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Mohammed
Drama in drei Akten (acht Szenen)
von
4
Ferdinand von Hornſtein
Stuttgart
Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer
1906
Alle Nechte vorbehalten
Den Bühnen gegenüber Manuſkript
Das Ringen großer Männer gleicht der Fieber-
kurve. Sie ſammeln im Sinken die Kraft zu noch
höherem Steigen.
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in 2010 with funding from
Boston Library Consortium Member Libraries
http://www.archive.org/details/mohmmeddramainO0horn
Einführung in den „Mohammed“
Ah, das intereſſiert mich. Wo wollen Sie denn Ihr Drama
aufführen laſſen?
Ferdinand von Hornſtein. Sie ſind ſehr luſtig. Ich beſitze
doch keine Theater, über die ich ſo einfach verfügen könnte.
Die luſtige Perſon. Wieſo? Sie haben doch den „Buddha“
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bei uns in München aufführen laſſen. Da könnten Sie doch
auch den „Mohämmed“ dort einreichen.
H. Hab' ich auch getan, aber weder von der Intendanz, noch
von der Regie bekam ich Antwort, und eines der beiden
Exemplare iſt mir noch im Theater verloren worden.
P. Was? Bei dem außerordentlichen Erfolg, den Sie mit
Ihrem „Buddha“ hatten! Was haben Sie denn da getan?
H. Ich habe dem neuen Intendanten geſchrieben, er würde
mich zu größtem Dank verpflichten, wenn ich mein Stück wieder
bekommen könnte. And dabei habe ich zugleich vom „Fein:
gefühl“ geſprochen, das im Hoftheater abhanden gekommen iſt.
P. Wenn Sie fo an den Intendanten ſchreiben, dann glaub'
4
H. Sie verſtehen mich nicht. Das „Feingefühl“ iſt ja ein
früheres Stück von mir.
P. Ach ſo, das iſt ſpaſſig.
. 9. Auch iſt der jetzige Intendant an der Sache ganz un:
beteiligt.
P. Drum eben. Der ſoll in jeder Beziehung ein Kavalier ſein.
H. Gewiß, ich bin früher mit ihm zuſammengekommen.
P. Ah, das trifft ſich ja ſehr günſtig! Da kennt er Sie alſo?
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5
H. Sie ſind ſchon urkomiſch. Wenn mich vier Jahre nach
Buddha ſchon keines von den alten Mitgliedern im Theater
mehr kennt, ſoll mich ein neuer Intendant kennen, mit dem ich
vor mehr als zehn Jahren ein paarmal im Salon zuſammen—
gekommen bin.
P. Haben Sie ihm denn keinen Beſuch gemacht, um ſich bei
ihm wieder in Erinnerung zu bringen?
H. Im Gegenteil. Ich hab' ihn nicht einmal gegrüßt, wie ich
ihm im Theater begegnet bin.
P. Ja, dann glaub' ich's. Wenn Sie ihm nicht einmal dieſe
Aufmerkſamkeit erweiſen.
H. Ich werde ihm dafür in einem Vorwort zu „Mohammed“
eine öffentliche Aufmerkſamkeit erweiſen. And er wird ſie gewiß
um ſo höher ſchätzen, als ich nichts von ihm will, als meine
bisherigen Beziehungen zu ihm aufrechterhalten. Ich werde ihn
deshalb ſo lange ignorieren, bis er ſelbſt etwas von mir will.
P. So werden Sie nie etwas erreichen.
v.
H. Wenn man die Stadt, in der man geboren iſt und ſein
Leben verloren hat, verläßt, ſo will man in dieſer Stadt nichts
mehr erreichen.
P. Was wollen Sie dann 1 „Mohämmed“ anfangen?
v.
P. Haben Sie ſich ſchon für einen Verleger entſchieden?
v.
H. Ich will ihn als Buch herausgeben.
H. Entſchieden? Sie ſind koſtbar. Sie meinen bei den
glänzenden Anträgen, die ich täglich erhalte?
P. Aber Sie haben doch das ſeltene Glück, in den intimſten Be:
ziehungen zu einem der erſten Verleger Deutſchlands zu ſtehen.
H. Allerdings, aber nur zu ihm als Menſchen und Freund
meines Vaters. Als Verleger hat er mich erſt kürzlich erſucht,
für die Zukunft auf jeden eventuellen Gewinn aus den drei
Büchern, die er hat, zu verzichten und ihn von der jährlichen
Rechnungsablegung zu entbinden. Er meint, es lohne ſich nicht
mehr der Mühe, die Bücher alle aufzubewahren.
P. Da würden Sie ſie ja beſſer bei einem Spediteur in Verlag
geben. Ich verſtehe nicht, wie Ihnen dabei noch möglich iſt,
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VII
die Anterſcheidung zwiſchen Verleger und Freund im perſön—
lichen Verkehr durchzuführen.
H. Warum denn nicht? Die ganze Korreſpondenz geht durch
einen Prokuriſten. Wenn ich mit dem Freund meines Vaters
zuſammenkomme, reden wir von allem andern, nur nicht von
dieſen Dingen. Er iſt ein ſehr intereſſanter, hochgebildeter
Menſch und verkehrt mit ſich ſelbſt doppelt, als Künſtler und
Geſchäftsmann. Ich freue mich ſehr, ihn wiederzuſehen, ich
habe eine große Anhänglichkeit an den alten Herrn.
P. Merkwürdig. Höchſt merkwürdig. Mit welchen Ver—
v.
v.
legern haben Sie dann wegen des „Mohämmed“ unterhandelt?
H. Zuletzt hab' ich mich an den gewandt, bei dem ich die
meiſten Ausſichten hatte, da er das Seitenſtück zu „Mohämmed“,
den „Buddha“, verlegt hat und davon ſogar eine zweite Auf—
lage herausgeben konnte.
P. Nun alſo. Der mußte daraufhin doch ſchon ehrenhalber
das Riſiko auf ſich nehmen.
H. Riſiko? Es war nicht das geringſte dabei. Da ich für
die Bühnen eine Maſſe Exemplare brauche, verpflichtete ich
mich, gleich ſelbſt 150 Exemplare im voraus zu beziehen. Da
wäre er vollſtändig gedeckt geweſen.
l. P. And trotzdem hat er den „Mohämmed“ nicht genommen?
H. O, nicht nur das. Darauf war ich gefaßt. Aber hören
Sie den Schlußſatz ſeines kurzen Briefes: „Wir würden
empfehlen“, ſchreibt er, „das Buch in einem vorzugsweiſe
ſchöne Literatur pflegenden Verlag erſcheinen zu laſſen, mit
dem wir dann gern in Verhandlung wegen der Abernahme der
noch faſt ganz vorhandenen zweiten Auflage des „Buddha“
treten würden. Mehr kann man doch von einem Nebenſatz
nicht verlangen.
P. Allerdings nicht. Daß die Leute, die ſich immer ſelbſt
ſo literariſch vorkommen, nicht einmal zu verſchleiern ſuchen,
daß ſie nichts weiter als „Händler“ ſind. And ob einer mit
Hoſenträgern oder Büchern handelt, iſt doch egal. Was wollen
Sie denn jetzt mit dem „Mohämmed“ anfangen?
VIII
F. v. H. Ich will mit dem Geld, das mir beim Dichten übrig ge—
©)
v 0
blieben iſt, zu Greiner & Pfeiffer gehen, und ſie erſuchen, das
Stück auf meine Koſten zu drucken. Das ſind chriſtlich denkende,
ſympathiſche Menſchen, die auch meine erſten Gedichte in Kom—
miſſion genommen haben. Außerdem will ich eine Einleitung
dazu ſchreiben.
P. Um Gottes willen! Die lieſt man ja noch weniger als
das Buch.
H. Grundfalſch. Wir leben in einer Zeit, in der man ſich
viel mehr um das Perſönliche des Dichters kümmert als um
ſeine Werke. Wo er ſich aufhält, was er ausgibt, ob er ver-
heiratet iſt, all das intereſſiert die Menſchen im höchſten Grade.
Deshalb hab' ich gedacht, wenn fie auch den „Mohammed“ nicht
leſen, jo intereſſieren fie ſich doch vielleicht für feine Erlebniſſe,
die wenigſtens kein dummes Geklatſch ſind, ſondern alle auf
Wahrheit beruhen.
P. Mag fein. Aber das, was Sie mir da erzählen, iſt doch
dazu weder ernſt noch luſtig genug. Das werden die Leute
gar nicht verſtehen.
H. Das iſt das Luſtigſte, was Sie bisher geſagt haben. Glauben
Sie denn, die Leute verſtehen den „Mohämmed“ ſelber?
P. So erklären Sie ihnen wenigſtens den. Schreiben Sie
eine vernünftige Einleitung.
H. Nie mehr. Das hab' ich einmal bei „Buddha“ getan, und
da hat mir die Kirche die Aufführnng beinahe unmöglich gemacht.
P. And jetzt macht ſie Ihnen der Staat unmöglich. Ganz ſicher.
v.
H. Wieſo? Soll ich auch noch den Islam in Deutſchland
einführen wollen? Mein Drama iſt überhaupt keine Apotheoſe
des Propheten wie der „Buddha“. Sie iſt aber auch keine
Entlarvung eines Schwindlers, als den ihn mein Vorgänger
Voltaire mit ſehr geringem pſychologiſchen Scharfblick hingeſtellt
hat. Es iſt das Drama des religiöſen Fanatismus, der
Autoſuggeſtion, die einzig mögliche Erklärung der unerhörten
Erfolge und hinreißenden Macht dieſes außerordentlichen Kraft—
menſchen.
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IX
P. And dieſe Erklärung, meinen Sie, läßt man öffentlich
von der Bühne herab zu? Glauben Sie denn, wir machen
das ganze Jahr dem Ausland den Hof und ſchicken für
50000 Mark Telegramme, um durch ein Theaterſtück alle guten
Beziehungen aufs Spiel zu ſetzen und die fremden Religionen
herabzuwürdigen?
„H. Alſo ſollen auch noch die Eunuchen in unſer Repertoir
ſich einmiſchen? Das möcht' ich ſehen.
l. P. Sie ſollen es ſehen. Hoffentlich werden Sie es ſehen.
—
. 9. Hoffentlich! Jetzt hören Sie, wenn das wirklich Ihr
Wunſch iſt — — —
P. Ja. Denn es iſt das einzige Mittel, wie Sie in Deutfch-
land noch bekannt werden können.
. 9. Wie? Ja, wo war ich denn? Freund, das iſt ja wirklich
ein Gedanke, nachdem ich ſchon alle Hoffnung aufgegeben hatte.
P. Ich kann Ihnen keinen beſſern Rat geben: Reichen Sie
das Stück unverzüglich bei der türkiſchen Botſchaft in Berlin
ein. — Wie? Sie zögern noch, Sie beſinnen ſich?
H. Ja, beſter, wahrer, einziger Freund. Jetzt an der Schwelle
meines Glückes, nahe der Erfüllung meiner langjährigen Hoff—
nungen kommen mir plötzlich ſolche Zweifel und Bedenken, daß
ich nicht mehr die Kraft und den Mut habe ..
P. Welchen Mut? Reden Sie!
. 9. Den Mut, bei dem niederträchtigen Zuſtand, in dem ſich
die meiſten deutſchen Bühnen jetzt befinden, eine Aufführung
meines Dramas auch nur herbeizuwünſchen, ſelbſt vor einem
literariſchen Publikum oder geladenen Gäſten.
P. Aber Menſch, was fällt Ihnen denn ein? Bedenken Sie,
was auf dem Spiele ſteht!
H. Eben das. Alles, was ich in acht Monate langer Arbeit
in mein Werk hineingedacht, die Kraft, das Ringen, die
Illuſionen und Einſamkeiten einer ſo langen Zeit, alles das
ſoll ich jetzt durch Schauſpieler, denen jeder große Zug, jede
Geſtaltungskraft, jede Fähigkeit, Verſe zu ſprechen, fehlt, an
einem Abend mir verekeln und verderben laſſen?
X
D. l. P. Das wird Ihnen beim Buch jeder Kritiker in noch kürzerer
F.
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Zeit beſorgen.
H. Nein. Der kann das Werk nur nicht verſtehen, aber
nicht verſtümmeln. Einer fremden Kritik glaubt man nicht, aber
was man ſieht, das glaubt man, jede noch ſo große Fälſchung,
jedes ſinnloſe Wort, jeden verſtümmelten Vers. And ſo ein
Hanswurſt und geiſtiger Mimikryſt, der es nicht der Mühe
wert hält, ſeine Rolle nur auswendig zu lernen, tritt dann her—
vor und heimſt für ſein Zerſtörungswerk noch den Dank der
jubelnden Menge ein. Einem Komponiſten ſollte man einmal
ſo kommen und in ſeine Oper in jeder Stimme unausgeſetzt
falſche Noten hineinſpielen und ſingen, den Sturm im Haus
und in der Preſſe möcht' ich ſehen. Aber der Dichter, was iſt
dem deutſchen Publikum, was iſt den Theaterdirektoren die
dramatiſche Dichtkunſt? And ſolange das nicht anders wird,
ſolange der Schauſpieler keinen Reſpekt und kein Gefühl der
Verantwortung gegenüber der höchſten geiſtigen Arbeit be—
kommt, ſo lange bleibt er dem dramatiſchen Dichter, was der
Affe für Nietzſche iſt, ein Gelächter und eine ſchmerzliche Scham.
P. Sie räumen ja gründlich auf. And dabei vergeſſen Sie
ganz, wie begeiſtert Sie mir einmal einen Abend lang von
Novelli geſprochen haben.
H. Das war vor Jahren in einer komiſchen Rolle. Seit ich
ihn als Lear geſehen habe ..
P. Was, in feinem höchſten Triumph?
H. In ſeiner tiefſten Schande. Gibt es denn nur Mord an
Trödlerfrauen und Wucherern, keine Verbrechen an göttlichen
Werten? Shakespeare ſelber müßte auferſtehen und der Welt
ein Gewitter zeigen, daß ſein Learſturm dagegen ein Katzen—
fauchen wäre. Wenn ein Lord Elgin Kunſtwerke in ein britiſches
Muſeum bringt, ſtellt ihn Byron vor den Jahrhunderten an
den Pranger, ein halbwüchſiger Burſche wird faſt gelyncht,
wenn er ein wertloſes Denkmal verunreinigt, und einen gebildeten
Künſtler bejubelt man noch, wenn er mit einer geiſtigen Roheit
ohnegleichen ein ewiges Kunſtwerk zuſammenhackt. Haben Sie
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den Lear einmal geleſen? Wiſſen Sie, was das heißt, Anfang
8 Ahr, Ende vor 10 Ahr, und 1 Stunde Pauſen dazu? Da
iſt einfach jeder Zuſammenhang, jede Entwicklung, jede Poeſie,
jeder Shakeſpeare draußen und nur der Novelli geblieben.
P. Aber der doch ergreifend, was?
. 9. Ergreifend, ein ruchloſer Komödiant? Das Schickſal
Shakeſpeares, des ganzen Menſchengeiſtes iſt ergreifend, wenn
ſeine heiligſten Altäre ſchutzlos als Sprungbretter für einen
Clown verwendet werden, wenn eine italieniſche Schmierenbande
mit ihren Jahrmarktsrequiſiten ..
P. Aber hören Sie, wenn Sie das auch in ihr Vorwort auf:
nehmen, dann ziehen Sie ſich noch eine Injurienklage zu, daß
es nur ſo knallt.
H. Sie literariſcher Waiſenknabe! Der Novelli weiß doch
ſelbſt am beſten, daß ein Drama nie ein Menſch lieſt. Er
wird ſich hüten, für mich Reklame zu machen.
P. Aber ich verſtehe wirklich nicht, wie Sie ſich über ein
Stück, das nicht einmal von Ihnen iſt, ſo aufregen können!
And dabei iſt Novelli trotz dem Verſtümmeln und ſeiner Truppe
doch ein ganz eminenter Schauſpieler.
H. Was iſt er? Soll ich Ihnen jagen, was er iſt? Herunter—
gekommen bis auf den Meckerton. And mit dem will er uns
glauben machen, daß von ſeiner ſchlechten Perücke wirkliches
Waſſer fließt, mit dem kommt er zu uns und ruft heraus:
fordernd: „Da habt ihr eine Kunſt.“ So ſollte eine Götter:
Dämmerung auf 1 Stunden zuſammengeſtrichen werden, jo
ſollten die erſten Sänger den Triſtan mit einem Bierorcheſter
und einer Handvoll Choriſten in 1 Stunden verwüſten und.
als Wagnerapoſtel durch Europa ziehen, die Welt würde beben
vor Entrüſtung. Aber Shakeſpeare, was iſt dem Kunſt- und
Bildungspöbel Shakeſpeare?
P. And die Preſſe, die Preſſe?
. 9. Die jubelt, ſtellt ihn über Sonnental und Mitterwurzer,
nennt ihn den Gipfel der Schauſpielkunſt. Nicht einer — doch
einer, zu ihrer Schande ſei's geſagt, ein einziger hat ein Wort
XII
—
für dieſe Verſtümmelung gefunden und ſich von dieſem Gipfel
der Selbſtſucht nicht Sand in die Augen ſtreuen laſſen.
„P. Der eine hat Sie wohl ſelbſt in die Höhe gehoben, oder
wenigſtens ein Stück von Ihnen?
. 9. Nein, Sie Menſchenkenner. Er hat fünf Einakter von
mir heruntergeriſſen in einer Weiſe, daß die Schauſpieler mit
mir beim nächſten Volksgemurmel nur noch riefen: Schandkritik!
Pfui Gumppenberg! Nieder mit ihm!
l. P. And das während der Vorſtellung?
H. Hinter der Szene, im Kampf mit dem Schlaf, wie ſich
das Mädchen zum Fenſter hinausſtürzt. Es hat ſogar ſehr
gut gewirkt.
„P. Jetzt gehn Sie aber weiter mit Ihrer Entrüſtung. Bis
jetzt hab' ich gemeint, es ſei Ihr tiefſter Ernſt und habe Sie
deswegen geachtet. Wenn Sie aber ſelber auf der Bühne
in Ihren eigenen Werken Alk treiben ...
. 9. Daran ſehen Sie, wie ſehr ich abgehärtet und objektiv
bin. Ich ſtehe in Freundſchaft mit einem Verleger, der meine
Werke auf die Straße wirft — nein, nicht einmal das, denn
da würden ſie ja bekannt — ich achte einen Intendanten, von
dem ich nichts will; ich habe für den Novelli geſchwärmt, eh'
ich ihn in ſeiner Gottloſigkeit erkannte, ich rühme einen Kritiker,
der mich zuſchanden geſchrieben hat, da hab' ich wohl das Recht
und die Reife, einmal die Wahrheit zu ſagen.
P. Ach was! Der Dramatiker ſoll überhaupt nicht kritiſieren
und polemiſieren. Er ſoll auf der Bühne reden. Da iſt ſein Platz.
H. Sie ſind ſehr luſtig. Als ob ich ſo einfach über die
Theater verfügen könnte.
P. Das haben Sie ja ſchon einmal gejagt.
„H. Ja, und jetzt kommen Sie wieder mit dem „Buddha“.
So wollen wir im Kreis herumreden, bis die Leſer in eine
Art Taumel geraten wie die Derwiſche und im Rauſch dann
zum „Mohämmed“ greifen.
Wien, im Januar 1906.
Perſonen
Mohammed
Abu Bekr
Omar ſeine Anhänger,
Ali mit ihm verſchwägert
Osman
Omeir, ein Blinder
Malik
S Ad
Ein Saidite
Amr
Kanſa, ſeine Tochter |
Hatim, ihr Arzt
Haſſan
Erſter (Naila)
Zweiter
Dritter
Vierter
Mati
Abdallah
Erſter
Sineiten Mekkaner
Ein vornehmer Jude
Ein alter Heide
Ein alter Chriſt
Aiſcha |
Sauda
Omm Scherib |
| Jude
Frauen Mohämmeds
Geliebte Mohämmeds. Gläubige. Chatmiten (Angehörige des Stammes der Chatma).
Saiditen (Angehörige des Stammes der Saida). Chriſten. Juden. Heiden. Sklaven.
Sklavinnen.
Jathrib (Medina).
Erſter Akt
We
Erſte Szene
Bethaus zu Jathrib (Medina). Vormittag. Mohammed, Abu Bekr, Omar, Ali, Osman
treten durch die Seitentüre rechts ein.
Mohammed
Durchſpäht alle Winkel erſt, ob wir allein!
Abu Bekr
Nur Gott iſt mit dir und deine Getreuen.
Mohammed
Dann ſchließt alle Türen!
(Die drei Türen werden geſchloſſen. Er geht einige Schritte umher und erblickt in einer
Ecke Aiſcha.) i
Aiſcha, du?
(lächelnd zu Abu Belr)
Da ſitzt ſie ganz heimlich und ſpielt mit den Puppen
Als wär' ſie zu Hauſe.
Aiſcha
(elfjährig)
Ihr ſaht mich doch kaum,
Abu Bekr
Entferne dich, Kind.
Wir haben hier wichtige Dinge zu reden.
In wenig Minuten iſt Betenszeit,
Dann ruf' ich dich.
Hornſtein, Mohämmed 1
Wie kann ich da ſtören?
Mohammed
Bleibe nur, Puppenweibchen,
Mit deiner Geſellſchaft. Ihr ſtört uns nicht.
(Küßt fie zärtlich.)
Aiſcha
Wem ſoll ich da folgen, geſtrenger Gebieter?
Dem Mann oder Vater?
(zu Abu Bekr)
Ich gehe jetzt fort
And entferne mich dort in den hinterſten Winkel
(zu Mohämmed)
And bleibe. So folg' ich euch beiden zugleich.
Mohammed
(kindiſch verliebt)
Du e du kleine Durchtriebne!
Gleich werd' ich das Mündchen dir ſchließen. Gib acht!
(Läuft ihr nach und küßt ſie, kommt zurück mit tiefem Ernſt.)
Jetzt hört!
(zu Abu Bekr)
Du ſagteſt zwei wichtige Worte:
Nur Gott ſei mit mir und meine Getreuen.
Zuerſt das eine: Glaubſt du an Allah?
