolhekar  der  Erzabtei  Martinsberg  in  Ungarn,  in 
Kenntnis  gefetzt.  Die  RedacUon. 


-     63     - 


Die  Pfarrkirche  St.  Ruprecht  in  Unter-Krain  und  ihre  Reftau- 

rirung. 


Vom  k.  k.  Confervator  ProfelTor  yohann  Vrhovec  (f). 


[N  hiftorifchen  oder  gar  kunftliiftorifchen  Bau- 
denkmalen aus  früheren  Jahrhunderten  ift 
Krain  ein  auffallend  armes  Land.  Ganz  be- 
fonders  gilt  dies  von  kunfthiflorifch  denkwürdigen  Ob- 
je6len  aus  dem  Mittelalter.  Die  romanifche  Bauperiode 
hat  in  Krain  nur  äußerft  fpärliche  Reite  hinterlaffen ; 
ihre  Spuren  laffen  fich  kaum  in  kirchlichen  Bauten  ver- 
folgen, von  profanen  gar  nicht  zu  reden.  Der  Karner  zu 
Trebelno  bei  Naffenfuß  und  die  Doppelcapelle  in  der 
Stadt  Stein  dürften  fo  ziemlich  die  einzigen  Vertreter 
diefes  Styles  in  Krain  fein.  Allenfalls  wird  dann  und 
wann  auch  die  St.  Georgs-Capelle  auf  dem  Laibacher 
Schloßberge  als  demfelben  angehörig  genannt,  doch 
find  es  nur  einige  wenige  Formen,  die  vielleicht  daran 
erinnern;  die  Capelle  gehört  höchftens  der  Ueber- 
gangszeit  an.  Zweifellos  ifh  die  romanifche  Bauperiode 
auch  an  Krain  nicht  fpurlos  vorübergegangen,  allein 
die  wenigen  romanifchen  Bauten,  die  das  Mittelalter 
überdauert  hatten,  find  entweder  der  Ungunft  der 
Zeiten  während  der  Türkenkriege  oder  dem  Unver- 
ftändniffe  der  Neuzeit  zum  Opfer  gefallen.  So  waren 
zum  Beifpiel  einftens  zweifellos  romanifch  die  Kirchen 
von  Hrenowitz,  Slavina  und  Vrem,  allein  fie  wurden 
nachweislich  in  den  Jahren  1625,  1636  und  1650  um- 
gebaut.' Dasfelbe  gefchah  mit  der  im  Jahre  1324, 
übrigens  aber  auch  fchon  der  Uebergangszeit  ange- 
hörenden Kirche  von  Scharfenberg  ob  Ratfchach  an 
der  Save.  Urfprünglich  romaiiifch  dürften  auch  die 
Kirchen  von  Treffen  (Unterkrain)  und  jene  von  Alten- 
markt bei  Laas  (Innerkrain)  gewefen  fein,  an  denen  fich 
jedoch  bis  auf  unfere  Zeit  nicht  einmal  Spuren  roma- 
nifcher  Architektur  oder  Ornamentik  erhalten  haben. 
Die  wenigen  übrigen  mittelalterlichen  Baudenk- 
male Krains  gehören  ausnahmslos  dem  gothifchen,  und 
zwar  dem  fpät-gothifchen  Bauftyle  an.  Ihre  Entflehung 
fällt  zum  Theile  in  die  letzten  Jahrzehnte  des  ausgehen- 
den Mittelalters,  zum  größeren  Theile  aber  fogar  erfl. 
in  den  Beginn  der  Neuzeit,  alfo  in  eine  Zeitperiode,  in 
welcher  der  gothifche  Styl  im  wefllichen  und  mittleren 
Europa  fchon  längft  feine  großartigften  Triumphe  ge- 
feiert hat.  Zu  den  älteflen  diefer  fpät-gothifchen  Bau- 
denkmale Krains  zählt  dieKloflerkirche  des  Karthäufer- 
ordens  Pletriach  in  Unterkrain.  Ihre  Formen  gehören 
noch  vielfach  dem  rein  gothifchen  Kunflgefchmacke 
an.  Nachweislich  ift  diefer  fchöne  Bau  zwifchen  1410 
und  1420  vollendet  worden. 

Die  Karthaufe  Pletriach  ift 
Cillier  Grafen  Hermann  II.  Diefe  ftolze  Adelsfamilie 
war  eine  warme  Freundin  und  Gönncrin  der  Kloftcr, 
denen  fie  gerne  von  ihrer  reichen  Habe  fpendete, 
befonders  aber  fcheint  fie  dem  Orden  der  Karthäufer 
gewogen  gewefen  zu  fein.  Die  Gründung  diefes  Klofters 
follte   den   Ruhm   der  Cillier  in   der  Nachwelt  fichern 

'   iMittheiliiiig<:n  des   hifti'riri.licri    Vereines  für   Kr.iin   i8fJ5  p    97. 


eine    Stiftung    des 


und  auch  in  diefer  Beziehung  fie  andern  mächtigen 
Adelsgefchlechtern  gleichftcllen.  Um  1410  conftituirte 
fich  der  Convent;  die  Kirche  weihte  im  Jahre  1420  mit 
Einwilligung  des  Patriarchen  Ludwig,  der  Bifchof  von 
Freifingen,  Hermann.  Im  Jahre  1595  überging  das 
inzwifchen  fehr  reich  gewordene  Klofter  in  den  Befitz 
des  Jefuitenordens. '  Nach  Aufhebung  desfelbcn  durch 
Kaifer  Jofeph  II.  wurde  zugleich  mit  allem  beweglichen 
und  unbeweglichen  Vermögen  des  Klofters  natürlich 
auch  die  fchmucke  Kirche  zu  Gelde  gemacht  und  an 
den  Meiftbietenden  hintangegeben.  Sie  diente  fortan 
als  herrfchaftliches  Magazin  für  Brenn-  und  Bauholz 
und  als  Rumpelkammer  für  die  verfchiedenften  land- 
wirthfchaftlichen  Geräthfchaften.  Vor  ein  paar  Jahren 
nun  wurde  diefes  einftige  Kirchengut  neuerdings  vom 
Karthäuferorden  käuflich  erworben,  der,  wie  man 
hört,  fich  mit  der  Abficht  trägt,  fich  in  Pletriach 
niederzulaffen  und  die  verwahrloste  Kirche  ihrer  ein- 
ftigen  Beftimmung  wieder  zuzuführen.  Bei  diefer  Ge- 
legenheit halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  darauf  aufmerk- 
fam  zu  machen,  dafs,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  die 
Gefahr,  unkundige  Hände  könnten  der  Schönheit  diefer 
Kirche  einen  nicht  wieder  gutzumachenden  Abbruch 
thun,  gegenwärtig  noch  größer  ift,  als  vor  mehr  denn 
hundert  Jahren  in  der  Zeit  ihrer  Profanirung. 

Einzig  nur  von  diefer  Kirche  alfo  abgefehen,  ge- 
hören alle  anderen  gothifchen  Baudenkmale  Krains  erft 
dem  Ausgange  des  15.  oder  der  erften  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  an.  Diefe  verhältnismäßig  fo  fpäte 
Ausbreitung  des  gothifchen  Styles  in  Krain  ift  jeden- 
falls eine  auffallende  Erfcheinung,  um  fo  auffallender, 
als  ja  bekanntlich  der  Krain  er  von  jeher  bemüht  war, 
feinen  gläubigen  Sinn  durch  Errichtung  von  fchönen, 
zahlreichen  und,  foweit  es  feine  Kräfte  zuließen,  auch 
ftattlichen  Kirchen  zu  bethätigcn. 

Ich  will  jedoch  hier  diefer  dankbaren  und  vom 
kunfthiftorifchen  Standpunkte  aus  intercffanten  Frage 
ificht  weiter  nachgehen,  fondern  ftelle  nur  noch  einmal 
feft,  dafs  merkwürdigerweile  der  Bau  aller  noch  gegen- 
wärtig erhaltenen  gothifchen  Kirchen  in  Krain  gerade 
mit  der  ärgften  Türkennoth  zufammenfällt.  So  wurden 
erbaut:  im  Jahre  1482  die  Kirche  von  Vigaun  bei  Zirk- 
nitz,  im  Jaiire  1491  jene  \on  Krainburg,  im  Jahre  1493 
die  Kirche  \'on  Ehrengruben  bei  Krainburg,  im  Jahre 
1497  die  Kirchen  von  St.  Ruprecht  und  Rudolphs- 
werth  und  im  Jahre  1500  die  Kirchen  von  Radmanns- 
dorf und  Hafelbach  bei  Gurkfeld  u.  a.  In  der  erften 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  enlftanden:  im  Jahre  1520 
die  Kirche  von  Bil'choflack,  1524  die  Kirche  in  Pra- 
precc,  1532  die  Kirche  von  Gradisce  bei  Egg  und  im 
Jahre  1548  die  Kirche  in  Dvor  bei  Biliichgratz.' 

>  W.  Milkowicz,  Die  Kluder  in  Krain  p.   141  — 150. 
-  C.-\t.iIoKHS  cicri  dioecc&is  Labacensis  1871. 


-     64 


Unter  allen  diefen  gothifchen  Bauwerken  nimmt 
die  Kirche  von  St.  Ruprecht  in  Unterkrain  hinfichtiich 
ihrer  kiinftlerifchen  Schönheit  unbeftreitbar  weitaus 
den  allererften  Rang  ein.  Auch  liinfichtlich  ihrer  Größe 
fleht  fie  nur  wenigen,  vielleicht  nur  der  Kirche  von 
Krainburg  nach.  Sie  dürfte  zugleich  auch  die  einzige 
Kirche  Krains  fein,  die  ihre  urfpriinglichc  Form  —  von 
einigen  wenigen  und  unwefentlichen  Befchädigungcn 
abgefelien  —  faft  ganz  unverändert  bis  auf  unfere  Tage 
bewahrt  hat.  Im  Hinblicke  darauf  und  in  Erwägung  der 
Seltenheit  der  gotiiifchen  Bauten  in  Krain  ift  es  ein 
fehrlobenswerthes  Beginnen  gcwcfen,  dafs  die  Kirchen- 
vorftehung  vor  einigen  Jahren  den  Entfchluß  fafste,  an 
die  Rertaurirung  diefes  fcliönen  Gottestempeis  zu 
gehen.  Kein  Freund  der  heimatlichen  Kunft  wird  An- 
ftand  nehmen,  dem  gegenwärtigen  Pfarrer  von  San6l 
Ruprecht  Herrn  Joliann  Mervec  dafür  die  voilfle  An- 
erkeimung  zu  zollen. 

Zur  Gefchichte  der  Kirche. 

Die  l'farre  St.  Ruprecht  liegt  in  der  Bezirkshaupt- 
mannfchaft  Gurkfeld  am  Rande  eines  fruchtbaren, 
ringsum  von  weinreichem  Berg-  und  Hügellande  um- 
gebenen reizenden  Thalbeckens,  nach  jenem  der 
oberen  Save  dem  größten  im  Lande.  Am  Fuße  eines 
weinrebenbekränzten  Hügelzuges  erhebt  fich  die  Pfarr- 
kirche in  der  Mitte  des  nach  ihr  genannten  Dorfes.  Es 
ift  ein  nettes  Unterkrainer  Dorf  mit  78  Häufernummern 
und  einer  Bevölkerung  von  beiläufig  300  Seelen.  Seine 
durchwegs  gemauerten  Haufer  und  Hauschen  haben 
fich  im  Laufe  der  Zeit  in  lofem  Durcheinander  um  die 
ftattliche,  weit  über  die  Ebene  hin  fichtbare  Kirche 
gruppirt. 

Die  Pfarre  St.  Ruprecht  gehört  zu  den  älteften  im 
Lande. 

In  den  Urkunden  erfcheint  fie  fchon  im  Jahre 
1 162,'  und  zwar  unter  dem  Namen  „Sanfli  Ruperti  zu 
Grailach".*  Selbftverftändlich  war  fie  damals  viel 
größer,  als  fie  es  heutzutage  ift,  und  zählte  zu  den 
reicheren  Pfarren  Krains.  Dies  geht  aus  einem  Pfarr- 
verzeichniOTe  hervor,  das  im  Jahre  1370  der  Patriarch 
von  Aquileja,  zu  deffen  Erzfprengel  ja  bekanntlich  auch 
Krain  gehörte,  anfertigen  ließ.  Um  für  die  Rcpartirung 
des  päpftlichcn  Zehents  eine  zweckentfprechende  Bafis 
zu  gewinnen,  ließ  er  nämlich  die  Klöfter  und  Pfarren 
feiner  Erzdiöcefe  nach  ihrem  Einkommen  einfchätzen. 
Die  überaus  reiche  Cifterce  Sittich  in"inmt  in  diefem 
Verzeichniffe  felbftverftändlich  den  erften  Rang  ein.  Sic 
wurde  mit  einer  Beitragsquote  von  100  Mark  belegt. 
Unter  den  Pfarren  aber  fteht  die  Pfarre  St.  Peter  bei 
Laibach  mit  einem  Repartirungsbeitrag  von  60  Mark 
obenan.  An  zweiter  Stelle  finden  wir  Bifchoflack  mit 
48  .Mark,  an  dritter  Mann.'^burg  und  St.  Veit  bei  Sittich 
mit  30  Mark,  an  vierter  St.  Martin  bei  Krainburg  mit 
25  Mark,  an  fünfter  Stein  mit  22  Mark  und  an  fechster 
St.  Ruprecht  mit  20  Mark.'  Sie  wurde  hinfichtiich  ihres 
Beitrages  der  großen  und  reichen  Abtei  Landllraß  utid 
der  die  ganze  Wochein  umfaffenden  Veldefer  Hcrrfchaft 
der  Brixener  Bifchöfe  gleichgeftellt. 

'  Schumi.  Urkunden  und  RcEcftcnbuch   128. 

-  Orailach  ift  ein  ur.iltes  Schloflchen  am  nördlichen  Abhänge  eines 
kleinen  HüRcIs.  eine  gute  Vicrtclftundc  von  St.  Ruprecht  entfernt.  Gegen- 
wärtig ift  e.s  im  Jicfitzc  des  Czcrnonitzer  Univcrfitatsprofeirors  Dr.  Skedl. 
eines   Kr.iincrs. 

*  Schumi,  Archiv. 


Sie  gehörte  fomit  damals  zu  den  größten  Pfarren 
im  Lande. 

Einen  wie  großen  Umfang  fie  noch  zu  Beginn  der 
Neuzeit,  alfo  damals  hatte,  als  der  Bau  der  gegen- 
wärtigen Kirche  in  Angriff  genommen  wurde,  geht  aus 
dem  Umftande  hervor,  dafs  feit  dem  Jahre  1509  nicht 
weniger  als  fechs  Tochterpfarren  aus  ihr  ausgefchieden 
wurden:  im  Jahre  1509  die  heutigen  Pfarren  Naffenfuß, 
Savenftein  und  Billichberg  (Pol.siiik)  bei  Sagor  an  der 
Save,  im  Jahre  1652  die  Pfarre  Mariathal  und  im  Jahre 
1752  die  Pfarren  Johannisthai  und  Trzisce  (Dreifaltig- 
keit).' Noch  zu  Valvafor's  Zeiten  hatte  fie  23  Filial- 
kirchen,* deren  Zahl  bis  nun  auf  acht  zufammen- 
gefchrumpft  ift.  Doch  gehört  St.  Ruprecht  immerhin 
noch  zu  den  größten  Landpfarren  Krains,  und  ift  der 
Pfarrer  von  St.  Ruprecht  Wähler  in  der  Curie  des 
Großgrundbefitzes. 

Am  Ende  des  Mittelalters  zählte  der  Pfarrer  von 
St.  Ruprecht  zu  den  angefehenften  Kirchenwürden- 
trägern Krains.  Als  Kaifer  Friedrich  IV.  in  feinem 
Todesjahre  (1493)  in  der  Stadt  Rudolphswerth  eine 
Probftei  mit  zwölf  Canonici  errichtete,  ernannte  er  den 
damaligen  St.  Ruprechter  Pfarrer  Jacob  Auersperger^ 
zum  erften  Domprobft  dafelbft. 

Befchreibung  der  Kirche. 

Die  gefchilderten  Umftande  machen  es  erklärlich, 
dafs  fich  in  dem  kleinen,  zwar  netten,  aber  fonft  ganz 
unfcheinbaren  Dorfe,  welches  in  der  Landesgefchichte 
niemals  irgend  welche  Rolle  gefpielt  hat,  ein  kirch- 
liches Baudenkmal  mit  dreifchiffigem  Langhaufe  und 
langem  einfchiffigen  Chore  (vgl.  den  Grundrifs  Fig.  r) 
erhebt,  das  in  Bezug  auf  feinen  künftlerifchen  Werth 
und  feine  künftlerifche  Bedeutung  feinesgleichen  im 
Lande  fucht. 

Den  Grundftein  zu  demfelben  hat  zweifelsohne  der 
im  Jahre  1493  zum  Dompropfte  von  Rudolphswerth 
beförderte  Pfarrer  Jacob  Auersperger  gelegt,  doch  hat 
er  die  Fertigftellung  des  Baues  —  wenigftens  in  Sanft 
Ruprecht  —  nicht  erlebt.  Denn  die  Vollendung  der 
Kirche  erfolgte  im  Jahre  1497,  was  der  in  der  Giebel- 
mauer der  FaQade  über  dem  Portale  eingemauerten 
Steininfchiift  zu  entnehmen  ift. 

a)  Das  Aei/ßere  der  Kirclie. 

Aeußcriich  präfentirt  fich  die  auffallcnderweife 
nicht  orientirte  Kirche*  als  bcfcheidencr,  fchmucklofer, 
ja  in  einzelnen  Partien  fogar  als  ein  etwas  langweiliger 
Bau.  Befonders  gilt  dies  von  den  ganz  ungegliederten, 
aus  einfachen  leichten  Bruchfteinen  (Tuff,  der  in  nächfter 
Nähe  gewonnen  wurde)  aufgeführten  Wänden  des 
Langhaufes.  Dasfelbe  entbehrt  fogar  der  Streben; 
nicht  einmal  ein  Gefims  vermittelt  den  Uebergang  von 
den  kahlen  Kirchenwänden  zum  Dache,  das  wiederum 
weder  durch  feine  Höhe  noch  feine  Steilftellung  irgend- 
welche gothifche  Erinnerungen    wachruft.    Eingedeckt 

'   C.italogus  dioeccsis  Labarcnsis. 

=  Valvafor.  Ehre  des   Herzo^thums  Krain  VIU  7. 

'  Er  ift  kein  SproflTc  des  .allberühmtcn  kr.-linirchen  Adelsgefchlechtcs  der 
'  Grafen   von  Aucrspcrg. 

'  Die  Haupirichtung  der  Kirche  ift  im  allgemeinen  Südfüdoft  ru  Nord 
nordweft,  l)afs  fie  nicht  orientirt  ift.  fallt  umfomebr  auf,  als  fie  auf  einem 
nacli  allen  Seiten  hin  freiem  PIat7e  mitten  im  Dorfe  fteht.  Raummanse!  ver- 
anlafstc  den  Haumcifter  cutfchiedcn  nicht  dazu,  von  der  fonft  belicblen  Orts- 
richtung  abzuweichen. 


-     65 


ift  es  mit  gewöhnlichen,  im  Lande    allgemein    üblichen 
Ziegeln. 

Am  fchmucklofeften  und  am  wenigften  gegliedert 
ift  die  Fagade.  Mit  Ausnahme  eines  einzigen  drei- 
theiligen  Fenfters  (mit  Fifchblalenmaßweik)  über  dem 
Portale  unterbricht  kein  architektonifcher  oder  orna- 
mentaler Schmuck  die  Oedigkeit  der  breiten  und  hohen 
Giebelmauer,  man  wollte  denn  die  fchon  erwähnte, 
übrigens  aber  auch  fehr  befcheidene  Steininfchrift  mit 
der  Jahreszahl  1497  als  einen  folchen  gelten  laffen. 


Fig.  I.  (St.  Ruprecht  in  Unterkrain,  Gnindrifs.) 

Von  ähnlicher  BefchatTenheit  find  die  beiden  Längs- 
mauern des  Langhaufes  aus  ganz  roh  bearbeiteten 
Bruchrteinen.  Die  einzige  Gliederung  derfelben  bilden 
je  drei  fchön  geformte,  durch  zwei  Pfoften  in  drei  Ab- 
theilungen getheilte  Spitzbogenfenrter  mit  fchönem 
Maßwerk,  in  welchem  Drei-  und  Vierpäffe,  der  Ent- 
ftehungszeit  entfprechend  felbflverftändlich  mit  der 
unvermeidlichen  Fifchblafenfüllung,  abwechfcln.  Die 
fechs  Fenfter  des  Langhaufes  fnul  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  in  der  linken  Evangelienfeitenwand,  das  nur 
durch  einen  Pfoften  getheilt  ift,  dreitheilig,  15  M.  breit 
und  waren    urfprünglich    715    M.   hoch.    Gegenwärtig 


befitzen  fie  jedoch  diefe  Höhe  nicht  mehr,  da  fie  (aller 
Wahrfcheinlichkeit  nach)  fchon  bald  nach  der  Erbauung 
der  Kirche  in  ihren  unteren  Theilen  über  214M.  hoch 
vermauert  wurden.  Die  in  diefer  Vermauerung  noch 
gegenwärtig  \orhandenen  rß  M.  hohen,  aber  äußerft 
engen  Schießfcharten  fprechen  es  deutlich  genug  aus, 
zu  welchem  Zwecke  dies  gefchehen  war.  Die  Entfte- 
hung  der  Kirche,  fowie  die  ihr  unmittelbar  folgende 
Zeit  fällt  ja  in  die  Periode  der  fiirchterlichflen  Türken- 
einfälle, wo  die  Landbevölkerung  keinen  Augenblick, 
weder  bei  Tag,  noch  bei  Nacht  ihres  Eigenthums  und 
ihres  Lebens  ficher  war.  Die  Kirche  war  für  fie  der 
ficherfte  Zufluchtsort. 

Selbftverftändlich  vermehrt  diefe  Vermauerung 
noch  den  Eindruck  des  Kahlen  und  Oeden  der  Außen- 
wände. Kein  Wunder,  dafs  infolge  deffen  im  Laufe  der 
Zeit  oft  Verfuche  gemacht  wurden,  den  natürlichen 
Schmuck  des  rauhen  Bruch  Heines  unter  einer  Schichte 
von  Verputz  zu  verbergen.  Zum  Glück  ift  es  aber  bis- 
her einer  befferen  Einficht  noch  jedesmal  gelungen, 
eine  folche  Maßnahme  zu  vereiteln. 

Viel  mehr  Sorgfalt  als  auf  die  äußere  Ausftattung 
des  Langhaufes  veiwendete  der  Baumeifter  auf  das 
Aeußere  des  Chores  (vgl.  Fig.  2).  Diefer  Theil  der 
Kirche  wird  von  fieben  Strebepfeilern  flankirt,  von 
denen  der  erfte  (wcftliche),  da  er  eben  dem  Triumph- 
bogen zur  Stütze  zu  dienen  hat,  viel  kräftiger  ift,  als 
die  anderen.  Die  fehr  hübfch  geformten  Streben  find 
dreimal  abgetreppt;  das  erftemal  in  der  Höhe  des  um 
den  ganzen  Chorraum  herumlaufenden  Sockels.  Ueber 
der  zweiten  Schräge  erheben  lieh  zierliche,  übereck 
geftellte  dreifeitige  Fialen,  fo  dafs  nur  zwei  Seiten- 
flächen derfelben  aus  dem  Mauerkörper  der  Streben 
hervortreten,  die  dritte  fich  aber  an  die  Strebewand 
anlehnt.  Die  Kanten  der  Fialenleiber  find  mit  Rund- 
ftäben  verziert  und  mit  gleichfchenkeligen  Giebeln  ab- 
gefchloffen.  Darüber  erheben  fich  auf  eigenen  Gefimfen 
aufruhend  zierliche  dreifeitige  Pyramidchen,  die  jedoch 
von  den  Ibnft  üblichen  Fialenriefen  bedeutend  abweichen. 
Ihre  Kanten  haben  keine  Krabben,  dafür  aber  find  ihre 
Flachen  in  phantafievollfter  Weife  mit  theils  gerade-, 
theils  krummlinigen,  auf  das  reichfte  ineinander  ver- 
fchlungenen  geometrifchen  Figuren  und  Arabesken  in 
reizendfler  Abwechslung  in  Flachrelief  gefchmückt. 
Eine  jede  Fläche  hat  ihr  eigenes  Deffin  ohne  Wieder- 
holungen. Die  Pyramidenenden  find  mit  Kreuzblumen 
geziert,  die  aber  auch  von  der  gewöhnlichen  Form  ab- 
weichen; leider  find  die  meiften  zum  Theile  verftüm- 
melt,  zum  Theile  aber  find  fie  den  Witterungsein- 
flüffen  gänzlich  zum  Opfer  gefallen. 

Von  ähnlich  geftalteten  Pyramidchen  werden  auch 
die  Strebepfeiler  felbft  bekrönt. 

Auf  der  Oftfeite  des  Chores  (fiehe  Fig.  i)  ift  die 
mit  der  oben  erwähnten  elften  ftärkeren  (weftlichen) 
correfpondirende  Strebe  wegen  des  hier  ftehendeii, 
äußerft  maffiven,  üi)er  60  M.  hohen  und  weithin  über 
die  reizende  Ebene  fichtbaren  Glockcnthurmes  über- 
flüßig  geworden.  Im  Grundrifs  quadraiifch,  ift  der 
Thurm  etwas  über  der  Höhe  des  Dachfirftes  ins  Acht- 
eck übergeführt  und  feit  dem  Jahre  1870  mit  einer  ftyl- 
gerechten  achteckigen  Blcchpyramide  überdeckt, 
während  er  früher  einen  „Zwiebelhelm"  trug.  In  feiner 
unterften  Etage,  die  als  Sacriftei  dient  und   in  welche 


XXVIII.  N.  F. 


66     — 


ein  fpitzbogiges,  einfach  profilirtes  Portal   führt,    ift    er 
mit  einem  gothifchen  Sterngewölbe  überwölbt. 

Wie  die  Längswände  der  Kirche,  fo  ift  auch  der 
Thurm  ohne  jede  Gliederung  und  weder  durch  Gefimfe 
noch  fonflige  architektonifche  Linien  etagirt.  Die 
einzige  befcheidene  Belebung  erhält  fein  maffives 
Mauerwerk  durch  die  viereckigen  fchmalen  Licht- 
fchlitze,  deren  unter  den  Schallöchern  in  jeder 
Wand  je  zwei  angeordnet  find,  die  fo  eine  Art  Etagi- 
rung  des  Thurmes  herbeiführen.  Nicht  einmal  ein 
Sockel  ifl  an  demfelben  zu  bemerken,  weshalb  der  Ein- 
druck der  Maffigkeit  desfelben  noch  erhöht  wird.  Seine 
Gefammtanlage  und  die  ganz  außerordentliche  Stärke 
der  Mauern,  nahezu  3  M.,  laden    auf  den    erften    Blick 


An  der  Nordfeite  des  Glockenthurmes  führt  ein 
fchlankes,  rundgehaltenes  Eckthürmchen  auf  einer 
fteilen  Wendeltreppe  in  die  oberen  Etagen   desfelben. 

Nördlich  vom  Thurme  iü:  der  öftlichen  Längs- 
wand der  Kirche  eine  Vorhalle  angebaut,  unter  welcher 
man  einerfeits  in  das  Kirchenfchiff,  anderfeits  aber  auf 
einer  Treppe  zur  Mufikempore  gelangt.  Ob  eine  Vor- 
l'ialle  fchon  urfprünglich  befanden,  ift  fchwer  zu  fagen, 
jedenfalls  muß  fic  aber  eine  andere  Form  gehabt 
haben.  Die  gegenwärtige  datirt  erfl  aus  der  neueften 
Zeit.  Man  hat  fich  zwar  bei  ihrer  Aufführung  angelegen 
fein  laffen,  fie  möglichft  in  Einklang  mit  dem  übrigen 
Bau  zu  bringen,  allein  es  ift  dies  doch  nur  im  aller- 
befcheidcnftcn  Maße  gelungen. 


Kig.  2.  (St.  Ruprecht  in  Unterkrain,  Auflenar.ficht  von  Südoflen.) 


erkennen,  dafs  er  außer  feiner  eigentlichen  Beftiinmung 
in  den  Zeiten  der  Türkennoth  auch  Vertheidigtings- 
zwecken  gewidmet  war.  Eine  geräumige  gegenwärtig 
jedoch  vermauerte  viereckige  (nicht  fpitzbogige)  Oeff- 
nung  unter  den  gothifchen  Schallöchern  führte  einftens 
aus  dem  Innern  des  Thurmes  auf  einen  rings  um  ihn 
herumlaufenden  Wehrgang. ' 

'  Im  Thurme  hängen  vier  Glocken.  Die  kleinftc  von  elwa  6  Ztr.  Ge- 
wicht hat  unter  der  Krone  die  Infchrift:  „Sancte  Ruperte,  ora  pro  nobis". 
unten  am  Rrnde:  „Lucas  Oimiz  me  fudit  anno  1735"  —  L.  Dimiz  war  ein 
Laibachcr  Glockengießer. 

Die  zweite  mit  der  Infchrift;  ..O  rex  gloriae  Gelte  (?)  veni  cum  Tiia 
pace  amen  1474'  ftanimt,  wie  die  Jahreszahl  beweist,  noch  aus  dem  Mittel- 
alter her  und  foU  die  Hauptglocke  der  alten  Kirche  gcwcfcn  fein.  Dimcnfioncn ; 
0-98  X  0-95  M.  (im  Lichten). 

Die  dritte,  20  Ztr.  97  Pfd.  fchwer.  trägt  die  Infchrift:  „Antonii  Samassa 
Labaci  Anno  1845,  Nr.  584**. 

Von  ebendemfelben  SamalTa  wurde  auch  die  vierte  44  Ztr.  25  Pfd. 
fchwcre  Glocke  gegotfcn ;  „Svctimu  Rupcrtu  patronu  J.  Supin  in    farmani,   ulit 


Ebenfalls  erfl  unferem  Jahrhundert  gehört  auch 
das  \'ielleicht  etwas  beffer  gelungene  kleine  Seiten- 
portale in  der  rechten  (Weft-)  Wand  des  Chores  zwi- 
fchen  dem  zweiten  und  dritten  Strebepfeiler  (Fig.  2)'  an. 
Es  ift  ein  aus  einem  etwas  gedrückten  Spitzbogen  con- 
ftruirtcs  Doppelthor,  deffen  Bogenfeld  mit  einem  durch- 
brochenen RadfciiRer  geziert  ift.  Die  Leibungen  der 
beiden  Spitzbogen  fowie  das  Capital  der  drei  Pfeiler, 
die  das  Portale  bilden,  find  mit  Arabesken  gefchmückt. 
Der  ftark  abgcfchrägten  gemeinfamen  Thorbekrönung 
find  drei  Pyramidchen  von    ähnlicher   Form,    wie  jene 

A.  Samassa  v  Ljubij.-iiii  v  letu  1845,  Nr.  585".  (Dem  Patron,  dem  heil.  Rupert, 
der  Pfarrer  J.  Supin  und  PfarrinfatTen,  gegoffen  A.  SamalTa  in  Laibach  im 
Jahre   1845,  Nr.  585.) 

'  Im  GrundrilTe,  Fig.  i,  ift  diefer  Zubau  hinweggelalTcn.  der  daneben 
angebrachte  Zugang  zum  gräflichen  Oratorium  hingegen,  von  dem  fofort  die 
Rede  fein   wird,  aufgenommen. 


6; 


an  den  Fialen  und  Streben  aufgefetzt.  Schade,  dafs  der 
keineswegs  ungefällige  Eindruck,  welchen  diefes  Seiten- 
portale macht,  durch  einen  recht  gefchmacklofen,  eben- 
falls der  neueften  Zeit  angehörigen  Zubau  zwifchen 
dem  erften  und  zweiten  Strebepfeiler,  beeinträchtigt 
wird.  Diefer  Zubau  vermittelt  den  Aufgang  zum  Ora- 
torium der  gräfl.  Familie  Barbo,  und  es  wäre  fehr  zu 
wünfchen,  dafs  er  baldmöglichft  einem  ftylgerechten 
Nachfolger  Platz  machte. 

b)  Das  Innere  der  Kirche. 

Diefes  befcheidene  Aeußere  der  Kirche  läfst  es  im 
entfernteften  nicht  ahnen,  welche  Herrlichkeiten  das 
Innere  derfelben  birgt.  Paffirt  man  das  fchmucklofe, 
mit  einigen  wenigen  Rundftäben  und  Hohlkehlen  im 
befcheidenften  Maße  profilirte  Hauptportale  (ohne 
Sturz  und  Tympanoni,  fo  eröffnet  fich  dem  erftaunten 
Auge  ein  überaus  reizender  Anblick. 

Die  Kirche  befteht  aus  zwei  Haupttheilen,  die  fehr 
gefällige  Verhältniffe  zeigen:  dem  Chorraume  und  dem 
dreifchiffigen  Langhaufe. 

a  I   Der   C  h  o  r  r  a  u  m. 

Der  dem  Langhaufe  vorgelegte  um  eine  Stufe 
erhöhte  Chorraum  hat  im  Lichten  i3'8o  M.  Länge, 
7-17  M.  Breite  und  12-30  M.  Höhe.  Er  ift  um  die  Breite 
der  am  Abfchluß  der  Seitenfchiffe  befindlichen  zwei 
Seitenaltäre  abgefetzt  fchmäler  als  das  Langhaus  und 
von  diefem  durch  den  imponirenden,  fchön  profilirten 
Triumphbogen,  unter  welchem  links  die  Kanzel  ange- 
bracht ift,  getrennt.  Merkwürdigerweife  neigt  fich  der 
Chorraum  gegen  die  Axenrichtung  des  Schiffes  etwas 
nach  hnks;  dem  bloßen  Auge  entgeht  jedoch  diefe 
geringe  Neigung  und  kann  nur  durch  genaue  Meffung 
feftgeftellt  werden. 

Immerhin  ift  es  eine  auffällige  Erfcheinung,  umfo 
auffälliger  als  etwa  Raummangel  ficherlich  nicht  zu 
einer  folchen  Brechung  der  Hauptaxenrichtung  zwingen 
konnte,  denn  die  Kirche  fleht  und  ftand  feit  jeher  voll- 
kommen frei  mitten  im  Dorfe,  deffen  Nachbarhäufer 
von  derfelben  fo  weit  zurückgedrängt  ftehen,  dafs  fich 
rings  um  die  Kirche  ein  freier  Platz  ausbreitet,  der 
einftens  jedenfalls  der  Pfarrkirchhof  gewefen  ift.  Inter- 
effant  ift  hiebei  die  Wahrnehmung,  dafs  uns  diefelbe 
Erfcheinung  auch  in  der  Bauanlage  der  Propfteikirche  in 
der  Stadt  Rudolphswerth  entgegen  tritt:  alfo  in  der 
Kirche,  deren  Errichtung  von  ebendemfelben  Manne, 
dem  gewefen en  St.  Ruprechter  Pfarrer  und  fpätereii 
Dompropft  von  Rudolphswerth,  Jacob  Auersperger,  in 
Angriff  genommen  wurde,  der  auch  zu  unferer  Kirche 
den  Grundftein  gelegt  hat.  In  Rudolphswerth  legte  der 
ihm  zur  Verfügung  ftehende  überaus  geräumige  Platz 
noch  weniger  Hinderniffc  in  den  Weg.  Und  doch  iil  die 
Brechung  der  Axenrichtung  des  Langhaufes  dort  noch 
viel  bedeutender  und  fo  groß,  dafs  fie  das  Auge  verletzt 
und  die  ganze  Kirchenanlage  in  hohem  Grade  verun- 
ftaltet.  Was  mag  nun  der  Grund  für  ein  folches  Be- 
ginnen gewefen  fein?  lune  Laune  des  gewefenen  Pfarrers 
und  fpiiteren  Dompropftes  war  es  ficherlich  nicht,  was 
fchon  daraus  erhellt,  dafs  man  auch  in  anderen  Län- 
dern, zum  Bcifpiel  in  Tyrol,  bei  einer  Anzahl  von 
Kirchen  derfelben  auffälligen  Erfcheinung  begegnet,  fo 


in  Bozen,  Terlan  u.  f.  w.'  Eine  befriedigende  Erklärung 
hat  man  aber  dafür  auch  dort  nicht  finden  können. 

Der  Chorraum  hat  einen  aus  drei  Achteckfeiten 
conlTiruirten  Abfchluß.  Erhellt  wird  er  durch  fünf  hohe, 
fchlanke,  fchön  geformte  Spitzbogenfenfter,  von  denen 
vier  durch  je  zwei  Pfoflen  dreimal  getheilt  find;  ein 
Fenfter  aber  ift  nur  zweitheilig,  da  der  hier  ftehende 
maffive  Glockenthurm  die  Anbringung  eines  drei- 
theiligen  Fenfters  nicht  geftattete.  Dasfelbe  ift  nur 
^6  Cm.  breit,  während  die  anderen  vier  eine  Breiten- 
ausdehnung von  1-22  M.  im  Lichten  haben.  Auch  die 
Chorfenfter  find  an  ihren  unteren  Enden  1-54  M.  ver- 
mauert und  mit  jetzt  freilich  gefchloffenen  engen 
Schießfeharten  (Schießfchlitzen)  verfehen. 

Der  mit  einem  reichen  Sterngewölbe  von  vier 
Jochfeldern  überdeckte  Chorraum  macht  einen  äußerfl 
lieblichen  und  anheimelnden  Eindruck.  Die  zwar  ein- 
fach aber  hübfch  profilirten  birnförmigen  Rippen  des 
Chorabfchlußes  (im  Grundrifs  Fig.  i  a,  b,  c,  d)  ruhen 
auf  halbrunden  Wanddienften,  die  ohne  Bafen  unmittel- 
bar vom  Boden  auffteigen.  Die  Capitäle  der  Dienfte 
find  phantaftifche  Fratzenköpfe,  doch  find  nur  zwei 
von  ihnen  inta6t  erhalten,  a  und  d,  während  die  an  der 
hinterften  Abfchlußwand  befindlichen  zwei,  b  und  c,  in 
barbarifcher  Weife  verftümmelt  und  von  dem  Rippen- 
anfatze  abwärts  gänzlich  zerflört  find.  Gefchehen  ift 
dies  zweifellos  erft  in  der  neueften  Zeit,  gelegentlich 
der  Aufftellung  des  neuen  großen,  tief  hinein  an  die 
Abfchlußwände  gedrängten  Hauptaltares. 

Die  übrigen  von  den  Wänden  auslaufenden  Rippen 
ruhen  auf  Confolen  mit  Rofetten  und  Schildern  und 
Engelsköpfen. 

Die  Schlußfteine  find  mit  Wappen  (vier),  Schilder 
(elf),  Rofetten  (zwei),  Thierfiguren  (zwei),  Engels-  und 
Heiligenköpfen  (zwei)  in  Relief  belegt.  Die  vier  Haupt- 
fchlußfteine  find  natürlich  etwas  größer  als  die  Neben- 
fchlußftcine  und  tragen  ebenfalls  in  Relief:  I.  das 
Wappen  eines  bereits  ausgeftorbenen  Grafengefchlech- 
tes,'  II.  das  Wappen  der  Grafen  Barbo,  III.  einen 
Engelskopf,  IV.  eine  Rofette. 

ß)  Das  Langhaus. 

Mit  noch  reicherem  Schmucke  bedacht  ift  das 
Langhaus,  eine  prächtige,  12  M.  hohe,  10  M.  breite 
und  17  80  M.  lange  Hallenkirche,  wie  folche  damals 
befonders  in  Süddeutfchland  und  den  öfterreichifchen 
Ländern  üblich  waren.  Drei  fchlanke  aus  prismatifchen 
achteckigen  Trommeln  zufammengefetzte  Pfeilerpaare 
theilen  fie  in  drei  gleich  hohe  und  merkwürdigerweife 
auch  gleich  breite  Schiffe,  die  mit  einem  reizend 
fchönen,  überaus  reichem  Netzgewölbe  überwölbt  find. 
Der  Meifter  hat  bei  der  Conftrudtion  desfelben  feiner 
überfprudelnden  und  fpielenden  Phantafie  vollauf  die 
Zügel  fchießcn  laffcn  und  ein  Werk  gefchaffen,  das  im 
Lande  nicht  bald  Seinesgleichen  hat.  Ein  Blick  auf  den 
Grundrifs  bekräftigt  dies  zur  Genüge,  ja  allzuwarme 
Freunde  der  Früh-Gothik  würden  vielleiclit  nicht  übel 
verfucht     fein,     in     diefem     fcheinbaren    Gewirre    der 

'  MiCthcilunccn  der  Ccntral-Commiffion   1898. 

-  Nach  Anficht  des  Pfarrers  Mcrvec  foU  es  das  Wappen  der  Cillicr 
(trafen  fein.  Ich  kann  das  nicht  entfchctdcn,  weil  ich  bei  meinen  mehrfachen 
Hcfiichcn  der  Kirche  zufalÜKerwcife  niemals  eine  hinlänglich  giinftif^e  Beleuch- 
tung fand,  um  die  Details  ausnehmen  zu  können.  Uebrigens  id  mir  die  An- 
bringung eines  folchen  W.ippcns  im  Jahre  1497  —  mehr  als  eine  Generation 
nach  dem  Ausllerben  der  Cillicr  Grafen  —  nicht  fo  recht  einleuchtend. 


—     68 


Rippenführungen  fogar  einen  Fehler  zu  erblicken.  Ich 
weiß  recht  wohl,  dafs  man  den  Netzgevvölbeentwürfen 
der  Spät-Gothiker  den  Vorwurf  der  Willkür,  der  Regel- 
lofigkeit,  des  Phantaflifchen,  Gefachten,  Spielenden 
u.  f.  w.  macht,  allein  ähnliche  Vorwürfe  hat  man  auch 
den  Kunftbeftrebungen  gemacht,  aus  welchen  fich  die 
Barocke  und  das  Rococo  zu  Stylgattungen  heraus- 
gebildet haben,  die  in  der  allerneueften  Zeit  fowohl  in 
der  Architektur  als  auch  Sculptur  eine  geradezu 
glänzende  Auferftehung  feiern.  Ich  wäre  der  unmaß- 
geblichen Meinung,  dafs  man  auch  bei  den  Spat- 
Gothikern  Unterfchiede  machen  müße.  Nicht  jedes 
Netzgewölbe  ift  fchon  deshalb,  weil  es  ein  folches  ift;, 
ein  mifslungenes  Machwerk.  So  gut  wie  die  Einfach- 
heit ifl:  ja  doch  auch  die  Mannigfaltigkeit  und  Vicl- 
feitigkeit  —  freilich  fo  lange  fie  die  Gränzen  der  Gefetz- 
mäßigkeit nicht  überfchreitet  —  eine  Hauptforderung 
jeder  Kunftgattung. 

Dafs  auch  unfer  leider  uns  unbekannter  Meifter 
feiner  überreichen  Phantafie  die  durch  die  Kunftregeln 
ihm  vorgefchriebenen  Zügel  anlegte,  erkennt  man  fofort, 
fobald  man  feinem  Werke  ernftlich  etwas  näher  tritt. 
Trotz  des  fcheinbaren  Gewirres  in  den  Rippenlinien 
offenbart  ficli  einem  blickgewohnten  Auge  alsbald  eine 
flrenge  Gefetzmäßigkeit  in  der  Führung  derfelben.  Vor 
allem  erfcheint  einmal  durch  die  drei  achteckigen 
Säulenpaare  das  ganze  Gewölbe  deutlich  genug  in  vier 
ganz  gleiche  Jochfelder  (Travees)  getheilt.  Jedes  von 
ihnen  fetzt  fich  aus  je  drei  fchönen,  aus  Rhomben  und 
Rhomboiden  beftehenden  achtftrahligen  Sternen  zu- 
fammen.  Die  Mittelrippen  eines  jeden  fo  geftalteten 
Sternes  laufen  in  einem  Hauptfchlußfteine  zufammen, 
welchen  der  Künftler  durch  auffallende  Größe  gegen- 
über den  Nebenfchlußfteinen  markant  hervorgehoben 
hat. 

So  löst  fich  das  fcheinbare  Gewirr  in  ftrenge  Ge- 
fetzmäßigkeit auf. 

Ein  zweites  Mittel,  einer  etwaigen  Ermüdung  des 
Auges  entgegenzuarbeiten,  fand  der  Künftler  darin, 
dafs  er  unter  das  ganze  vierte  Jochfeld  (beim  Haupt- 
portale) die  Mufikempore  einfügte.  Aber  auch  in  den 
drei  übrigen  Jochfeldern  wufste  er  für  das  Auge  einen 
geradezu  verblüffend  fchönen  Ruhepunkt  zu  finden, 
indem  er  den  mittleren  Gewölbeftern  in  ganz  eigen- 
artiger Weife  behandelte.  Den  Hauptfchlußftein  erfetzte 
er  durch  eine  kreisrunde  mit  Rundftab  und  Wulft  ver- 
zierte Oeffnung,  groß  genug,  dafs  man  durch  diefelbe, 
wenn  fie  nicht  zugedeckt  wäre,  in  das  Sparrenwerk  des 
Daches  hinaufblicken  könnte.  Weiters  verwandelte  er 
die  vier  von  den  Pfeilern  auslaufenden  und  in  der  ge- 
nannten Oeffnung  fich  vereinigenden  Rhomben,  indem 
er  je  zwei  zufammenftoßende  Seiten  derfelben  durch 
Kreisfegmente  erfctzte  und  ihnen  je  zwei  Nafen  ein- 
fügte, in  fifchblafen-  oder  flammenähnliche  Gebilde. 
Hiemit  erzielte  er,  abgefehen  davon,  dafs  er  für  das 
Auge  einen  behaglichen  Ruhepunkt  fchuf,  eine  rei- 
zende Wirkung. 

Die  eigentlichen  Träger  diefes  Stern-  oder  Netz- 
gewölbes find  felbflverftändlich  die  drei  Pfeilerpaare, 
aus  deren  Kanten  fich  die  Hauptrippen  unmittelbar, 
ohne  Capitäle  entwickeln;  freilich  bemerkt  man  das 
gegenwärtig  nicht  mehr,  da  ein  verbildeter  Gefchmack 
vor  nicht  langer  Zeit  die  Rippenanfätze  durch  häß- 
liche, ganz  ftyllofe  Capitäle  aus  Gyps  verhüllt  hat.  In 


urfprünglicher  Geflalt  haben  fich  die  Rippenanfätze 
nur  noch  unter  der  Mufikempore  erhalten. 

Die  die  Wände  anlaufenden  Rippen  ruhen  aus- 
nahmslos alle  auf  Confolen,  und  zwar  find  die  aus  'der 
vollen  Wand  hervortretenden,  die  Jochgurten  tragen- 
den —  wenn  überhaupt  von  folchen  die  Rede  fein 
kann  —  kräftiger  als  die  über  den  Fenflern  ange- 
brachten. Diefe  find  mit  Rofetten,  die  erfteren  durch- 
wegs mit  Hüften  fingender  Engel  geziert,  die  Mufik- 
noten  in  den  Händen  halten.  Auf  diefe  Weife  wird  ein 
wohlberechneter  Uebergang  zur  Mufikempore  ver- 
mittelt. 

Wie  in  den  Rippen,  zeigt  fich  ein  ungewöhnlich 
großer  Rcichthum  der  Erfindung  auch  in  der  Behand- 
lung der  Schlußfteine.  Jedes  Jochfeld  zählt  ihrer  nicht 
weniger  als  29,  das  mittlere  (zweite)  ihrer  fogar  31.  In 
jedem  Jochfelde  find  die  drei  Hauptfchlußfteine  durch 
ihre  Größe  vor  den  Nebenfchlußfteinen  ausgezeichnet 
und  im  reichflen  Maße  mit  Reliefs  gefchmückt.  Im 
erften  Jochfelde  befinden  fich  die  Darftellung  der 
Muttergottes  mit  dem  Chriftuskinde,  des  heil.  Ruper- 
tiis,  des  Patrons  der  Kirche,  und  des  heil.  Andreas.  Im 
zweiten  Jochfelde  eine  Heilige  mit  Schlüffel  und  Buch 
und  ein  Efel  mit  Nafenring.  Im  dritten  Jochfelde  der 
königliche  Sänger  David,  die  heil.  Barbara  und  der 
heil.  Bartholomäus;  endlich  über  der  Mufikempore  die 
Bilder  zweier  Heiligen  und  einer  Blume. 

Von  den  bildlichen  Darftellungen  auf  den  Neben- 
fchlußfteinen fei  nur  bemerkt,  dafs  einige  von  ihnen  glatt 
find,  fei  es,  dafs  der  Belag  derfelben  abgefallen  ift, 
oder  dafs  fie  fchon  urfprünglich  fo  befchaffen  waren; 
fonft  aber  begegnen  am  zahlreichften  verfchiedenartig 
geformte  Rofetten,  Wappen,  Schilder,  männliche  und 
weibliche  Heiligenköpfe  mit  und  ohne  Nimbus,  Engels- 
köpfe, Sterne  u.  f.  vv. 

Aehnlich  geftaltet  wie  das  Hauptnetzgewölbe  ifl 
auch  dasjenige,  welches  die  ein  ganzes  Jochfeld  in  An- 
fpruch  nehmende  Mufikempore  trägt,  nur  ift  diefes  Ge- 
wölbe viel  gedrückter  und  macht  nicht  jenen  heiteren 
und  gefälligen  Eindruck,  wie  das  Hauptgewölbe  über 
der  Empore.  Auch  entwickeln  fich  die  Rippen  nicht 
unmittelbar  aus  den  Säulenfchäften,  was  ja  übrigens 
aus  ftatifchen  Gründen  faft  felbftverftändiich  ift,  fon- 
dern aus  maffiven  quadratifchen  Blocken,  die  als  ver- 
ftärkte  Träger  der  Mufikempore  fich  an  die  fchlanken 
Pfeiler  anlehnen.  Auffallend  ift  im  Entgegenhalt  des 
reichen  Schmuckes  des  Sternengewolbes,  dafs  die 
Stirnwand  der  Mufikempore  weder  durch  conftru6live 
noch  andere  architektonifche  Linien  gegliedert  er- 
fcheint. Nur  durch  je  einen  Rundftab  und  eine  Hohl- 
kehle wird  eine  Art  Brüftung  von  30  Cm.  Höhe  erzielt. 

Die  innere  Ausftattung  der  Kirche. 

Diefelbe  ift  eher  eine  befcheidene  als  reiche  zu 
nennen,  doch  beherbergt  das  Presbyterium  ein  un- 
fchätzbarcs  Kleinod,  das  berühmte  Sacramentshäus- 
chen  an  der  Evangelienfeite  des  Hauptaltars  (Fig.  3).  Es 
ill  nicht  fo  fehr  feine  künftlerifche  Ausgeftaltung,  welche 
es  fo  werlhvoll  macht  —  es  gibt  in  Oefterreich  eine 
Anzahl  fchöuerer  und  künftlerifch  vollendeterer  Sacra- 
mentshäuschen  —  vielmehr  der  Umftand,  dafs  es  das 
einzige  im  Lande  Krain  ift,  alfo  ein  wahres  Unicum!  Die 


69     - 


leichtverzeihliche  Ueberfchätzung  diefes  Unicums  hat 
aber  zu  einem  merkwürdigen  Irrthum  Anlafs  gegeben. 
Das  allzu  freudetrunkene  Auge  eines  Kunftenthufiaften 
glaubte  nämlich  in  dem  damals  wahrfchcinlich  mit 
einer  weißen  Emailfarbe  angeftrichenen  Material  des 
Sacramentshäuschens  Elfenbein  zu  erblicken.  Und  fo 
liest  man  in  den  „Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Com- 
miffion  1858,  p.  304"  wörtlich  folgenden  Satz:  „Die 
Kirche  (sc.  von  St.  Ruprecht) ....  ift  wahrfcheinlich 
auch  die  einzige  Kirche  im  Kaiferreiche,  welche  im 
Innern  ein  fo  prachtvolles  Sacramenlshäuschen  aus 
Elfenbein  aufzuweifen  hat".' 

Das  Sacramentshäuschen  ift  alfo  aus 
Stein,  von  demfelben  Kalktuff  wie  die 
Kirche  felbft. 

Der  eigentliche  Träger  des  Sacra- 
mentshäuschens, eine  achtfeitige,  nach 
oben  und  unten  jedoch  in  ein  Viereck 
übergehende  Stützfaule,  fteht  auf  einem 
dreiftufigen  Poftamente  von  quadrati- 
fchem  Grundrifs.  lieber  die  Verkröpfung 
der  Stützfäule  baut  fich  in  drei  kiel- 
bogigen,  fehr  einfach  gehaltenen  und  fich 
nach  oben  verjüngenden  Etagen  das 
Sacramentshäuschen  felbll:  auf  Auch 
diefes  hat  einen  quadratifchen  Grundrifs. 
Von  den  drei  Etagen  trägt  nur  die  unterfte 
einigen  architektonifchenSchmuck,  kleine 
mit  Fialen  bekrönte  Rundfaulchen.  Um 
ihr  mehr  Stabilität  zu  verleihen,  ift  fie 
mit  dem  Architrave  und  einer  Seiten- 
fläche in  die  Chormauer  verfetzt  worden. 
Sie  diente  urfprünglich  zur  Aufnahme  und 
Aufbewahrung  des  Hochwürdigften, 
fpäter  des  heil.  Oeles  und  ift  mit  einem 
gefchmackvoU  ornamentirten 
thürchen  verfperrt.  Gegenwärtig  ift 
leer.  Mit  ganz  gleichen  Gittern  find  auch 
die  beiden  andern  freiftehenden  Seiten 
verfchloffen. 

Ueber    der    Zinnenbekrönung    der 

erften  Etage  erhebt  fich  (eben  um  die 

Mächtigkeit  diefer  Bekronung  abgefetzt) 

die  zweite,  die  aber  mit  allen  vier  Seiten 

frei    fteht    und   offen   ift.  Den  Abfchluß 

Fig.  3.         bildet    über    einer   Schmiege    die   dritte 

iSt.  Ruprecht     Etage,    eigentlich   eine   Fiale   mit   Leib, 

in  Uiiterkrain,    gi^^g^  (.j^jj  Knorren  befetzten  Rifen  und 

Sacraments-  .  .,  ,  , 

häuschen.  Kalk-  emer  Kreuzblume. 

flein.  Anfang  Die  Gefammthöhe  des  Sacraments- 

lö.  Jahrhundert.)  Häuschens  beträgt  6- II  M. 

Ein  wahres  Prunkftiick  des  Chores 
bildet  ferner  der  über  10  M.  hohe,  aus  tadellofem  carra- 
rifchem    Marmor   hergeflellte    und    in    rein   gothifchen 


Meffing- 
fie 


'  Amüfant  ift  es  nun  zu  beobachten,  wie  ein  folcller  Irrthuin  fich  in  den 
Büchern  fortzupflanzen  pflegt.  In  denfelben  Mittheilungen  der  k.  k.  CentralCom- 
miffion  1862  p.  188 — 190.  hat  der  dam.-ilige  Confcrvator  Ingenieur  Jofeph 
Leinmüllcr  eine  Refchrcibung  der  Kirche  von  St.  Ruprecht  veröffentlicht  und 
fich  p.  igo  über  das  Sacramentshäuschen  folgendermaßen  gealißen:  „In  Fig.  6 
und  7  ift  auch  das  in  den  „Mittheilungen  des  hiftorifchen  Vereines  für  Krain" 
von  Herrn  Pfarrer  l'etcr  Hitzinger  erwähnte  Sacramentshäuschen  aus  Elfenbein 
abgebildet."  Dlefc  Abbildung  hat  der  Ingenieur  Leinmüllcr  felbft  geliefert.  Ich 
fchlug  die  einfchlagige  Stelle  „Mittheilungen  des  hiftorifchen  Vereines  für  Krain" 
1847,  p.  53,  nach  (an  einer  anderen  hat  Hitzinger  über  das  Sacramcntsh.-ius- 
chen  nicht  gefchriebenl  und  las  dafclbft  zu  meinem  nicht  geringen  F.rftaunen; 
„....fchön  ift  jedoch  das  Behältnis  für  die  heil.  Oele.  in  der  Nahe  des  Hoch- 
altars auf  einigen  Stufen,  wie  ein  gothifches  Thürmchen,  aus  Stein  gehauen, 
fich  erhebend."  Pfarrer  Hitzinger  weiß  alfo  nichts  von  Elfenbein,  und  doch  hat 


Formen  gehaltene  Hochaltar.  Allein  er  ifl  kein  Erb- 
Itück  alter  Zeiten,  fondern  wurde  erft  im  Jahre  1865 
vom  Steinmetzmeifler  Ignatz  Thomann  in  Laibach 
gemeißelt. 

Das  Mittelftück  ifl,  ein  reichverziertes  gothifches 
Spitzbogenfenfler  mit  Giebel  und  einer  Fiale  auf  jeder 
Seite,  unter  deren  Baldachinen  jederfeits  ein  Engel 
feine  Auffkellung  hat.  Die  beiden  Seitenflücke  find  ähn- 
lichgeftaltet:zwei,  auf  hohen  Confolen flehende  Nifchen- 
gehäufe,  in  denen  zwei  überlebensgroße  Heiligen- 
ii:atuen  flehen,  der  heil.  Nicolaus  und  der  heil.  Ulrich. 
Weniger  gelungen  ift  das  Tabernakel,  eine  etwas  ge- 
fuchte  und  gekunflelte  Nachahmung  irgend  eines  zwei- 
thürmigen  gothifchen  Domes,  der  hier  ganz  und  gar 
nicht  am  Platze  ift.  Außerdem  zeigen  auch  die  gothi- 
fchen Formen  desfelben  nicht  jene  Strenge  und  Rein- 
heit, die  fonft  in  allen  Theilen  des  Altars  auf  das 
genauefte  befolgt  erfcheinen;  fo  flören  zum  Beifpiel 
ganz  befonders  die  beiden  quadratifchen  Fenfter  in  der 
dritten  Etage  der  Thürme.  Es  drängt  fich  bei  der  Be- 
trachtung des  Tabernakels  der  Gedanke  auf,  als  ob  der 
Entwurf  desfelben  von  einem  anderen  Gefchmacke 
beeinflußt  worden  wäre,  als  demjenigen  des  übrigen 
Altars. 

Beachtenswerth  aber  find  die  drei  kunflvoU 
getriebenen  Meffingplatten,  welche  die  Stirnwand  der 
Menfa  bekleiden  und  altteftamentliche  Scenen  zur 
Darftelhing  bringen.  Befonders  gelungen  fowohl  in  der 
Compofition  als  auch  in  der  Zeichnung  ift  das  Opfer 
Abrahams.  Im  ganzen  Großen  ift  der  St.  Ruprechter 
Hochaltar  einer  der  fchönften  und  koftbarften  Altäre 
Kraiiis, 

Wenn  ich  noch  das  an  der  rechten  Wand  ange- 
brachte Oratorium  erwähne,  fo  gefchieht  es  nur  um 
dem  Bedauern  Ausdruck  zu  geben,  dafs  man  es  vor 
einigen  Jahren  angehen  ließ,  ein  fo  gefchmacklofes  und 
die  Wirkung  des  fchönen  Presbyteriums  beeinträchti- 
gendes, gothifchfein  follendes  Oratorium  dafelbft  anzu- 
bringen. 

Seiten altäre  gibt  es  im  Chorraume  keine,  wohl 
aber  befinden  fich  zwei  folche  im  Langhaufe  am 
Triumphbogen,  am  Abfchluße  der  beiden  Seitcnfchiffe. 
Sie  wurden  um  1860  errichtet,  beftehen  aus  irgend 
einer  Gußmaffe  und  bieten  kein  Intereffe. 

Die  Bänke  und  Beichtftühle  (ihrer  drei)  find  dem 
Style  der  Kirche  angepafst. 

Grabmonunienle  befitzt  die  Kirche  mit  Ausnahme 
eines  in  die  linke  Längswand  eingemauerten  Ge- 
dächtnisfteines  keine.  Die  obere  Hälfte  der  270  M. 
hohen  und  115  M.  breiten  Steinplatte  nimmt  ein  in 
Halbrelief  ausgeführtes  Knieftück  ein,  das  einen  ge- 
panzerten Ritter  in  Allongeperücke  darfteilt;  die  linke 
halt  einen  bcbufchten  Helm,  während  die  rechte  aul 
dem  gräfl.  Barbo'fchen  Wappenfchilde  ruht.  Die  dar- 
unter angebrachte  Infchrift  lautet:  „Difes  Ruhe  Betlein 
Hatt  Av'fgcricht.  An:  1697.  D'-^''  Hoch  Und  WoU- 
gebohrne  Des  H.  Rom:  Reichs  Herr  Herr  Ma.K  Valeri 
Barbo  Graff  Von  Waxenftein,  ein  Freiherr  Avf  Guten- 
eg,  Paas  VndZoblsperg,  Herr  AvfKislingfteinKrevsee- 
bach  Vnd  Dragcmcl,  Rom.  Kay.  May.  Camrer  Vnd 
Obrifter    Einer   Lobl.    Laa.    In    Crain    Über    Dero    In 

der  Ingenieur  Lcinmüller  das  Sacramentshäuschen  mit  eigenen  Augen  gefchcn, 
er  hat  es  ja  felbft  aufgenommen  und  in  den  Mittheihingen  der  Central-Com- 
nülTion  ein  gelungenes  naturgetreues  Bild  davon  geliefert  1 


-     70     - 


VVartgelt  Haltende  Gerifte  Pferd,  Beftellter  Rittineifter 
Vnd  Kriegs  ComilTarius  in  Vnter  Crain,  So  In  Gott 
Verfiden  ift,  Deme  Gott  Gnedig  Sein  Wolle  Den: 
16  üclower  Anno  1699". 

Die  Reftaurirung,  refpective  Bemalung  des  Kirchen- 
Innern. 

So  um  die  Mitte  des  eben  ausgegangenen  Jahr- 
hunderts füll  fich  das  Innere  unferer  Kirche  in  einem 
äußerll  verwahrlosten  Zuftande  befunden  haben.  Selbft 
recht  craffe  DefecSle  an  der  Verglafung  der  Fenfter 
wurden  nicht  bemerkt  oder  wollten  nicht  bemerkt 
werden,  fo  dafs  man  zeitweilig  in  der  Kirche  auch 
Schnee  felien  konnte.  Als  fich  aber  dann  ein  etwas 
eifrigerer  Pfarrvorftelier  denn  doch  veranlafst  fand,  den 
ärgften  Mifsfländen  Abhilfe  zu  fchaffen,  fliftete  er  eher 
Schaden  als  Nutzen.  Er  dürfte  derjenige  gewefen  fein, 
der  fo  ziemlich  die  letzten  Spuren  der  urfprünglichen, 
bis  auf  feine  Zeit  doch  noch  theilweife  erhaltenen 
gothifchen  Bemalung  entweder  abkratzen  oder  unter 
Kalktünche  verfch winden  ließ;  er  war  es  wahrfchein- 
lich  auch,  der  manches  ihm  nicht  paffend  erfcheinende 
Sculptur-Ornament  vernichtete.  Weiiigftens  glaube  ich 
dies  aus  mündlichen  Mittheilungen  von  Leuten,  die 
fich  noch  an  diefe  Ausfchmückung  zu  erinnern  wiffen, 
fowie  aus  einer  in  jenem  Berichte  des  Ingenieurs  Lein- 
maller'  enthaltenen  Bemerkung  fchließen  zu  dürfen, 
der  da  fchreibt,  „dafs  nach  Angabe  des  damaligen 
Cooperators  Joh.  Koprivnikar  die  Kirche  einft  mit 
fratzenhaften,  ja  felbft  anftößigen  Bildern  bemalt  ge- 
wefen fei.  Sie  wurden,  man  wufste  nicht  wann,  über- 
timcht,  welche  Tünche  fich  jedoch  allmählig  abblätterte 
und  die  alte  Malerei  theilweife  wieder  anfichtig  werden 
ließ,  bis  man  bei  der  jüngften  Reftaurirang  (in  den 
fünfziger  Jahren)  diefelbe  ganz  ablcratzte  und  durch 
eine  halbdunkle  Steinfarbe  erfetzte". 

Damals  erhielten  auch  die  Pfeiler  jene  flyl-  und 
gefchmacklofen  Capitäle,  deren  fchon  gelegentlich 
gedacht  wurde. 

