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Full text of "Monatsbericht der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin"

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I 


HARVARD 
COLLEGE 
LIBRARY 


MONATSBERICHTE 


DER 


KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 


zu  BERLIN. 


Aus  dem  Jahre  1870. 


Mit  13  Tafeln. 


BERLIN  1871. 


BUCUDBUCKBUEI  DHU  KGL.  AKADBMIB  DER  WISSEKSCHAFTEM  (G.  VOGT) 

CNITKR8ITÄT8STR.  8. 


IM    COMMISSION   IN  FERD.  DÜMMLER's  VERLAGS-BUCIIIIANDLUNQ. 

RARRWITZ   CKO   0088MABR. 


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MONATSBERICHT 

DBB 

KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

Januar  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:  Herr  Kammer. 


3.  Januar.    Sitzung  der  philosophisch -historischen 

Klasse. 

Hr.  Mommsen  las  über  einige  bei  Assnan  aufgefundene  ro- 
mische Inschriften. 


6.  Januar.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Riefs  las  über  die  Theorie  der  neuesten  Elek- 
trophormaschine  und  der  überzähligen  Conductoren. 

Bei  der  Benrtheilang  von  Influenzmaschinen  herrscht  noch 
grofse  Verwirrung.  Während  im  Laufe  der  letzten  Jahre  drei  oder 
Tier  Influenzmaschinen  als  wesentlich  neue  beschrieben  wurden,  In 
welchen  leicht  alte  Apparate  zu  erkennen  sind,  ist  die  neueste 
Elektrophormaschine  vom  Erfinder,  dem  Dr.  Holtz,  als  eine  alte 
Maschine  in  neuer  Gestalt  eingeführt  worden,^)  obgleich  sie  mir 
wesentlich  neu  erscheint  —  Das  von  mir  vor  drei  Jahren  ange- 
wandte Princip  zur  Unterscheidung  solcher  Maschinen  besteht 
darin,')   dafs   man    die   durch  Influenz  erregten  Elektricitfiten  in 


^)  Poggend.  Annalen  136.  171. 
')  Akad.  Monatsb.  1867  203. 
[1870] 


2  GesatnmUitzung 

Betracht  zieht,  und  die  Maschinen  nach  den  Combinationen  dieser 
Elektricitfiten  ordnet,  welche  sie  benatsen.  Eine  Maschine  also 
von  noch  so  angewohnlichem  Aussehn,  welche  eine  bereit«  be- 
nutzte Combination  der  Influenzelektricitfiten  anwendet,  ist  als  we- 
sentlich  alte,  und  eine  Maschine,  einer  bekannten  im  Aassehn  noch 
so  ähnlich,  ist  als  wesentlich  neue  Maschine  anzusehn,  wenn  sie 
eine  Combination  benutzt,  die  noch  keine  Anwendung  gefunden 
hat.  In  diesem  Sinne  habe  ich  meine  Meinong  aber  die  neueste 
Elektrophormaschine  zu  begründen. 

Die  Elektrophormaschinen  zeigen  im  Allgemeinen  einen  Pa- 
pierkuchen, davor  einen  Metallconductor,  der  mit  einem  Metall- 
kamm endigt,  und  eine  Glasscheibe,  die  zwischen  beiden  rotirt. 
Nachdem  der  Papierkuchen  elektrisirt  worden,  kommen  durch  Dop- 
pel-Influenz drei  nachweisbare  Portionen  von  Elektricit&t  zum 
Vorschein:  im  Conductor  die  Menge  4- m,  anf  der  (dem  Eachen 
zugewandten)  Vorderfl&che  der  Glasscheibe  die  Menge  — p,  auf 
ihrer  Hinterflfiche  die  Menge  — m.  Ich  erinnere  daran,  dafs  m 
und  p  fichte  Brüche  sind,  wenn  der  erregende  Kachen  die  Elek- 
tricitfitsmenge  1  besitzt  und  dafs  hier  die  Vorzeichen  die  Elek- 
tricit&tsart  in  Bezug  auf  die  der  Kuchen  angeben.  Vom  positiv 
elektrischen  Kuchen  erregt,  bezeichnet  -f-  m  positive  —  m  und  —  p 
negative  Elektricit&t,  vom  negativen  Kuchen  erregt,  —  m  und  —  p 
positive,   +  ff)  negative  Elektricität. 

Die  vor  drei  Jahren  bekannten  drei  Elektrophormaschinen 
mit  Doppel-Influenz  habe  ich  am  angeführten  Orte  folgendermaafsen 
geordnet,  wobei  ich  hier  noch  &ufsere  Kennzeichen  hinzusetze: 

Töplers  Maschine  benutzt  die  Elektricit&tsmenge  —  m  und 
besitzt  in  einfachster  Einrichtung  drei  drehbare  Glasscheiben. 

Holtz  erste  Maschine  benutzt  die  Combination  der  Mengen 
(-hl»)  ( —  ff»)  ( —  p)  und  besitzt  nur  Eine  drehbare  Scheibe. 

Holtz  zweite  Maschine  benutzt  die  Combination  (-t-  m)  ( —  fft) 
and  besitzt  zwei  Scheiben,  die  in  entgegengesetzter  Richtung  ge- 
dreht werden  und  abwechselnd  die  Rolle  der  Papierkuchen  über- 
nehmen. 

Als  ZQ  neuen  Maschinen  brauchbar  hatte  ich  die  Combi- 
luUionen  (-+- ff»)  ( — p)  and  ( — m)  ( — p}  bezeichnet. 

Die  neueste  von  Holtz  construirte  Elektrophormaschine,  deren 
Theorie  hier  folgt,  gebraucht  neben  der  Combination,  (-1-  ff»)  ( —  ff») 
( —  P)  ^i®  Combination  ( —  m)  ( —  p)  und  besitzt  Eine   drehbare 


vom  ß,  Januar  i670.  S 

Stheibe.  Ich  vrill  diese  tfaachine,  des  leichteren  Verst&idnidses 
wegen y  snerst  in  der  einfachen  Form  beschreiben,  in  der  ich  sie 
benatat  habe,  bei  welcher  nur  ( —  m)  ( —  p)  zur  Anwendang  kommt, 
and  dann  die  Einrichtang  anfuhren,  die  ihr  Holtz  gegeben  hat 

Eine  vertikale  drehbare  Glasscheibe  von  15  Zoll  Durchmesser 
befindet  sich  swischen  einer  ihr  parallelen  ruhenden  mit  2  Aus- 
schnitten versehenen  Glasscheibe  und  2  horizontalen,  der  Mitte  der 
Aasschnitte  gegenüberliegenden  Metallk&mmen,  deren  Stiele  in  ge- 
wöhnlicher Weise  mit  2  verschiebbaren  Metallstfiben,  den  Elek* 
troden,  verbunden  sind.  An  der  freien  Flfiche  der  ruhenden  Scheibe, 
entfernt  von  den  Ausschnitten,  ist  in  einem  gegen  den  Horizont 
geneigten  Durchmesser,  über  und  unter  der  Ebene  der  Kfimme, 
ein  etwa  4  Zoll  langes  j-  Zoll  breites  Papierstück  (der  Kuchen) 
befestigt,  von  welchem  ein  l-^^  Linie  breiter,  nahe  5  Zoll  langer 
Papierstreifen  zum  nächsten  Ausschnitte  geht  und  mit  einer  in  den 
Ausschnitt  hineinragenden  Cartonspitze  endigt.  Jede  Cartonspitze 
tritt  etwa  1  Zoll  vor  den  Metallkamm  ihrer  Seite  hervor.  Den  beiden 
Papierkuchen  stehen  zwei  Metallkämme  (zur  Unterscheidung  die 
schrägen  genannt)  gegenüber,  die  dauernd  mit  einander  metallisch 
verbunden  sind.  Die  Scheibe  wird,  wie  an  der  alten  Maschine, 
in  der  Richtung  von  einer  Cartonspitze  zu  dem  mit  ihr  verbun- 
denen Kuchen  schnell  umgedreht  Zur  bequemen  Darstellung  der 
Figur  denke  man  sich,  wie  es  Hr.  Bert  in  gethan  hat,^)  statt 
der  beiden  Glasscheiben  einen  hohlen  Glascylinder  um  seine  Aze 
drehbar,  in  einen  ruhenden  Gylinder  gesteckt,  nnd  zeichne  deren  Quer- 
schnitt.   Die  Metallkämme  kommen  dann  in  der  Bildebene  zu  liegen. 

Fig.  l. 


>}    Annal.  de  chimie  (4)  13.  190. 


4  GeBamnUsitzüng 

Der  innere  Kreis  entspricht  der  rotirenden,  der  fiafsere  punk- 
tirte  der  ruhenden  Glasscheibe  der  Maschine.  Die  schrfigen  mit 
einander  verbundenen  Metallkamme  sind  bei  h  und  h^  die  horizon« 
talen  Kämme  mit  den  zum  Experimente  dienenden  Elektroden  bei 
e  und  e  deutlich,  die  Papierkuchen  bei  a  und  b  nebst  ihren  Yer- 
l&ngernngen  bis  zu  den  Ausschnitten  der  ruhenden  Scheibe,  vor 
welche  die  Cartonspitzen  m  und  n  hervortreten. 

An  der  alten  (ersten)  Holtz 'sehen  Maschine  sind  nur  zwei 
Metallk&mme  mit  gegenüberliegenden  horizontalen  Papierkuchen  vor- 
handen, und  jeder  Kamm  hat  eine  zwiefache  Bestimmung:  er  em- 
pfängt Elektricität  von  der  gedrehten  Scheibe  durch  sogenannte 
Einsaugung  ^)  zur  Abgabe  an  die  mit  ihm  verbundene  Elektrode 
und  er  elektrisirt  die  Scheibe  mit  entgegengesetzter  Art  Diese 
Elektrisirung  ist  abhängig  von  der  Elektricität,  welche  die  Elektrode 
bereits  besitzt,  nimmt  mit  zunehmender  Menge  dieser  Elektricität 
schnell  ab  und  hört  bald  auf.  Die  sogenannte  Einsaugung  von 
El.  durch  den  Metallkamm  nimmt  zwar  gleichfalls  ab  mit  steigen- 
der Elektrisirung  der  Elektroden,  aber  bei  Weitem  langsamer,  weil 
die  elektrische  Glasfläche  dem  Kamme  näher  steht,  als  die  elektrische 
Papierfläche.  Entfernt  man  die  Stelle  der  Elektrisirung  der  Scheibe 
von  der  Stelle  der  Einsaugung,  so  läfst  sich  eine  gröfsere  Dichtigkeit 
in  den  Elektroden  erlangen.  Diese  Trennung  der  beiden  Stellen 
ist  bereits  in  Toplcr's  Maschine  und  in  Holtz'  zweiter  Maschine 
vorgenommen  und  jetzt  in  der  hier  betrachteten  Elektrophorma- 
schine.  Die  horizontalen  Kämme  e  dienen  als  Einsauger,  während 
die  schrägen  Kämme  k  die  Glasscheibe  mit  Elektricität  versehen, 
also  mit  den  ihnen  gegenüberstehenden  Papierkuchen  die  Rolle  der 
Beibzeuge    an    der    gewöhnlichen    Elektrisirmaschine   übernehmen. 


*}  EinsaugttDg  bezeichnet  den  Erfolg  der  Erregung  eines  Metallstückes 
durch  Influenz,  die  sich  Ton  der  gewöhnlichen  Erregung  dadurch  unterschei- 
det, dars  dabei  die  erregende  Elektricität  zerstört  wird.  Der  Metallkamm 
der  Maschine  wird  von  der  Elektricität  der  rotirenden  Scheibe  ebenso  in- 
fluencirt,  wie  von  dem  elektrischen  Papierkuchen,  aber  die  Elektricität  des 
Kuchens  bleibt  erhalten,  wahrend  die  der  Scheibe  durch  die  Tom  Kamme 
elektrisirte  Luft  vernichtet  wird.  In  beiden  Fällen  erhält  der  mit  dem  Kamme 
verbundene  Metallstab  Elektricität  derselben  Art,  die  der  erregenden  gleich- 
namig ist,  aber  bei  der  Erregung  durch  den  Papierkuchen  wird  nebenbei  die 
Glasscheibe  mit  der  ausströmenden  (ungleichnamigen)  £1.  geladen. 


vom  ß,  Januar  1870.  5 

Da  diese  schrägen  Kämme  mit  einander  verbunden  sind,  so  kön- 
nen, w&hrend  die  Maschine  in  Gang  gesetzt  wird,  die  Elektroden 
oorerbanden  bleiben.  Dies  ist  auch  bei  Holtz'  zweiter  Maschine 
der  Fall,  wahrend  an  seiner  ersten  Maschine  die  Elektroden  in 
Berübrung  sein  massen. 

Die  neue  Maschine  wirkt  in  folgender  Weise.  Es  sei  der 
Papierkuchen  h  negativ  el.  gemacht;  der  ihm  gegenüberstehende 
Metallkamm  h  erhält  durch  Influenz  negative  Ei.,  die  aber  sogleich 
verschwindet,  weil  jener  mit  dem  diametralen  Kamme  verbunden 
ist.  Die  Glasscheibe  vor  dem  Kamme  wird  auf  beiden  Flächen 
positiv  elektrisch  und,  in  der  Richtung  des  Pfeiles  rotirend,  zu  der 
Cartonspitze  m  des  zweiten  Kuchens  gefuhrt,  den  die  Vorderfläche 
der  Scheibe  mit  positiver  Elektricitfit  versieht,  wonach  der  hori- 
zontale Kamm  $  +  die  Elektricitfit  der  Hinterfläche  aufnimmt.  Der 
Papierkuchen  a  ist  nun  positiv  elektrisch,  er  erregt  in  seinem 
Metalikamme  positive  Elektricitfit,  die  wiederum  verschwindet,  und 
versieht  beide  Flfichen  der  vor  ihm  befindlichen  Glasscheibe  mit 
negativer  EL,  die  zur  weiteren  Elektrisirung  des  Kuchens  b  und 
zar  Verstärkung  der  El.  der  Elektrode  e —  verwendet  wird.  Diese 
Terstärkung  wird  länger  fortdauern,  als  an  der  alten  Maschine, 
weil  die  Doppel- Influenz  stets  an  den  nicht  elektrischen  Kämmen  h 
wirkt  Der  die  Kämme  verbindende  Metallstab  erhält  nämlich  von 
den  Kämmen  ziemlich  gleiche  Mengen  entgegengesetzter  £1.  und 
soll  neutral  bleiben;  man  kann  ihn  mit  Vortheil  zur  Erde  ableiten. 
Es  wird  sich  daher  an  dieser  Maschine  eine  Flasche  zu  höherer 
Dichtigkeit  laden,   ein  längerer   Entladungsfunke    erhalten    lassen. 

Eine  alte  (erste)  Holtz 'sehe  Maschine  ist  in  wenigen  Minuten 
in  die  hier  beschriebene  zu  verwandeln,  indem  man  die  ruhende 
Glasscheibe  durch  eine  mit  andern  Papierbelegungen  versehene  er« 
setzt,  und  zwei  schräge  mit  einander  metallisch  verbundene  Metall- 
kamme anbringt.  Zu  einer  Zeit,  als  meine  alte  Maschine  Funken 
von  nur  2-^  Zoll  Länge  lieferte,  gab  sie  nach  Verwandlung  in  die 
nene  Maschine,  bei  Anwendung  derselben  rotirenden  Scheibe,  der« 
selben  Ladefiaschen  und  Elektrodenendigungen  (Kugeln  von  8|-  Lin. 
Darchmesser)  Funken  von  b\  Zoll  Länge. 

Vergleicht  man  in  dieser  Weise  die  erste  Holtz 'sehe  Maschine 
mit  der  neuen  und  erzeugt  Funken  gleicher  Länge,  so  findet  man 
den  Funkenstrom  der  alten  Maschine  ungleich  dichter  als  an  der 
neaen,  eine  Folge  davon,  dafs  an  der  ersten  Maschine  jede  Elek- 


6  Oesammtsitzung 

trodiB  zwei  Portionen  Elektricit&t,  an  der  letzten  nnr  Eine  davon 
empfilngt.  Die  in  der  Elektrode  selbst  erregte  Elektricität  fügt  sich 
in  der  alten  Maschine  zu  der  durch  die  el.  Glasflfiche  erregten  EI,, 
wfihrend  in  der  neuen  der  Funke  nur  von  der  letzten  Erregung 
herrührt  Auch  tritt  an  der  neuen  Maschine  ein  Pol  Wechsel  häu- 
figer ein,  als  an  der  alten,  weil  den  Elektroden  keine  Kuchen  ge- 
gienüberliegen,  die  mit  ihnen  die  gleiche  Elektricitfitsart  besitzen  nnd 
dadurch  das  Austreten  der  in  den  Elektroden  angesammelten  El. 
erschweren. 

Beide  Mfingel  hat  Holtz  vermieden,  indem  er  an  dem  Bande 
jedes  Auschnittes  (bei  m  und  n  der  Figur)  einen  horizootalen  Pa- 
pierkuchen angebracht  hat,  welcher  die  Cartonspitze  tr£gt').  So 
habe  ich  die  Maschine  ausgeführt  gesehen,  die  also  2  Ausschnitte, 
,  2  Paare  von  Metallk&mmen  und  ihnen  gegenüber  2  Paare  von  Pa- 
pierkuchen besitzt  und  als  die  Verbindung  der  alten  Elektroplior- 
mascbine,  welche  die  Combination  (+ «n)  (-^fn)  ( — p)  mit  der 
neuen,  die  nur  ( — m)  ( — p)  benutzt,  anzusehen  ist  Das  Spiel 
dieser  zusammengesetzten  Maschine  zeigt  bei  geöffneten  Elektroden 
drei  Phasen. 

So  lange  die  von  einander  entfernten  Elektroden  nicht  oder 
fichwach  elektrisch  sind,  geht  die  Doppel -Influenz  von  den  horizon- 
talen Papierknchen  ans,  und  jede  Elektrode  erhält  Influenzelektri- 
eitfit  sowol  durch  die  auf  ihrem  Kuchen,  wie  durch  die  auf  der 
rotirenden  Glasscheibe  befindliche  Elektricität,  oder,  wie  man  be- 
quemer sagt,  jeder  Elektrodenkamm  wird  durch  seinen  Kuchen 
elektrisirt  und  saugt  die  EL  der  Scheibe  ein  (siehe  Anmerk.  S.  4). 
Aber  nicht  alle  der  Seheibe  mitgetheilte  Elektricität  wird  eingesaugt. 
Weil  nämlich  die  Scheibe,  ehe  sie  an  einen  Elektrodenkamm  tritt, 
einem  schrägen  Kamme  vorbeigeht  und  diesem  näher  steht,  als  der 
auf  der  ruhenden  Scheibe  befindliche  Kuchen,  so  wirkt  die  Elek- 
tricität der  rotirenden  Scheibe  stärker  auf  den  schrägen  Kamm, 
als  die  ihr  entgegengesetzte  Elektricität  des  Kuchens,  und  in  Folge 
davon  wird  ein  Theil  der  Elektricität  der  Scheibe  vernichtet.     Mit 


')  In  der  Abbildung  der  Maschhic,  Poggd.  Annalen  Bd.  136  Taf.  5 
obere  Fignr,  hangen  die  beiden  Papierknchen  jeder  Seite  nicht  durch  einen 
ftchmalen  Papierstreifen,  sondern  in  ganzer  Breite  zusammen,  eine  spätere 
nnwesentliche  Änderung. 


vom  6.  Januar  1870.  7 

steigender  Ladung  der  Elektroden  tritt  die  zweite  Phase  ein:  die 
Doppel -Influenz  der  horizontalen  Kuchen  nimmt  ab,  auf  die  roti* 
lende  Scheibe  strömt  vom  Elektrodenkamme  weniger  Elektricitflt, 
die  Doppel*Infiuenz  der  schrägen  Kuchen  wird  merklich,  vermehrt 
die  £1.  der  Scheibe  und  nimmt  so  lange  zu,  bis  sie  zuletzt,  wenn 
die  Elektroden  nicht  mehr  erregbar  sind,  allein  vorhanden  ist  In 
dieser,  dritten  Phase  wirken  die  horizontalen  Kftmme  nur  als  Ein- 
sanger, die  schrägen  nur  als  Err^er. 

Ist  der  Funke  aasgebrochen,  die  Elektroden  demnach  nur 
schwach  elektrisch,  so  beginnt  das  Spiel  von  Neuem.  Man  sieht, 
dafs  die  Maschine  sowol  bei  offenen  wie  geschlossenen  Elektroden 
erregt  werden  kann,  und  dafs  sie  bei  geschlossenen  oder  abgelei- 
teten Elektroden  bei  der  ersten  Phase  stehen  bleibt  und  weniger 
EL  zum  €rebrauche  liefert,  als  die  alte  Maschine,  welche  die  Com^ 
bination  (4-  m)  ( —  m)  ( —  p)  allein  benutzt,  hingegen  bei  geöffneten 
Elektroden  mehr  El.  liefert,  wenn  sie  die  zu  den  drei  Phasen  n5* 
tbige  Zeit  hindurch  wirkt  Im  Finstem  wird  das  beschriebene 
Spid  der  Maschine  dadurch  sichtbar,  dafs  je  zwei  einander  nächste 
Kämme  (zusammenhängenden  Kuchen  zugehörig)  bei  weit  geöffne- 
ten Elektroden  die  gleiche  Lichterscheinung  zeigen,  bei  geschlosse- 
nen Elektroden  die  entgegengesetzte  (Garben  und  Sterne). 

Der  Vorzug  der  neuen  zusammengesetzten  Maschine  vor  der 
neuen  einfachen  besteht  nicht  nur  darin,  dafs  sie,  wie  oben  erörtert 
wurde,  an  Elektricität  ergiebiger  und  dafs  bei  ihr  der  Polwechsel 
erschwert  ist,  sondern  auch  darin,  dafs  sie  eine  gröfsere  Ansamm- 
long  von  El.  erlaubt.  Die  horizontalen  Papierkuchen  unterstutzen 
nämlich  die  Einsaugung  der  El.  der  Scheibe  durch  die  Elektroden- 
kämme;  wenn  die  Kämme  der  einfachen  Maschine  so  stark  elek- 
trisch sind,  dafs  sie  von  der  Scheibe  keine  El.  mehr  aufnehmen, 
so  werden  me  es  an  der  zusammengesetzten  Maschine  tbun,  weil 
die  ihnen  gegenüberliegenden  Kuchen  £1.  derselben  Art  besitzen, 
von  der  die  aufzunehmende  EL  ist  Da  nun  die  Länge  der  Fun- 
ken von  der  Dichtigkeit  der  angesammelten  EL  abhängt,  so  wird 
die  zuletzt  beschriebene  Maschine  die  längsten  Funken  liefern.  An 
meiner  nicht  dazu  gebauten  sondern  nur  eingerichteten  Maschine, 
deren  rotirende  Scheibe  15  Zoll  breit  ist,  erhielt  ich  Funken  von 
6  Zoll,  und  an  einer  eigens  für  lange  Funken  gebauten  Maschine 
mit  14 zolliger  Scheibe  habe  ich  Funken  von  nahe  7  Zoll  Länge 
gesehen« 


8  OeiammtsUztmg 

Ein  Polwechsel  der  Maschine  wird  in  den  hfiufigsten  Ffilleii 
dadurch  herheigefahrt,  dafs  die  Elektrodenk&mme  bei  za  grofaer  eL 
Dichtigkeit  ihre  Elektricitfit  auf  die  rotirende  Scheibe  anBStrömeo« 
Die  yon  einer  Elektrode  mit  ihrer  El.  geladene  Scheibe  geht  dem 
aar  Elektrode  gehörigen  Kuchen  nahe  vorbei,  der  Elektricitfit  der* 
Beiben  Art  besitzt,  und  in  Folge  davon  diese  Elektricitfit  durch  die 
Cartonspitze  auf  die  von  der  Elektrode  abgewandte  Scheibenflfiche 
strömen  Ififst    Die  Scheibe  bringt  bei  der  Rotation  an  die  Carton- 
spitze   des  diametralen  Kuchens  die  entgegengesetzte  Elektricitfit 
von  der,  die  sie  ihm  früher  zugeführt  hatte  nnd  entladet  ihn.    Um 
ein  Beispiel  zu  geben:  die  negative  Elektrode  ströme  negative  Elek* 
tricitfit  auf  die  ihr  zugewandte  Scheibenflfiche,  diese  geht  an  dem 
negativen  Kuchen  vorbei,  der  in  Folge  davon  negative  El.  lauf  die 
abgewandte  Scheibenflfiche  strömen  Ififst;  die  erste  Flfiche  verliert 
ihre  Elektricitfit  am  scbrfigen  Kamme,  die  zweite  bringt  ihre  ne- 
gative El.  zur  Cartonspitze  des  positiven  Kuchens,  der  dadurch 
entladen  wird«    Besitzen  beide  Kuchen  Elektricitfit  in  nahe  gleicher 
Menge,  so  werden  sie  entladen,  die  Maschine  erlischt;  sind  die 
Mengen  ungleich^   so  behfilt  Ein  Kuchen  die  ihm  zugefuhrte  Elek- 
tricitfitsart  und  die  Maschine  kommt  mit  vertauschten  Polen  wieder 
in  Wirksamkeit.    AuTser  dieser  Veranlassung  des  Polwechsels  tritt 
noch  eine  andere  ein,  wenn  die  Elektroden  eine  starke  el.  Dichtig- 
keit plötzlich  verlieren.    Dies  zeigt  ein  auffallender  Versuch.    Man 
errege  die  Maschine  bei  geschlossenen  Elektroden;   sie  wird,    so 
lange    die  Scheibe   gedreht  wird>    ohne  Polwechsel  in  Thfitigkeit 
bleiben.    Offnet  man  aber  die  Elektroden,  nimmt  eine  Anzahl  langer 
Funken,   schliefst  die  Elektroden  oder  bringt  ihre  Enden  einander 
nahe  nnd   setzt  die  Drehung  der  Scheibe  fort,   so  erlischt  (unter 
Umstfinden)  die  Maschine  oder  wechselt  ihre  Pole«     Bei  schlechter 
(leitender)  Beschaffenheit   der   rotirenden   Scheibe   geschieht    Dies 
immer,  bei  guter  Beschaffenheit  zuweilen,  aber  auch  bei  dem  befs- 
ten  Glase  habe  ich  es  eintreten  sehen,  wenn  die  Luft  sehr  feucht 
war.     Der  Versuch   ist  ein  gutes  Prüfungsmittel  für  die  rotirende 
Scheibe.     Die  Ursache  dieser  Erscheinung   ist,    wie  früher,    das 
Ausströmen  der  Elektricitfit    der  Papierkuchen    auf  die    rotirende 
Scheibe.     Früher  wurde  es  durch   die  von  den  Elektroden  ausge- 
strömte Elektricitfit  veranlafst,  hier  dadurch,  dafs  die  Elektroden- 
kamme, so  lange  sie  stark  elektrisch  sind,  das  Ausströmen    der 
gleichnamigen  Elektricitfit    aus   den   ihnen   nahestehenden  Carton- 


vom  6.  Jtmuar  1870.  9 

spitzen  hindern  ^  und  dafs  diese  Hinderung  aofhurt,  ircnn  die 
Kämme  nnelektriscli  werden.  Natiiriich  erfolgt  die  Aasströmang 
um  flo  leichter,  je  dichtere  Elektricität  der  Kuchen  besitzt  und  je 
besser  leitend  die  ihr  naheliegende  Glasfläche  ist 

Je  längere  Funken  yon  einer  Elektrophormaschine  genommen 
werden,  desto  mehr  Gelegenheit  wird  zu  einem  Polwechsel  gegeben* 
Die  Elektroden  und  die  mit  ihnen  verbundenen  Flaschen  müssen 
zo  grofser  Dichtigkeit  geladen  werden,  leicht  strömt,  vor  dem 
Aasbruche  eines  Funkens,  die  Elektricität  der  Flaschen  und  danach 
die  der  Kuchen  auf  die  Scheibe ,  oder  nach  dem  Ausbruche  des* 
selben,  der  die  Elektroden  schwach  elektrisch  zurückläfst,  die 
Elektricität  der  Kuchen  allein,  und  in  jedem  von  beiden  Fällen 
erfolgt  das  Erloschen  oder  der  Polwechsel  der  Maschine.  Die 
gröfste  Länge,  bis  zu  welcher  man  die  Fanken  ohne  diese  Störung 
bringen  kann,  ist  nicht  nur  nach  der  Maschine  verschieden,  die 
man  benutzt,  sondern  auch  bei  derselben  Maschine  nach  dem  Zu- 
Stande  der  Luft.  Zur  Erlangung  einer  Reihe  von  Funken  gleicher 
Richtung  und  bedeutender  Länge  wird  daher  die  Elektrisirmaschine 
ein  besseres  Mittel  bleiben  als  die  Elektrophormaschine. 

Die  überzähligen  Conductoren. 

Das  erörterte  Spiel  der  Maschine  mit  zwei  Paaren  von  Papier- 
kachen  gibt  Rechenschaft  über  den  bisher  unerklärten  Nutzen 
der  überzähligen  Conductoren  an  der  ersten  Holtz*schen 
Maschine.  So  werden  von  Holtz  zwei  diametral  gestellte  Metall- 
kämme vor  der  rotirenden  Glasscheibe  genannt,  unbelegten  Stellen 
der  rahenden  Scheibe  gegenüber.  Jeder  Kamm  ist  entweder  mit 
der  ihm  in  der  Richtung  der  Drehung  folgenden  Elektrode  ver- 
bunden, oder  beide  Kämme  sind  mit  einander  verbunden.')  Hat 
die  Maschine  lange  geruht,  so  verhindern  die  überzähligen  Con- 
dactoren  ihre  Erregung,  ist  sie  aber  kurz  zuvor  längere  Zeit  in 
Gang  gewesen,  so  wirkt  die  Maschine  weiter  fort  und  die  Conduc- 
toren erschweren  die  Umkehrung  der  Polarität  der  Elektroden. 
Diese  Wirkung  ist  folgendermaafsen  abzuleiten. 

Die  rotirende  Scheibe  wird,  wie  ich  bei  der  Beschreibung  der 
alten  Maschine  gezeigt  habe,  durch  ihren  horizontalen  Durchmesser 


')   Poggd.  AdusI.  127.  323. 


10 


Gesammtsitzung 


in  entgegengedetzt  elektrische  HSlften  getheilt.')  Die  obere  Hfilfte 
der  rotirenden  Scheibe  Fig.  2  8ei  auf  beiden  Flfichen  negativ,  die 
untere  positiv,  es  seien  die  überzShligen  Conductoren  a  and  b 
nicht  vorhanden.  Bei  der  gebotenen  Richtung  der  Drehung  der 
Scheibe  erhalt  die  Elektrode  wie  der  Papierknchen  zur  rechteu 
Hand  negative  EL,  die  zur  linken  positive.  Nun  seien  die  Elek* 
troden  so  stark  elektrisch  geworden,  dafs  sie  durch  ihre  Papier- 
kuchen nicht  mehr  erregt  werden.  Die  rotirende  Scheibe  tritt 
unelektrisch  an  die  Elektroden;  es  strömt  von  jeder  Elektrode  die 
auf  ihr  angesammelte  El.  und  in  Folge  davon,  wie  oben  angegeben 
wurde,  auch  die  El.  der  Kuchen  auf  die  Scheibe.  Durch  die  Ro- 
tation wird  positive  El.  znm  negativen  Kuchen  gebracht^  negative 
zum  positiven,  und  die  Maschine  erlischt  oder  wirkt  mit  verwech- 
selten Polen  weiter  fort.  Dies  wird  erschwert  durch  Anbringung 
der  ttberz&hligen  Conductoren  a  und  &,  von  welchen  jeder  mit  der 
in  der  Drehungsrichtung  der  Scheibe  folgenden  Elektrode  metal- 
lisch verbunden  ist. 

Fig.  2.  4- 


Wie  ich  nämlich  am  angeführten  Orte  angegeben  habe,  liegt  der 
negativ  elektrischen  Hälfte  der  rotirenden  Scheibe  die  durch  Influenz 
positiv  gewordene  Hälfte  der  ruhenden  Scheibe  parallel  nahe,  und 
der  positiven  Hälfte  die  negativ  gewordene.')     Indem  die  elektrisch 


1)   Akad.  Monatsber.  1867.  198. 

')  Ks  ist  ein  bekannter  Versuch  dafs  wenn  die  Maschine  (auch  ohne 
überzählige  Conductoren)  längere  Zeit  gewirkt  hat,  und  die  ruhende  Scheibe, 
der  Drebungsrichtnng  der  beweglichen  entgegen,  so  weit  verschoben  wird,  dafs 
die  Elektrodenluunme   unbelegten   Stellen   der  ruhenden  Scheibe  gegenüber- 


vom  6.  Januar  1870.  11 

gewordene  ruhende  Scheibe  auf  die  überzähligen  Condactoren  er« 
regend  wirkt,  verhindert  sie,  dafs  die  rotirende  Scheibe  nnelek- 
trisch  an  die  ElektrodenkSrnme  tritt,  hebt  also  diesen  Grand  des 
Polwechseis  der  Maschine  auf.  Indem  2.  B*  die  linke  Seite  der 
rotirenden  Scheibe  an  den  überzfihligen  Condoctor  a  tritt,  wird  sie 
auf  beiden  Flächen  negativ  elektrisch  und  theilt  dem  negativen 
Kochen  und  der  Elektrode  e —  negative  EL  mit  Wenn  nfimlich 
die  Elektrode  e  +  so  stark  positiv  elektrisch  ist,  dafs  sie  vom 
positiven  Kuchen  nicht  mehr  erregt  wird,  so  kann  die  positiv 
elektrische  ruhende  Scheibe  dennoch  den  Gonductor  a  erregen,  weil 
dieser  negativ  elektrisch  ist  Die  Elektrode  e  —  erhilt  aber  hier- 
darch  keine  Verstärkung  ihrer  Elektricität.  Der  Condnctor  a  kann 
nämlich,  nach  dem  Orundgesetze  der  Influenz,  auf  die  Scheibe  nur 
gerade  so  viel  negative  Elektricität  strömen  lassen,  als  er  selbst 
positive  El.  zurückbehält,  und  diese  Elektricität  gibt  er  der  mit 
ihm  verbundenen  Elektrode  e  — ,  aerstort  also  die  zogefuhrte  ne^ 
gative  £1. 

So  lange  die  Elektrodenkämme  noch  erregbar  sind  und  die 
Scheibe  mit  £1.  versehen,  wird  diese  Elektricität  nutzbar,  da  ein 
Theil  derselben  von  je  einem  Gonductor  aufgenommen  zu  einer  der 
Elektroden  gefuhrt,  das  Übrige  von  der  Elektrode  direkt  aufge- 
nommen wird.  Die  elektrische  Dichtigkeit  in  den  Elektroden  wird 
durch  die  Ck>nductoren  theils  dadurch  verstärkt,  dafs  diese  die 
Ansdehnung  der  mit  ihnen  verbundenen  Elektroden  vergröfsem, 
die  Zeit  also  verlängern,  während  welcher  die  Elektroden  erregbar 
bleiben,  theils  dadurch,  dafs  durch  sie  die  Kuchen  stärker  elek- 
trisirt  werden,  die  nun  länger  auf  die  Elektroden  zu  wirken  ver- 
mögen. Die  Figur  macht  nebenbei  deutlich,  weshalb  die  Condnc- 
toren  die  Erregung  der  Maschine  verhindern.  Es  sei  der  positive 
Kachen  elektrisch;  die  rotirende  Scheibe  gibt  ihre  ganze  negative 
El.  an  den  Gonductor  a  ab,  weil  die  ruhende  Scheibe  noch  nicht 


stehn,  die  Maschine  kürzere  oder  längere  Zeit  fortwirkt,  ganz  so,  nur  mit 
geringerer  Elektricitätsmenge,  aU  ob  die  Papierkuchen  den  Kämmen  gegen- 
fiberstinden.  Daraus  folgt,  daCs  die  rahende  Scheibe  unterhalb  des  nega- 
tiven Kucbens  in  der  Figur  negativ,  und  oberhalb  des  positiven  Kuchens  po- 
fitir  elektrisch  ist.  Diese  Elektricität  der  ruhenden  Scheibe  unterstfitzt  die 
Aufnahme  der  £1.  der  rotirenden  Scheibe  durch  die  Elektrodenkämme. 


12  GesammUttzung 

elektrisch  geworden  ist,  die  rotircnde  Scheibe  tritt  unelektrisch  an 
den  Kuchen  der  Elektrode  e —  und  kann  ihn  nicht  elektrisiren. 
Ist  der  Condttctor  a  kurz  und  nicht  mit  der  Elektrode  e —  yer- 
bunden,  so  nimmt  er  nur  wenig  Elektricit£t  von  der  Scheine  aaf 
und  Ififst  so  viel  davon  zurück,  um  die  Maschine  in  Gang  zu 
setzen. 

Die  in  den  überzähligen  Gonductoren  erregte  Elektricitfit  wird 
fortgeschafft,  wenn  man  ihre  Verbindung  mit  den  Elektroden  (nach 
Holtz:  Seitenverbindung)  aufhebt  und  beide  Gonductoren  durch 
einen  Metall- Drath  oder  Stab  mit  einander  verbindet  (direkte  Ver- 
bindung)^); dann  gleichen  sich  die  beiden  entgegengesetzten  Elek- 
tricitäten  der  Gonductoren  aus,  die  von  ihnen  auf  die  Scheibe  aus- 
geströmte Elektricität  gelangt  nutzbar  in  die  Elektroden,  und  diese 
können  zu  höherer  Dichtigkeit  geladen  werden,  weil  die  Erregung 
der  Conductorenkfimme  unabhängig  von  der  Elektricitätsmenge  ist, 
welche  die  Elektroden  besitzen.  Es  entsteht  aber  der  Nachtheil, 
dafs  in  gleicher  Zeit  eine  viel  geringere  Elektricitätsmenge  von  der 
Maschine  geliefert  wird,  als  früher.  Wenn  die  Gonductoren  fehlen 
oder  mit  den  Elektroden  verbunden  sind,  so  tritt  die  von  jeder 
Elektrode  der  Scheibe  mitgetheilte  El.  (abgesehn  von  der  Zer- 
streuung in  die  Luft)  voUstfindig  in  die  diametrale  Elektrode  ein, 
bei  unter  einander  verbundenen  Gonductoren  nur  zum  Theil.  Um 
ein  Beispiel  zu  geben:  Wenn  die  Gonductoren  a  und  b  in  Fig.  2 
mit  einander  verbunden  sind,  so  geht  von  der  negativen  EL,  welche 
die  Elektrode  e  -h  der  Scheibe  mittheilt,  ein  grofser  Theil  auf  den 
Gonductor  a  über,  weil  die  ruhende  Scheibe,  a  gegenüber,  noth- 
wendig  weniger  dichte  positive  Elektricität  besitzt,  als  der  positive 
Papierkuchen.  Die  von  a  aufgenommene  negative  Elektricität  gleicht 
sich  im  Verbind ungstabe  mit  der  vom  Gonductor  b  aufgenommenen 
positiven  El.  aus  und  geht  für  den  Effekt  verloren.  Erst  wenn 
die  Elektroden  aufgehört  haben,  erregt  zu  werden,  verstärken  die 
Gonductoren  die  El.  der  Elektroden,  erlauben  also  längere  Funken 
und  erschweren  den  Polwechsel  der  Maschine.  Weniger  Elek- 
tricität wird  durch  die  Gonductoren  vernichtet,  die  Maschine  wird 


'}  Dafs  behufs  langer  Funken  die  direkte  Verbindung  vortheilhalter  ist, 
als  die  Seiten^erbindung,  hat  Poggendorff  gezeigt,  und  dabei. die  Ober- 
zahligen  Gonductoren  nicht  normal,  sondern  schräg  gegen  die  Verbindungs- 
Jinie  der  Elektroden  gestellt.     Pogg.  Annal.  136.  171. 


tom  6,  Januar  1870.  13 

ergiebiger,  wenn  man  die  den  Condoctoren  gegenüberliegenden 
Stellen  der  rahenden  Scheibe  ebenso  stark  elektrisch  macht,  wie 
die  Kuchen  es  sind,  was  geschieht,  wenn  man  auf  der  ruhenden 
Scheibe,  jedem  Condnctor  gegenfiber,  ein  Papierstuck  anbringt  und 
durch  einen  Papierstreifen  mit  dem  in  der  Drehungsrichtung  vor- 
angehenden Kuchen  der  Maschine  verbindet,  in  andern  Worten: 
indem  man  die  neue  Maschine  herstellt,  die  oben  betrachtet  wurde. 
Dies  ist,  nach  meiner  Erfahrung,  stets  gerathen,  wenn  man  lange 
Funken  erhalten  will.  Die  überzähligen  Conductoren  allein  sind 
von  unsicherm  Gebrauche,  da  ihre  Wirksamkeit  verlangt,  dafo  die 
ruhende  Scheibe  stark  elektrisch  sei,  was  erst  nach  längerer  Thä- 
tigkeit  der  Maschine,  nicht  bei  jeder  roHrenden  Scheibe  und  bei 
derselben  Scheibe  nicht  zu  jeder  Zeit  in  gleichem  Maafse  der  Fall 
ist  Die  beschriebene  neue  Elektrophormaschine  mit  zwei  Kuchen* 
paaren  ist  dagegen  stets  leicht  und  sicher  aus  der  alten  Maschine 
mit  zwei  Kuchen  herzustellen^)  und  sogleich  erregbar. 


Hr.  Mommsen  legte  die  von  den  Herren  Bormann,  Hen- 
zen,  Hübner  und  Renier  erstatteten  Berichte  über  den  Fortgang 
der  Arbeiten  am  Corpus  inscriptionum  Latinarnm  während  des 
Arbeitajabrs  1.  Nov.  1868  —  31.  Oct  1869  nebst  seinem  eigenen 
Berichte  vor. 

Hr.  Henzen  zeigt  an,  dafs  der  erste  Theil  des  Manuscripts 
der  nrbanae,  den  grofseren  Theil  der  sacrae  umfassend|  zum  Ab- 
druck nach  Berlin  abgesendet  und  das  übrige  für  den  ersten  Band 
der  nrbanae  erforderliche  Material  ebenfalls  im  Wesentlichen  druck- 
fertig sei.  In  Folge  dessen  ist  sofort  das  nach  Berlin  gesandte 
Manuscript  hier  durch  Hm.  Henzens  bisherigen  Gehülfen  bei  der 
Ausarbeitung  dieser  Abtheilung,  Hrn.  Bormann,  einer  schliefs- 
lichen  Druckrevision  unterzogen  und  unter  dessen  Leitung  der 
Druck  derselben  —  der  sechsten  des  ganzen  Werkes  —  in  AngriiF 
genommen  worden.  —  Hr.  Hübner  hat  den  Druck  des  zweiten 
Bandes,    der  Spanien  und  Portugal  umfafst,    beendigt  und  ist  der- 


>)   £•  genOgt,   die  schrigen*  Papier-Kuchen  nnd  -Streifen  an  der  ruhen- 
den Scheibe  mit  Wachs  tu  befestigen. 


14  Gesammtsitzung 

selbe  xit  Michaelis  1869  erschienen.  Die  Vorarbeiten  für  die  sie- 
bente, Britannien,  Gallien  nnd  Germanien  umfassende  Abtheilung 
sind  so  weit  vorgeschritten,  dafs  zu  Anfang  des  J.  1870  mit  dem 
Druck  der  britannischen  Inschriften  begonnen  werden  kann.  — 
Hr.  Renier  hat  im  Herbst  1869  einen  grofsen  Theil  derjenigen  Pro« 
Tinzen  des  mittleren  Frankreichs  besucht,  die  noch  nicht  yon  ihm 
durchforscht  worden  waren,  und  denkt  im  Laufe  des  nächsten  Jahres 
diese  Reisen  abschliefsen  zu  können,  während  gleichzeitig  die  littera- 
rischen Vorarbeiten  für  Frankeich  von  ihm  energisch  gefördert  werden. 
Der  Druck  der  franzosischen  Inschriften  wird  sich  also  an  den  der 
englischen  und  deutschen  ohne  Unterbrechuag  anschliefsen  können. 
Gleichzeitig  hat  Hr.  Renier  seine  Collectaneen  für  Africa  nicht 
blos  durch  Einreihung  alles  neu  Gefundenen  ergänzt,  sondern  auch 
f&r  die  bisher  von  ihm  nur  unvollkommen  durchforschte  Provinz 
Gran  neue  und  werthvoUe  Grundlagen  gewonnen.  —  Der  Druck 
der  von  Hrn.  Mommsen  bearbeiteten  Bände  ist  in  Band  III  von 
S.  456  bis  S.  640,  in  Band  V  von  S.  88  bis  S.  168  vorgeschritten; 
es  ist  ferner  theils  durch  eine  Reise  des  Hrn.  G.  Wilmanns,  jetzt 
Professors  in  Dorpat,  eine  für  Steiermark  gebliebene  Lücke  aus- 
geHillt,  theils  durch  eine  Reise  Hrn.  Mommsens  das  für  Piemont 
und  den  östlichen  Theil  der  Lombardei  noch  mangelnde  Material 
herbeigeschafft  und  gesichtet  worden.  —  Der  Druck  des  von  Hrn. 
Zangemeister  übernommenen  vierten  Bandes,  die  pompeianiscbcn 
Wand-  und  Griffelinschriften  enthaltend,  ist  in  diesem  Jahr  nicht 
vorgeschritten.  —  Die  finanzielle  Lage  des  Unternehmens  konnte 
als  durchaus  befriedigend  bezeichnet  werden.  Gb  durch  den  Über- 
gang des  Drucks  auf  eine  andere  mit  grofseren  Räumlichkeiten 
versehene  Officin  die  angestrebte  raschere  Forderung  des  Erschei- 
nens erreicht  werden  wird,  läfst  sich  zur  Zeit  noch  nicht  sagen, 
da  der  Wechsel  erst  in  den  Sommermonaten  ausgeführt  worden  ist. 


An  eingegangenen  Schriften  nebst  Begleitschreiben  wurden  vor- 
gelegt: 

Bartolomeo  Borghesi,  Oeuvres  conipletea.    Vol.  5.  C.   Paris  1868.  1869.  4. 
Cataiogue  qf  scientific  Papere.     Vol.  III.     London  1869.     4. 
'    Recueil   des   ordonnances   de   la  principcmte   de   Lihffe,      Denxieme  Serie. 
Vol.  1.    Bruxelles  1869.     4.    Mit  Rescript  vom  23.  Dec.  1869. 


vom  13.  Januar  1870.  15 

F.  de  Botella,  Detcripeion  geoio^co^minera  de  ia§  proritteiM  de  Murcia 

y  Äibacete,     Madrid  1669.    foL 
Greemeick  Observations  in  the  year  1867.     London  1869.     4. 
BuUeHn  of  the  Museum  of  Comparatire   Zoohgy,     no,  9 — 13.     Cambridge 

1 869.     8. 
Schriften  der  eudslarischen  Akademie,     Heft  9.     Agram  1869.     8. 
Hagueny,   Le  coup  de  foudre  de  Vlle  du  Rhin,     Strasbourg  1869.     4. 
Peters,  Die  Burgkapelle  zu  Iben,     Bonn  1869.     4. 
Naphegyi,   The  grand  review  of  the  dead.  (Poem,)    New  York  1869.    8. 


13.  Januar.     Gesammtsitzmig  der  Akademie. 

Hr.  Pertz  las  über  den  2l8ten  Band  der  Scriptoren  der  nio-> 
numenta  Germaniae  und  die  Octavausgaben  des  Helmold,  Arnold, 
Monumenta  Welfica  und  Gislebertl  chronicon  Hannoviae. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Abhandlungen  der  Senckenbergiechen   natur/orschenden  Gesellschaft,     7.  Bd. 

1.  n.  2.  Heft.     Frankfurt  a.  M.  1869.     4. 
Berliner  Astronomisches  Jahrbuch  für  1672,    Beriin  1870.     8. 
Atti  deila    societa   italiana    delle   scienze   natwrali.     Vol.  XII,  1.     Milano 

1869.     8. 
Annales  aeademici,   1864—1865.    Lngd.  Bat.  1869.     4. 


17.  Januar.     Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  W.  Peters  las  über  den  Ductus  pneumaticus  des 
Unterkiefers  bei  den  Crocodiien. 

Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  wissenschaftlichen  Zoologie 
ist  die  Erforschung  der  homologen  oder  genetisch  gleichen  Organe 
bei  den  Thieren  desselben  Typus.  Die  fiuDserst  mannicbfaltige  Form 
und  EntwickeluDg  der  bei  den  verschiedenen  Thieren  vorkommen- 
den identischen  Theile,  ihre  wechselnden  mehr  oder  weniger  inni- 


16  GesammUitzung 

gen  Beziehungen  za  den  sie  umgebenden  Theilen  und  die  Mod^- 
cationen  dieser  letzteren  machen  solche  Untersuchungen  oft  äufserst 
schwierig  und  fuhren  bei  den  verschiedenen  Forschern  zu  den  ver- 
schiedensten Resultaten. 

In  der  Geschichte  der  Wirbelthiere  finden  wir  in  dieser  Hin- 
sicht nichts,  was  zu  der  Aufstellung  so  verschiedener  Ansichten 
Veranlassung  gegeben  hätte,  wie  das  Bestreben,  die  den  Gehör- 
knöchelchen der  Säugethiere  homologen  Theile  bei  den  anderen 
Wirbelthieren  und  das  diesen  zukommende  Quadratbein  bei  den 
Säugethieren  aufzufinden.  Ich  selbst  bin  angeregt  worden,  der 
Akademie  mehrere  auf  diesen  höchst  interessanten  Punkt  bezug- 
liche Mittheilungen  zu  übergeben^)  und  hatte  geglaubt,  das  für 
diesen  Gegenstand  mir  vorliegende  sparsame  Material  erschöpft  zu 
haben. 

Eine  neuere  Abhandlung  von  Hm.  Huxley  über  denselben 
Gegenstand')  hat  mich  indessen  veranlafst,  meine  Untersuchungen 
noch  einmal  sorgfällig  zu  wiederholen.  Wenn  ich  dabei  auch  nicht 
zu  einem  anderen  Endresultat  habe  gelangen  können^  so  habe  ich 
doch  einige  Berichtigungen  und  Erläuterungen  hinzuzufügen,  wel- 
che zur  YervoUständigung  meiner  früheren  Mittheilungen  nicht  an- 
wichtig  sein  durften. 

Hr.  Huxley  hat  an  einem  jungen  Crocodilu$  biporcatus  die 
Beobachtung  gemacht,  dafs  das  Quadratbein  zwei  grofse  Luftzellen 
enthält,  welche  durch  einen  ganz  kurzen  pneumatischen  Gang  (den  er 
für  ganz  identisch  mit  dem  von  Stannius  beobachteten  hält)  mit 
dem  Gelenktheil  des  Unterkiefers  unmittelbar  hinter  und  über  dem 
Gelenk  in  Verbindung  gesetzt  werden  und  hiervon  eine  bildliche 
Darstellung  gegeben.')  Er  hat  ferner  einen  nicht  mit  dem  Ham- 
mer in  Verbindung  stehenden  länglich  dreieckigen  Knorpel  gefun- 
den, welcher  zwischen  Jenem  und  dem  Ductus  pneumaticus  gele- 
gen ist  und  er  hat  keine  Grenze  (kein  Gelenk  und  keinen  Zwi- 
schenknorpel) zwischen  Hammer  und  Columella  finden  können  und 
schliefst  nun,  daXs  überhaupt  keine  ursprüngliche  Enorpelverbindang 
zwischen  dem  Hammer  und  dem  Meckelschen  Knorpel  des  Unter- 


1)  Jifo;iaf96ericA«e.l867p.725u«779;lS68p.692;  1869p.5. 
')  Proceed,  Zoolog,  Society,  Lond,  1869.  p.  391. 
»)  1.  c.  p.39*Fig.l. 


vom  17.  Januar  1870*  17 

kiefers  ezisdre,  sowie,  Torzuglioh  nach  dem  Verhalten  dieser  Theile 
hei  Sphenodon,^)  dafo  der  von  mir  als  Hammer  (identisch  mit  dem 
von  Breschet  hei  V5geln  entdeckten)  gedeutete  grofse  Knorpel 
ein  doppelter  Ans-wnchs  des  Stapes  (Colamella)  sei,  den  er  mit 
dem  Amhos  der  Sftugethiere  vergleicht,  wfthrend  er  als  Homologon 
des  Hammers  nan  nicht  mehr  den  Golenktheil  des  Unterkiefers, 
sondern  das  Qaadrathein  hetrachtet. 

Dafs  diese  von  Hm.  Haxley  durchgeführte  Deatnng  meiner 
Yorstellong  nicht  fem  lag,  ehe  ich  an  die  Untersuchung  des  Cro- 
codils  ging,  wird  man  leicht  aus  meiner  ersten')  und  sweiten') 
Bfittheilnng  ersehen  nnd  ich  kann  hinzufügen,  dafs  mein  Freund, 
Hr.  Flow  er,  in  der  mit  ihm  über  diesen  Gegenstand  geführten  Cor> 
respondenz  schon  am  11.  Deeemher  1867  die  Yermuthung  aussprach, 
es  wftre  vielleicht  der  Hammer  allein  das  Quadratbein.  Es  dürfte  dar- 
aus hervorgehen,  dafs  wenn  ich  bei  der  Untersuchung  des  Croco« 
dils  und  der  Vogel  schliefslich  zu  einem  ganz  anderen  Resultat 
kam,  dieses  nicht  die  Folge  einer  vorgefafsten  Meinung  war,  son- 
dern trotz  der  letzteren  geschah. 

Vielleicht  würde  es  mir  ebenso  ergangen  sein  mit  Hm.  Hux- 
lej's  Arbeit,  wie  es  ihm  mit  der  meinigen  ergangen  ist,  wenn  ich 
nicht  glücklicherweise  neuerdings  Crocodilfotus  (merkwürdigerweise 
in  den  meisten  europäischen  Sammlungen  eine  grofse  Seltenheit!) 
erhalten  hfitte,  die  ungefähr  in  demselben  Alter  stehen,  wie  der 
von  Hm.  Haxley  untersuchte.  Ich  fand  sogleich  ohne  Schwie- 
rigkeit den  von  ihm  dargestellten  Gang  zwischen  dem  Gelenktheil 
des  Unterkiefers  und  dem  Quadratbein  so  wie  letzteres  ganz  pneu- 
matisch nnd  oben  offen  mit  der  Trommelhöhle  communicirend. 
Von  dem  hinteren  Ende  des  ftufseren   beilförmigen   Hammerfort- 


1)  Ich  inaüi  mich  jeder  Vermuthnng  Aber  eine  anderweitige  Deutung 
der  in  Rede  stehenden  Theile  bei  Sphenodon  enthalten,  da  es  mir  nicht  ge- 
lungen ist,  ungeachtet  Tieljfihriger  Bemfihnngen  ein  Esemplar  dieses  nensee- 
lindischen  Sauriers  cu  erhalten. 

')  Monat9heriehtlSQ7,p.729.  „Es  ist  möglich  nnd  erscheint  mir  sogar 
wahrscheinlich,  dab  der  Hammer  bei  den  Vögeln  mit  zur  Bildung  des  Qua- 
dnUbeins  beitrfigt* 

*)  Ibid.  p.  780.  „Auffallend  ist  femer  die  aufserordentliche  Grofse  des 
langen  Hammerfortsatzes,  der  im  Verhftltnifs  zu  der  G^öfse  des  ganzen  Thie- 
res  eine  so  riesige  Entwickelung  zeigt,  wie  bei  keinem  anderen  Säugethier.* 
[1870]  2 


18  Sitzung  der  pkyBikalißch-mathefnaÜschen  Klasse 

Satzes  geht  ein  g^rummter  dünner  Knorpelfkden  aus,  d^r  bald  et- 
was  dicker  und  platter  (Stylohyoid-Knorpel  Hnxley's)  wird 
nnd  dann  sich  zuspiteend  fadenförmig  dünn  in  der  Richtung  nach 
dem  Foramen  pneumaticum  des  Unterkiefers  hin  eich  verliert 
Eine  Continuität  der  ColumeUa  nnd  des  Hammerknorpels  an  den 
mir  vorliegenden  Exemplaren  verschiedenen  Alters  mufs  ich  dage- 
gen  entschieden  bestreiten,  denn  derselbe  (der  eztrastapedial  und 
suprastapedial  cartilage  Huxley's  zusammen)  setzt  sich  mit  seiner 
kurzen  Basis  durch  eine  regelmäfsige  Convezität  gegen  das  verschie- 
den aussehende  äufswe  Columellen-Ende  ab/)  dessen  Deutung  als 
rudimentfiren  Ambos  ich  aber  längst  aufgegeben  habe,  nachdem  ich 
mich  wiederholt  von  dem  Mangel  desselben  bei  den  Vögeln  über- 
zeugt habe.  Aber  dafs  ein  Organ,  welches,  wie  der  Ambos,  bei 
den  Sfiugethieren  gradatim  von  den  höheren  zu  den  niederen  all- 
mählig  abnimmt,  indem  es  bei  Tachyglossus*)  zu  einer  kleinen  plat- 
tenformigen  Epiphyse  des  Hammers  wird,  bei  den  Vögeln  aber 
spurlos  verschwunden  ist,  nun  auf  einmal  bei  den  noch  niedriger 
stehenden  Grocodilen  in  Form  einer  groüsen,  wenigstens  8  bis  10 
Millim.  langen  und  breiten  Platte  aufs  Neue  auftreten  sollte,  durfte 
wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben.  Hr.  Huxley  hat  bei 
dem  Taehyglossus  ebenfalls  den  grofsen  Hammermuskel  beschrie- 
ben und  die  int^essanie  Beobachtung  gemacht,  dafs  der  Muse,  sta- 
pedius  bei  den  Sehnabelthieren  ganz  fehlt  Trotzdem  nun  das 
Aufgehen  des  Amboses  in  den  Hamnier  bei  dem  Tachyghssus  die  eng- 
sten Beziehungen  dieser  beiden  Gehörknöchelchen  zu  einander  noch 
mehr  beweist,  hebt  Hr.  Huxley  im  Gegcntheil  die  Beziehungen  zwi- 
schen Ambos  und  Stapes  als  engere  hervor  und  trotzdem  der  Sta- 
pediusmuskel  bei  den  Sehnabelthieren  bereits  ganz  verschwindet, 
ist  ihm  der  bei  den  Grocodilen  auftretende  Muskel')  nicht  der 
Hammermuskel,    sondern  der  Stapedius  oder  vielmehr,    da  er  den 


')  Bei  den  Vögeln  liegt  der  bereits  von  Breschet  „Hammer*  genannte 
enteprechende  Knorpel  anfangs  lose  vor  der  Columella,  w&hrend  von  dem 
ftafsem  Ende  dieser  letzteren  ein  Fortsatz  ausgeht  (Monatsber,  1868.  pag.  59S 
Taf.  lFig.4u.4a),  welcher  sieh  mit  dem  Zungenbeinbogen  verbindet« 

')  Echidna  ist  ein  viel  früher  von  Forster  an  eine  Aalgattong  ver* 
gebener  Name. 

*)  Dieser  Huxley 'sehe  Muskel  ist  flbrigens  ganz  verschieden  von  dem 
von  mir  beschriebenen  M.  malleus. 


CO»  fr.  Januar  i87(L  19 

groben  yon  mir  als  Hammer  gedeuteten  Knorpel  als  den  ane 
dem  StapeB  hervorsproasenden  Amboa  betrachtet,  ein  gana 
neuer  Ambosmuskel. 

Ich  hatte  bisher  nur  jfingere  Embryonen  in  Weingeist  und 
allerdings  für  die  Untersuehnng  leicht  t&uschende  Schädd  gröfserer 
Exemplare  zur  Disposition. 

Bei  dem  ganz  jungen  Embryo  des  von  mir  abgebildeten^) 
Croeodilus  biporoatus  bin  ich  dorch  die  grofee  Ähnlichkeit,  die  das 
knorpeUge  Qoadratbein  in  diesem  Stadium  mit  dem  Hammerknor» 
pel  hat,  und  aus  zu  grofa^  Schonung  für  das  seltene  Object  zu 
einer  Verwechselung  beider  verleitet  worden  und  so  in  denselben 
Fehler  verfallen,  auf  den  ich  früher  selbst')  ebenso  wie  Hr«  Hnx« 
ley  jetzt')  aufmerksam  gemacht  haben.  Wenn  dieses  auch  an  dem 
ganzen  Sachverhalt  nichts  ändert,  so  bin  ich  doch  gern  bereit,  einen 
Irrtham  einzugestehen,  auf  den  ich  durch  die  belehrende  Abhand- 
lang des  Hrn.  Huxley  aufmerksam  gemacht  worden  bin. 

In  diesem  Stadium  nun  ist  der  Meckelsche  Knorpel  bis  zu 
seinem  hinteren  in  dem  Articulare  gelegenen  Theile  ganz  solide« 
Die  nächstfolgenden  Stadien  fehlen  mir  und  es  wfire  sehr  erwünscht, 
wenn  die  Naturforscher  in  den  krokodilreichen  Gegenden  Suiten 
von  Crocodilembryonen  für  diese  so  wichtigen  Untersuchungen  sam«« 
*  mein  wollten«  In  einem  bedeutend  alteren  Embryo  von  Croeodiltu 
tulgarisy  ebenfalls  bereits  von  mir  in  naturlicher  GroTse  abgebil« 
det,^)  der  aber  jünger  als  der  von  Hrn.  Huxley  abgebildete  von 


1)  Monaisber,  1868.  p.  598.  Taf.  1  Fig.  1. 

')  lfonat«6er.  1867.  p.  727.  aOhne  namentlich  auf  diesen  letzten  Cm- 
fftaad  RQekaicht  zu  nehmen,  ist  ans  der  Ähnlichkeit,  welche  zwei  ans  dem 
MeckelseheD  Fortsatz  herroigehende  oder  mit  demselben  zusammenhängende 
Theile,  der  Gelenktheil  des  Unterkiefers  der  Vögel  und  Amphibien  und  der 
hinter  dem  Unterkiefer  liegende  Hammer  der  Säugethiere  zu  einer  gewissen 
Entwickelungszeit  mit  einander  haben,  auf  die  Homologie  dieser  Theile  ein 
Schill  fs  gemacht  n.  s.  w.^ 

')  1.  c.  p.  403. »and  as  the  incus  and  the  malieus  ossifj,  no- 
thing can  seem  closer  than  the  resemblance  which  they  bear  to  the  quadratum 
and  the  articulcare  respectively.  Hence  Reichert  conceived  that  the  quadratum 
was  the  homologue  of  the  tAcirs,  and  the  malleus  that  of  the  articulare^  and 
I  have  fallowed  him.  But  the  study  of  Sphenodon  and  of  the  Crocodüe  hu 
led  me  to  belleye  that  we  have  fallen  into  an  error.* 

«)  MonaUhtr.  1 868.  p.  598  Taf.  1.  Fig.  2. 

2» 


30  Sitzung  der  phyäikaUiek^mathenuitischen  Kiaise 

Cr^  h^pareisiui  ist»  bildet  der  Knorpel  des  Arttcnlare  noch  ein  Con- 
tinnum  mit  dem  vorderen  Ende  des  Meckelsehen  Knorpels.  •  £r  bil- 
det aber  auch  bereits  eine  Hoble  und  diese  Höhle  hftngt  darch 
einen  ganz  kurzen  Gbmg,  der  noch  kürzer  ist  als  in  dem  Hnxlej- 
achen  Falle,  mit  dem  ganz  hohlen  Os  quadratum  zusammen.  Die- 
sen letzteren  habe  ich  nun  in  Verfolgung  des  dünnen  Knorpelstrangs, 
welcher  Hammer  und  Articnlare  rerbindet,  fibersehen,  indem  ich, 
wie  man  sehen  wird,  nur  die  Richtung  des  bleibenden  Ductus  pneu- 
maticus  imd  nicht  die  des  von  Hm.  Huxley  beschriebenen  provi- 
sorischen (das  Endstfick  des  bleibenden)  vor  Augen  hatte. 

Zur  Orientirnng  über  diesen  Gegenstand  möge  das  isolirte 
Quadratbein  (Taf.  I  Fig.  1)  eines,  50  Cenlimeter  langen,  gespreng- 
ten SchSdela  von  Oroeodilus  paro$u$  Schneider  (Cr.  hiporeatu9 
Cuv.)  dienen,  also  von  derselben  Art,  an  welcher  Hr.  Huxley 
seine  Untersuchung  gemacht  hat. 

Durch  den  an  der  oberen  inneren  Seite  des  Quadratbeins  ge- 
legenen Luftcanal  (dp.)  ist  zuerst  eine  Sonde  hindurchgefuhrt. 
Darauf  ist  derselbe  in  der  Art  aufgemeifselt  worden,  dafs  der  An- 
fang und  das  Ende^  an  welches  letztere  sieh  der  fibröse  Ductus 
pneumaticus  anschliefst,  so  wie  zwei  mittlere  kleine  Brücken  ste- 
hen geblieben  sind,  um  ein  deutliches  Bild  von  dem  Verlaufe  und 
von  dem  Durchmesser  der  verschiedenen  Gegenden  des  Canals  zu 
haben.  Von  keiner  Stelle  dieses  Canals  geht  irgend  ein  Neben- 
canal  ab  in  das  Innere  des  Knochens  und  auch  an  anderen  SchS- 
dein,  wo  das  hintere  Ende  des  Canals  biosgelegt  ist,  findet  sich 
keine  Spur  eines  in  das  Innere  des  Quadratbeins  eindringenden 
Canals.  Auch  ist  hierzu  um  so  weniger  irgend  eine  Veranlassung, 
als  die  inneren  Luftzellen  des  fötalen  Quadratbeins,  wie  mitten 
durch  diesen  Knochen  in  verschiedener  Richtung  gefahrte  Schnitte 
lehren,  nun  verschwunden  sind  und  an  deren  Stelle  sich  nur  mehr 
oder  minder  grofse  ringsum  geschlossene  Markzellen  finden.  Auch 
das  Os  articulare  ist  bei  demselben  Exemplare  von  Croe,  porostts 
nun  fast  ganz  solide  und  der  feine  Luftcanal  ist  äufserst  eng  und 
fuhrt  durch  ein  langes  nach  innen,  unten  und  vom  gerichtetes  Ca- 
nälchen  in  eine  dreizellige  Knochenhöhle. 

Es  dürfte  hieraus  hervorgehen,  dafs  der  von  Hrn.  Huxle^' 
beschriebene  provisorische  Luftkanal  zwischen  dem  Articulare  und 
Quadratbein  sehr  verschieden  ist  von  dem  hier  beschriebenen  blei- 
benden Luftcanal,  welcher  das  Articulare  direct  mit  der  Trom- 


l|inu»l«Ti!.Bfri,lkad.dWsfl  Wtf. 


vom  17.  Januar  1870.  2  t 

melhohle  in  Veibindang  «etit  und  welcher  auch  ron  Stannius 
offenbar  nicht  seinem  gancen  Yerlaiif  nach  verfolgt  worden  ist') 
Dieser  bleibende  Luftcanal  hat  in  den  früheren  Entwickelungssta» 
dien  dieselbe  Richtung  wie  der  embryologische  Knorpelfaden,  von 
dem  der  von  Hm.  Haxle  j  beschriebene jyStylohyoidknorpel''  ein  Ru- 
diment ist.  Der  Canal  für  den  Knorpelstrang  liegt  aber  oberflfich- 
lieber  nnd  fKllt  nachher  mit  dem  für  den  Nerrns  facialis  aosam- 
men,  wird  daher  TerhAltnifsm&fsig  immer  kurser  und  der  Knorpel  ia 
semem  Endtheile  nar  dorch  einen  Bindegewebsstrang  reprSsentirt, 
während  jener  Lnftkanal  an  Lfinge  mit  dem  Wachstham  des  Schft- 
dels  immer  annimmt. 

Die  Entwickelnngsstadien  zu  verfolgen,  welche  zwischen  die- 
sen verschiedenen  Bildungen  (der  vollkommenen  Pneumaticitfit  des 
Qaadratbeins  und  der  Reduction  auf  den  feinen  Luftcanal)  liegen, 
dazu  werden  ganze  Reihen  von  Exemplaren  erforderlich  sein.  Die 
vorliegenden  Mittheilungen  durften  jedoch  genügen,  um  zu  zeigen, 
wie  viel  uns  noch  fehlt  an  einer  erschöpfenden  Kenntniis  der  bekann« 
testen  Thiere  und  wie  fem  wir  daher  noch  sind  von  einer  Erkennt 
nifs  der  lur  das  Thierreich  allgemein  gültigen  Gesetze. 

'}  Er  wQrde  Bonst  {Handbuch  der  Zootomie.  l%b%.VL  p.b9)  nicht  gesagt 
haben,  dafs  die  Unterkiefenellen  durch  den  Canal  mit  ^den  Luft  feilen 
der  Schädelknochen*  commimiciren. 


Erklftrung   der  Abbildungen. 

Taf.  L  Flg.  1.  Qoadratbein  von  einem  50  Centimeter  langen  Schädel 
des  Crocodiius  poroau9  Schneider,  durchsagt,  ron  oben  gesehen,  ((p.  Luft- 
canal;  c.  c.  Markzellen.     In  natfirlicber  Gröfse. 

Fig.  2.  Os  articulare  desaelben,  durchsägt,  dp.  Luftcanal;  cp.  Luftcel- 
len.    In  natfirlicher  Gröfse. 

Tat  IL  Flg.  1.  Meckelscher  Knorpel  (/,/),  geöffnete  Höhle  desselben 
(ca9.),  knorpeliger  Yerbindungsstrang  (x,  i)  mit  dem  Hammer  (m)  von  Cr» 
tuigeariSf  dessen  Kopf  J/onotoAertcA^e  1S6S  p.  598  Taf.  1  Fig.  2  in  natfirlicher 
Grobe  abgebildet  ist.  dp,  Luftgang;  q,  Qnadratbein;  md*  Unterkieferknochen. 
Viermal  vergröfsert. 

Fig.  2.  Längsdnrchschnitt  des  Quadratbeins  und  der  angrenzenden  Theile 
?on  ÄUigaior  Iveius  (total  82  Centim.,  Kopf  144*  Cent  lang),  um  den  Verlauf 
des  Ductus  pneumaticus  und  die  Lage  des  (auf  Huxley's  Stylohyoid- 
Knoipel)  redncirten,  zu  dem  Zungenbeine  beziehungslosen,  Knorpelstranges 
mit   dem   umgebenden   Sehnengewebe   ^on   der  Seite   zu    zeigen,    o.  Auge; 


22  OesammtsÜtwtg  vom  20.  Jcmuar  1870. 

«.  Hammer;  U  Membimn  «jmpaai;  c.  CohuneÜ«;  «•  Rest  des  koorpeUgen 
Yerbindnngutrftnges  zwischen  Hammer  oAd  Meckelschem  Knorpel;  x,  sehnig 
gewordener  Tbeil  des  Yerbindnngsstrangej;  /•  Meckelscher  Knorpel;  md.  Un- 
terkiefer;  #m.  Oberkiefer;  q,  Quadratbein;  oc.  Occipitale  laterale;  »a.  Kau- 
muskel.    In  natOrlicher  Gröfse. 

Fig.  3.  Obere  Ansicht  von  denselben  Theüen  nach  Abtragung  eines 
Theils  des  Quadratbeins.     Bezeichnung  wie  in  Fig.  2.     In  natürlicher  GröCse, 

Fig.  4 — 7.  Hammer  nnd  ICnorpelstrang  in  verschiedenen  Stadien;  Be- 
teichnnng  wie  in  Fig.  1  n.  2. 

Fig.  4.  Seitliche  Ansicht  dieser  Tkeile  ron  einem  35  Mm.  Lingen  Kopf 
eines  Crocod.  aeutua,  an  welchem  der  Knorpelstraag  an  einer  kleinen  SteDe 
bereits  sehnig  geworden  ist.    Sechsmal  yergröfsert. 

Fig.  4a.    Passelbe  Ton  oben  und  hinten  gesehen. 

Fig.  5.  Seitliche  Ansicht  derselben  Theile  Ton  dem  43  Mnu  langen  Schädel 
eines  Crocodilua  acutui,  wo  der  Knorpelstrang  sich  rom  Hammer  abzulösen 
beginnt  und  der  untere  Theil  ganz  sehnig  geworden  ist.     Fünfmal  yergrßssert. 

Fig.  6.  Dasselbe  ron  einem  8  Centim.  langen  Schädel  von  Alligator  tu- 
rtvs,  «n  welchem  der  Verbindungsstrang  deutlich  vom  Hammer  getrennt  ist 
und  in  den  unteren  ■}  sehnig  geworden  ist.     Dreimal  yeigrÖTsert. 

Fig.  7.  Dasselbe  von  einem  14^  Centimeter  langen  Sehiidel  eines  Alii^ 
gator  btciutf  bei  welchem  nur  ein  kleiner  Ton  dem  Hammer  entfernt  liegen« 
der  Knorpel  (Huxley's  Stylohjroidknorpel}  von  dem  knorpeligen  Verbindon^* 
Strange  übrig  geblieben  ist.    Anderthalbmal  vergröfsert. 

Fig.  8.  Colnmella  mit  einem  Theil  des  Hammers  von  einem  39  Millim. 
langen  Schädel  des  Crocoiilua  acuty»,  um  den  Gelenkkopf  des  Hammers  s« 
zeigen.  Bezeichnung  wie  oben;  «'.  Knorpeliges,  noch  nicht  verknöchertes 
Stück  der  Columella.     Achtmal  vergröfsert. 

Fig.  9.  Columella  des  auf  Tai^  1  abgebildeten  Croo.  porosui,  um  die 
Gelenkgrube  derselben  an  ihrem  änfsem  Ende  zu  zeigen«    In  doppelter  Grösse. 

Die  Fig.  2  bis  8  sind  nach  Präparaten  und  Zeichnungen  des  Hrn.  Dr. 
Max  Fürbringer  abgebildet  worden. 


20.  Januar.    Gesammtsitzimg  der  Akademie. 

Hr.  Trendelenburg  las  zur  Geschichte  des  Wortes  Person. 

* 

An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 
H.    Gradl,    Lieder  und   Sprüche   der  beiden   Meister   SpervogeL      Prag^ 

1869.     8. 
Mittheilungen  der  K,  K.  Central- Commiseion  für  Erforschung  der  Bamdenk^ 

male.    XV.  Jahrg.    Jan.-Febr.     Wien  1870.    4« 


öffentliche  Sitzung  vom  27.  Januar  1870.  28 

Nora  Ada  Reg,    Soc.   Sc.    Upsaiieim*.     8er.  HE.    VoL  VII.     Faac  h 

Upula  1869.     3. 
Ujfwia  üniverwOeU  Jreakrift  /or  1868,     Ujisala  1869.     8. 
Ri^pport9   de    ia  commission   kgdromitrique.      Annee  24.  2^    Lyon    1867, 

18G8.     8. 
Palombo,    Della  proprieta   e   degli   ordinament*   eociali   Studi,     Kapoli 

1869.     8. 


27.  Januar,     öffentliche  Sitzung  der  Akademie  zur 

GedächtniTsfeier  Friedrichs  11. 

Ihre  Majestät  die  Konigin  und  Seine  Königliche  Hoheit  der 
Kronprinz  geruhten  der  Sitzung  beizuwohnen. 

Zur  Einleitung  las  Hr.  Gurtius  folgenden  Vortrag  des  per- 
sonlich verhinderten  Secretars  Hrn.  Trendelen  bürg: 

Aus  Friederichs  des  Grofsen  politischen 

Yermfichtnissen. 

Friederich  der  Orofse  schrieb  im  Jahre  1752,  also  in  jenem 
Jahrzehnt  erfolgreichen  Schaffens,  das  zwischen  den  Dresdener 
Frieden  und  den  Anfang  des  7jährigen  Krieges  fällt,  das  Schrift- 
stück, an  das  wir  heute  in  dankbarer  Erinnerung  einige  Betrach- 
^ngen  anknüpfen.  Es  war  die  Zeit,  da  er  im  Frieden  sein  durch 
Siege  neu  befestigtes  Land  anbaute,  da  er  der  deutschen  Welt  das 
Beispiel  der  ersten  Justizreform  gegeben  hatte,  da  er  f8r  den  freien 
Handel  der  Neutralen  im  Seekrieg  gegen  das  mächtige  England 
stritt  ond  das  Recht  der  Vernunft  gegen  die  Willkühr  der  alten 
Seerechte  wahrte;  es  war  die  Zeit,  da  er  eben  seine  „Kunst  des 
Krieges^  ond  andere  Gedichte  und  seine  Geschichte  des  Hauses  Bran- 
denburg unter  dem  Titel  der  Werke  des  Philosophen  von  Sanssouci 
veröffentlicht  hatte.  In  dieser  Zeit  schrieb  er,  die  Gegenwart  und  die 
Zuknnfit  seines  Staates  bedenkend,  ein  „politisches  Testament^  (testa^ 
menl  politique)^  das  er  mit  dem  Datum  des  27.  August  1752  versah 
und  in  das  Archiv  niederlegte.  In  einer  späteren  Zeit  seioes  Le- 
bens kam  der  König  auf  dies  Vermächtnifs  zurück«  Nach  dem 
siebenjährigen  Kriege,  da  die  Weltstellung  verändert  war,  schrieb 
er  ein  zweites  politisches  Testament  und  datirte  es  vom  7.  No- 
vember 1768.     In  den  Grundgedanken  ist  es  mit  dem  ersten  das- 


24  Offenüieke  Sitzung 

telbe,  in  allgemeinen  Betrachtnngen  sparsamer,  in  den  Einselheiten 
Ton  Nachrichten  und  Entwürfen  reicher. 

Um  dieselbe  Zeit  schrieb  der  König,  wie  jene  politischen  Testa- 
mente, mit  eigener  Hand  einen  letzten  Willen,  Tom  8.  Januar  1769 
datirt,  in  welchem  er  über  seinen  gesammten  Nachlafs  yerfugte; 
er  sehrieb  diese  letzte  Verfügung,  die  Geldeswerth  und  Eigenthum 
betraf,  nach  den  Landesgesetzen  auf  einen  Stempclbogen,  wie  zum 
letzten  Zeichen,  dafs  er  die  kleinsten  Gesetze  des  Staates,  wie  die 
grSfsten  gleich  achte. 

Dieses  sogenannte  Privattestament  ist  in  die  Ausgabe  der  Werke 
Friederichs  des  GroCsen^  welche  die  Akademie  der  Wissenschaften 
leitete,  aufgenommen^);  jedoch  nicht  jene  ersten. 

Andere  Befehle,  welche  der  Kom'g  für  den  Fall  seines  Todes 
erliefs,  haben  mehr  eine  Bedeutung  für  den  Augenblick ;  sie  fassen 
die  Wechself&lle  des  Krieges  ins  Auge,  wie  z.  B.  der  Brtef  an  den 
Prinzen  Ton  Preufsen,  seinen  Bruder,  Tom  8.  April  1741,  den  er 
zwei  Tage  vor  dem  Zusammenstofs  bei  Mollwitz  schrieb'),  jene 
^geheime  Anweisung^  {instruciion  9ecrite)j  die  der  K5nig  unter 
dem  10.  Januar  1757  seinem  Minister,  dem  Grafen  Fink  von 
Finkenstein  gab,  oder  der  Befehl,  den  er  3  Tage  vor  der  Schlacht 
von  Zomdorf  unter  dem  22.  Aug.  1758  erliefs ')  und  mit  den  Worten 
überschrieb:  Ordre  an  meine  Generale  dieser  Armee,  wie  sie  sich 
im  Fall  zu  verhalten  haben,  wenn  ich  sollte  todt  geschossen  wer* 
den,  und  in  dem  sich,  nach  der  Anordnung  des  sofort  seinem  Neffen 
zu  leistenden  neuen  Eides  und  der  Bestellung  des  Prinzen  Heinrich 
zum  Vormund,  die  ergreifenden  Worte  finden:  „Ich  will,  dafs  nach 
meinem  Tode  keine  Umstfinde  mit  mir  gemacht  werden^;  ein  Jahr 
sp&ter  nach  der  Niederlage  bei  Knnersdorf,  da  der  Konig  den  Ver- 
lust des  Vaterlandes  nicht  glaubte  zu  überleben ,  die  Instruction 
vom  Tage  der  Schlacht,  12.  Aug.  1759,  für  den  General -Lieate- 
nant  von  Fink  ^),  in  welchem  die  Worte:  -^  indessen,  was  mein 
Bruder  befehlen  wird,  das  muTs  geschehen;  an  Meinen  Neven  mufs 
die  Armee  schw5ren.    Diese  Befehle  versetzen  uns  in  die  Lage 


')  Werke  Ausg.  1846.  ff.     VI,  p.  215  f. 
•)  Werke  XXVI,  p.  85. 
»)  Werke  XXVI,  p.  533  f. 

^)  Werke  XXVII,  2,  p.  305,  Tgl.  Brief  an  den  Prinzen  Heinrich  vom 
16.  Angnst  1759.    XXVI,  p.  199. 


vom  87.  Jmuar  i870.  25 

des  Aogenldickes,  der  tie  entspraDgen,  und  bewegen  iiBsere  Mit- 
empfindang  für  die  entschlossene  Hand,  die  sie  schrieb. 

Jene  politischen  Testamente,  ans  denen  bereits  Leopold  Ton 
Ranke's  neun  Bficher  Prenis.  Geschichte  charakteristische  Z6ge  mit- 
getbeilt  haben  *),  sind  so  vielseitig,  wie  die  weise  and  kluge  Kunst 
la  regieren,  die  sie  behandeln. 

Bei  der  mir  gestatteten  Durchsicht  fiel  mein  Blick  auf  die 
bleibenden  Gedanken,  die  nach  Friederichs  des  Grofsen  Anschauung 
seinem  Staate  zum  Grunde  liegen  und  darum  seine  Zukunft  bedingen. 
£in  Historiker  wird  andere  Seiten  finden,  namentlich  wird  es  ihn 
Msiehen,  wie  Friederich  die  politische  Lage  Preufsens  im  Jahre 
1752  und  im  Jahre  176S  ansah;  denn  ungeachtet  der  weit  aus- 
sehenden Gedanken,  in  welche  die  Zukunft  eines  strebenden  Staates 
fuhrt,  ist  in  dem  politischen  Vermfichtnifs  die  Sorge  für  den  nftchr 
sten  Tag  und  das  nftchste  Jahr  sichtbar. 

Es  mag  mir  erlaubt  sein,  die  bezeichneten  Seiten,  auf  die  ich 
achtete,  herauszuscheiden«  Wir  werden  darin  keinen  neuen  Ge^ 
danken  begegnen,  keinen  Gedanken,  die  nicht  Friederich  der  Grofse 
in  seinen  Abhandlungen  und  in  seinen  Denkwürdigkeiten  oder  in 
seinen  Briefen  ausgesprochen  hätte.  Aber  es  hat  rielleicht  einen 
Reiz  zu  sehen,  wie  er  sie  auf  seinen  Staat  anwendet  und  sie  in 
ihm  als  Grundsfitze  fortzupflanzen  w&nscht. 

Während  des  Aufenthaltes  auf  dem  Schlosse  zu  Bheinsberg 
hatte  sich  der  König  als  Kronprinz  in  edler  Vorbereitung  auf  sein 
königliches  Amt  mit  den  Grundsätzen  der  Staatsweisheit  beschäf- 
tigt. Von  Machiavell  hatte  er  die  nüchterne  Klugheit  gelernt,  die 
dem  Mann  der  Geschäfte  nöthig  ist,  aber  Ton  dem  Unedeln  in  den 
Maximen,  die  Machiarell  in  dem  Musterbiide  seines  Fürsten  zeichnet, 
znruckgestofsen,  hatte  er  eine  Widerlegung  von  Machiavells  Fürsten 
geschrieben.  Gedanken,  die  er  in  dieser  Schrift,  seinem  Antima- 
cbiavell,  ausspricht,  leiten  ihn  sein  Leben  hindurch.  In  Bheins- 
berg, hatte  er  (1738)  seine  Betrachtungen  über  den  gegenwärtigen 
Zustand  des  Staatenkörpers  von  Europa  geschrieben  und  darin  je- 
nen politischen  Blick  und  Überblick  gefibt,  mit  dem  er  später  um 
die  Mitte  der  vierziger  Jahre  des  Jahrhunderts  das  bewunderungs- 
würdige erste  Kapitel  in  der  „Geschichte  seiner  Zeit^  entwarf,  das 
einleitende  Kapitel,  in  dem  er  den  Zustand  Preufsens  und  Europa's 


1}  z.  B.  Bd.  m,  p.  476,  402,  419. 


S6  Offentliehe  Sitzung 

sur  Zeit  seiner  Thronbesteignngf  die  Charaktere  der  Ftirsten  Earo- 
pa's,  ihre  Minister  und  Feldherm,  die  gegenseitige  Machtstellung 
der  Staaten,  in  die  er  eingetreten,  zusammenfassend  darstellte.  In 
den  Denkwfirdigkeiten  des  Hauses  Brandenburg,  die  der  König  im 
Jahre  1747  und  1748  durch  Darget,  seinen  Privatseeretair,  einen 
wissenschaftlichen  Mann  aus  seinem  vertrauteren  Kreise,  in  dieser 
Akademie  lesen  üefs,  hatte  er  den  grofsen  Kurfürsten  in  grofsen 
ZSgen  gezeichnet,  und  man  sah  darin  ein  Vorbild,  dem  er  nach- 
eiferte, dagegen  hatte  er  die  Regierung  des  ersten  Königs  mit  offe- 
nem Freimuth  und  unverhaltener  Sch&rfe  beurtheilt,  und  man  er- 
kannte darin  das  Gegentheil  dessen,  was  er  wollte  und  erstrebte. 
In  dem  Geiste  dieser  Schriften  schrieb  Friederich  der  Grofse  seine 
politischen  Yermftchtnisse,  mitten  in  den  Zustftnden  und  Bedurf- 
nissen Preufsens  seine  Stellung  nehmend. 

Der  König  will  mittheilen,  was  ihn  als  Steuermann  des  Staats 
die  Erfahrung  gelehrt  hat.  Ohne  in  das  Kleine  des  Besonderen 
einzugehen  will  er  die  Dinge  im  Grofsen  fassen.  Damach  be- 
trachtet  er  die  vier  Hauptpunkte,  mit  welchen  die  Regierung  zu 
thun  hat,  die  Rechtspflege,  den  klugen  Haushalt  der  Finanzen, 
die  kraftige  Erhaltung  der  militairischen  Zucht  und  endlich  die 
Kunst,  die  richtigsten  Mafsregeln  zur  Förderung  der  politischen 
Interessen  zu  ergreifen.  AVie  in  den  Denkwürdigkeiten  des  Hauses 
Brandenburg  *)  fafst  er  dabei  den  Fürsten  als  den  ersten  Diener 
und  die  erste  Obrigkeit  des  Staates  auf. 

Vor  Allem  will  der  König  seinen  Staat  in  Gerechtigkeit  ver- 
fafst  wissen.  Mit  Befriedigung  sieht  er  auf  die  Reform  der  Ge- 
setze und  des  Prozefs Verfahrens,  die  er  eingeleitet  hat,  und  wie  in 
dem  Eingang  zu  seiner  Geschichte  des  siebenjährigen  Krieges  ') 
erwähnt  er  dankbar  der  Verdienste  des  Grofskanzlers  Gocceji,  der 
sich  mit  Kraft  und  Einsicht  der  muhevollen  Arbeit  der  Rechtsver- 
besserung unterzogen  habe,  ^enn  es  im  Testament  aus  dem  Jahre 
1768  so  scheint,  als  habe  der  König  schon  wahrgenommen,  dafs 
es  mit  der  Justizreform  Cocceji's  nach  dessen  Tode  zurückgegangen, 
so  beharrt  er  doch  in  derselben  Richtung.  Für  sich  selbst  betont 
er  den  Grundsatz,  dafs  es  dem  Fürsten  nicht  zieme,  zur  Entschei- 
dung der  Prozesse  sein  Ansehn  ins  Mittel  zu  legen.     Es  mSssen, 


»)  Werke  I,  p.  123. 

»)  Werke  IV,  p.  1  f.,  vgl.  IX,  p.  30  f.,  IX,  p.  232. 


vom  27.  Januar  1870.  27 

sagt  er,  die  Gresetse  allein  legieien,  und  die  Pfiidit  des  Ffiraten 
beschrinkt  sich  auf  ihren  Schntz« 

Friederich  der  Orofse  hat  ein  Gelnhl  lÜr  das,  was  in  den 
Staate,  dem  der  gro£ie  Kurfürst  seine  Wege  iries  und  dem  sein 
Vater  die  Mittel  der  Macht  zusammenhielt,  an  Bedingungen  der 
Zokunft  angelegt  ist,  und  wiederum  ffir  das,  was  ihm  fehlt,  um, 
ein  Staat  unter  Staaten,  diese  Anlage  zu  erfüllen.  Er  fühlt  den 
Widerspruch  zwischen  dem  Staat,  der  erstehen  soll  und  seinen 
besehrftnkten  Mitteln  sammt  seiner  ungünstigen  gefährlichen  Lage, 
zwischen  dem  Beruf,  den  jeder  wirkliche  Staat  in  sich  trAgt,  und 
der  drohenden  hemmenden  Macht  der  Nachbaren,  die  den  gesunden 
Keim  zu  ersticken  trachten.  An  der  Lösung  dieses  Widerspruchs, 
an  der  Bew&ltigung  dieses  Widerstreites,  arbeitet  sein  ganzes  Leben. 

Als  die  Grundbedingung  eines  Staates,  der  Staat  ist,  erkann- 
ten  die  alten  Philosophen  die  Zulänglichkeit,  das  Wort  im  edelsten 
Sinne  genommen.  Der  Staat,  fahrten  sie  aus,  mSsse  zulänglich 
nod  dadurch  in  sich  selbst  gegründet  sein:  zulänglich  an  Macht, 
um  die  Gesetze  zu  schützen,  zulän^ich  in  den  rechten  Quellen 
aller  Kraft,  in  den  Erzengnissen  des  Landes,  in  der  Erziehung 
eines  gesunden  Nachwuchses,  in  der  Bildung  guter  und  tapferer 
Burger,  zulänglich  nach  aufsen  in  genügender  Macht  zur  Abwehr 
des  Angriffs,  zur  Hut  seiner  Freiheit,  zur  Wahrung  seiner  unab^ 
^^gigen  Bewegungen.  Wir  dürfen  diesen  alten  Begriff  anwenden 
und  mit  ihm  sagen ,  dals  Friederich  der  Grolse  auf  eine  solche 
sittlich  gedachte  Autarkie  seines  Staates  alle  Gedanken  und  alle 
Fürsorge  richtete;  und  er  weifs,  dals  er  sie  nirgends  schöpfen  kann, 
als  aus  der  Eo-aft  seines  Landes  und  der  Tagend  seines  Volks  und 
der  Weisheit  seiner  Regenten.  Dies  Gefühl  geht  ausgesprochen 
and  unausgesprochen  durch  seine  Schriften  wie  durch  seine  beiden 
politischen  Vermächtnisse  und,  was  mehr  ist,  durch  seine  Thaten. 

In  diesem  Sinne  bedenkt  er  in  seinem  politischen  Testament 
den  Mangel  an  Hülfsquellen  im  eigenen  Lande,  die  zerrissene  geo« 
graphische  Lage,  die  bedrohten  langen  Grenzen,  die  Eifersucht  der 
europäischen  Mächte,  und  denkt  auf  Mittel  ihnen  zu  begegnen. 

In  diesem  Sinne  nennt  er  sein  Land  arm,  das  ungeachtet  dreier 
zwischenliegcnder  Regierungen,  ungeachtet  des  Friedens  während 
einer  derselben  noch  die  Spuren  der  Verwüstung  aus  dem  ver- 
heerenden 30jährigen  Kriege  an  sich  trage.  Er  sucht  die  Mittel 
auf,  das  Land  zu  heben,  und  fuhrt  mit  Befriedigung  an,  was  in 


28  Öfentiiche  SiUung 

dieser  Rtditiuig  Bchoii  von  ihm  gethaa  tei,  die  Etitwisaerungen 
▼OD  Landstrichen,  die  Einföhrang  des  Seidenbaues ,  die  Fördemng 
▼on  Wollenspimiereien,  Ton  Seiden-  nnd  Wollen -Mannfactoren,  die 
asiaiisehe  Handelsgesellschaft  zu  Emden,  die  SeeverUndong  Ton 
Emden  nnd  Stettin,  die  Hebnng  des  Stettiner  Handels  a.  s.  w.  Der 
König  sieht  in  dem  Geschehenen  nnr  die  Anfftnge  aum  Anhan  des 
Landes;  er  empfielt  einen  weiteren  Plan,  der  durch  alle  ProTincen 
geht;  und  was  er  im  Jahre  1752  in  seinem  Vermächtnifs  als  nfitclich 
empfielt,  das  hat  er  spftter  die  Freude  gehabt,  cu  einem  grofoen  Theil 
selbst  aussuf&hren  und  ausgeführt  an  sehen,  wie  die  Urbarmachung 
der  Oderbruche  noch  vor  dem  siebei\jihr]gen  Kriege  und  nach  dem- 
selben  die  Urbarmachungen  in  Hinteipommem,  die  Austrocknungen 
auf  Usedom.  So  hat  er  sich  früh  in  grofsem  Plan  die  Unternehmun- 
gen cum  Besten  des  Landes  voi^peseichnet.  Derselbe  Scharfblick, 
der  das  Orolse  erspfihte,  sah  in  das  Kleine.  So  bemerkt  er,  was 
an  Blanufacturen  seinem  Lande  noch  fehle;  es  bedarf  mehr  Messer* 
schmiede,  als  rieh  in  Neustadt- Eberswalde  angesiedelt  haben,  mehr 
Knopfmacher,  mehr  Handschuhfabriken,  mehr  Buchdruckereien. 
^Wenn  er  bis  in  die  kleinsten  Dinge  herabstiegt,  sagt  einmal  der 
König  ^)  von  seinem  Vater,  „so  that  er  es,  weil  er  fiberxeugt  war, 
dafs  das  Vielfache  des  Kleinen  die  grofsen  Dinge  bilde.  ^  Den 
Geist  des  Details,  den  Friederich  an  seinem  Vater  hochhält,  hat 
er  von  ihm  geerbt,  aber  immer  spiegelt  sich  ihm  in  dem  Kleinen 
•  das  Grofse.  So  macht  er,  um  eine  Elleinigkeit  hervorsnheben,  im 
Blick  auf  das  erworbene  Ostfriesland,  darauf  aufmerksam,  dafs  die 
Friesen  ihre  Lumpen  cur  Papierfabrication  nach  Holland  verkaufen; 
es  mfisse  dafSr  gesorgt  werden,  dafe  sie  kfinfUg  über  Stettin  nach 
einer  in  Pommern  anzulegenden  Papiermühle  gehen.  Es  ist  ein 
Zug,  wie  der  König,  wo  es  immer  angeht,  die  getrennte  neue  Pro- 
vinz mit  den  alten,  die  ihm  den  Körper  des  Landes  bilden,  zu 
verknüpfen  bedacht  ist,  und  wie  er  im  Sinne  jener  Zulingliohkeit 
nicht  will,  dafs  selbst  das  Geringste  aus  dem  Lande  gehe,  was 
dem  Lande  selbst  zu  Gute  kommen  kann.  Friederich  der  Grofse 
sagt  in  einer  Abhandlung  '),  die  er  schon  im  Jahre  1749  in  der 
Akademie  lesen  liefs,  von  der  vorangehenden  Verwaltung:   „Unser 


')  In  den  Denkwürdigkeiten  des  Hansea  Brandenburg.    Werke  I,  p.  125. 
')  Über  die  Sitten  und  Gebrauche  unter  der  Dynastie  der  HohenzoUem. 
Werke  I,  p.236. 


VOM  S7.  Januar  iS70.  99 

Haodd  irar  noch  nicht  geboren;  die  Reg^ening  erttickte  ihn  in 
Folge  Ton  Onmdsiiceny  welche  seinen  Fortechritt  geradem  hindere 
ten."  So  will  er  in  seinem  politischen  YermAchtniCB  den  Zwischen« 
liaodel  fremder  Völker  yennieden  wissen  und  empüelt  directen 
Hsndelsvericehr  einsnleiten;  er  will  dnreh  EingangscAUe  auf  aus* 
Uindiscfae  Srseugnlsse  und  dnreh  Befreiung  von  Auflagen  und  durch 
fweckmifsige  indirecte  Steuern  den  Oewerbfleüb  des  Landes  heben 
und  sogleich  die  Einnahmen  des  Staates  mehren.  Der  König  kennt 
in  dieser  Richtung  das  Eigenthümliche  der  einseinen  Provinxen  und 
vill  darnach  die  Verwaltung  fSr  jede  eigenthüralich.  So  sagt  er 
im  Yermlchtniüs  Ton  Schlesien:  ^der  Handel  mit  Leinen  und  Tuch, 
welches  diese  schöne  PM>yins  erseugt,  verdient  von  den  Ffirsten 
enanntert  zu  werden.  Das  Leinen  bringt  Schlesien  fast  ebenso 
viel  ein,  als  Peru  dem  König  von  Spanien  einträgt.^ 

Indem  Friederich  der  Grofse  die  Anleitung  giebt,  das  Land 
ansobanen,  wird  ihm  die  Volks wirthschaft  cur  Staats wirthschafr, 
der  soUngliche  Erwerb  im  Volk  cum  Mittel  fEkr  die  anlinglichen 
Finanzen  des  Staats.  In  ihnen  sieht  er  die  Bedingung  politischer 
Selbstständigkeit;  und  der  bSrgerliche  Grundsats  der  Sparsamkeit, 
anf  dem  der  Einzelne  sein  Haus  sicher  bauet,  ist  ihm,  wie  dem 
grofsen  KurfSrsten  und  seinem  Vater,  ein  Grundgesets  des  Staates. 
Das  Urtheil,  das  er  in  den  Denkwürdigkeiten  des  Hauses  Branden* 
borg  über  den  prachtliebenden  König  Friederich  I  gefUlt  hatte,  hat 
dieselbe  WurzeL 

In  die  Beispiele  der  Geschichte  bückend  schreibt  der  König 
im  politischen  VermftchtniCs  von  1752:  „Soll  das  Land  glficklich, 
will  der  Fürst  geachtet  sein,  so  mufs  er  nothwendig  Ordnung  in 
seinen  Finanzen  halten.  Niemals  hat  sich  eine  arme  R^erung 
Ansehn  erworben.  Enropa  lachte  ober  die  Unternehmungen  des 
Kaisers  Maximilian;  denn  dieser  Fürst,  zwar  begierig  Schütze  zu* 
sammenzubringen,  aber  in  seinen  Ausgaben  verschwenderisch,  hatte, 
wenn  es  darauf  ankam  einzusetzen,  nie  Geld;  die  Italiener,  die  ihn 
kannten,  nannten  ihn  den  Maximilian  ohne  Heller  (Maximiliane 
9enza  denarx).  Wir  haben  erlebt,  dafs  die  Zerrüttung,  in  der  Kaiser 
Karl  VI  seine  Finanzen  hinterliefs,  die  Königin  von  Ungarn  nö* 
thigte,  von  England  Hülfsgelder  zu  nehmen,  was  sie  in  Abhüngig- 
keit  von  König  Georg  brachte  und  ihr  einige  schöne  Provinzen 
kostete,  die  sie  theils  uns,  theils  dem  Könige  von  Sardinien  abtrat. 
Biese  weise  Fürstin,  die  es  erfahren,  wie  sehr  der  Mangel  an  baa« 


80  Öf  entliehe  Sitzung 

rem  Gelde  ihrer  Saefae  BintrAg  gethan,  arbeitet  mit  miablXssigein 
Fleiise  die  gestörte  Ordnung  berzuetellen.  Wfiren  die  Finanxen 
Socfaeens  ^wohl  verwaltet  gewesen,  so  hätte  es  in  dem  Kriege,  der 
1740  begann,  eine  BoUc  spielen  können,  aber  da  es  Terscbuldet 
war,  gab  es  sich  den  Meistbietenden  hin  und  hatte  nach  allen 
Seiten  Unglück.  August  gewann  nichts  an  unserer  und  der  Fran- 
sosen  Seite;  und  er  wurde  Temichtet,  als  die  englischen  Hülfs- 
gelder  ihn  gegen  PrettTsen  kehrten.  Hätte  er  seine  Koffer  voll 
gehabt,  so  brauchte  er  seine  Interessen  nicht  für  so  mäfeige  Sum- 
men SU  verkaufen.  Dasselbe  Holland,  wcldies  das  Joch  seiner 
Zwingherrn  abschfittelte  und  frfiher  bis  nach  dem  Erbfolgekriege 
eine  so  grofse  Rolle  in  Europa  spielte,  dieser  selbe  Freistaat  wird 
heute  kaum  unter  die  groOsen  Mächte  getählt,  und  zwar  weil  seine 
Regierung  mit  Schnlden  belastet,  und,  was  schlimmer,  ohne  Credit 
ist.  Wenn  Frankreich  fortfährt  schlecht  zu  wirthschaften,  wie  es 
heute  thttt,  so  wird  es  trots  seiner  grofeen  Madit  von  seiner  Höhe 
sinken  und  seinen  Nebenbuhlern  ein  Gegenstand  der  Verachtung 
werden  kennen.^ 

In  derselben  Beziehung  sagt  der  König  im  Yermächtnils  des 
Jahres  1768  von  Preu(sen: 

„Wir  haben  weder  ein  Mexico  noch  ein  Peru  und  keine  solche 
auswärtige  Niederlassung,  deren  Handel  die  Besitzer  bereichert. 
Preufsen  hat  seine  Hnlüsquellen  nur  in  sich  selbst,  siemlich  un* 
fruchtbaren  Boden,  arme  Einwohner.  Dessenungeachtet  ist  dieses 
Land  durch  gro&e  Ordnung  und  Gewerbfleifs  im  Stande  gewesen, 
einen  harten  verderblichen  Krieg  gegen  die  gröfsten  Monarchen 
Europa' s  zu  fuhren;  und  nach  sieben  Jahren  der  Unruhe  fanden 
sich  Osterreich,  Frankreich  und  England  von  Schulden  belastet, 
während  wir  keine  hatten,  und  uns  noch  Mittel  genug  blieben,  die 
zerstörten  und  halb  verödeten  Provinzen  wieder  herzustellen.^ 

So  darf  der  König  mit  seltener  Befriedigung  die  eigene  Er* 
fahrung  Preulsens  zum  Zeugen  nehmen  und  durch  sie  den  Grund* 
satz  des  Haushalts  seinem  Staate  einprägen  und  der  Verwaltung 
und  den  Ausgaben  die  Richtung  vorzeichnen. 

Wie  in  den  Finanzen,  so  hat  Friederich  der  Grofse  nach  allen 
Seiten  im  Auge,  dafs  der  Staat  auf  Macht  als  auf  seine  Gmndfeste 
gegründet  ist  Da  sich  die  Macht  in  der  Wechselwirkung  der 
Staaten  miXst  und  erprobt,  so  führt  dies  auf  die  Lage  des  Landes 
unter  den  andern  Ländern. 


vom  27.  Januar  ±870.  Si 

Friederich  der  Grofse  betrachtete  die  Landkarte,  aof  welcher 
seinem  Lande  die  Bedingungen  au  einem  anlänglichen,  in  sich  ab- 
geschloMenen,  in  sich  selbst  gegründeten  Staate  nicht  gegönnt  wa- 
ren, mit  nüchternem  Blicke. 

Ähnlich  wie  in  dem  einleitenden  Kapitel  zur  ^Geschichte  seiner 
Zeit*  '),  sagt  der  Konig  im  politischen  Testament  vom  Jahre  1752: 

»Die  Provinzen  der  preufsischen  Monarchie  sind  fast  alle  Ton 
einander  getrennt.  Der  Körper  des  Staates,  in  dem  seine  Kraft 
ibreo  Sitz  hat,  ist  das  Kurfurstenthnm,  Pommern,  Magdeburg,  HaU 
berstadt  und  Schlesien.  Diese  Provinzen,  das  Hera  des  König- 
reichs, verdienen  hauptsfichiich  die  Aufmerksamkeit  des  FGrsten» 
weil  man  hier  sowol  für  das  Innere  wie  für  die  Yertheidigong  dieser 
Provinzen  sichere  Anordnungen  treffen  kann.  Preulsen,  durch  das 
polnische  Preufsen  von  Pommern  getrennt,  ist  mit  Polen  und  mit 
RoTsland  benachbart,  dessen  Kaiserin  in  Curland  allmfichtig  ist. 
Das  Herzogthnm  Cleve  und  Friesland  berühren  Holland.  Schlesien 
grenzt  an  Böhmen,  Mähren  und  sogar  an  Ungarn.  Das  Kurfürsten* 
tbum  und  das  Gebiet  von  Magdeburg  liegen  um  Sachsen  herum« 
Pommern  ist  nur  durch  die  Peene  von  den  deutschen  Besitzungen 
des  Königs  von  Schweden  getrennt,  und  das  Fürstenthum  Minden 
ist  mit  Land  von  Hannover,  Munster,  Kassel,  Hildesheim  und  Braun* 
schweig  untermischt.^ 

„Ihr  seht,  dafs  wir  durch  diese  geographische  Lage  Nachbaren 
der  gröfsten  Fürsten  Europa's  sind;  alle  diese  Nachbaren  sind 
ebenso  viele  eifersuchtige  oder  ebenso  viele  geheime  Feinde  unserer 
Macht  Die  örtliche  Lage  ihrer  Lander,  ihr  Ehrgeiz,  ihre  Inter- 
essen, alle  diese  verschiedenen  Verbindungen  bilden  die  Grundlage 
ihrer  mehr  oder  weniger  versteckten  Politik  je  nach  Zeit  und  Um- 
standen.^ 

In  diesen  Zügen  empfinden  wir  die  Unmöglichkeit,  die  der 
König  fiberkommen  hatte,  die  Lage  zu  lassen,  wie  sie  war.  Ent-» 
weder  mufste  der  Staat  des  grofson  Kurfürsten  mit  seinen  Keimen 
sich  selbst  aufgeben,  oder  er  mufste  vorwfirtsdringen  und  sich  nach 
aafscn  wie  nach  innen  fester  gründen.  Zwischen  beiden  gab  ea 
für  Friederich  den  Grofsen  keine  Wahl.  Kr  weifs,  was  er  wol* 
len  mois. 


0  Werke  n,  p.  47. 


ii  ÖjfentlieU  Siteung 

Bezeichnend  Bchreibt  der  König  in  dem  Tennfichtnifs: 

^Maehiavell  sagt,  da[^  eine  nneigenn&tsige  Macht,  welche  sich 
mitten  zwischen  ehrgeizigen  Mftehten  befinde,  znletzt  unfehlbar 
untergehen  wiirde.  Es  that  mir  sehr  leid,  aber  ich  muTs  einge* 
stehen,  daTs  Machiayell  Recht  hat  Daher  mCssen  die  Forsten 
nothwendig  Ehrgmz  haben,  aber  er  muTs  weise,  gemfifsigt  nnd  Ton 
Vernunft  durchleuchtet  sein.^  Der  Ehrgeiz  Friederichs  ist  die  Macht 
und  die  Wohlfahrt  seines  Staats,  die  in  ihm,  dem  Könige,  bewn&t 
und  zur  Springfeder  alles  Strebens  werden. 

Wenn  die  Eichel,  die  den  mfichtigen  Baum  in  sich  trftgt,  in 
dOrrem  Erdreich  der  Bedingungen  entbehrt,  dafs  sich  entwickele, 
was  in  ihr  liegt:  so  strebt  sie,  ehe  sie  sich  in  ihren  Untergang  fugt. 
Zu  erreichen,  was  ihr  fehlt;  keimend  streckt  sie  darnach  ihre  Wur- 
zeln und  treibt  sie  ihre  Schossen.  So  arbeitet  der  Same  im  Stampf 
um  das  Dasein.  In  fihnlicher  Arbeit  steht  der  Staat  Friedericlis 
des  Orofsen  nach  anfsen  und  nach  innen.  Je  edler  dw  Keim  ist, 
der  in  ihm  liegt,  desto  edler  ist  sein  Kampf  um  das  Dasein,  sein 
Kampf  um  die  Bedingungen  seiner  Entwickelung. 

In  diesem  Sinne  stellt  der  König  der  Politik  des  Fürsten  die 
Aufgabe,  neben  der  Verwaltung  des  Innern  und  der  Forderung  der 
Interessen  und  neben  der  Handhabung  und  Aufrechthaltung  dea 
Regierungssystems  die  Sicherheit  des  Staats  zu  befestigen  und  so 
weit  es  geht,  auf  fiblichem  und  erlaubtem  Wege  die  Besitzungen 
und  die  Macht  und  das  Ansehen  der  Fürsten  auszudehnen. 

Für  den  Staat,  der  zwar  einen  Körper  hatte^  aber  Theile  von 
dem  Körper  getrennt  nnd  in  die  Feme  hinausgeworfen,  war  es  ein 
natürlicher  Trieb,  diese  Theile  zu  wirklichen  Gliedern  zu  machen; 
es  war  daher  eine  Bedingung  der  Sicherheit  gegen  Angriffe  und 
eine  Bedingung  zur  gegenseitigen  Hülfe  und  zum  Austausch  der 
Kräfte,  die  zerstückten  Theile  des  Landes  mit  dem  Ganzen  zu 
einigen,  und  daher  das  Gebiet  abz\irunden  und  in  seinen  offenen 
Seiten  zu  schützen.  Friederieb  der  Grofse  ist,  so  weit  es  an  ihm 
liegt,  in  dieser  Richtung  unablässig  thätig,  wie  z.  B.  in  den  Mitteln, 
das  Land  zu  sichern,  Festungen  zu  bauen,  oder,  wo  er  noch  nicht 
zu  bauen  im  Stande  ist,  den  Plan  zum  Bau  zu  entwerfen.  An- 
deres hat  er  nicht  in  seiner  Gewalt  und  mufs  die  Erfüllung  des 
nothwendigen  Bedürfnisses  der  Geschichte  überlassen.  In  dieser 
Richtung  bewegen  sich  des  Königs  Wünsche,  die  er  seinen  poli- 
tischen Traum  nennt.    Einige  sah  er  selbst  erfüllt,  andere  seine 


vom  27.  Januar  1870.  3S 

Nachkommen.  Es  ist  Im  YermfichtniTs  von  1752  sein  Wunsch,  dab 
sich  einst  der  stetige  Zusammenhang  von  Pommern  und  Preulsen, 
der  durch  das  zwischenliegende  polnische  PreuTsen  unterbrochen 
war,  xnr  innigem  Verbindung  mit  dem  Hauptlande  herstellen  lasse. 
Es  erschien  ihm  für  den  Staat  nothwendig  und  dieser  Gedanke 
leitete  seine  spätere  Politik  in  den  Wirren  Polens,  welche  die 
TheilttDg  herbeiführten. 

In  der  gefährlidien  Lage,  in  der  Friederich  seinen  Staat  wuDste, 
bt  es  für  seine  Weisheit  und  seinen  Willen  bezeichnend,  dafs  er 
die  schwierige  Autgabe  allein  auf  die  Kraft  seines  Staates  stellt, 
einem  tapfeni  geschulten  Heere,  der  Bereitschaft  der  ersparten  Mittel 
and  der  Treue  und  dem  Geiste  seines  Volkes  vertranend. 

„Hütet  euch  wohl,^  sagt  er,  ^euer  Vertrauen  auf  die  Zahl 
and  die  Treue  euerer  Verbündeten  zu  setzen;  z&hlet  nur  auf  euch 
selbst* 

Und  ebenso  sagt  «r  an  einer  andern  Stelle,  im  Vergleich  mit 
deutschen  Fürsten  und  Stfidten,  die  sich  in  fremde  politische  Ab- 
hängigkeit verkauft  haben,  mit  Befriedigung:  „wir  (wir  Branden- 
burger) haben  niemals  von  irgend  jemanden  Hulfsgelder  empfangen^ 
und  streng  tadelt  er,  wie  in  den  Denkwürdigkeiten  des  Hauses 
Brandenburg,  den  ersten  Eonig,  der  im  spanischen  Erbfolgekrieg 
anders  verfahren  war.  Wer  Subsidien  nimmt,  bindet  sich  die  H&nde 
und  spielt  nur  eine  zweite  Rolle. 

Der  Konig  verliefs  wenige  Jahre  sp&ter  diesen  Grundsatz. 
Zwei  Tage  vor  der  Schlacht  bei  Kunersdorf,  in  der  er  mit  Leib 
und  Leben  um  das  Dasein  k&mpfte,  gegen  das  halb  Europa  sich 
erhoben  hatte,  am  10.  Aug.  1758  schreibt  er,  ungewifs  was  ihm 
selbst  zustofsen  könne,  vorsorgend  an  seinen  Bruder  den  Prinzen 
Heinrich'):  „Was  die  Finanzen  betrifft,  so  glaube  ich  Euch  unter- 
richten zu  müssen,  dafs  mich  alle  die  Verlegenheiten,  die  uns  zu* 
letzt  trafen,  und  vornehmlich  die,  welche  ich  noch  voraussehe,  ge- 
noüiigt  haben  die  englischen  Hulfsgelder  anzunehmen,  die  indessen 
erst  im  Monat  October  zahlbar  sein  werden.^  Man  hört  es  den 
Porten  an,  wie  ungern  der  König  sich  dazu  entschlossen  hatte« 
Aber  iu  Wahrheit  hatte  er  den  Grundsatz  nicht  gebrochen.  Es 
war  keine  Gefahr  in  Englands  Abhängigkeit  zu  gerathen;  es  galt 
vielmehr  der  Unabhängigkeit  Preufsens.     Die  Feinde  sogen  damals 


*)  Werke  XXVI,  p.  180. 
[1870]  3 


34  Offentliehe  Sitzung 

Preufsen  und  WestpbaTen  aus.  In  dieser  Noth  xnafste  der  Konig 
Oeldhülfe  annehmen  and  er  nahm  sie  von  dem  für  den  Helden- 
konig  begeisterten  England.  Es  waren  heifsere  Tage,  als  die  Tage 
des  K5nig8  Friederichs  I.,  den  Friederich  der  Grofse  angeklagt 
hatte  '),  dafs  er  mit  dem  Blut  seiner  Volker  Handel  getrieben  habe 
in  Verträgen  mit  den  Holländern  und  Engländern. 

In  der  Lage  des  Landes,  das  Feinde  ringsum  und  selbst  rwischen 
seinen  Grenzen  hatte,  legt  der  Konig  das  grofste  Gewicht  auf  ein 
geschultes,  schlagfertiges,  tapferes  Heer.  Immer  hat  er  den  Krieg, 
der  ausbrechen  kann,  im  Auge.  Für  ihn  hält  er  die  Mittel  bereit. 
Die  Kriegskasse  mufs  immer  einen  Fonds  Ton  680000  Thlm.  hinter 
der  Hand  haben,  um  dem  Heere,  wenn  es  ins  Feld  rucken  soll, 
den  Sold  eines  Monats  vorstrecken  zu  können,  und  dieser  Fonds, 
sagt  der  König,  mufs  unantastbar  sein. 

Dafs  sein  Adlerblick  schon  im  Jahre  1752  die  Möglichkeit 
eines  langen  Krieges  voraussah,  beweist  eine  Stelle  seines  Ver- 
mächtnisses. Nachdem  er  gezei^  hat,  wie  der  Fürst  in  den  Aus- 
gaben zugleich  sparsam  and  grofsmüthig  sein  solle,  föhrt  er  fort: 
Wir  brauchen  ungefähr  5  Millionen  zu  einem  Feldzug,  also  20  Mil- 
lionen geben  vier.  Diese  20  Millionen  zu  sammeln  und  die  andern 
Kassen  zu  füllen,  ist  eine  Pflicht  des  Monarchen ;  es  ist  eine  Sorge,  die 
er  sich  nicht  erlassen  darf  und  die  das  Volk  ihm  Dank  weifs,  wenn 
es  sich  in  Elriegszeiten  von  keinen  neuen  Auflagen  gedrückt  sieht ^ 

Da  der  König  die  Erfahrung  des  siebenjährigen  Krieges  hinter 
sich  hat,  da  er  die  Wahrscheinlichkeit  bedenkt,  dafs  sich  noch  ein- 
mal die  Kräfte  von  Osterreich  und  Rufsland,  von  Frankreich  und 
Schweden,  gegen  ihn  vereinigen  können  und  dann  mit  äufserster 
Anstrengung  den  Krieg  fuhren  werden,  sagt  er  in  seinem  Testa- 
ment vom  Jahre  1768:  „wenn  ich  noch  einige  Jahre  l«be,  werde 
ich  die  Zahl  des  Heeres  auf  166000  Mann  bringen  können.^  Da 
aber  die  Feinde  mehr  Truppen  aufbringen  können,  so  will  er,  dafs 
die  preufsischen  durch  Tüchtigkeit  mehr  vermögen. 

Den  Geist  und  die  Zucht  des  Heeres,  in  dem  der  Fürst  sein 
eigener  Kronfeldherr  sein  soll,  stellt  der  König  in  erste  Linie;  die 
Verdienste  des  Adels  im  Heere  hält  er  hoch  und  bedauert  es  im- 
mer wieder,  für  tapfere  Offiziere  und  Soldaten  nicht  Belohnungen 
genug  za  haben.      Er  will   den    eigenen  Adel   zum  Heeresdienst, 


>)  Werke  I,  p.  121. 


vom  27.  Januar  1870.  35 

keinen  fremden;  denn  die  Fremden,  sttgter^  gehen  leieht  in  andere 
Dienste  über  und  bereicbem  dann  die  Fremden  mit  unsem  Kennt- 
nissen. 

In  der  Geachicbte  sieht  der  König  mit  dem  Verlust  der  Dis- 
ciplin  den  Staat  sinken.     So  m  Schweden,  so  in  Holland. 

^Das  rweite  Beispiel,  das  ich  erlebt  habe,^  sagt  der  König  im 
Vermichtnirs  Ton  1752,  „betrifft  die  Hollfinder.  Ihre  Trappen 
waren  nnter  dem  Fürsten  Ton  Oranien  das  Voi4>ild  der  enropfii* 
sehen  Landwehr;  und  die  Preufsen  haben  von  ihnen  die  Ordnung 
and  die  Knnst  des  Krieges  gelernt  Nach  dem  Tode  des  Königs 
Wilhelm  regierten  die  Kaufleute  von  Amsterdam,  mit  den  Titeln 
▼on  Stadtschreibem,  Bathspensionfiren  und  Generalstaaten  geziert, 
doi  Staat.  Sie  machten  ihre  Ladendiener  zu  Offizieren,  und  Ter- 
achteten  die  Yertheidiger  des  Freistaats.  Alter  und  Tod  nahmen 
ihnen  ihre  guten  Offiziere.  Die  Obersten  wurden  die  Pfichter  ihrer 
Regimenter;  die  Subalternen  rerweichlichten  sich;  die  Hefe  des 
Volks,  der  Ans  warf  der  Nation  er^^riff  das  Kriegshandwerk  und 
wegen  Mangels  an  Mannschaft  warb  man  Söldner  an.  Niemand 
hatte  das  Auge  auf  die  Truppen.  Der  Krieg  überkam  sie  und 
der  Terfichtliciie  Haufe  dieser  republieanischen  Miliz  wurde  gefan- 
gen genommen.  Man  bedeckte  sich  durch  Feigheit  mit  Schmach. 
Flandern  wurde  TOn  den  Franzosen  genommen  nnd  Holland  fiel 
auf  Gnade  nnd  Ungnade  in  Ludwigs  XV.  Hand^  wenn  er  seine 
Voriheile  benutzen  wollte  oder  konnte.^  „Ihr  seht  also,  wie  wich- 
tig es  für  jedes  Reich  ist,  besonders  aber  f&r  eine  heranwachsende 
Macht,  d&ffl  der  Fürst  sein  Feldherr  sei,  auf  die  Strenge  der  Zoebt 
seine  Hand  halte,  und  dafs  ihn  dabei  anch  das  Kleinliche  in  den 
Einzelheiten  nicht  Terdriefse.^  ^Ich  bin^,  schliefst  er,  „Ton  Kind 
auf  im  Heere  aufgezogen.^ 

Wie  die  Strategie  des  Krieges,  denkt  sich  der  König  die 
Klugheit  der  äufsem  Politik.  Daher  verlangt  er  in  ihr,  verschwie- 
gen zu  sein,  sich  selbst  zu  beobachten,  der  eigenen  Aifecte  Herr 
zu  sein,  seine  Absichten  zn  verdecken,  seinen  Charakter  zu  ver- 
h&Uen  nnd  nichts  sehen  zu  lassen,  als  eine  gemessene  und  durch 
die  Oerechtigkeit  gemilderte  Entschlossenheit ')  Und  wie  Poljbius 
von  dem  Feldherrn  verlangt,  dafs  er  die  A£fecte  in  dem  Charakter 
seines  Gegners  kenne  und  in  die  Berechnung  seines   Planes  auf- 


')  nne  ferniete  mesnree  et  temperee  par  la  justice. 

3* 


36  Öf entliehe  Siitung 

nehme:  so  will  Friederieh  der  Grobe,  dab  in  den  fiudsem  Ter- 
handlangen  die  Staatskunst  es  verstehe,  die  fremden  Aflfecte,  wie 
die  Eitelkeit,  Eigenliebe,  richtig  za  benutzen.  Es  ist  überhaupt, 
als  ob  zwischen  den  Staaten  mitten  im  Frieden  die  Listen  des 
Krieges  gelten  sollen.  Friederich  hat  in  der  nach  seinem  Tode 
(1788)  herausgegebenen  Geschichte  des  siebei\i&hrigen  Krieges^) 
von  dieser  dunkeln  Seite  seines  Verfahrens  kein  Hehl  gehabt  Es 
mag  sein,  dafs  die  Staatskunst  zwischen  Staaten  erst  offener  wer- 
den wird,  wenn  mehr  und  mehr  friedliche  Bande,  durch  die  Ver- 
schlingung  der  Interessen  in  gegenseidgen  Yertrfigen  befestigt,  die 
Völker  mit  einander  verketten. 

Der  König  hat  immer  wachsam  seine  Gegner  im  Auge  und 
bezeichnet  die  politische  Lage  der  Staaten  in  Ähnlicher  Weise, 
wie  im  2.  Kapitel  seiner  Geschichte  des  siebenjährigen  Krieges, 
nur  nackter,  und  die  Linien  gehen  immer  zu  dem  Augenpunkt  hin, 
der  in  Preu&en  seinen  Standort  hat. 

Dabei  ist  sein  Urtheil  gerecht  und  entbehrt  der  offenen  Ao^ 
erkennubg  für  den  Gregner  nicht,  das  Zeichen  des  freien,  in  der 
Wahrheit  gegründeten  Charakters. 

So  schreibt  der  König  in  dem  Vermftchtnifs  von  1768: 

„Die  Macht  Oesterreichs  verdient  besondere  Beachtung.  Dies 
Haus  der  C&saren  hatte  sich  seit  der  Zeit  Karls  V.  mehr  und 
mehr  geschwächt  Unter  der  Regierung  Karls  VL  hob  es  sich 
wieder;  aber  nach  dem  Tode  dieses  Kaisers  und  dem  Erlöschen 
des  Mannsstammes  glaubte  Europa,  es  sei  verloren.  Eine  Frau 
erhob  es  wieder  und  behauptete  es  mit  Festigkeit.  Sie  wurde  der 
Abgott  eines  vor  Kurzem  noch  aufrührerischen  Volkes,  das  sie  für 
ihre  Sache  in  den  Kampf  führte.  Diese  Frau,  regiert  noch  jetzt. 
Wenn  sie  die  verlorenen  Provinzen  noch  nicht  durch  andere  er- 
oberte ersetzt  hat,  so  hat  sie  doch,  ihre  Finanzen  ordnend.  Schätze 
gefunden,  und  ihre  Einkünfte  belaufen  sich  so  hoch,  wie  die  des 
Kaisers  Karl  VI.  selbst-  zu  der  Zeit,  da  er  Neapel  besafs.  Man 
berechnet  ihre  j&hrlichen  Einkünfte  auf  26  Millionen*  Wirklich 
unterhält  sie  140000  Mann  und  kann  diese  Zahl,  wenn  Zeit  und 
Umstände  es  erfordern,  auf  200000  steigern.  Ihre  Macht  würde 
noch  furchtbarer  sein,  wenn  sie  nicht  jährlich  8  Millionen  Thaler 
abrechnen  mülste,  theils  um  die  Dividende  zu  zahlen,   theils  für 


>)  Werke  IV.  S.  U  t  S.  83. 


vom  27.  Januar  1870.  37 

einen  Fonds  znr  Tilgung  der  wfihrend  des  letzten  Krieges  gemachten 
Schulden.  Sie  hat  die  Kunst  verstanden  fähige  Minister  za  finden 
und  zn  wählen;  nnd  ihr  Ministerrath  ist  dnrch  Weisheit  und  syste- 
matisches Verfahren  dem  aller  andern  Konige  überlegen;  sie  han- 
delt aas  sich  selbst.  Ihr  Sohn  Ififst  sich  von  ihr  in  den  Geschfiften 
belehren  nnd  folgt  ihren  Antrieben.^  „Die  Königin  von  Ungarn,^ 
sagt  Friederich  an  einer  andern  Stelle  ehrend,  ^gehört  zu  den'  we- 
nigen Fürsten,  die  sich  über  die  schlechte  Erziehung  ihrer  Jugend 
erhoben  haben.  Ihr  Geist  hat  über  diese  triumphirt.^  i»r>er  Fürst 
Eannitz  und  Hatzfeld,*'  ffihrt  der  König  in  jenem  Zusammenhang 
fort,  „sind  ihre  besten  Minister.  Die  Generale,  die  den  gröfsten 
Namen  haben,  sind  Lasci  und  London;  wenn  sie  diese  verlöre, 
werde  es  ihr  schwer  werden,  unter  der  grofsen  Zahl  der  übrigen 
ihres  Gleichen  zu  finden.  Indessen  ist  bis  jetzt  die  Österreichische 
Kavallerie  schlecht,  die  Infanterie  taugt  mehr,  besonders  als  Posten; 
und  ihr  Korps  der  Artillerie  ist  so  gut  als  möglich.  Prägt  es 
euch  wohl  ein,  dafs  es  keinen  grofsen  Fürsten  giebt,  der  nicht  den 
Gedanken  mit  sieh  herumtrüge,  seine  Herrschaft  za  erweitem. 
Die  Kaiserin -Königin  hat  ohne  Zweifel  ihr  Eckchen  Ehrgeiz,  wie 
die  andern.  Die  Politik  verlangt,  dafs  solche  Vorhaben  mit  nn- 
dnrchdringlichem  Schleier  verhüllt  bleiben  und  dafs  man  die  Aus- 
führung verschiebt,  weil  die  Mittel  zum  Erfolge  fehlen.  Man  darf 
also  das  System  des  Friedens,  welches  der  Wiener  Hof  zur  Schau 
trägt,  nur  den  180  Millionen  Thalem,  die  er  schuldet,  zuschreiben. 
Sie  würden  ihn,  wenn  ein  Elrieg  zustiefse,  ehe  er  einen  ansehn- 
lichen Theil  dieser  Summe  getilgt  hätte,  zu  einem  Bankerott  nö« 
thigen.»») 

So  sehr  auch  der  König  auf  den  Krieg  gerichtet  und  gerüstet 
ist  und  seinem  Staat  gebietet,  immer  auf  dem  Wachtposten  zu  sein, 
so  wenig  will  er  den  Krieg  als  solchen.  „Ein  Fürst,  ^  sagt  er  in 
dem  Yermächtnifs  von  1768,  „der  aus  Unruhe,  aus  Leichtsinn,  aus 
schlechtem  Ehrgeiz*)  Krieg  beginnt,  ist  so  verwerflich,  wie  eia 
Richter,  der  sich  des  Schwertes  des  Gesetzes  bedient,  um  einen 
Unschuldigen  zu  verderben.  Dann  ist  der  Elrieg  ein  guter  Krieg, 
wenn  man  ihn  unternimmt,  um  das  Ansehn  eines  Staates  aufrecht 
zu  halten,  um  seinen  Verbündeten  zu  Hülfe  zu  konmien,  um  die 


')  Vgl.  Werke  IV,  p.  8  f. 
')  une  ambition  desordonnee. 


38  Öffentliche  Sitzung 

Eotwurfe  eines  elurgeisigen  Fürsten,  der  unseren  Interessen  sch&d- 
liche  Eroberungen  vor  hat,  im  Zaum  zu  halten.^ 

Wie  Friedericfa  selbst  ein  ritterlicher  König  ist,  so  will  er 
sein  Heer  mit  edler  Gesinnung  erfüllen.  „Die  Ehre,^  schreibt  er 
(1768),  „das  Verlangen  nach  Ruhm,  das  Beste  des  Vaterlandes, 
muussen  alle  die  beseelen,  welche  sich  den  Waffen  widmen  und 
keine  niedrige  Leidenschaft  darf  so  edle  Gesinnungen  beflecken.*' 
Der  Purst,  der  mitten  im  Heere  steht,  soll  ihm  mit  seinem  Bei- 
spiel diese  Enipfnidungen  «nflofsen.  Denn  „alle  Welt,^  sagt  Friede- 
rieh,  „hat  in  monarchischen  Staaten  ihre  Aogeo  auf  den  Monarchen. 
Die  öffentliche  Meinung  folgt  seinem  Geschmack  und  scheint  be- 
reit, die  Eindrucke,  die  er  giebt,  in  sich  aufzunehmen.^  In  dem 
Adel  sieht  der  König  den  Triger  des  militairischen  Geistes.  „Es 
ist  nöthig,^  schreibt  er  im  Vermftchtnifs  von  1752,  „zu  verhindern, 
dafs  der  Adel  in  fremde  Dienste  trete,  und  seinen  Sinn  für  Ge^ 
Bieiaschaft  und  Vaterland  zu  wecken.  Daran  habe  ich  gearbeitet 
«nd  im  Laufe  des  ersten  Krieges  habe  ich  alles  Mögliche  gethan, 
um  den  Namen  Preulsen  durchzuführen,  und  um  die  Offiziere  zu 
lehren,  daüs  sie  alle,  aus  welcher  Provinz  sie  seien,  als  Preufsen 
giriten  und  dafs  alle  Provinzen,  wenn  auch  zerschnitten,  zusammen 
Einen  Körper  bilden.^  So  pflanzt  damals  der  König  durch  das 
Heer  das  Gefühl  des  Einen  Ganzen  in  das  Volk,  schmilzt  die 
spröde  .Gaugesinnung  in  Vaterlandsliebe  und  pflegt  das  Bewufst- 
sein  des  zusammengehörigen  Ganzen  in  den  Einzelnen.  Dem  sich 
aufopfernden  Muthe  giebt  er  dadurch  einen  gröfseren  Gegenstand 
und  dem  in  die  Heimat  zurückkehrenden  Soldaten  eine  Bedeutung 
für  die  Empfindung  im  Volk. 

Friederich  der  Grofse  kennt  den  Vorzog  der  Monarchie,  der 
es  leichter  wird.  Jeden  an  die  Stelle  zu  bringen,  für  die  er  am 
fähigsten  ist  „Wenige  Menschen,''  sagt  er,  „sind  gpmz  ohne  Ta- 
lent geboren.  Jeden  nun  an  seine  Stelle  setzen,  das  heifst,  ans 
allen  zusammen  einen  doppelten  Vortheil  ziehen ;  es  heifst,  sich  in 
keinem  täuschen  und  dem  Ganzen  der  Regierung  mehr  Kraft  und 
Nachdruck  geben,  weil  Alles  dient  und  Alles  im  Stande  ist,  nütz- 
lich zu  dienen.*' 

Die  strenge  Pünktlichkeit  in  der  Pflichterfüllung,  die  er  vom 
Militair  fordert,  fordert  er  ebenso  von  den  Beamten.  Die  Offiziere 
hält  er  zum  Dienst  im  Staat  geschickt,  weil  sie  es  verstehen,  zu 
gehorchen  und  sich  selbst  Gehorsam  zu  verschaffen.    Über  die  Staats- 


vom  27.  Januar  1870.  39 

diener  ist  er  wachsam,  besonders  im  aaswfirligen  Amte;  „denn,*' 
sagt  er  in  seiner  dastern  Anschauung,  ,,da8  Mifstrauen  ist  die  Mutter 
der  Sicherheit  und  nur  der,  der  die  Menschen  nicht  kennt,  darf 
ihnen  trauen  (1768)*  Treue  Dienste  beb&lt  er  in  dankbarem  An- 
denken, wie  z.  B.  den  Eifer  und  die  Anhänglichkeit  der  märkischen 
^Landschaft,^  die  ihm  im  Feldauge  von  1744  auf  ihren  Credit 
Sommen  yorgestreckt,  um  den  Krieg  weiter  fuhren  au  können» 
Sammen,  ohne  welche  er  aus  gänzlichem  Mangel  an  baarem  Gelde 
yerloren  gewesen  wäre.  Wiederholt  spricht  der  König  die  Hoch- 
achtung für  sein  Volk  aus,  dergestalt,  dafs  er  sich  es  zur  Ehre 
rechnet,  ein  solches  zu  regieren').  „In  diesem  Staate,^  schreibt 
er,  ysind  weder  Parteiungen  noch  Empörungen  zu  furchten.  Man 
braucht  in  der  Regierung  nur  Milde  anzuwenden  und  keinen  Ver- 
dacht zu  hegen,  als  etwa  gegen  einige  verschuldete  oder  unzufrier 
dene  EdeUeute  oder  einige  Domherrn  oder  Mönche  in  Schlesien, 
welche  jedoch,  weit  entfernt,  sich  offen  zu  erklaren,  ihre  schlechteR 
Umtriebe  darauf  beschränken,  sich  zu  Kundschaftern  unserer  Feinde 
herzugeben.^  ^Ich  habe  gesagt  und  wiederhole  es,^  schreibt  der 
König  an  einer  andern  Stelle,  „in  diesem  Lande  kommt  man  mehr 
in  Verlegenheit  hinreichende  Belohnungen  für  die  guten  Handlungen 
zu  finden,  als  dafs  man  genöthigt  wäre,  böse  zu  bestrafen.  Ma^ 
kann  nicht  genug  die  Tugend  schätzen  und  die,  welche  sie  üben, 
ermuntern.  Es  ist  das  Interesse  des  Staats,  dafs  sich  seine  Bürger 
alle  zu  ihr  bekennen.  Darum  mufs  man  sie  hervorheben,  ja  die 
gQten  Handinngen  selbst  gröfser  erscheinen  lassen,  um  ihnen,  wo 
möglich,  gröfseren  Glanz  zn  verleihen  und  edeln  empfängliche^ 
Seelen  Nacheiferung  einzuhauchen.  Gesetzt  auch,  dafs  ein  Mann, 
der  von  Nator  nicht  die  Erhebung  der  Seele  hätte,  welche  den 
höher  angelegten  Geistern  eigen  ist,  eine  gute  Handlung  ans  Hunger 
nach  Ehre  und  Belohnungen  thäte,  so  ist  damit  doch  viel  gewon- 
nen; und  obschon  der  Beweggrund  der  Handlung  an  sich  niedrig 
wäre,  so  ist  die  schöne  Handlung  darum  doch  dem  Gemein wohle 
nicht  weniger  nützlich.  Die  nützlichsten  Tugenden  des  Bürgers 
sind:  Menschlichkeit,  Billigkeit,  Tapferkeit,  Wachsamkeit  und  Liebe 
zur  Arbeit.  Diese  bilden  nützliche  Menschen,  sei  es  für  die  bürger- 
lichen Geschärfte  oder  den  Dienst  im  Heere.^ 


')  S.-  da«  Testament  über  den  Nachiafs  iu  den  Werken  VI,  p.  215. 


40  Öfentliehe  Sitzung 

Wenn  Priederich  der  Orofae  in  diesen  nnd  andern  Stetlen 
die  Springfeder  dea  Ehrgeizes  in  Bewegung  setzt,  nnd  die  ans  Ehr- 
geiz vollzogene  Tugend  am  ihres  Nutzens  willen  lohnt:  so  vergifst 
er  das  Wort  eines  ihm  wohlbekannten  alten  Geschichtsschreibers, 
der,  den  Ehrgeiz  der  Römer  betrachtend,  ihn  einen  Fehler  nennt, 
wenn  auch  einen  Fehler  in  der  Nähe  der  Tagend.  Friederich  der 
Grofse  selbst  ist  ron  der  Tugend,  die  ihre  Lust  in  sich  hat  und 
nicht  Ton  Ehre  und  Lohn  abhängt,  beseelt.  Ton  dem  Edelsinn 
im  Geben  sagt  er  an  der  Stelle,  wo  er  von  dem  Fürsten  beides 
fordert,  Sparsamkeit  und  GroDsmuth:  „Die  grofsmüthige  Freigebig- 
keit ist  eine  hellsehende  Tagend,  weil  sie  mit  Kenntnifs  der  Ur- 
sache handelt.  Wenn  dieser  Edelsinn  aufrichtig  ist,  so  ist  er  be- 
scheiden, sanft,  fordert  keine  Erkenntlichkeit  and  ist  nicht  bemüht 
den  Ruf  seiner  Wohlthaten  zu  rerbreiten.^ 

Man  hat  oft  Friederichs  des  Grofsen  Bestreben,  der  seinem 
Volke  die  Strenge  der  Pflicht  einprägte,  mit  Kants  Lehre  verglichen, 
der  gleichzeitig  die  Pflicht  zum  Mittelpunkt  der  Sittenlehre  machte, 
aber  doch  nicht  die  Pflicht  um  der  Ehre,  sondern  die  Pflicht  um 
der  Pflicht  willen. 

In  unserm  gemeinsamen  Leben  liegt  die  Quelle  einer  solchen 
Gesinnung,  die  dem  Menschen  an  sich  Werth  und  Würde  giebt, 
in  der  Religion,  die  das  Gute  um  Gottes  willen,  oder,  was  un- 
gefähr denselben  Sinn  hat,  das  Gute  um  Christi  willen  zu  wollen 
nnd  zu  thun  gebietet. 

Friederich  der  Grofse  setzt  in  seinem  Vermäcbtnifs  diese  Seite 
des  menschlichen  Lebens  hintan,  obgleich  er  sich  der  Rechts- 
pflichten gegen  die  Kirchen  bewufst  ist  „Ich  bin  neutral,*  sagt 
er,  „zwischen  Rom  und  Genf.  Will  Rom  in  Genf  eingreifen,  so 
zieht  es  den  Kurzem;  will  Genf  Rom  unterdrücken,  so  wird  Genf 
verurtheilt.  Auf  diese  Weise  kann  ich  den  Religionshafs  mindern, 
indem  ich  allen  Theilen  Mäfsigung  predige  und  versuche  sie  zu 
vereinigen,  indem  ich  ihnen  vorhalte,  dafs  sie  alle  Bürger  Eines 
Staates  sind,  und  dafs  man  einen  Menschen  ebenso  lieben  kano, 
der  einen  rothen,  als  einen  andern,  der  einen  grauen  Rock  trägt. 
Ich  habe  versucht  mit  dem  Papst  gute  Freundschaft  zu  halten, 
um  dadurch  die  Katholiken  zu  gewinnen  und  ihnen  begreiflich  zu 
machen',  dafs  die  Politik  der  Fürsten  dieselbe  ist,  mag  auch  die 
Religion,  nach  der  sie  genannt  werden,  verschieden  sein. 


vom  27.  Januar  iS70.  41 

Der  Oedanke  an  die  Zaknnft  seines  Staates  verbindet  sich 
dem  Eonige  mit  dem  Gedanken  an  die  Zaknnft  seiner  Regenten. 
«Die  Königreiche,^  sagt  er,  „sind  von  den  Mftnnem  abhfingig,  die 
sie  regieren.  Erinnert  ench,  dafs  England  nnter  Cromwell  geachtet, 
unter  Karl  IL  verachtet  wurde.^ 

Indem  der  Konig  nach  dieser  Seite  die  Geschicke  der  Staaten 
aberdenkt,  bennrnhigt  ihn  der  Gedanke  an  eine  Minderjährigkeit, 
die  im  Laufe  der  Zeit  eintreten  könne.  „Wenn  die  Gottheit,^ 
schreibt  er,  „sich  um  das  menschliche  Elend  kümmert,  wenn  die 
schwache  Stimme  des  Menschen  bis  sn  ihr  gelangen  kann,  so  darf 
ich  dieses  unbekannte  und  allmftchtige  Wesen  anrufen,  es  wolle 
diesen  Staat  vor  der  Geifsel  einer  Mindeij&hrigkeit  bewahren.  Es 
giebt  kein  Beispiel,  dafs  die  Regierung  eines  Vormundes  eine  glück- 
liche gewesen  wfire.  Alle  Beispiele,  von  denen  uns  die  Geschichte 
berichtet,  sind  durch  die  Mifsgeschicke  des  Volkes,  durch  Spal- 
tungen und  oft  durch  fiufsere  und  innere  Kriege  bezeichnet.  Nicht 
Bargerkriege  hat  Preufsen  wfihrend  einer  Minderjährigkeit  zu  furch* 
ten,  aber  eine  schwache  Regierung,  schlechte  Verwaltung  der  Fi- 
nanzen, eine  schwankende  Politik,  eine  Erschlaffung  der  militai- 
rischen  Zucht  und  den  Verfall  in  der  Ordnung  der  Truppen,  welche 
sie  bis  jetzt  unbesiegbar  gemacht  hat  Was  wir  besonders  in  die- 
ser Zeit  der  Schwfiche  zu  fürchten  hfitten,  wäre  ein  Krieg.^ 

Es  ist  an  uns,  an  dieser  Stelle  nicht  schweigend  vorüberzu- 
gehen, sondern  dankbar  zu  gedenken,  dafs  die  Fügung,  die  in 
keines  Menschen  Hand  steht,  bis  dahin  nnserm  Vaterlande  ge- 
wfihrte,  was  Friederich  der  Grofse  hier  für  seinen  Staat  von  der 
Vorsehung  erbittet;  —  wolle  Gott,  dafs  das  unschätzbare  Gut,  das 
in  der  durch  keine  Minderjährigkeit  unterbrochenen  Kette  starker, 
selbst  denkender,  selbst  wollender  Fürsten  liegt,  bis  in  die  fernsten 
Zeiten  sein  Erbtheil  sei. 

Friederich  dem  Grofsen  trat  alsbald,  da  nach  wenigen  Jahren 
sein  Bruder,  der  Prinz  von  Preufsen,  unerwartet  starb,  die  Sorge 
näher,  die  diese  Stelle  ausspricht  Man  sieht  es  aus  dem  Briefe 
voll  Liebe,  den  er  aus  dem  Felde  nach  der  empfangenen  Nachricht 
unter  dem  25.  Juni  1758  an  seinen  Bruder,  den  Prinzen  Heinrich 
schrieb ' ).  Ähnliche  Gedanken  liegen  in  seiner  Seele,  da  zu  einer 
Zeit,  in  Welcher  der  Mannsstamm  des  königlichen  Hauses  auf  we- 


')  Werke  XXVI,  p.  172  t 


42  Öffentliche  Sitzung 

Digen  Aagen  stand,  20  Jahre  alt,  der  blühende  Prina  Friederich 
Heinrich,  der  zweite  Sohn  des  verstorbenen  Prinzen  von  Preufsen, 
durch  den  Tod  dahin  gerafft  wurde,  und  der  Konig  an  seinen 
Bruder,  den  Prinzen  Heinrich,  unter  dem  27.  oder  28.  Mai  1767 
einen  Brief  achrieb,  auf  den  seine  Thrane  fiel.  „Ich  habe  dies 
Kind,  wie  meinen,  eigenen  Sohn  geliebt;  der  Staat  verliert  an  ihm 
viel;  meine  Hoffnungen  schwinden  mit  ihm^  0* 

Für  den  Fall  der  Minderj&hrigkeit  empfiehlt  der  Konig  in  dem 
Yermfichtnifs  den  nfichsten  Verwandten  und  keine  Frau  zum  Vor- 
mund einzusetzen,  und  ihm  allein  die  volle  Macht  in  die  Hand  za 
geben,  ohne  seine  Beschlüsse  an  die  Genehmigung  eines  ihn  um- 
gebenden Raths  zu  binden.  „So  wenig  es  Newton  möglich  gewesen 
wäre,^  fugt  er  hinzu,  „sein  System  der  Anziehung  zu  gestalten, 
wenn  er  im  Verein  mit  Leibniz  und  Descartes  gearbeitet  hätte, 
ebensowenig  kann  ein  System  der  Politik  gebildet  und  durchge- 
führt werden,  wenn  es  nicht  aus  Einem  Kopfe  entspringt^ 

Der  König,  der  in  dem  Regenten  die  Zukunft  des  Landes 
sieht,  befielt  vor  Allem  Sorgfalt  der  Erziehung,  und  während  einer 
Minderjährigkeit  furchtet  er  Tomehmlich  Schmeichler,  die  das  junge 
Gemüth  verderben.  Er  vertrauet  den  richtigen  Einwirkungen,  wie 
in  seiner  spätem  Abhandlung  über  die  Erziehung.  Er  will  die 
Erziehung  der  Fürstensöhne  ebenso  weit  von  Härte  als  von 
Schmeichelei  entfernt  wissen.  Schon  im  AntimachiaveU  hat  er  das 
Gift  der  Schmeichelei  geschildert,  welche  sophistisch  Mängel  be- 
schönige und  verkleinere,  und  die  Fehler  mit  dem  Schein  von  Tu- 
genden umkleide,  indem  sie  Rauhheit  und  Rohheit  Strenge  der 
Gerechtigkeit,  Verschwendung  Freigebigkeit  nenne  und  Ausschwei- 
fungen mit  dem  Schleier  des  Vergnügens  umhülle«  Vor  Allem  will 
der  ^önig  eine  richtige  Gewöhnung  zur  Pflicht.  „Die  Gewohn- 
heit,^ sagt  er,  „hat  eine  herrschende  Gewalt  über  die  Menschen; 
sie  kann  sie  zum  Guten  führen,  wie  zum  Bösen;  und  es  ist  ein 
vorzügliches  Verdienst  einer  weise  geleiteten  Erziehung,  daXs  die 
Kinder  in  der  Gewohnheit  ihrer  Pflichten  aufwachsen.  Man  kann 
hierdurch  dem  Mangel  der  natürlichen  Anlagen  nachhelfen*''  Wie- 
derum fordert  er,  dafs  man  den  Fürstensohn  an  ein  arbeitsames, 
thätiges  und  mäfsiges  Leben  gewöhne  und  in  ihm  den  Samen  der 
Tugenden,  welche  die  Natur  ihm  zugetheilt  hat,  pflege.''     Damit 


>)  XXVI  p.  307.     Vgl.  memoires  de  17C3  iusqa*  a  1775  VI,  p.  23. 


vom  277 Januar  1870.  43 

er  sie  eigenthumlich  entwickele,  will  der  König  ihm  Freiheit  ge- 
währen; er  soll  die  Menschen  selbst  kennen  lernen,  selbst  hören, 
selbst  nrtheilen.  Indem  der  König  die  Tugenden  von  Geschlecht 
ZQ  Geschlecht  fortpflanxen  möchte,  die  sein  eignes  Wesen  sind^ 
lenkt  er  die  Erziehung  besonders  auf  die  Menschlichkeit  hin,  die 
Humanität,  die  menschlieh  heifse,  weil  sie  in  unserer  Natur  liege 
ond  jedem  Sterblichen  gleichsam  (innewohne,  das  Mitgefühl  des 
Meuschen  mit  dem  Menschen. 

Wie  in  dem  Furstensohn,  liegen  ihm  die  Sitten  des  Volks  am 
Herzen.  Da  er  nach  dem  siebenj&hrigen  Kriege  einen  gröfseren 
Luxus  bemerkt  hat,  warnt  er  dagegen  in  seinem  Vermfichtnifs  vom 
Jahre  1768.  Wo  er  einreilse,  wolle  keiner  dem  andern  in  Aus- 
gaben etwas  nachgeben  und  die  Ausgaben  gelten  als  Mafs  des  An- 
sehens. So  sei  es  in  Frankreich  und  England,  in  Rufsland  und 
selbst  in  Osterreich.  „Halten  wir  uns",  sagt  er,  „an  Einfachheit; 
bewahren  wir  nnsem  Adel  und  unsere  guten  Eigenschaften,  oder, 
wenn  ihr  wollt,  unsere  deutschen  Togenden.  Ahmen  wir  nach, 
was  die  Nachbarn  Gutes  haben,  und  hüten  wir  uns  ihre  Fehler 
nachzuahmen.^ 

So  möchte  Friederich  die  Fürstensohne  und  das  Volk,  den 
Adel  und  das  Heer  durch  Bildung  und  Tugenden  für  die  Zukunft 
seines  Staates  erzogen  wissen;  und  im  Sinne  eines  solchen  Ver- 
mfichtnisses  hofft  er,  dafs  sein  Preufsen  einst  eine  der  angesehen- 
sten Mfichte  Europa's  werde. 

Friedericfa  der  Grofse  schU^fst  d^s  Testament  über  seinen 
Nachlafs  mit  den  Worten :  „In  dem  Augenblick,  wo  ich  das  Leben 
aushauchen  werde,  sollen  meine  letzten  Wünsche  für  die  Wohl- 
fahrt dieses  Reiches  sein.  Möge  es  immer  mit  Weisheit,  Gerech- 
tigkeit und  Kraft  regiert  werden,  der  glücklichste  der  Staaten  durch 
die  Milde  äe»  Gesetzes  sein,  der  in  billigster  Gleichheit  verwaltete 
in  Bezog  auf  die  Finanzen,  der  am  tapfersten  vertheidigte  durch 
ein  Heer,  ,das  nur  Ehre  und  edlen  Ruhm  athmet,  und  möge  es 
dauern  und  blühen  bis  an  das  Ende  der  Zeiten.^ 

Wir  danken  Allen,  die  auf  dem  so  gelegten  Grunde  wahrend 
des  inzwischen  verflossenen  Jahrhunderts  in  guten  und  schweren 
Tagen  treu  dafür  gearbeitet,  dafs  sich  bis  dahin  mit  Gottes  Hülfe 
des  grofsen  Königs  letzter  Wunsch  erfüllte. 


44  Öffentliche  Sitzung 

Hr.  Haupt,  Secretar  der  phnosopbfsch-bistoriscben  Klasse, 
gab  bieranf  Beriebt  über  die  seit  dem  28.  Januar  Toriges  Jahres, 
als  dem  Tage  der  TOijfihrigen  offentlicben  Sitzung  zum  Andenken 
Friedrichs  des  Orofsen  vorgekommenen  Yerfinderungen  im  Perso- 
nalstande der  Akademie. 

Derselbe  rerkfindigte  sodann  das  Folgende. 

Die  durch  das  AUerbSchste  Patent  vom  18.  Juni  1844  ange- 
ordnete Commission,  welche  Seiner  Miyestät  dem  Könige  das  beste 
in  den  Jahren  1863  bis  Ende  1867  erschienene  Werk  über  deut 
sehe  Geschichte  behufs  Ertbeilung  des  zum  Andenken  an  den  Ver- 
trag von  Yerdun  gestifteten  Preises  zu  bezeichnen  hatte,  ist,  nach- 
dem von  deren  Einberufung  im  Jahre  1868  mit  Allerhöchster  €re- 
nehmigung  Abstand  genommen  war,  nach  erfolgter  Ernennung  der 
Mitglieder  im  vorigen  Jahre  vorschriftsmfifsig  zusammengetreten. 
Dieselbe  hat  zufolge  Berichtes  vom  24.  November  v.  J.  dem 
Werke  von  Dümmler,  Professor  zu  Halle,  'Geschichte  des 
Ostfränkischen  Reichs,  2  Theile,  Berlin  1862.  1865**  den  Preis 
zuerkannt.  Seine  Mfyestfit  der  Konig  haben  geruht  diesen  Beschlufs 
der  Commission  mittels  Allerhöchsten  Erlasses  vom  29.  v.  M.  und 
J.  Allergnädigst  zu  bestätigen  und  dem  Professor  Dümmler  für 
das  gedachte  Werk  den  stiftungsmftfsigen  Preis  von  Eintausend 
Thalern  Gold  nebst  einer  goldenen  Denkmünze  auf  den  Vertrag 
von  Yerdun  zu  ertbeilen. 

Auf  Grund  der  Bestimmung  in  der  Allerhöchsten  Ordre  vom 
22.  December  1862  wird  dies  durch  die  Akademie  hiermit  öffent- 
lich bekannt  gemacht 


Hierauf  las  Hr.  duBois-Reymond,  als  Vorsitzender  des 
Curatoriums  der  Humboldt-Stiftung  für  Naturforschung  und  Reisen, 
folgenden  Bericht,  zu  dessen  Erläuterung  Hr.  Kiepert  eine  Wand- 
karte der  Länder  zwischen  Chartum  und  dem  Äquator  angefertigt 
hatte. 

Das  Curatorium  der  Humboldt-Stiftung  für  Naturforsebung 
und  Reisen  erstattet  statutenmäfsig  Bericht  über  die  Wirksamkeit 
der  Stiftung  im  verflossenen  Jahre. 

Die  bei  Gelegenheit  der  Säcularfeier  der  Geburt  AI  ex  an- 
deres von  Humboldt  am  14.  September  v,  J.  neuerwachte  Theil- 


vom  37.  Januar  1870.  4& 

ojdime  für  dessen  Andenken  ist  auch  der  Stiftung  zn  Gate  ge- 
kommen« Es  sind  der  Stiftung  sugegangen:  1}  Von  Hm.  PH- 
Tsidocenten  Dr.  Eny  hierselbst  80  Thk.;  2)  Von  Hm.  Dr.  Hei- 
depriem  in  Cothen  82  Thlr.  7  Sgr.  als  £rtrag  einer  an  der 
Undwirthschafttich- chemischen  Versuchsstation  für  das  Herxogthum 
Anhalt- Cöthen  veranstalteten  Sammlung;  3}  von  Hm.  Professor 
Dr.  IL  Knoblauch  in  Halle  HO  Thlr.  als  Ertrag  einer  dort  ver- 
anstalteten Sammlung;  4}  von  Hm.  Professor  Dr.  Ed.  Grube  in 
Breslaa  312  Thlr.  als  ein  Theil  des  Kassenbestandes  des  ehema- 
ligen akademischen  Zirkels  daselbst,  der  bei  seiner  Auflösung 
diese  Verwendung  jener  Summe  beschlofs*  Das  Capital  der  Stiftung 
ist  somit  seit  vorigem  Bericht  um  584  Thlr.  7  Sgr.  gewachsen. 

Hm.  Dr.  Reinhold  Hensel  sind  ffir  das  Jahr  1869  500  Thlr. 
Zürn  Zweck  der  weiteren  Bearbeitung  des  von  seiner  Reise  mitge- 
brachten, die  Wirbelthiere  betreffenden  Materiales  ausgezahlt  wor- 
den. Diese  Bearbeitung  schreitet  stetig  vor,  und  liefert  viele 
werthvoUe  Ergebnisse,  welche  sich  aber  ihrer  Natur  nach  nicht  xu 
einer  Znsammenfassung  an  dieser  Stelle  eignen« 

Die  laut  vorigem  Bericht  im  Jahr  1869  au  Stiftungsswecken 
verwendbare  Summe  von  2500  Thlm.  ist  auf  Beschlufs  der  Aka- 
demie Hrn.  Dr.  Georg  Sohweinfurth  aus  Riga,  sur  Fortset- 
sang seiner  mit  den  Mitteln  der  Stiftung  begonnenen  botanischen 
Beise  in  den  südwestlichen  Nilländem,  überwiesen  worden. 

Die  letaten  Nachrichten,  welche  der  vorige  Bericht  über 
Hm.  Dr.  Schweinfurth  gab,  waren  aus  Chartum  vom  10.  De* 
cember  1868.  Sie  zeigten  den  Reisenden  im  Begriff  mit  einer 
Bandeisexpedition  des  dortigen  koptischen  Grofshändlers  Ghat- 
tas  nach  dem  oberen  weiOsen  Nil  aufaubrechen,  und  rühmten 
die  wohlwollende  und  energische  Unterstntsung,  welche  Seine 
Ezcellenz  der  Yicekonigliche  General  -  Gouvemeur  des  Sudans, 
Dschiaffer  Pascha,  Hm.  Dr.  Schweinfurth  hatte  angedeihen 
Isssen. 

Das  Curatorium  hat  in  Verbindung  mit  der  Akademie  die  An- 
wesenheit Seiner  Hoheit  des  Khedive  in  Berlin  wfihrend  des 
vorigen  Sommers  dazu  benutzt,  um  Höchstdemselben  eine  Dank- 
adresse für  die  von  ihm  Dschiaffer  Pascha  gnfidigst  ertheilten 
Weisungen  zu  überreichen  und  Seine  Hoheit  um  die  Erlaubnifs 
zu  bitten,  auch  Dschiaffer  Pascha  ein  Dankschreiben  über- 
senden zu  dürfen. 


46  ÖfentUehe  Sitzung 

Die  nächsten  seit  vorigem  Bericbt  eingetroffenen  Briefe  des 
Reisenden  waren  von  Faschoda  (Denab),  dem  fioTsersten  ägyp- 
tischen Militärposten  am  Bahr  el  Abiad,  am  2.  und  3.  Febraar 
geschrieben,  und  am  5.  April  hier  eingetroffen.  Sie  geben  ein 
lebendiges  Bild  der  dreiwöchentlichen  Nilfahrt  bis  Faschoda.  Die 
Barke  des  Ghattas,  in  welcher  der  Reisende  Chartam  am  5:  Janaar 
veriiefs,  trug  aufser  ihm,  seinen  6  Dienern  und  einer  zur  Besorgung 
der  Küche  angekauften  schwarzen  Sklavin  noch  15  dem  Ghattas  ge- 
hörige sogenannte  Soldaten,  d.  h.  mit  BSchsen  bewaffnete  Nnbicr, 
8  Schiffer  und  eine  Köchin  für  diesen  Theil  der  Gesellschaft.  Der 
weifse  Nil  iliefst  durch  ein  weites  Flachland;  grasreiche  Steppen  oder 
Buschwald  bilden  die  Ufer,  erst  südlicher  tritt  stellenweise  üppiger 
Urwald  auf.  Unzählige  Zebuheerden,  der  Reichthum  der  Anwohner, 
beleben  das  Land,  Schaaren  von  Wasservögeln,  darunter  ganze 
Flottillen  von  Pelikanen,  bevölkern  den  Strom;  Krokodil  und  Nil- 
pferd werden  immer  häufiger.  Am  5.  Tage  der  Fahrt  kommt 
westlich  das  durch  Kotschj  den  Botanikern  bekannte  Felsenge- 
birge Araschkol  in  Sicht  Am  6.  Tage  gelangt  man  oberhalb  el  Es 
in  das  inselreiche  Gebiet  der  Schillaks,  eines  kräftigen  Neger- 
stammes, der  sich,  nur  hie  und  da  durch  die  Baggara- Araber  un- 
terbrochen, bis  Faschoda  erstreckt.  Hier  trat  zuerst  ^as  in  den 
oberen  Gegenden  immer  reichlichere  Schwimmholz  Ambatseh^  (Her- 
miniera  elaphroxjlon)  auf,  ein  im  Strome  wurzelndes  Holzgewfichs 
mit  zartgefiederten  Blättern  und  grofsen  hochdottergelben  Schmetter- 
lingsblfithen,  aus  dessen  überaus  leichtem  Holze  Flösse  gezinHnert 
werden,  die  acht  Mann  über  Wasser  halten  und  leicht  von  Einem 
getragen  werden. 

Am  34.  Januar  landete  die  Barke  in  Faschoda.  Hier,  am 
Halteplatz  aller  Ghartumer  Handelsschiffe,  mufste  die  Ankunft  der 
von  Chartum  nachfolgenden  Barken  erwartet  werden,  da  am  oberen 
weifsen  Nil  einzelne  Fahrzeuge  Überfällen  ausgesetzt  sind.  Die 
Rastzeit  wurde  zur  Verpackung  der  bis  dahin  gemachten  Samm- 
lungen benutzt.  Bei  dem  ägyptischen  Gouverneur,  den  Hr.  Dr. 
Schweinfurth  am  1.  Februar  in  seinem  Lager  oberhalb  Faschoda 
aufsuchte,  fand  er  eine  sehr  zuvorkommende  Aufnahme,  und  lernte 
er  den  König  der  Schilluks  kennen. 

Nach  Eingang  dieser  Nachrichten,  welche  zu  den  besten  Hoff- 
nungen für  den  Fortgang  des  Unternehmens  berechtigten,  blieb 
acht  Monate   (vom  5.  April   bis   6.  December)  jede  Kunde    vom 


vom  27,  Januar  iS70,  47 

Reisenden  au8,  und  die  Besorgnifs  am  ibn  wurde  gesteigert  durch 
ein  im  October  eingetroffenes  Schreiben  des  um  die  Schweinfurth'- 
iche  Reise  sehr  verdienten  norddeutschen  Viceconsuls  in  Chartum, 
Hrn.  Duisberg,  wonach  in  Folge  der  durch  Sir  Samuel  Baker' s 
Expedition  unter  den  Negerstfimmen  verbreiteten  Aufregung  ein  An- 
griff auf  Factoreien  der  Ghartumer  Händler  erfolgt  sei  und  mit  deren 
Vernichtung  geendet  habe.  Glucklicherweise  war  diese  Besorgnifs 
unbegründet,  und  das  Ausbleiben  der  Briefe  erkifirte  sich  dadurch, 
dafs  die  Handelsbarken  des  Ghattas,  cum  Theil,  wie  es  scheint, 
allerdings  ^egen  Jener  Unruhen,  die  Rückkehr  nach  Chartum  unge- 
wöhnlich spät  angetreten  hatten.  Eine  Reibe  von  Briefen  des 
Reisenden,  vom  24.  MSrz  bis  31.  August  reichend,  gelangte  so 
erst  am  23.  October  nach  Chartum  und  am  6.  December  nach 
Beriin. 

Wir  ersehen  aus  diesen  Briefen,   dafs  auch   der  zweite  Theil 
der  Stromfahrt  in  der  Zdt  vom  5.  bis  22.  Februar  glucklich  zu- 
rückgelegt wurde.     Es  ist  dieser  Theil  der  Fahrt  der  beschwer- 
h'chere  wegen  der  oberhalb  der  Sobat-Mündung  beginnenden  sumpf- 
artigen  Ausbreitung  des  Stromes  und  seines  durch  eine  üppige  Vege- 
tation gehemmten  labyrinthartigen  Laufes.   Hier,  wo  stellenweise  die 
Barken  durch  die  SumpQ)flanzen  hindurchgeschleppt  werden  müssen, 
ist  die  wahre  Heimath  des  Papyrus,  der  mit  seinen  15  Fufs  hohen 
Halmen   und    rieaigen  Dolden   undurchdringliche  Dickichte    bildet 
Eine  von  dem  Reisenden  angelegte  Sammlung  von  Dolden,  Halmen 
nnd  Wnrzelstöcken  wird    die   Entscheidung   des    Streites   ermögli- 
chen,   ob    der    einst    in    Ägypten    gebaute    Papyrus    des    oberen 
Nils  einerlei   sei  mit  dem  syrischen  und  sicilianischen  oder  nicht. 
Zuletzt  führte  die  Fahrt  durch   den    an   dem  Zusammenflufs   des 
weifsen  Nils,  der  oberhalb  von  hier  Bahr  el  Djebel  heilst,  mit  dem 
Bahr  el   Ghasäi   gelegenen   See  No,    den  Bahr  el   Ghasal   hinauf 
nach    der  Meschra  el  Req  (auf  filteren  Karten   Port  Req),    dem 
Hafenplatze   für  die  Barken  aller  Handelsunternehmungen  in   den 
Lfindem  südlich  vom  Bahr  el  Ghasäi. 

In  der  Meschra  verweilte  der  Reisende  einen  Monat  (vom 
22.  Februar  bis  25.  März),  theils  um  seine  Sammlungen  zu  ver* 
packen,  theils  um  die  Ankunft  der  Träger  zu  erwarten,  die  von 
der  gro&en  Seriba  des  Ghattas  zum  Abholen  des  Gepäckes  ver* 
tragsm&fsig  gesandt  werden  mufsten.  Die  Umgegend  zeigte  sich 
minder  ergiebig  für  Botanik  als  für  Zoologie,  es  wurden  nament* 


48  Öjfintliche  Sitzung 

lieh  Tiele  Waaservogel  erlegt,  aach  interessante  Menschenscb&del 
erbeutet  Bei  der  dortigen  Bevölkerung  war  Fräidein  Tinne,  die 
1863  nicht  weit  von  hier  ihre  Matter  durch  den  Tod  verlor,  und 
seitdem  selber  dem  Martyrologium  der  Afrika -Reisenden  ihren 
Namen  hinzugefugt  hat,  noch  in  lebhaftem  Andtsnken. 

Nach  anstrengender  sechstfigiger  Landreise  kam  Hr.  Dr. 
Seh  wein  furth  mit  seiner  Dienerschaft,  70  ihm  entgegengesand- 
ten Trägern  und  zwei  Eseln  am  31.  M&rz  wohlbehalten  auf  der 
grofsen  Seriba  des  Ghattas  an,  wo  dessen  Hauptagent,  der  seine 
sfimmtUchen  Seriben  befehligt,  ihn  auf  das  Freundlichste  aufnahm. 
Die  grofse  Seriba  liegt  ziemlich  unter  7°  N.  B.,  zwischen  dem 
Dschur-  und  Tondiflusse,  von  weichen  der  erste  für  den  baupt- 
sfichlichsten  unter  den  vielen  Flüssen  gilt,  die  in  der  Ge- 
gend der  Meschra  sich  zum  Bahr  el  Ghasal  verbinden.  Die 
Seriba  zfihlt  etwa  2000  Bewohner,  von  denen  200  Soldaten  sind. 
Sie  leben  sämmtlich  in  dicht  gedrängten,  korbähnlichen,  aus  Bambus 
erbauten  und  mit  Stroh  gedeckten  Hütten.  Hr.  Dr.  Schwein- 
furth  Ileus  sich  in  zwei  eigens  für  ihn  erbauten  Hütten  häuslich 
nieder,  indem  er  sich  aus  mitgebrachten  Brettern  Tische  und  an- 
deres Hausgeräth  verfertigte.  Ein  Hühnerhaus  und  eine  Schaaf- 
hürde  vervollständigten  die  wirthschaftliche  Einrichtung. 

Die  Umgegend  der  Seriba  wird  als  ein  leicht  ansteigendes 
Hügelland  beschrieben,  hie  und  da  von  Felsreihen  aus  einem  rothen 
porösen  Thoneisenstein  unterbrochen.  Steppen  und  Grasniede« 
rungen  von  mannshohen  Gräsern  wechseln  mit  Busch wald,  Hoch- 
wald und  Bambushorsten;  auch  Sümpfe  und  Segenteiche  fehlen 
nicht«  Die  Flora  ist  sehr  reich  und  im  Allgemeinen  auffallend 
verschieden  von  der  des  ägyptischen  Sudans  und  der  abessinischen 
Tiefländer,  während  sie  mit  der  westafrikanischen  entschiedene 
Ähnlichkeit  zeigt.  Besonders  zahlreich  sind  die  Gattungen  der 
Bäume,  von  denen  viele  efsbare  Früchte  tragen;  zu  den  ansehn- 
lichsten gehören  die  äthiopische  Fächerpalme  Deleb  (Borassus 
Aethiopum),  die  Olpalme,  die  Mimosengattung  Parkeria,  der  Batter* 
bäum  (Butjrospermum),  der  afrikanische  Fieberrindenbaum  (Crosso- 
pterjx)  und  mehrere  breitkronige  Ficus-Arten.  Der  Milchsaft  von 
Carpodinus,  einem  Baum  aus  der  Familie  der  Apocyneen,  im 
frischen  Zustande  klebrig,  und  zu  einer  der  Guttapercha  ähnlichen 
wasserdichten  Masse  eintrocknend,    bot  dem  Reisenden   ein   will* 


9Qm  27.  Januar  iSfO.  49 

kommenes  Mittel,  um  Pakete  getrockneter  Pflansen  vor  Regen  und 
losecten  za  schützen. 

^  gegenseitigen  Entfernungen  von  4  bis  6  Ständen  liegen  am 
Dschar-  und  Tondifinsse  zahlreiche  kleinere  Seriben  eerstreut,  tob 
denen  der  Reisende  «chon  viele  besucht  hat,  wobei  er  stets  gut  auf- 
genommen wurde.  Ohne  jede  Gcftihr  konnte  er  in  Begleitung  we- 
niger Bewaffneter  mehrtägige  Ausduge  ron  seinem  Wohnort  aut 
ontemehmen.  Ungeachtet  der  Regenzeit,  deren  grofseren  Theil  er 
bei  Absendung  der  letzten  Briefe  bereits  überstanden  hatte,  war 
seine  Gesundheit  stets  gut,  während  seine  Diener  ab  und  zu  von 
Fieber  litten. 

Auch  &nfsere  Ge&hren,  die  ihn  zuweilen  bedrohten,  gingen 
glücklich  an  ihm  vorüber.  So  am  14.  Januar,  wo  bei  Landung 
aaf  einer  der  Schillnkinseln  ein  im  Röhricht  aufgescheuchter  Bflf- 
fei  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  einen  Diener  erheblich  ver- 
letzte; am  22.  Januar^  wo  ein  Schwann  grolser  Bienen  seine 
Barke  überfiel,  vor  deren  farchtbaren  Stichen  er  und  die  Mann« 
Schaft  sich  nur  dadurch  retteten,  dafs  sie  sich  mit  Tüchern 
and  Fellen  bedeckt  mehrere  Stunden  lang  auf  dem  Boden  der 
Barke  niederlegten;  endlich  am  22.  Mai  in  der  Seriba,  wo  der 
Blitz  in  eine  von  der  seinigen  nur  wenige  Schritt  entfernte 
Hütte  einschlag,  sedis  Menschen  tödtete,  und  die  Hütte  in  Bnand 
steckte. 

Die  Briefe  des  Hrn.  Dr.  Schweinfurth  sind  in  der  Zeit- 
schrift der  hiesigen  geographischen  Gesellschaft  und  in  Hm.  Pe- 
tcrmann's  „Mittheilungen^  abgedruckt.  Mit  den  jüngsten  Briefen 
sind  auch  wissenschaftliche  Manuscripte  angelangt:  geographische 
von  einer  Karte  begleitete  Mittheilungen,  die  nach  des  Reisenden 
Wunsch  Hm.  Professor  Eoner  übergeben  wurden,  meteorolo- 
gische Aufzeichnongen  und  eine  Handschrift  botanischen  Inhalts, 
welche  nach  dem  Leben  entworfene  Beschreibungen  der  in  den 
Ländern  südlich  vom  Bahr  el  Ghasal  bis  zum  7.  Grade  N.  B. 
beobachteten  neuen  oder  zweifelhaften  Pflanzen  enthält.  Die  Zahl 
der  in  diesem  Bereiche  vom  Mai  bis  Juli  aufgefundenen  Pflanzen- 
arten betragt  660^  die  Zahl  der  auf  der  ganzen  Reise  bisher  ge- 
sammelten Arten  2322. 

Von  den  Sammlungen  des  Reisenden  sind  schon  zwei  Ab- 
theilnngen,  die  erste  im  April  vorigen  Jahres,  die  zweite  im  Laufe 
dieses  Monats  angelangt;  sie  enthalten  die  auf  der  Reise  bis  Fa- 
[1870]  4 


50  Öffentliche  Sitzung  vom  27.  Januar  1870. 

«choda  gesammelten  Naturalieo^  und  aind  in  den  betreffenden  Kö- 
niglichen Museen  niedergelegt. 

Was  Hrn.  Dr.  Schweinforth's  weitere  Plfine  betrifft»  so  haben 
die  bisher  so  günstigen  £rlolge  seiner  Reise  und  das  gute  Ein- 
vernehmen mit  der  HandeUgeselisehaft  des  Ohattas  ihn  «rmutliigt, 
sieh  einer  von  diesem  beabsididgteny  Anfangs  Norembe«*  nach 
beendigter  Regenseit  na  nntemehmenden  grofsen  Expedition  in  das 
Hochland  d^  Njam»Njam  anzuschliefsen,  das  die  Scheide  rwischen 
den  dem  Nil  nnd  den  dem  Niger  znliefsenden  Ckwfissem  sa  bil- 
den scheint:  eine  naturgeschicbdicfa  TöUlg  unbekannte  Gegend,  di^ 
erst  von  einem  einzigen  Europäer,  dem  Italifiner  Piaggia,  betreten 
wurde.  Diese  Expedition,  anf  weldher  allem  Yermuthen  nach 
Hr.  Dr.  Schweinfurfth  gegenwärtig  begriffen  ist,  war  auf  4 — 6 
Monate  veranschiagt 

Ist  anch  keinen  Asgenbiiek  zn  vergessen,  dafs  Hr.  Dr. 
Schweinfurth  ia  einer  Oegend  weilt,  die  auf  die  Länge  sieh 
noch  jedem  weifsen  Eindringling  in  der  einen  oder  anderen  Art 
▼erderblich  erwies,  so  darf  man  andererseits  behaupten,  dafs  so 
acelimatisirtcn  und  doch  ungeschwfichten  Leibes,  bei  geringen 
Mitteln  so  gut  ausgerüstet,  bei  aller  Verwegenheit  so  besonnen 
und  in  Allem,  was  Erfolg  sichern  kann,  schon  so  erfahren  wie  er, 
vielleicht  noch  kein  Reisender  in  das  Herz  des  geiurehteten  Conti- 
nentes  drang;  während  sein  vielseitiger  Forschungstrieb  und  seine 
rastlose  Arbeitskraft,  in  Ländern  fast  so  neu  als  werde,  am  mit 
Darwin  zu  reden,  ein  anderer  Planet  betreten,  eine  des  Na- 
mens der  Hnmboldt-Stiftiing  wfirdige  wissenschaftliche  Ausbeute 
hoffen  lassen. 

Die  im  laufenden  Jahre  zu  Stifitungszwecken  verwendbare 
Summe  beläuft  sich,  abgesehen  von  375  Thlrn.,  die  für  Hm.  Dr. 
Hensel,  und  von  600  Thlrn.,  die  für  Hrn.  Dr.  Schweinfurth 
reservirt  werden,  ordnungsmäfsig  abgerundet  auf  2200  Thlr. 


Sitzung  der  phHo4oph.'histar.  Kkuu  vom  8i,  Januar  1870.      51 

31.  Januar.    Sitzung  der  phüosophisch-faistorischen 

Klasse. 

Hr.  Kircbhoff  las:  über  eine  jüngst  publicirte,  ver- 
mnthlich  lakonisehe  Urkunde. 

Unser  Yorratb  griecbiscber  arcludsoher  Inschriften  anf  Bronze 
ist  in  der  letzten  Zeit  darch  zwei  Cabinetstueke  Termebrt  worden, 
eine  lokrische  grofseren  Umfanges  nnd  eine  weniger  nmfangreicbe 
Fon  Tegea,  welche  man  ann£chst  lür  arkadisch  halten  sollte. 
Was  mich  Teranlafst,  hier  einige  Bemerkangea  über  die  letztere 
mitzQtheilen,  ist  lediglich  der  Umstand,  dafs  die  Ecklining  des 
Denkmals  durch  die  im  Übrigen  dnechaas  aachgemfifise  und  ein- 
sichtige Besprechung  des  ersten  Herausgebers,  Hm.  Enstratiades 
ffi^icf^  a^acoXo^iie^  N«  F.  n.  410,  Tf.  50a,  b)y  noch  nicht  so 
weit  gefördert  erscheint  als  es  möglich  und  nothwendig  ist,  um 
die  Bedentnng  der  Urkunde  fir  unsere  Kenntnifs  in  ihrem  ganzen 
Umfange  erkennen  zu  lassen. 

Ich  coDStalire  snnfichst,  daCs  das  Alphabet  der  Inschrift  aller- 
dings in  ailen  Punkten  genau  der  Vorstellong  ent^vicht,  welche 
auf  Grand  der  wenigen  bisher  bekannten  altarkadischen  Inschriften 
Ton  dem  Character  des  Al[^abete  dieser  Gegend  sieh  hatte  bilden 
lassen.  Dagegen  bieten  die  sprachlichen  Formen  der  Urkunde  eine 
Reihe  von  Abweichungen  von  denen  einer  bekannten  jüngeren  Te- 
geatischen  Steinschrift  (Jahrb.  f.  PhiL  u.  P&dag.  1861.  S.  585  ff.), 
auf  welche  wir  bisher  für  die  Erkenntnils  der  Bigenthümlichkeiten 
des  arkadischen  Dialektes  wenn  nicht  ausschliefslich,  doch  vor^ 
nehmlich  angewiesen  waren.  Ich  gebe  im  Folgenden  eine  Zu- 
sammenstellung dieser  Abweichungen. 

1.  Die  Bronze  schreibt  im  Anlaut  der  Worte  das  Vau,  wo 
es  erwartet  werden  darf,  die  Steinschrift  bietet  keine  Spur 
desselben,  auch  da,  wo  man  es  erwarten  sollte. 

2.  Der  Verbalendung  -i^n,  wie  sie  die  Bronze  hat,  steht  auf 
der  Steinschrift  -vn  gegenüber.  Desgleichen  lauten  die 
Zahlworter  von  Hundert  bis  Neunhundert  auf  jener  auf 
'OTtoi^  auf  dieser  auf  -aTiot  aus.  Im  Zusammenhang  da- 
mit steht  auch,  dafs  die  Präposition,  deren  attische  Form 
'irfo9  ist,  auf  der  Steinschrift  ttoc  lautet,  wfihrend  der  Di»» 
lekt  der  Bronze  ttpt/  festgehalten  zu  haben  scheint  (tto^- 

4* 


53  Sitzung  der  philogopaseh'histari^ehen  Jüa$$e 

3.  '  D^r  NomiaaÜT  des  Artikels  im  Plnral  luvtet  auf  der  Bronze 

Toi  Tctl  (t«),  auf  der  Steinscknft  oS  («f  ra). 

4.  Gegen  nno  der  Bronze  steht  amj  der  Steinschrift. 

5.  In  der  dritten  Person  des  Singulars  im  Medium  und  Pas- 
sivnm  bietet  die  Bronze  in  der  Endung  -r<vi,  die  Stein- 
sehrift  regelmäfsig  ^rcu 

6.  Die  Partikel  •%  vnxA  auf  der  efnen  (Vorder-)  Seite  der 
Bronze  conscquent  ai^  auf  der  anderen  (Rück*)  Seite  fünf- 
mal f I  und  •  nar  einmal  noch  ai  geschrieben.  Die  'Stein- 
schrift hat  durchgftagtg  ti. 

7.  Der  Infinitir  des  Yerbum  Snbstantivum  lautet  auf  der 
Bronze  i^mi^y  aal  der  Steinschrifit  Y,¥au 

8.  Yergkieht  man  mediale  Imperativformen,  irie  anviT^u 
(Siitg.)  und  InOMtctT^Mß  (Ploral)  dar  Steinschrift  mit  av 
oItS'k  (Sing.)  und  avtXirS'ui  (welches  viermal  b^egnet 
und  dem  Znsammenhange  nach  in  allen  diesen  FftUen  die 
dritte  Person  Plur.  des  Imperativs  sein  mufs,  obwohl  es 
als  solche  noch  ungelöste  Schwierigkeiten  darbietet)  der 
Bronze,  so  zeigt  sich'  auch  in  diesen  Bildungen  eine  nicht 
unerhebliche  Divergenz* 

9.  Die  Bronze  bedient  sich  ausschliefslich  der  Partikel  xtt 
in  den  Verbindungen  ccl  (et)  ua  und  Iml  Krr,  die  Stein- 
schrift h^  ebenso  regelmäfsig  au  in  der  Verbindung  u-  av 
und  den  oonjuncti vischen  Relativsätzen:  ro^  r^  aif;  ort  oriFi 
tiu;  öT^  m'^  so  wie  in  dem  räthselhaften  fjarv  av.  In  be- 
stimmten Fällen  erscheint  vereinzelt  EIKAN,  was  man  sich 
eH  Mau  zu  lesen  gewölmt  hat,  das  aber  wohl  richtiger  als 
äi  Huv  d.  h.  <i  Hai  au  zu  deuten  ist. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dafs  mit  Ausnahme  etwa  von  n.  3. 
8.  9,  in  allen  übrigen  Fällen  die  Formen  der  Bronze  entweder  die 
ursprünglichen  sind,  ans  welchen  die  der  jüngeren  Urkunde  sich 
entwickelt  haben,  oder  wenigstens  jenen  näher  stehen,  als  die  letzte- 
ren, und  dafs,  da  beide  Denkmäler  zeitlich  weit  von  einander  ab- 
liegen, die  Möglichkeit  nicht  bestritten  werden  kann,  dais  beide  dem- 
selben Dialekte  angehören,  wenn  sie  auch  verschiedene  Entwickc- 
lungsstadien  desselben  vertreten  müfsten;  n.  6  zeigt  sogar  den  Über- 
gang bereits  in  der  Epoche  des  älteren  Denkmales  in  Vollzug  be- 
griffen. Dagegen  ist  es  ebensowohl  möglich,  ja  in  Anbetracht  der 
oben  ausgeschiedenen  Fälle  sogar  wahrscheinlich,   dafs  wir  Denk- 


wm  31,  Januar  l&fO, 


53 


mSler  verschiedener  Dialekte  vor  «ns  haben,  albo  das  Idiom  der 
Brome  nid)t  das  von  Tegea  ist  Weder  der  Fandort,  wie  sich 
zeigen  wird,  noch  das  Alphabet,  welches  in  dieser  Gestalt  nicht 
etwa  blos  in  Arkadien,  sondern  im  ganzen  Peloponnes,  mit  Aus- 
nahme von  Argos,  Eorinth  und  der  Insel  Agina,  das  gemeinübliche 
war,  sind  geeignet  die  Frage  endgültig  zu  entscheiden.  Ich  komme 
auf  diesen  Punkt  weiter  nnten  zurttck. 

Zu  bedauern  ist,  dafs  der  Graveur  seine  Arbeit  sehr  nach- 
lassig gethan,  und  sich  mehrfach  Buchstabenversetzungen  und  Aus- 
lassungen hat  zu  Schulden  kommen  lassen.  Die  meisten  dieser 
Fehler  sind  von  dem  Herausgeber  berichtigt  worden,  auch  seine 
Lesung  verdient  im  Allgemeinen  Billigung,  obwohl  an  einzclnett 
Stellen  eine  Änderung  nöthig  scheint  Ich  setze  daher  den  Text 
der  Urkunde  her,  wie  ich  glaube,  dafs  er  gelesen  werden  mufs, 
bemerke  darunter  die  Fehler  des  Originals  und  begründe  die  mir 
nodiwendig  scheinenden  Abweichungen  von  der  Lesung  des  Heraus*- 
gebers  in  der  Kurze. 


1 

% 

3 
4 

h 

6 
7 


nuTt\at  \kvtiim 

m  na avnyjLr^ttj, 

€u  &  xa  juii}    ^i^i^rali  mvtt 
yvuipuv    Ss    TW9    T£<y«arrr[c]    | 
frei. 


^  i>,n^(!i\l  t/a      rMT^axartfet 

ffi   fjL\iir  na   s^>f»   avT09  cfV' 

Vfoi  ttvt?*o(r^(ii  rot  yifr,\TtMf  tnst 
xtt  Y,ßc€Ttatrri  mvTM  FETeja. 

«I  &3  xtt  ixvf  ^uii/Ttg  Tai  3v- 
yccrs^sf  |  avgXoT^ut  rat  yi^r,- 
cria$, 

il  ii  xa   fxii  I  ^[wji^rij    rot 

Bi  8i  xa  I  IJLYf  »iS'ot  ^dSvTt, 
TOI    aTTtTTa    TToSi^fOfrl«?    ap~ 

u  ht  X  atf(pt?^yu}im t  t|oi 
Täyiarai    StayvovrttD    xarov   | 


1 

8 

S 

4 

6 
1 


3'6^fA0lf» 


8 

9 
lU 

11 

19 


frei. 


M  Sitzung  der  pMosopkiMek-kiMi&riMeken  Dazu 

a.  2.  in  der  Licke  vTOmiTO  ||  fi.  PETNETON  ||  h.  2.  TXE 
TPAKATIAI  !|  9— 10.  TOtCAtl(TAPOetK|EC  ||  10—11.  ANOIAE- 
CONTjOI. 

In  der  xweiten  Zeile  der  Seite  a  lamX  der  Heransgeber  m  n 
rotS^  [fjT,  t£  (oder  tv)  iwOiaQ^»  Weder  9  im  Siniie  ^b  sonst 
avf  der  Bronze  dnrehweg  beimachten  ^mn  iat  wakraelieiDlichy  noeb 
das  Adverbinm  r»  oder  gar  t»  Ür  tsvto  glaaUieh;  daiv  kommt» 
dafo  unter  allen  Umatlnden  «ura?  fiJsdi  besogen  eraciieint»  Die 
Schrift  ist  auf  dieser  Seite  der  Flaue  abmchtiicli  getilgt  and  dämm 
aciiwer  za  lesen;  ich  glaabe,  daCi  eine  nochmalige  genaae  Pi^fung 
der  Stelle  ergeben  wird,  dafa  anch  hier  nichts  Anderes  gestanden 
hat,  als  was  die  analoge  der  anderen  Seite  erwarten  läfst,  nlmlich 
m  xtt  (uji^f  nvT09  apt/jir^tg» 

In  der  sechsten  Zeile  hat  sich  der  Heraasgeber  damit  begnügt 
das  Ycrschriebene  irrrvtrof  in  vivr*  irötw  xn.  Sndem.  Da  die  Bronze 
aber  wiederholt  rirta  schreibt,  so  war  ein  weitergreifender  Fehler 
anzunehmen. 

In  derselben  Zeile  liest  der  Heransgeber  liriSixArotr  r^utw  nnd 
yersteht  unter  imilxctTot  die  Verwandten,  welche  in  Ermangelang 
von  Kindern  Erbansprache  erheben  konnten.  Dies  wurde  sich  hören 
lassen,  wenn  das  Wort  seiner  Bildang  nach  aktiven  Sinn  haben 
könnte,  was  nicht  der  Fall  ist.  Die  Lesung,  welche  ich  rorschlago, 
bedarf  keiner  Rechtfertigung;  höchstens  bleibt  zweifelhaft,  ob  auch 
hier  wieder  ein  Irrthum  des  Graveurs  anzunehmen  und  iittStxaTrov 
herzustellen  ist;  tTctSixtiu  neben  hrtitxn^uu  wufste  ich  wenigstens 
Sonsther  nicht  zu  belegen.  Jedenfalls  ist  der  Sinn:  Sind  keine 
Kinder  am  Leben,  so  soll  Epidikasie  verstattet  sein,  natOrlich  fiir 
diejenigen,  welche  auf  Grund  ihrer  Verwandtschaft  mit  dem  De* 
ponenten  glauben  Ansprüche  auf  das  Depositum  geltend  machen 
zu  können. 

In  der  ersten  Zeile  der  anderen  Seite  accontuirt  Hr.  Eustra- 
tiades  irctgHciS'y,xu  als  Yerbalform  und  wundert  sich  mit  Recht, 
dafs  der  somit  in  erster  Person  von  sich  redende  Deponent  nicht 
bei  Namen  genannt  sei,  da  Xuthias  dann  nothwendig  als  die  Person 
zu  betrachten  wäre,  bei  der  das  Depositum  hinterlegt  wurde.  Es 
genügt  zu  bemerken,  dals  die  Unterdrückung  des  Augmentes,  welche 
diese  Lesung  voraussetzt,  ganz  unzulässig  ist.  Vielmehr  ist  mit 
anderem  Acccnte  irctgHftSf(&)riHfi  als  Substantivum  zu  nehmen  und 


rom  3i  Ja$mar  iS70,  55 

Xothias  dann  die  Person,  in  deren  Interesse  das  Depositam  hinter- 
legt worden  ist,  d.  b.  der  Deponent  selbst. 

Die  Bronae  war  auf  beiden  Seiten  beschrieben;  jede  Seile 
esthilt  eine  besondere  selbststindige  Uriconde  über  die  geschehene 
Hinttflegang  eines  Depositums  Ton  resp.  300  und  400  Minen  Silbers. 
Zweifellos  sind  Minen  figinfiiscfacn  FnCses  an  verstehen,  so  dafs 
jene  ZiffMn  die  ansehnlichen  Betrfige  von  etwa  7250  und  14500 
ThsJem  repräsentircn.  Der  Deponent  ist  in  beiden  Ffillen  dieselbe 
Person,  Xnthias,  des  PhilachAos  Sohn,  die  Urkunden  liegen  also 
seitlich  höchstens  am  einige  Deeennien  auseinander,  worauf  ohne> 
dem  die  Gleichartigkeit  des  Bchriftcharakters  hinweist.  Auf  derv 
jenigen  Seite,  welche  die  Urkunde  über  200  Minen  enthAlt,  ist  die 
Schrift  abmchtlichy  wenn  auch  ni^^t  bis  au  völliger  Unleserlichkeit, 
getilgt,  woraos,  wie  der  Heransgeber  richtig  bemerkt,  au  schltelsen 
ist,  dafs  diese  Seite  zuerst  beschrieben  war:  als  spfiter  Xnthias 
das  Depositam  um  weitere  200  Mine  vermehrte  und  auf  die  Höhe 
von  400  bradite,  wurde  die  filtere  Urkunde  kassirt,  und  eine  neue 
ober  400  Minen  auf  der  anderen  Seite  ausgestellt.  Hieran  stinunt 
es,  dafs  auf  a  noch  regelmfifsig  m ,  aaf  b  bereits  überwiegend  «i 
geschrieben  ist  Beiden  Uriiunden  sind  Bestimmungen  fiber  die 
CTentnelle  Ausbftndigung  des  Depontum  an  den  Deponenten  oder, 
nach  dessen  Tode,  an  seine  Erben  angehfingt;  dkse  Bestimninngen 
sind  in  beiden  dem  Wesen  nach  identisch,  auf  der  jfingeren  Ur* 
knnde  nur  genauer  detaillirt,  als  auf  der  filteren,  welche  sich  mit 
einer  mehr  sammarischen  Fassung  begnfigt.  Neu  ist  in  jener  nur 
die  durchaus  nicht  selbstverständliche  Verfügung,  dafs  in  Erman- 
gelung ehelicher  Einder  die  etwa  vorhandenen  unehelichen  vor 
den  €€yyjTTi7<  aar  Erhebung  des  Depositums  berechtigt  sein,  abo 
in  Bezug  auf  dieses  Erbenqualitfit  besitzen  sollen. 

An  dieser  Verordnung  hat  der  Herausgeber  mit  Recht  An- 
stofs  genommen,  da  sie  mit  einem  bekannten  Grundsatz  des  helle- 
nischen Familienrechtes  unvereinbar  ist  und  die  400  Minen  doch 
such  nicht  als  i^ila  betrachtet  werden  können,  weil  im  Falle  des 
Vorhandenseins  einer  ehelichen  Descendenz  letztere  vor  den  uo^oi 
ausdrücklich  zu  Erben  berufen  wird.  Eine  Lösung  dieser  Schwie- 
rigkeit ist  nicht  versucht  worden;  vielltacht  wird  es  den  folgenden 
Erwägnngen  gelingen  darsuthun,  dafs  sie  nur  scheinbar  ist. 

Auf  den  ersten  Blick  wird  Mancher  geneigt  sein,  in  dem  De- 
ponenten Xnthias  des  Philachaos  Sohn  einen   Burger  von  Tegea 


56  Sitzung  der  philoBOphüeh-higtortBchen  Klaue 

Toraiiszasetaen.  Allein  die  gleichlaatende  SeblofiBbestiauinuig  bei- 
der Urkunden,  der  zufolge  in  auf  das  Depoeilnm  bezügliohen  Rechte- 
h&ndel^  *die  Tegeaten  nach  dem  Gesetz'  d.  h.  Tegeatische  Richter 
naeh  dem  in  Tegea  geltenden  Rechte  entacbeiden  aollen  ^  beweiat 
unwiderleglich,  dafa  Xuthiaa  ein  Autlfiodor  war,  weil  nur  in  diesen 
Falle  ihre  Hinzuffigung  nothwendig,  ifln  anderen,  weil  selbstver- 
ständlich, rein  überflüssig  sein  mufste.  Durch  Unterbringung  sei* 
lies  Vermögens,  soweit  es  in  baarem  Qelde  bestand,  oder  eines 
Theiles  desselbm  im  Auslände  hatte  er  nun  das  Depositum  der 
Einwirkung  des  heimischen  Rechtes  «nd  der  Entscheidung  .der 
richterlitheD  B^örden  seiner  Heimath,  deren  Urtheiie  für  das  Aus^ 
land  wirkungslos  waren,  entzogen  und  sich  völlig  freie  und  will- 
kürliche Disposition  über  dasselbe  gesiehert;  der  Mod«s  der  Aus- 
händigung wurde  durch  ein  Privatabkommen  mit  der  Stelle,  bei 
welcher  deponirt  worden  war,  geregelt  und  letztere  an  die  Bestim- 
mungen desselben  gebunden.  Dieses  Übereinkomroen  war  für  die 
Erben  des  Deponenten  unanfechtbar,  weil  der  Depositar  die  Ent- 
scheidungen ausländischer  Gerichte  nicht  zu  respectiren  hatte,  die 
Gerichte  von  Tegea  aber  in  Sachen  der  Erben  als  Ausländer  nicht 
eompetent  waren,  aufser  in  den  Fällen^  in  denen  sie  das  Über- 
einkommen selbst  als  eompetent  anerkannte  und  dadurch  auch  die 
Erben  nothigte,  sich  ihrer  Entscheidung  zu  unterwerfen,  weil  der 
Depositar  vertragsmäfsig  nur  der  Entscheidung  tegeatischer  Richter 
Folge  zu  geben  gehalten  war.  Bei  dieser  Lage  der  Sachen  begreift 
es  sich  vollkommen,  wie  der  Deponent  Verfügungen  über  eines 
Theil  seines  Vermögens  zu  treffen  im  Stande  war,  durch  welche 
die  AyyjTTik  in  ihren  Rechten  benachtbeiligt  wurden,  ohne  be- 
fürchten zu  müssen,  dafs  die  Vollstreckung  seines  Willens  durch 
deren  Einspruch  werde  behindert  werden.  Die  Motive,  welche  ihn 
dazu  veranlalst  haben,  vermögen  wir  natürlich  nicht  zu  beurtheilen, 
allein  die  faktische  Möglichkeit  von  etwas  der  rechtlichen  Theorie 
nach  Unmöglichen  ist  darum  nicht  minder  erwiesen. 

Es  kann  auffallen,  dafs  der  Depositar,  dessen  Wohnsitz  zu 
Tegea  gewesen  sein  mufs,  in  keiner  der  beiden  Urkunden  genannt 
oder  bezeichnet  wird.  Es  folgt  daraus  aber  eben  nur,  dafs  der- 
selbe nicht  ein  Privatmann  gewesen  kein  kann,  weil  in  diesem  Falle 
die  Urkunde  ihn  unbedingt  zu  nennen  gehabt  hätte;  für  den  Fall  aber, 
der  dann  als  allein  möglich  noch  übrig  bleibt,  war  eine  Nennung 
oder  Bezeichnung  des   Depositars  überflüssig.     Wir  wissen,   dafs 


wm  3L  Januar  1870.  57 

die  Hellenen  ihre  Tempel,  sowohl  die  der  engeren,  wie  der  wei- 
teren Heimath,  im  letzteren  Falle  namentlich  die  von  aosgebrei- 
tetem  Rafe  und  Einflösse,  wie  den  delphischen  n.  a.  als  Depositen- 
banken 2u  benutzen  pflegten,  und  da£s  dies  ebensowohl  von  Staaten 
als  von  Privatleuten   geschah«     Die  auf  solche  Depositionen  bor 
züglichen  Urkunden  wurden  natürlich  in   den  Tempeln   selbst  auf- 
bewahrt und  ansgehSngt,  und  dieser  Umstand  machte  auf  ihnen 
eine  besondere  Angabe  fiber  den  Depositar  oder  den  Ort  der  De- 
position entbehrlich,   wenn  er  sie  auch  nicht  unbedingt  ausschlofs. 
Jedenfalls  deutet  das  Fehlen   einer  solchen  Angabe  auf  den  vor 
liegenden  Urkunden  darauf  hin,  dafs  Xuthias  sein  Capital  bei  einem 
Tempel  in  Tegea  hinterlegt  hatte,  der  zugleich  die  Urkunde  dar&ber 
bewahrte«     Ohne  Zweifel  war  es  der  berühmte,  im  ganzen  Pelo- 
ponnes  und  auch'  über  die  Grenzen    desselben  hinaus  hochange* 
sehene  Tempel   der  Athene  Alea,    dessen  Asylschutz   selbst  von 
spartanischen  Flüchtlingen  wjederholl-  in  Ansprach  genommen  und 
auch  von  dem  Vororte  des  peloponnesischen  Bundes  stets  respectirt 
worden  ist.     Bekanntlich  wurde  der  alte  Tempel  OL  96,  2  durch 
eine  Feuersbrunst  zerstört  und  dann  durch  den  Neubau  des  Skqpas 
ersetit  (Pauaanias  8,  46.  4);  allein  es  können  durch  diesen  Unfall 
nicht  alle  Urkunden  und  Wdhgescbenke,  die  der  alte  Tempel  barg, 
verloren  gegangen  sein.     Wenigstens  waren  die  Fesseln  der  Lake* 
damonier,  welche  Herodot  (1,  66)  im  alten  Tempel  sah^  im  neuen 
noch  zu  Pausanias  Zeiten  (8,  47.  2)  vorhanden,  wenn  auch  vom 
Rost  zerfressen;  auch  das  bronzene  Pallasidol,  welches  in  Tegea 
gefanden  sein  soll  und  sich  jetzt  in  Athen  befindet  (^BulUtino  (kW 
mU  arch,  1865.  p.  131),  und  dessen  Basis  die  Aufschrift  tragt: 

•    •  •    • 

ANE0EKENTA0ENAIAI 

mufs  aus  dem  Inventar  des  alten  Tempels  stammen,  da  die  Buch- 
stabenformen der  Widmung  auf  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts 
V.  Chr.  hinweisen  ^ ).  Unsere  Bronze  wäre  das  dritte  nachweisbare 
Beispiel  dieser  Art;  ein  viertes  bietet  eine  weiter  unten  zu  berüh- 
rende Steinschrift,  welche  wenigstens  im  Temenos  des  Tempels  vor 
Ol.  96,  2  aufgestellt  gewesen  sein  mnüs. 


1)  td^Y^vaif  nötfaigt  zu  der  Aunahme,  dafs  der  Stifter  des  Weibgesehcnkes 
ein  Athener  war. 


58  Sitzung  der  philoBophigeh-hi^toriBchen  Klasse 

Man  wird  den  Umstand,  dafs  die  NationalitAt  des  Xuthias 
in  den  Urkunden  keine  aasdruckliche  Beeeicfanung  gefanden  hat, 
nicht  gegen  die  ohen  Terfochtene  Annahme  geltend  machen  wollen, 
dafs  er  nicht  von  Tegea,  sondern  ein  Ansifinder  war;  aber  nicht 
nnerwfinscht  wfire  es,  zu  wissen,  in  welcher  Qegend  von  Hellas 
seine  Heimath  an  soeben  ist«  Posidonios  bei  Athenaeos  6,  233 
berichtet,  dafs  die  Spartaner,  um  das  Verbot  des  Privatbesitzes 
von  Gold  oder  Silber  m  umgehen,  gewohnt  gewesen  seien,  ihre 
Baarschaften  bei  den  benachbarten  Arkadern  zu  deponiren:  A<vie<- 
iittfionot   ifiwo  r£¥   ISoüm  nvkuofitvoi   sir^gitv  Mh  tv,»  ^irct^rviVg  lic  o 

fuv  ovitv  ¥,TTOv,  vct^ttxartriS'Mvro  it  rsT^  ißo^ot^  *AfxaTtf, 
und  ich  halte  es  auch  ans  andern  Gründen  für  sehr  wahrschein- 
lich, dafs  Xuthias  ein  Spartiate  war.  Das  Alter  der  Bronze,  welche 
nach  dem  allgemeinen  Charakter  der  Schrift  unzweifelhaft  der  ersten 
Hfilfte  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  angehört,  steht  einer  solchen 
Annahme  nicht  entgegen;  denn  wenn  man  auch  der  Überlieferung, 
wonach  jenes  Verbot  des  Besitzes  von  Gold  und  Silber  bereits 
von  Lyknrgos  erlassen  sein  soll,  keinen  Glauben  schenkt,  so  wird 
man  doch  auch  na<^  der  andern  Seite  die  entgegengesetzte  An- 
gabe, der  Besitz  von  Gold  und  Silber  sei  in  Sparta  den  Privaten 
kurz  nach  dem  Ende  des  peloponnesischen  Krieges  bei  Todesstrafe 
verboten  worden,  nicht  so  verstehen  dQrfen,  als  habe  vor  dieser 
Zeit  ein  solches  Verbot  überhaupt  nicht  ezistirt;  vielmehr  ist  an- 
zunehmen, dafs  um  diese  Zeit  auf  die  bekannte  Veranlassung  hin 
das  filtere  Verbot  nur  von  Neuem  eiogeschfirft  und  die  Strafe  der 
Übertreter  erhöht  worden  ist.  Auch  die  Schrift  der  Bronze  kann 
ebensowohl  lakonisch  als  arkadisch  sein,  da  die  Alphabete  beider 
Gegenden  vollkommen  identisch  waren.  Entscheidend  aber  scheint 
mir  die  Sprache  der  Urkunden  zu  sein. 

Denn  war,  wie  bemerkt,  Xuthias  ein  Ansifinder,  so  fallt  da- 
durch auf  die  oben  besprochenen  dialektischen  Abweichungen  der 
Bronze  von  den  sonst  bekannten  Formen  des  tegeatischen  Idioms 
ein  neues  Licht  und  es  läfst  sich  die  Vermuthung  nicht  leicht  ab- 
weisen, dafs  zwischen  jener  Thatsache  und  diesen  Erscheinungen 
ein  ursfichlicher  Zusammenhang  Statt  finde.  Es  scheint  zwar 
natürlich,  anzunehmen,  dafs  dergleichen  Urkunden  von  der  Behörde 
des  Tempels,  bei  welchem  dcponirt  worden  war,  ausgestellt  wur- 
den;   dafs  dies  aber  thatsacblich  wenigstens  nicht  immer  der  Fall 


vom  3i.  JoMiar  iS70.  59 

war,  beweist  ottwiderleglieh  eine  Steinadurift  gerade  derselben 
Fondstitte.  Das  an  der  Stelle  des  alten  Tegea  gefandene  Frag- 
ment C.  I.  G.  1511,  welches  den  Anfingen  des  peloponnesischen 
Krieges  aagehSren  mnlsy  enCbllt  ein  Yerseiclmils  von  Beitrigea  in 
Gold  ond  Silber,  welche  von  verschiedenen  Staaten  nnd  Privaten 
an  die  Lakedämonier  an  Kriegsswecken  gesahlt  worden  waren; 
die  Anfatellnng  der  Urkande  in  Tegea  kann  aus  keinem  andern 
Gmnde  erfolgt  sein,  als  weil  die  auf  ihr  verzeichneten  Sammen 
eben  an  diesem  Orte  hinterlegt  waren,  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  gleichfalls  beim  Tempel  der  Athene  Alea,  wie  wir  denn 
wissen,  dafs  die  Spartaner  Staatsgelder  a.  B«  beim  Tempel  an 
Delphi  an  deponiren  pflegten;  in  den  Zeiten  des  peloponnesischen 
Krieges  bedingten  die  Yerhfiltnisse  die  Nothwendigkeit,  einen  näher 
gelegenen  Ort  za  wfihlen,  nnd  eignete  sich  f&r  die  Aofbewahrung 
von  Geldern,  welche  für  Zwecke  des  peloponesischen  Bundes  ver- 
wendet an  werden  bestimmt  waren,  kaum  ein  anderer  Tempel 
niehr,  als  der  im  ganzen  Bereiche  des  Bondesgebietes  angesehene 
tegeatische.  Ohne  Zweifel  war  auch  diese  Urkunde  im  Temenos 
des  Tempels  aofgestellt.  Oleichwohl  weicht  auch  ihre  Sprache 
von  der  jener  tegeatischen  Steinschrifl  in  folgenden  Punkten  ab: 

1)  Das  Vau  ist  im  Anlaute  verschiedener  Worte  noch  le- 
bendig. 

2)  Die  Namen  der  Zahlworter  von  aweihundert  an  endigen 
aaf  'iinot,  nicht  -anoi;  dem  vroc  der  tegeatischen  Urkunde  steht 
hier  vcrt  gegenüber;  vgl.  das  häufige  votou  oder  norrGfA  ni?^fuv, 

3)  Die  männliche  Form  des  Artikels  im  Plural  lautet  tcI» 
nicht  M. 

4)  Der  Genetiv  der  Einheit  von  männlichen  Stämmen  der 
ersten  Deciioation  zeigt  die  gemeindorisehe,  durch  Contraction  ans 
-ao  entstandene  Endung  -a  (in  At/[x]fiSff  vioc),  während  tegeatische 
Inschriften  (C.  L  O.  1513.  1514)  ihn  anf  -nv  endigen  lassen 
(EvVi:>j&ir*j,  *AiPoX>MviSav),  ja  diese  Endung  sogar  auf  die  weih« 
lieben  Stämme  derselben  Dedtnationsklasse  übertragen;  vgL  ^afjutfj, 
i^ütfiavt  irioxen^  der  mehrerwähnten  Steinschrift. 

Von  diesen  Abweichungen  lassen  sich  1,  2  und  vielleicht  auch 
noch  3  unter  der  Voraussetzung  erklären,  dafs  der  Dialekt  der 
Inschrift  nichtsdestoweniger  der  Von  Tegea  sei,  allein  Nr.  4  schliefst 
diese  Möglichkeit  aus;  denn  von  dem  ans  oq  entstandenen  a  der 
älteren  Urkunde  ist  zu  dem  «rj  der  jüngeren  tegeatischen  In- 


60  Sitzung  der  phtlo8ophisch-ki$torischen  Khsse 

sohrifben  keio  Übergang  denkbar.  Mit  Recht  hat  daher  Ahrens 
geleugnet,  dafs  der  Dialekt  unoer»  Urkunde  der  tegeattscke  sein 
könne,  und  die  Behauptung  aufgestellt,  welche,  wenn  jene  Fol- 
gerung zugegeben  wird,  unatis weichlieh  wird,  da£s  er  als  lakonisch 
in  Anspruch  su  Behmen  sei;  auch  ich  habe  daher  seuner  Zeit  kein 
Bedenken  getragen,  die  Inschrift  als  einen  Beleg  lakonischer  Schreib- 
weise  zu  verwenden.  Ist  dem  aber  so,  und  es  kann  nicht  anders 
sein,  so  ist  auch  erwiesen,  dafs  die  Urkunde  nicht  von  dem  De* 
positar,  der  Tempelbehorde  zu  Tegka,  isondern  den  Deponenten, 
den  Laked&moniern,  ausgestellt  worden  ist 

Das  Gleiche  für  unsere  Bronze  anzunehmen,  unterliegt  also 
gar  keinem  Bedenken.  Dann  aber  dilrfte  es  auch  schwerlich  zu- 
fällig sein,  dafs,  abgesehen  von  den  F&Uen»  in  denen  eine  Ver- 
gleichung  nach  der  Lage  der  Überlieferung  nicht  möglich  ist,  die 
Bronze  und  die  als  lakonisch  »kannte  Steinschrift  in  dialektischen 
Eigenheiten  'überall  da  übereinstimmen,  wo  beide  vom  tegeatiscben 
Idiom >  so  weit  es  uns  bekannt  ist,  abweichen,  wovon  sich  zu 
überzeugen  ich  den  Lesern  überlassen  kann').  Ich  wage  also  die 
Behauptung  aufrecht  zu  erhalten,  nicht  nur,  dafs  Xuthias  ein  Spar- 
tiate  war,  sondern  auch,  dafs  die  ihn  betreffenden  Urkunden  von 
ihm  und  in  seinem,  d.  h.  dem  lakonischen  Dialekte  ausgestellt 
sind.  Was  dagegen  bei  oberflächlicher  Betrachtung  vom  sprach- 
lichen Standpunkte  etwa  noch  vorgebracht  werden  könnte,  dient 
bei  genauerer  Prüfung  meiner  Annahme  nur  zu  weiterer  Unter- 
stützung. 

1)  Nach  der  gemeinen  Überlieferung  setzte  der  lakonische 
Dialekt  0-  für  ^  im  An-  wie  im  Inlaute;  unsere  Bronze  schreibt 
dagegen  Zov&tqr  (bis),  avoS'avrfy  &tS^ov  (bis),  jrttoMetSy,xtr^  ^^/yaTs^^c^ 
uo^ot  (bis),  noS'aeoiT9Qy  der  verschiedenen  avt^trSou  und  aui?jiT3'w 
gar  nicht  zu  gedenken.  Allein  nicht  nur  die  Tafeln  von  Heraklea 
kennen  kein  o-  für  ^,  sondern  auch  alle  altlakonischen,  im  nationalen 
Alphabet  geschriebenen  Inschriften  ohne  Ausnahme  halten  das  3 
fest  und   schreiben  muStti'^aip,   n^i'cd^xt  (öfter),  ^A^nval^^   Tffd'^Vnrei*, 


')  Die  Verglcichung  mit  anderen  lakonischen  Sprachdenkmälern  ergiebt, 
dafs  aufserdem  die  Verbalendungen  -vri,  -täi,  die  Infinitivform  3f«i',  die  Form 
der  Präposition  <riro,  die  Partikeln  ul  und  xa  dem  lakonischen  Sprachgebraache 
gemäfs  Bhid;  ebenso  die  Endung  des  Imperativs  in  tuiyvivtv,  welch«  freilich 
auch  arkadisch  und  gemdndorisch  ist. 


ffom  3L  Jamtar  1870.  61 

^  6A>ii»wi;i',  &[«]a)^,  ^AStcveuotj  Ko^ir^ior,  Tj^J^dkoi,  810*71^^,  Ku&moi; 
keine  einzige  von  ihnen  bietet  ein  <r  fQr  ^.  Letztere  Scltreibart 
gehört  den  Zeiten  nacb  dem  Bnde  des  peloponnetischen  Krieges 
an  and  kann  nnr  für.  ate  urkundlich  belegt  werden.  Wenn  daher 
die  Oberlieierung  des  Textes  der  Alkmanischen  Fragmente  nnd  der 
lakonischen  Stellen  bei  Aristophanes  nnd  Thukydides  diese  Ortho- 
graphie befolgt,  so  mufs  geurtheilt  werden,  dafs  hierin  die  £in- 
wirkong  einer  grammatischen  Recension  zu  erkennen*  ist,  welche 
die  Schreibweise  einer  spätren  Zeit  zum  Mafssiabe  nahm. 

2)  Die  Bronze  schreibt  yßdrdovTiy  bewahrt  also  inlautendes  t 
zwischen  Vokalen,  welches  doch  nach  der  Überlieferung  der  Gram- 
matiker im  lakonischen  Dialekte  in  den  Spiritus  asper  überzugehen 
pflegte.    Und   in   der  That  bieten  die  altlakonischen  Inschriften  in 
ÜbereinstimnHing  damit  Formen  wie  inolr},  ivUcts,  ¥ixaag^  *Ayv*iTT^aTOQ 
und  sogar  liofiSai/oc.     Aber  keine  von    denen,    auf  welchen    sich 
diese  Schreibung  findet,  kann  über  den  Anfang  des  peloponnesischen 
Krieges   hinaufgeruckt   werden    und    die    lakonischen    Stellen    bei 
Aristophanes,    in    denen    die  Überlieferung    sie   gleichfalls    (wenn 
aach  ohne   Consequenz)   bietet,   sind  eben   auch  nicht  älter.     Da- 
gegen zeigen  nicht  nur  die  Tafeln  von  Heraklea^  sondern  auch  die 
Fragmente   des   Alkman  durchaus   keine  Spur  dieses  Überganges, 
sondern  bewahren  regelmäfsig  das  er.     Es  folgt  hieraus,   dafs  die 
Verflüchtigung   des  er  zwischen  Vokalen  erst  in  der  Zeit  zwischen 
dem  Ende  des  7.  Jahrhunderts  und  den  Anfängen  des  peloponnesi- 
schen Krieges  in  den  Dialekt  einzudringen  begonnen  haben  kann, 
and  dafs  auf  Urkunden,  welche  diesem  Zeitraum  angehören,  nicht 
ohne  Weiteres  der  Spiritus  Statt  des  «r  erwartet  oder  gar  verlangt 
werden    darf.     Vielmehr   ist    aus    den   Urkunden    wo    möglich    zu 
lernen,  bis  za  welchem  Zeitpunkte  sich  das  t  behauptet  hat.    Nun 
schreibt    das    platäische   Weihgeschenk,    aus   der  Zeit  unmittelbar 
nach  den  Perserkriegen,   welches  als  eine  lakonische  Urkunde  zu 
hetrachten  ich    das   Recht   zu   haben   glaube,    noch  ^>.st(iTtoi;    bis 
wenigstens   in  diese  Zeit  also  war  das   er  zwischen  Vokalen  fest 
geblieben.      Kann  also   die .  Bronze   als    dem   platäischen  Weihge- 
schenke gleichaltrig  oder  gar  als   älter  betrachtet  werden,   so  ist 
eine  Schreibung  wie  vißdTuti/Tt  auf  ihr  nicht  nur  unanstöfsig,  son- 
dern s<^ar  die  allein  mögliche  und  darum  zu  erwartende.     In  der 
That  stammt  sie  aus  derselben  Zeit  wie  jenes.    Um  dies  zu  erwei- 
sen, wird   es  vollkommen  genügen,    die  Buchstabenformen  beider 


62  Sitzung  der  phÜoiopkf$eh'ki$tori$ehen  Kloise 

Urkanden  eioander  gegenüber  «n  fitellen;  ich  fuge  die  Variaaten 
der  uMgen  lakonischen  Inschriften  hinan  und  bemerke  nnr  noch, 
dafa  die  Bichtnng  der  Schrift  auf  beiden  wie  auf  den  meisten  der 
übrigen  rechtslftnfig  ist,  während  die  wenigen  filteren  meiat  ent- 
weder Unkslfiofig  oder  in  forchenformig  geordneten  Zeilen  geschrie* 
ben  sind. 


Bas  Platäiflche 

Di«  Bi 

ronie: 

Weihgeschenk: 

a. 

». 

1.    A  A 

A 

A 

2.     . 

E 

E 

3.     C 

C 

C 

4.      0 

0 

t> 

5.     E 

E 

epE 

6.     F 

F 

F 

7.     I 

• 

1 

8.      . 

B 

• 

9.  0  e 

e 

e 

10.      1 

1 

1 

11.    K 

K 

K 

12.     A 

A 

AA 

13.     M 

M 

M 

14.     N 

N 

N 

16.      O 

O 

O 

16.      P 

P 

P 

17.      P 

• 

I^P 

18.     € 

Z. 

c 

la.    T 

T 

T 

20.     V 

V 

V 

21.     (D 

0 

0 

22.     X(|) 

+  (ö 

+  (ö 

23.     VCCx,) 

^»'(x) 

V(%) 

1.  Sp&ter  A  II  2.  Auf  anderen  Inschriften  B  \\  3.  Auf  einer 
älteren  Urkunde  <  ||  5.  Auf  filteren  ^  ||  6.  Auf  filteren  f  \\  8.  Auf 
anderen  Q  bis  in  den  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges,  sp&tcr 


vom  31.  Januar  iS70.  6S 

geoffoet  H,  Dab  Weihgeeokenk  sclireibt  *E^oini^f  ivie  die  Bronse 
ißantifTt  II  9.  Spftter,  doch  noch  neben  Q,  in  Yereinfachter  Form 
Q  II  12.  Sp&ter  A  ||  17.  Aoeh  eckig  lt  and  auf  anderen  die  ei»p 
faehere  Form  P  ||  18.  Auf  den  ftlleren  Urkaaden  dreistrichjg  S  || 
20.  Auf  anderen  aoch  Y  ||  23    Auf  anderen  auch  Y  || 

Die  ÜbereinstimmoBg  kann  nicht  grofser  sein.  Ich  glanbe 
daher  an  meiner  Annahme,  daOs  Xuthias  ein  Spartiat  war  und  die 
TOD  ihm  aasgefertigten  Urkunden,  obwohl  in  Tegea  aufgestellt,  nach 
Sprache  und  Schrift  als  lakonisch  zu  betrachten  sind,  so  wie,  dafa 
sie  aus  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  t.  Chr«  herrühren, 
unbedenklich  festhalten  zu  können. 

Aber,  wird  man  fragen,  wie  kam  ein  Spartiat  dazu  'Achfier- 
freand'  zu  heifsen  ^),  da  doch  das  Yerbältnifs  der  herrschenden 
Spartiaten  zu  ihren  Untertbanen  und  Leibeigenen  achäischer  Ab- 
kunft notorisch  zu  allen  Zeiten  ein  keineswegs  freundliches  war? 
Ich  erwidere  darauf,  dafs  auch  diese  Regel  ihre  Ausnahme  hatte 
und  da£s  nachweislich  diejenigen  Elemente  im  Schoolse  der  spar- 
tanischen Burgerschaft,  welche  sich  in  Opposition  zu  den  beste- 
henden Zuständen  befanden,  im  Besonderen  die  Glieder  der  beiden 
Konigsfamilien ,  es  mitunter  nicht  rerschmfibten  sieh  auf  die  Sym- 
pathien der  ach&ischen  Unterthanenschaft  zu  stützen  und  als  Ver- 
treter ihrer  Interessen  zu  geriren ;  wollte  doch  König  Klebmenes  I. 
lieber  als  Achäer,  denn  als  Derer  gelten  (Herodot  5,  72),  woraus 
meiner  Ansicht  noch  noch  keineswegs  folgt,  dais  die  Konigsfamilie 
der  Agiaden  wirklich  achäischer  Abkunft  war,  wie  man  wohl  an- 
zunehmen pflegt  Wem  indessen  diese  Auskunft  nicht  genügt,  mag 
meinetwegen  annehmen,  dafs  Xuthias  nicht  Spartiat,  sondern  La- 
kedämonier,  d.  h.  achäischer  PeriÖke  war. 

Ich  fuge  zum  Schlufs  noch  eine  Bemerkung  hinzu.  Wenn  in 
beiden  Urkunden  übereinstimmend  verordnet  wird,  dafs  die  Sohne 
des  Deponenten  nach  dessen  Tode  zur  Erhebung  des  Depositums 
berechtigt  sein  sollen,  sobald  sie  das  fünfte  Jahr  vom  Beginn  der 
fß^i  zurückgelegt,  so  ist  damit  offenbar  der  Zeitpunkt  bezeichnet, 
mit  welchem  nach  dem  in  der  Heimath  des  Deponenten  geltenden 


')  Dab  der  Name  des  Sohnes,  Xuthias,  Verwandschaft  mit  dem  des 
Vaters  des  mythischen  Achaeos,  Xnthos,  zu  verrathen  scheint,  ist  wohl  nar 
nifüllig  zu  nennen. 


64  Sitzung  der  phiioB^kiieh'hütariicken  Klaue 

R6cht<i  Bie  befähigt  wurden,  die  selbststfindige  Verwaltang  ihres 
ererbten  Yerm^gens  änxotreten.  Ist,  wie  es  allen  Anschein  hat, 
einer  Angabe,  welche  sieh  unter  den  Herodotischen  Glossen  findet, 
an  trauen,  so  dliaerte  in  Sparta  das  Alter  der  Ephebie  yom  14. 
bis  zam  20.  Jahre:  itprißivtt  &  lett^  avrol^  o  irmf  nni  iviZv  lB  tJti%^€ 
xtu  M,  War  also  Xuthias,  wie  ich  annehme,  Spartiat,  so  erl&atert 
sich  jene  Bestimmung  dahin,  däfs  seine  Sohne  mit  dem  vollendeten 
18.  Jahr,  d.  h.  um  die  Zeit,  zu  der  sie  in  die  Altersklasse  der  so- 
genannten fxe>:>.sl§tvig  eintreten  wurden,  den  Besitz  des  deponirtea 
Vermögens  antreten  sollten,  und  würde  dadurch  unter  den  ange- 
deuteten Voraussetzungen  der  Zeitpunkt  des  Eintritts  der  civilrecht- 
lichen  Mündigkeit  in  Sparta  für  uns  bestimmt  sein. 


Hierauf  kam  zum  Vortrage  der  folgende 

Bericht  über   die  Handschriften  von  Arboreo. 

Die  Frage  über  die  Authenticitiit  der  in  Oristano  auf  der 
Insel  Sardinien  in  den  letzten  Decennien  zum  Vorschein  gekom- 
menen, unter  dem  Namen  der  Handschriften  von  Arborea  bekann- 
ten Pergament-  und  Fapierhandschriften  ist  seit  dem  Jahre  1846, 
wo  das  erste  derartige  Document  vero£fentlicht  wurde,  vielfaltig 
verhandelt  worden,  ohne  dals  doch,  wenigstens  in  Deutschland, 
viel  mehr  dafür  geschehen  wäre,  als  dafs  man  sich,  ohne  weiteres 
Eingehen  in  die  Sache,  theils  dafür^  theils  und  häufiger  dagegen 
entschied.  Auch  die  groCse  mit  einer  Reihe  sorgfaltiger  Tafeln 
ausgestattete  Gesammtpublication  derselben  durch  Hrn.  Pietro 
Martini*)  rief  keine  genauere  Untersuchung  der  Echtheitsfrage 
hervor.  Hiedurch  veranlafst  sprach  Hr.  Baudi  di  Vesme^  Mit- 
glied der  Akademie  der  Wissenschaften  von  Turin  und,  wie  auf 
anderen  wissenschaftlichen  Gebieten,  so  auch  auf  dem  der  sardini- 
schen Geschichte  und  Sprache  seit  längerer  Zeit  thätig,  gegen  den 
mitunterzeichneten  Hrn.  Mommsen  bei  dessen  Anwesenheit  in  Turin 


*)    Pcrgamene,   codici  e  fogli  cartacei  di   Arborea.     Cagliari  1863.    4. 
pp.  544.    Dazu  Appendice  1865.  pp.  250. 


vom  3L  Januar  1870.  S5 

im  Mars  ¥•  J.  den  'Wansch  aus,  dafa  die  hiesige  K.  Akademie 
die  Frage  einer  sorgfältigen  Früfang  unterziehen  möge,  und  erbot 
sich  SU  diesem  Ende  die  Übersendung  einer  genugenden  Aniahl 
dieser  jetxt  sfimmtüch  in  der  öffentUchen  Bibliothek  von  Gagliari 
aufbewahrten  ]iandschriften  nach  Berlin  zu  veranlassen.  Die  phi- 
losophisch-historische  Ellasse  der  Akademie,  von  dieser  Aufforderung 
ia  Kenntnifs  gesetzt,  verkannte  nicht  die  ernstlichen  Bedenken, 
welche  der  Übernahme  einer  solchen  Prüfung  sich  entgegenstellten, 
glaubte  aber  dennoch  ein  für  den  Auffordernden  sdbst  sowohl  wie 
far  die  Akademie  gleichmfifsig  ehrenvolles  Vertrauen  nicht  anders 
erwiedem  zu  dürfen  als  durch  Annahme  des  Auftrags.  Selbst- 
verstandlich  konnte  nicht  davon  die  Rede  sein  eine  wissenschaft- 
liche Frage  durch  einen  akademischen  Beschlufs  entscheiden  zu 
wollen;  es  lag  der  Ellasse  nur  ob  diejenigen  ihrer  Mitglieder,  die 
für  die  verschiedenen  hiebei  in  Betracht  kommenden  Fragen  die 
fachkundigsten  erschienen  und  die  zugleich  zu  der  Übernahme 
dieses  Auftrages  sich  bereit  fanden,  zu  einer  solchen  Prfifnng  za 
veranlassen  und  deren  Ergebnisse,  welcher  Art  sie  immer  sein 
mochten,  als  Beitrag  zur  Kl&rung  der  keineswegs  unwichtigen 
Frage  der  Öffentlichkeit  zu  übergeben.  In  diesem  Sinne  wurden 
in  der  Klassensitzung  vom  7.  Juni  v.  J.  die  Unterzeichneten  mit 
der  Prüfung  der  sardinischen  Handschriften  beauftragt  und  die- 
selben zugleich  ermfichtigt  andere  geeignete  Gelehrte,  die  nicht 
der  Akademie  angehören,  bei  dieser  Prüfung  mit  zuzuziehen. 
Nachdem  Hr.  Yesme  von  diesem  Beschlufs  in  Kenntnifs  gesetzt 
war,  übersandte  er  versprochener  Mafsen  sechs  dieser  Documente 
im  OriginaP),  woneben  andere  in  photographischen  Nachbildungen 
oder  in  den  Martinischen  Stichen  ebenfalls  zur  Beurtheilung  vor- 
lagen. Die  Beschreibung  jener  sechs  Handschriften  gab  Hr.  Yesme 
in  dem  folgenden,  an  den  mitunterzeichneten  Hm.  Mommsen  ge- 
richteten Schreiben. 

Quod  tibi  ante  paucos  menses  versanti  in  hac  nostra  civitate 
snm  pollicitus,  impetraturum  a  Rectoribus  Atbenaei  Garalitani,  ut 
selectas  qnasdam  e  chartis  manuscriptis  Arboreensibns,  de  quibus 
magna  inter  doctos  contentio  est,  concederent,  ad  vestram  Scientia- 


')   Nachtraglich  kam  cu  diesen  noch  ein  siebentes  hinzu. 
[1870]  ö 


66  Sitzung  der  pJulosaphisch^historisehen  KlasBe 

rum  Academiam  transmittendos,  vestroqne  ezamini  BubjiciendaB,  id 
prospere  successit  Chartas  eaa  a  me  accepisti;  jam  eas  tn  ipse 
et  nonnulli  e  collegis  tais,  aliiqae  docti  Tiri,  maiiibtts  tractaTerant ; 
ai  qaas  insuper  desideratis,  eas  me,  nt  priores  illas,  impetratamm 
confido.  Ipse  quidem  e  magna  chartarom  Arboreensittm  copia  eas 
delegi,  qaas  ad  Judicium  de  ipsarum  palaeographica  sinceritate  fe- 
rendum  utiliores  futuras  existimavi,  et  vobis  argumenti  ratione  ac« 
ceptiores;  tum  quas,  ipsa  rerum  de  quibus  agerent  novitate  aat 
gravitate,  magis  dubias,  atque  ideo  examine  restro  digniores  ezi- 
stimavi. 

£n  nunc  chartarum  quas  misi  enumerationem;  cai  interseram 
adnotationes  quasdam  meas;  rationes  insuper  afferam,  qiubus  ad- 
ductus  singulas  quasque  potissimum  delegerim. 

I.  Membrana  palimpsesta,  cujus  vetustior  scriptura  est  sae- 
culi  VIII  inenntis.  Qui  primus  hanc  membranam,  et  plerasque  e 
chartis  Arboreensibus  edidit,  vir  clarissimus  et  honestissimus,  idem- 
que  dum  viveret  mihi  amicissimns,  nunc  jam  ferme  ante  triennium 
patriae  et  amicis  immaturo  fato  ereptus^  Petrus  Martini^  opinatas 
est,  vetustiore  scriptura  exhiberi  fragmentum  chronic!  de  Sarracc- 
norum  incursionibus,  aüisque  rebus  Sardicis,  ineunte  saeculo  VIIL 
Mihi  alia  sententia  est:  habere  nos  prae  manibus  fragmentum  auto- 
graphum  epistolae  Caralitani  cujuspiam,  enarrantis  ea  quae  notatu 
digniora  acciderant  in  sua  civitate  et  finitimis  locis,  nee  temporis 
nee  locorum  servato  ordine,  sed  ut  epistolam  scribenti  singula 
quaeque  se  ofPerebant.  De  anno  etiam  quo  litterae  conscriptae 
sint,  dubitari  vis  potest;  cum  enim  duod^cim  anni  elapsi  dicantur 
a  prima  Arabum  invasione,  hanc  autem  esse  ad  annum  DCCX  re- 
ferendam  jam  satis  constet,  scripta  epistola  dicenda  erit  anno 
DCCXXII;  quo  nempe  ipso  anno  sancti  Augustini  Hipponensis 
episcopi  corpus  redemptum  fuit  a  Luitprando  Langobardorum  rege, 
et  in  Italiam  advectum. 

Ad  vetustiorem  elutam  et  evanidam  scripturam  resuscitandum 
Petrus  Martini,  sim  verius  Ignatius  Pillito,  a  quo  universae  hae 
Arboreenses  chartae  primum  lectae  et  transscriptae  sunt,  usus  fue- 
rat  galla  diluta;  sed  parum  prospero  successu,  ita  ut  ejus  editio 
multis  adhuc  lacunis  biet.  Postea,  antecessore  quodam  Caralitano 
docente,  Ignatius  Pillito  atque  ipse  ego  usi  sumus  parte  una  acidi 
gallici  cum  novem  partibus  aquao  distillatae;  cujus  efficacioris  re- 


vom  31,  Jatmar  1870.  ^7 

medii  ope,  et  qnod  membranam  non  cormmpit  ac  rix  foedat,  la- 
canae  aliqaot  suppietae  sunt;  reliquae  etiam,  m  fallor,  aappieri 
poMunt 

Beceotlor  scriptnra,  quam  ad  priorem  saeonli  XV  partem  re- 
ferendam  esse,  mihi  sententia  est,  ezhibet  fragmentom,  prineipio 
tarnen  et  fine  matilum,  penreniistae  narrationis,  antiqaisaimo  italico 
Dostro  idiomate,  amorom  Helenae  filiae  Gomiarii  Judicis  Arbove- 
ensis,  com  Constantiiio  Jadioe  Gallarensi;  eni  etiam  ode  inest,  siFe 
ipsins  GoDstantini,  nve,  qnod  verina  existimo,  ejos  nomine,  qua 
obdaratam  Helenae  animum  flectere  conatur.  —  De  aetate  et  auc* 
lore  narrationis  et  carminia  videndas  Martini,  Pergamene  d^ArboMO^ 
eee.  pag.  114;  tum  quae  ipse  disserni  in  Commentatione  Di  Ohtrardo 
da  Firenze  e  di  Äldobrando  da  Siena,  poeti  del  seeolo  Xllf  e  deüs 
origini  del  volgare  Ulu$tre  üaliamoy  §,  39. 

Hanc  autem  membranam  vestro  examini  aalijiciendam  delegi, 
primam  qnia  omninm  antiqaiasima,  post  nnam  eam  pancis  annis 
antiqaiorem,  sed  jam  et  accurate  editam,  et  Academiae  noetrae 
Tanrinensis  judicio  comprobatam,  qnae  Deletonis  hymnum  de  Ja^ 
leto  servavit;  Tide  Memorie  deUa  B.  Äeeadenria  delle  Seienze  di  To^ 
Tino,  Serie  II^  VoL  XV ^  Parte  11^  pag,  306  s  seguenti.  Quin  et  eo 
ipso  quod  sit  palimpsesta^  non  nna  ratione  conferre  ad  sincerum 
de  hisce  chartta  ferendam  judicinm  vidduUnr.  Ac^edit,  quod  hae 
nna  membrana  dno,  et  argomento,  et  longo  temporis  intervallo  in 
ter  se  dissita,  antiqua  moniimenta  mno  intnitn  Testria  ocnlia  eob- 
jicinntan  Me  movit  etiam  remm,  quae  tum  vetustiore  tum  recen- 
tiore  acriptara  ezhibentar,  grayitaa  et  praeatantia.  Epiatolae  enim 
fragmentum  muUa  habet  notatu  dlgna  de  Caralitanae  civitatia  anti- 
qiiis  monamentis  et  hiatoria;  et  Jalus  aeu  Jaletua  ibi  memoratur; 
utr  aic  quae  priore  membrana  tradantnr,  baec  quoqae  jam  aua  aue« 
tontate  coüfirmet:  tum  aancti  Ignatii,  veteria  lllina  Eccleaiae  Pa- 
tris,  patriam  fniaae  Noram  Sardiniae  («quod  ejoa  cocives  Nuran.^); 
cf.  Martini,  Pergotttene  eeo»  d^Arborea,  pag,  631  e  640.  -— '  Raoentior 
autem  acriptüra  serravit  inaigne  antiquitate  et  praeatantia^  et  Tel 
nunc  poat  aliaa  plurea  cognitaa  chartaa  Arboreenaea  unicam  aoluta 
oratione,  ai  minuta  quaedam  excipiaa,  apecimen  naaeentia  tunc  iti^ 
licae  linguae^  Sed  de  hujuamodi  antiquisaimia  Italict  aermonia  re« 
iiqaiis  pauca  infra  adnotabo  oportnniore  loco. 

II.  Membrana  aaeculi  XIII,  exhibena  partem  epiatolae-  Tiri 
inter  Sardoa  aetatis  auae  longe  doctisaimi  Georgii  de  Lacono  ne« 

5* 


68  Sitzung  der  philoaopkMh'historischen  KlMse 

poti  Buo  (pato  fratris  filio)  Petro  de  Lacono.  De  hac  membrana 
conferenduB  Petras  Martini,  Nuove  Pergamene  d'Arhorea,  Cagliari, 
Ttmon,  1849,  pag,  iOi  e  aeguenti;  et  Pergamene  ecc,  d'Arhoreaj  pag, 
139 — 158  e  530 — 634,  Membrana  inferiore  parte  mutila  est;  Bope- 
riore  parte  non  quidem  mutila,  ut  priori  Editori  visam,  sed,  quod 
nemo  hactenus  animadvertit,  snperatiti  hnic  aliam  praesutam  fuisse, 
sutarae  vestigia  manifesto  produnt.  Oraviua  est  ad  rem  nostram, 
quod,  meo  quidem  judicio,  non  hoc  est  epistolae  Georgii  de  Lacono 
exemplum  serius  confectum,  sed  ipsa  epistola  nepoti  Petro  missa, 
et  ab  eo  cum  aliis  chartis  quampluribus  ad  historiam  Sardicam 
pertinentibus  (vide  Martmi^  Pergamene  eec.y  pag.  93, 103^  130^  139)^ 
quarum  maximam  partem  procul  dubio  ipse  Georgius  coUegerat, 
religiöse  assenrata.  Non  tamen  esse  hoc  ipsum  Georgii  de  Lacono 
autographum  ea  significatione  contendo,  quasi  integram  membranäm 
ipsius  mann  perscriptam  affirmem;  fieri  enim  facile  potuit,  ut  quae 
ipse  in  schedis  digessisset,  et  forte  diuturno  studio  retractasset, 
amanuensi  describenda  in  hac  membrana  mandaverit  Gerte  ab 
ejus  mann  sunt  verba  quaedam  passim  postmodnm  adjecta,  quae 
non  sunt  scribae  corrigentis  si  quae  per  incuriam  erraverat,  sed 
ipsius  auctoris,  quae  prius  scripserat  accuratius  et  plenius  expla* 
nantis.  Confer  Martini,  Pergamene  ece.  d'Arboreaj  pag.  531,  Im.  ult. 
--532,  lin.  7;  pag.  532,  lin.  11;  lin.  26-^27;  litt.  31-^2;  pag.  533, 
Im.  1 — 2  e  lifu  9. 

Scripta  autem  est  epistola  vivo  adhnc  et  regnante  Comita  Ja- 
dice Arboreae,  atque  ideo  inter  annum  MCCXXXYIII  et  MCGLIII. 
Sub  initium  ejus  regni  scriptam  puto;  Comita  enim  extremis  regni 
sni  annis  „bonis  initüs  malos  eventus  habuit^. 

Delegi  Academiae  vestrae  mittendam  haue  membranam,  primum 
quia  sinceritatem  snam  ipso  adspectu  proditura  mihi  videbatur; 
dein  ob  ea  quae  versu  nono  leguntnr  de  Tigellio:  ^sms  nobis 
transmissis  poesibus,  quas  autem  vorans  tempus  ioagna  ex  parte 
pauUatim  confecit^ ;  unde  apparet,  quod  neutiquam  mireris,  Tigellii 
carmina  diu  in  Sardinia  lectitata  fuisse,  et  saeculo  XIII  ineunte 
nondum  prorsus  interüsse.  Movit  etiam,  quod  huic  epistolae  insertae 
sint  quinque  staniiae  cantionis  (ita  cum  Dante  appellabo)  poetae 
Oaralitani  Bruni  de  Thoro;  ita  ut  ejus  carminum  antiquitas  et 
sinceritas,  quae  se  carmina  ipsa  iegenti  jam  satis  prodit,  novo 
veteris  hujus  membranae  et  Georgii  de  Lacono  testimonio  con- 
firmetur.    Exemplar  photographicum   maximae  partis  hujus  mem- 


vom  31,  Januar  1870,  69 

braoae,  mea  cnra  ante  aliquot  annos  perfectum  (vide  Martini, 
PtrgameM  ecc.^  pag.  530)  ad  tob  nuper  misit  Michael  Martini, 
Fetri  frater. 

Ad  membranas  Arboreenses  notandam,  omnea,  nna  ezcepta 
qainta  (nam  membranae  lacinia  quam  sub  numero  YIII  edidit 
Martinj,  PergamtRe  ece.,  pag.  217 — 218  e  639  —  640 ^  non  est 
Arboreensis,  sed  Polae  a  Pillito  reperta,  snturae  veteris  cujusdam 
iibri  firmandae  apposita),  in  nsum  tegendorum  librorum  adhibitaa 
faisse;  quod  nti  mutilandarnm  causa  fuit,  ita  earum  saltem  partem 
ab  interitu  vindicavit. 

III.  Codex  chartacens,  saecnli  XV  ante  medium,  integer, 
foliomm  158;  exbibet  yitas  illustrium  Sardorum  coUectas  a  Sertonio 
Phausaniensi  saeculo  IV,  sedi  refectas  et  comiptas,  primum  exeunte 
saeculo  VII  aut  ineunte  VIII,  a  Deletone  et  Narcisso  jussu  Jaleti 
regis;  dein  itemm  ab  Antonio,  ut  videtur,  episcopo  Ploacensi  sub 
finem  saeculi  XIII;  prae  ceteris  pristinam  formam  servare  mihi 
videtur  Tita  Tigellii.  Occasione  alicnjus  personae  aut  loci  in 
singnlis  Titis  memorati,  adjecta  passim  sunt  excerpta  nonnuUa  ex 
aliis  Sardia  scriptoribus,  a  vitarnm  per  Sertonium  collectarum 
coipore  prorsus  aliena. 

De  hoc  codice  videnda  quae  primus  tradidi  in  BoUeäino  Archeo^ 
logico  Sardo,  VoL  X  {1864),  pag.  99;  tum  quae  Martini,  Appendiee 
alla  Baccolta  deüe  Pergamene  ecc,  d^Arborea^  pag,  3e  seguenti* 

£nm  examini  yestro  commendat  rerum  quae  exbibet  novitas 
et  gravitas,  et  ipsarum  veritas  detectis  longo  demum  tempore  post 
scriptum  codicem  monumentis  confirmata. 

rV.  Codex  chartaceus  ejusdem  aetatis,  foliornm  24,  integer; 
quo  exbibetar  Contio  habita  ab  oratoribus  qnarnmdam  Sardiniae 
civitatnm  coram  Stephano  novo  Praeside,  imperante  ConstantinopoU 
Constantino  Pogonato;  adjectae  sunt,  et  praecipuam  codicis  partem 
constituunt,  amplae  ac  maximi  ad  historiam  momenti  Notae  seu 
ezplanationes,  Severino  adscriptae,  Garalitano,  monacho  et  trivii 
magistro;  cujus  inter  Chartas  Arboreenses  snperest  etiam  breve 
Chronicon  eorum,  quae  memorabilia  in  Sardinia  acciderunt  ab 
anno  DCCLXXVIII  ad  annum  DCCCXIII,  quod  editum  primum, 
uti  et  haec  ipsa  Contio  cum  suis  Adnotationibus,  a  Salvatore  De 
Castro  fiVtfort  Codici  d'Arbarea,  ptd^lieoH  dal  Canonieo  cav.  Sahator 
Angdo  De- Castro;  Cagliari,  1860,  pag,  59 — 79),  et  denuo  a  Petro 


70  Sitzung  der  philosophisch-histarisehen  Kla$S€ 

Martini,  Pergamene  eec.  d*Ärborea,  pag,  244  —  2öl,    De  hoc  codice 
▼idendus  Martini,  Pergamene  ece.,  pag.  221  e  seguenti, 

y.  Codex  chartacens,  ejusdem  aetatis,  foliorum  item  24;  atrom 
integer  sit  an  fine  matilns,  affinnare  non  ansim;  Tide  qnae  hac  de 
re  tradidi  in  Commentatione  Di  Oherärdo  da  Flrenz€  «ec.,  §.  iö, 
sah  finem.  Deecriptum  videre  est  apnd  Martini,  Äppendice  aUü 
Baeeolta  delle  Pergamene  eee.,  pag,  138  eegg,;  et  a  memet  ipso  in 
Commentatione  Dt  Oherardo  da  Firenze  eec.^  §,  11 — lö,  Exhibet 
excerpta  carmina  poetsmm  saecnli  XII  Brani  de  Thoro  Caralitani, 
et  Aldobrandi  Senenms,  tum  breve  fragmentum  Oherardi  Florentini; 
demum  quaedam  carmina  Sardoa  ejusdem  Bruni.  Ex  his  maximam 
partem  nnns  hie  codex  aerravit;  sunt  tarnen  quaedam  Bruni,  quae 
prostant  etiam  in  membrana  Arboreensi  auctori  coaeva  (judicio 
etiam  Caroli  Milanesi,  Palaeographiae  olim  Professoris,  quem  ea 
potissimum  inspecta  moTit,  ut  de  sinceritate  harum  reliquiaram 
nascentis  tnnc  italicae  linguae  omnem  dubitationem  abjiceret),  de 
qua  videndus  Martini,  Pergamene  «cc,  130  segg,^  et  Äppendice  alla 
Baeeolta  eec,  pag.  149 — 163;  tum  Yesme,  Di  Oherardo  ece.^  §,  21; 
ac  praeterea,  ut  supra  monuimus,  quinque  stantiae  cantionis  Brani 
ad  Pretiosam  leguntur  in  membrana  saecuii  XIII,  quam  supra 
descripsi  snb  nnmero  II.  At  praeterea  carminum  Aldobrandi 
Senensis  qnae  hoc  codice  habentur  pars  servata  est  duplici  alio 
manoscripto  codice,  sapparis  aetatis,  Florentino  altero,  aitero  Senensi, 
«trisqne  ex  Panormo  transmissis.  Senensis  codicis  Berolinum  misi 
paginam  photographice  expressam.  Et  sane  Aldobrandi  nomen 
et  aetas  primum  innotuere  non  e  chartis  Arboreensibus,  aed  per 
Adolphum  Bartoli  e  codice  Florentino;  sed  tum  invento  fides  non 
■tetit.  Qua  de  re  videodi  Martini,  Äppendice  atla  Baeeolta  delU 
Pergamene  ecc.y  pag,  142 — 144;  et  Yesme  Di  Oherardo  da  Firenze 
eecy  §•  3, 

VI.  Ejusdem  ferme  aetatis  folia  nndecim,  quornm  duo  dimidiata 
(panca  praeterea  alla  adhnc  sunt  apnd  inventores)  avnlsa  e  codice 
item  chartaceo;  quorum  prioribus  continentur  carmina  italica,  ceteris 
Sardoa  carmina:  illa  quidem  saecuii  XII,  Bruni  et  Gberardi;  baec 
vero  diversorum  poetarum  et  aetatnm.  Egl  de  hoc  manuscripto 
codice  in  Commentatione  Di  Oherardo  da  Firenze  eec.,  §,  16  et  75^ 
tum  in  Nuove  Noiizie  intomo  a  Oherardo  ecc,  Si  pcrpanca  excipia» 
quae  ipse  edidi,  ea  quae  his  foliis  continentur  nondum  in  lucem 
prodierunt;  imo  carmina  italica,  ob  scripturae  difficultatem,  nondum 


vom  3L  Januar  1870,  71 

exscripta  sunt.  E  Sardois  carminibus  nonnuUa  sunt  codici  ipsi 
coaeva,  et  ea  quidem  tum  niaximi  momenti  ad  historiam  Sardiniae 
illoBtrandam,  tum  ad  hanc  ipsam  qaaestionem  de  chartarum  Arbore- 
60810111  origine  et  sinceritate. 

Nobis  Italis  rix  quidpiam  m^jas  et  insperatias  in  re  litteraria 
accidere  poterat,  quam  ut  Italic!  acriptores  in  lucem  prodirent, 
tum  ÜB  qni  pro  antiquissimia  in  hanc  diem  habiti  sunt,  integro 
saeculo  antiqniores,  tum  non  uno  respectu  praestantiores.  Hino 
quam  via  nunc  Italonim  plerique  aut  otio  torpentes  (pndet  dicere!) 
ant  alÜB  districti  curia  bona  atudia  passim  negligant,  non  defuere 
tarnen,  qni  magni  momenti  quaestionem  agitarent.  Inter  eoa  qui, 
reteris  noatrae  italicae  linguae  studio  insignes^  inspectis  codicibus, 
et  poeaibna  perpenaia,  earum  sinceritatem  propugnarunt,  principem 
procul  dubio  locum  tenet  Caesar  Guasti,  in  Archivio  Centrali 
Florentino  a  supremo  Rectore  Francisco  Bonaini  secundus,  Aca- 
demiae  quam  della  Crusca  vocant  Socius,  et  editis  operibus  de 
antiqnis  nostria  scriptoribus  clarus;  cujus  sententiae  accessere  plures 
docti  Tiriy  inter  qnos  memorasse  sufficiat  Fransciscum  Zambrini, 
BoDoniensem,  et  Lucianum  Banchl,  Senensem.  Adhuc  aversantur 
nonnolli,  inter  quos  insignis  sane  vir  Alexander  D*Ancona,  Ante- 
cessor  Pisis,  et  Adolfns  Borgognoni,  Ravennae;  neque  id  mirum; 
nee  enim  quae  teneris  ab  unguiculis  quispiam  didicit  ac  pro  veris 
et  certissimis  habuit,  facile  rejiciat,  ut  novis  atque  ob  id  ipsum 
SQSpectis  fidem  accommodet.  Quibus  vero  nitantur  argumentis, 
qoi  inter  Italos  antiquissimorum  carmrnum  quae  nuper  in  lucem 
prodierunt  sinceritatem  respuunt,  et  quaenam  illis  de  origine  ac 
aetate  chartarum  Arboreensium,  tum  codicum  Florentini  et  Senensis, 
sententia  ait,  nee  ipsi  nee  alius  quispiam  adhuc  prodidit;  omnes 
tarnen  fatentur,  non  hujusmodi  esse  quaestionem  quae  silentio  et 
contemptn  solvi  possit,  quo  uno  litterariae  fraudes  plerumque 
corruunt,  sed  validis  argumentis  et  diligenti  ipsorum  monumentorum 
ezamine.  —  Mihi  ea  sententia  est,  praeter  rei  novitatem  et  ipsam, 
si  ita  loqui  faa  sit,  ejus  molem,  nullum  alicigus  momenti  argumentum 
contra  harnm  chartarum  fidem  et  antiquitatem  posse  afferri;  sed 
ob  hanc  ipsam  rei  novitatem  et  inventi  praestantiam  non  defuturos 
e  coaeris  nostris,  qui  in  eis  rejiciendis  aut  saltem  pro  dubiis 
habendia  perdurent,  vel  si,  ut  mihi  fert  animus,  earum  sinceritas 
Academiae  vestrae  et  aliorum  qui  eas  perpenderint  doctorum  Tirorum 
jadicio  firmetnr;   tanta  est  longae  et  inveteratae  opinionis  vis,  et 


72  Sitzung  der  philoßophiBeh-^histarigchen  Klasie 

inutandae  sententiae  difficaltas!  Credent  et  recipient,  nailo  jani 
adversanie,  filii  nostri;  et  temporis  lapsu,  qui  fraudes  et  sparia 
monamenta  qnamplorima  in  dies  contemptui  et  oblivioni  tradit, 
sinceris  hisce  veritas  fidem  adstruet,  ac,  qnem  in  re  nova  ac  naper 
inaadita  frostra  sperea^  diu  cognita  copsensam  faciet. 

Sed  antequam  longae  hnic  epistolae  finem  faciam,  nnam  hoc 
monitos  adhnc  velim  te  et  reliqnos  yestrae  Academiae  Socioa:  me, 
chartamm  Arboreensium  sinceritatem  propugnantem,  de  sola  palaeo- 
graphica  earam  fide  loqni.  Renun  quae  chartis  ipsis  exhibentur 
auctoritas  longiore  dispntatione  tractanda  est  tune  demam,  cam 
ipsa  mannscriptoram  sinceritas  sit  extra  dnbitationem  posita;  et 
de  singalis  quae  in  iis  libris  narrantar,  non  de  tota  simul,  tum 
aetate,  tom  origine,  tom  ipsa  renim  indole  handqaaqnam  pari» 
chartarom  Arboreensium  congerie  ferendum  erit  Judicium. 

Scribebam  Tanrini,  pridie  nonas  norembres,  anno  MDCCCLXIX. 


Die  Unterzeichneten  fanden  es  angemessen,  die  HH.  Alfred 
Dove,  Philipp  Jaff6  und  Adolf  Tobler  Um  ihre  Mitwirkung 
bei  der  Prüfung  der  Handschriften  su  ersuchen,  die  demgemäfs 
bereitwillig  gewährt  ward. 

Die  paläographische  Untersuchung  erschien  der  Commission 
als  die  hauptsfichlicbe,  insbesondere  deshalb,  weil  die  Yertheidiger 
der  Fragmente  sich  stets  vorzugsweise  auf  die  Autopsie  der  Ori* 
ginale  gestützt  hatten  und  weil  ja  überhaupt  die  Intervention  der 
Akademie  zunächst  für  diese  Prüfung  angerufen  worden  war,  da 
über  die  anderen  einschlagenden  Fragen  auch  auf  Grund  der  Mar- 
tini'schen  Publication  hin  jeder  Sachverständige  im  Stande  war  zu 
urtheilen.  Das  unter  A  angeschlossene  Outachten  des  Hrn.  Jaffe 
erledigt  diese  Frage  in  definitiver  Weise,  indem  es  in  den  ersten 
14  Zeilen  der  oben  mit  II.  und  den  ersten  zwei  Seiten  der 
oben  mit  III.  bezeichneten  Handschrift  eine  wohl  selbst  im  Ge- 
biet der  Fälschungen  bisher  unerhörte  Reihe  von  paläographi» 
sehen  Unmöglichkeiten  aufweist  Die  Commission  hielt  es  für 
angemessen  die  förmliche  Motivirung  des  Urtbeils  auf  diese  wenigen 
Abschnitte  zu  beschränken,  da  die  Fortsetzung  der  gleichen  undank- 
baren Arbeit  zu  nichts  geführt  haben  würde;  während  andererseits 
die  sämmtlichen  Documente  von  Arborea  sachlich  in  dem  Grade 
unter  einander  connex  und  correlat  sind,  dafs  schon  aus  diesem 
Grunde  die  nachgewiesene  Fälschung  eines  derselben  den  Nach- 


vom  3L  Januar  1870.  73 

weis  für  alle  in  sich  tragt.  Die  Commission  erkl&rt  aber  aos- 
drücklieb,  dafs  unter  aUen  Stücken,  die  im  Original  oder  in  Ab- 
bildong  ihr  vorgelegen  haben,  nicht  ein  einziges  sich  befindet^ 
dessen  Echtheit  irgend  einem  ihrer  Mitglieder  auch  nar  wahr- 
scheinlich erschienen  w&re,  und  dafs,  nach  der  gewissenhaften 
Überzengong  der  Unterzeichneten,  die  gesammte  Masse  der  soge- 
nannten Fragmente  von  Arborea,  bei  aller  ihrer  Verschiedenheit 
unter  einander,  dennoch  von  einem  Fälscher  oder  mindestens  einer 
Fälschergnippe  angefertigt  worden  ist 

Obwohl  hiermit  die  Commission  die  ihr  gestellte  Aufgabe  zunächst 
als  erfüllt  ansah,  erschien  es  ihr  doch  angemessen,  die  Prüfung 
nicht  auf  die  Paläographie  der  Documente  zn  beschränken,  sondern 
die  naheliegende  Frage,  wie  die  Documente  von  Arborea  in  sprach- 
licher wie  in  sachlicher  Hinsicht  zu  den  sonstigen  wissenschaftlich 
gesicherten  Thatsachen  sich  verhalten,  wenigstens  in  einer  Anzahl 
von  Beispielen  zu  erörtern.  Denn  es  leuchtet  ein,  dafs  diese 
mannichfaltigen  und  inhaltreichen  Urkunden  durch  die  BeschafTen- 
heit  des  in  ihnen  gebrauchten  Lateinischen  und  Altitalieniscben, 
durch  ihr  Verhältnifs  zu  dem,  was  anderweitig  über  die  altere  und 
neuere  Geschichte  der  Insel  Sardinien  und  Italiens  überhaupt  fest- 
steht, ebenso  sehr,  wenn  sie  echt  waren,  vielfältige  und  deutliche 
Beweise  der  Echtheit  in  sich  tragen  mufsten,  wie  im  umgekehrten 
Fall  ebenso  vielfältige  und  ebenso  deutliche  Beweise  der  Unecht- 
heit  Aus  diesen  Erwägungen  sind  die  weiteren,  diesem  Bericht 
unter  B.  C.  D  beigefugten  Specialuntersuchungen  hervorgegangen. 
Sie  haben,  jede  unabhängig  angestellt,  durchaus  zu  demselben 
Ergebnifs  gefuhrt  wie  die  paläographische  des  Hrn.  Jaffe:  so- 
wohl diejenige  des  Hrn.  Adolf  Tobler  über  die  in  dem  Alt- 
italienischen dieser  Documente  auftretenden  sprachlichen  Eigen- 
thümlichkeiten  (Anl.  B),  wie  diejenige  des  Hrn.  Alfred  Dove 
über  das  Verhältnifs  derselben  zu  den  gesicherten  Thatsachen 
der  mittelalterlichen  Geschichte  (Anlage  G),  wie  endlich  die- 
jenige des  mttunterzeichneten  Hrn.  Mommscn  über  die  von  dem 
Urheber  dieser  Documente  mitgetheilteu  oder  benutzten  romischen 
Inschriften  (Anl.  D).  Alle  diese  Untersuchungen  ergaben  zugleich 
sichere  Anzeichen  dafür,  dafs  hier  eine  Fälschung  neuesten  Datums 
vorliegt,  angefertigt  mit  Benutzung  von  Büchern  und  Inschriften, 
die  erst  in  den  letzten  Decennien  veröffentlicht  worden  sind. 

Das  Ergebnifs  der  Untersuchung  ist  also  dahin  zusammen  zu 


74  Sitzung  der  philosaphisck-hUtarisehsn  Klasse 

ihBBen^  dafe  die  sftmmtlichen  unter  dem  Namen  der  Documenle 
von  Arborea  pablicirten  Urkunden  falsch  sind  und  dafs  gegen  die- 
selben, ebenso  "wie  gegen  die  ligorischen  Inschriften  oder  die 
simonideischen  Handschriften,  die  Vertreter  des  ganzen  einschlagen* 
den  philologisch  -  historischen  Forschungsgebiets  gleichmäfsig  Ein- 
spruch erheben.  Haupt.    Mommsen. 


Anlage    A. 

Von  den  zahlreichen,  in  Arborea  zum  Vorschein  gekommenen 
und  zumeist  durch  Pietro  Martini  stattlich  edirten  Handschriften, 
deren  Echtheit  aus  inneren  Gründen  angefochten  und  aus  änÜBeren 
in  Schutz  genommen  wird,  haben  mir  zur  Prüfung  ihres  pal&ogra- 
phischen  Charakters  im  Ganzen  sieben  Stucke  vorgelegen:  zirei 
Membranen  (eine  gröfsere  und  eine  kleinere)  und  fünf  Papier- 
codices. 

Eine  vorläufige  Betrachtung  zeigte,  dafs  die  Schriftart  der 
gröfsem  Membran')  dem  13ten  Jahrhundert  angehört  und,  indem 
ich  an  der  kleinem'),  die  einen  Palimpsest  darstellt,  die  primäre 
—  in  jüngerer  romischer  Cursive  gehaltene  —  Schrift  aufser  Acht 
liefs,  dafs  ebensowohl  ihre  secundären  Züge  wie  die  Formen  der 
übrigen  Handschriften  etwa  dem  löten  Jahrhundert  zuzurechnen  seien. 

Nachdem  dann  die  Untersuchung,  von  der  anfänglich  verwir- 
renden Mannigfaltigkeit  der  Stücke  und  ihrer  Schriftsorten  unbeirrt, 
den  Erzengnissen  einzeln  und  mit  schärferer  Aufmerksamkeit  sich 
zugewandt  hatte,  gewährte  ihr  Gesammtergebnifs  mir  die  volle 
Überzeugung,  dafs  mit  diesen  Handschriften  der  gelehrten  Welt 
ein  Betrug  gespielt  worden  ist. 

Am  augenfälligsten  ist  die  Unechtheit  in  der  scheinbar  dem 
13ten  Jahrhundert  angehörenden  Schrift  der  grofsern,  104  Zeilen 
enthaltenden  Membran,  von  welcher  auch  ein  Facsimile  hier  ein- 
getroffen ist  und  deren  Inhalt  Pietro  Martini  herausgegeben  hat, 
Pergamene  codici  e  fogli  cartacei  di  Arborea  p.  139 — 157. 

Schon  die  Grundstriche  der  einzelnen  Buchstaben  verrathen 
den  modernen  Schreiber,    der  von  der  eigenthümlichen  und  unver- 


'}  Sic  ist  in  dem  oben  abgedracktcn  Brief  Vesmes  mit  II  bezeichnet. 
*)  Vesmes  n.  I. 


vom  31.  Januar  1870,  75 

rockVaren  Federhaltnng  einer  mittelalterliGhen  Hand  keine  sichere 
Eenntnifd  besafs.  Sie  entbehren  daher  der  Gleichmfifsigkeit  nicht 
allein  in  Terscbiedenen  Bnchstaben,  sondern  verlaufen  aach  einzeln 
genommen  nngleichm&fsig.  Hierdurch  erhält  das  Document  ein 
böchst  verdächtiges  Aussehen,  wie  es  unter  gewissen  Verhältnissen 
aasreichen  mufste,  die  Glaubwürdigkeit  einer  Urkunde  zu  er* 
schottern. 

Allein  diese  allgemeine  Wahrnehmung  —  welche,  für  sich 
hingestellt,  naturlich  Gegner  gefunden  hätte  —  wird  noch  von  an- 
deren Merkmalen  mehr  als  unterstützt. 

Bekanntermaisen  ist  der  Gonsonant  i  im  Mittelalter  durch  das- 
selbe Zeichen  sichtlich  gemacht  worden  wie  der  Vocal  t.  Man 
kannte  zwar  ein  nach  unten  verlängertes  t,  jedoch  nicht  als  Conso- 
nanten,  nicht  als  Jod.  Der  Fälscher  aber  vermag  sich  dieses  mo- 
dernen Buchstabens  nicht  zu  erwehren,  wie  die  folgenden  Beispiele 
zeigen,    denen  ich  die  Nummern    der   sie    enthaltenden  2ieilen  in 

Klammem  hinzufuge: 

# 

'hj9  =  ^tit'tM  (3.  S4),  juuenilij  juvetiU  (5),  jaetabatur^  cl^'e- 
cit  (7)f  jWtcem  (8),  major  {lO)y  jucunde  (ll)^  jocunditatemy 
CUJUS  (18),  jus  (19),  ejusque  (24)  u.  s.  w. 

Entscheidender  als  diese  un mittelalterliche  Verwendung  des 
Jod  fallen  gegen  den  Schreiber  seine  Abbreviaturen  ins  Gewicht, 
durch  die  wir  belehrt  werden,  dafs  er  nicht  einmal  die  Anfangs- 
grunde der  Faläographie  inne  hatte,  s  Schon  die  ersten  14  Zeilen 
dieses  umfassenden  Stucks  —  auf  die  ich  mich  beschränken  will  — 
gewähren  in  dieser  Beziehung  hinlängliche  Frohen. 

Das  Jedem  wohlbekannte  unten  durch strichene  jp,  das  p  ver- 
wendet er  zwar  einigemal  richtig  für  p«r,  zugleich  aber  auch  wider 
alles  Herkommen  und  wider  die  allgemeine  Regel,  dafs  jeder  Ab- 
kürzung ein  feststehender  Werth  zukommt,  für  prae^  pri^  prin^  pru 
und  pur. 

1)  für  prae:  peepta  ss  praeeepta  (3);  pditus  =  praeditus  (omni 

virtute)  (6) ;  pstans  ss=  praestana  (5);  pbedi  =  prae- 
hendi  (7). 

2)  für  pri  und  prini  pmus  =  primus  (12);  ppes  ss  principes  (6). 

3)  für  pru:  pdetiam  =  prudeniiam  (6). 

4)  für  pur:  expg^e  =s  expurgare  (13). 


76  Sitzung  der  philoiaphiach-historüchen  Klasse 

Ebenso  i^enig  hatte  er  eine  Ahnung  davon,    dafs  das  uber- 


A 


strichene   p,  p  oder  p    uriabfinderlich    die    Bedeutung   prae   hatte. 
Ihm  gilt  es  auch  für  2^<^^9  P^  und  pori 

1)  für  pari  pi  ss=  pari  (3). 

2)  für  j;er:  psöa  =  persona  (3);    recupavit  =  recuperavit  (3); 

despans  =  desperans  (5);  opa  =  opera  (6);  exctpunt 
=  exceperunt  (6). 

3)  für  jpor:   /ept^«  =  leporibus  (ll). 

Er  verwendet  zum  Überstreichen  des  p  eine  nach  unten  ge- 
öffnete Schleife.  Eine  Bildung,  die  ihm  noch  wider  allen  und  je- 
den Brauch  in  vielen  anderen  Fällen  hilft.  Denn  die  übergesetzte 
Schleife  heifst  ihm  ar^  er,  tr,  or^  ori^  ra,  re,  ri^  ro  und  ur, 

1)  ar:    c^mibs  ==  carminibus  (4);  bHar9  =  barbarus  (14). 

2)  eri    smoe  =  sermone  (l);  ^enosa  s=s  generosa  (2);  |)ai  s=  jja- 

^^r  (2). 

3)  tr :     ttft(te  =:  viriute  (6). 

4)  or:    rob^ati  a=  roftorati  (2);    /aft*M  =  labores  (2);    m^em  = 
•  mortem  (5);    exnar«  a=s  exomare  (5);  ^*f6»  ac  /e;pt6<  == 

floribus  ac  leporibus  (ll). 

5)  on :  memam  =  memoriam  (4). 

6)  ra:    mtAri  =  mtrart  (l);  ^uta  =  gravia  (2)j  §to  s=s  grata  (3); 

m«  =  trans  (6);  /fer  ssfrater  (7). 

A     A 

7)  r«:     tnsftavit  =  iransfretavit  (6). 

A  ji 

8)  rt:     |?aiä  =  patriam  (l);  p9  =  j)rtiw  (U). 

A 

9)  ro:    co^nam  ==  coronam  (l);  intduci  =  introduci  (5). 
10)  ur:    expositus  =  expositurus  (4);  can/  =  cwran^  (13). 

Wie  nc  nunc  heifst  und  t?  tunc,  so  wurde  für  hunc  im  Mittel- 
alter hc  geschrieben.  Jedem,  der  schreiben  gelernt  hatte,  war 
diese  Kategorie  gelfiufig.  Der  Falsarius  kennt  sie  so  wenig,  dafs 
er  hc  einige  Male  für  haec  setzt  (3.  4) ,  dann  wieder  für  hac  (7) 
und  drittens  für  hoc  (lO).  Dagegen  erfand  er  sich  für  hunc  eine 
eigene  Abkürzung,  die  im  Mittelalter  Niemand  kannte:  ^^e  (9.  12). 


vom  3L  Januar  1870,  77 

Mit  diesen  Beispielen  ist  die  Fluth  palltographisehen  Wider- 
anDS,  der  schon  die  erw&hnten  ersten  14  Zeilen  des  Schriftstücks 
überströmt,  lange  nicht  erschöpft.  Da  kommen  noch  Abbreviata« 
rea  vor  wie:  mM  ss  mihi  (l.  3);  ^t  s»  tibi  (4.  9);  maga  s=  magna  (3); 
ft  =  praeter  (4);  pst  ==  post  (5);  quü  «=  quum  (l.  2);  aUq  =»  a/t- 
^d(l};  glriam  ^=s  gloriam  (4)  und  vieles  Andere  noch,  das  dio 
Unwissenheit  des  Schrdbers  anf  Schritt  und  Tritt  £o  erkennen 
giebt. 

Nachdem  die  ganze  Armseligkeit  des  Unternehmens  an  dem 
einen  Stuck  zur  Evidenz  gelangt  war,  erstaunte  ich  nicht,  als  in 
der  einen  Papierhandschrift ^)  (edirt  von  Martini,  Appendice  alla 
raccolta  delle  pergamene,  dei  codici  e  fogli  cartacei  di  Arbor^ 
Csgliari  1865)  genau  derselbe  Schreiber  sich  kundthat.  Schon  die 
ersten  zwei  Seiten  —  die  ich  ausschliefslich  berücksichtige  —  lehr- 
ten das  zur  Genüge. 

Da  erscheint  wieder  jene  vielbedeutende  Schleife  als  ar^  er^ 
or^  roj  rae,  re. 

1)  als  or:    imla  s=  carmina\  h&b^e  =3  harbare    (vergleiche   oben 

Seite  76  ZeUe  13). 

2)  als  er:    pat  =  pater;  integrima  =  integerrima;  potu^unt  =  po- 

tuerunt 

3}  als  ar:    memie  =  memorie, 

A  •  A 

4)  als  raz   9<  «=  contra;  guati  ss  grav{Uii  ilustuit  ss  iluetravit. 

5)  als  ras  und  re:  gco  =  graeco;  /rat  s=s/ratre. 

Ein  &hniicher  Wirrwarr  wie  von  der  Schleife  wird  hier  auch 
Ton  dem  fiberschriebenen  t  erzeugt.  Da  heifst  p  wohl  einmal  rich- 
tig pri  aber  auch  schon  zweimal  auf  der  ersten  Seite  &st  unglaub- 
lieber  Weise  post;  glo'osa  heifst  gloriosa;  m'a  =  mira;  m'acula  == 
miracula;  eafis  =  saiiris;  cUsma  =  clarissima;  piu'se  =  pluries. 

Daneben  wuchern  auch  hier  allerorten  noch  besondere  Selten- 
heiten, wie  eäa  «s  causa;  süs  =»  suis;  archppo  =s  archiepiscopo;  mago 
=  magno;  retuit  =s  retulit;  esst  =s  esset;  alis  =»  aliis;  idm  ss  idem; 
fidm  =^fidem;  eodm  s=  eadem;  orbaim  ss  orbatam. 


0  Vesmef  n.  III. 


78  Sitzung  der  philoBophiich-historisehen  Klasse 

So  wenig  also  jene  Membran  im  ISten  Jahrhundert  beschrie- 
ben worden  ist,  ebensowenig  gebort  diese  Papierhandschrift  ins 
15  te  Jahrhundert  Das  heifst,  die  Schiifistucke  sind  damals  nicht 
entstanden,  als  die  Kunst  zu  lesen  und  zu  schreiben  gleicherweise 
auf  der  EenntniDs  der  Abbreviatur  beruhte  wie  auf  der  des  Alpha- 
bets. Sie  sind  Erzeugnisse  einer  Zeit,  da  —  wie  in  unseren  Ta- 
gen —  die  Abkürzungen  nicht  mehr  dem  Lehrkreis  der  Schulen 
angehorten,  und  stammen  von  einem  Autodidakten,  der  von  den 
Gesetzen,  die  auf  dem  Felde  der  mittelalterlichen  Abkürzungen 
herrschen,  sich  falsche  Begriffe  gebildet  hatte. 

Schwerlich  aber  mit  Erfolg  dürfte  man  die  Behauptung  wa- 
gen, in  Sardinien  sei  das  Schreibwesen  so  eigenthümlich  entwickelt 
worden,  dafs  in  jenen  Abbreviaturen  sich  nur  ein  besonderes,  der 
Insel  ausschliefslich  angehöriges  System  geltend  mache  ^).  Denn 
was  wir  da  wahrnehmen,  ist  überhaupt  nicht  System  sondern  Con- 
fusion. 

Es  ist  nicht  denkbar,  dafs  in  den  Sardinischen  Schulen  gelehrt 
worden  wäre,  das  unten  durchstrichene  p:  p  könne  man  setzen  für 
per^  praBf  prin  und  pur,  das  überstrichene  p :  p  dürfe  benutzt  wer* 
den  für  prae,  par,  per,  por,  man  könne  eine  und  dieselbe  Schleife 
anwenden  für  ar,  er,  ir^  or,  ort,  ra,  re,  n,  ro  und  ur  u.  s.  w. 
Eine  solche  Lehre  würde  ungefähr  dieselbe  Wirkung  gehabt  haben, 
wie  wenn  gestattet  worden  wäre,  dafs  man  das  Schriftzeichen  b 
auch  setzen  dürfe  für  c,  x,  r,  u  und  t  und  zu  gleicher  Zeit  auch 
den  Buchstaben  c  zur  Bezeichnung  von    d,  /,  g,  k,  l,  m   u.  s.  w. 