Abu Bekr
(tief verletzt, ſeinen Anwillen niederkämpfend)
Was ſoll dieſe Frage, zum Scherze zu ernſt,
And wär' es dein Ernſt, ſolche Frage an mich?
Mohammed
5 (zu Omar)
And an dich,
(zu Ali und Osman)
And Ali und Osman. So redet!
Osman
Sag du erſt: Glaub' ich an Vater und Mutter?
Ali
And ich an mein Schwert?
Omar
And ich an mich ſelbſt?
Mohammed
And dennoch glaubt ihr nicht eher an Allah,
Als bis ihr mir ſelber in allem glaubt.
Drum frag' ich euch: Bin ich ſein Auserwählter,
Auf den er vom Himmel das heilige Buch
And den Engel geſendet in meine Träume?
Bin ich Mohämmed, Allah's Prophet?
Abu Bekr
Wie hätt' ich für dich ſonſt die Heimat verlaſſen,
In finſterer Höhle, in Nacht der Verzweiflung
Die zagende Seele dir aufgerichtet
Durch meinen zähen Glauben an dich?
Ali
And ich — wär' ich einſam in Mekka geblieben,
In deiner Behauſung, in deinem Gewande,
Als leuchtende Scheibe die Mörder täuſchend,
Mit gläubigem Herzen und opferndem Mut?
Omar
And hatte dies Schwert auf die Bruſt, die ich ſpäter
Als Freund dir umfangen, nicht ruchlos gezielt?
Haſt du's in die Scheide zurückgeſtoßen
Als blitzend und zündend dein Wort mich getroffen?
Warſt du's, der Verhaßte? Sprach Gott nicht aus dir?
Mohämmed
Er ſprach, und du haft ihn trotzdem verſtanden.
Doch ſpräch' er ſtatt Blitze auch finſteren Wahn,
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Dem lichtſcheuen Auge das göttliche Blendlicht
Gleich triefender Fackel mit Rauch umſchwärzend,
Spräch' er ſelbſt Irrſinn zu den Verirrten,
Gottlos zu Teufeln, wär' er doch Gott.
Ich aber kenn' ihn und weiß ſeine Markung,
Wo der Angſtweg führt für die Schwindelfreien,
Der Gewiſſensanker verſinken muß
In Blut und Kot, und die Kette reißen
Der Eigenliebe, der ſchimpflichſten Wolluft,
Wo die Not uns reich macht, wo wir das Höchſte,
Die in Schmutz getretene eigene Seele
Der Gottheit bringen: „Sieh! dir zulieb!“
And die Not iſt gekommen, die Schwindelprobe.
Gott hungert nach Opfern, die Seinen nach Brot.
Das Geld iſt erſchöpft, die Gläubigen wanken
And fallen den Heuchlern und Heiden zur Laſt.
Die Maulwürfe wühlen, die Gottesmühlen
Mahlen nicht mehr, das Werk iſt verſandet,
And der Tag der Rache,
(auf Omar zugehend)
der Rache, Omar,
(zu Osman)
der Rache, Osman, e
(zu Abu Bekr)
an Abu Lahab,
Wann kommt er, Freunde? Wißt ihr einen Ausweg?
An Abu Soffjan,
An Harith, Walid,
Omar
Ich nicht.
Ali
Ich auch nicht.
Abu Bekr
Mein ganzes Vermögen,
Die 40000 Dirhem und mehr
Schon hab' ich geopfert.
Osman
Auch meine Quellen
Sind lange verſiegt. Die reiche Ofaira
And Sedſcha und Solma, nicht eine der Weiber
Gibt noch etwas her, ſeitdem deine Tochter
Rokhaja mein Weib ward.
5 Mohammed
So iſt es beſchloſſen.
And jetzt kommt das zweite der beiden Worte:
Mein Gott iſt bei mir. Doch meine Getreuen?
(Muſtert ſie faſt verächtlich. Erregte Zuſtimmung der Freunde. Immer entſchiedener
werdend.)
Ich weiß einen Ausweg. Er iſt der letzte.
Gott hat es beſchloſſen. Ich führ' es aus.
In einer Woche — ſo hab' ich erfahren —
Kehrt reichbeladen in ſchwacher Bedeckung
Von einigen Mann eine Karawane
Von Jemen nach Taif. Der lauert ihr auf —
Die Andern
(erſchrocken)
—— Gm ä ——— —————
In einer Woche? Da iſt ja Radſchab.
Mohammed
(immer ficherer, energiſcher)
Omar und Ali
Im heiligen Monat?
And überfallt ſie —
Mohammed
Und macht fie nieder und raubt ihre Beute —
Abu Bekr
Im Gottesfrieden? Im Monat Radſchab?
Mohammed
Es gibt keinen Frieden für Gottesleugner.
Abu Bekr
Doch Treu’ und Glauben für uns.
Osman
And geheiligte
Alte Gebräuche.
Mohammed
Für jüdischen Schacher.
Seid ihr ſelber Juden und feilſcht um Worte?
Kein Wort mehr weiter von Treu' und Glauben!
Wer geht nach Taif, wer kämpft für Gott?
(Alle ſchweigen. Scharf und langſam betonend)
Allein mit Gott!
(Macht eine verächtliche Bewegung der Trennung von den andern.)
Ich hab' es gewußt und mich vorbereitet.
(Zieht ein Schreiben hervor und übergibt es Osman.)
Hier. Trage ſofort dieſen Brief zu Abdallah
And ſag ihm, daß er vom heutigen Tag
Den Titel „Feldherr der Gläubigen“ führe,
Doch ſoll er ſogleich ſich mit acht ſeiner Leute
Nach Talf begeben. Sonſt ſag ihm kein Wort!
Omar
Abu Bekr
Ein Wort nur!
Mohammed
(zu Osman)
Mohämmed bedenke!
Mach weiter!
(Osman ab.)
Ali
Der Eindruck im Lande, ſobald man es hört!
Omar
Nicht nur die Mekkaner, die Araber alle,
Die eignen Genoſſen verdammen dich.
Abu Bekr
Wo bleibt deine Klugheit?
Mohammed
Im Gottvertrauen.
(Es wird außen zum Gebet gerufen.)
Es ruft zum Gebete! Aiſcha, komm her
And laß deine Puppen. Die Richtung iſt hier.
(Die anderen nehmen ebenfalls Gebetsſtellung ein und beten zuerſt kurze Zeit ſchweigend
} in ſich gekehrt, dann alle zuſammen.)
Gott iſt groß!
Im Namen des allbarmherzigen Gottes.
Der Preis iſt Gottes, des Herrn der Welten,
Des Allerbarmers, des höchſten Gerichtsherrn
Am jüngften Tage.
Dir nahen wir betend und hilferufend.
Führ uns den Gnadenweg der Erwählten,
Derer, die deinen Zorn nicht kennen
And nicht in der Irre wandeln. Amen.
Im Namen des allbarmherzigen Gottes!
Sprich: Ein Gott iſt allein
Alleinig, ewig rein,
Nicht zeugend, gezeugt nicht in Ewigkeit,
And keiner gleicht ihm weit und breit.
(An der Tür im Hintergrund wird ſtark gepocht.)
Omeir
(außen)
Zu Hilfe, zu Hilfe! Macht auf, ihr da drinnen!
Ich bin es, der Blinde.
Mohammed
Der blinde Dmeir!
Was kann ihm geſchehen fein? Laßt ihn herein!
(Ali öffnet und läßt die Tür offen.)
Omeir
(ſticht mit einem Dolch ängſtlich und wütend um ſich)
Wer naht, den erſtech' ich. Wenn ich ſie getötet,
Die hölliſche Hure, ſo war's nur ihr Lohn.
Gott wird mir's vergelten. Wo iſt ſein Geſandter?
Wo iſt Mohammed ?
(Die anderen weichen ihm aus.)
Mohammed
(packt ihn am Handgelenk)
Biſt du von Sinnen?
Kein Menſch kommt dir nah.
Omeir
Doch, doch — auf der Straße —
Sie rufen nach Rache, fie flüſtern zuſammen —
Sie greifen mich an.
Mohammed
Ich war's, der dich packte,
Du furchtſamer Narr. Kein Lärm und kein Flüſtern
Iſt rings zu vernehmen. Dein eignes Gewiſſen
Verfolgt dich nur.
| Omeir
So ſprichſt du zum Danke,
Daß ich von dem Weibe dich endlich befreit.
Mohammed
Von wem?
Omeir
Von der biſſigen Chriſtenhündin,
Die ſtets dich geſchmäht und gehöhnt.
Mohammed
(aufleuchtend)
Sie iſt tot?
Omeir
Heut' Nacht hab' ich ſo mich zu ihr getaſtet,
Die Pfoſten umarmt und die Wände geſtreichelt,
Den Boden geküßt und die Polſtermöbel
So abgegriffen wie Weiberbrüſte,
Bis ich an die weichſten von allen kam.
Da lag aber noch eine zappelnde Maſſe,
Wie ein fleiſchiger Blutegel feſtgeſogen.
Den riß ich erſt fort und ſtach — bis es langte.
(Mohämmed wendet ſich ab, ſeinen Abſcheu vor den andern verbergend.)
Omar
Abu Bekr
Mit giftigen Kröten
In den Augenhöhlen.
Du Angeheuer!
Ali
Du Weibermörder
Mit dem Glied in der Hand und dem Meſſer im Herzen.
Omeir
Werd' ich ſo hier begrüßt, weil ich blind und ein Greis bin?
Hab' ich Gott nicht mit mein en Kräften gedient?
Steht mein heimliches Werk nicht höher als eures,
Das prunkt vor der Welt und ſich ſelber belohnt?
Was habt ihr zu fürchten mit euren Augen?
Ihr tötet kein Weib, ihr gebraucht es nur
And laßt euch dann preiſen als doppelte Helden.
Ich will nicht gefallen, ich bin nicht ſo eitel,
Ich bringe mein ruhmlos verachtetes Werk
Nur Gott, nicht den Menſchen. Sag, Gottesgeſandter,
War, was ich vollbrachte, nach Gottes Sinn?
Mohammed
(ſich überwindend, mit furchtbarem Trotz die anderen meſſend)
Nach ſeinem und meinem! Was gilt bei der Waffe
Ob ſchön oder häßlich, ſobald ſie nur trifft?
Wir alle ſind Waffen, und müſſen treffen,
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Blind treffen, wohin uns der Sehende führt,
Im Glauben blind, und blind im Gehorſam.
Wer kennt ſeinen Zweck, den Zuſammenhang?
Sind alle, die glauben, nicht Gotteserwählte?
Was für ihn geſchieht, geſchieht auch durch ihn.
Wirkt nicht im Wurme der Wille Gottes?
Verherrlicht der Teufel ihn nicht durch den Haß,
And durch ſeinen Fall ihn der Gottesleugner?
Doch nur durch den Fall. Wer leugnet, muß fallen,
Ob Weib oder Mann, ob Kind oder Greis.
War Gott voll Erbarmen beim Stamme Thamud?
Hat er Sodoms Weiber und Kinder verſchont?
Nicht die Säuglinge Ads an der Bruſt zerſchmettert?
Braucht er Mut, um zu ſtrafen, bedenkt er zuerſt,
Ob zäher die Haut und die Hirnſchale dicker,
Wenn Schwefelregen und Steinſchlag fällt? 5
Gab Gott euch die Schrift? Schreibt ihr euerm Gott vor?
Soll ich euch verfälſchen das heilige Buch,
In euere menſchlichen Ehrenregeln
Erſt überſetzen, was Gott mir vertraut?
Dann freilich würd' euch der Schöpfer gefallen,
Wenn er ausſeh' wie ihr. Doch mir hat er niemals
So deutlich geſprochen wie heute durch den.
Wer hat ihm das Rachewerk aufgetragen:
War ich's oder Ehrgeiz, gemeiner Gewinn,
Daß grauſiger Wahn ſeine Nacht jetzt verdoppelt
And die Nacht ſeiner Augen vervierfacht den Wahn?
Kam einer von euch ſo jemals vom Weib
In ſo finſterer Nacht? Was war denn ſein Sporn,
Die Peitſche ins Elend? Was trieb denn mich ſelbſt
In die Wüſte und euch zu dem „Lügenpropheten“?
ö (zu Omeir)
Gib her deine Hand, die dir Gott geführt.
(Bewegung unter den andern, die der Macht der Worte Mohammeds ſchon IN, wieder
unterlegen ſind.)
Omar
So mag er ſich ſelber den Himmel verdienen
Wie ſie ſich die Hölle. Für dich und für uns
And alle Gläubige war kein Verbrechen,
Kein Unheil erfindlich wie dieſe Tat.
War nicht deine Ehe ſchon mit Aiſcha,
Die neben Sauda dir angetraut,
Ein Schlag ins Geſicht für die Chriſtengemeinde?
And treibt jetzt der Mord an dem Chriſtenweib
Nicht ihre Erbittrung zum offenen Abfall?
Mohämmed
Mag ſein. Deſto beſſer. Ich will ſie nicht halten
Mit ihrer verheimlichten Vielgötterei.
Ich kann ſie nicht brauchen. Sie ſind mir ein Greuel
Mit ihrem dreieinigen, dreifachen Gott.
Sie nützen nicht mehr als die übrigen Heuchler,
And ſchaden uns noch bei den Juden ſogar,
Die als Stütze allein einen Wert für uns haben,
Weil ſie mächtiger ſind und uns näher ſtehn.
Omar
And Naila, der niederträchtige Jude,
Der witzelnde, der dich beſtändig verhöhnt?
Mohammed
(wütend auffahrend)
Abu Bekr
(ärgerlich vermittelnd, zu Omar)
Was mußt du an den ihn erinnern!
Mohammed
Verflucht, wer ihn läſtern und leben läßt!
Muß als leuchtendes Vorbild der blinde Omeir,
Der Krüppel, euch dienen im heiligen Krieg?
Der lebt noch?
11
12
Wenn ihr Ehre und Eide und Eden vergeſſen,
So denkt an die Erde, auf der ihr ſteht,
Die Arabien heißt, die im ſtaubigen Schoße
Das Reich des ewigen Gottes trägt!
Doch Blut muß ſie trinken. Wer ſtillt ihren Durſt?
Nach Hunderttauſenden lechzt ihre Lippe — |
And Naila lebt?
Ali
chingeriſſen)
Er falle, er falle!
Mohammed
Die fterbenden Hände der rühmlichſten Helden
Durchpflügen Arabiens ſchwangeren Leib,
Ein Knabenfrühling wird hingemordet,
And Haſſan, der hündiſche Heide, lebt!
Omar
(hingeriſſen)
Mohammed
And Harith und Abu Lahab,
And Walid und Abu Soffjan,
And Abu Oſchachl!
Nur heut' noch.
Omar
Ali Sie fallen, ſie fallen!
Abu Bekr
Mohammed
(Drüdt fie ihnen.)
Jetzt zum Gebet!
(Alle beten, der Blinde vorne am inbrünſtigſten.)
So gebt mir die Hände!
Im Namen des allbarmherzigen Gottes!
Die Zuflucht nehm’ ich beim Herrn der Menſchen,
Zuflucht vor dem Abel des böſen Feindes,
13
Der ins Herz das Böſe flüſtert und einbläft;
Zuflucht vor böſen Geiſtern und Menſchen.
Gott iſt groß.
Gott iſt groß.
Die Vollkommenheit Gottes, des Allerhöchſten,
Die Vollkommenheit Gottes, des Allerhöchſten,
Die Vollkommenheit Gottes, des Allerhöchſten.
(Anter Erheben des Kopfes)
Gott iſt groß!
(Auf die Knie ſinkend)
(Sie ſtehen auf.)
(Lärm draußen, der immer größer wird.)
Omeir
(entſetzt)
Sie kommen, ſie fangen mich! Gott ſteh' mir bei!
(betend)
Gott iſt groß, meine Zuflucht, der Allerhöchſte,
Im Namen Gottes —
Mohammed
Sei ruhig! Es krümmt
Dir niemand ein Haar, ſo wahr ich Mohämmed.
5 Zu Ali)
Frag, was ſie wollen!
(Ali eilt zur Tür im Hintergrund, zu der die Lärmenden vordrangen.)
Omeir
(raſend ſchnell die vorige Sure herunterbetend)
Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn der Menſchen,
Zuflucht vor dem Abel des ſchlimmen Feindes,
Der ins Herz das Böſe flüſtert und einbläſt;
Zuflucht vor Geiſtern und böſen Menſchen.
Ali
(zurückkommend)
Kein Menſch will etwas von dir, du Memme.
(zu Mohämmed)
Die Chatma ſind's und die Saida, die ewig
In Feindſchaft liegen.
14
Mohammed
(ſchnell, geſpannt)
Ich weiß es.
Ali
Sie wollen
Dem blutigen Zwiſt nun ein Ende machen
And wiſſen niemand andern als dich —
Mohammed
(haſtig, ſtrahlend)
Ali
— deſſen Einſicht und Kraft ſie vertrauen —
Mohammed
Mich, den fie bekämpften, den Lügner, den Narren?
Ali
Sie kommen verſöhnend, ſie bitten —
Mohämmed
(triumphierend) l g
Sie bitten!
Als mich!
(Zu den Freunden)
Ich wußte, ſie kommen. Sie kommen noch alle.
Ich danke dir, Höchſter.
(Zu Ali als Antwort)
Ich bin bereit.
(Schreitet, von den andern gefolgt zur Türe.)
(Vorhang fällt.)
wer
15
Zweite Szene
Vor dem Bethauſe. Die Chatmiten (Stamm der Chatma) und die Saiditen (Stamm
der Saida) in erregter, drohender Haltung.
Saiditen
Erſt gebt uns den Malik! Dann könnt ihr verhandeln.
Andre Saiditen
Vorher kein Vergleich.
Wieder andre Saiditen
Erſt den Malik heraus!
Malik
(furchtlos vortretend)
Hier bin ich. So offen ich Salem getötet,
So ſtell' ich mich euch.
Verſchiedene Chatmiten
(entreißen ihn den Saiditen, die Hand an ihn legen wollen)
Gebt ihn her! —
Zu ihm) s
Biſt du toll?
Was nützt deine Großmut? Wir wollen doch Frieden!
(Zu den Saiditen)
Was kamt ihr hierher? Daß einer den andern
So weitermordet? . 5
Einige Saiditen
(zu anderen ihres Stammes)
's iſt wahr. Laßt ihn gehen.
Andre Saiditen
Wir wollen nicht Frieden, eh' Salem gerächt.
Chatmiten
Dann rächen wir Malik.
16
Mohammed
(erſcheint auf den Stufen des Bethauſes, gebieteriſch, ruhig)
Frieden mit euch!
(Die Streitenden trennen ſich in zwei Gruppen; dann einige Augenblicke tiefe Ruhe.)
Mohammed
Was ſtört ihr die Gläubigen im Gebet?
(verächtlich)
Was ſucht ihr bei Gott und ſeinem Propheten?
Verſchiedene Stimmen
Ein Frievensgericht! Einen Schiedsvertrag!
Wie einſt bei den Stämmen der Aus und der Chasradſch.
Mohammed
Die Aus und die Chasradſch find unſere Freunde!
Sie waren die erſten, die uns beſchützt.
Sie kamen nach Mekka. Sie boten uns Zuflucht.
And was tatet ihr?
Verſchiedene Stimmen
Was taten die Aslam?
Die Abs und die Dahie? — Su kamſt als ein Fremder.
Ein Hitzkopf
Du ſchmähteſt die Götter!
Andere
(zu dieſem)
Sei ſtill! Alter Dummkopf!
Wieder andere
(die vorigen überſchreiend zu Mohammed)
Wir wurden verleitet. — Wir kannten dich nicht.
Mohämmed
Doch jetzt ſind die Augen euch aufgegangen?
Was macht euch ſo klug? Was bedrängt euch ſo hart,
Daß den Wolf ihr zum Schutz eurer Herden wählt?
17
Sad
(Häuptling der Saiditen)
Wir haben uns ſelber ſchon halb zerriſſen
And aufgefreſſen. Der wütendſte Wolf
Zerfleiſcht uns nicht mehr, als die eigene Zwietracht.
Kein Freund traut dem Freund mehr. Auf jedem liegt Blutſchuld,
Ein jeder iſt Rächer und Opfer zugleich.
Die unerſättlichen Toten befehlen
Allein noch und leben!
Mohammed
(gehäſſig triumphierend)
Ihr „Blut“-Verwandte!
So kann ich euch brauchen. Jetzt, glaubt ihr, wär' Zeit,
Euch einfach an mich und an Allah zu wenden,
Der wär' noch geſchmeichelt. Was kümmert's denn uns,
Ob ihr Freunde und Brüder und Gatten mordet?
So bleibt uns nur ſelber die Mühe erſpart.
Gott ſchickt uns Genoſſen, ſo viel ihm beliebt.
Heb' ich Heuchler vom Boden und mäſt' ich mir Mörder?
Weil die Aus und die Chasradſch geeinigt durch mich
And mächtig geworden, ſo kämt ihr jetzt auch
Nach Jahren daher, nach Hoffahrt und Bosheit?
Ruft eure Götter um Hilf' in der Not,
Die Allat und Mannat! Was habt ihr ſie denn,
Ihr Heuchler? Die Aus und die Chasradſch ſind gläubig,
Das hat ſie geeint und geſtärkt und gerettet.
Das hat ſie aus Feinden zu Brüdern gemacht,
Zu Glaubens verwandten. Was nützen Verträge,
Was Handſchlag und Eide, wenn heimlich im Herzen
Der Haß als höchſtes Geſetz euch herrſcht?
Es gibt nur den Haß gegen Heiden und Heuchler,
Den Todeshaß, den Vertilgungskrieg.
Ob Eltern und Kinder, ob Brüder und Gatten,
Gelöſt ſind die Bande. Gelobt ſei Gott!
(Die Freunde Mohämmeds wiederholen den Ruf; große „
Hornſtein, Mohammed
18
Wir andern aber find eine Familie.
Es gibt keine andre Gemeinſchaft vor Gott,
eur Glaubensgemeinſchaft und Glaubens gemeinde.
Noch ſind wir nicht viel, aber furchtbar an Einheit,
Ein jeder einzeln von Gott gewählt,
Vom göttlichen Schwerte ein heiliger Funken.