Als  man  nun  in  den  fiebziger  Jahren  auf  Anre- 
gung des  Ordinariates  den  kirchlichen  Bauwerken  auch 
in  Krain  eine  größere  Aufmerkfamkcit  zu  widmen  be- 
gann und  eine  Anzahl  von  Kirchen  in  der  Laibacher 
Dlöcefe  in  mehr  oder  minder  gelungener  Weife  ge- 
reinigt, mit  neuen  Altären,  Kanzeln  u.  f.  w.  verfehen, 
einige  auch  mit  ornamentalem  und  figuralem  Schmuck 
bedacht  wurden,  regte  fich  auch  bei  den  Pfarrinfaffen 
von  St.  Ruprecht  der  Wunfeh,  ihrer  fchönen  Pfarr- 
kirche eine  würdigere  Innenausftattung  zu  geben.  Frei- 
lich hat  der  im  Jahre  1865  mit  einem  Koftenaufwande 
von  über  3000  fi.  hergeftellte  gothifche  Hauptaltar  aus 
fchönftem  carrarifchen  Marmor  die  Kirchencaffe  völlig 
erfchöpft,  fo  dafs  an  weitere  koflfpielige  Reftaurirung 
und  Ausfchmückung  der  Kirche  lange  nicht  gedacht 
werden  konnte.  Der  erfle  Schritt  dazu  wurde  durch  die 
Erfetzung  der  bishin  nur  einfachen  farblofen  Glas- 
fcheiben  in  den  fünf  Fenftern  des  Presbyteriums  durch 
moderne  Glasmalerei  gemacht.  Aus  finanziellen  Grün- 
den war  man  aber  freilich  genöthigt,  möglichft  haus- 
zuhalten. Trotzdem  muß  zugegeben  werden,  dafs  die 
aus  einer  Tyroler  Fabrik  flammende  Verglafung,  wenn 

*  Mittheilungen  der  Central-Comniiffion  1862  p.   189. 


fic  auch  keineswegs  eine  kunftvollcndete  zu  nennen  ifl:, 
den  Anfpriichen,  die  an  eine  Landpfarrkirche  geftellt 
werden  können,  vollauf  entfpricht. 

Natürlich  wurde  auch  die  Frage  der  Ausmalung 
der  Kirche  zu  wiederholtenmalen  in  Anregung  ge- 
bracht, befonders  von  Leuten,  die  fich  noch  zu  erinnern 
oder  wenigftens  zu  erzählen  wußten,  dafs  das  zierliche 
Gewölbe  einflens  im  fchönften  P"arbenfchmucke 
prangte.  Allein  der  Wunfeh  nach  Wiedererfetzung  des- 
felben  mußte  auf  längere  Zeit  nur  ein  frommer  bleiben, 
da  die  Kirchencaffe  durch  die  verfchiedenen  voraus- 
gegangenen, zum  Theile  auch  verunglückten  „Reftau- 
rirungen"  gänzlich  erfchöpft  wurde. 

Als  aber  der  gegenwärtige  Pfarrer  im  Jahre  1892 
die  Pfarrleitung  übernahm,  da  nahm  er  die  Angelegen- 
heit energifch  in  Angriff  und  ruhte  nicht  eher,  als  bis 
fie  im  Jahre  1896  in  Fluß  gerieth. 

Der  Anfang  wurde  im  Presbyterium  gemacht. 
Nach  Aufrtellung  des  Gerüftes  und  fchon  der  erften 
oberflächlichen  Unterfuchung  des  Rippenwerkes  zeigte 
es  fich,  wie  nothwendig  hier  die  Reparatur  war. 
Mehrere  Rippen  waren  fo  fchadhaft,  dafs  fie  unverzüg- 
lich durch  neue  erfetzt  werden  mußten.  Auch  einige 
Schlußfteine  faßen  nur  ganz  locker  in  ihrem  Gefiige,  fo 
dafs  man  es  kaum  begreifen  Iconnte,  wie  es  möglich 
war,  dafs  die  Erdbebenkataftrophe  vom  Jahre  1895 
vorübergegangen  war,  ohne  an  dem  Netzgewölbe 
einen  Schaden  verurfacht  zu  haben. 

Die  Ausmalung  der  Kirche  wurde  dem  Maler 
M.  Kozelj  aus  Stein  anvertraut,  der  in  der  Bemalung 
und  Polychromirung  von  Kirchen  fchon  hübfche 
Proben  feines  Könnens  geliefert  hat.  Er  forgte  vor 
allem  für  einen  foliden  Malgrund,  da  fchon  eine  nur 
beiläufige  Unterfuchung  des  vor  einem  halben  Jahr- 
hundert angebrachten  groben,  ftellenweife  10  Cm. 
dicken  Anwurfes  die  Nichteignung  desfelben  zur  Auf- 
nahme der  neuen  beabfichtigten  Bemalung  ergab.  Man 
entfchloß  fich  zur  Entfernung  des  ganzen  alten  Anwurfes 
und  zur  Erfetzung  desfelben  durch  einen  frifchen,  auf 
das  forgfältigfte  vorbereiteten.  Hiezu  nahm  man  das 
befle  Material,  einen  fchon  durch  mehr  als  zehn  Jahre 
gelagerten,  in  diefer  Gegend  ohnehin  in  vorzüglicher 
Qualität  zu  gewinnenden  gelöfchten  Kalk,  dem  man  über- 
diesauch  ein  wenig  Cement  beimengte,  und  feinen  Fluß- 
fand aus  dem  nicht  weit  von  der  Kirche  vorüberfließen- 
den filberklaren  Feiftritzbache.  Um  ein  gleichmäßiges 
Korn  für  den  Malgrund  zu  gewinnen,  wurde  der  Sand 
noch  durchficht  und  mit  dem  fo  praparirten  Mörtel 
die  Wände  möglichft  dünn  angeworfen.  Da  man  aber 
dies  nur  partienweife  that,  fo  konnte  der  Maler  auf 
halbnaffem  Grunde  arbeiten. 

Die  Entwürfe  zur  Bemalung  rühren  vom  Maler 
Fr.  Kozelj  felbfi:  her.  Diefelben  wurden  dem  bifchöf- 
lichen  Ordinariate  in  Laibach  zur  Prüfung  vorgelegt, 
worauf  nach  ihrer  Begutachtung  im  Monate  Mai  1896 
an  die  Ausführung  gegangen  wurde. 

Begonnen  wurde  mit  der  Arbeit  im  Presbyterium. 
Bei  der  Entfernung  der  Tünche  und  Zurichtung  des 
neuen  Malgrundes  wurde  mit  der  größten  Vorficht  und 
Aufinerkfamkeit  zu  Werke  gegangen,  da  man  auf  mehr 
oder  minder  gut  erhaltene  Ueberrefte  der  urfprüng- 
lichen Bemalung  zu  flößen  hoffte,  was  jedoch  im  Pres- 
byterium leider  nicht  eintrat;   fo   gründlich   war   man 


71     — 


vor  Jahren  mit  der  Abkratzung  des  einftigen  Gewölbe- 
fchmuckes  vorgegan^^en. 

Mit  derfelben  Genauigkeit  und  Vorficht  verfulir 
man  auch  im  Langhaufe,  als  das  Presbyterium  aus- 
gemalt und  das  Gerufte  nun  dahin  übertragen  wurde. 
Schon  war  der  Maler  mit  der  Skizzirung  des  erften 
Jochfeldes  nahezu  fertig  geworden,  als  man  im  dritten 
Jochfelde  unmittelbar  \or  der  Mufikempore  auf  eine  faft 
ganz  inta6l  erhaltene  urfpiüngliche  Bemalung  einer 
ganzen  Gewölbekappe  fließ.  Diefelbe  wurde  auf  das 
gewiffenhafteflie  copirt,  fie  zu  erhalten  war  jedoch 
leider  unmöglich.  Der  Maler  fuchte  zwar  Mittel  und 
Wege,  um  den  Fund,  ein  reiches  und  originell  ftyli- 
firtes  Blumenbouquet,  das  die  betreffende  Gewölbe- 
kappe faft  ganz  ausfüllte,  feinen  Entwürfen  einzufügen 
und  es  zum  Mufter  für  feine  weitere  Arbeit  zu  machen; 
er  mußte  fich  jedoch  fchließlich  eingeftehen,  dafs  der 
k'und  mit  feinem  Entwürfe  und  der  fchon  fertigen 
Arbeit  im  Presbyterium  durchaus  nicht  in  Einklang  zu 
bringen  fei.  Nach  feinem  Entwürfe  und  Plane  waren 
nämlich  zur  Anbringung  der  Malerei  nicht  etwa  die 
Gewölbekappen  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung,  fondern 
nur  die  Zwickel  zwifchen  den  Rippen  beftimmt.  Aus 
diefen  Zwickeln  entwickeln  fich  die  Stengel  gewöhn- 
licher Pflanzen  und  Blumen,  wie  fie  allenthalben  Feld 
und  Flur  hervorbringen:  Difteln,  Getreideähren,  kleine 
Rebenzweige  mit  Trauben,  Feldblumen  u.  f  w.  Die 
Mittelpartie  der  Gewölbekappen  follte  unbemalt 
bleiben.  Seine  Entwürfe  decken  fich  fo  ziemlich  mit  der 
Bemalung,  wie  folche  die  Mittheilungen  der  k.  k. 
Central-Commiffion  1898  auf  der  Tafel  zu  pag.  207  für 
die  Kirche  von  Zeltfchach  oder  1900  Taf  VI  für  die 
Kirche  von  St.  Wolfgang  bei  Grades  in  Kärnten  zur 
Veranfchaulichung  gebracht  haben. 

Da  nun,  wie  aus  dem  Gefaxten  hervorgeht,  eine 
PLinfügung  des  aufgefundenen  Blumenbouquets  mit 
Rückficht  auf  die  fchon  fertige  Bemalung  des  Presby- 
teriums  und  theilweife  fchon  begonnene  des  Lang- 
haufes durchaus  nicht  thunlich  war,  fo  verfiel  der 
Maler,  der  den  Fund  auf  jeden  Fall  verwerthen  wollte, 
auf  den  glücklichen  Gedanken,  das  reiche  Blumen- 
bouquet in  feine  Beflandtheile  aufzulöfen  und  diefelben 
fyftematifch  in  die  einzelnen  Zwickel  des  Netz- 
gewölbes zu  vertheilen.  Auf  diefe  Weife  erhielt  das 
Langhaus  einen  Farbenfchmuck,  der  fich  in  vortheil- 
hafter  Weife  gegen  jenen  im  Presb)'terium  bemerkbar 
macht,  womit  jedoch  keineswegs  ein  abfprechendes 
Urtheil  über  die  durchaus  wohlgelungene  Bemalung 
des  Presbyteriums  felbft  gefällt  werden  will;  es  foU 
damit  vielmehr  dem  Maler  die  verdiente  Anerkennung 
für  feinen  glücklichen  Einfall  gezollt  werden.  Die  Be- 
nützung des  aufgefundenen  Originals  zu  Motiven  für 
die  Bemalung  des  Gewölbes  im  Langhaufe  hatte  eine 
viel  ftylgerechtere  Ausfchmückung  diefes  Theiles  der 
Kirche  zur  P'olge.  Während  niimlich  die  Pflanzenorna- 
mentirung  im  Presbyterium  in  naturaliftifchen  p'ormen 
durchgeführt  ifl:,  kamen  hingegen  im  Langhaufe  fall 
durchwegs  ftylifirte  Formen  zur  Geltung,  wodurch  die 
Ausmalung  jedenfalls  nur  gewonnen  hat. 

Was  die  Ausfchmückung  der  Kirchenwände  be- 
trifft, fo  mag  nur  ganz  kurz  gefagt  werden,  dafs  die- 
felbe in  der  einfachften  Weife  durch  Färbelung  be- 
werkftelligt  wurde.  Da  die  aus  unbehauenen  Bruch- 
fteincn    erbaute    Kiiche    im    Innern    felbflverAiuidlicli 


angeworfen  und  verputzt  ift,  fo  wurde  fie  nur  mit  einem 
cremefarbenen  Tone  gefärbelt,  zur  Belebung  der 
Wände  jedoch  eine  mit  feinen  dünnen  Linien  aus- 
geführte und  deshalb  möglichft  wenig  in  die  Augen 
fallende  Quaderimitirung,  Ruftica  (ohne  Schatten  in 
den  Fugen)  gewählt,  welche  Färbelung  auch  auf  die 
fchönen  fchlanken  achteckigen  Pfeiler  ausgedehnt 
wurde.  Fieilich  dürfte  es  vielleicht  beffer  gewefen  fein, 
wenn  man  die  aus  forgfaltig  behauenen  mächtigen 
Werkfteinen  zufammengefetzten  Pfeiler  von  ihrer  mehr- 
hundertjährigen Tünche  gereinigt  und  die  Gliederung 
der  Pfeiler  durch  ihre  natürliche  Conflruflion  hätte 
wirken  laffen. 

Figurale  Darftellungen  find  mit  Ausnahme  jener 
Engel  in  den  vier  fifchblafenähnlichen  Kappen  rings 
um  die  Oeffnung  in  der  Mitte  des  Netzgewölbes  in  der 
ganzen  Kirche  nur  noch  an  zwxi  Stellen  angebracht 
worden.  Dies  ifl  am  impofanten  Scheidebogen  ge- 
fchehen,  und  zwar  in  der  Breite,  um  welche  der  Chor- 
abfchluß  fchmäler  gegen  das  Langhaus  abfetzt.  Da 
flehen,  wie  fchon  oben  erwähnt,  die  einzigen  zwei 
Nebenaltäre,  welche  die  Kirche  gegenwärtig  befitzt.' 
Oberhalb  derfelben  find  medaillenartig  je  in  einem 
Vierblatt:  links  die  Verkündigung  Mariens,  rechts  die 
heil.  Familie  zur  Darflellung  gelangt. 

Mit  derfelben  Färbelung  wie  das  Langhaus  wurde 
auch  der  Chorabfchluß  verfehen,  nur  erhielt  er  eine 
prunkvollere  Aufflattung  dadurch,  dafs  deffcn  Wände 
vom  Boden  aufwärts  mit  einem  rings  um  den  Chor  lau- 
fenden, bedeutend  übermannshohen  Teppich  in  leuch- 
tenden Farben,  und  zwar  in  fresco  geziert  wurden. 
Diefer  foll  eine  getreue  Copie  des  Chorteppiches  in 
der  Votivkirche  in  Wien  fein.  Auf  der  Evangelienfeite 
ift  er  an  einer  Stelle  von  der  Thür  unterbrochen,  die 
aus  der  Sacriflei  in  den  Chorraum  führt.  Diefe  ftreng 
flylgerechte  gothifche  Thüre  mit  horizontalem  Sturz 
fowie  auch  der  fchöne  Eifenbefchlag  derfelben  find 
eine  genaue  Nachbildung  der  beiden  Objcfte,  wie  fie  fich 
noch  gegenwärtig  in  der  eingangs  erwähnten  Kirche 
von  Pletriach  in  der  Nahe  von  Rudolphswerth  in  Unter- 
krain  befinden. 

Die  Erinnerung  an  die  Rellaurirung  der  Kirche 
bewahrt  eine  über  diefer  Thür  angebrachte  Gedächtnis- 
fteintafel  mit  der  Infchrift:  „A.  D.  MDCCCXCVII  in 
festo  nativitatis  B.  M.  V.  consecravit  Jacobus  Missia 
Princ.  Episcopus  Labacensis  in  honorem  St.  Rupert! 
ecclesiam  haue  et  altare  malus  iniponendo  in  illud 
sacratissimas  St.  Cantii,  Cantiani  et  Cantianillae  S. 
Felicitatis  SS.  Septem  fratrum  majorum  reliquias". 

Der  Eindruck,  den  nun  das  fo  reflaurirte  Innere 
der  St.  Ruprechter  Kirche  auf  den  Eintretenden 
macht,  ift  ein  mächtiger  und  herzerfreuender  und  findet 
nicht  nur  bei  den  Pfarrin faffen,  die  mit  Stolz  auf  ihre 
in  herrlichem  P^arbenfclimucke  prangende  Kirche 
blicken,  fondern  auch  feilens  der  Kenner  und  Fach- 
leute uiigetheilten  l^eifall. 

Trotzdem  kann  ich  eine  Bemerkung  niclit  untcr- 
driicken.  Dielelbe  bezieht  fich  auf  die  Farbengebung, 
die  fich  in  zu  zarten,  faft  durchwegs  gebrochenen  Tönen 
bewegt.  Die  Wirkung  wäre  zweifelsohne  eine  viel 
mächtigere,  wenn  der  Maler  nicht    mit    einer   gewiffen 

*  Nach  Vcrficlicrungcn  alter  Lciile  foll  die  Kirche  vor  Jahren  deren 
nicht  weniger  als  zehn  gehabt  haben. 


-     72     - 


Scheu  und  Aengftlichkeit  den  tiefen,  falten,  kraftvollen 
Farben  des  Roth,  Blau  und  Gelb,  die  fo  recht  eigent- 
h'ch  die  Grund-  und  Charakterfarben  des  gothifchen 
Styles  find,  aus  dem  Wege  gegangen  wäre.  Er  mochte 
hiezu  vielleicht  durch  die  zu  helle  Beleuchtung  der 
Kirche  veraiilafst  worden  fein.  Die  hohen  und 
fchlanken  Fenfter  des  Langhaufes  find  nämlich  mit 
gewöhnlichen  Glasfeheiben  ausgefüllt,  fo  dafs  das 
Tageslicht  durch  diefelben  ungedämpft  und  mit  voller 
Kraft  hereinfluten  kann.  Deshalb  entbehrt  auch  das 
Innere  der  Kirche  jenes  geheimnisvollen  Düfters,  das 
uns  fonft  beim  Betreten  gothifcher  Kirchen  in  eine 
weihevolle  Stimmung  zu  verfetzen  pflegt.  Diefe  Hellig- 
keit des  Innern  mochte  vielleicht  den  Maler  zu  der 
Erwägung  beftimmt  liaben,  dafs  eine  tiefe  und  fatte 
Farbengebung  fein  Werk  als  zu  grell  würde  erfcheinen 
laffen.  Diefe  Befürchtung  wäre  aber  vielleicht  gegen- 
ftandslos  geworden,  wenn  der  Maler  gleich  von  Anfang 
an  feiner  Arbeit  ftatt  des  hellen  cremefarbenen  einen 
etwas  dunkleren  Malgrundton  gegeben  hätte. 

Nichtsdeftoweniger  muß  die  Reftaurirung  und 
Ausmalung  des  Kircheninnern  als  wohlgclungen  und 
durchwegs  ftylgerecht  genannt  werden,  fo  dafs  jeder 
Freund  mittelalterlicher  Kunftdenkmäler  feine  Freude 
daran  haben  kann. 

Diefe  F"reude  wird  aber  gar  fehr  durch  den  An- 
blick getrübt,  welchen  die  Umfaflungsmauern  der 
Kirche  bieten.  Diefelben  befinden  fich  in  einem  fo 
defolaten  Zuftande,  dafs   diefes   fchöne   Kunftdenkmal 


des  Mittelalters  ernftlich  gefährdet  erfcheint,  wenn 
nicht  baldmöglichft  Wandel  gefchaffen  wird.  Befonders 
baufällig  find  die  Außenwände  und  Stützen  des  Chor- 
abfchlußes.  Die  Strebepfeiler  find  im  Laufe  der  Jahr- 
hundertc ganz  morfch  geworden;  nicht  unbeträchtliche 
Theile  der  Wafferfchläge  und  der  Bekrönung  der  zier- 
lichen Streben  find  herabgeftürzt,  ftellenweife  find 
ganze  Mauerftücke   ausgebrochen   und   herabgefallen. 

Dafs  auch  das  Kirchenpflafter  dringend  einer  Aus- 
wechslung bedarf,  mag  nur  nebenbei  erwähnt  werden. 

Die  Gefahr  einer  ernftlichen  Kataftrophe  ift  umfo 
größer,  als  zur  Abwendung  derfelben  der  völlig  er- 
fchöpften  Kirchencaffe  gegenwärtig  und  vorausficht- 
lich  noch  fiir  längere  Zeit  keine  Mittel  zur  Verfügung 
liehen.  Noch  weniger  aber  kann  von  der  Opferwillig- 
keit, oder  beffer  gefagt,  von  der  Opferfähigkeit  der 
Pfarrbevölkerung  erwartet  werden,  da  diefelbe  ganz 
und  gar  nicht  wohl  fituirt  ifl;  und  fich  bei  der  Reftauri- 
rung des  Kircheninnern  fchon  ohnehin  uber^ihre  Ver- 
mögenskräfte angeflrengt  hat. 

Bei  fo  bewandten  Umftänden  halte  ich  es  für 
meine  Confer\atorenpflicht,  auf  den  bedauerlichen  Zu- 
ftand  diefer  fchönen  und  gerade  wegen  der  Seltenheit 
kunfthiftorifcher  Baudenkmale  in  Krain  für  diefes  Kron- 
land noch  ganz  befonders  wichtigen  und  werthvoUen 
Kirche  aufmerkfam  zu  machen.' 


'  Die  Verhatidiuiiyen  über  die  nothwendigeii  Reftaurirung.sarbeiten  'an 
der  Kirche  St.  Rupreclit  in  Unterkraiii  find  feit  Febru.ir  1902  bereits  ein- 
geleitet. 


Die  St.  Adalari-Kirche  im  Pillerfeethale. 


Vom  k.  k.  Confeivator  Regierungsiath  Johann  Deiningir. 


|AS  Kirchlein  zum  heil.  Adalar,  über  deffen 
Erhaltungszuftand  kürzlich  in  der  Münchner 
und  Innsbrucker  Preffe  ohne  Grund  beun- 
ruhigende Nachrichten  aufgetaucht  waren,  liegt  auf 
einem  vorfpringenden  Felfenhügel  am  Nordende  des 
Pillerfeethales,  ungefähr  3  Km.  von  dem  kleinen  Dorfe 
St.  Ulrich  entfernt.  In  unmittelbarer  Nähe  umgeben 
diefen  Bau  an  der  Wellfeitc  fteil  anfteigende  Felswände 
mit  Fichtenbeftänden,  füdfeitig  ein  Gafthaus  mit 
Oekonomiegebäuden  und  an  der  Oft-  und  Nordfeite 
eine  Veranda  mit  der  zum  Gafthaufe  gehörigen  Kegel- 
bahn. 

Der  Weftfront  diefes  Kirchleins  ift  ein  im  Erd- 
gefchoße  gemauerter,  im  Obergefchoße  als  Ständerbau 
mit  Bretterverfchalung  hergefteller  fchmaler  Vorbau 
vorgefetzt,  welcher  die  ganze  Frontbreite  und  Höhe 
einnimmt  und  auch  durch  feine  Bedachung  mit  dem 
Kirchenbau  verbunden  ift.  Diefer  Vorbau  dient  unten 
als  Wagenremife  und  oberhalb  diefer  als  Depotraum 
für  Kiften  u.  dgl. 

Das  gegenwärtige  St.  Adalari-Kirchlein,  deffen 
Grundrifs  Fig.  i  und  perfpeflivifche  Anficht  Fig.  2 
wiedergibt,  gehört  nur  zum  Theile  der  gothifchen  Bau- 
periode an  und  ftammt  hinfichtlich  diefer  älteren  Bau- 
theile  offenbar  aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts. 


Das  Presbyterium  ift  mit  Ausnahme  des  Gewölbes 
noch  im  gothifchen  Style    erhalten  geblieben,  während 


Kl« 


(St.  Acl.ilari  im  Pillerfeethale;  Grundrifs.) 


das    urfprünglich    ganz    quadratifch    angelegte 
muthmaßlich     fchon     im     17.     Jahrhunderte 


Schiff 
baulich 


—     73     - 


verändert  wurde.  Bei  diefer  Veränderung,  welche  augen- 
fcheinlich  anläfslich  des  Einbaues  der  breiten  von  ftark 
gefchwellten  runden  Holzfaulen  getragenen  Orgelbühne 
vorgenommen  wurde,  ift  die  Südfront  des  Schiffes 
in  die  Flucht  der  Presbyteriumswand  zurückgerückt, 
und  die  ehemals  hohen  fpitzbogigen  Fenfter  an  diefer 
Front  durch  kurze  fegmentförmig  nach  oben  abgc- 
fchloffene  Fenfter  erfetzt  worden.  Das  einfach  mit  Hohl- 
kehlen und  Plättchen  profllirte  Portale  aus  Tuffftein  (an 
diefer  Front)  hat  wohl  fchon  dem  alten  Bau  angehört 
und  am  neuen  wieder  Verwendung  gefunden. 

Dagegen  ifh  die  nördliche  Wand  des  Schiffes,  die 
außen  über  die  Flucht  der  Chorwand  vortritt,  ferner  die 
Weftfront  mit  dem  nunmehr  gegen  das  Innere  des 
erwähnten  Remifenvorbaues  geöffneten  gothifchen 
Portale   noch  vom    alten  Baue   erhalten   geblieben.  Im 


I    1 


'A 


.^^ 


j.'ifei'aLt 


Fig.  2.  (St.  Adalari  im  Pillerfeethale;  Aeußeres.) 

Innern  erfcheincn  die  urfprünglich  gothifchen  Wand- 
pfeiler des  Schiffes  im  Renaiffance-Charakter  verändert 
und  das  gothifche  Gewölbe  durch  ein  Tonnengewölbe 
mit  Schildkappen  erfetzt. 

Der  fpitze  Frohnbogcn  blieb  erhalten,  desgleichen 
Wände  und  Pfeilerdicnfte  im  Prcsbyterium;  doch 
wurden  hier  die  Gewölberippen  etwa  bis  zur  Hälfte 
ihrer  Ausladung  herabgefchlagen  und  die  fonach  noch 
vortretenden  Theile  derfelben  durch  Mörtelverputz  mit 
der  Gewölbefläche  ausgeglichen.  Bei  genauer  Befichti- 
gung  der  gegenwärtigen  Gewölbe  im  Presbyterium  find 
auf  der  weiß  getünchten  Vcrputzfläche  an  gewiffen 
rauhen  Stellen  noch  deutlich  die  Spuren  der  Rippen  zu 
erkennen. 

Das  fchindclgedeckte  Steildach  des  Kirchleins  ift 
an    der  Weftfront     durch    einen     hölzernen    ganz   mit 


Schindeln  bekleideten  Dachreiter,  welcher  einen   acht- 
feitigen  Spitzhelm  trägt,  bekrönt. 

In  den  oben  fpitzbogig  abgefchloffenen  Wand- 
feldern a  und  b  (fiehe  Grundrifs)  des  Presbyteriums 
befinden  fich  Wandgemälde,  die  abwärts  bis  zur  Höhe 
derFenfterfohlbank  herabreichen,  oben  die  ganze  Fläche 
bis  zum  Bogenfchluß  ausfüllen. 

Diefe  Gemälde  find  nicht  al  fresco,  fondern  al 
tempera  auf  rothen  Bolusgrund  gemalt,  der  auf  glattem 
Verputz  aufgetragen  ift  und  an  einzelnen  Stellen  durch- 
fchimmert. 

Das  Gemälde  bei  a,  unter  welchem  fich  nahe  dem 
Frohnbogenpfeiler  die  kleine  fpitzbogige  Sacrifteithüre 
befindet,  ftellt  zur  Rechten  den  heil.  Adalar  dar,  welcher 
im  Bifchofsgewande  vor  einem  Altare  knieend  durch 
von  links  her  auftürmende  Kriegsknechte  mit  gezückten 
Schwertern  überfallen  wird;  darüber  fchwebt  in  Wolken 
eine  Gruppe  von  Engeln,  welche  Palmzweige  halten 
und  Blumen  herabftreuen.  Die  Krieger  find  mitWamms 
und  Barrett  bekleidet,  ihre  Schwerter  nach  orientalifcher 
Art  gekrümmt. 

Diefes  Wandgemälde,  in  Compofition  und  Aus- 
führung von  geringerem  künftlerifchen  Werthe  als  jenes 
bei  b,  ift  fpäterhin  von  ungefchickter  Hand  zum  großen 
Theile  mit  Kalkfarbcn  übermalt  worden.  Befonders 
verunftaltet  wurden  hiedurch  die  Engelgruppe  und  die 
Figur  des  heil.  Adalar.  Da  die  Übermalung  gleich  einer 
Tünche  auf  die  glatte  Malfläche  der  urfprünglichen 
Temperamalerei  gefetzt  wurde,  erfolgte  naturgemäß 
eine  theilweife  Abblätterung  derfelben. 

Eine  Zerftörung  der  Malerei  durch  Mauerfeuchtig- 
keit erfcheint  an  diefer  Stelle  ausgefchloffen,  da  die 
Mauern  hier  fo  vollkommen  trocken  find,  wie  dies  feiten 
an  einem  älteren  Bauwerke  der  Fall  ift. 

Das  Temperagemälde  im  Wandfelde  bei  b  zeigt 
eine  reich  bewegte  Gruppe  von  Hirten  mit  allerlei 
Herdenthieren,  über  welche  St.  Adalar  in  den  Wolken 
fchwebend  den  Segen  fpendet.  Ganz  im  Vordergrunde 
erblickt  man  einen  höfifch  gekleideten  Jüngling,  welcher 
gemeinfam  mit  einem  Mädchen  damit  befchäftigt  ift 
einen  Ziegenbock  zu  halten  und  an  deffen  Hörner  ein 
blaues  Band  zu  knüpfen.  Den  Hintergrund  des  Gemäldes 
bildet  eine  Landfchaft,  welche  etwa  das  Pillerfeethal 
vorftellen  mag,  mit  weidenden  Rindern.  An  der  linken 
unteren  Ecke  diefes  Wandgemäldes  ift  eine  Cartouche 
italienifchen  Charakters  mit  ovalem  Felde  gemalt. 
Vermuthlich  befand  fich  in  diefem  Felde  eine  Infchrift, 
welche  fich  vielleicht  auf  die  Gründung  der  Colonie  am 
Pillerfee  und  auf  jene  der  (vordem  an  Stelle  diefes 
Kirchleins  geftandenen)  alten  Capelle  bezogen  haben 
mochte  —  eine  Vermuthung,  die  durch  weiter  unten 
anzuführende  hiftorifche  Nachrichten  über  die  Gründung 
der  Colonie  am  Pillerfee  geftützt  wird. 

Auf  dem  erft  in  neuerer  Zeit  weiß  übertünchten 
ovalen  Felde  der  erwähnten  Cartouche  wurde  in  etwa 
15  Cm.  großen  Ziffern  mit  Blauftift  die  Jahrzahl  1013 
gefchrieben.  Nach  forgfältiger 
lofen  Auffchrift  fammt  Tiüiche 
mehr  von  der  alten  Infchrift, 
Grundirung. 

Das  Tempcragemälde  im  Felde  b  ift  weniger  ftark 
übermalt  worden,  als  jenes  bei  a.  Es  erinnert  an  die 
Malweife  der  oberitalienifchen  Schule  am  Beginne  des 
17.    Jahrhunderts,     auf  welche    Entfteluingszeit     (etwa 


Entfernung  diefer  finn- 
zeigte  fich  keine  Spur 
fondern   nur  die    rolhe 


XXVUI.  N.  F. 


74 


i6i3)'  auch  die  Coftüme  der  dargeftellten  Figuren 
deuten. 

An  den  von  Spitzbogenfenftern  durchbrochenen 
Wandflächen  des  Presbyteriiimraumes,  von  der  Höhe 
der  Fenfterfohlbank  aufwärts,  zeigen  fich  Fragmente 
einer,  im  Gegenfatze  zu  den  oben  erwähnten  Tempera- 
gemälden, al  fresco  hcrgcftelltcn  Malerei,  welche  im 
mittelalterlichen  Charakter  gehalten  ift  und  offenbar  aus 
der  Zeit  der  Erbauung  diefes  Kirchlcins  ftammt. 

Entfernt  man  hier  forgfaltig  die  weiße  Kalktünche, 
womit  Wände  und  Gewölbe  des  ganzen  Innenraumes 
in  mehreren  Schichten  überzogen  find,  fo  kommen 
wenigftens  jene  Partien  der  urfprünglichen  Fresco- 
malcrei,  welche  in  rother  Farbe  hcrgeftellt  wurden, 
d.  i.  fcharf  abgegrenzte  Gewandftücke  von  Figuren, 
ferner  Partien  des  in  lichtem  Blaugrün  gemalten  Hinter- 
grundes zum  Vorfchcin.  Die  übrigen  Farben  fcheinen 
nicht  Mineralfarben  gewefen  und  infolge  deffen  mit  dem 
Kalke  des  Frescoverputzes  keine  haltbare  Verbindung 
eingegangen  oder  durch  das  Kalkhydrat  zerftört  worden 
zu  fein. 

Der  Berichterftatter  fand  einzelne  diefer  Fresken- 
fragmente bereis  bloßgelegt  und  hat  felbft  weitere 
Aufdeckungen  vorgenommen,  immer  jedoch  mit  dem 
erwähnten    Refultate.    Es   waren     zumeifl    Draperie- 


Fig.  3.  (Draperien  von  Wandmalereien  des  15.  Jahrhunderts  an  den 
Chorwänden  von  St.  .\dalari,) 

Fragmente  in  Roth,  Rothbraun  oder  Rothgelb,  theil- 
weife  mit  feitlicher  Angränzung  des  blaugrünen 
Fondes,  wovon  in  Fig.  3  einige  fkizzirte  Proben  vor- 
gelegt fein  mögen. 

Derartige  Fragmente  finden  fich  auch  an  den 
inneren  Leibungen  der  Spitzbogenfenfler,  auf  die  fie 
theilweife  von  den  Wänden  übergreifen. 

Vom  Inhalte  diefer  Malereien  läfst  fich  an  derHand 
der  fichtbaren  Fragmente  nur  foviel  vermuthen,  dafs 
hier  Heiligenfiguren  dargestellt  waren. 

Unter  der  Sohlbankkante  der  Fenfter  finden  fich 
mehrfach  Spuren  eines  in  rother  und  gelber  Farbe  al 
fresco  gemalten  Teppichmuflers.  Der  Umftand,  dafs 
auch  an  der  nördlichen  (noch  vom  urfprünglich  gothi- 
fchen  Bau  erhalten  gebliebenen)  Wand  des  Kirchen- 
fchiffes  Spuren  desfelben  Teppichmuflers  aufzufinden 
find,  beweift,  dafs  ehedem  der  ganze  Innenraum  diefes 
Kirchleins  bis  auf  die  Höhe  von  etwa  2  M.  über  den  Fuß- 
boden mit  diefer  Malerei  decorirt  war,  während  fich 
ober  derfelben  wahrfcheinlich  durchwegs  figurale  Dar- 
ftellungen befunden  haben  dürften. 

Das  St.  Adalari-Kirchlcin  befitzt  gegenwärtig  drei 
Altäre,  welche  aus  dem  18.  Jahrhunderte  flammen. 


Der  Hochaltar  im  Presbyterium  zeigt  fchönen  Auf- 
bau und  reiche  Vergoldung  und  enthält  in  der  Mitte 
eine  Marienftatue  mit  dem  Jefukinde,  beide  in  barocker 
Stoffgewandung,  darüber  einen  Schild  mit  der  Infchrift: 
„Adalarius  Episc(op)us  &  Mart(yr)  Erfurt(ensis)". 

Die  Seitenaltäre,  deren  hölzerne  Mensa  theilweife 
über  die  Frohnbogenpfeiler  ausladet,  find  von  minder- 
werthiger  Architektur  und  enthalten  fchlechte,  zum 
Theile  zerftörte  Oelgemälde.  An  den  Wanden  des  Pres- 
byteriums  befinden  fich  Chorftühle  ohne  künfllerifchen 
Werth. 

Nur  fpärlicli  find  die  hiflorifchen  Nachrichten  über 
den  Bau  diefes  Kirchleins. 

Nach  Stafflers  Befchreibung  von  Tyrol,  S.  911, 
befand  fich  im  Klofler  Rott  am  Inn,  welches  als  Abtei 
im  Jahre  1803  fäcularifirt  wurde,  die  deutfche  Ueber- 
fetzung  einer  urfprünglich  in  italienifcher  Sprache  ge- 
fchriebenen  Chronik  aufbewahrt.  Diefelbe  berichtet  über 
die  älteften  Anfiedlungen  im  Pillauthale  (l'illerfecthal) 
und  bemerkt,  dafs  im  Jahre  992  ein  Graf  Pallfifch  mit 
Bergleuten  und  Jägern  im  Thale  erfchien  und  dort  nach 
Silber  und  Kupfer  zu  graben  begann.  Die  Weiden  am 
See  nahm  Graf  Hugenoth  aus  Juvavia  mit  neuen  An- 
fiedlern  in  Befitz.  Sie  bauten  dort  dem  heil.  Adalar  eine 
Capelle',  wurden  aber  fpäter  aus  ihrer  Anfiedlung  ver- 
trieben. Ihre  Wohnplätze  bezogen  anno  1016  Coloniften 
des  Grafen  Perfeld  aus  Alt-Norikum.  Graf  Perfeld  ftarb 
1048;  über  feine  Erbfchaft  entftand  Streit  und  eine 
Seuche  wüthete  furchtbar  im  Thale.  Mit  diefem  Jahre 
endet  die  vorgenannte  Chronik,  vermuthlich  weil  der 
Verfaffer  derfelben  --  wie  eine  beigefügte  Anmerkung 
fagt  —  an  der  Seuche  flarb.  Ein  weiterer  Anhang  diefer 
Chronik,  welche  auch  der  im  Jahre  1018  erfolgten 
Gründung  der  Kirche  in  St.  Jacob  in  Haus  (einer  Ort- 
fchaft  füdweftlich  von  St.  Ulrich)  gedenkt,  meldet,  dafs 
Fürfl  Kunibert  von  Baiern  1073  das  Thal  Pillau  dem 
Klofter  Rott  gefchenkt  habe.  Alle  diefe  Angaben  find 
aber  nur  mit  Vorficht  aufzunehmen. 

Papft  Alexander  VI.  verlieh  um  1500  einen  Ablaß 
allen  jenen,  welche  die  St.  Adalari-Kirche  andächtig 
befuchen.  Wenige  Jahre  vorher  fcheint  die  im  fpät- 
gothifchen  Style  erbaute  und  im  17.  Jahrhundertc  theil- 
weife umgebaute  gegenwärtige  Adalari-Kirche  ent- 
ftanden  zu  fein. 

Wenn  man  den  oben  gefchilderten  Zuftand  des 
ganzen  Kirchleins  überblickt  und  hiebei  erwägt,  dafs 
einerfeits  ein  zerftörender  Einflufs  durch  Mauerfeuchtig- 
keit hier  nicht  vorhanden  ift.anderfeits  eineReflaurirung 
der  erwähnten  Tempera-Wandgemälde  kaum  geeignet 
wäre  diefe  in  künftlerifcher  oder  kunflhiftorifcher  Hin- 
ficht werthvoUer  zu  machen,  dafs  ferner  eine  Wieder- 
herflellung  der  gothifchen  Fresken  im  Presbyterium 
nach  den  noch  auffindbaren  Fragmenten  ausgefchloflen 
erfchcint  und  lediglich  eine  Malerei  neuer  Erfindung  an 
deren  Stelle  treten  müßte,  fo  wird  man  zwingend  zu 
der  Schlußfolgerung  geführt,  dafs  es  das  Rathfamfte 
ifl,  das  Adalari-Kirchlcin  hinfichtlich  feiner  Innen- 
decoration  im  gegenwärtigen  Zuftande  zu  belaffen.  Im 
Intercffe  der  Erhaltung  diefes  Baudenkmales,  das 
fammt   den   Grundftücken   in   feiner  Umgebung    dem 


<  Anno  T613  erhielt  das  H.-1US  Rosenberg  zu  Augsburg  die  Berechtigung 
zum  Betriebe  des  Bergbaues  in  jener  Gegend  (Staffier  Tyrol  und  Vor- 
ralberg  S.  906). 


'  Dies  wäre  ein  Bau,  der  wahrfcheinlich  an  der  Stelle  des  gegen- 
wärtigen Adalari-Kirchleins  geftaiiden  haben  und  entweder  eine  in  Stein 
erbaute  romanifche  Capelle  oder  eine  folchc  aus  Holz  gewefen  fein  müßte. 


-     75 


geiftlichenConfiftorium  in  Salzburg  gehört, würde  es  fich 
jedoch  empfehlen  die  flellenweife  fchadhaft  gewordene 
Schindelbedachung    entfprechend   auszubeffern.   Denn 

*  Diefe  Feuchtflecken  hat  offenbar  der  Verfaffer  des  Artikels  „Gefähr- 
dete Fresken"  („Allgemeine  Zeitung"  und  „Innsbrucker  Nachrichten"  vom 
20.  September  v.  J.,  welchen  der  Berichterftatter  der  k.  k.  Central-Commiffion 
überfendet  hat)   für  Fresken,  welche  die  Kalktünche  durchfchimmern,  gehalten. 


am  Gewölbe  des  Presbyteriums  zeigen  fich  bereits 
Feuchtflecken/  welche  durch  oben  eindringendes 
Regenwaffer  entftanden  find. 

Da  aber  die  alte  Gewölbfläche,  wie  oben  nachgcwiefcn  wurde,  nicht  mehr 
erhalten    ift,     kann    auch  von  Freskenfpuren     am    Gewölbe     nicht   gefprochen 

werden. 


Renaiffance-Grabfteine  an  der  Pfarrkirche  zu  Schönbrunn  in 

Mähren. 


Von  k.  k.  Confervator  Bürgerfchullehrer  Alois  Cserny. 


TWA  4  Km.  füdlich  von  Mährifch  Schönberg 
liegt  am  Fuße  der  Ausläufer  des  Sudeten- 
gebirges gegen  das  Tefsthal  am  linken  .  Tefs- 
ufer  das  ftattliche  Dörfchen  Schönbrunn.  Die  dem  heil. 
Bernhard  geweihte  Ortskirche,  vormals  Begräbnisftätte 
der  Befitzer  des  nahen  Schloßes  Johrnsdorf  weist  an 
der  weftlichen  Außenfeite  zwei  in  die  Mauer  eingelaffene 
Grabdenkmale  von  hiftorifchem  und  künftlerifchem 
Intereffe  auf 

Das  eine  Denkmal  (Fig.  i),  eine  oblonge  Sandfl: ein- 
platte von  2-04  M.  Höhe  und  i  M.  Breite,  zeigt  in 
flacher  Nifche  unter  einem  von  zwei  Halbfäulen  getra- 
genen Rundbogen  die  Relieffigur  einer  aufrecht  flehen- 
den und  en  face  zum  Befchauer  gewendeten  Dame  mit 
einem  Wickelkinde  auf  den  Armen.  Ihr  Haupt  bedeckt 
eine  breite  Haube,  die  Schultern  ein  breiter  Kragen, 
der  bis  über  die  halbe  Brufl  herabfällt;  das  eng  anlie- 
gende, nach  unten  trichterförmig  verbreiterte  Kleid 
mit  einer  Bordüre  am  Saume,  das  nur  die  Fußfpitzen 
fehen  läfst,  wird  von  einem  faltenreichen  Ueberwurfe, 
mit  engen,  am  Oberarme  reicli  gefältelten  und  am 
Handgelenke  mit  geflicktem  Befatz  verfehenen  Aer- 
meln  bedeckt. 

Die  korinthifchen  Halbfäulen  die  den  Nifchen- 
bogen  tragen,  zeigen  im  unterflen  Viertel  des  Schaftes 
über  der  attifchen  Bafis  das  fogenannte  Lederband- 
Ornament  der  deutfchen  Renaiffance,  darüber  von 
breiten  Stegen  getrennte  Caneluren  mit  Rundfläben 
im  unteren  Drittel,  die  durch  vertiefte  Punkte  verziert 
find.  Das  Capital  krönt  rechts  eine  männliche,  links 
eine  weibliche  Gefichtsmaske,  beide  von  Tüchern  um- 
rahmt, die  an  den  Schläfen  breite  Knoten  und  herab- 
fallende Enden  aufweifen.  Unten  ruhen  diefe  Halb- 
fäulen auf  Sockeln,  die  innerhalb  ovaler  Blattkränzc 
ritterbürtige  Wappen  mit  Helmdecken  aus  bewegten 
Akanthusblättern  zeigen.  Im  linken  Schilde  fehlt  jetzt 
das  Wappenbild  und  ifl  vielleicht  niemals  vorhanden 
gewefen  ;  der  etwas  befchädigtc  Stechhelm  mit  Hals- 
kleinod trägt  als  Zimier  einen  Pfauenfchweif  (?),  der 
aus  einer  Krone  herauswächst;  darüber  ein  Täfelchen 
ohne  Auffclirift. 

Der  Schild  zur  Rechten  zeigt  im  Wappcnbildc 
zwei  gegeneinander  geflellte  Hirfcligcweihe  mit  fünf 
Sproffen,  wie  folche  aucli  aus  der  Krone  über  dem 
Stechhelm  herauswachfen.  Auf  dem  darüber  ange- 
brachten Täfelchen  ifl  der  Name  des  Wappenträgers 
eingemeißelt: 

ALINA  PRAZMINKA 
ZBILKOWA 
„Alina  Prazma  von  Bilkow''. 


Die  Zwickelfelder  zu  beiden    Seiten   des   Nifchen- 
bogens    find    durch    fchräg   geflellte   Wappen   belebt. 


Fig.  I.  iGiabHein  der  Eftlicr  Syrakowsky  von  Pierkow,  datirl  1562.  — 
Sandftein.  —  An  der  Pfarrkirche  zu  Scliünbrunn  in  Mithren.) 

Das  linke  mit   akanthusartigen   Helmdeckcn   zeigt   im 
Wappenbildc  ein  Wurfeifen,  der  Stechhelm   mit    Hals- 


10* 


-     76      - 


kleinod  trägt  als  Zimier  zwei  aus  einer  Zackenkrone 
hervorbrechende  flehende  Frauenarme,  die  in  den 
Händen  einen  Ring  halten  (etwas  befchädigt);  darüber 
ein  im  Bogen  hingelegtes  Band  mit  erhaben  aus- 
geführter Infchrift: 

ESTERA  SYRAKoWSKA  Z  PIERKoWA 

„Efther  Syrakowsky  von  Pierkow". 

Im  rechten,  ebenfo  behandelten  Wappen,  erfcheint 
als  Wappenbild  und  Helmzier  ein  nach  rechts   gewen- 


deter Pfau  mit  gefenktem  Schweife;  das  darübergelegte 
Schriftband  zeigt  die  Legende: 

KATERZINKA  Z  PETRZWALDV 

„Katharina  von  Peterswald". 

Ucber  der  Nifche  erhebt  fich  eine  von  einem  ge- 
flügelten Engelskopfe  bekrönte  rechteckige  Infchrift- 
tafel,  deren  eingerollte  Seitentheile  flark  befchädigt 
find.  Die  neunzeilige  in  erhabenen  Renaiffancelettern 
ausgeführte  Infchrift  lautet: 


(LETHA-i-5)-9-2WYTESAN  GESTTENTO-OBRAZ- VROZEfEIPANI  ESTERY 

(SYR)AKo WSKE •  Z •  PIERKOWA •  MANZIELKY •  WELMIMILE •  VROZE^EHO  •  PANA •  lANA  Z  BVKV 

(W)KY •  KT ERAVZ  ■  GEST •  PAN  •  BVH •  SMRTI  •  CASNA VZTOHOTO  •  S WIETA  PO WOLATI  RA  • 

CIL  •  N ATRZEMiSSKV  •  LETH A  •  i  •  5  •  8  •  9  ■  WPATEK  PoHRoMlCICH  MEZY  •  9  •  A  •  i  o  •  HODIN A 

(V)  PREDE  DNiMWSSESTI  NiDIELICH-POPORODV- AZINCY-DITIETE-GEGIHOT'O 

SLEDNIHOKrEHAZ-TAKYVMRIELA-WSEDMI  ISEDIELICH  ZA  MATERZL 

SWAVGEGIZTO-OBRAZEK-WYTESAN  W  NARVCIM  GEST-WSSEMOHAVCZY 

PAN •  BVH  •  R AC  •  D VSSIM  GEGICH •  MILOSTI W •  BEYTI  •  ADORADOSTI  NEBESKE 

K  SOBIE  PRZIGYTI-AMEN- 


„Im  Jahre  1592  ifl:  ausgemeißelt  worden  diefes 
Bild  der  wohlgeborenen  Frau  Efther  Syrakowsky  von 
Pierkow,  der  vielgeliebten  Gemahlin  des  wohlgeborenen 
Herrn  Johann  von  Bukuwky,  welche  der  Herr  Gott  auf 
Johrnsdorf  im  Jahre  1589  Freitag  nach  Maria  Licht- 
meß zwifchen  9  und  lO  Uhr  vor  Tags  in  der  fechsten 
Woche  nach  der  Geburt  Alina's,  ihres  letzten  Kindes, 
welches  auch  fieben  Wochen  nach  der  Mutter  flarb  und 


—  — ^^^ 


Fig.  2.  (Grabftein  der  drei  Söhnchen  des  Johann  von  Bukowsky  und  der  Efther  Syra 
kowsky,  um  1590.  —  Sandftein.  —  An  der  Pfarrkirche  zu  Schönbrunn  in  .Maliren.) 


deffen  ausgemeißeltes  Bildchen  in  ihren  Armen  ruht, 
durch  den  zeitlichen  Tod  von  diefer  Welt  abzuberufen 
geruhte.  Der  allmächtige  Herr  Gott  geruhe  ihren 
Seelen  gnädig  zu  fein  und  wolle  fie  zu  fich  in  die  himm- 
lifchen  Freuden  aufnehmen.  Amen." 

Das  zweite  Denkmal  (Fig.  2),  ebenfalls  aus  Sandftein, 
in  F"orm  eines  liegenden  Rechteckes  von  i'30  M.  Breite 
und  087  M.  Höhe  wird  durch  ein  horizontales  Gefimfe 
in  zwei  ungleiche  Felder  getheilt.  Das  untere  größere 


Feld  ift  in  drei  flache  rundbogige  Nifchen  gegliedert, 
die  durch  gedrungene  Halbfäulen  voneinander  getrennt 
find.  Jede  Nifche  enthält  in  Relief  auf  granulirtem 
Grunde  die  Figur  eines  en  face  knieenden  Kindes  mit 
lockigem  Haupthaar  und  zum  Gebete  gefalteten 
Händen.  Den  Hals  umfchließt  jedesmal  eine  fteife 
Kraufe,  den  Körper  ein  langes,  an  den  Hüften  ge- 
fchürztes  Gewand  mit  dichten  und  regelmäßigen  Falten 
und  mit  engen,  am  Saume  verzierten 
Aermeln. 
—    .:    -  Die   trennenden    Halbfäulchen    da- 

zwifchen,  mit  dorifirenden  Capitälen, 
zeigen  an  den  Schäften  arabeskenartiges 
Blätterwerk,  die  Zwickelfelder  darüber 
geflügelte  Engelsköpfe,  die  an  den  Eck- 
zwickeln durch  Kinderköpfe  mit  Hals- 
draperie erfetzt  erfcheinen.  Am  Gefimfe 
find  ober  jedem  Kinde  Täfelchen  be- 
feftigt.  Das  mittlere  trägt  die  Auffchrift: 

•PETR-ZBV- 
KVWKY- 

„Peter  von  Bukuwky". 

Auf  den  beiden  anderen  ifl:  zu  lefeii: 

•VRODIL-SE- 

■MRTWY- 

„Wurde  todtgeboren". 

Die  Mitte  des  oberen  Feldes  ziert 
das  von  einem  viermal  gebundenen  kreis- 
ähnlichen Lorbeerkranze  umrahmte 
väterliche  Wappen  mit  einer  Achterfchlinge  im 
Schilde,  welchen  bewegte  Akanthusblätter  einfchließen. 
Dem  Stechhelm,  mit  Halskleinod,  ift  die  aus  einer 
Krone  herauswachfende  Zier  abgebrochen.  Zu  beiden 
Seiten  des  Wappens  je  eine  rechteckige  Tafel  mit 
volutenartig  aufgerollten  Rändern,  darin  in  erhöhten 
AntiquaCapitalbuchftaben  ausgeführte  Infchriften,  die 
fich  auf  die  Kinderfiguren  darunter  beziehen.  Die 
rechte  Flachrelief-Infchrift  lautet: 


—    n 


WYTESANY-SAVTYTO-OBRAZY  WLASTNICH 
DYTEK  VROZE  ^EHO■PANA  lANA  Z  BVKVVV 
KYANA  TKZEIVESSKV-ZPLOZEISEICH-ZVR 
OZENAV  •  PANI ■  ESTERAV  SIR AKOWSKAV  • 
Z  PIERKOWA .  M.KLADEM  •  GEHo  •  KTEREZ  • 
SAV-SEZRODILI  LETHA-  1586-lVESICZE- 
CZERWNA  •  23  •  D]SE  •  OKoLo  POLEDNE  • 
VRODILSE- GEBEN  SYN  MRTWY- 

„Ausgemeißelt  auf  feine  Koften  find  diefe  Bilder 
der  leiblichen  Kinder  des  wohlgeborenen  Herrn  Johann 
von  Bukuwky  und  auf  Johrnsdorf,  gezeugt  mit  der 
wohlgeborenen  Frau  Efther  Syrakowsky  von  Pierkow, 
welche  geboren  wurden  im  Jahre  1586  den  23.  Tag 
des  Monates  Juni  um  den  Mittag.  Ein  Sohn  wurde  tod- 
geboren." 

Die  Infchrift  der  linken  Tafel  hat  folgenden  Wort- 
laut: 

•  TEZ  •  HoDIN  Y  •  VRODIL  •  SE  •  DRVHY  ■  SYN  •  GIVENEM 
PETR  ■  AVMRZEL  •  TEHoZ  •  LETHA  25  •  DN£  ■  CZER 
WNA  ■  S A VCZE •  ZYW •  DOTRZETIHo  •  DISE  LE 
THA  •  I  s  87  •  MIESICZE  •  RZ YGN A  •  2  5  •  DISE  ■  VRoDIE 
SE  -TRZETISYN  MRTWY  •  GEGICHZ  •  TO  •  DVSS  : 
YM  ■  VVSSEMoH  A  VCZ  Y  ■  PAN  •  B  VH  •  R  ACZ  •  MILOSTIW 
BE  YTT  ADONEBESKE  •  RADOSTI  •  PRZIGITI  • 
•  :•  AMEN  •:. 


„Um  diefelbe  Stunde  ward  ein  zweiter  Sohn,  Peter 
mit  Namen,  geboren,  er  ftarb  in  demfelben  Jahre  am 
25.  Tage  im  Juni,  nachdem  er  den  dritten  Tag  erlebte. 
Im  Jahre  1587  am  25.  Tage  des  Monates  06lober 
wurde  der  dritte  Sohn  todgeboren.  Ihren  Seelen  geruhe 
der  allmächtige  Herr  Gott  gnädig  zu  fein  und  nehme 
fie  auf  in  die  himmlifchen  Freuden.  Amen." 

Die  Stammburg  des  heute  noch  blühenden  Ge- 
fchlechtes  der  Bukuwky  von  Bukuwka,'  von  welchem 
Sigmund  Thomas  und  feine  Nachkommen  am  17.  Au- 
guft  1800  durch  Kaifer  Franz  II.  in  den  erbländifchcn 
Grafenftand  erhoben  wurden,  war  die  nun  feit  Langem 
in  Trümmern  liegende  kleine  Vefte  Bukowka  w.  n.  w. 
von  Pardubitz  in  Böhmen.*  Nach  der  zweiten  Hälfte 
des  I  5.  Jahrhunderts  tauchen  die  Glieder  diefes  alten 
Wladykengefchlechtes  in  Mahren  auf  und  Peter,  Käm- 
merer des  Olmüzer  kleinen  Landgerichtes,  eiwarb  um 
1559  das  Gut  Johrnsdorf.  Er  war  ein  eifriges  Glied  der 
Unität  (derBöhmifch-mährifchen  Brüder),  für  deren  Ge- 
fangsbuch  er  einige  Gefänge  lieferte-''  und  überließ  das 
Gut  feinem  Sohne  Johann,*  welcher  fich  mit  Efther,  einer 
Tochter  des  Hieronimus  Syrakowsky  von  Pierkow, 
verehelichte.  Diefer  Schwiegervater  Johanns  war  im 
1530  aus  Polen  nach  Mähren  gekommen  und  durch 
Heirat  mit  Katharina  Peterswaldsky  von  Petcrswald  in 
den  Befitz  des  Olmüzer  bifchöflichen  Lehens  Altendorf 

'  Gothaifches  genealogifches  T.ifchcnbuch  der  graflichen  Käufer.  Jahr- 
gang 1884.  S.  136,  dann  1846,  1848,  1866,  1877.  S.  153;  1878,  .S.  149  und  Hand- 
buch, S.  105. 

-Johann  Gottfried  Sommer,  Das  Königreich  Böhmen,  (latiftifch  und 
topographifch  dargeftellt.   V.   Band    Chrudimer  Kreis.  Prag   1837,  S.   62. 

Franz  Alexander  Heber,  Böhmens  Burgen,  Veften  und  Bergfchlüßer. 
V.  Band.  Prag  1847,  S,   143. 

*  Anton  Gindely,  Gefchichte  der  böhmifclicn  Brüder.  Prag  1868.  I.  Band 
S.   460. 

*  Gregor  Wolny,  Die  Marl<graffchaft  Mahren,  topographifch,  (latiflifch 
und  hiftorifch  gefchildcrt.   Brunn   1839.  V.  Band,  S.  474. 

Franz  Jofeph  Schwoy,  Topogr.apliic  vom  Markgiafthum  Mahren.  Wien 
1793.  I.  Band,  S.  296. 


gelangt.  Seine  Nachkommen,  von  denen  Ctibor,  Obrift- 
landfchreiber  in  Mähren,  das  Gut  Paskau  und  Hynek, 
1604  das  Gut  Zabfeh  erwarben,  waren  bereits  1629 
gänzlich  verarmt  und  der  oben  genannte  Johann  hat 
im  Jahre  16 16  wegen  Betheiligung  an  der  Rebellion 
feinen  Befitz  eingebüßt.'  In  der  Folge  wurde  das  Ge- 
fchlecht  am  26.  Juni  1775  in  den  österreichifchen 
Grafenftand  erhoben  (in  den  preußifchen  am  18.  Juni 
1776);  die  Nachkommen  find  noch  jetzt  in  Weftpreußen 
und  Ruffifch-Polen  begütert.* 

Mütterlicherfeits  entftammte  fomit  Efther  dem 
illuftren  Gefchlechte  der  Peterswalde,  deren  Wiege  die 
Vefte  Peterswald  bei  Hochwald  in  Mähren  war.  Die 
Träger  des  filbernen  Pfaues  im  gefpaltenen  blau-gol- 
denen Schilde  mit  der  Devife:  „Candore  et  vigilantia" 
wurden  1650  in  den  Freiherrnftand  erhoben.  Johann 
Bernhard,  Herr  auf  Buchlau  etc.,  war  der  reichfte  und 
angefehenfte  aller  Sproffen  diefes  Haufes,  deffen  Mann- 
ftamm  im  Jahre  1763  erlofch.^ 

Die  alten  Genealogen  verfetzen  die  Wiege 
der  Prafchmas,  welche  ein  fchwarzes  Hirfch- 
geweih  im  blauen  Felde  und  über  dem  Helme 
führten,  nach  der  Burg  Bilkau  auf  der  Herrfchaft 
Datfchitz  im  Iglauer  Kreife  Mährens.  Das  ritter- 
bürtige  Gefchlecht  heiratete  in  die  erften  und 
mächtigften  Herrengefchlechter  und  erwarb  fo 
zahlreiche  Güter  in  Mähren  und  Schlefien.  Alina* 
(Helene)  Prazminka  von  Bilkow  vermählte  fich 
mit  Johann  Peterswaldsky  von  Peterswald  ^  und 
wurde  dadurch  Großmutter  der  Efther  Syrakowsky 
von  Pierkow.  Die  Nachkommen  der  Freiherren  von 
Prafchma  wurden  ddo.  Preßburg  24.  Mai  1655  in  den 
böhmifchen  Grafenftand  erhoben  und  blühen  noch 
gegenwärtig  auf  Falkenberg  in  der  preußifchen  Provinz 
Ober-Schlefien.* 

Es  ift  zu  bedauern,  dafs  diefe  Sculpturen,  deren 
ftylvolle  Einzelnheiten  eine  vollendete  Gefammt- 
wirkung  erzeugen  und  durch  ihre  künftlerifche  Aus- 
führung das  Maß  der  Mittelmäßigkeit  überfteigen,  ent- 
weder vom  Zahne  der  Zeit  oder  von  böswilliger  Hand 
befchädigt  wurden. 

Ein  uns  derzeit  unbekannter  KüniTiler  ■ —  mög- 
licherweife derfelbe,  welcher  1587  \^.)  das  Schloßportal 
in  Johrnsdorf  angefertigt  —  hat  fie  mit  außerordent- 
licher Sorgfalt  in  Moleteiner  Sandftein  ausgearbeitet, 
und  fie  legen  noch  heute  ein  erhebendes  Zeugnis  feines 
Könnens  und  Schaffens  ab.  In  idealer  Begeifterung  für 
die  Kunft,  von  der  das  obengenannte  ungemein  reiche 
und  zierliche  Portal  Zeugnis  gibt,  hat  Johann  Bukuwky 
von  Bukuwka,  Befitzer  des  Gutes  Johrnsdorf,  dasfelbe 
drei  Jahre  nach  dem  Tode  feiner  erften  Gemahlin  her- 
ftellen  laffen.  Die  hier  publicirten  zwei  Grabfteine  aber 
berichten  uns  von  einem  tragifchen  Gefchick,  das  fich 
auf  Schloß  Johrnsdorf  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
abgefpielt  hat;  umfo  berechtigter  mag  hicnach  der 
Wunfeh  erfcheinen,  dicfelben  pietätvoll  zu  erhalten. 

'   Woiny.  I.   Band,  S.  31,  370  und  379. 
Schwoy.  ni.  Band,  S,  9,  14s  und  309. 

•  Gothacr  genealogifches  Tafchenbuch  der  gränichcii  Häufer  1884. 
S.  895.  und  Handbuch  S.  919. 

^  Leopold  Graf  Berchtold,  Vergangenheit  und  Gegenwart  der  Hcrren- 
burg  Buchlau  im   mahrifchcn  Marsgehirgc.  Brunn  1893.  S.   120,   121   und   177. 

J.  Müller,  Die  Herrnburg  Buchlau  im  gefegnetcn  Marchlandc.  Prag 
1837,  S,   147  und    148. 

*  Alena-Helena.  V.  Brandl.  Glossarium  illustrans  bohemico-mora\icae 
historiae.  S.  2.  Briinn  1876. 

^  J.  Müller,  ibid.  S.  123. 

"  Gothaifchcs  genealogifches  'rafchenbuch  der  gräflichen  Häufer.  Jahr- 
gang 1884,  S.  726  und  727,  fernei  Handbuch  S.  724,  fowic  Jahrgang  1875, 
S.  664  und  665. 


-     78     - 


Romanifche  Wandmalereien  zu  Pürgg  und  Hartberg. 


Vom  k,  k    Confervator  f.  b.  geiftl.  Rath  jfohann  Graus. 


(Hi«u  Taf.  IV— XI.) 


I. 

lER  Innenfchmuck  von  Kirchenräumen  durcli 
Wandmalereien  in  zufammenhängender  Com- 
pofition  ift  eine  Tradition  der  altchriftlichen 
Periode.  Vom  Grunde  des  Apfisgewölbes,  von  der 
Fläche  über  dem  Triumphbogen,  von  den  Hochwänden 
des  Hauptschiffes  der  berühmten  Bafiliken  leuchten  die 
heiligen  Darftellungen,  in  Mofaik  hergeftcUt,  und  bilden 
eine  fyftematische  Darlegung  der  kirchlichen  Ideen. 
Diefe  Tradition  fand  eine  treue  Fortübung  fovvohl  in 
den  byzantinifchen  Kuppelbauten  als  auch  in  den 
abendländifchen  Kirchen  des  romanifchen  Styles,  frei- 
lich in  letzteren  nicht  mehr  durch  Mofaik,  fondern  in  ge- 
wöhnlicher Maltechnik.  Im  gothifchen  Style  war  durch 
die  Durchgliederung  und  Durchbrechung  der  Um- 
faffungsmauern  der  Innenbemalung  der  Raum  zur 
Cyclusbildung  benommen.  Erft  infolge  des  Stylwechfels 
zur  Renaiffance  und  Barocke  konnte  fie  wieder  in  unfere 
Kirchen  einziehen.  Eigentliche  Gemäldecyclen  aus  dem 
Alittclalter  dürfen  wir  daher  heute  kaum  anderswo  als 
in  Kirchen  der  romanifchen  Stylzeit  erwarten  und  felbft 
von  folchen  werden  gewöhnlich  nur  kleine  Bauten, 
welche  von  zeitgemäßen  Umbauten,  Erweiterungen 
oder  Verfchönerungen  unberührt  geblieben  find,  der- 
gleichen alte  Malereien  noch  zu  fchaucn  bieten. 