Der  Zweck  des  Schreibens  ist,  den  Gedanken  lesbar  machen; 
mit  jenem  Durcheinander  von  Abkürzungen  wäre  erreicht  w^orden, 
dafs  der  Sardinische  Priester  in  einem  aus  Rom  kommenden  Mis- 
sale sich  nicht  zurecht  gefunden  hätte,  dafs  ein  Brief  aus  Arborea 
in  Pisa  räthselhaft  erschienen  wäre,  dafs  in  Sardinien  weder  eine 
unzweideutige  Rechtsurkunde  aufgesetzt  noch  überhaupt  von  einem 
Menschen  des  Nachbars  Schrift  sicher  hätte  verstanden  werden 
können.     Diese  Folge  wäre  eingetreten,    wenn  man  —  um  einige 


')  Wenn  aus  einem  nachträglich  von  Baudi  de  Vesme  cingescliickten 
Docnment  erhellt,  dafs  in  sardinischen  SchriftstOcken  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts das  j  als  Consonant  auftritt,  so  beweist  dies  nur,  dafs  mau  in  Sar- 
dinien an  der  allgemeinen  Entwicklang  der  Schrift  theiJgenommen  hat;  denn 
in  jenen  Jahrhunderten  war  der  Buchstabe  überall  in  Geltung. 


vom  3L  Januar  1870.  79 

Beispiele  sn  geben  —  beim  Schreiben  nicht  nnterschieden  hätte 
pareoy  praeeo  und  poreo;  prtui  und  punu;  prineept  and  praeeep$i 
jwriio  ond  pretio;  pirmitiere  und  praemiUere;  pergere  und  purgare; 
carmmis,  crhninU  und  cur  minis\  dare^  dire^  dure  und  de  re;  IVo« 
iamu,  TraianuSy  Hirianus^  ter  lanue  und  tori  anue;  flore^  flare  und 
ßere;  Jrater,  fratri  und  fratre  u.  b.  w. 

Nicht  die  eigenen  Stfidtenamen  Sardiniens  hfitte  man  bei  aol- 
cbem  Schreiben  vor  Mifsdeutungen  bewahrt  Denn  ^b^ea  hätte  al- 
lerdings gelesen  werden  können  Ärborea^    aber  auch  orba  rea^  ro" 

Q 

horeüj  robur  ea  und  urbi  rea»  Und  ealie  konnte  man  zwar  lesen: 
Caraliij   zugleich  jedoch  auch  cera  lis^  cura  lie^  eoralie.    Ebenso 

konnte  trie  heifsen  Turrie^  aber  auch  terrie  und  torrie. 

Welcher  Sardinier  aber  wird  zugeben  wollen,  seine  Vorfahren 
Beien  so  thoricht  gewesen^  wie  zu  eigener  Verunehrung  eine  beson- 
dere Methode  zu  erfinden  und  zu  üben,  vermittelst  deren  man  sdus 
beliebig  lesen  konnte:  Sardus  oder  surdus;  ahsdis:  ab  Sardis  oder 
abiurdis;  sdi:  Sardi  oder  sordi;  sdidtuini:  Sardi  divini  oder  aor^ 
didi  ütnt;    sdi  dati:    Sardi  dati  oder  aordidati?  — 

Zu  den  voranstehenden  Bemerkungen  sind  die  ersten  14  Zei- 
len der  einen  Membran  und  die  ersten  zwei  Seiten  einer  der  Pa- 
pierhandschriften herangezogen  worden.  Bedarf  es  noch  eines  Wei- 
teren? Ware  es  nothig,  für  dasselbe  Besultat  auch  aus  den  an- 
deren hierhergelangten  Handschriften  die  Beweise  aufsahänfen,  oder 
gar  alle  übrigen  Stucke  zu  durchforschen,  die  in  den  letzten 
24  Jahren  in  Sardinien  ans  Tageslicht  gebracht  wurden,  die  in 
der  Bibliothek  zu  Cagliari  aufbewahrt  werden  und  die  allesammt 
80  harmonisch  zusammenwirken,  die  Geschichte  Sardiniens  durch 
Thatsachen,  Helden  und  Dichter  zu  beleben,  und  zu  gleicher  Zeit 
seine  Literatur  mit  Inschriften,  Annalen,  Historien  und  Ges&ngen 
zu  bereichern? 

Wurde  es  femer  der  Muhe  lohnen,  mit  vielen  Worten  darzu- 
stellen, was  bei  einer  unmittelbaren  Betrachtung  mit  wenigen  Fin- 
gerzeigen erwiesen  werden  kanb:  in  wie  augenfällig  artificieller 
Weise  das  schmutzige  Ansehen  erzeugt  ist,  welches  neben  den  er- 
borgten Scbriftzugen  die  Bestimmung  hat,  die  jungen  Werke  alt 
erscheinen  zu  lassen?  wie  die  Blätter  ganz  oder  nur  ihre  Ränder 
io  mannigfache  Flüssigkeiten  eingetaucht,  wie  über  groCsere  und 
kk'incre  Partiecn  fliefsender  oder  zäher  Schmutz  sei's  ei^ossen,  sei's 


80  Sitzung  der  pkUosopkiseh-kUtariseheH  Klas$e 

angespritst«  8ei*8  auf-  and  niedergestrichen  worden  ist?  Diese 
Merkmale  fogea  m  den  paliogn^ihiachen  Kriterien  der  Ffilschnng 
nur  noch  einige  sehr  ialserliche  Momente,  die  hier  erwfihnt  sa 
haben  genngen  mag. 

Philipp  Jaffe. 


Anlage   B. 

Dafs  die  romanischen  Sprachen,   in  bewnfstem  Unterschiede 
von  der  lateinischen,  schon  in  früherer  Zeit  bestanden  haben  als 
diejenige  ist,  in  welche  die  ältesten  bis  jetzt  bekannten  snsammen- 
h&ngenden  Denkm&ler  hinaufreichen,  wird  Niemand  bezweifeln,  und 
so  ist  denn  auch  nicht  ohne  Weiteres  anf  die  Aussicht  za  verzichten, 
es  werde   der  Wissenschaft  noch  der  eine  oder  andere  Fund  vor- 
behalten sein,  welcher  altromanische  Sprache  noch  vor  dem  9.  Jahr- 
hundert, in  mehr  als  ein  Wort  oder  eine  Phrase  umfassender  Aas- 
dehnung durch  die  Schrift  festgehalten,  der  Gegenwart  zur  Kennt- 
nifo  bringe.     Dafs  gerade  die  Insel  Sardinien  die  Heimat  solcher 
Aufzeichnungen  sein  würde,  war  dagegen  nicht  eben  wahrscheinlich; 
wir  erwarten  sie   eher   ans   denjenigen  Theilen   des   romanischea 
Gebietes,  wo  schon  in  früher  2^it  die  Volkssprache  hinsichtlich 
ihres  lautlichen  Verhaltens  so  bedeutende  Verschiedenheit  von  der 
lat  Sprache  der  Kirche,  des  Gesetzes,  der  Schule  zeigt,  dafs  das 
VerstfindniCs  dieser  Letzteren  dem  Ungeschnlten  nicht  mehr  zuza- 
muthen  ist;  und  erwarten  sie  zuletzt  aus  solchen  Theilen  des  Ge- 
bietes, deren  Sprache  noch  heute,  wie  die  sardinische  Mundart  es 
thut,  mit  verhältnifsmafsig  viel  gröfserer  Treue  als  die  Schwester- 
idiome an  Sylbenzahl,  vocaiischen  und  consonan^^hen  Lauten  der 
lateinischen  Wörter   fest  gehalten   hat     Diese  Verhältnisse    sind 
freilich  nicht  das  allein  Entscheidende;   es  kommt  dazu,   dafs  die 
gesammte  Cnlturlage,  politische  Ordnung,  geistige  Bildung  u.  s.  w. 
Aufzeichnungen  in  der  Landessprache  begünstigen,  und  dafs  anderer- 
seits die  Erhaltung  des  Niedei^eschriebenen  durch  eine  gewisse  StS- 
tigkeit  der  Interessen  erleichtert  werde.    Auch  in  dieser  Beziehung 
schien  Sardinien  zum  mindesten  in  nicht  günstigerer  Lage  als  irgend 
ein  Theil  des  romanischen  Gebietes,  die  DonaofurstenthQm^  etwa 
ausgenommen. 


wm  31.  Januar  1870.  81 

Indefs   liegen    nun   einmal  Deokmfiler  der  besprochenen  Art 
TOD  sardiniBcher  Herkunft  vor;  allerdings  nicht  blofs  solche,  die 
ober  alle  bis  jetzt  bekannten  romanischen  Anikdchnungen  hinauf- 
steigen, sondern  auch,   aber  nicht  weniger  erwünscht,  solche,  die 
blofs  for  die  Geschichte  der  italiänischen  Literatur  und  Sprache 
von  Bedeutung  sind;  aber  von  nicht  geringer;  denn  ganxe  Johr- 
hooderte  literarischer  Verw^ddung  sowohl  der  itali&nischen  Sprache 
als  der  sardinischen  Mundart,  kunstliebende  Fürsten,  dichterisch 
tbätige  Kreise  sind  der  Forschung  gewonnen,  und,  was  Italien  be- 
sonders erfreuen  mnfs,  dieses  älteste  literarische  Treiben  ist  gleich- 
zettig  mit  dem  der  Frorenzalen  oder  reicht  über  dasselbe  hinauf^  und 
da  die  zahlreichen  biographischen  Notizen,  welche  die  Denkmäler 
begleiten,  keinerlei  Hinweisung  auf  provenzaliscbe  Vorbilder  enthalten, 
so  ist  der  italiänischen  Dichtung  einheimischer  Ur^rung  erwiesen. 
Aber   gerade  die   Massenhaftigkeit  und   das   Gewicht  des  so 
plötzlich  und  so  durchaus  unvermuthet  Gefundenen  erregt  Besorg- 
nifs  and  mahnt,   zu  untersuchen,  ob  die  Ächtheit  der  Denkmäler 
anzanehmen   sei,   oder   ob  man  in  den  sämmtlichen  Schriftstücken 
ein  Werk  der  Fälschung  zu  sehen  habe.     Im  Folgenden  soll  dar- 
gelegt werden,  was  dem  Unterzeichneten  die  Denkmäler  hinsicht- 
lich der  in  denselben  vorliegenden  Sprache  und  ihres  Inhaltes,  so- 
weit er  die  Literaturgeschichte  interessirt,   als  u nacht  erscheinen 
U&t —  Was  die  Herkunft  derselben  betrifft,  so  mag  hier  zuerst 
der  Umstand  berührt  werden,  dafs  der  ganze  Schatz,  so  sehr  ge- 
wisse Theile   desselben  literarisches  Eigenthum  der  Halbinsel  sind 
und  in  Toscana  bekannt  gewesen  und  gelesen  worden  sein  mussten, 
in  dem  Einen  Arborea  gehoben  ist,  mit  alleiniger  Ausnahme  einiger 
(4)  Blätter,  die  im  Florentiner  Staatsarchiv  liegen  und  über  deren 
früheren   Standort   nichts  mitgetheilt  wird;    denn    ein  zweites,    in 
Siena  befindliches  Manuscript  von  22  Blättern,  kann  nicht  in  Be- 
tracht kommen,   da  es  erst  1862  durch  Schenkung  eines  anonjm 
gebliebenen  Palermitaners   dahin  gekommen  ist.     Auch  der  That- 
sache  ist  gleich  hier  zu  gedenken,  dafs  die  Doeumente  zum  gröfsten 
Theile  im  Allgemeinen  den  Chairakter  der  Schrift  des  15.  Jahr- 
hunderts zeigen,  während  sie  im  12.  oder  im  18.  Jahrhundert  ver- 
fafst  sein  sollen,  und  dafs  schwerlich  ein  einziger  Abschreiber  des 
15.  Jahrh.  der  Urheber  der  für  das  Werk  einer  unverstellten  Hand 
noter    sich    doch    allzu  verschiedenen   Züge    auf   sehr    mannigfach 
markirtem  Papiere  ist.     Es  würde  dieser  Umstand  auf  ein  in  jener 
[1870]  6 


82  Sitzung  der  philosophi$ch*lii8torischen  Klasse 

Zfiit  rege  gewordenes  Interesse  (mindestens  Eines  Sammlers,  wahr- 
scheinlich aber  verschiedener  Liebhuber)  für  die  iltesten  litera- 
rischen Denkm&ier  der  engeren  und  der  weiteren  Heimat  hin- 
weisen, welches  mit  der  Thatsache  der  vollständigen  YerschoUen- 
heit  jener  Schriften  sich  nicht  leicht  vereinigen  lafst  Insbesondre 
ist  schwer  zu  begreifen  die  Art,  wie  der  Hirtenbrief  eines  Bischofs 
in  sardinischer  Prosa  vom  Jahre  740  auf  ans  gekommen  sein  soll: 
dieses  Document  (Pergam.  184)  von  keineswegs  sehr  wichtigem 
Inhalte  —  ein  Bischof  ermahnt  seinen  Clerus  und  vielleicht  auch 
die  Laien  seines  Sprengeis  zum  Beharren  im  Glauben  und  nennt 
am  SchluXs  ein  paar  Pr&laten,  mit  denen  er  in  nächster  Zeit 
kommen  werde  um  seinen  Bruder  zu  weihen,  wegen  dea  Todes 
des  Felix,  der  in  einem  Kriege  erfolgt  sei,  darin  1500  Sarazenen 
und  80  Sarden  in  Einer  Nacht  den  Tod  gefanden  hätten  —  war 
schon  zur  Zeit  des,  judex  Saltaro,  dessen  Regierung  1079  begonnen 
haben  soll,  in  dem  nämlichen  trostlosen  Zustande,  in  welchem  es 
jetzt  vorliegt,  d.  h.  so  voller  Lücken,  daXs  es  weder  irgend  wem 
zur  Erbauung  gereichen,  noch  als  Beweismittel  in  irgend  welchen 
Bechtsfällen  dienen  konnte;  gleichwohl  liefs  Saltaro  es  auf  Fol. 
167  einer  Actensammlung  eintragen,  die  er  veranstaltet  hatte,  und 
sein  Notar  fugte  der  Abschrift  ein  Zeugnifs  bei  des  Inhaltes,  das 
Original  habe  sich  in  einem  solchen  Zustande  der  Zernagung  be- 
funden, dafs  nichts  als  das  abschriftlich  Mitgetheilte  ihm  zu  ent- 
nehmen gewesen  sei.  Die  Lücken  der  Abschrift  zeigten  verschie- 
dene Länge»  ohne  Zweifel  in  genauer  Wiedergabe  der  Vorlage. 
Jene  Actensammlung  kam  im  14.  Jahrhundert  in  die  Hände  eines 
Torbeno,  der  seinem  Halbbruder,  dem  judex  Mariano  IV,  von  der- 
selben eine  sehr  genaue  Beschreibung  nebst  Auszügen  lieferte,  die 
Foliozahlen  zu  jedem  Stücke  angab,  die  Lücken  bezeichnete  und 
dabei  eine  Sorgfalt  aq  den  Tag  legte,  die  zwar  ihm  alle  Chre 
macht,  die  aber  in  diesem  Falle  ebenso  wenig  zu  begreifen  ist, 
wie  das  Interesse,  welches  die  ganze  Mittheilung  für  Mariano 
haben  konnte.  Seinen  Brief  copirte  1385  ein  Unbekannter  ana  un- 
bekannten Gründen,  und  diese  Abschrift  ist  in  Arborea  gefanden; 
es  ist  eine  Handschriftbeschreibung^  wie  man  sie  heutzutage  etwa 
in  einer  gelehrten  Zeitschrift  zum  Abdrucke  bringt. 

Nicht  minder  unglaublichen  Umständen  verdanken  wir  die 
Erhaltung  einer  Reihe  altitaliänischer  Sprachproben,  (Append.  115), 
welche  an  Vollständigkeit  für  die  verschiedenen  Jahrhundertc    und 


fxm  3L  Januar  1870.  83 

an  genauer  Datirung  der  einzelnen  Bcstandlheile  wenig  zq  wOn- 
scheo  l&fst  Im  Jahre  1271  wurde  ein  sardiniseher  Kaufmann  von 
einem  Rumer  seiner  Sprache  wegen  angegriffen;  da  er  sich  dem 
Gegner  nicht  gewachsen  fühlte,  wandte  er  sich  an  einen  gelehrten 
Landsmann,  Comita  de  Orru,  und  der  setzte  fGr  ihn  eine  Denk- 
sebrift  auf,  deren  Inhalt  sich  der  OekrSnkte  nur  einenprfigen 
brauchte,  um  Argumente  in  Menge  zur  VerfGgung  zu  haben,  welche 
geeignet  waren,  den  Romer  zur  Achtung  vor  der  sardinischen 
Sprache  zu  zwingen.  Comita  brauchte  sich  das  Material  für  seine 
Schrift  nicht  erst  zn  sammeln;  ihm  lag,  von  dem  Neffen  des  Ver- 
fassers geborgt,  ein  leider  seither  verschwundenes  Werk  vor,  das 
alles  Nöthige  in  bester  Ordnung  und  Vollständigkeit  bot,  die  „Ge- 
schichte der  sardinischen  Sprache*^  von  Giorgio  von  Lacon  (geb. 
1177,  gest.  1267).  Unter  diesem  Titel  (historia  de  ssa  lingua  sar- 
desca)  hatte  der  gelehrte  Verfasser  der  ebenfalls  noch  nicht  wieder 
gefundenen  „Mater  Sardinia  cognita^  ein  Werk  geschrieben,  in  wel- 
chem er,  gestützt  auf  zahlreiche  selbstgesanimelte  sprachgeschicht- 
licbe  Documente,  Inschriften,  Briefe,  Gedichte  u.  s.  w.  und  auf 
Beobachtungen,  die  er,  zu  diesem  Zwecke  kostspielige  Reisen 
nicht  scheuend,  in  Italien,  Frankreich  und  Spanien  gemacht  hatte, 
Ober  die  Identität  der  sardinischen  Sprache  mit  der  rustiken  Sprache 
der  Römer  und  über  ihr  Verhfiltnifs  zur  itali&nischen,  spanischen, 
französischen  und  provenzidischen  allen  wünschbaren  Äufschlufs  gab. 
Ans  dieser  Fundgrube  zog  Comita  soviel  ihm  nothwendig  schien,  und 
da  auch  von  seiner  Denkschrift  im  15.  Jahrhundert  eine  Copie  an- 
gefertigt wurde,  die  nach  Arborea  gelangt  ist,  so  besitzen  nun  auch 
wir  nicht  blofs  den  Kern  von  Giorgio's  spracbgeschichtlichem  Wissen, 
ivelches  Martini  den  Ausruf  thun  läfst:  Bello  ravvicinamento  delle  epi- 
nioni  d'un  dottissimo  Sardo  del  XIII  secolo  con  quelle  dei  grandi  filo- 
logi  del  XIXI,  sondern  auch  wenigstens  einen  Theil  der  von  ihm  ge- 
sammelten Materialien.  So  viel  als  Beispiel,  auf  wie  wnnderli€Hen 
Wegen  die  alten  Sprach  proben  zu  uns  gelangt  sein  sollen. 

Fassen  wir  nun  die  Sprache  der  ältesten  aus  Arborea  gewon 
nenen  Denkmäler  ins  Auge,  so  befremdet  bei  fast  allen  die  geringe 
Verschiedenheit  des  Sprach zustandes  von  demjenigen,  welcher  in 
den  früher  bekannten  ältesten  Denkmälern,  die  doch  um  Jahrhun- 
derte  jünger  sind,  sich  kund  gibt.  Nirgends  z.  B.  zeigt  sich  die 
geringste  Spur  einer  Unterscheidung  des  Nominativs  der  Nomina 

6» 


84  Sitzung  der  philosophisch-histarüchen  Klaste 

vom  Casus  obliques  in  den  sardinischen  Denkmfilem  des  8.  Jahr- 
hunderts, wfthrend  die  beiden  romanischen  Sprachen  Galliens  bis 
ins    14.    Jahrhundert   diesen   Rest  der  lat    Nominalflexion   festge- 
halten haben;  und  doch  wäre  gerade  im  Sardinischen,  welches  das 
auslaut.  8  sonst  duldet  und  in  der  Verbalflexion  bis  auf  den  heu- 
tigen   Tag    aufweist,    ein    ähnliches   Festhalten    am    lat.   Vorbilde 
durch  kein   lautliches  Hindernifs  unmöglich  gemacht  worden,  wie 
etwa    im  Italiänischen.      Spuren   der  Erhaltung  des  auslaut.  m  in 
tonlosen  Endungen    zeigen   sich   freilich    in   dem   Liebeslicde    des 
Schäfers  Gitilinus  vom  Jahre  800  (Pergam.  466);  aber  einmal  er- 
scheint dieses  m  in  zahlreichen  Wörtern  des  nämlichen  Denkmals, 
welche  es  nach  Analogie  ebenfalls  haben  mussten,   nicht,  so  dafs 
man  annehmen  muls,  es  danke  sein  Vorkommen  in  einzelnen  Fällen 
nur  einer  Gewohnung  des  Schreibers  an  lat.  Texte,   um   so  mehr, 
als  der  früher  erwähnte  Hirtenbrief  von  740  dasselbe  auch   nicht 
kennt;    sodann  ist  gerade  das  auslautende  m  derjenige  lateinische 
Laut,   der  in  tonlosen  Sylben  in  keiner  romanischen  Sprache  eine 
Spur    hinterlassen    hat.     Dafs   vielfach    ipsu    geschrieben   ist,   hat 
ebenfalls  kein  Gewicht,   denn  die  Formen  mit   assimilittem  p  und 
die    gekürzten  ohne  t,   wie  sie  die  Mundart  Sardiniens  jetzt  ver 
wendet^  stehn  überall  gleichberechtigt  daneben.    In  einer  Beziehung 
stehn  die  ältesten  sardinischen  Denkmäler  aus  Arborea  der  jetzigen 
Mundart  sogar  näher  als  dasjenige,  welches  bisher  für  das  älteste 
gehalten  wurde  und  dessen  Ächtheit  aufser  Zweifel  steht,   die  Sta- 
tuten   von  Sassari   aus   dem  Jahre  1316  (Hist.  Patr.  Monum.  X). 
Das   alte  Perfectum   des  Indicativs  (1.  conj.  cantäi^   datiy    dit;  da- 
neben andre,   die  lat.  Formen  getreu  wiederholende  Perfecta,  wie 
/echitj  fuity   deit    u.   dgl.)   ist  das    in  jenen    Statuten    allein    vor- 
kommende;  von  den  in   der  gegenwärtigen  Mundart   dafür   einge- 
tretenen Formen  cantesi,    cantesti,    cantesit;  factesit  und   dgl.    zeigt 
sich  dort  noch  keine  Spur;   aber  gerade  diese  Formen  treten  nun 
in  den  Pergamene  als  älteste  auf,  naresint  im  Hirtenbrief,   moresit 
ebenda;   auch  Comita  de  Orru  in  seiner  linguistischen  Denkschrift 
von  1271  sagt  cunservesity   cantesit,  ponesit  und  dgl.   und   schreibt 
doch,    wie    er    selbst    sagt,    die    alte    Mundart    der    Berggegenden 
(App.  1 20) ;  er  untermischt  dann  allerdings  diese  Formen  mit  eitarit, 
uBarity  furit  und  dgl.,  w^che  aber  ebenfalls  denen  der  Statuten  an 
Alterthümlichkeit  nachstehn   und   nach  Analogie   der  Pluralfonuen 
auf  arunt  gebildet  scheinen. 


vom  31.  Januar  1870.  85 

Auch  die  neugefcmdenen  Denkm&ler  der  eigentlichen  itäliäni- 
sehen  Sprache,  wie  sie,  in  To8cana  ursprünglich  heimisch,  von  alten 
Florentinern,  Senesen,  aber  auch  Genuesen  und  Sarden  in  literari^ 
fichen  Werken  verwendet  erscheint,  zeigen  eine  bei  ihrem  hohen  Alter 
überraschende  Übereinstimmung  mit  denjenigen,  welche  man  bisher 
für  die  Ältesten  gehalten  hat  Elaum  eine  Form  findet  sich,  die 
nicht  bei  Guittone  ihre  Parallele  hätte.  Der  altit  Conditionalis  aof 
ara^  era,  ira  (ruhend  auf  dem  lat  Plsqpf.  Ind.^  dea  man  in  neuster 
Zeit  bei  Vincenso  d'Alcamo  und  schon  früher  auch  bei  sahireichen 
Dichtem  ans  anderen  Gegenden  Italiens  nachgewiesen  hat  (Nan« 
noociy  Yerbi,  1843  p.  323),  tritt  hier  sogar  nur  sehr  selten  auf.  Auch 
gewisse  Worter,  welche  bei  den  altitalifinischen  Dichtern  aaffollen, 
weil  sie  eine  den  ital.  Lautgesetzen  zuwiderlaufende  Behandlung 
der  lat  Laute  zeigen,  welche  aber  bei  diesen  notorischen  Nach- 
ahmern der  provenzalischen  Trobadors  ihre  Erklärung  in  dem  Um- 
stände finden,  dafs  die  Nachahmung  des  dichterischen  Yer&hrens 
eines  fremden  Volkes  auch  in  der  Einführung  nicht  nationaler  Worter 
sich  kund  zu  geben  pflegt,  begegnen  schon  bei  dem  neuentdeckten 
alten  Gherardo  da  Firenze  und  seinen  Schülern,  die  mit  den  alte- 
sten  Trobadors  gleichzeitig  gelebt  haben  und  bei  denen  sonst 
keinerlei  Bekanntschaft  mit  provenzalischer  Dichtung  bezeugt  ist; 
sie  brauchen  lausor^  zambra^  eiera,  bealiate  (pr.  latuor^  fz.  ifhambre, 
chere.,  beautS)  u.  dgl.,  welche  alle  nur  im  prov*  und  im  franzos. 
Sprachgebiete  heimisch,  in  Italien  nur  Fremdworter  sein  können. 
Hier  und  da  erscheinen  dogegen  allerdings  Worter,  welche  sonst 
noch  kein  romanisches  Denkmal  aufgewiesen  hat  und  die  man 
daher  unter  die  von  der  Volkssprache  früh  aufgegebenen  zu  zählen 
gewohnt  gewesen  ist;  so  ore  der  Mund,  more  die  Sitte,  (dieses 
wenigstens  im  Französischen  seit  lange,  aber  nur  im  Plural,  vor« 
banden);  conquerere  sich  beklagen,  (dieses  allen  romanischen  Spra- 
chen unbekannt  und  schon  darum  nicht  recht  passend,  weil  conqueri 
oder  romanisch  conquireTe  mit  con-quasrere^t  das  aufser  Italien  an  die 
Stelle  ¥on  eonqwrere  trat,  zusammenfallen  musste);  andere  wagen 
(ebenfalls  überall  aufgegeben,  vermuthlich,  weil  es  von  audire  sich 
kaum  unterschied,  und  durch  aueare  ersetzt).  Die  beiden  letzt- 
genannten Wörter  hat  man  freilich  auch  an  je  einer  Stelle  des 
Gnittone  gefunden;  aber  diejenige,  wo  das  Erstere  vorzukommen 
scheinen  möchte,  ist  kaum  zu  verstehn,  immer  aber  noch  eher, 
wenn  man  concherere  gleich  dem  fz.  conquSrir  oder  prov.  conquerer 


86  Sitzung  der  philoBopkiseh-hietoriBchen  Klasse 

Betzi;  diejesiige  wo  Guittone  aude  ==  andei  rielleieht  verwendet  — 
rcretandlich  ist  auch  sie  nklit  —  und  die  des  O.  Goinicelli ,  wel- 
chem Guittone  auf  die  nfimlichen  Reiroe  antwortet,  und  der  es  an- 
zweifelhaft  =S3  lat.  audet  verwendet,  gehören  uberkilnstlichen  Reime- 
reien an,  deren  Anlage  einen  Latinismofi  erlaubt  scheinen  l&fst« 
wfthrend  die  Pergamene  (122)  die  Form  in  Prosa  und  im  Munde 
einer  Amme  vorführen. 

Bei  andern  Wörtern  erheben  sich  Bedenken  anderer  Art:  da 
begegnet  z.  B.  oft  plusor;  das  Wort  ist  allerdings  altit.  oft  ver- 
wendet, ni  e  aber  anders  als  adjectivisch,  wie  das  ihm  entsprechende 
prov.  plusor  und  fz.  plusieurs;  hier  nun  steht  es  ohne  Weiteres 
wie  das  it  Adverbium  pm^  auch  bei  Verben.  Sollte  hier  eine 
zu  sorglose  Benutzung  der  Commentare  zu  altitaliänischen  Dich- 
tern, in  welchen  allerdings  plusor  durch  pm  erklärt  werden  oiufste. 
da  die  itaL  Sprache  jetzt  zur  Wiedergabe  des  alten  Adjectivs  kein 
anderes  Wort  mehr  hat  als  dieses  Adverbium,  an  einem  Fälscher 
sich  riehen?  Aehnlich  scheint  es  sich  mit  ad  es  so  zu  verhalten. 
Dieses  Wort  heifst  altit.  nicht  blofs  „jetzt ^,  sondern,  gleichwie 
prov.  und  afe.  ades^  g^nz  gem&fs  seiner  Herkunft  von  ad  ipsum^ 
auch  „zugleich,  alsbald" ;  es  ist  daher  mehrfach  von  Gommentatoren 
mit  ffOllora*'  erklärt  worden,  so  namentlich  oft  von  Salvini  zu 
Guittone,  (dessen  Sprachgebrauch  überhaupt  dem  Leser  der  arbor. 
Denkmäler  in  Versen  und  in  Prosa  so  oft  in  Erinnerung  ge- 
bracht wird).  Nun  zeigt  sich  aber  mehrfach  in  den  arbor.  Denk- 
mälern adesso  da  verwendet,  wo  zwar  allora  ganz  gut  stehen 
wurde,  adesso  aber  gar  nicht  gesagt  werden  kann,  z.  B.  ni  roi 
rimarrd  adesso  (d.  h.  wann  ihr  einmal  alt  und  verblüht  sein  wer- 
det) lo  voito  eonforto  u.  s.  f.,  Pergam.  120.  —  Cantö  unapoesia  ^ein 
Gedicht^  lesen  wir  in  einem  Prosa -Roman,  der  dem  12.  Jahrb. 
angeboren  soll  (ebenda  122);  barbaro  wird  ein  Gärtner  ebenda 
genannt,  der  sich  weigert,  eine  Blume  herzugeben,  so  lange  sie 
noch  frisch  ist;  dasselbe  Prosa -Werk  braucht  in  einer  Weise,  die 
sicher  nie  statthaft  gewesen  ist,  den  Ausdruck  misehiatamente 
etwa  für  y^qua  e  id',  in  der  Verbindung  nämlich:  „es  wird  Euch 
dann  keine  Freude  mehr  gewähren  di  eorrere  misckiatamenie  in/ra 
le  zambre  a  vostri  mirador*  (zu  Einer  Person  gesagt). 

Auffallender  noch  sind  einige  Erscheinungen  der  Syntax  der 
arbor.  Denkmäler:  Es  war  bekannt,  dafs  Vergleichungssätze,  die 
sich  an  einen  Comparativ,  d.  h.  ein  von  piü  oder  tneno  begleitetes 


vom  3L  Januar  iS70.  87 

Adjecli^  anschliefeen,  des  einleiCenden  chs  entrathOD,  dafs  iid  gleich 
mit  dem  non  beginnen  können,  welches  in  solchen  SlUen  das 
Verbnm  zu  begleiten  pflegt  (Dtez  III,  384);  es  war  nicht  Auffal- 
lend, wenn  das  Gleiche  hinter  den  einfachen  ComparatiTen  (nuiggicrt^ 
minore^  pm,  «n^ro,  pegghre  u.  dgl.)  sich  zeigte,  wenn  z.  B.  Ouit- 
tone  I,  16  sagte:  maggio  (=s  mqfus)  ^  cofntnciare,  ntm  ^  Mguire^  oder 
II,  98:  tu  paghi  piü^  non  fa  quelle  a.  dgl.;  aber  dafs  auch  hinler 
Adjectiven  oder  Adverbien  im  Positir  gleich  gestaltete  Vergleiehungs* 
Sätze  in  gleichem  Sinne  möglich  seien,  war  b^her  anerhört; 
die  Denkmaler  von  Arborea  bevorzugen  diese  Gonstmction,  von 
der  man  nicht  recht  begreift,  wie  sie  verstanden  werden  konnten 
ia  bocca  pande  (d.  h.  ai  apre)  a  dolci  e  piaeenti  eanti^  non  furon 
delle  Sirene^  Pergam.  119;  amador[i]  forte  allumati  dai  suoi  raggiy 
non  fett  vetro^  ebend.;  la  pelle  (einer  Fraa)  piana  e  lueente^  non 
e  U  piano  del  mare,  u  luna  fere,  120  (auch  stjl istisch  bemerkens- 
werth!),  und  so  unzählige  Male.  —  Es  war  bekannt,  dafs  auch 
im  Italiäniscben  unter  Umständen  (ähnlich  wie  im  Englischen)  das 
Relativpronomen  entbehrlich  ist,  wie  denn  Guittone  II,  37  sagt: 
non  vive  aleun  uomy  dioeeee  ehe  in  voi  manca  alcuna  cosa  u.  dgl., 
ebenso,  dafs  die  Alten  blofses  che  (^*^  quod)  brauchen,  wo  Jetzt  cid 
che  gesagt  werden  mnfs;  dafs  man  aber  sowohl  cid  als  ehe^  nicht 
blofs  das  Relativpronomen,  sondern  auch  das,  worauf  sich  der 
Relativsatz  bezieht ,  streichen  und  dem  Leser  znmuthen  kann, 
gleichwohl  zu  verstehn,  zeigen  wohl  ganz  allein  die  Dichter  von 
Arborea;  hier  lesen  wir:  voi  sta  catun  desia,  und  das  heifst:  in  voi 
iia  cid  che  ciascun  desidera^  490b.  Es  werden  nämlich  auch 
Präpositionen  in  fast  unbeschränkter  Ausdehnung  nach  Belieben 
oder  Bcdurfnifs  gesetzt  oder  unterdrückt  Da  altfrz.  und  prav.  der 
Unterdrückung  der  Präposition  a  (z=:  €td)  vor  einem  Nomen,  das 
eine  Person  bezeichnet,  nichts  im  Wege  steht,  wofern  das  Nomen 
die  Stellung  eines  lat.  Dativobjectes  einnimmt  und  nicht  etwa 
zar  Bestimmung  des  Zieles  dient,  da  femer  auch  altitaliänisch, 
wenigstens  beim  betonten  Personalpronomen,  die  nämliche  Er- 
scheinung vorkommt,  wie  der  Herausgeber  des  Gaittone  fast  auf 
jeder  Seite  seines  Dichters  besonders  notirt,  so  kann  das  häufige 
Vorkommen  der  nämlichen  Unterdrückung  der  Präposition  a  in 
den  arbor.  Denkmälern  keinen  Anstofs  erregen.  Man  wird  aber 
sich  schwer  entschliefsen  zu  glauben,  es  sei  zu  irgend  einer  Zeit 
möglich    gewesen    zu    sagen:    Poi    legate   stanno  \\    Voi  vertu  statt 


88  Sitzung  der  phHoBophiseh^histarisehen  Klagte 

UgUU  a  fxyt,  Pergatn.  4910,  oder:  menan  mta,  m  morenti  fSr  menan 
a  tfitOy  ebend.  119,  oder  Tollends:  prodezza  di  proe  guerrier  pugnaU 
in  ver  Qnhono  für  prodezza  di  prode  g.  eolla  quäle  pugnaUj 
ebend.  491a.  Wer  würde  dergleichen  je  verstanden  haben?  Frei- 
lich Gherardo  aus  Florenz,  das  Haupt  der  Dichterscbule,  welcher  wir 
die  Mehrsahl  der  poetischen  Erseugnisse  ans  Arborea  zuschreiben 
sollen,  muthet  seinen  Lesern,  denn  an  Hörer  kann  da  nicht  gedacht 
werden,  ein  Mafs  des  Scharfsinns  cu,  mit  welchem  ausgerüstet  man 
der  Prfipositionen  und  der  Relativpronomina  nicht  mehr  bedurfte; 
er  erlaubt  sich  -—  doch  wohl  in  der  Voraussetzung,  irgend  wer 
werde  ihn  verstehn  —  Inversionen  in  der  Art  der  folgenden: 

Scolar  neecierUe  di  mio  sento  putäo  \\  Da  te  für 

Neaciente  di  mio  punto  eento  scolar  da  to,  d.  h. 

^Ungewifs  über  mein  Lebensende  gedenke  ich  zu  scheiden  von  dir/ 
Das  Verstfindnifs  auch  dieser  Stelle  verdankt  man  Herrn  Pillito. 

Einige  der  Thatsachen,  welche  sich  ans  der  Ächtheit  der 
Denkmfiler  von  Arborea  ergeben  wurden  und  sich  für  die  Heraus- 
geber auch  wirklich  ergeben  haben,  mögen  zum  Schlüsse  noch 
angefahrt  sein,  jedoch  ohne  dafs  weitere  Erörterungen  daran  ge- 
knüpft werden. 

Im  7.  Jahrhundert  hat  der  König  Jaletus  die  Verwendung 
der  auf  ipee  beruhenden  Formen  des  bestimmten  Artikels  in  Sar- 
dinien eingeführt,  nachdem  bis  dahin  (wie  in  den  andern  romani- 
schen Landern)  auf  ille  zurückgehende  Formen  in  solcher  Stellung 
gebraucht  worden  waren. 

Im  13.  Jahrhundert  arbeitet  ein  Sarde  eine  Geschichte  seiner 
Sprache  aus,  nachdem  er,  um  sich  dafür  zu  beffihigen,  lange  und 
kostspielige  Reisen  auf  dem  Gontinente  gemacht  und  Sprachdenk- 
mäler gesammelt  hat,  die  er  unter  Angabe  des  Jahres  ihrer  Ab- 
fassung seinem  Werke  einverleibt;  er  spricht  darin  die  Ansicht  aus, 
die  italiftnische,  die  französische,  die  provenzalische  und  die  spa- 
nische Sprache  seien  mit  der  sardinischen  Eines  Ursprungs  und 
im  Grunde  Eins  mit  der  römischen  lingua  ruatica. 

Zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  hat  in  Florenz  eine  Schule 
der  Kunstdichtung  bestanden,  aus  welcher  fruchtbare  Dichter  her- 
vorgegangen sind;  ein  Sarde  unter  ihnen  hat  abwechselnd  in  der 
Sprache  seines  Meisters  und  in  derjenigen  seiner  Heimat  gedichtet; 
ein  sehr  gelehrter,  d.  h.  mit  dem  Alterthum  vertrauter  Senese,  der 


vom  3i.  Jmuar  1870.  89 

ebenimllB  der  Schule  aogebSrt,  hat  ffOmore  exarsus  ob  9uam  Imguam 
italieam^  und  „earntma  hHna  spemetu^  sich  ausscbliefslich  der  ital. 
Dichtung  gewidmet;  namentlich  er  hat  in  formvollendeten,  kunst- 
reichen, an  Kraft  des  Aasdrucks  und  Bedeutung  der  Gedanken  bis 
aaf  Dante  nicht  erreichten  Gedichten  eine  glühende  Liebe  zum 
italiSBischen  Gesammtrateriande,  einen  tiefen  Schmerz  über  die 
odii  ver  ciUadi  germane  niedergelegt,  zur  Verbrüderung  gegenüber  der 
Fremdherrschaft  aufgerufen.  Weder  von  ihm  jedoch,  noch  von  der 
ganzen  Dichterschnle  hat  bis  1847  irgend  ein  Mensch  das  Geringste 
gewufst  mit  Ausnahme  jener  Liebhaber  des  15.  Jahrhunderts, 
welche  schweigend  abschrieben,  was  damals  noch  aufzutreiben  war. 
Es  iBt  namentlich  Dante  die  Existenz  jener  Dichterschule  durchaus 
unbekannt  geblieben,  ihm,  der  so  eifrig  nach  AUem  forschte,  was 
an  Kunstdichtung  in  romanischer  Zunge  vor  ihm  geschaffen  wor- 
den war,  der  das  Gedicht  des  Yincenzo  d*Alcaroo,  der  die  Werke 
der  siciiischen  Schule,  die  der  bolognesischen  Dichter,  der  die 
Mundarten  aller  Landestheiie  kannte  und  mit  stolzer  Freude  hin- 
wies auf  die  vor  ihm  oder  neben  ihm  gemachten  Versuche,  eine 
Sprache  itali&nischer  Kunstdichtung  zu  pflegen«  Wenn  indessen 
Dante  jener  trefflichen  Vorgänger  nicht  ausdrücklich  gedenkt 
und  keine  Stelle  ihrer  Werke  anfuhrt,  so  soll  er  nach  der  Ansicht 
der  Heransgeber,  welche  sich  die  Beredsamkeit  seines  Schweigens 
nicht  zu  verhehlen  scheinen,  dieselben  doch  im  Sinne  gehabt  haben, 
wenn  er  Vita  Nova  c.  25  sagt,  weiter  als  150  Jahre  aufw&rts 
könne  man  die  Spur  der  Dichtung  in  lingua  volgare  nicht  ver- 
folgen. Da  nun  von  den  bisher  bekannten  ital.  Gedichten  keines 
um  150  Jahre  älter  sei  als  die  Vita  Nova  von  1291,  so  müsse  Dante 
beim  Niederschreiben  dieser  Worte  an  jene  altefite,  erst  jetzt  wie- 
der bekannt  gewordene  Dichterschule  seiner  Heimat  gedacht  haben. 
Der  Dante'sche  Satz:  not  non  troviamo  cose  dette  anzi  il  preaerUe 
tempo  per  CL  anni^  darf  jedoch  nicht  ohne  seinen  Vordersatz  citirt 
werden,  welcher  lautet:  st  volemo  eercare  in  lingua  d*oco  e  in 
lingua  di  sl,  und  welcher  ihm  die  ganze  ihm  zugeschriebene  Be- 
weiskraft nimmt. 

Das  Vorstehende  durfte  genügen,  um  die  Verwerfung  der 
arbor.  Denkmaler  vom  Standpunkte  der  Sprachbetrachtung  und  der 
literar  -  historischen  Erwägungen  zu  rechtfertigen.  Dafs  die  Sar- 
dinier sich  in  diesen  Zeugnissen  ihrer  Cultur  als  ein  Volk  dar- 
stellen,  welches  Interessen  hegt,   für  die  dem  gesammten  übrigen 


90  Sitzung  der  philosopkiteh-historiächen  Klasse 

Abendlande  in  der  n&mlicben  Zeit  jeder  Sina  abgeht,  als  ein  Volk, 
welches  andererseits  unberührt  geblieben  ist  von  dem,  was  die 
übrigen  Völker  des  Mittelalters  erfQllt,  dafs  nii^ends  eine  naive 
Anschaoung,  vorherrschend  moderne  Gkdanken  in  künstlich  unge- 
lenkem Aasdruck  sich  darin  wahrnehmen  lassen,  würde  nicht 
schwierig  darzathnn  sein,  würde  aber  mehr  Zeit  und  eine  ausfuhr- 
lichere Darlegung  erheischen,   als  man   solchem  Gegenstande  gern 

zuwendet. 

Adolf  Tobler. 


Anlage   C. 

Wenn  es  leicht  erscheint,  den  Inhalt  der  sogenannten  ^Perga- 
mente und  Papiere  von  Arborea^,  was  die  Geschichte  Sardiniens 
im  Mittelalter  anlangt,  als  einen  einzigen  grofsen  Anachronismus 
zu  erkennen,  darch  welchen  der  Insel  ein  vormaliger  Kolturzustand 
beigelegt  wird,  wie  er  selbst  heute  höchstens  als  Ziel  patriotischer 
Wunsche  vorhanden  ist,  so  fallt  es  doch  schwer,  die  Brdichtungen 
im  Einzelnen  als  solche  zu  erweisen.  An  eigentlichen  Urkunden 
gebricht  es  in  dem  Funde;  gleichzeitige,  wohldatirtc,  sich  für 
authentisch  gebende  Aufzeichnungen  sind  überhaupt  selten;  das 
auswärtige  Element  der  sardischen  Geschichte,  wo  eine  Kontrole 
bald  ausfuhrbar  wfire,  tritt  völlig  in  Schatten  gegen  das  einheimiseho. 
Wer  aber  den  bisher  so  lückenhaften  Zustand  des  letzteren  kennt« 
wird  einräumen^  dafs  es  einer  positiven  Gesammtdarstellung  des 
historisch  Echten  bedürfte,  um  das  Falsche  nachhaltig  zu  ver- 
drangen.  Zudem  ist,  wie  Freund  und  Feind  bekennen  mufs,  die 
Stellung  der  Papiere  von  Arborea  eine  solche,  dafs,  wenn  sie  eine 
Fälschung  sind,  dieselbe  nur  auf  Grund  von  Manno's  storia  di 
Sardegna  und  der  früher  schon  bekannten,  zum  Theil  aber  erst 
jetzt  in  Tola's  Codex  diplomaticus  abgedruckten  Urkundenschätzc 
von  Cagliari  gemacht  sein  kann.  Wie  oft  hebt  nicht  der  fleifsige 
und  durchaus  ehrlich  für  seine  pergamene  begeisterte  Herausgeber 
Pietro  Martini  die  Übereinstimmung  derselben  sogar  mit  Manno*8 
blofsen  Vermutliungen  freudig  hervor I  Meine  Aufgabe  soll  es  hier 
sein,  die  Unechtheit  der  Documente,  die  ja  bekanntlich  mit  einan- 
der stehen  und  fallen,  an  einem  auffallenden  Beispiele  darzuthun, 
an   einem  andern  aber  den  Grad   der   von  dem  Verfasser  bei  Be« 


vorn  31.  Januar  1870.  91 

oatznng  seiner  modeniea  Materialien  angewandten  Kritik  aufzu- 
sagen, leh  greife  in  die  Zeit  der  Saracenenkriege  des  11.  Jahr- 
handerts,  weil  eben  für  diese  neuerdings  durch  die  Publicationen 
Amari^s  von  arabischer  und  Bonaini's  von  pisanischer  Seite  her 
oeoes,  von  Manno  ungeahntes  Lieht  gewonnen  ist. 

Unter  den  auf  die  Saracenenkiimpfe  nach  dem  Jahre  1000 
bezuglichen  Stücken  macht,  aufser  der  sardischen  Marseillaise  des 
llfredico  vom  Jahre  1001,  Anspruch  auf  Gleichzeitigkeit  dem  In- 
halte nach  nnr  die  Instruktion  seines  Bruders  Umberto,  Erzbischofs 
von  Gagliari,  für  seinen  Gesandten  nach  Genua  und  Rom  (Per^ 
gamene  p.  475),  ein  um  so  interessanteres  Document,  als  dadurch 
beiläufig  die  Abstammung  des  Hauses  Savoyen  von  den  alten  Kö- 
nigen Italiens  uns  offenbart  worden.  Die  Datirung  desselben  durch 
Martini  auf  circa  1020  ist  nach  dem  Gesammtinhalt  der  pergamene 
unwiderleglich:  es  mufs  den  ersten  Lustren  des  11.  Jahrhunderts 
angehören;  die  Entzifferung  der  unerhörten  Abbreviaturen  durch 
den  gewandten  Pillitu  ist  ebenso  überzeugend  wie  überraschend. 
Leider  findet  sich  jedoch  unter  den  wenigen  filr  Jedermann  les- 
baren Stellen  der  Passus:  reliquis  vero  cönsulihua  distincte  salutem 
die  cum  amoris  vineulo,  woraus  sich  gleichzeitig  für  das  vorauf- 
gehende Co.  Balneum  unzweifelhaft  die  Lösung  eonsulem  Bamerhtm 
ei^ebt.  Mit  einem  Worte:  die  Gonsularverfassung,  deren  Entstehung 
in  Genua  bekanntlich  in  die  letzten  Jahre  des  11.  Jahrhunderts 
fällt,  ist  hier  um  70  Jahre  vorausdatirt.  Ich  beziehe  mich  neben 
dem  5.  Abschnitt,  Bd.  II,  von  Hegel's  Geschichte  der  Stfidtever- 
fassung  besonders  auf  die  neuere  Arbeit  von  Ad.  Pawinski:  n^^^ 
Entstehungsgeschichte  des  Consulats  in  den  Communen  Nord-  und 
Mittel -Italiens^  (Berlin  1867),  wo  gerade  die  genuesischen  Ver- 
bältnisse sorgfältig  erörtert  sind  und  insbesondere  auch  die  Irr- 
thumer  Raggio's  in  den  Anmerkungen  zu  den  Statuta  ConBulatus 
von  1143  (M<m.  Hist.  Patr.  Leg.  Muncp,  T.  I,  p.  254,  262,  263, 
i^^9)  ihre  Erledigung  fi.nden.  Vielleicht  hat  eben  der  Vorgang 
Raggio's  unseren  Schreiber  von  Arborea  sicher  gemacht;  denn, 
gab  man  einmal  für  1039  Consuln  in  Genua  zu,  so  kam  es  auf 
20  Jahre  früher  auch  nicht  an;  oder  er  folgte  dem  Beispiele  des 
Brevier.  Puan.  hütor.  (Muratori  SS.  VI,  p.  167),  das  ihm  auch 
sonst  unverfänglich  erschienen  ist  und  das  sich  hier  ebenfalls  bei 
der  Anfuhrung  pisanischer  Consuln  und  des  Bischofs  Lambert 
unter  1017  um  70  Jahre  vergriffen  hat. 


92  Sitztmg  der  pküoiophiseh-hütarUchen  Klasse 

Wenn  dies  Beispiel  ein  falsani  darthat,  welches  doch  auch 
dem  15«  Jahrhundert  zagesinrochen  werden  konnte,  so  wird  die 
folgende  Kritik  der  Geschichte  des  Königs  Mnseto,  wie  sie  aus 
den  Papieren  Ton  Arborea  hervorgeht,  die  Zdt  ihrer  Abfassung 
nfiher  bestimmen  lassen.  Ich  befinde  und  befand  mich  hierbei  fast 
in  völliger  Übereinstimmung  mit  Amari,  noch  ehe  seine  trefiSiche 
Darstellung  zuerst  in  der  Nuova  Aniologia,  Maggio  1866,  erschien; 
zugleich  mache  ich  im  Folgenden  Gebrauch  von  brieflichen  Mit- 
tfaeilnogen  des  rühmlich  bekannten  Kenners  pisanischer  Geschichte, 
Herrn  Theodor  Wüstenfeld  in  Gpttingen.  Leider  mxdB  ich  weit 
ausholen,  um  zum  Ziele  zu  treffen« 

Dafs  Fälschungen  in  der  Geschichte  Mogehid-ibn-Abd- Allah' s, 
Herrn  von  Denis,  des  den  Italienern  als  König  Museto  bekannten 
Eroberers  von  Sardinien,  schon  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
sich  finden,  dafs  sie  nachher  von  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  in's 
Enorme  wachsen,  ist  natfirlich:  seine  Vertreibung  von  dort  durch 
Pisaner  und  Genuesen  1015 — 16  legte  den  Grund  zu  dem  rivali- 
sirenden  Streben  beider  Communen  nach  der  Herrschaft  über  die 
Insel.  Mit  dem  wachsenden  Kampfe  beider  darüber  mufiste  patrio* 
tische  Tradition  und  patriotischer  Betrug  immer  emsiger  jene  grund- 
legende That  auszuschmücken,  deren  Verdienst  sich  allein  beizu- 
messen, die  vorwiegende  oder  ausschliefsliche  Berechtigung  der 
Vaterstadt  daraus  abzuleiten  suchen.  Eine  vei^leichende  Betrach- 
tung der  pisanischen  Quellen,  wie  sie  erst  jetzt  durch  Bonaini's 
Editionen  (Archiv,  stör.  VI.)  möglich  ist,  thut  das  überzeugend  dar. 
Die  ältesten  beiden  Quellen,  Lorenzo  Vernese^s  Gedicht  von 
ec.  1114  und  Marangone^s  Chronik  aus  der  zweiten  Hfilfte  des 
12.  Jahrhunderts  sind  durch  eine  weite  Kluft  von  den  späteren 
getrennt.  Jener  schrieb  über  König  Musetus  gerade  ein  Jahrhun- 
dert später  aus  mündlichen  pisanischen  und  sardischen  Traditionen ; 
Marangone  nahm  seine  Notizen  für  die  ältere  Zeit,  wie  sich  auf 
den  ersten  Blick  ergiebt,  aus  älteren,  vor  1135  verfafsten  Auf- 
zeichnangeu.  Wer  aber  die  Jahre  1004 — 1136  bei  ihm  mit  den 
bei  Baiuze  MiscelL  I,  130  und  bei  Muratori  VI,  107  abgedruckten 
Chroniken  vergleicht,  wird  gewifs  mit  Wüstenfeld,  was  sich  dort 
übereinstimmend  über  Pisa  selbst  für  die  Jahre  bis  1099  findet^ 
auf  gleichzeitige,  authentische,  überall  pisanisch  datirte,  um  1099 
abgeschlossene  Aufzeichnungen  zurückführen,  welche  dann  mit  einer 
Reihe  von  Kaisern   und  irgend  einer  beneventanischeu  Chronik  in 


vom  31.  Januar  1870.,  9d 

eine  Art  Annalen  verarbeitet,  einmal  von  einem  Kanonikus  in  Lucca 
abgeschrieben  und  dort  deponirt  (daher  Baliue),  ein  andermal  in 
Pisa  selbst  durch  Notisen  bis  1135  erweitert  worden  (daher  Mara- 
tori).  Demnach  dürfen  wir  also  Marangone's  Daten  von  1004 — 99 
als  filteste,  sicher  dem  11.  Jahrhundert  selber  angehörige  Nach- 
richten ansprechen. 

Nun  finden  sich  aber  Lorenzo's  Gedicht  wie  Marangone  in 
Bezog  auf  die  beiden  Kriegszüge  Pisa*s  nach  Sardinien  gegen  Mo- 
gehid  von  Denia  von  1015  u.  16  (denn  dafs  Lorenzo  diese  Jahre 
meint,  hat  nie  Jemand  bestritten)  mit  den  arabischen  Quellen  über 
dieselben  Ereignisse^  die  uns  Amari  kennen  gelehrt,  vornehmlich 
mit  Ibn-el-Athir,  in  einer  Harmonie,  wie  man  sie  bei  gegnerischen 
Schreibern  zu  finden  erstaunen  mufs.  Wie  sollte  man  ihnen  da 
nicht  auch  darin  Glauben  schenken,  dafs  nach  1016  weder  ein 
fernerer  Kampf  mit  Mog^hid,  noch  überhaupt  ein  Saracenenkrieg 
auf  und  um  Sardinien  stattgefunden  hat?  Marangone  zwar  schweigt 
nur,  aber  sein  Schweigen  ist  gewichtig,  da  er  sowohl  jene  Züge 
von  1015  n.  16  wie  die  sp&tcren  Exkursionen  nach  Afrika  und 
Spanien  von  1035,  1087,  1113—14  treulich  berichtet.  Ibn-el-AthJr 
jedoch  Iftfst  nicht  nur,  wie  seine  Landsleute  alle,  Mog^hid  in  Spa- 
nien weiter  leben  und  sterben,  sondern  versichert  kurz  und  bündig, 
dafs  seit  1016  Sardinien  niemals  wieder  von  Saracenen  angegriffen 
\rorden  sei.  Zum  selben  Resultate  fuhrt  uns  lüorenzo,  wenn  er 
Ton  jenem  Kampfe  die  Sicherheit  der  Sarden  und  die  Unterthftnig- 
keit  ihrer  Konige  unter  Pisa  datirt  und  wenn  er  andrerseits  die 
Rückgabe  des  gefangenen  jungen  Ali  an  den  Vater  und  das  von 
daher  durch  Generationen  fortlebende  höchst  freundschaftliche  Ver- 
hältnifs  zwischen  den  Albizoni  von  Pisa  und  Mog^hid  sammt  sei- 
nem Hause  beschreibt.  Dies  ist  so  gewifs  wie  irgend  ein  Theil 
der  Darstellung  Lorenzo's,  denn  hiervon  geht  er  aus;  die  ganze 
Geschichte  Mog^hid's  dient  nur  zur  Erläuterung  der  eben  jetzt 
1113  dem  Pietro  Albizoni  seitens  des  Herrschers  von  Majorka  ge- 
machten Eröffnung.  Doch  genug:  aus  der  Vergleichung  unserer 
drei  trefflichen  Quellen  ergiebt  sich  für  Jedermann  mit  Sicherheit, 
dafs  1016  der  letzte  Streit  um  Sardinien  mit  MogShid  ausgefochten 
ist.  Was  andererseits  die  Ereignisse  vor  1015  betrifft,  wo  Maran- 
gone zu  1004  (ich  vulgarisire  stets  die  era  pisanä)  lakonisch  die 
Einnahme  Pisa's  durch  Saracenen,  und  zu  1011  die  Zerstörung 
der  Stadt  durch  einen  spanischen  Heereszug  erwfthnt^    so  könnte 


94  Sitzung  der  phUoBaphi$ch''historischen  Klasse 

sich  hier  fragen,  ob  nicht  diese  Unthaten,  besonders  die  letztere, 
dem  nämlichen  Mogehid  zur  Last  zu  legen,  nad  ob  nicht  auch 
Sardinien  dabei  berührt  worden  sei?  Beides  ist  ebenso  wahr- 
scheinlich, als  eine  personliche  Theiloahme  Mogehid's  daran  aner- 
weislich, w&hrend  eine  wirkliche  Eroberung  der  Insel  in  jenen 
Jahren  aus  unseren  drei  Gewährsleuten  entschieden  verneint  wer- 
den mufs. 

Das  11  te  Jahrhundert  über  befand  sich  Pisa  im  wenig  bestrit- 
tenen Besitze  des  sardinischen  Handelsmonopols  (denn  von  andrer 
Herrschaft  kann  damals  keine  Rede  sein);  erst  mit  dem  Beginne 
des  ]2ten  tritt  ernste  Concorrenz  von  Seiten  des  aufblühenden 
Genua  ein.  Was  man  sich  erk&mpfen  wollte,  suchte  man  sich 
auch  historisch  zu  vindidren ;  daher  die  erste  ruhmredige  Lfige  der 
Genuesen  gegen  Barbarossa  1164  über  die  Gefangennahme  Muse- 
to's  durch  ihre  Väter.  Ganz  andere  tendenziöse  Erdichtungen  ent- 
hält dann  schon  das  von  Michael  de  Vico  1371  copirte  Breviarium 
Pis.  bist.,  das  jedoch  seinem  Inhalte  nach,  da  es  vor  1270  abbricht, 
dem  dritten  Viertel  des  13ten  Jahrhunderts,  einer  Zeit  erneuten 
heftigen  Streits  um  Sardinien  angehört.  In  welchem  Sinne  hier 
der  zu  Grunde  liegende  Text  Marangone's  gefälscht  ist,  leuchtet 
ein,  wenn  man  die  Jahre  1015  u.  16  betrachtet.  Die  Schenkung 
der  Insel  an  Pisa  durch  Papst  Benedikt  ist  eine  sehr  unglückliche 
Nachbildung  der  geistlichen  Unterwerfung  Sardiniens  unter  das  pi- 
saniscbe  Bisthum  durch  Urban  IL,  die  Kreuzpredigt  auf  Gebeifs 
Benedikts  ist  nach  der  echten  des  Pascbalis  von  1113  ersonnen; 
der  imaginirten  Consuln  und  des  Bischofs  Lambert  ist  schon  oben 
gedacht  worden.  Dafs  die  Genuesen  1016  den  Streit  begonnen 
haben,  nimmt  dann  nicht  Wunder  zu  lesen.  Wenn  so  die  wirklieh 
beglaubigte  Unternehmung  jener  Jahre  verunstaltet  ist,  so  richtet 
sich  die  Wiederkehr  und  abermalige  Vertreibung  Mog£hid's  1020 
und  die  zweite  Rückkehr  und  Gefangennahme  desselben  Mannes, 
der  doch  in  Wahrheit  1044  in  Spanien  starb,  im  Jahre  1049  von 
selbst  als  baares  Märchen.  Es  ist  einfache  Multiplikation,  wie 
denn  zu  1049  auch  noch  einer  neuen  päpstlichen  Schenkung  ge- 
dacht wird,  während  den  Genuesen  zu  1020  diesmal  Habsucht  an- 
gehängt wird,  vermöge  deren  sie  sich  vorher  den  Schatz  des  Fein- 
des ausbedingen,  den  sie  auch  erhalten.  Dies  alles  wie  auch  den 
von  den  Pisanern  bekämpften  Araberzug  über  Cagliari  bis  vor 
Rom   von    1001    wird  der  Urthe iisfähige,    die   echten  Quellen    im 


tfom  31.  Januar  i870.  95 

Aage,  nicht  etw»  für  halb  itrahre,  anderweit  entlehnte  Kunde,  son- 
dern für  freie  Dichtung  oder  bewoTste  Erschleicbung  halten  müssen. 

Ich  mufs  es  mir  versagen,  den  von  Jahrhundert  zu  Jahrhun- 
dert vergröfserten  und  vergröberten  Mythos  vom  Könige  Museto 
weiter  durch  Ranieri  Sardo  und  Benvenuto  da  Imola  bis  zu  Ron- 
cioni  und  Tronci  oder  bis  zu  Lorenzo  Bonincontro  zu  verfolgen; 
es  ist  eine  der  prfiehtigsten  historischen  Staublawinen,  die  man 
fsllen  sehen  kann,  bis  denn  am  Ende  die  Wahrheit  ganz  verdun- 
kelt, ein  halbes  Jahrhundert  von  1000 — 1050  mit  dem  Namen 
Mogefaid's  erfüllt,  durch  das  in's  Ungeheure  verzerrte  Bild  zweier 
kurzer  Sommerfeldzöge  bedeckt  wird. 

Heut  freilich  nach  Bonaini's  Publikationen,  nach  AmarTs  Ar- 
beiten, durchschauen  wir  die  Sache  leicht;  früher  aber  war  es  an- 
ders. Bewundern  mufs  man  hier  wie  überall  Muratori,  der  ohne 
unsere  HnUsmittel  in  seinen  Annali  schon  hie  und  da  seine  Be- 
denken über  die  Wiederholungen  des  Breviarium  äufsert,  das  für 
ihn  doch  noch  fast  originalen  Werth  besitzen  mufste.  Auch  Manno 
verfährt  nicht  ohne  Vorsicht,  allein  er  schwankt  doch  unentschie- 
den zwischen  Glauben  und  Zweifeln  dahin;  das  Verhältnifs  seiner 
Qaelien  zu  studiren  hat  er  unterlassen.  Und  auf  dem  Standpunkte 
blieben  dann  die  sardischen  Gelehrten  so  ziemlich  stehen.  Was 
sie  nach  Mnratori's  und  Manno's  Vorgang  eifrig  und  glücklich  be- 
kämpften, waren  die  Theorieen  Benvenuto's  u.  Andrer  über  den 
pisanischen  Ursprung  der  Judikate  und  die  damit  eng  zusammen- 
hangende Vorstellung  einer  vorhergehenden  längeren  Araberherr- 
scbaft  etwa  vom  9  ten  bis  ins  1 1  te  JbdL ;  überhaupt  ermäfsigten 
sie  die  Überschätzung  der  pisanischen  Oberhoheit  mit  Erfolg.  In 
Bezng  auf  die  Saracenenkampfe  aber  verfährt  noch  1861  Tola  im 
Codex  p.  139  ganz  eklektisch,  arglos  Tronci  und  Folieta  neben 
den  alten  Chroniken  citirend.  Und  so  verth eidigt  auch  im  selben 
Jahre  Martini  in  seiner  storia  delle  invasioni  degli  Arabi  den  Inhalt 
der  pergamene  dÄrhoria  mit  unbefangenem  Gleichmuth  aus  Bonin- 
contro wie  aus  Marangone,  aus  Tronci  und  Roncioni  nicht  minder 
als  aus  Ibn-el^Athir;  jeden  Beleg  begrüfst  er  mit  gleicher  Freude, 
jeden  Widerspruch  mit  der  Quelle  ersten  oder  letzten  Grades  hält 
er  für  gleich  unerheblich.  Kein  Wunder  denn  also,  dafs  mit  glei- 
cher Naivetät  wie  der  hochverdiente  aber  verblendete  Vertheidiger 
auch  der  unbekannte  Verfertiger  der  1845  —  64  hervorgezogenen 
pergamene  verfahren  ist     Ein  Dokument  wird  hinreichen,    das  zu 


96  Sitzung  der  pkihsaphiich^histonMehm  Kia$9e 

erhfirten;  wir  wlhlen  die  y^Breve  hütaria  de  9U  ree  Mueehi  in  mo 
Africa^  (cd.  cart.  5).  Sie  ist  »ngeblich  ein  Anscug  »us  dem  be- 
rfihmten  Oeschichtswerk  Mater  Sardinia  eognita  des  Jorgiu  de  La- 
con,  welches  dieser  in  der  zweiten  H&lfte  des  ISten  Jhdts.  nnd 
zwar  aus  sardischen  gleichzeitigen  Chroniken  und  andern  Aufzeich- 
nungen zusammengestellt  hatte. 

Schon  die  Überschrift  erregt  unser  Erstaunen.  Wie?  Mnscto 
Konig  in  Afrika?  In  der  That  wird  er  auch  in  der  Geschichte 
selber  als  Afrikaner  behandelt.  Die  gleichzeitigen  Sarden  lebten 
also  alle  im  Irrtbum  über  die  Heimath  ihres  Dr&ngersl  Mit  Tor- 
sorglicher  Angst  sahen  sie  zwar  mehrere  Male  richtig  seiner  Wie- 
derkehr entgegen,  von  wannen  er  aber  wiederkommen  mufste,  blieb 
ihnen  verborget  I  Lorenzo  Yernese  giebt  TÖllig  genau  die  Heimath 
Museto's  als  Denia  und  die  Balearen  an;  die  sardischen  Fürsten, 
die  1113 — 14  mit  den  Ihrigen  den  pisanischen  Zug  nach  den 
Balearen  mitmachten,  mnfsten  da  so  gut  wie  Lorenzo  die  Wahr- 
heit erfahren,  mufsten  sie  daheim  mittheilen  —  sie  war  wichtig 
genug  —  mindestens  einige  der  vielen  sardischen  Chroniken,  welche 
Jorgiu  de  Lacon  durchs tudirte,  mufsten  sie  aufnehmen.  Doch  wozu 
ein  Weiteres?  Die  Sache  liegt  einfach:  Marangone  schon  und 
Oberhaupt  die  kurzen  pisanischen  Noten  lassen  Mogehid  1016  nach 
Afrika  fliehen.  Gewifs  ein  Irrtbum,  aber  zum  Afrikaner  ward  er 
so  doch  noch  nicht,  das  geschah  erst  dadurch,  dafs  sein  Name  von 
einigen  spfiter  mit  dem  Zuge  der  Pisaner  von  1035  gegen  das 
afrikanische  Bona  in  Verbindung  gebracht  ward.  Von  Sardo  aber 
bis  auf  Manno,  ja  bis  Tola  blieben  die  Neueren  bei  dem  Irrthunie, 
nur  Roncioni  entnahm  aus  seinem  Lorenzo  Vernese  die  wahre 
Heimath  Museto's  und  vor  Amart  wies  schon  1845  Wenrich  (Efi 
ab  Ärabibus  gesiae)  nach  den  Balearen.  Diesen  kannte  der  Ver- 
fasser der  pergamene  wohl  nicht,  oder  er  hielt  sich  an  seinen 
Manno  nnd  verachtete  selbst  die  Autoritfit  Lorenzo's.  So  hat  er 
durch  eigenen  verzeihlichen  Irrthnm  seinem  angeblichen  Autor 
einen  unverzeihlichen  in  die  Schuh  geschoben.  Doch  weiter!  Über 
den  Inhalt  kann  ich  mich  sehr  kurz  fassen.  Sechs  Einf&lle  Mo- 
g^hid's  in  Sardinien  werden  aufgozfihlt,  1000,  1002,  —1012,  —1017, 
1022,  1050—52  (?),  fünf  Mal  wird  er  verjagt,  das  sechste  gefangen. 
Die  Pisaner  sind  bei  den  fünf  letzten  FeldzSgen  betheiligt,  die 
Genuesen  nur  beim  vierten  und  fünften;  anno  1000  kfimpfen  die 
sardischen  Heroen  allein,  beim  letzten  Straufs  dagegen  auch  sogar 


v<m  31.  Janyur  1870.  97 

christUche  Spanier,  die  wir  sogleich  näher  untersuchen  wollen. 
Racbezuge  gegen  Pisa  unternimmt  Mogehid  nach  1002  und  nach 
1012;  der  Papst  (immer  ungenannt)  fordert  zum  dritten,  vierten 
QDd  sechsten  Zuge  auf.  Wahrend  es  nach  der  von  uns  gewonnenen 
Anschauung  der  Quellen  keinen  Augenblick  zweifelhaft  ist^  dafa 
wir  es  mit  einer  Compilatton  verschiedener  pisanisch  datirter  Ereig- 
nisse zu  thun  haben,  welche  aus  Zeiten  bereits  hoch  entwickelter 
Moseto- Fabel  stammt,  müssen  wir  jedoch  gleich  bemerken,  dafs 
nichts  von  päpatltchen  Privilegien  für  Pisa  bei  unserem  Autor  zu 
lesen  ist  und  dafs  bei  aller  Anerkennung  pisanischer  Hulfsleistung 
doch  die  Thaten  und  Leiden  der  Insulaner  den  Hauptstoff  der 
Erzählung  bilden  und  natürlich  darunter  viel  bisher  aus  auswar* 
tigen  Quellen  gänzlich  Unbekanntes  zum  Vorschein  kommt.  Wenn 
Jorgin  de  Lacon  hierin  Farbe  bekennt,  so  erscheint  doch  die  Auf- 
nahme eines  Zuges  rein  pisanischer  Überlieferung  in  die  sardische 
Erzählung  ala  höchst  ungereimt,  ich  meine  die  des  Vertrages  zwi- 
schen Pisanern  und  Genuesen  wegen  Theilung  der  Beute.  Im 
Hreviarinm  steht  zuerst  die  Nachricht,  dafs  die  Genuesen  den 
Schatz  des  Königs  erhalten,  weil  sie  anders  nicht  hätten  mitziehen 
wollen;  offenbar  sind  sie  hier  als  habsüchtig  gebrandmarkt  gegen- 
über den  Pisanern,  die  ohne  Beutegier  in  den  heiligen  Kampf 
gehen«  Bei  Sardo  und  Benvenuto  ist  diese  Geschichte  so  umge- 
wandelt worden,  dafs  die  Städte  vorher  einen  Vertrag  schliefsen, 
wonach  Genua  die  bewegliche  Beute,  Pisa  der  Besitz  des  Landes 
selber  zufallen  sollte.  Diese  Anekdote  des  14.  Jahrhunderts,  die 
besonders  bei  Benvenuto  vortrefflich  zu  der  von  ihm  erzählten 
sofortigen  Besitznahme  und  Ein  theilung  des  Landes  durch  die  Pi- 
saner pafst,  steht  mit  den  erlogenen  päpstlichen  Schenkungen  völlig 
auf  einer  Linie,  nur  dafs  sie  zugleich  thörichter  und  boshafter 
ausgedacht  ist  Es  gewährt  eine  deutliche  Vorstellung  von  der 
kritischen  Gabe  des  Erzählers  von  Arborea,  wenn  er  die  Vertrags- 
fiktion ebenso  ausführlich  seinem  Fabrikate  eingeflochten,  wie  er 
die  papstlichen  Schenkungen  daraus  ferngehalten  hat.  Das  Motiv 
jedoch  leuchtet  ein:  die  letzteren  thaten  der  Idee  der  sardischen 
Unabhängigkeit 'Eintrag,  auch  sind  sie  längst  ernstlich  bestritten 
worden;  der  Vertrag  schien  weniger  bedenklich,  ja  durch  eine  neue 
Motivirung,  welche  die  pisanische,  von  den  Genuesen  niemals  aner- 
kannte Fabel  zum  genuesischen  Produkt  umstempeln  müfste,  wird 
sogar  Anlafs  gegeben,  die  sardische  Tapferkeit  und  ihren  Ruf  zu 
[1870]  7 


98  Sitzung  der  philo$ophisch'hi8tori9chen  Klasse 

verherrlichen.  Der  Vertrag  wfire  danach  eine  pfiffige  List  der 
Genuesen,  um  Pisa  in  gefährlichen  Krieg  mit  den  Sarden  au  stur- 
xen  und  so  ganz  leer  ausgehen  au  lassen. 

Doch  ich  eile  zum  Schlüsse.  Der  sechste  Einfall  MogShid*s 
aus  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  (1050  oder  51)  soll  mir  dienen, 
unserm  Fälscher  noch  mehr  in  die  Karten  su  sehen.  Die  Ersählung, 
die  er  hier  giebt,  basirt  durchaus  auf  der  des  sogenannten  Lorenzo 
Bonincontro,  eines  angeblichen  Schriftstellers  des  15.  Jahrhundert«, 
den  Gaietani  zuerst  1638  bekannt  machte;  ^'ir  finden  den  betrefien- 
den  Passus  dann  wieder  abgedruckt  bei  Muratori  SS.  III,  1,  p.401. 
Bonincontro  erzählt  den  auerst  im  Breviarium  auftauchenden  Mnseto- 
Krieg  von  1049  (50  oder  51)  in  origineller  Weise:  nicht  der  Staat 
Pisa,  sondern  eine  Anzahl  pisanischer  Nobili  unternehmen  w^en 
Ermattung  der  Gemeinde  auf  Privatfaust  den  Zug  und  theilen  nach 
dem  Siege  die  Insel  unter  sich  und  ihre  Genossen  von  Gtenua  etc.; 
die  Eintheilung  wird  genau  verzeichnet  Schon  Manno  wies  auf 
die  viel,  zum  Theil  Jahrhunderte  spätere  Festsetzung  der  einzelneo 
edlen  Häupter  in  den  bezeichneten  Distrikten  hin.  Das  ganze 
Machwerk  ist  interessant,  weil  das  Prinzip,  späteren  Besitz  durch 
erdichtete  historische  Rechtsansprüche  zu  bekräftigen,  das  man  so 
lange  für  den  Staat  Pisa  hatte  walten  lassen,  hier  auf  die  einzelnen 
Familien  übertragen  ist.  Unser  Chronikant  hat  sich,  durch  Manno 
gewarnt,  vor  der  Wiedergabe  der  ihm  ohnehin  fatalen  pisanischen 
Familien-Legenden  gehütet,  alles  Andere  aber  nimmt  er  ruhig  von 
Bonincontro  herüber,  begeht  dabei  aber  hose  Fehler.  Der  90jährige 
Musettus,  seine  Gefangennahme  und  sein  Tod  im  Kerker  zu  Pi^^ft 
macht  ihm  keine  Sorgen,  weil  er  die  arabische  Notiz  von  Mogebid'g 
Tode  1044  nicht  kannte.  Wenn  aber  Bonincontro  sagt:  Museüvs 
A/ricae  rex  ingenti  navium  apparatu  ex  Hispania  movtns^  so  erkennen 
wir  darin  eine  schlechte  Combination  der  wahren  spanischen  Hei- 
math und  der  falschen  afrikanischen  des  Saracenen.  Was  macht 
der  Arborese  daraus?  Ihm  ist  Museto  zweifellos  Afrikaner,  er 
verändert  daher  den  Aufbruch  von  Spanien  in  Hülfsleistung  spani- 
scher Mauren.  Aber  noch  mehr:  unter  den  erlauchten  Theilnehmem 
an  der  Eroberung  und  Thcilung  Sardiniens  erscheint  bei  Lorenzo 
ein  Bernardus  Centilius  Comes  Modicae  Hispani  generis,  der  nach- 
her  in  dem  Theile  Sardiniens  jtixia  Saxerim  angesiedelt  wird. 
Christliche  Grafen  von  Modica  im  Val  di  Noto  gab  es  1050  lange 
vor  der  normannischen  Eroberung  überhaupt  nicht;   eine  spanische 


vom  31.  Januar  i870.  99 

Familie  kann  die  sicilisobe  Grafschaft  erst  unter  den  Aragonesea 
erbalten  haben.  Im  15.  Jahrhundert  wird  dann  unter  der  arago- 
Dischen  Herrechaft  über  Sardinien  das  ehemals  spanische  Orafen* 
geschlecht  ron  Modica  Grundbesits  in  der  Gegend  von  Sassari 
erworben  haben.  Dem  zu  Ehren  ist  dann  sein  Ahn  Bemardo 
Ceotilio  neben  die  der  Gherardesehi,  Malaspina  n.  s.  w.  in*s  Jahr 
1050  hineingedichtet  worden.  Seine  Person  erschien  unserm  Ffil- 
scber  weniger  bedenklieb,  als  die  Nobili  Pisa's  und  Genua's.  Aber 
die  spanische  Abstammung  des  sicilischen  Grafen  verdreht  er  aus 
Willkür  oder  gar  ans  Unkenntnifs  der  Lage  Modica's  so,  dafs 
Graf  Bernhard  ein  wirklich  spanischer  Graf  wird  und  mit  Ispaniolos 
bemannte  Schiffe  herbexfahrt,  mit  denen  er  auf  die  Saracenenjagd 
ausgezogen  war. 

Ein  frappantes  Zeugnifs  für  die  Benutzung  Manno's  legt  end- 
lich, um  anderer  zu  gescbweigen,  die  Schlufsnote  ab,  die  unserer 
hUtma  de  su  ret  Musetu  angehfingt  ist  Manno  hatte  besonders 
gegen  den  Zug  von  1050  überhaupt  die  stfirksten  Zweifel  nicht 
unterdrückt;  die  50j&hrige  Dauer  der  Raubzüge  Mog^hid's  schon 
allein  entlockte  ihm  dann  wenigstens  die  saghafte  und  freilich  sehr 
anglückliche  Vermnthung,  dafs  hier  von  einem  andern  Mnseto  die 
Rede  sei,  Sohn  oder  Enkel,  wie  auch  Martini  meinte  (vgl.  siona 
delle  inras.  pag.  154).  Hätte  Manno  damals  die  echten  Quellen 
der  Geschichte  des  Königs  gekannt,  die  uns  vorliegen,  er  würde 
freilich  um  der  EHklirung  eines  Mfirchens  willen  keine  Gonjektur 
gemacht  haben.  Unser  Arborese  nun  adoptirt  beides,  die  Zweifel 
wie  die  Ausflucht  Manno's;  in  der  Anmerkung  aus  dem  15.  Jahr* 
hundert  legt  er  dem  sardischen  Historiker  Ferdinandus  de  Fönte, 
einer  unbekannten  Figur  vielleicht  des  14.  Jahrhunderts,  den  Zweifel 
in  den  Mund ,  einer  gelehrten  arboresischen  ffComissio  deputaia 
super  Wantumptu  ehranacarumf^  aber  aus  dem  15.  Jahrhundert  die 
Vertheidigung  des  OCjfihrigen  Museto,  der  im  Texte  figurirt;  zu- 
gleich aber  bat  die  Commission  auch  die  Frage  wegen  eines  zweiten 
Museto  ventilirt,  ist  aber  so  wenig  wie  500  Jahre  später  Manno 
zur  Entscheidung  gekommen. 

Wenn  man  diese  wenigen  Bemerkungen  über  die  hütoria  de 
itf  rtt  Mueetu  susammenfa&t,  ergiebt  sich  klar,  dafs  dieselbe  ein 
ganz  modernes  Machwerk  ist,  das  ohne  Kritik  die  nun  durch 
neuere  Forschungen  weit  überholten  Ansichten  Manno's  zur  Grund- 
lage hat,   zum  Theil  aber  auch,  wie  in   der  Benutzung  einzelner 

7* 


100  Sitzung  der  philosophiseh-histoHschen  Klasse 

spfitpisanischer  Erdichtungen,  die  Besonnenheit  des  verdienten  sar- 
dischen  Historikers  gans  aufser  Acht  iSfst^  hierbei  aber  mit  mehr 
oder  Aveniger  Geschick  die  pisanischen  Elemente  der  Fabel  ditrcb- 
nationale  zn  ersetzen  sucht;  eine  Tendenz,  welche  die  gesamniten 
pergamene  d'Arborea  gteichmäfsig  beherrscht,  auf  Kosten  der  con- 
tinentalen  Eroberer  Römer,  Germanen^  Byzantiner,  Araber,  Italiener, 
Aragonesen  den  sardischen  Ruhm  zu  verherrlichen. 

Alfred  Dove. 


Anlage    D. 

Die  Unechthoit  der  Inschriflen,  welche  Martini  aas  den 
angeblichen  Notizbuchern  eines  im  J.  1510  verstorbenen  Notars 
Michael  Gilj  S.  429  fg.  abgedruckt  hat,  ist  schon  von  dem  er- 
sten Herausgeber  derselben,  dem  verdienten  Alberto  la  Marmora, 
spfiterhin  zugegeben  und  ebenso  von  mehreren  anderen  der  ein- 
sichtigsten Turiner  Gelehrten^  unter  denen  ich  Domenieo  Promis 
nenne  (das.  S.  521),  ausdrucklich  anerkannt  worden.  Dafs  spfitere 
Funde  den  Inhalt  derselben  bestätigten  und  weiter  ausführten,  so 
Martinis  Papierhandschrift  N.  4  die  Inschrift  N.  3  (Martini  S.  434) 
und  Martinis  Papierhandschrift  N.  3  die  Inschrift  N.  6  (Martini 
S.  436),  kann  nur  auf  diese  Papierhandschriften  selbst  ein  ungün- 
stiges Licht  werfen;  an  der  Thatsache  der  F&lschung  selbst  wird 
dadurch  nichts  geändert.  Dieselbe  steht  sachlich  und  sprachlich 
vollständig  fest.  Namenbildungen  wie  Marcus  Florus  Sem,  /, 
Marcus  Bestitutus  —  dieser  ein  Statthalter  von  Sardinien!  — , 
Atilius  Lud  f.,  welcher  zugleich  ein  Freigelassener  des  Servios 
Secundus  ist;  eine  Orthographie  wie  moerentes;  Redewendungen 
wie  orator  ComensiSy  qui  in  Tonalum  Turr(itanum)  orcOicinem) 
hab(uit);  wie  suae  uxoris  cineribus  se  iunxü;  cuius  erat  libert(us)  ac 
in  suis  (soll  heifsen  eius)  negot{iis)  geren{dis)  fidus  proe{urator)\ 
praeci(bus)  suae  sponsae  Nerinae  chri[sti]anae  in  rest[itutio}ne  tempH 
[Fo]rtunae  die[ati  6]peram  suam  praesta[re  rec}usans  zeigen  auf  das 
Evidenteste,  nicht  blois  dafs  dies  moderne  Fabrtcate  sind,  sondern 
auch,  dafs  sie  von  einem  Fälscher  herrühren,  der  von  romischer 
Sitte  und  römischer  Sprache  nicht  das  geringste  Yerständnifs  hatte 
—  charakteristisch  dafür  ist  insbesondere  das  durchaus  nach  dem 


vom  3t  Januar  1870,  101 

modernen  Italienisch  angewandte  Possessi vam.  —  Sind  sie  aber 
falsch,  so  können  sie  nicht  ror  dem  J.  1820  verfertigt  sein.  Denn 
obwohl  wenigstens  diejenigen  Steine,  die  ans  römischer  Zeit  sein 
sollen,  so  vollständig  verkehrt  sind,  dafs  im  Ganzen  genommen 
bei  diesem  Falsar  nicht  einmal  von  echten  Mustern  die  Rede  sein 
kann,  so  ist  doch  evident,  dafs  der  Statilins  von  Tarres,  der  auf 
Bitten  seiner  frommen  »posa  Nerina  sich  weigerte  bei  dem  Wieder- 
aofbaa  des  Fortunatempels  mit  Hand  anzulegen,  gefälscht  ist  in 
Veranlassung  der  bekannten  Turritaner  Inschrift  ober  den  Wieder- 
aufbau des  templum  Ihrtunae  cum  basilieia  et  columni%  durch  den 
Statthalter  von  Sardinien  unter  den  Philipp!  M.  Ulpias  Victor. 
Diese  Inschrift  aber  (della  Marmora  voy,  en  Sard.  2,479  n.  34) 
wurde  zuerst  bald  nach  ihrer  Auffindung  von  Baille  im  J.  1820  in 
den  Schriften  der  Turiner  Akademie  bekannt  gemacht.  Dafs  der 
im  J.  1510  verstorbene  Notar  GilJ  bereits  Gelegenheit  gehabt  hat 
sie  za  lesen  und  sie  für  seine  schiechten  Scherze  auszubeuten,  ist 
schwer  zu  glauben. 

Noch  in  einer  andern  Hinsicht  ist  die  Epigraphik  bei  den 
Handschriften  von  Arborea  betheiligt.  Die  ehemals  Garnerische 
als  Anhang  zu  seiner  Gesammtpublication  von  Martini  im  Jahre 
1865  herausgegebene  Handschrift  enthält  acht  der  zwölf  Biographien 
berühmter  Sarden,  welche  angeblich  Sertonins  aus  Phausanias  (sot), 
der  im  Jahre  441  n.  Chr.  achtzigj&hrig  starb,  verfafst  hat,  die  dann 
wieder  aufgefunden  wurden  unter  dem  König  Jaletus  von  Sardinien 
KD  Anfang  des  achten  Jahrhunderts  und  uns  erhalten  sind  in  einer 
Abschrift  des  fonfzehnten.  Die  Masse  der  Ungereimtheiten  und 
Unmöglichkeiten  aller  Art  auseinander  zu  setzen,  welche  dieser 
sardinische  Snetonius  enthält,  wGrde  zu  nichts  fahren,  um  so  mehr, 
da  die  Ausrede  ja  vorgesehen  ist,  dafs  hier  am  Ende  des  5.  Jahr- 
hunderts aus  dem  Yolksmunde  gemachte  Aufzeichnungen  vorliegen. 
Aber  das  Yerhältnifs  dieses  Products  zu  den  Inschriften  neuester 
Findung  darf  nicht  übergangen  werden.  Unter  zahlreichen  bisher 
nnbekannten  römischen  Statthaltern  Sardiniens,  von  denen  die  meisten 
schon  durch  die  gänzlich  unrömischen  Namen  (z.  B.  Marcus  EIio, 
Jurgius  Susinius,  Gaius  Nestor)  sich  hinreichend  charakterisiren, 
treten  hier  auch  verschiedene  bereits  bekannte  auf,  insbesondere 
in  der  Biographie  des  Siphilio,  eines  dem  Sertonius  zufolge  sehr 
berahmten  sardinischen  Philosophen,  Yipsanius  Laenas,  der  nach 
Tacitus  (ann.  13,30)  im  Jahre  50  n.  Chr.  wegen  Erpressungen  in 


102  Sitzung  der  pbilosophiseh-historUehen  Klasse 

der  Provinz  Sardinien  verortU«|lt  ward.  Es  bdfot  hier  von  ibin 
abo  (p.  25):  habetur  de  Siphilioney  quod  ea  tempestaief  qua  popularit 
lumultus  Karali  excitatus  fiät^  cauea  avaritie  euiuedam  Vip0ani  Lene 
(Genetiv!)  presidis  ipee^  iuvenie  licet  anwiTum  XXXV II ^  atamtn  suorum 
concioium  anitnoi  sedavit,  spondens  *e  ad  consulem  Quintum  VolusiamM 
amicum  suum  rescripturuni  —  Dies  ist  Q.  Voluslus,  Consiil  aller- 
dings in  demselben  Jahr  nach  Angabe  desselben  Tacitus  13,25. 
Nee  spem  f^ellit  eventu9j  fährt  Sertoni us  fort,  nam  vi  Nero  resciciU 
exilio  Vipsanium  damnavii^  worauf  dann  Sipbilio  einen  Tractat 
schrieb  unter  dem  eleganten  Titel  de  modo  quo  iniurie  reparande. 
Als  Nachfolger  dieses  Vipsanius  wird  weiter  genannt  C.  Caesias 
Arpius,  und  zwar  in  folgender  Randnote:  quod  (die  genannte  Scbrift) 
C.  Ceeio  Arpio  iuetiseimo  ac  onesiieeimo  Sardinie  proconeule^  qui  balneo 
portue  itinera  teatra  ac  similia  alia  rettauraoit  ac  auxit  teste  Älareobo 
ac  Melchiade,  dicavit.  Ohne  Zweifel  ist  kein  anderer  gemeint  als 
C.  Caesius  Aper,  der  nach  Inschriften  im  Jahre  60  Cohortenprüfecl 
und  später  kaiserlicher  Statthalter  (Jegatus  pro  praetore)  von  Sar- 
dinien gewesen  ist  Dies  wies  Borghesi  im  Bullett  delV  Institute 
1856  S.  140  f.  nach,  wo  die  Inschrift  von  Sestinum,  ans  der  Apers 
Statthalterschaft  von  Sardinien  uns  bekannt  ist,  zum  ersten  Male 
gedruckt  ward;  ßorghesis  Aufsatz  wurde  bald  darauf  von  den 
verdienten  Spano  BulL  arcJieol,  sardo  IV  (1858)  p.  181  wieder- 
holt —  So  liegt  der  Thatbestand^  auf  den  man  sich  häufig  berufen 
hat  zum  Beweise  dafür,  daüs  positive  Angaben  der  Handschriften 
von  Arborea  durch  später  gefundene  Inschriften  bestätigt  worden 
sind  ^).  Es  kommt  dabei  nur  darauf  an,  dafs  man  sich  über  das 
'später  gefunden  verständigt  Allerdings  ist  die  Inschrift  unstreitig 
um  Jahrhunderte  später  gefunden,  als  die  fragliche  Handschrift  nach 
Angabe  ihrer  Vertreter  geschrieben  ist,  das  heifst  als  das  fünfzehnte 
Jahrhundert.  ludefs  ist  dies  eben  diejenige  Handschrift  —  Vesmes 
n.  III  — ,  deren  paläographische  Beschaffenheit  Hr.  Jaffe  oben  S.  77 
gewürdigt  hat ;  und  ebenso  unstreitig  mangelt  jeder  Beweis  dafür,  dafs 
die  fragliche  Randbemerkung  vor  dem  Jahre  1856  von  irgend  einem 
glaubwürdigen  Mann  gesehen  worden  ist    Zwar  sagt  Vesme^):  >?R0 


')    Zonächst    hierauf    gebt    die    dcffiffillige    Äurticrung    Ycemes    (ubfti 
S.  6D). 

'^}    Nuove  uotizie  intomo  a  Gherardu  da  Firunze.    Bulugna  1]$6D  S.  iO. 


vom  31.  Januar  1870.  103 

dd  iSöO  era  noto^  e  ttato  visto  da  pareechi,  qutl  codice,  che,  acquistato 
poco  dopo  dal  Signor  Ce$€tre  Gameriy  fu  poscia  da  hii  donato  alla 
Biblioteea  di  Cagliari.     Es  ist  in  hohem  Grade  zu  bedauern,   dafs 
in  einem  solchen  Fall,  vro  es  sieh  um  eine  Ffllsehong  handelt  und 
dieselbe  gewissenhafte   Genauigkeit    nnd  strenge   Feststellung   der 
Thatsacben,   wie  sie  im  Criminalprozefs  erfordert  wird,   auch  von 
den   an    einer    solchen    literarischen  Fehde    Betheiligten    gefordert 
ü^erden  darf  und  mufs,  die  Yertheidiger  der  Pergamente  über  die 
MTicbtigsten    Daten    sich    auf  so   allgemeine   und   so  oberflächliche 
Angaben  beschrfinken,  wie  beispielsweise  dies  'viBto  da  pareechi  ist. 
Indefs  dies  ist  ein  Versehen  mehr  in  der  Form  als  im  Wesen  der 
Sache;   in   die  Thatsache  selbst   setze  ich  keinen  Zweifel  und  bin 
überzeugt,  dafs  der  —  allerdings  erforderliche  —  Beweis  nachgeholt 
werden  kann.     Aber  auch  die  Thatsache  als  vollständig  bewiesen 
angenommen,  so  wird  ihr  jede  Beweiskraft  dadurch  entzogen,  dafs 
der  fragliche  Satz  am  Rande  der  Handschrift   steht  und  von  dem 
gewissenhaften  Herausgeber  selbst  ausdrucklich  als  sp&terer  Nach- 
trag bezeichnet  wird.     Nun  steht  aber  keineswegs  fest,  dafs,  wenn 
auch  die  Handschrift  bereits  1850  vorhanden  war,  nicht  noch  nach- 
her es  dem  Falscher  möglich  gewesen  ist  einzelne  Blatter  dersel- 
ben zu   vertauschen  oder  wenigstens  Nachträge  an   den  Rand   zu 
schreiben.     Die   wie  fast  alle  diese  Documente  schwer  zu  lesende 
Handschrift  hat  sich  längere  Zeit   in   den  Händen  von  Abschrei- 
bern befanden;  wer  bürgt  uns  dafür,  dafs  nicht  einer  von  diesen 
der  Fälscher    ist    oder    mit  dem   Falscher   in   Verbindung    stand? 
and    was    beweist    die    Existenz   der  Handschrift    im  Jahre   1850 
dafür,  dafs   damals  auch  schon  jene  Randbemerkung  in  derselben 
stand?     Wenn  am  Rande  eines  Kaufbriefes   ein  ähnlicher  Zusatz 
sich  vorfinde,   welches  Gericht  würde  darauf  hin  entscheiden?  — 
Notorisch  ist  nur,  dafs  die  Inschrift  zuerst  1856,  die  handschrift- 
liche Notiz  £uerst  1865  gedruckt  worden  ist  und  der  Urheber  der 
letzteren  also  gar  wohl   im  Stande   gewesen  sein  kann  von  jener 
Gebranch  zn  machen.  —  £s  wird  hienach  kaum  noch  erforderlich 
sein   darauf  hinzuweisen,    dafs^    wie  schon  aus  Martinis  Vorrede 
append.  p.   14.  15   hervorgeht,   dem   Verfertiger    des   Garnerischen 
Codex  auch   noch  zwei  andere  echte  Inschriften  neuester  Findung 
vorgelegen  haben,  die  des  Isis-  und  Serapis-Tempels  von  Sulci  (della 
Marmora  2,  479,  Nr.  33),  zuerst  herausgegeben  von  Gazzera  1830, 
und  die    der  Cornelia  Tibullesia,   zuerst  herausgegeben  von  della 


104        Sitzung  der  phys.^hist  KlasBe  vom  31.  Januar  1870. 

Marmora  1840  (a.  a.  O.  p.  492  Nr.  63).  Für  mich  ist  das  Ergebnifs 
dieser  Uotersachang,  dafs  die  Garnerische  Handselirifl  nach  dem 
Jahre  1840  verfertigt  und  nach  dem  Jahre  1856  von  ihrem  Yerfer- 
tiger  mit  Nachtrfigen  versehen  worden  ist 

Th.  Mommsen. 


MONATSBEEICHT 

KÖNIGLICH  PBEUSSI8CHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

Februar  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:   Herr  Kummer. 


3.  Februar.    Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Lepsias   las  über  die   altfigyptisehen  Jahreszeiten   und 
Monate« 


Hr.  Cartias  überreichte  der  Akademie  im  Auftrage  des  Ver- 
fassers die  Historische  Topographie  von  Akragas  in  Sicilien  von 
Dr.  Jalins  Schnbring  (Leipzig  bei  EngeLnann  1870)  und  machte 
aaf  den  günstigen  Umstand  aufmerksam,  dafs  den  von  der  Aka- 
demie unterstützten  Untersuchungen  Schubring*s  die  neue  Au&ahme 
der  Terrains  durch  den  Italianischen  Generalstab  in  hohem  Grade 
zu  Oute  gekommen  sei. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Corrapondenzhiatt  des  zoologUch '  minercUogiachen  Vereins  in  Regenthwrg, 
23.  Jahig.    Begensborg  1869.     8. 

£.  J.  Bonsdorff,  Kritik  der  allgemein  angenommenen  Deuiwig  der  Fvr- 
cula  bei  den  Vögeln.     Helsingfors  1869.     4. 

Berichte  der  Deutschen  Chemischen  OeselUchqft  zu  Berlin.  2.  Jahrg.  Ber- 
lin 1869.     8. 

[1870]  8 


1 OG  Ge»ammt3it2ung 

Atti  delf  accademia  di  scienze  morcUi  e  politiche.   Vol.  4.   Kapoli  1869.  4. 

Archivio  per  la  zoologict,    Serie  II,  Vol.  1.     Torino  1869.     8. 

Baumhaner,  Archivees  nierlandiii$ea.    Tome  4.    La  Haye  1869.     8. 

Annumre  de  tacadimie  de  BruxelUe,     Annee  36.    Brnzelles  1870.     8. 

2fyt  Magazin  for  Naturvidenskaberne,     Vol.  16.     Christiania  1869.     8. 

Dipiomatarium  norrefficum,     XIV.     Qiristiania  1869.     8. 

Norwegieche  Statistik.     Christiania  1868—69.     4.     20  Hefte. 

Flatej/jarbok,     in,  2.     ib.  1868.     8. 

Botten-Hansen»  La  Narvege  iiterttire.     Cbxiftiania  1868.     8. 

Thomas  Saga  Erkibyskups.    J^tor  gamle  Haandskri/ter  vdgiven  qf  C.  R. 

Unger.     Christiania  1869.     8. 
Forhandiinger  i  Videnskabs-Seiskabei  i  Christiania  aar  1868.     Christiania 

1869.     8. 
Bet  Kongelige  Norske  Videnskabers   Seiskabs  Skri/ter  i  det  19  de  Aarhun- 

drede.    V,  2.     Throndhjem  1868.     8. 
£.  Sparano,  Vorigines  ed  il  progresso  delle  nazioni,     Caserta  1869.     8. 
Giolo,  Avrertimenti  di  agricolton,     Rovigo  1864.     8, 
Garcin  de  Tassy,    Histoire  de  la  Uterature  hindoiiie  et  hindoustanie,     EcL 

n.     Tome  1,     Paria  1870.     8. 


10.  Februar*     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  W.  Peters  las  eine  Abhandlung  über  die  afrikani* 
sehen  Warneidecbsen,  Monitorea^  and  ihre  geographi- 
sche Verbreitung,  von  welcher  im  Folgenden  ein  Auszug  mit- 
getheilt  wird. 

Die  Monitoren  sind  unter  allen  Eidechsen  durch  ihre  Grofse 
ausgezeichnet,  indem  einzelne  Arten  eine  Länge  von  2^  Meter 
(7  FuTs)  erreichen.  Sie  stehen  in  dieser  Hinsicht  nur  den  Croco- 
dilen  nach,  mit  denen  sie  seit  den  ältesten  Zeiten  von  Reisenden 
verwechselt  worden  sind.  Indessen  finden  wir  sie  schon  bei  den 
alten  griechischen  Schriftstellern  unter  dem  Namen  der  Landcroco- 
dile  von  den  Flufscrocodilen  oder  eigentlichen  Crocodilen  unter- 
schieden, indem  z.  B.  Herodot  unter  den  Thieren  der  libyschen 
Wüste  der  Landcrocodile  {x^oxihtiKot  yjarcuoi)  von  mehr  als  4  Fufs 
Länge  erwähnt. 


vom  10.  Februar  1870,  107 

Co  vier  bat  ctierst  nnd  swar  im  Jahre  1817^)  die  hierher  ge- 
hörigen Arten  in  eine  Untergattung,  welche  er  Monitor  nannte,  xu- 
BammengefallBt  und  die  SoTseren  Merkmale  angegeben,  welche  sie  von 
anderen  verwandten  den  beiD^en  Gegenden  Amerikas  angehorigen 
Gattungen  unterscheiden,  mit  denen  sie  sowohl  vor  als  nach  ihm 
Ton  verschiedenen  Autoren  unrichtigerweise  vereinigt  worden  sind. 
Man  kennt  jetzt  an  zwanzig  Arten,  welche  sämmtlich  der  östlichen 
Hemisph&re  angeboren  und  in  Afiriea,  Asien  und  Australien  ver- 
breitet  sind. 

Sie  sind  Ton  Fitzinger,  Wagler  nnd  Gray  in  verschiedene 
Gattungen  veriheilt  worden,  wfibrend  Dum^ril  und  Bibron  in 
ihrem  groDsen  Werke  über  die  Reptilien  dieselben  in  eine  einzige 
Gattung  vereinigt  haben,  für  welche  sie  den  Namen  VaranuB  an- 
genommen, unter  welchem  diese  Thiere  von  Merrem  im  Jahre 
1820')  aufgeführt  worden  sind. 

Es  sind  die  einzigen  Eidechsen  der  östlichen  Hemisphibre,  wel- 
che, wie  die  Schlangen,  eine  schmale,  tiefgespaltene,  in  eine  Scheide 
zarückziehbare  Zunge  haben.  Ein  ganz  fihnlicher  Zungenbau  fin- 
det sich  aufserdem  nur  bei  den  amerikanischen  Eidechsengattungen 
T^  und  Amewa  und  das  hat  früher  Veranlassung  gegeben,  sie 
mit  diesen  in  eine  einzige  Gattung  zu  vereinigen.  Aber  schon  die 
ganz  verschiedene  Pholidosis,  namentlich  die  grofsen  regelmSfsigen 
Kopfschilder  der  letzteren  im  Gegensatz  zu  der  aus  kleinen  Schup- 
pen bestehenden  Kopfbedeckung  der  Monitoren  unterscheidet  diese 
auf  den  ersten  Blick.  Die  aus  gröfseren  länglichen,  ringförmig  von 
Eömchenschnppen  umgebenen  und  in  regelmfifsigen  Querreihen  ge- 
ordneten Tuberkeln  bestehende  Bekleidung  der  obern  Seite  des 
Körpers,  die  an  der  innem  Seite  der  Kiefer  sichtbare  verbreiterte 
Basis  ihrer  Zähne  sind  fernere  Merkmale,  welche  diesen  Eidechsen 
aosschliefelich  zukommen.  AUe  haben  vier  wohl  entwickelte  fünf- 
zehige Extremitäten  mit  fünf  Krallen  und  keine  Schenkelporen. 
Die  Merkmale,  nach  welchen  die  Guvier'sche  Gattung  Monitor 
in  mehrere  Gattungen  zersplittert  worden  ist,  sind  hergenommen 
von  der  mehr  oder  weniger  zusammengedrückten  Form  des  Schwan- 
zes,  der  mehr  rundlichen  oder  ovalen  Form  und  der  geringeren 


0  Btgne  animal.  U,  p.  24. 

')  Versuch  eines  Systems  der  Amphibien.  1820.  p.  58. 

8 


108  Oeiammtsitzung 

oder  grofseren  Entfernung  der  Nasenlöcher  von  den  Aagen  and  der 
Form  der  Z&hne.  Mit  Recht  haben  aber  schon  Dum^ril  und 
Bibron  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  diese  Merkmale  an  Werth 
verlieren,  tbeib  dadurch,  dafs  sich,  wenn  man  alle  bekannten  Ar- 
ten betrachtet,  ein  allm&bliger  Obergang  zwischen  den  extremen 
Formen  beobachten  Ififst,  theils  dadurch,  dafs  bei  verschiedenen 
Arten  je  nach  dem  verschiedenen  Lebensalter  die  Z&hne  eine  sehr 
verschiedene  Gestalt  annehmen.  Auch  ich  kann  mich  nur  ihrer 
Ansicht  anschliefsen,  dafs,  so  lange  uns  nicht  andere  wichtigere 
Meikmale  zur  Unterscheidung  vorliegen,  die  Yertheilung  sämmt- 
lieber  Arten  in  eine  einzige  Gattung,  vielleicht  mit  mehreren  Un- 
tergattungen, naturgem&fser  ist. 

£s  durfte  auffallend  erscheinen,  dafs  bei  der  Grofse  dieser 
Thiere,  deren  einzelne  Arten  in  den  verschiedenen  Welttheilen  mei- 
stens eine  sehr  weite  Verbreitung  haben,  die  Unterscheidung  der 
Arten  noch  nicht  zu  einem  Abschlufs  gekommen  ist,  was  doch 
grade  für  die  geographische  Verbreitung,  an  welche  sich  die  Lö- 
sung so  vieler  allgemeiner  Fragen  anknüpft,  eine  so  grofse  Wich- 
tigkeit bat. 

Das  Material,  welches  mir  zu  Gebote  steht,  ist  nicht  hinrei- 
chend, um  diese  Frage  hier  ganz  zu  lösen.  Nur  in  Bezug  auf  die 
afrikanischen  Arten  liegt  mir  ein  solches  vor,  wie  es  vielleicht  in 
keiner  anderen  Sammlung  vorhanden  sein  dürfte.  Aus  Nord-  und 
Nordostafrika  besitzen  wir  Exemplare  aus  der  Sammlung  der  Hrn. 
Ehrenberg  und  Hemprich,  aus  dem  Caplande  von  Krebs,  aus 
Sud-Ostafrika  von  dem  Baron  Carl  von  der  Decken,  aus  mei- 
ner eigenen  Sammlung  und  aus  den  sehr  wichtigen  Sammlangen 
von  Säugethieren  und  Amphibien,  welche  unser  Museum  der  hiesi- 
gen Mission  durch  Hrn.  Grützner  verdankt,  und  von  der  West- 
küste haben  wir  mehrere  Exemplare  durch  Hm.  Halleur,  Ungar, 
Dr.  F  in  seh  und  Dr.  Hartlaub  erhalten. 

l.  Monitor  nilotious 'S  HB  sei  qvLiBi. 

Diese  Art,  welche  mit  der  folgenden  von  den  meisten  Autoren 
vereinigt  worden  ist,  unterscheidet  sich  durch  das  stets  viel  dunk- 
lere Colorit  und  vorzüglich  dadurch,  dafs  die  Nackenschuppen  klei- 
ner als  die  Rückenschuppen  sind,  während  das  Umgekehrte  bei  al- 
len übrigen  afrikanischen  Monitoren  der  FaU  ist  Sie  scheint  aus- 
schliefslich  dem  Nilgebiete  anzugehören. 


vom  10.  Februar  1870.  109 

2.  Monitor  sauruBhanr enii. 

Lacerta  capenM  Sparrmann. 

Tupinamlna  ateliaiu»  D  au  d  i  n. 

Vartums  mioHeuSf  Dam^ril  et  Bibron  ex  parte. 
Eine  im  Osten  von  Zanzibar  bis  nach  dem  Caplande  and  an 
der  Westkfiste  in  Guinea  verbreitete  Art,  welche  die  vorige  in  die- 
sen elenden  vertritt.  Sie  h&lt  sich  wie  jene  in  der  Nähe  des 
Wassers  auf  und  kann  aach  an  Baumstämmen  liinanf  klettern.  So 
traf  ich  im  Lupatagebirge  ein  Exemplar,  welches  sich  einen  Ruhe- 
platz auf  einem  circa  3  Meter  hohen  Baumstamm  zwischen  den 
Ästen  ausgewählt  hatte,  Vün  dem  ^s  sich  bei  meiner  Annäherung 
herabstürzte,  am  ins  Wasser  zu  fliehen. 

3.  Monitor  alhogularia  D  a  u  d  i  n. 

Tvpinamhia  alho^ularis  D  a  n  d  i  n. 

Varcmus  aihoptlaris  'Dum iril  et  Bibron.  • 

Vtaranu»  alboguiaris  A.  S  m  i  th. 
Eine  Art,  welche  bisher  mit  Bestimmtheit  nur  in  dem  südost- 
lichen Theile  Afrikas,  vom  15  bis  27°  S.  Br.  gefunden  worden  ist, 
sich  durch  die  kleineren  Schuppen  leicht  von  den  beiden  folgenden 
Arten  unterscheiden  läfst. 

4.  Monitor  ocellatus  R  ü  p  p  e  1 1. 

Aus  Abessinien  und  Kordofan.  Mit  der  vorhergehenden 
Art  durch  die  unmittelbar  vor  den  Augen  befindlichen  Nasenlöcher, 
mit  der  folgenden  durch  die,  besonders  am  Nacken,  grofsen  Schup- 
pen übereinstimmend. 

5.  Monitor exanthematicua B ose. 

Laeerta  exanthematica  BoiCt    Act.  Soc^  ^hist.  not.  Paris.  1792. 

Tat  5.  Fig.  3. 
Tupinambis  exanthematicu»  Daadin.  III.  p.80. 
Var<Mmu  ocellatu8  D  n  m.  B  i  b  r.  m.  p.  496. 
Regenia  octilata  Gray  Catal.Liz.  p.9. 
Von  den  beiden  vorhergehenden  verschieden  durch  die  Entfer- 
nung der  Nasenlocher  von  den  Augen,   die  reichlich  halb  so  grofs 
ist,  wie  ihre  Entfernung  von  der  Schnauzeospitze. 

Sie  ist  bis  jetzt  ausschliefslich  an  der  Westküste  Afrikas, 
vom  Senegal  bis  Angola  gefunden  worden. 

6.  Monitor griseuaDsLud in. 

Tvpincanbis  griaeua  D  and  in.  VIII.  p.  352. 
Tupincanhw  arencariua  6  e  o  f  f  r  o  y. 


110  '    GesamnUsitzung 

Varantu  9eincu$  Merrem. 
VcaranuB  artnariuB  D  v  m.  B  i  b  r. 
Aus   dem   nordlichen   Africa   (Äg^ten,  Tripoli,  Algerien), 
Arabien  (dorch  Ehrenberg)  und  Persien. 


Hr.  W.  Peters  gab  femer  einen  Beitrag   xur   Kenntnifs 
der  herpetologischen   Fauna   von    Südafrika. 

Hr.  Dr.  H.  Meyer,  welcher  sich  mehrere  Jahre  in  Hantam 
(CaMniadistrict,  Oorlogsrivier,  S.  W.  Africa)  aufgehalten,  hat  eine 
in  der  dortigen  Gegend  gemachte  Sammlung  von  Arthropoden  und 
Amphibien  mitgebracht,  über  welche  letztere  ich  mir  eine  Mitthei- 
Inng  Torsul^en  erlaube,  da  sie  aufser  mehreren  seltenen  unserem 
Museum  noch  fehlenden  Arten  eine  neue  Gattung  Ton  Geckonen 
enthfilt,  und  die  Kenntnifs  des  Fundorts  fSr  die  geographische  Ver- 
breitung von  Interesse  sein  durfte.  Ich  verbinde  damit  die  Yorlage 
von  zwei  mir  von  Hm.  Sundevall  zur  Ansicht  mitgetheilten  eigen- 
thfimlichen  Batrachiem,  welche  Hr.  Wahlberg  im  Kafferlande 
entdeckt  hat  und  von  denen  A.  Smith  in  seinen  Illuatratiant  of 
the  Herpetologie  0/  SotUh  Africa  eine  kurze  Beschreibung  lieferte. 

Saxtrii. 

1.  C^amae/aopumt7iM Latr eil le. —  Hantam. 

2.  Chamaeleo  namaquensis  Smith.  —  Hantam  und  Oranger!- 
vier.*) 

3.  PachydaetylusBihronti 8 ml th. —  Hantam. 

4.  Pachydactylus  capenais  Smith.  —  Hantam. 

5.  Pachydactylus mariquenM  Smith.  —  Hantam. 

ChondrodactyluB  nov.  gen.') 
Differt  a  Stenodactylo  unguium  de/ectu  (f  pholido$i  notad  heU^ 
rogenea). 


^)  Da  Merrem  bereits,  wenn  auch  nur  nach  einer  Seba*6chen  Abbil- 
dung, einen  C%.  calcaratus  aa£fahrt,  habe  ich  den  Namen  der  von  mir  so 
benannten  nnd  beschriebenen  Art  (MonaUberüAt  1869.  p.44ö)  in  CL  catcari^ 
umgeändert. 

')   x^^^9^*9  granom,  iaxrvXoc* 


vom  10.  Februar  1870.  1 1 1 

6.  Ck,  amguli/er  n.  sp.  (Taf.  Fig.  1). 

C%.  ftipra  cmtrto/ueeMj  /asciü  Juico'nigris  laiis  angulatU  or* 
naüts. 

Im  Habitns  fihnlich  dem  Stmodaetyhu  ffuiiatH$y  aber  mit  kör- 
serer  Scbnaiue  und  mit  knneii  Stommelxehen.  Kopf  um  ^  brei- 
ter als  hoch.  Schnaoae  ^  l&nger  als  das  Auge,  welches  genau  in 
der  Mitte  awischen  der  Schnanienspitae  und  der  Ohröffnung  liegt. 
Nasenlocher  swischen  drei  convezen  Schildchen  gelegen,  ron  denen 
das  grofste  innere  mit  dem  der  anderen  Seite  zusammenstöfot. 
Schnauze  mit  convexen  Schuppen  bedeckt,  welche  sich  bis  sum 
Hinterhanpte  hinaufaiehen,  yon  wo  an  Tiele  runde  gekielte  Tuber- 
keln swischen  der  feineren  Granulation  des  Rfickens  hemmragen, 
welche  nach  den  Korperseiten  hin  an  Greise  abnehmen.  Das  obere 
nidimentfire  Augenlid  ist  mit  einer  Reihe  platter  Schuppen  bedeckt, 
wahrend  das  untere  feine  Kömchen  zeigt,  welche  sich  vor  dem 
Auge,  nach  den  Snpralabialia  hin,  allmfthiig  gröfoer  werdend,  hin- 
aiehen.  Die  Ohröffnung  bildet  eine  mfilsig  grofee  schiefe,  am  Tor- 
deiu  Kande  grade,  am  hintern  Bande  conveze  Spalte.  Supndabialia 
10  bis  11;  Infralabialia  11  bis  13.  Der  hintere  bogenförmige  Theii 
der  Lippen  ist  mit  kleinen  Kömdien  gerfindert.  Das  Rostrale  ist 
breiter  als  das  Mentale,  welches  Iftnger  als  breit  und  hinten  abge- 
Btmnpft  ist  Die  untern  Theile  der  Körperseiten  sind  mit  convexen 
Schuppen  bekleidet,  welche  viel  gröfeer  sind  als  die  feinen  Granula 
des  Rückens.  Die  Kehle  und  Submentalgegend  ist  sehr  fein  ge- 
körnt, wobei  die  kleinen  convezen  Schüppchen  nach  der  Lippe  hin 
aUmShb'g  groCser  werden.  Brust  und  Bauch  sind  mit  kleinen  dach- 
ziegeUönnig  gelagerten  glatten  Schuppen  bekleidet  Auf  dem 
Schwänze  stehen  die  gröfseren  st&rker  gekielten  Tuberkeln  in 
Qoerreihen  und  die  Unterseite  desselben  ist  mit  flachen  Schuppen 
bekleidet,  welche  merklich  gröfser  sind  als  die  der  Ventralgegend. 

Die  vordere  Extremität  ragt  nach  vom  gelegt  mit  dem  läng- 
sten Finger  eben  über  das  Auge  hinaus,  während  die  hintere  bis 
an  die  Achselgrube  reicht  Die  Innenseite  des  Ober-  und  Unter- 
anns ist  fein  granulirt,  die  Aufsenseite  mit  convexen  Schuppen  be- 
kleidet, unter  denen  einige  auf  dem  Unterarm  tuberkelförmig  her- 
vorragen. Alle  Finger  sind  kurz,  der  1.  ein  wenig  langer  als  der 
5.,  dann  folgt  der  2.,  4.  und  3.;  Hand  und  Finger  sind  oben  mit 
glatten  Schuppen  bekleidet;  Hand-  und  Fingersohlen  fein  granulirt 
und  xwar  stehen  die  Granula  unter  den  Fingern  in  10  bis  12  Längs- 


112  OeBammUitzung 

reihen.  An  der  Basis  der  Hand  und  jedes  Fingers  tritt  die  Haat 
wnlstartig  hervor.  Der  Oberschenkel  ist  nnten  und  hinten  fein 
granulirt,  vom  mehr  oder  weniger  dachEiegeifdrmig  beschuppt,  oben 
mit  Tuberkeln  versehen.  Der  Unterschenkel  ist  an  der  innem 
Seite  mit  convezen  Schuppen  an  der  ftufsem  mit  Tuberkeln  und 
feinen  Kömchen  bekleidet.  Die  Zehen  nehmen  von  der  1.  bis  4. 
progressiv  an  Lunge  su,  die  5.  steht  der  Lfinge  nach  in  der  Mitte 
awischen  der  2.  und  3.  Die  Beschnppung  des  Fulses  und  der 
Zehen  ist  ganz  ähnlich  wie  die  der  Hand  und  Finger.  Nirgends 
kann  ich  die  Spur  eines  Nagels  entdecken. 

Oberseite  des  Kopfes  dankelbraun  mit  undeutlichen  dunkleren 
Lfingsstreifen  zwischen  den  Augen.  Auf  jeder  Schlfife  ein  dunkler 
Fleck,  welcher  sich  nach  oben,  hinten  und  innen  auf  die  Seite  des 
Hinterhaupts  ausdehnt.  Auf  der  Mitte  des  Hinterhaupts  ein  dunk- 
ler Fleck,  welcher  sich  in  einen  mittlem  Längsstreifen  fortsetzt^ 
der  sich  mit  einer  breiten  winkligen  schwarzgeränderten  Querbinde 
über  der  Schultergegend  vereinigt.  Eine  zweite  breite  Querbinde 
auf  der  Korpermitte,  eine  dritte  (zuweilen  fehlende)  vor  und  eine 
vierte  auf  der  Sacralgegend.  Die  dunklem  Ränder  dieser  Quer- 
binden werden  jederseits  entweder  durch  einen  hellem  Saum  oder 
durch  helle  Flecken  hervorgehoben.  An  den  Körperseiten  rnnde 
helle  Flecke  auf  der  dunklem  netzförmigen  Grundfarbe.  Schwarz 
mit  vier  breiten  schwärzlichen  Querbinden,  welche  durch  schmale 
gelblichweifse  Zwischenräume  getrennt  werden.  Die  ganze  Unter- 
seite bräunlichgran. 

Vord.  Extremität    .  .  0?023 

Hand  mit  3.  Finger  .  070065 

Hint.  Extremität     .  .  07027 

Fufs  mit  4.  Zehe  .  .  0?0085 

Fünf  Exemplare  aus  dem  Calviniadistrict,  Oorlogsrivier. 

7.  Agama  hispida  liinne. 

Lacerta  hispida  L  i  n  n  e »  Syst,  not,  ed.  X.  p.  205. 

I  Agama  hiapida  Gravenhorst,  JVov.  Act  Acad,  C.  L,  Not, Cur.  XVL 

2.Taf.64.Fig.l— 8. 
Agama  aculeata  M  e  r  r  e  m ,  Syst»  Amphib.  p.  53. 
Trapelus  hispidua  Kaup,  Isis.  1827.  p.616.  Taf.  7. 
Agama  aculeata  et  spinosa  Dum^ril  et  Bibron,  Erp.  getuIV.  p.499 

&502. 


Totallänge     .     < 

.     .     .     0?085 

Kopflänge     .     < 

.     .     .     0?0185 

Kopfbreite     .     < 

.     .     .     0»0142 

Kopfhöhe      .     . 

.     .     .     0?011 

Schwanz 

.     .     .     0?032 

vom  iO.  FAruar  1870.  113 

Ich  kann  die  Merkmale,  welche  Damiril  and  Bibron  zur 
Unterscheidung  von  A,  aeuUata  nnd  hispida  angeffibrt  haben,  nur 
far  indiTidaelle  nnd  sexnelle  halten.  Der  schlankere  Körper  und 
ISngere  Schwanz  (Seba.  ü.  Taf.8.  Flg.  6)  kommt  den  Mftnncben,  der 
breitere  Korper  nnd  der  kürzere  Schwanz  (Seba.  I.  Taf.83.  Fig  1.3, 
Taf.l09.Flg.6;  IL  Taf.8.  Fig.  7)  den  Weibchen  zu.  Die  Original- 
exemplare  von  Orayenhorst's  A,  higpida  habe  ich  durch  Hm. 
Grabe's  gütige  Yermittelung  nntersnchen  können  nnd  zeigen  die« 
selben,  wenn  auch  schwach,  deutliche  Kiele  der  Bauchschuppen. 
Die  mehr  oder  weniger  stachlige  Beschaffenheit  der  Schuppen  um 
das  Occipitale  und  auf  den  Gliedmafsen  hilngt  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  eben  so  wie  die  geringere  oder  st&rkere  Entwickelung 
der  Kiele  der  Bauchschuppen  von  der  Jahreszeit  ab.  Übrigens 
erlaube  ich  mir  noch  zu  bemerken,  dafs  die  von  Seba  II.  Taf.  8 
Fig.  6  abgebildete  Art  die  dritte  Zehe  Iftnger  als  die  vierte  hat, 
nach  der  diagnostischen  Tabelle  von  Dum^ril  et  Bibron  das  Ge- 
gentheil  stattfinden  soll,  wfihrend  in  der  Beschreibung  von  A.  aeu' 
lenta  nichts  über  diesen  Punct  erwähnt  ist.  Auf  der  anderen  Seite 
xeigt  dieselbe  Figur  verl&ngerte  Stachelschuppen  auf  dem  Kopfe 
und  den  Extremit&ten,  welche  nach  ihrer  Beschreibung  A.  aculeata 
nicht  haben  soll.  —  Calvinia-District. 

8.  it^oinaatraDaudin. 

1  Agama  aculeata  M  e  r  r  e  m ,  Beitr.  Getch.  Amph,  HL.  p.  91.  Taf.  5. 

Agama  atra  Dum^ril  et  Bibron,  1.  c.  IV.  p.403. 

Agama  atra  et  cc^neis  (aculeata)  Gra^,  Cat,  Lix.  256.  257. 

Wir  besitzen  das  Originalexemplar  aus  der  Sammlang  des  Gra- 
fen von  Borcke  (Nr.  750.  Mus.  Berol.),  nach  welchem  Merrem 
seine  A,  aculeata  abgebildet  und  beschrieben  hat  und  ich  weiTs 
nicht,  aas  welchem  Grunde  Dumeril  et  Bibron  angenommen  ha- 
ben, daÜB  nur  die  Abbildung  und  nicht  die  Beschreibung  Merrems 
aaf  diese  Art  zu  beziehen  sei.  Die  Seitenfalten  des  Rückens  sind 
bald  vorhanden,  bald  fehlen  sie  und  eben  so  sind  zwar  in  den 
meisten  Ffillen  hervorspringende  Schuppen  mit  l&ngem  Spitzen 
und  von  etwas  betrfichtlicherer  Grofse  unter  den  seitlichen  Rücken- 
schnppen  bemerkbar,  wfthrend  bei  einzelnen  Exemplaren  die  Be- 
Bchnppung  hier  ganz  homogen  ist  —  Hantam. 

9.  Agama  armata  Ptrs. 

Ein  einziges  sehr  grofses  Exemplar,  ausgezeichnet  durch  die 
grofsere  Zahl  der  Supralabialia,  15  anstatt  12  oder  11,  von  dem 
Orangerivier. 


114  GesammUitzung 

10.  EremiaiKnoxiiEd'WEkTdB,  —  Hantam. 

1 1 .  Er$miai  eapmuis  (et  latieeps)  Smith. 

Von  dieser  Art  liegen  gegen  20  Exemplare  Tor,  die  nicht  al- 
lein in  der  Farbe,  sondern  auch  in  der  Pholidosis  so  variiren,  dafs 
ich  es  für  mehr  als  zweifelhaft  halten  ma£s,  ob  E.  laticeps  davon  za 
trennen  sei.  Einige  haben  ganz  dieselbe  schwarze  Grandfarbe  mit 
fünf  goldgelben  Linien,  wie  eine  YarietAt  von  E.  lugubrii  (Smith 
I.e.  Taf.46.Fig.2  »  E.  lugubria  et  dorealie  Dumeril  et  Bibron), 
andere  zeigen  gelbweifse  Puncto  zwischen  diesen  Linien,  bei  andern 
werden  die  Linien  undeutlich  und  es  tritt  statt  deren  eine  netzför- 
mige Zeichnung  auf  ond  bei  zwei  Exemplaren  sind  die  hellen  Li- 
nien ganz  yerschwunden  und  die  Zeichnung  ist  ühnlich  wie  bei 
Smith  auf  Taf.  4.  5.  Fig.  2.  Bei  einigen  stofsen  die  beiden  Supra- 
Orbitalschilder  mit  ihrem  ganzlsn  innem  Rande  an  das  Frontale, 
bei  anderen  tritt  vorn  eine  Reihe  kleiner  Schuppen  dazwischen 
und  bei  anderen  sind  sie  yollstfindig  durch  eine  solche  Reihe  von 
dem  Frontale  getrennt,  ohne  dads  die  verschiedene  Ffirbung  dieser 
verschiedenen  Beschuppung  entsprfiche.  Es  finden  sich  4,  5,  6  oder 
7  Supralabialia  vor  dem  an  den  Lippenrand  tretenden  Infraoculare. 
— -  Hantam. 

1 2.  Eremias  lineo-ocellata Smith.  —  Hantam. 

13.  Lacerta Delalande EdwtLTdB, —  Hantam. 

14.  Euprepee  trilineatus  Schneider,  —  Hantam. 

15.  Euprepes  vittatue  Olivier,  var.  occidentalis  Ptrs.  —  Hantam. 

Euprepet  Oiivierü  Smith,  lUuatr.  S.  A/r,  Rept.  Taf.  31.  Fig.  3. 4. 5. 
Ich  erlaube  mir  bei  dieser  Gelegenheit  zu  bemerken,  dafs  die 
von  mir  zu  dieser  Art  gezogenen  Exemplare  {E.  varius  Ptrs.,  Mo- 
nateherichte.  l^^l ,  ^.20)  nicht  zu  der  von  Smith  abgebildeten  Art 
geboren,  wie  ich  angenommen  hatte. 

1 6.  Typklosaurus  ccecue  Cuvier.  —  Hantam. 

Aconticu  (xecua  Cuvier,  Regne  animaL  1817.  II.  p.60. 
Typhloeaurue  ccecua  W  i  eg  m  a n  n ,  Berpetologia  mexiccma  p.  54. 

Ophidii. 

17.  OnychocepJialtM  Lalandü  Schlegel, —  Hantam. 

1 8.  CoroneUa cana Linn^.  —  Galvinia- District. 

19.  Psammophie  eihilaneJjinne.  —  Hantam. 

20.  Philothamnue  eemivarisgatus  Smith«  —  Orangerivier. 

21.  Poecilophülacteua Li nn^, —  Hantam. 

22.  Aapidelaps  h^ricu8Jj9LVir enii, —  Hantam. 


V:ini(^WdUiaddWks(närh  Berlin  n>  ^  lli 


]rhoni!ro(!aclvliis,inQiilifer._'ar-ihrali'p(isW^lilh?ii 
•!  Hyperolius  lubpiilinänis 

r  f  Schmoll  («ul;lh 


vom  10.  Februar  1870.  115 

23.  Najah^jelttkurenti. —  Hantam. 

24.  Viperaeomuta  Daudin.  —  Calvinia-District  und  Oran- 
gerivier. 

Batrachia. 

1.  ArthrolepHs  Wahaergii  Smith.  (Taf.Fig.2.) 

Arthroieptis  Wahlberffü  S  mi  tb,  Iliuiir.  ZooL  S.  Äff.  Rept.  App.  p.  24. 

Diese  Art  ist,  wie  ich  mich  durch  directe  Yergleichung  habe 
überzeugen  können,  durch  die  Iftngere  und  spitzere  Schnauze,  das 
kleinere  Trommelfell,  etwas  andere  Proportionen  der  Eztremit&ten 
und  die  Färbung  leicht  zu  unterscheiden  von  A.  pceeilonotus^  von 
der  ich  eine  ausfuhrliche  Beschreibung  gegeben  habe  (MonaUberieht. 
1863.  p.446). 

Von  J.  Wahlberg  im  Elafferlande  entdeckt. 

2.  HyperoUustuberilinguü  Sun deT all  (TalFig.3.) 

HyperoHu9  tuherüinguU  SnndeTall,  Smith  1.  c.  p. 26. 

Der  Smith 'sehen  Beschreibung  dieser  durch  ihre  Zungenbil- 
düng  ausgezeichneten  Art  habe  ich  noch  hinzuzufügen,  dafs  das 
Tronmielfell  versteckt  ist 

Ebenfalls  von  Wahlberg  im  Kafferlande  entdeckt  Aufoer 
dem  mir  vorliegenden  Exemplare  waren  nach  Hrn.  Sundevalls 
Mittheilung  noch  zwei  andere  Exemplare  mit  derselben  Zungenbil- 
dung an  Hm.  A.  Smith  zur  Untersuchung  gesandt  worden,  die 
verloren  gegangen  zu  sein  scheinen.  Um  so  willkommener  durfte 
daher  eine  Abbildung  des  noch  fibrig  gebliebenen  Exemplars  sein, 
welches  dem  Museum  zu  Stockholm  angehört.') 


^)  Ich  erlaube  mir  bei  dieser  Gelegenlieit  den  Namen  von  Hemidacijflu9 
variegatut  P  trs.  {MonaUherichte  1S68  p.449 ;  C.v.d.  Decken  Reuen.  HL  p.  13. 
Amphib.-Taf.U;  non  Dnm^ril  et  Bibron)  in  H,  picturatue  omzuändern. 


m 

Erklärung  der  Abbildungen. 

Flg.  1.  Ckondrodactyius  anguli/erVtt9.i  in  natürlicher  Gr^fse;  Fig.  la.  Un- 
teneite  der  rechten  Hand  5mal  veigröfsert. 

Fig.  2.  Arthroieptis  Wahlhergii  Smitb,  in  natfirlicher  Gröfse;  Fig.  2a.  auf- 
gesperrtes Maul  einmal  vergrötsert. 

Fig.  3.  J?^ro/ttf« /ii6«rtVtn^ut9  Sundevall,  in  natärlicher  Grobe;  Fig.  3a. 
an^esperrtes  Maul  in  doppelter  Gröfse. 


IIS  Gesammtsitzung 

Hr.  WeierBtrafs  legte  eine  Abbandlang  des  Hrn.  Eostka 
so  Elbing 

Über  die  Auffindung  der  ellipsoidischen  Gleichge- 
ip^icbtsfiguren  einer  bomogenen,  um  eine  feste  Axe 
rotirenden  FlüsBigkeitBmasse,  wenn  deren  Dichtig- 
keit und  Umlaufszeit  bekannt  sind, 
vor ' ). 

Es  sei  D  die  Dichtigkeit,  T  die  Umlaufszeit  einer  um  eine 
feste  Axe  rodrenden  FlusBigkeitsmasBe,  /  der  Proportionalitfilsfak- 
tor  des  Newtonseben  Graritationsgesetzes :  dann  giebt  es  bekannt- 


^)  Hr.  Richelot,  Ck>rre8pondent  der  Akademie,  der  diese  Aibeit  ein- 
geBandt  hat,  schreibt  darüber  Folgendes: 

9  So  Tiel  ich  weifs,  ist  keine  geeignete  und  sichere  Methode  bis  jetzt  be- 
kannt gemacht,  die  Axenverh&ltnisse  des  dreiazigen  Gleichgewichtsellipsoids 
zn  berechnen. 

Dies  yeranlafste  mich  am  Anfange  des  Jahres  1868  meinem  oben  ge- 
nannten, talentvollen  Schfller,  nachdem  er  während  seiner  UniverBitätsstodien 
in  diese  Untersuchungen  und  in  die  Theorie  der  elliptischen  Funktionen  von 
mir  eingeführt  war,  die  Ani^be  zn  stellen,  eine  solche  Näherungsmethode  zu 
suchen  und  an  demjenigen  Resultat  namentlich  zu  prfifen,  welches  Ton  dem 
ausgezeichneten  Schfller  Jacobi*s,  dessen  Namen  in  diesen  Untersnchongen 
rflhmlichst  bekannt  ist,  gewibermaCien  noch  unter  den  Auspizien  selnet  nn* 
sterblichen  Lehrers  gefunden  und  später  Ton  allen  Qeometem  als  richtig  an- 
genommen war.  Ich  meine  die  Axenverhältnisse  bei  der  Umdrehungsgeschwin- 
digkeit unserer  Erde,  die  Hr.  Prof.  O.  Meyer  im  24.  Bande  des  Crelleschen 
Journals  zuerst  angegeben  hat,  ohne  die  Art  der  Berechnung  anzuführen. 
Ohne  letztere  zu  kennen,  hegte  ich  doch  seit  längerer  Zeit  Bedenken  gegen 
die  mir  von  Jacobi  und  Meyer  darüber  angedeutete  Art  der  Berechnung 
und  hielt  die  Resultate  fftr  unrichtig. 

Hr.  Kostka  hat  in  jeder  Beziehung  meine  Erwartungen  ToUkommen 
gerechtfertigt  Seine  von  ihm  ausgedachte,  in  demselben  Jahr  mir  mitgetheilte 
Näherungsmethode  fand  ich  sicher  und  geeignet;  aber  sie  gab  yflllig  abwei- 
chende Zahlenresultate  fQr  das  genannte  Beispiel. 

Die  Wichtigkeit  des  Gegenstandes,  sowie  die  Eigenthflmlichkeit  seines 
Verfahrens  yeranlafste  mich.  Hm.  Kostka  vorzuschlagen,  die  Resultate  noch 
auf  andere  Weise  zu  prfifen.  In  Folge  dessen  fand  er  eine  andere,  einfachere 
Methode.  Es  ist  dieselbe,  welche  ich  Ihnen  in  einem  das  Wesentlichste  ent- 
haltenden Auszuge,  den  ich  der  Akademie  vorzulegen  bitte,  mittheile. 

Königsberg,  den  30.  Januar  1870. 

F.  Richelot.* 


vom  10.  Februar  1870.  117 

lieh  für  jeden  Wcrth  der  Zahl  F=  fTPfi  zwischen  0  und  0,18711 

zwei  Rotationsellipsoide  und  ein  dreiaxiges  als  Gleichgewichtsfigu- 
ren, zwischen  F=  0,18711  und  F=s  0,2846  nur  zwei  Rotations- 
ellipsoide. Die  Frage,  wie  zu  jedem  gegebenen  Werthe  von  V  die 
zugehörigen  ellipsoidiscben  Gleichgewichtsfiguren  zu  ermitteln  sind, 
wird  im  Folgenden  fGr  den  Fall  eines  sehr  kleinen  F  behandelt, 
der  hauptsächlich  bei  physikalischen  Problemen  Anwendung  findet. 
Hierfür  ist,  wenn  A^  B,  C  die  drei  Axen,  C  die  Drehungsaze: 


Rotationsellipsoid, 


C       C 

-Tssz  —  nahe  1  für  das  eine 

A.      B 

C       C 

-^  =  n  nahe  0  für  das  andere 

A.       Jy 

C  C 

—  nahe  0,  r=  nahe  1  für  das  dreiaxige  Ellipsoid. 


1. 

O      C 
Die  beiden  Rotationsellipsoide  sind,  falls  —  =  ^  s=  cosrs 

A       JS 

gesetzt,    also  siuix  die  Excentricitfit  ist,    durch  die  Gleichung  be- 
stimmt: 

.  ^_«(3  4-tg'rr)  — 3tg« 

Um  den  Werth  n  nahe  0  zu  finden,  entwickele  ich  nach  Potenzen 
von  tgff,  wodurch: 

F=  42.(—  1)«-»  . '!^^ll .  . 

1*^        '        (2n-hl)(2n-h3) 

Dieser  Gleichung  kann  man  die  Form  geben: 

rqijt^ ^  «  -^  -  0,0236  tg»«  4- 0,016  tg-«. 

Daher  ist  ein  Näherungswerth  bei  kleinem  F: 

16  F 

^  ^6    16F 

1 

7       4 


1 1 8  GeBammtiitzung 

Setzt  man  dies  in  die  rechte  Seite  der  vorigen  Oleichiinf^  ein,   so 
erhält  man  noch  genauer: 


16  F      1  fnW 

— — h 


fnvy         fnvy        fnvy 
^*^*^ "" ^     6  (ibv    ifnvy        7i6fV       /isryM 

Diese  Formel  liefert  noch  für  F  ==  0,009  den  Werth  von  tg'rt  bis  zur 

7. Dezimale  richtig;  denn  hierfür  ist  tg^^»  «s  I l<0,00000005. 

Das  Axenyerhfiltnifs  ist  dann: 

-4      B      ,       ,  ,  ^i  tg*«     tg*it     tg««       6  ,  , 

Für  den  der  Erde  zukommenden  Werth: 

F  =  0,0022997 
orgiebt  sich  tg'rr  =  0,008688144  und 

Ä        B 

^  *=  ^  =   1,00433467  . 

AT 

Um  den  Werth  a  nahe  ~  zn  finden,    entwickele  ich  1)  nach  Po- 

2 

tenzen  von  cotg^,  wodurch: 

2F  8,  .8~,..        ncotff'*« 

--=.cotg«--cotg*.4-3eotg».--^,(-l)"^^^_3^8^^_^^- 

Hieraus  l£fst  sich  ableiten: 


IT 


(16F\ 
1 j-  J  cotg^v  —  3,485  cotg'«  4-  6  cotg*«  —  4cotg*a 


woraus  der  Näherungswerth : 

ff         8  2F 

Weil  iget  sehr  grofs,    genügt  die  Kenntniüis  der  4.  Dezimale;  die 
Formel  3)  liefert  diese  noch  richtig  für  Fa=  0,01,   wofür  das  toV 


wm  10.  JMruar  1870.  119 

—  1  <  0,000045   wird.       Das    Axenverbfiltnifs 
ist: 

A        B        ^  cotg«  «r         8  2F 

3a)  .  .  c  •=  C  =  *««  +  -?-  =  iF-i^-*'«''T 

Hieraus  ergiebt  sich  f&r  Ft=s  0,0022997: 

^  «  ^  «  680,4939- 

2. 

c  c 

Das  dreiaxige  Ellipsoid  ist,   —  a»  cos<t ,  ~  ss  cos/3  gesetxt, 
darch  die  Oleichangen  bestimmt: 

4a)   F«  cos««co8*/3  f"  ^(iH-g) 

,/  y(l  -+- ;e) (H- ;e cos'«)  (IH- « cos'/3)'     ' 

0 

4b)  r=  »in»«  8in'/3  /",  ^  .  .dg. 

J  V(l  +  z) (IH- 2 co8'rt)(l -H z coe*;3) 

0 

Dieselben  sollen  mit  Hülfe  der  ^ -Funktionen  entwickelt  werden. 
Man  setze  daher: 

^»_^,  =  **      nnd      «  =  ampl  (ti,  *)  , 

wodurch 

/3  s=s ampl  (Ä* —  M,  ifc)  , 

dann  ist  für  diejenige  aus  4)  abgeleitete  Gleichung,  welche  V  nicht 
enthält,  der  Ausdruck  in  elliptischen  Funktionen: 

wo— Zu  =^^,  Z(tt4-^=::^>     — Ä(tt4-^=:^. 


120  Gesammtsitzung 

Ferner  lautet  diejenige  Gleichung,  aas  welcher  das  Integral  der 
zweiten  Gattung  eliminirt  ist: 

Ff  1       1       ^,      ^'»     .1    «       «*Awr       1        1  1 

Beide  Gleichungen  enthalten  nur  Potenzen  von  q^i  da  q^=^0  wird 
für  r»  0,18711,  sind  in  der  Nfihe  dieses  Werthes  die  Entwick- 
lungen nach  q  zu  benutzen.  Es  zeigt  sich  aber,  dafs  q  sehr  schnell 
wfichst,    so  dafs  für  die  meisten  Werthe  von   V  es  passender  ist, 

K 

die  Entwicklungen  nach  q^  z=s  $  ^^  zunehmen.  Namentlich  sind 
dieselben  in  der  Nähe  von  F=  0  zu  w&hlen,  weil  ^i  mit  F  zu- 
gleich der  Null  sich  n&hert. 

Setzt  man  also  u  =  iv,    so  gehen  die  beiden  eben  erwähnten 
Gleichungen  in  folgende  über: 

.{c«.o^-*-+*-{ii-.)(^.-^.)) 

Ff  ,         cJm       A?!/       ,,  1 

3  l  Aji;        cf  1/  J 

=  «^  -— ^ I  14-  cf  1/  4-  :rV- 1  • 

^xv  axv\  Aj  1*/ 

Hier  sollen  mittelst  der  bekannten  Relationen  zwischen  elliptischen 
und  d*"  Funktionen  die  Argumente 

Xi  =s  -:fy   ona    gi  =s  0         » 

eingeführt  werden.  Dabei  werde  ich  aber  sogleich  mehrere  Ver- 
nachlässigungen eintreten  lassen. 

C 
Weil  --T  stets  zwischen  1  und  0,  liegt  a  stets  zwischen  0  und 

K-n 

— ,  also  u  zwischen  0  und  £*;  daher  ist  ^i  e'*  &=  e  ^  für  jeden 

Werth  von  F  ein  echter  Bruch.  Die  Division  der  Gleichungen  4} 
zeigt  ferner,  dafs: 


rom  10.  Februar  1870.  121 

GOtgam(u,  ib)  <  ibj  tgani(tt,  ib)  . 

Haben  wir  aber  irgend  zwei  reelle  Argumente  u  und  r,    so  wird 
stets:  ' ) 

cotgam(tt,l:)  =  Jbitgam(r,  ib)     sein, 
je  nachdem  u  +  v  =  IT  ist. 


Daher  ist  für  nnsem  Fall    2tt  >  JT  und   9i«"i    stets  ein  unech- 
ter  Bruch.     Es  ergiebt  sich  also  die  Beibenfolge: 

0  <  «r**i  <  Ji  <  Ä^i  <  ^1  «*i  <  1     und    q\f?*\  >  ^i  . 
Es  scheint  femer  bei  flüchtiger  Überlegung,    q\^^   werde  1   für 

IT 

F=s  0,  weil  I«  =  — ,  jb  s=s  1  wird;    aber,   sobald  q^  so  klein  ist, 

dafs  es  yemachlfifsigt  werden  kann,    werden  die  Axenverhältnisse 
unseres  EUipsoids: 


1  •+•«-'»  JÖ  IH-^i«' 


1 


woraus  folgt,  dafs  q\^^  =0  ist  für   Fsa  o. 

Es  sei  nun  V  so  klein,  dafs  qxf^^  <  0,005,  so  ist  ^t  <0,000025 
und  q\^^  <  0,000000125.  Vernachlässigen  wir  also  im  Folgenden 
gje'*i  ,  ö'i«'"**  >  d~**i ,  welche  alle  noch  kleiner  sind  als  J?«*«, 
dagegen  vorläufig  keine  Potenz  Ton  qi-^"^  selbst:  dann  können  die 
beiden  in  v  und  ibi  ausgedrückten  Gleichungen  auf  die  Form  ge- 
bracht werden: 

5)  .  .  2(ä,  —  3)e-*i 

__    gl  g*i  —  lOgi  —  24f '*! 

6)  .  •  (a?i  — 3)«-*i 

TT" 

^  l-h4«"*i  -f-2e~'*i  —  12(?J«*i  — gie*'i 

Eine  erste  Nftherung  werden  wir  erhalten,    wenn  wir  Alles  aufser 
gi«*t  Temachl&ssigen.     Dies  giebt: 

[1870]  9 


122 


OetammUilzung 


7)  .. 


V  V 

^'  2(1  —  2 F)  V  *        /  4 


Es  ist  also  eine  transcendentc  Gleichung  von  der  Form 


r«""'  s=  tn 


cu  losen. 


Dieselbe  hat ,    falls  t»  ein  positiver  echter  Bruch  •<  —  ist,  — 

Y 
eine  Bedingung,  die  —6*   erfüllt,  —  zwei  reelle    positive  Wurzeln 

für  2:,  die  eine  zwischen  0  und  1,  die  andere  z>vischen  1  und  <s>; 
letztere  ist  hier  zu  wählen,  weil  im  Grenzfalle  (F  =  0)  x,,  also 
auch  z  rss  Xi  —  3  unendlich  grofs  wird.  Ein  Nähernngswerth  für 
diese  Wurzel  wird  wol  am  besten  aus  der  Form: 

logz  SS  logt»  +  zloge 

gefunden,  kennt  man  einen  solchen  ==ro,    so  ist: 


Z  =  2n  -^ 


So  —  me'o 

I      I     ■       ■  ^  ■     I       ■!      I  M      — 

»»e*o  —  1 


falls  (2  —  Zq)'  vemachlfiesigt  werden  kann. 

Es  seien  nun  die  Näherungswerthe  ql^x]  gefunden:  man  be- 
rechne  mit  denselben  die  rechte  Seite  in  5)  und  6),    setze  9 1^1 

SS  gl  6^1  --h  ^,  so  läfst  sich  ^,  und  dann,  indem  man  Xi  s=  x\-\-y, 
setzt,  dieses  r.  durch  einfache  Formeln  bestimmen.  Wenn  man 
(?i  ^0^  vemachläfsigt,  werden  diese  Formeln  der  zweiten  Nähe- 
rung in  ihrer  einfachsten  Gestalt: 


8)  .  . 


q^e'i  = 


2rji  = 


gl«*l-+-4g!-|-6glVl+2(gl««l)*-+-4(gl«*ly 
qi  «*!  —  I2g{  — 24<r*^i  -^6g}*g*i 


«•1 


*1 


3  —  A»e*i 


jue»!  —  1 


Durch  7)  und  8)  sind  die  Wurzelwerthe  qi  und  Xi,  welche  unsem 
beiden  simultanen  transcendenten  Gleichungen  genügen ,  unter  der 
Annahme  bestimmt,  dafs  gi  e*i  <  O^OOÖi  also  dafs  alle  vernachlas- 


vom  10.  Ftlnruar  1870.  123 

sigten  Grofsen  (^j  ^0*»  ^i  *""**>«"'*'»  tfi***'  erat  in  der  achten 
Dezimale  einen  Werth  haben.  Diese  Annahme  aber  ist  gewifs 
richdg  für  F  <  0,009 ,  so  dafs  hierfür  durch  7)  und  8)  die  Wur- 
zeln direkt  zu  finden  sind.    Die  Axenverfafiltnisse  werden  dann: 

A      e» 


9) 


3. 

Die  Anwendung  der  soeben  entwickelten  Formeln  habe  ich  fSi* 
den  Werth  von  V  gemacht,  welcher  der  Erde  zukommt,  also 
V  =  0,0022997. 

Man  findet  aus  7) : 

q\e\  t=  0,001155163 
x\  =  9,302164  , 

woraus 

q\  =  0,0000001004  . 

Die  zweite  Näherung  liefern  dann  die  Gleichungen  8): 

,g,  e»i  =  0,001155588 
^i  =s  9,303238 
g,  t=3  0,0000001054  • 

Die  Gleichungen  9)  liefern  endlich: 

A 

^  =  62,4425 

B 

-  «=  1,0023134  , 

also  wesentlich  verschieden  von  den  Zahlen,   welche  Meyer   in 

A 
Grelle's  Journal  Bd«  24  angegeben  hat,    nehmlich   ^  =  19^57   und 

--  1^018.     Doch  hatte  ich  schon  im  Sommer  1868  a«f  ganz  an- 
0 


124  6e$anmtHtzung 

derem,    sehr  viel  weidfioftigerem  Wege,   als  dem  hier  verfolgten, 

gefanden:  ^  ==  52,36314  »      ^  «  I9OO23OI5. 

Um  aber  meine  Zahlen  noch  in  anderer  Weise  ca  prüfen,  habe 
ich  die  Gleichungen  4)  nach  Potenzen  von  tg';S  entwickelt,  wo- 
durch man  folgende,  in  unserm  Falle  stark  konvergirende  Reihen 
^hält: 

\        ""sin'acos^T"^       '        2n.(2n  — 2)...2       *     ^ 

{•^«+1  cotg'*«  —  •^•H-sCOtg'"^'«} 

'  8inrtco8*0  «"^       '        an.(2n  — 2),..8.     ^ 


If2n  +  1)  ••.  3I""* 
^ '*'    I       ==  1    gesetzt  ist.      Die  J^&  erh&lt  man  ent- 
2n  •••  2       I 

weder  durch  die  Formel: 


Jn 


=  ^-')        (2n-~2)(2n^4),..2Hyri:nd^j-^^°") 


l  2n  —  2         2n  —  2  2n  —  4 

^  /_  tx»-»  (2n-~l)(2n~3)...5  tg»al 
■*"^       ^>         (2n  — 2)(2n  — 4)...4'    2    J 

oder,  für  unsem  Zweck  bequemer,  successire  durch  die  Gleichungen: 

/i  =  /  I  V ; ^^ —  I  —  sm« 

(2n  — 2)j;,-^(2n— 1)/^^,  =  tg«»«-^  cos«. 

^  1 

Man  findet  für  die  oben  berechneten  Werthe  von    7;  = und 

C      cos« 

B         1 


.  > 


C      cos  ti 


vom  10.  Februar  1870.  125 

Ji  —  /,  cotg'  I«  «  3,1649309 
/,  COtg'  «  —  7,  COtg*  «  =  0,2481793 
/»  COtg*  a  —  J^  cotg*  «  «  0,0832064  . 

Die  reehte  Seite  von  4a)  wird: 

0,00830087  —  0,00000126  =:  0,00229961  , 

die  rechte  Seite  von  4b)  wird: 

0,00230503  —  0,00000537  «  0,00229966 

anstatt  0,0022997.  Die  Differenz  ist  also  eine  1  in  der  siebenten 
Stelle;  jene  oben  gefundenen  Zahlen  sind  dadurch  wol  genügend 
bestätigt  Berechnet  man  diese  AusdrGcke  mit  den  Me 7 ersehen 
Werthen,  so  wird  die  rechte  Seite  von  4a)  3»  0,01155  und  die  von 
4b)  wird  0,0175  ansUtt  0,0022997. 

Die  Gleichungen  2),  3),  7),  8),  9)  liefern  also  die  Azenver- 
hSltnisse  aller  drei  eUipsoidischen  Gleichgewichtsfignren  mit  hin« 
reichender  Q«nauigkeit  fQr  V  <  0,009.  Für  gr5(sere  Werthe  von 
V  werden  sie  immerhin  noch  sehr  brauchbare  N&heningswerthe 
geben. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Transactions   0/  the  Camhridge   Phiio90phical   Society,    Vol.  XI,    Part  2. 

Cambridge  1869.     4. 
Bijdragen  tot  de  Tool-  Land-  en  Voikunde,    IV,  2.  3. 

Gravenbage  1870.     8. 
Nötiger  ur  SalMtapete  pro  Fauna  et  Fiora  /eimica  F&rhandlingar,    Fase.  10. 

HelaiiigforB  1870.     8. 
Sillimums  Journal  0/  edence  and  arte,    no.  144.    New  Haven  1869.    8. 
A.  PejrroD,  La  prima  taooUt  di  Eracka.    Torino  1869.    4. 


136  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

14.  Februar.    Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  Dove  las  fiber  die  Compensation  der  in  Europa  im  Ja- 
oaar  1870  beobachteten  Kfilte  durch  eine  ungewöhnliche  Erhöhung 
der  Temperatur  in  Amerika. 


Hr.  Ehrenberg  machte  vorläufige  Mittheilong  über  die 
Bacillarien-B&nke  im  Hochlande  Californiens. 

Durch  eine  sehr  glückliche  Th&tigkeit  der  geologischen  Ge« 
lehrten  der  Vereinigten  Staaten  Nord-Amerikas  sind  so  bemerkens- 
werihe  Erweiterungen  unserer  Kepntnifs  der  ans  mikroskopischen 
Lebensformen  bestehenden  kieeelerdigen  Gebirgsmassen  gans  neuer- 
lich entwickelt  und  meiner  eigenen  Beurtheilnng  sugfinglich  ge- 
macht worden,  dals  idi  für  angemessen  halte  der  Akademie  schon 
jetat  eine  vorl&nfige  Mittbeilung  darüber  vorsulegen.  Schon  1843  and 
1845  wurden  mir  durch  die  Vermittlung  des  seitdem  verstorbenen 
Professor  Bailej  die  von  Professor  James  Dana  vom  unteren 
Columbia  River  in  Oregon  mitgebrachten  Proben  von  Gebirgs- 
schichten,  aus  kieselerdigen  Bacillarien - Scbaalen  bestehend,  zur 
Kenntnifsnahme  und  specielleren  Analyse  übersandt,  welche  in  den 
Monatsberichten  jener  Jahre  publicirt  worden  sind. 

Noch  weit  auffallendere  Verhältnisse  solcher  anstehenden  Ge- 
birgsschichten  entdeckte  Kapitain  Fr ^mont  bei  seinen  kühnen  und 
glücklichen  Untersuchungen  des  Hochlandes  von  Oregon  und  C4ili- 
fomien  am  Fallriver,  wo  er  bis  500  Fufs  mfichtige,  100  Fols  hoch 
mit  Basalt  überlagerte,  steile  Felswände  des  Thaies  bildende,  weifse, 
scheinbar  thonige,  fürPorzellanthon  gehaltene,  Gebirgsschichten  fand. 
Über  diese  mir  ebenfalls  übersandten  Proben  habe  ich,  i.  J.  1849  0 
publicirte,  Mittheilungen  vorgelegt  Es  war  mir  damals  gelungen, 
aus  beiden  Gebirgsschichten  susammen  146  verschiedene  Formen- 
arten als  ihre  Hauptelemente  namentlich  darzulegen.  Beides,  beson- 
ders aber  die  letztere  Masse   ausschliefslich,    hatte   den  Charakter 


I)  Monatsbericht  d.  Ak.  1849  p.  76.  * 


vom  14.  Februar  1870.  127 

ron  SSfswasaerbildongen,  nur  3  Tereinzelte  Fonnen  des  ersteren  spra«» 
chen  als  Meeresgebilde  an*  Die  nnerhorte  Mfichtigkeit  und  Lage- 
niDg  als  500  Fii£b  hohe  Felawinde  Tun  Bacillarien  sind  bisher 
ohne  Gleiehen  geblieben  and  überbieten  auch  die  im  Torigen  Jahre 
mitgeUittlten  VerhÜtnisse  der  mexikanischen  Hochgebirge  bei 
Wdtem. 

Seit  1849y  seit  nun  20  Jahren»  sind  keine  weiteren  Erl&ute- 
rangen  aas  jenen  nnwirthlichen  Gegenden  des  califomischen  Hoch« 
landes  erreichbar  gewesen.  Die  Epodie  machende  grolse  indastrielle 
Unteroehmong  der  Eisenbahn  vom  Mississippi  nach  dem  Stillen 
Ocean  hat  erst  neaerlich  Aufschlüsse  der  merkwürdigsten  Art  aas 
den  zu  dorchbrechenden  Hochgebirgen  au  gewinnen  erlaubt  Der 
Staatsgeolog  der  Vereinigten  Staaten  Nord  -  Amerikas  Professor 
Whitney  in  Cambridge  hat  umfassende  Untersuchangen  der  Yer^ 
breituBg  und  Mächtigkeit  der  califomischen  Bacillarien-Biolithe  an- 
gestellt und  über  dieselben  einen  ausführlichen  Bericht  in  den 
Schriften  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  San  Francisco  rer- 
offentlicht 

Nachdem  mir  bereits  au  Anfang  des  vorigen  Jahres  eine  sehr 
saaber  verpackte  und  etikettirte  Reihe  von  35  Proben  verschiede- 
ner biolithischer  Grebirgsarten  durch  Hrn.  Baron  von  Gerolt,  den 
Gesandten  des  norddeutschen  Bundes  in  Washington,  cur  KenntniTs- 
nähme  und  Analyse  zugesandt  worden  waren,  sind  mir  auch  nea- 
erlich auf  demselben  Wege  Proben  Jener  Porzellanerden-  oder 
Elaolin-artigen»  zuweilen  auch  Btennthon  (FSreclay)  und  Pfei« 
fenthon,  auch  sogar  von  verschiedenen.  Beisenden  Magnesia  genann- 
ten, zum  Erstaunen  hohen  Gebirgsschichten  übermittelt  worden, 
und  der  Professor  Hague  in  Cambridge  hat  aus  eigener  Anschauung 
Erlfiuterungen  specieller  Art  hinztigefügt  Nach  den  Berichten  des 
Professor  Whitney  finden  sich  diese  mfichtigen  Läget  polygastri- 
scher  Infusorien,  welche  von  mir  als  Bacillarien  bezeichnet  worden 
sind,  aulaer  in  Oregon  auch  in  dem  califomischen  Hochlande  zwi- 
schen der  Sierra  Nevada  und  den  Rocky  Mountains,  dem  sogenann- 
ten „Great  Basin^,  in  ganz  unerwarteter  Ausdehnung  und  hier  und 
da  in  einer  Mächtigkeit,  welche  Jene  500  Fufs  am  Fallriver  um 
das  Doppelte  übersteigt  Die  beiden  viele  Tausende  von  Quadrat- 
mcilen  umfassenden  Territorien  Nevada  und  Utah  enthalten  an  vie- 
leo  Punkten  grofse  Bänke  solcher  Infusorienerden,  welche  durch  tief 
eingerissene  Thäler  oft  im  Profil  gesehen  werden,   zuweilen  mit 


1^8  Sitzung  der  phy9ikai%9eh*mathtmati$ehen  Klasse 

Bimsteiiistaab,  GteröU  und  Basalttuff  abwcdifielnde  mehr  oder  we- 
niger didce  Schiditen  bildend.  Die  Mächtigkeit  derselben  ist  za- 
weilen,  wie  nach  Hm.  Profeegor  Hague  im  HamboIdt>Tlisle,  im 
Bchroffen  Abfall  so  stark  erkennbar,  dals  sie  sieh  avf  1000  Fufs 
erstreckt')  Oft  sind  sie  auch  hier  wie  in  Oregon  oberhalb  mit 
einem  Basaltlager  überdeckt.  Im  Nevada-Territoriam^st  besonders 
der  Homboldt-District,  Hamboldt  Valley,  mit  dergleidien  weiCsen 
Oebirgswftnden  versehen,  nnd  aneh  an  den  Umgebungen  des  Salz- 
sees finden  sich  solche  Gebirgsmassen.  Die  mir  sagekommenen 
Proben,  welche  speciell  diese  Yerhftltnisse  sn  erlfiotem  bestimmt 
sind,  betreffen  5  örtlichkeiten,  2  Tom  Nevada-Territorium  (Tmekee 
River  und  Humboldt  Valley)  und  3  vom  Salzsee  des  Mormonen* 
landes  im  Territorinm  Utah.  Ich  habe  mir  nicht  versagen  können 
und  bereits  angelegen  sein  lassen  einige  Übersicht  dieser  so  höchst 
merkwürdigen  ehemaligen  Lebensverhfihnisse  zu  gewinnen  und  hoffe, 
wenn  auch  langsam,  durch  gleichartige  Behandlung  eine  den  schon 
vorhandenen  Kenntnissen  vergleichbare  Erlftuterung  dieses  Gegen- 
standes herbeifOhren  zu  können.  Für  jetzt  möge  es  genügen,  fol- 
gende Thatsachen  dieser  Erscheinang  zu  berühren. 

Aus  den  Mittheilungen  des  verdienstvollen  Geologen  Professor 
Whitney  geht  hervor,  dafs  ungeheure  ehemalige  Seen  des  cali- 
fornisehen  Hochbassins  staunenswerthe  Ablagerungen  im  Thalboden 
bewirkt  haben,  welche  beim  allmfilfgen  Abfliefsen  der  Gew&sser  in 
tiefer  gelegene  Thfiler  und  Schluchten,  oft  selbst  Berge  bildend,  sieb 
verbreitet  haben.  Dabei  ist  allerdings  kaum  ein  Maafsstab  festsa- 
stellen,  bis  an  welcher  Mfiohtigkeit  diese  Lager  im  Bereiche  der 
Seen  sichtbar  werden  können. 

Wenn  hierbei  Hr.  Professor  Whitney  die  Meinung  ausspricht, 
als  sei  dies  im  Widerspruch  mit  früheren  Vorstellungen  und  als 
habe  ich  solche  Massen  für  Auswürflinge  aus  der  Tiefe  der  Vol* 
kaue  gehalten,  so  möchte  ich  bemericen,  dafs  diese  Ansicht  niemals 
die  meinige  gewesen  ist,  daOs  ich  sie  vielmehr  bekämpft  habe.  Seit- 
dem die  Moya  und  die  Asche  des  Imbaburu«Vulkans  in  Quito 
von  mir  als  vulkanischer  Auswurfstotf  durch  verkohlte  Pflanzen- 
reste  nachgewiesen,    ist  auch  die  Vorstellung  von    graphitartiger 


^)  In  the  region  of  the  Hamboldt  desert  there  are  beds,  stratified  and 
conformable  with  the  tertiary  rocks,  which  judging  from  the  oatcroM  of  the 
Btrata  mast  be  from  500  to  1000  feet  thick. 


vom  14.  Februar  1870.  129 

UrkoUe  ana  dem  Innern  der  Erde  als  dortige  torfartige  Brschei- 
naog  onmogUch  geworden.  Wohl  aber  ist  das  darch  eingestünte 
thSdge  Volkankegel  zerrissene  nnd  reriEohlte  Oberfifichenverfafilt- 
nifs  mit  seiner  Pflanaendecke  als  deatliehster,  wahrer,  aber  sekon- 
dSrer  Aasworfstoff  nicht  in  Zweifel  cu  zi^en.  Bei  manchen  hiersn 
gehörigen  Tuffen  sind  die  feinen  organischen  Theile  dorch  Hitze 
rerandert  oft  sehr  nnkenntlich  geworden  und  darauf  besonders 
habe  ich  meine  Aufmerksamkeit  gelenkt.  Dafs  jene  Phytolitharien« 
massen  als  Gb-aatheile  bei  Mexiko  nicht  in  Seen  gebildet  sein  konn- 
ten, durfte  ebenfalls  unbezweifelt  bleiben. 

Ganz  besonders  bemerkenswerth  ist  bei  den  califomischen  Bio* 
lithen  der  Umstand,  daCs  sie  doch  wohl  in  Hohen  von  4 — 5000  Fofs 
über  dem  Meere,  also  denen  von  Mexiko  fast  Ähnlich,  abgelagert 
Bind.  AUeia  sie  sind  den  mexikanischen  Gebirgsschicbten  dieser 
Art  dadurch  ganz  unfihnlich,  dafs  sie  nicht  blofse  Sfifswasserge- 
bilde,  sondern  auch  nicht  wenige  entschiedene  Meeres-  oder  Salz- 
foimen  unter  sich  fuhren.  Die  Gattungen :  CoBdnodiBCUSj  DiphneU^ 
CroipedodiscuSj  ChramnuEiophora  (und  Biddulphia  am  Columbia  River) 
Bind  meinen  in  der  Mikrogeologie  mitgetheilten  nnd  anschaulich 
gemachten  Erfahrungen  zufolge  niemals  im  reinen  SQTswasser,  aber 
regelmfifing  als  Meeresgebilde  vorgekommen.  Nur  einige  Male  sind 
Fragmente  eines  CoBcinodi8cu$?y  wie  in  Bilin  (Mikrogeologie  Tab.  XI. 
Fig.  4)  anschaulich  geworden,  deren  Natur  aber  auch  anderen  SATs- 
vasserbildungen  nahe  steht;  z.  B.  Coscinophaena  Diiooplea  (Mikro- 
geologie Tab.  XXXYA.  XIII A.  Fig.  1).  Es  geboren  auch  mehrere 
Formen  der  Spongolithen  der  califomischen  Gebirge  wohl  kaum 
zu  den  Sufswasser-Spongillen.  Wenn  man  siclwalso  Sufswasser- 
Bassins  im  califomischen  Hochlande  denken  soll ,  so  fehlt  ihnen 
jener  reine  Sfifewasser-Charakter  der  mexikanischen  Gebirgsschicb- 
ten. Dagegen  ist  die  noch  vorhandene  Existenz  des  grofsen  Salz- 
sees in  Utah  ein  deutlicher  Hinweis,  dads  auch  in  frühesten  2ieiten 
sahnge  Gewfisser  alle  Seen  des  Hochlandes  dort  erfüllt  haben  könn- 
ten. Nur  ist  dann  der  Umstand  schwierig  zu  erläutern,  dafs  doch 
die  Hauptmassen  jener  ungeheuren  Lebensablagerungen  sich  als 
Sübwasserformen  weit  vorherrschend  zu  erkennen  geben. 

Dafs  die  vulkanischen  Feuer  jener  Länder,  wie  es  auch  in  Me- 
xiko der  Fall  ist,  auf  diese  Massen,  etwa  Hebung  ausgenommen,  gar 
keinen  Einflufs  ausgeübt  haben,  ergiebt  sich  mit  voller  Deutlichkeit 
>U8  der  schönen  Erhaltung  aller  Formen,  die,  ohne  Spuren  von  Ein- 


130  Sitzung  der  physikaHseh-maihematischen  Klasse 

wirkang  volkamscher  Hitse,  nun  grofsen  Theil  ganz  geblieben  oder 
nur  einfach  serbrochen  sind.  Nicht  unwesentlich  scheint  das  mir 
gelungene  Auffinden  von  (7ypm-artigen  Kalkschalenformen,  wie  in 
Mexiko,  deren  Gestalt  jedoch  eigenthümlich  ist 

Das  Massenverhältnifs  der  Formen  in  den  fünf  geprfiften  Ge- 
birgsproben  hat  ergeben,  dafs  die  Masse  am  Tmckee  River  fast 
ansschliefslich  aus  OaUiamlla  grantUata  und  G.  scvipta  besteht  mit 
jEahlreichen  Co«CHio(ft«cv«- Fragmenten.  Im  Gänsen  wurden  bisher 
24  Polygastem* Arten,  15  Phytoliiharien,  darunter  6  Spongolithen  da- 
selbst beobachtet.  Hierunter  ist  CoecinodUeus  radiatue  Meeresforra, 
die  übrigen  alle  sind  Sfifswassergebilde. 

Von  den  Massen  am  Humboldts-Flufs  (Humboldt  Valley)  bil- 
den die  Hauptelemente  wieder  GMionelia  granulata  und  (?•  eculpta 
mit  besonders  auffälligen  zahlreichen,  zum  Theil  unbekannten  Spon- 
golithen, von  denen  4 — 5  Arten  sich  ebenfalls  als  Meeresgebilde  an- 
sprechen lassen,  wozii  auch  Fragmente  des  Coseinodiseue  radiatue 
und  C.  eubtilis  sich  gesellen.  Im  Ganzen  sind  hierin  bis  jetzt  9 
Arten  Polygastem,  18  Aorten  PhytoUtharien,  darunter  14  Spongo- 
lithen hervorgetreten. 

Die  drei  Proben  vom  Salzsee  in  Utah  sind  zwar  unter  sich 
in  der  Mischung  etwas  verschieden,  haben  aber  den  gemeinsamen 
Charakter,  abweichend  von  den  Nevada-Gebirgen,  dafs  ihre  Mas- 
sen  aus  Amphora  /tftyoa,  Synedra  epeetabiUe,  FragHatia  rhabdoeama 
und  F.  phmata^  sowie  aus  Surirella  Teetudo,  Eunotia  Argue,  Gram- 
matophora  stricUiy  sammt  Navicula  bohemica  überwiegend  gebildet 
sind.  Im  Ganzen  haben  sieh  84  Arten  Polygastem,  6  Phytolitha- 
rien,  4  Geolithiei^  und  1  Art  kalkschaliger  Cyprie  darin  verzeich- 
nen lassen.  Unter  diesen  Formen  sind  6  entschiedene  Meeresfor- 
men oder  Salzwasserformen.  Alle  aufser  den  genannten  Haupt- 
massenformen, besonders  die  Meeresformen,  sind  mehr  oder  weni- 
ger vereinzelt  in  diese  Masse  eingestreut  In  diesen  letzteren  ört- 
licbkeiten  macht  sich  auch  eine  Beimischung  von  feinen  Sandtheil- 
chen  bemerklich,  welche  zum  Theil  doppelt  lichtbrechend  sind. 
AniFallend  bei  allen  diesen  Verhältnissen  ist  es,  dafs  nur  sehr  sel- 
tene Spuren  von  Grasphytolitharien  vorhanden  sind  und  dafs  in 
auffalliger  Weise  Campylodietue  Clypeue  mit  Navicula  bohemica^  wie 
in  Mexiko  und  Böhmen,  vorkommen. 

Ich  sdiliefse  diese  vorlinfigen  Bemerkungen  damit,  dafs  die 
hier  zur  Kenntnifs  gekommenen  134  Arten   organischer  Elemente 


vom  14.  Februar  1870.  131 

(97  Potygastern,  31  Phytolitbarien,  466oiithien  und  1  Cf  piis)  mit  den 
fraher  am  Colambia  River  nnd  am  Fallri?er  in  Oregon  anafysirten 
Gebirgsschichten  223  Arten  betragen,  die  aber  die  sämmtlichen 
Elemente  noch  bei  Weitem  nicht  darstellen  können,  welehe  weite- 
rer Analysen  bedürfen.  £s  sind  in  der  Mikrogeologte  anf  Tafel 
XXXni  nnd  XXXVII  48  dieser  Formen  im  Jahre  1854  abgebildet 
worden. 

Da  der  Mormonenstaat  von  Utah  am  Salzsee  bereits  so  viele 
industrielle  Kräfte  besitst  nnd  wahrscheinlich  mit  Trinkwasser  nicht 
sehr  begünstigt  ist,  so  dürften  artesische  Brunnen  wie  in  Mexiko 
dort  leicht  und  zahlreich  ausgeführt  und  weiter  ansfuhrbar  sein, 
deren  Bohrerden  zu  überwachen  und  zu  sammeln  ein  ansehnliches 
Interesse  hat.  Ebenso  sehr  ist  es  aber  auch  wünschenswerth,  da(s 
die  neuesten  Ablagerungen  und  lebenden  Spongillen  als  Oberflächen- 
schlamm und  Gebilde  des  Salzsees  der  mikroskopischen  Prüfung 
zugSnglich  werden.  Sollten  sich  die  Meeresformen  in  diesem  Salz- 
see nicht  lebend  finden,  so  würden  die  grofsen  Lager  jener  Bio- 
lithe  als  einer  früheren  Bildungszeit  zugehörig  durch  ihre  Etonente 
bezeichnet  sein,  sowie  auch  Professor  Hagoe  in  seinem  beigefiig* 
ten  ausführlichen  Schreiben  dieselben  als  Tertiärbildung  aufgefafet 
hat,  während  sie  Professor  Whitney  der  neuesten  Erdbildung  mit 
überweist«  Das  ursprüngliche  Zustandekommen  brackischer  Bacil* 
larien-  und  Spongolithen^Lager  auf  Hochgebirgen  dürfte  einer  wei«* 
teren  Erläuterung  sehr  würdig  sein. 

Eine  technische  Verwendung  dieser  BaciUarien-Tripel  soll  zur 
Abschwächung  der  gefahrvoilou  zufälUgen  Explosion  des  ,)Dyna- 
mit^  genannten  gewaltigen  Sprengmittels  des  Niteo-Olycerin  viel«* 
fadi  jetzt  stattfinden. 

Überblickt  man  die  bisher  bekannt  gewordenen,  nur  durch 
künstlieh  verstärkte  Sehkraft  erkennbaren  fossilen  Überreste  des 
feinen  Lebens,  so  tritt  die  seit  1830  hier  vorgetragene  Polythala- 
mien-Kalkbildnng  durch  kalkschalige  Elemente,  gewöhnlich  Schreib- 
kreide genannt,  in  meist  800  bis  1000  Fufs  Erhebung,  den  Boden 
vieler  grofser  Länder  bildend,  am  meisten  hervor.  Diesen  zur 
Seite  ist  seit  1844  eine  bis  1100  Fufs  mächtige  kieselerdige  Poly- 
cystinen  -  Mergelbildung  der  Insel  Barbados  und  auch  der  Nico- 
baren -  Inseln  nachweisbar  geworden.  Neben  vielen  weniger  ho- 
hen  Gebirgsschichten  tritt  nun  hiermit  das  organische  Eieselelement 
in  den  Hochländern  Californiens  als  bis  1000  Fufs  mächtige  und 


132  Sitzung  der  phyBikaUieh-mathemaüiehen  KImm 

in  der  Yerbreitang  auch  das  mexikanlache  Oebirge  weit  überragende 
Erscbeinung  au  Tage.  So  wachsen  denn  die  Erscheinnngen  eines 
ansichtbaren  und  doch  m&chtig  wirkenden  Lebens  au  erfreulicher 
Genngthaong  ruhiger  Forschung  in  grofoem  Maalsstabe  weiter. 


Hr.  Weierstrafs  machte  folgende  Mittheilung  des  Hrn.  Eet- 
teler  in  Bonn: 

Über   den   Einflnfs   der    ponderablen  Moleküle    auf  die 

Pispersion    des   Lichtes    und    über    die   Bedeutung    der 

Gonstanten   der  Dispersionsformeln. 

Während  die  in  letzter  Zeit  von  Mascart')  veröffentlichten 
Messungen  des  ultravioletten  Spektrums  sowie  die  von  mir'}  an- 
temommene  Untersuchung  der  Dispersionsverh&ltnisse  der  Gase 
bereits  einen  ziemlich  weiten  Überblick  gestatten  über  den  Verlauf 
der  Dispersionscurve  als  eiqer  Funktion  von  Wellenlänge  und 
Dichtigkeit,  wfihrenddefs  hat  auoh  die  Theorie  insbesondere  durch 
die  trefflichen  Arbeiten  Briot's')  einen  neuen  Aufschwung  ge- 
nommen und  durchaus  neue  und  fruchtbare  Prinzipien  ange- 
stellt. 

Es  liegt  daher  die  Frage  nahe,  ob  es  nicht  möglich  sei,  aus 
dem  vielen  voiliogenden  Material  mit  Innehaltung  eines  streng  kri- 
tischen, empirischen  Standpunktes  zu  einer  Formel  zu  gelangen, 
die  einerseits  bei  der  bis  Jetzt  erzielten  Genauigkeit  der  Versuche 
als  die  einzig  zulfifsige  und  dabei  als  die  dem  heutigen  Stande  der 
Theorie  einzig  entsprechende  erachtet  werden  müsse. 


0  Mascarl,  Ana.  de  T^cole  normale,  1. 1.  und  Ann.  de  chim.  4  serie, 
t.  XIV. 

^}  Ketteier,  Beobachtungen  über  die  Farbenzerstreuung  der  Gase, 
Bonn  1865.  —  Monatsberichte  der  Königl.  Akademie,  November  1864.  — 
Sitzungsberichte  der  Niederrhein.  Gesellschaft,  Dec.  1868. 

')  Briot,  Essais  sur  la  th^orie  mathematique  de  la  lamiere.  Paris 
1864. 


vom  14.  Februar  1870.  133 

Die  Anforderangen ,  die  man  an  eine  rationelle  Diepernons- 
formel  eii  stellen  berechtigt  ist,  lassen  sich  meines  Braehtens  in 
die  Tier  folgenden  Fnnkte  zusammenfassen: 

1.  Eine  rationelle  Formel  mafs  bei  einer  bestimmten  Dieh- 
tigkeit  des  dispergirenden  Mittels  f&r  den  ganaen  bekann- 
ten Umfang  der  prismatischen  Strahlung  die  einaelnen  Far^ 
ben  in  richtiger  räumlicher  Aufeinanderfolge  ans  den 
Wellenlängen  berechnen  lassen. 

2.  Ihren  Constanten  mnfs,  etwa  in  analoger  Weise  wie  bei 
der  bekannten  Interpretation  Christoffel's^)  (besfiglich 
zweier  Cauchj'schen  Gonstanten)  eine  specifisch  physika- 
lische Bedeutung  untergelegt  werden  können. 

3.  Bei  Dichtigkeitsänderungen  seitens  der  dispergirenden  Sub- 
stanz müssen  diese  Constanten  in  einer  einfachen,  den  Gas- 
▼ersuchen  entsprechenden  Weise  an  den  Änderungen  der 
Molekular-Constitution  participiren.     Speciell  also  müssen 

4.  an  der  Oränze  der  Verdünnung  die  Indices  sämmtlicher 
Farben  gleichzeitig  den  gleichen  Gränzwerth  1  errnehen. 

Demnach  wird  eine  Arbeit,  die  sich  dieses  Ziel  gestellt  hat, 
natargemäfs  in  drei  entsprechende  Abschnitte  zerfalien.  Es  sind 
zunächst  die  einzelnen  vorgeschlagenen  Ausdrucke  auf  dem  Wege 
der  Rechnung  hinsichtlich  ihres  Baues  und  der  Anzahl  ihrer  Glie- 
der nach  dem  Grade  ihrer  Leistungsfähigkeit  zu  beurtheilen«  So- 
dann werden  die  mathematischen  Charaktere  der  gewonnenen  Con- 
stanten hervorgehoben,  die  Constanten  also  nach  der  formellen 
Seite  interpretirt  werden  mfissen.  Endlich  mufs  jede  derselben  als 
Ausflufs  der  bei  der  Dispersion  zur  Mitwirkung  kommenden  Kräfte 
erklärbar  sein  und  darnach  definirt  werden. 

Ich  habe  es  versucht,  die  hier  besprochene  Aufgabe  ihrer  L6- 
song  entgegenzufuhren. 

Es  wurden  zu  dem  Ende  in  sehr  mannigfacher  Weise  bei«ch- 
net:  die  Messungen  Mascart^s,  betreffend  das  ordinäre  und  extra- 
ordinäre Spektrum  des  Kalkspath  und  Quarz  sowie  das  Spektrum 
eines  stark  zerstreuenden  Flintglases,  Messungen,  die  sich  aufser 
auf  die  optischen  auch  auf  einen  mehr  oder  minder  grofsen-  Theil 
der  ultravioletten  Strahlen  erstrecken,  —  femer  die  Indices  des 
Hassers,  die  bei  Anwendung  der  gebräuchlichen  Formeln  eine  be- 


')  ChriBtoffel,  Monatsberichte  der  Kdnigl.  Akademie,  Okt.  1861. 


134  Sitzung  der  physikaiiBoh'matJiBmaiischen  Klasse 

merkenswerthe  Anonaslie  «eigen,  die  Indices  des  schweren  Meri'- 
Behen  FlintglaAefl«  für  das  van  der  Willigen')  «wischen  den 
Fraunhofer 'sehen  Linien  Ä  und  H  nicht  weniger  als  «weinnd* 
fünfidg  Linien  beracksichtigt  hat,  sowie  endlich  das  Spektrum  des 
Schwefelkohlenstoff  von  Yerdet')  und  die  drei  Hauptspektren  des 
Arragonit  von  Rudberg.  Dabei  worden  die  Constanten  der  ca 
vergleichenden  Ausdrucke  zum  Theil  aus  einseinen  Beobachtungen, 
cum  Theil  mittelst  Grnpptrung  sSmmtlicher  disponibler  Gleichungen 
und  zum  Theil  mittelst  Anwendung  der  Methode  der  kleinsten  Qua- 
drate berechnet. 

Zugleich  war  für  die  Absch&tzung  und  Wfirdigung  der  mit 
einander  concurrirenden  Ausdrucke  das  Kriterium  maafsgebend,  dafs 
diejenige  Reihe,  resp.  diejenige  Combination  von  Reiben,  welche 
bei  gleicher  Brauchbarkeit  die  kleinste  Anzahl  Constanten,  also  die 
stärkste  Convergens  besitzt,  vor  allen  übrigen  den  Vorzug  ver- 
dient* 

Das  Resultat  dieses  Theiles  der  Arbeit  lä&t  sich  dahin  zu- 
sammenfassen, dab: 

1)  die  reine  Cauchj'sche  Reihe,  d.  h.  diejenige,  deren  Glieder 
fortsclweiten  nach  Potenzen  der  reciproken  Quadrate  der  in- 
neren Wellenl&nge  I  /  =  -  j ,    der  Erfahrung  nicht    genSgt, 

dafs  dieselbe 
8)  durch  ein  das  Quadrat  der  direkten  Wellenlfinge  enthalten- 
tendes  Glied  erglLnzt  werden  müsse,    und  dafs  so  im  Gan- 
zen vier  Glieder  erforderlich  sind  und  ausreichen,  dafs  man 
endlich  auch 
3)  die  die  Wellenl&ngen  enthaltenden  Glieder  in  einer  gewis- 
sen abschliefsenden  Weise  zusammenfassen  dürfe,  ohne  da- 
durch der  empirischen  Brauchbarkeit  irgendwie  Abbruch  zu 
thun. 
Die  so  gewonnene  Dispersionsformel  hat  vier  Constanten,  und 
da  je  zwei  derselben  sich  als  zusammengehöriger  charakteristischer 
Index  und  charakteristische  Wellenlange  entsprechen,  so  folgt,  dafs 
jede  dispergirende  Substanz  durch  zwei  bestimmte,  ihr  eigenthum- 
liehe  Strahlen  physikalisch  definirt  ist     Von  den  beiden  charakte- 


')  T.  d.  Willigen,  Archives  du  Musee  Teyler,  t.  I. 
*)  Verdet,  Ann.  de  chun.  3  serie,-t.  XIX. 


vom  14.  Februar  1870.  1B5 

mtisehen  WeUenl&igen  kann  —  wenigstens  ideell  oder  auch  prak- 
tisch —  die  eine  anendlich  grofa  werden»  so  dafs  dann  die  Aniahl 
der  Gonstanten  sich  anf  drei  redncirt.  Der  eine  der  beiden  ge- 
ninoten  Strahlen  begrinat  das  Spektrum  anf  der  nltravioletten 
Seite  —  ich  nenne  seine  Elemente  n«,  /«,  Xo  — 9  der  andere  anf 
der  iiltrarothen  Seite,  nnd  seine  Elemente  helfsen  Hs«  /«,  Xf  Zwi- 
schen beiden  liegt  dann  noch  ein  dritter  ansgeseichneter  Strahl, 
dem  Im  Allgemeinen  auf  der  Dispersionscnrve  ein  unbestimmter 
Punkt  (»1,  /i9  Xi)  entspricht»  Nur  in  dem  eben  erwfibnten  Spe- 
cialfall wird  /j  S3  ly  S3  oo ,  nnd  der  Index  wird  ein  asymptotischer 
Granzindex  («i  ss  n«  ca  nj)  auf  der  nltrarothen  Seite  des  Spek-* 
trnms. 

Fafst  man  die  Abhängigkeit  der  einzelnen  Glieder  der  Dis- 
persionsformel von  der  Dichtigkeit  ins  Auge,  so  ergibt  sich,  dafs 
dasjenige  Glied,  welches  (in  der  ungeschlossenen  Reihe)  die  direkte 
Wellenlänge  enth&lt,  bei  Abnahme  der  Dichtigkeit  rascher  abnimmt 
als  die  übrigen,  so  dafs  an  der  Grfinse  der  Verdünnung  die  Zahl 
der  merklichen  Glieder  und  folglich  die  der  Constanten  sich  stets 
auf  drei  reducirt. 

Ich  definire  dabei  analog  dem  Begriffe  der  sogenannten  breehen- 

nl  —-»? 
den  Kraft  ni  —  1  den  Quotienten  j —  als  dispergirende  KrafT. 

~  Führt  man  zugleich  in  die  Dispersionsformel  diejenige  Orofse 
ein,  die  als  Gränzwellenlfinge  (Aq)  ^^  der  Grfinze  der  Verdünnung 
(d  SS  0)  deflnirt  werden  mufs,  so  zeigt  sich,  dafs  diese  Orölse  bei 
Gasen  von  der  Dichtigkeit  nnabhüngig  ist,  dafs  dasselbe  wahr- 
scheinlich der  Fall  ist  für  den  flüssigen  Zustand,  und  dafs  selbst 
die  Einwirkung  der  EIrjstallisationskraft  sie  anscheinend  nicht  ver- 
ändert 

Was  schliefslich  die  Beziehungen  zur  Theorie  betri£ft,  so  denke 
ich  mir  mit  Briot  die  dispergirenden  Medien  als  Aggregate  ans 
ponderablen  nnd  Ätbermolekfilen  nnd  zwar  derart,  dafs  jedes  pon- 
derable  Molekül  mit  einer  Atmosphäre  von  verdichtetem  Äther  um- 
geben ist,  nnd  dafis  innerhalb  der  so  gebildeten  intramolekularen 
Zellen  die  Dichtigkeit  des  Äthers  von  einer  znr  andern  periodisoh 
Tsrürt,  etwa  wie  momentan  die  Dichtigkeit  der  Luft  zwischen  den 
Dicbtigkeitsmaximis  einer  longitudinalen  Klangwelle.  Es  sind  dann 
dreierlei  Arten  von  Kräften  in  Betracht  zn  ziehen,  Attraction  zwi- 
Behen  den  ponderablen  Molekülen,  Attraction  zwischen  ponderablen 


136  Sitzung  der  physikaliseh-mathematUehen  Klasse 

und  Äthermolekulen  und  Repulsion  zwischen  den  Athertbeilchen. 
Sofern  nun  im  Allgemeinen  von  der  crsteren  abstrahirt  werden 
darf,  so  verbindet  sich  die  zweite  mit  der  dritten  zu  einer  Resul- 
tirenden,  und  zwar  zeigt  sich  die  Attraction  zwischen  ponderablen 
und  Äthermolekülen  einmal  als  statische,  die  Anordnung  des  Äthers 
modificirende  Kraft,  dann  aber  auch  als.  dynamische,  die  Schwin- 
gungen des  Äthers  beeinflussende  Kraft* 

Dem  entsprechend  zeige  ich,  dafs  die  drei  Arten  von  Gliedern, 
welche  die  Dispersionsformel  enthält,  auf  drei  besondere  physika- 
lische ExSfte  zurfickzufuhren  sind.  Das  constante,  von  der  Wel- 
lenlünge  unabhängige  Olied  repräsentirt  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit, mit  der  «ich  in  einem  gleichförmig  isotropen  Medium  von 
der  gleichen  mittleren  Dichte  (aber  unendlich  dünn  gedacht)  s&mmt- 
liehe  Farben  fortpflanzen  würden. 

Das,  das  Quadrat  der  directen  Wellenlänge  enthaltende  Glied 
rührt  her  von  der  direkten,  dynamischen  Einwirkung  der  ponde- 
rablen Moleküle  auf  die  schwingenden  Athertbeilchen  und  wird  für 
Gase  zwar  nicht  vernichtet,  aber  doch  unmerklich. 

Die  beiden  übrigen,  die  ersten  quadratischen  Potenzen  der  re- 
ciproken  Wellenlänge  enthaltenden  Glieder  messen  die  Stärice  der 
Concentration  der  Ätherhüllen  um  ihren  ponderablen  Kern  und  da- 
mit die  Amplitude  der  periodischen  Modificationen  der  Dichtigkeit 
des  Äthers. 

Zwischen  der  Amplitude  a  und  der  zerstreuenden  Kraft  besteht 
die  einfache  Relation: 

a  nj — nj 

al  n\ 

und  ich   definire  die  Constante  —    oder  das  Verhältnifs    der   zer- 

streuenden  Kraft  zur  Amplitude  als  das  Zerstreuungsvermogen. 
Das  Zerstreuungsvermogen  eines  dispergirenden  Mittels  ist  wesent- 
lich bedingt  durch  den  Charakter  oder  die  Form  der  periodischen 
Un^eichheiten,  diese  letztere  aber  nur  abhängig  von  der  chemischen 
Substanz,  dagegen  unabhängig  von  der  Dichtigkeit 

Für  Gase  ist  die  Amplitude  a  der  Quadratwurzel  aus  ihrer 
Dichtigkeit  proportional. 

Endlich  läfst  sich  rücksichtlich  der  Grofse  a,  (proportional 
mit  Aq)  noch  der  folgende  Satz  aussprechen:  Wird  die  Dichtigkeit 


ront  14.  FAruar  1870.  137 

einer  diftpei^reiid«ii  Sabstanx,  die  wie  Sehwafelirablenstoff  seitens 
ihrer  pondersblen  Molekfile  nar  eine  fiviserst  schwache  direiUe  Ein* 
Wirkung  VethStigt,  vom  Grfinssnstand  (d  «s  o)  an  condnoirlich  gc« 
steigert,  so  wird  die  ragehorige  Cnnre  der  Dispersion  einmal,  bei 
einer  gans  bestimmten  Dichtigkeit ,  in  eine  Lage  kommen,  deren 
mathematiseher  Ansdruck  die  Christoff  ersehe  Fermel  ist;  die 
dieser  Dichtigkeit  entsprechende  Amplitfide  ist  angenfihert  as  «i« 

Ffir  den  gedachten  Speciaifall  ist: 

Ebenso  einfach  ist  die  Beziehung,  die  anf  der  anderen  Hfilfte 
der  Dispersionscarve  den  Gränzstrahi  (n^^ti,  Xj)  mit  dem  charak- 
teristischen Mittelstrahl  verbindet 

Nenne  ich  kf  den  Coefficienten  des  die  direkte  Wellenlänge 
enthaltenden  Gliedes  und  setze  k  ss»  n\ifj  so  bestehen  die  Glei- 
chungen: 

h 


'    y? '    ''Vi* 

Die  erstere  bleibt  gültig  für  alle  nicht  za  grolsen  Werthe  von  k, 
die  zweite  ersetzt  sich  für  den  Specialiall  ,      =  -7=  durch  die 

Proportions 

Dem  entsprechend   wfire  das  Spektrum  der  Befraetion   zwischen 
den  Grinsen: 

w«  =»  W1V2 

»1  =«  »1V2 

I 

enthalten,  den  Chris toffeTschen  Specialfall  vorausgesetzt 
Schreibt  man  Wf  s*  t*^iV^f   so  ist: 

[1870]  10 


138         Sitzung  der  phys.^maih*  Klasse  vom  14.  Februar  1870. 

unter  12  die  LichtgescbiArindigkeit  im  freien  WeltStber  veretanden, 
die  Gr&ugeschwindigkeit,  die  in  einem  unendlich  dünnen  Gase  von 
einer  unendlich  grofsen  Welle  höchstenB  erreicht  wird.  Diese  Ge- 
ftchwindigkeit  mufs  aber  angenfihert  schon  in  den  gewöhnlichen 
Gasen  endlichen  Wellen  von  einer  gewissen  betr&chtlichen  Grofse 
an  ankommen.  Sie  f&Ut  naheaa  zusammen  mit  derjenigen  Con- 
stanten 

e  =s  59330  Meilen, 

die  von  Kohl  rausch  und  Weber  definirt  ist  als  diejenige  rela- 
tive Geschwindigkeit  zvieier  elektrischen-  Massen  gegen  einander, 
bei  der  sie  nicht  mehr  auf  einander  einwirken. 

Auf  eine  Beziehung  zum  Leitungsvermogen  für  Elektricität 
deutet  ferner  das  Verhalten  des  Coefficienten  k.  Ordnet  man  nfim- 
lieh  die  durchsichtigen  Mittel  je  nach  der  Gröfse  desselben  in  Gmp- 
pen,  so  stellen  sich  anscheinend  einerseits  Wasser,  Schwefelsaure 
und  Cblorzinklösung ,  andererseits  Schwefelkohlenstoff,  Phosphor 
und  Arragonit  (7)  als  die  extremen  zusammen. 

Die  Formel  selbst,  die  sich  mit  Nothwendigkeit  aus  der  Er- 
fahrung zu  ergeben  schien,  und  von  der  ich  wohl  hinzufugen  darf, 
dafs  sie  durch  Briot*s  Theorie  eine  gewisse  Bestätigung  erhalten, 
hat  die  Form: 

,  _       A  C  _ 

""    "*  if .-.  i»  "^  />  -  r  ' 

wenn  v  die  der  inneren  Wellenlänge  /  =  r .  T  entsprechende  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit bedeutet»  A,  J9,  C,  D  sind  Constanten, 
von  denen  B  und  2),  reciprok  genommen,  wenigstens  für  die  un- 
tersuchten optischen  Mittel  Gr5£ien  derselben  Ordnung  sind. 

Dem  Gesagten  zufolge  wirken  zur  Hervorrufung  der  Disper- 
sion im  Allgemeinen  zwei  wesentlich  verschiedene,  nicht  parallel 
laufende  Kräfte  zusammen,  und  wie  z.  B.  beim  Schwefelkohlenstoff 
der  Einflufs  der  einen  stark  zurficktritt,  so  mag  es  andere  Mittel 
geben,  in  denen  umgekehrt  die  periodische  Modification  des  Äthers 
klein  ist  gegen  die   direkte  Einwirkung  der  ponderablen  Moleküle. 

Sollte  nun  ein  wohlbekannter  Versuch  von  Quincke  auf  die  Me- 
talle als  diese  letzteren  hindeuten,  so  halten  sich  bei  der  .Disper- 
sion des  Wassers  beide  Arten  von  Kräften  nahe  das  Gleichgewicht. 
Und  wenn  man  annimmt,  dafs  bei  Abnahme  seiner  Dichtigkeit  eine 
jede   derselben    zwar  regulär,    aber   ungleich    schnell    geschwächt 


Geummtsitzung  vom  i7,  Esbruar  1870.  139 

wird,  8o  findet  vielleicht  anch  die  Anomalie,  die  seine  Indices  un- 
terhalb des  DicbdgkeiCiBniaximuniB  zeigen,  eine  naturgemäüie  Er- 
kUrang« 


Hr.  Weierstrafs  machte  sodann  -r-  im  AnschluIlB  an  die  am 
2.  December  v.  J.  gelesene  Notiz  —  eine  weitere  Mittbeilung  aus 
seinen  Untersuchungen   über  die   2  n fach  periodischen  Funktionen« 


17.  Februar.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Peter  mann  las  über  die  Eroberung  von  Jerusalem  durch 
Saladin  und  dessen  weitere  Thaten  im  Jahre  1187  n.  Ch.  nach 
Imad  el  Ispahäni. 


Hr.  Ehrenberg  legte  ein  an  ihn  adressirtes  arabisches  Schrei- 
ben des  ägyptischen  Gouverneurs  iin  Sudan,  Djafer  Pascha,  vor, 
worin  derselbe  seinen  Dank  für  die  Anerkennung  seiner  Theil- 
nahme  an  den  Bestrebungen  des  Naturforschers  Hrn.  Dr.  Schwein- 
fiu-th  aasspricht  und  auch  für  die  Zukunft  seine  den  Absichten  d^r 
Akademie  entsprechende  grofste  Bereitwilligkeit  d^r  Beförderung 
derselben  anzeigt. 


Hr.  Pertz  legte  den  Ersten  Band  der  von  ihm  veranstalteten 
Sammlang  von  Schrifttafeln  zum  Gebrauche  bei  diplo- 
matischen Vorlesungen  —  Hannover  im  Verlage  der  Hahn- 
schen  Hofbuchhandlung  1869,  97  Platten  nebst  3  Bogen  Inhaltsver- 
zeichnissen in  Folio  —  vor,    und  erkl&rte  sich  darüber  wie  folgt: 

Als  bei  Entwerfung  des  Plans  der  Monumenta  Germaniae  die 
Ausstattung  und  Beglaubigung  der  Texte    durch    getreue  Schrift- 

10* 


140  OesammtMiizung 

mnster  beschlossen  warde,  bedachte  ich  die  Leichtigkeit,  durch 
eine  Zasammenstellung  der  einzelnen  anf  diese  Weise  im  Laafe  der 
Zeit  za  gewinnenden  Musterbilder  den  fahlbaren  Mangel  zweckm&- 
Isiger  nnd  mannigfaltig  nützlicher  Hdlfsmittel  für  das  diplomatische 
Stadium  sn  ersetzen.  Es  wurden  sich  somit  zwei  verschiedene 
Theile,  einer  f&r  Bacher,  der  andere  fSr  Urkunden  bilden  lassen, 
wenn  grundsfitzlich  auch  bei  Herausgabe  der  letzteren  auf  Nachbil- 
dung einer  geeigneten  Urkunde  jedes  Königs  und  Kaisers  gehalten, 
nnd  die  Elemente  einer  deutschen  Diplomatik  in  der  Zeitfolge  ge- 
wonnen wftren.  An  diesen  letztem  Theil  wird  mit  dem  nahe  be▼o^ 
stehenden  Erscheinen  der  Kaiserurkunden  gedacht  werden.  Die 
Erfordernisse  des  ersten  sind  allmfilig  mit  dem  Yorschreiten  der 
Seriptoren  nnd  Leges  zusammengekommen,  indem  der  Herr  Verle- 
ger der  Monnmenta  meinem  Wunsche  durch  Yeranstaltang  einer  et- 
was erhöheten  Zahl  Abdrücke  der  fSr  die  Auflage  der  Monuments 
erforderlichen  Sefarifttafeln  entsprochen,  und  jetzt  das  Zosammeole- 
gen  der  in  zehn  Heften  einzeln  erschienenen  Handschriftentafeln 
der  Torliegenden  33  Binde  veranstaltet  hat  Die  wissenschaftliche 
Veninigung  derselben  ist  durdi  Professor  Dr.  Karl  Perts  ansge- 
lEhrt,  welcher  dem  Bande  eine  chronologische  Übersicht  der  in  den 
sämmtlichen  Schrifttafeln  enthaltenen  Arten  in  folgender  Ordnung 
vorgesetzt  hat: 

I.  Uncialschrift.     H.  Beneventanische  Schrift     HL   Angel- 
sfichsische  Schrift     lY.  Karolingische  Halbcursive.     Y.  Mi* 
nuskelschrift  nach  ihrer  Entwickelung  in  Folge    der  Jahr- 
hunderte,  dem    8.  9.  10.  11.   12.    13.  14.  15.  16.   unserer 
Zeitrechnung. 
Die  beschr&nktere  Zahl  der  Uncial  -  Proben  wird  durch    die  be- 
vorstehenden Mittheilungen  aus  den  filtesten  Handschriften  der  Me- 
rowinger,  Langobarden,  Gothen  nnd  Römer  vervollst&ndigt  werden. 
Die  Sammlung  empfiehlt  sich  durch  ihre  Mannigfaltigkeit,  dieTrene, 
Grofse  nnd  den  Werth  ihrer  ausgewählten  Bestandtheile  und  ihre 
leichte  Zuginglichkeit. 


wm  17.  Februar  i870.  141 

IBenrnf  wurde  der  lolgende  AnfiMtz  des  Hrn.  Geibardt  in 
Eisleben  mitgeüieilt: 

Zur  Geschichte  der  Algebra   in  Dentschland. 

Zweiter  TheiL 

In  dem  ersten  Theil  (Monatsberichte  1867  S.  38  ff.)  habe  ich 
aas  den  bisher  zagfinglichen  Dmckschriften  die  AnfSlnge  der  Al- 
gebra in  Dentschland  dargestellt.  Es  blieben  die  Fragen  sa  erle- 
digen: ans  welcher  Grundlage  haben  die  ersten  deutschen  Algebri- 
Bten,  Henricus  Grammateus  (Schrejber  aus  Erfurt)  und  Christoff 
Radolff  von  Jauer  geschöpft?  haben  sie  sich  an  arabische  oder 
italienische  Schriftsteller  angeschlossen?  und  was  haben  sie  selbst- 
ständig geleistet? 

Hiersn  war  eine  Durchmusterung  der  in  den  Bibliotheken  von 
Wien,  München,  NQmberg  vorhandenen  Manuscripte  nöthig;  ich 
babe  sie  im  Sommer  1867  ausgef&hrt.  Mein  Plan,  vor  allem  nach 
lateinischen  Übersetzungen  arabischer  Schriftsteller  über  Algebra 
za  suchen,  wie  deren  Libri  (Hist.  des  mathemat  en  Italic,  Tom.  I. 
p.  253)  von  der  Algebra  des  Mohammed  ben  Musa  als  in  der  Kai- 
serlichen Bibliothek  zu  Paris  vorhanden  erwfihnt,  war  f3r  Wien 
wenigstens  ohne  Erfolg');  in  München  dagegen  fand  ich  in  der 
Handsdirift  n.  14908,  die  aus  der  Benedictiner*Abtei  St  Emmeran 
stammt  und  die  das  gesammte  mathematische  Wissen  um  die  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts  in  Deutschland  enthfilt*),   das  BruchstSck 


^)  Ich  bemerke,  dafii  Tielleicht  noch  manches,  was  mir  entgangen,  durch 
die  begonnene  genaae  Catalogisimng  der  Mannscripte  der  Wiener  Bibliodiek 
^  7>ge  geiSrdert  werden  kann.  Dasselbe  gilt  von  der  Bibliothek  in 
Ufinchen. 

')  Der  Codex  enthalt:  Modnm  rednctionis  minutiarum  vnlgarium  atqne 
physicanun  dissimilium  denominationnm  ad  eandem  denominationem  commu- 
nnn  et  rednctionis  integromm  ad  minntias  et  e  converso  sabjangere,  aus  dem 
Jahr  1457;  es  wird  darin  Ober  die  Additio,  Subtractio,  Duplatio,  Dimidiatio, 
MoltipUcatio,  Divisio  in  Brfichen  gehandelt,  femer  de  radice  quadrata  in  mi- 
aotiis,  extractio  radicis  cnbicae  in  minntiis,  Regula  fractionis  fractionnm ;  dar- 
auf folgt  In  deutscher  Sprache:  Ton  geraden  und  ungeraden  Zahlen,  Ton  per- 
fecten  Zahlen,  Progressio;  nach  vielen  Beispielen  konmit  die  Regula  falsi, 
aladann  Ampliatio  Regnlae  Proportionnm,  De  aurea  Regula  vel  de  tre  (die 
beigebrachteii  Beispiele  zum  Theil  deutsch,  zum  Theil  lateinisch),  Rq^alaligar 
(<!•  i.  Mischungsrechnung),   Regula  positionis,  Conversa  regula  de  tre,  Regula 


142  Gesammisitzukg 

eines  Anszags  aus  der  Algebra  des  Mohammed  ben  Musa  in  deut- 
scher Sprache  aas  dem  Jahre  1461.     Dasselbe  iaotet: 

Machmet  in  dem  piiech  aigebrja  nn  almaleobnla  hat  geprachet 
dise  wort  censas,  radiz,  numerus.  Census  ist  ain  yede  zal  die  in 
sich  selb  multiplicirt  wirt,  das  ist  nomerus  quadratus.  Radix  ist 
die  wurtz  der  zal  oder  des  zins.  Namems  ist  ain  aal  für  sieh 
selb  gemercket,  nit  alz  sie  ain  zins  oder  ain  wurtz  ist.  Aus  den 
dingen  merkt  er  6  ding:  das  erst  wann  der  census  sich  gelichet 
den  wurtseuy  daz  ander  so  der  census  sich  geliehet  der  aal,  daz 
drit  so  sich  dye  zal  gelichet  den  wurtsen«  das  4  so  sich  der  cen- 
sus vnd  die  wurtzen  gelichent  der  zal,  als  ob  man  spreche,  ain 
census  vnd  10  wurtz  gelichent  sich  32.'}  Daz  fünft  ist  so  sich 
der  census  vnd  die  zal  gelichent  den  wurtzen,  das  sechst  so  sich 
die  wurtzen  vnd  die  zal  gelichent  dem  census. 

Dar')  vmb  Sprech  ainer:  gib  mir  ain  zensus  vnd  zuech  dar^ 
von  sin  wurtz  vnd  von  dem  daz  vberbelyb  an  dem  census  zuech 
och  aufe  dye  wurtz,  die  zwo  wurtz  tue  zusamen  daz  2  zal  darauCs 
werden.     So  aber  daz  nit  in  der  sechs  regel  ainer  stat,   so  bring 


aagmentationi«.  De  soeietatibiiB  aenigmata  (QefellsehafInrechDQng),  De  Mone- 
tibo«,  Divinaii  (d.  L  Zahlen  erraihen}«  Hierauf  folgt  das  oben  voUatlndig 
nitgethejlte  Bnichatflck  der  Algebra  aus  dem  Jahr  1461.  Ferner  enthalt  der 
Codex:  Algorismixs  Proportionum  Nicolai  Orem  (d.  i.  Nicolai  Oresmti)  aus 
dem  Jahr  1456;  Thomae  Bradwardinl  geometria;  Geometrica  practica  emn 
figuris ;  Nicolai  de  Cnsa  über  de  geometricis  transmutationibns,  Ejusdem  Trac- 
ta^us  de  mathematicis  coraplementis« 

'}  Soll  heifaen  39,  wie  in  der  Algebra  des  Mohammed  ben  Musa  steht. 

')  Das  folgende  Beispiel  behandelt  die  Gleichung 

Der  Gang  der  Auflösung  läfst  sich  so  darstellen: 

Ki»— *  =  2  —  « 
x'  —  jp  =s!  4  —  4«  4-  Jb' 


«» 

=s 

4  — 

Sx 

-H 

«« 

3« 

» 

4 

X 

« 

H 

X» 

== 

V. 

Dies  Beispiel  findet  sich  in  der  von  Libri  poblicirtcn  lateinischen  Übersetzung 
K  C  p.  296. 


tom  17.  FAruar  i870.  148 

CS  in  ain  regel  also.  Es  sollen  die  zwo  wurtis  2  numero  gelich 
gesin,  so  kompt  es  in  die  dritten  regel,  daramb  znechab  von  den 
2  namero  die  wurtzen  dez  census,  so  belyben  2  minder  der  war- 
tzen  defs  zins,  dafs  selb  belybend  ist  gelych  der  wnrtzen  defs  dafo 
ain  censns  uberbelybt  sein  wurtz  darvon  gesogen  wart,  daz  du 
aber  habest  dez  geiychnufs  daz  uberbelybt,  so  mnlHplicir  die  2 
dragmas  minder  ainer  wartzen  in  sieh  selb,  so  kommen  4  dragma 
vnd  ain  zins  minder  4  wurtzen,  daz  wart  gelieh  dem  daz  Uberbe- 
lybt an  dem  census,  wann  sein  wurtz  darvon  wart  gezogen.  Nun 
znech  darvon  dye  gemindert  w^ortz,  so  belybt  1  census  vnd  4  drag- 
me  gelich  ain  census  vnd  3  wurtz.  Nun  tu  baindenthalb  den  zins 
darvon,  so  beleybt  dennocht  (?)  dafs  iibrig  gelich,  dafs  ist  4  dragme 
Bind  gelych  3  wnrtzen.  So  mufs  ain  wurtz  l^-  sein,  wann  3mal  1  j- 
macht  4,  mnltiplicir  Ij-  in  sich  selb,  so  kompt  ^,  daz  ist  der 
censos  vnd  sein  wurtz  ist  1^,  vnd  wann  tue  1^  tust  von  y,  so 
belyb  f,  die  wartz  von  ^  ist  f,  die  -|  zu  der  wurtzen  y,  daz  ist 
1|,  macht  2  gantz. 

So  weit  zur  Zeit  bekannt,  ist  dies  die  erste  Erwähnung  der 
Algebra  in  Deutschland. 

In  der  Wiener  Bibliothek  gelang  es  mir  das  Manuscript  auf- 
zufinden, das  zum  Theil  wenigstens  die  Grundlage  zu  den  Schrif- 
ten von  Henr.  Grammate us  und  Ch.  Rudolff  bildet  Es  ist 
dasselbe  Mannscript,' das  aus  dem  Nachlasse  Stober l's  (Stiborius) 
in  die  Wiener  Universitätsbibliothek  kam  (Mopatsberichte  1867 
S.  46),  und  die  Aufschrift  hat:  Regul^  Cos^  ve^  Algobr^.')  Es 
entbfilt  im  Anfang  eine  übersichtliche  Zusammehstellnng  der  Re- 
geln über  die  algebraische  Addition,  Subtraction  und  Multiplication. 
Von  der  letztern  geht  es  weiter  zu  den  Potenzen  und  deren  Be- 
zeichnung, so  dafs  hier  die  Regeln  der  Division  ganz  fehlen.  Dar- 
auf folgen  unter  der  Aufschtift:  Incipit  Algorithmus  de  integris 
qne  subsequuntur  regulis  deserviens^  die  Regeln  über  die  Addition, 
Subtraction,  Multiplication,  Division  von  algebraischen  Summen^ 
wobei  für  jede  Operation  mehrere  Beispiele  beigebracht  sind,  deren 


')  Das  Mannucript  besteht  ajbs  33  Blättern  in  fol.  and  findet  sich  zu- 
gleich mit  mehreren  andern  Maituscripteu  aus  dem  Kaehlafs  StöberTs  in 
einem  Bande  n.  5277.  \  Da  unter  den  darin  aufgeführten  algebraischen  Auf- 
gaben einö  ziemliche  Anzahl  in-  deutscher  Sprache  beigebracht  wird,  so 
'lurfite  die  Abfossui^  desselben  um  die  Mitte  des  15.  Jahrb.  zu  setzen  sein. 


U4 


6e$ammfiitzunff 


Resoltole  dnrch  eine  ^Probatio^  ak  richtig  dargethan  werden.  Die 
Behandlung  der  Division  algebraischer  Summen  ist  ftufserst  man- 
gelhaft und  undentU^h;  es  wird  hierbei  aof  die  später  folgenden 
Gleichungen  verwiesen.  Nfiehstdem  kommt  Brnchredinung  und 
Regula  de  tri.  Hieran  schlieflsen  sich:  Begule  eqnationum  Intro- 
duetorie  in  omnia  que  dsiaoeps  sequuntar  dogmata  (d.  L  Beispiele}. 
Diese  Regeln,  acht  an  der  Zahl,  beliehen  sich  auf  die  folgenden 
Formen  von  Gleichungen: 

3x  s=  6  ,  3*'  =  12  ,  2X*  s=  16  ,  2  j;f  =s  32  , 
3ä*  -4-  4jp  s=  20 ,  4j?»  -f-  S  =  I2x  ,  4x  -h  12  « 


6«*  , 


Um  von  diesem  Theil  des  Manuscripts  eine  Anschauung  tn  geben, 
soll  der  Anfang  hier  mitgetheilt  werden:  Quarum  prima  est  quan- 
docunqae  dae  denominationes  coequantur,  quamm  una  natural!  Se- 
rie aliam  sequitur^  tunc  prima  per  secundam  dividatur,  et  quotiens 
ostendit  quesitum. 


Exempla. 


3^ 
5  ee 
7  alt 


sunt  aequalea 


12  CS 
16  a/l 


facit  l^2<f> 


Secunda  regula 
facta  relatione  duarum  denominationum  quarum  una  non  immediate 
sequitnr  aliam,  sed  una  silentio  pertransitur,  tunc  prior  per  poste- 
riorem dividatur,  et  quotientis  radix  quadrata  docet  optatum. 


Exempla. 


3« 


sunt  aequales 


12  (f> 
16^ 
20  J 
24  ce 

2»Ji 


facit    lZ<,2(/i 


vom  U.  FAruar  1870.  Üb 

Nachdem  nun  för  eine  jede  dieser  acht  Hanptregeln  eine  An- 
zahl Beispiele,  die  Mehrsahl  lateinisch,  andere  in  deutscher  Spra- 
che, mit  ihren  Losungen  beigebracht  sind,  folgen  noch  eine  neunte 
und  zehnte  Regel,  die  des  Folgenden  wegen  hier  wörtlich  angeführt 
werden  sollen.  Nona  regala:  Quum  )  assimilatur  TJ^  de  ^,  pnnc* 
tas  (siel)  de  T^  deleatur,  )  in  se  dncatur,  et  remanent  adhnc  inter 
86  aeqnalia.  —  Dedma  r^pila:  Quum  )  assimilatur  \  de  ),  tunc 
panctus  de  g  deleatur,  j  ex  altera  parte  in  se  ducatur,  et  remanent 
adhac  inter  se  aequalia.  —  Das  vorletzte  Blatt  des  Manuscripts 
enthfilt  ein  Tableau  unter  der  Aufschrift:  Begule  Cosse,  in  wel- 
chem die  24  Formen  von  Gleichungen')  zusammengestellt  sind, 
die  Ton  Adam  Riese  ebenfalls  angegeben  und  auch  von  Gh.  Rü- 
de Iff  und  Stifel  erwähnt  werden.  Beide  Angaben,  die  des  in 
Bede  stehenden  Tableaus  und  wie  sie  von  Riese  aufgezählt  wer- 
den, folgen  hier  in  der  gegenwärtig  üblichen  S^eichensprache  mit 
Weglassung  der  Coefficienten: 


'}  Ich  habe  sie  In  dem  ersten  Theil  (Monstsberichte  1867  S.  49}  mit 
dem  nicht  passenden  Aosdmck  ^Kechnnngsregeln"  bezeichnet;  es  ist  leicht  zu 
sehen,  dars  diese  24  Formen  ans  den  8  Hanptgleichungen  specialisirt  sind. 
Deshalb  worden  sie  anch  später  Ton  Ch.  Rndolff,  Riese,  Stiefel  Ter- 
worfen. 


146 


Gesammtsiizung 


Formen  des  Table^Hü 

1. 

n 

ass  Ä 

2. 

s 

SS  «• 

3. 

x^ 

S3    «• 

4. 

X* 

a=  JP* 

5. 

n 

=  X' 

6. 

X 

=  Jf* 

7. 

x' 

=a  X* 

8. 

n 

=  j:* 

9. 

n 

=  x-Hx' 

10. 

X 

=  x'  -h  x' 

11. 

X« 

=  x*  -H  x^ 

12. 

X« 

==  x-4-n 

13. 

*• 

=  x'-Hx 

14. 

X* 

=  x'-hx' 

15. 

X 

«=»  x'-+-n 

16. 

X« 

=  x'4-  X 

17. 

X* 

=  x*-4-x' 

18. 

n 

=  x'  H-  X* 

19. 

X* 

=  x*H-  n 

20. 

«• 

=  X*  -h  n 

21. 

n 

=  x* 

22. 

X 

=  X* 

23. 

x« 

SÄ    X 

24. 

x« 

=  x» 

Nach  Rie«e 

1. 

X 

=s  n 

2. 

n 

«X« 

3. 

X 

«X« 

4. 

n 

=  x-hx* 

5. 

X 

=  n-f-x' 

6. 

n  -f-  X  =  x' 

7. 

x' 

=  x" 

8. 

x' 

=  X 

9. 

x' 

s=  n 

10. 

X 

=  x»-4-x» 

11. 

x' 

=  x-Hx* 

12. 

x' 

=  x'-hx 

13. 

X* 

=  x* 

14. 

X* 

=  x> 

15. 

X* 

s=  X 

16. 

x' 

=  x»H-x* 

17. 

x' 

=  x»4-x* 

18. 

x^ 

=  x'-+-x* 

19. 

x' 

^Vx 

20. 

x' 

«f/x« 

21. 

X* 

=  n 

22. 

n 

=  «»  +  X« 

23. 

X* 

=  11  +  «* 

24. 

X* 

=  «»  +  ».') 

^)  Abgesehen  von  der  Reihenfolge  stimmen  die  Formen  in  beiden  Auf- 
zählungen überein,  denn  offenbar  fehlen  in  den  beiden  letztem  Formen  des 
Tableaus  die  Wurzelzeichen,  die  in  n.  19  und  20  nach  Riese  erscheinen. 


rom  U.  Ftbruar  iS70.  147 

Die  folgende  Seite  des  ManiiBeripts  enthält  Terschiedene  Bemer^ 
kongen,  Zasammenstellung  von  bereits  Erw&hntem,  Beispiele  u.  s.  w. 
Hiervon  ist  die  erste  Bemerknng  besonders  wichtig:  Per  punctum 
intellige  radicem. 

Was  das  in  Rede  stehende  Manascript  besonders  cbarakterisirt 
ond  wodurch  es  sich  wesentlich  von  andern  Handschriften  und 
vielen  ersten  Druckwerken  unterscheidet,  ist  die  schematische  Art 
des  Ausdrucks:  die  Regdn,  die  sonst  nur  in  Worten  gegeben  wer- 
den, sind  hier  auf  kurze  Weise  möglichst  durch  Zeichen  ausge* 
drückt.     So  lautet  z.  B.  der  Anfang: 

f 

m 

Conditiones  circa  +  rel  —  in  additione 

+  et  +  + 

^  facit       ^  addatur  non   sumendo  respectum  quis  nu- 

—  et  —  —  «x  • 

merus  Sit  supenor. 

{-h  et  — 
^   simpliciter    snbtrahatur   minor   numerus    a 
®    "*"         majori  et  residuo  sua  ascribatur  nota. 

Conditiones  circa  +  et  —  in  subtractione. 

Si  fuerit  H-  et  4-  vel  —  et  — ,  existente  numero  superiore  ma- 
jore, fiat  subtractio  et  relicto  sua  ascribatur  nota.  Si  inferior  ex- 
cesserit  superiorem,  fiat  subtractio  et  residuo  apponatur  nota  aliena. 

.    f  -H  et  —  \  addatur  absque  uUo  respectu  snperioris  ( -h 

Ol  luent  l  *    .    I  et  inferioris,  quaesitum  ad  excessum  pro-  { 

^  ""  ®^  "*"  ^  ductum  habebit  ^ 


Diese  schematische  Darstellung  ist  offenbar  die  Folge  des  Gebrauchs 
der  Zeichen  +  und  — ,  die  in  Deutschland  zuerst  auftreten.  Es 
konnte  nun  demjenigen,  der  nicht  blofs  mechanisch  rechnete,  dem 
es  vielmehr  um  die  Ausbildung  der  Wissenschaft  zu  thun  war, 
nicht  entgehen,  dafs  die  Einfiihrung  anderer  Zeichen  für  die  übri- 
gen Operationen  von  grödstem  Nutzen  sein  m&fste.  In  Bezug  hier- 
auf ist  hervorzuheben,  was  meines  Wissens  noch  nicht  geschehen 
ist,  dafs  die  Einführung  des  Wurzelzeichens  ebenfalls 
den  deutschen  Algebristen  zu  verdanken  ist.  IJm  dies 
deutlich  auseinander  zu  setzen,  mufs  auf  die  indischen  und  arabi- 
schen Mathematiker  zurückgegangen  werden. 


148  OeiommUUzung 

Bekanntlich  ist  in  dem  Werk  Bhaacara's  (12.  Jabrh.  o.  Chr.) 
Ulawati  genannt,  eine  Abhandlung  über  die  Arithmetik  der  Inder 
enthalten.  Ich  entnehme  daraus  die  Anaaiehung  der  Quadratwur* 
sei,  und  awar  nach  der  Obersetsung  Taylor'a  (Bombay  1816), 
die  das  Verfahren  und  die  Erlftuterungen  dee  Oommentators  Ga- 
nesa vollständiger  giebt,  als  die  Bearbeitung  Co  lehr  ooke's.  Da 
die  genannte  Obersetsung  ftufserst  selten  ist,  so  will  ich  die  Stelle 
hier  vollständig  reprodueiren.  Bhascara's  Vorschrift  cur  Ans* 
Ziehung  der  Quadratwurzel  lautet: 
Of  the  Square  Root. 

Subtract  from  the  last  uneven  period  the  greatest  Square  which 
it  contains.  Set  down  double  the  Square  root  in  a  separate  line, 
and  after  dividing  hj  it  the  next  eren  period,  subtract  the  Square 
of  the  quotient  from  the  next  uneven  period,  and  also  set  down 
double  this  quotient  in  the  line:  Then  divide  the  next  even  period 
by  the  number  in  the  line,  and  on  subtracting  the  Square  of  the 
quotient  from  the  next  uneven  period,  set  down  double  this  quo- 
tient in  the  line.  Thus  repeat  the  Operation  tbro'  all  the  figures. 
The  half  of  the  separate  or  quotient  line  is  the  root  — 

Dazu  giebt  Taylor  folgende  Explication,  zugleich  mit  der 
Übersetzung  des  Commentars  von  Ganesa: 

The  figures  in  the  first,  third,  fifth  etc.  places,  reckoning  from  the 
right,  are  called  visama  or  uneven,  and  are  marked  by  a  perpendi- 
cular  stroke.  Those  in  the  second,  fourth,  sixth  etc.  places,  are  cal- 
led sama  or  even,  and  are  marked  by  a  horizontal  stroke.  In  the 
Operation  the  period  reeeives  its  name  from  the  denomination  of  the 
first  figure  on  the  right  band.  When  the  first  fignre  on  the  right  is  une- 
ven, the  periodis  called  uneven;  when  this  first  figure  is  even,  the  period 

is  called  even.   Thus  in  the  subsequent  example  of  extracting  the  sqna- 

^  1-    i-i    -I-   -I 

re  root  of  88209,  the  numbers  48,  122,  410,  49,  are  respectively  na- 

med  even,  uneven,  even,  uneven.     The  details  of  the  Operation  are 

i-i-i 
thus  given  m  the  commentary,  tacking  for  exemple  88209.     „Make 

the  marks  even  and  nneven,     Here  the  last  uneven  figure  is  8; 

from  this  subtract  4  which  is  the  Square  of  2,   and  there  remains 

i-i-i 
of  the  Square  number  48209:    Then  multiply  the  root  of  4  by  2, 

the  product  is  4;    set  this  down  in  a  separate  line,  and  by  it  di- 

I- 
vide  te  next  even  period  48;  tfie  quotient  is  9,  and  there  remaias 


vom  17.  FOruar  1870.  149 

of  the  sqaare  12209;  sabtract  81  which  is  the  Square  of  the  quo- 

tienl  9  from  the  next  nneyen  period  12S;   there  remaina  of  th« 

-i-i 
Square  4109:    Then  muldplj  the  quotient  9.bj  2;    the  product  is 

18,  which  being  put  down  in  the  separate  llne  below  4,  one  place 

forward,  the  anm  is  58:  Bj  this  number  divido  the  next  even  pe- 
-I-  -I 

riod  410;   the  quotient  is  7,  and  there  roQiains  of  the  Square  49; 

irom  thia  oneven  period  subtract  49  which  is  the  Square  of  7;  no 
remainder  is  lest:  Then  xnultiply  the  quotient  7  by  2,  the  product 
is  14;  put  this  down  in  the  separate  line  one  place  forward,  and 
add  together  the  different  products  in  the  separate  line;  their  sum 
is  594,  and  the  half  of  this  is  297,  which  is  the  root  of  the 
Square  88209.^ 

Will  man  sich  Ton  der  praktischen  Ausfuhrung  des  hier  be- 
schriebenen Verfahrens  eine  Vorstellung  machen,  so  mufs  man  wis- 
sen, dafs  die  Inder  auf  einer  kleinen  weifsen  Tafel  von  12  Zoll 
Lange  und  8  Zoll  Breite,  die  mit  rothem  Sand  bedeckt  war,  rech- 
neten; mit  einem  Holzstift  entfernten  sie  den  Sand,  so  dafs  die 
Ziffern  auf  dem  weifsen  Grund  der  Tafel  sichtbar  wurden.  Leidit 
konnten  die  Ziffern,  die  nicht  mehr  gebraucht  wurden,  mit  dem 
Finger  ausgewischt  werden,  so  dafs  nur  die  Ziffern,  die  unmittel- 
bar bei  der  Rechnung  in  Betracht  kamen,  auf  der  Tafel  vorhanden 
waren. ^)     Demnach  wird  das  obige  Beispiel  sich  so  darstellen: 

88209  2  X  2  »  4 

48209  9x2  «  18 

i-i-i 

12209  58 

4109  7x2  =r    14  I 

49  2) -23^ 

mit  dem  Unterschied,  dafs  die  Zahlen  88209,  48209,  12209  u.s.w.  j 

nicht  snsammen  auf  der  Tafel  vorhanden  sind,  sondern  immer  nur  j 

eine.    Daraus  erklfirt  sich  denn  auch  die  eigenthümliche  Bestim- 


1}  Taylor  Lilawatl,  Intr<Kla<;tioii. 


150 


Oesammiifizung 


mung  der  Wuneel,  dafs  n&mlich  durch  Halbirung  der  Sommen  der 
Prodacte,  die  man  zur  Befitimmung  der  Divisoren  bildet,  die  Wur- 
eel  gefunden  wird:  es  ist  eben  auf  der  Reohentafel  cnletzt  nichts 
weiter  vorhanden,  als  Jene  Summe« 

Dies  Verfahren  der  indischen  Mathematiker  in  Betreff  der 
Wurzelausziehung  wurde  von  den  Arabern  aufgenommen;  äufser- 
lieh  machten  sie  einige  AbAnderungen ,  sie  liefsen  z.  B.  bei  der 
Eintheilung  der  Zahl  die  Horizontalstriche  weg  und  setzten  an  die 
Stelle  der  Yerticalstriche  Punkte,  neben  welchen  die  Ziffern  der 
Wurzel  ihre  Stelle  erhielten.^}  Am  ausfuhrlichsten  beschreibt  ein 
arabischer  Mathematiker  der  spAtesten  Zeit  (aus  dem  15.  Jahrh.) 
Abul  Hasan  'Ali  ben  Mohammed  Alkalsadi  in  seiner  Arithmetilc 
die  dabei  befolgte  Praxis:  La')  pratique  de  cette  Operation  con- 
sistc  k  compter  les  rangs  du  (nombre  propos^)  en  (disant  alternative- 
ment)  „racine,  point  de  racine^,  jusqu'ä  la  demiere  place  qni  seit 
affectee  de  „racine^ ;  puis  k  chercher  un  nombre  que  vous  poserez 


*}  Ein  Beispiel  macht  daa  Verfahren  sofort  deutlich: 


.r 

.0 

.^ 

1 

r 

1 

r 

A 

• 
A 

r 

0 

1 

ö 

T 

V 

r 

ö 

*i 

1 

f 

A 

V 

1 

V 

V 

• 

A 

1 

ö 

t" 

d.h. 


.3 

.5 

.8 

1 

2 
9 

3 
3 

8 

0 

8 
2 

1 
5 

7 

2 

5 

6 

5 

6 

6 

4 
8 

* 

7 

1 

7 

7 

0 

B 

6 

5 

3 

'}  Nach  der  Übersetsung  von  Woepck«.  HoiPr  1859» 


vom  17.  Februar  1870.  151 

8008  cette  (demi^re  place),  qae  vous  midtiplierex  en  lai-m^ine,  et 
leqnel  alors  fera  eyanooir  ee  (nombre)  qui  est  plac^  au-dessaa  de 
liil,  oa  en  laiaae  un  reate»  Enanite  youb  prenea  le  double  du  nom* 
bre  qui  avait  4te  xnaltipliä  en  liii*m£nie,  vona  le  faitea  recnler  (de 
mani^re  qa*il  ae  tronye)  aa-deasoua  de  la  place  qui  est  affect^e  de 
«point  de  racine^t  et  voaa  cberchea  uo  nombre  qae  voua  poaerez 
sous  la  (place)  pr^cidente  affect^  de  ,|racine^,  et  leqael^  multiplie 
par  le  nombre  redoabl6  et  par  lai-mftmey  faaae  ^vanonir  ce  (nom* 
bre)  qoi  est  place  aa-deaaua  de  lui,  oa  en  laisse  an  reste.  Et 
ainBi  de  aaite  jaaqa'lt  la  fin  de  Top^ration. ' ) 

Was  hier  aofort  in  die  Augen  springt,  ist  dafs  der  Punkt  das 
Zeidien  für  die  Wursel  geworden  iat  Diese  Auffasaung  wird 
nicht  nar  bestätigt  durch  die  oben  mitgetheilten,  ans  der  Wiener 
Handschiift  entlehnten  Stellen,  in  welchen  geradesu  ^punctum^  für 
Warzel  gebraucht  wird,  sondern  auch  durch  Adam  Riese,  in 
dessen  Manuscript  gebliebener  Algebra  die  19te  Regel  so  lautet: 
1%X^  SO  }  vergleicht  wird  \^  vom  radiz,  sol  man  den  }  in  sich  muN 
tipliciren  vnnd  das  punct  vor  dem  Radix  aufsleschn. 

Gehen  wir  nun  zu  den  ersten  gedruckten  algebraischen  Schrif- 
ten von  Hen.  Grammateus  und  Ch.  Rudolff  über,  so  befolgt 
der  erstere  das  Verfahren  der  arabischen  Mathematiker  in  Betreff 
der  Ausziehung  der  Quadratwurzel.  Er  giebt  folgende  Regel: 
Distinguere  oder  Vorzeichen  dein  vorgelegte  zahl  mit  puncten 
anzufahen  von  der  rechten  handt  also  das  auff  der  ersten 
figum  stehe  ain  punkt,  auff  der  dritten  aber  ein  punct,  und 
darnach  auff  der  funfften  figurn  auch  ein  punct,  und  also  wei- 
ter allemal  auff  die  nechsten  dritten  figurn  ain  punct,  also 
werden  allezeit  die  punctlein  gesatzt  auff  die  ungeraden  stat,  als 
auff  die  1.  3.  5.  7.  9.  11  etc.  stat,  und  wie  viel  punct  sein,  also 
viel  kernen  figurn  in  die  zal  welches  die  wurtzel  ist  u.  s.  w.  Doch 
Grammateus   bleibt  hierbei  stehen  und  bedient  sich  in  der  Be* 


0  Daa  hier  beschriebene  Verfahren  ist  etwas  anders  als  in  dem  obigen 
^ispiel;  es  stellt  sich  so  dar: 

436 

193225 
3    6    5 
6 
72 


152  GenammUitzung 

handlottg  der  algebraiflchen  Anfgaben  2ften  Grades  stets  des  wort- 
lichen Ausdrucks  «»radiz  qnadrata^.  Anders  Ch.  Bndolff;  im  7ten 
Capitel  des  ersten  Theils  seiner  Algebra,  worin  er  über  den  algo- 
rithmum  de  snrdis  qnadratorum  (d.  L  über  irrationide  Quadratwar 
sein)  handelt,  bemerkt  er:  Zu  mercken  das  radix  qnadrata  in  di* 
sem  algorithmo  Ton  kürta  wegen  vermerckt  wfirt  mitt  solchem  cha- 
racter  •,  als  v^4  bedeutet  radieem  qnadratam  aufs  4;  ferner  im 
8ten  Capitel,  welches  den  algorithmum  de  snrdis  cnbioorum  est- 
bfilt:  Wfirt  radiz  cubiea  in  disem  algoridimo  bedent  durch  solchen 
character  v%^,  als  v^8  ist  su  versteen  radix  cnbica  aufs  8;  dsge* 
gen  beseichnet  er  die  Wurzel  des  vierten  Grades  durch  «••  Die 
Inconsequensy  die  in  der  Beaeichnung  der  Wurzeln  der  verschiede- 
nen Grade  hier  sich  seigt,  beseitigte  Michael  Stifel;  er  gebraucht 
sowohl  in  der  Arithmetica  integra  als  in  der  Cob  Ch.  Rndolff  s 

folgende  Zeichen:  ^i  «s  y,  y^e^  =»  V,  an  welchen  man  noch  se- 
hen kann,  dals  sie  aus  dem  Punct  entstanden  sind.  Aus  diesen 
Wurzelaeichen  Stifel's  ist  im  Lauf  der  Zeit  das  gegenw&rtige 
}f  geworden. 

Demnach  ist  die  bisherige  Annahme,  dafs  das  gegeawSrtig  ge- 
brauchte Wurzelzeichen  aus  ^,  welches  die  italienischen  Mathe- 
matiker als  Abkürzung  von  Radix  gebrauchen,  hervorgegangen  sei) 
durchaus  unbegründet. 

Was  nun  die  weitere  Benutzung  des  Wiener  Manuscripts  von 
Seiten  der  ersten  deutschen  algebraischen  Schriftsteller,  Henr. 
Grammateus  und  Ch.  Rudolff,  anlangt,  so  erscheint  der  &i- 
gebrinsche  Theil  der  Schrift  des  erstem  nicht  unmittelbar  abhfingig 
von  demselben;  der  Verfasser  bewegt  sich  durchaus  freier  als  Cb. 
Rudolff,  und  hat  offenbar  noch  andere  Quellen  gehabt.')  Dage- 
gen hat  Ch.  Rudolff  nach  dem  Wiener  Manuscript  gearbeitet'); 


')  Hierauf  scheinen  die  Worte  in  der  Vorrede  hinzudeuten:  Als  aber 
Ich  ain  zeyt  Jn  der  kunst  arithmetica  vnd  geometria  etlich  schöne  vnd  be- 
hende regehl  jn  TÜIerlay  sachen  dienstlich  zusammen  gezogen  o.  s.  w- 

')  Damit  stimmt  das  was  Stifel  in  der  Vorrede  zu  Radolff*8  Co^ 
berichtet:  Was  aber  dieser  Christoff  Rndolff  bey  etzlichen  für  Bank  k>b, 
will  ich  mich  nicht  jrren  lassen«  Ich  höret  anff  ein  zeit  Jm  grewlich  rad 
vnchristlich  fluchen,  das  er  die  Cors  hatte  geschriben«  vnd  das  beste  (wie 
der  flncher  sagt)  bette  verachwigen,   nemlich  die  Demonstrationes  seiner  B^ 


vom  il.  Ff^ruar  1870.  158 

venigsteas  was  die  Tlii5orie  der  idgebraiacheil  Oleichnngen  betrifflt, 
80  ist  diese  unmittelbar  daraas  entlehnt  Aber  er  beherrscht  den 
ihm  gebotenen  Stoff  selbstst&ndig;  er  bleibt  bei  den  acht  Hanpt- 
iallen  der  Gleichungen  stehen  und  ycrwirft  die  daraus  henrorge- 
gangenen  24  specialen  Fälle.  Mehr  aber  als  dieses  ist  hervorzu- 
heben, dafs  Rvdolff  von  der  Obersengung  durchdrungen  ist,  dafS 
die  Qestaltang  der  Wissenschaft  von  einer  Zeichensprache  abhängt*) 
Dadarch  dafs  er  das  Wurxelzeicfaen  einOhrte  und  dafs  er  die  Zei- 
chen -f-  und  —  durehgehefids  anwandte,  wvrde  er  der  Begründer 
der  algebraischen  Zeichensprache  und  errang  so  ein  Übergewicht 
der  deutschen  If  atheraadker  aber  die  Leistungen  anderer,  besonders 
italiemscher  Algebristen,  was  bereits  Hutton  und  Chasles  aoer- 
kannt  haben. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Sechizehnter  Bericht  der  Phiiomathie  in  Neiaee,    Neisse  186S.     8. 
Aazeiger  für  Kunde   der  Deutechen  Vorzeit.    Nene  Folge.     16.  Jahrgang. 

NSinbeig  1S69.     4. 
Jahrbüeker  de»  Vereins  «•«  Aitertkmmeßreunden  tm  Rheinkmde,    Heft  XL  Vn 

n.  XLVm.    Bann  1S69.     8. 
//  nuovo  Cimeato.    Des.    Pisa  1869«    8. 
A.  Falle,   Über  Meningitis.    Athen  1869.     8. 
Lacolonge,  Recherches  sur  le  ventilateur.    Faris  1869.     8. 


gelo.      Vnd  kette  aeine  Ezenpls  (wie  er  saget)  anfs  der  librey  zu   Wiea 
gestolea. 

^)  Das  bezeugen  alte  bücher  nit  vor  wenig  jaren  von  der  cofs  geichri- 
ben,  in  welchen  die  qnantitetn,  als  dragma,  res,  snbstantia  etc.  nit  durch 
charäeter,  snnder  durch  gantz  geschribne  wort  dargegeben  sein,  vnd  sunder* 
lieh  in  practiclrung  eines  yeden  exempels  die  frag  gesetzt,  ein  ding,  mit  sol- 
chen Worten,  ponatur  yna  res.  —  Aus  der  Vorrede  zum  zweiten  Theil  der 
Cofs  Rudolirs. 

[1870]  11 


154  Oe$amnU$itzung 

24.  Febraar.    Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  A.  W.  Hofmann  las  über  die  Daratellang  der 
Äthylamine  im  Grossen. 

Seit  es  mir')  gelangen  war,  die  &thjrlirten  Ammoniake  mit  Hülfe 
des  Brom-  oder  Jod&thyls  dariustellen,  hat  man  mehrfach  versucht, 
statt  dieser  Agenden  andere  ansagenden.  Der  Gedanke  lag  nahe, 
die  Brom-  nnd  Jodverbindnng  dorch  das  Chlorid  za  ersetsen  and  es 
«chien  filr  diesen  ErsaU  einmal  die  weit  gröfsere  Zagänglichkeit  des 
Chlors  an  sprechen,  dann  aber  aach  das  viel  niedrigere  Atomgewicht 
des  Chlors  nnd  schliefslich  die  gröfsere  Unlöslichkeit  des  Chloram- 
monioms  in  Alkohol,  veiglichen  mit  der  des  entsprechenden  Bro- 
mids  and  Jodids,  welche  eine  leichtere  and  voUstfindigere  Scheidnog 
des  Ammoniaks  von  seinen  äthylirten  Abkömmlingen  versprach. 
Die  ersten  Yersache  fiber  die  Einwirkang  des  Chlorfithyls  aaf  das 
Ammoniak  sind  von  Hm.  Stas')  angestellt  worden.  Dieser  Che- 
miker beobachtete,  dafs  eine  Losung  von  Chlorätbyl  in  mit  Am- 
moniak gesättigtem  Äther  nach  längerer  Zeit  schone  Elrystalle  von 
salzsaurem  Äthylamin  absetzte.  Eingehender  ist  das  Verhalten  des 
Chloräthyls  zum  Ammoniak  etwas  später  von  Hrn.  C.  E.  Groves*) 
in  meinem  Laboratorium  untersucht  worden«  Derselbe  fand,  daTs 
sich  bei  sechs-  bis  siebenstundigem  Erhitzen  von  Chlor&thyl  mit 
dem  dreifachen  Volum  starker  alkoholischer  Ammoniaklösung  auf 
100^  vorzugsweise  chlorwasserstoffisanres  Äthylamin  neben  kleinen 
Mengen  chlorwasserstoffsauren  Diäthylamins  und  Triäthylammonium- 
chlorids  bildet  Es  mir  nicht  bekannt  geworden,  dafs  diese  Ver- 
suche von  Andern  wieder  aafgenommen  worden  sind,  auch  lagen 
bisher  keine  Ermittelungen  vor,  welche  die  Chemiker  hätten  ver- 
anlassen können,  dem  Chloräthyl  vor  dem  altbewährten  Bromid 
und  Jodid  den  Vorzug  zu  geben. 

In  letzter  Zeit  war  ich  genöthigt,  zur  Fortsetzung  meiner  Ar- 
beit über  das  ÄthylsenfÖl  eine  gröfsere  Menge  von  Äthylamin  sn 
bereiten.  Ein  eigenthümliches  Znsammentreffen  von  Umständen 
hat  mich  veranlafst,  die  Darstellung  der  Äthylbasen  durch  die  Ein- 
wirkung des  Chlorätbyls  auf  Ammoniak  von  Neuem  zu  versuchen. 


1)  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  I^XXII.  159. 
')  8tafl,  KekuU^t  Lehrbuch.    Bd.  I.  S.  455. 
>)  Groves,  Ghem.  Soc.  Qu.  J.  XIII.,  S.  341. 


vom  24.  JMruar  1870.  156 

iotereasanieii  Beobachtungen  des  Hrn.  O.  Liebreich  über 
die  physiologischen  Wirkungen  des  Chloralhjdrats  haben  schnell 
m  einer  schwanghaften  indnstriellen  Gewinnung  dieses  merkwür- 
digen Körpers  geföhrt  Mehrfach  bereits  ist  die  Chloralindustrie 
Gegenstand  der  Besprechung  im  Schoofse  der  chemischen  Qesell- 
schaft  gewesen,  und  es  sind  aumal  die  Mittheiiungen  der  H£L  Mar^ 
titts  und  Mendelsohn*Bartoldy^),  sowie  der  HH»  Müller 
und  PanP)  hier  su  erw&hnen«  Diese  betreffen  indessen  nur  die 
Eigenschaften  und  die  Darstellung  des  Chlorais.  Die  gleichseitig 
in  dieser  Fabrikation  auftretenden  Nebenprodncte  sind  bis  jetst 
kaum  beachtet  worden.  Ich  wurde  zuerst  von  Hm.  Gustay 
Kram  er,  der  sich  ebenfalls  eingehend  mit  der  Gewinnung  des 
Chlorals  beschäftigt  hat,  darauf  aufmerksam  gemacht,  dals  sich  bei 
der  Darstellung  dieses  Körpers  eine  erhebliche  Quantit&t  ron  Ne- 
beoproducten  bildet,  welche  stets  grofiiere  Mengen  von  Chlorithyl 
enthalten.  Von  diesen  Nebenproducten  und  sumal  Ton  dem  flüch- 
tigeren Antheile  derselben,  waren  während  der  letzten  kalten  Tage 
iu  der  Fabrik  des  Hm.  K  Schering  viele  Kilogramme  condensirt 
worden.  Durch  die  Güte  der  HH.  Schering  und  Kr&mer 
stand  mir  eine  reichliche  Menge  dieses  interessanten  Productes  sur 
Verfügung.  Wie  ich  es  erhielt,  stellt  dies  Product  eine  farblose, 
dorchsichtige,  in  Wasser  unlösliche  und  untersinkende  Flüssigkeit 
dar,  von  so  niedrigem  Siedepunkte,  dafs  sie  schon  bei  der  Berüh- 
rung mit  der  Hand  ins  Kochen  kommt  Die  reichlich  entwickel- 
ten Dumpfe  sind  entsündlich  und  brennen  mit  rasender  grünum- 
randeter Flamme.  Mit  eingesenktem  Thermometer  destillirt,  beginnt 
die  Flüssigkeit  bei  17—18''  su  sieden.  Der  Siedepunkt  steigt  lang- 
sam auf  30 — 32^,  wo  ^r  einige  Augenblicke  constant  wird,  dann 
rssch  bis  auf  50^,  bei  welcher  Temperatur  fost  alles  übergegangen 
ist  Setzt  man  die  Destillation  noch  weiter  fort^'  so  istHÜ^i  der 
Temperator  des  siedenden  Wassers  nichts  anderes  als  eine  kleine 
Menge  krystaUisirter  Substanz  zurückgeblieben. 

Ich  war  begierig  zu  erfahren,  in  wie  weit  sich  dieses  Product 
for  die  Darstellung  der  Äthylbasen  würde  yerwerthen  lassen.  Gleich 
die  ersten  Versuche,  bei  denen  ich  von  Hrn.  Fr.  Hobrecker  mit 
gewohntem  Eifer  und  Geschick  unterstützt  worden  bin,   haben  so 


1)  Martins  und  MendeUoh-Bartholdy,  Berichte  1869,  S.  353. 
*)  Malier  und  Paul,  Berichte  1869,  S.  541. 

11» 


156  OeBornrnUitzung 

eHreuIiehe  Resultate  ergeben,  dafs  ich  nicht  umhin  kann,  die  Aka- 
demie schon  in  der  hentigen  Sitzung  anf  diese  fast  oserschöpfliche 
Quelle  von  Material  f&r  die  Darstellong  der  fiHiylirten  Ammo- 
niake  aufmerksam  zu  machen,  obwohl  verschiedene  Versuche,  wel- 
che durch  die  erwfihnte  Beobachtung  angeregt  wurden,  noch  nicht 
tum  Abschlufs  gekommen  sind. 

Zur  Erzeugung  der  Äthylbasen  behanddt  man  die  bei  der 
Fabrikation  des  Chlorals  entweichenden,  durch  geeignete  Abkühlung 
condensirten  flQchtigsten  Nebenproducte  mit  einer  starken  Losung  Ton 
Anunoniak  in  Alkohol,  in  geschlossenen  Gefassen  bei  100°.  Ich 
habe  die  Digestion  Anfangs  in  emaillirten  £isengef2UBen  vorgenom- 
men, mich  aber  sp&ter,  nachdem  ich  gefunden  hatte,  dafs  das  Bisen 
unter  den  gedachtet  Umständen  kaum  angegriffen  wird,  eines  gros- 
sen nicht  emaillirten  schmiedeeisernen  Digestors  bedient,  dessen 
Deckplatte  aufgeschraubt  war,  so  dafs  die  Flüssigkeiten  durch  eine 
kleine  leicht  verschraubbare  öffiiung  eingebracht  wurden.  Dieselbe 
Öffnung  diente  alsdann  auch  zur  Entleerung  der  Digestionsproducte. 
"Wfissriges  Ammoniak  wirkt  gleichfalls,  nur  langsamer;  auch  Ver- 
den in  diesem  Falle  die  eisernen  Gef&sse  stark  angegriffen.  Bei 
Anwendung  der  w&ssrigen  Ammoniak  «Lösung  Ififst  sich  stets  die 
Bildung  einer  kleinen  Menge  Alkohols  constatiren.  Wahrschein- 
lich wird  indessen  auch  bei  Anwendung  alkoholischer  Lösungen 
etwas  Alkohol  und  vielleicht  sogar  Äther  aus  dem  Chlorfithyl  er- 
zeugt. Bei  gewöhnlicher  Temperatur  wird  das  Gemenge  von 
Chloriden  sowohl  von  wässriger  als  auch  von  alkoholischer  Am- 
moniaklösung nur  fiufserst  langsam  angegriffen« 

Nach  mehreren  Prfiliminarversuchen  zeigte  es  sich,  dafs  die 
mir  zur  Verfügung  stehende  Mischung  von  Chloriden  bei  der  Di- 
gestion mit  dem  dreifachen  Volumen  Alkohol  von  95  pCt.,  der  bei 
0^  mit  Ammoniak  gesättigt  war,  befriedigende  Ergebnisse  lieferte. 
Der  Digestor,  dessen  ich  mich  bediente,  bat  eine  Capacitfit  von  5 
Litern;  er  wurde  mit  500  Cub.  Cent  der  Chloride  und  der  ent- 
sprechenden Menge  alkoholischen  Ammoniaks  beschickt«  Nach 
einstündigem  Erhitzen  im  Wassfrbade  war  die  Reaction  vollendet 
Das  noch  immer  stark  ammoniakalische  nur  wenig  gef&rbte  Reac- 
tions-Product  wurde  zunfichst  durch  ein  Filter  von  dem  reichlieh 
gebildeten  Salmiak  geschieden  und  alsdann  im  Wasserbade  destil- 
lirt.  Aus  den  ersten  Antheilen  des  alkoholischen  Destillates  schied 
sich    auf  Wasserzusatz    eine    nicht    unbeträchtliche   Menge    einer 


vom  24.  Februar  1870.  157 

schweren  öligen  Blosaigkeit,  offenbar  die  hoher  chlorirten  Chlor< 
&thjle  enthaltend,  von  der  ich  für  heute  nur  bemerken  will, 
dafii  rie,  wie  sich  ans  dem  Siedepunkt  alsbald  ergab,  kein  Chlor- 
athyl  mehr  enthält  Die  sp&teren  Antheüe  der  Destülatton  sind 
schwaches  alkoholisches  Ammoniak;  welches,  um  für  eine  zweite 
Operation  verwendbar  bu  sein,  nur  wieder  gesättigt  m  werden 
braucht.  Sobald  die  Destillation  im  Wasserbade  erlahmt,  wird  die 
Flüssigkeit  in  einer  offnen  Schale  lunächst  auf  dem  Wasserbade 
and  endlich  bei  höherer  Temperatur  erhitzt,  bis  die  letzten  Spuren 
Alkohol  ausgetrieben  sind.  Beim  Erkalten  erstarrt  die  Flüssigkeit 
za  einer  faserigen  Erystallmasse  der  Chlorhjdrate  der  athylirten 
Ammoniake,  denen  nur  auüserordentlich  wenig  Salmiak  beige- 
mengt ist 

Auf  Zusatz  von  concentrirter  Natronlauge  zerlegen  sich  die 
Chlorhjdrate  der  Aminbasen  und  ein  Gemenge  von  Äthyl-,  Di&thyl- 
und  Triathylamin  steigt  auf  die  Oberfläche  der  wfifsrigen  Salzlö- 
sung, während  eine  kleine  Menge  Ammoniak  entweicht.  Die  freien 
athylirten  Ammoniake  brauchen  nur  noch  mittelst  eines  Scheide- 
trichters abgehoben  und  eine  Nacht  über  starres  Natriumhydrat 
gestellt  zu  werden,  damit  sie  alles  Wasser  verlieren.  Bei  der 
Destillation  erweist  sich  die  farblos  durchsichtige  Flüssigkeit  als 
ein  Gemenge  von  Äthylamin,  Diäthylamin  und  Triathylamin  in  etwa 
gleichen  Theilen;  die  Flüssigkeit  fängt  bei  etwa  20°  an  zu  sieden; 
der  Siedepunkt  steigt  dann  auf  108°,  allein  schon  bei  95°  ist  fast 
die  ganze  Menge  der  Flüssigkeit  übergegangen. 

In  den  Versuchen,  deren  Ergebnisse  ich  der  Akademie  vorzu- 
legen die  £hre  habe,  wurden  5  Liter  des  bei  der  Fabrikation  des 
Cblorals  als  Nebenproduct  auftretenden  Öles  in  Arbeit  genommen. 
IMe  Operation  war  mit  fünf  oder  sechs  Digestionen  vollendet  und 
es  wurden  etwa  1^  Liter  wasserfreier  Basen  erhalten. 

Leider  hatte  ich  bei  diesen  Versuchen  von  Neuem  Gelegenheit, 
die  schon  früher  gemachte  Erfahrung^)  zu  bestätigen,  dafs  es  hoff- 
nungslos ist,  die  drei  Äthylbasen  durch  Destillation  von  einander 
scheiden  zu  wollen.  Diese  Erscheinung  ist  gewifs  befremdlich, 
wenn  man  bedenkt,  dafs  zwischen  den  Siedepunkten  sowohl  des 
Athyl-  und  Diäthylamins,  als  auch  des  Diätbyl-  und  Triäthylamins 
ein  Temperatnrintervall  von  nahezu  40°  liegt     Man  mufs  um  die 


0  Hof  mann,  Lond.  R.  See.  Proc.  XI.  S.  66. 


158  OesamnUHtzung  vom  M.  Fehnur  1870. 

drei  Basen  von  einander  in  scfaeideD,  m  der  früher*)  Ton  mir  be- 
achriebenen  Trennangsmethode  mit  Oxala&areftther  seine  Zuflucht 
nelunen.  Mfiglich  indessen,  dab  das  reichliche  Material,  welches 
jetst  snr  Verfugong  steht,  einfachere  Trennungsmethoden  anfzufin- 
den  gestatten  wird. 

Die  hier  mitgetfieilten  Ergehnisse  haben  mich  Teranlafet,  auch 
das  Verhalten  anderer  Alkoholchloride  und  snmal  des  Chlormethjls 
snm  Ammoniak  einer  eingehenderen  Priifong  m  unterwerfen.  In 
einer  der  nAehsten  Sitsungen  hoffe  ich,  der  Akademie  fiber  den 
Erfolg  dieser  Versuche  berichten  sn  können. 


>)  Hofmann,  Lond.  R.  Soc  Proo.  XL  66. 


An  eingegangenen  Schriften  nebst  Begleitschreiben  wurden  vor- 
gelegt: 

Zeiueknft  der  devi$cK€>i  mor^nltbuL  GemlUcKttfL    S3.  Bd.  4.  Heft    Ldp- 

rig  1869.     8. 
Hedwigia»    Ein  Notixblatt  für  hyptogamische  Studien,    8.  Bd.     Dresden 

1869.     8. 
Verhandlungen  und  Mittheilungen  des   eiebenhOrgischen  Vereins  für  Natur- 

wissenachaften  in  Hermannstadt,     12.  Jahi^.     Hermannstadt   1861.     8. 
Abhandl.  der  Konigl,  OeaelUchcfi  der  Wiuenach,  tu  Gottingen^     14.  Band. 

Göttingen  1869.     4. 
Carl  Karpf,   Ti  xl  vfß  •hat.    Die  Idee  Skakeepeare  und  deren  Vertctrh- 

hekung,    Hambaig  1869.    8.      Hit Begleitaehreiben  def Verfiaasen  d.d. 

Bnbethal  16.  Febr.  1870. 
Regel,  Sertum  petropoUtaman,    Petersburg  1869.    fol.    Hit  Begleitschrei- 
ben d.  d.  Petersburg  3.  Dez.  1869. 
Bulietino  meteorologico.    Anno  III.    Torino  1868.     4. 
Atti  deUa  accademia  delle  scienxe  di  Torino,    Vol.  4.     Torino   1869.    8. 
Dub3r,  Choix  de  crgptogamee  exotiques,     (Suite.)     Geneve  1869.     4. 


Sitzung  der  phShef^Ju-hUtor.  Klaue  wm  28.  FAmat  £870.     159 

28.Februar.  Sitzung  der  philosophisch^-historischen 

Klasse. 

Hr.  Cartius  sprach  über  griechische  Personennamen. 

Für  kein  Gebiet  der  klassischen  Alterthnmskunde  ist  in  dec 
letzten  Zeit  der  Stoff  so  massenhaft  angewachsen,  wie  für  die 
Eenntnifs  der  griechischen  Namen,  deren  wissenschaftliche  Betrach- 
tang  kein  Sachkenner  als  eine  unnutze  Arbeit  ansehen  wird,  und 
nachdem  ich  früher  einen  Abschnitt  der  geographischen  Onomato- 
logie  behandelt  habe'),  nm  den  Versuch  zu  machen,  was  sich  auf 
diesem  Gebiete  erreichen  lasse,  um  die  Naturanschauung  der  Grie- 
chen und  die  wesentlichsten  Gesichtspunkte  ihrer  Namengebung  kla- 
rer zu  machen,  lege  ich  heute  einige  Studien  über  griechische  Per- 
sonennamen Tor,  um  darauf  hinzuweisen^  wie  dieselben  als  Quel- 
len der  Volksgeschichte  zu  benutzen  sein  möchten. 

Wenn  Proklos  zu  Flato's  Kratylos  zwei  Arten  von  Personen- 
namen unterscheidet,  solche,  welche  Begriffe  und  solche,  welche 
Individuen  bezeichnen,  so  würden  im  eigentlichen  Sinne  nur  die 
letzteren  Eigennamen  sein.  Indessen  sind  auch  diese,  wie  mao 
schwerlich  bezweifeln  wird,  ursprünglich  appellativ  und  haben  nur 
willkürlich  eine  rein  individuelle  Bezeichnung  erhalten.  Von  den 
Griechen  aber  ist  dieser  Zusammenhang  immer  sehr  lebhaft  em- 
pfanden worden.  Sie  haben  eine  entschiedene  Vorliebe  für  inhalt- 
Tolle  Namen  mit  durchsichtiger  Bedeutung,  und  wenn  es  unter  den 
griechischen  Namen  manche  giebt,  welche  wie  inhaltleere  Lant- 
gruppen  aussehen  und  scheinbar  ohne  Zusammenhang  dastehen, 
80  liegt  der  Grund  wohl  darin,  dafs  die  Eigennamen  z.  Th.  sehr 
alten  Sprachperioden  angehören.  Die  Griechen  betrachteten  ihre 
Eigennamen  als  ein  wesentliches  Kennzeichen  ihrer  Nationalität 
and  sahen  es  als  etwas  Entehrendes  an,  wenn  Freigeborene  unter 
ihnen  ausländische  Namen  trugen. 

tctT*/jOGv  yaa  ovofjut  ipovyia^ou  yvvctTx    sf/jtv    (Athen,  p.  578). 
Ihr  Sinn    für  daa  Schöne  und  Gute   ist   in'  ihren  Namen   wie   in 
ihren  Kunstwerken  ausgeprägt.      Sie  vermeiden   alle   Namen   von 
üblem  Klange,    mochte  derselbe  nur  in  den  Lauten,    oder  auch  in 
der  Bedeutung  liegen,  also  eine  Hctxoif^micc  oder  eine  hvT(pr,fMcc  sein, 


>}  G5ttiiig.  NachrkbteD  1861  Julias. 


160  SUtstmg  der  pkiksaphiseh^kUM^ichßn  SSasse 

nnd  liebten  es  vielmehr  die  edelsten  Ricfatangen  des  Yolkfigeifltes 
sowie  die  am  meisteD  geschätzten  Tagenden  in  ihren  Eigennamen 
ausgeprägt  zu  sehen.  Andererseits  wuTsten  sie  die  gleichlautenden 
Begriffs-  und  Eigennamen  in  sehr  bestimmter  und  praktischer  Weise 
zu  unterscheiden^  und  zwar  nicht  nur  durch  den  Tonfall,  sondern, 
wenn  wir  den  alten  Grammatikern  glauben,  auch  durch  den  Hauch, 
indem  bei  componirten  Eigennamen  die  Interaspiration  gehört,  bei 
den  gleichlautenden  Appellativen  aber  nicht  gehört  wurde.  Man 
vnterschied  tpl^nirog  von  ^t^amrog,  apuf>ittKos  von  'AfA^/reXof ,  und  er- 
reichte für  das  Ohr,  was  in  alten  nnd  neuen  Sprachen  nur  durch 
Schriftweisen  erzielt  worden  ist  (Schol.  Od.  8,  114.  Lehrs  Arist. 
ed.  alt  p.  318). 

Die  griechischen  Personennamen  sind  aber  nicht  nur  für  das 
Volk  im  Ganzen  ein  Spiegel  seiner  Eigenthümlichkeit  und  gleich- 
sam der  Niederschlag  seiner  ethischen  Vorstellungen,  sondern  auch 
für  die  Eigenthumlichkeiten  der  einzelnen  Volksstämme,  Land- 
schaften und  Städte.  Man  erkennt  in  ihnen  die  vorherrschenden 
Lokalkulte  die  reinere  oder  gemischtere  Nationalität,  die  geringere 
oder  höhere  Idealität  der  Geistesrichtung,  die  Beziehungen  zum 
Auslande  sowie  die  innerhalb  der  Gemeinde  vorherrschenden  Be- 
schäftigungen. Dies  sind  die  ivoiutrct  ano  twv  Tr^d^ttav,  wie  sie 
Apollodoros  nach  Athenaeus  172  F.  zusammengestellt  hat  Wenn 
man  also  in  einer  Gemeinde  eine  Reihe  solcher  Namen  fand,  wie 
'A^Tva-tT^ceyog,  *EX«oJunjc,  *l%Sv0oXog,  ^twHOfOQ,  SO  erkannte  man  so- 
fort, dafs  hier  ein  Tempelinstitut  das  Centrum  war,  von  dem  die 
6 emei Ddeglieder  ihren  Erwerb,  ihre  Beschäftigungen  und  dann  auch 
ihre  Namen  erhalten  hatten,  wie  es  in  Delos  der  Fall  war.  Auch 
bei  dem  vielseitigst  entfalteten  Leben  konnte  man  immer  noch  einen 
Lokalton  der  Eigennamen  erkennen,  und  wenn  die  Athener  ihren 
zum  Export  bestimmten  ThongefEfsen  den  Character  der  Heimath 
recht  deutlich  aufdrucken  wollten,  so  schmückten  sie  dieselben  mit 
den  bei  ihnen  landesüblichen  Namen,  und  Jedermann  nahm  die  6e- 
fäfse  als  attisch  hin.  Wir  haben  nach  und  nach  für  Delphi,  für 
Aetolien,  für  Bootien,  auch  für  Thasos  und  Rhodos  einen  Über- 
blick der  dort  üblichen  Namenreihen,  und  man  wird  nicht  ver- 
kennen, dafs  damit  ein  Material  für  Stamm-  und  Ortsgeschicfate 
gewonnen  ist,  welches  lange  noch  nicht  genügend  verwerthet  ist. 
Die  landschaftlichen  Personennamen  haben  gleich  den  Landesmün- 
zen ihr  charakteristisches  Gepräge,  aber  es  bildete  sich  allmählich 


vom  28.  FArwr  mo.  161 

aach  in  den  Namen  dne  nnwt.  Beliebte  Namen  wie  *AflTrwu  — 
daher  das  Sprichwort  ireAXot  ol  'Aglrrmutg  —  finden  sich  in  Athen, 
Sparta,  Korinih,  Kjrene,  and  wir  aind  bei  Weitem  nicht  so  sicher, 
um  z.  B.  wie  ee  bei  den  Unterenchnngen  über  das  VaterUmd  des 
Tyitaios  geschehen  ist,  die  auf  ßfcrog  aasgehenden  Eigennamen 
als  unbedingt  laked&monisch  in  Ansprach  an  nehmen.  Die  grie- 
chischen Namen  aoTseriialb  des  griechischen  Volksgebiets,  wie  s.  B. 
io  Garthago,  seigen  ans  die  Hellenen  in  der  Diaspora;  nng^echi* 
sdie  Namen  in  Griechenland  das  Eindringen  fremder  Elemente. 
Auch  nach  der  Zeit  lassen  sich  die  Namen  gmppiren  nnd  kleine 
Abweichnngeo  genfigen,  vm  die  klassische  Zeit  ron  der  spilem 
sa  unterscheiden,  wie  dies  schon  Meineke  in  dem  an  feinen  ono* 
matoiogischen  Beobachtungen  reichen  Vortrage  aber  die  Epidemien 
des  Hippokrates  gezeigt  hat  (Monatsbericht  1852). 

Endlieh  sind  anch  die  StXndenamen  von  Wichtigkeit,  weil  sie 
uns  den  Bestand  der  Zonftigkeit  erkennen  lassen  and  ans  seigen, 
was  die  Alten  bei  den  einaelnen  Stfinden  der  Gesellschaft,  bei  dem 
der  Künstler,  der  Ärzte,  der  Priester  als  das  Charakteristische  an- 
sahen. Die  Charaktemamen  bilden  ein  reiches  Material,  um  den 
Witz  des  Volks  nnd  seine  Lebensanschaanngen  kennen  zu  ler- 
nen. In  die  gemfithüchen  Beziehangen  des  h&uslichen  Zusammen- 
lebens,  welche  sich  sonst  der  geschichtlichen  Betrachtang  ganz  ent- 
ziehen, f&hren  ans  die  Sklavennamen,  namentlich  die  der  späteren 
Zeit;  denn  wir  können  auch  hier  gewisse  Moden  erkennen.  In 
diesen  Namen  erging  sich  der  Volksgeist  ohne  darch  Herkommen 
beschränkt  zu  sein.  Zur  2«eit  der  delphischen  Manumissionsurkon* 
den  herrsehte  in  der  Namengebong  schon  eine  gewisse  sentimen- 
tale T&ndelei  (Uv^tm^a,  Ao^ag,  Kocrjvtpa,  *I1&cmv^);  wobei  viel- 
leicht zn  erwägen  ist,  dafs  es  besonders  yertrauliche  Verhfiltnisse 
wsTMi,  aas  denen  die  Manumission  hervorging. 

Urspranglich  haben  die  Sklaven,  weil  sie  keine  Personen  sind, 
auch  keine  Personennamen,  sondern  nur  ouoßccra  äno  rwv  töuutv. 

Nach  der  Sitte,  welche  wir  in  Athen  finden,  benennt  der  Haus- 
herr unbedingt  die  freien  wie  die  unfreien  Mitglieder  seines  Haus- 
standes; er  ist  KV  flog  ov  ijlovou  ^ta-^ai  av  a^%i[9  rtyvoyM^  ATsXu  xciv 
va>M  i^a^jfhi/at  ßov?MVTatj  «ai  teTToxrffv^tu  Dem.  1006.     Es  bedarf 


■)   G.  Curtins  Berichte  der  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
1864  6.235. 


168  Sitzung  der  phUaicphUcb-historUeien  Klasse 

also  nur  einer  Anmeldung  und  einer  Yeröffentlichang  durch  die 
Ausrufer.  Von  Staatswegen  geschieht  nichts  in  Betreff  der  Namen- 
gebung,  als  dafs  etwa  zu  Ehren  einzelner  Personen,  wie  des  Har- 
modios und  Aristogeiton,  die  Verwendung  ihrer  Namen  für  Un- 
freie verboten  wird.  Der  Staat  hat  ein  unTcrkennbares  Interesse 
daran,  dafs  eine  gewisse  Ordnung  in  der  Namengebung  herrsche 
und  den  Unzuträglichkeiten  yoigebeugt  werde,  welche  ans  Verwechs- 
lung der  Personen  entstehen.  Aber  auch  hier  misdit  er  sich  un- 
gern ein  und  Hantitheos  kann  es  nicht  durchaetaen,  daÜB  ihn  die 
Richter  im  alleinigen  Besitze  seines  Namens  schützen.  In  der  Ge- 
meinde selbst  aber  wird  das  tAiusw  im  roC  opiptarog  als  Pflicht  und 
eine  Sadie  des  Anstandes  angesehen;  wlilkurlidie  Namens&nderun- 
gen  zeugen  von  Unzuveiiässigkeit»  wie  bei  Aisdiines« 

Die  vfiterliche  Willkür  in  Betreff  der  Namengebung  wird  durch 
die  Tradition  beschränkt.  Die  Familiennamen  bilden  den  Faden, 
welcher  die  einzelnen  Glieder  an  einander  reiht.  Der  Name  ist 
etwas  Heiliges,  von  dem  auch  das  jeaiJ  nwitv  gilt  Er  bezeugt,  wie  die 
Todtenspende,  den  Glauben  an  den  das  Grab  überdauernden  Zu- 
sammenbang der  Hausglieder;  er  ist  das  Unterpfand  für  das  Ge- 
dfichtnifs  der  Verstorbenen  und  zugleich  eine  Weisung  für  die  Nach- 
geborenen, der  Haussitte  treu  zu  sein;  sie  werden  also  gegeben, 
wie  die  Alten  es  ausdrücken,  ir^o?  tAi^fJir,v  nm  ttoo^  ikicüa* 

Eine  weitere  Beschrlinkung  der  Willkür  lag  in  der  auch  aus- 
serhalb Athen,  namentlich  in  Böoiien  (Keil  Sylloge  p.  531,  557) 
nachgewiesenen  Sitte,  dem  titesten  Sohne  den  Namen  des  GroCs< 
vaters  yaterlicher  Seite  als  ehrende  Mitgift  zu  verleihen,  eine  Sitte, 
wellte  im  semitischen  Morgenlande  zu  Hause  ist  (Luynes  Num. 
des  Satr.  p.  89)  und  ihre  gute  physiologische  Begründung  hat 
Darauf  beruht  der  Gebrauch  zweier  Familiennamen,  welche  alter- 
niren,  und  es  ist  von  Interesse,  das  Verhalten  derselben  zu  einander 
in  das  Auge  zu  fassen,  namentlich  bei  Compositen,  weldie  schon 
des  vollen  Klangs  wegen  in  den  vornehmeren  Familien  besonders 
beliebt  waren.  Wir  finden  nfimlich  in  der  Regel  ein  Namen- 
thema, welches  beiden  gemeinschaftlich  ist,  wfihrend  das  andere 
wechselt.  Also  A  bleibt  und  B  ist  das  unwesentliche  Element 
oder  umgekehrt;  dabei  ist  auch  der  Umstand  zu  erwfihnen,  dafs 
das  unwesentliche  Element,  mag  es  A  oder  B  sein,  auch  in  dem 
einen  Namen  ganz  fehlen  kann  und  in  dem  andern  nur  wie  ein 
erweiterndes  Suffix  eintritt   (wie  auch  zuweUen  nur  durch  alterni- 


vom  28.  FAfuar  1870.  163 

renda  Snf&ce  aus  einem  Stamme  awd  FamUiemuunen  gebildet  wer- 
den, 2.  B.  Tolmaios  und  Tolmides).  Z«  der  ersten  Klasse  geboren 
Areheneos  und  Archemaebos,  Kallistratos  und  Kallikrates»  Kriton 
und  Kritobiilos,  Hermon  und  Hermokrates.  Zu  der  sweiten  Eupo* 
ÜB  und  Sosipolis,  Apollodoros  und  Aiautodoros,  Timokles  und  Po- 
lykles.  Zuweilen  ist  es  eine  bloÜBe  Assonanz»  welcbe  die  beiden 
Namen  verbindet,  wie  Aaytos  und  Antheroion,  Krios  und  Poljkri- 
tos.  Auch  kommt  es  vor,  dafs  A  und  B  ibre  Stellen  tauscben, 
wie  in  Anstonikos  und  Nikophanes,  Bularehos  und  Aristobulos. 
Endüdi  giebt  es  nocb  eine  interessante  Gruppe  ron  Familienna* 
men,  wo  die  Übereinstimmung  im  Sinne  liegt,  wie  Atrometos  und 
Apbobetosj  P^tbios  und  Apelles,  Philumenos  und  Eros.  Man  er- 
kennt das  Streben,  die  Namen  paarweise  an  verbinden  und  durch 
die  Anwendung  aweier  Namen  das  fehlende  gentilicium  lu  ersetien. 
Ahnliches  findet  sidi  einzeln  auch  anfserhalb  Athen  und  auTserhalb 
Chiechenland ,  wie  die  Familiennamen  Pharnakcs  und  Phamaba- 
£08  beweisen. 

In  Bezug  auf  die  Namentbemata  haben  schon  die  Alten 
(Athen.  748)  einen  durchgreifenden  Unterschied  geltend  gemacht, 
den  der  profanen  Namen  (a^Mi*)  und  den  der  ^ioipoga^  welche  dem 
Siegelsteine  gleich  einen  Oott  als  Zeichen  an  sich  tragen,  and  den 
Anschlufs  eines  Hauses  an  einen  bestimmten  Cult  erkennen  lassen. 
Wenn  ein  Oott  gewissermafsen  zu  den  Famiiiengevattem  geborte, 
80  fShlten  sich  die  Mitglieder  ihm  verpflichtet.  Davon  zeugen  z.  B* 
die  von  der  Mutter  einer  Demetrias  fQr  ihre  Tochter  der  Demeter 
dargebrachten  Weihgeschenke  (G.  1.  Gr.  n.  2108).  Der  Name  ist 
eine  S'$m  Inuthring  und  kann,  wie  es  G.  1«  Gr.  601S  spielend  ge* 
schiebt,  als  ein  Gottesgeschenk  bezeichnet  werden.  Was  durch 
8olche  Namen  erzielt  wird,  nennt  Plntarch  (de  def.  or.  c.  21)  wv^ 
TtTiiySrm  S'tf;  sie  lassen  auf  eine  gewisse  feierliche  Verleihung 
schliefsen,  nach  Art  der  unter  Auspicien  stattfindenden  Namenge- 
bang  der  Heroenzeit  (Find.  Isthm.  5.  50)  and  auf  priesterlichen 
Einflafs,  ebenso  wie  die  oben  erwähnten  delischen  Namen,  nur  mit 
dem  Unterschiede,  dafs  die  letztem  aus  der  Hierodulie  erwachsen 
sind.  Bei  der  andern  Namensgattang  verschwinden  alle  religiösen 
Einwirkungen  und  es  treten  ohne  Einschränkung  alle  Lieblingsideen 
des  Volks  (*'txr„  So^«,  o'Sf'iuog,  «^%*?>  /3©v>.*j,  fAa%i?,  Sfi*off  u.  8.  w.) 
als  beliebteste  Namenthemata  auf. 


164  Sitzung  der  philo80phiseh'hi$tori$chen  Klasse 

Hat  man  sich  die  Bescfar&nkang  deutlich  gemacht,  welche  darch 
erbliche  Tradition  der  vlterlichen  Willkür  gesetzt  war,  so  ist  es 
andererseits  von  Interesse,  die  Abweichangen  von  der  Tradition 
nach  ihren  verschiedenen  Arten  und  Veranlassungen  In  das  Ange 
SU  fassen. 