So fechten wir ſtatt um die Toten, wie ihr,
Am ewiges Leben und ewigen Lohn.
Drum ſagt: Wollt ihr Eintracht?
(Begeiſterte Zuſtimmung.)
And Größe und Freiheit,
Für euch und Arabien?
(Wiederholte Zuſtimmung.)
Daß einſt durch ganz Nedſchd
Von Jathrib bis Saba und Syriens Grenzen
Ein Glaube nur herrſcht und ein Stamm und ein Frieden?
(Große Bewegung, mit geringem Widerſpruch untermiſcht.)
Dann würgt die Vampyre, die Mitternachtsgötter!
Sie leben von Blut und ſchmarotzen ſich Ehren
Vom ewigen Gott. Entlarvt die Betrüger,
Sie ſind euer Fluch nur, die Ozza und Mannat
And Allat! Zerſtört ſie! Kehrt heim zu dem wahren,
Alleinigen Gott! Er iſt ja der gleiche,
Der unſre und eure, ihr habt ſeine Macht
Nur entweiht und geplündert, er war euch unfaßbar,
Drum habt ihr zerteilt ihn und klein gemacht,
And glaubt ſeine Wunder jetzt leichter, ihr Toren!
Doch mir, mir ſandte mit furchtbarer Wahrheit,
So wahr als ein Gott iſt, der eine das Buch.
„Lies!“ And ich gehorchte. „Sprich“: Alle ſind Frevler,
Doch aber die Rückkehr iſt zu deinem Herrn!
(Große, begeiſterte Bewegung.)
Jetzt wißt ihr die Wege: zu Gott oder
(ſie wie Schuljungen mit der Hand fortweiſend)
heim!
Alle
Zu Gott! Zu Mohammed! Zu feinem Geſandten!
Mohämmed
Dann Frieden mit euch. Jetzt ſagt eure Sache.
Sãd
(Häuptling der Saiditen)
Der Malik hat eben auf offener Straße
Den Salem getötet.
Malik
Weil Kab meinen Bruder,
Den Aſſim, erſtochen.
Eine Saidite
And Aſſim den Bruder
Von Salems Frau.
Eine Chatmite
Weil der unſern Vetter
Den Thabit, erwürgte.
Ein anderer Saidite
Den Säufer und Lumpen,
Am den war's nicht ſchad.
Ein Chatmite
So, aber um Halam,
Mohammed
Jetzt ſchweigt einmal alle!
Nur Sad ſpricht allein. Wer hat als der erſte
Die Fehde begonnen?
Kanſa
(ein junges, hübſches Mädchen mit leidenſchaftlichem Innenleben, das ſie meiſt nur
verhalten, finſter, feindſelig zum Ausdruck bringt. Sie geht an Krücken und wird von
ihrem Vater Amr und von Hatim, dem Arzt, von Zeit zu Zeit geſtützt)
Ich war es.
Den Thabit erſchlagen?
20
Amr
Still doch!
Stimmen
Die Närrin.
Mohammed
(erſtaunt)
Ein Mädchen, ein krankes, verwachſnes?
Was ſoll das bedeuten?
Amr
Sie ſelbſt war nicht ſchuld.
Sie war nur die Braut von dem Chann, der mit Orwa
Die Fehde begann.
| Kanſa
Am meinetwillen.
Mohammed
(noch erſtaunter)
Wie? Dieſes Gemetzel um fie? Am den Krüppel?
Kanſa
Der ward ich erſt ſpäter, ach, leider zu ſpät!
Amr
Sie war die erleſenſte Blume von Jathrib,
Feinſtilig und ſtolz wie die Palmen am Weiher,
Wenn ſie leicht ſich im Wind in den Hüften gewiegt.
Mohammed
Laß ſehen!
(Eilt ganz nahe auf ſie zu und betrachtet ihr Geſicht mit wachſender Sinnenglut.)
Aus keinem zerbrochenen Glas
Glänzt ſo eine goldene Träne noch
Aus Dorngeſtrüpp keine verwehte Blüte
Wie das Königsgeſicht aus dem Elend der Glieder.
21
Kanſa
O wär' vom Geſtrüpp das Geſicht mir zerriſſen
Wie meine Seele!
Abu Bekr
(mit vorwurfsvollem Nachdruck zu Mohammed, der über Kanſa alles zu vergeſſen ſcheint)
Bedenk deine Stellung!
Mohammed
(blickt Abu Bekr. einen Augenblick blitzend an und wirft ſich dann mit einem Nuck
in die alte Haltung; drängend)
Nun alſo, was wollten der Chann und der Orwa?
Amr
Sie haben mein Kind ins Verderben geſtürzt
And mich und uns alle.
Sãd
Was ſchert das Geſchwätz uns!
Wir wollen Vergleich, keine Liebesgeſchichten.
Der Orwa hat meuchlings den Chann ermordet
And alles andre iſt Weibergewäſch.
Der Orwa war ſchuldig aus Eiferſucht.
(Lärm bei den Saiditen.)
Mohammed
Sãd
(feft)
Ja, alles, was wahr iſt.
Drum ſtach ihm Soheir die Augen aus
And erſäufte in Blut ihn.
(Kanſa wankt vor Entſetzen und wird von Amr und Hatim geſtützt.)
Mohammed
Dann aus mit den beiden.
Gefühnt und verglichen für ewige Seit.
And wer war der nächſte?
Er war von den euern?
22
Sad
Dann hat Halams Bruder,
Ein Vetter von Orwa, den Bruder Soheirs,
Den Dfehandal, vergiftet.
(Kanſa ſtöhnt auf.)
Saiditen
(lärmend)
Erſtochen.
Sad
feſt)
Vergiftet.
Was wahr iſt. Drauf rächten Soheir und Thabit
Den Oſchandal und banden den Halam von rückwärts
An ihre zwei Hengſte, und peitſchten mit Feuer
Die raſenden Roſſe nach Morgen und Abend.
(Kanſa bedeckt voll Grauen ihr Geſicht mit den Händen.)
Mohammed
Sp Halam für Oſchandal. Geſühnt und verglichen.
Wer hat einen Einſpruch?
(Alles ſchweigt.)
Fahr weiter!
Sad
Als nächiter
Erwürgte den Thabit dann Seid, Salems Schwager.
Den tötete Aſſim, der Neffe von Thabit,
Den Aſſim dann Kab.
Malik
(wild herausfordernd)
Und Kab erſchlug ich.
Die Verwandten Kabs
ild d
Was? Kab iſt getötet? .
25
Sad
Auch Kab noch?
Andere Saiditen
(erbittert, großer Lärm)
Malik
[Ja, beide erſchlug ich für Aſſim, für einen
So herrlichen Helden und Bruder.
Und Salem?
Mohammed
(ſie mächtig übertönend)
Jetzt ſchweigt!
Ihr ſeid bei Gericht hier, und ich bin der Rächer.
Wer ſchuldig, muß fallen.
(Die Saiditen beruhigen ſich.)
Zurück erſt zu Thabit.
Für Thabit fiel Seid. Wer erhebt einen Einſpruch?
(Stille)
Geſühnt und verglichen. And jetzt zu den letzten.
Für Aſſim fiel Kab.
Malik
And Salem, die beiden.
Alle Chatmiten
Ja, beide.
Ä Alle Saiditen
Nein, Kab nur. Für Salem fällt Mallik.]“)
Amr
Geſühnt ſchon iſt Salem. Für Salem fiel Kanſa.
Sad
Was will er denn wieder, der Narr, mit Kanſa?
(Bewegung.)
*) Das Eingeklammerte kann bei der Aufführung weggelaſſen werden.
24
Amr
Iſt ſie denn kein Opfer? Wird ſie nicht gerechnet?
Kanſa
Der Vater hat recht. Wenn ihr Fluch ich geweſen,
Trifft mich keine Schuld. Ich ſah das Verderben,
Ich eilte zu Orwa, um Chann zu retten,
Ich bat unter Tränen, den Liebſten zu ſchonen.
Er ſchwur mir's, der Anmenſch, und ſchickte zum Schein
Nach Sklavinnen aus, um mich heimzugeleiten.
Denn heimlich nur ſchlich ich zu ihm in der Nacht.
Doch ſtatt der Begleitung — noch fühl' ich den Schrecken —
Kam Chann, den er liſtig herbeigelockt.
Ich kannte die Tritte — es gab kein Entrinnen,
Sein Schritt ſchon war Argwohn, mich hier nur zu ſehn
Gewißheit und Grauen; ich flüchte zum Fenſter,
Ich ſtürze — und über mir hör' ich ein Höhnen
And Morden mit Worten, kaum hatte der Schlächter
Noch Arbeit, und dann noch als letztes meine Name
Gebrüllt wie ein Fluchwort — und dann war es till.
(Tiefe Bewegung.)
Mohämmed
Entſetzlichſtes Opfer!
(Zu den Saiditen)
And euch ſcheint das nichts?
Was, Sad? War das auch nur ein Weibergewäſche?
Sad
Was nützt's, die Geſchichte hier aufzuwärmen,
Macht Reden den Körper ihr wieder geſund?
Verrat iſt kein Mord.
Andere Saiditen
Nein. Auge um Auge.
Säd
Jetzt zählen wir Tote. And Kanfa ift lebend.
Alle Saiditen
Ja, Kanſa iſt lebend.
Mohammed
Verurteilt zum Leben.
Ihr Schickſal iſt härter als Salems.
(Zu Amr)
Drum ſchweig
Von Ausgleich, du Alter.
(Zu den Saiditen)
Gut, Auge um Auge.
Für Salem fällt Malik.
(Wilder Lärm bei den Chatmiten, Beifall bei den Saiditen.)
Jetzt, Kanſa, kommſt du.
(Zu den Chatmiten)
Wer gilt bei den Saida als Schönſte im Stamme?
Einige Chatmiten
Die Laila. Die Laila.
Saiditen
Nein, Zarka.
Andere Saiditen
Nein, Kud.
Mohammed
And wer iſt zugleich von den dreien die Reinſte?
Chatmiten
Auch Laila.
Ein alter Saidite
Nein, Laila hat viel zu viel Feuer.
Es liegt ihr im Blute, ſie kann nichts dafür.
25
26
Chatmiten
Nicht wahr! Die Laila iſt reiner als alle.
Der alte Saidite
(mit wachſender Angſt)
So ſcheint's. Doch fie war ſchon, fie hat ſchon ein —
(Senſation.)
Mohammed
(gebieteriſch, aber mit einem leiſen Anklang von Ironie)
5 Schweig!
Wer biſt du, Ehrenmann?
Der Saidite
(weinend, am ganzen Leibe zitternd)
Lailas Vater.
Mohämmed
(zu den Saiditen
Da ſeht ihr's. Ihr habt für die „wertloſe“ Kanſa
Nicht einmal Erſatz!
Sad
Wir ſind ihn nicht ſchuldig.
Wer hat ſie geheißen, durchs Fenſter zu gehn?
Was traut ſie dem Schurken?
Saiditen
Nur Kanſa war ſchuld.
Kanſa
(mit dumpfem, apathiſchem Schmerz)
Das ſagt' ich doch gleich. Ich will ja nur Frieden.
Soll noch jemand leiden?
Mohammed
(zu den Saiditen)
Gut. Sie ſei ſchuld
An ihrem Gebrechen. Sagt, bin ich gerecht?
Saiditen
Ja. Heil dir, Mohämmed!
Chatmiten
Stets hilfſt du den andern.
Mohammed
(zu den unzufriedenen Chatmiten)
Ich helfe euch allen. Seid ſtill! Leg' ich ſtets
Das Wachs beim Verkleben auf beide Teile?
Jetzt reicht's bei dem einen. Verzeih, ſchöne Kanſa,
Ich muß deinen Schmerz nun in Geld verwandeln,
Sonſt ſehn ſie ihn nicht. Doch nimm's wie den Schmuck,
Den die Mutter ſterbend der Tochter zurückläßt.
Auch er hat doppelten Wert. Doch den äußern
Nur ſchätzt das Gericht und wertet die Menge.
(Zu den Saiditen)
Jetzt aber Gerechtigkeit auch bei euch!
Ihr ſagt, daß Orwa den Chann gemordet?
Alle Saiditen
(mit feſter Stiuume)
Jawohl.
Mohämmed
And Chann war Kanſas Verlobter?
Alle Saiditen
Jawohl.
Amr
In kurzem wär' Hochzeit geweſen.
Das hätte ihr Leben und meines zugleich
Auch äußerlich glücklich und glänzend geſtaltet,
And jetzt fällt die Kranke mir noch zur Laſt.
Mohammed
(zu den Saiditen)
Das ward alſo Kanſa durch Orwa entzogen?
Entzogen mit Abſicht, gewaltſam entzogen?
28
Die Saiditen
Ja.
Mohämmed
Alſo geraubt, und wer euch etwas raubt,
Den ſchlagt ihr doch nieder. So hat alſo Kanſa
Und ihre Familie noch Anſpruch auf einen
Aus Orwas Geſchlecht.
(Bewegung unter den Saiditen.)
Doch will ich kein Blut mehr.
Ich will für den Krüppel nur, was man ihm raubte.
Ich will nur Erſatz.
(Anruhe. Kanſa und Hatim erſchrecken.)
Hatim
(zu ihr)
Anmöglich.
Kanſa
Sei ruhig!
Hatim
Mohammed
Findet einer von allen, die bier find,
Der einen Begriff hat von Recht und Ehre
And ſelber ein Schwert, um ſich Recht zu verſchaffen,
Den Schutz für die Wehrloſe ungerecht?
(Drohend hervortretend)
Hat einer die Stirn, mir das abzuſchlagen,
Nachdem ich euch Malik für Salem geſchenkt?
Sad
Nein. Recht ſoll ihr werden und Schutz und Erſatz!
Wir wollen Frieden.
Sag nein!
Die Saiditen
Ja, Frieden und Recht.
(Hatim und Kanſa verſuchen zu ſprechen, werden aber übertönt.)
29
Mohammed
(gu Sãd)
Dann gib mir zum Pfande für Kanſa dein Schwert!
Sad
(übergibt es)
Ich bin nicht mehr Häuptling, verletz' ich mein Wort.
Mohämmed
(zu Amr)
Wieviel beſaß Chann?
Hatim
(drängend zu Kanſa)
Jetzt ſprich, ſonſt red' ich.
Kanſa
(zu Hatim)
Du willſt doch um uns nicht die andern verderben?
Mohammed
(zu Amr)
Was wird da geſtritten? Wer iſt dieſer Mann?
Amr
Der Arzt meiner Tochter.
Kanſa
(zu Mohämmed und Amr)
Ich bitt' euch... ihr kränkt mich..
Sprecht nie von Erſatz mehr . . . ich nehme kein Geld.
Mohammed
(eilt auf fie zu, faßt fie bei der Hand und raunt ihr mit größter Energie zu, jo daß
nur die Nächſtſtehenden der Chatmiten es hören können)
Dann töteſt du Malik, du denkſt nur an dich!
Saiditen
Was gibt's denn dort drüben?
(Zu einander)
Ihr hört, ſie verzichtet.
30
Mohammed
Nein. Kanſa, ſprich ſelber. Verzichteſt du, Kanſa?
Kanſa
g (mit lauter, aber zitternder Stimme, ängſtlich Hatim anſehend)
Nein.
Mohammed
Habt ihr's vernommen?
(Zu Amr)
Wiviel hatte Chann
An Vermögen? Mach weiter!
Amr
Er hatte nach Malik
Die meiſten Kamele und 60000
Denare dazu. Das werden dir ſeine
Verwandten bezeugen.
| Die Verwandten
Ja, rund 80 000
Denare zuſammen an Habe und Geld.
Mohämmed
Dann hat ſie als Witwe das Recht auf ein Viertel,
Auf 20000 Denare.
Die Saiditen
(durcheinander und zu Mohammed)
| Hört!
Wer ſoll die bezahlen — das iſt unmöglich =
Die Chatma find zehnmal ſo reich als wir —
And wir find nur wenig „
— da ſind wir ja arm.
Mohammed
(mit grimmigem Hohn)
Ihr „arm?“ Ihr beſitzt doch das köſtlichſte Gut,
Das herrlichſte Glück: eure Rache zu ſtillen!
Für 20000 Denare, bedenkt,
Für das lumpige Geld, welcher Nauſch aller Sinne!
Die Augen zuerſt, die das Opfer ſehn
And dann eure Hände, die quälen und morden,
And dann Maliks Blut. Welch erleſenſter Tropfen!
Wo wächſt in ganz Syrien ſeltnerer Wein,
Die Heldenperle, von der jeder Schluck, den
Die Erde trinkt, ein zerronnener Schatz!
Wer ſo fürſtlich verſchwendet, muß freilich verarmen,
Doch ihr müßt ja wiſſen, wie wert euch das Glück.
Die Saiditen
(betroffen)
Was meint er damit? Wir verſtehen ihn nicht.
Sad
Er meint, wenn wir Malik nicht töten, dann könnten
Das Geld wir erſparen, das gliche ſich aus.
Einige Saiditen
Nein, Nein. Keinen Ausgleich.
Andre Saiditen
Es wär' nicht das dümmſte.
Mohämmed
Wer ſpricht da von Ausgleich? Die Summe für Kanſa,
Sie wird unter jeder Bedingung bezahlt,
And nie hab' ich Malik mit Kanſa verglichen,
Nur Malik mit Malik, lebendig und tot.
Der eine iſt 100 000 Denare
(große Bewegung bei den Saiditen)
Zum mindeſten wert und der andere nichts.
Der eine bezahlt eure Schulden, der andre
31
32
Street fordernd die Hand aus dem Grabe und droht,
Bis die 20000 Denare bezahlt ſind.
Wen habt ihr jetzt lieber? Ihr müßt es ja wiſſen,
Was wenig Sekunden der Rache euch wert.
| Die Mehrzahl der Saiditen
Wir wollen ein Löſegeld.
Einige wenige
6 Nein. Er ſoll ſterben,
Der Tod nur iſt Sühne.
Mohammed
(zu dieſen)
Was iſt denn der Tod
Für Malik, ihr Toren?
Malik
Ich hab' ihn ja ſelber
Euch angeboten. Was ſchwätzt ihr ſo lang?
Mohammed
Da ſeht, wie er ſpottet! Iſt das eure Strafe?
Ihr wollt euch doch rächen und ſtraft euch nur ſelbſt?
Er aber geht ein in die ſeligen Gärten
And trinkt aus der Quelle Salſabil.
Iſt das eure Rache?
(Sich immer mehr in ſeine Inſpiration verlierend)
Weich⸗wogende Polſter aus grüner Seide —
Smaragdene Wellen — zerfloſſ'ne Geſchmeide —
And Jungfraun in goldendurchwirktem Kleide —
Iſt das eure Rache?
Großfragende Anſchuldsaugen glühen —
Auf zagenden Gliedern Perlhauch der Frühen —
Sie ſpenden den Seligen ohne Verblühen —
Iſt das eure Rache?
(Drohend, gewaltig)
And Gründe auf ewig vom Licht geſchieden —
Ein Flammenpraſſeln und Kettenſchmieden — —
(leuchtend)
And dort auf den Höhen der Gottesfrieden.
(plötzlich abgeriſſen, wild, agitatoriſch)
Wollt ihr Tod oder Frieden?
Die Saiditen
(hingeriſſen)
Frieden und Leben. Malik ſoll leben.
Mohammed
Ja, leben und betteln vor euch auf der Straße.
Lang ſoll er ſo leben, der ſtolzeſte Feind.
Die wenigen Saiditen, die noch ſeinen Tod gewollt
Ja, ja, das iſt wahr. Die Strafe iſt größer.
Andere
And wir nn uns gütlich mit feinem Geld.
Wo ſind die Denare? Kommt mit in ſein Haus!
Mohammed
(aufgebracht)
Halt! Wollt ihr ſtatt morden jetzt rauben? Zurück!
Sein Blut iſt er ſchuldig. Doch keinen Denar.
Nur er kann entſcheiden. Nur er hat die Wahl.
Die Saiditen
Das auch noch! Die Wahl! Wir wollen. Er muB.
Mohammed
(zu Malik)
Du haſt es gehört. Gibſt du all deine Habe
Dem Stamme der Saida als Löſegeld
And willſt für den Frieden als Bettler leben?
Hornftein, Mohämmed 3
33
34
Malik
Nicht für den Frieden, — für dich will ich leben
And deinen Gott.
(Allgemeine begeiſterte Zuſtimmung beider Parteien.)
Auf allen Seiten
Es lebe Mohämmed.
Mohammed
(Begeiſterte Zuſtimmung.)
Mohammed
RR gu Sãd)
Hier, Sad, ift dein Schwert.
(Gibt es ihm zurück.)
And morgen wollen wir alles zuſammen
In Ordnung bringen.
(Die Chatmiten und Saiditen zerſtreuen ſich langſam.)
Mohammed
Halt, Malik, ein Wort!
N (Nimmt ihn beiſeite.)
Du brauchſt nicht zu darben.
Verlaß dich auf mich!
Ich helfe dir weiter.
Amr
(auf Mohämmed zu, in überſtrömender Dankbarkeit)
Wie ſoll ich dir danken,
Es lebe der Frieden!
Du edelſter Richter? b
Hatim
(finſter zu Amr)
Behalte den Dank.
Wer weiß, was noch nachkommt.
Kanſa
(erſchrocken zu Mohammed und ihrem Vater)
Er meint, man mißgönnt uns
Den Reichtum, er brächte uns Hader und Neid.
Mohammed
(mehr mit Kanſa beſchäftigt, zu Hatim)
Die Sorge laß mir. Jetzt brachte er Frieden.
Hatim
Wer weiß, auf wie lang?
| (Ab.)
Amr
(ihm nachrufend)
Bleib! Hilfſt du nicht Kanſa?
(zu Mohammed)
Verzeih ſeine Schroffheit! Er iſt ſo ein Freigeiſt,
Er will nichts von Gott und den Göttern wiſſen.
Mohammed
(forſchend, zu Kanſa, ſich mit den Augen gleichſam in fie verbohrend)
So? Aber von dir? Was hat er denn immer
So eifrig geflüſtert? Ich ſah doch die Wut,
Schon wie ich zuerſt auf dich zugegangen.