Solche  Nebenkirchen  Steiermarks  waren  es,  die 
unfere  Zeitgenoffen  mit  der  Entdeckung  alter  Mal- 
cyclcn  erfreuten:  die  St.  Johannes-Capelle  zu  Pürgg 
im  oberftcirifchen  Ennsthale  und  der  Karner  zu  Hart- 
berg in  Oftfleiermark,  der  Stadtkirchc  zur  Seite.  Beider 
Malereien  entflammen  der  Kunftperiode  des  romani- 
fchen Styles;  beide  mußten  unter  fpäterer  Ueber- 
tünchung  hervorgefucht  und  reftaurirt  werden,  unter 
kräftiger  Ergänzung  der  unterbrochenen  Umriffe  und 
Neubelebung  der  Farbenflächen.  Ohne  diefe  zwei  dem 


Archäologen    unerwünfchtcn 


Beigaben 


werden    fich 


leider  wohl  kaum  irgendwo  romanifche  Wandmalereien 
in  Räumen  fortdauernder  Cultusübung  finden  laffen. 
Reftaurirt  (und  zwar  mit  nicht  ganz  unbedenklichem 
Erfolge)  find  die  Malereien  zu  Schwarzrheindorf,  im 
Kapitelfaal  von  Brauweiler,  im  Domchore  zu  Braun- 
fchweig:  und  das  find  Beifpiele  hochbedeutendfter 
Werke.  Da  auch  die  beiden  fteirifchcn  Kirchlein  im 
Vollzuge  gewiffer  Stiftungen  vom  Cultus  fortdauernd 
beanfprucht  werden,  war  die  Reflauration  ihrer 
Malereien  nicht  zu  entbehren,  wenn  ihr  Fortbefland  für 
die  Zukunft  nicht  in  Frage  geftellt  werden  follte.  Leider 
hat  man  fich  hiebei  nicht  fo  ausfchließlich,  wie  zu 
wünfchen  gewefen  wäre,  auf  bloße  felbftverftändliche 
Ergänzungen  und  Wiederbelebungen  befchränkt;  die 
Partien,  in  denen  man  darüber  hinaus  zu  felbftfländiger 
Mache  gefchritten  ift,  follen  in  der  nachfolgenden  Be- 
fchreibung  im  Intereffe  der  Forfchung  über  die  Ge- 
fchichte  der  chriftlichen  Kunft  ausdrücklich  als  folche 
bezeichnet   werden.    Wir    nehmen    die    St.    Johannes- 


Capelle  von  Pürgg  voraus,    da   fie   durch   ein   höheres 
Alter  ihrer  Malereien  ausgezeichnet  ift. 

Pürgg,  der  am  fteilen  Gelände  über  dem  Ennsthale 
horftende  Pfarrort,  hieß  zu  ältefter  Zeit  feines  ur- 
kundlichen Vorkommens  Graufcharn  und  hatte  neben 
fich  ein  herzogliches  Schloß  ..castrum  Gruscharn",  das 
zeitweife  dem  Markgrafen  Ottokar  V.  dem  Traungauer, 
in  gewöhnlichen  Zeiten  aber  einem  Verwalter  „econo- 
mus  marchionisse"  zum  Aufenthalt  diente.  Das  Schloß 
ifl  vom  F>dboden  verfchwunden  und  nur  der  Kirchort 
ift  geblieben.  Sein  Gotteshaus,  in  der  Hauptfache 
eine  romanifche  Pfeilerbafilica,  geht  mit  feinem  Ur- 
fprunge  ficher  ins  XII.  Säculum  zurück,  wo  1185  ein 
Heinricus  als  „Archidiaconus",  1195  vielleicht  derfelbe 
als  Archipresby  ter  des  Amtes  waltete.  Die  Pfarre  reichte 
weit  hinaus  in  die  Umgegend,  fo  dafs  im  14.  Jahrhundert 
das  Terrain  von  Auffee  und  jenes  von  Mitterndorf  von 
ihr  ausgefchieden  werden  mußten.  Im  15.  Jahrhunderte 
war  Pürgg  dem  St  Georgs-Ritter-Orden  von  Millftatt  in 
Kärnten  zufländig  und  ging   von   demfelben    im    XVI. 


Fig.  I.  iGrundrifs  der  St.  Johanniskirche  zu  Pürgg.) 

Säculum  an  das  Jefuitencolleg  von  Graz  über.  Eine 
Befchreibung  der  Pfarrkirche  gab  ich  im  „Kirchen- 
fchmuck"  1881  S.  121. 

Zur  Zeit,  wo  diefe  Pfarre  Sitz  des  Archidiaconats 
der  Metropole  Salzburg  war  und  jener  Heinricus  1195, 
1203,  1209,  121 1,  1214,  1220  und  1230  urkundlich 
durch  angefehene  Vertrauensämter  im  Lande  aus- 
gezeichnet erfcheint,  entfland  unter  der  Pfarrkirche 
auf  einem  Felfenhügel  die  St.  Johannes-Baptiftcapelle, 
e.v  voto  oder  als  Baptiflerium,  die  noch  heute  den 
Charakter  der  romanifchen  Kirchenanlagen  kleinerer 
Art  felbft  in  den  architektonifchen  Einzelheiten  wohl 
bewahrt  hat.  Wie  unzählige  folcher  Bauten  beftand  fie 
aus  einem  oblongen  flachgedeckten  Schiffe  von  830  M. 
lichter  Länge,  4-50  M.  Weite  und  6  M.  Hohe  bis  zur 
Holzdecke  (Fig.  i.  2).'  Oftwärts  zu  öffnet  ein  im  Halb- 
kreife  gefchloffener  Scheidebogen  den  Einblick  in  den 
apfislofen  Altarraum  von  beiläufig  quadratifchcr  Grund- 
form (3'40:3-65  M.)  und  mit  Flachkuppeigewölbc  (F"ig.  4). 
Die  Wände  diefes  „Chorquadrates"  find  mit  je  drei 
Nifchen  belebt,  deren  mittlere  mit  ihrem  Rundbogen  das 

'  Der  GrundriCs  Fig.  i  und  die  Außenanficht  Fig.  3  find  nach  Auf- 
nahmen des  VerfafTers,  der  Längfchnitt  Fig.  2  nach  einer  Skizze  Th.  Melicher's 
hergeftellt. 


Mitth. 


* '•    ^ 


K~ 


Mitth.  d.  k.  t.  Centv.-Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


Taf.  IT. 


# 


SuJwftnd  .Ici  LnHghftiifci  der  St,  Juhnnuiikifclic  i\i  TäcRg. 


Mitth. 


r 


vw^ 


tg 


^^y^' 

^ 

1 


.1  \. 


:^Q 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Lenkm.,  Jahrg.  1902. 


Taf.  V. 


1 


^W4.^i^  tJF^ar^^a.    ^;.    ,:, 


Nonlwm.l  Jei  I.angh:iufi:*  der  St,  Joh.inniskiKhc  /ii  rurg^;, 


L 

in 



I 

-      19     - 


eine  Fenfler  in  jeder  der  drei  Wände  überfteigt  und 
umrahmt.  Die  Fenfter  bilden  verliältnismäßig  fchmale 
Schlitze  mit  breiter  Abfchrägung  der  Leibungen.  Je 
drei  durchbrechen  die  Längsfeiten  des  Schiffes;  je  eines, 
wie  fchon  bemerkt,  jede  der  drei  freiliegenden  Wände 
des  Altarraumes.  Die  rundbogige  Pforte  an  der  Wefl- 
fagade  zeigt  außer  einem  Capitälgefimfe  keine  Gliede- 
rung oder  Verzierung.  Spätere  veränderungsluftige 
Zeiten  konnten  am  urfprünglichen  Baugefüge  glück- 
licherweife wenig  verderben.  Das  fchlimmfte  war  die 
Einziehung  eines  Gratgewölbes  in  den  Schiffraum.  Bei 


Fig.  2.  (Längenschnitt  der  St.  Johanniskirche  zu  IHirgg.) 

der  neueftcn  Reftaurirung   hat   man    dasfelbe    entfernt 
und  durch  eine  einfache  Bretterdecke  erfetzt. 

Jn  den  fiebziger  Jahren  entdeckte  ein  kunftfinniger 
Priefler  der  Pürgger  Pfarre  über  dem  Gewölbe  Mal- 
fpuren und  machte  darauf  weitere  Kreife  aufmerkfam. 
Namentlich  infolge  des  Eingreifens  der  fürftlichen 
Familie  von  Hohenlohe-Schillingsfürft  wurden  die 
Gemälde  allmälig  von  der  Tünche  befreit.  Unter  der 
Obforge  der  k.  k.  Central-Commiffion  kam  endlich  zu 
diefem  Zwecke  ein  förmliches  Reflaurationsunter- 
nehmen    zu    Stande,    das     dem    akademifchen    Maler 


^wAS;^: 


A-'^-'^^^^-'-'^-iS^- 


Fig.  3.  (Außenanficht  Uer  Sl.  Juliaiini.skiiclic   zu  Pürgg  von  Norden.) 

Theophil  Mclicher  unter  der  Oberleitung  des  Mitgliedes 
der  Central-Commiffion  und  Profcffors  der  k.  k. 
Akademie  kaif.  Rath  Jofeph  Trenkwald  anvertraut 
wurde.  Die  Arbeiten  wurden  in  den  Jahren  1893  und 
1894  durchgeführt  unil  in  den  Mittheilungen  der  k.  k. 
Central-Commiffion  1894  S.  17  und  S.  196  und  1895 
S.  186  darüber  berichtet.  Da  dicfe  Veröffentlichungen 
aber  infolge  Mangels  aller  Illuftrationen  der  Wichtig- 
keit der  Kunftfchätze  nicht  hinreichciul  Rechnung 
trugen,    foll     im    Nachgehenden    das     bisherige    Vcr- 


fäumnis  durch  Vorführung  der  Denkmäler  in   Bild   und 
Wort  gutgemacht  werden. 

Die  Malereien  der  St.  Johannes-Capelle  erfüllen 
Schiff  und  Altarraum.  Im  Schiff  zieren  fie  die  zwei 
Längswände  und  die  denfelben  zugekehrte  Fläche  der 
gegen  den  Altarraum  gerichteten  öftlichen  Wand, 
während  die  Weflwand  bis  auf  eine  Abfchlußbordüre 
unter  der  Decke  nichts  zu  fehen  bot.  Der  Altarraum 
war  fowohl  an  den  Wänden  als  am  Gewölbe  ausgemalt. 
Befleller  und  Maler  fämmtlicher  erhaltenen  Bilder  haben 
zweifellos  einer  und  derfelben  Zeit  angehört.  Dafs  wir 
den  Befteller  der  Bemalung  in  einem  Priefter  zu 
fachen  haben,  geht  fchon  aus  den  in  ftrengem  Zu- 
fammenhange  gefafsten  corie6t  kirchlichen  Ideen  nahezu 
mit  Gewifsheit  hervor.  Wahrfcheinlich  war  er  mit  jenem 
Heinricus  archidiaconus  identifch,  der  am  Schluffe  des 
XII.  und  tief  ins  XIII.  Säculum  hinein  in  Pürgg  gewaltet 
hat.  Die  Gemälde  felbft  liefern  dafür  eine  Stütze.  An 
hervorragender  und  bedeutfamer  Stelle,  rechts  und  links 
vom  Eingange  zum  Altarraume  (Taf.  VI),  fehen  wir 
zwei  als  Donatoren  gekennzeichnete  Perfonen,  links 
einen  Geiftlichen  mit  dem  Kirchenmodell,  rechts  einen 
vornehmen  Laien.  In  Stellung  und  Geberde  correfpon- 
diren  fie  mit  den  darüber  dargeftellten  Erftlingen  der 
opfernden  Menfchheit,  Kain  und  Abel.  Der  Styl  des 
Baues  und  der  Malereien  deuten  aber  genau  auf  jene 
Zeit  der  Wende  des  12.  zum  13.  Jahrhundert,  in 
welcher  jener  Archidiacon  zu  Pürgg  gewirkt  hat.  Sein 
Gegenüber  werden  wir  wohl  am  eheften  auf  einen 
der  damaligen  Schloßverwefer  des  landesfürfllichcn 
Caftrum  Grufcharn  oder  auf  den  adeligen  Befitzer  einer 
nahen  Herrfchaft  beziehen  dürfen,  der  an  der  Stiftung 
in  irgend  welchem  Maße  Theil  gehabt  haben  mochte. 
Der  vermuthliche  geiftliche  Befleller  hatte  nun  offenbar 
nach  verbürgt  uralter  Sitte  beabfichtigt,  die  Einzel- 
darllellungen  fo  zu  wählen,  dafs  fie  auf  ein  Centrum 
abzielten,  wie  ein  folches  im  chriftlichen  Gottesdienft 
durch  das  heilige  Opfer,  in  der  Kirche  durch  den  Altar, 
in  der  chriftlichen  Gemeinde  durch  denErlöfer  gegeben 
war.  Von  diefem  Standpunkte  erwogen,  ift  das  Ganze 
der  Pürgger  Malereien  wohl  berechnet. 

Im  Schiffe,  als  dem  Vorraum  des  Altares,  beginnt 
der  Cyclus  an  der  Südwand  (Taf  IV)  den  Urfprung  des 
Erlöfungsopfers,  die  Menfchwerdung  Chrifti  in  der  Ver- 
kündigung und  Chrifti  Geburt  zu  fchildern.  Die  wunder- 
bare Brodvermehrung  auf  der  Nordwand  (Taf.  V)  be- 
zeichnet näher  die  Weife,  die  die  Opferhandlung  der 
Kirche  (die  heil.  Meffe)  infolge  der  Einfetzung  des 
letzten  Abendmahles  einhält,  als  das  neuteftamentari- 
fche  Opfer  Melchifedechs  nach  Chrifli  Worten:  „Ich  bin 
das  lebendige  Brot,  das  vom  Himmel  gekommen  ift". 
Die  Forderung  der  Würdigkeit,  welche  Chriftus  an  die 
Theilnehmcr  an  feiner  Opferfeier  ftellt,  künden  im  l^ilde 
die  klugen  und  thörichten  Jungfrauen  über  den  Haupt- 
darftellungen  beider  Längswände.  Die  erfteren  finden 
die  Gnadenthüre  geöffnet  und  des  Bräutigams  bewill- 
kommende  Hand  entgegengeftreckt;  die  letzteren 
weichen  trauernd  zurück  vor  der  vcrfchloffenen  Pforte. 
Am  Scheidebogen  (Taf  VI)  aber,  durch  welchen  der 
Blick  und  Zugang  frei  wird  zum  Opferaltare,  zeigt  hoch 
in  der  Mitte  das  Bild  des  ewigen  Vaters  zwifchen  den 
zwei  opfernden  Söhnen  der  Stammcltern  des  Men- 
fchengcfchlechles  Abel  und  Kain,  das  ältcfte  Opfer, 
für  Chrifti  Opfer  das  Vorbild.  Mit  diefen  Opfernden  der 


80     — 


Urzeit  vereinigen  fich  der  Donator-Priefter  diefes 
Ileiligthumes  und  feines  Schmuckes  und  der  vornehme 
Laie,  unter  Kain  und  Abel  liier  dargeÜellt. 

Wie  der  Lobgefang  der  Engel,  das  Trisagion  in 
der  Meffe  zum  Canon  und  zur  eigentlichen  Opferhand- 
lung einführt,  fo  fchauen  von  der  Schwelle  des  Altar- 
raumes von  der  inneren  Bogenfläche  die  Bilder  der 
drei  heil.  Erzengel  herab.  Im  Altarraume  felbft;  trägt 
die  Gewölbefläche  (Taf.  VII)  die  Ilauptdarflellung.  Ihr 
Quadrat  zeigt  zwei  concentrifclie  Kreife  eingezeichnet, 
in  deren  innerem,  gerade  über  dem  Altare,  das  Lamm 
Gottes  als  Ausdruck  des  Erlöfungsopfers  erfcheint, 
das  feine  Fortfetzung  in  der  heil.  Meffe  findet.  Vier 
Strahlcnlinien,  vom  inncrflen  Kreife  durch  den  äußeren 
geführt,  theilen  diefen  in  vier  Felder  zur  Aufnahme  der 
Symbole    der    vier   Evangeliften;    die    vier    äußerflen 


Fig.  4.  (Einblick  in  den  Chor  der  Sl.  Joh.mniskirche  zu  Pürgg.) 

Zwickelfelder  des  Gewölbes  find  mit  vier  theils  bärtigen 
theils  unbärtigen  Männerfiguren  gefüllt,  welche  atlan- 
tenförmig  das  Rund  des  großen  Kreifes  emporzutragen 
fcheinen.  Sie  ftellen  die  ganze  Menfchheit  der  vier  Welt- 
gegenden, die  Völker  der  vier  Erdthcilc  vor  ;  der  Predigt 
des  Evangeliums  folgend,  von  „Gott  erkauft  mit  dem 
Blute  des  Lammes  aus  allen  Stämmen  und  Sprachen 
und  Völkern  und  Nationen"  (Apok.  5,  9)  dienen  fie  jetzt 
in  feinem  Reiche,  wie  die  Umfchrift  im  inncrften  Kreife 
lautet:  J •  XPO  •  DANT •  NACIONES •  AGNI •  PRECO- 
NES".  Unten  aber  (Fig.  4)  an  den  drei  Wänden  hinter 
dem  Altartifche  und  zur  Rechten  und  Linken  davon 
ficht  man  Vollfiguren  von  Heiligen  von  den  Nifchen  wohl 
umrahmt,  und  zwar  an  der  Oflfchlußwand  den  Titel- 
heiligen der  Capelle  St.  Johannes-Baptift  und  (wahr- 
fcheinlich,  weil  mit  der   Bezeichnung    als    Apoflel,    die 


Rolle  haltend  dargeflellt)  Johannes  den  Apoflel,  ferner 
auf  den  anderen  Wänden  einerfeits  einen  heil.  Bifchof 
mit  dem  Pallium  und  Buch,  anderfeits  einen  zweiten 
folchcn  mit  Infel  und  Paftorale  und  zwei  Könige  mit 
den  Schriftrollen,  die  wir  wohl  als  Propheten  im  weiteren 
Sinne  des  Mittelalters  nehmen  dürfen,  da  fie  ohne  den 
Nimbus  gegeben  find.  Die  demonftrirende  Hand- 
bewegung des  Einen  fcheint  dies  zu  bekräftigen;  zu- 
dem trägt  der  andere  nebfl:  dem  Spruchbande  eine 
weiße  mit  dem  Kreuze  verfehene  Brodfeheibe  (Hoflie) 
und  dürfte  Melchifedech  fein;  fein  Gegenüber  aber 
möchte  den  König  David  vorftellcn,  der  im  Pfalm  109,  4 
den  Meffias  ficht  als  den  „Priefler  ewiglich  nach  der 
Ordnung  des  Melchifedech".  Die  fchmalen  Räume  ober 
diefen  Figurennifchcn  und  unter  dem  Chorgewölbe  hat 
der  Maler  verwerthet,  indem  er  ihnen  je  zwei  fchwebende 
Figuren  von  jugendlichem,  beziehungsweife  weiblichem 
Typus  einordnete.  Zwei  dicfer  Paare,  welche  von  ein- 
einander  fich  entfernend  niederwärts  fliegen,  find  durch 
die  Flügel  und  Nimben  als  Engel  charakterifirt. 
Weibliche  nimbenlofe  Figuren  laffen  die  anderen  zwei 
Paare  erkennen.  Der  Context  aller  Malereien  verbietet 
es,  diefe  Gertalten  für  Anfpielungen  auf  profane  Ereig- 
niffe  jener  Zeit  zu  nehmen;  fie  werden  wohl  auch 
religiöfe  Ideen  verfinnlichen  follen.  Je  ein  Paar 
fchweben  fie  aufeinander  zu,  flrecken  fich  die  Hände 
entgegen  und  faffen  fich  damit,  wobei  die  eine  Figur 
ein  Ringlein  hält,  um  es  der  anderen  anzuftecken. 
Halten  wir  das  Hauptthema  des  heil.  Opfers  feft,  in  dem 
fich  hier  alle  Darflellungen  zufammenfinden,fo  möchten 
fie  uns  wohl  jenen  Pfalmvers  84,  1 1  illuftriren,  den  der 
Priefter  im  Vorbercitungsgebet  zur  Meffe  zu  recitiren 
hat:  „Misericordia  et  veritas  obviaverunt  sibi;  justitia 
et  pax  osculatae  sunt".  Barmherzigkeit  und  Wahrheit, 
Gerechtigkeit  und  Friede  vergleichen  fich  über  die 
Differenzen  der  Sünde,  welche  Chrirti  Erlöfungsopfer 
aufliebt.  In  der  Kunft  des  romanifchen  Styles  war  ja 
die  Uebung  finnbildlicher  Darftellungen  der  Kräfte, 
Tugenden  und  Lafter  und  Illuftrationen  obiger  Schrift- 
ftelle  ganz  befonders  verbreitet. 

So  wären  alle  Darflellungen  zufammenhängend 
durch  den  Gedanken  verknüpft,  welcher  dem  Zwecke 
des  Raumes,  dem  kirchlichen  Opfer  am  Altare  genau  ent- 
fpricht.  Nur  eine  einzige  Compofition  fleht  außer  Bezie- 
hung, wenigftens  foweit  fich  bis  jetzt  beurthcilen  läfst, 
und  fchon  ihre  Stellung,  fern  vom  Altare  und  abgefchie- 
den  von  den  anderen  Bildern,  knapp  an  der  Südweftecke 
(Taf.  IV)  des  Schiffes,  läfst  fühlen,  dafs  diefes  Gemälde, 
wenn  auch  gleichzeitigen  Urfprunges  mit  den  übrigen, 
doch  mit  feiner  Bedeutung  abfcits  fleht.  Es  ift  dies  die 
Belagerung  einer  Burg,  die  vonMäufen  vertheidigt,  von 
Katzen  angegriffen  wird  (Taf  IV).  Ueber  einer  zinnen- 
bewehrten Ringmauer  mit  Eckvorfprüngen  erhebt  fich 
eine  Burg  mit  fechs  Tiiürmen,  von  welcher  dunkle  und 
lichte  Mäufe,  ausgerüftet  mit  Schwertern  und  Bogen, 
durch  Pfeilfchüffe  die  unten  andringenden  zum  Theile 
mit  Schilden  verfehenen  Katzen  abzuwehren  fuchen. 
Was  diefe  Compofition  hier  foll,  ifl  nicht  ganz  ohne 
Schwierigkeit  fcflzufi eilen.  Indes  mag  man  fie  zuerft 
als  eine  poetifche  Illuftration  des  Ortsnamens  anfehen 
dürfen.  Denn  das  ältefte  Wort  Graufcharn  kann,  wie  fo 
viele  Ortsnamen  der  Steiermark,  aus  dem  Slavifchen 
erklärt  werden  und  heißt  dann  dasfelbe  wie  „Burg", 
weshalb  es  fpäter  auch  ins  jetzige  „Pürgg"  umgeändert 


Mittli.  d,  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


Taf.  VI. 


Oftivand  des  Langhaufes  der  St.  Johanniskirche  zu  Pürgg. 


Dnick^ius  d8rk.kHofu.Stsi,iür..- 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


Taf.  VII. 


Gewölbe  des  Chores  der  St.  Johnnniskirche  zu  I'iirgg. 


Druck  aus  der  k  k  Hofu  Slaalsdruckerei, 


Mittli.  d.  k,  k.  Centr.-Comra,  f.  Kunst-  u.  kist.  Denkm,,  Jahrg.  1902, 


Taf.  VIII. 


I.  'rriumphbos^en  von  der  Cliorfeite.  2.  T.oibung  des  Triumphbogens.  3.  4.  Fenftcrleibungen. 


^ 


.^-^ 


^5) 


m 

l|i'Ni;lr'J 


zu  IIa 


Uitth.  ü.  t.  i.  CectL-ComiD.  t.  Euiist-  n.  bist  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


(^ 


r^ 


Mitth.  d.  k.  k.  Cec 


j-v\r\f\j-\rij'\ 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


Taf.  X. 


Die  Malereien  der  Aptiswand  des  Kamers  lu  Harlberu. 


r 


Mittli,  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  Mst.  Denkm.,  Jalirg.  1902. 


Taf.  XL 


Decorative  Wandmalereien, 

2  nus  ..l'-r  Joluinniskirclie  zu  Pürgg.  3  His  6  aus  der  Uotiuidf    '-^  ^< 


IT  »rtlierg. 


8i     — 


wurde.'  Mit  diefem  Namen  möchte  nun  vielleicht  eine 
mittelalterliche  Thierfabel,  der  „Katzen-Mäufekrieg"  in 
Verbindung  gebracht  worden  fein. 

Die  Güte  des  Herrn  P.  Stephan  Beißel  vermittelte 
mir  darüber  nachftehende  Mittheilung  des  Herrn  P. 
Baumgartner:  Der  „Katzen-Mäufekrieg"  (FaXsojxoojAa-^i'ci, 
beffer  Kazoivio^LOLytoC) ,  eine  dramatifche  Parodie  zur 
homerifchen  Batrachomyomachie,  wurde  verfafst  von 
Theodoros  Prodromos,  der  um  die  erfte  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts  in  Conftantinopel  lebte.  Es  ift  dies 
ein  Gedicht  von  384  Trimetern  (Ausgabe  zu  Leipzig 
1873):  „Der  Mäufekönig  und  feine  Gattin  rufen  die 
übrigen  Mäufe  zum  Kampfe  gegen  die  Katze  auf, 
welche  furchtbare  Verheerungen  unter  ihnen  anrichtet. 
Die  Mäufe  wären  verloren,  wenn  nicht  als  Deus  ex 
machina  ein  Balken  herniederftürzte  und  die  Katze 
erfchlüge".  P.  Stephan  Beißel  machte  aufmerkfam, 
dafs  der  Balken  fich  im  Bilde  zu  Pürgg  dargeflellt 
findet.  Er  ift  auf  der  Spitze  des  mittleren  Thurmes  in 
Kreuzform  fichtbar  und  eine  oben  mit  dem  Pfeil- 
fchießen  befchäftigte  Maus  fcheint  ihn  vom  Thurm- 
dache  loszumachen,  damit  er  auf  die  unten  in  fchwerer 
Rüftung  herzueilende  Katze  herabfalle.  Ob  eine  be- 
fondere  Begebenheit  zu  Pürgg  diefe  Darfteilung  ver- 
anlafst  hat,  ift  wohl  nicht  feftzuftellen.  Die  mittelalter- 
liche Unbefangenheit  hat  wohl  manches  zuwege  ge- 
bracht, das  zu  anderen,  etwa  unferen  Tagen  unerklär- 
lich erfcheinen  müßte.  Das  gilt  befonders  von  den 
Thierfabeldarftellungen  an  kirchlichen  Objekten. 

Hinfichtlich  der  Eintheilung  der  Wandmalereien 
wäre  noch  anzugeben,  dafs  Horizontalbänder  die 
Schiffwände  in  drei  Gefchoffe  von  beiläufig  gleicher 
Höhe  fondern.  Das  unterfte  nimmt  die  Decoration 
eines  gemalten  ftylifirten  Teppichgehänges  ein.  Hierauf 
folgen  die  angeführten  wichtigften  Darftellungen.  Im 
oberften,  von  den  Fenftern  durchbrochenen  Gefchoffe 
begegnen  wir  den  klugen  und  thörichten  Jungfrauen, 
worauf  ein  breites  Mäanderband  gegen  die  Flachdecke 
den  Abfchluß  bildet. 

Im  Altarraume,  der  an  Höhe  gegenüber  dem 
Schiffe  zurückfteht,  läuft  das  erwähnte  Horizontal- 
fockelgefchoß  durch;  doch  ift  das  Gehänge  durch  eine 
Teppich mufterung  erfetzt.  Die  Scheidebogenpfeiler 
und  fämmtliche  F"enflerleibungen  find  durchaus  mit 
Muftern  verziert. 

Was  nun  das  Styliflifche  der  figuralen  Compofi- 
tionen  betrifft,  fo  haben  wir  da,  wie  auch  durch  die 
vor  der  Reftauration  vollzogenen,  im  Archive  der  k.  k. 
Central-Commiffion  erliegenden  Aufnahmen  beftätigt 
wird,  Werke  aus  romanifchem  Style  der  kräftigflen Mitte 
feiner  Periode  vor  Augen,  denen  die  eigenthümliche 
fchwunghaftere  Behandlung  der  Uebergangszeit  zum 
gothifchen  Style  noch  abgeht.  Derb  und  kräftig  find 
die  Leibesbildungcn,  ruhig  und  rundlich  die  Faltenzüge 
und  ihre  Brüche;  dagegen  find  fpitze  Auszackungen 
dcrfelben,  feinere  Ausführungen,  die  auf  dünnere 
Gewandfloffe  hinzeigten  und  zum  Beifpiel  an  den 
Gurker  Nonnenchormalereien  fchon  eine  vorgerückte 
Phafe  erkennen  laffen,  in  Pürgg  noch  nicht  zu  treffen. 
Die  Figuren  des  Antiphonars  zu  St.  Peter  in  .Salzburg 
(Mitth.  der  Centr. -Comm.  1869  S.  173)  haben  am 
allermeiftcn     des    Verwandten    mit   jenen    in    Pürgg. 


'   Noch  jetzt    ift 
Gebrauch. 


Krain    .ils    Schloßbczcichnunf;    das    Wort    Grajsina 


Diefes  Antiphonar  ift  durch  feinen  Befchreiber  Doflor 
Lind  auf  den  Urfprung  ins  12.  Jahrhundert  eingefchätzt 
worden;  von  dem  Kraftflyl  diefes  Säculums  haben  fich 
die  Pürgger  Darftellungen  noch  nicht  entfernt,  wenn- 
gleich fie  bereits  der  Wende  zum  XIII.  Säculum  ange- 
hören dürften.  Es  möchte  nicht  fo  unwahrfcheinlich 
fein,  dafs  ihr  Maler  aus  oder  über  Salzburg  hergerufen 
wurde.  Die  älteren  Darflellungsarten  der  apokryphen 
Legende  find  bei  den  Bildern  der  Verkündigung 
Mariens  und  Geburt  Chrifti  eingehalten.  Der  beflügelte 
Jünglingsengel  fchreitet  heran,  mit  dem  Stabe  in  der 
Linken,  die  Rechte  wie  fegnend  erhoben,  Maria  fitzt 
auf  dem  Thronfeffel  fpinnend,  Haupt  und  Oberleib 
verhüllt  mit  einem  Manteltuchc,  das  ein  Kreuzchen  auf 
der  Schulter  ziert.  Eigenthümliche,  einer  Umhüllung 
ähnliche  Contouren  zeigen  beim  nächflen  Bilde  die 
Grotte  zu  Bethlehem  an,  in  der  die  Gottesgebärerin 
auf  breitem  Polfler  ruht.  Der  heil.  Jofeph  fitzt  fchlafend 
daneben ;  hinter  der  heil.  Jungfrau  aber,  deren  Blick 
nach  anderer  Seite  gerichtet  ift,  liegt  das  Chrift- 
kind  in  der  truhenartigen  ftoffgemufterten  Krippe,  über 
welche  die  beiden  Thiere  ihre  Köpfe  neigen,  mit  ihrem 
Hauch  gemäß  der  Legende  das  Kind  zu  erwärmen. 
Rechts  davon  kommen  zwei  Hirten  heran,  vom  Engel 
gemahnt,  dem  gegenüber  ein  anderer  Engel  mit  erha- 
benen Händen  feine  Freude  kundgibt  zum  Lobgefange. 

Im  Bilde  der  Brodvermehrung  ift  zuerft  die  Menge 
des  Volkes  in  einer  Gruppe  fkizzirt;  die  Vorderften 
haben  fich  ein  Tifchtuch  über  den  Schoß  gelegt,  um 
bequemer  des  Effens  zu  pflegen.  Dann  kommt  der 
göttliche  Heiland,  die  Arme  betend  ausgeftreckt  und 
erhoben,  zwifchen  zwei  Apofteln,  die  ihm  Fifche  und 
Brode  darreichen.  Weiters  fchüttet  ein  dritter  Apoftel 
die  übriggebliebenen  Refte  in  einen  hohen  Korb  und 
drei  Diener,  gekleidet  in  kurze  Röcke,  tragen  diefelben 
in  Körben  auf  einer  gefchulterten  Tragftange  davon. 
Die  Trachten  diefer  Diener  und  der  Hirten  vom  vorigen 
Bilde  mit  den  verflochtenen  Beinkleidern  kann  man 
im  Salzburger  Antiphonar  wiederfinden. 

Die  klugen  und  thörichten  Jungfrauen  im  Fenfter- 
gefchoffe  des  Schiffes  haben  famnitlich  Nimben;  die 
erfleren  halten  die  hornartigen  Lichtträger  aufrecht, 
die  letzteren  zur  Erde  gelenkt.  Die  Mitte  der  Hoch- 
wand des  Chorfcheidebogens,  den  ein  breites,  in  feinem 
Ornamente  auffallendes  Zierband  umzieht,  nimmt  das 
viereckig  eingerahmte  Bruftbild  des  ewigen  Vaters 
ein,  mit  dem  Buche  in  der  Linken,  die  Rechte  fegnend 
erhoben.  Beiderfeits  der  Umrahmung  erblickt  man 
Wolkenhaufen:  licht  mit  fegnender  Hand  gegen  Abel, 
dunkel  wie  abwehrend  gegen  Kain.  Der  erftere  hebt 
opfernd  das  Lamm,  der  zweite  ein  Aehrenbündel  zum 
Ewigen  hinauf  Ein  Gefchoß  tiefer  erfcheinen  die  beiden 
Donatoren:  links  der  Priefter,  der  das  Kirchenmodcll 
darbringt  mit  der  Tonfur,  angethan  mit  Albe,  Pluviale 
und  Manipel  an  der  Linken.  Der  barhäuptige  Laie 
rechts  gegenüber  llreckt  die  Hände  betend  vor,  fein 
Mantel  trägt  einen  verzierten  Kragen.  An  den 
Wänden  des  Altarraumes  begegnet  erfllich  der  heil. 
Johannes  ]?aptil1:  mit  langem  Haar  und  Bartwuchs,  die 
Rolle  in  der  Linken  und  mit  der  Rechten  aufzeigend. 
Ueber  dem  dunklen  langen  Unterklcide  hängt  ihm 
weit  herab  ein  Pelzmantel  mit  lichtem  Befatze,  in  Er- 
innerung an  fein  kameelhaarencs  Büßergewand.  Von 
den  heil.  Bifchöfen  trägt  jeder  das  Pallium,  einer   auch 


XXVIII.  N.  F. 


II 


—      82      — 


die  niedere  mitten  eingedrückte  Infel;  die  beiden 
Könige  bedeckt  eine  zu  drei  Giebelfpitzen  gezackte 
Krone  mit  Hängezierrathen.  Das  Antiphonar  zu  Sanfl 
Peter  in  Salzburg  gewährt  auch  zu  diefen  Tracht- 
details manche  Analogien.  Desgleichen  vermögen  wir 
darin  die  pilzähnlichen  Baumgebilde  von  der  Piirgger 
Darfteilung  der  Geburt  Chril^i  wiederzufinden. 

Die  decorativen  Motive  (Taf.  VIII  und  XI)  in  der 
Flächenmufterung  und  den  trennenden  Bändern  unter- 
fcheiden  fich  ziemlich  wefentlich  von  den  in  der  Plaftik 
angewendeten  Ornamenten  der  romanifchen  Architek- 
turen. Blattwerk  in  einer  Aneinanderreihung  von  Pal- 
mctteii  erfcheint  faft  nur  bei  den  Capitälgefimfen  der 
Wandpfeiler;  dagegen  wurde  überall  Zierucrk  geome- 
trifcher  Zeichnung  vorgezogen,  vielleicht  allein  fchon 
wegen  feiner  leichteren  Ausführbarkeit.  Der  ziemlich 
complicirt  gezeichnete,  plaflifch  gedachte  Mäander,  den 
wir  in  Oberzell  oder  Burgfeld  treffen,  zeigt  fich  auch  in 
Pürgg  als  beliebtes  Ornament  in  polychromer  Wirkung, 
Ein  Fries  von  mehreren  Reihungen  ganz  kleiner  Rund- 
bogen, wellenähnlich  in  verfchiedenen  Farben  über- 
einander verlaufend,  befäumt  oben  die  Wände  beider 
Räume.  Daneben  begegnet  auch  der  eigentliche  Zick- 
zack in  einfachen  lichten  Linien  und  als  breiteres 
Band,  der  „laufende  Hund",  der  Perlenfries,  endlich 
das  Quadernmotiv:  eine   ftyliftifche   Marmorimitation. 

Abweichend  von  allen  folchen  der  Antike  ent- 
ftammenden  Ornamenten  des  romanifchen  Styles 
findet  fich  als  Umzug  (Archivolte)  des  Chorfcheide- 
bogens,  alfo  an  hervorragender  Stelle  ein  Ziermotiv 
eigenfter  Art,  das  mich  in  feiner  Zeichnung  und 
Farbengebung  an  arabifch-kufifche  Schriftzeichen  ge- 
mahnte. In  neunmaliger  Wiederkehr  zeigt  dasfelbe  je 
vier  fenkrechte,  oben  nagelkopfförmig  verbreiterte  und 
am  Ende  zugefpitztc  Linien,  die  unterhalb  durch  hori- 
zontale gleich  breite  Linien  verbunden  find,  fo  dafs 
jedoch  die  zwei  mittleren  Striche  fenkrechter  Führung 
unten  durch  einen  Halbkreis  zufammenhängen  und  eine 
weitere  Ausbuchtung  der  Horizontalen  die  neun  Grup- 
pen fcheidet.  Die  Linien  find  weiß,  der  Grund  des 
ganzen  Friesbandes  blau;  eine  polychrome  Blattranke 
mit  Blumen  und  Trauben  durchflicht  die  Linienführung, 
fo  dafs  dadurch  die  Wirkung  monumentaler  arabifcher 
Schriftzeichen  wie  fie  in  der  Alhambra  Granadas  oder  in 
den  Mofchecn  Cairos  vorkommen,  noch  lebhafter  her- 
vorgebracht wird.  Gewiffen  arabifchen  Schriftgattungen, 
zum  Beifpiel  den  mehr  fcharfeckigen  von  der  Sultan 
Haffan-Mofchee  zu  Cairo,  kommt  die  in  Rede  ftehende 
Pürgger  Decoration  fehr  nahe  und  fuchen  wir  nach 
einem  beftimmten  arabifchen  Worte,  deffen  freie  Nach- 
ahmung hier  beabfichtigt  gewefen  fein  könnte,  fo 
ergibt  fich  das  Wort  Allah  =  Gott,  deffen  neunmalige 
Wiedergabe  an  diefer  Stelle  gerade  unter  dem  Bilde 
des  Ewigen  jedenfalls  eine  Bedeutung  hat.  Dafs  ein 
Künftler  von  den  Orientfahrten  und  Kreuzzugspilger- 
reifen  von  arabifcher  Schrift  und  ihrem  Gebrauche  in 
der  architektonifchen  Decoration  Kenntnis  erhalten 
und  Luft  zu  ihrer  Nachahmung  gefafst  haben  könne,  ift 
wohl  nicht  abzuweifen.'  Uebrigens  fehlt  es  nicht  an 
anderen  Bcifpielen  ähnlicher  Verfahrungsweife.  In  der 
Bergfrietcapelle  am  Petersberge  der  alten  falzburgifchen 

'  Der  Künftler  konnte  aber  das  Ziermotiv  arabifcher  Schriftziige  etwa 
auch  aus  der  Anfchauun^  der  im  Abendland  damals  fo  verbreiteten  arabifchen 
Seidengewebe   kennen  gelernt  haben. 


Stadt  Friefach'  begegnet  eine  Decoration,  die  in  auf- 
fallender Weife  mit  der  Pürgger  übereinftimmt.  Der 
Maler,  welcher  in  Friefach  in  der  Burgcapelle  der  falz- 
burgifchen Erzbifchöfe  fchaffen  durfte,  mochte  wohl 
aus  Salzburg  gekommen  fein,  vielleicht  fchon  unter 
dem  Erzbifchof  Adalbert  III,  (i  i68  bis  I200,  mit  Unter- 
brechung von  1177  bis  1183),  jedenfalls  aber  unter 
feinem  thatkräfligen  Nachfolger  Eberhard  II.  (1200  bis 
1246),  unter  welchem  fo  viel  für  das  kirchliche  Leben 
gewirkt  wurde.  ^  An  diefcm  Centralpunkte  kirchlicher 
Verwaltung  hat  es  an  Künftlern  nie  gefehlt;  fo  begeg- 
net in  Salzburger  Urkunden  ein  „Geroldus  piftor" 
1 160  und  ein  „Udalricus  piftor-'  1180.  Im  13.  Jahr- 
hunderte war  zu  Gurk  in  der  Nähe  von  Friefach  eine 
ganze  Malerfchule  thätig,  in  welcher  ein  „Heinricus 
pidtor  de  Gurc"  eine  hervorragende  Stellung  ein- 
genommen zu  haben  fcheint  und  von  1191  bis  12 18 
nachzuweifen  ift. ^  Daneben  gab  es  dort  noch  einen 
Johannes  piftor  (12 17),  einen  Dietricus  et  filius  Heinri- 
cus und  Rudgerus,  die  alle  um  12 18  Maler  waren.  Mit 
den  Gurker  Malereien  in  der  Thurmempore*  ftimmen 
aber  die  Friefacher  Donjonmalereicn  trotz  der  gleich- 
artigen Hauptgruppe  der  thronenden  Madonna  im  Styl- 
charakter nicht  völlig  überein;  noch  viel  weniger  gilt 
dies  von  den  Pürggern,  die  eher  mit  den  Friefacher 
Gemälden  einem  und  demfelben  Künftler  zugewiefen 
werden  könnten,  wofür  jenes  ganz  originale  und  nur  in 
diefen  beiden  Orten  anzutreffende  arabifche  Schrift- 
ornament den  Beweis  zu  liefern  fcheint. 

II. 

In  der  Reihe  von  Städten,  die  heute  die  Oftgränze 
Steiermarks  gegen  Ungarn  markiren  (Friedberg,  Hart- 
berg, Fürftenfeld,  Radkersburg,  Friedau)  und  cinftmals 
zu  deren  Sicherung  beftimmt  waren,  ift  Hartberg 
vielleicht  die  ältefte.  Römerfteine,  hier  und  in  der  Um- 
gebung gefunden  (Muchar,  Steir.  Gefch.  I  387)  laffen  auf 
Anfiedlungen  der  großen  antiken  Culturmacht  an  diefer 
Stelle  fchließen,  zumal  eine  große  Römerftraße  nicht 
allzuferne  vorbeiführte  und  die  Lage  des  Ortes  am 
Ablaufe  des  letzten  höheren  Gebirgszuges  den  leichten 
Hügelwellen  Ungarns  gegenüber  eine  dominirende  ift. 
Immerhin  vergingen  viele  Jahrhunderte  des  Mittel- 
alters, bis  fein  Name  das  erftemal  11 28  urkundliche 
Erwähnung  fand.  Im  Jahre  1157  erfcheint  es  als  Sitz 
eines  Pfarrers  Erkenger  der  unter  feinen  Standes- 
genoffen  Anfehen  genofs,  und  eine  Urkunde  von  1166 
zollt  ihm  den  Ehrcnnamen  des  Forums  (Marktes),  in 
welchem  die  Landesfürftin  Markgräfin  Kunegundis  eine 
Verfammlung  fteierifcher  Edcln  abhielt.  Bereits  1310 
finden  wir  Hartberg  im  Befitze  der  Stadtrechte.  Die 
Refte  der  einftigen  Thurm-  und  Ringmaucrbefefti- 
gungen  zeugen  noch  heute  von  feiner  vormaligen  Selbft- 
ftändigkeit  und  Herrfchaft  über  eine  weite  Umgebung; 
von  kirchlichen  oder  profanen  Kunftbauten  dürfen  wir 
uns  desungeachtet  nicht  allzuviel  erwarten.  Gleich 
anderen  fteierifchcn  Städten  hat  Hartberg  fich  im  Mittel- 
alter nur  mit  einem  einfchiffigen  Baue  fiir  den  Pfarr- 


*  Publicirt  von  P.  Grueber  in  den  Mittheilungen   igoo  S.  22. 

'  Vgl.    Sighart  über  die  Maler  in  Salzburg,  Mittheilungen   1866  S.  65. 

*  Siehe  den  Artikel  in  den  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-CommifTion 
1871  und  die  eingehende  frühere  Angaben  durchaus  corrigirende  Arbeit  von 
Dr.  A.  Schnerich   1890  S.   X28  und    177. 

*  Nach  Dr.  A.  Schnerich  ift  die    Bezeichnung    „Nonnenchor"    unrichtig. 


83     - 


gottesdienft  begnügt,  der  in  romanifcher  Zeit  flachge- 
deckt gewefen  und  im  15.  Jahrhunderte  durch  einen 
Hochchor  verlängert  und  mit  Rippengewölben  in 
Sternform  gedeckt  worden  ift.  Um  die  Wende  vom 
17.  zum  18.  Jahrhunderte  wuchfen  dem  aUen  Schiffe 
niedere  Abfeiten  und  Emporen  darüber  zu,  um  der 
gewachfenen  Volkszahl  Rechnung  zu  tragen. 

Angefichts    diefer   Schlichtheit    der    Hauptkirche 
muß  es  auffallen,  dafs  auf  ein  kirchliches  Nebengebäude 
wie  es  der  im    13.    Jahrhunderte    daneben    aufgeführte 
Karner  ift,  verhältnismäßig  reiche  Mittel 
verwendet  wurden. 

Allerdings  mag  der  Ort  inzwifchen 
zu  einer  anfehnlicheren  Wohlhabenheit 
gediehen  fein,  und  da  der  Karner  am 
Stadtkirchhofe  als  Gefammtgrabmal  der 


der  Fußboden  des  Capellengefchoßes  bei  2'/g  M.  er- 
hebt. Bald  nach  feiner  Vollendung,  vermuthlich  noch 
in  der  erften  Hiilfte  des  13.  Jahrhundertes,  muß  das  Bau- 
werk im  Innern  (Fig.  6)  ziemlich  vollftändig  ausgemalt 
worden  fein.  Da  diefer  Wandfchmuck  jedoch  im  Laufe 
der  Neuzeit  übertüncht  worden  war,  mußte  derfelbe  in 
unferen  Tagen  erfl:  wiederum  neu  entdeckt  werden, 
was  anläßlich  der  im  Jahre  1888  durch  den  verdienten 
Bürgermeifter  Ressavar  ins  Werk  gefetzten  Reftauri- 
rung    des    Karners    gefchehen    ift.    Die    Spuren    alter 


Fig.  5    (Grundrifs  des  Karners  zu  Hartberg.) 

Bevölkerung  gelten  durfte,  deren  Gebeine 
fich  allmälig  in  feinem  Souterrain  auf- 
fammelten,  mag  ein  gcwiffer  Aufwand  von 
Kunitmitteln  an  diefem  Denkmal  gerecht- 
fertigt gewefen  fein.  Der  Karner,  der 
fchönfte  in  fteierifchen  Landen,  gehört 
zwar  der  fpät-romanifchen  Stylperiode 
etwa  vom  erften  Viertel  des  13.  Jahrhundertes  an;  die 
fettlappigen  Capitäle  feiner  Wandfäulchen,  der  Klee- 
blattfries, die  Umbildung  der  äußeren  Gliederungsfäulen 
in  „Dienflbündel",  die  Anwendung  von  Gewölberippen, 
wenn  auch  noch  viereckigen  Profiles:  alles  dieß  fpricht 
für  die  Einfehätzung  des  Karners  in  die  Zeit  zwifchen 
1200  bis  1220.  Wie  alle  Friedhofdenkmale  diefer  Art 
befteht  er  aus  einem  Untcrraume  und  einem  Capellen« 
gefchoße  (Fig.  5  —  8).  Da  er  an  einer  ftcilen  Abdachung 
fleht,  verfenkt  fich  fein  Unterraum  tief  unter  dem  an- 
floßenden  Rafenplatze  des  Kirchhofes,  über  den  fich 


Fig.  6.  (Längenfchnitt  des  Karners  zu  Haitberg.) 

Malereien  die  da  allmälig  zutage  traten,  wurden  anfang- 
lich als  gothifche  erklärt  und  erft  fpäter  für  folchc 
des  romanifchen  Styles  erkannt.  Rafch  waren  die 
nöthigen  Mittel  für  eine  Reftauration  aufgebracht,  die 
der  in  folchen  Arbeiten  und  fpäter  auch  in  l'ürgg 
erprobte  akademifche  Maler  Theophil  Mclicher  in  den 
Jahren  1893  bis  1894  ausgeRilnt  hat.  Die  Schwierig- 
keit, welche  die  Deutung  der  höchft  feltenen  Haupt- 
darfteilungen nicht  bloß  dem  Reftaurator,  fondern  auch 
feinen  gelehrten  Beiräthen  bereitete,  vcranlaßte  ein 
paar  Zufätze,  die  wir  allerdings  bedauern  müßen,  weil 


II* 


-     84     - 


fie  geeignet  find,  den  eigentlichen  Sinn  des  betreffen- 
den Malcyclus  zu  verfchleiern  und  in  der  Erklärung 
desfelben  auf  eine  falfche  Bahn  zu  führen.  Die  Richtig- 
ftcUung,  welche  feit  meiner  Publication  im  ,,Kirchcn- 
fchmuck"  1898  durch  neue  Belege  noch  erheblich 
gefichert  wurde,  will  ich  im  Nachftehenden  liefern,  in 
der  Erwartung,  dafs  die  Malereien  dadurch  in  der  all- 
gemeinen Werthfchätzung  nur  fteigen  dürften. 

Diefe  Malereien  bilden  ein  Syflem  und  zieren 
gleichmäßig  die  beiden  Räume,  welche  der  Karner 
einfchließt:  fovvohl  das  Schiff  als  den  Altarraum.  Das 
Schiff  ift  wie  bei  allen  folchen  Karneranlagen  des 
romanifchen  Styles,  kreisrund,  von  680M.  Durchmeffer. 
mit  einem  Kuppelgewölbe  zu  7-75  M.  bedeckt.  Sieben 
Wandfäulchen  und  eine  Confole  bilden  die  Träger  der 
acht  Gurten,  welche  das  Kuppelgewölbe  theilen.Von  den 
alfo  entflandenen  acht  Wandflächen  (Taf  IX) '  erfcheinen 


Fig.  7.  (Außenanficht  des  Karners  zu  Hartberg  von  Oflen.) 

zwei  am  Wertende  durch  die  Portalöffnung  und  eine  leicht 
vorfpringende  zum  Dache  empor  führende  Wendel- 
treppe eingenommen,  während  eine  dritte  im  Often  vom 
Scheidebogen  durchbrochen  ift,  der  zum  Altarraume 
fuhrt.  Dem  alten  Maler  ftanden  alfo  im  Rundfchiffe  nur 
fünf  und  ein  halbes  Wandfeld  zur  Verfügung.  Weder 
am  Kuppelgewölbe  noch  am  vorfpringenden  Polygon 
der  Treppe  links  vom  Eingange  wurden  Spuren  von 
alter  Malerei  gefunden,  was  den  Gedanken  nahelegt, 
dafs  diefe  Treppe  und  das  Gewölbe  erft  nach  Durch- 
führung der  Malerarbeit  entflanden  feien.  Es  entfprach 
fomit  keineswegs  den  Intentionen  der  urfprünglichen 
Ausfchmückung,  dafs  bei  der  jüngflen  Reflaurirung 
das  Gewölbe  und  das   polygone   Treppengehäufe    mit 

'  In  die  Aufrollung  aller  Gemälde  des  Rundfchiffes  auf  Taf.  IX  wurden  aus- 
fchtießlich  nur  diejenigen  Thcilc  aufgenommen,  die  eine  ganz  zuvcrliiffige  Hafis 
für  die  Reftaurirung  geboten  h.ittcn.  Hingegen  wurden  nicht  allein  die  vom 
Rellaurator  völlig  neu  componirten  Partien,  fondern  auch  die  nach  feiner  An- 
gabe von  ihm  bloß  nach  ,.fchwachen  Spuren"  wiedcrhcrgeftellten,  als  nicht 
zuvcrläflTg  von  der   Wiedergabe  auf  Taf.  IX  ausgefchloffen.     Die  Red.i(^ion. 


figuralen  Darftellungcn  neuer  Erfindung  bemalt  worden 
find.  Die  fechfthalb  Felder  theilte  der  alte  Kiuiftler 
durch  ein  kräftiges  Horizontalband  in  ein  unteres 
und  oberes  Gefchoß  von  annähernd  gleicher  Hohe,  um 
dadurch  eine  gewiffe  Unter-  und  Ueberordnung,  eine 
Nacheinanderfolge  des  Dargeftellten  zum  Ausdrucke  zu 
bringen.  Die  obere  Figurenreihe  vermittelt  die  leitende 
lükliirung;  fie  zeigt  Chriltus  am  Throne,  umgeben  von 
den  zwölf  heil.  Apofteln,  deren  Geftalten  neben  den 
P'enftem,  wo  es  der  erübrigte  Raum  gerade  empfahl, 
romanifch  ftylifirte  Baumformen  neben  fich  haben.  Die 
fiellenweife  weit  vorgefchrittene  Zerftörung  der  alten 
Malrcfte  dürfte  auch  hier  eine  irrige  Ergänzung  veran- 
laßt haben,  da  neben  dem  thronenden  Chriflus  nebft 
dem  heil.  Petrus  wohl  der  heil.  Paulus  dargeftellt 
gewefen  fein  wird,  an  deffen  Stelle  der  Reftaurator  aber 
den  heil.  Johannes  angebracht  hat.  Ebcnfowenig 
Berechtigung  hat  in  diefem  Cyclus  der  Judas  zu  bean- 
fpruchen,  den  der  Reftaurator  neu  erfunden  und  an  die 
Polygonwand  der  Treppe  gemalt  hat.  Der  thronende 
Chriftus  mit  den  heil.  Apofteln  in  der  oberen  Reihe 
bedeutet  nichts  anderes  als  das  heil.  Reich  der  chrift- 
lichen  Kirche;  die  Geftalten  ohne  Nimben  in  der 
unteren  Reihe  hingegen  bedeuten  das  Profane  der  vor- 
chriftlichen  Zeit,  die  Weltreiche  des  Heidenthums  vom 
alten  Teftamente. 

Das  alte  Teftament,  dargcllcllt  als  Vorbereitung 
der  Heilsordnung  des  neuen  Bundes  und  in  Parallele 
zu  diefem  ift  eine  feftftehende  Uebung  der  chriftlichen 
Kunft,  deren  Anfänge  man  fchon  in  den  Katakomben 
beobachten  kann.  In  der  Regel  wurden  hiezu  allerdings 
die  religiöfen  Typen  des  altes  Bundes  ausgewählt,  um 
das  Fundament  und  die  Verheißung  des  chriftlichen 
Wefens  auszudrücken.  Es  begegnet  aber  auch  die 
Ausnahme,  dafs  die  heidnifchen  Weltreiche  im  Bilde 
"■ecieben  werden,  denen  dann  das  alles  überwindende 
chriflliche  Weltreich  gegenübergeftellt  wird. 

Diefe  ziemlich  feltene  Darftellung  gründet  fich 
auf  die  Vifion  Daniels  VII  i — 27  von  den  vier  großen 
Thieren  (als  Repräfentanten  der  vier  altorientalifchen 
Weltreiche),  die  aus  dem  Meere  ftiegen,  um  die  Gottes- 
kinder zu  bedrängen,  bis  des  „Menfchen  Sohn"  in 
höchfter  Gewalt  kommen  werde,  ein  ewiges  Reich  zu 
begründen. '  Nach  dem  Schrifttexte  fah  der  Prophet 
dies  Traumgeficht  von  feinem  Lager  aus,  und  zwar 
zuerft  das  große  Meer,  auf  dem  die  vier  Winde  mit  ein- 
ander kämpften,  und  dem  fodann  die  genannten  vier 
Thiere  entfliegen;  zuerft  ein  Thier  wie  eine  Löwin  mit 
Adlersflügeln,  dann  das  zweite  Thier  gleich  einem  Bären 
mit  drei  Reihen  Zähne  im  Rachen, ferner  das  dritte,  gleich 
einem  Parder  mit  vier  Flugein  und  vier  Köpfen  und 
endlich  das  vierte  Thier  „fürchterlich  und  wunderbarlich 
und  fehr  ftark  mit  großen  eifernen  Zähnen  und  zehn 
Hörnern,  zwifchen  denen  ein  anderes  kleines  Hörn 
hervorkam  und  die  erften  drei  Hörner  ausbrach; 
Augen  befaß  es  gleich  Menfchcnaugen  und  ein  Maul, 
das  große  Dinge  redete". 

Dafs  die  chriftliche  Kunft  fich  mit  Darftellungen 
diefer  Vifion  befchaftigte,  bezeugen  nicht  bloß  diefe 
Hartberger  Malereien,  fondern  auch  die  Aufzeich- 
nungen des  Malerbuches  vom  Berge  Athos,  von  deffen 

•  Ich  verdanke  die  richtige  Hinweifung  auf  diefe  Schriftftelle  dem  Herrn 
Univcrnt.ilsprofefror  Dr.  Franz  Stanonik  in  Graz.  Profeffor  Jofeph  Strzygowski 
machte  mich  auf  die  bei  Garrucci  abgebildeten  Daniel'fchcn  Reiter  des  „Indiko- 
plcustcs"  aufmcrkfam. 


SS 


Einzelheiten  fehr  viele  auf  frühe  Kunfttraditionen 
y.urückgehen,  wenngleich  die  endgültige  Sammlung 
der  Malvorfchriften  ein  befonderes  hohes  Alter  nicht 
beaiifpruchen  kann.  In  der  deutfchen  Ueberfetzung 
diefes  griechifchen  Buches  von  Dr.  Schäfer  (Trier, 
Linz'fche  Buchh.  1855),  S.  139,  wird  auch  vorge- 
fchrieben,  wie  diefe  Vifion  des  Propheten  Daniel  VII.  c. 
darzuftellen  fei,  wobei  es  von  den  vier  Thieren  heißt: 
„Das  erfle  ift  ein  Löwe  mit  Adlerflugeln,  und  auf  dem- 
felben  fitzt  der  König  von  Babylon  Nabuchodonofor, 
ein  Scepter  haltend.  Das  zweite,  ein  Bär,  hat  drei 
Reihen  feiner  Zähne,  und  auf  demfelben  der  Penfer- 
könig  Darius,  ein  gezogenes  Schwert  haltend.  Das 
dritte  ift  ein  gefleckter  Panther  mit  vier  Flügeln  und 
mit  vier  Köpfen  und  auf  demfelben  der  König  der 
Macedonier  Alexander,  einen  Speer  haltend  und  das 
vierte  ift  ein  fchwarzer  Löwe  mit  eifernen  Zähnen  und 


Fig.  8.  (,Außenanficht  des  Karners  zu  Hartberg  von  Werten.) 

zehn  Hörnern  auf  feinem  Haupte;  drei  find  ausgeriffen 
und  zwifchen  denfelben  ein  kleines  Hörn  hervor- 
gewachfen,  welches  Augen  und  Mimd  eines  Menfchen 
hat,  und  auf  demfelben  der  König  der  Römer  Auguftus, 
das  Scepter  tragend".  Wir  fehen,  wie  die  Kunfttradi- 
tion  den  Thieren  regelmäßig  die  Reiterkönige  beige- 
geben hat,  um  den  Gedanken  des  Propheten  von  den 
Weltreichen  klarer  auszudrücken.  Aber  auch  in  Ilin- 
ficht  auf  die  Thiere  felbfl;  hat  man  es  in  ihrer  Charak- 
terifirung  als  Löwe,  Bär  etc.  nicht  allzu  ftreng  ge- 
halten, wie  die  lUuilration  eines  geographifchcn  Buches 
aus  dem  6.  Jahrhunderte,  der  „Topographia  cliristiana" 
des  Cosmas  Indikopleustes  von  Alexandrien  lehrt,  der 
als  Kaufmann  Acthiopien,  Indien  und  andere  Länder 
des  Orients  bereist  hatte,  dann  Mönch  geworden  war 
und  als  folcher  fein  Werk  um  535  bis  547  verfafste.  Von 
diefem  Werke  erliegt  ein  Manufcriptcxcmplar  aus  dem 
10.  Jahrhunderte  in  der  Bibliothek  der  Laurentiana    zu 


Florenz,  ein  anderes  vom  9.  Jahrhunderte  in  der  vati- 
canifchen  Bibliothek  zu  Rom,  und  aus  diefem  hat 
Garrucci  in  dem  3.  Bande  feiner  Storia  dell'  arte  cristiana 
die  bezüglichen  Bilder  gefchöpft. 

Nach  der  Meinung  des  Verfaffers  des  Commentarius 
de  scriptoribus  ecclesiae  antiquis,  Cafimir  Oudin,  find 
die  lUuftrationen  der  genannten  zwei  Handfchriften 
noch  älteren  Manufcripten  entnommen.  Die  angezogene 
lUuftration  jedoch  flellt  einmal  den  Propheten  Daniel 
vor,  wie  er  den  Katakobenmalereien  entfprechend  unter 
zwei  fitzenden  Löwen  als  Orans  mit  den  ausgebreiteten 
Armen  fteht.  Daneben  erfcheint  er  wieder  auf  den 
Plan  niederfchreitend,  auf  welchem  die  vier  Thiere 
hintraben  mit  ihren  Reitern,  deren  drei  erfte  nur  die 
orientalifche  Spitzmütze  tragen,  der  vierte  aber  mit  der 
Krone  bedeckt  ift.  Alle  deuten  mit  der  Rechten  vor- 
wärts, führen  aber  weder  Scepter  noch  ein  anderes 
Attribut.  Genauer  find  die  Thiere  gebildet:  das  erfte  als 
Löwin,  das  zweite  als  Bär,  als  gefleckterPardel  das  dritte 
das  vierte  groß  und  recht  ungefchlacht,  während  es 
feine  zehn  Hörner  nur  in  Form  einer  niederen  Krone 
angedeutet  hat.  Zweifellos  hat  fich  die  mittelalterliche 
Kunft  in  folchen  DarÜellungen  der  Daniel'fchen  Welt- 
reiche öfters  verfucht  und  manche  VierReiterfculp- 
turen  an  den  chrifllichen  Domen  mochten  hienach 
nicht  Königsfiguren  des  chriftlichen  Zeitalters,  fon- 
dern Repräfentationen  der  biblifchen  Reichsf}-mbole 
zu  bedeuten  haben.  So  hat  man  auch  kürzlich  anläfs- 
lich  einer  Reflauration  der  Weftfagade  des  Regens- 
burger Domes  gefunden,  dafs  die  dafelbft  an  den  vier 
Strebepfeilern  angebrachten  vier  Reiterftatuen  in 
Lebensgröße  aus  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts, 
nicht  wie  man  bisher  annahm,  die  Könige  Salomon, 
David  oder  Karl  den  Großen  und  Arnulf,  Otto  den 
Großen,  Heinrich  den  Heiligen  darftellen,  fondern  dafs 
fie  auf  vierfüßigen  Ungethümen  reiten,  von  denen  eines 
ficher  ein  Bär,  das  andere  den  Löwen  mit  nur  einem 
Hörne  vorftellt.  (Jacob  in  der  Zeitfchrift  für  chriftliche 
Kunft  1900  S    1 18.) 

Herr  Lyceal-Profeffor  J.  A.  P'ndres  zu  Regens- 
burg hat  in  der  „Zeitfchrift  für  chriflliche  Kunft", 
XIII  363  eine  weitere  Darftellung  der  vier  Daniel'fchen 
Weltreiche  conflatirt,  die  fich  einft  an  der  Flachdecke 
der  Abteikirche  St.  Emmeram  zu  Regensburg  be- 
funden hatte,  bald  nach  dem  Brande  der  Kirche  von 
1160  ausgeführt  wurde,  aber  fpäter  zu  Grunde  ge- 
gangen ift.  Glücklicherweife  hat  fich  eine  Befchreibung 
diefer  Deckenmalereien  „in  summitate  chori  S.  Dionisy" 
in  handfchriftlichen  Aufzeichnungen  mittelalterlicher 
„Tituli"  der  Kirchenausfcluiiückung  erhalten  und  fie 
werden  dafelbft  als  „visio  Danielis  de  quatuor  regnis 
fortissimis"  gefchildert,  wie  folgt: 

„Primum  regnum  Chaldeorum  signatur  per  lee- 
nam,  cui  insidet  Nabuchodonosor 

De  secundo  videlicet  regno  Persarum  et  Medo- 
rum..  cui  insidet  Cirus  rex  persarum  et  medorum; 
habetur  hoc  distichon:  Ursa 

De  tcrtio  regno  videlicet  grecorum  signato  per 
pardum,  cui  insidet  Alexander  magnus  Macedo 

De  quarto  Regno  videlicet  Romanorum,  Quod 
erit  ultimum,  ex  quo  orietur  Regnum  antichristi  sig- 
natum  per  bestiam  tcrribilem  et  mirabilem  habentem 
X  cornua  e  (juorum  mcdio  aliud  parvum  cornu  orietur, 
cui  insidet  Julius  primus  Rex  seu  Cesar  Romanorum." 