Zunächst  ist  lu  bedenken,  dafs  nur  in  Betreff  des  Stammhal- 
ters von  einer  Gebundenheit  des  Familienvaters  die  Rede  sein  kann. 
Es  ist  also  gans  verkehrt,  wenn  Gleichnamigkeit  von  Vater  und 
Sohn  als  etwas  griechischer  Sitte  Widersprechendes  beseiehnet  wird 
(Petersen  Archäologie  8.  91).  Der  Sohn  der  Aspasia  erhielt  cu 
seiner  Legitimation  den  Namen  Perikles.  Starb  der  Erstgeborene 
im  Vaterhanse,  so  dfirfen  wir  vielleicht  annehmen,  dafs  der  Jüngere 
Bruder  in  seinen  Namen  einrückte,  weil  derselbe  ein  n^Tßsllo¥  war 
und  mit  Erstgeburtsrechten  susammenhing.  Dafs  auch  Erstgeborene 
den  Vatemamen  tragen  konnten,  seigen  Demosthenes,  der  jüngere 
Meidias  n.  A* 

Die  Abweichungen  von  der  Familientradition  bestehen  zunfichst 
in  Verftnderungen  des  Erbnamens;  das  sind  entweder  Koseformen, 
welche  den  ursprünglichen  Namen  verdr&ngen,  wie  'A^/ttvXXo?  für 
'A^f9-roifiXij9«  *H^vXXo9  far  *H^ajeX^c>  AfjupiQ  für  ^Aijuptafttog  und  viel- 
leicht ZtC^tg  jfür  Zsv^tfTTrog  (Sauppe  zu  Protagoras  p.  318),  oder 
was  hfiufiger  ist,  nobilitirende  Erweiterungen,  namentlich  durch 
patrony mische  Endung:  Xi/iawi/,  XtßooviSr,^,  Mi/f}W^^o^,  Muficragf^iSr,^; 
der  Einzelne  erscheint  dadurch  als  das  Glied  einer  Reihe  von  Oe- 
Bchlechtsgenossen;  es  ist  die  antike  Art  des  Baronisirens.  Jede 
Verlängerung  hat  etwas  dem  Ohre  Imponirendes  und  dient  dazu, 
dem  Namen  statt  des  bürgerlichen  Klanges  (wo^if>^  rtcintinr^  einen 
hochtrabenden  Anklang  zu  geben,  der  an  den  Kothurn  der  Bühne 
erinnerte;  daher  tMgfpvj  vfayiKvi.  Der  reich  gewordene  Stephanos 
nennt  sich  sofort  ^t?^o€rTi^(wo9,  xä>M  ygafAfutrci  ir^oT&iiV  (Brunck. 
Anal.  II,  154).  Von  den  amplificirenden  Namensuffixen,  welche 
sich  im  Neugriechischen  erhalten  haben,  habe  ich  in  den  Gottinger 
Nachrichten  1857  S.  307  gehandelt 

Wirkliche  und  vollständige  Namensänderungen  oder  Metono- 
masien  finden  statt,  wenn  die  Person,  welche  mit  der  Namenge- 
bnng  zu  einer  solchen  geworden  war,  in  ein  neues  Leben  fibergeht, 
also  vor  Allem  wenn  Menschen  Heroen  werden,  wie  der  Schafhirt 
Pixodaros,  der  Entdecker  der  Steinbrüche  bei  Ephesos;  ita  sfatim 
bonores  decreveruut  ei  et  nomen  mutaverant,  ut  pro  Pixodaro  Euan- 


vom  28*  Februar  i870.  165 

gelod  nominarehir  (Vitmv.  p.  252  ed.  Rose).  So  wurde,  weil  er 
einen  Gott  empfangen,  Sophokles  xnm  Dexion  (nach  Analogie  von 
Emjgjes  und  Androgeos,  Thyone  and  Semele),  Oimos  smn  Dexa- 
menoe.  Nomen  matare  istVergotternng;  daher  der  Titel  MtrtovO" 
futritu  für  das  Bach  des  Nikanor  bei  Athen.  296  d. 

Eine  wesentUehe  Yerinderang  der  Persönlichkeit  ist  aach  der 
Übertritt  aas  dem  Privatleben  in  den  Furstenstand;  so  erhSlt 
Lyside  als  Fürstin  von  Korinth  den  Ehrennamen  Melissa.  Aas 
Aeropos  wird  ein  Archelaos,  aus  Andreas  Orthi^oras,  aus  Athenion 
Aiistion;  die  Identität  von  lason  and  Prometheas  ist  sehr  wahr- 
BcheinUch  (Gr.  Gesch.  III,  766).  Ich  bin  übersengt,  da£B  wir  von  den 
griechischen  Tyrannen  meistens  nar  den  Djnastennamen  kennen, 
Aristcmymos,  Polykrates,  Leodokos,  Periandros,  Philokjpros  etc. 

Avuek  der  Übertritt  ans  einer  Nation  in  eine  andere  ist  wie  eine 
nene  Ciebart,  daher  wird  aas  der  Gallischen  Petta  eine  Aristoxena 
(Athen.  576);  es  ist  ein  Beispiel  der  Umnennnngen,  wie  sie  hlin£g 
in  den  Colonien  vorkamen  bei  Yerheirathang  der  Eingebomen 
mit  Hellenen.  Femer  der  Übertritt  aas  dem  profanen  Leben  in 
ein  heiliges,  ein  ganz  dem  Gottesdienste  gewidmetes.  Da  werden 
die  Individuen  geweiht  and  empfangen  als  oTiu^iurtg  anstatt  des 
Familiennamens,  den  sie  ablegen,  einen  neuen  Namen;  sie  werden 
erst  MniwfMt  and  dann  U^titmy^t.  Lacian.  Lexiph.lO.^)  ImCaltas 
herrscht  das  Symbol.  Daher  soll  auch  der  Name  ein  Symbol  des 
Dienstes  sein  gleich  den  anderen  Attributen  desselben  nnd  das  Auf- 
gehen der  Persönlichkeit  in  den  Dienst  bezeichnen.  Darum  hiefs 
der  Fackelträger  auch  Dadnchos.  Das  Zusammengehen  von  nomen 
and  omen,  was  die  Griechen  (fn^wwfua  nennen,  ist  bei  den  Heilig- 
thümem  zu  Hause,  wie  die  priesterlichen  Namen  Butes,  Hieron, 
Hieronymus,  Hierophantes,  Athenion,  Pyrphoros,  liri  ßaofjup  u.  s.  w. 
zeigen.     Vergleiche  Bockh  C.  1.  Gr.  I.  p.  325  b.     Hermogenes  ist 


')  Wie  weit  verbreitet  diese  Art  der  Metonomasie  ist,  die  darin  besteht, 
dafs  der  Anfang  eines  neuen  Lebens  dnrch  einen  neuen  Namen  bezeichnet 
wird,  bedarf  keines  gelehrten  Nach  weises.  Ich  erinnere  nur  an  die  Be- 
nennung der  Apostel  bei  Antritt  ihres  Amts,  an  die  Taufnamen  der  Wieder- 
geborenen und  an  die  Art,  wie  sich  Einige  der  ersten  Humanisten  dadurch 
von  den  bQrgerlichen  Verhältnissen  lossagten,  dafs  sie  klassische  Namen  an* 
nahmen  nnd  s.  B.  aus  einem  Sonseverin  zu  einem  Julius  Pomponius  Luetaa 
wurde  (Burckhart  Cultor  der  Benaissance  Aufl.  2.  S.  19d). 


166  Sitzung  der  philoBopkiseh-hiitoriMehen  Klaue 

der  Namen  dnes  Henaespriesters  (Ari9t.  Bhet  ed.  Spengel  II,  330). 
In  Athen  folgte  der  Gebrauch  der  Amtsnamen  Baaileas  und  Bast* 
lisaa  der  Analogie  der  Hieronjrmie. 

Von  den  priesterlichen  Amtsnamen  sind  diejenigen  an  nnter- 
acheiden,  welche  in  den  priesterlichen  Geschlechtem  als  Erbnamen 
gebrAuchlich  waren,  wie  der  Name  Timotheos  bei  den  Enmolpiden 
(Rehdantz  Vit.  Iph.  p.  46).  Es  gab  Priestergescblechter,  in  denen 
derselbe  Name  ohne  Wechsel  herrschte,  wie  die  Inschrift  aas  My- 
tikne  zeigt  im  C.  1.  Gr.  d.  2186,  wo  Boxenos  in  sechs  GeneratioDen 
wiederkehrt  and  die  Abstammung  nicht  als  Ergfinzung  des  Perso- 
nennamens angefahrt  wird,  sondern  als  Bezeichnung  des  priester- 
lichen Erbadels;  daher  die  Ausdrficke  vtu9  und  ancy^vdc.  Die  wirk- 
liche Descendenz  wird  hier  hervoigehoben,  weil  die  Geschlechter,  die 
ein  erbliches  Priestertham  hatten,  sich  durch  Adoption  ergfinzten 
und  sich  so  bis  in  späteste  Zeit  erhielten,  wie  die  lamiden  in  Olym- 
pia. Dafs  nicht  fiberall  gleiche  Namensitte  herrschte,  zeigen  die 
Priesterkataloge  aus  Halikamass  C.  1.  Gr^  n.  2655. 

Der  Vaternamen  gehört  nach  gewöhnlichem  Gebrauche  zam 
Personennamen  (daher  der  Ausdruck  xsx?*i{o-3'rt/  ne^c?),  indem  beide 
cnsammen  erst  den  vollen  Namen  bilden.  Es  ist  also  auch  eine 
Metonomasie  und  eine  ihrer  Entstehung  nach  der  Hieronymie  ver- 
wandte, wenn  der  Vatemame  in  der  Weise  verändert  wird,  um 
dadurch  anzudeuten,  dafs  Jemand  aus  seinem  Geburtsstande  heraas- 
und  in  andere  Verhältnisse  eingetreten  sei,  in  welchen  die  angebo- 
renen als  unwesentlich  verschwinden.  In  dem  Spielen  mit  dem 
Vatemamen  zeigt  sich  die  Natur  der  Griechen  auf  eine  sehr  be- 
zeichnende Weise,  ihre  Abneigung  gegen  trockene  Überlieferung, 
ihr  Streben,  das  geistig  Zusammengehörige  auch  leiblich  in  Ver- 
bindung zu  bringen,  ihre  Gewandheit,  die  Person  durch  fingirte  Va- 
temamen in  witziger  Weise  zu  charakterisiren,  wofür  die  Komödie 
an  Beispielen  unerschöpflich  ist  Von  den  gemachten  Genealogien 
auf  dem  Gebiete  der  Literaturgeschichte  hat  A.  Schone  in  seinen 
Untersachnngen  ober  das  Leben  der  Sappbo  eine  lehrreiche  Über- 
sicht gegeben.  Wissenschaft  und  Kunst  absorbiren  das  natur- 
liche Leben.  Nach  Analogie  von  Aristoteles  o  TUArtuvo^  werden 
auch  die  bildenden  Künstler  nach  dem  Meister  benannt;  bei  ihnen 
hat  die  Familientradition  aber  eine  ganz  andere  Bedeutung  und  in 
unzähligen  Fällen  ist  der  Vater  auch  der  Lehrer,  und  pm^irrs  beim 
Genetiv  zu  ergänzen,  wie  es  in  römischer  Zeit  bei  Stephanos  und 


ooM  S8.  Fsbruar  S870.  187 

Meodaos  aoBdrueklich  betgttdirieben  ist  Mit  dieser  Anfhesong 
des  VatemameiiB  bfingt  der  eigenthümliche  Oebraoch  der  patrony* 
mica  zasammen,  wenn  a.  B.  Ev^t/uXii^m  Leute  beseichnety  irelcbe 
die  Ptofession  des  Enrykles  treiben« 

Andere  Oründe  xom  Aufgeben  der  Familientradition  liegen  in 
personlicben  Beaiehangen,  aoa  denen  WabWerwandeobaften  hervor- 
gehen, welche  sich  in  die  Blataverwandtsehaft  als  gleichbereebtigt 
einschieben;  das  sind  die  Namen  xara  tptltttu  und  ^tviat»^  wie  Elle* 
archos  seinen  Erstgeborenen  Timotheos  nannte,  wie  in  die  Familie 
der  Endlos  der  Name  Alkibiades  aufgenommen  wurde  und  durch 
den  attischen  Feldherm  der  Name  Fhormion  in  Akamanien  lan- 
desüblich wurde»  Ein  besonderes  Beispiel  von  diesem  SvofAtt^uv  im 
rm  ovofjLiai  rivoc  ist  Ensebios,  welcher  seines  Freundes  Pamphilos 
Namen  dem  seinigen  im  Genetiv  anfSgte,  um  anzuzeigen,  wie  seine 
ganze  Existenz  von  ihm  abhängig  und  mit  ihm  verschmolzen  sei. 
Ich  weils  nicht  anzugeben,  wie  weit  ihm  hiebei  filtere  Analogien 
vorlagen,  aber  wir  sehen  auch  hier  wieder,  wie  zwei  Namen  susam- 
men  gleichsam  eine  Firma  bildet^i,  in  welche  Beziehungen  der 
verschiedensten  Art  aufgenommen  werden  konnten. 

Die  auf  Gastfreundschaft  beruhenden  Namen  —  theils  Perso* 
nennamen,  theils  Ethnika  (Magnes,  Eretrieus),  theils  Ortsnamen 
(Samos,  Nikopolis)  —  sind  vcm  geschichtlichem  Interesse,  weil 
sie  uns  die  versteckteren  Beziehungen  zwischen  den  verschiedenen 
Stfidten  Griechenlands  sowie  zwischen  hellenischen  und  auslfindi* 
sehen  Staaten  erkennen  lassen.  Sjrakus  und  Theben  finden  nch 
durch  Namen  wie  Thrasydaios  und  Boiotos  verbunden  (Urlichs 
Skopas  S.  73  Anm.}.  Wir  erkennen  die  Beziehungen  der  T3rran- 
nen  zu  den  orientalischen  Dynastien,  wenn  wir  bei  den  Kjpseliden 
die  Namen  Psammetichos  und  Gordios  antreffen,  am  Hofe  des  Po- 
Ijkrates  den  Namen  Smerdis  (Duncker  Gesch.  des  Alt  II'  S.  797). 
Hierher  geboren  audi  der.Neleidenname  ^^vytoe,  der  Name  Mif&o? 
in  Larisa  (Xen.  HelL  p.  89  das.),  BiTT(t?jo9  im  Hause  der  Pisistra^ 
tiden.  Der  Name  Libys  bei  Lysanders  Bruder  lafst,  mit  andern 
Nachrichten  vereinigt,  keinen  Zweifel  darüber,  daüs  Lysandros 
mit  Libyen  und  insbesondere  mit  dem  Ammonion  in  Beziehun- 
gen stand,  weiche  er  zur  Befriedigung  seines  Ehrgeizes  ausbeuten 
wollte.  Aiginetes,  der  Sohn  des  Königs  Pompös  (Paus.  8,  5.  8), 
bezeichnet  durch  seinen  Namen,  daüs  diesem  Konig,  welcher  das 
Binnenland  zuerst  mit  der  See  in  Verbindung  gesetzt  haben  sollte, 


168  Sitzung  der  pkilo$0pki$ch'M$taH$ehen  Klasse 

die  Aegineten  besonders  hlllfreich  gewesen  sind.  Ans  der  geschieht- 
iicben  Zeit  gielit  es  kein  interessanteres  Beispiel  fireigewfihlter  Na- 
mengebang  als  die  bekannte  Namengmppe  in  der  Familie  Kimons, 
der  seine  Zwillinge  Eleios  und  Lakedaimonios  nannte  und  den  drit- 
ten Thessalos.  Diese  Ethnika  sind  also  nicht  als  aas  Gastfreund- 
schaft erwachsene  Namen  anzusehen,  aber  als  nach  Analogie  der- 
selben gemachte,  dasa  bestimmt,  im  Sinne  des  Haasberm  die  Stel- 
lang der  Familie  xu  den  Parteüragen  der  Gegenwart  xn  charakte- 
risiren  und  den  Kindern  ihren  Standponkt  ansaweisen;  einem  ein- 
seitigen Atticismns  gegenüber  waren  sie  als  Trfiger  solcher  Namen 
zu  Vertretern  einer  so  zn  sagen  grofegriechischen  Richtung  designirt 

In  Ähnlicher  Weise  wurden  auch  Orts-  und  Landesnamen  ge- 
braucht, lason  Yon  Pherai  nannte  seine  Tochter  Thebe;  als  die 
Verbindung  mit  dieser  Stadt  ihm  den  Weg  zu  öflfnen  schien,  um 
seine  Herrschaft  zu  sichern.  Themistokles  dienten  die  Namen  seiner 
Töchter  als  eine  Art  von  Programm  seiner  auswfirtigen  Poliük, 
indem  er  mit  Italia,  Asia,  Sybaris  theils  in  weiterem  theils  in 
engerem  Sinne  die  Punkte  andeutete,  auf  die  sein  Blick  Torzngs- 
weise  gerichtet  war,  um  attischen  Einflufs  bis  dabin  geltend  n 
machen.  Es  waren  also  Namen  nar  iXinBa  und  bezeugen  das 
kühne  Selbstvertrauen  des  Mannes.  Wir  sehen  also,  wie  in  der 
Zeit  greiser  Parteispannung  die  Onomatothesie  einen  politischen 
Charakter  annahm  und  die  Familiennamen  zu  politischen  Parolen 
wurden.  Auch  Perikles  schlofs  sich  dieser  Sitte  an,  indem  er  sei- 
nen zweiten  Sohn  Paralos  nannte.  Dafs  man  zuweilen  auch  glo^ 
reiche  Ereignisse,  welche  mit  der  Geburt  eines  Kindes  zusammen- 
trafen, im  Namen  desselben  angedeutet  habe,  scheint  aua  der  £r- 
kl&rung  des  Namens  Euripides  bei  Prisciao  1,  68,  3  Herta  henror- 
zugehen. 

Solche  Wahlnamen  dienten  aber  nicht  nur,  um  die  Richtung 
der  Namengeber  zu  bezeichnen,  sondern  sie  wurden  auch  im  öffent- 
lichen Leben  angewendet,  wenn  es  darauf  ankam,  bei  intemations- 
len  Gesch£flten  solche  Staatsangehörige  verwenden  zu  können,  de- 
ren Namen  dem  Gelingen  förderlich  zu  sein  schien. 

Lakedaimonios  wurde  mit  10  Schiffen  nach  Eerkjra  gesendet, 
nicht  wie  Stesimbrotos  dem  Perikles  Schuld  gab,  um  den  Sohn 
des  Kimon  in  Gefahr  und  Schande  zu  bringen,  sondern  um  schon 
durch  den  Namen  des  Geschwaderfiohrers  zu  bezeugen,  dafs  man 
keine  Feindseligkeit  gegen  Sparta  im  Sinn  trage.     Die  Lakedämo- 


vom  28.  Februar  1870.  169 

nier  dagegen  schickten,  als  sie  ernstlich  Frieden  wollten ,  einen 
Atbenaios  als  Commissar  su  den  schwierigen  Verhandlungen  an 
der  thrakischen  Küste«  Eben  so  deutlich  ist  die  Absicht,  wenn 
die  unglücklichen  Platfier  in  letzter  Stunde  einen  Mitbürger  Namens 
Lakon  xu  ihrem  Sprecher  machen,  um  den  Lakedfimoniem  in  sei- 
ner Person  die  traulichen  Besiehungen,  welche  durch  das  griechi- 
sche Yolk  hindurch  gehen,  noch  einmal  an  das  Herz  zu  legen, 
oder  wenn  Agesilaos,  um  bei  seinem  Abschiede  die  kleinasiatischen 
Stfidte  zu  beruhigen  und  sein  Yerhfiltnifs  zu  ihnen  auszudrücken, 
einen  Harmosten  Eozenos  bei  ihnen  zurücklfifst. 

Nach  solchen  Analogien  mnfs  man  auch  wohl  zugeben,  dafs 
es  kein  Zufall  ist,  wenn  der  Wortführer  der  Ol.  109,  4  von  Athen  an 
Konig  Ochos  abgeordneten  Gesandtschaft  Ephialtes  hiefs,  so  schmfth- 
lieh  auch  die  Reminiscenz  an  den  Verrath  der  Thermopylen  war. 

Wir  sehen,  welcher  Werth  in  öffentlichen  Dingen  auf  den 
Namen  gelegt  wurde.  Wir  finden  einen  Dorieus  als  Führer  der 
antiathenischen  Partei  in  Thurioi,  einen  Athenagoras  an  der  Spitze 
der  Athenerfreunde  in  Syrakus,  und  wenn  sich  auch  nicht  nach- 
weisen Ifilst,  dafe  die  Griechen  in  so  ängstlicher  und  pedantischer 
Weise,  wie  die  Romer,  die  im  Namen  liegende  Vorbedeutung  be- 
rücksichtigt haben,  so  sind  die  Orundanschauungen  doch  dieselben, 
and  dies  zeigt  sich  z.  B.,  wenn  bei  Rückkehr  in  das  von  Thra- 
sjbnlos  befreite  Athen  ein  Aisimos  Zugführer  ist,  wenn  man  einen 
Hermogenea  zum  Gesandten  wählt,  einen  Poly Stratos  zum  ersten 
Soldnerhauptmann  und  einen  Eukles  zum  Boten  des  maratbonischen 
Siegs. 


[1870]  12 


Nachtrag. 


24.  Februar.    Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  A*  W.  Hofmann  las  ferner  Nachträgliche  Bemer- 
kungen über  die  Entschwefelnngsproducte  des  Diphe- 
njlsulfocarbamids. 

In  einer  der  Akademie  vor  einigen  Monaten  vorgelegten  Hit- 
tbeilnng  habe  ich  gezeigt,  dafs  der  diphenjlirte  Stdfohamstoff  bei 
der  Entachwefelnng  mittelst  Bleiozyds  in  alkoholischer  Ammoniak- 
lösung eine  schön  krjstallisirte  Base  von  der  Zusammensetzung 

liefert.')  Ich  liels  es  damals  nnentschieden,  ob  diese  Base  mit 
dem  firoher  von  mir  erhaltenen  Melanilin')  identisch  oder. nur 
isomer  sei.  In  letzter  Zeit  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  das  durch 
Entschwefelung  gebildete  Prodnct  mit  einem  durch  die  Einwirkung 
des  Chlorcyans  auf  Anilin  erhaltenen  schönen  Prfiparate,  welches 
Hr.  Dr.  Salkowski  mit  grofser  Sorgfalt  dargestellt  hatte,  zn  ver- 
gteichen,  und  hege  auf  Orund  dieser  Vergleichung  hin  keinen  Zwei- 
fel mehr,  dafs  hier  Isomerie  nicht  Identit&t  stattfindet. 

Um  Irrthümer  möglichst  auszuschüefsen,  wurden  die  beiden 
Basen  in  die  schwerlöslichen,  aber  leichtkrystallisirbaren  Nitrate 
verwandelt  und  aus  diesen  Salzen  erst  wieder  abgeschieden,  nach- 
dem dieselben  vier  bis  fünf  Mal  umkrystallisirt  worden  waren. 
Die  fireien  Basen  wurden  alsdann  nochmals  wiederholt  als  Alkohol 
umkrystallisirt. 


1)  Hofmann,  Monatoberichte  1869,  589. 

^)  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXVIL  129. 

12^ 


172  Nachtrag. 

Eine  bemerkenswerthe  Yerscbiedenbeit  zeigte  sieb  alsbald  io 
der  Kiyatallisationsf&bigkeit  beider   Substanzen.      Die   neue  Base 
krystalüsirt  ungleich  leicbter,  als  die  alte;  auch  sind  die  Krjstalle 
derselben,    lange  abgeplattete  Nadeln,   viel  besser  ausgebildet,  als 
die  yerworrenen  Krystallisationen   des  früher  erhaltenen  Körpers. 
Auch  in   der  ungleichen  Löslichkeit  tritt  diese  Verschiedenheit  in  | 
bestimmter  Weise  hervor:    100  Oew.-Tb.  Weingeist  von   90  pCt  | 
losen  18  Gew.-Th.  des  alten  Melanilins  und  nur  9,6  6ew.-Th.  des  , 
neuen.    Endlich  Ififst  die  Bestimmung  des  Schmelzpunktes  der  bei- 
den  Basen  keinen  Zweifel.      Das  alte  Melanilin,   dessen  Schmelx- 
pnnkt  ich  früher  nur  annfthemd  als  zwischen  125**  und  130^  lie- 
gend angegeben  hatte,    schmilzt  bei  131^,    die  neue  Baae  erst  bei 
147^.    Die  Versuche  wurden  anm  öfteren  mit  denselben  Ergeb- 
nissen wiederholt. 

Ich  schlage  vor,  den  Namen  Melanilin  ganz  fallen  zu  las- 
sen und  die  beiden  Basen  als  Diphenjlguanidine,  und  zwar 
die  durch  Entschwefelung  entstehende  als  a-,  die  mittelst  Chlorcyan 
dargestellte  als  yS-DIphenylguanidin  zu  bezeichnen.  Dieser 
Namentansch  empfiehlt  sich  um  so  mehr,  als  die  Bezeichnung  Me- 
lanilin, welche  an  eine  nahe  Beziehung  der  so  genannten  Base 
mit  dem  Ton  Lieb  ig  entdeckten  Melamin  erinnern  sollte,  ihre 
Bedeutung  verloren  hat,  seit  ich  das  wahre  Melanilin,  d.h.  das 
triphenylirte  Melamin,  fiber  welches  ich  der  Akademie  in 
einer  sp&tem  Sitzung  bericiiten  werde,  in  diesen  Tagen  entdeckt 
habe.') 

In  welcher  Weise  immer  »an  die  Isomerie  der  beiden  diphe- 
nylirten  Ghianidlne  erklären  will,  so  viel  Ist  gewifs,  dafs  sich  die 
Atome  in  den  Abkömmlingen  beider  Körper  wieder  gleichmäfsig 
lagern.  Dnrckjdie  Einwirkung  des  Cyangases  auf  das  /B^Diphenjl- 
guanidin  entsteht  der  Körper,  den  ich  mit  dem  Namen  Dicyano« 
melanilin')  bezeichnet  habe,  und  letzterer  verwandelt  sieh  unter 
dem  Einflüsse  der  S&uren  zunfichst  in  Melanoximid  und  schliefs- 
lieh  in  Diphenylparabans&ure.') 

Alle  diese  Körper  bilden  sidk  mit  der  gröfsten  Leichtigkeit 
auch  ans  dem  a-Diphenjlguanidin ;   ich  habe  aber  bei  der  sorgfal* 


1)  Hofmann,  Monatsberichte  1869,  791. 

')  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXYU,  159  und  LXXIV,  1. 

')  Hofmann,  Royal  Soc.  Froc.  XI,  275. 


Nachtrag,  173 

tigen  Vergleichang  der  aoB  der  tt-  und  ^S-Yarietfit  entstehenden 
Verbindungen  keine  Verschiedenheit  mehr  wahrnehmen  können; 
ich  halte  dieselben  f&r  identisch.  Die  anf  beiden  Wegen  erhalte- 
nen Dicyanyerbindungen  schmehEen  bei  154^;  der  Schmelzpunkt 
der  Diphenjlparabaosfiare,  ob  ans  der  <»-  und  i3-Abart  dargestellt, 
liegt  bei  204^ 

Die  beschriebenen  Versuche  haben  mich  an  einen  dritten  Kor- 
per erinnert,  den  ich  vor  einiger  Zeit  durch  Behandlung  des  nor- 
malen Guanidins  mit  Anilin  erhalten  und  dem  ich  irrthümlich  eben- 
falls die  Zusammensetzung  des  diphenylirten  Guanidins  (Melanilins) 
beigelegt  habe^).  Wenn  ein  Guanidinsalz  mit  einem  Überschüsse 
▼on  Anilin  zum  Siedepunkt  der  letzteren  erhitzt  wird,  so  entwickeln 
sich  Strome  von  Ammoniak  und  beim  Erkalten  erstarrt  die  Flüs- 
sigkeit zu  einem  Krjstallbrei ,  ans  dem  sich  durch  geeignete  Be- 
handlung mit  Wasser  und  Alkohol  ein  in  schönen  Nadeln  krystalli- 
sirender  Korper  darstellen  IfiTst 

Indem  ich  die  Reactioa  nach  der  Gleichung 

CH,N,0  -^  2C^H^N  —  Ci,H,3N3  -+-  H,0  -h  2H,N 

interpretirte,  glaubte  ich  in  dem  kiystallisirten  Producte  ein  diphe- 
Djlirtes  Guanidin 

CuH„N,  ^  CH,(C,H,),N, 

zu  erblicken. 

Die  Auffindung  des  a-Diphenylgtianidins,  welches  sich  bei  der 
Entschwefelung  des  diphenylirten  Sulfoharnstoffs  in  Gegenwart  von 
Ammoniak  bildet,  hat  mich  veranlafst,  auch  den  phenylirten  Gnani- 
dinabkömmling  nochmals  darzustellen.  Ich  habe  mich  bei  diesem 
Versuche,  welcher  in  etwas  gröfserem  Maafstabe  ausgeführt  wurde, 
überzeugt,  dafs  die  Einwirkung  des  Anilins  auf  den  Guanidin  nicht 
in  dem  oben  angegebenen  Sinne,  sondern  nach  der  Gleichung 

CH^NjO  4-  2CgH^N  =s  CijHjjNjG  -t-  SHjN 

verlauft,  dafs  mithin  der  unter  den  bezeichneten  Bedingungen  ge- 
bildete krystallisirte  Korper  nicht  diphenylirtes  Guanidin,  sondern 
diphenylirter  Harnstoff  ist 


1)    Hofniann  Monatoberichte  1868,  464. 


174  Nachtrag. 

C„Hi,NaO  =  CH,(CeH5),NjO. 

Im  Eohlen8toff-   und  Wasserstoflfgehalt  unterscheiden  sich  in  der 
That  beide  Korper  nur  wenig. 

Diphesylgnsnidin        Dipbenylhsmstoff 

Kohlenstoff  73.93  73.63 

Wasserstoff  6.16  5.66 

Zwei  Verbrennungen  hatten  ergeben  Kohlenstoff  74.00  nnd 
73.95,  femer  Wasserstoff  6.27  aus  6.21,  Zahlen,  welche  der  Zusam- 
mensetzung des  diphenylirten  Guanidins  noch  nfiher  kommen  als 
des  diphenylirten  Harnstoffs.  Leider  war  die  Bestimmung  des 
Stickstoffs  unterblieben,  welche  die  Natur  des  Korpers  alsbald  ent- 
hüllt haben  wurde. 

Ich  habe  jetzt  den  in  Rede  siehenden  Korper  durch  ein  genaue- 
res Studium  seiner  physikalischen  Eigenschaften,  namentlich  durch 
die  Bestimmung  des  Schmelzpunkts,  welcher  bei  232^  gefunden  wurde, 
mit  dem  auf  gewohnliche  Weise  dargestellten  Diphenylsulfohamstoff 
identificirt.  Die  Bildung  des  diphenylirten  Harnstoffs  aus  dem 
Quanidin  hat  nichts  Befremdliches,  wenn  man  bedenkt,  mit  wel- 
cher Leichtigkeit  das  Guanidin  unter  Ammoniakverlust  in  normalen 
Harnstoff  übergeht 

CH^NjO  «  H,N  4-  CH^N,0. 


In  Ferd.  Dnmmler's  Yerlagsbachhandlung  sind  neuerdinga 
folgende  akademische  Abhandlangen  aus  dem  Jahrgang  1869  er- 
schienen : 

Ebbsshbro,  Über  mSchtige  Gebirgsschichten  vorhernchend  ans  mikroskopi- 
schon  Bacillarien  anter  und  bei  der  Stadt  Mexiko. 

Preis:    1  Thir.  15  Sgr. 

*   Lkpsics,  Über  den  chronologischen  Werth  der  Assyrischen  Eponymen  und 
einige  Berfihrangsponkte  mit  der  Aegytischen  Chronologie. 

Preis:    15  Sgr. 

BoTB,   BeitrSge  zur  Petrographie  der  platonischen  Gesteine. 

Preis:    3  Thlr.  7  Sgr.  6  Pt 

Maqhijb»   über  Emission,  Absorption  and  Reflexion. 

Preis:    15  Sgr. 


In  den  Abhandlungen  der  Akademie  sind  in  den  Jahrgängen  1852^ 
18ö3,  i862j  1864  keine  Mathemaiiechen  Klassen  enthalten. 


MONATSBERICHT 

DBB 

KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

März  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  Kammer. 


3.  März.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Homejer  las  über  Hausmarken  und  legte  lithogra* 
phirte  Tafeln  zur  Erläuterung  vor. 

Er  beabsichtige  über  die  Geschichte,  die  Verbreitung  und  die 
Verwendung  der  sog.  Haus-  und  Hofmarken  im  germanischen 
Earopa  eine  grofsere  Arbeit  zu  veröffentlichen.  Derselben  werden 
nicht  nur  einzelne  Figuren  im  Texte  selber  einverleibt,  sondern 
aach  vierundvierzig  Tafeln  als  Anlagen  beigegeben  werden.  Sie 
sollen  die  ungemeine  Fülle  der  Erscheinungen  zur  weiteren  An- 
schauung bringen.  Sie  sollen,  indem  sie  die  Marken  massenweise 
für  ganze  Kreise,  Ortschaften,  Genossenschaften  zusammenstellen, 
über  die  mancherlei  Weisen  belehren,  durch  welche  die  Unter- 
scheidbarkeit der  Zeichen  im  Leben  erreicht  worden.  Sie  mögen 
endlich  mittels  der  Fixirung  eines  gegenwärtigen  Zustandes  dazu 
verhelfen,  die  künftigen  Änderungen  und  Schicksale  der  alten  Sitte 
genauer  zu  verfolgen. 

Diese  Beilagen  sind  vorweg  lithographirt  worden,  um  sie  beim 
spätem  Druck  der  Hauptarbeit  selber  bestimmter  anziehen  zu  kön- 
nen. Ihre  heutige  Vorlage  wurde  mit  Erklärungen  begleitet. 
Hier  folgt  eine  summarische  Übersicht. 

Die  Tafeln  I  bis  XXXVU  sind  nach  Ländern  und  Orten  ge- 
ordnet. Sie  beginnen  mit  Skandinavien,  führen  zu  England,  zu 
[1870]  13 


176  Gesammtsitzung 

den  Niederlanden,  treten  mit  Oldenburg  in  Deutschland  ein,  folgen 
dem  Rande  der  Ostsee  bis  in  die  Gegend  von  Danzig,  gehen  dann 
von  dem  Meere  ab,  gelangen  zunächst  durch  das  übrige  Nord- 
deutschland von  Ost  nach  West  nach  dem  Rheine  und  schliefsen 
mit  Süddeutschland  und  der  Schweiz. 

I.     Island. 

A.  23  Marken  aus  Siegeln  der  Bischöfe  und  andrer  Standes- 
personen von  1373  bis  1631,  mitgetheilt  von  Hrn.  Archivar  Jon 
Sigurdsson  zu  Kopenhagen.  B.  Zeichen  in  Felsholen,  vielleicht 
von  deren  Besuchern  eingegraben,  welche  in  das  12te  oder  13te 
Jahrh.  gesetzt  werden.  —  Anhangsweise  ein  kleiner,  mit  Zeichen 
bedeckter  Stein  aus  einem  alten,  im  J.  1838  in  Virginia  entdeck- 
ten Grabe. 

II.     Schweden. 

Zeichen  aus  einer  Sammlung  von  75  mit  Lochern  versehenen 
kleinen  Holzscheiben  (Bricken),  die  etwa  den  Rindern  um  die  Hor- 
ner  gehängt  oder  als  Looshölzer,  s.  Germanisches  Loosen  S.  29, 
benutzt  wurden. 

m  — VII.     England. 

Die  dritte  Tafel  gtebt  A)  Handzeichen  von  Landleuten  aus 
Urkunden  des  17ten  Jahrhunderts,  B)  die  Marken,  welche  die 
Schwanhalter  den  Schnäbeln  dieser  Thiere  auch  noch  gegenwärtig 
eingraben  lassen  u.  a.  die  Marken  der  Konigin  Victoria  und  des 
Eton  College. 

Die  300  Nummern  der  Tafeln  4  bis  7  gehören  einer  von 
Ewing  in  den  Schriften  der  Norwicher  Alterthumsgesellschaft  1850 
edirten,  aus  Siegeln,^  Unterschriften,  Grabsteinen  und  allerlei  Bau- 
lichkeiten des  14ten  bis  zum  17ten  Jahrh.  entnommenen  Samm 
lung  an.  Vgl.  Monatsberichte  der  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin,  1868 
S.  578. 

VIII.     Niederlande. 

A.  Grabzeichen  des  17ten  Jahrhund,  aus  Delft.  B.  Hand- 
zeichen auf  einer  Schuldverschreibung  von.  1481  zu  Lejden. 
C.  Zeichen  auf  einem  alten  Thurm  des  Tempelhofes  zu  Nieupoort. 


vom  3.  März  1870,  177 

D.  Handzeichen  in   einem   ^Yenditiebook^   von   1632  im  Archive 
daselbst. 

IX,  X.     Oldenburg. 

Ans  einer  Mittheilang  des  Geh.  Archivraths  Leycrkas  stam- 
men 148  2^ichen  haaptsfichlich  von  Siegeln  und  Unterschriften  des 
16ten  und  17ten  Jahrh.  1)  aus  der  Herrlichkeit  Knjphausen,  na- 
mentlich aus  den  Kirchspielen  Sengewarden,  Ackum,  Fedderwarden, 
2)  aus  dem  Jeverlande,  Kirchspiel  Wangeroge  u.  s.  w. ,  3)  aus 
Stad-  und  Butjadinger  Land,  4)  aus  der  Grafschaft  Oldenburg, 
Kirchspiele  Edewecht,  Westerstede,  Varel,  Zwischenahn,  Bockhorn. 

XL 

A.  Ans  Mölln  in  Lauenburg  Marken  von  Leichensteinen  1584 
bis  1768,  Ton  Kirchenstuhlen  der  sog.  Feuergraven,  von  den  zehn 
Brauh&usem.  B.  Aus  Schoneberg  im  Ratzeburgischen,  Hand- 
zeichen unter  einer  Urkunde  von  1622, 

XII  — XVL    Lübeck. 

Die  zwölfte  Tafel  giebt  62  Zeichen  von  den  Grabsteinen  der 
zu  St  Jacobi  von  1606  bis  1655  beerdigten  Personen  nach  dem 
dortigen  „Steinbuche^. 

Die  Tafeln  13  bis  16  liefern  364  Siegelmarken,  von  H.  Ma- 
ler Milde  zu  Lübeck  aus  Urkunden  theils  Lubscher  Einwohner, 
theils  andrer  Nationalen  des  europäischen  Nordens  von  1341  bis 
1519  alphabetisch  zusammengeatellt. 

XVn.    Rostock. 

A.  Abbildung  eines  1831  im  Schutt  gefundenen  mit  Zeichen, 
Bachstaben  und  Zahlen  u.  a.  1606  bedeckten  Stücks  eines  starken 
Hirschgeweihes.  B.  Die  56  Marken  an  dem  Altarschranke  eines 
früheren  Nonnenchors  der  Elosterkirche  zum  H.  Kreuz. 

XVIII. 

In  dem  Kirchspiel  Bovershagen  bei  Rostock  hat  sich  der 
Gebrauch  der  Hausmarken,  namentlich  auch  zur  Bezeichnung  der 
Looskaveln  lebendig  erhalten.  Die  Tafel  giebt  deren  125  aus  den 
Ortschaften  Over- Mittel -Niederhagen,  Hinrichshagen ,  Sandberg, 
Torf  brück,  Wiethagen,  Sandhagen. 

13* 


178  OesammUitzüng 

XIX. 

Proben  der  Zeichen  auf  den  Kirchenplfitzen  zu  Warne  münde 
y.  J.  1590,  welche  jetzt  durch  ein  neues  Gestühl  ersetzt  werden 
sollen,  Tgl.  Monatsb.  a.  a.  O.  578. 

XX.     Rügen. 

A.  Siegelmarken  von  Bauern  aus  dem  16ten  Jahrhundert. 
B.  Hand-  und  Hauszeichen  von  acht  Halbbauem  und  Kossäten  zu 
Qagern  auf  der  Halbinsel  Monchgut  unter  einem  Pachtcontract  v. 
J.  1832.  C.  Zeichen,  die  noch  an  Gebäuden,  Leichensteinen,  Ge- 
räthen  in  verschiedenen  Ortschaften  der  Halbinsel  Wittow  z.  B. 
zu  Vitte  nahe  bei  Arcona  vorkommen.  D.  Noch  übliche  Bauer- 
und Büdnermarken  von  Monchgut 

XXI.     Greifswald. 

In  den  Gängen  der  dortigen  Kirchen  liegen  noch  zahlreiche 
Grabsteine  mit  den  Zeichen  der  Beerdigten.  Die  hier  unter  09 
Nummern  nach  Hrn.  Prof.  Böhlau  mitgetheilten  stammen  aus  der 
Marienkirche  und  gehören  den  J.  1363  bis  1734  an,  vgl.  Monats- 
bericht 577. 

XXII. 

Marken  der  zahlreichen  Fischer  der  Pommerschen  Oderstädte 
Greifenhagen  (58)  und  Garz  (47).  Häufig  aus  I  und  X  zu- 
sammengesetzt gelten  sie  doch  nicht  als  Zahlen,  sondern  als  Haus- 
marken mit  Bezeichnung  derselben  als  Kreuze  und  Kerben^  vergl. 
M.-B.  580. 

XXIII  —  XXVIII.     Provinz  Preufsen. 

Die  Marken  dieser  Tafeln  haften  sämmtlich  an  ländlichen  Ge- 
höften und  stehen  noch  in  lebendigem  Gebrauch. 

Nr.  XXIII  giebt  die  Hofmarken  der  Dörfer  Praust,  Zipplau, 
Rostau,  Müggenhal  auf  der  Danziger  Höhe;  XXIV  der  Ortschaf- 
ten Weslinke,  Gottswalde,  Reichenberg,  Scharfenberg  aus  dem  Dan- 
ziger Werder.  Die  übrigen  Tafeln  fallen  auf  den  Marienbur- 
ger  Werder,  für  den  der  Landrath  Hr.  Parey  aus  83  Ortschaf- 
ten über  800  Marken  zusammengebracht  und  zur  Veröffentlichung 
mitgetheilt  hat,  M.-B.  579. 


vom  3.  März  1870.  179 

XXIX.     Polnische  Adels wappen. 

Sie  sind  hier  aufgenommen  einmal  um  die  Übereinstimmang 
mancher  derselben  mit  Germanischen  Hausmarken  zu  belegen,  so- 
dano  nm  zu  veranschaulichen,  wie  zahlreiche  einzelne  Adelsge« 
schlechter  einem  grofsen  Wappenverbande  mit  einem  Gesammt- 
zeichen  angehören,  welches  dann  in  den  Wappen  der  besondern 
Familien  als  Grundform,  wenn  auch  mit  gewissen  Beizeichen  oder 
verschiedenen  Tinkturen,  wiederkehrt.  Die  Tafel  giebt  67  solcher 
haasmarkenfihnlicher  Grundzeichen  und  bei  einigen  derselben  auch 
die  Variationen  der  einzelnen  zum  Verbände  sich  zählender  Ge- 
schlechter an. 

XXX,  XXXI.     Mark  Brandenburg. 

Die  erste  Tafel  enth&lt  noch  übliche  Hofzeichen  aus  ländlichen 
Ortschaften,  A)  von  Jänickendorf  im  Kreise  Lebus  (M.-B.  579), 
B)  von  Pewesin,  Roskow,  Wachow,  Gohlitz  im  Westhavellande. 

Die  andre  theilt  die  hundert  auf  einer  Tafel  in  der  St.  Gott- 
bardskirche  zu  Brandenburg  a.  H.  angebrachten  Zeichen  der  Tuch- 
machergilde mit,  die  im  J.  1623  die  dortige  Kanzel  renoviren  lieüs, 
M.-B.  578. 

XXXII.     Lüneburg. 

Auf  die  Saline  (Sülze)  daselbst  beziehen  sich  A)  42  Zeichen 
der  Corporation  der  Salzpächter  vom  J.  1534,  B)  24  der  zu  den 
^Sulzhänsern^  gehörigen  Marken  von  1785. 

XXXIII,  XXXIV.     Erfurt. 

Sie  stellen  unter  50  Nununern  die  von  H.  Major  Bockner 
aas  dortigen  Siegeln,  Grabsteinen,  allerlei  Baulichkeiten,  Glasge- 
mälden n.  s.  w.  gesammelten  Zeichen  in  ihren  Schilden  dar, 
M..B.  579. 

XXXV.     Rheinpreufsen. 

A.  Dreifsig  zu  Schweinschied  bei  Meisenheim  noch  jetzt 
in  Gemeindeangelegenheiten  benutzte  „Familien  und  Hausmarken^. 
B.  80  zu  Masterhausen  am  Hunsrück  im  1 8 ten  Jahrhundert  zu 
vielfachen  Zwecken  verwendete  Zeichen  dortiger  Bürger. 


180  Gescanmtsitzmig 

XXXVL     Tyrol. 

Als  Beiapiele  der  hier  üblichen,  sehr  einfachen^  oft  in  Buch- 
staben übergehenden  Formen  sind  die  Zeichen  der  Orte  Untermie- 
ming  und  Fiecht  im  Obeiinnthal  gegeben. 

XXXVn.     Sehwei«. 

1.  Drei  und  dreifsig  Marken  an  Oeb&uden,  Ger&thschaften 
oder  aus  Siegeln  Sebwjzer  Familien. 

2.  Zwölf  Zeichen  von  Milchlieferanten  des  Wirthes  zum  Al- 
penclub im  Maderanerthal,  Canton  Uri,  auf  einer  sog.  Milchbeile 
(Kerbstock)  eingegraben,  M.-B.  581. 

3.  Dreifsig  von  den  120  zu  Münster  im  C.Wallis  gebrauch- 
lichen Häuserzeichen,  M.-B.  ebd. 

4.  Aus  einer  alten  deutschen  Niederlassung  zu  Alagna  in 
Fiemont,  südlich  vom  Monte  Rosa,  39  noch  übliche  Marken,  deren 
Eigner  theils  deutsche  theils  italienische  Namen  führen,  M.-B.  ebd. 

Die  sieben  noch  übrigen  Tafeln  sind  theils  nach  Personen- 
classen  theils  nach  Gegenständen  der  Bezeichnung  geordnet. 

XXXVIII,  XXXIX.    Steinmetzzeichen  (vgl.  M.-B.  582). 

Ältere  Formen  derselben,  welche  oft  geradezu  irgend  ein  Werk- 
zeug 'wiedergeben,  sind  mitgetheilt  von  der  1263  fif.  erbaueten  Hei- 
ligengeistkirche  zu  Mainz,  von  der  Burg  Land  eck  in  Pfalzbaiern 
aus  der  Hoheüstaufenzeit,  vom  deutschen  Eck  zu  Coblenz  1275, 
Ton  der  Goblenzer  Moselbrücke ^  unter  denen  die  Nr.  1  bis  108 
dem  J.  1340  ff.,  die  Nr.  109  — 116  aber  einer  späteren  Zeit  an- 
gehören. 

Diese  letzteren,  ferner  die  dem  Wolfe nbüttl er  Schlosse  und 
die  den  sog.  Heunensäulen  bei  Miltenberg  am  Main  entnommenen 
tragen  die  Stabform  und  begnügen  sich  mit  einer  blofsen  Andeu- 
tung des  Werkzeuges  im  Querstriche. 

XL. 

Die  Tafel  giebt  A)  30  Zeichen  von  Buchführern  (Verlegern 
und  Buchdruckern),  B)  40  Zeichen  von  Baumeistern,  unter  ihnen 
die  von  28  im  J.  1658  zu  Strafsburg  versammelten  Werkmeistern, 
welche  dem  Typus  der  Heunensäulen  (XXXYIII)  nahe  stehen. 


vom  3.  März  1870.  181 

XLI.     Künstlerzeichen. 

Proben  von  Zeichen  A)  der  Maler,  B)  der  Bildhauer,  G)  der 
Graveorey  D.  sonstiger  Künstler,   sämmtlich  im  Hausmarkentjpns. 

XLII.     Zeichen  von  Schiffsgütern  und  Schiffen. 

1.  Auszug  aus  einer  Pergamentrolle,  welche  die  nach  Thorn 
bestimmten  Waaren  eines  im  J.  1377  an  der  Jütischen  Küste  ge- 
strandeten SchilFes,  behufs  deren  Wiedererlangung,  mit  ihren  Eigen  - 
thumern  und  Marken  verzeichnet.  2.  Sieben  Zeichen,  welche  im 
J.  1856  auf  Helgoland  von  den  Schalupen  der  dortigen  Com- 
pagaien  noch  neben  Bild  und  Namen  geführt  wurden. 

XLIII.     Familienzeichen. 

Die  Abwandelungen,  welche  ein  Familienzeichen  zur  Unter- 
scheidung der  einzelnen  Gliederungen  des  Geschlechts  erleidet;  dar- 
gelegt in  49  Beispielen  aus  Danzig,  Fehmarn,  den  Werdern  bei 
Hamburg,  Holland,  Pommern,  Rügen,  Schleswig  und  der  Schweiz. 

XLIV.     Acker-  und  Holz  marken. 

I.  Von  dep  einfachen,  in  Äcker  oder  Wiesen  gepflügten  oder 
geschnittenen' Zeichen  sind  16  aus  England,  12  noch  heute  ge- 
bräuchliche aus  dem  Mansfelder  Gebirgskreise  mitgetheilt. 

n.  Von  den  gleichfalls  simpeln,  in  Holzstücke  (Sfigeklotze) 
meist  durch  die  Axt  einzuschlagenden  Marken  sind  unter  A)  die 
darch  ein  gewisses  System  geordneten  Zeichen  der  Glieder  der 
Schiffer-  und  Flöfsergesellschaffc  im'  Murgthal  gegeben;  B)  die 
abn}icheH  aus  dem  Lechthal  in  Tyrol;  G)  die  zu  Gramais 
ebendaselbst  im  J.  1690  gebräuchlichen,  welche  zugleich  zur  Un- 
terschrift dienten.  Unter  D)  endlich  zehn  der  im  Bajerschen 
Frankenwalde  üblichen,  den  gewohnlichen  Hausmarken  ähn- 
lichen, aas  dem  Flofszeichencataster  zu  Kronach  mitgetheilten 
Marken. 


182  Gesammtsifzunff 

An   eingegaDgenen    Schriften    nebst   Begleitschreiben   wurden 
vorgelegt : 

Sitzungahtrichte  der  GeaeUßchaft  natur/orichender  Freunde  tu  Berlin  im  J. 
1869.    Berlin  1870.     4. 

PubiieoHonen  des  Litterariechen  Vereins  in  Stuttgart.     96. — 99.  Puhiicaiion. 

Tfibingen  1869.     8. 

P.  Call  Morel,  Ojfenharungen  der  Schwester  Mechtiid  von  Magdeburg, 
oder  diu  ßie/sende  Licht  der  Gottheit.  Regeiubnrg  1869.  8.  Mit  Be- 
gleitschreiben des  Hm.  Verf.  Einsiedeln  12.  Febr.  1870. 

Schweizerische  Meteorologisch  Beobachtungen.  Decb.  1868«  Jan.  n.  Febr. 
1869.    Bonn  1869.     4. 


10.  März.     GesammtsitzuDg  der  Akademie. 

Hr.  Petermann   las   den  «weiten  Theil   seiner  Abhandlung 
über  die  Eroberung  von  Jerusalem  durch  Saladin. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Archives  du  Musie  Teyler.    Vol.  II,  4.    Harlem  1869.     8. 
Bulletin  de  la  socike  des  naturalistes  de  Moseou,     no.  2.    Moscou  1869.  8. 
Archäologische  Zeitung.    Nene  Folge.    Bd.  2.     Berlin  1869.     4. 
Bulletin   de   tacademie   de   Petersbourg.    VoL  14,  no.  1 — 3.     Petersboarg 

1869.     4. 
Memoires  de  tacademie  de  Petersbourg.     YoL  13.  no.  8.  Vol.  14,    no.  1 — 7. 

Petersbonrg  1869.     4. 
Egger,  Vhellenisme  en  France.    YoL  1.  2.     Paris  1869.     8. 


14.  März.       Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  Dove  las:  1)  Über  die  Wärmeverbreitung  im  Polarmeer. 
2)  Über  die  Kälte  im  gegenwärtigen  Frühjahr  (s.  Nachtrag). 


vom  17.  März  1870.  183 


17.  März.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Buschmann  las  den  Schlafs  von  Zusätzen  cn  der  ersten 
Abtheilong  seiner  sonorischen  Grammatik:  dem  Lautsjstem. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Oteruigt  over  dei  KongL  Deuuke  Videnskabernes   Seiskabs  Forhandlinger, 

1869,  no.  3.     KjohnhaTn  1869.     8. 
MiUheilungen  aus  dem  Otterlande,     19,  1.  2.     Altenbnrg  1869.     8. 
d'Arbois  de  Jubainville,  Reckerchee  eur  tanneau  ngiliaire  de  Pouam, 

Paris  1869.     8. 

—  Eene^  Euzue,     Paris  1869.     8. 

—  Le  Baron  de  Jaujoz.    Paris  1869.     8. 


24.  März.     öflFentliche  SitzuDg  der  Akademie  zm- 

Feier   des  Geburtsfestes    Sr.    Majestät 
des  Königs. 

Der  Torsitzende  Sekretär  Hr.  Kummer  eröffnete  die  Sitzung 
mit  einer  Rede,  in  welcher  er  die  culturgeschichtliche  Bedeutung 
der  Thaten  des  Königs  betrachtete  und  namentlich  die  durch  die- 
selben gesicherte  nationale  Grundlage  der  ferneren  Entwickelung 
deutscher  Wissenschaft  hervorhob.  Derselbe  gab  hierauf  einen  Be- 
richt über  die  grofseren  Arbeiten  und  Unternehmungen  der  Akade- 
mie, nämlich  die  Herausgabe  des  Corpus  Inscriptionum  Latinarum, 
des  Corpus  Inscriptionum  Graecarum  und  des  Index  zum  Aristo- 
teles. Zum  Schlnfs  hielt  Hr.  Peter  mann  einen  Vortrag  über  die 
Eroberung  Jerusalems  durch  Saladin. 


28.  März.     Sitzung  der  philosophisch-historischen 

Klasse. 

Hr.  Müllenhoff  las  Beitrage  zur  Geographie  der  Alten. 


184  Oeßammtaitzung 

31.  März.     Gesammtsitzung  der  Akademie, 

Hr.  Weber  las  über  das  Bdmdyaiiia, 


Hierauf  legte  Hr.  daBois-Rejmond  folgenden  Aaüsatx  vor: 

Nene  Versuche  über  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 

der  Reizung  in  den  motorischen  Nerven  der  Menschen, 

ausgeführt  von  N.  Baxt  aus  Petersburg.      Mitgetheilt  von 

Hm.  H.  Helmholtz,  correspondirendem  Mitgliede  der 

Akademie. 

In  der  Sitzung  vom  29.  April  1867  habe  ich  der  Akademie 
Mittheilung  gemacht  über  Versuche,  welche  Hr.  N.  Baxt  in  mei- 
nem Laboratorium  unternommen  hatte,  um  die  Fortpflanzungsge- 
schwindigkeit der  Reizung  in  den  motorischen  Nerven  des  leben- 
den Menschen  nach  einer  Methode  zu  bestimmen,  wobei  die  psy- 
chischen Thfitigkeiten  des  Experimentirenden  zur  Erregung  der 
motorischen  Nerven  nicht  in  Anspruch  genommen  werden.  Es 
wurde  damals  der  Nervus  medianus  bald  am  Oberarm,  bald  am 
Handgelenk  gereizt.  Der  Vorderarm  und  die  Hand  waren  in  eine 
Gypsform  unverschieblich  eingelegt,  und  die  Zuckung  der  Muskeln 
des  Daumenballens  wurde  durch  einen  hölzernen  Stab  auf  den 
Schreibhebel  des  für  die  Versuche  mit  Froschmuskeln  construirten 
Mjographion  übertragen.  Übrigens  wurden  mit  den  genannten  Ab- 
änderungen die  Versuche  wesentlich  nach  demselben  Principe  aus- 
geführt, wie  die  zur  Bestimmung  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
in  den  motorischen  Nerven  des  Frosches. 

Es  ergaben  sich  hierbei  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  in 
drei  Versuchsreihen  von  31.  53,  33.  39  und  37.  49  Meter  für  die 
Secunde. 

Bei  der  Wichtigkeit  dieses  Resultats  und  in  der  Hoffnung  auch 
noch  einige  andere  damit  zusammenhängende  Fragen  entscheiden 
zu  können,  beschlossen  wir  die  Methode  zu  möglichster  Genauig- 
keit auszubilden,  und  ich  liefs  defshalb  (nach  einem  schon  früher 
von  A.  Fick  angegebenen  Plane)  ein  Pendelmjographion  bauen, 
im  Wesentlichen  aus  einem  schweren  und  festen  eisernen  Pendel 


vom  31.  März  1870.  185 

bestehend,  dessen  ganze  Schwingung  nahehin  swei  Seconden  dauerte, 
und  welches  an  seinem  untern  Ende  eine  rechteckige  ebene  Glas- 
tafel trägt,  auf  der  die  Zuckungscunren  geschrieben  werden.  Das 
Pendel  wird  ror  dem  Versuche  in  schrfiger  Lage  durch  einen  Sperr- 
baken gehalten;  sobald  dieser  gelöst  wird,  f&Ut  es,  lost  in  der 
Mitte  seiner  Bahn  den  Inductionsschlag  aus,  der  den  Nerven  trifft, 
und  wird  schliefslich  beim  Rückschwünge  vom  Beobachter  wieder 
aufgefangen  und  hinter  den  Sperrhaken  gelegt  Somit  dauert  jeder 
Versuch  nur  xwei  Secunden,  und  man  kann  schnell  hintereinander 
sehr  riele  Zuckungen  seichnen.  Um  dies  zu  können,  Ifibt  sich  die 
Glasplatte  mittels  einer  Schraube  am  Pendel  auf-  und  abschieben. 
Eine  gleiche  Platte  an  der  andern  Seite  des  Pendels,  welche  die 
entgegengesetzte  Bewegung  macht,  bewirkt,  dafs  die  Schwingungs- 
daner  dabei  nicht  geändert  wird. 

Die  Zackungscurven  erhalten  auf  dem  neuen  Apparat  viel  be- 
trachtlichere Hohe  (20  bis  40  Millim.)  und  Länge  ^  so  dafs  auch 
ihre  Entfernung  von  einander  viel  genauer  gemessen  werden  konnte. 
Letzteres  geschah  mit  dem  Ophthalmometer. 

Unsere  Hoffnung,  genauere  Resultate  zu  erhalten,  erschien  nach 
den  ersten  Versuchsreihen  mit  dem  neuen  Apparate  zunächst  fast 
ganz  vereitelt  zu  sein.  Bei  den  Versuchen  Ende  des  Sonuners  1868, 
im  Winter  18^  und  Anfang  des  Sommers  1869  fanden  sich  ziem- 
lich ähnliche  Werthe  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  für  die  Ner- 
venstrecke vom  Ellenbogen  zum  Handgelenk,  wie  die  früher  mitge- 
theilten  für  die  Strecke  von  einer  obern  Oberarmstelle  (vom  untern 
Ende  des  Deltoideus)  zum  Handgelenk,  dazwischen  aber  auch  viel 
gröfsere  für  die  Nervenstrecke  zwischen  Deltoideus  und  Ellenbogen- 
gelenk. Die  Werthe  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  für  die 
Strecke  vom  Ellenbogen  bis  zum  Handgelenk  wurden  ziemlich  fiber- 
einstimmend erhalten,  sowohl  bei  Reizung  des  N.  medianus,  wo- 
bei die  Contractionen  der  Muskeln  des  Daumenballens  verzeichnet 
wurden,  als  auch  bei  anderer  Einrichtung  der  Gjpsform  und  bei 
Reizung  des  N.  ulnar! s,  wobei  die  Contractionen  der  Mm.  ab- 
ductor  indicis  et  adductor  p oll i eis  verzeichnet  wurden. 
Diese  Werthe  für  die  Strecke  vom  Ellenbogen  zum  Handgelenk 
waren: 

Reizung  des  N.  medianus: 
30.3904  Meter  als  Mittel  aus  9  Curvenpaaren, 


186  Oesammtsitzung 

Reizung  des  N.  ulnaris: 
27.8081  Meter  als  Mittel  ans  9  Carvenpaaren, 
32.8827      „       „        „       „    8  ^ 

29.5142      ^       „         ^        „18  « 

also  im  Mittel  30.1488  Meter  in  der  Secunde. 

« 

Von  Mitte  des  Sommers   1869   fanden  sich  aber  ganz  regel 
m&fsig  grofsere  Werthe  der  Geschwindigkeit  für  die  grofse  Strecke 
vom  untern  Rande  des  Deltoideus  bis  zum  Handgelenk,  und  zwar: 
62.1462  Meter  als  Mittelwerth  aus  12  Curvenpaaren, 
64.2099       «       „  «  „9  r» 

67.3272       „       „  „  «9 

also  im  Mittel  64.5611  Meter  in  der  Secunde. 

Mancherlei  Veränderungen  in  der  Methode  der  Reizung  und 
in  den  sonstigen  Anordnungen  der  Versuche  änderten  nichts  an 
diesen  letzten  Resultaten,  bis  endlich  mit  Anfang  des  Winters  wie- 
der kleinere  Zahlen  auch  für  diese  grofse  Strecke  erhalten  werden 
konnten. 

Dieser  Umstand  schien  anzuzeigen ,  dafs  die  Temperatur  die 
Ursache  dieser  Schwankungen  sein  müsse,  obgleich  die  Verände- 
rung der  Temperatur  der  tiefer  gelegenen  Theile  des  menschlichen 
Korpers,  der  Muskeln  und  Nerven,  so  lange  nicht  gerade  ein  Ge- 
fühl des  Unbehagens  durch  sie  hervorgerufen  wird,  nach  den  bis 
her  vorliegenden  Beobachtungen  nur  sehr  geringe  Grofse  haben  kann. 
Diese  Vermuthung  hat  sich  vollständig  bestätigt  Wir  haben  an 
demselben  Versuchstage  absichtlich  hinter  einander  Veränderungen 
der  Temperatur  des  zuckenden  Armes  hervorgebracht,  und  es  ge- 
lang auf  diese  Weise  abwechselnd  bald,  bei  höherer  Temperatur, 
grofsere,  bald,  bei  stärkerer  Abkühlung,  namentlich  des  Vorder- 
arms, kleinere  Werthe  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zu  er- 
halten. 

Versuchsreihe  I.  Das  Handgelenk  wurde  durch  eine  Eis- 
blase gekühlt,  während  der  Arm  in  der  Gjpsform  lag.  Die  brauch- 
baren Curven  der  ersten  Tafel  gaben  eine  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit von  41.2752  Meter,  die  einer  zweiten  Tafel,  wobei  die 
Abkühlung  mehr  eingewirkt  haben  w^ird,  36.4765  Meter  in  der  Se- 
cunde. Darauf  wurden  die  Gypsplatten  etwas  gewärmt  und  das 
Handgelenk  mit  einer  Blase  voll  Wasser  von  40°  C.  bedeckt.  Die 
Curven  der  ersten  Tafel  gaben  dabei  eine  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit von  45.2332  Meter,   die  einer  zweiten  Tafel,    wo  die  Er- 


vofn  31.  März  1870.  187 

wärxnimg  mebr  eingewirkt  haben  wird,  eine  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit von  51.8016  Meter  in  der  Secande.  Es  ist  zu  bemerken, 
dafs  auch  bei  dieser  Erwärmung  der  Vorderarm  zu  einer  behag- 
lichen warmen  Temperatur  nicht  gekommen  war. 

Versuchsreihe  11.  Der  Arm  wurde  bei  WinterkiÜte  TOr 
dem  Versuche  stark  abgekühlt.  Höhe  der  Zuckungen  nur  15  bis  17 
Millim.,  deshalb  die  Bestimmung  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
unsicher,  etwa  47.22  Meter.  Darauf  wurde  der  Arm  durch  die 
erwärmten  Gypsplatten  und  warme  Bedeckung  gewärmt.  Die 
Zuckungshohe  steigt  auf  26  Mm.,  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
far  die  Gurven  der  ersten  Tafel  auf  54.1755  Meter,  für  die  der 
zweiten  Tafel  auf  56.7808  Meter.  Endlich  wird  der  untere  Theil 
des  Vorderarms  wieder  durch  eine  Eisblase  gekühlt  Die  erste 
Tafel  ergiebt  im  Mittel  47.7276  Meter,  die  zweite  Tafel  38.2331 
Meter  Fortpflanzungsgeschwindigkeit;  die  Höhe  der  Zuckungscurven 
sinkt  dabei  wieder  bis  auf  14  Millim« 

Hinsichtlich  des  erwärmten  Armes  gilt  übrigens  auch  hier, 
obgleich  in  geringerem  Grade,  dieselbe  Bemerkung  wie  bei  Ver- 
snchsreihe  I. 

Versuchsreihe  III.  Um  eine  möglichst  groDse  Steigerung 
der  Temperatur  des  Unterarms  zu  erreichen,  wurde  das  Zimmer 
ziemlich  stark  geheizt,  die  Gypsform  erwärmt  und  äufserlich  mit 
erwärmten  Sand  umgeben.  Im  Anfang  wurde  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit für  die  Strecke  zwischen  Handgelenk  und  unterm 
Rande  des  Deltoideus  bestimmt,  und  gleich  61.4185  Meter  gefun- 
den (Mittel  aus  10  Gurvenpaaren).  Dann  wurden  zwei  Tafeln  voll 
Carven  gezeichnet,  welche  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zwi- 
schen unterm  Ende  des  Oberarms  und  Handgelenks  entsprechen; 
der  Werth  dieser  Geschwindigkeit  betrug  57.3400  Meter  (Mittel 
aQ3  8  Gurvenpaaren).  Endlich  wurden  die  Versuche  für  die  län- 
gere Strecke  noch  einmal  wiederholt  und  ergaben  nun  eine  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit von  89.4272  Meter  (Mittel  aus  10  Gur- 
venpaaren). Dabei  war  die  Höhe  der  Zuckungen  von  21.4  Mm., 
ihrem  Mittelwerthe  im  Anfang,  bis  auf  30  Mm.  gestiegen. 

Versuchsreihe  IV.  Ein  Versuch  den  Oberarm  durch  eine 
Eisblase  in  einem  ziemlich  stark  geheitzten  Zimmer  abzukühlen, 
so  dafs  der  Unterarm  warm  blieb,  brachte  keine  erhebliche  Ände- 
rung hervor.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ergab  sich  im 
Mittel  aus  5  Versuchen  50.6262  Meter  in  1  Secunde,    ein  Werth, 


188  Oesammtsitzung 

der  etwas  kleiner  ist,  als  er  sieb  anter  übrigens  gleichen  Umstan- 
den ohne  die  Eisblase  ergeben  haben  würde. 


Es  ist  hierbei  noch  za  bemerken,  dafs  die  Versuche  mit  ab- 
gekühltem Vorderarm  immer  nur  wenige  brauchbare  Gurvenpaare 
geben,  weil  das  Zuckungsmaximum  bei  Reizung  der  Nerven  am 
Handgelenk  dann  sehr  geringe  Höhe  hat,  und  man  stark  abge- 
schwächte Inductionsschläge  zur  Reizung  der  obern  NerTenstelle 
anwenden  mufs.  Deren  Wirkung  ist  aber  ziemlich  unregelmüTiBig, 
und  es  gelingt  dann  nur  selten,  zwei  an  Höhe  wenigstens  nahehin 
gleiche  Curyen  von  den  beiden  Reizungsstellen  neben  einander  zu 
zeichnen. 

Wird  der  Vorderarm  gewärmt,  so  wächst  das  Zuckungsmaxi- 
mum der  untern  Nervenstelle  stets  erheblich,  obgleich  es  uns  bis- 
her doch  nicht  gelungen  ist,  es  dem  von  der  obern  Stelle  bei  der- 
selben Stärke  des  Inductionsschlags  zu  erhaltenden  ganz  gleich  za 
machen.  Es  ist  dann  aber  viel  leichter  eine  Stellung  der  Induc- 
tionsrollen  zu  finden,  welche  mit  ziemlich  grofser  Regelmäfsigkeit 
Zuckungen  der  verlangten  Höhe  auch  von  der  obern  Nervenstelle 
her  giebt,  so  dafs  es  unter  solchen  Umständen  leicht  ist  schnell 
hinter  einander  eine  grofse  Anzahl  brauchbarer  Gurvenpaare  zu  er- 
halten. 

Die  Versuche  über  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zwischen 
Ellenbogengelenk  und  Handgelenk  ergaben  regelmäfsig  eine  kleinere 
Geschwindigkeit  als  zwischen  Deltoideus  und  Handgelenk,  wie  es 
aus  den  zuerst  angeführten  Versuchen,  die  übrigens  bei  etwas  nie- 
drigerer Temperatur  als  die  zuletzt  angeführten  angestellt  worden 
sind,  und  ebenso  aus  der  Versuchsreihe  HI  zu  ersehen  ist.  Die 
Ursache  davon  kann  in  dem  Umstände  gesucht  werden,  dafs 
die  Nerven  im  Vorderarm  regelmäfsig  kälter  sind  als  im  Oberarm; 
es  könnte  dabei  aber  auch  an  eine  ungleichförmige  Geschwindigkeit 
des  Nervenreizes  gedacht  werden.  In  unsern  Versuchen  war  eben 
selbst  nach  der  eine  Stunde  lang  fortgesetzten  Einwirkung  eines 
äufsern  warmen  Mediums  der  erwähnte  Unterschied  in  der  Fort- 
pflanzung nicht  ganz  verschwunden. 

Andererseits  ergaben  einige,  wegen  Kleinheit  der  Strecke  al- 
lerdings nicht  sehr  sichere  Bestimmungen  der  Fortpflanzung  zwi- 


vom  3t  März  1870.  189 

sehen  Deltoideus  nnd  Ellenbogengölenk  grofse  Werthe  der  Ge- 
schwindigkeit. Da  es  zweifelhaft  erscheinen  konnte,  ob  die  geringe 
Geschwindigkeit  bei  kaltem  Vorderarm  nicht  herrühre  von  einer 
langsamem  Fortpflanzung  schwächerer  Reizungen,  wie  sie  unter 
solchen  Umst£nden  an  der  obem  Stelle  angewendet  wurden,  so 
wurden  die  Ordinaten  von  Curven  mit  einander  verglichen,  welche 
von  derselben  Stelle  aus  mit  verschiedener  Stärke  der  Reizung 
herTorgebracht  waren,  aber  gefunden,  dafs  sich  ihre  Ordinaten  für 
gleiche  Zeiten  nach  der  Reizung  fast  genau  in  dem  Yerhältnifs  der 
verminderten  Gesanunthohe  vermindern  und  keine  Verzögerung  der 
schwachem  Zuckungen  zu  bemerken  ist. 


Es  sei  noch  erlaubt  einige  Resultate  zu  erwähnen,  welche  bei 
den  Versuchen  mit  abgeänderten  Reizungsmethoden  gelegentlich  er- 
halten wurden. 

Um  vom  Handgelenk  aus  Zuckungen  von  grofserer  Stärke  zu 
erhalten,  als  sie  ein  einzelner  öffnungsinductionsschlag  lieferte, 
versuchten  wir  zwei  schnell  hintereinander  zu  gebrauchen.  Es 
zeigte  sich  dabei,  dafs  die  Zeit^  welche  zwischen  beiden  Schlägen 
verfliefsen  mufste,  ehe  der  zweite  Schlag  im  Stande  war  die  maxi- 
male Wirkung  des  ersten  ein  wenig  zu  verstärken,  y)^  Secunde 
betrug.  Bei  einer  Zwischenzeit  von  -y^  Secunde  war  die  Verstär- 
kung schon  bedeutend.  In  dieser  Beziehung  verhält  sich  also  der 
menschliche  Nerv  denen  des  Frosches  nahezu  gleich. 

Zweitens  versuchten  wir  auch  constante  Strome  zur  Reizung 
zu  verwenden,  diese  gaben  aber  am  lebenden  Menschen  leicht  Te- 
tanus, namentlich  bei  absteigender  Stromesrichtung.  Die  Oscilla- 
tionen,  welche  man  dabei  im  Muskel  fahlt,  konnten  auch  mit  Hülfe 
des  Mjographions  verzeichnet  werden.  Es  ergaben  sich  für  die 
ersten  Oscillationen  dieser  Art  unmittelbar  nach  Beginn  des  Stro- 
mes folgende  Werthe: 


190 


GesamnUiitzung 
Zeitdauer  der  Osdllationen  in  Seeanden« 


Batterie 

1 

2 

3 

11  Qroves 

0.0939 

0.0912 

Kleine 

0.0883 

0.0897 

0.0906 

0.0892 

15  Grovefl 

0.0927 

0.0876 

Kleine 

0.0925 

0.0860 

0.0962 

0.0856 

0.0859 

0.0907 

0.0863 

0.0828 

0.0901 

0.0854 

0.0840 

Die  Vorzüge  der  bei  den  Versuchen  über  die  Fortpflanzangs- 
geschwindigkeit  gebrauchten  neuen  Untersuchungsmethoden  leuch- 
tet unter  Anderem  aus  der  Übereinstimmung  der  einzelnen  Ver- 
suche einer  jeden  Versuchsreihe  hervor.  Um  den  Grad  dieser 
Übereinstimmung  zu  zeigen,  möge  beispielweise  folgende  Zusam- 
menstellung nur  einer  Versuchsreihe  dienen,  wobei  wegen  der  Be- 
deutung der  einzelnen  Buchstaben  auf  den  Eingangs  erwähnten  Be- 
richt verwiesen  werden  mag.  D  ist  nämlich  das  Mittel  der  ge- 
messenen Horizontalabstände  eines  einzelnen  Gurvenpaares,  Aq  — 
die  Zackungshöhe  von  der  untern,  hi —  die  von  der  obern  Ner- 
venstelle, ^  +  ^(^1 — Ao)  dl®  <^us  der  im  angeführten  Bericht 
angegebenen  Interpolationsformel  berechneten  Werthe  der  Horizon- 
talabstände; in  der  letzten  Verticalcolumne  sind  die  Differenzen 
der  gemessenen  und  berechneten  Werthe  der  Horizontalabstände 
angegeben. 


vom  3L  März  i870. 


191 


D 

Ä« 

Ä, 

Differenz 

1 

3.8537 

35.35 

36.1 

4.0182 

-t-0.1645 

8 

4.3975 

36.0 

35.8 

4.3392 

—0.0583 

3 

3.8274 

34.35 

35.7 

3.8013 

—0.0261 

4 

3.8069 

33.9 

34.7 

3.9897 

+0.1828 

5 

4.3177 

35.4 

35.2 

4.3402 

+0.0225 

6 

4.2577 

36.3 

36.7 

4.1406 

—0,1171 

7 

3.8526 

36.1 

37.0 

3.9736 

+0.1210 

8 

3.9614 

36.7 

38.3 

3.7498 

—0.2116 

9 

4.4304 

37.55 

37.3 

4.3523 

—0.0781 

Wie  man  sieht,  stimmen  sowohl  die  einzelnen  gemessenen 
Horizontalabst&nde,  als  die  gemessenen  und  berechneten  Horizon- 
talabst&nde  viel  mehr  unter  einander,  als  die  früher  mitgetheilte 
Zusammenstellung. 

Nach  Ausführung  mancher  noch  mangelnden  Versuche  wird 
die  ausfuhrlichere  Auseinandersetzung  der  Besultate  dieser  Unter* 
suchnng  von  N.  Baxt  ausgearbeitet  und  veröffentlicht  werden. 


Hr.  A«  W.  Hofmann  las  über  substituirte  Melamine. 

Die  Thatsachen,  welche  ich  heute  der  Akademie  vorzulegen 
mir  erlaube,  wurden  bei  der  weiteren  Ausfährung  von  Versuchen 
ermittelt,    über  die  ich  bereits  in  einer  früheren  Sitzung  berichtet 

habe.O 

In  einem  Aufsatze:  Zur  Geschichte  der  geschwefelten  Harn- 
stoffe, habe  ich  gezeigt,  dafs  der  monoäthylirte  Sulfohamstoff  bei 
der  Entschwefelung  mit  Blei-  oder  Quecksilberoxjd  in  eine  Base 
übergeht,  welche  ich  unter  dem  Namen  Triäthylmelamin  be- 
Bchiieben  habe. 

'  3CHa(C,H5)N,S  =  SH^S  +  C,U,(C^U,),N,. 


1}  Hofmann,  Monatsberichte  1869,  791. 
[1870] 


14 


192  OesammUttzung 

Bei  der  Fortsetzung  dieser  Versuche  hab'  ich  zunfichst  con- 
statirt,  dafs  der  monomethylirte  und  der  monoamylirte  Harnstoff  bei 
der  Entschwefelung  mit  Bleioxjd  das  entsprechende  trimethylirte 
und  triamylirte  Melamin  liefern. 

Das  Trimethylmelannin  krystallisirt  aus  Wasser  sowohl 
als  auch  aus  Alkohol  in  feinen  farblosen  Prismen,  die  eine  stark 
alkalische  Reaction  besitzen  und  sich  beim  Erhitzen  yerflachtigen 
ohne  vorher  zu  schmelzen.  Aus  der  mit  möglichst  wenig  Chlor- 
wasserstoffsfiure  versetzten  Losung  des  Salzes  scheiden  sich  anf 
Zusatz  von  Platinchlorid  gut  ausgebildete  Blattchen  eines  in  Was- 
ser und  Alkohol  ziemlich  unlöslichen  Platinsalzes  aus,  dessen  Ana- 
lyse zu  der  Formel 

CeHi.NePtCl«  =  C3H3(CH3),N6,  2HC1,  PtCl, 

fuhrt  Das  Trimethylmelamin  wird,  wie  die  entsprechende  Äthyl- 
verbindung durch  Salzsäure  unter  Abspaltung  von  Ammoniak  zer- 
setzt. Es  ist  mir  indessen  nicht  gelungen,  das  offenbar  hier  za- 
nfichst  auftretende  Trimethylammelin  festzuhalten.  Die  E^action 
geht  alsbald  weiter. 

Das  aus  dem  wohlkrystallisirten  Amylsulfohamstoff,  dessen 
Schmelzpunkt  bei  dieser  Gelegenheit  zu  93°  gefunden  wurde,  dar- 
gestellte Triamyl melamin  wird  als  ein  stark  alkalischer  zäher 
Syrup  erhalten,  der  selbst  nach  langem  Stehen  nicht  fest  wird. 
Er  ist  unlöslich  in  Wasser  und  wässeriger  Salzsäure.  Die  Lo- 
sung des  salzsauren  Salzes  in  Alkohol  liefert  auf  Zusatz  von 
Platinchlorid  ein  Haufwerk  von  gelben  Erystallen,  welche  löslich 
in  Wasser^  weniger  löslich  in  Alkohol  sind.     Sie  enthalten 

CjgHjgN.PtCl,  =  C3H,(C,H„)sN8  ,  2HC1 ,  PtCl«  . 

Auch  bei  dem  Triamylmelamin  liefs  sich  beim  Kochen  mit 
Salzsäure  ohne  Schwierigkeit  das  Austreten  von  Ammoniak  nach- 
weisen. Allein  auch  in  dieser  Reihe  wollte  es  nicht  gelingen,  aas 
den  Zersetzungsproducten  das  substituirte  Ammeiin  zu  isoliren. 

Schon  in  meiner  ersten  Mittheilung  über  diese  Eiasse  von 
Verbindungen  hab'  ich  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dafs  die 
substituirten  Melamine  nicht  das  directe  Entschwefelungs-Prodnct 
der  geschwefelten  Harnstoffe  seien,  ^)  dafs  ihrer  Entstehung  vielmehr 


1)  Hof  mann,  Monatsberichte  1S69,  794. 


vom  31.  März  1870.  193 

die  Bildung  der  substitiiirten  Cyanamide  vorausgehe.  Was  ich  da* 
mals  vermathete  ist  mir  durch  neue  Versuche,  die  ich  zumal  in 
der  Äthykeihe  ausgeführt  habe,  zur  Gewifsheit  geworden.  Das 
^recte  Entschweflungsproduct  des  Monoäthylharn Stoffs  ist  nicht 
alkalisch,  krystallisirt  nicht,  liefert  kein  krystallinisches  Platin- 
salz.  Erst  nach  mehrmaligem  Eindampfen  auf  dem  Wasserb'ade 
wird  das  Prodnct  plötzlich  alkalisch,  krystallisirt  alsdann  bei  der 
Berührung  mit  einem  Glasstabe  und  liefert  das  charakteristische 
wawellitartig  krystallisirende  Platinsalz. 

Für  die  Richtigkeit  der  Interpretation,  dafs  sich  hier  zu- 
nächst Äthylcjanamid  bilde,  welches  erst  später  in  Triäthylamin 
übergehe,  liefs  sich  noch  ein  weiterer  Beweis  in  dem  Verhal- 
ten des  auf  gewohnliche  Weise  dargestellten  Äthylcyanamids  bei- 
bringen. Dieser  Korper  ist,  ebenso  wie  das  Methyl-  und  Phe- 
njlcyanamid,  den  Chemikern  aus  den  schönen  Untersuchungen 
Ton  Gahours  und  Gloöz  bekannt,')  welche  diese  Substanzen 
darch  Behandlung  der  betreffenden  Aminbasen  mit  gasförmigem 
Chlorcyan  erhalten  haben.  Beim  Einleiten  von  Chlorcyangas  in 
eine  ätherische  Lösung  von  Athylamin  haV  ich  in  der  That  genau 
die  Erscheinungen  beobachtet,  welche  die  genannten  Chemiker  be- 
schreiben.  Die  von  dem  ausgeschiedenen  Athylaminchlorhydrat 
abfiltrirte  ätherische  Lösung  hinterliefs  nach  dem  Verdampfen  des 
Äthers  das  Äthylcyanamid  als  einen  neutralen  und  unkrystallisir- 
baren  Syrup,  welcher  mit  Salzsäure  und  Platinchlorid  kein  kry- 
stallinisches Platinsalz  lieferte,  sich  also  gerade  so  verhielt  wie  das 
Entschwefelungsproduct  des  Monoäthylsulfohamstoffs.  Zwei-  bis 
dreimal  in  Wasser  gelöst  und  auf  dem  Wasserbade  eingedampft 
lieferte  dieser  Syrup  eine  alkalische  Flüssigkeit,  aus  der  sich  Ery- 
stalle  absetzten,  welche  alle  Eigenschaften  des  aus  dem  Sulfoharn- 
stoff  dargestellten  triäthylirten  Melamins  besafsen. 

Nach  dieser  Beobachtung  nimmt  denn  auch  ^^}€  Umbildung 
durch  die  Wärme,  welche  Gahours  und  GloSzfür  das  Äthyl- 
cyanamid  angeben,  eine  einfachere  Form  an.  Diese  Ghemiker 
fanden,  dafs  sich  bei  der  Destillation  des  Äthylcyanamids  eine  bei 
190"^  siedende  Flüssigkeit  von  der  Formel 

G.HioNa  =  GN(G,H,),N 


0  Cahoars  a.  CI0S2,  Ann.  Chem.  Pharm.  XC.  91. 


194  OifommUitzung 

bildet^  welche  Cahonrs  und  CloSz  als  Difithylcjanamid  er- 
kannt haben,  w&brend  gleichzeitig  eine  feste  krystallinische  Base 
entsteht,  welche  die  Zusammensetsang 

C,H,N,  =  C,H,(C,H,)N, 

besitzt,  und  die  ich  als  Äthjldicjandiamid  ansprechen  möchte. 
Offenbar  sind  diese  Verbindungen  keine  directen  Zersetznngspro- 
dttcte  des  Äthylcjanamids,  sondern  entstehen  aus  dem  bereits  poly- 
merisirten  Körper,  aus  dem  Trifithylmelamin. 

C3H,(C,H^3Ne  =  CN(C,H5),N-*-C,H,(C,H0N, 

Die  Zersetzungsproducte  des  Triäthylmelamins  sind,  wie  schon 
die  hier  aufgeführte  Umbildung  durch  die  Wfirme  andeutet,  in  mehr 
als  einer  Beziehung  interessant.  Die  Möglichkeit  diesen  Körper 
mittelst  Chlorcjan  auf  eine  einfachere  und  weniger  kostspielige 
Weise  darzustellen,  als  aus  dem  fithylirten  Sulfohamstoff,  hat  mich 
veranlafst,  die  Umwandlungen  des  tri&thjlirten  Melamins  etwas 
genauer  zu  untersuchen.  Für  heute  will  ich  nur  bemerken,  dafs 
das  Triäthylmelamin  in  der  That,  wie  ich  dies  bereits  früher 
vermnthet  hatte,')  durch  längere  Behandlung  mit  Sfiuren  unter 
Ammoniakabspaltang  und  Aufnahme  von  Wasser  in  Cyanurs&ure- 
äthyläther  übergeht.  Beim  einfachen  Aufkochen  mit  Salzsäure 
verwandelt  es  sich,  wie  bereits  früher  gezeigt  wurde,  in  Triäthyl- 
ammeiin 

C3H3(C,H,)3Ne  H-  H,0  =  C3H,(C2H,),N50h.  H,N  ; 

durch  mehrstündige  Digestion  mit  Salzsäure  in  geschlossener  Röhre 
entsteht  Cyanursäureäthyläther 

C3H,(C3H5)3Ne  +  3H3O  =  C3(C,H,)3N303  H-  3H3N , 

welcher  durch  seine  physikalischen  Eigenschaften,  zumal  durch  sei- 
nen Schmelzpunkt  (85°)  und  durch  seine  Zersetzungsproducte  iden- 
tiücirt  wurde.  Das  zwischen  dem  Triäthylammelin  und  dem  Cya- 
nursäureäthyläther in  der  Mitte  liegende  Triäthylammelid 

C3H(C3H,)3N,03 

hab'  ich  bis  jetzt  trotz  vieler  Versuche  nicht  fassen  können. 


1)  Hofmann,  Monatsberichte  1S69,  797. 


vom  31.  März  1870.  195 

Ich  habe  mir  das  Vergnügen  nicht  versagen  wollen,  das  hier 
für  die  Äihylkorper  Ermittelte  schliefslich  auch  noch  einmal  in  der 
Phenylreihe  za  beobachten. 

Es  wurde  also  zanftcbst  der  Monophenylhamstoff  entschwefelt, 
den  ich  vor  längerer  Zeit  bei  der  Einwirkung  von  Ammoniak  auf 
Phenylsenfol  erhalten  hatte.')  Wie  nach  den  Ergebnissen  in  der 
Athylreihe  zu  erwarten  stand,  liefert  dieser  Korper  bei  der  Be- 
handlang mit  Bleioxyd  keinen  sauerstoffhaltigen  Harnstoff,  sondern 
es  entsteht  zunächst  Phenylcyanamid  mit  all*  den  Eigenschaf- 
ten, welche  Cahours  und  CloSz  dem  durch  die  Einwirkung  von 
Chlorcyan  auf  Anilin  erhaltenen  Körper  beilegen.  Die  von  dem 
Bleisulfid  abfiltrirte  alkoholische  Losung  hinterläfst  nach  dem  Ab- 
dampfen auf  dem  Wasserbade  eine  durchsichtige,  spröde,  colopho- 
niomartige  Masse,  welche  keinerlei  krystallinische  Structur  zeigt 
Wird  dieselbe  aber  in  Alkohol  wieder  gelöst,  und  einige  Stunden 
lang  gelinde  erwärmt,  so  beginnen  sich  beim  Erkalten  Krjstalle 
aaszuscheiden.  Ähnliche  Kiystallbildung  erfolgt  auch  nach  mehr- 
tägigem Stehen  in  der  Kälte.  Ed  gelingt  jedoch  nicht  leicht,  die 
ganze  Menge  der  colophoniumartigen  Masse  in  Krystalle  überzu- 
fuhren. 

Diese  Krystalle  sind  in  Alkohol  und  Äther  aafserordentlich 
loslich;  aus  letzterem  krystallisirt  die  Verbindung  in  zolllangen  con- 
centrisch  vereinigten  Nadeln,  in  Wasser  ist  dieselbe  schwer  löslich. 
Die  Krjstalle  schmelzen  schon  bei  36  bis  37°;  einmal  geschmol- 
zen, erstarren  sie  nur  äufserst  langsam,  gewöhnlich  erst  bei  der 
Berührung  mit  einem  festen  Körper.  Auch  in  Salzsäure  sind  sie 
vollkommen  unlöslich  und  es  gelingt  nicht,  eine  Platinverbindung 
ans  denselben  darzustellen.  Die  leicht  schmelzbaren  Krystalle  sind 
nichts  anderes  als  das  Phenylcyanamid. 

Schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  verwandelt  sich  das  Phe- 
nylcyanamid nach  längerer  iSeit  inXriphenylmelamin,  welches 
sich  alsbald  durch  seine  viel  geringere  Schmelzbarkeit  von  der  ur- 
sprunglichen Verbindung  unterscheidet.  Der  Übergang  in  die  tri- 
moleculare  Verbindung  scheint  um  so  leichter  zu  erfolgen,  je  rei- 
ner der  monomoleculare  Körper  ist  Das  auf  dem  Wasserbade 
geschmolzene  vollkommen  reine  Amid  erstarrt  oft  schon  nach  eini- 


>)  Hofmann,  Lond.  R.  Soc  Proc.  IX.  276. 


196  Oe8€tmmt8itzung 

gen  Augenblicken  zn  dem  bei  weit  höherer  Temperatur  als  der 
Siedepunkt  des  Wassers   schmelzenden  Triphenylmelamin. 

Die  polymerisirte  Verbindung,  behufs  völliger  Reinigung  mehr- 
mals aus  Alkohol  umkrjstallisirt,  stellt'  wohl  ausgebildete,  pyrami- 
dal endende  Prismen  dar,  welche  in  kaltem  Wasser  unlöslich, 
in  siedendem  sehr  schwer  löslich  sind;  in  Alkohol  und  Äther,  zu- 
mal in  der  Wfirme,  sind  sie  leicht  löslich.  Die  kochend  gesättigte, 
wäTsrige  Lösung  setzt  den  Körper  beim  Erkalten  in  haarfeinen  Na- 
deln ab.  Die  Erystalle  schmelzen,  ohne  eine  Veränderung  zu  er- 
leiden, bei  162—163°. 

Die  Analyse  weist  diesem  Körper  als  einfachsten  Ausdruck 
die  Formel 

an;  allein  die  Untersuchung  des  Platinsalzes,  welches  als  ein  gel- 
ber, gut  krystallisirter  Niederschlag  fallt,  zeigt  unzweideutig,  dafs 
hier  die  trimoleculare  Verbindung  vorliegt.  Das  Platinsalz  hat 
nämlich  die  Formel: 

C,,H,oNePtCle  =  C,U,(C^U,\^,  ,  2HC1 ,  PtCl,  . 

Die  schwer  schmelzbaren  Krystalle  stellen  also  das  tripheny- 
lirte  Melamin  dar,  welches  aus  dem  durch  Entschweflung  des  Mo- 
nophenylhamstoffs  zunächst  gebildeten  Phenylcyanamid  durch  Po- 
lymerisation entstanden  ist. 

Ich  habe  mich  durch  den  Versuch  überzeugt,  dafs  das  nach 
dem  Verfahren  von  Cahours  und  Cloöz  durch  Behandlung  von 
Anilin  mit  Chlorcyan  erhaltene  Phenylcyanamid  beim  längeren  Er- 
wärmen gleichfalls  in  Triphenylmelamin  übei^eht,  welches  durch 
das  Studium  seiner  Eigenschaften,  zumal  seines  Schmelzpunktes 
und  seiner  Zersetzungsproducte,  mit  dem  durch  Entschweflung  des 
Monophenylhamstoffs  gewonnenen  identificirt  wurde.  Bei  der  Dar- 
stellung des  Phenylcyanamids  durch  Einwirkung  von  Chlorcyan 
auf  Anilin  wurde  in  einigen  Operationen  der  gesuchte  Körper  beim 
Verdampfen  des  Äthers  Anfangs  gleichfalls  in  Gestalt  einer  zähen 
zu  einer  colophoninmartigen  Substanz  erstarrende  Harzmasse  er- 
halten, welche  nur  allmählig  in  den  krystallinischen  Zustand  über- 
ging. Bei  anderen  Darstellungen,  in  denen  frisch  destillirtes^  voll- 
kommen farbloses  Anilin  angewendet  worden  war  und  das  Chlor- 
cyangas  im  ÜberschuEs  eingewirkt  hatte,  blieb  das  Phenylcyana- 
mid beim  Verdampfen   des  Äthers  im  Zustande  völlig  reiner  Kry- 


vom  3L  März  1870.  197 

stalle  vom  Schmelzpunkt  36^  soruck.  Bei  der  so  erhaltenen,  ▼oll> 
kommen  reinen  Substanz  erfolgt  der  Übergang  in  die  trimoleculare 
Verbindung  mit  besonderer  Leichtigkeit 

Nach  den  Erfahrungen,  welche  ich  über  die  Veränderungen 
des  TriSthjlmelamins  unter  dem  Einflüsse  der  Sauren  eingesam- 
melt hatte,  lag  der  Gedanke  nahe,  auch  das  Verhalten  des  Triphe- 
nylmelamina  gegen  Sauren  zu  studiren.  Schon  Aufkochen  mit 
Chlorwasserstoffsäure  ist  hinreichend,  um  aus  dem  triphenylirten 
Melamin  Ammoniak  abzuspalten;  allein  wenn  es  mir  schon  bei  der 
triäthylirten  Base  nicht  gelungen  ist,  sämmtliche  von  der  Theorie 
in  Aussicht  gestellten  Verbindungen  zu  erhalten,  so  ist  die  Ausbeute 
bei  dem  Triphenjlkorper  noch  unergiebiger  gewesen.  In  der  That 
ist  es  mir  weder  geglückt,  ein  triphenylirtes  Ammeiin,  noch  ein 
triphenylirtes  Ammelid  darzustellen.  Erhält  man  eine  mit  Salzsäure 
versetzte  alkoholische  Lösung  von  Triphenylmelamin  kurze  Zeit 
im  Sieden,  so  scheiden  sich  beim  Erkalten  glänzende  Prismen  aus, 
welche  nichts  anderes  sind,  als  cyanursaures  Phenyl 

C„H„N,0,  =  C,(C6H,),N,0,, 

dessen  Bildung  der  des  Cyanursäureäthylätbers  voUkommen  ana- 
log ist: 

CaHjCCeHOjNe  -h  3HaO  =  C^(C^U,\1^^0^  H-  3  N3N. 

Der  Cyanursänrephenyläther  setzt  sich  aus  der  salzsauren  al- 
koholischen Losung  nur  langsam  ab.  Man  kürzt  die  Darstellung, 
indem  man  die  saure  Losang  mit  Alkali  abstumpft,  zur  Trockne 
verdampft  und  den  durch  Wasser  von  Salz  befreiten  Rückstand 
aas  siedendem  Alkohol  umkrystallisirt.  Man  erhält  auf  diese  Weise 
sehr  schone,  wohl  ausgebildete,  farblose  Prismen  mit  grader  End- 
fläche, welche  bei  264°  schmelzen.  Der  cyanursaure  Phenyläther 
18t  in  kaltem  und  siedendem  Wasser  unlöslich;  in  kaltem  Alkohol 
ist  er  schwer,  leichter  in  siedendem  löslich;  auch  in  Äther  lost  er 
sich  auf.  Vergeblich  hatte  ich  gehofft,  das  cyanursaure  Phenyl 
bei  der  Destillation  geradezu  in  cyansaures  Phenyl  (Carbanil), 
dessen  Darstellung  noch  immer  die  grofste  Schwierigkeit  bietet, 
übergehen  zu  sehen.  Der  cyanursaure  Phenyläther  läfst  sich  zum 
grofsen  Theile  ohne  Zersetzung  verflüchtigen,  obgleich  der  heftig 
riechende,  thränenreizende  Dampf,  welcher  sich  entwickelt,  die 
Spaltung  eines  Theiles  des  Cyanursäurephenyläthers  nicht  verken- 
nen labt. 


198  OeiommUitzuHg 

Das  Phenjlcjannrat,  welches  sich  ans  dem  Triphenjlmelamin 
bildet,  ist  offenbar  identisch  mit  dem  Korper,  welchen  ich  froher^) 
durch  Polymerisation  des  Phenjlcjanats  mittelst  Trifithylphosphin 
erhalten  habe.  Leider  besafs  ich  von  dem  so  dargestellten  Kör- 
per keine  Probe  mehr,  nm  einen  letzten  Zweifel,  der  noch  hfitte 
bleiben  können,  durch  den  Versuch  xu  entfernen.  Ich  beabsichtige 
aber  das  Studium  des  Phenjlcyanats  wieder  aufxunehmen  und 
werde  alsdann  Gelegenheit  haben,  diese  Beobachtung  nachzutragen. 

Hm.  F.  Hobrecker  bin  ich  für  die  mir  bei  Anstellung  der 
beschriebenen  Versuche  geleistete  Hülfe  zu  bestem  Danke  ver- 
pflichtet 


Hr.  A.  W.  Hofmann  las  femer  über  eine  gemeinschaftlich 
mit  Hm«  Otto  Olshausen  ausgeführte  Arbeit:  Über  die  Iso- 
meren der  Gjanursfiure-Äther. 

Schon  vor  Ifingerer  Zeit  hat  Hr.  CloSz')  unter  dem  Namen 
Cjanfitholin  einen  merkwürdigen  Korper  beschrieben,  welcher  die 
Zusammensetzung  des  Cyansfiureäthyläthers,  aber  keineswegs  die 
Eigenschaften  desselben  besitzt.  Von  letzterem  unterscheidet  er 
sich  namentlich  in  seinem  Verhalten  zu  den  Alkalien,  welche  nach 
den  Beobachtungen  von  CloSz  Ammoniak,  nicht  Äthylamin,  aus 
demselben  entwickeln.  Mit  den  Sfiuren  vereinigt  sich  das  Cyan- 
ätholin  nach  CloSz  zu  krystallisirbaren  Salzen,  von  denen  indessen 
bis  jetzt  nicht  ein  einziges  genauer  untersucht  worden  ist.  Über- 
haupt ist  es  auffallend,  wie  wenig  sich  die  Aufmerksamkeit  der 
Chemiker  diesem  merkwürdigen  Korper  zugelenkt  hat.  Hr.  Cloez 
hat  sich  mit  der  Entdeckung  des  Cjanfitholins  und  der  Feststellung 
seiner  Zusammensetzung  begnügt;  er  ist  kaum  mehr  auf  diesen 
Gegenstand  zurückgekommen.  Von  Arbeiten  anderer  Chemiker, 
welche  das  Cyanfitholin  betreffen,  sind  uns  nur  einige  wenige,  aber 
nicht   unwichtige  Versuche    von   Hm.   Gal')    bekannt   geworden. 


')  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  Snp.  I.  57. 

*)  CloSz,  Compt  Rend.  XLIV.  482  und  Ann.  Chem.  Pharm.  CII.  354. 

>)  H.  Ga  1,  Compt.  Bend.  LXL  527  and  Ann.  Chem. Pharm.  CXXXVII.  1 27. 


vom  31.  März  1870.  199 

Nach  aeinen  Beobachtangen  verwandelt  sieh  das  CyanftthoKn  bei 
der  Behandlung  mit  Kalilaage  in  Kaliomcyanat  und  Alkohol,  bei 
der  iänwirknng  von  Chlorwasserstoffiifinre  in  Cyanorsfiare  und 
ChloriUhyl;  nnd  Oal  nnd  CloSz  sprechen  in  Folge  dieser  Erfah- 
nuigen  die  Ansicht  ans,  das  CyanStholin  sei  der  wahre  Äther  der 
CjansSiire,  welcher  anf  den  Typus  Wasser  sn  beziehen  sei: 


}o        "l]-       "'l'}"       c^Sjo. 


während  das  schon  früher  bekannte  Äthylcyanat  des  Hm.  Würts 
dem  Typus  Ammoniak  entspreche 

h}»    'Th   l'h    '%x]^- 

Es  braucht  kaum  erw&hnt  zu  werden »  wie  vollkommen  diese 
Anfhssnng  durch  die  seit  jener  Zeit  erfolgte  Entdeckung  der  Iso- 
nitrile  und  der  den  SchwefelcyanwasserstoffsSurefithem  isomeren 
Senfole  best&tigt  worden  ist 

Die  Bildung  des  Cyanfitholins,  welches  bekanntlich  durch  die 
Einwirkung  des  Chlorcyans  auf  {Tatriumäthylat  erhalten  wird,  be- 
gründet eine  nahe  Beziehung  dieses  Korpers  mit  dem  von  den  HH. 
Cahours  und  CloSz')  entdeckten  Äthylcyanamid ,  welches  bei 
der  Behandlung  von  Äthylamin  mit  Chlorcyan  entsteht.  Dasselbe 
Agens,  auf  äthylirtes  Wasser  und  fithylirtes  Ammoniak  einwirkend, 
veranlafst  die  Bildung  in  dem  einen  Falle  von  Äthylcyanat,  in  dem 
andern  von  Äthylcyanamid.  Wenn  nun  aber  eine  gewisse  Analo- 
gie zwischen  Gyanätholin  und  Äthylcyanamid,  die  sich  vielleicht 
am  besten  in  den  Formeln 

CN(C,Hs)0       und      CN(CjH5)HN 

spiegelt,  nicht  zu  verkennen  ist,  so  mufsten  die  Beobachtungen 
über  die  leichte  Polymerisation  des  Äthylcyamids,  über  welche  der 
Eine  von  uns  erst  heute  noch  der  Akademie  Mittheilung  gemacht 
hat,  ganz  naturgemäfs  die  Frage  anregen,  ob  sich  das  Cyanfitholin 
nicht  in  ähnlicher  Weise  werde  polymerisiren  lassen,  wie  das 
Äthylcyanamid,  in  anderen  Worten,  ob  nicht  auch  eine  Reihe  von 


0  Cahoars  ond  CloSz,  Ann.  Chem.  Pharm.  XC.  91. 


200  Oesammtsitmng 

VeibindiiDgen  ezistire,  welche  den  bereits  bekannten  Cyanursfiore- 
athern  isomer  sind. 

Die  zur  Losang  dieser  Frage  nntemonunenen  Versuche  sind 
in  der  Methyl-,  'Äthyl-,  Aniyl-  nnd  Phenylreihe  angestellt  worden. 

Wir  b^innen  unsere  Mittheilung  mit  der  Beschreibung  der 
Versuche  in  der  Hethylreihe,  obwohl  die  ursprünglichen  Unter- 
suchungen  in  der  Äthylreihe  ausgeführt  worden  sind,  weil  uns 
gerade  die  Hethylkörper  alsbald  die  befriedigendsten  AufschlGsse 
geliefert  haben. 

Versuche  in  der  Methylreihe. 

Leitet  man  einen  Strom  von  Chlorcyangas  in  eine  verdünnte 
methylalkoholische  Losung  von  Natriummethylat  —  wir  haben  in 
der  R^el  20  Grm.  Natrium  in  etwa  400  Grm.  wasserfreien  Me- 
thylalkohols aufgelöst  —  so  scheidet  sich  eine  reichliche  Menge 
von  Kochsalz  aus.  Fährt  man  mit  dem  Einleiten  fort,  bis  die 
Flüssigkeit  nach  Chlorcyan  riecht,  und  destillirt  alsdann  den  über- 
schüssigen Methylalkohol  ab,  so  bleibt  ein  braunes  öl  zurück, 
demjenigen  ähnlich,  welches  Cloez  bei  dem  entsprechenden  Ver- 
suche in  der  Äthylreihe  erhalten  und  unter  dem  Namen  Cyanätho- 
lin  beschrieben  hat.  Dieses  öl  t>leibt  oft  lange  flüssig;  zum  öfte- 
ren aber  erstarrt  es  nach  einiger  Zeit.  Häufig  aber  bildet  sieb 
entweder  gar  kein  oder  nur  ganz  wenig  öl  und  es  bleibt  alsbald 
nach  dem  Abdestilliren  des  Methylalkohols  ein  zu  brauner  Kry- 
stallmasse  erstarrender  Rückstand.  Die  Reinigung  der  Substanz 
bietet  keine  Schwierigkeit:  ein-  bis  zweimaliges  Umkrystallisiren 
aus  siedendem  Wasser,  in  dem  die  Krystalle  leicht  löslich  sind, 
während  sie  sich  in  kaltem  Wasser  nur  wenig  lösen,  und  schliefs- 
lich  Behandlung  mit  ein  wenig  Thierkohle  entfernen  den  Farbstoff. 
Allein  die  nunmehr  farblos  gewordenen  Krystalle  erweisen  sich 
unter  dem  Mikroskop  alsbald  als  ein  Gemenge  zweier  Verbindun- 
gen, von  denen  die  eine,  in  feinen  Nadeln  anschief  sende,  die  leich 
ter  lösliche  ist,  während  die  andere,  in  rhombischen  Tafeln  sich 
absetzende,  sich  schwerer  löst.  Man  kann  beide  mit  Aufopferung 
eines  mittleren  Mischproductes  durch  mehrfaches  Umkrystallisiren 
aus  heifsem  Wasser  in  reinem  Zustande  erhalten.  Man  trennt  sie 
aber  besser  durch  ihre  ganz  aufserordentlich  verschiedene  Loslich- 
keit  in  Äther,  welcher  die  Nadeln  löst  und  die  rhombischen  Ta- 
feln ungelöst  zurückläCst. 


vom  31.  März  1870.  201 

Ck/anursäure-Jüethylaiher.  Verdampft  inan  den  Äther,  ivelchen 
man  von  dem  Erystallgemische  abgegossen  hat,  so  bleibt  eine  kry- 
staUimsche  Masse,  welche  sich  aus  Alkohol,  besser  aber  aus  heis- 
sero  Wasser  umkrystallisiren  läfst  Die  so  erhaltenen  Nadeln  be- 
sitzen die  Charaktere  einer  reinen  Substanz.  Bei  der  Kohlenstoff-, 
Wasserstoff-  und  Stickstoff bestimmung,  welch'  letzteres  Element 
sieb  mit  Leichtigkeit  in  der  Form  von  Ammoniak  wiegen  läfst,  er- 
gab sich  als  einfachster  Ansdrock  die  Formel 

CjHjNO; 

aber  es  bedarf  nur  einer  nSheren  Prüfung  des  hier  vorliegenden 
Prodnctes,  um  za  erkennen,  dafs  dasselbe  nicht  das  Methylcya- 
nat,  sondern  das  Trimethylcyanurat,  nicht  die  monomoleculare, 
sondern  die  trimolecnlare  Verbindung  ist.  Der  Schmelzpunkt  der 
Kiystalle  liegt  bei  132^,  der  Siedepunkt  —  wir  waren  nur  im  Be- 
sitz einer  bescheidenen  Menge  —  zwischen  160  und  170°.  Diese 
Eigenschaften  bezeichnen  unzweideutig  eine  trimolecnlare  Verbin- 
dang,  ein  Cyanurat 

Es  würde  gleichwohl  geboten  gewesen  sein,  in  der  Gasvolam- 
gewichtsbestimmung  eine  experimentale  Bestätigung  dieser  Andeu- 
tungen zu  suchen,  wenn  nicht  der  Versuch  an  einem  elgenthüm- 
b'chen  Verhalten  des  neuen  Körpers  gescheitert  wäre,  welches  in- 
dessen kaum  minder  bezeichnend  für  sein  Moleculargewicht  ist,  als  die 
Ermittelung  seiner  Dampfdichte  gewesen  sein  würde.  Wird  das  neue 
Cjanurat  in  einer  Retorte  erhitzt,  so  destillirt  es  über,  ohne  dafs  ein 
bemerkenswerther  Rückstand  bleibt,  und  das  Destillat  erstarrt  als- 
bald wieder  zu  einer  weiDsen  Krystallmasse.  Allein  diese  Krystalle 
sind  nicht  mehr  der  unveränderte  Körper;  der  Schmelzpunkt  der- 
selben ist  von  132  auf  175^  gestiegen,  die  Krystallform  ist  eine 
ganz  andere  geworden :  an  die  Stelle  der  feinen  Nadeln  sind  kurze 
dicke  Prismen  mit  scharf  entwickelten  Endflächen  getreten.  Man 
erkennt  ohne  Schwierigkeit,  dafs  der  neue  Cyanursäurcäther  durch 
Atomwanderung  im  Molecule,  welche  man  durch  die  Formeln 


(CH3)J"»   -   (CH,),/^' 


andeuten  könnte,  in  den  alten  längst  bekannten  Äther  übergegan- 
gen ist.  Wollte  man  sich  auf  die  sorgfütige  Untersuchung  der 
physikalischen  Eigenschaften  nicht  verlassen,    so  würde  es  hinrei- 


202  OucmnittUzvmg 


fA  0,  +  3H,0  =  ^^^'}  0,  +  3(CH,H0). 


^Mn,  +  3H,0  =  3  \^^y]  n]  +  300,  . 


chen,  das  Verhalten  des  Körpers  vor  und  nach  der  Destillation 
gegen  Reagentien  za  vergleichen.  Vor  der  Destillation  mit  Kali 
erhitzt,  liefert  er  Cyanursfiure  und  Methylalkohol: 

(CN), 
(CH, 

Wird  er  nach  der  Destillation  derselben  Behandlung  unterworfen, 
so  entsteht  Methylamin  und  Kohlensfinre: 

(CO), 
(CH, 

Die  beschriebenen  Versuche  dürften  hinreichen,  um  die  Natar 
des  neuen  Cyanursäurefithers  festzustellen.  Weitere  Anhaltspunkte 
für  die  Beurtheilung  dieses  Körpers  mufsten  sich  bei  dem  Studium 
der  Veränderungen  ergeben,  welche  die  Einwirkung  des  Ammoniaks 
auf  denselben  in  Aussicht  stellte. 

Wenn  der  Äther  einer  einbasischen  Sfiure  bei  der  Behandlaog 
mit  Ammoniak  durch  Austausch  des  primfiren  Alkoholfragmentes 
gegen  das  primfire  Ammoniakfragment  direct  in  das  Amid  fiber- 
geht, der  Äther  einer  zweibasischen  Sfiure  aber  zunächst  den  Ather 
einer  Amidosfiure  liefert,  so  mufs  dem  eigentlichen  Amide  einer 
dreibasischen  Säure  die  Bildung  eines  ersten  und  zweiten  Amido- 
säureäthers  vorausgehen.  Nach  dieser  Auffassung  durfte  man  bei 
der  Einwirkung  des  Ammoniaks  auf  den  Cyanursfiuremethyiätber 


rCHaO 
CHjO 
.CH3O 

die  Entstehung  der  Körper 


U 


/CHjO  rC^sO  r^jN 

C3N3    CH3O  C3N3      HjN  C3N3    H,N 

l   HjN  l   H3N  IHjN 

Dimethyläther  der  Amido-       Methyl&ther  der  Triamid  der 

cyanursäare  Diamidocyanursäure         Cyanursäare. 

erwarten,  nicht  der  Möglichkeit  zu  gedenken,  dafs  die  Alkobol- 
fragmente  auch  noch  gleichzeitig  gegen  Wasserfragmente  ausge- 
tauscht werden  konnten. 

Wir  sind  bisher  nur  auf  einen  der  hier  verzeichneten  Körper 
gestofsen,  nämlich  auf  den 


vm  31.  März  1870.  203 

JHmkhyläther  der  Amidocyanursäure.  Diese  Verbindung  bildet 
sich  bei  der  Einwirkung  des  Ammoniaks  auf  den  neaen  Cjannr» 
sfiaremethjl&ther,  allein  es  ist  nicht  ganz  leicht,  sie  aaf  diese 
Weise  rein  zu  erhalten,  in  der  Regel  geht  die  Reaction  weiter  und 
es  entsteht  ein  Gemenge  von  Substanzen,  deren  Trennung  uns  bis 
jetzt  nicht  gelungen  ist.  Die  fragliche  Verbindung  entsteht  aber 
immer  in  mehr  oder  minder  grofser  Menge  als  Nebenproduct  bei 
der  Darstellung  des  Trimethylcjanurats;  es  ist  dies  in  der  That 
der  schon  oben  erwähnte,  in  Äther  unlösliche  Körper,  und  da  aus- 
ser den  beiden  genannten  Körpern  kein  weiteres  Product  gebildet 
wird,  so  ist  es  leicht,  die  dimethjlirte  Amidos&ure  rein  zu  er 
halten. 

Die  neue  Verbindung  krystallisirt  aus  heifsem  Wasser  in  scho- 
nen rhombischen  Tafeln,  geruch-  und  geschmacklos,  erst  bei  212*^ 
schmelzend.  Sie  ist  in  kaltem  Wasser  viel  schwerer  loslich,  als 
der  cyanursaure  Äther;  schwer  löslich  in  kaltem,  leichter  loslich 
in  heilsem  Alkohol,  fast  unlöslich  in  kaltem  Äther. 

Die  Formel 

rCHjO 
CsH3N,0,  =  C,NJCH,0 

l   H,N 

warde  durch  Kohlenstoff-,  Wasserstoff-  und  Stickstoffbestimmung 
und  überdies  durch  die  Analyse  eines  in  schonen  Nadeln  krystal- 
lisirenden  Silbersalzes 

CjHjN.O,,  AgNO, 

festgestellt,  welches  auf  Zusatz  von  Silbernitrat  zu  der  salpeter- 
sauren Losung  des  Amidoathers  und  Umkrystallisiren  des  zunächst 
gebildeten  Niederschlages  gewonnen  wird. 

Bei  der  Behandlung  mit  wSfsrigem  Ammoniak  in  zugeschmol- 
zener Rohre  werden  dieselben  Producte  erhalten,  welche  in  dem 
analogen  Processe  aus  dem  Äther  entstehen.  Sie  sind  noch  nicht 
untersucht;  es  ist  indessen  festgestellt,  dafs  hierbei,  wie  dies  nicht 
anders  erwartet  wurde,  Methylalkohol  austritt. 

Was  schlielslich  die  Bildung  des  Amidoathers  bei  der  Einwir- 
kung des  Chlorcyans  auf  das  Natriummethylat  anlangt,  so  entsteht 
derselbe  offenbar  in  Folge  von  Spuren  Wasser,  welche  bei  dem 
Processe  kaum,  ausgeschlossen  sind.  Das  Wasser  veranlafst  zu- 
nächst die  Bildung  von  Salzsäure  und  Cyansäure,   welche  letztere 


204  G^esammtsitzung 

in  Kohlensaure  und  Ammoniak  xerfäUt.  Ammoniak  nnd  Cjanur- 
sfiaremethjlfither  in  eondidone  riMcendi  zusammentreffend,  liefern 
Methylalkohol  und  den  Amidofither, 

In  der  That  ist  dem  in  dem  Processe  ausgeschiedenen  Koch- 
salz eine  nicht  unerhebliche  Menge  Cjanat  und  Carbonat  beige- 
mengt. 

Versiuihe  in  der  Aihylreihe. 

Unsere  ersten  Versuche  wurden  in  dieser  Reihe  angestellt,  und 
wir  haben  in  ihr  eigentlich  mehr  gearbeitet,  als  in  der  Methjlgruppe. 
Wir  sind  gleichwohl  bis  jetzt  nicht  im  Stande  gewesen,  den  Cya- 
nursfiuretriäthylfither  im  reinen  Zustande  zu  erhalten;  wir  haben 
dagegen  die  Äther  der  beiden  Amidosfiuren  fassen  können. 

Was  zunfichst  die  Erscheinungen  bei  der  Einwirkung  des 
Chlorcyans  auf  das  Natriumfithylat  betrifft,  so  gestalten  sich  die- 
selben genau  wie  bei  der  analogen  Behandlung  des  Methylats,  und 
wie  sie  überdies  von  Hrn.  Clo€z  beschrieben  worden  sind.  Wir 
haben  indessen  öfter  schon  in  erster  Instanz  einen  festen  Korper 
erhalten;  meist  jedoch  bildete  sich  nur  ein  öl,  und  aus  diesem 
setzten  sich  dann  gewöhnlich  nach  einiger  Zeit  Krystalle  an,  deren 
Ausbeute  in  verschiedenen  Darstellungen  aufserordentlichen  Schwan* 
kungen  unterworfen  war.  Wir  glaubten  begreiflich  zunächst,  dals 
hier  die  trimoleculare  Modification  des  Cyanätholins  vorliege;  allein 
die  Analyse  zeigte,  dafs  diese  Krystalle  trotz  ihrer  Schönheit  ein 
Gemenge  sind,  welches  das  gesuchte  Cyanurat,  wenn  überhaupt,  nur 
in  geringer  Menge  enthält.  Sie  bestehen,  wie  vielfache  Analysen 
darthaten,  aus  einem  Gemenge  der  Äthyläther  der  beiden  Amido- 
säuren,  deren  Trennung  einige  Schmerzen  gekostet  hat 

Diäthyläiher  der  Ämidocyanursäure,  Durch  Behandlung  mit 
Thierkohle  und  sehr  häufiges  Umkrystallisiren  einer  nicht  unbe- 
trächtlichen Menge  der  aus  dem  rohen  Cyanätholin  abgesetzten 
Krystalle  gelang  es,  zarte  weifse  Prismen  zu  erhalten,  welche  den 
Schmelzpunkt  97°  zeigten;  dieser  Schmelzpunkt  blieb  auch  nach 
mehrfachem  Umkrystallisiren  aus  Wasser  unverändert,  ein  Verhal- 
ten, welches  die  Reinheit  der  Substanz  erschliefsen  liefs.  Derselbe 
Körper  wird  erhalten,  wenn  das  rohe  Cyanätholin  einige  Stunden 
lang  mit  wäfsrigem  Ammoniak  in  geschlossener  Röhre  erhitzt  wird. 
Die  Digestion   darf  aber  nicht  zu  lange  fortgesetzt  werden,   weil 


vom  31.  März  1870.  205 

sonst  andere  Prodacte,  zumal  ein  in  Wasser  fast  unlöslicher  amor« 
pher  Körper,  gebildet  werden. 

Die  Analyse  der  Krystalle,  welche  auch  in  Alkohol  und  selbst 
in  Äther,  besonders  unter  Mitwirkung  der  Wfirme,  loslich  sind, 
bat  gezeigt,  dafs  dieselben  die  dem  Amidofither  der  Methylreihe 
entsprechende  äthylirte  Verbindung  sind,  also  die  Zusammen- 
setzung 

rCoH.O 


H,N 


besitzen.  Die  diathylirte  Amidocyanursfiure  verbindet  sich  in  zwei 
Verhältnissen  mit  Silbernitrat.  Je  nachdem  man  die  in  Salpeter- 
säure geloste  Substanz  oder  Silbemitrat  im  Überschufs  anwendet, 
erhält  man  die  Verbindungen: 

20,H,jN^O,,  AgNO, 
.  oder    C^HjjN^Oj,  AgNOj 

Beide  Salze  krystallisiren  in  Nadeln.  Das  letztere  kann  ohne 
bemerkenswerthe  Zersetzung  aus  siedendem  Wasser  umkrystallisirt 
werden,  das  erstere  zersetzt  sich  beim  Umkrystallisiren,  indem  es 
allmählig  in  das  zweite  Salz  übergeht. 

Äthyläther  der  Diamidocyanursäure.  Aus  einer  Losung  der 
eben  beschriebenen,  jedoch  noch  nicht  völlig  gereinigten  Verbindung, 
welche  mit  concentrirter  Ammoniakflussigkeit  längere  Zeit  stehen 
geblieben  war,  hatten  sich  weifse  Krystalle  abgesetzt^  welche  zwi- 
schen 190  und  200^  schmolzen  und  sich  in  Alkohol  weit  schwerer 
lösten.  Bei  der  Analyse  (EohlenstofF-,  Wasserstoff-  und  Stickstoff- 
bestimmung) dieser  Krystalle  wurden  Zahlen  erhalten,  welche  sie 
als  den  Ätbyläther  der  Diamidocyanursäure,  als 


HaN 
H,N 


charakterisiren.  Auch  diese  Verbindung  liefert,  in  Salpetersäure 
gelöst  und  mit  Silbemitrat  versetzt,  feine  Krystallnadeln ,  welche 
jedoch  noch  nicht  analysirt  worden  sind. 


206  Onammtsttzunji 

Veriuehe  m  der  Amylreihe. 

Wir  haben  in  dieser  Reihe  bis  jetzt  nur  qualitativ  gearbeitet 
Das  Product  der  Einwirkung  des  Chlorcyans  auf  das  Amjlcjanat 
ist  olformig.  Es  destillirt  bei  etwa  200^,  wie  es  scheint,  nicht 
ohne  tiefgreifende  Zersetzung.  Die  letzten  DestiUationsantheile  er- 
starren xu  weifsen,  seideglfinzenden  Krjstallen,  die  sich  durch  Lo- 
sen und  Umkrystallisiren  leicht  rein  erhalten  lassen.  Wir  sind 
geneigt,  diese  Substanz  fQr  das  Amylcjanurat  zu  halten,  allein  es 
liegen  bis  jetzt  keine  Zahlen  vor,  auf  welche  sich  diese  Annahme 
stützt. 


Versuche  in  der  Phenylreihe. 

Schlielslich  möge  hier  noch  eines  Versuches  gedacht  werden, 
welcher  in  der  Phenylreihe  ausgeführt  wurde.  Chlorcyan  wirkt 
auf  Natriumphenjlat,  welches  in  diesem  Falle  in  absolutem  Alko- 
hol aufgelöst  wurde,  mit  derselben  Energie,  wie  auf  die  andern 
Natriumverbindungen.  Die  von  dem  ausgeschiedenen  Kochsalze 
abgegossene  Flüssigkeit  lieferte  auf  Zusatz  von  Wasser  ein  in  Was- 
ser untersinkendes  öl,  welches  der  Destillation  unterworfen  wnrde. 
Was  zunächst  überging  bestand  aus  fast  reinem  Phenol ;  die  Destil- 
lation wurde  unterbrochen,  sobald  ein  Tropfen  des  Rückstandes  za 
einer  Ery  Stallmasse  erstarrte,  welche  sich  in  kaltem  Alkohol  als 
fast  unlöslich  erwies.  Der  Destillationsrückstand  wurde  alsdann 
mit  Alkohol  gemischt  und  auf  einem  Filter  mit  kaltem  Alkohol 
ausgewaschen.  Der  bereits  weifs  gewordene  Erystallbrei  wurde 
alsdann  aus  einer  grofsen  Menge  siedenden  Alkohols  umkrystalli- 
sirt.  Beim  langsamen  Erkalten  schieden  sich  lange  feine  Nadeln 
aus,  welche  in  Wasser  und  Äther  fast  unlöslich  sind,  sich  aber  in 
Benzol  auflösen. 

Die  Analyse  dieser  Erystalle  führte  zu  der  Formel 

C^HsNO.. 

Aus  der  Bildungsweise  derselben,  sowie  aus  ihrem  ganzen  Habitus 
aber  schliefsen  wir,  dafs  dieselben  die  trimoleculare  Yerbindang. 
das  Phenylcyanurat 

aH,o 


CsiHi.NjO,  =  C3N3    C,H,0 


mm  3i.  März  1870.  307 

darstellen^  Trelehefi  der  im  Anfange  dieser  Note  beschriebenen  Me- 
thjlFerbindong  entspricht. 

Der  Schmelzpunkt  der  Krystalle  wurde  zu  224^  gefunden, 
also  wesentlich  niedriger,  als  der  der  isomeren  Verbindung  (264^), 
über  welche  der  Eine  von  uns*)  am  heutigen  Abend  der  Akademie 
berichtet  hat.  Von  letzterer,  welche  man  jetzt  als  Isocyanursfiurephe- 
njläther  ansprechen  mufs,  unterscheidet  sich  das  neue  Cjanurat 
auch  ganz  unzweideutig,  was  Krjstallform  und  Verhalten  gegen 
Losungsmittel  anlangt.  Ob  auch  die  Phenjlverbindung,  wie  der 
Methylkoiper,  durch  die  Einwirkung  der  Wfirme  sich  umlagert 
und  in  daa  schon  bekannte  Cjanurat  übergeht,  mufs  noch  ermittelt 
werden. 

Wir  können  diese  Mittheilung  nicht  schliefen,  ohne  den  HH. 
R.  Bensemann  und  E.  Sarnow  für  die  BereitwiUigkeit  zu  dan- 
ken, mit  der  sie  uns  bei  der  Ausführung  der  beschriebenen  Ver- 
suche haben  unterstützen  wollen. 


Hr.  W.  Peters  las  über  die  Verwandtschaft  der  Cte- 
nodactyli  mit  den  Chinchillen  und  anderen  Qrnppen  der 
Nager. 

AIb  Resultat  einer  ausfuhrlichen  Untersuchung  des  Oesammt- 
baues  der  eigenthümlichen  afrikanischen  Nagethiergattungen  Cteno- 
daetyliis  und  PecUnator  wurde  mitgetheilt,  dafs  dieselben  in  allen 
wesentlichen  Theilen  von  den  Dipoda  abweichen  und  hierin  mit 
den  Hystrici/ormes  übereinstimmen,  theils  den  Chinchillen,  theils 
den  Octodontes  oder  auch  den  ^chinomjes  sich  anschliefsen,  in  ein- 
zelnen Punkten  aber  auch  eine  Hinneigung  zu  den  Murinen  zeigen. 


0  Hofmann,  Monatoberichte  1S70,  197. 
[1870]  15 


208  Cre$ammUUzung  vom  31.  März  1870. 

An    eingegangenen   Schriften   nebet  Begleitachreiben  worden 
vorgelegt: 

Neu^M  Laumisi$cke$  Magazm.    47.  Bd.  1.  Bett.    GörUtx  1870.    8. 
Vierteijahreucktift  der  Astronotmeehen  GtieiUeke/i  in  Leipng.    6.  Jahxg. 

1.  Heft    Leipzig  1870.     8. 
Zur  Erinnerung  an  Wiih.  WackemageL    Basel  1870.     8. 
AehtundMwcMzigeter  Berichi  über  das  Museum  Francieeo^Carolinum,    Linz 

1869.     8. 
Giaenik.    Vol.  8.  9.    Belgrad  1869.     8. 
Almanaque  ncoitico,  para  187 L     Cadiz  1871.     8. 
Jahrbucher  der  Gelehrten  GeeeUechaft  in  Krakau.    89.  Bd.     Krakan  1870. 

8.    Mit  Begleitschreiben  d.'d.  Krakau  20.  März  1870. 
Puhiicatione  de  la  eociiii  archiologique,    YoL  84.    Lnxembonrg  1869.    4. 
Wild*s  Bepertorium /ur  Meteorologie.     l.Bd.  l.Heft  Petersburg  1869.  4. 
Ed.   de  la  Barre-Dnparcq,    Du  nomhre   de»   tue»  dane   le»  bataiüt9. 

Paris  1870.    8.    Mit  Schreiben  Tom  20.  Mirx  1870. 


Nachtrags 


14.  März.        Sitzung  der  physikalisch -mathematir 

sehen  Klasse. 

Hr.  Dove  las  über  die  Temperaturvertheilang  im 
Winter    18fj^. 

Wenn  Ton  yomherein  es  unwahrscheinlich  ist,  dafs  der  Polar- 
und  Aqnatorialstrom,  welche  unsere  Wittemngsyerhftltnisse  bestim- 
men, uferlos  wie  sie  sind,  je  genau  in  denselben  Betten  flie£sen 
werden,  welche  sie  einmal  früher  einnahmen,  wenn  also  die  in  der 
jährlichen  Periode  identisch  wiederkehrende  Insolation  eine  nicht 
identische  Atmosphfire  vorfindet,  auf  welche  sie  wirkt,  so  darf  doch 
die  Hoffiiong  nicht  aufgegeben  werden,  in  dem  scheinbar  willkühr- 
liehen  Wechsel  des  Verlaufs  jener  Ströme  ann&hemd  sichere  An- 
haltspunkte SU  gewinnen  dafür,  wie  eine  bestimmte  anomale  Tem- 
peraturvertheilung  in  die  ihr  folgende  übergeht  Natürlich  kann 
bei  dem  m&chtigen  Querschnitt  dieser  Strome  eine  derartige  Unter- 
suchung nur  an  die  gleichzeitige  Betrachtung  einer  grofsen  Anzahl 
▼OD  Stationen  sich  anknüpfen,  da  das  an  einer  bestimmten  Stelle 
mit  einem  früheren  Vorkommen  identisch  Erscheinende  in  weiter 
Entfernung  von  jener  Stelle  als  ein  durchaus  Ungleiehartiges  sich 
herausstellen  kann,  indem  dieselbe  Temperatur  an  jener  durch  einen 
ganz  anders  gerichteten  Luftstrom  hervorgerufen  werden  kann. 
Auberdem  mufs,  um  zu  wifsen,  ob  eine  in  einem  bestimmten  Jahre 
sich  zeigende  Aufeinanderfolge  der  Erscheinungen  bereits  früher  in 
entsprechender  Weise  hervortrat,  eine  vieljfihrige  Beobachtungsreihe 
vorliegen.  Dies  bestimmte  mich  in  meinen  seit  1838  nnunterbro. 
chen  fortgesetzten  Untersuchungen  über  die  nicht  periodischen  Ver« 

15» 


210  Nachtrag. 

findernngen  der  TemperatnrTertheilang  auf  der  Oberflfiche  der  Erde 
die  WitteroDgsgeschichte  der  Vergangenheit,  soweit  Beobachtungen 
Torlagen,  numerisch  durch  Abweichungen  yon  normalen  Werthen 
darzustellen.  Ich  habe  diese  Geschichte  in  dem  zweiten  Theile  mei- 
ner klimatologischen  Beiträge  1869  für  monatliche  Mittel  und  in 
den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  1869  für  fünftägige  Mit- 
tel bis  zur  Gegenwart  fortgesetzt.  An  dieses  so  zu  einem  Ab- 
schluTs  gelangte  Material  knüpfen  sich  die  nachfolgenden  Bemer- 
kungen über  den  eben  verflossenen  Winter  18fS'. 

Dieser  Winter  war  in  Deutschland  streng.  Der  Februar  in 
Claussen  bei  Lyck  entsprach  der  mittlem  W&rme  dieses  Monats 
in  Archangel,  Catherinenburg  und  Orenburg,  die  Temperatur  yon 
Ratibor  und  Landeck  war  die  von  Smolensk.  In  Bunzlau  glaubte 
man  sich  nach  Moscau  versetzt,  Breslau  war  sogar  kälter.  Königs- 
berg und  Conitz  entsprachen  Ufa,  Tilsit  war  Novgorod  geworden, 
Berlin  hatte  eine  niedrigere  Temperatur  als  Abo,  Schwerin  wurde 
Kiew.  Frankfurt  a.  M.  und  Friedrichshafen  am  Bodensee  wurden 
Memel,  Trier  entsprach  Posen,  Canstadt  bei  Stuttgard  hatte  sich 
in  Bromberg  verwandelt,  Wiesbaden  fürchtete  seinen  Ruf  als  deut- 
sches Montpellier  zu  verlieren,  denn  es  war  kälter  als  im  vielj&h- 
rigen  Mittel  das  ostpreufsische,  kälter  als  Elbing.  Da  aber  die 
Kälte  erst  nach  der  Mitte  Januars  beginnt,  dessen  Anfang  unver- 
hältnifsmäfsig  mild  war,  und  nach  der  Mitte  Februars  die  inten- 
sive Strenge  des  Winters  gebrochen  wurde,  dadurch  dafs  am  21. 
Februar  ein  warmer  das  Barometer  stark  herabdrüokender  SW  das 
ganze  westliche  und  mittlere  Europa  überströmte,  so  geben  die 
Monatsmittel  nur  eine  annähernde  Anschauung  der  eigentlichen  Er- 
niedrigung unter  die  normale  Wärme.  Um  diese  deutlicher  hervor- 
treten zu  lassen,  habe  ich  daher  im  Folgenden  bestimmt,  um  wie 
viel  der  monatliche  Zeitraum  vom  21.  Januar  bis  19.  Februar  käl- 
ter war  als  ihm  im  Mittel  zukommt  (Grade  B^umur  wie  über- 
haupt). 

Claussen  bei  Lyck  — 8.01. 

Ratibor  —7.58,  Königsberg  —7.45,  Bromberg  — 7.44f  Tilsit 
—7.34,  Breslau  —7.13. 

Zechen  —6.85,  Conitz  —6.76,  Landeck  —6.70,  Posen  —6.64, 
Bichberg  —6.35,  Ulm  —6.32,  Memel  -6.28,  Grüllenburg 
—6.27,  Frankfurt  a.  d.  O.  —6.09,  Görlitz  --6.01. 


Nachtrag.  211 

Gorisch— 5.98,  Wermsdorf— 5.95,  Riesa— 5.95,  Dresden —5.93, 
Heia  —5.80,  Leipzig  —5.69,  Zittau  —5.68,  Erfurt  —5.61. 
Regenwalde — 5.59,  Reizenhain  — 5.55,  Zwickau  — 5.53,  Stet- 
tin—5.52,  Zwenkan— 5.49,  Gorisch— 5.41,  Freiherg— 5.39^ 
HeQbronn  —5.39,  Bautzen  —5.33,  Elster  —5.32,  Anna- 
berg — 5.23,  Heidenheim  — 5.17,  Cöslin  — 5.15,  Berlin 
— 5.15,  Hinrichshagen  — 5.05,  Hechingen  — 5.05. 

Halle  —4.99,  Darmstadt  —4.98,  Rehefeld  —4.94,  Schopfloch 
— 4.90,  Sondershausen  — 4.90,  Friedrichshafen  — ^4.88, 
Heiligenstadt  —4.85,  Wien  —4.85,  HannoTer  —4.68,  Got- 
tingen — 4.62,  Mnhlhausen  — 4.60,  HohenzoUem  —4.59, 
Hinterhermsdorf  —4.58,  Frankfurt  a.  M.  — 4.50,  Issny 
—4.48,  Calw  —4.40,  Kreuznach  —4.39,  Frendenstadt 
—4.33,  Oberwiesenthal  —4.31,  Schwerin  —4.20,  Güters- 
loh —4.19,  Boppard  —4.08,  Lüneburg  —4.07,  Kirche 
Wang  —4.07. 

Patbus  —3.99,  Schönberg  —3.88,  Birkenfeld  —3.87,  Rostock 
— 3.82,  Loningen  —3.75,  Lübeck  —3.73,  Stuttgard  —3.70, 
Clausthal  —3.66,  Oldenburg  —3.64,  Olsberg  —3.58,  Wu- 
strow  —3.55,  Ottemdorf  — 3.50,  Trier  —3.50,  Cöln  —3.44, 
Lingen  —3.42,  Crefeld  —3.36,  Eutin  —3.34,  Cleve  —3.22, 
Munster  —3.19,  Emden  3.19,  Brüssel  —3.16,  Jever 
—3.13. 

Paris  —2.41. 

Rom  —1.74. 

Lissabon  — 0.65. 

Auf  dem  Plateau  der  masurischen  Seeen  fehlten  also  jedem 
Tage  einen  Monat  lang  8  Grad.  Das  ist  viel  für  ein  ohnehin  nicht 
begünstigtes  Land. 

Klarer  natürlich  tritt  die  eigentliche  Yertheilung  in  der  Ab- 
weichung der  fünftfigigen  Mittel  von  ihrem  normalen  Werthe  her- 
vor. Sie  ist  die  folgende.  Die  „Unterschied^  überschriebene  Co- 
lumne  bezeichnet,  um  wie  viel  der  Wfirmeüberschufs  am  6 — 10 
Januar  die  Erniedrigung  von  5 — 9  Februar  übertrifft.  Beide  ex« 
treme  Abweichungen  sind  durch  den  Druck  hervorgehoben. 


»2 


Naeitraf. 


Jan 

aar 

1—6 

e— 10 

11—15 

16—80 

21—25 

26—30 

Memel 

S.48 

5.16 

3.66 

—0.87 

—0.90 

—4.49 

Tiliit 

8.S9 

5.54 

3.57 

-0.99 

—1.93 

— e.45 

ClaosBea 

8.41 

5.79 

2.96 

—0.30 

—1.74 

—8.21 

2.92 

5.37 

3.47 

—0.42 

—1.44 

—5.59 

HeU 

1.72 

3.25 

1.71 

0.62 

—0.56 

—2.81 

Coniti 

1.99 

5.09 

3.31 

—0.60 

—1.76 

—8.84 

Brombei^ 

1.40 

5.43 

3.67 

0.34 

—1.80 

—3.83 

Pofen 

9.20 

5.60 

3.65 

0.60 

—1.95 

—8.85 

Zeclien 

1.58 

5.29 

3.43 

0.55 

—8.10 

—8.76 

BresU« 

2.29 

5.89 

3.29 

0.31 

—3.08 

—3.84 

Batibor 

3.12 

5.47 

3.14 

1.28 

—1.80 

—6.74 

Landeck 

2.14 

5.67 

3.05 

—0.20 

—3.49 

—5.33 

Eichberg 

1.26 

7.35 

3.71 

0^1 

—3.65 

—4.64 

Wang 

4.89 

5.89 

1.95 

—0.69 

—4.35 

—4.84 

Görliti 

8.95 

5.26 

2.90 

0.00 

—8.89 

—3.17 

Zittau 

2.12 

4.68 

3.07 

—0.14 

—8.96 

—8.49 

HinterhermBdorf 

1.51 

4.53 

2.64 

—1.52 

—2.81 

—8.04 

Baataen 

2.50 

5.00 

2.94 

—0.70 

—3.06 

—3.32 

Dresden 

0.93 

4.86 

2.80 

—0.54 

—3.58 

—3.51 

Grüllenbarg 

4.31 

5.48 

2.73 

—0.92 

—4.06 

—3.73 

Freiberg 

4.13 

4.39 

2.22 

—1.32 

—4.01 

—3.72 

Behfeld 

2.50 

5.17 

2.55 

—1.03 

—3.70 

—3.20 

Beixenhain 

3.79 

5.48 

8.75 

—1.16 

—4.25 

—3.85 

Annaberg 

4.76 

4.79 

1.98 

—1.45 

—4.74 

—4.00 

Oberwiesenthal 

5.21 

4.00 

0.87 

—1.12 

—4.22 

—3.12 

Elster 

1.67 

4.95 

2.90 

0.16 

—3.08 

— 3.90 

Zwickau 

4.57 

6.06 

3.16 

—0.54 

—3.90 

—3.61 

Chemnitz 

3.86 

7.13 

3.01 

—0.26 

—3.44 

—3.15 

Wermsdorf 

3.62 

5.06 

2.73 

—0.31 

—3.58 

—3.30 

Riesa 

2.44 

4.71 

3.55 

—1.04 

—3.32 

—8.86 

Gorisch 

2.46 

5.62 

3.23 

0.58 

—2.89 

—3.18 

Torgaii 

2.57 

5.92 

3.37 

0.64 

—2.75 

—8.51 

Leipzig 

2.72 

5.09 

3.10 

0.12 

—3.35 

—2.76 

Zwenkau 

4.11 

5.68 

3.44 

0.06 

—3.45 

—2.93 

Halle 

3.58 

5.88 

3.58 

0.46 

—2.91 

—1.89 

Erfurt 

4.99 

6.45 

3.73 

—0.06 

—3.42 

—3.18 

Sondershansen 

3.74 

6.17 

3.85 

—0.09 

—3.50 

—1.82 

Naektng. 


313 


F  •  b 

r  n  a  r 

31--4 

5—9 

10—14 

15—19 

20—24 

25—1 

Unterschied 

-  9.77 

-12.53 

—  9.23 

—0.60 

—1.03 

1.40 

17.69 

-10.99 

-14.37 

—  9.53 

—2.18 

—0.51 

1.48 

19.91 

-ia.43 

-15.39 

—  7.38 

—3.77 

—0.87 

1.66 

21.10 

-10.74 

-14.37 

—10.11 

—3.01 

—0.89 

1.67 

19.74 

-  7.71 

-10.06 

—  8.36 

—3.05 

—2.79 

—0.37 

13.31 

-  9.80 

-14.58 

—  9.18 

—3.49 

—1.27 

1.10 

19.67 

-11.12 

-15.42 

—  8.52 

—4.07 

—1.67 

1.43 

20.85 

-  9.62 

-14.98 

—  8.33 

—3.23 

—1.46 

1.74 

20.56 

-  8.99 

-15.52 

—  8.77  , 

—3.59 

—1.47 

1.5b 

20.81 

-  9.03 

-16.04 

—  8.87 

—3.62 

-.-1.39 

1.70 

21.93 

-  9.74 

-17.86 

—  7.47 

—2.57 

—1.60 

1.37 

22.83 

-  6.62 

-17.15 

—  6.46 

—3.12 

—1.54 

1.79 

22.82 

-  7.65 

-12.66 

—  9.07 

—3.01 

—1.05 

2.33 

20.01 

-  1.08 

-  6.92 

—  6.10 

—3.68 

—2.32 

4.31 

11.81 

-  4.77 

-13.65 

—  9.02 

—3.79 

—1.69 

1.60 

18.91 

-  3.51 

-12.78 

—  9.12 

—3.64 

—2.52 

1.92 

17.46 

-  1.84 

-  9.25 

—  8.52 

—3.25 

—2.60 

0.78 

13.78 

-  4.27 

-  9.71 

—  9.26 

—4.15 

—1.28 

0.47 

14.71 

-  4.48 

-10.32 

—  9.24 

—4.47 

—2.09 

1.11 

15.18 

-  4.13 

-10.11 

-10.24 

—5.38 

—2.35 

1.21 

16.72 

-  2.76 

—     7.98 

-  9.16 

—4.74 

—2.66 

1.19 

13.56 

-  4.14 

-  9.44 

—  6.86 

—2.31 

—2.29 

0.56 

14.61 

-  4.43 

-10.51 

—  6.82 

—3.42 

—2.50 

0.61 

15.99 

-  2.72 

-  8.49 

—  7.35 

—4.07 

—2.93 

1.00 

13.28 

-  0.05 

-  9.59 

—  6.21 

—2.67 

—2.88 

1.97 

14.80 

-  4.01 

-  9.52 

—  7.61 

—3.83 

—2.51 

1.01 

14.47 

-  3.62 

-  8.90 

—  8.32 

—4.82 

—2.41 

1.92 

14.96 

-  2.62 

—     7.84 

-   7.90 

—4.15 

—2.38 

1.50 

15.03 

-  3.22 

-11.36 

—  9.25 

—5.00 

—1.97 

1.40 

16.42 

-  4.39 

-11.64 

—  9.06 

—4.46 

—2.54 

1.15 

16.35 

-  4.95 

-12.09 

—  9.19 

—4.65 

—1.87 

3.24 

17.71 

-  3.47 

-11.42 

—  8.49 

—3.84 

—1.79 

0.71 

17.34 

-  2.93 

-11.49 

—  8.95 

—4.66 

—2.13 

1.10 

16.58 

-  3.01 

-  9.56 

—  9.12 

—4.89 

—1.77 

1.26 

15.24 

-  2.21 

-10.61 

—  8.30 

—4.00 

—1.87 

1.93 

15.99 

-  3.64 

-10.26 

—  8.45 

—4.74 

—1.84 

1.94 

16.71 

-  2.15 

-  9.88 

—  7.88 

—4.19 

—1.99 

16.05 

214 


Nachfrag, 


Jan 

n  a  r 

1—5 

6—10 

11—15 

16—20 

21—25 

26—30 

Mühlhausen 

2.87 

6.61 

4.06 

0.35 

—2.82 

—1.83 

Heillgenstadt 

4.62 

5.81 

3.23 

—0.45 

—3.92 

—3.09 

Wernigerode 

4.92 

3.58 

2.77 

—1.35 

—5.07 

—2.55 

ClanAthal 

3.90 

4.31 

1.66 

-1.52 

—4.04 

—2.22 

Göttibgen 

4.08 

5.70 

2.98 

—0.28 

—3.91 

—3.28 

Copenliagen 

3.28 

4.65 

3.16 

1.43 

— a70 

1.26 

Cöslin 

2.30 

5.21 

2.82 

0.54 

— a93 

—0.65 

• 

Regeswalde 

2.53 

6.11 

3.20 

0.34 

—1.09 

—0.36 

Stettin 

2.23 

4.35 

3.08 

0.56 

—1.41 

—0.19 

Pntbos 

2.09 

4.31 

2.82 

1.55 

—1.14 

0.64 

Wurtrow 

1.99 

4.29 

3.28 

1.19 

—1.19 

0.78 

Bostock 

2.32 

4.89 

3.25 

0.78 

—1.38 

0.54 

Schwerin 

3.29 

5.53 

3.60 

0.50 

—2.17 

—0.22 

Hinriduhagen 

3.28 

5.48 

3.51 

0.70 

—2.03 

—0.35 

Berlin 

2.50 

5.76 

3.56 

0.68 

—2.35 

—0.94 

Frankfurt 

1.89 

5.95 

3.55 

0.44 

—2.45 

—1.74 

Schönberg 

3.23 

5.67 

8.85 

—0.06 

—2.82 

—0.88 

Lübeck 

3.15 

4.93 

3.74 

1.31 

—2.00 

0.22 

Entin 

3.43 

5.43 

3.32 

1.35 

—1.63 

—0.37 

Kiel 

3.74 

5.00 

3.24 

0.99 

—1.61 

0.32 

Neomfinster 

3.91 

5.37 

3.41 

1.24 

—2.02 

—0.14 

Alton» 

4.43 

5.92 

3.80 

1.37 

—2.07 

—0.34 

Otterndorf 

4.20 

5.47 

3.53 

0.98 

—1.61 

—0.16 

Lüneburg 

4.08 

5.60 

3.76 

0.94 

—2.49 

—0.45 

Hannover 

4.53 

5.58 

3.48 

0.20 

—3.60 

—1.84 

Oldenburg 

4.29 

5.14 

3.26 

0.51 

—1.98 

—1.45 

Jever 

3.23 

4.49 

3.13 

0.59 

—1.33 

—0.75 

Emden 

2.98 

4.24 

2.74 

0.21 

—1.32 

—1.25 

Lingen 

4.18 

4.53 

2.54 

—0.36 

—2.65 

—1.79 

Löningen 

4.42 

4.79 

2.98 

0.12 

—2.56 

—2.11 

Munster 

4.65 

5.06 

2.56 

0.13 

—2.88 

—2.41 

Gütersloh 

4.62 

4.86 

2.39 

—0.25 

—3.83 

— 3.G2 

Olsberg 

5.92 

5.49 

2.64 

—0.16 

—3.45 

—3.63 

Cleve 

4.40 

4.89 

2.20 

—0.31 

—2.93 

—2.18 

Crefeld 

4.65 

4.93 

2.64 

—0.24 

—8.02 

—2.04 

Cöln 

4.04 
3.98 

4.98 

2.27 

—0.15 

—3.31 

—1.71 

Boppard 

5.49 

2.53 

—0.23 

—2.34 

—8.85 

Nachtrag, 


215 


F  e  b 

r  a  a  r 

31-4 

6—9 

10—14 

15—19 

20—24 

25—1 

Unterschied 

-2.15 

-  9.20 

—7.99 

—3.61 

—1.43 

1.16 

15.81 

—0.94 

-  9.20 

—7.91 

—4.07 

—1.67 

2.18 

15.01 

1.25 

—    6.13 

-8.53 

—4.27 

—2.52 

2.92 

12.84 

-0.79 

-  8.20 

—7.46 

—4.10 

-1.76 

0.99 

13.90 

—0.29 

—    3.53 

-5.50 

—1.60 

—3.20 

—3.46 

10.15 

—8.29 

-12.11 

—5.56 

—3.38 

—1.52 

0.81 

17.32 

-7.66 

-12.94 

—8.11 

—3.38 

—0.71 

1.01 

18.05 

—7.02 

-12.65 

—8.26 

—3.61 

—1.27 

1.07 

17.00 

-4.52 

-10.39 

—5.52 

—3.03 

—1.45 

—0.42 

14.70 

-2.78 

-  9.91 

—4.76 

—3.47 

—1.86 

0.40 

14.20 

—3.22 

-10.31 

—4.96 

—3.68 

—1.49 

1.12 

15.20 

-2.65 

-10.26 

—6.99 

—3.90 

—1.67 

1.08 

16.79 

-6.02 

-12.04 

—7.00 

—3.86 

—1.75 

1.62 

17.5« 

-4.29 

-12.35 

—7.52 

—3.46 

—1.46 

1.25 

18.11 

—6.08 

-13.87 

—8.76 

—3.67 

—1.66 

1.07 

19.82 

-2.02 

-  9.38 

—4.70 

—3.47 

—1.84 

1.57 

15.05 

-1.81 

-  9.49 

—4.84 

—3.89 

—1.74 

0.96 

14.42 

-1.51 

-  8.45 

—4.77 

—3.31 

—1.62 

1.13 

13.88 

-1.13 

-  7.82 

—5.67 

—3.42 

—1.47 

0.95 

12.82 

-1.81 

—  9.74 

—6.81 

—3.79 

—2.06 

1.48 

16.12 

-1.86 

-  9.95 

—6.03 

—3.69 

—1.81 

0.88 

15.87 

-0.84 

-  8.93 

—5.57 

—3.79 

—2.22 

1.79 

14.40 

-1.72 

—  9.47 

—7.08 

—3.24 

—1.63 

2.47 

16.07 

-1.03 

-10.10 

—7.69 

—3.82 

—1.76 

2.26 

15.68 

0.00 

—  8.84 

—6.15 

—3.42 

—1.28 

1.77 

13.98 

0.14 

—  7.90 

—5.61 

—3.32 

—1.11 

2.33 

12.39 

0.24 

-  7.69 

—6.72 

—3.37 

—1.27 

1.18 

11.93 

1.36 

-  7.03 

—6.43 

—3.98 

—1.68 

2.28 

11.21 

0.40 

-  8.37 

—6.31 

—3.55 

—1.39 

2.23 

13.16 

0.99 

—    5.20 

-6.50 

—3.11 

—1.72 

2.79 

12.16 

-0.39 

—    6.18 

-7.24 

—3.88 

—1.95 

2.32 

12.10 

1.04 

—    4.96 

-7.16 

—3.33 

—1.64 

2.78 

13.08 

0.79 

—    4.30 

-6.89 

—3.82 

—1.91 

3.09 

11.29 

0.54 

—    4.67 

-6.68 

—4.29 

—1.68 

3.27 

11.61 

—0.17 

—    6.18 

-6.23 

—4.07 

—2.47 

1.48 

11.21 

—1.19 

—    6.59 

-7.05 

—3.46 

—1.97 

1.81 

12.64 

21« 


Naehtrag. 


Jan 

n  a  r 

1—5 

6—10 

11—15 

16—20 

21—25 

26—30 

Trier 

4.06 

5.41 

2.55 

0.56 

—2.95 

—3.16 

Brflsi«! 

8.79 

5.40 

2.28 

0.18 

—3.18 

—2.97 

Blrkenfeld 

8.89 

5.42 

2.56 

0.54 

—3.33 

—3.30 

Kreoxnach 

0.80 

5.60 

2.97 

0.98 

—2.86 

—3.90 

FrmnkfaH  a.  K. 

1.41 

5.06 

2.02 

0.50 

—2.86 

—3.60 

Dannttadt 

3.50 

4.63 

2.10 

0.20 

—3.84 

—4.24 

HeUbronn 

0.65 

4.36 

8.02 

0.67 

—3.60 

—5.66 

^  Stnttgard 

2.59 

5.32 

8.30 

0.49 

—3.54 

—1.42 

Ucchingen 

8.74 

5.87 

3.19 

—0.28 

—5.03 

—6.61 

Hohenzollern 

5.04 

4.25 

1.16 

—1.78 

—7.19 

—5.28 

Calw 

1.67 

4.24 

2.90 

1.28 

—4.89 

—6.69 

Frendenatadt 

4.86 

5.04 

2.48 

—0.56 

—5.00 

—6.16 

Ulm 

O.Ol 

3.80 

2.41 

—0.11 

—4.28 

—6.82 

Heldenheün 

—0.74 

8.93 

2.89 

0.96 

—3.13 

—4.47 

Schopfloch 

4.20 

4.30 

2.00 

—0.92 

—6.95 

—5.26 

iMny 

2.98 

4.95 

2.00 

—0.17 

—6.51 

—5.68 

Wien 

1.71 

3.08 

2.62 

1.02 

—1.35 

—4.34 

Friedrichshafen 

—0.41 

2.67 

2.57 

—0.17 

—4.45 

—5.65 

Rom 

—1.64 

1.92 

—1.83 

—1.32 

—3.41 

-6.04 

Liaaabon 

0.72 

1.12 

0.72 

—0.39 

-3,68 

-3.28 

Durch  Oberscblesien  sind  also  innerhalb  eines  einzigen  Mo- 
nats 22  Isothermen  von  1°  R.  hindurchgegangen,  darch  Colo 
nar  11. 

Aus  der  Tafel  geht  entschieden  hervor: 

1)  dafs  die  Abkühlung  auf  dem  Beobachtungsgebiet  am 
st&rksten  an  der  Ostgrenze  von  Deutschland  ist  und 
nach  West  hin  erheblich  abnimmt, 

2)  dafs  die  Meeresnähe  (Heia,  Wustrow)  sie  abstumpft, 

3)  daCs  sie  auf  den  hochgelegenen  Stationen  (Kirche  Wang 
an  der  Sehneekoppe)  bedeutend  geringer  ist,  was  ich 
früher  schon  vielfach  nachgewiesen  habe, 


Naektroff. 


217 


F  e  b 

r  n  a  r 

31--4 

5—9 

10—14 

15—19 

20—24 

25—1 

Unterschied 

-0.06 

—    4.88 

-6.91 

—8.74 

—2.58 

1.93 

12.32 

2.27 

—    0.54 

-8.49 

—6.12 

—3.90 

13.89 

-0.76 

—    6.12 

-6.51 

—3.19 

—2.99 

1.85 

11.93 

-3.06 

-    7.05 

—  6.19 

—3.29 

-1.61 

1.27 

12.65 

—3.22 

—    7.21 

-7.38 

—3.83 

—2.05 

1.66 

12.44 

—2.45 

-  7.84 

—  7.70 

—3.83 

—2.47 

1.78 

12.47 

—3.83 

-  8.47 

—  7.58 

—3.17 

—2.62 

1.59 

12.83 

—2.58 

-  6.96 

—  6.28 

—1.45 

—1.99 

3.29 

12.28 

—2.91 

—    6.65 

-7.70 

—1.48 

—1.97 

3.69 

13.57 

—1.03 

—    4.56 

-6.81 

—2.66 

—2.73 

3.89 

10.85 

—2.32 

—    5.29 

-6.15 

—1.13 

—1.64 

0.89 

10.39 

—0.92 

—    5.32 

-6.58 

—2.02 

—2.68 

2.43 

11.62 

—8.11 

-    9.58 

—  7.02 

—2.09 

—1.61 

0.40 

13.38 

-7.44 

-  8.60 

—  6.03 

—1.34 

—  1.53 

—0.25 

12.53 

-1.27 

-  7.88 

—  7.16 

—1.88 

—2.72 

1.89 

12.18 

-2.35 

-  6.88 

—  5.43 

—0.12 

—2.16 

—2.10 

11.83 

-4.60 

-10.76 

—  5.93 

—2.11 

—1.88 

13.54 

-4.87 

-  6.82 

—  6.19 

—1.39 

—2,16 

—0.19 

9.49 

-2.14 

—    1.98 

0.75 

2.46 

—0.72 

8.50 

0.10 

1.21 

1.08 

0.76 

1.33 

5.01 

4)  dafs  sie  im  westlichen  Europa  (Westphalen,  Rhein, 
Belgien)  später  eintritt  als  im  ostlichen,  dafs  hingegen 
Suddeutschland  sich  an  Osteuropa  anschliefst.  Das 
Fortrucken  der  Kälte  erfolgt  also  von  NO  nach  SW. 


Auch  in  den  absoluten  Extremen  spricht  sieb,  natürlich  mit 
Berücksichtigung  der  geographischen  Breite,  das  aus,  was  aus  den 
Abweichungen  hervorgeht.  Die  folgende  Tafel  enthält  die  mir  bis 
jetxt  zugegangenen  grofsten  Kältegrade  (R) ,  welche  mit  Ausnahme 
von  Spanien,  Südfrankreich  und  Italien,  wo  sie  Ende  Januar  ein- 
tritt, auf  den  Februar  flSllt. 


318  Naehirag. 

Elverum  in  Korwegen  — 31.2. 

Haparanda  — 29.4. 

Hochwald  in  M&hren  — 28.2,    Cxernowiis  — 28.0,    Dobrzechow 

in  Galizien  ^28.0. 
Teachen  —27.5. 
Claossen  bei  Ljck  — 26.8. 
Hermanstadt  in  Siebenburgen  — 25.1,    Moscau  — 25.0,    Helaing- 

fors  —25.0. 
Lemberg  — 24.4,  Poronin  — 24.4,  Landeck  in  Schlesien  — 24.0, 

Conitz  —24.0,  Petersborg  —24.0. 
Ratibor  —23.7,  Königsberg  —23.2,  Erakau  —23.2. 
Eichberg  bei   Hirschberg   —22.9,    Riga  —22.3,    TiUit  —22.2, 

Tröpolach  in  Kfirnthen  —22.0. 
Bromberg  —21.6,    Klagenfort  —21.4,    Upsala  —21.2,    Memel 

—21.0. 
Breslau  — 20.7,  Altenfurt  — 20.5,  Lauenburg  in  Ponmiem  — 20.5, 

Seeshaupt  am  Starenberger  See  — 20.0. 
Bonzlau  — 19.8,  Vinkovee  — 19.7,  Zechen  bei  Bojanowo  — 19, 

Posen  19.4,  Obir  —19.0. 
Cöslin  — 18.8,  Mfigdesprung  — 18.8,  Dovre  in  Norwegen  — 18.8, 

Görlitz   — 18.5^    Grube   Meiseberg   — 18.2,    Harzigerode 

—18.0. 
Regenwalde  —17.6,  Ischl  —17.6,  Debreczin  —17.4,  Christiania 

—17.4,    Stettin   —17.4,    Promenhof  in  Böhmen   —17.3, 

Kirche  Wang  —17.0. 
Hinrichshagen  in  Mecklenburg  — 16.9,    Frankfurt  a.  O.   — 16.8, 

GroCsbreitenbach  — 16.6,   Rohrbrunn  im  Spessart  — 16.6, 

Duschberg  im  bayerischen  Wald  — 16.5,  München  — 16.2, 

Wien  —16.0,  Wustrow  —16.0,    Heia  —16.0,    Sandosund 

—16.0. 
Berlin— 15.8,  Erfurt— 15.6,  Szegedin  — 15.2,  Schopf  loch —15.2, 

Ebrach  im  Steigerwald  — 15.0,  Torgau  — 15.0,    Biberach 

—15.0. 
Putbus  —14.8,    Halle  —14.8,    Clausthal  —14.8,    HeiligensUdt 

— 14.6,  Sonderhausen — 14.6,  Mühihausen — 14.6,  Heiden- 

heim  — 14.5,  Mamitz  — 14.3,  Rostock  — 14.0. 
Agram  —13.7,    Bludenz  —13.6,    Johanniskreuz  in  PfSlzerwald 

— 13.6,  Tromsö  — 13.6,  Schwerin  — 13.5,  Neumunster  13.5, 

Hannover  —13.4,    Fulda  —13.4,   Vardö  —13.3,    Caleves 


Nachtrag.  219 

—13.2,  le  Pny  —13.2,  Altona  —13.1,  Marburg  -13.0, 
Olsberg  — 13.0,  Lüneburg  —13.0,  Lübeck  —13.0. 

Louingeii  —12.7,  Oöttingen  —12.7,  Benoile  Yeaax  —12.6, 
Lingen— 12.5,  Emden  —12.5,  Ulm  —12.5,  GasBel- 12.4, 
Oldesloe  —12.3,  Oram  —12.3,  Arnsberg  —12.2,  Sch5n- 
berg  in  Mecklenburg  — 12.2,  Birkenfeld  — 12.1,  Altmor- 
eben  —12.0,  Oldenburg  — 12.0,  Aschaffenburg  —12.0, 
Frankfurt  a.  M.  — 12.0,  HohenzoUem  — 12.0,  Segeberg 
—12.0,  Neustadt  a.  d.  Ostsee  —12.0,  Husum  —12.0. 

Hamburg  — 11.9,  Issnj  — 11.7,  Hechingen — 11.6,  Abtei  Laach 
— 11.6,  Mergentheim  — 11.5,  Hanau  — 11.5,  Mandal  in 
Norwegen  —11.5,  Wilhelmshafen  —11.3,  Cleye  —11.2, 
Ottemdorf  —11.2,  Darmstadt  —11.2,  Foix  —11.2,  Mün- 
ster— 11.0,  Heilbronn  — 11.0,  Copenhagen — 11.0,  Br5n5 
—11.0. 

Freudenstadt —10.8,  Canstadt  — 10.7,  Jever- 10.7,  Bodo— lO.G, 
Leirdal  — 10.6,  Hearth  Content  in  Neufundland  — 10.6, 
Bourg  —10.6,  Meldorf  —10.5,  Tondem  —10.5,  Brüssel 
—10.5,  Lille  —10.4,  Crefeld  —10.4,  Calw  —10.3,  Güters- 
loh —10.2,  Metz  —10.2,  Trier  10.0,  Stuttgard  —10.0, 
Friedrichshafeu  — 10.0,  Verdun  — 10.0,  Weser-Leuchtthurm 
— 10.0,  Appenrade  — 10.0,  Hadersleben  — 10.0. 

Wiesbaden  — 9.8,  Gappein  — 9.8,  Woltersmühle  — 9.7,  Hohen- 
heim  — 9.6,  Ichtrazheim  — 9.6,  Chatillon  — 9.6,  Flensburg 
—9,5,  Boppard  —9.4,  Cöln  —9.4,  Paris  —9.0,  Rodez 
—9.0. 

Kreuznach  — 8.9,  Versailles  — 8.8,  Soissons  — 8.8,  Aubervilliers 
— 8.8,  Ronen  — 8.7,  Corne — 8.6,  Polders  — 8.3,  Vendome 
—8.2,  Montargis  —8.1 ,  St.  Maur  —8.1 ,  Blois  —8.0, 
Aosta  —8.0. 

Cap  Orinez  —7.7,  Bergen  —7.6,  Nantes  —7.2,  Tours  —7.0. 

Skndesnes  — 6.7,  Christiansund  — 6.6,  Subiaco  — 6.6,  Montpel- 
lier —6.5,  Isle  d'Aix  —6.2,  Mailand  —6.0,  Florenz  —6.0. 

Lesina  — 5.9,  Bozen  — 5.9,  Constantinopel  — 5.9,  Ferrara  — 5.9, 
Fecamp  — 5.8,  Lavallade  — 5.6,  Madrid  — 5.4,  Smeaton 
— 5.4,  Bezieres  — 5.2,  Lorient  — 5.0,  Aalesund  — 5.0, 
Florö  —5.0. 

Fola  — 4.8,  Eallabus  —4.7,  Stonjhurst  —4.2,  Bejrie  —4.0. 

Born  —3.8,  Tivoli  —3.8,  Biariz  —3.6,  St  Matthieu  —3.5. 


220  Nachtrag. 

Dorazzo   —2.9,    Marseille  —2.7,    CivitaTecehia  —2.6,    Marcia 
.  — 2.6,  Larressore  — 2.0. 
,    Santiago  — 1.9,   Cannes  — 1.6,   Anc<Mia  — 1.0,  Sicii  0.8.  Bag- 
dad 0. 
le  Qrognon  0,  Perpignan  0.2,  Atiien  0.9. 
Neapel  1.6,  Palermo  1.6,  Lissabon  1.4. 
Ponta  Delgada  (Azoren)  6.0. 

Znr  Yerrollstfindigang  des  Bildes  fehlen  noch  die  Beobach- 
tungen der  Systeme  Ton  Niederland,  England,  Schottland,  Schwe- 
den, RoTsland,  Österreich,  Schweiz,  Italien,  Spanien  und  Nordame- 
rika, deren  ausnahmsweise  frfihe  Yeroffenllichung  ftofoerst  wün- 
schenswerth  w&re,  ehe  das  Interesse  für  das  eben  Erlebte  sich  Yet- 
wischt 

Die  nach  West  hin  stets  abnehmende  Abkühlung  deutet  schon 
•darauf  hin,  wo  wir  den  compensirenden  wannen  Strom  zu  suchen 
haben,  dies  ist  in  Amerika.  „Juni  im  Januar''  ist  die  Oberschrift 
eines  am  27.  Januar  in  der  New  York  Eyening  Post  erschienenen 
Artikeb.  „Heute^,  heiÜBt  es  in  demselben,  „ist  ein  Maitag,  oder 
richtiger  zu  sagen  ein  Junitag.  Die  Witterung  Ist  die  auffallend- 
ste seit  yielen  Jahren  erlebte.  Südliche  Winde  haben  in  einer  in 
dieser  Jahreszeit  unerhörten  Weise  geherrscht  Wenn  es  stürmt, 
haben  wir  Regen  statt  Schnee,  jeder  Sturm  schlofs  mit  Wfirme, 
der  Boden  ist  frei  Ton  Frost  wie  sonst  im  Mai.  Auf  Lond  Island 
stehen  Blumen  in  voller  Bliithe,  die  Elnospen  der  Bfiume  sind  fast 
im  Aufbrechen.  Bleibt  das  Wetter  so,  so  wird  man  Erbsen  auf 
den  Markt  bringen  zu  der  Zeit,  wo  man  sie  sonst  sfiet.^ 

Der  Januar  Ton  New  York  war  3?  19  zu  warm,  die  Tempe- 
ratur des  Februar  durch  den  im  letzten  Drittel  des  Monats  eintre- 
tenden Polarstrom  erniedrigt  nahe  normal,  die  Abweichung  nfimlich 
— 0723.  Die  westliche  Grenze  des  Äquatorialstroms,  welcher  den 
Innern  und  atlantischen  Staaten  Ton  Nordamerika  diese  warme  und 
feuchte  Witterung  brachte,  schreibt  mir  Dr.  Blake  aus  San  Fran- 
cisco, fiel  in  das  Thal  des  Missisippi,  denn  in  Galifomien  herrschte 
vom  Oktober  bis  zum  Februar  ein  Polarstrom,  der  nach  Westen 
hin  wiederum  Ton  einem  Äquaterialstrom  begrenzt  war,  denn  alle 
nach  San  Francisco  kommende  Schiffscapit&ne  berichteten,  dafs  sie 
besonders  im  December  unfern  der  Küste  auf  dem  stillen  Ozean 
mit  schwerem  Wetter  bei  starkem  SWwinden  zu  kfimpfen  gehabt 


Nachtrag.  221 

hStten.  Erst  un  7.  Februar  (sn  derselben  Zeit  also,  wo  im  5sfe- 
licheii  Deatsehland  die  KÜte  ihre  grofste  Intensit&t  nnd  das  Baro- 
meter eioe  enorme  Höhe  erreichte) ,  kundigte  sich  der  Äquatorial- 
Strom  an,  der  am  9ten  die  Grundfläche  der  Atmosph&re  berührte, 
nachdem  er  schon  etwas  früher  in  der  8000  Fufs  hohen  Virginia 
City  sich  gezeigt  hatte.  Am  21ten  Februar  traf  die  Ostseite  des 
TOD  den  Küsten  Califomiens  verdr&ngten  Polarstromes  die  ameri- 
kanischen Küsten  des  atlantischen  Ozeans,  (an  demselben  Tage 
also,  an  welchem  Europa  von  dem  Aquatorialstrom  überfluthet 
worde^  der  am  21  ten  das  Barometer  zn  einem  erheblichen  Minimum 
erniedrigend,  schliefslich  am  28.  die  Temperatur  auf  unsem  ganzen  Be- 
obschtnngsgebiete  so  erhöhte,  daCs,  freilich  Tornbergehend,  überall 
FrühlingswSrme  an  die  Stelle  der  eisigen  WinterkSlte  trat)  Ich 
glaube  wohl  hier  die  Bemerkung  hinzufügen  zu  dürfen,  dafs  die  in 
dem  Abschnitt  ^Stürme  durch  seitliche  Einwirkung  entgegengesetz- 
ter Strome  auf  einander^  (Gesetz  der  Sturme  3.  Aufl.  p.  222—312) 
geltend  gemachten  Ansichten  in  diesem  Beispiel  eine  Bestätigung 
finden,  wie  sie  entscheidender  nicht  verlangt  werden  kann. 

Ich  habe  in  frühem  Abhandlungen  durch  Berechnung  der  ther- 
mischen Abweichungen  (Abb.  der  BerL  Akad.  1858  p.  423)  nach* 
gewiesen,  dafs  ein  am  nördlichen  Ural  beginnender  Polarstrom, 
dorch  die  Drehung  der  Erde  bei  seinem  Fortschreiten  eine  nord- 
ostliche Richtung  annehmend,  in  sein  Abkühlungsgebiet  auch  die 
Südspitsen  Europas  aufnimmt  und  dies  in  dem  1864  erschienenen 
Atlas  der  Monats-  und  Jahresisotiiermen  in  der  Folarprojection 
durch  den  Entwurf  der  Isametralen  z.  B.  für  Januar  1850  veran- 
schaulicht.  FfiUt  der  Ursprung  desselben  hingegen  an  die  nörd* 
liehen  Ufer  der  Ostsee,  wie  z.  B.  1814  in  die  Gegend  von  Peters- 
burg, so  triflft  diese  Kfilte  vorzugsweise  Frankreich  nnd  England, 
wShrend  die  Linie  normaler  Temperatur  nach  Oberitalien  fUlt,  so 
da(s  Italien  selbst  nicht  in  das  K&ltegebiet  aufgenommen  ist.  Ter« 
findert  sich  nun  der  Strom  in  der  Weise,  dafs  der  erste  Fall  in 
den  zweiten  übergeht,  d.  h.  breitet  sich  der  Polarstrom  schon  an 
seinem  Ursprünge  seitlich  nach  Westen  aus,  indem  dem  durch  die 
Verdichtung  der  intensiv  kalten  Luft  gesteigerten  Seitendruck  die 
durch  W&rme  aufgelockerte  Luft  des  westlich  daneben  fliefsenden 
Äquatorialstromes  nur  einen  geringen  Widerstand  entgegenzustellen 
vermag,  so  wird  die  sich  über  Europa  verbreitende  Kfilte  zuerst 
im  südöstlichen  Europa  auftreten,   dann  im  mittleren  und  endlich 


222  Nachtrag. 

auch  in  das  nordwestliche  übergreifen.  Dies  war  nun  der  Fall  in 
dem  eben  verflossenen  Winter.  Der  erste  Einbrach  des  Folarstro- 
mes  rief  im  Conflict  mit  südlichen  Winden  besonders  in  den  öster- 
reichischen Gebirgen  ungeheure  allen  Verkehr  hemmende  Schnee- 
ffille  berTor,  welche  im  December  Efimthen  unter  eine  3  bis  4  Fufa 
hohe  Schneedecke  begruben.  Durch  diesen  Schneewall  (analog  der 
auf  den  Eisfeldern  des  Polarmeers  von  Scoresby  beobachteten  Er 
scheinung),  gegen  das  Eindringen  warmer  feuchter  Luft  geschützt, 
erreichte  die  nördlich  davon  gelagerte  wenig  bewegte  Luft  einen 
auffallenden  Grad  der  Trockenheit,  so  dafs  bei  vollkommen  heite- 
rem Himmel  die  Ausstrahlung  erheblich  sich  steigerte  und  dadurch 
besonders  die  Wfirme  der  untern  Luftschichten  entschieden  herab- 
drückte. Da  in  dieser  Zeit  über  England  nach  Norwegen  hinauf 
der  Äquatorialstrom  noch  herrschte,  trat  in  Ostpreufsen  die  Kälte 
Mitte  Januar  mit  schwachem  SOwinde  ein,  indem  die  ohnehin  im 
Januar,  wie  ich  gezeigt  habe,  im  Mittel  im  nordlichen  Deutschland 
nicht  von  Ost  nach  West,  sondern  von  Nord  nach  Sud  laufenden 
Isothermen  ans  den  angegebenen  Gründen  Anfang  Januar  sogar 
nach  Ost  hin  geneigte  Scheitel  erhielten.  Auf  diese  Weise  erklart 
sich,  dafs  das  barometrische  Maximum  in  Ost-  und  Westprenfsen, 
Pommern,  Mecklenburg,  Dänemark,  der  Mark,  Schlesien,  Galizien, 
Österreich,  Sachsen  bis  Kassel  hin  auf  den  6  ten  Januar,  den  Tag 
der  gröfsten  Kälte,  fällt,  und  in  Tilsit  so  bedeutend  wird,  dafs  der 
Druck  der  Atmosphäre  den  mittleren  um  einen  ganzen  Zoll  über- 
trifft, während  hingegen  in  Oberitalien,  Südfrankreich,  Spanien, 
Schwaben,  Hessen,  der  Rheinpfalz,  von  Boppard  bis  zum  Boden- 
see der  höchste  Druck  schon  am  Iten  eintritt.  Die  lange  Dauer 
der  Kälte  erklärt  sich  aber  dadurch,  dafs  im  Süden  ein  Stausturm 
den  Abflufs  verhindert.  Secchi  berichtet  im  Februarheft  des  Bul- 
letino, dafs  in  Subiaco  am  13  ten  Februar  ein  die  Wärme  der  Laft  auf 
14? 4  erhöhender  Südost  wuthend  einbrach,  der  mit  einem  die  ganze 
Küste  von  Ligurien  treffenden  rothen  Staubfall  verbunden  war,  in 
Subiaco  und  Rom  von  wenig  Regen,  in  Piemont  von  starkem 
Schneefall  begleitet.  Als  eine  Wirkung  des  Aufstauens  könnte  es 
angesehen  werden,  dafs  das  barometrische  Maximum  am  Nieder- 
rhein zwischen  dem  lOten  und  12ten  eintritt,  in  Brüssel  am  Uten 
Abends,  auch  in  England  und  Norwegen  auf  den  Idten  und  14ten 
fällt  Da  aber  am  Rhein  nicht  das  fünftägige  Mittel  vom  5 — 9ten 
Februar  das  niedrigste  ist,    sondern  das  vom   10  ten  zum  14 ten. 


Nachtrag.  223 

Da  die  niedrigste  Wärme  auch  in  Belgien  nnd  England  auf  den 
12ten  Februar  fällt,  so  kann  das .  Hervortreten  des  barometrischen 
Maximums  unmittelbar  auf  eine  thermische  Ursache  zurückgeführt 
vrcrden.  Erst  am  2isten  Februar  gelang  es  dem  Aquatorialstrom 
den  Polarstrom  überall  zu  verdrängen.  Von  Memel  bis  Palermo, 
Athen  und  Constantinopel  ist  dies  der  Tag  des  niedrigsten  Baro* 
meterstandes,  ein  Tag,  an  welchem  in  Alezandria  der  Chamsin 
die  Schattenwärme  über  26^  erhob,  während  im  mittleren  Europa 
erst  der  28 te  der  wärmste  Tag  ist,  an  welchem  in  Ratibor  das 
Thermometer  33  Grad  hoher  steht  als  am  6ten. 

In  dem  vorliegenden  Beispiel  finden  also,  wie  es  überhaupt 
immer  der  Fall  ist,  die  Bewegungen  des  Barometers  ihre  einfache 
Erläuterung,  wenn  mit  dem  Stande  desselben  die  gleichzeitige  Yer^ 
theilnng  der  Wärme  und  Feuchtigkeit  in  Untersuchung  gezogen 
wird,  aufserdem  die  Richtung  beachtet,  in  welcher  die  bewegte 
Luft  fortschreitet.  Zusammenstellungen  gleichzeitiger  Barometer- 
stande an  verschiedenen  Stellen  der  Erdoberfläche  ohne  diese  Be- 
rücksichtigung, wie  sie  auch  jetzt  noch  publicirt  werden,  sind  voll- 
kommen ungeeignet,  meteorologische  Fragen  zu  erledigen. 

Da  seit  dem  kalten  Februar  1865  erst  fünf  Jahre  verflossen 
sind,  so  ist  die  Erinnerung  an  denselben  noch  nicht  verwischt,  und 
es  wurde  daher  oft  in  den  Gesprächen  über  den  diesjährigen  stren- 
gen Winter  an  ihn  erinnert,  während  des  furchtbaren  Nachwinters 
von  1845  nicht  mehr  gedacht  wurde.  Dies  würde  gewifs  gesche- 
hen sein,  wenn  Hr.  Wolfers  seine  Vergleichung  der  Temperaturen 
von  Berlin  in  spätem  Jahrgängen  mit  frühern  auf  1870  ausgedehnt 
hätte.  Die  Übereinstimmung,  die  ich  für  Januar  und  Februar  in 
Beziehung  auf  Abnahme  und  Zunahme  der  Temperatur  zwischen 
1870  und  1865  fand,  veranlafsten  mich  die  d^r  Akademie  gemach- 
ten Mittheilungen  nicht  unmittelbar  zu  veröffentlichen,  da  ich  zu 
wissen  wünschte,  ob  dieser  Parallelismus  sich  auch  auf  den  März 
ausdehnen  würde.  Die  folgende  Tafel  zeigt,  dafs  das  wirklich  der 
Fall  ist,  obgleich  das  Material  für  diesen  Monat  noch  erheblichere 
Ergänzungen  bedarf  als  das  für  den  Februar  bereits  vorliegende. 
Im  Jahr  1865  fällt  im  Januar  die  höchste  Wärme  etwas  später 
als  1870,  das  wärmste  fünftägige  Mittel  ist  nämlich  1865  das  vom 
Uten  bis  15ten,  1870  hingegen  vom  6ten  bis  lOten,  die  tiefste 
Erniedrigung  fällt  aber  in  beiden  Jahren  übereinstimmend  zwischen 
den  5ten  und  9ten  Februar.  Für  das  nordöstliche  Deutschland 
[1870]  16 


224 


Nachtrag. 


fallt  die  gröftere  Temperaturerniedrigung  im  Mfir«  des  Jahre»  1870 
cwischen  dem  12ten  und  16ten,  1865  zwisehen  dem  17ten  und 
21ten,  aber  dieser  Nachwinter  erreicht  im  westlichen  Deutschland 
ein  «weites  Kfilteroaximuni  und  dies  ßllt  sowohl  1865  als  1870 
auf  den  Zeitraum  vom  27ten  bis  3]ten  Mirz.  Ein  drei  Monate 
hindurch  sich  erhaltender  Parallelisrons  des  Ganges  der  Tempera- 
tur ist  so  überraschend,  dafs  man  sich  zu  der  Frage  veranlaf&t 
fühlt,  ob  sie  noch  längere  Zeit  erhalten  wird.  Darüber  mofs  die 
Zukunft   entscheiden.     Die  Abweichungen  im  Man  1870  sind: 


2—6 

7—11 

12—16 

17—21 

22—26 

27—31 

Memel 

1.85 

—  1.53 

—1.48 

—4.51 

—  1.02 

1.03 

Tilsit 

1.72 

—3.18 

—3.61 

—4.38 

-1.13 

0.57 

Chnssen 

1.53 

—3.34 

—3.54 

—5.37 

—  1.81 

0.52 

Ktoigsbeit? 

1.60 

—2.83 

—3.97 

—4.28 

—0.62 

—0.22 

Heia 

—0.16 

—1.22 

—1.35 

— 1.J9 

—1.90 

—1.42 

Goniti 

0.50 

—1.82 

—3.91 

—4.29 

—1,73 

—0.58 

COslin 

1.17 

—2.26 

—4.11 

—2.62 

—  1.40 

—1.34 

Regenwalde 

1.60 

—2.38 

—4.32 

—2.66 

—0.90 

—0.28 

Stettin 

1.44 

—1.82 

—3.27 

—2.77 

—  1.23 

—  1.67 

Putbns 

0.51 

—0.70 

—3.09 

—2.21 

—0.88 

— 1.S3 

Wustrow 

0.48 

—1.30 

—2.40 

—  1.28 

—0.88 

—2.06 

Soitock 

0.69 

—1.33 

—2.24 

—1.95 

—1.16 

—2.37 

Schwerin 

0.89 

—1.44 

—2.08 

—1.51 

—1.51 

—2.55 

Seh5neberg 

0.95 

—1.17 

—  1.87 

—1.10 

—1.17 

—2.29 

Kiel 

1.01 

—1.05 

-2.32 

—1.38 

—  1.23 

—1.91 

Neomfinster 

1.19 

—1.25 

—2.86 

—  1.50 

—  1.57 

—2.28 

Altona 

1.18 

—1.09 

—2.30 

—1.30 

—2.06 

—  3.17 

Lfibeck 

1.05 

—1.44 

—2.32 

—  1.07 

—1.18 

—2.57 

Etttia 

1.48 

—0.91 

—1.89 

—1.40 

—1.43 

—2.01 

Otterndorf 

1.41 

^0.75 

—1.31 

—0.76 

—0.93 

—1.82 

Lünebaig 

1.59 

—0.65 

—2.18 

—0.09 

— 0.S5 

—  1.21 

Berlin 

1.61 

—1.80 

—2.01 

—1.65 

—1.17 

—  1.74 

Frankfurt  o.  d.  0. 

1.77 

—2,70 

—3.11 

—2.33 

-1.59 

—  1.82 

Posen 

2.26 

—2.21 

—3.03 

—2.44 

—1.07 

—1.01 

Bromberg 

2.00 

—2.20 

—4.57 

—3.79 

—1.61 

—0.66 

Ratibor 

2.30 

—2.47 

—2,91 

—3.59 

—1.50 

—1,81 

Zechen 

1.69 

—3.09 

—4.50 

—3.46 

—1.67 

—1.65 

Breslau 

2.05 

—3.24 

—3.47 

—3.03 

—1.81 

—2.08 

Landeck 

2.35 

—2.84 

—3.93 

—2.83 

— 2.3Ö 

—2.51 

Eiehberg 

2.79 

—2.95 

—4.38 

—1.94 

—2.08 

—2,50 

Naehtreig, 


225 


2—6 

7—11 

13—16 

17—21 

22—26 

27—31 

Göriitz 

2.02 

—3.07 

—3.59 

—2.67 

—2.12 

—2.76 

Wang 

3.92 

—2,73 

—2.94 

—1.62 

—1.91 

—2.69 

Toigaa 

1.27 

—1.89 

—2.72 

—1.58 

—2.06 

—2.47 

HaUe 

1.29 

—1.82 

—2.18 

—0.87 

—2.05 

-:2.38 

Erfart 

1.42 

—2.07 

—2.47 

—0.29 

—2.50 

—3.00 

Mühlhansen 

1.73 

—0.36 

—2.07 

0.49 

—1.72 

—2.40 

Heiligenstadt 

2.25 

—1.06 

—2.28 

—0.10 

—2.31 

—3.04 

Claastluil 

2.32 

—  1.12 

—2.36 

—0.03 

—2.48 

—3.27 

HannoTer 

1.73 

—0.81 

—  1.50 

0.31 

—2.13 

—2.62 

Oldenbui^ 

2.39 

—0.92 

—1.17 

—0.03 

—1.84 

—2.81 

Jcver 

1.91 

—0.17 

—0.60 

—0.29 

—1.33 

—2.29 

Emden 

1.73 

—0.20 

—1.04 

0.32 

—1.13 

—2.68 

Liflgen 

1.80 

—1.05 

—1.19 

0.38 

—1.95 

—3.02 

Löningen 

1.89 

—0.79 

—1.26 

0.36 

—1.82 

—2.75 

Münster 

2.60 

—0.48 

—1.38 

1.03 

—2.15 

—2.40 

Gütersloh 

2.25 

—0.83 

—1.75 

0.62 

—2.44 

—3.09 

Olsbeig 

2.68 

—1.00 

—1.78 

—0.24 

—2.88 

—3.32 

Cleve 

2.36 

—0.63 

—2.13 

0.45 

2.29 

—3.07 

Crefeld 

2.77 

—0,64 

—1.74 

0.91 

—2.03 

—2.94 

Coln 

2.68 

—0.62 

—2.82 

0.60 

—2.04 

—2.58 

Boppard 

2.27 

—0.51 

—2.28 

1.05 

—1.92 

—2.50 

Trier 

2.81 

—0.78 

—2.45 

1.15 

—2.13 

2.77 

Frankfurt  a.  M. 

0.61 

—2.59 

—3.21 

—3.04 

—2.48 

—2.08 

Darmstadt 

1.33 

—1.72 

—2.54 

0.09 

—3.08 

—3.23 

Hechingen 

2.71 

—0.88 

—2.98 

—0.04 

—3.15 

—2.40 

HobenzoUem 

2.45 

—2.22 

—3.44 

—0,73 

—3.83 

—3.67 

Stuttgart 

1.56 

—0.77 

—2.27 

—0.08 

—  3.12 

2.80 

Heilbronn 

0.00 

—1.56 

—3.25 

—0.62 

—3.36 

—2.98 

Frendenstadt 

2.50 

—1.19 

—3.30 

0.13 

—3.21 

—2.86 

Calw 

0.90 

—0.09 

—2.34 

0.54 

—3.50 

—2.41 

Ulm 

0.09 

—1.33 

—3.17 

—0.79 

—3.93 

3.79 

Schopfloeh 

2.30 

—1.55 

—3,48 

—0.50 

—4.39 

—3.57 

Heidenheim 

—0.14 

—0.89 

—4.56 

—0.37 

—3.88- 

—3.10 

Usnj 

2.50 

—0.97 

—3.42 

—0.46 

—3.75 

—2.77 

Friedrichshafen 

0.15 

—1.75 

—3.64 

—0.95 

—4.17 

—4.60 

Die  YeigleichuDg  der  extremen   Abweichungen  in    1870  und 
1865  enthält  die  folgende  Tafel: 


16 


226 


N<Khirag, 


^ 

1870 

1865 

Januar 

Februar 

März 

Januar 

Februar 

März 

6—10 

ö— 9 

12—16 
27—31 

11—15 

5—9 

1 

17     20 
27—31 

Memel 

5.16 

—12.53 

—4.51 

5.12 

—  8.69 

—5.35 

Tilsit 

5.54 

—14.37 

—4.38 

5.65 

—  9.90 

—6.93 

Cl  aussen 

5.79 

—15.39 

—5.37 

q.45 

—  9.68 

6.94 

Königsberg 

5.37 

—14.37 

—4.28 

5.17 

—  9.33 

—6.47 

Heia 

3.25 

—10.06 

—1.90 

3.34 

—  7.19 

—4.20 

Conitz 

5.09 

—14.58 

—4.29 

5.15 

—  9.07 

6.18 

Bromberg 

5.43 

—15.42 

—4.57 

5.39 

—  8.99 

—5.61 

Posen 

5.60 

—14.98 

—3.03 

5.14 

—  8.27 

4.80 

Zechen 

5.29 

—15.52 

—4.50 

5.07 

—  7.81 

—4.67 

Breslau 

5.89 

—  16.04 

—3.47 

5.35 

—  9.46 

—5.52 

Ratibor 

5.47 

—17.36 

—2.91 

5.59 

—10.19 

—6.2» 

Landeck 

5.67 

—  17.15 

—3.93 

6.08 

—  8.56 

—6.85 

Eichberg 

7.35 

—  12.66 

—4.38 

5.63 

—  7.86 

— G.41 

Wang 

5.89 

—  6.92 

—2.94 

5.02 

—  6.29 

—6.82 

Görlitz 

5.26 

—  13.65 

—3.59 

4.25 

—  8.47 

—5.71 

Zittau 

4.68 

—  12.78 

4.02 

—  9.19 

-6.711 

Hinterhermsdorf 

4.53 

—  9.25 

4.13 

—  7.71 

—7.61 

Bautzen 

5.00 

—  9.71 

4.73 

—  9.07 

—5.65 

Dresden 

4.86 

—10.32 

• 

3.96 

—  8.93 

—5.68 

GrüUenburg 

5.48 

—10.24 

4.74 

—  9.65 

—6.61 

Freiberg 

4.39 

—  9.16 

3.88 

—  8.95 

—6.12 

Rehefeld 

5.17 

—  9.44 

3.39 

—  8.40 

—7.48 

Reizenhain 

5.48 

—  10.51 

3.38 

—  8.79 

—7.08 

Annaberg 

4.79 

—   8.49 

3.11 

—  8.24 

—6.67 

Oberwiesenthal 

5.21 

—  9.59 

2.90 

—  7.07 

—6.94 

Elster 

4.95 

—  9.52 

3.52 

—  9.02 

—7.39 

Zwickau 

6.06 

—  8.90 

4.51 

—10.08 

—7.36 

Chemnitz 

7.13 

—  2.90 

4.02 

—  9.18 

—7.79 

Wermsdorf 

5.06 

—  11.36 

5.05 

—  8.44 

—5.66 

Riesa 

4.71 

—  11.64 

4.37 

—  9.46 

—5.26 

Torgau 

5.92 

^11.42 

—2.72 

4.40 

—  8.49 

—4.87 

Leipzig 

5.09 

—  11.49 

4.39 

—  9.87 

—7.09 

Zwenkau 

5.68 

—  9.56 

4.17 

—  9.78 

—5.91 

Halle 

5.88 

—10.61 

—2.38 

4.80 

—  9.62 

—5.75 

Erfurt 

6.45 

—10.26 

—3.00 

5.26 

—10.20 

—7.12 

Sondershauseu 

6.17 

—  9.88 

4.88 

—10.33 

—6.69 

Mühlhausen 

6.61 

9.20 

—2.40 

4.13 

—10.85 

-7.45 

Heiligenstadt 

5.81 

—  9.20 

—3.04 

4.26 

—10.16 

—6.49 

Nachtrag. 


227 


* 

1870 

1865 

Januar 

Februar 

Märe 

Januar 

Februar 

März 

6—10 

5—9 

12—16 
27     31 

11  —  15 

5-9 

17—26 
27—31 

Wernigerode 

4.92 

4.54 

-9.71 

—6.58 

Clansthal 

4.31 

—  8.53 

—3.27 

3.30 

—8.11 

—6.57 

Göttingen 

6.70 

—  8.20 

4.09 

—9.68 

—6.08 

Cösiin 

5.21 

—  12.11 

—4.11 

5.15 

—9.07 

—  6.18 

Regenwalde 

6.11 

—  12.94 

—4.32 

4.56 

—8.51 

—  5.28 

Stettin 

4.35 

—12.65 

—3.77 

4.46 

—8.06 

-4.96 

Patbus 

4.31 

—10.39 

—3.09 

3.52 

—.5.97 

—4.58 

Wustrow 

4.29 

—  9.91 

—2.40 

3.84 

—6.08 

—4.06 

Rostock 

4.89 

—  10.31 

—2.37 

4.22 

—6.67 

—3.79 

Schwerin 

5.53 

—  10.26 

—2.55 

4.27 

—8.15 

—4.68 

Hinrichsbagen 

5.48 

—  12.04 

—3.25 

4.79 

—8.27 

—4.77 

Berlin 

5.76 

—  12.35 

—2.01 

4.64 

—7.92 

—4.83 

Frankfurt  a.  d.  0. 

5.95 

—  13.87 

—3.11 

4.93 

—8.26 

—4.90 

Schönberg 

5.67 

—  9.38 

—2.29 

4.62 

—7.71 

—4.16 

Lübeck 

4.93 

—  9.39 

—2.57 

4.63 

—7.57 

—3.85 

Botin 

5.43 

—  8.45 

—2.01 

4.18 

—6.98 

—4.24 

Kiel 

5.00 

—  7.82 

—2.32 

4.29 

—6.77 

—3.76 

Neumünstcr 

5.37 

—  9.74 

—2.86 

-^ 

— 

— 

Altona 

5.92 

—  9.95 

—3.17 

4.55 

—7.79 

4.53 

Otterndorf 

5.47 

—  8.93 

—  1.82 

3.88 

—7.11 

—  3.90 

Lüneburg 

5.60 

—  9.47 

—  1.21 

4.72 

—8.88 

—4.79 

Hannover 

5.58 

—10.10 

—2.62 

4.52 

—9.46 

—6.04 

Oldenburg 

5.14 

—  8.84 

—2.81 

4.27 

—8.42 

—4.47 

Je%'er 

4.49 

—   7.90 

—2.29 

3.90 

—7.09 

—4.05 

Emden 

4.24 

—  7.69 

—2.68 

3.65 

—6.81 

—4.32 

LingcD 

4.83 

—   7.03 

—3.02 

4.14 

—8.33 

—5.00 

Löningcn 

4.79 

—  8.37 

—1.29 

3.96 

—8.46 

—5.04 

Munster 

5.06 

—  6.50 

—2.40 

4.05 

—8.26 

—5.44 

Gatersloh 

4.86 

—  7.24 

—3.09 

3.62 

—  8.72 

—5.64 

Otsberg 

5.92 

—  7.16 

-3.32 

3.49 

—8.54 

—6.10 

Cleve 

4.40 

—  6.89 

—3.07 

2.96 

—7.38 

—4.90 

Crefeld 

4.93 

—  6.68 

—2.94 

3.47 

—7.71 

—5.41 

Cöln 

4.98 

—  6.23 

—2.58 

3.73 

—6.74 

—5.38 

Boppard 

5.49 

—  7.05 

—2.50 

3.54 

—6.94 

—5.38 

Trier 

5.41 

—  6.91 

—2.77 

3.29 

-^6.73 

—5.64 

Birkenfeld 

5.42 

—  6.51 

3.40 

—7.71 

—5.09 

Kreuznach 

5.60 

—  7.05 

2.99 

—6.90 

—5.33 

236 


Nachtrag. 


1870 

1865 

Januar 

Febmar 

März 

Jannar 

Febmar 

Man 

6—10 

5     9 

12—16 
27—31 

11—15 

5—9 

17-26 
27—31 

Frankfurt  a.  M. 

5.06 

—  7.38 

—3.21 

2.85 

—7.93 

-5.70 

DarmstadI 

4.63 

—  7.84 

—3.23 

2.70 

—8.21 

—6.31 

Heilbrono 

4.36 

—  8.47 

—3.36 

2.15 

—7.96 

—6.43 

Stnttgard 

5.32 

—  6.96 

—3.12 

2.58 

—7.43 

—6.27 

Bechingen 

6.87 

—  7.70 

—3.15 

3.46 

—8.29 

—6.18 

HohenzoUem 

5.04 

—  6.81 

—3.83 

3.80 

—8.76 

—6.95 

Calw 

4.24 

—  6.15 

—3.50 

2.15 

—6.91 

—5.32 

Frendenstadt 

5.04 

—  6.58 

—3.30 

3.65 

—6.83 

5.82 

Ulm 

3.80 

—  9.58 

—8.93 

2.01 

—7.36 

—6.37 

Heidenhcim 

3.93 

—  8.60 

—5.00 

3.17 

—6.21 

—5.82 

Schopflocfa 

4.30 

—  7.88 

—4.39 

3.80 

—8.48 

—6.89 

Issny 

4.95 

—  6.88 

—4.42 

3.27 

—8.53 

—6.55 

Wien 

3.08 

—10.76 

—0.85 

4.59 

—7.84 

—5.62 

Friedrichshafen 

2.67 

—  6.82 

—4.54 

3.53 

—7.23 

—6.37 

Die  mitgetheilten  Zahlen  zeigen,  dafs  die  Kälte  Im  Februar 
zwar  im  südlichen  und  westlichen  Deutschland  1865  und  1870 
nahe  gleich  war,  dafs  die  Intensität  derselben  aber  im  östlichen 
im  Jahr  1870  eine  yiel  bedeutende  war.  als  1865.  Umgekehrt  war 
die  Abkühlung  Ende  März  1865  viel  erheblicher  als  1870.  Der 
Mai  1865  war  ungewöhnlich  warm  mit  starkem  Rückschlag  im 
Juni.  Wird  1870  dem  entsprechen?  Das  wenigstens  zeigt  sieb, 
dafs  nach  den  Stürmen  der  letzten  Jahre  die  Atmosphäre  zu  frü- 
heren Zuständen  zurückzukehren  rermochte. 

Durch  fünftägige  Mittel  können  die  gleichzeitigen  Wärme- 
erscheinungeu  in  Amerika  für  1865  nicht  dargestellt  werden.  Ich 
fuge  daher  in  der  folgenden  Tafel  nur  die  Abweichungen  der  mo- 
natlichen hinzu.  Die  neben  den  Namen  stehende  Zahl  bezeich- 
net, aus  wie  viel  Stationen  der  einzelnen  Staaten  die  Werthe  er- 
halten wurden.  Der  vollständige  Gegensatz  dieser  Abweichungen 
zu  dem  der  200  europäischen  Stationen,  deren  Abweichungen  ich 
(Klimatologische  Beiträge  p.  194—200)  mitgetheilt  habe,  bestätigt 
von  Neuem  die  übereinstimmenden  Erscheinungen  der  Jahre  1865 
und  1870. 


Naehtrag. 


829 


Januar 

Februar 

März 

Haine 

5 

—0.90 

0.67 

2.04 

N«w  Hampshire 

4 

—0.90 

0.68 

2.63 

Vermont 

4 

—0.76 

—0.68 

4.46 

MassachufieU 

12 

—0.45 

0.71 

2.63 

Connecticut 

4 

—1.78 

0.80 

2.31 

New  York 

18 

—0.84 

0.18 

2.84 

New  Jersey 

4 

— X).27 

0.09 

2.98 

Pennsjlvaniea 

19 

—0.09 

—0.71 

2.76 

Marjlaud 

5 

0.27 

—0.04 

2.76 

Ohio 

19 

—1.96 

0.18 

2.58 

Michigan 

7 

0.0 

1.91 

2,76 

Indiana 

4 

—1.29 

1.47 

2.62 

Illinois 

13 

—0.36 

2.18 

0.40 

WiMonsia 

13 

—2.80 

3.07 

0.58 

Jowa 

8 

0.04 

2,40 

—0.80 

Im  Februar  treten  bereits  in  den  Innern  Staaten  hohe  positire 
Differenzen  hervor,  wo  in  den  atlantischen  Staaten  die  Temperatur 
noch  fast  normal  ist  So  wie  im  März  die  Abweichungen  in  die- 
^n  bedeutend  werden,  sind  sie  unbedeutend  in  den  innem.  Oans 
dasselbe  zeigte  sich  im  Jahr  1845.  Wir  glauben  daher  den  Satz 
aussprechen  zu  dürfen : 

Anomale  in  Europa  hervortretende  K&lte  be- 
wegt sieh  im  Allgemeinen  von  Ost  nach  West 
also  voo  Europa  nach  Amerika  hinüber,  wäh- 
rend die  darauf  folgende  anomale  Wärme  in 
entgegengesetzter  Richtung  dann  sich  von 
West  nach  Ost   fortpflanzt 

Für  1845  mögen  folgende  Bemerkungen  genügen,  da  die  Ab- 
weichungen der  Monatsmittel  Februar  and  Mftrc  (Klimatologische 
Beitrage  IL  p,  253 — 255)  gegeben  sind. 

Das  Jahr  1845  ist  eins  der  ausgezeichnetsten  durch  die  bis 
in  das  Sp&tfrühjahr  andauernde  Kälte.  Am  L  März  waren  in 
Nord-Deutschland  alle  Eisenbahnen  in  Schnee  vergraben,    so  dafa 

/ 


330  Nachtrag. 

überall  Militär  aufgeboten  wurde,  um  sie  frei  zu  machen.  In  der 
zweiten  H&lfte  des  Februar  waren  in  Bessarabien,  Yolhynien  und 
Podolien  grofse  Schneestürme,  ebenso  in  Ungarn  und  Siebenburgen 
ungeheure  Massen  Schnee  gefallen.  Auf  dem  St.  Gotthard  soll 
der  Schnee  im  März  30  Fufs  tief  gewesen  sein.  In  Augsburg  fro- 
ren am  10.  Februar  die  Wasserwerke  bei  — 22°  R.  ein;  am  14. 
war  der  Rhein  bei  Mannheim  völlig  zugefroren,  in  gleicher  Weise 
der  Untersee  des  Bodensee.  Diese  Kälte  verbreitete  sich  dann 
auch  nach  Scandinavien,  wo  vorher  milde  Witterung  geherrscht 
hatte.  Der  Sund  war  seit  dem  23.  Febraar  zugefroren,  ebenso  der 
grofse  Belt..  In  Ghristiania  stand  am  20.  Februar  das  Thermo- 
meter — 24°  R.,  in  Metz  — 15.0,  in  Lyon  — 14.4,  in  Paris  — 9.4, 
am  lOten  — 12°  in  Brüssel.  Um  diese  Zeit  war  strenger  Winter 
in  Algerien,  es  fielen  dort  grofse  Schneemassen;  ebenso  in  Marocco, 
so  dafs  die  dortige  Küste  und  die  gegenüberliegende  spanische  mit 
Schnee  bedeckt  waren.  Am  8.  März  stellte  sich  das  Eis  des  Rhei- 
nes von  Neuem,  ja  am  12.  März  schneite  es  bei  Montpellier  und 
noch  Mitte  Mai  in  den  Vogesen  und  dem  Schwarzwald.  Bei  Prag 
war  die  Moldau  114  Tage  mit  Eis  bedeckt,  am  längsten  seitdem 
man  Beobachtungen  besitzt,  da  die  mittlere  Dauer  nur  66.4  Tage 
beträgt.  Die  mittlere  Dicke  des  Eises  betrug  an  der  Prager  Brücke 
19.8  Zoll,  an  den  Pfeilern  21.9.  Bei  so  lang  anhaltender  Kälte 
verspätete  sich  daher  die  Vegetation  auffallend.  Das  Schneeglöck- 
chen blühte  am  Spirdingsee  in  Ost-Preufsen ,  30  Tage  später  als 
gewöhnlich,  in  Brüssel  31  Tage,  die  Verspätung  war  also  gleich 
an  so  entfernten  Orten,  obgleich  dort  die  Blüthe  auf  den  14.  April 
fiel,  hier  auf  den  25.  März. 

Auf  der  15.  Tafel  des  Atlas  habe  ich  für  den  Februar  and 
iur  den  März  die  Isametralen  entworfen.  Im  Februar  fallt  die 
kälteste  Stelle  in  die  Gegend  von  Wilna.  Die  nördliche  Grenze 
des  kalten  Stromes  läfst  sich  nur  erreichen,  wo  er,  bisher  ganz 
Europa  umfassend,  sich  auf  dem  Meere  nach  Süden  herabsenkt 
und  durch  den  nördlichsten  Küstensaum  von  Schottland  geht  Im 
März  ist  die  kälteste  Stelle  mehr  nach  Westen  gerückt.  Sie  bildet 
eine  Berlin  mit  Warschau  verbindende  Linie.  Der  Strom  ist  aber 
zugleich  schmaler  geworden.  Seine  Nordgrenze  ist  bis  in  die  Mitte 
von  Lappland  herabgekommen,  während  die  südliche  Grenze  von 
der  Mitte  Spaniens    durch    die    von    Sardinien    hindurchgeht   und 


Nachtrag.  23 1 

Griechenland  unter  sich  l&fet,  endlich  von  der  Krimm  aas  schnell 
in  der  Richtung  von  SW  nach  NO  hinaufifiuft. 

Die  Karten  deuten,  da  sie  nur  Europa  umfassen,  den  daneben 
fliefsenden  warmen  Strom  nur  an,  der  in  Amerika  zur  vollen  Herr- 
schaft gelangt. 

Die  gröfste  Abkühlung  im  Februar  1845  ist  das  fünftägige  Mittel 
vom  lOten  bis  14ten.  Sie  war  in  Archangel  — 9.74,  Petersburg 
—8.80,  Mitau  —9.84,  Arys  —9.98,  Breslau  —9.09,  Stettin  —7.38, 
Berlin  —8.31,  Leipzig  —7.51,  Jena  —8.50,  Arnstadt  —10.27, 
Aschersleben  — 7.14,  Brocken  — 7.10,  Braunschweig  — 8.87,  Gü- 
tersloh —8.20,  Peissenberg  —9.50,  Genf  —6.38,  Moscau  —5.60, 
Brüssel  —7.91,  Paris  —6.79,  London  —4.41,  Dublin  —2.18,  die 
im  März  das  Mittel  vom  12.  bis  16.  Sie  war  in  Archangel  — 10.11, 
Petersburg  —10.39,  Mitou  —10.62,  Arys  —12.92,  Breslau  —9.49, 
Stettin  —10.34,  Sülz  —12.09,  BerUn  —11.20,  Leipzig  —10.33, 
Jena  — 9.75,  Aschersleben  — 10.20,  Arnstadt  — 9.85,  Brocken 
—8.27,  Braunschweig  —9.91,  Gütersloh  —10.97,  Moscau  —6.68, 
Brüssel  —8.79,  Paris  —7.47,  London  —7.19,  Dublin  —5.59,  wo- 
gegen 1865  und  1870  erheblich  zurücktreten,  obgleich  die  Zeit  dev 
Eintritts  dieselbe,  da  der  Überschufs  der  Wfirme  im  Januar  im 
westlichen  £uropa  auch  auf  denselben  Zeitraum  6. — 10.  Jan.  fallt. 
Er  ist  in  Petersburg  7.33,  Archangel  7.34  (vom  11. — 15),  Mitau 
4.97,  Arys  5.39,  Stettin  4.14,  Berlm  4.70,  Breslau  4.61,  Leipzig 
5.37,  Jena  4.10,  Breslau  4.61,  Aschersleben  5.10,  Brocken  7.46, 
Braunschweig  4.03,  Gütersloh  3.16,  Brüssel  3.03,  Paris  1.65,  Lon- 
don 3,04,  (beide  11—15,)  Dublin  2.71. 

Die  hier  mitgetheilten  Ergebnisse  zeigen,  dafs  wir  dem  Ver- 
standnifs  der  nicht-periodischen  Veränderungen  einen  Schritt  näher 
getreten  sind. 


Die  Übereinstimmung,  welche  wir  in  den  Teraperaturcurveu 
des  Januar  und  Februar  des  Jahres  1865  und  1870  fanden,  führt 
natürlich  schliefslich  zu  der  Frage,  wie  sie  sich  vorbereitet,  oder 
mit  andern  Worten,  wo  wir  annehmen  dürfen,  dafs  sie  beginnt. 
Es  ist  oben  schon  angedeutet  worden,  dafs  der  ungewöhnlichen 
Müde  der  ersten  Hälfte  des  Januar  eine  zeitweise  das  südliche 
Deutschland   vorzugsweise   umfassende  Kälte,    welche   zu  enormen 


332  Nachtrag. 

Schneefällen  Veranladsung  gab,  vorherging.  Die  Abweichnng  des 
funftfigigen  Mittels  vom  27.  bis  31.  Decenber  ist  nfimlich,  wenn 
wir  von  Ostpreufsen  nach  dem  Bodensee  gehen,  folgende: 

Memel  --0.G6,  Tilsit  —4.02,  Claussen  —3.70,  Königs- 
berg —3.46,  Heia  —3.13,  Cöslin  —2.92,  Regenwaldo 
—2.86,  Stettin  —3.04,  Conita  —2.98,  Bromberg  —3.51, 
Posen  —1.99,  Zechen  —2.16,  Breslau  —0.98,  Ratibor 
—1.04,  Landeck  —0.08,  Eichberg  —1.56,  Wang  — 0.92, 
Görlitz  —1.04,  Frankfort  —3.71,  Berlin  —3.42,  Torgau 
—2.67,  Halle  —3.56,  Langensalza  —4.18,  Erfurt  —3.85, 
Gotha  — 3.24,  Muhlhansen  — 4.31,  Sondershausen  — 4.41, 
Heiligenstodt  —2.86,  Wernigerode  —3.25,  Clansthal  —3.21, 
Göttingen  — 3.31. 

Hinrichshagen  —3.13,  Putbus  —2.13,  Wnstrow  —2.28, 
Rostock  —3.15,  Schwerin  —3.12,  Schönberg  —2.76,  Lü- 
beck —2.41,  Eutin  —2.26,  Kiel  —2.37,  Neumünster  —2.75, 
Altona  —2.60,  Otterndorf  —2.79,  Lüneburg  —3.38,  Han- 
nover —2.92,  Oldenburg  —2.45,  Jever  —1.93,  Emden 
—2.51,  Lingen  —2.50,  Löningen  — 2<46,  Münster  —2.15. 
Gütersloh  —3.09,  Olsberg  —2.43,  Cleve  —2.95,  Crefeld 
—3.73,  Cöln  —3.16,  Boppard  —3.66,  Trier  —3.98,  Bir- 
kenfeld — 5.51,  Kreuznach  — 5.53,  Frankfurt  — 4.52,  Darm- 
stadt —5.19,  Calw  —8.05,  Hetlbronn  —9.35,  Stuttgard 
—6.07,  Freudenstadt  —5.09,  Hechingen  —6.94,  Hohen- 
zoUern  —6.28,  Schopfloch  —5.62,  Issny  —5.12,  Frie- 
drichshafen —5.09,  Ulm  -7.75,  Heidenheim  —8.17. 

Die  Zunahme  der  Abkühlung  von  NO  nach  SW  hin  tritt  evi- 
dent hervor.  Sie  erstreckt  sich  auf  das  südliche  Europa.  Da  hier 
die  normalen  mittleren  Werthe  fehlen,  so  mögen  die  absoluten  Ex- 
treme die  Stelle  der  Abweichung  vertreten.  Die  früher  mitgetheil- 
ten  bezogen  sich  auf  Januar  und  Februar  1870.  Die  des  Deceni- 
bers  18G9  sind,  wie  aus  der  Yergleichung  mit  jenen  hervorgeht, 
an  vielen  südlichen  Stationen  die  bedeutendsten  des  ganzen  Win- 
ters.    Diese  Extreme  sind  (R.): 

le  Puy  —15.0,  Aosto  —11.2,  Caleves  —10.8,  Foix 
— 9.9,  Ichtratzheim  — 9.4,  Doulevant  — 9.3,  Auxerre  — 9.2, 
Rodez  —8.8,  Metz  —8.3,  Beauficel  —8.2,  Soissons  —8.0, 
Pavia  —8.0,  Fecamp  —7.9,  Montorgis  —7.6,  Turin  —7.3, 


Nachtrag.  233 

Chatillon  —7.2,  Poitlers  —7.2,  Verdan  —7.1,  Lugano 
—7.0,  Ferrara  —7.0,  Mantna  —7.0,  Padoa  —7,0,  Moii- 
culieri  —6.4,  Reggio  (Emilia)  —6.8,  Biella  —6.7,  Mont- 
pellier — 6.6,  Sacra  di  S.  Michele  — 6.5,  Onastalla  — 6.4. 
Beyrie  — 6.2,  Cremona  — 6.2,  Mondovi  — 6.0,  Ronen 
— 6.0,  Cosne  — 5.9,  Modena  — 5.9,  Marseille  — 5.8,  Mai- 
land — 5.8,  la  Charite  — 5.8,  Lavallade  — 5.6,  Casale 
—  5.6,  Monferato  — 5.6,  St  Matthieu  — 5.4,  Blois  — 5.4, 
Alessandria  — 5.4,  Pinerolo  — 5.3,  Aquila  — 5.3,  Brescia 
— 5.2,  Nantes  — 5.2,  Tours  — 5.0,  Tarbes  — 4.8,  Cannes 
— 4.8,  Lorient  —  4.5,  Bezieres  — 4.4,  Perpignan  — 4.0, 
Biariz— 3.6,  Siena— 3.4,  Isle  d'Aix  — 3.3,  Bologna— 3.1, 
Murcia  — 3.0,  Camerino  — 3.0,  Perugia  — 2.9,  Ferrara 
—2.8,  Santiago  —2.8,  Forli  —2.3,  ürbino  —2.2,  Chiog- 
gia  — 2.2,  Florenz  — 1.6,  Livorno  — 1.5,  Venedig  — 1.2, 
Genua  —0.4,  Rom  —0.2,  Chieti  0.2,  Jesi  0  2,  Velletri  0.8, 
Neapel  1.4,  Catanzaro  3.4,  Catania  4.2,  Palermo  4.7. 

Im  südlichen  Deutschland  war  dieser  starken  Abkühlung  eine 
sehr  hohe  Temperatur  vorhergegangen,  so  dafs  das  Mittel  Tom 
17ten  bis  21ten  December  an  manchen  Orten  11  bis  13  Grade 
höher  ist  als  >das  vom  27ten  bis  31ten.  Es  ist  nun  interreesant, 
dafs  im  December  1864  ebenfalls  der  Wärme  zu  Anfang  des  Ja- 
nuar eine  auf  das  letzte  Drittheil  des  Decembers  fallende  starke 
Kälte  vorhergeht,  aber  das  Maximum  derselben  fällt  auf  den  22ten 
bis  26ten  und  ist  sehr  intensiv  in  Schlesien.  Hier  verliert  sich 
also  der  Parallelismus  beider  Jahre,  denn  in  Suddeutschland  fehlt 
auch  die  auf  den  17ten  bis  21ten  December  hervortretende  hohe 
Temperatur. 

Den  entschiedensten  Gegensatz  zu  Europa  bildet  auch  im  De- 
cember 1869  Amerika.  In  South  Trenton  in  New  York  wird  die 
Luft  zu  Weihnachten  balsamisch  mild  genannt,  in  Zuny  Station  in 
Virginien  pflückte  man  am  Neujahrstage  blühende  Rosen  im  Freieu. 
Diese  nach  früherer  Kälte  eingetretene  Milde  umfafste  die  nörd- 
lichen Staaten,  denn  in  Steuben,  Lisbon,  Norway  in  Maine  ver- 
schwand der  Schnee  am  31sten.  Von  Buffalo  schrieb  man,  die 
Luft  sei  frühlingsmäfsig.  In  den  innern  Staaten  trat  diese  Wärme 
90  plötzlich  ein,  dafs  in  West  ßend  in  Jowa  das  auf  — 20.9  her- 
abgesunkene Thermometer   sich   3? 6   über   den   Frostpunkt  erhob, 


234  Nachtrag, 

während  man  in  Monroe  City   die   letzten  Tage  des  December  als 
verspäteten  Indianersommer  bezeichnete. 

Am  2ten  und  3ten  Januar  strich  hingegen  ein  äufserst  hefti- 
ger Schneesturm  über  Neu-England,    über  die  innern  Staaten,    die 
südlichen   diesseits   des  AUeghanies,    und  westlich  über  die  Sceon 
nach  Michigan  hin.     In  Lunenburg  in  Massachusets  war  er  zuerst 
NW,    dann  SO,    zuleUt  SW,    in   Newark  in  New  Jersey  SO.  S. 
SW,  welches  auf  eine  Cyclon  deuten  würde,  wenn  er  nicht  in  Buf- 
falo  wüthende  SWGale   genannt  und   in  Massachusets  überall  als 
Gale  bezeichnet  wurde.      Dies   macht  es  wahrscheinlich,    dafs  es 
ein  heftiger  aber  von  dem  herrschenden  Äquatorialstrom  zurückge- 
wiesener Angriff  des  Polarstromes  war.     Diefs  gilt  entschieden  von 
dem   vom   14ten   bis   15ten  Januar  einbrechenden    und   am    17tcn 
auf  grofse  Strecken  als  heftiger  Gewittersturm  auftretendem  Winde. 
Die  plötzlich   hervortretende   enorme  Abkühlung  von   kurzem   Be- 
stand ist  ein  Beleg  dafür.      Ein  Nordwind,    heifst  es  von  Leyden 
N.  y.,   brachte  die  Wärme  auf  — 20.4,    bevor  er  aber  New  York 
erreichte,  wo  die  Temperatur  — 7.1,  warf  ihn  der  Südwind   zurück 
und  steigerte  die  Temperatur  in  48  Stunden  um  24°  R.     In  North 
Ilammond  N.  Y.    stieg    vom    14ten    zum    löten    die  Wärme    von 
— 20.4   auf  6.2  in   20  Stunden.      Das   vorhergehende   Fallen   war 
ebenso  rasch.     In  Peoria  in  Illinois  fiel  am  16ten  bei  dem  Gewit- 
terstnrm  das  Thermometer  20°  R.  in  10  Stunden,  in  Wartensburg 
Mo.  stand  am  15ten  Mittags  das  Thermometer  14? 2,  Abends  9  Uhr 
—  16.0,  also  30°  Abkühlung  in  9  Stunden,  in  West  Union  24°  in 
10  Stunden.     In  Winnebago  in  Illinois  fiel  es  in  9  Stunden   19?5, 
in  Peoria  20°  in  derselben  Zeit,    in  Guttenberg  in  Jowa  21  ?7   in 
8^  Stunden,  in  Leavenworth  (Kansas)  fiel  es  am  16ten  23°  in  8  Stun- 
den,  in  Le  Roy  am  17ten  in   10  Stunden  von  9.8  auf  — 10? 7,  in 
Council  Grove   sank   die  Temperatur    11°    in    3  Minuten,    als  der 
heftige  Südwind  in  einen  Nordwind  sich  verwandelte.     Aufser  die- 
sem  kalten  Nordsturm  wird   der  Monat  überall  als  „pleasant^  be- 
zeichnet.    Einige  Beispiele  mögen  genügen,   welche  den  Gegensatz 
zu  dem  warmen  Anfang  des  Januars  in  Europa  und  der  Abkühlung 
in   der  zweiten  Hälfte  deutlich  hervortreten  lassen.      Die  vor  dem 
Namen   des  Staates   stehende  Zahl   bezeichnet  die  höchste  in  dem- 
selben beobachtete  Wärme. 


Nachtrag.  235 

10.7  Maine.  Houhon:  eisig  bis  znm  25sten,  Steuben:  Schnee  ver- 
schwindet am  16ten,  Flusse  und  Buchten  eisfrei  am 
31sten,  West  Waterville :  Monat  mild  und  feucht,  3?31 
warmer  als  im  sechsjährigen  Mittel,  Gardiner:  Monat 
3.05  wärmer  als  34j.  M.,  Noricay:-  warm  open  Januaiy, 
Comishville:  3? 89  wärmer  als  41j.  M. 

10.2  New  Hampshire.    Goffstoum  Center :  warm  und  feucht,  Frost 

aus  dem  Boden  am  31sten. 

8.9  Vermont.  Graftahury:  warmer  Januar,  Schnee  endet  in  Re- 
gen, East  Bethel:  seit  vielen  Jahren  am  wärmsten,  Mid- 
dlehury:  wärmster  Januar  in  16  Jahren,  Panton:  Veil- 
chen im  Garten  am  4ten. 

14.7  Massachusets.  Kingston:  kein  Frost  im  Boden  den  ganzen 
Monat,  Topsfield:  oft  wie  im  April,  Georgetown:  Crocus 
blühte  an  sonnigen  Stellen,  die  Bäche  offen  den  ganzen 
Monat,  West  Newton:  Lowedzahn  und  Stiefmutterchen 
blühen  am  27sten,  Lunenburg:  mildester  Januar  seit 
1851,  Worcester:  Weidengebusch  in  Blfithc  am  28sten. 

11.6  Connecticut.  Middletown:  Flüsse  eisfrei  den  ganzen  Mo- 
naty  Rothkehlchen  am  23sten. 

16.0  New  York.  Palermo:  1863  ausgenommen  der  wärmste  Ja- 
nuar in  17  Jahren,  Depauville:  2?  22  über  dem  sechs- 
zeitigen Mittel. 

16.0  New  Jersey.  Newark:  Aufser  1858  seit  26  Jahren  am 
wärmsten,  3? 2  über  dem  Mittel,  Moorestown:  wärmster 
hier  bekannter  Januar,  Frosche  am  17ten,  Löwenzahn 
blüht  am  25sten,  Bio  Grande:  Frühlingsmorgen,  die 
Vogel  singen  am  268ten,  Haddonfield:  Löwenzahn  am 
16ten,  Veilchen  am  23sten,    gelber  Jasmin  am  268ten. 

147  Pensylvanien.  Nyces:  sehr  mild,  Rothkehlchen  und  Krähen 
am  27sten,  Dyherry:  4? 44  über  dem  fünQährigen  Mit- 
tel, Falsington:  Delaware  eisfrei  am  26sten,  PkiladeU 
phia:  der  wärmste  Januar  in  IS  Jahren,  3? 89  zu  warm, 
Germantown:  Spirea  belaubt^  Löwenzahn  und  Jasmin 
blühen  am  27sten9  Factoryville:  Flüsse  offen,  überall 
Gewitter  am  17ten,  ebenso  in 

21.3  Virginien.    Johnsontown:  Pfirsich  blühten  am  31sten,  Hamp- 

ton:  babylonische  Weide  voll  belaubt  am  31sten,  nicht 
eine  Schneeflocke  den  ganzen  Monat,  Zuni  Station: 
Ahorn  (Acer  rubrum)  blüht,  Wiesen  grün,  ist  dies  Win- 
ter?, Piedmont  Station:  Vögel  singen  am  12ten,  der 
Zaunkönig  ist  hier  geblieben,  blue  birds.ani  16ten, 
Lynchburg:  Kartoffeln  gepflanzt,  die  am  14ten  gesäten 
Erbsen  keimen  am  24ten. 


236  Nachtrag. 

20.4.  Süd-Cnrolina.  Anderson:  Erle  blüht  am  ISten,  Gotodeys- 
ville:  warm  uild  schön  vom  I2ten  zum  3l8ten,  Klee 
and  Weisen  steht  schön. 

23.1  Florida.  Pilatka:  warm  vom  6ten  bis  3l8ten,  Orangen, 
Pfirsiche  und  Pflaumen  blühen. 

19.6  Louisiana.  New  Orleans:  Erdbeeren  blühen  vom  12ten  bis 
21ten,  Sommertage  vom  24ten  bis  Slsten«  aber  die 
Nfichte  kühl. 

17.8  Tennessee.  Austin:  prachtvolles  Wetter  nach  dem  Gewit- 
tersturm am  17ten»  Trentan:  warmer  feuchter  Winter. 

15.1  Ohio.    Viel  Regen  und  Schnee. 

14.2  Kentucky.    Dasselbe. 

9.8  Jowa.    Waterlow:    mildester  Winter  seit  vielen  Jahren,    Lo- 
gan:    dasselbe. 

8.0  Michigan.    Litchfield:  Monat  mild  aber  1?9  kfilter  als  1869, 

Northport:  kein  Eis  in  der  Bay. 

16.0  Illinois.  Aurora:  Monat  mild,  den  Sturm  am  16ten  ausge- 
nommen. 

6.2  Wisconsin.    Baraboo:  mildester  hier  bekannter  Winter. 

16.0  Kansas.  Council  Grove:  aufser  dem  schnellen  Fall  am  16ten 
und  ITten  der  Monat  angenehm. 

7.1  Utah.    Harrishurg:  erste  Hälfte  des  Monats  kfilter  als  seit  b 

Jahren. 

20.4  Californien.  Ckico:  seit  dem  16ten  growing  weather,  Wat- 
sonville:  mehr  Frost  und  weniger  Regen  als  gewohnlich, 
Vacaville:  Dürre  in  Snd-Califomien  gefürchtet« 

.8.4  Montana  Territory.  Dear  Lodge  City:  der  wärmste  hier 
bekannte  Janaar. 

14.2  Washington  Territory.  Walla-Walla:  Frost  am  258ten 
aus  dem  Boden,  Butterblume  blüht  am  29sten. 

Der  Übergang  von  den  Ostküsten  zu  den  Westküsten  tritt^ 
wie  er  von  Dr.  Blake  geschildert  wurde,  also  deutlich  hervor. 
Welcher  Gegensatz  der  Vereinigten  Staaten  zu  dem  Zurückbleiben 
der  Vegetation  in  Europa,  und  zu  dem  nur  durch  kurze  Zwischen- 
räume der  Wärme  nicht  enden  wollenden  Winter. 


In  Ferd.  Dummler's  Verlagsbuchhandlung  sind  neuerdings 
folgende  akademische  Abbandlungen  aus  dem  Jahrgang  1869  er* 
schienen : 

Ehbbrbsbg,  Über  mächtige  Gebirgsschlchten  Torberrschend  ans  mikroskopi- 
schen Bacillarien  unter  und  bei  der  Stadt  Mexiko. 

Preis:    1  Thlr.  15  Sgr. 

Lbpstos,  Über  den  chronologischen  Werth  der  Assyrischen  Eponymen  und 
einige  Berührungspunkte  mit  der  Aegytischen  Chronologie.  ^ 

Preis:    15  Sgr. 

BoTH,    Beiträge  zur  Petrographie  der  plutonischen  Gesteine. 

Preis:    3  Thlr.  7  Sgr.  6  Pf. 

Maohos,    Über  Emission,  Absorption  und  Reflexion  der  bei  niederer  Tem- 
peratur ausgestrahlten  Wärmearten. 

Preis:    15  Sgr. 

Br8CHMii95,  Grammatik  der  souorischen  Sprachen:  vorzüglich  der  Tarahn- 
mara,  Tepegnana,  Cora  und  Cahita;  als  IX.  Abschnitt  der 
Spuren  der  aztekischen  Sprache.  2.  Ahth.  der  Artikel,  das 
Substantivurn  und  Adjectivum. 

Preis:    3  Thlr.  15  Sgr. 

Roth,  Über  den  Serpentin. 

Preis:    14  Sgr. 

Hagbn,  Über  die  Bewegung  des  Wassers  in  cylindrischen,  nahe  horizonta- 
len Leitungen,  und  über  die  Bewegung  des  Wassers  in  vertikal 
abwärts  gerichteten  Röhren. 

Preis:    12  Sgr. 


Zur  Nachricht, 

In  den  Abhandlungen  der  Akademie  sind  in  den  Jahrgängen  1852, 
1853,  1862j  1864  keine  Mathematischen  Klassen  enthalten. 


MONATSBERICHT 

DKS 

KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

April  1870. 


Vorsitzeoder  Sekretär:    Herr  Kammer. 


7.  ApriL     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  C.  RammeUberg  las  über  die  Stellang  des  Thal- 
liums in  der  Reihe  der  Elemente. 

Unter  den  in  neuester  Zeit  entdeckten  Elementen  nimmt  kei- 
Des  das  Interesse  so  vielfach  in  Ansprach  als  das  Thalliam.  Nie- 
mand wird  einen  Augenblick  zweifelhaft  sein,  dafis  Robidiom  und 
Cäsium  sich  in  jeder  Beziehung  dem  Kalium  anreihen,  dafs  dem 
Jndium  ein  Platz  in  der  Nfihe  des  Zinks  gebührt«  Aber  wohin 
gehört  das  Thallium?  Seine  physikalischen  Eigenschaften,  sein 
Verhalten  zum  Chlor,  Brom,  Jod,  zum  Schwefel  u.  s.  w.  stellen  es 
zu  den  schweren  Metallen,  in  die  Nfihe  des  Bleis.  Die  leichte 
Löslicbkeit  seines  Oxyds  und  Hydroxyds  und  die  stark  alkalischen, 
ja  fitzenden  Eigenschaften  des  letzteren  stempeln  es  im  Gegentheil 
za  einem  wahren  Alkalimetall,  und  die  Isomorphie  seiner  Salze 
mit  denen  des  Kaliums  (Ammoniums,  Natriums)  ist  ein  weiterer 
Grund,  das  Thallium  zur  Gruppe  des  Kaliums  zu  rechnen. 

So  zahlreich  die  bisher  bekannt  gewordenen  Thatsachen  sind, 
welche  die  Thalliumvcrbindungen  betreffen,  so  bleibt  doch  noch 
manche  Lücke  auszufallen;  es  sind,  wie  mir  scheint,  besonders 
jene  eigenthumlichen  Verbindungen  noch  genauer  zu  studiren,  wel- 
che den  höheren  Oxyden  des  Thalliums  angehören.  Das  Nachfol- 
gende ist  nur  ein  kleiner  Beitrag  zur  Lösung  dieser  Aufgabe, 
welche  in  der  Seltenheit  des  Materials  ihre  Schwierigkeiten  hat. 
[1870]  17 


238  OesamnUsitzung 

Im  Anschlufs  an  frühere  Arbeiten  habe  ich  mich  bemuht,  die 
Jodate  und  Peijodate  des  Thalliums  darzustellen ,  und  werde  die 
erhaltenen  Resultate  hier  kurz  angeben.  Dabei  sei  bemerkt,  dafs 
das  Atomgewicht  Tl  =3  204  angenommen,  d.  h.  dafs  das  Thallium 
als  einwerthig  betrachtet  ist  Allein  aufser  dem  Oxyd  TPO  giebt 
es  ein  braunes  Sesquioxyd,  Tl'O*,  ein  entsprechendes  Tri-  oder 
Hexachlorid  (TlCl*  =  TlCl*),  und  selbst  eine  Reihe  von  Oxy- 
salzen,  deren  Molekül  2  At.  Thallium  (Tl)  enth&lt,  die  daher  Di- 
th  all!  um  salze  genannt  sind.  In  diesen  Verbindungen  ist  die 
Gruppe  Tl  sechswerthig,  gleich  AI,  Fe,  Mn,  Cr. 


Jodsaures  Thallium. 

Thalliumjodat  entsteht,  wenn  eine  Auflösung  von  Thallium- 
hydroxyd mit  Jodsfiure  versetzt  wird.  Es  föllt  in  Form  eines 
weifsen  Pulvers  nieder.  Auch  aus  Thalliumsalzen  und  einem  lös- 
lichen Jodat  ist  es  leicht  zu  erhalten.  Sein  Ansehen  verräth  keine 
erkennbare  krystallinische  Natur;  in  Wasser  ist  es  kaum,  in  Sal- 
petersfiure  schwer  löslich.  Bei  150°  ist  es  noch  unverändert,  und 
enth&It  überhaupt  kein  «Wasser.  Die  Analyse  bestätigte  die  For- 
mel TIJO*. 

berechnet  gefanden 

Tl  ==  53,82 


\  8z  > 


3  0       12,67 


100 

Bei  stärkerem  Erhitzen  schmilzt  es  zu  einer  braunen  Flüssigkeit, 
entwickelt  Sauerstoff  und  Jod,  und  liefert  ein  reichliches  Sublimat 
von  Thalliumjodid.  Hierbei  werden  Glasgefäfse  durch  die  gleich- 
zeitige Bildung  des  Oxyds  Tl^O  stark  angegriffen. 

Dithallium jodat  entsteht,  wenn  frischgefälltes  braunes  Thal- 
liumsesquioxyd  mit  einer  Auflösung  von  Jodsäure  erwärmt  wird. 
Dabei  löst  sich  keine  Spur  Thallium  in  der  Säure  auf,  das  braune 
Oxyd  aber  verwandelt  sich  in  ein  bräunlichgraues  schweres  kry- 
stallinisches  Salz,  welches  durch  Wasser  nicht  verändert  wird  und 
selbst  in  Salpetersäure  schwer  löslich  ist.  Es  giebt  sich  als  ein 
Dithalliumsalz  dadurch  zu  erkennen,  dafs  seine  salpetersaure  Auf- 
lösung von  Alkalien  braun  gefällt  wird,  oder  dadurch,  dafs  es  bei 


vom  7.  April  1870.  239 

der   Behandlang   mit   Kalilange   anter   Abscheidang    des   braunen 
Oxyds  eine  thalliamfireie  AnflSsang  giebt 

Bei  der  Schwierigkeit  der  direkten  Thalliambestimniang  darf 
es  nicht  befremden,  wenn  die  Analyse  solcher  Salze  etwas  zu  wün- 
schen abrig  Ififet.  Im  yorliegenden  Fall  war  jedoch  mit  Sicherheit 
festzostellen,  dafs  3  At  Jod  auf  1  At.  Thallium  kommen,  so  dafs 
fSr  das  Dithallinmjodat  die  Formel 

TlJ«0"4-3aq 
gerechtfertigt  erscheint 

Berechnet  gefunden 

Tl  ==  27,00  27,3 

6J       50,40  48,6 

180       19,03 
3aq  3,57 

100. 
Oder 

2T1J       43,78  43,57. 

Beim   Erhitzen    giebt   es  Wasser,    schmilzt   und   verh&lt   sich    im 
Übrigen  ungefähr  so  wie  das  zuvor  beschriebene  Salz. 

Überjodsaares   Thallium. 

Thalliumperjodat.  Durch  Sättigung  einer  Aufl6sung  von 
Thalliumhydroxyd  durch  reine  Überjodsäure  entsteht  ein  wcifser 
Niederschlag.  Einen  ebensolchen  erhält  man  durch  Vermischen 
der  Lösungen  von  Thalliumnitrat  und  von  halb  überjodsaurem  Kali 
(K^J'O^).  Allein  die  weifse  Farbe  verwandelt  sich  bald  in  eine 
gelbe  und  nach  dem  Auswaschen  und  Trocknen  ist  die  Substanz 
gelb,  theilweise  rothlich.  Die  Versuche,  welchen  man  dieselbe  un- 
terwerfen kann,  namentlich  ihr  Verhalten  gegen  Alkalieiv  und  ge- 
gen Säuren,  liefern  den  Beweis^  dafs  sie  gar  kein  Ferjodat,  son- 
dern ein  Gemenge  der  beiden  zuvor  beschriebenen  Jodate  ist.  Es 
giebt  kein  Thalliumperjodat,  weil  Überjodsäure  das  Thalliumoxyd 
in  Sesquioxyd  verwandelt,  wobei  sie  selbst  zu  Jodsäure  reducirt 
wird. 

Dithalliumperjodat.  Trägt  man  das  braune  Oxyd  TIO' 
in  eine  Auflosung  von  H^  JO^,  so  verwandelt  es  sich  in  ein  schwe- 
res hellbraunes  Pulver,  aber  es  lost  sich  nichts  in  der  freien  Säure 

IT 


240  Oesammiiiizung 

aaf.  Dieses  Polver  ist  ein  reines  Dithaliiamsalx;  durch  Kalilaage 
serSetst,  scheidet  es  braunes  Oxyd  ab,  während  die  alkalische 
Flüssigkeit,  welche  kein  Thallium  enth&lt,  auf  Übeijodsaure 
reagirt. 

Die  Analyse  l&fst  nicht  ganz  klar  erkennen,  ob  es  ein  Drit- 
tel-Peijodat  oder  eine  Verbindung  von  Drittel-  nnd  Viertel-Perjodat 
ist,  d.  h.  entweder 

TPJ^O"  -h  30aq  (I) 


oder 


TliojcQM  4-  90aq         (II) 

berechnet  gefanden 


I. 

II. 

Thallium    53,84 

56,06 

55,71 

Jod             11,17 

10,47 

9,95 

Sauerstoff  11,26 

11,21 

Wasser       23,74 

22,26 

100  100 

Im   zweiten  Fall  dürfte   dieses   aus  sehr  saurer  Flüssigkeit   abge- 
schiedene und  dennoch  sehr  basische  Salz  als 

T1J«0«*   1 
OH'TIO«}"^^^*^ 

zu  betrachten  sein. 

Seitens  der  Jodate  und  Peijodate  entfernt  sich  das  Thallium 
sehr  weit  vom  Kalium;  sein  Verhalten  zu  Überjodsfiure  stellt  es 
namentlich  in  eine  Reihe  mit  Kobalt,  Eisen  und  Mangan,  wie  sich 
dies  ans  meinen  froheren  Untersuchungen  der  Überjodsauren  Salze 
deutlich  ergiebt. 

Die  höheren  Chloride,   Broniide  nnd  Jodide  des 
Thalliums   und  deren  Doppelsalze. 

Blan  weifs,  dafs  das  Thalliumchlorid  TlCl  beim  Schmelzen 
im  Chlorstrom  höhere  Chlorverbindungen  liefert  Doch  ist  die« 
keine  passende  Methode  ihrer  Darstellung,  weil  sie  stärkerer  Hitze 
nicht  widerstehen.  Beim  Behandeln  mit  Wasser  bleiben  blafegelbe 
Bl&ttchen  znrück,  welche,  wie  ich  mich  überzeugt  habe,  TPCP 
sind. 


vom  7.  ApHl  1870.  241 

Wird  die  Losung  eines  Thalliamsalzes  mit  unterchlorigsaarem 
nnd  freiem  Alkali  yermischt,  so  entsteht  ein  dunkelbrauner  Nieder- 
schlag von  Dithalliumoxyd  (Thallinmsesquioxyd)  TIO',  wel- 
ches sich  in  Chlorwasserstoffs  Sure  leicht  auflöst,  wobei  sich  nicht 
merklich  Chlor  entwickelt,  wiewohl  beim  Verdünnen  ein  wenig 
TP  Gl'  abgeschieden  wird.  Versetzt  man  diese  Auflösung  mit 
Chlorkalium  oder  Chlorammonium,  so  erh&lt  man  beim  Verdunsten 
schön  krjstallisirte  Doppelsalxe,  die  ich  zur  Erg&nsong  früherer 
uDvoUständiger  Angaben  von  Nickles  und  Willm  auf  ihre  Form 
und  Znsammensetzung  näher  untersucht  habe. 

Kaliam-Dithalliumchlorid  und  Ammonium-Dithal- 
liumchlorid  schiefsen  in  farblosen,  durchsichtigen  Kiystallen  an, 
welche  auf  den  ersten  Blick  regulär  zu  sein  scheinen,  jedoch  vier- 
gliedrig  sind.  Herrschend  ist  ein  Quadratoktaöder,  in  den  End- 
kanten 116^  12',  in  den  Seitenkanten  96^  44'  messend,  zu  welchem 
das  erste  stumpfere,  beide  quadratische  Prismen  und  die  Endflfiche 
hinzutreten.  Das  Axenverhfiltnifs  a :  c  ist  =5  1  : 0,795»  und  beide 
Salze  differiren  in  den  Winkeln  nur  wenig. 

Die  Analyse  zeigt,  dafs  sie  auch  analog  zusammengesetzt  sind, 
nämlich: 

3KCll       ^  ,         SAmCll       ^ 

TICW"*-^"^         ""^  TICP)-*-^*^ 

oder 

6KCl\       ,  ,  ÖAmCll       . 

Diese  Doppelsalze  sind  sehr  stabil;  sie  werden  vom  Wasser, 
auch  beim  Kochen,  nicht  zersetzt.  ChlorwasserstofFs&ure  entwickelt 
kein  Chlor.  Alkalien  scheiden  braunes  TIO'  ab;  ist  aber  ihre 
Auflösung  hinreichend  sauer,  so  wird  sie  von  Ammoniak  nicht  ge- 
fallt. Platinchlorid  f&Ut  nur  K  oder  Am,  nicht  das  Tl  aus;  Jod- 
kalium scheidet  TU  und  freies  Jod  ab.  Alle  reducirenden  Mittel 
bewirken  eine  F&Uung  von  TlCl. 

Doppelsalze   von    Dithalliumbromid. 

Das  Bromör  TlBr  gleicht  dem  Chlorür  vollkommen.  Auf 
Zusatz  von  Brom  löst  es  sich  in  Wasser  leicht  auf,  indem  es  sich 


843  OesamnUaiizung 

in  TlBr*  oder  TlBx«  verwandelt.  Denn  die  mit  KBr  versetzte 
Flüssigkeit  liefert  beim  Yerdansten  gelbliche  Krystalle  eines  Dop- 
pelsalzes, welches  nach  meinen  Versachen 

3KBr\       „  3KBrl       ^ 

2TlBr3j-^'*^    ==       TlBr«/-^^*^ 

ist  Ihre  Flfichen  sind  für  genaue  Messungen  nicht  glfinzend  ge- 
nug; sie  erscheinen  als  Würfel  in  Kombination  mit  dem  OktaSder 
und  OranatoMer  und  die  gefundenen  Werthe  sprechen  allerdings 
für  regulfire  Formen. 

Doppelsalze    von   Dithalliumjodid. 

Jodthallium,  TU,  ist  in  Jodkalium  unlöslich;  fugt  man  aber 
Jod  hinzu  und  Ififst  die  dunkelgef&rbte  Flüssigkeit  verdunsten,  so 
schieOsen  schwarze  Kiystalle  an,  welche  durch  Umkrystallisiren 
aus  Alkohol  von  beigemengtem  K  J  zu  befreien  sind.  Es  sind  re- 
gulfire OktaSder  mit  Wurfelflfichen,  sie  haben  starken  Glanz,  sind 
roth  durchscheinend  und  geben  ein  rothes  Pulver.  Ich  habe  für 
dieses  Kalium-Dithalliumjodid  die  Zusammensetzung 

3KJ\       ^  3KJ\       ^ 

gefunden,  also  entsprechend  dem  Bromsalze,  mit  welchem  es  iso- 
morph ist. 

Dieses  Doppelsalz  ist  weit  weniger  bestfindig  als  die  früheren; 
schon  in  gelinder  Wfirme  giebt  es  Jod;  Wasser  zersetzt  einen 
Theil,  unter  Abscheidung  von  TU  und  Jod. 

Ganz  anders  verhalten  sich  die  Oxysalze,  welche  aus  der 
Einwirkung  von  Sfiuren  auf  das  braune  Sesquioxyd  TIC  entste- 
hen. Sie  werden  nfimlich  von  Wasser  voUstfindig  zer- 
setzt, und  das  braune  Oxyd,  welches  sich  dabei  abscheidet,  ist, 
wie  es  scheint,  rein,  d.  h.  kein  basisches  Salz.  Es  ist  schwer, 
diese  Dithalliumsalze  rein  zu  erhalten,  da  sich  das  Sesquioxyd  erst 
beim  Erwfirmen  in  Sfiuren  auflost,  wobei  immer  etwas  gewohn- 
liches Thalliumsalz  entsteht. 

Es  ist  mir  leider  nicht  geglückt,  das  Sulfat  und  das  Nitrat  in 
bestimmbaren  Krystallen  zu  erhalten,  ich  kann  daher  den  Angaben 
Strecker's  nichts  Neues  hinzufügen.    Bios  das  essigsaure  Di* 


vom  7.  ÄprU  1870.  243 

thalliam  bildet  farblose  darchsichtige  sweigliedrige  Kiystalle, 
RhombenoktaSder,  deren  Endkanten  123''  30'  and  79''  34',  und  de- 
ren Seitenkanten  129''  (V  messen.  Sie  sind  tafelartig  durch  Aua- 
dehnong  der  Endfläche,  braunen  sich  aber  an  der  Luft  sehr  bald. 

Isomorphie    der  ThalliumTerbindungen    mit    anderen. 

Die  früheren  Beobachtangen  über  die  Form  der  ThalliumsaUe 
sind  neuerlich  durch  Des  Gloizeaux  sehr  vervoUstfindigt  wor- 
den. ' )  Die  Thatsache,  dafs  sie  mit  den  Salzen  des  Kaliums  (Ru- 
bidiams  und  Ammoniums)  isomorph  sind,  hat  hierdurch  in  mehr- 
facher Hinsicht  eine  Bestätigung  erfahren,  und  so  haben  wir 
denn  folgende  in  Form  und  Zusammensetzung  sich  entsprechende 
Salze: 


Nitrat                                TINO»  = 

KNO» 

Perchlorat                            TICIO*  == 

KCIO* 

Doppelsulfate  T1»RS»0«  4- 6aq  = 

K»RS>08-4-6aq 

Alaun             TP  RS*  Ol«  -4-  24aq  == 

K»RVoi«-^24aq 

Ferrocy anür     Tl*  Fe  Cy «  -h  2  a  q  = 

Rb*FeCy«-h2aq 

Oxalat              HS  Tl  C*  0«  -^  2  a  q  = 

U>KC*0»-h2aq 

Tartrate                    HT1C*H*0«  = 

HKC*H*0« 

NaTlC*H*0«-4-4aq  =  NaKC*H*0« -4- 4aq 
Tl(SbO)C*H*0«-+-aq  =  K(SbO)C*H*0« -h  aq  . 

Aber  von  besonderem  Interesse  sind  die  Phosphate,  weil  sie  die 
isomorphe  Vertretung  der  einwerthigen  Tl,  K,  Na,  Am  durch  Was- 
serstoff darthan.     Denn  es  sind  isomorph: 

H^TIPO*  und         HAm»PO* 

HTl^PO*  und        H^AmPO* 

HTl>PO*-|-aq       und         H«NaPO* -h  aq.') 


^)  Lamj  et  Des  Gloizeaux,  Etadee  chimiqueB,  optiqnes  et  crütallo- 
gnphiqnes  sor  les  «eis  de  Thallium.    Axu.  Gh.  Phys.  (4)  17,310. 

')   8.  meinen  Aufsatz  in  den  Bericht,  d.  d.  ehem.  Gesellsch.  1870  S.376* 


244  Oeeammtsitzung 

Leider  gestatten  die  Formen  der  Dithalliumsalse,  welche  ich 
prüfen  konnte,  keinen  Vergleich,  weil  kiyatallisirte  analog  snsam- 
mengesetste  Verbipdangen  nicht  bekannt  sind. 

Es  scheint  unmöglich,  dem  Thalliam  einen  bestimmten  Platx 
unter  den  übrigen  Elementen  anzuweisen.  Nur  so  viel  ist  sicher, 
daSß  es  physikalisch  wie  chemisch  ein  Metall,  und  zwar  ein  sehr 
elektropositives  ist.  Obwohl  es  bei  niederer  Teroperatar  das  Was- 
ser nicht  xersetxt,  oxjdirt  es  sich  an  der  Luft  doch  weit  schneller 
als  Blei,  Magnesium  oder  Aluminium. 

Seine  Ähnlichkeit  mit  den  Alkalimetallen  .liegt  aber  besonders 
darin,  dafs  sein  Hydroxyd  ein  entschiedenes  fitzendes  Alkali  ist 
und  dafs  die  von  demselben  gebildeten  Salze  durch  ihre  Loslich- 
keit  und  ihre  Kry  stall  form  sich  unmittelbar  den  Alkalisalzen  an- 
reihen. 

Dagegen  sind  die  Haloidsalze  durch  Unlöalichkeit  und  Fär- 
bung den  entsprechenden  Salzen  des  Silbers,  freilich  auch  des 
Bleis,  fihnlich.  Ebenso  ist  Schwefelthallium  nur  den  Sulfureten  der 
Schwermetalle  vergleichbar. 

Durch  seine  höheren  Oxydations-  und  Chlorstufen  entfernt 
sich  das  Thallium  ganz  und  gar  von  den  Alkalimetalien.  Dem 
Tl  O'  und  Tl  Cl^,  analog  erscheinen  die  Verbindungen  von  AI,  Mo, 
Fe,  Cr,  €e  und  Ki.  Und  doch  stehen  jene  gleichsam  für  sich  da. 
TIO'  wird  durch  Erhitzen  zu  TIO,  während  MnO'  und  CeO' 
höchstens  zu  R'O^,  die  übrigen  aber  gar  nicht  reducirt  werden. 
Das  durch  Auflösen  in  HCl  entstehende  T1C1<  ist  weit  best&odi- 
ger  als  MnCl^  oder  CeClS  jedoch  nicht  in  dem  Mafse  wie  die 
übrigen  RCl^.  Die  Oxysalze  werden  von  Wasser  zersetzt;  dies 
ist  aber  eine  den  Salzen  jener  R  sehr  allgemein  zukommende  Eigen- 
schaft, weniger  hervortretend  bei  denen  von  Cr  und  AI,  starker 
beim  Fe,  und  noch  starker  bei  Mn,  Ce  und  U.  Dimangansulfat 
(schwefelsaures  Manganoxyd)  «  MnS'O^'  zerfällt  durch  Wasser 
in  MnO'  und  dH^SOS  also  genau  so  wie  das  DithalliumssU 
TIS'  O^*.  Ce  und  Ki  aber  liefern  hierbei  bekanntlich  nur  basische 
Salze.  Ich  erinnere  daran,  dafs  auch  schon  in  dem  Verhalten  des 
Thalliums  zur  Dbeijodsfiure  seine  Beziehungen  zum  Mangan  gleich- 
sam angedeutet  sind. 

Ist  das  Atg.  des  Thalliums  &=  204,  entsprechend  dem  Do- 
lo ng-Petit 'sehen  Gesetz,  so  ist  Tl  ein  einwerthiges  Element 
gleich  dem  Kalium,  Silber  u.  s.  w.      Das  ehemische  Verhalten  und 


vom  7.  Äpfü  i870.  245 

die  Krjgtallfonn  der  monatomen  Thallinmverbindungen  Yerleihen 
dieser  Annahme  eine  feste  Stutze. 

Während  wir  aber  bei  den  Alkalimetallen  nnd  dem  Silber  auf 
keine  Weise  höhere  Chloride  etc.  darzustellen  rermögen,  gelingt 
dies  beim  Thallium.  Dadurch  entstehen  Verbindungen,  in  deren 
MoL  2  At.  Thallium  als  ein  sechswerthiges  Atomenpaar  enthalten 
sind.  Sind  dieselben,  wie  wir  wohl  annehmen  müssen,  unter  sich 
▼eiicettet,  so  wfire  das  Thallinmatom  wenigstens  vierwerthig,  wie 
dies  für  die  in  der  Regel  cweiwerthigen  Fe,  Mn,  Ce  u.  s.  w.  gilt. 

Aber  es  ist  noch  eine  andere  Möglichkeit,  die  nfimlich,  dafo 
sich  das  Thallium  in  diesen  höheren  Chloriden,  Oxyden  und  Sal- 
zen verhielte  wie  das  Uran,  d.  h.  dafs  sie  ein  zweiwerthiges  Ra- 
dikal (TPO'}  einschlössen,  oder  ein  entsprechendes  (TPCl^). 

Weitere  Untersuchungen  sollten  auf  diesen  Punkt  gerichtet  sein. 


Hr.  Poggendorff  berichtete  mundlich  über  eine  neue  In- 
floenzmaschine,  die  nicht  allein  die  doppelte  Kraft  der  gewöhnlichen 
besitzt,  sondern  auch  in  jeder  andern  Beziehung  als  die  Yollkom- 
menste  unter  den  bisher  dargestellten  zu  betrachten  sein  möchte. 
Da  er  nächstens  der  Akademie  eine  ausführliche  Mitiheilung  über 
diese  Doppel maschine  zu  machen  gedenkt,  so  sei  hier  nur  erwähnt, 
dafs  sie  nach  dem  von  ihm  im  Januarheft  der  Monatsberichte  von 
1869  S.  55  angedeuteten  Princip  construirt  worden  ist,  und  die 
practische  Anwendbarkeit  dieses  Princips  in  befriedigendster  Weise 
dargethan  hat 


Hr.  Dove   machte  eine  Mittheilung  über    die  Witterung   des 
vergangenen  Winters. 


246  OiaammUitzung 

An  eing^j^angenen  Schriften  worden  vorgelegt: 

Verhandiunffen  der  zoolo^isch-botanüchen  GeselUchqft  in  Wien.    Jahig.  1869. 

19.  Bd.     Wieo  1869.     8. 
Ge§ckicht€  der  Wieaenmshaften  in  DeuiedUand.     8.  Bd.    H&Dchen  1869.     8. 
Verhandlungen  der  Phgeik,-Mediz.  GeeeUechcfi  in  Würzhurg.    Neae  Folge. 

1.  Bd.  4.  Heft.    Wfiixbui^  1869.     8. 
Mittheüungen  der  k.  k.  CeMrat-Kommiesion   zur  Erfor9chung  der  Baudenk- 

male*     15.  Jahrg.     Man- April.     Wien  1870.     4. 
Lotue.     ZeiUchriß  für  Naturwieeenechaften.     19.  Jahig.     Prag  1869.     8. 
W.  J,  A.  Jonckbloei»  Geschichte   der  Niederländiechen  Literatur y    übersetzt 

von  W,  Berg,     1.  Bd.     Leipzig  1870.     8. 
Anales  de  la  Universidad  de  Chile.     AMo  1867.  1868.     8. 
Berichte  an  den  Congre/s  des  Staates  Chile.     9  B&nde.  Santiago  1868.   8. 
Annmario    estadistico    de   la  repuhlica   de  Chile.      Bntrega  9.       Santiago 

1868.  8. 

Observations  made  at  the  ü.  St.  Naoal  Observatorg,  during  the  year  1866. 

Washington  1868.     4. 
The  American  Ephemeris  for  1871.     Washington  1868.     8. 
Tables  to  /adlitate  the  reduction  o/  places  of  the  fixed  stars.     Washington 

1869.  8. 

(Settimani)  D*une  seconde  nouvelle  mithode  pour  determinier  la  parallaxe  du 

soleü.    Florence  1870.     8. 
Berichte  der  südslavischen  Akademie.     10.  Heft.     Agram  1870.     8. 
Second  Radcliffe  Catalogue,  containing  2386  stars.    Oxford  1870.     8. 


25.  ApriL       Sitzung  der  physikalisch-mathemati- 

schen  Klasse. 

Es  wurden  verschiedene  geschäftliche  Angelegenheiten  erledigt. 


vom  ^.  April  1870.  247 

28.  April.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Haupt  las  über  die  Perser  des  Aescbylus. 


Hr.  6.  Rose  legte  eine  Untersuchung  des  Dr.  P.  Groth  vor: 

Über  Beziehungen    zwischen  Krystallform    und 
chemischer  Constitution    bei    einigen  organischen 

Verbindungen. 

Alle  bisherigen  Versuche,  die  für  den  unorganischen  Theil  der 
Chemie  so  eminent  wichtig  gewordene  Lehre  des  Isomorphismus 
auf  die  organischen  Verbindungen  anieuwenden,  haben  zu  keinem 
befriedigenden  Resultate  geführt ,  weil  die  verschiedenen,  in  den 
letzteren  befindlichen,  Atomgruppen  nicht  in  demselben  Verhältnifs 
za  einander  stehen,  wie  z.  B.  verschiedene  isomorphe  Metalle  in 
den  Salzen  von  gleicher  Constitution.  Die  Resultate  einiger  Unter- 
sachungen,  welche  allerdings  zu  dem  Endzweck  unternommen  wur- 
den, gesetzmäfsige  Beziehungen  zwischen  Krystallform  und  che- 
mischer Constitution  bei  organischen  Verbindungen  zu  finden,  fähr- 
ten den  Verfasser  zu  der  Überzeugung»  dafs  man  bei  diesen  For- 
schungen einen  ganz  andern  Weg,  als  bisher,  einzuschlagen  habe. 
Statt  gleich  krystallisirte  Körper  aufzusuchen,  erweist  es  sich 
vielmehr  als  vortheilhaft,  die  Verschiedenheiten  der  Krjstall- 
formen  chemisch  verwandter  Korper  zu  studiren,  d.  h.  die 
Frage  bei  der  Aufsuchung  gesetzmäfsiger  Relationen  in  folgender 
Weise  zu  stellen: 

„Es  sei  die  Krystallform  einer  chemischen  Verbindung, 
von  welcher  sich  zahlreiche  Derivate  ableiten,  als  gegebene 
Thatsache  vorliegend  (wobei  der  Versuch,  diese  selbst  aus 
der  chemischen  Constitution  der  Verbindung  herzuleiten, 
beim  jetzigen  Stand  der  Wissenschaft  als  ein  durchaus 
verfrühter  bezeichnet  werden  mnfs);  —  welche  Ände- 
rung erfährt  diese  gegebene  Krystallform  nun 
durch  den  Eintritt  eines  bestimmten,  Wasser- 
stoff substituirenden,  Atoms  oder  einer  Atom- 
gruppe?* 


848  OesammUitztaig 

Durch  die  Unterfiachiing  einer  Reihe  von  Derivaten  derjenigen 
Orundverbindang,  von  welcher  sich  die  Hfilfte  der  organischen 
Korper,  die  aromatischen,  ableiten,  nfimlich  des  Benzols,  hat  sich 
das  Resultat  ei^eben,  dafs  es  gewisse  Atome  and  Atom- 
grappen  giebt,  welche,  für  H  in  das  Benzol  und  dessen 
Abkömmlinge  eintretend,  die  Krjstallform  derselben 
nar  in  mifsiger  Weise  alteriren,  so  dafs  man  im  Stande 
ist,  die  Form  des  neaen  Körpers  noch  mit  der  des  ursprünglichen 
SU  vergleichen.  Die  Änderung  ist  s.  Th.  derart,  dafs  a.  B.  bei 
rhombischen  Substanzen  das  Yerh&ltnifs  zweier  Axen,  also  die 
Gröfse  der  Winkel  in  der  betreffenden  Zone,  dieselbe  bleibt  (mit 
den  kleinen  Unterschieden,  wie  sie  isomorphe  Körper  zeigen),  wäh- 
rend nur  die  dritte  Axe  durch  den  Eintritt  eines  neuen  Stoffes  in 
das  Molecfil  eine  erhebliche  Änderung  ihres  Werthes  erflUirt  Zu 
den  in  dieser  Weise  wirkenden  Atomg^uppen  gehören  besonders 
das  Hydroxyl  HO,  und  die  Nitrogruppe  NOj. 

Die  wichtigsten  Beispiele  werden  das  Gesagte  erl&ntem^): 

Das  Benzol  CeH«  ist  rhombisch')  und  krjstallisirt  in 
Pyramiden,  welche  sich  auch  der  optischen  Untersuchung  als  grad- 
rhombische erwiesen,  von  dem  Axenverhfiltnife : 

a:  b:  c  »  0,891  :  1  :  0,799. 

1.  Das  erste  Hydroxylderivat  desselben,  das  Phenol,  kry- 
stallographisch  zu  bestimmen,  hat  mir  bisher  noch  nicht  gelingen 
wollen.  Die  durch  langsames  Erstarren  des  geschmolzenen  darge- 
stellten langen  Nadeln  sind  so  zusammengesetzt,  dafs  man  sie  nicht 
messen  kann.  Indefs  zeigte  sich  bei  deren  optischer  Untersuchung, 
dafs  die  Substanz,  wie  die  vorige,  rhombisch  ist 


>)  Überall,  wo  kein  Beobachter  angegeben  ist,  rfihren  die  Bestimmongeo, 
deren  Detail  später  in  Poggend.  Ann.  mitgetlieilt  werden  soll,  Tom  Verbwer 
her.  Bei  den  übrigen  Sabatanzen  war  oft,  um  die  Beziehungen  deutlicher 
hervortreten  zu  lassen,  eine  andere  Aufstellung  der  Krystalle  zu  nehmen,  als 
sie  der  ursprüngliche  Beobachter  gewählt  hatte. 

')  Die  starke  Kälte  des  yeigangenen  Winters  gestattete  die  HenteUnng 
gröfserer  Räume  von  so  niedriger  Temperatur,  dab  das  bei  +3°  schmelzende 
B.  nicht  nur  gut  krystalHsirt,  sondern  auch  gemessen  werden  konnte.  Die 
Messungen  sind  freilich  nur  sehr  angenäherte,  da  die  Substanz  selbst  bei 
einer  Kälte  Ton  mehreren  Graden  unter  0  noch  so  flüchtig  ist,  dafs  die  Flä- 
chen nach  kurzem  Verweilen  des  Krystalls  auf  dem  Goniometer  schon  ganz 
uneben  sind. 


wm  28.  Apnl  1870.  249 

2.  Das  Resorcin,  d.  i.  Benzol,  in  welchem  2  Atome  H 
dorch  HO  vertreten  sind,  ist  sehr  wohl  bestimmbar.  Es  ist  eben- 
falls rhombisch  (mit  ausgezeichneter  Hemimorphie) ;  sein  Axen- 
verhfiltnifs: 

a  :  b  :  c  «  0,910  :  1  :  0,540 , 
also  a :  b  gleicli  dem  Benzol    (die  Differenz  ist  nicht  gröfser,    als 
der  mögliche  Beobachtungsfehler  bei  diesem),    die  Axe  c  betrScht- 
lich  gefindert 

Das  zweite  von  den  drei  isomeren  Bioxylderivaten  des  Ben- 
zols, welche  sich  nur  durch  die  relative  Stellung  der  Gruppen  HO 
anterscheiden,  das  Brenzcatechin,  ist  ebenfalls  rhombisch, 
aber  bisher  noch  unvoUst&ndig  bekannt,  so  dafs  man  z.  Z.  nicht 
bestimmen  kann,  welche  Axe  and  wie  stark  sie  gefindert  ist.  Iso- 
morph mit  dem  vorigen  ist  es  nicht,  da  der  einzige  bekannte  Win- 
kel desselben  an  jenem  nicht  vorkommt. 

Das  Hydrochinon  endlich  wird  von  Gerhardt  als  rhombisch 
angegeben,  indefs  ohne  Messungen;  ich  erhielt  anders,  als  gewöhn- 
lich, dargestellte  Kiystalle,  welche  rhomboßdrisch  waren;  jedenfalls 
liegt  hier  Dimorphie  vor,  wofSr  auch  noch  der  Umstand  spricht, 
dafs  das  horizontale  Prisma  des  Resorcins,  mit  dem  die  hypothe- 
tische rhombische  Form  des.  Hydrochinons  ja  in  naher  Beziehung 
stehen  mfifste,  fast  Winkel  von  120°  hat  (dimorphe  Körper  haben 
gewöhnlich  in  gewissen  Zonen  sehr  fihnliche  Winkel). 

3.  Für  das  eine  Trioxylderivat,  die  Pyrogallnssfinre, 
liegen  keine  sichern  Angaben  vor.  Hr.  Rammeisberg  vermutfaet 
(Kiystallogr.  Chemie,  p.  346),  daCs  die  angeblich  an  Gallussfiure 
angestellten  Messungen  Brooke's  sich  auf  jenen  Körper  bezögen« 
lu  der  Tbat  zeigen  die  gemessenen  Winkel  Ähnlichkeiten  mit  de- 
nen des  Resorcins;  doch  mufs  die  Bestimmung  der  Fyrogallussfiure 
jedenfalls  wiederholt  werden. 

Der  Eintritt  von  Hydroxyl  scheint  also  die  Kry- 
stalle  dieser  Substanzen  nur  in  einer  Richtung  zu  fin- 
dern,  mit  Beibehaltung  ihrer  Form  in  den  übrigen  Rich- 
tungen and  ihres  Krystallsystems. 


Weit  vollständiger ,  als  die  Wirkung  des  Hydroxyl,  können 
wir  die  der  Nitrogruppe  NOj  studiren.  Zunächst  bietet  sich 
dafür  die  Reihe  der  nitrirten  Phenole  dar: 


250  OesamnUsitxung 

1.  Das  gewohnliche  Mono-Nitrophenol  ist,  wie  ich  op- 
tisch nachweisen  konnte,  rhombisch,  wie  das  Phenol  selbst; 
die  Prismen  desselben  sind  sehr  genau  zu  messen,  dagegen  die 
Endflfichen  so  unvollkommen  ausgebildet,  dafs  der  einzige  Winkel, 
den  ich  bestimmen  konnte,  nur  zu  einem  ganz  unsichem  Werth 
der  Yerticalaxe  fuhrt,  indem  die  benutzte  kleine  Octa§derflfiche  so 
gerundete  Kanten  hatte,  dafe  nicht  sicher  zu  entscheiden  war,  ob 
sie  auf  das  Prisma  grade  oder  schief  aufgesetzt  sei.     Es  ist 

a  :  b  :  c  =  0,873  :  1  :  (0,60?) 

wobei  ich  mir  die  genauere  Bestimmung  des  letztem  Werthes  vor- 
behalte, bis  es  gelungen,  bessere  Krystalle  der  Substanz  zu  be- 
schaifeu. 

2.  Binitrophenol  ist  bereits  von  Laurent  gemessen  und 
von  Hm.  ▼.  Lang  optisch  untersucht  worden.     Dies  hat: 

a  :  b  :  c  ».  0,933  :  1  :  0,753. 

3.  Trinitrophenol  nach  Mitscherlich: 

a  :  b  :  c  =  0,937  :  1  :  0,974. 

Man  sieht  hier  also  deutlich,  dafs  bei  gleichbleibendem 
Krystallsjstem  und  fast  unverändertem  Verhältnifs  a:b, 
der  Eintritt  einer  neuen  NOt-Oruppe  immer  nur  die 
dritte  Aze,  und  zwar  stets  in  demselben  Sinne,  än- 
dert.') 


')  Es  liegt  die  Vermuthnng  nahe,  dafs  dies  auch  um  gleich  viel  ge- 
schehe. Unter  dieser,  allerdings  noch  sehr  nnsichern,  Annahme,  und  nnter 
der  ebenso  wenig  bewiesenen,  dafs  das  erste  in  das  Phenol  eintretende 
NO,  dieselbe  Andemng  hervorbringen,  —  könnte  man  rückwärts  das 
Axenverhältnifs  des  Phenols  aus  der  Differenz  von  Di-  und  Trinitrophenol 
berechnen  (beim  Mononitrophenol  ist  c  zu  unvollkommen  bestimmt,  um  in 
Betracht  zu  kommen).  Unter  denselben  Annahmen  könnte  das  AxenTerbalt- 
nifs  des  Phenols  aufserdem  das  Mittel  derjenigen  Yon  Benzol  und  Resorcin 
sein.  Die  Berechnung  auf  beiden  Wegen  liefert  genau  dasselbe  Yerhältnirs 
fQr  a  :  b,  fQr  c  aber  einen  gerade  halb  so  grorsen  Werth  auf  dem  ersten 
Wege,  als  auf  dem  zweiten  (also  rationaler  Co6fficient).  Femer  zeigt  diese 
hypothetische  Krystallform  des  Phenols  in  einer  Zone  ganz  gleiche  Winkel 
mit  der  Isonitrophensfture ,  dem  Isomeren  des  Nitrophenols,  welches  nach 
Hm.  T.  Kokscharoff  allerdings  monoklinisch  krystallisirt     Es  ist  schwer  an- 


vom  28.  Apnl  1870.  251 

Das  a-Chloranilin  C^H«  C1(NH,)  ist  nach  Hrn.  Des  Cloi- 
seaox's  Messung  rhombisch  mit  dem  Azenverbfiltnifs 

a  :  b  :  c  =  0,804  :  1  :  0,935. 

Das  entsprechende  Nitrochloranilin  C6Hs(N0))Cl(NH,)  ge- 
hört demselben  System  an.     Nach  demselben  Beobachter: 

a:b:c  =  0,791  :  1:  1,117. 

Also  darch  die  Nitrogrnppe  eine  Änderung,  wieder  nor  in  einer 
Richtung,  und  zwar  in  demselben  Sinne,  ja  von  nahe  gleicher 
Grofse,  wie  bei  den  nitrirten  Phenolen. 

Das  rr-Nitrochlorbenzol  (Ghlorbenzol  selbst  ist  flüssig)  ist 
rhombisch,  aber  nur  unvollständig  bekannt;  zwei  seiner  Axcn 
verhalten  sich  wie  1  :  0,515  (nach  Hm.  Jungfleisch). 

Vom  Binitrochlorbenzol  hat  Hr.  Jungfleisch  (Ann.  chim. 
phys.  [4],  15.  Bd.)  zwei  isomere  Modificationen  dargestellt,  welche 
Hr.  Des  Cloiseaux  krystallographisch  untersucht  hat.  Nach  die- 
sem sind  sie  beide  ebenfalls  rhombisch,  wie  der  erste  Korper, 
und  haben  die  Dimensionen: 

a-Chlorbinitrobenzol:  a  :  b  :  c  =  0,809  :  1  :  0,713  , 
ß'  «         «  «    Ä    «  =  0,835:  1:0,387. 

Diese  beiden  Isomeren  deriviren  krystallographisch  vielleicht 
derart  von  Nitrochlorbenzol,  dafs  eines  der  beiden  unbekann- 
ten AxenverhSltnisse  desselben  nahe  ungeändert  blieb,  die  dritte 
Axe  dagegen  variirte,  und  zwar  verschieden,  je  nach  der  relativen 
Stellang  der  Nitrogruppen. 

Auch  zwischen  Bichlorbenzol  (Des  Cloiseaux)  undNitro- 
biclilorbenzol  (Jungfleisch)  zeigen  sich  in  gewissen  Zonen  Win- 
kelfihnlichkeiten ;  doch  ist  letzteres  unvollständig  bekannt. 


zunebmen,  dafs  dies  Alles  auf  Zufall  beruhe;  doch  mufs  erst  eine  genaue 
Bestimmung  des  Phenols  selbst  die  Frage  entscheiden.  Der  Einflufs  der  re- 
latiTen  Stellung  der  Gruppen  N0|  und  HO  bei  den  nitrirten  Phenolen  kann 
wegen  deren  nnToHkommener  Kenntnifs  ebenfalls  noch  nicht  beurtheilt 
werden. 


252  OeutmnUiitgyng 

.  Alle  Beispiele  «eigen  also  fibereinstimmend ,  dafo  der  Ein- 
tritt von  NOs  die  Krystallform  nnr  in  einer  Richtang 
'«wesentlich  findert. 


Eine  weit  energischere  Wirkung  fibt  die  Substitution  durch 
Chlor,  Brom  u.  s.  w.  ans,  welche  regelmftfsig  zugleich  eine  Än- 
derung des  Systems  in  ein  weniger  reguläres  nach  sich 
zieht  Trotzdem  bleiben  auch  dann  noch  die  Winkel  einer 
Zone  den  entsprechenden  an  der  unveränderten  Sub- 
stanz nahe  gleich. 

Die  Chlorsubstitutionsreihe  des  Benzols  ist  nur  unvollständig 
bekannt: 

1.  Das  Benzol  selbst  leitet  sich  von  einem  rhombischen 
Prisma  von  circa  96^°  ab. 

2.  Das  Bichlorbenzol  (und  Bibrombenzol,  welches  da- 
mit isomorph  ist)  ist  monoklinisch  geworden;  sein  Prisma  ist 
aber  98""  40'  (n.  Des  Clois.). 

3.  Das  Tetrachlorbenzol  hat  dasselbe  System  und  ein 
Prisma  von  96°  17'  (Des  Clois.),  also  beide  dem  des  Bensols  sehr 
ähnlich. 

Das  Tri-    und   Pentachlorphenol   haben   nach  Laurents 
Messungen  ein  gleiches  Prisma   von  110°;    die  fibrigen  Dimensio 
nen  sind  unbekannt. 


Das  Binitrophenol  ist,  wie  wir  oben  sahen,  rhombisch; 
eine  prismatische  Zone  desselben  hat  die  Winkel  106°  O'  und  74°  O'. 

Tritt  ein  Atom  Brom  für  Wasserstoff  ein,  so  wird  es  mo- 
noklinisch, aber  mit  einem  Prisma  von  106°  30'  und  73°  Bif. 