Kanſa
(ernſt, faſt feindſelig)
Du täuſchſt dich. Es gibt keinen edleren Freund
And Menſchen als Hatim.
Mohammed
So iſt es nur Mitleid?
Dann glaub' ich, daß er den Reichtum haßt,
Wenn er ſelbſt die ärmlichſte Münze gibt.
Den Edelmut laß ihm am Boden liegen.
Da fühlt er ſich wohl, wo der Bettler liegt
And der Schmutz und die Krankheit. Doch wer empor
Zu den Sternen blickt, dem hüllen die Wolken
Wie Tücher die Breſten der Erde ein,
And ſelber wie Mitleid empfängt ſeine Seele
Aus flammenden Augen den Gnadengruß.
35
36
Kanſa
(entſetzt)
Aus Mörderaugen.
(Bededt fie mit den Händen. Mehr ruhig, kalt, gehäſſig, als leidenſchaftlich im Ton.)
Wer anders mich anblickt
Als Hatim, den half’ ich.
Amr
(entſchuldigend)
Es iſt nur die Trauer
Am Chann noch, verzeih!
| Mohammed
5 N (noch leidenſchaftlicher)
Sie ehrt ſich nur ſelber
And zeigt, daß ſie wert iſt, ſie anzublicken.
Kanſa
Den Wert an mir ſiehſt du ja doch nicht an.
Was die anderen Männer ſogar noch verſchmähen,
Weil es häßlich und krank, das gefällt dir an mir.
Kein anderer war ſo genügſam von allen,
Sie ſahen mich kaum oder achteten nur
Das Gebrechen des Körpers, doch nicht ſein Geſchlecht.
And wenn einer freundlich und zärtlich mir nahte,
Geſchah es aus Güte und Mitleid nur.
Ich ſah, wie mein Anblick ſo oft die Menſchen
Veränderte, wie er die Harten erweicht,
Die Anzufriednen mit ihrem Geſchick
Verſöhnte, wie über die häßlichſten Züge
Voll Scham oft die innerſte Schönheit kam,
And über Gemeines ein edler Schimmer.
Aus jeder Tiefe holte mein Leid
Das Beſte, Mohammed. Nur du wurdeſt ſchlechter.
Mohammed
(erregt)
Das iſt nicht wahr. Kannſt du denn ermeſſen
Was gut iſt in mir? Ein kläglicher Schmerz,
Wo nichts mehr zu ändern, der ſelbſt ſich nur ſtreichelt,
Der Leben und Tatkraft, das Beſte, erſtickt?
Gibt Mitleid Geſetze, ſchlägt Mitleid die Schlachten,
Verbündet es Völker und führt ſie zum Sieg?
Errettet es Sünder aus Not und Verderben,
Vereint es zwei Stämme zum Frieden nur?
Was hat denn das Gute von denen geleiſtet?
Wo iſt denn ſein Wert? And was wirkte in mir?
Was hat mir die Kraft und den Hochmut gegeben,
Womit ich dem Trotz das Genick zerbrach?
Nie fühlt' ich ſo ſtark meine innerſten Kräfte
And Gottes Gnade und Schutz ſo nah
Wie heute bei dir. Was ſo wirkt und entzündet,
Die glühende Mitluſt, Mitleidenſchaft,
Die göttliche Kraft, kann die ſchlecht ſein, Kanſa?
Kanſa
(die den Worten mit ſichtbarer Erregung gefolgt war zu Amr)
Mein Gott iſt ein andrer. Führ mich nach Haus!
(Auf ihren Vater und die Krücken geſtützt ab.)
Amr
(im Abgehen)
Noch Dank und Verzeihung, geprieſenſter Herr!
Mohammed
(Zu Abu Bekr)
Du mußt mich begleiten.
Späh aus, wo ihr Zimmer und wann ſie allein.
Ich muß ſie noch ſprechen.
Wir ſprechen uns ſpäter.
Abu Bekr
(vorwurfsvoll)
Doch heut' nicht, Mohammed,
Nach allem, was vorfiel! Laß erſt die Erregung
Sich langſam verlaufen. Noch gärt es im Volk,
37
38
Sie ſah'n deine Neigung. Es darf dich kein Schatten
Von Eigenſucht treffen. Sonſt ſagen ſie gleich:
Da ſeht unſern Richter und Gottesgeſandten!
So zahlt er die Weiber mit unſerm Geld
And dem Geld unſres Todfeinds.
Mohammed
(auf den Boden ſtampfend)
Das weiß ich. Drum ſollſt du
Zu ihr mich begleiten und alles ſo richten,
Daß niemand es merkt. Du biſt meine Vorſicht,
Du mußt für mich denken in äußeren Dingen,
Das kann ich nicht ſelber. Ich hab' keine Ruhe
And auch keinen Blick für die Nebenſachen.
Ich kenn' nur die Richtung und weiß, was ich muß.
Ihr dürft mir die Steine am Weg nicht zeigen.
Schafft ſie fort, aber laßt mich im Traume gehn.
Mein Aug' iſt aufs Weite nur eingeſtellt.
Mein Licht iſt der Blitz, meine Brücken der Nebel,
And im Sturm nur hör' ich die Stimme des Herrn.
Zu ihm, zu ihm! Drum hab' ich nicht Naſt,
Bis der Sturm die Welt in den Angeln faßt
And zermalmt und zerwürmt,
And die Berge türmt,
And dazwiſchen die Feuerglocke ſtürmt,
And alles wirbelt und praſſelt und ſtöhnt,
And die Stimme des RNufers fie überdröhnt.
Dann endet in mir erſt der Drang und der Streit
And die ungeheure Verlaſſenheit.
Gelobt ſei die Stimme der Ewigkeit!
(In tiefſter Inbrunſt)
And jetzt, Allmächtiger, höre mein Flehn!
Laß einen Wunſch in Erfüllung gehn!
Die Flamme, die ſelber du wild entfacht,
Durch die du den Stämmen den Frieden gebracht,
50
Laß ſie lodern und leuchten zu meiner Luſt
And fülle mit Glut der Geliebten Bruſt.
And wenn noch Wunder auf Erden geſchehn,
So laß ſie geneſen und auferſtehn
In ihrer einſtigen Gliederpracht
Durch deine göttliche Wundermacht!
Daß als Paradieſesluſtgeſtalt
Sie unter den Krüppeln der Erde wallt!
(Vorhang fällt).
A
Dritte Szene.
Bei Amr. Kanſas Zimmer. Im Hintergrund Gartentür, durch die Amr und Kanſa
kommen. Rechts (vom Zuſchauer) Tür in die andern Zimmer.
Amr
Jetzt laß alles Reden. Die Sache iſt fertig.
Ich kenn' deine Gründe und weiß ſie zu ſchätzen.
Doch wär's ein Verbrechen, den alten Zwiſt
Von neuem zu wecken durch ſolche Bedenken
And weichlichen Schmerz.
Kanſa
Das Geld war nur Mittel,
Den Streit zu beenden; jetzt, da es geſchehn,
Fragt niemand darnach, ob der Lohn meiner Leiden
Auch wirklich uns zufällt. Es hat doch kein andrer
Davon einen Vorteil.
Amr
Das iſt ja nicht wahr.
Der Reichtum des einen kommt allen zugute
Im nämlichen Stamm. And da wir ſchon Maliks
Vermögen verlieren, ſo bleibt durch Mohämmeds
Vortreffliches Arteil uns wenigſtens das.
40
Ranfa
Verwend' es doch wirklich zum Beſten der andern,
Gib ihnen das Geld, ſtatt mit den Gebreſten
Der Tochter zu wuchern! Dann ehrſt du dich ſelber
And meinen Schmerz.
Amr
Die albernen Reden!
Was hat denn das Geld mit dem Kummer zu tun
Und deinem Verluſt? Es ſoll den Geliebten
Dir doch nicht erſetzen. Der Schmerz bleibt dir heilig.
Nur deine Entſtellung betrifft der Erſatz.
Denn daß du für alles, was ſchwer auf uns laſtet,
Zum mindeſten äußre Erleichterung haſt
And beſſere Pflege, das iſt doch nur billig.
Kanſa
(ruhig, langſam, ernſt)
Wann haſt du bemerkt, daß ich traurig war
Durch meine Entſtellung? Wann hab' ich geklagt?
Was hab' ich beanſprucht von dir oder andern?
Amr
Du trugſt deine Leiden mit größter Geduld,
Das weiß ich. Doch wenn du aus Rüdficht geſchwiegen,
So ſah ich als Vater dir doch ins Herz.
Kanſa
(wie oben)
O niemals, Vater! Da innen iſt alles
Dir fremd wie die Stimme des Wüſtengeiſts.
Amr
Kanſa
Kannſt du mich denn lieben,
Du kennſt mich ja nicht?
Iſt das deine Liebe?
Amr
Ich weiß, daß du Grund haſt,
Dein Leben zu haſſen. Doch ich, konnt' ich's ändern,
Daß alles ſo kam? Es gab doch auch Zeiten,
Da niemand beglückter durch Götter und Menſchen
Erſchienen als du. Bleibt einem die Jugend,
Bleibt einem die Schönheit? Doch wem die Erinnrung
An beide wie dir? Wer hat noch als Krüppel
Die Macht über Menſchen?
Kanſa
(ernſt und erregt)
Nicht wahr. Aber einen.
And der iſt ein Dämon, der zählt nicht als Menſch.
Ich will dieſe Macht nicht; ich war durch Begierden
And Haß, die ich weckte, noch niemals beglückt.
Das war keine Schönheit, die alles vergiftet,
Die gaben die Götter mir nicht als Geſchenk.
And wer ſie genommen, dem dank' ich von Herzen.
Denn jetzt bin ich froher. Nie war es ſo friedlich
In meinem Gemüt, in dem du nur Schlechtes,
And Niederes ſuchſt. Drum laß mir die Ruhe,
Die mühſam durch Kummer und Leiden erworbne,
And kauf mir die Schönheit der Seele nicht ab.
Amr
Der Wahnſinn! Die Welt auf den Kopf zu ſtellen!
Sich künſtlich das Leben noch ſchlechter zu machen.
Der Hochmut und Andank, wenn endlich das Glück
Die Arme uns öffnet, ſich trotzig zu ſperren:
„Ich brauch' dich nicht mehr“. Gewiß haſt du all
Dieſen Anſinn von Hatim. Sonſt ſiehſt du ja niemand,
And ſperrſt dich hier ab vor den Menſchen und mir.
Wenn das ſeine Kunſt iſt, dir, ſtatt dich zu heilen,
Den Kopf zu verwirren, um Einfluß zu haben
42
And gegen die andern dich aufzuhetzen,
Dann wahrlich —
Kanſa
So blickſt du auch Hatim ins Herz?
Was hat er als Nutzen von all ſeiner Freundſchaft?
Wann hat er gehetzt und berechnet?
Amr
Erſt jetzt.
Was will er? Was geht ihn das Geld an, den Schwärmer?
Er ſoll dich kurieren, das will ich ihm ſagen.
And wenn er's nicht kann, ſoll er weitergehn.
Kanſa
(erſchrocken)
Das ſagſt du ihm nicht!
Amr
Ich weiß, was ich tue.
Kanſa
Dann geh' ich mit ihm.
Amr
So weit iſt es alſo
Mit euch ſchon gekommen?
Kanſa
Du zwingſt mich dazu.
Ich kann hier nicht bleiben, ſobald von dem Gelde
Ein einziger Dirhem in unſrer Hand,
And Hatim bleibt auch nicht. Jetzt kannſt du entſcheiden,
Mein Geld oder mich.
(Es klopft an der Gartentür.)
Amr
Das iſt doch —
43
Kanſa
(erſchrocken)
Da kommt er!
Ich bitte dich, laß mich mit Hatim allein!
Amr
Ich rede mit ihm jetzt.
Kanſa
Dann geh' ich aus Jathrib
So, wie ich da bin.
Amr
Dann ſprech' ich ihn ſpäter,
Den Schurken. Das wär' doch — mein Kind mir zu rauben —
Wer hat zu befehlen hier? Ich oder er?
(Ab nach rechts.)
Kanſa
(verriegelt die Tür hinter Amr und öffnet dann die Gartentür.)
Hatim
(finſter, ohne zu grüßen)
Dein Vater war hier. Was hat es gegeben?
Man hat ſeinen Zorn ſchon von weitem gehört.
Kanſa
Gleich ſag' ich dir alles. Ich muß nur die Schlinge
Entfernen, er ſchmerzt mich. Ich bitte dich, hilf!
Hatim
(knüpft ihr eine Schlinge los, mit der der Fuß hinten unterm Kleid hinaufgebunden iſt.
Kanſa legt dann die Krücken weg und bewegt ſich ganz frei.)
Kanſa
Ich hab' ihn gebeten, das Geld nicht zu nehmen.
Da ward er ſo zornig und drohte zuletzt,
An dir ſich zu rächen. Er glaubt, du allein
44
Wärſt ſchuld an der ganzen Veränd'rung in mir
And meinem Benehmen.
Hatim
So glauben ſie alle,
And daß ich als Arzt zu dem ganzen Betrug
Dich angeſtiftet.
Kanſa
(erſchrocken)
Es weiß doch noch niemand?
Hatim
Doch wenn ſie's erfahren. Ein einziger Zufall
Kann alles verraten. Wer glaubt denn noch jetzt
An deinen Beweggrund, nachdem du bezahlt wirſt.
Kanſa
Sie haben mich doch mit zerbrochenen Gliedern
Bewußtlos gefunden. Wer hätte denn damals
An Heilung geglaubt? Du ſelbſt nicht. Nur weil ich
Mein Leben verwünſchte und Heilung und Schönheit,
Genas ich zur Pein.
Hatim
Doch dann kam die Lüge.
Kanſa
Ja. Weil mir mein Leib wie ein Trauergewand
Erſchienen. Das konnt' ich nicht wechſeln, ſolange
Mir hier
(greift an ihr Herz)
alles wund war und ſchwarz und zerſtört.
Geſundheit und Schönheit ſind Farben des Lebens,
Wie ſchillernde Vögel, und ſchreien nach Luſt.
Der Blick meiner Augen ſchon war mir ein Frevel.
Wie hätt' ich, geputzt, in den Todesalleen
Den lockenden Leib als gemütskranke Dirne
Den Blicken der andern zur Schau geſtellt?
Hatim
Wie haſt du dir aber das Ende gedacht?
Es hat doch nicht lange ſo bleiben können?
Kanſa
Ich dachte an nichts, oder fortzugehn,
Das Leben hier war mir ja doch verhaßt,
And in Jathrib wollt' ich kein neues beginnen.
Hatim
Doch jetzt mit dem Gelde! Was willſt du da tun?
Kanſa
Das, was ich dir ſagte, den Vater verlaſſen,
Dann fällt keine Schuld an dem Gelde auf mich.
Hatim
So? Denkſt du? Das wär' noch das Schlimmſte, zu fliehen,
Dann glaubt man doch ſicher an deinen Betrug.
Kanſa
Was ſoll ich dann machen? Gib du einen Nat!
Hatim
Ja, wenn ich das könnte.
Gleich wie ich dir's ſagte, heut' in der Verſammlung,
Da konnte man langſam ſie vorbereiten,
Daß Hoffnung beſtehe auf baldige Heilung,
And konnte die Summe danach beſchränken.
Kanſa
Dann hätt' ich Verdacht nur ſtatt Mitleid erregt,
Und nie hätten Malik wir frei bekommen
And Frieden.
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46
Hatim
Der wird durch dein Täuſchen und Schweigen
Jetzt doch gebrochen, ſobald man's erfährt.
Kanſa
Es darf nicht geſchehen, ſolang noch Gefahr iſt.
Hatim
Es muß geſchehen. Je ſpäter, je ſchwerer.
Es darf von dem Geld nicht ein Dirhem ins Haus.
Dein Vater muß alles vor Abend erfahren.
Kanſa
Dann wird er mich zwingen, zu leben wie früher,
Am wieder nur Zwiſt und Begierden zu wecken
And mich zu vermählen. Ich will keinen Mann,
Ich habe genug an dem Harem der Toten.
Hatim
Kein Menſch wird dich zwingen. Das laß nur der Zukunft.
Doch um dir das Recht deiner Freiheit zu retten,
Muß rein vor den Menſchen dein Name ſein.
Dann kannſt du ſie zwingen, und Wahrheit wird immer
Die Siegerin bleiben. Jetzt laß mich zu ihm.
(Sie iſt ihm in den Weg getreten; er ſucht ſie von der Türe zu entfernen.)
Kanſa
Du gabſt mir dein feſtes Verſprechen, zu ſchweigen.
Hatim
Wie konnt ich das ahnen, jetzt wär' es Verrat,
Mein Wort dir zu halten.
(Stellt ſich, als ob er durch die Gartentüre hinaus wolle, Kanſa folgt ihm. Dann eilt er
plötzlich zur andern Türe, öffnet ſie ſchnell und geht hinaus.)
47
Kanſa
(eilt ihm in ihrer Erregung, wie ſie iſt, ohne Krücken, durch das Zimmer zur Türe nach
und ergreift dabei ein auf dem Tiſch liegendes Meſſer.)
(Im ſelben Augenblick erſcheinen Mohämmed und Abu Bekr in der Gartentüre,
die unverſchloſſen geblieben war, und ſehen Kanſa mit voller Beherrſchung ihrer Glieder
durchs Zimmer und zur andern Tür hinauseilen.)
Mohammed
(wie bei einer Viſion auf Kanſa blickend)
Das Wunder! Gott hat mein Flehen erhört!
(Ende des erſten Aktes.)
Zweiter Akt
We
Vierte Szene
Ein Platz in Jathrib (Medina).
Haſſan und mehrere Juden treten auf.
Juden
(drängend)
Haſſan
(mit frechem Spitzbart)
Fragt lieber, wer mit ihr is. Das andere verſteht ſich doch von ſelbſt.
Erſter Jude
Mit der Frau von Mohammed ?
Zweiter Jude
Am Ende is es gar der aufgedunſene Mekkaner, der immer mit ihr
beiſammen is.
Was is mit der Sauda?
Dritter Jude
Weiß es denn der Mohämmed?
Haſſan
Wahrſcheinlich nicht. Es iſt keiner Prophet in ſeinem eigenen Harem.
Vierter Jude
Aber ſo mach doch keine Worte und red, wenn mir ſind ganz weg
von der Naichkeit.
49
Haflan
(zieht ein Pergamentblatt heraus)
Hier ſteht alles. Nicht mehr und nicht weniger ſoll die Welt er—
fahren und in keiner anderen Form.
Die Juden
E' Gedicht! — Bravo! — Zeich her! — Laß lefen! —
Erſter Jude
(Naila; ins Blatt ſehend)
Was ſoll denn heißen „Leibriz?“ Das iſt doch gar kein Wort.
Haſſan
Wo? Anſinn. Das heißt doch Liebreiz.
Zweiter Jude
Naila, du biſt e freches Aas.
Dritter Jude
Mach keine Witze jetz. Les, bevor e Moslim kommt.
Haſſan
(lieſt)
Ihr Gläubigen, hört vom jüngſten Gericht,
Von der Sauda und vom Mohämmed.
Wer fünfmal nicht dieſe Sure ſpricht,
Der iſt auf ewig verdammet.
Wir gehen alle auf ſündigen Wegen,
Drum gib uns, Prophet, deinen windigen Segen
And der großen Saü—
da, der Gattin dazu,
Mit ſamt ihrem Bu⸗
ſenfreund Mati!
(Die Juden wiederholen die ganze Strophe, zum Teil ſie ableſend, um ſie auswendig
zu lernen.)
Hornſtein, Mohammed 4
50
Haſſan
(lieſt)
Viel Wege führen zum Paradeis,
Wie Faſten und Gottvertrauen.
Doch der ſchönſte, von dem man's am ſicherſten weiß,
Das iſt der Weg durch die Frauen.
Drum nahm ſich Mohämmed ſchon dreißig und mehr,
And andere nehmen ſie hinterher
And beten dazu:
O große Galı-
da erbarme dich u
u- unſer!
(Bei der Wiederholung ſagen die Juden ftatt „dreißig“ „vierzig “.)
Haſſan
3 5 (will weiterleſen)
Der Liebreiz ..
Erſter Jude
Da kommt er ja! Gott!
Zweiter, vierter Jude und Haſſan
Der Mati.
Dritter Jude
(ſchadenfroh und furchtſam)
And der Omar. And der Ali hat'n gefaßt. Das gibt e ſcheene
Geſchicht'.
Vierter Jude
Da gehn mer. Sonſt kriegen mer auch noch Schläg.
(Sehn ſich den Vorgang von der Entfernung an.)
Ali
(hat den Mati mit der Linken gefaßt und bedroht ihn mit dem Schwerte.)
Erbärmlicher Hund! Wenn du nicht noch mit einer Lüge abfahren
willſt, ſo bekenn wenigſtens, was die ganze Stadt dir nachſagt
und dem ſchamloſen Weibe!
51
Mati
(zitternd und bebend herauswürgend)
Es iſt nicht wahr. Ich bin unſchuldig und die Sauda auch. Es iſt
ja gar nicht möglich.
Ali
Was iſt nicht möglich, Lügner?
Mati
Daß ich ihr Geliebter bin. Wir ſind nur gute Freunde und Lands—
leute.
Ali
Das kann jeder ſagen.
Mati
Ich kann's aber beweiſen.
Ali
So tu's auf der Stelle.
Mati
Das geht doch nicht auf offener Straße.
Ali
as? (läßt ihn überraſcht los)
Mati
Komme mit mir, dann wirſt du mir's glauben.
(Beide ab.)
Omar mit Haſſan
(ebenſo wie Ali mit Mati)
Nicht lebend ſollſt du ihm mehr unter die Augen kommen, hat
Mohämmed geſagt.
Haſſan
Das wäre ſehr ſchad. Denn dann verliert er den tötlichſten Pfeil
aus ſeinem Köcher, den ihm zehn Helden wie du nicht erſetzen
können.