86     — 


Der  Hartberger  Maler  wurde  nun  offenbar  fchon 
durch  die  bauliche  Gliederung  der  Karnerwände  zu 
beftimmten  Abweichungen  von  der  Daniel'fchen  Be- 
fchreibung  veranlafst,  die  den  Sinn  des  Textes  zwar 
nicht  aufhoben,  aber  eine  Bereicherung  der  Vorflel- 
lungen  gewinnen  ließen.  Es  ftanden  ihm  nämlich  nicht 
vier,  fondern  fünf  gleich  große  Felder  zur  Verfügung, 
zu  denen  fich  noch  ein  Schmalfeld  neben  der  Thüre 
gefeilte.  Diefes  Schmalfeld  nimmt  eine  Figur  mit  einem 
Drachen  unter  den  Füßen  ein;  fie  erfcheint  gegen- 
wärtig als  König  mit  dem  Scepter  reflaurirt,  wobei  die 
Kopfbedeckung  ebenfo  leicht  für  ein  Barett  als  für  eine 
Krone  genommen  werden  kann.  Da  fich  aber  in  diefem 
Felde  nach  der  Mittheilung  de.s  Reftaurators  Th.  Me- 
licher  in  der  ganzen  unteren  Partie  nur  geringe  Spuren 
der  Farbe  vorgefunden  hatten,  fo  glaube  ich  diefe 
Figur  nicht  als  einen  der  Konige  der  Weltreiche,  fon- 
dern für  den  Propheten  Daniel  nehmen  zu  dürfen,  der 
den  Drachen  zu  Babylon,  an  dem  Götzendienft  ge- 
trieben wurde,  überwunden  hat.  llätte  dagegen  die 
Reftauration  der  Figur  als  König  das  Richtige  ge- 
troffen, dann  wäre  fie  wohl  als  der  „Fürfl  diefer  Welt" 
zu  erklären,  der  durch  die  Schlange  des  Paradiefes  die 
Herrfchaft  der  Sünde  auf  der  Welt  angetreten  und 
darum  das  Wirken  aller  dem  Gottesreiche  feindlichen 
Mächte  inaugurirt  hat.' 

Rechts  davon  im  nächften  Breitfelde  nach  vor- 
wärts erfcheint  der  erfte  der  Könige  aus  der  Daniel- 
fchen  Reihe  auf  einem  pferdeartigen  Thiere;  der  Pferde- 
kopf foll  nach  Angabe  des  Reftaurators  bei  der  Auf- 
deckung der  Malereien  deutlich  erkennbar  gewefen 
fein.*  Da  ein  Pferd  in  der  heil.  Schrift  nicht  erwähnt 
wird,  fo  haben  wir  es  hier  entweder  mit  einer  mifs- 
lungenen  Darfteilung  für  den  an  erfter  Stelle  genannten 
Löwen  (oder  Löwin)  oder  aber  mit  einer  künftleri- 
fchen  Licenz  zu  thun,  die  auch  das  vorzüglichftc  Reit- 
thier  in  der  Compofition  unterzubringen  bemüht  war. 
Uebrigens  begegnet  der  Löwe  als  Rcitthier  ganz  un- 
zweifelhaft an  dritter  Stelle,  wo  er  auch  bereits  vor  der 
Reftauration  genau  zu  erkennen  war.  Zwifchen  dem 
Pferde  und  dem  Löwen  fehen  wir  den  geflügelten 
Panther,  der  ebenfalls  fchon  vor  der  Herftellungsarbeit 
deutlich  wahrnehmbar  gewefen  war.  Weiterfchreitend 
im  Rund  des  Karnerfchiffes  fchauen  wir  jenes  vierte 
'Phier  ,,fürchterlich  und  wunderbarlich  und  fehr  ftark", 
für  deffen  Kopf  bildung  der  mittelalterliche  Maler  befon- 
dere  Mittel  aufbieten  zu  müßen  glaubte.  In  der  That 
fleht  es  „fürchterlicher"  aus,  als  alle  übrigen  Reit- 
thiere  und  ähnelt  in  fehr  beftimmter  Weife  demjenigen 
eines  Ebers.  Der  offene  Rachen  zeigt  einen  gewaltigen 
Hauer  (die  „großen  eifernen  Zähne"\  dem  Kopfe  aber 
entfteigen  die  zehn  Hörner  mit  eigcnthümlichen 
tafelartigen  Endigungen,  die  wahrfchciniich  auf  die 
„Menfchenaugen"  und  das  „Maul"'  des  einen  Hornes 
Bezug  haben  follten.  Diefe  Figur  war  fo  gut  erhalten, 
dafs  ihre  Wiederhcrftellung  bloß  unwefentliche  Er- 
gänzungen nöthig  machte.  Sie  beweist  deutlicher  als 
alle  übrigen,  dafs  hier  nichts  anderes  als  die  Daniel'fche 
Vifion  der  vier    Weltreiche   dem   Maler   vorgefchwebt 


'  Da  diefe  Figur  vom  Reftaiirator  nach  deffen  Eingcft.^ndnis  bloß  nach 
fchwachcn  Spuren  wicdcrhcrgclletit  wurde,  hat  fie  die  Redaktion  von  der 
Wiedergabe  auf  Taf.  IX  ausschließen  zu  follcn  geglaubt. 

2  Auf  feiner  Wiedergabe  hat  der  Rcltaurator  die  Wicderherftcllung  als 
nach  „fchwachen  Spuren^  vollzogen  bezeichnet;  es  wurde  daher  auch  diefe 
Figur  auf  Taf.  IX  nicht  reproducirt. 


hat. Er  hatte  nun  alle  vier  Thiere  der  Vifion  angebracht, 
aber  noch  ein  fünftes  gleich  großes  Feld  mit  Malerei 
auszufüllen.  Das  brachte  ihn  offenbar  auf  eine  Er- 
weiterung des  Stoffes,  die  zwar  in  der  heil.  Schrift  nicht 
vorgefehen  war,  aber  auch  nicht  gegen  ihren  Sinn  ver- 
ftoßen  hat.  Die  vier  Weltreiche,  die  eines  nach  dem 
anderen  auf  der  Erde  entftanden  waren  und  viel  ..Krieg 
wider  die  Heiligen"  mit  fich  gebracht  hatten,  wurden 
von  der  Schriftauslegung  von  altersher  der  Reihe  nach 
auf  das  aflyrifch-chaldäifche,  medifchperfifche,  mace- 
donifch-griechifche  und  römifche  Reich  gedeutet.  Sie 
alle  follten  dem  Gottesgerichte  anheim  fallen  und  dem 
Reiche  des  „Menfchenfohnes",  dem  ewigen  Reiche 
aller  Völker,  Gefchlechter  und  Zungen  unterliegen. 
Die  Reihe  der  altteftamentarifchen  Weltreiche  vertrug 
aber  noch  eine  Vervollftändigung  durch  Vorführung 
des  ägyptifchen  Reiches,  das  mit  dem  Berufe  des 
Volkes  Daniels  zuerft  in  Conflifl  gerathen  war.  Und 
das  Thier,  welches  die  heidnifche  Macht  Aegyptens  am 
heften  verfinnlichen  konnte,  war  nach  der  Bibel  wohl  der 
Apisftier.  Das  letzte  Reitthier  war  hienach  als  Stier  dar- 
zuftellen  und  fo  fand  es  auch  in  guter  Erhaltung  der 
Reftaurator  vor.  Die  fünf  Reiter  find  alle  als  Könige 
bezeichnet,  tragen  Kronen  und  Reichsapfel  und  bis  auf 
den  Stierreiter  auch  das  Scepter  der  Herrfchaft.  Die 
freien  Gründe  neben  diefen  Geftalten  füllte  der  Maler 
mit  Baumformen  in  der  üblichen"  romanifchcn  Styli- 
firung. 

Alle  diefe  befchriebenen  Compofitionen  nehmen 
die  untere  Hälfte  der  Schiffswände  ein.  Ein  in  compli- 
cirter  Weife  gebrochenes  breites  Mäanderband  fchließt 
das  Untergefchoß  ab  und  darüber  entfaltet  fich  eine 
ganz  anders  geordnete  Darfteilung  der  zwölf  Apoftel 
mit  dem  Weltheilande  in  ihrer  Mitte.  Der  Zufammen- 
hang  verlangt  es,  hierin  das  Weltreich  des  Meffias  zu 
fehen,  wie  Daniel  es  ausdeutet:  ,,Das  Reich  und  die 
Gewalt  und  die  Herrlichkeit  der  Herrfchaft  unter  dem 
ganzen  Himmel  wird  dem  Volke  der  Heiligen  des 
Allerhöchften  gegeben  werden,  deffen  Reich  ein  ewiges 
Reich  ift,  dem  alle  Könige  dienen  und  gehorchen 
werden"  Dan.  VII  27.  Die  Anordnung  dazu  ift  wohl 
berechnet.  Gerade  ober  dem  Gemälde  des  letzten 
größten  Thieres  fehen  wirChriftum  den  Herrn'  auf  dem 
Throne  fitzend,  die  Rechte  fegnend  erhoben.  Daneben 
ftehen  zwei  Apoftel,  während  in  dem  vorftehenden 
Felde,  das  von  keinem  Fenfter  durchbrochen  ift,  drei 
folche  untergebracht  werden  konnten. 

Die  zwölf  Apoftelfiguren  hatte  der  Reftaurator 
bis  auf  Einen  in  guter  Erhaltung  vorgefunden.  Diefer 
Eine  fteht  neben  dem  Heihinde  und  ift,  wie  fchon  be- 
merkt wurde,  meines  Erachtens  unrichtig  als  heil. 
Johannes  an  Stelle  des  heil.  Paulus  ergänzt  worden.* 
Ein  kleines  Feld  über  der  Weftthüre  zeigt  die  von 
altersher  überkommene  Malerei  eines  Wolfes,  der  ein 
weißes  Lamm  im  Rachen  davonträgt.  In  diefem  An- 
fchlußgemälde  eine  Beziehung  zum  Reiche  Gottes  auf 
Erden  zu  erblicken,  ermuntern  uns  zahlreiche  Bibel- 
ftellen,  Ausfprüche  des  Herrn  und  der  Apoftel.  Wie 
oft  wird  da  von  den  Wolfen,  das  heißt  den  Feinden 
der  Heerde  Chrifti  gefprochen,  denen  fich  der  gute 
Hirt  und  feine  Stellvertreter  mit  aller  Aufopferung  ent- 
gegenftellen.  Mit  diefem  kleinen  Gemälde  fchließt  der 

'  Vom  Redaurator  ganz  neu  gemalt  und  daher  auf  Taf.  IX  unterdrückt. 
=  Weshalb  er  ebenfalls  auf  Taf.   IX  hinweggelalTen  wurde. 


87 


Cyclus  ab;  was  dem  Stiegenhaufe  über  Wunfeh  localer 
Fadloren  hinzugefügt  wurde,  hat  mit  der  alten  Compo- 
fition  nichts  zu  fchaffen  und  ift  eher  geeignet,  deren 
richtige  Auffaffung  zu  beeinträchtigen.  Darum  fcheue 
ich  mich  nicht,  unumwunden  den  Wunfeh  auszu- 
fprechen:  diefe  fmnftörenden  Geftalten  am  Stiegen- 
haufe mögen  baldmöglich  wieder  zugedeckt  und  etwa 
durch  eine  ftylentfprcchende  einfache  Decoration  er- 
fetzt werden. 

Vom  Rund  des  Schiffes  öffnet  der  gegliederte 
Scheidebogen  den  Einblick  in  den  Altarraum.  Es  ift  dies 
eine  faft  zu  drei  Vierteln  eines  Kreifes  erweiterte  Apfis 
mit  drei  Fenftern,  deren  feitliche  zum  theilweifen 
Schaden  der  alten  Malereien  etwa  im  i8.  Jahrhunderte 
erweitert  worden  find.  Von  einer  Sockelhöhe  angefangen 
find  die  Wände  und  das  Kuppelgewölbe  diefes  Apfis- 
raumes  völlig  bemalt  (Taf  X),  und  zwar  fteht  der  Inhalt 
diefer  Malereien  in  engem  Zufammenhange  mit  den- 
jenigen des  Laienfchiffes:  jene  hatten  die  äußeren  Be- 
ziehungen desReiches  Gottes  zu  den  feindlichen  Mächten 
der  Welt  darzuftellen,  hier  dagegen  entfchleiert  fich  das 
Intime  feiner  Ankunft  auf  der  Erde,  die  von  den  Pro- 
pheten geweisfagte  Abflammung  des  Erlöfers,  des 
„Zweiges  aus  der  Wurzel  Jeffe",  des  Sohnes  der  Jung- 
frau, in  dem  der  Geifl  Gottes  ruht  mit  feinen  fieben 
Gaben  (Ifai.  XI  i — 3).  Ein  mächtiger  Stamm  greift  aus 
der  Tiefe  herauf,  verzweigt  fich  zu  ftarken  Giebeläften 
und  leicht  gefchwungenen  Ranken.  Patriarchen  und 
Könige,  die  Vorahnen  Chrifti,  ficht  man  Spruchbänder 
haltend  in  den  Schlingen  diefer  Laubranken,  fiebzehn  an 
der  Zahl.  Wo  aber  in  der  Mitte  die  ftärkften  Aefte  fich 
auseinanderbiegen,  erfcheint  die  thronende  gekrönte 
Gottesmutter  mit  dem  Chriftkinde  im  Schöße,  über 
welchem  fieben  Tauben  niederfchweben  —  die  fieben 
Gaben  des  hell.  Geifles.  (Man  vergleiche  die  Funde  des 
gleichen  Motives  an  der  Domthüre  zu  Gurk  und  im 
„Speculum  humanae  salutis"  im  Stifte  Kremsmünfter, 
publicirt  durch  Dr.  Alfred  Schnerich  in  den  Mitthei- 
lungen der  CentralCommiffion  1889  S.  174.)  Unten, 
wo  der  Stammbaum  Chrifti  entfpringt,  find  beiderfeits 
nahe  Figurengruppen,  die  gleichfalls  mit  der  das  Ge- 
wölbe ganz  erfüllenden  Hauptdarflellung  in  Zufammen- 
hang  ftehen.  Links  (durch  das  fpäter  eingebrochene 
Fenfter  theilweife  abgefchlagen)  ficht  man  den  Pro- 
pheten Balaam,  dem  der  Engel  mit  dem  Schwerte 
wehret,  dem  auserwählten  Volke  zu  fluchen,  und  der 
dann  im  Gegentheil  eine  Weisfagung  über  die  Ankunft 
des  Meffias  ausfprach:  „Ein  Stern  geht  auf  aus  Jacob, 
ein  Scepter  kommt  auf  in  Jsrael"  Mofes  IV  22  und 
24.  Rechts  unter  dem  Stammbaume  fallt  die  Geflalt 
eines  Engels  auf,  der  in  liturgifcher  Gewandung  (Alba 
und  Stola)  die  Aefte  des  Baumes  hält  (Gabriel.?).  Der 
Krieger  daneben  in  voller  Kettenrüftung  mit  Schwert 
und  Lanze  hat  uns  wohl  auch  als  altteftamentarifchc 
Perfonlichkeit  von  irgend  einer  Beziehung  zur  Meffias- 
hoffnung  zu  gelten.  Da  neben  ihm  (durch  die  fpäterc 
Erweiterung  der  Fenfter  nur  mehr  in  einem  kleinen 
Stück  übrig  gelaffen)  etwas  Rauhfaferiges  fichtbar  wird, 
fo  möchte  ich  an  den  Helden  Gedeon  mit  dem 
wolligen  Felle  denken,  deffen  Thautränkung  in  allge- 
meiner Trockenheit  in  mittelalterlichen  Traftaten  und 
Kunftwerken  oft  als  ein  Sinnbild  der  Jungfräulichkeit 
Mariens  verwendet  wurde,  die  durch  den  hiinmlifchcn 
Thau  des  heil.  Geifte.s  zur  Mutterfchaft  Jefu  befruchtet 


worden  war  (Richter  VI  37—40).  An  diefe  beiden 
Gruppen  am  Auslaufe  des  Stammbaumes  Chrifti 
fchließen  fich  ganz  zu  äußerll  noch  zwei  felbftftändige 
Scenen.  Neben  Gedeon  treten  die  Mannafammler  auf, 
in  Geftalt  zweier  Männer  in  Laientracht,  mit  vier- 
eckigen flachen  Sieben  in  den  Händen,  auf  denen 
kleine  weiße  Körperchen  liegen;  der  Eine  hebt  ein  folches 
rundes  Korn  heraus,  während  der  Andere  fragend 
daraufdeutet:  „Manhu"  d.  h.  was  ift  das?  In  dernächften 
Umgebung  des  Opferaltares,  von  dem  das  Brod,  das 
vom  Himmel  kommt  (Johann  VI  31),  empfangen  wird, 
hat  diefe  Vorftellung  berechtigten  Sinn.  Auf  der  an- 
deren Seite  fehen  wir  ebenfalls  am  Rande  des  ganzen 
Apfisgemäldes  einen  heil.  Bifchof  in  vollem  Ornate  mit 
zwei  Schutzflehenden  vor  einem  Kirchenmodelle.  In  den 
letzteren  haben  wir  wohl  die  Donatoren  und  hervor- 
ragende Mitglieder  der  Hartberger  Pfarrgemeinde,  in 
dem  Bifchof  hingegen  den  heil.  Martin  als  Pfarrpatron 
zu  erblicken.  Alle  Gemälde  der  Apfis  waren  hier  vom 
Reftaurator  in  allen  wichtigeren  Theilen  in  deutlicher 
Erhaltung  vorgefunden  worden. 

Nach  dem  Gefagten  darf  die  malerifche  Aus- 
fchmückung  des  Hartberger  Karners  mit  vollem  Rechte 
eine  bcfondere  Werthfchätzung  unter  den  älteften 
Wandmalereien  Oefterreichs  in  Anfpruch  nehmen.  Ihr 
Inhalt  ift  fo  feltfam  und  eigenthümlich,  dafs  man 
auch  in  Deutfchland  kein  zweites  Beifpiel  findet, 
das  fie  voUgiltig  erfetzen  könnte.  Schon  der  fpät- 
romanifche  Stylcharakter  des  Karners  als  Bauwerk 
zwingt  uns,  auch  die  Entftehung  der  Malereien,  wie- 
wohl fie  noch  den  romanifchen  Styl  verrathen,  nicht 
früher  als  ins  zweite  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  zu 
verfetzen.  Mit  den  berühmten  Emporenmalereien  von 
Gurk  haben  fie  die  Manier  der  flatternden  Oberkleider, 
des  fcharfkantigen  mehr  gebrochenen  Gefälteis  und 
befonders  der  fpitzzackig  auslaufenden  Faltenzipfel 
gemein.  Freilich  hinter  der  überrafchenden  Raffinirtheit 
der  Zeichnung  und  der  allgemeinen  Kunfthöhe  der 
Gurker  Malereien  ftehen  die  Hartberger  wohl  ein  gutes 
Stück  zurück.  Im  Gebrauche  des  Ornamentes  (Taf  XI) 
leiften  fie  aber  Höheres  als  der  oder  die  Maler  von 
Pürgg  zuwegegebracht  hatten ;  mit  den  trockenen  Mufte- 
rungen,  die  man  in  der  St.  JohannesCapelle  ange- 
troffen hatte,  gab  man  fich  in  Hartberg  nicht  zufrieden. 
Die  Wandgliederungsfaulchen  find  mit  gefchlängelten 
Bändern  gleich  einer  Marmorirung  geziert.  Befonders 
anfprechend  wirkt  die  Ornamentirung  des  Chorfcheide- 
bogens.  Als  horizontales  Band  kommt  auch  das  Motiv 
des  mehrfchichtigen  polychromen  Wellenlaufes  (oder 
umgekehrten  Schuppenfriefes)  von  Pürgg  wieder   vor. 

Die  Reftauration  des  Baues  brachte  auch  ein 
anderes  archäologifches  Stück  zum  Vorfchein,  das 
wcnigftens  bei  uns  recht  rar  gewefen  fein  möchte: 
eine  primitive  Form  der  Altarmenfa.  Sie  beftand  nur 
aus  einem  viereckigen  Pfeilerftänder  von  71  :  58  Cm. 
Seitenfläche  und  "j"]  Cm.  Höhe,  worauf  die  Mcnfaplatte, 
125:79  Cm.  im  Geviert  und  15  Cm.  in  der  Dicke 
meffend,  lag.  Das  Reliquien fcpulcrum  war  im  Pfeiler 
unmittelbar  unter  der  Mcnfaplatte  von  vornehcr  ein- 
getieft. Leider  kam  ich  zu  fpät,  um  die  Erhaltung 
dicfcs  archäologifchen  Wcrthftückes  durchzufetzen  und 
konnte  feine  Auswechslung  gegen  eine  neue  Marmor- 
menfa  nicht  mehr  hindern. 


—     88     — 


Die  alten  Hartberger  Bewohner  hielten  etwas 
auf  ihren  Karner  und  bedachten  ihn  wiederholt  mit 
Stiftungen  von  Gottesdienflen,  die  in  ihm  vollzogen 
werden  foUten.  Der  Bürger  Jacob  der  Schufter  ftiftete 
1358  für  alle  Montage  eine  Meffe  im  Karner;  15 10 
that  dasfelbe  Michael  Kurzbeck,  Pfarrer  zu  Hartberg, 
der  hier  auch  ein  Beneficium  zum  Zwecke  der  ..ewigen 


Meß"  fchuf.  Diefe  alte  Liebe  zum  fchönen  Stadtdenk- 
male hat  Bürgermeifter  Reffavar  in  unferen  Tagen  aufs 
neue  bethatigt;  ihm  verdankt  man  auch  die  Ent- 
deckung der  merkwürdigen  Malereien  und  ihre  Wieder- 
belebung, der  wir,  jene  unberechtigten,  finnftörenden, 
modcrnften  Zuthaten  ausgenommen,  längfte  Dauer 
vom  Herzen  wiinfchen. 


Prähiftorifches  aus  Oberöfterreich. 

Vom  k.  k.  Conferv.itor  Oberpoftcontrolor  y.  Straberger. 
(Hiezu  Tafel  XH.) 


3M  Sommer  1899  ^^d  an  der  Weftgränze  von 
Übcröfterreich,  wo  noch  viele  Spuren  vor- 
gcl'chichtticher    Befiedelung    vorkommen,     in 


größerem  Umfange  Forfchungen  zur  Ausführung  ge- 
langt. Sie  knüpften  an  die  Thätigkeit  früherer  Jahre  an 
und  erweiterten  planmäßig  das  Gebiet  der  durch- 
geführten Unterfuchungen.  Es  kamen  für  die  Forfchung 
im  Jahre  1899  insbefondere  in  Betracht:  Einerfeits  die 
Gegend  von  Rothenbuch  am  Inn,  gegen  das  Innere  des 
Weilharts  -  Forftes  zu,  anderfeits  von  Mattighofen 
(Siedelberg)  im  Mattigthale  aufwärts  dem  Flußlaufe 
der  Mattig  nach,  bis  in  die  Nähe  der  Salzburger 
Landesgränze. 

An  dem  fogenannten  Ochfenwege,  einem  von 
Rothenbuch  durch  den  Weilhartsforft  zur  Salzach 
fahrenden  Waldwege  find  fchon  1898  von  einer  dort- 
felbft  vorhandenen  Gruppe  von  Grabhügeln,  je  ein 
größerer  und  einer  von  geringerem  Umfange  verfuchs- 
weife  unterfucht  worden.  Dabei  wurde  die  Wahr- 
nehmung gemacht,  dafs  fie  verfchiedenen  Cultur- 
perioden,  theils  der  fpäteren  Hallftätter-,  theils  der 
Römerzeit  angehören.' 

Im  Jahre  1899  gelangten  nun  weitere  vier  Gräber 
diefer  Gruppe  zur  Unterfuchung. 

Grab  i  ift  ein  Brandgrab  der  jüngeren  Hallftätter- 
zeit.  Der  dasfelbe  einfchließende  Hügel  war  i  M.  hoch 
und  hatte  einen  Durchmeffer  von  10  M.  Aus  0-3  M. 
unter  der  Oberfläche  kam  ein  fchwachgebranntes 
fchalenförmiges  Thongefäß  in  zerdrücktem  Zuftand 
zutage.  Das  aus  Lehm  beftehende  Materiale  war  bis 
zur  Hügelfohle  mit  Afche  gemengt,  welche  eine  größere 
Menge  von  gebrannten  Knochenreften  einer  jugend- 
lichen Perfon  enthielt.  Bei  forgfaltiger  Durchfuchung 
der  knochenfiihrenden  Schichte  wurden  noch  mehrere 
]?ruchftücke  von  Thongefäßen  und  ein  Fragment  eines 
hohlen  Bronzereifes  gefunden. 

Grab  2.  Diefes  der  gleichen  Periode  angehörige 
Brandgrab,  der  drittgrößte  Hügel  der  ganzen  Gruppe, 
hatte  ein  Durchmaß  von  75  M.  und  0*9  M.  Höhe.  In 
der  Tiefe  von  von  0'3  M.  zeigte  fich  eine  mit  Afche 
durchfetzte  Schichte,  die  bis  auf  den  gevvachfenen 
Boden  reichte  und  fich  gleichmäßig  über  die  ganze 
Grundfläche  des  Hügels  ausdehnte.  Im  Mittel  des 
Hügels,  nahe  feiner  Bafis,  lagen  zwei  Bronze-Schalen- 
fibeln und  ein  abgeflachtes  Bronzekügelchen  Die 
beiden  gleichgeformten  Schalenfibeln  (Fig.  12),  von 
welchen  eine  ziemlich  gut  erhalten  ifl,  find  formfchön 
und  können  den  heften,  gefchmackvollften  Arbeiten  der 

'    iMittheilungen  der  Ccntral-CommifTion  XXV    167. 


Hallftätterzeit  beigezählt  werden.  Außerdem  enthielt 
diefes  Grab  ein  1-5  M.  langes  verkohltes  Ilolzftück, 
einige  gebrannte  Knochenrefte  und  ein  mit  Längs- 
furchen verziertes  Bruchftück  einer  kleinen  Thonfchale. 

Grab  j  (Brandgrab  aus  der  Römerzeit),  ein  nur 
wenig  über  das  Terrain  aufragendes  Hügelgrab,  hatte 
einen  Durchmeffer  von  4  M.  und  dürfte,  wie  noch  gut 
kenntliche  Spuren  erfehen  laffen,  urfprünglich  mit 
einem  Graben  umfangen  gewefen  fein.  Die  bei  der 
Abgrabung  vorgekommenen  Funde  find  kaum  nennens- 
werth  und  befchränken  fich  auf  den  Oberrand  einer 
Thonfchale  und  einige  zugehörige  Scherben. 

Grab  ^  (Brandgrab  aus  der  Römerzeit),  ein  gleich- 
falls fehr  flacher  Hügel,  hatte  nahezu  einen  doppelt 
großen  Durchmeffer  wie  Grab  3.  Die  Beigaben,  welche 
in  der  den  natürlichen  Boden  bedeckenden  Afche 
lagen,  beftehen  aus  Scherben  verfchiedener  Thon- 
gefäße  und  einem  Bruchftücke  eines  maffiven,  6  Mm. 
dicken  Bronzereifens. 

Die  im  Mattigthale  durchgeführten  Grabungen 
waren  von  günftigem  Erfolg.  Das  durchforfchte,  räum- 
lich nicht  fehr  ausgedehnte  Terrain  ift  begränzt  im 
Often  von  dem  im  Kobernauferwalde  entfpringenden, 
den  weftlichen  Abhang  des  Waldes  begleitenden 
Schwemmbache,  und  im  Weften  vom  Mattigfluße.  Die 
grasreiche,  mit  kleinen  Waldremifen  und  fruchtbaren 
Geländen  abwechfelnde  Flur  des  Thaies  ift  von  dem 
Gerinne  des  vom  Thanberge  kommenden  Mühlberger- 
baches  durchfloffen,  welcher  bei  Ober-Weißau  den 
Namen  Weißauerbach  annimmt  und  bei  Hochholting 
von  der  Mattig  aufgenommen  wird.  Die  naturlichen 
Bedingungen  für  die  Befiedelung  waren  hier  die  denk- 
bar günftigften,  fowohl  für  ein  ackerbautreibendes 
Volk,  wie  auch  für  Fifcher  und  Jäger. 

Auf  diefem  engbegränzten  Gebiete  ift  eine  ver- 
hältnismäßig große  Zahl  von  Gräbern  vorhanden.  Die 
meiften,  befonders  die  in  Wäldern  gelegenen,  treten 
deutlich  in  der  Form  von  kreisrunden  Hügeln  auf, 
während  die  auf  Wiefen  und  Acckern  fituirten,  durch 
die  Bodencultur  fehr  verflacht  und  kaum  wahrnehm- 
bar find.  Sie  bilden  durchwegs  kleine  zerftreute 
Gruppen  von  nur  wenigen  Hügeln. 

Grjippe  J,  beßeliend  aus  drei  Gräberii  ivi  fogenannten 
Filzmoos  bei  Babenhavi,  Ortsgemeinde  Lochen. 

Grab  i.  Der  aus  Lehm  aufgeführte  Hügel  hatte 
5  M.  Durchmeffer  und  0-4  M.  Hohe.  Nach  Abräumung 
der  Humusdecke  kamen  in  der  Tiefe  von  03  M.  zunächft 


X 


o3 
Er-« 


03 


6X1 

,s=\ 


s 


•r-H 

,£3 


PI 


0 

a 

o 


ö 

CD 

•r— I 


-     89     - 


fauftgroße  Sandfteinfindlinge  zum  Vorfcliein,  von  wel- 
chen einer  die  Aufmerkfamkeit  durch  eine  eingegrabene 
Marke  auf  fich  zog.  Eine  derartige  Beigabe  hat  fich 
noch  in  keinem  der  in  den  früheren  Jahren  unterfuchten 
Gräber  im  Mattigthaie  vorgefunden,  während  im 
Grabe  2  diefer  Gruppe  die  gleiche  Erfcheinung,  wenn 
auch  in  abweichender  Form,  fich  wiederholte. 

Die  weiteren  Beigaben  des  Grabes  beftanden  in 
einem  Armreif  aus  Bronze,  deffen  Endungen  über- 
greifen und  mit  Einkerbungen  verziert  find;  ferner  in 
einer  gehenkelten  und  einer  henkellofen  kleinen  Schale 
und  in  Scherben  von  drei  größeren  \erfchiedenartigen 
Thongefaßcn. 

Gral)  2  (Durchmeffer  5  M.,  Höhe  0-4  M).  Der 
Hügel  war  mit  einer  ringförmigen  Steinfetzung  aus- 
geftattet,  innerhalb  welcher  eine  Lage  kleiner  Stein- 
chen in  der  beiläufigen  Flächenausdehnung  eines 
Quadratmeters  die  Unterlage  der  Grabbeigaben  bil- 
dete. Im  Mittel  diefer  Schichte  lag  in  fchwarzer  Erde 
ein  großer  Sandflein,  welcher  mit  einer  befonders  deut- 
lich eingegrabenen  Marke  in  Geflalt  eines  rechten 
Winkels  bezeichnet  ift.  Weiters  fanden  fich  ein  breites, 
kräftiges  Speereifen  mit  ftark  vortretender  Mittelrippe; 
ferner  Scherben  einer  gehenkelten  Thonfchale  und 
folche  von  anderen  Gefäßen,  endlich  ein  fauftgroßes 
Mineral  von  meteorartigem  Anfchen. 

Die  durch  Vermittlung  der  C.  C.  von  dem  chemi- 
fchen  Laboratorium  der  Kunftgewerbefchule  des  k.  k. 
öfterreichifchen  Mufeums  für  Kunft:  und  Induftrie  in 
Wien  vorgenommene  quantitative  Analyle  diefes  Ob- 
jeftes  ergab  folgendes  Refultat:  Knollen  mit  fchwarzer, 
fchlackiger  Rinde,  innen  grau. 

In  Salzfäure  unlöslich Frocent  1850 

darin:  Kiefelerde „        iSoo 

Eifenoxyd  und  Thoncrde      „  0"36 

Kalk  und  Magnefia  ....  Spuren. 

In  Salzfäure  löslich: 

FeO Frocent  10  77 

FeaOs „  i-8o 

Al,03 „  639 

MnO „  30- 52 

CoO „  4-25 

MgO „  670 

Ren:  Kohlenfäure  und  Waffer  „  2107 

Procent   loooo. 

Grab  3  (Durchmeffer  8  M.,  Hohe  06  M).  Weftlich 
von  diefem  Hügel  ift  eine  Trichtergrube,  zwifchen 
diefer  und  dem  Hügel  felbfi:  find  Hochäcker  deutlich 
wahrnehmbar.  Nach  Abtragung  des  Hügels  wurde  nahe 
der  Sohle  inmitten  von  Scherben  eines  großen  Gefäßes 
eine  ganz  erhaltene  kleine  Henkelfchale  gefunden.  In 
ihrer  Nähe  fand  fich  ein  fchlankes  Speereifen. 

Gnippe  JJ,  hcßelunid  aus  zwei  Gräbern  bei  Sprinzeii- 
ßeiti,  Ortsgemeinde  Lochen. 

Grab  i  (Durchmeffer  1 2  M.,  Höhe  1-5  M.).  Die  Unter- 
fuchung  diefes  Grabes  konnte  nicht  vollfländig  durch- 
geführt werden.  Die  theilweife  Aufdeckung  hat  gezeigt, 

XXVIII.  N.  F. 


dafs  es  mit  einer  Steinfetzung  ausgeftattet  war.  Im 
Mittel  des  Hügels  find  Erfcheinungen  zutage  getreten, 
die  auf  eine  römifchc  Nachbeftattung  mit  voller  Sicher- 
heit fchlicßen  laffen.  Die  vollftändige  Durchforfchung 
diefer  Grabanlage  ift  einem  fpäteren  Zeitpunkte  vor- 
behalten. 

Grab  2  (Durchmeffer  8  M.,  Höhe  i  M.).  Die  Auf- 
füllung diefes  mit  einer  ringförmigen  Steinfetzung  aus- 
geftatteten  Grabes  war  reichlich  mit  Kohlen  und  ge- 
brannten Knochenreften  gemengt.  Nahe  der  Hügel- 
fohle lagen  die  Grabbeigaben:  eine  ziemlich  gut  erhal- 
tene eiferne  Dolchklinge  mit  Griffangel,  eine  Meffer- 
klinge  von  gleichem  Materiale  und  Bruchftückc  einer 
folchen,  dann  Scherben  eines  ornamentirten  Thon- 
gefaßes  und  einer  an  der  Innenfeite  verzierten  flachen 
Schüffcl. 

Gruppe  III,  beßehend  aus  vier  Hügeln  auf  dem 
Stockerfelde  füdweßlich  von  Eichet  bei  Engelharting. 

Grab  i.  Der  Hügel  hatte  den  beträchtlichen 
Durchmeffer  von  20  M.  und  1-5  M.  Höhe.  Zu  feiner 
Unterfuchung  wurde  vom  Scheitel  aus  Erde  im  Aus- 
maße von  3  M^  ausgehoben;  dabei  kamen  in  der 
Tiefe  von  i  M.  zerftreute  Kohlenftücl<c  zum  Vorfcliein. 
Die  Hügelbafis  war  ziegelroth  hart  gebrannt.  Bei  der 
Nachgrabung  gegen  die  Peripherie  fanden  fich  größere 
Mengen  von  gebrannten  Knochen,  Scherben  eines 
fchwachgebrannten  fchwarzen  Thongefäßes,  ein  eiferner 
Ring  und  die  5  Cm.  lange  Tülle  eines  Speereifens. 

Grab  2  (Durchmeffer  14  M.,  Höhe  i  M.)  enthielt 
verbrannte  Knochen,  rothbraune  Gefäßfeherben,  ein 
flaches  Schälchen  mit  kleiner  Bodenfläche  und  Bruch- 
ftücke  einer  verzierten  Schüffei  mit  eingeritzten  Linien 
und  fchraffirten  Dreiecken  an  der  Innenfläche  des 
Oberrandes. 

Grab  3  (Durchmeffer  13  M.,  Höhe  07  M.).  Nach 
Abhebung  der  Humusdecke  trat  eine  Lage  großer 
Rolllteine  zutage,  welche  im  Mittel  des  Hügels  eine 
Fläche  von  1-5  M.  Länge  und  05  M.  Breite  bedeckte. 
In  der  tieferen  Schichte,  welche  mit  Afche,  Kohlen 
und  gebrannten  Knochen  durchfetzt  war,  lag  eine 
Schmucknadel  aus  Bronze  mit  brillenförmigen  Spiral- 
fcheiben,  welche  je  16  Umgänge  haben  und  fehr  genau 
gearbeitet  find  (Fig.  3);  der  Nadelfortfatz  fehlt;  weiters 
zwei  ftark  oxydirte  fcheibenförmige  Eifenftücke,  welche, 
wie  fich  nach  ihrer  Reinigung  deutlich  gezeigt  hat,  eine 
in  Eifen  ausgeführte  Nachbildung  einer  Brillenfibel  dar- 
fteilen. 

Grab  4  (Durchmeffer  85  M.,  Höhe  05  M.).  Die 
in  der  Kohlen  und  Knochen  führenden  Brandfchichte 
diefes  Grabes  gefundenen  Artefa6le  beftehen  aus  einer 
zerbrochenen  Thonfchale  von  zierlicher  Form,  mit 
Strichornamenten  und  Grübchen  decorirt,  und  aus 
einem  Eifenfpeer. 

Gruppe  IV,  beßehend  aus  fitn/  Gräbern  im  fogenannten 

Galgenholze,  in  unmittelbarer  Nähe  der  Eifenbahnhalte- 

ßelle  Teichßätt. 

Grab  i  (Durchmeffer  12  M.,  Hohe  i  M.).  Zum 
Behufe  der  Unterfuchung  wurde  ein  S  M.  langer  und 
2  M.  iireiter  Einfchnitt  in  den  Hügel  gemacht.  Im  Mittel 
wurden  nahe  der  Überfläche  gebrannte  Knochen  und 


13 


—    90     - 


Kohlen  gefunden,  die  in  weiterer  Tiefe  reichlicher  auf- 
traten. Unter  diefer  Schichte  war  eine  Lage  flacher 
Kiefel,  auf  welcher  Scherben  eines  rohgearbeiteten 
größeren  Thongefäßes  inmitten  von  fchwarzer  Erde 
lagen.  Die  Hügelfohle  befland  aus  einem  Eftrich  von 
fehr  hartem  Lehm,  in  welchem  zwei  nahezu  meterlange 
Eifenfchienen  fo  fefl  eingebettet  waren,  dafs  fie  nur 
ftückweife  lo.sgelöst  werden  konnten. 

Auf  diefer  feften  Unterlage  fanden  fich  Bruch- 
ftücke  einer  oberhalb  des  Bodens  mit  Löchern  ver- 
fehenen  Schale,  ein  großer  Eifcnkelt  mit  Schaftlappen, 
mehrere  Eifenringe,  dann  Bruchftücke  eiferner  Rad- 
reifen, mit  theilwcife  noch  erhaltenen  Haftnägeln  und 
Refte  einer  Pferdetrenfe  aus  Eilen.  Inmitten  der  Rad- 
reifen lagen  die  Radnabenbcfchliige. 

Grab  2.  Diefer  abgeflachte,  mit  hochgewachfenen 
Bäumen  beflandene  Hügel  hatte  ein  mittleres  Durch- 
maß von  10  bis  12  M.  und  erhob  fich  kaum  0-5  M. 
über  das  Terrain.  Um  die  koftfpielige  Abholzung  zu 
vermeiden,  wurde  ein  4  M.  breiter  und  ebenfolanger 
Einfchnitt  gemacht.  Zunächft  traten  12  große  Kiefel, 
und  nach  Abräumung  derfelben  in  dem  mit  Knochen 
und  Kohlen  durchfetzten  Material  die  Bruchftücke  einer 
Thonurne  von  befonderer  Größe,  dann  Scherben  einer 
folchen  von  geringeren  Dimenfionen  und  eine  kleine 
Schale  zutage. 

Grabhügel  j  (Durchmeffer  13  M.,  Höhe  07  M.) 
lag  auf  Hochackerbeeten  und  enthielt  nebfl  vielen 
Kohlenreften  ein  großes  Speereifen,  Scherben  einer 
flachen  Schale  und  einer  großen  Urne,  auf  deren  Boden 
eine  kleine  einhenkelige  Schale  fland. 

Grab  4..  Der  gleichfalls  über  Hochackerbeeten  auf- 
gebaute Hügel  hatte  einen  Durchmeffer  von  9  M.  und 
eine  Höhe  von  07  M.  Bei  der  Abgrabung  wurde  unter 
den  gleichen  Umftänden,  wie  bei  Grab  3,  eine  zerbro- 
chene große  Urne  mit  Buckeln  an  der  Bauchung  und 
ein  zur  Hälfte  erhaltener  Eifenkelt  mit  Schaftlappen 
aufgefunden. 

Grab  5  (Durchmeffer  16  M.,  Höhe  05  M,).  Diefer 
mit  einem  Graben  umgebene  Hügel  enthielt  mehrere 
kopfgroße  und  noch  größere  Steinfindlinge,  welche  auf 
der  mit  Kohlen,  Knochen  und  fchwarzer  Erde 
gemengten  Brandfchichte  auflagen.  Außer  den  Bruch- 
ftücken  einer  mit  Rautenornamenten  verzierten  Schale 
fanden  fich  keine  weiteren  Beigaben. 


Einzelnes  Grab  auf  der   Mooswiefe  (auch   Mairin  ge- 
nannt), tiächß  Aug,  nördlich  von  Teichßätt. 

Aus  dem  fumpfigen  Wiesgrunde  ragt  eine  30  M. 
lange,  16  M.  breite  natürliche  Bodenanfchwellung 
hervor,  auf  deren  nordwefllichem  Ende  ein  kreisrunder 
Hügel  von  6  M.  Durchmeffer  und  05  M.  Höhe  auf- 
fitzt. Nach  Abgrabung  der  Auffüllung  zeigte  fich  eine 
mit  Kohlen,  Afche  und  Gefäßfchcrben  gemengte  Brand- 
fchichte. In  diefer  Schichte  lag  ein  Speereifen  von 
großen  Dimenfionen  und  ein  kleineres  mit  abgebro- 
chener Spitze.  Wie  im  Innern  des  Grabhügel.s,  wurden 
auch  bei  der  auf  feine  Umgebung  ausgedehnten  Nach- 
grabung keramifche  Fragmente  zutage  gefördert,  die 
fich  aber  wefentlich  von  den  im  Grabe  felbft  gefundenen 
Scherben  unterfcheiden.  Es  kommen   darunter  folche 


aus  Graphit  und  aus  hart  gebrannten,   mit   Quarzfand 

vermifchtem  Thon  in  Formen  vor,  welche  auf  die  An- 
wendung der  Drehfcheibe  fchließen  lafi'en. 

So  verfchieden  die  unterfuchten  Hügelgräber  in 
ihren  Größenverhältniffen  find,  fo  gleichartig  und  über- 
einftimmend  ift  ihr  .Aufbau,  die  innere  Anlage,  die  Art 
der  Ausbreitung  der  Afche  und  Knochenrefle  auf  der 
mit  Sorgfalt  geebneten  Hügelfohle  und  der  Deponirung 
der  Grabbeigaben. 

An  Schmuckgegenftänden  waren  die  Gräber  fehr 
arm,  dagegen  ziemlich  reichhaltig  an  Waffen  und 
anderen  Objeften  aus  Eifen,  wie  auch  an  Thongefaßen. 
Es  ift  gelungen,  aus  Bruchftücken  der  letzteren  eine 
Anzahl  von  Gefäßen  zu  reconftruiren.  Die  photogra- 
phifche  Darfteilung  derfelben  auf  Taf  I  zeigt  deutlich, 
dals  die  aus  großen  Urnen  und  verfchiedenen  Schalen 
beflehenden  Gefäße  aus  freier  Hand,  ohne  Anwendung 
der  Drehfcheibe,  geformt  find. 


F!g  3- 


Flg. 


Fig.  2. 


Für  die  Zeitbellimmung  der  aufgedeckten  prä- 
hiflorifchen  Grabftätten  bieten  die  Beigaben  und  die 
bei  ihrer  Auffindung  beobachteten  Erfcheinungen  hin- 
längliche Anhaltspunkte.  Es  ift  kaum  zu  bezweifeln, 
dafs  alle  diefe  Gräber  einer  und  derfelben  Culturperiode, 
und  zwar  der  jüngeren  Hallftätter,  refpe6li\-e  der  älteren 
fchon  ziemlich  entwickelten  Eifenzeit  angehören. 
Sämmtliche  Funde  find  in  den  Befitz  des  Mufeums 
Francisco-Carolinum  in  Linz  gelangt,  welches  wieder 
wie  in  den  Vorjahren  in  dankenswerther  Weife  die 
Koften  der  Grabungen  beftritten  hat.  Durch  diefe 
Neuerwerbungen  haben  feine  Sammlungen  von  Landes- 
funden aus  urgefchichtlicher  Zeit  eine  wefentliche  Be- 
reicherung erfahren. 

BefondereErwähnung  verdient  ein  ungewöhnliches 
Vorkommnis  auf  dem  durchforfchten  Gebiete,  das 
möglicherweife  mit  den  eröffneten  Gräbern  in  einem 
gewiffen  Zufammenhange  fleht.  An  der  von  Teichftätt 
nach  Weißau  führenden  Straße,  nahe  der  Ortfchaft 
Oberhaft,  wurde  ein  im  freien  Felde  gelegener  größerer 
Hügel,  deffen   Scheitel   muldenartig   eingefunken   war, 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  ii.  bist.  Denkm.,  Jahrg'.  1902. 


Taf.  XIII. 


—     91 


unterfucht,  wobei  vier  Sandfteinfindlinge  zum  Vorfchein 
kamen,  die  in  ähnlicher  Weife  wie  die  in  den  Gräbern  i 


[j    [   Fig.  4. 


^ 


/ 


Fig-  5- 


;   2  j   'i  -5 


Fig.  6. 


?»  an 


und  2  der  Gruppe  I  mit  fcliarf  eing'egrabenen  Zeichen 
verfehen     find.     Sie    lagen    auf    einem     Pflafler    von 


größeren,  nicht  markirten  Steinen.  Da  der  Hügel  nur 
wenige  kleine  Kohlen,  aber  weder  Afche  noch  fonflige 
Culturrefte  enthielt,  fo  ifl  aucli  nicht  anzunehmen,  dafs 
er  eine  Begräbnisftätte  war. 

In  geringer  Entfernung  von  dem  eben  erwähnten 
Fundplatze  find  zwei  dammartige  Erderhebungen,  und 
auf  einer  derfelben  fitzt  ein  meterhoher  Hügel  von 
großem  Umfange  auf,  welcher,  wie  es  den  Anfchein 
hat,  fchon  in  einer  früheren  Zeit  zum  Theile  abge- 
tragen wurde.  Bei  Unterfuchung  de.s  noch  inta6ten 
Theiles  find  nun  zahlreiche,  mit  den  verfchiedenften 
Marken  bezeichnete  Steine  an  das  Licht  gelangt.  Fig.  4 
bis  6. 

Ich  habe  ganz  genaue,  naturgroße  Abbildungen 
von  66  folchen  markirten  Steinen  anfertigen  laffen.'  Es 
ift  vollkommen  ausgefchloffen,  dafs  die  Zeichen  etwa 
zufällig  entftanden  feien.  Die  oftmalige  Wiederholung 
einzelner  Charaktere,  Zeichen  oder  Marken,  das  Vor- 
kommen folcher  auf  der  Vorder-  und  Kehrfeite  vieler 
E.xemplare,  die  fchalenförmige,  kreisrunde  Ausmeiße- 
lung  einzelner  laffen  es  als  unzweifelhaft  erfcheinen, 
dafs  diefe  Zeichen  von  Menfchenhand  mittelft  fcharfer 
Werkzeuge  abfichtlich  eingegraben  worden  find,  und 
dafs  fie  eine  befondere  Bedeutung  hatten. 

Wenn  nun  die  abfichtliche  Markirung  der  Steine, 
von  welchen  außer  den  ohne  gefliffentliche  Auswahl 
abgebildeten  noch  214  Stücke  vorhanden  find,  nicht 
angezweifelt  werden  kann,  fo  drängt  fich  die  Frage 
auf,  welchen  Zweck  fie  hatten,  und  welche  Bedeutung 
ihnen  beizumeffen  fei. 

Dafs,  wie  fchon  erwähnt,  derartige  Steine  auch  in 
Gräbern,  und  zwar  mit  befonderer  Sorgfalt  in  fchwarzer 
Erde  gebettet  vorgefunden  worden  find,  ifl  für  die 
Beurtheilung  ihrer  Bedeutung  wohl  nicht  belanglos, 
jedoch  nicht  hinreichend,  das  Vorkommen  fo  zahl- 
reicher Exemplare  in  Hügeln,  die  nicht  als  Grabflätten 
angefehen  werden  können,  zu  erklären. 


Verfügung. 


Auf    Verlangen    ftelic    ir  ti    cüefe    Abbildungen    für    Studienzwecke    zur 


Die  römifchen  Meilenfteine  im  ftädtifchen  Mufeum   Carolino- 

Augufteum  in  Salzburg. 


Von  Piufclfor  U/ivu-y  KloßA 


iHiezu  Taf.  XUI.) 


Ein  Verzeiclinis  der  henützUn  Autoren  voiauszufchicken,  ift  nicht 
Höthig,  indem  der  Band  III  des  Corpus  inscriptionuni  Latinanim  und 
fein  Supplement  alle  einfchlägigen  Buchtitel  mit  wünfchenswerther 
Ausführlichkeit  im  Index  auctorum  aufzählen.  Ich  brauche  bloß 
folgende  Werke  hinzuzufügen; 

Jos.  Diiiiinger,  liiftorifch-ftatiftifches  Ilandliutli  von  Pongau, 
.Salzburg  1867. 

Joh.  Aiulr.  Scfllialer,  Nachrichten  von  den  alterten  Dcnk- 
mählern  in  Salzburg  (Manufcript  des  Salzburger  Mufeunis  aus  dem 
Jahre  1836).  —  Allgemeines  Verzeichnis  der  Denkmähler  der  Vorwelt, 
welche  nach  Salzburg  gekommen    find   (dsgl.    1837J.    —    Die    Denk- 


'  Die  Drucklegung  diefes  Auffatzes  ift  durch  Refchluß  der  Central - 
Coniiniflion  von  igoo  angeordnet  worden.  Der  Verfaifer  hat  nachträglich  auf 
lirfuchen  der  Rcdatilion  feine  Ausführung  an  vielen  Stellen    erheblich    gekürzt. 


niähler  der  Vorwelt  bey  ihrer  Ül)erfclzung  aus  dem   Studiengebäude 
in  das  ftädtifche  Mufeum  (dsgl.  1837). 

jfoh.  Steinhaiifer,  Chronica..  ..  der  Stadt  Juvavia  (dsgl.    1601). 
Vgl.  unten  die  Anmerkung  zum  XI.  Meilenfteine. 


Indern  ich  meine  Arbeit  einer  wohlwollenden 
Prüfiing  empfehle,  komme  ich  der  angenehmen  Pflicht 
nach,  den  Herren  Eberhard  Fugger,  k.  k.  Profeffor 
i.  R.,  P.  Willibald  Mauthaler,  Abt  des  Benedifliner- 
Klollers,  Richard  R.  v.  Strele,  k.  k.  Cuflos  der  Studien- 
bibliothek, und  befonders  Dr.  Alexander  Fetter,  kaif. 
Rath  und  Mufeumsdireflor  in  Salzburg,  die  mir  in  bereit- 
willigltcr  Weife  theils   Handfchrificn   und   Bucher   zur 


92       — 


Verfügung  ftellteii,  theils  meine  Arbeit  durch  inünd- 
liciie  Auskünfte  förderten,  den  warmften  Dank  aus- 
zufprechen. 

Unter  der  Regierung  des  Erzherzogs  Ferdinand, 
Kurfürften  von  Salzburg,  erHeß  der  kurfalzburgifche 
StaatsminifterMarquis  Manfredini  am  20.  Dccember  1803 
einen  Befehl,  durch  den  ,,fämmtlichen  Beamten  fowohl 
tue  forgfältige  Sammlung  und  Aufbewahrung  der  rö- 
mifchen  Denkmale  und  Altcrthümer,  welche  in  meh- 
reren Gegenden  des  Landes  von  Zeit  zu  Zeit  noch  ge- 
funden werden,  als  die  Erhaltung  derjenigen,  welche 
bereits  früher  entdeckt  und  zum  größten  Theile  fchon 
durch  Schriften  bekannt  geworden  find,  empfohlen" 
und  angeordnet  wurde  „über  die  in  jedem  Gerichts- 
bezirke gefammclten  einzelnen  Stücke  ein  Verzeichnis 
zu  faffen  und  cinzufchicken".  Im  folgenden  Jahre  wurde 
fodann  befohlen,  die  Monumente  felbft  nach  Salzburg 
zu  liefern,  wo  fie  in  der  Halle  des  Studiengebäudes 
aufgefliellt  werden  follten. 

Da  jedoch  trotz  diefes  Regierungsbefehles  viele 
Denkmale  auf  ihrem  Standplatze  belaffen  wurden  und 
einige  ihren  Weg  nicht  nach  Salzburg,  fondern  nach 
Wien  oder  München  nahmen,  fo  kamen  im  ganzen  nur 
17  Denkmale  in  das  Studiengebäude  zu  Salzburg.  Sie 
blieben  aber  infolge  der  damaligen  Kriege  im  Hof- 
raume  desfelben,  wo  und  wie  fie  abgeladen  wurden, 
unter  freiem  Himmel  länger  als  ein  Jahrzehnt  unbe- 
achtet auf  der  Erde  liegen.  Endlich  wurden  fie  in  einem 
der  vier  Bogengänge  des  Gebäudes  ganz  ohne  Ordnung 
aufgeftellt.  Dann  verftrichen  noch  mehrere  Jahre.  Erft 
I'rofcffor  Stephan,  Cuflos  der  Studienbibliothek,  wür- 
digte fie  1825  einer  ausfuhrlichen  Befchreibung. 

Nachdem  darauf  1835  das  flädtifche  Mufeum  an- 
gelegt worden  war,  mit  deffen  Leitung  Maria  Vincenz 
Süß,  der  fich  um  die  Gründung  die  größten  Ver- 
dienfle  erworben  hatte,  betraut  wurde,  wurden  zufolge 
der  Verordnung  der  k.  k.  Hofkanzlei  in  Wien  vom 
20.  Januar  1837  die  erwähnten  17  Denkmale  aus  dem 
Lycealgebäude  dem  Mufciun  übergeben  und  bildeten 
nun  den  Grundftock  feiner  Antikenfammlung. ' 


I.  ,,Auf  der  gefchnittenen  Baumtratten' 
St.  Margarethen. 


füdlich  von 


„Rusticiiä  ante  cujus  aedes  modo  prostat,  vulgo  Krägler  voca- 
lur.  inveniHs  autem  fuit  hie  lapis  cum  inscriptior.e  in  alpibiis  Duferni- 
anis  infra  Alpes  Einegg  hora  abhinc  distantibus  prope  viam,  quac 
olim  Romanonim  fuisse  creditur.  Ubi  ctiam  aliiim  vidi  candidum 
S",  i-j  pedum  longitudine,  3'  '3  pedum  crassitudine  sine  inscriptione  qui 
statuae  figuram  aliquando  prae  se  tulisse  apparct,  nam  caput,  brachia. 
que  abscissa  fuisse  videntur. .  .  Ajunt  tertium  multa  cum  inscriptione 
ibidem  quondam  exstitisse,  sed  propter  incuriam  hominum  super- 
crcscenteherbae memoria  cvanuisse  locum"  Lengauer{zvi.  1760-17661. 
„Die  Mcilenfäule,  welche  im  Dorfe  St.  Margarethen  beim  Grangglcr 
Bauern  aufgeftellt  war,  unlängft  von  da  in  die  Univerfitilt  nach  Salzburg 
abgeführt  wurde,  ftand  nicht  auf  der  Taferncralpe,  fondern  auf  einem 
vorfpringonden,  hübfchen  und  geräumigen  Plätzchen,  das  man  gegen- 
wärtig „auf  der  gefchnittenen  Baumtratten"  nennt.  Diefes  würde 
jemand    antreffen,   wenn   er    von    der   Kirche    St.   Margarethen   eine 


'  V^l.  Salzburgcr  Intdiigcnzblatt  1803,  827;  Vicrthalcr,  Wanderungen  I. 
a68;  Stephan,  Manufcript  der  Studicnbibliolhck ;  Sccthaler.  Die  Denkm.-ihlcr; 
Süß,  Das  (ladtifche  Mufeum,  7 — 13. 


Viertelftunde  weit  in  den  Lausnitzgrabcn  hineinginge,  und  dann   links 
gerade  den  Berg  hinanftiege."   Winkllwjer  (iSigj,    „Meilenzeiger   im 
Jahre  1804  abgeführt".    IVeilmeyr  (1812).    —   Ueber   die    folgenden  ' 
Schickfale  der  Meilenfaule  fiehe  die  Einleitung. 

Die  kleine  Säule  befleht  aus  Kalkfcliiefer  und  ifl 
I  M.  26  Cm.  hoch;  der  horizontale  Durchfchnitt  bildet 
eine  Ellipfe,  deren  große  Achfe  35  Cm.  lang  ilt,  während 
die  kleine  Achfe  30  Cm.  beträgt.  Oben  ift  der  Stein 
fall:  kugelförmig  abgerundet,  am  Fuße  links  unterhalb 
der  Schrift  etwas  abgefchlagen,  eine  Verletzung,  die 
erft  nach  der  Zeit  Lengaueis  flallgefunden  hat,  wie 
aus  deffen  Zeichnung  erfichtlich  ift.  Die  Buchflaben 
find  feit  alter  Zeit  —  oft  unrichtig  —  mit  fchwarzer 
Farbe  angeflrichen. 

Die  ziemlich  gut  erhaltene  Infchrift,  deren  ]5uch- 
llabenhöhe  42  Cm.  und  Zeilenabfland  2  Cm.  (10.  Zeile 
zur  II.  Zeile  5-5  Cm.,  11.  Zeile  ziu-  12.  Zeile  4  Cm.) 
beträgt,  lautet: 


IMP-CAES 
L-SEPTSEVERVS 

AB-AOll    B  PAPv-MXPON 
S     TRI  ß-pR   VlllHAAXII 

CO  s-wv  P-Pio 

C  OS-  E  T-l  AA  pkAEi 
/V\..»AVR.EL  I  VS 

PIV5-AVC-TR.Iß-P0T 
^0  l/ll-PRO-C  OS 

A-T-M  P' 

Zeile  3:  C  ftatt  G  in  AVG,  ein  Fehler  des  Stein- 
metzen. Zeile  4:  Da  die  Lücke  zwifchen  AD  und  B 
reichlich  Raum  für  drei  Buchflaben  bietet,  fo  fcheint 
der  Stein  fchon  zu  der  Zeit,  als  er  bearbeitet  wurde, 
einen  Sprung  gehabt  zu  haben. 

Mommfens  Zweifel,  ob  PON  echt  oder  fpäter  hin- 
zugefügt worden  fei,  da  es  größer  als  die  anderen  Buch- 
flaben fei,  kann  ich  nicht  theilen;  denn  Größe  und  Form 
der  Buchflaben  ifl  diefelbe  wie  fonfl  auf  der  Infchrift. 
Auch  kann  man  hinter  PON  kein  T  erkennen.  Mit  der 
Abkürzung  PON  (nicht  PONT)  ftimmt  Zeile  3  PER, 
Zeile  4  PAR  und  Zeile  5  IM  überein.  Wie  hier,  fo  ift 
auch  auf  dem  III.  Meilenfteine  PON  ftatt  PONT -MAX, 
das  wir  auf  den  meiften  Meilenfäulen  des  Sevcrus  lefen 
(vgl.  CIL  III  II 13  f.),  gefchrieben.  PONTIF  (ohne 
MAX)  fteht  auf  dem  II.  und  IV.  Meilcnfteine. 

Zu  erwähnen  ift  noch,  dafs  fcheinbar  RON  ftatt 
PON  eingemeißelt  ift;  es  ift  dies  jedoch  nur  ein  Fehler 
im  Materiale,  denn  bei  dem  wirklichen  R  ift  der  Diffe- 
rcnzirungsftrich  länger. 

Zu  Zeile  8  ift  Mommfen  zu  vergleichen. 

Von  der  Auslaffung  einer  Zeile  nach  der  10.  Zeile 
kann  überhaupt  nicht  die  Rede  fein,  da  der  Zwifchen- 
ratim  zwifchen  der  10.  und  1 1.  Zeile  zu  gering  ift;  vgl. 
auch  den  III.  iMeilenftein. 

Danach  düifte  das  unverftümmeltc  Original  fo 
ausgefehen  haben: 


93 


IMP.CAES 

L-SEPT-SEVERV5 
PIVf-PEtfVAVC-Al«. 
Aß-ADilAß-PAH-MX-PON 
TRIB-POT-VfllHAA-Xll 
CO  j"-Ü'P-P-PRO 
C  0  S-^T-l  M  P-CA  ES 

maf:-avr.el  I  Vj- 
PIV5.AVC-TKIß-P0T 
llll-PR  0-COS 

A-T-M-P- 
IIXXX 


Der  Meilenftein  wurde  ebenfo  wie  die  Meilenfteine 
Nr.  II — VI,  IXrt  und  XI  zu  Ehren  des  L.  Septimius 
Severus  und  feines  alteren  Sohnes  Bassianus,  des  fpäter 
fogenannten  Caracalla,  errichtet  und  bezeichnet  den 
Kaifer  als  den  Erbauer  der  Straße,  an  der  er,  28.000 
Doppelfchritte  von  Teurnia  entfernt,  aufgeftellt  war. 
Diefe  Straße  führte  von  Teurnia  in  nördlicher  Rich- 
tung über  die  Taferneralpe'  und  durch  St.  Marga- 
rethen  in  die  Nähe  (weftlich)  von  Mauterndorf,  wo  die 
von  Virunum  über  Treibach,  Grades,  Murau  und 
Tamsweg  kommende  Römerftraße  fich  mit  ihr  ver- 
einigte, weiter  über  Tweng,  den  Radftädter  Tauern, 
Altenmarkt,  Hüttau,  Werfen  und  Golling  nach  Juva- 
vum  (Salzburg).  Sie  wird  in  den  Itinerarien  nicht  er- 
wähnt, doch  kommt  ihr  nördlicher  Theil  (von  Mautern- 
dorf angefangen)  auf  der  Peutinger'fchen  Tafel  vor, 
indem  auf  diefer  die  Straße  von  Virunum  nach  Juva- 
vum  folgendermaßen  eingezeichnet  ift:  Varuno  —  XIIII 

—  Matucaio  —  XIII  —  Beüandro  —  XIIII  —  Tarna- 
sici  —  XIIII  —  Graviacis  —  XVI  —  Mimurio  —  XIIII 

—  in  Alpe  —  XVI  —  Ani  —  XVII  —  Vocario  — 
XVII  —  Cuculle  —  XIIII  ^  Juvavo  (vgl.  die  beige- 
fügte Kartenfkizze). 

Der  Meilenftein  wurde,  wie  fich  aus  der  Erwäh- 
nung der  9.  tribunicia  potestas  Severs,  mit  der  die 
4.  tribunicia  potestas  Caracallas  zufammenfällt,  ergibt, 
201  gefetzt.  Erwähnenswert!!  ift,  dafs  auf  diefem  und 
dem  III.  Meilenfteine  der  wahrfcheinlich  im  Jahre  198 
zum  Caefar  erhobene  P.  Septimius  Geta  nicht  ge- 
nannt ift. 