Chlornitrobenzol  zeigt  mit  Bichlornitrobenxol  und 
dieses  wieder  mit  Trichlornitrobenzol  ebenfalls  je  in  einer 
Zone  ähnliche  Winkel,  doch  sind  diese  Körper  s.  Z.  noch  unvoll- 
ständig untersucht  (von  Hm.  Jungfleisch). 


vom  28.  April  1870.  253 

Wir  geben  also  in  allen  sicher  bestimmten  F&Uen  durch  den 
Eintritt  eines  Gl  (Br)- Atoms  das  Krystallsystem  sich  findem,  we- 
niger regelmäßig  werden.  Dagegen  scheint  der  Eintritt  eines  drit- 
ten Gl -Atoms  wieder  eine  mehr  symmetrische  Stmctnr  des  Mole- 
cals  herxastellen;  dafür  spricht  wenigstens  das  nach  Hrn.  Jnng- 
fleiscb  wahrscheinlich  rhombische  Trichlorbenzol,  ebenso  da6 
rhombische  Trichlorphenol  und  PerchlorbenEol. 


Eine  in  ahnlicher  Weise  starke,  aber  auch  vorwiegend  einsei- 
tige Änderung  der  Krjstallform  bedingt  endlich  auch  der  Eintritt 
von  GH3,  wenigstens  weist  darauf  folgendes  Yerbältnifs  hin: 

Monochloranilin:  rhombisches  Prisma  von  93^  52', 
Monochlortolnidin:  monoklin.  Prisma  von  94^  52^. 


Nach  der  wohl  ziemlich  allgemein  adoptirten  Ansicht  von 
Hm.  Erlenmejer  hat  das  Naphtalin  mit  dem  Benzol  ana- 
loge Molecularstructur;  dasselbe  ist  monoklinisch  mit  dem  Axen- 
TerhaltniTs : 

a :  b  :  c  «  1,395  :  1  :  1,428 
y  =  56°  31'. 

Der  Eintritt  von  HO  bedingt  hier  ebenso,  wie  beim 
Benzol,  keine  SystemSnderung,  sondern  nur  eine  vor- 
wiegende Variation  der  einen  Axe.  Die  beiden  isomeren 
Napbthole  haben  die  Dimensionen: 

«-Naphthol:  a  ;  b  :  c  =  1,475  :  1  :  1,802,  —  7  =  62^  40'. 
/3-         ,,  ^        =  1,369 : 1  :       ?      —  „  =  60°  8'. 

Die  verticalen  Prismen  beider  (von  dem  Yerhältnifs  a :  b  ab- 
hängig) sind  denen  des  Naphtalins  sehr  nahe  gleich.     Daraus  er- 
scheint es  wahrscheinlich,  dafs  das  weitere  Studium  der  Naphta- 
[1870]  18 


254  Gesammtaiizunff 

linderivate   ebenfalls    interessante   Beziehungen    zwischen    deren 
Krjstallfomien  ergeben  werde. 


Die  analoge  Molecularstructur  des  Benzols,  Naphtaiins 
und  Anthracens  (vgL  Gr&be  und  Liebermann^  Ann.  d.  Cbem.  a. 
Pharm.  1870)  zeigt  sich  auch  in  einer  grofsen  Ähnlichkeit  ihrer 
Krjstallformen.  Obgleich  verschiedenen  Systemen  angehorig,  zei- 
gen sie  doch  alle  das  gleiche  verticale  Prisma: 

Benzol:  Rhombisches  Prisma  von  96^^; 
Naphtalin:  Monoklin.  Prisma  von  98°  40'; 
Anthracen*):       do.  do.        ^     99°  7'. 


Was  nun  die  oben  zusammengestellten  Beispiele  für  die  Än- 
derung der  Krystallformen  durch  den  Eintritt  gewisser  Atorogrup- 
pen  betrifft,  so  mufs  es  zwar  weiteren  Untersuchungen  Torbehalten 
bleiben,  die  Zahlengesetze  für  diese  Änderungen  aufzufinden;  — 
aber  auch  die  noch  unvollständig  vorliegenden  Thatsachen  bewei- 
sen bereits  die  Eingangs  ausgesprochene  Behauptung,  dafs  es  Atome 
und  Atomgruppen  gäbe,  welche  durch  ihre  Substitution  für  Was- 
serstoff die  Krjstallform  eines  Korpers  nur  in  gewisser  Richtung 
Andern.  Es  wird  vielleicht  geeignet  sein,  die  in  Rede  stehende  Er- 
scheinung immer  mit  einem  einzigen  Worte  bezeichnen  zu  können, 
und  die  gesetzmäfsige  Änderung  einer  Krystallforni 
durch  den,  Wasserstoff  substituirenden,  Eintritt  eines 
neuen  Atoms  oder  einer  Atomgruppe  etwa  mit  dem  Namen 
j^Morphotropie*^  zu  belegen. 

Es  wurden  dann  z.  B.  unter  den  oben  angeführten  FfiUen  das 
Mono-,  Bi-  und  Trinitrophenol  zu  einander  im  Yerhfiltnifs  der 
Morphotropie  stehen,  „eine  morphotropische  Reihe^  bilden. 
Man  würde  dann  von  der  „morphotropischen  Kraft^  eines 
Elementes  oder  einer  Atomgruppe  in  Bezug  auf  eine  Verbindung 


')    =  Photen  von  Hrn.  Fritzschc,    von  Hrn.  v.  Kokscharoff  und  mir 
gemessen. 


vom  28.  April  1870.  355 

zu  sprechen  haben.  So  wurde  s.  B.  die  morphotropische  Kraft  des 
Hjdrozyls  nnd  der  Nitrogroppe  in  Bezug  auf  Benzol,  Phenol  u.  8.  w. 
als  eine  sehr  mSCsige  bezeichnet  werden  müssen,  welche  nur  eine 
Axe  um  einen  bestimmten  Werth  ändert,  ohne  das  Krystallsjstem 
t\k  alteriren.  Dagegen  wftre  die  morphotropische  Kraft  des  Chlors 
u.  8.  w.  eine  weit  intensivere  (vgl.  oben).  Es  Iftfst  sich  theoretisch 
leicht  voraussehen,  von  welchen  Umstünden  der  Betrag  der  mor- 
photropischen  KraftSufsernng  abhängen  mufs: 

1.  Von  der  specifischen  morphotropiachen  Kraft  des  subBtituiren- 
den  Atoms  oder  der  Atomgruppe. 

2.  Von  der  chemischen  Natur  derjenigen  Verbindung^  in  u>eU 
eher  die  Substitution  vor  sich  geht.  Die  Gruppe  CH«  z.  B.  än- 
dert nicht  jede  Verbindung  in  gleicher  Weise,  daher  sind  homo- 
loge Korper  einander  in  ihren  Krystallformen  theils  mehr,  theils 
weniger  nahe  stehend.  Die  zwischen  solchen  bestehenden  entfern- 
teren Beziehungen,  welche  Laurent  als  „Isomorphie  in  verschie- 
denen Systemen^  auffafste,  Hr.  Hjordahl  (J.  f.  pract.  Cbem., 
94.  Bd.)  noch  weiter  ausführte  und  ^partiellen  Isomorphismus^ 
nannte,  lassen  sich  jedenfalls  alle  durch  Morphotropie  erklären. 

3.  Von  dem  Krystallsysiem  der  zu  verändernden  Verbindung. 
Es  liegt  auf  der  Hand,  dafs  eine  viel  grofsere  formändemde  Kraft 
dazu  gehört,  einen  regulären  Krystall  zu  alteriren,  als  einen  der 
andern  Systeme,  weil  bei  jenem  eine  blofse  Änderung  der  Win- 
kel, ohne  einen  vollständigen  Weehsel  des  Krjstallsystems,  un- 
niuglich  ist. 

4.  Van  der  relativen  Stellung  der  neu  eintretenden  Gruppe  zu 
den  andern  Atomen  des  Moleeüls.  Aus  einem  oben  angeführten 
Beispiele  scheint  hervorzugehen,  dafs  der  Eintritt  derselben  Gruppe 
an  verschiedenen  Stellen  des  Moleculs  dieselbe  Axe,  aber  in  ver- 
schiedener Weise  ändert.  Von  der  grofsten  Wichtigkeit  für  die 
Beantwortung  dieser  Frage  würde  die  Vervollständigung  der  kry- 
stallographischen  Kenntnifs  der  beiden  Isomeren  des  Resorcin, 
nämlich  des  Brenzcatechin  und  Hydrocfainon^  sein,  welche  ich  da- 
her ausfuhren  werde,  sobald  es  mir  gelingt,  die  betre£fenden  Sub- 
stanzen in  geeignetem  Zustande  zu  erhalten. 

Als  sicher  ist  indefs  wohl  anzunehmen^  dafs  die  Krystall- 
formen isomerer  Körper  stets  verschieden  sind»  und  zwar 

18* 


256  Oüammintzvkg 

om  so  mehr,  je  gröFser  ihre  chemische  Verschiedenheit  durch  die 
Art  ihrer  Isomerie  ist. 


Wenn  gewisse  Atomgrappen,  wie  HO  und  NOs,  nur  solche 
Anderangen  hervorbringen,  dafs  die  neuen  Formen  noch  mit  den 
frühem  vergleichbar  sind,  so  entsteht  die  Frage,  ob  es  nicht  auch 
unter  den  Metallen  solche  mit  geringer  morphotropischer  Kraft 
giebt.  Dann  muIlBte  eine  (H  haltige)  Sfiure  mit  dem  SaLse,  welches 
das  betreffende  Metall  für  H  enthält,  im  Yerh&Itnils  der  Morpho- 
tropie  stehen.  Dies  ist  in  der  That  der  Fall;  doch  ist  die  Zahl 
der,  zur  Aufsuchung  solcher  Beziehungen  benutzbaren,  krystallo 
graphisch  untersuchten  Sfiuren  und  Salze  eine  sehr  geringe,  weil 
man  nur  dicjenigsn  in  Betracht  ziehen  kann,  bei  welchen  Saure, 
wie  Salz  wasserfrei  krystallisiren.') 

Es  liegen  aus  der  Omppe  der  aromatischen  Siuren  zwei  Bei- 
spiele vor: 

1.  Die  Form  der  Pikrinsfiure  (Trinitrophenol)  wird 
darch  den  Eintritt  eines  Kalium- Atoms  fQr  H  nur  in  einer 
Richtung  geändert.     Es  ist: 

a  :b:  e 
Pikrinsäure;    CcH,(NO,),.OH:  Rhombisch:  «  0,937  : 1 :  0,974, 

Pikrins.KaL:  CeH,(NO0fQKa:         ^       ^       es  0,942  : 1 : 1,352. 

Ammonium  bringt  hier  dieselbe  Änderung  hervor,  d.  h.  das 
Ammoniumsalz  ist  dem  Kaliumsalz  isomorph. 

2.  Ähnlich  verhalten  sich  zu  einander  Ph talsäure  (nach 
Hrn.  Scheibler)  und  saures  phtals.  Ammonium  (letzteres 
nicht  sehr  genau  von  Gerhardt  gemessen): 

a:  b:  c 
Phtalsäure:  C«H4(C00H)(C00H):  Rhombisch:  0,355:  1 : 1,363, 

Phtals.  Am- 
monium: C«H4(COOH)(COOAm):     „       „         0,453  : 1 : 1,327. 


^}  Man  kennt  noch  nicht  die  Rolle,  welche  in  Verbindung  mit  anderen 
Kdipera  dos  Wasser  in  krystaUagraphischer  Hinsicht  spielt.  Dies  ist  ein 
specielier  Fall  der  allgemeinen  Frage  nach  dem  Zusammenhang  der  Krystall* 
form  einer  molecularen  Verbindung  mit  den  Formen  der  beiden  Be- 
standtheile,  einer  Frage,  auf  welche  ich  in  einer  spätem  Mittheilong  zurück- 
zukommen hoffo. 


vom  28.  April  1870.  257 

Ealiam  und  Ammoniam  haben  also  eine  morphötropisehe 
Kraft  in  Bezng  auf  die  Pikrin-  nnd  die  PhtaLsfiure,  welche  sich 
mit  der  yon  HO  and  NO]  vergleichen  Ifilst.  Da  aie  fast  in  allen 
Verbindungen  isomorph  sind,  so  mufs  man  ihnen  eine  nahe  gleiche 
specifische  morphötropisehe  Kraft  zuschreiben.  Ob  deren  Aufse- 
rung  allgemein  eine  ähnliche  ist,  wie  in  obigen  F&Uen,  mufs  vor- 
läufig dahingestellt  bleiben*  Dafs  diese  Beziehungen  jedoch  über 
den  Kreis  der  hier  besprochenen  Verbindungen  hinaus  verfolgt  zu 
werden  rerdienen,  darauf  deutet  ein  Beispiel  hin,  dessen  Kenntnifs 
wir  Hrn.  Rammeisberg  verdanken  (Berichte  d.  d.  ehem.  Ges. 
1870): 

Die  beiden  Salze 

HTlgPO^+aq 
und  HjNaPO«  +  aq 

zeigen  eine  bemerkenswerthe  Ähnlichkeit  ihrer  Form ;  dem  zweiten 
ist  sicher  isomorph  das  entsprechende  Thalliumsalz;  wir  hätten 
also  zu  vergleichen,  wobei  R  das  Alkalimetall  bedeutet: 

H,RP04+aq       und       HR,P04+aq. 

Die  Axenverhältnisse  sind  für  den  angegebenen  Fall: 

1)  HsRPO«  +aq:  Rhombisch:  a:b:c=»  0,934:1:0,657. 

2)  HB,P04-haq:         „       „  „    „    «0,931:1:0,782. 

Also  eine  Morphotropie  durch  den  Eintritt  eines  zweiten  R- 
Atoms,  in  ganz  derselben  Weise,  wie  oben  beim  Ejilium  (Hr.  Ram- 
melsberg,  s.  a.  a.  O.,  war,  um  die  beiden  Salze  in  das  Gewand 
der  Isomorphie  zu  kleiden,  zu  der  Annahme  gezwungen,  die 
Ilauptaxe  c  der  einen  Substanz  müsse  mit  dem  CoSfficient  \  auf 
die  der  andern  bezogen  werden).  —  Ebenso  verhalten  sich  zu  ein- 
ander die  beiden  monoklinen  Salze: 

H.TIPO^:  a:b:c=  3,175:1:1,458.7  =  88°  16'. 
HAm.PO*:  „     „    =»  3,043  : 1 :  1,198.  „  =  88°  0'. 

Hier  ist  also  ebeofalls  nur  die  Axe  c  durch  die  Substitution  eines 
H  durch  ein  Alkalimetall-Atom  verändert  worden. 


Hier  bietet  sich  also,  besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Bezie- 
bangen  zwischen  Isomorphie  und  Morphotropie,  der  weitern  For- 


278  Oesammtsiizung 

Der  Werth  dieses  Yernichtnngswinkels  isl  Terschieden 
nach  dem  Abstände  zwischen  den  Elektroden  und  ancb  naeh  dem 
Durchmesser  der  Kugeln,  in  welchen  die  Elektroden  endigen.  Je 
gröDser  dieser  Abstand  ist,  desto  gröfser  ist  auch  jener  Winkel, 
ohne  ihm  gerade  proportional  zu  sein.  Bei  Funken  von  7  bis  8 
Zoll  Lfinge  kann  er  wohl  auf  30^  und  darüber  steigen* 

Auch  bleibt  der  Winkel  bei  Fortdauer  des  Stromes  nicht  con- 
fttant.  Anfangs  genügt  vielleicht  schon  ein  Winkel  von  30^  um 
die  Funken  zu  unterdrücken;  aUein  bei  fortgesetzter  Drehung  der 
Maschine  kommen  sie  wieder  zum  Vorschein,  und  es  bedarf  za 
ihrer  Vernichtung  einer  abermaligen  Reduetion  des  Winkela,  welche 
sich  naeh  einiger  Zeit  vielleicht  aufs  Nene  als  ungenügend  Mweist, 
bis  man  endlieh  zu  einem  Minimalwerth  gelangt,  bei  dem  die  Fan- 
ken bleibend  verschwinden. 

Aber  was  besonders  bemerkenswerth  ist:  jener  Winkel  ist  anch 
bei  gleicher  Qröfse  des  gegenseitigen  Abstandes  der  Elektroden 
verschieden  nach  der  Lage  desselben  zwischen  den  Elektrodenhal- 
tern. Der  nämliche  Winkel,  der,  wenn  dieser  Abstand  auf  Seite 
des  positiven  Elektrodenhalters  liegt,  die  Entladungsfunken  der 
Flasche  vernichtet,  l&ist  Funken  von  glekber  Lfinge  unverfindert 
bestehen,  wenn  der  Abstand  nach  Seite  des  negativen  Elektroden- 
halters hin  versetzt  wird.  Es  h&ngt  dies  wohl  zusammen  mit  der 
schon  früher,  als  noch  keine  schrfigen  Conductoren  üblich  waren, 
von  Hm.  Dr.  Holtz  gemachten  Erfahrung,  dafs  man  überhaupt, 
um  gute  Fanken  zu  erhalten,  nur  die  negative  Elektrode  aus  der 
Mitte  entfernen  dürfe,  nicht  die  positive. 

Der  Einflufs  des  erwfihnten  Winkels  auf  die  Wirkung  des  dia« 
metralen  Conductors  zeigt  sich  übrigens  auch  in  dem  Fall,  wo  ihm 
keine  grofsen  Fapierbelege  gegenüber  stehen.  Hat  dieser 
Winkel  einen  beträchtlichen  Werth,  z.  B.  45°,  so  ist  es  nicht  mög- 
lich, die  Maschine  auf  eine  der  bekannten  Weisen  in  Tbfitigkeit  zu 
setzen,  und  daher  war  ich  früher,  um  diese  Erregung  zu  bewerkstel- 
Ug^n,  genöthigt,  entweder  den  Conductor  zu  entfernen  oder  die  Ver- 
bindung zwischen  seinen  Kämmen  aufzuheben.  Bei  der  neuen  Ma- 
schine ist  dies  nicht  mehr  nothwendig;  man  braucht  den  Winkel 
nur  bis  10°  oder  15°  zu  verringern  und  kann  sie  dann  mit  Leich- 
tigkeit auf  die  gewohnliche  Art  erregen. 

Hat  man  einmal  die  Maschine  auf  diese  Weise  in  Thätigkeit 
gesetzt  und  erhält  sie  einige  Zeit  darin,  damit  die  ruhende  Scheibe, 


v<m  12.  Mai  1870.  279 

von  welcher  der  acbrftge  Conductor  seine  Wirksamkeit  empfftngt, 
recht  stark  elektrisch  werde,  so  kann  man  diesen  unter  einen  grds* 
fleren  Winkel  (etwa  45^)  einstellen,  und  dabei  wahrnehmen,  dafs 
er  daxm  ohne  Papierbeleg  an  der  Rückseite  der  ruhenden  Scheibe 
^t  eben  so  stark  wirkt  wie  mit  |demselben.  Ich  habe  mit  ihm 
in  ersterem  Falle  Bfisehel  und  Funken  Ton  6  Zoll  Lftnge  er^ 
halten.*) 

Wenn  die  Wirkung  ohne  Papierbelege  auch  etwas  schwacher 
ist,  80  hat  sie  doch  andererseits  den  Vorzug,  dafs  dabei  die  Um- 
kehmngen  des  Stroms,  wenn  überhaupt  noch  möglich,  viel  kräfti- 
ger verhütet  werden  als  bei  Anwendung  von  Papierbelegen. 

Es  scheint  dieses  mit  der  LeitungsfSbigkeit  der  Belege  zusam- 
men zu  hSngen,  denn  wenn  man  dieselbe  erhöht,  c.  B.  das  Papier 
durch  Stanniol  ersetzt,  treten  die  Strom -Umkehrungen  ungleich 
leichter  ein. 

So  lange  die  Elektroden  einander  berflhren  oder  durch  einen 
Leiter,  z.  B.  eine  Flüssigkeit,  eine  Geifslersche  Röhre,  Terbnnden 
sind,  hat  man  zwischen  ihnen  einen  kr&ftigen  Strom,  der  dem  bei 
Anwendung  von  Papierbelegen  stattfindenden,  durchaus  nicht  nach- 
steht Sowie  man  sie  aber  in  freier  Luft  auseinander  zieht,  nimmt 
dieser  Strom  rasch  ab,  und  bald,  wenn  der  Abstand  zwischen  ihren 
Kogeln  auf  einige  Zoll  gebracht  ist,  erlischt  er  g&nzlich,  ungeach- 
tet dann  in  dem  schrfigen  Conductor  selbst,  wie  immer,  wenn  der 
Strom  zwischen  den  Elektroden  schwach  oder  Null  ist,  ein  star- 
ker Strom  auffaitt,  der  lange  und  helle  Lichtpinsel  ans  dem  positi- 
ven seiner  Kämme  auf  die  rotirende  Scheibe  absendet. 

Besonders  leicht  tritt  die  Strom -Umkehrung  ein,  wenn  der 
diametrale  Conductor  lothrecht  steht,  oder  aus  der  Lage  45^  in 
die  lothrechte  Stellung  gebracht  wird. 


^)  Ebenso  sind  die  Erscheinongen,  wenn  hinter  den  Kämmen  des  Con- 
ductors  zwar  kleine  Pspierbelege  angebracht  sind,  diese  aber  nicht  mit  den. 
Belagen  hinter  den  Elektroden  in  leitender  Verbindang  stehen. 

Um  die  volle  Wirkung  des  Conductors  zu  erhalten,  werden  gewöhnlich 
die  enteren  Belege  durch  einen  schmalen,  gekrümmten  Papierstreifen  mit  den 
letzteren  verbunden.  Ich  gebe  indefii  quadrantalen  Belegen,  die  durchweg  so 
breit  wie  die  Kimme  lang  sind,  den  Vorzug,  weil  man  dabei  die  Wirkung 
des  diametralen  Conductors  unter  jedem  Winkel  stndiren  kann. 


280  Oesammtsiizung 

Die  Wirksamkeit  des  diametralen  Condactors  ist  immer  mit 
einem  in  ihm  vorhandenen  Strom  verknüpft.  Ohne  denselben  wirkt 
er  nicht,  obgleich  er  mit  demselben,  wie  schon  erw&hnt,  auch  nn* 
wirksam  sein  kann.  Man  erkennt  das  Dasein  und  die  Richtung 
dieses  Stromes  an  den  Lichtpunkten  und  Lichtpinseln,  die  an  den 
Kfimmen  des  Conducton  auftreten. 

Besser  aber  lassen  sich  die  einseinen  Phasen  und  Schwankun- 
gen des  im  Conductor  vorhandenen  Stromes  studiren,  wenn  man, 
wie  ich  es  gethan  habe,  die  Kfimme  desselben  durch  ein  isoliren- 
des  Mittelstück  trennt  and  sie  darauf  durch  eine  geeignete  Spec- 
tralröhre  (eine  enge,  an  beiden  Enden  cur  Kugel  erweiterte  Röhre, 
die  daselbst  eingeschmelzte  Platindrfihte  enthält  und  mit  stark  ver- 
dünntem Wasserstoff  oder  Stickstoff  gefüllt  ist)  wiederum  verbin- 
det Die  Wirkung  eines  so  eingerichteten  Hülfiscondactors  ist  einem 
metallischen  vollkommen  gleich,  aber  bei  weitem  instructiver  und 
augenfUliger,  wenn  man  im  Dunklen  beobachtet  Hier  einige  Bei- 
spiele davon. 

Wenn  man,  vor  der  Maschine  stehend,  dieselbe  so  erregt,  dafs 
der  linke  Elektrodenkamm  negative  Elektricit&t  ausströmt,  und  wenn 
zugleich  der  Conductor  so  gestellt  ist,  dafs  seine  obere  Hälfte  eben- 
falls nach  der  Linken  um  45°  gegen  den  Horizont  neigt,  so  ge- 
wahrt man,  falls  auch  die  Elektroden  zusammengeschoben  sind, 
dafs  sein  oberer  Kamm  gleich  nach  der  Erregung  positive  Elek- 
tricitfit  aussendet,  denn  in  der  oberen  Kugel  der  Spectralröhre 
erscheint  das  bekannte  blaue  negative  Licht  Dies  dauert  aber 
nur  eine  Weile ,  dann  erlischt  es;  nun  kann  man  die  Elektroden 
mehre  Linien  auseinander  ziehen,  ohne  dafs  die  Röhre  irgend  wel- 
ches Licht  sehen  läfst  Sowie  man  aber  die  Elektroden  weiter  von 
einander  entfernt,  wird  die  Röhre  wieder  leuchtend,  und  zwar  so, 
dafs  nun  das  blaue  Licht  in  ihrer  unteren  Kugel  erscheint. 
Der  Strom  in  dem  Conductor  geht  also  Jetzt  gegen  vorher  in  umge 
kehrter  Richtung  und  diese  behält  er  bei  allen  ferneren  Vergröfse- 
rungen  des  Abstandes  zwischen  den  Elektroden.  Überhaupt  ist, 
wie  schon  gesagt,  der  Strom  in  dem  Conductor  immer  am  stärk- 
sten, wenn  er  zwischen  den  Elektroden  am  schwächsten,  vielleicht 
gar  Null  ist 

Waren  dagegen  bei  Erregung  der  Maschine  die  Elektroden 
nicht  in  Berührung  gebracht,   so  hat  der  Strom  in  dem  Conductor 


oom  12.  Mai  1870.  281 

sogleich  die  letztere  Richtung  und  es  findet  also  keine  Umkehmng 
desselben  statt 

Einen  Strom  von  gleicher  Richtang,  und  zwar  einen  sehr  in- 
tensiren,  seigt  aach  der  Conductor,  sobald  einmal  die  Maschine 
erregt  ist,  wenn  man  ihn  so  weit  nach  der  Rechten  dreht,  dafs  ihm 
kein  Papierbeleg  mehr  gegenüber  steht  Hierbei  müssen  aber  die 
Elektroden  auseinander  gesogen  sein;  schiebt  man  sie  zusammen, 
so  verschwindet  das  Licht  in  der  Röhre. 

Andrerseits,  wenn  man  bei  der  letzteren  Stellung  des  Conduc- 
tors  die  Maschine  in  genannter  Weise  erst  erregt,  crhSlt  man  das 
blaue  Licht  wiederum  in  der  oberen  Kugel  der  Rohre,  voraus- 
gesetzt, dafs  die  Elektroden  zusammengeschoben  sind;  zieht  man 
sie  auseinander,  so  erlischt  es  gänzlich  und  mit  ihm  natürlich  auch 
der  Strom. 

In  allen  diesen  Ffillen  war  die  Gegenwart  grofser  Papierbe- 
lege hinter  den  Kfimmen  des  Conductors  vorausgesetzt  Dieselben 
Erscheinungen  zeigen  sich  aber  auch  ohne  diese  Belege  fast  noch 
besser  ausgebildet 


Einflufs  des  diametralen  Condnctors  auf  die  Erregungsweise 

der  Elektromaschine. 

Bekanntlich  ist  die  Elektromaschine  keine  primitive  Elektrici- 
tatsqnelle,  sondern  ein  Werkzeug  zur  Yervielfi&ltigung  einer  ihm 
mitgetheilten  kleinen  Menge  freier  Elektricit&t,  die  ebensowohl  aus 
der  Yolta sehen  Batterie  oder  dem  Inductorium,  als  aus  der  Elek- 
trisirmaschine  oder  einer  geriebenen  Ebonitplatte  herstammen  kann, 
weshalb  denn  das  Product  dieser  Vervielföltigung  sich  im  Allge- 
meinen nicht  einmal  als  Reibungs-Elektricität  betrachten  I&fst,  ob- 
gleich es  für  gewöhnlich  dieser  seinen  Ursprung  verdankt 

Gerade  durch  diesen  ihren  secundären  Character  erlangt  aber 
die  Elektromaschine,  besonders  ^enn  man  das  Verhalten  des  dia- 
metralen Conductors  dabei  in  Betracht  zieht,  ein  Interesse,  welches 
Elektrisirmaschine  und  Eiektrophor  nicht  gewähren. 

W&hrend  nämlich  die  Elektrisirmaschine  nur  durch  Reibung, 
und  der  Eiektrophor  nur  durch  Reibung  oder  Mittheilung  zur  Wirk- 
samkeit gelangt,  ohne  dabei  eine  bemerkenswerthe  Erscheinung  zu 


282  Oe$ammU%tzufkg 

x^igen'),  kann»  wie  ich  schon  früher  dargethan  habe  (Monataberichte 
1869,  April)  die  rechtl&afig  gedrehte  Elektromaschine  erster  Art 
aof  dreierlei  Weisen  in  Th&tigkeit  gesetst  werden. 

Erstens  von  der  Rückseite  her,  nach  dem  gewöhnlichen  Yer- 
fahren,  indem  man  einem  der  Belege  durch  Yertbeiiung  oder  Mit- 
theilung Elektricitfit  anfuhrt.') 

Zweitens  von  der  Vorderseite  her,  indem  man  ans  einer  an- 
deren Elektricit&tsquelle,  einer  geladenen  Flasche  oder  einer  rwei- 
ten  Maschine,  Elektricit&t  durch  die  Metallkfimme  der  Elektroden 
auf  die  rotirende  Scheibe  ausströmen  Ififst. 

Und  drittens  auf  intermediäre  Weise  mittelst  der  ruhenden 
Scheibe,  nachdem  man  dieselbe  durch  vorherigen  Gebrauch  der 
Maschine  in  ihrer  oberen  und  unteren  H&lfte  entgegengesetat  elek- 
trisch gemacht  und  die  Belege  ableitend  berührt  hat. 


^)  Die  leichteste  Art,  einen  Elektrophor  zu  erregen,  besteht  darin,  dafs 
man  den  Knchen  desselben  einige  Male  zwischen  den  Elektroden  der  Elek- 
tromaschine hin-  und  herführt.  Man  erhält  dadurch  nach  Belieben,  je  nach-* 
dem  wie  man  ihn  in  die  Form  einlegt  oder  zugleich  mit  derselben  elektrisirt  hat, 
einen  negativen  oder  einen  positiven  Elektrophor,  der  bei  der  ersten  Schiies- 
sang  Funken  von  flbenaschender  Kraftigkeit  giebt  Es  dQrfen  aber  bei  die- 
sem Procefs  die  Elektroden  nur  in  Spitzen  auslaufen,  nicht  in  Kugeln,  weil 
sonst  der  Kuchen,  wenn  er  etwas  dünn  ist,  leicht  von  den  Funken  der  Ma- 
schine durchbohrt  wird. 

'}  Es  ist  ganz  einerlei,  ob  dem  einen  Beleg  z.B.  positive  Elektricitit 
durch  Berührung  mitgetheilt  wird,  oder  dieselbe  in  distans  vertheilend  auf 
ihn  wirkt  In  beiden  Fällen  sendet  der  gegenüberstehende  Elektrodenkamm 
negative  Elektricität  ans. 

Bemerkenswerth  ist  auch,  dafs  während  es,  um  die  Maschine  auf  solche 
Weise  in  Thätigkeit  zu  setzen,  nur  einer  geringen  Elektricitätsmenge  bedarf, 
die  dann  durch  das  Spiel  der  Maschine  selbst  bis  zu  einem  gewissen  Punkt 
vermehrt  wird,  eine  weitere  Vermehrung  derselben  durch  künstliche  Mittel 
durchaus  nichts  zur  Verstärkung  der  Wirksamkeit  der  Maschine  beiträgt. 

Leitet  man  z.  B.,  während  die  Maschine  in  Thätigkeit  ist,  positive  Elek- 
tricität auf  ihren  positiven  Beleg,  und  negative  auf  ihren  negativen,  ans  einer 
zweiten  Maschine,  so  wird  der  Strom  der  ersteren  dadurch  nicht  im  Minde- 
sten verstärkt. 

Dagegen  wird  dieser  Strom  augenblicklich  vernichtet  und  auch  wohl  um- 
gekehrt, sowie  man  die  zweite  Maschine  im  entgegengesetzten  Sinne  auf  die 
Belege  der  ersten  wirken  läfst. 


vom  12.  Mai  1870.  283 

Auf  diese  dritte  Erregongsweise  scheint  der  Hnlfscondactor 
ganz  ohne  EinfloDs  zu  sein-  Und  auf  die  erste  wirkt  er  nur  inso* 
fern,  als  er,  wenn  ihm  keine  Papierbelege  gegenüber  stehen,  sie 
gar  nicht  zu  Stande  kommen  Ififst,  sobald  er  nicht  einen  kleinen 
Winkel  mit  der  Yerbindangsiinie  der  Elektrodenkfimme  macht,  wie 
schon  vorhin  gesagt. 

Desto  entschiedener  nnd  merkwürdiger  aber  ist  sein  Einfluls 
auf  die  zweite  Erregungsweise.  Ich  habe  darüber  schon  im  Mo- 
natsbericht Tom  Januar  des  verflossenen  Jahrs  eine  vorlfiufige  No- 
tiz gegeben^  und  will  nun  hier  die  Sache  ausführlicher  behandeln. 
Biese  Erregungsweise  kann  sowohl  durch  geladene  Flaschen  als 
durch  den  Strom  einer  zweiten  Elektromaschine  bewerkstelligt  wer* 
den.    Beide  Methoden  haben  ihr  Eigenthümliches. 

Erregung  der  Maschine  durch  geladene  Flaschen. 

Erster  Fall:  Maschine  ohne  Hülfsconductor.  —  Legt 
man  zwei  entgegengesetzt  geladene  Flaschen,  deren  äuTsere  Belege 
in  metallische  Verbindung  gesetzt  sind,  mit  ihren  Knöpfen  an  die, 
zur  Verhütung  einer  Entladung  zwischen  ihnen,  hinreichend  aus* 
einander  gezogenen  Elektroden,  und  bringt  darauf  die  Maschine 
rechtl&ofig,  d.  h.  den  Z&hnen  ihrer  Papierbelege  entgegen,  in 
Rotation,  so  erfolgt  eine  stille  Entladung  der  Flaschen  gegen 
die  rotirende  Scheibe.  Dabei  geht  von  der  positiven  Flasche  (d.  h. 
von  ihrem  inneren  positiven  Belege)  positive  Elektricität,  und  von 
der  negativen  negative  Elektricität  auf  die  Scheibe  über,  wie  man 
dies  im  Dunklen  aus  den  Licht-Erscheinungen  an  den  Elektroden- 
kammen  deutlich  ersieht. 

Durch  diese  Entladung  gelangt  die  Maschine  zur  Thätigkeit, 
in  solcher  Weise,  dafs  sie,  nachdem  die  Flaschen  erschöpft  sind, 
den  eingeleiteten  Procefs  in  gleicher  Richtung  fortsetzt  Da  nun, 
wenn  der  eine  Kamm  fortdauernd  positive ,  und  der  andere  fort* 
dauernd  negative  Elektricitfit  aussendet,  die  EInöpfe  der  Elektroden 
notbwendigerweise  eben  so  fortdauernd  die  entgegengesetzten  Elek- 
tricitaten  an  die  Flaschen  abgeben  müssen,  so  werden  diese  wie- 
derum geladen,  und  zwar  in  umgekehrtem  Sinn,  wie  sie  es  vor- 
her waren. 

Allein  die  so  umgekehrt  geladenen  Flaschen  wirken  auf  die 
Maschine  zurück,  erregen  sie  im  entgegengesetzten  Sinn,  um 
sie  nach  kurzer  Zeit  wiederum  im  ursprünglichen  Sinn  zu  be- 


284  Gesammtsitzung 

lebeO)  und  so  fort,  eine  onunterbrochene  Reihe  von  Strom-Umkeh- 
rungen bewirkend.  Um  die  Maschine  in  einem  bestimmten  Sinn 
erregt  sa  haben,  mufs  man  demnach  die  Elektroden  zur  rechten  Zeit 
schliefsen  nnd  die  Flaschen  entfernen. 

Zweiter  Fall:  Maschine  swar  mit  Hülfscondnctor 
armirt,  aber  ohne  Papierbelege  dahinter.  —  In  diesem 
Falle  findet  bei  der  eben  beschriebenen  Operation  wohl  eine  stille 
Entladung  der  Flaschen  gegen  die  Scheibe  statt,  aber  keine  umge- 
kehrte Ladung  derselben,  da  die  Maschine  nicht  zur  selbststfindigen 
Th&tigkeit  gelangt.  Die  Licht-Erscheinungen  an  den  Kämmen  der 
Elektroden  und  des  Conductors  während  der  Entladung  sind  nur 
schwach,  und  zeigen,  dafs  während  derselben,  bei  schräger  Stel- 
lung des  Conductors,  die  benachbarten  Kämme  entgegengesetzt 
elektrisch  sind,  also,  im  Kreise  herumgezählt,  auf  zwei  positire 
Kämme  zwei  negative  folgen. 

Dritter  Fall:  Maschine  mit  Hülfscondnctor  und  Pa- 
pierbelegen dahinter.  —  Dieser  Fall  bietet  eine  ganz  ano- 
male Erscheinung  dar.  Die  positiv  geladene  Flasche  sendet 
nämlich  bei  rechtläufiger  Drehung  der  Maschine  nicht  positive, 
sondern  negative  Elektricität  gegen  die  rotirende  Scheibe,  und 
die  negativ  geladene  ebenso  positive.')  Eine  stille  Entladung 
der  Flaschen  findet  nicht  statt,  im  Gegentheil  eine  stärkere  La- 
dung derselben  im  ursprfinglichen  Sinn,  während  die  Maschine« 
verglichen  mit  dem  ersten  Fall,  wo  kein  Conductor  vorhanden  war, 
im  umgekehrten  Sinn  zur  selbstständigen  Thätigkeit  gelangt. 

Die  geladenen  Flaschen  verlieren  also  nichts  von  der  in  ihnen 
angehäuften  Elektricität,  nehmen  vielmehr  noch  neue  derselben  Art 
aus  der  rotirenden  Scheibe  auf,  ungeachtet  diese  erst  durch  sie 
elektrisch  gemacht  wird. 

Die  Ladung  der  Flaschen,  um  diese  Wirkung  hervorzubringen, 
braucht  gar  keine  starke  zu  sein.  Zwei  Flaschen,  jede  von  73 
Quadratzoll  äufserer  Belegung,  die  an  einer  anderen  Elektroma- 
schine  durch  eine  einzige  Kurbeldrehung  geladen  worden  waren, 
so  schwach,  dafs  sie  sich  zwischen  Kugeln  von  10  Lin.  erst  ent- 


')  Dreht  man  die  Maschine  rückläufig,  so  verhält  es  sich  umgekehrt. 
Die  positiv  geladene  Flasche  oder  vielmehr  ihr  positiver  Knopf  z.  B.  sendet 
positive  Elektricität  auf  die  Scheibe. 


vom  i2.  Mai  £870.  285 

laden,  wenn  diese  bis  za  3  Lin.  sasammeDgeschoben  wurden,  reich* 
ten  hin,  die  anomale  Erregang  hervorzurufen,  welche  ihnen  nun 
eine  viel  höhere  Ladung  ertheilte,  eine  Ladung  von  4  Zoll  Schlag- 
weite  und  darüber. 

Diese  merkwürdige  Erzeugung  und  Einsaugung  von  Elektrici- 
tat  durch  partiell  geladene  Flaschen  ist  nicht  blofs  der  eben  ge- 
nannten Combination  eigen,  sondern  zeigt  sich  auch  in  zwei  an- 
dern, sehr  verschiedenen  FfiUen,  von  denen  ich  weiterhin  sprechen 
werde. 

Das  verschiedene  Verhalten  geladener  Flaschen  gegen,  die 
noch  unerregte  Maschine,  je  nachdem  diese  mit  einem  diametra- 
len Conductor  versehen  ist  oder  nicht,  giebt  übrigens  eine  einfache 
Erkl&rung  der  Thatsache,  dafs  wenn  man  Flaschen  von  einiger 
GroJse  an  der  bereits  th fitigen  Maschine  zu  laden  versucht  und 
diese  mit  keinem  Conductor  versehen  ist,  der  Strom  derselben  sich 
umkehrt,  dafs  dies  aber  nicht  geschieht,  sobald  ein  Conductor  zu- 
gegen ist.  Im  ersten  Fall  wirkt  nämlich  die  Flasche  der  Maschine 
entgegen,  im  zweiten  Fall  aber  nicht. 

Erregung  der  Elektromasehine  durch  den  Strom  einer  andern. 

Erster  Fall:  Beide  Maschinen  ohne  diametralen 
Conductor.  —  Wird  der  Strom  der  einen  Maschine  auf  die 
rechtlfiufig  rotirende  Scheibe  der  anderen,  noch  nicht  erregten  ge- 
leitet, so  kommt  auch  diese  in  Thfitigkeit  und  zwar  in  gleichem 
Sinne  mit  der  ersteren^  so  dafs  jeder  der  Verbindungsdr&hte  an 
seinen  Enden  oder  Metallkämmen  entgegengesetzte  Elektricitäten 
aassendet. 

Werden  die  beiden  Maschinen  erst  einzeln  erregt  und  dann 
gleichsinnig  verbunden,  so  ist  auch  nach  der  Verbindung  der  Strom 
in  beiden  ein  gleichsinniger.  Werden  sie  aber,  nach  der  Erregung, 
widersinnig  verbunden,  so  erlischt  der  Strom  in  beiden. 

Zweiter  Fall:  Die  eine  Maschine  ohne  Conductor, 
die  andere  mit  demselben.  —  Wird  die  Maschine  Ä^  die  kei- 
nen Hülfsconductor  hat,  erst  erregt,  und  alsdann  ihr  Strom  auf 
die  noch  unerregte  Maschine  J9,  die  mit  Conductor  versehen  ist, 
geleitet,  so  kommt  auch  diese  in  Thfitigkeit,  momentan  in  wider- 
sinniger Richtung  mit  dem  Strom  von  A\  allein  sie  übt  auf  die- 
sen eineReaction  aus,  kehrt  ihn  nämlich  um,  so  dafs  dann  doch 
die  Strome  bei  der  Maschine  in  gleicher  Richtung  gehen,  aber  ent- 


286  Oesammtsitzung 

gegen  der,  welcher  man  den  Strom  von  Ä  ursprünglich  eingeprägt 
hatte. 

Hat  man  die  mit  Condactor  versehene  Maschine  B  zuerst  er> 
regt  und  ihren  Strom  auf  die  unerregte  Ä  geleitet,  so  findet  eine 
solche  Reaction  oder  Umkehrung  nicht  statt.  Der  Strom  von  A 
ist  gleichsinnig  mit  dem  von  B,  der  auch  nach  der  Verbindung 
seine  ursprüngliche  Richtung  bewahrt. 

Dritter  Fall:  Die  eine  Maschine  ohne  Conductor, 
die  andere  mit  Conductor,  aber  ohne  Papierbelege  da- 
hinter. —  Der  Strom  der  ersten  Maschine  Ä  bringt  die  andere 
B  nicht  cur  selbststfindigen  Thfitigkeit;  während  der  Einströmung 
bemerkt  man  zwar  Licht-Erscheinungen  an  den  Kftmmen  von  B^ 
aber  sie  sind  schwach,  werden  immer  schwächer  und  verschwinden 
endlich  mit  dem  gleichzeitigen  Erlöschen  des  Stroms  in  A* 

Vierter  Fall:  Beide  Maschinen  mit  Conductoren, 
aber  nur  die  eine  mit  Papierbelegen  dahinter.  —  Die 
Maschine  A  mit  Belegen  erregt  ganz  deutlich  in  der  Maschine  B 
ohne  Belege  einen  gleichsinnigen  Strom;  aber  dieser  Strom  besteht 
nur  während  der  Einströmung  und  so  lange  man  B  in  Rotation 
erhält.  Dabei  findet  in  A  kein  Erloschen  des  Stromes  statt.  Der 
ganze  Vorgang  hat  Ähnlichkeit  mit  dem  in  zweiten  Fall  der  Erre- 
gung durch  Flaschen. 

Fünfter  Fall:  Beide  Maschinen  mit  Conductoren  und 
Papierbelegen  dahinter.  —  Dieser  Fall  ist  wiederum  ganz 
anomal.  Lieitet  man  nämlich  den  Strom  der  einen  Maschine  auf 
die  zwar  in  Rotation  versetzte,  aber  noch  unerregte  zweite  Ma- 
schine, so  kommt  diese  in  widersinniger  Richtung  zur  selbst- 
ständigen Thätigkeit,  also  so,  daCs  ihr  Strom  dem  der  ersten  Ma- 
schine entgegengesetzt  ist.  In  Folge  defs  hat  man  die  merkwfir- 
dige,  im  Dunklen  schon  durch  den  blofsen  Anblick  erkennbare  Er- 
scheinung, dafs  die  Verbindungsdrähte  aus  den  Kämmen  an  ihren 
Enden  einerlei  Elektricität  aussenden  und  aus  ihrer  Mitte  die 
entgegengesetzte.  Der  eine  Draht  strahlt  solchergestalt  an 
beiden  Enden  positve  und  in  der  Mitte  negative  Elektricität  aus; 
der  andere  an  den  Enden  negative  und  in  der  Mitte  positive. 

Dasselbe  geschieht,  wenn  man  zwei  mit  diametralen  Ck)nduc- 
toren  versehene  Maschinen  erst  einzeln  erregt  und  dann  widersin- 
nig verbindet.    Die  Strome  derselben  loschen  einander  nicht  ans. 


vom  12.  Mai  1870.  287 

wie  im  Falle  der  Abwesenheit  dieser  Conductoren,    sondern  ver- 
harren unyerfindert  in  ihrer  Widersinnigkeit. 

Verbindet  man  andrerseits  dieselben  vorher  erregten  Maschi- 
nen gleichsinnig  mit  einander,  so  kehrt  der  Strom  der  einen 
den  der  andern  lun,  und  die  Maschinen  wirken  also  dann  doch 
wie  vorhin  einander  entgegen.  Welche  der  beiden  Maschinen 
dabei  das  Übergewicht  erlangt,  h&ngt  theils  von  der  Kr&ftigkeit 
derselben  ab,  theils  aber,  und,  wie  es  scheint,  hauptsfichlich 
davon,  welche  von  ihnen,  nach  der  Verbindung  mit  der  andern, 
cDerst  in  Bewegung  gesetzt  ward.  Die  zuerst  bewegte  Maschine 
überwältigt  die  andere. 

In  allen  diesen  drei  F&llen  ist  kein  Strom  in  den  Verbindnngs- 
drähten  vorhanden.  Denn  wenn  man  sie  an  einer  Stelle  unter- 
bricht und  daselbst  eine  Geifslersche  Rohre  einschaltet,  bleibt 
dieselbe  dunkel,  sobald  nur  beide  Maschinen  gleich  stark  wirken. 
Von  dieser  merkwürdigen  Anordnung  der  Elektricit&t  auf  den 
Verbindungsdrfihten  kann  man  eine  Nutzanwendung  machen,  darin 
bestehend,  dafs  man  zwischen  beiden  Dr&hten  eine  Brücke  scblfigt. 
Man  erhilt  dann  in  dieser  Brücke  einen  Strom,  welcher  gleich  ist 
der  Summe  der  Strome  beider  Maschinen. 

Schon  in  der  kurzen  Notiz  im  Januarheft  der  voij&hrigen  Mo- 
natsberichte, aus  der  ich  die  eben  angeführten  Worte  entlehne, 
Bsgte  ich,  dafs  sich,  gestutzt  auf  diese  Thatsache,  eine  Maschine 
von  doppelter  Kraft  einer  einfachen  construiren  lasse,  unterliefs  es 
aber  damals  die  Idee  zur  Ausfuhrung  zu  bringen.  Seit  einigen 
Monaten  bin  ich  jedoch  im  Besitz  einer  solchen  Doppelmaschine, 
vortrefflich  ausgeführt  von  dem  Mechanikus  Borchardt,  die  allen 
meinen  von  ihr  gehegten  Erwartungen  nicht  nur  erfüllt,  sondern 
sogar  übertroffen  hat.  Bevor  ich  indefs  zur  Beschreibung  dersel- 
ben übergehe,  will  ich  hier  einige  andere  Beobachtungen  mitthei- 
leo,  die  mit  den  bereits  auseinander  gesetzten  in  enger  Beziehung 
stehen. 


Nene   Erregangsweise   der  Eleklromaschine. 

Bei  allen  bisherigen  Erregungsweisen  mufste  man  die  Maschine 
erster  Art,  damit  sie  zur  Thätigkeit  gelange,  rechtlfiufig,  d.  h. 
den  Zfihnen  der  Belege  entgegen,  rotiren  lassen.     Es  ist  dies  aber 


288  Oesammt$iizunff 

keine  ateolnte  Nothwendigkeit      Sie  kann  auch  durch  rückläu- 
fige Rotation  in  Th&tigkeit  Teraetit  werden. 

Binen  ersten  Fall  der  Art  habe  ich  bei  Gelegenheit  meiner 
Untersachnng  über  das  Holte  sehe  BotationsphXnomen  beobachtet, 
damals  aber  nnerwShnt  gdassen. 

Leitet  man  nämlich  den  Strom  einer  Maschine  A^  die  mit 
Condactor  und  Papierbelegen  dahinter  yersehen  ist,  auf  eine  zweite 
Maschine  B,  weldie  keinen  Condnctor  hat,  so  kommt  diese,  wenn 
sie  hinreichend  bew^lich  ist,  nach  einem  kleinen  Anstols,  in  Ro- 
tation, und  zwar  nach  der  einen  Richtnng  siemlich  eben  so.  gut 
als  nach  der  anderen. 

Das  N&nliche  ist  der  Fall,  wenn  die  Maschine  B  swar  einen 
Condactor  hat,  derselbe  aber  so  gestellt  ist,  dals  ihm  die  grofsen 
Papierbelege  nidit  gegenfiberstehen.  Bringt  man  ihn  jedoch  in  die 
Stellung  yor  diesen,  so  vermag  die  Maschine  merkwordigerweise 
nur  in  einer  Richtung  au  rotiren,  nSmlich  in  der  rückläufigen. 

Unterh&lt  man  nun  diese  rückläufige  Rotation  eine  Zeitlang, 
trennt  dann  die  Maschine  B  yon  der  andern  A,  und  setzt  sie  mit- 
telst der  durch  die  Hand  gedrehten  Kurbel  in  rechtl£ufige  Ro- 
tation, so  giebt  sie  einen  starken  Strom,  welcher  dem  von  Ä^  der 
anfangs  auf  sie  einströmte»  in  Riditung  entgegengesetst  ist 

Ein  zweiter  Fall  ist  dieser.  Man  leitet  den  Strom  der  Ma- 
schine A^  die  mit  Conductor  und  Papierbelegen  yersehen  ist,  auf 
die  Maschine  Bj  aber  nicht  wie  immer  bisher  durch  ihre  Elektro- 
denk&mme,  sondern  durch  die  Kfimme  ihres  Conductors,  die  20 
diesem  Zweck  von  einander -isolirt  sein  müssen,  jedoch  nicht  noth- 
wendig  Papierbelegen  gegenüber  zu  stehen  brauchen.  Dreht  man 
nun  die  Maschine  J9,  gleichviel  ob  rech  tl aufig  oder  rückläafigi 
so  gewahrt  man  an  den  Licht-Erscheinungen,  die  im  Dunklen  an 
den  K&mmen  sichtbar  sind,  daCs  während  der  Einströmung  in  B 
ein  Strom  erregt  wird,  der  dem  von  A  in  Richtung  entgegengesetzt 
ist,  der  aber,  sowie  man  B  von  A  abtrennt  und  fortgesetzt  recbt- 
läufig  dreht,  seine  Richtung  umkehrt,  folglich  gleiche  Richtung  mit 
dem  erregenden  Strom  von  A  bekommt. 

Ich  halte  dafür,  dafs  diese  beiden  Fälle,  obwohl  in  der  Form 
von  den  bisher  bekannten  Erregungsweisen  verschieden,  dennoch 
im  Wesen  zusammenfallen  mit  derjenigen,  welche  ich  vorhin  die 
intermediäre  genannt  habe,  dafs  sie  nämlich  aus  einer  entgegen- 


vom  12.  Mai  1870.  S89 

geseUten  Elektrisirnng  der  beiden  Hfilften  der  ruhenden  Scheibe 
hervorgehen. 

Die  rucklfiafige  Rotation,  von  der  eben  die  Bede  war,  Ufst 
sich  auch  mittelst  geladener  Flaschen  berrorbringen,  die  man 
der  noch  nnerregten  Maschine  anlegt. 

Interessanter  macht  sich  aber  der  Versuch,  wenn  man  an  die 
bereits  erregte  Maschine  ein  Paar  etwas  grofser,  ungelade* 
n er  Flaschen  ansetzt  (ich  nehme  sie  von  73  und  von  152  Quadrat* 
zoll  finfserer  Belegung  eine  jede)  und  die  Elektroden  4  bis  5  Zoll 
auseinander  zieht,  um  ihnen  eine  recht  starke  Ladung  ertheilen  zu 
können,  und  nun  rechtlfiufig  dreht.  Schon  hiebei  spürt  man 
fühlbar,  dafs  sich  die  Maschine  um  so  schwerer  drehen  Ififst,  je 
mehr  man  dem  möglichen  Maximum  der  Ladung  nahe  kommt. 
Hat  man  dieses  Maximum  ungef&hr  erreicht  und  läfst  nun  die 
Kurbel  los,  so  beginnt  die  Maschine  durch  die  Beaction  der  Flasche 
aas  freien  Stücken  rückläufig  zu  rotiren,  und  zwar  trotz  des 
Schnurlaufs  (wenn  er  nur  nicht  zu  stark  gespannt  ist)  ziemlich 
rasch  und  wohl  so  lange,  dafs  die  Scheibe  25  bis  30  Umgänge 
macht.  Entfernt  man  die  Schnur,  so  rotirt  sie  natürlich  viel  schnel- 
ler und  langer.  Auch  zu  dieser  Rotation,  bei  welcher  die  Flaschen 
still  entladen  werden,  und  jede  derselben  diejenige  Elektricitfit  auf 
die  Scheibe  aussendet,  mit  welcher  sie  geladen  war,  ist  nothwen- 
dig,  dafs  die  Maschine  mit  einem  vor  den  Papierbelegen  stehenden 
diametralen  Conductor  versehen  sei;  sonst  erfolgt  sie  nicht 

Dafs  diese  interessante  Form  des  Holtz'schen  Rotationspbfi* 
nomena  bisher  noch  nicht  beobachtet  worden  ist,  ungeachtet  man 
seit  fünf  Jahren  so  oft  Flaschen  an  der  Maschine  geladen  hat,  hat 
seinen  Grund  wohl  darin,  dafs  die  Maschine  einerseits  nicht  be- 
weglich genug  war  und  andrerseits  auch  keine  Einrichtung  besafs, 
um  gröfsere  Flaschen  mit  ihr  zu  verbinden,  was  nur  mittelst 
der  weiterhin  beschriebenen  Teller  auf  den  Elektrodenhaltem  leicht 
und  bequem  zu  bewerkstelligen  ist. 


Erregung   der  Elektromaschine   erster  Art   bei  Vertanschang 
der  Elektroden  gegen   den   diametralen   Conductor. 

Im  Aprilheft  der  Monatsberichte  von  vorigem  Jahre  habe  ich 
eine  Gebrauchsweise  der  Elektromaschine  erster  Art  beschrieben, 


290  OiMammtsitzung 

die  auf  eine  VertauBchnng  der  Elektroden  gegen  den  diametralen 
Condactor  hinanslfioft.  Es  wird  nfimlich  die  mhende  Scheibe, 
welche  mit  swei  gezahnten  Belegen  von  geringer  Breite  versehen 
sein  mnfs,  so  gestellt,  dafs  der  eine  dieser  Belege  senkrecht  unter 
dem  andern  liegt.  Bringt  man  nun  vor  ihnen  den  diametralen 
mifsconductor  ebenfalls  in  lothrechter  Stellung  an,  so  kann  man 
die  Maschine  (sobald  nur  die  Elektroden  hinreichend  auseinander 
gesogen  sind)  auf  die  gewöhnliche  Weise  von  der  Rückseite  her 
erregen,  und  bekommt  dann  in  dem  Conductor  den  Hauptstrom, 
wie  ich  ihn  nannte,  und  in  den  Elektroden  der  horizontalen  Kfimme, 
denen  keine  gezahnten  Belege  gegenüberstehen,  den  Nebenstrom, 
der  allein  nutzbar  ist. 

Ich  zeigte  dann,  dafs  dieser  Nebenstrom  die  Differenz  zweier 
entgegengesetzten  Strome  ist,  deren  einer  von  der  vorderen  rotiren- 
den  Scheibe  und  der  andere  von  der  hinteren  ruhenden  aasgeht, 
und  data  man  den  letzteren  schwfichen  oder  vernichten  müsse,  wenn 
man  eine  anhaltende  Wirkung  zu  erhalten  wünscht.  Dies  gelang 
mir,  indem  ich  die  ruhende  Scheibe  hinter  den  Elektrodenkfimmen 
mit  grofsen  Ausschnitten  versah,  denen  keine  Belege  angefugt 
waren. 

Als  ich  jetzt  die  letztere  Combination  auf  ihre  Erregung  nfiher 
nntersuchte,  fand  ich,  dafs,  wiewohl  man  sie  durch  Elektrisirnng 
der  Belege  von  der  Rückseite  her  ganz  leicht  in  Thfitigkeit  setzen 
kann,  dieses  durch  Einströmung  von  Elektricit&t  auf  die  vordere 
rotirende  Scheibe  mittelst  der  Elektrodenkämme  nicht  zu  bewerk- 
stelligen sei.  Ich  mochte  die  Elektroden  mit  geladenen  Flaschen 
oder  mit  einer  anderen  Maschine  verbinden:  die  genannte  Combi- 
nation kam  nicht  zur  Wirksamkeit. 

Ich  vertauschte  nun  die  Scheibe  mit  vier  Ausschnitten  gegen 
die  mit  zwei  und  daran  sitzenden  Belegen,  und  siehe  da:  jetzt 
war  eine  Erregung  von  der  Vorderseite  her  durch  die  Elektroden 
möglich. 

Legte  ich  geladene  Flaschen  an,  so  wurden  sie  nicht  still 
entladen,  sondern  stfirker  geladen;  sie  boten  also  denselben 
anomalen  Fall  dar,  der  vorhin  S.  284  besprochen  wurde,  ungeach- 
tet es  hier  der  Hülfscondactor  selber  war,  in  welchem  der  Vorgang 
stattfand. 

Ähnlich  verhielt  es  sich ,  als  der  Strom  einer  anderen  Ma- 
schine  durch  die  Kfimme   der  als  Hülfscondnctoren   fungirenden 


vom  12.  Mai  1870.  291 

Elektroden  auf  die  rotirende  Scheibe  geleitet  wurde.  Die  Yerbin- 
dangsdrfihte  strömten  einerlei  £lektricit&t  aus  ihren  £nden  aus, 
aod  die  erregte  Maschine,  abgetrennt  von  der  erregenden,  gab  einen 
Strom,  der  in  Richtung  dem  der  letzteren  entgegengesetzt  war. 


Verhalten  der  lateralen  Condnctoren. 

Es  ist  nicht  allein  der  diametrale  Conductor,  welcher  die  F&- 
higkeit  besitzt,  den  Strömen  zweier  vereinten  Maschinen  eine  wider- 
sinnige Richtung  zu  geben  und  zu  erhalten:  auch  der  laterale 
oder  überzählige  Conductor,  den  Hr.  Dr.  Holtz  in  der  ersten 
Zeit  zur  Verhütung  der  Strom -Umkehrungen  anwandte,  ist  mit 
dieser  Eigenschaft  begabt,  jedoch  in  geringerem  Orade. 

Der  laterale  Conductor  *  besteht  bekanntlich  aus  einem  Metall- 
kamm, der  vertikal  entweder  oben  oder  nnten  vor  der  Scheibe  in 
qoadrantalem  Abstand  von  den  Elektrodenk£mmen  angebracht  und 
mit  einem  der  letzteren  durch  einen  Bügel  metallisch  verknüpft 
ist.  Zur  Erhöhung  seiner  Wirksamkeit  wird  an  die  ruhende 
Scheibe  ein  quadrantaler  Papierbeleg  angelegt,  der  sich  gegenüber 
von  dem  unverbundenen  Elektrodenkamm  bis  gegenüber  zu  den! 
Conductorkamm  erstreckt.  Statt  eines  solchen  lateralen  Conduc- 
tors  können  auch  deren  zwei  angewandt  werden,  einer  oben  und 
einer  unten. 

Um  nicht  zu  weitlauftig  zu  werden,  will  ich  nicht  alle  hier 
möglichen  Ffille  in  Betracht  ziehen,  sondern  nur  einige  der  inter- 
essanteren. 

Erster  Fall:  'Erregende  Maschine  Ä  mit  diametra- 
len Conductor  und  Belegen  dahinter.  Die  andere  Ma- 
schine B  mit  vertikalem  Kamm  oben,  Bügel  rechts,  Be- 
leg links. 

Der  Strom  der  Maschine  Ä  erregt  schon  während  der  Ver- 
bindung derselben  mit  B  in  dieser  einen  ihm  entgegengesetz- 
ten Strom,  der  sich  auch  nach  der  Trennung  beider  Maschinen 
erhält.  Der  vertikale  Hülfskamm  strömt  dabei  positive  Elektri- 
cität  in  langen  Pinseln  aus,  wenn  der  mit  ihm  verbundene  links 
liegende  Elektrodenkamm  die  negativen  Lichtpunkte  zeigt.  Am 
rechtsliegenden  positiven  Elektrodenkamm  erscheinen  w&hrend  der 
Einströmung  nur  schwache  Pinsel,  nachher  stärkere. 
[1870]  21 


292  OeiammUiizung 

Z.w«iier  Fall:  Maschine  A  wie  rorhin  armirt.  Ma- 
9ehine  j?  mit  rertikalem  Kamm  unten,  Bfigel  links»  Be- 
leg rechts. 

Dieser  Fall  ist  identisch  mit  dem  ersten,  da  das  Gänse  von 
Condactor,  Bügel  nnd  Beleg  in  der  Maschine  B  nnr  um  180°  ge- 
dreht ist.  Man  erhält  also  auch  in  diesem  Fall  in  B  einen  wider- 
sinnigen Strom  mit  dem  in  A, 

Dritter  Fall:  Maschine  A  wie  vorhin  armirt  Ma- 
schine B  mit  yertikalem  Kamm  oben  und  unten,  BGgel 
oben  rechts,  unten  links,  Beleg  oben  links,  unten 
rechts. 

In  diesem  Fall  erregt  der  Strom  A  nnr  einen  finfserst  schwa- 
chen Strom  in  Bj  der  rielleicht  blos  einer  Unregelmfifsigkeit  in 
dieser  Maschine  seine  Entstehung  yerdankt 

Vierter  Fall:  A  wie  yorhin  armirt;  B  mit  vertika- 
lem Kamm  oben  oder  unten;  Beleg  und  Bügel  auf 
einerlei  Seite. 

In  diesem  Fall  giebt  B  einen  gleichsinnigen  Strom  mit 
dem  von  A^  wie  wenn  der  laterale  Conductor  nicht  da  wfire. 

Ist  die  Maschine  A  nicht  mit  diametralen  Conductor  und  Be- 
legen armirt,  so  hat  man  im  ersten  Fall  wiederum  das  interessante 
Schauspiel  der  Reactton,  von  welcher  schon  S.  285  die  Rede  war. 
Der  Strom  von  A  erregt  in  B  einen  entgegengesetst  gerichteten 
und  wird  darauf  von  diesem  umgekehrt,  so  dafs  nun  beide  Strome 
in  gleicher  Richtung  gehen. 

Geladene  Flaschen  verhalten  sich  gegen  die  mit  dem  lateralen 
Conductor  armirte  Maschine  genau  so  wie  gegen  die  mit  dem  dia- 
metralen Conductor  versehen. 

Im  ersten  und  aweiten  der  eben  erwShnten  F&lle  zeigen  sie  die 
anomale  Erscheinung,  dafs  sie  die  entgegengesetste  Elektricitfit  von 
der,  mit  welcher  sie  geladen  wurden,  auf  die  Maschine  ausströmen, 
und  im  vierten  Falle  die  gleiche. 


Verhalten   der   Elektromascbine   zweiter  Art. 

Die  Elektromaschine  zweiter  Art,  d.  h.  die  mit  zwei  wider- 
sinnig rotirenden  Scheiben  ist  neuerdings  von  Hrn.  Dr.  Holtz 
wesentlich  gegen  die  frühere  verändert  worden.     Nicht  allein,  dafs 


vom  12.  Mai  1870.  293 

die  Scheiben  yertikal  gestellt  sind,  w&hrend  sie  früher  horizontal 
lagen,  ist  auch  die  Maschine  mit  swei  beweglichen  diametralen 
Condactoren  versehen.  Der  eine  befindet  sich  auf  Seite  der  Elek- 
troden, der  andere  anf  der  Rückseite  der  Scheiben,  wogegen  die 
frohere  Maschine  vier  oder  fünf  feststehende  Metallkämme  besafs. 

Nnr  der  erste  dieser  drehbaren  Condactoren  ist  gewissermas- 
8en  als  überflüssig  sa  betrachten,  da  die  Maschine  auch  ohne  ihn 
zur  Wirksamkeit  gelangt  nnd  er  nur  den  Zweck  hat,  die  Strom» 
Umkehrongen  zu  verhüten,  welchen  Zweck  er  übrigens  nur  bedin« 
gtmgsweise  erfüllt.  Der  zweite  Conductor  dagegen,  der  an  der 
Ruckseite  der  Scheiben,  der  für  gewöhnlich  lothrecht  gestellt  wird, 
ist  unumgänglich  nothwendig:  ohne  ihn  ist  keine  Wirkung  der 
Maschine  möglich. 

Von  diesem  letzteren  werde  ich  hier  absehen,  da  es  nicht  in 
meinem  Plan  liegt,  gegenwärtig  in  eine  vollständige  Untersuchung 
über  die  Elektromaschine  zweiter  Art  einzugehen.  Ich  werde  nur 
den  vordem  Conductor  in  Betracht  ziehen,  um  sein  Verhalten  mit 
dem  des  entsprechenden  Conductors  an  der  Maschine  erster  Art  zu 
vergleichen. 

Zuvörderst  mufs  ich  bemerken,  dafs  zwischen  diesen  beiden 
Conductoren  ein  wesentlicher  Unterschied  besteht.  Bei  der  Ma- 
schine erster  Art  kann  der  drehbare  Conductor  so  ziemlich  eine 
jede  Lage  haben,  und  man  erhält  doch  immer  zwischen  den  Elek- 
troden, wenn  sie  nur  nicht  zu  weit  von  einander  stehen,  eine  mehr 
oder  weniger  kräftige  Wirkung.  Bei  der  Maschine  zweiter  Art 
dagegen  mub  der  vordere  Conductor  eine  durch  die  Rotation  be- 
dingte Lage  haben,  wenn  man  überhaupt  eine  nutzbare  Wirkung 
erlangen  will. 

Wenn  die  vordere  Scheibe  in  rechtläufige  d.  h.  schraubenrechte 
Rotation  versetzt  ist,  mufs  der  Conductor  vor  ihrem  ersten  und 
dritten  Quadranten  stehen;  steht  er  vor  dem  zweiten  nnd  vierten 
Quadranten,  so  erhält  man  zwischen  den  Elektroden,  auch  wenn 
sie  einander  noch  so  sehr  genähert  sind,  gar  keine  Wirkung,  nicht 
weil  die  Maschine  alsdann  keine  Elektricität  entwickelte,  sondern 
weil  dieselbe  ihren  Weg  lediglich  durch  die  beiden  Conductoren 
nimmt  Um  in  diesem  Fall  einen  Strom  zwischen  den  Elektroden 
zu  erhalten,  mufs  man  die  vordere  Scheibe  in  rückläufige  Rota- 
tion versetzen. 

21» 


894  Geiammtsitmng 

In  der  Erregangsweise  dnrch  Elekiricit&t,  die  man  mittelst  der 
ElektrodenUmme  auf  die  yordere  rotirende  Scheibe  einstromeii 
ISfst,  findet  gar  kein  Unterschied  c^rischen  den  Maschinen  zweiter 
und  erster  Art  statt,  die  Elektricitfit  mag  nun  von  geladenen  Fla- 
schen oder  yon  einer  andern  Maschine  geliefert  werden. 

Die  Flaschen  senden  entweder  dieselben  Elektricitaten ,  mit 
denen  sie  geladen  sind,  oder  die  entgegengesetsten  auf  die  rotirende 
Seheibe,  je  nachdem  die  Maschine  ohne  oder  mit  vorderem  Gon- 
dnetor  versehen  ist,  ganz  wie  in  den  analogen  F&llen  der  Erre- 
gung der  Maschine  erster  Art  (S.  283  u.  284). 

Ebenso  verh&lt  sich  die  Maschine  zweiter  Art  gegen  den 
Strom  einer  Maschine  erster  Art,  die  mit  Conductor  und  Papier- 
belegen versehen  ist.  Ohne  Conductor  kommt  sie  in  gleichsinni- 
ger, mit  demselben  in  widersinniger  Richtung  gegen  letzteren  zur 
Thfitigkeit 

Soll  indefs  bei  der  Maschine  zweiter  Art  der  Conductor  eine 
nutzbare  Wirkung  ausüben,  so  mufs  er,  wenigstens  wenn  man 
rechtl&ufig  dreht,  vordem  ersten  und  dritten  Quadranten  stehen. 
Ist  das  nicht  der  Fall,  steht  er  vor  dem  zweiten  und  vierten  Qua- 
dranten, so  erhfilt  man  zwischen  den  Elektroden  der  Maschine  kei- 
nen Strom,  man  mag  die  eine  oder  die  andere  Elektricitfitsqnelle 
auf  sie  einströmen  lassen. 

Die  Maschine  kommt  freilich  auch  in  diesem  Falle  zur  vollen 
Thätigkeit,  aber  dieselbe  ist  keine  nutzbare,  da  sie  beschränkt  i^^t 
auf  die  beiden  Conductoren,  den  vorderen  und  den  hinteren,  die 
aus  ihren  unteren  Kfimmen  lange  positive  Lichtpinsel  aussenden, 
wenn  der  rechten  Elektrode  negative  und  der  linken  positive  Elek- 
tricitfit zugeführt  wird.  Diese  Thfitigkeit  besteht  sowohl  während 
der  Einströmung  als  nach  derselben.  Dreht  man,  nach  Abtrennung 
von  der  erregenden  Maschine,  den  Conductor  in  den  ersten  und 
dritten  Quadranten  zurück,  und  läfst  darauf  die  vordere  Scheibe 
rechtläufig  rotiren,  so  bekommt  man  zwischen  den  Elektroden  einen 
Strom,  der  dem  von  jener  Maschine  gleichgerichtet  ist 

Stellt  man  denselben  Versuch  mit  geladenen  Flaschen  an,  in- 
dem man  die  positive  an  die  linke  Elektrode  und  die  negative  an 
die  rechte  anlegt,  während  der  Conductor  vor  dem  zweiten  und 
vierten  Quadranten  steht,  so  bekommt  man  ganz  dieselbe  Erscbei- 
nung,  d.  h.  nur  Lichtphfinomen  an  den  beiden  Conductoren,  deren 
untere  Kämme  positive  Lichtpinsel  aussenden,    aber  keinen  Strom 


vom  12.  Mai  1870.  295 

zwischen  den  Blektroden.  Entfernt  man  dann  die  Flaachen,  die 
hierbei  still  entladen  werden,  stellt  den  Condactor  vor  den  ersten 
und  dritten  Quadranten,  so  erhfilt  man,  immer  rechtlfiafige  Rotation 
bei  der  vorderen  Scheibe  vorausgesetst^  swischen  den  Blektroden 
einen  Strom  von  eben  der  Richtung,  wie  ihn  die  Flaschen  bei 
Abwesenheit  des  vorderen  Conductors  erregt  haben  wurden. 


Beschreibung    der  neuen  Boppelmaschine. 

Die  Constrnction  dieser  Doppelmaschine  wurde,  wie  schon  ge- 
sagt, durch  die  Thatsache  an  die  Hand  gegeben,  dafs  zwei  einfache 
Maschinen,  sobald  sie  mit  diametralen  Gonductoren  und  Papierbe- 
legen armirt  sind,  bei  ihrer  Verbindung  Ströme  von  entgegenge- 
setzter Richtung  liefern,  die,  wenn  man  zwischen  den  Verbindungs* 
drahten  eine  Brücke  schlagt,  dieselbe  in  gleicher  Richtung  durch- 
laufen, folglich  sich  daselbst  addiren. 

Zu  dem  Ende  sind,  wie  die  Abbildung  auf  beigefügter  Tafel 
zeigt,  auf  einem  Fufsbrett  zwei  einfache  Maschinen  erster  Art  von 
der  neuen  Einrichtung  mit  einseitiger  Axe  parallel  neben  einander 
aufgestellt,  solchergestalt,  dafs  die  rotirenden  Scheiben,  die  15^ 
par.  Zoll  im  Durchmesser  halten,  nach  innen  liegen.^)  In  der 
Mitte  des  Abstandes  zwischen  beiden  Maschinen,  der  sehr  nahe 
10  par.  Zoll  beträgt,  erheben  sich  zwei  starke  Ebonits&ulen,  wel- 
che die  Elektroden  tragen.  Jede  dieser  Elektroden  besteht  zunfichst 
aus  einem  horizontalen  Arme,  der  die  elektrische  Verbindung  bei* 
der  Maschinen  herstellt,  und  gegen  die  rotirenden  Scheiben  dersel- 
ben an  beiden  Enden  in  Metallkammen  ausläuft.  Von  der  Mitte 
dieser  Arme  gehen  messingene  Träger  senkrecht  in  die  Höhe,  oben 
in  Kugeln  endigend,  deren  horizontale  Durchbohrungen  die  ver- 
schiebbaren Theile  der  Elektroden  aufnehmen. 

Alle  diese  metallenen  Theile  sind  hohl  und  von  beträchtlichem 
Durchmesser  (8  bis  9  Lin.),    wodurch  ein  wesentlicher  Fehler  in 


')  Aus  dem  vorhio  S.  291  und  S.  292  Mitgetheilten  wird  einleuchtend 
sein,  dafs  die  neue  Doppeimaschine  auch  aus  Maschinen  erster  Art,  wenn 
sie  mit  lateralem  Conductor  yersehen  sind,  sowie  ans  Maschinen  zweiter  Art 
zusammengesetzt  werden  könnte.  £s  würde  dies  Beides  aber  keinen  Vortheil 
gewjlhren. 


296  OuanmUitzung 

der  bisherigen  Constraciion  der  Elektromaachinen,  die  Ausstrahlung 
von  Elektricitit  aus  den  dünnen  Stangen  nämlich,  Termieden  wird. 
Zu  gleichem  Zweck  sind  die  verschiebbaren  Elektroden  an  ihren 
finfsern  Enden  nicht  mit  Ebonit-Handgriffen  versehen,  sondern  mit 
Metallkugeln  von  gut  2^^  par.  TLoVL  Durchmesser.  Durch  diese  Ein- 
richtung  ist  die  schädliche  Ausstrahlung  vermieden;  sie  macht  aber 
einen  Ebonitschlüssel  nöthig,  um  die  Elektroden  w&hrend  des  Stro- 
mes verschieben  zu  können,  was  übrigens  nur  selten  nothwendig 
sein  dürfte. 

Wegen  der  beträchtlichen  Dicke  der  Elektroden  können  auf 
ihre  einander  zugewandten  Enden  nicht  unmittelbar  Kugeln  aufge- 
steckt werden.  Die  Röhren,  aus  denen  die  Elektroden  gebildet 
sind,  haben  daher  vorn  auf  einer  Strecke  von  etwa  anderthalb  Zoll 
eine  metallische  Füllung,  in  deren  Durchbohrung  aufgeschlitzte 
Stifte  eingeschoben  sind.  Auf  die  herausragenden  Enden  dieser 
Stifte  werden  nun  die  Kugeln  aufgesteckt,  zwischen  denen  man 
Funken  überschlagen  lassen  will. 

Jede  der  Maschinen  hat  einen  besondem  Schnurlauf,  aber 
beide  Schnurifiufe  werden  durch  eine  gemeinsame  Kurbel,  d^vn 
Axe  zwei  gleich  grofse  Rollen  trägt,  in  Bewegung  gesetzt  Die 
Schnüre  sind  vorher  möglichst  gleichlang  gemacht,  so  dafs  eine 
geringe  Verstellung  der  Axe,  ohne  weitere  künstliche  Vorrichtung, 
hinreichend  ist,  sie  in  gleicher  Spannung  zu  erhalten. 

Die  Rotation  beider  Scheiben  geschieht  also  mit  gleicher  Oe* 
schwindigkeit,  und,  mechanisch  genommen,  auch  in  gleicher  Rich- 
tung. Allein  in  elektrischer  Beziehung  rotiren  beide  Scheiben  ent- 
gegengesetzt, weil  nämlich  die  Elektrodenkämme  für  die  eine  an 
der  linken  Seite  und  für  die  andere  an  der  rechten  liegen.  Des- 
halb haben  auch  die  gezahnten  Belege  der  einen  Scheibe  die  um- 
gekehrte Lage  von  denen  der  andern.  Die  Rotation  wird  übrigens 
durch  die  zwei  Scheiben  nicht  im  Geringsten  erschwert;  die  Dop- 
pelmaschine rotirt  eben  so  leicht,  wie  die  einfache* 

Von  sonstiger  Einrichtung  der  Doppelmaschine  will  ich  nur 
erwähnen,  dafs  die  lothrechten  Stutzen,  welche  die  verschiebbaren 
Elektrodentheile  tragen,  aus  zwei  in  einander  geschobenen  Röhren 
bestehen,  damit  sie  nach  Bedürfnifs  verlängert  werden  können,  am 
so  die  Elektroden  nicht  allein  in  Niveau  mit  den  oberen  Scheiben- 
rändern zu  bringen,  sondern  auch  noch  einige  Zoll  darüber  zu  er- 
heben;   daüs  femer  die  Kugeln   am    obern  Ende   der   lothrediten 


vom  12.  Mai  1870.  297 

Trfiger  aach  eine  Tertikaie  Einbohraog  besitaen,  um  kleine  Ebonit- 
stfitsen  aafsnnehmen,  welche  sum  Halten  von  Geifs  1er sehen  Röh- 
ren, Thermometern  oder  anderen  Gegenst&nden  bestimmt  sind; 
endlich  dafs  der  Maschine^  statt  zwei  Flaschen,  vier  von  der  be- 
kannten Form  nnd  Grofse  beigegeben  sind,  welche  an  die  unteren 
Querarme  der  Elektroden  angesetzt  werden. 

Von  mheodeB  Scheiben  habe  ich  dreierlei  Paare  angewandt. 
Erstens  die  gewöhnlichen  mit  swei  Ausschnitten  nnd  daran  sitzen- 
den  gezahnten  Belegen.  Zweitens  die  von  mir  bei  der  S.  290  er* 
wähnten  neuen  Combination  benutzten  mit  vier  Ausschnitten,  von 
denen  swei  ohne  gezahnte  Belege  sind.  Und  drittens  die  früher 
von  mir  empfohlenen  (Monatsberichte,  1869,  April)  ohne  Ausschnitt 
mit  blolsen  Durchbohrungen.  Für  gewöhnlich  habe  ich  indefs  das 
erstere  Paar  angewandt,  und  mich  der  beiden  anderen  nur  zu  be- 
sonderen Zwedcen  bedient 

um  die  Maschine  auseinander  nehmen  zu  können,  ist  von 
Hm.  Borchardt  die  Vorrichtung  getroffen,  dafs  die  El^troden- 
kamme  in  einer  in  den  Ebonitsfiulen  befestigten  Hfilse  stecken 
und  diese  SAulen  selbst  wiederum  um  90^  drehbar  sind.  Demge- 
mSfs  werden  die  Kämme  erst  ein  wenig  von  den  Scheiben  abge- 
schoben'), dann  senkrecht  gestellt,  und  nun  die  Ebonitsäulen  um 
90^  gedreht,  nachdem  man  die  zu  ihrer  Befestigung  dienenden 
eisernen  Schraubenmutter  am  Fufse  derselben  etwas  gelfifket  hat. 
Jetzt  kann  man  die  Scheiben  abtrennen,  um  sie  entweder  zu 
reinigen   oder   durch   andere   zu    ersetzen.')      2iur  Wiederherstel- 


^)  Statt  deMen  kann  man  auch  die  an  dem  einen  Ende  der  Elektroden- 
kämme befindlichen  Ebonitschrauben,  welche  zum  Anseinandeibalten  der  bei- 
den Scheiben  dienen,  so  weit  sarfickdrehen,  dafs  sie  ror  der  rotirenden 
Seheibe  Torbeigehen. 

')  Die  rodrenden  Scheiben  dieser  Doppelmaschine  sind  nicht  gefimifst, 
die  ruhenden  sind  es  schwach.  Um  letztere  von  dem  Staube  zu  reinigen, 
der  sich  auf  sie  absetzt,  hat  man  sie  bekanntlich  mit  einem  nassen  Lappen 
oder  mit  feuchtem  Löschpapier  abzuwischen.  Bei  längarem  Gebrauche  bilden 
sich  aber  auch  Flecke  auf  denselben,  die  nickt  auf  diese  Weise  zu  entferne^ 
sind.  Um  diese  fortzuschaffen  und  den  Scheiben  ihre  ufsprfingiiche  Sauber* 
keit  zu  geben,  ist  nichts  geeigneter  als  das  Abreiben  mit  Petroleum,  wel- 
ches aaeh  von  der  Scheibe  der  gewöhnlichen  Elektrisirmaschine  ^e  bekann- 
ten schwarzen  Amalgamflecke  am  schn^lsten  fortnimmt.  Äther  ist  weniger 
gut,  zumal  er  des  Fimib  aofl^ift,  wenn  er  nicht  alkoholfrei  ist. 


298  Oesammtsitzung 

long   der  Maschine   wird   begreiflich   in   umgekehrter  Weise   ver- 
fahren. 


Erregnngsweise    der  Doppelmaschine. 

Die  Doppelmaschine  l&fst  sich  durch  jede  der  drei  vorhin 
(S.  282)  beschriebenen  Methoden  mit  grolser  Leichtigkeit  in  Th£- 
tigkeit  setzen. 

Die  erste  derselben,  die  Erregung  von  der  Buckseite  her,  be- 
werkstellige ich  gewöhnlich,  wie  bei  der  einfachen  Elektromaschine, 
durch  eine  kleine  Flasche  (von  etwa  20  QuadrataoU  fiufserer  Be- 
legung), die  an  einer  Elektrisirmaschine  von  auch  nur  geringer 
Grofse  geladen  worden  ist.  Wenn  man  eine  solche  Maschine  cur 
Hand  hat,  finde  ich  dies  Erregungsmittel  bequemer  und  sicherer 
als  das  der  geriebenen  Ebonitplatte,  deren  Elektrisirung  durch  Bei- 
bung  bisweilen  viele  körperliche  Anstrengung  erfordert. 

Vor  Anlegung  der  Flasche  mfissen  jedoch,  wenn  die  diame- 
tralen Conductoren  einen  betrfichtlichen  Winkel  mit  dem  Horizont 
bilden,  die  Scheiben  schon  fest  mit  grofsen  Belegen  versehen  sein. 
Ist  dies  nicht  der  Fallj  und  will  man  sie  nicht  mit  Wachs  u.  dgL 
ankleben,  weil  dies  das  beim  Experimentiren  oft  nöthige  Abnehmen 
derselben  erschwert,  so  mufs  man  die  Scheiben  erst  anderweitig 
elektrisiren,  damit  die  Belege  durch  elektrische  Adhäsion  haften 
bleiben.  Diese  Elektrisirung  geschieht  am  einfachsten,  wenn  man 
die  erw&hnten  Elektroden,  bevor  man  die  Flasche  anlegt,  einen 
kleinen  Winkel  mit  dem  Horizont  machen  l&fst.  Die  Belege  ad* 
h&riren  dann  bald  und  bleiben  tagelang  haften,  wenn  auch  unter- 
defs  die  Maschine  ganz  wirkunglos  geworden  ist^) 


'}  Die  blo8  adhärireoden  Belege  zeigen  bisweilen  die  eigenthfimliche  Er- 
scheinung, dars  sie  während  des  Stromes  Ton  den  Scheiben  abgestofsen,  förm- 
lich aufgerollt  and  ireggeschleudert  werden.  Vorzogsweise  beobachtete  ich 
dieses,  wenn  sie  ans  dem  allerdfinnsten  Postpapier  geschnitten  waren,  wel- 
ches im  Übrigen,  aufgeklebt,  seinem  Zweck  sehr  gut  entspricht.  Ich  wende 
daher  etwas  dickeres  Papier  an,  bei  welchem  der  genannte  Übelstand  seile* 
ner  eintritt.  Wenn  er  auch  bei  diesem  erfolgt,  was  gew&hiUich  an  dem  den 
Zähnen  zugewandten  Ende  der  Belege  zuerst  zu  geschehen  pflegt,  so  drücke 
ich  das  Papier  durch  einen  Ebonitstreifen  wiederum  sanft  gegen  die  Scheibe. 


vom  12.  Mai  1870.  299 

Um  die  Doppelmaschine  schnell  zu  erregen,  ist  es  gnt,  die 
Elektroden  zuvor  auseinander  zu  ziehen.  Legt  man  dann  die 
Flasche  an  einen  der  Belege  der  einen  Partialmaschine ,  so  kom- 
men beide  gleichzeitig  in  entgegengesetzte  Thätigkeit^} 

Es  schadet  freilich  nicht,  wenn  die  Elektroden  zusammenge- 
schoben sind;  denn  kommt  auch  dann  zunächst  nur  diejenige  Par* 
tialmaschine  in  Thfitigkeit,  welche  man  mit  der  Flasche  berührt 
hat,  60  bringt  doch  diese  die  zweite  auch  zur  Wirksamkeit,  sowie 
man  die  Elektroden  auseinander  zieht.  Nur  geht  dann  der  Erre* 
gungsproceCs  etwas  langsamer  von  Statten. 

Bei  zusammengeschobenen  Elektroden  kann  man  auch  die  bei- 
den Partialmaschinen  gleichsinnig  erregen,  indem  man  die  eine 
an  ihrem  linken  und  die  andere  an  ihrem  rechten  Beleg  mit 
der  FUsche  berührt.  Diese  Gleichsinnigkeit  erhfilt  sich,  so  lange 
die  Elektroden  in  Berührung  bleiben  und  selbst  noch  ein  Weile, 
nachdem  man  diese  auseinander  gezogen  hat;  allein  es  dauert  nicht 
gar  lange,  so  kehrt  sich  der  eine  oder  andere  Partialstrom  um, 
beide  gehen  widersinnig  und  dadurch  kommt  dann  der  Doppel- 
strom  zwischen  den  Elektroden  zum  Vorschein. 

Ist  einmal  die  Doppelmaschine  vollst&ndig  erregt,  so  kann 
man  ohne  Nachtheil  die  diametralen  Conductoren  entfernen,  sobald 
nar  die  Elektroden  in  Berührung  gehalten  werden.  Ja  man  kann 
diese  sogar  um  einen  Zoll  und  mehr  auseinander  ziehen,  ohne  die 
Wiedersinnigkeit  der  Partialstrome  za  stören,  und  ohne  also  den 
Doppelstrom  zu  vernichten.  Entfernt  man  sie  aber  weiter,  so  kehrt 
sich  der  Strom  der  einen  oder  andern  Partialmaschine  um,  Ifiuft 
mit  dem  der  zweiten  gleichsinnig  und  damit  hat  dann  der  Doppel- 
strom seine  Endschaft  erreicht 

Hat  man  vor  der  Erregung  die  Conductoren  abgenommen,  so 
kann  begreiflich  von  dem  Doppelstrom  nicht  die  Rede  sein;  allein, 
wenn  dabei  die  Elektroden  zusammengeschoben  sind,  so  kommt 
doch    bei  Anlegung    der  Flasche    eine    der  Partialmaschinen   zur 


^)  Dieselbe  Übertragung  von  einer  Partialmaschine  zur  andern  findet  auch 
statt,  wenn  die  ruhenden  Scheiben  vier  Ausschnitte  haben,  zwei  mit  Ideinen 
Belegen  und  zwei  ohne  dieselben.  Die  Elektroden,  deren  Bogen  hierbei  die 
Stelle  des  diametralen  Condnctors  vertritt,  mfissen  aber  nothwendlg  auseinan- 
der gezogen  sein,  sonst  erfolgt  keine  Erregung. 


300  GesamnUsitzung 

Wirksamkeit,  nftmlich  diejenige,  deren  Beleg  man  berührt  hat;  die 
andere  bleibt  unth&tig.  Sie  verharrt  in  dieser  Unth&tigkeit  selbst 
ii'enn  man  die  Elektroden  ein  wenig  auseinander  siebt,  allein  nur 
eine  Zeitlang,  dann  wird  auch  sie  durch  den  Einflufs  der  ersten 
Maschine  erregt,  und  da  es  gleichsinnig  mit  dieser  geschieht,  ver- 
schwindet damit  «wischen  den  Elektroden  der  Partialstrom ,  den 
nuui  anfangs  bekam. 

Bei  der  «weiten  Erregongsmethode,  von  der  Vorderseite  her 
durch  geladene  Flaschen  oder  einen  Mascliinenstrom,  kommen  diese 
Verhältnisse  nicht  vor,  da  sie  nothwendig  eine  Trennung  der  Elek- 
troden  voraussetzt.  Sonst  aber  seigt  dabei  die  Doppelmaschine 
alle  die  Merkwürdigkeiten,  welche  der  einfachen  Maschine  eigen  sind. 

Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  dals  die  Doppelmaschine 
vermöge  ihrer  beiden  Partialmaschinen  Gelegenheit  giebt,  alle  die 
Erscheinungen  xu  beobachten^  welche  bei  gegenseitiger  Einwirkung 
zweier  einfachen  Maschinen  auftreten  und  vorhin  (S.  285)  beschrie  * 
ben  wurden. 

Ebenso  kann  man  leicht  das  S.  288  erwähnte  Rotadonspha- 
nomen  darstellen.  Wenn  man  nämlich  an  der  vollständig  mit  Con- 
ductoren  und  Papierbelegen  armirten  Doppelmaschine  die  eine  der 
Partialmaschinen  von  ihrem  Schnurlauf  befreit,  und  nun  die  andere 
mittelst  der  Kurbel  rechtiäufig  dreht,  so  geräth  die  erstere  von 
selbst  in  eine  ganz  schnelle  rückläufige  Rotation,  sobald  nur  die 
Elektroden  hinreichend  auseinander  gezogen  sind.  Dabei  senden 
die  an  einem  und  demselben  Querarm  befindlichen  Elektrodenkämme 
entgegengesetzte  Elektricitäten  aus,  so  dafs  also  von  einem  Dop* 
pelstrom  nicht  die  Bede  sein  kann.  Hat  man  den  Conductor  vor 
die  unbelegtcn  Quadranten  der  ersten  Partialmaschi ne  gestellt,  so 
vermag  ihre  bewegliche  Scheibe  in  beiden  Richtungen  zu  rotiren, 
aber  nicht  so  schnell.  An  der  rückläufig  rotirenden  Scheibe 
haben  übrigens  die  positiven  Lichtpiusel  eine  verkehrte  Lage,  sind 
nämlich  zwar,  wie  immer,  dem  Sinn  der  Rotation  entgegen  ge- 
richtet, aber  auch  entgegen  den  Zähnen  der  Belege. 


Leistungen   der  Doppelmaschiue. 

Von  den  Leistungen   der  Doppelmaschine  will   ich   hier    nur 
die  leuchtenden  Entladungen  in  Betracht  zidien,  die  in  freier  LoH 


vom  12.  Mai  1870.  301 

mit  und  ohne  Beihulfe   Ton  Flaschen  swischen   ihren  Elektroden 

stattfinden. 

a)  EntladungBStrovM  mit  Beihülfe  von  Flasehetu 

Unter  Funken  sind  hier  immer  die  Entladangsfunken  der  klei* 
nen,  der  Maschine  beigegebenen  Flaschen  von  10^  Quadratsoil 
änfserer  Belegung  und  1^  Lin.  Glasdicke  verstanden. 

Zwischen  Kugeln  von  10  par.  Lin.  Durchmesser  erhalte  ich 
diese  Fanken,  ohne  die  Elektroden  vorher  einander  näher  gestellt 
za  haben,  so  lang,  wie  es  die  Dimensionen  der  Maschine  gestatten, 
d.  h.  von  8  par.  Zoll  (21,7  Centim.)  Lfinge,  was  den  Abstand 
zwischen  den  Elektrodenk&nunen  fast  um  einen  halben  Zoll  über- 
trifft.') Dabei  sind  sie  von  einer  Krfiftigkeit,  wie  man  sie  bisher 
▼on  Scheiben  gleicher  .Orofse  noch  nicht  erhalten  haben  mochte, 
und  noch  mehr  ist  dies  der  Fall,  wenn  man  alle  vier  der  Maschine 
beigegebenen  Flaschen  anwendet  Ich  glaube  sogar,  dafs  man  die 
Intensitfit  der  Funken,  ohne  Benachtheiligung  ihrer  Länge,  noch 
viel  weiter  erhohen  könnte,  wenn  man  grolsere  Flaschen  von  ge- 
eigneter Gestalt  und  hinreichender  Breite  ihres  unbelegten  Randes 
anwendete. 

Es  ist  aber  nicht  allein  die  Länge  und  Kräftigkeit  der 
Fanken,  wodurch  sich  die  Doppelmaschine  an  ihrem  Yortheil  aus* 


')  Zwischen  grGfseren  Kugeln  sind  sie  natfirlich  kfirzer.  Kugeln  Ton 
18  Lin.  Durchmesser  geben  nur  5zöUige  Funken.  Nehme  ich  aber  blofs 
zur  negativen  Kugel  eine  Ton  18  Lin.,  so  sind  die  Funken  wiederum  so  lang 
als  es  dann  die  Dimensionen  der  Maschinen  Terstatten,  nämlich  7^  Zoll. 

Als  eine  zwar  nicht  ganz  anbekannte,  aber  doch* immeihin  bemerkens- 
werthe  Thoteache  will  ich  hier  noch  an0hren,  dafs,  wiewohl  man  zwischen 
Kugeln  Ton  10  Lin.  Darchm.  die  Fnnken  ohne  alle  Schwierigkeit  von  S  Zoll 
Länge  erhält,  sie  doch  verschwinden,  wenn  man  die  negative  Elektrode 
etwa  2  Zoll  einschiebt,  and  erst  wieder  zum  Vorschein  kommen,  wenn  man 
diese  Einschiebang  bis  anf  etwa  6  Zoll  verlängert  hat.  In  dem  Litervall  von 
4  Zoll  (worin  man  freilich  durch  einen  der  negativen  Elektrode  genäherten 
Metalikamm  die  Funken  auch  wieder  hervorrufen  kann)  erscheint  an  der  ne^ 
gativen  Elektrode  ein  kurzer  zischender  Bflschel  und  an  der  positiven  blaues 
Glimmlicht. 

Endigt  die  negative  Elektrode  in  einer  Kugel  von  18  Lin.  Durchmesser 
oder  endigen  beide  Elektroden  in  einer  solchen  Kugel,  so  ist  von  ebenge- 
nannter  Erscheinung  nichts  zu  sehen. 


302  GesammUiUung 

zeichnet,  «oodern  auch  die  Leichtigkeit  nnd  Sicherheit,  mit 
der  man  sie  erhfilt 

Meine  einfache  Maschine,  eine  sehr  gate  der  netteren  Gonstrac- 
tion,  giebt  auch  wohl  Fanken  von  7,  ja  sogar  von  8  par.  Zoll, 
aber  sie  giebt  sie  nur  selten,  die  letztern  sogar  aofserst  selten, 
und,  wenn  sie  dieselben  giebt,  so  geschieht  es  nur  für  eine  Weile; 
dann  verschwinden  sie,  nnd  es  ist  nicht  möglich,  sie  und  selbst 
kürzere  wieder  heryorzurufen. 

Bei  der  Doppel maschine  dagegen  erscheinen  die  Funken  vom 
ersten  ab  in  ununterbrochener  Reihenfolge,  so  lange  wie  man  will, 
schon  bei  ganz  langsamer  Rotation  der  Scheiben  (etwa  3  bis  4 
Umläufe  in  der  Sekunde)  und  ohne  dafs  man  nothig  hat,  die  Elek- 
troden erst  auf  einen  kleineren  Abstand  einzustellen.  Diesen  Vor- 
zug schreibe  ich  dem  Umstände  zu,  dafs  durch  die  beträchtlichen 
Dimensionen  ihrer  metallischen  Theile  die  schädliche  Ausstrahlung 
vermieden  ist,  welcher  die  bisherigen  Maschinen  in  so  hohem  Mafse 
ausgesetzt  sind.^) 

Die  Funkenbildung  in  der  Doppelmaschine  bestätigt  in  recht 
auffallender  Weise  das,  was  vorhin  S.  277  über  die  Noth wendig- 
keit eines  bestimmten  Winkels  für  den  Condnctor  gesagt  worden 
ist.  Um  das  Maximum  der  Funkenlänge  von  8  par.  Zoll  zu  er- 
halten, reicht  ein  Winkel  von  45°  gegen  den  Horizont  nicht  aus, 
vielmehr  müssen  die  Conductoren  bis  zu  70°,  75°  und  mehr  ge- 
neigt werden.  Andererseits  kann  man  beobachten,  dafs  sich  bei 
einem  Winkel  von  30°  kürzere  Funken,    z.  B.  von  4  Zoll  Länge, 


^)  Ich  zweifle  daher  auch  gar  nicht,  dafti  die  einfache  Maschine,  wenn 
man  sie  mit  ahnlichen  volaminösen  Elektroden  versähe,  wie  sie  die  neue 
Doppelmaschine  besitzt,  auch  eben  so  lange  Fanken  mit  Sicherheit  geben 
würde  wie  letztere,  nur  freilich  nicht  in  solcher  Menge.  Die  Lange  der 
Fanken  scheint  anter  gleichen  Umständen,  wie  auch  schon  früher  bemerkt 
worden,  nur  von  der  Grörse  der  rotirenden  Scheibe  abzuhängen,  oder,  ge- 
nauer gesprochen,  von  der  Länge  der  Kreisbögen,  welche  die  Theile  dieser 
Scheibe  von  dem  einen  Elektrodenkamm  zu  dem  andern  zurückzulegen  haben. 
Viel  länger  als  der  gegenseitige  Abstand  dieser  Kämme  können  die  Funken 
überhaupt  nicht  werden.  Zuweilen  schlagen  sogar  schon  bei  geringerem  Ab- 
stände der  Elektroden  von  einander  die  Funken  nicht  zwischen  diesen  über, 
sondern  von  dem  einen  Kamm  zum  Conductor  und  von  diesem  zum  andern 
Kamm. 


vom  12.  Mai  1870.  303 

wohl  auf  Seite  des  negativen  Elektrodenhalters  entwickeln  lassen, 
nicht  aber  auf  Seite  des  positiven. 

£ine  andere  merkwürdige  Beobachtung,  die  man  freilich  bei 
jeder  Elektroniaschine,  nnr  nicht  so  ansgeprfigt  wie  bei  der  Dop- 
pelmaschine machen  kann,  besonders  wenn  man  Funken  von  8  Zoll 
durch  sie  entwickelt,  betrifft  die  Einwirkung  von  Spitzen  auf  die 
Funkenbildung. 

Nimmt  man  einen  Metaükamm  in  die  Hand  und  nähert  ihn, 
während  des  Überschlagens  der  Funken,  der  fiufsern  Kugel  der 
positiven  Elektrode  nur  einen  Augenblick,  so  verschwinden  die 
Funken,  und  es  dauert  eine  ganze  Weile,  ehe  sie  wiederum  zum 
Vorschein  kommen.  Sie  folgen  dann  in  einem  relativ  langsamen 
Tempo  auf  einander,  das  aber,  bei  gleicher  Rotationsgeschwindig- 
keit der  Maschine,  beschleunigt  wird,  wenn  man  nun  den  Kamm 
gegen  die  äufsere  Kugel  der  negativen  Elektrode  h&lt.  Eine 
einzige  Spitze,  eine  feine  Nähnadel,  thut  dieselben  Dienste. 

Je  gröfser  die  Funkenlange  ist,  desto  grofser  ist  auch  die 
Entfernung,  von  welcher  aus  die  Spitzen  diese  fast  magische  Wir- 
kung ausübten.  Achtzollige  Funken  werden  schon  aus  einer  Ent- 
fernung von  sechs  Zoll  vernichtet,  und  aus  einer  fast  eben  so  gro- 
fsen  wieder  hergestellt  Zu  grofse  Nfihe  des  Kamms  an  der  ne- 
gativen Elektrode  ist  übrigens  auch  schädlich;  sie  unterdrückt  die 
Funken  ebenfalls  und  veranlafst  das  Ausbrechen  eines  Licbtbüschels 
aus  der  positiven  Elektrode. 

Schon  früher  ist  von  mir  und  Anderen  beobachtet  worden, 
dafs,  wenn  anfangs  die  Funken  nicht  oder  nicht  recht  erscheinen 
wollen,  man  sie  hervorlocken  oder  in  besseren  Gang  bringen  kann, 
wenn  man  der  negativen  Elektrode  einen  Knöchel  nähert.  Die- 
selbe Wirkung  übt  in  höherem  Grade  ein  Spitzenkamm  oder  eine 
Nähnadel  aus. 

Auf  kürzere  Funken,  etwa  von  2  bis  3  ZoU  Länge^  hat  eine 
Spitze  keine  so  entschiedene  Wirkung;  doch  läfst  sich  auch  bei 
diesen  wahrnehmen,  dafs  sie  dieselben  verlangsamt  oder  beschleu- 
nigt 9  je  nachdem  sie  der  positiven  oder  negativen  Elektrode  ge- 
nähert wird. 

h)  Entladungsstrome  ohne  Flaschen. 

Die  Entladungsströme  zwischen  den  Elektroden  der  Elektro- 
maschinen  ohne  Mitwirkung  von  Flaschen    sind    so    mannigfaltig. 


304  OesamnUsttzung 

dafs  die  herkomnuliche  Unterscheidung  der  drei  Formen  von  Fanken-, 
Bu8chel-  und  Glimm-Eniladung  kaum  eine  auareichende  Anwendung 
auf  sie  gestattet  Sie  wechseln  anfserordentlich  nach  Grofse  und 
Gestalt  der  yordem  Enden  der  Elektroden,  nach  Grofse  und  Lage 
des  Ahstands  swischen  ihnen. 

Bis  auf  etwa  einen  halben  Zoll  auseinander  gezogen,  hat  man 
swischen  den  Elektroden  ein  lichtschwaches  violettes  Band,  das  an 
der  positiven  Seite  in  einem  scharf  abgeschnitten  hellen  Theil  von 
Linienlfinge  endigt  und  dadurch  das  leichteste  Erkennongsmittel 
des  positiven  Pols  abgiebt.  Wenn  der  Strom  stark  ist,  und  be- 
sonders wenn  zugleich  die  Kugeln  grofs  sind,  serf&llt  dies  violette 
Band  in  mehre  ebenso  gefärbte  B&nder,  die,  offenbar  vermöge  der 
Erwärmung  der  Luft,  nach  oben  gekrümmt  sind,  sich  bald  vereini- 
gen, bald  wieder  trennen.  Weichen  Namen  soll  man  diesen  Licht- 
Erscheinungen  beilegen?  —  Es  sind  weder  BSscbel,  noch  Funken, 
in  welche  letztere  sie  aber  augenblicklich  übergehen,  sowie  man 
die  positive  Elektrode  ableitend  berührt 

Entfernt  man  die  Elektroden  um  einen  Zoll  und  etwas  mehr 
von  einander,  so  erfolgt  der  Übergang  der  Elektricitfit  zwischen 
ihnen  in  sehr  hell  leuchtenden  Streifen,  die  sich  ebenfalls  bald 
trennen,  bald  wieder  vereinigen,  und  die  nach  der  negativen  Elek- 
trode hin  ganz  deutlich  einen  dunklen  Raum  erkennen  lassen 

Diese  Lichtstreifen,  welche  man  wohl  schon  als  eigentliche 
Funken  betrachten  kann,  erscheinen  noch  bei  einem  Abstand  von 
anderthalb  Zoll  zwischen  den  Elektroden,  aber  nur  dann,  wenn 
dieser  Abstand  auf  der  positiven  Seite  liegt,  d.  h.  die  positive 
Elektrode  weit  ausgezogen  und  die  negative  weit  hineingeschoben 
ist.  Liegt  der  Abstand  auf  der  negativen  Seite,  so  erhfilt  man 
statt  der  compacten  Lichtstreifen  bereits  einen  in  der  Mitte  aufge- 
schwollenen Büschel,  in  welchen  von  der  positiven  Elektrode  aas 
geschlXngelte  Funken  hineinfahren. 

Es  wurde  ermüdend  sein,  alle  die  Formen  zu  beschreiben, 
welche  der  leuchtende  Übergang  der  Elektricit&t  je  nach  der  Ent- 
fernung, Grofse  und  Lage  der  Elektrodenkugeln  annehmen  kann. 
Ich  will  nur  bemerken,  dafs,  wenn  diese  Kugeln,  nach  der  positi- 
ven Seite  hin,  einen  gewissen  Abstand  von  einander  haben,  man 
keinen  sie  verbindenden  Licbtstreifen  oder  Lichtbüschel  bekommt, 
sondern  ein  blaues  Glimmerlicht  an  der  positiven  Kugel  und  einen 


vom  12.  Mai  1870.  805 

karxen  lichtschwachen  Buachel  an  der  negativen,  wi&brend  sich  zu- 
gleich ein  tiefer  Ton  hörbar  macht,  der  in  einen  hohen  zischenden 
übergeht,  sowie  man  der  positiven  Elektrode  einen  Metallkamm 
nähert  oder  ihn  ableitend  berührt.  Dieser  Abstand  entspricht  den 
„schwachen  Funken^  des  Hm.  Riefs,  die  man  sogleich  be- 
kommt, sowie  man  kleine  Flaschen  anlegt.  Ich  habe  indefs  diese 
Erscheinung  nur  bei  der  einfachen  Elektromaschine  gut  beobachten 
können. 

Bei  der  Doppelmaschine  ist  begreiflich  die  Biischelbildang  viel 
kräftiger  als  bei  der  einfachen,  und  wegen  der  Grofse  der  Ober- 
fläche, welche  die  Elektricität  bekleiden  mufs,  ehe  sie  die  tum 
Durchbrechen  der  Luft  erforderliche  Dichtigkeit  erlangt  hat,  eine 
weniger  continuirliche  als  bei  letzterer. 

Lange  Büschel  erhftlt  man  schon  ganz  gnt  zwischen  zwei  Ku- 
geln von  10  Lin.  Durchmesser,  nur  sind  sie  dann;  kräftiger,  aber 
freilich  kurzer,  sind  sie  zwischen  zwei  Kugeln  von  18  Lin.  Durch- 
messer. Am  längsten,  über  7  Zoll  lang  und  zugleich  sehr  kräftig, 
habe  ich  sie  erhalten,  wenn  ich  die  positive  Elektrode  mit  einer 
der  kleinem  Kugeln  und  die  negative  mit  einer  der  grofsem  versah. 
Nicht  ganz  so  lang,  aber  fast  noch  schöner  bekam  ich  den  Bü- 
schel, als  ich  die  negative  Kugel  durch  eine  Scheibe  von  6  Zoll 
Durchmesser  ersetzte.  Er  hatte  dann  gewissermafsen  die  Gestalt 
eines  Paraboloids,  dessen  Basis  der  Scheibe  zugewandt  war.  Ob*^ 
wohl  auf  dem  scharfen  Rand  dieser  aus  dünnem  Zinkblech  ge- 
schnittenen Scheibe  einzelne  Punkte  von  Glimmlicht  erschienen,  so 
schadete  dies  doch  dem  Büschel  durchaus  nicht;  er  war  besser  aus- 
gebildet als  bei  zwei  andern  Scheiben  mit  umgelegten  Rändern. 

Bei  der  Elektrisirmaschine  besteht  der  positive  Büschel  ge- 
wohnlich zunächst  der  Kugel,  von  welcher  er  entweicht,  aus  einem 
kurzen  hellen  Stiel,  der  sich  weiterhin  zu  zarten  Lichtf&den  aus- 
breitet Bei  der  Elcktro-Doppelmaschine  dagegen  schiefsen,  wenn 
der  Abstand  zwischen  den  Elektroden  einige  Zoll  beträgt,  fortwäh- 
rend verästelte  und  ziemlich  compacte  Blitze  von  der  positiven  Ku- 
gel ans  in  die  zarte  Lichthülle  hinein,  die  sich  bis  zur  negativen 
Elektrode  erstreckt. 

Diese  Erscheinung  wird  in  hohem  Grade  verstärkt,  wenn  man 
die  Maschine  mit  grofsen  Conductoren  versieht,  ähnlich  denen,  die 
bei  den  Elektrisirmaschinen  üblich  sind. 


306  Oesamtntsitzung 

Schon  in  meiner  Arbeit:  ^Über  die  Wärme -Entwicklang  in 
der  Lufitstrecke  elektrischer  Entladungen,^  ^}  habe  ich  gezeigt,  dsh 
es  für  die  Wirkung  solcher  Conductoren  gar  nicht  nothig  ist,  sie 
der  Lfinge  nach  von  dem  Strom  durchlaufen  zu  lassen,  sondern  dafs 
es  hinreicht,  sie  demselben  seitw&rts  anzusetzen,  um  so  für  die 
Elektricität  gleichsam  eine  Sackgasse  zu  bilden.  Sie  wirken  also 
nicht  sowohl  durch  ihr  Leitnngsvermogen ,  als  vielmehr  dadurch, 
dafs  sie  wegen  ihrer  grofsen  Oberfläche  eine  bedeutende  Anhäufung 
von  Elektricität  gestatten,  ohne  sie,  wie  in  der  Leidner  Flasche, 
zu  verdichten.  Deshalb  und  um  sie  von  den  früher  besprochenen 
Hulfsconductoren  genügend  zu  unterscheiden,  finde  ich  es  aucJi 
zweckmäfsiger,  sie  Collectoren  oder  Cumulatoren  zu  nennen 
als  Conductoren. 

Vermöge  der  eben  genannten  Eigenschaft  ist  es  nun  leicht, 
jede  Elektromaschine  und  also  auch  die  Doppelmaschine,  wenn  sie 
die  von  mir  gewählte  Einrichtung  besitzt,  mit  Collectoren  oder 
Cumulatoren  zu  versehen.  Ich  ziehe  nämlich  oben  aus  den  Ku- 
geln, welche  die  verschiebbaren  Theile  der  Elektroden  aufnehmen, 
die  kleinen,  zum  Tragen  von  Hülfsapparaten  bestimmten  Stützen 
heraus  und  stecke  statt  deren  die  Zapfen  hinein,  welche  an  einem 
Ende  der  Collectoren  angebracht  sind.  Diese,  welche  also  senk- 
recht stehen,  haben  bei  cylindrischer  Gestalt  eine  Höhe  von  2  Fufs 
und  eine  Oberfläche  von  2^  Qnadratfufs,  ein  jeder.  Sind  sie  aus 
dünnem  Blech  gearbeitet,  so  beschweren  sie  die  Maschine  durchaus 
nicht,  und  lassen  sich  eben  so  leicht  entfernen  als  wieder  auf- 
setzen. 

Statt  der  ganz  metallenen  Collectoren  habe  ich  auch  w^ohl 
Leidner  Flaschen  oder  blofs  äufserlich  mit  Stanniol  belegte  Glas- 
cylinder  angewandt,  die  auf  Tellern  ruhen,  welche  mittelst  Zapfen 
oben  in  den  Tragekugeln  der  Elektroden  befestigt  sind.'}      Diese 

0  Monatsberichte,  1867,  Mai. 

')  Biese  Teller  sind  von  Holz,  halten  nahe  6  Zoll  im  Durchmesser  und 
haben  einen  wulstigen  Rand,  um  die  Flaschen  am  Abgleiten  zu  hindern ;  ihre 
metallenen  Zapfen,  durch  welche  sie  mit  den  Elektroden  in  leitender  Verbin- 
dung stehen,  gehen  durch  bis  zur  obern  Fläche,  die  mit  Stanniol  belegt  ist. 
Will  man  die  darauf  gestellten  Flaschen  laden,  so  müssen  nat&rlich  ihre  in- 
neren Belege  leitend  verbunden  werden.  Solche  Teller  sind  sehr  bequem, 
um  gröfsere  Flaschen  zu  laden,  für  die  sonst  kein  Platz  ist  an  der  Mascfain«. 
Ich  habe  daher  sowohl  die  einfache  als  die  doppelte  mit  ihnen  versehen  lassen. 


vom  12.  Mm  i870.  307 

hftlb  gISseraen  CoUeetoren  wirken  fthnlich  wie  die  metallenen,  aber 
wegen  ihrer  geringeren  GröDse  natürlich  schwScher. 

Sehen  die  kleineren  Collectoren  zeigen  die  ans  der  positiven 
Elektrodenkugel  hervorschielflenden  Blitse  in  sehr  verstArktem  Grade 
und  noch  mehr  ist  dies  der  Fall  bei  den  grofisen  metallenen. 

Bei  letzteren  ist  es  nicht  mehr  ein  reiner  Bfischel,  was  man 
erbllt,  sondern  ein  Gemisch  von  Büscheln  und  Funken.  Durch 
eine  sarte  Lichthülle  Ton  ellipsoTdischer  Gestalt  schlagen  fortw&h- 
rend  Funken  von  einer  Elektrode  zur  andern  über,  in  so  rascher 
Folge,  dab  sie  als  ein  zusammenhftngender,  vielfach  geschl&ngel- 
ter  Blitz  erscheinen.  Diese  Funken,  welche  man  von  7  Zoll  Lfinge 
erhalten  kann,  sind  bei  weitem  nicht  so  compact,  so  hell  und  ge* 
räoschvoll  wie  die  Entladungsfunken  der  Leidner  Flasche,  aber 
man  sieht  sie  doch  noch  sehr  gut  bei  hellem  Tageslicht,  im  Dunk- 
len freilich  viel  schöner.  Sie  haben  viele  Ähnlichkeit  mit  den 
Fanken  der  Elektrisirmaschine. 

In  dieser  ausgeprägten  Gestalt  zeigt  sich  die  Erscheinung, 
wenn  die  Maschine  mit  zwei  Collectoren  versehen  ist,  und  zugleich 
die  positive  Elektrode  in  einer  kleineren  Kugel  (10  Lin.  Duchmes- 
ser)  und  die  negative  in  einer  gröfsem  (18  Lin.  Durchm.)  endigt. 

Nimmt  man  den  negativen  Collector  ab,  so  sind  die  von 
der  positiven  Elektrode  ausgehenden  Funken  kürzer,  nicht  mehr 
die  negative  Elektrode  erreichend,  aber  dafür  verftstelter,  wfihrend 
andrerseits  der  ellipsoldische  Büschel  heller  und  ausgebildeter  er- 
scheint 

Nimmt  man  dagegen  den  positiven  Collector  fort,  so  erhfilt 
man  keine  blitzähnliche  Funken,  sondern  statt  deren  an  der  posi- 
tiven Elektrode  einen  gestielten  Büschel,  dessen  Lichtf&den  stark 
divergiren  und  sich  bisweilen  von  den  Fäden  des  negativen  Bü- 
schels ganz  abtrennen. 

Der  Einflufs  eines  Metallkamms  oder  einer  Spitze  auf  diese 
Büschel  und  blitzähnlichen  Funken  ist  fast  noch  stärker  als  auf 
die  compacten  Entladungsfunken.  Schon  aus  mehr  als  6  Zoll  Ab- 
stand von  der  positiven  Elektrode  vernichtet  er  sie  gänzlich,  und 
ans  eben  so  grober  Entfernung  von  der  negativen  Elektrode  ver- 
stärkt und  beschleunigt  er  sie,  wie  man  dies  namentlich  an  dem 
schnelleren  Tempo  des  knackenden  Geräusches  der  Funken  ver- 
nimmt. 


[1870] 


22 


808  Oesammtsitzung 

Vergleicli   der   neaen  Doppelmaschine   mit  der  älteren 

des   Hrn.   Holtz. 

Obwohl  die  neue  Doppelmaschine  die  einfache  begreiflich  in 
allen  Wirkungen  übertrifft,  so  ist  es  doch  vorzugsweise  die  Bildung 
von  Funken  und  Buschein  i  worin  sich  diese  Überlegenheit  aus- 
spricht Dies  gilt  auch  in  Betreff  einer  Maschine,  die  ihr  eigent- 
lich an  Wirkung  gleich  sein  sollte,  nfimlich  in  Betreff  der  früher 
von  Hm.  Dr.  Holtz  construirten  Maschine,  deren  ruhende  Scheibe 
vier  s.  g.  Elemente  oder  ErregungssteUen  besitzt 

Diese  Maschine,  der  ich  neuerdings  eine  einfachere  Gestalt 
gegeben  habe,*)  ist,  wiewohl  sie  nur  eine  ruhende  Scheibe  besitzt, 
doch  auch  als  Döppelmaschine  zu  betrachten,  da  sich  darin  eben- 
falls zwei  Partialstrome  von  entgegengesetzter  Richtung  unterschei- 
den lassen,  die  hier  bemerkenswertherweise  ohne  ^hrfigen  Conduc- 
tor  zu  Stande  kommen,  und  sich  in  einer  Brücke  zu  einem  gleich- 
gerichteten Strom  vereinigen. 

So  wie  ich  diese  Maschine  abge&ndert  habe,  steht  vor  den 
lothrechten  Belegen  der  diametrale  Conductor  und  vor  den  horizon- 
talen der  aus  den  zusammengeschobenen  Elektroden  gebildete  Bo- 
gen. Verbindet  man  nun  Conductor  und  Bogen  in  ihren  Mitten 
durch  einen  Leiter  und  erregt  einen  der  gezahnten  Belege  auf  ge- 
wohnliche  Weise,  so  erhält  man  in  dieser  Brücke  (die  aber  bei 
der  Erregung  ganz  geschlossen  sein  mufs  oder  wenigstens  nur 
durch  eine  sehr  kleine  Luftstrecke  unterbrochen  sein  darf)  den 
Summenstrom,  wobei  die  Kämme  der  Elektroden  beide  z.  B.  posi- 
tive Elektricität  ausströmen,  wenn  die  Kämme  des  Conductors 
beide  negative  abgeben. 

Insofern  kommt  also  diese  Maschine  mit  der  neuen  Doppel - 
maschine  überein;  allein  in  anderer  Beziehung  weicht  sie  sehr  zu 
ihrem  Nachtheil  von  dieser  ab. 

So  lange  nämlich  die  Brücke  aus  einem  Leiter  besteht,  thnt 
sie  gute  Dienste,  und  daher  mag  sie  bei  Beobachtung  der  magne- 
tischen Wirkung  oder  der  Erscheinungen  in  stark  verdünnten  Ga- 
sen ziemlich  eben  so  viel  leisten  als  die  neue  Maschine.  Sowie 
man  aber  die  Brücke  in  freier  Luft  irgendwo  unterbricht,  um  Fun- 
ken zu  erzeugen,    nimmt  der  Strom  rasch  ab,  und  ehe  man  diese 


0  Monatsberichte  1869,  April,  S.  327. 


vom  12.  Mai  1870.  309^ 

Laftstrecke  bis  2U  einem  Zoll  yerl&ngert  bat,  iat  er  gewöhnlich 
ganz  erloschen.     Von  Büscheln  ist  überdies  gar  nicht  die  Rede. 

Diesem  Mangel  ist  nicht  durch  einen  Hfilfscondactor  absuhel- 
fen,  der  anch  hier  gar  nicht  die  Rolle  wie  bei  der  neuen  Doppel- 
msschine  spielen  wurde,  da  die  Widersinnigkeit  der  Partialströme 
schon  ohne  ihn  vorhanden  ist. 

Die  Abnahme  der  Funkenlftnge,  welche  Hr.  Dr.  Holts  auch 
bei  andern  Maschinen  wahrgenommen  hatte,  wenn  er  die  Quantität 
der  Eltsktricit&t  durch  Vermehrung  der  Erregungsstellen  an  einer 
Scheibe  zu  yergrofsem  suchte,  sowie  ähnliche  Beobachtungen,  die 
ich  bei  Verknüpfung  sweier  Maschinen  durch  Drähte  machte,  schie- 
nen der  Vermuthung  Raum  zu  geben,  dafs  Funkenlänge  und  £lek- 
tricit£tsmenge  in  einem  umgekehrten  Verhältnifs  zu  einander  stän- 
den, und  ich  muTs  bekennen,  dafs  es  zum  Theil  der  Wunsch  war, 
hierüber  ins  Reine  zu  kommen,  der  mich  bewog,  die  neue  Doppel- 
maschine  constrniren  zu  lassen.  Durch  sie  ist  denn  diese  Vermu- 
thung gründlich  M'iderlegt. 


S  c  h  I  u  fs  b  e  m  e  rk  u  n  g. 

Die  neue  Doppelmaschine  ist,  glaube  ich,  die  vollkommenste 
Elektromaschine ,  welche  bisher  dargestellt  worden,  in  Betreff  so- 
wohl der  Eräftigkeit  ihrer  Leistungen,  als  der  Eleganz  und  Zweck- 
mäfsigkeit  ihrer  Construction.  Ihr  Bau  ist  ein  ganz  symmetrischer, 
und  der  Experimentator,  welcher  ihre  Wirkungen  einem  gröfsem 
Aaditorium  zu  zeigen  hat,  ist  dabei  sowohl  diesem  als  der  Ma- 
schine mit  den  Augen  zugewandt.  Sie  eignet  sich  also  ganz  vor- 
züglich zu  Vorlesungen,  zumal  sie,  viel  leichter  als  die  einfache 
Maschine,  durch  einen  Glaskasten  gegen  die  feuchte  Atmosphäre 
einer  grofsen  Versammlung  geschützt  werden  k«aii. 

Dabei  besitzt  sie  die  nicht  genug  zu  schätzende  Tugend  frei 
211  sein  von  den  so  störenden  Strom-Umkehrungen;  wenigstens 
habe  ich  dieselben  bei  trockner  Luft  bis  jetzt  nicht  wahrnehmen 
können,  obgleich  ich  sie  mit  allem  Fleifse  absichtlich  hervorzurufen 
Süchte. 

Täusche  ich  mich  nicht,  so  hat  mit  dieser  Maschine,  falls 
nicht  etwa  noch  ein  ganz  neues  Princip  aufgefunden  wird,  die 
heitere  Vervollkommnung   derselben  ihren  einstweiligen  Abschlnfs 

22» 


310  Oeiommtiitzung 

gefanden.  Freilich  kSnnte  man  sie  —  was  ich  übrigens  nie 
einmal  für  rathsam  halten  möchte  —  in  gröÜBerem  Mafsstabe  da 
stellen  nnd  dadaroh  ihre  Wiricung  ansehnlich  steigern;  aber  ac^we 
lieh  wird  man  doch  fiber  das  Doppelte  der  Leistungen  einer  eit 
fachen  Maschine  von  gleichen  Dimensionen  hinauskommen ,  aobal 
man  auf  grofse  Funkenlfinge  bestehen  bleibt. 

Will  man  diese  aufgeben,  so  bietet  allerdings  der  schon  ra 
Hm.  Dr.  Holtz  eingeschlagene  Weg,  nfimlich  Yermehrong  d« 
Erregungsstellen  an  einer  und  derselben  Scheibe,  ein  Mittel  dsi 
die  Quantit&t  der  Elektricitfit  bedeutend  lu  yergröfsem.  £i 
Probe-Exemplar  dieser  Art,  welches  ich  der  Gute  des  Erfindet 
verdanke,  und  an  einer  Scheibe  von  fast  dnttehalb  FuTs  Durd 
messer  30  Erregungsstellen  besitzt,  also  die  Elektricitfitsmenge  de 
einfachen  Maschine  verzehnfachen  sollte,  leistet  in  dieser  Beauehiin| 
allerdings  Bedeutendes,  ist  aber  den  Strom-Umkehrungen  und  ai» 
deren  Mftngeln  in  dem  Maafse  ausgesetzt,  dafs  man  durch  sie  dea 
beabsichtigten  Zweck  noch  nicht  als  erreicht  ansehen  kann. 

Die  hier  beschriebene  Doppelmaschine  hat  nicht  allein  einen 
grofsen  practischen  Werth,  sondern  auch  ein  theoredsches  Interesse 
von  Bedeutung.  Denn,  wie  vorhin  gesagt,  beruht  ihre  Wirkung 
darauf,  dafs  die  Ströme  der  Partialmaschinen  in  entgegengesetzter 
Richtung  gehen,  und,  damit  sie  dieses  thun,  mfissen  diametrale  Con- 
ductoren  angebracht  sein.  Ohne  solche  Conductoren  entwiekelt 
die  Doppelmaschine  genau  eben  so  viel  Elektricit&t  wie  nkit  den- 
selben; aber  diese  schlügt  einen  andern  Weg  ein,  geht  zwiachen 
den  rotirenden  Scheiben  gleichsam  im  Kreise  herum,  indem  die 
Partialstr5me  eine  gleiche  Richtung  annehmen.  Dadurch  wird  nber 
die  Nutzwiricung  vollständig  annullirt  Zwischen  den  Elektroden 
geht  durchaus  kein  Strom  über,  sobald  beide  Maschinen  von  glei- 
cher Krftftigkeit  sind. 

Die  Eigenschaft  des  diametralen  Condnctors,  den  Partialstro- 
men  eine  entgegengesetzte  Richtung  zu  geben,  nicht  minder  vrie 
die  analoge,  die  partielle  Ladung  von  Flaschen  zu  erhöhen,  scheint 
mir  eine  sehr  wunderbare  zu  sein,  welche  sich  für  jetzt  eben  so 
wenig  theoretisch  erklären  l&fst,  als  man  sie  schwerlich  a  prioH 
aufgefunden  haben  würde. 


vom  12.  Mai  1870.  311 

Hr.  W.  Peters  las  aber  Platemys  tuberosa^  eine  neue 
Art  von  Schildkröten  aus  British-Guiana. 

Unter  den  vielen  interessanten  Gegenstfinden  ans  British-Gni- 
ana,  welche  die  Königlich  zoologischen  Sammlangen  dem  Eifer  des 
Hm.  Richard  Schombnrgk  verdanken,  befindet  sich  ein  Exem* 
plar  einer  Schildkröte  in  Weingeist,  welches  die  wahrscheinlich 
sehr  feinen  Homschilder  verloren  hat,  sonst  aber  sehr  wohl  eriial- 
ten  ist,  und  in  seinem  Reisewerke  als  „Platemys  Hilarii  Dum. 
Bibr.*-  aufgeführt  wurde.')  Die  hiesige  Sammlung  von  Schild- 
kröten war  zur  Zeit  der  Herausgabe  jenes  Werkes  verhfiltnifsmfi- 
fsig  sehr  arm  und  die  PL  Hilarii  nur  nach  der  Beschreibung  in 
der  ErpStologie  gSrUrale  (II.  p.  429)  bekannt,  wfihrend  erst  vor 
wenig  Jahren  eine  Abbildung  derselben  in  dem  Werke  von  Ga- 
st ein  au  über  die  sudamerikanische  Fauna  erschienen  ist.')  Diese 
letztere  liefert  aber  den  Beweis,  dafs  PL  Hilarii  in  keiner  Hinsicht 
von  PL  Geoffroyana  Schweigger  verschieden  ist,  sondern  sehr 
wahrscheinlich  nach  jungen  Exemplaren  dieser  letztem  aufgestellt 
wurde,  wie  dieses  sowohl  aus  dem  in  unserm  Museum  befindlichen 
Originalexemplare  von  PL  Geoffroyana  Wagler 's,  wie  aus  der 
Vergleichung  der  reichen  Sammlung  des  Hrn.  Heu  sei  aus  Rio 
Grande  de  Sul  und  der  Beschreibung  in  der  Erpiiologie  gindraie 
hervorgeht.  Das  vorliegende  Exemplar  gehört  dagegen  einer  sehr 
verschiedenen,  durch  die  Convexität  und  die  entwickelten  Höcker 
ihres  Rnckcnschildes  sowie  durch  ihre  Färbung  sehr  ausgezeichne- 
ten neuen  Art  an,  über  die  ich  mir  erlaube,  der  Akademie  eine 
genauere  Mittheilung  vorzulegen. 

Platemys  tuberosa  n.  sp.  (Taf.  1.2.) 
PL  testa  aUiore,  carina  spinali  distincta,  icutia  vertebralibw  cottd- 
Ubu$que  carinato-tuberosis ;  tupra  /usca,  albo-fimbriolala^  tubtu$  dl- 
bida  nigro-rivulata. 

Platemys  Hilarii  Troschel,  IL  Schomburykf  Reisen  in  British-Oviana^ 
m.  p.647.  (non  Dameril  et  Bibron). 
Der  Kopf  dieser  Schildkröte  hat  eine  ähnliche  Form  wie  der 
von  PL  Geoffroyana^  die  dünne  Hornbekleidung  der  Oberseite  des- 
selben ist  in  ähnlicher  Weise  in  schuppenfÖrmige  Abtheilungen  zer- 


^)  B.  Schombargk,  ReieeninBriiish'Guiana^  III. p.647. 

')  Castelnan,  Expid.  dane  VAmiri^e  du  Sud.  Rept  p.7..Tafl  1. 


312  Oeiammtsitzung 

fSUt  und  die  Schlfifengraben  sind  oben ,  wie  man  durch  die  Haut 
fühlen  kann,  durch  eine  Boiochenbrücke  von  einander  getrennt, 
welche  doppelt  so  breit  ist,  wie  die  Interorbitalgegend.  Die  Augen 
Bind  einander  mehr  genähert  und  weniger  entfernt  von  dem  Lip- 
penraade  als  bei  Exemplaren  gleicher  OrSfse  jener  Art,  auch  er* 
scheint  die  Schnauze  merklich  kürzer,  indem  ihre  Lfinge  }  des 
Augendurchmessers  gleich  kommt.  Die  Haut  des  Halses  erscheint 
grob  grannlirt  oder  knotig«  Die  Dorsalseite  des  Vorderarms  ist 
mit  zwei  bis  drei  Reihen  halbmondförmiger  Schuppen,  der  hintere 
hfiutige  Saum  mit  viel  gröfseren  platten  Schuppen  bekleidet  und 
die  sehr  entwickelten  Schwimmhäute,  welche  die  fünf  Finger  bis 
zu  den  Erallen  mit  einander  verbinden,  ragen  mit  ihren  freien  con- 
vexen  Rändern  zwischen  den  letzteren  herv<Hr.  Auf  dem  Unter- 
schenkel findet  sich  vor  den  beiden  hintern  Reihen  halbmondför- 
miger Schuppen  nur  eine  unvollkommene  dritte  Reihe  mit  kleine- 
ren ähnlichen  Schuppen  und  unter  den  grofsen  Schuppen  seines 
Yorderrandes  ragt  die  gröfste  vorletzte  höckerartig  hervor;  die 
Schwimmhäute  der  Zehen  sind  ähnlich  entwickelt,  wie  die  der 
Finger.     Der  Schwanz  ist  kurz  und  seine  Haut  grob  granulirt 

Der  Panzer  ist  höber  als  bei  irgend  einer  andern  Art,  was 
besonders  herrührt  von  der  stark  gekielten  Beschaffenheit  der  drei 
mittleren  Yertebralschilder;  er  ist  verhältnifsmäfsig  breiter  als  bei 
gleich  grofsen  P/,  Oeoffroyana,  Die  tuberculöse  Beschaffenheit  der 
Gostalschilder  ist  unter  den  bisher  bekannten  Arten  von  Platemys 
(JSydroipU  Gray)  characteristisch  für  diese  Art 

Das  Stern  um  ist  vorn  mehr  bogenförmig,  weniger  grade  ab- 
geschnitten. Die  Oularplatten  sind  verhältnifsmäfsig  kleiner  und 
kürzer,  indem  die  Seiten  des  Winkels,  mit  welchem  das  Intergulare 
zwischen  den  Brachialplatten  liegt,  eine  gröfsere  Ausdehnung  haben 
als  bei  PL  Oeoffroyana,  Die  Pect  oralplatten  sind  nicht  allein  län- 
ger als  die  Brachialplatten,  sondern  auch  als  die  Abdominalplatten 
und  der  innere  Rand  der  Analplatten  ist  viel  länger  als  der  der 
Femoralplatten. 

Die  Farbe  der  Oberseite  des  Kopfes  und  Halses  ist  jetzt  braun. 
Eine  breite  schwarze  Längsbinde  an  dem  oberen  Theile  der  Hals- 
seite theilt  sich  hinter  dem  Trommelfell  nach  vorn  gabelförmig  in 
einen  oberen  über  das  Trommelfall  bis  zum  Auge  verlaufenden 
Ast,  dem  ein  seitlicher  Schnauzenstreif  entspricht,  und  in  einen 
unteren  an  den  Mundwinkel  gehenden  und  die  Lippenränder  ein- 


riaU'invf.  lubcro.sa  rii->. 


Plalemvs  Lubfrnsa  Pim 


vom  12.  Mai  1870.  313 

fadsenden  Ast  Eine  untere  seitliche  Halsbinde  v^einigt  sich  vorn 
mit  einer  hufeisenförmigen  Binde  am  Innern  Rande  des  Unterkie- 
fers und  die  Unterseite  des  Halses  ist  durch  swei  nnregelmftfeige 
tortuose  Lfingsbinden  ausgezeichnet.  Die  Fufs-  und  Handsohlen, 
sowie  die  Aufsenseite  der  Extremitäten  sind  schwarz,  am  Tordern 
und  hintern  Rande  gelblich  weifs  gesäumt  Der  Panzer  ist  oben 
braun,  undeutlich  gefleckt,  am  Rande  mit  einem  schmalen  wei£sen 
Saum.  An  der  Unterseite  haben  die  vorderen  und  seitlichen  Rand- 
schilder einen  mittleren  schwarzbraunen  Längsstreifen  und  der  weifse 
Grund  des  Stemums  ist  ausgezeichnet  durch  breite  geschlfogelte 
Binden  und  Flecke  von  schwarzbrauner  Farbe. 

Kopflänge  ....  0?0315  Länge  des  Panzers .  .  0?127 
Kopfbreite  ....  0?026  Breite  „  „  .  .  0?107 
Kopf  höhe      .     .     .     .     0?015       Höhe      „         „         .     .     0^045 

Das  einzige  Exemplar  stammt  nach  der  Angabe  des  Hrn.  Ri- 
chard Schomburgk  aus  dem  Cotingaflusse  am  Roraimagebirge 
in  British-Guiana. 


Erklärang  der  Abbildangea. 

Ta£.  1.  Fig.  1.  Piatemya  tuberosa  P  tr a.  ron  anten ; 

Fig.  2.  Kopf  derselben  von  oben. 
TaL2.  Fig.  1.  Panzer  dersdben  von  oben;  Fig. 2.  derselbe  von  der  linken  Seite. 

Simmdiche  Figuren  in  natflrUcher  GröCse. 


An    eingegangenen    Schriften    nebst   Begleitschreiben    wurden 
vorgelegt: 

Sitiungsberichte  der  k,  k.  Akademie  der  Wiaeenadic/ten  in  Wien,  phiL-hiet, 
Klaue,  61.  Bd.  2.  n.  3.  Heft.  62.  Bd.  1.  — 4.  Heft.  Math,'natuno, 
Kiasse.    1869.    1.  AbtL  Kr.  3—7.   2.  Abth.  Nr.  4—7.   Wien  1869.   8. 

Denktekr^Un  der  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  phiL-histor, 
Klasse.  16.  u.  18.  Bd.    Malhm.'naturw.  KL  29.  Bd.     Wien  1869.    4. 

Archiv  fit  Kunde  osterr^  Oesckichis^llen.  41.  Bd.  1.  n.  2.  Helk.  Wien 
1869.    8. 


814  0€8ammi$itzung 


Ahmanach   der  KaUerL  Akademie  der  Wteeeneehq/leH  in  Wien.     19.  Bd. 

Wien  1869.     8. 
TaMae  eodicum.    VoL  I.    Wien  1864.     8. 

Bebra,  Atlae  der  HauthwMei^H.     7.  LiefeniDg.    Wien  1869.    foL 
Jelinek,  Tew^i>eraturverKältni9Be  der  Jahre  1848—1863,    Wien  1869.    4. 
Alfred  v.  Renmont,  Oeechickte  der  Stadt  Rom.  3. Bd.    Berlin  1870.  8. 

Mit  Begleitschreiben  des  Hm.  Verf.  d.  d.  Bonn  1.  Mai  1870. 
Annaien  der  k,  Sternwarte  hei  München,     17.  Bd.  n.  19.  Snpplementband. 

Manchen  1869.     8. 
6.  L.  T.  Manrer,  Oeschichte  der  Städteterfaeeimg  in  Deuteckland,     S.  Bd. 

Erlangen  1870.     8. 
BuUetin  de  ia  SocUU  dee  Naiuraiietee  de  Moeetm,    Ann^  1869.    Nr.  4. 

MoscoQ  1870.     8. 
W.  Carssen,  Über  Aueepracke,  Vokaiiemue  und  Betonung  der  Laiemieekem 

Stacke,     9,  Bd.     Leipzig  1870.     8. 
Memoire  o/  tke  Oeohgicai  Surve^  o/  Indio,    V,  7 — 10.  VI,  3.     Calcatta 

1868.     4. 
Hirfch  et  Plantamonr,  Nivellement  de  pricieion  de  la  Suieee,     larr.  3. 

Gen^ye  1870.     4. 
M.  Hang,  An  old  Pakloüi-Paxand  Oloeeary,    London  1870.     8. 
G.  di  Siena,  Commedia  di  Dame  Alligkieriy  con  note,    Napoli  1870.     8. 
Annuaire  de  taeeodation  pour  feneouragement  dee  kudee  greequee,     Annee 

4.    Paris  1870.     8. 


19.  Mai.     Oesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Rammeisberg  laa  über  die  Zusammensetzung  der 
Meteorite  von  Shalka  und  von  Hainhols. 

Die  Meteorite,  mineralische  Massen,  welche  aus  dem  Welt- 
raum auf  die  Oberflficbe  der  Erde  gelangen,  bieten  in  Betreff  ihres 
Ursprungs  und  ihrer  Bewegung  der  Astronomie,  hinsichtlich  der 
ihren  Fall  begleitenden  Erscheinungen  der  Physik  Stoff  zu  wich- 
tigen Erörterungen  dar.  Das  Interesse,  welches  sie  an  und  für 
sich  als  Bruchstücke  kosmischer  Substanzen  haben,  steigert  sieb, 
wenn  wir  ihre  materielle  Natur  erforschen  und  sie  mit  den  tellari- 
sehen   Substanzen   vergleichen.      Mineralogische  Beobachtung   und 


vom  19.  Mai  1870.  315 

chemische  Untersnchung  fohrea  uns  zur  Kenntnifs  dieser  ihrer  ma- 
teriellen Natar,  und  schon  liegt  ein  werthvolles  Material  vor^  ge* 
nugend,  am  daraus  Schlüsse  und  Vergleiche  abzuleiten,  allerdings 
unToUstfindig,  insofern  wir  TOn  manchen  Meteoriten  noch  keine  ge- 
naue Untersuchung  haben. 

Soweit  unsere  Erfahrung  reicht,  steht  fest,  dafs  die  Elemente 
der  Meteorite  nur  solche  sind,  die  auf  der  Erde  Torkommen.  Es 
ist  femer  ausgemacht,  dafs  diese  Elemente  in  ihnen  ganz  in  glei- 
cher Art  zu  bestimmten  Verbindungen  gruppirt  sind,  wie  in  den 
Mineralien.  Die  Mineralien  der  Meteorite  sind  aber  auch  nach 
Form  und  Zusammensetzung  ident  mit  gewissen  wichtigen  und 
weitverbreiteten  Mineralien,  welche  in  den  filteren  krystallinischen 
und  in  den  neueren  vulkanischen  Gesteinen  vorkommen.  Es  sind 
Silikate  von  Eisen,  Magnesia,  Kalk,  Thonerde  und  wenig  Alkali. 

Eine  grofse  Zahl  von  Meteoriten,  aber  nicht  alle,  enth&lt  frei- 
lich metallisches,  nickel-  und  phosphorhaltiges  Eisen,  dessen 
Vorkommen  auf  der  Erde  nicht  nachgewiesen,  dessen  Existenz 
überhaupt  in  den  ans  zug&nglichen  oberflächlichen  Theilen  der  Erd- 
masse deswegen  nicht  wahrscheinlich  ist,  weil  es  den  Angriffen 
von  Wasser,  Sauerstoff  und  Kohlens&ure,  welche  in  diesen  oberen 
Theilen  der  Erdrinde  fast  überall  chemische  Prozesse  hervorrufen, 
keinen  Widerstand  leisten,  sich  oxydiren  würde.  Man  kann  mit 
Sicherheit  behaupten,  dafs  jene  Agentien  auf  die  Meteorite,  bevor 
dieselben  in  den  Bereich  der  Erde  gelangen,  noch  nicht  eingewirkt 
haben. 

Die  Meteorite  sind  den  tellurischen  Gebirgsarten  vergleichbar; 
ihre  Eintheilung  und  Unterscheidung  beruht  also  auf  der  Natur 
der  sie  bildenden  Mineralien,  Auch  bei  ihnen  giebt  es  wesentliche 
und  accessorische  Gemengtheile,  und  zu  diesen  letzteren  geboren 
Schwefeleisen  und  Chromeisenerz. 

Gustav  Rose  hat  nach  diesem  allein  richtigen  Princip  die 
Meteorite  in  Gruppen  gebracht  ^ )  und  diese  mit  besonderen  Namen 
belegt.  Eine  solche  Gruppe  ist  wohlbegründet,  wenn  wir  die  Ge- 
mengtheile des  Ganzen,  d.  h.  die  einzelnen  Mineralien,  genau  ken- 
nen. Dies  gilt  z.B.  von  den  Pallasiten,  deren  Typus  die  be- 
kannte Pallasmasse  bildet;  Meteoreisen  mit  eingewachsenen  0 1  i - 


')  Beschreibung  und  Eintheilong  der  Meteoriten.    Abhandl.  der  Akade- 
mie T.  J.  1863. 


316  OesammtsUzung 

TinkrjaUlleo.  Es  gilt  ebenso  von  den  Eukriten,  welche  aus 
Augit  nnd  Anorthit  bestehen,  ein  Besnltat,  welches  Ton  O.  Rose 
schon  1825  durch  mineralogische  Beobachtang  begründet,  von  mir 
sp&teT  durch  die  chemische  Analyse  festgestellt  wurde. 

Wo  aber  über  die  Natur  der  Mineralien  noch  Zweifel  herr- 
schen, wo  die  Feinheit  der  Gemengtheile  der  Beobachtung  hinder- 
lich ist,  wo  die  Seltenheit  des  Materials  Untersuchungen  verhindert 
hat,  sind  diese  Gruppen  nicht  scharf  definirt,  und  ihre  Feststellung 
ist  erst  durch  neue  Arbeiten  zu  hoffen.  Zu  diesen  Gruppen  oder 
Abtheilungen  gehören  c.  B.  Chondrit,  Howardit,  Chladnit  und 
Shalkit 

Ich  will  heute  die  Aufmerksamkeit  zunfichst  auf  den  Shal- 
kit lenken  nnd  durch  die  Resultate  meiner  Untersuchung  darthun, 
dafs  auch  diese  Art  von  Meteoriten  jetzt  als  sicher  festgestellt  be- 
trachtet werden  kann. 


/.     Der  Meteorit  van  Shalka^ 

G.  Rose  nennt  den  am  30.  November  1850  bei  Shalka  in 
Bengalen  gefallenen  Stein,  der  beim  Fall  in  viele  Stücke  zersprang, 
und  wovon  das  Meiste  in  Calcutta  und  im  British  Museum  sich 
befindet,  Shalkit,  indem  er  ihn  also  für  verschieden  von  allen  übri- 
gen erklArt.  Ich  brauche  nicht  auf  die  Sufseren  Charaktere  der 
kleinkörnigen  Masse  einzugehen,  weil  dieselben  von  Haidinger 
und  von  G.  Rose  ausfuhrlich  beschrieben  sind.  Aber  es  ist  be- 
merkenswerth ,  dafs  Ersterer  das  Ganze,  in  welchem  kleine  Ejy- 
stalle  von  Chromeisenerz  eingewachsen  sind,  trotz  wechselnder  Fär- 
bung, nur  für  ein  Mineral  hfilt,  welcher  Meinung  G.  Rose  nicht 
beitritt,  theils  aus  mineralogischen  Gründen,  thells  deswegen,  weil 
*  das  feine  Pulver  des  Meteorsteins  von  Säuren  theilweise  zersetzt 
wird,  wie  er  sich  überzeugte,  so  dafs  er  Olivin,  und  zwar  in  über- 
wiegender Menge^  als  Gemengtheil  des  Shalkits  voraussetzt. 

Nun  ist  dieser  Meteorit  allerdings  von  C.  v.  Hauer*)  analy- 
sirt  worden,  welcher  (nach  Abzug  von  Chromeisenerz)  fand: 


>)  Wien.  Akad.  Berichte  Bd.  41. 


vom  19.  Mai  1870.  317 

Sauerstoff 
Eieselsfiure  57,66  30,75 

Eisenoxjdul  20,65         4,59  . 
Magnesia       19,00         7,60   i    12,63. 
Kalk  1,53         0,44  ^ 

98,84 

Die  Analyse  ist  an  sich  wegen  des  Verlustes  von  1,2  p.  C,  den 
man  nicht  zu  deuten  vermag,  nicht  recht  befriedigend.  Hfilt  man 
sich  an  die  Zahlen,  so  ist  es  ein  dem  Olivin  und  dem  Broncit  quali- 
tativ gleiches  Bilikat^  mit  dem  SauerstoffverhftltniTs  1 : 2,435  oder 
nahe  «=  1 :  2,5. 

W&hrend  nun  Haidinger  in  dieser  angeblich  swischen  einem 
Bi-  und  Trisilikat  stehenden  Verbindung  ein  bestimmtes,  von  ihm 
Piddingtonit  genanntes  Mineral  sehen  will,  nimmt  6.  Rose  das 
Ganze  als  ein  Gemenge  von  Singulosilikat  von  Mg  und  Fe  (Oli- 
vin) nnd  von  Trisilikat  von  Mg  (Shepardit)  und  zwar  in  dem  Ver- 
hfiltnifs 


wiewohl 


f  2Mg«Si»0«l   „  ^       ,    «oo 

l       SsiOM  Sauerstoff  ==  1 :  2,33, 

f5Mg«Si30B|  _ 

l2R«SiOM  «         -1.2,43 


der  Analyse  am  nächsten  kommen,  und 


f  3Mg»Si»0»  1 
1     R>  Si  O*  J 


=  1 : 2,5 


die  nfichst  einfachste  Proportion  geben  würde«  Aber  aus  zwei 
Gründen  ist  diese  Deutung  unannehmbar.  Zuvörderst  beruht  die 
Annahme  des  als  Shepardit  bezeichneten  Trisilikats  von  Mg  auf 
der  Voraussetzung,  dafs  ein  solches  Silikat  wirklich  existire,  und 
die  Hauptmasse  der  Chladuite,  zunächst  des  Steins  von  Bishop- 
viUe,  ausmache;  allein  die  Analysen  von  S hepar d  und  von  Sar- 
tori us,  welche  zu  dieser  Annahme  Veranlassung  gegeben  haben, 
sind  durch  meine  späteren  Versuche,  durch  die  von  Smith  und 
die  Schmelzresultate  Daubr^e 's  als  völlig  unrichtig  nachgewiesen, 
die  Substanz  ist  Bisilikat  von  Magnesia,  ist  Enstatit,  wie  Eenn- 
gott  schon  längst  vermuthet  hat,    ein  in  den  Meteoriten  mehrfach 


31S  OesammUüzung 

aaftretendes  Glied  der  Aagitgrappe,  welches  sich  cum  Broncit  yer- 
h&lt,  wie  Forsterit  zu  Olivin. 

Aber  es  ist  überhaupt  kein  Magnesiatrisilikat  im  vorliegenden 
Fall  ansunehmen,  denn  da  in  Haner^s  Analyse  das  Atomverhalt- 
niis  von  Fe :  Mg(Ca)  =  4:7,  also  nahe  1 :  2  ist,  so  würde  der 
Olivin  gar  keine  Magnesia  enthalten,  ja  nach  den  beiden  letz- 
ten Formeln  wurde  das  Trisilikat  selbst  eisenhaltig  sein 
müssen. 

Wir  müssen  auf  Hauer^s  Analyse  zurückkommen.  Lfifstsich 
auch  aus  den  mitgetheilten  Zahlen  kein  Orund,  sie  anzuzweifeln^ 
entnehmen,  so  lehrt  doch  die  Erfahrung,  dab  die  Analyse  von  ma 

« 

gnesiareichen  Silikaten  immer  unrichtig  ausf&Ut,  wenn  man  versftumt, 
die  Kieselsiure  noch  besonders  zu  prüfen.  Ich  habe  bei  den  Horn- 
blenden den  Beweis  dafür  geliefert  Es  bedurfte  also  für  den  Stein 
von  Shalka  einer  neuen  Untersuchung,  und  eine  solche  wurde  da- 
durch möglich,  daÜB  O.  Rose  mit  gewohnter  Liberalit&t  von  den 
wenigen  Fragmenten,  welche  die  hiesige  Sammlung  besitzt,  mir  die 
nothige  Menge  zur  Verfügung  stellte. 

An  ein  Auslesen  der  einzelnen  Körner  der  durch  den  Finger- 
druck leicht  zerreiblichen  Masse  war  nicht  zu  denken.  Ich  suchte, 
wie  ich  es  schon  früher  bei  Bishopville  gethan,  .durch  Schlämmen 
des  feinen  Pulvers  mit  Wasser  und  Analyse  des  leichteren  und 
des  schwereren  Theils  zu  entscheiden,  ob  das  Ganze  aus  einem 
Silikat  oder  aus  mehreren  bestehe. 

Der  schwerere  (gröbere)  Theil  wurde  mit  Fluorammoninm 
und  Schwefels&ure  aufgeschlossen;  seine  Menge  betrug  nur  0,78 
Orm.  —  Der  leichtere  Theil  wurde  mit  reiner  Schwefels&ure, 
der  -j-  Wasser  zugesetzt  war,  in  ein  Glasrohr  eingeschmolzen  und 
einige  Zeit  auf  200^  erhitzt.  Dabei  blieb  das  Feste  pulverig,  die 
saure  Flüssigkeit  war  durch  Chromgehalt  grün.  Zu  diesem  Ver> 
such  konnten  2  Grm.  verwendet  werden. 

Was  zun&chst  diesen  leichteren  Theil  betriflft,  so  zeigte  sich, 
dafs  die  S&ure  nur  wenig  Silikat  zersetzt  hatte,  was  beweist,  dafs 
der  Shalkit  nicht  vorwiegend  Olivin  enthalten  kann.  Das  Resultat 
der  Behandlung  mit  Schwefels&ure  war  n&mlich: 


vom  i$.  Mai  1870.  319 

Eieselsfiiire  3,84 

Eisenoxydul  3,91 

Magnesia  (Ca,  Spur)   3,17 

Eiflenoxjdol  0,67 
Chromoxjd 

Unzersetstes  86,43 


99,46 

Berechnet  man  daa  zersetzte  Silikat  (10,92  p.  C.)  auf  100  Theile, 
so  erh&lt  man: 

Sauerstoff 
Kieselsaure    35,17  18,76 

Eisenozydul  35,80       7,95 


Magnesia        29 


,03     11,61  J      '^ 


100 
Dies  ist  also  Olivin,  der  2  At.  Fe  gegen  3  At.  Mg  enth&lt, 

f  3Mg«SiO* 


iO*  J 


berechnet  zu: 


l2Fe«SiO* 


5Si  =  140  =  Si  0>  36,23 
4Fe  «  224  FeO  34,78 
6Mg=144       MgO    28,99 


20   O  =  320  100 

828 

Von    dem  Unzersetzten    wurden   zwei   Analysen   gemacht 
(a.  mit  kohlensaurem  Natron,  b.  mit  Florwasserstoffsäure). 

a.         b.  Mittel       Sauerstoff 

Kiesels&ure    55,55  55,55  29,63 


Eisenoxydul  17,01  16,25  16,53     3,67 

Magnesia    |  27,56  27,73  11,09 

Kalk          J  '        0,09  0,09    0,02 

Natron  0,92  0,92    0,23 

Chromoxyd  0,23    0,23  0,23  ,  ^ ._ 


15,0 


FeO    0,10 
101,15 


}o,i 


320  Oesammtsittung 

Dieser  Theil  ist  also  Bisilikat,  ist  Broncit,  mit  1  At.  Fe 
gegen  3  At.  Mg,  also 


{ 


Fe  SiO«  1 
3MgSiOS  J 


berechnet  zu: 


4Si   =  112  ==  SiO»  55,56 

Fe  =    56       FeO  16,66 

3Mg=    72       MgO  27,78 


120    =  192  100 

432 

Hiemach  besteht  also  der  leichtere  Theil  des  Steins  von  Shalka 
aus: 

86,15  Broncit 

10,92  Olivin 
2,39  Chromeisenera 

99,46 

Der  schwerere  Theil  liefs  sich  wegen  seiner  geringen  Menge 
nur  als  Ganxes  untersuchen;  ich  gebe  nachstehend  die  erhaltenen 
Werthe  und  stelle  die  des  leichteren  daneben,  wie  sie  sich  aus  den 
mitgetheilten  Daten  berechnen  lassen. 


«. 

b. 

Schwererer  (gröberer)  Tbeil. 

Leichterer  (feinerer)  Theil. 

KieseU&are  (52,25) 

s  52,64 

53,13 

Eisenoxjrdul  20,03 

20,18 

19,32 

Magnesia        25,96 

26,15 

27,80 

Kalk                 1,03 

1,03 

0,07 

Natron               — 

— 

0,81 

Chromoxyd      0,45 

100 

101,13 

Eisenozydnl     0,28 

100 

Beide  Theile  sind  fast  gleich,  denn  die  Y.  G.  Ton  Olivin  und  Bron- 
cit sind  zu  wenig  verschieden,  als  dafs  der  Schlfimmproaefs  ihre 
relative  Menge  in  beiden  wesentlich  hfitte  &ndem  können.  Die 
Analysen  aber  constatiren  zugleich,  dafs  das  Ganze  basischer 
als   ein    Bisilikat   ist,    und  sie  treten   dadurch   den   Angaben 


vom  19.  Mai  1870.  321 

Hauer 's,  die  das  Gegentheil  erweisen  sollen,  aufs  schärfste  gegen- 
üben    Es  ist  nSmlich  der  Sauerstoff  der  RO  und  der  SiO* 

in  a==  15,21:28,07  =  1:1,8 
in  b  =  16,64  :  28,33  =  1 : 1,85. 

Wollte   man  aus  diesen  Proportionen  die  Mengen  des  Olivins  und 
Broncits  berechnen,  so  hätte  man  in 

a.  b. 

f  8R  SiOM  r  12R  SiOM 

1    R»SiO*J  1      R«SiO*J 

und    wenn    R    im   Bisilikat    =  F^Mg^,    im    Singnlosilikat    aber 
=  Fe* Mg*  ist,    so  würde 


a. 

b. 

Broncit  83,9 

88,67 

OUrin    16,1 

11,33 

100  100. 

Meine  direkte  Analyse  von  b  hat  aber  in  der  That 

88,75  Broncit 

11,25  Olivin 

100 
gegeben. 

Shalkit  ist  also  Broncit  und  Olivin. 

Nach  Haidinger  ist  das  V.  G.  der  ganzen  Masse  =  3,41, 
während  Broncit  =  3,20  —  3,25,  Olivin  =  3,30  —  3,90  ist,  was 
von  dem  Yerhältnifs  Fe  :  Mg  abhängt.  Dem  gröfseren  Gewicht  des 
Olivins  entspricht  es  vollkommen,  dafs  der  schwerere  Theil  (a) 
olivinreicher,  broncitärmer  ist  Sein  Sauerstoffverhältnifs  deutet 
auf  16  p.  C.  Olivin  in  dem  Gemenge. 

Giebt  es  noch  andere  Meteoriten  derselben  Art?  Wahrschein* 
lieh,  doch  fehlt  es  an  Untersuchungen.  Hier  sei  nur  daran  erin-p 
nert,  dafs  die  reine  Broncitsubstanz  als  Meteoriten masse  auf-^ 
tritt,  nämlich  in  dem  am  26.  Juli  1843  gleichfalls  in  Hindostan 
gefallenen  Stein  von  Manegaam  (Mallygaum  bei  G.  Rose).  Erst 
vor  Kurzem  hat  Maskelyne  gezeigt'},    dafs  die   grfinlichgelbeu 


1)  Proceed.  R.  Soo.  XYIIL  156. 


322 

KSnier,  am  weldien  er  besidit»  dlie  KiTBtallfonii  des  Bronetfts  und 
ein  Y.  G.  »  S,I98  babeo,  od  dab  aie  nadi  Miner  Analyse  die 
Mtschmig 

r    FeSiO»1 
l2Mg8iO»J 

darsteUen.  Aber  auch  die  Analyse  des  ganzen  Steins  ergiebt  ne- 
ben 1  p.  C.  Chromeisenen  genau  dasselbe  Silikat') 


//•    Der  MeUorii  van  Hainholz, 

Diese  merkwürdige  Masse  wnrde  im  J.  1856  in  der  Nfibe  toa 
Paderborn  von  Dr.  Mfihlenpfordt  aofgefdnden.  Ihre  Fallzeit  ist 
unbekannt,  aber  die  &ulserliche  und  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe 
eingedrungene  YerSnderung  beweist ,  dab  sie  lange  in  der  Erde 
gelegen  bat.  Es  ist  ein  Mesosiderit,  d.  h.  ein  Gemenge  von 
Meteoreisen,  Olivin  und  Augift,  analog  dem  M.  ans  der 
Sierra  de  Chaco,  welchen  G.  Rose  ausführlich  beschrieben  hat. 
Da  bisher  noch  keine  durchgreifende  Untersuchung  ei^es  dieser 
Meteoriten  versucht  ist,  so  habe  ich,  durch  G.  Rose  mit  dem  er- 
forderlichen Material  versehen,  die  Analyse  des  M.  von  Hainholz 
unternommen.  Es  ist  aber  daran  zu  erinnern,  dafs  die  ursprüng- 
liche Natur  der  Gemengtheile  sich  nur  durch  eine  Correction  der 
analytischen  Resultate  darstellen  Ififst,  indem  man  der  Aufnahme 
von  Sauerstoff  und  Wasser  in  den  &nlseren  Parthieen  Rechnung 
trAgt. 

Beim  Pulvern  des  Steins  bleiben  die  gröberen  Partikel  des 
Meteoreisens  zurück.  Eine  von  SiUkattheilchen  nicht  ganz  freie 
Probe  desselben,  mittelst  einer  Lösung  von  Quecksilberchlorid  zer- 
legt, gab  nach  Abzug  Jener  und  nachdem  eine  kleine  Menge  Ma- 
gnesia (0,69  p.  C.)  in  der  Form  der  Olivinbasen  (FeO  +  3MgO) 
gleichfalls  abgerechnet  war, 

Eisen    93,84 
Nickel    6,16 
100. 


'}   G.  Rose   hstte  diesen   Meteorit  nach  dem   «ufsem   Ansehen    eines 
Stflckchens  von  0,03  Loth  zu  den  Howarditen  gestellt. 


vom  19.  Mai  1870.  323 

Das  Meteoreisen,  Fe^^Ni  etwa,  ist  also  eins  der  nickel&rme- 
ren  and  steht  dem  von  Arva,  Lenarto,  Schwets,  Seeläsgen,  Braunan, 
vielen  amerikanischen,  sowie  dem  M.  der  Chondrite  von  Poltusk 
Seres,  Blansko  sehr  nahe,  wfihrend  die  Mehrzahl  des  letzteren 
mehr  Nickel  enthält. 

Das  feinere  Palver,  welches  nach  der  Ahsonderung  jener  grö- 
beren Eisentheile  übrig  hlieb,  wurde  gleichfalls  mit  Qaecksilber- 
chloridauflosnng  behandelt,  um  die  Menge  der  metallischen  Theile 
zu  bestinunen.  Der  Rückstand  ward  mit  Chlorwasserstoffs&ure 
digerirt,  um  das  Singulosilikat  (Olivin)  zu  zerlegen;  aus  dem 
Rückstande  wurde  die  zu  jenem  gehörige  Elieselsäure  ausgezogen, 
worauf  er  für  sich  weiter  untersucht  wurde.  Ein  besonderer  Ver- 
such bestimmte  den  Wassergehalt. 

So  ergaben  sich 


Eisen     4,12 
Nickel    1,05 


} 


5,17 


{Kieselsäure    20,04  ^ 
Eisenoxjd      22,20  1    66,61 
Magnesia        24,37  ^ 


Unzersetzt 


Kieselsäure    13,20 

Eisenozydul    3,51 

Magnesia  6,15 

.  Thonerde         0,72 


23,58 


Chromeisenerz  0,50 

Glühverlust  (Wasser)   2,86 


98,72 


Das  Nickeleisen  würde  20,3  p,  C.  Nickel  enthalten,  also  dreimal 
mehr  als  die  vorhergehende  Untersuchung  geliefert  hat  Man  sieht 
also,  dafs  bei  dem  langen  Liegen  des  Meteorits  viel  Eisen  in  Oxyd 
(Oxydhydrat)  sich  verwandelt  hat,  welches  in  dem  sauren  Auszuge 
erhalten  ist.')  Man  darf  also  mit  vollem  Recht  dem  Nickel  so- 
viel Eisen  hinzurechnen,  als  nach  dem  zuvor  Angeführten  ursprüng- 
lich vorhanden  war.  Indem  man  den  Rest  im  Oiivin  als  Oxydul 
nimmt  (welches  gleichfalls  zum  Theil  Oxyd  geworden  ist),  erhält 
man: 


^)    Nickel  fand  sich  in  ihm  nicht. 
[1870]  23 


324 


Oesammisilzung 


Meteoreisen 


{Eiaen 
Nickel 


MagiM 


Angit 


10,88 
1,05 


)= 


11,93 


f  Kieselafiore     20,04 
Olivin   {  Eisenozjdnl 


13,51 1  » 
24,37  ^ 


=  57,92 


Kieselsäure  13,20 
Eisenozjdql  3,51 
Magnesia  6,15 

.  Thonerde  0,72 

Chromeisenera 


=  23,58 


0,50 


Betrachtet  man  nun  die  Mischong  der  beiden  Silikate  nSher,  so 
sieht  man,  dab  es  beim  Olivin  an  Sftnre  felilt,  während  der  Aagit 
deren  zn  viel  hat  Dies  ist  eine  Folge  der  analytischen  Methoden 
und  nothigt  an  einer  kleinen  Correction,  sodafs 


Olivin 


Aagit 


f  Kieselsäore 
Eisenoxjdül 
^  Magnesia 

21,09. 
13,51 
24,37  ^ 

Kieselsäure 

12,15 

Eisenoxjdol 

3,51 

Magnesia 

6,15 

.  Thonerde 

0,72 

58,97 


22,53 


Wird  endlich  das  Ganze  auf  100  Theile  redncirt,  so  hat  man 

Meteoreisen     12,70 
Olivin  62,78 

Aagit  24,00 

Chromeisenerz  0,52 


100 

Von  Schwefel  habe  ich  nur  Sparen  gefanden. 

Natürlich  gilt  das  VerhältniOs  dieser  Gemengtheile  nar  für  die 
untersuchte  Probe,  von  welcher  die  gröberen  Eisentheile  abgeson- 
dert waren.  In  dieser  Hinsicht  sind  die  einzelnen  Theile  der  gan- 
zen Masse  sehr  ungleich  beschaffen. 

Nimmt  man  nan  die  Zusammensetzung  der  beiden  Silikate  für 
sich: 


vom  19.  Mai  1870.  325 

Olivin  Augit 

SaaerstofT  SaaerstofT 

Eieselaäftre    35,77  19,08     53,93                   28,76 

Eisenoxydul  22,91       5,09 1  15,58       3,46  \ 

Magnesia       41,32     16,53  J  '         27,30     10,92/       '^ 

Thonerde         —  3,19                     1,49 

100  100 

so  sieht  man,  dafs  beide  Silikate  1  At.  Eisen  gegen  3  At  Magne- 
sium enthalten.      Der  Augit  ist  aber  Broncit,    und  in  ihm  ist 
1  MoL  Thonerde  mit  etmra  8  Mol.  des  Bisilikats  verbunden. 
Wir  haben  also 

f    Fe»  SiOM  f    FeSiOn 

1  3Mg«  SiO*  J  /   1  3MgSiO«  J 


fl3MgSiO»j) 
l  AlO»     j 


Berechnet: 

Si  O»  38,46  Si  0>  53,95 

FeO    23,08  FeO    16,19 

MgO    38,46  MgO    26,98 

100  AI  0>    2,88 


100 


Die  beiden  Meteorite,  welche  uns  hier  beschäftigt  haben,  der 
vor  20  Jahren  gefallene  von  Shalka  und  der  seiner  Fallzeit  nach 
unbekannte  von  Hainholz,  beide  bestehen  aus  Olivin  und  Broncit, 
aber  bei  dem  letzten  tritt  noch  Meteoreisen  hinzu.'}  Während  der 
Broncit  beider  so  sehr  verschiedener  Massen  dieselbe  isomorphe 
Mischung  von  Bisilikaten  ist,  1  At.  Eisen  gegen  3  At  Magnesium 
enih&It,  unterscheidet  sich  ihr  Oliyin,  die  isomorphe  Mischung  der 
Singulosilikate  der  nämlichen  Metalle.  In  Shalka  ist  die  Mischung 
Fe  :  Mg  =  2  :  3,  in  Hainholz  =  1 :  3  At 

Die  Olivinsubstanz  erscheint  für  sich  in  Ghassignj  und  ziem- 
lieh  rein  auch  in  Alais  (in  beiden  Fe:  2 Mg);  der  Broncit  bildet 
für  sich  den  M.  von  Manegaum  (Fe: 2 Mg).  Ein  Gemenge  beider 
ist  Shalka  (Olivin  =  2Fe  :  3Mg,  Broncit  =:  Fe  :  3Mg). 


')  In  Shalka  überwiegt  der  Broncit,  in  Hainholz  der  Olivin. 


326  GesammUitsung  vom  iS.  Mai  1870. 

Eine  Parallelreihe  entoteht  darch  das  Hinzutreten  des  Nickel- 
eisens oder  Meteoreisens ,  welches  mit  Olivin  die  Pallasite  dar- 
stellt (O.  der  Pallasmasse  ss  Fe:  8 Mg,  von  Brahin  nhd  von  Ata- 
cama  =»  Fe:  4 Mg),  während  es  mit  Broncit  (Fe: 4 Mg)  die  ähn- 
lichen Massen  von  Breitenbach,  Steinbach,  Rittersgrün,  und  endlich 
mit  Olivin  nnd  Broncit  die  Mesoderite  bildet,  von  denen  far  jetzt 
blos  Hainholz  (Olivin  gleichwie  Broncit  «a  Fe: 3 Mg)  n&her  er- 
forscht ist. 

Ich  hoffe,  demnfichst  zeigen  zu  können,  dafs  wenigstens  ein 
Theil  der  Chondrite  dasselbe  Gemenge  darstellt  wie  Hainholz,  d.  h. 
wie  die  Mesosiderite. 


An  eingegangenen  Schriften  warden  vorgelegt: 

O.  BGttger,  Beitrag  zur  Kenntni/t  der  Peptilien  SpanieM  und  Portugal*. 

Offenbach  a.  M.  1869.     8. 
E.  Crzyrnianski,    Chemische  Theorie  auf  der  rotirenden  Bewegung  der 

Atome  haairt,     2.  Aufl.     Krakaa  1870.     8. 
Mommsen,  Hietoire  de  la  monuaie  nmiatiM,  trciduite  par  ie  Duo  de  Bla- 

cas.    Vol.  II.     Paris  1870.     8. 
Bulletin  de  la  sociM  giologique  de  France.     1868,  no.  5.  1869,  no.  2.  3. 

Pariii  1869.     8. 
Bulletin  de»  eciencee  matematiquea  et  aetronomiquee ,    ridigi  petr  Darbovr. 

Tome  I,  1.     Paris  1870.     8. 
A  complete  Collection  qf  the  Poeme  of  Tukerdma.    Vol.  I.     Bombay  1869. 

8.    Im  Auftrag  des  Goremment  of  Bombay  eingesendet  ^on  Trübner  et  Co. 


■ 

23.  Mai.     Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  Ewald  las  über  einige   die  Ökologie  der  Anden   betref- 
fende Fragen. 


I  .a.;,t/    .1  llh!  Mm    I.Wl    Pn; 


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T^r 


:^'%f^/S" 


MONATSBERICHT 

DBB 

KÖNIGLICH  PREÜSSISCHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

Juni  1870- 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  du  Bois-Reymond. 


2.  Juni.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  6.  Rose  las  über  den  Zusammenhang  zwischen 
hemiedrischer  Krjstallform  und  thermo- elektrischen^ 
Verhalten  .beim  Eisenkies   und  Kobaltglanc. 

Eisenkies  und  Kobaltglanz  sind  bekanntlich  die  Hauptbeispiele 
von  Krjstallen  des  regulären  Systems,  die  die  dodekaSdrische  oder 
parallel  flächige  HemiSdrie  zeigen.  Bei  beiden,  besonders  dem  er- 
stem, kommen  eine  grofse  Menge  von  einfachen  Formen  und  Com- 
binationen  vor;  indessen  war  es  immer  aufifallend,  dafs  bei  diesen 
nur,  oder  vorzugsweise  Formen  der  einen  Stellung  vorzukommen 
schienen,  während  doch  bei  den  Substanzen,  deren  Formen  die  te-^ 
traedrische  oder  geneigtflächige  Hemiedrie  zeigen,  die  verschiedenen 
hemiedrischen  Formen  der  einen  Stellung  wie  der  andern  häufig 
allein  oder  miteinander  combinirt  vorkommen;  so  beim  Borazit, 
Fahlerz  und  der  Zinkblende.  Man  hat  allerdings  beim  Eisenkies 
Krystalle  beschrieben,  die  Combinationen  von  Formen  beider  Stel- 
lungen sind,  doch  gehören  dergleichen  Krystalle  zu  den  grofsten 
Seltenheiten,  zumal  wenn  man  bedenkt,  wie  sehr  der  Eisenkies  in 
der  Natur  verbreitet  ist,  und  dafs  er  sich  auf  den  verschiedensten 
Lagerstätten  und  zu  den  verschiedensten  Zeiten  gebildet  hat. 

So  beschrieb  schon  Hauy^)  Eisenkieskrystalle,  an  welchen 
nicht  nur  die  Pentagondodekaeder  (a:^a:  coa),   sondern  auch  an- 


>)  Traite  de  Mineralogie,  2  ed.  t  4  p.  56  Fig.  211  und  p.  57  Fig.  215. 
[1870]  24 


328  GesammUitzung 

dere,  an  welchen  die  DiploSder^)  (a:^a:ya)  in  beiden  Stellangen 
vorkommen.  Die  ersten  finden  sich  in  einer  Combination  mit  dem 
OktaSder  and  LeacitoCder,  das  OktaSder  herrscht  vor,  die  FUchen 
des  LeucitoSders  bilden  Zuspitzungen  der  Ecken,  und  die  Flächen 
der  beiden  PyritoSder  die  Abstumpfungen  der  Kanten  der  Zu- 
spitzung. Die  andern  finden  sich  in  Combination  mit  dem  Oktaeder, 
einem  TriakisoktaSder,  dem  Leucitoeder  und  HexaSder;  aach  hier 
herrscht  das  OktaSder  vor,  das  Triakisocta§der  (a:^a:^a)  bildet 
die  Zuschfirfung  der  Kanten,  die  Flfichen  der  beiden  Diploeder  er- 
scheinen als  achtfiächige  Zuspitzungen  der  Ecken,  zu  denen  nun 
noch  untergeordnet  die  Flfichen  des  LeucitoSders  und  Hexaeders 
hinzutreten.  Die  Flfichen  der  Pyrito§der  nnd  DipIoSder  beider 
Stellungen  sind  von  gleicher  Grolse  gezeichnet  und  eine  Verschie- 
denheit in  dem  Ansehen  derselben  ist  nicht  angegeben ;  ebenso  we- 
nig der  Fundort  beider  Krystalle. 

Eisenkieskrjstalle  mit  den  Flfichen  beider  PyritoSder  als  Ab- 
stumpfungsflfichen  der  sfimmtlichen  schfirferen  Kanten  des  Lenci- 
tofiders  hat  spfiter  auch  Breithaupt')  an  einem  StQcke  der  Wer- 
nerschen  Sammlung  in  Freiberg  erkannt  nnd  beschrieben,  leider 
auch  hier  ohne  den  Fundort  desselben  zu  kennen.') 


*}  It'b  gebrauche  hier,  vie  schon  seit  langer  Zeit  in  meinen  Vorlesun- 
gen ffir  die  Ausdrücke  Trapezoid-IkositetraSder  (Mohs)  oder  Dyakis-Dode- 
kaOder  (Naumann)  den  kflrcern  Ausdruck  Dlplodder,  worin  ich  mir  erlaubt 
habe,  den  Namen  DiploTd  von  Haidinger  umzuändern. 

')  Journal  fHr  prakt.  Chemie  von  Erdmann  nnd  Schweigger-Sei  • 
de  1  Bd.  4  S.  264. 

>)  Da  es  mir  sehr  darum  zu  thun  war,  Krystalle  mit  solchen  Fliehen, 
die  sich  in  dem  Berliner  mineralogischen  Museum  gar  nicht  befinden,  aus 
eigener  Ansicht  kennen  zu  lernen,  so  bat  ich  Prof.  Weisbach,  mir  die 
Stufe  mit  den  beschriebenen  Kristallen  zur  Ansicht  zu  schicken,  was  er  mir 
auch  freundlichst  gewährte.  Die  Krystalle,  an  denen  die  beiden  PyritoSder 
vorkommen,  haben  nur  die  geringe  OrÖ&e  von  höchstens  einer  Linie  Durch- 
messer und  sind  in  einem  kleinen  Drusenraum  einer  derben  Kisenkiesmasse 
aufgewachsen.  Es  sind  Combinationen  des  Oktaeders,  LeucitoSders  mit  den 
beiden  PTritoSdem,  ganz  wie  bei  den  von  Haüy  beschriebenen  Kristallen, 
nur  dafs  hier  noch  die  Flächen  des  Hexaeders  hinzutreten.  Die  Flächen  der 
PyritoSder  erscheinen  als  Abstumpfungen  der  Kanten  der  Zuspitzung  des  Ok- 
tadders,  aber  die  einen  abwechselnden  Abstumpfungsflächen  sind  merklich  gr$- 


vom  2.  Juni  1870.  329 

Combinationen  von  dem  DipIoCder  (a:4^a:-]>a)  mit  dem  Py- 
ritoSder  Terschiedener  Stellung,  wo  also  das  PyritoSder  an  den 
sch&fern  Kanten  dnrch  die  Flächen  des  DiploSders  abgestumpft 
erscheint,  haben  sp&ter  auch  Naumann^)  und  Zippe')  beschrie- 
ben. Sie  nehmen  dabei  an,  dafs  das  PyritoSder  erster  und  das 
Diploeder  zweiter  Stellung  sei.  FundÖrter  werden  von  beiden 
Aotoren  nicht  angegeben. 

Combinationen  des  PyritoSders  und  DiploSders  (a :  ^a :  ^l-a) 
der  einen  und  des  Diplo€ders  (-{^ai^ar-^a)  der  andern  Stellung 
beschreibt  Levy*).  Die  Flfichen  des  letztem  DiploSders  erschei- 
nen untergeordnet  am  erstem  als  Abstumpfungsflächen  der  mittlem 
Kanten;  das  HexaSder  tritt  auch  noch  hinzu;  DiploSder  123*) 
und  PyritoSder  werden  in  erster  Stellung,  das  Diploßder  345  dem- 
nach in  zweiter  Stellung  angenommen. 

In  seiner  grofsen  Arbeit  über  die  Italiänischen  Eisenkiese  giebt 
Siruver*)  noch  5  Pentagondodekallder  an,  die  in  Vergleich  mit 
dem  mit  ihnen  zusammen  vorkommenden  PyritoCder  in  entgegen- 
gesetzter Stellung  stehen,  sowie  auch  ein  DiploSder  234,  das  wie  das 


&er  aU  die  andern,  und  die  grobem  haben  neben  sich  noch  echmale  Ab- 
stompfiingsflächen  der  Combinationskanten  mit  dem  LeucitoSder,  Fahrschein- 
lieh  die  Flächen  des  DlploSders  (a:^a:^a};  die  Flächen  des  Oktaeders 
und  HezaSders  sind  stark  glänzend  und  glatt,  die  Flächen  der  beiden  Pjrri- 
toSder  auch  glänzend,  die  schmälern  PjritoSderflächen  aber  schwach  horizontal 
nach  den  Combinationskanten  mit  dem  HexaSder  gestreift;  die  Flächen  desLea- 
citoSders  sind  ganz  matt  durch  kleine  dreieckige  Eindrücke,  die  durch  die 
HezaSderflächen  hervorgebracht  werden,  daher  die  Leucitoederflächen  in  der 
Bichtnng  der  HexaSderflächen  schillern.  Die  Flächen  der  beiden  PyritoCder 
smd  demnach  in  ihrem  Verhalten  doch  sehr  rerschiedea. 

>)   Lehrbuch  der  Mineralogie  Berlin  1828  S.  563  Fig.  45. 

*)  Leichtfafsliche  Anfimgsgrftnde  der  Naturgeschichte  des  Mineralreichs 
1839  Th.  2  S.  513  Fig.  220. 

*)  Description  d*une  collection  de  Min^ranx  formte  par  Heuland,  Lon* 
don  1837  t.  3  p.  134  pl.  68  Fig.  10. 

^)  Ich  werde  in  dem  Folgenden  öfter  wie  hier  geschehen  die  abgekürzte 
Millersche  Schreibart  123  statt  (a:|a:^a)  und  345  statt  (ia:^a:|a)  ge- 
brauchen. 

*)  Stndi  neUa  mineralogia  italiana,  pirite  del  Fiemonte  et  dell*  Elba, 
Tnrino  1869  p.  6. 

24  • 


330  Gesammtsitzung 

von  Levy  angeführte  und  mit  ihm  gemeinschaülich  vorkommende 
Diploeder  345  in  entgegengesetzter  Stellung  zu  dem  Diploeder  1 23 
steht. ^)  Das  Pentagondodeka^der  560  zweiter  Stellung,  das  sich 
auch  unter  den  Pentagondodeka^dem  Struvers  findet,  wird  auch 
von  Hessenberg')  bei  einem  Krystalle  wahrscheinlich  von  Tra- 
verselia, an  welchem  das  Pyritoeder  vorherrscht,  und  Hexaeder, 
Leucitoeder  und  die  Diploeder  123  u.  124  untergeordnet  hinzutre* 
ten,  aufgeführt 

Dies  sind  die  sfimmtlichen  mir  bekannten  Formen  des  Eisen- 
kieses, die  als  in  zweiter  Stellung  vorkommend  beschrieben  sind. 
£s  sind  nur  sehr  wenige,  und  diese  sind  auch  nur  an  einzelnen 
Krystallen  vorgekommen.  Strüver  hat  in  den  grofsen  Turiner 
Sammlungen  nur  9  Krjstalle  gesehen,  an  welchen  hemiSdrische 
Formen  in  zweiter  Stellung  vorkommen.  Indessen  ist  durch  diese 
Beobachtungen  doch  ausgemacht,  dafs  solche  Formen  vorkommen. 
Man  hat  sie  aber  immer  nur  erkannt,  wenn  sie  mit  Formen  der 
andern  Stellung  in  Combination  vorkommen,  und  hat  die  herr- 
schenden Formen  für  Formen  erster  Stellung,  die  untergeordnet 
vorkommenden  für  Formen  zweiter  Stellung  gebalten.  An  einem 
bestimmten  Beweise  für  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  fehlte  es 
aber  ganz.  Ob  daher  die  herrschenden  hemiedrischen  Formen  stets 
der  ersten  oder  einer  und  derselben  Stellung,  die  untergeordnet 
vorkommenden  stets  der  zweiten  Stellung  angehören,  ist  noch  gar 
nicht  ausgemacht. 

Ich  hatte  mich  deshalb  schon  lange  mit  diesen*  Fragen  be- 
schäftigt. Da  doch  das  Vorkommen  von  Formen  beider  Stellun- 
gen beim  Eisenkies  erwiesen  ist,  schien  es  mir  wahrscheinlich,  dafs 
man  auch  Mittel  finden  müfste,  die  Formen  beider  Stellungen,  auch 
wo  sie  nicht  miteinander  in  Combination  getreten  sind,  zu  erken- 
nen, und  wo  dies  der  Fall  ist,  auszumachen,  welche  von  diesen 
erster  und  welche  zweiter  Stellung  sind.  Bei  den  Krystallen  aller 
übrigen  Substanzen,  die  in  hemiedrischen  Formen  beider  Stellun- 
gen vorkommen,  unterscheiden  sich  die  der  einen  Stellung  so  be- 
stimmt von  denen  der  andern  durch  verschiedene  Gröfse,  Streifung 


1)    A.  a.  O.  Fig.  113. 

^)    Abhandl.   der  Senkenbergschen  natarforschenden  Ges.   in   Frankfurt 
a.  M.  B.  7  N.  9  S.  60. 


tsom  2.  Juni  1870.  031 

Dder  Glanz  der  Flächen,  durch  verschiedene  Combinatiou  mit  an- 
dern hemi^rischen  Formen,  durch  HSnfigkeit  des  Vorkommens, 
pjro-elektrisches  Verhalten,  sowie  durch  die  regeimäfsigen  Eindrücke, 
die  man  durch  Atzung  auf  den  Flächen  erhält  Bei  dem  Borazit 
z.  B.  sind  die  Tetraeder  erster  Stellung  stets  glänzender  als  die 
zweiter,  sie  finden  sich  häufiger,  fehlen  nie^  erscheinen  in  Combi- 
nation  mit  einem  Hexakistetraeder,  und  in  ihnen  liegen  die  antilo- 
gen  elektrischen  Pole,  dagegen  die  Tetraeder  zweiter  Stellung  häufig 
fehlen,  in  Combination  vorkommen  mit  einem  TriakistetraSder,  und 
in  ihnen  die  analogen  elektrischen  Pole  liegen.  Die  Orofse  der 
Tetraeder  ist  verschieden,  doch  sind  gewohnlich  die  Flächen  des 
ersten  Tetraeders  gröfser  als  die  des  zweiten.^)  Beim  Quarz  sind 
die  Flächen  des  HauptrhomboSders  gröfser  und  glänzender  als  die 
des  GegenrhomboSders,  nach  den  Combinationskanten  mit  dem  er- 
steren  sind  die  Rhombenflächen  gestreift,  unter  dem  Hauptrhom- 
boeder  liegen  die  Flächen  der  gewohnlichen  Trapezoeder  erster 
Ordnung,  unter  dem  Gegen rhomboSder  keine  oder  andere,  die  viel 
seltener  vorkommenden  Trapezoeder  zweiter  Ordnung.  Auch  die 
vorkommenden  spitzem  Rhombodder  sind  unter  dem  Hanptrhom- 
boeder  gewöhnlich  andere  als  unter  dem  Gegenrhomboeder.')  Sehr 
entscheidend  sind  femer,  wie  Lejdolt  so  schön  dargethan  hat'}, 
die  durch  Ätzung  mit  Flufssäure  entstehenden  regeimäfsigen  Ein- 
drucke; sie  sind  linienartig  und  werden  durch  Flächen  hervorge- 
bracht, die  den  Flächen  des  ersten  stumpfern  RhomboSder  des  Ge- 
genrhomboeders  parallel  gehen,  sind  daher  auf  dem  Hauptrhom- 
boeder  horizontal  und  parallel  den  Combinationskanten  mit  dem 
ersten  sechsseitigen  Prisma,  auf  dem  Gegenrhomboeder  schief  und 
parallel  den  Kanten  mit  dem  zweiten  sechsseitigen  Prisma;  eine 
Verschiedenheit,  die  die  verschiedenen  Zwillingskrystalle  beim 
Quarz  so  leicht  und  sicher  erkennen  läfst. 

Alle  diese  Mittel  schienen  beim  Eisenkies  nicht  auszureichen. 
Da   die  Flächen  der   PyritoSder  von   Traversella   und   von   vielen 


')  Vergl.  Abh.  d.  k.  Akatl.  d.  WJöö.  zu  Berlin  von  1844  S.  261. 
»)  A.  a.  O.  1843  S.  82. 

')  SitzaDgsbericbte  der  mathcm.-naturw.  Kl.   d.   k.  Akad.    d.  Wii)8.   von 
1855  B.  15  S.  59. 


333  OesammUitzung 

andeni  Orten  hoiisontal  parallel  ihren  Omndkanten,  die  Pyrito^der 
von  Elba,  Kougsberg,  Gopiapo  vertical,  parallel  den  Normalen  auf 
den  Orundkanten  gestreift  sind,  ao  schien  dies  ein  einfaches  Mit« 
tel  absageben,  die  PjritoMer  beider  Stellungen  an  unterscheiden, 
indem  man  die  horisontal  gestreiften  für  PjritoSder  der  einen  (er* 
sten)  Stellung,  die  vertical  gestreiften  für  Pjrrito^der  der  andern 
(xweiten)  Stellung  halten  konnte.  Aber  die  Streifung  hfilt  nicht 
aus,  die  Flächen  sind  oft  vollkommen  glatt,  oder  sie  sind  theils 
horizontal,  theils  vertical  gestreift,  und  was  die  Hauptsache  ist,  die 
horizontal  und  verticalgestreiften  PyritoSder  finden  sich  in  Traver- 
sella und  Elba   in   denselben  Gombinationen   mit  den   DiploSdem 

123  u.  124.  Die  Fliehen  des  OktaSders  sowohl  als  des  Hexae- 
ders sind  femer  in  Combination  mit  dem  horizontal  und  vertical 
gestreiften  Pyrito§der  oft  parallel  ihren  Kanten  mit  dem  Pyritoe- 
der  gestreift,  wie  beides  bei  den  Ery  stallen  von  Traversella  und 
Elba  zu  sehen  ist  Überhaupt  zeigte  sich  die  Streifung  der  Flfichen 
des  Eisenkieses  im  Gegensatz  zu  der  der  meisten  übrigen  Krystalle 
sehr  unbestfindig,  die  Flfichen  des  Oktaeders  z.  B,  kommen  nach  dem 
PyritoSder  (Brosso),    dem  LeuciftaSder  (Elba)   und  dem  Diplomier 

124  (Brosso),  die  Flfichen  des  Diplo€ders  123  nach  den  Flfichen  des 
OktaSders  (Elba)  oder  nach  den  Flfichen  des  Hexaeders  (Brosso) 
oder  stellenweise  nach  dem  einen  oder  dem  andern  gestreift  vor. 
Die  Streifung  schien  so  bei  dem  Eisenkies  gar  kein  Anhalten  zu 
gew&hren« 

Ebenso  unzureichend  bewiesen  sich  die  durch  Atzung  erhalte- 
nen Eindrucke.  Ich  hatte  schon  vor  l&ngerer  Zeit  dieselben  un- 
tersucht, die  Krystalle  wurden  in  Königswasser  ein  bis  zwei  Mi- 
nuten erhitzt  und  die  ge&tzten  Oberflfichen  dann  unter  dem  Mikro- 
skop im  reflectirten  Lichte,  oder  besser  noch,  die  von  ihnen  ge- 
machten Hausenblasenabrucke  im  durchgehenden  Lichte  betrachtet. 
Letztere  wurden  auf  dieselbe  Weise  dargestellt,  wie  es  Leydolt 
in  seinen  Abhandlungen  über  Quarz  und  Aragonit  vorschreibt. 
Die  auf  diese  Weise  erhaltenen  Eindrücke  in  dem  Eisenkies  sind 
oft  sehr  nett  und  zierlich,  sie  sind  aber  auf  den  gleichen  Flfichen 
aller  Eisenkieskrystalle,  die  ich  untersucht  habe,  dieselben,  mögen 
diese  eine  Beschaffenheit  haben,  welche  sie  wollen,  wenigstens 
habe  ich  einen  wesentlichen  Unterschied  bei  ihnen  nicht  erkennen 
können.  Auf  den  PyritoSderflfichen  sind  die  Eindrücke  symme- 
trische Fünfecke  (Fig.  3),   im  Allgemeinen  fihnlich  denen  der  Flfi- 


vom  2.  Juni  1870.  333 

chen  des  PyritoSders  selbst,  nur  verkehrt  liegend,  indem  ihr  stumpf- 
ster Winkel  gegen  die  Grandkante  gerichtet  ist.  Betrachtet  man 
eine  Flflche  eines  geatzten  PjritoSders  bei  hellem  Kerxenlicht  mit 
der  Lope,  so  erhfilt  man,  wenn  man  das  Licht  von  der  Flflche  re* 
flectiren  läfst,  den  Schiller  der  Eindrucke  von  den  fünf  umgeben- 
den Pjritoederfl&chen ,  die  Eindrücke  werden  also  durch  diese 
Fliehen  hervorgebracht,  doch  scheinen  mir  bei  den  Eindrücken; 
wo  die  Ätzung  am  besten  gelangen  war,  die  der  Orundkante  an- 
liegenden Eumten  parallel  zu  sein,  wie  auch  die  Fig.  3  sie  darstellt« 
Läfst  man  das  Licht  in  der  Richtung  einer  Hexaederflfiche  reflec- 
tiren,  so  erhfilt  man  den  Schiller  der  Eindrücke  von  den  sfimmt- 
lichen  4  Pyritoederfifichen,  die  die  Hexaederflfiche  umgeben.  Mit 
einer  OktaSderflfiche  schillern  zugleich  die  Eindrücke  der  sfimmt- 
liehen  diese  umgebenden  Pjrito^erflfichen;  auch  mit  den  Leuci* 
tolderflfichen  schillern  die  Pyrito€derflfichen.  In  den  Bindrücken 
müssen  sich  also  auch  Flfichen  aller  der  genannten  Formen  befin- 
den, die  parallel  den  Abstumpfungsflflchen  der  Grundkanten  des 
Pyritoeders  sind  auch  zuweilen  recht  deutlich. 

Auf  einer  HexaSderflfiche  erhfilt  man  Eindrücke  von  zwei 
symmetrischen  Fünfecken,  die  mit  ihren  Grundlinien  aneinander 
stofsen  (Fig.  2).  Sie  werden  durch  die  PyritoSderflfichen  hervor- 
gebracht, was  man  annähernd  durch  die  Messung  mit  dem  Be- 
flexionsgoniometer  bestimmen  kann.  Auf  einer  OktaSderflfiche  er- 
hält man  dreieckige  Eindrücke,  deren  Seiten  den  Kanten  des  Ok- 
taeders mit  dem  PyritoSder  parallel  gehen  und  auch  durch  die  Flfichen 
dieses  hervorgebracht  werden  (Fig.  1).  Die  Ätzeindrücke  werden 
also  aufser  den  Pyritoederflfichen  nur  durch  Flfichen  holoedrischer 
Formen  hervorgebracht  und  sind  daher  überall  gleich,  mögen  die 
Flfichen,  auf  denen  man  sie  darstellt,  einer  Form  der  einen  oder 
der  andern  Stellung  angehören.  — 

Im  Jahre  1857  machte  nun  Marbach')  die  wichtige  Ent- 
deckung, dafs  die  verschiedenen  Krystalle  von  Eisenkies  und  Ko- 
baltglanz nach  ihrem  thermo-elektrischen  Verhalten  in  zwei  Classen 
zerfallen  in  der  Weise,  dafs  die  Krystalle  der  einen  Classe  in  der 
thermo-elektrischen  Spannungsreihe  jenseits  des  positiven  Antimons, 
die  der  andern  Classe  jenseits  des  negativen  Wismuths  zu  stellen 
sind,  in  Folge  dessen  je  zwei  Krystalle  der  verschiedenen  Classen 


^)  Comptes  rendos  1857  t.  45  p.  707. 


334  Geiammtsitzung 

untereinander  einen  stiirkern  Gegensatz  bilden  als  die  Combination 
Antimon  und  Wismutb/) 

Marbacb  gab  nicht  an,  wie  die  positiven  und  negativen  Kry- 
stalle  in  krystallograpbiscber  Hinsiebt  sich  unterscheiden.  £r  führte 
nur  an,  dafs  er  von  58  Krystallen  34  gefunden  habe,  die  sich  ge- 
gen Kupfer  positiv  und  20,  die  sich  dagegen  negativ  verhielten, 
während  4  andere  die  sonderbare  Eigenschaft  hätten,  an  verschie- 
denen Funkten  ein  entgegengesetztes  thermo-elektrisches  Verhalten 
zu  zeigen.  Er  versprach  in  kurzer  Zeit  in  einer  ausfuhrlichen 
Abhandlung  in  Poggendorffs  Annalen  das  Nähere  seiner  vielen 
Versuche  anzugeben.  Biot  legte  die  Entdeckung  der  Pariser  Aka- 
demie vor,  auf  die  Wichtigkeit  und  das  Interesse,  welches  sie  er- 
wecken müTste,  aufmerksam  machend,  indem  sie  ein  neues  Beispiel 
liefere,  wie  Moleeule  von  derselben  chemischen  Beschaffenheit  sieh 
zu  Krystallen  derselben  Form  mit  ganz  entgegengesetzten  physika- 
lischen Eigenschaften  zusammenlegen  konnten;  aber  die  ausführ- 
liche Abhandlung,  die  Marbach  angekündigt  hatte,  erschien  nicht 
und  ist  auch  bis  jetzt  noch  nicht  erschienen. 

Von  der  Überzeugung  durchdrungen,  dafs  das  verschiedene 
elektrische  Verhalten  des  Eisenkieses  mit  seiner  Krystallform  in 
Zusammenhang  stehen  müfste,  fing  ich  im  Winter  1858 — 59  selbst 
an,   die  Versuche  von  Marbach  zu  wiederholen.      Ich  vereinigte 


0  Ich  kann  nicht  unterlassen  hier  zu  bemerken,  dafs  Prof.  Hanke I 
mich  darauf  aufmerksam  gemacht  bat,  dars  er  schon  13  Jahre  früher  aAs 
Marbach  in  einer  Abhandlung  in  Poggendorffs  Ann.  von  1844  Bd.  62 
S.  197,  in  welcher  er  das  thermo-clektrische  Verhalten  verschiedener  Mine- 
ralien nntersucht,  gezeigt  hat,  dafs  Kobaltglanz  von  Tnnaberg  in  Oktaedern 
krystalllsirt  gegen  Kupfer  negativ,  in  HexaSdem  krystallisirt  dagegen  positiv, 
ferner  Eisenkies  aus  Piemont  in  Combinationen  des  Hexaeders  und  Octaeders 
krystallisirt  gegen  Kupfer  negativ,  dagegen  von  £lba  und  Piemont  iu  Pj-ritofS 
dem ,  und  in  Combinationen  des  PyritoSders  mit  einem  DiploSder  krystallisirt 
positiv  wäre.  Hankel  hat  also  ganz  richtig  schon  beobachtet,  dafs  diesel- 
ben Substanzen  wie  Kobaltglanz  und  Eisenkies  bei  verschiedener  Krystallform 
sich  ganz  verschieden  thermo-elektrisch  verhalten  können;  er  hebt  dies  anch 
am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  hervor,  aber  er  hat  dieser  wichtigen  Beob- 
achtung keine  weitere  Folge  gegeben,  und  Marbach  erwähnt  ihrer  niciif. 
scheint  demnach  also  nicht  durch  sie  zu  seiner  wichtigen  Entdeckung  geführt 
worden  zu  sein. 


vom  2.  Juni  1870.  335 

mich  mit  Prof.  Schellbach,  der  gern  meinen  Wünschen  entge- 
geokam,  mit  ihm  gemeinschaftlich  die  Versuche  anzustellen.  Sie 
bestätigten  vollkommen  die  Angaben  von  Marbach,  wurden  auch 
eine  Zeitlang  fortgesetzt,  dann  aber  aufgegeben,  da  sie  zu  keinem 
Resoltate  führten,  indem  sich  ergab,  dafs  die  auf  gleiche  Weise  ge- 
streiften Hexaeder  von  Traversella  und  von  Tavistock  sich  ganz 
verschieden  thermo-elektrisch  verhielten^  das  eine  positiv  das  andere 
negativ  war,  und  die  horizontal,  parallel  den  Grundkanten  gestreif- 
ten Pjritooder  von  Traversella  ebenso  wie  die  senkrecht  zur  Grund- 
kante gestreiften  Pyritoeder  von  Elba  positiv  waren. 

Darauf  beschäftigte  sich  FriedeP)  mit  derselben  Untersu- 
chung; auch  er  erkannte  bei  seinen  Versuchen  die  beiden  Variete* 
ten  des  Eisenkieses,  doch  konnte  auch  er  nicht  den  mindesten  kry- 
stftllographischen  Unterschied  zwischen  den  Eisenkieskrystallen,  die 
die   entgegengesetzten    tbermo-elektrischen  Eigenschaften    besfifsen, 
auffinden.      Indessen   beobachtete   er,    dafs  die  schonen  Hexaeder 
von  Tra/ersella  in  Piemont  zuweilen  an  ihrer  Oberfläche  unregel- 
mafsig  begränzte  Stellen   zeigten,    die  in   gleicher  Richtung,    doch 
feiner  als   der  übrige  Theil  der  Flächen  gestreift  wären,    und  die 
ihn   an    die  ähnlichen  Erscheinungen    bei  den  Zwillingskrjstallen 
vom  Quarz  erinnerten.      Die  feiner  gestreiften  Stellen  zeigten  sich 
immer  von  einem  entgegengesetzten  Verhalten,   als  wie  die  umge- 
benden glänzenden,    daher  er  geneigt  war,    anzunehmen,    dafs  die 
Existenz  der  beiden  Varietäten  des  Eisenkieses  an  die  rechts-  und 
links  -  hemiedrischen   Erystalle    gebunden    wäre,    die   krystallogra- 
phisch  gleich  und  congruent,  wenn  sie  getrennt,  sich  doch  in  den 
Zwillingen  durch  Verschiedenheiten  des  Glanzes  verriethen.     Frie- 
del  erkannte   also  wie  Marbach,    dafs  die  beiden  thermo-elektri- 
schen  Varietäten  sich  in  einem  Erystalle  zusammenfinden;  er  ver- 
folgte aber  die  Untersuchung  der  Eisenkieskrystalle  in  dieser  Rich- 
tung nicht  w^eiter,  sondern  von  der  Betrachtung  ausgehend,  dafs  2 
entgegengesetzte  Ecken    der    gestreiften   Eisenkies-Hexaeder   nicht 
congruent  wären,  suchte  er  nachzuweisen,  dafs  der  Eisenkies  pyro- 
elektrisch  wäre,  eine  Ansicht,  die  er  aber  doch  später  wieder  auf- 
gegeben hat'). 


>)    Institut  vom  27  Dec.  1860  N.  1408  S.  420. 
0    Ann.  de  chemie  (4)  1869  t.  IC  p.  14. 


836  OeMmmUitzung 

Im  TOrigen  Jahre  erschien  naa  die  grofse  Abhandlong  tod 
StrSver  über  die  Italifinischen  EieenkieBe.^)  Er  beschreibt  hier 
nur  die  Krjstalie  von  3  Fnndörtem,  von  Traversella,  Brosso  and 
Elba,  und  führt  doch  auf  154  Terschiedene  CombinaUonen,  die  alle 
mit  Genauigkeit  gemessen  und  bestimmt,  und  mit  einer  Sorgfalt 
und  Vollkommenheit  geteichnet  sind,  die  bei  dieser  Falle  wahrhaft 
bewunderungswürdig  ist.  Er  hat  dabei  die  Zahl  der  bekannten 
ein&chen  Formen  fast  verdoppelt,  da  von  den  aufgeführten  54  ein- 
fachen Formen  24  neu  hinzugekommen  sind.') 

Strüver  hat  sich  auch  mit  dem  thermo-eiektriscben  Verhalten 
des  Eisenkieses  beschäftigt,  aber  nur  so  weit,  um  sich  von  der  Rich- 
tigkeit der  Marbachschen  Versuche  su  überzeugen,    und  war  auf 


')  Stndi  ralla  mineralogia  italiaoa,  pirite  del  Piemonte  e  deU*  Elba, 
Torino  1869. 

')  Unter  den  (a.  a.  O.  S.  6)  anfgelBhrten  54  Formen  des  Eisenkieses 
belinden  sich  S  von  Descloiceanz  und  3  von  StrflTer  nicht  mit  Sicher- 
heit angegebene  Formen;  unter  den  30  bekannten  Formen  sind  ferner  2  tod 
mir  in  meiner  Krystallograpbie  angegebene  Formen  ao%ef&hrty  die  Pentagon- 
dodekaCder  230  und  240  zweiter  Stellang,  die  aber  nicht  wie  die  erster  Stel- 
lung beobachtet  sind,  was  zu  bemerken  ich  unbedachter  Weis«  nicht  angege* 
ben  hatte,  und  ebenso  ist  das  DiploCder  124  zweiter  Stellung  nach  Mo  ha 
irrthfimlich  au^efOhrt.  Mobs  führt  in  der  ersten  Ausgabe  seiner  Mineralo- 
gie S.  537  diese  Form  als  bei  der  VarietSt  von  Petorka  in  Peru,  die  Haöy 
beschrieben  hat,  vorkommend  anf,  nimmt  aber  hier  die  Flache  des  LencitoS- 
den  (0  bei  HaQy)  l&r  die  Flache  des  DiploCders  124  zweiter  Stellung  nnd 

bezeichnet  sie  mit  —  —r- ,  ein  Irrthum,  der  auch  in  die  zweite  Ausgabe  von 

Mobs  Mineralogie,  die  Zippe  besorgt  hat,  Tb.  2  S.  511,  und  daraus  in 
Strüver 8  Abhandlung  flbergegangen  ist.  Der  Irrthum  von  Mohs  ist  wohl 
dadurch  entstanden,  dafs  Hafiy  bei  der  Beschreibung  der  Varietät  von  Pe- 
torka (trait^  de  mineralogie,    2.  ^d.  t  4  p.  57)  für  das  LeucitoSder  nicht  da^ 

1 
Zeichen  A  s^  0,    wie  bei  Fig.  211,   genommen  hat,    sondern  um  die  Ver- 
wandtschaft desselben  mit  den  DiploCdem  123  s=  f  und  124  =  s  zu  bezeich- 
nen, es  als  intermediäre Dekrescenz  bezeichnet  hat,  also  (A^B'Gi)(A''B'G') 

0"         r 

(A'B'6^),  welches  erste  Zeichen  von  Mohs  falsch  übersetzt  ist.     Zieht  man 


M 

s 


von  den  54  angegebenen  einfachen  Formen  die  5  unsicher  bestimmten  und 
die  3  irrthümlich  angegebenen  ab,  so  bleiben  beim  Eisenkies  noch  46  mit 
Sicherheit  bestimmte  einCache  Formen  übrig. 


vom  2.  Juni  i870.  887 

eine  genauere  üntersachnng  nicht  eingegangen.  Das  Studium  seiner 
Arbeit  war  aber  Veranlafsung,  dafa  ich  meine  angefangenen  Arbei« 
teo  des  Eisenkieses  wieder  aufnahm.  Das  thermo-elektrische  Ver- 
halten desselben  mufste  an  einer  grofsem  Zahl  von  Krystallen  be 
stimmt  werden.  Dr.  Oroth  bot  mir  freundlichst  seine  Hülfe  zur 
Anstellung  der  Versuche  an,  und  Prof.  Magnus  verstattete  gern, 
dafs  wir  sie  in  seinem  Laboratorium  und  mit  den  Instrumenten 
des  unter  seiner  Leitung  stehenden  physikalischen  Apparats  an-  ' 
stellen  konnten.^)  Die  Versuche  wurden  auf  &hnliche  Weise  ge- 
macht, wie  sie  Marbach  angestellt  hatte,  und  nur  in  soweit  ab- 
geändert, als  zwei  mit  einem  Galvanometer  in  Verbindung  gesetzte 
Kapferdrähte,  deren  freie  Enden  etwas  abgerundet  und  von  einer 
metallischen  Oberflfiche  waren,  von  beiden  Seiten  je  an  eine  der 
zu  untersuchenden  Flfichen  des  Krystalls  angelegt,  und  jedesmal 
einer  derselben  in  einiger  Entfernung  vom  Krystall  erwfirmt  wurde, 
statt  dafs  Marbach  das  Ende  des  Eupferdrahts  mit  der  Oaslampe 
erwärmt  und  dann  erst  an  den  Krjstall  angelegt  hatte.  Durch 
obiges  Verfahren  wurden  alle  secundfiren  Strome,  welche  durch 
das  Ajilegen  selbst  hervorgebracht  werden  konnten,  vermieden.  Die 
Stromesrichtung  wurde  an  einem  gewöhnlichen  Spiegelgalvanome* 
ter  mit  Scala  und  Fernrohr  abgelesen.  Diese  empfindliche  Methode 
war  nothwendig,  weil  manche  Krjstalle  ihrer  schlechten  Leitungs- 
fahigkeit  halber  nur  schwache  Strome  gaben. 

Wir  haben  auf  diese  Weise  179  Ery  stalle')  untersucht;  viele 
derselben  wurden  zu  wiederholten  Malen,  und  wenn  sie  sich  als 
Zwillingskrystalle  herausstellten,  an  sehr  verschiedenen  Stellen  un- 
tersucht, so  dafs  wir  eine  sehr  grofse  Zahl  von  Versuchen  gemacht 
haben,  deren  Anstellung  sich  Dr.  Oroth  mit  grofsem  wissen- 
schaftlichen Eifer  und  Geschick  unterzog,  was  hier  auch  öffentlich 
anzuerkennen  ich  nicht  unterlassen  kann.  Die  Erystalle  zu  diesen 
Versuchen  wurden  gröfstentheils  aus  der  reichen  Sammlung  des 
Berliner  mineralogischen  Museums  genommen,  doch  konnte  ich 
durch  die  Gef&lligkeit  der  Hrn.  Hauchecorne  und  Eck,  Ewald 
und  Tarn n  au  auch  Erystalle  aus  der  hiesigen  Bergakademie  sowie 


^)  Leider  hat  Magnus  die  Beendigung  dieser  Versuche,  an  die  er  so 
vielen  Antbeil  nahm,  nicht  mehr  erleben  können. 

')  Unter  diesen  befinden  sich  71  positive  und  62  negative  Erystalle  und 
46  Zwillingskrystalle  mit  positiven  und  negativen  Individuen. 


338  GesammtsUzung 

hiesiger  Priratsanunlongen  benutzen.  Die  Hnro.  Weisbach  und 
Stelxner  sandten  mir  die  oben  erwShnte  Eisenkiesdruse  aas  der 
Wemerschen  Sammlung,  Prof.  vom  Rath  sandte  mir  einen  schö- 
nen grofsen  Zwillingskry stall  mit  durcheinander  gewachsenen  In- 
dividuen von  Elba  aus  der  Bonner  Sammlung,  Prof.  Römer  einen 
grofsen  Krystall  von  Waidenstein,  Dr.  Hessenberg  den  oben 
S.  330  erwfihnten  Krjstall  von  Traversella.  Von  ganz  besonderem 
Werthe  waren  mir  aber  die  schonen  Kiystalle,  die  ich  durch  die 
Gute  der  Hm.  Sismonda  und  Strüver  auf  meine  Bitte  aus  den 
öffentlichen  Turiner  Sammlungen  erhielt  und  auf  die  ich  durch  die 
Struversche  Abhandlung  aufmerksam  gemacht  war,')  was  ich  alles 
nur  mit  groisem  Danke  anerkenne. 

Aus  den  angestellten  Untersuchungen  hat  sich  nun  das  unzwei- 
felhafte Resultat  ergeben,  dafs  sich  die  Kry stalle  des  Eisen- 
kieses und  des  Kobaltglanzes  in  Krystalle  erster  and 
zweiter  Stellung  bestimmt  unterscheiden  lassen,  von 
denen  die  einen  positiv,  die  andern  negativ  sind,  dafs 
das  thermo-elektrische  Verhalten  des  Eisenkieses  and 
Kobaltglanzes  also  im  genauen  Zusammenhange  mit  der 
HemiSdrie  der  Krystalle  steht  Ich  werde  in  dem  Folgen- 
den die  positiven  Krystalle  als  Krystalle  erster  Stellung,  die  nega- 
tiven als  Krystalle  zweiter  Stellung  betrachten,  werde  aber  jetzt 
nur  eine  Übersicht  der  einfachen  Formen,  die  ich  unter  den  unter- 
suchten positiven  und  negativen  Krystallen  beobachtet  habe,  folgen 
lassen,  und  nur  im  Allgemeinen  Einiges  über  die  Beschaffenheit 
der  Flfichen  der  einfachen  Formen,  die  Häufigkeit  des  Vorkommens 
derselben  und  die  beobachteten  Zwillingskrystalle  angeben,  die  ge- 
nauere Beschreibung  der  untersuchten  einfachen  und  Zwillingskry- 
stalle mir  für  eine  spätere  Zeit  versparend. 


>)    Es  traten   5  Stufen   mit  den   in  den  Fig.  110,  111,  128,  144  u.  177 
der  Strüvertfchen  Abhandlung  abgebildeten  Knrstallen. 


vom  2.  Juni  1870. 


339 


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340  Oesammtsiizung 

Hätifigkeit  und  gtgeMeiüge  Oro/se  der  verschiedenen  em/acken 

Formen, 

Hexafider  sowohl  selbstst&Ddig  als  in  Combinationen  kommen 
im  Allgemeinen  hfiafiger  bei  den  positiven  als  negativen  Krjstal- 
len  vor;  dagegen  umgekehrt  sich  Oktaeder  viel  hfiafiger  bei  nega- 
tiven Krystallen  finden.  Das  DodekaSder  habe  ich  nur  einmal 
selbststfindig,  und  auch  dann  nur  in  kleinen  Krystallen,  die  posi- 
tiv sind,  beobachtet')  Von  IkositetraSdern  ist  eigentlich  nur 
das  LeucitoSder  zu  erwähnen,  die  stumpfem  sind  nur  sehr  selten 
und  bei  negativen  Krystallen  vorgekommen.  Auch  das  Leucitoeder 
findet  sich  vorzugsweise  bei  negativen  Krystallen  und  kommt  in 
den  Combinationen  herrschend  nur  bei  diesen  allein  vor.  Die 
TriakisoktaSder  sind  immer  nur  klein  und  untergeordnet  beobach- 
tet Unter  den  PentagondodekaSdern  ist  das  Pyritogder  das  häu- 
figste, und  allein  selbststfindig  vorgekommen;  es  ist  die  eigentliche 
charakteristische  Form  des  Eisenkieses,  und  gleich  hfiufig  bei  den 
positiven  wie  bei  den  negativen  Krystallen.  Stumpfere  und  schfir- 
fere  Pentagondodekaeder  kommen  nur  untergeordnet  und  fast  nur  an 
den  herrschenden  Pyritoedern  vor;  stumpfere  sind  selten,  die  schar- 
fem hfiufiger,  und  beide  vorzugsweise  an  negativen  Krystallen  vor- 
gekommen, so  dafs  man  solche  schon  an  dem  Vorkommen  dieser 
Flfichen  vermuthen  kann.  Von  den  DiploSdern  kommen  besonders 
zwei  vor,  die  DiploSder  123  und  124;  ersteres  ist  besonders  charakte« 
ristisch  für  die  positiven,  letzteres  für  die  negativen  Krystalle,  und  da 
nach  Strnver  unter  den  Italianischen  Eisenkiesen  ersteres  vorzugs- 
weise in  Traversella,  letzteres  in  Brosso  vorkommt,  so  scheint  doch 
auch  die  Beschaffenheit  der  Lagerstfitte  einen  Einflufs  auf  die 
thermo-elektrische  Beschaffenheit  der  sich  auf  ihr  bildenden  Eisen- 
kiese gehabt  zu  haben. 

Unter  den  seltenem  DiploSdern  ist  mir  besonders  das  Diploe- 
der  16  10  vorgekommen.  Ich  hatte  es  schon  bei  meinen  ersten 
Untersuchungen  des  Eisenkieses  beobachtet  an  einem  schonen  gro- 
fsen  flachenreichen  Krystall  aus  Piemont,  spfiter  beobachtete  ich  es 
an  Krystallen  von  Lichtfeld  in  Siegen,  Schemnitz,  Gomwall,  Me- 
xico und  Dognatzka;  es  ist  stets  negativ  befunden. 


>}  Aas  der  Wälderkohle  ron  Bölhorst  bei  Minden.  Hr.  Dr.  Krantz  hatte 
die  Frenndlichkeit,  mir  einige  dieser  selten  rorkommenden  Krystalle  za  verehren. 
Quenstedt  erwähnt  ihrer  auch  in  seinem  Handbnche  der  Mineralogie  S«  662. 


vom  2.  Juni  1870.  941 

Beschaffenheit  der  Flächen  der  verschiedenen  einfachen  Formen, 

Die  Beschaffenheit  der  Flächen  bleibt  sich  nicht  überall  gleich, 
und  fällt  in  den  verschiedenen  Combinationen  oft  verschieden  aus, 
doch  kann  man  darüber  im  Allgemeinen  Folgendes  festsetzen. 
Die  Flächen  des  positiven  Hexaeders  sind  vorzugsweise  und  häufig 
sehr  stark  gestreift  parallel  den  stumpferen  Combinationskanten 
mit  dem  Pjritoeder  (Traversella}.  Die  Flächen  des  negativen 
Hexaeders  sind  auch  wohl  auf  eine  ähnliche  Weise  gestreift,  doch 
feiner  (Tavistock),  nicht  selten  aber  ganz  glatt  und  stark  glänzend 
(Traversella).  In  den  positiven  Combinationen  des  Hexaeders  mit 
dem  Pjritoeder  und  Diploeder  123  ist  die  Hexagderfläche  oft  pa- 
rallel den  Kanten  mit  diesen  beiden  Formen  gestreift  (Elba,  Tra- 
versella),*) und  ebenso  in  den  positiven  Combinationen  des  Hexae- 
ders mit  dem  PyritoSder  und  dem  Diploeder  124  (Rodna). 

Zuweilen  finden  sich  auf  den  Hexaederflächen  kleine  quadra- 
tische Eindrücke;  bei  den  positiven  Krjstallen  gehen  ihre  Seiten 
parallel  den  Kanten  mit  dem  DodekaSder  (Fig.  6)  und  werden 
wahrscheinlich  auch  durch  die  Flächen  des  Dodekaeders  hervorge- 
bracht. Sie  finden  sich  auf  Krjstallen  von  Elba,  wo  sie  indessen 
nur  klein,  fast  mikroskopisch  sind.  Bei  den  negativen  Krjstallen 
gehen  sie  parallel  den  Kanten  mit  dem  Oktaeder,  und  werden  auch 
durch  die  Flächen  des  Oktaeders  hervorgebracht  (Fig.  7).  Sie  sind, 
wo  sie  sich  finden,  grofser  als  die  vorigen,  oft  sehr  bedeutend  grofs, 
wie  bei  Elrjstallen  von  Traversella.') 

Die  Flächen  des  positiven  Oktaeders  sind  oft  gestreift  paral- 
lel den  Kanten  mit  dem  pos.  PjritoSder,  besonders  sind  sie  aber  cha- 
rakterisirt  durch  kleine  dreieckige  Eindrücke,  die  in  der  Richtung 
der  HexaSderflächen  schillern  und  durch  diese  auch  hervorgebracht 
werden,  deren  Seiten  also  parallel  mit  den  Kanten  des  OktaSders 
gehen  (Traversella,  Elba).')  Die  Flächen  des  negativen  Oktaeders 
sind  vorzugsweise  parallel  den  Elanten  mit  dem  negativen  Pjrito€« 
der  gestreift;  kleine  dreieckige  Eindrucke  finden  sich  auch  hier, 
sie  schillern  aber  in  der  Richtung  der  OktaSderflächen  und  werden 
auch  durch  diese  hervorgebracht;  ihre  Seiten  gehen  auch  noch  den 


1)  Tgl.  Strfiver's  Fig.  176. 
»)  vgL  Strfiver's  Fig.  174. 
')   VgL  Fig.  4  und  10  und  Strfiver's  Fig.  176. 


342  Gesammtsitzung 

Kanten  mit  dem  Oktaeder  parallel,  doch  haben  sie  eine  umgekehrte 
Lage  ^ie  die  vorigen  (Elba^  BrosBo,  Immenkippel  bei  Bensdorf).*) 
Streifung  und  Eindrucke  finden  sich  gewöhnlich  zu  gleicher  Zeit; 
bei  einem  merkwürdigen  Kry stall  der  Turiner  Sammlung,  den 
Strüver  beschrieben  und  in  den  Fig.  177  u.  157  gezeichnet  hat, 
sind  aber  diese  Eindrucke  ganz  nach  den  Stellen  der  Oktaeder- 
flache  gedrängt,  wo  sich  keine  Pyritoederfläclien  finden  und  die 
PyritoSderflächen  erster  Stellung  liegen  wurden,  wenn  sie  da 
wfiren.*) 

Bei  den  negativen  Krystallen  von  Elba,  bei  welchen  die  Ok- 
taederflfichen  nur  untergeordnet  an  den  senkrecht  gestreiften  Pyri- 
toederflächen  vorkommen,  bringen  die  Leucitoederflachen ,  wie  sie 
die  senkrechte  Streifung  auf  den  Pyri toederflächen  verursachen, 
auch  eine  Streifung  auf  den  Oktaederflächen  hervor.')  Bei  ne- 
gativen Krystallen  von  Brosso  findet  sich  auch  auf  den  OktaSder- 
flächen  eine  Streifung  nach  dem  Diploeder  124.^) 


*)    vgl.  Fig.  5  and  Strüver«  Fig.  177. 

')  Strfiver  schliefst  aas  dieser  Yertheilung  der  Eindrucke  aaf  der 
OktaSderflache,  dafs  der  Krystall  vielleicht  ein  Zwilling  sein  könnte ;  dies  ist 
jedoch  nicht  der  Fall.  Der  KrvstaU  befand  sich  unter  denen,  die  Hr.  Strü- 
ver die  Gute  hatte,  mir  zur  Ansicht  zu  schicken,  ich  untersuchte  ihn  mit 
Dr.  Groth  sehr  sorgsam,  und  wir  konnten  uns  überzeugen,  dafs  er  sich  in 
therroo-elektrischer  Hinsicht  vollkommen  wie  ein  einfacher  negativer  Krystall 
verhielt.  Auch  sieht  man  die  Streifen,  die  den  Kanten  mit  dem  Pjrito6der 
parallel  gehen,  wenn  man  sie  unter  dem  Mikroscop  betrachtet,  ziun  Theil  in 
gleicher  Richtung  in  die  Felder  fortsetzen,  in  welchen  die  dreieckigen  Kin- 
drücke  enthalten  sind;  die  Streifung  erscheint  nur  nicht  so  regelmäfsig,  wie 
sie  gezeichnet  ist,  und  findet  auch  nicht  blofs  parallel  den  Kanten  mit  dem 
PyritoSder,  sondern  auch  mit  dem  OktaSder  statt. 

*)  Diese  Streif ung,  die  auch  Quenstcdt  in  seiner  Mineralogie  angiebt 
(S.  662),  ist  von  Strüver  nicht  beobachtet  worden  (a.  a.  O.  S.  35).  Die 
Kristalle  von  Elba,  an  denen  sich  diese  Streifung  findet,  sehen  aus  wie  die, 
welche  Strüver  in  Fig.  186  seiner  Abhandlung  gezeichnet  hat,  nur  dafs 
sich  bei  ihnen  nicht  das  DiploSder  124,  sondern  das  LeucitoSder  findet.  Bei 
den  Zwillingskrystallen  mit  durcheinander  gewachsenen  Individuen  erscheint 
diese  Streifung  auf  den  gleich  Hegenden  OktaSderflächen  beider  Individuen 
parallel. 

*)    vgl.  Strfiver's  Fig.  188. 


vom  2.  Juni  1870.  343 

Die  Flächen  des  positiven  Dodekaeders  sind  glatt  und  glänzend 
(Cornwall,  Zwilling)  oder  ziemlich  glatt  (BoUhort  bei  Pr.  Minden); 
die  Flfichen  des  negativen  Dodekaeders  sind  glfinzend  und  nach 
der  kurzen  Diagonale  gestreift  (Chile,  Immenkippel  bei  Bensdorf), 
oder  matt  und  nach  der  langen  Diagonale  gestreift  (Cornwall, 
Zwilling,  Lobenstein,  Jonswand  in  Lappland). 

Die  Flfichen  des  positiven  LeucitoSders  sind  meistens  glfin- 
zend, die  des  negativen  bei  Krystallen  von  Erbach  par/dlel  mit 
den  Kanten  des  HexaSders  fein  gestreift,  bei  den  oben  erwfihnten 
Krystallen  aus  der  Wernerschen  Sammlung,  von  denen  es  zweifel- 
haft ist,  ob  sie  positiv  oder  negativ  sind,  erscheinen  die  Flfichen 
durch  dreieckige  Eindrücke,  welche  von  den  HexaSderflfichen  her- 
vorgebracht werden,  ganz  matt. 

Die  Flfichen  des  positiven  Pyritogders  sind,  wo  es  selbststfin- 
dig  oder  herrschend  vorkommt,  vorzugsweise  horizontal  parallel 
den  Kanten  mit  dem  HexaSder  gestreift;  sehr  hfinfig  wechseln 
beide  Flachen  in  treppenarligen  Absfitzen.  Zuweilen  kommt  neben 
der  horizontalen  eine  senkrechte  vor,  wie  bei  den  stark  glänzen- 
den Krystallen  von  Zacatecas  in  Mexico,  die  hier  durch  die  Flfi- 
chen des  DiploSders  124  hervorgebracht  wird.  Die  PyritoSder- 
flachen  scheinen  wie  mit  niedrigen  rectangulfiren  Streifen  bedeckt, 
deren  Randfl&chen  durch  die  Hexaeder-  und  die  DiploSderflfichen 
gebildet  werden,  und  die  von  verschiedener  Breite  und  auf  den 
Pyritoederflfichen  bald  nur  einzeln,  bald  in  grofser  Menge  erschei- 
nen.^) Bei  positiven  Krystallen  von  Elba,  wo  das  PyritoSder  noch 
in  Verbindung  mit  dem  Oktaeder  und  dem  DiploSder  123  vorkommt, 
erscheinen  die  ganzen  Pyritoederflfichen  senkrecht  zur  Grundkante 
gestreift;  wenn  man  die  Streifung  aber  genau  betrachtet,  so  sieht 
man,  dafs  sie  auf  ganz  fihnliche  Weise  hervorgebracht  wird,  wie 
bei  den  Krystallen  von  Zacatecas,  nur  dafs  hier  die  Streifen  viel 
feiner  und  schmaler,  und  nicht  so  unterbrochen  sind. 

Die  Flfichen  des  negativen  PyritöSders  sind  vorzugsweise  senk- 
recht zur  Orundkante  gestreift.  Die  Streifung  rührt  hier  von  den 
LencitoSderflfichen  her;  dies  sieht  man  sehr  deutlich  bei  den  Kry- 
stallen von  Elba,  wo  das  Pyritoeder  vorherrscht,  und  OktaSder  und 


')    Fig.  9  stellt  eine  solche  PyritoSderfläche  nnr  ein  halbmal  vergrörsert 

dar;    die   Hexafider-    and  DipIoSderflächen    sind  bei    den    Streifen    aU   sehr 
schmal  meistentheik  in  der  Fig«  fortgelassen. 

[1870]  25 


344  GeBammtsitzufig 

Leucitoeder  nur  untergeordnet  hinzutreten;  ebenso  bei  Krystallen 
aus  Copiapo,  wo  das  Hexaeder  mehr  vorherrscht.  Die  Streif ung 
ist  sehr  geradlinicht  und  unterscheidet  sich  sehr  bestimmt  Yon  der 
verticalen  durch  das  Diploeder  124  hervorgebrachten  Streifung,  die 
bei  den  positiven  Elbaer  Eisenkieskry stallen  vorkommt. 

Aufser  den  Streifen  finden  sich  noch,  sowohl  bei  den  positi- 
ven wie  negativen  Krystallen  dreieckige  oder  trapczoidale  Ein- 
drücke (Fig.  8)9  die  in  der  Riehtong  der  Hexaeder-  und  der  Oktaeder- 
flächen  schillern,  nnd  daher  auch  durch  diese  hervorgebracht  wer- 
den; ihre  Seiten  gehen  also  auch  den  Kanten  mit  dem  Hexaeder 
nnd  OktaSder  parallel.  Diese  Eindrucke  sind  aber  dieselben  bei 
den  positiven  wie  bei  den  negativen  Krystallen.  Sie  sind  oft  nur 
klein  und  von  einander  getrennt,  wie  bei  den  positiven  Pyritoedem 
von  der  Himmelfahrt  bei  Freiberg  und  bei  den  grof^en  schonen 
Cubo-Oktaddera  van  Traversella,  an  denen  die  Pyritoederflächen 
nur  untergeordnet  erscheinen;  in  andern  Fällen  sind  sie  grofser 
wie  bei  den  grofsen  Krystallen  von  Elba,  bei  denen  die  Pyritoe- 
derflächen vorherrschen,  in  deren  Mitte  sie  dann  so  znsammeage- 
häuft  sind,  dals  diese  Stellen  dadurch  g^na  drusig  erscheinen.  Sie 
kommen  so  bei  den  zart  vertical  gestreiften  positiven  Kr^^stalleo 
vor,  wo  die  Eindrücke  aufser  den  Oktaeder  flächen  noch  durch  die 
Diplocderflächen  123  gebildet  werden,  als  auch  bei  den  stark  ge- 
streiften negativen  Krystallen,  bvi  denen  die  Diploederflächen 
fehlen. 

Die  schärfern  Pentagon dodekaed er,  die  sämmtlich  negativ  sind, 
erscheinen  selten  recht  glatt  und  glänzend,  sie  sind  meistens  hori- 
zontal gestreift,  und  dann  auch  ebenso  das  negative  Pyrito^er,  zu 
dem  sie  gewöhnlich  untergeordnet  hinzutreten. 

Das  Diploeder  123  ist  charakteristisch  für  die  positiven  Kry- 
stalle,  and  ist  dann  stets  sehr  glänzend,  zuweilen  auch  ganz  glatt, 
gewohnlich  aber  mit  einer  Streifung  versehen,  tiieils  mit  einer 
Längsstreifung  parallel  den  Kanten  mit  dem  Oktaeder  (Elba),  tbeils 
mit  einer  Querstreifung,  parallel  den  Kanten  mit  dem  DiploSder  124 
(Traversella}.  Zuweilen  kommen  Längs-  und  Querstreifung  auf 
derselben  Fläche  vor,  wie  dies  bei  Krystallen  von  Elba  nicht  sel- 
ten der  Fall  ist  und  auch  Strüver  angiebt  in  seiner  Fig.  183. 
Die  Längsstreifung  rührt  gewöhnlich  von  den  OktaSderflächen  her, 
doch  zuweilen  auch  von  den  Pyrito(^derflächen ,  und  bei  manchen 
Krystallen  wechselt  Streifung  nach  den  Octa^derflächen  mit  Strei- 


vom  2.  Juni  1870,  345 

fang  nach  den  Pyritoederflächen  ab,  und  die  zwischen  Oktaeder« 
und  PyritoSderfläche  liegende  Diploederfläche  ist  nach  dem  DiploS- 
der  124  gestreift  und  enthfilt  auch  viereckige  Eindrucke  in  dieser 
Richtung. 

Das  negative  DiploSder  123  kommt  nur  selten  vor,  und  ge- 
wöhnlich sehr  untergeordnet,  selten  herrschender.  Es  findet  sich 
so  an  den  positiven  Pyrito€dern  von  Traversella,  wo  seine  Flä- 
chen ganz  rauh  und  drusig  und  auch  mit  Eindrücken  versehen 
sind,  die  sämmtlich  in  der  Richtung  des  Hexaeders  schillern. 

Das  Diploeder  124  kommt  am  häufigsten  bei  negativen  Ery- 
stallen  von  Brosso  vor,  bei  denen  das  Oktaeder  herrscht  und  Di- 
ploeder and  HexaSder  untergeordnet  hinjEutreten;  es  ist  dann  in 
der  Regel  glänzend,  und  erscheint  auch  so  bei  einem  losen  Ery- 
«talle  von  Rodna  in  Siebenbürgen,  wo  es  vorherrscht  und  öfter 
darch  die  Flächen  des  HexaSders  unterbrochen  wird.  Dieselbe 
Combination  kommt  aber  hier  auch  bei  positiven  Krystallen  dieses 
Fundorts  vor;  die  Kry stalle  sitzen  bei  mehreren  Stücken  des  mi- 
neralogischen Museums  auf  schön  krystallisirter  Blende;  das  Di- 
ploeder ist  matt,  und  nur  in  der  Richtung  des  Hexaeders  glänzend, 
nach  welchem  es  fein  gestreift  ist;  HexaSder  und  Pyritoßder  er- 
scheinen stark  glänzend.  Indessen  kommt  das  negative  DiploSder 
124  bei  den  vorhin  erwähnten  positiven  Krystallen  von  Traversella 
auch  matt  nnd  drusig  vor,  und  erscheint  hier  mit  den  matten,  rauhen, 
ebenfalls  nach  dem  Hexaeder  gestreiften  negativen  DiploSder  123. 

Das  Diploeder  16  10,  welches  ich  nur  bei  negativen  Krystal- 
len beobachtet  habe,  erscheint,  wo  es  auch  vorkommt,  stets  sehr 
glatt  und  glänzend,  so  dafs  es  sich  zu  den  schärfsten  Messungen 
eignet.  ' 

Zwilling  $kry  stalle. 

Regelmäfsige  Verwachsungen  zweier  Krystalle  zu  Zwillings- 
krystallen  kommen  bei  dem  Eisenkies  sehr  häufig  vor  und  viel 
häufiger  als  man  bis  jetzt  angenommen  hat,  da  man  einen  grofsen 
Theil  derselben  bisher  ganz  verkannt,  und  nur  die  deutlichen,  mit 
durcheinander  gewachsenen  Individuen  für  solche  genommen  hat. 
Die  Zwillingskrystalle,  die  beim  Eisenkiese  vorkommen,  sind  aber 
zweierlei  Art;  die  beiden  Krystalle,  die  untereinander  regelmäfsig 
verwachsen  vorkommen,  sind  entweder  thermo-elektrisch  einerlei 
Art   oder  sie  sind   verschieden.      Beide  zerfallen  wieder  in  2  Ab- 

25* 


346  Gesammtsitzung 

theilangeo,  bei  den  erstem  sind  die  Terwachsenen  Krystalle  ent- 
weder beide  positiv  oder  beide  negativ,  und  der  eine  erscheint  ge- 
gen den  andern  nm  eine  der  3  rechtwinkligen  Axen  um  90°  ge- 
dreht; bei  den  letztem,  bei  denen  der  eine  Krystall  positiv,  der 
andere  negativ  ist,  stehen  beide  gegeneinander  in  Zwillingsstellang 
oder  sie  haben  ihre  parallele  Stellung  bebalten. 


1.     Zwillingskrystalle,    bei  welchen  beide  Individnen 
thermo-elektrisch   einerlei  Art  sind. 

"Wenn  man  einen  solchen  Zwillingskrjstall  parallel  einer  Hexae- 
derfl&che  mit  einem  scharfen  Meifsel  spaltet,  so  kann  man  aaf  der 
Bruchflfiche  von  einer  Orfinze  zwischen  den  beiden  Individnen  in 
der  Regel  nichts  sehen.  Lfifst  man  die  Bruchflfiche  poliren,  so 
zeigen  die  beiden  Individuen  öfter  wohl  etwas  Verschiedenheit  im 
Glänze,  so  dafs  man  die  Granzen  schon  erkennen  kann,  ganz 
vortrefflich  sieht  man  sie  aber,  wenn  man  die  Bruchfl&che  fitzt; 
es  entstehen  nun  die  oben  S.  333  beschriebenen  Eindrücke  parallel 
den  PyritoSderflfichen,  die  in  jedem  Individuum  verschieden  liegen* 
Die  Bruchfläche  jedes  Individuums  glänzt  nun  in  der  Richtung 
ihrer  Pjritoederflächen,  während  die  andere  ganz  matt  ist,  die  uiin 
ihrerseits  glänzt,  während  die  erste  matt  erscheint,  wenn  man  die 
geätzte  Fläche  um  die  Zwillingsaxe  um  90°  dreht.  Die  Granzen 
zwischen  beiden  Individuen  gehen  unregelmäfsig ,  nie  genau  durch 
die  Diagonalen  der  Hexaederfläche,  sind  aber  sonst  ganz  gerad- 
linicht. 

d)  Positive  Zwillingskrystalle  der  Art  wurden  von  4 
Fundörtern  untersucht:  von  Elba,  vom  Dörrel  bei  Pr.  Oldendorf 
in  Hannover,  von  Leiwa  in  Columbien  und  einem  andern  Vorkom- 
men von  Elba. 

Die  Krystalle  von  Elba  sind  von  3 — 4  Linien  Gröfse  und  auf 
einer  derben  Eisenkiesmasse  aufgewachsen.  Sie  sind  sämmtlich 
vorherrschend  PyritoSder^  die  Grundkanten  nur  schwach  abgestumpft 
durch  die  Hexaederflächen;  die  Krystalle  sind  durcheinander  ge- 
wachsen, die  HexaSderflächen  der  beiden  Krystalle  kreutzen  sich 
also  rechtwinklig  und  fallen  in  eine  Ebene.  Die  Flächen  der  Pj- 
ritoeder  sind  horizontal  gestreift. 

Bei  dem  Eisenkies  vom  Dörre!  sind  bei  einer  Stufe  des  mi- 
neralogischen Museums  die  Krjstalle  nur  ein   wenig  kleiner    und 


vom  2.  Juni  1870.  347 

auf  schon  krystallisirtem  Eisenspath  aufgewachsen;  ^ )  sie  sind  eben- 
falls vorherrschend  PyritoSder,  Hexaeder  und  ein  stumpferes  Pen* 
tagondodeka§der  treten  nur  untergeordnet  hinzu.  Die  Kry stalle 
sind  aufserordentlich  glänzend;  das  Pyritoeder  ist  schwach,  das 
stumpfere  PentagondodekaSder  stark  horizontal  gestreift. 

Von  den  Krystallen  von  Leiwa  besitzt  das  mineralogische  Mu- 
seum 3,  sie  sind  reine  PyritoSder,  etwas  grofser  als  die  vorigen 
von  etwa  6 — 8  Linien  im  Durchmesser,  horizontal  gestreift  und  &U8- 
serlich  braun  angelaufen.  Bei  einem  derselben  hatte  ich  2  sich  recht- 
winklich  schneidende  HexaSderflächen  anschleifen  lassen;  man  sah 
dabei,  dafs  er  einen  Kern  hatte,  der  mit  einer  Schale  späteren 
Absatzes  gleich mäfsig  bedeckt  war,  so  aber,  dafs  man  die  Grfinze 
zwischen  Schale  und  Kern  auf  den  Schlifüflächen  deutlich  erkennen 
konnte,  Schale  und  Kern  zeigten  sich  beide  positiv. 

Die  zw^eite  Varietät  der  Zwillingskrystalle  von  Elba  sind  Com- 
binationen  des  DiploSders  1 23  mit  dem  PyritoSder,  HexaSder  und  Ok- 
taeder, wie  sie  Fig.  36  in  Struver's  Abhandlung  darstellt.  Die 
DiploSder  sind  meistentheils  vorherrschend,  und  nach  den  Kanten 
mit  dem  Oktaeder  und  Pyritoeder,  wie  oben  S.  344  angegeben,  stark 
gestreift,  das  Pyritoeder  schwach  senkrecht  gestreift,  Hexaeder  und 
Oktaeder  glatt;  die  Flächen  des  erstem  enthalten  stellenweise  die 
kleinen  oben  S.  341  beschriebenen  Eindrücke.  Die  Mineralien- 
sammlung der  Bonner  Universität  besitzt  einen  über  zoUgrofsen 
prachtvollen  Zwilling,  bei  dem  die  beiden  Krystalle  vollständig 
and  sehr  symmetrisch  durcheinander  gewachsen  sind,  der  mir  durch 
freundliche  Vermittelung  des  Prof.  vom  Rath  zur  Untersuchung 
geschickt  wurde;  das  Berl.  mineral.  Mus.  besitzt  mehrere  kleinere 
Krystalle  der  Art,  die  aber  einfach  sind,  und  nur  einen  bei  dem  2  In- 
dividuen durcheinander  gewachsen  sind,  doch  nicht  so  vollkommen 
und  regelmäfsig  als  bei  dem  Bonner  Krystall.  Die  Krystalle  sind 
anf  dünn  tafelförmigen  mit  deb  Rändern  aufsitzenden  Eisenglanz 
aufgewachsen,  deren  Eindrücke  die  lösen  Krystalle  des  Eisenkieses 
enthalten. 

b)    Zwillingskrystalle    bei   denen   die  beiden  Indivi- 
duen   negativ    sind.     Von  diesen  sind  Eisenkieskrystalle  von  4 


')  Das  mineralog.  Museum  verdankt  diese  Stufe  Hrn.  Dr.  Lasard, 
der  auch  das  Vorkommen  beschrieben  hat  (Zeitschrift  d.  d.  geol.  Ges.  von 
1867  B.  19  S.  16). 


848  GeBammUitzung 

Fundortern  antorsucht:  von  Elba,  Ylotho  bei  Pr.  Minden,  Pfitscb 
in  Tyrol  und  Eisenerz  in  Steiermark. 

Von  Elba  ein  über  2  Zoll  grofser  Zwilling,  hauptsächlich  ans 
einem  PjritoSder  bestehend,  ans  dem  das  andere  Indiriduum  in 
einzelnen  Theilen  lierausragt;  nur  sehr  untergeordnet  tretcu  Hexae- 
der, Oktaeder  and  Leucitoeder  hinzu.  Die  Flftchen  des  PyritoMers 
sehr  stark  und  geradlinicht  parallel  den  Kanten  mit  dem  Leuci- 
toeder und  durch  dieses  gestreift. 

Die  Krystalle  von  Vlotho  kommen  in  grofser  Menge  in  Keu- 
permergel  eingeschlossen  vor;  sie  sind  nur  einige  Linien  grofs, 
grörstentheils  einfache  PyritoSder  nnd  zu  Zwillingen  oft  aber  sehr 
regelmfifsig,  durcheinander  gewachsen.  Sie  sind  so  wie  man  sie  in 
den  Sammlungen  sieht,  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  voUstfindig 
in  Gothit  umgeändert;  zuweilen  nur  auf  der  äufsersten  Oberflache; 
solche  sind  zur  Untersuchung  genommen,  nachdem  sie  zuvor  durch 
heifse  Chlorwasserstoffsäure  von  ihrer  bedeckenden  braunen  Haut 
befreit  waren. 

Die  Krystalle  von  Eisenerz  in  Steiermark  in  dem  Berliner 
Museum  sind  kleiner  als  die  von  Vlotho,  aber  ganz  irisch.  Sie 
sind  lose,  vielleicht  sind  sie  aber  früher  in  Eisenspath  eingewach- 
sen gewesen,  denn  sie  zeigen  aufser  dem  Pyritoeder  noch  die  Flä- 
chen eines  scharfem  PentagondodekaSders  340,  was  bei  Eisenkies- 
krystallen,  die  in  Eisenspath  vorkommen,  öfter  der  Fall  ist,  z.  B. 
in  Lobenstein.  Die  Flächen  sind  nicht  besonders  glänzend,  aber 
nicht  gestreift. 

Von  Pfitsch  besitzt  das  Berliner  Museum  nur  einen  4  Linien 
grofsen  Krystall,  zwei  durcheinander  gewachsene  PyritoSder.  Die 
Flächen  sind  etwas  uneben,  doch  deutlich  vertikal  gestreift;  aufser 
den  Flächen  des  PyritoSders  kommen  noch  untergeordnet  die  des 
Oktaeders  vor,  von  denen  hier  besonders  an  einer  Ecke  zwei  den 
verschiedenen  Individuen  angehörige  Flächen  sehr  schön  sternför- 
mig durcheinander  gewachsen  sind. 

2.     Zwillingtkrystalle,   bei  welchen  das   eine  Individanm 

positiv,   das  andere  negativ  ist. 

a)  Beide  Individuen  in  Zwillingsstellung.  Es  sind 
dies  die  Zwi  11  ingskry stalle,  die  erst  durch  die  Untersuchung  ihres 
thermo-elektrischen  Verhaltens  erkannt  worden  sind.  Die  Flächen 
des  einen  Krystalls  kommen  hierbei   vollständig  in  die  Lage  des 


vom  2.  Juni  1870.  349 

andern,  und  der  Zwilling  erscheint  hier  wie  ein  einfacher  Krystall, 
wenn  man  nicht  auf  die  Beschaffenheit  der  FlSchen  achtet.  Die 
Rrystalle  des  Zwillings  sind  aneinander  gewachsen  oder  durchein- 
ander gewachsen;  gewöhnlich  ganz  unregelmäfsig  und  Theile  des 
einen  durch  den  andern  oft  vollständig  getrennt.  Die  Flfichen  des 
Zwillings  erscheinen  dann,  wenn  die  Flächen  des  positiven  und 
negativen  Krystatls  in  ihrer  Beschaffenheit  sehr  verschieden  sind^ 
wie  gefleckt.  Man  findet  diese  Art  der  Zwillinge  sehr  ausgezeich- 
net bei  den  Italiänischen  Eisenkiesen  von  Traversella,  Brosso  und 
Elba.») 

Von  Brosso  wurden  8  Krystalle  untersucht,  die  vorherrschend 
Gombinationen  des  Hexaeders  und  OktaSders  sind,  und  an  denen 
untergeordnet  die  Flächen  des  PyritoSders  und  des  DiploSders  123 
erscheinen.  Die  gleichnamigen  Flächen  sind  sehr  unregelmäfsig 
ausgedehnt,  und  Pjritoeder  und  Diplo^er  treten  auch  ganz  un- 
regelmäfsig hinzu.')  Die  Krystalle  sind  von  dem  Ansehn  wie  die, 
welche  Stru  ver  in  den  Fig.  166,  167  u.  169  darteilt.  Die  Flächen 
des  Hexaeders  gehören  gröfstentheils  dem  neg.  Krystalle  an,  sie  sind 
glatt  und  glänzend  oder  haben  die  oben  S.341  angegebene  schwa- 
che Streifung  nach  den  Seiten  eines  langgezogenen  Sechsecks  wie  die 
pos.  Krystalle.  Stellenweise  sind  sie  aber  öfter  stark  gestreift,' 
die  Streifen  ganz  unregelmäfsig  begränzt,  und  diese  so  stark  ge- 
streiften Stellen  gehören  dem  positiven  Krystalle  an.     Die  OktaS 


^)  Leider  bin  ich  bei  den  Italianischen  Eisenkiesen  des  Berl.  min.  Mu- 
seums oft  ganz  unsiclier  fiber  die  Fundörter,  da  die  Zettel  fehlen  oder  nicht 
genau  genug  sind.  Die  von  StrAver  angegebenen  Kennzeichen  för  die 
Fundörter  aus  den  begleitenden  Mineralien,  Magneteisenerz  und  Dolomit  für 
Traversella,  Scbwerspath  fQr  Brosso,  Eisenglanz  für  Elba,  verlassen  einen, 
wenn  man  es  mit  losen  Krjstallcn  zu  thun  hat.  Es  wäre  vielleicht  gut  ge- 
wesen, wenn  Strüver  bei  der  Erklärung  der  schönen  Figuren  der  Kupfer- 
tafeln  wie  die  jedesmaligen  Gombinationen  so  auch  die  Fundörter  angegeben 
hätte;  man  hätte  dadurch  für  die  Bestimmung  der  Fundörter  noch  ein  wei- 
teres Anhalten.  Bei  vielen  stehen  zwar  die  Fundörter  in  der  Beschreibung 
der  einfachen  Formen,  aber  doch  bei  weiten  nicht  bei  allen. 

')  Diese  Unregelmäfsigkeiten  in  der  Gröfse  und  in  dem  Auftreten  der 
gleichnamigen  Flächen  charakterisiren  diese  Art  der  ZwiUingskrystalle,  daher 
wohl  zn  vermuthen  ist,  dafs  der  gröfste  Theii  der  von  Strüver  Taf.  XII 
gezeichneten  Krystalle  solche  ZwiUingskrystalle  sind. 


350  Ge$ammUitzung 

derfifichen  gehören  theils  dem  negativen,  tbeils  dem  poeitiven  Kry- 
stalle  an.  Die  negativen  Flächen  sind  in  der  Regel  ganz  glatt, 
die  positiven  aber  gestreift  nach  den  Fl&cben  des  positiven  Di- 
ploSders  123,  und  aufserdem  mit  den  kleinen  oben  S.  341  beschrie- 
benen dreieckigen  Eindrucken  versehn,  die  darch  die  Flächen  des 
Hexaeders  hervorgebracht  werden.  Die  PjritoSderflächen  sind  matt 
und  mit  den  oben  S.  344  beschriebenen  kleinen  dreieckigen  oder 
trapezoidalen  Eindrucken  versehn,  die  durch  die  Oktaeder-  und 
HexaSderflächen  hervorgebracht  werden;  die  DiploSder  sind  paral- 
lel den  Kanten  mit  dem  OktaSder  gestreift,  stets  positiv.  Fig.  10 
stellt  die  horizontale  Frojection  eines  solchen  Zwillings  dar^  bei 
dem  die  vordem  OktaSderflächen  0  positiv  und  voller  kleiner  Ein- 
drücke sind,  die  in  der  Richtung  der  Hexaederflächen  prächtig  schil- 
lern, die  hintern  OktaSderflächen  0'  sind  meistens  negativ,  die  der  un- 
tern Seite  dagegen  sämmtlich  positiv.  Die  HexaSderflächen  sind 
bis  auf  die  zur  Seite  rechts  liegende  Fläche  sämmtlich  negativ, 
und  alle  glatt  und  glänzend.  An  der  hintern  Seite  erscheint  noch 
eine  kleine  negative  Pyritoederfläche  ^d',  an  derselben  Stelle  wo 
2  positive  DiploSderflächen  liegen  muüsten.  Fig.  11  ist  ein  grofs- 
tentheils  negativer  Krystall,  an  dem  nur  die  kleine  stark  gestreifte 
Stelle  der  obern  HexaSderfläche  a',  sowie  einige  mehr  oder  weni- 
ger stark  hervorspringende  DiploSderecken  von  123  auf  den  vor- 
dem Okta^derflächen  0'  positiv  sind.  Bei  einem  andern  Krystalle 
sind  5  HexaSderflächen  positiv  und  nur  eine  negativ,  und  diese  an 
allen  4  Ecken  von  den  positiven  glänzenden  Flächen  des  Diploe- 
123  umgeben.  Eine  parallel  einer  HexaSderfläche  gelegte  Bruch- 
fläche zeigt  trotz  des  starken  Glanzes  auch  ohne  Ätzung  die 
Gränze  beider  Individuen  ziemlich  deutlich;  sie  verläuft  hier  auf 
der  Bruchfläche  ganz  unregelmäfsig  und  krummlinicht ;  geätzt  siebt 
man  sie  noch  besser,  trotzdem  dafs  nun  in  beiden  Individuen  die 
pyritoSdrischen  Eindrücke  eine  gleiche  Lage  haben.  Die  des  ne- 
gativen Erystalls  sind  mehr  in  der  Richtung  der  Grundkante  ver- 
längert, sind  meistentheils  feiner  und  liegen  dichter  nebeneinander, 
daher  die  geätzte  Bruchfläche  des  negativen  Krystalls  weniger 
glänzt  als  die  des  positiven.^) 


')  Bei  weiterm  Studiam  wird  es  deshalb  gewifs  noch  möglich  sein, 
zwischen  den  Atzeindrficken  der  positiven  und  negativen  Flachen  beim  Eisen- 
kies einen  Unterschied  zu  finden. 


vom  2.  Juni  i870.  351 

Von  Traversella  warden  4  über  zoUgrofse  Zwillingskrystalle 
untersacht.  Sie  süid  Combinationen  eines  PyritoSders,  welches 
vorherrscht  mit  dem  Hexaeder  und  den  Diplo€dern  123  und  124, 
die  untergeordnet  hinzutreten.  PyritoSder  und  Hexaeder  sind  sehr 
glänzend  und  schwach  gestreift  parallel  den  stumpfern  Combina- 
tionskanten,  die  sie  bilden;  die  Diploeder  sind  ganz  matt  und  dru- 
sig von  lauter  kleinen  hervorragenden  Ecken,  sie  schillern  aber 
sämmtUch  in  der  Richtung  der  Oktaederfl&che,  und  werden  also 
auch  zum  Theil  durch  eine  solche  Fläche  begränzt.  Die  Flächen 
des  Diploeders  1 23  werden  aber  stellenweise  durch  ganz  glänzende 
Streifen,  die  den  Combinationskanten  des  DiploSders  mit  dem 
Hexaeder  oder  dem  Diploeder  124  parallel  gehen,  oder  ganz 
unregelmäßig  begränzt  sind  unterbrochen.  PyritoSder  uud  He- 
xaederflächen sind  positiv^  die  matten  Diploederflächen  123  und  124 
sind  negativ,  die  glänzenden  Stellen  auf  ihnen  dagegen  wieder 
positiv. 

In  Brosso  kommt  die  nämliche  Combination  mit  vorherrschen- 
den Octaederflächen  vor  (vergl.  Struver  Fig.  168),  aber  hier  sind 
diese  negativ,  Pyrito€der  und  Diploeder  123  positiv;  auch  sind  hier 
sämmtliche  Flächen  glänzend,  die  des  Oktaeders  gestreift  parallel 
den  Kanten  mit  dem  Pyritoeder,  die  des  Diploeders  123  parallel 
den  Kanten  mit  dem  Hexaeder  und  dem  DiploSder  124;  die  Kry- 
stallflächen  sind  auch  sehr  unregelmäfsig  ausgedehnt.  Der  nega- 
tive Krystall  ist  hier  oft  sehr  vorherrschend;  das  DiploSder  123 
bildet  bei  einem  Krystalle  des  Berl.  mineralog.  Museums  nur  an 
den  Ecken  eine  positive  Schale,  die  nicht  sehr  dick  ist,  und  im 
Brach  sehr  scharf  an  dem  übrigen  negativen  Theil  abschneidet. 

Hierher  gehört  auch  der  merkwürdige  Krystall  von  Brosso, 
den  Struver  S.  21  seiner  Abhandlung  beschrieben  und  Fig  144 
vortrefflich  abgebildet  hat,  und  den  er  die  Güte  hatte,  mir  zur  An- 
sicht zu  schicken.  Er  besteht  aus  einer  Gruppe  von  2  Krystallen 
mit  ganz  verschiedenen  Combinationen  von  Flächen,  die  in  schein- 
bar paralleler  Stellung  mit  ganz  unregelmäfsig  laufenden  und  deut- 
lich sichtbaren  Gränzen  miteinander  verwachsen  sind.  Beide  ent- 
halten das  PyritoSder  vorherrschend,  der  eine  aufserdem  etwas  mehr 
untergeordnet  die  Flächen  des  LeucitoSders ,  und  noch  mehr  die 
Flächen  des  Hexaeders  und  des  schärfern  Pentagondodekaeders 
405;  der  andere  die  Flächen  des  OktaSders  in  ungefähr  gleicher 
Gröfse  mit  dem  Pyritoeder   und  klein  die  Flächen  des  Diploeders 


352  Gesammtsitzung 

124.  Der  erste  Krystali  ist  positiv,  der  andere  negativ.  Strüver 
sagt:  der  Kr}^stall  kann  nicht  ftir  einen  Zwilling  gehalten  werden, 
da  die  Flächen  des  PyritoSders  des  einen  Individuums  parallel  den 
Flächen  des  andern  sind;  das  elektrische  Verhalten  klärt  die  Er- 
scheinung auf,  auch  sind  die  Combinationen  die  gewöhnlichen, 
die  bei  positiven  und  negativen  Krystallen  vorkommen.') 

In  Traversella  kommen  noch  andere  mehrere  Zoll  grofse  Kry- 
stalle  vor,  die  oft  nur  reine  PyritoSder  und  horizontal  gestreift 
sind;  die  Streifung  ist  häufig  sehr  grob  und  unterbrochen,  und  der 
Krystall  erscheint  dann  oft  aus  mehreren  Individuen  zu  bestehen, 
deren  Grundkanten  nicht  genau  untereinander  parallel  sind.  Ein 
Krystall  aus  der  Sammlung  des  Dr.  Tarn n au,  an  welchem  die 
Streifung  feiner  ist,  erschien  vollkommen  positiv,  die  mit  grober 
Streifung  zeigten  sich  gröfstentheils  als  Zwillingskrystalle,  positiv 
und  negativ,  nnd  die  Gränze  zwischen  beiden  ist  oft  deutlich  zu 
verfolgen.  Manche  enthalten  an  den  einzelnen  gleichkantigen  Ecken 
des  Pyritoeders  noch  untergeordnet  die  glänzenden  Flächen  des  Ok- 
taeders und  des  Diploeders  123,  und  diese  Stellen  zeigten  sich 
stets  positiv. 

Bei  einer  grofsen  Druse  des  Berl.  min.  Museuros  von  Traver- 
sella, an  welcher  die  Eisenkieskrystalle,  gröfstentheils  reine  Pyri- 
toeder  von  verschiedener  Grofse,  mit  gröfsern  und  kleinem  Krystal- 
len von  Dolomit  aufgewachsen  sind,  erscheinen  die  Eisenkieskry- 
stalle  matt,  aber  da,  wo  der  bedockende  Dolomit  mit  dem  Messer 
oder  mit  Chlorwasserstoffsäure  weggenommen  war,  stark  glänzend. 
Die  glänzenden  Slellen  liegen  stets  tiefer  als  die  matten,  und  sind 
scharf  begränzt.  Offenbar  hatte  hier  die  Eisenkiesbildnng  nach 
dem  Dolomitabsatze  noch  einmal  begonnen  und  eine  schwache  Lage 
auf  dem  von  Dolomit  nicht  bedeckten  Theil  gebildet.  Die  ent- 
blöfsten  glänzenden  Stellen  zeigten  sich  bei  einem  kleinen  Krystalle 
negativ,  die  matten  schwach  positiv.  Bei  einem  gröfsern  Krystalle 
war  die  Bruchfläche  mit  welcher  derselbe  aufgesessen  hatte  positiv, 
eine  matte  Stelle  auf  einer  Pyritoederfläche  auch  positiv;  eine  sehr 


*)  Bis  auf  das  sohfirfere  PentagondodekaSder,  da  bisher  ein  schärferes 
überhaupt  bei  positiven  Krystallen  noch  nicht  beobachtet  ist;  dasselbe  Penta- 
gondodekaC>der  kommt  bei  dem  mir  von  Hm.  Strfivcr  ebenfalls  gesandten 
Krystalle  Kig.  128  negativ  vor. 


vom  2.  Juni  1870.  353 

glänzende  Stelle  aaf  einer  andern  PyritoSderfläche  negativ,  auf 
einer  dritten  Flfiche  ebenfalls  negativ,  eine  Ecke,  an  welcher  eine 
Oktaederfiäche  und  kleine  Fl&chen  des  DiploSders  123  erschienen, 
auch  positiv.  Wegen  des  positiven  Bruches  im  Innern  scheint 
hier  also  eine  mehrfach  sich  wiederholende  Bildung  von  positiven 
und  negativen  Eisenkies  stattgefunden  zu  haben. 

Etwas  Räthselhaftes  bieten  gewisse  grofse  schön  ausgebildete 
und  glanzende  Krystalle  von  Elba  dar,  die  Combinationen  des  Py* 
ritoeders  mit  Hexa€der,  Oktaeder  und  Diplo^der  123  sind,  deren 
PyritoSderflächen  schwach  vertical  gestreift  sind  mit  drusigen  Ein- 
drücken in  der  Mitte  und  deren  DiploSder  die  doppelte  Streifung 
haben.  Hier  sind  die  PyritoSderflächen  auf  einer  Fläche  zuweilen 
positiv,  auf  einer  andern  negativ,  und  die  vom  Diploeder  umgebenen 
Oktaederflächen  positiv  oder  negativ.  Da  man  nie  weifs,  wie  im 
Innern  die  Gränzen  des  positiven  und  negativen  Krystalles  laufen, 
so  ist  es  sehr  möglich,  dafs  ein  Theil  des  negativen  Krystalles 
sich  nahe  unter  der  Oberfläche  des  positiven  hinzieht;  ist  nun  die 
Erwärmung  von  Kupferdraht  aus  erst  bis  zur  Berührungsstelle  des- 
selben mit  dem  Krystall  gelangt,  so  wird  ein  Strom  erregt,  dessen 
Richtung  den  Krystall  als  positiv  characterisirt,  aber  bald,  wenn 
die  Temperaturerhöhung  bis  zur  Gränze  zwischen  positiven  und 
negativen  Krystall  eingedrungen  ist,  tritt  dann  ein  stärkerer  ent* 
gegengesetzter  Strom  auf. 

Sehr  mehrkwürdig  sind  einige  lose  Krystalle  in  der  Sammlung 
der  Bergakademie,  die  angeblich  aus  Cornwall  stammen;  die  Kry« 
stalle  sind  3  bis  4  Linien  grofs  und  vorherrschend  Dodekaeder,  an 
deren  vierflächigen  Ecken  untergeordnet  die  Flächen  des  Diploeders 
1610,  die  Pyito§der-  und  Hexaederflächen  erscheinen,  und  deren 
Kanten  durch  die  LeucitoSderflächen  schwach  abgestumpft  sind. 
Die  Dodekaederflächen  sind  zur  Hälfte  nach  dem  der  Pyritoeder- 
fläche  anliegenden  Theile  stark  glänzend  und  glatt,  und  zur  andern 
Hälfte  ganz  matt.  HexaSder,  Pyrito^der  und  Diploeder  glänzend, 
das  Leucitoeder  ist  matt.  Das  Matte  der  letztern  und  der  Hälf- 
ten der  DodekaSderflächeu  rührt  von  einer  zarten  Streifung  paral- 
lel den  Kanten  mit  dem  Oktaeder  her,  dessen  Flächen  selbst  nicht 
da  sind;  alle  um  eine  dreiflächige  Ecke  des  Dodekaeders  gelege- 
nen Dodekaeder-  und  Leucitoederflächen  schillern  daher,  silberweifs 
glänzend,    in  der  Richtung  der  Oktaederflächen,    was  diesen  Kry- 


354  Gesammtsitzung 

stallen  ein  sehr  eigentbümlicbes  Ansebn  giebt')  Hexaeder,  Pjri- 
toeder  und  DiploSderfl&cben  sowie  die  matten  Theile  der  Dode- 
kaSderflfichen  sind  positiv,  die  glfinzenden  Theile  negativ.  Die 
Krystallc  sind  also  sebr  rcgelmäfsige  Zwillingskrystalle  mit  darch- 
einander  gewachsenen  Individuen. 

Diesen  in  mancher  Rücksicht  ähnlich  sind  kleine  Krjstalle 
von  Immenkippel  bei  Bensdorf  des  mineralog.  Maseums.  Diesel- 
ben sind  Combinationen  des  Oktaeders  mit  den  untergeordnet  hin- 
zutretenden Fl&cben  des  Dodekaeders,  Pyritogders  und  Hexaeders. 
Lfetztere  Fl&cben  sind  glatt,  die  DodekaSderflSchen  haben  eine 
Streifnng  nach  der  kurzen  Diagonale,  die  sich  auf  den  PyritoSder- 
fl£chen  fortsetzt.  Die  OktaSderflächen  sind  matt  und  mit  kleinen 
mikroskopischen  dreieckigen  Eindrucken  versehen,  deren  Seiten 
den  Kanten  des  OktaSders  parallel  sind  und  von  dem  Hexaeder 
herrühren.  Hexaeder,  PyritoSder  und  Dodekaeder  sind  negativ, 
die  OktaSderflfichen  positiv,  was  auch  schon  die  dreieckigen  Ein- 
drucke beweisen.') 

b)  Zwillingskrystalle,  beide  Krystalle  in  paralleler 
Stellung. 

Hierher  geboren  alle  die  seltenen  Ffille  von  Erystallen,  bei 
denen  man  hemiedrische  Formen  in  beiden  Stellungen  beobachtet 
hat,  denn  hier  ist  stets  anzunehmen,  dafs  die  Formen  der  einen 
Stellung  positiv,  der  andern  negativ  sind.  Wir  haben  allerdings 
nur  einige  solcher  Krystalle  untersucht,  die  sich  auf  einer  kleinen 
Stufe  befinden,  die  mir  Hr.  Strüver  gutigst  gesandt,  doch  waren 
diese  Krystalle  entscheidend,  da  bei  ihnen  das  Verhältnifs  so  ge- 
funden wurde,   wie  angegeben.      Die  oben  S.  328  erw&hnten  Kry- 


^)  Die  Krystalle  haben  im  Ansehn  die  gröfste  Ähnlichkeit  mit  der  von 
Strüver  Fig.  128  abgebildeten  und  S.  26  beschriebenen  Combination  wahr- 
scheinlich von  Brosso,  nar  findet  sich  hiei  statt  des  glänzenden  Theiles  der 
DodekaMerflächen  das  PentagondodekaSder  405. 

')  Hierher  gehören  weiter  auch  wohl  die  Krystalle,  die  Strüver  S.  38 
seiner  Abhandlung  beschrieben  und  Fig.  181  abgebildet  hat.  Ks  sind  Pyri- 
toSder  von  Traversella,  die  an  den  Gmndkanten  schwach  abgestumpft  sind; 
auf  den  PyritoCderflachen  finden  sich  kleine  hervorragende  Ecken  von  einem 
DiploSder,  vielleicht  851,  an  welche  noch  die  Flächen  des  Hexaeders  und 
des  PyritoSders  hinzugetreten  sind,  welche  den  gleichnamigen  Flächen  des 
Krystalls,  worauf  sie  aufgewachsen,  parallel  sind. 


vom  2.  Juni  1870.  355 

stalle,  die  Hr.  Weisbach  die  Güte  hatte,  mir  aus  der  Freiberger 
Sammlang  zu  schicken,  waren  zu  klein  und  miteinander  zu  sehr  ver- 
wachsen, um  ein  entscheidendes  Resultat  geben  zu  können,  doch  fin- 
den sich  auch  hier  einzelne  Flächen  und  ßruchsteUen  positiv,  andere 
negativ,  so  dafs  sich  wenigstens  die  Anwesenheit  von  positiven 
und  negativen  Tbeiien  ergab.  Ebenso  gab  auch  der  von  Hrn.  Hes- 
senberg oben  S.  330  erwähnte  Krystall,  der  mir  freundlichst  zur 
Ansicht  geschickt  wurde,  kein  Resultat,  da  die  Fläche  des  Fenta- 
gondodekaSders  zweiter  Stellung  für  die  Untersuchung  zu  klein  war, 
sie  ist  in  der  That  noch  kleiner  als  sie  in  der  Figur  dargestellt 
ist.     Der  ganze  Krystall  wurde  nur  negativ  gefunden. 

Die  von  Hrn.  Struver  gesandte  Stufe  enthielt  drei  Erjstalle 
von  der  in  Fig.  111  seiner  Abhandlung  abgebildeten  Gombination. 
Sie  besteht  aus  dem  Hexaeder,  dem  Dodekaeder,  den  beiden  Fy- 
ritoedern,  einem  flachern  PentagondodekaSder  103,  dem  Oktaeder 
uud  LieucitoSder.  Das  Hexaeder  herrscht  vor,  alle  übrigen  Flä- 
chen sind  untergeordnet  und  so  wie  in  der  Figur  dargestellt  ist 
Das  PentagondodekaSder  103  erscheint  nur  bei  dem  einen  PyritoS- 
der,  das  sich  aber  im  Ansehn  nicht  wesentlich  von  dem  andern 
unterscheidet,  alle  Flächen  sind  glänzend.  Die  Erystalle  sind  auf- 
gewachsen, doch  ist  bei  allen  eine  HexaSderecke  mit  den  umgeben- 
den Flächen  frei.  Das  Pyritoeder,  bei  welchem  sich  das  Penta- 
gondodekaSder  103  befand,  zeigte  sich  negativ,  das  wobei  dieses 
fehlte,  positiv;  bei  einigen  Flächen  waren  die  Resultate  ganz  ent- 
scheidend,  in  andern  Fällen  wurde  auch  bei 'dem  Pyritoeder  ohne 
das  PentagondodekaSder  103  der  umgekehrte  Strom  erhalten;  of- 
fenbar war  in  dem  Zwillinge  die  negative  Masse  vorherrschend, 
und  zog  sich  in  dem  letzten  Falle  wohl  unter  der  positiven  weg, 
so  dafs  dann  die  negative  auch  hier  den  Ausschlag  gab.  Die 
Gränzon  zwischen  den  positiven  und  negativen  Individuen  ist  bei 
allen  3  Krystallen  nicht  sichtbar.^) 


0  Bei  einer  andern  Stufe  mit  Krystallen,  die  mir  auch  Hr.  Strüver 
schickte  und  auf  welcher  die  Krystalle  die  in  Fig.  110  abgebildete  Form 
hatten,  waren  die  Krystalle  auf  der  Oberfläche  in  Eisenoxydhydrat  umgeän- 
dert und  dadurch  nicht  leitend  geworden,  obgleich  die  entstandene  Haut  nur 
sehr  dünn  war.  Da  ich  nicht  das  Recht  hatte  mit  Chlorwasserstoffsänre  die 
nicht  leitende  HüUe  zu  entfernen,  so  konnten  die  Krystalle  fär  meine  Zwecke 
nicht  benutzt  werden. 


356  Gesammtiitzung 

Wahrscheinlieh  gehören  hierher  noch  2  Krystalle  des  Berl. 
mineralog.  Mosenms  Terra uthlich  von  Brosso.  Es  sind  5  bis  6 
Linien  grofse  Oktaeder,  an  den  Ecken  mit  den  Flächen  des  Hexae- 
ders,  Pyrito^ders  und  DiploSders  123  begrfinzt,  die  nur  ganz  an- 
tergeordnet  hinzutreten.  Diese  letztern  Flächen  sind  glänzend,  die 
OktaSderflächen  matt,  aber  ebenfalls  silberweifs  metallisch  glänzend 
in  der  Richtung  der  Flächen  eines  PyritoSders  entgegengesetzter 
Stellung.  Betrachtet  man  die  Oktaederflächen  oder  besser  noch 
einen  von  ihnen  gemachten  Hausenblasenabdruck  unter  dem  Mi- 
kroskop, so  sieht  man,  dafs  sie  mit  lauter  kleinen  dreiseitigen  Pr- 
rnniiden  bedeckt  sind,  deren  Flächen  dem  PyritoSder  der  entgegen- 
gesetzten Stellung  angehören.  Untersucht  man  das  thermo-elektn- 
sehe  Verhalten  dar  Flächen,  so  findet  man  die  des  Hexaeders 
stark  positiv,  die  Flächen  des  Oktaeders  auch,  aber  einen  merk- 
lich schwächern  Strom  liefernd;  es  ist  daher  wahrscheinlich  die 
ganze  Erscheinung  so  zu  deuten,  dafs  die  Krystalle  positiv,  aber 
auf  der  Oberfläche  mit  negativen  Kry stallen  bedeckt  sind,  die  aber 
so  klein  sind  und  nur  eine  so  dfinne  Decke  auf  der  Oberfläche 
bilden,  dafs  bei  der  Erwärmung  die  drunter  liegende  positive  Masse 
in  Bezug  auf  die  Stromesrichtung  bald  die  Oberhand  gewinnt. 
Diese  kleinen  Krystalle  wurden  dann  aber  nicht  in  Zwillingsstel* 
lang  stehen,  sondern  in  paralleler  Stellung,  sodafs  die  Krystalle 
Zwillingskrystalle  der  vierten  Art  sind.') 

Man  könnte  auch  annehmen,  dafs  die  Krystalle  Zwillingskry- 
stalle erster  Art  wären  und  die  geringe  Leitung  auf  der  Oktaeder- 
fläche nur  daher  käme,  weil  die  Flächen  rauh  waren,  indessen  sind 
in  diesem  Falle  die  in  Zwillingsstellang  stehenden  Krystalle  stets 
gleich  ausgebildet,  und  es  ist  noch  nicht  der  Fall  vorgekommen, 
dafs  der  eine  Krystall  ungleich  gegen  den  andern  und  der  eine 
wie  hier  ein  Oktaeder,  der  andere,  oder  wie  hier  die  andern,  Py- 
ritoöder  sind,  daher  die  erstere  Meinung  wohl  die  wahrschein- 
lichere ist. 


1)  Ähnliche  Betrachtungen  könnte  man  freilich  auch  bei  den  S.  343 
beschriebenen  und  Fig.  9  abgebildeten  Krystallen  anstellen;  auch  hier  könn- 
ten die  aufliegenden  dünnen  Streifen  negativen  Krystallen  angehören,  die 
aber  auch  hier  ganz  dfinn  sein  mfirsten,  denn  die  Untersncbnng  hat  hier 
Gberall  nur  positive  Elektricität  gegeben. 


vom  2.  Juni  1870.  357 

Pqsitive  und  negative  Krystalle  in  unregelmäfsiger  Ordnung 

nebeneinander. 