52
Omar
Was? Du trächtiger Unflat mit deinen Versgeſchwüren. Du nennſt
dich einen Pfeil, du Miſtgabel, du Zahnſtocher, du Floh. Wer
hat denn das Spottgedicht gemacht auf den Propheten?
d Haſſan
Welches? Das kannſt du ja gar nicht wiſſen.
Omar
Das auf den hergelaufenen Fremden.
Haſſan
Ach das. Wer wird denn eine ſo alte Geſchichte aufwärmen?
Seitdem hab' ich wenigſtens ſechs Dutzend Stinkzeiler auf die
Feinde Mohämmeds gemacht.
Omar
Haſſan
Beſonders einen gegen feine Todfeinde, die ihn aus Mekka vertrieben
haben. Den mußt du leſen, Omar. Da trifft jeder Versfuß
einen Koreiſchiten ins Gefäß. (Nacht die Bewegung.) Wenn fie das
erfahren, bringen ſie mich um.
Was, du?
Omar
Wo haſt du denn das Gedicht?
Haſſan
Zu Haufe. (Lange in die Taſche.) Aber hier hab' ich was anders, damit
du ſiehſt, daß ich kein Freund von den Halunken dort bin. Der
Naila hat heut' ein Spottgedicht gemacht auf die Sauda.
Omar
Iſt das nicht der freche Jude, dem Mohämmed den Tod geſchworen hat?
53
Haſſan
Ja, das Aas, der immer die Worte umdreht. Da lies. Er hat
mir's gegeben, damit ich's verbreiten ſoll. Es iſt das einzige
Exemplar.
Omar
(lieſt)
Das iſt ja ſchändlich.
Haſſan
Aber gut, was? So eine Kanaille! Schad' um das Talent! Da!
(Nimmt ihm das Gedicht ab und zerreißt es.) Wenn du den Mohammed
wiederſiehſt, dann ſag' ihm, er ſoll beſſer auf ſeinen Vorteil
ſchauen. Aber den andern nichts ſagen, ſonſt vertrauen ſie mir
nichts mehr an. Dein Wort?
Omar
Gut. And das andere Gedicht krieg' ich morgen?
(Ali kommt mit Mati zurück.)
Omar
(ihm zurufend)
Da haben wir den falfchen erwiſcht. Der Mann iſt ja unſchuldig.
Ali
(erſtaunt)
Der deine auch?
Omar
Er hat die beſte Abſicht gehabt.
Ali
Der meine hat auch die beſte Abſicht auf Sauda gehabt und iſt trotz—
dem unſchuldig.
ſch 3 (Flüſtert ihm etwas zu.)
Omar
(heiter)
Das ändert die Sache. Wer hätte das geglaubt? (Zu den Juden)
Hört, ihr Leute. Kommt nur näher, es geſchieht euch nichts!
54
Der Mann da iſt unschuldig, ſo wahr ich Omar heiße. Es
fehlt ihm an der wichtigſten Vorausſetzung zu dem Verbrechen,
deſſen ihr ihn beſchuldigt.
Die Juden
(erſtaunt)
Ali
Er hat nur den Schein erweckt. Er kann gar nichts anderes mehr
erwecken als den Schein.
Haſſan
(zu ihnen)
Schad' um mein Gedicht. Da mach' ich ein anderes.
Ali
Ihr könnt' keinen beſſeren Umgang für eure Frauen finden. Seht nur
nach, ob ihr alle ſo vorſichtig darin wart wie Mohämmed.
(Auflauf. Erregte Menſchengruppen, Anhänger Mohämmeds, Heiden, Chriſten, Juden
kommen herbei nnd umringen Abdallah mit feinen zwei gefangenen Mekkanern.)
Was? Der Mati?
Omar
Was iſt denn dort los? Sieh hin! Dieſe Leute!
And alle erregt, wie ich nie ſie geſehn!
Chatmiten
Die Gefangenen frei!
Abdallah
(durch ſeine Leute unterſtützt)
Aus dem Weg! Wer ſie anrührt, —
Saiditen
Das iſt ein Verbrechen, das dulden wir nicht.
Gläubige
Wir auch nicht, obgleich wir Mohammeds Genoſſen.
Omar
(zu Ali)
Das dacht' ich mir, daß es ſo kommen wird.
Abdallah
So holt den Mohammed und jagt es ihm ſelber.
Ich habe kein Recht, ſie euch freizugeben,
Ich habe Mohammeds Gebot nur erfüllt.
Ein ehrwürdiger alter Heide
Dann ſchäm' dich. Das kann euer Allah nicht wollen.
Der Radſchab iſt heilig nach uraltem Brauch
And wer ihn verletzt iſt vor Göttern und Menſchen
Ein Frevler.
Ein Jude
E Frevler! Der Alte hat recht.
Wer is da noch ſicher, was for e Geſchäftsmann,
Wenn Treue und Glauben for nix mer gilt?
Erſter Jude
(von vorhin)
Da nemm' ich mer gleich, was ich brauch', vom Mochannas
And hau' ihm eins über am hellichten Tag.
Der alte Heide
(zu ihnen)
Das habt ihr von euerer Glaubensgemeinſchaft
Mit dieſem Propheten.
Ein vornehmer alter Jude
(ohne jüdiſchen Akzent)
Von der ſpricht nur er,
Weil wir die wirkliche Schrift beſitzen
And Jehova, den ewigen, einzigen Gott.
Wir wollen von ſeiner Entſtellung nichts wiſſen.
And ſeinem falſchen Prophetentum.
(Mohammed tritt auf, hinter ihm Osman.)
5
56
Mohammed
Wer ſpricht da vom falſchen Propheten?
Die Menge
(ſich zurufend)
Mohammed!
Mohammed
Was ſoll diefer Aufruhr?
Abdallah
Sie klagen mich an,
Im heiligen Monat gekämpft zu haben,
And wollen die beiden Mekkaner befrein.
Mohammed
(ſtreng zu Abdallah)
Was ſagſt du zu deiner Verteidigung?
Abdallah
(äußerſt betroffen)
Fragſt du? Du gabſt mir doch ſelber den Auftrag.
Mohammed
(aufgebracht)
Ich gab dir den Auftrag, im Nadſchab zu kämpfen?
Abdallah
Was hieß denn das anders?
Mohammed
Du lügſt! (Zu Osman) Du biſt Zeuge,
Nie hab' ich ein Wort mit Abdallah geſprochen.
Ein Schreiben nur gab ich im vorigen Monat
Dem Osman für ihn, da ich heimlich erfuhr,
Es ſei eine Karawane im Anzug.
Drum ſandt' ich Abdallah ſofort auf den Weg .
Abdallah
And gabſt mir den ſtrengſten Befehl, ohne Beute
Nicht heimzukehren.
Mohammed
| Den gab ich. Ich konnte
Doch Stunde und Ort nicht im voraus berechnen,
Wann eine der Truppen die andere traf.
Drum ſchrieb ich ihm deutlich und gab den Befehl,
Er ſolle im heiligen Monat nicht kämpfen.
(Große Bewegung. Zu Abdallah)
So wahr ich Mohammed, ſchrieb ich dir das?
Abdallah
Du ſchriebſt es, doch..
Mohammed
(ſchneidet ihm das Wort ab)
Hört ihr's? Da ſagt er es ſelber.
Abdallah iſt ſchuldig, und mich klagt ihr an.
Gläubige
— . — —— . » ———K K —
Er hat uns belogen. — Mohämmed iſt ſchuldlos.
Wir taten ihm unrecht. — Da hört ihr's! |
Osman
(heimlich zu Omar und Ali)
Anglaublich
Aus ſo einer Schlinge ſich noch zu befrein
And die andern zu fangen.
Omar
Das kann nur Mohammed.
Abdallah
Nein. Mich laßt jetzt reden. Mohämmed iſt ſchuldig.
Ich war nur ſein Werkzeug und war nicht ſo ſchlau,
Die Liſt zu durchſchauen. Nur das war mein Anrecht.
57
58
Mohammed
(zu ihm; leis)
Sei ſtill, wenn dein Leben dir lieb iſt! (sau) Du Schurke!
(Leis)
Was gilt deine Ehre, wenn meine im Spiel
And die deines Gottes? (aut) Bekenne dein Anrecht!
(Leis)
Dann helf' ich dir.
Der alte Heide
Jeder iſt ſchuldig von beiden.
Der alte Jude
Nein, nur der Mohammed. Der hat ihn gefangen.
Die vier Juden
(von früher; zuſammen)
Er hat 'n gefangen. Er hat 'n gefangen.
Heiden
(um den alten Heiden herum)
Da ſind unſre Götter doch beſſer!
5 Mohammed
Gu Abdallah)
Sag ſelber
Abdallah
Ich bin es.
Mohammed
Da hört ihr's.
Wer ſchuld iſt.
Gläubige
(zu den Gegnern)
Da hört ihr's!
Mohammed
Am jeglichen Zweifel daran euch zu nehmen,
Erklär' ich die beiden Mekkaner für frei
Mitſamt ihrer Habe.
(Zuſtimmung bei der Menge.)
Einer der Juden
Das is ſeine Pflicht nur.
Mohämmed
And ſo iſt jedes Vergehen getilgt.
Einer der beiden gefangenen Mekkaner
Was, jedes Vergehen? And unſer Gefährte
Der bei dem verrätriſchen Aberfall
Getötet ward?
(Bewegung.)
Der andere Mekkaner
Nicht getötet, ermordet.
Nur einer entkam, um den Brüdern in Mekka
Die Schandtat zu melden.
Mohammed
So meldet jetzt ihr,
Daß jeder Melkaner am jüngſten Gerichte
Vor Gott auf der Stirne ein Schandmal trägt,
And daß es ein ſiebenmal kleinerer Frevel,
Den Radſchab zu brechen, als Gottes Gebot
And feine Erwählten ins Elend zu treiben.
Drum wen ich erblicke von eueren Brüdern
And meinen, wer immer Koreiſch ſich nennt,
Den ſchick' ich zur Hölle mit eigenen Händen
And frag' nicht, ob Radſchab und Rhamadan,
Am ein gottgefälliges Werk zu vollbringen.
Das ſagt Abu Lahab und Harith und Walid
And Abu Dſchachl und Abu Soffjan.
60
Omar
Das gleiche von mir.
Ali und Osman
(zuſammen)
And von mir.
Andere Gläubige
Von uns allen.
Erſter Mekkaner
Ich ſag's. Doch ſie werden die Drohung nicht fürchten,
Du haft uns zu oft ſchon in Mekka gedroht.
Nun wär' es bald Zeit, einmal Ernſt zu machen.
Die Heiden um den Alten herum
Das finden wir auch.
Die vier Juden
And wir auch.
Anzufriedene Saiditen und Chatmiten
(von vorhin)
And wir alle.
Der alte Heide
(ernſt)
Die ewigen Märchen von Himmel und Hölle
Verfangen nicht mehr bei Erwachſnen, wie wir.
Der alte Jude
(ebenſo)
And wenn du erklärſt, daß die Lehre des Moſes
And deine die gleiche, daß beide durch Gott
Euch offenbart wurden, wie kommen dann alle
Die Widerſprüche in unſern zwei Büchern?
Mohammed
Weil ihr die lautere Quelle gefälſcht
And Gott den Korän mir, die ewige Wahrheit
Durch Gabriel wieder vom Himmel geſandt.
Der alte Jude
Doch wie erklärſt du die Widerſprüche
In deinem eigenen göttlichen Buch?
Wie machſt du Maria zur Schweſter des Moſes
And weißt nicht, daß Iſaak des Abraham Sohn?
(Die Juden lachen dreckig und mekkern.)
Mohammed
Das war keine göttliche Offenbarung.
Beweiſe mir dort einen Widerſpruch.
Der zweite Mekkaner
(zum alten Juden)
Laß mich ihn beweiſen. Ich hab' noch ein friſchers
Gedächtnis als du. Hat einſt nicht in Mekka
Dein Engel vom jüngſten Tage erzählt,
Er währte gleich einem Jahrtauſend auf Erden?
And ſpäter hat er die Dauer vergeſſen
And 50 Jahrtauſende draus gemacht.
Mohammed
Ihr Buchſtabenfeilſcher! Iſt beides kein Gleichnis
Nur für eine andre unfaßbare Zeit?
Der erſte Mekkaner
Anfaßbar wie all deine Reden und Wunder,
Von denen kein einziges je ſich erfüllt.
Der alte Jude
Von Wundern hat er bei euch geſprochen?
61
62
Der Wortwitzjude Naila
Is alles nicht wunderlich, was er ſagt?
Mohammed
(zu den Mekkanern)
Nie ſprach ich von Wundern. Nur ihr habt beſtändig
Die läppiſchſten Dinge von Gott verlangt,
Er ſoll einen Berg in ein Schiff verwandeln
Und eure Kamele in echtes Gold,
And auf einer Leiter vom Himmel ſteigen,
Als braucht' er Treppen und Leitern dazu,
Der Himmel und Erde und Menſchen geſchaffen,
And jede Krume mit Wundern erfüllt.
Der alte Jude
So gib uns ein andres vernünftiges Zeichen
Von göttlicher Kraft, und wir glauben dir.
Der alte Jude
Auch Moſes, Elias und andre Propheten
Verrichteten Wunder.
Mohammed
Was war ihr Gewinn?
Ward einer der Frevler aus Ad und aus Thamud,
Ward Pharao, Haman durch Wunder bekehrt?
Gott gab euch die Schrift. Das iſt Wahrheit und Wunder
Genug. Ein andres hat Gott nicht nötig.
Der Wortwitzjude
Ali
(gibt ihm einen Stoß, daß er hintenüberfällt)
Du feiger Verrecker!
Da kriechſt du heraus ans dem lauſigen Filz
Bei der Treibjagd, ſonſt fliehſt du vor jedem Haſen.
Doch du haſt es nötig.
Der alte Jude
(zu Ali und den Mohämmedanern)
Sind das eure Wunder und eure Beweiſe?
(Die andern Juden rufen Beifall.)
Zweiter Jude
Getroffen, Sunneina. So ſchlagen die Juden.
Juden und Heiden
Sind das eure Wunder?
Der alte Heide und ſeine Leute
Sunneina hat recht.
Dritter Jude
(hilft Naila)
Komm, Naila! Ich helf' der.
Naila
(bleibt liegen)
Ich wart auf Mohammed.
Wer weiß, vielleicht läßt er mich auferſtehn.
(Gelächter.)
Vierter Jude
Jetzt macht er ja ernſt mit dem Gottesgerichte.
Jetzt werd er gefährlich. Komm, gehn mer nach Haus.
Juden, Chriſten, Heiden und Gläubige
Ja, gehn wir nach Hauſe!
Chriſten
(im Fortgehen zu Mohämmed und ſeinen Leuten)
Ihr traurigen Helden.
So ſtecht fie doch nieder und wehrt euch bei Tag,
Statt nachts unſere ſchlafenden Frauen zu morden.
Ihr Blut über euch! — Gott räche die Affma! —
63
64
Ein alter Chriſt
Nein, Gott iſt barmherzig. Gelobt ſei ſein Name:
Gott Vater, Gott Sohn und Gott heiliger Geiſt.
(Alle ab. Die Gläubigen langſamer und geſenkten Kopfes, nur Mohämmed, Omar,
Ali, Osman bleiben wie gelähmt ſtehen.)
Ali
(zuerſt in jugendlicher Wut das Schweigen brechend)
Verfluchtes Geſindel!
Omar
(zu ihm)
Das war deine Hitze.
Sie auch noch zu reizen, wenn alles ſchon gärt.
5 Ali
Wer kann ſich da halten!
Osman
Wir alle, wenn Klugheit
And Staatskunſt es fordern.
Ali
Wo blieb denn die deine
Zwei Wochen zuvor? Haſt du dem Abdallah
Den Brief nicht gegeben? Der Raubzug nach Jemen
Hat alle empört.
Osman
Das war ſchon vorüber.
Omar
Doch hat er die Schurken aus Mekka gebracht.
Mohammed
(der bis dahin grübelnd dageſtanden, jähzornig auffahrend)
Jetzt ſchweigt einmal endlich! Was nützt das Geſchwätz?
Sinnt lieber auf Rache. Kein andrer Gedanke
Hat mehr in mir Raum.
Omar
An wem denn uns rächen?
Auf wen iſt in Jathrib noch ſichrer Verlaß?
Mohammed
Auf wen in der Welt denn? Auf keinen als Allah.
Dreieinig! Zwei Götter betrügen ſich ſchon,
And die Menſchen find toll wie die Tiere im Feuer,
And wer ſie berechnet, der größte Narr.
Wozu ſich verteidigen? Wollen ſie Gründe
And Wahrheit hören? Das ärgert ſie nur.
Mach lieber den blödeſten Witz auf dich ſelber,
Dann glauben ſie an dein Prophetentum.
Omar
Das ſind nur die Juden mit ihrem Gewitzel.
Die haben die anderen angeſteckt
And verhetzt. Wie ich kam, gab das Miſtvieh, der Naila,
Gerade den andern das frechſte Gedicht
Zur Verbreitung. Doch Haſſan zerriß es in Fetzen.
Mohammed
Der Bube? Der ſelber mich ſtets verhöhnt?
Omar
Wir taten ihm unrecht. Er hält nur die andern
Zum beſten und wirkt im geheimen für uns.
Mohammed
Dann find es die Juden allein, dieſe Schächer!
So ſchändlicher Andank ward nie gehört.
Wem bin ich wie ihnen entgegengekommen?
Jeruſalem ſetzt ich als heiliges Ziel
And Richtung beim Beten, ich ließ ihre Feier
Hornſtein, Mohammed
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66
Des Sabbat beſtehen, ich teilte ſogar
Ihr Faſten mit ihnen und brach mit den Chriſten
Um ihretwillen. Doch fie wollten alles
In ihrer Gewinnfucht. Jetzt follen fie ſehen,
Was ihnen Mohammed noch geben wird.
Abu Bekr
(tritt auf)
Soeben erfuhr ich, was vorgefallen.
Mohämmed
(freudig erregt)
Geprieſen ſei Gott, daß du kommſt, Abu Bekr.
(Zu den andern)
Ich bitt' euch, verlaßt mich für kurze Zeit —
Familiengeſchichten — ich dank' euch, ihr Freunde.
(Schüttelt ihnen die Hände.)
(Omar, Ali, Osman ab.)
Mohammed
(haſtig)
Was bringſt du von Kanſa? Wie göttlicher Zuſpruch
Erfüllt mich dies Wort in dem Augenblick —
Abu Bekr
Noch alles wie geſtern.
Mohammed
Ihr Weſen, ihr Ausdruck,
Hat nichts ſich verändert, ſeitdem du ſie ſahſt,
In all dieſen Tagen?
Abu Bekr
Nur finſtrer vielleicht
And müder ſchleppt ſie ſich fort an den Krücken,
Als hätte ſie niemals ſich frei bewegt.
67
Mohammed
So hat fie vieleicht in der erſten Erregung
Die plötzliche Kraft, die ihr Gott verliehn,
Mißbraucht, überſchätzt. So erklärt ſich der Rückfall.
Abu Bekr
Doch, wenn ihre Kraft eine göttliche war,
Wie kann ſie erlahmen?
Mohämmed
Wenn menſchliche Torheit
Ihr Maß überſchreitet? Der Glaube an ſie
Braucht nur zu erlahmen. Hat nie ein Gebet
Das Gemüt dir geſtärkt und entflammt deine Seele —
And plötzlich dann fielſt du nur tiefer zurück
In Schwachheit und Sünde? And da war die Wirkung
Der Kraft dir bewußt und der Grund deiner Schwäche.
Doch Kanſa hat keines von beiden gekannt,
Nur unerklärliche, dunkle Gewalten,
Die mehr ſie mit Schreck als Vertrauen erfüllt.
So brach fie dann hoffnungsloſer zuſammen,
So jäh — wie die göttliche Kraft in mir.
Abu Bekr
Doch wenn dein Gebet ſolches Wunder bewirkte,
Was haſt du die Kraft nicht von neuem erprobt?
Mohammed
Sie hat mich verlaſſen. Ich fühlte es deutlich,
Nie war meine Seele von Gott ſo berauſcht,
So durchtränkt und entzündet, ſo göttlich geſammelt,
Als wie ich um Kanſas Geneſung gefleht.
Die Stunden ſind ſelten wie himmliſche Gnaden,
Es ſchöpft unſer Weſen aus fremdem Gefäß,
Es hebt uns vom Boden, es flimmern die Welten
Wie Augen, wenn ſie ein Fauſtſchlag trifft.
68
Wir ſtarren, unfaßbarer Dinge gewärtig —
Da löſt ſich die Spannung, zermürbt ſich die Kraft,
And in tauſend Wünſche zerfällt unſer Wille.
Der Pfeil iſt entſendet, der Bogen iſt ſchlaff,
Der Leib nur erzittert erſchöpft und die Seele.
Abu Bekr
Kein Zweifel, es gibt eine ſeltſame Spannkraft
In großen Momenten, wo alles in uns
Sich ſteigert und neue Verbindungen eingeht
Mit Gott und den Menſchen. Wie oft, wenn dir plötzlich
Ein außergewöhnliches Werk gelang,
Wie neulich der Frieden der Saida und Chatma,
Ergriff mich ein gleiches Erſtaunen wie dich
Beim Anblick der Kanſa.
Mohammed
And doch kamſt du damals
Mit Zweifel und Einwand und hielteſt mich ab,
Sofort ſie zu ſprechen. Wer weiß, ob die Kunde,
Der Eindruck des tiefen Zuſammenhangs
Nicht doppelte Kraft ihr verliehen hätte,
Vielleicht ſogar Heilung.
Abu Bekr
Das hätte er nie.
Du hätteſt nur jeglichen Einfluß verloren,
Nachdem du vorher ihr Gefühl ſchon verletzt
Durch das Geld und die ſtürmiſche Liebeswerbung.
Drum bat ich dich dringend, dem zarten Gemüt,
Dem aufgewühlten, erſt Ruhe zu gönnen,
Eh wieder ein Eindruck von ſolcher Gewalt,
And wär' es ein freudiger, ſie beſtürme.
Ja, wär' ſie noch gläubig — doch rief ſie nicht laut,
Ihr Gott ſei ein andrer. Wie ſoll ſie da glauben,
Du hätteſt durch Kraft des Gebets ſie geheilt?