Die  Infchrift  führen  an:  Lengcxuer  mit  einer  Zeich- 
nung. Von  ihm  hängt  ab  Kleiinayrn,  Juvavia,  53;  von 
letzterem  JF«7;//^/r,  Top.Lex.  2,200.  Viertiialcr,\nteW.- 
Bl.  1803,  720.  V.  K.,  1825.  Stephan,  Studienbibliothek, 
55  und  Wiener  Mufeum;  aus  letzterem  Steinbüchel, 
Jahrbücher,  46.  Bd.,  49,  n.  94.^  Braune,  3.  Aufl.  149 
(2.  Aufl.,  S.  10)?  Hefner,  Salzburg,  XXIV.  Denkmal, 
mit  Fig.  10;  danach  Steiner,  n.  2810;  vgl.  n.  4062. 
Jabornegg  (viermal,  immer  anders):  i.  Alterthümer, 
1S45,  XVI.  Taf,  Fig.  3;  2.  Notizenblatt,  4.  Jahrg.,  195; 

'  lieber  die  Richtung  der  Straße  haben  außer  Mommfen  CIL  \\\  p.  694 
u.  622  einKchend  gehandelt;  Winklhofcr,  Carinthia  1819,  n.  18;  Kürfinger. 
677;  Prinzinger,  Landeskunde,  1874,  69  ff.;  Fried.  Kenner.  Noricum  und 
Pannania.  135;  S.  P.  N.  (Sicginund  Pollatfchek  v.  Nordwall),  Eines  alten  Sol- 
daten  Romeriludien  nach   der  Natur,  Wien   1882.  H.  Th. 

-  Das  Manufcript  Stephans  in  der  Studienbibliothek  (Bcfchrcibung  der 
römifchen  Alterthümer)  dürfte,  da  die  einfchlagige  Literatur  nur  bis  /um  Jahre 
1825  angeführt  wird  und  die  Aeußerungen  über  die  Pfleger  von  St.  Michael  und 
Radft:idt  (S.  86)  auf  1824  und  1825  palTen.  aus  dem  jähre  1825  oder  1826 
flammen.  Außerdem  fanclle  Stephan  einen  (im  Wiener  ^lufeum  aufbewahrten, 
von  Mommfen  benutzten)  P.ericht  an  Steinbüchel,  der  daraus  13  Infchriften 
veröfTcntlichte,  jcdocli  n.  87,  gl  und  92  fchlecht  n.  95,  9Ö  und  97  ungenau.  Die 
Berichtigungen  im  55.   Pandc   der    Jahrbücher  rühren  nicht  von  Steplian    her. 

'  Braune  (Der  Fremde  in  Salzburg)  beruft  fleh  auf  Seethalcr's  M.anu- 
fcript  ..Topograjjiiie  der  a'leften  Dcnkini'lcr  in  und  um  Salzburg",  d.iN  ich  leider 
nirgends  au''trcibcn  konnte. 


3.  Archiv,  6.  Jahrg.,  1 10;  4.  Alterthümer,  1870,  187. 
Kürfinger,  680,  mit  Fig.  XX.  Knabl,  Archiv,  4.  Jahrg., 
Tl  (zwei  Lefearten,  nach  v.  Jabornegg  1845  und  nach 
einer    Mittheilung    Mommfens).    Mommfen,    5714   und 

11834- 

Den  Meilenftein  erwähnen:  Vierthaler,  Wande- 
rungen, I  143.  Winklhofer,  Carinthia,  1819,  n.  18; 
Intell.-Bl.  1820,715.  Aluchar,  Noricum,  I  294  (nach 
Winklhofer  18 19).  Secthaler,  Nachrichten,  n.  III  14; 
Allgemeines  Verzeichnis,  n.  IX.  Süß,  Das  flädtifche 
Mufeum,  12  f,  n.  11.  A.  Huber,  Landeskunde,  1870,9. 
Richter,  Verzeichnis,  93  (in  Salzburger  Landeskunde 
1881). 

II.  Tweng. 

Tweng...  Lungaviae  locvis;  ibi  tabernam  hospitariam  iiigres- 
siiris  extra  portam  a  lateie  dextro  lapis  Candidas  parieti  insertus  obji- 
citur  altitudinis  i^/,.,  latitudinis  6  pedum,  cui  talis  sctiptiira  germanici 
idiomatis  insculpta  legitur;  „Anno  1750.  den  8.  May  wurdte  In  denen 
Nächften  Feldern  difer  flein  Nebfl  Einigen  Menfchen  Peinern  Von 
Herrn  Jofeph  Seemann  Inhabern  difer  Tafern  nnd  Nebfl  gegen  yber- 
ftehender  Säulen  als  Ein  Antiquitet  Anhero  gefetzt."  I.engauer 
zwifchen  1760— 1766 1:  „Zu  Tweng  dem  Pofthaufe  gerade  gegenüber 
fteht  eine  Meilenfäule. "  Viert/ialer  (1801):  „Im  Jahre  1806  nach 
Salzburg  geliefert."  —  Vgl.  die  Einleitung. 

Eine  cylindrifchc  Säule  aus  Kalkfchiefer  von 
49  Cm.  im  Durchmeffer  und  i  M.  63  Cm.  Höhe  über 
dem  Fußboden,  in  den  fie  jetzt  mit  ihrem  etwas  ver- 
dickten Fuße  eingemauert  ift.  Sie  ift  fehr  verftümmelt, 
und  fchon  Lengaucr's  Zeichnung,  die  mit  der  gelun- 
genen Abbildung  bei  Hefner  übereinflimmt,  zeigt  uns 
die  Säule  in  demfelben  Zuftande.  Die  Schrift  ift  ziem- 
lich ftark  verwittert,  einzelne  Buchftaben  weifen  noch 
Spuren  der  fchon  von  Hacquet  (1791)  erwähnten  Aus- 
malung mit  fchwarzer  Farbe  auf. 

Höhe  der  i.  Zeile  7-5  Cm.,  der  2.  Zeile  65  Cm., 
der  3.  Zeile  55  Cm.,  der  4.  bis  8.  Zeile  4-5  Cm.,  der 
9.  bis  II.  Zeile  4  Cm.,  der  12.  Zeile  55  Cm.  Abftand 
der  I.  zur  2.  Zeile  4  Cm.,  der  2.  zur  3.  Zeile  35  Cm., 
zwifchen  den  übrigen  Zeilen  23  Cm. 


/CA.  6 

£\£RV5PV,... 

CARAßAD' 
TvNiFTkßPO-^- 
S  :■■;  SnpppROCO.. 

ri^...  -  GTfißPOT-'- 

///////////////////  ylL  I  ß^; 

\\  PR  AT'  M  P 
XL 

Iki  dicfcr  Infcluift  ift  es  mir  gelungen,  eine  nicht 
unerhebliche  Anzahl  Buchftaben  mehr  herauszubringen, 
als  bisher  bekannt  waren. 

Zeile  4  und  7  ill  nicht  TUli,  fondern  tUB  ge- 
fchrieben,  während  fonfl  die  Ligatur  k  für  IR  Itelit 
(vgl.  E.  Hübner,  E.xcmpla,  p    I.XIXi. 


f<r 


_     94     - 


Zeile  8.  Vor  MILIARIA  find  die  Buchftaben  nicht 
verwittert,  fondern  ganz  zerftört,  und  da  auch  die 
anderen  Mcilenfteinc,  auf  denen  M.  Juventius  Surus 
ProcuUis  erwähnt  wird,  nämlich  Nr.  IV,  V  und  VI,  dic- 
felbe  Erfcheinung  zeigen,  fo  muß  man  annehmen,  dafs 
die  Buchftaben  abfichtiich  weggemeißelt  worden  find, 
was  nach  der  Ermordung  des  P.  Scptimius  Geta  durch 
Caracalla  (212)  auch  auf  vielen  anderen  MeilcnRcincn 
gefchah.  Vgl.  Mommfen  CIL  III  1 1 16. 

Zeile  1 1.  Statt  des  ftark  verwitterten  T  hat  Leng- 
auer  S,  das  ift  Solva,  gelefen,  dem  die  meiften  Heraus- 
geber gefolgt  find.  Mommfen  hat  richtig  T  wieder- 
gegeben. 

Punkte  zur  Trennung  der  Wörter  find  auf  der  In- 
fchrift  ebenfowenig  fichtbar,  wie  auf  dem  noch  fehr  gut 
erhaltenen  IV.  Meilenflcine. 

Um  nun  die  unverftünimelte  Infchrift  zu  recon- 
ftruiren,  gehen  wir  von  Zeile  9  aus,  die  wahrfchcinlich 
mit  KStTWRVI^  geendet  hat;  danach  ergibt  fich 
als  Anfang  der  10.  Zeile  CVRN,  wodurch  auch  der 
Anfang  der  9.  Zeile  beftimmt  ift;  die  8.  Zeile  habe  ich 
nach  Mommfen  ergänzt,  fo  dafs  der  Anfang  diefer  drei 
Zeilen  mit  dem  überlieferten  Anfange  der  7.  Zeile 
ftimmt.  Auf  diefe  Weife  erhalten  wir  eine  Infchrift  von 
regelmäßiger  Form,  für  deren  Regelmäßigkeit  auch  der 
Umftand  fpricht,  dafs  diejenigen  Schriftzüge,  die  noch 
deutlich  erkennbar  find,  eine  forgfältige  Arbeit  des 
Steinmetzen  bezeugen: 

ifvPC/t5LS£  PT 
S£\fRVSPVSPEKr 

PONlFTkB  POT-':.:i/v«Xn 
^         C0S'ipppR0C05;""    '" 

PiVSAVGTftßPOTMMPiiOCOSHT 


Viz  iVSTAlCOMAPiAHStTV-^^'^ 
10   Cy:^N-EM/V\fN-|OS    ROPROC  --' 
L£G  PR  PR  A  T  M   P 
XL 


Zeile  4.  Nach  POT  hat  Mommfen  mit  Recht 
Villi  IM  XII  ergänzt,  wofür  ein  infchriftlicher  Beleg  auf 
einer  Meilenfäule  (CIL  III  3746)  enthalten  ift,  welche, 
von  demfelben  Legaten  ii  demfelbcn  Jahre  wieder- 
hergeftellt,  an  der  Straße  von  Juvavum  nach  I.auria- 
cum  ftand. 

Zeile  7.  Der  Meilenftein  wurde  im  Jahre  201,  dem 
vierten  Tribunatsjahre  Caracalla's,  errichtet. 

Zeile  10.  Ob  der  Statthalter  M.  Juventius  Surus 
Proculus  —  woran  Gaisberger  (28.  Bericht  über  das 
Mufeum  Francisco-Carolinum,  Linz  1869,  246J  dachte 
—  diefelbe  Perfönlichkeit  ift,  die  dem  Kaifer  Severus 
fechs  Jahre  vorher  das  im  Mufeum  zu  Augsburg  be- 
wahrte Dedications-Monument  (CIL  III  5809)  zum 
Danke  für  die  Wicderherftellung  von  Mauern  und 
Brücken  errichtet  hat,  läfst  fich  nicht  entfchciden,  da 
auf  jenem  Monumente  von  dem  Namen  nur  VS  SVRVS 
erhalten,  SVRVS  aber  nach  Mommfen,  1 105,  ein  nicht 
feltenes  cognomen  ift. 

Die  Infchrift  führen  an:  Lcngauer,  mit  einer  Zeich- 
nung. Von  ihm  hängt   ab   Kleimayrn,  52;   von   letzte- 


rem Weilmeyr,  Top.  Le.x.  II  3  1 8,  und  wahrfchcinlich  Jos. 
Huber,  Der  Aufmerkfame,  181 8,  n.  24.  Hacquet,  I  218. 
Vicrlhaler,  Reifen,  349,  vgl.  y6;  wiedergegeben  von 
Koch-Steritfeld,  Rcpertorium,  j6,  Anm.  V.  K.  1825. 
Stephan,  Studienbibliothek  87  und  Wiener  Mufeum; 
aus  letzterem  Steinbüchel,  Jahrb.  XL  VI,  50,  n.  96;  be- 
richtigt LV,  22  Anm.  Bucliner,  Documente,  75  (führt 
irrthümlich  eine  Infchrift  an,  die  einer  bei  Apianus 
erhaltenen  [=  CIL  IIl  5722]  fehr  ähnlich  ift).  Ankers- 
Iiofen,  Handbuch,  i.  Abth.,  453.  Braune  (nach  See- 
thaler),  3.  Aufl.,  149  (2.  Aufl.,  29).  Hefner,  Salzburg, 
XXI.  Denkm.,  mit  Fig.  8;  danach  Steiner,  2809.  Kür- 
finger, 89,  vgl.  61    und   74,   mit  Fig.    VII.  Mommfen, 

Den  Meilenftein  erwähnen:  Vierthaler,  Intcll.-Bl. 
iSoi,  372  und  1803,  719,  wiederholt  in:  Wanderungen 
1  122  (danach  Franz  Sartori,  Neuefte  Reife  durch 
Oefterreich,  Salzburg  u.  f  w.,  Wien  1811,  2.  Bd.,  107) 
und  Anm.  n.  146.'  Mucliar,  Noricum,  i,  293.  Seethaler, 
Nachrichten  n.  III,  12,  und  Allgemeines  Verzeichnis 
n.  XI.  Siiß,  Das  ftädt.  Mufeum,  12,  n.  13.  A.  Hiibcr, 
Landeskunde,  1870,  9.  Richter,  Verzeichnis,  96. 


in.  Breitlahner  Brücke,  füdlich  vom  Radftädter 
Tauern. 

„Römilcher  Meilenzeiger  aufgefunden  auf  der  linken   Seite   des 

Taurachbaches  ein  wenig  oberhalb  dem  ehemaligen  Paß   1820 

Knechte  hatten  Kalk  gebrannt,  und  zu  dem  Ende  Steine  zufammen- 
getragen.  Wie  fie  den  Meilenzeiger  umwandten,  fahen  fie  die  Schrift 
und  ließen  ihn  liegen."  Winklhofer  (Manufcript  in  der  hiefigen  Studien- 
bibliothek). Ausführlicher  „neu  aufgefunden  auf  der  mittägigen  Seite 
des  Radftädter  Tauern  zwifchen  dem  1800  abgebrochenen  Pafs  und 
der  Breitlahner  Brücke,  eine  kleine  Strecke  vorwärts  diefer  Brücke 
links  am  Berge  hinan,  nicht  auf  der  rechten  Seite  der  Taurach,  wo 
jetzt  die  Straße  läuft,  fondern  auf  der  linken  bei  der  Stundenfäule 
26-'/jj  von  Salzburg".  Winklhofer"  „Meilenfäule  in  St.  Michael,  neben 
der  dermaligen  Tauernftraße  herunterhalb  des  Schmidberger  Wirthes 
.  .  .Eingemauert  auf  dem  Platze,  wo  fie  gefunden  wurde".  Steinbüchel 
(1829);  wie  hier  die  Worte,  „wo  fie  gefunden  wurde",  unrichtig  find,  fo 
beruhen  auch  die  von  Mommfen  aufgenommenen  Worte  „in  Sancfl 
Michael  u.  f.  w."  auf  einem  Mifsverftändnifte;  denn  die  folgenden 
Nachrichten  wiffen  —  was  Prinzinger  auch  durch  mündliche  Erhe- 
bungen feftftellte  —  nichts  von  einer  Uebertragung  des  Steines  nach 
St.  Michael.  „Bei  dem  Breitlahnbrückel  fteht  zur  Linken  der  Straße 
eine  römifche  Meilenfäule.  .  .  Vor  einigen  zwanzig  Jahren  hat  fie  der 
bereits  verftorbene  Liendlbauer  von  Strannach  jenfeits  der  Taurache 
an  der  .Sonnfeite  der  Wachtwände  in  der  Gegenrl  des  noch  fichtbaren 
Römerweges  gefunden.  Die  Infchrift  lag  im  Boden,  der  Rücken  des 
Steines  nach  aufwärts.  Die  Säule  war  nochmal  fö  lange,  durch  das 
Ungefchick  des  Finders  brach  die  untere  Hälfte  ab.  Der  Stegerwirth 
auf  dem  Tauern  verführte  die  Säule  nach  Radftadt  („vor  einigen 
[.-ihren  gefunden  und  vom  Plleger  zu  Radftadt  nach  Radftadt  ge- 
fchleppt,  wo  fie  fich  noch  befindet"  Stephan,  Studienbibliothek  1825), 
von  wo  fie  Pfarrer  Winklhofer  von  St.  Michael,  der  unermüdliche  Alter- 
thumsforfcher,  vom  Pnt'ggcrichle  Kadftadl  rcclamirte  und  erhielt.  Die 
Saide  kam  fonach  auf  ihren  alten  Fundplatz,  bis  der  k.  k.  Straßen- 
conimiffär  Zehenihofer  fie  durch  den  Wegmacher  Grueber  vor  unge- 
fähr 15  Jahren  auf  ihren  ilermaligen    Stand   hinfclzen   und    ihr   einen 


'  Der  Inhalt  der  „Wanderungen"  geht  größtciithcils  auf  Aufzeichnungen 
zurück,  die  Vierihaler  zwifchen  den  Jahren  1794 — 1806  gemacht  hat;  die  An- 
n-.erkungen  hat  er  vielfach  erft  Ijci  der  Herausgabe  im  Jahre    1816    hinzugefügt. 

*  So  citirt  Mommfen. 


—     95     — 


eigenen  Sockel  geben  ließ."  K'ürfin^er  (1853):  b^'"'  erhielten  das 
IJruchftück  einer  römifchen  Meilenfäule,  welches  .  .  .  am  fogenannten 
lireitlahnbrückl  fich  aufgeflellt  befand."  Süß  (1853). 

Der  kleine,  ebenfalls  aus  Kalkfchiefer  beftehende 
Meilenftein  hat  jetzt  nocli  eine  Hohe  von  85  Cm.,  ift 
oben  ein  wenig  abgerundet  und  zeigt  vorn  eine  ebene, 
nur  an  den  beiden  Seiten  nach  rückwärts  gekrümmte 
Fläche  in  der  Breite  von  46  Cm.,  welclie  die  Schrift 
trägt.  Rückwärts  ifl  er  jetzt  halbkreisförmig  mit  Mörtel 
übcrkleidet,  entfprechend  dem  cylindrifchen  Sockel, 
auf  dem  er  im  Mufeum  fteht;  doch  kann  man  auf  die 
Dicke  des  Steines  nach  dem  Loche  fchließen,  das, 
unterhalb  des  zweiten  P  in  Zeile  9  den  ganzen  Stein 
von  vorn  nach  rückwärts  durchbohrend,  12  Cm. 
tief  ifl  und  bis  an  den  Mörtel  reicht;  vermittelft  diefes 
Loches  wurde  der  plattenförmige  Meilenftein  „auf  der 
Fundftelle  an  einen  Felfen  geklammert"  (Stephan, 
Studienbibliothek,  86").  Die  Ausmalung  der  Schrift  mit 
fchwarzer  Farbe  muß  vor  der  Ueberführung  ins  Mufeum 
erfolgt  fein;  denn  ich  habe  aus  einigen  Buchftaben  am 
rechten  Rande  den  Mörtel  weggekratzt,  worauf  die 
fchwarze  Farbe  zum  Vorfchein  kam.  Am  Ende  der 
5.  Zeile  ift  unrichtig  noch  N  dazugemalt.  Zeilenhöhe 
durchfchnittlich  4'2  Cm.,  Abftand  durchfchnittlich 
I  Cm.,  von  der  9.  zur  10.  Zeile  38  Cm. 

i£VER\/5-P/'PER-A/C 
/\Rß-A3lA'PARrMAX 
PON-TR  Iß'POT-VlIll 
s     IN^-XIICOSII-P-PCO 
l'IN^CE5M'AVR 
ANTON /NV5 
PIV5-PA/CTr-PoT 

lxP';>>.PAoc 


ir 


XLI 


Diefe  deutlich  lesbare  Infchrift  verräth  die  Hand 
eines  fehr  nachläffigen  Steinmetzen,  indem  fie  mehrere 
Fehler  und  ungewöhnliche  Abkürzungen  aufweist: 

Zeile  2.  PL 

Zeile  3.  ARB  und  ÄilA. 

Zeile  5.  G  für  C  in  COS. 

Zeile  s  und  6.  P-PCO  IUI  hat  Mommfen  in  PRO- 
COS'ET  verbeffert;  vielleicht  könnte  man  noch  mehr 
ergänzen;  denn  da  der  Beiname  P(ater)  P(atriae)  auf 
keiner  der  hiefigen  Meilenfäulen  fehlt,  fo  hätte  der 
Steinmetz  wohl  P-P- PROCOS-ET  fchreiben  follen. 

Zeile  6.  CES  ftatt  CAES. 

Zeile  9  hat  Mommfen  richtig  bemerkt,  dafs  IUI 
ftatt  IX'PP  zu  fchreiben  war,  was  fich  aus  Zeile  5 
TRIB'POT- Villi  und  au.s  der  Vergleichung  mit  den 
anderen  Meilenfteinen  ergibt.'  Vgl.  Zeile  5. 

Außerdem  find  nachläffigervveife  einige  Punkte 
weggelaffen.  Die  Buchftaben  zeigen  im  allgemeinen 
eine  geringe   Regelmäßigkeit,   find   bald   größer,   bald 


kleiner  und  ragen  öfters  über  die  gewöhnliche  Zeilen- 
hohe  hinaus. 

Mit  Rückficht  auf  das  neunte  Tribunat  Severs 
müßen  wir  den  Stein  in  das  Jahr  201  fetzen. 

Die  Infchrift  führen  an:  Winklhofer  Sudienbiblio- 
thek;  Steyerm.  Zeitfchr.  1825,  6.  Heft,  153;  Manufcript, 
benützt  von  Mommfen.  Von  ihm  hängt  ab:  Orelli,  4975, 
Schedae  mus.  Vind.'  und  daraus  Steinbüchel,]2i\\x\,wc\\, 
46.  Bd,  51,  n.  100;  ihm  folgt  mit  einigen  Aenderungen 
Hefner,  Salzburg,  XXIII.  Denkm.;  dem  letzteren  folgt 
Steiner,  281 1.  Kürfinger,  73.  Mommfen,  5720. 

Den  Stein  erwähnen:  Mucliar,  Noricum,  i,  281 
Anm.  (nach  Winklhofer,  Steyerm.  Zeitfchr.).  Stephan, 
Studienbibliothek,  86  und  96.  Süß,  Jahresbericht, 
1853,  32.  A.  Huber,  Landeskunde,  1870,  4,  und  Ge- 
fchichte  3,  38.  Prinzinger,  Landeskunde,  1881,  89. 
Richter,  Verzeichnis,  95.  S.  P.  N.  II,  84   Anm. 

IV.  St.  Gertraud  bei  Mauterndorf. 

,.Juxta  eam  viam,  qua  itur  .  .  .  Danisweig."  Fickler  (1619).  „Uno 
alterove  tormenti  jactu  distat  Mauttcrndorffio  Ecclesia  Divae  Gertrudi 
.  .  Sacra;  ibi  prope  viam,  quae  Dambshoffium  tendit,  Columna  .  .  ." 
Zc«^ö«^r  (zwifchen  17Ü0 —  1766).  Dort  fah  fie  noch  Vierthaler  (ivi\- 
fchen  1794 — 1804).  Um  das  Jahr  1804  in  das  Studiengebäude  zu 
Salzburg  überfiihrt;  vgl.  die  Einleitung. 

Ein  fchöner,  mächtiger  Cylinder  von  weißer  Farbe, 
aus  Kalkftein,  i  M.  70  Cm.  hoch  und  50  Cm.  im  Durch- 
meffer.  In  der  Mitte  der  oberen,  wahrfcheinlich  erft  fpäter 
geebneten  Begränzungsfläche  ift  ein  ftarker,  6  Cm.  her- 
vorragender Eifenftift  eingekeilt,  mittels  deffen  wahr- 
fcheinlich der  kleine  Feldaltar  befeftigt  war,  der,  wie 
Lengauer  und  Vierthaler  fahen,  die  Säule  auf  ihrem 
Standplatze  bei  der  St.  Gertrauden-Kirche  krönte.  Den 
Dienft  als  Marterfäule  bezeugt  noch  die  unterhalb  der 
Schrift  eingehauene  kleine  Capelle  mit  Spitzbogen,  die 
durch  ein  eifernes  Gitter  gefchloffen  werden  konnte. 
Die  Infchrift  ift  in  der  Mitte  noch  fo  gut  erhalten,  als 
hätte  fie  erft  vor  kurzem  die  Werkftätte  verlaffen,  auf 
beiden  Seiten  dagegen  vollftändig  abgewetzt,  eine 
Erfcheinung,  die  weiter  unten  ihre  Erklärung  finden 
wird.  Zeilenhöhe  45  bis  5  Cm.,  Abftand  2  Cm.  Wann 
die  Buchftaben  mit  fchwarzer  Farbe  ausgemalt  wurden, 
ift  uns  nicht  überliefert. 

PCAiL^tPtMV.> 

3  P  E  RtNA7  AV  C  ■ 
BMXPONtFTP  ■ 
vP\i.C0S'iPPPROQ 
S   CASMAVKLNTOI^NV 
PR0Tli»PR0C05 
i!!!!!!!!!!!!!l!'iAuk\M 
G^JLAP^EStTV^i 

cVnMiMiv\ffvri(i.::'\ 

f(^       PROCVLOLEG 
PR  PRAT  M   P 
XLV 


'  Schon  Hefner  führt  in  willkürlicher  Weife  die  Infchrift  fo  an,  dafs  er 
Zeile  s  PROCON  fchreiln,  Zeile  6  IUI  lilgt  und  Zeile  9  IX  in  IUI  ;indctt; 
er  erwähnt  aber  dabei  nicht,  dafs  dies  nur  Conjet^turcii  find,  fonticrn  meint. 
es  fei  fo  auf  dem  Steine  cinKcmeißclt.  Die  Infchrift  hat  er  jedenfalls  nicht 
felbft  gefehen.  fondern  kennt  fie  nur  durch  Vermittlung  Stcinbüchcis ;  denn  er 
theilc  mit  diefem  den  Irrthum  bezüglich  des  Standortes  des  Steines. 


Zeile  I.  Da  man  oberhalb  <\q?^  rcclitsfeitigen  fenk- 
rechten  Striches  des  M  eine  Abfplittcrung  des  Steines 


So  von  Mommfen,  der  fie  benutzte,  citirt. 


-     96 


wahrnimmt  und  Zeile  7  MI  durch  M  ausgedrückt  ift, 
(o  ift  nicht  zu  zweifeln,  dafs  aucli  Zeile  i  das  I  mit  dem 
M  verbunden  war,  was  fchon  Mommfen  angedeutet  hat. 

Zeile  2  fleht  am  Anfange  das  fonfl  nicht  nach- 
weisbare Zeichen  3;  der  untere  Theil  desfelben  gleicht 
der  unteren  Hälfte  von  S,  und  Mommfen  vermuthet 
darin  wohl  mit  Recht  die  verfchränkten  Buchflaben 
VS.  Ueberhaupt  weist  die  Infchrift  noch  manche  mehr 
oder  weniger  feltfame  Formen  auf;  befondcrs  Zeile  8 
fcheint  "^  (ganz  deutlich  als  vorn  abgefchloffencr,  nicht 
als  vorn  abgewetzter  Buchftabe)  für  N  zu  flehen. 

Zeile  3  ift  unrichtil;^'■I  flatt'H  gemeißelt. 

Schreiten  wir  an  die  Rcconftruftion  des  unver- 
ftümmelten  Originals,  fo  müßen  wir  darauf  Rückficht 
nehmen,  dafs  die  Buchftaben  der  zwei  erften  Zeilen 
größer  fmd  als  die  der  folgenden  Zeilen;  ferner  dafs 
die  Regelmäßigkeit  der  Buchftaben  und  der  fich  von 
felbft  ergebende,  in  fenkrechter  Richtung  gleichmäßige 
Anfang  der  Zeilen  auf  der  Hnken  Seite  auch  einen 
gleichmäßigen  Abfchluß  derfelben  auf  der  rechten 
Seite  erwarten  laffen.  Auf  diefe  Weife  kommen  wir  zu 
folgendem  Originale: 

nvfCASL5EPtMvSSi:vfK 

pi3PERtMA7AVC;A--DAB 

PAKl/MXPONtFTRPOlVHM 

\NP)Q'COSnPPPKOQOStT\M' 

S  CASMAVffLNT0h[NVSPiy5ÄVG 
TR  R  OTii'-PROCOS  ET?SiiPTQt 
TAWOBC/vSN^Ll  A  h  AVÜ-TV5TME 
C0^1.APJAKStT\fRVi-T 
CVRN'ElMIVlftTIOSVKO 

ro       PROCVLOLEG 
PR  PRAT   M   P 
XLV 

Uebcr  die  Zeit  der  Aufftellung  des  Meilenfteines 
gilt  das  über  den  II.  Stein  Gefagte. 

Die  Infchrift  führen  an:  Lengauei- ;  ihm  folgt  Klei- 
mayrn,^ä,.  Hacqiiet,  220.  Vürt/ia/er,lnte\\.-B\.  1803,720 
und  (etwas  richtiger)  Wanderungen  i,  270,  vgl.  i,  131. 
Hjiber,  Der  Aufmerkfame,  1818,  Nr.  24.  V.  K.  1825. 
Stephan,  Studienbibliothek,  70.  und  Wiener  Mufeum; 
aus  letzterem  Steinbüchel,  Jahrbücher,  46.  Bd.,  50,  n.  95  ; 
berichtigt  55.  Bd.,  22   Anm.   Ankershofen,  Handbuch, 

1.  Abth.,   453   (drei  Lefearten:    i.  nach  Kleimayrn; 

2.  ohne  Angabe  des  Gewährsmannes;  3.  nach  Jabor- 
negg).  Braune  (nach  Seethaler),  3.  Aufl.,  150  (2.  Aufl., 
32).  Hefner,  Salzburg,  XXII.  Denkm.,  mit  Fig.  9, 
wiedergegeben  von  Kürfinger,  152,  mit  Fig.  9,  vgl. 
61,  und  Steüier,  2807.  Jabornegg,  Notizenblatt  1854, 
196  (wiederholt  im  Archiv,  6.  Jahrg.,  1 1 1)  und  Alterth. 
1870,  188.  Knabl,  Archiv,  4.  Jahrg.,  57  (nach  Jabor- 
negg, 1854).  Mommfen,  5715  und  11835. 

Den  Meilenftein  erwähnen:  Fickler  (bei  Gewold, 
p.  141)  gibt  ungenau  den  Standort  des  Steines  an, 
citirt  aber,  wie  Mommfen  richtig  bemerkt,  nicht  die 
vorliegende  Infchrift,  die  damals  noch  nicht  veröffent- 
licht war,  fondern  eine  aus  Aventinus  {z^  CIL  III  5722) 
ungenau  abgefchriebene.  Viertlialer,  Reifen,  "/ß.Muchar, 
Noricum,  i,  293.  Seethaler,  Nachrichten  n.  III,  13,  und 
Allgemeines  Verzeichnis  n.  X.  Süß,  Das  ftädtifchc 
Mufeum,  12,  n.  12.  A.  Huber,  Landeskunde,  1870,  10. 
Richter,  Verzeichnis,  92. 


V.  Hüttau. 

„Columnae  fragmenlum  conspicitur  in  via,  qua  .'^alisburgo  ilur 
Ratstaclium,  in  vico  Hiltcii,  iuxla  Ecciesiam  fixiini:  in  quo  et  Severi 
iuscriptio  cum  titulis  scu  cognominibus  Arabico,  Parthico,  et  Adiabe- 
iiico,  et  M.  Aurelio  Antonino:  licet  scriptura  vetustatis  et  proxinii 
amnis,  in  quo  leperluni,  iniuria,  pene  consumpta  est."  Fickler  (1619). 
,.Monumentum  Milliarc  ceinitur  retrol  Etclesiam  S.  Leonaidi  in 
Ilitlau."  Lengai4er  <i\\i{i:\\cn  1760 — 1766).  „Meilenfäule,  «eiche  vor 
200  Jahren  bei  Hüttau  im  Rinnfale  der  Fritz  gefunden  worden  ift", 
Vierthaler  (zwifchen  1794—1806).  Demnach  fcheint  der  Stein  im 
Jahre  1613  von  der  Fritz  angefchwemmt  worden  zu  fein;  denn  wir 
lefen  bei  Vierthaler  fReifen,  1799,  2)6  Anm.):  ,.Im  Jahre  1613  riß  die 
Fritz,  ein  Gebirgftrom,  welcher  oft  gewaltig  anfchwillt,  die  Kirche  zu 
llUttau  zur  Hälfte  ein,  wie  eine  Infchrift  an  der  Kirchenmauer  dafelbft 
bezeuget."  Um  das  Jahr  1804  wurde  die  Meilenfäule  in  das  Studien- 
gclKuide  zu  Salzburg  überführt;  vgl.  die  Einleitung. 

Ein  mächtiger  Cylinder  aus  Kalk-Plij'ilit,^  i  M. 
70  Cm.  hoch,  60  Cm.  im  Durchmcffer,  oben  von  einer 
ebenen  Fläche  abgefchloffen.  Er  zeigte  fchon  zu  Leng- 
auers  Zeit  diefelben  zahlreichen  Sprünge  wie  heutzu- 
tage. Zeilenhöhe  4-5  Cm.,  Abftand  2  Cm.  Die  von  dem 
Pfleger  von  Werfen  P.  v.  Kurz  (geftorben  1S29)  vor- 
genommene Ausmalung  der  Schrift  mit  fclnvarzer 
Farbe  ift  noch  an  einzelnen  Buchftaben  kenntlich. 

Die  Schrift  diefes  Steines  ift  arn  meiften  unter  allen 
hiefigen  Meilenfteinen  verblafst,  und  fchon  Lengauer 
fpricht  von  „litterae  paucae,  quas  adhuc  Lynceo  lu- 
mine  deprehendimus";  dennoch  vermochte  ich  die 
Infchrift  zum  größten  Theile  zu  entziffern.    Sie    lautet: 

LiEPT'^    IV  c 

AB-ADlAß-^''      H 

ONTiFM'\;(  \?0T 

f  PX  II   COSüf        0 

f^  '^^  C.  i:  ~" 

V-        Ol-    I 

CAESVWRELAr    ONIN 
M         MfyPO     III: 
P  i^  0  C. 
w  !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!    liLl   \ 
VETySTATu.CÖ^'  ,,PSA 

iTVEfWN^O        viTE 


E  NTiOSyHO 
Li:  C-PR-PS.-A 


tf 


Lengauer,  der  in  der  Entzifferung  der  Meilen- 
fteine  fehr  genau  ift,  konnte  auf  diefem  Steine  keine 
Diftanzangabe  entdecken.  Seethaler  aber  gibt  in  feinen 
„Nachrichten",  indem  er  fich  auf  Lazius  beruft,  ihn 
jedoch  ungenau  abfchreibt,  die  Diftanz  A-T-M-P*LX 
an  (und  nach  ihm  Braune,  3.  Aufl.)  und  hat  fpäter  im 
„Allgemeinen  Verzeichnis"  die  Zahl  nach  Lazius  richtig 
in  LIII  verbeffert.  Lazius  hinwieder  (Reipublicae  Ro- 
manae  in  e.xteris  provinciis  constitutae  commentario- 
rum  libri  XII,  Francofurti  a.  M.   1598,    p.    163)   fcheint 

'  D.imit  ftimmt.  dafs  mir  dort  eine  Stelle  h.irt  an  der  Mauer  des  Presby- 
teriums  In  der  Nahe  des  Sacrifleieinganges,  aber  doch  auf  der  Seite  der  Poft- 
ftraßc  aU  ehemaliger  Standplatz  des  Steines  gereist  wurde. 

-  Herr  Profciror  E.  Kugger  war  fo  freundlich,  mir  die  Gefteinsart  der 
einzelnen  Meilcnzeiger  zu  bcftimmen,  und  fügte  hinzu,  dafs  fie  dem  Charakter 
der  betreffenden  Gegenden,  bcziehungsweife  dort  vorkommenden  Findlingen 
entfpricht. 


—     97 


feinen  Meilenllein,  dem  er  den  Standplatz  „Norici 
tractu,  civitate  Styriae,  versus  Salisburgiim,  Rach- 
stadio"  zuweist,  von  Apianus  (Inscriptiones  sacro- 
sanctae  vetustatis,  Ingolstadii  1534,  411,  3)  entlehnt 
zu  haben,  delTen  Infchrift  Mommfen  unter  n.  5722  be- 
handelt hat.  Ich  werde  auf  letztere  Infchrift  noch  unten 
bei  der  Bcfprecluing  der  Diftanzangaben  zurück- 
kommen. 

Die  Zeitbeftimmung  unferes  Meilenfteines  ift  die- 
felbe  wie  bei  n.  IL 

Danach  erhält  man  ungefähr  folgendes  unver- 
flümmelte  Original  mit  ziemlich  fymmetrifcher  Anord- 
nuncf  der  Zeilen: 


Ein  im  ganzen  \  M.  83  Cm.  hoher,  i  M.  35  Cm. 
im  Umkreis  haltender,  vorn  (auf  der  Schriftfeite)  und 
rückwärts  ein  wenig  abgeplatteter  Cylinder  aus  Kalk- 
glimmcrfchiefer,  einer  Geflcinsart,  die  man  dort  mehr- 
fach bei  Findlingen,  die  von  der  Tauernkette  herrühren, 
antrifft.  Oben  ift  der  Stein  zu  einem  nur  5  Cm.  hohen 
Kegel  zugefpitzt,  während  in  der  Grundfläche  ein  Loch, 
wahrfcheiiilich  zum  Zwecke  der  Befeftigung  des  Steines 
am  Boden,  ausgehöhlt  ift.  Die  rückwärtige  Hälfte  des 
Steines  ift  von  oben  herab  bis  'j6  Cm.  über  dem 
Boden  faft  rechtwinkelig  ausgebrochen,  dem  Anfcheine 
nach  ein  natürliclicr  Bruch. 


10 


15- 


l;S  E  P  T I  M  I  V  5'i  iH  V  E  R 
P  h/S'PE  RTINlAX'AvG 
ÄRA  ß'ADIAB'PAKTHV\AA> 
P  ONTI  F^M  AXA■^Uß"POP^ 
/  MP-X  M'C05"Jlf--'PRO 

CAES-MAVR  E  L-A  NTQNIN^ 
FiV5-AvAA  Rl  ß'PO  PK II 

PRO  CüS'H  T 
K::Vi-Q  E  TA'iv  O  e-CA  E;  AA/1 1  L  I  A 
VET  VSTATE'CONLAPSA 
■ST  IT  VER  V  NTCVRANT  E'M 
-  E  NTIO-S  V  ROAA'AAlVL  0 
LE  G'P  R.pR.A'jVv- 
.M'P 


Die  Infchrift  führen  an:  Lengaiicr,  mit  einer  Zeich- 
nung; von  ihm  hängt  ab  Kleimayrii,  50.  V.  K.  1825. 
Stephan,  Studienbibliothek,  93,  und  Wiener  Mufeum; 
aus  letzterem  Sicinbüclicl,  Jahrbuch,  46.  Bd.,  50,  n.97; 
berichtigt  55.  Bd.,  23  Anm.  Braune  (nach  Seethaler), 
3.  Aufl.,  150  (2.  Aufl.,  30).  Jlefncr,  Salzburg,  XX. 
Denkm.,  mit  Fig.  7;  nach  ihm  Steiner,  2S07.  Mommfen, 
5723,  und  verbeffert  11837. 

Den  Meilenzeiger  erwähnen:  Fickler  (bei  Gewold, 
p.  141).  Viertlialer,  Reifen,  348,  und  Wanderungen  I, 
104,  und  Anm.  n.  132.  Seethaler,  Nachrichten  n.  III,  3, 
und  Allgemeines  Verzeichnis  n.  XII.  SiiJJ,  Das  itädti- 
fche  Mufeum,  12,  n.  14.  Prinzinger,  Landeskunde, 
1874,  69  und  72.  Richter,  Verzeichnis,  93.  Dürlinger, 
Pongau,  1  20. 


VI.  Concordiahütte  bei  Werfen. 

Dur  Mcik'nlUin  winde,  wie  mir  Herr  Dr.  l'elter  nülllieille,  im 
Jahre  1894  in  der  Salzach  nahe  dem  linken  Ufer,  hart  am  linksfeitigcn 
Kopfe  der  Uriicke,  die  bei  der  Balinnalion  Concordiahütte  (3  Km. 
nördlich  von  Werfen  im  Pongau)  über  die  Sahach  führt,  gefunden, 
von  der  Hüttenverwaltung  der  Concordiahütte  dem  Mufeum  gcfchcnkt 
und  im  Monate  Mai  dcsfelbcn  Jahres  in  dasfclbc  überführt. 


VI.  Mcilentlcin. 


Die  Schrift  i(l  größtentheils  verfchwundcti  und 
felbll  die  noch  vorhandenen  Buchftaben  verurfachen 
infolge  der  ftarken  Verwitterung  dem  Lefer  große 
Schwierigkeiten.  Zcilenhöhe  45  Cm.,  Abftand  l'5  bis 
2  Cm. 


X.WIII    X.  !■■, 


1.5 


-     98     - 


ONt  ^ 

S  illMM 

...OS 
y  R  E  L  i\l 

AVC 

OS  i:;T 
'"^    /////////// 

i  y  S  TAI  E 

VER 
V    NTIO 
R   PR 

Die  Schrift  betreffend  find  einige  fchief  gesellte 
Buchflabcn  zu  bemerken:  Zeile  2  und  1 1  T,  Zeile  12  i?. 

Zeile  10  find  nicht  einmal  Refte  von  Buchflaben 
zu  entdecken;  es  ift  dies  die  Zeile,  welche  den  abficht- 
lich  zerftörten  Zeilen  auf  den  drei  befprochenen  In- 
fchriften,  die  den  Namen  des  luventius  tragen,  ent- 
fpricht. 

Mit  Zuhilfenahme  diefer  Infchriften  läfst  fich  etwa 
folgendes  Original  wiederherftellen: 


lySFkiRriNAKAVG 

MAX  FONtFMAXTHB 
PGTyilll-IM'XiiCOSliPP 

PB  0  cosirr/ivfCÄS 

MA  VR  E  L  NTONIN 
pi  VS  AVC  iisS  FOTilii 
PfiOCOS  E  Ti'SSPT 

STVS  TÄTE  CO  N  LA  PS^ 

S  Sf  TV£RVN'CVnA\Tt 
MiVVBNTIOSVKO  ?R0( 
li^G  PR  PR  A  Wmiv^P 


10- 


1S 


Für  die  Zeit  der  Errichtung  des  Steines  haben 
wir  einen  Anhaltspunkt  in  der  Zahl  IUI  in  Zeile  6,  die 
uns  zunächfl;  auf  das  vierte  Tribunat  Severs,  das  in  das 
Jahr  196  fällt,  führen  würde.  Da  jedoch  Caracalla,  der 
erft  im  Jahre  198  zum  Mitkaifer  erhoben  wurde,  und 
Juventius  erwähnt  werden,  fo  werden  wir  nach  dem 
Mufter  der  Meilenfteinc  n.  II,  IV  und  V  die  Zahl  V 
vor  IUI  hinzufügen,  fo  dafs  wir  wiederum  das  neunte 
Tribunat,  alfo  das  Jahr  201  erhalten. 

Den  Meilenzeiger  erwähnt  Fetter,  Jahresbericht 
des  Mufeums  1894,  61. 

VII.  Golling. 

„Im  Markte  GoUing ..  .  ward  1803  vor  dem  Ilaufe  des  Brot- 
führers n.  60  der  Rumpf  einer  Römerfäule  als  Eckftein  gefunden." 
ll'änz/ir  (18091.  „Ein  Milliare  des  Kaifers  .Septimius  Scverus,  welches 
ich  als  Koadjutor  zu  Golling  in  den  Jahren  1800 — 1803  vor  dem 
Maufe  des  Brolführers,  größtentheils  in  der  Erde  befindlich,  gewahrte, 


kam  dem  Vernehmen  nach  bis  Wien."  Sleplum  (1825).  „Ging  bei  der 
Ueberführung  nach  Salzburg  verloren."  Seithalar  U837J.  Heim  Aus- 
graben des  Grundes  der  Faber'fchen  Häufer  in  Salzburg  im  Jahre  1873 
fand  man  ein  „Bruchftück  eines  Meilenfteines  an  der  Grundfefte  des  ein- 
aigen  Mirabcll-  oder  St.  Virgils-Thores."  Pizolt  (1874).  „Gefchenkt 
wurde  von  Herrn  Faber  ein  Bruchtheil  eines  römifchen  Meilenileines." 
Mujealberkhl  '  18741. 

Das  aus  Kalkflein  beflehende  Bruchflück,  das  fich 
durch  die  leichte  Rundung  der  Schriftfläche  als  Refl 
eines  Meilenfteines  verräth,  wurde  unter  dem  Mufeums- 
Direftor  Jofl  Schiffmann  in  der  vom  Eingange  aus 
rechten  Seitenwand  der  Antikenhalle  eingemauert.  Es 
hat  die  Geflalt  eines  Rechteckes  von  18  Cm.  Höhe  und 
25  Cm.  Breite,  deffen  linke  untere  Ecke  ein  wenig  ab- 
gefchlagen  ift.  Die  deutlich  lesbaren  Buchftabcn  find 
fchwarz  ausgemalt.  Zeilcnhöhe  4'S  Cm.,  Abftand 
1-5  Cm. 


Vl-5E\£R 


Wenn  man  CIL  III  202: 

imp  .  caESaRIDIVI 

1.  sepTiml.SeVErl-PIipert. 

u.  f.  w.  (7  Zeilen) 
M  •  aVrelio  •  ANTONINO  •  PIO  •  A  VG 
u.  f.  w., 

die  Infchrift  eines  in  Syrien  gefundenen,  aus  dem  Jahre 
213  n.  Chr.  llammenden  Meilenzeigers,  zur  Ver- 
gleichung  heranzieht,  fo  wird  man  nicht  irre  gehen, 
wenn  man  unfer  Fragment  dem  Caracalla,  dem  Sohne 
des  Divus  Severus,  zufchreibt.  Steiner  hat  das  Bruch- 
flück in  ähnlicher  Weife  auf  Heliogabalus  oder  Ale- 
xander Severus  bezogen,  von  denen  jeder  fich  in  amt- 
licher F'orm  als  Sohn  des  „Divus  Antoninus"  (Cara- 
calla) und  Enkel  des  „Divus  Severus"  zu  bezeichnen 
pflegte.  Es  find  jedoch  von  diefen  Kaifern  keine 
Meilenfleine  in  Noricum  zum  Vorfchein  gekommen, 
und  außerdem  weichen  ihre  anderweitig  gefundenen 
Meilenfleine  ein  wenig  in  der  Form  ab,  zum  Beifpiel 
CIL  III  6058,  3675,  226  und  3713. 

Der  unverllümniclte  Meilenflein  fing  demnach  mit 
folgenden  Zeilen  an: 

iM^CAES-DiV 
i.-SEPTiMI-SE\f"Ä!'PHvERT 

Die  Infchrift  führen  an:  Wänzler,  Intelligenzblatt 
1809,  70;  von  ihm  hängen  ab:  Weihneyr,  Top.  Lex.  i, 
246;  Seethaler  in  schedis  mus.  Salzburg;'  Hefner, 
Salzburg,  CIL  Denkm.,  der  unrichtig  die  Schenkungs- 
gefchichte  des  VIII.  Meilenfteines  hieher  bezog;  Steiner, 
2799.  Pezoll,  Salzburger  Volksblatt  1874,  n.  52  und 
Salzburger  Zeitung  1874,  n.  53.  Alonimfen,  11840. 

Den  Meilenflein  erwähnen:  F/Vr/Z^rfAv,  Intelligenz- 
blatt 1803,  721,    n.    XXI.    Stephan,   Studienbibliothek, 

'  Diefe  von  Monimfen  citirten  schedae  (Ind  im  hiefigcn  Mufcum  leider 
nicht  mehr  vorhanden;  fic  find  wahrfcheinlich  mit  dem  bei  dem  I.  Meilenfleine 
(Anm.)  angeführten  ^ianufc^ipt  Seethalcrs,  das  Braune  benützte,  identifch. 


99     — 


85-  Seethaler,  Allgemeines  Verzeichnis  XXVII.  Scliiff- 
inann,  Bericht  des  Mufeums  1874,  7.  Prinzinger, 
Landeskunde,  1876,  20.  Richter,  Verzeichnis,  92. 

Monnnfen  hat,  da  er  bei  feinem  Befuche  des 
Mufeums  im  Jahre  1857  das  Bruchftück  nicht  vorfand, 
unter  n.  5724  die  Fundgefchichte  und  Literatur  des- 
felben  auf  den  IX.  Meilenftein  bezogen. 


VIII.  Jadorf,  zwifchen  Golling  und  Hallein. 

„Koch-Sternfeld  liat  im  Monat  Aiigufl  v.  J.  (alfo  180S)  mehrere 
Monumente  entdeckt:  am  nördlichen  Ende  des  St.  Georgenhügels  am 
Gute  Bachrain,  kopfüber  am  Hnken  Straßenrande,  eine  römifche 
Meilenfäule,  welche  feit  dem  auf  Befehl  der  hochlöbl.  Regierung  in 
das  Pflegefchloß  Golling  gebracht  wurde."  Wänzler  (1809).  „Bereits 
vor  30  Jahren  (ließen  wir  an  der  Heidenftraße  bey  Jardorf  ob  Hallein 
auf  eine  Meilenfäule  und  flellten  diefe   an   der  Burg  zu  Golling  auf." 

Koch- Sternfeld (\%T,ii).  „ nach  GoUing  gebracht,  wo  er  hnks  vor 

der  Brücke  aufgeftellt  worden  ift,  über  welche  man  ins  Pfleg-Schloß 
geht."  Stephan  (1825).  „Eine  Meilenfäule  von  Golling  (fiehe  das  Salz- 
burger Intelligenzblatt  1809,  Fol.  69  und  70;.  Durch  die  befondere 
Gefälligkeit  des  k.  k.  Herrn  Pflegers  May  für  das  ftädtifche  Mufeum 
erworben."  Süß  (1844). 

Ein  Cylinder  aus  fchwarzem  Kalkftein  von  i  M. 
34  Cm.  Hohe  und  i  M.  84  Cm.  im  Umfange,  oben  von 
einer  einft  wahrfcheinlich  geebneten,  jetzt  aber  fehr 
zerfchlagenen  Fläche  abgefchloffen.  Die  Höhe  der  ein- 
zelnen Buchftaben  fchwankt  zwifchen  3'5  und  5  Cm., 
der  Zeilenabftand  zwifchen  i  und  2  Cm. 

Die  Infchrift  hat  an  einigen  Stellen  durch  Ver- 
witterung ftark  gelitten,  fo  dafs  fie  der  Entzifferung 
faft  ebenfo  große  Schwierigkeiten  bietet  wie  die  des 
V.  Meilenfteines. 

V)  D  N  M  t'    ^ 
C0N5TAvNTlN0i-i....  .l. 

\^xvicTOR^!:;    ^gni, 

g  OTOGEN  ERI...^vV^^N^ 
S     NATOCRI5POETC0N    M     p 
^TAN  T  I  N  0-ßfATlSSlMi::; 
CAfS'A  IV 

MP         XIII 

Die  conftantinifche  Zeit  verräth  fich  durch  die 
Unregelmäßigkeit  der  Schrift  und  durch  einige  der 
scriptura  actuaria  et  cursiva  eigene  Buchftabenformen : 
K  in  Zeile  i  und  4;  F  in  Zeile  i  und  2;  A  in  MAX 
Zeile  3. 

Das  X  des  letztangeführten  Wortes  wird  nur  ficht- 
bar, wenn  man  den  Stein  von  der  linken  Seite  be- 
leuchtet. 

Zeile  4  VMAN  für  HVMAN,  ein  Fehler,  den  wir 
auch  auf  dem  Meilenfteine  n.  X  b  annehmen  müßcn; 
einige  Beifpiele  der  Auslaffung  des  H  bei  anderen 
Worten  hat  Mommfen  p.  11 87  angeführt. 

Auf  der  rechten  Seite  der  Schrift  habe  ich  einige 
Buchftaben  entdeckt,  die  nicht  zu  der  dem  Kaifer 
Conftantin  I.  gewidmeten  Infchrift  gehören  können, 
eine  Eigenthümlichkeit,  die  noch  deutlicher  auch  bei 
dem  X.  Meilenfteine  zu  erkennen  ift  und  daher  dort 
erklärt  werden  wird;  diefe  Buchftaben  find:  Zeile  5   M 


und  (nur  wenig  fichtbar)  P;  Zeile  2  einige  Buchftaben- 
rcfte;  Zeile  i  (nach  F)  der  Anfang  eines  N  oder  M; 
Zeile  3  ein  Anfangsftrich  eines  Buchftaben;  hieher 
möchte  ich  auch  das  diefem  Striche  vorangehende  N 
rechnen,  weil  dadurch  die  vorliegende  Infchrift  mit  der 
des  Meilenfteines  n.  X  (5  gleichlautend  wird;  dafs 
aber  diefe  beiden  Infchriften  in  einem  engeren  Zu- 
fammcnhange  miteinander  ftehen,  folgt  befonders  aus 
dem  gemeinfamen  Fehler  VMAN,  wobei  hinzuzufügen 
ift,  dafs  in  beiden  Fällen  auch  das  Genitiv-i  fehlt.  Da- 
gegen hat  Mommfen  das  N  (=  noster)  zur  Infchrift 
Conftantins  gezogen. 

Das  unverfehrte  Original  hatte  alfo,  wenn  wir  die 
nicht  dazu  gehörigen  Buchftaben  abfondern,  folgenden 
Wortlaut: 


D  DNAJKL[^ 

constantinopkL  ^u 

AA/\ X  V  f  C  TO R  .>  EMAVGIn/, 
BO/VOCEN  ERISVMA/ 
S    NAT0CRf5PQETC0N  [M     P 
5TAN  Tl  NO-ßFATISSl/VOT] 
CAES-Aiv 

M    P        XIII 

Die  Erklärung  der  Infchrift  wird  bei  dem  Meilen- 
fteine n.  X  ^  gegeben  werden. 

Die  Infchrift  führen  an:  Wänzler,  Intelligenzblatt 
1809,  69  f ;  von  ihm  hängen  ab:  Weilvieyr,  Top.  Lex. 
I,  391;  Hefner,  Salzburg,  XXVI.  Denkm. ;  letzterem 
folgt  Steiner,  2800.  Koch- Sternfeld,  act.  Monac.  2,  2 
(1837),  tab.  7;  vgl.  14  und  71.  Monwifen,  5725  und 
11838. 

Den  Stein  erwähnen:  Vierthaler,  Wanderungen  i, 
55,  Anm.  n.  90.  Stephan,  Studienbibliothek  85.  Stein- 
3Är/i^/,Jahrbücher, 46.  Bd.,  5l,n.  98.  Siiß,  Das  ftädtifche 
Mufeum,  13,  n.  18.  Rupert  Mitterinidler,  Jahresbericht 
des  falzburgifchen  Mufeums  1858,  70.  Koch-Sternfeld, 
ebenda  1859,  58.  ^.  Huber,  Landeskunde,  1870,  11. 
Prijisijtger,  Landeskunde,  1879,  102,  und  1881,  3. 
Richter,  Verzeichnis,  93. 


IX.  Oberalm  bei  Hallein. 

„In  Oberalbe  an  der  Kaferer  Mühle  noch  ein  Milliare,  das  bcy 
der  Kaferer  Mühle  den  linken  Thüqifoften  nach  der  Fcldflur  bildet, 
und  fo  verwittert  ift,  dafs  daran  nur  noch  ein  P  und  II,  auf  Millia 
passuum  deutend,  erkennbar  find."  Seethaler.  Später  gerieth  der  Stein 
in  Vergcdcnheit;  denn  Si'iß  (\%12)  berichtet:  „Befondere  Erwähnung 
verdient  gewifs  auch  der  in  Obcralm  von  dem  Herrn  Juftin  von  Robert, 
Fabrikenbefitzer,  in  einer  Ilofraummauer  bei  der  Kaferer  Mühle, 
wo  er  aufrecht  ftehend  eingemauert  war,  neuentdeckte  römifche 
Meilenftein.  Der  genannte  Entilccker  ließ  ihn  in  das  Mufeum  ab- 
führen." 

Ein  I  M.  49  Cm.  hoher,  i  M.  23  Cm.  im  Umkreis 
haltender,  oben  von  einer  ebenen  Fläche  abgcfchlof- 
fener  Cylinder,  dcffen  horizontaler  Durchfchnitt  einen 
vorne  und  rückwärts  ftark  abgeplatteten  Kreis  ergibt. 
Der  Stein  ift  ftark  verwittert  und  von  mehrfachen 
Sprüngen  zerriffen.  Zeilenhuhe  45  C,  Abftand  2  Cm. 


«3* 


—       lOO       — 


IX.  AFeilcnftein. 

Die  nur  fchr  wenig  fichtbare  Infchiift  lautet: 

M'CAE    1 
CORDlAfp 


Der  Meilenzeiger  ifi:  dem  Kaifer  M.  Antonius 
Gordianus  III.  (238 — 244)  gewidmet. 

Da  die  Buchftaben  der  4.  Zeile  die  Refte  des 
Namens  Gordianus  zu  fein  fcheinen,  fo  waren  in  diefcr 
Infchrift  die  Vorfahren  des  Kaifers  aufgezählt. 

Die  von  Seethaler  angefülirten  Refte  der  Diftanz- 
angabe  P  II,  die  auf  die  Entfernung  (niillia)  pa.ssuum 
duo(decim)  hindeuten,  konnte  ich  nicht  mehr  ent- 
decken; anderfeits  ifl:  diefem  Gewährsmanne  der  aller- 
dings fehr  verblafste  obere  Thcil  der  Infchrift  ent- 
gangen. 

Die  Infchrift  führen  an:  Seethaler  in  dem  unten 
(Anm.  zum  X.  Meilenfleine)  angefüln-ten  Manufcripte, 
n.  LXXXIII,  3.  Süß,  Jahresbericht  1852,  45.  Movtmfen, 
5724  (nur  die  Infchrift;  vgl.  den  VII   Meilcnftein). 

Den  IMeilenftein  erwähnen:  Priiizinger,  Landes- 
kunde, 1881,  2.  Richter,  Verzeichnis,  92. 


X  a  und  b.  Aus  dem  Almbache   bei    Oberalm   nächft 
Hallein. 

^ante  Sexaginta  circitcr  vel  plures  omnino  aiinos  in  viciiiia 
Hallcnsis  Urbis...  propc  Filialen!  Ecclesiam  Obcralmb  e  praetei- 
niicnte  Amne  Albula  (Gtrm.  Almb)  extracta  et  jiixta  viam  publicam 
locata"  Lengauer  (zwifchen  1760— 1766).  „Zu  Oberalm,  gerade  vor 
dem  Tliorc  am  Schmelzwcrke  fahen  wir  eine  römifchc  Meilcnfäide. 
Im  Jahre  1726  wurde  fie  von  einem  Bauer  im  Albcnfiirlh  gefunden 
und  an  der  Slraßc  vor  feinem  Haufe  zum  Eckftein  verwandt.  Ein 
Arbeiter  in  der  Meffingfabrik,  welcher  ihren  Wcrth  ahndete,  lieferte 
dem  Bauer  dafür  einen  anderen  .Stein  und  verfetzte  das  Monument  im 
Jahre  1766  an  den  Eingang  der  I'abrik.  Durch  die  Stüße  der  Wagen, 
welche  da  befländig  vorbeifahren,  ifl  der  größte  Theil  der  Infchrift 
ausgetilgt  worden."  Vicrlhaler  (1816).  „Herr  Jüdin  v.  Robert,  F.ibriks- 
befitzer  in  Oberalm,  übergab  dem  Mufeum  jenes  infchriftliche  Römer- 
denkmal, welches  zunächll  dem  Thore  an  fci[iem  Fabriksgebäude  bis- 
her als  Eckftein  ftand."  Süß  ("18501.1 


X.  Meiicnrtein  (linke  Seile  1, 


X.  Meilenflein    die  rechte  Seite,  auf 

der  die  ältere  und   jüngere  Infchrift 

erkennbar  ifl). 


Ein  aus  Kalkftein  beflehender  Cylinder  von  I  M. 
14  Cm.  Höhe  und  i  M.  54  Cm.  Umfang;  er  ifl  jedoch 
fowohl  vorn  und  rückwärts,  als  auch  auf  den  beiden 
.Seiten  etwas  abgeplattet;  die  obere  Begränzungs- 
fläche  ifl  nur   ein    weni^r   zuijehauen.   Die   Infchrift    ifl 


'  Im  crften  Augcutjlicke  fcheint  auch  die  Rcmcrkun^  Wcilmiryrs  (181s), 
Top.  Lex.  2,  64  yX^KX  Bezirk  Oberalm  begreift  auch  die  Landgüter  Haunsberg, 
Wicßbach  und  Winkl  in  fich.  Hicfelbft  wurde  vor  50  Jahren  ein  römifchcr 
Meilenflein  aus  der  Oberalm  (Albe)  gehoben  und  aufgcftelit,  der  jedoch  der- 
malen \imgcworfen  vor  einer  Hütte  liegf*  auf  obigen  McilcnAein  zu  paffen, 
und  zwar  müßte  man  dabei  ein  Vcrfehcn  Weiimcyrs  annehmen  und  die  Be- 
merkung auf  die  Zeit  vor  dem  Jahre  1766  beziehen.  Jedoch  Sectlialer  erwähnt 
in  einem  im  bicfigcn  Mufeum  aufbewahrten  Manufcripte  (einem  lofen  Blatte) 
unter  n.  ..LXXXIII"  vier  Alterthümer  von  Überalbe,  und  zwar  führt  er  an 
/weiter  Stelle  oben  behandelten  X.  Mejlenzcigcr  an  und  fagt  dann  an  vierter 
Stelle  Folgendes :  „Ebendafclbft  neben  dem  Schloße  Haunsperg  an  der  Straße 
ywifchen  Hatlein  und  Ebenati  noch  eine  gleiche  voUftandig  verwitterte  Meilen- 
fäule." Diefcr  letzte  Meilenflein  Seethalers  ift  «ohl  identifch  mit  dem  Wcil- 
meyrs;  jetzt  fcheint  er  verloren  zu  fein. 


—     rol     — 


auf  den  beiden  Seiten  noch  halbwegs  erhalten,  in  der 
Mitte  aber  fafi:  vollftändig  verfchwunden;  hier  las  der 
gewiffenhafte  Lengauer  noch  einige  Buchftaben,  von 
denen  jetzt  keine  Spuren  mehr  vorhanden  find  (vgl. 
oben  Vierthalcr'),  nämlich  Zeile  i  NS  in  CONSTAN- 
TINO,  Zeile  2  T  in  VICTORI  und  Zeile  3  O  vor  GEN. 
Die  Buchftaben  find  —  jedenfalls  feit  älterer  Zeit  — 
mit  fchwarzer  Farbe  ausgemalt. 


KOFI  0 

DDNNV  LCO 

P"^/V\       VI'.    C 
AVC'            Gl/ 

i    i<:|.:MP£R^O^" 

NATc       Sl  V 

i'T  COM-  ^X 

STANTINO  / 

u  ISSIMISOIS 

CA  fj"  AI  WA 
MPVIlll 

NClPlDC^KlO 

M:VLC£NTISSIM0 


Zuerft  fällt  uns  die  unregelmäßige  Infchrift  Kaifer 
Conftantins  I.  und  feiner  Söhne  in  die  Augen,  welche 
einige  der  Vulgärfchrift  eigenthümliche  Buchftaben- 
formen  zeigt:  Zeile  3  und  5  Aa,  Zeile  3  Ä,  Zeile  i  und 
2  V.  Zeilenhöhe  45  bis  55  Cm.,  Abftand   2  bis  3  Cm. 

Dann  erblicken  wir  auf  der  rechten  Seite  noch 
Buchftaben,  welche  einerfeits  dem  Sinne  nach  nicht  zu 
der  erwähnten  Infchrift  paffen,  anderfeits  in  Zeilenhöhc 
und  durch  fchönere  Formen  abweichen.  Diefe  Refte 
laffen  erkennen,  dafs  der  Meilenftein  fchon  unter  Severus 
und  Caracalla  diefelben  Dienfte  geleiftet  hatte.  Momm- 
fen  erkannte  zuerft  die  doppelte  Bearbeitung,  während 
feine  Vorgänger  beide  Infchriften  in  finnlofer  Weife 
miteinander  verquickt'hatten.' Zeilenhöhe  4  Cm.,  Ab- 
ftand 3-5  Cm. 