Positive  and  negative  Krystalle  von  Eisenkies  finden  sich  öf- 
ter auf  einer  und  derselben  Stufe  oder  einer  und  derselben  Gruppe 
in  unregeloiäfsiger  Verbindung  neben  einander.  So  enthält  das 
mineralogische  Museum  einen  zollgrofsen  Krystall  von  Traversella, 
eine  Combination  des  Hexaeders,  Oktaeders  und  Pyritoeders  mit 
etwas  unregelmäfsiger  Ausdehnung  der  Flächen,  doch  ungefährem 
Gleichgewicht  der  Formen.  Die  Hexaeder  dächen  sind  glatt,  aus- 
ser einigen  Unterbrechungen  durch  die  PyritoSderflächen,  die  Ok^^ 
taederflächen  ebenfalls  glatt,  nur  sind  an  einigen  Stellen  die  Ecken 
des  Diploeders  123  in  paralleler  Stellung  hervorgebrochen,  die 
Flächen  des  Pyritoeders  sind  senkrecht  gestreift,  wenn  auch  an 
einer  grofsen  Fläche  nur  stellenweise,  und  daneben  glatt.  Auf 
einer  Uexaederfläche  ist  ein  kleinerer  Krystall  aufgewachsen,  bei 
dem  die  Hexaederflächen  vorherrschen,  die  Pyritoederflächen  mehr 
untergeordnet  vorkommen,  und  an  dessen  Ecken,  von  denen  drei 
sichtbar  sind,  die  Flächen  des  Diploeders  123  erscheinen;  die 
Hexaederflächen  sind  glatt,  und  wie  bei  dem  grofsen  Krystall  nur 
stellenweise  durch  die  Pyritoederflächen  unterbrochen,  die  Pyritoe- 
dcr-  nnd  Diploederflächen  ebenfalls  glatt.  Der  grofse  Krystall  ist 
bis  auf  die  aus  den  Okta3derflächen  hervorragenden  Diploederecken 
negativ,  selbst  auf  den  ganz  glatten  Stellen  der  Pyritoederflächen 
neben  den  gestreiften,  die  Diploederecken  sind  aber  positiv;  der 
grofse  Krystall  also  schon  ein  Zwillingskrystall..  Der  kleine  Kry- 
stall ist  positiv,  die  Combination  auch  vollkommen  einer  positiven 
gemäfs,  aber  die  Verwachsung  beider  Krystalle  ist  ganz  zufällig, 
ein  bestimmtes  Gesetz  der  Verwachsung  scheint  nicht  statt  zu 
finden. 

In  dem  Museum  befindet  sich  ferner  eine  Druse  aus  Cornwall 
ohne  nähere  Bestimmung,  die  auf  der  (untern)  Bruchfläche  vorzugs- 
weise aus  Kupferkies  besteht,  in  welchem  Eisenkies  und  Quarz 
eingemengt  ist;  der  erstere  stets  in  regelmäfsig  ausgebildeten  Kry- 
stallen,  die  öfter  zu  Kry^tallgruppen  vereinigt  sind;  sie  sind  He- 
xaeder, auf  den  Flächen  stark  gestreift  und  3  bis  4  Linien  grofs. 
Krystalle  von  derselben  Form  erscheinen  auch  auf  der  obern  freien 
Seite  der  Stufe  in  einzelnen  Gruppen  auf  dem  Kupferkies  aufge- 
wachsen  und  hier  zusammen   mit    schneeweifsenQuarzkry stallen; 


358  GesamnUsitzung 

aber  diese  in  Hexaedern  krjstallisirten  Eisenkieskrystalle  werden 
snm  Theil  von  andern  Gruppen  von  Eisenkieskrystallen  bedeckt, 
die  eine  andere  Form  haben  und  Combinationen  des  vorherrschen- 
den Oktaeders  mit  dem  Hexaeder  sind.  Sie  sind  kngelich  zusam- 
mengehfiuft,  bunt  angelaufen,  dennoch  glänzender  als  die  Hexaeder, 
und  da  sie  diese  bedecken,  späterer  Bildung  als  diese. 

Die  reinen  Hexaeder  sind  auf  manchen  Flachen  positiv,  auf 
andern  negativ,  also  Zwillingskrjstalle,  ohne  dafs  man  auf  den 
Krystallfiächen  eine  Granze  zwischen  den  positiven  und  negativen 
Kry stallen  sehen  kann.  Sie  gleichen  im  Ansehn  und  in  ihrem 
thermo-elektrischen  Verhalten  andern  Eisenkieskrystallen  von  Ta- 
vistock  in  Devonshire,  die  lose  oder  in  losen  Gruppen  in  dem  mi- 
neralogischen Museum  sich  befinden,  nur  etwas  grofser  sind.') 
Die  angelaufenen  Krystalle  sind  positiv,  was  bei  den  vorherrschen- 
den Oktaederflfichen  auffiillen  kann.  Auch  die  Quarzkrystalle  zei- 
gen darin  etwas  Eigenthümliches ,  dafs  sie  nur  auf  einer  äufsern 
Schicht  schneeweifs  und  undurchsichtig,  im  Ihnern  aber  graulich - 
weifs  und  durchsichtig  sind. 

Hierher  sind  endlich  noch  zwei  Stufen  von  Chachiyuyo  del 
oro  bei  Copiapo  in  Chile  zu  rechnen,  die  wie  die  vorigen  ein  Ge- 
menge von  Kupferkies  mit  Eisenkies  und  Quarz  sind.  Kupferkies 
ist  vorherrschend,  auf  der  einen  (obern)  Seite  findet  er  sich  allein 
mit  Quarz  in  grofsen  undeutlichen  Krystallen,  die  an  der  Ober- 
fläche angelaufen,  blauschwarz  und  matt,  im  Bruch  aber  frisch  und 
stark  glänzend  sind.  Der  Quarz  ist  in  prismatischen  Krystallen 
krystallisirt.  Auf  der  Unterseite  und  im  Innern  ist  der  Kupfer- 
kies sehr  drusig  und  mit  vielem  Eisenkies  gemengt,  der  in  den 
vielen  Drusen  deutlich  auskrystallisirt  und  aufserordentlich  glän- 
zend ist.  Die  Krystalle  sind  von  verschiedener,  1  bis  4  Linien 
Grofse,  sie  sind  aber  zweierlei  Art;  in  beiden  ist  das  Hexaeder 
vorherrschend,  und  die  Pyritoederflächen  erscheinen  nur  als  Ab- 
stumpfung der  Kanten,  aber  in  dem  einen  Falle  ist  es  senkrecht 
gestreift,  und  zeigt  an  den  Ecken,  wenn  auch  nur  klein,  doch  sehr 
stark  glänzend,    die  Flächen  des  Oktaeders,   Leucitoeders  und  des 


')  Diese  letztern  sind  von  Dr.  Krantz  erworben,  und  es  wäre  mSg- 
lieh,  dafs  anch  die  Stufe  daher  stammt  und  der  auf  dem  Zettel  angegebene 
Fundort  ungenau  ist. 


roi»  2.  Juni  1870.  359 

DiploMerB  124;  in  andern  F&llen  ist  es  horixontal  gestreift,  und 
an  den  HexaSderecken  erscheinen  ebenfalls  klein  und  stark  glän- 
zend die  Flächen  des  DiploSders  123  mit  den  OktaSderflächen. 
Die  letztem  Krystalle  sind  positiv,  die  erstem  negativ,  was  auch 
schon  aus  der  Combination  der  Flächen  hervorgeht.  Die  negati- 
ven Erystalle  sind  der  Zahl  nach  vorherrschend;  bei  den  kleinem 
Kiystallen  fehlen  aber  in  der  R^el  die  an  den  HexaSderecken 
auftretenden  Flächen  und  man  sieht  dann  nur  Combinationen  des 
vorherrschenden  HexaSders  und  Pjritoeders.  Bei  dem  starken 
Glanxe  des  Eisenkieses  und  Kupferkieses,  bei  letzterm  freilich  nur 
im  Bruch,  und  den  ebenfalls  glänzenden  Quarxkrystallen  haben  die 
Dmsen  ein  schönes  Ansehn. 

Kobahglanz, 

Die  Krystalle  des  Kobaltglanzes  sind  viel  weniger  verbreitet, 
als  die  des  Eisenkieses,  und  bestehen  in  den  zwei  Hauptfundortem, 
die  man  kennt,  in  Tunaberg  in  Schweden  und  Skutterud  in  Nor- 
wegen^ nur  aus  wenigen  einfachen  Formen,  die  an  beiden  Orten 
dieselben  sind,  obgleich  der  Kobaltglanz  in  Tunaberg  auf  einem  Ku- 
pferkieslager und  die  schönsten  Krystalle  in  Kupferkies,  in  Skut- 
temd  in  Glimmerschiefer  eingewachsen  vorkommen.  Die  ersteren 
finden  sich  häufiger  und  kommen  in  gröfsem  Ejystallen  vor  als 
die  letztem,  bei  beiden  sind  aber  nur  Combinationen  bekannt  des 
Pyritoeders,  HexaÖders,  Oktaöders  und  eines  stumpfem  Pentagon- 
dodekaöders,  dessen  Flächen  gewöhnlich  nur  untergeordnet  als  Ab- 
fitunpfungen  der  Kanten  des  PyritoSders  und  Hexaeders  erschei- 
nen, aber  in  allen  Krystallen  der  Universitätssammlung  zu  stark 
gestreift  sind,  parallel  den  Kanten  mit  dem  HexaÖder,  um  die  Nei- 
gungen desselben  bestimmen  zu  können.  Es  wurden  von  dem 
Kobaltglanz  von  Tunaberg  17,  von  Skutterud  2  Krystalle  unter- 
sucht; von  den  erstem  wurden  8  positiv  und  9  negativ;  von  den 
letztem  1  positiv  und  1  negativ  gefunden.  Bei  den  positiven  Kry- 
stallen von  Tunaberg  herrschen  die  HexaSderflächen  vor,  PyritoS- 
der  und  Oktaöder  treten  nur  untergeordnet  hinzu;  bei  den  negati- 
ven die  Oktaöderflächen,  und  bei  diesen  allein  finden  sich  die  Flä- 
chen des  stumpfem  PentagondodekaSders,  so  dafs  wir  in  diesem 
ein  Mittel  hatten,  im  Voraus  das  thermo-elektrische  Verhalten  der 
Krystalle  zu  bestimmen,  was  bei  den  untersuchten  nie  trngte.  Bei 
den  beiden  Krystallen  von  Sküttemd  war  dies  Verhalten  ganz 
[1870]  26 


360  GesammUitzung 

ebenso,  bei  dem  negativen  Krystalle  herrschen  die  Okta6derfl£chen 
vor,  und  es  finden  sich  hier  wenn  auch  klein  noch  die  Flächen 
des  stumpfem  PentagondodekaSderff.  Nur  bei  einem  Krystalle  aus 
Tnnaberg  fanden  sich  diese  Flächen  vorherrschend,  die  Flächen 
des  OktaSders  nur  untergeordnet,  so  dafs  der  Erystall  wie  ein 
Hexaöder  mit  sugemndeten  Flächen  erscheint;  seine  Grofoe  ist 
dabei  nicht  unbedeutend,  indem  er  zwischen  xwei  parallelen  He- 
xaMerflächen  einen  Durchmesser  von  einem  Zoll  hat  Zwillings- 
krystalle  haben  sich  unter  den  Krystallen  des  Kobaltglanzes  nicht 
gefunden. 

Das  Vorherrschen  der  HexaSderform  bei  den  positiven,  das 
der  Okta^derform  bei  den  negativen  Krystallen  hat  der  Kobalt- 
glänz  mit  dem  Eisenkies  gemein.  Stumpfere  Pentagondodekaeder, 
die  beim  Kobaltglanz  so  entscheidend  sind,  kommen  beim  Eisen- 
kies nur  selten  vor,  Strnter  giebt  deren  mehrere  an,  and  unter 
den  überschickten  Krystallen  war  der,  bei  dem  sich  ein  solches 
befand,  negativ,  wie  beim  Kobaltglanz,  indessen  kommt  ein  solches 
auch  hei  dem  positiven  Eisenkies  vom  Dörrel  vor  (vei^L  S.  346), 
so  dafs  also  das  Vorkommen  der  stumpfem  Pentagondodekaßder 
beim  Eisenkies  nicht  mit  der  Sicherheit  negative  Krystalle  voraus- 
setzt,  als  dies  bis  jetzt  beim  Kobaltglanz  der  Fall  ist  Streifongen 
der  Flächen  kommen  beim  Kobaltglanz,  ausgenommen  bei  dem 
Stampfern  PentagondodekaSder,  nicht  vor;  hierdurch  ist  also  kein 
Anhaltspunkt  für  die  Bestimmung  des  thermo-elektrischen  Verhal- 
tens gegeben,  and  man  ist  also  bei  dem  Kobaltglanz  für  die  Vor- 
ausbestinunung  der  negativen  Krystalle  nur  auf  das  Vorkommen 
der  stumpfern  Pentagondodekaeder  und  das  Vorherrschen  der  Ok- 
ta^derform  angewiesen. 

Vergleichung  der  Zwillingskryatalle  des  Eisenkieses  mit  denen 

anderer  hemiedrischer  Krystalle, 

Die  vier  angeführten  Arten  von  Zwillingskrystallen  kommen 
in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  beim  Eisenkies  auch  bei  andern  Sub- 
stanzen von  hemiSdrischer  Krystallisation  vor,  wie  namentlich  beim 
Quarz.  Regelmäfsige  Verwachsungen  von  2  rechten  oder  2  linken 
Krystallen,  d.  h.  von  2  Elrystallen  erster  und  zweiter  Stellung,  fin- 
den sich  bei  diesem  besonders  häufig.  Sie  sind  am  besten  zu  er- 
kennen, wenn  Haupt-  und  Gegenrhombo^der  in  ihrem  Glänze  recht 


vatn  2.  Juni  1870.  361 

verschieden,  und  die  Fliehen  des  erstem  glfinzend,  die  andern  matt 
fiind.  Da  die  Flfichen  des  HauptrhomboSders  hierbei  in  die  Lage 
des  OegenrhomboSders  kommen  und  die  Orfinze  swischen  beiden 
Krjstallen  gewöhnlich  unregelm&fsig  über  die  Flftchen  hinUuffc,  so 
sind  diese  auf  der  einen  Seite  der  Gr&nzlinie  glftnzend,  auf  der 
andern  matt  Dies  sind  die  Krystalle,  die  Haidinger  zuerst  als 
Zwiliingskrystalle  erkannt  hat,  und  von  denen  ich  gezeigt  habe^), 
dafs  es  ZwilUngskrystiille  von  2  rechten  oder  2  linken  Individuen 
sind. 

Regelm&fsige  Verwachsungen  von  einem  rechten  und  einem 
linken  Individuum  in  Zwillingsstellung  machen  sich  im  Äufsem 
seltener  kenntlich;  ich  habe  ihrer  in  meiner  Quarzabhandlung  nicht 
erwähnt,  aber  seit  der  Zeit  mehrere  auch  fiuTserlich  deutlich  er- 
kennbare von  Jerischau  in  Schlesien  durch  Hm.  Brücke  erhalten, 
der  sie  in  seiner  ausgezeichneten  Mineraliensammlung  entdeckt 
hatte,  einen  andern  solchen  Zwillingskrystall  von  Priebom  in 
Schlesien  auch  selbst  in  dem  mineralogischen  Museum  beobachtet. 
Sie  kommen  indessen  h&ufig  bei  Krystallen  vor,  die  äufserlich  wie 
einfache  erscheinen,  als  blofse  Combination  des  sechsseitigen  Pris- 
mas mit  den  beiden  RhomboCdem,  wie  bei  den  Marmoroscher 
Qnarzkrjstallen,  und  können  durch  Ätzung  der  Flficfaen  mit  Flufs- 
säure  erkannt  werden,  wie  dies  Leydolt  gezeigt  und  in  Taf.  I 
Fig.  1  seiner  Quarzabhandlung  ^)  dargestellt  hat  Die  Individuen 
begrSnzen  sich  immer  hierbei  mit  graden  Begränzungsflfichen  im 
Gegensatz  zu  den  vorigen,  die  sich  stets  mit  krummen  begrenzen, 
worauf  Leydolt  aufmerksam  gemacht  hat 

Verwachsungen  von  rechten  und  linken  Individuen  in  paralle- 
ler Stellang  kommen  mit  aneinander  gewachsenen  Individuen  bei 
den  Schweizer  Bergkrystallen,  mit  durcheinander  gewachsenen  In- 
dividuen bei  Qnarzkrjstallen  aus  den  Höhlungen  der  Mandelsteine 
vor.  Die  erstem  hatte  schon  Wacker  na  gel  krystallographisch 
bestimmt*)  undDove  optisch  untersucht^),  und  es  wurde  dadurch 
bewiesen,    dafs  die  rechten  und  linken  Trapezfl&chen  dieser  glei- 


^)    Abhandlangen  der  k.  Akademie  d-Wiss.  za  Berlin  von  1S44  S.  233. 
^)    Sitzungsberichte   der  inathem.-natarw.  Classe  der  kaiserl.  Akad.  der 
Wiss.  in  Wien  von  1855  B.  15  S.  59. 

')    Kastner's  Archiv  ffir  die  gesammte  Naturlehre  von  1825  B.  5  S.  75, 
*)   Pof^endorffs  Ann.  1837  B.  40  S.  607. 

26  • 


362  Gesammtsitzung 

eher  Art  and  die  beiden  Erystalle  rechts-  und  linkadrehend 
wären.  Die  durcheinander  gewachsenen  Krystalle  wurden  tod 
Hai  ding  er  bei  Krystallen  aus  den  Vendyahbergen  in  Ostindien 
beobachtet*)  und  von  mir  bei  Kry stallen  aus  Brasilien  nSher  be- 
stimmt'), und  es  wurde  dadurch  gezeigt,  dafs  die  rechten  nnd  lin- 
ken  Trapezflächen  gleich  wären.  Leydolt  hatte  dergleichen  Zwil- 
lingskrystalle  durch  Ätzung  der  Flächen  erkannt  und  dabei  gezeigt, 
dafs  sich  auch  hier  die  beiden  Erystalle  in  geraden  Flächen  be- 
gränzen.  Groth  hat  nun  neuerdings  auch  die  von  mir  gemesse- 
nen Erystalle,  die  so  ganz  das  Ansehen  von  scalenoCdrischen  Com- 
binationen  haben  und  daher  auch  für  solche  gehalten  werden  konn- 
ten, in  optischer  Hinsicht  untersucht'),  und  indem  er  die  yerwach- 
senen  Individuen  rechts-  und  linksdrehend  gefunden  hat,  jeden 
Zweifel  an  ihre  Zwillingsnatnr  gehoben. 

Bei  dieser  grofisen  Übereinstimmung  der  Zwillingskrystaüe  des 
Eisenkieses  und  Quarzes  ist  es  auffallend,  dafs  in  Rücksicht  des 
Verlaufs  der  Gränzen  zwischen  den  beiden  Individuen  in  den  Zwil- 
lingskrystallen  die  des  Eisenkieses  und  des  Quarzes  sich  gerade 
umgekehrt  verhalten.  Bei  den  ZwillingskryBtallen  von  Individuen 
gleicher  Stellung  sind  beim  Eisenkies  die  Gränzlinien  auf  der  Brach- 
fläche des  Zwillings  geradlinicht,  beim  Quarz  krummlinicht,  and 
bei  den  Zwillingskrystallen  von  Individuen  ungleicher  Stellung  diese 
Gränzlinien  beim  Eisenkies  krammlinicht  and  beim  Quarz  gerad- 
linicht    Der  Grund  dieses  Unterschiedes  ist  nicht  einzusehen. 

Wenn  aber  so  das  analoge  Vorkommen  des  Quarzes  zur  Be- 
stätigung der  beobachteten  Zwillingskrystalle  des  Eisenkieses  dient, 
und  es  bei  diesen  durch  die  Untersuchung  des  optischen  und  thermo- 
elektrischen  Verhaltens  erwiesen  ist,  dafs  wenn  bei  einem  and  dem- 
selben Krystalle  sich  hemiSdrische  Formen  beider  Stellungen  in 
ihren  parallelen  Stellungen  finden,  man  es  mit  Zwillingskrystallen 
und  mit  regelmäfsigen  Verwachsungen  von  Krystallen  erster  and 
zweiter  Stellung  zu  thun  hat,  so  scheint  man  genothigt  zu  sein, 
auch  eine  ähnliche  Annahme  bei  den  tetraSdrischen  Kiystallen  zu 
machen,  wo  das  Zusammen -Vorkommen  von  Formen  erster  und 
zweiter  Stellung  eine  sehr  gewohnliche  Erscheinung  ist;  wie  beim 


»)   Journ.  of  Sc.  1824  V.  1  p.  322. 

9)    Abb.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  von  1844  S.  256. 

')   Poggendorffs  Ann.  von  1869   B.  137  S.  435. 


vom  2.  Juni  1870,  3G3 

Borasit,  Fahlers  und  der  Zinkblende.  Es  fehlen  uns  nur  hier  die 
Mittel  dies  aascomachen,  und  es  mafs  weitem  Untersuchungen  vor- 
behalten bleiben,  darüber  zu  entscheiden.  Die  Versuche,  die  wir 
übrigens  beim  Kupferkies  anstellten,  bestätigten  diese  Ansicht  nicht, 
denn  wir  fanden  bei  ihm  die  beiden  TetraSder  erster  und  zweiter 
Stellaog  gleich  und  zwar  negativ  thermo-elektrisch. 

Theorie  der  hemiedriechen  Formen  überhaupt 

In  seinen  krystallographischen  Werken^)  stellt  Naumann  die 
Ansicht  auf,  dafs  die  holoedrischen  Formen,  die  mit  hemiSdriscfaen 
vorkommen,  nur  scheinbar  holoedrische,  in  der  That  aber  hemiS- 
drische  Formen  und  zwar  Qrfinzformen  derselben  sind;  indem  er 
die  sSmmtlichen  Formen  des  regul&ren  Systems  aus  den  Hexakis- 
Oktaedern  als  ihren  eigentlichen  Repräsentanten  ableitet,  zeigt  er, 
dafs  nach  den  beiden  allein  vorkommenden  Arten  der  Hemi^drie 
durch  Wegfallen  der  einen  oder  der  andern  an  den  abwechselnden 
Hexaederecken  liegenden  sechsflächigen  Flächengruppen  oder  der 
diese  repräsentirenden  dreiflächigen  Flächengruppen  oder  blofsen 
Flächen  aus  ihnen  die  HexakistetraSder,  DeltoSder  (Deltoiddode- 
kaSder),  TriakistetraSder  und  das  Tetraeder  und  femer  auch  die 
TetrakishexaSder  und  das  DodekaSder  und  HexaSder;  durch  Weg- 
fallen der  einen  oder  der  andern  an  den  abwechselnden  mittlem 
Kanten  gelegenen  Flächenpaare  oder  der  diese  repräsentirenden 
Flächen  die  DiploSder  und  PentagondodekaSder  und  femer  auch 
die  IkositetraSder,  TriakisoktaSder  und  das  DodekaSder,  Oktaeder 
und  HexaSder  entstehen.^)  Die  drei  letztem  Arten  von  Formen, 
die  nach  dem  erstem  Gesetze  entstehen,  sowie  die  fünf  letztem  Ar- 
ten, die  nach  dem  zweiten  Oesetze  entstehen,  sind  zwar  von  den 
hololdrischen  Formen  ihrem  Ansehen  nach  nicht  verschieden,  wohl 
aber  ihrer  Natur  und  Entstehungsweise  nach,  und  müssen  deshalb 
als  hemiSdrische  Formen  betrachtet  werden.  Es  ist  dies  nur  eine 
theoretische  Ansicht  von  Naumann,  sie  giebt,  wie  er  selbst  sagt, 
für  alle  diese  Formen  kein  in  die  Augen  fallendes  Resultat.')     In 


')   z.  B.  Elemente  der  theoretischen  Krystallographie  S.  92  etc. 

')  Die  am  angegebenen  Orte  S.  94  und  99  gegebenen  Figuren  machen 
(liese  Entstehmigsweise  der  hemil^driichen  Formen  sehr  anschaulich. 

')  Vergl.  Naumann  Anfangsgrftnde  der  Krystallographie  S.  35.  Man 
könnte  hiergegen  das  Ansehen  der  oben  S.  342  erwähnten  und  von  StrQver 


364  GesammUitzuntj 

dem  Obigen  ist  der  Beweis  fQr  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  ge- 
geben; die  Oktaeder  und  HexaSder,  die  beim  Eisenkies  yorkom- 
men,  und  ebenso  die  seltneren  DodekaSder,  IkositetraSder  und  Tria* 
kisoktaMer  sind  wirklich  hemiSdrische  Formen,  denn  sie  verhal- 
ten sich  ebenso  wie  die  beim  Eisenkies  vorkommenden  Pentagon- 
dodekaCder  und  DiploSder,  und  sind  wie  diese  thermo- elektrisch 
positiv  oder  negativ;  ebenso  sind  sie  auch  in  ihren  Combinationen 
und  gröIiBtentheils  auch  in  dem  Ansehen  ihrer  Flfichen  verschieden. 
Was  von  den  dodekaSdrischen  hemifidrischen  Formen  bewiesen  ist, 
mufs  dann  auch  für  die  tetraSdrisch  hemiSdrischen  Formen  gelten. 
Die  angeführten  Untersuchungen  über  die  thermo-elektrischen  Eigen- 
schaften des  Eisenkieses  und  des  Kobaltglanaes  sind  demnach  auch 
für  die  Theorie  der  hemiCdrischen  Formen  im  Allgemeinen  von 
Interesse. 

Erklärung  der  Figaren. 

Fig.  1 — 3  Atzeindrücke  bei  positiven  und  negativen  Eisenkieskrystallen. 

„     1  aaf  einer  OktaSderflache  S.  333. 

,    2     ,       ,      HexaSderfl&che  S.  333. 

„     3     »       „      PfritoSderfläche  S.  333. 
Fig.  4 — 8  natOrliche  regelm&fsige  Eindrücke. 

,    4  auf  einer  Fliehe  de«  positiven  Oktafiders  0   S.  341. 

m    ^     n       n  m        »    negativen         »  0'  S.  341. 

„6a,  »       «    positiven  Hexaeders  a  8.  341. 

»    7     ,       ,  ,        „    negativen        ,  a   S.  341. 

„    8     „       „  .9        0    positiven  und  des  negativen  Pjrit  ^d  S.  34]. 

j,  9  Fläche  des  positiven  Pyritoeders  des  Eisenkieses  von  Zacatecas  in 
Mexico  S.  343. 

„  10  horizontale  Projection  eines  Eisenkieszwillings  von  Traversella,  sd$ 
einem  positiven  und  negativen  Kristalle  bestehend.  Die  Flicbeo 
des  positiven  Oktafiders  haben  die  hemiedrischen  Eindrficke  tos 
Fig.  4  8.  850. 

„11  horizontale  Projection  eines  negativen  Eisenkieskrystalles  von  Traver- 
sella, auf  dessen  Hexaeder-  und  OktaGderflichen  einzelne  Tiieile 
eines  positiven  Krystalls  in  Zwillingsstellnug  hervorgetreten  sind. 
Die  Flächen  des  PyritoSders  haben  die  Eindrficke  von  Fig.  8  S.  35a 


in  seiner  Abhandlang  Fig.  177  gezeichneten  Flächen  des  negativen  Oktaeden 
Fig.  157  anführen,  weil  hier  die  dreieckigen  Eindrficke  sämmtlich  an  des 
Stellen  der  Oktafiderfläche  liegen,  die  den  fortgefallenen  abwechselnden  Fli- 
ehen an  der  6  flächigen  Ecke  der  Hexakisoktafider  entsprechen.  Doch  i^ 
dies  Vorkommen  nur  eine  seltene  Erscheinung. 


vom  2.  Juni  1870.  365 

Hr.  Dove  las  über  die  Zurückffihrung  der  j&hrlichen 
Temperatarcurve  auf  die  ihr  zam  Grande  liegenden 
Bedingangen. 

Wenn  mit   zanefamender  Mittagshohe  der  Sonne  die  W&me 
sich  erhöht,  so  geschieht  dies  bei  derselben  geographischen  Breite 
unter  versehiedenen  Lfingegraden  sehr  verschieden.     Man  braucht 
nur  einen  Blick  auf  die  von  mir  in  der  Äquatorial-  und  Polarpro- 
jection  entworfenen  Monatsisothermen  zu  werfen,  um  sich  zu  über- 
zeugen,   dafs    die  Bewegung  der  Isothermen  vom  Äquator  nach 
dem  Pol  hin    sehr  ungleich  erfolgt,   so  dafs  ihre  Gestalt  sich  un- 
unterbrochen verfindert,  und  zwar  so  bedeutend,  dafs  im  mittleren 
Europa  ihre  Richtung    im   Sommer   senkrecht   steht   auf  der,    in 
welcher  sie  w&hrend  des  Winters  verlaufen.    Fügt  sich  unter  dem 
Einflufs    der   intensiven  Kftlte    des  Januars,    dafs  durch  Meeres- 
buchten, Meeresengen  und  grofse  Süfswasserspiegel  mannigfach  ge- 
gliederte Nordamerika  zu  einem  grofsentheils    mit  Eis   bedeckten 
Continent   zusammen,    so   fallen  alle  die  Winterk&lte  mildernden 
Wirkungen  einer  bewegten  flufsigen  Grundfläche  hinweg,  wodurch 
sich  erklärt,  dafs  bis  nach  Philadelphia  hinunter  nun  erst  die  Kälte 
ihr  Maximum  erreicht  und  daher  dieses  nicht  wie  bei  uns  in  die 
enlQ  Hälfte  des  Januar,  sondern  in  die  des  Februar  fällt.     Wäh- 
rend in  der  alten  Welt  daher  dann  schon  alle  Isothermen  in  der 
Bewegung  nach  Norden  begriffen  sind,  nähern  sie  sich  dort  noch 
dem  Äquator.     Entledigen    sich    im  Frühjahr    die    bis    dahin    ge- 
schlossenen  Meeresbuchten  ihrer  Eisdecken,    so  wirken  die  nach 
Süden  treibenden  Eismassen  abkühlend  auf  die  ihnen  benachbarten 
LYer,    und   es  rückt  daher  der  concave   Scheitel  der  Isothermen, 
welcher   im  Januar  in    die  Mitte    des  Continents  fiel,    nach   den 
Ostküsten,  nach  Newfoundland.     In  derselben  Zeit  hat  in  Sibirien, 
die  grofsartige  Auflockerung  begonnen,  welche  veranlafst,  dafs  dort 
die   barometrische   Jahrescnrve  eine  regelmässige   concave  Einbie- 
gung bildet,  deren  tiefster  Punkt  auf  den  wärmsten  Monat  fällt. 
An  dieser  kann  sich  aber  Europa  nicht  betheiligen,  denn  die  kalte 
Luft  des   nordatlantischen   Ocean  bricht  nun  über  Europa  herein, 
um  die  asiatische  Lücke  auszufüllen.     Daher  sinkt  in  Europa  das 
Barometer  nur  bis  zum  \pril,  und  erhebt  sich  dann  zu  einer  den 
Sommer  bezeichnenden  convexen  Krümmung,  die  im  Herbste  sich 
endet.     Die    eindringende   kalte  Luft   hemmt   natürlich   das  Fort» 
schreiten  der  Isothermen  nach  Norden,  die  Anfang  Mai  starke  Er- 


366 


Gesammuitzung 


wftnnuDg  verlangsamt  sich  bedeutend,  ja  es  tritt  nicht  nur  in  die- 
sem Monat,  sondern  auch  noch  auffallender  im  Juni  eine  RQckbe- 
wegung  ein,  welche  den  Eintritt  unserer  Regenzeit  bezeichnet.  Die 
folgende  Tafel  wird  das  zur  Anschauung  bringen. 

Ich  habe  in  derselben  die  Differenzen  zwischen  den  auf  ein- 
ander folgenden  ffinftägigen  Mitteln  des  Mai  und  Juni  bestimmt. 
Zahlen   ohne  Zeichen    deuten    also   eine  Temperaturzunahme   an, 


Mai 
1—6 


6—10        11—15        16—20       »1-25 


England 
Niederland  . 
Bheinland   . 

Weatphalen 

Oldenburg  n.  Hannorer  10 


Brandenboig 

Mecklenburg 

Holstein 

Pommern 

Westpreufsen 

Ostpreafsen 

Posen     .     . 

Schlesien 

Sachsen 

Xhfiringen  . 
Böhmen 

Mahren 

Oalizien 

Siebenbürgen 

Ungarn  . 


Österreich  n.  Steiermark  20 


Kimthen  u.  Erain 
DalmaÜen   . 
Tirol      .     . 
Schweiz 
Württemberg 
Scandinavien 
Nördliches  Rofsland 
Westliches  Rnfsland 
Ural       .... 
Sibirien  .... 


5 

0.33 

0.13 

0.61 

0.53 

5 

0.60 

—0.19 

0.39 

0.81 

10 

1.50 

0.61 

0.61 

0.54 

4 

1.65 

0.39 

0.63 

0.55 

3 
6 

5 
4 
3 
4 
2 
7 

15 
9 
9 
6 
5 
3 

14 


16 

8 

10 

4 
10 

4 

4 

5 

3 

5 


1.25 
1.40 
1.41 
1.28 
1.17 
0.77 
0.38 
1.02 
0.24 
1.16 
1.54 
1.49 
1.22 
0.79 
1.30 
1.22 
1.31 
1.31 
1.05 
1.26 
0.94 
1.48 
0.69 
0.96 
1.37 
0.87 
0.99 


1.07 
1.33 
0.93 
1.07 
1.24 
1.39 
1.89 
1.78 
1.79 
1.56 
0.99 
1.50 
1.81 
1.85 
1.45 
1.77 
1.24 
1.89 
1.00 
0.53 
0.34 
0.91 
0.26 

o.sb 

1.31 
0.71 
1.21 


0.61 

0.53 

0.39 

0.81 

0.61 

0.54 

0.63 

0.55 

0.73 

0.52 

0.79 

0.46 

1.61 

0.54 

1.22 

0.24 

0.76 

0.82 

0.98 

0.84 

1.06 

0.67 

0.79 

0.48 

0.09 

0.32 

—0.23 

0.89 

0.66 

0.45 

0.10 

0.37 

—0.21 

0.33 

—0.46 

0.24 

—0.93 

0.06 

—0.46 

0.39 

0.04 

0.55 

0.38 

0.43 

0.52 

0.11 

0.59 

0.54 

0.46 

1.28 

0.27 

0.11 

0.43 

0.53 

1.45 

0.10 

0.73 

0.42 

1.52 

—0.30 

0.81 

1.38 

vom  2.  Juni  1870.  367 

Zahlen  mit  negativem  Zeichen  eine  Temperatorabnahme,  kleine 
Zahlen  ohne  Zeichen,  welche  grofsen  folgen  eine  Verlangsamung 
der  Zunahme  der  Wfirme.  Um  die  Tafel  abzukürzen,  habe  ich 
die  218  einzelnen  Stationen  zu  Gmppen  verbonden,  welche  dorch 
die  vorstehende  Bezeichnung  erlfiutert  werden.  Die  neben  dem 
Namen  der  Gruppe  stehende  Zahl  giebt  die  Anzahl  der  Stationen 
an,  aus  welchen  die  mittleren  Werthe  bestimmt  wurden. 


Juni 

26—30 

31—4 

5- 

-9        10- 

■14        15—9 

20- 

-24       25—29 

0.53 

0.43 

0.21 

0.46 

0.22 

0.10 

0.41 

0.3S 

0.73 

0.36 

0.49 

0.02 

0.19 

0.20 

1.53 

1.32 

0.39 

—0.48 

—0.38 

0.91 

0.39 

0.41 

1.43 

0.42 

—0.51 

—0.36 

0.70 

0.10 

0740 

0.93 

0.57 

—0.06 

—0.13 

0.81 

0.05 

0.62 

1.26 

0.81 

—0.29 

—0.35 

0.33 

0.05 

0.37 

0.90 

0.90 

0.26 

—0.51 

0.41 

—0.04 

0.63 

0.42 

0.99 

0.16 

—0.38 

0.73 

—0.06 

0^3 

0.84 

1.26 

0.03 

—0.71 

0.61 

—0.07 

0.69 

0.65 

1.01 

0.21 

—0.41 

0.28 

O.Ol 

0.37 

0.80 

1.18 

0.28 

—0.08 

0.09 

—0.85 

0.53 

1.42 

2.00 

—0.44 

0.16 

0.86 

—0.02 

1.01 

1.42 

0.42 

—0.28 

—0.51 

0.62 

0.03 

0.59 

1.68 

0.08 

—O.Ol 

—0.92 

0.71 

0.18 

0.73 

1.31 

0-58 

—0.27 

—0.90 

0.94 

0.21 

1.01 

1.49 

0.57 

—0.27 

—0.62 

0.64 

0.05 

1.02 

1.71 

0.61 

—0.47 

—0.33 

0.38 

—0.04 

1.03 

1.57 

0.60 

—0.23 

—0.06 

0.17 

—0.14 

1.08 

1.52 

0.02 

—0.13 

0.21 

0.27 

—0.29 

0.75 

1.56 

0.52 

—0.24 

—0.45 

0.59 

—0.02 

0.44 

1.11 

0.34 

—0,14 

—0.67 

0.76 

0.50 

1.04 

1.09 

0.37 

—0.05 

—0.64 

0.98 

0.52 

0.83 

0.81 

0.81 

—0.00 

0.30 

0.39 

0.51 

0.91 

1.09 

0.58 

—0.15 

—0.76 

0.84 

0.85 

0.35 

0.84 

0.31 

0.07 

—0.03 

0.28 

0.48 

1.20 

0.87 

0.24 

—0.28 

—1.19 

1.03 

0.80 

0.54 

0.47 

0.67 

0.90 

0.89 

0.06 

0.18 

0.87 

0.83 

1.37 

0.57 

0.42 

0.52 

0.18 

0.23 

0.48 

0.75 

0.98 

0.44 

—0.07 

0.21 

0.63 

1.05 

0.26 

0.51 

1.25 

0.16 

1.07 

1.02 

0.63 

1.33 

0.30 

0.50 

0.95 

1.02 

368  Gesammtsitzuftg 

Eine  Abkühlung  am  Ende  der  ersten  H&lfte  des  Mais  ist  ent- 
schieden  für  das  mittlere  Deatschland  angedeutet,  noch  deutlicher 
die  in  der  Mitte  des  Juni,  welche  einen  l&ngeren  Zeitraum  aus- 
füllt, Ja  am  Ende  des  Monats  nach  kurzer  AbschwAchnng  wieder 
zunimmt.  Jenes  sind  die  sogenannten  gestr^igen  Herrn,  dies, 
weil  sie  mit  der  Schafschur  zusammenf&Ut,  die  Schaafkfilte  in  der 
Terminologie  unsrer  Landwirthe. 

In  den  1856  von  mir  veröffentlichten  Rückf&llcn  der  Kalte 
im  Mai  habe  ich  gezeigt,  „dafs  ein  kaltes  Frühjahr  in  Europa  vor- 
zugsweise dann  einem  milden  Winter  folgt,  wenn  in  Nordamerika 
der  Winter  streng  war,  dafs  also,  wenn  Polarstrome  im  Winter 
über  Amerika  lange  Zeit  dem  Äquator  zugeflossen  sind,  während 
Aequatorialströme  über  Europa  hin  dem  Pole  zuströmten,  die  kalte 
Luft  jener  endlich  die  Wfirme  dieser  erniedrigen  muTs,  daher  ein 
Nachwinter  folgt,  indem  der  als  Nordwest  einfallende  kalte  Strom, 
den  Südwest  verdr&ngend,  eine  schnelle  Drehung  nach  Nordost 
beschreibt^  wo  dann  der  südliche  Strom  durchbrochen  wird  und 
auf  die  Westseite  des  Polarstroms  zu  liegen  kommt  Der  Polar- 
strom wird  dann  spfiter,  wahrscheinlich  in  höheren  Breiten,  von 
dem  Äquatorialstrom  durchbrochen,  und  dadurch  von  seiner  in 
diesem  Theile  des  Jahres  bereits  in  den  nordamerikanischen  Polar- 
Ifindern  liegenden  Quelle  abgeschnitten,  so  dafs  seine  Dauer  ver- 
h&ltnissmäfsig  kurz,  öder  vielmehr  die  Erscheinung  jenes  Kampfes 
eine  mehrfach  sich  wiederholende  ist.^ 

Der  Anblick  der  vorher  mitgetheilten  Tafel  beweist,  daCs  die 
Tendenz  zu  Rückfällen  nicht  auf  bestimmte  Tage  beschränkt  ist, 
sondern  sich  eine  längere  Zeit  hindurch  erhält  In  naiver  Weise 
erwartet  man  daher,  wenn  die  gestrengen  Herrn  sehr  warm  sind, 
dafs  sie  dann  nach  dem  alten  Calender  eintreten  werden.  Sind 
die  Abweichungen  der  verschiedenen  Stationen  auf  Mittel  derselben 
Jahrgänge  bezogen  (und  das  gilt  hier  fQr  die  des  preufsischen  und 
österreichischen  Beobachtungssystems),  so  zeigt  sich  eine  auffallende 
Übereinstimmung  zwischen  denselben,  hingegen  eine  Yerscbiebung 
der  Einbiegung,  wenn  andere  Jahrgänge  den  Mitteln  zum  Grunde 
gelegt  werden.  Aufserdem  zeigt  sich  deutlich,  dafs  die  Erschei- 
nung selbst  auf  ein  bestimmtes  Gebiet  beschränkt  ist,  nach  d^sen 
Grenzen  hin  sie  abnimmt.  Auch  tritt  deutlich  ein  Fortschreiten 
hervor.  Im  Juni  beginnt  die  Abkühlung  früher  im  westlichen 
Deutschland  als  im  östlichen^  während  im  Mai  die  Bewegung  mehr 


vom  2.  Juni  1870.  369 

TOD  NO  nach  SW  hin  erfolgt,  denn  die  trois  sainto  de  glace  in 
Frankreich  und  die  d^  Eism&nner  in  Süddentschland:  Pancratius, 
Servatias,  Bonifacioa  sind  einen  Tag  sp&ter  als  die  gestrengen 
Herrn  in  Norddentschland :  Mamertus,  Pancratius  und  Servatius. 

Ans  den  Bestimmungen  der  mittleren  Windesrichtnng  wissen 
wir,  dafs  diese  im  Winter  in  Europa  auf  die  Sudwestseite  der 
Windrose  f&llt,  im  Sommer  auf  die  Nordwestseite.  Das  als 
Folge  dieses  Wechsels  entstehende  Herahdrficken  der  in  starkem 
Steigen  begriffenen  Temperaturcurve  leitet  uiysre  Regenzeit  ein, 
aber  auch  diese  ist  nicht  an  bestimmte  Tage  geknüpft.  Wfihrend 
in  Norddeutschland  der  27.  Juni:  die  sieben  Schläfer,  als  ent- 
scheidender Loostag  gilt,  heifst  es  in  andern  Gegenden  Deutsch- 
lands: 

Regnets  am  Johannistag 
Eine  nasse  Emdt  man  gewarten  mag 
in  England  hingegen: 

If  the  first  of  July  it  be  rainy  weather 

T'  will  rain  more  or  less  for  four  weeks  together. 

Aus  den  von  mir  seit  1836  veröffentlichen  Untersuchungen 
über  die  nicht  periodischen  Yerftnderungen  der  Temperatur,  geht 
entschieden  hervor,  dafs  erhebliche  Abweichungen,  welche  in  ver- 
schiedenen Jahren  von  der  regelm&fsigen  Zu-  und  Abnahme  der 
Temperatur  hervortreten,  durch  allgemeiner  wirkende  Ursachen  her- 
vorgerufen werden,  welche  durch  Ifingere  Zeiträume  hindurch  fort- 
wirkend sie  lu  einem  Maximum  steigern,  von  dem  sie  wiederum 
alimählig  zu  normalen  Werthen  zurückkehren.  Dafs  diese  Ursachen 
nicht  kosmische,  sondern  tellnrische  seien,  geht  daraus  hervor,  dafs 
die  (^eichzeitigen  Abweichungen  auf  grofsen  Flächen  der  Erdober- 
fläche sich  stets  in  der  Weise  compensiren,  dafs  einem  Zuwenig 
auf  einem  bestimmten  Gebiet  ein  Zuviel  auf  einem  benachbarten 
entspricht.  Die  in  den  einzelnen  Abhandlungen  zerstreuten  ent- 
scheidenden Belege  habe  ich  in  den  klimatologischen  Beiträgen  IT. 
p.  255 — 278  zusammengestellt.  Dafs  diese  Ursachen  in  den  neben 
einander  fliefsenden  Äquatorial-  nnd  Polarströmen  zu  suchen  seien, 
dafSr  enthält  das  Märzheft  des  Berichts  einen  neuen  entscheiden- 
den Beleg.  Warum  aber  in  einem  Jahre  der  zurückkehrende  obere 
Passat  gerade  an  dieser  bestimmten  Stelle  herabsinkt,  läCst  sich 
jetzt  noch  nicht  beantworten,  aber  der  Weg  läfst  sich  andeuten, 
welcher  schliefslich  zu  dem  Ziele  führen  wird. 


370  Gesammtsitzung 

Der  herabsinkende  ÄqnatorialBtrom  findet  in  den  einzelnen 
Abschnitten  des  Jahres  eine  darch  die  Monatsisothemen  dargestellte 
sehr  verschiedene  Temperatur -Vertheilang.  Seine  Wirkung  wird 
daher  auch  eine  wesentlich  verschiedene  werden,  doch  ist  es  wahr- 
scheinlich, dafs  das  zu  denselben  Zeiten  in  verschiedenen  Jahren 
erfolgende  Herabkommen  übereinstimmendere  Folgen  haben  wird, 
als  das  zu  verschiedenen  Zeiten  des  Jahres  eintretende.  Dasselbe 
gilt  naturlich  fOr  den  Polarstrom,  dessen  Gebiet  eben  durch  jenen 
bestimmt  wird«  Ist  dies  der  Fall,  so  müssen  die  Anomalien  der 
einzelnen  Jahrg&nge  sich  in  gewisse  Gruppen  zerlegen  lassen,  die 
durch  die  Obereinstammung  des  Ganges  der  Temperatur  von  an- 
dern Gruppen  sich  wesentlich  unterscheiden. 

Daraus  folgt,  dafs  die  Temperaturcurve  des  Jahres  im  lang- 
j&hrigen  Mittel  durch  Superposition  jener  Gruppencurven  ihre  de- 
finitive Gestalt  erhfilt.  In  dieser  Gurve  werden  sich,  (analog  den 
ifesultirendem  Wellensjstem  in  dem  Youngschen  Wellenapparat  bei 
Obereinanderschichten  verschiedener  Wellensysteme)  an  Stellen  Ein- 
biegungen zeigen,  die  an  sich  ohne  Bedeutung  eben  nur  jenen  ver- 
schiedenen Systemen  ihre  Entstehung  verdanken.  Von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus^  erscheint  das  Bestreben,  die  Einbiegungen  der 
Temperaturcurve  direct  auf  gleichzeitige  kosmische  oder  tellurische 
Ursachen  zurückzufahren,  als  ein  durchaus  verfehltes. 

Giebt  es  nun  solche  Gruppen? 

In  der  im  M&rz  Heft  1870  der  Berichte  der  Akademie  abge- 
druckten Abhandlung  „über  die  Temperatur-Yertheilung  im  Winter 
1869 — 1870^  habe  ich  dies  an  einem  bestimmten  Beispiele  zu  er- 
weisen gesucht.  Die  Übereinstimmung  in  der  Gestalt  der  Tempe- 
raturcurve des  Winters  von  1869—1870  und  1864—1865  würde, 
wenn  sie  allein  stünde,  aber  nur  als  ein  Curiosum  zu  betrachten 
sein^  da  unter  einer  grofsen  Anzahl  möglicher  Fülle,  sich  scbliefs- 
lich  auch  einmal  sehr  fihnliche  finden  werden.  Eben  um  zu  zeigen, 
dafs  hier  nicht  eine  blofse  ZufUligkeit  vorliege,  erstreckte  ich  die 
Yergleichung  auf  1845.  Ich  habe  aber  einen  Hauptbeleg  dafür, 
dafs  es  sich  um  einen  bestimmten  T3rpus  der  Erscheinungen  handle, 
nicht  erwfthnt,  den  Winter  von  1855.  Die  von  mir  für  diesen  in 
der  Darstellung  der  Wfirmeerscheinnngen  durch  fanftfigige  Mittel 
II.  p.  S28  —  333  berechneten  Werthe  bezogen  sich  n&mlich,  und 
zwar  für  viel  weniger  Stationen,  nur  auf  zehnjährige  Mittel,  wäh- 
rend die    far    1870    berechneten    für  zwanzigjährige   gelten.      Ich 


voftt  2,  Juni  1870, 


371 


habe  daher  jene  Abweichungea  von  Neuen  berechnet,  sie  ebenfalls 
auf  die  xwanzigj&hrigen  Mittel  bezogen.  Die  Yergleichnng  der  in 
folgenden  Tafel  enthaltenen  drei  Bestimmnngen  mit  der  im  Mfirz- 
heft  p.  212 — 217  pro  1870  gegebenen  zeigt  die  analoge  Yertheilung, 
in  welcher  die  Maxima  der  positiven  und  negatiren  Abweichungen 
ebenfalls  auf  den  6 — 10  Januar  und  auf  den  10 — 14  oder  15—19 
Februar  fallen.  Zu  den  dort  far  1870  mitgetheilten  Stationen  kön- 
nen nachtr&glich  noch  zwei  hinzugefugt  und  eine  vervollstfindigt 
werden. 


Danzig 

Ofen 

Wernigerode 

1870  Januar   1^5 

1.22 

4.38 

4.92 

6—10 

4.21 

4.72 

3.68 

11— lö 

2.40 

2.94 

2.77 

16—20 

—    0.20 

1.80 

—    1.35 

21—26 

—    0.95 

0.22 

—    6.07 

26—30 

—    3.94 

—    6.63 

—    2.55 

Februar  31—4 

—  12.02 

—    3.81 

0.00 

6—9 

-13.72 

-10.24 

-10.64 

10—14 

—    7.99 

—    3.78 

—    9.72 

16—19 

—    3.14 

—    O.Ol 

—    5.28 

20—24 

—    2.11 

—    1.36 

—    2.17 

26—1 

0.22 

0.73 

2.93 

Unterschied 

17.93 

14.96 

15.56 

Für  1855  sind  die  Abweichungen  folgende: 


372 

Gesammtsitzung 

J  a  n  a  a  r  1855 

1—5 

6—10 

11—15 

16—20 

21—25 

26—30 

Memel 

9.62 

5.34 

0.68 

—  7.46 

—6.04 

—6.44 

Tilrit 

2.65 

5.29 

1.53 

—  9.1  T 

—6.92 

—6.57 

Claussen 

3.21 

5.47 

1.15 

—  9.69 

—6.90 

—6.77 

Königsberg 

3.36 

5.84 

0.81 

—10.32 

—6.44 

—6.95 

Heia 

2.52 

4,02 

1.09 

—  6.52 

—4.09 

—3.14 

Conitx 

3.42 

4.98 

1.09 

—  .7.38 

—3.92 

—4.46 

Bromberg 

3.20 

5.26 

1.47 

—  8.03 

—4.05 

—5.73 

PoBen 

3.58 

5.40 

1.16 

—  7.52 

—2.29 

—5.29 

Zechen 

3.88 

5.88 

0.76 

—  7.79 

—2.51 

—5.26 

BresUin 

3.88 

5.34 

0.32 

—  6.71 

—2.11 

—4.85 

Ratibor 

8.66 

5.03 

0.33 

—  6.33 

—2.34 

—5.24 

Görlitz 

8.80 

5.29. 

—0.43 

—  7.51 

—3.44 

—4.45 

Dresden 

3.85 

5.16 

—0.09 

—  6.55 

—3.74 

—3.77 

Torgau 

4.17 

4.88 

0.13 

—  6.50 

—4.56 

—4.15 

Leipzig 

8.93 

5.10 

0.25 

—  7.61 

—4.22 

—3.66 

Halle 

4.28 

5.15 

0.30 

—  6.98 

—5.17 

—4.09 

Erfurt 

4.24 

5.26 

0.30 

—  8.00 

—5.59 

—4.57 

Mühlbauaen 

3.74 

5.62 

0.23 

—  7,71 

—6.04 

—4.13 

HeiligenBtadt 

4.00 

4.55 

—0.75 

—  9.29 

—5.64 

—4.79 

Wernigerode 

3.43 

4.11 

—0.34 

—  8.43 

—5.99 

—4.48 

ClaoBthal 

2.39 

2.85 

—1.78 

—  7.58 

—4.97 

— 4.55 

Cöslin 

3.62 

4.77 

1.84 

—  7.61 

—3.47 

—4.42 

Stettin 

3.73 

5.00 

1.33 

—  6.85 

—2.96 

—3.25 

Putbus 

2.96 

4.19 

0.62 

—  5.22 

—2.31 

—2.67 

Wufltrow 

2.87 

4.05 

1.08 

—  5.95 

—2.89 

—3.00 

Rostock 

3.33 

4.41 

0.84 

—  6.31 

—3.20 

—3.26 

Schwerin 

3.91 

5.00 

0.80 

—  5.87 

—3.31 

—3.32 

Hinrichshagen 

3.62 

4.85 

0.68 

—  6.62 

—3.37 

—3.55 

Berlin 

4.06 

5.35 

0.61 

—  6.67 

—3.11 

—3.72 

Frankfort  a.  0. 

4.23 

5.83 

0.90 

—  6.64 

—2.39 

—3.78 

SchÖnbeTg 

3.44 

4.69 

0.99 

—  7.05 

—3.98 

—3.92 

Kiel 

2.43 

4.33 

0.52 

—  5.48 

—4.52 

—3.58 

Ottemdorf 

4.22 

4.74 

1.31 

—  5.27 

—4.65 

—3.73 

L&neburg 

4.10 

5.11 

0.48 

—  6.40 

—5.27 

—4.33 

Hannover 

3.76 

3.95 

—0.47 

—  8.06 

—6.89 

—5.13 

Emden 

3.20 

3.86 

0.89 

—  6.20 

—6.37 

—3.77 

t>om  2,  Juni  1870, 


373 


31—4 

5—9 

FebrB 
10—14 

lar    185i 
15—19 

5 

20—24 

25—1 

Unterschied 

-  6.28 

—5.17 

—  7.35 

—  7.73 

—5.60 

—2.41 

13.07 

-  6.34 

—7.74 

-   8.50 

—  7.70 

—7.00 

—2.26 

13.79 

-  7.79 

—8.98 

—  9.44 

-10.26 

—9.01 

—3.91 

16.73 

-  6.39 

—7.48 

-  9.17 

—  8.77 

—8.27 

—2.33 

14.51 

-  4.44 

—4.41 

-  6.65 

—  5.64 

—6.15 

—2.85 

10.67 

-  7.44 

—5.22 

-  8.44 

—  6.14 

—7.33 

—2.21 

13.42 

-  9.31 

—6.14 

-  9.57 

—  7.10 

—9.07 

—2.84 

14.83 

-  9.46 

—6.56 

-10.02 

—  8.45 

—7.47 

—2.16 

15.42 

-10.21 

—6.76 

-10.56 

—  7.93 

—6.87 

—1.47 

15.94 

-  9.73 

—5.38 

-  9.77 

—  8.16 

—6.60 

—0.29 

15.11 

-  9.82 

—3.43 

—  7.27 

-  7.43 

—7.13 

—0.95 

12.46 

-  9.87 

—4.48 

—  8.32 

-  8.54 

—6.86 

—1.24 

13.83 

-  7.93 

—4.75 

—  8.31 

-  9.16 

—5.61 

—1.42 

14.32 

-  9.36 

-4.53 

—  8.91 

-  9.14 

—6.36 

—1.74 

14.02 

—  4.80 

—4.26 

—  8.05 

-  9.26 

—6.63 

—  1.21 

14.36 

-  9.95 

—4.37 

—  8.48 

-10.32 

—6.07 

—1.43 

16.47 

-  9.04 

—3.41 

—  7.51 

-11.07 

—6.20 

—0.68 

16.33 

-  8.06 

—2.86 

—  6.78 

-  9.77 

—6.03 

—0.22 

16.39 

-  6.64 

—3.49 

—  7.10 

-10.49 

—6.22 

—0.22 

16.04 

-  7.56 

—4.50 

—  8.34 

-10.03 

—6.11 

—1.01 

14.14 

~  3.55 

—3.44 

—  6.67 

-  9.32 

—5.69 

—0.69 

12.17 

-  7.37 

—4.39 

-   8.45 

—  6.58 

-6.61 

—2.61 

13.22 

-  7.64 

—4.72 

-   8.51 

—  7.52 

—6.78 

—2.08 

13.51 

-  6.68 

—4.17 

—  6.84 

-  7.53 

—6.53 

—3.03 

11.72 

-  6.43 

—4.20 

—  7.07 

-  8.43 

—6.72 

—2.66 

* 

12.48 

-  6.67 

—4.73 

—  7.03 

-  8.35 

—6.94 

—2.14 

12.76 

-  7.27 

—4.60 

—  8.20 

-  8.75 

—7.08 

—2.15 

13.75 

-  7.82 

—6.01 

—  8.30 

-  8.36 

—6,91 

—2.39 

13.21 

"  8.63 

—6.17 

-   9.02 

—  8.35 

—6.71 

—1.97 

14.37 

-  8.29 

—5.27 

-  9.59 

—  8.39 

—6.00 

—1.91 

15.22 

-  7.60 

—5.01 

—  7.34 

-   9.46 

—7.54 

—2.92 

14.15 

~  7.00 

—4.70 

—  9.08 

-  9.91 

—8.30 

—4.08 

14.24 

-  7.85 

—4.92 

—  7.95 

-  9.68 

-r.7.61 

—2.51 

14.42 

-  8.62 

—4.26 

-  9.30 

—  9.26 

—7.99 

—1.27 

14.41 

-  8.54 

—5.55 

—  8.24 

-11.45 

—7.12 

—2.66 

15.40 

-  8.69 

—5.11 

—  7.74 

-  9.28 

—7.10 

—2.09 

13.14 

374 


GeBommUitzung 


J  a  n  a  a  r    1855 

1—6 

6—10 

11—15 

16—20 

21—25 

26—30 

Lingen 

3.94 

4.41 

0.14 

—8.09 

—7.99 

—5.01 

Mflniter 

3.55 

3.83 

—1.13 

—8.33 

—7.03 

—5.34 

Oatenloh 

3.40 

3.39 

—1.25 

—8.70 

—6.67 

—5.44 

Cleve 

3.67 

4.02 

—0.21 

—7.25 

—6.66 

—4.80 

Orefeld 

4.28 

3.92 

—0.91 

—7.85 

—6.48 

—5.59 

C51n 

3.58 

3.06 

—1.50 

—7.81 

—6.43 

—6.50 

Boppard 

4.23 

3.73 

—0.84 

—8.36 

—6.18 

—7.34 

Trier 

3.98 

3.56 

—0.39 

—7.76 

—5.10 

—7.56 

Brassel 

3.33 

3.50 

—0.37 

—5.99 

—5.26 

—4.66 

Kreuznach 

4.55 

4.23 

—0.31 

—7.86 

—6.06 

—8.42 

Fnmkfort  a.  M. 

4.20 

3.65 

—0.18 

—8.57 

—5.74 

—7.01 

Panoftadt 

3.95 

3.71 

—0.98 

—8.57 

—6.22 

—6.24 

Stottgard 

3.60 

1.70 

—1.21 

—8.45 

—7.33 

—9.08 

Calw 

4.48 

2.59 

—0.32 

—6.77 

—6.79 

—9.01 

Ulm 

2.68 

1.97 

—2.59 

—6.80 

—4.20 

—8.02 

Heidenheim 

2.82 

—0.36 

—2.97 

—6.89 

—3.76 

—5.76 

Schopfloeh 

4.25 

3.38 

-3.68 

—6.29 

—5.56 

—8.96 

Iflsay 

3.99 

0.22 

—1.93 

—5.63 

—2.45 

—6.66 

Friedricfashafen 

4.19 

1.22 

—0.50 

—6.79 

—3.23 

—7.15 

In  dem  Zeitraum  von  26  Jahren  sich  4 mal,  nfimlich  1845, 
1855,  1865,  1870,  wiederholende  so  bedeutende  Anomalien  müssen 
natürlich  einen  EinfloTs  haben  auf  die  Gestalt  der  aus  einer  langen 
Beobachtungsreihe  bestimmten  mittleren  Werthe.  Um  die  Grofse 
desselben  zu  bestimmen  habe  ich  für  6  Stationen  die  Mittelwerthe 
von  1845 — 1870  bestimmt,  und  dann  die,  welche  ans  22  Jahren 
unter  Wegfall  jener  4  Jahre  sich  ergeben.  Die  Unterschiede 
dieser  Mittel  sind  folgende: 


vom  2.  Juni  1870, 


375 


31-4 

6—9 

Februar   185£ 
10—14      15—19 

20—24 

• 

26—1 

Unterschied 

-8.09 

—4.47 

—7.46 

-11.54 

—8.09  . 

—1.48 

16.96 

-6.58 

—4.01 

—7.35 

-11.28 

—6.62 

—0.92 

16.11 

-6.85 

—3.88 

—7.18 

-10.48 

—6.31 

—0.86 

13.8S 

-7.18 

—3.88 

—7.69 

-10.62 

—7.14 

-0.69 

14.64 

-6.53 

—2.86 

—7.21 

-10.73 

—6.84 

—0.08 

16.01 

-5.02 

—2.73 

—6.67 

-10.49 

—6.36 

—0.88 

14.07 

-5.63 

—2.74 

—5.54 

-  9.50 

—4.91 

0.84 

13.73 

-4.03 

—2.43 

—5.34 

-  8.80 

-6.14 

0.44 

12.78 

-5.24 

—3.71 

—7.63 

-  9.39 

—6.69 

0.40 

12.89 

-4.73 

—1.82 

—4.29 

-  8.83 

—4.88 

1.12 

13.38 

-5.62 

—2.36 

—6.47 

-  8.67 

—4.72 

0.04 

12.87 

-5.25 

—1.00 

—4.36 

-  8.19 

—3.78 

0.74 

12.14 

-3.13 

—0.83 

—4.00 

-  7.64 

—3.63 

0.86 

11.24 

-0.34 

0.80 

—  1.52 

6.56 

—1.30 

1.63 

11.04 

-1.36 

0.45 

—0.17 

-  6.32 

—  1.49 

1.16 

9.00 

-1.01 

—1.69 

—2.33 

-  7.74 

—0.30 

1.36 

10.66 

-1.49 

(4.21) 

—  1.33 

-  6.34 

—1.80 

1.06 

10.69 

2.16 

0.89 

0.16 

-  3.17 

—0.89 

1.97 

7.16 

0.00 

0.13 

—1.36 

-  5.29 

—2.38 

1.69 

9.67 

Claussen 

Breslaa 

Stettin 

Berlin 

Leipzig 

Gaterslob 

Januar 

• 

1—6 

0.16 

0.26 

0.27 

0.26 

0.33 

0.31 

6—10 

0.79 

0.77 

0.64 

0.76 

0.73 

0.53 

11—15 

0.49 

0.60 

0.41 

0.44 

0.43 

0.27 

16-20 

—0.14 

—0.16 

—0.20 

—0.19 

—0.16 

—0.59 

21—25 

—0.41 

—0.29 

—0.32 

—0.37 

—0.40 

—0.51 

26—30 

—0.48 

—0.30 

—0.20 

—0.27 

—0.30 

—0.61 

Febraar 
31-4 

—1.26 

—1.03 

0.98 

—0.91 

—0.75 

—0.61 

6-9 

—1.65 

—1.62 

—1.14 

—1.29 

—1.27 

—0.64 

10—14 

—1.53 

—  1.63 

1.47 

—2.16 

—0.98 

—1.44 

15—19 

—1.16 

—0.84 

—0.84 

—0.86 

—0.94 

—0.96 

20—24 

—0.94 

—0.12 

—0.80 

—0.80 

—0.75 

—0.84 

26-1 

—0.51 

0.66 

—0.72 

—0,66 

—0.33 

—0.32 

[1870] 


27 


37G  Gesammtsitzung 

Die  regelmässige  Zunahme  und  Abnahme  der  Differenzen 
spricht  für  sich  selbst.  Die  nach  den  positiven  Differenzen  in  der 
ersten  Hfilfte  des  Sommers  eintretenden  negativen,  welche  in  der 
Mitte  des  Februar  ihren  grSfsten  Werth  erreichen  und  sich  in  der 
Regel  den  März  hindurch  fortsetzen,  erinnern  an  die  bekannten 
Witterungsregeln  (da  zu  diesen  noch  die  hinzukommen,  in  welche 
der  ganze  Januar  warm  war). 

Grüne  Weihnachten,  weifse  Ostern. 

If  Janiveer  Calends  be  snmmerly  gay 

'Twili  be  winterly  weather  tili  the  Calends  of  May. 

If  the  grass  grows  in  Janiveer 

It  grows  the  worse  for  all  the  yeär. 

Qnando  Gennaio  mette  erba 
Se  tu  hai  grano,  e  tu  lo  serba 

Die  Winter,  in  welchen  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  Som- 
mers die  Temparatur  erheblich  unter  ihren  normalen  Werth  sinkt, 
gehören  einer  andern  Klasse  von  Wintern  an.  Hier  beginnt  die 
Temperatur-Erniedrigung  einen  vollen  Monat  früher,  als  bei  den 
vorher  betrachteten.  Vergleicht  man  z.  B.  für  Breslau  den  mitt- 
leren Werth  der  Winter  von  1792,  1795,  1799,  1803,  1805,  1809, 
1811,  1823,  1827,  1838,  1847,  1848,  1850,  1854,  1861  mit  dem 
75  jährigen  Mittel  von  1791—1865,  so  erhält  man: 

December 

7—11    12—16   17—21   22—26  27—31 


allgemeines  Mittel 
15    strenge    Winter 

Unterschied 


0.05    —0.09    —0.36     —0.14     —0.26 
■0.32    —2.78    —3.66     —4.02     —4.37 


—0.27    —2.69    —3.30    —3.88     —4.11 


Januar 

I    1—5     6—10    11—15  16—20  21—25  26—30 


allgemeines  Mittel 
15  strenge  Winter 

Unterschied 


—2.87  —3.45   —3.37    —2.54  —2.35   —1.61 
—6.12  —6.44    —7.59    —5.71   —6.59  —3,72 


—3.25  —2.99    —4.22    —3.17   —4.24   —2.11 


Bis  tief  in  den  März  eingreifende  Temperatur-Emiedrignngen, 
die  eigentlichen  Nachwinter,  beginnen  in  der  Regel  in  der  Mitte 


vom  2,  Juni  1870, 


377 


des  Februar,  wobei  es  aber  auch  vorkommen  kann,  dafs  ein  sol- 
cher intensiver  Nachwinter  wie  z.  B.  1845  sich  unmittelbar  an 
einen  der  «raten  Klasse  anscbliefst  Vergleicht  man  für  Breslau  die 
Winter  1792,  1790,  1800,  1804,  1808,  18Ä,  1815,  1845,  1853 
mit  dem  70 jährigen  Mittel,  so  erhfilt  man: 


Februar 


10     14 

15—19 

20—24 

25—1 

allgemeines  Mittel 
9  Nachwinter 

—1.67 
3.42 

—  1.13 
—3.56 

0.60 
—4.01 

0.07 
—5.64 

Unterschied 

1.75 

2.43 

3.41 

—5.71 

März 


allgemeines  Mittel 
9  Nachwinter 


Unterschied 


2—6     7—11    12—16  17—21  22—26  27—31 


0.53      0.75         0.97        1.53        2.01       2.98 
3.42  —3.31     —3.11    —2.01    —0.59       1.13 


—3.95  —4.06     —4.08    —3.54    —2.60  —1.85 


während  die  Winter  1845,  1855,  1865,  1870  folgende  Differenzen 
geben : 


Januar 


allgemeines  Mittel 
4  Winter 


Unterschied 


1—5     6—10  11—15  16—20  21—25  26—30 


2.87    —3.45  —3.37    —2.54    —2.35  — l.Gl 
1.59        4.78       2.49    —0.99    —2.44  —1.49 


4.46        8.23       5.86        1.55    —0.09       0.J2 


Februar 

31—4      5—9     10—14  15—19  20—24    25—1 


allgemeines  Mittel 
4  Winter 


—1.21    —1.46    —1.67     —1.13     —0.60      0.07 
_4.83    —7.37    —8.16     —4.68    —3.81  —1.89 


Unterschied 


I  —3.62    —5.91    —6.49     —3.55    —3.21  —1.96 


Ana  der  Combination  dieser  Omppen  allein  erläutert  es  sich, 
dafs  selbst  in  so  langjährigen  Mitteln  die  Winterkälte  ein  zweites 
relatives  Minimum  im  Februar  erreicht,  welches  nicht  durch  Winter 
wie  1848  und  1850,  wo  auf  einen  sehr  kalten  Januar  ein  sehr  war- 
mer Februar  folgt,  abgeglichen  wird. 

Da  die  Anfänge  jener  Früh-,  Mittel-  und  Nachwinter  grade 

27» 


378  GesammUitzung 

in  die  Mitte  des  Decembers,  Janoars  und  Februars  fallen,  so  konnten 
sie  durch  monatliche  Werthe  nicht  gefunden  werden. 

Eine  Ausdehnung  dieser  Betrachtungen  auf  andre. Abschnittf 
des  Jahres  mufs  sp£tem  Untersuchungen  vorbehalten  werden. 
Hier  sollte  nur  der  einzuschlagende  Weg  angedeutet  werden.  Aller- 
dings hat  man  auch  schon  früher  verschiedene  Jahrgänge  nnCer 
einander  verglichen,  aber  man  hat  £U  lange  Zeiträume  in  Betracht 
gezogen,  um  eine  gewisse  Anzahl  mit  einander  nicht  der  Zeit  nach 
zusammenhängender  Überschusse  zu  Wärmesnmmen  zu  combinircn, 
in  gleicher  Weise  von  einander  getrennte  Temperatur-Emiedrigon- 
gen.  Die  hier  mitgetheilten  Untersuchungen  zeigen,  dafs  das  Quan- 
tum hier  nicht  das  Entscheidende  ist,  sondern  die  Gestalt  der 
Temperaturcurven  in  ihrer  eigenthümlichen  Aufeinanderfolge  von 
Hebungen  und  Senkungen.  Für  jetzt  ist  es  freilich  nur  möglich 
auf  einem  verhältnifsmäfsig  beschränkten  Gebiete  solche  Arbeiten 
auszuführen.  Durch  die  consequent  durchgeführte  DarstellnDg  des 
innerhalb  des  österreichischen  Beobachtungssystems  gewonnenen 
Materials  durch  fünftägige  Mittel  hat  Hr.  Jelinek  es  mir  mög- 
lich gemacht,  die  seit  1848  auf  dem  Gebiete  des  preufsischen  Be- 
obachtungssystems gewonnenen  Ergebnisse  auf  einem  viel  umfassen- 
derem Terain  zu  untersuchen.  Von  der  türkischen  und  russischen 
Grenze  bis  zur  franzosischen , .  von  der  Nord-  und  Ostsee  bis  lum 
adriatischen  Meere  wird  die  Natur  in  gleicher  Weise  befragt  und 
hoffentlich  wird  sie  ihre  Antwort  nicht  versagen. 

Dem  starren  Festhalten  einer  verfehlten  Richtung  in  der  Wis- 
senschaft gegenüber,  ist  es  nun  erfreulich  zu  sehen,  dafs  in  den 
Vorstellungen,  welches  der  unbefangene  nicht  streng  wissenschaft- 
liche Beobachter  über  die  Witterung  sich  bildet,  eine  von  jenen 
Irrthümern  freie  Anschauung  sich  bewahrt  hat  Diese  liegt  in 
der  Bezeichnung  Loostage  oder  Lurtage.  Durch  das  Wort 
Tag  betheiligt  sich  allerdings  auch  er  an  den  vorher  gerügten  Irr- 
thümern, aber  das  Wort  Loos  spricht  es  entschieden  aus,  dafs  es 
Tage  giebt,  an  welchen  sich  das  Loos  der  zu  erwartenden  Witte- 
rung fSr  längere  Zeit  entscheidet,  eine  Zeit,  wo  man  zu  lauern 
(aufzulauern)  habe,  um  auf  das  Kommende  vorbereitet  zu  sein. 

Als  ich  für  die  Abweichungen  der  einzelnen  Jahrgänge  tod 
ihrem  vieljährigen  mittleren  Werthe  die  jetzt  allgemein  angenom- 
mene Bezeichnung  „nicht  periodische  Veränderungen''  vorscblog, 
um  eben  anzudeuten,  dafs  das  Suchen  von  Perioden  nicht  die  ein- 


vom  2.  Juni  1870.  379 

zige  der  Meteorologie  gestellte  Aufgabe  sei,  wurde  die  Bemerkung 
gemacht,  dieser  Name  sei  nicht  passend,  da  möglicher  Weise  in 
diesen  Veränderungen  Perioden  verborgen  seien.  Die  hier  mitge- 
theilten  Untersuchungen  zeigen,  dafs  eben  das  Nichtperiodische  den 
Schlüssel  giebt  für  die  Erklärung  des  Periodischen. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Säzungsberichte  der  k,  bokmitchen  Qeseiüchq/t  der  Wiseenachaften  in  Prag, 
Jahrg.  1869.     Prag  1869.     8. 

W.  B.  Weit enw eher,  Mepertorium  aämmtlicher  Schriften  der  k.  böhm, 
GeeeiUchqft  d.  Wie»,  vom  Jahre  1769-^1868.     Prag  1869.     8. 

Abhandlungen  der  k.  bohm,  GeselUchaft  der  Wiae.  v.  J.  1869.  6.  Folge. 
3.  Bd.     Prag  1870.     4. 

Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft.  12.  Bd.  2.  Heft.  Ber- 
lin 1870.     8. 

Wissenschaftliche  Begründung  der  liechnungsmethoden  des  Ckniralbureaus  d. 
Europ.  Gradmessung.     Berlin  1870.     4. 

F.  V.  Zieglaner,  Harteneck,  Graf  der  sächsischen  Nation^  und  die  sieben- 
burgischen  Parteikämp/e  seiner  Zeit.  1691—1703.    Hermannatadt  1869.   8. 

Jos.  Transch,  Schriftsteller  -  Lexika  oder  biographisch-literarische  Denk- 
blatter  der  Siebenbürger  Deutschen.     1.  Bd.     Kronstadt  1868.     8. 

Archiv  des  Vereins  für  siebenbürg.  Landeskunde.  Nene  Folge.  8*  Bd.  3.  H. 
9.  Bd.  1.  Heft.     Kronstadt  1870.     8. 

Von  der  belgischen  Akademie  der  Wissenschaften: 

Memoires  couronnes.     Tome  84.     Bmxelles  1870.     4.  . 

CoUection  in  8.     Vol.  21. 

Bulletins.     Vol.  37.  38.    Braxelles  1869.     8. 

Annuaire.     Annee  3G.  37.     Bmzelles  1869.     8. 

CoUection  de  Chroniques  beiges  inidites.     3  toU.     ib.  1869.     4. 

Annales  de  t observatoire.    Tome  29.     Bruxelles  1869.     4. 

Qtietelet,  Observations  sur  les  phenomenes  periodiques.    ib.  1809.     4. 

— ,  Physique  sociale.     Tome  IL    Braxelles  1869.     8. 

Memoires  de  la  sociiti  des  sciences  naturelles  de  Strasbourg.     Tome  IV,  2. 

Publikationen  d.  Archäolog.  Instituts  in  Born  fttr  1869. 

Conestabile,    Dei  monumenti  di   Perugia  etrusca  e  romana.    Vol.  IV. 

Perugia  1870.     4.  mit  Atlas. 
Garcin  de  Tassy,  Eistoire  de  la  literature  hindoue.  Vol.  II.  Pari8l870.  8. 
Nederlandsche  Gedichten  uit  de  14.  eenio,  uitgegeven  door  F.  A.  Snellaert. 

Brüssel  1869.     8. 
Beilncci,  SuU  ozono  Note  e  riflessioni.     Prato  1869.     8. 
Bulletin  de  la  societe  de  sciences  naturelles  de  Strasbourg.     Annee  1,  no.  1 

—  11.     Annee  2,  no.  1--7.     Strasbourg  1868— 1869.     8. 


380  Sitzung  der  phUosophisch-hiüloriscften  Klasse 

13.  Juni.      Sitzung  der  philosophisch -historischen 

Klasse. 

Hr.  OlshauBen  sprach  aber  den  gegenw&rtfgen  Zustand  der 
alt-testamentlichen  Textkritik  und  legte  die  nachfolgenden  Bei- 
trfige  £ur  Kritik  des  überlieferten  Textes  im  Buche  Ge- 
nesis  vor. 

Cap.  1,  14.  Vielleicht  ist  £u  lesen:  t^irmhy  abhfingig  sammt  dem 
Folgenden  von  rhikiV.  Indessen  scheint  die  jetzige  Lesart  schon 
bei  Ps.  104,  19  aum  Grunde  zu  liegen. 

24.  Die  Anordnung  ist  hier  weniger  angemesseu,  als  im  fol- 
genden Verse,  auch  die  Behandlung  im  Einzelnen  minder  conse- 
quent;  doch  mag  dies  nicht  von  einer  Entstellung  des  Textes 
herrühren,  sondern  der  Redaction  zur  Last  fallen. 

26.  Für  initn-Vaäl  wird  zu  lesen  sein:  in«n  n^*^3S-; 
worauf  schon  von  andrer  Seite  aufmerksam  gemacht  ist. 

28.  HQQ'^n  n^n-Vdä^  ist  anstofoig;  vielleicht  ist  der  Vers  un- 
vollständig. 

30.    Vor  pn"»-Vs-rw  scheint  "rro  zu  fehlen. 
Cap.  2,  2.     "^"^wn  wird  das  erste  Mal  in  "^isvn  zu  verwandeln  sein, 
mit  LXX.  Sam.  Syr. 

19.  tr^n  vta  ist  störend,  wie  bereits  von  verschiedenen  Seiten 
anerkannt  ist,  und  mufs  wenigstens  hier  getilgt  werden. 

20.  Für  dM^i  ist  wahrscheinlich  ziMr\  zu  lesen. 

IT    »   J  I»    »  IT  t 

25.  Vielleicht  war  hier  B'^^'^JJ.  beabsichtigt;  vgl.  3,  7.  10.  11. 
Das  Auge  irrte  leicht  auf  die  folgende  Zeile  ab. 

Gap.  3,  10.     Vielleicht  war  beabsichtigt:  Nainrnn;  vgl.  v.  8. 

16.  Zu  Anfang  wird  die  Bindepartikel  n  vermifst  —  Statt 
•^jahnT  erwartet  man  etwa:  7l3*"»7na.  Vgl. deshalb  meinLehrb.S.407. 

17.  Für  Dn«V?i  war  en«Vt  auszusprechen.  —  nsVa«^  ist  an- 

T»!  ITTITt  *  ■•|7"ll 

stofsig;  man  erwartet  etwa  na^o  ^a(<n,  vgl.  v.  19. 

21.  Auch  hier  war  cnnh  zu  sprechen. 

tr  »IT  * 

Cap.  4,  4.     Ob  in  "sna^rrai  die  Fluralform    des  Nomen  beabsich- 
tigt  war,  ist  zweifelhaft. 

7.  Bedenklich  ist  der  kurze  und  unklare  Ausdruck  nxb ;  fer- 
ner  der  Gebrauch  von  nNtjn  als  masc.;  sodann  der  ganze  Inhalt 
des  Satzes:  wenn  du  nicht  gut  handelst,  liegt  die  Sünde  vor  der 
Thür;  endlich  die  genaue  und  doch  unpassende  Übereinstimmung 


vom  13.  Juni  1870.  aSl 

des  zweiten  HalbTerses  mit  3,  16.  Daus  der  Text  richtig  über- 
liefert sei,  ist  höchst  unwahrscheiDlich ,  ob  die  LXX.,  die  sich 
eben  helfen  mufsten,  so  gut  sie  konnten,  einen  abweichenden 
Text  vor  sich  hatten,  mindestens  zweifelhaft. 

8.  Eine  Lücke  am  Schlüsse  des  ersten  Halbverses  anzaneh- 
men  ist  unvermeidlich,  wenn  nsM^^  festgehalten  wird;  es  fehlt 
dann  wenigstens:  Xi:"^^  ^3^^'  ^^  &sjsi.  LXX.  Syr.  u.  A.  er- 
gänzen. Vielleicht  ist  aber  mit  Böttcher  statt  nsM^n  zu  lesen: 
'latrii,  er  lauerte  auf.  Ganz  in  demselben  Sinne  findet  sich 
freilich  die  Verbindung  mit  der  Praeposition  Vn  sonst  nicht; 
doch  ist  eine  solche  an  sich  durchaus  unbedenklich  und  überdies 
wird  nsd  Hiob  14,  16  in  demselben  Sinne  mit  V9  und  2  Sam. 
11,  16  in  nah  verwandtem  Sinne  auch  mit  hn  verbunden. 
13.  Vermuthlich  war  beabsichtigt:  Vi^Jti* 
18.     Auch  das  zweite  Mal  wird  Vn^^i^q  zu  lesen  sein. 

22.  mh  ist  wahrscheinlich  blofs  Glossem  zu  «Jnh,  welches 
in  die  Stelle  eingedrungen  ist,  wo  ehemals  die  Worte  mn  Hnn 
*aM  gestanden  haben  werden. 

Cap.  5,  3.     Hinter  ^Vip  kann  i^  nicht  wohl  entbehrt  werden. 

23.  Statt  *Tt^  wird  mit  verschiedenen  Handschriiften  TXVn  zu 
lesen  sein,  wie  v.  8.  11.  14.  17.  20.  27. 

29.  rmiKn-l«  befiriedigt  nicht;  es  war  etwa  rro'iMn  rrti:r*iö 
beabsichtigt. 

31.     Auch  hier  wird  r^'>^  herzustellen  sein;  s.  zu  v.  23. 
Cap.  6,  3.     Für  ^ffr  ist   vielleicht  "j*»^;  zu  lesen,    oder  wie  Andre 
vorgeschlagen  haben,   *;1V^     Das  räthselhafte  Dä\Da  konnte  etwa 
ans  tA  onV  entstanden  sein:  auch  er  ist  mit  Fleisch  ange- 
than,  d.  h.  mit  Sinnlichkeit  behaftet. 

4.  Das  Ganze  glossenhaft,  aber  so,  dafs  der  zweite  Halbvers 
wieder  als  Anmerkung  zu  dem  ersten  erscheint  Mit  ';3~*nriM 
sollte  übrigens  die  erste  Bemerkung  ursprünglich  geschlossen 
werden  und  das  Folgende  bis  Drr^  ist  ebenfalls  nachträglich  bei- 
gefügt, ohne  sich  an  das  Vorhergehende  in  angemessener  Weise 
anzuschliefsen. 

13.  |nKn*r^.    ist' nicht    unbedenklich;    man    erwartet   etwa 

I       V  IT    »  —  •• 

14.  De  Lagarde  (Onomastica  sacra  II.  p.  95)  schlägt  vor  zu 
lesen:  c*^p  cnp,  womit  die  ursprüngliche  Gestalt  des  Textes  in 
der  That  wieder  hergestellt  zu  sein  scheint. 


382  Sitzung  der  phiiosophUch-histonschen  Klasse 

17«     b'ni  bfttie  wohl  nicht  80  eng  mit  hxx&n  verbanden  werdeo 
BoUen,  wie  durch  die  Accentaation  geschehen  ist;  vgl.  7,  6. 
Cap.  7,  13.     ndV^  in  der  Femininform  (vor  *«)^a)  wird  hier  bo  we 
nig,  als  Hiob  1,  4  beabsichtigt  gewesen  sein. 

21.  Die  Worte  inKrrV^  irahn  fallen  an  dieser  Stelle. sehr 
anf;  auch  wird  to«|*;jn  vor  denselben  ungern  vermiCst,  vgl.  1,  26. 
7,  14.  89  17.  Wahrscheinlich  ist  der  Text  hier  beschfidigt  und 
in  Unordnung  gerathen,  wie  es  ähnlich  auch  8,  19  der  Fall  ist. 
23.  Die  bestbeglaubigte  Lesart  r»j«i  ist  unbedenklich,  obgleich 
auch  rro^n  in  Ni<f>9al  zulässig  gewesen  wäre. 
Cap.  8,  8.  Wahrscheinlich  fehlen  zu  Anfang  die  Worte:  n^  Vn;^ 
s**«^  r>5a«J  oder  vielmehr  Vn^-n;  virl.  v.  10.  12. 

10.  In  Übereinstimmung  mit  v.  12  wird  Vn;^  herzustellen 
sein. 

19.  Der  Text  scheint  in  Unordnung  gerathen  zu  sein;  vgl. 
zu  7,  21. 
Cap.  9,  4.  ''Ttfl  i^Ba^  bleibt  immer  anstofsig,  hier,  wieLev.  17,  14. 
5.  Das  zweite  Hemistich  ist  unbedenklich;  in  den  an  sich 
klaren  Satz  c*iMn  V^Ba-r«  vhnti  STfitn  n^n  ist  das  erläuternde 
Glied  mn  vS^n  n^  eingeschoben,  in  dem  Sinne  von  c^  Tx 
T^r:«  oea-r«. 

r    »  '.yv 

10.  Die  Weitschweifigkeit  des  Ausdrucks  ist  auffallend  und 
insbesondere  erregen  das  zweite  tam  und  die  Schlulsworte 
"ä^nn  r'^n  hbh  Bedenken.  Letztere  fehlen  in  den  meisten  Hand- 
Schriften  der  LXX. 

26.  27.  Der  Text  bietet  mancherlei  Anstofs.  Am  Schlüsse 
von  V.  26  mufste  man  ''h  erwarten  statt  icV,  welches  hier  durch- 

rr' 

aus  nicht  am  Platze  ist,  aber  auch  nicht  durch  Versehen  ans  rs 
entstanden  sein  kann.  Übrigens  würde  auch  iV  nicht  gut  auf 
tt  bezogen  werden  können,  sondern  nur  auf  sib  *>n'7K  tTTTy  was 
doch  schwerlich  beabsichtigt  war.  Das  ganze  zweite  HemiBtich 
ist  daher  verdächtig,  und  zwar  um  so  mehr,  da  es  sich  v.  27 
wiederholt.  V.  27  fällt  es  zunächst  auf,  dafs  Jaet^oS-  in  Sem's 
Zelten  wohnen  soll,  obgleich  ihm  eigner  Ranm  nicht  fehlen  kann. 
Vielleicht  würden   die  Worte  cttS-'^nKa  "pü'^n  besser  das  zweite 

r        ••  Tl  rr  I        '  I     :  •  t 

Hemistich  von  v.  26  bilden  und  auf  Jahwe  bezogen  werden. 
Dann  würde  das  zweite  Hemistich  v.  27  bleiben  und  auf  beide 
Brüder  bezogen  werden  können,  während  es  v.  26  ganz  zu  tilgen 
wäre.     Doch  bliebe  der  Übergang  von  Jmtpe^  allein  auf  beide 


vom  13.  Juni  1870.  383 

Bruder  sasammen  ein  anerwartet  rascher «  und  insbesondere  be- 
denklich, dafs  K'na!ran  nicht  blofs  dem  S^m,  sondern  auch  dem 
Jsstped"  dienen  soll,  was  der  Anschauungsweise  des  Hebraeers  zu 
widersprechen  scheint 

29.     Ob  auch  hier  mit  vielen  Handschriften  und  Ausgaben 
rn^  zu  lesen  sei,    wie  bei  5,  23.  31  wahrscheinlich  war,   ist 
zweifelhaüt. 
Cap.  10,  3.     Für  wn  giebt  1  Chr.  1,  6  nt**^;   welche   von  beiden 
Formen  die  richtige  ist,  Ififst  sich  nicht  mehr  entscheiden. 

4.  Dasselbe  gilt  von  ü^Tf\  und  e-a^,  wie  1  Chr.  1,  7  ge- 
lesen wird. 

5.  Bei  Vergleichung  von  v.  20.  31  wird  es  wahrscheinlich, 
dafs  der  Text  ursprünglich  etwa  so  lautete:  trjnMa  nfe'«'-*'aa  nVti 
"A^,;  worauf  schon  anderweit  aufmerksam  gemacht  ist.  Die  ersten 
Worte  trhxn  "«^  tnca  rm«  wurden  dann  wohl  als  eine  in  den 
Text  eingedrungene  Randbemerkung  zu  betrachten  sein. 

8  — 12  mögen  spfitere  Erweiterung  des  Textes  sein,  wofür  die 
Art  ihrer  Einführung  spricht,  sowie  die  Erwähnung  des  Aus- 
zuges rasVür's  (v.  11)  aus  Sinyär.  —  Das  zweite  Hemistich 
von  V.  12  scheint  ursprunglich  eine  auf  NinV^  sich  beziehende 
Randbemerkung  gewesen  zu  sein,  vgl.  Jon.  1,  2.  3,  3. 

13.  Wenn  auch  die  ü'^nh  mit  den  ü^^h  Nah.  3,  9  u.  ^.  und 
den  gtA  Dan.  11,  43  identisch  sein  werden,  beruht  doch  die 
Schreibart  hier  schwerlich  auf  einer  Entstellung  des  Textes. 

14.  Die  Worte   s**»)tS^   zm  ims*^  noK   scheinen   eine  Rand- 

-     I  •  I  rr   •  I    i>T  V  -t 

bemerkung  zu  dem  folgenden  cnhca-TKn  zu  sein;  vgl.  Jer.  47,  4. 
Aoi.  9,  7,  womach  die  jetzige  Gestalt  von  Deut  2,  23  ebenfalls 
bedenklich  erscheint. 

15 — 18.  In  dieser  Aufzählung  vermifst  man  den  Namen 
'T^BH,  vgL  Ex.  3,  8.  Deut.  7,  1;  vielleicht  ist  derselbe  durch  ein 
Versehen  ausgefallen. 

19.  Der  Gebrauch  von  *Vf  neben  nsMi  braucht  keinen  Anstofs 
zu  gewähren;  Letzteres  deutet  hier  nur  die  Richtung  an,  nicht 
den  terminus  ad  quem.     Ähnlich  ist  Nnm.  13,  21. 

21.  Vielleicht  ist  HTi  zu  Anfang  des  zweiten  Hemistichs  zu 
wiederholen.  Ob  n&**  wirklich  durch  die  Accentuation  näher  mir 
^Tissn  als  mit  tin  zu  verbinden  war,  ist  zweifelhaft. 

23.  Statt  m  giebt  1  Chr.  1,  17  '^q,  was  wegen  V.  2  und 
1  Chr.  1,  5  bedenklich,  aber  nicht  nothwendig  falsch  ist. 


384  Sitzung  der  philosophisch' historischen  Klasse 

30.  D'lp^Q  n»i  fugt  sich  nicht  gut  in  den  Satz  ein;  vielleiclit 
fehlt  "^  vor  dieser  Ortsbezeichnang,  vgl.  v.  19. 

31.  Anstatt  ümxh  war  eher  cn^i>a  zu  erwarten;  vgl. 
V.  5.  20.  32, 

Cap.  11,4.  Die  Worte  '<^i  'p^ri^.  schliefsen  sich  an  das  Vorher- 
gehende nicht  gat  an,  wenn  ctb  hier  die  Bedeatung  von  Namen. 
Ruhm  haben  soll. 

30.  ^Vy,  nnr  hier,  nnd  als  E'3i/3  in  einem  Theile  der  Hand- 
Schriften  2  Sam.  €,  23,  beruht  entweder  anf  einer  zufalligen  Ent- 
stellung des  Textes,  oder  ist  als  eine  dialectische  EigenthSmlich- 
keit  des  Schriftstellers  anzusehen. 

31.  !)N2C^l  ist  anstofsig;  man  erwartet  MX^n  im  Singular,  wie 
der  Syrer  liest     Sam.  LXX.  Yulg.  geben  dafür  er«  ntti. 

Cap.  12,  3.     Vielleicht  war  der  Plural  Tp^V^n  beabsichtigt. 

6.  Die  zweite  Ortsbestimmung  rrm  *fh»  ^  ist  TielleicLt 
nachtraglich  eingefügt. 

16.  Die  Knechte  und  Mägde  scheinen  durch  irgend  ein  Ver- 
sehen an  die  verkehrte  Stelle  gerathen  zu  sein,  zwischen  dio 
Esel  und  Eselinnen.  Vielleicht  waren  sie  ursprünglich  gar  nicht 
mit  erwähnt. 

Cap.  13,  10.  Die  einzelnen  Angaben  im  zweiten  Hemisticfa  sind 
nicht  gut  geordnet  und  zum  Theil  auch  ihrem  Inhalte  nach  b«- 
denklich.  Die  Worte  n*>b5-rwi  ano-rw  mn^  rrnö  ■•ac^  scheinen 
ursprünglich  eine  Randbemerkung  gewesen  zu  sein.  Das  Fol- 
gende mufste  sich  gleich  an  das  erste  Hemistich  anscbliefscn: 
aber  neben  nir('^~%a  ist  tyyt^  yy^^^  überflüssig  nnd  selbst  an- 
stofsig. Die  letzten  Worte  n^  nsfeia  bilden  auch  für  den  sieber 
echten  Theil  des  Verses  einen  passenden  Schlufs:  „denn  sie  war 
wasserreich  gleich  dem  Garten  Jahwie's  bis  nach  QoTar  hin." 

11.  Statt  C'ipTa  sollte  man  n^alP  erwarten,  doch  läfst  sich 
jenes  vielleicht  rechtfertigen. 

Gap.  14,  1.  2.  Wahrscheinlich  ist  nach  filterem  Vorschlage  zu 
lesen:  '-^^i  ^£^««1  B'naK  '»»''a  ^n^n;  worauf  dann  die  beiden  Versf 
hätten  zu  einem  einzigen  verbunden  werden  sollen.  Das  zweite 
Hemistich  von  v.  2  ist  vielleicht  erst  spater  hinzugefngt,  wobei 
versäumt  wurde  die  Praeposition  gehörigen  Orts  zu  wiederholen. 
4.  Das  Subject  ist  nicht  nfiher  bezeichnet;  doch  braocht  dar- 
aus nicht  gerade  auf  eine  Lücke  im  Texte  geschlossen  zu  werden. 
Wahrscheinlich  ist  aber  mit  dem  Snmarit.  zu  lese« :  n^xsrvhvz'' 


vom  13,  Juni  1870,  385 

5.  Der  Ortsname  cn  beruht  vielleicht  auf  einer  Entstellang 
des  Textes.  Die  LXX.  sprachen  cna  aus  statt  cna,  das  ihnen 
fremd  sein  mochte,  trafen  damit  aber  schwerlich  das  Richtige. 
Hieronjmos  (Qnaestiones  Hebr.  in  libr.  Genes.,  p.  22  sq.  Lagarde) 
las  shA;  vielleicht  war  ursprünglich  rana  geschrieben. 

9.  Der  ganze  Vers  mit  der  Umstellung  der  Zahlen  am  Schlüsse 
ist  wohl  als  ursprüngliche  Randbemerkung  anzusehen. 

12.  Die  Worte  D^M  *«nK-"{a  stehn  an  der  unrechten  Stelle 
und  sind  vielleicht  blofs  Randbemerkung  gewesen,  die  mit  v.  14.  IG 
nicht  ganz  übereinstimmt. 

14.  Der  Cod.  Sam.  hat  pin,  er  musterte,  was  möglicher- 
weise das  Ursprüngliche  war.     LXX.:  r,zt^ßr,Ti, 

15.  Nicht  ohne  Grund  hat  man  an  phrr^  Anstofs  genommen; 
mit  dem  dafür  vorgeschlagenen  t|'?n];i  ist  vielleicht  das  Richtige 
getroffen. 

Cap.  15,  2.  Das  zweite  Hemistich  ist  unverstfindlich  und  die  Er- 
klärung des  p^^'ia  durch  „Erbe^  unzulässig.  Die  Worte  Mnn 
ptnn  haben  das  Ansehen  einer  Randbemerkung  zu  dem  dunkeln 
Ausdruck  püia.  Was  hier  etwa  erwartet  werden  durfte  ist  im 
folgenden  Verse  gesagt  und  wird  durch  cn^M  *)»K71  so  eingeführt, 
als  wenn  es  sich  unmittelbar  an  v.  1  anschliefsen  sollte.  Die 
Dunkelheit  von  v.  2  mag  die  spätere  Anfügung  von  v.  3  ver- 
anlafst  haben,  eine  Herstellung  des  unklaren  Hemistichs  aber 
wird  kaum  mehr  möglich  sein. 
4.    Für  rrsn^  war  vielleicht  '*rr:n  beabsichtigt. 

10.  Die  Worte  nnri  r^H'^h  rina-tS-'K  wi  sind  unbedenklich: 

r  -  r't  '        I   J  •  r      '  r'— 

^und  legte  eins  —  (nemlich)  das  Stück  davon  —  dem  andern 
gegenüber.*     Es  ist  s.  v.  a.  nnri  fWipV  ^  ^^'^  l^?!- 

12.  tHQ^H  und  natJn  neben  einander  sind  sehr  anstöfsig;  eins 
oder  das  andre  wird  Glosscm  sein,  wahrscheinlich  das  Letztere. 
LXX.:  ipoßo(:  (rxor«i/oc,  was  nicht  zu  billigen  ist. 

13.  Der  Name  M'in*^  scheint  hinter  nsK^!;  ausgefallen  zu 
sein. 

19 — 21.  Man  vermiDst  hier  die  'Hiwwiter  (^nn),  deren  Name 
vielleicht  nur  durch  Versehen  ausfiel. 
Cap.  16,  5.  Das  zweite  '^  in  rprsi^  ist  schon  in  der  officiellen 
Grundlage  der  jetzigen  Gestalt  des  Textes  in  Übereinstimmung 
mit  der  herrschenden  Schreibweise  durch  übergesetztes  Punctum 
getilgt. 


386  Sitzung  der  philosaphUck-hiiUoruchen  Kla$$e 

13.  Das  «weite  Hemistich  giebt  keinen  klaren  Sinn,  auch 
dann  niclit,  wenn  man  *^k^  in  ''Nh  umändern  wollte.  Die  Rieh- 
iigkeit  des  Textes  bleibt  daher  aweifelhaft.  De  Lagarde  (Ono- 
mast Sacra  II.  p.  95)  will  s'Vn  streichen ,  was  bedenklich  ist 
Eher  konnte  s>n  an  tilgen  seiq.  entstanden  etwa  ans  *-än,  das 
hinter  tnj9^n  einen  passenden  Plats  gefunden  hätte.  Die  vor- 
handene Unklarheit  wird  indessen  durch  Änderungen  dieser  Art 
nicht  gehoben. 

14.  Der  Name  des  Brunnens  ist  nach  Form  nnd  Sinn  un- 
klar, aber  Änderung  kaum  aulässig.  —  Hinter  mn  ist  vielleicht 
M*!n  ausgefallen,  oder  auch  nun  zu  lesen. 

Cap.  17,  10.     Wahrscheinlich  ist  su  lesen:  *Tt*na  tiiH  rm;  vgl.  v.  11 

und  9,  12.  —  Die  Worte  tp'Jf?«  .^T^nj  T^lü  sind  überflüssig,  vgl. 

V.  11,  und  vielleicht  nachträglich  aus  v.  7  ergänst  —  Das  aweite 

Hemistich  ist  unbedenklich. 
Cap.  18,  3.     Ursprünglich  mag  die  Aussprache  **yiM  beabsichtigt 

gewesen  sein. 

9.  Das  Wort  i'^W  hat  einst  durch  die  darüber  geaetxten 
Pnncte  getilgt  werden  sollen,  swar  unnöthiger  Weise,  aber  im 
AnschluTs  an  das  nach  einer  älteren  Handschrift  bereits  verbes- 
serte Exemplar,  das  zu  officiellem  Ansehen  gelangte. 

10.  mm  hätte  wohl  mit  den  LXX.  als  Feminin  punctirt  wer- 
den sollen. 

12.  Man  hat  zu  erklären:  „ist  mir  (denn),  nachdem  ich  alt 
geworden,  Liebeslust  zu  Theil  geworden,  während  mein  Herr  alt 
ist?^     Eine  Änderung  des  Textes  ist  unnothig. 

19.  Das  erste  mh  erschwert  das  Yerständnifs  sehr  und  ist 
vielleicht  nur  durch  ein  Versehen  in  den  Text  gerathen.  Das 
zweite  Hemistich  würde  besser  fehlen,  doch  kann  es  zur  Notb 
ertragen  werden. 

20.  Zu  Anfang  der  Rede  mag  'wwi  ausgefallen  sein.  Vgl. 
de  Lagarde,  Onomast  sacra  II.  p.  95. 

21.  Das  Singularsuffix  in  nn;;s;2tsri  kann  richtig  sein,  obgleich 
v.  20  zwei  Städte  genannt  waren;  gemeint  wäre  l^*S6m,  das 
auch  im  Folgenden  allein  hervortritt.  —  Die  Functatoren  behan- 
deln nNa^i  nicht  als  Particip,  sondern  als  Perfect  mit  dem  Ar- 
tikel statt  der  Relativpartikel;  ob  mit  Recht,  ist  fraglich.  —  Statt 
n^s  war  vielleicht  cVs  beabsichtigt.  —  nriK  ist  zwar  entbehrlich, 
aber  doch  erträglich. 


vom  IS.  Juni  1870.  387 

24.  tr^^  als  Fem.  gebraucht,  was  wenigstens  sehr  selten  ist. 
Vielleicht  ist  aber  das  Saf&x  auf  das  vorhergehende  n*9n  zu 
beziehen,  oder  auf  das  dem  Schriftsteller  im  Sinne  liegende  cnp, 
vgl.  19,  13. 
Cap.  19,  4.  cno  ^H  ist  vielleicht  nur  Glossem  zu  den  vorher- 
gehenden Worten. 

9.     Dasselbe  gilt  von  dem  Worte  DiVa. 

12.  ^i^n,  im  Singular  und  ohne  alle  nfihere  Bestimmung,  ist 
an  sich  und  bei  Vergleichung  von  i'^srn  v.  14  sehr  anstofsig. 
Wahrscheinlich  ist  der  Text  beschädigt. 

13.  Vielleicht  war  TT^P^  beabsichtigt,  wie  18,  21.  Das  Fe- 
mininsttffix  bezöge  sich  dann,  wie  das  am  Ende  des  Verses,  auf 
chD,  welches  mit  den  Worten  nm  ci;?^*3  gemeint  ist. 

16.  Die  Praeposition  in  rVara  erregt  Bedenken;  beabsichtigt 
war  wohl  eher  nVcnfi. 

17.  Statt  -»«»1  erwartet  man  vielmehr  riwi^n.  —  Die  Worte 

VI—  I    »       I- 

^fi|-V9  sind  unbedenklich,  wenngleich  über  die  Erklärung  ge- 
stritten werden  kann. 

19.  Der  Übergang  in  die  singularische  Anrede  kann  nicht 
auf  einer  Entstellung  des  Textes  beruhen  und  ist  lediglich  der 
Redaction  zuzuschreiben. 

24.  STQ^*";«  ist  vielleicht  nur  Olossem  zu  den  vorhergehen- 
den Woiten,  deren  Echtheit  nicht  so  leicht  bezweifelt  werden 
kann. 

26.     V)«3m  statt  m  nON  gewahrt  keinen  erheblichen  Anstofs. 

I    :   •  I  V  r    " 

30.  Der  Artikel  in  mrsA  fällt  auf:  es  kann  indessen  damit 
auf  eine  zur  Zeit  der  Abfassung  dieses  Theils  der  Qen.  hin- 
reichend bekannte  Hohle  hingedeutet  sein. 

33.     Man  hat  in  Übereinstimmung  mit  v.  35  Mnn^  i^V^  ^®^' 
zustellen;  vgl.  zu  30,  16. 
Cap.  20,  6.     Die  Schreibart  hom  beruht  vielleicht  nur  auf  einem 
Versehen. 

12.    n3«M  =  S3«M  scheint  durch  Jos.  7,  20  hinreichend  geschützt. 

16.    Das  zweite  Hemistich  ist  völlig  unverständlich  und  ohne 
Zweifel  stark  entstellt 
Cap.  21,  6.  7.     Diese   beiden   Verse    sollten    vielleicht   vor   v.  3 
stehn. 

12.  Der  Ausdruck  im  zweiten  Hemistich  ist  nicht  ganz  klar, 
kann  jedoch  richtig  sein. 


388  Sitzung  der  philosophisch-historischen  Klasse 

14.  Wahrscheinlich  ist  su  lesen:  norn  narr^  tir*^  cnVr?** 
W  '3^1  "iV^rrtTiti  nnVtH  rraatrVy  öd  ena.  Dem  steht  aacb  das 
r^Veni  v.  15  nicht  entgegen,  da  bei  dieser  Fassang  aber  die  Art 
und  Weise,  wie  der  Knabe  fortgebracht  wurde,  gar  nichts  aas- 
gesagt ist. 

20.  Statt   nvp    rrsh   wird   nach  Jer.  4,   29   zu    lesen  sein: 

1»'-  r  ' 

22.  Die  Worte  vcut*nb  hsrt^  gehören  schwerlich  hieher  und 
mögen  anpassender  Weise  aas  v.  32  nachgetragen  sein. 

25.  Von  dem  Brunnen  war  bisher  nicht  die  Rede;  die  6e- 
seichnnng  desselben  als  eines  schon  bekannten  fUlt  der  Redactioo 
cur  Last 

33.    Abrahams  Name  ist  vielleicht  aasgefallen. 
Cap.  22,  13.    Statt  um  ist  mit  Sam.  LXX.  Sjr.  q.  a.  nrw  za 
lesen  und  dann  wohl  die  Lesart  mMS  der  anCserlich   besser  be- 
glaabigten  Lesart  thms  yorzaziehen. 

14«  Das  zweite  Hemistich  ist  yermuthlich  ein  sp&terer  Zasati, 
dessen  Fassang  nicht  gut  gelangen  ist 

21.  Die  Abweichangen  von  den  Angaben  Cap.  10,  22  bernheo 
nicht  anf  Entstellong  des  Textes. 

Cap.  23,  1.     Der  Schlafs  ist  ganz  uberflassig  and  mag  als  Inhalts- 
angäbe  einst  am  Rande  gestanden  haben. 
5.    Wegen  ft  -^h^  s.  zu  v.  13. 

10.  Die  Constructiou  'tM  VaV  ist  einigermafsen  anstofsig  und 
vielleicht  dieser  ganze  Schlafs  sp&ter  hinzugefügt.   Vgl.  za  v.  18. 

11.  Vgl.  zu  V.  13. 

13.  Hinter  nm^SK  ^h  werden  einige  Worte  aosgefallen  sein, 
wie  etwa:  rpa9*C9  non  niS9.  Ähnliches  dem  Sinne  nach  suchte 
Hitzig  (Begriff  der  Kritik,  S.  141)  auf  andrem  Wege  zu  gewin- 
nen. —  nV  mit  dem  Imperativ  nur  hier  und  an  sich  bedenklich. 
Hitzig  (a.  a.  O.,  S.  140  f.)  will  freilich  auch  v.  6  ''aanao  ^'^  her- 
stellen, indem  er  das  schliefsende  iV  des  vorhergehenden  Verses 
heranzieht,  verfährt  ebenso  bei  v.  14.  15,  wo  '^snati  *^h  n^  g^- 
lesen  werden  soll ,  und  liest  endlich  v.  1 1  mit  etwas  anderer 
Orthographie  'd  *onN-NV.  Die  Oleichartigkeit  in  allen  vier  Stel- 
len, die  auf  diese  Weise  erreicht  wird,  ist  sehr  ansprechend. 
Man  h&tte  anzunehmen,  dafs  die  Verbindung  von  nV  mit  dem 
Imperativ  ehemals  zulässig  war,  aber  frühzeitig  aufser  Oebrauch 
kam,  wodurch  denn  die  Umgestaltung  von  v.  6.  11.  15  veranlafst 


vom  13.  Juni  1870.  389 

wurde.  Nar  hier  (v.  ]  3)  liefs  sich  ein  ähnliches  Verfahren  nicht 
wohl  anwenden;  denn  die  Veränderung  von  nV  in  *>V  ^^^  den 
LXX.  verdient  wenig  Lob.  Im  Übrigen  wäre  die  Verbindung 
1^  "nsM^  ^*  d-  1^  An  sich  nicht  verwerflich;  ganz  ähnlich  ist 
Lev.  11,1  cn^«  '^bnh. 

14.  Wegen  iV  nb«^  vgl.  sn  v.  13. 

18.  Vä&,  ebenso  anstöfsig  wie  hA  v.  10;  man  erwartet  etwa: 

I      r:  T  i 

19.  Ynän  H*n  Mn«Q  föUt  auf  neben  v.  2  und  13,  18,  wozu 
auch  35,  27  zu  vergleichen  ist.  Hier  mag  ursprunglich  der 
Name  Knm  allein  im  Texte  gestanden  haben. 

Cap.  24,  30.     *vxP  nsril  ohne  Subjectsansdruck  braucht  keinen  An- 
Btofs  zu  gewähren. 

32.  Vielleicht  war  Mä^n  beabsichtigt,  wie  J.  D.  Michaelis  le- 
sen wollte. 

33.  Der  Änderung  im  Q'ri,  cim^i  statt  cis^;>i,  hätte  es  viel- 
leicht nicht  bedurft,  wenn  Letzteres  activisch  gefafst  werden 
konnte.  Im  entgegengesetzten  Falle  wäre  die  Passivform  auch 
wohl  50,  26  herzustellen  gewesen.  Die  Punctation  Dirnen  ist 
übrigens  verwerflich. 

38.  nV*dn  ist  unbedenklich. 

39.  ^htf^  defectiv  geschrieben,  wahrscheinlich  auf  Veranlassung 
von  •'V«  V.  40. 

55.     Vor  ü^l  ist  vielleicht  mh  ausgefallen;  vgl.  29,  14. 

62.  n>i  WWQ  M  ist  sehr  anstöfsig.  Sam.:  iftn  nnä  n^lsä  nH; 
LXX.:  iiroatviTO  8m  rr,s  i^xfxov  Hctra  ro  (p^sct^  riig  ogartoog.  Auch 
dies  sagt  wenig  zu.  Houbigant:  'iAi  nna  D^p  N3,  vgl.  25,  11; 
vielleicht  richtig.  Auch  nM»  Nä  konnte  genügen  und  daraus 
würde  sich  die  vorliegende  Entstellung  des  Textes  am  einfach- 
sten erklären;  s.  de  Lagarde,  Onomast,  sacra  II.  p.  95. 

67.    Hinter  n^n'Kn  fehlt  wahrscheinlich:  Vn'K. 

•  V.-    I     ▼  VI 

Cap.  25,  13.     cnbi^ä  fällt  nach  dem  Vorhergehenden  auf,  wird  aber 
nur  von  nachlässiger  Redaction  herrühren. 

15.  Die  Lesart  ^Tin  verdient  den  Vorzug  vor  der  Lesart  n*Tn; 
vgl.  1  Chr.  1,  30.  Ob  ursprünglich  tin  beabsichtigt  war,  bleibt 
zweifelhaft.  —  Die  Localform  ün'ip  fällt  zwar  auf,  wird  aber 
doch  beizubehalten  sein. 

18.  nniQ9K  hält  Nöldeke  (Untersuchungen  zur  Kritik  des  A.  T. 
S.  26«  Anm.  1)  für  verdorben,  wozu  kaum  hinreichender  Orund 


390  Sitzung  der  phihsojyhisch^historischen  Klasse 

vorhanden   ca  sein    scheint.  —    Am  Schiasse   findet   sich    eine 
Lücke.     Man  erwartet  etwa:   nVisn  iV-nVta  oder  Vwwr^V  rhu 

22.  Ob  das  erste  Hemistich  vollständig  erhalten  sei,  ist  zwei- 
felhaft; vielleicht  liefse  sich  am  Schiasse  desselben  n^  ergSnzen. 

26.     Aach  hier  war  eher  wnp^n  sa  erwarten,  wie  v.  25. 

28.     Sam.:    i^^'X,    vielleicht   richtig,   wenn   auch   nicht  grade 

nothig. 

Cap.  26,  2.  3.     Der  Widersprach  awischen    den  beiden  Befehlen 

fällt  ansschliefslich  der  Redaction   aar  Last     Die  gaoxe  Stelle 

V.  2— 5  ist  später  eingefügt;  vgl.  Hitsig,  Begr.  der  Krit.  S.169f. 

12.  Statt  fi'nanä  drücken  LXX.  Syr.  crira  aas:  viellekht 
richtig. 

28.  n3*T;iS'*ä  and  gleich  daneben  ^rra  braucht  keinen  Anstofs 
zu  gewähren,  ist  vielmehr  ganz  angemessen,  da  das  Pluralsuffix 
in  beiden  Formen  nicht  die  gleiche  Oeltang  hat. 

Cap.  27,  3.     Das  K'Stfl  rmt  (neben  ^  v.  5.  7)  beruht  wohl  auf 
einem  Versehen,  woza  das  vorhergehende  TTVSr]  Anlafs  gab. 
24.     Die  Auslassung  der  Fragepartikel  ist  unbedenklich. 

29.  Das  K'^iß  mm^  beruht  wohl  nur  auf  einem  Schreib- 
fehler. 

31.  Die  Punctation  Dp*«  fKllt  auf;  man  erwartete  eher  :?% 
doch  läfst  sich  auch  jenes  rechtfertigen. 

33.  34.  Hitzig,  Begriff  der  Kritik  S.  126  ff.,  will  lesen: 
:fbt3s  rvm  i  rrnsrzyf  wahrscheinlich  mit  Recht. 

39.  Der  Vers  bildet  ein  Gegenstück  zu  v.  28  und  "pa  steht 
hier  in  der  Bedeutung  von  ohne.  Obgleich  man  den  Gegensatz 
zu  V.  28  gern  schärfer  ausgedrückt  sähe,  darf  doch  die  Richtig- 
keit des  Textes  schwerlich  bezweifelt  werden. 

40.  Der  Sinn  von  Tn^  ist  so  dunkel,  dafs  man  auf  eine 
Entstellang  des  Textes  schliefsen  darf.  Die  LXX.  sprachen 
dafür  ^**nri,  womit  Nichts  gewonnen  ist.  Im  Übrigen  ist  dort 
XvtH  au  und  ix}.vTitg  zu  lesen. 

42.     cnan»  scheint  durch  Jes.  1,  24  hinreichend  gerechtfertigt. 

44.  45.  Der  Scblufs  von  v.  44  und  der  Anfang  von  v.  45 
können  kaum  neben  einander  bestehen.  LXX.  blofs:  etue  roC 
arroTToiyl/at  rou  SvfMv  Hat  Tr,v  ogyiiv  roC  dSsX^oO  arov  ävo  a-oG. 

46.  Die  Minuskel  rührt  von  einem  Versehen  her,  durch  wel- 
ches das  zweite  p  ausgelassen  war.  —  Erst  rn~n^9aa  und  dann 


vom  13.  Juni  1870.  391 

» 

noch  yyS^    ^^??^    1^^   ^^^^    anstofsig.      Die    LXX.    lassen    das 
erste  weg. 
Cap.  28,  11.     cij?iaa  ist  anstofsig,  da  keine  Ortsbezeichnung  vor- 
hergeht, auf  welche  sich  das  bestimmte  Nomen  beziehen  konnte. 
Vielleicht  ist  tsipsa  (oder  ^ihm  t'yi^)  zu  lesen. 

22.     Der  Übergang  in  die  zweite  Person  im  zweiten  Hemistich 
beruht  nicht  auf  Beschädigung  des  Textes,    sondern    auf  unge- 
schickter Redaction. 
Cap.  29,  2.     fiMni  richtig;  es  ist  der  Stein,  mit  dem  die  Öffnung 
des  Brunnens  regelmäfsig  verschlossen  wird. 

5,    Vor  "linr^  ist  vielleicht  ^Mnna-";:^  ausgefallen. 

10.  Das  dreimalige  tbm  '^riM  f&llt  auf  und  kann  zum  Theil  auf 
blofsem  Versehen  beruhen. 

24.  Die  Wortordnung  weniger  naturlich,  als  v.  29,  doch  viel- 
leicht ertr&glich. 
Cap.  30,  11.  Beabsichtigt  war  ohne  Zweifel  ^>a;  vgl.  v.l3  *n^MA, 
wobei  der  Umstand,  dafs  dort  ein  Pronominalsuffix  angehfingt 
ist,  von  keinem  Belang  ist,  weil  dies  von  dem  Unterschied  der 
Bedeutungen  von  n^  und  ^x^vk  herrührt. 

15.  nnpVi,  als  Infinitiv  mit  der  Praeposition  V  punctirt,  Ififst 
sich  vertheidigen;  möglich  ist  aber,  dafs  ursprünglich  Pinp_Vi  im 
Perf.  beabsichtigt  war. 

16.  M^n  für  M^int^,  wie  19,  33,  auch  hier  wahrscheinlich  nur 
Schreibfehler;  vgl.'  noch  zu  32,  23.    38,  21.    1  Sam.  19,  10. 

20.     ''n'K     gewährt    Anstofs;     vielleicht     stand     ursprünglich 
''nMos  da. 
31.     Statt  nbm  wird  "ia^H^  zu  lesen  sein. 

I     t     V  I      t     VI 

32 — 36.  Die  Bestimmung  des  Lohns  ist  nicht  ganz  klar  und 
jedenfalls  unvollständig,  indem  des  künftig  fallenden  bunten 
Viehs  hier  gar  nicht  gedacht  wird.  Auch  das  Verfahren  bei 
der  Aussonderung  des  bunten  Viehs  bleibt  undeutlich;  die  erste 
Person  "ih;^N  v.  32  stimmt  nicht  zu  v.  35.  36,  wo  Laban  Subject 
ist.  Dies  alles  wird  aber  Schuld  der  Redaction  sein  und  nicht 
auf  Beschädigung  des  Textes  beruhen.  Gleiches  gilt  von  dem 
Wechsel  der  Ausdrücke  nj;>a  v.  32.  33  und  &**n];9n  v.  35,  in 
welcher  Hinsicht  auch  v.  39.  40  und  31,  8.  10.  12  zu  ver- 
gleichen sind. 

37.  Statt  V;^a  durfte  man  rnp;?a  erwarten  und  auf  diesen 
Pluralbegriif  bezieht  sich  jedenfalls  das  folgende  "jn^,  obgleich 
[1870]  '^28 


392  Sitzung  der  phHosophtMch'historisehen  Klaise 

h^rü  n?;:^  sonst  masc.  ist.  Zach.  11,  7.  14.  Statt  V{ärvz  wire 
etwa  tfion  erwanschter;  vielleicht  war  auch  eine  andere  Aus- 
sprache beabsichtigt. 

38.  Die  Worte  c^^n  P^T^.^  ^^^  vielleicht  auch  die  darauf  folgen- 
den bis  einschliefslich  Tmqh  haben  das  Ansehen  einer  Randglosse, 
die  dem  ursprünglichen  Texte  fremd  war.  —  Die  auffallende 
Form  nataTT»*)  wird  doch  schwerlich  anzufechten  sein:  vgl.  za  v.  41. 

40.  Die  Darstellung  ist  unklar  und  nicht  ohne  inneren  'Wi- 
derspruch ,  welcher  durch  Ausstofsnng  der  Worte  p^  a.  s.  w. 
(bis  zum  Ende  des  ersten  Hemistichs)  gehoben  werden  kann. 
Von  gefleckten  Thieren,  die  in  Labans  Heerde  bleiben,  ist  dann 
nicht  die  Rede.  Jene  Worte  mögen  durch  ungeschickte  Über- 
arbeitung in  den  Text  gekommen  sein.  Der  Vorschlag  ^r^'-i! 
in  *ibT*h^  zu  verwandeln  ist  nicht  unbedenklich;  eher  wünschte 
man  der  Cönformität  halber  "^by-^a-VK. 

41.  Das  Accusativ-Suffix  in  iiSTDn^^  ist  in  hohem  Grade  an- 
stofsig.  Man  wird  versucht  etwa  n:prr"^  zu  schreiben,  vgl.  v.  38; 
allein  der  Gebrauch  von  V  ^^^  Conjunction  ist  dem  Hebräischen 
fremd.  Es  mag  daher  eher  ein  Fehler  in  den  Consonanten 
stecken,  der  durch  die  Nachbarschaft  von  v.  38  leicht  veranlafst 
werden  konnte. 

Cap.  31,  9.  Das  Suffix  in  »'^.,  statt  der  Femininform  verwen- 
det, dürfte  nicht  aufTallen,  wenn  nicht  letztere  v.  6.  7  gebraucht 
wäre.  Der  Mangel  an  Übereinstimmung  wird  der  Redaction  zur 
Last  fallen. 

13.  Vmh  vor  dem  Genitiv  ist  unzulässig;  wahrscheinlich  ist 
hinter  dem  Worte  eine  Lücke  anzunehmen  und  etwa  in  der 
Weise  auszufüllen,  welche  die  LXX.  an  die  Hand  geben. 

18.  Die  Worte  h:**ap  T\ip'ü  u.  s.  w.  bis  zum  Schlüsse  des 
Hemistichs  gehören  wohl  dem  ursprunglichen  Texte  nicht  an. 

20.  V$  ist  hier  eigenthumlich  gebraucht;  doch  braucht  die 
Richtigkeit  des  Textes  nicht  bezweifelt  zu  werden.  Man  erklfire: 
^Jakob  täuschte  den  Laban,  darum  dafs  er*^  —  d.  h.  ^inso- 
fern er*  oder  „indem  er**  —  „ihm  nicht  anzeigte,  dafs  er 
fliehen  (davon  gehn)  wollte^.  Das  Ungewöhnliche  des  Aus- 
drucks sucht  der  Samaritanische  Text  zu  meiden,  indem  er  "q 
statt  ^9  giebt,  was  schwerlich  vorzuziehen  ist  —  Dafs  Laban  hier 
(und  V.  24)  wieder  als  „der  Aram&er^  bezeichnet  wird,  ist  zwar 
sehr  überflüssig,  aber  lediglich  Sache  der  Redaction. 


row  13.  Juni  iS70.  393 

30.  Das  zweite  Hemistich  hätte  wohl,  als  Rede  Labans  be- 
zeichnet, hinter  v.  31  stehn  und  dann  v.  32  als  Worte  Jakobs 
eingeführt  werden  sollen;  doch  wird  auch  hier  lediglich  die  Re- 
daction  ungeschickt  sein. 

32.  Die  Construction  K2C«n  nuJK  C9  statt  ts9  mx^dti  ni23M  ist 
sehr  bedenklich,  Abhülfe  aber  nicht  leicht  zu  gewinnen. 

39.  Die  Worte  nst3pä^  *>^^s  werden  wohl  an  das  Ende  des 
Verses  gehören.  Auch  mag  nsNOftM  statt  der  syncopirten  Form 
herzustellen  sein. 

40.  Das  isolirt  da  stehende  T^'^'^n  fftllt  auf,  doch  läfst  es  sich 
vielleicht  rechtfertigen. 

44.  Vielleicht  sind  vor  dem  zweiten  Hemistich  einige  Worte 
ausgefallen,  wie  etwa:  Va-ntoai. 

45  —  54.  Die  Erzählung  wird  hier  sehr  verwirrt,  indem  zwei- 
erlei Relationen  in  nicht  geschickter  Weise  mit  einander  ver- 
schmolzen sind.  Für  ^n)^^  v.  46  wird  nach  einem  filteren  Vor- 
schlage, unter  Zustimmung  von  de  Lagarde  (Onomast,  sacra  II. 
p.  95),  itdpV?!!  herzustellen  sein.  —  Eine  Beschädigung  des  Textes, 

ISS  4 

die  nicht  der  Redaction  zur  Last  fallen  kann,  zeigt  sich  v.  49 
zu  Anfang,  wo  nsaKtaQ*!  aufserhalb  aller  Satzverbindung  steht  und 
die  Anknüpfung  an  das  Vorhergehende  und  das  Nachfolgende 
gleich  mangelhaft  ist.  Eine  Wiederherstellung  des  ursprüng- 
lichen Textes  scheint  unmöglich.  —  V.  50  haben  die  Worte 
cri'^nM  *^n'Wi  ganz  das  Ansehen  einer  in  den  Text  eingefügten 
Randbemerkung. 
Cap.  32,  7.     Wahrscheinlich  ist  zu  lesen:  ,^«^;jV  Hin  'j^^h  er. 

9.  Statt  nrtttn  ist  ^i^rml^  zu  schreiben,  da  das  Wort  nan«  hier 
sonst  als  Masculin  behandelt  ist 

23.     s.  zu  30,  16. 

31.  32.  Der  Wechsel  der  Formen  Vm^^sb  und  \w&^  beruht 
aaf  zufälliger  Entstellung. 

33.  Ein  Subjectsausdruck  bei  9>9  wird  ungern  vermifst  und 
ist  vielleicht  durch  Versehen  oder  in  Folge  einer  Beschädigung 
des  Textes  ausgefallen. 

Cap.  33,  4.  Vielleicht  war  ursprünglich  inM;2|  mit  Singularsuffix 
beabsichtigt.  —  Die  Puncto  über  dem  Worte  in^v^l  sollten  die 
Tilgung  desselben  andeuten,  welche  aber  von  der  bei  der 
Punctation  zum  Grunde  gelegten  Tradition  mit  Recht  nicht  an- 
erkannt wurde. 

28» 


^94  Sitzung  der  phUosophi9ch-liUtCTi$€hen  Klasse 

20.  Für  einen  Altar  scheint  der  angeführte  Name  so  wenig 
passend,  dafs  man  geneigt  sein  konnte  zu  lesen:  '*)Ai  Vm^  anpü- 
Ähnlich  die  LXX.:  ncti  insHaXuraro  rov  B'mov  'It^«»;>..  Doeh 
ist  es  sehr  zweifelhaft,  ob  damit  das  Richtige  getroffen  wSre, 
da  eine  Namengebung  beabsichtigt  gewesen  sein  wird,  welche 
nur  bei  der  Redaction  mifsverstanden  wurde.  Übrigens  vgl. 
zu  35,  7. 
Cap.  34,  13.  Das  zweite  Hemistich  steht  offenbar  an  nng^ioriger 
Stelle.  Zar  Noth  konnte  es  hinter  den  Namen  caib  treten; 
wahrscheinlicher  ist,  dafs  es  eine  —  freilich  sehr  überflussige  — 
Randbemerkong  war,  die  in  den  Text  eindrang.  Gans  anzu- 
Iftssig  ist  aber  auch  in  seiner  jetzigen  Stellang  das  Wort  r^a*r:; 
jeder  Anstofs  wäre  beseitigt,  wenn  es  mit  rmnsa  den  Platz 
tauschte. 

23.  rngnsL  neben  na»^»  ist  nicht  anstofsig;  es  bedeutet  hier 
lediglich  das  Lastvieh,  wie  36,  6  u.  o. 

24.  Die  Wiederholang  der  Worte  '"^n  ""^^t^-Vd  flllt  auf  and 
beruht  vermuthlich  auf  einem  Versehen.  Die  LXX.  lassen  die 
Worte  aus. 

25.  naa,  zu  n^n  gehörig,  hat  denselben  Sinn  wie  etwa: 
naa  rzw^  m'ü').    Die  Ausdrucksweise  ist  befremdlich,  doch  scheint 

-IT  V   IV  .f    I  ' 

der  Sprachgebrauch  gesichert;  vgl.  besonders  Ez.  30,  9  und  die 
analogen  Fälle  Hab.  2,  19.  Prov.  3,  25. 

27.  Man  vermifst  zu  Anfang  die  Bindepartikel,  welche  LXX. 
und  Andre  ergänzen.  —  Ob  das  zweite  Hemistich  an  der  rech- 
ten Stelle  stehe,  ist  zweifelhaft. 

29.  nta^n  wäre  wohl  zum  zweiten  Hemistich  zu  ziehen,  dann 
aber  auch  rn  statt  des  folgenden  rw}  zu  schreiben  gewesen. 
Cap.  35,  7.  Der  Ort,  um  den  es  sich  hier  handelt,  hat  sicher 
nur  den  Namen  VN-n*'^  (nicht  VK-n'^a  V»)  gefuhrt.  Es  wird  hier 
ein  ähnliches  Mifsverständnifs  der  Quelle  obwalten,  wie  bei 
33,  20.  —  Der  Plural  !iV>a  wird  der  Quelle  entnommen  und  die 
Abänderung  in  den  Singular  nur  aus  Unachtsamkeit  unterblie- 
ben sein. 

16.  dp.rii  neben  nnto'pn  v.  17  braucht  keinen  Anstofs  zu  ge- 
währen. 

22.  Am  Schlüsse  des  Verses  ist  eine  Lücke  anzunehmen,  die 
sich  auch  äufserlich  kenntlich  macht. 


vom  13.  Juni  1870.  395 

26.  Vielleicht  war  fttrV^  beabsichtigt,  wie  36,  5.  —  i^fca 
a^M  pafst  nach  v.  16  nicht  auf  Jo86(f>;  die  Ungenauigkeit  fällt 
aber  der  Redaction  zur  Last. 

27.  Vgl.  zu  23,  19.  Auch  hier  mag  2ranMn  n^]?  und  Min 
yrpn  nachträglich  in  den  Text  aufgenommen  sein,  oder  doch, 
wenn  23,  19  mafsgebend  sein  kann,  Ersteres  allein. 

Cap.  36,  2.  3.  Der  Widerspruch  zwischen  der  Bezeichnung  ^iSäQ 
*>|939  und  der  folgenden  Aufzfthlung,  die  nur  zwei  kenaanitische 
Weiber  —  und  ursprünglich  wohl  nur  ein  solches  —  erwfthnt, 
desgleichen  die  Abweichungen  von  26,  34.  27,  46.  28,  9  hin- 
sichtlich der  Eigennamen,  werden  von  der  Redaction  verschuldet 
sein.  Übrigens  war  hier  (und  v.  14)  anstatt  itfäx^na  nach  hebr. 
Sitte  vielmehr  'sfia  zu  er^'arten,  da  n»  der  Sohn  des  Ci^S^on 
(oder  GiS'ron)  ist,  nicht  die  Tochter;  s.  v.  24.  Doch  wird  nicht 
etwa  mit  den  LXX.  2t*'>|a  herzostellen  sein;  vielmehr  ist  3rrä 
als  eine  gegen  die  herkömmliche  Form  solcher  genealogischer 
Angaben  verstofsende  spätere  Ergänzung  zu  betrachten,  wel- 
che entweder  durch  ein  MiTsverstfindnifs  von  v.  25  veranlafst 
ist,  oder  auf  einer  von  der  Stammtafel  v.  20  ff.  abweichenden 
Überlieferung  beruht.  Eine  nachträgliche  Ergänzung  gleicher 
Art  findet  sich  v.  39.  —  Statt  •»nnn  war  nach  v.  24,  vgl.  mit 
V.  20,  *nhn  zu  erwarten;  die  jetzige  Lesart  beruht  wahrschein- 
lich auf  einem  Versehen  oder  auf  zufälliger  Beschädigung  des 
Textes. 

5.  Mit  dem  Q'ri  ttsnar»  (hier  und  v.  14)  stimmt  v.  18  und 
1  Chr.  1,  35  nberein. 

6.  Wegen  nnna  neben  njjjn  s.  zu  34,  23.  -r-  Hinter  f^K*^« 
ist  unzweifelhaft  der  Name  des  Landes  ausgefallen,  wahrschein- 
lich n*^,  wie  der  Syrer  ergänzt;  indessen  vgl.  man  Nöldeke, 
Untersuchungen  S.  30  Anm. 

8.  Die  letzten  Worte  vielleicht  ursprünglich  blofs  Rand- 
bemerkung. 

10.  Warum  die  Söhne  der  dritten  Frau  hier  übergangen  und 
erst  V.  14  nachgeholt  werden,  ist  unklar;  doch  ist  kein  Grund 
vorhanden,  an  eine  Entstellung  des  Textes  zu  denken. 

11.  Statt  iss  (hier  und  v.  15)  giebt  1  Chr.  1,  36  ^:t. 

13.  Wie  die  Bedeutung  der  Namen  nna  und  rnT  einen  ge- 
wissen Gegensatz  bildet,  so  mag  auch  bei  den  beiden  folgenden 
Namen  (hier,   sowie  v.  17   und   1  Chr.  1,  37)   etwas   Ähnliches 


396  Sitzutig  der  pkilosophinch-hiistorUchen  Klasse 

beabsichtigt  und  deren  ursprungliche  Gestalt  msc  und  htq  (dort- 
hin und  von  hier)  gewesen  sein. 

14.  Vgl.  zu  ▼.  2.  3  und  5. 

15.  Das  K*3i3  yair  kann  nur  auf  Entstellung  beruhen.  — 
Wegen  its  s.  zu  v.  11.  —  ^^  war  nach  v.  11  und  1  Chr.  L  36 
eher  im  folgenden  Verse  zu  erwarten. 

16.  Die  Erw&hnung  Ton  rr\^^  an  dieser  Stelle  scheint  auf 
irgend  einem  Irrthume  oder  ungeschickter  Interpolation  zu  be- 
ruhen; vgl.  V.  18|  womit  V.  14  (und  1  Chr.  1,  35)  überein- 
stimmt. 

20.  9*nä,  QiySyons  Bruder,  hier  und  v.  25,  und  9'nA,  Q\c- 
yons  Sohn,  v.24,  sind  ursprünglich  wohl  identisch;  die  verschiednc 
Stellung,  welche  der  Repraesentant  eines  und  desselben  Stammes 
oder  Qeschlechtes  in  verschiedenen  Geschlechtsregistem  einnahm, 
hätte  hier  nicht  die  AufiTahrung  zweier  Personen  gleiches  Na- 
mens veranlassen  sollen.  Derselbe  Fall  wiederholt  sich  bei 
Dison,  dem  Bruder  (v.  21)  oder  Sohne  (v.  25)  des  3^ä.  Übri- 
gens ist  zu  beachten,  dafs  die  Handschriften  der  LXX.  zum 
Tbeil  zwischen  'Am  v.  20.  25  und  '&2m,  '^vag  oder  'S^mtV  v.  24 
auch  einen  formellen  Unterschied  machen. 

21.  Statt  yit-^  nennen  die  LXX.  hier  und  v.  28.  30  ^Pir^r 
(oder  'FiiTwV). 

22.  Ffir  wry  giebt  1  Chr.  1,  39  e«in.—  AufTallend  ist,  daf^ 
hier  (und  in  der  Chronik)  die  Schwester  Lotäns  nach  dessen 
Söhnen,  und  nicht,  wie  sonst  üblich,  nach  ihren  Brüdern  auf- 
geführt wird. 

23.  Statt  iBQi  bietet  1  Chr.  1,  40  ^t^. 

24.  Vor  n^Mi  ist  vielleicht  ein  Name  ausgefallen;  doch  kann 
die  Bindepartikel,  welche  bei  den  LXX.  Sam.  Syr.  und  auch 
1  Chr.  1,  40  fehlt,  auch  blofs  von  einem  Versehen  herrühren.  — 
Das  Wort  min^  welches  schon  als  ct^rr«^  y.tyifAMvov  die  Aufmerk- 
samkeit auf  sich  zieht,  Ififst  sich  mit  einiger  Sicherheit  nicht 
mehr  erklären  und  setzte  bereits  die  alten  Übersetzer  in  Ver- 
legenheit. LXX.:  701/  'I<v^t<V;  Sam.  Onk.  drucken  &*'C'*h^  ans, 
vgl.  Gen.  14,  5.  Deut.  2,  10.  11,  Sjr.  c^^sn.  Die  Erklärung  der 
Vuig.  durch  aquae  calidae  etymologisch  zu  rechtfertigen  will 
nicht  gelingen.  Bei  unsrer  Unbekanntschaft  mit  der  'horitischen 
Sagengeschichte  ist  es  naturlich  nicht  möglich  zu  ermitteln,  was 
r*nä  in  der  Wüste  gefunden;    vielleicht    fand    er   ganz    einfach 


vofn  13.  Juni  1870.  397 

£^*'n~rK,  seinen  Vetter,  v.  22,  mit  welchem  irgend  etwas  Unge- 
wöhnliches vorgegangen  sein  mag,  das  Ifingst  vergessen  war,  als 
die  jetzige  Aussprache  des  Textes  festgestellt  und  mit  Übersetzung 
desselben  begonnen  wurde. 

25.  Die  ersten  Worte  lassen  mehr  als  den  einen  Namen 
ym  erwarten;  doch  s.  fihnliche  Fälle  46,  23.  Num.  26,  8.  1  Chr. 
],  41.  2,  8.  Übrigens  vgl.  in  Bezug  auf  diesen  zu  v.  20. '—  Das 
zweite  Hemistich  steht  mit  v.  2.  14  in  Folge  der  dort  nachge- 
tragenen Bezeichnung  "(tf^-ra  in  Widerspruch,  da  es  nicht  zwei- 
felhaft sein  kann,  dafs  der  hier  genannte  9*n&  der  Bruder  des 
^i^yön  (v.  20),  nicht  dessen  Sohn  (v.  24)  sein  soll.  Bei  dem 
Nachtragen  der  Worte  'iT^  v.  2.  14  mag  die  hier  vorliegende 
Stelle  des  *höritischen  Geschlechtsregisters  benutzt,  aber  mifs- 
verstanden  sein. 

26.  Hier  war  statt  i«^  ohne  Zweifel  y^"^  zu  nennen,  vgl. 
V.  21;  Dirfän  folgt  erst  v.  28  an  geeigneter  Stelle.  LXX.  rich- 
tig: ^r,T(L'v,  Auch  1  Chr.  1,  41  steht  das  Richtige;  statt  fron 
wird  aber  dort  fn^n  geschrieben. 

27.  Statt   "ii^^pi    wird   mit   Rucksicht   auf  Num^  33,  31.  32. 

Deut.  10,  6  )Zt^)  ^^  ^^^'^  ^^^°*  ^^^^  ^  C^-  h  ^2  ^^^^^  *i^9:^i 
wo  nur  die  Bindepartikel  vor  dem  Namen  wieder  herzustel- 
len ist. 

28.  30.     Wegen  fw-^  vgl.  zu  v.  21. 

32.  Die  Form  yba  (hier  und  1  Chr.  1,  43)  ist  unverdächtig, 
wenn  auch  die  Person  mit  dem  -rff&~ia  ey^s  identisch  ist 

35.  Für  rtx  geben  die  LXX.  Ba^dS^  far  n'n?^  ^MT^ailA  (oder 

r«.S'-3'«i^). 

36.  LXX.:   XitfActSd   oder  Xct?jKiAdf   und  Maa-TinHa  (oder  Ma- 

39,  LXX.:  'A^dS  (oder 'A^«cr)  vioc  Bw^rcS  (oder  Bcr^ad*) ;  vgl. 
V.  35.  —  Statt  des  zweiten  na  geben  die  LXX.  ",3;  vgl.  zu  v.  2. 

40 — 43.  LXX.  weichen  in  den  Consonanten  der  Eigennamen 
theilweise  ab.  —  Statt  nnVrP  v*  40  war  vielleicht  -p^r  zu  schrei- 

IT   I  —  'IT    J  - 

ben,  vgl  V.  23,  und  statt  nn^  etwa  ')nri7,  vgl.  v.  26.  LXX.  an 
erster  Stelle  freilich  FwXrv,  nicht  Vuj?mi'^  wie  v.  23,  an  zweiter 
aber  "U^so  (oder  "leßi^).  Statt  •;3'*fi  v.  41  findet  sich  Num.  33,  42 
*i3ne;  Eusebius  Ononiast.  spricht  für  die  Lesart  der  Gen.  Die 
Form  ürr:f  ist  nicht  anzufechten,  auch  wenn  rn^::  1  Chr.  4,  15 
dieselbe  Person  bezeichnen  sollte. 


398  Sitsuug  der  phUosophiech-hiitorisehen  Klane 

Cap.  37,  2.     Die  ersten  Worte  passen  schlecht  xa  der  nacbfolgeL- 
den  ErsShlung  und  mögen  IrOher  an  einer  andern  Stelle  gestu- 
den  haben.  —   Übrigens    scheint   der  Text   dnreh  Interpolatka 
entstellt  «u  sein.    Die  Worte  'täi  nrrVa  "aa-rn  »^53  K^m  konneo 
nicht  faglicb   heiTsen:    nnd   er   war  (als   dienender)  Bnrscke 
bei    den    Söhnen  Bilhäs  a.  s.  w.     Allerdings  ist  Ge  h*zi  *;n 
Ttnh^  pner  Elisae  2  Reg.  5,  20,  vgL  2  Reg.  4,  12.  8,  4  and 
Stellen  wie  1  Reg.  20,  15.  17.  19.  2  Reg.  19,  6,  schwerlieh  aber 
sagte  man  „Barsche  bei  jemand*'.    Daher  wird  'W  hier  ledig- 
lich den  jungen  Menschen  bedeuten,  die  folgenden  Worte  aber 
(bis  r*SH  ^  einschliefslich)  werden   als    eine    nachtrSglich    und 
ungeschickt    eingefügte    Erlftuterung    zu.    dem     Torhergehenden 
i^nK*r«  anxusehen  sein,  welche  wegen  v.21  angemessen  scheinen 
konnte.     Die  noch  übrig  bleibende  auffallende  Erscheinung,  dafs 
der  unbestimmtere  Ausdruck  'W    auf  die   genaue  Altersangabe 
folgt,  Iftfst  sich  begreifen,  wenn  man  erklftrt:  „Josef,  siebenzehn- 
j&hrig,    war    beschXftigt   mit   seinen  Brüdern  das  KleluTieh  zu 
weiden,  und  er  war  ein  junger  Mensch  nnd  brachte'  (d.  b.  und 
da  er  eben  noch  ein  junger  unerfahrener  Mensch  war,   der  die 
Folgen  seiner  Handlung  nicht  übersah,   so  brachte  er)    „ihren 
Rnf  als  einen  schlechten  su  ihrem  Vater^.    Dafs  rcn  nicht  Ad- 

IT    » 

jectiv  2u  &na*?  sein  kann,  versteht  sich  von  selbst,  da  ihm  der 
Artikel  fehlt. 

4.     ril'n  kann  wohl  nicht  heifsen:  mit  ihm  zu  reden,    son- 

II- 

dern  nur:  sein  Reden.  Damach  hat  man  erklfirt:  „sie  hielten 
sein  Gerede  nicht  aus  in  Gutem*^;  was  gebilligt  werden  mufs, 
insofern  der  Text  als  unversehrt  gelten  darf. 

12.  Die  Praeposition  vor  ikS  sollte  durch  Übersetzen  der 
Puncte  getilgt  werden,  was  jedoch  von  der  Tradition  nicht  ge- 
billigt ist. 

17.  Vielleicht  war  statt  yrn^  ^^  Übereinstimmung  mit  dem 
Vorhergehenden  yrn^  beabsichtigt;  doch  findet  sich  die  Form 
fy!\  auch  2  Reg.  6,  13  und  ist  an  sich  nicht  anstöfsig. 

23.  Die  letzten  Worte  vielleicht  nur  nachgetragene  Erlfinte- 
runir  zu  nrsrtfi-TM. 

28.  Die  hier  auftretenden  Midianiter  sind  von  den  (bereits 
erw&hnten)  IsmaSlitem  nicht  verschieden,  obgleich  jenes  Volk 
25,  2  nicht  zu  den  Ismaölitern  gerechnet  wurde.  Hier  soll  dem 
weiteren    Begriffe    der    IsmaSliter    der   engere    midianitischer 


vom  13.  Juni  1870.  399 

IsmaSliter  8ub8tituirt  werden,  welcher,  als  bisher  nicht  erwähnt, 
unbestimmt  bleiben  mufste,  sodafs  der  Artikel  nicht  gebraucht 
werden  durfte:  „die  gedachten  IsmaSliter  waren  aber^,  wie  sich 
bald  zeigte,  „midianitische  Kaufleute*^. 

36.  Statt  B^^yrsni  ist  wohl  nach  v.  28  s*'9*^^fri  herzustellen.  — 
Der  Name  nfc'^hB,  hier  und  39,  1,  scheint  nur  eine  verstummelte 
Form  des  Namens  snD  *>Difi  41,  45.  46,  20  zu  sein.  Die  LXX. 
haben  für  beide  Namen  dieselbe  Form  HiTt(f>^,fy  mit  der  Variante 
ÜBVTiipg^g;  s.  de  Lagarde,  Vorrede  zur  Genesis,  p.  20,  welcher 
:^E*<^&  für  die  ursprüngliche  Lesart  hftlt  Doch  möchte  die 
Umgestaltung  der  ersten  Sylbe  bei  den  Hebrfiern  schon  vor  Ab- 
fassung dieses  Theils  der  Gen.  eingetreten  sein. 
Cap.  38,  14.  s^a*^,  hier  ohne  Artikel,  v.  21  mit  demselben,  was 
aber  gerade  bei  dem  Eigennamen  keinen  Anstofs  giebt«  Übri- 
gens ist  hn&  hier  so  wenig,  wie  anderswo,  s.  v.  a.  "Wdi  man 
MTurde  es  etwa  durch  „Eingang^  zu  übersetzen  haben. 

16.  Vn  vor  l^l^^in  wird  mit  de  Lagarde,  Anmerkungen  zur 
griech.  Übersetzung  der  Froverbien  S.  III,  zu  tilgen  sein. 

21.    Wahrscheinlich  ist  zu  lesen:  Hr\m  TV^^'n',  vgl.  zu  30,  16. 

28.  'T^'p^Tl  ohne  nfthere  Bezeichnung  des  Subjects,  die  wohl 
möglich  war,  aber  entbehrlich  schien. 

29.  30.  Für  K**)p^i  hfttte  man  beide  Male  vielmehr  Mlpmi  er- 
warten  dürfen ,  wie  4,  25  u.  ö.  Indessen  wird  das  Verbnm  Mnp 
im  Activ  so  hfiufig  als  Aequivalent  einer  Passivform  gebraucht, 
dafs  an  eine  Entstellung  des  Textes  nicht  gedacht  werden  darf. 

Cap.  39,  4.     Vielleicht  sollte  auch  hier,   wie  v.  5.  8,   stehen:  Vbi 

8.    Statt  n*'asi'-ns  war  nach  v.  6  eher  a  manttta  zu  erwarten. 

14.  H^m  ohne  nähere  Bezeichnung  des  Subjects,  die  unnö- 
tbig  schien. 

20.  Das  K'«&i;3  -«niDM  beruht  wohl  nur  auf  zufälliger  Ent- 
stellung des  Textes.  V.  22  ist  B'i^'QKrT  die  allein  beglaubigte 
Lesart,  obgleich  manche  Ausgaben  dieselbe  auch  dort  nur  als 
Q'ri  anmerken. 
Cap.  40,  10.  nses  ist  bedenklich,  da  ^a  =  nxa  sonst  nicht  vor- 
kommt und  gewifs  als  Masc.  anzusehen  wfire.  Man  hat  nsa  zu 
lesen  und  nach  Analogie  von  Jes.  5,  6.  34,  13.  Prov.  24,  31 
zu  erklären:  „und  er^  (der  Weinstock)  „war  wie  sprossend; 
er  ging  auf  als  Blüte ^  (d.  h.  in  Bluten);    „die  Traubenkämme 


400  Sitzung  der  philosophiach'hhtorischen  Klasse 

brachten^  (schliefslich)  „Trauben  zur  Reife*^.    Alles  dieses  hatte 
sich  nach  und  nach  in  dem  Traume  so  gezeigt. 

14.  Der  Anschlufs  an  das  Vorhergehende  durch  *a  ist  unge- 
wöhnlicher Art,  wird  sich  aber  rechtfertigen  lassen;  cm  ist  wie 
gewöhnlich  Bedingungspartikel:  „aber  wenn  du  dich  meiner  er- 
innert haben  wirst,  sobald  es  dir  gut  geht,  dann  bitte  übe  Gnade 
an  mir  u.  s.  w.^ 

15.  ^4  mit  dem  Artikel,  insofern  das  ganze,  bereits  er> 
wähnte  Gef&ngnifs  als  ein  unterirdisches  gedacht  werden  mochte. 

20.  Dafs  hier  von  beiden  Beamten  gleicbro&fsig  erzählt  wird, 
ihr  Haupt  sei  erhoben  worden,  ist  anstöfsig,  da  der  Zusatz 
rj^^Tü  y.  19  von  so  wesentlicher  Bedeutung  ist.  Doch  scheint 
der  Text  nicht  gerade  beschädigt  zu  sein. 
Cap.  41,  3.  4.  Zu  ri;»*?;  findet  sich  die  Variante  rn;»*^*),  wie  auch 
der  Samarit.  hat.  Mit  Rücksicht  auf  v.  19.  20  kann  diese  Lesart 
den  Vorzug  zu  verdienen  scheinen;  doch  ist  eine  völlige  Über- 
einstimmung  in  den  verschiedenen  Stellen  nicht  eben  erforderlich. 

8.  Statt  n79'7n  war  nach  dem  Vorhergehenden  und  wegen  de^ 
folgenden  cnnn  der  Plural  zu  erwarten;  die  Inconsequenz  mag 
aber  der  Redaction  zur  Last  fallen. 

13.  Vielleicht  ist  tvsnt  hinter  ä**i^n  ausgefallen;  zur  Noth  kann 
es  jedoch  entbehrt  werden. 

23.  n^*!  stimmt  nicht  genau  zu  v.  27,  wo  Tr!^y}  gelesen  wird ; 
vgl.  zu  V.  3.  4.  —  (^\!*^^.^  '^^  Bezug  auf  das  Feminin  ist  nur 
deshalb  anstöfsig,  weil  in  diesem  ganzen  Abschnitte  sonst  be- 
ständig das  Sufßx  )n  gebraucht  wird. 

26.  Vor  n^B  sollte  der  Artikel  stehn,  der  wohl  nicht  ab- 
sichtlich  weggelassen  ist. 

27.  Statt  ^*^  ni:5  war  wiederum  nan  s**:«  zu  erwarten:  es 
wird  aber  eine  Inconsequenz  der  Redaction  sein. 

32.  Die  mit  -j^i  nis^Kn  Vri  beginnende  Rede  bleibt  unvollen- 
det oder  wird  durch  das  eintretende  **&  unterbrochen;  der  Text 

r 

ist  aber  unversehrt. 

34.     Vor  rnS9'^  wird  etwa  n's  herzustellen  sein. 

ir"Jr-  I 

42.  Die  goldne  Kette,  richtig;  es  war  diejenige,  welche  er 
selber  trug  und  die  zu  den  Insignien  der  Herrschaft  gehörte. 

43.  1\i}'^^  ist  dunkel  und  der  Text  vielleicht  beschädigt;  na- 
mentlich schliefst  sich  das  zweite  Hemistich  unbequem  an.  Viel- 
leicht steckt  in  dem  dunkeln  Worte  der  Inf.  abs.  T^na,  als  unter- 


vom  13.  Juni  1870.  401 

geordneter  Theil  eines  Satzes,  der  vor  dem  Josef  ausgerufen 
wurde,  wie  etwa:   W  1\^  ClD'T-rit  a-rf'^«  tj'ja. 

45.  Dafs  die  LXX.,  indem  sie  narfi  nscat  durch  "fou^ofjufyttuYiX 
ersetzen y  eine  andere  Lesart  vor  Augen  hatten,  ist  nicht  ge- 
wifs.  —  Wegen  des  Namens  tf^t  nsnB  vgl.  zu  37,  36.  —  Das 
zweite  Hemistich  lassen  die  LXX.  weg,  wie  es  denn  wegen 
v.  46  überflussig  ist.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dais  ursprünglich 
e)Oi'**rw|  nst^  geschrieben  war,  wozu  die  Praeposition  V9  besser 
pafot,  als  SU  t:)DV«  MS^n,  was  durch  ein  Versehen  aus  v.  46  her- 
nbergenommen  wurde. 

48.  Für  c'^ats  9:itt)  wird  wie  v.  53  zu  lesen  sein:  '^so  t^v 
yy&n;  nur  dann  hat  das  folgende  'i>r\  n^n  n^,  einen  Sinn.  — 
Das  zweite  Hemistich  mag  ursprünglich  blofs  erläuternde  Rand> 
bemerkung  gewesen  sein. 

50.  Warum  "^t^  gesprochen  wird  und  nicht  nV^  ist  unklar.  — 
I9nn  rtiu  im  Sing,  ffillt  auf,  ohne  dafs  Grund  vorhanden  wfire, 
die  Richtigkeit  des  Textes  zu  bezweifeln.  —  Das  zweite  Hemi- 
stich vielleicht  späterer  Zusatz. 

53.  Für  n;n  stünde  besser  w,  wie  v.  48 ;  vielleicht  liegt  nur 
ein  Versehen  zum  Grunde. 

54.  Obgleich  die  letzten  Worte  in  Widerspruch  mit  v.  55  zu 
stehn  scheinen,  wird  doch  an  dem  Texte  nichts  zu  ändern  sein; 
der  Ausdruck  ist  nur  etwas  ungeschickt  V.  54  bezieht  sich  cnV 
auf  das  v.  49  erwähnte  angesammelte  Getraide  (na),  v.  55  auf 
das  den  Landesbewohnem  wegen  Mifswachs  fehlende  eigne  Brod- 
kom.  Die  Handschriften  der  LXX.  suchen  zum  Theil  dem  an- 
scheinenden Widerspruche  durch  Einfügung  einer  Negation  ab- 
zuhelfen: iv  is  TTtiTYi  yri  AiyxjTrrov  evj€  Yfrnv  a^Tot\  dadurch  wird 
aber  wieder  nur  scheinbar  geholfen. 

56.  Der  Text  gewährt  mancherlei  Anstofs.  Die  Worte 
cnä  *itt)K-V&*nN  können  unmöglich  richtig  sein;  es  fehlt  eine 
ausdrückliche  Bezeichnung  der  Vorrathshäuser  und  am  Schlüsse 
etwa  na,  wie  der  Samarit.  richtig  ergänzt.  LXX.:  nviw^s  Si 
'iwTiJ^  iravrttQ  roig  vftoßoktSvag.  Ferner  steht  natD^T  in  einer 
ganz  ungewöhnlichen  Bedeutung;  vermutblich  war  nat3^  beab- 
sichtigt, vgl.  42,  6.  Der  letzte  Satz  ist  hier  störend  und  fehlt 
bei  den  LXX.;  er  hätte  den  Vers  beginnen  können  und  dafür 
das  erste  Hemistich  hier  am  Ende  stehn;  dann  wäre  der  Ober- 
gang zu  V.  57  ein  natürlicher  gewesen. 


402  Sitzung  der  philosophisch-hi$torischen  Kla$$e 


57.  ODr~^N>  abhfingig  von  nttt,  steht  nicht  an  recht  geeigne- 
tem Platze  und  ist  wohl  erst  nachtrftglich  eingeschoben. 
Cap.  42,  13.  Die  Oestalt  des  Textes  ist  sehr  anbefriedigen<L  Der 
Gedanke,  der  allein  beabsichtigt  sein  kann,  war  auszudrücken 
entweder  durch  die  Worte:  Tw-ti^  na  ötw  *r*T^  **»  o-or, 
oder  durch  dieselben  Worte  mit  ^onaK  an  Stelle  von  tm^r. 
Ohne  Zweifel  ist  *.atn3M  aus  v.  32,  wo  es  ganz  am  Orte  ist,  hier 
einst  am  Rande  angemerkt  und  später  in  den  Text  geraüien. 

19.  ^N  hfitte  wohl  hier  nicht  weniger  mit  dem  Artikel  ver* 
sehen  werden  sollen,  als  v.  33.  —  Der  Ausdruck  %  fa^n  mc 
„Oetraide  (zur  Stillung)  des  Hungers*^  fiUlt  auf;  einigermaCsen 
ähnlich  ist  der  Ausdruck  tj^^iT  map  Jes.  30,  23,  „Regen  (zum 
Gedeihen)  deiner  Saat^.     V.  33  steht  sogar  blofs  a  *|tun. 

25.  nA*)  a**i:}nVn  in  Abhängigkeit  von  nx^n  ist  wegen  des  da- 
zwischen getretenen  Satzes  sehr  unbequem  und  incorrect;  die 
Schuld  davon  fällt  auf  die  Redaction.  —  t7-*N  hat  hier  den  Werth 

r 

eines  Genitivs,  abhängig  von  t)DS,  welches  auszudrücken  durch 
das  unmittelbar  vorhergehende  &n**Bp&  unnöthig  wurde. 

28.    i-'nM-VK  ti^«  ^T^n^T  ist  unbedenklich;   gemeint  ist  c*— r« 

30.     VieUeicht  war  beabsichtigt:  n«iöo-V«  ?):nki  i^r ;  vgL  v.  17. 

33.  Vor  a  *pa2n  mag  ^X3  ausgefallen  sein;  vgl.  v.  19. 

34.  Statt  cn»  cna  *»s  wäre  eher  m  q*«»-»«  zu  erwarten  ee- 
wesen,  wie  v.  19;  in  dieser  Fassung  würden  die  Worte  dann 
dem  zweiten  Hemistich  angehören.  In  dem  Texte,  wie  er  vor- 
liegt, sind  entweder  diese  Worte  oder  die  zunächst  vorhergehen- 
den, ebenfalls  durch  **^  eingeleiteten,  überflüssig. 

35.  lü^H  steht  hier  absolute  voran  und  ist  entweder  als 
Accusativ  nach  arabischer  Weise  abhängig  von  nsn  (Silvestre  de 
Sacy,  gramm.  Ar.,  2*  edit.  II.  p.  105),  oder  —  was  im  Hebr. 
zulässig  erscheint  —  ein  von  rtsn  unabhängiger  Nominativ. 

Cap.  43,  11.  fn^n  t^'jltat,  bei  der  gewohnlichen  Erklärung  ein 
kühner  Ausdruck,  aber  doch  wohl  statthaft.  LXX.:  atro  t^v 
Haart^v  r^9  7^^;  ob  nach  andrer  Lesart  ist  zweifelhaft. 

12.  >ni^^  tlOs  hier  und  C)Da-n3^Q  v.  15  sind  gleich  statthaft; 
in  keinem  von  beiden  Fällen  hängt  das  zweite  Wort  von  dem 
ersten  im  Genitiv  ab. 

14.     *-)nK  ohne  Artikel,   incorrect.     LXX.  drücken  nnM  (oder 

r*  •▼ 

TTiKn)  aus. 


i^om  13.  Juni  1870.  403 

28.    Das  K'^i^  *i{^v^  beruht  nur  auf  einem  VerBeben. 

34.    Statt  ixmy  war  vielleicbt  der  Plural  beabsichtigt.    LXX.: 


Cap.  45,  1.  Die  Worte  v^hp^  B'*^9Q  VbV  schliefsen  sieh  an  das 
Vorhergehende  zwar  nicht  mit  völlig  klarem  Sinne  an,  doch 
scheint  der  Text  unbesch&digt  zu  sein. 

7.  Statt  riD^^V  wird  m9*'V&  zu  lesen  sein.     LXX.  richtig: 

8.  hm^y  nachlfissig  statt  des  concinneren  Vi^Vu 

19.  Der  Übergang  von  nn^^nat  n^Mi  zu  dem  Folgenden  ist 
sehr  schroflf ;  doch  deutet  Nichts  auf  eine  Beschldigung  des  Textes. 
Die  LXX.,  den  Übergang  erleichternd:  9-0  il  !vT»t>utt  ravTet. 

Cap.  46,  3.  Der  Infinitiv  srn  nur  hier;  vielleicht  ist  das  gewöhn- 
liche nm  herzustellen. 

VI» 

9 — 24.  Auch  in  diesem  Oeschlechtsregister  weichen  die 
LXX  hinsichtlich  der  Eigennamen  mehr£sch  erheblich  ab. 

10.  Stott  htm^i  geben  die  Parallelstellen  Num.26,  12.  1  Chr. 
4,  24  VKqaa.  Ebenda  fehlt  "iQ'fic  ganz.  Statt  y^'i  hat  1  Chr.  4,  24 
i-n;.  Statt  nrt»  (hier  und  Ex.  6,  15)  wird  Num.  26,  13  rnj  ge- 
nannt. Die  Divergenz  zeigt  sich  auch  bei  den  LXX.  n'^a;p3fin 
(hier  und  Ex.  6,  15)  mit  dem  Artikel,  indem  hinreichende  Be- 
kanntschaft mit  den  Verhfiltnissen  vorausgesetzt  wird. 

13.  Die  Bildung  des  Namens  n^B  (hier  und  Num.  26,  23) 
föllt  auf,  zumal  da  das  Patronymicnm  '^ym  (Num.  a.  a.  O.)  lautet, 
zu  welchem  aber  auch  die  Schreibart  riNW  1  Chr.  7,  1  (vgl. 
Jad.  10,  1)  nicht  pabt;  vgl.  zu  Num.  26,^23.  —  Für  äh^  ist 
ohne  Zweifel  nach  Num.  26,  24.  1  Chr.  7,  1  (im  QVi)  mit  Sam. 
LXX.  ^r^  herzustellen. 

15.  Die  ungeschickte  Anfügung  der  Worte  a  na*^  riM*)  und 
die  Einschaltung  von  VT(m'n  fallen  der  Redaction  zur  Last. 

16.  Stott  ti^'fel  giebt  Num.  26,  15  lifeS  (LXX.:  Xatpuiy),  statt 
laxN  (LXX.:  earoßdv)  Num.26,  16  '«stM,  stoU  ^^^vr»  Num.26,  17 

17.  niti*«   und    '^^'^   hier    und  1  Chr.  7,  30  neben   einander, 

W    J  •  PI*  '  ' 

wfihrend  Num.  26,  44  "^«s^  genannt  ist.    Die  Zählung  v.  18  setzt 
beide  Namen  voraus. 

20.  Die  Worte  'n>i  iV-m^*^  nVN  bis  zum  Schlüsse  des  ersten 
Hemistichs  sind  unangemessener  Weise  nachtrfiglich  in  den  ur* 
sprünglichen  Text  eingefugt. 


404  Siizung  der  philoBophUch-histarischen  Klasze 

21.  -ca  fehlt  in  der  ParalleUtelle  1  Chr.  8  nnd  erhfilt  Num. 
269  35  einen  Platz  unter  den  Ephraimiten.  Umgekehrt  fehlt 
msk  Nom.  26  nnd  erhilt  1  Chr.  8,  3.  5  einen  andern  Platz.  Der 
Name  "»ya  wird  sowohl  Nnm.  26,  40  als  1  Chr.  8,  4  auf  andre 
Weise  in  die  Geschlechtstafel  eingelugt.  AUe  diese  Verschieden- 
heiten mögen  auf  abweichender  Tradition  beruhen.  Dagegen 
wird  hier  t^Knn  *rat  (und  1  Chr.  8,  1  rnrjg)  aus  ursprünglichem 
£'n'*nK  entstanden  sein;  vgl.  Num.  26,  38.  Doch  setzt  schon  die 
Znsammenzählnng  t.  22  zwei  Namen  voraus.  —  Auch  c*^? 
(LXX.:  Maiu^nu  oder  M«r|(Mf>tu)  ist  ohne  Zweifel  entstellt;  1  Chr. 
7,  12  findet  sich  statt  dessen  eso  (LXX.  Sa^i^i  oder  2£a7^}, 
Num.  26,  39  eriKi^  (LXX.  Set'i^V),  aber  mit  dem  Patronjmiciiffl 
roric^  (LXX.  Sw^m^/),  und  1  Chr.  8,  5  icninb  (LXX.  Sw^),  ^'^ 
Enkel  Binjamin's.  Die  richtige  Form  war  vielleicht  ecm  —  In 
ähnlicher  Weise  anstöfsig  ist  der  folgende  Name  &*^tn,  1  Chr. 
7,  12  rsn  geschrieben;  dagegen  giebt  Num.  26,  39  wahrschein- 
lich richtig  C£?n,  woraus  trm  1  Chr.  8,  5  (als  Enkel  Binjamin*s) 
entstellt  sein  wird.  —  Mit  Tw,  der  Num.  26,  40  als  Enkel  Bin- 
jamin's  auftritt,  darf  vielleicht  ttm  1  Chr.  8,  3  (ebenfalls  Enkel 
B's)  zusammengestellt  werden. 

22.  Für  ni^  wfire  n*!:?^  mehr  am  Orte  gewesen,  wie  in  dem 
eingefügten  Satze  v.  20. 

23.  71  ^vi\  im  Plural,  obgleich  nur  ein  Name  folgt,  wird 
doch  der  Redaction  angehören.  Der  Name  &*m  (1  Chr.  7,  13 
£isn,  mit  der  Variante  cvn)  erregt  Bedenken.  Num.  26,  42 
giebt  dafür  crnc),  welche  Form  den  zu  v.  21  angeführten  Namen 
CBIO  und  cfiin  gut  entspricht. 

24.  Statt  \vcsßr^  (hier  und  Num.  26,  48)  liest  man  1  Chr.  7,  13 
^»"«Sti::;  statt  cV^  (hier  und  Num.  26,  49)  ebenda  entti. 

26.  ^L^"^  scheint  unbedenklich,  wenn  man  auch  eher  äbr***:? 
erwartet  hfitte.  —  Bei  der  Zusammenz&hlung  bleiben  hier  die 
früher  eingeschlossenen  Personen  weg:  Jaqob  selbst,  Josetp  und 
dessen  Söhne.  Die  Wiederholung  von  T^fes^Va  zu  Anfang  des 
zweiten  Hemistichs  ist  nicht  anstörsig. 

28.     Ein  Objectsausdruck  zu  rHmh  ist  durchaus  entbehrlich 
und  nicht  etwa  ausgefallen. 
Cap.  47,  3.     Wahrscheinlich  sollte  *;kS  ^1  geschrieben  werden  und 
das  vorhergehende  Wort,  das  mit  nsn  schliefst,  veranlasste  einou 
Irrthum.     Cap.  46,  34  war  r»^  am  Orte. 


vom  13.  Juni  1870.  405 

21.  Das  erste  Hemistich  ist  weder  ganz  klar,  noch  dem  Zu- 
sammenhange angemessen.  Der  Samaritanische  Text  bietet  die 
Lesart:  s'^näj'^  TT.«  ^nsr\  zsima^s  womit  die  LXX.  ubereinstim- 
men:  nai  rov  "kctov  x{tTsBoif}Ma'nTo  civtw  th  valSixc,  Josef  machte 
ihm  (dem  Eonige)  das  Volk  dienstbar  zu  Knechten,  d.  h.  sodafs 
sie  Knechte,  Hörige  wurden.  Diese  Gestalt  des  Textes  w^ird 
die  ursprüngliche  sein. 

24.  Die  Kürze  des  Ausdrucks  ret^ü^si  Ififst  sich  kaum  recht- 
fertigen  und  wahrscheinlich  ist  der  Text  beschädigt.  LXX. 
ohne  Praeposition:  nett  tTrat  rce  yivY,fActT{t  ovt^c.  —  Die  Hand- 
schriften der  LXX.  lassen  grofstentheils  die  beiden  letzten  Worte 
weg,  vielleicht  mit  Recht.  Sonst  fänden  dieselben  einen  sehr 
angemessenen  Platz  unmittelbar  hinter  ea^NV^,  wo  sie  auch  ur- 
sprünglich gestanden  haben  mögen. 

26.     Die  Worte  OTh'^  ni>i£'^  schliefsen   sich  sehr  schlecht  an 

•    I  I    •       « 

das  Vorhergehende  an.    LXX. :  arrorrtfjLTrroCv  rw  ^a^nti.    Schwer- 
lich liegt  der  Text  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  vor. 

28.  Die  Worte  r;n  "»s^  sind  vielleicht  nachträglich  einge- 
schoben, und  zwar  mit  Rücksicht  auf  den  Ausdruck  v.  8.  9. 
Cap.  48,  1.  2.  Die  Singulare  npÄ-^n  —  *7ä^  —  und  nochmals  HttK^ 
scheinen  dem  sonstigen  hebräischen  Sprachgebrauche  nicht  zu 
entsprechen;  die  Berufung  auf  den  analogen  Gebrauch  von  m^;? 
(s.  zu  38,  29.  30)  genügt  nicht  ganz  zur  Rechtfertigung  des  Tex- 
tes. Yielleicht  war  auszusprechen:  tiöi"^  IBK'^i  und  n«K»l  apa?*»^  ^»'•n. 

7.  Der  ganze  Vers  könnte  hier  fuglich  entbehrt  werden,  die 
Aufnahme  desselben  ist  aber  der  Redaction  zuzuschreiben.  — 
Hinter  "^'q  ist  vielleicht  cn»  durch  Versehen  oder  in  Folge 
einer  Beschädigung  ausgefallen.  —  Für  n'nttt  wird  ntnntN  her- 
zustellen sein;  das  n  scheint  auf  Anlafs  des  folgenden  Wortes 
ausgefallen  zu  sein. 

8.  Der  Übergang  zum  Gebrauche  des  Namens  ^»"^107  statt 
21??'*  beruht  auf  Verschiedenheit  der  benutzten  Berichte. 

11.  Statt  n'Kn  war  vielleicht  ne<n  (rrwn)  beabsichtigt. 

12.  Für  den  Sing.  Ti^'y  drucken  Sam.  LXX.  Syr.  den  Plural 
ans,  was  nicht  gebilligt  zu  werden  verdient. 

14.  Die  Bedeutung  von  Vato  ist  nicht  ganz  sicher;  LXX.: 
sVft/J.«^  Trtc  x«f«9,  unter  Weglasaung  der  folgenden  Worte,  die 
allerdings  unter  allen  Umständen  entbehrlich  sind  und  Ursprung* 
lieh  vielleicht  nur  eine  Randbemerkung  waren. 


1 


40G  Sitzung  der  philosophiscJi'h istarischen  Klasse 


16.  "^iS*^«!  wäre  besser  weggeblieben,  doch  gebort  es  gewiis 
dem  nrsprSnglicben  Texte  an.  —  Der  Ausdruck  '^im  srsn  mt^"* 
ist  kein  gewöhnlicher,  die  Richtigkeit  des  Textes  l&fst  sich  aber 
wohl  nicht  bezweifeln. 

20.     Statt  Tca  war  eher  csa  su  erwarten. 
Cap.  49,  3.     Für  t^  erwartete  man  tp;  was  die  überlieferte  Aas- 
sprache veranlafste  ist  unklar. 

4.  Im  ersten  Hemistich  lassen  sich  die  grammatischen  Ver- 
hältnisse nicht  gana  klar  erkennen  und  ebensowenig  der  Siim 
von  -irrm  genau  feststellen.  Vielleicht  war  eine  andre  Aus- 
sprache beabsichtigt,  etwa  nrntn*VM.  Im  zweiten  Hemistich  wird 
durch  das  letzte  Wort  n^  die  Gliederung  des  Versea  wesentlich 
gestört  und  es  ist  möglich,  dafs  dieses  Wort  einst  vor  tv^hr  stand 
und  T(^  zu  sprechen  war.  LXX.:  oS  avißYfi.  Auch  Sjr.  und 
Andre  geben  die  zweite  Person. 

10.  Die  Varianten  in  der  Schreibung  des  Ortsnamens  n*'?*^ 
sind  unerheblich,  sobald  die  überlieferte  Aussprache  festgehalten 
wird.  Doch  mag  die  Plenarschreibart  erst  durch  die  jetzige 
Aussprache  hervorgerufen  und  nVo  (oder  n^^v)  als  die  ältere 
Gestalt  des  Textes  anzusehen  sein.  Da  das  „Gelangen  nach 
Schilo*^  für  die  Geschichte  Juda's  ganz  unerheblich  war  und 
die  Praeposition  na»  hier  nur  den  terminus  ad  quem  bezeichnet 
haben  kann,  so  mufs  in  dem  nVv  die  Bezeichnung  einer  Person 
gefunden  werden ,  welche  das  Subject  des  vorhergehenden  ks^ 
sein  sollte.  Gemeint  kann  nur  ein  solcher  sein,  der  Juda  in 
der  Herrschaft  ablöste.  Hiernach  erscheint  der  Vorschlag  de 
Lagarde's  (Onomast  sacra  II.  p.  96)  die  Schreibart  n*?*^  bei- 
zubehalten und  durch  üVki^  (is  quem  Inda  ipse  expetit)  zu  er- 
klären, unannehmbar.  Damit  könnte  doch  nur  der  Messias  ge- 
meint  sein;  dieser  aber  durfte  zur  Zeit,  wo  v.  10  entstand,  kauoi 
anderswo  her  erwartet  werden,  als  eben  aus  Juda,  und  dann 
war  seine  künftige  Herrschaft  doch  lediglich  die  Fortsetzung  der 
von  Juda  mit  erhöhtem  Ansehen.  Dafs  Juda's  Herrschaft  einst 
ein  Ende  nehmen  und  auf  einen  Anderen,  Mächtigeren,  über- 
gehen werde,  ist  in  dem  Segen  auch  dann  nicht  befremdlich, 
wenn  Letzterer  kein  Besserer  war,  als  Juda;  es  mufste  eben 
einmal  so  kommen  und  es  kam  so,  als  Juda  von  dem  obex' 
asiatischen  Grofskönige  unterworfen  wurde.  Auf  diesen  wird 
auch  durch  das  dunkle  nVv  gezielt  sein,  welches  frühzeitig  etwa 


vom  13.  Juni  1870,  407 

ans  irV«  (vgl.  42,  6)  entstanden  sein  mag.  Der  Sinn  wäre: 
^bis  dafs  ein  Gewaltiger  kommt  und  ihm^  (d.  h.  diesem)  ^Na- 
tionen  gehorchen^. 

13.  Die  Gliederung  des  Verses  ist  gestört;  vielleicht  genügt 
es  die  Worte  r^sN  thrh  Nnni  auszuscheiden.  Übrigens  hfitte 
wohl  Jissäx^^  (^*  ^^*  ^«^)  ^^^  Z^bülun  erwfihnt  sein  sollen. 

14.  Statt  B*^>  nbn  geben  die  LXX.:  ro  Häkov  STrs^vufiTtVy 
indem  sie  für  nuan  ohne  Zweifel  ^Tän  lasen  oder  lesen  wollten, 
während,  die  Gestaltung  des  folgenden  Wortes  bei  ihnen  nicht 
deutlich  za  erkennen  ist  Die  Richtigkeit  des  hebr.  Textes  kann 
allerdings  zweifelhaft  erscheinen.  Geiger  (Urschrift  und  Über- 
setzungen, S.  360)  liest,  auf  den  Sam.  Text  sich  stützend,  -ibn 
c*n^,  was  durch  den  Inhalt  von  v.  15  empfohlen  wird. 

17.  Statt  "n*»  liefe  sich  zwar  eher  ir^tr»  erwarten,  doch  wird 
auch  jenes  zulässig  sein. 

18.  Dieser  Stofsseufzer  an  dieser  Stelle  fällt  mit  Recht  auf 
und  darf  für  ein  späteres  Einschiebsel  gehalten  werden. 

19.  Hier  war  zunächst  die  Erwähnung  Na(f>t&irs  zu  erwar- 
ten, als  des  jüngeren  Sohnes  der  Bilhä.  —  Statt  äp9  wird  mit 
Heranziehung  des  störenden  "q  zu  Anfang  des  folgenden  Verses 
cnp.9  zu  lesen  sein,  wie  längst  vorgeschlagen  ist. 

20.  Wegen  n^o   s.  zu  v.  19. 

21.  Statt  n^M  möchte  die  Punctation  hVm  vorzuziehen  sein. 
LiXX.:  TTl\t%og;  vgl.  Hieronym.  quaestiones  Hebr.  p.  70  de 
Liagarde.  Dann  ist  aber  auch  nci^^'ncM  zu  schreiben:  „er,  der 
schöne  Wipfel  treibt*'.  LXX.:  iviSiSovg  iv  tw  ytuviifMeTt  xaK>.o^y 
was  die  Gestalt  des  Textes,  die  dabei  zum  Grunde  liegt,  nicht 
klar  erkennen  läfst. 

.22.  Das  zweite  Hemistich  mufs  als  beschädigt  angesehen 
vrerden;  der  Sinn  ist  ziemlich  unklar.  LXX.:  vloc  im\j  viuSTccroff 
TT^og  u8  ai/«TT^Ä\por.  Sie  wollten  etwa  lesen :  nzw  '^hn  n'^rxn  na; 
was  freilich  nicht  sonderlich  befriedigt. 

23.  Die  Schroffheit  des  Überganges  kann  mit  der  Zerstörung 
des  vorhergehenden  Hemistichs  zusammenhängen;  vielleicht  ist 
aber  noch  eine  Lücke  zwischen  beiden  Versen  anzunehmen.  — 
Statt  na^3,  was  vermuthlich  bedeuteu  soll  „indem  sie  schös- 
sen*', drucken  mehrere  alte  Übersetzungen  nann  aus,  von  ä'^n. 
LfXX.:  iXotBogo'jt;  Sam.:  "iH^'^^'n,  wodurch  zugleich  die  ihm 
vielleicht  —  wenn  auch  ohne  Grund  —  anstöfsige  Perfectform 
[1870]  29 


408  Sitzung  der  phihsophUch-historischen  Kla$$e 

beseitigt  wurde.     Weder  der  Sinn,   noch   die  arsprungliche  Gv 
stalt  des  Textes  lassen  sieh  mit  Sicherheit  feststellen. 

24.  Die  Worte  ir'*Na  ^VP^y  von  dem  Bogen  gebraucht,  be- 
friedigen nicht  und  die  Verbindung  i***!^  **shT  ist  sehr  anstöfsig. 
Vielleicht  war  ursprünglich  r^^  rrhj  geschrieben.  Die  LrXX. 
beliehen  die  Pronominalsuffize  auf  die  Feinde  und  findem  -x^^ 
in  'ISTO13  ab:  9eni  avvtT^ißyi  fjura  x^irrovc  ra  ro^n  wjt^v  xai  l^i- 
XiiS^  ra  vtv^a  ßgayjovojy  %f^öiv  nvTm*j  woran  sich  dann  im 
sweiten  Hemistich  unmittelbar  die  Worte  anschliefsen :  Suz  ysh*^ 
BvvaTTo'j  'litHwß.  Bei  der  Unklarheit  der  überlieferten  Gestalt 
des  Textes  lag  es  allerdings  nahe  an  Stellen  sn  denken,  wie 
Ps.  37,  15.  46,  10;  aber  die  Art,  wie  die  LXX.  den  Text  am- 
sagestalten  yersuchten,  ist  ebenfalls  unklar  und  befriedigt  durch* 
aus  nicht.  Übrigens  liegt  es  auch  nicht  fern,  bei  dem  ersten 
Hemistich  an  eine  ursprüngliche  Fassung  au  denken,  die  etwa 
den  Sinn  hatte  von  isjti^  cp^'n  anwn-«^,  vgl,  2  Sam.  1,  22. — 
Das  zweite  Hemistich  ist  in  seiner  jetzigen  Gestalt  unverständ- 
lich und  ohne  Zweifel  entstellt  Die  ersten  Worte  :ib9">  n*dc  **'r:: 
konnten,  mit  dem  Vorhergehenden  verbunden,  nur  comparativisch 
gefafst  werden,  was  keinen  zulässigen  Sinn  giebt.  Das  Richtige 
wird  sein  mit  de  Lagarde  (Onomast.  Sacra  II.  p.  96)  'n'na  in 
**ratQ  zu  verwandeln  und  am  Schlüsse  zu  lesen:  "^a  ms  nrs^ 
VM'lto'*,  so  dafs  zwei  Parallclglieder  von  befriedigendem  Sinne  vor- 
liegen. Die  Praeposition  *;'a  mufs  dann  von  einem  ausgefalle- 
nen Verbum  abhängen,  etw^  von  ")Dn*^^N  ne  recedas,  dessen 
Ergänzung  dann  auch  in  v.  25  fortgesetzt  wird  und  dort  den 
Anschlufs  von  •n'^T^n  und  •nana^'i  verständlich  macht. 

25.  Vgl.  zu  V.  24.  —  Statt  r«l  ist  rwn  oder  r«w  oder  auch 
mit  einigen  Handschriften  und  Versionen  Vn*;,  oder  dafür  hnrz 
oder  Vnq!),  herzustellen.  LXX.  blofs:  >na  E/Sorc-rxi  <rot  o  «c^fcc 
0  ittov  feai  ti\oyY,Ti  o-t  xtX.  —  Das  zweite  Hemistich  ist  eine 
prosaische  und  dem  Text  ursprünglich  nicht  angehörende  Er- 
läuterung und  zwar  weniger  des  vorhergehenden,  als  des  fol- 
genden Verses. 

26.  Für  n»  *'nin  wird  "VP  "»nnn  zu  lesen  sein,  den  cV-cr  rjr? 
entsprechend,  —  Der  Ausdruck  innp  ist  in  befremdlicher  Weiso 
gebraucht;  höchst  wahrscheinlich  ist  dafür  n-Äiri  (oder  nK»-Vr) 
herzustellen. 


I  V 


vom  13.  Juni  1870.  409 

30.  Das  zweite  Hemistich  schliefst  sieh  nicht  gut  an  und 
scheint  ein  ebenso  anpassendes  als  nnnöthiges  Einschiebsel  zu 
sein.  Dasselbe  wird  50,  13  fast  wortlich  wiederholt,  schliefst 
sich  aber  auch  dort  nicht  besser  an.  Übrigens  kann  nv^M  in 
dieser  Verbindung  keinen  andren  Sinn  haben,  als  den  von  nv)M 
cv,  wie  Num.  20,  13. 

32.     Der  Vers  steht  aufserhalb  aller  graminatischen  Verbin- 
dung nnd  gehörte  gewifs  nicht  in  den  Text. 
Cap.  50,  13.     Vgl.  zu  49,  80. 

23.  B?^tK^  unbedenklich,  obgleich  der  Ausdruck  ü^^^üi  Enkel 
mit  Rucksicht  auf  Joß^(p  gewählt  ist;  dieser  sah  efiraimitische 
Urenkel  und  auch  manassi tische,  Söhne  seines  Enkels  Machir. 

26.  Hier  war  eher  die  Passiyform  daypy  zu  erwarten;  vgl, 
zu  24,  33. 


16-  Juni.     Gesammtsitzung  der  Akademie, 

Hr.  Kummer  las    über  die  einfachste  Darstellung  der 
ans  Einheitswur'^eln  gebildeten  complexen  Zahlen,  wel 
che  durch  Multiplikation  mit  Einheiten  bewirkt  werden 
kann. 

Unter  den  complexen  Primfaktoren,  welche  Hr.  Reuschle 
ausgerechnet  und  der  Akademie  übergeben  hat,  befindet  sich  ein 
idealer  Primfaktor,  dessen  neunte  Potenz  wirklich  ist  und  zwar 
ist  dies  ein  idealer  Primfaktor  der  Zahl  2,  für  die  aus  31ten  Ein- 
heitswurzeln gebildeten  complexen  Zahlen.  Die  neunte  Potenz  die- 
ses idealen  Primfaktors  der  Zahl  2  stellt  sich,  weil  2^  ^  1  mod.  31 
ist,  als  wirklich  complexe  Zahl  dar,  welche  nur  die  fünfgliedrigen 
Perioden  der  31ten  Wurzeln  der  Einheit  enth&lt.  Bezeichnet  man 
die  31te  Wurzel  der  Einheit  mit  cc  und  nimmt  die  sechs  fünfglie- 
drigen Perioden: 

29» 


410 


OesammUitzung 

VI     =s 

n     -f-  «1«  -f-  a«    -f-  a*    -H  rt* 

^1  = 

«•    -f.  a^l  -f-  rt«4  -f-  a«  -f-  a« 

Ij  = 

„9    ^  „20  -^  rt*0  ^  «5    ^  ^18 

^t  = 

rt»7  ^  ^9  ^  „so  ^  „IS  ^  „2S 

»  A 

ftl9  -^  ^5  ^  „28  ^  „14  ^  „7 

^i  = 

„26  4.  „IS  ^  „22  ^  „M  ^  „21 

80  I&fst  Sich  die  von  Hrn.  Reuschle  gefandene  nennte  Potenz  des 
idealen  Primfaktors  der  2  in  der  einfachsten  Form  darstellen  als: 

/(*:)9  =  3-f-*;,-h»?3  4-rj.,        *  (1.) 

welche  complexe  Zahl  wirklich  die  Bedingung  erfüllt,  dafs  ihre 
Norm  gleich  2'  ==  612  ist  nnd  dafs  sie  nur  einen  der  sechs  eon- 
jagirten  idealen  Primfaktoren  neunmal  enthält.  Ich  bemerke  noch, 
dafs  dieselbe  neunte  Potenz  der  idealen  Zahl  in  gebrochener  Form 
sich  auch  so  darsteUen  Ififst: 

1  "i"  T4 

Da  dieser  eine  gefundene  ideale  Primfaktor  zur  Auffindung 
aller  derjenigen  aus  31ten  £inheits wurzeln  gebildeten  idealen  Prim- 
faktoren,  deren  neunte  Potenzen  wirklieh  werden,  den  Weg  eröff- 
net, so  habe  ich  versucht  mit  Hülfe  desselben  auch  einen  von  den- 
jenigen idealen  Primfaktoren  auszurechnen,  welche  nicht  aus  Perio- 
den, sondern  aus  den  31ten  Einheits wurzeln  selbst  gebildet  sind, 
welche  also  30  conjugirte  ideale  Primfaktoren  haben.  Nach  den 
aus  dem  Canon  arithmeticus  zu  entnehmenden  30  Congruenzwur- 
zeln,  welche  für  jp  =  311  den  Einheitswnrzeln  entsprechen,  findet 
man  sogleich,  dafs  die  complexe  Zahl 

1  -h  f<«  —  («1« 

einen  idealen  Primfaktor  der  Zahl  311  enthält.  Bildet  man  nun 
die  Norm,  so  findet  man 

N(l  -f-  rt«  —  ai6)  =  2*.  311  ,  (3.) 

woraus  folgt,  dafs  diese  complexe  Zahl  aufser  dem  einen  idealen 
Primfaktor   von   311    nur  noch   einen   idealen  Primfaktor   von    2 


vom  16.  Juni  1870.  411 

enthält,  and  zwar,  wie  die  für  diesen  vorhandenen  Congruenzhe- 
d  in  gangen  zeigen,  denselben,  dessen  nennte  Potenz  oben  dargestellt 
ist.  Bezeichnet  man  nun  den  idealen  Primfaktor  von  311  mit  (p(/*)i 
so  hat  man 

.,(„)»  =  (^  +  "'  -  «")L  .  (4.) 

'^  ^  3  -h  »Js  -f-  r,  -H  rs  ^    ' 

Hiermit  ist  die  neunte  Potenz  des  gesuchten  idealen  Primfak- 
tors als  wirkliche  complexe  Zahl  dargestellt,  aber  noch  in  gebro- 
chener Form;  um  dieselbe  als  ganze  complexe  Zahl  darzustellen, 
mufs  man  Z&hler  und  Nenner  mit  der  complexen  Zahl  \^(r)  mul- 
tipliciren,  welche  das  Produkt  der  fünf  zu  3  -4-  »j^  -4-  »jj  4-  »15  con- 
JQgirten  complexen  Zahlen  ist  und  daher  die  Eigenschaft  hat,  dafs 

^^  W  (3  H- ra  4- iJj -f- O  =*  2» 
ist  und  ausgerechnet  folgenden  Werth  ergiebt: 

%|/(>5)  =  101  -+-  öl*j  — 3l>ji  — 6^2  — 58*j3  -h  35174  •  (^0 

Hiernach  erhält  man 

'P («)3  =   ^'^        J  ^^^^^  •  (6.) 

Nach  Ausfuhrung  der  Potenzerhebung  und  Multiplikation  im  Zäh- 
ler hebt  sich  der  Nenner  2^  von  selbst  hinweg  und  man  erhält 
folgendes  Resultat: 

<p(ay  =:  —  264  -4-  26«  4-792«^  -f-  136««  —  4U«*  —  364«* 

—  695  ««-1-44  «^4-629  a»  4-10«^  — 10Sal<>— 458«" 

—  831«"  -*-  197  «1»  -t-  480«**  4-  185  «**  -f-  286«"  (7.) 

—  615 «i'^  —  634«"  -t-  316«"  4-  ZSOa^  4-  641«*^ 
502«"  —  521«"  —  383«**  4-  172«"  -4-  160«" 
801«"  4-  403«"  —  517«"  —  295««»  . 


Die  Prüfung  der  Richtigkeit  der  numerischen  Rechnung  er- 
giebt sich  zumTheil  schon  daraus,  dafs  der  Nenner  2^  sich  wirk- 
lich hin  weghebt,  ich  habe  aber  aufserdem  auch  in  allen  einzelnen 
Stadien  dieser  und  auch  der  folgenden  Rechnung  die  Congruenzen 


412  Ge$ammUitzung 

far  den  Modul  31  angewendet,  welche  alle  Gleichungen  erfüllen 
müssen  9  wenn  n  «=  1  gesetzt  wird.  Endlich  habe  ich  das  gefnn- 
dede  Resultat  auch  dadurch  geprfift,  dafs  (f>(a)'  =  0,  mod.  311  sein 
muTs,  wenn  für  die  Einheitswurzeln  die  entsprechenden  Gongmenz- 
wurzeln  gesetzt  werden.  Die  wirkliche  Berechnang  der  Norm  des 
gefundenen  Ausdrucks  von  <^(^)'  wurde  eine  unverhSltnifsmfifsig 
grofse  Arbeit  erfordern. 

Da  eine  jede  complexe  Zahl,  insofern  sie  nur  durch  die  in 
ihr  enthaltenen  (idealen)  Primfaktoren  bestimmt  Ist,  mit  Einheiten 
ganz  beliebig  behaftet  sein,  und  so  in  unendlich  vielen  verschiede- 
nen  Gestalten  dargesteUt  werden  kann,  unter  denen  diejenigen, 
welche  möglichst  kleine  Zahlen  als  CoSfBcienten  enthalten,  offenbar 
den  Vorzug  verdienen,  so  habe  ich  darch  Multiplication  mit  pas- 
send gewählten  Einheiten  die  gefundene  complexe  Zahl  zu  verein- 
fachen gesucht  und  bin  so  bis  zu  folgender  einfacheren  Darstel- 
lung gelangt: 

(f)(ay  =  —  5  —  2a  -f-  5«*  -I-  8«'  -f-  7a*  —  4a*  -f-  4a«  -f-  a^ 
-h  5a»  -4-  6al0  _  e<,n  »_  2 a"  -f-  a*»  —  2 a»*  —  a^* 
H- 4al«— a"— 2al»-4-2a«>— 4a*i— 10aM-f.2a» 
—  2a"  — 5a«*-|-3a"-f-7a»^  — 2a"  — 2ftW--2a»0. 

Da  auf  dem  bis  dahin  von  mir  eingeschlagenen  Wege  der 
nach  einem  bestimmten  Principe  angestellten  Versuche  eine  weitere 
Vereinfachung  sich  nicht  erreichen  liefs,  und  da  ich  dessenunge* 
achtet  die  Überzeugung  hatte,  dafs  dies  noch  nicht  die  einfachste 
Form  dieser  complexen  Zahl  sei,  so  suchte  ich  eine  Methode,  durch 
welche  man  in  den  Stand  gesetzt  wurde  in  directer  Weise  die  ein- 
fachste Form  einer  jeden  gegebenen  complexen  Zahl  zu  finden. 
Diese  Methode  will  ich  hier  auseinandersetzen. 

Wenn  wir  in  dem  Vorhergehenden  diejenige  complexe  Zahl 
als  die  einfachere  angesehen  haben,  deren  GoSfßcienten  kleinere 
Zahlen  sind,  so  ist  diese  Bestimmung  insofern  ungenau,  als  von 
zwei  gegebenen  Complexen  von  je  n  Zahlen  sich  nicht  immer  mit 
Bestimmtheit  angeben  l&fst,  welcher  von  ihnen  die  grofseren  oder 
die  kleineren  Zahlen  enth&lt;  es  ist  darum  zunächst  genau  zu  de- 
finiren,  welche  Form  der  complexen  Zahl  als  die  einfachere  oder 
einfachste  anzusehen  ist.  Diese  Bestimmung  ist  an  die  wesent- 
licheren Eigenschaften  der  complexen  Zahl  anzuknüpfen. 


vom  16.  Juni  1870.  413 

Es  sei  Xeine  Primzahl,  «*  =as  i,  und  /(«)  eine  aus  Xten  Wur- 
zeln der  Einheit  gebildete  complexe  Zahl»  so  ist  das  Produkt 
/(")/(«"')>  sowie  auch  alle  seine  conjugirten,  stets  real  und  po- 
sitiv.    Setzt  man  nun  der  Kürze  halber  =  ß  und  bezeichnet 

2 

mit  7  eine  primitive  Wurzel  der  Primzahl  X,  so  ist  die  Summe 
dieser  ju  conjugirten  complexen  Zahlen 

Jf  =  /(«)/(«-')  +/(«")/(«-")  +  -  +/(«"""")/(«-''""')     (9.) 

als  symmetrische  Funktion  aller  Wurzeln  «,  «',  ...  «^~*  eine  nicht- 
complexe  ganze  Zahl.  Diese  Summe  Jif  nimmt  andere  und  andere 
Werthe  an,  wenn/(»)  mit  anderen  und  anderen  Einheiten  multiplicirt 
wird,  das  Produkt  dieser  (jl  conjugirten  complexen  Zahlen,  welches 
gleich  der  Norm  N/(ct)  ist,  ist  aber  von  den  Einheiten,  mit  welchen 
/(rr)  multiplicirt  werden  kann,  ganz  unabhängig.  Da  das  Produkt  die- 
ser IIA  stets  positiven  Gröfsen  unverändert  bleibt,  so  wird  nach 
einem  bekannnten  Satze  ihre  Summe  M  den  kleinsten  Werth  er- 
halten, wenn  die  einzelnen  Theile  derselben  möglichst  nahe  einan- 
der gleich  werden  und  umgekehrt,  wenn  M  den  möglichst  klein- 
sten Werth  erhält,  werden  die  conjugirten  complexen  Zahlen,  ans 
welchen  diese  Summe  zusammengesetzt  ist,  möglichst  nahe  einan- 
der gleich  werden.  Da  die  möglichst  nahe  Gleichheit  der  Werthe 
dieser  conjugirten  complexen  Zahlen,  die  wesentlichste  Bedingung 
der  Einfachheit  der  complexen  Zahl  /(rc)  ausmacht,  so  definire  ich: 

Unter  allen  complexen  Zahlen  /(<y),  welche  nur  durch  hin- 
zugefugte Einheiten  sich  unterscheiden,  soll  diejenige  als 
die  einfachste  betrachtet  werden,  für  welche  die  Summe 
M  der  mit  f(s')/ior^)  conjugirten  (a  complexen  Zahlen 
den  kleinsten  Werth  erhält 

Nimmt  man 

/(«)  =  a  -h  Ol«  -h  öa«^  H-  ...  4-  öx_i«^~*  , 
so  erhält  man  für  die  Summe  M  folgenden  Ausdruck     • 

2lf=>.(a«H-a?-f-ajH f-aÜ.,)^— (a-l-ai+ajH hax-i)*(10.) 

^'  vergl.  meine  Abhandlung  in  Lionvilles  Journal  Bd.  XVI  p442, 
welcher  auch  so  dargestellt  werden  kann: 


(13.) 


414  OesammUitzung 

2M  =  (a— ai)'  -H  (ö  — öl)'  +  (a— a,)'  H h  (a— a;,.,)* 

-h(a,  — a,)'-f-(ai— a,)'H l-(ai— ax_,)'(ll.) 

4-(a,— aj)'H l-(a,— a^,.,)* 

« 

Man  hat  daher  mit  der  obigen  Definition  vollkommen  übereinstim- 
mend auch  die  folgende: 

Unter  allen  complexen  Zahlen,  welche  nur  durch  hiiucage- 
fngte  Einheiten  Bich  unterscheiden »    soll  diejenige  als   die 
einfachste  betrachtet  werden ,    für  welche  die  Summe  der 
Quadrate  der  Unterschiede  je  zweier  ihrer  >.  CoSfficienten     i 
den  kleinsten  Werth  hat. 

Die  Aufgabe  für  eine  gegebene  complexe  Zahl  f(jx)  die  ein- 
fachste Form  zu  finden,  d.  h.  eine  Einheit  J^(«t)  von  der  Art  zu 
finden,  dafs  für  E{€t)/(a)  die  Summe  der  Quadrate  der  Differen- 
zen je  zweier  CoSfficienten  den  kleinsten  Werth  erhalte,  wird  nun 
durch  folgende  direkte  Methode  gelöst: 

Es  sei  «1,  «s,  01,  ...  e^_i  ein  System  von-  Fundamentalein- 
heiten, so  dafs  jede  beliebige  Einheit  sich  in  der  Form 

1  S  1  M'l 

darstellen  läfst,    so  handelt  es  sich  darum  die  Exponenten  X],4r), 
•  -•  ^M-i  ^^  2^  bestimmen,  dafs 

efi««i...e;i-. /(«)=/•(«)  (12.) 

die  einfachste  Form  erhalte.     Es  wird  nun,  weil  die  Einheiten  un- 
verändert bleiben,  wenn  «  in  «""^   verwandelt  wird 

und  wenn  die  Logarithmen  genommen  werden : 


welche  Gleichung,  da  statt  der  Wurzel  n  i^uch  n^,  »^   ,  ...  n^" 
genommen  werden  kann,   ein  System  von  fx  Gleichungen  repräsen- 


vom  16.  Juni  1870,  415 

tirt,  von  denen  jedoch  nur  /u  —  1  unabhängig  sind,  da  die  Samme 
aller  ^- Gleichungen  identisch  o  =»  0  ergiebt. 

Wenn  man  nun  vorläufig  darauf  verzichtet,  dafs  die  Grofsen 
Xx^x^^ ,,.  Xf^^i  ganze  Zahlen  sein  sollen,  so  kann  man  dieselben 
so  bestimmen,  dafs  die  numerischen  Werthe  der  fx  conjugirten  com- 
plexen  Zahlen 

/(«)/(«-),  /'(«^)/'(. -") ,  .../'(«^""')/(«-^''"')   (1*0 

nicht  nur  möglichst  nahe,  sondern  sogar  vollständig  einander  gleich 

werden,  dafs  also,  da  ihr  Produkt  gleich  der  Norm  iV/(«)  ist,  jede 

I* 

derselben  den  Werth  yNf{a)  erhält.  Man  erhält  so  zur  Be- 
stimmung der  ju  —  1  Grofsen  Xi^  x^, ,..  x^_i  ein  System  von  n* — 1 
unabhängigen  linearen  Gleichungen,  welches  durch 

=   -/iV/(«)-/(/W/(«->)) 

repräsentirt  wird,    wo  die  Einheitswurzel  et  die  \x  —  l  verschiede- 

nen  Werthe  rr ,  a^ ,  »^  . . .  a*^  annimmt.  Da  nun  die  aus  die 
Sern  Systeme  von  /ia  —  i  unabhängigen  linearen  Gleichungen  zu  be- 
stimmenden, nicht  ganzzahligen  Werthe  der  Grofsen  Xi^  x^^  ...  x^^i 
die  vollständige  Gleichheit  der  ju  conjugirten  complexen  Zahlen  (14) 
ergeben,  so  wird  man  die  nahe  Gleichheit  derselben  und  somit 
einen  sehr  kleinen  Werth  ihrer  Summe  M  erlangen,  wenn  man  für 
die  Exponenten  x^yX^^  ...  j;^.i  diejenigen  ganzen  Zahlen  nimmt, 
welche  diesen  gefundenen  nicht  ganzzahligen  Werthen  am  nächsten 
liegen,  namentlich  diejenigen,  welche  sich  nur  um  weniger  als  eine 
halbe  Einheit  von  ihnen  unterscheiden.  Man  kann  jedoch  nicht 
mit  Sicherheit  darauf  rechnen,  dafs  man  durch  Multiplikation  der 
complexen  Zahl  f{ct)  durch  die  nach  dieser  Methode  bestimmte 
Einheit  die  absolut  einfachste  Darstellung  derselben  erhält,  ffir 
welche  M  den  absolut  kleinsten  Werth  hat,  sondern*  nur  darauf, 
dafs  man  eine  Darstellung  der  complexen  Zahl  erhält,  welche  der 
absolut  einfachsten  sehr  nahe  liegt 

Der  mehr  oder  minder  gunstige  Erfolg  dieser  Methode  hängt 
nothwendig  auch  von  der  Wahl  des  Systems  der  Fundamentalein- 
heiten ab,  durch  welche  die  zu  findende  Einheit  ausgedrückt  wird. 


416  Gesammtsitzung 

Aus  dem  Systeme  der  Gleichungen  (13)  ersieht  man  unmittelbar, 
dafs  diejenigen  Fundamentaleinheiten  die  vorth ei Ihaf testen  sein  wer- 
den, für  welche  kleine  Änderungen  der  Qröfsen  j?i  ,X2>  ...  «r^-i 
nur  möglichst  kleine  Änderungen  der  Werthe  von  ^lN/{a) 
— /(«)/(«"')  zur  Folge  haben  und  dies  ist  offenbar  der  Fall, 
wenn  die  Grofsen 

l(e\)  ,    l(el)  ,    ...  l(eU,) 

und  ihre  conjugirten  die  möglichst  kleinsten  Werthe  haben,  d.  h. 
dem  Werthe  0  möglichst  nahe  kommen.  Hieraus  folgt,  dafs  die 
Quadrate  der  zu  Grunde  zu  legenden  Fundamentaleinheiten  und 
der  ihnen  conjugirten,  welche  zum  Theil  gröfser  und  zum  Theil 
kleiner  als  Eins  sind,  alle  dem  Werthe  Eins  möglichst  nahe  liegen 
müssen,  dafs  also  für  eine  jede  dieser  Fundamentaleinheiten  die 
oben  mit  M  bezeichnete  Zahl  den  möglichst  kleinsten  Werth  er- 
halten mufs,  dafs  also  diejenigen  Fundaroentaleinheiten  zu  wählen 
sind,  welche  in  dem  oben  definirten  Sinne  selbst  als  die  einfachsten 
anzusehen  sind. 

Da  man  in  der  Theorie  der  hier  behandelten  complexen  Zah- 
len bis  jetzt  noch  in  keinem  einzigen  Falle  ein  fundamentaleres 
System  unabhängiger  Einheiten  kennt,  als  das  der  conjugirten 
Kreistheilungscinheiten,  so  wird  man  für  jetzt  nothwendig  nur 
ein  solches  zu  Grunde  zu  legen  haben;  aber  auch  diese  werden 
nach  dem  oben  Bemerkten  nicht  alle  gleich  vortheilhaft  sein,  und 
man  wird  in  jedem  Falle  denjenigen  den  Vorzug  zu  geben  haben, 
für  welche  die  Zahl  Af ,  also  die  Summe  der  Quadrate  der  Diffe- 
renzen je  zweier  Coefücienten  den  kleinsten  Werth  erhält.  In  dem 
Falle,  wo  :±:  2  eine  primitive  Wurzel  der  Primzahl  X  ist,  bat  man 
das  unabhängige  System  der  zu  »  -f-  rc~'  conjugirten  Einheiten  zu 
wählen,  für  welches  die  Zahl  M  den  Werth  >.  —  2  hat;  wenn  db3 
die  kleinste  primitive  Wurzel  von  X  ist,  so  hat  man  die  zu  1  +  ^ 

3(X  — 3) 


oT^  conjugirten  Einheiten  zu  wählen,  für  welche  M  =^ 

ist  u.  s.  w. 

Das  System  linearer  Gleichungen,  durch  welche  die  Exponen- 
ten Xi,  Xs  ,  ...x^..i  bestimmt  werden,  hat  in  dem  Falle,  wo  ein  Sy* 
stem  conjugirter  Kreistheilungseinheiten  zu  Grunde  gelegt  wird, 
eine  sehr  einfache  Auflösung.     Nimmt  man 


vom  Iß.  Juni  1870.  417 

"* (1  _„)(!_„-.) '  (16-) 

WO  ±:  7  eine  primitiTe  Wurzel  der  Primzahl  X  ist,  so  bilden 

ein  System  conjugirter  Kreistheilungseinheiten ,  welches,  da  unter 
denselben  nur  die  eine  Gleichung 

besteht,  ein  System  von  /li  —  l  unabhängigen  Einheiten  ist.  Nimmt 
man  nun 

^=  «'efi«fa...«'«7i  (17.) 

als  die  Einheit  mit  welcher  /(rr)  zu  multipliciren  ist,  damit  es  in 
der  einfachsten  Form  dargestellt  werde,  so  kann  man  ohne  diese 
Einheit  zu  ändern  die  u-Exponenten  Xy  Xi^  .,,  x~^  alle  um  eine 
und  dieselbe  Oröfse  vermehren  oder  vermindern,  sodafs  einer  der- 
selben, oder  wenn  man  will  die  Summe  aller  unbestimmt  bleibt 
und  beliebig  gewählt  werden  kann.  Setzt  man  nun  zur  Verein- 
fachung 

so  hat  man  folgendes  System  von  Gleichungen: 

*,x  4- «a^i  4- ^4^2 -+- •••  4- 'i^M-i        =-48  (18.) 

s^^i  X  -{-  e    Xj  -hfl  Jfa  +•••-+-  s^_2X^_i  ==   Ä^^i 
wo 

«  4-  «1    4-   ffj  H h  s^^i    =0 

.4  4-  -4,  -h  Jla  4 h  .4«.,  =  0 

ist,  sodafs  nur  /Li  —  l  dieser  /tx- Gleichungen  von  einander  unabhän- 
gig sind  und  eine  derselben  eine  Folge  der  übrigen  ist  Bezeich- 
net man  nun  mit  ß  eine  primitive  Wurzel  der  Gleichung 


418  Gesa/mntsitzung 

;3«  =  1, 


als  welche 

fi   =   cos h  ism 


•^   —  cos h  t  sm  — 


gewählt  werden  soll,  so  erh&lt  man  durch  Maltiplikation  dieser 
line&ren  Gleichungen  mit  1, /?*, /3'*,.. /B^"""*^*  und  Addition: 

also 

und  hieraus,  wenn  man  mit  /3^*  multiplicirt  und  für  A  =  1,  2^  .../ia  —  i 
die  Summe  nimmt: 

M**  -  Ä  =  -*       ,^^*,^^....^^c.-.,»,^_, C2O0 

WO  Ä  =  jc -h  j?,  H- •••  H- x^_i  die  Summe  aller  Exponenten  be- 
zeichnet, welche,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  beliebig  gewählt 
werden  kann.  Hieraus  folgt  weiter,  dafs  die  Werthe  der  Expo- 
nenten j;,  Xi ,  •••  x^_i  in  folgende  Form  gesetzt  werden  können 

fjix     .  =  Ä   -h        CÄ-i-  CiÄi  -{ hC^-iilM-i 

JJLXi        =  Ä,  -h       CiÄ'\-  C2Ä1  -i \-CÄ^^i 

i  (21.) 

ßx^^i  =  S  -i-  C^_,  Ä  -h    CÄi  H h  C^_,  i4^_,  • 

Die  Coefficienten  C,  C, ,  ...  C;«.i  sind  in  realer  Form  durch  fol- 
genden Ausdruck  gegeben 

cos ^jL  -h  sm El 

C   -'V  ^  '^        '  (22.) 

*•  "■  7*  Ei  -hE'^ 

wo 

I  +  /3*e,  +  -  -+-  /3"-'>*t^.,  «=  £»  +  t£i  . 


vom  16.  Jmi  1870.  419 

Die  Summen  von  fx  —  i  Gliedern,  durch  vrelche  die  CyCi  ...  C^_, 
zu  berechnen  sind,  reduciren  sich  auf  die  Hfilfte  der  Glieder,  weil 
je  zwei  vom  Anfange  und  Ende  gleich  abstehende  Glieder  einander 
gleich  sind,  welches  daraus  folgt,  dafs 

w  w  f2n(u  —  h)7r\  _^2n^7r 

U/^«j  =  Jb/^  COS  I  I    =     COS 9 


f* 


F'        —         F'  a\n     2n(a  — A)?r  «:„  l^A^ 

j!i     jL  =  —  /*,»  Sin    =    —  sin • 

Da  die  Grofse  S  in  dem  Ausdrucke  (22.)  ganz  beliebig  ge- 
wählt werden  kann,  oder,  was  dasselbe  ist,  da  man  die  Werthe 
der  x,Xi^  •••  J^m-i  ^^  gleichzeitig  um  eine  und  dieselbe  beliebige 
Grofse  yermehren  und  vermindern  kann,  ohne  das  Resultat  zu  an- 
dern, so  folgt,  dafs  es  nicht  blofs  ein  einziges  bestimmtes  System 
von  ganzzahligen  Werthen  dieser  Exponenten  giebt,  welche  sich 
von  den  gebrochenen  Werthen  um  weniger  als  eine  halbe  Einheit 
unterscheiden,  sondern  dafs  es  im  Allgemeinen  fx  solcher  Werth- 
Bysteme  giebt,  welche  man  mit  gleichem  Rechte  wählen  konnte. 
Unter  diesen  hat  man  daher  schliefslich  noch  dasjenige  auszusu- 
chen, welches  den  kleinsten  Werth  der  Summe  M  ergiebt 

Nach  dieser  Methode  habe  ich  nun  für  die  oben  gegebene 
complexe  Zahl,  welche  die  neunte  Potenz  eines  idealen  Primfaktors 
von  p  =  311  für  X  =  31  giebt,  die  nothigen  Rechnungen  vollstän- 
dig ausgeführt  und  gefunden,  dafs  dieselbe  folgende  sehr  einfache 
Form  annimmt. 


(f)(a)9  =  2    *  — 2«^  — 2ft3  — «44.2«*-+-«*    ♦  — «® 
•    •   -f-  3  «**     •        ♦      4-  «**  —  «**  -4-  2  «1^    • 

—  «26  ^_  3^27  _|.  2  «2«  -h  3  «29  4-  2«»0  . 


(23.) 


Aus  der  bei  (8.)  gegebenen  schon  etwas  vereinfachten  Form  erhält 
man  diese  einfache  durch  Multiplikation  mit  der  Einheit 

E  =  e»e}e|e2«2e3^,2^|4«}jet2«}3i^t4  ^  (24.) 

wo 


420  Oesanmtsüzung 

Aas  der  bei  (7.)  gegebenen,  nrsprunglich  gefundenen  Form  geht 
dieselbe  einfache  Form  hervor  durch  Multiplikation  mit  der  Einheit 

£  SS  e  01^2^3  ^^« ^6^7  ^  ^^1  ^uns^i4  *  (25.) 

Die  Zahl  M,  durch  welche  der  Grad  der  Einfachheit  der  com- 
plexen  Zahl  bestimmt  wird,  ist  für  die  ursprüngliche  Form  (7.) 
M  =  966253169  für  die  etwas  vereinfachte  Form  (8.)  M  ==  S039 
und  für  die  einfache  Form  (23.)  M  «=  987.  Wenn  durch  Multipli- 
kation mit  Einheiten  die  Theile  der  Summe  M  nicht  blofs  ange- 
nfihcrt,    sondern   vollständig  gleich   gemacht  werden    konnten,    so 


würde  der  Werth  des  M  sich  bis  auf  ^ Nf{ct)    herabbringen    las- 


15 


sen,  also  in  dem  vorliegenden  Falle  bis  auf  ^(311)^=^  496,621... 

Bei  Ausführung  der  numerischen  Rechnungen  mit  Hülfe  der 
Logarithmen  hat  man  nur  denjenigen  Grad  der  Genauigkeit  einzu- 
halten^  welcher  dafür  bürgt,  dafs  die  gefundenen  Werthe  der  Ex- 
ponenten XyXi^  ...i^M-i  ^°  ^^°  Ganxen,  Zehnteln  und  Hunderteln  ge- 
nau erlangt  werden,  es  werden  also  im  Allgemeinen  Logarithmen- 
tafeln von  einer  sehr  geringen  Stellenzahl  ausreichen.  Es  tritt 
aber,  wenn  die  ursprünglich  gegebene  complexe  Zahl  /(»)  wenig 
einfach  ist,  allemal  der  Umstand  ein,  dafs  von  den  zu  /(<«)/(<»'' 0 
conjugirten  complexen  Zahlen,  deren  Werthe  man  berechnen  mufs, 
eine  oder  einige  aufserordentlich  klein  werden,  wodurch  ihre  Be- 
rechnung  und  die  Berechnung  ihrer  Logarithmen,  welche  man  auf 
einige  Stellen  genau  kennen  mufs,  aufserordentlich  mühsam  wer- 
den würde,  wenn  man  ihre  Ausdrücke  als  Summen  von  a«  +  1 
Gliedern  zu  Grunde  legen  wollte.  Bei  der  Durchführung  der 
Rechnung,  deren  Resultat  ich  hier  gegeben  habe,  liefs  sich  diese 
Unzuträglichkeit  dadurch  vermeiden,  dafs  bei  der  Berechnung  die- 
ser Zahlenwerthe  nicht  die  entwickelte  Form  (7.),  sondern  die  un- 
entwickelte gebrochene  Form  (4.)  zu  Grunde  gelegt  wurde. 

Schliefslich  bemerke  ich  noch,  dafs  diese  Methode  der  Reini- 
gung der  complexen  Zahlen  von  den  sie  behaftenden  Einheiten 
ohne  Schwierigkeit  auch  auf  die  nicht  aus  den  Einh ei ts wurzeln 
selbst,  sondern  aus  den  Perioden  gebildeten  complexen  Zahlen  sich 
anwenden  lälst. 


vom  18.  Juni  1870.  421 

Hr.  W.  Peters  las  über  Propitheeug  Deekenii^  eine 
neue  Art  von  Halbaffen  aus  Madagascar. 

Als  mir  die  zoologischen  Sammlungen,  welche  der  unglück- 
liche Baron  G.  von  der  Decken  hinterlassen  hatte,  zur  Bearbei- 
tung übergeben  wurden,  war  mir  nur  eine  einzige  Art  der  Gattung 
Propithecus  mit  Bestimmtheit  bekannt,  und  auch  diese,  Pr.  diademay 
kannte  man  nur  unvollkommen  nach  jungen  Exemplaren.  Erst  im 
vorigen  Jahre  hatte  ich  durch  die  Zuvorkommenheit  der  Hrn.  Ed- 
wards Gelegenheit,  die  schöne  Reihe  von  Pr.  Verrauxii  Gran- 
didier  in  Paris  zu  untersuchen  und  mich  von  ihrer  Eigenthüm- 
lichkeit  zu  überzeugen,  und  ganz  neuerdings  hat  unsere  Samij^lung 
ein  ausgewachsenes  Exemplar  von  dem  wahren  Pr.  diadema  Ben- 
nett  erworben,  wodurch  eine  genauere  Vergleichung  dieses  letzte- 
ren mit  den  durch  Hm.  von  der  Decken  in  Kanatzi  erlegten 
Exemplaren  ermöglicht  wurde.  Diese  hat  gezeigt,  dafs  die  letzte- 
ren nicht  allein  durch  den  Mangel  jeder  schwarzen  Färbung  der 
Kopfhaare  und  der  Hände  ^  sondern  auch  durch  mehrere  Eigen- 
thümlichkeiten  im  Zahn-  und  Schädelbau  von  dem  ächten  Pr,  dia- 
dema abweichen  und  einer  besondern  Art  angehören,  welche  ich 
dem  Entdecker  zu  Ehren  benannt  habe. 
Propithecus  Deckenii  n.  sp. 

Propithecua  diadema  Peters,  C  von  der  Decken»  Reisen  III.  1,  p.  3  Taf.  I. 

(non  Ben  nett). 
Indris  diadema  St.  George  Mivart,  Proceed,  zool,  soc,  Land.  18G7. 
p.247Taf.XVIU.    (Schädel  eines  jungen  Thiers.) 

Behaarung  der  Hände  und  des  Kopfes  von  der  gelblich  weis- 
sen Färbung  des  übrigen  Körpers,  Lendengegend  nnd  Weichen  bei 
einem  alten  Weibchen  grau  angelaufen,  bei  einem  jungen  Weibchen 
einige  Nackenhaare  mit  schwarzen  Spitzen.  Gesicht  schwarz  mit 
weifslichem  Fleck  auf  der  Nase  oder  auf  dem  Schnauzenrücken. 
Schwanz  so  lang  oder  länger  als  Kopf  und  Rumpf  zusammenge- 
nommen. 

Pr.  diadema  ist  im  ausgewachsenen  Zustande  ein  gröfseres 
Thier,  hat,  wie  es  die  neuerdings  nach  Europa  gebrachten  Exem- 
plare zeigen^  in  der  That  constant  einen  viel  kürzeren  nicht  bis  zu 
den  Hacken  reichenden  Schwanz  und  ist  auch  durch  die  Färbung 
sehr  verachieden. 

Zur  Vergleichung  des  Gebisses  und  Schädels  liegt  mir  der 
Schädel  eines  ausgewachsenen  weiblichen  Prop.  diadema^  die  Schä- 


422 


Gesammtmtzung 


del  eines  alten  und  eines  sehr  jungen  weiblichen  und  der  von 
Hrn.  Mivart  beschriebene  und  abgebildete  Schfidel  eines  Exem- 
plars unbestimmten  Geschlechts  von  iV.  Deckenü  vor. 

Was  das  Gebifs  anbelangt,  so  stimmen  swohl  die  oberen  wie 
die  unteren  vorderen  Backzähne  beider  Arten  so  sehr  mit  einander 
Qberein,  dafs  sich  keine  wesentliche  Verschiedenheit  daraus  ent- 
nehmen iafst.  Dagegen  sind  sowohl  die  beiden  letzten  Backzfihne 
oben  und  unten,  wie  auch  die  Schneidezähne  beträchtlich  grofser 
bei  Pr.  diadema  als  bei  JRr.  Deckenü^  wie  dieses  auch  sogleich  bei 
einer  Vergleichung  der  Mivartschen  Abbildungen  mit  der  Blainviile- 
schen  in  die  Augen  springt  und  wie  es  die  folgenden  Mause  der 
beiden  alten  Schädel  deutlich  zeigen. 


Pr,  diadema 

.  0™008 

.  0T0058 

.  0™0075 

.  0?0075 

.  0?0064 

.  0?0035 


Pr,  Deckeaü 

0?O065 

0«0041 

0-0063 

0?0063 

0?0036 

0-003 

0-0029 


Länge  des  vorletzten  oberen  Backzahns  .     . 

T»         V    letzten  ^  ^  ,     , 

„         ^    vorletzten  unteren  „  .     . 

9)         ji    letzten  „  „  .     . 

•    ^         „    ersten  oberen  Schneidezahns  .     . 

„         „    zweiten     ^  „ 

Breite  des  unteren  Eckzahns 0?0037 

Breite  der  beiden  unteren  Eck-  und  Schneide- 
zähne zusammen     .     0-0095       0-007 
Distanz  der  oberen  Eckzahnspitzen      .     .     .     0^0195       0*^16 

Pr.  Verreauxii  Grandidier  (^Älbum  de  ViU  de  la  BSunian.  1867.)  hat, 
nach  der  Abbildung  zu  urtheilen,  dieselbe  Grofse  der  Backzähne 
wie  Pr,  dictdema^  indem  die  Reihe  der  oberen  Backzähne  0*^31 
(bei  Pr,  Deckenü  0^283)  lang  ist,  aber  die  kleineren  Schneidezähne 
von  Pr,  Deckenü. 

Was  den  Schädel  anbelangt,  so  sind,  bei  im  Allgemeinen  glei- 
cher Grofse,  besonders  folgende  Unterschiede  zu  bemerken.  Bei 
Pr,  Deckenü  ist  die  vordere  Nasenöffnong  merklich  grofser,  die 
Schnauze  daher  sowohl  in  senkrechter  als  in  querer  Richtung  ne- 
ben jener  mehr  aufgetrieben  und  zugleich  sind  die  Nasenbeine 
platter,  im  Ganzen  breiter  und  weniger  nach  hinten  ragend;  die 
Stirngegend  ist  flacher  und  ohne  merkliche  Seitengruben  über  den 
weniger  hervorspringenden  Supraorbitalbogen ;  das  Foramen  iacr)'- 
male  liegt  dem  Rande  der  Orbita  näher  und  das  Os  laciymale  bil- 
det hinter  und  über  demselben  eine  Crista;  die  Orbita  ist  kleiner 
und  ihr  Abstand  von  dem  dritten  Backzahn  grofser   als    bei  Pr. 


vom  16.  Juni  1870.  423 

diadema.  Über  dem  Thränenbein  findet  sich  bei  iV.  Deekenii  eine 
auffallende  sapraorbitale  Einbuchtung,  während  dieselbe  bei  Pr.  dia- 
dema viel  mehr  abgeflacht  ist.  Der  Postorbitalfortsatz  des  Stirnbeins 
ist  breiter  und  sowohl  der  Oberkieferjochforisatz  als  der  Jochbogen 
sind  hoher  und  der  letztere  ist  mehr  nach  aufsen  gebogen  als  bei 
dieser  Art.  Der  Gaumen  und  der  Hirnsch&del  über  der  Wurzel  des 
Schläfenjochfortsatzes  sind  etwas  schmäler  als  bei  Pr.  diadema.  Die 
Ghoanen  und  der  Abstand  des  letzten  Backzahns  von  den  OehorbuUen 
sind  grofeer,  die  letzteren  selbst  aber  kleiner.  Die  Ala  interna  des 
Eeilbeins  ist  merklich  breiter  und  daher  ist  die  Entfernung  der 
Hamuli  pterygoidei  von  den  OehÖrbullen  viel  geringer  als  von  dem 
hintersten  Backzahn,  während  bei  Pr.  diadema  das  Umgekehrte 
statt  findet  und  die  Hamuli  pterygoidei  den  Backzähnen  viel  mehr 
genähert  sind.  Auch  ist  die  Unterseite  des  Eeilbeinkorpers  ganz 
flach,  während  sie  bei  Pr.  diadema  einen  mittleren  erhabenen  Längs- 
kiel bildet  und  endlich  ist  der  für  die  Indris  characteristische  un- 
tere Ausschnitt  des  Schläfenjochfortsatzes  neben  der  Kiefergelenk- 
grube merklich  kleiner.  Der  Unterkiefer  von  P.  Deekenii  hat  eine 
längere  Symphyse,  ist  sowohl  in  seinem  horizontalen  als  in  seinem 
aufsteigenden  Theile  hoher  und  in  diesem  letztern  auch  breiter, 
aber  von  der  Basis  des  Schneidezahnes  bis  zur  Mitte  des  hintern 
Randes  etwas  kürzer  als  der  von  Pr,  diadema* 

Bei  den  folgenden  Mafsen  der  beiden  alten  weiblichen  Schädel 
ist  zu  bemerken,  dafs  an  dem  von  Pr.  Deekenii  der  obere  Theil 
des  Hinterhaupts  fehlt  und  daher  die  Totallänge  desselben  nicht 
angegeben  werden  kann. 

Pr.  diadema     Pr,  Deekenii 

Totallänge 0™0875  — 

Distanz  vom  hintern  Rande  der  Gelenkhöcker 

bis  zum  vordem  Ende  des  Zwischenkiefers     0?0765         0?075 

Breite  der  vordem  Nasenöfl&iung   ....      0™0118         0'»013 

Breite  der  Schnauze  über  dem  ersten  Back- 
zahn neben  der  Nasenofihung     ....     0^020  0?0215 

Höhe  der  Schnauze  nebst  dem  ersten  Back- 
zahn neben  der  Nasenoffnung    ....      0^023  0';'0255 

Länge  der  Nasenbeine 0?022  0™016 

Breite  beider  Nasenbeine   zusammen  in  der 

Mitte 0?0067         0'y0082 

Grofster  Durchmesser  der  Orbita  ....      0?0247         0™0232 

[1870]  30 


424  OesammUitzung 

Pr,  diadema  Pr,  Decket* H 

OrbiUldistanz 0?0187  0-0178 

Abstand  des  antern  Orbitalrandes  von  dem 

dritten  Backzahn 0^0105  0»012 

Hohe    des  Oberkieferjochfortsatzes    in    der 

Mitte 070093  O'?0102 

Höhe  des  Jochbogens  in  der  Mitte    .     .     .     0?0064  0?00$4 

Breite  des  Postorbitalfortsatzes  in  der  Mitte     0?OOG  0?0075 

Breite  des  Schädels    über    der  Wurzel  des 

Schlafenjochfortsatzes 0?045  0?043 

Gröfster  AbsUnd  der  Jochbogen  ....     0?0575  0?059 

Lfinge  des  Gaumens 0?03ä  0-0315 

Breite  des  Gaumens  zivischen  den  vorletz- 
ten Backzähnen 0?0195  0-017 

Abstand  des  letzten  Backzahns  von  der  Ge- 

hörbnlla 0?0175  0-0195 

Abstand    des    letzten  Backzahns    von    dem 

Hamulus  pterjgoideus       0-0055  O-OIl 

Höhe  der  Choanen 0-0065  0-008 

Breite  des  Proc.  pteryg.  int.  in  der  Mitte  .      0-0046  0-0073 

Längsdurchmesser  der  Gehörbulla      .     .     .     0-0153  0-014 

Länge  des  Unterkiefers   von  der  Basis  der 
Schneidezähne   bis  zur  Mitte  des  hintern 

Randes  0-0583  0-0565 

Länge  der  Symphyse  des  Unterkiefers   .     .     0-0217  0-024 

Höhe  des  Unterkiefers  unter  dem  vorletzten 

Backzahn O7OIO8  0-0143 

Höhe  von  dem  untersten  Theil   des  Unter- 
kieferwinkels bis  zum  Gelenkhöcker  .     .     0-034  0^0387 

Längsdurchmesser    des    senkrechten   Unter- 

kiefertheiis  über  den  Backzähnen    .     .     .     0?020  0-0225 

Der  Schädel  von  Pr,  Verrauxii  steht,  nach  der  Abbildung  zu 

artheilen,    durch  die   Form  des  Unterkiefers    und    die  Höhe    des 

Jochbogens  dem  Pr.  Deckenii^  durch  die  geringere  Höhe  des 
Schnauzenendes  und  die  Lage  des  Foramen  lacrymale  dem  Pr. 
diadema  näher.  Jedoch  würde  eine  genauere  craniologiscbe  Unter- 
suchung sowohl  von  iV.  Verrauxii  wie  von  dem  neuerdings  bekannt 

gewordenen  Pr,  demanus  Vollen  sehr  wünschenswerth  sein. 


N 


vom  16.  Juni  1870,  425 

An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Comptes  r^ndus  de   facademie  des  scienees.     Vol.  69,  no.  12 — 26.  Vol.  70, 

no.  1—19.    Paris  1869—70.     4. 
Göteborgs  VeU  Samhälles  Handlingar,    Haftet  X.     Göteborg  1870.     8. 
Münchener  Sitzungsberichte,     1870.     I.  Heft  2. 
Proceedings   of  the   London    MathemaÜcal  Society,     no.  21 — 24.     London 

1870.     8. 
Quarterfy  Journal  of  the  Geolegical  Society.     XXV,  4.    London  1869.     8. 
Proceedings   of  the   Royal  Oeographical  Society.    XVIII,  no.  5.     London 

1869.     8. 
Zehnter  Bericht  der  Gesellschaft  in  Offenbach.     Offenbach  1869.     8. 
Sands,  Reports  on  the  Total  Solar  Eclipse.     Ang.  7.  1869.     Washington 

1869.     4. 
Poncelet,  Introduction  a  la  mecanique  industrielle.  Ed.  III.  Paris  1870.  8. 


23.  Juni.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Braun  theilte  eine  Abhandlung  von  Dr.  LeopoldKny 
über  die  Morphologie  von  Chondriopsis  cosrulescens 
Crouan  und  die  dieser  Alge  eigenen  optischen  Erschei- 
nungen mit 

Unter  den  Florideen  der  Bucht  von  Palermo  ist  Chondriopsis 
ccBTuleBcens  ^)  Crouan  durch  die  Pracht  ihres  Farbenspieles  in  ho- 
hem Grade  ausgezeichnet.  Bei  heller  Witterung  sieht  man  schon 
aus  grofserer  Entfernung  die  dichten  Büschel,  welche  die  Kalk- 
felsen der  Küste  wenig  unterhalb  des  mittleren  Wassemiveaus 
(oft  streckenweise)    überdecken,    in  lebhaft  stahlblauem  Licht   er- 


1)  Diese  Pflanze  wurde  von  den  Brüdern  Crouan  an  der  Küste  der 
Bretagne  entdeckt  und  in  ihren  Alg.  mar.  Finist  edirt.  Nach  einer  gefal- 
ligen brieflichen  Mittheilung  von  Hm.  Thuret  ist  sie  an  der  atlantischen 
Küste  von  Frankreich  mehrfach  beobachtet  worden;  sie  ist  sehr  häufig  bei 
Biarritz  und  geht  nordlich  bis  St.  Yaast-Ia-Hougue.  Aus  dem  Mittelmeer  ist 
sie  meines  Wissens  noch  nicht  bekannt  geworden.  Hr.  L.  Crouan  hatte 
die  Güte,  die  Identität  der  Art  an  einem  ihm  übersandten  Exemplar  zu  con- 
statiren. 

30» 


426  Gesammtsitzung 

glänzen.  Betrachtet  man  einzelne,  noch  mit  Seewasser  benetzte 
Exemplare  bei  auffallendem  Licht  genauer,  so  sieht  man  den 
blauen  Metallglanz  an  vereinzelten  Punkten  in  ein  schönes  Grün, 
an  anderen  Stellen  in  eine  violette  Nuance  übergehen  und  gegen 
die  Astspitzen  sich  allmfilig  in  einen  mattgrauen  Ton  auflösen. 
An  älteren  Stammgliedern  tritt  die  Erscheinung  im  Ganzen  viel 
weniger  lebhaft  hervor.  Bei  durchfallendem  Licht  besitzen  alle 
erwachsenen  Theile  der  Pflanze  eine  schmutzig  blafsrothe  Färbung; 
an  den  Astspitzen  zeigt  dieselbe  einen  Stich  in's  gelbliche. 

Entwickelte  Exemplare,  wie  ich  sie  im  Laufe  des  April  und 
Mai  1870  in  der  Nähe  des  alten  Hafens  sammelte,  sind  etwa 
3 — 4  Zoll  lang  und  reich  büschelförmig  verzweigt.  Das  Stämm- 
chen ist  seiner  gesammten  Länge  nach  cylindrisch;  die  von  ihm 
entspringenden  Äste,  besonders  aber  die  Auszweigungen  höheren 
Grades,  sind  am  Grunde,  deutlieh  verschmälert.  Die  jüngsten  noch 
unentwickelten  Zweige  besitzen  Eeulenform.  Über  die  glatte  Ober- 
fläche des  Thallus  treten  flach-warzenf5rmige  Narben  hervor,  die, 
zusammen  mit  den  Ursprungsstellen  der  Zweige,  eine  fortlaufende 
Spirale  bilden.  Sie  bezeichnen  die  Stelle  abortirter  oder  abge- 
fallener Zweige.  Das  Stellungsverhältnifs  fand  ich  an  einer  grofse- 
ren  Anzahl  von  Exemplaren  ziemlich  genau  \. 

Untersucht  man  einen  der  jüngeren  Zweige  bei  schwacher 
(etwa  50 — 100  facher)  Yergröfserung  und  mittlerer  Einstellung,  so 
erkennt  man  unschwer  eine  Gliederung.  Ober-  und  unterhalb  der 
Medianebene  wird  dieselbe  undeutlicher  und  verrchwindet  an  der 
äufsersten  Rindenschicht  vollkommen.  Der  Vergleich  von  Längs- 
und Querschnitten  erweist,  dafs  jedes  Glied  seiner  gesammten 
Länge  nach  aus  einer  grofsen  Centralzelle  und  5  um  sie  geordne- 
ten Zellen  von  annähernd  gleichem  Querdurchmesser  zusammenge- 
setzt ist.  (Fig.  1  nnd  2).  Letztere  altemiren  in  den  aufein- 
anderfolgenden Gliedern  regelmäfsig  miteinander.  Auf  die  5 
peripherischen  Zellen  folgen  ein  bis  zwei  Schichten  engerer  und 
kürzerer  Zellen  von  unbestimmter  Zahl  und  regelloser  Unord- 
nung, die  nicht  überall  lückenlos  aneinanderschliefsen.  Nach  aufsen 
wird  der  gesammte  Zellkörper  von  einer  continuirlichen,  aus  noch 
kleineren  Zellen  zusammengefSgten  Rindenschicht  umschlossen. 
(Fig.  2). 

Es  ist  nicht  ganz  leicht  den  Ursprung  der  verschiedenen  Ge- 
webselemente  im  Yegetationspunkt  zu  ermitteln,  da  dieser  in  einer 


vom  23.  Juni  1870.  427 

napfformigeo  Vertiefung  der  Stammspitze  eingesenkt  liegt.  Die 
Terminahelle  nimmt  den  Scheitel  eines  schlanken  Kegels  ein,  der 
sich  aus  der  Mitte  der  Einsenk  ong  bis  fast  zar  Höhe  des  Walles 
erhebt.  (Fig.  1).  Durch  Behandlung  mit  Ätzkali,  unter  gleich- 
zeitiger Anwendung  eines  mäfsigen  Druckes,  gelingt  es  zuweilen, 
den  Vegetationspunkt  aus  der  Vertiefung  hervorzustulpen  (Fig.  4). 
Man  erkennt  dann  aufs  deutlichste,  dafs  sich  die  Scheitelzelle  durch 
die  wiederholt«  Bildung  horizontaler,  einander  paralleler  Scheide- 
wände verjüngt.  Bevor  die  flach -scheibenförmigen  Oliederzellen 
weitere  Theilungen  eingehen,  sieht  man  ihre  Seitenwandung  sich 
an  einer  bestimmten  Stelle  hervorwölben  (Fig.  4  u.  Fig.  6  bei  a).  Es 
ist  dies  die  erste  Anlage  der  für  Chondriopsis  und  Polysiphania 
charakteristischen  pseudodichotomen  Haare,  vonNägeli  ihres  be- 
grenzten Wachsthums  wegen  als  Blätter  gedeutet.  Bald  nach 
ihrem  ersten  Auftreten  gliedern  sie  sich  durch  eine  schräge  Wand 
von  ihrer  Mutterzelle  ab  (Fig.  3  bei  a.)^).  Nach  oben  setzt  sich 
diese  Wand  der  horizontalen  Querwand  der  Gliederzelle  auf;  nach 
unten  trifft  sie  wenig  oberhalb  derselben.  Erst  nachdem  sich  die 
Anlage  des  pseudodichotomen  Blattes  abgesondert  hat,  beginnt  die 
Gliederzelle  durch  eine  Reihe  von  Längs  wänden  sich  in  eine 
centrale  und  5  peripherische  Zellen  zu  theilen  (Fig.  6  bei  b.). 
Die  erste  dieser  Längswände  entsteht  genau  unterhalb  der  jungen 
Haaranlage;  von  da  schreitet  ihre  Bildung  wahrscheinlich,  wie 
bei  Polysiphonia^),  nach  beiden  Seiten  fort,  um  auf  der  gegen- 
überliegenden Seite  zum  Abschluiüs  zu  gelangen.  Eine  direkte  Ver- 
folgang  dieser  Theilungen  hat  mir  bei  der  grofsen  Schwierigkeit, 
Querschnitte  durch  den  eingesenkten  Vegetationskegel  herzustellen, 
nicht  gelingen  wollen. 

Während  die  Centralzelle  eines  jeden  Gliedes  zur  Dauerzelle 


^)  Ähnlich,  wie  bei  den  Landmoosen ;  hier  wird  indefs  durdi  den  er- 
sten TheUangsschnitt  in  jedem  Segmente  die  MutterzeUe  des  Blattes  sammt 
eioesTheiles  des  äufseren  Stammgewebes  abgetrennt,  cf.  Pflanzen- 
physiologische  Untersuchungen  von  Nägeli  und  Gramer  1  Heft  p.  76 
und  Leitgeb,  Wachsthum  des  Stammebens  von  Fontinalia  antipi/retica 
(Sitzungsberichte  der  "Wiener  Akademie  1868)  p.  3,  wo  die  einschlägigen 
Angaben  der  Litteratur  besprochen  sind. 

')  cf.  Nägeli  in  dessen  Zeitschrift  fQr  wissenschaftliche  Botanik,  Heft 
ni  u.  IV  p.  209. 


428  GesamnUsHzung 

Dvird,  treten  in  den  peripherischen  Zellen  eine  Reihe  weiterer,  an- 
ter sich  übereinstimmender  Theilnngen  auf.  Die  erste  Wand  ist 
achr£g  nach  innen  und  nach  abwfirts  gerichtet;  sie  setzt  sich  einer- 
seits der  freien  AoTsenwand,  andererseits  der  unteren  Querwand 
an  und  trennt  eine  kleinere,  im  Seitenprofil  dreiseitige  Zelle  vod 
einer  gröfseren,  fünfseitigen  ab  (Fig.  6  bei  d).  In  letzterer  folgt 
bald  darauf  eine  der  Aufsenfläche  parallele  Wand,  welche  den  klei- 
neren, nach  auTsen  gelegenen  Theil  als  selbstst&ndige  Zelle  abglie- 
dert (Fig.  6,  bei  e.).  Die  nach  innen  gelegene  Zelle  des  3  zelligen 
Complezes  wird  nun  auch  ihrerseits  zur  Dauerzelle;  jede  der  bei- 
den Aufsenzellen  dagegen  verdoppelt  sich  durch  eine  radiale  Längs- 
wand«  Im  weiteren  Verlauf  wiederholt  sich  in  ihren  Tochterzellen 
der  TheilungSTorgang,  den  wir  für  die  Aufsenzellen  ersten  Grades 
beschrieben  haben.  Die  erste  Scheidewand  ist  ebenso,  wie  in  die- 
sen, schrfig  nach  innen  und  abwärts  gerichtet  (Fig.  6  bei  f);  in 
der  oberen  der  beiden  Tochterzellen  folgt  eine  tangentiale  Längs- 
wand, und  in  den  neuen  Aufsenzellen  wechseln  hiermit  radiale 
Längswände  ab.  Damit  ist  das  Dickenwachsthum  des  Stämmchens, 
soweit  es  eine  Folge  von  Zellvermehmng  ist,  meist  beschlossen. 
Die  Aufsenzellen  desselben  Gliedes  halten  bei  diesen  Theilungen 
nicht  nothwendig  gleichen  Schritt;  gewöhnlich  gehen  die  oberen  den 
unteren  um  eine  Stufe  voran  (Fig.  6,  bei  f.). 

Während  die  letzten  Theilungen  an  der  Peripherie,  welche 
zur  Bildung  der  definitiven  Rindenschicht  fuhren,  vor  sich  gehen, 
strecken  sich  die  fünf  um  die.Centralzelle  liegenden  Zellen  jedes 
Gliedes  schief  nach  oben  und  aufisen  (Fig.  1),  wobei  sich  ihr  seit- 
licher Zusammenhang  lockert  Indem  die  Streckung  sich  in  den 
nächstunteren  Gliedern  rasch  steigert,  wird  die  von  ihnen  getragene 
junge  Epidermis  aus  der  steil  absteigenden  Richtung,  welche  sie  im 
Yegetationskegel  zeigte,  in  eine  entgegengesetzte  umgewendet  und 
zum  Wall  der  trichterförmigen  Vertiefung,  in  dessen  Grunde  der 
Vegetationskegel  sich  erhebt  Die  wenigen  Stammglieder,  welche 
an  der  Zusammensetzung  des  Walles  Antheil  nehmen,  stellen  ein 
System  ineinandergeschachtelter  paraboloidischer  Schalen  dar.  Wei- 
ter abwärts  flachen  sich  dieselben  rasch  ab,  indem  die  Längsdeh- 
nung in  allen  Zellen  eine  immer  gleichmäfsigere  wird.  Die  Folge 
hiervon  ist,  dafs  die  Aufsencontour  des  Stämmchens  von  Neuem 
in  ihre  frühere  Richtung  nach  unten  umbiegt  (Fig^  1). 

Die  Anlagen  der  pseudodichotomen  Blätter,    die  wir   aus  den 


vom  23.  Juni  1870.  429 

jüngsten  Oliederzellen  der  Stanimspitze  hervortretea  und  durch  eine 
Scheidewand  sich  abgliedern  sahen^  eilen  dem  Stammchen  in  ihrer 
Entwickelnng  rasch  voran.  Nachdem  sie  sich  bis  auf  das  Doppelte 
ihres  Querdurchmessers  verlängert  haben,  werden  sie  durch  eine 
Querwand  zweizeilig  (Fig.  4  bei  c.)*  Bald  darauf  stülpt  sich  die 
Gliederzelle  dicht  unterhalb  der  Scheidewand  seitlich  und  zwar, 
mit  Rücksicht  auf  das  Stämmchen,  in  tangentialer  Richtung  her- 
vor und  zerfallt,  nachdem  sich  die  junge  ScheitelzeUe  von  Neuem 
getheilt  hat,  in  eine  freie  obere  Zelle  und  eine  untere  Zelle,  welche 
die  Dimensionen  der  ursprünglichen  GliederzeUe  wiederholt  So- 
wohl im  Hauptstrahl,  als  im  Zweigstrahl  setzt  sich  Wachsthnm 
und  Verzweigung  fort  Für  letztere  gilt  als  Regel,  dafs  jede 
Gliederzelle  (mit  Ausnahme  derer  an  den  fiufsersten  Zweigenden 
des  entwickelten  Haares,  welche  steril  bleiben)  je  einen  Zweig- 
strahl erzeugt;  daÜB  der  erste  Zweig  stets  auf  der  dem  Mutterstrahl 
abgekehrten  Seite  entsteht  und  sie  in  den  aufeinanderfolgenden 
Gliedern  regelmfifsig  nach  rechts  und  links  altemiren;  endlich,  dafs 
sammtlichen  Verzweigungen  in  derselben  u.  zw.,  mit  Rücksicht  auf 
das  Stammchen,  in  einer  tangentialen')  Ebene  liegen.  Die 
Theilungen,  welche'  im  Haupt-  und  Seitenstrahl  gleichen  Schritt 
halten^  gelangen  schon  zum  Abschlufs,  während  sich  die  Blätter 
noch  am  inneren  Rande  der  napffSrmig  vertieften  Stammspitze 
befinden.  Kurz,  bevor  sie  auf  der  Höhe  des  Walles  angelangt 
sind,  beginnt  die  Längsdehnung  ihrer  Zellen,  die  in  geringer 
Entfernung  unterhalb  desselben  schon  beendet  wird  und  ihnen  die 
charakteristische  pseudodichotome  Gestalt  ertheilt  Ebenso  rasch, 
wie  sie  sich  entwickelt  haben,  gehen  sie  auch  wieder  zu  Grunde; 
in  Entfernung  der  doppelten  Stammdicke  unterhalb  der  Spitze  ist 
schon  keine  Spur  mehr  von  ihnen  zu  finden.  Bei  ihrer  frühzeiti- 
gen Zerstörung  wirken,  aufser  den  inneren,  wohl  auch  noch  zwei 
äafsere  Ursachen  mit;  einmal  die  Entwlckelung  der  sie  umschlies- 
senden  Rinde,    deren  Dehnung  ihre  zarte,    bereits  ausgewachsene 


')  Nach  Nageli  (Neuere  Algensysteme  p.  234)  ist  bei  den  unserer 
Pflanze  nahe  verwandten  Chondriopsis  dcuyphylla  (Woodw.)  and  C%.  tenuüshna 
(Good.  et  Woodw.)  die  Divergenz  der  aufeinanderfolgenden  Verzweigongs- 
ebenen  =  ^ ,  ebenso  wie  bei  Polysiphonia  (vergl.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Bot., 
Heft  III  u.  IV  p.211). 


1 


430  GesammUitzunff 

Basalzelie  wahrscheinlich  nur  noch  passiv  folgt  und  das  Wachs- 
tham  der  in  ihren  Achseln  entspringenden  Seitenzweige.  ^) 

Es  hat  mir  nicht  gelingen  wollen^  die  Seitenzweige  his  auf 
ihre  einzellige  Anlage  rückwfirts  zu  verfolgen,  da  diese  in  der  Ver- 
tiefung der  Stammspitze  eingesenkt  liegt;  doch  ist  es  mir  aas 
der  Untersuchung  der  frühesten  Znst&nde  wahrscheinlich  geworden, 
dafs  sie  aus  einer  Aufsenzelle  des  Stammes  ihren  Ursprung 
nehmen.  In  der  Jugend  sind  sie  schlank,  fast  spindelförmig  und 
gegen  den  Scheitel  des  Mutterastes  aufgerichtet  (Fig.  6).  Die 
Scheitelzelle  liegt  frei  an  der  Spitze  und  die  Gliederung  der  Zell- 
complexe  ist  his  zur  Basis  hin  leicht  zu  verfolgen.  Die  Entwicke- 
lung  der  untersten  Glieder  ist  von  der  der  folgenden  in  mehr,  als 
einer  Beziehung  ahweichend.  Die  ersten  Längstheilungen,  welche  zar 
Bildung  einer  centralen  und  5  peripherischer  Zellen  führen,  heben 
hier  stets  auf  der  dem  Mutterast  abgekehrten  Seite  an  (Fig.  5, 
bei  a.)  die  weiteren  Theilungen  sind  beschrankter,  als  in  den  spä* 
teren  Gliedern  und  das  Dickenwachsthum  der  Zweigbasis  damit 
ein  viel  geringeres.  Am  wichtigsten  ist,  dafs  ihnen  die  Fähigkeit 
abgeht,  pseudodichotome  Blätter  zu  erzeugen.     Erst  auf  dem  6.  bis 


*)  Da  der  gesammte  Verlauf  ihrer  Entwickelang:  —  die  Abtrennung 
ihrer  Mntterzelle  durch  den  ersten  Theilungscbnitt  von  der  Gliederzelle  des 
Stammes;  ihre  frühzeitige  Ausbildung,  welche  der  des  zugehörigen  Stamm- 
gliedes Yoraneilt,  und  ihr  rasches  Absterben  —  die  pseudodichotomen  Haare 
als  echte  Blatter  charakterisirt ,  nehme  ich  keinen  Anstand,  die  dicht  über 
ihrer  Basis  entstehenden  und  dem  nächsthöheren  Gliede  angehörigen  Zweig- 
anlagen als  Achselsprosse  zu  bezeichnen.  Ist  diese  Deutung  richtig,  dann 
bezeichnet  Chondriopsis  die  tiefste  Stufe  des  natürlichen  Sjstemes, 
auf  welcher  sich  Azillarknospen  entwickeln.  Die  Gesetzmatsigkeit 
ihrer  Stellung  ist  gegenüber  der  scheinbaren  Regellusigkeit,  die  in  der  Stel- 
lung der  Seitenknospen  unter  den  Moosen  herrscht,  höchst  auffallig.  (cf. 
Leitgeb  1.  c.  p.  23  ff.  und  derselbe:  Wachsthum  des  Stämmchens  und  Ent- 
wickelung  der  Antheriden  von  Sphctgnum  p.  11). 

Während  bei  Chondrioptia  cctrulescena  Cr.  jedes  Stammglied  normal 
ein  pseudodichotomes  Blatt  und  einen  in  der  Achsel  desselben  entspringen- 
den Seitenzweig  erzeugt,  tragen  bei  den  Arten  der  nächst  verwandten 
Gattung  Polysipkonia  die  aufeinanderfolgenden  Glieder  ohne  bestimmte  Regel 
je  ein  Blatt  oder  je  einen  Zweig,  die  sämmtlich  Glieder  derselben  Spi- 
rale sind.  Dabei  bleiben  oft  ein  oder  mehrere  Stammglieder  steril,  ohne  daf« 
die  Schraubenlinie  dieserhalb  eine  Unterbrechung  erleidet  (cf.  Nägeli  1.  c.  p.  213). 


vom  23.  Juni  1870.  431 

12.  Gliede  und  zwar  meist,  aber  durchaus  nicht  gesetzmafsig,  auf 
der  dem  Hauptstamm  abgekehrten  Seite  tritt  das  erste  derselben  auf 
(Fig  6,  bei  c;  hier  ist  es  dem  Hauptstamm  zugekehrt);  und  von 
nun  an  werden  sie  ohne  Unterbrechung  und,  soweit  ich  feststel- 
len konnte,  in  demselben  Stellungsverbfiltnifs  (ohngefähr  ^)  gebildet, 
das  ihre  Achselsprosse  oder  deren  Narben  am  entwickelten  Stfimm- 
chen  zeigen.  Mit  dem  Auftreten  der  Blfitter  nehmen  auch  die  weite- 
ren Theilungen  der  Oliederzellen  die  oben  beschriebene  Regelmäfsig^ 
keit  an;  die  erste  Längswand  entsteht  nun  nicht  mehr  an  der 
Aufsenseite  des  jungen  Zweiges,  sondern  unterhalb  der  Ursprungs- 
stelle des  Blattes. 

Seiner  Entwickelung  nach  läfst  sich  das  Stämmchen  von  Chon- 
driopsis  cctrulescens  als  aus  einer  regelmäfsig  verzweigten  Zellreihe 
aufgebaut  betrachten.  Die  Hauptachse  des  Yerzweigungssystemes 
bildet  die  Reihe  der  Centralzellen  sämmtlicher  aufeinanderfolgender 
Glieder.  Von  jeder  derselben  entspringt  ein  fünfzähliger  Quirl 
begrenzter  Äste,  die  mit  denen  der  nächst  oberen  und  unteren 
Wirtel  alterniren.  Jeder  Ast  trägt  auf  seiner  einfachen  Basalzelle 
4  Zweige,  von  denen  2  gegen  den  Scheitel,  2  gegen  die  Basis  der 
Pflanze  gerichtet  sind.  Diese  Verästelung  wiederholt  sich  genau 
in  der  gleichen  Weise,  aber  meist  in  weniger  bestimmtem  Zahlen- 
verhältnifs,  mindestens  noch  einmal,  seltener  noch  zweimal.  Die 
letzten,  der  Regel  nach  einzelligen  Zweige  legen  sich  mit  ihren 
Nachbarinnen  eng  zur  Rinde  zusammen,  während  der  seitliche  Zu- 
sammenhang der  übrigen  Zellen,  soweit  dieselben  nicht  aus  der 
gleichen  Specialmutterzelle  hervorgegangen  sind,  nur  ein  partieller 
ist  und  mehr  oder  weniger  weite,  mit  wäfsrigem  Saft  erfüllte  Lucken 
zwischen  ihnen  frei  bleiben.  Fast  immer  werden  diese  nachträg- 
lich durch  enge  verästelte  Fäden  ausgefüllt,  welche  aus  den  inne- 
ren Zellen  des  Stämmchens  ihren  Ursprung  nehmen  (Fig.  2). 

Ans  der  Rinde  der  älteren  Stammglieder  sieht  man  an  ver- 
schiedenen Stellen,  besonders  häufig  auf  den  warzenförmigen  Zweig- 
narben ,  Büschel  einzelliger  Wurzelhaaro  hervortreten.  Dieselben 
sind  Nichts,  als  eine  Verlängerung  der  Aufsenzelle,  der  sie  ange- 
hören; ihr  freier,  äufserer  Theil  ist  von  dem  der  Rindenschicht 
angehörigen  inneren  Theil  durch  keine  Scheidewand  getrennt. 

Alle  Thcile  der  Rinde,  besonders  aber  die  warzenförmigen 
Narben,  besitzen  die  Fähigkeit,  Adventivzweige  zu  erzeugen.  Zu- 
weilen entstehen  sie  in  gröfserer  Zahl  nebeneinander.     Ebenso^  wie 


432  Gesammtsitzung 

die  normalen  Achselsprosse,    scheinen  sie  aus  der  Theilung  einer 
Aufsenzelle  hervorcagehen  (Fig.  5). 


Chondriopsis  earulescens  ist,  wie  die  grofse  Mehrzahl 
aller  Florideen  streng  trioecisch. 

Die  Tetra  Sporen -Exemplare  sind  durch  zahlreiche  kurze, 
am  Ende  der  Hauptfiste  zu  Büscheln  vereinigte  Zweige  kenntlich, 
die  sich,  auTser  durch  matter  graue  Färbung,  ron  den  vegetativen 
Zweigen  in  Nichts  unterscheiden.  Die  Tetrasporen  werden  hier 
in  gtöfserer  Zahl  dicht  unter  der  Rinde  gebildet.  Sie  entspringen 
am  oberen  Ende  der  um  die  Centralzelle  geordneten  fünf  periphe- 
rischen Zellen  und  nehmen  die  Stelle  einer  der  nach  auXsen  ihr 
angrenzenden  4  Tochterzellen  sammt  dem  ihr  zugehörigen  Rinden- 
stück ein.  Ob  dieselbe  peripherische  Zelle  mehr,  als  eine  Tetra- 
spore zu  erzeugen  vermag,  lasse  ich  dahingestellt;  sicher  dagegen 
ist,  dafs  in  demselben  Stammgliede  oft  mehrere  gleichzeitig  auf- 
treten, welche  dann  verschiedenen,  auf  gleicher  Hohe  stehenden 
peripherischen  Zellen  angehören«  Die  Membran  der  jungen  Sporen- 
mutterzelle  zeichnet  sich  vor  denen  der  ihr  benachbarten  vegetati- 
ven Zellen  durch  ihre  grofse  Quellbarkeit  in  Ätzkali  aus.  Die 
Theilung  des  protoplasmatischen  Inhaltes  erfolgt  stets  in  tetrae- 
drischer  Richtung  und  zwar  schon  in  geringer  Entfernung  unter- 
halb der  Spitze  des  fort  wach  senden  Tetrasporenastes.  Nachdem 
sie  vollendet  ist,  nehmen  sämmdiche  4  Tochterzellen  sammt  ihrer 
Mutterzellmembran  noch  bedeutend  an  Umfang  zu,  ohne  dafs  die 
Kugelgestalt  des  Tetrasporencomplexes  dadurch  geändert  wird. 
Vor  der  Reife  werden  die  Tetrasporen  von  der  Rindenschicht  des 
Stänimchens  continuirlich  bedeckt  Die  unmittelbar  über  ihnen 
liegenden  Rindenzellcn  sind  meist  gr5£ser,  als  die  ihnen  benach- 
barten. 

Keimfrüchte  und  Antheridien  habe  ich  nur  einmal  ge- 
sammelt. Leider  versäumte  ich  diese  Gelegenheit,  ihre  Entwicke- 
lung  zu  untersuchen.  Nur  davon  überzeugte  ich  mich,  dafs  der 
Bau  der  Antheridien  in  allen  wesentlichen  Punkten  denen  von 
Chrondiopsis  tenuüsima  (Good.  et  Woodw.)  entspricht,  welche 
Thuret  (Ann,  sc.  nat,  sSr.  III  bot.  tome  16  p.  17  et  pL  7)  be- 
schreibt und  abbildet  Sie  entstehen,  wie  auch  bei  Polysiphonia^ 
durch  Metamorphose  der  einen  Hälfte  eines  pseudodichotomen 
Blattes  und  stellen  einen  plattenform  igen  Korper  von  unregelmäfsig 


vom  23.  Juni  1870.  433 

ovalem  Umrifs  dar,  auf  dessen  beiderseitigen  Flächen  die  Matter- 
zellen der  Saamenbläschen  entspringen.  In  der  Mitte  ist  ein  (nicht 
pseudodichotom-)  verzweigter  Zellfaden  erkennbar,  der  das  ganze 
Organ  als  Gerüst  stützt;  am  Rande  wird  dasselbe  von  einer  ein- 
fachen Reihe  grofserer,  steriler  Zellen  nmkrfinzt  Bemerkenswerth 
ist,  dafs  die  Antheridien-tragenden  Haare  nicht  so  früh  zu  Grande 
gehen,  als  die  sterilen;  sie  reichen  etwas  weiter  an  den  Zweig- 
enden herab  and  sind  schon  mit  blofsem  Aage  als  weiTsliche 
Schüppchen  an   denselben  erkennbar. 


Stellt  man  darch  einen  erwachsenen,  deutlich  blau  schimmern- 
den Stammtheil  unserer  Pflanze  eine  Anzahl  Qoerschnitte  her, 
welche  etwas  mehr,  als  die  Dicke  eines  Gliedes  besitzen,  so  dafs 
man  sicher  ist,  über  ihre  gesammte  Fläche  unverletzte  Zellen  zu 
erblicken,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  dafs  die  Farbenerscheinung 
in  ihrer  vollen  Lebhaftigkeit  nur  den  Zellen  der  äussersten 
Rindenschicht  angehört  und  weiter  nach  innen  höchstens  noch 
Spuren  davon  sichtbar  sind.  Schon  die  Betrachtung  dieser  Quer- 
schnitte macht  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dafs  die  Eigenschaft,  blaues 
Licht  zu  leflektiren,  nicht  der  Membran  der  Rindenzellen,  son- 
dern ihrem  Inhalt  angehört.  Deutlicher  noch  wird  diefs,  wenn 
man  durch  einen  dünnen  Oberflächenschnitt  einen  Theil  der  äusser- 
sten Rindenschicht  abtrennt.  Die  Zellen  derselben  lassen  sich  dann 
sammt  ihrem  Inhalt  bei  durchfallendem  Licht  klar  übersehen.  Sie 
sind  in  der  Richtung  der  Stammachse  auf  das  Doppelte  bis  Sechs- 
fache ihres  Querdurchmessers  verlängert;  ihre  Scheidewände  sind 
dünn  und  schwach  welb'g  gebogen.  Dem  Primordialschlauch,  wel- 
cher die  Innenseite  der  Membran  auskleidet,  liegen  zahlreiche  lin- 
senförmige ,  schmutzig  -  roth  gefärbte  Plasmakörner  eingebettet. 
Weiter  nach  innen  bemerkt  man  in  dem  das  Lumen  erfüllenden 
wasserhellen  Zellsaft  eine  unbestimmte  Zahl  schwach  körniger, 
schmutzig-blafsgelber  Körper  von  etwas  stärkerem  Lichtbrechungs- 
vermögen und  gerundetem,  aber  selten  genau  kugeligem  Umrifs 
(Fig.  9).  Hat  man  sich  in  einer  bestimmten  unverletzten  Zelle 
über  die  relative  Anordnung  ihrer  Inhaltsbestandtheile  genau  orien- 
tirt  und  schliefst  das  vom  Spiegel  des  Mikroskopes  zurückgewor- 
fene Licht  ab,  indem  man  gleichzeitig  ein  Objektivsystem  benutzt, 
dessen  Fokalabstand  eine  genugende  Intensität  des  von  oben  auf 
das  Objekt  fallenden  Lichtes  gestattet,  so  überzeugt  man  sich,  dafs 


434  GesammUitzung 

die  Ffihigkeit  blaues  Licht  zu  reflektiren,  ausschliefst 
lieh  den  blars-gelblichen  Inhaltskorpern  eigen  ist.  Da- 
mit hängt  es  zusammen,  dafs  man  bei  Anwendung  schwacher  Ver- 
grörseningen  den  Zellinhalt  nicht  gleichmfifsig,  sondern  an  ge- 
wissen Stellen  besonders  lebhaft  in  stahlblauem  Licht  erglänzen 
sieht  und  dafs  die  zu  einem  Maschennetz  vereinigten  dunklen  Li- 
nien, welche  die  beleuchteten  Zelllumina  von  einander  abgrenzen, 
nicht  nur  die  Dicke  der  Scheidewand  zwischen  den  einzelnen  Ober- 
hautzellen, sondern  auch  die  ihnen  anliegenden  zwei  Primordial- 
schlSuche  nebst  einem  Theil  des  wässerigen  Zellsaftes  begreifen. 

Diejenigen  Zellen  des  Präparates,  welche  durch  den  Schnitt  ver- 
letzt wurden,  bleiben  bei  auffallendem  Licht  vollkommen  dunkel. 
Bei  näherer  Untersuchung  zeigt  sich,  dafs  jede  Spur  der  gelblichen 
Inhaltskorper  in  ihnen  verschwunden  ist.  Das  von  aufeen  einge- 
drungene Seewasser  hat  dieselben  offenbar  gelost. 

Legt  man  dünne  Oberflächenschnitte,  deren  Rindenzellen  grofs- 
tentheils  unverletzt  sind,  in  sufs es  Wasser,  so  sieht  man,  gleich- 
zeitig mit  dem  Austritt  des  rothen  Farbstoffes  aus  den  Plasma- 
komern  des  Wandbeleges,  die  gelben  Inhaltskörper  sich  allmälig 
losen.  Die  Losung  erfolgt  von  aufsen  nach  innen  und  ist 
meist  schon  nach  2 — 3  Stunden  beendet.  Auch  nachdem  die  Kor- 
per schon  sehr  klein  geworden,  besitzen  die  Zellen  immer  noch, 
wenn  auch  in  geringerem  Grade,  die  Fähigkeit,  blaues  Licht  zu 
reflektiren:  ein  Beweis,  dafs  ßie  Eigenschaft,  jene  Farbenerschei- 
nung hervorzurufen,  allen  Theilen  der  Inhaltskorper,  auch  den  in- 
neren, zukommt. 

Ätzkali  lost  die  Körper  wenige  Sekunden,  nachdem  es  die 
röthlichen  Plasmakörner  grasgrün  gefllrbt.  Auch  nach  dieser  Um- 
färbung  wurden,  wie  ich  mich  auf  das  Bestimmteste  überzeugt 
habe,  bei  auffallendem  Licht  die  blauen  Strahlen  mit  derselben  Leb- 
haftigkeit, wie  vorher,  reflektirt;  das  Verschwinden  der  Erscheinung 
ist  ein  plötzliches  und  findet  gleichzeitig  mit  der  Lösung  der  be- 
schriebenen Inhaltskörper  statt. 

Unter  Einwirkung  wässriger  Jodlösung  (1  Th.  Jod,  2  Th. 
Jodkalium)  nehmen  die  gelblichen  Inhaltskörper  eine  dunkel  roth- 
braune Färbung  an.  Bei  dieser  Umfärbung  scheint  sich,  aufscr 
dem  aus  der  Lösung  aufgespeicherten  Jod,  auch  der  aus  den  Plas- 
niakörnern  diffundirende  rothe  Farbstoff  zu  betheiligen.  Ihre  Form 
war  nach  einigen  Stunden  noch  unverändert. 


votn  23.  Juni  1870,  435 

Salzsäure  und  Essigs äare  bewirken  eine  rasche  Losung 
der  Inhaltskorper.  In  beiden  Fällen  geht  ein  Erloschen  der  op- 
tischen Erscheinung  in  den  Rindenzellen  damit  Hand  in  Hand. 

Die  angeführten  Reaktionen  liefern  übereinstimmend  den  Be- 
weis, dafs  die  Farbenänderung  der  Rindenzellen  ausschliefslich 
durch  die  eigenthümlichen  gelblichen  Inhaltskörper  derselben  her- 
vorgerufen wird.  Ein  weiterer  Beleg  hierfür  liegt  darin,  dafs  die 
Lebhaftigkeit  der  Erscheinung  genau  im  Yerhältnifs  zur  Zahl  und 
Grofse  dieser  Inhaltskörper  steht.  An  jungen  Stämmchen,  welche 
schon  bei  diffusem  Tageslicht  ein  intensiv  blaues  Licht  reflektirten, 
fand  ich  das  Lumen  der  Rindenzellen  dicht  mit  ihnen  erfüllt;  an  alten, 
derAnheftungsstelle  nahen  Stammgliedem  sind  meist  nur  noch  Spuren 
TOD  ihnen  vorhanden,  und  auch  der  von  der  Rinde  zarückgeworfene 
Schimmer  ist  oft  kaum  bemerkbar.  Exemplare,  welche  dicht  un- 
terhalb des  mittleren  Meeresniveaus  wachsen  und,  bei  niedrigem 
Wasserstande,  zeitweise  entblöfst  sind,  verlieren  den  blauen  Me- 
tallglanz  vollständig  und  nehmen  eine  gleichmäfsig  bräunliche^) 
Färbung  an.  Die  mikroskopische  Prüfung  zeigt,  dafs  die  Inhalts- 
körper ihrer  Rindenzellen  vollkommen  verschwunden  sind. 

Es  wurde  Eingangs  erwähnt,  dafs  das  reine  Stahlblau  an 
manchen  Stellen  der  Pflanze  in  Violett,  an  anderen  in  Qrün  über- 
geht. Beide  Farbennuancen  haben  eine  sehr  verschiedene  Ursache. 
Die  violetten  Töne  werden  stets  durch  Vermischung  des  durch- 
fallenden rothen  und  des  reflektirten  blauen  Lichtes  hervorgerufen, 
die  sich  durch  die  mannichfachen  Spiegelungen  innerhalb  des  Ge- 
^^ebes  zur  Genüge  erklärt  Unter  dem  Mikroskop,  wo  sich  das 
durchfallende  Licht  sicherer  ausschliefsen  läfst,  geht  das  Violett 
stets  in  reines  Blau  über.  Grüne  Töne  treten  vorzüglich  in  den 
warzenförmigen  Narben,  aber  auch  in  einzelnen  Zellen  sonst  auf  und 
stehen  auch  unter  dem  Mikroskop  deutlich  von  dem  Blau  der  um- 
gebenden Zellen  ab.  Am  wahrscheinlichsten  ist  es  mir,  dafs  diese 
Änderung  der  Reflexionsfarbe  mit  einem  langsamen  Absterben  der 
betreffenden  Zellen  in  Zusammenhang  steht.  Die  charakteristischen 
Inhaltskörper  waren  in  allen  Fällen  deutlich  nachweisbar. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Rindenzellen  legte  mir 
die  Vermuthung  nahe,  dafs  die  optische  Eigenthümlichkeit  der  be- 

')  Dieselbe  Färbung,  nnr  noch  tiefer  schwärzlich  braan,  ist  auch  ge- 
trockneten Exemplaren  eigen. 


436  GesaiHttiUitzung 

schriebenen  Inhaltskorper ,  ihre  maUgelbe  Farbe  bei  auffallendeiu 
Liebt  in  ein  lebhaftes  Stahlblau  umzuwandeln,  sich  den  zahlreichen 
bekannten  Fluorescenz-Erscheinungen  organischer  und  un- 
organischer Körper  anreiht.  BesäCsen  die  Inhaltskorper  krystalli- 
nische  oder  geschichtete  Struktur,  so  wäre  es  immeriiin  denkbar, 
dafs  durch  Reflexion  des  Lichtes  an  den  Grenzflächen  spaltenfor- 
miger,  mit  Luft  oder  Flufsigkeit  gefüllter  Interstition  sich  die  In- 
terferenzfarben dunner  Blättchen  bilden  konnten.  Doch  würde  man 
sich  auch  dann  kaum  vorstellen  können,  daüs  bei  so  grofser  Ver- 
schiedenheit in  Grofse  und  Form  der  Körper^  die  Spalten  überall 
dieselbe  Weite  besitzen  sollten,  was  zur  Erklärung  der  rein  blauen 
Reflexionafarbe  unumgänglich  nothwendig  wäre.  Unmöglich  wird 
diese  Annahme  gegenüber  der  erwiesenen  Strukturlosigkeit  der  In- 
haltskörper, die  mit  der  eines  im  Zellsafte  suspendirten  und  mit 
deutlicher  Gontour  gegen  denselben  abgegrenzten  Schleimtropfens 
die  meiste  Ähnlichkeit  hat  Weder  das  aus  der  wässrigen  Losung 
begierig  aufgenommene  Jod,  noch  Säuren  und  ätzende  Alkalien 
Hefsen  die  geringste  Schichtung  erkennen. 

Bevor  ich  indefs  die  Erscheinung  als  unzweifelhafte  FLaores- 
cenz  ansprach,  war  es  nothwendig,  sie  den  bekannten  physikali- 
schen Proben  zu  unterwerfen,  um  so  mehr  als  die  Eigenschaft,  zu 
fluoresciren,  an  einem  Inhaltsbestandtheile  lebender  Zellen  bisher 
noch  nicht  beobachtet  worden  ist.  Ich  verdanke  die  Gelegenheit 
hierzu  der  Gute  der  Herren  Professoren  Blaserna  und  Caniz- 
zaro,  die  mir  Räumlichkeiten  und  Instrumente  mit  freundlichster 
Bereitwilligkeit  zur  Verfügung  stellten. 

Es  kam  darauf  an,  zu  entscheiden,  wie  die  Erscheinung  ge- 
genüber den  verschiedenen  Strahlen  des  Spektrums  sich  verhält. 

Die  erste  Versuchsreihe  wurde  mit  farbigen  Gläsern  ausge- 
führt. Ein  Oberflächenschnitt,  welcher  eine  gröfsere  Zahl  unver- 
letzter Zellen  enthielt,  wurde  auf  dem  Objekttisch  des  Mikroskopes 
gebracht  und,  unter  Abschlufs  des  durchfallenden  Lichtes,  zuerst 
bei  weifsem,  dann  bei  gelbem  und  zuletzt  bei  blauem  Oberlicht 
beobachtet.  Bei  weifsem  und  blauem  Licht  trat  der  Metallglanz 
mit  grofser  Lebhaftigkeit  hervor,  während  unter  Einflufs  der  gel- 
ben Strahlen  keine  Spur  davon  sichtbar  war. 

Um  die  Wirkung  der  verschiedenen,  insbesondere  der  brech* 
bareren  Strahlen  reiner   untersuchen  zu    können,    wurden    mittels 


vom  23.  Juni  1870.  437 

eines  Flintglas-  und  eines  Quarzprismas ')  Spektren  auf  dunklem 
Hintergrand  entworfen  und  lebhaft  stahlblaue  Zweige  unserer 
Pflanze  in  einem  Reagensglase  unter  Seewasser  an  den  einzelnen 
Abtheilungen  desselben  langsam  vorubergefahrt.  Das  Resultat  wur 
kein  befriedigendes.  Zwar  blieb  die  Erscheinung  im  hellleuch- 
tenden Theile  des  Spektrums  weg  und  trat  erst  im  Blau  wie- 
der deutlich  hervor;  im  Violett  war  die  charakteristische  blaue 
Farbe  aber  schon  schwierig  nachzuweisen,  und  im  Ultraviolett,  wo 
eine  zum  Vergleich  mitgebrachte  Lösung  von  schwefelsaurem  Chi- 
nin noch  deutlich  in  dem  ihr  eigenthumlichen  mattblauen  Licht 
erglänzte,  waren  an  den  Zweigen  von  Ckandriopais  ccerulescens  nur 
noch  Spuren  eines  matten  Schimmers  zu  beobachten.  Wurden  die 
ultravioletten  Strahlen,  nach  Ausschlufs  der  übrigen  Theile  des 
Spektrums,  mittels  einer  Quarzlinse  auf  die  Zwdge  concentrirt,  so 
trat  zwar  der  blaue  Glanz,  wenn  auch  schwach,  doch  deutlich 
hervor;  da  aber  keine  ganz  absolute  Dunkelheit  im  Zimmer  her- 
zustellen war,  blieb  es  unmer  unentschieden,  ob  derselbe  von  den 
ultravioletten  Strahlen  oder  von  den  Spuren  diffusen  weissen  Lichtes 
herrühre,  das,  wie  ich  mich  überzeugte,  von  der  Quarzlinse  zu 
einem  matten  Fleck  vereinigt  wurde. 