69
Ein liſtiger Vorwand nur wär's ihr erſchienen,
Ihr näher zu treten. And wäre dein Schritt
Erfolglos geweſen, ſo hätten die Spötter
Behauptet, du wollteſt auch noch als Prophet
Die heimlichen Rechte des Arztes genießen.
So hätt' es geheißen. Drum riet ich dir ab.
And war es nicht beſſer, mit Vorſicht und Prüfung
Als Anbeteiligte zuzuſehn,
Als plump in die myſtiſchen Fäden zu greifen?
Mohammed
Bei Gott, es war beſſer. Ich danke dir.
Abu Bekr
Du haſt ja noch Zeit, deinen Einfluß zu üben,
And beſſer als früher; du ſagteſt doch erſt,
Daß Kanſa mit ſtärkendem Mut dich entflamme.
Mohämmed
Das tut ſie, wie damals beim Friedensgericht.
In ſchwerſter Bedrängnis hat Gott ſie geſendet,
Durch ſie meinen Glauben zu ſtärken und ihr
Die Stärke zu geben durch meinen Glauben.
Geläutert durch Gott kehrt die heidniſche Macht
Der Liebe, die Leid und Verderben geſtiftet,
Als Segens- und Heilkraft zur Quelle zurück,
And Kanſa als Gläubige zu ihrem Schöpfer.
Es drängt mich zu ihr, in die Seele zu leuchten,
And find' ich zu meiner darin eine Spur,
Dann tret' ich die Zweifler und Spötter nieder.
Sie gab mir die Kraft, ich geb' ſie ihr wieder.
(Beide ab.)
(Vorhang fällt.)
V
70
Fünfte Szene
Kanſas Zimmer.
Hatim
(legt Kanſa auf den entblößten linken Arm Wundbalſam auf. Sie bewegt ſich ohne
Krücken.)
Es ſchmerzt nur im Anfang. Gleich iſt es vorüber.
Ein bißchen Geduld noch. Jetzt den Verband.
(Verbindet den Arm.)
In wenigen Tagen ſchon wird es geheilt ſein.
Sag, wenn er zu feſt iſt.
(Kanſa ſchüttelt den Kopf.)
Wie tapfer du biſt!
Kanſa
» a 5 (ruhig, bitter)
Sag lieber, wie töricht!
Hatim
Dich ſo zu verletzen?
Kanſa
Nein, daß ich die Stelle daneben nicht traf.
Hatim
So etwas zu ſagen, der Frevel!
Kanſa
An wem denn?
Für wen ſoll ich leben? Dem Vater ſogar,
Dem einzigen Menſchen, der noch in Betracht kommt,
Selbſt dem bin ich fremd.
Hatim
(zärtlich und innig)
Steht niemand dir näher,
Kein Menſch, der dich liebt, der dir mehr iſt als er?
Kanſa
(betroffen, zurückweichend)
liebt. .? Der mir mehr 2
Hatim
. deidenfchaftlich ſich nähernd)
Dem du mehr biſt als alle,
Der nur für dich lebt und mit Freuden ſein Leben
Dir gäbe, um deines zu retten —
Kanſa |
(erſchrocken)
Du meinſt ... 2
Hatim
(in leidenſchaftlicher Hingebung)
Kanſa
(kalt)
Der nur um den Preis dieſer Wunde
Den einzigen Wunſch mir erfüllte und ſchwieg.
Du weißt es —
Hatim
Wie konnt' ich denn ahnen? Ich wollte dein Beſtes —
Du wirſt es noch ſehen — jetzt ſchwör' ich dir ja,
Daß ich ſchweige, nur gib mir das feſte Verſprechen,
Dein Leben zu ſchonen — ſonſt töt' ich mich ſelbſt.
Kanſa
(tiefernſt und bitter)
Das war deine Freundſchaft?
Hatim
Was war es denn anders?
Seit Monaten war ich wie keiner beſorgt
Am dein Leben, dein Leiden und deine Geneſung,
And jetzt ſoll dies Leben mir wertlos fein?
71
725
Kanſa
Nie haſt du wie heute zu mir geſprochen.
Hatim
Nie haſt du ſo ſchreckliche Dinge geſagt
Wie vorhin. Da konnt' ich mich nicht mehr halten.
Die furchtbare Ruhe, mit der du bereut,
Daß das Meſſer am Herzen dir abgeglitten,
War ärger noch als die verzweifelte Tat
In der Angſt.
Kanſa
And da glaubſt du durch ſolches Geſtändnis
Mich beſſer zu ſchützen, mich feſter an dich
And das Leben zu ketten? Ja bin ich denn dir
Noch fremder als allen? Du haſt in der Not
Geſehn und erfahren, was andern verborgen,
Du kennſt jede wunde Stelle an mir,
And dennoch — o Hatim!
Hatim
(beſtürzt)
Was iſt denn geſchehn?
Der Schrei meines Herzens in Angſt um dein Leben
War doch kein Verbrechen?
Kanſa
8 (wild auffahrend)
Ja und ein Verrat.
Du logſt mir von Mitleid und ſelbſtloſer Hilfe,
Ich glaubte dein Herz wie das Meſſer ſo kalt,
Mit dem du als Arzt mir die Wunden geſchnitten.
Wie hätt' ich ſonſt Seele und Leib dir enthüllt?
Hatim
Wie konnt' ich es hindern? Ich wußte ja ſelbſt nicht,
Wie ſehr ich dich liebte. Mein eigenes Herz
Belog mich am Anfang. Erſt bei dem Gedanken
An deinen Verluſt in der Stunde der Angſt
Erkannt' ich die Wahrheit.
Kanſa
Dann mußteſt du ſchweigen.
Hatim
Ich ſchwieg ja noch immer und kämpfte bis heut',
Bis die kalte Verzweiflung in deinen Worten
Und der Hohn von deiner Verlaſſenheit
Die Zunge mir löſte. Da ſchrie ich's heraus:
Du biſt nicht allein. War's mehr, was ich ſagte?
Kanſa
Es brauchte nicht mehr. Es nahm mir das letzte.
Amr
(an die Tür klopfend)
Ich muß etwas ſagen. Ich bitte, mach auf!
Kanſa
(hinausrufend)
Es geht nicht. Ich werde gerade verbunden.
Ich bitte, komm ſpäter.
(Nimmt die Krücken.)
Amr
(durch die Tür)
Mohämmed läßt ſagen,
Er möchte dich ſprechen. Er hat Abu Bekr
Geſchickt mit dem Geld.
(Hatim und Kanſa zucken zuſammen.)
Er ſelbſt wird in wenig
Minuten ihm folgen. Mach ſchnell! Es betrifft
Eine wichtige Sache und dich nur allein. —
Verſtehſt du mich — Kanſa?
74
Hatim
(zu Kanſa)
Sag, daß du zu müd biſt!
Kanſa
0 55 3 (zu Amr)
Gewiß. Ich verſtand es.
Amr
Dann mach dich bereit.
Hatim
Was kann er ſo dringend dir ſagen wollen?
And dir nur allein? Was bedeutet das?
Kanſa
Wie kann ich es wiſſen? Ich ſah ihn ſeit damals
Nicht wieder.
Hatim
Du darfſt ihn auch nie mehr ſehn.
Kanſa
. (ſtolz)
Wer ſagt das?
Hatim
Ich bitte dich
Kanſa
Geh jetzt zum Vater.
Ich ſage dir ſpäter, was er gewollt. |
Hatim
Er will dich verführen, der Menſchenfänger.
Er kommt in der Maske des göttlichen Werks.
Kanſa
Ein jeder hat eine andere Maske.
Hatim
Kanſa
Er ſagte mir offen
Beim erſten Begegnen, was er gedacht.
So ſchändlich iſt keine.
Hatim
Doch heimlich ſendet er Abu Bekr
Dann her um zu ſpähen, der ehrliche Mann!
Seit voriger Woche ſeh' ich den Marder
Das Haus umſchleichen.
Kanſa
Ich fürchte mich nicht,
Nicht hier und nicht draußen. Ich bitte dich, geh,
Ich höre ihn kommen.
Hatim
Der Gott des Gewiſſens,
Des Lichts und der Wahrheit beſchütze dich!
(Ab durch die äußere Tür.)
(Kanſa als Leidende.)
Mohammed
(durch die Tür rechts, würdig, traurig)
Friede!
Kanſa
Was ſuchſt du in meinem Zimmer?
Mohammed
Die Spur meines Gottes.
Kanſa
Ich kenn' ihn nicht,
Doch gilt mir in dieſem Mädchengemache
Sein Gaſtrecht heilig. Drum ſchmäh ihn nicht!
Mohämmed
Ich komm', ihn zu ehren.
76
Ranfa
kalt,
Durch mich? kalt, ſcharf)
Mohämmed
Ich erblickt' ihn
An dieſer Stelle zum letztenmal
Seitdem iſt er fort und hat mich verlaſſen.
Kanſa
Du haſt dieſes Zimmer ja nie geſehn.
Mohämmed
Doch, als du nicht da warſt.
Kanſa
So trieb dich dein Dämon,
Mein Anglück im eignen ſchützenden Dach
Noch aufzuſtören, nachdem du vergebens
Auf offenem Platz es bedrängt und verletzt?
Mohammed
Ich war wie im Rauſche. Heut' bin ich ein andrer.
Dort floß mein ſchäumender Lebenskelch
Anfaßbar über ins göttliche Weſen,
Entwurzeln wollt' ich aus heidniſchem Erdreich
Die junge Zypreſſe. Heut' leg' ich das Ohr
Mit klopfendem Herzen an ihre Rinde
And lauſche dem quellenden Lebensſaft,
Der tief aus verlorenen Wurzeln einſtrömt,
And das Göttliche ſcheint mir die Lebenskraft.
Kanſa
Ich kenn' dich nicht wieder. Dein Wort wie dein Weſen
Amgibt ein Geheimnis.
Mohammed
i (geheimnisvoll forſchend)
Auch über dir
And über dem Raum liegt ein tiefes Geheimnis.
Kanſa
; (erſchrocken)
Was meinſt du damit?
Mohammed
Du erſchrickſt, daß ein andrer
Es weiß.
Kanſa
Was weißt du?
Mohammed
Ä En (immer beängſtigender)
And wenn ich dir ſage,
Wodurch ich die Kenntnis und Macht bekam —
Kanſa
(immer erſchrockener)
Du willſt ſie mißbrauchen. Du haſt mich belauſcht
Mit Abu Bekr —
Mohämmed
Es war nicht mein Wille.
Kanſa
(voll Verachtung)
Seit voriger Woche umſchleicht ihr das Haus.
Mohammed
Doch damals war es ein Zufall, ich ſchwör' es.
Was ſollt' ich belauſchen, wie konnt' ich denn wiſſen,
Daß Gott dieſes Wunder an dir vollbringt?
Kanſa
(äußerſt erſtaunt)
Ein Wunder?
77
78
Mohammed
Was war es denn dir? Nur ein Zufall,
Ein Rätfel, ein Traum? Darum fielſt du zurück
In die Nacht deines Siechtums. Du kannteſt den Quell nicht,
Aus dem dieſe göttliche Gnade floß.
Kanſa
(mühſam Mohämmeds Gedankengang ergründend)
Der Quell — welcher Gnade? Mein Rückfall ins Siechtum? —
So glaubſt du — wie käme dein Gott dazu,
Dies Wunder zu wirken?
Mohammed
Mein Gott iſt auch deiner.
Es gibt keinen andern. Er wirkt, wo die Kraft
Des Willens und Glaubens ſo mächtig ihn anruft
Wie ich ſeine Hilfe, nachdem ich dich ſah.
Nie wußt ich bis damals, was wirklicher Glaube,
Erbarmen, Zerknirſchung und heißes Gebet,
Als in der Verzückung, im Rauſch aller Sinne,
In dem ich zu Gott dieſe Worte gefleht:
„And wenn noch Wunder auf Erden geſchehen,
So laß ſie geneſen und auferſtehen
In ihrer einſtigen Gliederpracht
Durch deine göttliche Wundermacht! —“
And dann in der Sehnſucht, dich wiederzuſehn,
Eil' ich her —
| Kanſa
(haſtig)
Nach unſerer erſten Begegnung?
Mohammed
Und öffne die Türe und ſteh wie gebannt —
Kanſa
Ein Schrecken gab mir auf einmal die Kräfte —
Mohammed
Der Schrecken war Gott.
Kanſa
Ich vergaß meinen Zuſtand
And eilte zur Türe — ein Streit ging vorher
Mit dem Vater —
Mohammed
Der Streit war nur äußerer Anlaß,
Die Kraft zu gebrauchen, die Gott dir gab.
Er wählte dies Mittel.
Kanſa
Wie aber erklärſt du
Den jetzigen Zuſtand, nachdem dein Gebet
Die Kraft mir gegeben?
Mohämmed
Mein Wille erlahmte.
Die Macht meines Glaubens und meines Gemüts
Verließ mich. Wo nahmſt du die Kraft zur Geneſung
Noch her? So fielſt du zurück ins Siechtum.
Kanſa
(tief nachdenklich ihn betrachtend)
Jetzt iſt das Geheimnis von dir geſchwunden.
Jetzt iſt mir vieles verſtändlich.
Mohämmed
(erſtaunt, aufleuchtend)
Du meinſt
An deiner Verändrung? Du glaubſt an die Kraft
Des Gebets und die ewige Wahrheit, Kanſa?
Kanſa
(mit Wärme und Trauer)
Ich glaub' an deine eigene Wahrheit.
80
Mohammed
Sie fließt aus der andern, o glaube an Gott!
Dann wirſt du geneſen.
Kanſa
(nachdenklich, geſpannt)
Du haſt ja den Glauben,
Den wunderwirkenden, ſelbſt nicht mehr.
Mohammed
Drum kam ich zu dir. Nur du kannſt die Schauer
Der lebenſpendenden Glaubenskraft
Mir wiedergeben. Nur deine Bekehrung,
Ja ſelbſt ein Verſuch nur, mir beizuſtehn
Bei deiner Geneſung mit gläubigem Willen
Vermöchte, o Kanſa, das Höchſte ſchon.
Kanſa
Wie ſoll ich mich faſſen in dieſer Verwirrung?
Erſtaunen und Wehmut, Mitleid und Hohn
Für alles Erhabene hier auf Erden
Erfüllen mein hilflos geängſtigtes Herz.
Was Wahrheit und Täuſchung, was Wert oder Anwert,
Wer kann es noch wiſſen? An der Perſon
Nur haften die Dinge, und jede iſt anders
And doch nur verſchieden im Willen und Kraft.
And haſt du ſie beide, mich loszulöſen
Aus hilfloſer Schwäche und Seelenangſt
Vor Menſchen und Dingen, die hier mich beengen,
So geb' ich dir Götter, Gewiſſen und Ehrfurcht,
And alles dahin, was mir heilig war,
And füge mich willenlos deinem Gebete.
Mohammed
Es wird dich erretten, und dann wirft du glauben,
And alle, die heute noch zweifeln wie du.
Dein innerſtes Weſen hat ſich verändert,
Seit Gottes Hand deinen Körper berührt.
Der Trotz iſt dahin, deine Seele ſteht offen
Zur reinſten Empfängnis dem göttlichen Geiſt.
(Aufblickend.)
O komm zur Vollendung des Gnadenwerkes
And hilf der Begnadeten, hilf deinem Knecht! —
Wann ſeh' ich dich wieder? Ich muß dich verlaſſen.
Der Ruhe und Sammlung bedarf dein Gemüt,
Doch bleib' ich dir nahe mit jedem Gedanken.
And naht ſich mir Gott in der Stunde der Angſt,
Dann ruf ich dich, Kanſa, und bring' dich zu ihm.
Auch ſonſt ſteht ſein Tempel dir immer offen,
Dort triffſt du bei allen Gebeten mich an.
O laß mich nicht warten! Es drängt zur Entſcheidung.
Dein Schickſal und meines und das deines Volks
Verändert vielleicht eine einzige Stunde
Wie damals.
Kanſa
(ſich überwindend)
Ich komme.
Mohammed
(ihr ſtürmiſch die Hand reichend)
And Gott über dich!
f (Durch den Garten ab.)
Kanſa
(allein)
Ja, — Gott
(wirft die Krücke mit einer Gebärde bitterſten Hohnes von ſich)
— über mich!
Hatim
(heftig von rechts)
Iſt etwas geſchehen?
Du bebſt vor Erregung. Was hat er getan?
(Will die Krücken aufheben.)
Hornſtein, Mohammed
81
82
Kanſa
O laß die Götter nur auf der Erde,
Der Höchſte, der Allah, muß auch noch dazu.
(Wirft die Schlinge, die ſie vom Fuß abgenommen, ebenfalls hin.)
Hatim
Du haſt ihn entlarvt, den durchtriebenen Gaukler?
Kanſa
Entlarvt feine Anſchuld hat heut' der Betrug.
Kein Kindergemüt iſt ſo wahr wie Mohämmed,
Nie war ein Betrog'ner ſo ſchöpferiſch,
Er braucht kein Geſtirn, kein Gewächs und kein Steinbild.
f (Deutet auf die Gegenſtände auf dem Boden.)
Mit dieſen drei Dingen da formt ſich das Kind
Eine Welt von Wundern mitſamt ihrem Schöpfer.
Hatim
(äußerſt betroffen)
Er glaubt an ein Wunder? Was haſt du geſagt?
Kanſa
Er hat an dem Tag mich geſehn ohne Krücken —
Er öffnete, wie ich dir nachgeſtürzt,
Die äußere Türe und, da er voll Inbrunſt
Vorher ſeinen Gott um das Wunder gefleht,
Mich wieder zu heilen, ſo ſah ſeine Einfalt
Darin die Erfüllung des heißen Gebets.
Hatim
And du haſt die Wahrheit ihm nicht geſtanden?
Kanſa
Die Wahrheit dem Wütrich, ein wehrloſes Weib?
Die grauſame Schande dem furchtbar Betörten,
Der ſchon einen Witz mit dem Tode beſtraft?
Allein ſeinen Schiedsſpruch, auf den er ſo ſtolz iſt,
Vereitelt, von allen verlacht zu ſehn!
Das Opfer des Mitleids, der Liſt eines Weibes —
Der Völkerrichter! And erſt der Prophet!
Wie trüg' er den Spott, im Betrug einer Dirne
Ein Wunder der göttlichen Gnade zu ſehn!
Wie könnte ein Zeuge nur ſolcher Verblendung
Noch leben? Geſchweige denn, wer ſie bewirkt?
And ſchont er mich, weil feine Wolluſt noch größer
Als Rachſucht und Zorn, um jo ärger für mich.
Dann war ich in allem ihm preisgegeben.
Das war meine Wahl. Darum ſchwieg ich.
Hatim
(erſchrocken)
Mit Recht.
Die Folgen bedacht’ ich nicht. Gleich nach dem Frieden
Schon war keine Löſung mehr möglich.
Kanſa
Doch jetzt
Mit Gottes Hilfe und ſeines Geſandten.
Hatim
(wie oben)
Du willſt feinen Wahn jetzt mit Abſicht benützen .. .?
Kanſa
Es gibt keinen Ausweg. Mag Lüge und Wahn
Die Welt regieren! Er fände ſein „Wunder“
And gläubige Toren auch ohne mich,
Doch gegen mich tauſend entſetzliche Gründe
Zu neuer Gewalttat und Rache und Mord.
And ich will kein Blut mehr um keine Wahrheit
Der Welt.
83
84
Hatim
And kennſt du die Folgen der „Lüge“?
Kanſa
Ja. Frieden hat ſie dem Stamm gebracht
And wilde Tiere in Menſchen verwandelt.
Das ſah ich an mir.
Hatim
(auf ihre Krücke deutend)
Wie denkſt du dir aber
Die Löſung?
Kanſa
Er glaubt, wie ſein heißes Gebet
Die Kraft mir gegeben, ſo hat ſeine Schwäche
Sie wieder genommen. Doch hofft er zu Gott
Von meiner Bekehrung die völlige Heilung.
Hatim
(noch immer peinlich berührt)
Wann ſpielſt du ihm dann dieſes Wunder vor?
Kanſa
Er meint, wenn ſein Engel ihn wieder beſuche,
Dann will er mich rufen.
Hatim
Doch wie mit der Schlinge?
Kanſa
Die hab ich nicht nötig. Ich laſſe den Fuß
Nur ſchleifen. Es dauert ja doch nicht lang.
And iſt es geſchehen, dann zwing' ich Mohämmed,
Das Geld zu nehmen, (leuchtend) und dann bin ich frei.
85
Hatim
Was ſoll ich da ſagen? Mein Herz iſt voll Sorge,
Ich weiß keinen Rat. Welcher ſchützenden Macht
doch kannſt du vertrauen? Dem Himmel? Der Wahrheit?
N (Bitter)
Der Liebe?
(Entſchieden)
Doch beſſer an ihm den Verrat,
Als von ihm verraten.
(Der Vorhang fällt.)
W
Sechſte Szene
Im Bethauſe. Nacht. Dunkelheit, nur durch den Mond ab und zu erhellt.
Ali
(zur kleinen Tür rechts eintretend, zu Malik)
Komm nur getroſt! In ganz Jathrib iſt kein ſo ſicheres Verſteck
wie die Kirche nach dem letzten Gebet.
Malik
(ängſtlich)
Verdammte Schleicherei! Das hätte mir früher jemand zumuten
ſollen, mein Abendeſſen im Dunkeln zu verzehren. And doch,
weiß der Himmel, wenn ich ſchon nicht mehr mit dem Schwert
die Zeit totſchlagen darf, ſo iſt mir ſo ein abenteuerliches
Lumpenleben noch lieber, als bloß von meinen langweiligen
Einkünften zu leben.
Ali
Beſonders, da dir ſo auch nichts abgeht, was? Du läßt dir ja doch
von Mohämmed geben, was du brauchſt.
Malik
Ja. Das gibt er mir. Da fühl einmal dieſe Lumpen an.
86
Ali
Was, ſchon wieder ein neuer Anzug, Verſchwender? Wo iſt denn
der her?
Malik
Heut' hat er ihn mir gegeben nach der Bedrängnis durch die Juden.