Die  ältere  Infchrift  (Xa)  möchte  ich  mit  Heran- 
ziehung des  XI.  Meilenfteines  ungefähr  in  folgender 
Weife  reconftruiren: 


LSEPTiiviiOSEVEROPIOPEhTM 
A  R  ASAD I A e  P A RTMAX ß  R I TM AX 

poNmAK-mPo-Esmmvucosiu^pp 
cos  E  r  i  ivpc  a:;,5Havr/;;  /.an  ton  i  n  ; 

ci;;rmawhaxpon7>-;axtrpo'esxv; 

!MPJiiC0SiiiiPi'PR0C0SFCBT:-v5 
ACF-HJCiSJiMO^FJNJCIPIDON^O 
INDVLCENTISSIMO 


/l!^ 


M 


Zu  erwähnen  ift,  dafs  in  Zeile  2  der  vorletzte  les- 
bare Buchftabc  fcheinbar  L  ift;  doch  ift  der  wagrechte 
Strich  im  Vergleiche  mit  den  anderen  Schriftzügen  zu 
kurz  und  daher  als  ein  Fehler  im  Materiale  zu  be- 
zeichnen. Die  ICrklärung  derinfchrift  wird  beim  XI.  Steine 
folgen. 

Das  unverftiimmelte  Original  der  jüngeren  In- 
fchrift (X/')  dürfte  fo  gelautet  haben: 


ODNNU  CO^;  ■  TAN  TINO 
P'V'M  V;  VIC  OR  I  S  EMPfR 
A  V  C-  n  0  ;  vOC  ENtHiSVMAN 
N  AToCA^SPOET  CO  N 
i"  STANTINO  B:  ATI  S  SIAMS 
(AESAiWA 


Zeile  3  habe  ich  nach  dem  Beifpiele  des  VIII. 
Meilenfteines  VMAN  gefchrieben,  weil  das  anlautende 
II  keinen  Platz  hat. 

Zu  interpretiren  find  diefer  und  der  VIII.  Meilen- 
ftein: 

Dominis  nostris  Flavio  Constantino,  Pio,  Felici,  maxi- 
mo  Victori,  semper  Augusto,  bono  generis  humani 
nato,  Crispo    et   Constantino,   beatissimis    Caesaribus, 

a  Juvavo 
millia  passuum    tredecim.   1      millia  passuum  novem 
Nr.  VIII  I  Nr.  X  ^ 

Die  Zeit  der  Meilenfteine  n.  VIII  und  X  ^  ift 
nach  unten  durch  den  Beinamen  Viflor,  den  Conftan- 
tin  wahrfcheinlich  feit  der  völligen  Befiegung  des 
Licimus  (324)  führte,  nach  oben  durch  die  Ermordung 
des  Crispus  (326)  befi:immt.' 

Die  Infchrift  fuhren  an:  Lengmur,  mit  einer  Zeich- 
nung. Kleimayrn,  50.  Vierthalcr,  Intelligenzblatt 
1801,  122;  wiederabgedruckt  ebenda  1803,  433;  und 
Koch  -  Sternfdd,  Repert.,  55,  Note  **).  Buchier, 
Docum.  I,  75.  Schumann,  Juvavia,  Salzburg  1842,  275. 
Hcfncr,  Salzburg,  XVIII.  Denkm.  (eine  nach  Klei- 
mayrn und  Vierthaler  combinirte  Infchrift);  ihm  folgt 
Steiner,  2-jgj.  Mommfen,  5726  und  verbeffert  11S39. 
Ohlenfchlager,  Ephem.  II,  991. 

Den  Meilenftein  erwähnen:  Vierthaler,  Reifen, 
347,  und  Wanderungen  1,55.  Wcilvieyr,  Top.  Lex.  2, 
64.  Stephan,  Studienbibliothek,  98.  Seethaler,  Manu- 
fcript  des  Salzburger  Mufeums  (ein  lofes  Blatt), 
n.  LXXXIII,  2.  Süß,  Jahresbericht  1850,  14.  Prin- 
Singer,  Landeskunde,  1881,  7.  Richter,  Verzeichnis,  94. 

XI.  Henndorf. 

„Lapis  abiectus  t.imdiu  delituit,  iisqiie  dum  .ib  Illustrissinia 
familia  D  :  D  :  Comitum  ab  Überacker  e  barbarorum  tyrannorum 
eversionibus  erutus,  restauratus,  et  in  memoriam  .\ntiquitatis  Romanac 

'  Dafs  der  drittiiltelle  Sohn  Conllantius,  der  j.-j  zum  Caefar  er. 
nannt  wurde,  hier  nicht  erwähnt  wird,  ift  für  die  Zcitbeftinlmung  ohne  Belang 
da  wir  eine  ahnliche  AuslalTung  fchon  auf  dem  I.  und  III.  Meilenfteine  fanden' 
maximus  mnlj  hier  als  Adjefliv  zu  Viflor  aufgefafst  werden,  da  der  Beiname 
Ma.\imus  officiell  auf  Münzen  erft  in  den  letzten  Regierungsj.ihren  Conftantins 
auftritt  (vgl.  Cohen-Feuardcnt,  Dcscription  bist,  des  monnaies  frappees  sous 
1  empire  Rom.lin.  Paris  1888,  ed.  2..  tom.  7.  p.  227).  wenn  auch  Conftantin  in 
niclit  ofhcieller  Weife  fchon  früher  fo  bezeichnet  wurde  (vgl.  die  ftehende  An. 
rede  „Constantine  maxime"  bei  Nazarius.  paneg.  Const.  c.  3.  6,  29.  36  37 
38,  aus  dem  Jahre  321.  wozu  noch  paneg.  VII.  c.  13,  .ins  dem  J.ahre'sio' 
heranzuziehen  ift).  Den  Titel  Auguftus  crliielt  Conftantin  zuerft  vin  Maximia- 
nus  307.  Das  semper  wurde  entweder  nach  dem  Tode  des  letzteren  (310)  vor- 
gefetzt  (vgi.  paneg.  VI.  c.  1  , Maximiane,  velis  noUs,  semper  Auguste,  et  Con- 
stantine, oriens  Imperator"),  oder  nach  dem  Tode  des  G.alerins  (311);  denn 
CIL  III  5565  (aus  dem  Jahre  311)  werden  Maximinus.  Conftantinus,  Licinins 
scnipcr  Angusti  genannt.  Die  nezeichnung  bono  generis  humani  n.atus,  die  ich 
fonft  nirgends  finden  konnte,  nahm  Conftantin  wahrfcheinlich  im  Jahre  312  an, 
als  das  Volk  und  der  Senat  in  Rom  ihn  nach  dem  Unterg.tnge  des  Maxentius 
jauchzend  als  Befreier  begrüßten;  Eusebius  (vita  Constantini  I  41)  fagt  nümlich 
bei  der  Schilderung  jener  Ereigniire:  ...fiüv^  IE  (uä  »a!  Ivi  atijKiri  xoiviv  ™-(aitt.v 
«yO-pwiio:?  ex  »aoo  X'^P'"?  »'  tavtt;  Kwvatavtivov  (jinoX^iouv  enadnim."  Aehnli.lie 
A'w  III  '  "'""  ''"''^"  *■'■■  ^'^^^  anderweitig:  „bono  rci  publicae  natus- 
CIL  III  5326  und  Cohen,  p.  276,  n.  404;  „gandium  populi  Rumani",  p.  248, 
n.  160;  ..gaudium  Romanorum".  p.  248,  n.  164,  168.  169;  .saecnli  felicitas", 
p.  283,  n.  477;  „Salus  et  spes  reipublicae",  p.  28,1,  n,  480. 


102       — 


iterum  erectus  est  Anno  Domini  1541.  Eodem  insuper  anno  mox  prae- 
fata  lUustrissima  familia  huic  lapicli  altenim  quoque,  avitae  Religioni<i 
nostrae  Romano-Catliolicae  Monumentum  et  signaculum  imposuit 
Imaginem  niminim  Domini  ac  Salvatoris  nostri  crucifixi."  Dickh  (176ÖV 
^In  Straetsualtio  pago  (das  ift  Straflwalchen)  Saltzburgum  versus  lapis 
railiarius,  quem  medio  itinere  repercrunt."  Pighius  (15  74)-  „Extra 
Salisburgum  tribus  milliarib.  Germanicis  ab  hac  civitate  in  via  versus 
Austriam. . .  in  vico  Hcndorff."  FickUr  (1619).  „Zu  Henndoffif  J  meil 
von  Salzburg,  AltenlhannergTits  flehet  vor  dem  gerichtshauß  ein  ftainern 
runde  Saul."  Suinhaufer  (1601).  „Vor  dem  Haus  des  Wirlhs  Johann 
Moißl  fleht  eine  Säule;  an  Stelle  des  Gerichtshaufes  des  Altenthaner 
Gerichlesl  ift  vermuthlich  gegenwärtiges  Wirthshaus  gekommen." 
Hübner  (1796).  „Die  älteflen  Leute  fahen  die  Säule  dem  MoiÜI- 
Wirthshaufe  gegenüber  bei  der  Brücke  am  Wege.  Als  diefer  zu  einer 
Landflrafle  erweitert  wurde,  ifl  die  Säule  auf  die  entgegengefetzte  (von 
Salzburg  aus  rechte)  Seite  der  Straße  verfetzt  worden,  und  zwar  auf 
den  Platz,  wo  gegenwärtig  ein  Stadel  des  Wirthcs  fleht.  Bei  Erbauung 
diefes  Stadels  wurde  die  Säule  aber  an  das  Eck  des  Wirthshaufes 
überfetzt,  wo  fie  noch  flehet."  5/,///(J»  (i 816).  „Herr  Kafpar  Mofer. 
Brauereibefitzer  in  Henndorf,  unternahm  es,  den  vor  dem  Haufe  des 
Girlinger  Cjctzt  Lechner)  Wirthes  in  Henndorf  bis  jetzt  geflandenen 
römifchen  Meilenzeiger  von  dem  Eigenthümer  nicht  nur  zu  erwerben, 
fondern  er  führte  denfelben  mit  dem  daraufgeftandenen  mittelalter- 
lichen kubifchen  Auffatz  an  die  Schwelle  unferes  Mufeums."  Si'iß 
fiS54i- 


jtAS-L-SEPI- 
'PlOPEUriNA 

wp-vikos  •■/ 

(NfiCTOAVC; 
VcoM4X-GER" 
TIF/VWFTfllÖ 
ill-COSoill.p.P 
IfEticifiMO- , 


fLengauers  Zeichnung.) 

Eine  Itarkc  Säule  aus  Kalkftein,  die  fich  i  M. 
40"5  Cm.  über  den  Boden  erhebt*  und  i  M.  67  Cm.  im 
Umfange  mifst.  Der  horizontale  Durchfchnitt  ift  ein  fo- 
wohl  vorn  und  ritckw  ärts,  als  aucii  auf  den  beiden  Seiten 
abgeplatteter  Krei.s.  Die  Mitte  der  oberen,  wohl  erfl: 
1541  geebneten  (vgl.  n.  IV)  Begränzungsfläche  zeigt 
ein  Loch,  in  welchem  wahrfcheinlich  das  oben  erwähnte 
chriflliche  Monument  befeftigt  war.  Letzteres  beftand  au.s 
röthlichem  Kalkftein,  hatte  im  allgemeinen  kubifche 
Form,  nur  dafs  es  fich  oben  zufpitzte.  Es  ftellte  „an  der 

*  Wahrfcheinlich  a\if  Grund  diefer  K.ichricht  behauptete  Gaisherger 
(1853):  „Diefer  Stein  w.trd  von  Altentan  nach  Höhendorf  übertragen;"  denn 
nach  Pitlwein  erhielten  die  Ritter  von  Uebcracker  im  Jahre  1304  die  Herr- 
fchaft  Altenthan. 

-  Wenn  Lengaucr  die  Höhe  der  Säule  mit  5V3  Fuß  i'=  i  M.  79  Cm.), 
die  des  Auffatzes  mit  2'/.  Fuß  (=  8  Fuß  bei  Pighius)  angibt,  fo  ift  dies  nur 
ein  Vcrfehen;  denn  der  hlcilenftein  ficht  jetzt  noch  cbenfo  aus.  wie  in  der 
Abbildung  bei  Hcfner  fder  7  Fuß  angibt),  die  aus  der  Zeit  herrührt,  als  die 
Säule  in  Henndorf  fland. 


Vorderfeite  Chriftus  am  Kreuze  ausgehauen  dar.  Ge- 
trennt durch  den  Kreuzesftamm,  unter  den  Armen  des 
Heilandes  ifl  die  Jahrzahl  15  41,  und  unmittelbar  unter 
den  beiden  erften  Ziffern  das  Uiberacker'lche  Familien- 
wappen —  zwei  gegeneinander  gekehrte  Rader  im 
fchwarzen  Felde.  Diefes  Wappen  wiederholt  fich  auf 
der  Meilenfäule  unter  der  Infchrift  und  trennt  wieder 
die  obige  Jahrzahl".  (Gaisberger.)  Noch  jetzt  ift  das 
letztere  10  Cm.  hohe  Wappen  eingemeißelt  zu  fehen. 
Da  diefes  heidnifch-chriftliche  Monument  über  drei 
Jahrhunderte  an  der  Landftraße  ftand,  fo  hielt  ich  es 
nicht  für  unpaffend,  Lengauers  Zeichnung  desfelben 
getreu  wiederzugeben. 

Die  I.  Zeile  der  felir  gut  erhaltenen  Infchrift  ift 
7  Cm.,  die  2.  Zeile  5  Cm.,  die  3.  bis  12.  Zeile  45  Cm., 
die  13.  Zeile  6  Cm.  hoch;  ihr  Abftand  beträgt  07  Cm. 
Einzelne  Buchflaben  zeigen  noch  Spuren  der  Aus- 
malung mit  fchwarzer  Farbe. 

IMP-C/A5-L-SEPriM(0- 

SEVBRO-PIO-PERTINACI-AVC- 

ARAB-APIAB-PARTHICO-MAX- 
BRITAN-  M  AX-PONTlF-MAX-TR(B- 

5      PqrfS-lll-/MP-VII-C0S-ll-P.p.PROCoS- 
ET-IMP-CAS-M-AVRE  L(-ANTONINO- 
PIO-INVICTO-AVG-PARTHICOMAX- 
6RlTANNIC0-M/\X-GE  R  MAN  ICO- 
MAX-PONTIF-M/IX-TRI  ß-POTFS-XVI- 

10     |MP-lll-C0S-llll-P.P^'R0C05-F0RTlS 
SIMO-/\C-FFL(CIS5IMO-PRINCIPI- 
DOMIMO-IIMDVLCENTISSIMO' 

M'P-XI' 

Zeile  \.  Wenn  Gaisberger,  22,  und  andere  einen 
Fehler  des  Steinmetzen  (^IMR  ftatt  IMP)  conftatiren,  fo 
finden  wir  bei  genauer  Betrachtung,  dafs  der  die  Buch- 
ftaben  P  und  R  unterfcheidende  Strich  fich  nicht  un- 
mittelbar an  den  oberen  Bogen  des  P  anfchließt,  was 
fonft  bei  den  anderen  R  der  Infchrift  der  Fall  ift;  wir 
können  daher  nur  einen  Fehler  im  Materiale  annehmen. 

Zeile  I  und  6  CAS  ftatt  CAES,  ein  Verfehen  des 
Steinmetzen. 

Der  Meilenftein  enthält  —  eine  Erfcheinung,  die 
auch  anderweitig  vorkommt*  —  eine  doppelte  Zeit- 
angabe: das  dritte  Tribunat  Severs  weist  auf  das  Jahr 
195,  das  16.  Tribunat  feines  Sohnes  auf  das  Jahr  213 
hin.  Dadurch  wird,  wie  Hefner  bemerkt,  die  Wieder- 
herftellung  der  Straße  in  beiden  Jahren  bezeugt.  Dafs 
Sever  die  Straße  neuerbaut  habe  (Mommfen  „cippus. . . 
in  Severo  designat  annum  195  viae  opinor  inchoate"), 
möchte  ich  nicht  glauben,  da  man  doch  annehmen 
muß,  dafs  fchon  früher  eine  Verbindungsftraße  zwi- 
fchen  dem  Municipium  (feit  Hadrian)  Juvavum  und 
Ovilava  (Wels),  das  von  Hadrian  zur  Stadt,  von  Marc 
Aurel  zur  Colonie  erhoben  wurde,  beftanden  habe,  und 
da  es  unwahrfcheinlich  ift,  dafs  die  über  den  Radftädter 
Tauern  nach  Juvavum  führende  Heerftraße,  welche, 
nach  den  Worten  der  Meilenfteine  n.  II  und  IV  bis  VI 
,,Severus  ...    et  .  .  .    Aurelius  Antoninus...    miliaria 

*  Zum  Beifpiele  weifen  die  in  Ratien  gefundenen  Meilenfteine  CIL  III 
5980    5997  und  5999  auf  die  Jahre  195  und  315  hin. 


—     I03 


vctustate  conlapsa  restitucruiif  zu  fchließen,  fclion 
lange  vor  dem  Jahre  201  beftand,  bis  zum  Jahre  195 
nur  bis  Juvavum  gereiclit  habe. 

In  Zeile  3  und  4  werden  durch  einen  naheliegen- 
den Anachronismus  die  Beinamen  Parthicus  maximus 
und  Britannicus  maximus  dem  Sever  fchon  für  das  Jahr 
■95  beigelegt,  während  er  den  erüeren  erft  nach  der 
Eroberung  Ktefiphons  198,  den  letzteren  nach  der 
Befiegung  der  Schotten  210  annahm. 

Die  Infchrift  führen  an:  Pigliius  (der  fie  gelegent- 
lich feiner  Reife  nach  Italien  im  Jahre  1574  abfchrieb), 
15S7,  p.  213;  1609,  p.  141.  Von  ihm  hängen  ab:  Crz/Z^r, 
CLVII  i;  p^>r///«/^r,  Intelligenzblatt  1803,  432;  ver- 
beffert:  Reifen,  61  und  346.  Von  letzterem  hängt  ab 
Kocli-Sternfcld,  Repert.,  32,  Note  *.  Fickler  (bei  Gewold, 
p.  140).  Steitiliaiifer,  Chronica  der  Stadt  Juvavia,  Cap.  10 
a.  E. '  Lengatier,  mit  einer  Zeichnung,  39.  Diefem 
Manufcripte  find  einige  von  Dickh  (Pfarrer  in  Henndorf 
1763 — 1781)  gefchriebene  Blätter  beigebunden,  der, 
wie  er  fagt,  die  Fundgefchichte  aus  Hauspapieren  der 
gräfl.  Ueberacker'fchen  Familie  in  Sighardftein  abge- 
fchrieben  hat.  Von  Lengauer  hängt  Kleimayrn,  49 
(vgl-  13)  ab,  der  jedoch  nicht  deffen  vollftändige  In- 
fchrift, fondern  nur  den  Mittelftreifen  derfelben,  der  in 
die  Zeichnung  Lengauers  eingefchrieben  ift,  bringt. 
Buchner,  Docum.,  führt  die  Infchrift  i,  Ji  nach  Klei- 
mayrn, dagegen  i,  74  nach  Gruter  an  und  meint,  es 
feien  zwei  verfchiedene  Meilenfteine.  Scliumami,  Juva- 
via, 275  (nach  Kleimayrn).  Hitbncr,  Befchreibung, 
I.  Bd.,  192;  ihm  folgt  Weiliiicyr,  Top.  Lex.  i,  299. 
Georg  Piireberl,  Die  Reife  nach  Neumarkt  nächft  Salz- 
burg, Salzburg  1814,  7.  Stephan,  Intelligenzblatt  1816, 
760;  ihm  folgt  Honnayr,  Neues  Archiv  1830,  709. 
Matthias  Koch,  Reife  durch  Oberöfterreich  und  Salz- 
burg, Wien  1846,  93.  Hefner,  Salzburg,  XIX.  Denk- 
mal, mit  Fig.  6;  ihm  folgt  Steiner,  2798.  Gaisberger, 
Römifche  Infchriften,  1853.  Moinmfen,  5745.^ 

Den  Meilenftein  erwähnen:  Mucliar,  Noricuni  i, 
267  (nach  Vierthaler,  Reifen).  Steinbüchel,  Jahrbücher, 
46.  Bd.,  51,  n.  99;  berichtigt:  55.  Bd.,  23,  Anm.  Bene- 
difi  Pilhuein,  Gefchichte,  Geographie  und  Statiftik  des 
Herzogthums  Oefterreich  ob  der  Enns  und  Salzburg, 
Linz  1843,  5.  Th.,  255  (256,  Altenthan).  Süß,  Jahres- 
bericht 1854,  24.  A.  Hnber,  Gefchichte,  3,  12.  Richter, 
Verzeichnis,  93. 

Ueberlicht   über    die    Meilenfteine  des  Severus  und 
Caracalla. 

Ein  Vergleich  diefer  Infchriften  zeigt,  dafs  ihr 
Wortlaut,  abgefehen  von  den  durch  die  näheren  Um- 
ftände  bedingten  Verfchiedenheiten   und   von    einigen 

'  Diefcs  Manufcript  ift  nur  eine  Aljfchrifl,  injit  das  Original,  wie  eine 
Vcrglcichung  mit  dem  Aulograph  Stcinhaufers  im  Cod.  Monac.  Bav.  1699, 
469  ff.  ergibt. 

=  Bei  der  Prüfung  des  Wertes  der  von  den  ein/einen  Gewährsmännern 
angeführten  Infchriften  findet  man,  dafs  Lengauer  und  Stephan  gewiffenhafte 
und  für  die  damalige  Zeit  erfahrene  Bearbeiter  der  Infchriften  find;  aber  erft 
Mummfen  gcbürt  das  Verdierift,  eine  grundlegende  Arbeit  für  jede  weitere 
Forfchung  geliefert  zu  haben.  Ankershofcn,  Jabornegg  und  Knabl  haben  die 
hiefigen  Meilenfteine  nicht  aus  eigener  Anfchauung  gekannt.  Ueber  alle  anderen 
Ciewahrsmanner  muß  man  fagen.  dafs  fie  entweder  nicht  das  richtige  Vcrftand- 
nis  hatten  oder  oberfl.ichlicli.  ja  fogar  willkürlich  waren.  Diefe  Vorwürfe  kann 
m.in  auch  Kleimayrn  nicht  crfparen,  der  Lengauer  abfchrieb,  dabei  jedoch 
die  von  diefem  getreu  und  mit  Verftatidiiis  gezeichneten  Ligaturen  nicht  begriff. 
Klcitnayrns  Infchriften  aber  waren  für  eine  ganze  Reihe  von  Nachfolgern, 
unter  denen  ich  Weilmeyr  hervorhebe,  maßgebend.  Als  liefondcrs  unzulaffig 
find  Buchners  Infchriften  zu  bezeichnen.  Steiner  gibt  Copien  aus  Ilefner.  Das 
Verhältnis  Steinbücheis  zu  Stephan  ift  bei  dem  1.  Meilenfteine  dargelegt 
worden. 


P^chlcrn,  im  allgemeinen  derfelbe  ift.  Nur  der  dritte 
Meilenftein  hat  Felix  unter  den  Beinamen  Caracallas, 
das  fich  auch  auf  zwei  anderen  Meilenfteinen  Noricums 
(CIL  III  S704  und  5735),  und  auf  acht  Meilenfteinen 
Galatiens  findet  (CIL  III,  p.  1114).  Auffällig  ift  die 
Ungenauigkeit,  dafs  auf  I  und  III  der  Cäfar  Geta  nicht 
erwähnt  wird,  obwohl  fie  aus  demfelben  Jahre  (201) 
ftammen  wie  II,  IV,  V  und  VI.  Da  ferner  I  und  III  von 
unanfehnlicher  Geftalt  find  und  nicht  wenige  Fehler 
des  Steinmetzen  aufvveifen,  während  die  letzteren  vier 
Meilenfteine  fich  als  mächtige  Cylinder  mit  forgfältig 
ausgeführten  Infchriften  darftellen  und  den  kaiferlichen 
Legaten  verewigen,  fo  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dafs  I  und  III  einige  Monate  älter  find,  dagegen  11,  IV, 
V  und  VI  ihre  Entftehung  der  energifcheren  Fürforge 
für  das  Straßenwefen  von  Seiten  des  vielleicht  neu- 
ernannten Legaten  zu  verdanken  haben. 

Die  Diftanzangaben. 

Mifst  man  die  auf  den  Meilenfteinen  angegebenen 
Entfernungen  auf  der  Landkarte  ab,  fo  ftimmt  bei 
n.  II  (A-T-M-P-XL,  Tweng),  III  (XLII,  Breitlahner 
Brücke),  VIII  (A-IV-M-P-XIII,  Jadorf),  Xb  (A-IVVA 
■M-P- Villi,  Almbach)  und  XI  (M-P-XI,  Henndorf) 
die  Diftanzangabe  mit  dem  Fundorte  überein;  fie  ftan- 
den  alfo  in  der  Nähe  ihrer  Fundorte  an  der  alten 
Römerftraße. 

Bei  n.  I  fpricht  fowohl  die  Entfernung  von  Teur- 
nia  (A-T-M-PTIXXX)  als  auch  die  zum  Vergleiche 
heranzuziehende  Entfernung  des  Meilenfteines  von 
Tweng  (12.000  römifche  Doppelfchritte)  mehr  für  „die 
gefchnittene  Baumtratte"  als  für  die  ungefähr  2  Km. 
füdlich  davon  gelegene  Taferncr  Alpe  als  urfprüng- 
lichen  Standplatz. 

Dagegen  finden  wir  bei  n.  IV  einen  bedeutenden 
Widerfpruch  zwifchen  der  Diftanzangabe  (A'T'M'P* 
XLV)  und  dem  Fundorte  St.  Gertraud,  indem  jene  auf 
einen  urfprünglichen  Standplatz  hinweist,  der  von 
Teurnia  weiter  entfernt  war  als  Tweng.  Wenn  man  fich 
nur  von  dem  Fundorte  St.  Gertraud  leiten  ließe,  müßte 
man  —  was  Winklhofer  (Steyermärk.  Zeitfchrift 
1825,  VI.  Heft,  154)  und  andere  gethan  haben  — 
meinen,  dafs  diefe  Säule  der  Straße  angehört  habe,  die 
von  VirLinuni  über  Matucaium  auf  den  Radftädter 
Tauern  führte;  allein  da  an  diefer  Straße  kein  mit  T 
anlautender  Ort  gelegen  war,  auf  den  die  Entfernung 
M-P'XLV  paffen  würde,  fo  inüßcn  wir  den  Meilenftein 
der  von  Teurnia  ausgehenden  Straße  zufprechen.  Die 
auf  ihm  angegebene  Diftanz  ftimmt,  was  A.  Huber, 
Mittheilungen  1870,  10,  erkannte,  ungefähr  mit  der 
Tauernhöhe  überein,  fo  dafs  wir  annehmen  müßen,  dafs 
er  urfprünglich  dort  ftand.  In  chriftlicher  Zeit  wurde  er 
entweder  wegen  feiner  Größe  und  Schönheit  oder  da 
feine  damals  wohl  myfteriöfe  Infchrift  wegen  der  auf- 
fallenden Aehnlichkcit  des  mehrmaligen  f  mit  der 
Kreuzesgeftalt  für  eine  chriftliche  gehallcn  wurde,  bei 
der  St.  Gertraudenkirche  als  Mnrtcrfäule  aufgcftcllt, 
eine  Ehre,  die  in  älinlicher  Weife  auch  dem  Meilen- 
fteine n.  XI  in  Henndorf  widerfuhr.  Die  Uebcrführung 
fand  wahrfcheinlich  mittels  eines  Schlittens  ftatt,  indem 
die  Säule  in  der  Weife  darauf  gebunden  wurde,  dafs 
die  Infchrift  unmittelbar  auf  ihn  zu  liegen  kam  und 
dadurch  gefchützt  wurde,  während   die   beiden   Seiten 


I04     — 


der  Infchrift  über  den  Schlitten  nach  rechts  und  links 
hinausragten  und  daher  voUftändig  abgewetzt  wurden. 
Im  Anfchluße  daran  muß  ich  die  Diltanz  des  oben 
unter  n.  V  erwähnten,  von  Apianus  überlieferten 
Meilenfteines  (CIL  III  5722)  A-T-M-P-LIIII  in  Be- 
tracht ziehen.  Schon  Stephan  (Studienbibliothek,  97) 
hat,  von  der  Beobachtung  ausgehend,  dafs  die  Meilen- 
fteine  von  Oberalm  (Almbach)  und  Jadorf  die  Schritte 
von  Juvavum  aus,  dagegen  die  füdlich  vom  Radrtädter 
Tauern  gefundenen  von  Teurnia  aus  zählen,  bemerkt: 
„Ich  bin  überzeugt,  dafs  die  Meilenfäulen  von  diefen 
zwei  Orten  aus  nur  bis  auf  die  Höhe  der  Scharte  des 
Radllädter  Tauern  gefetzt  wurden  und  die  millia 
passuum  angegeben  haben."  Diefelbe  Anficht  fpricht 
Mommfen,  p.  694,  aus.  Da  die  Entfernung  A'T-M-P- 
XLV,  wie  ich  oben  gezeigt  habe,  auf  die  Tauernhöhe 
pafst,  fo  müßen  wir  entweder  den  RIeilenftein  des  Apia- 
nus wegen  Ungenauigkeit  in  das  Reich  der  Fabel  ver- 
vveifen,  oder,  wenn  wir  uns  dazu  nicht  entfchließen 
können,  ihm  einen  urfpriinglichen  Standort  in  der  Mitte 


von  Untertauern  und  Radfladt  zutheilen  und  annehmen, 
dafs  die  Zählung  der  Meilenfleine  von  Teurnia  aus 
noch  nördlich  über  den  Tauern  hinaus  erfolgte. 

Wie  oben  bei  n.  XI  und  I  bemerkt  wurde,  hat 
die  Straße,  welche  von  Virunum  über  Matucaium  nach 
Juvavum  führte,  fchon  lange  vor  dem  Jahre  201  n.  Chr. 
beflanden;  dagegen  wurde  die  Straße  von  Teurnia  über 
die  Taferneralpe  bis  in  die  Gegend  des  jetzigen 
Mauterndorf  erfl  im  Jahre  201  erbaut.  Dafs  die  erftere 
Straße  die  ältere  war,  dafür  fpricht  auch  der  Umftand, 
dafs  die  tabula  Peutingeriana  nur  diefe  kennt.  Die 
Meilenfteine  von  Mauterndorf  bis  auf  den  Radftädter 
Tauern  (n.  II,  III  und  IV^)  geben  jedoch  nicht  die 
Entfernungen  der  älteren  Straße,  von  Virunum  gerech- 
net, an,  fondern  die  der  jüngeren  Straße,  von  Teurnia 
gerechnet;  daraus  ergibt  fich,  dafs  feit  201  von  Santi- 
cum  aus  der  Weg  über  die  Taferneralpe  als  Haupt- 
weg nach  Juvavum  galt,  auf  dem  man  gegenüber  der 
alten  Straße  über  Virunum  und  Matucaium  mehr  als 
31.000  Doppelfchritte  erfparte. 


Mittelalterliche  Pfeudo-Cifternengräber. 


Von  Confervator  1'.  Friedrich  Emil. 


UN  Beitrag  zum  Capitel  der  mittelalterlichen 
Pfeudo-Cifternengräber'  fei  mein  Hinweis 
auf  einen  ähnlichen  Fund  in  dem  dem 
Stifte  Altenburg  gehörigen  Stranzlwalde.^  Dort 
erhebt  fich  nämlich  auf  der  öftlichen  und  höchllen 
Spitze  eines  Bergrückens  ein  ovaler,  abgeplattete!', 
künftlich  aus  reiner  Erde  aufgeführter  und  von  dem 
Graben,  aus  dem  diefe  Erde  gehoben  ifl,  umgebener 
mehrere  Meter  langer  Hügel  (Richtung  von  Oft  nach 
Wefl).  Am  Weflende  (Fig.  i)  liegt  bei  a  eine  aus 
trockenem  Steinmaterial  aufgemauerte  cylindrifche 
Vertiefung,  welche  ca.  125  M.   tief   und    05   M.    breit 


Fig.  I. 

ift  und  unten  auf  dem  blanken  flachen  Fclfen  aufficht. 
Diefe  brunnenartige  Vertiefung  wurde  vor  längerer 
oder  kürzerer  Zeit  von  der  Nordfcitc  her  angegraben. 
Ein  zweiter  Verfucli  einer  folchen  Grabung  zeigte  fich 
bei  b.  Eine  kleine  Vertiefung  bei  c  führte  mich  auf  die 
Entdeckung  einer  zweiten  cifternenartig  aufgemauerten 
Oeffnung;  der  rund  zubchauene  Stein,  der  fic  ver- 
fchloffen   hatte,    war    etwas    unter    den    oberen    Rand 


A.  Rzchak  in  dicfcn  Milth    XXVII  {1901).  133. 
-    Im    Stranzlwaldc  foll    cinflmals    ein  Dorf    ,,StranzcndorP     Ijcftandcu 
laben.  An  der  Nordfcitc  des  Hügels,  von  dem  hier  die  Rede    ift,    zeigen    ficli 
tcrrafTeiiförniige  Abhänge,  anfchcinend  ehemalige  Aecker  mit  Steinhaufen.  Von 
Dorfruinen   ficht  man  in  der  Nahe  nichts. 


h: 


hineingefunken.  Diefe  Vertiefung  wurde  von  der  Süd- 
feite angegraben;  fo  wurde  die  behutfame  Hebung  des 
Deckfleines  möglich,  unter  welchem  reine,  faft  gefiebte 
Erde  mit  etwas  Kohlenreflen  in  Afche  (?)  und  ein 
eiferner  ftark  \errofteter  Gegenftand  (Nagel)  mit  einer 
Oefe  an  dem  einen  Ende  (Fig.  3),  wie  man  fie  heute 
noch  an  Pflugaxen  durchfteckt,  um  das  Ablaufen  des 
Rades  zu  verhindern,  zum  Vorfchein  kamen.  Scherben 
oder  anderes  Material  wurde  in  der  Vertiefung  nicht 
gefunden. 

Ein  Längsfchnitt  durch  den  ganzen  Hügel  ergab 
jedoch  in  einer  Tiefe  von  ca.  20  Cm  glafirte  (!) 
Topffcherben '   neuer  Provenienz.    Ein    bis    zur    Fels- 


I 


Fig.  2. 


^''g-  3- 


unterläge  ausgeführter  Durchfchnitt  von  d  bis  e  (in 
einer  Tiefe  von  i  bis  12  M.)  lieferte  keinen  Fund,  wohl 
aber  die  Gewifsheit,  dafs  auch  auf  diefer  Seite  der  Tu- 
mulus  durch  künftliche  Anfchüttung  entftandcn  war. 
Wie  ein  Durchftich  (Fig.  2)  zeigte,  ifl  bei  der 
Anläse  diefer  Vertiefungen  rechts  und  links  von 
dem  diefe  Höhe  bekrönenden  Felfen  (Fig.  2/)  der 
Fels  geebnet  worden;  fodann  find  beide  Rohre 
angelehnt,  mit  Steinmaterial  umgeben  und  dann  mit 
reiner  afchenartiger  Erde  vcrfchüttet  worden.  Der 
Verfchluß    gefchah    bei    a    wahrfcheinlich    mit    einem 

■  Vgl.  Rzcli.ak  a.  a.  O. 


—     IC5 


platten  Steine,  bei  c  mit  einem  kugelartig  beliauenen 
oder  zugeformten  harten  Steine. 

Welchem  Zwecke  die  beiden  trocken  gemauerten 
Rohre,  auf  der  höchften  Spitze  des  Rückens  am  linken 
Ufer  des  Kampflußes  gedient  haben  mögen,  mögen 
fpätere  Forfchungen  ermitteln.  Es  kann  fein,  dafs  beide 
Rohre  fchon  vor  längerer  oder  kürzerer  Zeit  unter- 
fucht    und   beraubt   worden   fmd;    allerdings   war   das 


Rohr  c  noch  mit  dem  hineingefunkenen  Steine  be- 
deckt. Auch  die  Frage  bleibt  offen,  ob  nicht  auf  diefem 
Hügel  einft  eine  kleine  hölzerne  Behaufung  ftand  und 
die  beiden  kiinftlichen  Rohre  verfleckte  Depots  des 
Anfiedlers  waren.  Als  Brunnen  können  fie  nicht  ver- 
wendet worden  fein,  denn  hier  würde  fich  kaum  Waffer 
haben  erhalten  können. 


Kupferbeile  aus  dem  Bezirke  Königgrätz. 


Vom  k.  k.  Confervator  Ludwig  Schneider. 


JNderprahiftorifchen  AbthcilungdesHiftorifchen 
Mufeums    zu    Königgrätz    werden    feit   vielen 

ijahren  zwei  Kupferbeile  mit  doppelten,  quer- 
geftellten  Schneiden  aufbewahrt.  Das  eine  (Nr.  208), 
270  Mm.  lang  und  i'555  Kg.  fclnvcr  (Fig.  lO  und    11), 


nahen  Dörfchen  Zely  gelegenen)  Walde  gemachten 
Funde  erworben  hatte.  Es  war  hier  angeblich  eine 
größere  Anzahl  von  Gegenftänden  gefunden  worden, 
und  darum  ift  es  fehr  wahrfcheinlich,  dafs  auch  das 
zweite  285  Mm.  lange,  aber  nur  ri35  Kg.  fchwere  Beil, 


Fig.  I,  2  (Steinbeil  von  Bylar.y);   3,  4  (Kupferl  eil 
von  Krinec). 


Fig.  5,  9  (Kupferbeil  von   Dobra  voda);   6  (von   Rosnice);   7,  8,  9,    10,    1 1   (von 

Roudnice  Libcany). 


fchenkte  der  ehemaligen  flädtifchen  Alterthiimerfamm- 
lung  Herr  W.  Kupfer,  Befitzer  einer  lithographifchcn 
And  alt  in  Podebrad,  welcher  es  aus  einem  1865  durch 
einen  gewiffen  F.  Kuchynka  an  dem  ,,na  horkäch"  ge- 
nannten (im  Weichbilde  der  Gemeinde  Roudnice  bei 
Libcany,  nördlich  von  Roudnice  und  weftlich  von  dem 


(Fig.  7  und  8),  —  wir  wiffen  nicht,  wann  und  wie  es  in 
die  Alterthümcrfammlung  gelangt  ift  —  aus  diefem 
Funde  herrühre.' 


'   Diefc  Annahme  wurde  fpülcr  über  Anfr.lgc  durch  Herrn   Kupfer  fcihft 
hcftntigt;  der  Fund  gcfchah  auf  einem  Felde  feines  Srtiwiegerv.itcrs. 


XXVIII.  N.  F. 


14 


—     io6     — 


Beide  Beile  waren  urfpriinglich  von  einem  glatten, 
hellgrauenUeberzLige  bedeckt,  unter  welchem  fich  eine 
dicke  Schichte  hellgrünen  Malachits  tief  in  das  Metall 
eingefreffen  hatte.  Mit  der  Zeit  bröckelte  fich  die  Rinde 
faft  voUfländig,  die  Malachitfchichte  zum  größten 
Theile  ab,  fo  dafs  gegenwärtig  beinahe  auf  der  ganzen 
Oberflache  der  Beile  das  nur  von  einer  ganz  dünnen 
Schichte  rothbraunen  Kupferoxydes  überzogene  Metall 
zu  Tage  tritt. 

Die  horizontale  Schneide  des  leichteren  Beiles  wurde 
wahrfcheinlich  vom  Finder  durch  wuchtige  Ilammer- 
fchläge  an  der  einen  Langsfeite  verunflaltet  und  zer- 
fplittert.  Einige  der  abgetrennten  Splitter  wurden  durch 
Profefl'or  Linke  vom  chemifchen  Laboratorium  der 
k.  k.  Kunflgewerbefchule  in  Wien  einer  chemifchen 
Anah-fe  unterworfen  und  folgendes  Rcfultat  gewonnen; 

Kupfer 9947  Procent 

Blei Oio         „ 

Zink O- 1 1         „ 

Eifcn Spur 

Summa.  .    99-68  Procent. 
Feilfpjine  vom  zweiten  Beile  enthielten: 

Kupfer 9929  Procent 

Zinn 038         „ 

Eifen Spur 

Summa.  .   gg'Oj  Procent. 

Beide  Heile  fcheinen  alfo  aus  bloßem  Kupfer  ohne 
abfichtlichen  Zufatz  eines  anderen  Metalles'  hergeftellt 
worden  zu  fein. 

*  Ueber  Vermittlung  der  Central-Commiffion  hat  Profefl'or  Linke  noch 
einige  pr.'ihiftorifche  Artefacle  Taus  einer  Sammlung  des  Autors)  der  chemifchen 
Analyfe  unterworfen  und  dabei  gefunden  : 

11}  In  einem  großen  Halsringe  mit  abgeplatteten  und  zufammengerollten 
Enden  aus  dem  zweiten  Depotfunde  (1880)  von  Jicineves  bei  Jicin 
(i2  Beile,  5  Halsringe  mit  gerollten  Enden,  3  mit  Pfötchen.  Mittheiluugen 
N.  K.  VII,  p.  IL,  abgebildet  in  meinen  „Materialy  k  dejinäm  kulturnim 
lidi  bydlivsich  V  hofejsini  pofici  Labe",  Jicin  1881,  Artikel  2),  welcher  voll- 
kommen mit  zahlreichen  anderen  böhmifchen  Funden  von  Halsringen, 
wie  Sobcnic,  Oberklec,  Stachau.  Hospozin  und  mit  den  fchlefifchen 
Funden  von  Glogau  (auch  hier  feinere  Halsringe  mit  Pfctcheni.  Scheit- 
nig,  Piltfch  u.  f.  w.  übereinftimmt: 

Kupfer 97*31  Procent 

Zinn o'S9         n 


Sun 


97 


60  Procent. 


Der  Reft  cntKiclt  Blei  und  Kifen  und  eine  organifclie  Materie 
(wahrfcheinlich  Ocl,  womit  die  Bohrfpanc  vielleicht  in  der  SchlolTcr- 
wcrkftättc  der  Zuckerfabrik  verunreinigt  wurden). 
t)  In  einem  kleinen  Beile  mit  fehr  niedrigen  Randleiflen  und  beinahe  halb- 
kreisförmiger Schneide,  115  Mm.  lang  und  181  Gr.  fchwer,  aus  dem. 
fclben  Depotfunde; 

Kupfer 92*  14  Procent 

Zinn 7*72         V, 


Summa..    99*86  Procent. 

Es  ill  gcwifs  lehr  bemerkenswerth,  dafs  das  Metall  des  einen 
von  den  bcifammcn  gefundenen  Gcgcnftanden,  des  Halsringes,  fo  wenig 
Zinn  enthalt,  wahrend  in  dem  Metalle  des  anderen,  des  Beiles,  beinahe 
8  Procent  Zinn  gefunden  wurden.  Es  wurde  auch  bei  anderen  Funden 
(Hospozin,  Stachau,  Richly,  Bronzezeit  in  Böhmen)  conftatirt.  dafs  die 
groben  Halsringe  mit  abgeplatteten  und  eingerollten  Enden  faft  nur  aus 
unreinem  Kupfer  beftehen.  Man  kann  daraus  fchlielien.  dafs  zur  Anfer- 
tigung billiger  Schmuckgegenft.'inde,  bei  welchen  die  Harte  des  Metallcs 
nicht  in  Betracht  kam,  tlie  priihiftorifchen  Metallarbeiter  fich  noch  lange 
Zeit  hindurch  mit  bloßem  Kupfer  begnügten,  als  bei  Anfertigung  der 
fcharfen,  alfo  harten  Waffen  und  Werkzeuge  bereits  recht  bedeutende 
Mengen  des  theuren  Zinnes  als  Härtemittel  verwendet  wurden. 
c)  In  dem  Bruchflückc  eines  maffiven  fvon  den  Findern  zerbrochenen) 
offenen  Fußringes  ohne  alle  Verzierungen  und  mit  gleichf.xm  abge- 
hackten verjüngten  Enden,  welche  Montelius  in  die  erfte  Hälfte  feiner 
I.  Bronzepetiode  verlegt  (fie  kamen  in  dem  Depot  von  Glogau  mit  Beilen 
und  Halsringen  vor,  in  Böhmen  zu  .Stolmif  bei  Böhmifch-Brod  —  Geo- 
logifchcs  ln(\itut  der  böhmifchen  Univerfitat  —  ähnliche  in  den  Funden 
von  Sobcnic,  N'tclno,  Zvoleneves),  aus  graugelbem,  fehr  weichem  Metall 
und  aus  einem  um  18B4  im  Walde  nachft  dem  Cesover  Burgw.alle  bei 
Jicineves  gemachten  Depotfunde  (der  Fund  gelangte  in  den  Befitz  des 
vcrftorbenen  Revierförfters  von  Jicineves,  delTen  Schwager  mir  einen 
ganzen  King  und  zwei  Bruchdücke  eines  anderen  abtrat;  den  ganzen 
Ring  habe  ich  in  dem  ftädtifchen  Mufeum  zu  Jicin  deponirt)  herrührend: 


Der  GrundwirthJohannSuchanek  imDorfeRosnice 

(norduefllich  von  Königgrätz)  ließ  feit  1881  die  hinter 
den  W'irthfchaftsgebäuden  feines  Hofes  Nr.  36  an- 
flehende humofe  Erde  abgraben.  Bei  diefen  Arbeiten, 
welche  einige  Jahre  dauerten,  wurde  außer  anderen 
Gegenftänden  eine  filbenie  römifche  Fibula  (König- 
griitzer  Mufeum)  und  angeblich  bei  einem  Skelete  ein 
einfaches  Kupferbeil  von  137  Mm.  Lange  gefunden. 
Die  Verfuche,  das  Beil  gleichfalls  für  das  Königgrätzer 
Mufeum  zu  erlangen,  hatten  keinen  Erfolg;  als  die 
Witwe  Suchfinek  das  Beil  der  Mufeumsverwaltung 
auf  kurze  Zeit  lieh,  wurde  unterlaffcn,  das  Gewicht  zu 
erheben  und  eine  gute  Photographie  anzufertigen,  und 
fpäter  nahm  ihr  Sohn,  ein  Gärtnergehilfe,  das  Object 
nach  Prag  mit. 

Der  Zeichnung  nach  (Duska,  Nalezy  pi^edhistoricke 
Tab.  III,  Fig.  12)  ftimmt  die  Form  des  Beils  (Fig.  6) 
mit  einem  bei  Jordansmühle  (Kreis  Nimtfch)  in 
Schlefien  gefundenen  und  von  Montelius  in  deffen 
Anhange  zur  „Chronologie  der  älteflen  Bronzezeit" 
abgebildeten  Kupferbeile  (nach  Mertins  aus  ggOo  Pro- 
cent Kupfer  mit  Spuren  von  Zinn  und  Blei)  überein. 

Ein  viertes  Kupferbeil  aus  dem  Königgrätzer 
Bezirke  wird  im  Mufeum  zu  Hofic  aufbewahrt.  Es 
wurde  bei  Entwäfferung  der  Flur  ..Meziluzi"  zwifchen 
den  Dörfern  Dobrävoda  und  Liskovice  bei  Horic  ge- 
funden (Fig.  5  und  9).  Der  wackere  Schmiedemeifler, 
in  deffen  Befitz  das  feltene  Objeft  zunächft  gelangte, 
trat  es  für  das  gleiche  Gewicht  von  Kupferkreuzern  der 
Hoficer  Mulealgefellfchaft  ab.  Der  Mufealcuftos  Po- 
korny  überbrachte  mir  das  Kupferbeil,  welches  auch 
1891  in  der  retrofpefliven  Abtheilung  der  Prager 
Jubilarausflellung  ausgeftellt,  im  Kataloge  sber  irrthüm- 
lich  als  Beil  aus  Eifen  angeführt  war,  gefälligft  zur 
Abzeichnung  und  Gewichtserhebung.  Der  Form  nach 
ftimmt  es  mit  vielen  Kyprifchen  Kupferbeilen  überein 
und  wiegt  316  Gr.  bei  I15  Mm.  Länge.  Eine  Photo- 
graphie anzufertigen,  fehlte  mir  die  Zeit. 

Das  Beil^des  ftädtifchen  Mufeums  in  Nimburg,  das 
Confervator  Cermäk  im  Vestnik  musei  1899  als  denen 
von  Roudnice  ähnlich  bezeichnet  hat,  gleicht  nicht  den 
Doppelbeilen  von  Roudnice,  fondern  ift  ein  fehr  großes 
kupfernes  Hammerbeil,  250  Mm.  lang,  2-i  i  Kg.  fchwer 
(Fig.  3  und  4).  Nach  gefälliger  Mittheilung  des  Cuftos 
Jedlicka  wurde  diefes  Hammerbeil  auf  einem  Felde  bei 
dem  Städtchen  Kfinec  (Bezirk  Nimburg)  gefunden  und 


Kupfer 82*56  Procent 

Antimon i6*03         „ 

Sandkörner 0*90         „ 

Eifen )      _ 

Blei i      Spur 

Summa....  99*48  Procent. 

Prähiftorifche  Artefatflc  aus  Antimonbronze  wurden  bereits  mehr- 
mals in  Ungarn  und  Siebenbürgen  gefunden,  auch  einige  in  Oftpreußen 
gefundene  Bronzcgegenftandc  enthielten,  nach  Dr.  Otto  Helm  in  Danzig, 
Antimon,  aber  in  der  Regel  neben  größeren  Mengen  von  Zinn  oder  nur 
in  kleinen  Mengen  (Maximum  4*48  Procent  in  einem  Hohlcelte,  Ver- 
handlungen  der  Berliner  Anthropologifchen  Gefellfchaft  1897,  S.  124). 
tf)  Ein  maffives  Beil  (Schaftcelt)  von  670  Gr.  Gewicht  und  19s  Mm. 
Liinge,  irgendwo  im  Königgrätzer  Krcife  gefunden,  mit  fpitzwinkeligcm 
,\bfatz  und  uhne  Randleiflen;  es  ftimmt  in  der  Form  mit  den  beiden 
Bronzcbcilen  iibcrcin,  welche  zu  Königgrätz  beim  "Umbaue  des  HaufeS 
\r.  138  am  Ringplatze  mit  (angeblich  50)  Golddrahtgewinden  gefunden 
wurden;  einigermaßen  auch  mit  den  Beilen  aus  Belec  (im  Königgrätzer 
Mufeum),  vom  Berge  Melechov  bei  I.edec  und  denen  aus  dem  erften 
(vor  1826  gemachten)  Depotfunde  von  Jicineves;  feine  Legirung  enthalt: 

Kupfer 9S*99  Pi"occnt 

Zinn 3'  10         n 

Eifen Spur 

Summa..  99*09  Procent 


I07     — 


dem  Mufeum  von  einem  im  Vorjahre  verflorbenen  Herrn 
Skobis  gefchenkt.  Der  Form  nach  gleicht  es  einiger- 
maßen dem  viel  kleineren  (Gewicht  r  162  Kg.)  kupfernen 
(99'87  Procent  Kupfer)  Hammerbeile,  welches  auf  dem 
Galgenberge  bei  Ottwitz  (Kreis  Strehlen)  in  Schlehen 
gefunden  wurde  (Montelius,  Chronologie  S.  218);  doch 
felilt  dem  Ottwitzer  Hammerbeile  die  Röhre,  und  hat 
dasfelbe  eine  viel  breitere  Schneide,  fo  dafs  es  faft 
dreifeitig  erfchcint. 

Von  befonderem  Intereffe  ift,  dafs  zwei  im  Gräber- 
felde von  Bylany  bei  Böhmifch-Brod  gefundene  ge- 
fchweifte  Hammerbeile  aus  Stein  (Fig.  i  und  2)'  offen- 
bar folchen  kupfernen  Hammerbeilen  nachgebildet  find. 

Im  Brüimer  Franzeiismufeum  befindet  fich  ein 
kupfernes  Doppelbeil  mit  quergefteliten  Schneiden, 
welches  dem  einen  Doppelbeile  von  Roudnice  voll- 
kommen ähnlich,  1822  auf  dem  Berge  Ruda  bei  Platfch 
(^Plavec  im  Bezirke  Znaim)  angeblich  in  einem  alten 
Eifenerzbau  gefunden  wurde.  Auch  ein  kupfernes 
Hammerbeil  befindet  fich  hier,  1872  bei  Rofic  wefllich 
von  Brunn  gefunden,  doch  nicht  von  der  Form  des 
Kfinecer  Hammerbeiles;  das  Roficer  ficht  vielmehr  fo 
aus,  als  wenn  man  einem  Doppelbeile  mit  quergefteliten 
Schneiden  die  horizontale  Schneide  etwa  in  der  Mitte 
des  betreffenden  Armes  abgehackt  hätte.  Auf  dem 
Arme  mit  der  fenkrechten  Schneide  befinden  fich  an 
der  das  Schaftloch  umgebenden  Röhre  drei  tiefe  keil- 
förmige Eindrücke. 


Im  Herbfle  1901  wurden  im  Weichbilde  des 
Dorfes  Ostfetin  (Bezirk  Pardubic,  22  Km.  füdöftlich  von 
Königgrätz)  beim  Legen  von  Drainageröhren  in  der 
Nähe  der  „na  hradcich"  genannten  Lehne,  i  M.  tief  un- 
gefähr 15  Golddrahtgewinde  ausgegraben,  welche  mit 
Schleifen  endigten  und  fo  ineinander  gefchlungen 
waren,  dafs  fie  eine  Art  Kette  bildeten.  Der  größte 
Theil  der  Gewinde  gerieth  in  die  Hände  von  Gold- 
arbeitern, nur  zwei  erwarb  das  Mufeum  zu  Pardubic.^ 

Zur  vollen  Würdigung  diefer  Funde  haben  wir  in 
Betracht  zu  ziehen,  dafs  im  Königgrätzer  Kreife  bereits 
mehrfach  Funde  von  Golddrahtgewinden  gemacht 
worden  find.  Diefe  find  namentlich: 

In  der  Sladt  Königgrätz  felbfl: 

<>)  1853  bei  dem  Graben  von  Keilenäiinien  in  dem  Gemeindebaufe 
Nr.  230,  drei  „Königgrätzer  Achter"  3  und  neun  kleinere  Gold- 
drahtgewinde, welche  wie  eine  Kette  ineinander  gefchlungen 
waren  (Woccl,  Casopis  ces.  mus.  XXVII  573,  Sitzungsberichte 
der  k.  Akademie  der  WilTenfchaften  18531; 

/'/  bei  dem  Baue  einer  MilitärfchieflfVätte  vor  dem  ehemaligen 
Schlefifchen  Thore  einige  Gewinde  (Duska,  Nälezy  pfcd- 
historickfi  v  kraji  Krdlovehradeck^m  p.  9); 


'  I.  Gcfiitidcn  im  Gr.ibe  Nr.  31  nchen  einem  mit  eiiigczogeiicii  ßciiien 
hcgrabcnen  Skelctc  zuelcicli  mit  einem  FlintmetTcr  und  einem  gehenkelten, 
krugfbrmigcn  Gefäße  ohne  Orn.iment. 

2.  Gefnnden  im  Gr.lhe  Nr.  35  bei  einem  faft  voIHg  nufgelbsten  Skclete 
und  verbrannten  Knochenpartikeln  an  zwei  vcifcliicdenen  Stellen,  mit  einem 
Steinkeile  und  den  Bruchftiicken  von  ficbcn  Gefiißen.  danmter  drei  Amphoren, 
einem  den  Srhnurbechcrn  gleichenden  Gefäße  und  drei  halbkugelförmigen  (.-) 
Gefäßen  mit  hohem  Hälfe.  Pic   Pam.itky   archacologicke  X\'1I  381   ff. 

-  Bericht  der  Mufealverwaltung  fiir  das  Jahr  1901,  Pernstyn.   190a  Nr.  5. 

■^  Zwei  folche.  aber  bei  weitem  kleinere  Achter  aus  C^olddraht.  deren 
fchleifenfürmige  Enden  zu  Kmgerringcn  gerollt  find,  wurden  zu  Tschanfchwitz  im 
fchlcfifchcn  Kreife  Strehlen  in  einer  (iratiurne  und  ficben  oder  .acht  Paare  von 
folchen  zu  Brzezie  im  Pofener  Kreife  Plcfchen  unter  einem  Sleinblockc  gefun- 
den (Olshaufen.  Verhandlungen  der  Berliner  anthropoloyifclien  Gefellfchaft 
i386,  S.  46). 


cj   1884  am  großen  Ringe  vor  dem  ILtufe  Nr.   164    ein    Gewinde 

(Lüfsner,  M.  C.  C.  XIV,  2251; 
ilj   1889  bei  dem  Umbaue  des  Haufes  Nr.  13S  auf  dem  großen  Ringe 

eine  große  Anzahl  (angeblich  50)  Golddrahtgewinde,  zwei  Pal- 

ftave    mit  winkelförmigem  Abfatz    und    ein    Bronzemorgenftern 

(Lüfsner,  ebenda,   XVII   57;  Domecka,  VestniTc   ceskych   museii 

II  971; 

vor  1853  in  iler  Vorftadl  NeuKöniggrätz;  Stücke  von  Gold- 
fäden (Wocel,  Casop.  ces.  nius.  XXVII  573), 

187g  bei  Lhota  Krälovä  auf  dem  Felde  des  J.  Drahorad  lieben 
Golddrahtgewinde,  von  denen  fechs  in  das  Landesmufeum  zu  Prag, 
eines  in  das  Nachoder  Mufeum  gelangte    (DuJka,  Nälezy  etc.  20). 

1878  wurde  hier  auf  dem  Felde  eines  gewiffen  Bukac  ein  Gefäß 
mit  Golddrahtgewinden  und  angeblich  auch  verbrannten  Knochen  aus- 
gegraben und  jene  einem  Goldfchmiede  verkauft. 

Nächfl  Skahcka  (KJein-Skalitz)  wurde  1S72  bei  Regulirung  des 
ehemaligen  Elbearmes  Rohaj  ein  ganzer  Knäuel  von  Golddrahl 
gefunden,  welchen  der  Maierhoffchafl'er  Zylvar  und  die  Handarbeiter 
in  Befitz  nahmen  und  großentheils  dem  Händler  Levi  in  Skalicka  ver- 
kauften (Du.ska  21,  Hrase,  il.  C.  C.  1881.  CXXXI);  außer  den 
Golddrähten  wurde  hier  ein  kleiner  Ausftreckhammer  aus  Bronze  von 
der  Form  des  bekannten  von  Ritfchen,  zwei  Bronzebeile  mit  Tülle 
(Gelte)  und  eine  kleine  Sichel  gefunden  (jetzt  in  der  Saiumlung  des 
Grundwirthes  Rydlo  zu  Nahoran). 

Hei  Libiic,  in  der  Nähe  der  Fafanerie  Kalloufy,  wurden  im 
jähre  1880,  1-5  M.  tief,  fechs  ganze  Golddrahtgewinde  und  eilf 
Bruchftücke  gefunden  (Pamdtky  archaeol  XI,  629;  Duska,  Nalezy  2Ö"l; 
zwei  ganze  befitzt  der  Müller  Prochäzka  in  Alt-Ples,  drei  ganze  und 
die  Bruchftücke  erwarb  das  Landesmufeum. 

Bei  Cernilov  1889  fünf  Golddrahtgewinde  von  der  Form  und 
Größe  des  Königgrätzer  Achter;  jetzt  im  Landesmufeum  (Lüfsner  M. 
C.  C.  XVII  57). 

Bei  Vyrava  hat  ein  ficherer  Kubäsek  auf  einem  Gemeindefelde 
gewöhnliche  Golddrahtgewinde  ausgegraben  (Uuska  Nälezy,  27),  welche 
fein  Weib  einem  Goldfchmiede  in  Königgrätz  verkaufte. 

Zu  Holohlavy  (?1  haben  zwei  Taglöhner  bei  Reinigung  des  Ktina- 
baches  in  der  ehemaligen  Fafanerie,  einft  einer  neolithifchen  An- 
fiedelung,  1846  einen  Goldfehatz  gefunden  und  (Ich  für  den  Erlös 
Kleinbauernhöfe  ('Chalupen)  angekauft.  (Petera,  Pamätky  III  28 1). 

Lipa,  hinter  dem  Bauernhofe  des  Jos.  Siränsky,  1886  in  einer 
Böfchung  kleine  Golddrahtgewinde  (68  Gr.).  welche  den  Königgrätzern 
ähnlich  find  (Du.ska,  Nälezy  63),  noch  heute  dort. 

Bei  Vsestary,  in  der  aufgelaflenen  Ziegelei  des  Herrn  Soucek, 
haben  angeblich  Arbeiter  i8So  Golddrahtgewinde  gefunden  (Duska  71) 
und  dem  Königgrätzer  Goldfchmiede  Biterlich  verkauft. 

Bei  Roudnice  fand  der  Straßenräumer  1880  im  Graben  der 
Aerarialftraße  ein  Gefäß,  welches  angeblich  mit  verbrannten  Knochen 
gefiillt  war  und  einen  in  eine  Spirale  gewundenen  Golddraht  enthielt 
(Duska  71),  er  verkaufte  den  Dr.iht  an  einen  Goldfchmied. 

Schließlich  erwähne  ich  noch  eines  Clolddralitgewindcs  in 
I'ingerringform  ohne  Schleifen,  welches  beim  Baue  der  Laiidwehr- 
kaferne  zu  Jaromef  gefunden  wurde  (Duska  53);  der  lugleich  ge- 
fundenen fattelförmigen  Zicrplatte  nach  gehört  diefer  Fund  fchon  der 
La  T^nc-Zeit  an. 

Ferner  find  die  im  nordöftlichcn  Böhmen  ge- 
machten Depotfunde  zu  beachten,  zum  Boifpici: 

Zu  llemze,  in  der  Nähe  des  Adlerfluffes  bei  Chocen,  ein  größeres 
Depot,  aus  welchem  eine  Sichel  und  ein  Palftav  in  das  Mufeum  zu 
Pardubic  gelangten, 

in  Chvojenec  zwifchen  der  Elbe  uud  dem  FliilTe  Loucnä  Ringe, 
Cell  und  Sicliel  (Pamätky  XIII  430,  442), 

in  der  Nähe  von  Castolovic,  ober  dem  Ufer  des  AlbaflulTcs  drei 
Gelte  mit  Oefcn,  die  Hälfte  eines  folchen,  zwei  Sicheln,  Pfeilfpitzen 


—     io8     — 


und  drei  Sliickclieii  Gußmetall  (im  Mufeiim  zu  Kostelec  a.  A. ;  Duska, 
Ndlery  17). 

Roudiiicc,  Depot  von  zwei  Kupferbeilen  im  Königgrälzer 
Mufeum, 

beim  Hau  des  Jofefftädicr  Bahnhofs  im  Jahre  1857  neben  dem 
Wächterhaufc  Nr.  45  ein  Palftav  und  zwei  Sicheln  (l'etera.  Pamdtky, 

HI  191J. 

Die  Funde:  von  Jaromef  in  der  Flur  .na  ptäku"  (Vogelfchieß- 
ilältc)  ober  der  Präger  Vorfladt,  ein  Bronzegefäfl,  das  zwölf  Pha- 
leren  entliieU  (Petera,  Pamdtky  III  20  Wocel,  Pravek  51 ;, 

von  Jasennd,  mit  fiinf  gravirten  offenen  Ringen,  gefunden  am 
Walde  Zdär  (Abb.  M.  C.  C.  1882  XI), 

von  Tfebesov,  auf  einem  herrfchaftlichen  Felde  16  torquirtc 
Ringe  mit  Schlußhaken  (Pamdtky  XII  187  M.  C.  C.  XI  99), 

von  Freiwalde  an  der  Adler,  in  der  Graffchaft  Glatz,  neun 
ganze  gravirtc  offene  Ringe  und  20  in  Bruchftiicken  (Merlins,  Depot- 
funde in  Schlefien  Schlefifche  Vorzeit  VI  291  ff.j, 

l)ci  Lipuvka  in    der  Nähe  der  Alba  (Pamdtky  XVI  339)  und 

bei  Nahofany  in  der  Nähe  der  Mettau,  je  ein  Bronzefchwert  mit 
maffivem  Griff  (M.  C.  C.  1888  281)  fowie  der  bedeutende  Fund  römi- 
fcher  Kaifermünzen  am  Walde 

Rousin  bei  Spy  in  der  Nähe  von  Böhmifch-SkaUc  (Hrase 
M.  C.C.  XI,  XLIX),  welche  theils  (zwölf  Stück)  in  das  Landesmufeum 
gelangten,  theils  in   der  Sammlung  Rydlo   zu  Nahofan   fich   befinden. 