Durchaus  erfolglos  war  ein  letzter,  mit  einem  Rhumkorff- 
sehen  Inductionsapparat  von  8 — 10  Cm.  Funkenlfinge  ausgeführter 
Versuch.  Bekanntlich  ist  das  elektrische  Licht  besonders  reich 
an  ultravioletten  Strahlen,  welche  Fluorescenz  erregen.  Im  vor- 
liegenden Falle  brachte  weder  der  durch  Luft$  noch  der  durch  eine 
mit  Stickstoff  gefüllte  6 eisler' sehe  Röhre  gehende  Funke  das 
Phänomen  zum  Vorscheinen.  Dieses  negative  Resultat  scheint 
auf  den  ersten  Blick  die  Möglichkeit  vollkommen  auszuschliefsen, 
dafs  die  vorliegende  optische  Erscheinung  Fluorescenz  sei.  Doch 
möchte  ich  vor  allem  daran  erinnern  ^  dafs  die  Intensitlit  der  vio- 
letten und  ultravioletten  Strahlen  möglicherweise  in  beiden  Fällen 
eine  zu  geringe  war,  um  die  blaue  Eigenfarbe  hervorzurufen.  Viel- 
leicht tritt  aber  hierzu  noch  ein  anderes  Moment.  Man  kennt  eine 
Reihe  von  Körpern  (z.  B.  Schwefelkohlenstoff  und  Benzol ' },  welche 


1)  Quarzprismen  and  Quarzlinsen  sind  fSr  die  Untersuchung  deshalb 
besonders  geeignet,  weil  der  Quarz  die  ultravioletten  Strahlen,  welche  vor- 
zugsweise Fluorescenz  erzeugen,  viel  weniger  stark  absorbirt,  als  Glas. 

')    cf.  Mfiller's  Lehrbuch  der  Phjsik  und  Meteorologie  Bd.  X.  p.  646, 


438  GuammUUzung 

die  Eigensehaft  haben,  alle  siehtbaren  Strahlen  des  Spektmms  un- 
gehindert hindorchtreten  ra  laaten,  liir  Ultraviolett  aber  ondarch- 
gSngig  sind.  Es  wSre  nnn  möglich,  dafe  der  nach  anisen  gelegene 
Theil  der  Rindenzellenmembran ,  welcher  starker,  als  die  Seiten- 
wfinde  verdickt  ist,  sich  Ihnlich  Terhielte.  Ist  diese  YemitttiioDg, 
deren  Prüfung  durch  den  Yersnch  w<^l  mit  grofsen  praktischen 
Schwierig^iten  Terbnnden  sein  wurde,  richtig,  so  w2re  dadnrcb 
zur  Genüge  eiklfirt,  warum  die  ultravioletten  Strahlen,  besonders, 
wenn  sie  mit  geringer  Intens! tut  auftreten,  nicht  bis  zu  den  In- 
haltskorpem  vordringen  und  die  Erscheinung  somit  nicht  hervor- 
rufen  können. 

Eine  sichere  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  in  Rede  stehende 
Erscheinug  Fluorescenz  ist,  oder  nicht,  wäre  voraussichtlich  dareli 
die  Untersuchung  der  Inhaltskorper  bei  polarisirtem  Licht  her- 
beigeführt worden.  Fluoresdrende  Korper,  besitzen  nSmlidi,  ahn- 
lich wie  selbstleuchtende,  die  Eigenschaft,  das  Licht  nach  allen 
Richtungen  hin  auszustrahlen;  die  von  ihnen  ausgehenden  Licht- 
strahlen sind  deshalb  nicht  polarisirt,  wfihrend  bei  einfach  reflek- 
tirten  Strahlen  alle  Äthertheilchen  in  derselben  Ebene  schwingen. 
Leider  konnte  ich  diesen  Versuch,  auf  den  mich  Hr.  Professor 
Blaserna  freundlichst  aufmerksam  machte,  nicht  ausfuhren,  da 
ich  versäumt  hatte,  meinen  Polarisationsapparat  auf  die  Reise  mit- 
zunehmen. 

Obschon  nun  durch  vorstehende  Untersuchung  die  Natur  der 
optischen  Erscheinungen  bei  Chondriopsis  earuleseens  noch  nicbt 
vollkommen  aufgeklärt  ist,  glaubte  ich,  daCs  die  beobachteten  That- 
sachen,  auch  in  dieser  unvollständigen  Form,  einiges  Interesse  bie- 
ten, um  ihre  Veröffentlichung  zu  rechtfertigen. 


Erklärnng  der  Abbildangen. 

Fig.  1.    Ende  eine«   erwachsenen  Zweiges,    nach  Behandlung  mit  Atzkali, 

bei  mittlerer  EinsteUong  (also  im  optischen  Längsschnitt)  gezeichnet. 

45  mal  Tergröbert 

Fig.  2.     Qaerschnitt  durch  ein  erwachsenes,  lebhaft  blau  schimmerndes  Stamm* 

eben.     Bei  a  ist  eine  warzenförmige  Zweignarbe  durch  den  Schnitt 

getroffen. 

88  mal  vergröfsert. 
Fig.  3.    Vegetationspnnkt  eines  jungen  Astes,  nach  Behandlung  mit  Ätzkali- 
480  mal  yeigröfsert. 


.  1/M,iü6r/-  y  ^.  y/y/^  (f.  ll'Juffi  A 


Pl 


(:f:\-^„.,„/r  /„/. 


vom  23.  Juni  1870.  439 

Fig.  4.    Vegetationspunkt  eines  in  Foctentwickelang   begriffenen  Haaptastes, 
nach   Behandlung  mit  Atzkali   durch  Druck    aus   der   napff5miigon 
Vertiefung  der  Stammspitze  herrorgestfilpt 
480  mal  vergröfsert 
Fig.  5.    Junger  AdventiTZweig ,    aus  dem  obem  Theil  einer  warzenförmigen 
Narbe  (10  Mm.  unterhalb  der  Spitze  des  Mntterastes)  hervorbrechend. 
330  mal  vergrÖDsert 
Fig.  6.    Junger   Achselsprors ,    nach  Behandlang   mit   Ätzkali   im    optischen 
Längsschnitt  gezeichnet. 
430  mal  vergröCsert. 
Fig.  7.    Dreizellige  Anlage  eines  pseudodichotimen  Haares. 

480  mal  veigröfsert. 
Fig.  6.    Jongea  Haar,  auf  weiterer  Entwickelungsstnfe,  als  Fig.  7. 

480  mal  Tergrdfsert. 
Fig«  9.     Unverletzte  Rindenzellen  eines  blau  schimmernden  Stämmchens,  durch 
einen  Oberflichenschnitt  abgetrennt. 

480  mal  vergrölsert»     (Die  KÖmelung  der  gelblichen  Inhaltskör- 
per ist  in  Wirklichkeit  matter,  als  in  der  Fignr). 


Hr«  du  Bois-Reymond  las  einen  Nachtrag  zu  seiner  Ab- 
handlung über  die  aperiodische  Bewegung  gedfimpfter 
Magnete    (s.  Nachtrag). 


An    eingegangenen    Schriften    nebst   Begleitschreiben    wurden 
v'orgelegt: 

E.  Ketteier,  Über  den,  Einflu/»  der  ponderahlen  Moleküle  auf  die  Dis- 
persion des  LictUes,     Berlin  1870.     8. 

F.  Ranschy  Oeechichte  der  Literatur  des  RkdtO'Romanischen  Volkes  mit 
einem  Blick  au/  Sprache  und  Charakter  desselben,  Frankfurt  a.  M.  1870. 
8.     Mit  Schreiben  des  Verf.  d.  d.  Frankfurt  a.  M.  vom  20.  Juni  1870. 

Verhandiungen    des  naturhistorisch-meditinischen  Vereins  zu  Heidelberg,     5. 

Bd.  3.  Heft.     Heidelberg  1870.     8. 
[1870]  31 


440  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

Schweizerische  Meteorologische  Beobachtungen,    Juni-Aagast   1869.     Zühch 

1869.     4. 
Nederlandech  Meteorologisch  Jaarhoek  voor  1869,  l.Deel.  Utrecht  1869.  4. 
Proceedings  of  the  Asiatic  Society,     no.  11.  1869.  no.  2.  1870. 
Journal  of  the  Asiatic  Society,     1869,  no.  4.     Calcntta  1870.     8. 
NumisBUMtie  Chronicle,    no.  37.     London  1870.     8. 
Oversigt  over  det   Kongl,  Danske  Videnskahernes  Selskabs  Forhandiin^r, 

i  aaret  1869,    Kjobnhavn  1869—70.     8. 
Proceedings  of  the  Royal  Irish  Academy,    Vol.  10.  Edinburgh  1867—68.  8. 
Transaetions  of  the  Royal  Irish  Academy,     Vol.  24.     Doblin  1867— 1S70. 

9  Hefte  4. 
Breen,    On  the  corrections  of  Bouvard^s  Elements  of  the  orbits  of  Jupiter 

and  Sdaium,     (Appendix  to  the  Oreemoic^  Ohservations  for  1868,) 
Verhcmdlungen  der  Südslavischen  Akademie,     11.  Heft.     Agram  1870.    S. 
Y.   Eichwald,    Nils  von   Nordenskiöld    und  Alexander    von   Nordmasn, 

Petersburg  1870.     8. 
Scriptores  rerum  Lusaticantm,    Vol.  4.     GOrlitz  1870.     8. 


27.  Juni.      Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  C.  Rammeisberg  las  Beiträge  zur  Kenntnifs  der 
Meteoriten. 

Über  die  Analyse  von  Meteoriten. 

Berzelius  hat  in  seiner  ausgezeichneten  Arbeit  die  Methode 
der  Untersuchung  vorgezeichnet,  welche  in  ihren  Grundzügen  noch 
heute  besteht.  Dennoch  ist  es  für  Jeden,  der  sich  mit  eigenen 
Forschungen  in  diesem  Gebiet  beschäftigt,  von  grofser  Wichtigkeit, 
diese  Methode  in  einzelnen  Theilen  zu  verbessern,  da  sich  nicht 
verkennen  läfst,  dafs  hierin  noch  viel  zu  thun  übrig  bleibt 

1,     Trennung  des  Nickels  vom  Eisen, 

Berzelius  bediente  sich  dazu  zweier  Methoden.  Entweder 
fällte  er  das  Eisenoxjd  durch  überschüssiges  Ammoniak  oder  er 
setzte  nur  soviel  desselben  hinzu,  dafs  ein  basisches  Salz  entstand 


vom  27.  Juni  1870.  441 

und  fällte  dann  mit  bernsteinBaurem  Ammoniak.  Das  Nickel  wurde 
aus  dem  Filtrat  immer  durch  Ammoniumhydrosulfur  niedergeschla- 
gen. Nach  H.  Rose  ist  die  erste  Methode  die  ungenauste  von 
allen,  weil  das  Eisenoxyd  immer  nickelhaltig  bleibt;  man  erhält 
also  zu  wenig  Nickel.  Und  was  die  zweite  betrifft,  so  giebt  sie 
nach  H.  Rose  ein  kaum  besseres  Resultat. 

Sehr  allgemein  benutzt  man  die  Ffillnng  des  Eisens,  nachdem 
seine  Losung  mit  kohlensaurem  Natron  bis  zur  Rothung  versetzt 
worden,  durch  essigsaures  Natron  in  der  Siedhitze.  Allein  auch 
von  dieser  Methode  bemerkt  H.  Rose,  dafs  sie  beim  Nickel  nicht 
ganz  so  genau  sei  wie  beim  Kobalt. 

Die  Scheidung  beider  Metalle  durch  kohlensauren  Baryt  liefert 
nach  H.  Rose  befriedigende  Resultate,  gelingt  besser  als  beim 
Kobalt,  l&Tst  aber  doch  Spuren  vob  Nickel  beim  Eisen. 

Bei  der  Analyse  von  Meteoreisen  können  andere  Methoden 
kaum  in  Betracht  kommen. 

Nach  meinen  Erfahrungen  ist  die  Anwendung  des  kohlensau- 
ren Baryts  vorzuziehen,  denn  selbst  wenn  man  die  Ffillung  durch 
essigsaures  Natron  wiederholt  hat,  so  l&fst  sich  durch  jenen  noch 
etwas  Nickel  in  dem  Eisen  nachweisen.  Beispielsweise  sei  ange- 
führt, dafs  bei  diesem  Verfahren  das  Meteoreisen  von  Tula  (s.  wei- 
terhin) gab: 

durch  die  erste  Fällung  8,18  pc.  Ni 
„        „    zweite      „  0,58    „ 

„      kohlensauren  Baryt        1,48    „ 

zusammen  10,24    „ 

Man  wird  bei  mehreren  Analysen  stets  das  Maximum  des 
Nickels  als  die  zuverläfsigste  Zahl  annehmen  müssen. 

Wie  grofs  die  Differenzen  lediglich  in  Folge  des  Verfahrens 
sind,  zeigen  folgende  Zahlen  für  den  Prozentgehalt  von  Nickel. 

Meteoreisen  von         nach  meinen  Ver- 
suchen 

Tula  9,84—10,24  2,63  Auerbach, 

Ruffs  Mountains  9,65  3,12  Shepard, 

Lockport  10,73  5,71  Silliman. 

Man  mag  sich  vorstellen,    wie  viele  Angaben  in  dieser  Hinsicht 
weit  unter  dem  wahren  Werth  geblieben  sein  m5gen. 

3i^ 


442  Sitzung  der  physikaUseh-mathematisehen  lÜtuse 

2.     Trennung  und  BeBtimmung  des  Meteoreisens  in  Steinmeteoriten, 

Alle,  welche  sich  mit  Analysen  dieser  Art  beschfiftigt  haben, 
wissen,  dafs  eine  mechanische  Absonderung  des  Eisens  darch 
Schlammen  und  durch  den  Magnet  sehr  mangelhaft  ist.  Deshalb 
hat  Wo  hier  die  Anwendung  von  Kupferchlorid  empfohlen,  wobei 
nach  ihm  das  Schwefeleisen  nicht  angegriffen  wird.  Diese  Methode 
entspricht  ihrem  Zweck,  nur  mufs  das  Chlorid  säurefrei  sein. 
Indessen  die  nachherige  Ausfällung  des  Kupfers  darch  Schwefel- 
wasserstoff ist  bei  der  leichten  Oxydation  des  Schwefelkupfera  nicht 
angenehm,  und  selbst  möglichst  neutrales  Kupferchlorid  ist  nicht 
ohne  Wirkung  auf  Schwefeleisen  und  die  Silikate. 

Von  100  Th.  gepulverten  Eisensulfurets  (aus  käuflichem  Schwe- 
feleisen durch  Schmelzen  mit  Schwefel)  loste  Kupferchlorid  bei 
zweitägiger  Digestion  35,8  auf. 

Bei  einer  Analyse  des  Chondrits  von  Pultask  mittelst  Kupfer- 
Chlorid  enthielten  0,17  Nickeloxyd  bei  näherer  Prüfung  0,048 
Magnesia,  d.  h.  wäre  jenes  rein,  so  wurde  es  ^  0,13324  Ni  ge- 
wesen sein;  statt  dessen  war  es  =  0,09292  Ni,  oder  statt  100  Tb. 
Ni  haben  wir  nur  etwa  70  Ni  und  mehr  als  36  MgO. 

Ich  habe  mich  deshalb  des  Quecksilberchlorids  bedient, 
welches  neutral  ist  und  nichts  Feuerbeständiges  in  die  Analyse 
bringt.  Auch  hat  die  Fällung  des  Schwefelquecksilbers  nichts  Un- 
bequemes. Freilich  greift  es  Schwefeleisen  ebenfalls,  doch  weit 
weniger  an. 

Von  100  Th.  Eisensulfuret  wurden  unter  gleichen  Umständen 
nur  6,97  aufgelöst. 

Ja  es  haben  sogar  früher  schon  Orewingk  und  Schmidt  in 
der  Auflösung  dieses  Chlorids  ein  Mittel  finden  wollen,  die  Menge 
nicht  blos,  sondern  auch  sogar  die  Natur  des  Schwefeleisens  zu 
ermitteln,  ob  Troilit  (FeS)  oder  Magnetkies  (Fe»S^).  Dies  beruht 
doch  darauf,  dafs  das  Chlorid  Schwefeleisen  leicht  und  vollkom- 
men zersetzen  könnte.  Ich  habe  zudem  schon  vor  längerer  Zeit 
nachgewiesen*),  dafs  von  Magnetkies  nach  6  Tagen  nur  30  p.  C. 
zersetzt  waren,  und  dafs  ebensowenig  die  hierbei  freiwerdende 
Schwefelsäure  der  von  den  Urhebern  dieser  Methode  aufgestellten 
Rechnung  entspricht. 


*)    Zeitschrift  der  d.  geol.  Ges.  18,  691. 


vom  27.  Juni  1870.  443 

Selbst  auf  den  OÜTin  der  Meteoriten  ist  das  Quecksilberchlo- 
rid nicht  ohne  Einwirkung.  100  Th.  Nickeloxyd  von  dem  M.  von 
Poltusk  enthielten  39,3,  und  von  dem  von  Richmond  41,7  p.  C. 
Magnesia.^) 

Chlorsiiber  ist  nicht  gut  verwendbar,  weil  sich  basisches 
Eisenchlorid  bildet  und  das  pulverige  Silber  den  Silikaten  beige- 
mengt bleibt. 

Jod  hat  Wohl  er  nicht  brauchbar  gefunden.  W&sseriges 
Brom  ist  ein  vortreffliches  Mittel,  Eisen  aufzulösen  (Meteoreisen, 
Roheisen  etc.),  allein  es  greift  auch  die  Silikate  sehr  stark  an. 
ICD  Th.  des  M.  von  Pultusk  lieferten  einen  Auszug,  aus  dem  er- 
halten wurden: 

Eisenoxyd  29,07 
Nickeloxyd  2,02 
Magnesia         4,72 

Bei  wiederholter  Behandlung  des  Rests  mit  Wasser  und  Brom  gin- 
gen Magnesia  und  Eisen  von  neuem  in  Losung. 


3,     Die  Analyse  der  Silikate. 

Wie  vortrefflich  die  in  neuerer  Zeit  öfter  verd&chtigte  Tren- 
nung der  Silikate  durch  Säuren  in  geeigneten  F&Uen  zum  Ziele 
führt,  habe  ich  immer  wieder  bestätigt  gefunden.  Nur  darf  man 
nicht  vergessen,  dafs  die  Kieselsäure  des  Olivins  aus  dem  Rest 
noch  feucht  durch  Kochen  mit  einer  Auflösung  von  kohlensaurem 
Natron  zu  extrahiren  und  aus  derselben  abzuscheiden  ist.  Femer 
aber,  dafs  die  Analyse  des  unzersetzbaren  Silikats  eine  Prüfung 
der  Elieselsäure  auf  ihre  Reinheit  erfordert,  dafs  Thonerde  und 
Magnesia  sich  genau  nur  in  der  Fluorwasserstoffanalyse  bestimmen 
lassen,  und  dafs  ihre  Trennung  am  sichersten  durch  Glühen  mit 
Atzkali  erfolgt,  wobei  man  die  Menge  der  Thonerde  aus  der  Dif- 
ferenz findet  und  somit  von  der  Reinheit  des  Kalis  unabhängig  ist. 


'}    Ich  bemerke  bei  dieser  Gelegenheit,  dafs  Magnete  10 en  von  beiden 
Chloriden  gar  nicht  angegriflfen  wird. 


444  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

A.     Meteoreisen. 

I.  Ruffs  Mountains,  Newberry  (oder  Lezington  Ck>iuitj), 
S&dcarolina.  Feilspfihnef  z.  Th.  gerostet,  von  Shepard  mitgetheilt, 
der  dieses  Eisen  beschrieben  hat.^)  Die  Masse  wog  53  Kilogr. 
In  a  mit  Ghlorwasserstofiisäare,  in  b  mit  Quecksilberchlorid  auf- 
gelöst 

Analyse 
a         b         Mittel       von  Shepard 

Nickel     7,6     9,65       8,62  3,12 

96,00 


99,12 


II.    Lockport    (Cambria),    New-York.      Analyse    mitteleit 

Brom. 

Schwefel    0,17  1  ^  ^-  „  „  Silliman 

reo 


Eisen 

0,30  J  -'-•  * 

*/ 1>^ 

Eisen 

88,76 

92,58 

Nickel 

10,65 

.}    5,71 

Kobalt 

0,08 

Kupfer 

0,04 

Rückstand      1,40 

100  99,69 

III.  Tula  (Netschaevo).  Von  einem  grofsem,  von  Dr.  Auer- 
bach erhaltenen  Stück.  Analyse  a  mittelst  Chlorwasserstoffsaure ; 
b  mittelst  Quecksilberchlorid. 

Nickel  (Co)  im 
Maximo 

a  =  10,24  p.  C. 
•  b  =     9,84     „ 

2,63     „     nach  einer  frühern  Unter- 
suchung Auerbach's.') 

B.     Der  Pallasit   von  Brahin. 

Die  im  Jahre  1810  bei  Brahin  im  Gouv.  Minsk  gefundenen 
beiden  Stücke  (im  Gewicht  von  etwa  200  Pfund)  gleichen  in  jeder 
Beziehung  der  berühmten  Pallasmasse  aus  Sibirien.  Während  wir 
aber  von  dieser,    von  ihrem    Metcoreisen  und  dem  Olivin,    durch 


»)   Am.  J.  Sc.  (2)  10,   128.  15,  5. 
')   Pogg.  Ann.  118,  363. 


vom  27.  Juni  1870.  445 

Berzelius  längst  eine  genaue  Eenntnifs  haben,  ist  die  Meteor* 
masse  von  Brahin  nur  von  Laugier  im  J.  1823  in  höchst  unvoll- 
kommener Art  untersucht  worden.')  Ich  theile  deshalb  hier  die 
Resultate  meiner  Analysen  mit,  nnd  stelle  sie  des  Vergleiches  we- 
gen mit  denen  der  Pallasmasse  von  Berzelius  zusammen. 

A.  Das  Meteoreisen,  durch  Hämmern  vom  anhängenden 
Olivin  befreit,  wurde  mittelst  einer  Auflösung  von  Quecksilberchlo- 
rid analysirt. 


Pallaseisen 

Berzelius 

Eisen 

88,17 

Nickel 

(Co) 

11,04 

11,19 

Cu    0,07 

Mg    0,05 

C    0,04 

Ruckstand     0,42 

100 

Beide  sind  gleich  zusammengesetzt,  etwa  NiFe^.  Die  kleine  Menge 
des  zur  Verfügung  stehenden  Materials  gestattete  nicht,  auf  die 
Nebenbestandtheile  Rucksicht  zu  nehmen. 

Der  Olivin  hat  folgende  Zusammensetzung: 

Pallasmasse 


Berzelius 

Kieselsäure 

37,58 

40,86 

Magnesia 

43,32 

47,35 

Eisenoxydul  (Mn) 

18,85 

12,15 

99,75 

SnO»      0,17 

100,53 

Hiernach  ist  der  Olivin  beider  Massen  etwas  verschieden;  der  von 
Brahin  enthält  Fe :  Mg  im  Verhältnifs  1:4,  der  der  Pallasmasse 
beide  =  1:8.  Jener  stimmt  mit  dem  O.  des  Pallasits  von  Ata- 
cama  nach  der  Analyse  von  Schmid. 

C.     Die  Chondrite  von  Pultusk,  Richmond  und  Jowa. 

Die  Chondrite,    die   bei  weitem   zahlreichste  Abtheiiung    der 
Steinmeteoriten  —  93  unter  109  der  Berliner  Sammlung  oder  mehr 


»)    Gilb.  Ann.  75,  264. 


446  Sitzung  der  physikalisch-fnathematisehen  Klasse 

als  85  p.  C.  gehören  ihr  an  —  haben  zahlreiche  Analysen  hervor- 
gerufen,  und  man  sollte  danach  glauben,  dafs  hierdurch  bestimmte 
Schlüsse  auf  ihre  mineralogische  Natur  gegeben  seien. 

Wie  bekannt  enthalten  sie  Nickeleisen  in  mehr  oder  min- 
der feiner  Yertheilnng  in  einer  überwiegenden  Orundmasse.  Sehr 
geringfügig  und  nicht  immer  nachweisbar  ist  Schwefeleisen,  aus 
dessen  Farbe  man  auf  Magnetkies  schliefst,  sowie  Chromeisen- 
erz. Jene  Grundmasse  aber,  welche  fast  immer  kleine  Kegeln 
von  unebenem  oder  ezcentrisch  faserigem  Bruch  enthält,  mitunter 
ganz  aus  solchen  besteht,  ist  ein  Gemenge  von  Silikaten,  von  de- 
nen sich  eins  durch  Beobachtung  bei  manchen  als  Olivin  in  äus- 
serst kleinen  Krystallen  oder  Körnern  zu  erkennen  giebt,  während 
seine  Gegenwart  in  allen  Chondriten  durch  die  Analyse  unzwei- 
felhaft wird.  Welcher  Natur  aber  das  Übrige  ist,  darüber  giebt 
die  Beobachtung  an  sich  sowohl  als  auch  der  Dünnschliffe  unter 
dem  Mikroskop  keinen  bestimmten  Anfschlufs.  G.  Rose,  dem 
wir  die  genausten  Untersuchungen  dieser  Art  verdanken,  konnte 
nur  faserige  Aggregate  und  vereinzelte  schwarze,  grün  durchschei- 
nende Körner  wahrnehmen. 

Beseitigt  man  das  Nickeleisen  eines  solchen  Meteoriten,  indem 
man  das  Pulver  mit  einer  Auflösung  von  Quecksilberchlorid  er 
bitzt,  so  bleiben  die  Silikate  nebst  Schwefeleisen  und  Ghromeisen 
zurück.  Behandelt  man  dies  Gemenge  mit  Chlorwasserstoffsäure, 
so  löst  sich  das  Schwefeleisen  auf  und  etwa  die  Hälfte  der  Süi- 
kate  wird  zersetzt  Der  zersetzte  Antheil  ist  in  allen  Fällen  Oli- 
vin, oft  ganz  rein,  biswellen  ein  wenig  Kalk-  und  Thonerde  ent- 
haltend, weil  die  Säure  auch  den  Rest  nicht  unangegriffen  liefs. 
Dieser  Rest  ist  es  nun,  dessen  Natur  zu  ergründen,  hauptsächlich 
das  Ziel  neuer  Versuche  gewesen  ist. 

Alle  Analysen  dieses  Theils  haben  darin  EisenoxyduP) 
und  Magnesia  nachgewiesen;  von  34,  welche  mir  zur  Verglei- 
chung  zu  Gebote  stehen,  giebt  nur  eine  (Ch.  von  Sauguis  nach 
Mcunier)  keine  Thonerde,  alle  übrigen  zwischen  1  und  12  p.  C, 
meist  jedoch  nicht  über  6  p.  C.  Vier  geben  keinen  Kalk,  die 
übrigen  0,5 — 5  p.  C.  dieser  Erde.      Natron  und  Kali,    von  ge- 


0  KakoTa  und  Murcia  sind  die  einzigen,   wo  das  Eisen  ganz  oder  fast 
fehlt. 


vom  27.  Juni  1870.  447 

ringen  Mengen  bis  etwa  5  p.  C,  sind  meist  aufgeführt,  und  über- 
haupt wohl  stets  vorhanden,  wenn  auch  die  Untersuchung  nicht 
darauf  Rücksicht  genommen  hatte. 

Berzelius  äufsert  sich  in  seiner  wichtigen  Arbeit  über  die 
Meteoriten,  nachdem  er  die  Ghondrite  von  Blansko  und  Chanton- 
nay  untersucht  hat,  über  diesen  Silikatrest  nur  ganz  allgemein,  in- 
dem er  bemerkt,  dafs  das  Ganze  ein  Bisilikat  darstelle,  und  ver- 
muthlich  aus  einem  augitartigen  und  einem  leucitartigen  bestehe, 
wobei  er  aber  nicht  an  den  durch  Sfiuren  zersetzbaren  Leucit  denkt, 
sondern  einen  Kalk-  und  Alkalifeldspath  von  Bisilikatmischung  im 
Sinne  hat,  also  einen  Körper,  wie  man  ihn  als  Andesin  bezeich- 
net hat. 

Auch  später  ist  die  Vorstellung,  dieser  Theil  der  Ghondrite 
bestehe  aus  zwei  ganz  bestimmten  Silikaten,  die  in  unseren  Gestei- 
nen häufig  seien,  immer  wieder  hervoi^etreten,  und  ich  suchte  im 
J.  1843  durch  eine  Berechnung  der  Analysen  zur  Kenntnifs  der 
einzelnen  Silikate  zu  gelangen.^)  Eine  solche  Berechnung  schien 
zu  beweisen,  dafs  der  Silikatrest  der  Ch.  von  Chateau- Renard, 
Blansko  und  Ghantonnay  als  Labrador  und  Hornblende  gedeutet 
werden  könnte. 

Als  ^ann  meine  eigenen  Versuche  zeigten,  dafs  die  filtere  An- 
sicht über  die  Zusammensetzung  der  Hornblende  nicht  richtig  war, 
wies  ich  nach,  dafs  jener  Rest  aus  den  Gh.  von  Ghantonnay  und 
Blansko  sich  wohl  auch  als  Augit  und  Labrador  auffassen  lasse, 
erkannte  aber  zugleich,  wie  unsicher  bei  dem  Angriff  der  Sfiuren 
auf  Labrador  die  Grundlage  solcher  Rechnungen  sei,  welche  nur 
dadurch  eine  Art  von  Berechtigung  erhielten,  dafs  terrestrische  Ge- 
menge von  Augit  und  Labrador,  auch  mit  Olivin,  in  Basalten  und 
Doleriten  hfiufig  sind,  und  dafs  die  Eukrite  gleichfalls,  und  zwar 
erweislich,  aus  Augit  und  einem  Feldspath  (damals  für  Labrador 
gehalten,  spfiter  allerdings  als  Anorthit  erkannt)  bestehen.') 

In  der  letzten  Zeit  sind  einige  wichtige  Fortschritte  in  der 
Kenntnifs  der  Mineralien^  welche  andere  Klassen  von  Meteoriten 
bilden,  gemacht  worden.  Wir  wissen  jetzt  mit  voller  Sicherheit, 
dafs  Olivin  und  Augitsubstanz  (ßroncit),  jede  für  sich,   Meteorite 


')    l'ogg.  Ann.  60,  130. 

^)    Handbuch  der  Miueralchemie  S.  929  u.  f. 


448  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

bilden,    dafs  ein  Oemenge  beider   den  Shalkit,    dafs  dasselbe  Ge- 
menge mit  Meteoreisen  die  Mesosiderite  constituirt 

Die  Erfahrungen  Daubree's,  dafs  Chondrite  nach  dem  Schmel- 
zen zu  einem  Eisenkomer  enthaltenden  sehr  deutlichen  £[rystall- 
gemenge  von  Singulo-  und  von  Bisilikat,  d.  h.  von  Olivin-  und 
Augitsubstanz  erstarren  und  meine  eigene  Erfahrung,  dafs  alle  al- 
kalihaltigen  Feldspathe  (Orthoklas,  Albit,  Oligoklas,  Labrador) 
beim  Schmelzen  Glfiser  bilden,  dafs  Daubree  auch  die  Enkrite 
(Juvinas)  zu  Glasmassen  schmolz,  w&hrend  in  den  geschmolzeneD 
Chondriten  nichts  davon  zu  bemerken  ist,  —  diese  Thatsachen 
mufsten  zu  dem  Schlufs  fuhren,  dafs  Feldspathsubstanz  in  den 
Chondriten  überhaupt  nicht  vorkommt 

Die  Analyse  eines  Mineralgemenges,  wie  die  Meteoriten  ein 
solches  bilden,  mufs  so  vollkommen  wie  möglich  sein,  wenn  sie 
der  Berechnung  der  Gemengtheile  zur  Grundlage  dienen  soll.  Her- 
zelius's  Arbeiten  haben  den  Weg  gebahnt,  aber  die  analytische 
Chemie  hat  seit  40  Jahren  wesentliche  Fortschritte  gemacht;  es 
wird  daher  heute  sogar  nothig,  selbst  diese  anerkannten  Unter- 
suchungen zu  revidiren,  indem  man  dasselbe  Material  schSrferen 
Trennungsmethoden  unterwirft.  Bevor  dies  geschehen  ist,  wird  es 
dem  Forscher  erlaubt  sein,  zun&chst  blos  seine  eigenen  Erfahrun- 
gen und  die  daraus  hei^eleiteten  Schlüsse  darzulegen;  and  die 
Hoffnung  auszusprechen,  eine  sp&tere  Wiederholung  der  früheren 
Arbeiten  werde  das  gesetzlich  Erkannte  als  allgemein  gültig  be- 
währen. 

In  diesem  Sinne  habe  ich  drei  Chondrite  speciell  untersucht 
nfimlich  1)  Pultusk,  der  reichliches  Material  bot  und  weil  mit  ihm 
gerade  in  letzter  Zeit  zwei  Untersucher  (vom  Rath  und  Werther) 
sich  beschäftigt  haben;  2)  Richmond  inVirginien  und  3)  Linn- 
Couuty,  Jowa,  weil  diese  beiden  bisher  überhaupt  nicht  zuver- 
läfsig  untersucht  waren. 


I.     Pultusk. 

1.  Analyse  mittelst  Kupferchlorid. 

2.  3.  4.  Analyse  mittelst  Quecksilberchlorid.  Das  Material 
von  4.  war  durch  Absieben  von  den  grobem  Körnern  des  Meteor- 
eisens getrennt  In  Nr.  3  war  die  Behandlung  mit  Quecksilber- 
chlorid wiederholt  worden. 


vom  27.  Juni  1870.  449 

Zwei  gesonderte  Versuche  hatten  0,99   p.  G.   und  1^00  p.  C. 
Schwefel  gegeben. 

A.  durch  die  Metallchloride  aufgelöst 

B.  durch  Chlorwasserstoffsäure  zersetzt. 

C.  nnzersetzbares  Silikat. 


]. 

2. 

3. 

4. 

/  Eisen 
A.  1  Nickel 
^  Magnesia 

13,82 

13,42 

12,96 

4,59 

2,21 

Ml. 

2,90 

2,045 

0,89 

0,96 

0,73 

Schwefel 

0,99 

0,99 

1,00 

1,00 

Eisen 

1,73 

1,73 

1,75 

1,75 

Kieselsäure 

12,16 

13,04 

12,17 

15,30 

Eisenoxydul 

12,12 

11,34 

10,05 

11,68 

Dm      ' 

NiO  0,57 

Magnesia 

13,54 

14,23 

12,88 

16,97 

C. 

42,70 

41,04 

45,96 

100,38         98,69  98,87 

Die  metallischen  Chloride  haben  ein  wenig  Olivin  zersetzt, 
denn  sie  haben  Magnesia  aufgelöst.  Man  hat  daher  die  Olivinba- 
sen,  und  zwar,  wie  wir  sehen  werden,  in  dem  Verhältnifs  Fe:6Mg 
abzuziehen'),  und  erhält  so: 


1. 

2. 

3. 

4. 

f  Eisen 
l  Nickel 

13,31 

12,91 

12,74 

4,25 

2,21 

1,93 

2,045 

0,89 

f  Kieselsäure 
B.      Eisenoxydul 
*^  Magnesia 

12,16 

13,04 

12,17 

15,30 

12,78 

12,00 

6,73 

12,12 

14,65 

15,20 

13,84 

17,70 

Hiernach  wurde  das  Meteoreisen  dieses  Chondrits 

Nickel  14,24         13,00         13,83         17,31      p.  C. 

enthalten,  während  in  A.  die  Sauerstoffverhältnisse  sind: 

1.  2.  3.  4. 

SiO»  6,48  =  1  6,95  =  1  6,49  =1  8,16  =  1 

RO     8,70       1,34     8,75        1,26     7,04       1,09     9,77        1,2 


»)  In  Nr.  3  da;»  NiO  als  Ni,  überdies  (ala  Nickel)  in  Rechnang  zu  bringen. 


450  Sitzung  der  physikaliich-mathematischen  Klasse 

Nan  liegt  kein  Orand  vor,  in  A.  aoTäer  Olivin  eine  andere 
Yerbindang  anzunehmen,  dagegen  ist  es  in  hohem  Grade  wahr- 
scheinlich, dafs  etwas  Meteoreisen  von  dem  Lösungsmittel  nicht 
angegriffen  wurde,  zurückblieb  und  die  Menge  der  RO  vergros- 
serte.*) 

Wir  berechnen  daher  aus  der  Kieselsäure  und  der  Magnesia 
die  zum  Olivin  nöthige  Menge  FeO,  und  erhalten: 


1. 

2, 

3. 

4. 

Kiesels&ure     12,16 

13,04 

12,17 

15,30 

Eisenozydul      2,79 

3,91 

4,27 

4,86 

Magnesia         14,65 

15,20 

13,84 

17,70 

Bringt  man  nun  den  Rest  des  Eisens  für  das  Meteoreisen  in  Rech- 
nung, so  folgt 

1.  2.  3.  4. 

Eisen    21,09     19,20     19,705     9,90 

Nickel     2,21       1,93       2,045     0,89 
d.h. 

Nickel     9,49       9,13       9,40       8,25     p.  C. 

Nach  den  früheren  Versuchen  enthalten  die  mittelst  des  Ma- 
gnets ausgezogenen  Korner 

6,93  p.  C.  Nickel  nach  Rath 
8,0       „  „  „     Werther. 

Rath  hat  die  Zusammensetzung  des    zersetzbaren  Theils    in 
dem  vom  Meteoreisen  durch  den  Magnet  befreiten  Pulver  gefunden. 

Sauerstoff 
Kieselsäure       35,4  18,9 

Thonerde  0,7 

Eisenoxydul      24,9 
Magnesia  39,0 

""löö 

Hehr   erklärlich  ist  auch   hier  der  Überschufs  an  Eisen.     E» 


}   21,^ 


^)  Diese  Annahme  wird  darch  Nr.  3  faktisch  bewiesen,  wo  auf  die 
Gegenwart  und  Menge  des  Niclcels  in  der  Auflösung  der  Olivinbascn  genau 
geachtet  wurde. 


vom  27.  Juni  1870.  451 

folgt  hier  die  corrigirte  Analyse  neben  den  procentischen  Zahlen 
meiner  Versuche: 

1.  2.  3.  4.  Rath       Werther 

Kieselsäure    41,08       40,56       40,19       40,41       39,67        40,53 

Eisenoxydul     9,42       12,16       14,11       12,84       16,64         13,08 

Magnesia        49,50       47,28       45,70      46,75       43,69        44,36 

100  100  100  100  100     Kalk  2,03 


) 


100 
Das  Atomverhfiltnifs  ist 

Fe       1  1  1  11  1 

Mg      9,5  7  5,8  7  4,7  6,3 

Hiemach  scheint    1  : 6    das   annehmbarste  Yerh&ltnirs,   der  Olivin 

mithin 

r    Fe»SiO* 

1  6Mg«SiO* 

berechnet  zu: 

7Si   =  196  =  SiO»  40,24 

2Fe  =112  FeO   13,79 

12Mg  =  288  MgO  45,97 

280    =448  100 

1044 

Wir  kommen  nun  zu  dem  unzersetzbaren  Silikat  (C). 
Dasselbe  enthfilt  etwas  Chromeisenerz,  im  Mittel  1,26  p.  C.  Sein 
V.-G.  fand  ich  =  3,20.  Die  procentische  Zusammensetzung  die- 
ses Theils^  verglichen  mit  Rath's  und  Werther's  Resultaten,  ist 

2.  3.  Werther  Rath 

Eiesels&ure  56,93  55,48  57,76  60,1 

Thonerde  (Cr)  4,17  4,58  2,70  1,7 

Eisenoxydul  (Mn)  9,54  9,01  10,71  10,0 

Magnesia  24,23  24,14  22,43  24,8 

Kalk  3,10  3,65  4,96  0,6 

Natron  2,22  1,44  2,8 

Kali  0,92  —  — 


100  100  100 


Werden   die   kleinen  Mengen    Na  und  K  in  ihr  Äq.    von   R  ver- 
wandelt, so  verhalten  sich  die  Atome 


452  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 


R:Si 

A1:R 

3  =  1  :  1,1 

1 :  18,6 

Werther  =  1 : 1,16 

1 :  31,8 

Rath        =  1  :  ]  ,24 

1 :  47,3 

Es  l&fst  sich  hiernach  wohl  behaupten,  dafs  das  erste  Yerhaltnifs 
=  1:1,  das  Silikat  also  ein  normales  oder  Bisilikat  ist,  bei  dem 
ein  wenig  Kieselsfiure  vom  Olivin  zurückgeblieben  ist 

Ist  nun  AI :  K  =:  1:18,  so  hat  das  Oanze  den  Ausdruck 


{ 


H 


ISRSiOM 
AIO'J 


wobei  R  :  R  =  1:9,  and 

Ca :  Fe  :  Mg  =  1:2:9  ist. 

Man  wird  nicht  anstehen,  diesen  Theil  des  Chondrits  von  Pultusk 
für  Broncit  zu  erklären. 

Als  Endresultat  meiner  Versuche  fclgt  für  diesen  Meteoriten 

2.  3»). 

Nickeleisen        21,13  =  21,78      10,79  ==  11,08 


Sch\<refeleisen 

2,69 

2,77 

2,75 

2,82 

Chromeisenerz 

1,26 

1,80 

1,26 

1,30 

OHvin 

32,15 

33,14 

37,86 

38,89 

Broncit 

39,78 

41,01 

44,70 

45,91 

97,01 

100 

97,36 

100 

Beide  Silikate  stehen  in  dem  YerhiHtnirs  von 

45,3 :  54,7. 
(44     :  56     Werther.) 
(42,6 :  57,4  Rath.) 
(47     :  53      Wawnikiewiz.)') 


^}   Nach  Entfernung  eines  Theils  Meteoreisem 

'}   Notiee  sur  la  meteorite  de  Paltosk.     Publik  par  la  Haute  jfccole  de 
Varsovie. 


vom  27,  Juni  1870. 


453 


II.     R  i  c  h  m  o  n  d. 

Dieser  am  4.  Juni  1828  sudwestlich  von  Richmond  in  Vir- 
ginien  gefallene  etwa  vier  Pfund  schwere  Stein  ist  von  Shepard 
beschrieben  worden.*) 

G.  Rose  bemerkt  hinsichtlich  seiner  aufseren  Beschaffenheit, 
dafs  die  Kugeln  der  Masse  oberflächlich  raub,  selbst  drusig  seien,. 
und  dafs  sie  dichtgedrängt  nebeneinander  liegen. 

Eine  vor  Jahren  von  Shepard  erhaltene  Quantität  kleiner 
Stuckeben  nnd  groben  Pulvers  setzte  mich  in  den  Stand,  diesen 
Meteoriten  näher  zu  untersuchen. 

1.  Analyse  mittelst  Quecksilberchlorid. 

2.  direkte  Behandlung  mit  Chlorwasserstoffsäure. 

Eine  besondere  Schwefelbestimmung  gab  1,55  p.  C.  dieses 
Elements, 

=  4,26  Fe  S     =  2,71  Fe 
=  3,96  Fe»S9  =  2,41  Fe. 


1. 
Qaecksilberchlo-    f  Eisen 
ridauszug  \  Nickel 

Eisen 
Schwefel 


2. 


Chlorwasserstoff- 
auszug 


Unzersetzb.  Silik. 


Eisenoxydul 
Kalk 
Magnesia 
Kieselsäure 

Eisenoxydul 

Kalk 

Magnesia 

Thonerde 

Kieselsäure 


3,74  1 
1,18  J 

2,71  I 
1,55/ 

12,80] 
0,27 
18,32 
16,80 

5,37) 
2,26 
9,07 
2,17 
21,91 


4,92 


4,26 


48,19 


2,71 
1,55 

(u.  NiO)  17,79 

0,45 

18,83 

18,27 


) 


40,78 


40,57 


98,15 


100,17 


Zuvorderst  ist  zu  bemerken,  dafs  das  ursprüngliche  Nickel- 
eisen sich  theilweise  oxydirt  zu  haben  scheint;  die  vielen  Rost- 
flecke  sprechen  dafür,    mehr  aber  noch  der  Umstand,    dafs  der 


>)    Am.  J.  Sc.  15,  195.  16,  191.  42,  102.  (2)  6,  411. 


454  Sitzung  der  physikaliseh-fnathematischen  Kla$se 

ChlorwaSBerstoffauszug  in  1.,  für  Olivin  zuviel  Basen,  d«  b.  FeO 
gegeben  hat  Wir  werden  also  diesen  Tbeil  als  Olivin  berechnen 
und  das  überschfifsige  Eisen  als  ursprunglich  metallisch  vorhanden 
ansehen : 

1. 


1,18  }  ^''^  =  {  12,49  j^^'^^ 


Eisen 
Nickel 

100 
Eisen  2,71 


Schwefel 


2.71  1  4 


26  FeS 


Kieselsfiure  16,80 
Eisenoxydul  6,98 
Magnesia  18,32 
Kalk  0,27 


42,37  Oiivin 


40,78  Unzereetctes  Silikat. 


96,86 


wobei  der  Verlust  eine  Folge  des  nachtrfiglich  oxjdirten  Theiis 
Eisen  ist. 

In  1.  beträgt  das  Eisen  als  FeO  20,02,  das  Nickel  als  NiO 
1,52,  beide  zusammen  21,54  p.  C. 

In  2.  wurde  die  Gesammtsumme  beider  =  21,27  p.  C.  gefun- 
den, also  vollkommen  übereinstimmend. 

Da  auch  die  Menge  des  Unzersetzten  in  beiden  Versuchen  fast 
dieselbe  ist,  so  wollen  wir  2.  mit  Hülfe  des  Schwefels  und  Nickels 
in  1.,  und  unter  Annahme  von  Olivin  berechnen: 


2. 
Eisen  .  5,74 

Nickel  0 


•m  }  «•« 


Eisen  2,71  1 

Schwefel  1,55  J       ' 

Kieselsfiure    18,27 
Eisenoxydul    9  36  ^,.^^ 

Magnesia       18,83  ' 
Kalk  0,45 

40,57  ünzersetztes  Silikat 
98,30 


vom  27.  Juni  1870.  455 

Das  Mittel  beider  Yereucbe  giebt  für  die  Mischung  des  Steins 
von  Ricbmond: 


Nickeleisen 

8,22 

Scbwefeleisen 

4,37 

Olivin 

45,73 

Unzersetzbares  Silikat  41,68 

100  100 

Geben  wir  jetzt  zur  n&beren  Betracbtnng  der  beiden  Silikate 
über. 

Das  durcb  Säuren  Zersetzbare  kann  nichts  anderes  als  Oli- 
vin sein,  dessen  prozentische  Zusammensetzung  ist: 


1. 

2. 

Mittel 

Kieselsäure 

39,65 

38,95 

39,30 

Eisenoxydnl 

16,47 

19,95 

18,21 

Magnesia 

43,24 

40,14 

41,69 

Kalk 

0,64 

0,96 

0,80 

100  100  100 

Der  Olivin  des  Chondrits  von  Ricbmond  enthält  also  1  At. 
Eisen  gegen  4  At.  Magnesium,  d.  h.  er  ist  eine  Mischung 


{ 


Fe»SiO*  1 
4  Mg»  Si  O*  J 


berechnet  zu: 


5  8i  =  140  =  Si  O»  39,27 
2Fe  «  112  FeO  18,85 
8Mg  «  192  MgO  41,88 
20  0  =  320  100 

764 

Er  ist  also  genau  derselbe  wie  derjenige  der  Pallasite  von  Brahin 

und  Atacama. 

Das  unzersetzbare  Silikat  hat  folgende  prozentische  Zu- 
sammensetzung : 

[1870]  32 


456  Sitzung  der  phtfsi/rafUeh-mathemaHsehen  KUuse 


Atome 

Kieselsfiure 

53,74 

=s  Si  25,08 

17,S 

Thonerde 

5,32 

AI    2,83 

1 

Efsenoxydul 

13,17 

Fe  10,24 

3,5 

Magnema 

22,23 

Mg  13,34 

10,7 

16 

Kalk 

5,54 

Ca    S,96 

m 

1,« 

100 

.    ■        tt 

Da  R:Si  offenbar  =s  1  :  1,  so  ist  es  ein  normales  oderBi- 
Silikat  von  Magnesium,  Eisen  und  Calcium,  d.  h.  es  ist  entweder 
ein  kalkhaltiger  Broncit  oder  ein  Gemenge  ron  kalkfreiem 
Broneit  und  KaIk*Augit  =3  Diopsid,  worfiber  die  Analyse  na- 
türlich nicht  entscheiden  kann. 

Da  die  Atome  von  Ca :  Fe :  Mg  =  1:2:6  sind,  da  ferner 
Al:R  =   1  :  16,  so  ist  es  im  ersten  Fall 


16RSiOn 
A10»J 


oder  vielleicht 


CaSiO» 

18RSiOn  j    UMgSiO»^  | 

A10»J       "*      1  AlO»     j 


berechnet  zu: 


18Si  «  504    :=  SiO^  52,36 

AI  =     54,6=  A10>    4,97 

4Fe  =  234    =  FeO  13,96 

12Mg  =  288   ;=  MgO  23,28 
2Ca  =     80    =  CaO     5,43 

570  =  912  100 

2062,6 

Das  Endergebnifs  ist  mithin :  der  Stein  von  Richmond  besteht 
im  Durchschnitt  aus  8  p.  C.  Nickeleisen ,  4  p.  C.  Schwefeleisen 
und  88  p.  C.  Silikaten,  welche  fast  zur  Hfilfte  Olivin,  zur  HälHe 
Augit,  und  zwar  entweder  Broncit  oder  Broncit  und  Diopsid  sind. 


vom  27.  Juni  1870.  457 

Des  Contrai^tes  wegen  mag  angefahrt  werden,  waa  Shepard 
von  der  mineralogitchen  Natnr  dieses  Meteoriten  angiebtt  Aufser 
einem  6  p.  C.  Nickel  enthaltenden  Keteoreisen  and  etwas  Magnet« 
kies  90  p.  C.  Olivin  und  das  Übrige  ein  feldspathartiges  Minevaly 
Howardit  nnd  phosphorsanrer  Kalk* 


III.     Linn  Gönnt y^Jowa. 

Dieser  Meteorit  fiel  am  25.  Febmar  1847,  im  GeeammtgB-« 
wicht  Yon  etwa  65  Pfnnd.  '  Shepard^}  hat  den  Fall  beschrieben 
und  den  Stein  mineralogisch  und  chemisch  nntersucht 

Nach  seiner  Angabe  besteht  derselbe  aus  10,  4  Nickeleisen, 
welches  etwa  14  p.  C.  Nickel  enthält,  ans  5  p.  C.  Magnetkies  und 
83  p.  C  eines  einzigen  homogenen  Silikats,  welches  er  Howardit 
nannte.  Dieses  Silikat  soll'  v*  d.  L.  leicht  zu  einem  schwarzen 
schlackigen  Glase  schmelzen,  von  Chlorwasserstoffsfiure  unter  Ab- 
scheidung flockiger  Kiesels&ure  zersetzt  werden,  und  aus 


Sauere  toff 

Kieselsäure 

63,06 

93,63 

Eisenoxydnl 

24,60 

tJ:  )">.■' 

Magnesia 

11,74 

Alkali 

0,31 

99,71 

bestehen. 

Da  die  Sauerstoffproportion  =3  1 : 3,3,  so  wfire  der  Howar- 
dit noch  saurer  als  ein  Trisilikat. 

Es  ist  unverkennbar,  dafs  diese  Angaben  Shepards  in  hohem 
Grade  problematisch,  ja  unwahrscheinlich  sind.  Die  leichte  Schmelz- 
barkeit und  die  Zersetzbarkeit  eines  so  sauren  Silikats  wfire  höchst 
seltsam. 

G.  Rose  stellt  Jowa  unter  die  Chondrite  und  bemerkt,  er  sei 
dem  von  Mauerkirchen  im  höchsten  Grade  ähnlich. 

Von  Prof.  Shepard  hatte  ich  schon  vor  JiAren  ein  Stuck 
dieses  Meteoriten  erhalten.  Die  Masse  ist  sehr  mürbe  und  enthält 
zahlreiche  Rostflecke,  wie  auch  die  äufsere  Rinde  braun  aussieht. 


1)   Am.  J.  of  Sc.  (2)  4,  tSS  and  R^ort  00  Amertcan  Meteorites  164S% 

32  • 


458 


Sitzung  der  phifsikaU$ch'madiemaii$ehen  Klane 


Beim  Pulvern  fthlt  man  nur  ioTserst  wenig  metaliisehes  Eisen, 
und  68  scheint,  dab  ein  grofser  Theil  desselben  in  Oxyd  oder 
Oz jdhydrat  verwuidell  ist.  In  der  That  giebt  der  Stein  beim  Er- 
hitien  nicht  nnbetrichtUch  Wasser. 

Bei  der  Analyse  ist  wegen  der  offenbaren  partielien  Verinde- 
rung  des  Nickeleisens  von  einer  besonderen  Bestimmung  desselben 
Abstand  genommen;  das  Pulver  wurde  mit  Chlorwasserstoffs&ure 
behandelt,  aus  der  Kiesels&ure  und  der  Magnesia  wurde  der  zur 
Olivinmischung  erforderliche  Eisengehalt  berechnet,  der  Rest  des 
letstereen  aber  ab  Metall. 

Nach  Absttg  von  1,84  p.  C.  OlQhverlnst  ergab  sich: 


Eisen 
Nickel 

9,46 
1,08 

Eisen 
Schwefel 

4,05 
2,32 

9,46  1  r  89, 

1,08  )  '«'^*  =   {  10, 


89,75 
25 


100 


.37  FeS 


Kiesels&ure  16,24 
Eisenoxydol  8,92 
Magnesia     16,69  ] 

Unsersetstes 


f  38,80 


41,85  » 


Sauerstoff 
20,7 


21,31    4,74 
39,89  15 


'''  1  20.' 
,96  J 


100 


41,24 


100 


Der  Olivin  wäre  ungef&hr 


Fe»SiOM 
3Mg»SiOM 


Die  unxersetcbaren  Silikate,  deren  Menge  der  des  Olivins  fast 
genau  gleich  ist,  bestehen  aus: 


Kieselsäure  55,08 

Thonerde  4,86 

Eisenoxydnl  13,58 

Magnesia  22,70 


Kalk 

Natron 

Kali 


2,85 
0,93 
Sp. 


3,021 

9,08 

0,81 

0,24  J 


29,38 
2,27 

13,15 


100 


Das  Ganze  ist  also  fast  genau  Bisilikat. 


vom  27.  Juni  1870.  4d9 


Die 

proxenüsche  Zutammenteizung  der 

(83,09  p. 

C. 

des 

Me- 

teoriten 

betragenden) 

Silikate  ist  hiemach: 

Eiesels&ure 

46,88 

. 

Thonerde 

2,40 

Eisenoxyd  al 

17,49 

Magnesia 

31,36 

Kalk 

1,41 

Natron 

0,46 

100 

Es  ist  ersichtlich,    dafs  diese  Resultate    nicht   die   geringste 
Ähnlichkeit  mit  Shepards  Angaben  zeigen. 
Jowa  ist  ein  Chondrit. 


Es  liegen  hier  nan  die  Resultate  von  drei  Chondriten  vor,  und 
es  dürfte  von  Interesse  sein,  ihre  Silikate  unter  einander  zu,  ver- 
gleichen. Ihnen  sei  noch  beigefugt:  der  von  mir  schon  früher  un- 
tersuchte'} von  Klein-Wenden  bei  Nordhausen  (gefallen  den 
16.  September   1843). 

A.     Zusammensetzung  des  zersetzbaren  Silikats  (Olivin): 


1. 

2. 

3. 

4. 

Kl.  Wenden 

Pultusk 

Richmond 

Jowa 

a. 

Rg. 

Werther 

SiO> 

39,60 

40,48 

40,53    . 

39,30 

38,80 

FeO(Mn)  10,91 

12,50 

13,08 

18,21 

21,31 

MgO 

47,37 

47,02 

44,36 

41,69 

39,89 

CaO 

2,12 

— 

2,03 

0,80 

100  100        100  100  100 

£s  enthfilt  also  der  Olivin  aus 


O    Pogg-  Aon.  62,  449. 


466  Sitzung  der  physikaliBch-mathematiscfien  Klasse 

KL  Wenden    Fe  Mg*  a  O.  der  Pallasmasae, 

Pultusk  FeMg« 

Richmond        FeMg^  =  O.  der  Pallasite  von 

Brabin,  Atacama, 

Jowa  FeMg^  =  O.  des  Mesosid.  von 

Hainholz. 


B.     Zusammensetsung  des  unseraeUbaren    Silikats    (Augit  == 
Broncit) : 


1. 

SiO» 

51,01 

AlO' 

9,08 

FeO 

11,42 

MgO 

22,07 

CaO 

4,79 

N«»0 

0,71 

K«0 

0,92 

2. 

3. 

4. 

55,48 

53,74 

55,08 

4,58 

5,32 

4,86 

9,01 

13,17 

13,58 

24,14 

22,23 

22,70 

3,65 

5,54 

2,85 

2,22 
0,92 

Spuren 

0,93 

100  100  100  100 

Die   Berechnung  ergiebt  für    diese  vier  verschiedenen   Chon- 

drite  übereinstimmend,  dafs  das  nnzersetzbare  Silikat  1  At.  R  ge- 
gen 1  At.  Si  enthält,  d.  h.  ein  Bisilikat  ist  Denn  man  hat  die 
Atome  von 

R:Si  A1:R 
in  1  =  1:  1,03  1.:    9,3       =1:9 

2  =  1:1,1  1:18,6 

3=1  :1,06  1:16,1  }    =1:18 

4=1:1,11 


1 :  16,1 1 
1  :17,5^ 


Der  Broncit  ist  also 

1.  2.-3.-4. 


r9R  Sion  r  i8R  Sion 

l        A103J  1  AlOM 


und  ferner  ist  er  aus 


vom  27.  Juni  1870.  461 

Klein  Wenden  1  ^    -^  «  »#_^ 
Richmond         J 

Paltusk  Ca  Fe^  Mg» 

Jowa  Ca  Fe*  Mg" 

Das  Endreeultat  der  eigenen  Untersuchungen  ist  also: 

Die  vier  von  mir  untersuchten  Chondrit«  ent- 
halten nur  swei  Silikate:  das  Singulosiiikat 
oder  Olivin  und  das  Bisilikat  oder  Broncit. 
Die  Trennung  derselben  durch  S&nren  gelingt  sehr  gut. 

Auch  unter  den  bekannten  Analysen  anderer  Cbondrite  finden 
sich  solche,  die  genau  dieselben  Resultate  geben.  So  der  Ch.  von 
Ausson  (Montr^jean).  Die  von  Harris  unter.  Wohlers  Leitung 
ausgelahrte  Zerlegung  ergiebt  einen  Olivin  mit  FeMg^,  also  gleich 
Chassigny  und  Alais,  und  einen  Broncit,  worin  R:Si  =  1:1,08, 
frei  von  Kalk,  nahezu 

^  „  .         ,    r  löRSi  OM 
FeMg*,    und   {  ^^^3   } 

Abichs  Analyse  des  Steins  von  Stauropol  fuhrt  auf  einen 
Olivin,  der  fast  FeMg^  enthält,  und  auf  einen  Broncit,  worin 
R  :  Si  =  1  :  0,95,  die  At.  von  Ca :  Fe :  Mg  genau  wie  in  Kl.  Wen- 
den, und  ebenso  die  Menge  des  AI,  also 

9R  Si  O» 


r  9R  Si  ü»  1 
1         A103  1 


£0  lafst  sich  hiemach  behaupten: 

Mesosiderit  und  Chondrit  sind  petrograpbisch  nicht  ver^ 
schieden.     Nar  ihre  Struktur  unterscheidet  sie. 


462  GuammUitzung 

30.  Juni.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Weber  Im 

fiber   das    «weite   Bach    der  Atharva-Samhitd,^) 

1.    Verherrlichiuig  des  Ui^^ndes  aller  Dinge. 

1.  Das  Höchste  der  Seher  schaat,  das  Verborgne, 
Worin  Alles  (wieder)  wird  eingestaltig.  I 
Ihm  molk  Pfigni  ab,  was  da  ward  geboren. 

Ziyauchsten  die  Scbaaren,  die  Hiromelskond'gen.  N  i  fl 
Dies  ganze  Stack  findet  sich,  mit  erheblichen  Varianten  indefs, 
wieder  als  Theil  der  MahdnäräyatjM-Upanishad,  resp.  in  IkiitL  Ar. 
10,  1,  s.  i.  Vqj.  S.  32,  8 — 12;  s.  die  Obersetcang  des  dortigen  Textes 
in  Ind.  Stad.  2,  Si.  —  Vom  ersten  Vers  findet  sich  dort  nur  das 
erste  Hemistich*},    nnd  swar  mit  den  Varianten   pafifon  mpvd'} 
bhuvanäni  vidvän  in  T.,  nihitam  guhd  sad  in  Vs.  (für  paramam  gukd 
yad)  and  ekanüam  in  T.,  ekaniiam  Vs.  (statt  ekarupam).  —  veno 
ndma  gandharva^  Sdy.  zu  T.;    Ygl.  zend.  }/vaSn^  sehen.  —  Unter 
pfigni  ist  wohl  hier^)  die  anter  dem  Symbol  einer  bunt-gespren- 
kelten Kuh  personificirte  bunte  Natur  kraft  (mülaprakjriHj  hier  aber 
als  Demiurgos  wirkend,)  zu  verstehen,  vgl.  das  über  ^o  in  dieser 
Beziehung  Ind.  Stud.  9,  100.  Ind.  Streif.  2,  462 — 3  Bemerkte.     Die 
bunte  Sturmeswolke,  die  das  himmlische  Nafs  melkt  (R.  10,  13,3 
duhS  ydd  Snt  divydm  ghjritdni  vd^i^)y  reicht  hier  jedenfalls  nicht  aus; 
dagegen  ist  eben  an  die  ^aii^)^  s.  Ind.  Stud.  5,  443  ff.,  an  die  ajd 
lohitaguklakjish^d  (Taut.  Ar,  10, 12,  &.  ^eidfv.  üp.  4,  5.    Ind.  Stad. 
1,  42S),    die  neben  dem  hrahman  als  increata  gleichberechtigt  da- 
steht, zu  erinnern.  —  aduhat  mit  doppeltem  Accusativ  der  Person  and 
der  Sache  (wie  duhe  eben).  —  jdyamdnd^  fem.;  dazu  wohl  aas  dem 
Folgenden  vrdi^  heranzozielien?  —  vrd^  von  yvrd  «s  vor;  eig.  Um- 


>)  die  ÜbersetzoDg  des  ersten  Baches  s.  in  den  Ind.  Stod.  4,  393-430. 

')  das  zweite  Hemistich  lantet:  tcumitm  (ycuminn  T.)  idam  9am  ca  vi  cot  Vi 
sarvam  (vicai  'kam  T.)y  sa  otah  protap  ca  vibhuh  (vibhu  T.)  pfujdm  ,daria 
dies  Alles  eingehet  und  herausgeht;  er  (es)  ist  gewoben  und  geflochten  in  di« 
Wesen  als  ihr  Herr." 

*)  o»pr4  ist  wohl  metri  caussa  zu  tilgen. 

<)  im  Cbrigen  s.  Pet.  W.  s.  v.,  und  Muir  Orig.  Sansc.  Text«  5,  39. 147. 

^)  vgl.  fabalam  als  Name  des  brahman  Kaush.  Upan,  p.  24.  140  Co  well. 


vom  30.  Juni  1870.  463 

• 

gebnog,  dann  Schaar,  vgl.  vrdta.  Der  lobende  Zuruf  bezieht  sich 
^ohl  nicht  auf  den  Akt  der  Erkenntnifs  von  Seiten  des  Sehers, 
sondern  vielmehr  auf  die  Melkung  des  Absoluten  durch  die  prifniy 
den  Akt  der  Schöpfung  also,  und  die  svarvido  vrdl^  sind  entweder 
die  dadurch  eben  ins  Leben  gerufenen  Schaaren?  oder  solche,  die 
bereits  aus  einem  früheren  dgl.  Akte  stammen,  und,  da  die  Schö- 
pfung immer  fort  dauert,  nun  späteren  Akten  der  Art  beiwohnen? 

2.  DiLs  meld'  uns  der  Weise,  des  Ew'gen  Kund'ge, 

was  als  höchster  Grund  im  Verborgnen  ruhet.  I 
Denn  seine  drei  Stufen  ruhn  im  Verborgnen,  — 
Wer  sie  erkennt,  d^r  sei  des  Vaters  Vater!  H  s  II 
Dieser  Vers  kehrt  im  Wesentlichen  identisch  an  den  angege- 
benen Stellen  wieder;  toee  T.  (für  voeed),  amrttam  nu  (fGr  amritasya) 
T.  Vs.,  ndnui^)  nihitan^  guhdsu  T.  dhdma  vibhritam  (guhd  sat)  Vs., 
(für  dhdma  paramam  guhd  yai)^  guMtu  T.  (für  gühd  ^syd),  yat  tad 
veda  T.  (fSr  yas  tdni  veda),  $avitti^  T.  (für  sa  ptfti^).  —  gandharea 
hier  in  der  abgeschwfichten  Bedeutung:  ein  Weiser,  vgl.  ^dnkk, 
12,  20,  2  (Ath.  19, 138,  s)  ycul  bhadrasya  purushcuya  putro  bhavati 
dädhfühi^  I  tad  vipro  abravtd  u  tad  gandharva^  kdmyam  vaca^; 
die  manushyagandharva  stehen  den  devagandharva  gegenüber 
in  Taitt.  üp.  2,  8  (Ind.  Stud.  2,  230).  —  Die  drei  j» ad <lnt.  Zu- 
stande, Stufen  sind  nach  Mahtdhara:  Entstehen,  Bestehen,  Vergehen, 
oder:  brahman  Absolutes,  antarydmin  Demiurg,  vijndndtman  Einzel- 
seele; oder  bezieht  sich  der  Ausdruck  etwa  auf  die  im  purusha- 
9Ükta  (R.  10,  90,  3.  Vs.  31,  a)  vorliegende  Vorstellung,  dafs  drei 
Viertel')  des  Absoluten  nicht  cur  Erscheinung  in  der  Welt 
gelangen,  nur  ein  Viertel  desselben  deren  theilhaftig  wird?  wozu 
aoch  die  gleiche  Vorstellung  von  den  vier  Vierteln  der  vdc  (s.  Pe- 
terab.  Wort,  unter  turiya)  zu  vergleichen  ist  —  9)der  sei  des 
Vaters  Vater!*^,  s.  Ind.  Stud.  9,  45.46. 

3.  Er  ist  unser  Vater,  Verwandter,  Zenger. 

Er  kennt  alle  Satzungen,  alle  Wesen.  I 
Er,  der  allein  setzet  der  Götter  Namen,  — 
Alle  Welten  gehen  zu  ihm  als  Richter.  II  s  II 
Nur  das  erste  Hemistich  dieses  Verses  findet  sich  an  den  an- 


>)    die  in  den  Ind.  Stud.  2,  84  hiebei  von  mir  gemachte  GIciebstellang 
Ton   ndma  es  numen  ist  nicht  als  eine  etymologische  zu  fassen. 
9)  pada  ==  pdday  Fafs,  Viertel  s.  Ind.  Stud.  9,  96. 


461  GeBammUitzung 

gegebenen  Stellen')  und  zwar  mit  den  Varianten:  «a  no  handkwr 
janüd  sa  vidhdtd  (far  Band^  pitdjanitd  sa  tUa*)  bandhuit);  der  ganze 
Vers  aber  findet  sich  in  Jfik^Sarnh.  10,  82,  t  and  Vs.  17,  27  mit  den 
Varianten  yo  vidhdtd  (statt:  sa  Uta  bandhur)^  ndmadhd  (statt:  nd- 
ntadhä)  und  yanty  anyd  (statt  yanU  Borvd}.  —  Über  Prajdpaü  aU 
den,  der  allen  Wesen  ihre  Bestimmung  zutheilt,  s.  z.  B.  ^i,  K 
4,  2,  1  ff. 

4.  Himmel  und  Erd'  bab'  ich  sofort  umscbritten, 

nahte  mich  dem  Erstgebornen  der  Ordnung.  I 
Stimme  gleichsam  ein  in  den  Sprecher  setzend 

Steht  in  der  Welt  er,  wahrlich  er  ist  Agni.  H  4  II 
Das  erste  Hemistich  enthält  wenigstens  einige  Ankl&nge  an 
T.  Vs.  am  a.  O.  —  Der  Dichter  hat  Himmel  und  Erde  durchsucht 
und  den  Prajdpati  als  den  gefanden,  der  jedes  Ding  an  seipe 
richtige  Stelle  setzt  und  dem  Agni  an  flammender  Majestät  gleich- 
kommt. Dieser  seiner  Kunde  rühmt  er  sich,  weil  er  dadurch  von 
der  Hoheit  des  Erkannten  selbst  bestrahlt  wird.  So  allein  schei- 
nen mir  die  Varianten  dieses  und  des  folgenden  Verses  zu  der  ur- 
sprünglichen Fassung  derselben,  in  der  sie  sich  blos  auf  das  Ver- 
hältnifs  des  Demiurgos  zum  Absoluten  beziehen,  erklSrltch.  —  Es 
liegt  hier  resp.  in  1.  eine  ähnliche  allgemeine  Einleitung  für  die, 
von  2.  an  folgenden  speciellcn  brahmd^y  Spruchsegen,  Tor,  wie 
beim  ersten  Buche. 

5.  Alle  Welten  habe  ich  rings  umscbritten 

Den  durch gehnMen  Faden  zu  sohau'n  der  Ordnung,  I 
Unsterblichkeit  findend  worin  die  Götter 
zur  einigen  Quelle  empor  sich  heben.  U  &  II 
Das  erste  Hemistich  klingt  an  T.  und  Vs.  32,  18  an;  das  zweite 
findet  sich  in  T.  und  Vs.  32,  10  wieder  (wo   aber  tfitiyt  dhdmann 
adhy  Vs.,  tfitiye  dhämdny  abiiy  T.,  statt  samdn»  yandv  adhy).     Der 
Dichter,    resp.  Priester,    rühmt  sich   seiner  Allwissenheit,    um  da- 
durch seinem  Wirken  und  seinen  Sprüchen  Ausehen  und  Vertrauen 
zu  sichern. 


*)  das  zweite  HeniUtich  lautet  daselbst  (s.  hier  v.  5):  j/cttra  derd  amri- 
iam  änofdNds  tritiye  dhdmaun  (Vs.,  dhdmdny  T.)  adhy  (Vs.,  abhy  T.)  aira- 
y€uUa  ,,in  welchem  die  Götter  Unsterblichkeit  erreichend  hinauf  zur  dritten 
(HimmelsOStatte  sieh  erheben". 

')   Metrums  halber  lies:  «o  Vci. 


vom  SO.  Juni  1870.  465 

2.    Würfelsegen. 

1.  Der  himmlische  Oandharva^  der  als  Welt-Herr 

einzig  zu  ehr'n  ist,  für  die  Leut*  preiswurdig  —  t 
Dich  banne  ich,  himmlischer  Gott,  durch^s  Sprachlied. 

Verneigung  sei  dir,  dessen  Sitz  am  Himmel !  II  i  H 
Dafs  dies  Lied  ein  Würfelsegen  sei,  vermnthe  ich  nur  ans  dem 
letzten  Verse,  der  dann,  wie  so  häufig  im  Ätharva-Veda,  die  Pointe 
enthält,  um  die  es  sich  handelt,  während  die  vorhergehenden  Verse 
die  feierliche  Einleitung  dazu  bilden.  —  Ob  wirklich  ein  „Genius  des 
Mondes*^  unter  gandharva  zu  verstehen  ist,  wie  Bohtlingk-lRotili 
6.  V.  wollen,  ist  wohl  noch  zweifelhaft.  Gemeint  jedenfalls  ist  hier 
damit  (so  auch  das  Pet.  W.)  der  in  v.  4  ja  auch  direkt  genannte 
Vifvävasu,  der  alle  Schätze  Habende  (?),  der  als  König  sämmt- 
lieber  Gandharva  und  als  Gemahl  der  Apsaras  (s.  v.  5),  speciell  aber 
weiter  als,  nach  Soma  erster,  Gemahl  auch  jeder  menschlichen  Jung- 
frau, resp,  als  Genius  der  weiblichen  Pubertät  und  Virginität') 
gilt.  In  den  Brdhmaria  erscheint  er  überdem  noch  als  Räuber 
des  Soma-,  den  er  der  gdyaM^  als  sie  ihn  vom  Himmel  holte, 
entwendete  und  mit  dem  er  sich  dann  in  das  Wasser  zurückzog, 
ß.  (^atap,  3,  2,  4,  2.  Pane.  6,  9,  22.  Ts.  6,  1,  6,  6.  11,  5.  Käfh  24,  1. 
In  einer  andern  ^ruti  im  schol.  zu  Vs.  2,  3  wird  er  freilich  umge- 
kehrt unter  den  Hütern  des  Soma  genannt^  im  Text  selbst  resp. 
als  Huter  der  paridhi  genannten  Schutzwehr  um  das  Feuer.  Er 
ist  jedenfalls  ein  dämonischer  Gesell,  und  wird  daher  hier  auch 
mit  möglichster  Unterwürfigkeit  angerufen.  —  Die  anakoluthische 
Construction  der .  beiden  Hemistiche  erhöht  die  Lebendi^eit  des 
Ausdrucks  und  finden  wir  sie  hier  im  zweiten  Buche  noch  mehrfach. 

2.  Zum  Himmel  hin  reicht  er,  der  Opferwürdge, 

Sonnfarbige,  göttlichen  Zornes  Abwehrer!  I 
Mild  sei  uns  der  Gandharva^  der  als  Welt-Herr 
einzig  zu  chr'n  ist  und  voll  guten  Heiles.  II  2  II 
Sonnen  farbig,  eig.  Sonnen(-helle)  Haut  habend. 

3.  Mit  den  Tadellosen  kam  ich  zusammen; 

Der  Gandharva  unter  den  Apsard  war.  1 


*)  der  cunnofl  gilt  als  Bein  Mund  ^'dnkhdy.g.  1,  19.  Bei  der  ersten  coha- 
bitatio  wird  er  angewiesen  sich  wegzubegeben,  ^-atap.  14,  9,  4,  18.  Ath.  14, 
1,   24.  25.  Ind.  Stitd.  5,  185.  191. 


466  GesammUitzung 

Im  Meere  ist,  sagt  man,  ihr  Sitx,  allwo  sie 

best&idiglich  herwärts  and  abwärts  steigen.  U  s  H 

jagme  fasse  ich  jetst  (anders  in  meiner  Ahhandl.  über  Omina 
und  Portenta  p.  350)  als  1  pers.  singnl.  Der  Dichter  hat  eine  £r- 
scheinong  der  Apsaräj  die  man  nicht  tadein  darf),  die  man  stets 
nnr  loben  soll,  gehabt,  den  Gandharva  ihren  Gemahl  (den  Elfen- 
könig) mitten  unter  ihnen  gesehen');  daher  wendet  er  sich  in  v.  1.  2 
an  diesen,  lobt  und  preist  ihn,  um  dadurch  auch  über  die  Apsard 
Macht  und  ihren  Schutz  beim  Würfelspiel  2u  gewinnen.  —  Idi 
glaube  noch  immer  (s,  V^i*  S.  spec.  prim.  p.  18  n.),  dafs  die  Er- 
klärung Ton  a-pBoröt,  a-^aards  aus  p$äras  sc  rüpa  Nigh,  3,  7  die 
richtige  ist').  Es  sind  die  gestaltlosen,  oder  (s.  Pet  W.)  die 
unheimlichen,  unfriedlichen  Nebelgestalten  der  Elfen  * )  und  son- 
stigen Spukgeister  der  Art,  die  im  schattigen  Waldesdunkel  (s.  v.  4) 
ihr  Wesen  treiben.  In  Ts.  3,  4,  8^  4  werden  die  dichtschattigen 
Bäume  nyagrodha^  udumbara^  agvaUha^  plakska  als  die  Häuser,  der 
Aufenthaltsort,  der  Oandharva  und  der  Apsaras  bezeichnet  Auch 
nach  Ath,  4,  37  sind  es  die  grofsen,  kronenreichen')  Bäume,  die 
agoatiha  und  nyagrodha,  wo  sich  die  goldnen  und  silbernen  Schau- 
keln der  Apsaras*)   finden,    und  wo  ihre  Cymbeln  {dghätd)  und 


^)  ?  an-a-vadya;  oder  ob  cui-avadya^  und  letzteres  Wort  aas  ava-t^a  ent- 
standen? vgL  die  alte  VerstSmmelung  von  atihhuta  in  adhhutOy  und  die  jün- 
gere von  prdttw,  Pali  pdtur  (patur  aho»i  Fausböll  Dhamm.  p.  204),  in  prddtir 
(so,  nicht  prddu 9  ist  die  Form  anzusetzen,  wie  deir  ans  dvid,  nicht  ort«; 
anders  M.  MQlIer  Einl.  zu  Buddhagh,  Parables  p.  Lvm}. 

')  vgl.  Panc,  12,  11,  10,  wo  KcUydna  Ähgirtua  auf  den  G<mdkarra 
Urndifu  trifft,  der  sich  unter  einer  Scbaar  Apsarcu  schaukelt  (prelkkhayamdmnm). 

>)  die  Herleitung  von  dp8a$  »  rtipa  (fat,  9,  4,  1,  4  ist  schwerlich 
richtig.  Übrigens  bedeutet  dpMoa  wohl  nicht  die  Wange,  sondern  den  Bu- 
sen. Statt  ap9<ud  'pso  Ath,  6,  49,  2  hat  die  Parallclstelle  im  Kdth.  39,  14 
vakshcud  vaksho.  Ich  fasse  apsas  als  „begehrt,  ersehnt",  von  a/M^  ältere 
Form  des  sp&teren  tps  (vgl.  akah  neben  tksh), 

^)  deren  Tanz  und  Gesang  sich  bei  den  Apsaras  ebenso  wieder  findet, 
wie  die  Vogelgestalt  der  Schwanenjungfranen  (die  Apsaraa  erscheinen  als  dtt- 
VGgel,  8.  Ind.  Stud.  1,  197). 

^)  ^khanßinah ;  oder  ist  dies  etwa  Gen.  Sgl.  ?  als  n.  pr.  eines  GatidAarva, 
wie  in  v.  7  ibid. 

*)  dies  Schaukeln,  Tanzen  und  Hin-  und  Her-sich*bewegen  ist  wohl 
auch  der  Grund ,  warum  die  Apsaras  mit  dem  WOrfelspiel  in  Bezug  sieben? 


vom  30.  Juni  1870.  467 

Laoten  {karkari)  erklingen.  Nach  dem  Fluase  hin,  sam  Ufer  der 
Gewfisaer  sollen  sie  wie  weghaucht  sammt  ihrem  tanxenden 
Herrn  Qikhai^in  verschwinden,  durch  den  starken  Qemeh  des 
Krautes  Bockshorn  (ßja^rifigf)  verscheacht.  Es  wird  dies  Kraut 
resp.  daselhst  auch  noch  (v.  10)  als  gegen  die  hinlenehtenden  (?  a- 
bhigoed$)^  im  Wasser  sich  spiegelnden  Qt  aptu  jyotaycmdmdka)  Pi'^ 
fdea  wirksam  beseichnet,  worunter  wohl,  s.  Pet  W.,  Irrlichter 
and  fihnliche  Erscheinungen  zu  verstehen  sind*  Die^e  Zusammen- 
Btellang  der  Oandkarva  und  Apsaras  mit  den  Pifäca  erinnert  sofort 
an  die  Bezeichnung  der  Fata  Morgana  als  ^,0 and karva 'Stadt* ^ 
die  sich  neuerdings  auch,  s.  Sachau  im  Journ,  R.  As.  Soc  1869. 
4, 351.  857,  bei  den  PArsi  wiedergefunden  hat,  somit  offenbar  schon 
der  frischen  Periode  angehört').  —  Nach  Äth.  7,  109,  s  treiben 
die  Äpstn^oB  ihr  Wesen  zwischen  dem  Opferplatz,  der  Erde  also» 
und  der  Sonne,  somit  in  der  Luft,  und  das  „im  Meere*'  unsere 
Verses  ist  daher  wohl  eben  auf  das  Luftmeer  zu  beziehen. 

4.  O  Wolkige,  Blitzige  du,  du  Stem'ge, 

Die  ihr  da  folgt  Vi^vatUy  dem  Oandkart>*  —  I 
Euch  Göttinnen  bringe  ich  hier  Yemeigung.  H  i  II 
Diese  Namen  der  Apsard  deuten  auf  leuchtende,   elektrische 
Lufterscheinungen,    d.  i.  wohl  eben  auf  die  lichten  Nebelgestalten 
der  Elfen  und  Irrlichter. 

5.  Die  ihr  da  kreischt,  im  Dunkeln  weilt, 

die  Würfel  liebt,  den  Gteist  verwirrt  —  I 
Diesen  Frauen  des  Gandharva^ 

den  Apsard  ich  mich  verneig'.  II  s  II 
yklandj  krand  wohl  mit  clangor.  Klang  zusammenzustellen; 
Wechsel  im  Auslaut  wie  bei  gardabha  und  ygofy  (Weiterbildung 
auswar).  —  iamishicaifas  für  ^egas^  aus  tamüM-^ane^  fem.;  oder 
ist  etwa  direkt  eine  Weiterbildung  daraus:  UmnshM  anzusetzen? 
tanUahi  neben  tamaSy  wie  taoühi  neben  tavaa.  —  Unter  dem  Dun- 
kel ist  wohl  eben  das  schattige  Dunkel  des  Waldes  zu  ver^ 
stehen.  Vergl.  noch  AjA.  14,  2,  9,  welcher  Vers  im  Kaug.  77,  7 
(s.  Lid«  Stud.  5,  394.  206)  auf  das  Vorüberziehen  des  Brautzuges 
bei  grofsen  Bfiumen  bezogen  wird,    und  die  Onnst  der  in  diesen 


')  ans  Tedlschen  Texten  einstweilen  allerdings  mir  nocli  nicht  direet 
nachweisbar;  vgl.  aber  die  goldnen  Pal&ste  (kiranycmmüdni)  der  Oandkarva 
Im  fat.  11,  5,  1,  11.  und  das  fiber  »ob ha  Ind.  St.  2,  38  n.  Bemerkte. 


468  GesamnUaitzung 

weilenden  Äpsartu  and  Oandharva  auf  denselben,  insonderheit  na- 
türlich anf  die  Braut  herabruft.  —  akahakämdh;  für  die  specieUe 
Beziehung  der  Äpsaras  zum  Würfelspiel  legt  Ath,  4,  38.  7,  109 
luknlentes  Zengnifs  ab  (s.  Moir  Original  S.Texts  5, 430). — Die  geist- 
verwirrend e  Kraft  der  Ap$ara$  besieht  sieh  entweder  auch  noch 
hierauf,  auf  die  fascinirende  dimonische  Gewalt  des  Spieles  also« 
oder  es  ist  dabei  an  die  Terfuhrerische  Buhlkoboldsohaft  an  den- 
ken,  die  in  4,  37  von  den  Oandharva  den  menschlichen  Frauen 
gegenüber,  daher  wohl  aueh  stillsohweigend ,  wie  sp&ter,  von  den 
ApMras  den  Mfinnem  gegenüber,  gefürchtet  wird.  Sie  ist  es  ja 
eben,  die,  in  poetischer  Yerklfimng,  in  der  spftteren  Zeit  den  Apa»- 
TOM  täst  allewig  geblieben  ist.  Nach  AiK,  8,  5>  is  ist  von  beiden 
Klassen  von  Genien  sogar  todlicher  EinfuTa  auf  den  Menschen 
ausgehend  und  auch  in  12,  l,  so  werden  sie  in  Gemeinachsft  mit 
anderen  bösen  Geistern  genannt,  und  um  ihre  Fernhaltung  gebetet. 

3.    WondenbaLsam. 

1.  Welches  Brnnnelein  dort  herab, 

herunter  von  dem  Berge,  Unft, 
Das  mach'  ich  dir  zum  Balsam,  dafo 
ein  gutes  Heilmittel  du  sei' st  U  i  II 
Das  Quell* Wasser  soll  sich  balsamartig  mit  den  übrigen  Stof- 
fen des  Heilmittels  (s.  3^-5)  vermischen. 

2.  Hinsu,  wohlan!  recht  viel,  wohlani 

Welch'  hundert  Balsam'  es  dir  giebt,  I 
Von  denen  du  das  beste  bist, 

Gebrechen  tilgend,  tilgend  Schmerz  Usll 
Wird  mit  päda  1  etwa  ein  ZusammenguCs  verschiedener  Stoffe 
vorgenommen?     ä»räva  Gebrechen;  eig.  Anflnfs,  (übler)  Binflufs, 
s.  Tief  ein  graben  die  Asura 

dies  mftcht'ge  Wundenheilende  I  I 
dies  ist  Heilmittel  gegen  jed* 

Gebrechen,  dieses  tilgt  den  Sohmers.  II  s  U 
tUcttikj  in  dem  Schoofse  der  Erde  vergraben  sie  es,  damit  es 
nicht  an's  Tageslicht  soll?  oder  umgekehrt  (wie  ykhan  hier  vielfscb): 
sie  graben  es  aus?  —  arussrdnam  wird  bei  Böhtlingk-Roth  wohl 
mit  Recht  als  aruf^-gräii^  „die  Wunde  zerbrechend^  (VP^*^  diffin- 
dere)  gefafst;  am«,  die  Wunde,  eig.  die  getroffene  Stelle,  8.  Ind. 
Stud.  8,  276. 


vom  30,  Juni  1810,  469 

4.  Die  Wasdernixen  ^ )  bringen  dies 

Heilmittel  ans  dem  Meer  hervor.  I 
Dies  ist  Heilmittel  gegen  jed' 

Gebrechen,  dieses  tilgt  den  Schmers.  U  4  H 

5.  Dies  mächt'ge  Wundenheilende 

wird  ans  der  Erd'  hervorgebracht.  I 
Dies  ist  Heilmittel  gegen  jed' 

Gebrechen,  dieses  tilgt  den  Schmerz  II 6  U 

6.  Die  Wasser  sei'n  heilkräftig  uns,  die  Pflanzen  mildl 

Indra's  Blitakeil  schlage  hinweg  die  Bakshas  all!  1 
Fortfliegen  sollen  ihre  Pfeil'  in  die  Feme  hin!  Hell 
Statt  raksha$dm  lies  metri  canssat  co,     „In  die  Feme^,  nicht 
in  onsre  Nibe. 


4.   /an^f^-Amulett  gegen  Vishkandha  (Reifsen?). 

1.  Zar  Langlebigkeit  und  zu  hoher  Hörende, 

bestfindiglich  schadenfrei  und  gedeihend,  I 
tragen  wir  hier  den  Jangida 

als  Reüsenstiirndes  (?)  Amulett.  II  i  H 
In  1,  16,  3  wird  Blei,  in  4,  9,  5  eine  Salbe  als  Mittel  gegen 
das  vishhandhcm  bezeichnet.  Der  j an gitfa,  8-  Grohmann  in  den 
Ind.  Stud.  9, 417 — 9,  stammt  nach  v.  5  aus  den  „Sfiften  des  Acker- 
banes'^,  scheint  somit  etwa  eine  Art  Öl  (Baumöl)  zu  sein?  Er 
ist  nach  19,  34,  7  ein  Kraut  (oshadhi)^  resp.  ein  Baufn  (baumlan- 
ges Gewächs?)  nach  V.  9;  und  zwar  haben  ihn  nach  ibid.  v.  6  die 
Götter  dreimal  aus  der  Erde  erzeugt;  bezieht  sich  dies  etwa  auf 
dreimalige  Emdte  im  Jahre?  Er  ist  gegen  eine  grofse  Zahl  von 
Krankheiten  wirksam,  unter  denen  neben  dem  vishkandham^  ge- 
gen das  er  ein  Specificum  ist  (19,  35^  i),  auch  das  samskantUiam 
(19,  34,  s)  erscheint.  Weder  die  Natur  der  Krankheit,  noch  die 
des  Heilmittels  Ififst  sich  einstweilen  sicher  bestimmen.  Meine 
Auffassung  von  vishkandham  als  „die  Schultern  auseinander  zie- 
bend^,  also  Rheumatismus  in  den  Schultern,  Hexenschnfs,  Beifsen 
überhaupt,  stützt  sich  besonders  darauf,  dafs  in  v.  S  neben  dem 
jangi^a   auch  Hanf   als  Mittel  dagegen  genannt  wird.      Auch  in 


0  8o  B^htlingk  Roth  im  Pet.  W.  anter  upajika. 


\ 


470  GesatMHUittung 

3,  9»  >  18t  von  Bändern  als  Mittel  g^eo  das  vühkandham  die 
Rede.  In  3,  9,  <  werden  aber  101  vishkandhäni  als  ftber  die  Erde 
▼erbreitet  erwähnt.  Vgl.  noch  Ts.  7,  3,  11,  i  vishkandha^  tatrmn 
Mffatdti^  yo  ^smän  dce$htu  —  Sollte  evl  ja^gi4<^  etwa  das  ingi4<ivi 
äjyam  Kau^,  47  (wo  ängirasam  genannt,  wie  der  jangi^a  in  Ath. 
19,34,6).  116,  d.  i.  doch  wohl  das  Öl  der  inguda-FBanze  ^  ter- 
minalia  catappa,  eine  NuÜBart,  deren  öl  bei  Zaubereien  dient  (», 
auch  fJäkuntaL  ▼.14  ed.  Bohtlingk),  au  ▼ergleichen  sein? 
s.  JaHgi4a  schfita'  uns  allseit  ▼or 

dem  Jambha^  vor  dem  Vigara  I 
▼or  Reifsen  (?)  und  vor  AnglQhen  (?) 
als  tausendkrftftges  Amulett  II 9  11 
jambka  das  Zermalmen,  wohl  eine  Kinderkrankheit,  ▼gl.  Kaug, 
32  jambhagfiMtäya  stanam  prayaehaü;  etwa  das  Zahnen?  —  Zu  oa- 
^ara^  Zerreiisen,  Auflösen    vgl.   vi^arUca  in  19,  34,  lo  (neben  d^a- 
rika).  —  Sollte  ahhifocana^  Anglfihen,  etwa  von  einem  Sudzauber 
2U  ▼erstehen  sein? 

a.  Er  besieget  das  Reilsen  (?)  uns, 

er  treibt  die  Fresser  (all)  hinweg.  I 
Für  Alles  sei  uns  Heilmittel 

der  JangitfOi  schütz'  uns  ▼or  Nothl  H  s  U 
olrtfUM  (att^)j  die  Fresser,  Qnfilgeister,  Krankheitsgenien. 
4.  Durch  den  heil^oUen  Jangi4a^ 
das  gottgegebne  Amulett  I 
Das  Reifsen  (?)  und  die  RcJcshaa  all 
besiegen  wir  im  Streite  (stets).  H  4  U 
&.  Der  Hanf  mich  und  der  Jangi^a 

Vor  dem  Reifsen  (?)  bewahren  solFnl   I 
Jener  ist  aus  dem  Wald'  geholt, 

D^r  aus  des  Feldbau's  Sfiften  stammt.  U  a  II 
Hanf  (potui)  resp.  Hanfwerg  dient,  um  die  leidende  Stelle  ge* 
wickelt,   bei  uns  als  Mittel  gegen  Gicht  oder  Reifsen.    Kadi  pdda 
3.  handelt  es  sich  resp.  um  wildwachsenden  Hanf,  wfihread  der 
Jafig%4a  auf  dem  Acker  gebaut  wird. 

6.  Zu  Schanden  macht  das  Amulett 

die  Zauberkunst,  den  Feindestrug.  I 
Der  sieggewalt'ge  Jangi4a 

fuhr'  unser  Leben  weit  hinaus!  Hell 


vom  30,  Juni  1870.  471 

5.     Einladung  an  Indra  zum  «oma-Trunk. 

1.  Indra!  sei  günstig  —  fahr'  hervor  I 

O  Held,  komm  herwärts  —  mit  Gespann! 

Trinke  vom  soma  —  dir  'nen  Rausch! 

Am  Meth  dich  letzend,        zum  Rausch  willkommen!  H  i  II 

2.  Indray  den  Leib  dir  —  wie  Schiffsbauch') 
mit  Meth  anfülle  —  wie  mit  Licht! 

von  diesem  soma  —  wie  im  Glanz 

dir  nahten  Räusche,       mit  gutem  Klang.  Hall 

3.  Indra  rasch  siegend  —  wie  Mitra 
erschlug  den  Vfiira  —  wie  Zaubrer; 
spaltet'  den  Vala  —  wie  Bhfigu^ 

besiegt'  die  Feinde,      im  Rausch  des  soma,  II  s  II 

4.  Eingeh'n  soll'n  in  dich,  die  Säfte,  Indra! 
Fuir  deine  Mägen!  sättge  dich,  Mächtger! 
ob  unsres  Lieds  komm! 

Auf  ünsem  Ruf  hör',         nimm  unser  Lied  an! 
Indra!  mit  Freuden        berausche  hier  dich 
zu  grofser  Freude!  II  4  II 

5.  Nun  des  Indra  männliche  That'n  ich  singe, 

des  Blitzfuhrers,  die  er  gethan  zu  Anfang,  i 
Den  Ähi  schlug  er,  machte  frei  die  Wasser, 
Spaltete  die  Brüste  der  Wolkenzüge.  lUII 

6.  Schlug  den  ÄM^  der  in  Gewölk'  sich  hüllte, 

Tcashtar  schuf  ihm  dazu  den  strahl'nden  Blitzkeil.  I 
Dahinfliefsend,  brüllend  wie  Mutterkühe, 

Zum  Meere  flugs  strömten  hinab  die  Wasser.  II  e  II 

7.  Zur  Kräftigung  er  sich  erkor  den  soma. 

und  trank  von  dem  Saft  aus  drei   braunen  Krügen;  I 
fafste  sodann  mächtig  den  scharfen  Blitzkei], 

Und  schlug  ihn,  den  Erstgebornen  der  Schlangen.  II  i  II 

Dieser  Spruch  (dient  er  etwa,  s.  v.  7,  als  Schlangenzauber?) 

ist  aus  zwei  ganz  verschiedenen  Stücken  zusammengesetzt.      Das 

zweite  zunächst,  v.  5—7,  ist  dem  Eingang  des  bekannten »)  Indra- 


')   oder:  Schiffisranm,  Schifisschlauch  ? 

•)   vgl.  (^aiap.  1,  6,  4,  2,    wo  sein  Vf.  Hiranyaatupa   als  Repräsentant 
aJler  rithi  erscheint,  offenbar  well  dies  sein  Lied  eben  in  hohen  Ehren  stand 
[1870]  33 


472  Gesammtsitzung 

Liedes  im  ersten  Bach  der  fika^  (IT 32,  i — s)  entlehnt.  Das  erste  | 
dagegen,  v»  1 — 4,  findet  sich  nicht  in  der  fiks,  selbst,  wohl 
aber  im  Ritual  des  fik  {Agval.  6,  3,  i.  Qdnkh,  9,  5,  s.  Br,  17,  i), 
V.  1 — 3  resp.  auch  in  ^et  Sdmasamhitd  ^^  ZO'i — 4^),  vgl.  Pane,  12, 
13,  >i  sowie  Anup.  3,  13  (anter  Citirnng  übrigens  des  Kdfhakam, 
der  Ätharvan  and  der  Bhdllavin)  nnd  Nid.  2,  12  (anter  Citirung 
der  Bahvfied$  and  Atharvaf^ikdB).^  wieder;  and  zwar  mit  mannich- 
fachen  Varianten;  es  erscheint  resp.  hier  theilweise  in  ziemlich  ver- 
derbtem  Text,  worüber  bereits  Roth  in  seiner  Abh.  über  den  Ath, 
Veda  (Tab.  1856)  p.  11  gehandelt  hat.  Das  Metrum  dieser  ersten 
vier  Verse')  ist  eigenthumlich ;  sie  bestehen  nämlich  aus  fünf  5silbigen 
pdda^  von  denen  hier,  wie  in  Sdmas.^  in  v.  1 — 3,  und  bei  AfvaL  auch  in 
den  beiden  hier  in  v.  4  zusammengefafsten  Versen,  je  die  drei  ersten 
durch  eingefügte  38ilbige£inschübe  in  88ilbige|>i(/a  umgewandelt  sind. 
Diese  Einschübe  lassen  sich  zum  Theil  nur  schwer,  zum  Theil') 
gar  nicht  mit  dein  übrigen  Texte  in  Zusammenhang  bringen,  und 
sind  offenbar  ganz  fremdartige  Bcstandtheile.  Das  Ritual  bezeich- 
net sie  denn  auch  als  upasarga  ((Jdfikh,  Br.  Nid,),  resp.  als  (vgl. 
Ind.  Stud.  8,  67.  76)  ekapctddi  tryakshard  vish^of  chando  hhurijah 
fakvarya^^PancBr»)  Sie  dienen  zu  der  behufs  Herstellung  des 
sho4ct^%'^a8ira,  resp.  -stotra,  nöthigen  Wandlung*)  der  Weise  der 
25 silbigen  gdyatri  in  die  der  34silbigen  anu8htubh  svardj  (^-dnkk, 
Br.).  Um  einen  leidlichen  Text,  resp.  doch  eine  Art  Sinn  zu  be- 
kommen,  lese  ich  in  Ic  statt  des  viersilbigen,  somit  offenbar 
falschen  mater  iha  (matir  na  Ag.  S.  (7.)  mader  ha;  —  in  2b  resti- 
tuire  ich  für  navi/o  mit  Af.  ^.  navyam  und  fasse  es  als  ndvyam; 


Agni  von  den  Göttern,  Hiranya$tupa  von  den  rithi,  die  brihati  von 
den  Metren  ziehen  aus,  den  nach  dem  Todschlage  Vfitras  ans  Forcht  vor 
ihm  (dafs  er  etwa  noch  lebe)  entflohnen  Indra  zu  suchen. 

»)  als  gtotriyds  ffir  das  Gaunvitam  sdma,  schol.  zu  Panc;  s.  auch  AiL 
Br.  4,  2  Haug  p.  257. 

*)  resp.  aksharapankti  nach  Anup,  (sollte  padcpahkti  heifsen,  vgl.  Ind. 
Stud.  8,  152.  155). 

•)    insbesondere  bei  der  von  A'frcUdyana  gegebenen  Form  von  v.   4. 

^)  tdh  ptt^cavi^atyakshctrd,  ekaikd  naoabhir  navabhir  aktkartsir  vpa- 
»fishtd..»  idp  catuatn'Apadakshardh  ßompadycMte,  svard^  rat  tac  chando  yat 
kim  ca  catustrihfadak9haram  (^,  Br,  Auf  den  Sinn  kommt  es  bei  diesen 
Verschmelzungen  und  Neugnippiningen  der  Verstheile  gar  nicht  an,  wenn 
nur  die  Silben  zahl  stimmt,  s.  Ind.  Stud.  8,  24  ff. 


vom  30.  Juni  1870.  473 

in  3  ist  in  a.  mit  Ag.  Q.  mitro  na  zu  lesen,  yo  in  b.  zu  streichen 
und  ycttir  na  zu  lesen;  —  in  4  ist  in  d  avi44^  aus  Af.  zu  re- 
stituiren,  in  f.  g.  giro  me  umzustellen,  und  in  h.  wohl  aayughhir  mit 
Ag.  zu  lesen.  Auf  die  andern  zahlreichen  Varianten  lasse  ich 
mich  hier  nicht  weiter  ein,  und  bemerke  nur  zweierlei.  Einmal 
n&mlich,  dafs  statt  yatir  na  „wie  ein  Zauberer^  es  jedenfalls 
näher  läge  yatin  na  (yattr  nä)  zu  lesen  und  dies  auf  die  bekannte 
Bekämpfung  der  yaü  (vgl.  yatu^  ydtu)  durch  Indra  zu  beziehen; 
die  Analogie  mit  den  übrigen  upasarga  aber  erheischt  den  Nom. 
Sgl.  Wichtiger  ist  der  zweite  Umstand.  Wir  sehen  hier  in  v.  4 
zwei  Verse  vereinigt,  und  zwar  ohne  die  bei  AgvaL  in  dieselben 
eingefugten  upasarga;  nach  dem  Zeugnisse  des  Nidäna^MÜtra  aber 
standen  in  dem  damaligen  Atharvan-Text  auch  die  drei 
ersten  Verse,  um  die  allein  es  sich  im  Sämaveda  handelt,  ohne 
die  in  unserm  jetzigen  Texte  darin  aufgenommenen  upasarga;  es 
heifst  nämlich  daselbst:  athä  ^pi  fofvad  enä  anupasfishid  Athar^ 
van^ikd  adhiyate;  und  auch  das  Anupada  scheint  Gleiches  anzu- 
deuten mit  seiner  freilich  etwas  dunklen  Redeweise:  aksharapank- 
ty-ekapadd-pfithagdmndndd  Atharvandm  sampadvddas  (^  tarn 
panktishu  caikapaddsu  ca  sarp^ajya  $tuvata  iti  Bhdllabindtd,  pra- 
vaha  hariha  matir  neti  prathamdydm,  navyam  na  divo  na  8var  neti  dcu 
üydydm^  mitro  na  yatir  na  bhfigur  neti  tfitiydydm). 


6.     An  Agni, 

1.  Dich  stärken  soU'n,  Agni!  die  Tag',  Jahrzeiten, 
Die  Jahre,  die  Seher  und  die  Wahrheiten!  I 
Blit  himmlischem  Glänze  erstrahle  stetig  I 

Die  vier  Himmelsgegenden  all'  erleuchte !  II  i  II 
Dieses  Stuck  kehrt,  mit  mehrfachen  Varianten,  in  allen  drei 
Fajua-Texten  wieder,  in  Ts.  4,  1,  7,  1.  2.  Kdth.  18,  16.  Vs.  27,  1—3. 
5.  6^}.  Es  wird  daselbst  beim  agnicayana  verwandt,  resp.  zwi- 
schen die  zu  dem  Thieropfer  (ishfakdpa^)  gehörigen  sdmidhent- 
Verse  eingeschoben  (s.  Mdkidh.  ad  1.).  —  Unter  samds  versteht 
Mahtdhara  die  Monate;    s.  indefs  Ind.  Stud.  4,430  (Ath.  1,  34,  s. 


^)    es  gehören  daselbst  dazu  noch  4   triahtubh   und  eine   anushtubh  am 
Schlafs;  im  Käfh.  resp.  noch  eine  fQnfte  truhtubh, 

33* 


474  Ge$ammt8itzung 

Kauf,  102).      Das  Feuer  soll  von  Tag  zu  Tag,  von  Zeit  xu  Zeit 
an  Kraft  zunehmen. 

9.  Entzünde  dich,  Feuer I  und  ihn  maeh*  wachsen! 
Erheb'  dich  zu  mfichtiger  Olücksverein'gungl  I 
Nicht  leiden  sollen  deine  Beisitzer,  Ägnit 

Deine  Priester  ruhmesreich  sei'n,  nicht  Andrei  11  2 11 
ihn,  den  Opfernden, 
s.  Die  BrdhmofjL   hier  haben  erwählt  dich,  Agni! 

Sei  hnlfreich  uns,  Agni^  bei  (Nacht)-Umhüllung!  I 
Sieg'  Agni!  du  ob  (unsren)  Gegnern,  Feinden! 
In  unserm  Haus  wache  du  unablässig!  11  s  11 
4.  Packe  du  an,  Agni!  mit  deiner  Herrschkraft  I 

Gieb  Müh',  Agni!  dir  mit  dem  Freund  in  Freundschaft!  I 
Im  Mittelpunkt  stehend  der  Gleichgebomen, 

Erstrahle  hier,  Agni!  als  Hort  der  Kon'ge.  II  4  n 
„im  Mittelpunkt  stehend^^  d.  i.  um  den  sich  alle  schaaren.  — 
vihavyah  „als  Hort^,  eig.  als  der,  der  von  verschiedenen  Seiten, 
als  Schiedsrichter  nämlich,  oder  als  Helfer,  angerufen  wird. 
».   Über  die  Neider,  die  Streiter,  die  Unbesonn'nen,  Hassenden  I 
ÜT>er  alles  Ungemach  fuhr  hinweg  uns, 

o  Agni^  gieb  uns  Mannen-reichen  Reichthum!  U  s  H 
niho  haben  alle  vier  Texte  (td-hantar  Mdhidh,)^  und  ob  auch 
das  Wort  sonst  nirgendwo  vorkömmt,  so  ist  doch  wohl  kaum  nido 
zu  lesen?  Die  Wurzel  niksh  durchbohren,  die  sich  etwa  vergleichen 
liefse,  ist  vielmehr  wohl  Desid.  aus  nag  (und  in  der  Bedeutung: 
küssen  aus  ny?),  wie  nins  aus  namy  pits  aus  pat,  —  Statt  sfidko 
haben  die  7a;u«-Tezte  sridho^  vgl.  lat  stlis>  unser  Streit. 

7.     Gegenzauber  gegen  Verfluchung. 

1.  Dies  Gottgebome,  von  Bösen 

gehalste,  fluchabwehr'nde  Kraut  I 
Hat  alle  Fluche  von  mir  weg 

gespült,  wie  Wasser  spult  den  Schmutz.  II  i  II 

2.  Sowohl  des  Nebenbuhlers  Fluch, 

als  auch  den  Fluch  der  Basenschaft,  I 
Od'r  wenn  im  Zorn  ein  Priester  fluch', 
—  all  das  treten  mit  Füfsen  wir.  II  s  II 


vom  30.  Juni  1870.  475 

sdpatna^  konnte  hier  speciell  etwa:  der  Flach  der  Nebenbuh- 
lerin sein,  wenn  nfimlich  das  Stück,  s.  v.  4,  einem  Weibe  in  den 
Mand  in  legen  ist.  —  jdmyäf^j  der  Schwester,  d.  i.  wohl  allgemei- 
ner :  der  weiblichen  Verwandtschaft.  —  Das  Amulett  hebt  über  dies 
Alles  hinweg. 

s.  Vom  Himmel  Vab  die  Wurzel  hfingt, 
aus  der  Erd'  hebt  es  sich  empor.  I 
Mit  diesen  tausend  Stfingeln  du 
beschütze  rings  uns  allseitig!  II  3 11 
Das  Amulett  ist  somit  wohl  eine  Art  Schmarotzerpflanze,  die 
ihre  zahllosen  Triebe  von  dem  Mutterbaum  nach  unten  hinab  han- 
gen läfst,    so   dafs  sie   (wie  beim  nyagrodha)   in    der    Erde  neue 
Wurzeln  schlagen.      Die  Zahllosigkeit  der  Triebe  verbürgt  die 
allseitige  Wirkungskraft  des  Amuletts.      „Man  trinkt  (gegen  Fie- 
ber) das  Wasser  von  gekochtem  Wegerich,    weil  dieser  99  Wur- 
zeln hat^  Wuttke  der  deutsche  Yolksaberglanbe  d.  Oeg.  §.  529. 
4.   Bingsum  sie,  rings  die  Kinder  mein, 
ringsum  schütze  die  Habe  uns!  I 
Der  Unhold  komm'  nicht  über  uns! 
nicht  nns're  Gegner  über  unsl  II  i  II 
Der  Text  hat  parimäm  »rings  um  diese  (Frau)  hier^;    dann 
mufs  der  Vers  in  den  Mund  des  Gatten  gelegt  werden,  der  für  seine 
Frau  um   Schutz  bittet     Oder  ist  zu  lesen:   pari  mdm,  und  der 
Vers  in  den  Mund  eines  Weibes  selbst  zu  legen?  s.  v.  2. 
ft.   Dem  Flucher  kehre  heim  der  Fluch! 

Der's  wohl  meint,  eins  sei'n  wir  mit  dem. 
Wer  üb'l  uns  will,  mit  Blick  bespricht, 
Dem  zerbrechen  die  Ribben  wir.  II  5  H 
„mit  dem  sei  uns  Gemeinschaft^.  —  c.  Dieselbe  Drohung  (aber 
vermittelst  einer  Salbe)  gegen  den  cakshurmantra^    der  mit  bö- 
sem Blick  bespricht,  behext,  findet  sich  in  19,  45>  i;  vgl.  das  ^Ao- 
ram  cakshus^  den  bösen  Blick,    in  4,  9,  6  (durch  das  traikakudam 
dnjanam^  die  TrikahidSalhe  vom  Himavant^    abzuwehren).  19,  35,  3 
(durch  den  Jangi(fa  zu  bekämpfen);  besonders  an  Frauen  gefürchtet, 
vgl.  aghoracakBhur  apatighny  edhi  Pdr.   1,  4.  ^dnkh.  g.  l,  16.     Das 
jihmam  cakahus   schiefe  Auge,   (7a/.  1,  5,  i,  20.  ^dnkh.  1,  6,  2    ist 
etwas  Anderes  und  bezieht  sich  auf  Übersehen,  Nebenhinsehen. 


476  Ge$ammUit2ung 

8.     Gegen  Feldschaden. 

1.  Aufgingen  die  gluckbringenden 

Doppelstern',  Namens  Vicfitau^  I 
Sie  mögen  des  Feldschadens  Band* 
auflosen,  untre,  obere!  tt  i  II 
Der  ganze  Vers  kehrt  in  3,  7,  4  und  der  erste  Halbvers  aacb 
in  6,  121,  8  (vgl.  Taitt  Ar.  2,  6,  s),  beidemale  resp.  bei  andrer  Ver- 
anlassung, wieder,  s.  meine  Abh.  über  die  Nakshatra  2,  291.  2di. 
vicfitau  ^die  beiden  Losenden^  ist  der  alte  Name  des  später 
mülabarhatjit,  resp.  müla  allein  genannten  nakshatra^  s.  ibid.  2,  394. 
Unter  kshetriya  ist  hier  offenbar  Feldschaden  zu  verstehen, 
wie  der  Zusammenhang  unsers  Stücks  erheischt^),  während  in 
3,  7,  4  es  sich  wohl  (s.  unten  bei  10}  um  eine  gefährliche  Krank- 
heit handelt,  vgl.  Nak$h,  2,  292.  Ind.  Stud.  5, 145.').  —  Nach  J^auf . 
26  veranlafst  er  (der  Priester  nämlich)  unter  Recitirung  dieses  Spru- 
ches den  Betreffenden,  für  den  die  Ceremonie  gilt,  „sich  aufsen 
(außerhalb  der  zu  v.  5  genannten  ^dlä?)  zu  baden*^  Q  i>^^  begies- 
sen^?  ud  agdtdm  ity  äpldvayati  bahiff). 

2.  Hinschwinden  möge  jetzt  die  Nacht, 

die  Zauberspinnerinnen  hin!  I 
Das  Feldschaden  tilgende  Kraut 

den  Feldschaden  hinschwinden  mach'  I  II  s  tl 
Bei  Tagesanbruch  zu  recitiren,  vyuchantydm  Kaug,  —  abhikfU- 
vartSy  von  ykart  Cl.  7  spinnen,  wovon  auch  kjityd^  Zaubergespinnst, 
herzuleiten. 

3.  Mit  dem  Strohhalm  der  rothbraunen 

Gerste,  der  silberstengligen. 
Mit  der  Ranke  der  Sesampflanz  — 
das  Feldschaden  tilgende  Kraut 

den  Feldschaden  hinschwinden  mach*.  11  s  II 

')  auffällig  freilich,  dafs  es  bei  Aatip.  (26)  unter  den  als  hhaUkafydni, 
Ueilsprtlche,  verwandten  Stücken  (25  ff.)  erscheint! 

')  in  Bezug  auf  Kd^h.  15,  1  ist  mir  die  Sache  noch  immer  zweifelhaft: 
idam  aham  amuahydmuahydyanasya  kshetriyam  avayaje  (resp.  apidadhdmt)  hcif^t 
es  daselbst,  und  dies  fuhrt  eben  doch  auf  eine  Krankheit!  aber  der  Sprucli 
wird  verwendet  zur  Opferung  eines  ausgehobenen  Ameisenhaufens  (ruA 
mikarapdm  uddhatya,  s.  hier  Aauf .  zu  v.  3) ;  und  zwar  geschieht  diese  in  ein 
Feuer,  das  auf  svakrita  irina,  aufgerissenem  unfruchtbarem  Boden  angelegt 
ist,    und  dies  fuhrt  auf  Feld  schaden! 


vom  30.  Juni  1810.  477 

^Die  im  Verse  genannten  Gegenstände,  sowie  einen  Erdklofs 
und  einen  Ameisenhaufen,  die  zu  umcirkeln  (und  auszuheben) 
sind,  bindet  man  in  einen  Hodensack  (?)  den  man  zuvor  einem  leben- 
digen Thier  abgebunden  (abgeschnürt)  hat  (?)^;  nkantrokiam  dkfiti- 
lo8h(a(?yvalmikauparilikhyajivako8ha^yäm^)  utsivya  hadhndtij  Kauf, 
Die  Castration  durch  Abschnüren  geht  auch  bei  uns  wohl  jetzt  noch 
neben  der  durch  Schneiden  einher.  Meine  obige  Übersetzung  ist 
übrigens  rein  konjekturell ;  über  das,  was  weiter  zu  geschehen  hat, 
8.  die  Angabe  zu  v.  5.  —  Die  Construktion  des  Verses  ist  ana- 
kolathisch;  man  erwartet  nach  päda  3  etwa:  ,}Wir  den  Feldscha- 
den treiben  fort^;  der  Refrain  aber  wog  vor.  Gerste  und  Sesam 
sind  offenbar  die  Hauptrertreter  der  Ackerfrüchte. 
4.  Yemeigung  deinen  Pflügen  sei, 

den  Deichseln  und  den  Jochen  deinl  I 
Das  Feldschaden  tilgende  Kraut 

den  Feldschaden  hinschwinden  mach'I  lUll 
„Hiermit  begieüst  er  einen  Pflug- Stier,  über  das  Haupt^;  üi 
sirayogam  (s.  Kdty  5,  11,  la  yoga  =  balivardä)  adhigiro  ^vcksineati^ 
Kaug.  Und  zwar  wohl  mit  dem  Wasser,  welches  beim  näch- 
sten Verse  erwähnt  wird?  oder  mit  dem,  welches  zu  dem  Bade 
bei  Y.  1  diente?  Auffällig  bleibt,  dafs  der  Text  stets  nur  von 
einem  Kraut  (virudh)y  nicht  von  einer  Flüssigkeit  spricht;  es 
bleibt  somit  ungewifs,  in  wie  weit  die  Angaben  bei  Kaug.  wirk- 
lich für  die  vom  Text  im  Auge  gehabte  Ceremonie  maafsgebend  sind, 
s.  Den  Zwinkemd-äugigen,  Auftrag' Ausfuhrenden  Verneigung  seil 

Vemeigung  sei  dem  Feldes-HerrnI  I 
Das  Feldschaden  tilgende  Kraut 

den  Feldschaden  hinschwinden  mach'  I  II  5  II 
„In  einer  leeren  Halle')  thue  er  (der  Priester?)  die  (in  v.  3 
genannten  resp.  bei  Kaug.y  aufserdem  noch  dazu  aufgeführten)  Zu- 
thatcn  in  Wasser  hinein,  (giefse  dies)  dann  in  eine  alte  Grube 
(Cidteme?),  die  mit  in  der  Halle  gewachsenen  (?)  Grashalmen') 
versehen  ist,   und  lasse  darin  den  Betreffenden  (für  den  die  Cere- 


*)  vgl.  jivornä,  Wolle  vom  lebenden  Thier  entnommen  Käiy.d,  2,  16; 
jicavisfiäna  drgl.  Hörn  Pdr.  3,  7. 

')  ?('d/a  ist  nach  dem  schol.  zu  (^'a^.  3,1, 1,6  ein  dirgka{m)  catura$ram 
griham  „langes  viereckiges  Gebäude^. 

^)    oder  handelt  es  sich  etwa  um  Halme  vom  Strohdach,  vgl.  Hdla  v.  320. 


478  Ge8am}ntsitzunff 

monie  bestimmt  ist)  Wasser  schlürfen  und  sich  waschen  (baden  ?)^; 
iti  ^nyafdlätfdm  apsu  $ampätän  dnayatyy  uttaram  jaraikhäte  ia^dld- 
tfine,  tasminn  dedmayaty  dpldvayati,  Kaug,  27. —  Sind  unter  den 
BanxBraBdkiha  (sanisrasay  ysrans,  decidere)  und  aamde^ya  ein- 
fach nur  die  fleifsigen  ^Diener^  gemeint,  deren  Augen  Tor  saviel 
Arbeit  gern  zufallen  möchten?  wie  ja  in  v.  4  in  der  That  nnr  die 
einfachen  Ackerinstrumente  selbst  aufgezählt  sind.  Es  liegt  dies 
wohl  am  n&chsten.  Indessen  die  Nennung  derselben  neben  dem 
kshetrasya  pati^  genius  fundi  et  loci  (s.  Pet.  W.  s.  v.),  legt  an- 
drerseits auch  die  Yermuthung  nahe,  dafs  auch  unter  ihnen  viel- 
mehr ebenfalls  Genien,  und  zwar  gute,  Kobold  artige  Wesen,  zo 
verstehen  seien.  —  Zu  dem  kshetrasya  pati  s.  noch  Kd\h.  9,  17. 
26, 1.  30,  4^)  und  vgl.  den  spätem  kshetrapdla;  in  12,  l  finden  wir 
eine  kshetrasya  patnL  —  Jedenfalls  bietet  uns  dieses  Stück,  mag 
man  nun  den  Text  für  sich  allein  betrachten  (Aufgang  eines  be- 
stimmten Gestirns,  Frühmorgen,  Huldigung  an  die  einzelnen  Fak- 
toren, Instrumente  etc.  des  Ackerbaus)  oder  die  von  Kaufika  hin- 
zugefugten Einzelheiten  (Lustration  des  Hausherrn,  Einbinden  von 
Gerste,  Sesam,  Bodenkrume  und  Ameisenhaufen  in  den  abgeschnür- 
ten Hodensack  (?)  eines  kastrirten  Thieres  (?),  Lustration  des 
Ackerstieres  ^  Bad  des  Hausherrn  in  einer  alten  Wassergrube)  ins 
Auge  fassen,  ein  höchst  interessantes  patriarchalisches  Gemälde  dar. 

9.     Suchtenbrechen. 

1.  Zehnerlei  Holzl  lose  ihn  von  dem  RakshaSy 

Von  der  grdhi^  die  ihm  gepackt  die  Glieder!  I 
Und  fahre  ihn,  o  Waldesherr  I 

Zur  Welt  der  Lebenden,  empor!  Hill 
Zehn  Freunde   (des  Kranken)  berühren  diesen  Spruch    mur- 
melnd,  (zehn?)  Holzsplitter;    dofavfiksheti  ^kalo  (ffdkaldn?)   da^ 
suhfido  japanto  ^bhimrigantiy   KauQ.     Was  mit  den  Splittern  weiter 


')  Wer  da  wünscht:  ^ttaydin  me  jcuiatdydm  fidhyeta^  »uiöge  es  mir 
hier  unter  dieser  Menschheit  (in  dieser  Versammlung)  wohl  gehend  der  weiht 
dem  kshetrasya  paH  (neben  Gaben  an  indra  und  puahan)  ein  Kömermafe  icarv) 
Kdth.  9,  17  (Ts.  3,  2,  1,  5);  iyam  (die  Erde)  kshetrasya  patih,,  asydm  era 
pratitishlhati  ibid. ;  iyam  kshetrasya  patis  tend  *syd  ncuti  K,  26,  1 ;  asau  (der 
Himmel)  kshetrasya  pcUir^   amuto  varshati  K,  30,  4. 


vom  30.  Juni  1870.  479 

zu  machen  ist,  wird  nicht  gesagt;  werden  sie  etwa  vergraben?  — 
Aus  dem  Namen  dafapfiksha^  aus  v.  4,  und  aus  der  Zehnzahl  der 
Freunde  (bei  JTauf.)  vermuthe  ich,  dafs  es  eben  zehn  ^dkala  sind, 
und  zwar  von  verschiedenem  Holz,  wie  denn  dies  Verfahren 
auch  in  unserm  Aberglauben  ja  noch  ganz  identisch  erhalten 
iat*).  —  Die  zehn  Freunde  sollen  dem  Krankheitsd&mon  wohl 
Furcht  einflofsen?  —  „Waldesherr^  d.  i.  Baum  ist  hier  eine  Meto- 
nymie, das  totum  pro  parte.  —  grdht^  Ergreifung,  Packung,  „eine 
Unholdinn,  w^elche  die  Menschen  fesselt,  Krankheit  und  Tod  bringt; 
Betäubung,  BewuTstlosigkeit*'  Pet.  W.  Der  Traum  (svaptia^  nicht: 
Schlaf,  wie  im  Pet.  W.),  der  schwere  Fiebertraum  nämlich,  ist  ihr 
Sohn  Ath.  16,  5,  i.  Sie  erscheint  neben  tamas  Dunkel  2, 10,  8.  IG, 
7, 1,  den  kravyddä^  pi^dcds  8,  3,  li,  dem  pdpman  12,  3,  is;  Bitte 
um  Hülfe  vor  ihrem  pd^^  Strick  2,  10,  6  (neben  dem  der  druh), 
6, 112, 1.  2.  16,  8, 1,  vor  ihren  vier  bandha^  Banden  19,  45,  5. 
2.  Zurück  kam  der  hier,  wieder  auf^ 

trat  in  die  Schaar  der  Leb'nden  ein.  I 
Werde  Vater  von  Söhnen  er, 

und  der  Männer  glückseligster!  11  2  tl 
„Zurück  kam  er^  d.  i.  wieder  zu  sich,  aus  der  Bewufstlosig- 
keit,  in  die  er  bereits  versenkt  war.  —  Die  vier  Aoriste  sollten 
sich  eigentlich  auf  Solche  beziehen,  die  früher  schon  das  Mittel 
angewendet  haben,  dessen  Wirksamkeit  resp.  als  eine  schon  oft 
erprobte  verherrlichen.  Aber  das  ayam  weist  auf  die  Gegenwart 
bin,  und  muTs  daher  abhüt  wohl  in  konjunktivem  Sinn  verstanden 
werden.  Ist  etwa  die  Erfüllung  des  Wunsches  eine  so  sichere,  dafs 
sie  als  bereits  eingetreten,  ja  als  der  Vergangenheit  bereits  angehorig 
bezeichnet  wird?  vgl.  den  ehrerbietigen  Grufs  im  Drama:  der 
König  siegt  (Praesens,  nicht  Imperativ);  sowie  die  grüf sende  An- 
rede durch  dyttshmanty  hhagavant^  welche  Worter  Einen  der  bereits 
im  Besitze  langen  Lebens,  resp.  des  Glückes  ist,  bezeichnen, 
während  der  Grufs  offenbar  doch  nur  bestimmt  ist,  diesen  Besitz 
dem  Begrüfsten  anzuwünschen. 


0  8.  Wattke,  der  deutsche  Volksaberglaube  der  Gegenwart  (Berlin  1869) 
§•538:  9 man  bricht  von  neun  verschiedenen  Bäumen,  die  kein  Steinobst 
tragen,  kleine  Stücke,  die  unter  Gebetsfonneln  in  ein  Gefafs  mit  Wasser 
geworfen  werden;  dadurch  wird  die  Sucht  des  Kranken  gebrochen.**  vgl. 
noch  ibid.  §.  ISl  und  über  neunerlei  Kräuter  ib.  §.  120. 


480  Ge$amnU$ttzung 

3.  Zur  BeBinnang  er  wieder  kam, 

trat  in  der  Leb'nden  Wohnsitz'  ein.  I 
Denn  dem  hier  wohnen  ein  hundert 
Ärzte  und  tausend  Heilkräuter.  II  s  II 
Wahrend  ayam  in  päda  a.  auf  den  Kranken,  bezieht  sich  as^ 
in  pädac.  offenbar  auf  das  Heilmittel ,    dem  die  Krfifte   von    100 
Ärzten,  1000  Kräutern  einwohnen. 

4.  Die  Gotter  dich  zu  sammeln  sahn, 

die  Priester  auch,  die  Elräuter  selbst  I 
Alle  Götter  zu  sammeln  dich 

auf  der  Erde  sahn  (hin  und  her)  II 4  11 
Es  müssen  somit  ziemlich  erlesene  Dinge,  die  schwer  zusam* 
men  zu  bekommen  waren,  in  dem  da^vfiksha-Mlttel  vereint  sein*); 
daher  denn  auch  seine  grofse  Macht  (s.  v.  3).     In  avidan  liegt  hier 
noch  die  alte  Bedeutung  der  ^ruf,  video  iSttVj  vor. 

5.  Wer's  gemacht  hat,  der  bring's  zurecht  I 

Es  ist  eben  der  beste  Arzt  I 
Es  soll  eben  die  Heilmittel 

dir  verschaffen,  als  reinster  Arzt.  II  s  II 
Das  Heilmittel  mufs  hiemach  wohl  auch  etwas  schwer  anzu- 
fertigen gewesen  sein?  Wer  es  (schon  einmal)  gemacht  hat,  der 
solFs  auch  jetzt  wieder  machen.  Unter  sa  eva  verstehe  ich  in 
beiden  päda,  b.  wie  c,  nicht  den  Yerfertiger  des  Mittels,  sondern 
das  Mittel  selbst;    in  pdda  d.  lese  ich  bhishajäm;    der  Instrumental 

giebt  keinen  Sinn. 

• 

10.     Segensspruch  für  einen  Neugebornen  (?). 

1.  Von  kshetriyoy  Nirfüi^  Fluch  Verwandter, 

Von  der  Druh^  von  Varuna^^  Strick  dich  15s'  ich.  I 
Ich  mache  dich  fehlerlos  durch  mein  Spruchlied. 
Beide  dir  sei^n,  Himmel  und  Erde,  gunstigt  II  i  II 
Dies  ganze  Stuck   kehrt,    mit  verschiedenen  Varianten    aller- 
dings^ im  Taut,  Br,  2,  5,  6,  i-3  wieder,  und  zwar  ist  es  nach  dem 


')  Wuttke  §.  121  „neunerlei  Holz,  zu  Tielen  Zauberzwecken  verwandt» 
wird  von  lauter  in  der  alten  Religion  und  im  Aberglauben  bedeutsamen  Blu- 
men und  Strauchern  entnommen,  bes.  Kreuzdorn,  HoUunder,  Taxus;  es  dürfen 
nur  Bäume  sein,  die  kein  Steinobst  tragen.  Dieses  Holz  wehrt  bösen  Zau- 
ber ab  und  dient  auch  zur  Erkennung  der  Hexen.  ^ 


vom  30.  Juni  1870,  481 

schol.  daselbst  und  der  darin  citirten  Stelle  aus  Baudhdyana  beim 
Geburtsritnal  (Jätakarman)^  beim  (ersten)  Waschen  nämlich 
des  neagebornen  Kindes,  zu  verwenden.  Ob  dies  wirklich  die 
ursprungliche  Absicht  dieser  Spruche  hier  ist,  mufs  indefs  einst- 
weilen  noch  unentschieden  bleiben.  Es  ist  im  Wortlaut  derselben 
(8.  im  Verlauf)  allerlei,  was  nicht  recht  dazu  stimmen  will.')  — 
Das  erste  Wort  lautet  im  T.  Br,  nicht  kshetriyät,  sondern  kshe- 
triyai;  und  zwar  ist  nach  dem  schol.  unter  kshetrt  eine  den 
Kindern  nachstellende  Dämonenspecies  (bdlapadravakdrint  kdcid 
rakshcjdti^  kshetrt)  zu  verstehen.  Im  Pet.  Wort.  5,  1352  wird  nun 
zwar  jenes  kzhetriyai  als  „entstellte  Lesart^  bezeichnet;  ich  mochte  dem 
indefs  nicht  direkt  beipflichten.  Jedenfalls  erscheint  mir  die  dadurch 
an  die  Hand  gegebene  Anknüpfung  an  ykshi,  xTifvpu  auch  für  kahe- 
triya  bei  weitem  der  künstlichen  Erklärung,  die  dies  Wort  schon 
bei  Pdnini  gefunden  hat  (s.  Ind.  Stud.  5,  146),  vorzuziehen.  Höch- 
stens wird  auch  ihr  der  Rang  noch  streitig  gemacht  durch  die 
von  dem  Schol,  zum  T.  Br,  beim  letzten  Verse,  wo  auch  dort 
kshetriyät  gelesen  wird,  beigebrachte,  zu  der  Verwendung  des 
ganzen  Stucks  beim  jdtakarma  trefflich  passende  Erklärung,  wo- 
nach nämlich  darunter  (kshetram  garhhasthdnamy  tatrotpannatvdt) 
eine  vom  Mutterleibe  {kshetram^  s.  Pet.  W.  2,  572)  her  dem 
Kinde  anhaftende  Krankheit,  ein  erblicher  Schaden  somit  be- 
zeichnet sein  soll.  Nach  Äth,  3,  7  wird  das  kahetriyam  (neutr.  v.  7) 
durch  Hirschhorn  {harinasya  visMnd)  beseitigt,  und  sitzt  im 
Herzen  des  Betreffenden;  eine  Waschung  ist  nach  v.  5  offenbar 
daselbst  auch  damit  verbunden,  und  zwar  ist  dieselbe  des  Früh- 
morgens beim  Heimleuchten  der  Sterne  und  der  Morgenrothe  vor- 
annehmen,  oder,  wie  bei  dem  mit  gleichem  Namen  benannten 
Feldschaden  (s.  oben  p.  476),  beim  Scheine  des  Doppelgestirns  der 
Vicfitau  (sowie  eines  andern  vom  Himmel  wie  ein  vierbeschwingtes 
Dach  herableuchtenden  Gestirnes).  Wenn  es  sich  daselbst  etwa  auch 
um  die  Waschung  eines  Neugebornen  handeln  sollte^),  würde  die 


')  Auch  die  leider  sehr  dunklen  Angaben  bei  Kauf,  27  stimmen  nicht 
üazQ,  sie  lauten:  ksh,  tveti  catuhpathe  kämpilafakaiaih  parvasu  haddhvd  pin- 
ptttbhir  dpldcayaty  avatincoH,  „auf  einem  Kreuzweg,  mit  Ä:rt»ipt/a-Splittcni 
{kämpUay  Crinum,  Amaryllacee  Pet.  W.),  an  den  Gelenken  bindend  luit 
Ualmbäscheln,  läfst  er  (ihn,  sicli)  waschen  und  begiefst  (ihn).'' 

^)   Die  leider  ebenfalls  sehr  abrupten  und  dunklen  Angaben  bei  Kauf.  27 


488  Ge$ammt8itzung 

Erklärung  aus  k$hetra^  Mutterleib,  allerdings  erheblich  an  Wahr- 
scheinlichkeit gewinnen.  —  jdmi^nsa.  Verwand tenfluch,  Tgl.  oben 
p.  475.  Da£s  das  Yerhältnifs  zwischen  den  Blutsverwandten  in 
der  Brdhma^chFenode  theil weise  ein  ziemlich  getrübtes  war,  dafür 
liegt  ein  lukolenter  Beweis  vor  in  der  praegnanten  Verwendung 
des  Wortes  bhrdtjrivya  ,,Bruderssohn^,  in  der  Bedeutung  yon: 
feindlicher  Vetter,  Nebenbuhler,  Gegner.  Auch  wird  der  Feind- 
schaft zwischen  den  sajdta  und  sahandhu  h&ufig  genug  Erwäh- 
nung gethan.  Im  T.  Br,  fehlt  das  Wort  jdmi^^a  hier,  findet  sich 
aber  im  letzten  Verse  vor.  —  Die  druh  (s.  Pet.  W.)  ist  hier  of- 
fenbar wie  im  j^tib  (und  im  Zend)  als  'Namen  einer  feindlichen 
Genie,  nicht  als  appell.  {drohdi^  schoL  zu  T,  Br.)  aufzufassen.  — 
Wenn  es  sich  hier  wirklich  um  ein  neugebornes  Kind  handelt, 
so  könnte  andgas  hier  nicht  gut  „snndelos,  unschuldig*'  sein  (der 
Begriff  der  Erbsünde  fehlt  ja  den  Indem),  sondern  sich  nur  auf 
körperliche  Gebrechen  beziehen,  die  der  Priester  durch  seinen 
Spruch  (hrahtnai^)  beseitigt')  Nun  bedeutet  aber  andgas  sonst 
eben  stets  nur  „sündelos,  schuldlos^,  und  es  frfigt  sich  somit  in  der 
That,  ob  die  Beziehung  auf  das  Geburtsritual  wirklich  dem  Verse 
ursprünglich  beiwohnt.  Dafs  der  Priester  durch  seinen  Spruch 
einen  Schuldigen  entsühnt,  und  somit  den  Folgen  seiner  Schuld, 
den  Ejrankheiten  nfimlich  und  dem  Einflufs  der  hosen  Genien  ent- 
zieht, ist  ganz  im  Character  des  JLtA.,  der  ja  eben  theils  die  Ge- 
walt des  priesterlichen  Wortes  auf  das  Höchste  verherrlicht,  theils 
Krankheiten  etc.  als  Folge  sittlicher  Vergehungen  ansieht  (vgl. 
Grohmann  in  den  Ind.  Stud.  9,  405.  407-11);  aber  dafs  er  ein  neu- 
gebornes Kind  entsühnen  sollte,  dafür  fehlt  ein  jeder  Anhalt. 
Sprüchwörtlich  heifst  es  ja  gerade:  „an  ihm  ist  so  wenig  Sünde, 
wie  an  einem  essenden  Kinde'',  s.  ^atap.  4,  4,  5,  23. 
2.  Heilbringend  dir  Agni  sei  mit  den  Wassern, 

heilbringend  auch  Soma  dir  mit  den  Pflanzen  I  I 
S  0  ich  dich  von  kshetriya,  Fluch  Verwandter, 

Nirfiti^  Druh,  Varutjiä's  Fessel  löse.  I 


geben  dazu  freilich  keinen  Anhalt:  hcurincuyeti  bandhana'pdyand'^camafta 
(^ndni?),  famkudhdnajväknd  'vanakshatre  (jtfdiebhdva^  Cod.)  'pomca/y,  tani- 
tamdtrdyält  sakfidgfihUdn  yavän  dvapati,  hhaktam  prayachati.  I 

')    der  Text  im   7*.  Br.  hat  brahman^  (parivjri^ihdya  jdtakarmädigcnus' 
kdrdya  schol.)}  d.  i.  doch  wohl:  zum  Wachsthum,  Gedeihen. 


vom  30.  Juni  1870.  488 

Ich  mache  dich  fehlerlos  durch  mein  Sprachlied 
Beide  dir  sei'n,  Himmel  and  Erde,  gunstig I  Hall 
Unter  $oma  ist  entweder  der  «omo-Saft  oder  bereits  der  Mond 
zu  verstehen.    Das  21  Br^  hat  dafür  nochmals :  Himmel  and  Erde.  — 
Der  Refrain:  y^9o  ich  dich.  .^    fehlt  in  T.  Br,  and  kehrt  erst  beim 
letzten  Verse  wieder;    mit  Auslassang   übrigens  von  Nirjriti^    wo 
dann   das  Metrum   anter  Beibehaltung   des    hiesigen  Versanfangs: 
evdham  tvd  (das  T.  Br,  hat  aber  evam  aham  imam)  richtig  ist,  w&h- 
rend  dasselbe  in  der  hiesigen  Gestalt  des  Refrains  eben  drei  Sil- 
ben zu  viel  hat.     Nun,   bei  solchen  Refrainartigen  Formeln  pflegt 
ja  auf  das  Metrum  keine  grofse  Rücksicht  genommen  zu  werden, 
s.  Der  Wind  in  der  Luft  geh'  dir  Starke  heilvoll  I 
die  vier  Himmelsgegenden  sei'n  dir  heilvoll!  t 
S  o  ich  dich  von  ...  II  s  II 

4.  Die  vier  Himmelsgegenden,  die  die  Sonne 

bescheint,  des  Winds  Gattinnen,  die  da  leuchten,  —  I 
So  ich  dich  von  ...  11 4  II 
Die  beiden  ersten  pdda  erscheinen  als  eine  Ampliflkation  des 
zweiten  pdda  von  v.  3  und  hfingen  offenbar  mit  pdda  1 .  2  von  v.  5 
aufs  Engste  zusammen,  sind  eben  nur  durch  den  solennen  Refrain 
davon  getrennt;  im  T.  Br.j  wo  dieser  fehlt,  ist  der  Zusammenhang 
nicht  unterbrochen. 

5.  In  sie  ich  dich  setze,  in's  Greisenalter. 

fort  hebe  sich  Nirjritiy  weg  die  Schwindsucht!  I 
So  ich  dich  von  ...  II 5 II 
Statt  jarasi  hat  T.  Br,  offenbar  viel  besser:  jarase,  zum 
Greisenalter,  jaradash^ir  yaihd  ^sat,  wie  es  Qdnkh,  g,  1,  27  bei  einem 
im  sechsten  Monat,  Pdr,  2,  l  und  Agv.g,  1,  17,  lo  bei  einer  im  er- 
sten oder  dritten  Jahre  mit  dem  Kinde  vorzanehmenden  Ceremo- 
nie  heifst;  vgl.  noch  unten  13,  1.  28,  1,  wo  ebenfalls  für  Kinder 
um  Leben  bis  zum  Greisenalter  gebetet  wird. 

6.  Von  Schwindsucht,  Unheil  and  von  Fehl  erlost  nun 

du  bist,  der  Druh  Fesseln,  der  grdhi  ledig.  I, 
S  o  ich  dich  von  ...  II  6  II 
Die  bisherigen  Sprüche  sind  wohl  während  des  Bades  zu 
recitiren,  dieser  and  die  folgenden  Verse  dagegen  nach  demselben. 
Der  Refrain  (resp.  das  Praesens  darin)  padst  nunmehr  freilich 
gar  nicht  mehr  recht. —  duritdt  und  avadydt  weisen  eigentlich 
wohl  wieder  auf  moralische  Schäden  hin,    passen  somit  nicht 


484  QesaiumUitzung 

recht  zu  dem  jätakarman.  —  Statt  avadydt  hat  T.  Br.  avart^ai 
was  der  Schol.  mifsverstandlich  durch  a-varti  (ddridrya,  Armatb; 
als  ob  avfitti  dastfinde)  erklfirt,  während  es  doch  als  ^va-jiti  (5. 
Pet.  W.)  aufzufassen  ist. 

7.  Zurücklassend  Ungunst,  gewannst  du  Heil  dir, 

Tratst  ein  in  die  glückliche  Welt  der  Gutthat.  I 
So  ich  dich  von  ...  II  7  11 
Auch  hier  hat  T.  Br,  avartim  (statt  ardthn),  —  Das  „Eintre- 
ten in  die  Weit  der  Gutthat^    will  auch   zum  jdtakarman  nicht 
recht  passen,    sondern  fuhrt  auf  Einen,    der  bisher   übel    gethan 
hat,  nun  aber  durch  die  Ceremonie  entsühnt  ist. 

8.  Vom  Dunkel,  von  grdhi  die  drein  verfairne 

Sonne  befrei'nd  losten  vom  Fehl  die  Götter.  I 
S  o  ich  dich  von  ...  II  8  11 
Auch  dieser  Vers  weist  so  entschieden  auf  ein  €nas,  also  eine 
moralische  Verschuldung  hin,  dafs  es  zum  Mindesten  schwer  fiilt, 
denselben  als  ursprünglich  für  ein  jdtakarman  bestimmt  anfzufassea. 
Andrerseits  pflegt  die  Sonne nfinsternifs,  auf  die  hier  offenbar 
angespielt  wird,  in  den  Erdkma^-Texten  sonst  auch  nicht  gerade 
auf  eine  Verschuldung  der  Sonne  zurückgeführt  zu  werden,  wird 
vielmehr  einfach  auch  nur  als  ein  Unglück  derselben  bezeichnet. 
Man  konnte  nun  wohl  fragen,  ob  nicht  unser  ganzes  Stuck  etwa 
ursprünglich  eben  gerade  dieser  speciellen  Veranlassung  entstammt, 
resp.  bestimmt  sei,  bei  dem  Eintreten  derselben  recitirt  zu  werden? 
Dem  steht  aber  entgegen,  dafs  man  dann  jedenfalls  wohl  eine  all- 
gemeinere, nicht  blos  wie  hier  auf  ein  Individuum  beschrankte 
Entsühnung  zu  erwarten  haben  würde.  Es  ist  daher  in  der  Tbat 
die  Sonnenfinstemifs  hier  wohl  eben  nur  als  Beispiel  herangezo- 
gen; T.  Br.  liest  denn  auch  yat  statt  a<Mt,  und  der  Schol.  erklärt 
dies  durch  yathd,  —  Derselbe  fuhrt  zugleich  ad  rem  eine  brdhmana- 
Stelle  (Ts.  2, 1,  2, 1;  ebenso  Panc,  23,  16,  2)  an:  suvarbkdnur  («rar- 
bh,  vd  Panc)  dsura^  aüryam  tamasd  ^vidkyat,  tasmai  devd^  prdya^- 
dttim  aichann  iti.  Der  Eingang  derselben  findet  sich  identisch  im 
Kdth.  12,  13  (svarbhdnur  vd  di,  $,  /.  'v.)^  doch  heifst  es  dann  wei- 
ter: sa  na  vyarocata,  tasmdd  devds  tamo  ^pdlumpan;  ebenso  27,  2 
und  ähnlich  im  Pancav,  4,  5,  1  (jtam  devdh  svarair  aspfiffvan).  Et- 
was abweichend  lautet  die  Darstellung  im  (^.  5,  3,  2,  s:  svarbhd- 
nur ha  vd  dsurajj.  süryam  tamasd  vivyddha^  sa  tamasd  viddho  na 
^arocata,  tasya  somdrudrdv  evaitat  tamo  ^pdhatdm.     Im  Pancar, 


vom  30,  Juni  1870.  485 

14,  11,  u  ist  es  Atri,  der  die  Finsternifs  durch  das  bhdsam  (säfna) 
vertreibt.  Endlich  im  Qdfikh.  Br.  24,  3.  4  sind  es  die  Atrayas^ 
denen  dies  durch  die  drei  dem  vishuüant-T&ge  (Sommersolstiz)  vor- 
hergehenden 9var€i8dman'T&ge  gelingt,  und  zwar  beruft  sich  der 
Text  dafür  auf  J^iÄ;  5,  40,  9.  Und  hiermit  gelangen  wir  denn  zu 
jenem  interessanten  j^tÄ;-Hymnu8,  der  in  der  That  (v.  5 — 9)  die 
Befreiung  der  Sonne  von  Svarbhänu  theils  dem  Indray  thcils  dem 
Atriy  theils  den  Atri  zuweist  (vgl.  hierzu  noch  Ath.  13,  2,  4.  la.  se), 
und  zwar  eben  wohl  der  Kraft  seiner,  resp.  ihrer  Gebete  (Jbrdhmdniy 
s.  ^ik  5,  2,  6.  39,  5  giras).  Unstreitig  sind  dies  rein  mythische, 
kindliche  Auffassungen  des  betreffenden  Vorganges,  baar  irgend- 
welchen astronomischen  Verständnisses  desselben!  ganz  entspre- 
chend jenen  naiven  Legenden  der  Erdkmana^  wonach  die  Sonne 
vom  Himmel  zu  fallen  drohte  und  erst  durch  bestimmte  Metra 
daran  befestigt  ward,  s.  Ind.  Stud.  8,  11.  42.  55.  9,  sssfT.  —  tamaso 
grdhyd  adhi  liefse  sich  allenfalls  auch  übersetzen:  „aus  dem  Dun- 
kel der  ffrdhi^  und  man  könnte  bei  grdhi  etwa  an  eine  hose 
Genie  denken;  ich  ziehe  indessen  vor,  auch  hier  das  Wort  einfach 
als  Name  einer  Krankheit  zu  fassen,  da  es  einmal  sonst  hier  im 
Ath.  (s.  z.  B.  oben  bei  p.  478)  nur  in  dieser  Bedeutung  vorkommt 

11.   Das  srdktya'Amulettj  als  Gegenzauber. 

1.  Du  bist  Verderben  gegen  Verderben,  Lanze  gegen  Lanze, 

Waffe  gegen  Waffel  I 
Erreiche  den,    der  hoher  steht!      Schreite  weg  über  den, 

der  dir  gleich  steht!  II  i  II 
In  dieser  in  Prosa  abgefafsten  Formel  ist  durchweg  der  erste 
Theil  jedes  Spruches  an  das  Amulett,  der  zweite,  die  Form  eines 
Refrains  habende  Theil  dagegen  an  den  Träger  des  Amuletts  ge- 
richtet. —  Nach  Kauf.  39  bindet  er  (der  Priester)  dem  Betreffen- 
den hiemit  den  srdktya  (n&mlich  marit)  um ;  er  läfst  vor  dem  Feuer 
ein  röthliches  Rind,  hinter  dem  Feuer  einen  rothen  Ziegenbock 
schlachten,  um  Brühe  und  Fleisch  davon  zu  gewinnen.')  Es  ist 
somit  wohl  eine  Art  Opferschmaus  hiermit  verbunden.  —  Über  den 


^)  aräktyam  badknäti,  purastäd  agneh  pi^amgagdm  kdrayati,  pafcdd 
agner  lohUdjam  yu»kapipt&rtham.  Zu  der  praegnanten  Bedeutung  von  kära- 
yati  „schlachten  lassen*  vgl.  Ä^.  g.  1,  24,  31.  Kaup.  92.  Pdr.  1,  3. 


486  Gesammtsitzung 

Stoff  des  mofit  wird  nichts  gesagt;  dem  Namen  nach  ist  er  woLl 
als  „vielkantig^  {srakti^  Ecke)  su  denken;  etwa  ein  geschlif- 
fener Edelstein  oder  Krjstall  (s.  v.  5),  der  als  Amulett  an 
einem  Bande  um  den  Hals  getragen  wird  und  an  dessen  Kanten 
alles  Üble  abprallen  soll. 

s.  Du  bist  kantig!  du  bist  ringförmig!  du  bist  gegenxaabemd.  i 
Erreiche  den  ...  II  s  II 
pratisara,  in  sich  zurücklaufend;  von  der  Amulettschnnr  s.  PetW. 

3.  Schleudre  den  Zauber  zurück  auf  den  der  uns  hafst,    den 

wir  hassen,  i       Erreiche  den  . .  •  H  s  II 
Kräftig   hassen    und  fluchen   konnten  die   Inder  dieser  Zeit! 
Dafür  legt  ihr  ganzes  (rauto-  wie  gfihya-Bitual  vollgültiges  Zeug- 
nifs  ab!    s.  oben  p.  474.  475.      Unsere  Priester  haben  ihr:  ana- 
thema  siti  ja  auch  noch  nicht  verlernt. 

4.  Du  bist  schaffend!    du  bist  Kraftgebend!    du    biat  Leib- 

schützend !  I       Erreiche  den  •  • .  N  4  I 
süri  von  ysü^  zeugen,    zeugnngskräftig?    als  Name  des  Wei- 
sen, Dichters  (wie  später)  besser  wohl:  der  Schaffende,  Schöpferi- 
sche?   (vgl.  9roii;ry;c).      Oder  kommt  das  Wort  von   ysvar^    leuch- 
ten? dagegen  spricht  hier  der  Inhalt  dieses  und  des  nächsten  Verses. 

5.  Du  bist  flammend!   du  bist  strahlend!  du  bist  Glanz!  du 

bist  Licht!  I       Erreiche  den  ...  H  s  H 

12.     Schwur,  mit  Feuer-Ordale  verbunden. 

1.  Der  Himmel,  die  Erde,  der  weite  Luftraum, 
die  Feldes-Frau,   Vtshttu^  der  wundersame,  I 
Und  der  weite  Luftraum,  der  Windbeschutzte,  — 

Die  mögen  hier  brennen,  wenn  ich  mich  brenne!  Hill 
Dieses  Stück,  welches  offenbar  zu  einem  Feuer-Ordale  gebort, 
ist  bereits  von  Dr.  Emil  Schlagjntweit  in  seiner  Abb.  über  die 
Gottesurtheiie  der  Inder  (München  1866)  p.  13 — 19  übersetzt  und 
behandelt  worden.  —  In  v.  1  werden  die  drei  Welten,  und  ihre 
drei  gottlichen  Hüter  zu  Zeugen  angerufen,  oder  vielmehr  eigent- 
lich verwünscht,  wenn  sie  etwa  —  was  aber  eben  unmöglich  — 
falsch  Zeugnifs  ablegen  sollten.  Dabei  ist  die  Aufzählung  der  drei 
Hüter  eine  ganz  ungewöhnliche.  Man  erwartert  einfach  Ägniy  F/zy», 
Sürya  genannt  zu  finden.  Aber  statt  des  Agni  erscheint  der  Erd- 
genius selbst    und  zwar  in  weiblicher  Gestalt,    als    kshetrasya 


I 

i 


vom  30.  Juni  1870,  487 

patnt;  statt  des  Sürya  erscheint  Ft«Afiii,  und  zwar  nur  unter 
seinem  solennen  Beinamen  urugdya^  der  weithinschreitende;  und 
statt  des  Väyu  wird  der  Luftraum  selbst  nochmals  und  vdta  nur 
nebenher,  im  Beiworte,  genannt^).  —  ta  iha  ist  zweisilbig  zu  lesen, 
a.  Hort  ihr  Gotter  dies^  die  ihr  opferwurdigl 

Bharadväja  singt  für  mich  seine  Lieder.  I 
Gebunden  in  Bande  verfall*  dem  Unheil, 

wer  da  irgend  hier  meinen  Sinn  antastet.  II  s  II 
fjitfuta  zweisilbig,  ebenso  ^ansati;  also  wohl  gruta,  gansat  zu 
lesen?  —  Ist  etwa  Bharadväja  hier  (und  19,  48,  e)  appellativisch 
aufzufassen,  als  Name  des  Priesters?  oder  ist  wirklich  der  alte 
T%6U  und  j^tilr-Sfinger  dieses  Namens  gemeint?  —  yo  asmdkam  mana 
idam  hinasti,  wortlich:  wer  diesen  meinen  Sinn  beschädigt,  d.  i. 
diesen  meinen  Schwur  antastet,  mein  Wort  bezweifelt.  Gramma- 
tisch wäre  auch  die  Construktion  möglich:  wer  von  uns  diesen 
Sinn  beschädigt,  d.  i.  etwa:  diesen  Vertrag  bricht;  doch  pafst  dies 
nicht  zu  der  individuellen  Färbung  der  andern  Verse,  die  ausdrück- 
lich (auch  V.  4)  nur  Einen  als  den  wirklich  Schwörenden  hinstel- 
len. —  yhihs  ist  offenbar  ursprünglich  ein  Desid.  von  yhan,  wie 
niksh,  pit8  etc.;  aber  schon  früh  vom  Sprachgeist  verkannt  und  ir- 
ri  g  als  Wurzel  der  Gl.  7  flektirt.  —  yujycUdm  ist  zweisilbig  zu  le- 
sen; ob  etwa  yujydm  mit  Ausfall  des  t,  wie  in  duhdm  für  dugdhdm, 
ebenfalls  3  sg.  Imp.;  oder  ist  etwa  das  Ätm,  yunktdm^  in  passiver 
Bedeutung,    in  den  Text  zu  setzen? 

3.  Dieses,  Indral  höre  du,  <Of?ki-TrinkerI 

warum  ich  dich  rufe  mit  heifsem  Herzen  I  I 
Ich  schlage  den,  wie  mit  der  Axt  *nen  Baumstamm, 

wer  da  irgend  hier  meinen  Sinn  antastet!  II  s  II 
In  pdda  1   fehlt  eine  Silbe;    ich  schlage  vor  tvam  hinter  so- 
mapa  einzufügen.  —  Statt  vrigcdtmi  des  Textes  liegt  es  nahe,  t^ft- 


^)  Man  denkt  bei  dieser  Aafzählang  unwillkürlich  an  die  »ha4  urvts, 
^e  sich  im  Ritual  mehrfach  ähnlich  (s.  Pet  W.  unter  tim),  obschon  aller- 
<liiig8  denn  doch  erheblich  verschieden  aufgezählt  finden  (s.  f^ai.  1,  5,  1,  22. 
^kh.  1,  6,  4),  im  Rik  resp.  wie  im  Ath.  (s.  10,  7,  38)  vielmehr  von  den  vier 
Himmelsgegenden  und  dem  Oben  und  Unten  verstanden  werden.  Im  Kd(h, 
37,  10  stehen  indefs  die  ahc4  vrvia  neben  den  pcmca pradigaSf  and  in  40, 10 
erscheinen  gar:  traytah  (1)  aha^  urvia  (die  Farallelstelle  Rik  10,  128,  5 
hat  devth  ah,  «.)• 

[1870]  34 


488  GesammtsUzung 

fca  'bhi  zu  lesen,  so  dafs  dies  eben  die  Bitte  wäre,  um  derentwillen 
Indra  so  inbrünstig  angerufen  wird;  kuli^a  wird  ja  eben  gerade 
auch  von  Indrä^B  Waffe,  dem  Donnerkeil,  gebraucht  Indessen  da 
in  der  Chdndogya  Upanishad  8, 16  ausdrucklich  das  Tragen  einer 
geglühten  Axt  als  Feuer-Ordale  (für  einen  angeschuldigten  Dieb) 
erwähnt  wird,  so  läfst  sich  auch  die  1  p.  sg.  „ich  HUle  mit  der 
Axt  hier  den,  der  mich  fälschlich  anschuldigt,^  trefflich  verwerthf'n. 
und  wird  uns  resp.  dadurch  sogar  wohl  die  Erklärung  dafür  ge- 
boten, warum  man  gerade  eine  glühende  Axt  Ton  dem  Angeschul- 
digten zu  seiner  Reinigung  tragen  läfst  Oder  dient  etwa  die  Axt. 
s.  V.  7,  wenn  sie  wieder  erkaltet  ist,  zur  Hinrichtung  des  FreTlers, 
wenn  er  sich  schuldig  gezeigt  hat?  Indra  würde  dann  eben  nur 
als  Zeuge  und  Beistand  angerufen. 

4.  Und  mit  dreien  Achtz'gen  von  c^ina-Sängern, 

Mit  den  Adityay  V<uu,  Angiras  hier  —  I 
Es  schütz'  mich  die  Seligkeit  unsrer  Väter  — 

mit  gottlicher  Gluth  nehm'  ich  diesen  an  mich.  II 4  D 
Die  dreimal  achtzig  (240)  «(fma-Sänger  sind  wohl  die  mensch- 
lichen, die  Aditya,  Vaau,  Angiras  und  die  Manen  die  gottlichen 
Eideshelfer  des  Schworenden,  der  mit  diesem  Verse  offenbar  wohl 
ein  glühendes  Beil  (amuniy  diesen)  in  seine  Hand  nimmt;  Tgl. 
eben  Chdndogya  üp,  1.  c.  —  Die  grofse  Zahl  Ton  240  Eidesbelfem 
befremdet  zunächst^);  jedenfalls  kann  es  sich  demnach  hier  nicht 
um  einen  einfachen  Diebstahl,  sondern  es  mufs  sich  wohl  um  dea 
Schwur,  resp.  die  Reinigung  einer  hochstehenden  Person  handeln., 
Schlagintweit  führt  (p.  16)  einen  analogen  Fall  aus  dem  Ditb- 
marsischen  an,  wo  es  sich  um  30  x  12  Eideshelfer  handelte.  — 
Die  „Achtzig*^  scheint  eine  gewisse  Rolle  gerade  im  Feuer- 
Ritual  zu  spielen;  es  ist  mir  wenigstens  auffallig,  dafs  ich  ihr  em^ 
solche  eben  fast  nur  in  den  Büchern  des  faiap,  Br,  zugelheiU 
finde'),  welche  sich  auf  die  Schichtung  (Aufmauerung)  des  heili- 
gen  Feueraltars  (agnicayanam)  beziehen;    vgl.  annam  a^ttih  (etv* 


1)   za  Tgl.  sind  etwa  die  zehn  Freunde,    die  nach  Kauf^,  27    bei  de 
j, zehnerlei  Holz*  mithelfen,  s.  oben  9,  1. 

>)    eine  Stelle  im  zweiten  Buche  2,  3,  3,  19  aasgenommen,    wo  es  si' 
nm  720  Achtzige  von  /**c  handelt,  die  resp.  aber  auch  ebenfalls  bei  eln€i 
Feuer  Opfer  erwähnt  werden,  bei  dem  agnihotra  nämlich,  früh  und  Abenc 
die  360  Tage  des  Jahres  Aber,  zu  recitiren  sind. 


I 


vom  30.  Juni  1870.  489 

mol.  Spiel  mit  '^a^  8,  5,  %  17.  9,  1^  1,  21,  gdyatrya^itif^  8,  6^  2,  3. 
9,  1,  1,  31.44.  3,  3,  19,  r^ga^tiJ^  9,  6,  1,  63;  je  dreimal  achtzig 
ishfakds  10,  4,  2,  6.10,  einhundert  und  achtzig  ishfakäs  10,  4,  2,  6, 
achtzig  weniger  zwei  (78)  dgl.  10,  4,  3,  13;  die  acht  Metra  ent- 
halten dreimal  achtzig  (u.  45)  Silben  10,  1,  2,  9;  alle  drei  Veda 
enthalten  in  summa  10800  Achtzige  (von  Silben  n&mlich)  10,  4, 
2,  25;  in  jedem  muhürta  erlangt  man  eine  dgl.  Achtzig,  in  einem 
«Fahre  somit  die  ganzen  drei  Veda  ibid.  und  ka^4'  30.  Sollte  etwa 
das  etymologische  Spiel,  welches  offenbar  in  der  Gleichstellung  der 
Nahrung  (annam)  mit  c^H  {^ag  verzehren),  s.  oben,  vorliegt,  auch 
bezugfi  dieser  eigenthümlichen  Vorliebe  zur  Rechnung  mit  Achtzi- 
gen^),  ap»<i,  bei  das  Feuer  betreffenden  Handlungen  und  Anga- 
ben anzunehmen  sein?  da  ja  das  Feuer  eben  auch  wiederholt  als 
das  verzehrende  {attar)  bezeichnet  wird?  —  ^Mit  gott lieber 
Gluth%  so  dafs  er  dadurch  die  Oluth  des  Beiles  überbietet? 

5.  Himmel  und  Erd'I  blicket  hier  hinter  mir  drein! 

All  ihr  Götter!  fasset  mich  hinterdrein  an!  I 
Ihr  ÄngirasI  ihr  «oma-würd'ge  Väter! 

In  Unheil  geh',  wer  des  AbscheulVhen  Thäterl  II  5  II 
didkitkäm  metri  caussa  für  didhiyäthäm.  —  Die  vi^e  devda  sind 
hier  wohl  noch  wirklich  „alle  Götter^,  nicht  die  besondere,  die- 
sen Namen  sekundär  führende  Göttergruppe.  —  Über  das  hinter- 
drein-Anfassen  8.  Ind.  Stud.  9,  21;  wer  es  thut,  nimmt  dadurch 
Theil  an  dem  Geschick  dessen,  den  er  anfafst  —  Alle  diese  Ge- 
nien also  werden  von  dem  Angeklagten  als  Zeugen  seiner  Unschuld 
angerufen. 

6.  Wer  uns  etwa,  o  ihr  Marutf,  verachtet, 

Oder  unser  heiliges  Werk  hier  tadelt,  —  I 
Glühend  solFn  dem  sein  seine  Übelthaten, 

Der  Himmel  den  Feind  heiTger  Werke  glühe!  II  6  II 


1)  Sonst  ist  es,  und  zwar  auch  schon  ans  alter  Zeit  her,  die  Zahl  84, 
welelie  bei  Aufzahlungen  als  besonders  beliebt  erscheint  und  u.  A.  auch  noch 
ur  <üe  territoriale  Eintheilung  des  heutigen  Indiens  Ton  Bedeutung  ist,  s. 
'^Uiot  memoirs  on  the  northwestem  provinces  of  India  2,  47  ff.  (cd.  Beames^. 
^uddhaghoaas  Comm.  zum  Dhammapadam  (ed.  FausböU)  bietet  zahlreiche 
^le^e  för  die  Solennität  der  Zahl  caturäsiti,  vgl,  z.  B.  p.  94.  99.  129.  130. 
4.4    eto.;  s.  auch  meine  Abh.  über  die  Bhag<tvatt  1,  427  n. 

34» 


490  Gesammtsitzung 

Dieser  aas  ^ik  6,  52,  s  mit  einigen  Varianten  entlehnte 
Sprach  ist  wohl,  wie  die  beiden  folgenden,  in  den  Mund  des  Prie- 
sters zu  legen.  Bisher  sprach  der  Angescholdigte,  seine  UnschaM 
betheaernd.  Nunmehr  aber  wird  er  selbst  angeredet,  und  in  qd- 
serm  Verse  hier  ihm  die  Heiligkeit  der  Handlang  krfiftig  zu  Ge- 
muthe  geführt^);  er  solle  nicht  etwa  gering  davon  denken,  son- 
dern sich  der  Hoheit  und  Reinheit  derselben  wohl  bewuTst  sein. 
7.  Die  sieben  Odem,  acht  Marke,  die  zerhau'  mit  dem  Spruch  ich  dir!  i 
In   Tamd'a  Wohnung  tratst  du   ein,    vom  FeuV  entboten,   zage- 

rustH.  II 7  n 

Die  7  prä^üj  Odem,  sind  die  7  ^rshanyä^  prä^^  Augen, 
Ohren,  Nasenlöcher  und  Mund ;  die  acht  Marke  sind  die  je  zwei  Ober- 
und  Unter- Arme,  Ober- und  Unter-Beine.  Alles  dies  zerhaue  ich 
dir  (hier  mit  der  Axt),  wenn  du  falsch  schworst!  Du  bist  dem 
Tode  verfallen,  wenn  du  das  Ordale  nicht  bestehst 

8.  Ich  setze  deinen  Tritt  hinein  in  das  entflammte  Feuer  nun!  I 
Die  Flamm'  verzehre  deinen  Leib!     OdV  ein   zum  Leben 

geh'  dein  Wort!   UsN 

Der  Wortlaut  des  Verses  verlangt  somit  wohl  ein  Durch- 
schreiten des  Feaers;  und  es  fragt  sich  nun,  ob  dieser  Vers,  der 
wie  der  vorige  in  einem  andern  Metrum  (anushfubJi)  j  als  die  frü- 
heren Verse  {trishpibh)  abgefafst  ist,  wirklich  von  vornherein  mit 
zu  unserm  Stücke  gebort  hat,  oder  erst  sekundär  hinzugekommen 
ist.  Im  erstem  Fall  müfste  man  annehmen,  dafs  zu  der  einen 
Probe,  die  nach  v.  4  in  dem  Erfassen  eines  glühenden  Gegenstan- 
des, vermathlich  einer  Axt,  bestand,  nunmehr  noch  eine  zweite 
Probe,  eben  das  Hineinschreiten  in  Feuer,  hinzutrete.  Eine  dgl.  Cu- 
mulation  ist  aber  eben  doch  sehr  bedenklich.  Ich  meine  somit, 
dafs   es   sich  hier  um  eine  sekundäre  Zuthat  handelt'),    die  eben 


')  im  Hik  ist  der  Vers  offenbar  in  einem  allgemeineren  Zasammenhang 
stehend. 

')  es  verdient  hiebei  Bemerkung,  dafs  die  grofse  Mehrzahl  der 
Stücke  des  zweiten  Baches  nar  fünf  Verse  zählt,  daher  es  ja  auch  in  Athar- 
vctparip,  48,  10  (und  Ath,  19,  23,  2)  nnter  dem  Namen  der  jttincareds  an- 
gerufen, resp.  benedicirt  wird,  s.  Ind.  Stud.  4,  433.  Jedenfalls  wird  hier- 
durch für  die  mehr  als  5  Verse  zählenden  Stücke  die  Annahme  von  am 
Schlosse  gemachten  Zusätzen  nahe  gelegt,  resp.  zum  Wenigsten  sehr  er- 
leichtert. 


vom  SO.  Juni  1870.  491 

das  Stuck  auch  für  diese  zweite  Art  der  Feuerprobe  nutzbar 
zu  machen  bezweckte.  —  jätavedasi;  das  Feuer  ist  hier  ab» 
sichtlich  gerade  mit  diesem  Namen:  ^aogebomes  Wissen  habend^ 
bezeichnet,  weil  es  eben  durch  ihn  als  Zeuge  der  Wahrheit  quali- 
ficirt  wird.  —  Das  zweite  Hemistlch  enthält  offenbar  zwei  Even- 
tualitäten: entweder  das  Feuer  verzehre')  deinen  Leib,  oder 
dein  Wort  zeige  sieh  als  wahrhaft,  gehe,  resp.  führe  dich,  ins  Le- 
ben ein.  —  Eine  ganz  andere  Auffassung  von  v.  7.  8  hat  Groh- 
mann  gegeben,  s.  Schlagintweit  1.  c.  p.  19;  dieselbe  betont  filr 
padam  die  Bedeutung  „Fufstapfen^  und  bezieht  die  Verse  auf 
einen  Sudzauber  mit  einem  ausgehobenen  dgl.,  um  dem  Betreffenden 
ein  böses  Bein  anzuhexen.  Dagegen  spricht  indessen  zunächst  der 
Zusammenhang,  in  welchen  diese  Verse  doch  offenbar  hier  zu  den 
vorhergehenden  gesetzt  sind.  Auch  ist  die  Bedeutung:  Tritt, 
Schritt  flr  padam  jedenf^ls  ebenso  beglaubigt  (wenn  nicht  über- 
haupt die  frühere),  als  die  von:  betretene  Stelle,  Fufstapfen.  Es 
ist  femer  in  v.  7  von  der  Vernichtung  des  ganzen  Menschen, 
nicht  blos  von  einem  bösen  Beine  die  Rede.  Endlich  hat  schon 
Schlagintweit  bemerkt,  dafs  in  v.  8  te  aus  pdda  1  (so  wie  für  fa- 
riram  in  päda  3,  so  wohl  auch)  für  väk  in  pdda  4  noch  fortgilt. 
„Ans  Leben  gehe  (dir  mein)  Wort^  (wie  Gr.  übersetzt),  kann 
jedenfalls  asum  vdg  apigachatu  in  keinem  Falle  bedeuten,  und  es 
ist  eben  dieser  letzte  pdda  geradezu  entscheidend  gegen  diese  ganze 
Auffassung  Grohmann's  (für  die  er  sich  ja  im  Übrigen  nur  auf 
ein  analoges  Sympathiemittel  aus  der  Umgegend  von  Braunau 
stutzt). 

13.    Investitur  eines  Jünglings. 

1.  Lebenspendend,  werbend  ihm  Greisenalter, 

Ghee  im  Antlitz,  Ghee  auf  dem  Rücken,  Agni!  I 
Und  Ghee  trinkend,  Honig  und  süfse  Kuhmilch, 

Wie'n  Vater  die  Söhne,  beschütz'  hier  diesen !  II  i  II 


')  vtüeshpji;  yvish  Cl.  3,  eig.  wohl  nur  eine  Weiterbildung  von  yvas 
Cl.  2  bekleiden  (vgL  veeka.  Kleidang;  yveshf);  weiter  entwickelt  zu  der  Be- 
«ieutnng  Ton :  jem.  bedienen,  ihm  aufwarten,  speciell  beim  Essen.  Hier  mufs 
(las  Verbum  resp.  wohl  als  reflexivum  gefafst  werden,  um  (vgl.  Westergaard) 
die  Bedeutung:  verzehren  zu  gewinnen;  an  ^vif  einkehren  oder  eindrin- 
gen, wie  Schlagintweit  und  Grobmann  übersetzen,  ist  hier  nicht  zu  denken. 


492  Gesammtsitzung 

Nach  Kaug,  53.  54  gehört  dieses  Stück  zu  der  goddna  gt:- 
nannten  Ccremonie,  welche  (s.  Pet.  W.)  ^im  16 ton  oder  18tes 
Jahre  eines  Jünglings,  beim  Eintritt  der  vollen  Mannbarkeit  nni 
kurz  vor  seiner  Yerheirathung  mit  seinem  Barte  vorgenommen 
wird.*^  Das  Ritual  derselben  wird  in  den  gfihyasütra  und  specitl. 
eben  im  Kau^kasütra  sehr  ausfuhrlich  geschildert  Näher  daraci 
hier  einzugehen,  würde  uns  zu  weit  führen,  zumal  aus  dem  TexU 
des  Stückes  nicht  einmal  mit  voller  Sicherheit  hervorgeht,  dafs  der- 
selbe wirklich  gerade  diese  Ceremonie  im  Auge  hat;  es  fehlt  ebes 
darin  jede  Beziehung  auf  den  Bart  und  handelt  es  sich  vielmebr 
darin  speciell  nur  um  die  Bekleidung  des  Jünglings  mit  einem 
(neuen)  Gewände,  die  im  gfikya-Riinal  freilich  ja  auch  einen  Theii 
des  godänam  bildet.  Ich  entlehne  dem  Kaufika  daher  nur  die  un- 
mittelbar auf  die  Verwendung  der  einzelnen  Verse  (zwiscben 
welche  dort  noch  viele  andere  eingeschoben  werden)  bezüglichen 
Angaben.  Mitv.l  also  werden^)  dem  Jüngling  die  darin  genann- 
ten Flüfsigkeiten  (Ghee^  Honig,  Milch)  über  das  Haupt  gegossen, 
unter  gleichzeitigem  Eingufs  von  Ghee  in  das  Feuer,  welche? 
dem  entsprechend  um  Schutz  für  den  Jüngling  angefleht  wird. 
Der  Vers  findet  sich  wieder  in  Vs.  35,  17;  die  dortigen  Lesarteii 
sind  offenbar  die  ursprünglicheren  {dyushmdn  agne  havishd  vfidhdno.X 
die  hiesigen  der  Gelegenheit  angepafst  —  jarasam  vfindnah, 
für  ihn  um  Greisenalter  werbend,  es  ihm  von  den  Göttern  erbit- 
tend? 8.  oben  10,  ö.  —  Metrumshalber  ist  pitvd  dreisilbig,  raksha- 
tdd  imam  viersilbig  zu  lesen. 

2.  Umhüllet  ihn,  hüllt  ihn  uns  ein  mit  Thatkraft! 

Lang  Leben  ihm  schafft,  Tod  durch  Greisenalter!  I 
Bfihaspati  hier  dies  Gewand  darreichte 

dem  Könige  Soma^  dafs  er  es  umthu'.  II  s  II 

Nachdem  dem  Jüngling  Haupthaar  und  Bart  geschoren,  di-/ 
Nagel  beschnitten,  er  gebadet  und  gesalbt  ist,  läfst  er  (der  Prie- 
ster) ihn  unter  Recitirung  von  v.  2  u.  3  mit  einem  ungetragenen 
Gewände  umhüllen^).  —  Diese  beiden  Verse  (2.  3)  sind  es  viel- 
leicht,   die  im  Kaug,  79   unter  dem  Namen  der   paridhdpaniy 


' )    djyam  juhvan  murdhni  samjydtdn  dnayati,  Kauf. 
')    uptakegagmap^m    kritanakham    dpidvayati    . . .    anakti  . . .    ntkaü^ 
ahatena  vasanena  paridhdpayati  Kauf,  54. 


rot»  30.  Juni  1870,  493 

erscheinen,  wenn  daselbst  nicht  etwa  zwei  andere  Ähnliche  Verse 
(14,  1^45.  »3)  gemeint  sind;  vgl.  Ind.  Stud.  5,404.405.  Der  An- 
fang onsers  Verses  hier  findet  sich,  mit  der  Variante  vdsasd  statt 
varcasd^  bei  Gobhila  2,  1,  18  beim  Hochzeitsritual  wieder,  und  zwar 
bei  Umhüllung  der  Braut  nach  dem  Braatbade,  der  weitere  Ver- 
lauf mofs  somit  dem  entsprechend  etwas  differirt  haben.  Völlig 
identisch  dagegen  kehrt  der  Vers  in  Äth.  19,  24,  4  zurück,  var- 
cas  scheint  mir  mit  yvarj  (vfijand)  und  varezj  wirken,  «^7  in  Ver- 
bindung zu  bringen;  wir  haben  zahlreiche  Fälle,  wo  im  Auslaut 
tenuis  und  sonans  in  derselben  Wurzel  variiren,  so  z.  B.  arj^  arc; 
paj^  pag;  marjy  marg;  gad,  gat  etc. 

3.  Du  hast  dies  Kleid  umgethan  dir  zum  Wohlsein! 

Wardst  Schutz  so  vor  Hexenwerk  unsren  Färsen!  1 
Lebe  du  nun  hundert  vielartge  Herbste! 

Und  hülle  dich  ein  in  Qedeih'n  des  Reichthums.  11  s  11 
Dieser  Vers  ist  in  Ath.  19,24,5.6  nebst  zwei  andern  pdda  zur 
Herstellung  zweier  Verse  verwendet,  so  zwar  dafs  daselbst  v.  5 
nur  einen  andern  Anfang  (:  geh  wohlig  zum  Alter!  thu  dieses 
Kleid  uml),  v.  6  dagegen  theils  in  pdda  2:  unsre  Kühe  (statt  un- 
sre  F&rsen)  theils  einen  andern  Schlnfs  hat  (:  vertheile  lebend  gü- 
tig deine  Schätze!).  —  Der  Jüngling  tritt  durch  diese  Investitur  of- 
fenbar als  vollberechtigtes  Glied  in  die  Familie  ein,  nimmt  an  ihren 
Sorgen  nun  selbständigen,  aktiven  Antheil.  Das  „Jungvieh*^  wird 
resp.  speciell  seiner  Obhut  anempfohlen.  —  Die  Rechnung  nach 
Herbsten,  nicht  nach  Regenzeiten,  ist  verhältnifsmäfsig  alterthüm- 
licb,  s.  Ind.  Stud.  1,  88.  5,  194;  sie  findet  sich  in  den  von  den 
grihyasütra  citirten  Versen  fast  durchweg  vor. 

4.  Komm'  her  und  tritt  hier  auf  den  Stein! 

(fest  wie)  Stein  werde  nun  dein  Leib! 
Die  Allgötter  sollen  verleihn 

hundert  Herbste  als  Leben  dir!  II  4  II 
Nach  dem  Kaug.  läfst  er  (der  Priester)  hiermit  den  Jüngling 
mit  dem  rechten  Fufse  eine  Scheibe  von  Stein  (?)  betreten^).  Die 
übrigen  gfihyasütra  haben  beim  goddnam  nichts  hiervon,  kennen 
resp.  diesen  Vorgang  nur  bei  der  Hochzeit,  wo  die  Braut  bei 
zwei  verschiedenen  Gelegenheiten  dazu  veranlafst  wird,  s.  Ind.  Stud. 


0    dakshinena  pddend  '  gmamaftifala/n  dsthapya. 


494  Gesammtsitzung 

5,  201.  318.  383.  387 — 8.  Eine  dem  Sprach:  agmd  bhavatu  ie  tanu^ 
etc.  analoge  Formel  aber  findet  sich  im  Qatap,  Br.  14,  9,  4,  26  beim 
Geburtsritual  vor:  agmd  bhava  paragur  hhava  .  • ,  I  dtmd  tai 
putra  ndmd  '«t  sa  jiva  garada}^  gatanu  —  Das  Betreten  oder 
Überspringen  eines  Steines  kommt  noch  mehrfach  im  Ritual  vor. 
ft.  Wenn  wir  dir  jetzt  rauben  das  erste  Kleid  hier, 

so  mögen  dich  die  Gotter  all  beschützen!  I 
Und  hinter  dir,  froh  gedeihend,  wohlgestaltet, 

dir  noch  viele  Brüder  geboren  werden  I  II  &  II 
Hiermit  raubt  er  (der  Priester)  dem  Jüngling  das  eben  erst 
urogethane  Gewand,  nachdem  er  ihn  zuvor  nach  rechtshin  um  das 
Feuer  herumgeführt.  Er  umhüllt  ihn  darauf  unter  Recitation  von 
Äth,  1 3,  1, 16-90  mit  einem  andern  noch  nicht  getragenen  Kleide.  ^ )  — 
Für  dieses  Rauben  des  Gewandes  weiTs  ich  gar  nichts  Analoges; 
auch  bleibt  mir  die  symbolische  Bedeutung  des  Aktes  unklar.  Soll 
der  Jüngling  etwa  durch  diese  zeitweise  Entblöfsung  dem  Schutze 
der  Götter  ganz  besonders  anempfohlen  werden?  darauf  führt  etwa 
der  Wortlaut  des  ersten  Hemistichs.  —  Der  Inhalt  des  zweiten  Hemi- 
stichs  bezeichnet  den  Jüngling  wohl  als  den  Erstgebornen?  resp. 
als  einen  Solchen,  der  einstweilen  noch  keinen  Bruder  hinter  sich 
hat,  und  man  mochte  hiernach  das  Stück  als  ursprünglich  nicht 
für  die  ^oe/dna- Ceremonie,  sondern  für  ein  früheres  Lebensalter, 
das  ciu4dkarman  etwa'),  bestimmt  ansehen;  aber  freilich  damit  will 
wieder  v.  3  nicht  recht  stimmen,  der  vielmehr  entschieden  nur  auf 
einen  erwachsenen  Jüngling  pafst.  —  Im  ersten  pdda  ist  durch 
vyüha  eine  Silbe  zu  gewinnen,  wofür  sich  verschiedene  Eventuali- 
tfiten  bieten.     In  pdda  3  ist  bhrdtara^  zweisilbig  zu  lesen. 

14.    Segen  gegen  Hauskobolde. 

1.   Die  Dreiste^  Z&he,  Ausspring'nde  (?),  Eintönige,  Gefräfsige  I 

Alle  Niftel  des  Grimmigen,  die  Saddnvds  vernichten  wir.  II  i  It 

Dies  Stück  gehört  zu  den  in  Kaug.  8  unter  dem  Namen  cd- 


')  pradakshinam  agnim  anuparxntyd  *thd  ^sya  vdso  nirmuBhndii  yasyn 
t'e  vdsa  ity  etay&t  *thain<xm  aparendhatena  vcutuiend  *^chddayaty  ayam  raste 
g,  p.  iti  pancdbhihf    Kmng, 

')  bei  welcher  Ceremonie  die  gjrihyeuutra  in  der  That  die  Umhüllang 
dea  Kindes  mit  einem  neaen  Gewände  ebenfalls  erwähnen. 


vom  30.  Juni  1870.  495 

iandni  aufgeführten  Spruchen    zur  Verscheuch ung    böser  Gei- 
ster;  ibid.  9  erscheint  es  neben   den  mfigdrasüktdni  (Reinigungs- 
Hymnen?),    und  es  wird  bei  Kaug.   auch  sonst  noch  mehrfach  er- 
wähnt.  Nach  ibid.  72. 82  findet  hiermit  eine  Besprengung  des  Haus- 
ein ganges  mit  Weihwasser  statt  {iti  gdldniveganam  samprokshatt), 
—  Ich  vermuthe,  dafs  wir  unter  den  hier  namhaft  gemachten  Un- 
holdinnen Ratten    und    ähnliches   Haus-Ungeziefer   zu    verstehen 
haben.  —   nüsdld  ^die  aufserhalb  des  Hauses  ist^    Pet.  W.;    ich 
möchte  das  Wort  lieber  wie  oben  fassen.  —  dhfishnum  als  Accus. 
Fem.  ist  immerhin  auffällig.  —  Für  disha^äm  möchte  ich  geradezu 
dhishandm  lesen;  von  den  vier  Strichen  der  Silbe  i^  geht  in  der  hand- 
schriftlichen Überlieferung  leicht  einer  verloren;    ich  erkläre   das 
Wort  aus  einer  alten  Des.  Form  von  ydkd,  festhaltend,  zähe.  — 
ekavddyd^    eintönig;    ob   etwa  der  Holzwurm?    der  ja    bei  uns 
auch  die  Todtenuhr  heifst,    somit  als  unheimlich  genug  gilt,    um 
hier  mit  genannnt  sein  zu  können.  —  napti  Niftel,  Nichte;  Toch- 
ter, Enkelinn.  —  cant^^^  Name  eines  Hauptkobolds  (Rattenkönigs?), 
oder  etwa  des  Rudra^    dem  ja  die  Mäuse,  Ratten  etc.   zugehören? 
Can4ja  ist   später  ein  Name  des  aus  Rudra  entwickelten  ^iva.  — 
^addntsd  würde   ich  am  liebsten  in  aadd-nvä  theilen,    wenn  mit 
nvd  nur  irgend  etwas  Leidliches  zu  machen  wäre.     Die  im  Pet.  W. 
aufgeführten  beiden  Wurzeln  nu  ergäben  die  Bedeutung:  beständig 
schreiend,  oder:  beständig  sich  bewegend,  wendend,  und  Letz- 
teres liefse  sich  schon  halten;  aber  die  Form  nvd  macht  Schwierigkeit! 
Bei  der  Theilung  sa-ddnvd  wäre  ddnva  etwa  als  irreguläre  Neben- 
form zu  dem  Dämonen-Namen  dänava  (von  dduu,  ydd  schneiden), 
und  sa^  nicht  in  dem  älteren  Sinn  der  Identität,  Einheit,   sondern 
in  dem   spätem  der  Zusammengehörigkeit    zu    nehmen,    und    das 
Wort  als:  Genossinn,  Freundinn  der  Ddnava  zu  übersetzen? 
2.   Wir  treiben  aus  dem  Kuhstall  Euch, 
aus  der  Achse,  dem  Wagenraum.  I 
Ihr  Töchter  der  Magundi!  wir 

scheuchen  Euch  aus  den  Häusern  fort.  II 2  11 
Ist  unter  updnasa  etwa  an  die  Küche  (vgl.  mahdnasa)  zu  den- 
ken? Mit  der  Magundi,  die  hier  doch  wohl  eben  als  Gemahlinn 
des  in  v.  1  genannten  Cafi4^  auftritt,  liegt  es  nahe,  die  Cart^a- 
muntfdy  Cdmur^d  der  späteren  Zeit,  die  böse  {Can<ji)  Gemahlinn 
p'ra's  (Cantfct^B)  zu  vergleichen,  resp.  diese  aus  jener  herzuleiten; 
man  hätte  resp.  dann  wohl  in  letzterer  Namensform  eine  volksetj- 


496  Gesammtsitzung 

mologische  An&hnlichang  an  das  Wort  mu^4o  zvl  sehen?  Im  Übri- 
gen stellen  sich  zu  Magundi  selbst  wohl  die  freilich  ebenfallä 
dunklen  Namen  Pramagarnda,  Magadha  und  Mdgandiya  (im  Päli. 
8.  schoL  zum  Dhammapadam^  Fausboll  p.  162  ff.;  denn  an  Mar- 
kar^eya  ist  hierfür  wohl  nicht  zu  denken?  zumal  sich  ja  auch  die 
Nebenform  Mdgandika  findet,  s.  ib.  p.  153). 
8.  Welches  Haus  da  dort  unten  ist, 

da  soirn  die  Unholdinnen  seini  I 
Da  niste  sich  die  Armuth  ein! 

und  auch  die  Spukgestalten  all  I  II  s  II 
Ist  mit  diesem  Hause  die  Unterwelt  gemeint?  oder  eine  Hohle 
im  Berge^)?  oder  das  Haus  einer  befeindeten  Familie,  die  wei- 
ter ^unten"  wohnt?  —  sediy    yon  y«a(/,    in  der  praegnanten  Be- 
deutung: sitzenbleiben,  nicht  fortkommen;  gebildet  wie  kepi^  nemi. 

—  Zu  ydtudhänij  Spukgestalt,  s.  Pet.  W.  Die  Ind.  Stud.  4,  399. 
400  vorgeschlagene  Herleitung  von  yyat  findet  eine  weitere  Stütze 
in  der  Form  yätavya,  mit  kurzem  a,  in  Ts.  2,  3,  13,  i. 

4.  BMtapati  treib'  fort  von  hier 

und  Indra  die  Saddnvds!  I 
Die  an  des  Hauses  Grund  sitzen, 

treff'  Indra  mit  dem  Donnerkeil!  II  4  II 
bhüta  ^ein  unheimliches  Wesen,  Gespenst,  Kobold**  Pet,  W.; 
hhütapati  erscheint  aber  auch  speciell  als  Name  Rudrd*8. 

5.  Ob  Ihr  gehört  zum  Feld  hinaus, 

oder  von  Menschen  seid  gesandt  I 
Oder  von  den  Dämonen  stammt  — 

Saddnvds I  schwindet  fort  von  hier!  II  5  II 
kahetriydx^dm,  zu  denen,  die  auf  dem  Felde  hausen  (Feldmaase?). 

—  Der  Gegensatz  von  purusha  und  dasyu  weist  wohl  eben  auf 
Menschen  und  Dämonen  hin?  oder  ob  etwa  auf  Arier  und  Nicht- 
Arier?; die  purusha  wären  dann  irdische  Feinde,  die  in  der  Weise 
von    V.  3    die   Saddnvds    in    das  Haus    des    Sprechenden    gebannt 

haben. 

6.  Ihre  Sitz'  ich  umgangen  hab', 

wie  rasches  Rofs  den  Pfahl  am  Ziel!  I 
Ich  besiegt'  Euch  in  jedem  Lauf. 

Saddnvds,  schwindet  fort  von  hier!  II  6  II 


*)    vgl.  unten  25,  4;  also  a  la  Rattenfänger  Furiband! 


vom  30.  Juni  1870,  497 

Lies :  äfu^,  kdshfhdm  ivd  ^saram ;  der  padapäfha  in  Chambers  8 
hat:  d^i]^  I  gdshfhdm. 


15.     Spruch  gegen  die  Furcht*). 

1.  Gleichwie  der  Himmel  und  die  Erd'  sich  nicht  furchten  noch 

Leid's  befahn,  I 
Also  fürchte  dich  nicht,  mein  HerzI  II  i  II 
mein  Herz^  wörtlich:  mein  Odem   (prdnä). 

2.  Gleichwie  der  Tag  und  auch  die  Nacht II  2  11 

3.  Gleichwie  die  Sonne  und  der  Mond II  3  II 

4.  Gleichwie  das  brahman,  das  kshatram II  4  II 

die  Brahmanenkaste  und  die  Kriegerkaste  in  ihrer  Gesammtheit. 

5.  Gleichwie  die  Wahrheit,  die  Ordnung II 5 II 

Statt  cdnfitam  ist  unbedingt  wohl  ca  fiiam  zu  lesen;  die  Un- 
wahrheit kann  doch  hier  in  einer  solchen  Formel  nicht  füglich 
als  Beispiel  aufgeführt  seini   das  wäre  ja  eine  Art  sacrilegium. 

6.  Gleichwie  Vergangenheit  und  Zukunft II  6  II 

Nur  die  Gegenwart  ist  der  Furcht  ausgesetzt;  die  beiden  an- 
dern Zeiten  sind,  die  eine  darüber  hinaus,  die  andere  derselben 
noch  nicht  unterworfen. 

IG.     Schutzformel  im  Allgemeinen. 

1.  Einhauch   und   Aushauch!    schützet  mich  vor   dem   Tode! 

Bvdhd,  II 1  II 
Die  Stücke   16 — 24   sind  solenne  Formeln  in  Prosa,    bei  de- 
nen ein  Hauptgewicht  auf  der  völligen  Identität  der  äufseren  Form 
zu  beruhen  pflegt.  —  svdhd^  benedictio  sit! 
2.  Himmel  und  Erde!   schützet  mich  vor  Behorchen I   svdhd.  II  2  11 
vor  Behorchen,  durch  meine  Feinde;   oder:  durch  Behor- 
chung (instrum.)  der  Anschläge  meiner  Feinde. 

3.  Sonne  I  schütze  mich  mit  (deinem)  Auge !   svdhd.  II  3  II 
mit  dem  Alles,  somit  auch  die  Pläne  meiner  Feinde  erschau- 
enden  Auge. 

4.  Agni  vai^vdnaraf  schütze  mich  mit  allen  Göttern!  svdhd.  IUI! 
Unter  vigvair  devais  sind  etwa  hier  die  Sinnesorgane  zu  ver- 


')    etwa  als  Amalett  fär  einen  in  die  Schlacht  ziehenden  Krieger? 


498  Oesammtsitzung 

stehen,  die  in  den  Brähnunj^a-Texten  mehrfach  als  deva  bezeichnet 
werden?  Oder  liegt  die  Gottergruppe,  die  den  Namen  vip>e  cUcds 
führt,  vor? 

ft.  O  da  Alles  Tragender!  schütze  mich  mit  jeglicher  Pflege! 

aodkd.  II  5  II 
Unter    vifvambhara   the   all-sustaining  (Vühnu  oder  IndrOy 
nach  Wilson)  ist  hier  wohl  Prajdpati  zu  verstehen? 

17.     An  ein  Amulett. 

1.  Du  bist  Stfirke!  gieb  mir  Stärke!  Bf)dhd  II  1 11 

2.  Du  bist  Qewaltl  gieb  mir  Gewalt!  svdhd.  II  s  II 
8.  Du  bist  Kraft!  gieb  mir  Kraft!   svdhd.  II  3  II 

4.  Du  bist  Leben !  gieb  mir  Leben !   svdhd.  II  4  II 

ft.  Du  bist  Gehör!  gieb  mir  Gehör!  svdhd.  H  5  N 

6.  Du  bist  Auge!  gieb  mir  Auge!  svdhd.  II  6  II 

7.  Du  bist  Schutz!  gieb  mir  Schutz!  svdhd.  II  7 II 

18.     Desgl.,  zum  Schutz  gegen  Feinde  und  Unholde.^) 

1.  Du  bist  Verderben  der  Feinde! 

gieb  mir  Yerscheuchung  der  Feinde !  svdhd.  II  i  II 
».  Du  bist  Verderben  der  Nebenbuhler! 

gieb  mir  Verscheuchung  der  Nebenbuhler!   svdhd.  II  9  II 

3.  Du  bist  Verderben  der  Unholde! 

gieb  mir  Verscheuchung  der  Unholde!   svdhd.  II  s  II 

4.  Du  bist  Verderben  der  Pifdcal 

gieb  mir  Verscheuchung  der  Pi^dcal   svdhd.  II  4  II 

5.  Du  bist  Verderben  der  SaddnvdX 

gieb  mir  Verscheuchung  der  Saddnvd !  svdhd.  II  s  II 

19.     Verwünschung  des  Feindes. 

1.  Agni!  mit  der  Hitze,    die  dein  ist,   sei  heifs  auf  den,    der 

uns  hafst,  den  wir  hassen!  II  i  II 
a.  Agni!  mit  der  Qluth,  die  dein  ist^  glühe  auf  den,  der  uns 

hafst,  ...  II  2  II 


')    iD  Kauf,  8  unter  den  cdtandni  (s.  oben  zu  14,  1}  aufgefährt. 


vom  30.  Juni  1870.  499 

hara  mufs  hier  wohl  eben  in  einer  dem  tapa^  arca^  ^ca  der 
andern  Verse,  resp.  der  Etymologie  des  Wortes  haras  selbst  ent- 
sprechenden Bedeutung  genommen,  also  nicht  zu  yhar^  nehmen, 
holen,  sondern  zu  yhar^  ghar  gezogen  werden!  Eine  andere 
Stelle,  wo  diese  Wurzel  als  verbum  finitum  vorkäme,  ist  mir  nicht 
zur  Hand.  (Gurios  ist  die  Herlieitung  des  Wortes  ghfita  in  Ts. 
2,  3,  10;  1  aus  ydhar;  yad  adhriyata  tad  ghfitam  abhavat). 

3.  Agni!  mit  dem  Licht,    das  dein  ist,    leuchte  auf  den,   der 

uns  hafst,  ...  II  s  H 

4.  Ägnil  mit  der  Flamme,  die  dein  ist,  flamme  auf  den,  der 

uns  hafst,  ...  11  4  II 

5.  Agni/  mit  dem  Glanz,    der  dein  ist,   mache  glanzlos  den, 

der  uns  hafst,  ...  II  s  II 

20  —  23.     Desgleichen. 

Diese  vier  Stucke  unterscheiden  sich  von  19  hur  dadurch, 
dafs  in  ihnen  statt  des  Agni  der  Reihe  nach  Väyu,  Süryay  der 
Mond  {fiandr(i)y  die  Gewässer  angerufen  werden.  Die  in  den  drei 
Welten  Erde,  Luft  und  Himmel  herrschende  Trias  Agni^  VdyUj 
Surya  (oder  Aditya)^  welche  in  den  Brähmaf^a-T tuten  (und  bei 
Tdska)  an  der  Spitze  aller  Götter  erscheint,  und  zwar  nach  ^atap, 
6,  1,  2,1  ^dnkh,  Br,  6,  1  als  von  Prajdpati^)  geschaffen,  resp. 
über  ihm  stehend,  ist  somit  hier,  um  den  Eindruck  der  Beschwo- 
rung desto  nachhaltiger  zu  machen,  noch  durch  den  Mond  und  die 
Wasser  verstärkt.  Der  Mond  erscheint  so  auch  sonst  noch  (s. 
meine  Abh.  über  Omina  p.  338.  386),  nicht  aber  die  Wasser. 

24.     Gegenzauber. 
1-8.  ^erabkaka!  Qerabha!  ')  Eure  Zauberspuke  mögen  wieder  gehen! 


')  der  seinerseits  aus  dem  altem  Zeugungsgott  Savitar  sich  entwickelt 
hat.  Tgl.  meine  Abh.  über  Omina  und  Port.  p.  386.  392.  —  Bei  Yäaka  steht 
der  diman  an  der  Stelle  des  prajdpati  (s.  Nir.  7,  4:  mdh&bh&gydd  devatdyd 
eka  dtmd  bcthudhd  stuyate,  ekasydtmano  ^nye  devdk  pratyahgdni  bhananti; 
und  ibid.  5:  Hera  eva  devcUd  iti  Ncnruktdy  agnih  pjrithivUthdno ,  vdyur 
vendro  vd  *ntariksh{uthdnah,  süryo  dyuBthdnah). 

')  in  2 — 8  andere  Namen,  pevjridhixka  fevjridha  in  2,  mroka  anumroka 
in  3,  sarpa,  (umsarpa  in  4,  jurni  in  5,  upabdi  in  6,  arjuni  in  7,  bharuji  in  8. 


500  Gesammtsitzung 

wieder  gebn  eare  Waffe,  o  ihr  Kimidin!^),    Wem  Ihr  angehört, 

den    fresset I    Wer   Euch    abgesandt    hat,   den   fresset!     Euer 

eignes  Fleisch  fresset  I  II  i-s  II 

Vier  männliche  und  vier  weibliche  Kirnt din^  Kirnt dini  wer- 
den hier  in  1 — 8  je  zunächst  im  Eingange  einzeln  mit  Namen  ge- 
nannt, und  sodann  je  insgesammt  mit  ihren  Zauberspuken  (ydtavai) 
und  ihrer  Waffe  (keU)  zurückgewiesen.  Sie  sind  eines  Andern, 
eines  Feindes,  Diener,  von  ihm  abgesandt,  dem  Beschworenden  zu 
schaden,  und  werden  von  diesem  nun  hiermit  veranlafst  ihre  ver- 
zehrende Kraft  vielmehr  gegen  ihren  Herrn  und  Absender,  resp. 
gegen  sich  selbst  zu  richten').  Was  nun  unter  diesen  acht  KimU 
din  zu  verstehen  ist,  ob  Ungeziefer  (etwa  Heuschrecken?)  oder 
sonstige  schädliche  Thiere,  oder  etwa  Krankheiten,  erhellt  nicht 
recht.  Die  einzelnen  Namen  sind  eben  entweder  zu  unklar  oder 
umgekehrt  zu  vieldeutig,  um  einen. sicheren  Anhalt  zu  gewähren 
für  das,  was  sie  hier  bedeuten.  Die  Etymologie  allein  kann  ja 
bei  dgl.  Eigennamen  eben  nur  die  nothdürftigste  Auskunft  gewäh- 
ren. —  Auch  über  die  Bedeutung  des  Wortes  kimtdin  selbst  (s. 
Pet  W.)  schwebt  noch  völliges  Dunkel.  Im  jp.  7,  104,  a ')  schei- 
nen unter  dem  „&ra^7nan  -  hassenden ,  rohes  Fleisch  verzehrenden, 
bösen  Blick  habenden^  kimtdin  etwa  die  dem  Arier  feindlichen 
Ureinwohner  Indiens  zu  verstehen?  Im  Äth,  sodann  erscheinen 
die  kimtdin  als  fressend  1,  7,  s  ^),  als  in  nächster  Verbindung  mit 
Zauberern  (ydtudhdnä)  stehend  1,  7,  3.  28,  i.  s.  4,  20,  8  (seien  es 
Arya  oder  ^udral),  als  nur  dem  gefeiten  Auge  sichtbar  4,  20,  5, 
als  in  Schlachten  zu  besiegen  4^  28,  7,  als  bösherzig,  anfeindend 
und  durch  das  Feuer  zurückzustofsen  8,  3,  9s,  als  durch  das  pinga- 


>)    in  5-8;  o  ihr  Kimtdintl 

')  diese  Zuruckschleaderang  des  Zaubers  ist  im  Ath,  häufig,  und  auch 
unserm  Aberglauben  wohl  bekannt. 

•)  kirnt  din  e  kirn  iddnim  iti  carate  kirn  idam  kirn  idam  iti  rd  pifu- 
ndya  carate  Nir,  6,  IX  (Roth:  eine  Klasse  der  Geister  der  Finstemiüs). 

*)  von  mir  durch:  boshaftig  übersetzt,  theils  im  Anschlüsse  an  Ydakas 
Erklärung  dureb  pif^na,  was  indefs  bei  ihm  wohl  eher  als:  spionirend,  ver* 
Iftumderisch,  verrätherisch  aufzufassen  ist,  theils  unter  Heranziehung  des  Wor- 
tes fimidä  R.  7,  50,  4  (s.  a^mida,  Pet.  W.).  Nach  schol.  zu  (^at,  7,  4,  1,  27 
ist  fimidä  von  giftigen  Spinnen,  Skorpionen  etc.  zu  verstehen.  lin  Taitt. 
Ar,  4,  9,  1  findet  sich  fimidvant  als  Beiname  eines  väta. 


vom  30.  Juni  1870.  501 

Amulett  zu  vertreiben  8,  G,  2i.  25  (resp.  als  Buhlkobolde?  s.  Ind. 
Stud.  5,  456),  als  neben  den  Gandharva  etc.  genannte  Unholde  12, 
],  50.  An  unsrer  Stelle  kann  bei  kimidin  an  menschliche  Feinde 
natürlich  nicht  gedacht  werden.  Fassen  wir  von  den  aufgeführ- 
ten aoht  Namen  derselben  zunächst  die  vier  mannlichen  Namen 
^erabhaka  resp.  ferabha,  ^evfidhaka  resp.  fevfidha,  mroka  resp. 
anumroka,  und  sarpa  resp.  anusarpa  ins  Auge,  so  liegt  jedenfalls 
in  ihnen  theils  eben  gar  nichts  vor,  was  irgendwie  in  praegnanter 
Weise  auf  eine  bestimmte  Gruppe  schädlicher  Wesen  oder  Gegen- 
stände hinwiese,  theils  wohnt  ihnen  in  ihrer  Mehrzahl  überhaupt 
nicht  nothwendig  die  Bedeutung  des  Schädlichen  inne.  Der  zweite 
dieser  Namen:  ^evfidha  kommt  sogar  im  Gegentheil  im  Ngh.  3,  6 
unter  den  20  Namen  für  sukha^  Wohlbefinden,  vor  und  erscheint 
im  ^ik  als  Adjectiv,  resp.  3,  16,  2  als  Beiwort  von  rdyah  (jfivfi- 
dhdsah,  ddnabkogddyupayogena  sukhasya  vardhakdni;  varnavya- 
iyayahy  fatn  sukham  vardkayaiiy  Sdy.)  und  1,  54,  ii  als  Beiwort 
zu  dyumnam  (sam^amanam,  rogdndm  gamane  satt  yad  vardhate  tädfi- 
^am,  Sdy,),  Und  da  die  Bildung  des  Wortes  g  er  ab  ha  denn  doch 
in  der  That  in  gleicher  Weise  erfolgt  scheint,  so  wäre  sonach  auch 
für  dieses  eigentlich  eine  günstige  Bedeutung  zu  subsumirenl 
Ob  sarpa  wirklich  hier  Schlange  bedeutet,  ist  mir  zweifelhaft; 
wegen  des  anusarpa^)  mochte  ich  es  in  der  That  lieber  appella- 
tivisch  auffassen,  wie  ja  auch  dem  mroka  ein  anumroka  zur  Seite 
steht.  Dies  Wort  mroka  ist  das  einzige,  welches  (von  sarpoy 
Schlange,  abgesehen)  auch  sonst  noch  im  Äth.  und  zwar,  der  hie- 
sigen Verwendung  entsprechend,  in  übler  Bedeutung  sich  findet 
In  5,  31,  9  erscheint  es  als  Beiwort  eines  Zaubers,  kfityd  (feminin), 
der  gegen  die  Knochen  des  (auf  dem  pyrus  L'egenden)  Leichnams 
(?  purushdsthe)  oder  gegen  das  Feuer  des  pyrus  selbst  {agnau  samka- 
suke,  vgl.  Kaug,  86)  gerichtet  ist,  und  zwar  steht  es  daselbst  neben 
deo  ebenfalls  masculinen  Beiwortern  nirddham  kravyddam,  und  wird 
daher  im  Pet.  W.  als  „N.  eines  verderblichen  agni^  (resp.  dem- 
gemäfs  hier  als  „N.  einer  Flamme")  aufgefafst.  In  16,  1,3.7  so- 
dann erscheint  mroka  unter  den  Namen  von  zehn  im  Wasser 
wohnenden  Feuern  (agni),  d.  i.  doch  wohl  von  schädlichen,  Fie- 
berhitze   oder   andere   derartige   Krankheiten   etc.    hervorrufenden 


1)  hierin  „ein  schlangen  artig  es  Geschöpf'  zu  sehen  (Pet.  W.),  halte  ich 
für  bedenklich. 


502  Gesammtsitzung 

Eigenschaften  des  Wassers?^)  Etymologisch  scheint  aach  mroka 
nur  etwa:  sich  verbergend,  hineinschlüpfend  zu  bedeuten.  —  Die 
Benennung  der  weiblichen  Kimidin  bleibt  zunächst  fiufserlich  dadurch 
von  der  der  mannlichen  geschieden,  dafs  die  Namen  nicht  wiederholt, 
resp.  doppelt  aufgeführt  werden,  sondern  je  einzeln  stehen:  jurnif 
upabdi,  arjunt,  bharüjt;  ferner  aber  scheint  für  diese  Namen 
wirklich  die  Auffassung  derselben  als  Krankheiten  indicirt  zu  sein. 
Für  jürrjtt  nämlich  liegt  der  Anschlufs  an  jürt^i  Gluth,  Lohe,  Fie- 
ber (s.  Pet.  W.),  für  arjunt  der  Bezug  auf  die  Hautkrankheit 
arjuna  (ibid.,  s.  Sdy.  zu  J^.  1,  122,»))  ^uid  für  upabdi  „Geräusch, 
Geklapper,  Gerassel^  der  auf  das  Klappern  des  Fieberfrostes, 
in  der  That  denn  doch  wohl  näher  als  die  Beziehung  dieser  Namen 
(s.  Pet.  W.)  auf  Schlangen  (upabdi  etwa  als  Klapperschlange?). 
Endlich  bharüji  wird  zwar  im  Pet.  W.  auch  „als  Bez.  eines 
schädlichen  Thieres^  aufgefafst,  unter  Hinweis  auf  das  in  der  Be- 
deutung „Schakal^  belegte  Wort  bharvija.  Es  liegt  indefs  der 
Bezug  auf  das  Nir.  2,  2  vorliegende  bharüjd  wohl  näher,  welches 
nach  Tdska  (resp.  Durgd)  auf  ybharj,  bhrajj  frigere,  assare  zurück- 
zuführen scheint,  somit  ebenfalls  von  der  gleichsam  rostenden 
Fieberhitze  wohl  verstanden  werden  könnte. 


25.     Gegen  Abortus. 

1.  Gottinn  /ytpnipar^if  uns  Heil 
brachte,  Unheil  der  Nirfiti,  I 
Mächtig  zermalmt  sie  die  KatjLva, 
Sie  erkor  ich,  die  sieghafte.  II  i  II 
Dieses  in  Kaug,  8  unter  den  cdtandni^  Verscheuchungs-Sprü- 
chen  aufgeführte  Stück  ist  gegen  eine  Classe  von  Dämonen  gerich- 
tet, Namens  Kar^va^  die  nur  hier  vorkommen.     Das  Kraut  pri^- 


^)  Ich  fasse  das  Stück  als  ein  des  Abends  beim  Waschen  vor  dem  zu 
Ruhe-Gehen  zu  recitirendes  Gebet;  mit  1—8  werden  die  im  Wasser  wirken- 
den schädlichen  Gewalten  gebannt,  mit  9 — 13  wird  um  den  heilbringenden 
Einflufs  des  Wassers,  in  specie  auch  gegen  böse  Träume,  gebeten.  Die 
Namen  der  zehn  cigni  sind:  rujant,  parirujant;  mrinanty  parimjrinant ;  mrokoy 
manohath  khana  (resp.  khani  in  7),  nirddha,  dtmadushi,  tanudushi.  Auch  die 
folgenden  Stficke  (16,  2—7)  fasse  ich  als  ähnliche  Abendgebete,  vor  dem  xu 
Ruhe-Gehen  zu  recitiren. 


vom  30.  Juni  iS70.  50d 

nipari^i  wird,  8.  P.  W., ')  tbeils  im  Ritaal  songt  noch  erwähnt 
(das  fma^nam  darf  nicht  in  der  Nähe  solcher  Pflanzen  gemacht, 
dieselben  mfissen  resp.  an  dem  Orte,  wo  man  es  machen  will,  aus- 
gerottet werden),  theils  auch  in  der  Medicin  als  officinelles  Kraut 
verwendet;  und  zwar  ist  dieselbe  u.  A.  nach  Su^,  1,  377,  7,  mit 
Milch  vermischt,  bei  während  der  ersten  7  Monate  der  Schwanger- 
schaft drohendem  Abortus  (garbhasräve)  zu  gebrauchen,  womit  denn 
dieses  Stück  hier  trefflich  im  Einläange  steht. 

2.  I^i^ipar^t  hier  gleich  zuerst 

als  sieghaftig  entstanden  ist;  I 
mit  ihr  haue  das  Haupt  wie  'nem 

Vogel  den  Bösnam'gen  ich  ab.  N  9  H 
dumdman, .  einen  bösen  Namen  habend,  den  man  lieber  gar 
nicht  in  den  Mund  nimmt;  doch  wohl  aus  Scheu  vor  ihrer  furcht- 
baren Macht?  vgl.  Ind.  Stud.  9,  269.  Als  appellative  Bedeutung 
wird  für  kaffvdi  „taub^  angegeben;  das  kann  wohl  nicht  gemeint 
sein?  Mit  dentalem  n  bedeutet  aber  durndtnan,  durndmaka  (s. 
Pet.  W.)  auch  speciell  die  Hämorrhoiden;  und  es  scheint  in  der 
That,  als  ob  diese  Bedeutung  auch  hier  speciell  ins  Auge  zu  fas- 
sen, resp.  auf  den  mit  Abortus  verbundenen  Bkitflufs  zu  bezie- 
hen ist. 

3.  Den  unholden,  Blut  trinkenden, 

das  Gedeihen  fortreifsenden,  I 
Embryo-fressenden  Ka^va^ 

Pfi^ipafi^I  vemicht'  und  tilg' !  U  s  It 
Dieser  Vers  ist  charakteristisch  für  die  Bedeutung  dieser  Dä- 
monen-Gruppe. 

4.  In  den  Berg  sperre  die  Ka^va^ 

die  Leben  schädigenden,  hinein!  I 
Göttin  Pftgnipafffii  sie  air, 

wie  Feuer,  brennend,  zieh'  einher!  114  II 
I>as  Bannen  der  Krankheitsdämonen  in  einen  Berg,  aus  dem 
sie  nicht  wieder  hinaus  können,  findet  auch  in  unserm  Aberglauben 
seine  Analoga;  man  bannt  sie  in  Bäume,  Steine  etc. 
ft*  Hinweg  treibe  die  JTa^oa,  fort 

die  Leben  schäd'genden,  von  hier!  I 


1)    Hemlonitis  cordifolia  Bozb.;    nach   dem   schoL  zu  Kdty^  25,  7,  17 
aber  ^^^  mdahaparnt  Glycine  debilis  Lin. ;  ancb  iakthmand  genannt. 
[1870]  35 


MH  Oe$amml8itzung 

Wo  Finsternisse  sich  ergehn, 
^      dahin  schsflT  ich  die  Fleischfresser.  N  s  II 
^Die  Finsternisse^,  das  ist  wohl  vom  Dunkel  des  Waldes  zu 
verstehen?  —    „Fleischfresser*^   heifsen  die  Kanva,    weil  sie    die 
Emhryonen  verzehren  (s.  v.  3). 

26.     Stallsegen,  beim  Heimkehren  des  Viehes  am  Abend. 

1.  Heim  kehr'  hier  das  Vieh,  das  seitab  gegangen, 
deren  Gespielschafik  sich  der  Wind  erfreute  I  I 
Deren  Gestalten  alle  bekannt  dem  Tvashiar, 
Saoitar  sie  treibe  in  diesen  Stall  ein!  M  i  II 
9.  In  diesen  Stall  mögen  die  Thier'  einströmen  I 
Bfihaspati  fuhr'  sie  herbei,  der  Kündiget  I 
Sintväli  fuhr  heran  ihre  Spitzel 

Änumatil  treib'  sie  ein,  wenn  sie  da  sind.  H  9  II 
SinivdU^  Vollmond?  s.  Ind.  Stad.  5,  330.  232  ff.;  AnumaHy  Neu- 
mond. 

s.  Zusammen  strömen  solFn  die  Thier', 

zusamm'n  die  Mannen  und  die  Ross'.  I 
Zusammen  des  Getraides  Florl 

Ich  opfre  mit  zusamm'ngegossner  Spende.  H  s  II 
samsrdvye^  havishd;  wie  aus  v.  4.5  erhellt,  besteht  die  Spende 
aus  Milch,  Butter  und  Getraidesaft  (einer  Art  Bier?).  Der  Zu- 
sammengufs  dieser  verschiedenen  Bestandtheile  soll  wohl  symbo- 
lisch die  Vereinigang  der  einzelnen  Theile  des  Hanswesens  dar- 
stellen. —  Wenn  juhomi  nicht  etwa  Glosse  ist,  hat  pdda  4  ein  an- 
dres Metrum  (irishtubh)  als  pdda  1 — 3. 
4.  Zusammen  ich  der  Kühe  Milch 

giefse  mit  djya^  Kraft  und  Saft.  I 
Zusamm'ngegossen  sei'n  unsre 

Mannen,  treu  mir  als  Hirt  die  Kuh'  I  N  4  U 
mayi  ist  einsilbig  za  lesen. 
s.  Herbei  hol'  ich   der  Kühe  Müch, 
holte  her  des  Getraides  Saft  I 
Herbeigeholt  die  Mannen  sind, 

unsre  Frauen  hier  in  dies  Haus!  11  s  II 
dhdnyam  (rasam)  ist  hier  (s«  Fet.  W.)  adjektivisch  zu  fassen: 
^^aus  dhdndsj  Körnern  (Setzkprn),   stammend.^  —    Der  Hausvater 


•  vom  30.  Juni  1870.  505 

holt  des  Abends  alle  die  Seinen,  sein  Gesinde  und  sein  Vieh  in 
das  Haus  zusammen;  aAi/fa  liest  Chambers  8 ;  doch  ist  dhfitd  wohl 
wegen  fdda  1.  2  passender. 

27.     Zum  Schutz  der  Scheuem  und  Speisekammern. 

1.  Dafs  der  Feind  nicht  dem  Speis'vorrath 

obsiegM  sieghaft  du,  m&chtig  bist!  I 
Schlag'  fort,  die  meinen  Speis'rorrath 

schädigen,  mach'  kraftlos  sie,  o  Kraut!  11 1  N 
Das  Kraut  fuhrt  nach  v.  4  den  Namen  päfä,  d.  i.  spaltend, 
aufschlitzend  (?).  Nach  Kauf,  38  wird  die  Wurzel  desselben  hiermit 
bei  jeder  Mahlzeit  (?)  angesprochen,  dann  in  einen  aus  sieben 
Blättern  bestehenden  (?)  Kranz  gebunden  und  so  aufbewahrt'), 
d«  i.  wohl  am  betreffenden  Orte  aufgeh&ngt? 

2.  Schönfitt'ger  (Falk)  hat  dich  erschaut, 

Eber  dich  ausgrub  mit  der  Nas'.  I 
Schlag'  fort...  II 2  II 
Die  Wurzel  scheint  also  schwer  zu  finden;    der  Sdiarfblick 
des  Falken,  die  Spürkraft  des  Ebers  gehört  dazu.  —  Hemistich  1 
kehrt  identisch  wieder  in  5,  14,  u 

3.  Indra  steckte  dich  an  den  Arm, 

niederzumäh'n  die  Äsura.  1 
Schlag  fort  ...  II  s  U 
cakre  tod  bdhau;  er  nahm  das  Kraut  nicht  etwa  als  Waffe  in 
die  Hand,  sondern  steckte  es  als  Amulett  an  den  Arm. 

4.  Indra  verzehrte  die  |7<2(a, 

niederzumfih'n  die  ÄBura.  I 
Schlag  fort  ...  II  4  U 

5.  Ich  besiege  dadurch  die  Feind', 

wie  Indra  die  Sdldvfika.  I 
Schlag  fort  ...  II  &  U 
sdkshe;  eine  Desiderat! v-Bildung  von  «aA,  wesentlich  in  der  Be- 
deatnng  des  einfachen  Yerbums,  wie  sich  derartige  Bildungen  viel- 
fach im  Veday  Pdli  etc.   vorfinden.  —   Die   sdldvfika  erscheinen 


')  nechatrur  iti  pdtdmulam  pratiprdpitcon  (?)  anvdha,  hadhndti  mdid(m) 
S(y9t€^€Mldfim,  dhdrayctnti,  Ist  etwa  unter  pratiprd^itam  etwas  dem  pratiprd- 
faA   des  Textes  Entsprechendes  zu  verstehen? 

35» 


£06  Ge^ammUiizung  • 

sonst  nirgendwo  als  Tndrd^H  Feinde.  Vielmehr  nimmt  er  tfaeils 
selbst  nach  Tt.  6,  2,  i,  4  die  Gestalt  einer  iäldvfikt  an,  nm  die 
asura  sa  besiegen  (ebenso  im  Kdß,  28,  4  die  dakshi^  die  Gestalt 
einer  idldvjriki)^  theils  übergiebt  er  vielmehr  seine  Feinde,  die  ffotu 
den  sdldvrikd  (zum  FraTs)  Ts.  6,  2,  7,  &.  iitt.  Br.  7,  28.  (^ÄitA. 
pr.  14,  50,  9  (mor4:afa  scbol.),  resp.  den  sdldtfikeya  Panc  8. 
1,  4  (ara^yafvabhyai  schoL).  13,  4,  16  (sdldvfikydJ^  putrebkya^  kroth- 
fübhyai).  14,  11,  ta  (sdldvfik^intirebhyai).  18,  1,  9  (ara^ya^üahhai^), 
19,  4, 7  (desgl.).  Kdth.  8,  6.  11,  10.  25,  6.  36,  7  (Ind.  Stnd.  3,  465 
-66).  Kaush,  Up,  3,  1.  Und  swar  erscheinen  dieselben  als  unmit- 
telbare Diener  des  Tama^)^  s.  Ind.  Stnd.  1,412  ff.,  sind  resp. 
nrspr&nglich  wohl  einfach  die  an  Leichnamen  sich  afittigendcn 
Schakale,  HyAnen  und  Wölfe  (jackals  and  wholves,  Haag  lo  Ait 
Br.)  nnd  erst  seknndfir  snm  Range  von  DAmonen  erhoben. 

6.  O  Eudra,  dessen  Heilmittel 

lindem,  —  Schwarslockgerl  Werkth&tgerl  —  I 
Schlag  fort,  die  meinen  Speis' vorrath 

schftdgen,  mach  kraftlos  sie,  o  Kraut!  II  <  II 
Im  ersten  Hemistich  fehlt  ein  Yerbum;  es  sind  wohl  die  im 
sweiten  Hemistich  stehenden  Verba  zugleich  auf  Budra  und  auf 
das  Kraut  zu  beziehen.  —  Da  Eudra  hier  als  jaldshabheshitfa  ao- 
gerufen  wird,  könnte  man  meinen,  es  handele  sich  hier  um  eine 
Krankheit,  etwa  um  Schutz  gegen  Verdau ungsbeschwerden;  doch 
will  dazu  der  sonstige  Tenor  des  ganzen  StSckes  nicht  recht  stim- 
men. Es  fragt  sich  freilich  eben,  ob  prdf  gerade  mit  ,, Speis e- 
vorrath,  Lebensmittel*',  so  Pet.  W.,  zu  übersetzen  oder  ob  nicht 
eine  andere  Bedeutung,  etwa  eben  die  von:  Verdauung,  damit  za 
verbinden  ist 

7.  Vernichte  dessen  Speis'vorrath, 

o  Indra!  der  uns  feindet  an.  I 
Segne  mit  deinen  Kräften  uns! 

steir  mich  ob'nan  im  SpeisVorrath.  II 7  H 


I)  das  Geschrei  einer  p<S/tS(!)-vftK  gilt  als  onglfi^kverheiCsend ,  als  To- 
desbotschaft  schol.  zu  T,  Ar,  4,  29,  1.  30,  1.  Bei  A'pastamba  findet  sich 
wio  in.T«.  die  Form  säMprilny  s.  1,  10.  17.  11,  33  ed.  Bilhler. 


vom  30.  Juni  1870.  507 

28.     Bitte  um  langes  Leben  für  einen  Knaben. 

1.  Dir  allein  wachs'  er  zu,  Oreisenalter! 

nicht  soirn  die  hundert  andern  Tod*  ihn  trefien!  I 
Wie  sorglich  die  Mutter  den  Sohn  im  Schoofse, 
so  ihn  Mitra  schutse  vor  Freund-Bedrfingnng!  H  i  U 
Das  Stuck  ist  entweder  für  einen  Neugebomen  oder  für  eine 
spätere  Gelegenheit  des  Kindesalters  bestimmt  —    ^Hundert  und 
ein  Tode^  ist  die  solenne  Zahl;    der  einzig  wunschenswerthe  dar- 
unter der  an  Altersschw&che.  —  mitriydd  anhasa^  kann  entwe- 
der die  Angst  sein,  die  er  seinen  Freunden  macht,   oder  es  kann, 
s>  V.  3,  sich  auf  Bedr&ngnisse  beziehen,  die  ihm  von  Freundesseito 
bevorstehen  könnten. 

s.  Miira  oder  Varuna^  der  Feind-Sch&d'ger, 

einmüthig  sollen  sterbend  am  Alt'r  ihn  machen!  I 
Agni^  der  hotar^  aller  Regeln  kond'ge, 

verkündiget  alle  Ursprung'  der  Götter.  II  s  II 
Ich  theile  rigd-das^    die  Schfidigenden  (mit  verlfingertem  Aus- 
laut) vernichtend  (yda$).  —  Der  Zusammenhang  der  beiden  Hemi- 
stiche  ist  mir  unklar.      Ist  das  zweite  Hemistich  etwa   auf  eine 
Geburtsceremonie  hinweisend? 

s.  Du  beherrschest  alle  die  ird'schen  Thiere, 
die  gehonten  oder  die  noch  entstehenden.  I 
Nicht  mög  ihm  je  Einhauch  abgehn,  noch  Aushaucht 
Nicht  mögen  ihn  Freunde  bedrftng'n  noch  Feinde.  II  s  II 
Auch  dieser  Vers  scheint  auf  ein  Geburtsritual  hinzuweisen.  — 
Der  im   ersten  Hemistich  angerufene  Gott  ist  IbduAfar  oder  Pä- 
«Aan;   ja  auch  Eudra   könnte  darunter  zu  verstehen  sein.  —    va- 
dhiahus  kann  hier  wohl  nicht  geradezu:    tödten,    erschlagen  be- 
deuten? 

4.  Dich  der  Vater  Himmel,  die  Mutter  Erde 

einmfithig  soU'n  sterbend  am  Alter  machen!   I 
Damit  du  im  Schoofs  der  Aditi  lebest, 

durch  Ein-  und  Aushauch  bewacht,  hundert  Winter!  II  i  II 
Während  der  Vater  Himmel  und  die  hundert  Winter  den 
Vers  als  alterthümlich  erscheinen  lassen,  wird  ihm  durch  die  Ver- 
wendung des  Wortes  gupita  (im  ^ik  nur  10,  S6,  4  und  jugupui  7, 
103,  9,  s.  Fet.  W.)  dieser  Anspruch  wieder  geraubt.  Oder  ist  etwa 
die  im  Fet  W.  angenommene  sekundäre  Herleitung  der  Ygup  aas 


508  GeMommtsitzunff 

go-pa  doch  nicht  richtig?  vielmehr  ffup  mit  guh  (aber  kuh,  yfv&>\) 
eines  Stammes?  vgl.  zend.  gu/ra  tief,  verborgen;  resp.  verbergend, 
beschützend. 

5.  Ffibr,  Ägnil  zum  Leben  ihn!  und  zu  Thatkraft! 
Das  liebe  Kind,  Varuf^,  König  Mitral  I 
Oieb  Aditi!  Muttergleich  deinen  Schutz  ihm! 
all  Ihr  Oöttert  dafs  er  gelang*  zum  Alter.  H  s  H 
priyaxfi  reUu  eig.  den    lieben  Samen,   s.  unten  34,  2.  —    Za 
eareas  s.  oben  pag.  493  und  vgl.  noch  lurj, 

29.     Segenswunsch  (für  einen  Verwundeten?). 

1.  Ihr  Gotter,  in  des  Ird'schen  Saft 

(setzt  ihn),  in  Kraft  des  Glficks  und  Leib'sl  I 
Und  Leben  ihm  Ägfdj  Sürya, 
Thatkraft  gebe  Bfikaipati.  II  i  II 
Im  ersten  Hemistich  fehlt  das  Yerbum,  ist  resp.  aus  dem  zwei- 
ten zu  ergänzen.  —    äyushyam  (umai  ist  wohl  mit  dyur  astnai  in 
V.  2  umzustellen;  dann  wird  das  Metrum  beiderseits  richtig. 
9.  Lebenskraft  gieb  du  ihm,  o  JätavedoBl 

Nachkommenschaft  setz'  in  ihn  du,  o  Tcathfart  I 
Reich thnmsgedeihn  Savitarl  spende  du  ihml 

Er  möge  dir  hundert  von  Herbsten  leben!  II  9  II 
Dir,  durch  deine  Onade. 
s.  Der  Segenswunsch  Kraft  uns  (geh'),   reichen  Nachwuchs! 
Stfirke  gebet,  einmuthig  Beid',  und  Habet  I 
O  Indra!  er  Lfinder  ersiege  mächtig, 

seine  Gegner  unter  sich  bring*nd,  die  Andern  I  II  s  H 
Diese  Übersetzung  schliefst  sich,  bis  auf  die  unumgängliche 
Veränderung  von  jayam  in  jayan  etwa,  an  den  vorliegenden  Text 
an.  Im  ersten  pdda  liest  der  pcuiapdfha:  dfi^  I  no^;  es  ist  somit 
^gebe^  nothwendig  zu  ergänzen.  Sonst  könnte  man  etwa  meinen, 
dafs  dt  girrte  zu  lesen  und  dies  als  „Einer,  der  sich  etwas  gebrochen 
hat,  verwundet  ist^  aufzufassen  sei,  wo  dann  das  erste  Hemistich 
wenigstens  eine  einheitliche  Construktion  erhielte.  Wer  freilich  die 
in  pdda  2  angerufenen  Zwei  sind,  erhellt  überhaupt  nicht.  Der 
Text  ist  eben  verderbt  (sauprc^dstvaml);  der  Vers  findet  sich  resp. 
mit  erheblich  andern  Lesarten  in  den  drei  Yqfus-Texten  wieder, 
nämlich  in  Ti.  3,  2,  S,  5.  Kdth.  5,  2.  Kdty.  10,  6,  3  (das  zweite  He- 


com  30.  Juni  1870.  509 

mistich  resp.  Jauch  in  Käfh.  32,  2)  und  xwar  in  folgender  Weise: 
d^r  ma  ärjam  utd  suprajds'tvdm  isham  dadhdiu  drdvirtam*8d'' 
varcäsam  (jsuv^  Kdty.)  I  samjdyan  kshitrdni  sdhcL^d  ^hdm  indra 
kfi^vdnö  anyan  ddhardnt  sapdtndn  II  Die  dazu  hier  vorliegenden 
Variationen  treffen  speciell  den  zweiten  und  dritten  pdda,  bestehen 
resp.  in  der  Aufnahme  der  beiden  Duale  (dhattam  und  sacetasaü)^ 
und  in  der  Wandlung  von  samjayan,,aham  in:  jayam(a\cl) , . ayam. 
Hat  etwa  bei  der  Aufnahme  jener  Duale  eine  Rücksicht  auf  die 
Gelegenheit  mit  eingewirkt,  für  welche  nach  Kauf.  27  dieses  Stuck 
zu  verwenden  ist?  Es  handelt  sich  danach  um  die  Kur  eines 
(etwa  in  Folge  von  Wundfieber?}  an  Durst  Leidenden!  ^Er  (der 
Priester)  heifst  den  Kranken  sich  mit  dem  Rucken  an  einen  Ge- 
sunden lehnen,  läfst  sie  Beide  sich  aof  Zweige  niedersetzen,  den 
Kranken  nach  Osten,  den  Gesunden  nach  Westen  gewendet,  quirlt 
darauf  in  einem  aus  vetasa-Holz  gemachten  Becher  mit  swei  Rühr- 
löffeln über  dem  Haupte  'des  vom  Durste  Geplagten  einen  mantha 
(Mehl  in  Milch)  und  reicht  ihn  dem  Andern,  auf  den  er  den 
Durst  dadurch  überträgt  (das  rouls  somit  ein  treuer  Freund 
oder  Diener  sein,  der  sich  dazu  beigebt!);  auch  läfst  er  ihn  das 
herausgenommene  Wasser  trinken.  Mit  v.  6  geschieht  dann  das 
darin  Erwähnte')^,  d.  i.  Beide  trinken  den  numtha.  Man  müfste 
somift  freilich  statt:  ^Stärke  gebet ^  {dhattam)  etwa  ^Stärke  erlan- 
get**  erwarten. 

4.  Als  Indrd'B  Gab',  von  Varutjta  belehrt  kam 

der  Tapfre,  von  den  Marut  uns  gesendet  I  1 


')  pdrthivasyety  utpa^yati  Q)  pfüth{hasamhitdv  (^tdm  Cod.)  upave^yattf 
prdkmukham  vyddhitam  pratyanmukham  avyddhitam  ^khdsöpavefya  vaitase  ca- 
tnasa  upamanthanihhydm  ifishndgrikUasya  ^rasi  mantham  upamathyd  ^trishi- 
tdya  prayadiati,  t<umHks  tfishttdm  scmnayaty,  uddhritam  udakam  pdyayaü  I 
tavdaindv  iti  maniroktam.  1  Die  behagliche  und  ungelenke  Breite  dieser 
Scbildemng  steht  zu  der  sonstigen  lakonischen  Kurze  des  JToiip.  t&tra  in 
starkem  Gegensatz  nnd  möchte  wohl  die  Vorstellung  erwecken,  dars  es  sich 
hier  etwa  um  einen  neuen,  oder  wenigstens  nicht  sehr  bekannten 
Brauch  handele,  der  eben  darum  ausführlich  darzustellen  war,  während  bei 
sonstigen  Bräuchen  deren  Bekanntschaft  vorausgesetzt,  daher  nur  mit  kurzen 
Worten  darauf  hingewiesen  wird.  —  Das  Übertragen  von  Krankheiten 
auf  Andere  ist  auch  unserm  Aberglauben  wohl  bekannt,  doch  mehr  so,  dafs 
dasselbe  ohne  Mitwissen  des  Gesunden  geschieht,  s.  Wuttke  §.  402  ff.,  wäh- 
rend hier  offenbar  Einverständnifs  mit  ihm  stattfindet. 


öiO  QuämmUitzung 

Er  in  Enrem  Sehooi^  rah^  Himmel  1  ErdeT 
Er  hoDgre  nicht!  er  dfirste  nicht t  II 4  I 
pdda  4t  mit  nor  6  Silben,  statt  deren  11,  ist  offenhar  iaeom- 
plett  —  Der  „von  Indra  Gegebene^  etc.  kann  wohl  nar  ein  «t^* 
rer^  (ugra)  Krieger  sein,  I3r  den  die  Seinigen  eben  beten,  weil  er 
krank,  resp.  etwa  verwandet  (s.  v.  7)  daliegt 

s.  Kraut  m5get  Ihr  spenden  ihm  Beid%  Kraftrdehe! 
Milch  m5get  Ihr  geben  ihm  Beid\  Milchreiche  I  1 
Kraft  haben  ihm  Himmel  und  Erd'  gegeben, 
alle  Götter,  Kraft  die  Marut,  die  Wasser.  II  %  ■ 
Währehd  in  pdda  1.  2  Himmel  und  Erde  angerufen  werden, 
Kraft  sn  spenden,    wird  in  pdda  3  diese  Bitte  als  schon  erreicht 
dargestellt     ^a$paä  und  payatvaH  sind  funfsUbig  an  lesen ;  dage- 
gen dydvdpfithM  Tiersilbig. 

6.  Mit  lab'ndem  (Trank)  ich  dir  dein  Hers  befried'ge. 

Der  Krankheit  frei,  letse  dich*  dran,  thatkrfiftigf  1 
Dies  gleiche  Paar  soll  hier  den  Rührtrank  trinken! 
Anthnend  der  Agvin  Gestalt,  wie  Blendwerk. 
Zu  givdbhii  ist  wohl  etwa  adbhii  oder  dhdrdbhis  an  ergin* 
zen? —  iavdiinau^  so  gleich  gekleidet  und  gestaltet,  dafs  mao 
sie  Beide  für  das  göttliche  Zwillingspaar  der  A^m  halten  kann, 
dafs  es  ein  wahres  Blendwerk  ist  und   die  Slrankheit  daher   vod 
dem  Kranken  auf  den  Andern  nbei^eht,  ohne  es  au  merken,    vgl. 
die  Angabe  aas  Kauf,  bei  ▼.  3. 

7.  Indroy  durchbohrt,  schuf  vormals  diesen  Krafttmnk, 

alterlose  Labspeise,  —  sie  ist  dein  hier.  I 
Durch  sie  da  (noch)  Herbste  lang  leb',  thatkrfiftig! 
Nicht  fliefs  dir  was  an!  dir  die  Ärste  halfen.  H  7  It 
viddhaf^^  durchbohrt,  verwandet.  Vermathlich  also  handelt  es 
^ich  eben  auch  hier  um  einen  Verwundeten.  -^  svadhd  in  FfiUen 
wie  hier  trenne  ich  von  dem  sonstigen  sva'dhd  ab,    und  leite  es 
von  ysvad  ab,  vgl.  sincUm  von  ^syand 

30.     Liebeszauber. 

1.   Gleichwie  der  Wind  die  Grfiser  dort 

auf  der  Erde  schwenkt  hin  und  her.  I 
also  schwenke  ich  deinen  Geist. 


vom  30.  Juni  1870.  511 

damit  du  mich  (nur)  liebend  seist, 

damit  da  nimmer  von  mir  gehst  n  i  U 
Ich  habe  dies  St&ck  zwar  bereits  in  den  Ind.  Stad.  5,  218 
obersetzt,  wiederhole  indefs  hier  diese  Übersetzung,  weil  ich  theils 
in  ihr,  theils  aber,  und  zwar  insbesondere  zu  der  ibid.  p.  262  ge- 
gebnen Auffassung  der  betreffenden  Stelle  des  Kaug,  (35),  einige 
Änderungen  resp.  Bemerkungen  zu  machen  habe.  Die  Worte 
rMkma$Bathiiafrti^  nfimlich  sind  dem  Pet  W.  zufolge  mit  „vom 
Sturm  abgerissenes  Oras^  zu  fibersetzen,  und  far  sthakara  ist  auf 
T,  Br.  2,  3,  10,  1-3  zu  verweisen,  wo  ein  sthägara  alavnkdra 
(sthdgaro  ndma  kofcit  sugandhadracyaoigeshd^;  »IhägarapUhtena  ta* 
Byd^,  mukhe  iilakddyalamkdram  eakdra  schol.)  als  ein  Liebeszauber 
gebraucht  wird^).  Die  Angaben  hei  Ktm^,*)  besagen  somit:  „zwi- 
schen zwei  Holzstficke,  welche  von  einem  Baume  und  der  ihn  um- 
schlingenden Schlingpflagze  genommen  sind,  leg^  man  einen  Pfeil 
(als  Symbol  des  Liebesgotts,  s.  Ind.  Stud.  5,  225),  sthakara  {Tagara* 
Pulver?),  Augensalbe,  kushfha  und  madugka  (zu  dieser  Trias  s.  Ind. 
Stud.  5,  244),  und  vom  Sturm  abgerissenes  Gras  (die  symbolische 
Bedeutung  hievon  ergiebt  unser  Vers),  mischt  all  dies  mit  djya 
(Opferbutter)  und  berührt  dann^  (damit;  was?  ist  nicht  gesagt;  ob 
das  M&dchen?).  —  Die  Verwendung  der  ymatk  in  unserm  Verse 
erinnert  an  den  spAtern  Namen  des  Liebesgottes  nummatka. 
9.  Ihr  Agvin  beidM  fahret  nun  doch, 

bringet  zusammen  das  Liebespaar  I  I 
(Wie)  Euer  Gluck  zusammentrat. 
Eure  Herzen,  Eure  Gelnbd'.  II 9  II 
So  wie  ihr  selbst  Beide  vereinigt  seid,    so  sorget  nun  auch 
dafür,    dafs  dieser  hier  mit  seinem  (oder:  dafs  ich  mit  meinem) 
Mädchen  vereinigt  werde.  —  cet  fasse  ich  jetzt  nicht  als  „wenn^, 
sondern  in  alter  Weise  nur  als:  ca  id» 
8«  Wenn  die  Vögel  sich  aufmachen 
um  fortzuziehn,  die  fröhlichen,  I 
Da  komme  sie  auf  meinen  Ruf, 

wie  der  Schaft  in  den  Pfeilspitzhals.  II  s  II 


')   iÜ  9€mujpjrishtdifar  i^fikshahthojaffo^  paktildv  antart  * »hu-8thakard''nja* 
na-ku$k^ka'madkugh€i'rt9hm(tmathitatf%nam  dfyena  sturniiya  eam9pjrHfa)t%, 
-)    vgl.  meine  Abh.  über  das  Rdmdyana  pag«  10. 


513  OesammttiUung  ' 

anatnivd^  krankheitslos,  lustig.  —  So  genau,  so  sicher,  wie 
der  Schaft  in  den  Hals  der  Pfeilspitze  hineinpafst 
4.  Was  innen  ist,  sei  &ufserlich; 

was  &afserlich,  sei  innen  drin!  I 
Der  wankelmüthigen  Jungfraun 

Herz  erfasse  du  nun,  o  Kraut!  II 4  II 
Ihr  ganzes    Wesen    soll    in   Aufregung    gebracht   werden.  — 
fsigvarüpa^  eig.  allartig  gestaltet.     Der  Plural  wohl  eine  Artplnr. 
nii^iest. 

ft.  Herbei  kam  sie,  suchend  'nen  Mann. 
Ein  Weib  suchend  kam  ich  herbei.  I 
Gleich  einem  (freudig)  wieh'mden  Rofs 

kam  ich  zusammen  mit  meinem  Oluck.  N  &  H 
Freude  über  den  Erfolg  des  Zaubers. 

31.     Gegen  Wurmer. 

1.   Des  Indra  grofser  Mühlstein  hier, 

der  jeden  Wurm  zermalmende  —  I 
Damit  zerstampf  die  Würmer  ich, 

wie  mit  dem  Mühlstein  khaha-Korn,  H  i  II 
Dieses  (und  das  folgende)  Stück  ist  schon  von  Kuhn  in  sei- 
ner Z.  13,  135  ff.  übersetzt,  kommentirt  und  mit  germanischen  Sprü- 
chen ähnlichen  Inhalts  zusammengestellt  worden.  Auch  findet  sich 
daselbst  der  Text  der  entsprechenden  Stelle  im  Kaug.  sütra  (27) 
bereits  mitgetbeilt;  leider  ist  derselbe,  wie  gewöhnlich,  sehr  abrupt, 
dazu  wohl  auch  verderbt.  „Er  opfert  (mit  v.  1)  khahanga-^  (zldn^u-, 
hanand-^W urmer)^  mit  Ghee  vermischt.  Die  junge  Brut  (?)  quetscht 
er  in  einen  gesprenkelten  Rohrhalm  (?)  zusammen,  indem  er  die 
linke  (Hand  mit  einem  Tuche?)  umhüllt  (um  sie  trocken  zu  hal* 
ten?);  er  macht  (ihn?)  darauf  (am  Feuer)  heifs  und  setzt  ihn  (da- 
ran) an,  wirft  sodann  mit  der  (trockengebliebenen)  Linken,  nach 
Süden  gewendet,  Staub  rings  herum,  den  er  vorher  umgerührt  hat, 
zerdruckt  nun  (Alles?)  und  setzt  es  (am  Feuer?)  an**;  khahangdn 
ald^tfiin  hanandn  gfiptami^rdn  juhoti  I  bdldn  kalmdshe  kdriife  savyam 
pariveshfya  samhhinatti  I  pratapaty  ddadhdti,  savyena  dakshindmukhck 
pdnsün  upamathya  parikirati,  sammjidhndty  ddadhdti.  Von  den  drei 
genannten  Würmer- Arten  kommt  nur  die  eine,  aldi^Uj  auch  im 
iltÄ.-Texte  vor,  s.  sogleich. 


vom  30.  Juni  1870,  513 

s.  Den  Sichtbaren,  Unsichtbaren, 
den  Kurüru  zerdrückte  ich^  I 
Die  Aldn^u,  ^aluna  all, 

zermalmen  wir  dareh  onsern  Sprach.  H  9  H 
kurüru^  entweder  von  yru  toben,  summen,  dröhnen,  oder  von 
yru  zerschlagen  (resp.  yiü  schneiden,  nagen,  rupfen). —  aldn4uy 
wohl  von  alay  dla  Laich  und  aijufu  =  a^4^  Ei.  —  ^aluna  von 
y^r  diffindere?  —  krimin  ist  durch  das  Metrum  als  Glosse  markirt 
(ebenso  in  v.  4). 

s.  Die  Aldi^if^  todt'  ich  mit  starker  Waffe. 

Gebrannt  oder  nicht,  sie  sind  schwach  geworden!  I 
Cbrig  oder  nicht,  sie  mit  meinem  Wort  hier 
nieder  ich  werf!  ihrer  bleib  Keiner  übrig!  II  3  II 

4.  Den  ^Wurm  im  Eingeweide  drinn, 

den  im  Kopf,  in  den  Ribben  drinn,  I 
Den  Avaskava^  Vyadhvara, 

zermalmen  wir  durch  unsem  Spruch.  II  4  II 
avaskavoy  der  da  abdeckt,  abschält?  ysku,  decken.  —  vya^ 
dhvard;  dies  Wort  wird  sonst  mit  d  geschrieben,  stammt  also  wohl 
von  yad^  verzehren,  bedeutet  resp.  somit  wohl:  fressend,  s.  3,  28,3 
kravydd  bhüivd  vyddvari  (freilich  auch  andrer  AccentI).  ^L  7,  4,  i', 
27  yahfalshi^  lokSshu  ndshprdt  yö  vyadvarö  ydf  ^midd,  wo  Sdy.  das 
Wort  denn  auch  durch  adanafila  danda^kddi^  erklärt. 

5.  Die  Würmer  all,  die  in  den  Bergen,  Wäldern, 

den  Pflanzen,  Thier'n,  drinnen  im  Wasser  hausen,  I 
Die  in  unsern  Leib  sind  hineingefahren, 

ich  todte  sie,  all  das  Gezücht  der  Würmer.  II  i  II 

32.     Gegen  Wurmer  (im  Vieh). 

1.    Aufgehend  schlage  sie  die  Sonn', 

und  untergehend  mit  ihren  StrahUn!  I 
Die  Würmer  die  drinn  in  der  Kuh.  II  i  II 
Ans  den  Angaben  bei  Kauf,  (27)  ist  hier  nicht  viel  zu  machen: 
udyann  dditya  (v.  1)  Hy  udyati,  gondmely  dhd  ^sdv  iti  I  suktdnte  ie 
hatd  iti  darbhair  abhyasyati  I  madhyandine  ca  I  prattdm  apardhne. 
Die  Ceremonie  scheint  hienach  dreimal,  bei  Sonnenaufgang,  Mit- 
tags und  Abends  vor  sich  zu  gehen.  Am  Schlufs  des  g^kta  erfolgt 
resp.  jedesmal  mit  den  Worten    ^sie  sind  todt^    eine   Bewerfung 


514  GesammUitzung 

(wessen?)  mit  Grashalmen,  und  die  Kah  ist  mit  ihrem  Namen  n 
nennen. 

9.  Den  allgestaltgen,  vierfiog^gen» 

schwfinlichen  Warm,  den  weifslichen  —  I 
Ich  zerbreche  die  Rippen  ihm, 

nnd  ich  hane  ihm  ab  den  Kopf.  II 9  N 
Das  zweite  Hemistich  sowie  die  nftchstfolgenden  drei  Verse 
kehren  gleichlautend  wieder  in  5,  93,  s-is.  —  vi^var4pa  «allge* 
staldg^  bezieht  sich  wohl  auf  die  verschiedenen  Formen,  die  ein 
Warm,  der  sich  krfimmt  und  windet,  annehmen  kann;  —  eatnr 
aksha  „vierftngig^  ist  wohl  von  zwei  bei  den  Angen  befindüdien 
Flecken  za  verstehen;  vgL  den  vierfiagigen  Hand  beim  RoDsopfer; 
—  zu  sdramga  s.  Ind.  Stad.  8,  975.  Die  verschiedenen  Farben  der 
Wfirmer  werden  ebenso  aach  in  den  germanischen  Wormsaabem 
erwähnt,  s.  Kahn  1.  c. 

s.  Wie  Atri  tödte  ich,  Wfirmer  1 

wie  Ka^foctj  Jatnadagni^  Euch!  I 
BÜt  dem  Sprache  des  Agaitya 

zerstampfe  ich  die  Wormer  hier.  N  s  N 
Die  Berufang  anf  diese  heiligen  ptAt  der  Vorzeit  geht   aus 
demselben  Gesichtspunkt  hervor,   welcher  der  Zoruckfilhrung  der 
Lieder  des  Ath,"  V.  auf  die  Atharvan  und  Afigira$  za  Grunde  liegt 
(s.  Ind.  Stud.  1,  295.  Vorles.  fiber  Ind.  Lit  G.  p«  144);  der  Zau- 
ber  soll    dadurch   möglichst  krfiftig  werden, 
4.  Todt  ist  der  Würmer  König  nun, 
und  todt  auch  ist  ihr  ithapati;  I 
Todt  ist  der  Wumr,  die  Matter  todt, 

todt  die  Broder,  die  Schwestern  seini  N4II 
sthapdti  ist  aaf  ysthap^  eine  causative  Nebenform  zu  ystkd^ 
zurückzufuhren  und  bedeutet  wohl  eigentlich  den  Feststeller,  Ord- 
ner, dann  den  Richter.  Er  erscheint  ^ai.  5,  4,  4,  i«.  i7.  Käty. 
15,  7, 19  unmittelbar  nach  dem  Bruder  des  Königs  unter  den 
Hauptbeamten  desselben  (der  schol.  zu  Kdty.  erklärt  das  Wort  als 
grämeffjara)^  neben  dem  süta^  vor  dem  grdma$i;  so  auch  Qdnkh. 
14,  22,  t').  Nach  Kdty.  22,  6,  ts.  Ldty*  8,  7,  n  ist  athapaü  der 
Titel  dessen,  der  den  bfihaspati^iava  genannten  ekdka  (be- 
stimmt für  den,  der  tejasy  brahmavarcasam  oder  purodhd  wünscht) 


0   wo  vom  schol.  durch  kufytMra,  Zimmermanii  (1)  wUirt. 


vom  30.  Juni  1870.  515 

gefeiert  hat;  es  darf  dies  Opfer  resp.  aber  eben  nar  ein  Solch  er 
begehen,  welchen  die  brähtnaf^a  in  Gemeinschaft  mit  dem  Kö- 
nige^) sich  voranstellen,  und  swar  nach  dem  schoL,  damit  er  das 
Recht  feststelle  (dharmasthdpakatvena;  ebenso  schol.  zu  Panc. 
17, 11,  5).  Alle  müssen  ihn  ehrerbietig  begrfifsen,  während  er 
selbst  vor  Niemandem  aufsteht.  Nach  Kdty.  22,  11,10  ist  stha- 
pati  übrigens  auch  der  Titel  dessen,  der  den  gosava  gefeiert 
hat,  den  resp.  die  rtp  in  Gemeinschaft  mit  dem  Könige  an  ihre 
Spitze  gestellt  haben.  Bin  Eevottaras  sthapati  Päfava  Cdkra  er- 
scheint in  (^f.  12,  S,  1, 17.  9,  3»  1  ff.  als  specieller  Kenner  des  sau- 
lr<fmaril-Opfers,  vermittelst  dessen  er  dem  DuthlaHtu  Paunsdyana 
zur  Herrschaft  über  die  Srn^faya  verhalf.  Über  ein  Opfer  für  einen 
ithapati  der  Niihdda  s.  Kdiy.  1,  1,  it.  —  Wie  sich  neben  der  eben- 
falls auf  die  Wurzel  sthd  (ursprunglieh  std)  zurückgehenden  Wur- 
zel  stambh  mixßw  eine  Form  skamhh  findet,  so  ist  auch  neben 
Hthap  eine  Form  9kap  anzusetzen,  vgl.  oTn^irrw  a-itrifrocv;  und  zu  ihr 
ist  denn  wohl  auch  goth.  tkapan,  ags.  seapan^  schaffen  (vgl. 
Vorles.  über  ind.  Lit.  Gesch.  p.  211),  zu  stellen,  so  dafs  hie- 
nach  unser  Schöffe  (scabinus)  mit  nthapaÜ  gleichen  Stammes 
zum  Mindesten  ist,  wenn  nicht  etwa  gar  auch  die  Verwendung 
der  Wurzel  in  dieser  Beziehung  schon  aus  indogermanischer 
Zeit  stammt. 

i.  Getödtet  sind  die  Diener  nun^ 

getödtet  die  Umdienenden;  I 
Und  auch  die  noch  ganz  klein  gleichsam, 

alle  Würmer  getödtet  sind.  II  s  II 
vefdg  Diener,  p drivegas  umdienend;  von  einer  Yvif,  die  (s. 
Pet  W.  unter  pa4vinfa)  wohl  mit  lat.  vincire  zusammenh fingt,  und 
von  der  auch  vega  Diener,  vegatva,  vaigya  (neutr.)  servitinm,  her- 
stammen, welche  Wörter  mit  yvif  intrare  schwerlich  in  Bezug  zu 
setzen  sind;  vgl.  devd  vd  asurdt^tn  vegatvam  updyan  Kd^h,  12,  5, 
omativddand  enatfi  vegd  hhavanti  ibid.  31,  12  (adabdhd  asya  v.  bh», 
praUdndvasitä  v,  bh,),  sarasvatyai  vegabhaginyai  svdheti  vegayama- 
10^  vd  etat  ibid.  32,  4;  te  devd^  par^figydnd  aeurd^m  vaigyam 
updyan  Tg.  2,  3,  7,  1.  Das  spfitere  Sanskrit  hat  hievon  allein  noch 
^^fyd,  a  harlot,  behalten. 

*)  nach  Ldty.  8,  7,  4  resp.  brdhmandi   9vardfdnak,    d.  i.  ytshdm  rdjä 
"«<^  also:  unabhängig,  keinem  König  unterworfene  Brdhmanth 


51  &  GtMmmtsitzung 

6.   Ich  cerbreche  dir  die  beiden 

Horner,  womit  du  stofsen  willst;  I 
Ich  zerspalte  die  Blase  dir, 

welche  dein  Oiftbeb&lter  ist.  11  e  H 
Zu  kuskumbha^  Blase,  vgL  kufun^hot  kusumbha  Kmgj  Was- 
sertopf der  Einsiedler;  das  Wort  bedeutet  wohl:  „wie  leicht  zer- 
brechlichl^,  von  yaumbh  occidere  ferire  West;  vgl.  7«.  2,  4,  1,  t. 
Käfh.  10,  7  teshdm  (U  yad  K.)  devänäm  uta  yad  alpam  (apy  alpa- 
kamK,)  lohitam  akurvanj  tad  rakshdfui  rdtribhir  asubhnan  (asum- 
hhdm  K.  kshubhitdn  kfitavanta^  Sdy,)^  tönt  subdhdn  mfitdn  abhi- 
vyauchaty  te  devd  avidur:  yo  rat  no  *yam  mriyaU  rakshdnsi  vä  imam 
ghnanHH  (ye  vai  na  ime  ke  ca  mriyante  rakihdiui  vdvaitdn  «um- 
bhantiti  K.),  An  unsrer  Stelle  hier  wurde  fibrigens  auch  die  ak- 
tive Bedeutung:  „wie  todtlich''  passen. 

33.     Gegen  yakshma  (Schwund). 

1.  Ans  den  Augen,  den  Naslöchern, 

den  Ohren  und  dem  Kinne  dir,  I 
Aus  dem  Gehirn,  der  Zung*,  —  den  Schwund, 
der  dir  im  Kopfe  sitzt,  zieh  ich  'raus.  II  i  II 
Auch  dieses  Stuck,  das  den  ganzen  menschlichen  Korper  von 
Kopf  zu  Fufs  der  Reihe  nach  durchmustert,  um  den  Schwund 
(jfakikma)  ans  den  einzelnen  Gliedern  zu  vertreiben,  hat  Knhn 
bereits  in  seiner  Zeitschrift  13,  63  ff.  übersetzt  und  mit  analogen 
germanischen  Krankheits-Zaubem  verglichen,  sowie  auch  theils  die 
Variationen,  welche  die  hiesige  Recension  des  Spruches  zu  der  in 
flik  1,  163.  Ath.  20,  96,  i7-2S  vorliegenden  zeigte  behandelt,  theils 
eine  dritte  Variante  dazu,  die  sich  bei  Pdraskara  3,  6  findet,  spe- 
ciell  erörtert  (p.  70  ff.)-  —  ^^i  ^<*^'  (^7)  ist  leider  nur  wenig 
sich  findend :  vdldstukdm  (?  vola^  Cod.^  ^sukdm  pr.  m.)  dehidya  kkah 
vddiny  akshibhydtp.  ta  iti  I  (sicl  der  Strich  im  Cod.)  vibarham 
udapdtre^  sampdtavatd  'vasincati  I  „er  zerschneidet  (?)  die  Haar- 
flechte (?),  zieht  unter  Recitation  von  33, 1  (etc.)  die  khalva-Kömer 
etc.  heraus  und  begiefst  (den  Betreffenden)  mit  Wasser,  welches  mit 
(der  üblichen)  Zuthat  versehen  ist>  Eine  Hauptachwierigkeit 
macht  hier  zunfichst  das  Wort  vdlastukdm,  dessen  erster  Theil  so- 
wohl vdla  Haar,  als  bäla  Kind  sein  kann.  Zu  9tukd  Haar- 
schopf,  Flechte   vgl.  mekhald  aiukdidrgam  Sfiahtd  ^at.  3,  3,  i,  13 


vom  30.  Jmi  1870.  517 

(siukd  kegaveifi  yathd  if^yixte  tathd^  schoL),  dakihitj^t  kefosiukdt 
Kau^.  42,  prithushtukd  ^.  2,  32,  6  (10,  86,  8  wo  prithushpi).  Nir. 
11,  32;  vfnsJnjte^  stukd  (roma  schol.)  (JaU  3,  5,  2,  16.  Kdty.  5,  4>  17 
{vpshne^  stukd^;  ^roromd^i  schoL),  ürndstukd  Ait.  Br.  1,  28.  Kdtlu 
25,  6.  Apastamba  in  der  paddh.  zu  Kdty.  4,  1  pag.  299,  4.  A^v.g. 
l,  7,  16.  Ferner  bleibt  unklar,  wo  „die  khalüa-Kömer  etc.^  heraus- 
zuziehen sind.  Endlich,  was  das  Schlimmste  ist,  es  mufs  einst* 
weilen  sowohl  noch  ungewifs  bleiben,  ob  die  Worte  vdl.  ach.  kh. 
überhaupt  hieher  und  nicht  vielmehr  zum  Vorhergehenden  (zu 
den  unmittelbar  vorhergehenden  Angaben  über  den  Wurmzauber  mit 
Spruch  32}  gehörig  sind,  wie  es  ebenso  auch  nach  der  andern 
Richtung  hin  ungewifs  ist,  ob  nicht  die  Worte  vib.  udap.  samp  Va«. 
ihrerseits  vielmehr  zum  Folgenden  (es  folgt:  harinasyeti  Aih.  3, 7,i) 
gehören II  —  ehubuka  das  Kinn,  etwa  von  der  ychup,  eup  anfassen, 
berühren,  die  sich  im  Pdli,  Prdkrit  findet,  s.  Hdla  pag.  166.  238 
(unter  chiv).  261,  lind  zu  der  auch  wohl  ycumb^  küssen,  gehört; 
die  spätere  Sprache  hat  civuka^  cucuka. 

9.  Aus  dem  Halse,  aus  dem  Genick, 

den  Ruckenwirbeln,  dem  Ruckgrat,  I 
Den  Schultern,  Dick -Armen  —  den  Schwund, 

der  dir  im  Arm  sitzt,  zieh  ich  'raus.  II  2  U 
kikasds  sind  nach  Shatfv.  1,  3  die  Glieder,  d.  i.  wohl  Knor- 
pel des  Ruckgrats :  bfihatya  eva  pargavo  (pdrgvdsthini)  bfihatya  era 
ktkasdh  (pftBhthasydvayava^)  prishfham  abhisamdyanii. 

3.  Aus  dem  Herzen,  der  Lunge  dir, 

aus  der  Galle^  dem  Seitenpaar,  I 
Aus  den  Nieren,  der  Milz  den  Schwund 
und  aus  der  Lieber  zieh'n  wir  *rans.  II  a  II 
halikshfjLa,  wohl  was  gelb  (hart)  aussieht  (ikshionid).  —  ma^ 
tanne  die  beiden  Nieren,    etwa  die  nach  Gefallen  (vgl.  matam^ga) 
traufeinden?  die  Nieren  bereiten  den  Urin. 

4.  Aus  den  Gedfirmen,  dem  Hintern, 

aus  dem  Mastdarm,  dem  Bauch  heraus,  I 
Aus  den  Mägen,  dem  Nabel  ich, 

aus  dem  Gekröse  zieh'  den  Schwund.  lU  N 

5.  Ans  den  Schenkeln,  den  Knieen  dir, 

aus  den  Fersen,  den  Fufsspitzen,  I 
Den  Hinterbacken,  Schamtheirn  ich 

den  Schwund,  der  in  der  Scham  sitzt,  zieh.  11  a  II 


518  Geiammtiitzung 

bha$ad^  podex;  ob  der  Blinkende,  Blanke,  Glatte,  der  ^Spie- 
gel**;  —  fro^i,  clanes,  loins;  eig.  wohl  die  rauhen,  zottigen;  — 
hhdiodam  ist  durch  das  Metrum  als  Glosse  markirt;  —  bhan- 
iai  gehört  wohl  au  hhaiod, 

«.  Aus  den  Knochen,  den  Markknochen, 
den  Sehnen  und  den  Adern  dir,  I 
Ans  den  Hftnden,  den  Fingern  ich 

und  aus  den  Nfigeln  sieh'  den  Schwund.  N  6  H 
7«  In  jedem  Glied,  in  jedem  Haar, 
jedem  Gelenk,  wo  er  dir  sitit,  I 
Den  Schwund,  der  in  der  Haut  sitzt,  wir 

mit  des  Kafyapa  Ziehe-Spruch 
ziehen-  dir  'raus,  dafs  fort  er  gebt.  H  7 II 
Ka^apa  ist  hier  genannt,  wie  oben  in  32,  3  Ätri^  Kaw»a  etc. 
Der  die  Symmetrie  des  Metrums  störende  vierte  pdda  ist  wohl  ein 
Einschub;  s.  indefs  auch  oben  in  30,  1  fünf  pdda, 

34.     Beim  Thieropfer. 

1.  Ob  welchen  Thier'n  waltet  der  Herr  der  Thiere, 
Yierfufsigen  oder  sei'n  sie  zweifQfsig  ,  —  I 
Losgekauft  dies  hier  wend'  zum  Opfertheil  sieht 

Dem  Opfernden  folge  Gedeihn  des  Reichthuma!  Nil 
Dies  Stuck  findet  sich  identisch,  ob  auch  mit  allerlei  Yarian- 
ten,  von  denen  ich  nur  die  wichtigsten  aushebe,  resp.  als  Theii 
eines  gröfseren  Abschnittes,  in  Ts.  3,  1,  4,  1.  Kdfh.  30,  S  wieder. 
Die  Reihenfolge  der  Verse  ist  daselbst  5.  1.  3.  4.  2.  —  Nach 
Kaug.  44  ist  der  Spruch  beim  Schlachten  einer  va^d^  Kuh,  zu  rer- 
wenden  und  zwar  wird  dieselbe  zun&chst,  unter  Darbringung  einer 
(?Aeespende  mit  v.  1,  am  Kopf,  Rücken  und  der  Schenkelgegend 
gesalbt;  yd  ipe  p.  p,  iti  hutpd  va^dm  anakti  firasi  kakude  jaghana- 
deg$,  —  yeihdm  ige  Ts.  K.  ist  offenbar  (schon  metri  c.)  dem  ya  (fe 
vorzuziehen ;  ebenso  ea  dmpaddm  Tt.  dem  yo  doipaddm  (in  K.  heilst 
es :  catuahpdda  uia  ye  dvipddai).  Die  Construktion  ist  anakoluthisch. 
Das  Opferthier  mufs  aus  dem  Verbände  der  fibrigen  Thiere  erst 
gelöst,  dem  Schutzpatron  derselben  abgekauft  werden,  ehe  es  opfer* 
wQrdig  wird.  Die  hiesige  Lesart  wurde  dasselbe  als  Herrn  sXmmt- 
lieber  Thiere  hinstellen,  was  nirgendwo  sonst  vorkommt,  soweit 
ich  mich  erinnere  ^    und  wobei  dann  jedenfalls   das  nükkrito   gar 


vom  30.  Juni  1870.  519 

nicht  mehr  pafst  Auf  den  Opfernden  in  pdda  4,  der  ja  seiner- 
seits in  der  That  durch  das  Opferthier  sich  seihst  loskauft,  s. 
Ind.  Streifen  1,  72,  kann  sich  pdda  3  auch  nicht  etwa  bestehen, 
weil  ja  sonst  zu  pdda  1.  2  gar  kein  Bezug  stattfinde.  Auch  spricht 
dagegen  die  Lesart  der  beiden  ra;t<4-Texte;  T$.  liest  in  pdda  3 
nUhkrito^yam,  und  K.  gar  täihhitdi  te  yuQniyam  bhdgam  yantu. — 
Die  Nebeneinanderstdlnng  der  Zweifufsler  und  Yierfufsler  in 
solenner  Opferformel  wird  durch  das  umbrische  dupursua,  petur- 
pursusy  s.  Anfirecht-Kirchho£f  die  Umbr.  Sprachdenkmäler  2,  199. 
200,  als  schon  ans  indogermanischer  Zeit  stammend  erwiesen. 
2.  Entlassend  den  Samen  (zukünftgen)  Daseins, 

gebt  Fortgang  dem  Opfernden,  o  ihr  Götter  1 1 
Herbeigeholt  was  hier  da  steht,  besfinftigt, — 

SU  der  Odtter  Pfad  geh'  es  ein,,  dem  lieben!  Nsll 
Die  Ootter  (s.  v.  3.  4)  sollen  das  Opferthier  aus  ihrer  Hat 
entlassen;  es  wird  als  reto  bhuvanasya  Saune n  für  kGnftige  Exi- 
stenzen bezeichnet,  s.  oben  28,  5  priyam  retah;  —  gdtum,  guten 
Fortgang,  Gedeihen;  —  updkfita  ist  der  terminns  technicus  für 
die  feierliche  Herbeiführung  der  Hostie;  —  ^a^amdna  von  y^a», 
weiche  Wurzel  (Gaus,  still  machen)  euphemistisch  ja  geradezu  für 
^schlachtend  gebraucht  wird,  analog  wie  sar^napay^  s.  Pet  W. 
unter  jnd^  —  das  geopferte  Thier  findet  unmittelbaren  Eingang  in 
die  Hinunelswelt. 

s.  Die  da  sinnend  hinter  dem  Angebundnen 

drein  schauend  stehn  mit  ihrem  Sinn  und  Auge,  —  I 
Gott  Agni  sie  möge  zuerst  ablösen, 

Vifvakarman^  mit  den  Geschöpfn  einträchtig.  II  s  II 
Es  sind  die  Verwandten  des  Thieres  gemeint^);  die  Flamme 
des  Opferfeuers  soll  sie  aus  ihrem  Nachsinnen  über  das  Geschick 
ihies  Genossen  erlösen.  Ob  vi^akarman  in  pdda  4t  als  Name  des 
gottlichen  Bildners  oder  appellativisch  als  Beiname  Agnfsj  der  AI- 
les  thnende,  zu  fassen  ist,  bleibt  zunächst  ungewifs. 
4.  Die  zahmen  Thiere  (hier),  die  vielgestaltgen, 

yielfach  geschieden,  dennoch  eingestalt'gen,  —  i 


')    Mutter,  Vater,   Brflder   and  Freunde  desselben    werden   in   andern 
Spruchen  um  ihre  Erlaubnib  gebeten,  es  opfern  zu  dflrfen  Kd^k.  3,  5.  26,  8. 
V».  6,  9.  gat.  3,  7,  4,  5. 
[1870]  36 


520  .  Oesammtsitzung 

Gott  Vdyu  sie  möge  zaerst  ablösen, 

Prajäpati^  mit  den  Oeschopfn  eintrfichtig.  H  4  H 
Statt  ye  grämyd^  hat  T«.  K.  ya  dra^yd^;  wilde  Thiere  sid 
aber  in  der  Regel  nicht  opferfähig.  —  Die  ^Eingestaltigkeit*^  der 
«ahmen  Thiere  besteht  eben  wohl  darin,  dafs  sie  sahm  sind.  — 
Die  „Ablösung^  besieht  sich  offenbar  auf  denselbea  Gedaliken  wie 
in  y.  3.  —  Auch  hier  ist  unklar,  ob  Jhrqfdpati  etwa  als  Beiname 
Vdyu'B  SU  fassen  ist. 

&.  Die  Kundigen  mögen  suerst  ergreifen 

den  Odem,  der  hier  aus  den  Gliedern  fortgeht!  I 
Zum  Himmel  geh'!  bleibe  mit  deinen  Knochen! 

Zum  Svarga  hin  geh'  auf  den  Pfad'n  der  Gotter.  UsB 
Wer  diese  „Kundigen^  sind,  erhellt  sunächst  nicht;  ob  die 
fiuinif?  Die  ausgehauchte  Seele  geht  ja  in  die  Luft  ein;  vdtam 
dtmd  ^.  10,  16,  8,  $am  U  prdr^  vdtena  gachatdm  Vs.  6, 10.  (Vz/.  3, 
7,  4,  8. 9.  T$.  1,  3,  8,  1.  6,  3,  7,  4.  Kdth.  3,  5.  26,  8  idimd  'ntari- 
ksham  rohati  Ts.  5,  3,  6,  3;  vgl.  Ind.  Stud.  2,  229.  —  In  T$.K.  ist 
pddaSn.4  umgestellt,  pddaZ  lautet  resp.  oshadhiahu  pratitishihd 
,^{nr%rai(^  „in  den  Pflanzen  bleibe  mit  deinen  Knochen^.  Dies  ist  of- 
fenbar viel  besser;  einmal  wird  das  doppelte  „2um  Himmel  geb^ 
beseitigt,  und  ferner  im  Gegensatz  zu  dem  seelischen  Thdl,  der 
eben  zum  Himmel  gehen  soll,  dem  körperlichen  Theile  zugerufen, 
hier  auf  der  Erde  zu  bleiben,  und  ihm  die  Pflanzen  als  der  Ori 
angewiesen,  wo  er  sich  hin  zu  wenden  hat  Vgl.  hiezu  die  ent- 
sprechenden Angaben  im  J^tib  10,  16,  8  sffryam  cdkßhur  gadiatu 
vätam  dtmdt  dy£m  ea  gaeha  pfithivfm  ea  dhdrmar^d  I  apd  rd 
gacha  yddi  tdtra  U  hitdm  öshadhißhu  prdtitiihfhd  ^drtraib. 
An  andern  Stellen  freilich  werden  auch  die  Glieder  des  Opfer- 
thieres  (angdnt)  angewiesen ,  sich  mit  den  yi^atra  d.  i.  mit  des 
Gottheiten  (devatds  Kdth.  26,  8)  zu  vereinigen.  Zu  garira  intfer 
Bedeutung:  Knochen,  eig.  die  vergfinglichen  Bestandtheile,  s.  z.  B. 
Kdty.  21,  3,  7..  4,  8.  8, 14.  15.  —  Nach  Kau^.  44  wird  die  Kuh  mit 
diesem  Verse  erstickt'):  aiha  prdndn  dathdpayoH  prajdnanta  Üu 

35.     Zur  Sühne  falschen  Opfers. 

1.  Die  wir  trotz  dem  (8(mia)-Genufs  nicht  reicher, 
um  die  betrübt  auf  den  Alt&r'n  die  Feuer,  I 


0    8.  Ind.  Stud.  9,  22.  23.  10,  345. 


vom  30.  Juni  1870.  521 

Die  wir  mit  schlechtem  Opfer  abgefunden  — 

dies  Opfer  ans  gut  mach'  nan,  Vi^akarmanl  tl  i  II 
Durch  das  Ungeschick  eines  Genossen  beim  sattra^Opfer  schei- 
nen die  Übrigen  in  Schaden  gerathen  und  nun  ein  Sühnopfer  an* 
gestellt  zu  haben;  der  Schuldige  scheint  gebunden  (s.  v.  3)  auf 
den  Opferplatz  geführt  zu  sein.  —  Bei  Katig.  (38)  findet  sich  nui; 
die  kurze  Angabe:  ye  bhakshayanta  iti  parishady  ekabhaktam  anvi^ 
kshamdf^  bhunkte:  ^er  (der  Delinquent?)  verzehrt  in  der  Versamm- 
lung eine  Portion  (Reis?),  darauf  (?)  hinblickend.^  Dies  konnte 
eher  auf  eine  Ordale  gedeutet  werden!  vgl.  die  Angaben  bei  Stenz- 
1er  Z.  D.  M.  O.  9,  676  und  bei  Schlagintweit  p.33£f.  Der  Schuldige 
nimmt  etwa  durch  das  Verzehren  dieser  Portion  alle  Schuld  auf  sich, 
und  entsühnt  so  die  Andern?  —  Zu  y$na..  dnjidhus  ist  aus  päda  4 
nas  heraufzuholen;  die  Abfassung  in  dritter  Person  erklart  sich  dar- 
aus, dafs  dieser  Nebensatz  voransteht.  —  Zu  bhakshayanto  ergänze 
ich  somamj  und  beziehe  es  auf  die  beim  sattram  allen  Theilnehmern 
daran  gemeinschaftliche  Vertheilung  des  «omo-Trunkes.  — =•  „Die  wir 
mit  schlechtem  Opfer  abgefunden^  sind,  eig.:  „welcnes  schlechte 
Opfer  diesen  (uns)  Abfindung''  (war);  ava-yd  im  Padapd(ha\  es 
ist  aber  ava-ydh  zu  lesen,  s.  Pet.  W.  unter  avayajy  und  dies  eben 
als:  Abfindung  aufzufassen. —  Vi^äkarmany  der  Alles  Thuende, 
erscheint  daher  hier  als  ein  Genius,  der  im  Stande  ist,  auch  sol- 
che Opferschäden  wie  die  begangenen  zu  heilen.  Anderswo  ist  er 
mir  gerade  noch  nicht  so  begegnet;  s.  z.  B.  oben  34,  3.  Agni 
Vaigvdnara  ist  vielmehr  die  im  Ritual  für  Sühnacte  solenne 
Gottheit. 