So mußte ich zwei Stunden lang vor den Häuſern der Sai—
diten auf und ab gehen, damit ſie eine Freude hätten. Denn
heut' ließ ihnen Mohammed auch einen Teil meines Geldes
auszahlen. Das und mein troſtloſer Anblick hat ſie wieder
verſöhnt.
Ali
(lacht)
Dann haſt du dir ja heute deinen Unterhalt redlich verdient.
Malik
Alle Wetter. Wenn du je durch eine Lumperei dem Gemeinwohl
ſo nützlich gedient haſt wie ich heute mit meinen Lumpen,
dann will ich mein Schwert nur noch zum Eieraufſchlagen
verwenden.
Ali
Hoffentlich bekommen wir welche, daß du dich üben kannſt in dieſer
edlen Kunſt.
(Geht nach der Tür und ſpäht aus.)
Malik
Warum denn nicht? Was iſt denn edel? In meiner jetzigen Stellung
kommt man auf die merkwürdigſten Gedanken. Mut iſt doch
auch nur Geſchicklichkeit oder die Aberzeugung, daß man etwas
los hat. Das merk' ich erſt jetzt bei dieſer ungewohnten Be—
ſchäftigung. Früher hab' ich in der größten Gefahr nicht ge—
wußt, was Herzklopfen iſt, und jetzt, wenn ich vor den Buben
Verſtecken ſpielen muß oder mich verſtellen, dann krieg' ich eine
Angſt, als ob mir der Teufel auf den Ferſen wäre.
8/
Ali
Jetzt kommt ſie. (Eine Sklavin bringt Eßſachen und Wein durch die kleine Tür.)
Geben Sie nur her. Der arme Mann hat ſchon acht Tage
nichts gegeſſen. Die Stlavin geht wieder ab.) Da iß und trink jetzt,
armer Mann. Was machſt du denn da?
Malik
Soll ich mich etwa mit dieſen Lumpen zu Tiſch ſetzen? (Wirft ſein
Bettelkoſtüm ab und ſteht in der feinſten Gewandung, mit koſtbarſten Edel—
ſteinen geſchmückt, vor Ali.) Da — die können wir auf den Boden
legen und uns draufſetzen. Dann werden ſie noch echter.
Ali
(ihn beſtaunend und betaſtend)
Teufel. Das funkelt und glitzert ja, daß wir gar kein Licht brauchen.
Da haſt du uns dein halbes Vermögen unterſchlagen.
Malik
Das nimmt mir auch niemand, folang ich lebe, und mein Schwert.
Ali
Brav, Malik. Dafür ſollſt du hier einen Tropfen trinken, den du
ſo bald nicht wieder bekommen wirſt. Es iſt der letzte Schlauch,
den ich dir gerettet habe.
Malik
Ali
Das weißt du noch nicht? Wegen dieſer verdammten Streiterei mit
den Juden hat der Prophet heute allen Gläubigen für Zeit
und Ewigkeit das Weintrinken verboten.
Malik
(erſchrocken)
Was, weil ihn die Juden geärgert haben, deshalb ſollen wir keinen
Wein mehr trinken?
Wovor gerettet?
88
Ali
Sie haben doch den ganzen Handel in Händen. In Arabien wächſt
ja faſt kein Wein.
Malik
And deshalb ſoll ich geſtraft werden? Ali, du kennſt meine Ver—
ehrung für den Propheten und ſeine Lehre. Aber da will ich
lieber nicht in ſein Paradies kommen. Nein. Das iſt heute
das letztemal, daß ich mit dir beiſammen bin. Er ſoll mein
Geld nehmen und alles, was noch von mir da iſt, und ich
gehe weiter.
Ali
(erſchrocken)
Was fällt dir ein? Wo willſt du hin?
Malik
In die Freiheit, Ali, wo ich töten und trinken darf nach Herzensluſt.
Ali
So gedulde dich nur ein wenig. Es kommen auch hier wieder beſſere
Zeiten. Meinſt du, dieſe Wortfechterei und das Predigen iſt
nach meinem Sinn? Wenn ich nicht wüßte, daß in dieſer
Schwüle ſchon die Gewitter lauern und ein einziger Windſtoß
wie ein Gotteszorn die papierenen Verträge alle in Fetzen reißt,
wo nähme denn ich die Geduld her? Hörſt du's nicht ſchon
ſingen an deinem Schwert wie das Eiſen im Sturm? Aber
Nacht kann er da ſein, und wo biſt du? Was iſt deine
Heimat und deine Fahne?
Malik
Die Wüſte und der Wind.
Ali
And welcher Gott führt dir dein Schwert?
Malik
Der Gott der Helden und des Weines.
(Erhebt ſeinen Becher.)
89
Hoch Imr⸗ul⸗Kais und hoch der Wein!
Wann waren zwei beßre Genoſſen?
Wie Morgenröte und Mondenſchein
Vermiſchten ſich Tropfen und Träumerein,
Verfärbten ſich und zerfloſſen.
And einſt in trunkener Feſtesnacht
Ward Imr⸗ul-Kals berichtet:
„Den Vater haben ſie umgebracht,
Dein königlich Erbe vernichtet.“
Das ſchlug in das Zelt wie ein Bitzſchlag ein,
Doch Imru donnerte: „Schweigen!
Bei Tag die Sorgen und jetzt der Wein!“
And die Sklavinnen ſangen zum Reigen.
Doch im Wüſtenbrand, in der Mittagsglut
Da rollten im Sande die Becher.
Da wurden die Tropfen zum Meer von Blut
And der Träumer zum furchtbaren Rächer.
And er trank keinen Wein und er küßte kein Weib,
Bis der letzte Feind ſich ergeben. —
Längſt modert im Sande auch Imrus Leib,
Doch der Wein und ſein Heldenlied leben!
Ali
(mit anſtoßend)
Sie leben! And du, Malik! Wie das klingt in der nächtlichen Halle!
Malik
Nicht auch wie Gebet?
Ali
Haſt du mehr ſolcher Lieder?
Malik
Für hundert ſchlafloſe Nächte. Was willſt du hören? Von Amr,
dem im Schritt die Geier folgten wie freudige Mädchen im
90
langen Flügelkleide? Von den Töchtern des Find, die ſich
entkleideten in der Schlacht und dem Tapferſten als Siegespreis
ſich gelobten? Von Rabja, der im Tode noch die Zobaiden
ſchreckte?
Ali
Ja, das! Wie war das möglich?
Malik
Er ſaß auf dem Hengſte am Eingang der Schlucht
And deckte den Seinen die wilde Flucht.
Schon zwanzig hat er getötet und mehr,
And kein Zobaide mehr wagt ſich her.
Da ſchickt ihm von ferne der Tod ſeinen Gruß.
Er taumelt, doch hält er im Bügel den Fuß.
Er lenkt ſeinen Hengſt noch mit letzter Kraft
And lehnt wie zum Hohn ſich an Felſen und Schaft.
So hält er den Eingang noch lange Seit |
And ſcheint gegen Tod noch im Tode gefeit.
And erſt wie der Hufſchlag der Seinen verklang,
Da gleitet er nieder und ſtreckt ſich lang.
Ali
Brav, Rabja! Noch heute erweckſt du Mut und Begeiſterung
durch Maliks Sang.
Malik
(fährt erſchrocken auf)
Was iſt das? Lärm im Hauſe des Propheten?
Mohammed
(draußen)
Das Läuten — der Engel! — Wickelt mich ein!
91
Ali
(in religiöſer Scheu)
Er hat ſeinen Anfall. Gott iſt bei ihm. Laß uns beten!
Malik
(wickelt haſtig in der Angſt ſeine Fetzen um)
Sie kommen näher. Sie bringen Licht. Wo ſoll ich hin?
Ali
Bleib! Nur die Sachen fort!
(Sie räumen den Wein und das Eſſen beiſeit und decken es zu.)
(Mohämmed verhüllt und auf ſeine Frauen geſtützt wird hereingebracht; Abu Bekr,
Omar, Osman und andere folgen. — Sklavinnen und Sklaven eilen mit Lampen herbei.)
Abu Bekr
Dorthin an die Mauer!
Aiſcha und Sauda
Die Kiſſen — die Kiſſen!
(Werden gebracht.)
Eine Frau
Das Licht nicht ſo nahe!
(Die Lampen werden weiter weggeſtellt und⸗gehalten oder bedeckt und durch farbige erſetzt.)
Abu Bekr
(zu Omar)
Ward Kanſa geholt?
Omar
Ali
Was will er mit Kanſa?
Osman
In erſter Bedrängnis rief er nach ihr,
Als gält' es ſein Leben.
Sie iſt auf dem Wege.
(Rufe)
Still!
(Mohämmed liegt an der rechten Wand rückwärts; um ihn ſtehen, ihn verdeckend, die
Gläubigen, das Geſicht nach außen, gegen Jeruſalem gekehrt.)
92
Alle
Gott iſt groß!
Im Namen des allbarmherzigen Gottes!
Der Preis iſt Gottes, des Herrn der Welten,
Des Allerbarmers, des höchſten Gerichtsherrn
Am jüngſten Tage. |
Dir nahen wir betend und hilferufend.
Führ' uns den Gnadenweg der Erwählten,
Derer, die deinen Zorn nicht kennen
And nicht in der Irre wandeln! Amen.
(Rufe von außen)
Da kommt ſie! — Die Kanſa!
(innen)
Die Kanſa!
Mohämmed
(richtet ſich verſtört auf. Die Amſtehenden machen ihm Platz)
e Die Kanſa?
Wo iſt ſie?
(Geht Kanſa entgegen, die von Hatim und Amr geführt und vielen andern gefolgt, zur
linken Tür hereinkommt.)
Jetzt, Ewiger, zeige die Macht,
Die mir du enthüllteſt im Schauer des Todes,
Den Blöden im Wunder der Schöpfungskraft!
Steh, Kanſa!
(Zu Hatim und Amr, ſie fortſtoßend)
Verlaßt ſie! Hinweg mit den Krücken!
(Entreißt ſie ihr; große Bewegung.)
(Zu Kanſa)
Vertrau auf Allah! Er hat dich geheilt.
(Kanſa ſtößt einen leiſen Schrei aus, wankt einige Schritte vorwärts und bricht dann
zuſammen. Große Aufregung.)
Amr
\ (zu Mohammed)
Du haft fie getötet!
(Rufe)
Zu Hilfe! — Sie atmet.
Ein Arzt! Wo iſt Hatim?
Mohammed
Kein Menſch rührt fie an!
Zu ſchwach für die übernatürliche Gnade
Iſt nur noch ihr Geiſt. Ihr ſaht ſie doch „gehn?“
(Neigt ſich zu ihr.)
Im Namen des allbarmherzigen Gottes
Erhebe dich, Kanſa, und wandle im Licht
Als Bild ſeiner Gnade!
Kanſa
(erhebt ſich unter dem Erſtaunen der Menge, gleichſam erinnerungslos.)
Was iſt denn — — ? Mein Vater!
Mohammed
Dort Steht er! Geh hin!
(Kanſa geht ruhig auf Amr zu, als ob nichts geſchehen wäre.)
(Rufe)
O ſeht! Iſt das möglich!
Amr
Mein Kind!
93
(Amarmt ſie. Sie bedeckt, aus wirklichem Schamgefühl, ihr Geſicht mit den Händen.)
(Rufe innen)
Kann es ſein! Gottes Wunder! Herbei!
(Außen)
Ein Wunder! Ein Wunder!
Mohammed
(zu herbeieilenden Angläubigen der vierten Szene)
Ihr Heuchler und Lügner,
Erkennt ihr die ewige Wahrheit jetzt?
Die Menge
Es iſt nur ein Gott! And du ſein Prophet!
Mohammed
So dankt ihm und betet!
94
Die Menge
(nimmt Gebetsſtellung und Richtung ein)
Im Namen des aller .
Mohammed
(gewaltig, fanatiſch)
Nein. Nicht die Richtung der Juden mehr.
Arabiens Bethaus blickt zu euch her
Arheilig und harrt eurer Wiederkehr
Nach Mekka.
Die Kaba ruft und der ſchwarze Stein.
Nur Blut wäſcht von heidniſchen Flecken fie rein.
Das Haus des Allah muß unſer ſein.
Nach Mekka!
Alle
(drehen ſich gleichzeitig wie auf militäriſches Kommando nach der entgegengeſetzten
Seite zur Wand hin)
Nach Mekka!
(Der Vorhang fällt.)
Dritter Akt
2
Siebente Szene
Kanſas Zimmer. Dämmerung.
Hatim
So iſt die Lüge ſtets des Pöbels Wunder,
Das wahre Wunder aber iſt an ihr,
Daß zum Erfolg ſie ſtets die Wahrheit braucht.
Jetzt, wenn Mohammed wüßte, welchem Wahn
Er Sieg und Macht verdankt, die ihn umſtrahlen,
Ob er den falſchen Kranz vom Haupt ſich riſſe
And ihn der Lüge reichte? Doch erſt dann
Würd' er zum Lügner. Denn die Wahrheit war's,
Sein Glaube, der die andern mitgeriſſen,
And der die Wunderſchlacht von Bedr ſchlug.
Doch deine Lüge zeugte ſeinen Glauben.
Kanſa
Das iſt nicht wahr. Schon eh' ich ihn betrog,
Beim Schiedsgericht, bei meinem erſten Anblick
Schlug dieſe Glaubensflamme in ihm auf
And wirkte Wunder, wie ſein Schwert bei Bedr.
Hat er nicht ſelbſt den Eindruck mir bekannt,
96
Berauſcht noch von den ungeahnten Kräften,
Die ihm Begier und Leidenſchaft erweckt?
Das war Mohämmeds Kraft von allem Anfang,
And ſolche Kraft zu wecken ſtets mein Fluch.
Ihm zu entrinnen, griff ich erſt zur Lüge.
Hatim
And dieſe Lüge zeugte neuen Wahn.
Wie konnteſt du von ihr was andres hoffen?
Kanſa
In der Verblendung liegt ja meine Schuld.
Was die Natur mir gab, was wider Willen
Ich Böſes wirken mußte nur durch ſie,
Das quälte mich wie ungeheure Selbſtſchuld,
And was ich Schlechtes tat aus eigner Schuld,
Die Lüge, die die Menſchen beſſern ſollte,
Das ſchmeichelte ich als Verdienſt mir vor.
Hatim
Ein jeder ringt ſich erſt zur Wahrheit durch.
Sie iſt kein Weg, ſie iſt ein Ziel. Die Qualen,
Verblendung und Verirrung ſind der Weg.
Sei froh, daß du ihn aus dir ſelbſt gefunden,
And geh ihn nicht zurück, wie ich es tat,
Am dir zu folgen. Laß die andern ſtraucheln
And taſten, bis ſie ſelbſt die Höh' erklimmen.
Denn ſicherer führt ſie ihr Wahn empor
Als deine Hand. Doch wir, die ſchon am Ziele,
Wir dürfen ſie uns reichen, müſſen es,
Daß wir einander Prüfung ſind und Spiegel,
And keiner mehr den Höhenweg verliert.
Kanſa
Nein, Hatim. Auch die Wahrheit ſchreitet höher —
Wer weiß, daß er am Ziel, ſolang er lebt?
97
Und da nur eine ernſte Arbeit iſt,
Die an ſich ſelber, wie du eben ſagteſt,
So wär' ein jeder nur des andern Feind.
Den Wahrheitsweg kann man nur einſam wandeln,
Wo zwei zuſammen ſtreben, iſt ſchon Schein
And eitle Lüge. Geh, wenn du mich liebſt.
Kein Menſch iſt wert, die Wahrheit ihm zu opfern,
And näher ſteht der Mann ihr als das Weib.
Ich wär' dein Anglück. Geh! Ich danke dir,
Daß du zu mir herabgeſtiegen biſt
And mich nicht beſſern wollteſt. Nochmals Dank.
Mehr kann ich dir nicht geben. Jedes Tun,
Das ſelbſtlos iſt, belohnt ſich ſelbſt am ſchönſten.
Amr
(von rechts)
Verzeiht, wenn ich ſtöre! Ich habe mit Kanſa
Was Ernſtes zu reden. Auch wär' es mir lieb,
Bei dieſer Gelegenheit gleich eine Sache
Mit dir zu beſprechen, die längſt mich bedrückt.
(ſpitz)
Es mir nur leider faſt niemals gelungen,
Allein dich zu ſprechen.
Hatim
| Das bringt mein Beruf
So mit ſich. Ich komme als Arzt nur zu Kranken
And konnte nicht ſtets zur Verfügung ſein,
Denn Kanſas Behandlung verlangte —
Amr
(ihm höhniſch das Wort abſchneidend)
Ich weiß.
Doch eben, weil Kanſa durch göttliche Hilfe
Jetzt wieder geneſen und drum deiner Kunſt
And opfernden Pflege, für die ich dir danke,
Nicht weiter bedarf, ſo möcht' ich mich ſelber
Hornſtein, Mohammed
SI
98
Für alles am Schluſſe erkenntlich erweiſen
And bitte dich, hier dieſes kleine Geſchenk —
(Will ihm einen Beutel mit Geld geben.)
Hatim
Behalte dein Geld. So lohnt man nur Dienſte,
Nicht Freundſchaft.
Amr
Ich hab' von der Freundſchaft zu mir
Nichts gemerkt.
Hatim
Ich tat es aus Freundſchaft für ul
And fie I dein Rind.
Amr
Du ſagteſt doch eben,
Du ſeiſt nur als Arzt zu der Kranken gekommen,
And Arzte bezahlt man.
Hatim
Mit eigenem Geld.
Doch das bekam Kanſa als Sühne für Siechtum.
And wenn ſie jetzt ſelbſt einen Dirhem behielte,
So wär' es Betrug.
Kanſa
Ja, Vater. Das wär' es.
Die Saida allein haben Anſpruch darauf.
Amr
Sie ſollen ihn haben. Wir brauchen das Geld nicht.
Die Beute von Bedr und was der Prophet
Noch ferner erobert, entſchädigt uns glänzend.
Hatim
Entſchädigt? — Wofür denn? Was haſt du geleiſtet?
Du nahmſt an dem Kampfe doch nicht einmal teil.
Was haft du für Recht an Mohämmeds Beſitz?
Amr
Das iſt's, was ich Kanſa zu ſagen habe.
Doch weil du ſchon da biſt, ſo hör es zugleich.
Mohammed hat heute um Kanſa geworben.
(Kanſa erſchrickt, Hatim iſt wie niedergeſchmettert.)
Ich gab ihre Hand ihm und halte mein Wort.
Hatim
And ich geb' mein Wort, daß er nie ſie erhält.
Amr
(höhniſch)
So? Wirklich? Haſt du vielleicht Nechte an Kanſa?
Wofür denn? frag' ich jetzt. Was haſt du geleiſtet?
Den Kopf ihr verdreht mit verſchrobnen Ideen
And einfach die Heilung dann Gott überlaſſen,
Nachdem du ein Jahr lang herumkuriert.
Du Stümper, du willſt über Kanſa verfügen,
Mit Gottes Geſandten dich meſſen, du Narr?
Hatim
(verächtlich)
Mehr Rechte als der hab' ich doch noch an an
Kanſa
(erregt)
Nicht wahr. Weder du haſt ein Recht noch ein andrer.
Bin ich dir verpflichtet nur durch ein Wort?
Wie kannſt du ſo reden vor meinem Vater?
Du tateſt mir mehr als die andern, das weiß ich.
Doch warſt du mein Freund nicht, das haſt du gezeigt.
Hatim
(erregt)
So, auch nicht der deine, trotz all meiner Opfer?
Iſt das euer Dank?
99
100
Kanſa
Ich vermag dir nicht anders
Zu danken, als wie ich es immer getan.
Als Arzt haſt du trefflich und treu dich bewährt,
Doch als Freund mich betrogen.
Hatim
Was tateſt denn du
An andern?
Kanſa
Wann ſprach ich von ſelbſtloſer Freundſchaft?
| Hatim
Betrug bleibt Betrug.
Amr
Was ſoll das bedeuten?
Kanſa
(zu Hatim)
Doch er hat mich niemals betrogen wie du,
Den Vorzug beſitzt er.
Hatim
(höhniſch)
And ſicher noch andre.
So hat feine Werbung ſchon Wunder gewirkt?
Iſt das die Erkenntnis, zu der du gedrungen?
Ihn weiterbetrügen willſt du als Frau?
Amr
(erſchrocken)
Mohämmed betrügen — mein Kind? Zu Hatim) Steh mir Rede!
Hatim
Sie kann das am beſten. Ich muß jetzt zu ihm.
(Ab durch die Gartentür.)
Kanſa
(erſchrocken, will nacheilen)
Wir müſſen ihm folgen. Er ſtürzt ſich ins Anglück.
Amr
Noch folgen, dem Schwindler? Zurück! Keinen Schritt!
Was hat es gegeben?
Kanſa
Das ſag' ich dir ſpäter.
Doch jetzt zu Mohammed, eh' Hatim ihn ſpricht!
Amr
Um dort mit dem Menſchen zuſammenzutreffen?
Was dächte Mohämmed von dir!
Kanſa
Das iſt gleich.
Er hat mich ſchon immer mit Hatim geſehen.
Amr
Das war etwas andres. Jetzt biſt du geſund
And biſt ihm verſprochen.
Kanſa
So kann ich gleich ſelber
Den Wahn ihm zerſtören. Nie werd' ich ſein Weib.
Amr
Du wollteſt dich weigern? Der Wahnſinn, den Antrag
Des Siegers von Bedr zurückzuweiſen,
Die Hand deines Retters, den Gott dir geſandt!
Kanſa
Die Mühe, den Antrag zurückzuweiſen,
Erſparſt du mir, Vater. Wenn Hatim ihn ſpricht,
Verzichtet Mohammed von ſelbſt auf die Werbung.
101
102
Amr
f (erſchrocken)
Was? Glaubſt du? So eilen wir!
Kanſa
Wenn es noch Zeit.
(Beide ab.)
(Vorhang fällt.)