Schließlich  ill  zu  erwägen,  dafs  auf  der  Area  eines 
dem  Grundwirthe  Fesek  gehörigen,  am  Nordende  des 
Dorfes  Lochenice  auf  einer  Anhöhe  zwifchen  zwei  in 
die  Elbe  einmündenden  Bächen  unter  C.  Nr.  41 
fituirten  Gehöftes  bei  Abgrabung  der  höchften  Stelle 
zahlreiche  Scherben  von  derfelben  ungarifchen 
(Lengyel-)  Art  gefunden  wurden,  wie  die  Gefäße,  die  auf 
dem  Pitfchkowitzer  Berge  bei  Jordansmühle  im 
fchlefifchen  Kreife  Nimptfch  beim  Bahnbau  189S  in 
Skeletgräbern  zugleich  mit  Schmuck  (Armbändern  und 
Locken)  aus  bloßem  Kupfer  gefunden  wurden.* 
Auf  Grund  diefer  großen  Zahl  von  Funden  find 
wir  gezwungen,  den  Schluß  zu  ziehen,  es  habe  bereits 
in  fehr  früher  Zeit  ein  wichtiger  Handelsweg  aus  dem 
kupfer-  und  goldreichen  Ungarn  durch  Mähren  und 
das  nordöftliche  Böhmen  nach  Mittel-  und  Nieder- 
Schlefien  und  weiter  an  das  Geftade  der  Oflfee 
geführt. 

Diefer  Handelsweg  lafst  fich  von  dem  Zufammen- 
flulTe  der  Svit-ava  und  der  Schwarc-ava  (des  weißen 
und  des  fchwarzen  Waffers  r)  bei  Brunn  durch  eine 
ganze  Reihe   prähiftorifcher  Fundplätze  verfolgen,  fo: 

An  der  Svarcawa  Rofic  mit  einem  Jlammerbeil  aus  Kupfer, 
Maloflovic,  Urnenfeld,  Tifchnowitz(Tisnov)  Depotfund  von  Armringen  ;'- 
längs  der  Svitava  Brunn,  Löfch  (Lisen)  mit  dem  bekannten  Burgwall 
, Stare  Zdmky"  und  einem  Depotfunde  von  Bron/.eficheln  auf  der  An- 
höhe ,u  Koflelicka'  (Brandl,  Kniha  pro  kazdiho  Moravana  89) 
Obrany,  Urnenfeld,  in  den  Gebieten  beider  Fliiffe,  die  Umgebung 
von  Blansko  mit  ihren  reichen  Funden,  namentlich  der  berühmten 
„Byciskäla',  Borftendorf,  Urnenfeld,  Bozkovic,  zwei  Kupferhämmer 
(zwei  ganz  ähnliche  in  dem  unferuen  Jedovnic,  Trapp  M.  C.  C.  1895 
130),  Skalic  (römifche  Münzen),  Vodcrady  (Urnenfeld),  Vanovice  und 
Drbalovice,  Anfiedelungen  aus  allerer  Bronzezeit,  GroßRoutka,  Depot 
von  Bronzefichcln  in  der  Sammlung  .Maska,  Lhola  Skocovd,  Urnenfeld, 
Trnavka,  Urnenfeld,  Vierzighuben  bei  Zwittau,  zwei  Hammer  und  eine 
Kugel  aus  Stein.  Hier  trat  der  Weg  über  die  Einfattelung  zwifchen 
den  Zddrske  hory  und  dem  Gebirge  Jesenfli  (Gefenke),  über  die  einft 

1  Schlefiens  Vorzeit  VII,  540. 

-  Cas.  mus.  sp.  dorn.  189a,  121. 


auch  das  böhmifche  Kreidemeer  eine  lange  Bucht  bis   in   die   Gegend 
von  Bozkovic  gefendet  hatte,  auf  böhmifchen  Boden. 

Hier  treffen    wir   die  Fundplätze:  Karlsbrunn,   zweij  Steinwerk- 
zeuge und   römifche  Münzen,  Trstenice,  Steinmeifel,  Vranice,  liron/.e- 
fpeerfpitzen,  Jarosov,  eine  Bronzefpeerfpitze  in  der  Nähe  eines  Burg- 
walles, Lubnd  und  Stritez,   zwifchen   beiden   ein  Steinhannner,  Dolni 
Uje/d,    gebohrter  Steinhammer,  Benätky,  Steinhamnier,  Leitomyfchl, 
Steinhammer,  Osik,  Bronzedolch,  Tynisko,   prähiftorifche  Umwallung 
mit  mittelalterlicher  Vefte  ob  dem  Loucnafluffe,  von  da  quer  durch  die 
Albrechticer  königlichen  F"orfle  auf  einer  während  des  gan.^eu  Mittel- 
alters und  bis  in  die  Neuzeit  wichtige  Straße  über  Ostretin,  Golddr.iht- 
depöt,    Ilolicc,  Fund   eines   Golddrahtgewindes,    Chvojenec,    Bronze- 
depotfund,    Hodesovice,    Bronzefpeerfpitze     im    Pardubicer    Mufeum, 
Neu-Königgrälz,  Goldfäden,  und  Königgrätz  mit  zahlreichen  Funden 
in  der  Stadt  und  einem  Urnenfelde  auf  dem  ehemaligen  Kroalenberge 
vor   dem   Mauther  Thore,    weiter   längs    der   Elbe   Plotiste   mit    drei 
neolithifchen  Anfiedelungen,  Predmefice  mit  zwei  prähiftorifchen  An- 
fiedelungen und  La  T^neGräbern,  Lochenice  mit  drei  Anfiedelungen 
und   dem  Urnenfelde    ober   dem  Weiler  Trotina,    Skalicka,   Goldfund 
und    Urncnfcld,    deffen   reicher   Inhalt   eben    von    dem   Königgrälzer 
Mufeum   ausgebeutet   wird,    welter    quer   zur   Mettau    über   Cernilov, 
mehrere  Funde,  darunter    der   von   neuen  Königgrälzer  Achtern   und 
ein   Urnenfeld   fim   letzten  Sommer   durch    Profeffor   Pic   unterfuchti, 
Vyrava,  Golddrahtgewinde,  Librice,  desgleichen,  Lhota  Kralovd,  zwei 
derartige   F"unde,   Jasenna,   Depot   von  Bronzearmringen ;   längft   der 
Metlau    ziehen    lieh   die    Fundplälze   Koztoky,    Bronzepalftav    in    der 
Sammlung  Bienenberg's,  Vefelice,  Urnengräber  unter  kleinen  Tumuli, 
Nahorany,  neolithifche  Anfiedelung,  Urnenfeld  und    das  Depot   eines 
Bronzefchwertes,  Neufladl  an  der  Meltau,  Burgftall,in  welchem  wieder- 
holt BronzeceUe   gefunden   wurden,   Pfibyslav-Vrchoviny,   Steinwerk- 
zeuge,  Altftadt-Nachod,    desgleichen.    Längs   der   Bäche   Slana    und 
Kelna  führte  der  Weg  über  Lewin  (Mefleekol   über  den  Pafs  zwifchen 
der  Hohen  Menfe  (1087  M.i  im  Adlergebirge  und  dem  Ausläufer  der 
Heufcheuer  (920  M.i,  Ratfchenberg  (Hradiste:^  nach  Reinerz  (Dusni'ky) 
und  weiter  längs  des  Fluffes  Bystrice  (Weiflrilz;  zur  Neiffe  bei  Glatz. 
Oflenbar  war  der  Weg  von  Nachod  bis  Glatz  ein  bloßer  Saumweg  in 
dichtem  Walde,  denn  bis  heute  wurde  längs    desfelben   kein   einziger 
Fund  von  prähiftorifchen  Arlefacten  gemacht.  Durch   einen    weiteren 
Pafs  unter   dem  Berge  Warta  (Brdo  7Ü3  M.)   trat   der  Weg   aus   dem 
Glatzer    Gebiete,     welches     früher    zu    Böhmen    gehörte,!     in    den 

'  N-K-h  einer  Nachricht  des  Chroniften  Kosma.s  gehörte  es  zum  Gebiete 
der  oftbohmifchen  Kurilen  und  war  namentlich  Glatz  (Kladsko)  ein  feiler  PLltz 
des  Kurilen  Slavnik  (Vaters  des  heil.  Adalbert)  gegen  die  Polen.  Im  Glalzer 
Gebiete  vereinigten  fich  in  der  jiingeren  Bronzezeit  mit  dein  H.iuptwegc  noch 
zwei  Nebenwege,  und  zwar: 

a)  Der  Weg  von  der  wilden  Adler  längs  des  Flußes  -Mba  über  Sattel  zum 
heutigen  Reinerz  mit  den   Kundplatzen: 

Adlerkolleletz,  Steinhammer  im   Kluße. 

Alba-Ufer  nördlich  von  Cästolovic,  Depot  von  Siclieln  und  Gelten. 

Hodcsin,  Steinhammer,  Llpüvka,  Bronzefchwert. 

b)  Längs  der  wilden  Adler  in  das  Klußgebict  der  Glatzer  NcilTe;  Kund- 
plätze: der  Berg  Chlum  bei  Zachlumi,  geknickte  Nadel  mit  Ocfe,  und 
Freiwalde,  Depot  von  Brouzearmringen. 


Fig.  13.  13-  (Neolithifche  Gefäße  von  Breila  und  Priedemost.) 
Auf  diefem  Wege  gelangten  auch  die  brünetten,  neolithifchen  Be- 
wohner des  nordlichen  Böhmen  (noch  bei  Nahofan  an  der  .Meltau  befindet  fich 
eine  neoHthifche  Anfiedlung  ältcfter  Art  mit  Vypustekrchcrbcn)  ii.ich  Mittel- 
und  Nicderfchlcfien,  wo  dasfelbe  an  einigen  Platzen  keramifche  Denkmale, 
Gefäße  mit  eingcftochcnen  Bandornamcnlen.  hinterlaffen  hat,  zum  Beifpicl: 

Stabelwitz  (Kreis  Bresl.au).  Gefäße  von  derfelben  birnformigen  Ge- 
ftalt  und  Verzierung,  wie  fie  in  .allen  jüngeren  neolithifchen  Anfiedlungen  des 
nördlichen  Böhmens  vorkommen, 


—      109     — 


fchlefifchen  Kreis  Fiankenftein,  in  welchem  bei  Dittmannsdorf  ein 
Depot  von  Bronzeringen  aus  der  jüngeren  Bronzezeit  (wie  dasjenige 
von  p'reiwaldej  gefunden  wurde.  Aus  dem  Nachbcirkreife  Münflerberg 
lind  die  Kupferfunde  von  Frömsdorf,  Kupfermeifel  mit  9875  Procent 
Kupfergehalt,  und  XeuKunzendorf,  Kupfermeifel  aus  reinem  Kupfer, 
bekannt.  In  diefen  beiden  Kreil'en  entfpringen  die  Flüffe  Lohe  (Sleza) 
und  Ohlaii  (Ohlava),  in  deren  Flußgebieten  liegen  die  Fundplätze 
Thomitz,  Depot  von  Halsringen  und  Palftaben,  wie  die  von  Oberklee, 
großentheils  aus  bloßem  Kupfer,  Rudelsdorf,  Depot  von  Fingerringen, 
welche  in  kleine  Spiralen  auslaufen,  Bronzeperlen  und  Locken,  Klein- 
Johnsdorf,  Bronzedepöt  aus  jüngerer  Bronzezeit,  und  Jordansmühle, 
Skeletgräber  mit  Kupferfchmuck  auf  dem  Pitschkowilzer  Berge  und 
Kupferbeil  mit  9960  Procent  Kupfergehalt  an  einem  anderen  Platze, 
im  Kreife  Nimptfch;  der  Rumeisberg,  Fundort  eines  Kupferbeiles  mit 
99'78  Procent  Kupfergehalt,  und  Ottwitz,  Gräberfeld  mit  Hocker- 
fkeleten  und  Gefäßen  vom  Aunetitzer  Typus,  dann  ein  Kupferbeil  mit 
Schaftloch  von  99'S7  Procent  Kupfergehalt  und  die  beiden  „Achter" 
aus  Golddraht  bei  Tfchanfchwitz  im  Kreife  Strehlen;  Weisdorf,  Depot- 
fund von  fieben  Palftaben  und  17  Halsringen  von  der  Form  Oberklee, 
Bfchanz,  Fußbecher  wie  Jordansmühle,  im  Kreife  Ohlau ;  Wirwitz, 
Depot  von  vier  Palftaben  und  acht  Halsringen  (Oberkleei,  Damsdorf, 
Palftäbe  und  Halsringe  von  derfelben  Form,  Scheitnig,  fieben  Palftäbe, 
drei  maffive  Armringe  ein  Spiralarmring  iF.  Oberklee;,  Gallowitz, 
geknickte  Haarnadel  mit  Oefe  an  der  Knickung,  PolnifchPeterwitz, 
Sicheln,  Speerfpitzen,  ein  MefTer  und  Wendelringe,  Woifchwitz, 
Brockau  und  Gnichwitz,  Skeletgräberfelder  mit  ungarifchen  (Lengyel- 
Gefäßen;  in  Woifchwitz  auch  Zonenbecher)  im  Kreife  Breslau  ;i 
Namslau,  Depot  enthaltend  eine  geknickte  Nadel  mit  Oefe,  einen 
Dulch  ohne  Griffangel  und  eine  Nadel  mit  großem  konifchen  Kopfe, 
Lorzendorf,  zwei  Depots,  deren  eines  drei  Bronzeciften  und  eigen- 
thümliche  Stangenketten  enthielt  (bei  Groß-Hennersdorf  wurden 
acht  Maafel  Bernftein  gefunden!,  im  Kreife  Namslau.  Den  weiteren 
Weg  längs  der  Oder  bezeichnen  die  Funde  von  Laferwitz  (Kreis 
Wohlau),  Depot:  Oefennadeln,  Spiralarmringe,  Armringe  mit  End- 
ftollen  und  Zierbleche,  Krehlau  (Kreis  Wohlau),  Beil  aus  reinem 
Kupfer,  Groß-Tinz  (Kreis  Liegnitz),  zwei  Palftäbe  aus  reinem  Kupfer, 
Talbendorf  (Kreis  Lüben),  Depot  aus  jüngerer  Bronzezeit,  Zedlitz 
(Kreis  Steinalt),  Depot  von  Palftaben,  Glogau  (Kreis  Glogaui,  Depot 
von  Halsringen  und  Palftaben  von  Typus  Oberidee  und  Jicineves, 
Gurkau  (Kreis  Glogau),  Depot  von  gleicher  Art,  Malfchwitz  (Kreis 
Freiftadt),  Depot  von  Wendelringen. 

Im  Gebiete  des  linksfeitigenOder-Zufluffes,  der  Katzbach,  wurden 
im  Kreife  Goldberg  drei  Depotfunde  aus  jüngerer  Bronzezeit  gemacht, 
nämlich  bei  Reificht,  Armringe,  wie  die  vom  Freiwalde,  bei  Seifenau, 
Gelte,  Speerfpitzen  und  drei  Bronzenäpfe  und  Goltfchau;  im  Gebiete 
des  rechtsfeitigen  ZufluffesBarycz  im  Kreife  Militfch  die  beiden  Depots 
von  Protfch  und  Carmine,  Gelte,  Sicheln  und  Ringe;  höchftwahr- 
fcheinlich  führte  längs  des  Barycz  der  Weg  nach  GroB-Polen. 

Parallel  mit  dem  Handelswege  im  Gebiete  der  Svarcava  und  der 
Svitava  führte  gegen  Nord  ein  zweiter  entlang  der  March  und  ihres 
Zufluffes  Desna  (Vehj  zum  Fuße  des  Altvaters  und  von  da  der  Vid- 
nava  (Weidenau)  oder  der  Bela  entlang  zur  mittleren  Neiffe  und  zur 
Oder.  ^  Bis  in  die  Umgebung  von  Littau  ift  (iiefer  Weg  durch  zahl- 
reiche Funde,  von  denen  ich  nur  die  am  meiften  charakteriftifchen 
anführe,  bezeichnet. 

Deutfch-Breüa  (Kreis  Ohlau\  Gefäße  in  Fortii  und  Ornainciitik  ctw.is 
.-ibwcichend,  doch  wurden  fo  verzierte  Scherben  auch  in  der  Anliedlung  von 
Ncn-Bydzov  in  Böhmen  gefunden  (SchülTcl  auf  Tabelle  II*  und  .Scherbe  auf 
Tabelle  VIII  meiner  Matcrialy  k  dejinäm  kulturniin/, 

Priedemost  (Kreis  Glogau),  ebenfalls  altweichend  in  der  Ornamentik; 
außerdem  in  allen  Krcifen  am  Fuße  des  Riefengebirges  feine  Nachkommen  in  der 
heutigen  mehr  brijnetten  Hcvölkerung.  Virchow  fagt  in  lJc7ug  auf  diefe  Erfchei- 
nung  (Erhebungen  .'^.  382):  „Es  fchiebt  fich  eine  Reibe  Kreife;  Waidenburg, 
Landshut,  .Schweidnitz  etc.  bis  gegen  Licynilz  vor,  welche  die  lichte  Haupt- 
inafTe  von   Mittel-  und  Nicdcrfchleficn,  wie  ein  Keil  durchbrechen." 

'  Nach  Mertins  Depotfunde  der  Bronzezeitin  Schlefien  (Schlefifchc  Vorzeit 
VI).  Mertins.  Kupfer-  und  Bronzefundc  in  Schlefien  (Schlefifchc  Vorzeit  VII)  und 
Montelius,  Chronologie  der  alteftcu   IJiouzczeit. 

ä  Knies,  Cesky  lid.   II.  693. 


Im  Bezirke  Göding  fHodonin): 

Koftice,  Depot  von  45  Halsringen  (Cervinka,  Sbirka,  24;. 
Göding,  zwei  Depots  von  Halsringen  von  Typus  Oberklee,  im 
lahre    1886    Stücke   42,   im   Jahre    1889    an   600   Stück  aus  rothem 
Metall  (Gas.  mus.  sp    Ülom.  189O  1241. 

Straznice,  fchnurverzierte  Scherben  (Sammlung  Maska,  Gas. 
mus.  sp.  Olom.  1895  921. 

C'ejkovice,  Depot,  vier  Armringe  und  ein  Halsring  (Cervinka, 
Sbirka,  24  1. 

Mutenice,  Kupferbeil  im  Wiener  Hofmufeum. 

Cejc,  Depot,  Halsring  und  Spiralarmbänder CSammlung  (.'ervinka 
in  Ung.-Hradifch). 

Klobouky  im  Bezirke  Aufpitz,  Zonenbecher  (Gas.  mus.  sp.  Ülom. 
1896  18), 

im  Bezirke  Gaya  (Kyjovi: 

Dambofice  (Domabofice),  zwei  Depots,  vor 'Jahren  Halsringe 
wie  Oberklee  und  Armringe  iFranzensmufeum),  1891  Halsringe,  Pal- 
ftab  und  Dolch  (Cesky  lid.  II,  51  ii. 

Steinitz  (Zddnice),  1888  Depot  von  Halsringen  wie  Oberklee 
(Cesky  lid.  II,  5121. 

Syrovin,  1891  Depot,  Sicheln  und  Gelte  (Cas.  mus.  sp.  Olom. 
1895,  I  im  Bezirke  Ung.-Hradifch  [Hradisteji, 

Lhota  ostrozskd,  Meifel  aus  Kupfer  (Cervinka,  Sbirka  26). 

Ostroh  (Ung.-Ostra),  Kupferbeil  bei  der  Zuckerfabrik  (Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1896  122). 

Hluk,  Depot,  Bronzefchwert  (Cervinka,  archäolog.  zpravy  z  okoli 
Uh.-Hradiste  21). 

Kunovice,  Zonenbecher  (Cervinka,  Sbirka  24). 

Biestek,  Depot,  drei  Gelte  (Cervinka,  Sbirka  24). 

Bilovice,  Depot,  Sicheln  (Cervinka,  archäolog.  zprävy  14). 

Sazovice,  Depot,  im  Jahre  1896  fieben  ineinander  gehängte 
Ringe,  Gelte,  ein  Meifel,  Sicheln,  Nadeln,  Fibeln  mit  Schild  und 
Spiralen  etc.  (Sammlung  Cervinka,  Cas.  mus.  sp.  ülom.  1898  42). 

^arovy,  Depot,  Hallftädter  Bronzeringe  und  Bernfteinperlen  (Cer- 
vinka, archäolog.  zprävy  19),  an  der  Gränze  des  Nachbarbezirkes 
Ung.-Brod. 

Hier  die  Funde : 

Brod,  Depot,  einige  Hunderte  kleine  Ringe  von  fünferlei  Größe 
(Cas.  mus.  sp.  Olom.  1892  121),  und 

Nedachlebice,  Depot,  Bronzeficheln  und  Gelte  (Cervinka, 
archäolog.  zprävy  19,  M.  d.  W.  A.  G.    1884  301; 

im  Bezirke  Kremfier  (Kromezif); 

Kotojedy,  flaches  Kupferbeil  (M.  C.  C.  1887,  CLXXXIV,  Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1S86  119,  Abb.  1888  58), 

Hradisko,  fchnurverzierte  Becher  (Cas.  mus.  sp.  ülom.  1895  92). 

Ilulin,  Depot,  zwei  Spiralarmringe,  Dolch  und  Halsring  (Cer- 
vinka, archäolog.  zpravy  25), 

Zalkovice,  1894,  Zonenbechcr  und  Schüffel  bei  Skeleten, 
Dentalien,  Abb.  Cas.  mus.  sp.  Olom  1895,  9)' 

Pi-iluky  bei  Zlln,  Kupferbeil  (Cas.  mus.  sp.  Olnm.  1895,  117), 
und 

Zeranovicc  (im  Bezirke  llolefchau),  Depot  imjalirc  1S50,  Hals- 
ring und  Speerfpitze  (Cervinka  25), 

im  Bezirke  Prerau  (Prerov) : 

Krenovicc,  Depot,  darin  ungarifches  Bronzebeil  mit  Schafi- 
röhren  (Abb.  Gas.  mus.  sp.  Olom.  1893  112), 

Vrchoslavice,     Zonenbecher     (,\bb.       Cas.     mus.     sp.    Olom. 

1895  75). 

Kojetfn,    fchnurverzierter   Becher   (Cas.    mus.    sp.    ülom.    1896 

■  59); 

im  Bezirke  Piofsnilz  (Proslejov): 

Dobrochov,  Depot  von  Bronzelicheln  (Hramll,  Kniha  prn  kaz- 
deho  Moravana  89), 


—       I  lO       — 


Otaslavice,  Meifel  aus  Kupfer  im  Profsnilzer  Mufeum  •  fAbb. 
(.'ervinka,  Vyzkum  201, 

Budhost,  Depot,  Sicheln  und  Celle  i^Cervinka,  archäolog.  vyz- 
kum, 221, 

llrubcice,  zahlreiche  Zoiieiibecher,  Skelette  in  Gräbern,  eine 
Arnifchul2])latte  (Cervinka,  archäolog.  vyzkum  na  Prostejovsku,  18), 

Cechuvky,  Zonenbecherfch^rben  (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1901,  27), 
Mostkovice,  Zonenbecher  und  Depot  von   25  Ilalsringen  (Cer- 
Ninka,  vyzkum,  22,  Ethnogr.  Ausft.  in  Prag), 

Plumlov  (Plumenau)  Depot,  16  bis  30  Kupferbeile  (Ces.  mus. 
sp.  Olom.  1887,  i3o\ 

Zarovice,  Depot,  120  Armringe,  ornamentirt  wie  Sazovic  (Ces. 
mus.  sp.  Olom.  1896,  165), 

Drzovice,  Schüffelfcheiben  vom  Typus  der  Zonenbecher  (^Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1900,  27), 

Bilovice,  Zonenbeclier  mit  Skelet  (Cervinka,  archäolog. 
vyzkum,  17), 

Zesov,  Zonenbecher  und  .\rmfchulzplatte  (Cas.  mus.  sp.  Ulom. 
1901,  28); 

im  Bezirke  Olmütz  (Olomouc): 

Drahanovice,  Depot,  Bronzeficheln  (Kranzensmufeum,  Cas.  mus. 
sp.  Olom.  1896,  114). 

Prestavlky  im  Jahre  1899  das  größte  mährifche  Depot,  einige 
Hunderte  von  meill  befchädigten  .\rtefakten  (Cas.  mus.  sp.  Olom. 
1900,  67). 

Slalenice,  Dqjöt,  24  ornamentirte  Ringe  wie  Sazovic  (Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1885,  92  u.  1891,  89). 

Slatinky,     vor  vielen  Jahren  (60)    .-ingeblich    neun  Pfund  Beile, 
Ringe  mit  Spiralen  etc.  (Cas.  1885.  92); 
im  Bezirke  Littau  (Litovel): 

Naklo,  fchnurverzierler  Becher  (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1900,  122) 
und  Bronzenäpfe    im  Moore  (Wankel.  Cas.  mus.  sp.   Olom.    1889,  49), 
Rybnicek,  Depot,    im  Jahre  1793  Halsringe    vom  Typus   Ober- 
klee (Franzensnnifeuni)  (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1896,  124);! 
fchUeßlich  im  Bezirke  Schönberg: 

Wiefenberg  an  der  Tefs,  Depot  von  Bronzeficheln  und  Celteu 
(Wocel,  Grundzüge  der  böhm.  Alterthumskunde,  10). 

Jm  Flußgebiete  der  Becva  führte  aus  dem  heutigen  Bezirke 
Kremfier  ein  Handelsweg  gegen  Orten,  welchen  die  Fundplätze: 
Turovice  im  Bezirke  Holefchau  (Holesov),  Zonenbecher  in  Grab- 
hügeln (Armfchutzplatte  und  Bronzedolch  mit  flacher  Griffzunge,  Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1894,  146  undPalliardi  XeolithifcheAnfiedelungen,2S'), 
Kelc  und  Bezuchov  im  Bezirke  Weißkirchen  (Hranice)  des- 
gleichen (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1891,  16,  Abb.  Cas.  1895,  74). 

Usti  an  der  Becva,  im  Burgflall  Hradisko  ein  Kupferbeil  (Cas. 
mus.  sp.  Olom.  1891,  16), 

kennzeichnen.  .\us  der  Gegend  von  Weißkirchen  führte  der  auch  im 
Mittelalter  benützte  Handelsweg  über  die  Oder  bei  Mankendorf 
(Mankovice),  1891  Depot  aus  der  jüngeren  Bronze- oder  Hallftattzeit 
(Cas.  mus.  sp.  Olom.  1892,  1171, 

zur  Branka  (Pfortei  bei  Hradec  (Grätz),  Depot  (zwei  Beile  mit 
Abfatz,  zwei  große  Armringe,  zwei  Sicheln  und  eine  lange  Speer- 
fpitze)2  und  zum  Fluße  Opava,  an  welcher  der  Burgflall  von  Holaso- 
vice  (Kreuzendorf;  mit  typifcher  Terramarakeramik»  liegt. 

In  Preußifch-Schlefien  belinden  fich  dann  im  Kreife  Leubfchütz 
(.Hlubcice)  die  Fundplätzc: 

Piltfch  (Belcice;,  Depot  ältefter  Bronzen,  20  Beile,  17  Hals- 
ringc,  fieben  Spiralarmringe  etc., 

*  Von  anderen  Denkmalen  dicfcs  Bezirkes  erwähne  ich  nur  d.-is  Urnen- 
feld von  Miiglitz  und  den  Schlacken«-,-»!!  01)crsl<o  mit  Hallflattfcherbcn  hei 
Losticc.  Auf  dicfem  Wege  längs  der  unteren  NeiflTe,  der  Bel.i  und  der  Desna 
find  huchll  wahrfcheinlich  die  Weftflaven  nach  Mahren  eingedrungen,  darauf 
weift  fowohl  der  raircn.anatomifche  Charakter  derNcilTeanwohner,  als  auch  die 
Flüßenamen  Belä  und  Desna  hin. 

'  Pospisil,  Pfchlcd  pfcdhistorickych  pamatck  slczskych  im  Vcstnik 
Matice   Opavskc   1899.  ^'r.  8. 

'  Kulka,  Mittheilungen  der  Wiener  .-Vnthropologifchcn  Gcfcllfchaft,  1889,  13. 


Tfchirmkau  iCervenkov),  Depot,  drei  Gelte, 

im  Kreife  Ratibor: 

die  neolithifche  Anfiedelung  von  Colon ie  Ottitz  mit  Fußfchalen 
wie  Jordansmühle, 

Kohow,  Depot, 

Sudoll  iSudüli,  Celte,  Palfläbe   mit   gefchloffencn  Schafilappen, 

Makau  (Makov),  K«])ferfpiralen  (reines  Kupfer); 

im  Kreife  Gleiwitz: 

Ottmachau  (Odmuchov),  Depot,  Celte,  Sichel  und  Specrfpilzen, 

im  Kreife  Lublinitz: 

Helenenthal,  Depot  aus  mittlerer  Bmnzezeit,  welche  die 
Richtung  des  Handelsweges  zur  Warta  und  zur  unteren  Weichfei 
genügend  bezeichnen. 

Durch  die  Hannaebene  führte  ein  Verbindungsweg  längll  der 
Litava,  welchen  Fundplätze 

in  den  Bezirken  Aufpitz  und  Brunn: 

Sokolnice,  im  Jahre  1892  Depot  von  Ringen  und  Sicheln  (Cas, 
mus.  sp.  Ulom.  1896,  I24\ 

Slapanice,  degenerirte  Sclmurbeclier  bei  Skeleten  ^M.  C.  C. 
1887,  169), 

im  Bezirke  Wifchau  (Vyskov): 

Austerlitz  ISlavkov),  im  Jahre  1S90  Depot  von  eiica  80  Hals- 
riiigcn  wie  Oberklee  (M.  C.  C.  1S911  und  (Cas.  mus.  sp.  Olom. 
1892,  104, 

Hodejice,  im  Jahre  1891  Depot  von  drei  Halsringen  wie  Ober- 
klee ;Cas.  mus.  sp.  Olom.  1892,  104),  und  Zonenbecher  mit  Arm- 
fchutzplatte (Reinecke  Correfp. -Blatt  1897,  i8j, 

Kojatky,  Kupferbeil  lAbb.  Cas.  mus.  sp.  Olom.  1895,  "7). 

Drazovice,  1895  Depot  vun  Halsringen  (Cas.  mus.  sp.  Olom, 
1900,  ii'l, 

Hlubocany,  Depot  im  Jahre  1882,  vier  Halsringe  wie  Oberklee 
i,Cas.  mus.  sp.  Olom.  1892,  104), 

das  an  dem  Fluße  Hana  liegende  Opatovic  bei  Dedice,  Depot 
1899,  vier  Halsiinge  wie  Oberklee,  drei  Ringe  mit  Schleifennoppcn 
(Cas.  mus.  sp.  Olom.  igoo,  11)  und  andere  bereits  früher  angeführte 
nachweifen. 

Ein  vierter  Handelsweg  führte  durch  das  füdweflliche  Mähren 
in  das  centrale  Böhmen  in  den  Flußgebieten  der  Thaya  (Dyjai,  der 
Jihlava  und  der  Oslava.  Aus  diefer  Gegend  lind  drei  oder  vier 
Ilandelsfaktoreien  bekannt,  namentlich : 

aj  die  Felshöhe  ob  dem  Mirovec  bei  Gröfchelniaulh  mit  geflochener 

Bandkeramik,  füdländifcher  und  Schnurkeramik   (Palliardi    Cas. 

mus.  sp.  Olom.  1895,  '^  ^)' 
ii)  das  Burgflall  bei   Senohraby   an   der  Oslava,   mit  Tcrramara- 

i.'^tterfee)  Keramik  und  Kupferbeil  (Fifcher,  M.  C.  C.  1897,  11); 
c)  das  Burgflall  von  Kiepice  mit  Kupferartefaklen  (Cas.  mus.    sp. 

Olom.  1893,  30)  und  einem  Kupferbeil   auf  dem  Hügel  Hajek 

(Cas.  mus.  sp.  Olom.  1893,  113); 
J)  vielleicht   auch   das  Burgflall  Naporky   an    der    Oslava  (Knies, 

Cas.  mus.  sp.  Olom.  1893,  17). 

Sonftige  Kupfer-  und  Depotfunde  kennen  wir  aus: 

Alt-Lundenburg  (Stara  Bieclav)  an  der  Thaya  im  Bezirke  Göding 
(Hodonin),  Zonenbecher  (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1896,  18;,  Depot  von 
Bronzeartefakten  (.Maska,  Slovnik  XVII,  705  ff). 

GroßPavlovic,  Depot    von  Bronzeartefakten  iMaska  ibid.i   und 

Vranovic,  Zonenbecher  (Cas.  mus.  sp.  Olom.  1896,  18) 

im  Bezirke  .^uspitz  (Hustopec); 

Woftitz  (Vlasaticej  1888  Depot,  größere  Zahl  Halsringc  (Cesky 
lid  II,  512) 

im  Bezirke  Nikolsburg; 

Borotice,  Depot,  vier  Blccharmringe,  fcchs.Spiralarmringe,  ein 
Palftab  (ein  Armring  enthält  97-7  Procent  Kupfer,  o'55  Procent  Zinn, 
Palliardi  Cas.  mus.  sp.  Olom.  1899,  i^\. 


—     III 


Oblaz  (OblekoviceV  Hockergräber  mit  Kiipferfchmuck  (Cas. 
mus.  sp.  Olom.  189J,  l), 

Znaim,  Depot  von  Ö5  — 70  Halsringen  (M.  C.  C.  1894,  179  und 
las.  mus.  ^p.  Oloni.  1894,    1041,  Fußfchalen   und   gemalte  Keramik, 

Gaiwitz  (Kyjovice),  Hockergräber  mit  Kupferfchmuck  iCas.  mus. 
sp.  Olom.  1895,  34),  in  einer  Herdftelle  Zonenbecherkeramik, 

Tvoriraz,  flaches  Beil  aus  Kupfer  (Abb.  Cas.  nuis.  sp.  Olom. 
1S93,  113), 

Plavec  (Platfch),  Doppelbeil  mit  quergeflellten  Schneiden  aus 
Kupfer  (Cas.  mus.  Olom.  1893,  3°'' 

Vevcice,  Depot,  zwei  Kupferbeile,  eines  mit  Schaftloch  (Abb. 
<'as.  mus.  sp.  Olom.  1S93,  301. 

im  Bezirke  Znaim; 

Kninice,  im  Jahre  1889  Depot,  drei  Ilalsringe  und  zwei  Meifel 
(Cas.  mus.  sp.  Olom.  1896,  124), 

Lesovice,  Depot,  13  Halsringe  i^Woldi-fch,  Cas.  mus.  sp.  Olom. 
1890,  162"), 

Zabrdovice,  Scherben  mit  Schnurornamenten  (.Sammlung  Maska, 
Cas.  mus.  sp.  Olom.  1895,  90'i  ""<i 

Krumau,  degenerirter  Schnurbecher  (Cas.  mus.  sp.  Olom. 
1890,  150) 

im  Bezirke  Krumau  (Krumlovi. 

Beachtenswert  find  die  Funde  von  Tiebic,  Bronzebeil,  und 
Zasovic,  byzantinifche  Münzen. 

Bei  OberCerekve,  Depotfund  von  Halsringen,  Typus  Oberklee, 
und  einem  Kupferbeile  ^Sitzungsbericht  der  Wiener  Anthropologifchen 
Gefellfchaft  1892,  32J,  trat  der  Handelsweg  auf  böhmifchen  Boden 
über  in  das  Gebiet  der  Sazawa.  Die  Funde  von 

Pollerskirchen  (Usobi),  wo  im  Walde  Hradiste  ein  Steinbeil 
gefunden  wurde, 

Dürre  (Suchd),  Steinbeil, 


Berg  Melechov  (früher  NelechovV  Bronzepalftab  mit  fpitzem 
Abfatz, 

Svella,  Hammerbeil  aus  Stein, 

Dobrä  voda  bei  Lucice,  Steinbeil, 

Malcin,  Bronzebeil  im  Walde, 

Lhota  OvesniS,  Steinbeil, 

.Smrdov,  Steinbeil. 

Chlomek  l>ei  Kimovic,  Flintbeil, 

Tis,  Bronzepalftab  mit  fpitzem  Abfatz, 

Drobovice,  zwei  neolithifche  Anfiedelungen, 

Markovice,  Zonenbecher  in  einer  Ziegelei,  und 

Filipov,  neolithifche  Anfiedelung,  weifen  uns  den  Weg,  die 
fpäter  berühmte  »via  na  gabr«,  zu  der  Handelsfaktorei  auf  dem 
Hradek  von  Caslau,  deffen  tieffle  Culturfchichte  Terramara- 
keramik  und  Bronzen  vom  Typus  des  Auneticer  Skeletgräber  ge- 
liefert hat.  1  In  den  Ziegeleien  am  Fuße  des  Hradek  wurde  in  der 
einen  ein  Kindergrab  mit  Schnurbecher,  in  einer  anderen  ein  Zonen- 
becher mit  entfprechender  SchülTel   gefunden. 

Die  Depotfunde  von  Zehusice,  mächtige  Armbänder  mit 
Spiralfcheiben  und  von  Zbislav  an  der  Doubrava,  Speerfpitzen,  Meifel 
und  Golddraht,  wie  die  Handelsfaktorei  ob  der  Cimburkmühle  bei 
Kuttenberg  zeigen  den  weiteren  Verlauf  des  Weges  zur  Elbe,  ob 
welcher  gegenüber  der  Doubravamündung  das  große  Burgftall  von 
Elbeteinitz,  welches  nach  dem  im  Innern  gelegenen  Dörfchen 
gewöhnlich  Burgftall  von  Lzovice  genannt  wird,  fich  ausbreitet. 
In  diefem  Burgftalle  wurde  außer  anderen  Funden  ein  Depot  von 
ornamenlirten,  gefchloffenen  Armringen  und  eines  von  Golddraht- 
gewinden ausgegraben,  während  ein  anderes  von  hohlen  Gold- 
drähten vom  Ingenieur  Perner  beim  Bau  der  Prag-Wiener  Eifen- 
bahn   1845   '"   ^^"  Felfen   auf  dem  jenfeitigen  Ufer  entdeckt  wurde. 

'  Man  vergleiche  die  K.irte  Richlys,  M.  C.  C-  1900  zu  S.  58. 


Thätigkeitsbericht 


des  k.  k.  Confervators  L.  Schneider. 


Königgrätz.  Das  Legen  der  Rohrleitung  für  Trink- 
waffer  aus  der  Gemeinde  Plotiste  in  die  Stadt  König- 
grätz (1899)  hatten  wir  mit  großen  Hoffnungen 
erwartet;  es  follte  ja  ein  Graben  von  3  M.  Tiefe  den 
beiden  Ringplatzen  (dem  großen  und  dem  kleinen) 
entlang  vom  ehemaligen  Prager  bis  zum  ehemaligen 
fchlefifchen  Thore  geführt  werden,  alfo  in  der  Längs- 
achfe  der  ganzen  mittelalterlichen  Stadt  und  nur  wenige 
Meter  von  den  Fronten  der  Häufer  C.-Nr.  138  und 
C.-Nr.  137,  an  deren  Gränzfcheide  bei  Umbau  des 
Haufes  C.-Nr.  138  1889  eine  Menge  (angeblich  50) 
Golddrahtgewinde  und  zwei  Palftabe  in  einer  Tiefe  von 
3'8  M.  gefunden  worden  find.  Wir  hofften  volles  Licht 
zu  erlangen  für  die  verfchiedenen  Culturfchichten  von 
der  Zeit  an,  wo  die  .Stadt  Königgrätz  mit  einem 
Straßcnpfiafter  verfehen  wtirde,  bis  zurück  in  die 
älteften  Zeiten,  und  unfere  Hoffnungen  wurden  voll- 
fländig  getäufcht.  Obwohl  bei  diesen  Grabungen  über- 
all der  unberührte  Roden  erreicht  wurde  —  am  Markt- 
platze felbft  und  bei  dem  fchlefifchen  Thore  mergeliger 
Kalkflein,  in  der  Nähe  des  Prager  Thores  Sand  — ,  so 
wurde  doch  in  der  ganzen  Länge  des  Grabens  kein 
bemerkenswerter  Fund  gemacht;  und  der  ganze  Ring 
war  wohl  feit  jeher  freier  Marktplatz  ohne  alle  Bau- 
lichkeiten. 


Daraus  und  aus  den  früheren  Fundorten  könnte 
man  fcliließen,  dafs  die  prähirtorifclie  Anfiedlung  fich 
auf  den  nordweftlichen  Theil  der  Anhöhe  befchränkt 
habe,  auf  welcher  im  Beginn  des  Mittelalters  die 
flavifcheGauburg  und  fpäter  die  königliche  Stadt  Hradec 
fich  ausgebreitet  haben.  Aber  auch  in  diefer  Bezie- 
hung tauchten  Zweifel  auf  Die  Se6lion  des  hiftorifchen 
Mufeums  ließ  Grabungen  in  dem  Gärtchen  vornelimen, 
welches  von  dem  Bauplatze  des  Gemeindehauses 
C.-Nr.  230  übergeblieben  war,  in  deffen  Kellern  und  zwar 
gerade  unter  der  Durchfahrt  in  den  Hofraum  feinerzeit 
die  berühmten  Königgriitzer  Achter  gefunden  worden 
waren. 

In  geringer  Tiefe  fand  man  zugleich  mit  den  Reflen 
eines  gothifclien  Baues  das  Skelet  eines  jungen  Matnies, 
in  deffen  Schädel  fcnkrecht  \on  oben  mit  der  Spitze 
bis  in  die  Schädelbafis  reichend  ein  fchwerer  Pfeilbolzen 
aus  Eifen  fleckt.  Etwas  tiefer  wurden  Skelette  des 
ehemaligen  frühchriftlichen  Friedhofes  bei  der  Kirche 
Johannes  des  Täufers  mit  zwei  Schläfenringen  (wie  im 
Jahre  1853)  gefunden;  dann  folgte  Schutt  mit  Gefäß- 
fcherben  und  endlich  in  einer  Tiefe  von  4  M.  todter 
Sandboden.  Die  Scherben  rühren  insgefammt  von 
Gefäßen  her,  welche  auf  der  Töpferfchcibe  gedreht,  mit 
dem  Wellenornament   und   verwandten    Verzierungen 


—       112       — 


gefchniückt  waren  und  auf  den  Böden  erhabene  Töpfer- 
zeichen trugen.  Es  wurde  alfo  auch  hier  keine  eigent- 
lich prahiflorifche  Cuhurfchichte  vorgefunden.  Es  ift 
wahrfcheinlich,  dafs  1852/53  bei  dem  Baue  des  Ge- 
meindehaufes ein  oder  mehrere  Gräber  aus  der 
älteren  Bronzezeit  gefunden  worden  find,  dafür  fpricht 
auch  der  Schädel,  welcher  damals  mit  einem  15ronzc- 
dolche  und  den  beiden  Palfläben  zum  Vorfchein  kam. 
Diefe  Gegenftände  wurden  damals  in  einer  Tiefe  von 
zwei  Klaftern  (38  M.)  aufgefunden;  heuer  traf  man  erfl: 
bei  einer  Tiefe  von  4  M.  auf  den  Urboden,  was  fich 
(falls  damals  und  heuer  exaft  gemeffen  wurde)  nur 
durch  eine  neuzeitige  Auffchüttung  in  dem  Gärtchen 
des  Gemeindehaufes  (ehemals  Pädagogiums)  erklären 
ließe. 

Dem  Stadttheile  entlang,  welcher  „na  hrade"  (in 
der  Burg)  heißt,  und  wo  fich  heutzutage  unter  anderem 


Platzes  der  fpäteren  königlichen  Stadt  einnahm,  und 
dafs  an  der  Stelle  der  heutigen  „Tomkova  ulice"  und 
der  Riickfeiten  der  Marktplatzhäufer  fich  ein  zweiter 
Wall  und  Graben  hinzogen,  welche  die  eigentliche  Burg 
(Sitz  der  landesfürftlichen  Beamten)  von  der  Vorburg, 
in  welcher  die  Märkte  abgehalten  wurden,  trennten, 
wie  man  das  auch  an  anderen  bohmifchen  Gauburgen 
ficht.' 

Plotiste.  In  der  Ziegelei  der  Herren  Dr.  Srdinko 
und  Soucek  fanden  die  Herren  Buchtela  und  Domecka 
eine  prahiflorifche  Anfiedlung,  welche  bi.s  in  die  neo- 
lithifche  Zeit  zurückreicht.  In  den  mit  fchwarzer  Erde 
gefüllten  Gruben  kamen  Scherben  vor,  welche  mit  ge- 
ftochenen  Bändern  nnd  Sparren  verziert  find,  außer- 
dem aber  auch  Skelette;  ja  bei  Beginn  der  heurigen 
Campagne  wurde  ein  Grab  gefunden,  welches  die 
Skelette  von  fünf  erwachfenen  Perfonen  und  zwei  Kin- 


Fig.  I.  (Plan  von  Königgrätz.) 

A.  Fundplatz  der  „Königgrätzer  Achter",  zweier  Palftäbe  und  eines  Dolches  (1853);  B.  Borromäum  (Steinkeil,  1858);  C.  Rudolphinum  (goldener 
Ohrring,  1881);  D.  Haus  Nr.  164  (ein  Golddrahtgewinde,  1884);  E.  Haus  Nr.  138  (viele  Golddrahtgewinde,  zwei  Palftäbe,  ein  Morgenflern, 
18991;   F.  Adalbertinum  (Morgenflern   aus  Bronze,    1896);   H,   I.   mittelalterliche  Funde,   k.   k.   ehemaliger  Burggraben;   m,    n.    Prager    und 

fchlefifches  (Mauter)  Thor;  •— Wafferleitung. 


das  Gemeindehaus,  das  bifchöfliche  Seminar,  das 
Boromäum,  das  Rudolfinum  und  das  Militärkranken- 
haus befinden,  zieht  fich  die  Tomkova  uiice,  welcher 
die  Rückfeiten  der  Häuferreihe  des  großen  Markt- 
platzeszugekehrt find.  Bei  den  Umbauten  einiger  diefer 
Häufer  war  man  flets  gezwungen,  die  Fundamente  in 
großer  Tiefe  zu  legen  (bis  9  M.  unter  das  heutige 
Straßenpflafter);  was  dabei  aufgegraben  wurde  und 
worauf  die  alten  Häufer  flehen,  ifl  eine  fchwarze, 
fchmierige  Maffe  mit  Stücken  von  Holzbohlen,  Thier- 
knochen  und  einer  Menge  von  Scherben  und  mittel- 
alterlichen Gefäßen  durchfetzt;  an  ganzen  oder  wenig 
befchädigten  Gefäßen  wurden  im  Laufe  der  letzten  drei 
Jahre  allein  an  150  Stücke  ausgehoben. 

Es  fcheint,  dafs  der  Graben,  welcher  bis  in  das 
14.  Jahrhundert  den  großen  Marktplatz  bei  der  heutigen 
Marienkirche  quer  durchfchnitt,  zugleich  mit  einem 
Erdwalle  die  Befefligung  der  ehemaligen  Gauburg 
darftellte,  welche  folglich  nur  die  weftliche  Hälfte  des 


dem  barg.  Bei  den  Skeletten,  deren  Refte  in  das  hiflo- 
rifche  Mufeum  gefchafft  wurden,  lagen  Scherben  von 
großen  Gefäßen,  welche,  obwohl  noch  nicht  zufammen- 
gefetzt,  mit  den  großen  Gefäßen  (von  65  Cm.  Höhe) 
aus  der  Zuckerfabrik  zu  Mährilch-Kromau  überein- 
zuftimmen  fcheinen,  von  denen  Profeffor  Woldfich 
eines  im  Casopis  mus.  spol.  Olomuckeho  1890,  S.  151, 
bcfchrieben  und  abgebildet  hat. 

In  dem  Weiehbilde  derfclben  Gemeinde  Plotiäte 
fanden  die  Herren  Buchtela  und  Domecka  bei  dem 
Weiler  Pläcka  zwifchen  dem  von  Königgrätz  nach 
Pläcka  führenden  Wege  und  der  Elbe  eine  neue  neo- 
lithifche  Anfiedlung.  Im  heurigen  Frühjahre  haben  fie 

'  Von  den  ca.  150  (Jefaßen.  welche  aus  dem  Graben  in  der  „Tomkova 
iilice-'  gewonnen  wurden  und  im  hiftorifchen  Mufeum  aufgeftellt  find,  befitzen 
einige  einen  Henkel,  mitunter  auch  zwei  Henkel;  andere  find  gemalt,  einige 
wenige  find  auch  mit  eingeritzten  Wellenlinien  verziert  (ein  fo  verziertes  trägt 
auch  als  Bodcnzeichen  das  quadrirte  Rad  Q) ,  es  ift  alfo  hier  die  Keramik 
vom  10.  Jahrhundert  circa  bis  in  das  fpate  Mittelalter  hinein  vertreten,  die 
erftere  freilich  nur  fpiirlich,  ein  Beweis,  dafs  der  Graben  erft  nach  Gründung 
der  Stadt  aufgelafi'en  und  mit  Schutt  gefüllt  wurde. 


—     II 


einige  der  zahlreichen  Gruben  ausgebeutet  und  aus 
ihnen  für  das  hiftorifche  Mufeum  von  Königgrätz  außer 
einer  großen  Menge  Artefacle  aus  Feuerftein  und  po- 
Hrtcm  Steine  auch  viele  Scherben  gewonnen,  welche 
mit  Voluten,  geftochenen  Bändern  und  Sparren  ver- 
ziert find.  Dies  ift  die  ältefte  der  drei  neolithifchen 
Anfiedlungen  im  Weichbilde  der  Gemeinde  Plotiste. 

Schlefifche  Vorftadt.  Auf  den  Feldern  der  „Schle- 
fifchen  Vorftadt"  bei  Königgrätz  fanden  die  Herren 
Buchtela  und  Domecka  eine  prähiftorifche  Anfiedlung 
aus  der  Periode  der  Urnengräber  vom  fogenannten 
fchlefifchen  oder  jüngeren  Typus.  Sie  lag  am  Fuße  der 
ehemaligen  Anhöhe  „Rozberk"  oder  „Kroatenberg", 
welche  beim  Baue  der  Feftung  Königgrätz  1768  behufs 
Auffchuttung  der  Wälle  abgetragen  wurde.  Dabei  ift 
ein  Urnenfeld  vernichtet  worden,  von  deffen  Beftehen 
und  Charakter  durch  Bienenberg  uns  Kunde  erhalten 
blieb. 

Pfedmerice.  Im  weftlichen  Theilc  der  Ziegelei  des 
Herrn  Morävek,  in  deren  öftlichem  Theile  1897  ein 
La  Tene-Grab  mit  Skelet,  zwei  auf  der  Scheibe  ge- 
drehten Gefäßen  und  drelBronzearmringen  und  ein  Jahr 
zuvor  ein  Skelet  (ohne  Beigaben?)  gefunden  worden 
waren,  kamen  1900  (vor  den  Arbeitervvohnungen) 
Refte  einer  prähiflorifchen  Anfiedlung  zum  Vorfchein. 
Ein  Arbeiter  fand  hier  die  Scherben  eines  großen,  weit- 
bauchigen Gefäßes  mit  verhältnismäßig  engem  und 
niedrigem  Hälfe  und  wagrecht  ausgelegtem  Rande, 
ferner  Scherben  einiger  kleinen  Gefäße,  von  denen  ein 
Schüffelchen  mit  Gitterornamenten  in  Sternform  auf 
der  Innenfeite  die  Anfiedlung  als  zur  Reihe  der  Anfied- 
lungen mit  Urnenfeldern  des  fchlefifchen  Typus  (wie 
Redice  bei  Pardubic  und  Chlomek  bei  Holohlavy) 
gehörig  hinreichend  charakterifirt. 

Kukleny.  Beim  Baue  eines  neuen  Schulgebäudes 
am  nordöfllichen  Ende  der  Königgrätzer  Vorftadt 
Kukleny  wurde  im  letzten  Herbfte  in  einer  Sandgrube 
eine  prähiftorifche  Anfiedlung  mit  Scherben  vom 
Typus  der  fchlefifchen  Urnenfelder  entdeckt.  Auf  einer 
benachbarten  Bodenerhebung  kamen  gleichzeitig  die 
Refte  einer  mittelalterlichen  Anfiedlung  zum  Vorfchein; 
es  beftand  hier  vor  Beginn  der  hufitifchen  Wirren  ein 
Hof  oder  Vefte. 

Stezirky.  Am  Anfange  des  Dorfes  liegt  eine 
Ziegelei,  der  wir  Scherben  verdanken,  welche  nach 
Herrn  Buchtela's  Anficht  der  Keramik  der  fogenannten 
Uneticer  Gräber  cntfprechen. 

Cernilov.  Bei  tiefem  Ackern  wurden  am  nordweft- 
lichen  Ende  des  langgeftreckten  Dorfes  viele  Scherben 
ausgeackert.  Es  fcheint,  dafs  liier  durch  den  Pflug  ein 
Urncnfcld  zerftört  worden  ift.  Ein  fchr  intereffanter 
Fundplatz  ift  die  bei  dem  I^auernhofe  C.-Nr.  54  befind- 
liclie  Mergelgrube  am  füdweftlichen  Ende  des  Dorfes. 
In  diefer  Grube  wurde  vor  einigen  Jahren  ein  Feuer- 
fteinfchaber  gefunden,  welcher  auf  der  Königgrätzer 
RegionalausftclUmg  im  Jahre  1894  durch  feine  für 
unfere  neolithifchen  Artefakte  ungewöhnliche  Größe 
(derfelbe  ift  123  Mm.  lang)  meine  Aufmerkfamkeit  auf 
fich  zog.  Ich  unterfuchte  infolgedeffen  die  betreffende 
Mergelgrube,  fand  hier  aber  keine  Spur  einer  Cultur- 
fchichte.  Im  letzten  Winter  wurde  auf  dem  P'elde,  in 
welchem  fich  diefe  Grube  befindet,  eine  Spccrfpitzc 
aus  Feuerftein  von  noch  größeren  Dimenfionen  aus- 
geackert; fic  ift  140  Mm.  lang  und  52  Mm.  breit. 


Smifice.  Aus  dem  Elbebette  wurde  bei  Gewin- 
nung von  Flußfand  eine  filbernc,  ftark  abgenützte 
römifche  Rlünze'  ausgebaggert. 

Choteborky.  Auf  dem  erweiterten  Friedhofe  von 
Choteborky  ftieß  der  Todtengräber  auf  Skelette;  im 
Laufe  der  letzten  Jahre  wurden  ihrer  angeblich  zwanzig 
gefunden.  Das  Mufeum  von  Jaromei^  erwarb  hier  heuer 
einige  große  Schläfenringe  und  eine  eiferne  Lanzen- 
fpitze  mit  Tülle,  welche  zu  beiden  Seiten  nur  mit  ganz 
niedrigen  Grathen  verfehen  ift. 

Lochenice.  1897  brannte  der  am  Nordende  des 
Dorfes  gelegene  Bauernhof  41  ab.  Weil  der  Hofraum 
des  Anwefens  fehr  abfchüffig  war,  benützte  der  Grund- 
wirth  Pesek  die  Gelegenheit,  den  Hofraum  durch  Ab- 
tragen des  einen  Theiles  zu  reguliren.  Dabei  fand  man 
einerfeits  eine  afchige  Culturfchichtc  und  Gruben  mit 
zahlreichen  Scherben  von  Gefäßen,  welche  mit  Wellen- 
linien und  verwandten  Ornamenten  verziert  waren  und 
Töpferzeichen  auf  den  Böden  trugen,  anderfeits 
Gruben,  welche  mit  fchwarzer  Erde  gefüllt  waren. 
Pecek  fchaffte  beiderlei  Erde,  die  graue  und  die 
fchwarze  auf  fein  knapp  an  das  Anwefen  ftoßendes 
Feld.  Aus  dem  Haufen  der  fchwarzen  Erde  gewann 
ich  damals  das  Bruchftück  eines  fteincrnen  Hammers, 
einen  Bohrkegel,  einige  Schaber  und  Meffer  aus  Feuer- 
ftein und  eine  größere  Anzahl  Scherben  von  Freihand- 
gefäßen, auf  welchen  fich  aber  keine  Spur  von  ein- 
gegrabenen Voluten  und  Liniengrübchen  oder  von  ein- 
geftochenen  Bändern  und  Sparren  vorfand;  es  waren 
insgefammt  Scherben  von  geglätteten  Gefäßen  ohne 
alle  Ornamente,  aber  auch  ohne  den  bekannten 
Graphitanftrich  und  von  recht  ungewöhnlichen  Formen. 

Als  nun  im  Vorjahre  der  VII.  Band  von  „Schlefiens 
Vorzeit  in  Wort  und  Bild"  in  meine  Hände  gelangte, 
erkannte  ich,  dafs  die  Scherben  von  Lochenice  in 
hohem  Grade  mit  den  Gefäßen  übereinftimmen,  welche 
bei  Jordansmühle  im  Kreife  Nimptfch  bei  Skeletten 
zugleich  mit  Schmuckgegenftändcn  aus  reinem  Kupfer 
gefunden  worden  waren.  Namentlich  ein  Randftück 
von  einer  Schüffei  mit  einem  runden  Knopfe  unterhalb 
der  Bauchkannte  ftimmt  vollkommen  mit  der  Jordans- 
mühler  Schüffei  auf  hohem  walzenförmigen  Fuße  vom 
Typus  Lengyel  überein,  von  dem  Unterthcile  einer 
anderen  Schüffcl  waren  die  Refte  des  Fußes  forgfältig 
abgefprengt,  von  einem  dritten  Gefäße  wurde  ein 
Stück  des  konifclien  Fußes  gefunden;  folche  Gefäße 
auf  hohlen  konifchen  Füßen  wurden  bei  Roztoky'  und 
fchließlich  von  den  Herren  Jira  und  Buchtcia  in  der 
Reifer'fchen  Sandgrube''  und  in  Mailbek's  Ziegelei'  bei 
Podbaba  zugleich  mit  jenen  eigenthümlich  verzierten 
Gefäßen  ausgegraben,  von  denen  eines  auch  bei 
Jordansmühle  gefunden  wurde.  Unter  den  Scherben 
von  Lochenice  befindet  fich  noch  eine  größere  Anzahl 
ähnlicher  Schüffelrandftücke. 

Zum  Anwefen  41  gehört  eine  aufgclaffene  Ziegelei 
mit   einer  Lehmgrube,   in   deren  Lößwand   feit  Jahren 


'  Nach  der  Befchrcibung  ift  wohl  auf  einen  Denar  des  Tilus  n  it  Jo-jis 
custos  zu  fchli;Dcn.  D'>:  R«<i- 

=  Pic.   Ccchy  ]ifedhistorickc  I.  Taf.   XXXV.  Fig.   a. 

3  Eine  folche  Schüffcl  mit  konifchcm  l-'iiße  und  eine  andere  mit  diefem 
charakteriftlrchen  Ornamente  und  zwei  fcnkrccht  durchbohrten  Ocfen  am  Rande 
hat  Spbttcl  (Mittheilunpen  der  Wiener  anthropclogifchcn  Gefellfchaft  1890, 
ji.  68  [aus  Wcikcrsdorf))  abgchildcl;  auch  eine  mit  demfcllien  Ornamente 
htmalte  Scherbe  {Palliardi,  Ncolithifche  Anfiedlungen  mit  bemalter  Keramik, 
l'af.  V.  6  ti,  b)  ift  dort  gefunden  worden. 

*  Die  Grube  in  Mailbek's  Ziegelei,  welche  eine  folche  wohlerhaltenc 
SchiilTcl  mit  Fuß  geliefert  h.Tl  war  mit  Erde  vcrfchüttct.  die  kleine  Scherben 
mit  eingcftochenen  Ornamenten  enlliielt. 


X.WIII,  N.  F. 


>s 


—      114 


eine  dunkelgefärbte  Stelle  fichtbar  ift.  Duska  fagt  in 
feinen  Nälezy  prachiflorickc  v  kraji  Kralove  hradcclccm: 
es  fei  das  der  Rcll  eines  Grabes,  in  welchem  187S  ein 
menfchliches  Skelet  mit  einem  Bronzefchvverte  und 
Hirfchgeweihen  gefunden  worden  wäre.  Ich  unterfuchte 
diefe  Stelle  bereits  vor  einigen  Jahren,  fand  aber  nichts 
dort. 

Im  Laufe  des  vorigen  Sommers  übergab  mir  Herr 
Svatos,  Lehrer  zu  Smiric,  eine  Partie  Scherben,  welche 
ihm  ein  Sohn  des  Grundwirtes  Pesek  aus  Lochenic,  im 
Frühling  überbracht  hatte.  Ich  erkannte  darunter  zahl- 
reiche mit  Wellenlinien  verzierte  Scherben,  und  auch 
einzelne  Scherben  älteren  Charakters,  welche  der 
Knabe  offenbar  auf  dem  Felde  feines  Vaters  aufgelefen 
hatte;  außerdem  waren  viele  Scherben  darunter,  welche 
zu  kleinen,  freilich  unvollfländigen  Schüffuln  zufammen- 
zufetzen  Herrn  Svatcs  gelungen  war.  Diefe  Scherben 
wiefen  eine  eigenthümliche  Technik  und  fehr  fcharfen 
Brand  auf  und  es  befanden  fich  darunter  auch  welche 
mit  Graphitanftrich.  Ich  fah  in  ihnen  keramifche 
Produfte  der  älteren  römifchen  Kaifcrzeit  und  ver- 
muthete,  der  Knabe  habe  fie  aus  der  Herdftelle  der 
väterlichen  Ziegelei  gewonnen. Die  letztere  Verniuthung 
wurde  alsbald  beftätigt;  von  der  Richtigkeit  meiner 
Zeitbeftimmung  wurde  ich  überzeugt,  als  bei  weiterem 
Abgraben  der  HerdAelle  durch  Herrn  Buchtela  in 
derfelben  Refte  einer  La  Tene-Schüffel  von  fchwachem 
Brand  und  aus  ganz  vcrfchiedenem,  fandigem  Materiale 
auf  der  Töpferfcheibe  gedreht,  (die  übrigen  Scherben 
ftammen  insgefammt  von  ftarkgebrannten  Freihand- 
gefäßen) und  gleichzeitig  eine  Scherbe  fich  zeigte, 
welche  einft  eine  aufgeklebte,  raupenförmige  Ver- 
zierung getragen  hatte,  wie  fie  häufig  auf  dem  Gräber- 
felde von  Darzau  und  bei  uns  zu  Piahan  (Pamatky  XVII, 
Taf  XXVII)  gefunden  worden  war. 

Das  Bronzefchwert  des  Herrn  Duska  hat  nie 
exiftirt,  wie  übrigens  auch  der  alte  Ziegeleimeifter 
durch  die  Ausfage  beftätigt,  er  habe  in  dem  abge- 
grabenen Theile  der  Herdflelle  wohl  ein  Hirfchgeweih 
und  drei  Drähte  aus  „Kupfer",  aber  fonft  nichts  außer 
Scherben  und  Thierknochen  gefunden. 

Der  Oberlauf  der  Wilden  Adler.  In  ,.Schlefiens 
Vorzeit  in  Wort  und  Bild"  VI  29  ff.  crfcheinen  unter 
den  Depotfunden  von  Bronzeartefaften  auch  der  Fund 
von  9  ganzen  und  20  zerbrochenen,  offenen  Bronze- 
armringen aus  mittlerer  Bronzezeit  und  mit  eigenthüm- 
licher  Gravirung,  wie  fie  bei  uns  nicht  vorzukommen 
pflegt,'  welcher  vor  Jahren  bei  dem  Dorfe  Freiwalde  im 
Kreife  Habelfchwert  gemacht  wurde. 

Freiwalde  liegt  am  linken  Ufer  der  Wilden  Adler 
auf  preußifchem  Gebiete,  4  Km.  vom  Oberlaufe  der 
Glatzer  Neiffe  bei  Mittelwalde.  Hält  man  diefen  Funtl 
zufammen  mit  denen  an  der  Wilden  Adler  auf  böhmi- 
fchem  Gebiete  (Depotfund  von  Castolovic  und  ge- 
knickte Bronzenadel  mit  Oefe  von  Zachlumi  bei 
Senftenberg),  fo  darf  man  vermuthen,  dafs  zur  mittleren 
Bronzezeit  ein  Ilandelsweg  aus  Böhmen  längs  der 
Wilden  Adler  zur  Glatzer  Neiffe  und  längs  dicfer  weiter 
nach  Nieder-Schlefien  führte. 