2.   Den  Opferherrn  nennen  die  fishi  mit  Fehl 

behaftet,  und  um  seine  Sipp'  sich  sorgend.  I 
Die  Meth-artgen  Tropfen,  die  er  verfehlte, 
mit  denen  verein'ge  uns  Vi^akarman!  II  9 II 
Unter  Opferherr  ist  hier  wohl  der  gr^hapaU^   Hausherr,    des 
sattra  zu  verstehen.     Andere  fishi  haben  ihm  voigeworfen,  dafs  er 
seine  Sache  falsch  gemacht  (Beispiele  der  Art  finden  sich  mehrfach 
in  den  Brdhmana)  und  er  ist  nun  wegen  der  Folgen,  die  dies  für 
die  Seinigen  haben  wird,  betrübt.     Unter  den  „methartigen  Tropfen'' 
ist  wohl   der  soma  zu  verstehen,   zu  dessen  richtigem  Genufs  er, 
und  die  Seinigen  mit  ihm,  nicht  gelangt  ist. 

a.   Für  «oma-Trinker  dess  nicht  Würd'ge  haltend, 

opferkundig,  (doch)  im  Vertrag  nicht  achtsam,  I 

36» 


522  Gesammtsiizung 

Welchen  FehP  hier  der  Geband'ne  machte, 

den  löse  inr  Wohlfahrt  da,  Vigvakarman!  H  s  II 
Der  von  den  yajnapati  begangne  Fehler  acheint  nach  pdda  1 
somit  darin  bestanden  zu  haben,  dafs  er  Unberechtigte  zur  Gabe, 
d.  i.  zum  Genufs  des  somoj  zugelassen  hat,  also  i.  B.  etwa  die  bei 
dem  sattra  in  Bezog  anf  die  hhinnakalpa  geltenden  Bestiotmon- 
gen,  s.  Ind.  Stud.  10,  93.  94,  nicht  strikt  beobachtete  oder  sonstige 
Controll-Vorschriften  darüber  (s.Ind.Stad.lO,44.4ö)  vemachl&ssigte. 
Trotz  aller  Vertrautheit  mit  dem  Opfer  hat  er  sich  somit  doch  in 
Bezog  auf  die  Bedingungen  des  samctyüy  Vereins,  Vertrags  nicht 
achtsam  erwiesen,  ond  steht  nun,  wie  es  scheint,  gebunden  aaf  der 
Opferstfttte,  um  Befreiung  von  seiner  Schuld  zu  erlangen. 
4.  Gewaltig  die  fishit  Huldigung  sei  ihnen! 

und  ihrem  Auge,  ihres  Geistes  Wahrheit!  I 
Dem  Bfihaspatiy  Mächtger I  lichte  Huldigung! 

Vi^vakarmanl  Huld'gung  dir!  schütze  du  uns!  N4II 
Es  sind  wohl  die  fi$hi  gemeint,  die  nach  v.  2  den  Fehler  des 
yajnapati  bemerkt  haben.  —    Im  dritten  pdda  ist  das  Metrann  ge- 
stört; sollte  etwa  hfihaspate  zu  lesen  sein?    „dir,  Bfihaspatii^ 
ft.  Er  des  Opfers  Auge  ist,  Anfang,  Anhub. 

Mit  Rede  und  Ohr,  Herzen  ich  ihm  opfre.  —  I 
Zu  dem  Opfer  hier,  das  yon  Vi^akarman 

geleitet  ist,  froh  mögen  komm'n  die  Götter!  H  5  U 
Im  ersten  pdda  ist  wohl  Vi^akarman  zu  ergänzen :  prabkjritij 
Anhub,  Anfang  und  mtiibAam,  Mund,  Ausgangspunkt  sind  ziemlich 
tautologisch.  —  Die  in  pdda  2  aufgeführte  Trias  entspricht  wohl 
dem  sonstigen  rdc,  karman,  manas;  das  Ohr  als  karman  repräsentirt 
resp.  wohl  das  andächtige  Lauschen  auf  die  Opfergebete.  —  Auf 
Grund  all  der  Bitten  hat  denn  schliefsiich  Vt^akarman  das  Opfer 
wirklich  unter  seine  Obhut  genommen,  und  sorgt  nun  dafür,  dafs 
es  gut  von  Statten  gehe ;  die  Götter  mögen  also  wohlgemuth  kom- 
men, ohne  abermalige  Störung  zu  besorgen. 

36.    BrautorakeL 

Diesen  Spruch  habe  ich  bereits  in  den  Ind.  Stud.  5,  219 — 21 
übersetzt  und  commentirt,  worauf  ich  hiermit  verweise.  Ich  theile 
hier  aber  noch  die  bei  Kauf.  (34)  hergehörigen  Angaben  mit,  die 
leider  diesmal  theils  wegen  ihrer  Kürze,  theils  wegen  des  schlech- 
ten ZuStandes  der  Handschrift  ganz  besonders  schwer  verständlich 


vom  30.  Juni  1870.  523 

sind,  8o  dafs  ich  kaum  eine  Überseteung  hinxacnfugen  wage:  .  •  • 
audumbartr  ädhäpayaty  uttamd  vrajitäyaiy  pativedandny,  d  no  agna 
ity  (v.  1)  dgamafUofaram  (?)  d^yaü  I  mfigdverdd  (?wohl  mfigdkha- 
rdd)  vedydm  (?)  mantroktdtU  (wohl  in  v.  7)  sampdtwanH  dvdre  pra- 
yachaty,  üdakense  (?udakan8e?)  vrihiyavau  jdmyai  (?)  ni^  hutcd  da- 
kshi^^a  prakrdmati^  pa^cdd  agne^  prakshdlya  sat^hdvya  sampdta- 
vatim  bhagasya  ndvam  iti  (y.  5)  matUroktam.  Danach  scheint  also 
mit  ▼.  1  (dem  ankommenden  Werber?)  ein  dganumtofara  (was  dies  bei 
Kaug.  mehrfach  vorkonunende  Wort  bedeutet'),  ist  mir  unklar)  als 
Speise  vorgesetzt  zu  werden.  An  der  Thür  (des  Hauses?)  reicht 
er  (wer?  und  wem?  dem  MiSdchen?)  die  im  Spruche  (▼.  7?)  ge- 
nannten Gegenstünde,  nachdem  er  sie  vorher  (mit  v.  4?)  aus  der 
Hohle  (?  dem  Neste?)  eines  ftifiga  (Rehs?  oder  resp.  Vogels?)  auf 
die  vedi  (gelegt  hat?).  In  einem  Wassergefftfs  (?)  opfert  er 
des  Nachts  der  Jdmi  (Genie  der  Yorwandtschaft?)  Reis  und  Gerste, 
schreitet  nach  rechts  hin  vor,  und  Ififst  dann  hinter  dem  Feuer 
durch  das  Madchen,  welches  (was?  sich  selbst?)  gewaschen  und 
gereim'gt  hat,  und  mit  den  üblichen  sampdta  (?)  versehen  ist,  mit 
V.  5  'das  darin  Gesagte  thun. 

1.   Der  Werber  komm  sm  unsrer  Freud',  o  Agni! 

KU  dieser  Maid  her,  mitsammt  unserm  Glücke').  I 
Begehrt  sie  bei  Freiem  ist,  hold  in  Reihen. 

Schleunig  ihr  mog'  Glück  kommen  durch  'nen  Gatten. Hill 
3.  Als  von  Soma,  Brahman  begehrt, 

durch  Äryaman  erworbnes  Glück,  I 
Kraft  der  Wahrheit  des  Gottes  Dhdtar 

stell'  ich  das  Brautorakel  an.  11  s  11 
paUvedanam^  eig.  die  Gattenschau,  die  Untersuchung  darüber, 
wen  das  Mädchen  als  Gatten  bekommen  wird. 

3.  Dies  Weib  hier  'nen  Gatten,  o  Agnil  findet 

denn  der  Konig  S<ma  sie  hoch  an  Glück  macht.  I 
Söhne  gebfir'nd  mog'  sie  Hausherrin  werden, 

zum  Gatten  gehnd  strahlen  in  schönem  Glücke!  II 3  N 

4.  Wie  diese  Hohl"),  Maghavan!  dort,  die  schone. 


0   ob  etwa  eig.  «SahnenBchaiun  fllr  einen  Gast*?  vgl.  {\tf.  3,  3,  3,  2. 
')   es  ist  ja  ein  GlAck  fQr  die  Ihrigen,   wenn  eine  Maid  heirathet,  aus 
dem  Hause  kommt. 

')   oder:  dieses  Nest,  wenn  es  sich  etwa  um  ein  Vogelnest  handelt. 


524  GesammUitzung 

den  Thier'n  lieb  war,  weiKs  drin  so  gut  sich  wohnte,  I 
Also  sei  dies  Weib  hier  des  Glückes  Liebling» 

geliebt  vom  Mann,  nimmer  von  ihm  geschieden!  II 4  H 

5.  Besteige  du  des  Glückes  Schiff, 

das  volle,  unerschöpfliche,  I 
Und  fahre  damit  hin  zu  dem, 

der  dir  ein  wunschenswerther  FreiV.  II  &  II 

6.  Schreie  ihn  an,  du  Reichthnms  HerrI 

mache  den  Freier  zugeneigt  I    I 
Um  Jeden  wandle  du  nach  Rechts, 

der  da  ein  wunschenswerther  Frei'r.  II  6  II 
Angeredet  ist  wohl  das  in  v.  5  erwähnte  Schiff,    welches  die 
Braut  mit  ihrem  Glucke  trägt. 

7.  Hier  ist  Gold,  hier  ist  Guggulu^)^ 

das  Stierfell  (?)  hier,  das  Gluck  dazu;  I 
Diese  g<*ben  den  Männern  dich, 

dafs  du  den  wünschenswerthea  find'st.  II  r  II 

8.  Herbei  führe  dir  Savitar^   den  Mann,  der  deinem  Wunsch 

entspricht.  I 
Und  du,  o  Kraut,  verleih'  ihr  den!  II  8  II 
Zur  Erklärung  von  v.  5  ff.  halte  ich  es  für  angemessen,  die 
am  a.  O.  aus  Schönwerth's  Mittheilungen  aus  der  Oberpfalz  und 
aus  Mätz's  siebenbürgi scher  Bauernhochzeit  beigebrachten  Gitatc 
auch  hier  zu  wiederholen,  da  sie  in  der  That  ein  treffliches  Ana- 
logon  zu  bilden  scheinen.  ^jDas  Mädchen  stellt  in  der  Thomas- 
nacht ein  Schaff  Wasser  in  die  Stube,  und  wirft  die  Zettelchen, 
auf  welche  sie  die  Namen  ihrer  männlichen  Bekannten  geschrie- 
ben, zusammengedreht  hinein.  Dann  läfst  sie  ein  kleines  Brett- 
chen mit  einem  brennenden  Lichtchen  im  Wasser  schwimmen. 
Der  Zettel,  bei  welchem  es  zuerst  ankömmt  (und  zwar  wohl  nach 
oben  v.  6,  an  dessen  rechter  Seite),  enthält  den  rechten  Namen* 
Schonwerth  1,  140.  „Oder  sie  giefsen  in  eine  grofse  Schussel 
Wasser,  geben  in  hohle  Nufsschaalcn  brennende  Kerzchen,  jedes 
eine  Person  bedeutend;  schwimmt  ein  Pärchen  bis  früh  Morgens 
zusammen,  so  heiratben  sie  einander.  Dasselbe  Orakel  in  Thü- 
ringen^ Mätz  p.  23. 


)    Bdelliou. 


com  30.  Juni  1870.  525 

Hr.  A*  W.  Hofmann  las  weitere  Beobachtungen  über 
den  Methylaldehyd» 

Einige  Versuche  über  die  Wasserstoflfabkommlinge  des  Schwe- 
felkohlenstoflfs,  welche  Hr.  Aim^Girard')  vor  Kurzem  der  frauz. 
Akademie  vorgelegt  hat  und  welche  auch  in  der  Pariser  Corres; 
pondenz  der  deutschen  chemischen  Gesellschaft')  flüchtig  erwfihnt 
worden  sind,  veranlassen  mich  nochmals  auf  einen  Gegenstand  zu- 
rückzukommen, über  den  ich  der  Akademie  bereits  mehrfach  Mit- 
theilang  gemacht  habe.') 

Nachdem  ich  gezeigt  hatte,  dats  sich  der  bei  der  flammelosen 
Verbrennung  des  Methylalkohols  entstehende  gasformige  Korper 
durch  sein  ganzes  Verhalten,  und  zumal  durch  sein  Gasvolumge- 
wicht als  normaler  Methylaldehyd  charakterisirt,  mithin  durch  die 
Formel  CH2O  ausgedrückt  werden  mufs,  habe  ich  auch  die  Frage 
zu  beantworten  gesucht,  welche  Meleculargrofse  dem  isomeren  star- 
ren Korper  angehören  möge,  in  welchen  sich  das  Methylaldehydgas 
nach  einiger  Zeit  verwandelt,  und  welchen  Hr.  Butlerow  früher 
in  Folge  einer  von  ihm  seitdem  als  irrig  erkannten  Dampfdichte- 
bestimmung als  Dioxymethylen  angesprochen  hatte.  Da  sich 
keine  directen  Anhaltspunkte  für  die  Bestimmung  der  Molecular- 
grofse  dieses  Körpers  boten,  so  glaubte  ich  wohl  Schlüsse  rück- 
wärts ans  der  Zusammensetzung  des  durch  die  Einwirkung  des 
Schwefelwasserstoffs  auf  das  feste  Product  gebildeten  Schwefelkör- 
pers ziehen  zu  dürfen,  und  habe  deshalb  einige  Verbindungen, 
welche  der  letztgenannte  Körper  mit  Silber-  und  Platin  salzen 
erzeugt,  der  Analyse  unterworfen. 

Der  Silbersalze,  welche  untersucht  wurden,  waren  zwei,  näm- 
lich die  Verbindungen 

CjHeSa  ,     AgNO,  und 
CsHeS,  ,  SAgNOj. 

Das  Platinsalz  wurde  nach  der  Formel  2C3HeS3,  PtCl4  zu- 
sammengestellt gefunden.     Ich  nalnn  auf  diese  Ergebnisse  gestützt 


')   Aime  Girard,  Compt.  Rend.  LXX,  623. 

^)   Friedel,  Berichte  der  deutschen  chemischen  Gesellschaft,  III.  Jahr- 
gang, 326. 

')  Uofmann,  Monatsberichte  1867,  665,  u.  1870,  362. 


526  OuammtBxtzung 

für  den  Schwefelkorper  die  Formel  CgH^Ss  an  und  bemerkte  vel- 
ter,  daffl  mit  der  Annahme  dieses  Ausdrucks  auch  die  Formel 
CjH^Oj  für  die  starre  Modification  des  Methylaldehyds,  for  den 
Methylmetaldehyd  y  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  er- 
halte. 

Bei  den  oben  erwähnten  Versuchen,  welche  von  Hm.  Oirard 
über  den  Schwefelkörper,  den  er  ursprunglich  bei  der  Einwirkung  des 
Wasserstoflfs  th  eondicione  nascendi  auf  den  Schwefelkohlenstoff  er- 
halten hatte,  angestellt  wurden,  hat  derselbe  zunächst  einen  neuen 
Beweis  für  die  Beziehung  zwischen  der  Schwefelverbindnng  und 
dem  starren  Methylaldehyd  beigebracht  Während  ich  früher  die 
Sauerstoffverbindung  in  den  Schwefelkörper  fibergeführt  hatte,  ist 
es  Hm.  Oirard  nunmehr  gelungen,  umgekehrt  den  Schwefelkör- 
per wieder  in  die  Sauerstoffverbindung  umzuwandeln.  Bei  der 
Analyse  der  Silber-  und  Platinsalze  dagegen  ist  er  zu  Ergebnissen 
gelangt,  die  von  dei^  meinigen  mehrfach  abweichen. 

•  Ober  die  erste  der  Silbferverbindungen,  welche  bei  überschus- 
sigem Schwefelkörper  gebildet  witd,  kann  kein  Zweifel  sein;  Hr. 
Oirard  hat  sie  mit  denselben  Eigenschaften  und  von  derselben 
Zusammensetzung  erhalten,  die  ich  angegeben  habe.  Dagegen  hat 
er  das  zweite  Silbersalz  nicht  darstellen  können;  wohl  aber  eine 
Verbindung,  deren  Zusammensetzung,  wenn  ich  den  im  alten  Styl 
geschriebenen  Ausdruck  in  die  neuere  Notation  übersetze,  durch 
die  Formel 

CjHeSa,  2AgN0, 
ausgedrückt  wird. 

Bei  einer  Wiederholung  der  Versuche  habe  ich  in  der  That,  wenn 
das  Silbernitrat  im  Oberschusse  angewendet  wurde,  genau  die  von  Hm. 
Oirard  angegebenen  Zahlen  erhalten.  Man  könnte  also  versucht 
sein,  die  Existenz  der  drei  Verbindungen 

CjHjS,  ,    AgNO, 
CjHjS, ,  2 AgNO,  nnd 
C,H,S,  ,  3AgN0, 

« 

anzunehmen;  ich  habe  aber  trotz  mehrfacher  Anläufe  bei  meinen 
neuen  Versuchen  das  dritte  in  dieser  Reihe  figurirende  Salz  nicht 
wieder  erhalten  können.  Ich  mufs  daher,  zumal  auch  meine  An- 
nahme auf  einer  einzigen  Silberbestimmung  beruht,  die  Existenz 
eines  Silbersalzes  mit  3  MoL  Siibernitrat  selbst  in  Zweifel  ziehen; 


vom  30.  Juni  1870.  527 

jedenfalls  sind  neae  Versuche  nothig,  um  diese  Verbindung  lu  re- 
habili^ren. 

Auch  bei  der  Analyse  der  Platinverbindung  ist  Hr.  Oirard 
zu  abweichenden  Resultaten  gelangt.  Auf  die  Bestimmung  des 
Kohlenstoflfs,  Wasserstoffs  und  Platins  gestützt,  hatte  ich  derselben, 
wie  bemerkt,  die  Formel 

^CjHeSa,  PtCl^ 

zogeschrieben.  Hr.  Girard  hat  auch  das  Chlor  bestimmt  und 
gefanden,  dafs  der  Korper  etwas  weniger  Chlor  enthfilt,  als  dieser 
Formel  entspricht,  und  er  nimmt  delshalb  an,  dafs  ein  Theil  des 
Platins,  und  zwar  ein  Drittheil,  in  der  Form  von  ChlorSr  in  der 
Verbindung  Yorhanden  sei.  Die  Analyse  liefert  ihm  schliefslich 
Resultate,  welche  sich  in  der  Formel 

2(C,HeS,)  ,  PtCla  -4-  2[2(C3HeS3)  ,  PtClJ 

wiedergeben  lassen. 

Die  Formel,  welche  ich  für  die  Platinverbindung  aufgestellt 
habe,  nnd  welche  sich  zumal  durch  ihre  Einfachheit  empfiehlt, 
stutzt  sich  auf  eine  Reihe  von  Analysen,  deren  Procente  ich  mit 
den  theoretischen  Werthen  der  beiden  vorgeschlagenen  Formeln 
zusammenstelle. 

Theorie.  Versuche. 

Girard:  Hof  mann:                I.  n.  m.          IV. 

Kohlenstoff    12.2  11.69  12.02  _  -.        — 

Wasserstoff      2.0  1.95  2.10  —  _        _ 

Platin             33.3  32.14                  —  32.17  32.35  32.13. 

Da  diese  Zahlen  bei  der  Analyse  von  Producten  verschiede- 
ner Darstellungen  erhalten  wurden,  —  der  für  I.,  H.  und  III  ver 
wendete  Methylsulfaldehyd  war  aus  Methylaldehyd,  der  für  IV.  ver- 
wendete aus  Schwefelcyankalium  dargestellt  worden,  —  so  glaube 
ich,  dafs  die  Existenz  der  Verbindung 

2CaHeSa,  PtCl^ 

nicht  zu  bezweifeln  ist.  Ich  bin  aber  vollkommen  mit  Hm.  Gi- 
rard einverstanden,  dafs  sich  je  nach  der  Darstellungsweise  ver- 
schiedene Verbindungen  bilden,  unter  denen  auch  die  von  ihm  an- 
genommene auftreten  mag.  Ich  habe  nfimlich  in  Versuchen,  wel- 
che seit  der  Veröffentlichung  von  Hrn.  Qirards  Abhandlung  an- 


528  OeiamnUsitxung 

gestellt  worden^  ebenfalls  höhere,  aber  keineswegs  constante  Pia- 
tinprocente  in  verschiedenen  Darstellungen  gefunden.  In  vier  Sal- 
sen  verschiedener  Darstellungen  wurden  folgende  Werthe  erhalten: 

I.  IL  IIL  IV. 

Platinprocente     33.20         33.37         34.75         35.00. 

Der  steigende  Platingehalt  kann  nur  von  einer  Reduction  des 
Platinchlorids  zu  Platincblorur  herrühren,  aliein  es  durfte  schwer 
sein,  unter  diesen  Umstünden  ganz  bestimmte  Verbindungen  zu  er- 
zeugen. Angesichts  der  hier  zu  Tage  tretenden  Reductionserschci- 
nungen  lag  der  Gedanke  nahe,  den  Melhjlsulfaldehyd  statt  mit 
Platinchlorid^  mit  Platincblorur  zu  verbinden.  In  der  That  liefert 
eine  salzsaure  Losung  von  Platincblorur  mit  einer  alkoholischen 
von  Methjlsulfaldehyd  einen  blafsgelben  Niederschlag,  der,  ob  kalt 
oder  warm  bereitet,   dieselbe  Zusammensetzung,  nfimlich 

3C,HeS3,2PtCl, 

zeigte.  Diese  Verbindung  scheint  in  der  That  geeigneter  für  die 
Bestimmung  der  Moleculargrofse  des  Sulfomethylaldehyds  als  das 
nur  wenig  constante  Platinchloridsalz. 

Vergleicht  man  die  hier  mitgetheilten  Ergebnisse  meiner  Ver- 
suche mit  denen^  welche  Hr.  Girard  erhalten  hat,  so  findet  man, 
dafs  sie  im  grofsen  Ganzen  übereinstimmen. 

Dagegen  kann  ich  mich  den  Schlufsfolgerungen,  welche  Hr.  Gi- 
rard aus  seinen  Versuchen  zieht,  nicht  anschliefsen.  Obwohl  er  die 
Moleculargrofse  des  Schwefelkörpers  nicht  als  definitiv  festgestellt 
betrachtet,  so  glaubt  derselbe  doch,  dafs  sich  die  mehrfach  genann- 
ten Salze  am  einfachsten  darstellen,  wenn  man  in  ihnen  den 
Schwefelkörper  mit  dem  Werthe  C2H^S2  nnd  nicht,  wie  ich  ihn 
auffasse,  mit  dem  Werthe  CjHgS,  fungiren  läfst.  Mich  will  es 
dagegen  bedunkßn,  dafs  die  neuen  Versuche  des  Hrn.  Girard 
und  zumal  auch  die  Analyse  der  Quecksilberverbindung,  die  ich 
nicht  untersucht  hatte,  unzweideutig  für  die  letztere  Auffassung 
sprechen.  Eine  Vergleichung  der  Formeln  der  Verbindungen  im 
Sinne  der  beiden  Auffassungen  geschrieben,  durfte  in  dieser  Be- 
ziehung kaum  einen  Zweifel  lassen. 


vom  30.  Juni  1870,  529 

Quecksilberverbindang. 
Nach  Girard:  Nach  Hofmann: 

3CjH,S,  ,  2HgCl,  CjHjS, ,  HgClj. 

Silberverbindungen. 

SCaH^Sj,   2AgN03  ^31X683  ,   AgNOj 

3CaH,S,  ,  4AgN0,  CgHeSa  ,  2AgN03. 

Verbindung  mit  Platinchlorid. 

302X1^829  PtCl^  2C3HgS3  )  PtCl^. 

Verbindung  mit  Platinchlorür  und  Platinchlorid. 

SC^H^S,,  PtCU  2C3H6S3,  PtCla  1 

eCjlI.Sa,   PtClJ  2[2C3HeS3,  PtClj) 

Mit  Platinchlonlr. 

OCgH^Sj,   4PtClj  3C3HßS3,   2PtCl2. 

Man  sieht  also,  dafs  die  Annahme  einer  trimolccularen  Con- 
stition  für  den  geschwefelten  Methylmetaldehyd  zu  weit  einfacheren 
Formeln  fuhrt,  als  die  dimoleculare  Auffassung  desselben.  Offen- 
bar hat  auch  Hr.  Girard  die  dimolecularen  Formeln  nur  defshalb 
gewählt,  weil  der  Schwefelkörper  zweifellos  dem  starren  Methyl- 
metaldehyd  entspricht,  welchen  man  früher  als  Dioxymethylen 
C2H^02  zu  betrachten  gewohnt  war,  eine  Anzahl ^  welche  Hr. 
Butlerow,  der  sie  ursprunglich  aufgestellt,  alsbald  aber  wieder 
verlassen  hatte,  nachdem  er  meine  Versuche  über  das  Verhalten 
des  Körpers  unter  dem  Einflüsse  der  Wärme  wiederholt  hatte. 

Obwohl  nun  die  Versuche  des  Hrn.  Girard  für  meine  An- 
sicht, dafs  der  Schwefelkörper  der  trimoleculare  und  nicht  der  di- 
moleculare Schwefelaldehyd  der  Methylrreihe  sei,  weitere  Stutzen 
geliefert  haben,  so  schien  es  mir  gleichwohl  wunschenswerth,  noch 
eine  bestimmtere  experimcntale  Grundlage  für  dieselbe  zu  gewin- 
nen. Zu  dem  Ende  habe  ich  versucht,  die  Dampfdichte  des 
Schwefelkorpers  zu  nehmen.  Diese  Substanz  schmilzt  allerdings 
erst  bei  216°,  allein  sie  beginnt  schon  bei  niederer  Temperatur 
zu  verdampfen.  Im  Anilindampf  läfst  sich  der  Körper  nicht  ver- 
gasen, wohl  aber,  obwohl  auch  nur  mit  grofser  Schwierigkeit  bei 
212°  im  Xylidindampf.  Das  gefundene  Gasvolumgewicht,  obwohl 
etwas  hoch,  erhebt  die  Formel  CjHgSs  über  jeden  Zweifel. 


530 

Gasvolumgewicht 
auf  WsMentoff  bezogen 
auf  Lnft  bezogen 

OesamnUsitzung 

Theorie: 

C2  H^  Sj      C3  Hg  Sj 

46              69 
3.19            4.79 

Venochc : 

I.              Tl. 

72         73.17 
5           5.08. 

Nachachri/u 

Zur  Kenntnifs  des  Snlfaldehjds  der  Athylreihe. 

Die  immerhin  etwas  hohe  Zahl,  welche  bei  der  Dampfdichte 
bestimmnng  des  geschwefelten  Methylmetaldehjds  gefunden  worden 
war,  hat  mich  bestimmt,  auch  das  Gasvolumgewicht  des  geschwe- 
felten Äthylaldehjds  su  bestimmen.  Bisher  hat  man  die  Molecn- 
largrofse  desselben  in  der  Regel  durch  die  Formel  C^H^S  ausge* 
druckt  Die  in  der  Metbylreihe  ermittelten  Yerhfiltnisse  lieTsen 
aber  tnit  Sicherheit  voraussetzen,  dafs  auch  dieser  Korper  ein  hö- 
heres Moleculargewicht  besitzen  werde.  Der  Versuch  hat  denn 
auch  diese  Voraussetzung  in  erfreulicher  Weise  bestätigt.  Die  ge- 
schwefelte  Athylverbindnng  ist,  ebenso  wie  der  Korper  in  der  Me- 
thylreihe, trimolecular,   wird  also  durch  die  Formel 

C«Hi,S, 
ausgedrückt.     Die  Oasvolumgewichtsbestimmung,  welche  ebenfalls 
im  Xylidindampf  ausgeführt  wurde,  ergab  folgende  Werthe: 


Theorie: 

Versuche: 

^6  Hu  S3 

Gasvol  umgewicht 

I.                     11. 

auf  Wasserstoif  bezogen 

90 

89.43             90 

auf  Luft  bezogen 

6.25 

6.21               6,25. 

Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dafs  sich  die  Athylverbin- 
dnng wesentlich  leichter  verdampfen  läfst,  als  die  Methyl  Ver- 
bindung. 

Da  der  Sulfaldehyd  der  Äthylreihe  nach  den  angeführten  Ver- 
suchen ganz  unzweifelhaft  eine  trimoleculare  Verbindung  ist,  so 
kann  man  annehmen,    dafs  sich  bei  seiner  Verbindung   zunächst 


vom  30.  Juni  1870.  531 

Paraldehyd  erzeugt,  der  sich  alsdann  einfach  schwefelt.  Der  Ver- 
such hat  gezeigt,  dafs  sich  der  Paraldehyd  in  der  That  mit  der 
gröfsten  Leichtigkeit  in  den  in  Rede  stehenden  Schwefelkörper 
verwandelt. 

Dürfen  wir  nun  nach  den  Versuchen,  die  vorliegen,  die  bei- 
den Schwefelverbindnngen 

und  die  ihnen  gegenüberstehenden  Sauerstoffverbindnngen 

CjHeO,    und    C^YL^^O^ 

als  analoge  Aldehydmodificationen  in  der  Methyl-  und  Äthylreihe 
betrachten? 

Was  zunächst  die  Schwefelverbindungen  anlangt,  so  stehen 
sie  ihrer  Bildungsweisc  sowohl  als  ihrer  Dampfdichte  nach  einan- 
der so  nahe,  dafs  man  versucht  ist,  sie  als  Analoge  aufzufassen. 
Hierzu  kommt  noch  die  Ähnlichkeit  der  Silberverbindungen.  Die 
von  Weidenbusch  analysirte  Silberverbindung 

CeHijS,,  2AgN03 

entspricht  in  der  That  ihrer  Zusammensetzung  nach  genau  dem 
Silbersalze  des  geschwefelten  Methylaldehyds,  welches  bei  einem 
Lberschusse  von  Silbernitrat  entsteht  Wahrscheinlich  existirt 
auch  die  Verbindung  mit  1  Mol.  Silbemitrat,  obwohl  sie  bis  jetzt, 
der  viel  gröfseren  Unbestfindigkeit  der  Salze  in  dieser  Reihe  hal- 
ber, nicht  erhalten  worden  ist. 

Vergleicht  man  andrerseits  den  starren  Methylaldehyd  mit  dem 
Paraldehyd  der  Äthylreihe,  so  stellen  sich  schon  weit  tieferge- 
hende Unterschiede  heraus.  Der  auffallendste  Unterschied  ist  im- 
mer, dafs  sich  der  starre  Methylaldehyd  beim  Vergasen  alsbald  in 
normalen  Methylaldehyd  verwandelt,  welcher  nach  kurzer  Frist  wie- 
der in  die  starre  Modification  übergeht,  während  sich  der  Paralde- 
hyd der  Äthylreihe  unverändert  vergasen  Ififst,  so  dafs  über  seine 
Moleculargrofse  kein  Zweifel  obwalten  kann.  Allerdings  lafst  sich 
der  Paraldehyd  durch  Destillation  mit  etwas  Schwefelsäure  sehr 
leicht  wieder  in  den  normalen  Äthylaldehyd  zurückfuhren. 

Fast  näher  noch  als  der  Äthylparaldehyd  steht  indesten  dem 
starren  Methylaldehyd  der  Äthylmetaldehyd,  die  von  Liebig  beob- 
achtete starre,  unschmelzbare  Modification  des  Äthylaldehyds,  wel- 


532  GesammHitzung 

che  durch  Soblimation  in  schonen  Kiystallen  erhalten  wird.  la 
gasformigen  Zustande  ist  dieser  Korper,  wie  Hr.  Oeuther  niid 
neuerdings  noch  die  HH.  Kekule  und  Zincke  nachgewiesen 
haben,  ebensowenig  bekannt  als  der  starre  Methjlaldehjd.  Es  war 
in  der  That  dieses  ähnliche  Verhalten  unter  dem  Einflüsse  der 
Wurme,  welches  mich  veranlafste,  den  starren  Aldehyd  der  Methvl- 
reihe  mit  dem  Namen  Methylmetaldehyd  zu  bezeichnen. 

Übrigens  weicht  auch  der  Äthylmetaldehyd  von  dem  Metal- 
dehyd der  Methylreihe  wieder  in  vieler  Beziehung  wesentlich  ab. 
Der  Methylkorper  verwandelt  sich  beim  Erhitzen  vollständig  in 
normalen  Aldehyd,  der  beim  Erkalten  sehr  langsam  aber  seiner 
ganzen  Masse  nach  wieder  in  den  starren  Aggregatzustand  über- 
geht. Bei  der  Einwirkung  der  Wärme  auf  den  Äthylmetaldehvd 
andrerseits  bleibt  stets  eine  kleine  Menge  unverwandelt  und  der 
gebildete  normale  Aldehyd  erhält  sich  alsdann  Tage  lang  unver- 
ändert, und  wird  wahrscheinlich  erst  wieder  Metaldehyd,  wenn  er 
die  Bedingungen  findet,  unter  denen  der  Aldehyd  überhaupt  in 
Metaldehyd  übergeht  Dies  Verhalten  läfst  sich  bequem  bei  der 
Dampfdichtebestimmung  in  der  Barometerleerc  beobachten.  Die 
Bestimmungen,  welche  theilweise  von  den  HHrn.  Krämer  und 
Pinner  (I.  II.},  theilweise  von  Hrn.  Hobrccker  (III.)  ausgeführt 
wurden,  ergaben  folgende  Zahlen: 


Theorie: 

Vennche: 

C,II«0 

GaSToIamgewicht 

I. 

II. 

III. 

anf  Wasseratoff  belogen 

22 

25.8 

27.4 

24.4 

auf  Luft  bezogen 

1.52 

1.79 

1.71 

1.69. 

Aus  diesen  Zahlen  ersieht  man,  dafs  der  Metaldehyd  nahezu, 
aber  nicht  vollständig  in  den  normalen  Aldehyd  übergegangen  war, 
obwohl  die  Versuche  bei  ziemlich  hoher  Temperatur,  nämlich  theil- 
weise im  Anilin-  (I  u.  HI),  theilweise  im  Xylidindampfe  (II)  aus- 
geführt wurden.  Beim  Erkalten  des  Apparates  zeigte  sich  alsbald 
der  obere  Theil  der  Barometerrdhre  mit  langen  Nadeln  des  un- 
veränderten Metaldehyds  durchsetzt,  allein  bei  weitem  die  gröfsere 
Menge  desselben  war  und  blieb  in  normalen  Aldehyd  amge- 
wandelt. 


vom  SO.  Juni  1870.  533 

An    eingegangenen    Schriften    nebst   Begleitschreiben   wurden 
vorgelegt: 

Wahltach,    Paicografia    con   figttre   ancdoghe,      Napoli    1870.      8.     Mit 
Schreiben  des  Antors  d.  d.  Florenz  21.  Juni  1870. 

Ed.  de   la  Barre  Duparcq,    Ewai  sur  le  caractere  d^Hannihal,     Paris 
1870.     8. 

Funicola,  La  scienza  dell*  inaegnamento,     Napoli  1869.     8. 

liendiconti  deW  (tccademia  di  Napoli,     IX,  1 — 3.     Napoli  1870.     8. 

Grad,  Obaervationß  aur  la  Constitution  et  le  Mouvement  des  Glaciera,   Lettre 
a  M.  Schimper  etc.     Strassburg  1870. 


Berichtigung  zu   S.  390. 


Zu  Gen.  27,  33.  34  ist  statt  d^r  Worte:  ^wahrscheinlich  mit 
Recht^,  welche  aaf  einem  Versehen  beruhen,  evl  lesen: 

in  der  That  bedarf  v.  34.  zu  Anfang  einer  Ergänzung,  an 
V.  33.  ist  aber  nichts  zu  findem.  Als  die  nöthige  Ergänzung 
von  y.  34  ist  '^n^  anzusehen;  vgl.  z.  B.  c.  39,  13.  15.  18.  Deut. 
5,  20.  u.  dgl.  m. 


[1870]  37 


Nachtrag. 


23.  Juni  1870.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  du  Bois-Reymond  las  einen  Nachtrag  zu  seiner 
Abhandlung  über  die  aperiodische  Bewegung  gedämpf- 
ter Magnete.  *) 

§.  I.     Einleitung. 

Bei  der  kurzlich  von  mir  der  Akademie  mitgetheilten  Theorie 
der  aperiodischen  Bewegung  gedämpfter  Magnete  bin  ich  dem  vom 
physikalischen  Standpunkte  sich  darbietenden  Wege  gefolgt,  das 
allgemeine  vollständige  Integral  der  Ditferentialgleichung  für  die 
Bewegung  des  Magnetes  aufzustellen,  und  die  darin  vorkommenden 
willkürlichen  Constanten  der  jedesmaligen  Aufgabe  gemäfs  zu  be- 
stimmen. Indem  ich  die  Ablenkung  zur  Zeit  Null,  =  0  oder  = 
einer  positiven  oder  negativen  Gröfse  ^,  ebenso  die  Greschwindig- 
keit  zur  Zeit  Null,  =  0  oder  gleich  einer  positiven  oder  negativen 
Gröfse  c  setzte,  habe  ich  die  Bewegnngsgleichungen  für  die  ver- 
schiedenen Combinationen  dieser  Fälle  nacheinander  einzeln  her- 
geleitet. 

Unter  diesen  Combinationen  erwies  sich  besonders  lehrreich 
die,  wo  der  Magnet  bei  ^  im  Augenblicke  des  Fallenlassens  eine 
Anfangsgeschwindigkeit  —  c,  also  im  Sinne  der  Richtkraft,  erhält. 
Die  Rechnung  zeigte,  dafs  auch  dann  der  Nullpunkt  nicht  über- 
schritten werde,  so  )ange  nicht  c  gröfser  als  (e  -+-  r)  ^  sei.  Es 
entstand  die  Frage  nach  dem  Sinne  dieser  Bedingung.  Da  es 
gleichgültig  ist,   ob  der  Magnet  bei  ^  im  Augenblicke  des  Fallen- 


*)  S.  das  Novemberheft  vorigen  Jahres,  S.  807 — 852.  Die  Bezeichnungen 
des  Nachtrages  sind  dieselhen  wie  die  der  Abhandlung.  Die  Ordnungszahlen 
der  Formeln  des  Nachtrages  sind  arabische,  zum  Unterschiede  von  den 
romischen  der  Abhandlung. 

37» 


538  Nachtrag. 

lassens  eine  Anfangsgeschwindigkeit  c  im  Sinne  der  Richtkraft 
erhält,  oder  ob  er  diese  Geschwindigkeit  als  Fallgeschvrindig^eit 
or' =  —  c  aus  einer  höheren  Ablenkung  mitbringt;  da,  unter  der 
Voraussetzung  unbegrenzter  Gültigkeit  der  Differentialgleichung, 
der  Magnet  mit  keiner  durch  Fallen  ans  noch  so  hoher  Ablenkung 
erlangten  Geschwindigkeit  den  Nullpunkt  zu  überschreiten  vermag; 
endlich  da  für  ein  gegebenes  x  die  Fallgeschwindigkeit  mit  der 
Fallhohe  w&chst:  so  vermuthete  ich,  dafs  (* -h  r)  ^  die  gröfste 
Fallgeschwindigkeit  sei,  die  der  Magnet  überhaupt  bei  ^  erlangeo 
könne,  d.  h.,  bei  unbegrenzter  Gültigkeit  der  Differentialgleichung, 
durch  Fall  aus  dem  Unendlichen  erlangen  würde. 

Um  diese  Vermuthung  zu  prüfen,  stellte  ich  mit  Hülfe  der 
bekannten  Relation  x==/(t,  ^)  den  Verlauf  der  Curve  je^=  ^(x,  ^) 
im  Allgemeinen  fest,  und  untersuchte,  was  im  Endlichen  ans  dieser 
Curve  werde,  wenn  man  ^=00  setze.  Diese  Untersuchung  lehrte, 
dafs  meine  Vermuthung  genau  nur  im  Grenzfall  s  =  n  oder  r  =  0 
zutreffe;  af  =  —  iX  ist  wirklich  im  Endlichen  die  Gleichung  der 
Curve,  deren  Ordinaten  für  jedes  x  die  Geschwindigkeit  des  ans  dem 
Unendlichen  fallenden  Magnetes  angeben.  Für  f  >  n  aber  ist  diese 
Gleichung  nicht  j/  =  —  ('  -^  r)  x,  sondern  o^  =  —  («  —  r)  x;  und 
die  Geschwindigkeit  bei  ^  muCs  diese  höchste  durch  Fall  aus  dem 
Unendlichen  erreichbare  Geschwindigkeit  um  noch  mehr  als  2r'c 
übertreffen,  damit  der  Nullpunkt  überschritten  werde. 

Die  Differentialgleichung  setzt  die  Proportionalität  der  Richt- 
kraft mit  der  Ablenkung,  und  der  verzögernden  Kraft  der  Dämpfung 
mit  der  Geschwindigkeit  voraus;  die  Abweichungen  der  Beobach- 
tung von  der  Theorie  können  also  nur  so  lange  innerhalb  der  Grenze 
der  Beobachtungsfehler  bleiben,  als  die  Ablenkung  eine  gewisse 
Gröfse  nicht  übersteigt.  Vollends  hat  ans  Gründen ,  die  keiner 
Ausführung  bedürfen,  eine  unendlich  grofse  Ablenkung  des  Magne- 
tes keinen  physikalischen  Sinn.  Man  sieht  aber,  dafs  die  mathe- 
matische Fiction  einer  solchen  Ablenkung  uüd  der  unbegrenztes 
Gültigkeit  der  Differentialgleichung  dadurch  eine  wirkliche  Bedeu- 
tung erhält,  dafs  man  eine  dem  Magnet  innerhalb  der  Grenzen, 
wo  die  Bedingungen  der  Differentialgleichung  noch  erfüllt  sind, 
auf  andere  Art  ertheilte  Geschwindigkeit  als  durch  Fall  aus  dem 
Unendlichen  entstanden  ansehen  kann. 

Als  ich  meinem  Freunde,  Hm.  Kronecker,  die  Ergebnisse 
meiner  Untersuchung  mittheilte,  machte  er  mich  auf  eine  Behand- 


Nachtrag,  539 

hingsweise  des  Gegenstandes  aufmerksam,  auf  welche  vom  physi- 
kalischen Standpunkte  nicht  leicht  zu  kommen  war.  Sie  schlägt 
gerade  den  entgegengesetzten  Weg  von  dem  eben  angedeuteten  ein. 
Von  vorn  herein  wird  die  Gültigkeit  der  Differentialgleichung  für 
ein  unendliches  x^  oder,  was  das  Nämliche  ist,  für  ein  unendliches 
negatives  t^  vorausgesetzt.  Indem  man  überdies  bei  gewissen 
ersten  Integralen  der  Differentialgleichung  stehen  bleibt,  hat  man 
ohne  Weiteres  für  jede  Zeit  zwischen  f  =»  —  oo  und  ^  =  -+-  oo 
die  Beziehung  zwischen  Geschwindigkeit  und  Ablenkung  vor  Augen. 
Um  aber  von  dieser  ganz  allgemeinen  und  der  Wirklichkeit  in  der 
That  entfremdeten  Betrachtung  zu  den  wirklichen  Bedingungen 
zurückzukehren,  ist  nur  nothig,  letztere  als  gegebene  Beziehungen 
zwischen  Ablenkung,  Geschwindigkeit  und  Zeit  in  den  allgemeinen 
Ausdruck  einzufuhren. 

Wenngleich  diese  Art  der  Betrachtung  die  frühere  nicht  wohl 
entbehrlich  macht,  hat  sie  doch  ihre  eigenthumlichen  Yortheile,  und 
erst  in  ihrem  Lichte  lassen  manche  durch  die  frühere  Betrachtung 
aufgedeckte  Beziehungen  ihren  wahren  Zusammenhang  erkennen. 
Dies  wird  am  besten  erhellen,  wenn  wir  mit  ihrer  Hülfe  einige 
der  Aufgaben  behandeln,  deren  Losung  scheinbar  schon  auf  dem 
früheren  Wege  vollständig  erreicht  war. 

§.  II.     Die  fundamentalen  Eigenschaften   unserer 

Differentialgleichung. 

Indem  wir  übrigens  summtliche  Bezeichnungen  der  Abhandlung 
beibehalten,  setzen  wir  kurzehalber 

i  -^  r  •=  Oy     t  —  r  =  b. 

Unsere  Differentialgleichung  heifst  alsdann  (vergl.  Abhandlung  (I), 
S.  809  und  822) 

0  =  y -+- (a-+- ^)  Jj'H-a^x (l) 

Die   neue  Theorie    geht    aus    von    der    fundamentalen  Bemerkung, 
Jafs  man  durch  Differenziren  der  Ausdrücke 

e««  (6a:  +  o;'),     e"  (ax -+- x') (2) 

las  rechte  Glied  der  Differentialgleichung  beziehlich  mit  e^'  und  e*'' 
unltiplicirt  erhält. 


540  Nachtrag. 

Die  Ausdrücke  (2)  sind  also  constant;  man  kann  setzen 

«j:  4- -p' r=  5V"  J ^' 

wo  A\  B'  willkürliche  Constanten  sind,  welche  zu  den  Constanteo 
A,  B  in  dem  Integral  unserer  Differentialgleichung,  wie  es  Glei- 
chung (VI)  der  Abhandlung  giebt,  in  der  Beziehung  stehen 

A'^  —  2rA,    B'  =  2rJ5. 

Es  folgt  weiter,  dafs  man  jederzeit  setzen  kann 

^'(bx  4-  a/)  =  ««'  (ftX-h  X')  \ 
e"(aj:-+-«')==«*^(aXH-X')J      '     •     •     •     W 

Wird  der  Verlauf  von  x,  sf  als  Functionen  der  Zeit,  insofern  er 
Ton  den  willkürlichen  Constanten  abhängt,  als  bereits  bestimmt 
angenommen,  so  bedeuten  X,  X\  T  beliebige  zusammengehörige 
Werthe  der  Functionen  x,  ä'  und  der  Zeit.  "Wird  aber  jener  Ver- 
lauf als  noch  nicht  bestimmt  angesehen,  so  bedeuten  X,  X\  T 
willkürliche  Constanten,  durch  deren  Einsetzung  der  Verlauf  be- 
stimmt wird. 

Durch  i' malige  Differentiation  der  Gleichungen  (3)  erhält  man, 

wenn  -r-^  =  j:^'^  gesetzt  wird, 

aar^')  -f.  «<'+')  =  (—  5)'i?'«"«J      ' 
und  folglich 

(-  1)'.  2rx^'^  =  —  a'A'^^*  4-  b'B'e-^*,  ...     (6) 
oxf'5-Ha?^'+'>       b'B* 


(5) 


fc^CO  4-a;C+»)""aM' 


.«'^ G) 


oder,  wenn  man  zu  den  Logarithmen  übergehend  —  log  I  —  }  =  & 
setzt, 

Hieraus  sind  folgende  Schlüsse  zu  ziehen: 

I.  Wenn  die  Gröfsen  x  und  x'  für  irgend  einen  endlichen  Werih 
von  t  endliche  Werthe  haben,  so  sind  A'  und  B*  endlich.  1:3t 
einer  der  beiden  Ausdrücke 

ax-hx^t     bx-hx!       (^9 


Nachtrag.  541 

für  irgend  einen  endlichen  Werth  von  t  gleich  Null,  und  ist  es 
also  auch  B*  oder  A  (3),  so  bleibt  der  Ausdruck  Null  für  alle 
endlichen  Werthe  von  t^  und  es  wird  demgemSTs  die  Ablenkung  as 
durch  eine  der  beiden  Gleichungen 

4?  = «"«*,     «  =s=  —  e- w 

2r  2r 

dargestellt. 

IL  Wenn,  wie  es  in  der  Folge  stets  geschehen  soll,  von  den 
erwähnten  besonderen  Fällen  abgesehen  wird,  so  bleiben  die  Vor- 
zeichen der  Ausdrücke 

ax^'^ -h  x^'-^'\      ftojC') -f- «<''+*\      .    •    .     (10) 

wie  die  Gleichungen  (5)  zeigen,  für  alle  Zeit  constant.  Wählt  man 
nun,  was  offenbar  erlaubt  ist,  das  Vorzeichen  von  x  so,  dafs 
ßx  -h  x!  nnd  also  B'  positiv  ist,  so  ist  bx  -h  äf  für  den  ganzen 
Verlauf  der  Zeit  und  also  A'  entweder  positiv  odet  negativ.  Dem- 
nach sind  zwei  wesentlich  verschiedene  Hauptfälle  zu  unterT 
scheiden,  von  denen  derjenige  stets  als  der  erste  bezeichnet  werden 
soll,  in  welchem  A*  positiv  ist,  also  die  Ausdrücke  (9)  einerlei 
Zeichens  sind,  und  als  der  zweite  der,  in  welchem  A'  negativ  ist, 
also  jene  Ausdrücke  verschiedenen  Zeichens  sind. 

III.  Der  Ausdruck  (—  l)'  (ax^'^  •+-  x^*-^^^)  nimmt,  während  t 
von  —  oo  bis  -h  oo  geht,  alle  positiven  Werthe  von  oo  bis  0 
wirklich  an;  ebejiso  durchläuft  ( — l)' (ftx^'^  H- x^'"*"'^)  je  nach 
den  beiden  soeben  unterschiedenen  Fällen  alle  Werthe  von  +  oo 
bis  0  oder  von  —  oo  bis  0.     Der  Quotient 

durchläuft,  wie  Gleichung  (7)  zeigt,  je  nach  den  beiden  Fällen 
sämmüiche  positive  oder  sämmtliche  negative  Werthe  von  0  bis  oo ; 
aber  der  Quotient 

welcher  für  f  =  —  oo  den  Werth  —  a  und  für  f  =  -+-  oo  den 
Werth  —  b  hat,  durchläuft  im  zweiten  Hauptfalle  sämmtliche  zwischen 
---  a  und  —  b  liegenden  Werthe,  im  ersten  Hauptfalle  alle  übrigen 


542  Naehtrag. 

positiTen  und  negatiren  Werthe.  Nur  in  diesem  ersten  Haaptfaile 
werden  datier  sn  gewissen  Zeiten  x  und  seine  Differentimlqaotienten 
gleich  Nnll.  Für  diese  Zeiten  und  die  zugehörigen  Werthe  der 
Ablenkung  x  and  ihrer  Differentialquotieoten  fuhren  wir  übrigens 
nachstehende  Bezeichnungen  ein:   der  Zeit 

t^   entspreche  x  ss  o,    af  s=z  x\y 
T  ^  ^  =  0,    ««g, 

tf  j^  X    ^^  0|    X  ^*  *|j     *  *s  »v  if 

ttf  n  m     ^^  0)    X  :=3  Xify   X  s=  X ^^^   U*  S«  W« 

lY.     Gleichung  (6)  liefert  folgende  Bestimmangen  für  die  Ab- 
lenkung  (j?)  und  deren  DifFerentialquotienten : 

wenn  *  =■  —  oO|  so  ist  ( — l)'  «^ '^  =  zjp  oo  von  der  Ordnung  «"•'; 
wenn  t««  -4-  oo,     so    ist  «^'^s»  0     von    der    Ordnung  «"**. 

Ffir  I  as  —  oo  ist  also  «^'^  unendlich  grofs  von  derselben  Ordnung 
wie  64f^''^-+-«^''*"*\  aber  von  höherer  Ordnung  als  ax<'^ -f- *<'+*\ 
F6r  t  »3  -f.  oo  ist  «^'^  unendlich  klein  von  derselben  Ordnung  wie 
o«^''^-H«^''"''*^  aber  von  niederer  Ordnung  als  6«^"^  H-xf'"*"*^ 
y.     Die  Zeitpunkte,  in  denen  der  Reihe  nach  die  Quotienten 

XXX 

einen  und  denselben  bestimmten  Werth  annehmen,  bilden,  wie  aus 
Gleichung  (8)  hervorgeht,  eine  arithmetische  Reihe  mit  dem  be- 
stfindigen Unterschiede  Ä.  Dies  findet  also  namentlich  für  die- 
jenigen Zeitpunkte  <09  ^9  ^m  ^»r  •  •  •  statt,  in  denen  im  ersten 
Hauptfalle  folgweise  x,  j/,  x",  j/".  .  gleich  Null  werden  (s.  oben  III.X 
so  wie  für  diejenigen  Zeitpunkte,  in  denen  im  zweiten  Hauptfalle 

-rjT —  =  —  f  wird.    Diese  beiden  Reihen    von  Zeitpunkten    sind 

X 

zwar  je  nach  den  beiden  verschiedenen  Ffillen  ganz  verschieden 
charakterisirt,  entsprechen  einander  aber  insofern,  als  dabei  stets 

wird. 

VI.     Wenn 

gesetzt  wird,  so  nehmen  die  Gleichungen  (3)  und  (6)  die  Form  ao 


Nachtrag.  543 


x<'')  =  (—  1)" .  --  $  (ÄC"-»)e&c-o  ^  ^(.-1)  e«('-')),      .     (12) 

und  es  bedeutet  r  die  Zeit,  za  welcher  • 

aaf  -+-  «" 


fco;' 


=  ±  1 


ist,  wahrend  aus  der  zar  Zeit  r  stattfindenden  Ablenkung  x  die 
positive  Grofse  ^  durch  die  Gleichung 

c.       ö  —  b 

bestimmt  ist.  Hiernach  ist  im  ersten  Hauptfalle  r  die  Zeit  und  ^ 
die  Ablenkung,  bei  der  die  Umkehr  des  Magnetes  nach  Überschreiten 
des  Nullpunktes  erfolgt,  bei  der  also  x'  =  0  und 

ist,  w&hrend  im  zweiten  Hauptfalle  t  die  Zeit  und r  ^  =  —  $ 

die  Ablenkung  ist,  bei  der  j/  = §  und 

c*  ^"^  O 

»  £'  —  n'a?  =  0 

M'irdj 

V'il.     Da  nach  den  Gleichungen  (II)  für  irgend  w^elche  bestimmte 
zusimmengehorige  Werthe  T,  X,  X*  die  Relationen 

a X -f-  X'  =  a^e^^ ^-'\    bX-h  X' =  ztb^e^^ '-') 

statthaben,  so  erhält  man  aus  gegebenen  Werthen  T,  X,  X'  die 
W'erthe  von  t  und  ^  in  folgender  Weise: 


r  =  T+^ 


1         /a62:H-«Z'\  ,,,. 


|=(x-4-Ax')r..[±(x+-iz')]--.    .    (14) 

VIII.  Die  Beziehung  zwischen  Ablenkung  und  Geschwindigkeit, 
d.  h.  zwischen  x  und  j/,  ergiebt  sich  unmittelbar  aus  den  Glei- 
chungen (11)  in  folgender  Weise: 


544  Nachtrag* 


(ax -{- a^\         -  f  hx  -^  af\ 


(15«) 


WO  unter   dem  Logarithmus- Zeichen   nur  positive  Grofsen  stehen, 
oder  also 


(ax  -+-  a;* V  __  (  hx  -\-  a/V 
~W)  ~\^K)  •  •  •  • 


(15*) 


§.  III.     Erster  Hauptfall:  ax  -h  x^  und  6«  +  x^  sind 

einerlei  Zeichens. 

Aus  (12)  ergeben  sich  in  diesem  Falle  die  Gleichungen 

$: 
x  =  ^(ae^^"*^^be^^'-%    •     .     .     .     (16) 

:c'=^(««f--«  —  e*f '-'>),     ....     (17) 

welche  den  Gleichungen  (VII)  und  (XII)  der  Abhandlung  entspre- 
chen. Hier  werden  gcmäfs  der  fünften  obigen  Schlufsfolgerong 
zu  den  Zeiten 

to  =  r  —  A,       T,  /,  =  T  -h  *^,     f,,  =  T  -i-  2  J^,  u.  s.  w. 

j;  =r  0,  £==0^     x"  =  0,  ^"'  =  0,  U.S.W. 

und  zwar  müssen,  wenn  x  oder  ein  Differentialquotient  von  x 
Null  werden  soll,  die  Ausdrücke  aar  4-  J?',  bx  -h  sf  einerlei  Zeichens 
sein.  Dies  ist  nur  möglich,  wenn  entweder  x  und  x^  selber  einerlei 
Zeichens  sind,  oder  wenn,  bei  verschiedenem  Zeichen  von  x  und  x', 
x^  entweder  gröfser  als  ax  und  also  auch  als  bx,  oder  kleiner 
als  bx  und  also  auch  als  ax  ist. 

Für  t  =  —  oo  ist  gemäfs   der  vierten  Folgerung  4?  =  —  oo, 

x'  =  -+-  oo,  —  =  —  a.     Was  für  endliche  Werthe  von  t  geschieht, 

X 

zeigt  Fig.  1  (s.  die  Taf.).  Man  erkennt  die  Curven  an  den  ihnen 
beigefügten  Ordnungszahlen  ihrer  Gleichungen;  Curve  (16)  ist  die 
der  Ablenkungen,  Curve  (17)  die  der  Geschwindigkeiten.  Beide 
Curven  sind  anfänglich  convex  gegen  die  Abscissenaxe  der  Zeiten, 
denn  x"  ist  negativ  und  j?'"  positiv.  Dann  folgen  einander  in 
dem  nur  von  den  Constanten  der  Vorrichtung,  nicht  von  ^  ab- 
hängigen Abstände  A  die  vier  Zeitpunkte  foj    ''?    'm   ^v     Bei  U 


Nachtrag.  545 

schneidet  die  Carve  der  Ablenkungen  die  Axe  der  Zeiten  nnd  wird 
gegen  sie  concav,  da  ihre  Ordinate  das  Zeichen  wechselt ,  £*  das 
seinige  behält.  Dies  dauert  bis  zum  Zeitpunkte  r.  Hier  erreicht 
die  Cnrve  der  Ablenkungen  das  Maximum  ^,  denn  für  ^  =  r  ist 
X  =  ^  und  j/  =  0.  Die  Curve  der  Geschwindigkeiten  schneidet 
also  jetzt  gleichfalls  die  Abscissenaxe  der  Zeiten  und  wird  gegen 
sie  concav,  weil  «"'  sein  Zeichen  behält;  bei  tt  erreicht  ihre  Or- 
dinate das  negative  Maximum 

und  es  findet  ein  Wendepunkt  der  Curve  der  Ablenkungen  statt. 
Endlich  für  <„  hat  die  Curve  der  Geschwindigkeiten  einen  Wende- 
punkt. 

In  der  Figur  sind  aus  Gründen,  die  später  einleuchten  wer- 
den (8.  unten  §.  VII),  $=1,  a=l,  6  =  ^  gesetzt.  A  wird  dann 
=  1,38629;  X|  =  ^,  Xu  =  -j^;  ar^  =  2,  *  i  =  —  -J-,  *  n  ^  —  tj^» 

Für  f  =  -+-  cx>  werden  gemäfs  der  vierten  Folgerung  x  und  x'=  0, 
X*  =  —  hxy  X  läuft  auf  der  positiven,  a^  auf  der  negativen  Seite  der 
Abscissenaxe  asymptotisch  aus. 

Man  kann  dergestalt  für  unsere  Betrachtung  die  ganze  Zeit 
von  t=  —  oo  bis  ^=-Hoo  in  drei  Abschnitte  theilen,  wie  fol- 
gendes Schema  zeigt  (vergl.  auch   zwischen  Fig.  1.  und  2). 


I. 

II. 

III. 

«=  —  oo 

—  oo  bis  Iq 

<o  bis  T 

T  bis  -+-  oo 

H"  oo 

j?  =  —  oo 

negativ 

positiv 

positiv 

-h  0 

jj*  =  4-  oo 

positiv 

positiv 

negativ 

—  0 

—  =  a 

a  bis  -+-  oo 

—  oo  bis  0 

0  bis  h 

h 

X 

Welche  Werthe  zu  irgend  einer  Zeit  T  die  Ablenkung  X  und  die 
Geschwindigkeit  X*  haben  mögen,  vorausgesetzt  nur,  dafs  sie  dem 
ersten  Hauptfall  entsprechen,  stets  giebt  es,  wie  oben  unter  VIT. 
ausgeführt  ist,  einen  Zeitpunkt  r,  v/)r  oder  nach  T,  in  welchem 
j:'  =  0  ist,  und  es  läfst  sich  diese  Zeit  r  und  die  zugehörige  Ab- 
lenkung ^  aus  den  gegebenen  Werthen  T,  X,  X^  berechnen, 
r  vorhergegangen  ist  stets  im  Zeitabstande  A  die  Zeit  t^^  wo  x^=  0 
w^ar.  Der  ganze  Vorgang  bleibt  also,  da  einzig  und  allein  die 
Werthe  von  r  und  f  variiren  können,  an  sich  und  im  Wesentlichen 
stets  derselbe   und  namentlich  bleibt  das  Verhalten  in  positiv  und 


546  Nachtrag. 

negativ  unendlicher  Zeit  unverSndert,  Avie  man  aach  die  Beding- 
ungen wfihlen  möge,  vorausgesetzt  nur,  dafs  die  für  den  ersten 
Hauptfall  bezeichnenden  Eigenschaften  gewahrt  bleiben. 

Nimmt  man  ^  negativ,  so  ändern  die*  Ausdrücke  (9)  und  in 
allen  drei  Zeitabschnitten  x  und  af  ihr  Zeichen.  Alle  Vorgänge 
bleiben  also  dieselben,  nur  dafs  die  beiden  Seiten  der  Abscissen- 
axe,  oder  die  beiden  Hälften  der  Scale,  mit  einander  vertauscht  sind. 

§.  IV.  Physikalische  Anwendung  der  gewonnenen  Er- 
gebnisse, und  Vergleichung  dieser  Ergebnisse  mit  denen 

der  Abhandlung. 

Wir  können  die  verschiedenen  Fälle  der  Bewegung  des  Magne- 
tes —  von  einer  Ablenkung  oder  vom  Nullpunkt  aus,  mit  oder 
ohne  Anfangsgeschwindigkeit  —  aus  folgender  Fiction  herleiten. 
Vor  unendlicher  Zeit  durchfiel  der  Magnet  Räume  unendlicher  Ab- 
lenkung mit  solcher  unendlichen  Geschwindigkeit,  dafs  diese  zur 
Ablenkung  in  dem  von  den  Constanten  der  Vorrichtung  abhängigen 
Verhältnifs  —  a  stand.  Zur  Zeit  f=»0,  wo  wir  den  Vorgang  zu 
betrachten  anfangen,  ist  der  Magnet  in  endliche  Ablenkung  gelangt 
und  es  sind,  je  nach  den  Bedingungen  der  Aufgabe,  gewisse  Zeit- 
punkte schon  vorüber.  Ist  der  Magnet  bereits  abgelenkt,  so  kann 
der  Fall  aus  dem  Unendlichen  geschehen  sein  entweder  von  der  Seite 
her,  auf  der  er  sich  befindet,  oder  von  der  entgegengesetzten  Seite  her. 

I.  Jedesmal,  dafs  der  Magnet  zur  Zeit  f  =  0  ohne  Anfangs- 
geschwindigkeit BUS  einer  endlichen,  positiven  oder  negativen  Ab- 
lenkung ^  fällt,  können  wir  uns  denken,  er  sei  von  der  entgegen- 
gesetzten Seite  her  aus  dem  Unendlichen  gefallen,  habe  den  Nullpunkt 
überschritten,  und  kehre  bei  ^  in  seiner  Bewegung  um,  daher 
af  hier  =  0  ist.  Der  Vorgang  beginnt  also  in  der  Idee  an  der 
Grenze  des  zweiten  und  dritten  der  oben  unterschiedenen  Zeit- 
abschnitte. Man  braucht  in  der  That  nur  in  (16)  t  =  0  zu  setzen, 
um  Gleichung  (VII)  der  Abhandlung  zu  erhalten,  welche  diese 
Bewegung  des  Magnetes  darstellt;  und  unsere  gegenwärtige  Fig.  1 
fSllt  von  T  ab  nach  wachsender  Zeit  hin  im  Wesentlichen  mit  Fig.  1 
der  Abhandlung   zusammen.  ^)     Selbst   der  Fall   aus   dem  Unend- 


')  In   letzterer   ist   r  =  0,   va   der  gegenwärtigen  Figur  =  \  gemacht  (s. 
▼orige  Seite). 


Nachtrag.  547 

liehen  ohne  Anfangsgeschwindigkeit,  mit  dem  sich  §.  VI  der  Ab* 
handlung  beschäftigt,  läfst  sich  unter  denselben  Gesichtspunkt 
bringen ,  indem  man  ^  =:  oo  setzt.  Alle  endlichen  mit  ^  multi- 
plicirten  Ordinaten,  wie  j;,,  Xn,  o/q,  y,,  ot'm,  werden  gleichfalls 
unendlich ;  für  t  =  —  oo  aber  werden  x  und  a/  unendliche  Gröfsen 
höherer  Ordnung.  Man  hat  sich  also  vorzustellen,  der  Magnet  sei 
aus  unendlicher  Ferne  höherer  Ordnung  gefallen,  habe  den  Null- 
punkt mit  unendlicher  Geschwindigkeit  überschritten  und  jenseits 
ausschlagend  ein  unendliches  ^  erreicht,  bei  welchem  er  zur  neuen 
Anfangszeit  =  0  eben  umkehre. 

IL  Jedesmal,  dafs  der  Magnet  auf  dem  Nullpunkt  einen  Stofs 
erhält,  der  ihm  eine  Anfangsgeschwindigkeit  +  c  ertheilt,  können 
^'ir  uns  denken,  er  sei  in  der  Richtung  des  Stofses  aus  dem  Un- 
endlichen gefallen,  und  überschreite  zur  Zeit  ^0  =  0  den  Nullpunkt 
mit  einer,  jener  Anfangsgeschwindigkeit  -h  c  gleichen  Fallgeschwin- 
digkeit x'.  Der  Vorgang  beginnt  in  der  Idee  an  der  Grenze  des 
ersten  und  zweiten  Zeitabschnittes«  Man  erhält  Gleichung  (XXXI) 
der  Abhandlung,  welche  diese  Bewegung  des  Magnetes  darstellt, 
indem  man  in  den  Gleichungen  (4)  T  =  0,  X  =  0  und  X'  =  c  setzt. 

IIl.  Jedesmal  dafs  der  Magnet  im  Augenblicke,  wo  er  in 
einer  gegebenen  Ablenkung  sich  selbst  überlassen  wird,  einen  Stofs 
im  einen  oder  anderen  Sinne  erhält,  können  wir  ebenso  für  die 
Anfangsgeschwindigkeit  Fallgeschwindigkeit,  durch  Fall  aus  dem 
Unendlichen  erlangt,  substituiren.  Dabei  sind  drei  Fälle  zu  un- 
terscheiden. 

1.  Di4  Geschwindigkeit  hat  den  Sinn  der  Richtkraft  und  ist 
gro/ser  als  a  x.  Es  ist  als  sei  der  Magnet  von  der  Seite  her,  nach 
welcher  er  abgelenkt  ist,  aus  dem  Unendlichen  gefallen,  und  über- 
schreite eben  die  gegebene  Ablenkung  mit  der  gegebenen  Geschwin- 
digkeit —  c.  Daher  von  ^1  ti  ^1  nach  wachsender  Zeit  hin  unsere 
gegenwärtige  Fig.  1  im  Wesentlichen  mit  Fig.  2  der  Abhandlung 
zusammenfällt,  welche  die  Bewegung  des  Magnetes  mit  einer  ne- 
gativen Anfangsgeschwindigkeit  >  ( —  ax)  vorstellt;  nur  dafs  in 
beiden  Figuren  die  beiden  Seiten  der  Abscissenaxe,  also  die  beiden 
Scalenhälften,  mit  einander  vertauscht  sind,  und  aufserdem  in  der 
Figur  der  Abhandlung  abermals  r  =  0,  in  der  jetzigen  =  ^  ge- 
setzt ist  Gleichung  (XXII)  der  Abhandlung  entsteht  aus  den 
Gleichungen  (4),  indem  man  in  letzteren  T  =  0,  X'  =  —  c,  X==: 
dem   ^    der   Abhandlung    setzt,    welches    zum    Unterschiede   vom 


548  Nachtrag, 

jetzigen  ^  *}  fortan  ^^  heifsen  soll.  Um  X  und  X'  verschiedenen 
Zeichens,*  und  dabei  X*  grofser  als  aX  zn  finden,  müssen  wir  den 
Anfang  des  Vorganges  in  den  ersten  Zeitabschnitt  verlegen. 

2.  Die  Geschwindigkeit  hat  den  entgegengesetzten  Sinn  der 
Bichtkra/t,  Es  ist  als  sei  der  Magnet  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  von  der,  nach  welcher  er  abgelenkt  ist,  aus  dem  Unendlichen 
gefallen,  habe  den  Nullpunkt  überschritten,  und  überschreite  eben 
die  gegebene  Ablenkung  ^^  mit  der  gegebenen  Geschwindigkeit  +  c, 
mit  welcher  er  dem  Maximum  ^  seines  Ausschlages  zustrebt; 
s.  bei  fi  ^]  ts  in  Fig.  1.  Analytisch  entsteht  dieser  Fall,  indem 
man  in  den  Gleichungen  (4)  T=0,  jr=f^,  X' =:  -^  e  setzt. 
Da  nur  zAvischen  t=tQ  und  f=r,  x  und  Jif  einerlei  Zeichens 
sind,  föUt  der  Beginn  des  Vorganges  in  den  zweiten  Zeitabschnitt; 
und  da  zu  Anfang  dieses  Abschnittes  a;  =  o,  sf  endlich  ist,  za 
Ende  das  Umgekehrte  stattfindet,  ist  diesmal  der  Geschwindigkeit 
kein  Grenzverhältnifs  zur  Ablenkung  vorgeschrieben. 

3.  Die  Geschwindigkeit  hat  den  Sinn  der  Eichtkraft  und  ist 
kleiner  als  bx.  Diese  Combination  kommt  nur  im  dritten  Zeit- 
abschnitt vor.  Es  ist  abermals  als  sei  der  Magnet  auf  der  ent- 
gegengesetzten Seite  aus  dem  Unendlichen  gefallen,  als  habe  er 
aber  nicht  allein  den  Nullpunkt,  sondern  auch  das  Maximum  seines 
Ausschlages  bereits  überschritten;  s.  bei  fa  ta  jr',  in  Fig.  1.  Ana- 
lytisch entsteht  dieser  Fall,  indem  man  in  den  Gleichungen  (4)  wie 
im  Falle  III.  1.  T=0^  -X"' = — c,  X=^j^  setzt;  man  erhalt 
Gleichung  (XXII)  der  Abhandlung,  aber,  weil  c  kleiner  ist  als  bj, 
mit  umgekehrtem  Zeichen  der  rechten  Seite,  daher  auch  diesmal 
unsere  Figur  zur  Gleichung  erst  nach  Vertauschung  der  beiden 
Scalenhälften  pafst. 

IV.  Die  in  §.  IX  der  Abhandlung  behandelten  F&lle,  in  denen 
der  in  Bewegung  begriffene  Magnet  zu  gegebener  Zeit  einen  Stofs 


1)  Dafs  das  jetzige  und  frühere  ^  einander  nicht  fitets,  wie  in  Fall  I,  eut- 
sprechen,  rahrt  daher,  dafs  Dait.dem  jetzigen  g  jedesmal  der  Ausschlag  nach 
Überschreiten  des  Nullpunktes  bezeichnet  wird,  während  in  der  Ahhanilluiii; 
g  gerade  deshalb  keine  solche  gleichmäfsige  Bedeutung  erhielt,  weil  es  st4>t< 
die  der  Anfangszeit  t  =  0  entsprechende  Ablenkung  bezeichnete,  wenn  nicht 
diese  Null  war,  wie  in  dem  soeben  unter  H  erwähnten  Falle  des  §.  VII 
der  Abhandlung.  Daher  das  |  der  Abhandlung  und  das  jetzige  nur  bei  dem 
Fallenlassen  des  Magnetes  ohne  Anfangsgeschwindigkeit  überelnütinimen. 


Nachtrag.  549 

im  einen  oder  .anderen  Sinn  erhält,  lassen  sich  gleich  den  vorigen 
betrachten,  indem  man  die  beiden  Geschwindigkeiten,  die  vorhan- 
dene und  die  hinzutretende,  als  'durch  Fall  aus  dem  Unendlichen 
unter  geeigneten  Bedingungen  entstanden  ansieht  und  algebraisch 
snmmirt. 

Die  neue  Behan dl ungs weise  bietet,  wie  man  sieht,  den  Vor- 
theil,  dafs  sie  sämmtliche  in  der  Abhandlung  einzeln  abgeleitete 
Fälle  auf  Einen  allgemeinen  Fall  zurückfuhrt.  Die  Rolle  der 
merkwürdigen  arithmetischen  Reihe  der  Zeiten,  von  der  sich  in  je- 
nen Fällen  eine  grÖfsere  oder  geringere  Zahl  von  Gliedern  zeigte,  ist 
nun  klar.  Man  versteht  auch  die  Bedeutung  der  negativen  Zeiten, 
welche  dort  im  Dunkel  blieb.  Im  Fall  eines  den  bei  ^^  sich  über- 
lassenen  Magnet  im  Sinne  der  Richtkraft  treffenden  Stofses  fanden 
wir  für  die  Zeit  des  Durchganges  durch  den  Nullpunkt  den  Ausdruck 


,^^L  log  {'-^^±^\ 

2r      ^   \c^a^j,) 


(8.  S.  817  der  Abb.).  t^  ist  positiv  nur  für  c^a^j^*,  im  Falle 
c<a^^  ist  ^0  reell  nur  wenn  c  auch  <  ^^^,  und  dann  negativ. 
Dies  heifst,  wie  wir  jetzt  sehen,  soviel  als  dafs  unter  der  Voraus- 
setzung des  Falles  aus  dem  Unendlichen,  die  Zeit  des  Durchganges 
durch  den  Nullpunkt  schon  seit  jener  Zeit  vorüber  war. 

Die  beiden  Hauptergebnisse,  welche  im  §.  VI  der  Abhandlung 
hergeleitet  worden  sind,  nämlich  sow^ohl  die  Bedingung  für  die 
zum  Überschreiten  des  Nullpunktes  nöthigc  Anfangsgeschwindig- 
keit, als  auch  die  Grenze  der  durch  Fallen  aus  beliebig  hoher 
Anfangslage  ohne  Anfangsgeschwindigkeit  zu  erreichenden  Ge- 
schwindigkeit, lassen  sich  unmittelbar  'aus  dem  obigen  Schema, 
S.  545,  erkennen.  Denn  wenn  zur  Zeit  t  bei  der  Ablenkung  x 
der  Nullpunkt  noch  zu  überschreiten  sein  soll,  so  mufs  t  im  ersten 

Zeitabschnitt  liegen,    also   dem  Schema  gemäfs  —    —  >  a  sein, 

X 

und  dies  ist  daher  die  Bedingung  für  die  zum  Überschreiten  des 
Nullpunktes  nöthige  Anfangsgeschwindigkeit.  Femer  ist  die  Ge- 
schwindigkeit eines  aus  beliebig  hoher  Anfangslage  ohne  Anfangs- 
geschwindigkeit fallenden  Magnetes,  der  sich  also  in  der  ganzen 
Zeit  des  Fallens  im  dritten  Zeitabschnitt  befindet,  nach  dem  Schema 

bei  jeder  Ablenkung  x  eine  solche,  dafs  —  —  <  ft  ist;  der  Grenz- 

X 

werth  der  Geschwindigkeit  af  i^t  daher  —  bx. 


550  Nachtrag, 

Wfihreiid  der  ganzen  Bewegung  des  Magnetes^  insofern  dabei 
der  NaUpnnkt  wirklieb  oder  in  der  Idee  überschritten  wird,  liegt 
die  Geschwindigkeit  j/  aafserhalb  des  von  den  Werthen  —  bx  und 
—  ax  eingeschlossenen  Intervalls.  Es  fragt  sich  nnn,  was  die  Folge 
sei»  wenn  dem  Magnete  bei  x  eine  Geschwindigkeit  grofser  als  hx^ 
aber  kleiner  als  a«,  zugeschrieben,  oder  was  geschehe,  wenn  ihm 
im  Angenblicke  des  Fallenlassens  von  x  eine  solche  Anfangsge* 
schwindigkeit  im  Sinne  der  Richtkraft  wirklich  ertheilt  werde. 
Diese  Frage  ist  in  der  Abhandlung  nicht  zur  Sprache  gekommen. 
Aus  den  oben  yoraufgeschicktcn  allgemeinen  Sfitzen  hat  man  schon 
erfahren,  dafs  die  Discussion  unseres  zweiten  Hauptfalles  ans  dar- 
fiber  AnfschluTs  zu  geben  bestimmt  ist 

§.  V.     Zweiter  Hauptfall:    ax -+- jc'  und  hx -^  a!   sind    ver- 
schiedenen Zeichens. 

Liegt  af  seiner  Grofse  nach  zwischen  ax  und  6x,  und  siod 
X  und  sf  verschiedenen  Zeichens,  so  sind  auch  die  Ausdrucke  (9) 
verschiedenen  Zeichens.  Da  diese  Ausdrücke  für  jede  Zeit  ihr 
Zeichen  behalten,  sie  aber  für  x  =  0  oder  j/  s=  0  einerlei  Zeicbeo, 
beziehlich  das  von  d/  oder  x  erhalten  würden,  so  können  unter 
der  Voraussetzung:  x*  grolser  als  bXy  und  kleiner  als  ax,  an  keiner 
endlichen  Zeit  x  und  x'  ==  0  werden.  Erst  für  ^  s=  -h  oo  tritt  dies 
ein.  Dies  ist  der  zweite  hier  stattfindende  Hauptfall,  der  sich 
vom  ersten  also  dadurch  unterscheidet,  dafs  dabei  der  Nullpunkt 
zu  keiner  Zeit  überschritten  wird,  sondern  Ablenkung  und  Ge- 
schwindigkeit von  t  rs^  —  oo  bis  ^s  +  oo  stetig  abnehmen,  j 
Nimmt  man  x  positiv,   so   ergeben  sich  in  diesem  Falle  aus  (12),  i 

wenn  man  darin  ^  = f ,  =  —  ^,  setzt,  die  den  Oleichnngea 

(16)  und  (17)  des  ersten  Falles  analogen  Bestimmungen 

x  =  — '  (a«*<'-«-+-5««f^-«X    ....     (16*) 

0:'  =  -.^^!  (^(r-0  _,.«»(--')),       .     .     .     (17') 
2  e 

wo  T   den  Zeitpunkt    und    ^,  denjenigen  Werth  der  Ablenkung  s 
bedeuten,  für  welche 

af*  BS  ahx  und  folglich  (a  4-  &}  4/  +  2a6x «s  0 


' 


Nachtrag.  551 

8t,  für  welchen  also  -j-  das  arithmetische  und  -j.  das  geometri- 

(che  Mittel  jener  bezuglichen  Grenzwerthe  erreicht,  zwischen  denen 
He  Werthe  der  beiden  Quotienten  von  tss  —  oo  bis  tss^-oo 
rarüren.    Die  Zeitpunkte,  in  denen  folgweise  die  Quotienten 

X  3b  «w 

ien  bezeichneten   Mittelwerth    —  \  1 ^fr\  erreichen,  bilden 

gemfifs  der  fünften  Folgerung  eine  arithmetische  Reihe,  deren  An- 
Cangsglied  r  und  deren  bestfindiger  Unterschied  ^  ist 

Die  Reduction  aller  möglichen  Yorgfinge  auf  einen  einzigen 
Typus  geschah  oben  in  §.  II  (sechste  Folgerung)  dadurch,  dafs 
man  bei  jedem  Vorgänge  einen  gewissen  Zeitpunkt  r  festsetzte,  in 

welchem  das  Yerhfiltnifs  --j    einen    bestimmten   Werth    annimmt 

Dieser  Zeitpunkt  r  hat  aber,  wie  man  sieht,  im  zweiten  Haupt- 
falle keine  so  ausgesprochene  Bedeutung  wie  im  ersten,  wo  er 
der  Umkehr  des  Magnetes  entsprach.  Es  ist  deshalb  nicht  ohne 
Interesse  im  vorliegenden  zweiten  Hauptfalle  von  jener  Reduction 
abzusehen  und  die  Betrachtung  unmittelbar  an  die  Gleichungen  (4) 
anzuknüpfen. 

Es  sei  X  positiv,  X*  negativ.    Kürzehalber  setzen  wir 

aZ-H  -2:'=  -f.«, 

Da  nach  unseren  Voraussetzungen  X^  zwischen  hX  und  aX 
schwankt,  und  31  +  93  =  2rX  ist,  so  schwanken  dementsprechend 
S  und  S  zwischen  ^rX  und  0,  indem  sie  sich  stets  zu  2rX 
ergänzen. 

Nach  Analogie  der  Gleichungen  (16)  und  (17)  für  den  ersten 
Hauptfall  erhalten  wir  hier  aus  (4) 

X  «  i(3[<5*(^-«-|-g5ö«(^-«) (19) 

aj'  =  — -i-(«fre*f^-«-4-Sae«^^-«)    ....     (20) 

Wahrend  t  von  <s=  —  oo  zu  tssa-t-oo   sich  verändert,  gehen  x 
[1870]  38 


552 


Nachtrag. 


und  j/,  convex  gegen  die  Abscissenaxe  der  Zeiten,   beziehlich  von 
-h  oo  und  —  oo  bis  0.    Wie  im  ersten  Hanptfalle  ist  für  *  =  —  oc 

(21) 


=  —  a, 


für  t 


a/  =  —  &* (22) 

Setzt  man  in  Gleichung  (19)  9(  s:  o,  so  erhfilt  man 

«  =  e«f^-«^ (23) 

Setzt  man  umgekehrt  darin  93  =  0,  so  erhält  man 

Ä^e^c-o^ (24) 

Für  <  s  T  aber  wird  in  (19)»  (23),  (24)  x^X.  Gleichung  (19) 
stellt  also  eine  Schaar  von  Curven  vor,  welche  durch  den  Werth 
von  %  und  93  unterschieden  und  zwischen  den  Grenxcarven  (23) 
und  (24)  eingeschlossen,  sich  mit  ihnen  im  Gipfel  der  Ordi- 
nate X  schneiden. 

Setzt  man  in  Gleichung  (20)  3(  oder  3}  ss  o,    so  erhält  man 
beziehlich 

«'  =  — a«<^-«aZ; 

ä'  =  — «Mr-Djjf 

Für  t^T  werden  (20),  (25),  (26)  beziehlich 

ar  y  =s  —  a  X^ 

«•j.  =  jf' =  —  aX4- «  =  —  i^:— S, 

i^r^  —  hX; 

setzt  man  aber  (s=  T+  ^,  so  werden  dieselben  Ausdrücke 
*V+A  =  —  (y  j      '  aX, 


(26) 


(27) 


r+A 


«'t+a  =  — (-yj         bX. 


(28) 


Die  drei  Ausdrücke  (28)  sind  identisch  und  die  Grenzcurven  (25),  (26), 
sowie  die  zwischen  ihnen  eingeschlossenen  Curven  (20),  schneiden 
sich  also  im  Gipfel  der  Ordinate,  die  im  Abstände  ^  auf  X^  folgt. 


Nachtrag.  553 

Während  im  allgemeinen  Falle  für  /  =  —  <x> ,  —  =:  —  a  für 
f  =s  -i-  ooy  ä'  =  —  hx  ist,  hat  man  für  9(  ss  0 

j:'  =  —  flj«, (29) 

für  S  «=  0 

a/  =  —  fto? '.     -.     (30) 

für  jede  Zeit. 

Setzt  man  S  =  2rX4-  S,  St  =  —  ä,  wo  &  eine  beliebig  kleine, 
aber  endliche  positive  Grofse,  80  wird  alsbald  die  Axe  der  Zeiten 
wieder  geschnitten,  wenngleich  erst  zur  späten  Zeit 


1  ,      /2rX-f-  S\ 


man  hat  wieder  den  ersten  Hauptfall,  und  befindet  sich  in  dessen 
erstem  Zeitabschnitt  Setzt  man  umgekehrt  31  =  2r  X-+-  J,  93  =  —  S, 
80  ist  diesmal  die  Axe  der  Zeiten  geschnitten  worden  zur  längst 
verflossenen  Zeit 


'o 


man  befindet  sich  im  dritten  Zeitabschnitt  des  ersten  Hauptfalles. 

Wir  wollen  nun,  um  die  Vorgänge  in  beiden  Hauptfällen 
ihrer  Or5fse  nach  vergleichbar  zu  machen,  Ts^r  und  X==s^ 
setzen.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dafs,  da  jetzt  nicht  wie  im  ersten 
Hanptfalle,  zu  r  und  ^  ein  für  allemal  eine  bestimmte  Geschwin- 
digkeit (d/  =  0,  s.  oben  S.  542)  gehört,  der  Verlauf  der  Curven 
zwischen  den  Grenzcurven  ein  unbestimmter  bleibt,  so  lange  nicht 
die  Geschwindigkeit  £'  gegeben  ist  Es  entspricht  aUo  jedem  ^ 
jetzt  vielmehr  von  Ablenkungs-  und  Geschwindigkeitscurven  eine 
ganze  Schaar,  deren  Steilheit  mit  ^  wächst,  weil  A  unabhängig 
von  $  ist 

In  Fig.  2  sind  die  beiden  Curven  oberhalb  der  Abscissen- 
axe  die  Grenzcurven  der  Ablenknngscurven,  die  unterhalb  die 
Grenzcurven  der  Geschwindigkeitscurven  des  zweiten  Hauptfal* 
les;  jede  Curve  trägt  die  Ordnungszahl  der  durch  sie  vorgestellten 
Gleichung.  Die  Annahmen,  unter  denen  die  Curven  construirt 
wurden,  sind  dieselben  wie  in  Fig.  1:  ^  =  1,  asssl,  b  sss  ^, 
Der  Mafsstab  ist  derselbe,  und  gleiche  Zeitpunkte  stehen  in  beiden 
Figuren  senkrecht  untereinander.     Schreitet  man  auf  der  Abscis* 

38» 


554  Nachtrag. 

senaze  von  r  aas  in  beiden  Richtungen  am  Abstände  s^  A  fort, 
so  bilden  die  sagehdrigen  Ordinaten  jeder  der  vier  Grenxconres 
eine  Beilie,  deren  allgemeines  Glied  für 

(23),        (24),        (25),        (26): 
2»%  2%       —2»%      —2' 

ist,  wo  für  i'  in  der  Riebtang  von  —  t  nach  + 1  die  Reihe  der 
positiven  and  negativen  ganzen  Zahlen  sa  setzen  ist.  Die  Carren 
(23)  and  (25)  liegen  völlig  symmetrisch  zar  Abscissenaze,  und  so 
dafs  bei  r,  i/s=o  ist;  die  Carven  (24)  and  (26)  dagegen  sind 
zwar  anch  symmetrisch,  aber  gegeneinander  in  der  Richtung  dir 
Abscissen  am  A  verschoben,  so  dafs  für  (24)  i/  bei  r,  for  (26) 
bereits  bei  t^^  ss:  o  ist. 

Denkt  man  sich  die  Carven  [beider  HauptföUe,  wie  Fig.  1 
und  2  sie  darstellen,  auf  dieselbe  Abscissenaxe  aufgetragen,  bo 
schneiden  sich  die  Ablenkungscurven  des  zweiten  Hauptfalles  im 
Gipfel  der  Maximal  -  Ordinate  ^  der  Ablenkungscurve  des  ersten 
Hauptfalles.  Ebenso  schneiden  sich  die  Geschwindigkeitscarren 
des  zweiten  Hauptfalles  im  Gipfel  der  Maximal- Ordinate  der  Ge 
schwindigkeitscurve  des  ersten  Hauptfalles:  denn  die  miteinander 
identischen  Gleichungen  (28)  sind  es  auch  mit  (18).  Von  des 
Maximis  ab  nach  den  positiven  Zeiten  hin  verlaufen  die  Curreo 
des  zweiten  Hauptfalles  näher  der  Abscissenaxe  als  die  des  erstoi. 

Denkt  man  sich  den  zweiten  Hauptfall  anf  die  andere  Scalen- 
Seite  verlegt,  so  entstehen  in  der  Richtung  von  r  nach  den  nega- 
tiven Zeiten  hin  Schneidepunkte  seiner  Curven  mit  denen  des 
ersten  Hauptfalles.  Unter  den  unseren  Figuren  zu  Grunde  liegen- 
den Annahmen  rucken  jedoch  für  die  beiden  steileren  Grenzcurven 
des  zweiten  Hanptfalles  diese  Schneidepunkte  in  die  negative  Uo- 
endlichkeit. 

Im  Fall  einer  dem  bei  -h  x  losgelassenen  Magnet  ertheil- 
ten,  bx  y  aber  nicht  ax  übertre£Fenden  Anfangsgeschwindigkeit 
—  c,  ist  es  also,  als  sei  der  Magnet  von  der  positiven  Seite  her 
aus  dem  Unendlichen  gefallen  mit  einer  Geschwindigkeit,  grofser 
zwar  als  die  grofste  Geschwindigkeit  bXj  die  der  Magnet  bei  -f- 1 
durch  Fall  von  einem  unendlichen  positiven  ^,  d.  h.  aus  negativer 
Unendlichkeit  höherer  Ordnung,  erlangt  hätte  (s.  oben  S.  547^ 
aber  nicht  grofs  genug,  um  den  Magnet  über  den  Nullpunkt  za 
treiben,  wozu  die  Geschwindigkeit  im  Endlichen  ax  übertreffen  muls. 


Nachtrag,  555 

§.  VI.    Behandlung  des  Orenzfalles  t  ss  n. 

Der  Orenzfall  i  =  n  kann  für  sich  behandelt  werden,  oder 
auch  indem  man  in  den  obigen  Formeln  ass  5  setzt 

Man  hat  znn&cfast  anstatt  der  beiden  Gleichungen  (4)  hier 
nur  die  eine  Gleichung 

(ix-hof)  e'*^  Consta  (iX-h  X')e'^  .    .    .    (31) 
Diese  Gleichung  integrirt  ^ebt 

wo  C  eine  willkürliche  Constante  ist,  die  dadurch  bestimmt  wird, 
dafs  für  ^  =s  T,  j;  =  X  sein  solle.     So  erhält  man 

jP«^.(r-ojx_(y— t)(eX4-X';}   .     .     .    (32) 
und  durch  Division  mit  (31)  in  (32) 

—  «  =  -^ — :=z-.  —  r=s  const 


Gleichung  (12)  ergiebt  für  a=s5: 

a?^''  =  (— f)'.  e'('-'>  (X  —  i'  -h  «<  —  tr)  ^, 
und  daher  für  i^  ss  o  und  ir  =:  i 

«=:|c'Cr-r)  |i_,(y_j)|^       ....      (83) 

Ä'«|«»«'(-0(r  — 0 (34) 

Diese  Gleichungen  entsprechen  den  Gleichungen  (XIY)  und 
(XV)  der  Abhandlung.    Da  für  a  =  6  der  bestfindige  Zeitunterschied 

A  =  —   wird,  so  ist  für 

1  12 

Iq  =s  T ,  T,  f ,  s=r  T  H ,      f;,  =  r  H ,    U.  S.  W. 

£  8  8 

Wird  ^  positiv  genommen,  so  sind  für  ts=  —  oo:«=s  —  oo, 
^  =3  +  oo,  und  zwar,  der  geringeren  Dämpfung  halber,  beide  von 

höherer  Ordnung,    als    für   ein   endliches  r;   —  ist  =  —  8.     Im 

X 

Endlichen  sind  die  Curven  (33),  (34)  zunächst  convex  gegen  die 
Abscissenaxe  der  Zeiten.  Es  folgen  einander  in  dem  wiederum 
nur  von  den  Constanten  der  Vorrichtung,  nicht  von  ^  abhängigen 


556  Nachtrag. 

Abstände  —  die  vier  Zeitpunkte  t^^  r,  f„  t„.    Für  ^  sas  -4-  oo  schlie- 

fsen  sich  beide  Canren  asymptotisch  der  Axe  der  Zeiten  an,  aod 
o/  ist  =  —  f «. 

Die  in  der  Abhandlang  aufgestellten  Gleichungen  für  die  ver- 
schiedenen FaUe  mit  und  ohne  Anfangsgeschwindigkeit  findet  mao 
ähnlich  wie  dies  im  §.  IV  für  ein  endliches  r  gezeigt  wurde,  indeoi 
man  in  (32)  für  T,  X^  X*  die  Werthe  ^o»  0,  a/©;  ''»  $»  0  a. s.v. 
einfahrt  and  fo,  r,  <,,  tn  =  0  setst. 

Soll  cor  Zeit  t  der  Nallpankt  noch  zu  aberschreiten,  d.h.  soll 

t^-^t^ - 

positiv  sein,  so  müssen  x  and  af  verschiedenen  Zeichens,  and  der 
absolute  Werth  von  sf  maTs  grofser  als  der  von  tx  sein.  Diese 
Bedingung  ist  nur  für  die  Zeit  t  erfüllt,  welche  dem  Zei^ankt  (q 
vorangegangen  ist,  da  im  folgenden  Zeitabschnitt  A,  bis  zu  t  hin, 
X  und  o/  einerlei  Zeichens  sind,  von  r  ab  aber,  wo  x  und  £  nie- 
der verschiedenen  Zeichens  sind,  der  absolute  Werth  von  jf  kleiner 
ids  der  von  tx  ist,  und  diesen  erst  für  ^ss  4.  00  erreicht  Das 
also  ist  der  wahre  Sinn  der  in  der  Abbandlong  gefundenen  Be- 
dingung  s^  >  ( —  tx)  für  das  Überschreiten  des  Nullpunktes  im 
Falle  r  =  0  (vergl.  oben  S.  538). 

Der  zweite  Hauptfall  findet  hier  nicht  mehr  statt,  sondern  der 
Nullpunkt  wird  überschritten,  sobald  die  Geschwindigkeit  die  Fall- 
geschwindigkeit aus  der  negativen  Unendlichkeit  höherer  Ordnang 
übertrifft,  d.  h.  af  grüfter  ist  als  a«. 

§.  Yn.     Die  Curven  der  Geschwindigkeiten  bezogen  auf 
die  Ablenkungen  im  allgemeinen  Fall  s  >  n. 

Das  Ganze  dieser  Beziehungen  wird  klarer,  wenn  wir  von 
X  und  x^  als  Functionen  der  Zeit  übergehen  zur  Betrachtung  von  / 
als  Function  von  ar,  d/  s=  <p(x)  (vergl.  Abh.  S.  821  und  oben  S.  538}. 

In  Fig.  3  stellt  die  Gerade  [ —  «,  0,  •+•  x]  die  beiderseits  voa 
Nullpunkt  in's  Unendliche  sich  erstreckende  Scale  vor,  auf  weick 
als  Abscissenaxe  die  Geschwindigkeiten  a^  als  Ordinaten  aufgetragen 
sind.  Die  beiden  Geraden  AÄ\  BB*  stellen  die  beiden  Gleichungei 
(29)  und  (30): 


Nachtrag,  bbl 

Tor.  Die  Carve  t^riftttO  ist  alsdann  für  ein  positives  ^  die  Cürve 
des  ersten  Hauptfalles ,  yrelche  auf  der  negativen  Seite  aus  dem 
Unendlichen  kommend  im  Funkte  4;  ==  +  ^  zur  Zeit  r  die  Scale 
schneidet,  und  bei  0  von  der  positiven  Seite  her  physikalisch 
endet.  Die  Funkte  ^09  ^»  ^m  ^n  bezeichnen  die  oft  erwähnten, 
eine  arithmetische  Reihe  bildenden  Zeitabschnitte  A.  Kommt  der 
Magnet  von  der  anderen  Seite,  so  hat  die  Curve  die  Lage  ^o^'o. 
Die  Gurven  des  zweiten  Hauptfalles  liegen  wie  0^,  0^'  nothwen^ 
dig  zwischen  den  Geraden  AA'<i  BB\  die  selber  den  Grenzcurven 
(25),  (26)  entsprechen;  aus  dem  Unendlichen  kommend  enden 
auch  die  Gurven  0^,  0^  und  die  Geraden  0^,  O^i',  0^,  oB' 
physikalisch  am  Nullpunkt,  und  die  im  rechten  unteren  Quadran- 
ten verlaufenden,  0^',  0^',  oB',  entsprechen  ihrer  Lage  nach  den  in 
unserer  Fig.  2  dargestellten  Gurven. 

Wo  immer  man  von  einem  Punkt  irgend  einer  der  Gurven 
parallel  der  a/-Aze  eine  Gerade  nach  einer  der  Geraden  AA\  BB' 
ziehe,  wie  z.  B.  jc'a,  j:'b  in  der  Figur,  findet  man  für  die  Länge  der 
Geraden  j/a,  jc'b  beziehlich  den  Ausdruck  ao?  -4-  j/,  bx-h  ^y  wo  ax, 
bx  und  x',  je  nach  der  Lage  des  Curvenpunktes,  positiv  oder  negativ 
sind.  Wir  gelangen  so  zur  Einsicht  in  die  Bedeutung  der  für  uns  so 
wichtigen  Ausdrücke  (9).  Sie  messen  in  der  Richtung  der  af-Axe 
die  Entfernung  des  Curvenpunktes  von  den  Geraden  AA\  BB'; 
und  sie  sind  positiv  jedesmal  dafs  der  Punkt  (in  unserer  Figur) 
nach  oben  und  rechts  von  der  Geraden  liegt,  negativ  im  anderen 
Falle;  daher  sie  für  die  zwischen  den  Geraden  AA'^  BB'  liegen- 
den Curvenpunkte,  wie  der  zweite  Hauptfall  es  mit  sich  bringt, 
verschiedenen  Zeichens  sind. 

Eliminirt  man  die  Zeit  zwischen  den  Gleichungen  (16)  und 
(17)  des  ersten  Hauptfalles  (vergl.  die  achte  Folgerung),  so  erhfilt 
nian  die  mit  dem  Ausdruck  auf  S.  827  der  Abhandlung  identische 
Gleichung 

C-^)"-C-^)' p" 

welche  also  die  Gleichung  der  Curve  tQ  r  t,  t,,  0  ist.  Eliminirt 
man  ebenso  die  Zeit  zwischen  den  Gleichungen  (19)  und  (20)  des 
zweiten  Hauptfalles,  so  erhält  man 

(^)'-C-^)'  ■  ■  •  •("« 


558  Naehtrag. 

dlB  Gleichung  aller  der  Canren  0^,  die  für  ii^^end  eio  IC  und  S 
swischen  den  Grenzcnrven  0^',  off  liegen. 

Setxt  man  in  (36) 

-»  =  6-ar4-:f'  =  -fr$,  J     •   •   •   •  ^'^'^ 

so  onteracbeiden  sich  (35)  und  (36)  nar  noch  durch  daa  ncgatire 
Zeichen  Ton  6^  in  (36),  dem  aber  auch,  nach  den  Voraoasetsongeii 
des  zweiten  Hanptfalles,  ein  negativer  Werth  des  Zfihlers  hx  -k-s^ 
entspricht  Durch  dieselbe  Sabstitation  werden  die  Gleichnngen 
(19)  und  (20): 

««l.(ae*'^-"4-fte««^-'0> ^ 

x'«— ^  («»<»•- 0  4.^  «•-•)). (39) 

sie  unterscheiden  sich  also  von  den  entsprechenden  Gleichunges 
des  ersten  Hauptfalles  (9)  und  (10) 

2r  ^  ' 

af  T=  ^^  (e«  (^-0  —  e*  ^"-'0» 

nur  noch  dadurch,  dafs  in  den  Gleichungen  (38),  (39)  T  for  r 
steht  und  beide  Tennen  in  der  Klammer  positiv  sind;  sie  werden 
identisch  mit  den  Gleichungen  (16*)  und  (17*)  auf  S.  550,    wenn 

man  T  s=  t  und  wie  dort  ^  =  —  f ,  setzt 

Unter  der  zu  einem  bestimmten  X  und  T  gehörigen  Schaar  ron 
AblenkuDgscurven  (1 9)  des  zweiten  Hauptfalles  und  der  entsprechen- 
den Schaar  von  Geschwindigkeitscurven  (20)  giebt  es  also  stets 
ein  Paar  zusammengehöriger  Curven,  deren  Gleichungen  durch 
Elimlniren  der  Zeit  einen  Ausdruck  liefern  identisch  mit  dem, 
welchen  gleichfalls  durch  Eliminiren  der  Zeit  die  Gleichungen  der  xn 
einem  bestimmten  ^  uud  r  gehörigen  Ablenkungscurve  und  Geschwin- 


Nachtrag,  559 

digkeitscarve  des  ersten  Haaptfalles  liefern«    Es  ist  jenes  Paar  das, 
für  welches  aur  Zeit  <  =  T')  in  (19)  und  (20) 


x=X=^^ 


sf^X'^  —  ^ 


a-b' 
2ab 


(40) 


Bind  [(37),  (38),  (39)].  Wir  wollen  dies  X  und  X',  «um  Unterschiede 
von  dem  allgemeinen,  X,  S\  und  die  zugehörige  Zeit  £  nennen. 
3^  ist  >  ^;  soll  Curve  (38)  durch  den  Gipfel  der  Ordinate  ^  gehen, 
so  mufs  S  >•  r  sein.  Weitere  Bemerkungen  über  das  gegenseitige 
entsprechen  der  bezüglichen  Curven  des  ersten  und  zweiten  Haupt- 
falles  finden  sich  oben  in  der  fünften  und  sechsten  Folgerung.  Das 
dortige  ^,  ist  hier  X  genannt. 

Von  dem  so  bestimmten  Curvenpaare  werden  sich  die  af  des 
zureiten  Hauptfalles,  bezogen  auf  dessen  «,  mit  den  af  des  ersten 
Hanptfalles,  bezogen  auf  die  gleichen  x,  für  das  nämliche  ^  in 
Eine  Construction  zusammenfassen  lassen.  Zu  dieser  schreiten 
wir  nun,  indem  wir  von  den  übrigen  Curven  des  zweiten  Haupt- 
falles,  welche  zu  der  des  ersten  Hauptfalles  nicht  in  der  eben 
entwickelten,  merkwürdigen  Beziehung  stehen,  vorläufig  absehen. 

Um  Gleichung  (35)  auf  eine  für  die  Discussion  bequemere  Form 
za  bringen,  machen  wir  die  Geraden  ÄA\  BB'  zu  Axen  eines 
schiefen  Coordinatensjstemes;  die  Gerade  BB*  sei  die  Absdssen- 
axe,  die  Gerade  AA*  die  Ordinatenaxe;  die  neuen  Abscissen  eines 
Punktes  x,  af  der  Curve  (z.  B.  des  Punktes  i^  in  der  Figur)  mö- 
gen 3*,  die  neuen  Ordinaten  y;  heifsen.    Man  hat 


')  Wegen  der  Schwierigkeit,  Gleichung  (16*)  umzukehren,  und  die  Zeit  als 
ezplicite  Function  von  x  darzustellen,  läfst  sich  Ton  der  Zeit  T  nur  noch 
aussagen,  dafs  sie  zwischen 

liege.     Dies  sind  die  Werthe  fSr  T,  die  den  Gleichungen  (23)  und  (24)  der 
Grenzcurren,   zwischen  denen  die  Ablenkungscurren  des  zweiten  Haaptfalles 

verlaufen,  f ur  x  =  g  und  x  =:  g r  (40)  genügen;    die  Zeiten  also,    zu 

^ *  I     JL 

a  +  ö 

welchen  die  Ordinaten  dieser  Curven  den  Werth  H r  annehmen. 

o—  6 


560  Naehtrag. 


ax 

cosa 

cos  p 


wo  A  and  )8  die  sa  a  und  fr  als  Tangenten  gehörigen  Winkel  be- 
deaten,  and  darcb  Einsetzen  dieser  Werthe  in  (35) 


n 


oder,  wenn  wir  kurzehalber 

(bYi 


setzen, 

r>  =  C .  £•« (4i) 

Wir  haben  es   also  mit  einer  anf  schiefe  Coordinaten  bezogenen 
Parabel  vom  -r-ten  Grade  zu  thon.     Sind  a  und  h  ganze  Zahleiu 


1)  Kennt  man  x,  x',  tj,  d  die  geraden  and  schiefen  Coordinaten  eines  be- 
liebigen, Xf  X\  H,  O  die  eines  gegebenen  Punktee  einer  der  vier  Gurren,  so 
kann  man  stet«  setzen 

aX-hX'"'®'     bX-hX^'^B' 
Biso,  da  nach  (4) 

(o*  -4-  ä'  \* /  Aar  4"  a:^  \* 

3v« 


©-© '" 


Macht  man  JTss  -f-g,  JJC'=0,  so  werden  H  und  O  die  schiefen  Coordi- 
naten Ha,  O^  des  g- Punktes,  in  welchem  die  Curve  des  ersten  Haupt&Ik> 
die  z-Ane  schneidet  (s.  ^ei  t  in  der  Figur).    Es  ist 


^         ^sin(«  — ß)  2r 

-.  .        cos «  a  tsVi  -h  *' 

^  ^öin(a  — ß)  2r 

Durch  Einsetzen  dieser  Werthe  in  (41a}  erhalt  man  gleichfalls  (41). 


Nachtrag.  561 

80  bestimmen  deren  Qeradheit  oder  Ungeradheit  und  das  Zeichen 
von  C,  in  welchem  der  vier  Coordinatenwinkel  Parabelzweige  liegen 
und  wie  sich  diese  im  Nullpunkte  verhalten,  ob  sie  in  einander 
übergehen,  eine  Spitze  bilden,  u.  s.  w.  C  würde  beiläufig  in  diesem 
Falle,  wegen  des  geraden  Exponenten  2  r,  auch  für  ein  negatives  ^ 
positiv  sein.  Physikalisch  hat  indefs,  wie  schon  bemerkt,  ein  Zu- 
sammenhang der  Garven  im  Nullpunkte  keinen  denkbaren  Sinn; 
auch  werden  a  und  b  nur  ausnahmsweise  nicht  irrationale  Zahlen 
sein.  Ohne  die  am  Nullpunkte  möglichen  Singularitäten  weiter  zu 
ergründen,  schreiben  wir  Gleichung  (42)  daher  besser  folgender- 
mafsen: 

Hog »;  es  a  log  S  -h  log  C (43) 

^  ist  von  gleichem  Zeichen  mit  ^,  und  für  Jeden  der  beiden  Werthe 
von  &  kann  y;  wiederum  positiv  oder  negativ  sein;  die  Logarith- 
men sind  von  den  absoluten  Werthen  der  Grofsen  zu  nehmen. 
So  stellt  Gleichung  (43)  für  jede  der  vier  möglichen  Zeichencom- 
binationen  je  einen  Curvenzweig  vor,  der  sich  vom  Nullpunkt 
in's  Unendliche  erstreckt. 

Beispielsweise  betrachten  wir  nun  näher  das  Paar  dieser 
Zweige,  welches  den  beiden  Werthen  von  vj  für  ein  positives  ^ 
und  3"  entspricht.  Der  bequemeren  Discussion  halber  kehren  wir 
dabei  zu  der  Gestalt  der  Gleichung  zurück,  wie  sie  (42)  zeigt. 
Der  erste  Differentialquotient  ist 


der  zweite 


der        b 


d'tj       2ra     ^\.    ^^-j 


•  d<T 


Welchen  endlichen  Werth  man  auch  a  und  b  beilege,    für  &  s=s  o 

»  dvi 

sind  r}  und  auch  -pr  =  0;  die  Curven  berühren  also  im  Nullpunkte 

die  Gerade  BB*,  entsprechend  unserem  früheren  Ergebnifs:  für 
««-+-00,  sf^^bx  in  beiden  Hauptfällen  [(18),  (22)].  Beide 
Zweige  steigen  convex  gegen  die  Abscissenaxe  vom  Nullpunkt 
in's  Unendliche  beziehlich  auf-  und  abwärts,  wobei  der  den  po- 
sitiven r,   entsprechende   Zweig    den  Nullpunkt   überschreitet,    der 


562  Nachtrag. 

den  negadTen  if  eotsprechende  auf  der  positiven  Scalenseite  bleibt 

Die  Constroction   lehrt,   dafs    in   der  NShe   des  Nallpnnktes  die 

Krümmung   der  Corre   oberl^alb    der  Geraden  BBf  eine  stSrkere 

dt} 
ist  als  unterhalb.    Für  S'  s=a  -h  oo  werden  db  *j  und  ±  -pr  =  ±  oo; 

«CT 

beide  Zweige  entfernen  sich  also  immer  weiter  von  der  Geraden 
AA\   nehmen   aber   dabei   immer  mehr  deren  Richtung  an,   ent- 

sprechend  unserem  früheren  ErgebniTs;  für  <  =  —  oo,  —  =  —  0 
in  beiden  Hauptf&llen. 

Die  Gleichung  einer  Tangente  an  irgend  einem  Punkte  r„  3, 
der  Gurre,  auf  dieselben  schiefen  Coordinaten  bezogen,  lautet 

H  —  r„tss—-  .  .^-  (6 — N/,), 

0         CT, 

wo  H,  8  die  Coordinaten  der  Punkte  der  Tangente  bedeuteo. 
Setzt  man  für  9;,,  S'o  die  Coordinaten  H^,  8^  des  ^-Punktes 
[(415},  S.  560  Anm.],  so  wird  die  Gleichung 

H  cos  «  SÄ  8  cos  ß  —  f. 

Dies  ist  die  Gleichung  einer  Geraden,  welche  parallel  der  2^-Axe 
durch  den  ^- Punkt  bei  r  geht:  die  Curve  des  ersten  Hauptfalles 
schneidet  folglich  die  x-Axe  senkrecht  (vergl.  Abhandl.  S.  826). 

Es  ist  gleichgültig,  ob  man  in  (41)  1;  und  3-  mit  einer  Con- 
stanten kj  oder  ob  man  ^  mit  -r-  multiplicirt:  Verfinderong  Ton  ^ 

erzeugt  also  eine  Schaar  ähnlicher  Cunren. 

Bei  gleichem  d-  ist  vi  um  so  kleiner,  je  grofser  ^;  ^  =5  00 
macht  1;  s=  0  für  jedes  endliche  •&.  Bei  wachsendem  positivem  | 
schmiegen  sich  mithin  die  Curve  des  ersten  und  die  dea  zweiteii 
Hauptfalles,  jene  von  oben,  diese  von  unten,  vom  Nullpunkt  her  der 
Geraden  ^£'  auf  der  positiven  Seite  an;  für  ^ss  00  versclunelzec 
sie  im  Endlichen  mit  dieser  Geraden.  Hinsichtlich  der  Curve  des 
ersten  Hauptfalles  entspricht  dies  Ergebnifs  unserem  friiheren  £r- 
gebnifs:  für  ^=-<-oo,  af  s=  —  hx  für  jedes  endliche  t  (S»  oben 
S.  538;  Abhandl.  S.  826);  nur  denken  wir  uns  jetzt  das  unend- 
liche ^  entstanden  durch  Überschreiten  des  Nullpunktes  mit  xxn- 
endlicher  Geschwindigkeit  nach  Fall  aus  unendlicher  Feme  höherer 
Ordnung  (vergl.  oben  S.  547). 


Nachtrag.  563 

^  SS  0  macht  C  as  oo ,  also  3  =s  o  für  Jedes  endliche  vi ;  die 
Carve  des  ersten  Hauptfalles  fällt  zusammen  mit  der  Geraden 
AA  auf  der  negativen  und  die  Cnrve  des  zweiten  Hauptfalles  mit 
derselben  Geraden  auf  der  positiven  Scalenseite,  und  so  geht  hier 
beziehlich  der  erste  Hauptfall  in  den  zweiten,  oder  der  zweite  in 
den  ersten  über.  Dies  ist  das  analytische  Abbild  dessen  was  man 
beobachtet,  wenn  man  far  s  >•  n  dem  Magnet  im  Augenblicke,  wo 
man  ihn  aus  einer  stets  gleichen  Ablenkung  fallen  läfst,  beziehlich 
einen  immer  schwächeren  oder  immer  stärkeren  Inductionsstofa 
ertheilt,  so  dafs  zuletzt  der  Nullpunkt  nicht  mehr  überschritten 
wird,  oder  eben  anfSngt  überschritten  zu  werden. 

Macht  man   -^  s=  2,  so  wird  die  Curve  eine  gemeine  Parabel, 

\_ 

welche  die  ^-Axe  im  Nullpunkte  berührt,  deren  Axe  der  «;-Axe 
parallel,  und  deren  Parameter 

sin'(a-/3) 
2p  =  j 

CT 

ist.  Die  Cnrve  des  zweiten  Hauptfalles  auf  der  negativen  Seite 
ist  die  Fortsetzung  der  Curve  des  ersten  Hauptfalles  auf  der  po- 
sitiven Seite  und  umgekehrt;  man  hat  zwei  Parabeln,  die  einander 
im  Nullpunkte  berühren. 

Da  die  Tangente  am  Scheitel  der  Parabel  senkrecht  steht  auf 
der  Parabelaxe,  welche  mit  der  Tangente  am  negativen  Maximum 
der  auf  die  a;-Axe  bezogenen  Parabel  den  Winkel  rr,  mit  der 
Tangente  am  ^- Punkt  den  Winkel  SO**  —  «  bildet,  so  fällt  der 
Scheitel  weder  mit  dem  einen,  noch  mit  dem  anderen  dieser  beiden 
Punkte  zusammen,  sondern  liegt  zwischen  ihnen,  um  so  näher 
dem  Maximum,  je  grofser,  um  so  näher  dem  ^-Punkte,  je 
kleiner  «r. 

Macht  man  nun  noch  n  =  45^,  also  a  =  1,  &  =s  ^,  so  folgt 
ans  den  Eigenschaften  der  Parabel,  dafs  der  Scheitel  in  der  Mitte 
zwischen  den  beiden  Punkten  liegt.  Die  den  ^- Punkt  und  das 
Maximum  verbindende  Gerade  geht  durch  den  Brennpunkt  F^  ihre 
Lange  yh  ist  der  Parameter 


564  Nachtrag, 

2p  = r=  s=  0,35355. 

21/2 

Das  Mazimnm  y,  ist  =s  —  ^;  die  Axe  der  Parabel  schneidet  die 
;r- Axe  bei  jr,  ss  |.;  £^  ist  ss  2  u.  s.  w.  Diese  Verhältnisse  li^n 
Fig.  3,  und  wie  schon  bemerkt,  auch  Fig.  1  und  2  zn  Grunde 
(vgl.  oben  S.  545.  553). 

Die  übrigen  Gurren  des  zweiten  Hauptfalles  sind  jetzt  noch 
genauer  zu  betrachten.  Für  eine  und  dieselbe  Vorrichtung,  d.  h. 
ein  und  dasselbe  a  und  h  entspricht  im  zweiten  Hauptfalle  jedem 
X  eine  Schaar  von  Curven  der  Ablenkungen  und  eine  Schaar  von 
Curven  der  Geschwindigkeiten  bezogen  auf  die  Zeit.  Die  ein- 
zelnen Curven  dieser  beiden  Schaaren  unterscheiden  sich  durch 
den  Werth  von  X'y  welcher  zwischen  hX  und  aX  schwankt 
Da  unendlich  viele  X  denkbar  sind,  giebt  es  dergestalt  nnend- 
lichmal  unendlich  viele  Ablenkungs-  und  Geschwindigkeitscurren 
des  zweiten  Hauptfalles  bezogen  auf  die  Zeit.  Wird  aber  die 
Geschwindigkeit  auf  die  Ablenkung  bezogen,  so  hat  man  nur 
noch  Eine  Curvenschaar  des  zweiten  Hauptfalles,  welche,  mit  den  sie 
einschliefsenden  Grenzcurven,  für  alle  Werthe  von  X  dieselbe  bleibt 
Denn  da  die  Bewegung  des  Magnetes  durch  bestimmte  Geschwin- 
digkeit bei  bestimmter  Ablenkung  eindeutig  bestimmt  ist,  kann 
durch  einen  zwischen  den  Geraden  AA\  BB'  gelegenen  Punkt,  ab 
Gipfel  einer  Geschwindigkeitsordinate,  auch  nur  Eine  Curve  gehen. 
Je  grofser  3(  und  je  kleiner  folglich  93  (s.  oben  S*  551),  um  so 
nfiher  der  Geraden  BB\  je  grofser  33  und  je  kleiner  9(,  um  so 
näher  der  Geraden  AA'  verl&uft  die  Curve;  für  9(  =  2rX,  33  =  0 
fällt  sie  mit  BB'y  für  93  =  2rX,  9  =  0  mit  AA'  zusammen.  Die 
zu  einem  bestimmten  X  gehörigen  Ordinaten  —  bXy  —  X'y  —  aX 
aber  sind  jedesmal  die  nämlichen,  die  in  Fig.  2  bei  gleichem  Mafs- 
stabe  zu  demselben  X  und  zur  Zeit  T  geboren  würden  (27). 

Für  £  a=  r  z.  B.  schwankt  in  Fig.  2  die  Ordinate  sämmtlicher  Ge- 

sehwindigkeitscurven  zwischen    a/  = ~  und  a/  =  —  f,  M*ährend 

sämmtliche  Ablenkungscurven  sich  im  Gipfel  der  Ordinate  +  ^ 
schneiden  (vergL  oben  S.  554).  Demgemäfs  sind  in  Fig.  3  die 
Ordinaten  —  a^  und  —  b^  der  Geraden  AA\  BB*^  bezieh  lieh  =  1 
und  SS  ^.    Dagegen  schneiden  sich  in  Fig.  2  sämmtliche  Geschwin- 

digkeitscurven    bei    t,    im    Gipfel    der    Ordinate   —  ~-,  während 


Nachtrag, .  565 

die  Ordinate  der  Ablenkungscurven  zwischen  x  =  H-  7-  und  x  =  -i-  -^ 

schwankt  (vergl.  oben  S.  554).  In  Fig.  3  stellt  sich  dies  so  dar, 
dafs  die  der  d:- Axe  parallele  Gerade  d/  =  ^  die  Gerade  AA  bei 

X  =:  -i-  -^,  die  JBJ?'  bei  «  =  4-  Y  schneidet.     In  Fig.  2  würde 

mit  wachsendem  ^  die  Steilheit  der  Gurven  wachsen  (s.  oben 
S.  553);  in  Fig.  3  bleiben  die  Carven  für  jedes  ^  die  nämlichen, 
und  nur  die  bezeichneten  Schneideponkte  rücken  mit  wachsendem 
^  weiter  vom  Nullpunkte  fort. 

Man  vergegenwärtige  sich  nun  die  Schaar  der  durch  ^  unter- 
schiedenen Curven  des  ersten  Hauptfalles.  Mit  einer  jeden  von 
diesen  wird  eine  der  durch  %  und  93  unterschiedenen  Gurven  des 
zweiten  Hauptfalles  in  der  obigen  Art  gemeinsam  construirbar  sein; 
und  eine  einfache  Gonstruction  dient,  die  so  zusammengehörigen 
Carven  beider  HauptfUle  zu  bestimmen.  Diese  Gonstruction  ist 
in  Fig.  4  in  kleinerem  Mafsstabe  besonders  vorgefahrt,  da  sie  für 
ein  so  grofses  ^,  wie  es  aus  anderen  Gründen  in  Fig.  3  nothig 
war,  zu  weite  Ausdehnung  dieser  Figur  bedingt  hätte,  wie  denn 
aus  demselben  Grunde  in  Fig.  2  die  Darstellung  der  zu  X  gehörigen 
Carven  unterblieben  ist. 

Aus  (36)  folgt,  dafs,  wenn  %\  93'  das  3t  und  93  bedeuten,  für 
welches  X  =»  X,  X'  =  X',  man  stets  haben  müsse 

a'  :  93'  : :  a  :  *. 

Man  ziehe  irgendwo  eine  der  a/-Axe  parallele  Gerade  JiA\  und 
theile  die  Strecke  —  (a  —  h)  X  «s  B*A!  im  YerhältniTs  von  a  :  &  so 
ein,  dafs  das  a  entsprechende  'gröfsere  Stuck  an  A!  stofse.  Man 
hat  dann 

die  Punkte  X,  B'y  C\  A!  liegen  harmonisch,  und  die  Geraden 
OX,  0^',  oC,'  ^A!  sind  harmonische  Strahlen.  Zieht  man  von  C 
nach  r  dem  Strahle  ^A!  parallel  eine  Gerade,  so  wird  diese  durch 
den  zugeordneten  Strahl  oB'  in  ihre  beiden  Hälften  -f- 1;  und  — if 
getheilt.  Da  oB'  die  d-Axe  ist,  so  sind  C  und  r  Curvenpunkte, 
und  der  Strahl  oC,  der  zur  Gleichung  hat  (40) 

_        2tf5 
a 


566  Nachtrag. 

ist  der  Ort  aller  Carvenpnnkte  des  sweiten  Hauptfalles,  deren  i 
bei  gleichem  S*  dem  i}  des  ^-Punktes  irgend  einer  Curve  d« 
ersten  Hanptfiilles  gleich  und  entgegengesetzt  ist  aJc  +  S'  rs  1 
ist  sichüich  =  a$;  fti  -*-  I'  =  —  »' «  —  ftf .  In  Fig.  4  sinl 
abermals  ^asl,  acsl,  6  =  ^  gemacht;  demgemäfs  ist  JE  =  3^ 
r  s  2;   die  Gleichung  des  Strahles  OC  ist 

3 

Da  für  alle  Corven  des  rweiten  Hanptfalles,  ausgenommen  für  die 
Grenzcnrve  0A\  am  Nullpunkte  d/  b=  —  hx  [(22),  (29)],  und  für 
alle,    ausgenommen    für    die    Grenxcurve    oB\    im    Unendlicbeft 

—  ai  —  a  [(21),    (23)],    so  schneiden    s£mmtliche  Corren  des 

X 

Strahl  0C^     Schreibt  man  Gleichung  (36) 

(ax  4-  J^)"  _    («0"    _      g^        t,^ 
(6x4-«')*  ""(—33')*  ""(—*)* '^    ' 

so  xeigt  sich  abermals,  dafs  für  ^s=sO,  x'sss  —  nx,  und  iiir 
^  sa  oo,  x'  SS  —  hx  wird  (vgl.  oben  S.  562);  der  Annahme  ^  =  0 
genfigen  aber  femer  X  und  X'  =:  o,  und  der  Annahme  ^  =  oo 
genügen  X  und  X'  ==  oo;  für  ^  &=  0  also  rfickt  der  Schneide- 
punkt C  auf  der  Geradem  OC  an  den  Nullpunkt,  für  ^  s=  oo  in 
die  Unendlichkeit, 


§.  YIIL     Die  Curve  der  Geschwindigkeiten  besogen  auf 
die  Ablenkungen  im  Grenxfall  t  b=  n« 

Denkt  man  sich  den  Winkel  n  —  ß  immer  kleiner  bis  zum 
Verschwinden,  so  hört  im  Augenblicke,  wo  die  Geraden  AA\  BB 
zusammenfallen,  der  zweite  Hauptfall  zu  bestehen  auf,  und  Ton  den 
vier  Curvenzweigen  der  Fig.  3  bleiben  nur  die  beiden  übrig,  welche 
den  ersten  Hauptfall  vorstellten.  Auch  die  Transformation,  bei 
der  jene  Geraden  als  Axen  eines  schiefen  Coordinatensystemea  be* 
nutzt  werden,  wird  unmöglich.  Man  kann  aber  mit  ausreichen- 
dem Erfolge  diese  Transformation  durch  mehrere  andere,  z.  B. 
durch  die  in  Fig.  5  sichtbare,  ersetzen.  Hier  ist  Otnt,rt^  wieder 
die  Curve  sfss<p{x)  für  ein  positives,  OrVo  die  für  ein  nega- 
tives ^. 


Nachtrag.  567 

Die  gegenwärtige  Constmction  entsteht  aus  der  vorigen,  wenn 
man  sich  unter  der  d-Axe  jet£t  die  Gerade  denkt,  welche  mit  der 
x-Axe  den  zu  s  als  Tangente  gehörigen  Winkel  m  einschliefst, 
während  man  in  Gedanken  die  ij-Axe  so  weit  von  der  •S'-Axe 
fortdreht,  dafs  sie  mit  der  a/-Axe  zusammenfällt  Die  Richtungen, 
in  denen  die  17  und  d  wachsen,  bleiben  dieselben. 

Ganz  wie  für  ein  endliches  r  die  Ausdrücke  (9)  den  Abstand 
der  Corvenpunkte  von  den  Geraden  AA\  BB'  in  der  Richtung 
der  af-Ane  mafsen,  mifst  nun  sx^^a/  deren  in  derselben  Richtung, 
also  auch  in  der  Richtung  der  tj-Axe,  genommenen  Abstand,  z.  B. 
des  Cnrvenpunktes  ]C  von  der  Geraden  af  =s  —  ex.    Man  hat  also 

positiv  auf  der  oberen,  negativ  auf  der  unteren  Seite  der  3-Axe. 
Man  hat  femer 


tx  ==s  ^  sin 


cv. 


Eliminirt  man  die  Zeit  zwischen  den  Gleichungen  (33)  und 
(34),  so  erhält  man  die  mit  dem  Ausdruck  auf  S.  825  der  Ab- 
handlung  identische  Gleichung 


1     " 


f 


aj-f-j/^f^e        •ap+x', (44) 


die   hier  die   Stelle   von  (35)  vertritt.      Indem   man  in  (44)  für 
(X-Ho/,  BX  die  obigen  Werthe  setzt,  kommt 

1 sm  u 

i««^«       "  (45) 

oder 

3  =  .J!_  log  flli) , (46) 

Sin  w     ^  \   v\    J 

woraus  sich  das  Nothige  ergiebt.  Macht  man  ^  negativ,  so  wer- 
den r  und  3  negativ;  die  Gleichung  stellt  also  beliebig  den  einen 
und  den  anderen  der  beiden  Curvenzweige  vor^  welche  physikalisch 
Qür  getrennt  Bedeutung  haben.  Wir  verfolgen  von  diesen  Zwei- 
gen den  oberhalb  der  &-Axe  gelegenen.  Bei  der  Discussion  ist 
es  diesmal  bequemer,  die  i]-Axe  als  Abscissen-,  die  3-Axe  als 
Ordinatenaxe  anzusehen. 
[1870]  39 


568  Nachtrag. 

Es  ist 

d»)       sm w        \^  J 

^=  — _i_ 
dtj*  *j  sin  w  ' 

Ao)  Nullpunkte  fällt  die  Carve  zusammen  mit  der  c-Aie, 
entsprechend  dem  obigen  Ergebnifs:  für  t=  -h  oo,  x*  =  —  «i 
Die  Curve  steigt  dann^  concav  gegen  die  i}-Axe,  bis  za  eioes 
Maximum    am    ^-Punkte    bei    r    abwärts,    wo    97  =  f^;   da  hier 

-r—  =:  0  ist,  schneidet  die  Curve  die  «-Axe  senkrecht  (vergL  Ab- 

handlung  S.  823).  Von  hier  ab  steigt  sie  ohne  Wendepunkt  ins 
Unendliche  an.  Bei  y,  =  ee^  schneidet  sie  die  9}-Axe;  forUn  ist 
ihre  Ordinate  negativ^  und  sie  selber  convex  gegen  die  AbfidtteD- 
axe;  zuletzt  für  t;  s  00  nimmt  sie  wieder  die  Richtung  der 
•S'-Axe  an,  entsprechend  dem  obigen  Ergebnifs:  für  t  ss  —  00, 
^ 

X 

Es  ist  gleichgültig,  ob  man  in  (45)  oder  (46)  yi  und  c-  mit 
einer  Constanten  k,  oder  ob  man  ^  mit  -^  moltiplicirt:  Ver- 
änderung von  ^  erzeugt  also  eine  Schaar  ähnlicher  Cnrven. 

Für  ^  =  0  schmiegt  sich  die  Curve  dem  negativen,  ßr 
^  =  00  dem  positiven  Schenkel  der  3 -Axe  an,  und  im  letzteres 
Fall  ist  es  als  sei  der  Magnet  iiiis  unendlicher  Farne  höherer 
Ordnung  gefallen  und  habe  den  Nullpunkt  mit  unendlicher  6^ 
schwindigkeit  überschritten. 

Macht  man  ^  negativ,  so  verlegt  man  dadurch  den  Vorgang 
auf  die  andere  Scalenseite,  auf  der  Alles  Gesagte  symmetrisch 
wiederkehrt. 

In  der  Figur  ist  w  =b  45**,  $  =  1 ;  das  Maximum  der  Cor« 

1  S 

sf  zssz  (p(x)  wird  dadurch  = ,   und  liegt  bei  «  =  — ;  dieO^* 

2  3 

dinate   des   Wendepunktes   wird ^,    und   liegt   bei  <  "^  ^' 

endlich  die  Ordinate  j/o  ist  =6.  Die  Fig.  3  der  Abbandloiig 
entspricht  einem  Theile  dieser  Figur,  nur  dafs  dort  ^,  statt  ss  I. 
SS  2  gemacht  war. 


Nachtrag,  569 

Hr.  Kronecker  fugte  folgende  Bemerkung  hinzu: 

Läfst  man  den  Magnet  aus  einer  positiven  Ablenkung  je 
ohne  Dämpfung  fallen,  bis  er  eine  Ablenkung:  ^.cosv  erreicht, 
und  erst  an  dieser  Stelle  die  D&mpfung  eintreten,  was  sich  durch 
Schliefsen  eines  Gewindes  bewerkstelligen  liefse,  so  kann  man 
für  die  weitere  Bewegung  des  Magnetes  die  Orofsen  ^  und  t?  als 
Constanten  einführen.  Hiemach  erhfilt  man,  wenn  der  Nullpunkt 
der  Zeit  an  den  Eintritt  der  D&mpfung  und 

y6  sss  ya .  tg  tt  (O  <  tt  <  ^ff) 

gesetzt    wird,    Ablenkung    und    Geschwindigkeit    durch    folgende 
Gleichungen  bestimmt: 

^  sin  tt  cos  u 

oder: 

—  cos  2u  =»  cos  u  .  cos  (tt  -f- 1?)  .  €~^^  —  sin  tt .  sin  (tt  —  v)  e"""' 

r 

COS  2tt  =  sin  tt .  cos  (tt  -+-  t?)  .  e"*'  —  cos  tt  .  sin  (u  —  v)e  *". 

Für  ^  =  0  wird : 

X  s=  j  cos  ü ,       a/  =  —  ny  sin  v 
ax-j-  af       cos  tt  cos  (u  H-  r)       aaf  -{-  a/'       sin  u  cos  (m  -f-  v) 


bx-haf       sinttsin(tt  —  t?)  '     bxf -i- x^'      costt8in(tt  —  v)' 

Der  Ausdruck  -: — S i  durchläuft,  wenn  v  von  0  bis  u  geht, 

sm  (tt  —  V) 

alle  Werthe  von  cot  tt  bis  +  <» ,  hierauf  (während  v  von  u  bis  9r 

wächst)  stetig  zunehmend  alle  Werthe  von  —  oo  bis  cot  tt.     Liegt 

TT 

V  zwischen  0  und  tt  oder  zwischen u  und  rr ,  so  findet  der 

erste  Hauptfall  statt,   der  zweite  aber,   sobald  v  zwischen  u  und 

TT 

Y  —  tt  liegt. 

So   lange  o^—  ~  tt  ist,    d.  b.   so    lange    die  Dämpfung  bei 
einer  Ablenkung   eintritt,    welche   nicht  kleiner  als  jc.sintt   oder 

T  V 1  ist,  überschreitet  der  Magnet  nicht  seine  Ruhelage  a?  =  0, 

sondern  nähert  sich  derselben  asymptotisch  von  der  positiven  Seite 

39* 


570  Nachtrag. 

her.     Wenn  aber  v  zwischen u  und  —  liegt  und  demgem&fft 

«■  TS 

die  Ablenkung  bei  Eintritt  der  D&mpfung  positiv  und  kleiner  alii 
jr .  sin  tt  ist,  so  überschreitet  der  Magnet  die  Ruhelage,  kehrt  bd 
der  negativen  Ablenkung: 


b_ 

r 


^  \         COS  u        J       \sm  (v  —  «)/ 

um  und  n&hert  sich  alsdann  von  der  negativen  Seite  her  wiedi 

TT 

der   Ruhelage.      Wenn    endlich   v   zwischen  —  und  tt   11^, 

Dfimpfnng  also  erst  bei  einer  negativen  Ablenkung  beginnt, 
bewegt  sich  der  Magnet  im  Sinne  wachsender  negativer  Ableo 
gen  weiter  bis  zu  dem  durch  den  Ausdruck  (A)  gegebenen  Mal 
mum,  kehrt  alsdann  um  und  erreicht  schliefslich  von  der  negadvi 
Seite  her  seine  Ruhelage.     Der  Werth  x=sO  wird  also  für  positi 

endliche  Werthe  von  t  nur  erreicht«    wenn u  <v  <  — 

^2  2 

der  Werth  a/  =  0,   wenn 1*  <  c  <  w  ist. 

*  2 


MONATSBERICHT 

DBS 

KÖNIGLICH  PREÜSSI8CHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 
Juli   1870. 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  da  Bois-Reymond. 


7.  Juli.        öffentliche  Sitzung    der  Akademie  zur 

Feier  des  Leibnizischen  Jahrestages. 

Hr.  da  Bois-Reymond,  an  diesem  Tage  Vorsitzender  Se- 
kretär, eröffnete  die  Sitzung  mit  einem  einleitenden  Vortrag  aber 
Leibnizische  Gedanken  in  der  neueren  Naturwissenschaft  (wird  in 
einem  der  nächsten  Hefte  mitgetheilt  werden). 


Hierauf  verlas  derselbe,  als  Sekretär  der  physikalisch-mathe- 
matischen Klasse,  folgenden  Bericht  über  die  von  der  Akademie 
gestellten  Preisfragen: 

In  der  öffentlichen  Sitzung  am  Leibnizischen  Jahrestage,  dem 
4.  Juli  1867,  hatte  die  Akademie  aus  dem  Ell  er' sehen  Legate 
folgende  Preisfrage  gestellt: 

„Eine  grofse  Anzahl  der  in  dem  Organismus  der  Thiere  und 
Pflanzen  vorkommenden  chemischen  Verbindungen  hat  die  neuere 
Forschung  aus  den  Elementen  aufzubauen  gelehrt  Für  viele  sol- 
cher Substanznen  sind  jedoch  die  Bedingungen  der  Synthese  noch 
aufzufinden.  Es  ist  zumal  die  Klasse  von  Korpern,  welche  unter 
dem  Namen  „vegetabilische  Alkaloide^  zusammengefafst 
wird,  deren  synthetische  Erzeugung  bis  jetzt  kaum  in  Angriff  ge- 
nommen worden  ist. 

[1870]  ^  40 


572  Öffentliche  Sitzung 

Die  Akademie  glaubt,  dafs  der  Zeitpunkt  für  die  Losung  die- 
ser Aufgabe  gekommen  ist  und  sie  bietet  daher  einen  Preis  vod 
100  Ducaten  für  die  Synthese  des  Chinins,  Ginchonins,  Morphins, 
Strychnins  oder  Brucins.  Der  Preis  ivürde  auch  dann  noch  zuer- 
kannt werden,  wenn  es  dem  Bewerber  gelungen  wfire  aaa  eiDeni 
der  fünf  genannten  Alkaloide  eine  wohlcbarakterisirte  atickstofifreie 
Verbindung  au  erzeugen,  welche  sieb  durch  die  Einwirkung  3ti 
Ammoniaks  beziehungsweise  in  Chinin,  Cinchonin,  Morphin,  Steycb- 
nin  oder  Bruein  aurückverwandeln  liefse.*^ 

Auf  diese  Frage  ist  keine  Antwort  eingegangen.  Die  Aka- 
demie hat  beschlossen,  sie  unter  denselben  Bedingungen  zu  er- 
neuern. Die  ansBchliefsende  Frist  für  die  Einsendung  der  Arbei- 
ten, welche  lateinisch,  deutsch,  französisch  oder  englisch  geschrie- 
ben sein  können,  ist  nunmehr  der  erste  März  des  Jahres  1S7S. 
Jede  Bewerbungsschrift  ist  mit  einem  Motto  zu  versehen,  and  die- 
ses auf  dem  Äufseren  eines  versiegelten  Zettels,  welcher  den  Na- 
men des  Verfassers  enth&lt,  zu  wiederholen. 

Die  Entscheidung  über  die  Zuerkennung  des  Preises  von  100 
Ducaten  geschieht  in  der  öiTentlichen  Sitzung  am  Leibnizischeo 
Jahrestage  im  Monat  Juli  des  Jahres  1873. 

In  der  öffentlichen  Sitzung  am  Leibnizischen  Jahrestage,  dem 
2.  Juli  1868,  hatte  die  Akademie  aus  dem  Stein  er 'sehen  Legate 
folgende  Preisfrage  gestellt: 

^Die  von  Steiner  und  anderen  Geometem  über  die  Ober- 
flächen dritten  Grades  angestellten  Untersuchungen  haben  be- 
reits zu  einer  Reihe  wichtiger  Eigenschaften  derselben  gefuhrt. 
Aber  die  Theorie  der  Krümmung  dieser  Oberfl&chen  ist  von  den 
bisherigen  Untersuchungen  fast  unberührt  geblieben.  Die  Akade- 
mie wünscht  daher  eine  speciell  hierauf  gerichtete  Behandlung  der 
in  Rede  stehenden  Oberflächen.  Es  würde  sich  dabei  sunächst 
um  geometrische  Constructionen  für  die  beiden  Hauptkrum- 
mungs-Richtungen  und  Radien  in  jedem  Punkt  der  Ober- 
fläche handeln.  Als  zu  lösende  Hauptaufgabe  bezeichnet  aber  die 
Akademie 

die  Angabe  aller  Oberflächen  dritten  Grades,  deren  Krura- 
mungslinien  algebraisch  sind,  sowie  die  Bestimmung 
und  Discussion  dieser  Krümmungslinien. 


vom  7.  Mi  1870.  573 

Es  wird  verlangt,  dafs  die  zar  Yerifteation  der  Resultate  die- 
nenden analytischen  Erläuterungen  der  Lösung  hinzugefügt  seien.  ^ 

Auf  diese  Frage  ist  keine  Antwort  eingegangen.  Die  Akade- 
mie hat  beschlossen,  sie  unter  denselben  Bedingungen  zu  erneuem. 
Die  ausschliefsendö  Frist  für  die  Einsendung  der  Arbeiten,  welche 
lateinisch,  deutsch,  franzosisch  oder  englisch  geschrieben  sein  kön- 
nen, ist  nunmehr  der  erste  M&rz  des  Jahres  1872.  '  Jede  Bewer- 
bungsschriffe  ist  mit  einem  Motto  zu  versehen,  und  dieses  auf  dem 
Attfseren  eines  versiegelten  Zettels,  welcher  den  Namen  des  Ver- 
fassers enthält,  zu  wiederholen.  Die  Ertheilung  des  Preises  von 
600  Thalern  erfolgt  in  der  o£fentiichen  Sitzung  am  Lcibnizischen 
Jahrestage  im  Juli  1873. 

Den  Statuten  der  Steiner  sehen  Stiftung  gemäfs  hat  aber  die 
Akademie  zugleich  beschlossen,  den  heute  zu  vertbeilenden  Stei- 
ner'sehen  Preis  von  600  Thlrn.  dem  Hrn.  Schl&fli,  Professor 
an  der  Universitfit  zu  Bern,  für  zwei  von  ihm  veröffentlichte  und 
in  Verbindung  miteinander  stehende  Abhandlungen  zuzuerkennen. 

Die  erste  dieser  Abhandlungen  ist  im  2.  Bande  des  Qaarterly 
Journal  of  Mathematics  abgedruckt  unter  dem  Titel:  ^An  Attempt 
to  determine  the  27  lines  upon  a  surface  of  the  third  order  and 
to  divide  such  surfaces  into  species  in  reference  to  the  reality  of 
the  lines  upon  the  surface.^  Die  zweite  ist  im  December  1862 
durch  Hrn.  Cayley  der  Royal  Society  vorgelegt  und  in  den  Phi- 
losophical  Transactions  von  1863  gedruckt  worden  unter  dem  Ti- 
tel: ,,0n  the  Distribution  of  surfaces  of  the  third  order  into  spe- 
cies in  reference  to  the  absence  or  presence  of  Singular  points  and 
the  reality  of  their  lines.** 

Seitdem  die  Grundlagen  der  Theorie  der  Flächen  dritter  Ord- 
nung gleichzeitig  durch  Steiner  in  Deutschland,  durch  Cayley 
und  Salmon  in  England  entdeckt  worden  waren,  ist  nach  dem 
Urtheil  der  Akademie  durch  Niemand  ein  grofserer  Fortschritt  in 
dieser  Theorie  gemacht  worden,  als  durch  Hrn.  Schläfli  in  den 
beiden  erwähnten  Abbandlungen.  Dies  hat  die  Akademie  bestimmt, 
Hrn.  Schläfli  den  Steiner'schen  Preis  für  das  Jahr  1870  zu- 
zuerkennen. 


40^ 


574  Öffmüiehe  Sitzung 

Hierauf  verkündete  Hr.  Haupt  als  Secretar  der  pbiloaopbisGfa- 
historischen  Klasse  die  folgende  Preisanfgabe: 

Die  Origines  des  Isidoms  sind  nicht  nar  nnentbehrlich  für 
das  Yerstlindniss  der  Litteratar  des  Mittelalters,  das  einen  grosses 
Theil  seiner  Gelehrsamkeit  aus  ihnen  schöpfte,  sondern  auch  tod 
Wichtigkeit  für  die  classische  Philologie,  indem  die  Ton  Isidoms 
ausgeschriebenen  oder  benutzten  Stellen  noch  vorhandener  filterer 
Schriften  zur  Berichtigung  oder  doch  zur  Geschichte  der  Texte 
Beitrfige  gewähren,  ausserdem  aber  Manches  aus  verlorenen  Bnchem 
allein  durch  Isidorus  erhalten  ist  Die  sichere  Benutzung  der  Ori- 
gines wird  aber  erst  möglich  durch  sorgffiltige  und  soweit  es  er- 
reichbar ist  erschöpfende  Ermittelung  ihrer  Quellen. 

Die  Akademie  stellt  daher  für  das  Jahr  1873  als  Preisaufgabe 
eine  die  Origines  des  Isidorus  in  der  Reihenfolge  der  in 
ihnen  enthaltenen  Angaben  begleitende  Darlegung  ihrer 
Quellen. 

Die  von  Isidorus  ausgeschriebenen  oder  benutzten  Stellen  sind 
vollständig  mitzutheilen.  In  einer  Einleitung  ist  eine  Übersicht 
über  die  von  Isidorus  gebrauchten  Schriften  zu  geben,  die  Art  der 
Benutzung  darzulegen,  was  aus  jetzt  verlorenen  Büchern  genom- 
men ist  zusammen  zu  stellen  und  es  sind,  soweit  dies  besonnener 
Vermuthung  möglich  ist,  auch  hier  die  Quellen  aus  denen  Isidorus 
schöpfte  zu  ermitteln. 

Die  Arbeit  kann  in  deutscher,  lateinischer  oder  französischer 
Sprache  abgefasst  werden. 

Die  ansschliessende  Frist  für  die  Einsendung  der  dieser  Auf- 
gabe gewidmeten  Arbeiten  ist  der  1.  März  1873.  Jede  Bewerbungs- 
schrift ist  mit  einem  Motto  zu  versehen  und  dieses  auf  dem  Äus- 
seren des  versiegelten  Zettels,  welcher  den  Namen  des  Verfassers 
enthält,  zu  wiederholen.' 

Die  Ertheilung  des  Preises  von  100  Ducaten  geschieht  in  der 
öffentlichen  Sitznng  am  Leibnizischen  Jahrestage  im  Monat  Juli 
des  Jahres  1873. 

Derselbe  trug  hierauf  den  Jahresbericht  der  vorberathenden 
Commission  der  Boppstiftung  vor. 

Für  den  16.  Mai  des  Jahres  1870  ist  von  den  beiden  zu  ver- 
gebenden Raten  die  Hauptraten  von  300  Thalern  Hrn.  William 
Duright  Whitney,  Professor  in  New-Haven  in  Connecticat,  als 
ein  Preis  für  seine  Bearbeitung  des  Taitiiriya  Prdtigdkhya  zuerkannt 


vom  7.  Juli  1870.  575 

i^orden,  die  zweite  Rate,  im  Betrage  von  150  Thalern»  I|rii.  Dr. 
Wilhelm. Thomsen  in  Kopenhagen  als  ein  Preis  für  seine 
Schrift  über  den  Einflufs  der  germanischen  Sprachen  auf  die  fin- 
nisch-lappischen. 

Der  Vermögensstand  der  Stiftung  ist  durch  einen  Beitrag  des 
Hrn..  Professors  H.  Bloch  mann  in  Calcutta  im  Betrage  von  66|- 
Thlr.  SQwie  durch  Zins  Überschüsse  um  300  Thlr.  in  preuTsischer 
Staatsanleihe  vom  J.  1864  vermehrt  worden.  Das  Vermögen  der 
Stiftung  besteht  gegenwärtig  aus 

a)  11,400  Thln  preufs.  Staatsanleihe  aus   den  Jahren  1854. 
1859.  1864,  zu  ^  Procent; 

b)  100  Thlr.    preufs.    Prämienanleihe    vom  J.   1855,    zu  3^^ 
Procent. 

Der  jährliche  Zinsertrag  beläuft  sich  auf  516^^  Thlr. 


11.  Juli.       Sitzung  der  philosophisch -historischen 

Klasse. 

■ 

Hr.  Kirchhoff  las  über  die  Tributlisten  der  Jahre  Ol.  85,2 
—  87,1.    • 


14.  Juli.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.   Weierstrafs  las:     Bemerkungen    über    das    sogenannte 
D i rieh let' sehe  Princip. 


576  GesammUiUung 

Hr«  A.  W.  Hofmann  las  über  die  aromatischen  Cjanate. 

Die  einzige  dieser  Klasse  angeborige  Verbind ang,  welche  man 
einigermafsen  stndirt  hat,  ist  das  Phenylcyanat.  Vor  etwa  20 
Jahren  habe  ich  diesen  Körper  in  einer  sehr  complexen  Reaction 
aufgefunden,  indem  ich  eine  Substanz,  die  ich  damals  mit  dem 
Namen  Oxamelanil  oder  Melanoximid')  bezeichnete,  und  die 
man  heutzutage  als  Ozalyldiphenylgnanidin  auffassen  würde, 
der  trocknen  Destillation  unterwarf.  Das  Phenylcyanat  —  ich 
nannte  den  Körper  damals  Anilocyansäure  —  bildet  sich  hier- 
bei in  nur  ganz  geringer  Menge;  niemals  hab'  ich  mehr  als  einige 
Gramme  in  meinem  Besitz  gehabt  und  nur  den  scharf  ausgespro- 
chenen Eigenschaften  des  Körpers  ist  es  zu  danken,  dafs  ich  im 
Stande  war  ihn  richtig  zu  interpretiren. 

Acht  Jahre  später  bin  ich  diesem  Körper  von  Neuem  begeg- 
net. Nachdem  ich  gefunden  hatte,  dafs  sich  der  Dipbenylsnlfo- 
hamstoff  unter  dem  Einflufs  des  PhosphörsSureanhydrids  in  Anilin 
und  Phenylsenfol  spaltet,  lag  der  Gedanke  nahe,  diese  Reaction 
für  die  Darstellung  des  Phenylcyanats  zu  verwerthen  und  diesen 
Körper  durch  Destillation  des  normalen  Diphenylhamstoffis  mit 
wasserfreier  Phosphorsfiure  zu  gewinnen.') 

In  der  That  läfst  sich  denn  auch  auf  diese  Weise  Phenylcya- 
nat darstellen.  Man  braucht  trocknes  Diphenylcarbamid  nur  mit 
Phosphorsäure  zu  erwärmen,  um  alsbald  den  furchtbaren  Geruch 
des  Cyanats  wahrzunehmen;  werden  beide  Körper  mit  einander 
destillirt,  so  sieht  man  das  Phenylcyanat  in  farblosen  Tropfen 
übergehen.  Als  aber  der  Versuch  in  etwas  gröfserem  Maafsstabe 
angestellt  wurde,  erwies  sich  die  Ausbeute  so  klein,  dafs  ich  die- 
sen Procefs  mehr  als  eine  Bildungsweise  denn  als  eine  Darstel- 
lungsmethode betrachten  mufste.  — 

Die  Versuche  über  die  Senföle  haben  mich  in  letzter  Zeit  zn 
einem  einfachen  Verfahren  gefuhrt,  das  Phenylcyanat  und  seine 
Homologen  darzustellen. 

In  einer  früheren  Mittheilung')  habe  ich  auf  die  Leichtigkeit 
aufmerksam  gemacht,    mit  der  sich  die  Senfole   ein  Mol.  Alkohol«. 


>}  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXXIV,  9. 
')  Hofmann,  Lond.  R.  Soc.  Proc.  IX.  275. 
*)  Hof  mann,  Monatsberichte  1869,  332. 


vom  14.  Juli  1870.  577 

j^ulegen.  Phenylsenfol  mit  Alkohol  ISngere  Zeit  erhitzt,  liefert  das 
schön  krystallisirte  halbgeschwefelte  Phenylurethan,  welches  für 
sich,  oder  besser  mit  Phosphorsaureanhydrid  destillirt,  sich  wieder 
in  seine  Componenten,  nämlich  in  Alkohol  und  Phenylsenfol, 
spaltet. 

Sollte  man,  wenn  man  im  Sinne  dieser  Erfahrung  das  nor- 
male Phenylurethan  mit  Phosphorsäure  der  Destillation  unterwarf, 
nicht  Phenylcyanat  erhalten  können? 

Versuche  in  der  Phenylreihe. 

PhenyhurHhan.  Das  Phenylurethan  ist  bekannt  Ich  habe 
dasselbe  schon  bei  der  oben  angefahrten  Untersuchung  des  Pheiiyl- 
cyanats  erhalten.  Behandelt  man  diesen  Körper  mit  Methyl-, 
Äthyl-  oder  Amylalkohol,  so  entstehen  die  Phenylurethane  der 
Methyl-,  Äthyl-  und  Amylreihe.^)  Später  ist  das  Phenylurethan 
der  Äthylreihe,  der  Phenylcarbaminsäure-Äthyläther,  eingehend  von 
den  HH.  Wilm  und  Wischin')  untersucht  worden,  welche  die- 
sen Korper  durch  die  Einwirkung  des  Ghlorkohlensäureäthers  auf 
das  Anilin  erhalten  haben. 

Ich  habe  die  Versuche  der  HH.  Wilm  und  Witschin  wie- 
derholt und  kann  die  Angaben  derselben  vollkommen  bestätigen. 
Der  auf  diese  Weise  entstehende  Körper  Ist  identisch  mit  dem 
früher  von  mir  erhaltenen.  Der  Schmelzpunkt  des  mehrfach  um- 
krystallisirten  Körpers  wurde  zu  51^  gefunden.  Die  HH.  Wilm 
und  Wischin  geben  51.5 — 52°  an.  Der  Siedepunkt  lag  bei  237% 
wie  ihn  die  genannten  Beobachter  fanden. 

Die  HH.  Wilm  und  Wischin  geben  an,  der  Phenylcarba- 
minsäure-Äthyläther —  sie  nennen  ihn  Carbanilidsäure-Äther  — 
sei  unzersetzt  fluchtig.  Ich  finde,  dafs  bei  der  Destillation  aller- 
dings der  gröfsere  Theil  unzersetzt  übergeht,  ein  Theil  aber  sich 
in  Phenylcyanat  und  Alkohol  spaltet, 

also  gaiuB  im  Sinne  der  Auffassung,  zu  der  mich  das  Studium  des 
halbgeschwefelten  Phenylurethans  geführt  hatte«  —  Bei  der  Destil- 


1)    Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXXIV.  16. 

3)  Wilm  o.  Wischin,  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLVH.  157. 


578  Oesammtiitzung 

lation  entstand  alsbald  der  mir  noch  ans  früherer  Zeit  wohl  be- 
kannte Geruch  des  Phenylcyanats,  den  in  der  That  aach  die  HH. 
Wilm  und  Wischin  beobachtet  haben,  denn  sie  sagen  von  dem 
CarbanilidsSure -Äther:  ^die  Dämpfe  dieses  Korpers  reixen  die 
Augen  stark  au  Thränen,  riechen  aber  verdünnt  entfernt  nach  Bit- 
termandeloL^  Was  die  HH.  Wilm  und  Wisch  in  gerochen  ha- 
ben, war  das  Phenylcyanat  Läfst  man  das  Oemenge  von  Phenjl- 
cjanat  und  Alkohol,  welches  man  neben  viel  unzersetztem  Phenjl- 
nrethan  bei  der  Destillation  des  letzteren  enthält,  längere  Zeit 
stehen,  so  ist  der  Geruch  des  Cyanats  verschwunden;  Cyanat  und 
Alkohol  haben  sich  wieder  zu  Phenylurethan  vereinigt. 

Nach  diesen  Beobachtungen  über  das  Verhalten  des  Phenyl- 
nrethans  unter  dem  EinfluTs  der  Wärme  liefs  es  sich  kaom  mehr 
bezweifeln,  dals  man  durch  Destillation  mit  Phosphorsäureanhydrid 
das  Phenylcyanat  erhalten  müsse. 

Der  Versuch  hat  diese  Erwartung  in  erfreulichster  Weise  be- 
stätigt. 

Phenylcyanat  Erhitzt  man  ein  Gemenge  von  Phenylurethan 
mit  wasserfreier  Phosphorsäure,  so  desdllirt  eine  reichliche  Menge 
farbloser,  das  Licht  in  außallender  Weise  stark  brechender  Flüs- 
sigkeit von  stechendem,  die  Augen  zu  Thränen  reizendem  Geruch. 
Diese  Flfissigkeit  ist  Phenylcyanat,  welches  nur  noch  einmal  de- 
stillirt  zu  werden  braucht,  um  als  reiner  Korper  erhalten  za  wer- 
den. Die  Ausbeute  ist  wie  bei  allen  Operationen  in  der  aromati- 
schen Reihe,  bei  denen  das  Phosphorsäureanhydrid  eine  Rolle  spielt 
nicht  die  theoretische  aber  doch  eine  der  Theorie  nahe  kommende. 

Die  Auffindung  einer  einfachen  Methode  das  Phenylcyanat 
darzustellen,  war  mir  ans  mehr  als  einem  Grunde  erwünscht.  Zu- 
nächst bin  ich  jetzt  im  Stande,  den  Siedepunkt  des  Korpers  ge- 
nauer anzugeben.  Derselbe  liegt  bei  163°.  Bei  der  frühem  Be- 
stimmung, für  welche  nur  wenige  Gramme  angewendet  werden 
konnten,  war  derselbe  zu  178°  gefunden  worden. 

Das  spccifische  Gewicht  des  Phenylcyanats  ist  bei  150°  1.092. 
Das  Gasvolumgewicht  wurde  im  Anilindampfe  bestimmt.  Die  gefun- 
dene Zahl  bestätigt  die  schon  frfiher  durch  die  Analyse  festgestellte 
Formel 


C,H,NO  =  ^^j,  I  N. 


00»  ii.  Juli  1870.  &7d 

Gasvolamgewicbt  Theorie  Venach 

auf  Wasserstoff  bezogen     ...;...     59.5  58.9 

auf  Luft  bezogen 4.13  4.09. 

Was  das  Verhalten  des  Korpers  zu  anderen  Substanzen  an- 
langt, so  darf  ich  auf  meine  frühere  Abhandlung  verweisen.  Mit 
Wasser  entsteht  neben  Kohlensäure  Diphenylcarbamid;  mit  den 
Alkoholen  zusammengebracht,  reproducirt  er  Urethane;  mit  Am- 
moniak und  seinen  Derivaten  vereinigt  er  sich  alsbald  zu  einer 
unabsehbaren  Mannichfaltigkeit  von  Harnstoffen.  Aber  auch  ande- 
ren Verbindungen  gegenüber  zeigt  er  eine  bemerkenswerthe  Reac- 
tionsfahigkeit.  Noch  will  ich  erwähnen,  dafs  mir  der  Besitz  einer 
grufseren  Menge  von  Phenylcyanat  (Gelegenheit  gegeben  hat,  das 
schon  früher')  wahrgenommene  Verhalten  des  Körpers  zum  Tri- 
uthylphosphin  von  Neuem  zu  beobachten.  Taucht  man  einen  mit 
Phosphorbase  befeuchteten  Olasstab  in  eine  grofsere  Menge  von 
Phenylcyanat,  so  erfolgt  nach  einigen  Augenblicken  eine  heftige 
Wärmeentwicklung  und  die  ganze  Masse  erstarrt  zu  prächtigen 
Krystallen. 

Das  Hauptproduct,  welches  sich  in  dieser  Reaction  bildet,  ist 
ein  im  Wasser  unlöslicher,  in  siedendem  Alkohol  nicht  ganz  leicht 
löslicher  und  beim  Erkalten  in  feinen  Prismen  krystallisirender 
Körper,  welcher  bei  einer  schon  früher  angestellten  Analyse  die 
Zahlen  des  cyansauren  Phenyls  geliefert  hat,  also  wohl  als  Phe- 
nylcyanurat  betrachtet  werden  kann.  Ich  möchte  aber  die  Frage 
offen  lassen,  ob  diese  Substanz  mit  einer  der  beiden  bereits  be- 
kannten Phenylcyanurate,  von  denen  das  eine  durch  die  Einwir- 
kung des  Chlorcyans  auf  Phenol,')  das  andere  aus  dem  Triphenyl- 
melamin  entsteht,')  identisch  ist.  Einer  eingehenden  Untersuchung 
dieses  Körpers,  so  wie  der  Nebenproducte,  welche  sich  in  der  in 
Frage  stehenden  Reaction  bilden,  steht  jetzt,  da  das  nöthige  Ma- 
terial vorhanden  ist,  keine  Schwierigkeit  im  Wege. 

Noch  mögen  hier  einige  Bemerkungen  über  die  Homologen 
des  Phenylcyanats  Platz  finden. 


'}    Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.^  Suppl.  I.  57. 
*)    Hofmann,  Monatsb.  1S70,  206. 
*)    Hof  mann,  Monatsb.  1870,  197. 


580  Oe$ammUitzung 

Versuche    in    der  Tolylreihe. 

Tolylurethan,  Der  Cblorkohlens&ure-Äther  wirkt  mit  der  al- 
lergrofsten  Heftigkeit  auf  das  Toluidin  ein,  so  dafs  es  zweckmäs- 
sig ist  die  Reactiou  sich  in  Gegenwart  von  Äther  vollziehen  zo 
lassen. 

Der  von  dem  chlorwasserstoffsaaren  Toluidin  abfiltrirte  Äther 
hinterläfst  beim  Verdampfen  das  Tolylurethan  als  ein  aromatisches 
öl,  welches  nnr  schwierig,  in  der  Regel  erst  nach  Ifingerem  Ver- 
weilen in  einer  Kfiltemischung  erstarrt. 

Das  Tolylurethan  ist  in  Wasser  unlöslich;  es  löst  sich  dage- 
gen in  Alkohol  und  Äther  mit  Leichtigkeit.  Aus  ersterem  krj- 
stallisirt  es  in  schönen  langen  Prismen,  die  schon  bei  52^ 
schmelzen. 

Tolylcyanat  Bei  der  Destillation  für  sich,  verhalt  sich  das 
Tolylurethan  wie  das  Phenylurethan,  indem  der  gröfsere  Theil  un- 
zersetzt  übergeht,  ein  kleinerer  Teil  aber  sich  in  Tolylcyanat  und 
Alkohol  spaltet. 

C0(C,H,)HN1  CO    1  C,H,1 

C,H,     J°  "  (C,HOr  ■+-      h]^- 

Findet  die  Destillation  bei  Gegenwart  von  wasserfreier  Phos- 
phorsäure statt,  so  wird  der  Alkohol  fixirt  und  das  Tolylcyanat 
destillirt  im  nahezu  reinen  Zustande.  Es  bedarf  in  der  That  nur 
noch  einer  Rectification  um  es  vollkommen  rein  zu  erhalten.  Das 
Tolylcyanat  ist  eine  farblose  Flüssigkeit  von  starkem  Lichtbrechungs- 
vermögen  und  heftigem,  die  Augen  zu  Thrftnen  reizenden  Geracb, 
welche  bei  185°  siedet. 

Bei  der  Gasvolnmgewichtsbestimmung  im  Anilindampf  ergaben 
sich  folgende  Zahlen: 

Theorie  Versuche 

Oasvolumgewicht  I.  IL 

auf  Wasserstoff  bezogen        .     .     .      66.5  64.6  65.7 

auf  Luft  bezogen        •     .     •     •     .       4.61  4.48  4.56. 

Gegen  Wasser  und  seine  Derivate,  ebenso  wie  gegen  Aauno- 
niak  und  seine  Abkömmlinge,  verhält  sich  das  Tolylcyanat  wie  das 


vom  U.  Juli  1870.  581 

Phenylcyanat.  Bei  der  Behandlung  mit  Wasser  entsteht  unter 
Kohlensäureentwickel ung  Ditolylhamstoff,  mit  den  Alkoholen  bil- 
den sich  die  Urethane,  mit  Ammoniak  und  den  Aminen  entsteht 
die  Gruppe  der  sabstituirtcn  Harnstoffe.  Triäthylphosphin  bewirkt 
dieselbe  Umbildung  wie  bei  der  Phenylverbindung;  die  Metamor- 
phose erfolgt  indessen  etwas  weniger  schnell.  Das  gebildete  sehr 
schon  krystallisirende  Product  soll  auch  noch  näher  untersucht 
werden. 

Versuche  in   der  Xylylreihe. 

Die  Erscheinungen  verlaufen  genau  wie  in  der  Phenyl-  und 
Tolylgruppe.  Das  Xylidin  ist  indessen  entschieden  träger,  als  das 
Anilin  und  Toluidin. 

Das  Xylylurethan 

C,.H..N0.-«°"'.'««'')0 

krystallisirt  in  schonen  Nadeln,  welche  bei  58°  schmelzen. 
Das  Xylylcyanat 

c,H,No  =  i'^^y 

ist  eine  wasserhelle,  das  Licht  stark  brechende  Flüssigkeit  von 
schwachem,  die  Augen  nur  wenig  reizenden  Geruch.  Der  Siede- 
punkt liegt  bei  200°.  Das  Gasvolumgewicht  wurde  im  Anilin- 
dampfe genommen. 

GaSYolumge  wicht  Theorie  Vermich 

auf  Wasserstoff  bezogen 73.5  74.69 

auf  Luft  bezogen         5.10  5.18, 

Bei  dem  Xylylcyanate  erweist  sich  die  Reactionsfähigkeit, 
welche  bei  den  entsprechenden  Gliedern  der  Phenyl-  und  Tolyl- 
reihe  so  entschieden  auftritt,  schon  wesentlich  abgeschwächt.  Die 
Verbindungen,  welche  bei  dem  Phenyl-  und  Tolylcyanat  fast  augen- 
blicklich erscheinen,  bilden  sich  mit  dem  Xylylcyanat  oft  erst  nach 
Verlauf  von  Tagen.  Selbst  mit  dem  Triäthylphosphin  erstarrt  das 
Xylylcyanat  nur  langsam. 


♦  •  ■ 

582  GesammtsUzung 

Versuche   in    der  Naphtylreihe. 

Naphtylurethan,  Es  wurde,  der  Bildung  der  übrigen  hier  be- 
schriebenen Urethane  analog,  dureh  die  Einwirkung  des  Chlorkob- 
lensäure-Athers  auf  das  Naphtjlamin  gewonnen.  In  Wasser  an* 
loslicher,  daraus  in  Nadeln  krystallisirender  Körper,  welcher  bei 
79°  schmilzt     Seine  Zusammensetzung  wird  durch  die  Formel 

C,.H,.N0,_C<'«'..".^«^}0 

ausgedruckt 

Naphtykyanat.  Über  diese  Verbindung  liegen  bereits  einige 
kurze  Angaben  vor.  Nachdem  ich  gefunden  hatte,  dafs  das  Di- 
phenylcarbamid  bei  der  Destillatiou  mit  Phosphors&ureanhydrid  et- 
was Phenylcyanat  liefert,  hat  Hr.  Vincent  Hall')  in  meinem 
Laboratorium  den  analogen  Versuch  in  der  Naphtylreihe  angestellt 
aber  nur  eine  noch  geringere  Menge  der  entsprechenden  Naphtrl- 
Verbindung  erhalten.  Die  Bildung  des  Naphtylcyanats  auf  den 
angedeuteten  Wege  war  jedoch  festgestellt. 

Bei  der  Destillation  des  Naphtylurethans  mit  wasserfreier 
Phosphorsfiure  wird  das  Naphtylcyanat  in  reichlicher  Menge  er- 
halten. Es  ist  eine  farblose,  schon  etwas  schwer  bewegliche  Flüs- 
sigkeit, deren  Siedepunkt  bei  269 — 270^  liegt.  Der  Dampf  des 
Körpers  besitzt  noch  den  stechenden  Geruch,  welcher  den  Cyana- 
ten  eigenthümlich  ist;  bei  gewohnlicher  Temperatur  aber  ist  da£ 
Naphtylcyanat  fast  geruchlos.  Die  Zusammensetzung  des  N^h- 
tylcyanats  wird  durch  die  Formel 

ausgedruckt;  ich  habe  mich  aber,  begnügt,  diese  Formel  durch  di^ 
Reactionen  des  Körpers  festzustellen.  Angesichts  des  Verhalten« 
zum  Wasser  und  Ammoniak  sammt  seinen  Derivaten,  konnte  über 
die  Natur  der  Verbindung  kein  Zweifel  obwalten.  Bemerkenswerth 
ist  die  Leichtigkeit,  mit  welcher  sich  alle  diese  Reactionen  bei  der 
Naphtylrerbindung  vollziehen.  Das  Naphtylcyanat  arbeitet  mit  un- 
gleich  gröfserer  Schnelligkeit  und  Präcision  als  der  analoge  Xylyl- 
körper;    dies  zeigt  sich  ganz  besonders   bei  der  Einwirkung   des 


■)   Vincent  Hall,  Lond.  R.  S.  Proc  IX.  365. 


vom  14.  Juli  1870.  583 

Trifithylphosphins,  welches  das  Gyanat  der  Naphtylreihe  fast  angen- 
blicklich  zum  Erstarren  bringt. 

Schliefslich  sage  ich  Hrn.  F.  Hobrecker  für  seine  thatkräf- 
tige  Hülfe  bei  Anstellang  der  beschriebenen  Versuche  meinen  be- 
sten Dank. 


An  eingegangenen  Schriften  wnrden  vorgelegt: 

Regnaalt,    Relation   des  experiences  9ur       ...       les  machines  a  feu, 

Tome  m.     Paris  1870.     4. 
Morbio,  Opere  storico-numismaUche,     Bologna  1870.     8. 
PrantI,  Geschichte  der  Logik,     4.  Bd.     Leipzig   1870.     8. 
CatcUoffue  qf  map»  of  the  British  Possessions  in  Indio,     London  1870.     8. 
Drejer,  Syrnhola/e  caricologicae.     Ha?niael844.     fol. 
Wild,    Jahresbericht  des  physikcUischen  Central-Obseriratoriums  für  1869, 

Petersburg  1870.     4. 
Mhnoires  de    l'academie   de   Petersbourg,     Tome  XIV,  8 — 9.    XV,  1 — 4. 

Petersburg  1870.     4. 
Bulletin  de  tacademie  de  Petersburg,      Tome  XIV.     Petersburg  1870.     4. 
Schriften   der   dänischen   Akademie   der   Wissenschaften.     Physikal,  Klasse, 

VIII,  6.  7.  IX,  1.     HUtor.  Klasse.     IV,  4.     Kopenhagen  1869.     4. 
Flora  batava.     Lief.  211.     Leyden  1870.     4. 
V.  Keumont,  Man/ondini  und  Corlatti  s.  L  et  a.     8. 
—  Karl  von  Hügel,  (Augsburger  Zeitung  1870.) 


21.  Juli.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Parthey  las  über  Horapollo's  Hieroglyphica. 


584  Sitzung  der  phytikatUeh'mathemaiiichen  Klaue 

An    eingegangeaen   Schriften    nelist   Begleitschreiben    wurden 
vorgelegt: 

H.  T.  Dehn- Rotfei 8 er,  Die  Baudenkmaler  dee  RegiermMgebesirt  Cas§^, 
Canel  1870.     8.      Mit  Minuterialschreiben  ▼om  11.  Juli  1870. 

HOrnes,  Die /oseiien  Moiiusken.     II,  no.  9.  10.     Wien  1870.     foL 

Vtrhandlungefi  der  mineralogiecken  GemlUchaft  in  Peterdmrg,  5.  Bd.  Pe- 
tersburg 1870.     8. 

Vargatia.     no.  7.     Caracas  1870.     8. 

Dora  d*Istria,  La  SaiionaiUe  albaaaise  ctapree  lee  choMts  poptUaire*. 
LiTonme  1867.  8.  Mit  Schreiben  der  Verfasserin  d.  d.  Törin  15. 
Juli  1870. 

Geologische  Karten  von  Schweden,    (Fortsetzung.) 


25.  Juli.        Sitzung   der  physikalisch  -  mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  Kummer  las  über  die  algebraischen  Strablensjsteme  drit- 
ter Ordnung. 


Hr.  W.  Peters  las  über  neue  Arten  von  Spitzmäusen 
des  Königl.  zoologischen  Museums  aus  Ceylon,  Malacca, 
Borneo,  China,  Luzon  und  Ostafrika. 

Unter  den  insectivoren  Säugethieren  ist  kaum  eine  von  grös- 
serem Interesse  in  Bezug  auf  ihre  geographische  Verbreitung  ab 
die  der  Spitzmäuse.  Jedoch  sind  wir  noch  weit  entfernt  davon, 
nur  einigermafsen  eine  allgemeine  Übersicht  derselben  zu  besitzen. 
£s  gilt  dieses  namentlich  von  den  in  den  tropischen  Gregenden  vor- 
kommenden Arten.  Die  Kenutnifs  derselben  wird  sehr  gehindert 
durch  die  grofse  Schwierigkeit,  sich  diese  meist  sehr  kleinen  un- 
scheinbaren, in  der  Verborgenheit  lebenden  Thiere  zu  verschaffen. 


wm  25.  Juli  1870.  685 

Zudem  Bind  die  Merkmale  xur  Unterscheidung  der  Arten  einer  und 
derselben  Gruppe  meist  so  geringfügig  und  so  wenig  in  die  Augen 
springend,  dafs  eine  groCse  Zahl  von  Beschreibungen  der  bisher 
aufgestellten  Arten  viel  su  ungenügend,  oft  nur  in  der  Angabe  der 
Korper-  und  Schwanzlftnge  bestehend,  ist,  um  sie  bei  der  Bestim- 
mung neuer  Arten  verwerthen  zu  können. 

Die  Spitzm&use  Indiens  gehören  fast  sfimmllich  der  Gattung 
Oocuitfra  Wagler  an  und  weichen  in  Bezug  auf  die  Färbung  nur 
wenig  von  einander  ab.  Die  Mafse  der  Fufssohle  und  der  Z&hne 
sowie  die  Form  und  Proportionen  der  Zähne  geboren  zu  deiyeni- 
gen  Merkmalen ,  welche  bei  einer  und  derselben  Art  am  constante- 
sten  zu  sein  scheinen. 

A.   Zähne:  lilJL  1.  J.  L-s  =,  jj.  Crocidura  s.  s. 

3*1  0    4    0   1-S  13' 

1.  Crocidura  (Cr,)  retusa  n.  sp. 

Von  der  Grofse  des  Sorex  vulgaris. 

Die  hintere  Abtheüung  des  ersten  obern  Schneidezahns  ist 
kürzer  als  die  vordere  und  ihre  Spitze  halb  so  hoch,  wie  die  des 
zweiten  Sehneidezahns.  Der  Eckzahn  erscheint  von  aufsen  be- 
trachtet eben  so  hoch  und  grofs  wie  der  dritte  Schneidezahn,  von 
der  Kaufiäche  angesehen  aber  merklich  gröfser.  Der  vordere 
Zacken  des  falschen  Backzahns  ist  wohl  entwickelt,  ragt  aber  nur 
bis  zur  halben  Höhe  des  Eckzahns  hervor.  Der  erste  untere 
Schneidezahn  ist  hinter  seiner  Spitze  wellenfSrmig  eingebuchtet; 
der  zweite  ist  mehr  als  doppelt  so  lang  wie  hoch.  Der  vordere 
Zacken  des  ersten  untern  linken  Backzahns  ist  wohl  entwickelt, 
und  ragt  bis  zum  letzten  Drittel  der  Spitze  des  falschen  Backzahns 
hervor. 

Die  innere  Seite  der  Ohrmuschel  ist  mit  kurzen  braunen  Haa- 
ren sparsam  bekleidet,  noch  sparsamere  längere  braune  Haare  ste- 
hen auf  den  beiden  Yorsprüngen  derselben. 

An  jeder  Eörperseite  ist  die  Lage  der  Drüsen  durch  einen 
länglich  ovalen  Fleck  kürzerer  hellbrauner  Haare  zu  erkennen. 

Der  Schwanz  ist  länger  als  der  Rumpf,  hinter  der  Basis  spin- 
delförmig angeschwollen  oder  ohne  Anschwellung,  sehr  fein  und 
unregelmäfsig  geringelt  (etwa  16  Ringel  auf  5  Millimeter). 

Oben  zimmetbraun,  unten  graubraun,  alle  Haare  an  der  Basis 
schieferfarbig.  Oberseite  der  Hände  und  Füfse  rostfarbig.  Schwanz 
oben  dunkler,  unten  blafaer  rostfarbig.     Die  Spitzen  der  Barthaare, 


586 


Sitzung  der  phytikaliBeh'n^themiUischen  Klasse 


der  Ifingeren  and  vieler  der  kurzen  unteren  Schwanzbaare  weifs- 
lieh.     Krallen  blaCsgelb. 


Totallfinge  OflOö 

Schwan«  *)  0?049 

Kopf  07023 

Schnauzenspitze  bis  Auge  0^009 
Auge  bis  Ohr  0^004 

Ohroffnung  bis  Nasenloch  Of  Ol  45 
Höhe  des  Ohrs  O^OOB 

Breite  des  Ohrs  0?007 

Fufssohle  mit  Kralle       0?0125 


Kralle  der  Mittelzehen  070013 

Obere  Zahnreihe  0?007 

Untere  Zahnreihe  0^0063 
Länge  des  1.  obem 

Schneidezahns  O7OOI2 
Höhe  des  1.  obem 

Schneidezahns  0?002 
Länge  des  1.  untern 

Schneidezahns  0?0026 


Zwei  Exemplare  aus  Paradenia  (Ceylon). 

2.  Croctdura  {Cr,)  foetida  n.  sp. 

An  Orofse  etwa  mit  Croeeopus  födiene  übereinstimmend. 

Die  hintere  Abtheilung  des  ersten  obem  Scheidezahns  ist  et- 
was länger  als  die  vordere,  sehr  niedrig,  am  Rande  schneidend 
convex  ohne  hervortretende  Spitze.  Der  Eckzahn  ist  eben  so 
hoch  wie  der  dritte  Schneidezahn  und  die  wenig  entwickelte  vor- 
dere Spitze  des  falschen  Backzahns,  aber  im  Umfang  etwas  grös- 
ser als  jener.  Der  vordere  untere  Schneidezahn  ist  aufTallend 
grade,  an  der  Spitze  fast  gar  nicht  gekrümmt;  der  zweite 
Schneidezahn  ist  doppelt  so  hoch  wie  lang,  ohne  Spitze  und  der 
erste  untere  Backzahn  ist  vom  abgestutzt  und  hat  keinen  vorderen 
Nebenzacken,  indem  der  diesem  ensprechende  kleine  innere  Höcker 
kaum  bemerkbar  ist. 

Die  innere  Seite  der  Ohrmuschel  ist  mit  sparsamen  braunen 
Härchen  bekleidet,  welche  auf  den  beiden  Ohrklappen  etwas  lan- 
ger sind. 

An  jeder  Kurperseite  befindet  sich  ein  länglich  ovaler,  4  Mm. 
langer,  zimmtbrauncr  Fleck  kürzerer  steiferer  Haare. 

Der  Schwanz  ist  fein  gei  ingelt  (18  Ringel  s»  5  Millimeter), 
an  dem  einzigen  Exemplar  ohne  Anschwellung  und  vierseitig,  mit 
kurzen  schwarzen  und  braunen  und  sparsamen  längeren,  blafsspitzi- 
gen  Haaren  versehen. 

Oben  zimmtbraun,  unten  blasser;  alle  Haare  an  der  Ba^is 
dunkelbraun.     Hände  und  Fufse  rostbraun;  Krallen  gelblicli. 


*)  Als  Anfang  des  Schwanzes  ist  der  anmittelbar  hinter  der  Analöffhung 
liegende  Punkt  betrachtet  worden. 


vom  25.  Juli  iSrO.  587 

Totallfinge  0™120  Lfinge  der  obern  Zahn- 

Schwanz  0»056  reihe  0?0095 

Kopf  0^030  Länge  der  untern  Zahn- 

Schnauzenspi tze  bis  Auge  O^^O  1 35  reihe  0?0092 

Auge  bis  Ohr  0^0045  Lfinge  des  L  oberen 

Naseoloch  bis  Ohroffnung  0?0185  Schneidezahns  070015 

Ohrhohe  0?0085  Höhe  des  L  oberen 

Ohrbreite  O^OO?  Schneidezahns  0?002 

Fufssohle  mit  Krallen     O'^l'Olö  Länge  des  untern  Scbnei- 
Kralle  der  Mittelzehe       0?0018  dezahns  0?0034 

Bengkajang  (Borneo);  gesammelt  von  Hrn.  Dr.  v.  Martens. 

In  der  Gröfse  und  im  Ansehen  hat  diese  Art,  der  Abbildung 
nach  zu  urtheilen,  grofse  Ähnlichkeit  mit  C.  Sannerati  Is.  Oeof- 
froy,  welche  aber  nach  Duvernoy  einer  anderen  Abtheilung, 
Pachyura^  mit  einem  kleinen  Lückenzahn  im  Oberkiefer  angehört. 

3,  Crocidura  (Cr.)  Doriae  n.  sp. 

Von  der  Grofse  einer  Hausmaus. 

Die  hintere  Abtheilung  des  ersten  oberen  Schneidezahns  ist 
ebensolang  wie  die  vordere  und  ihre  Spitze  halb  so  hoch,  wie  die 
des  zweiten  Schneidezahns.  Der  Eckzahn  ist  ebensogrofs  oder  ein 
"wenig  gröfser  als  der  dritte  Schneidezahn.  Das  Gingnlum  des 
grofsen  falschen  Backzahns  bildet  keinen  deutlichen  Zacken  und  ist 
daher  viel  niedriger  als  der  Eckzahn.  Der  zweite  untere  Schneide- 
zahn ist  doppelt  so  lang  wie  hoch  und  der  vordere  kleine  vom 
Cingulum  ausgehende  Zacken  des  ersten  unteren  wahren  Backzahns 
ragt  lange  nicht  so  hoch  hinauf  wie  die  Spitze  des  falschen  Back- 
zahns. 

Die  innere  Seite  der  Ohren  ist  mit  kurzen  dunklen  Härchen 
bekleidet,  welche  die  Haut  durchscheinen  lassen  und  die  Ränder 
der  beiden  Ohrvorsprünge  zeigen  sparsame  längere  dunkelbraune 
Ilaare. 

Der  Schwanz  ist  in  der  Grundiiälfte  spindelförmig  angeschwol- 
len, sehr  fein  geringelt,  indem  etwa  16  Ringel  auf  5  Mm.  gehen, 
sowohl  oben  wie  unten  mit  dunkelbraunen  kurzen  Haaren  sparsam 
bekleidet  und  mit  nur  wenigen  längeren  weifsspitzigen  Haaren  ver- 
sehen. 

An  dem  mir  vorliegenden  Exemplare,  einem  Weibchen,  befin- 
den sich,  wie  gewohnlich,  jederseits  drei  Saugwarzen,    von  denen 
die  beiden  vorderen  unter  dem^  hintern  Rande  des  Oberschenkels, 
die  hinteren  weiter  zurück,  in  gleicher  Querlinie  mit  der  Geschlechts- 
[1870]  41 


588 


Sitzung  der  pbyiikaUsch-mathemattsehen  Klctsse 


Öffnung,  liegen.  Eine  Seitendrusc  oder  ein  dien  Öffnungen  dersel- 
ben entsprechender  Fleck  oder  eine  durch  kürzere  Behaarung  aus- 
gezeichnete Stelle  habe  ich  nicht  finden  können. 

Farbe:  oben,  auch  die  Hftnde  und  Fufse  dunkelzimmtbraan, 
unten  blasser;  sammtliche  Haare  mit  Ausnahme  der  kurzen  Haarp 
des  Hand-  und  Fufsrückens  an  der  Basis  schieferfarbig.  Die 
Barthaare  mit  helleren  Spitzen,  die  Krallen  gelblich  weifs. 


TotalUnge     •  O'^HO 

Schwanz  0?060 

Kopf  0?032 

Schnauzenspitze  bis  Auge  0*f  0 1 3 
Von  Auge  bis  Ohr  0?006 

Von  Ohröffaung  bis  Na- 
senloch 0™020 
Höhe  des  Ohrs  0?010 

Breite  des  Ohrs  O'fOOd 


Fufssohle  mit  Krallen  0?016 
Kralle  der  Mittelzehen  0^002 
Obere  Zahnreihe  O^Oll 

Untere  Zahnreihe  0?010 

Länge  des  1.  oberen 

Schneidezahns  OfOOlS 
Hohe  desselben  0«0027 

Länge  des   1.  unteren 

Schneidezahns  0?0052 


Sarawak  (Borneo),  gesammelt  von  Hrn.  Marquis  J.  Doria. 

4.  Crocidura  (Cr.)  monticola  n.  sp. 

Von  der  Gröfse  des  Sorex  pygmasus. 

Die  hintere  Abtheilung  des  oberen  Schneidezahns  ist  kurzer 
als  die  vordere  und  bildet  einen  spitzen  Zacken.  Die  Hohe  des 
zweiten  Schneidezahns  ist  gleich  |-  der  Höhe  des  ersten  und  seine 
Länge  gröfser  als  die  des  dritten  Schneidezahns  und  des  Eckzahns 
zusammen.  Der  Eckzahn  ist  kaum  höher,  aber  etwas  gröfser  als 
der  letzte  Schneidezahn.  Der  vordere  vom  Zahnkranz  gebildete 
Zacken  des  falschen  Backzahns  ist  klein,  aber  deutlich  und  nach 
aufsen  von  dem  Eckzahn  gelegen,  dessen  halbe  Höhe  er  erreicht; 
die  beiden  innern  Höcker  desselben  Zahnkranzes  sind  wenig  ent- 
wickelt. Der  zweite  untere  Schneidezahn  ist  nicht  doppelt  so  lang 
wie  hoch,  eilen  so  lang  wie  der  falsche  Backzahn,  dessen  Lange 
und  Höhe  gleich  sind.  Der  vordere  innere  Zacken  des  ersten 
wahren  Backzahns  ist  wohl  entwickelt.  Die  Ohren  sind  sparsam 
mit  dunkelbraunen  Härchen  bekleidet. 

Der  Schwanz  ist  dünn,  aber  immer  noch  dicker  als  der  Meta- 
tarsus,  vierkantig,  fein  geringelt  (circa  22  Ringel  gehen  auf  5  Mm.), 
oben  brannschwarz,  unten  graubraun,  indem  die  kurzen  Haare  oben 
und  an  den  Seiten  braunschwarz,  die  der  Unterseite  braun,  die  län- 
gern Haare  zum  gröfsten  Theil  weifslich  sind. 


vom  26.  Juli  1870.  5d9 

Oben  dankelbraun,  unten  dunkelgrau,  Haare  am  Gmnde  scbie* 
ferfarbig;  Hände  and  Fufse  braun,  Krallen  gelblicb. 

Totallfinge  0?102  Kralle  der  Mittelzehe       O7OOI 

Schwan»  '  0™047  Obere  Zahnreihe  0?0069 

Kopf  0'?020  Untere  Zahnreihe  0»0063 

Schnauzenspitze  bis  Auge  0*7009  Lfinge  des  1.  oberen 
Auge  bis  Ohr                    0^0035  Schneidezahns  0?0011 

Nasenloch  bis  Gehörgang  0?014  Höhe  desselben  0»0017 

Ohrhöhe  0?0045  Länge  des  1.  unteren 

Fufssohle  mit  Krallen      0?0065  Schneidezahns  0^0026 

Von  dieser  ausgezeichneten  Art  besitzt  die  Sammlung  nur  ein 
einziges  nicht  sehr  wohl  erhaltenes  Exemplar,  welches  Hr.  F.  Jä- 
ger in  3500  Fufs  Höhe  im  Walde  des  Berges  Lawu  bei  Surakarta 
auf  Java  gefangen  hat. 

5.  Orocidura  (Cr.)  microtis  n.  sp. 

Die  Basis  des  2.  obern  Schneidezahns  ist  etwas  länger  als 
der  3.  Schneidezahn  und  der  Eckzahn  zusammengenommen.  Der 
Eckzahn  ist  kaum  höher  und  gröfser  als  der  3.  Schneidezahn. 
Der  zweite  untere  Schneidezahn  ist  doppelt  so  lang  wie  hoch  und 
der  vorderste  kleine  Zacken  des  ersten  unteren  wahren  Backzahns 
ragt  lange  nicht  so  hoch  hinauf  wie  die  Spitze  des  falschen  Back- 
zahns. 

Die  innere  Seite  der  kleinen  Ohren  ist  wohl  behaart ,  die 
Ränder  der  Ohrklappen  sind  mit  langem  Haaren  versehen. 

Der  Schwanz  ist  verdickt,  ziemlich  kurz  und  so  dicht  behaart, 
dafs  die  Ringel  fast  ganz  verdeckt  sind. 

Oben  graubraun,  unten  grau,  Hände  und  FuCse  dunkelbraun. 
Schwanz  oben  dunkelbraun,  unten  heller,  die  langen  Haare  dessel- 
ben grauweifs. 

Totallänge                            0?120  Höhe  des  Ohrs  0»007 

Schwanz                                0™035  Breite  des  Ohrs  O'JOOÖ 

Kopf                                     0'?030  Fufssohle  mit  Krallen  0?018 

Schnauzenspitze  bis  Auge  070 16  Obere  Zahnreihe  0?013 

Auge  bis  Ohr                      O^OO?  Untere  Zahnreihe  0T012 

Zwei  noch  junge  Exemplare  von  Hongkong  durch  Hrn. 
Faber. 

Bei  ganz  jungen  nackten  Exemplaren  anderer  Arten  sind  die 
Ohren  auch  verhältnifsmäfsig  sehr  klein,  da  die  vorliegenden  Exem- 
plare aber  vollständig  behaart  sind,  so  dfirfte  die  geringe  Gröfae  der 

41  • 


590  Sitzung  der  phffsikalüch'tnathemati$chen  Klasse 

Ohren    nicht    auf  Rechnung    des   jagendlichen    Alters    zn    setzen 
sein. 

6.  Croeidura  (Cr.)  graciUpes  n.  sp. 

Die  hintere  Abtheilang  des  1.  oberen  Schneidezahns  ist  so 
lang  wie  die  vordere  und  bildet  eine  deutlich  scharfe  Spitze.  Die 
Basis  des  2.  Schneidezahns  ist  etwas  kurzer  als  der  3.  Schneide- 
zahn and  der  Eckzahn  zusammengenommen.  Der  Eckzahn  ist  et- 
was niedriger,  aber  eben  so  grofs  wie  der  3.  Schneidezahn.  Der 
vordere  Zacken  des  Reifszahns  ist  nicht  so  hoch  wie  der  Eckzahn. 
Der  2.  untere  Schneidezahn  ist  mehr  als  doppelt  so  lang  wie  hoch 
und  bildet  vom  eine  abgerundete  kurze  Spitze. 

Die  Ohren  sind  kahl,  nur  mit  sparsamen  Hfirchen  versehen, 
etwas  Ifinger  als  hoch. 

Der  Schwanz  ist  dünn,  quadrangnlär  und  aufser  den  kurzen 
nur  mit  sehr  vereinzelten  l&ngeren  Hfirchen  versehen. 

Die  Krallen  der  Finger  sind  länger  als  die  der  Zehen  (wie 
bei  Cr,  sacralis  Ptrs.). 

Oben  schön  zimmtbrann,  unten  graubraun;  sämmtliche  Haare 
an  der  Basis  schieferfarbig.  Hände  und  Fnfse  mit  sparsamen 
zimmtfarbigen  Härchen.     Schwanz  oben  braun,  unten  braungrau. 

Totallänge  O^llT  Kralle  des  Mittelfingers  0^001^ 

Bis  Schwanzbein  0*^065  Länge  der  oberen  Zahn- 

Schwanz  0?052  reihe  O»O087 

Kopf  07024  Länge  der  unteren  Zahn- 

Schnauzenspitze  bis  A  uge  0^009  reihe  0^008 

Auge  bis  Ohr  0^0046  Länge  des  1.  oberen 

Nasenloch  bis OhröifnungO?01 5  Schneidezahns  0?00I2 

Ohrhöhe  0?0065  Höhe  des   1.  oberen 

Ohrbreite  0?007  Schneidezahns  0*^002 

Fufssohle  mit  Krallen     0?013  Länge  des  unteren  1. 
Kralle  der  Mittelzehc       0^008  Schneidezahns  0»003i 

Aus  der  Sammlung  des  Baron  C.  v.  d«  Decken,  auf  der 
Reise  nach  dem  Kilimandscharo. 

B.    Zähne:  1^2  1  i  ili?  ==  M-  PöcÄywra  Selys. 

7.  Croeidura  (P.)  Waldemarii  n.  sp. 

Von  der  GrÖfse  einer  kleinen  Hausratte. 
Die  hintere  Abtheilung  des   ersten  oberen  Schneidezahns    i$t 
länger  als  die  vordere  und  bildet  eine  deutliche  Spitze.     Der  Eck- 


vom  29.  Juli  1670.  591 

zahn  ist  merklich  hoher  und  grofser  als  der  3.  Schneidezahn. 
Der  kleine  Luckenzahn  ist  zum  grofsten  Theil  von  aufsen  sieht* 
bar.  Der  vordere  Zacken  des  falschen  Backzahns  ragt  lange  nicht 
80  weit  herab  wie  der  Eckzahn.  Der  zweite  untere  Schneidezahn 
ist  mehr  als  doppelt  so  lang  wie  hoch  und  bildet  einen  deutlichen 
Zacken.  Die  vordere  innere  Zacken  des  ersten  nntem  wahren 
Backzahns  ist  wohl  entwickelt,  aber  viel  niedriger  als  der  vorher- 
gehende falsche  Backzahn. 

Die  Ohrklappen  sind  nur  mit  sparsamen  Haaren  versehen, 
welche  eben  so  wie  die  kurzern  der  Ohrmuschel  weifslich  sind. 

Der  verdickte  feingeringelte  (etwa  15  Ringel  ac  5  Millimeter) 
Schwanz  ist  mit  weifsgrauen  Haaren  bekleidet  Unter  den  Hinter- 
krallen ist  die  zweite,  wie  bei  den  verwandten  Arten,  durch  grös- 
sere Breite  ausgezeichnet. 

Die  Seitendrusenöffnungen  sind  mit  kurzen  weijüslichen  Haa- 
ren umgeben. 

Totallfinge  0?200  Länge  der  oberen  Zahn- 
Schwanz  07074  reihe  0»0125 
Kopf  ca.  0*^033  L&nge  der  unteren  Zahn- 
Schnauzenspitze  bis  Auge  0?0 1 7  reihe  0?0 1 2 
Auge  bis  Ohr  0^009  Lange  des  1.  oberen 
Ohrhöhe  0?011                         Schneidezahns  0?002 
Ohrbreite  0?009  Höhe  desselben  0?004 
Fufssohle  mit  Krallen  0?021  Lange  des  1.  unteren 
Kralle  der  Mittelzehe  0?002                         Schneidezahns  0?006 

Bengalen;  ein  ausgestopftes  weibliches  Exemplar  aus  der 
Sammlung  S.  K.  H.  des  Prinzen  Wal  dem  ar  von  Preufsen. 

Diese  Art  ist  der  Cr.  ccerulescens  Shaw  (=  S.  indicus  Geof- 
fro 7  MSm.  du  Mus.  d'hisL  nat.  1815.  L  Taf.  XV.  Fig.  \.  2  :=  S. 
giganteua  Is.  Geoffroy)  ähnlich,  aber  beträchtlich  kleiner.  Cr. 
SonneraH  Is.  Geoffr.  von  der  Gröfse  einer  Hausmaus  und  Cr. 
serpentarius  Is.  Geoffr.  (Belanger,  Voyage  aux  Indes  orientales. 
1834.  p.  119.  Kopf  und  Körper  0?105,  Schwanz  0?056)  sind  da- 
mit nicht  zu  vergleichen,  abgesehen  davon,  dafs  die  letztere  über- 
haupt zu  wenig  characterisirt  ist,  um  zu  einer  genauem  Yerglei- 
chung  dienen  zu  können. 

8.    Crocidura  (P.)  ceylanica  n.  sp. 

Etwas  grofser  als  Mus  sylvaticus. 

Die    hintere  Abtheilung   des  1.  oberen  Schneidezahns  ist  kur- 
zer als  die  vordere  und  bildet  nur  eine  kurze  schneidende  Spitze. 


592  Sitzung  der  phpsikalisch-mathefnatischen  Klasse 

Der  2.  Sehneidezahn  ist  60  lang  wie  der  3.  und  der  Eckzahn  za- 
flammen,  und  der  letztere  ist  höher  und  um  die  Hälfte  grofser  als 
der  3.  Schneidezahn.  Der  kleine  Luckenzahn  liegt  zum  grofsten 
Theil  an  der  inneren  Seite  des  falschen  Backzahns  (Reilszahns) 
und  ist  daher  von  aufsen  wenig  sichtbar.  Die  vordere  Spitze  des 
Reilszahns  ist  niedriger  als  der  Eckzahn  und  ragt  fast  so  weit 
herab  wie  der  3.  Schneidezahn.  Der  2.  untere  Schneidezahn  ist 
doppelt  so  lang  wie  hoch,  mit  einer  stumpfwinkeligen  schneidenden 
Spitze  versehen  und  die  vordere  innere  Spitze  des  unteren  ersten 
wahren  Backzahns  ist  wohl  entwickelt. 

Die  Ohren  sind  kahl,  nur  mit  sehr  sparsamen  Haaren,  länger 
an  den  Ohrklappen  versehen. 

Der  Schwanz  ist  feingeringelt  (15  Ringel  =  5  Mm.},  verdickt, 
oben  braun,  unten  heller,  mit  braunen  Haaren  bekleidet,  von  de- 
nen die  langen  und  die  der  Unterseite  helle  Spitzen  haben. 

Oben  dunkel  zimmtbraun,  unten  graubraun,  alle  Haare  am 
Grunde  schieferfarbig.  Jederseits  ein  7  Mm.  langer  ovaler  Fleck 
blafsbrauner  steifer  kurzer  Haare. 

Hände  und  Ffifse  gelbbraun,  mit  kurzen  braunen  Haaren  be- 
kleidet, welche  die  Schuppen  der  Epidermis  nicht  verdecken. 

TotalUnge  0?180  Fufssohle  mit  Erallen      07023 

Schwanz  0'?069  Kralle  der  Mittelzehe       0^0025 

Kopf  0?043  Obere  Zahnreihe  0?0137 

Schnauzenspitze  bis  Auge  CfO  1 8  Untere  Zahnreihe  0?0 135 

Auge  bis  Ohr  0^007  Länge  des  1.  oberen 

Nasenloch  bis  Ohröfiiiung  0?03 1  Schneidezahns  0?0024 

Ohrhöhe  0?014  Höhe  desselben  0»004 

Ohrbreite  O'fOll  Länge  des  1.  unteren 

Schneidezahns  0^006 

Ein  ausgewachsenes  Männchen  aus  Paradenia  (Ceylon). 

9.  Croeidura  (P.)  media  n.  sp. 

Sehr  ähnlich  der  vorhergehenden  Art,  aber  kleiner. 

Die  hintere  Abtheilung  des  1.  oberen  Schneidezahns  ist  kiir^ 
zer  als  die  vordere  und  bildet  einen  deutlichen  Zacken.  Der  2. 
Schneidezahn  ist  etwas  kurzer  als  der  3.  und  der  Eckzahn  zosam- 
men.  Der  Eckzahn  ist  nur  unmerklich  hoher  und  gröfeer  als  der 
3.  Backzahn.  Der  Lückenzahn  liegt  in  der  Zahnreihe  nnd  ist'  von 
aufsen  ganz  sichtbar;  er  ist  etwas  niedriger  als  die  vordere  Spitze 
des  Reifszahns.      Der  untere  2.  Schneidezahn    ist   nicht   halb    so 


vom  25.  Juli  1870.  595 

hoch,    wie   lang.      Die  vordere  innere  Spitze  des    ersten    unteren 
Backzahns  ist  entwickelt. 

In  der  Färbung,  Schwanzbildung  und  Behaarung  mit  der  vor* 
hergehenden  übereinstimmend. 

Totallänge  0?149  Fufssohle  mit  Krallen  O^Oieö 

Schwanz  0™056  Kralle  der  Mittelzehe  0™0018 

Kopf  0^038  Obere  Zahnreihe  0'?0125 

Scbnauzenspitze  bis  Auge  O'^O  156  Untere  Zahnreihe  0';'0112 

Auge  bis  Ohr  0™0055  Länge  des   1.  oberen 

Nasenloch  bis  Ohröflfnung0™0255  Schneidezahns  0?00Ö4 

Ohrhöhe  0^01 1  Höhe  desselben  O'jOOSe 

Ohrbreite  O™0095  Länge  des  unteren  1. 

Schneidezahns  0?0053 

Ein  ausgebildetes  Männchen  aus  Parade nia  (Ceylon). 

10.  Crocidura  (P.)  sumcUrana  n.  sp. 

Hintere  Abtheilung  des  1.  oberen  Schneidezahns  kürzer  als 
die  vordere,  mit  niedriger  abgerundeter  Spitze.  Zweiter  Schneide- 
zahn kürzer  als  der  3.  und  der  Eckzahn  zusammen.  Eckzahn 
ebenso  hoch  wie  der  3.  Schneidezahn  und  nur  wenig  grofser. 
Luckenzahn  sehr  klein,  hinter  dem  Eckzahn  gelegen,  durch  einen 
Zwischenraum  von  dem  Reifszahn  getrennt.  Der  abgerundete  vor- 
dere Höcker  des  Reifszahns  tiefer  herabragend  als  der  Eckzahn. 
Unterer  2.  Schneidezahn  reichlich  doppelt  so  lang  wie  hoch.  Vor- 
derer innerer  Höcker  des  ersten  wahren  Backzahns  fast  so  hoch 
heraufragend  wie  der  vorhergehende  falsche  Backzahn. 

Innere  Seite  der  Ohrmuschel  mit  sparsamen  kurzen  rostfarbi- 
gen Haaren  besetzt;  sparsamere  längere  Haare  an  den  Ohrklappen. 

Schwanz  fein  geringelt  (15  Ringel  »^  5  Millim.),  verdickt,  mit 
kurzen  braunen  Haaren  bekleidet  Die  längern  Haare  und  einige 
kurze  der  Unterseite  mit  hellen  Spitzen. 

Oben  hell  zimmtfarbig,  unten  graubraun.  Haare  an  der  Basis 
schiefergrau.  Hände  und  Füfse  heller  rostfarbig,  Krallen  gelblich 
weifs. 

Totallänge  0?175  Ohrbreite  0?011 

Schwanz  0^066  Fufssohle  mit  Krallen  0?019 

Kopf  0?038  Kralle  der  Mittelzehe  0^0022 

Schnauzenspitze  bis  AugeO^'0 15  Obere  Zahnreihe  0'°0122 

Auge  bis  Ohr  0?008  Untere  Zahnreihe  0*0115 

Nasenloch  bis  OhröffnungO?024  Länge  des  1.  oberen 

Ofarhöhe  0?012  Schneidezahns  0?002 


594  Sitzung  der  physikalisch-mathematisehen  Klasse 

Hohe  des  1.  oberen  Lfinge  des  unteren  1. 

Schneidezahns  0'»0032  Schneidezahns  O^fOOö 

Ein  weibliches  Exemplar  mit  entwickelten  Zitzen  aus  Palem- 
bang  aaf  Sumatra  durch  Hrn.  Dr.  von  Märten s.. 

11.  Crocidura  (P,J  fuscipes  n.  sp. 

Etwas  gröXser  als  Mus  sylvatiem, 

Hintere  Abtheilung  des  1.  oberen  Schneidezahns  eben  so  lang, 
wie  die  vordere  und  eine  scharfe  Spitze  bildend.  Zweiter  Schnei* 
dezahn  nicht  ganz  so  lang  wie  der  3.  und  der  Eckzahn  zusammen. 
Der  Eckzahn  um  \  gröfser  als  der  3.  Schneidezahn,  aber  kaum 
hoher  als  derselbe.  Der  Lückenzahn  ist  zum  grofsten  Theil  von 
aufsen  sichtbar,  liegt  aber  z.  Th.  an  der  innern  Seite  des  Reifs- 
Zahns.  Die  vordere  Spitze  des  letztern  ragt  kaum  tiefer  herab^ 
als  die  Spitze  des  Luckenzahns,  ist  daher  viel  niedriger  als  der 
Eckzahn.  Der  untere  2.  Schneidezahn  ist  doppelt  so  lang  wie  hoch 
und  der  innere  Zacken  des  ersten  unteren  Backzahns  ist  woblent- 
wickelt. 

Schwanz  dick,  etwas  st&rker  geringelt  als  die  vorhergehenden 
(12  Ringel  =  5  Mm.),  oben  dunkelbraun,  unten  heller,  indem  die 
Haare  der  Oberseite  braun,  die  der  Unterseite  sowie  die  langem 
weifslich  sind. 

Oben  graubraun,  unten  grau,  H&nde  und  Fufse  dunkelbraun, 
Krallen  gelblich.  Die  steifen  kurzen  Haare  des  Seitenflecks  sind 
wie  die  übrigen  Körperhaare,  am  Grunde  schieferfarbig,  oben  an 
der  Spitze  grauweifs. 

Totollftnge  0?I70  Kralle  der  Mittelzehe      0<f002 

Schwanz  0?065  Obere  Zahnreihe  O'^OIS 

Kopf  0™0385  Untere  Zahnreihe  0«012 

Schnauzenspitze  bis  Auge  0*1^01 55  Lange  des  1.  oberen 
Auge  bis  Ohr                   0?0055  Schneidezahns  0'!^02 

Nasenloch  bis  OhröifnungO?0245  Hohe  desselben  0^0032 

Ohrhohe  0^012  Länge  des   1.  unteren 

Ohrbreite  0';010  Schneidezahns  O'fOO^ö 

Fufssoble  mit  Kralle       0*^019  (0?020) 

Von  Singapore,  wo  Hr.  F.  Ja  gor  6  Exemplare  auf  einem 
Cocosfelde  fand. 

In  der  Oröfse  ist  diese  sowohl  wie  die  vorhergehende  dem 
S,  myosurus  Pallas  ähnlich.  Nach  der  Angabe  von  Pallas  würde 
diese  Art  aber  zu  den  Crocidura  s.  s.  gehören  und  keinen  kleineo 


vom  25.  Juli  1870.  Ö95 

Lückenzahn  babeä,  womit  auch  die  von  ihm  gegebene  Abbildung 
{ActaAcad.  Scient.  Imp.  PetropoUuY.  1781.  IL  Taf.5.  Fig.l7)  uber^ 
einstimmt,  welche  den  Eckzahn  kleiner  als  den  3.  Schneidezahn 
zeigt.  Ob  die  von  Geoffroy  {Annal.  du  Mus.  d^kist  nat.  XVIL  181 1. 
p.  185.  Taf.3.  Fig.  2.3)  gegebene  Abbildung,  welche  den  Eckzahn 
gröfser  zeigt,  nach  den  Originalexemplaren  aus  dem  geraubten  nie- 
derländischen Museum  gemacht  sei,  ist  nicht  ganz  klar  aus  dem 
Text  zu  ersehen. 

Ein  Exemplar,  welches  unser  Museum  neuerdings  aus  Java 
erbalten  hat  und  welches  vielleicht  zu  S.  myo^urti«  Pallas  gehören 
durfte,  hat  die  hintere  Abtheilnng  des  1.  oberen  Schneidezahns 
viel  kürzer  als  die  vordere,  den  2.  Schneidezahn  eben  so  lang  wie 
den  3.  und  den  Eckzahn  zusammengenommen,  einen  niedrigen  ganz 
nach  innen  gedrängten  Lückenzahn  und  den  vordem  Innern  Zacken 
des  Reifszahns  fast  eben  so  weit  herabragend  wie  den  Eckzahn, 
diesen  letzteren  aber  wie  in  der  Godcffroy 'sehen  Abbildung  ein 
wenig  hoher  und  grofser  als  den  3.  Schneidezahn. 

Vielleicht  wird  es  noch  möglich  sein,  herauszubringen,  ob  die 
im  Pariser  Museum  befindlichen  Originalexemplare  zu  der  Abbil- 
dung und  Beschreibung  Geoffroy 's  aus  dem  ehemaligen  nieder- 
landischen  Museum  stammen,  was  für  diesen  Gegenstand  von  gro- 
fsem  Interesse  sein  würde. 

12.  Crocidura  (P.)  luzoniensh  n.  sp. 

Hintere  Abtheilung  des  1.  oberen  Schneidezahns  kürzer  als 
die  vordere,  mit  kurzer  scharfer  Spitze.  Zweiter  Schneidezahn 
nicht  so  lang  wie  der  3.  und  der  Eckzahn  zusammen.  Der  Eck- 
zahn merklich  hoher  als  der  1.  und  um  die  Hälfte  grofser  als  der 
3.  Backzahn.  Lückenzahn  nur  zum  kleinen  Theil  von  aufsen 
sichtbar,  an  der  Innern  Seite  des  Eckzahns  und  Reifszahns  liegend. 
Vorderer  Hocker  des  Reifszahns  wenig  entwickelt,  tiefer  liegend 
als  der  Lückenzahn.  Zweiter  unterer  Schneidezahn  reichlich  dop- 
pelt so  lang  wie  hoch.  Vorderer  innerer  Höcker  des  1.  unteren 
wahren  Backzahns  wohl '  entwickelt. 

Ohren  mit  ganz  kurzen  braunen  Haaren  sparsam  bekleidet, 
längere  auf  den  Ohrklappen. 

Schwanz  dick,  fein  geringelt  (ca.  16  Ringel  =  5  Mm.),  ver- 
dickt, einfarbig  dunkelbraun,  ringsum  mit  schwarzbraunen  Haaren 
bekleidet,  nur  die  längern  mit  blasser  Spitze. 


596  Sitzung  der  physikalisch^fMihematischen  Klasse 

Oben  dunkel  zimmtbraan,  unten  etwas  blasser,  Hände  und 
Füfse  rein  braun.  Haare  an  dem  Grunde  schieferfarbig.  Nägel 
gelblichweifs. 

Totallänge  0?148  Kralle  der  Mittelzehe  0?002 

Schwanz  0?050  Obere  Zahnreihe  0™0115 

Kopf  0?033  Untere  Zahnreihe  O?0105 

Schnauzenspitze  bis  Auge  070 15  Länge  des  1.  oberen 

Auge  bis  Ohr  0™0055  Schneidezahns  0?0017 

OhröflFnung  bis  Nasenloch  0^0235  Höhe  desselben  0?Ö03 

Ohrhöhe  O7OIO8  Länge  des  1.  untersten 

Ohrbreite  0*»009  *  Schneidezahns  0-0046 

Fufssohle  mit  Kralle       O^Ol?  (0?018) 

Zwei  Weibchen  aus  Luzon,  eins  von  Daraga  durch  Hrn. 
F.  Jagor  und  eins  von  Manila  durch  Hrn.  Dr.  v.  Martens. 


Hr.  A.  W.  Hofmann  las: 

Beobachtungen   vermischten  Inhalts. 
1.     Über  die  Einwirkung  des  Cyans  auf  das  Anilin. 

Neben  dem  Cyananilin,  dem  Hauptproducte  dieser  Reaction« 
bildet  sich,  wie  ich  bereits  vor  22  Jahren  gefunden  habe/)  eine 
rothc  kry  Stallini  sehe  Materie,  welche  in  letzter  Zeit  einer  einge- 
henden Prüfung  unterworfen  wurde.  In  geeigneter  Weise  gerei- 
nigt liefert  dieses  Pulver  schöne  morgenrothe,  violettschillernde 
Krystalle  einer  wohl  krystallisirten  einsäurigen  Base  von  der 
Formel 

Cai  Hi7  Nj  , 

welche  sowohl  für  sich  als  auch  in  Form  eines  in  Nadeln  krystal- 
lisirten chlorwasserstoffsauren  Salzes 

CjjHjyNj ,  HCl 
analysirt  worden  ist. 

Man  kann  annehmen,  dafs  sich  djeser  Körper  durch  Cyanan- 
lagerung  aus  Triphenylguanidin  bilde,  und  in  diesem  Sinne  die 
Base  durch  die  Formel 


*)   Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXVI,  127« 


vom  25.  Juli  1870.  597 

C,,H,,N,  =  2CN,  (CeH,)3    N3 

H2    J 
darstellen. 

Übereinstimmend  mit  dieser  Auffassung  sind  die  Umbildungen 
der  Base.  Längere  Zeit  mit  verdünntem  Alkohol  erhitzt  (am  be< 
sten  unter  Druck)  geht  sie  unter  Ammoniak-  und  Anilinabspaltung 
in  Diphenylparabansäure  über: 

C  CO 

2CN,  (CgH5)jlN,  +  3H,0  =  0,0^    In,  +  2HjN  +  CgHjN. 
H,  i  (CeHO,J 

Kocht  man  die  alkoholische  Lösung  der  Base  längere  Zeit 
mit  coucontrirter  Salzsäure,  so  zerfällt  auch  die  Diphenylparaban- 
säure, und  man  erhält  schliefslich  nur  Ammoniak,  Anilin,  Kohlen- 
säure und  Oxalsäure. 

2 C N,  (C6H5)3l N3 4- 6 Hg O  =  2H3 N -f- 3 CßH^N -h CO2 -h  CgHaO^. 
Hg    J 


2.     Einwirkung  des  Cyans  auf  das  Triphenylguanidin. 

Nachdem  die  Zusammensetzung  der  in  dem  vorhergehenden 
Paragraphen  beschriebenen  Verbindung  festgestellt  worden  war,  lag 
der  Gedanke  nahe,  die  Darstellung  derselben  durch  die  Einwirkung 
des  Cyans  auf  das  Triphenylguanidin  zu  versuchen. 

Eine  alkoholische  Losung  des  triphenylirten  Guanidins  absor- 
birt  in  der  That  reichliche  Mengen  von  Cyangas,  und  nach  länge- 
rem Stehen  setzt  die  gesättigte  Losung  gelblich  weifse  Krystalle 
ab,  welche  durch  Umkrystallisiren  gereinigt  werden.  Dieser  Kör- 
per hat  dieselbe  Zusammensetzung  wie  der  neben  dem  Cyananiiin 
entstehende^  nämlich 

Cj,H„N,  =  2CN,(C,Hj),In,. 

Und  nicht  nur  in  der  Zusammensetzung  stimmt  er  mit  diesem 
Nebenprodacte  überein,  auch  in  seiner  Gonstitation  mufs  er  demselben 


598  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

sehr  nahe  stehen.  Nichtsdestoweniger  genügt  eine  einfache  Verglei- 
chung  der  Eigenschaften  beider  Verbindungen,  um  za  zeigen,  dafs  hier 
nur  Isoroerie,  nicht  Identität  statt  hat.  Hinsichtlich  der  Farbe, 
KrystaUform  and  Loslichkeit  geben  sich  die  grofsten  Unterschiede 
£U  erkennen,  besonders  scharf  aber  zeigt  sich  die  Verschiedenheit 
im  Verhalten  za  den  Sfiuren. 

Der  aas  dem  Triphenylgaanidin  entstehende  Cjankörper  nimmt 
in  Berührung  mit  Salzs&ure  eine  tiefe  gelbrothe  Farbe  an,  offenbar 
in  Folge  der  Bildung  eines  Salzes;  allein  vergeblich  bemüht  man 
sich,  dieses  Salz  za  fixiren.  Schon  nach  einigen  Augenblicken  ist 
der  Körper  unter  Ammoniakabspaltung  in  eine  schön  krystallisirte 
gelbe  Substanz  übergegangen,  welche  nichts  anderes  als  Oxalyl- 
triphenylguanidin 

C 


Cj^Hj^NjO,  =  C3O,  |n, 

(CALV 


ist  und  nach  der  Gleichung 

C„H„Nj  +  2H,0  =  C„H„N,0,  +  2H,N 

entsteht.  Mit  Alkohol  und  Salzsftnre  gekocht  liefert  dies  Product, 
unter  Ausscheidung  von  Anilin,  Diphenylparabansfiure, 

C,iH„N,0,  +  H,0  =  C„H,oN,0,  +  CjH,N , 

welche  letztere  schliefslich  in  Anilin,  Oxalsäure  und  Kohlensaare 
zerfällt 

Man  sieht,  auch  die  Zersetzungsproducte  der  beiden  Isomeren 
sind  dieselben,  die  Erscheinungen  aber,  unter  denen  sie  sich  bil- 
den, charakterisiren  nicht  minder  die  Verschiedenheit  beider  Sub- 
stanzen. 

Erwägt  man,  wie  leicht  die  beiden  isomeren  Dicy  an  Verbindun- 
gen des  Triphenylguanidins ,  sowie  auch  nach  meinen  früheren 
Untersuchungen^)  des  Diphenylguanidins  in  Diphenylparabansäure 
übergehen,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  die  Bildung  der  normalen 
Parabansäure  durch  Behandlung  des  normalen  Guanidins  mit  Cjan 
anzustreben.  Diese  Aufgabe  verfolgende  Versuche  werden  im 
Augenblick  im  hiesigen  Laboratorium  angestellt 


>}    Hofmann,  Lond.  R.  S.  Proc.  XI,  275  und  Monatsb.  1870,   171. 


vom  26.  Juli  1870.  599 

3.     Über    eine    neue  Classe    von  Cyansäureätbern. 

Schon  vor  vielen  Jahren  habe  ich  gezeigt,  dafs  sich  die  ge- 
wöhnlichen Cyansänreäther  bei  der  Berührung  mit  Triäthylphos- 
phin  polymerisiren J )  Diese  Beobachtung  wurde  zunächst  beim 
Phenylcyanat  angestellt.  Ich  sprach  damals  die  aus  dem  Phenyl- 
cyanat  entstehende  schon  krystallisirte  Verbindung  als  Phenylcya- 
nurat  an.  Diese  Annahme  schien  vollkommen  berechtigt,  da  die 
starre  Verbindung  dieselbe  Zusammensetzung  wie  das  flussige 
Cyanat  besitzt,  von  letzterem  aber  in  seinen  Eigenschaften,  zumal 
aber  durch  einen  ungleich  höheren  Siedepunkt  abweicht.  Seitdem 
bin  ich  den  phenylirten  Cyanursäureverbindungen  auf  anderen  Wö- 
gen begegnet,  dem  Phenylcyanurat  unter  den  Zersetzungsproducten 
des  Triphenylmelamins,')  dem  Isocy annrat  bei  der  Untersuchung 
der  Einwirkung  des  Cyanchlorids  auf  Phenol.')  Die  Entdeckung 
einer  einfachen  Methode,  das  Phenylcyanat  aus  dem  Phenylurethan 
darzustellen,^)  war  mir  deshalb  von  besonderem  Werthe,  weil  sie 
mir  die  Entscheidung  der  Frage  erlaubte,  ob  das  durch  Polymeri- 
sation aus  dem  Cyanat  entstehende  Product  mit  einem  der  auf  an- 
dere Weise  gewonnenen  Cyanurate  identisch  sei. 

Eine  eingehende  Prüfung  des  mittelst  Phosphorbase  aus  dem 
Phenylcyanat  erhaltenen  Korpers  hat  mich  nun  gelehrt,  dafs  diese 
Substanz  weder  mit  dem  Phenylcyanurat  noch  mit  dem  Phenyliso- 
cyanurat  identisch  ist.  Der  Schmelzpunkt  des  aus  dem  Triphenyl- 
melamin  entstehenden  Cyanurats  liegt  bei  260,  der  des  dem  Phe- 
nol entstammenden  Isocyanurats  bei  224;  die  durch  Polymerisation 
entstandene  Verbindung  schmilzt  schon  bei  175°.  Auch  in  den 
übrigen  Eigenschaften  weicht  diese  Verbindung  von  den  bereits  be- 
kannten Cyanuraten  ab. 

Ganz  ähnliche  Erscheinungen^  wie  diejenigen,  welche  man  bei 
der  Einwirkung  der  Phosphorbase  auf  das  Phenylcyanat  beobach- 
tet, zeigen  sich  bei  der  Behandlung  des  Äthyl-  und  Methylcyanats 
mit  dem  Phosphorkorper.  Das  Äthylcyanat  geht  unter  diesen  Um- 
ständen bei  gewöhnlicher  Temperatur  langsam,  bei  der  Temperatur 


')  Hofmanu,  Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  I,  57. 
')  Hofmann,  Monatsberichte  1870,  197. 
>)  Hofmann,  Monatsberichte  1870,  206. 
^)  Hofmann,  Monatsberichte  1870,  676. 


600  Sitzung  der  physikalisek-mathematisehen  Klasse 

des  siedenden  Wassers  unter  Druck  fast  augenblicklieb  in  eine  zähe 
Flüssigkeit  über,  die  nacb  kurzer  Zeit  krystallinisch  erstarrt.  Das 
Methylcyanat  verwandelt  sieb  bei  der  Berührung  mit  einem  Tropfea 
Triäthylphospbin  augenblicklich  und  unter  beträchtlicher  Wärme- 
entwicklung in  eine  schone  Krystallmasse.  Die  unter  Mitwirkung 
der  Wärme  aus  dem  Äthylcyanat  entstehende  Verbindung  zeigt 
den  Schmelzpunkt  95°,  ist  also  wohl  mit  dem  bekannten  Äthvi- 
cyanurat  identisch.  Der  Schmelzpunkt  des  gewohnlichen  Methyl- 
cyanurats  liegt  bei  175°;  das  erst  jungst  von  mir  entdeckte  Methyl- 
isocyanurat  schmilzt  bei  132°;  die  neue  durch  Polymerisation  ent 
standene  Verbindung  schmilzt  schon  bei  98°. 

Die  neuen  Isomeren  der  Cyansäure-  und  Cyanursänreäther 
liefern,  zumal  in  der  aromatischen  Reihe,  interessante  Umbildan- 
gon,  welche  ich  eingehend  zu  untersuchen  gedenke.  Schon  jetzt 
aber  mag  es  mir  gestattet  sein,  die  Ansicht  auszusprechen,  dafs 
die  neu  entdeckten  Verbindungen  in  der  Mitte  zwischen  den  Cyau- 
säure-  und  Cyanursäureäthern  liegen 

CO  1  (CO),  I  (CO),  I 

CgHj^  (C,B,),r^         (C.H,),]"»' 

Phenylcjranat.       Neue  Verbindung.        Phenylcyanurat. 

Weitere  Untersuchungen  müssen  feststellen,  ob  diese  Auffas- 
sung die  richtige  ist. 


4.     Neue  Bildungsweise    der  Isonitrile. 

Die  merkwürdige  Umwandlung,  welche  die  Cyan säure- Äther 
durch  die  Einwirkung  des  Triäthylphosphins  erleiden,  liefs  es  wün- 
schenswerth  erscheinen,  das  Verhalten  der  Phosphorbase  auch  ge- 
gen die  Senfole  von  Neuem  zu  studiren.  Schon  früher  habe  ich 
gezeigt,  dafs  das  Senföl  par  excellence  sowie  das  PhenylsenfoP ) 
1  Mol.  Triäthylphosphin  fixiren,  indem  substituirte  Harnstoffe  ent- 
stehen, welche  gleichzeitig  Stickstoff  und  Phosphor  enthalten.  In 
der  citirten  Abhandlung  findet   sich  bereits  die  Angabe,    dafs  sich 


^}  Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  I.  Suppl.  57. 


vom  25.  Juli  1870,  601 

diese  Harnstoffe  bei  höherer  Temperatur  in  Triäthylphosphinsulfid 
und  flussige  Korper  von  durchdringend  unangenehmem  Charakter 
verwandeln,  deren  Natur  damals  unergrundet  blieb.  Bei  einer 
Wiederholung  dieser  Versuche  ergab  es  sich,  dafs  als  das  complc- 
roentäre  Product  des  Triäthylphosphinsulfids  das  Isonitril  der  Reihe 
auftritt, 

C,H,       NP  =  (C,HO,PS  +  ^      N. 
(C,H,),i  ^»««J 

Auch  die  seit  jener  Zeit  entdeckten  Senfole  der  Methyl-, 
Äthyl-  und  Amylreihe  zeigen  ein  vollkommen  analoges  Verhalten. 
Beim  Zusammentreffen  von  Phosphorbase  mit  den  genannten  Senf- 
ülen  wird  Wärme  frei,  der  Geruch  verschwindet  offenbar  in  Folge 
der  Bildung  von  den  genannten  Harnstoffen  analogen  Phosphor- 
stickstoffverbindungen. Wird  nunmehr  die  Mischung  unter  Druck 
erhitzt,  so  scheiden  sich  beim  Erkalten  die  prachtvollen  Krystalle 
des  Triäthylphosphinsulflds  ab,  während  sich  gleichzeitig  das  Iso- 
nitril  der  Methyl-,  Äthyl-  und  Amylreihe  durch  seinen  furchtbaren 
Geruch  zu  erkennen  geben. 


6.     Reaction  auf  Cyanursäure. 

Wenn  die  Cyanursäure  als  solche  und  in  nur  irgend  erheb- 
licher Menge  vorliegt,  so  wird  man,  um  sie  zu  erkennen,  kaum 
einen  anderen  Weg  einschlagen,  als  die  Säure  scharf  zu  trocknen 
und  sie  alsdann  in  einer  kurzen  engen  Röhre  zu  erhitzen.  Der 
Geruch  des  entwickelten  Cyansäuredampfes  ist  so  charakteristisch, 
dafs  man  über  die  Gegenwart  oder  Abwesenheit  der  Säure  nicht 
leicht  im  Zweifel  bleiben  kann. 

Hat  man  es  dagegen  mit  einer  Lösung  von  Cyanursäure  zu 
thun,  und  ist  die  Säure  in  aufserordentlich  geringer  Menge  vorhan- 
den, so  kann  man  sich  mit  grofsem  Vortheii  der  Schwerlöslich - 
keit  des  Natriumcyanurats  in  heifser  concentrirter  Natronlauge  zur 
Charakterisirung  der  Säure  bedienen. 

Zu  dem  Ende  wird  die  Lösung,  zweckmäfsig  auf  einem  Uhr- 
glase,   mit  concentrirter  Natronlauge  versetzt   und   die  Flüssigkeit 


602  Sitzung  der  physikaUseh-fnathemaüBchen  Blasse 

alsdann  einige  Augenblicke  aber  einem  Spitzbrenner  erw£nnt  Als- 
bald erscheinen  von  dem  Punkte  aus,  wo  die  Flamme  aaftriB. 
prächtige  feine  Nadeln  des  cyanursauren  Salzes,  welche,  wenn  die 
Lösung  nicht  allzu  concentrirt  ist,  beim  Erkalten  wieder  Ter- 
schwinden. 

Ich  war  begierig,  die  Zusammensetzung  dieses  schönen  Salzes 
zu  erfahren.  Zu  dem  Ende  wurde  eine  grofsere  Menge  der  Kry- 
stalle  durch  siedende  Natronlauge  gefällt  und  noch  heifs  auf  einen 
Trichter  gebracht^  dessen  Rohr  durch  eine  eingelegte  Glaskugel 
geschlossen  war.  Um  das  freie  Alkali  zu  entfernen,  mufs  mit 
Alkohol  gewaschen  werden,  da  sich  das  Salz  in  Wasser  lost;  so 
kommt  es,  dafs  der  Verbindung  leicht  eine  Spur  Natriumcarbooat 
anhängt. 

In  dem  bei  100°  getrockneten  Salze  wurde  das  Natrium  als 
Sulfat  bestimmt.  0.392  Grm.  Salz  lieferten  0.4389  Natriamsulfat 
=  0.142  Grm.  =  36.2  pCt,  Natrium. 

Das  bei  der  Verbrennung  mit  Natronkalk  erhaltene  Ammoniak 
wurde  als  Salmiak  gesammelt,  und  in  diesem  das  Chlor  volume- 
trisch  bestimmt.  Aus  dem  Chlor  berechnet,  ergaben  sich  21.6  pCu 
Stickstoff. 

Diese  Zahlen  zeigen,  dafs  die  beim  Erhitzen  mit  concentrirter 
Natronlauge  entstehenden  Krystalle  das  trimetallische  Salz 

NajCaNjGj 

darstellen.     Dieses  Salz  enthält  35.4  pCt.  Natrium  und  21.5  Stick- 
stoff. 


6.     Rcaction  auf  Chloroform. 

Wenn  es  sich  darum  handelt,  kleine  Mengen  von  Chloro- 
form nachzuweisen,  zumal  in  Gegenwart  anderer,  dem  Chlorofortn 
nahestehender  Verbindungen,  deren  Eigenschaften  denen  des  Chlo- 
roforms gleichen,  so  kann  man  sich  mit  grofsem  Vortheil  seiiie.-^ 
Verhaltens  zu  den  Monaminen  in  Gegenwart  von  Alkohol  und  Na- 
triumhydrat bedienen.  Der  Geruch  des  entstehenden  Isonitrils  i~<t 
ein  unfehlbares  Merkmal  der  Anwesenheit  des  Chloroforms. 

Man  stellt  den  Versuch  einfach  in  der  Weise  an,  dafs  man 
die  zu  prüfende  Flüssigkeit  in  eine  Mischung  von  Anilin  —  jede? 


vom  25.  Juli  1870.  603 

andere  primfire  Monamin,  fett  oder  aromatisch,  leistet  denselben 
Dienst  —  und  alkoholischem  Natriumhydrat  eingiefst.  Ist  Chloro- 
form vorhanden,  so  erfolgt  alsbald,  jedenfalls  aber  bei  gelindem 
Erwärmen,  heftige  Reaction  unter  Entwickelung  des  charakteri- 
stisch riechenden  Isonitrils. 

Ich  habe  eine  grofse  Anzahl  von  dem  Chloroform  ähnlichen 
Körpern  der  angeführten  Reaction  unterworfen  —  aber  keinen  ge- 
funden, welcher  im  Stande  war,  Körper  von  dem  eigenthumlichen 
Geruch  des  Isonitrils  zu  entwickeln. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  Bromoform  und  Jodoform 
genau  dasselbe  Verhalten  zeigen  wie  Chloroform;  auch  beobachtet 
man  die  Reaction  mit  sämmtlichen,  bei  Einwirkung  eines  Alkalis, 
Chloroform,  Bromoform  und  Jodoform  liefernden  Korpern.  Ver- 
setzt man  z.  B.  eine  Auf  losung  von  Chloral  in  Anilin  mit  alkohor 
lischer  Kalilosung,  so  entwickelt  sich  sofort  mit  grofser  Heftigkeit 
der  Dampf  des  Isonitrils. 

In  neuester  Zeit  hat  man  für  anästhetische  Zwecke  statt  des 
Chloroforms  das  Chloräthyliden  vorgeschlagen.  Beide  Sub- 
stanzen sind  sowohl  hinsichtlich  des  Geruchs,  als  auch  hinsichtlich 
der  Siedepunkte  (Chloroform  61°,  Chloräthyliden  60°)  nur  schwie- 
rig von  einander  zu  unterscheiden.  Nichts  ist  aber  leichter,  als 
in  einem  solchen  Falle  das  Chloroform  albald  zu  charakterisiren. 
Das  Chloräthyliden  liefert  mit  alkoholischem  Natriumhydrat  und 
Anilin  kein  Isonitril. 

Die  hier  empfohlene  Reaction  ist  so  empfindlich,  dafs  sieb 
1  Th.  Chloroform  in  5000  bis  6000  Th.  Alkohol  gelost  noch  mit 
Sicherheit  erkennen  läfst. 


7.    Diagnose  primärer,  secundärer  und  tertiärer  Amine. 

Zur  Untersuchung  der  drei  Klassen  substituirter  Ammoniake 
ist  man  bisher  fast  nur  auf  eine  Methode  hingewiesen  gewesen,  wel- 
che sich  aus  meinen  Untersuchungen  über  die  Darstellung  der  Alkohol- 
Derivate^)  des  Ammoniaks  ergeben  hat.    Dieses  seither  vielfach,  be- 


1)    Hofmann,  Ann.  Chem.  Pharm.  LXXU,  159. 
[1^0]  42 


604  Sitzung  der  physikaliach-mathematf sehen  Klasse 

sonders  bei  der  Untersuchung  der  Pflanienbasen,  angewendete  Ver- 
fahren besteht  in  der  Feststellung  der  Anzahl  von  Methyl-  oder 
Äthylgruppen,  welche  das  in  Frage  stehende  Amin  zu  fixiren  im 
Stande  ist,  insofern  die  Aufnahme  einer  Methylgruppe  das  ter- 
tifire,  die  zweier  das  secundäre,  die  dreier  Methylgruppen 
endlich  das  prim&re  Amin  charakterisirt. 

Diese  Methode  liefert,  wo  immer  man  es  mit  nur  ^nigermas- 
sen  wohl  definirten  Ammoniak-Derivaten  zu  thun  hat,  vollkommen 
zuverlofsige  Resultate.  Sic  hat  aber  den  Nachtheil,  dafs  man  stets 
mit  gröfseren  Mengen  arbeiten  mufs,  und  schliefsh'ch  einer  quanti- 
tativen Analyse  bedarf,  die  sich  allerdings  in  den  meisten  Fällen 
auf  eine  einfache  Platinbestimmung  beschränkt. 

Ich  habe  mich,  zur  Erreichung  desselben  Zinns,  in  letzter  Zeit 
zum  öfteren  einer  einfachen  qualitativen  Methode  bedient,  wel- 
che sich  auf  die  bei  der  Untersuchung  der  Isonitrile  und  der 
Senfole  gesammelte  Erfahrungen  gründet 

Nach  den  bereits  veröffentlichten  Resultaten,  welche  durch 
vielfache  Versuche  in  jüngster  Zeit  allgemeine  Bestätigung  gefun- 
den haben,  sind  es  nur  die  primären  Monamine,  welche  mit 
Chloroform  und  alkoholischer  Kalilauge  Isonitrile  zu  liefern  im 
Stande  sind.  Da  diese  Reaction  von  aufserordentlicher  Empfind- 
lichkeit ist,  und  der  Geruch  der  Isonitrile,  obwohl  je  nach  der 
Natur  der  Eohlenstoffgruppe,  welche  die  Base  enthält,  verschiedeo, 
dennoch  ein  ganz  unverkennbarer  ist,  so  kann  man  albald  ohne 
die  geringste  Schwierigkeit  entscheiden,  ob  man  es  mit  einer  pri- 
mären Base  zu  thun  hat. 

Was  die  Ausführung  des  Versuches  anlangt,  so  braucht  man 
nicht  mehr  als  einige  Centigramme  der  Base  in  Alkohol  zu  losen, 
die  Losung  in  einer  Proberöhre  mit  alkoholischer  Kali-  oder  Na- 
tronlösung zu  versetzen  und  alsdann  nach  Zusatz  einiger  Tropfen 
Chloroform  gelinde  zu  erwärmen,  alsbald  entwickeln  sich,  unter  lel»- 
tiaftem  Aufwallen  der  Flüssigkeit,  die  betäubenden  Dämpfe  des 
Isouitrils,  die  man  gleichzeitig  in  der  Nase  und  auf  der  Zunge 
spurt. 

Ist  bei  dem  Versuche  mit  alkoholischem  Kali  und  Chloroform 
der  charakteristische  Geruch  eines  Isonitrils  nicht  aufgetreten,  so 
hat  man  jetzt  noch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  das  zu  unter- 
suchende Amin  ein  secundäres  oder  ein  tertiäres  ist.  Hier  wird 
die  Senfolbildung  mit  grofsem  Vortheil  verwerthet.      Durch  Ver- 


vom  25.  Juli  1870.  605 

suche  ist  festgestellt,  daCs  sowohl  die  primären  als  auch  die  sccun« 
dären  Amine  Senfole  liefern.')  Man  hat  also,  um  die  Gegenwart 
einer  secondären  Base  zu  erkennen,  nur  noch  zu  ermitteln,  ob 
das  untersuchte  Amin  sich  in  ein  Senföl  verwandeln  läfst  Die 
Senfole  besitzen  gleichfalls,  je  nach  der  Reihe,  in  der  man  arbei- 
tet, einen  verschiedenen  Geruch,  allein  der  allgemeine  Charakter 
des  Geruchs  und  zumal  die  heftige  Einwirkung  auf  die  Schleim- 
haut der  Nase  sind  allen  Senfolen  gemeinschaftlich.  Man  wird 
daher  diesen  Geruch  unter  allen  Umstanden  leicht  erkennen. 

Was  die  Ausfuhrung  des  Versuches  anlangt,  so  lost  man 
einige  Centigramme  der  Base  in  Alkohol,  versetzt  die  Losung 
mit  etwa  der  gleichen  Menge  Schwefelkohlenstoff,  und  verdampft 
einen  Theil  des  Alkohols.  Alsdann  erhitzt  man  die  ruckständige 
Flüssigkeit,  welche  die  sulfocarbaminsaure  Base  enthält,  mit  einer 
wäfsrigen  Lösung  von  Quecksilberchlorid.  Augenblicklich  entsteht, 
falls  eine  primäre  oder  secundäre  Base  vorliegt,  der  heftige  Geruch 
des  Senfols  der  Reihe. 

Leider  ist  diese  Reaction,  welche  an  Präcision  und  Schnellig- 
keit der  Ausführung  nichts  zu  wünschen  übrig  läfst,  doch  nicht 
ganz  allgemein. 

Der  Nachweis,  ob  man  es  mit  einer  primären  Base  zu  thun 
habe,  gelingt  in  allen  Fällen,  ganz  einerlei,  ob  man  in  der  fetten 
oder  aromatischen  Reihe  arbeitet,  oder  Körper  untersucht,  die  bei- 
den Reihen  angehören.  Nicht  so,  wenn  eine  secundäre  Base  nach- 
gewiesen werden  soll.  In  diesem  Falle  tritt  die  Senfolbildung  un- 
ter den  angegebenen  Bedingungen  nur  dann  ein,  wenn  das  Amin 
entweder  ein  Glied  der  fetten  Reihe,  oder  aber  ein  Mischling  ist, 
in  welchem  sich  die  Amidirung  in  der  fetten  Hälfte  der  Verbin- 
dung vollendet  hat.') 

Wurde  bei  der  Untersuchung  einer  aromatischen  Verbindung 
die  Senfolreaction  ausbleiben,  so  mufste  man  zur  Entscheidung  der 
Frage,  ob  ein  secundäres  oder  ein  tertiäres  Amin  vorliegt^  auf  die 
alte  Methode,  Behandlung  mit  Jodmethyl  etc.,  zurückfallen.  Wäre 
andererseits  Senfolbildung  eingetreten,  so  hätte  man  nicht  nur  die 
Substitutionsstufc  des  Amins   ermittelt,    sondern   auch   gleichzeitig 


0  Hofmann,  Monatsb.  1868,  467. 
')  Hofmann,  Monatsb.  1868,  471. 

42 


GOG  Sitzung  der  physikalisch-matkemaiisehen  Klasse 

eine  bestimmte  Auffassung  über  die  Stellung  des  Ammoniakfrag- 
ments gewonnen. 


8.     Zur  Kenntnifs  des  Phenylxanthogenamids. 

Vor  Kurzem  habe  ich  der  Akademie  eine  einfache  Methode 
mitgetheilt,  die  aromatischen  Cyanate  darzustellen,')  welche  darin 
besteht,  die  substituirten  Urethane  mit  Phosphorsaureanhjdrid  zu 
behandeln.  Unter  Entwickelung  von  olbildendem  Gase  destilliren 
die  reinen  Cyanate.  Diese  einfache  Methode  wurde,  wie  dies  ge- 
wohnlich zu  geschehen  pflegt,  erst  aufgefunden,  nachdem  viele  an- 
dere Methoden  vergeblich  versucht  worden  waren.  Unter  den  an- 
gestellten Versuchen  will  ich  einen  erwähnen,  da  er  zu  einigen 
Beobachtungen  Veranlassung  gegeben  hat,  welche  der  Aufzeichnung 
werth  erscheinen. 

Bekanntlich  zerlegt  sich  das  Xanthogenamid  oder  halb  ge- 
schwefelte Urethan  bei  der  Destillation  in  Mercaptan  und  Cyansäure 

C3H7NOS  =  C,HgS  4-  CHNO. 

Der  Gedanke  lag  nahe,  ein  phenylirtes  Xanthogenamid  darzu- 
stellen und  die  eben  angeführte  Reaction  für  die  Gewinnung  des 
Phenylcyanats  zu  verwerthen. 

Allerdings  hatte  ich  bereits  bei  meinen  Untersuchungen  über 
die  Senfole  einen  Körper  von  der  Zusammensetzung  des  Phenyl- 
xanthogenamids oder  halbgeschwefeltcn  Phenylurethans  erhalten,') 
dessen  Verhalten  in  der  WSrme  den  hier  angedeuteten  Erwartun- 
gen keineswegs  entspricht. 

Der  in  Frage  stehende  bildet  sich  beim  Erhitzen  von  Phenyl- 
senföl  mit  Alkohol  aut  110  bis  125'' 

(CS)"1  ^  ^  C,UA      _  (CS)"(CeH,)HN| 

und  zerlegte  sich  bei  der  Destillation  wieder  in  seine  Bestandt- 
theile,  denen  stets  je  nach  den  Umstanden  mehr  oder  weniger  Sul- 
focarbanilid  oder  Diphenylsnlfoharnstoif  beigemengt  ist.  Wahrschein- 


1)  Hof  mann,  Monatsb.   1870,  576. 
3)  Hof  mann,  Monatsb.  1869,  332. 


vom  25.  Juli  1870.  607 

lieh  wird  während  der  Destillation  etwas  Alkohol  zersetzt,  und 
dsi»  Sulfocarbanilid  wurde  alsdann  als  secundares  Product  der  Ein- 
wirkung des  von  dem  Alkohol  gelieferten  Wassers  auf  das  PhenjN 
senföl  auftreten. 

Neben  dem  hier  als  halbgeschwefeltes  Phenylarethan  bezeich-» 
neten  Körper  mufs  ein  zweiter  von  derselben  Zusammensetzung 
existiren,  von  dem  ersten  nur  durch  die  relative  Stellung  der 
SaaerstofF-  und  Schwefelatome  verschieden.  Man  wird,  im  Hinblick 
auf  die  in  der  Äthylreihe  bereits  vorliegenden  Beobachtungen,') 
erwarten  dürfen,  den  isomeren  Korper  durch  die  Einwirkung  des 
Phenylcyanats  auf  das  Äthyl mercap tan  zu  erhalten.  Bildung  und 
Zersetzung  des  Korpers  wurde  im  Sinne  der  Gleichung 

(CO)"]  N  +  C2H5I  s  _  (CO)"(C6H0HN|  - 

erfolgen. 

Ich  habe  nicht  versucht,  den  hier  angedeuteten  Korper  aus 
Seinen  Componenten  zusammenzusetzen,  da  seine  Darstellung  auf 
diesem  Wege  für  die  Losung  der  Aufgabe,  welche  ich  anstrebte, 
ohne  Interesse  gewesen  wäre.  Wohl  aber  war  es  bei  der  Leich- 
tigkeit, mit  welcher  in  dieser  Körpergruppe  Sauerstoff  und  Schw^e- 
fel  ihren  Platz  wechseln,  su  versuchen,  ob  sich  ein  bei  der  Destil- 
lation in  Äthylraercaptan  und  Phenylcyanat  zerfallender  Körper 
nicht  in  irgend  einem  der  Processc  bilden  könne,  in  denen  sich 
das  normale  Xanthogenamid  erzeugt. 

Von  den  verschiedenen  Methoden,  mittelst  deren  man  das  Xan- 
thogenamid erhalten  hat,  schien  die,  von  Hrn. Debus')  entdeckte, 
aus  dem  sogenannten  Äthyldisulfocarbonsulfid  (Äthyl bioxysulfocar- 
bonat)  am  schnellsten  zum  Ziele  zu  fuhren.  Bei  der  Darstellung 
dieser  letzteren  Verbindung  wurde  genau  das  von  Hrn.  Debus') 
angegebene  elegante  Verfahren  eingehalten,  welches  ich  bestens 
empfehlen  kann.  Eine  starke  alkoholische  Kalilösung  wurde  mit 
dem  berechneten  Gewicht  Schwefelkohlenstoff  versetzt  und  stehen 
gelassen    bis  sie  zu  einer  Masse  schöner  Kry  stall  nadeln  von  xan- 


1)  Hof  mann,  Monatsb.  1869,  120. 

')  Debus,  Ann.  Cliem.  Pharm.  LXXII.  8. 

3)  Debns,  Loc.  cit.  LXXXUI.  261. 


608  Sitzung  der  physikalisch^mathematisehen  Klasse 

thogensaurem  Kalium  erstarrt  war.  Diese  Masse  wurde  alsdann 
in  dem  doppelten  Volum  Wasser  gelost  und  durch  die  Flüssigkeit, 
welche  mit  einer  kleinen  Menge  Jodkalium  versetzt  worden  War, 
ein  starker  Chlorstrom  geleitet.  Die  Ausscheidung  von  Jod  den- 
tet  den  Zeitpunkt  an,  wenn  das  Chlor  nicht  mehr  von  dem  Metall 
des  xanthogensauren  Salzes  fixirt  wird.  Für  den  Zweck,  den  ich 
im  Auge  hatte,  war  es  hinreichend,  die  chlorgesättigte  Flüssigkeit 
stehen  zu  lassen,  his  sich  das  Äthyldisulfocarbonsulfid  als  oifge 
Schicht  abgeschieden  hatte,  und  diese  nach  dem  Waschen  mit  Was- 
ser und  Abheben  im  Scheidetrichter  direct  mit  Anilin  zu  behandeln. 
Die  Rcaction  ist  eine  sehr  lebhafte  und  erfolgt  gerade  so  wie 
man  nach  den  Versuchen  des  Hm.  Debus  über  die  Wirkung  des 
Ammoniaks  erwarten  durfte.  Unter  gleichzeitiger  Schwefelaus- 
scheidung spaltet  sich  das  Äthyldisulfocarbonsulfid  bei  der  Behand- 
lung mit  Anilin  in  Phenylxanthogenamid  (halbgeschwefeltes  Phe- 
nylurethan)  und  Xanthogensaure 

(CSjH     '  '        Hj  CgHj  HJ      * 

ein  Theil  der  letzteren  gebt  bei  Gegenwart  eines  Überschufses  von 
Anilin  unter  Schwefelwasserstoffcntwicklung  und  Austreten  von 
Alkohol  in  diphenylirten  Schwefelharnstoff  über, 

^»^»}CS,0  +  2[^*h;}n]  =  (C,H,),|n,  +  ^»f]0  +  H,S. 

Die  gleichzeitige  Bildung  von  Diphenylsulfoharnstoff  erschwert 
die  Reindarstellung  des  Phenylxanthogenamids,  allein  durch  oft 
wiederholtes  Umkrystallisiren  aus  Weingeist,  in  dem  der  Harnstoff 
ungleich  weniger  loslich  ist,  gelingt  es  schliefslich  das  Phenylxan- 
thogenamid rein  zu  erhalten. 

In  Folge  dieser  grofsen  Schwierigkeit,  den  Körper  im  Zu- 
stande der  Reinheit  zu  gewinnen,  bin  ich  längere  Zeit  der  Meinung 
gewesen,  dafs  die  aus  dem  Äthyldisulfocarbonsulfid  dargestellte 
Verbindung  verschieden  sei  von  der  bei  der  Einwirkung  von  Al- 
kohol auf  Phenylsenfol  erhaltenen. 

Bei  einer  sorgfaltigen  Vergleichung  der  physikalischen  Eigen- 
schaften und  namentlich  des  chemischen  Verhaltens  der  nach  bei- 


vom  25.  Juli  1870. 


609 


den  Yerfahrungsweisen  gewonnenen  Substanzen  habe  ich  indessen 
keinen  Unterschied  auffinden  können. 

Die  eingebende  krystallographische  Untersuchung  des  Phenyl- 
xanthogenamids,  dessen  alkoholische  Lösung  beim  langsamen  Ver- 
dunsten sehr  schöne  Ery  stalle  liefert,  fuhren  zu  demselben  Schlüsse. 
Hr.  Dr.  Groth  fand  die  Krystallform  dieselbe,  ob  die  Verbindung 
auf  die  eine  oder  die  andere  Weise  dargestellt  worden  war. 

Folgendes  sind  die  Details  der  krystallographischen  Unter- 
suchung, welche  mir  Hr.  Dr.  Groth  freundlichst  hat  mittheilen 
wollen. 


Krystallsystem   triklinisch. 

AxenvcrhSltnifs  (Brachydiag. :  Makrodiag. :  Verticalaxe)  : 

a :  b :  c  =  0,6027  :  1 :  0,6539. 
Winkel  der  Axenebenen  und  der  Axen: 


A  =    94°  55' 
B  =  102  35 
C  =    93  54 


«=    94°  10' 
ß  =  102  18 
7  =    92  54 


Die  Krystalle  sind  säulenförmige  Combinationen  der  Flachen- 
paare a  und  b,  des  linken  Hemiprisma  p,  der  nach  vorn  geneigten 
Endflache  c,  dem  vordem  (r)  und  hintern  (r')  makrodiagonalen, 
sowie  dem  linken  brachydiagonalen  Hemidoma  o',  endlich  den  Oc- 
taederfiächpaaren  o',  x,  x'  und  z'. 


Die  Figur  stellt  eine  gerade  Projection  auf  der  Horizontal- 
ebene dar.  Die  Zeichen  der  Flächen  (nach  Naumann  und  Weifs) 
sind  folgende,  wobei  der  hintere  Theil  der  Axe  a  mit  a',  der  links 
gelegene  Theil  von  b  mit  b'  bezeichnet  ist: 


610  Sitzung  der  phy8ikali$eh''mathematUchen  Klasse 


a  =;f  CO  IT  <x>  = 

a 

:  CO  D  :  <^ 

c 

b  =  CO  P  oo  ^  (x>a 

:       b  :  CO  c 

c  =  0    P        =  coa 

:  oo  b  : 

c 

p  =  <x,  ;p     = 

a 

:       b'  :  CO 

c 

r  = 

'P'oo  = 

a 

:  oo  b  : 

c 

r'  = 

,P,CO=: 

a' 

:  CO  b  : 

c 

q'= 

T,  oo  =  ooa 

:        b': 

c 

o'  = 

,p    = 

a' 

:       b  : 

c 

X  = 

p'i  = 

a 

:    ib  : 

c 

x'  = 

Ti    = 

a 

:    iW  : 

c 

Z'=: 

Tanten 

Winkel  sind: 
berechnet : 

a' 

:    4b  ; 

beobachtet : 

c 

a  :  b 

= 

•93°  54' 

a  :  p 

s= 

•148     5 

b  :  p 

=  118°     V 

•118     1 

a  :  c 

-^ 

•102  35 

b  :  c 

= 

•94  55 

a  :  r 

=  143       3 

143  51 

c  :  r 

=  139     32 

138  55 

b  :  c 

=     95     40 

94  46 

a  :  r' 

= 

♦131  35 

b  :  r' 

=     90     29 

90  11 

q':  b' 

=  119       5 

119  32 

Spaltbarkeit  vollkommen  nach  b  ==  co  P  oo. 

Zwillinge    haben   dieselben   Flächen  b   gemein    und    liegiU 
umgekehrt. 


vom  25.  Juli  1870,  Gll 

9.     Über  die  Einwirkung  der  EBSigsaure  auf  das 

Phenylsenföl. 

Beim  Durchblättern  meiner  Tagebucher  am  Schlüsse  des  Se- 
mesters finde  ich  noch  einen  Versuch,  den  ich  eigentlich  schon  iu 
meinen  früheren  Mittheilungen  über  die  Senfole  hätte  anfuhren 
sollen.  Derselbe  mag,  da  ich  nicht  weifs  ob  es  mir  vergönnt  sein 
wird  auf  diese  Untersuchungen  zurückzukommen,  hier  eine  Stelle 
finden. 

Ich  habe  bereits  gezeigt,')  dafs  sich  das  Äthylsenfol  unter 
dem  Einflufse  des  Wassers  in  letzter  Instanz  in  Äthjlamini,  Koh- 
lensäure und  Schwefelwasserstoff  zersetzt. 

Bei  dem  Phenylsenföl  werden  genau  dieselben  Erscheinungen 
beobachtet.  Unter  Mitwirkung  der  Elemente  von  2  Mol.  Wasser 
entsteht  Anilin,  Kohlensäure  und  Schwefelwasserstoff. 

Wahrscheinlich  geht  indessen,  indem  zu  Anfang  der  Reaction 
nur  1  Mol.  Wasser  fixirt  wird,  dieser  Umsetzung  die  Bildung  einer 
wenig  stabilen  Sulfocarbaminsäure  voraus,  so  dafs*  der  Procefs  in 
zwei  Phasen  verlaufen  würde 

2)  «=ä>"(«<n'"'2}o+H.o  =  <'.«')hh-co.h-h.& 

Läfst  man  statt  des  Wassers  Alkohol  einwirken,  so  bleibt  die 
Reaction  in  der  That  auf  halbem  Wege  stehen,  indem  sich  zu- 
nächst halbgeschwefeltes  Phenylurethan ')  erzeugt, 

CeH,   f„     C,H,1         (CS)"(C«H,)HN1 

Es  bleibt  noch  zu  versuchen,  ob  sich  bei  höherer  Temperatur 
das  halbgeschwefelte  Phenylurethan  in  Diäthylanilin,  Kohlensäure 
und  Schwefelwasserstoff  verwandelt, 


0  Hofmann,  Monatsb.  1868,  479. 
-)  Hofmann,  Monatsb.  1869,  333. 


612  Sitzung  der  physikalUch-mathemaiischen  KJctsse 

Im  Hinblick  auf  das  Verhalten  des  Phenylsenfols  zum  Wasser  i 
und  zum  Alkohol  schien  es  von  Interesse ,    auch   die  EiDwirkiu^ 
der  Essigsäure  auf  das  Senful  zu  studiren.  | 

Hier  konnte   viedemm   unter  Mitwirkung  der   Elemente    Tonj 
1  Mol.  Essigsäure  die  Acetylverbindung  der  Phenjlsulfocarbamm- 
säurc  entstehen 

welche  mit  einem  zweiten  Mol.  Essigsäure  Phenjldiacetamid,  Koh- 
lensäure und  Schwefelwasserstoff  liefern  mufste, 

(CS)"(CeH,)HNl         C,H,0|     _    CeH,       1  „  .  ^o   -^H  S 

Die  Reaction  verläuft  in  der  Art,  dafs  man  die  in  der  zweiten 
Gleichung  angedeuteten  Producte  erhält. 

Läfst  man  ein  Gemenge  von  Anilin  und  Essigsäurehjdrat 
einige  Stunden  lang  unter  Druck  bei  130 — 140^  auf  einander  ein- 
wirken, so  entwickeln  sich  beim  Öffnen  der  Rohre  Strome  von 
Kohlensäure  und  Schwefelwasserstoff,  und  die  Flüssigkeit  erstarrt 
beim  Ausgiefsen  zu  einer  prachtvollen  Krystallmasse,  die  man  nur 
einmal  aus  Weingeist  umzukrjstallisiren  braucht,  um  sie  alsbald 
im  Zustande  vollkommener  Reinheit  zu  haben.  Das  phenylirte 
Diacetamid  gleicht  dem  Acetanilid  in  seinen  Eigenschaften.  Der 
Schmelzpunkt  liegt  bei  110°.  Mit  den  Alkalien  erhitzt  liefert  das 
Phenyldiacetamid ,  wie  zu  erwarten  war,  Anilin  und  essigsaures 
Salz. 


10.     Zur  Geschichte  der  Athylenbasen. 

Behufs  der  Darstellung  einer  gröfseren  Menge  Äthylendiamio>, 
dessen  ich  für  das  Studium  des  Cyanäthylens  und  des  Ätliylen- 
senfols  bedurfte,  waren  mehrere  Kilogramme  Bromätliylen  «nit  al- 
koholischem Ammoniak  gemischt  stehen  geblieben.  Nach  Verla af 
einiger  Monate  hatten  sich  aus  dieser  Mischung  reichliche  Mengen 
einer  weifsen  Substanz  abgesetzt,  welche,  von  der  Flüssigkeit  ge- 
trennt, sich  bei  der  Behandlung  mit  Wasser  als  ein  Gemenge  \xii\  \ 


vom  2ö.  Juli  1870.  613 

iroraanunonium  mit  einem  amorphen,  in  Wasser,  Alkoliol  and 
Letbcr  so  gut  Aivie  unlöslichen  Korper  erwies.  Bei  erneuten  Ope* 
ationen  wurde  die  sonderbare  Substanz  stets  wiedererhalten,  za- 
nal,  wenn  das  Bromäthylen  im  Überschusse  angewendet  wurde. 
Der  Analyse  stellten  sich  ungewöhnliche  Schwierigkeiten  entgegen, 
ia  sich  der  Körper  nicht  reinigen  liefs  und  bei  verschiedenen  Ver- 
»uchen  Producte  von  ähnlicher  Bescha£fenheit,  aber  verschiedener 
Zusammensetzung  entstanden. 

Durch  vielfach  wiederholte  Analysen  zahlreicher  Producte  ver- 
schiedener Darstellungen  wurden  diese  eigenthümlichen  Substanzen 
ila  Verbindungen  eines  uud  desselben  Äthylenderivats  des  Am- 
noniaks  mit  mehr  oder  weniger  Bromwasserstoffsäure  erkannt, 
^^ach  den  bis  jetzt  angestellten  Versuchen  lassen  sie  sich  betrach- 
ten als  die  bromwasserstoffsauren  Salze  eines  Tetraäthylentriamins, 
nrelche  1,  2  oder  3  Mol.  Bromwasserstoffsäure  enthalten,  nämlich 

CeH.eNjBr   =  (C.HO^HNg       HBr, 
CgHigNaBrg  =  (C^HJ^HNa,  2  HBr  und 
C8H2oN3Br,  =  (C2H,),HN3     3HBr. 

Durch  längere  Digestion  mit  Ammoniak  läfst  sich  die  Brom- 
wassers toffsäure  entfernen,  indem  entsprechende  Hydroxyl Verbin- 
dungen entstehen,  welche  eben  so  wenig  krystallinisch  und  löslich 
sind  als  die  Salze.  Aus  den  Hydroxylverbindungen  lassen  sich 
die  übrigen  Salze  dieser  merkwürdigen  Base  erhalten. 

Die  oben  angegebenen  Formeln  drucken  nur  die  einfachsten 
Atomverhältnisse  aus.  Man  kann  aber  kaum  bezweifeln,  dafs  diese 
Salze  weit  entfernt  sind,  Triaminsalze  zu  sein,  dafs  sie  sich  im 
Gegentheil  als  Salze  von  Polyaminen  der  höchsten  Ordnung  er- 
weisen werden. 


11.     Zur  Kenntnifs  des  Aldehy dgruns. 

Die  Aufschlüsse,    welche  die  mit  Hrn.  Gh.  Girard  gemein- 
schaftlich ausgeführte  Unteruchung')  über  die  Natur  des  Jodgrüns 


I)  Hufmann  u.  Girard,  Monatsberichte  1869,  563. 


614  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

gegeben  hatte,  mufsten  den  Wunsch  rege  machen,  auch  die  Zosaic- 
mensetzung  des  Aldebydgruns  zu  ermitteln.  Durch  die  Gute  6ct 
Hrn.  Dr.  H.  Buff  in  Crefeld  war  ich  im  Besitz  einer  grofserv-i 
Menge  dieses  merkwürdigen  Körpers,  and  habe  mich  in  den  letz- 
ten Monaten  vielfach  bemüht,  die  Zusammensetzung  desselben  fest- 
zustellen. 

Das  breiartige  Rohproduct  enthalt  noch  Natrinmsulfat  aui 
Natriumacetat ;  durch  Waschen  mit  warmem  Wasser  wurde  es  t«-: 
diesen  beiden,  sowie  allen  übrigen  Mineralbestandtheilen  befreit,  v 
dafs  eine  Probe  auf  dem  Platinblech  verbrannt  keinen  feuerbe9t£D 
digen  Ruckstand  hinterliefs.  Es  sind  viele  Versache  gema<li 
worden,  die  so  gereinigte  Substanz  zu  kiystallisiren  oder  in  eir«' 
krystallisirte  Verbindung  überzufuhren,  aber  ohne  Erfolg.  Es  bli<-& 
nichts  anderes  übrig,  als  das  ausgewaschene  Grün  in  Alkohol  n 
losen  und  die  Losung  mit  Äther  zu  fällen.  Diese  Operation  wnrd«^ 
zur  Sicherung  eines  möglichst  reinen  Präparates  mehrfach  wieder« 
holt.  Die  schön  grüne  amorphe  Substanz  erwies  sich  schwofel^ 
halt  ig;  in  vacuo  getrocknet  lieferte  sie  folgende  Zahlen: 


I. 

II. 

UL 

Kohle     •     .     . 

.     63.71 

63.61 

63.80 

Wasserstoff     . 

.       6.83 

6.67 

6.43 

Schwefel     .     . 

.     14.99 

14.66 

14.85 

Diesen  Procenten  entspricht  sehr  nahe  die  Formel 

C27H27N3S2O  , 
welche  folgende  Werthe  verlangt: 


Theorie 

C22 

264 

63.93 

H27 

27 

6.54 

N3 

42 

10.17 

S2 

64 

15.49 

0 

16 

3.87 

413 

100.00 

Man  könnte  sich  das  Aldehydgrün  gebildet  denken  dun*fa  da»; 
Zusammentreten  von  1  Mol.  Rosanilin,  1  Mol.  Aldehyd  und  2  Mol. 
Schwefelwasserstoff,    welche    bei    der    Darstellung  —  EinwirküRf 


vom  26.  Juli  1870,  615 

on  Aldehyd  auf  ein  RosaDÜinsalz  in  Gegenwart  von  unterschwef- 
igaaurem  Natrium  —  möglicherweise  auftreten  können. 

C20H19N3  4-  CjH^O  -4-  2H2S  =  CjjHjyNjSgO. 

Ich  bin  indessen  weit  entfernt,  die  angeführte  Formel  als  den 
rabren  Ausdruck  für  die  Zusammensetzung  des  Aldehydgrüns  zu 
alten.  AVeder  in  der  Bildungsweise  noch  in  den  Metamorphosen 
tieses  Korpers  habe  ich  bisher  die  nöthigen  Garantieen  für  die 
tichtigkeit  der  gegebenen  Formel  finden  können,  und  ich  wurde 
lie  unfertigen  Resultate  nicht  veröffentlicht  haben,  wenn  ich  nicht 
Srcbten  mufste,  dafs  mich  die  Zeitverhältnisse  wahrscheinlich  wäh- 
end  einer  längeren  Periode  verbinden  werden,  diese  Untersuchung 
weiter  zu  verfolgen. 

Schliefslich  mag  nur  noch  die  Richtung  angedeutet  werden,  in 
reicher  ich  den  Schlüssel  zur  Erkenntnifs  des  Aldehydgruns  zu 
nden  hoffe.  Die  Rosanilinsalze  werden  auch  ohne  Gegenwart  von 
Lldehyd  durch  Behandlung  mit  Natriumhyposulfit  in  eine  Schwefel* 
alti'ge  Substanz  umgewandelt,  deren  offenbar  weit  einfachere  Zu- 
ammensetzung  —  so  darf  man  annehmen  —  sich  dem  Versuche 
ogänglicher  erweisen  wird.  Auf  die  Kenntnifs  analoger  Vorgänge 
iestutzt,  wird  man  alsdann  leichter  die  bei  der  Analyse  des  Aide- 
ydgruns  aufgefundenen  Zahlen  richtig  interpretiren  können. 


12.     Über  die  Moleculargröfse  des  Chinons. 

Bei  der  Mittheilung  von  Versuchen,  die  von  Hrn.  £.  Ador 
bor  das  PhtalyP)  angestellt  worden  sind,  hat  Hr.  Baeyer  eine 
emerkenswerthe  Parallele  gezogen  zwischen  den  von  dem  Phtalyl 
ch  ableitenden  Verbindungen  und  den  Reductionsproducten  deS 
hinons.  Dieser  Betrachtung  liegt  die  Annahme  zu  Grande ,  die 
[olecularformel  des  Chinons  sei  CjgHgO^  und  dieser  Körper  leite 
ich  von  2  Mol.  Benzol  ab,  während  man  bisher  die  Formel 
'^H^02  gelten  liefs,  w^onach  das  Chinon  nur  einem  Mol.  Benzol 
itsprechen  wurde. 


0  Ador,  Berichte  der  deutechen  chemischen  Gesellschaft  Jahig.  III.  513. 


616  Sitzung  der  physikalisch-nuithematischen  Klasse 

Die  neue  Auffassung  des  Chinons  schien  sehr  wohl  mit  etc'h 
gen  Beobachtungen  vereinbar,  welche  ich  früher  ansastellen  Gc*k* 
genheit  hatte.  Schon  vor  längerer  Zeit  habe  ich  nachgewie^ei. 
dafs  sich  das  Cbinon  durch  Oxydation  sowohl  aus  dem  Anili: 
als  aus  dem  Benzidin  darstellen  lafst.')  AufTallend  war  es  invi 
bei  diesen  Versuchen,  wie  schwierig  das  von  1  Mol.  Benzol  ab$UD-i 
mende  Anilin  sich  in  Chinon  verwandelte,  während  sich  di««'«^ 
Korper  aus  dem  Benzidin,  also  aus  einem  Dibenzolderivale ,  h« 
leicht  und  so  reichlich  gewinnen  läfst,  dafs  man  letzteres  nicht  m« 
zweckmäfsig  als  Material  für  die  Darstellung  des  Chinons  benatzc-  .1 
könnte.  Dieses  auffallende  Verhalten  wurde  verständlich,  wen* 
das  Chinon  wirklich  zwei  Benzolreste  enthielte. 

Mit  einer  Reihe  von  Versuchen  über  Gasvolumge^wichte  U-; 
schäftigt,  deren  Aufgabe  zumal  die  weitere  Prüfung  der  von  nü^ 
beschriebenen  Dampfdichtebestimmung  in  der  Barometerleere  wa^| 
schien  es  mir  von  Interesse,  auch  die  Dichte  des  Cbinongascs  rJ 
bestimmen. 

Dieser  Körper  verfluchtigt  sich  vollständig  bei  der  TempcTa-i 
tur  des  siedenden  Anilins;  sein  Gas  ist  schwach  gelb  gefärbt,  D:-i 
verdichtet  sich  beim  Abkühlen  wieder  zu  langen  gelben  Nadc*!:^ 
welche  keine  Spur  von  Zersetzung  zeigen. 

Die  Versuche,  die  ich  mit  dem  Chinon  angestellt  habe,  siu-j 
der  Auffassung  der  HHrn.  Baeyer  und  Ador,  welche  aas  deci; 
angeführten  Grunde  auch  für  mich  einen  hohen  Grad  von  >Valir- 
scheinlichkeit  gewonnen  hatte,  nicht  gunstig.  Bei  der  im  Anil:D> 
dampf  ausgeführten  Dampfdichtebestimmung,  deren  Details  ich  spä- 
ter mittheilen  werde,  ergaben  sich  Zahlen,  welche  das  Chinon  uc-; 
zweideutig  als  ein  Monobenzolderivat  charakterisiren. 


Theori« 

«    9 

Verso« 

he: 

CijHgO« 

Cell.O, 

I. 

IL 

n     108 

54 

54.7 

7.5 

3.75 

3.79 

Gasvolumgewicht 

auf  Wasserstoff  bezogen      108 
auf  Luft  bezogen 

Die  geringe  Ausbeute  an  Chinon,  welche  man  aus  dem  Anilic 
erbält,  mufs  daher  einen  anderen  Grund  haben.  Vielleicht  rühr: 
sie  von  der  Leichtigkeit  her,  mit  der  sich  Chinon  und  Anilin  vvr* 


^)    Hof  mann,  Lond.  K.  Soc.  Proc.  XlII,  4. 


vom. 26.  Juli  1870.  617 

binden.  Aach  verdient  hier  bemerkt  zu  werden,  dafs  das  Beta- 
phenylendiamin,  welches  doch  auch  ein  Monobenzolderivat  ist, 
das  Chinon  ohne  Schwierigkeit  liefert.'). 

Ich  habe  bei  dieser  Gelegenheit  auch  versucht,  die  Dampf- 
dichte des  Chlor anils  und  schliefslich  des  Anthrachiuons  za 
bestimmen.  Es  ist  mir  aber  nicht  gelungen,  diese  Körper  voll- 
standig  zu  vergasen. 

Schliefslich  bleibt  mir  noch  die  angenehme  Pflicht  zu  erfüllen, 
meinen  Assistenten,  den  HH.  K.  Sarnow,  R.  Bensemann  und 
F.  Hob  reck  er,  für  die  ebenso  unermüdliche  wie  umsichtige  Hülfe 
zu  danken,  welche  sie  mir,  wie  bei  so  vielen  anderen  Gelegenhei- 
ten, auch  bei  Feststellung  der  im  Vorhergehenden  beschriebenen 
Thatsachen  haben  leisten  wollen. 


28.  Juli.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Mommsen  las  über  das  romische  Consulartribunat. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Verhandelingen    vcui  het  Batavicuuch  Genootachap   vcui  Künsten  en   JVeteU' 

schc^pen.     Vol.  XXXIII.     Batavia  1868.     4. 
Tydschrift  voor  Indische  Taal ,  Land-  en  Volkenkunde.     Vol.  XVI,   2 — 6. 

XVn,  1—6.  XVIII,   1.     Batavia  1868.     8. 
totalen  aan  de  Algemeene  en  Bestuurs-Vorgaderingen  van  het  Bataviaasch 

Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen.  Vol.  IV — VII.  1867 — 69.  8. 


0    Hofmann,  Lond.  R.  Soc.  Proc.  XII,  643. 


618  Gesammtntzung  vom  28,  JuK  1870. 

Kataiogti4  der  Ethnohgitche  en  Numiwtattache  A/dttling   ran   het  Mi 

van  het  Batetviaasch  Genoot9chc^  ran  KuMien  en  Weienackappen,    Bs: 

via  1868.     8. 
Abhandlungen  der  phiL-hist.  Kiasse  der  KönigL  Bayerischen  Akademie 

Wi99en9chc^ien.     12.  Bd.  1.  Abth.     Manchen  1869.     4. 
Wilh.  P  reg  er,  EHe  Entfaltung  der  Idee  des  Menschen  durch  die  HVf^ 

schichte.     Manchen  1870.     4. 


MONATSBERICHT 

DBB 

KÖNIGLICH  PREÜSSI8CHEN 

AKADEMIE    DER   WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

August  1870. 


YorBitzender  Sekretär:    Herr  du  Bois-Rejmond. 


4.  August.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Reichert  las  über  das  Skelet  der  Wirbelthiere. 


8.  August      Sitzung  der  philosophisch-historischen 

Klasse. 

Hr.  V.  Ranke  las  Litterarische  Erörterungen  betreffend  den 
Ursprung  des  siebenjährigen  Elrieges. 


11.  August    Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Mommsen  legte  folgende  Mittheilung  des  Hm.  Dr.  Otto 
Blau  vor: 

Dritter  Bericht  über  römische  Alterthümer  in  Bosnien. 

Als  Ausgangspunkt  der  gegenwärtigen  Beiträge  zur  Auffindung 
romischer  Spuren  in  Bosnien  nehme  ich  nochmals  die  im  letzten 
Berichte  (Monatsberichte,  25.  Nov.  1867)  besprochenen  Strafsen, 
welche  von  Salonae  nach  der  Flottenstation  an  der  Save  und  nach 
Narona  führten. 
[1870]  43 


620  Gesammtsitzung 

Die  Schwierigkeit,  die  Stationen  dieser  Strafsen  im  Einzelnen 
nach  Lage  und  Namen  nachzuweisen,  verdoppelte  sich  dadurch. 
dafs  dieselben  aufser  den  Itinerarien  nirgends  weiter  erwähnt  scbk- 
nen.  Es  kommt  sonach  der  Forschung  zu  Statten,  daXs  eine  bL^ 
her  unbeachtete  Quelle  einen  grofsen  Theil  derselben  Namen,  wel- 
che die  Antoninischen  Itinerarien  und  die  Tab.  Peut.  auf  den  Ton  j 
Salonae  auslaufenden  Strafsen  nennt,  nicht  allein  in  autbentiseher 
Form  erhalten  hat,  sondern  auch  als  noch  im  6.  Jahrhundert  an- 
serer  Zeitrechnung  bestehend  nachweist. 

Diese  Quelle  sind  die,   soweit  ich  sehe,   von  allen  unverstan- 
denen Nachrichten,  welche  sich  in  den  Acten  des  i.  J.  532  gehal- 
tenen   zweiten  Concils    von  Salonae   über    die   zu    der  Erzdiöce^  ; 
Salonae  gehörigen  Bisthumer   finden,   gedruckt  bei  Farlati,    Illyr. 
Sacr.  II,  273  ff. 

Die  abendländische  Kirche  hatte  von  der  dalmatinischen  Eästr 
aus,  wohl  schon  seit  der  Christenverfolgung  unter  Dioclctian,  den 
Fufstapfen  der  romischen  Colonisation  folgend,  immer  mehr  Ter- 
rain im  Binnenlandc  gewonnen  und  verhältnifsmäfsig  zalilreiclie 
Schöfslinge  auf  bosnischem  Boden  getrieben. 