N
Achte Szene
Zimmer bei Mohammed. Mehrere Frauen, darunter eine mit ſchwarzer Hautfarbe,
liegen leichtbekleidet auf Polſtern auf dem Boden und ſchlafen. Ein Bild orienta⸗
liſcher Faulheit. Auf der andern Seite iſt Aiſcha eifrig mit ihren Puppen beſchäftigt
und ſingt dabei:
Aiſcha
So. Nun haltet einmal ſtill,
Daß ich euch verhülle,
Wie es Allah will.
Du bekommſt den dünnſten Flor,
Weil du ſchlank und züchtig.
Du den Schleier bis zum Ohr,
Weil du männerſüchtig.
Aber du mit einem Fuße
Ind zerbrochner Naſe,
Darfſt noch zu der Männer Buße
Offen auf die Straße.
(Tanzt mit den Puppen und ſcherzt mit den Schleiern, während ſie das Nachſpiel trällert.)
Sauda und Omm Scherib (zwei Frauen Mohammeds) kommen herein.
Sauda
(zu Omm Scherib im Eintreten)
Sieh nur, was Aüiſcha wieder
Für verrückte Sachen macht!
103
(Zu Aiſcha)
Iſt das jetzt die neuſte Mode,
Das Geſicht ſich einzuwickeln?
Oder haben deine armen
Puppen ſo entſetzlich kalt?
Aiſcha
(boshaft)
Ganz im Gegenteil, mein Täubchen.
Die am hitzigſten im Blute
And ſo oft wie du errötet,
Wird nach Allahs eigner Vorſchrift
In das dickſte Tuch geſteckt.
Omm Scherib
(naiv verwundert)
Wirklich? Kümmert ſich jetzt Allah
Selbſt um deine Puppen noch?
Alſcha
Was du denkſt! Das ſind nur Muſter.
Anſer hoher Herr Gebieter
Hat mir heute Nacht vertraut,
Daß ſich alle ſeine Frauen
Künftig ſo verſchleiern müſſen,
Wenn ſie auf die Straße gehn.
Omm Scherib
Sonderbar! Aus welchem Grunde?
Sauda
(ängſtlich)
Hat vielleicht ihm ein Verleumder
Etwas über uns erzählt?
Aiſcha
Alles nur der Männer wegen.
Jedes Stückchen Haut an euch,
(zupft ſie an den verſchiedenen Stellen)
104
Hier das freche ſpitze Näschen
And das Grübchen und das Läppchen
And das Zäpfchen da am Hals,
Alles iſt jetzt eine Sünde
Außer Hauſe, wenn man's ſieht.
Sauda
(deutet auf eine Puppe, die nichts anhat, außer einem Schleier um den Kopf)
And im Hauſe hat Mohammed
Doch nicht das Koſtüm beſtimmt?
Aiſcha
Pfui! Ihr Kleid iſt nur nicht fertig.
Sauda
Warum pfui, wenn niemand ſieht,
Wer ſie iſt? Den Körper, find' ich,
Oder das Geſicht verhüllen.
Aber beides iſt zuviel.
| Omm Scherib
Ja, das find' ich auch. Mohämmed
Soll uns lieber ganz verſtecken,
Wenn er uns nicht ſehen will.
Aiſcha
(eindringlich)
Aber er will dich doch ſehen,
Nur die andern ſollen's nicht.
Omm Scherib
(gekränkt und erregt)
So? Mohammed will mich ſehen?
Wann denn? Etwa heute Nacht?
Oder geſtern, oder früher?
Schon ſeit vierzehn Tagen nicht.
105
Sauda
Geht's uns andern etwa beſſer
Seit die faulen Dinger da?
(Stößt die ſchwarze Schläferin mit dem Fuß, die wälzt ſich nur auf die Seite und ſchläft
weiter.)
Pfui, du dicker, ſchwarzer Hammel,
Einfach ſich verſchenken laſſen
Wie ein Schlauch, ein Faß voll Butter,
Einem Herrn, den man nicht kennt?
Oder du da, freche Laila,
Ohne eine Gegengabe
Selbſt ſich einem Mann zu „ſchenken“,
Iſt das auch ein Ehrgefühl?
(Laila ſchaut ſie an und legt ſich dann ebenfalls auf die andere Seite.)
Aiſcha
Ach, und bald ſchenkt uns Mohammed
Auch noch eine vierte Frau.
Heute hat er ſchon geworben.
Sauda
Omm Scherib
Auch um die noch?
Aiſcha
Das war doch vorauszuſehn.
Jetzt werd' ich dann meine vierzehn
Tage kriegen. Freut ihr euch?
Mohammed und Abu Bekr treten ein.
Mohammed
(trägt in einem Tuch erbeutete Schmuckgegenſtände)
Da ſind meine Kinder ja alle beiſammen.
Jetzt ſagt einmal, ob ihr verträglich ward,
Solang ich nicht da war?
Was, um Kanſa?
106
Die drei Frauen
(in vollkommener Anſchuld)
Ja.
Mohämmed
Habt ihr einander
Nichts Böſes gefagt und nichts über andre?
Die drei Frauen
(wie vorher)
Nein.
Mohammed
Auch über nichts euch im Haufe beklagt?
Aiſcha
(ſchmeichelnd)
Wie wäre das möglich?
Sauda
(ſchmeichelnd und boshaft)
Du ſorgſt doch in allem
Als zärtlicher Vater.
Omm Scherib
(ebenſo)
Ja, ganz wie ein Vater.
Mohammed
Dann dürft ihr die Sachen da unter euch feilen.
(Sie greifen alle darnach.)
Doch ohne zu ſtreiten.
Die faulen Weiber
(ſpringen vom Boden auf)
Mir auch! Bitte auch!
Sauda
Da werden ſie munter die gierigen Dinger.
107
Mohammed
(lachend zu Abu Bekr)
Ich ſehe, ſo hab' ich im eigenen Lager
Mehr Kampf um die Beute als draußen im Feld.
Zurück da! Ich weiß jetzt ein anderes Mittel.
Aiſcha bekommt zur Verwahrung den Schmuck
And läßt euch drum loſen.
Omm Scherib
Warum denn Aiſcha?
Sauda
Die Jüngſte hat immer das Vorrecht bei dir.
Mohämmed
So ſoll es von nun an die Alteſte haben,
Alſcha macht gerne der Würdigſten Platz.
(Er blickt fragend umher, alle ſchweigen verlegen.)
Alſcha
R (ſpöttiſch zu Sauda)
Ich bitte.
Sauda
(ſie abweiſend)
Mohammed
Nun? Meldet ſich keine?
Dann loſt erſt ums Alter. Doch laßt uns allein.
(Jagt ſie hinaus.)
Wir müſſen hier andere Dinge beſprechen.
Da, nehmt euer Weiberzeug wieder mit fort.
(Packt einiges davon zuſammen.)
Wie himmliſch das duftet! Das Tuch laßt mir da!
(Berauſcht ſich daran.)
Das ſind noch die einzigen Freuden der Welt:
Gebete, Weiber und Wohlgerüche.
Ich danke.
108
Doch jetzt zur Entſcheidung betreffs der Gefangnen.
Das Beſte war, gleich auf dem Fleck ſie zu töten.
Sie laufen uns hier nur im Wege herum
And wühlen und ſchnüffeln. Ich habe nicht Luſt,
Sie noch länger zu füttern. Drum weg mit der Laſt!
(Macht die Bewegung des Kopfabſchneidens.)
Abu Bekr
So fordre ein Löſegeld von den Mekkanern.
Dann machſt du mit ihnen das beſte Geſchäft,
Anſtatt ſie nur unnütz durch Härte zu reizen.
Mohammed
Sie haben kein beſſeres Schickſal verdient,
Ich will eine Warnung für künftige Zeiten.
Abu Bekr
Sie haben ſchon Warnung und Strafe genug.
Ein Abermaß ſtachelt und gibt wieder Kräfte.
Mohämmed
Dein Rat gibt ſie ihnen und weichliche Schonung.
So ſchwächt man die Kräfte, ſolang man ſie hat.
(Macht die Bewegung des Kopfabſchneidens.)
Abu Bekr
So ſchwächſt du den Glauben an dich und an Allah.
In ihm liegt die Kraft und in einzelnen Menſchen.
Das haſt du im Kampfe bei Bedr geſehn.
Wer ſchlug ihre Maſſen? Die wenigen Tapfern.
Wer hielt im feindlichen Heere noch ſtand,
Als Oſchachl und Walid und Harith gefallen?
Ein Otba wiegt die Gefangenen auf,
Ein Ali erſchlägt ſie in ehrlichem Kampfe.
109
Sei heute nicht klein an dem feſtlichen Tag
And laß fie am Leben um Kanſa willen!
Mohammed
(in großmütiger Aufwallung)
So ſchlägſt du ſelbſt durch ein einziges Wort
Deine Gründe, und da ich mit Worten nicht fechte
And nicht gegen Weiber, ſo ſollen fie leben.
Abu Bekr
Das wird dein erhabenſtes Hochzeitsgeſchenk.
Mohämmed
(humorvoll)
Drum füttre ſie gut, daß ſie Kräfte kriegen.
Alſcha
(öffnet ein wenig die Tür)
Verzeih einen Augenblick. Hatim iſt draußen,
Er bittet, wenn möglich, ihn gleich zu empfangen,
Er hat eine dringende Botſchaft für dich.
Mohämmed
(zu Abu Ber)
Von Kanſa! Zu Aiſcha) Er komme!
Abu Bekr
Ich bringe einſtweilen
Ihr Hochzeitsgeſchenk den Gefangenen. /
(Hatim tritt haſtig und finjter ein.)
Mohammed
(bei ſeinem Anblick betroffen)
So ſpät und ſo finſter? Was iſt deine Botſchaft?
Hatim
Die Wahrheit, Mohämmed.
110
Mohammed
Ich habe fie immer
Geachtet, auch wenn fie mir peinlich war.
(Schnell Hatim zuvorkommend.)
Die Wahrheit hat Kanſa dir aufgetragen?
Sie weiſt mich zurück.
Hatim
Ich fragte ſie nicht,
And bin nicht beauftragt. Ich hab' eine Bitte.
Erfüllſt du ſie mir, um ſo beſſer für dich.
Erfüllſt du ſie nicht —
Mohammed
So rede doch endlich!
Hatim
Ich habe nicht Eile. Du ſollſt mir nicht ſagen,
Ich ſpräche erregt. Drei Worte nur ſind es
Für drei, die es angeht: Verzichte auf Kanſa.
Mohammed
(auffahrend)
Verzichten? Von ſelber? Wer fordert das?
Hatim
Ich.
Mohammed
So ſprichſt du für Kanſa. Wer gäbe dir anders
Den Mut, ſo zu reden?
Hatim
(wie oben)
Die Wahrheit, Mohämmed.
Mohämmed
So nenn deine Wahrheit! Ich fürchte mich nicht.
Hatim
Ich möchte nicht unnütz den Zorn dir erregen
And andre gefährden. Ich bitte dich drum,
Verzichte auf Kanſa! Sie kann dich nicht lieben,
And für deine Leidenſchaft ſteht ſie zu hoch.
Mohammed
Sagt fie das?
Hatim
Ich weiß es. Ich kenn' ſie wie keiner.
Mohämmed
So willſt du ſie ſelbſt?
Hatim
Ich verzichte zugleich,
Wenn du dich verpflichteſt —
Mohämmed
(aufbrauſend)
Ich dir mich verpflichten?
Die maßloſe Keckheit! Wie käm' ich dazu?
Noch ehe ſich Kanſa mir ſelber verſagte,
Soll ich mich verpflichten, ich dir mich, Mohämmed?
And ſtändſt du an Jahren und Anſehen mir gleich,
Ich wieſe die Bitte ſchon Kanſas wegen
Zurück als Beſchimpfung.
Hatim
Das wirſt du bereun.
Verhüten wollt' ich dir Hohn und Beſchimpfung.
Dein Starrſinn fügt ſie allein dir zu,
Sobald du dich weigerſt — —
Mohämmed
(jähzornig)
Hinaus!
Du willſt mir noch drohn!
111
112
Hatim
(die Faſſung verlierend) a
Ja, hinaus in die Welt mit der Wahrheit.
Das Weib, das du wählteſt, ſie hat dich getäuſcht.
Seit Wochen ſchon, eh' du zuerſt ſie geſehen
Bewegte ſie frei ihre Glieder im Zimmer,
Das Wunder der Heilung war ihre Natur.
Doch krank im Gemüt und durchſchauert vom Blute,
Das um den Beſitz ihrer Schönheit floß,
Verfluchte ſie Jugend und Wiedergeneſung
And wollte allein unterm Schutz ihres Leidens
Aus Jathrib entfliehen; da kam der Vertrag
Der Chatma und Saida, da wollt' ich ſie zwingen,
Die Wahrheit zu ſagen. Drum flüſtert' ich ſo.
Doch Malik zulieb, um den Frieden zu retten,
Zwang ſie mich zu ſchweigen. And jetzt war es aus
Mit der Flucht und der Wahrheit. Dein Geld, dein verfluchtes,
Bezichtigte uns des gemeinſten Betrugs
And gab das Signal zu erneutem Gemetzel,
Wenn Kanſa entfloh oder jetzt noch genas.
In dieſer Verzweiflung kommſt du als ihr Retter
Und zeigſt ihr verblendet durch deinen Wahn
Den einzigen Ausweg. Jetzt weißt du die Wahrheit,
And du nur allein, außer Kanſa und mir.
Noch iſt ſie verſchloſſen in dieſes Gemäuer,
Doch dort iſt die Tür. Rufſt du jetzt noch: „Hinaus“?
Mohämmed
(mit eiſerner Entſchloſſenheit als Ergebnis eines furchtbaren inneren Kampfes während
? Hatims Enthüllung)
Nein, Hatim.
(Geht zur Tür, öffnet ſie ein wenig und ruft hinaus)
Alſcha!
Aiſcha
(draußen)
Mein Herr und Gebieter?
113
Mohammed
Alſcha
Kein Menſch außer mir.
Die andern ſind alle zu Scherib gegangen.
Wer iſt noch im Hauſe?
Mohämmed
So eile ſogleich ihnen nach, wie du biſt.
Ich möchte mit Hatim hier ungeſtört reden.
And ſchließe die Türe, als wär' ich nicht da.
(Man hört wie ein ſchwerer Riegel außen vor die Zimmertür geſchoben wird und wie
Aiſcha ſich entfernt.)
Hatim
(erſchrocken)
Die Türe verriegelt! Was ſoll das bedeuten?
Mohämmed
(die Hand ans Schwert legend)
Jetzt ſchließ' ich die Wahrheit für immer hier ein.
Hatim
(eilt zur Tür und rüttelt daran)
Mach auf! Das iſt Mord!
Mohammed
Für Gott iſt's ein Opfer.
Hatim
Zu Hilfe!
Mohammed
Dein Schreien iſt unnütz.
Hatim
5 Du Feigling,
Mich Wehrloſen töten!
Hornſtein, Mohammed 8
114
Mohämmed
Mir bleibt keine Wahl.
Nahmſt du eine Rückſicht auf mich und auf andre?
Du ſagteſt, es ſei für die Wahrheit zu ſpät,
Sie ſei ein Signal zu erneutem Gemetzel.
And doch wirfſt du ſelber die Fackel ins Volk
Zu Mord und Empörung? Wenn wirklich mein Eifer
Mich einmal betrogen und Gott mich verließ,
Soll er's drum entgelten? Iſt er ein Betrüger?
Bin ich's und die Meinen? Doch du, wer biſt du?
Als Arzt ein Betrüger, als Freund ein Verräter,
Ein Wahrheitsbeſchützer aus Rache und Neid,
Ein Held aller Halbheit! Du wagſt an Mohämmed
Mit Trug dich und Drohung? Du Wahrheitsphantaſt,
Jetzt bete zur Wahrheit!
(Dringt mit dem Schwert auf ihn ein.)
Hatim
(flüchtet von der Tür in das Nebenzimmer rechts, das nur durch einen Vorhang von
dieſem Zimmer getrennt iſt)
ä Sie lebt und ſie ſchreit
Aus dem Blut ihrer Zeugen.
Mohämmed
(nacheilend)
Ich ſtopf' ihr den Mund.
(Drinnen Lärm von zerbrochenen Möbeln, ein plötzliches kurzes Aufſtöhnen und dann Stille.)
(An der verriegelten Tür wird außen geklopft.)
(Mohammed tritt aus dem Nebenzimmrr und geht zur Tür.)
Wer klopft an der Tür?
Amr
(draußen)
Ich bin es mit Kanſa.
Mohämmed
(beſinnt ſich kurz und ruft dann)
So öffne von außen!
115
Amr
(eintretend, betroffen)
Wer ſchloß dich hier ein?
Mohammed
Ich ſelber. Das klingt wie ein Wunder, nicht, Kanſa?
(Stellt ſich vor die Tür.)
Kanſa
8 5 (voll bangen Schreckens)
War Hatim nicht da?
Mohammed
Er war da.
Kanſa
(haſtig, entſetzt)
Wo iſt er?
Mohammed
Da drinnen im Zimmer.
(Sffnet den Vorhang. Amr und Kanſa prallen mit einem Aufſchrei zurück.)
Kanſa
(krallt mit den Händen an Geſicht und Körper herum, als ob ſie ihn zerreißen wollte)
Du Werkzeug, du Mutter,
Du Hure des Mordes!
Amr
(zu Mohammed)
Was ſoll dieſer Gräuel?
Jetzt will ich die Wahrheit von dir erfahren,
Die niemand mir ſagen will.
Mohammed
(während er Kanſa beim Handgelenk packt)
Dank deinem Gott,
Daß niemand auf Erden ſie wußte als Hatim.
And weil er ſie wußte, darum ſchweigt er jetzt.
116
Amr
(zitternd vor Angſt und Erregung)
Wie konnteſt du glauben, was Hatim dir ſagte,
Der Kanſa ſogar, die er liebte, belog?
Ich weiß nichts von beiden und will auch nichts wiſſen,
Doch eins hab' ich vorhin als Zeuge erlebt
And ſchwör' es bei Allah: Daß Kanſa als letztes,
Eh' Hatim voll Nachſucht zu dir geeilt,
Ihm ſagte, er hätte an ſie keine Rechte,
And daß ſie entrüſtet ihn Lügner hieß.
Mohammed
(äußerſt überraſcht)
Sie — Hatim? So hat er auch mich nur belogen,
Wie hätte ſie ſonſt ihm zu ſagen gewagt
Als Schuldige? — Kanſa: bei Gottes Gerichte,
Iſt's wahr, was dein Vater ſoeben geſagt?
Amr
Wie könnt' ich ſonſt ſchwören?
Mohämmed
(zu Kanſa)
Sprich du!
Kanſa
(mit einem Blick auf ihren Vater)
Es iſt wahr.
Mohämmed
(aufatmend, den Blick nach oben gewandt)
Hab' Dank, ſo iſt Hatim als Lügner gerichtet.
Ali und Malik
. 8 N (treten ein)
Frieden mit dir!
Mohammed
Willkommen, ihr Freunde!
Seht her! Hier hab' ich ein Arteil vollſtreckt
An einem Verbrecher.
(Schlägt den Vorhang zurück und zeigt ihnen die Leiche.)
Er wollte mich zwingen,
Von Kanſa zu laſſen, die frech er beſchimpft,
And drohte mir dann mit der ſchändlichſten Lüge,
Die, wenn er die Schwelle des Zimmers verließ,
Den blutigſten Aufruhr entfeſſelt hätte.
Das meldet den Meinen und ſagt, dieſe zwei
(auf Kanſa und Amr deutend)
Bezeugen ſein Lügen.
Kanſa
(nachdem ſie ſich das Geſtändnis abgerungen, hinausſchreiend)
Nicht wahr. Ich bezeuge,
Daß ich dich belogen, du gläubiger Narr
And Mörder. Jetzt töte mich, Lüſtling. Denn anders
Als mit deinem Schwerte berührſt du mich nie.
Mohammed
(niedergeſchmettert, bleich vor Wut)
Verrückte! Ich töte kein Weib. Doch dein Reden
Voll Wahnſinn und Tücke verwehr' ich dir,
Du Schlange! Nie wirſt du dies Haus mehr verlaſſen,
And auch deinen Vater behalt' ich in Hut.
Kanſa
(entſetzt)
Lebendig dein Opfer? Viel lieber wie Hatim!
(Auf Malik zuſtürzend)
Erbarme dich, Malik! Ich flehe dich an.
Ich habe mich deiner erbarmt und gelogen.
117
118
Ich war ſchon geheilt bei dem Friedensvertrag
And habe geſchwiegen, um dich zu erretten.
(Ali und Malik tief betroffen und erſtaunt)
Jetzt rette den Vater und gib mir den Tod!
Malik
So löſt ſich das Rätſel? Beruhige dich, Kanſa!
Bei mir ſeid ihr ſicher.
(Stellt ſich zwiſchen fie und Mohammed.)
Mohammed
(wütend)
Verräter! Auch du?
Was half dir ihr Lügen und all deine Sippſchaft?
And hätteſt du zwanzig Leben gehabt,
So warſt du verloren, wenn ich nicht geweſen.
Iſt das jetzt dein Dank?
Malik
Ich ſchulde dir nichts.
Ich gab dir bei Bedr die zwanzig Leben
Mit Zinſen zurück.
Mohammed
Doch eines noch haſt du,
Erbärmlicher! Nimm es ihm, Ali, mein Sohn!
Aus Gärten der Liebe ruft Allah zur Rache,
Es gilt ſeine Ehre!
(Dringt auf Malik ein.)
Ali
(wirft ſich dazwiſchen)
Ich bitte dich, halt!
Ich brauche mich nicht meiner Taten zu rühmen
And nicht meines Mutes. Es wär' mir ein Stolz,
Mit ihm mich zu meſſen. Doch würd' ich zugleich
Den Ruhm der herrlichſten Helden töten
119
Aus ehrfurchtgrauer Vergangenheit.
Da ſcheut mein Gehorſam.
Malik
(zu Ali)
Leb wohl, junger Tag!
Ich kehre zur Heimat der Geiſter und Sagen
Und bringe der Vorzeit auch deinen Gruß.
(Zu Amr und Kanſa)
Kommt mit in die Freiheit!
(Sie folgen. Mohammed ſteht nach Alis Weigerung unbeweglich in finſterm Trotz ver-
biſſen da.)
Ende.
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