Hustifany.  Im  Frühjahre  1900  brachte  mir  der 
Fabriksarzt  Dr.  Zemek  zwei  Scherben  als  Probe  zahl- 


'  Depots  von  fo  ornamentirtcn  ofTenen  Armringen  wurden  in  Schlefien 
auch  bei  Ditmansdorf  (Kreis  Frankenftcin)  und  bei  Rcificht  (Krci.s  Goldberg) 
gemacht. 


reicher  anderer,  welche  auf  einem  Felde  feines 
Schwiegervaters,  des  Grundwirthcs  Kopecky  zu 
Hustiran,  gefammelt  worden  waren.  Beide  Scherben 
waren  dunkelgrau,  geglättet  und  mit  eingeftochenen 
Bändern  genau  in  der  Weife  verziert,  wie  die  Scherben, 
\\  eiche  in  den  Reiten  von  drei  Hütten  gegenüber  dem 
Friedhofe  zu  Smiric  zugleich  mit  zahlreichen  Arte- 
fakten aus  Feuerftein  neben  einzelnen  polirten  Stein- 
geräthen  gefunden  wurden. 

Als  ich  im  Sommer  den  Fundplatz  unterfuchte, 
fand  ich,  dafs  öfllich  \-on  dem  Dorfe  Hustifany  in  der 
Richtung  gegen  den  Badeort  Welichowky,  unmittelbar 
hinter  dem  Garten  des  Grundwirtlies  Kopecky  auf 
deffen  und  anderer  Infaffen  Feldern,  an  einem  fanften 
Abhänge  zum  Bache  eine  weitläufige  prähiftorifche 
Anfiedlung  fich  ausbreite.  Aus  zwei  Abfallgruben  hatte 
Herr  Kopecky  bereits  zwei  untere  Getreidereibfleine, 
einen  oberen,  zwei  kleine  Bruchllückc  von  polirten 
Steingeräthen  und  eine  große  Anzahl  von  Scherben 
ausgegraben.  Von  den  Scherben  trägt  eine  mit  Grüb- 
chen verzierte  einen  niedrigen  cylindrifchen  Knauf 
(ältefte  Phafe  der-  Bandkeramik),  fünf  find  mit  ein- 
geflochenen  Bändern  verziert;  ferner  waren  vorhanden 
je  einige  (theilweife  zufammenpaffende)  Scherben  von 
drei  Gefällen,  deren  Ornamente  aus  feichten  breiten 
Rillen  beflehen.  Außerdem  wurden  viele  Scherben 
ohne  alle  Ornamente  gefunden,  aber  nichteine  einzige 
graphitirte  oder  fonfi;  zur  Keramik  der  Laufitzer 
Urnenfelder  gehörige. 

Ueber  Anzeige  des  Bezirksvorftandes  Jaros 
fchickte  Profeffor  Pic  den  Alufeumslaboranten  Landa 
zur  Vornahme  von  Grabungen  nach  Hustifany  (vgl. 
Pic  „Cechy  predhistoricke"  II,  108).  Pic  fieht  in  dem 
Umltande,  dafs  dort  in  einer  Grube  zugleich  mit 
Scherben,  die  mit  eingeflochenen  Ornamenten  verziert 
waren,  auch  Scherben  mit  aufgeklebter  Leifte  mit 
Tupfen  fich  \orfanden,  keinen  Grund  dafür,  die  Scher- 
ben mit  eingeflochenen  Ornamenten  bei  uns  an  den 
Beginn  der  neolithifchen  Zeit  zu  verlegen.  Diefe  Be- 
hauptung nöthigt  mich  zu  conftatiren,  dafs  ich  in  der 
mittleren  Hütte  gegenüber  dem  Smii^icer  Friedhofe 
neben  Scherben  mit  eingeftochenen  Ornamenten, 
welche  vollkommen  mit  denen  von  Hustifany  überein- 
ftimmen,  auch  genug  Scherben  von  Gefäßen  fand,  die 
aus  Lehm  mit  Zul'atz  von  fehr  viel  Sand  geformt 
waren,  alfo  von  demfelben  Materiale,  wie  ich  fie  auch  in 
den  Abfallgruben  zu  Ncu-Bydzov  und  zwar  in  einer 
von  denfelben  faft  ausfchließlich  zugleich  mit  zwei 
Steinbeilen  fand,'  unter  diefen  (Smiricer)  Scherben  ift 
auch  eine,  welche  von  einem  Gefäße  herrührt,  das  eine 
getupfte  Leifte  unterhalb  des  Halfes  trug.  Wir  haben 
mithin  keinen  Grund  die  Tupfenlcifte,  welche  übrigens 
auch  noch  auf  Gefäßen  aus  dem  I.Jahrhundert  nach 
Chrifti   vorkommt,   erft   in  die  Bronzezeit  zu  verlegen. 

In  dem  Thale  zwifchen  Huftifany  und  Velichovky 
befinden  fich  die  Refte  einer  kleinen  Befeftigung,  Pupek 
(Nabel)  genannt.  Fs  ift  dies  der  weniichflc  Ausläufer 
des  waldigen  Höhenrückens,  der  von  Velichovky  gegen 
W'efl  und  Süd  flreicht  und  durch  einen  tiefen  Graben, 
in  welchen  das  Rinnfal  eines  kleinen  Baches  geleitet 
wurde,  abgetrennt  ift.  Der  Fuß  der  Befeftigung  ift  nach 
Ausfage    des  Befitzers   Herrn   Kopecky   ringsum   von 

'  Matcrialy  k  dejinain  kulturnini  lidi  bydlivsich  v  hofejsim  pofi-:i  labskem 
Artikel   I.  S.   6,   Taf.  IX,  /.. 


—     115     - 


einer  Trockenmauer  aus  Planer  verfehen,  welclie  der 
Vater  des  jetzigen  Befitzers  theilweile  demolirt  hat; 
feine  nächfte  Umgebung  konnte  durch  Aufftaucn  des 
Waffers  in  den  Burggraben  in  einen  Sumpf  verwandelt 
werden.  Kopecky  fand  an  der  Oberfläche  der  Befe- 
stigung zwei  kupferne  Schlafenringe  (im  Mufeum  zu 
Jromei^)  und  einen  eifernen  Sporn  mit  Stachel;  ich 
felblt  fammelte  auf  den  MauKvurfshügeln  kleine  Scher- 
ben von  gedrehten  Gefäßen;  ein  bemalter  ftammt 
aus  den  13.  oder  14.  Jahrhundert. 

Zderaz.  Die  prähiftorifche  Anfiedelung  um  den 
Maierhof  Zderaz  zieht  fich  nicht  bloß  weithin  gegen 
Norden  (bis  gegenüber  dem  Smii^icer  Friedhofe  und  in 
die  Smificer  Ziegelei),  londern  auch  gegen  Süden.  Nach 
dem  heurigen  Frühjahrsackern  fand  ich  die  Refte  von 
drei  Hütten  bis  gegenüber  den  Scheunen  des  Maier- 
hofes  zwifchen  derTrace  der  böhmifchen  Commercial- 
bahnen  und  dem  nach  Trotina  führenden  Wege.  Die 
vorgefundenen  Scherben  waren  mit  Ausnahme  eines 
einzigen    mit    geftochenen   Sparren    verzierten    wenig 


Fig.  2.  (Ring  und  Sichel  von  Holovousy.) 

charakteriftifch.  Von  Intereffe  ift,  dafs  unter  den 
Scherben  zwei  Stückchen  ungarifchen  Edelopals  lagen, 
welche  augenfcheinlich  von  einem  und  demfelben  zer- 
fchlagenen  Knollen  herrühren. 

Umgebung  von  Horic.  In  den  nordöftlichen  Theile 
der  Ziegelei  von  Dobrä  Woda  bei  Hofic,  wo  bereits 
vor  einigen  Jahren  la  tene  zeitliche  Skeletgräber '  ge- 
funden wurden,  fand  man  im  Sommer  1900  und  im 
heurigen  J^'rühjahr  eine  größere  Anzahl  von  folchen 
Gräbern.  Von  den  bei  den  Skeleten  gefundenen  Gegen- 
fländen:  eifernen  Schwertern,  Schildbuckeln,  Wehr- 
gehängen (r)  aus  langen  (8  cm)  tordirten  Gliedern,  wie 
fie  auch  in  Hradi.ste  von  Stradonice,  zu  Letky  und  zu 
Pfemyslcni  gefunden  wurden,  eifernen  Fibeln,  Lignit- 
und  Bronzeringen  etc.  wurde  das  Meifte  dem  Mufeum 
zu  Ilofic  übergeben.  Einiges  erlangten  die  Herren 
Buchtcia  und  Domecka  durch  eigene  Grabungen  für 
das  Mul'cum  zu  Königgrätz. 

Urnenfeld.  Zwifchen  Chvalina  und  Biczovic  an 
der  Grenze  des  Weichbildes  von  letzterem  Orte  fand 

1   Pokorny,  Pam.ilky  XVH.  744. 


der  Mufeal  Cuftos  Pokorny  im  Herbfte  1899  ein  Urnen- 
feld. Ein  Grab  enthielt  13  Gefäße,  faft  insgefammt  zer- 
drückt und  ohne  die  vom  Pfluge  längft  weggeriffenen 
Obertheile.  Nur  ein  ganzes  und  ein  befchädigtes 
kleineres  Gefäß  konnten  gerettet  werden;  die  Gefäße 
ftimmen  vollkommen  mit  denen  aus  dem  Urnenfelde 
von  Dobrä  Woda  überein.  Neben  dem  Urnenfelde  ifl 
die  Stätte  einer  prähiftorifchen  Anfiedelung,  auf  welcher 
fteinerne  Bohrkegel  gefunden  wurden. 


F'g-   3-    (Verzierungen    dreier   Gefäße    des   hiftorifchen   Mufeums    in 
Königgrätz  S.  1 16.) 

Holovousy.  Zwifchen  den  Dörfern  Holovousy  und 
Chlomek  im  Walde  oberhalb  des  Burgwalles  von 
Holovousy'  wurde  im  Mai  1900  ein  Depotfund  von 
Bronzen  gemacht.  Er  befteht  aus  fünf  Sicheln  mit 
Rippen  und  Warzen  (auf  einer  Seite  flach),  14  glatten 
ziemlich  weit  offenen  Armringen  mit  ftumpfen  Enden, 
einem  ebenfolchen  Halsringe  und  einem  Beile  mit 
Tülle.  Alles  befand  fich  nur  einen  Spatenftich  tief  in 
der  Erde  und  wurde  von  Herrn  Pokorny  bis  auf  drei 
Gegenftände  für  das  Mufeum  zu  Hofic  erworben.* 


Fig.  4.  (Gefäß  von  Ufelice.) 

Freihöfen.  Das  Mammuthfkelett  aus  der  Ziegelei 
Mordvek  -  Tvrzsky  wurde  durch  das  „hillorifche 
Mufeum"  zu  Königgrätz  erworben. 

Tunechody  und  Ufetice.  Hart  an  der  Gränze 
meines  Rayons,  aber  fchon  im  Chrudimer  Bezirke 
liegen  zwifchen  den  Dörfern  Tunechody  und  Ufetice 
(am  Zufaninicnflußc  der  beiden  Kanienice')  drei  i^roße 
Ziegeleien  mit  ausgedchnlen  Lehmgruben.    Ueber  die 

'  Unterhalb  diefcs  BuiRwallcs  wurde  1880  im  Schloßgartc"  ein  iidciies 
mit  (ca.  30)  Bronzeringen  Kcfiilltes  Gcfaß  ausgegraben.  Den  Reft  des  Fundes, 
fünf  ganze  mit  Linienornamenten  bedeckte  Ringe  und  einige  Hruchdiicke. 
erwarb  erft  nacli  Ablauf  von  einigen  Jahren  Herr  Pokorny  für  das  Mufeum  zu 
Hofic;  Ccsky  lid.  IV.  457. 

2  Zwei  Stücke  im  Königgratzer  Mufeum. 


IS* 


—     ii6     — 


neolithifche  Station  in  der  mittleren  Ziegelei  —  dem 
Grundwirthe  Franz  Slavik  gehörend  —  hat  vor  einigen 
Jahren  der  Chrudimer  Archäologe  Herr  Anton  Solta 
in  der  Abendausgabe  der  ,,N:irodni  listy"  berichtet. 
Die  von  iiim  erwähnten  Gefäße  kamen  im  heurigen 
Sommer  als  Gefchenk  des  Mikalovicer  Cooperators 
P.  Vanicek,  eines  geborenen  Königgrätzers,  in  das 
hiftorifche  Mufeum  zu  Königgrätz,  was  mich  bewog, 
im  Auguft  diefe  Gegend  zu  hefuchen.  In  der  neuen,  zu 
Tunechody  gehörigen  Mafchincnziegelei  des  Herrn 
Slavik  fand  ich  einige  Abfallgruben,  welche  insge- 
fammt  Scherben  vom  Burgvyalltypus  enthielten,  in  der 
zweiten,  im  Katafter  von  Üi^etice  gelegenen,  älteren 
Ziegelei  desfelben  Befitzers  fand  ich  eine  weitläufige 
prähiftorifche  Anfiedlung  vor  mit  ausgezeichneter  neo- 
lithifcher  Keramik,'  weiter  mit  Scherben,  welche  der 
Epoche  der  älteren  Urnenfeldcr  angehören,  und  einer 
ganzen  Reihe  Scherben  von  La  Tene-Gefäßen;   in  der 

*  Dnrunier  mehrere  Scherben  von  einem  bombenförminen  Gefäße  (Fig.  4) 
mit  Eindrücken  von  Fingernägeln  verziert.  An  Steinartefaiflen  fand  ich  zwei 
Klopfer  und  die  Schneide  eines  fchuhleiftenförmigeu  Steinkeiles. 


dritten,  dem_  Grundwirthe  Herrn  Kopifta  gehörigen 
Ziegelei  zu  Ui'ctice  wgr  kurz  vor  meiner  Ankunft  eine 
Zeitlang  auf  Koften  des  Chrudimer  Mufeums  unter 
Leitung  des  Profeflors  Pic  aus  Prag  gegraben  worden. 
In  dicfer  Ziegelei  befinden  fich  die  zu  der  Anfiedlung 
in  der  Ziegelei  Slavik  gehörigen  Gräber  und  wurden 
bei  den  Grabungen  mehrere  Urnengräber,  ein  Hocker- 
grab (welches  inta6l  in  das  Mufeums  zu  Chrudim  ge- 
fchafift  wurde)  und  ein  La  Töne  Grab  gefunden. 

Von  den  im  hiftorifchen  Mufeum  zu  Königgrätz 
befindlichen  (jcfäßen,  welche  insgefammt  ganz  klein 
und  wohlcrhalten  find,  weifen  drei  die  für  die  ältefle 
Bandkeramik  charakteriftifchen  Formen  und  Ver- 
zierungen auf;  zwei  find  halbkugelig  (eines  glatt,  das 
zweite  mit  drei  cylindrifchen  Knöpfen),  eines  vafen- 
förmig  mit  vier  nach  aufwärts  gerichteten  Hörnchen. 
Die  Verzierungen  diefer  drei  Gefäße  find  (Fig.  3)  auf- 
gerollt dargeftellt.  Nach  Ausfage  des  Ziegeleimeifters 
würden  die  hier  bereits  ausgegrabenen  Scherben  ganze 
Wasenladumjen  abgeben. 


Das  La  Tene-Gräberfeld  von  Hofenice. 


Von  L.  Schneider,  k.  k.  Confervator. 


NGEI-'AHR  einen    Kilometer   von    den   letzten 
't'  Häufern    der    Jaromefer    Vorftadt    „Cihelny" 
gegen  Nord,  ober  der  Stelle,  wo  die  Trace  der 
Eifenbahn    Pardubic — Reichenberg    die    Straße    von 
Jofefftadt    nach    Trautenau    überfchreitet,   liegt   links 
von  der  Straße  auf  einem  gegen 
Oft  mäßig  abfallenden  Abhänge 
knapp  an  der  Gränze  des  Ka- 
tafters   von   Hofenice   die   Jar- 
chovsky'fche    Ziegelei.    Sie   be- 
fteht     aus      mehreren      Lehm- 
gruben, deren  ältefte  und  tiefft- 
gelegene  gegenwärtig  von  dem 
ausgedehnten      Rundbrennofen 
ausgefüllt     ift,     während     eine 
zweite,  füdweftliche  (ältere)  und 
eine  dritte,  nordweftliche    (jün- 
gere) faft  bis  an   das  Feld  des 

jaromei^cr  Bäckers  Kuhn 
reichen. 

In    der    Mitte    der    dritten 

Lehmgrube    traf   der   Arbeiter 

See    1897   auf  ein    Skeletgrab, 

welchem  er  eine  eiferne  Lanzen- 

fpitze  und  einen    Armring    aus 

Bronze    entnahm;    die    Speer- 

fpitze  verlegte  er    und    konnte 

fie,  als  das  „Hiftorifche  Mufeum" 

in    Königgrätz,    welches    durch 

Vermittlung     des     Jofefftädter 

Antiquars  Duska  den  Armring 

erworben  hatte,  danach  fragte, 

nicht  wieder  auffinden.'  Der  erhaltene  Armring  zeichnet 

fich  durch  feine  recht  ungewöhnliche  I-'orm  aus;  er  wird 

nämlich  von  dem  Mittelftücke  (einem  runden  oder  eher 

'    Dii^ka,    Sitzungsberichte    der    Wiener    Anlhropoloßifchen    Ocrcllfchaft 
l8g8.  Jahresbericht  p.  4. 


Fig.  I .  (Gräberfeld  von 
Horenice.) 


elliptifchen  Knoten)  nach  rechts  und  links  immer 
fchmäler,  um  dann  abermals  ftärker  werdend  in  abge- 
flachte, ausgehöhlte  Knöpfe  zu  enden;  die  eine  Hälfte 
diefes  zweiten  Theiles  (alfo  ein  Viertel  des  ganzen 
Armringes)  ift  verloren.  Der  Armring  \\\i  ganz  corrodirt 
und  ohne  alle  Patina,  vielleicht  ift  er  nach  der  Auf- 
findung gebrannt  oder  mittelfi:  Säure  ,,gereinigt" 
worden  (Fig.  2  I). 

Im  Sommer  1S98  gruben  andere  Arbeiter  weftlich 
von  diefem  Grabe  bis  nahe  an  den  Rain  des  Kuhn'fchen 
Feldes  und  ftießen  in  einer  Tiefe  von  ca.  i'5  M.  aber- 
mals auf  Gräber.' 

Aus  den  erften  drei  Gräbern  wurden  erhalten:  ein 
zerbrochenes  Schwert  in  Eifenfcheide,  zwei^  gleich- 
geformte Fußringe  aus  Bronze,  eine  kurze  einfache 
Speerfpitze  aus  Eifen,  ein  großer  glatter  Lignitring, 
weitere  zwei  Fußringe  von  gleicher  Geftalt,  aber  in 
mehrere  Stücke  gebrochen  (Fig.  2  II),  eine  Bronze- 
fibula ohne  Nadel  und  Schlußftück  (Fig.  2  III),  ein 
flacher  Armring  mit  Endknöpfen  Fig.  2  IV.  V),  ein 
Bronzearmring  mit  Knoten  von  zweierlei  Größe,  zwei 
einfache  Armringe  aus  ftarkem  Bronzedraht,  eine  ein- 
fache lange  Speerfpitze  und  ein  Lanzenfchuh  aus  Eifen, 
Bruchftücke  eines  eifcrnen  Schildbuckels,  Bruchftücke 
eines  Schildrandbcfchlagcs,  ein  großer  eiferner  Ring 
mit  Endknöpfen  und  kleine  Bruchftücke  eines  irdenen 
Gefäßes. 

Im  Juli  wurde  in  einem  anderen  Skeletgrabe  ein 
großer  perlenfchnurähiilicher  Ring  mit  Endknöpfen, 
ein  kleiner  Ring  aus  Bronze  und  diverfe  Eifenfrag- 
mente,  vier  kleine  Fibeln,  im  Auguft  in  einem  fünften 
Grabe  ein  eifernes  Schwert  mit  Scheide,  eine  tiefe 
Schüffei,  eine  eiferne  Speerfpitze  mit  breitem  l?latt  und 

'  Duska.  ebenda  1899.  Jahresbericht  pag.  n  (die  vermeintlichen  Pfeil- 
fpitzen  find  Refte  des  Schildrandbefchlages) ;  derfelbc  ,.Nälczy  pfedhistoritke 
V  kraji  kralovehradcckcm.    S.  41. 

•  Einer  gelangte  in  das  ft.idtifclKr  Mufeum  in  Jaromcf,  den  zweiten 
behielt  der  Eigenthiinicr  der  Ziegelei. 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  Mst.  D( 


Fig.  2.  Funde  von  Hofenice 


Mitth.  d.  k.  k.  Centr.-Comm.  f.  Kunst-  u.  liist.  Denkm.,  Jahrg.  1902. 


Beilage  zu  Seite  116. 


r 


—      n; 


zwei  Bronzenägeln  mit  großen  Köpfen  in  der  Tülle 
(Fig.  2  VII)  und  ein  Bronzearmring  mit  Endknöpfen 
gefunden^ 

1899  änderten  die  Arbeiter,  welche  gegen  Weft 
nahezu  den  Rain  desKuhn'fchen  Feldes  erreicht  hatten, 
die  Richtung  gegen  Nord  in  eine  für  die  Erhaltung 
der  Funde  viel  günftigere  Richtung. 

Sie  fanden  kein  Skeletgrab  mehr,  fondern  eine 
Grube  mit  afchiger  Erde,  in  deren  Nähe  (angeblich 
beifammen)  zwei  Gefäße  mit  verbrannten  Knochen. 
Wie  ich  glaube,  ift  dieß  der  erfle  Fund  eines  relativ 
gleichzeitigen  Brandgrabes  auf  einem  Gräberfelde  mit 
Skeleten  aus  der  La  Tene  Zeit  in  Böhmen.'  Als  Urne, 
welche  die  verbrannten  Knochen  enthielt  (erft  nach 
der  Auffindung  wurde  ein  Stück  des  Randes  ab- 
gebrochen und  ging  verloren),  diente  ein  Hafen  von 
einer  für  die  LaTene-Zeit  in  Böhmen  charakteriftifchen 
Form.  Derfelbe  ift  dunkelgrau  und  fehr  ähnlich  einem 
Hafen  mit  einer  vermeintlichen  Runenfchrift,  welcher 
1859  beim  Bahnbau  in  der  Nähe  des  Dorfes  Drahelcice 
(Bezirk  Smichov)  neben  einem  Skelete  zugleich  mit 
einem  Schwerte  von  Eifen  gefunden  und  von  dem 
Archäologen  P.  Krolmus  erworben  wurde.  ^  Aus  feinem 
Nachlaffe  wurde  er  für  das  böhmifche  Landesmufeum 


Fig.  3.  iHaTen  aus  Ilofenice.) 

angekauft  und  von  Profeffor  Wocel  Pravek  zeme  ceske 
S.  459  publicirt. 

Auch  die  Töpfe,  welche  die  Bewohner  des  Hra- 
diste  von  Stradonice  als  Kochgefchirr  benutzten,  find 
unferem  Hafen  fehr  ähnlich  und  die  Abbildung  eines 
folchen  befindet  fich  in  meinen  „Materialy  k  dejinäm 
kulturnim  lidi  bydlivsich  v  hoi^ejsim  pofici  Labe.  1881 
Artikel  V,  Taf  IV*. 

Die  Urne  enthielt  nach  einem  Berichte  Duskas 
einen  Bronze-Armring  mit  Endknöpfen  und  einen 
Fingerring  aus  Glas.  In  das  Königgrätzcr  Mufeum 
gelangten  bloß  zwei  Bruchftücke  eines  glatten  Arm- 
ringes ohne  Knopfe  (circa  50  Mm.  Durchmeffer)  und 
ein  Drittheil  eines  Ringlcins  aus  farblofem  Glas  (von 
circa  18  Mm.  Durclimeffer.)  Ob  auch  das  zweite  Gefäß, 

'  Vgl.  Sitzungsberichte  der  Wiener  Anthropologifchcn  Gercllfchaft  1900. 
Jahresbericht  S.  9  und  in  den  Verhandlungen  der  Rcrlincr  anthropologifchcn 
Gcfellfchnft   1900.  S.   177. 

'  Pamatky  archaeologicke  1860,  .S.  45.  Ein  zweiter  Fund  (Scliwert,  Speer- 
fpitze  und  7wei  Ringe)  ift  abgebildet  bei  Pic,  echy  na  usvite  dcjin  I,  Taf.  I. 
Kig-    4  bis   7. 


\on  welchem  nur  (zufammenpaffende)  Scherben  mit 
alten  Bruchflächen  ohne  Rand  von  recht  roher  Arbeit 
und  einer  für  LaTtl-ne-Gefäße  ungewöhnlichen  Form  er- 
halten find,  aus  dem  Brandgrabe  und  nicht  eher  aus 
der  nebenan  gefundenen  Grube   herrührt,    ift   fraglich. 

Eine  neue  Reihe  von  Gräbern  kam  im  P^rühjahre 
1900  zum  Vorfchein. 

Als  ich  im  Juli  diefesjahres  mit  denHerrenFinanz- 
ratli  Buchfela  und  Sekretär  Domecka  die  Ziegelei 
befuchte,  fahen  wir  in  der  nördlichen  Wand  der  Lehm- 
grube fechs  tiefe  Oeffnungen,  welche  die  Arbeiter  hier 
ausgehöhlt  hatten.  Es   waren  Gräber,  deren  Bafis   130 


Fig.  .].  iKrug  von  Huitnicc.) 

bis  150  Cm  unter  der  Oberfläche  des  Feldes  lag.  Aus 
ihnen  hatten  die  Arbeiter  folgende  Gegenftände 
gewonnen: 

einen  Armring  aus  Eifen,  einen  Armring  aus 
Bronze  (er  befleht  theilweife  aus  fchneckengehäus- 
ähnlichen  Bukein,  Fig.  2  X),  einen  halbflachen  Arm- 
ring aus  Bronze,  von  dem  aber  nur  ein  kleiner  Theil 
erhalten  blieb,  ein  Bruchftück  eines  Armringes  aus 
Eifen,  eine  kleine  Fibel  aus  Eifen  und  die  Scherben 
einer  Schüffei,  welche  faft  ganz  zufammenzuflellen  mir 
gelang  (Abb.  5).  Später  gelangten  in  das  Koniggrätzer 
Mufeum    noch  Bruchftücke    einer  Speerfpitze    und    im 


Fig.  5.  iScliale  von  lloienice.l 

Juni  wurde  in  der  gleichen  Reihe,  aber  näher  an  dem 
Raine  des  Kuhn  fchen  Feldes  noch  ein  fiebentcs  Grab 
und  in  dicfem  ein  cifernes  Schwert  mit  Scheide 
gefunden. 

Von  da  ab  wurden  bis  zumSchluffe  der  Campagne 
im  Monate  06lober  keine  Gräberrefte  melir  gefunden, 
obwohl  das  Abgraben  des  Lehms  noch  ziemlich  weit 
in  nördlicher  Richtung  fortgefetzt  wurde. 

Die  in  den  bisher  entdeckten  Gräbern  aufgefun- 
denen Gegenftände  bcftehcn  aus  irdenen  Gefäßen,  aus 
Waffen  von  Eifen  und  aus  Gefchmeide  von  Bronze, 
Eifen,  Lignit  und  Glas. 


Ii8      — 


Die  Gefäße: 

a)  war  eine  tiefe  Schale,  auf  der  Töpferfchcibe  ge- 
drelit,  geglättet  von  hellbrauner  Farbe,  wenig  ge- 
brannt, 8  Cm.  hoch,  in  der  Mündung  ca.  32  Cm. 
weit;  aus  den  zahlreichen  größeren  und  kleinen 
Scherben  gelang  es  mir  eine  große  Anzahl  zu  ver- 
binden, doch  blieben  immerhin  noch  viele,  die  zu 
anderen  nicht  pafsten,  übrig  (im  hiftorifchen 
Mufeum  zu  Königgrätz,  Fig.  5  a); 

b)  ein  Hafen  mit  weiter  Mündung  und  einer  leichten 
Einbuchtung  knapp  unter  ihr;  dunkelgrau,  1 1  Cm. 
hoch  mit  einem  Durchmeffer  von  1 17  Cm.  in  der 
Mündung  und  75  Cm.  im  Boden  (im  Mufeum  zu 
Königgrätz,  Abb.  3); 


Fig.  S  a.  (Schale  von  Hofenice.) 

d)  zufammenpaffende  Scherben  eines  Kruges  ohne 
Rand  von  fehr  grober  Arbeit  (Mufeum  in  König- 
grätz, Abb.  4); 

e)  eine  tiefe  Schale  (8  Cm.  hoch)  auf  der  Töpfer- 
fcheibe  gedreht,  hellbraun  mit  einer  Leifte  unter 
dem  Hälfe;  der  Durchmeffer  der  größten  Aus- 
bauchung ift  größer,  als  der  Durchmeffer  der 
Mündung;  diefelbe  ließ  fich  aus  den  gefammelten 
Scherben  faft  vollftändig  zufammenfetzen  (Mufeum 
in  Königgrätz,  Abb.  5). 

Waffen  aus  Eifen: 
a)  eine  Speerfpitze  mit  angeblich  fehr  langer   Tülle; 
verloren; 


keines  von  diefcn  Schwertern  hat  eine  Parirflange 
(Abb.  5  b); 

e)  ein  Schildbuckel  von  Eifen ;  erhalten  blieb  der 
größere  Theil  des  einen  Flügels,  welcher  die 
Form  eines  rechtwinkeligen  Viereckes  befaß, 
fammt  der  Niete  und  drei  Stücke  des  eigentlichen 
Buckels,  welcher  aber  nicht  die  Form  eines  halben 
Cylindermantels  hatte  wie  der  Schildbuckel  von 
Neu-Bydzov  im  böhmifchen  Landesmufeum,'  fon- 
dern nach  allen  Seiten  gewölbt  eher  einem  bei 
Groß,LaTene  un  oppidum  helvete.Taf.  VII,  Fig.  13 
abgebildeten  Schildbuckel  glich;  an  die  Außenfeite 
des  Schildbuckels  ift  durch  Eifenroft  verbunden 
eine  Niete  von  6  Mm.  Länge  mit  großem  Kopfe, 
wahrfcheinlich  aus  dem  zweiten  Flügel  heraus- 
geriffen  (Mufeum  zu  Königgrätz); 

f)  ein  eiferner  Schildrandbefchlag,  von  welchem 
fcchs  größere  und  kleinere  Bruchftücke  in  Form 
von  offenen  Röhrchen,  die  mit  in  Eifenoxydhydrat 
verwandelten  Holzrerten  ausgefüllt  find,  erhalten 
blieben;  auch  er  unterfchcidet  fich  von  dem  Rand- 
befchlage  aus  Neu-Bydzov,  da  alle  feine 
Bruchftücke  vollkommen  gerade  find  und  folglich 
von  einem  viereckigen  Schilde  herrühren,  während 
der  gekrümmte  Randbefchlag  des  Bydzover 
Schildes  zu  einem  kreisförmigen  Schilde,  welches 
gerade  eine  Elle  im  Durchmeffer  hatte,  gehorte 
(Mufeum  zu  Königgrätz); 

g)  eine  kurze  eiferne  Speerfpitze  mit  Tülle,  urfprüng- 
lich  ungefähr  18  Cm.  lang  und  im  Blatte  3-5  Cm. 
breit  (Mufeum  zu  Königgrätz); 

It)  eine  lange  Speerfpitze  mit  Tülle;  ihre  Länge  be- 
trägt 40  Cm.,  von  denen  i8'5  Cm.  auf  die  an  der 
Mündung  mit  einer  Rille  verzierte  Tülle  entfallen 
(Mufeum  zu  Königgrätz); 

i)  eine  breite  Speerfpitze  mit  Tülle  urfprünglich  ca. 
28  Cm.  lang  und  im  Blatte  105  Cm.  breit;  die 
Tülle  ift  faft  vollftändig  erhalten  fammt  den 
großen  Köpfen  von  zwei  Bronzenieten,  welche  das 
Holz  in  der  Tülle  fefthielten,  von    dem    mit    einer 


Fig.  5  b.  lEilenfchwert  von  Iloienice.) 


b)  ein  Schwert  in  Eifenfcheide,  nach  Duska's  Bericht 
82  Cm.  lang,  15  Cm.  breit,  in  Stücke  zerbrochen 
(im  ftädtifchen  Mufeum  zu  Jaromef); 

c)  ein  Schwert  in  Eifenfcheide,  gleichfalls  in  mehrere 
zufammenpaffende  Stücke  zerbrochen  (Mufeum  in 
Königgrätz); 

d)  ein  Schwert  in  Eifenfcheide  zwar  zerbrochen,  aber 
fonfl  ganz  erhalten,  -Ji  Cm.  lang;  auf  der  Rück- 
feite der  Scheide  unter  der  Mündung  befindet  fich 
ein  großes  Stück  eines  groben  Gewebes  in  Eifen- 
oxydhydrat verwandelt'  (Mufeum  zu  Königgrätz); 

'  Groß,  .La  Tille"  ift  Taf.  XI  eine  Schwcrtfcheide  abgebildet,  deren 
ganze  Oberflache  mit  gcwcbcahnlichcn  Eindrücken  bedeckt  ift.  Nach  Tifchlcr 
wurden  die  Schwcrlfchciden  der  Gallier  auf  diefe  Weife  mittclft  Stempel 
verziert;  auf  der  Hofenicer  Scheide  erkennt  man  aber  die  Ran/  regelmitßii; 
gelagerten  Faden  des  Gewebes  und  find  alle  Theile  der  Scheide,  foweit  fic 
nicht  auf  den  Kleidern  der  Leiche  lag.  mit  einer  dicken  Krufte  von  Lehm  und 
Eifenoxydhydrat  umhüllt. 


ftarken  Rippe  verfehenen  Blatte  wurden   nur  drei 
Stücke  gerettet  (Mufeum  zu  Königgrätz,  Fig.  2  VII); 

k)  eine  große  blattförmige  Speerfpitze,  welche  ur- 
fprünglich ungefähr  35  Cm.  lang  und  75  Cm.  breit 
war.  Sowohl  von  dem  mit  einer  Mittelrippe  ver- 
fehenen Blatte  als  auch  von  der  Tülle  mit  zwei 
großköpfigen  eifernen  Nieten  haben  fich  nur  unzu- 
lammenhängende  Refle  erhalten  (Mufeum  zu 
Königgrätz,  Fig.  2  VIII); 

l)  ein  Lanzenfchuh  (Mufeum  zu  Königgrätz); 

Gefchmeide  aus  Bronze,  l^ifen,  Lignit   und    Glas: 

a)  ein  Armring  aus  Bronze  mit  Endknöpfen  und 
einem  Knoten  in  der  Mitte;  elliptifch  mit  einem 
Durchmeffer  von  58  Mm.  (Mufeum  zu  Königgrätz, 
Fig.  2I); 

'  Abgebildet  in   diefen   Mittheilungen   1884,  S.  LXVIM,  Fig.  5. 


119     — 


b)  zwei  gleiche  Fußringe  aus  Bronze  aus  je  zwei 
Hälften  zufammengefetzt;  jede  Hälfte  befleht  aus 
fechs  elliptifchen  hohlen  Buckeln  und  einem 
Zapfen,  welcher  in  den  correfpondirenden  Buckel 
der  zweiten  Hälfte  gefchoben  und  mittelfl  einer 
Niete  befeftigt  wurde;  ein  vollkommen  erhaltenes 
Exemplar  befindet  fich  im  ftädtifchen  Mufeum  zu 
Jaromer  (Fig.  6  =r  Abb.  2  IX),  das  zweite  hat 
angeblich  der  Befitzer  der  Ziegelei  behalten; 

c)  zwei  gleiche  Fußringe  aus  Bronze  ebenfalls  aus  je 
zwei  Hälften  zufammengefetzt;  jede  Hälfte  befteht 
aus  fünf  elliptifchen  Buckeln  und  vier  glatten 
Zwifchengliedern,  die  Endbuckel  find  mit  Oehfen 
verfehen,  welche  durch  kleine  Bronzeringe  mit 
einander  verbunden  waren;  leider  wurden  beide 
Fußringe  von  den  Arbeitern  in  der  Ziegelei  in 
Stücke  zerbrochen,  ja  manche  an  der  Bruchfläche 
abgefeilt;  alle  Bruchftücke  (20  Buckel)  und  zwei 
Ringlein  find  im  Königgrätzer  Mufeum;  Fig.  2  11);' 

d)  ein  großer  offener  Bronzering  mit  Endknöpfen, 
faft  kreisförmig  mit  einem  Durchmeffer  im  Lichten 
von  circa  75  Mm.  (ein  Drittel  des  Ringes  fehlt) 
der  Reft  befteht  aus  39  verbundenen  Perlen  und 
dem  Endknopfe  (ebenda); 


artig  geformt  find ;  die  Verbindungsglieder  zwifchen 
den  einzelnen  Buckeln  und  Endknöpfen  tragen  je 
drei  kleinere  Buckel  oder  Perlen;  der  größere 
Durchfchnitt  beträgt  52  Mm.  im  Lichten;  (ebenda, 
Abb.  2  X); 
k)  ein  flacher,  offener  Bronzearmring  mit  Endknöpfen, 
fehr  ähnlich  dem  Armringe  f,  aber  weniger  flach; 
erhalten  hat  fich  bloß  ein  kleiner  Theil  mit  dem 
Endknopfe  (ebenda,  Fig.  8); 
l)  ein  Bronzearmring  aus  Runddraht  angeblich  mit 
Endknöpfen,  in  einer  Urne  mit  verbrannten 
Knochen  gefunden;  in  das  Königgrätzer  Mufeum 
gelangten  bloß  zwei  Bruchftücke  ohne  Knöpfe; 


^ 


Fig.  6.  (Fußring  aus  Hoi^enice.) 


S  9  10 

Fig.  8 — 10.  (Armringe  von  Horenice.j 

m)  ein  dicker,  kleiner  Bronzering  (unganz),  der  Durch- 
meffer beträgt  20  Mm.  im  Lichten  (Mufeum  zu 
Königgrätz); 
7t)  eine  Fibula  aus  Bronze  mit  gekerbtem  Bügel, 
welcher  dem  Bügel  einer  Fibula  von  Langujezd  im 
hohen  Grade  ähnlich  ficht;'  in  das  Königgrätzer 
Mufeum  gelangte  die  Fibel  ohne  Nadel  und 
.Schlußftück  des  Fußes;  Fig.  2  III. 
Aus  Eifen: 


e)  ein  kleiner  offener  Bronzearmring  mit  Endknöpfen, 
der  größere  Durchmeffer  beträgt  im  Lichten 
46  Mm.  (ein  Viertheil  des  Ringes  fehlt),  der  auf 
der  Innenfeite  glatte  Ring  befteht  nach  außen 
aus  abwechfelnd  höheren  und  niedrigeren  Knoten, 
von  denen  fich  12  mit  dem  einen  Endknopfe 
erhalten  haben;  im  Mufeum  zu  Königgrätz; 

f)  ein  kleiner  Bronzearmring,  flach,  nach  außen 
wenig  gewölbt  und  mit  Endknöpfen  verfehen;  der 
größere  Durchmeffer  beträgt  57  Mm.  im  Lichten, 
(ebenfo),  Fig.  2  IV.  V); 

g)  ein  glatter  Bronzearmring  im  Querfchnitte  rund 
mit  Endknöpfen,  welchen  beiderfcits  je  ein  Punkt 
cingepunzt  ift,  der  größere  Durchmeffer  beträgt 
58  Mm.  im  Lichten,  bewahrt  im  Königgrätzer 
Mufeum,  Abb.  Fig.  2  VI; 

h)  zwei  kleine  Armringe,  im  Ovierfchnitte  rund,  glatt, 
offen,  aber  ohne  Endknöpfe;  der  größere  Durch- 
meffer beträgt  44  Mm.  im  Lichten,  Mufeum  zu 
Königgrätz; 

i)  ein  offener  Bronzearmring,  auf  der  Innenfeite  glatt, 
befteht  nach  außen  aus  zwei  Endknöpfen  und 
fieben  größeren  Buckeln,  welche  fchncckengehäus- 


Fig.  1 1.  (Reit  einer  eifernen  Fibel  vun  Ilorcnice.l 

a)  ein  maffiverRing  mit  Endknöpfen  (.'),  von  welchem 
nur  ein  kleiner  Theil  erhalten  blieb  (Mufeum  zu 
Königgrätz); 

b)  ein  ganzer  Armring  mit  rtarkcr  Eifenoxydhydrat- 
fchichte  bedeckt  und  infolge  deffen  nicht  meßbar 
(ebenda)  (Fig.  9); 

c)  ein  Bruchflück  von  einem  Ringe  (ebenda)  (Fig.  10); 
(/;  eine  kleineFibula  ausEifen,  kurz  mit  großköpfigem 

Schlußftück  des  Fußes  und  ohne  Nadel  (ebenda) 

(Fig-  17)- 

Aus  Lignit:  ein  großer  Ring  nicht  ganz  regelmäßig 

geformt,  im  Durchfchnitte  abgeflacht,  Durchmeffer  im 

Lichten  80  und  85  Mm.,  die  Dicke  nur  6  Mm  (ebenda). 

Aus  Glas:  angeblich  ein  Fingerring  in  der  Afchen- 

urne;  in   das  Königgrätzer  Mufeum   gelangte    bloß   ein 

kleiner  Theil  eines  Ringes  aus  farblofem  Glafe  von  circa 

18  Mm.  Durchmeffer  im  Lichten. 


'  Zwei  Ftißringe.  welche  denen  von  Hofenice  gleichen  und  ebenf.ills  aus 
je  zehn  IJuckcln  beftchen,  wurden  bei  einem  Skelette  zu  Cicevicky  in  der  Nahe 
von   Kladno   gefunden.   Pam.-ttky  archaeolog.  XVII,  loo. 


'  Weinzierl,  Das  Gräberfeld  von  Langujezd,  S.  41.  Die  Ucbcreinftim  ■ 
mung  ift  fo  groß,  dafs  ich  mir  erlaubt  habe,  in  der  Zeichtumg  die  Fibel  von 
Hofenice  nach  der  von   L.mgujczd   zu  erganzen. 


I20 


Nachtrag: 

Im  heurigen  Frühjalir  wurde  eine  fehr  ausgedelinte 
Partie  des  Lößlagers  in  derfelben  Ziegelei  (in  der 
l'lanfkiz/.e  mit  i/VI.  1901  bezeichnet)  abgegraben, 
aber  nur  zwei  Gräber  gefunden.  Aus  dem  einen  Grabe 
(Nr.  8)  wurde  ein  gut  erhaltenes  Schwert  von  Eifen 
und  drei  irdene  Gefäße  (im  Mufeum  zu  Königgrntz)  ge- 
wonnen, das  zweite  (Nr.  9)  enthielt  angeblich  bloß 
ganz  geringe  Kifenrefte,  welche  die  Arbeiter  unbe- 
achtet ließen. 

Im  Sommer  wurde  die  Südoftecke  der  oberen 
Lehmgrube  mit  der  unteren  Lehmgrube  (mit  Brenn- 
öfen) vcrmittelft  eines  52  Schritte  langen  und  11  Schritte 
breiten  in  füdoftlicher  Richtung  ftreichenden  Durch- 
ftiches  verbunden.  Ungefähr  in  der  Mitte  derfelben 
fließen  die  Arbeiter  auf  ein  Grab,  in  welchem  fie  drei 
kleine  Bronzearmringe  fanden,  aber  fofort  in  Stückchen 
zerbrachen ;  in  der  füdlichen  Wand  des  Durchftiches 
wurde  ein  Skeletgrab  von  r75  M.  Tiefe  angefchnitten 
und  daraus  vorläufig  ein   wohlerhaltenes   Schwert   mit 


Eifenfcheide  gewonnen;  noch  weiter  öfllich  traf  man 
auf  eine  r25  M.  tiefe  afchige  Grube,  welche  nichts 
enthielt  als  abgewetzte  Scherben  eines  aus  Grajibit 
N'erfertigten  Gefäßes,  deffen  Außenwände  durch  fenk- 
rechte  Striche  in  Felder  getheilt  und  diefe  mittelft 
feichter  Striche  in  abwechfelnden  Muftern  (fchiefe, 
gebrochene  und  gekreuzte  Striche)  verziert  waren. 
Alle  diefe  Gegcnüände  gelangten  in  das  Königgrätzer 
IMufeuni.  Später  wurde  der  füdliche  Schupfen  demolirt 
und  fein  Platz  abgegraben,  dabei  wurde  am  23.  Sep- 
tember ein  befonders  reiches  Grab  gefunden,  deffen 
Inhalt  durch  den  zufällig  anwefenden  Cuftos  des  böh- 
mifchen  Landesmufeums  Dr.  Pic  für  diefes  Mufeums 
erworben  wurde.  Derfelbe  befland  aus  einem  zer- 
drückten irdenen  Gefäße,  welches  Vogelknochen  ent- 
hielt, drei  offenen  gekerbten  Armringen  (zwei  davon 
mit  fchildformigen  Fuße  ),  einem  maffiven  gefchloffenen 
Ringe,  dann  einem  größeren  und  zehn  kleinen  Ringen 
von  einer  Kette. 


Notizen. 

24.    (Steinzeitliche   Keramik   in    der    Bukowina)      von    Feldarbeiten    auf  dem    Grunde   des   Oberlehrers 
Confervator    Regierungsrath    Klaufcr    hat    folgenden      Arejczuk  in  Szypenitz  in  einer  Tiefe  von  etwa  20  Cm. 

kleine  Scherben  von  gebrannten  Thongefäßen 
und  bei  einer  Grabung  von  etwa  120  Cm.  Tiefe 
eine  Anzahl  von  zum  Theile  zerbrochenen  Thon- 
gefäßen gefunden. 


Fig.  3.  4- 

Diefe  find  nicht  auf  der  Drehfeheibe,  fondern 

mit  freier  Hand  gemacht;  die  urfpiüngliche  Be- 

ftimmung  der  Näpfe  und  Schalen  ifl  einleuchtend, 

"''■  ''  ^'  nicht  fo  aber  die  der  übrigen,  fo  eigenthümlich 

Bericht    am   25.   April    1901    der   Central-Commiffion      zufammengeftellten  Zwillingsgefäße,  deren   Abbildung 

eingefendet:  „Im  Herbfle  V.  J.  wurden  bei  Gelegenheit      beigegeben     ifl     (Fig.     1     bis    4),     da    in     denfelben 


121       — 


die   Schale    und    die    Verbindungsftücke   durchlöchert 
find." 

Es  ift  bedauerlich,  dafs  nicht  auch  die  Scherben 
aufbewahrt  worden  find,  weil  diefe  möglicherweife 
Auffchluß  über  die  Zeitftellung  hätten  geben  können. 
So  aber  läfst  fich  auf  Grund  der  forgfältigen  Arbeit 
und  der  hellbraunen  Farbe  des  Thones,  die  auch  einen 
Anhalt.'^punkt  zur  Beurtheilung  feiner  Befchaffenheit 
bietet,  nur  vermuthen, dafs  diefe  eigenthümlichen  Gegen- 
ftände  zu  der  in  Galizien  und  in  der  Bukowina  verbrei- 
teten fteinzeitlichen  Keramik  mit  gemalter  Decoration 
gehören.  Much. 

25.  Planfkizze  zu  dem  Auffatze  des  Confervators 
Gnirs  über  die  Grabungen  bei  Porta  Ercole  S.  51  f. 
(Siehe  die  hier  beigefügte  Planfkizze.) 


förmigen  Blatte  hervor  und  hat  an  der  Dülle 
einen  Durchmefler  von  22  Mm.  Etwa  2  Mm. 
unter  dem  Blatte  befinden  fich  zwei  runde 
einander  gegenüberliegende  Löcher  von 
4  Mm.  Diameter  zur  Aufnahme  von  Stiften, 
um  die  Waffe  an  einem  Holzftabe  befeftigen 
zu  können. 

Die  Blattfiügel,  welche  unmittelbar  an 
den  38  Mm.  vom  DüUenrande  entfernten 
Schaftlöchern  anfetzen,  fleigen  bogenförmig 
empor  und  verlaufen  dann  von  ihrer  größten 
Breite  von  40  Mm.  in  fchwachem  Bogen 
zur  abgerundeten  Spitze. 

Diefe  Lanzenfpitze  gehört  der  jüngeren 
Bronzezeit  an,  worauf  die  längere  und  un- 
verzierte  Schaftröhre  hindeutet,  die  in 
fcharfer   Verjüngung  bis   zur   Spitze    geht. 


I-'ig-  5- 


26.  fEine  Bronze-Lanzenfpitse .) 

In  den  erften  Frühlingstagen  190  I  wurden  in  der 
Libor  Ficker'fchen  Ziegelei  zu  Ranigsdorf  in  einer  Tiefe 
von  2  M.  zwei  Metallgegenftände  gefunden,  von  denen 
der  eine  durch  Grünfpann  fo  ftark  zerfetzt  war,  dafs  er 
den  Arbeitern  unter  den  Fingern  zerbrach,  weshalb  fie 
ihn  wegwarfen.  Nach  der  mangelhaften  Befchreibung 
dürfte  es  eine  Fibel  gewcfen  fein. 

Das  erhaltene  Obje6l  ift  eine  Lanzenfpitze  aus 
Bronze,  168  Mm.  lang  und  116  Gr.  fchwer.  Der  kegel- 
förmige Schaft  (120  Mm.)  tritt  fcharf  aus  dem  zungen- 


Sie  ift  mit  glänzender  dunkelgrüner  Patina,  welche 
leider  an  einigen  Stellen  von  den  Arbeitern  abge- 
rieben wurde,  überzogen. 

Aus  diefem  Einzelfunde  darf  wohl  weder  auf  eine 
Bronzeftation  noch  auf  ein  Grab  gefchloffen  werden, 
da  keinerlei  Menfchenknochen  oder  Thonfcherben  auf- 
gedeckt wurden.  Ein  Jäger  der  Bronzezeit  mag  fie  ver- 
loren haben.  In  den  mittleren  Löfslagen  diefer  Ziegelei 
wurden  Knochen  und  Geweihftücke  vom  Rennthier,  in 
den  tieferen  Lagen  Schenkelknochen  und  Schulterblatt 
etc.  vom  Nashorn  (Rhinoccros  tichorhinus)   gefunden. 

Confervalor  Alois  Czerny. 


XXVIII.  N.  F. 


16 


122 


REGISTER 

DER 

IN  DIESEM  (XXVIII.)  BANDE  AUFGEFÜHRTEN  PERSONEN-,  ORTS-  UND  SACH-NAMEN. 


A. 


A/ens  (Tyrol),  Capelle,  32. 

Altßadt  bei  Ungarifch-Hradifcli  (Mähren),  prä- 

hiftorifcher  Fundort,  40,  43. 
Aujezd  bei  Müglitz  (Mähren),  Sandfleinkreuz 

vom  Jahre  1533,  54. 
^»</?,rj-/»V0  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  41. 


B. 

Befchvjörungsformel  {\^.  Jahrhundert),  20. 
Biloiuitz  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  41. 
Blalnicka  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  40. 
Bofctiitz  (Mähren),  prähiftorifche  Funde  40. 
Breitlahiier   Brücke,    fiitllich    vom   Radftätter 

Tauem,  94. 
Bfezolupy  (Mähren),   prähiftorifcher  Fundort, 

39-  43- 
Brioni grande  (Küftenland',  bauhche  Ueber- 

refte  der  römifchen  Anfiedlung  von  Val 

Catena,  44. 
—  römifche  Wäfcherei,  ebenda,  4S. 
Bramt/ibel  &\\s,  Reichenegg,  51,  Abb    I. 
Buchlo-tuitz  (Mähren),  prähiftorifcher  Fundort, 

39- 

Budweis  bei  der  „fchönen  Ausficlit',  prä- 
hiftorifche Funde,  35. 

Bukmoky  von  Bukuwka,  Grabfteine  an  der 
Pfarrkirche  zu  Schönbrunn  (Mähren), 
75  ff. 

Burgen:  fiehe  Karls-Tein,  Moos,  Reißenftein, 
Sprechenftein,  Straßberg,  Suczawa. 


c. 

Caslau,  (Böhmen),  Aufgrabung  des  Bodens  der 
Sacriftei  der  Peter-Pauls-Decanalkirche, 

5°- 
Cechowitz  (Mähren),    prähiftorifcher   Fundort, 

39- 
Cernilov  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  1 13. 
Choteborky  (Böhmen),    prähiftorifche    Funde, 


D. 

Deutfeh  -  Moliken     fBöhmen),     prähiftorifche 
Funde,  34. 
—  vgl.  Nachtrag,  56. 
Doubravka  fiehe  Pilfen. 


Bferding,     römifche     Funde      iLanzenfpitze, 

Pilum),  55. 
Eppan  (Tyrol),  römifche  Skeletgräber,  52. 
—   rhätifclie  Steinwälle,  52. 


Freihöfen  (Böhmen),  Mammuthfkelet,  115. 
Freiwalde  (Preußifch-Schlefien),  prähiftorifche 

Funde,  1 14. 
Flains  (Fluens)  (Tyrol),  Kirche  (1514),  32. 
Früh-chrißliches  fiehe  Martinsberg. 

G. 

Goldenkron,  ein   früh-gothifcher  Bau  (an   der 

ehemaligen  Schutzengelkirche),  54. 
G offenfaß  (Tyrol),  25. 
—  Barbara-Capelle,  26. 
(7r<7^««^  fiehe  Bukuwky  von  Bukuwka,  Neu- 

degg,     Petersvvaldsky     von     Peterswald, 

Schönbrunn,  Trient,  Wels. 
Graz,    SchmiedgalTe    25,    Palais    des    Grafen 

Otto  Gottfried  Kolonitfch  (1642),  53. 

H. 

Haidin,  Unter-  (Poetovio),  Ausgrabungen,  20. 

Hartberg  (Steiermark),  romanifche  Wand- 
malereien, 82  ff. 

Herfpitz  bei  Aufterlitz  (Mähren),  prähiftorifche 
Funde,  40,  43. 

Hluk  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  40. 

Äj/öZ'ou.fj/ (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  115. 

Horenice  (Böhmen),  La  T^ne-Gräberfeld,  116. 

Hofic  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  1 15. 

Hradisko  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,   43. 


Hiittau,  römifcher  Meilenftein,  qö 
Hiillein  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  41. 
Hustifany    (Böhmeni,     prähiftorifche    Funde, 
114. 

J- 

St.  Jacob  in  Innerpfitfch   (Tyrol),   Kirche.   J2. 

K. 

Kaltem  ^Tyrol),  römifcher  Sarkophag,  52. 
Karls-Tein,  Wiederherftellung  der  Burg  K.  in 
Böhmen,  I. 

—  Inventar  von  K.,  9. 
Keniaten  (Tyrol  1.  Kirche  (1468),  32. 
Klattau  (Böhmen),  gothifche  Dechanteikirche, 

55- 
Königgrätz    1  Böhmen;,    prähiftorifche   Funde, 

H3- 

Krain,  romanifche  Kirchen,  Ö3. 

—  gothifche  Kirchen,  03. 

Ki'enowitz  (Mähren  1,  prähiftorifche  Funde,  42. 
Kiikleny  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  113. 
A'tinowit:  (^Mähren),  prähiftorifche   Funde,  40. 


L. 

Lochenice    (Böhmen),     prähiftorifche     Funde, 


M. 

Mährifch-  Trübau,  Kirchen-Rcnovirungs- 
verein,  54. 

Mafatitz    (Mähren t,    prähiftorifcher    Fundort, 
40. 

Margarethen,     St.,     ,.'Vuf    der    gefchnittenen 
Bauratratten ",  römifcher  Meilenftein,  92. 

Alartimberg  in  Ungarn,   alt-chriftliches  Stein- 
rclief  an  der  Stiftskirche,  48. 

Mauterndorf,  St.  Gertraud,  römifcher  Meilen- 
ftein, 95. 

Meilenßeine,  römifclie,  fiehe  Salzburg. 

Moos  iTyrol),  SchloiS  '  14   Jahrhundert),  33. 


—        123 


Mofaik  aus  der  Bafilica  St.  Maiia  Formosa 
oder  del  Canneto  in  Pola,  59,  62,  Taf.  II, 
III. 

Mufchaii  (Mälirenl,  prähiftorifclie  Funde,  43. 
—  römische  Funde,  43. 

N. 

Nesazio  (Nesadlium),  römifche  Infchrift,  51. 
Neudegg,  Grabftein  der  Familie  N.,    jetzt  in 

Nieder-Ranna,  54. 
Neudorf  \>&\  Oslavan  (Mähren),  prähiflorifcher 

Fundort.  40. 
Nynic  (Böhmen),    barocke    Capelle    auf  dem 

Dorfplatze,  56. 


Paolo,  Ser,  Gedenkflein,  52. 

Peterr..i'aldsky  von  Peterswald ,  Katharina, 
Grabftein  an  der  Pfarrkirche  zu  Schön- 
brunn (Mähren),  75  ff. 

Peüan  flehe  Unter  Haidin. 

Pletriach  (Krain;,  Karthaufe,  63. 

Pil/eii,  Barbara -Capelle  des  Franciscaner- 
klofters,  55. 

—  Hauptaltar  der  Kluflerkirche  der  Francis- 
caner,  55. 

—  Stemberg'fche  Capelle    am  Presbyteriura 
der  Erzdecanalkirche,  56. 

—  Nicolai-Kirche,  56. 

—  Georgs-Kirche  bei  Doubravka,  5O. 
Pola,  römifche   Weganlage    der   porta  Ercole, 

51,    121. 

—  römifche    Mofaikböden     im     Hofe     des 
Hotels  Central,  52. 

—  römifche  Gräber  in  der  Villa  Mallinarich, 

52- 

—  Bafilica    Sta    Maria    Formosa    oder    del 
Canneto,  57. 

Prähiflorifches  aus  Oberöfterreich,  88. 

—  Grabhügel   am  Ochfenweg   bei   Rothen- 
buch,  S8. 

—  im  Mattigthal,  88. 

Prähißorifche  Funde  fiehe  Altftadt,  Aufterlitz, 
Bilowitz,  Blatnicka,  Bofenitz,  Biezolupy, 
Buchlowitz,  Budweis,  Cechowitz,  Cemi- 
low,  Choleborky,  Deutfeh  -  Moliken  , 
Eppan,  Freiwalde,  Herfpitz,  Hluk,  Holo- 
vousy,  Horenice,  Hof ic,  Hradisko,  HuUein, 
Hustifany,  Königgrätz,  Krenowitz,  Kuk- 
leny,  Kunowitz,  Lochenice,  Mafatitz, 
Mufchau,  Neudorf,  Pi-edmefice  Ranigs- 
dorf,  Rapotitz,  Reichenegg,  Schlapanitz, 
Stezirsky,  Szypenitz,  Tunechody,  Uebe- 
retfch,  Ungarifch-IIradifch,  Uzetice, 
Velehrad,  Velkd,  Weißmifslitz,  Wrano- 
witz.  Zderaz. 

Prag,  Aufdeckungen  in  der  Georgs-Kirche 
am  Hradfchin,  iS. 


Predmerice   (Böhmern,   prähiftorifche   Funde, 

113- 

Pfestic  bei  Pilfen,  fpätbarockes  Bauwerk 
(1650— 16Ö51,  56. 

P'irgg  (Steiermark),  romanifche  Wand- 
malereien, 78  ff. 

R. 

Ranigsdorf  (Mähren),  Bronze-Lanzenfpitze, 
121. 

Ranna,  Nieder-,  Grabftein  der  Familie  Neu- 
degg, 54. 

Rapotitz  bei  Roffitz  (Mähren\  prähiftorifche 
Funde,  40. 

Reichenegg  hnK  Cilli,  Gräberfeld,  51. 

Reißenßein  (Tyrol),  Burg,  32. 

Ried\)e\  Sterzing  (Tyrol),  Fresken  (15.  Jahr 
hundert),  26. 

—  Kirche  (1669;,  27, 

Römifche  Funde  fiehe  Brioni  grande,  Eferding, 
Eppan,  Haidin,  Hüttau,  Kaltem,  St. 
Margarethen,  Mautemdorf,  Meilenfteine, 
Mufchau,  Nesazio,  Pola,  Reichenegg, 
Salzburg,  Smifice,  Teurnia,  Tweng, 
Ueberetfch,  Wien. 

Ruprecht,  St.  (Krain),  Pfarrkirche,  63. 

—  Sacramentshäuschen,  68. 


Sachfenfeld  (Steiermark),  St.  Nicolaus-Pfarr- 
kirche, 50. 

Siiufenßcin,  Loretto-Capelle,  54. 

Salzburg,  ftädtifches  Mufeum,  die  römifchen 
Meilenfteine,  91. 

Schlapanitz  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  40. 

Schmidt,  W.,  f ,  Correfpondent,  Profeffor,  50. 

Schönbrnnn  (Mähren),  Grabfteine  an  der  Pfarr- 
kirche, 75. 

Sculpturen,  Steinkreuze  fiehe  Aujezd;  Sacra- 
mentshäuschen fiehe  St.  Ruprecht. 

.?»/('r!V?  (Böhmen),  römifche  Fundmünze,  113. 

Sprechenßein  iJ^ytoX),  Burg  (13.  Jahrhundert), 

32- 
Sterzing  (Tyrolj,  Pfarrkirche,  27. 

—  Deulfches  Haus  und  andere  Gebäude,  30. 

—  Rathhaus,  30. 

Stezirky  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  113. 
Stilfes  (Tyrol),  Kirche  und  Widum,  33. 
Straßberg  (Tyrolj,  Ruine,  26 
Strogen  bei  Stift   Altenberg,   Fresken    in    der 

Kirche,  53. 
Suczawn,     die    fogenannte    „weftUche    Burg" 

(Cetatea),  35, 

—  Miroutz-Kirche,  36. 

—  Refidenz,  37. 

Szypenitz  (Bukowina),  fteinzeitliclie  Keramik. 
120. 


T. 

Teurnia,  Kopfftation  einer  römifchen  Straße, 
92  AT. 

Thuins  (Tyrol),  Kirche  (im),  32. 

Trens  (Tyrol),  Wallfahrtskirche  (15.  Jahr- 
hundert), 33. 

Trient,  Gedenkftein  des  Ser  Paolo,  jetzt  im 
Municipium,  52. 

Tunechody  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde, 
115. 

Tweng,  römifcher  Meilenftein,  93. 


u. 


Ueberetfch  (Tyiol),    in   vorgefchichtlicher   und 

römifcher  Zeit,  52. 
Ungarifch-Hradifch  (Mähren),  prähiftorifcher 

Fund,  40. 
Ufetice  (Böhmen),  prähiftorifche  Funde,  115. 
Urnen  aus  dem  Gräberfeld   von   Reichenegg, 

51- 


V. 


Vagetiin  (Tyroli,  Valentins-Kirchleini  16.  Jahr- 
hundert), 34. 

Velehrad  ('Mähren),  prähiftorifcher  Fundort, 
40. 

Velkd  (Mähren),  prähiftorifche  Funde,  40. 


w. 

Wandmalereien  fiehe  Hartberg,  Pürgg,  Ried, 

Strogen,  Znaim. 
Weißmifslitz    bei    Kroniau  (Mähren),    prähift. 

Funde,  40,  41. 
Wels  (Oberöfterreich),   gothifche   Grabfteine, 

Wien,  römifche  Funde,  17. 

—  Inventare     der     Hofburgcapelle      1532, 
1679,   22. 

—  I.,  Schulerftraße  12—14,  St.  Ivo-Capelle 

l'397)-'  54- 

Wiefen  bei  Sterzing  (Tyrol,  Kirche  (16.  Jahr- 
hundert), 32. 

Wranowitz  bei  Profsnitz  (M.'ihren),  pr.lhift. 
Funde,  40. 


Zamka  (Bukowina),  armenifches  Klofter,  37. 
Zderaz  (Böhmern,    prähiftorifche   .Vnfiedhing, 

115. 
Znaim,  Oelgemälde  und  Fresken,  53. 

—  Stadtlhurm,  54. 
Zwclil,  ftädtifches  Mufeum,  55. 


16* 


GETTY  CENTER  LIBRARY 


3  3125  00614  8718 


vmm 

I  ,il.UiiHMii!fii  >ii 


liFllil(j,)j-i\ii.Uii(:<j*i'iifi, 

vmmm 


ti'htii'ijj 


i'ltfF 


■A 

.''■fi,''C 
i'i'     ! 

':!'''' 

,. . 

; 

:..y':r 

;\'i",'"f:'-l,:: 

■   ,    ■  '  '' 

i'':;:!«' 

''  '':''  '.liitlMH 

■■:    I  ; 

■lu..'.;;,? 

-■  /    !:.":,..'i;rii.:,. 

;.  /  ^  .i 


1 

■■■■■i.