Eines  der  bedeutendsten  und  allem  Anschein  nach  das  älteste 
Bisthum  in  Bosnien  war  das  von  Bis  tue,  einer  Ortschaft,  die 
schon  in  der  Tab.  Peut.  erwähnt  wird,  wobei  nur  zweifelhalt 
bleibt,  ob  Bistue  vetus  oder  nova  der  Sitz  desselben  war.  Der 
Bischof  von  Bjstue,  der  sich  auf  dem  Concil  v.  J.  532  als  Andreas 
episcopus  Bestocnsis  unterschreibt,  stand  unter  der  Erzdiocese 
Salonae.  Er  klagt  auf  dem  Concil  über  die  Beschwerlichkeit  sei- 
nes Dienstes  und  beantragt,  dafs  zu  seiner  Erleichterung  ein  zwei- 
tes Bisthum  von  den  Grenzen  von  Bistue  an  bis  zu  den  Ortschaf- 
ten Copella^)  und  Arena  gegründet  werde,  worauf  jedoch  das 
Concil  nicht  eingeht,  sondern  nur  genehmigt,  dafs  noch  ein  Pontl- 
fex  mehr  bestellt  werde.  Aus  dem  Umstände,  dafs  Bistue  vetos 
viel  zu  nahe  an  Salonae  lag,  um  jene  Klagen  gerechtfertigt  er- 
scheinen zu  lassen,  und  überdies  in  einer  Gegend,  die  einem  wei- 
terhin zu  erwähnenden  andern  Sprengel  zugehorte,  wird  man  mit 
ziemlicher  Sicherheit  schliefsen  dürfen,  dafs  vielmehr  Bistue  noTS, 


')   Fra  G.  Marti6   will  in   dem   Namen  Copella  das  heutige   Kopilo  in 
der  Kähe  von  Kreschevo  erkennen. 


vom  IL  Äugmt  1870.  621 

in  der  Gegend  des  heutigen  Hauptklosters  der  Fraozislcaner  Foj- 
nitza,  der  Sitz  jenes  Bischofs  war. 

Nicht  genug  aber^  dafs  schon  diese  kirchlichen  Bedürfnisse 
auf  einen  so  lebhüften  Verkehr  des  inneren  Bosniens  mit  Dalma- 
tien  und  auf  eine  so  verbreitete  christliche  Cultur  deuten,  wie  sie 
später  bis  ins  14.  Jahrhundert  nicht  wiedergekehrt  sind;  es  kam 
auch  auf  demselben  Concil  die  Errichtung  mehrerer  neuer  Bisthü* 
mer  in  gleicher  Gegend  und  Richtung  zur  Sprache  und  zum  Aus« 
trag.     Es  wurde  beschlossen,  dafs 

in  Sarsentero,  Muccuro  et  Ludro  episcopi  debeant  con 

secrari, 
und  w^urde  jedem  dieser  Bischöfe  eine  gewisse  Anzahl  von  Paro- 
chien  zugeordnet,  die  früher  unter  Salonae  gestanden  hatten. 

Um  Muccurum  hier  zu  übergehen,  welches  als  wahrscheinlich 
identisch  mit  MeviuKoty^ct/  des  Prokop  an  der  dalmatinischen  Küste 
nicht  zum  eigentlichen  Bosnien  gehört  und  nach  den  Concilsacten 
bei  Farlati  (der  es  im  heutigen  Macarsca  sucht)  auch  thatsäch- 
lich  nur  den  Küstenstrich  von  der  Berglandschaft  Delminium 
bis  nach  Oneum  ^ )  und  die  Inseln  umfafste,  —  so  laden  die  Orts- 
namen in  den  Diöcesen  Sardenterum  und  Ludrum')  um  so  mehr 
zu  einer  Untersuchung  ein,  als  sie  selbst  einem  so  mit  dem 
Lande  vertrauten  Gelehrten,  wie  Farlati,  ganz  unerfindlich  geblie- 
ben sind. 

Die  Diöcese  Ludrum  wird  folgendermafsen  constituirt: 

Ludrensis  episcopus  municipium  Magnioticum,    Equiti- 

num,    Salviaticum    et    Sarziaticum,    sicut   ad    ordinem 

nostrum  noscit  obtinuisse,  percipiat. 
Es  springt  in  die  Augen,  dafs  diese  Municipien,  wenn  sie  um  ihrer 
zu  grofsen  Entfernung  willen  von  Salona   abgezweigt  wurden,    im 
Binnenlande  weit  von   der  dalmatinischen  Küste  lagen,    und  man 
darf  daher 

das  Municipium  Magnioticum  mit  Magno 
„  „  Equitinum         ;,    Equum 

-  «  Salviaticum       „    Salviae 


1)  ''Ovaiov  Ptolem.     Ob  Neum  bei  Kiek,    wo  römische  Inschriften  vor- 
lEommen  ? 

*)   Der  Bischof  unterschreibt  sich:  Cecilianus  Ludroensis;   was  auf  eine 
Form  Lndroa  führt,  wie  Bestoensis  von  Bistue,  Butoensis  von  Butua. 

43» 


622  Gesammtaitzung 

ohne  Weiteres  und 

das  Municipiam  Sarciaticam  mit  Samade 
vermittelst  einer  sehr  leichten  Correctur  zusammenstellen. 

Yergegenwfirtigt  man  sich  nun,  dafs  Magno  zwischen  £^onae 
nnd  Scardona  in  der  Nähe  von  Dernis  zu  suchen  ist,')  dafe  femer 
Equon,  AIxovgi*^  Aeqnnm  nach  Inschriften  mit  Sicherheit  nach 
Citluk  hei  Sign')  zu  setzen  ist;  Salviae  als  handschriftliche  Les- 
art statt  des  gewohnlich  Silviae  geschriebenen  Namens  im  Itin.  An« 
ton.  auf  der  Strafise  nach  Pannonien,  etwa  beim  heutigen  Glavice 
vorkommt,')  und  Samade  oder  Sarnate^)  nach  ungefährer  Di- 
stanzberechnung mit  Peska  zusammenfällt,  so  l&fst  sich  sowohl  im 
Allgemeinen  die  Lage  des  Sprengeis  des  Bischofs  von  Lndnim  geo- 
graphisch ziemlich  genau  festlegen,  als  auch  erschliefsen,  daJs 
Ludrum,  sofern  man  als  einigermafsen  wahrscheinlich  gelten  las- 
sen wird,  dafs  es  in  der  Mitte  jener  Ortschaften  lag,  etwa  hei 
Olamotsch  zu  suchen  sein  wird.  Nach  Überlieferung  der  Fran- 
ziskaner soll  ohnehin  bei  Glamotsch  eines  der  ältesten  christlichen 
Klöster  Bosniens  gelegen  haben.  Nach  Occhievia  nennt  Haroldas 
es  Glama.^) 

Auch  die  Beschreibung  der  zweiten  neageschaffenen  Dioces 
bietet  einige  Anhaltepunkte  für  altromische  Namen.  Der  stark 
corrumpirte  Text  bei  Farlati  a.  a.  O.  lautet: 

ut  Sarsenterensis  Episcopus  basilicas  in  municipio  de 
Lontino,  Stantino,  Novense  per  Rusticiarum,  pecuatico 
et  Beuzzavatico,  quae  tamen  ad  nos  hactenus  respexere, 
in  parochia  consequatur. 


*)    GeogT.   Rav.    211,    1     nennt    den    Ort  Magnm,     wo    Tab.    Peot. 
Magno  hat. 

>)    Mittheilung  des  Hrn.  Mommsen. 

•)    SalTiae  Hin.    Anton,   ed.  Find,   et   Parth.  269,  4.  ■—   Ein  "Sakcitei 
auch  bei  Ptolem.  mit  Ovapovapa  zusammen. 

*)    Form  wie  Aemate.     Über  die  Ortslage  s.  Monatsber.  1867,  S.    743« 

')    Philipp,    ab    Occhievia,    Epitome    retustatum    Bosncnsls    provtncia«. 

Anconae  1776,  S.  66,  p.  11:    «Septimus  conventua  fuit  in  ant  jaxta  nrbem 

Glamoae;   sie  apnd  Haroldnm  coenobium  quoque  Glamae  vocatur,    qui  locos 

est  in  confiniis  Croatiae  aut  CorbsTiae." 


vom  iL  August  1870.  623 

Von  den  hier  genannten  örtlichkeiten  ist  zunächst  Sars en- 
ter um,  der  Bischofssitz,  zusammenzuhalten  mit  Sarsiteron,  wel- 
ches im  Qeogr.  Ra venu.  211,14  neben  Bistue  betus  genannt  wird, 
und  somit  nicht  allznfem  von  der  Ebene  von  Duvno  gesucht  wer- 
den darf,  da  Bistne  vetus  nach  der  Angabe  seiner  Entfernung  6 
Mill.  landeinwärts  vom  Mons  Bulsinius  (Buianin  s.  MB.  1867 
S.  744)  ziemlich  genau  festgelegt  werden  kann.^) 

Während  nach  dem  oben  Gesagten  die  Dlöcese  von  Ludrum 
den  nordlichen  Theil  des  Erzbisthums  Salona  bildete,  ist  die  von 
Sarsenterum  im  Südwesten  zu  suchen.  Darauf  fuhrt  schon  das 
mit  Sicherheit  erkennbare  Municipium  Novense,  welches  ich 
für  die  gleiche  Ortschaft  halte,  die  im  Geogr.  R.  211,21  und  Tab. 
Peut.  Novas,  ad  Novas,  Novae  geschrieben  wird  und  inschriffc- 
lich  als  das  heutige  Runovitj  feststeht,  auf  der  Strafse,  die  von 
der  Tilurius-Brucke  sich  nach  Narona  abzweigte/  Auf  derselben 
Strafse,  25  Mill.  von  Narona  entfernt,  wird  im  Itin.  Anton.  338,5 
der  Ort  Dalluntum  genannt,  und  es  durfte  daher  kein  Bedenken 
erregen,  wenn  ich  in  de  Lontino  ein  corrumpirtes  Dallontino 
erkenne.  Pecuatico  fuhrt  mit  leichter  Änderung  auf  Peluatico 
von  Pelua')  oder  Pelva,  welches  nach  einer  annähernden  Distanzbe- 
rechnung in  der  Gegend  des  heutigen  Ljubuncitj  zu  suchen  ist') 
Von  den  noch  übrigen  Namen  bringe  ichStantino,  obschon  zwei- 
felnd, mit  Naurtium  zusammen,  das  Geogr.  Rav.  211,19  in  der 
Nähe  des  vorigen  nennt,  und  halte  endlich  für  möglich,  dafs  Be- 
uzzavatico  aus  Leusavatico  verderbt  ist,  da  Leusava  eben- 
falls als  Station  auf  der  Römerstrafse  durch  Bosnien,  wenn  auch 
nm  ein  Bedeutendes  nördlicher,  erwähnt  wlrd.^)  —  Das  „per  Ru» 
sticiarum*'  allein  bleibt  mir  .unverständlich.') 

Vergegenwärtigt  man  sich  das  Ergebnifs  dieser  Untersuchung 
in   einer  kartographischen  Darstellung,    so  gestaltet  sich  die  Ver- 


^)  FQr  die  Auffindung  des  Ortes  ist  vielleicht  der  Dorf-  oder  Flufsnam« 
Biät  zu  beachten,  der  auf  Roskievic's  Karte  nahe  bei  Livno  verzeich- 
net ist. 

')    So  Cod.  im  Itin.  Ant  269,  5. 

3)   Monatsberichte  1867,  S.  743. 

«)    Itin.  Ant.  269,  2. 

^)  Ob  an  eine  Entstellung  aas  Anfustianis  zu  denken,  das  aach  in 
der  Gegend  lag? 


624  Gesammtsüzung 

theilang  der  christlichen  Metropolen  und  Ortschaften  anf  dem  (k- 
biet,  welches  jetzt  zu.  Bosnien  gehört,  so,  dafs  die  drei  Bisthnner 
Ladrum,  Sarsenterum  und  Bistue  sich  ziemlich  langgestreckt,  pa- 
rallel den  Küstensprengeln  Spalatro  und  Ma^grsca  hinzogen,  ood 
jedes  für  sich  gleichsam  als  L&ngenaxe  eine  der  römischen  Stras- 
sen, 1)  nach  Pannonien,  2)  nach  Argentaria,  3)  nach  Narona. 
besafs. 

Diese  christlichen  Ansiedelungen  müssen  indeOs  bald  zu  Grunde 
gegangen  und  Ton  den  Heerzugen  der  Oothen  und  Slaven,  die 
denselben  Romers trafsen  folgten,  Terschlungen  worden  sein;  dexm 
nach  532,  dem  Datum  jenes  Concils  von  Salonae,  wird  weder  der 
neucreirten  Bisthümer  noch  ihrer  Bischöfe  jemals  wieder  in  der 
Kirchengeschichte  gedacht.  Die  Anordnungen  des  Concils  in  die- 
ser Beziehung  scheinen  kaum  ernstlich  ins  Leben  getreten  zu  sein. 

Von  der  Strafse,  die  nach  Narona  führte,  hatten  meine  und 
Moiza's  letzten  Untersuchungen  im  J.  1867  die  Spuren  bis  in  die 
Gegend  von  Arzano  verfolgt  und  nachgewiesen;  jenseit  der  bosni- 
schen Grenze  und  in  der  Richtung  über  Runovitj  hinaus  fehlte  e« 
an  allen  Anhaltspunkten.  Neuerdings  haben  sich  jedoch  Reste  der 
alten  Strafse  bei  Tihaljina  und  Nezdravitza^)  nordwestlich 
von  Ljubuschki  gefunden,  die  für  die  weitere  Verfolgung  des  Iti- 
norars  von  Wichtigkeit  sind. 

Für  den  weiteren  Lauf  dieser  Route  bietet  sich  ohnehin  das 
Trebischat-Thal  als  der  natürliche  Abflnfs  des  Verkehrs  nach  Na- 
rona zu.  Auch  sollen  im  Trebischat-Thale,  nach  mündlichen  Mit- 
theilungen Eingeborner,  sich  an  mehr  als  einer  Stelle  Strecken  der 
alten  Strafse  erhalten  finden.  Dem  kommt  zu  Hülfe,  dafs  durch 
den  thätigen  französischen  Consul  Moreau  im  vorigen  Jahre  eben 
an  einem  Punkte  römische  Alterthümer  ans  Licht  gezogen  sind, 
der  im  Bereich  dieser  Strafse  lag,  n&mlich  in  der  Nähe  des  Fleckens 
Ljubuschki,  der  nach  einer  Notiz  des  Franziskaner-Schematis- 
mus einst  den  Beinamen  Parva  Salona  (ob  =  Saloniana  des 
Ptolem.?)  gehabt  haben  soll.') 


>)  Schematismus  castodiae  provincial.  in  Hercegorina  (Spalat  1S6T; 
S.  165:  ^Nezdravica  unum  iusigne  habebat  fortalitium  ....  item  reliqnia« 
antiquae  Romanomm  viae,  quae  Naronam  docebat.*  Ebenda  aber  Tihal- 
jina, welches  2  St  südafid westlich  von  Rnzici  liegt. 

')   Schematism.  etc.  S.  174, 


vom  iL  August  1870.  625 

In  der  katholischen  Pfarre  zu  Hamatz,  1^  Standen  sadlich 
von  Ljubaschki  sind  zwei  Steine  mit  r5mi8chen  Inschriften  einge- 
mauert, welche  am  rechten  Ufer  des  Flufses  ausgegraben  wurden. 
IDie  Beschreibung  dea  Fundortes  im  Schematismus  S.  174  lautet: 

^Humatz  et  viciniaa  ejus  antiquis  in  aestimio  fuisse, 
^circumstantia  magnifica  rudera  haesitare  non  sinunt.  Sunt  ete- 
^nim  duae  lapideae  tabulae,  latinis  exaratae  litteris,  hie  prope 
^ultra  flumen  erutae,  in  quibus  etsi  omnia  ordine  legere  denege- 
^tur,  illud  tamen  nitido  colligere  est:  lapides  illos  Romanoram 
^templo 

„vetustate   corrupto   colamnis  et 

^porticibus   adjectia   a  Romanis 

^consulibus  restaurato 

^positos  fuisse Sed   ibidem   in  loco   Grad^ine 

^(magnae  arces)  plurimi  existunt  lapides  perita  manu  elaborati; 
^tum  aggeres,  aedificiorum  divisiones,  lateres,  imbrices,  atque 
^tegulae  magna  in  copia.  — «-  Pontis  quoque  pervetusti  bases  ibi- 
^dem  se  offerunt  et  Romanorum  antiquae  yiae,  etiam  aliquos 
^milliares  lapides  habentes,  reliquiae  passim  occurrunt.  Itaque 
^ Humatz  suis  cum  viciniis,  etiam  ab  antiquis  magni  habitus  (!) 
^fiiit.  De  Veljad  quod  tetigi ' )  hie  quoque  reitero :  in  istis  dua- 
^bus  parochiis  numismata,  annulos,  deorum  simulacra,  arma  et 
^id  genas  pluries  et  pluribus  in  locis  inventa  fuisse.*' 

Die  Abschriften  dieser  Steine,  welche  ich  Hrn.  Moreau  ver- 
danke/) sind  folgende: 


')  Veljaci  liegt  halbwegs  zwischen  Runovitj  und  Ljubuschki,  4  St  von 
letzterem,  etwas  weniger  von  ersterem  entfernt. 

^}  Nächst  einer  brieflieben  Mittheilung  vom  19.  Juni  1869  hatte  ich 
im  August  1869  Gelegenheit  die  Abschriften  mit  den  Originalcopien  Moreaus 
in  Mostar  zu  vergleichen. 


626  Gesammtiitzung 

1. 

Q_  PISENIVS      S   E 
VERIN\S  5IICXICL 
TEMPLVM  LIBPAT. 
VETVSTATE    CORRVP^ 
PORTICI  ADIECT 
RESTITVIT 


2. 

TEMPLVM    LIBERI 
PATRIS    SITBIAE    VETvs 
TÄTE    LAPSVMRESTIT 

C  «^L ADIECTIS  POR 

TICIBVS    CVRAS    AGENTE 
FL    VICTORE  y  LEG  I  AD  P 
S  E  V  E  R  O  ET  POMPEIANO 
TT     COS 


Von  den  romischen  Ziegelsteinen ,  die  aus  gleicher  Gegend, 
wo  P.  Baknla,  der  Verfasser  des  Schematismus,  sie  erwähnt,  nach 
Mostar  gebracht  worden  sind,  besitzt  der  .französische  Consol  einen 
mit  dem  Stempel 


LEG  VIII  AVG 


und  mit  letzterem  zusammen  fanden  sich  sorgßiltig  bearbeite  Plat- 
ten, zum  Theil  aus  carrarischem  Marmor,  sowie  Münzen  mit  Octavians 
Namen.  Der  alte  Bacchu Stempel,  der  also  hier  stand,  ist  gewifs 
in  Zusammenhang  mit  der  Weinkultur,  die  in  diesen  Gegenden  lo 
die  Romerzeit  zurückreicht,  zu  setzen.') 

Aus  der  Umgegend  von  Ljubuschki,  ohne  n&here  Angabe 
des  Fundortes,  stammen  femer  noch  folgende  Inschriften,  deren 
Abschriften,  resp.  Abklatsche  ich  ebenfalls  Hrn.  Moreau  verdanke: 


0   Ortsnamen  wie  Viteline,  Vinjani,  Yinaci  sind  in  der  Ckgend  häufig 
und  alle  vom  Weinbau  entlehnt. 


vom  iL  August  1870. 


627 


3. 

4. 

DOL 

MOPSVS 

DIDIVO 

SEXVARISER 

ÖMANiT 

A  N  NOR  •  XIIX 

siTT^ y 

H  I  C      SITVS 

5. 

L • HERENNI 
VS. I.E. PAP. 
MVL. ! ADE 
V  E  T  .  LEG   VIII 
AN.  LX .  STI  . 
XXX     H  S  E 


6. 

Nahe  bei  Viteline  (Vitaljina)  ^  St  südwärts  von  Humaiz 
iw^urde  eine  verstümmelte  Säule  von  2^  Fufs  Hohe  und  1^  Fufs 
Dicke  gefunden,  auf  welcher  eine  ältere  Inschrift,  von  der  erkennt- 
lich war 

H     CAES 

ET  ANN 

CAES 
RROMAN 


durch  eine  spätere  überschrieben  worden  ist. 

IMP   CAES 
M.AVR. 
PROBO 

P.F  INVIC 


Letztere  lautet 


7. 

•  

Bei  dem  Chan  Eutatz,  |-St.  von  Ljubuschki  nach  Mostar  zu^ 
existiren  neben  andern  behauenen  und  init  Sculpturen  roh  verzier- 
ten Steinen  zwei  Inschriften,  deren  Entzifferung  jedoch  dem  Fin- 
der nicht  ganz  gelang.  Nach  einem  Abklatsch  des  Hrn.  Moreau 
laÄ&t  sich  die  eine  folgendermafsen  lesen: 


628  Gesammttitzung 

M    •     P  L  A    •    P  . 
MILES      CHOTIS 

VIII     *     VOL 
7ARTANI     MARCI 
LIINONI  •  VALENIS 
h  A  '•.DEM.    NONIO- 
VALENTI  .    BENEME 
R  E  N  T  I .  TITVLVM   POS 

ANNORVM  XXX  ST  •  VI 


8. 

von  der  anderen,  die  erst  stundenlang  gereinigt  werden  muTste, 
ehe  sie  einigermafsen  leserlich  wurde,  giebt  Hr.  Moreau  folgende 
Umschrift: 

PRIMVS     TITI 
E  TVBICEN  D° 
CA  TVRIX    MIL 
COH    III    ALP 
AN     XLIIX    ST 
I  P    .     XXIII .  H  S  E 
TFIL.  OPTIO 
ET   TVLLIVS  VE 
TR     H   .   P. 


®6B 


9. 

Ferner  ist  auf  der  Strafse  nach  Mostar  der  kleine  Ort  Gra- 
datz bei  Oradnitj  (verschieden  von  zwei  anderen  Oradatz  in  der- 
selben Gegend),  von  dem  es  im  Schematismus  S.  93  heifst: 

magnifica  coemeteria  antiquam  in  Gradatz  nuraerosam 
ac  divitem  populationem  sine  dubio  indicant,      ' 
durch  romische  Funde  bemerken s wer th.      Pater  Bakula  fand   da- 
selbst die  Inschrift 

L  .  LIVIO    RVFINO 
FI  LIO    PIA  AELIA 


vom  11.  August  1870.  629 

wolil  dieselbe,  von  der  auch  Moreau  gehört  hatte,  in  dessen  Reise • 
notizen  sich  aas  Gradatz  notirt  findet:  Hie  jacet  Rufus  Filius 
Titi  Livi  Ael. 


10. 

Endlich  fand  sich  noch  bei  Cerin,  einer  katholischen  Pfarre, 
etwas  nördlich  von  Gradatz  das  folgende  Fragment 

M  P  I  L 
CLEME 

Nach  der  Angabe  des  Schematismus,  der  S.  84  ff.  ausfuhrlich 

V 

über  die  Antiquitäten  von  Cerin  handelt,  soll  sich  unter  andern 
Grabsteinen  auch  einer  dort  finden,  der  eine  alte  gothische  In- 
schrift (freilich  unleserlich  und  nach  meinen  Erkundigungen  eher 
für  altslavisch  zu  halten)  bewahrt  hat.  Ebenda  sind  auch  in  einer 
Gruft  die  Vasen  gefunden  worden,  welche  im  J.  1867  mein  Bru- 
der, der  Architekt  Erwin  Blau,  durch  Hrn.  Prof.  Adler  der  archäo- 
logischen Gesellschaft  in  Zeichnungen  vorgelegt  hat. 


Hr.  du  Bois-Reymond  legte  eine  Abhandlung  des  Hrn.  Dr. 
Hugo  Kronecker  über  die  Gesetze  der  Muskelermüdung 
vor. 

Die  Herren  Ludwig  und  Alexander  Schmidt  hatten') 
^das  Verhalten  der  Gase,  welche  mit  dem  Blute  durch  den  reizba- 
ren Säugethiermuskel  strömen^  kennen  gelehrt  und  zugleich  gezeigt, 
dafs  sauerstoffhaltiges  Blut  die  (mittels  intermittirender  Strome  ge- 
prüfte) Erregbarkeit,  auch  wenn  sie  in  Folge  von  mangelnder 
Circulation  oder  Tetanus  schon  beträchtlich  gesunken  war,  wieder- 


>)    Berichte  der  Königl.  sachsischen  Gesellsch.  der  Wisscnsch.  Mathem.- 
phys.  Ciasse.    Leipzig  4.  II.  1868. 


630  OesamnUsitzung 

berzastellen  vermag.  Es  waren  nun  zanichst  die  weiteren  Fragen 
za  erledigen,  ob  durch  Zufuhr  von  sauerstoffhaltigem  Blute  auch 
die  gesunkene  Leistnngsf&higkeit  eines  arbeitenden  ermüde 
ten  Muskels  gesteigert  werden  könne,  ob  femer  andere  Stoffe  das 
Blut  in  dieser  Hinsicht  zu  ersetzen  im  Stande  seien  und  in  wel- 
cher Weise  die  Restitution  erfolge.  Für  diese  Untersuchung  schien 
es  mir  eine  unerlSfsliche  Vorarbeit,  zuvörderst  den  Ermfidungsver- 
lauf  des  nicht  durchströmten  arbeitenden  Muskels  zu  prüfen.  Als 
Objekt  der  Experimente  konnte  hierbei  nicht  der  Muskel  eines 
Warmblüters  rerwendet  werden,  weil  solcher  aufser  der  Circulation 
schnell  abstirbt.  Ich  wählte  deshalb  Froschmnskeln  und  zwar  Tor- 
zugsweise  den  M.  triceps  femoris  (Ecker).  Die  Versuche  habe  ich 
zu  Leipzig  im  physiologischen  Institute  ausgeführt,  dessen  Direc- 
tor,  Hr.  Professor  Ludwig,  mir  nicht  nur  reiche  experimentelle 
Hilfsmittel  zur  Verfügung  stellte,  sondern  auch  durch  seinen  werth- 
Yollen  Rath  meine  Arbeit  vielfach  forderte. 

Die  ausfuhrliche  Darlegung  der  Versuchs-Ergebnisse  und  die 
nähere  Beschreibung  der  Methoden,  mit  Hilfe  deren  sie  gewonnen 
worden  sind,  werde  ich  demnächst  an  einem  anderen  Orte  geben. 
Für  jene  Veröffentlichung  verspare  ich  auch  die  Anführung  der 
einschlägigen  Arbeiten,  welche  ich  hier  um  der  Kürze  willen  un- 
erwähnt lasse. 

Die  Versuchsanordnung  war  im  Allgemeinen  folgende:  Die 
beiden  entsprechenden  Muskeln  eines  Frosches  waren  mittels  fester 
Fäden  in  Verbindung  mit  zwei  Schreibhebeln  gesetzt,  welche  neben 
einander  auf  der  berufsten  Papierhülle  einer  grofsen  Kjmographion- 
trommel  die  Zuckungshöhen  um  das  Doppelte  vergröfsert  aufschrie- 
ben. Als  Reize  dienten  öffnungs-  oder  Schliefsungs-Inductions- 
schläge,  welche  direct  die  beiden  Muskeln  durchsetzten,  nachdem 
der  eine  Pol  dem  unteren  Ende  des  einen  Muskels,  der  andere  Pol 
dem  unteren  Ende  des  anderen  Muskels  angelegt  »worden  war. 
Die  Reize  wurden  in  der  Regel  verstärkt  bis  sie  maximale  Zuckun- 
gen auslösten,  ehe  der  eigentliche  Versuch  begann.  Mittels  eines 
Metronoms,  der  den  primären  Stromkreis  eines  du  Bois-Rej- 
mond'schen  Magnetelektromotors  schlofs,  wurden  in  gleichen  Zeit- 
intervallen, deren  Oröfse  innerhalb  weiter  Grenzen  geändert  wer- 
den konnte,  Inductionsschläge  ausgelöst,  deren  eine  Art  (Schlies* 
sungs-  oder  Öfihungsschläge)  durch  eine  Pflüge r 'sehe  Vorrichtung 
abgeblendet  wurde.      Gewöhnlich  wurde  auch  nach  jeder  Zuckung 


vom  iL  August  1870.  631 

die  Stromesrichtung  mit  Hülfe  eines  von  mir  zu  dem  Behofe  con- 
struirten  Stromwenders  umgekehrt  Nach  jeder  Zuckung  gestattete 
ein  von  dem  Metronome  mittelbar  abh&ngiger  Elektromagnet  dem 
Windflugel  des  Kymographion-Uhrwerks  eine  halbe  Drehung  und 
hiermit  der  Trommel  ein  kleines  Stuck  Rotation. 

Die  Zuckungshohen  wurden  demzufolge  im  Abstände  ron  etwa 
1  Mm.  neben  einander  gezeichnet. 

Der  Arbeitsverlauf  der  Muskeln,  welche  oft  viele  hundert 
Zuckungshohen  bis  zur  volligen  Ermüdung  schrieben,  konnte  auf 
diese  Weise  bequem  übersehen  werden. 


1. 

Als  erstes  Hauptgesetz  der  Muskelermüdung  hat  sich  folgen 
des  ergeben: 

Wenn  ein  Muskel  bei  irgend  einer  bestimmten  Überla- 
stung^) in  gleichen  Zeitintervallen  mit  gleichen  (maximalen) 
ÖffnungS'  oder  Schlie/sungs -Inductionsschlägen  gereizt  wird^ 
so  bilden  die  Zuckungsgro/sen  eine  arithmetische  Eeihe^  de- 
ren constante  Differenz  einzig  und  allein  von  der  Oro/se  des 
Intervalls  abhängt. 

Dieses  Gesetz  gilt,  wie  man  auch  die  gleichen  Zeit-Intervalle 
und  wie  man  auch  die  Überlastungen  w&hlen  mag;  aber  für 
Belastungen  gilt  es  nur  bis  zu  derjenigen  Zuckungshohe,  deren 
Grofse  der  Dehnung  durch  das  angehängte  Gewicht  gleichkommt. 

Stellt  man  den  Vorgang  graphisch  so  dar,  dafs  man  auf  einer 
Abscifsenaxe  in  gleichweit  von  einander  abstehenden  Punkten  die 
Zuckungshohen  als  Ordinaten  aufträgt,  so  liegen  nach  dem  ange- 
führten Gesetze  deren  Endpunkte  in  einer  graden  Linie.  Ist  k  der 
Abstand  zwischen  je  zwei  Punkten  der  Abscifsenaxe,  welche  zwei 


')  Die  von  Hrn.  Helmholtz  (Muller's  Archiv  f.  Anat.  und  Phys. 
eingeführten  Bezeichnungen  „ Überlastung*'  und  „Belastung"  sollen  hier  be- 
deuten, dafs  im  ersten  Falle  der  durch  5  Gramm  schwach  gespannte  Muskel 
unterstfitzt  worden  ist,  bevor  ihm  das  gröfsere  Gewicht  angehängt  wurde; 
dafs  im  zweiten  Falle  der  Muskel  durch  das  ganze  Gewicht  gedehnt  wurde. 


63S  GeiammUititiing 

anfeinanderfolgenden  Reizen  entsprechen  und  demgemafs  die  der 
fiten  Zackung  zugehurige  Abscifse  «,,  gleich  (n — 1)1;,  so  ist  die 
Zuckungshöhe  y«  bestimmt  durch  die  Gleichung 

I  yi,  =  yi  —  («  — 1)-^» 

wo  D  jene  im  Gesetz  erwähnte  constante  Differenz  bedeutet 

Die  Gröfse  der  ersten  Zuckungsbohe  ^i  bfingt  von  der  IndF- 
vidualität  des  Muskels  und  von  der  Gröfse  der  Überlastung  ab, 
immer  maximale  Reize  vorausgesetzt. 

Die  letzte  Reizung,  bei  welcher  noch  eine  (wirksame)  Zuckung 
erfolgt,  ist  diejenige,  für  welche  nach  der  obigen  Formel  die  Con- 
tractionshohe  y,  den  kleinsten  positiven  Werth  annimmt  Die  An- 
zahl sammtlicher  Zuckungen,  welche  hier  mit  v  bezeichnet  worden 
ist,  wird  demgemäfs  durch  die  Ungleichheiten 

•^  y»  -^       1 

bestimmt;  die  Zahl  v  ist  also  die  dem  Werthe  y|-  zunächst  liegende 

gröfsere  ganze  Zahl. 

Aus  der  Gleichung  I  ergiebt  sich  unmittelbar  folgende  Rela- 
tion zwischen  3  beliebigen  Zuckungshohen    ^^ ,  y^,  y^i 

(n  —  m)  y,  4-  (i  —  n)  y^  -4-  (to  —  0  y,  =  0  . 

Die  Gleichung  der  graden  Linie,  welche  die  Endpunkte  mit  einan- 
der verbindet,  ist: 

y  =  yi  — ax 

und  der  Werth  der  Constanten  a  ergiebt  sich  gleich  -r ,  indem  man 

k 

für  X  =  nk  die  Ordinate  y  =  y^ — nD  zu  setzen  hat  Man  hat 
also: 

II  A^Cyi— y)  ^Dx 

als  Gleichung  jener  graden  Linie,  wo  k  und  D  die  oben  festgesetzte 
Bedeutung  haben.  Nennt  man  0  das  zwischen  zwei  Reizen  lie- 
gende Zeitintervall  in  Secunden  und  setzt  Jb  =  0,  so  ist  x  die  seit 
der  ersten  Zuckung  verflossene  Zeit  (in  Secunden),  so  da(s,  wenn 
hierfür  der  Buchstabe  t  genommen  wird. 


vom  ii.  August  1870.  €33 

III  e(y.  — y)=.Z)< 

ist.  Nennt  man  t^  den  z\x  y  =  0  gehörigen  Werth  von  t,  das 
heifst  also  die  Gesammtzeit  der  Arbeit  des  überlasteten  Muskels, 
8o  ist 

e       to  ' 

also  wenn  man  diesen  Werth  von  —  in  Gleichung  in  einsetzt, 

0 

Da  (^0 — 0  ^'®  Zeitdauer  ist,  während  welcher  der  Muskel  von 
der  Zuckung  y  ab  noch  arbeitet,  so  besagt  die  Gleichung  IV,  dafs 
sich  die  Zuckungshöhen  verhalten  wie  die  Zeiten  der  restirenden 
Arbeitsföhigkeit. 

2. 

Wenn  einerseits  die  Zeitintervalle,  andererseits  die  Überlastun- 
gen variirt  werden,  so  gilt  folgendes  allgemeinere  Gesetz: 

Die  Hohe  irgend  einer  Zuckung  mit  einer  Überlastung  p 
bei  einem  Beize^  der  nach  einem  Zeitintervall  6  dem  vorher^ 
gehenden  folgt^  ist  eben  so  gro/s^  wie  wenn  sämmtliche  vor- 
hergehende  Beize  in  gleichem  Intervalle  0  au/einander  gefolgt 
und  sämmtliche  Zuckungen  mit  demselben  Gewichte  p  voll- 
führt worden  wären. 
• 

Hierdurch  ist  der  allgemeinere  Fall  variabler  Überlastungen 
und  Intervalle  auf  den  specielleren  zurückgeführt^  für  welchen  das 
erste  Hauptgesetz  aufgestellt  worden  ist 

Da  auf  Grund  desselben  die  n  te  Zuckungshöhe  y^  sich  durch 
die  Gleichung  I  als: 

y,  — (n  — 1)Z> 

bestimmt  hatte,    so   gilt   dieser  Ausdruck   für  die  Höhe  der  nten 
Zuckung  bei  einer  Überlastung  Pf^  und  bei  einem  Reize,   der  nach 
einem  Zeitintervall  0,^  auf  den  (n  —  l)  sten  Reiz  folgt,  wenn  näm-, 
lieh   yi  die  Höhe  der  ersten  Zuckung  mit  der  Überlastung  p^  be« 


634  Oeiommtiitzung 

deutet  and  wenn  ferner  für  D  die  naeh  dem  ersten  Haaptgeseize 
für  gleiche  Intervalle  Q^  stattfindende  Höhendifferenz  genommen 
wird.  Nach  Inhalt  eben  dieses  Gksetces  ist  D  allein  von  der 
Grofse  des  Intervalls  6^  abh&ngig,  während  yi  der  Natur  der 
Sache  nach  einzig  durch  das  Gewicht  p^  bestimmt  isL  Man 
kann  daher  um  diese  Art  der  Abhängigkeit  in  Evidenz  zu  setcen, 
die  Bezeichnung: 

Z>(ej  für  D 
und 

einfuhren.     Hiemach  hat  man  die  Formel 

durch  welche  der  Inhalt  des  ersten  specielleren,  wie  des  zweiten 
allgemeineren  Gesetzes  ausgedruckt  wird  unter  der  Voraussetzung, 
dafs  ein  und  derselbe  Muskel  successive  nach  Intervallen:  03,83, 
64 ...  also  zu  den  Zeiten: 

0,   e,,   e,-i-6,,  08  4-9,4-04,  ... 

gereizt  und  bei  jedem  dieser  Reize  resp.  mit  den  Gewichten: 

Pii  Pii  Pti  Pa9   ••• 

überlastet  wird.  Aus  der  Formel  V  ergebt  sich  ähnlich  wie  oben 
der  Satz: 

Zwischen  je  3  Zuckungshohen  yi,  y^,  y^y  für  welche 

Pl^Pm'^'  Pn      und      e,  t=r  0^  =  0^ 

ist,  besteht  die  Relation 

(n  —  m)y,  4- (/  — n)y„  4- (•»  — Oy„  =  0  . 

Bei  der  graphischen  Darstellung  ist  die  der  nten  Zuckung  ent* 
sprechende  Abscisse  x^  gleich  (n  —  l)kj  so  dafs 

und  nach  Weglassang  des  Index  n: 


vom  11,  August  1870.  635 

VI  y  =  ?{p)-l'D{e) 

wird.     Hieraas  folgt: 

Die  Endpunkte  aller  Zuckungshohen  y,  für  welche  sowohl 

p   als  6    dieselben  Werthe   hohen  ^    liegen  in  einer  graden 

Linie  j    deren  Richtung  sich  zwar  mit  6,   nicht  aber  mit  p 

ändert. 

Zum  genaueren  Yerständnifs  der  hier  angewendeten  graphischen 
Darstellung  rnuls  bemerkt  werden,  dafs  dabei  gleiche  Abscissen- 
theile  im  Allgemeinen  verschiedenen  Zeittheilen  entsprechen,  indem 
die  Abscissenwerthe 

respective  den  Zeiten 

zugehoren.  Die  Zeit  t  ist  also  nicht  x  proportional,  sondern  eine 
Fonction  von  jr,  für  welche  die  Differentialgleichung: 

—  =  0 
dx 

besteht,  w&hrend  6  yon  Punkt  zu  Punkt  veränderlich,  d.  h.  ge- 
wissermafsen  als  eine  gegebene  Function  von  x  gedacht  werden 
kann. 


3. 

^s  ist  bereits  oben  erwähnt,  dafs  das  erste  Hauptgesetz  und 
in  Folge  dessen  auch  das  allgemeinere  zweite  für  Belastungen 
nur  bis  zu  derjenigen  Zuckungshöhe  gilt,  welche  der  Dehnung  (S) 
des  ruhenden  Muskels  durch  das  angehängte  Gewicht  gleichkommt. 
Bis  dahin  wird  also  die  Zuckungshöhe  y^  durch  die  Gleichung  V: 

y«=^(p»)-(n-i)i>(e,) 

bestimmt,   wo  nunmehr  ^(Pn)  die  erste  Verkfirzang  des  mit  dem 
Gewichte  p^^  belasteten  gereizten  Muskels  bedeutet.      Für  den 
[1870]  44 


636  GesammtfiUunff 

Fall  coDStanten  Gewichtes  und  Interralles,  den  wir  jetzt  nur  be- 
handeln wollen,  iftt 

yn==yi  —  (n— 1)2), 

wo  die  ente  ZuckungshÖhe  yi  des  belasteten  Muskels  grofser 
ist,  als  die  erste  Zuckungshohe  des  überlasteten,  weil  die  durch 
Dehnung  wirksam  gemachte  Elasticitfit  einen  Theil  der  Arbeit  über- 
nimmt 

Bei  den  angewandten  nicht  su  grofsen  Gewichten')  ist  es  zur 
lAfsig,  die  Elasticit&t  der  Muskeln  als  vollkommen  su  betrachten; 
sie  wird  auch  erfahmngsgemAfs  durch  die  Ermüdung  nicht  verän- 
dert llV&hrend  sich  also  der  ruhende  belastete  Muskel  vermöge 
seiner  Elasticitfit  in  einer  Gleichgewichtslage  befindet,  aas  welcher 
ihn  um  ein  Geringes  die  kleinste  „Steigerung  seiner  Enei^e^  brin- 
gen kann,  wird  in  dem  Mafse,  wie  der  th&tige  Muskel  sich  wah- 
rend der  Zuckung  (bis  zur  Höhe  y  =  5)  verkürzt,  der  Antheil  der 
elastischen  Kr&fte  an  der  Arbeit  abnehmen.  Demgemfifs  bleibt 
auf  der  Höhe  z  für  die  Contractilit&tskrfifte  von  dem  Gewichte  p 
ein  Theil,    der  proportional  ist   der  Höhe  r,    das  heüst  az^    wo 

a  B=  -^ ,    weil  für  r  s=  5  offenbar  das  Gewicht  p  ist       Also  ist 
o 

^  der  Gewichtswcrth  bei  einer  Zuckung  r.     Dos  Differential  der 

p  z 
Arbeit  der  Contractilitfit  ist  hiemach  -r-'dz^    folglich    die    Arbeit 

pz^ 
selbst    --r-*     Die  Arbeit  wurde  ohne  Dehnung  bei  einem  Gewichte 

2  O 

P   und    der   Zuckungshöhe   z    sein:     Pz,     also    ist   jene   Arbeit 

dieselbe,  wie  wenn  das  Gewicht  P  =  ^  einem  Muskel  als  Über- 

lastung  gegeben  würde,  so  dafs  gem&fs  der  Formel  V  au  setzen 
wftre 


1)  Gewichte  von  20—50  Gramm  entsprechen  den  Lasten,  welche  ein 
Schenkel  eines  lebenden  Frosches  unter  normalen  selbst  extremen  Verhilr- 
nissen  zu  heben  hat.  Ein  ziemlich  grofser  Frosch  wiegt  etwa  50  Gramme. 
GrOfsere  Gewichte  indem  nicht  nur  den  normalen  ErmüdnngsTerlanf,  sondern 
auch  dauernd  die  Moskelstruktnr. 


vom  iL  August  i870.  637 


=Kfi)-<"-«^ 


und  wenn  wieder  y^  für  z  eingesetzt  wird: 

Vn  y,  =  ^^£|.j_(n_l)D, 

eine  Formel,  durch  welche  die  nte  Znckungshohe  y^  implicite  be- 
stimmt wird.  Als  die  erste  Zucknngshöhe  y,  ist  hierbei  diejenige 
gerechnet,  welche  gleich  der  Dehnung  &  ist. 

^ehmen  wir  (was  innerhalb  dieser  engen  Grenzen  gestattet 
sein  mag)  die  Function  ^(p)  das  heifst  die  erste  Zuckungshohe 
umgekehrt  proportional  dem  Gewichte  p,  also 

80  geht  die  Gleichung  VII  in  folgende  fiber: 

f  CS 

aas  welcher  sich  für  n  =  1  die  Constante  c  als  ^^^«  also  als  — 

20  2 

ergiebt.     Die  Gleichung 

VIII  yi  +  (n-i)y.2)  =  8' 

bestimmt  also  die  Zuckungshohen  in  dem  ganzen  Verlaufe  von  der- 
jenigen Zuckungshöhe  an,  welche  der  Dehnung  h  gleich  ist. 

Für  die  graphische  Darstellung  des  Vorgangs  ist  in  der  For- 
mel VIII  wiederum  wie  oben  der  Faktor  (n  — ^  l)  durch  den  Quo- 

X 

tienten  -^  zu  ersetzen.    Wird  alsdann  der  Index  n  weggelassen  and 

die  Grofse  k  als  Maafseinheit  genommen  also  gleich  1  gesetzt,  so 
erh&lt  man  die  Gleichung: 

IX  y'  4-  Z>xy  =  S»  , 

wobei  der  Nullpunkt  der   den  Zeiten  proportionalen  Abscissen  bei 

dem  Werthe  y  =  $  liegt.      Diese  Gleichung  stellt  eine  Hyperbel 

44  # 


e- 


638  OeiammUitzung 

dar,    für  welche  die  x-Axe  eine  der  Asymptoten  ist.      Der  Diffi 
rentialqaotient    -y-  ist  durch  die  Gleichung 

ÜX 

dy  _   _py^ 

bestimmt     Wenn  die  Zuckung  den  mtea  Theil   der  Dehnung  be- 
trägty  also 

^  i   .  dy  D 

für  y  =  -  18t  —  3^  =  ~= , 


^  ^  dy         D 

ax  2 

Die  experimentell  gefundenen  Zuckungsgrofsen  entsprechen  mit 
grofser  Annfiherung  den  durch  die  Hyperbelformel  (IX)  bedingten 

Werthen.      Auch  ist  namentlich   die  plötzliche  Abnahme    des    -^ 

um  die  H&lfte  bei    y  =  &    in  dem  graphisch  dargestellten  Ermü- 
dungsverlaufe deutlich  ausgeprftgt.    Für  die  Werthe  yX^^  ist  nSm- 

dy 
lieh     —  -^   constant  gleich  D. 


4. 

Die  bisher  angeführten  Kesultate  beziehen  sich  allein  auf  die 
Leistungsfähigkeit  der  Muskeln;  im  Gebiete  der  Reizbarkeit  sind 
feste  Gesetze  sehr  selten.  Im  Allgemeinen  stören  bei  Anwendung 
von  Maximalreizen  Änderungen  der  Reizbarkeit  den  gesetzmafsigen 
Ermüdungsverlauf  nicht,  denn  die  Reize,  welche  für  den  fri- 
schen Muskel  maximale  sind,  bleiben  es  auch  für  den 
ermüdeten* 

Als  wesentlichste  Eigenthümlichkeiten  der  Reizbarkeit  mach- 
ten sich  folgende  bemerklich: 

1.  Es  kommt  bei  sehr  reizbaren  Muskeln  (besonders  roa 
Thieren,  die  um  die  Laichzeit  gefangen  sind)  vor,  dafä 
der  eigentliche  Maximalreiz  für  den  frischen  Muskel  gar 
nicht  zn  ermitteln  ist,  weil  auch  ohne  Verstärkung  der 
noch   untermaximalen   Reize    beider  Stromrichtnngen   die 


vom  iL  August  1870.  639 

folgenden  (60  bis  100)  Zuckungen  etwas  wachsen ,  wfih- 
rend  die  späteren  schnell  abnehmen,  um  dann  erst  (nach 
abermals  100  Zuckungen)  dem  Gesetze  sich  zu  fugen. 

2.  Andrerseits  giebt  es  eine  Reihe  von  FfiUen  (besonders  nach 
der  Laichzeit),  wo  eine  weitere  Steigerung  starker  Reize 
kleinere  Zuckungen  zur  Folge  hat.  In  diesen  zwei  Ffillen 
bewirkt  dann  eine  Verstärkung  der  anfanglichen  Maximal- 
reize  am  Ende  des  Ermudungsverlaufes  eine  kleine  Stei- 
gerung der  Contractionen,  während  bei  normaler  Erregbar- 
keit eine  spätere  Reizverstärkung  den  Verlauf  wie  oben 
erwähnt  unbeeinflufst  läfst 

3«  Eine  absonderliche  Reizbarkeitserscheinung  bieten  manche 
schwach  (20  Gramm)  belastet  oder  überlastet  zuckende 
Muskeln;  sie  bleiben  auch  während  der  Ruhepausen  ein 
wenig  contrahirt  Die  hieraus  resultirende  ^Abscifsen- 
hebung^  wächst  zuerst  mit  der  Anzahl  der  Zuckungen 
(einmal  während  100  Zuckungen  bis  etwa  1,5  Mm.)«  um 
eine  Weile  (100  Zuckungen)  auf  dieser  Hohe  zu  beharren 
und  dann,  erst  schnell,  später  sehr  allmählig  (nach  300 
Zuckungen)  zu  der  normalen  Abscisse  zurückzukehren. 

4.  Eine  andere  Unregelmäfsigkeit  im  Ermüdungsverlaufe  brach- 
ten die  in  manchen  Fällen  auch  bei  Maximalreizen  beste- 
henden, bedeutenden  Unterschiede  der  Zuckungshohen  bei 
Inductionsschlägen  verschiedener  Richtung.  Es  geschah 
dann,  dafs  der  gesetzmäfsige  Ermüdungsverlauf  im  Anfange 
nur  für  die  niedrigeren  Contractionen  galt,  während  die 
Differenz  (Z>)  der  höheren  grofser  war.  So  wurden  in 
der  Folge  die  Zuckungen  beider  Richtung  gleich  hoch  und 
fielen  dann  gemeinsam  nach  demselben  Gesetze  ab. 

5.  Eine  constante  nur  in  verschiedenem  Grade  auftretende 
Veränderung  der  Reizbarkeit  zeigt  sich  nach  Reizung  mit 
Inductionsschlägen  gleicher  Richtung.  Es  werden  dann 
die  Zuckungen,  welche  Inductionsstrome  entge- 
gengesetzter Richtung  auslosen,  hoher,  als  sie 
ohne  Erregbarkeitsänderung  hätten  sein  kön- 
nen, und  zwar  auch  dann,  wenn  die  Elektroden  gewech- 
selt werden,  oder  der  Anlegeort  geändert  wird,  oder  da9 
berührte  Stück  entfernt,  oder  eine  lange  Weile  vor  de^ 
neuen  Reizung  gewartet  wird;    in  geringem   Grade   auch 


640  Gesammtsitzung 

dann  noch,   wenn  iinpoUirisirbare  Elektroden  angewendet 
werden  (Winter  1868). 

6.  Nicht  maximale  Reize  geben  einen  langsameren  (für  die 
Contractionen  der  weniger  wirksamen  Stromesricbtang  haa- 
fig  anregelmifsigen)  Ermadangsyerlaaf,  der  beim  Eintritte 
maximaler  Reise  far  beide  Stromesrichtangen  dem  norma- 
len wieder  Platz  macht 

7.  Ein  allgemein  galtiges  Zackongsgesetz,  der  eigentUche  Aos- 
dmck  geordneter  Abhängigkeit  der  Contraction  vom  Reize, 
existirt  für  Indactionsschl&ge  beider  Richtongen  nicht.  Es 
ist  nicht  nar  za  verschiedenen  Jahreszeiten  das  Verhalten 
der  Muskeln  gegen  Indactionsstrome,  welche  ihn  in  auf- 
oder  absteigender  Richtung  durchsetzen,  ein  verschiedenes, 
sondern  selbst  bei  verschiedenen  Individuen  unter  sonst 
gleichen  Bedingungen  abweichend  und  sogar  zaweilen  ent- 
gegengesetzt bei  zwei  analogen  Muskeln  ein  und  desselben 
Thieres  zu  derselben  Zeit.  Doch  bleibt  das  individuelle 
Zocknngsgesetz  eines  Muskels  constant  für  alle  ErmSdnngs- 
Stadien. 


5. 

Die  Ermüdung  wird  durch  Stoffe,  welche  dem  Muskel  injicirt 
werden,  (durch  Bauchaorta  ein-,  durch  Bauchvene  ausfliefsend)  Id 
verschieden  vollkommner  Weise  aufgehoben.  Die  Versuche  Ober 
diesen  Gegenstand  sind  noch  nicht  zum  Abschlüsse  gebracht;  im 
Allgemeinen  hat  sich  kurz  Folgendes  herausgestellt:  1)  Blat  von 
Kaninehen  oder  Hunden  rein  oder  mit  Kochsalzlosung  (0,5  -g-)  in 
verschiedenem  Verhältnisse  gemengt  ist  in  verschiedenem  Grade 
stets  wirksam.  2)  Serum  und  sehr  verdünnte  Losungen  von  über- 
mangansaurem Kali  (0,05  bis  0,1  Gramm  auf  1000  Cubc.  einer 
Kochsalzlosung  von  0,5  bis  0,75  f)  sind  oft  wirksam  zu  Zeitea, 
w&hrend  welchen  Kochsalzlösung  allein  unwirksam  ist.  3)  Koch- 
salzlösung erweist  sich  in  gewissen  Lebensperioden  der  Frosche 
{bald  nach  dem  Laichen)  ebenfalls  als  ein  ziemlich  gutes  Herstel- 
lungsmittel,  fast  in  gleichem  Grade  wie  Losung  von  übermangan- 
saurem Kali,  doch  stets  viel  weniger  gut  als  Blut,  das  auch  ver- 
dfinnt  die  höchste  wiedererholcnde  Krafifc  besitzt. 


vom  iL  August  1870.  641 

Hr.  W.  Peters  machte  eine  llittheilung  über  neue  Am- 
phibien (Hemidactylus,  ürosaura^  TropidoUpumc^  Geophü^  Urieehia, 
ScaphtophiSj  HophcephaUu^  Banay  EntomogloasuSy  CyatigtMkus,  Hy- 
lodesy  ArthroUptis,  Phyllohaita,  Cophomantis)  des  Königlich  aoologi- 
sehen  Museums« 

Saubii. 

1.  Hemidaetylta  muHceus  n.  sp. 

Rucken  zwischen  der  feinen  Granulation  mit  Eahlreichen,  nn« 
regelm&fsig  zerstreuten,  kleinen  spitzen  conischen  Tuberkeln. 
Schwanz  mit  Querreiben  ähnlicher  aber  l&ngerer  Tuberkeln.  Schnauze 
mit  grofseren  convexen  Schuppen.  8  bis  9  Infralabialia.  Hinter 
dem  spitzen  Mentale  jederseits  ein  grofseres  Submentale,  auf  wel- 
ches mehrere  kleinere  folgen.  OhrÖffnung  fast  senkrecht,  ziemlich 
eng.  Unterkinn  und  Kehle  fein  granulirt.  Bauchschuppen  in  der 
Mitte  in  33  Lfingsreihen,  jederseits  neben  denselben  eine  schwache 
Längsfalte,  auf  der  die  untersten  Tuberkeln  stehen. 

Braungrau,  mit  schmalen  m  oder  v förmigen  dunkeln,  unregel- 
mäfsigen  Querbinden ;  ähnliche  Querbinden  auf  dem  Schwänze  und 
den  Extren^itäten.  Unterseite  heller  mit  dunkleren  an  dem  Unter* 
kinn  zahlreicheren  und  zusammenfliefsendcn  Pünktchen. 

Totallänge  0?086;    Kopf  07013;   Schwanz  0?046. 

Keta  (Guinea). 

Diese  Art  steht  dem  Hemid.  faaciatus  (=  Liurus  omatus)  Gray 
durch  ihren  ganzen  Bau  sehr  nahe,  unterscheidet  sich  aber  von  ihr 
nicht  allein  durch  eine  ganz  andere  Färbung,  sondern  auch  durch 
die  viel  weniger  zahlreichen,  kleinem  und  spitzeren  Tuberkeln. 

2.  Cercoaaura  (üroaaura)  gldbeUa  nov.  subgen.  et  nov.  sp. 
(Taf.  1.  Fig.  1.) 

Rückenschuppen  grofs  vierseitig  glatt;  Schwanzschuppen  läng- 
lich vierseitig  glatt,  Bauchschuppen  grofs  vierseitig»  in  sechs  Längs- 
reihen, von  denen  die  der  äufsern  Reihe  kleiner  sind.  JSLehlschup- 
pen  klein,  am  Rande  der  deutlichen  queren  Kehlfurcfae  grofser, 
vierseitig;  Die  seitlichen  Körperschuppen  convex,  kleiner  als  die 
Rucken-  und  Bauchschuppen,  so  dafs  4  Querreihen  derselben  drei 
Qnerreihen  der  Banchschilder  entsprechen.  Schläfenschnppen  grofs 
and  glatt. 

Das  Internasale  ist  einfach,  das  Interparietale  langgestreckt 
hexagonal,    das  Frenale  so  lang  wie  hoch,   das  untere  Augenlid 


643  OesammUitiung 

mit  einer  darchsichtigen  Scheibe  versehen    und  das  Aoge   diuth 
vier  Snpraorbitalia  von  oben  geschutEi. 

Oben  schmatzig.  braongelb,  in  der  Mitte  dankler  nnd  mit  zer- 
streuten schwarzen  Fleckchen.  Eorperseiten  mit  einer  donkelbraa- 
nen  Längsbinde,  welche  unten  durch  eine  gelbe  Linie  von  einer 
schwarzen  Fleckenlinie  getrennt  wird«  Unterseite  gelbweifs,  Bauch 
und  Schwanzschilder  mit  dunkelbraunen  Punkten.  Auf  den  £x- 
tremitfiten  einige  gelbe  runde  Flecke. 

Totallinge  0?146  Vord.  Extremitäten  0?012 

Kopf  0?010  Hint.  Extremitäten  0?016 

Schwanz      0?107  Vierte  Zehe  O-fGOö 

Sta.  Catharina  (Brasilien). 

3.  TropidolepUma  Btriolatum  n.  sp. 

Habitus,  Eopfbeschildung  und  Ohr  ähnlich  wie  Tr.  Ktngn. 
Korper  schuppen  in  32,  auf  dem  Kücken  in  8  Längsreihen.  Die 
mittleren  breiten  Nackenschuppen  6-  bis  8 kielig,  die  mittelsten 
Rnckenschuppen  4-  bis  5  kielig,  die  seitlichen  3  kielig.  Die  Schup- 
pen der  Aufsenseite  der  Extremitäten  mit  3  stumpfen,  aber  deut- 
lichen Längskielen.  Die  Schuppen  der  obem  und  untern  Mittel- 
reihe des  Schwanzes  sehr  breit,  erstere  vielkielig. 

Zähne  am  Gaumen  habe  ich  nicht  finden  können. 

Oben  olivenfarbig.  Die  mittleren  Schuppen  iu  der  Mitte  schwarz, 

so  dafs  schwarze  mehr  oder  weniger  breite  Längsbinden  gebildet 

werden,  auf  jeder  Seite  der.  Schuppen  ein  oder  zwei  helle  Punkte. 

An  der  Korperseite  eine   unregelmäfsige   breite    schwarze  Längs- 

binde.     Ränder  der  Kopfschilder  schwarz,    auf  dem  olivenbrauneo 

Grunde  derselben  weifsliche  Yermiculation.     Unterseite  schmutzig 

gelb,  Elinn  und  Kehle  schwarz  gefleckt  und  liniirt. 

Totallänge  0?191  Vord.  Extremität  0^028 

Kopflänge  0'»028  Vierter    Finger      0?008 

Kopfbreite  0™017  Hint.  Extremität   0?037 

Kopf  höhe    07011  Vierte    Zehe  0?011 

Schwanz      0?086 

Lake  Elphinstone  (im  19^  S.  Br.  in  N.O.  Australien);  aus 
dem  Museum  Oodeffroy. 

Die  vorstehende  Art  steht  dem  IV.  majuB  Gray  und  Tr.  Ri- 
chardi  Ptrs.  (Monatsber.  1869.  p.787.)  durch  die  Gröfse  der  Schup- 
pen am  nächsten,  ist  aber  leicht  durch  die  Beschaffenheit  derselben 
von  beiden  zu  unterscheiden. 


vom  iL  August  1870.  643 

Ophidii. 
4.  Geophis  annulatus  n.  sp.  (Taf.  1.  Fig.  2.) 

Korperschuppcn  glatt,  ohne  Grubchen,  in  17  Lfingsreihen.  Fre- 
noorbitale  kurz,  nicht  länger  als  das  Nasale  anterius^  über  und  un- 
ter demselben  ein  kleines  Anteorbitale,  Frontale  so  lang  wie  breit, 
fast  dreieckig,  mit  convexen  Seltenrändern.  Supralabialia  8,  das 
Auge  über  dem  4.  und  5.  Zwei  Postorbitalia,  das  untere  rechte 
mit  dem  Temporale  verwachsen.  Temporalia  lang  1+2  oder  in 
zweiter  Reihe  1  oberes  und  2  untere.  Mentale  wohlentwickelt, 
spitzwinkelig  unregelmäfsig,  blofs  an  das  rechte  Submentale  stos- 
send,  9  Infralabialia,  einerseits  5,  andererseits  6  an  die  Submen- 
talia  tretend,  von  denen  das  zweite  Paar  nicht  halb  so  lang  wie 
das  erste  ist.  177  Yentralia,  1  einfaches  Anale,  55  Paar  Sub- 
caudalia. 

Mit  7  bis  8  Schuppen  breiten  blauschwarzen  Bingen,  welche 
zum  Tb  eil  in  der  Mitte  des  Bauches  offen  stehen,  und  durch  schmale 
2  bis  3  Schuppen  breite  gelbe  (im  Leben  rothe?)  mit  sparsamen 
dunkeln  Punkten  bestreute  Ringe  getrennt  sind.  Kopf  bis  zum 
hintern  Rande  der  Parietalia  und  mit  Einschlufs  des  vordem  Theils 
der  Temporalia  und  der  5.  ersten  Supra-  und  Infralabialia  schwarz, 
der  übrige  Theil  gelb,  auf  dem  Nacken  durch  diese  gelbe  Binde 
von  dem  ersten  13  Schuppen  breiten  schwarzen  Halsringe  getrennt 
Totallänge  0?395;    Kopf  0?015;     Schwanz  0?070. 

Fundort  unbekannt,  wahrscheinlich  Südamerica. 

5.  üriechisCMetopophis)  lineatus  nov.  subg.  et  n.  sp.  (Tf.  l.Fg.3.) 
Korperschuppen  glänzend,  porenlos,  in  15  Längsreihen.  In- 
temasalia  pentagonal;  Praefrontalia  zu  einem  einfachen  Schilde 
vereinigt;  Parietalia  lang  zugespitzt^  hinten  auseinanderweichend. 
Nasale,  Anteorbitale  und  Postorbitale  einfach.  7  Supralabialia, 
von  denen  das  5te  und  6te  an  das  Parietale  stofsen.  6  Infrala- 
bialia, das  erste  mit  dem  der  andern  Seite  zusammenstofsend,  das 
5.  das  gröfste.  Vier  oder  fünf  stofsen  an  die  beiden  Submen talia. 
168  Abdominalia,  1  einfaches  Anale,  41  Subcaudalia. 

Oben  olivenfarbig  mit  drei  dunkeln  Längslinien,  von  denen 
eine  längs  der  Mitte,  eine  jederseits  zwischen  der  dritten  und  vier- 
ten Schuppenreihe  verläuft  Die  beiden  untersten  Schuppenreihen 
grau,  die  unterste  mit  einem  gelben  Fleck.  Kehle  und  Yorderhals  gelb, 
Bauchschilder  und  Schwanzschilder  dicht  mit  dunkelgrau  besprengt. 


644  Oesanuntsitzung 

Totallfinge  0?440 ;        Schwans  0»057  ; 
Kopf  0?0115  ;  Körperdicke  0?007. 

Zwei  Exemplare  von  Keta  (Guinea). 

Diese  Art  zeigt,  ungeachtet  der  Vereinigung  der  Praelrontalia, 
eine  so  vollkommene  Übereinstimmung  im  ganzen  übrigen  Bau  mit 
Uriechißj  dafs  es  mir  unnatürlich  scheinen  wurde,  auf  dieses  Merk- 
mal eine  besondere  Gattung  zu  gründen.  Ganz  ähnliche  Yerschie- 
denheiten  zeigen  sich  bei  den  Elapomorphus,  obgleich  aach  hier 
der  Versuch  gemacht  ist,  dieselbe  in  Gattungen  zu  zersplittern.') 

Scaphiophis  nov.  gen. ' ) 

» 

Oberkieferzfihne  sfimmtlich  sehr  klein,  mehr  ho- 
rizontal nach  innen  gewandt;  Gaumen-  und  Pterj- 
goidalzahnreihen  nach  hinten  convergirend,  hier  dop- 
pelt so  weit  von  den  Oberkieferzähnen  als  vorn  ent- 
fernt. Habitus  von  Bhamphiophis,  Rostrale  sehr  ent- 
wickelt, oben  convex,  unten  concav,  mit  vorspringen- 
dem scharfen,  schneidenden  Rande.  Obere  Kopfschil- 
der in  gewohnlicher  Zahl.  Nasenlöcher  zwischen  zwei 
Nasalia  und  dem  Internasale  gelegen.  Frenalia,  Ante- 
und  Postorbitalia  vorhanden.  Pupille  rund.  Schup- 
pen glatt.   Anale  und  Subcaadalia  getheilt. 


>)  Wiederholt  habe  ich  auf  die  Variabilität  in  der  Pholidosia  der  Schlan- 
gen aufmerksam  gemacht,  wodurch  nicht  allein  die  Zahl  der  Arten,  sondein 
sogar  der  Gattungen  unnatfirlich  vermehrt  worden  ist.  In  vielen  F&llen  ist 
es  schwer,  die  Variation  als  solche  nachzuweisen,  da  hierzu  oft  ganze  ReibeB 
gehören  und  es  kann  daher  den  Reisenden  in  fernen  Ländern  nicht  genug 
empfohlen  werden,  von  derselben  Art  möglichst  viele  Exemplare  za  sammeln. 
Alle  Mittheilungen  Aber  derlei  Varietäten  gesammelt  dürften  zu  einem  end- 
lichen Resultat  führen.  Von  solchen  bemerkenswerthcn  Varietäten,  die  mir 
neuerdings  durch  die  Güte  des  Hm.  Meyer  aus  Hamburg  an  javanischeii 
Sehlangen  vorgekommen  sind,  kann  ich  anfuhren  1)  unter  6  Exemplaren  von 
CcUamaria  Linncti  Boie  (var.  tesßellaia)  1  Exemplar  mit  fünf,  anstatt  vier 
Supralabialia  jederseits,  von  denen  das  3.  linke  sehr  kurz  ist;  2)  anter  5 
Exemplaren  von  Cal,  Cuvieri  Jan  eins  mit  einem  sehr  kleinen  unteren  An- 
teorbitale  jederseits. 

')   ffna^fov,  Schaufel,  o^tc. 


vom  iL  August  1870.  645 

6.  Sc.  albopunctatus  n.  sp.  (Taf.  1.  Fig.  4.) 

Das  grofse  Rostrale  bildet  nach  hinten  einen  stampfen  Win- 
kel, den  die  Intemasalia  einschliefsen,  welche  viel  breiter  als  lang 
und  aafsen  breiter  als  inwendig  sind  und  nach  aufsen  an  beide 
Nasalia  stofsen.  Die  Präfrontalia  sind  um  die  Hälfte  länger,  fast 
doppelt  so  breit  wie  lang,  hinten  convex,  mit  ihrem  äufseren  spit- 
zen Winkel  zwischen  dem  hinteren  Nasale  und  dem  oberen  Frenale 
eindringend.  Das  Frontale  medium  ist  kaum  länger  als  breit,  vorn 
und  hinten  stumpfwinkelig.  Die  Parietalia  sind  kürzer  als  das 
Frontale,  so  breit  wie  lang  und  abnorm  in  mehrere  Schuppen  zer- 
fallen. Das  vordere  Nasale  ist  viel  kleiner  und  niedriger  als  das 
hintere,  an  welches  zwei  kleine,  über  einander  liegende  Frenalia 
stofsen.  Das  Auge  wird  vorn  von  einem  Anteorbitale,  hinten  von  drei 
Postorbitalia  und  unten  von  zwei  kleinen  Suborbitalia  umgeben  und 
so  von  den  Supralabialia  getrennt.  Temporalia  zahlreich  44-5  +  5, 
klein,  mit  Ausnahme  der  längeren  beiden  unteren  der  vordersten  Quer- 
reihe. Fünf  Supralabialia,  von  denen  das  fünfte  so  lang  ist  wie 
alle  übrigen  zusammen.  Sieben  Infralabialia,  von  denen  das  6te 
das  grüfste  ist;  das  erste  tritt  mit  dem  der  andern  Seite  hinter 
dem  kleinen  Mentale  zusammen.  Ein  Paar  kurzer  breiter  Submen- 
talia,  die  nur  mit  den  drei  vordersten  Infralabialia  in  Berührung 
stehen,  da  zwischen  ihnen  und  den  drei  folgenden  sich  eine  lange 
schmale  Schuppe  hineinschiebt. 

Eorperschuppen  glatt,  mit  zwei  Endgrübchen,  am  Halse  in  25^ 
dann  in  21  und  in  der  Eorpermitte  in  23  Längsreihen;  die  der 
untersten  Längsreihe  sind  am  grofsten,  die  des  Rückens  am  klein- 
sten. 210  Banchschilder,  ^  Anale,  64  Paar  Subcaudalia  und  eine 
lange  conische  Endschnppe. 

Oben  olivenbraun,  viele  Schuppen  mit  einem  weifsen  Basal- 
punkt;  die  unteren  Seitenschuppen  schmutzig  weifs,  dunkel  geran- 
det.    Unterseite  gelblichweifs,  Bauchschilder  seitlich  dunkelgerandet. 

Totallänge  0»352;  Kopflänge  0?0165;  Kopf  breite  0?0095; 
Schwanzlänge  0?057;    Körperdicke  in  der  Mitte  0?008. 

Ein  Exemplar  von  Keta  (Guinea). 

Diese  Schlange  ist  insofern  sehr  merkwürdig,  als  sie  unter 
den  Isodonten  eine  Gattung  repräscntirt^  welche  sich  durch  die 
Pholidosis,  namentlich  auch  durch  die  zwischen  zwei  Nasalia  und 
dem  Internasale  befindliche  Nasenoffnang,  den  diacranthercn  Zamenis^ 


646  Gesammttitztmg 

Lytorhynehus  und  den  ebenfalls  für  Afrika  characieristischen  gifti- 
gen Camus  und  Heterophia  anscbliefst. 

7.  Boploeephalus  frenatus  n.  sp. 

Körperschnppen  in  19  Längsreiben,  Anale  einfacb,  angetheilt 
Intemasalia  um  die  Hälfte  breiter  als  lang;  die  Länge  des  Fron- 
tale medium  zu  seiner  Breite  wie  4:2^;  Nasale  binten  zugespitzt, 
von  dem  Anteorbitale  getrennt;  6  Supralabialia,  2  Postorbitalia, 
Temporalia  2  +  2.  7  Infralabialia,  das  erste  mit  dem  der  andern 
Seite  zusammenstofsend,  das  4.  das  grofste;  2  Paar  Submentalia, 
welche  mit  4  Paar  Infralabialia  in  Berührung  steben,  Abdominalia 
167,  Anale  1,  Snbcaudalia  35. 

Oben  oli renbraun,  Lippenrand  mit  Einscblufs  des  Rostrale 
gelby  darüber  eine  gelbe  von  dem  Rostrale  ausgebende  Linie, 
welche  durch  das  Auge  geht  und  sich  auf  der  Schläfe  verliert,  die 
ganze  Unterseite  weifs. 

Totallänge  0?390;  Kopf  0^016;  Scbwanz  0?054. 

Lake  £lp  hin s tone  (Australien),  aus  der  Sammlung  des  Hm. 
Godeffroy. 

8.  Eana  !<mgiro$tris  n.  sp.  (Taf.  1.  Fig.5.) 

Der  ganze  Habitus,  Schwanz,  Nasenlöcber,  Trommelfell,  Che- 
anen  wie  bei  R.  oxyrhyncha  Sundevall,  aber  die  Gaumenzähne 
nach  hinten  convergirend ,  nicht  in  einer  queren  Linie  stehend, 
Spalte  der  Schallblase  näher  dem  Rande  des  Unterkiefers  befind- 
lich, und  nicht  kürzer  oder  höchstens  gleich  dem  Augendurcbmes- 
scr,  sondern  viel  länger  als  derselbe  und  endlich  die  Mittelzebe 
nicht  so  beträchtlich  viel  länger  als  die  seitlichen  und  die  Schwimm- 
häute nicht  tief  ausgerandet  wie  bei  jener  Art. 

Rückenhaut  mit  feinen  Längserhabenheiten,  Metatarsus  mit  2  Tu- 
berkeln, der  äufsere  aber  wenig  hervorragend. 

Oben  grau  mit  einzelnen  zerstreuten  Flecken,  die  erhabenen 
Längslinien  weifslich.  Seite  der  Schnauze  und  Schläfengegend 
scharf  abgeschnitten  schwarz,  welche  Farbe  sich  in  einen  weniger 
scharf  begrenzten  Streifen  bis  zum  Oberschenkel  und  längs  der  vor- 
dem Seite  desselben  fortsetzt.  Hintere  und  vordere  Seite  mit  einer 
unregclmäfsigen  schwarzen  Längsbinde,  dunkle  Querbinden  auf 
Ober-,  Unterschenkel  und  Fufs.     Fufssohle  schwarz. 

Totallänge  0°»043;  Kopflänge  0»0165;  Kopfbreite  0?0136; 
Schnauze  0™008ö;  vord.  Extrem.  07027;  bint.  Extr.  0?091. 


vom  IL  August  1870.  647 

Eiu  Exemplar  aus  Keta  (Quinea). 

Entomoglo88u$  n.  gen.^) 

Zähne  in  den  Oberkiefern  und  am  Gaumen.  Zunge  hinten 
irasgeschnitten.  Tubae  Eustachii,  Trommelhöhle  und  Membrana 
tympani  sowie  das  Manubrium  stemi  wohl  entwickelt.  Querfort- 
sätze des  Sacralwirbels  cylindrisch.  Keine  Parotoiden  oder  Seiten- 
drüsen.    Finger  und  Zehen  zugespitzt,  frei. 

Eine  Gattung,  welche  im  Habitus  am  meisten  Ähnlichkeit  mit 
CyelorhamphuB  zeigt,  sich  aber  von  diesem  durch  den  Mangel  der 
Schwimmhäute  sowie  von  ihm  und  Cystignathua  durch  die  ziemlich 
tief  ausgeschnittene  Zunge  unterscheidet. 

9.  E.  pustulatus  n.  sp.  (Taf.2.  Fig.  1.) 

Braun,  undeutlich  längsgestreift,  unten  mit  zahlreichen  klei- 
nen runden  gelblichweifsen  Flecken. 

Im  Allgemeinen  etwas  platt  Kopf  mäfsig,  Nasenlöcher  schief, 
auf  der  Schnauzenspitze  einander  genähert,  etwa  um  1  Augen- 
durchmesser von  den  Augen  entfernt,  Trommelfell  deutlich,  im 
Durchmesser  halb  so  grofs  wie  das  Auge.  Choanen  quer,  etwas 
kleiner  als  die  dreieckigen  Tuben.  Gaumenzähne  auf  zwei  kur- 
zen Querreihen  auf  der  Mitte  des  Gaumens  hinter  der  Linie  der 
Choanen  stehend.  Zunge  grofs  und  hinten  winkelig  ausgeschnitten. 
Korperhaut  oben  fein  runzelig,  unten  glatt.  Finger  ganz  frei,  der 
dritte  der  längste,  dann  der  erste,  während  von  den  beiden  übri- 
gen der  zweite  kaum  länger  als  der  vierte  ist.  Die  Handballen 
sind  kaum  merklich.  Die  spitzen  Zehen  sind  ebenfalls  ganz  frei, 
nur  die  Mittelfufsglieder  durch  Schwimmhäute  verbunden;  sie  neh- 
men von  der  ersten  zur  vierten  rasch  an  Länge  zu,  während  die 
fünfte  Zehe  nur  wenig  kürzer  als  die  dritte  ist.  Die  Fufssohle  ist 
glatt 

Totallänge  0?046  Hand  mit  3.  Fing.  0<°011 

Kopflänge  0?014  Hintere  Extremität  0?060 

Kopfbreite  0^014  Fufs  mit  4.  Zehe  0?030 
Vord.  Extr.  0«023 

Ein  trächtiges  Weibchen  aus  Ceara  (Nördl.  Brasilien). 


>)   «vfOjuioc,  ykSeffeu 


648 

10.  CjftiignatkuM  diploiisin$  IL  ap.  (Taf.2.Fig.2.) 

Im  Habitns  and  aoch  in  der  ZeichnoDg  mit  PUwrodtma  Dar- 

tüinü  Bell  fiberdiistimmend,   aber  ohne  SeitendriiBen,  mit  kfirzern 

Fingern  and  Zehen,  beide  Mittelfofshocker  schneidend  and  grofoer*) 

and  einen  deotiichen  platten  Hocker  anter  dem  Tarsas.     Gnomen- 

sihne  aaf  zwei  nach  hinten  and  innen  oonrergirenden  Qaerhockem 

swiflchen  den  Choanen,  welche  den  Tobenoflhangen  an  Grolne  fast 

gleich   kommen.      Zange   herzförmig.      Trommelfell   sichtiwr,    sein 

Dorchmesser  etwa  gleich  •]•  Aogendorchmesser. 

Totallfinge  0?036  Hand  mit  3.  Fing.  0-009 

Kopflänge  0?015  Hintere  Extremität  0?046 

Kopf  breite  0?016  Fofs  mit  4.  Zehe   0?0215 
Vord.  Extr.  0"020 

Drei  Exemplare  Terschiedener  Grofse  aas  Ceara. 

11.  Hylodes  Henseliu  n.  sp. 

Der  Ton  Hm.  Dr.  Hensel  im  Archiv  für  Natorgeschichte 
1867  p.  161  beschriebene  Batrachier  gehört  ohne  Zweifel,  ^le  der 
Vf.  angiebt,  zar  Gattung  Hylodes  and  bildet  eine  dorch  die  Stel- 
lang der  Gaomenz&hne  sehr  aosgezeichnete  Art  Da  das  Exemplar 
jetzt  der  Berliner  Sammlang  einverleibt  ist  (No.  6813),  so  habe 
ich  es  mit  dem  Namen  des  Entdeckers  bezeichnet 

12.  Hylodes  rugulosus  n.  sp. 

Im  Habitas  fihnlich  einer  JRana  temporaria.  Vomerzahnplalten 
hinter  den  Choanen,  ähnlich  gebogen  wie  bei  ff.  BicardH,  aber  in 
der  Mitte  nicht  zosammenstofsend.  Choanen  länger  als  breit  und 
daher  grofser  als  die  Tabenoffnangen.  Zange  hinten  ganzrandig 
oder  kanm  herzfSrmig  eingeschnitten.  Canthi  rostrales  s^r  dent- 
lieh  wegen  der  concaven  Zugelgegend.  Nasenlocher  seitlich  anter 
dem  Ende  derselben  und  nicht  ganz  einen  Augendurchmesser  von 
den  Augen  entfernt  liegend.  Trommelfell  im  Durchmesser  gleich 
}  Augendurchmesser;   über  demselben  eine  bogenförmige  ron  dem 


>)  Die  Entwickelang  dieser  Höcker  ist  von  PL  Bibrom'i,  FL  Darwinti 
und  C.  diplolistris  eine  graduelle  und  scheint  mir  daher  um  so  weniger  allein 
eine  generische  Trennung  zu  begrönden,  als  Pleurodema  nur  ala  Untergattai^ 
von  Cy8tignathu9  zu  betrachten  ist.  CL  Ly$tri8  (scr.  Li$tn»f  Xicrpov)  Cope 
{Proc,  Ac.  N.  Sc.  Philadelphia  1868.  p.312}. 


vom  ii.  August  1870.  649 

oberen  Augenlide  ausgehende  Haatwulst.  Kopf-  nnd  Eorperober- 
seite  fein  granalirt  nnd  mit  zahlreichen  erhabenen  Lfingslinien; 
Unterseite  glatt.  Finger  und  Zehen  ganz  frei^  mit  deutlichen  Haft- 
scheiben und  sehr  entwickelten  Tuberkeln  unter  den  (Tclenkeli. 

Oben  graugelb  mit  zwei  mehr  oder  weniger  deutlichen  Reihen 
schwarzer  Flecke,  welche  zwischen  den  Augen  eine  undeutliche 
Zickzackbinde  bilden.  Die  Oliedmafsen  mit  dunkeln  Querbinden. 
Eine  schwarze  Binde  von  den  Nasenlochern  an  der  untern  Seite 
des  CanthuS  rostralis  und  der  bogenförmigen  Wulst  über  dem  Ohr. 
Unterseite  gelblich  weifs;  Fufssohlen  schwarz. 

Totallfinge  0?060  Hand  mit  3.  Fing.  0?015 

Kopflfinge  0?025  Hintere  Extremitfit  O'^llO 

Kopfbreite  0?0225  Fufs  mit  4.  Fing.  07045 
Vord.Extr.  0°>036 

Zwei  Exemplare  aus  Sta.  Catharina  (Brasilien).     Auf  das 

grofste  derselben  beziehen  sich  die  angegebenen  Mafse. 

13.  ArthroleptiB  disparn.  si^.  (Taf.  2.  Fig.  3.) 

Oben  dunkel  violetbraun^  die  Lippenr&nder,  Unterohrgegend, 
Korperseiten,  Vorder-  und  Hinterseite  des  Oberschenkels  schwarz 
und  gelblichweifs  melirt;  Gliedmafsen  mit  queren,  wegen  der  dun- 
keln Grundfarbe  wenig  sichtbaren  schwarzen  Querbinden.  Unter- 
kinn und  Brust  dichter,  Yorderbauch  sparsamer  mit  braun  be- 
sprengt. 

Korper  schlank,  Schnauze  abgestutzt,  Trommelfell  undeutlich, 
im  Durchmesser  ungefähr  gleich  •}■  Augendurchmesser,  Zunge  herz- 
förmig, Choanen  grÖfser  als  die  sehr  kleinen  Tuben,  Finger  frei. 
Zehen  an  der  Basis  geheftet  und  mit  kleineu  deutlichen  Haftschei- 
ben; am  Mittelfnfs  zwei  und  unter  dem  letzten  Drittel  des  Tarsus 
ein  kleines  Knötchen. 

Totallänge  0?020  Hand  mit  3.  Fing.  0?005 

Kopflänge  0?0075  Hintere  Extremität  0?035 

Kopf  breite  0?0062  Fufs  mit  4.  Zehe  0^0 16 
Vord.Extr.  0?014 

Ein  Exemplar  von  Ilha  do  Principe,  durch  Hrn.  Dr. 
Dohrn. 

Diese  Art  ist  sehr  interessant  wegen  grofserer  Entwickelung 
der  Haftscheiben,  die  bei  A*  Wahlbergii  Smith  (cf.  M<maUh.  1870. 
p.  125.  Taf.  Fig.  2)  und  A.  poecilonotu$  (MonaUber.  1863.  p.446)  als 
solche  kaum  zu  erkennen  sind.     Es  geht  hieraus  hervor,  dafs  Hß" 


G50  Gesammtsitzung 

teroglos$a  a/ricana  Hall o well  (Proc.  Äc.  NaU  Sc,  Philadelphia  1857. 
p.64;  Cope  ibid.  1862.  p.  343)  ebenfalls  in  die  Gattung  ArthTO' 
leptis  zu  stellen  ist,  welche  sich  nun  den  Hyperoliua  so  nahe  an- 
schliefst,  dafs  man  sie  höchstens  als  eine  Untergattung  derselben 
betrachten  kann.  Es  ist  dieses  eine  neue  Schwierigkeit  für  die 
Systematik  der  proteusartigen  Batrachier,  wie  sie  ähnlich  schon  bei 
den  Flectropus,  Plectromantis,  Diplopelma  nnd  Hemiphractus  sich  noi 
aufgedrängt  hat 

14.  Phyll6bate$  verruculatus  n.  sp. 

Oberseite  des  Körpers  und  der  Gliedmafsen  gelbbraun,  schwarz 
gefleckt  und  punktirt,  Zügel  und  Schläfengegend  schwarzbraan; 
Unterseite  bräunlichgelb,  dunkel  besprengt. 

Schnauze  wenig  länger  als  der  Äugend  nrchmesser;  Zugelgegend 
senkrecht;  Canthus  rostralis  abgerundet  Zunge  ganzrandig.  Trom- 
melfell sehr  deutlich,  im  Durchmesser  gleich  f  des  Augendurch- 
messers.  Oberseite  des  Körpers  mit  wärzchenfSrmigen  Herrorra- 
gungen;  Kehle  und  Brust  glatt;  Hinterbauch  und  Unterseite  der 
Oberschenkel  dicht  granulirt 

Von  den  Fingern  ist  der  erste  der  kürzeste,  der  vierte  wenig 
länger  als  der  zweite  und  der  dritte  am  meisten  henrorragend. 
Die  subarticularen  Hervorragnngen  sind  deutlich  und  die  Haftbal- 
len mäfsig  grofs,  aber  merklich  gröfser  als  die  ziemlich  kleinen 
Haftballen  der  Zehen.  Diese  letztem  sind  frei,  von  der  1.  bis  4. 
progressiv  an  Oröfse  zunehmend,  die  5.  ein  wenig  kürzer  als  die 
3te.  Die  beiden  Metatarsalknotchen  sind  kaum  grofser  als  die 
Subarticularknoten. 

Totallänge  0?020  Hand  mit  3.  Fing.  0^0058 

Kopflänge  0?008  Hintere  Extremität  0?031 

Kopfbreite  O'JOO?  Fufs  m.  4.  Zehe     0?014 
Vord.Extr.  0?014ö 

Ein  Exemplar  aus  Huanusco  (Mexico),  durch  Hm.  Dr. 
Hille. 

Cophomantis  n.  gen.^) 

Finger    und    Zehen    mit    wohlentwickelten    Haft- 
Scheiben  und  Schwimmhäuten  wie  Hyla.    Keine  Kie 


')     XW(^OC,    lulvTtQ* 


vom  iL  August  1870.  651 

ferzähne,  aber  Zähne  am  Gaumen.  Kein  Trommelfell 
und  keine  Tnbae  Eustachii.  Zunge  herzförmig;  Ster- 
num  mit  Manubrium;  Querfortsätze  des  Sacralwirbels 
verbreitert     Keine  Parotoiden. 

15.  C  punctillaia  n.  sp.  (Taf.2.  Fig.  4.) 

Blaugrau  mit  dichtstehenden  dunkeln  Pünktchen,  welche  weit- 
läufiger stehen  auf  einem  schmalen  Streifen  der  Oberschenkel,  auf 
der  Aufsenseite  des  Vorderarms  >  des  Unterschenkels  und  Fufses; 
Unterseite  schmutzig  gelblich;  Vorder-  und  Hinterseite  des  Ober- 
und  Unterschenkels,  die  Oberseite  der  Hand  mit  Ausschlufs  der 
üufseren  Hälfte  des  4.  Fingers  und  der  Fufs  mit  Ausschlufs  der 
fünften  und  der  äufseren  Hälfte  der  vierten  Zehe  schwarzbraun. 
Über  der  Analoffnung  in  einer  flachen  Vertiefung  ein  schwarzer 
Querstrich. 

Die  Schnauze  ist  etwas  länger  als  der  Augendurchmesser, 
vorn  abgestutzt,  die  Frenalgegend  ziemlich  hoch,  der  Canthus  ro- 
stralis  abgerundet,  die  kleinen  rundlichen  Nasenlöcher  seitlich, 
nahe  hinter  dem  Schnauzenende.  Das  untere  Augenlid  ist  durch- 
sichtig. Die  Choanen  sind  grofs  oval,  seitlich,  nach  vorn  conver- 
girend;  nach  innen  und  hinten  von  ihnen  liegen  die  ziemlich  lan- 
gen nach  vorn  convergirenden  Gaumenzahnhöcker.  Zunge  herzför- 
mig, hinten  wenig  ausgerandet.  Die  Haut  der  Rückseite  ist  glatt, 
von  dem  Auge  nach  der  Achsel  einen  bogenförmigen,  aber  nicht 
drusigen  Vorsprung  bildend.  Kehle  und  Brust  sind  gleichfalls 
glatt,  dagegen  der  Bauch  und  die  Unterseite  der  Oberschenkel 
dicht  gekörnt. 

An  der  Vorderextremität  ist  der  erste  Finger  der  kürzeste, 
dann  der  zweite  und  der  vierte  um  die  Länge  der  Haftscheibe  kür- 
zer als  der  dritte;  die  Bindehaut  zwischen  den  drei  äufseren  Fin- 
gern reicht  bis  zum  vorletzten  Gliede  und  ist  am  stärksten  zwi- 
schen dem  3.  und  4.  Finger  entwickelt.  Unter  der  Basis  des  er- 
sten Fingers  findet  sich  ein  gröfserer  Ballen,  unter  den  andern 
Fingern  nur  kleine  unregelmäfsige  Erhabenheiten,  Die  Zehen  sind 
etwa  bis  auf  f  durch  Schwimmhäute  verbunden;  die  Unterseite  des 
Tarsus  und  Metatarsus  ist  glatt;  nur  am  Hacken  befindet  sich  ein 
kurzer  domformiger  Haut  vor  Sprung. 


[1870]  45 


652  GemnnmUitzuvg 

ToUllänge  0?028  Hand  mit  3.  Fing.  0?0095 

Kopflänge  0?0095  Hintere  Extremität  0?042 

Kopf  breite  0?0085  Fufs   mit  4.   Zehe  0^019 
Vord.Extr.  07020 

Sta.  Catharina  (Brasilien). 

Ich  habe  lange  gezögert ,  die  vorstehende  Art  als  Repräsen- 
tanten einer  Gattung  mit  einer  neaen  Combination  eigenthümlicber 
Charaktere  anzuerkennen,  und  ich  dachte  wegen  des  Mangels  der 
Kieferzähne  und  auch  wegen  der  kleinen  vertieften  Querlinie  ub^^r 
der  Analoffnung  an  den  Jugendzustand  einer  JETy/o,  namentlich  we- 
gen der  Färbung  und  der  Ähnlichkeit  des  Habitus  an  H.  cmerai- 
een$  Spix  (Spee.  luw.  Testud.  et  Ranar,  Taf. 8.  Fig. 4.}.  Indefs  ist 
das  vorliegende  Exemplar  keineswegs  klein  und  bei  H.  etneraacm 
das  Trommelfell  nicht  allein  sehr  deutlich,  sondern  auch  die  Pro- 
portion der  Finger  eine  andere,  indem  der  erste  merklich  länger 
als  der  zweite  und  der  vierte  verhältnifsmäfsig  viel  kurzer  ist. 


Übersicht   der  Abbildangen. 

Taf.  1.  Fig.  1.  Vrosaura  glabeUa  Ptrs. 

,    2.  Geophi9  annulatutVttz, 

ff    3.  Üriechis  lineatu»  Ptrs. 

,    4.  ScaphiophU  albopunctaibts  Vir ^ 

,    5.  Rana  longirostrii  Ptrs, 
Taf.  2. Fig.  1.  Entomoglossus pustulatus  Ptrs. 

,     2.   CyBtignathuB  diphli9tri9  Vir ^, 

„    3.  Arthroleptis  dispcw  V it B. 

„    4.  Cophoman tis  punctillata  Ptrs. 
Taf.  1.  Fig.  1 — 4  Bind   irergrOfsert ,    die   übrigen  Figuren   in    natarli<li''r 
GrAfse. 


-r-rtrr; 


i 


I  l'rg».iura  ebbdia  ^CnphU^iinulalus.^rrii'iiuslinnius.  i.>i.-ip)iL0|ihisalb(ipiinn3Uis 

■., .,.      iR.mi  ionBimslris  .   ^,    ,, 


I.F.niomo^DM^us  puslul.ilux  .'^  CvMi^Mlhus  iliplolisU 

,  .    -;, ,  .     .  .  ,    ,  V  Cnphomaili»  puntlillau 


vom  11,  August  1870.  653 

Hr.  Braun  theilte  neuere  Untersuchungen  über  die 
Gattungen  Marsilia  und  Pilularia    mit. 

Vor  sieben  Jahren*)  habe  ich  der  Akademie  einen  Versuch  vor- 
gelegt, die  Arten  der  Gattungen  Marsilia  und  Pilularia  festzustel- 
len;  aus  letzterer  Gattung  konnte  ich  damals  4  Arten,  aus  ersterer 
37  (oder  bei  weiterer  Fassung  des  Artbegriffs  30)  aufzählen  und, 
mit  Ausnahme  einiger  mir  nicht  aus  eigener  Anschauung  bekannter, 
scharf  charakterisiren.  Es  zeigte  sich  schon  damals,  dafs  die  Anzahl 
der  Arten  beträchtlicher  sei,  als  man  anzunehmen  geneigt  war, 
dafs  insbesondere  die  in  älteren  Schriften  unter  dem  Namen  M. 
quadri/oliata  angeführten  aufsereuropäischen  Formen  sämmtlich  an- 
deren, Ton  der  europäischen  dieses  Namens  verschiedenen  Arten 
angehören.')  Zu  der  früheren  Ansicht  haben  namentlich  2  Mo- 
mente beigetragen,  die  grofse  Ähnlichkeit  der  meisten  Arten  in  den 
sterilen,  oft  allein  gesammelten  Wasserformen  und  der  innige  Zu- 
sammenhang der  vielgestaltigen  Arten  einzelner  Gruppen,  wie  z.  B. 
der  Gruppe  der  M.  diffusa  in  Afrika  und  Asien,  der  Gruppe  der  M. 
vestita  in  Nordamerika,  der  M,  Drummondii  in  Australien.  So  ist  es 
erklärlich,  dafs  selbst  neuerlich  der  verdienstvolle  Dr.  Ferd.v.  Müller') 
die  sämmtlichen  australischen  Marsilien  für  Formen  einer  einzigen 
Art,  der  M,  hirsuta  R.  Br.,  die  er  selbst  wieder  als  Abart  der  üf. 
quadri/oliata  betrachtet,  halten  konnte.^) 

Seit  jener  früheren  Mittheilung  hat  sich  die  Kenntnifs  dieser 
kleinen  Pflanzengruppe  in  mannigfacher  Beziehung  vermehrt  Die 
Einsicht  in  die  Befruchtungs- ,  Keimungs-  und  Entwicklungsvor- 
gänge  ist  durch  die  Arbeiten  von  Hanstein')  in  erfreulicher  Weise 


1)    Monatfib.  1863,  S.  413. 

')  Vielleicht  mit  einziger  Ausnahme  der  M.  quadri/oliata  Thunb.  Flor. 
Japon.,  die  im  sterilen  Zustande,  in  welchem  allein  sie  mir  bekannt  ist,  von 
der  ächten  M,  quadri/oliata  nicht  unterscheidbar  ist. 

') .  Zur  Befruchtung  und  Entwicklung  der  Gattung  Marnlia  (Pringsheim 
Jahrb.  f.  wiss.  Bot.  IV,  1865);  Pilulariae  globuli/erae  generatio  cum  Marsi- 
lia comparata.    Bonnae  1866. 

*)  Fragmenta  Phytograph.  Australiae  V.  p.  140  und  in  brieflichen  Mit- 
theilungen. 

^)    Ich  werde  im  Folgenden  zeigen,  data  die  australischen  Arten  dreien 

45* 


C54  Gesammisitzung 

gefordert;  die  Entwicklangsgeschichte  der  Wurzel  ist  von  Nig^ll 
und  Leitgeb'),  die  Bildung  des  männlichen  Prothaliiuma  ans  der 
Mikrospore  durch  Millardet')  genauer  untersncht  worden.  Die 
Kenntnifs  der  Arten  und  ihrer  Lebensweise  ist  durch  neue  Ent- 
deckungen und  fortgesetzte  Culturversuche  bereichert  worden.  Die 
mir  damals  -nur  aus  ungenügenden  Diagnosen  bekannten  Anen 
(M.  hirsuta  und  angusttfolia  R.  Br.,  M.  mutica  Mett)  konnten  ge- 
nauer untersucht  werden,')  eine  Reihe  früher  ganz  nobekannter 
wurden  seither  entdeckt  {Pilularia  Mendani  von  Mendon  in  Bolivia. 
MarsiL  rotundata  und  diffusa  v,  comuta  von  Welvritsch  iu  Angola. 
M.  gibba  von  Schweinfurth  in  den  oberen  Nillfindem,  M.  quadrata 
von  Lowe  in  Borneo,  üf.  subangulata  und  Emesti  von  Ernst  in  Ca- 
racas, M,  macra^t  elata^  hirautüsima,  sericea  und  andere  neue  For- 
men aus  der  Gruppe  der  vielgestaltigen  M.  Drummondii  in  Austra- 
lien von  Ferd.  v.  Müller,  Wilhelmi,  Murray,  M^  Kinlaj  und  andereo 
Reisenden  im  Inneren  Australiens);  einige  andere  neue  Äxten  fan- 
den sich  in  älteren  Herbarien  versteckt  (üf.  Berteroi  im  De  Can- 
doUe'schen,  Af.  Mexicana  und  M.  exarata  im  Hooker'schen). 

Die  Kenntnifs  der  geographischen  Verbreitung  der  Arten  ist 
durch  die  Entdeckung  neuer  Fundorte  mehrfach  erweitert  worden, 
aber  auch  jetzt  noch  gilt  die  Behauptung,  dafs  die  meisten  Arten 
ein  sehr  beschränktes  Vorkommen  besitzen.  Nur  wenige  Arten  ha- 
ben eine  weiter  ausgedehnte  geographische  Verbreitung,  nach  den 
jetzigen  Kenntnissen  mit  meist  grofsen  Unterbrechungen.  M,  qua- 
dri/oliata  zieht  sich  durch  das  südliche  und  mittlere  Europa  zxri- 


vorschiedenen  Gruppen  angehören,  so  dafs  man  bei  möglichst  weiter  Fassoiu: 
mindestens  3  Arten  anerkennen  müfste. 

^)  Entstehung  und  Wachsthum  der  Wurzeln  (Nageli,  Beiträge  znr  wi>5. 
Bot.  4.  Heft,  1868  S.  114). 

^)    Le  Protballium  male  des  Crjptogames  vasc.    Strasb.  1869. 

')  Nur  Mars,  fimhriata  Schum.  et  Thonning  bleibt  auch  femer  nnb-:- 
kannt,  da  Exemplare  dieser  Art  im  Kopenhagener  Museum  nach  den  &Iit* 
theilnngen  von  Prof.  Lange  nicht  vorhanden  sind.  Die  fernere  Erwihnnri^ 
derselben  in  dem  Verzeichnifs  der  Arten  hat  nur  insofern  noch  einen  Werth, 
als  durch  dieselbe,  unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  Angabe  der  Autoren 
richtig  ist,  die  Existenz  einer  Art  mit  beinahe  sitzenden  Fruchten  im  tropi- 
schen Afrika  constatirt  wird. 


vom  iL  August  1870.  655 

sehen  36  und  55^  n.  Br.,  taucht  in  Asien  wieder  auf  in  der  Krimm, 
den  Gaucasusländern,  dem  südlichen  Sibirien,  bei  Astrachan  und 
in  Kaschmir,  zweifelhaft  in  China  und  Japan.')  Endlich  macht 
sie  einen  Sprung  in  die  neue  Welt,  wo  sie  von  einer  einzigen  Lo- 
calitat  in  Connecticut  bekannt  ist.  Eine  ähnliche  Ausbreitung  hat 
-wahrscheinlich  Pilularia  globuli/era,  aber  sie  geht  in  Europa  etwas 
-weiter  nach  Norden  (in  Norwegen  bis  zu  60**)  und  weniger  weit 
nach  Süden  (in  Italien  bis  41,  in  Portugal  bis  zu  38°).  Im  Osten 
der  alten  Welt  ist  sie  nur  bis  zum  Jaik  bekannt,  aber  man  mufs 
bedenken,  dafs  die  unscheinbare  Gestalt  der  Pilularia  weit  leichter 
übersehen  wird  als  die  auffallende  der  Marsilia,  In  Nordamerika 
fehlt  sie,  was  bei  ihrer  weiteren  Verbreitung  nach  Norden  im  Ver- 
gleich mit  Marsilia  quadri/oliata  auffallend  ist  Erst  in  den  süd- 
lichen vereinigten  Staaten  tritt  eine  von  der  europäischen  specifisch 
verschiedene  Art  {Pilularia  Americana)  auf.  Europa  besitzt  aus 
jeder  der  beiden  Gattungen  noch  eine  zweite,  südlichere,  aus* 
schliefslich  dem  Gebiet  der  Mittelmeerflora  angehorige  Art,  deren 
wenige,  zerstreute  Fundorte  zwischen  dem  35.  und  43.°  n.  B.  lic'» 
gen,  nämlich  Marsilia  pubescens  und  Pilularia  minuta.  Beide  fin- 
den sich  im  L'anguedoc  (Roquehaute  bei  Agde) ,  in  Sardinien  und 
in  Algerien,  PiL  minuta  aufserdem  bei  Smyrna,  Mars,  pubescena 
bei  Tanger.  Zieht  man  die  kaum  verschiedene  M.  strigosa  W.  mit 
3/.  pubesesTis  zusammen,  so  erweitert  sich  der  Verbreitungsbezirk 
derselben  nach  den  Wolga-  und  Caucasus-Gegenden  Südrufslands. 
Zu  den  weit  verbreiteten  Arten  gehört  ferner  Mars,  diffusa^  die, 
auf  den  Canarischen  Inseln  und  in  Algerien  beginnend,  über  Sene- 
gambien  (wo  sie  die  häufigste  Art  ist),  die  oberen  Nilländer,  Angola 
(in  einer  etwas  abweichenden  Form)  und  Madagascar  sich  ausbrei- 
tet und  ohne  Zweifel  in  vielen  anderen  Gegenden  namentlich  des 
tropischen  Afrikas  noch  aufzufinden  ist.  Vereinigt  man  mit  M. 
diffusa  die  sehr  nahe  verwandten  und  schwer  scharf  zu  trennenden 
Arten  M,  crenulata  und  M,  erosa^  so  geht  die  Verbreitung  weiter  nach 
Mauritius  und  Bourbon,  Ceylon  und  ganz  Vorderindien,  Assam,  Java, 


')  Die  TOD  neaeren  Reisenden,  Wichura  und  Maximowitsch  gesammel- 
ten Exemplare  sind  steril;  doch  ist  die  Richtigkeit  der  Bestimmung  nicht 
unwahrscheinlich,  da  auch  die  europäische  Salvinia  natans  in  Japan  wieder« 
kehrt. 


656  Gesammtsitzung 

den  Philippinen  und  La  Tschu  Inseln.  Einen  Wohnangsbeziik  toq 
bedeotender  Ansdelinang  hat  endlich  noch  Mars,  polycarpoj  zumal 
wenn  man  die  zweifelhafte  M.  picta  und  die  sehr  nahe  verwandte  M. 
subangulata  hinzuzieht,  nämlich  über  Brasilien,  Guyana,  Neu-Granada 
und  Centralamerica  (subangulata),  Mexico  (picta\  Jamaica  ($ubangu- 
lata?)y  Cuba,  von  wo  sie  einen  ungeheuren  Sprung  macht  nach  Tahiü, 
auf  welcher  Insel  &chte  M.  polycarpa  in  fast  gleicher  Breite  mit 
Brasilien  aber  um  100  Längengrade  entfernt  sich  wieder  findet 
Einen  merkwürdigen  Sprung  zeigt  auch  Pilularia  Ämericana  in  ihrem 
Vorkommen,  welche  in  den  südlichen  vereinigten  Staaten  (Arkaa- 
sas)  und  in  Chile  (Yaldivia)  beobachtet  ist,  nicht  aber  in  den  zwi- 
schenliegenden Theilen  Amerikas. 

Alle  übrigen  Arten  zeigen  ein  beschränktes  Vorkommen,  wo- 
bei nicht  selten  alle  oder  die  meisten  Arten  desselben  geographi- 
schen Gebietes  unter  sich  nahe  verwandt  sind,  wie  z.  B.  sämmt- 
liehe  südafrikanische  Marsilia-Arien  (Af.  nuierocarpc^  CapenHSy  Bnr- 
chelliiy  biloba)^  die  Mehrzahl  der  Arten  des  wärmeren  Nordamerika 
{M.  ttnctnato,  mucronaia^f  vestUc^  tenui/oUay  mexicand),  so  wie  die 
meisten  australischen  {M,  Drummondiiy  elata  und  die  verwandten 
Formen)  einer  und  derselben  Gruppe  angehören.  Oft  finden  sich 
aber  auch  in  entfernten  Gebieten  analoge  Arten,  so  wird  die  ost- 
indische if.  Coromandeliana  in  Afrika  (Senegambien)  durch  Jlf.  tri- 
chopoda  vertreten;  die  ostindische  M,  erosa  in  Afrika  durch  3f. 
diffusa;  die  europäische  M,  quadri/oliata  im  wärmeren  Nordamerika 
durch  M.  macropus^  in  Australien  durch  M.  Broumii;  JH.  restita 
Nordamerikas  auf  den  Sandwichsiuseln  durch  M.  viUosai  Jf.  Ati^'ca 
der  Nilländer  in  Senegambien  durch  M.  gymnoearpa ;  die  europäische 
Pilul.  globuH/era  in  Australien  durch  P.  Novae  HoUandiae. 

Der  an  Marsiliaceen  reichste  Welttheil  ist  Afrika  mit  17  Mar- 
silia-Arten  und  1  Pilularia,  Senegambien  allein  besitzt  von  er- 
steren  7  Arten  (M.  trichopoda,  muscoides^  distorta^  diffusa^  crenulata^ 
gymnoearpa^  subterranea)^  von  denen  4  diesem  Lande  eigenthüm- 
lich  sind. ' )     In  Guinea  ist  bis  jetzt  nur  eine  Art  beobachtet  worden 


')  Die  EntdeckoDg  dieser  Arten  verdankt  man  den  älteren  französlschea 
Beisenden,  Ferro tet,  Heudelot  und  Leprieur,  von  welchen  der  erst- 
genannte als  Director  eines  Cultur-Etablissements,  der  zweite  als  Obergirtner, 
der  dritte  als  Marine- Apotheker  die  Flora  Senegambiens  in  den  Jahren   1824 


vom  iL  August  1870.  657 

und  diese  ist  nicht  genauer  bekannt  (If .  finibriata) ;  in  Angola  sind 
von  Dr.  Welwitsch  3  Arten  in  fructificirendem  Zustand  aufgefunden 
worden  {M.  rotundata^  comuta,  muscoides)^  von  denen  die  dritte  mit 
einer  der  senegambischen  Arten  identisch  ist,  während  die  zweite 
an  zwei  weiter  verbreitete  Arten  (M.  diffusa  und  crenaie)  sich  so 
nahe  anschliefst,  dafs  die  specifische  Trennung  zweifelhaft  er- 
scheint.') 

Aus  dem  oberen  Nil  gebiete  sind  3  Arten  bekannt  (i/.  diffusa^ 
gibbOf  Nubicä)^  von  denen  2  diesem  Gebiete  eigenthümlich ;  aus 
Nordafrika  3  oder  4  Arten  (M.  pubescensj  diffusa,  Aegyptiaca,  qua- 
dri/oliata?)y  von  denen  die  erste  der  Mittelmeerflora  gemeinsam  ist, 
die  zweite  den  Hauptheerd  ihrer  Verbreitung  im  tropischen  Afrika 
hat,  die  dritte  sich  von  Ägypten,  wahrscheinlich  mit  Mittelstationen 
in  Kleinaaieu,  nach  dem  Ausflufs  der  Wolga  (Astrachan)  erstreckt, 
die  vierte,  wenn  nicht  ein  Irrthum  zu  Grunde  liegt'),  als  südli- 
cher Vorposten  der  altbekannten  mitteleuropäischen  Art  erscheint. 

Von  der  Ostknste  Afrikas  sind  bis  jetzt  keine  Marsiliaceen 
bekannt  Aus  Madagascar,  Mauritius  und  Bourbon  nur  2  auch  in 
verschiedenen  Theilen  des  Festlandes  von  Afrika  vorhandene  Arten, 
M,  d^usa  und  crenulata*)\  auch  auf  den  Ganaren  findet  sich  eine 
Form  der  weit  verbreiteten  M,  diffusa. 


bis  1829  erforschten.  Seither  scheint  dort  Niemand  diese  merkwürdigen  Ge- 
wächse beachtet  zu  haben,  was  nm  so  mehr  zu  bedaaem  ist,  als  die  Frfichte 
der  aus  jener  Zeit  stammenden  in  den  Herbarien  reichlich  vorhandenen 
Exemplare  sich  als  nicht  mehr  keimfähig  erwiesen  haben. 

')  Eine  vielleicht  vierte,  aber  nur  steril  gesammelte  Art  gleicht  in  den 
Blattern  sehr  der  ostindischen  M.  erosa. 

')  Im  Hedwig  sehen  Herbarium  Qetzt  im  Besitz  von  Van  der  Saude 
Lacoste)  befinden  sich  fructificirende  Exemplare  ächter  M,  quadri/oliata  mit 
der  Angabe   »Ex  Egypto''   ohne  Nennung  des  Sammlers. 

')  In  Bojer's  Hortus  Mauritianns  (1837)  426  wird  aufser  M,  vulgari9 
Bory,  einer  Mischart  aus  M.  diffusa,  crenuiata  und  der  europäischen  i/. 
quadri/oliata  j  auch  noch  i/.  Coromandeliana  angeführt.  Dies  beruht  wahr- 
scheinlich auf  einem  Irrthum.  In  mehreren  Herbarien  finden  sich  allerdings 
Exemplare  achter  AI.  Coromandeliana  mit  dem  Beisatz  „Mauritius.  Perrottet*', 
aber  gemischt  unter  denselben  fand  ich  ein  kleines  Eriocaulonf  welches  nach 
K5micke  zu  E.  sexangulare  gehört,  einer  Art,  die  in  Ostindien  häufig  ist, 
auf  Mauritius  dagegen  fehlt.  Perrottet  hat  bekanntlich  auch  bei  Pondichery 
gesammelt. 


658  Gesammtsitzung 

Aas  Earopa  and  Asien  sind  12  Arten  von  Marsiliaceen  be- 
kannt, von  denen  5  mit  Afrika  gemeinsam.  Earopa  and  Aaen 
nordwärts  vom  30.  Breitegrad  besitzen  6  Arten  {Pil.  glohulifera  und 
mtnu/a,  Mars,  quadrifoliaia^  pubescens,  Btrigosa  and  Aegyptiacd)^  die 
südlicberen  Theile  Asiens  6  andere  and  zwar  Vorderindien  5  {M, 
erosay  brachycarpay  brachypuSy  gr<icilenia^  Corwnandeliana)'^  Ton  de- 
nen 2  aach  in  Hinterindien  gefunden  warden  (2f.  hrachycarpa  und 
erom).  Aus  Ceylon  ist  nar  eine  auch  aaf  dem  Festlande  verbrei- 
tete Art  (if.  0roBa)  bekannt,  ebenso  aas  Java  (If.  erosa  var.)» 
aas  Borneo  dagegen  eine  von  anderwärts  nicht  bekannte  (if. 
quadrata),  von  den  Philippinen  die  in  Afrika  verbreitetere  M.  cre- 
nulata»  Alle  nicht  genannten  Theile  des  wärmeren  Asiens,  wie 
namentlich  Samatra,  Celebes,  Nea-Gainea,  das  südliche  China 
sind  in  Beziehang  auf  diese  Familie  anerforscht 

Aas  Amerika  sind  17  Arten  der  Familie  bekannt,  wobei  einige 
sehr  schwache  Arten  mitgezählt  sind,  durch  deren  Einziehung  sieb 
die  Zahl  auf  12  vermindern  würde.  Mit  Ausnahme  zweier  Arten 
(if.  guadrifoliata  und  polycarpd)  sind  alle  Amerika  eigenthümlich. 

In  den  vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  finden  sich  eine 
Pilularia  (P.  Amerieana)  und  6  Arten  Marsiltay  nämlich  anfser  M. 
quadrifoliatay  welche  in  Nordamerika  einen  einzigen  Standort  (Con- 
necticut, zwischen  A\  und  42°  n.  Br.)  hat,  5  unter  sich  kaum  ver> 
schiedene  Nordamerika  eigenthümliche  Arten  (^M,  uncinatay  brecipes, 
mucronata^  vestitOy  tenujfolia),  von  denen  eine  (Af.  mucronatä)  in 
Minesota  bis  zum  47°  n.  Br.  sich  erstreckt.  In  Mexico  kommen 
dazu  noch  2  (vielleicht  3?)  weitere  Arten  (if.  Mexicana^  pieta  und 
polycarpa  var.,  beide  letzteren  vielleicht  einerlei).  Nordamerika 
im  Ganzen  besitzt  somit  9  Marsiliaceen,  von  denen  nur  2  in  Süd- 
amerika   wiederkehren. 

Das  Festland  von  Südamerika  hat  bis  jetzt  nur  7  Arten  aaf- 
zuweisen,  2  Pilularien  (P.  Mendoni  in  Bolivia,  P.  Amerieana  in 
Chili)  und  5  Marsilien,  von  denen  3  dem  Isthmus,  Venezuela  und 
Neugranada  (if.  Emestiy  subangulata,  deflexa)^  1  Ecuador  (if.  an- 
cylopoda)y  2  Guyana  und  Brasilien  (if.  deflexa  und  polycarpa)  an- 
geboren. Aus  Peru,  Bolivia,  sowie  allen  sudlich  vom  14.^  s.  Br. 
gelegenen  Theilen  Südamerikas  (eine  zweifelhaft  zu  if.  polycarpa 
gehörige  Form  von  Buenot  Ayres  ausgenommen)  sind  bis  jeut 
keine  Marsilien  bekannt  geworden.  Auf  den  westindischen  Inseln 
sind  nur  wenige  Arten   gesammelt,   doch   scheint   eine  eigenthüni- 


vom  iL  Augmt  1870,  659 

liehe  darunter  zu  fieiu  (if.  Berteroi  von  Dominica) ;  M.  polycarpa  ist 
auf  Gaba,  M,  subangulata?  auf  Jamaica  gefunden  worden. 

Australien  ist,  wenn  auch  nicht  an  Zahl  der  Arten,  doch  an 
Zahl  der  Individuen  ohne  Zweifel  das  gelobte  Land  der  Marsilien, 
die  namentlich  die  Niederungen  im  Inneren  Neuhollands,  die  soge- 
nannten Creek's,  streckenweise  bedecken,  wo  die  Eingeborenen  die 
harten,  aber  mit  stärkehaltigen  Sporen  gefüllten  Früchte,  die  unter 
dem  Namen  Nardu^)  oder  Addo^)  bekannt  sind,  einsammeln,  um 
Brod  daraus  zu  bereiten.  Je  nach  der  Anffassungsweise  bestimmt 
sich  die  Zahl  der  bekannten  Arten  sehr  verschieden;  man  kann 
entweder  nur  6  Arten  zählen,  1  Pilularia  (P.  Novae  Hollandiae) 
und  5  ifar«t7ta- Arten  (if.  Brownii^  hireuta^  exarcUOy  angustifolia, 
Drummondii)  oder  auch  15,  wenn  man  die  Formenreihe  der  M, 
Drummondii  (ealvatria)  in  Arten  auflöst,  deren  sich  nicht  weniger 
als  10  unterscheiden  lassen.  Von  Van  Diemens  Land  und  Neu- 
seeland sind  keine  Marsilien,  wohl  aber  von  beiden  Pilularia  No- 
vae  Hollandiae  bekannt  Alle  australischen  Marsiliaceen  sind  die- 
sem Welttheil  eigenthümlich. 

Von  den  Inseln  des  stillen  Oceans  ist  nur  wenig  anzuführen. 
Auf  den  Sand  wichsin  sein  wurden  2  Arten  gesammelt,  von  denen 
die  eine,  M,  villo/a,  durch  ihre  Yerwandschaft  mit  M.  vestiia  nach 
dem  im  Osten  liegenden  Festlande  des  wärmeren  Nordamerikas 
deutet,  die  andere  (3f.  crenulata)  nach  den  Philippinen  und  Lu 
Tschu-Inseln  in  Westen,  wo  dieselbe  Art  vorkommt  In  Neucale- 
donien  findet  sich  eine  Art  (3f.  mutica)^  die  mit  keiner  anderen 
bekannten,  namentlich  mit  keiner  der  australischen  Arten  eine  nä- 
here Verwandschaft  zeigt;  vielleicht  gehört  dazu  auch  die  nur  ste- 
ril bekannte  Art  der  Viti-Inseln,  Die  auf  Tahiti,  in  der  Mitte  zwi- 
schen Australien  und  Südamerika,  gefundene  Mareilia  ist  völlig 
identisch  mit  der  südamerikanischen  M.  polycarpa.  Mehr  ist  aus 
diesem  weiten  Inselgebiete  nicht  bekannt.  Unter  den  vier  genann- 
ten sind  2  für  Polynesien  eigenthümlich. 


*)  Exploring  Expedition  from  Victoria  to  the  Gulf  of  Carpentaria  un- 
der  the  command  of  Mr.  Robert  Ottara  Barke  (Joum.  of  the  roy.  geogr. 
Soc.  Vol.  XXXII  (1862)  p.  430). 

*)  Mc.  Kinlay's  Journal  of  Exploring  in  the  interior  of  Australia. 
Oct.   1861  —  Aug.  1862.  p.  41. 


660  Oesammi$itzung 

Zur  Forderung  der  Kenntnifs  der  Marsiliaceen,  der  sicheres 
Unterscheidung  der  Arten  nicht  nur,  sondern  auch  der  Kenntnils 
ihrer  Entwickelungs-  und  Wachthumsgeschichte  und  ihres  anatomi- 
schen Baus,  hat  die  Cultur  einer  ansehnlichen  Zahl  derselben  ve- 
sendich  beigetragen.  Vor  dem  Jahre  1863  wurden  ausser  den  i 
europäischen  keine  weiteren  Arten  der  Gattungen  Pilularia  nod 
Marailia  in  botanischen  Gärten  cultivirt;  in  dem  genannten  Jiil^ 
gelang  es  zum  ersten  Male  2  australische  Arten  (M,  Drummondu 
var.  Orientalis  und  M»  salvairix)  aus  Sporen  £ur  vollen  Entwicklung 
zu  bringen  und  für  die  Gärten  zu  gewinnen. ' )  Seither  ist  dass^iW 
mit  mehreren  anderen  Arten  gelungen,  so  dafs  ich  jetzt  ein  Ve^ 
zeichnifs  von  15  Arten  geben  kann,  welche  im  hiesigen  botanischen 
und  Universitätsgarten  gezogen  werden. 

1.  Pilularia  glohulifera  L.,  seit  langer  Zeit  im  Garten.  Die 
Keimmung  ist  von  älteren  und  neueren  Beobachtern  verfolgt  wor- 
den,  von  Bernh.  v.  Jussieu  1739,  Bischoff  1828,  Jac.  Agardh  1833, 
neuerlich  von  Hanstein  1866.') 

2.  P.  minuta  Durieu.  Wurde  im  Jahre  1847  im  Fretbarger 
bot.  Garten  aus  Sporen  von  Exemplaren,  welche  Durieu  18-14  bfi 
Gran  gesammelt  hatte,  erzogen  und  seit  jener  Zeit  in  den  botao. 
Gärten  verbreitet. 

3.  P.  Americana  A.  Br.  Einige  Sporen  aus  einer  der  Un- 
tersuchung geopferten  Frucht  eines  von  R.  A.  Philippi  int  Man 
1869  bei  Valdivia  gesammelten  Exemplares  keimten  im  Febniar 
d.  J.  und  wuchsen  zu  ausgedehnten  dichten  Rasen  heran,  die  je- 
doch im  verflossenen  Sommer,  vielleicht  wegen  zu  üppiger  vegetativer 
Entwicklung,  keine  Früchte  getragen  haben. 

4.  Marsilia  quadrifoliata  L.,  die,  aus  den  Rheingegenden  Baden*« 
bezogen,  seit  Jahren  im  Garten  angebaut  wird,  hat  in  den  letxteo 
Jahren,  ungeachtet  verschiedenartiger  Behandlung,  keine  Frnrbt 
getragen.  Aus  Sporen  ist  sie  bis  jetzt  nicht  erzogen  worden.  Da^ 
Aufspringen  der  Frucht,  die  Entwicklung  des  Gallertstrangs,  <1^^ 
Hervortreten  des  Sori  und  die  Anfänge  der  Keimung  bis  zur  Bil- 
dung des  Vorkeims   wurden  von   mir  schon  im  J.  1835  in  Ctrb- 


1)    Vergl.  Monatsb.  d.  Ak.  d.  Wiss.  1863  S.  414  und  1864  S.  576. 
«)    Vergl.  J.  Agardh,  de  Pilularia,   Lundae  1833;  Hanstein,  Pihlarn< 
giobali/erae  gencratio  cum  Marsilia  comparata,  Bonnae  18C6. 


vom  iL  August  1870.  661 

ruhe  beobachtet,  aber  die  weitere' Eetwicklnng  unterblieb;  aach  alle 
spfiteren  Aussaatversache  waren  ohne  Erfolg,  so  dafs  gerade  von 
dieser  bekanntesten  Art  die  Beschaffenheit  der  Keimpflanzen  noch 
unbekannt  istJ) 

5.  M,  pubescens  Tenore  wurde  zuerst  aus  im  Jahre  1842  bei 
Roquehaute  unweit  Agde  von  Dr.  Wunderly  gesammelten  Fruchten 
im  Freiburger  bot.  Garten  1847  erzogen.  Aus  Früchten  von  der- 
selben Zeit,  so  wie  aus  noch  älteren  von  Esprit  Fahre,  dem  Ent- 
decker des  Vorkommens  dieser  Pflanze  in  Frankreich,  im  Jahre 
1838  gesammelten,  wurde  sie  hier  in  den  Jahren  1865 — 66  culti* 
virt  und  ein  in  diesem  Jahre  gemachter  Versuch  zeigte,  dafs  die 
Früchte  von  1838  auch  jetzt  noch  vollkommen  keimfähige  Sporen 
enthalten.') 

6.  M.  Aegyptiaca  W.  sendete  Dr.  Th.  Bilharz  im  J.  1855 
lebend  von  Cairo.  Sie  gedeiht  alljährlich  während  des  Sommers 
sehr  gut  im  freien  trockenen  Land  und  im  Wasser,  erfriert  jedoch 
regelmäfsig  im  Winter,  so  dafs  sie  im  Haus  überwintert  werden 
mufs.  Leider  waren  alle  Versuche,  sie  zum  Fruchttragen  zu  brin- 
gen, vergeblich. 

7.  M.  Coromandeliana  W.  wurde  in  diesem  Jahre  aus  Fruch- 
ten von  Dr.  Thomson  bei  Madras  im  J.  1845  gesammelter  Exem- 
plare erzogen  und  entwickelte  sich  mit  aufserordentlicher  Schuellig- 


^)  Das  Mifi$liDgen  so  vieler  Aussaatversnche  erklärt  sich  zam  Theil  aus 
dem  Umstände,  dafs  die  Einsammlnng  der  für  Herbarien  bestimmten  Exem- 
plare meist  vor  der  Zeit  der  völligen  Reife  der  Fruchte  geschieht.  Zar  Er- 
Jangnng  dieser  Reife  gehOrt  hinreichende  Wärme  und  trockene  Witterung; 
ein  kühles  und  regnerisches  Spätjahr  verhindert  dieselbe.  Die  exotischen 
Marsilien  tragen  daher  in  unseren  Garten  zwar  reichliche  und  anscheinend 
wohl  ansgebildete  Fruchte,  aber  selten  keimfähige  Sporen.  Es  gilt  dies  na- 
mentlich von  den  neuholländischen  Arten,  von  denen  wir  in  Berlin  noch 
keine  eigentlich  reifen  Früchte  erhalten  haben,  während  in  Süddeutschland 
(Carlsruhe)  solche  erzogen  wurden.  Af.  quculrifoliata  wächst  an  Stellen, 
^reiche  bei  eintretender  feuchterer  Witterung  im  Spätsommer  wieder  unter 
Wasser  gesetzt  werden,  wodurch  die  unreifen  Früchte  am  Reifen  gehindert 
%rerden,  die  reifen  dagegen  aufspringen  und  sich  entleeren.  Der  rechte  Au- 
genblick zum  Einsammein  wird  daher  leicht  verfehlt. 

')  Zwei  Früchte,  welche  zusammen  164  Macrosporen  entleerten,  liefer- 
ten 160  Keimpflänzchen  1 


662  GesammUiizung 

keit  Die  Aussaat  geschah  am  9.  Mai ;  mehrere  über  1  Fois  bn-it" 
flache  Schüsseln  wurden  in  kurzer  Zeit  von  einem  einzigen  Kod- 
pflänzchen  überwuchert,  und  zu  Ende  Juli  hatten  unzählige  Früchte 
bereits  ihre  Yollwüchsigkeit,  wenn  auch  nicht  die  volle  Reife,  er- 
reicht. Ich  schätze  die  Zahl  der  Früchte,  welche  von  der  au 
einer  einzigen  Spore  erzogenen  Pflanze  getragen  wurden,  auf  min- 
destens 50001 

8.  M.  diffusa  Lepr.  in  den  Jahren  1865  und  66  aus  Frürli- 
ten  der  Exemplare  erzogen,  welche  Perville  1841  in  Madagiscar 
gesammelt  hat.  Sie  gedeiht  im  freien  Lande  vortrefflich  und  madit 
ihrem  Namen  Ehre,  denn  keine  Art  breitet  sich  so  rasch  und  ge- 
waltig aus,  wie  diese;  ein  in  diesem  Jahre  ausgesetztes  Pflaiizcb<:B 
überzog  im  Laufe  des  Sommers  ein  Gartenbeet  von  6'  Länge  imd 
3'  Breite.     Sie  mufs  im  Hause  überwintert  werden. 

9.  M,  crenulata  Desv.  aus  Früchten  von  Dr.  Ajres  L  J.  1S60 
auf  Mauritius  gesammelter  Exemplare  in  den  Jahren  1865  und  66 
erzogen,  der  vorigen  ähnlich,  aber  nicht  so  weit  kriechend,  aoch 
bei  der  Gultnr  im  Wasser  sich  anders  verhaltend.  Diese  und  die 
vorige  Art  haben  1867  im  Garten  Fruchte  mit  keimfähigen  Sporeo 
getragen. 

10.  M,  EmesH  A.  Br.  Im  Mai  d.  J.  von  Ad.  Ernst,  dem 
Entdecker  dieser  Art,  bei  Caracas  gesammelte  Früchte  wurden  am 
13.  Juni  angesäet;  die  Entwicklung  ging  rasch  von  Statten,  m 
dafs  die  erzogenen  Pflanzen  bis  zum  Ende  des  Sommers  die  charak- 
teristischen unterirdischen  Früchte  anscheinend  völlig  reiften. 

11.  M,  Drummondii  A.  Br.  (var,  orientalis)  und 

12.  M,  salvatrix  Haust,  wenigstens  als  Abarten  wohl  unter- 
scheidbar,  werden  seit  1863  im  Garten  gezogen  aus  Frficbteo. 
welche  Hr.  Osborne  aus  Australien  brachte,  von  denen  die  d^ 
erstgenannten  Art  wahrscheinlich  am  Darling  River  gesammelt 
wurden,  die  letzteren  im  Goopers  Greek,  einer  durch  den  unglück- 
lichen Ausgang  von  Burke's  Expedition  (1861)  berühmten  Locali- 
tät.  Sie  gedeihen  vortrefflich  im  freien  Land,  ertragen  jedoch  an- 
sern  Winter  nicht.  Selbst  in  Bordeaux  ist  M.  Drummondii  in  dem 
allerdings  ungewöhnlich  kalten  Winter  von  1869  auf  70  erfroreo. 

13.  M,  elata  A.  Br.,  den  beiden  vorigen  sehr  nahe  stcbeodi 
seit  1864  wiederholt  und  zuletzt  in  diesem  Jahre  aus  einem  Vur* 
rath  von  Früchten  erzogen,  die  von  M^  Einlays  Expedition  (1^^^ 


t)otn  iL  August  1870.  663 

—  62)  herrühren.*)  Wir  erhielten  dieselben  von  Dr.  F.  v.  Müller 
mit  der  allgemeinen  Angabe  ^Northern  Australia^;  ich  vermuthe 
aber,  dafs  sie  vom  Lake  Blanche  (nordlich  vom  Coopers  Creek 
unter  dem  27°  s.  Br.)  sind,  wo  M^  Einlay  am  10.  Januar  1862 
lagerte  und  In  seinem  Journal  des  Addo  (Burke's  Nardu)  erwähnt, 
das  nebst  Fischen  die  Hauptnahrung  der  Eingeborenen  bilde.  Sie 
verhfilt  sich  in  der  Cultnr  wie  die  vorigen  Arten  ^  gelangt  wie 
diese  im  ersten  Jahre  nur  zu  spärlicher,  die  Reife  nicht  erreichen- 
der Fruchtbildung,  während  sie  im  zweiten  Jahre  reichlich  Frucht 
trägt.  Ich  will  noch  bemerken,  dafs  wild  gesammelte  Exemplare 
dieser  durch  ungewöhnlich  langgestielte  und  aufrechte  Sporocarpien 
ausgezeichneten  Form  weder  im  Hooker'schen,  für  australische 
Marsilien  besonders  wichtigen  Herbarium,  noch  in  der  von  Dr. 
F.  V.  Muller  mitgetheilten  reichhaltigen  Sammlung  der  australischen 
Formen  vorhanden  sind;  sie  ist  lediglich  durch  die  Zucht  im  Gar- 
ten bekannt. 

14.  M,  macra  A.  Br.  schliefst  sich  gleichfalls,  doch  minder 
innig,  den  vorigen  an.  Sie  wurde  1866  aus  von  Dr.  F.  v.  Müller 
mitgetheilten  australischen  Früchten  erzogen,  über  deren  genaueren 
Fundort  ich  jedoch  etwas  im  Zweifel  bin,  da  dieselben  bei  brief- 
licher Übersendung  die  Aufschrift  „Darling  Downs^  trugen,  wäh- 
rend sie  in  der  Mullerschen  Sammlung  fraglich  zu  M,  salvcUrix  ge- 
hörigen sterilen  Exemplaren  aus  der  Nähe  des  Coopers  Creek 
(between  Stockes  Range  and  Coopers  Creek.  Dr.  Wheeles)  beige- 
fugt waren.  Im  freien  Lande  gezogen  erfriert  sie  im  Winter,  aber 
in  einem  Teich  des  botanischen  Gartens  hat  sie  den  kalten  Win- 
ter 1869 — 70,  in  welchem  die  Kälte  an  mehreren  Tagen  —  19°  R. 
erreichte,  überstanden,  wiewohl  der  Fundort  in  Australien  dem 
Äquator  um  mehr  als  20  Breitengrade  näher  liegt  als  Berlin. 

15.  M,  hirsuta  R.  Br.  Die  am  Brisbane  (Queensland)  ge^ 
sammelten,  von  Durieu  mitgetheilten  Früchte  wurden  erst  vor  Kur- 
zem ausgesäet;  von  den  Eigenthümlichkeiten  der  Keimpflanzen 
wird  im  Nachfolgenden  die  Rede  sein. 


*)  Früchte  dieser  Art  können  von  Hm.  Knnstgärtner  Wilhelm!  (als 
„Jkfarg.  htrsnta")  bezogen  werden;  sie  werden  ihre  Keimkraft  voraassichtlich 
noch  für  Jahrzehnte  erhalten. 


C64  Gesammtsitzung 

Als  bemerkenswerthes  ErgebnUs  dieser  Cultnren  ist  zuoäcb^ 
die  lange  Dauer  der  Keimf&bigkeit  der  Marsilitt-Sporen  anznfubrea 
M,  crenülata  hat  sich  nach  6,  M,  elata  nach  8,  M,  diffusa  und 
Coromandeliana  nach  25,  M.  pvhescens  nach  32  Jahren  vollkommen 
keimfähig  gezeigt.  Wenn  es  dagegen  nicht  gelangen  ist,  di« 
Früchte  irgend  einer  der  senegambischen  Marsilien ,  die  über  40 
Jahre  in  den  Herbarien  liegen,  zur  Keimung  zu  bringen,  so  ma^; 
dies  wohl  zum  Theil  in  der  unvollkommnen  Reife  derselben,  tm 
Theil  vielleicht  auch  in  der  Art  der  Trocknung  der  Exemplare 
Beinen  Grund  haben. 

Es  hat  sich  ferner  durch  die  Anzucht  aus  Sporen  heraa$gf- 
stellt,  dafs  die  Marsilien  eine  regelmfifsige  Folge  von  4  Blattfor- 
niationen^)  oder  besser  von  4  verschiedenen  Abstufungen  grüner 
(laubartiger)  Blfitter  besitzen,  nämlich  1)  ein  Keimblatt  (f'),  2)  uo- 
tergetauchte  Primordialblätter  (P)  in  ungefähr  bestimmter  Zahl 
4)  Blätter  mit  auf  der  Oberfläche  des  Wassers  «ich  ausbreitender 
Spreite,  Schwimmblätter  («S^)  in  unbestimmter  Zahl,  4)  aufserhalb 
des  Wassers  sich  entwickelnde  Land-  oder  Lnftblätter  (Zr),  welche 
in  der  Regel  die  allein  fructificationsfahigen  sind.  Von  der  höchstfi 
(4ten)  Stufe  sinkt  die  Blattbildung  unter  Umständen  zur  dritten. 
ja  sogar  zur  zweiten  herab,  um  sich  von  Neuem  zu  erheben.  Ver- 
schiedene Arten  zeigen  bei  einem  im  Allgemeinen  übereinstimmen- 
den Entwicklungsgang  bemerkenswerthe  Verschiedenheiten,  welcbe 
bei  ausgedehnterer  Erforschung  selbst  far  die  naturliche  Orappi* 
rung  der  Arten  von  Bedeutung  zu  werden  versprechen. 

Das  Keimblatt,  das  erste,  welches  die  kegelartig  sich  er 
hebende  Spitze  des  Vorkeims  durchbricht,  ist  stets  einfach  ujni 
von  einem  ungetheilten  Gefäfsbündel  durchzogen.  Es  läuft  sVeVf 
in  eine  pfriemenförmtge  stielrunde  Spitze  aus,  die  nicht  selten  et- 
was gedreht  ist.')   «Bei  manchen  ^ar«i7ia- Arten  ist  das  Keimbbs- 


>)  Hanstein  I.  c.  S.  49  u.  f.  nnterscheidet  3  Arten  von  Blättern,  ^ 
Keimblatt,  die  Jugendblätter  (=  Primordialblätter),  die  normalen  Blät:.^ 
(Schwimmblätter  nnd  Landblätter).  Die  Bezeichnung  „Jngendblätter*  mbci: 
ich  den  ersten  Schwimmblättern  junger  Pflanzen,  die  noch  nicht  alle  Meri 
male  der  späteren  besitzen,  vorbehalten. 

')  Vergl.  Hanstein  1.  c.  t.  14,  f.  14  (von  Mars,  elata);  Bischoff  crr^. 
Gew.  II.  t.  8,  f.  9  (von  PUularia  globuli/era).  Die  Richtung  der  Drchci 
fand  ich  bei  Mars»  puhescena  bald  rechts,   bald  links. 


vom  11.  AnguRt  1870.  665 

ebenso  wie  das  von  Pilularia„  durchaus  stielrundlich  (M.  pubescens 
und  Drummondii  nebst  den  Verwandten),  bei  anderen  Arten  breitet 
es  sich  über  der  Basis  zu  einer  schmallanzetformigen  Fläche  aus 
und  geht  erst  über  dieser  in  eine  schwanzartige  stielrunde  Spitze 
aus  {M.  Coramandeliana^  Emesti,  und  mit  besonders  breiter  Fläche 
31.  diffusa  und  crenulatä).  Hanstein  hat  an  dem  Keimblatt  der  von 
ihm  untersuchten  australischen  Arten  einige  (oft  nicht  vollständig 
entwickelte)  Spaltöffnungen  beobachtet/)  ich  habe  solche  auch 
bei  M.  pubescens  gesehen. 

Die  auf  das  Keimblatt  folgenden  Primordialblätter  cha- 
rakterisiren  sich  durch  das  Auftreten  einer  Spreite  am  oberen 
£nde  des  Blattes,  welche  von  Blatt  zu  Blatt  an  Breite  zunimmt 
und  sich  bei  den  letzten  Primordialblättern  häufig  in  2  oder  4,  selten 
in  3  Lappen  oder  Segmente  theilt,  wobei  jedoch  die  Theile  auf- 
recht erscheinen,  der  Gliederung  am  Grunde  entbehren  und  keine 
periodische  Bewegung  besitzen.  Im  Jugendzustand  sind  eie  mit 
der  Spitze  mehr  oder  weniger  einwärts  gekrümmt  und  löffelformig 
gewölbt  Die  Nervatur  beginnt  schon  mit  dem  ersten  Primordial- 
blatt  ihre  dichotomc  Theilung,  welche  von  Blatt  zu  Blatt  weiter 
fortschreitet,  doch  fehlen  in  der  Regel  die  bei  den  spätem  Blättern 
auftretenden  Anastomosen,  die  Verbindung  der  Nerven  am  Rande 
der  Spreite  ausgenommen.  Der  Blattstiel  ist  im  Vergleich  zu  dem 
der  folgenden  Blätter  kurz  und  dick  und  die  Spreite  bleibt  unter 
gewöhnlichen  Verhältnissen  in  der  Tiefe  des  Wassers,  besitzt  jedoch 
auf  der  Oberfläche  Spaltöffnungen,  deren  Schliefszellen  oft  fest  anein- 
ander liegen.  Die  Zahl  der  Primordialblätter  ist  nicht  nur  nach 
den  Arten  verschieden,  sondern  auch  bei  derselben  Art  veränder- 
lich. Die  geringste  Zahl,  nämlich  2,  fand  ich  bei  M.  Coromande- 
liana,  4 — 6  bei  M.  pubescens,  4 — 7  bei  M.  diffusa  und  crenulatä, 
4 — 8  bei  M.  Emesti,  6 — 8  bei  M.  hirsuta,  6 — 10  bei  M.  Drum- 
mondii, salvatrix,  macra  und  elata.  Bei  derselben  Art  können  entweder 
alle  Primordialblätter  einfach  oder  die  letzten  getheilt  sein.  Zur 
Yeranschaulichung  der  Verschiedenheiten,  welche  bei  einer  und  der- 
selben Art  eintreten  können,  mag  folgende  Darstellung  einer  Reibe 
bei  M.  diffusa  und  crenulatä  vorkommender  und  gröfstentheils 
mehrfach  beobachteter,  zum  kleineren  Theil  zur  Ergänzung  der 
Reihe  eingefugter  Fälle  dienen^  wobei  die  Buchstaben  K.  P.  S  die 


1)    Hanstein  I.  c.  t.  14,  f.  13,  14. 


€M 


P'.P'.  P» 


rdtfaeilig' 
beanchon. 


P\ 


P». 


5, 


1.  5. 


\. 


6. 


1. 


7. 


4 
3 
3 

5 

4 
4 
3 
3 
3 

6 
5 
5 
4 

4 
4 

6 
6 
5 
5 
5 


0 
1 
0 

0 
1 
0 
1 
2 
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0 
1 
0 
1 
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0 
1 
1 

0 
2 


3C 


3C 


-C 


Bei  den  mit  if.  Drummondii  verwandten  australischen  Arres 
ist  meist  die  Hälfte,  ja  selbst  mehr  als  die  Hälfte  der  Primordi^- 
blätter  getheilt,  so  dafs  deren  5 — 6,  theils  zweitheilige,  theils  vier- 
theilige  auftreten.') 


>)    Bei  Hanstein  1.  c.  t  14,   f.  15  ist  eine  Keimpflanze  mit  Kl.  F^ 
P*2,  P*4,  also  mit  6  getheilten  Primordialblattem,  daigestelU. 


vom  iL  August  i870.  667 

Die  Gestalt  der  Primordialblfitter  zeigt  gleichfalls  mit  dem 
Artcharakter  susammeDhfingendeYerschiedeDheiten,  die  sich  haapt- 
s&chlich  in  der  Breite  aassprechen,  welche  die  Lamina  (oder  die 
Segmente  derselben)  zumal  bei  den  letzten  Primordialblfittern  er* 
reicht.  Das  eine  Extrem  in  dieser  Beziehang  zeigt  M.  pubescens^ 
bei  welcher  bald  nur  das  erste^  bald  die  beiden  ersten  noch  sehr 
dem  Keimblatt  gleichen,  nur  durch  die  stumpfere  Spitze  und  die 
Theilung  des  Nerven  abweichend,  w&hrend  die  folgenden  schon 
eine  deutlichere  schmal  lanzetförmige  stumpfe  Spreite,  die  letzten 
eine  zweitheilige  Spreite  mit  linienformigen  Segmenten  besitzen.') 
Breiter  lanzetförmig  (wie  bei  allen  Arten  nach  der  Blattfolge  an 
Breite  zunehmend),  dabei  spitz  oder  selbst  zugespitzt  sind  die  Pri- 
mordialblfitter bei  M.  Drummondii,  elata^  macra  etc.;  noch  breiter, 
Ifinglich  oder  verkehrt  eiförmig,  abgerundet,  aber  mit  einem  kleinen 
vorragenden  Spitzchen  in  der  Mitte  des  Stirnrandes,  sind  sie  bei 
M.  hirsuta;  breit  spatelformig  mit  abgerundeter,  oder  selbst  ausgeran- 
deter  Spitze,  erscheinen  sie  bei  AI,  Emestii  in  fihnlicher  Weise,  aber 
besonders  die  letzten  noch  breiter,  fast  kreisförmig,  und  überdies 
durch  Grofse  ausgezeichnet  (die  Spreite  zuweilen  bis  14  Mm.  lang 
und  ebenso  breit)  bei  M,  diffusa  und  crenulctta. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Arten  stehen  die  Primordialblfitter  sehr 
dicht  beisammen,  zwei  gedrungene  Reihen  bildend,  indem  die  Deh- 
nung der  Internodien  und  das  damit  verbundene  horizontale  Krie- 
chen des  Stengels  erst  in  der  Region  der  Schwimmblfitter  und 
zwar  nach  dem  ersten  oder  zweiten  Schwimmblatte  bei  M.  Coro- 
mandeliana^  elata^  nach  dem  zweiten,  dritten  oder  selbst  vierten 
bei  M.  Emestiy  diffusa  und  crenulata  eintritt.  Eine  Ausnahme  in 
dieser  Beziehung  ist  bis  jetzt  nur  bei  einer  Art  gefunden,  nfimlich 
bei  der  australischen  M.  hirsuta.  Bei  dieser  tritt  nfimlich  die 
Streckung  der  Internodien  schon  innerhalb  der  Primordialregion 
ein  und  zwar  gewöhnlich  nach  dem  vierten  Primordialblatt,  so  dafs 
die  3  bis  4  letzten  Primordialblfitter  von  den  vorausgehenden  und 
unter  sich  durch  gedehnte  Internodien  entfernt  werden,  von  denen 
die  letzten  bis  20  Mm.  Lfinge  erreichen.     Dasselbe  wiederholt  sich 


>)   Niemals  sah  ich  die  ersten  Primordialblätter  so  breit,  wie  sie  Fahre 
<Ann.  d.  sc.  nat.  IX.  1838.  PJ.  13)  abbUdet 

[1870]  46 


6C8  GesammtsUzung 

an  den  in  dieser  Region  entspringenden  Zweigen,  welche  mit  meL« 
reren  Primordialblfittern  beginnen,  von  denen  schon  das  erste  dnitb 
ein  deutliches  Intemodiaro  yom  Hauptstengel  entfernt  vri^d-  Di« 
Keimpflanzen  erb  alten  hierdurch  ein  ganz  fremdartiges  Ansehm 
und  unterscheiden  sich  durch  dieses  Verhalten  (sowie  auch  dore^ 
die  Breite  der  Keimblätter)  böchst  auflfallend  von  denen  der  Ar* 
len  ans  der  Gruppe  der  M.  Drummondii. 

Primordialblätter  treten  nicht  blofs   an  der  Hauptachse,   soo^ 
dern  auch  an  den  Zweigen  der  Keimpflanzen  auf,  wie  soeben  vosi 
M,  hirsuta    erwähnt    wurde.      In    oder    eigentlich    unterhalb   der  | 
Achseln  der  letzten  Primordialblätter  (bei  M,  Coromandeliana  scboa , 
in  der  Achsel  des  zweiten)  treten  bereits  Zweige  auf,  die  in  ibrtr  ^ 
Entwicklung  der  Hauptachse  unverzüglich  nachfolgen.     Diese,   so- 
wie   auch    öfters    noch    die    Zweige    in    den    Achseln    der    ersten 
Schwimmblätter,    beginnen  mit   1   bis   3  Primordialblättem ,    oho« 
Dehnung  der  tragenden  Internodien  (M.  hirsuta  ausgenommen)  und 
meist  mit  viertheiliger  Spreite.     Nur  bei  M.  hirsuta  sab  ich  Prim* 
ordialblätter  der  Zweige  mit  einfacher  Spreite,  zuweilen  selbst  mit- 
ten zwischen  solchen  mit  getheilter  Spreite  auftretend. 

Endlich  treten  Primordialblätter  an  den  unter  Wasser  sieb 
entwickelnden  Verjungungsknospen  uberwinterter  Stöcke  auf,  so 
namentlich  bei  M,  pttbescens,  Aegyptiaca,  diffu6€u  Man  findet  der%:n 
3  —  4,  kurz  gestielt  mit  kleiner  unter  Wasser  bleibender  Spreite, 
welche  bei  dem  ersten  und  oft  auch  zweiten  meist  zweitheilig,  In-i 
den  folgenden  viertheiiig  ist.  Bei  if.  Aegyptiaca  sah  ich  auch  eic 
einfaches  Primordialblatt  am  Zweiganfang.  Solche  nach  der  Win- 
terruhe zuerst  hervortretende  Sprofse  gleichen  in  ihrer  Beblätte- 
rung  auffallend  den  Keimpflanzen. 

Den  Primordialblättem  folgen,  meist  mit  Sprung weiaem  Über- 
gang, die  Schwimmblätter,  vor  den  kurzstieligen  Primordial- 
blättem ausgezeichnet  durch  lange  dünne  Stiele  und  in  der  Jugeini 
eingerollte  Spitzen  mit  flach  aneinander  gedruckten  Blättchen  der 
Spreite,  welche  sich  auf  dem  Wasserspiegel  schwimmend  ausbrei- 
ten. Bei  niedrigem  Wasserstand  wachsen  sie  anfangs  2 — 3  Zoll 
hoch  über  dos  Wasser  empor,  aber  bald  sinken  die  schwanken 
Stiele,  indem  sie  sich  bogenartig  rückwärts  krummen,  nieder,  so 
dafs  die  sich  entfaltende  Spreite  den  Wasserspiegel  gewinnt  Bei 
dem  ersten  ist   die  Spreite  zuweilen  nur  aus  2,  bei  den  folgenden 


vom  iL  August  1870.  669 

in  der  gewohnlichen  Weise  ans  4  Fiederblfittchen*)  gebildet.     Die 
ersten  Scbwimmblätter  sind  verhältnifsmäfsig  klein,  die  spätem  er- 
reichen; wenn  die  Pflanze  in   tieferem  Wasser   verbleibt,   bei  man- 
chen  Arten   eine  bedeutende   GrÖfse,    welche    die  der  Landblfitter 
weit  übertrifft.     Die  bedeutendsten  Dimensionen  zeigte  eine  sterile, 
wahrscheinlich  der   M,  Brownii  angehörige  Pflanze   von  Richraond 
in  Neusud- Wales,  bei  welcher  die  Fiederblättchen  in  der  Länge  35, 
in  der  Breite  40  Mm.  mafsen,  der  Durchmesser  des  ganzen  Spreite 
somit  7  Gm.  betrug.     Die  Blättchen  einer  von  Spruce  am  Amazo- 
nenstrom  nur  in  der   sterilen   Wasserform   gesammelten  Art,   der 
ich  den   provisorischen   Namen   M,   Stratiotes  gegeben  habe,    sind 
40  Mm.  lang,  30 — 32  Mm.  breit.     Bei  M,  macrocarpa  erreichen  die 
Blättchen  der  Scbwimmblätter  35  Mm.  Länge  und  32  Mm.  Breite. 
Von  M.  Aegyptiaca^  welche  sich  im  fruchttragenden  Zustand  durch 
die  Kleinheit  der  Blätter  auszeichnet,  fand  ich  Schwimmblätter,  deren 
Fiedern  30 — 32  Mm.  lang,  32 — 35  breit  waren,  doch  ist  dies  ein  Maxi- 
mum, das  selten  erreicht  wird.    Von  M.  polyearpa  sah  ich  Schwimm- 
blätter mit  Fiedern  von  30  Mm.  Länge  und  gleicher  Breite,  aber  auch 
fructificirende  Landblätter  von  ähnlichen  Dimensionen.     M.  tnutica 
zeigte  an  den  gröfsten  Schwimmblättern  28  Mm.  Länge  und  30  Mm. 
Breite.     Bei   der   deutschen   M.  quadri/oliata  übersteigt  die  Länge 
selten  20  Mm.,  bei  20 — 22  Breite,  aber  aus  Italien  sah  ich  Blätter 
mit  Fiedem   von   30  Mm.  Länge    und    gleicher  Breite.     Gnltivirte 
M.   diffusa    (aus   Madagascar)    zeigte    dieselben    Dimensionen    der 
Schwimmblätter,    wie   die   deutsche    M.  quadrtfoliata;    ebenso    die 
Wasserform   der  Javanischen  Abart  von  M,  erosa.      An  franzosi- 
ficben  Wasserexemplaren   von  M.  pubescens  sind   die  Fiedern   der 
Schwimmblätter   10 — 15  Mm.  lang   und  breit;    ebenso  zeigten  die 
Scbwimmblätter  junger  Pflanzen   cultivirter  M,  Coromandeliana  10 
— 15  Mm.  Länge   und  eine  nur  um  ein  Weniges  geringere  Breite 
der  Fiedern.      Die    kleinsten    Schwimmblätter    zeigen    von    Drege 
gesammelte  Wasserexemplare   der  M,   Capensis,    indem  die  Länge 
und  Breite  der  Fiedern  derselben  nur  7  Mm.  beträgt. 


')  Auf  die  Frage,  ob  die  4  Blattchen  des  Marsilien-BIatts  als  2  Paare 
fiber  einander  stehender  Fiedem  oder  als  2  selbst  wieder  zweitheilige  Ab- 
schnitte eines  doppelt  zweitheiligen  Blattes  za  betrachten  seien,  komme  ich 
«P»ter  zurOck. 

46^ 


670  OesamffUsitzung 

Wm  die  Oeetah  der  Schwimmblätter  betrifft,  so  Bind  die  BUtt- 
eben  derselben  in  der  Regel  verhfiltnifsmfifsig  breiter  als  die  der 
spfiteren  Landblfttter  und  ganzrandig,  während  die  Landblätter  am 
Stimrande  verschiedenartig  ausgerandet,  gebuchtet,  gekerbt  oder 
gelappt  sein  können.  Der  Unterschied  beider  ist  in  diesem  Falle  oh 
sehr  auffallend,  z.  B.  bei  M,  Aegyptiaca,  Capen$i8,  macrocarpa^  eroia. 
Die  australischen  Marsilien  aus  der  Gruppe  der  M,  salvatris  ma- 
chen insofern  eine  Ausnahme,  als  ihre  Schwimmblätter  stets  ge- 
kerbt (am  Stimrand  mit  3  bis  7  Einbuchtungen  versehen)  sind, 
während  die  Landblätter  mehrerer  derselben  (if.  Drummondü  tar, 
ortentalis,  macra  und  elata  normalis)  ganzrandig  sind.  Auch  über- 
treffen die  Schwimmblätter  dieser  Arten  an  Grofse  die  Blätter  kräf- 
tiger Landexemplare  nicht  oder  kaum. 

Die  Schwimmblätter  waren  schon  den  alten  Botanikern  be^ 
kannt  und  es  beruht  darauf  die  unpassende  Zusammenstellung  der 
M.  quadr\fol%ata  mit  den  Wasserlinsen  und  die  hiermit  zusammen- 
hängenden Benennungen.  Bei  Cameraiius  (Epit.  853)  heilst  sie  Xm« 
palustris  altera,  bei  Tabemaemontan  (890  mit  Abbildung)  Lemticula 
palustris  11,  bei  C.  Bauhin  (Pin.  362)  Lenticula  palustris  quadrr- 
foliata.  Ebenso  bei  Mappus  (Alsat  166  mit  Abb.),  welcher  aus- 
drücklich sagt:  „pediculi  foliorum  aquae  supernatantium  pro  ra- 
tione  altitudinis  aquarum  elongari  saepe  vel  extendi  videntnr.^ 
Eine  ähnliche  Bemerkung  findet  sich  bei  Bischoff  (crjpt  Gew.  II. 
66).  Ich  selbst  habe  in  meiner  Abhandlung  vom  Jahre  1863  auf 
das  Vorkommen  der  Marsilien  in  2  Formen,  der  Land-  und  Was- 
serform, aufmerksam  gemacht.  Dies  mag  zur  Berichtigung  der 
gegentheiligen  Behauptung  im  Eingang  zu  Prof.  Hildebrand's  Ab- 
handlung über  die  Schwimmblätter  der  Marsilia  (bot.  Zeit.  1870.  1) 
dienen.  Allerdings  wurden  die  Schwimmblätter  von  den  Landblät- 
tem  nicht  scharf  unterschieden  und  es  ist  Hildebrand's  Verdienst 
auf  die  anatomischen  Verschiedenheiten  beider  aufmerksam  gemacht 
zu  haben.  Während  die  Landblätter  auf  beiden  Flächen  Laftspal- 
ten  (Stomata)  besitzen  und  zwar  in  ungefähr  gleicher  Anzahl,  fin- 
den sich  bei  den  Schwimmblättern  solche  nur  auf  der  oberen,  der 
Luft  zugekehrten  Fläche  und  zwar  dichter  beisammen  stehend,  aaf 
gleichem  Flächenraum  doppelt  so  viel  oder  mehr  als  bei  den  Land- 
blättern. Auf  der  dem  Wasser  zugekehrten  Unterfläche  fehlen  die 
Luftspalten  gänzlich.  Auch  sind  die  Hautzellen  der  Oberfläche 
beträchtlich  kleiner  und  schwächer  gebuchtet.     Ich  konnte   dieses 


vom  11.  August  1870.  671 

*  *  * 

von  Hildebrand  an  M,  quadrifoliata  und  pvhescens^)  n&her  be- 
schriebene,  und  ebenso  für  M,  elata  angegebene  Verhalten  bei 
vielen  Arten  bestätigen,  namentlich  bei  M.  diffusa^  Broumii,  Er- 
nestiy  deflexa,  picta^  polycarpa^  macra  und  Drummondii. 

Ein  anderer  die  Luftspalten  betreffender  Unterschied,  auf  wel- 
chen Hildebrand  aufmerksam  gemacht  hat,  nfimlich  die  oberflfich- 
liche^  in  gleicher  Ebene  mit  den  Hautzellen  befindliche  Lage 
der  Schliefszellen  derselben  bei  den  Schwimmblfittern,  die  tiefere 
Lage  bei  den  Landblättern,  so  dafs  die  Schliefszellen  von  den  an- 
grenzenden Oberhautzeilen  etwas  übergriffen  werden,  ist  dagegen 
nicht  von  allgemeiner  Geltung.  Übereinstimmend  mit  M,  quadrif. 
und  pubeseens  verhalten  sich  in  dieser  Beziehung  unter  anderen  Jf. 
diffusa  und  Emestiy  wogegen  bei  M,  Drummondii^  M.  macra  und 
wahrscheinlich  auch  der  übrigen  verwandten  Arten  die  Luftspalten 
der  Schwimmbl&tter  ebenso  wie  die  der  Landblätter  in  schmale 
Vertiefungen  eingesenkt  sind,  indem  die  Schliefszellen  tiefer  liegen 
als  die  umgebenden  HautJEellen  und  von  beiden  Seiten  bis  über 
die  Hälfte  von  denselben  verdeckt  sind. 

Eine  weitere  Eigen thü ml ichkeit,  welche  den  meisten  Schwimm- 
blättern, mit  Ausnahme  der  frühesten  junger  Pflanzen,  zukommt, 
sind  die  Interstitialstreifen  auf  der  Unterseite  der  Spreite.  Sie 
finden  sich  mitten  zwischen  den  Nerven;  oft  nur  einen  Theil  der 
von  diesen  gebildeten  Maschen  einnehmend,  und  sind  bald  von 
dunkelbrauner,  bald  von  hellerer,  gelbbrauner  Farbe,  oft  etwas 
über  die  Fläche  vorragend.  Sie  wurden  zuerst  von  Mettenins  bei 
seiner  M>  striata  (=»  M.  deflexa\  welche  er  nach  der  Streifung  der 
Blätter  benannte,  sowie  bei  M.  mutiea  beobachtet');  F^e  bemerkte 


0  Vergl.  die  Darstellung  auf  Tat  1.  Die  Figuren  1 — 6  beziehen  sich 
auf  At,  quadrifoiiatay  Fig.  7  n.  8  auf  Jli.  pubeacens.  Die  Angabe  Hildebrand' a, 
dafii  bei  den  Wa«8ed>lattem  von  M.  pubem^ns  die  Epidermiszellen  der  Ober- 
seite mit  Höckerchen  besetzt  seien,  wodurch  die  Oberfläche  des  Blatts  ein 
sammetartiges  Ansehen  erhalte,  beruht  jedoch  auf  einer  Verwechselung  mit 
M.  elata;  bei  M,  pnbeacens  sind  die  Hautzellen  beider  Blattfläcfaen  ebenso 
wie  bei  Af.  quadri/oiitäa  völlig  eben.  Näheres  hierfiber  bei  der  Beschrei- 
bung der  Laadblätter. 

')  Prodr.  Fl.  Novo-Granatensis  in  Ann.  des  sc.  nat.  5.  S^r.,  Tom.  III, 
p.  310. 


672  OesamnUsitzung 

sie   bei    einer    sterilen  Marsilia   aus  Mexico,    der   er  deshalb  den 
Namen  Äf.  picta  gab.')     Die   mikroskopiscbe  Untersnchnng  zeigt 
"wie  dies  Mettenius  dargethan  hat,  dafs  diese  Streifen  ihren  Sitz  in 
der  Haut   des   Blattes   haben.      Sie    bestehen    aus    mehreren    (der 
Zahl  nach  w^en   des  Ineinandergreifens    der  Zellen  nur  angpfahr 
bestimmbaren,  meist  3 — 5)  Reihen  eigenthumlich  beschaffener  Haut- 
Zellen,    die  sich  zunächst  durch   die   mehr    oder  weniger   intensir 
goldbraane,   selten  rothbraune  Färbung   der  Wand  vor  den  farblo- 
sen Zellen   der  Umgebung  auszeichnen;    zugleich   sind   sie    am  ein 
Weniges  dickwandiger,  meist  etwas  kleiner  und  gestreckter,  schwa- 
cher oder  oft  gar  nicht  gebuchtet  und  mit  homogenem  flufsigem  Inhalt 
erfallt,  während  die  übrigen  Hautzellen  der  Unterseite  meist  stark 
und  zierlich  gebuchtet  sind  und  häufig  kleine  zerstreute  Stärkeköm- 
chen  enthalten.      Auch    die  zunächst  diesem   Streifen  anliegenden 
Zellen  des  inneren  Blattparenchyms  fand  ich  mitunter  in  ähnlicher 
Weise  modificirt.    Mettenius  fuhrt  bei  Beschreibung  seiner  if.  striata 
(=  deflexä)  an,  dafs  die  gefärbten  Streifen  keine  Stomata  enthalten, 
welche  dagegen  in  der  angrenzenden  Epidermis  vorhanden  seien.') 
Ich  habe  bei  der  brasilianischen  M.  deflexa^  ebenso  wie  bei   einem 
untersuchten  Blatte  der  davon  nicht  zu  trennenden  M,  striata   ans 
Venezuela,    auf   der  ganzen  Unterfläche   keine  Stomata  gefunden^ 
wage  aber  doch  nicht  die  Richtigkeit  der  Angabe  von  Mettenius  zq 
bestreiten,  da  M,  deflexa  möglicher  Weise  2  Modificationen  gestreif- 
ter Blätter  besitzen  könnte,    von  denen  die  einen  den  Landblättem 
im  Baue  näher  stunden.    Ich  werde  in  der  Folge  analoge  Erschei- 
nungen von  anderen  Arten,  namentlich  von  M.  Aegyptiaca  anfuhrea. 
Die  Anwesenheit  gefärbter  Interstitialstreifen  wurde  von  Met- 
tenius für  eine  specifische  Eigenthumlichkeit  einiger  weniger  Arte: 
gehalten;    meine  Untersuchungen   haben  zu  dem  Resultate  geführt, 
dafs   sie  eine   Eigenthumlichkeit   der  Schwimmblätter,    wenn   nickt 
aller,  doch  der  meisten  Arten  sind.     Von  vielen  Arten  der  GattuDv 
sind  freilich  die  Wasserformen  mit  den  Schwimmblättem  noch  ut^ 
bekannt,  doch  habe  ich  mit  Interstitialstreifen  versehene  Schwimc- 
blätter  von  folgenden   Arten   gesehen:    M.  quadrifoUatay    Srotcnv, 


1}   Nenyi^me  memoire.   Catal.  des  Fougeres  da  Mexiqne  (1857)  p.  47. 

')  ..  „stomatibufl  sunt  destitatae  et  cellulis  epidermidis  rectis  sabeits- 
gatis  formantar;  epidermis  parenchymatis  adjacentis  contra  e  cellulis  parietiV^« 
lateralibas  flezuosis  formantur  et  stomatibus  crebris  obsita  est.* 


vom  iL  August  1870.  673 

diffusa^  erosa^  pubescens,  macrocarpa^  Capensis,  rotundatOy  Emeiti, 
mutica^  subangulata,  picta,  polycarpa,  macra^  Drummanäüj  salvattix, 
clfftexa  und  Äegyptiaca.  Über  die  Schwimmblätter  der  beiden  letz- 
teren wird  sp&ter  noch  einiges  Besondere  nachgetragen  werden. 

Niemals  habe  ich  Landblätter  mit  Streifen  gesehen  und  mit 
einer  einzigen  Ausnahme  fand  ich  die  Exemplare  mit  gestreiften 
Blättern  stets  unfruchtbar.  Diese  einzige  Ausnahme  bietet  die  selt- 
same jftf.  deßexüy  von  welcher  ebensowohl  die  von  Gardner  in  Bra- 
silien, als  die  von  Triana  bei  Maraquita  in  Venezuela  gesammelten 
Exemplare  (die  Originalexemplare  von  Mettenius  M,  striata)  fructi- 
ficirende  gestreifte  Blätter  besitzen,  Blätter  die  auch  abgesehen  von 
der  Streifung  auf  ein  Vorkommen  im  Wasser  hinweisen.  Der  Grund 
dieses  abweichenden  Verhaltens  liegt  vielleicht  in  einer  eigenthum- 
lichen,  au sschliefsl icher  dem  Wasser  zugewiesenen  Lebensweise 
dieser  Art,  worüber  wir  am  sichersten  Aufschlufs  erhalten  konnten, 
wenn  es  gelänge,  dieselbe  zu  cultiviren.  Bei  dem  äufserst  spar- 
samen Material,  welches  in  den  Sammlungen  vorliegt,  und  der  Sel- 
tenheit dieser  Art  ist  dazu  freilich  wenig  Aussicht  vorhanden. 

£s  ist  endlich  von  den  Schwimmblättern  anzuführen,  daCs  ihnen 
die  periodische  Zusammenlegung  der  Fiederblätteben  (der  frQheren 
Knospenlage  entsprechend),  der  Schlaf,  in  w^elchen  die  Landblätter 
des  Nachts  verfallen,  fehlt  Einmal  ausgebreitet  schliefsen  sich  die 
Blättchen  nicht  wieder  zusammen;  ausgewachsene  Schwimmblätter 
logen  dagegen,  wenn  sie  aus  dem  Wasser  genommen  werden,  in 
der  Art  wie  es  bei  Oxalis  der  Fall  ist,  die  Fiederblättchen  rück- 
wärts an  den  Blattstiel  an.^) 

Aus  dem  Entwicklungsgang  der  Marsilien  ergiebt  sich,  dafs 
das  Auftreten  der  Schwimmblätter  nicht  als  eine  blofs  äufseren 
Umständen,  einer  zufälligen  Überfluthung  und  Versenkung  unter 
Wasser,  zuzuschreibende  Abweichung  von  der  normalen  Ausbildung 


>)  Hiidebrand  (1.  c.  S.  3)  hat  beobachtet,  dafs  die  Schwimmblätter, 
wenn  sie  bei  schnellem  Steigen  dos  Wasserspiegels  unter  Wasser  kommen, 
ihre  Theilblättchen  nach  oben  zusammenlegen  bis  die  Spreite  durch  Wachs- 
thum  dea  Blattstiels  die  Oberfläche  wieder  erreicht  hat  und  sich  von  Neuem 
schwimmend  ausbreiten  kann.  Es  fehlt  mir  hierüber  an  eigener  Beobachtung, 
ich  möchte  aber  vermuthen,  dafs  beides,  die  Zusammenlegung  der  Theilblätt- 
chen and  die  nachträgliche  Verlängerung  des  Blattstiels  nur  jugendlichen 
Schwimmblättern  zukommt. 


674  Oe9amnU$itz^g 

der  Blfitter  betrachtet  werden  kann,  daCs  vielmehr  die  Schwimm- 
blfttter  eine  wesentliche  Stofe  der  Metamorphose  dieser  Pflanzai 
darstellen.')  Manilia  Ist  ursprunglich  eine  Wasserpflanze,  Kei- 
mung und  erste  Entwicklung  sind  nur  im  Wasser  möglich;  sie 
wird  aber  im  Verlauf  ihres  Lebens  zur  Landpflanze  and  kann 
(vielleicht  mit  Ausnahme  von  M,  deflexa)  nur  auf  dem  Lande,  in 
vielen  FftUen,  wie  bei  den  Arten,  die  im  Innern  Australiena  wadi- 
sen,  sogar  nur  unter  dem  Einflufs  einer  den  grofseren  Thdl  des 
Jahres  hindurch  andauernden  Dürre,  die  Frfichte  reifen.  Sie  verhäJt 
sich  also  wie  jene  Insekten,  die  ihre  Metamorphose  im  Wasser  begin* 
nen  und  auf  dem  Lande  vollenden.  Wenn  die  Marsilien  nach  vor- 
hergegangener Bildung  der  Landblätter  unter  gewissen  UmatindcD 
von  Neuem  Schwimmblfitter  bilden,  so  ist  dies  eine  Ruckkehr  n 
einer  niederen  Stufe  der  Metamorphose,  welche  Ruckkehr  regel- 
mftfsig  überall  da  eintritt,  wo  die  Localitäten,  an  welchen  sie 
wachsen,  im  Spätherbst  oder  in  der  Regenzeit  unter  Wasser  ge- 
setzt werden.  Es  wird  dadurch  eine  VerjSngung  und  ein  Ober- 
gang aus  einer  Vegetationsperiode  in  die  andere  bewerkstelligt 
Dafs  die  Verschiedenheiten  der  Schwimm-  und  Landbl&tter  sich 
nicht  in  blos  passiver  Weise  aus  der  Einwirkung  des  umgebendeo 
Mediums  erklären  lassen,  sondern  auf  einer  angeborenen  Eigen- 
schaft, einer  den  unentbehrlichen  äufseren  Lebensbedingungen  an- 
gepafsten  specifischen  Begabung  beruhen,')  beweist  einerseits  der 


>)  Hildebrsnd  (1*  e.  S.  17)  vergleicht  Martilia  passend  mit  Sagitiana 
und  es  Ififst  sich  dieser  Vergleich  Doch  bestimmter  aasf&hren,  da  Sa^iitarii 
nach  dem  Keimblatt  gleichfalls  3  Abstafttugen  grOner  Blatter  herrorbrinit 
und  ebenso  bei  den  YerjftngnDgen  dnreh  Ausläufer  nach  den  ersten  farbloses 
Niederbl&ttem  diese  3  AbstufaDgen  regelmafsig  wiederholt,  nämlich  r  ])  u- 
tergetaachte  linienfBrmige  Blätter  ohne  Scheidung  ron  Stiel  und  Spreitr. 
2)  Schwimmblätter  mit  mehr  oder  minder  ausgeführter  Scheidung  beider  TbeS^ 
und  länglicher  ungetheilter  oder  unvollkommen  pfeilf5rmiger  Spreite,  3)  Lb£- 
blätter  von  bekannter  pfeilf5rmiger  Gestalt.  Auch  ist  es  bekannt,  dafe  dkfe 
Pflanze  unter  Umständen  auf  der  ersten  oder  zweiten  Stufe  stehen  bleibt  usc 
in  der  Regel  nur  zur  Blüthen-  und  Fruchtbildung  fortschreitet,  wenn  sie  &t 
dritte  erreicht  hat.  (Spenner  Flor.  Frib.  III.  1058;  Ascherson  Flora  der 
Prov.  Brandenburg  653). 

'}  Etwas  Ahnliches  behauptet  auch  Hildebrand  (I.  c.  S.  Sl),  wenn  « 
die  Fähigkeit  der  Marsilien  und  anderer  amphibischer  Pflanzen,  WaaserbU:- 
ter  von  eigenthfimlichem,  dem  Medium  angepafstem  Bau  herrorzahringen,  al^ 


vom  11.  August  1870.  675 

Umstand,  dafs  die  ersten  Land-  (Lnfi-)  Blätter  bereits  ehe  die 
Pflanze  ins  Trockene  kommt,  also  im  Wasser,  gebildet  werden, 
wie  man  an  in  seichtem  Wasser  cultivirten  Exemplaren  beobachten 
kann,  and  dafs  bei  Versenkung  filterer  Pflanzen  ins  Wasser  der 
Übergang  zur  Bildung  wahrer  Schwimmblätter  nicht  immer  mit 
gleicher  Leichtigkeit,  ja  bei  manchen  Arten  vielleicht  gar  nicht  her- 
vorgerufen werden  kann.  Einige  Erfahrungen  hierüber  mögen  die 
Mittheilungen  über  die  Schwimmblätter  beschliefsen. 


eine  angeerbte  latente  Eigenschaft  betrachtet,  welche  dnrch  Veränderung  des 
Medinms  znm  Vorschein  gebracht  werde.  Da  es  sich  Jedoch  hier,  wie  ich 
xn  zeigen  gesucht  habe,  nicht  am  eine  nur  aufserordentUcher  Weise  und  nur 
nnter  ungewöhnlichen  Verhältnissen  erscheinende  Eigenschaft,  sondern  um 
ein  in  den  normalen  EntwiclLlungsgang  des  Lebens  gehöriges  Ereignifs  lian- 
delt,  so  kann  ich  die  Hildebrandsche  Darstellung  in  keinem  anderen  Sinne 
auffassen,  als  in  welchem  überhaupt  alle  specifischen  Eigenschaften  der  Pflanze 
angeerbte  und  so  lange  latente  sind,  bis  theils  die  äufseren  Bedingungen, 
theils  die  dem  Entwicklungsgang  des  Lebens  selbst  angehSrigen  Voraussetzun- 
gen eingetreten  sind,  welche  ihre  Verwirklichung  möglich  machen.  Die  ver- 
suchte Anknfipfung  an  die  Descendenztheorie,  insbesondere  die  Erklärung  der 
Fähigkeit  Schwimmblätter  hervorzubringen  durch  Ableitung  von  einem  ganz 
dem  Wasser  angehörigen  Vorfahren,  kann  ich  dagegen  durchaus  nicht  zutref- 
fend finden.  Da  die  Schwimmblätter  der  Marsilieu  mit  ihrer  eigenthümlichen 
Organisation  keineswegs  überflüfsige  Gebilde  sind,  sondern  vielmehr  wesent- 
lich dazu  beitragen,  dafs  diese  Pflanzen  »den  Kampf  ums  Dasein^  bestehen 
können,  so  ist  nicht  einzusehen,  warum  die  Fähigkeit  ihrer  Hervorbringung 
nicht  als  eine  mit  der  Entstehung  der  Marsilien  selbst  zusammenfallende  Er- 
rungenschaft beti achtet  werden  soll.  Die  Ableitung  von  einer  Wasserpflanze 
scheint  mir  ganz  grundlos.  Eher  könnte  man,  wenn  man  auf  dieses  gewagte 
Feld  der  Hypothesen  eingehen  will,  in  dem  Vorkommen  der  Stomata  auf  den 
stets  nnter  Wasser  befindlichen  Primordialblättem  einen  Hinweis  erblicken, 
dafs  die  Vorfahren  der  Marsilien  Landbewohner  waren,  und  in  der  That  kön- 
nen wir  den  sonderbaren  Typus  dieser  Familie,  ungeachtet  des  grofsen  Ab- 
standes,  doch  nirgends  näher  anknöpfen  als  an  die  Farne.  Es  sind  keine 
vorweltlichen  Gewächse  bekannt,  welche  man  mit  irgend  welcher  Sicherheit  als 
nächste  Vorläufer  der  Marsiliaceen  betrachten  könnte.  Die  Gattung  JeanpauUa^ 
-welche  man  dieser  Familie  zugeschrieben  hatte,  gehört  nach  Schenk  (Flora  der 
Grenzschichten  des  Keupers  und  Lias  S.  39}  zu  den  Famen;  das  von  Hildebrand 
angeführte  Sphenophyllum  der  Steinkohlenperiode  dagegen  gehört  unzweifelhaft 
in  den  den  Marsiliaceen  ganz  fremden  Verwandschaftskreis  der  Calamiten  und 
-vrar  wahrscheinlich  eine  nur  mit  dem  untersten  Theile  des  Stamms  im  Wasser 
stehende  Sumpfpflanze  (vergl.  Schimper,  Paleon t  v%dt  p.  $36). 


676       '  GesammUitzung 

Mars.  ÄegypHaca  ist  im  botanischen  Qarten  wiederholt  zu 
Anfang  des  Sommers  in  einen  Teich  gesetzt  worden;  sie  yennr 
derte  in  Folge  davon  ihr  Ansehen  gänzlich,  indem  sie  üppige 
Schofslinge  bildete,  welche  theils  auf  dem  Grunde  kriechend,  häu- 
figer aber  frei  im  Wasser  schwimmend,  sich  wohl  8 — 10  Fufs  weit 
ins  Innere  des  Teiches  erstreckten  und  an  langgedehnten  Stengel- 
gliedern  Blätter  mit  schwimmender,  auf  dem  Wasserspiegel  aasge- 
breiteter Lamina  und  ganzrandigen  Blättchen  trugen,  im  Ansehen 
denen  der  Wasserform  von  M.  quadrifoUata  täuschend  ähnlich,  aber 
dieselben  an  Gröfse  meist  etwas  übertreffend.  Bei  minderer  Tiefe 
des  Wassers  ragten  die  im  Übrigen  ebenso  gestalteten  Blätter  blei- 
bend über  den  Wasserspiegel  hervor  und  breiteten  ihre  Lamina  in 
der  Luft  aus.  An  nur  mit  dem  Untertheil  des  Topfes  in  Wasser 
gestellten  Exemplaren  sah  man  viele  Schofslinge  über  den  Rand  des 
Topfes  nach  dem  Wasser  herabsteigen,  wobei  die  kleinen  Land- 
blätter mit  schmalen  gelappten  oder  gekerbten  Fiedern  in  ganz  all- 
mähliger  Abstufung  gröfser  wurden  und  in  die  Form  der  grofsen 
Wasserblätter  mit  breiten  ganzrandigen  Fiedern  übergingen.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  ergab  das  unerwartete  Resultat,  dafs 
alle  diese  Wasserblätter,  nicht  blos  die  über  den  Wasserspiegel 
sich  erhebenden,  sondern  auch  die  vollkommen  schwimmenden, 
nicht  den  gewohnlichen  Bau  der  Wasserblätter  bcsafsen.  Sie  wa- 
ren alle  auf  der  Rückseite  mit  Luftspalten  versehen,  wenn  aach  in 
geringerer  Zahl  als  auf  der  Oberseite;  auch  fehlten  die  sonst  so 
charakteristischen  Interstitialstreifen.  Nur  einige  wenige  Blätter 
zeigten  Spuren  solcher  Streifung,  aber  auch  diese  hatten  Luftspal- 
ten auf  der  Unterseite.  Es  schien  demnach  für  M,  Aegyptiac^i 
charakteristisch  zu  sein,  Wasserblätter  ohne  Streifen  und  mit  Luft- 
spalten  auf  der  Unterseite  zu  besitzen,  und  doch  ist  es  nicht  so! 
Von  Dr.  Steudner  und  von  Kotschy  bei  Cairo  gesammelte  Wasser- 
exemplare, die  keiner  anderen  Art  angeboren  können,  haben  die 
schönsten  Streifen  und  keine  Luftspalten  auf  der  Unterseite!  Die 
Blätter  dieser  Exemplare  sind  kleiner  und  zarter,  die  Blattstiele 
schwächer  als  bei  der  cultivirten  Wasserform,  was  dafür  spricht, 
dafs  diese  wilden  Exemplare  aus  Sporen  erwachsen,  ihre  Blät- 
ter primäre  Wasserblätter  sind.  Könnten  wir  M,  ÄegypHaca  aus 
Sporen  erziehen,  wozu  leider  die  Gelegenheit  bis  jetzt  gefehlt  hat, 
so  würden  wir  ohne  Zweifel  zunächst  vollkommen  charakteristische 
Wasserblätter    und   sodann  fructificirende  Pflanzen  erhalten,    was 


vom  iL  August  1870.  677 

beides  bei  der  seit  15  Jahren  im  Garten  durch  fortgesetzte  Sprofs- 
bildaag  cultivirten  Pflanze  nicht  erreicht  werden  konnte.  Der  Ge- 
danke liegt  nahe,  dafs  M,  Aegyptiaca  in  ihrem  Vaterlande,  dem 
unteren  Nillande,  mit  seinem  schroffen  Wechsel  einer  Zeit  grofser 
Überschwemmungen  und  einer  Zeit  grofser  Trockenheit,  eine  ein- 
jährige Pflanze  ist,  nur  einmal  Schwimmblätter  und  nur  einmal 
fruchttragende  Liandblatter  zu  tragen  bestimmt;  und  dafs  sie  bei 
der  durch  Cultnr  unter  ungewöhnlichen  Verhältnissen  herbeigeführten 
Ausdauer  in  einem  Mittelzustande  fortlebt,  in  welchem  sie  sich  we- 
der vollkommen  verjüngen ,  noch  das  eigentliche  Ziel  ihrer  Ent- 
wicklung erreichen  kann.  Beobachtungen  im  Vaterlande,  sowie 
weitere  und  mehrfach  modificirte  Culturversuche  werden  diese  Frage 
künftig  entscheiden. 

Ein  noch  abweichenderes  Verhalten  scheint  M.  Ooromandeliana 
zu  haben.  Die  Pflanze  wurde  in  diesem  Jahre  aus  Sporen  erzo- 
gen und  in  der  ersten  Zeit  etwa  2  Zoll  tief  unter  Wasser  gehal- 
ten. Sie  breitete  sich  mit  reifsender  Schnelligkeit  aus,  wie  keine 
andere  Art,  und  brachte  eine  grofse  Zahl  von  Blättern,  welche 
sämmtlich  über  die  Oberfläche  des  Wassers  emporwuchsen  und  sich 
dann,  die  ersten  früher,  die  folgenden  zögernder  niederlegten  und 
schwimmend  ausbreiteten.  Ganz  allmählig  war  der  Übergang  von 
diesen  zu  den  über  Wasser  bleibenden,  allmählig  an  Grofse  ab- 
nehmenden Luftblättern,  mit  deren  reichlicherem  Erscheinen  die 
Pflanze  trockener  gehalten  wurde  und  in  kurzer  Zeit  reichlich 
Frucht  brachte.  Es  wurde  versäumt  die  allerersten  Schwimmblätter 
der  jungen  Pflänzchen  zu  untersuchen,  von  denen  es  somit  ungewifs 
ist,  ob  sie  Luftspalten  auf  der  Unterseite  besitzen,  aber  alle  spä- 
teren zahlreichen  Blätter  mit  schwimmender  Spreite  hatten  Luft- 
spalten auf  der  Unterfläche,  wiewohl  in  weit  geringerer  Zahl  als 
auf  der  Oberfläche ;  sie  hatten  keine  oder  nur  schwach  angedeutete 
(gelbliche)  Interstitial streifen,  wogegen  bei  manchen  (wohl  den  Über- 
gang zu  den  eigentlichen  Landblättern  bildenden)  sogar  schon  die 
charakteristischen  Scleremchymzellen  der  Landblätter  dieser  Art 
auftraten.  Pflanzen  mit  entwickelten  Landblättem,  welche  im 
Laufe  des  Sommers  in  ein  gröfseres  Wasserbehältnifs  etwa  6  Zoll 
tief  versenkt  wurden,  trieben  bald  lange,  im  Wasser  fluthende 
Sprofse  mit  Blättern^  deren  Fiederblättchen  zwar  breiter  waren  als  die 
der  Landblätter  und  sich  schwimmend  ausbreiteten,  aber  in  allem 
Übrigen,  auch  in  Beziehung  auf  die  Scleremchymzellen,  mit  den  Land- 


678  Gesammtsitzung 

bl&ttern  fibereinstimmten;  sie  erreichten  auch  nicht  die  Grofse  der 
früheren  Schwimmblätter  und  hatten  fiberhaupt  für  Wasserblitter 
ein  sehr  kümmerliches  Ansehen.  Ich  mochte  darnach  vermothen, 
dafs  auch  M.  Coromandeliana  normal  einen  einjährigen  Lebenscjklas 
hat  und  bei  der  Schnelligkeit  ihrer  Entwicklung  die  Stafe  Tollkom- 
mener  Schwimmblätter  gar  nicht  zur  Ausbildung  bringt. 

Ebenso  brachte  M.  erenulata^  im  Juni  in  einen  grofseren  Was- 
serbehälter versenkt,  nur  schwächliche  Wassertriebe  mit  unvoll- 
kommenen d.  h.  auf  der  Unterfläche  mit  spärlichen  Luftspalten 
besetzten  und  nur  hier  und  da  mit  Spuren  brauner  Interstitialstrei- 
fen  versehenen,  übrigens  nicht  gekerbten,  sondern  ganzrandJgen 
Schwimmbättern  hervor,  während  die  nahe  verwandte  M.  dijfusa 
unter  denselben  Verhältnissen  und  in  derselben  Zeit  sehr  üppige 
Wassersprosse  mit  charakteristischen  Schwimmblättem  bildete.  Eine 
Versenkung  im  Frfihjahr,  zu  Anfang  der  Vegetationsperiode,  würde 
wahrscheinlich  ein  anderes  Resultat  gehabt  haben,  analog  dem  Ver- 
halten von  üf.  DrummondiL  Diese  wurde  im  Jahre  1867  frühzei- 
tig in  den  Teich  gesetzt,  woselbst  sie  in  einer  Tiefe  von  2  Fnfs  und 
mehr  weit  umherkriechend  an  gegen  6  Zoll  langen  Stengelgliedern 
durchgehends  ächte  Schwimmblätter,  auf  der  Unterseite  ohne  Loft 
spalten  und  mit  braungelben  Streifen  schon  gezeichnet,  hervor- 
brachte, wogegen  dieselbe  Art  in  diesem  Jahre,  gegen  Ende  Juni 
in  den  Teich  gesetzt,  zwar  auch  langgliedrige  Sprofse  mit  sehr 
langgestielten  Blättern,  deren  Spreite  sich  schwimmend  auf  dem 
Wasser  ausbreitete,  hervorbrachte,  aber  doch  keine  vollkommen 
charakteristischen  Wasserblätter,  da  sie  insgesammt  auf  der  Unter- 
seite Luftspalten,  wenn  auch  in  geringerer  Zahl,  hatten,  selbst  die- 
jenigen (wenig  zahlreichen),  welche  einen  Anfang  von  Streifenbil- 
dnng  zeigten.  Ebenso  verhielten  sich  M,  salvatrix  und  M,  elata^ 
von  denen  die  letztgenannte  auch  keine  Spur  von  Streifen  an  den 
anscheinenden  Schwimmblättern  zeigte.  In  ganz  anderer  Weise 
dagegen  verhielt  sich  unter  denselben  Verhältnissen  M.  macra^  wel- 
che im  Juni  ins  Wasser  gebracht  sofort  zur  Bildung  ächter  Scbwimm- 
blätter  überging. 

Die  Luft-,  oder,  wie  ich  sie  lieber  nenne,  Landblätter 
zeichnen  sich  vor  den  Schwimmblättem  durch  eine  gr5fsere  Man- 
nigfaltigkeit der  Form  aus,  haben  daher  für  die  specifische  Unter- 
scheidung schon  etwas  mehr  Werth   als  diese;    auch  die  Verhält- 


vom  il.  August  1870.  679 

nisse  der  Bekleidung  und  der  anatomische  Bau,  namentlich  der 
Epidermis,  bieten  in  dieser  Beziehung  Anhaltspunkte. 

Die  Sprofse,  an  welchen  die  Landblfttter  auftreten ,  sind  im 
AUgemeinen  kurzgliedriger  als  die  Wassersprofse,  und  wenn  auch 
der  Hauptsprofs  noch  eine  stärkere  Verlfingerung  zeigt,  so  sind 
wenigstens  die  Seitensprofse  in  der  Regel  kurz  und  gestaucht. 
Besonders  auffallend  tritt  dies  bei  M,  pubescena  hervor,  wo  an 
einem  mehr  oder  minder  verlängerten  Hauptsprofs  die  mit  2  Rei- 
hen dichtgedrängter  Früchte  besetzten  Seitensprofse  wie  sitzende 
Kätzchen  oder  Zapfen  anhängen.  Bei  M,  diffusa  kriechen  die  ge- 
dehnteren Hanptsprofse  und  ihre  nächsten  Verzweigungen  weit  und 
breit  umher  (vergl.  S.  662),  aber  die  letzten  Seitensprofse  sind 
auch  hier  gedrungen,  daher  die  Blätter  und  Fruchte  an  denselben 
dicht  gehäuft.  Zu  den  Arten,  deren  Landform  einen  besonders  ge- 
drungenen Wuchs  hat,  gehören  M.  elata  und  Drummondii  (var.  orien- 
taUa)^  während  M.  salvatrix  stets  etwas  länger  kriechend  ist.  Durch 
lockereren  Wuchs  zeichnen  sich  ferner  aus  M,  polycarpa^  subangu' 
lata^  Emesti,  sowie  M,  Coromcmdeliana  und  trichopoda^  welche 
beide,  gegen  die  Sitte  der  übrigen  Arten,  häufig  bis  zum  Senkrech- 
ten aufsteigende  letzte  Verzweigungen  haben. 

Was  zunächst  die  Blattstiele  der  Luftblätter  betrifft,  so  sind 
dieselben  in  der  Regel  kürzer,  starrer  und  von  festerem  Bau  ^}  als 
die  biegsamen  schwankenden  Stiele  der  Schwimmblätter,  geeignet 
sich  aufrecht  zu  erhalten  und  die  Spreite  frei  empor  zu  tragen. 
Selten  kommt  bei  üppiger  Vegetation  auf  feuchtem  Grunde  eine 
bedeutendere  Verlängerung  der  Blattstiele  der  Landblätter  vor,  wo- 
bei dieselben  entweder  steif  und  gerade  sind  {M.  villosa),  oder  eine 
eigenthümliche  an  die  der  windenden  Stengel  und  Ranken  erin- 
nernde Biegsamkeit  zeigen.  Letzteres  namentlich  bei  M.  Balvatrix^ 
deren  Blattstiele  unter  günstigen  Bedingungen  36 — 40  Centimeter 
(13 — 15  Zoll)  Länge  erreichen  und  die  Neigung  haben,  sich  mit 
dem  oberen,  der  Spreite  zunächst  vorausgehenden  Theile  um  ein- 
ander zu  schlingen  und  zu  verwickeln.') 


^)  Vergl.  Hildebrand  I.  c.  S.  6.  Die  anatomischen  Unterschiede  des 
BUttfltiels  der  Wasser-  und  Landblätter  bedfirfen  fibrigens  noch  einer  fiber 
zahlreichere  Arten  ausgedehnten  vergleichenden  Untersuchung. 

')  Die  M^indung  beschreibt  kaum  mehr  als  1  bis  2  Umgänge  und 
acheint  constant  rechts  sa  sein. 


680  Oesammtsitzung 

Die  Spreite  der  Landblätter  ist  in  der  Regel  kleiner  und  rer- 
hfiltnifsmfifsig  schmfiler  als  die  der  ScbMrimmbl&tter,  übrigens  siod 
die  Grofsenverbältnifse  derselben  je  nach  dem  feuchteren  oder 
trociceneren  Standort  nnd  selbst  an  demselben  Exemplare  je 
nach  der  Stellung  der  Blatter  am  Hauptsprofs  oder  den  Zweigen 
äufserst  veränderlich.  Der  Unterschied  in  der  Gröfse  der  Blatt- 
spreiten, zumal  wenn  noch  Verschiedenheiten  der  Qestalt  nnd  Be- 
kleidung hinzutreten,  bedingt  das  bei  manchen  Arten  so  sehr  ver- 
schiedene Ansehen  der  auf  dem  Land  und  der  im  Wasser  wach- 
senden Exemplare  derselben  Art  Wohl  bei  keiner  Art  ist  dieser 
Unterschied  auffallender  als  bei  M.  Äegypiiaca^  deren  glatte  W^as- 
serblätter  mit  ganzrandigen  Fiederblättchen,  wie  oben  (S.  669)  er- 
wähnt, oft  eine  Länge  von  30 — 32  Mm.  und  eine  die  Länge  noch 
etwas  übertreffende  Breite  erlangen  und  über  100  in  den  Stimrand 
einlaufende  Nervenenden  zeigen,  während  die  behaarten  Landblätter 
fructificirender  Exemplare  einfach  oder  doppelt  ausgerandete  (mit 
2 — 4  Läppchen  am  Stirnrand  versehene)  Blättchen  von  5  —  7,  an 
den  letzten  Zweigen  3 — 4  Mm.  Länge  und  etwa  halber  Breite  be- 
sitzen, in  deren  Stirnrand  nur  etwa  10  —  25  Nervenenden  eintretsi. 
Zu  den  Arten,  die  sich  durch  Kleinheit  der  Landblätter  auszeichnen, 
gehören  ferner  M,  brachycarpa,  sericea,  biloba^  Capensis,  BurcheÜii 
(Blättchen  2 — 6,  selten  bis  10  Mm.  lang),  trichopoda^  Caromande- 
liana  (Bl.  4 — 10  Mm.  lang),  muscoides.  Die  letztgenannte  hat  un- 
ter allen  die  kleinsten  Blätter,  deren  Blättchen  bei  den  senegambi- 
schen  Exemplaren  nicht  fiber  2  —  3,  bei  denen  aus  Angola  höch- 
stens 4  Mm.  lang  und  etwa  halb  so  breit  sind.  Der  Kleinheit  der 
Blätter  entspricht  ungefähr  die  geringe  Zahl  der  letzten  in  den 
Rand  eintretenden  Nervenzweige,  deren  ich  bei.  der  Mehrzahl  der 
oben  genannten  Arten  12  — 15,  bei  M,  muscoides  nur  10 — li 
zählte.  Die  geringste  Zahl  fand  ich  bei  einigen  der  kleinsten 
Blättchen  von  M,  Coromandeliana^  nämlich  6  —  8.  Bei  mittelgros- 
sen Blättern  von  M,  quadrifoliata  kommen  dagegen  70 — 75  Ner- 
venspitzen auf  ein  Blättchen.  Zu  den  Arten,  deren  Landblätter 
sich  durch  ansehnliche  Gröfse  auszeichnen,  gehören  M.  salvairii, 
Dmmmondii,  macropus^  macrocarpa  und  polycarpa.  Von  der  letzt- 
genannten sah  ich  fructificirende  Landblätter  von  besonderer  Gröfse. 
Ein  gemessenes  Theilblättchen  war  28  Mm.  lang,  32  Mm.  breit 
und  zeigte  ungefähr  210  den  Rand  erreichende  Nerven. 

Was  die  Gestalt  der  Landblätter  betrifft,  so  mufs  ich  zunächst 


vom  IL  August  1870,  681 

einige  allgemeine  (die  Schwimmblätter  mit  begreifende)  Bemerkun- 
gen Yoraasgehen  lassen.  Die  Blatter  der  Marsilien  sind,  wenn  wir 
von  den  Primordialblättern  absehen,  durchgehends  viertbeilig,  we- 
nigstens ist  keine  Art  mit  Sicherheit')  bekannt,  welche  sich  an- 
ders verhielte ;  nur  als  Ausnahme  oder  Abweichung  von  der  Regel 
kommen  einzelne  zweitheilige  Blätter  vor  (öfters  das  erste  Schwimm- 
blatt junger  Pflanzen,  selten  das  erste  Landblatt  eines  Zweiges), 
noch  seltener  dreitheilige  (mehrmals  an  der  Landform  von  M,  ere^ 
nulata  beobachtet) ,  etwas  häufiger  dagegen  fünf-  bis  sechstheilige 
(Wasser-  und  Landblättcr  von  M.  Coromandeliana,  Landblätter  von 
M.  macra  und"  quadri/oliata);  nur  einmal  fand  ich  ein  Blatt  mit  8 
Theilblättchen  (M.  elatä).  Die  in  der  Nervatur  der  Blättchen 
herrschende  Dichotomie,  sowie  das  Vorkommen  nur  zweitheiliger 
Blätter  könnte  der  Yermuthung  Raum  geben,  dafs  das  ganze  Blatt 
dem  Gesetze  der  Dichotomie  folge,  somit  eigentlich  zweitheilig  sei 
mit  nochmaliger  Theilung  der  Hälften,  sich  anschliefsend  an  die 
wiederholt  zweitheiligen  Blätter  mancher  Farne,  namentlich  der 
Gattungen  Schizaea^)^  Bhipidopteris*)^  Hecistopteria^)  und  der  be- 
reits erwähnten  vorweltlichen  Gewächse,  welche  früher  für  Mar- 
siliaceen  gehalten  wurden,  der  Farngattung  Jeanpaulia^)  und  der 
Calamariengattung  Sphenophyllum^)*  Allein  die  nähere  Betrachtung 
scheint  ein  anderes  Resultat  zu  geben;  sie  zeigt,  dafs  die  4  Blättchen 
zwei   übereinander  befindliche  Paare   darstellen,  ein  unteres,  über 


1}  In  Blanco  Flora  de  Filipinas  (Manila  1845)  wird  S.  577  allerdings 
unter  dem  Namen  Mars,  trifolia  eine  Art  aufgeführt,  welche  normal  3  Blätt- 
chen haben  soll,  die  an  Gestalt  denen  der  M.  crenulata  (M.  minuta  Blanco) 
ähnlich  sein  sollen.  Die  Beschreibung  dieser  Art  ist  aber  so  ungenfigend, 
dafs  sie  die  Yermuthung  nicht  ausschliefst,  es  möge  derselben  irgend  eine 
phanerogamische  Pflanze  zu  Grunde  liegen.  Übrigens  ist  es  bemerkenswerth, 
dafs  gerade  an  der  einzigen  von  den  Philippinen  sicher  bekannten  Marsilia' 
Art  (J/.  crenuiata)  ausnahmsweise  Bl&tter  mit  3  Blättchen  vorkommen. 

*)  Von  Ettingshausen ,  Flächenskelet  der  Famkrauter  der  Jctztwelt 
t.  175,   f.  1  und   t.  176,  f.  2. 

*)    Fee,  Genera  Filicum,  t.  2  und  von  Ettingsh.  t.  1,  f.  1—6  u.  9—13. 

*)    Fee  1.  c.  t.  16. 

^}    Schenk  1.  c.  t.  9;  Schimper  Paleont.  veget.  t.  44,  f.  9. 

«)    Ibid.  t.  25,  f.  25—23. 


682  Gesammtsitzung 

welchem  sich  ein  karzer  Stiel  (Fortsetiung  des  Blattstiels,  Mittel- 
stiel, oder  Rachis)  erhebt,  welcher  das  zweite  obere  trfigt.  Damii 
steht  auch  die  Knospenlage  im  Einklang,  welche  sich  ähnlich  Ter- 
hfilt  wie  bei  den  gefiederten  Blättern  zahlreicher  Gewächse,  z.  B.  der 
Mimoseen,  Gleditschien,  Tamarinden,  Cassien,  indem  die  Blfittcbeo, 
an  and  für  sich  ungefaltet,  sich  mit  der  Oberfläche  aneimmderle- 
gen  und  zwar  so,  dafs  das  untere  Paar  das  obere  grofiBentheils 
bedeckt,  wefshalb  auch  an  dem  sich  ausbreitenden  Blatte  die  I«age 
der  Blättchen  unterschächtig  erscheint,  welche  Deckung  erst  mit 
der  vollendeten  Ausbreitung  zum  regelmäfsig  vierstrahligen  Stern 
verschwindet.  Während  des  Schlafes  legen  sich  die  Bl&ttchen  der 
Marsilien  in  derselben  Weise  wie  bei  den  Mimosen  wieder  zusam- 
men, indem  sie  in  die  Knospenlage  curOckkehren. ' ) 

Die  paarweise  Folge  der  4  Blättchen  scheint  eine  Bestättgang  zu 
finden  in  dem  Verlauf  der  Bündel  des  Blattes.')  Der  Blattstiel  ist  sei- 
ner ganzen  Länge  nach  ron  einem  starken  Bündel  durchzogen.  Beim 
Übergang  zur  Spreite  gehen  von  demselben  zunächst  2  Zweige  ab,  wel- 
che in  die  Blättchen  des  ersten  Paares  eintreten,  während  das  Haupt- 
bfindel  sich  noch  eine  kleine  Strecke  weit  ungetheilt  fortsetzt  und  dann, 
sich  gabelnd,  in  die  Blätteben  des  oberen  Paares  eintritt.  Inner- 
halb der  Blätteben,  sowohl  der  unteren  als  der  oberen,  tritt  sofort 
eine  wiederholte  Dichotomie  ein,  hier  und  da  mit  bogenartigen  Ver- 
bindungen zweier  benachbarter  Gabel theile.  Zunächst  dem  Rande 
des  Blättchens  sind  sämmtliche  letzte  Bfindelzweige  durch  eine 
continuirliche  Anastomosenreibe  verkettet,  einen  mehr  oder  weni- 
ger deutlichen  Randnerven  bildend.  Das  Verbältnifs  des  vierthei- 
ligen zum  zweitheiligen  Blatt  zeigt  sich  besonders  deutlich  in  der 
Nervatur  der  Primordialblätter,  deren  letzte  häufig  viertheilig  sind. 


')  Der  periodische  Schlaf  i«t  ohne  Zweifel  eine  Eigenthümlichkeit  der 
Landblätter  aller  Marsilien  und  verdient  genauer  beobachtet  zu  werden.  Die 
verschiedenen  Arten  öffnen  and  schliefsen  ihre  Blätter  nicht  gleichzeitig;  un- 
ter den  hier  cultivirten  öffnet  M,  pubescens  die  Blätter  am  frflhesten  und 
schliefst  sie  am  spätesten,  ist  also  die  wachsamste,  wogegen  M,  Drummondn 
die  schlafsamste  zu  sein  scheint 

')  Ich  gebrauche  den  kürzesten  Ausdruck  statt  des  weitläufigen  ,Fibro- 
rasalstrang*  oder  des  noch  immer  gebräuchlichen  „Gefafsbündel",  welcher, 
wenn  man  das  Wort  „Gefafs*  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  nimmt,   nach 


en  UnterBiicIiunEen  viin  Metlenius  und  Caspary  dir  die  Hhiiocarpeen,  ebenso 
ie    für  die  Uehrzalil  der  QbrigeD  ,Gi.-fi[GicrjFtogunen*,  nicht  richtig  br. 
[1870]  47 


684  Oesammtsiizung 

Die  Figuren  1,  2,  4,  G,  7,  8  stellen  die  Folge  der  BlStter 
eines  Keimpflänzchens  von  Mars.  Emeati  dar,  wobei  3  and  5,  als 
unerhebliche  Mittelglieder,  weggelassen  sind.  Das  Keimblatt  (Fig.l) 
ist  von  einem  einzigen  BSndel  (Nerven)  darchzogen;  mit  dem  ersten 
Primordialblatt  (Fig.  2)  tritt  in  dem  oberen  zur  Spreite  sich  aas- 
dehnenden Theil  des  Blatts  bereits  eine  wiederholte  Gabelung  des 
Bundeis  ein,')  welche  bis  zum  6ten  Blatt  ohne  fiufsere  TheiloBg 
der  Spreite  fortschreitet.  Beim  7ten  Blatt  trennen  sich  die  beiden 
durch  die  erste  Gabeltheilung  bezeichneten  HSlften  der  Spreite^ 
es  entsteht  ein  einfach  zweitheiliges  Blatt;  beim  8ten  Blatt  tritt 
zwischen  beiden  Seitentheilen  eine  mittlere  Fortsetzung  auf,  in 
welcher  derselbe  Gabel ungsprozefs  der  Nerven  und  dieselbe  der 
ersten  Gabelung  entsprechende  äufsere  Theilung  in  der  Bildung 
eines  zweiten  Blfittchenpaares  sich  wiederholt.  Eine  in  der  vorlie- 
genden Reihe  fehlende  Mittelstufe  zwischen  7  und  8,  bei  welcher 
die  beiden  Theile  des  oberen  Paares  vereinigt  bleiben,  giebt  die 
Erklärung  der  bei  den  Primordialblättem  nicht  sehr  selten  und  selbst 
bei  den  Landblättern  (if.  crenulata)^  hier  jedoch  sehr  selten,  vor- 
kommenden dreitheiligen  Spreite. 

Eine  solche  Auffassung  des  Marsilienblattes  wird  femer  durch 
den  Gang  der  Entwicklungsgeschichte  desselben,  wie  wir  ihn  ans  der 
Darstellung  von  Hanstein  (1.  c.  S.  53,  T.  14)  kennen,  nnterstStzt 
Das  junge  Blatt  erscheint  zunächst  in  Form  eines  sich  allmähli^ 
etwas  nach  innen  krummenden  Kegels,  dessen  erste  Anlegung  durdi 
wiederholte  Theilung  einer  Scheitelzelle  durch  wechselnd  von  beiden 
Seiten  her  gegeneinander  geneigte  Scheidewände  fortschreitet,  somit 
ursprunglich  (ebenso  wie  das  bleibend  einfache  Keimblatt)  eine 
einheitliche  Spitze  hat.  Die  Entstehung  der  Spreite  verrfitb  sich  zu- 
nächst durch  fiberwiegende  Schwellung  und  vermehrte  Theilung 
zweier  gegenüberliegender  seitlicher  Randzellengruppen,  wodurch  das 
obere  Ende  des  Blatts  zunächst  stumpf  dreieckig,  bald  darauf  deut- 
lich dreilappig  wird.  Mit  dem  Auftreten  der  beiden  seitlichen 
Lappen  ist  das  erste  Paar  der  Seitenblättchen  angelegt.  Jetzt 
h5rt  die  Scheitelzelle  des  Blatts,  welche  die  Spitze  des  mittleres 
Lappens  krönt,  auf  als  solche  thätig  zu  sein,  während  seitlich  voa 


1)  Die  bei  dieser  Art  fehlende  Mittelstufe  des  einfach  gegabelten  Xer 
veu  findet  sich  normal  bei  dem  ersten,  iufserst  schmalen  Primordialblam 
von  M.  pubesce/it. 


vom  iL  August  1870.  685 

ihr  die  Randzellen  in  lebhafter  Theilang  sich  herrordrftngen.  So 
wird  der  mittlere  Lappen  getheilt  und  das  zweite  Paar  der  Blfitt- 
chen  ist  angelegt. 

Endlich  mögen  auch  die  abnorm  mehr  als  viertheiligen  Blftt* 
ter  in  Betracht  gezogen  werden.  Die  oberzähligen  (meist  schmA« 
leren)  Blättcben  derselben  treten  gewöhnlich  zwischen  den  Blättchen 
des  oberen  Paares  auf  and  zwar  in  vielen  Fällen  (if .  Caromandelianä 
und  macra)  dentlich  als  drittes,  von  einem  gemeinsamen  kurzen 
Mitielstiel  getragenes  Paar,  das  sich  zum  zweiten  Paare  ganz 
ebenso  veriiält,  wie  dieses  zum  ersten.  In  anderen  Fällen  freilich 
kommen  überzählige  Segmente  vor,  die  nicht  anders  als  durch 
Theilnng  der  oberen,  zuweilen  auch  der  unteren  Blättchen  betrach- 
tet werden  können. 

Dies  sind  die  Orfinde,  welche  f&r  die  Auffassung  des  Marsi* 
lien-Blattes  als  eines  zweijochig  gefiederten  sprechen;  sie  scheinen 
nicht  angewichtig,  aber  ich  kann  doch  die  Bemerkung  nicht  unter- 
drücken, dafs  sich  auch  Gründe  gegen  dieselben  anfuhren  lassen, 
die  vielleicht  geeignet  sind,  der  zuerst  erwähnten  Auffassung,  ob 
sie  gleich  dem  Augenschein  zu  widersprechen  scheint,  den  Vorzug 
zu  geben.  Betrachten  wir  zunächst  den  Fall  des  blofs  zweitheili-* 
gen  Blattes  (Priroordialblatt  7  in  der  oben  dargestellten  Reihe),  so 
werden  wir  nicht  umhin  können,  in  der  Bildung  desselben  eine 
Dichotomie  anzuerkennen,  und  dasselbe  werden  wir  bei  der  Bil* 
dang  des  oberen  Paares  des  viertbeiligen  Blattes  zugeben  müssen« 
Die  oben  erwähnte  Scheitelzelle  der  ersten  Blattanlage  hat  zur  Zeit 
der  Bildung  der  Blättchen  offenbar  ihre  frühere  Bedeutung  ganz«* 
lieh  verloren;  in  dem  Falle,  wo  die  Blattspreite  ungetheilt  bleibt 
und  gleichsam  fächerförmig  ausstrahlt,  ist  sie  ohne  Zweifel  ganz 
in  der  Bildung  von  Randzellen  aufgegangen.  Auch  dürfen  wir  bei 
der  Betrachtung  des  Hervortretens  gesonderter  Lappen  oder  Blätt- 
eben nicht  blos  von  den  Vorgängen  am  Rande  der  Blattanlage 
ausgehen,  sondern  müssen  auch  die  im  Innern  des  Blattes  zur 
Geltung  kommenden  und  nach  aufsen  drängenden  Bildungsrichtun« 
gen,  welche  schliefslich  in  den  Oefäfsbündeln  ihren  Ausdruck  fin-* 
den^  mit  in  Betracht  ziehen.  Halten  wir  beim  viertbeiligen  Blatt 
für  das  untere  Paar  an  der  Vorstellung  der  Fiederbildung  fest, 
so  kommen  wir  zu  der  sonderbaren  Annahme  eines  ersten  durch 
Fiederbildung  und  eines  zweiten  durch  Gabeltheilnng  gebildeten 
Bl&ttchenpaares  und  es  wird  die  Frage  sich  aufdrängen,  ob  dieser 

47* 


686  GtsammUitzung 

Wid^lrsprach  nicht  zn  heben  ist     Sehen  wir  zu  diesem  £nde  von 
den  einzelnen  Blättern  und  Blftttchen  ab^  und  lassen  wir  die  ganze 
Reihe  der  Blatter  vom  einfachsten  Keimblatt  bis  zum  Tierdieiligen 
Primordialblatt  öder,  wo  dieses  fehlt,  zum  gevierten  Schwimmblatt 
in    eine  gemeinsame  Betrachtung  zusammen,    so  finden  wir,  da& 
die  Yiertheilnng  des  Blattes  früher  oder  später,  mit  oder  ofcne  die 
Übergangsstnfe  der  Zweitheilung,  mit  oder  ohne  weitere  Zwischen- 
glieder unvollkommener  Theilungsgrade  eintreten  kann,    dafs  aber, 
unabhängig  von  dem  Eintritt  dieser  Theilungen,  die  Zahl    der  in 
den  Rand  des  ganzen  (ungetheilten  oder  getheilten)  Blattes  einlau- 
fenden Nervenenden   mit  einer  gewissen  Stetigkeit  zuninunt     So 
beträgt  z.  B.  bei   der  im   Vorhergehenden    (S.  68S)   dargestellteo 
Reihe  von  üf.  EmesH   (mit  Einfügung   der  übersprungenen  Nam- 
mem)  die  Zahl  der  Nervenenden  der  aufeinanderfolgenden  Blätter 
1.  4.  5.  7.  10.  15.  23.  29.     Andere  Exemplare  und  andere  Arten 
werden  andere,    aber  doch  im  Wesentlichen  ähnliche  Zahlenreihen 
liefern,    namentlich  verdient  üf.  pubeaeens  Erwähnung,   bei  welcher 
die  Reihe  mit  1.  2.  3  oder  1.  2.  4  beginnt.     Wfirde  die  wieder- 
holte Dichotomie  der  Nerven  von  Blatt  zu  Blatt  r^elmälsig  um 
einen  Grad  fortschreiten,    so  erhielten  wir  die  Zahlen  1.  2.  4^  8. 
16.  32  ...,   allein  dies  ist  nicht  der  Fall,  die  Theilung  tritt  nicht 
leicht  in  allen  Spitzen  auf  einmal  ein,   sie  schreitet  ungleichmäfsig 
und  deshalb  langsamer  voran,  und  zwar  ist  sie  anfangs  in  den  Seiten- 
theilen,  später  in  den  mittleren  Theilen  des  Blatts  mehr  gefordert 
In  dem  oben  gegebenen  Beispiel  ist  das  7  te  Blatt  (mit  23  Nerven- 
den)  zweitheilig,  das  Ste  (mit  29  Enden)  viertheilig;  die  Zahl  der 
Nervenenden  wurde  aber  ungefähr  die  gleiche  sein,  wenn  diese  beiden 
Blätter  sich  ungetheilt  entwickelt  hätten.     Man  ersieht  hieraus,  dafs 
die  Lappen,   Segmente  oder  Blättchen  Theile  eines  Ganzen    sind. 
Theile,    deren  Entstehung    nicht  auf   verschiedene  Weise    erklärt 
werden  darf.     Was  wir  vom  Ganzen  und  seinen  Theilen    sagten« 
können  wir  noch  spedell  auf  die  beiden  Hälften  des  Blattes  an- 
wenden,   indem  wir  das  viertheilige  Blatt  (Fig.  8)  mit  dem  awei- 
theiligcn  (Fig.  7)  vergleichen.     Wir  können  die   2  mittleren    (obe- 
ren) Blättchen  des  ersteren  nicht  wohl  als  eine  zu  den  2  BIfittchen 
des  letzteren  hinzukommende  Neubildung  betrachten,  denn  wir  fin- 
den zn  einer  solchen  bei  Blatt  7  durchaus  keine  Anlage;  wir  mus^ 
sen  also  ihre  Entstehung  von  den  Blättchen  des  zweitheiligen  Blat- 
tes selbst  ableiten,  müssen  sie  als  abgelöste  vordere  (obere)  Half- 


1 


vom  it  August  1870.  687 

ten  derselben,  somit  als  Viertel  des  ungetheilen  Blattes  betrachten. 
Die  Zahl  der  Nervenenden  der  beiden  Blfittchen  des  dargestellten 
Eweitheiligen  Blattes  betragt  zusammen  23,  die  der  beiden  unteren 
Blattchen  des  folgenden  viertheiligen  Blattes  snsammen  nur  16, 
wahrend  man  nach  dem  Gesetze  der  fortschreitenden  Theilang  der 
Nerven  nicht  eine  kleinere,  sondern  eine  grofsere  Zahl  erwarten 
mufste,  wenn  nämlich  die  unteren  Blättchen  des  viertheiligen  Blatts 
für  sich  allein  als  denen  des  zweitheiligen  gleichwerthig  betrachtet 
werden  sollten.  Wenn  wir  dagegen  das  untere  und  obere  Blättchen 
zasammengenommen  dem  Blättchen  des  zweitheiligen  Blattes  gleich- 
stellen, finden  wir  uns  mit  der  Regel  der  zunehmenden  Zahl  der 
Nervenenden  im  Einklang. 

Mit  dem  Ergebnifs  dieser  Auseinandersetzung  scheint  nun  frei- 
lich der  Umstand  an  vereinbar  zu  sein,  dafs  bei  dem  viertheiligen 
Blatt  das  zweite  Paar  der  Blättchen  durch  einen  deutlichen  Mittel- 
stiel über  das  erste  Paar  erhoben  ist,  durch  einen  Mittelstiel,  der 
ebenso  wie  der  vorausgehende  Blattstiel  von  einem  anscheinend 
einfachen  Bündel  durchzogen  ist  Diese  Schwierigkeit  erscheint 
jedoch  nicht  unüberwindlich,  wenn  wir  die  Beschaffenheit  des  be- 
treffenden Bundeis  näher  betrachten.  Dasselbe  ist  nämlich  nach 
Nägeli's  Untersuchungen')  in  der  That  ursprünglich  und  zwar  schon 
im  Stiel  des  Blatts,  durch  Theilang  unmittelbar  über  der  Eintrittsstelle 
vom  Stengel  in  die  Blattbasis^  ein  doppeltes,  dessen  Theile  jedoch 
bei  der  weiteren  Entwicklung  der  Gewebe,  ebenso  wie  die  Gefäfs- 
stränge  des  Stengels,  durch  eine  gemeinsame  Innen-  und  Aufsen- 
scheide  verbunden  werden.')     Die  Eigenthumlichkeit  der  gevierten 


1)    Beiträge  zar  wissensch.  Bot.  I  (1858)  S.  54.  55. 

')  Die  beiden  Gefafiistränge  zeigen  im  Querschnitt  eine  halbmondfSrmige 
Gestalt  und  sind,  die  gewölbte  Seite  nach  innen  kehrend,  nach  der  Rficken- 
seite  des  Blattstiels  hin  so  aneinander  gelegt,  dafs  sie  die  Form  eines  nach 
der  Vorderseite  hin  offenen  y  bilden.  Die  Halbmonde  berühren  sich  jedoch 
nicht  vollständig,  sind  aber  meist  darch  eine  engere  Netzfaserzelle  brflckenartig 
verbanden,  wahrend  sie  selbst  hauptsächlich  ans  weiteren,  leiterförmigen  und 
längsreihig  pnnktirten  Gefafinzellen  bestehen.  Das  beide  Stränge  ver- 
bindende Gewebe  besteht  aus  langröhrigen,  engen,  stärkefuhrenden  2^11en  mit 
horizontalen  Grenzwänden,  eingeschlossen  durch  einen  Zellring,  welcher  den 
Character  einer  Scbutzscheide  hat.  Hierauf  folgt  nach  anfeen  ein  Gewebe 
aus  weitröbrigen,  .  mit  gröberen  Stärkekömern  gef&Uten  Zellen,   welches  von 


688 


GesammUitzung 


ManiHa-SpT^te  beruht  demnach  auf  dem  Umstände,  dafa  von  den 
4  durch  doppelte  Zweitheilang  gebildeten  Theilen  die  2  benachbar- 
ten mittleren  noch  eine  Strecke  weit  über  die  aweite  Oabelnng 
(die  OabeltheUnng  der  Hfilften)  hinaus  finfserlidi  verbanden  blei- 
ben, wie  dies  durch  die  beifolgende  schematische  Fig.  2  im  Ter- 
gleidi  mit  Fig.  1  veranschaulicht  wird. 


Theilen  sich  die  beiden  mittleren  BlSttchen  noch  einmal,  so 
kann  sich  dieselbe  Verbindung  der  angrenzenden  Theile  wieder- 
holen, wodurch  anscheinend  ein  drittes  Paar  von  Fiederblätteben 
gebildet  wird.  Es  erklärt  sich  aber  zugleich  auch  der  andere  oben 
erwähnte  Fall  abnormer  Vermehrung  der  Blättchen  auf  6  ^der  S 
durch  Theilung  ohne  solche  Verbindung. 

Wir  kehren  nach  dieser  Abschweifung  zur  besonderen  Betrach- 
tung der  Landblätter  zurück  und  zwar  zu  den  Form  Verhältnissen 
der  Blättchen  selbst,  die  weit  mannigfaltiger  sind  als  bei  den 
Schwimmblättern  und,  ungeachtet  bedeutender  Veränderlichkeit,  doch 
nicht  ohne  Bedeutung  für  die  Charakterisirung  der  Arten.  Die 
allgemeine  Form  derselben  ist  die  eines  fast  gleichscheokeligen. 
auf  die  Spitze  gestellten  Dreiecks  mit  abgerundeten  oberen  Ecken. 
an    denen  das  obere  (innere)  meist  ein  wenig  hoher  steht  als   das 


einem  mehrsohiebtigen  Ring  protenchymatiBelier,    dickwandiger,  bascäiiiili^«T 
Zelleoi  welche  die  äabere  Scheide  biden,   ansehloMCn  ift. 


vom  Ü,  Auffust  1870.  689 

untere  (Kufsere).  Die  Blättchen  sind  tomit  (oft  etwas  schief)  keil- 
fortnig,  bald  schm&ler,  bald  breiter^  je  nmoh  der  Grofse  des  Win-^ 
kels,  in  welchem  die  Seitenränder  aaseinander  laufen.  Diese  sind 
meist  geradlinig  oder^  besonders  auf  der  Innenseite,  etwas  ausge- 
schnitten {M^  uneinatay,  seltener  deutlich  ausgebaucht  (If.  (mgu9t^ 
/oHüy  schwächer  und  nur  auf  der  Aufsenseite  bei  Jf«  angusUfblim)* 
Die  grofste  Breite  fKUt  somit  in  den  obersten  Theil  des  BUlttoliens> 
wo  der  durch  Abrundung  der  Ecken  mehr  oder  weniger  bogenartig 
sich  erhebende,  seltener  fast  gerade  abgeschnittene  StErnrand  be- 
ginnt. Wenige  Arten  machen  hiervon  eine  Ausnahme,  indem  die 
schmalen  Blättchen  in  der  ganxea  oberen  Hälfte  bis  cum  Stirnrand 
fast  gleich  breit  sind  (M.  ttnuifoUa^  gymnocarpa)  oder  die  grSfste 
Breite  sogar  weit  unter  dem  Stimrand,  etwa  in  der  halben  Länge 
des  Blättchens,  eeigen  (M,  anguBtifolia^)).  Der  Stimrand  ist  eSt  an 
welchem  die  weiteren  Verschiedenheiten  auftreten.  Bei  einer  gfSs«* 
Seren  Zahl  von  Arten  ist  derselbe  stets  ungethetlt  und  ganferandig 
(if.  pubeecene^  quadr\foliata^  undnaic^  Drummondii  var«  ofientaiU^ 
Coromand^lianay  Nnbicaj  gymnoearpa^  Emesti^  rnulica,  iUbtetrdm^^i 
deflexa^  polyoarpa  etc.),  bei  anderen  ist  er  einfach  attsgerandet  (AC 
Capenau)  bis  zum  tief  sweilappigen  {M,  hiloha,  dipenm  var.)^ 
oder  einfach  bis  doppelt  ausgerandet,  so  dafs  2 — 4  Randläppchen 
entstehen  (if.  Aegypüaca,  quadrata^  brachifearpa)  bis  tief  doppelt 
sweilappig  (iT  biloba^  Sterile  Form).  Oft  ist  der  Stimrand  mit 
einer  nnbestimmten,  zuweilen  ziemlich  grdfsen  Zahl  von  Eetbzäh'* 
nen  versehen,  die  bald  kürzer  und  sttimpfer  (M.  crenv/ofa»  salvatrts^ 
fnacroaarpä)  y  bald  etwas  spitzer  (M^  «roso,  braekfpm^  tenuif^lia^ 
angu8ti/olia)y  oft  sehr  schwach  und  unbeständig  sind  (M*  gibba^ 
macra).  Vielfach  und  ungleichmäßig  eingeschnitten,  mit  einer  Nei- 
gung zur  Dichotomie  der  Spitzen,  ist  der  Stimrand  bei  JK  MSiUri^ 
besonders  bei  den  gr5fseren  Blättern  steriler  Pflanzen.  Zu  be- 
merken ist  noch,  dafs  solche  Theilungen  des  Stirarandes  nicht  an 
allen  Blättern  derselben  Pflanzen,  ja  nicht  einmal  an  allen  Blätteben 
desselben  Blattes  in  gleicher  Weise  auftreten.  Die  kleineren  Blät- 
ter verhalten  sich  häufig  einfacher  als  die  grofseren,   und  an  dem 


*)  Eine  hiermit  in  Verbindang  stehende  Kigenthflmlichkeit  dieser  Art 
spricht  sich  im  Yerlanf  der  Nerren  aus,  indeni  lahlreiche  Nervenenden  den 
Stimrand  nicht  erreichen,  sondern  in  die  SeUearsnder  attslasfen« 


690  GesammUitzung 

cuixelnen  Blatt  sind  die  Bl&ttchen  des  nnteren  Paares  nicht  aehea    | 
ganarandigf   während  die  des  oberen,    die  meist  angleldi   grolser 
sind,  verschiedentlich  ansgerandet,  gelappt  oder  gekeibt  erscheineD. 

Die  Landbl&tter  sind  hfiufig  behaart  and  auch  bei  d^enigeB 
Arten,  deren  Blatter  im  ausgebildeten  Zustand  kahl  eracheinen 
(^M.  quadri/oliaUiy  diffusa^  Caramandeliand),  seigen  sie  irmfarscheinlich 
im  Jngendzostand  dorchgehends  eine  Behaarang/)  Eine  bleibende, 
aber  sparsame  nnd  anscheinbare  Behaamng  haben  s.  B.  M,  JSmetti, 
Mexieana,  tenu^oUa,  maera;  eine  dichtere  und  anffallendere  M.  fm- 
be8C0n$  (im  wildwachsenden  Zustand),  tfestita^  biloba,  saivairii^ 
Drummandii,  elata^  hirautisBima,  «erteea.  Der  trocknere  oder  feuch* 
lere  Standort  hat  übrigens  auf  die  Dichtigkeit  und  Danerhaltigkeit 
der  Behaarung  einen  bedeutenden  Einfluls.  Die  Unterfl<che  der 
Blfittchen  scheint  stets  stärker  behaart  zu  sein  als  die  Oberfläche. 
Die  Haare  haben  bei  allen  Arten  denselben  Bau;  sie  beginnen  mit 
einer  horizontal  anliegenden,  plattgedrückten ,  nach  unten  (oder 
besser  hinten)  zugespitzten  Zelle,  welche  mit  ihrer  Mitte  einer  nach 
oben  trichterförmig  erweiterten,  mit  dem  dünneren  Binde  in  die 
Haut  des  Blattes  eingesenkten  Stielzelle  aufsitzt  An  diese  erste 
breiteste  Zelle  schliedBen  sich,  stufenweise  schmäler  und  länger  wcr^ 
dend,  meist  mehrere  (2—5,  selten  nur  1)  weitere  Zellen  an,  wo- 
durch das  mehr  oder  weniger  verlängerte,  mehr  oder  weniger  fein 
ausgesogene  freie  Ende  des  Haars  gebildet  wird.  Bald  alle,  bald 
nnr  die  oberen  Zellen  sind  mit  zerstreuten  (der  Zellhant  angehöii- 
gen)  Wärzchen  besetzt,  nur  bei  üf.  Drummandii  var.  oeeidentalit 
habe  ich  die  Haare  ganz  glatt  gefunden.  Es  sind  übrigens  noch 
nicht  alle  Arten  in  dieser  Beziehung  verglichen  worden. 

Die  Haut')  der  Landblätter  zeigt,  im  Gegensatz  xa  den 
Schwimmbläftern,  auf  beiden  Blattflächen  eine  fast  ganz  uberein* 
stimmende  Beschaffenheit.  Sie  besteht  beiderseits  aus  mehr  oder 
minder  stark  gebuchteten,  durchschnittlich  in  der  Richtung  des 
Nervenlaufs  etwas  verlängerten  Zellen,   die  häufig  sehr  kleine  zer- 


^}  So  zeigt  z.  B.  M,  Coromandeliana  an  den  jungen,  noch  gefalteten 
Blattspreiten,  ebenso  wie  am  Blattstiel,  spärliche,  3 — 4  zellige,  ziemlich  breite, 
warzige  Haare,  die  sich  spater  ganz  Terlieren. 

')  Kürzer  und  richtiger  als  „Oberhaut*,  da  eine  Unterhairt  nicht  Tor- 
lianden  ist.  Will  man  « Oberhaut*'  seiner  Wortbedeutung  nach  anwenden,  so 
kann  man  nur  die  Cuticnla  damit  bezeichnen. 


vom  IL  August  1870.  691 

streute  Stfirkekornchen  oder  zu  Zeiten  Chlorophyilkotncfaen  enthal- 
ten und  deren  nach  aufsen  gekehrte  Wfinde  mehr  oder  weniger 
stark  verdickt  sind.  Die  Hautzellen  der  Unterseite  erscheinen  mit- 
unter etwas  mehr  in  die  LSnge  gesehen  nnd  etwas  stärker  ge- 
buchtet als  die  der  Oberseite ,  doch  ist  der  Unterschied  unerheb- 
lich. Besonders  stark  nnd  zierlich  gebuchtete  Hautzellen  besitaen 
die  australischen  Arten  ans  den  Gruppen  der  if.  kirsuta  nnd  M. 
Drummondüy  femer  Jf.  Aegyptiaca  und  Emesti;  etwas  schwächer 
gebuchtet  sind  sie  bei  if.  quadri/oliata  nnd  pubescens^);  fast  unge- 
buchtet und  nahezn  reetangülär,  sowohl  auf  der  Unter-  als  auf  der 
Oberseite,  fand  ich  sie  nnr  bei  M,  a$igu8ti/olia,^)  Bei  der  grofsen 
Mehrzahl  der  Arten  ist  die  Oberfläche  der  Hautzellen  flach  nnd 
eben  oder  etwas  nach  aufsen  gewölbt,  nur  bei  M,  gibha  und  bei 
den  Arten  aus  der  Gruppe  der  if.  Drummondii  tragen  die  Haut- 
Zellen  regelmfifsige,  stumpf  kegelförmige,  halbkugelige  oder  knppel- 
fürmige  Höcker  von  kreisförmigem  Umrils,  beinahe  0,01  Mm.  Durch- 
messer und  halb  so  grofser  bis  gleich  grofser  Hohe,  Hocker,  welche 
ursprünglich  Ausstülpungen  der  Zellhaut  sind,  später  aber  in  gewissen 
F&llen  durch  Verdickung  der  Membran  solid  werden  oder  nur  einen 
kurzen  und  engen  Kanal  als  Rest  der  ursprunglichen  Anshöhlung 
zeigen.  Bei  ü.  gihha  trägt  jede  Zelle  nur  1  oder  höchstens  2 
Höcker  nnd  zwar  auf  beiden  Blattflächen;  bei  allen  Arten  der 
Gruppe  von  Jf.  Drummondii  dagegen  besitzen  die  durch  bedeuten- 
dere Grofse  ausgezeichneten  Hautzellen  je  3  bis  6  Höcker,  bei  AT. 
macra  nnd  M.  data  auf  beiden  Blattflächen'),  bei  den  übrigen  {M. 
Drummondii  occidentaliS  und  orientalis^  M.  salvatrix^  oxaloidea^  hirsu' 
ÜHtma^  Howittiiy  Mülleri  und  sericea)  nur  auf  der  Oberfläche.*) 
Durch    die  Anwesenheit   der  Höcker    auf  den  Hautzellen  ist  die 


J)    Hildebrand  1.  c.  t.  1.  f.  1.  2.  7. 

^}  Die  Schwimmblätter  dieser  Art  sind  leider  unbekannt;  wahrschein- 
lich sind  sie  in  der  Form  der  Blättchen  und  in  der  Gestalt  der  Hantzellen 
von  den  Landblättern  abweichend. 

*)  Wogegen  die  Schwimmblätter  der  M.  macra  und  nach  Hildebrand^s 
Angaben  ohne  Zweifel  auch  die  der  M,  etata  nnr  auf  der  Oberfläche  Höcker 
tragen.  Bei  M.  macra  sind  die  Höcker  der  Schwimmblätter  hohl,  die  der 
Landbl&tter  mehr  oder  weniger  ausgefüllt. 

')  Die  ächten  Schwimmblätter  von  M,  Drummondii  {orientaliif)  verhalten 
sich   in  Beziehung  auf  die  Hdckerbildung  wie  die  von  M,  macra,    wogegea 


693  Ge9anmtsit2ung 

Gmppe  der  M,  Drummondii  weaenüicb  ▼erschicden  Ton  der  gleiclh 
UUb  aastraliscfaen  Gruppe  der  M.  hirsuta,  ea-  weldier  aofeer  dieser 
If.  exarata  und  angtuUfoUa  gehören. 

Die  Lnftspalten  (Stomate)  sind  bei  den  Landbi&ttem  aof  bei- 
den Fliehen  in  nngeftbr  gleicher  Zahl  verbanden;  ihre  Schliefs- 
Bellen  sind  darehgehends  von  den  benachbarten  HantceUen  mehr 
oder  weniger  fibergriffen,  so  dafs  sie  tiefer  als  die  OberflXche  der 
Haat  liegen.  In  geringerem  Grade  aeigt  sich  dieses  VerhSltnifs 
bei  M.  quadrijöliaia^)^  Aegypiiaca^  JSmesti;  in  höherem  bei  den 
australischen  Arten  ans  der  Verwandtschaft  der  M.  Drummcndn  and 
hirmtay  sowie  auch  bei  M,  gibba^  bei  welchen  allen  die  hochgewölb- 
ten Orenxxellen  einen  engen  und  tiefen  Vorhof  der  Lnftspalte  bilden. 

Yon  den   übrigen  anatomischen  Verhältnissen  der  LuftblStter 
verdient  besonders  das  bereits  von  Mettenius*)  erw&hnte  Vorkom- 
men glasheller  Sclerenchymsellen  Brw&hnnng,  welche  eine  eigene,^ 
von  denen  der  Wasserblitter  ginalich  verschiedene  Art  von  Inter- 
stitialstreifen  bilden.     Sie  haben  ihren  Sita  nicht  wie  diese  In  der 
Haut  der  Unterfl&che,  sondern  im  Mittelgewebe  des  Blattes.     Bei 
schwächerer  Entwicklung  treten  die  Sclerenchymsellen  dicht  an  der 
Haut  der  Unterfläche  des  Blatts  auf,   selten  einzeln,  meist  2 — 3 
nebeneinander  und  2 — 3  Schichten  übereinander.     Dann  zeigen  sich 
einige  weitere  unter  der  Haut  der  Oberfläche,  durch  Parenchym  von 
denen  der  Unterfläche  getrennt;  bei  stärkerer  Entwicklung  endlich 
verbindet  sich  die  obere  und  untere  Parthie,  so  dafs  eine  S^eide- 
wand  gebildet  wird,  welche  zwischen  der  oberen  und  unteren  Haut 
ausgespannt  ist.     Im  ersteren  Fall  lassen  sich  die  Sclerenchymstrei- 
fen  am  unverletzten  Blatt  bei  durchscheinendem  Lichte  mit  unbe- 
waffnetem Auge  nur  als  undeutliche  dunklere  Streifen  erkennen,  im 
letzteren  bilden   sie  schmale  farblose  Streifen,  so  dafs  es  den  An> 
schein  hat,  als  ob  Spalten  zwischen  den  Nerven  vorhanden  seien.') 


die  falschen  Scbwimmblätter  (S.  678)  auch  auf  der  Unterflicbe  Höcker  zei- 
gen, was  um  so  auffallender  ist,  als  die  Landblätter  unten  ohne  H6cker  sind. 
Ebenso  scheint  sich  3/.  salvairix  zu  Yerhalten. 

1)    HUdebrand  1.  c.  t  1,  f.  3. 

*)   In  Triana  et  Planchon,  Prodr.  Fl.  Not.  Granat.  Crypt.  p.  395. 

')  Sie  erinnern  dadurch  an  die  durchsichtigen  Streifen  der  Bl&tter  Tie« 
1er  Selagineita-Arten  s.  B.  S.  cUbo-nitentf  cladorrhizans^  Lj^ehnuchms^  si&t^ 
phifUa^  allein  bei  dieaen  liegen  die  Sclereachjrmx^Uen  in  der  Epidermis  d«r 
Unterseite  des  Blatts. 


vom  iL  Äugutt  iS70.  693 

Sie  bestehen  a«8  krSItigen,  langgestreckten,  aieinlich  dickwandigen, 
wellenförmig  gebogenen  und  hier  und  da  mit  «wischen  die  an* 
grenzenden  Parenchymzellen  eingreifenden  Zacken  versehenen  Zellen 
von  glasartig»!  Ansehen  und  eigenthfimlichem  Qlanxe,  mit  hori- 
eontalen,  seltener  mit  schiefen  Verbindangswftnden  aneinanderge* 
reiht  und  an  den  Yerbindungsstellea  häufig  mit  seitlichen  Erweite* 
rongen  versehen;  wo  die  Enden  frei  anslajofen,  sind  sie  spitz  oder 
selbst  zugespitzt.  Derartige  durch  Scleremchjm  gehildeten  Intersti«* 
tialstreifen  finden  sich  übrigens  nur  bei  einer  kleiaea  Gruppe 
nahe  verwandter  Arten,  n&mlich  M*.  Coromand$liana^  tnokop^da^ 
muscoides  und  distorta* 

Endlich  mag  noch  der  für  einige  Arten  bezeichnenden  herbst- 
lichen Verfärbung  der  BlAtter  gedacht  werden.  Mehrere  der  austra- 
lischen Arten,  namentlich  if.  DrummancUi  (var.  orientalis)  und  3fi 
eiata  nehmen  eine  lichtbraungelbe  Farbe  an;  die  mikroskopische 
Untersuchung  zeigt,  dafs  namentlich  die  Schliefszellen  der  Luft- 
spalten und  die  Ansatzzellen  der  Haare,  sowie  auch  die  zunfichst 
angrenzenden  Zellen  der  Haut  sich  gelb  gefiSrbt  haben.  Äi.  salva* 
trix  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dafs  die  ganze  Blattfl&che,  besoa* 
ders  die  der  Oberseite,  oft  mit  Ausnahme  des  Randes,  sich  dunkel- 
kalFebraun  oder  selbst  purpurbraun  ffirbt;  der  Sitz  dieser  Färbung 
ist  in  den  Wänden  der  Hautzellen.  M,  maera  zeigt  im  Alter  von 
der  Basis  der  Blättchen  aus  rothbraun  geflammte  Blätter.  Die  Blätter 
von  Jf.  quadri/oUaia  nehmen  eine  gleichmäfbige  lichtbraune  Farbe 
an,  während  die  blaugrauen  Blätter  von  M.  pubeseens  sich  vor 
dem  Absterben  nicht  verfärben. 

Die  Sporen  fruchte  (spocrocarpia,  receptacula  oder  concep« 
tacula  der  Autoren)  stehen  in  engster  Verknüpfung  mit  den  Blätr 
tern;  sie  entspringen  entweder  deutlich  ans  dem  Blattstiel  selbst 
und  zwar  aus  dem  änfseren  (unteren)  Rande  desselben,  oder  sie 
treten  an  der  Basis  dieses  Randes  neben  dem  Blattstiel  hervor, 
im  ersteren  Falle  die  Stelle  einseitiger  Fiederblättchen,  im  letzte- 
ren die  eines  einseitigen  Nebenblatts  einnehmend.  Die  blattstiel- 
ständigen sind  meist  in  Mehrzahl  an  einem  Blattstiel  vorhanden, 
während  bei  grundständiger  Stellung  nur  eine  Frucht  zu  einem 
Blatte  gehört.  Die  grofste  Zahl  der  Frfichte  an  einem  Blatte  fin- 
det sich  bei  if.  polycarpa^  gewohnlich  zwischen  10  und  20,  zu- 
weilen selbst  noch  mehr;  in  ziemlicher  Entfernung  von  der  Basis 
beginnend,   bilden  sie  eine  Reihe,    welche  oft  bis  über  die  halbe 


G94  Oe8ammUit2ung 

Hohe  des  Blattatiols  hinaufreicht.     Ihr  Ursprung  ans  dem  Raade  ( 
des  Blattstiels  ist  bei  dieser  Art  besonders  deutlich,    da  sie  einen 
Blattstiel  besitzt,  der  auf  seiner  Vorderseite  dorch  eine  breite  Binoe 
aosgefurcht  ist,  während  bei  den  meisten  anderen  Arten  der  Blatt- 
stiel anf  der  Vorderseite  nur   etwas  abgeflacht  und  die  Rinne  nor 
schvrach  angedeutet  ist.     Bei  der  dichten  Aneinanderdrfingang  vei- 
chen  sich  die  Fruchte  oft  abwechselnd  aus,    so  daCs  sie  2  Reihen 
bilden,    allein  die  Entfernung   der  Fruchte  aeigt  sofort,   dafs  ihre 
Stiele  alle  ans  demselben  Rande  des  Blattstiels  herrorgehen,  dem 
Ursprung  nach  also  nur  eine   einzige  Reihe  von  Fruchten  vorban- 
den ist     Ähnlich  verhält  sich  die  nahe  verwandte  Jf.  Mulpangulaia, 
aber  die  Reihe  von  nur  6 — 10  Fruchten  beginnt   nahe  an  der  Ba- 
sis des  Blattstiels.     Eine  noch  geringere  Zahl  sich  nur  wenig  vüiet 
den  Grund  des  Blattstiels  erhebender  Fruchte,   wobei  die  unterste 
oft  ganz  basil&r  erscheint,  haben  M,  erosa  (2 — 5  Früchte),  M.  dif- 
fusa (2 — 4),    crenulaU»  (2,  selten  3),  braehypus  (1 — 3),   graeilenta 
(1 — 2).     Bei  einigen  Arten  findet  man  die  Stiele   mehrerer  über 
der  Basis  des  Blattstiels  entspringender  Fruchte  eine  Strecke  weit 
verbunden,  so  dafe  anscheinend  2  oder  mehrere  Fruchte  von  einem 
gemeinsamen  Stiel  getragen  werden*     So  bei  M.  guadri/ölüUa  (2,  sel- 
ten 3 — 4,  Ton  denen  zuweilen  eine  mit  freiem  Stiel),    Braumü  (l 
— 3),  macropus  (2  —  5).     Alle  übrigen  bekannten  Arten  haben  nor- 
mal nur  eine  Frucht  am  Grunde  des  Blattstiels,  deren  Zusammen- 
gehörigkeit mit  dem  Blatte  sich   dadurch  verrath,    dafs  beim  Ab- 
reifsen  des  letzteren  die  Frucht  häufig  mitfolgt,  indem  der  Frucht- 
stiel am  Grunde  des  Blattstiels  hängen  bleibt     Auch  fehlt  es  nicht 
an  Ausnahmsfilllen,    welche  seigen,    dafs  die  basiläre  Stellung  der 
Frucht  von  der  blattstielständigen  nicht  wesentlich  rerachieden  seio 
kann;  sie  sind  namentlich  nicht  selten  bei  den  australischen  Artes 
aus  der  Gruppe  der  M.  Drummcmdii^  besonders  bei  if.  elata.    Ich  fud 
bei  dieser  Art  folgende  vom  normalen  Verhalten  abweichende  Fälle*. 
1.  Eine  Frucht,    wie  gewohnlich,    aber   mehr   oder   weniger  hoch 
über  der  Basis  des  Blattstiels  entspringend;    2.  awei  Früchte,  die 
eine  basilär,  die  andere  am  Blattstiel,  zuweilen  in  einer  Höhe  ton 
1  bis  1^  Zoll,  entspringend;    3.  zwei  Früchte,  beide  über  der  Ba- 
sis   in    ungleicher  oder  fast  gleicher  Höhe  entspringend;     4.    Drei 
Früchte,    sämmtlich   über  dem  Grunde    entspringend,    die  erste  is 
etwa  ^  Zoll  Höhe,  die  beiden  folgenden  in  fast  2  Zoll  Höhe  ns^ 


vom  iL  Augu$t  1870.  695 

mit  den  Stielen  bts  über  die  Hfilfte  verwachsen,  naeb  Art  von  M. 
quadrifoliata. 

Die  Länge  des  Frachtstiels  ist  sehr  verschieden  und  schwankt 
zuweilen  bei  derselben  Art  beträchtlich.     Den  kürzesten  Stiel,  kur- 
zer als  die  Frucht  selbst,  zeigen  If .  strigosa  (ungef&hr  ^  der  Frucht), 
pubescens  (^ — y)»  ^^^ca  {\ — ^),  exarata  (|- — ^),  hirguta  (|. — ^), 
villoaa  (|-),    braehypua  und  gradlenta  (^).      Die  Länge  des  Stiels 
kommt    der  Frucht   ungef&hr  gleich   bei   M,  cmgu^HfoUa    (^  —  1), 
mucranata,  brevipes  und  vMtita  (^ — 1),  tmuifolia  (^ — 1),  polycarpa 
und  subangulata  (f — 1),  EmesH  (f — ^)j  ancylopoda  (^),  Mexieana 
(1— |-),    eomtua  (1 — ^),    defitxa  (1 — 1^),    gymnoearpa  (1  —  1^), 
eroaa  et  var.  (Ij- — 1^),    (i7oto  (1^ — \\).     Ungel&hr  die  doppelte 
Länge  des  Fruchtstiels  bis  zur  dreifachen  finden  wir  bei  M*  und" 
nata  and  Berieroi  (lj> — 2),    crmulata  und  muHea  (1^ — 2),  Capen- 
sis  (1|- — 2),  brachycarpa^  quadri/oliatay  serieea  (2),  macroearpa  (1|> 
—  2|-),  diffusa^  Mulleri^  Hawittiana  (2 — 2^),  maera  xmd  9ubterranea 
(2—3),  Aegypiiaca  und  quadraia  (2^ — 3),  distorta  (2^ — 3).   Durch- 
schnittlich oder  bei'  anderen  Arten  durchgehends  mehr  als  die  drei* 
fache  Länge  zeigt  der  Fruchtstiel  bei  if.  rotundaia  (2^ — 4),    nui- 
eropus  (3 — 4),  Carcmandeliana  und  museoideg  (2^ — 5),  triekapoda 
(3  —  6),  gibba  (5  —  6).     Die  Arten  aus  der  Gruppe  der  M.  Drumr 
mondif,  welche  hierher  gehören,  sind  in  der  Länge  des  Fruchtstiels 
sehr  veränderlich.     Bei  M.  DnemmandU  (orientalU)  finden  wir  den- 
selben 2 — 5  mal,  am  häufigsten  2^^ — 3^  mal  so  lang;  bei  M.  sal- 
catrix  3 — 8,    am  häufigsten  3} — 4;    bei  M.  elata  endlich  3 — 12, 
am  hftafigsten  4 — 8,  in  einzelnen  Fällen  20  —  28  mal  so  lang  als 
die  Frucht.*) 

Die  Richtung  des  Fruchtstiels  zeigt  mancherlei  charakteristische 
Verschiedenheiten.  Am  häufigsten,  besonders  bei  grundständiger 
Stellung,  ist  der  Fruchtstiel  aufrecht  {M.  Coromanddiamay  Aegyp^ 
iiaca,  quadraia,  macroearpa,  CapensUy  Drummondii  und  die  v^r* 
wandten  Arten);  oder  er  ist  aus  etwas  vorwärts  oder  seitwärts 
gekrümmter  Basis  aufsteigend  (If.  diffusa^  erosa^  erenuiataf  braehy- 


1)  Die  gewöhnliche  Länge  des  Fruchtstiels  betragt  bei  M,  elata  30 — 60 
hixn.,  selten  nur  20  Mm.,  nicht  selten  dagegen  bis  100  Mm.  Die  längsten  ge- 
Dessenen  Stiele  zeigten  140,  170  und  190  Mm.  und  hatten  fast  die  Länge 
ler  Blattstiele  selbst. 


60G  GeaammUitzttng 

pu8  etc.);  etwas  vorwärts  ubergebogen  M.  gymnoearpa  und  Nrnhica)-. 
seitwärts,  fast  bis  zum  Horizontalen  abstehend  {M.  pub€^eenM)\  aas 
bogenartiger,  zuerst  nach  unten  gewendeter,  aaweilen  einen  Schrao- 
benumgang  bildender  Basis  aufgerichtet  (^M.  gihba).  Entaprin^en 
die  Fruchtstiele  hoher  am  Blattstiel^  so  stehen  sie  entweder  sducf 
von  ihm  ab,  die  Spitzen  mit  den  Früchten  etwas  nach  vom  ge- 
neigt {M.  quadrifoliatd)  y  oder  sie  stehen  fast  horizontal  ab  und 
krummen  sich  seitwärts  über  die  Vorderfläche  des  Stiels  heriibvr 
(M.  polyearpa^  subangulata).  Bei  mehreren  Arten,  welche  iÜMrigenft 
verschiedenen  Gruppen  angeboren,  legen  sich  die  Frucbtstide  Bie- 
der oder  wenden  sich  selbst  nach  unten,  so  dafs  die  Frocbte  ia 
die  Erde  versenkt  werden.  In  geringerem  Grade  und  mit  weni* 
ger  Beständigkeit  zeigt  sich  diese  Erscheinung  bei  J/.  muUeoj  de- 
ren Fruchtstiele  bald  schief  aufsteigen,  bald  niedergelegt  oder  a^ 
steigend  sind.  Horizontal  abstehend  oder  abwärts  gericht^  dabei 
gerade,  sind  sie  bei  M,  Mexieana;  obenso  aber  oft  mit  Verkrüm- 
mungen bei  M,  Berieroi  und  Emesti;  mit  starken,  unregelmäfsigen 
Krümmungen  bei  M,  distorta;  fast  gerade  und  senkreeht  abwärt« 
gerichtet  bei  M.  $uhterran$a.  Bei  M.  defiexa  endlich,  bei  welcher 
2 — 3  Fruchtstiele  über  der  Basis  des  Blattstiels  entspringen,  bie- 
gen sich  dieselben  wie  bei  M.  polyearpa  über  den  Blattstiel  her- 
über, aus  dem  horizontalen  mehr  oder  weniger  nach  anten 
strebend. 

Die  Sporenfrucht  von  Pilularia  scheint  eine  wesentlich 
Stellung  zu  haben  als  die  von  Margilia;  sie  steht  nicht 
Rande,  sondern  mitten  vor  dem  stielartigen,  spreitenlosen  Bbtie., 
anscheinend  genau  in  der  Achsel  desselben,  von  kürzerem  oder 
längerem,  aufrechtem  oder  absteigendem  Fruchtstiel  getragen. 

Die  Sporenfrocht  der  Marsilia  ist  ein  bilateral-symmetrisches 
Gebilde,  an  welchem  eine  unterschiedene  Rücken*  und  Banchseite, 
eq^prechend  der  Rücken-  und  Bauchseite  des  Blattstiels,  wahr  to 
nehmen  ist,  sowie  2  übereinstimmende  Seiten  wände,  ein  obere« 
Ende  und  eine  Basis.  Der  Frachtstiel  tritt  gew5hnlich  sehiet 
an  die  Basis  der  Frucht  heran,  eine  Strecke  weit  unterschetdbar 
daran  hinlaufend,  wodurch  die  sogenannte  Raphe  gebildet  wird, 
ehe  er  an  der  Grenze  der  Rückenseite  der  Frucht  mit  einem  vor- 
springenden Zahne  endigt  Dem  ersten  Zahne  folgt  meist  ein  zwei- 
ter, welcher  die  Stelle  bezeichnet,  vor  welcher  das  Bündel  des  Stieb 
sich  abwärts  biegt  und  unter  einer  eigenthümlichen  Verdoppeloog 


vom  iL  August  1870.  697 

der  Pallisadenschicht  iq  das  Gewobe  der  Innenseite  der  Frucht  ein- 
tritt. Beide  ZShne  fehlen  nur  in  dem  FsU,  in  welchem  der  Fracht* 
stiel  fast  senkrecht  an  die  Fracht  herantritt  und  keine  Raphe  bildet 
(^M.  polyearpa,  subanguUita,  dtfiexa^  mtid'oa);  aber  auch  bei  rorbande- 
ner  Raphe  können  beide  Z&hne  oder  der  eine  von  beiden  unauigebil- 
det,  gleichsam  verwischt  sein.  Das  erstere  ist  bei  M,  gywnoearpa 
und  Nubicoy  Arten  mit  sehr  langer  Raphe,  der  Fall;  nur  der  un- 
tere Zahn  ist  deutlich  bei  M.  Mexkana,  BerUrot,  anffUMtifolia;  nur 
der  obere  bei  JH.  CapensUj  BureheUüf  quadrata^  Äegyptiaea,  gibboy 
subterranea,  biloba;  bei  der  letztgenannten  ist  der  einsige  vorhan- 
dene Zahn  von  bedeutender  L&nge.  Beide  Zihne  sind  zwar  deut* 
lichy  aber  sehr  schwach,  bei  M.  nuurocarpa,  rotundata^  pnU^escmu, 
JSmeBti;  stfirker  und  gleichmäfsig  entwickelt  bei  M.  quadriföHata^ 
diffusa,  brachgcarpa,  CoromandeUana  und  den  Verwandten,  sowie 
bei  allen  Arten  der  Oruppe  von  M.  Drummondiii  der  untere  Zahn 
ist  st&rker  bei  M.  distorta^  der  obere  dagegen  st&rker,  stachel- 
oder  hackenartig  verlängert,  bei  M.  viUosa,  uneittata^  mucranata^ 
vMtita^  tenui/oHa;  ebenso,  aber  der  Unterschied  weniger  auffallend, 
bei  M.  braehyput,  gracilenta,  comuta,  erenulata^  erosa. 

Was  die  Richtung  der  Frucht  im  Yerhfiltnifo  zum  Stiel  be- 
trifft, so  zeigt  dieselbe  alle  Abstufungen  von  der  gerade  ausge- 
streckten (bei  aufrechtem  Stiel  auch  zum  Horizont  aufrechten)  bis 
zur  abwärts  geneigten  oder  zurückgeschlagenen  d.  h.  dem  Stiel  in 
spitzem  Winkel  zugebrochenen  Lage.  Zwischen  den  Extremen  liegt 
die  unter  stumpfem  Winkel  geneigte,  schief  gestellte,  und  die  recht- 
winklige, horizontale  Richtung.  Die  gerade  ausgestreckte  Richtung 
kommt  insbesondere  den  Arten  zu,  deren  Fruchte  keine  Raphe  be- 
sitzen;  doch  ist  bei  den  wenigen  Arten,  welchen  diese  Eigenth&m- 
lichkeit  zukommt,  die  Frucht  in  der  Regel  nicht  aufrecht,  sondern 
inregen  der  Krümmung  des  Stiels  seitlich  oder  abwärts  nickend. 
So  bei  J/.  pdycarpa^  subanguiata^  deßexa.  Bei  der  in  der  äufseren 
Beschaffenheit  der  Frucht  sich  anschüefsenden  M.  mutica  ist  die 
Richtung  derselben  zum  Stiel,  abgesehen  von  der  gleichfalls  ver- 
änderlichen Richtung  des  Stiels  selbst  (S.  696),  sehr  unbeständig, 
bald  aufrecht  ansitzend,  bald  (durch  Biegung  der  Spitze  des  Stiels) 
horizontal  oder  nickend.  Seltener  kommt  die  aufrechte  Lage  der 
Frucht  bei  solchen  Arten  vor,  die  eine  Raphe  besitzen;  sie  wird 
dadurch  hergestellt,  dafis  die  (sehr  kurze)  Raphe  einen  fast  rechten 
Winkel  mit  dem  Fruchtstiel  bildet,  wobei  zugleich  der  untere  Zahn, 


698  Ge$ammt$itzung^ 

\ 
ia  welclieii  ne  anslioft,  stark  nach  nnten  gewendet  wird,  wie  dies    \ 

bei  M.  CaromamdeKana  and  eUaa  der  Fall  ist  Bald  gerade  aas- 
gestreckt, l»ald  schief  anm  Stiel  gestellt,  erscheinen  die  Fruchte 
Yon  M.  Eme$iL  Eine  schiefe,  mehr  oder  weniger  geneigte,  znwei* 
len  (d.  i.  an  einzelnen  Frachten)  fast  horizontale  Riehtang  zeigen 
M.  fubterranea  (bei  abwärts  gerichtetem  Stiel),  M.  triehopoda,  Ca- 
pensU,  maeroearpay  gibba^  exaratay  angustijölia,  Müllerin  fnaera,  tal- 
vatrix^  Drvmm<mdii,  BurckdUi,  biloba,  rotundata,  von  denen  nament- 
lich die  drei  letztgenannten  an  der  Grenze  derer  mit  völlig  horizon- 
taler Richtung  der  Fracht  stehen.  Diese  findet  sich  bei  Jf.  qua- 
dri/oliaia^  difu9a  and  den  verwandten  Arten,  graeilenta^  uneinata  ond 
den  verwandten,  ÄegypHaca,  quadraia,  muscaides.  Bald  horizontal, 
bald  darfiber  hinaas  abwärts  geneigt  sind  die  Fruchte  von  Jf.  ^ra- 
ehffpus^  vühMj  htrsuta,  Berteroi;  entschieden  und  constant  ab- 
wärts geneigt  und  zwar  in  Verbindung  mit  sehr  langer  Raphe 
bei  M.  pubeecene  and  giftunoearpa^  mit  sehr  kurzer  Raphe  bei  M. 
dietorta*  Die  in  der  Länge  der  Raphe  mit  M,  gymnocarpa  überein- 
stimmende M^  Nubiea  schwankt  zwischen  der  horizontalen  nnd  ab- 
wärts geneigten  Richtung  der  Frucht. 

Die  Oestaltverschiedenheiten,  in  welchen  die  Sporenfrucht  der 
Marsilien  auftritt,  bewegen  sich  in  ziemlich  engen  Grenzen,  nnd 
die  für  die  Arten  characteristischen  Verschiedenheiten  sind  in  den 
meisten  Fällen  durch  Beschreibung  schwer  zu  klarer  Anschauung 
zu  bringen.  Nur  einige  Hauptpunkte  will  ich  hervoriieben.  Bei 
einer  einzigen  Art  {M.  polycarpa)  ist  die  Frucht,  wie  bei  den  Pi- 
lularien,  fast  kugelfSrmig,  so  dafs  die  verschiedenen  Seiten  gleich- 
mäßig in  einander  übergehen.  Bei  der  grofsen  Mehrzahl  der  Ar- 
ten ist  die  Frucht  stärker  oder  schwächer  von  der  Seite  zusam- 
mengedruckt, 80  dafs  Rficken-  und  Bauchseite  als  meist  abgemn- 
dete  Kanten  deutlich  hervortreten.  Die  Rückenkante  ist  bei  den 
meisten  Arten  geradlinig  und  biegt  sich  erst  gegen  die  Spitze  hin 
abwärts,  um  sich  mit  der  in  ihrer  ganzen  Längserstreckung  nach 
aufsen  gewölbten  Bauchkantc  zu  vereinigen,  wodurch  die  Fruchn 
wenn  sie  etwas  in  die  Länge  gezogen  ist,  eine  schief  oder  halb- 
ciformige  Gestalt  erhält  (if.  diffusa  und  die  verwandten  Arten. 
M,  Drummondii,  Capensis  etc.);  seltener  ist  die  Rückenkante 
sattelartig  eingebogen  (M,  Aegyptiaca,  exarata^  in  geringerem  Grade 
mitunter  auch  bei  M,  hirsuta  und  macrä);  oder  sie  ist  fast  ebenso 
stark  nach  aufsen  gebogen  wie  die  Bauchkante,  wodurch  die  Form 


vorn  IL  August  1870.  G99 

der  Frucht  breit  elliptisch  wird  (if.  mueronata  nebst  Verwandten, 
annSherungsweise  M,  Emesti  und  salvatrix).  Kommen  sich  Rucken- 
und  Banchkante  mit  einer  plötzlicheren  Biegung  entgegen,  so  daÜB 
die  Spitze  der  Frucht  abgestutzt  erscheint,  so  kann  man  eine  beide 
verbindende  Stirnkante  unterscheiden  (if.  Äegyptiaca,  quadrata). 
Der  Grad  der  Zusammendrückung  der  Frucht  ist  sehr  verschieden, 
daher  die  Seitenflfichen  bald  stark  bauchig,  bald  flacher  gewölbt. 
Am  stfirksten  ist  die  Wölbung  bei  M,  muHca^  welche  sich  hierin 
nahe  an  M.  polycarpa  anschliefst;  zu  den  besonders  dickfruchtigen 
Arten  gehören  ferner  M,  Em$8ti,  distorta^  biloba;  zu  den  Arten 
mit  mfifsig  zusammengedrückter  Frucht  M.  quadrifoliata^  dUfftua, 
Drumnumdii  etc.;  mit  stark  zusammengedrückter  M,  hirsuta,  villosay 
quadrata.  Zuweilen  ist  die  eine  Seitenflfiche  (bei  der  seitiliehen 
NiederleguDg  der  Frucht  die  obere)  stärker  gewölbt  als  die  andere. 
So  in  ausgezeichneter  Weise  bei  M.  pubescms^  weniger  best&ndig 
bei  M.  braehypuB  und  villosa.  BeschrAnkt  sich  die  Wölbung  der  Sei* 
tenwfinde  auf  die  mittlere  Region,  so  dafs  zwischen  ihr  und  dem 
Rande  eine  schwache  Depression  eintritt,  so  erscheint  die  Frucht 
berandet  (M.  erosa,  braehycarpa,  gibbüy  Coromandelianay  stibterranea)» 
Bei  einer  einzigen  Art  (M.  Äegypttaea)  kommt  eine  querlaufende 
(vom  Rücken  nach  der  Bauchkante  hin  sich  erstreckende)  Ein- 
dracknng  inmitten  der  Seitenwand  vor,  so  dafs  ein  horizontaler 
Längsschnitt  der  Frucht  geigenfÖrmig  erscheint.  Bei  Af.  subangu* 
lata  und  deflexa  ist  die  Seitenwand  von  einer  der  Rückenkante 
näher  als  der  Bauchkante  liegenden  stumpfen  LSngskante  durch- 
zogen. Da  bei  diesen  beiden  Arten  die  Bauchseite  abgeflacht  und 
die  Bauchfl&che  gleichfalls  jederseits  von  einer  Kante  begrenzt  ist, 
erscheint  die  Frucht  derselben  fanfkantig  (im  Querschnitt  ungleich* 
zeitig  fünfeckig).  Eine  abgeflachte  Bauch-  und  Rückenkante  zeigt 
M.  gymnocarpa*y  eine  breit  abgeflachte  und  in  der  Mitte  in  senk- 
rechter Richtung  thalartig  eingedrückte  Stirnkante  zeichnet  AT. 
Aegyptiaea  aus.  Ähnlich  verhält  sich  nur  noch  M,  qttadratOy  doch 
iflt  die  Fläche  der  Stirnkante  viel  schmäler  und  sehr  schwach  aus« 
gefurcht.  Eine  der  Länge  nach  rinnenartig  ausgefurchte  Bauch-i 
kante  zeigt  M,  exarata)  in  schwächerem  Grade  M.  angusti/öliaj 
macra  und  elata. 

Was  die  Gröfse  der  Frucht  betrifft,  so  ist  zu  bemerken,  dafs 
sie  bei  manchen  Arten  ziemlich  constant,    bei  anderen,    besonders 
den  grofsfrucbtigen,    bedeutenden  Schwankungen  unterworfen  ist; 
[1870]  48 


700  OesammUitzung 

sie  hftt  daher  bei  der  Unterscheidung  der  Arten  einen  nnte^eord- 
Werth.  Ich  begnüge  mich  die  £xtreme  und  einige  wenige  Mittd- 
glieder  ansufOhren«  Die  kleinfmchtigeten  Arten  sind  JKf.  Burekeiki 
mit  1^ — l|>Mm.  Lftnge  der  Frucht  und  gleicher  Breite;  JL  mm- 
eoidei  mit  l^^ — 2  Mm.  L&nge  und  fast  gleicher  Breite;  M,  broekf- 
earpa  mit  2  Mm.  Länge  nnd  gleiche  Breite;  M.  polycarpa  L.  2— 
2^,  B.  2—2^;  M.  Äegypiiaea  L.  2— 2|,  B.  ebenso;  M.  triekopoda 
L.  2—8,  B.  2;  If.  ermulata  L.  2^—3,  B.  2;  M,  Uloba  und  «vi- 
angulata  L.  3,  B.  2^^;  M»  quadrata  L.  3/B.  ebenso.  Mittelgroräe 
Früchte  besitzen  s.  B.  M.  pt^escens  mit  I/.  4 — 5^,  B.  3  j^  -Ij,  if. 
maera  L«  4^^ — 5  (an  cultivirten  Ex.  auweilen  bis  6),  B.  3^ — 4; 
M.  quadfifoliata  L.  5 — 6»  B.  3^ — 4.  Als  grofsfruchtig  können  be- 
reits gelten  M,  maeroearpa  L.  5^ — 6^,  B.  3^ — 4;  AT.  EmeMii  L. 
6^—7^,  B.  4^— H;  M.  maorojm  L.  7—8,  B.  5.  Die  bedeo- 
tenste  Oröfse  der  Früchte  erreichen  einige  aastralische  Arten,  na- 
mentlich im  coItiTirten  Zustande,  $o  namentlich  M.  Drmwtmamdn 
(arientalü)  J^  6  —  9,  B.  4  —  5;  M.  taivatrix  L.  7—10,  B.  5—6, 
Die  längsten  Früchte  sah  ich  bei  M.  tlata^  .welche  zugleich  in  Be- 
aiehung  auf  die  Grobe  der  Frucht  die  veränderlichste  aller  Arteo 
ist  Unter  den  Ton  M^  Kinlay  gesammelten  Früchten  finden  sich 
solche  von  4  bis  zu  9  Mm.  Länge  und  4 — 5  Mm.  Breite,  an  der 
cultivirten  Pflanze  zeigen  sie  7 — 10  L.  nnd  5  —  6  B.,  ich  fand 
aber  auch  einige,  welche  bis  12  Mm.  lang  waren. 

Mit  der  Oröfse  und  besonders  mit  der  Länge  der  Frucht  hängt 
die  Zahl  der  streifenartig  verlängerten  Häufchen  der  Sporenhebil- 
ter  (Sori)  zusammen,  welche  sich,  quer  über  die  Seitenwände  ver- 
laufend, an  der  inneren  Wand  der  Frucht  befinden.  Zuweil^i  kann 
man  ihre  Zahl  schon  an  den  äufserlich  sichtbaren,  schwach  exha- 
benen  Querrippen  der  Seitenwäode  errathen,  wie  z.  B.  bei  Af,  €ro$&, 
Coranumdelianüy  elata^  während  bei  anderen  Arten  äufserlich  keine 
Spur  solcher  Rippen  oder  Schwielen  wahrnehmbar  ist  Die  Artok 
mit  kleineren  Früchten  haben  im  Allgemeinen  auch  eine  geringere 
Zahl  der  Sori,  doch  stimmen  beide  Verhältnisse  nicht  genau  xa- 
sammen,  wie  die  Beispiele  zeigen  werden.  Jederseits  2 — 3,  alto 
im  Ganzen  4,  5  oder  6  Sori  besitzen  M.  mutcaides^  A/igyptiaeai 
jederseits  3  fand  ich  bei  M.  brachycarpa  und  polycarpa;  3  —  4  hei 
M.BurchelUi^  irkhopoda^  bHoba,  Nubiea^  quadrata^  pubtscem^;  4 — 5 
bei  AT.  iubangulata,  gibba^  Coromandeliana  (auch  bis  6),  crenuidita 
(ebenso);  5 — 6  if.  CapmeiSy  hirsuUiy  erosUf  diffuta^  muHea;    6 — T 


I 


vom  iL  August  1870.  701 


M*  braehypua,  maera^  äeftexa,  distorta^  7 — 8  if.  macroearpa.  Mit 
der  Oröfse  der  Zahl  wird  auch  die  Verftnderlichkeit  gröfser;  ich 
fand  7—9  bei  M.  quadrifoliata^  EmMi,  vestita;  6—10  bei  M. 
Drummandn  ((mentalis)  •f  8—12  bei  M.  salvatna;  7  — 12  bei  if. 
slata;  9 — 12  bei  M,  iinctnate. 

Die  Zahl  der  Macroaporen,  welche  in  einer  Frucht  enthalten 
sind,  hängt  theils  von  der  Zahl  der  Sori  ab,  theils  von  der  Zahl  der 
Macrosporangien  eines  Sorus,  welche  letztere  auweilen  bis  auf  1-^2 
herabsinkt  (if.  hirsuta).  Es  stehen  mir  nur  wenige  Zählungun  zn 
Gebot.  Ich  zfihlte  in  einer  Frucht  von  M.  museaides  12,  von  M.  bro' 
chycarpa  13,  bei  M.  hirsuta  (in  11  HSufchen)  13,  bei  M,  polycarpa 
(in  6  Häufchen)  12—14,  M.  deflexa  40,  M.  mutica  55  —  60,  M. 
Coramandeliana  56  —  60,  M.  pubescens  60  —  90,  M.  slata  61  —  76, 
M.  Drummondii  70  —  146,  M.  Emesti  280. 

Bei  Paularia  beträgt  die  Zahl  der  Sori  2  (P.  minuta),  3  (P. 
Americana)  oder  4  (P.  globuli/era^  Mendonij  Novae  ffollandiae);  die 
Zahl  der  Macrosporen  2  (P.  mtnuto),  39  (P.  Americana^  nach  einer 
einzigen  Zählung),  zwischen  50  und  100  (P.  globuli/era%  über  100 
bei  P.  Novae  HoUandiae. 

Wichtiger  als  die  Zahl  der  Sori  ist  die  Beschaffenheit  des  Ner- 
vengernstes, von  welchem  dieselben  getragen  werden.  Nicht  nur 
sind  die  beiden  Gattungen  Pilularia  und  Marsilia  in  der  Verthei- 
lung  der  Nerven  der  Frucht  bedeutend  verschieden,  auch  die  Mar- 
silien  selbst  zeigen  unter  sich  Verschiedenheiten,  welche  für  die 
Bildung  zweier  Sektionen  Anhalt  geben,  die  nach  den  von  Presl 
und  F^e  bei  den  Famen  beobachteten  Grundsätzen  auf  den  Werth 
von  Gattungen  Anspruch  machen  könnten.  Bei  Marsilia  tritt  ein 
einziges ,  wie  im  Stiel  des  Blattes  2  GefäTsstränge  umscbliefsendes 
Bündel  aus  dem  Stiel  in  den  Rücken  der  Frucht  ein,  wo  es  in  der 
weicheren  Parenchymsehicht  innerhalb  der  harten  Sehaale  dem 
Rücken  entlang  sich  hinzieht  und  beiderseits  einfach  gabelig  ^) 
sich  theilende,  an  den  Seitenwänden  der  Frucht  herabsteigende 
Zweige  abgiebt,  um  sich  endlich  im  letzten  Drittheil  oder  Yiertheil 
der  Frucht  in  2  Schenkel  zu  theilen,  welche  nach  Abgabe  einiger 
weiterer  Zweige  auf  ihrer  Aufsenseite  zuletzt  selbst  zunächst  der 
Spitze  Seitenzweigen  ähnlich  an  der  Wand  der  Frucht  herablau- 


>}    Nur  der  erste  Seitenzweig  ist  mitunter  zweimal  gegabelt. 

48» 


702  GeiammttiUmg 

fea.  Die  Zweige  erreichen  die  Bunclikante,  jedo«b  ohne  sicli  du 
deDen  der  entgegengesetzten  Seite  sn  verlnnden.  Bei  der  MdinaU 
der  Arten  bilden  die  Seitennerren  in  ihiem  VerUnf  ketoe  An*- 
Stomosen;  erst  dicht  an  der  Bsnchkante  Terbinden  sich  gcwühn- 
lich  die  Schenkel  der  angrenzenden  Oabeltheile,  wie  die  beifolgen- 
den Figuren  l)  2  und  3  zeigen,  welche  die  Seitenwand  der  FracLi 


von  M.  Burehellii  (1),  Aeg^tiaea  (2)  und  gvadr^oHaia  (3)  ron 
der  Innenseite  darstellen.  Die  Zahl  der  Nerven,  welche  ma  der 
Seitenwand  herablaufen,  ist,  wie  die  Figuren  zeigen,  nach  6tn 
Arten  verschieden,  aber  ancb,  ebenso  wie  die  Zahl  der  Sori,  inner- 
halb gewisser  Grenzen  verSnderlich.  Sie  ist  Stets  grfifser  al« 
die  der  Sori,  da  die  Sufeersten  Nerven,  sowohl  am  hinteren  als 
vorderen  E^nde,  keine  SoH  tragen.  Die  Lage  der  Sori,  welch«  auf 
nach  innen  vorragenden,  Busschlterslich  aus  lang^slreckten  Paren- 
chymzellen  gebildeten,  zwischen  den  Schenkeln  der  gabeltbefligpo 
Nerven  entspringenden  PlacentarstrAngen  siti»],  ist  bei  Fig.  4  an- 
gedeutet. 


vom  iL  August  1870, 


703 


Fig.  4  zeigt  die  Nervatur  der  ganzen  Frucht  von  M,  diffusa 
Im  ausgebreiteten  Zustande,  die  im  Wesentlichen  mit  der  der  vori- 
gen Arten  übereinstimmt. 

Ein  anderes  Verbalten  zeigt  dagegen  die  Nervatur  der  in  Fig.  5, 
6  n.  7  dargestellten  Fruchte  von  M.  polycarpOy  suhangulaia  und 
defiexa^  denen  sich  aufserdem  noch  M.  subterranea  anschliefst. 


704  OesammUitzung 

Die  Oabeltheile  je  xweier  benachbarter  Seitennenren  verbiDden 
sich  hier  sofort  nach  ihrem  Ursprung,    so  dafs  eine   der  Rücken- 
linie  parallele  Kette   von  Anastomosen  etwas  über  der  Mitte  der 
Seitenwand  gebildet  wird.     Von  jedem  der  so  gebildeten  YerbiD- 
dangsbögen  entspringt  ein  einziger  Nerv,   der  sich  geradlinig  nach 
dem  Banchrande  hin  fortsetzt,  daselbst  einfach  verlöschend  (Fig.  5), 
oder  mit  den  benachbarten  sich  verbindend  nnd  eine  zweite  Kette 
von  Anastomosen  bildend  (Fig.  6.  7).     Es  werden  auf  diese  Weise 
zwei  Reihen   mit   einander  abwechselnder  Maschen  gebildet,   von 
denen  die  der  unteren  Reihe  die  Sori   aufnehmen,    deren  Lage  in 
Fig.  5  und  6  angedeutet  ist.     Die  3  zuerst  genannten  Arten,  denen 
eine   solche  Nervatur    der   Frucht   zukommt,  erweisen    sich  auch 
durch    ihre  sonstigen  Eigenthümlichkeiten,    die  starke  Anskielong 
des    Blattstiels,    die    hohe  Insertion    der  Früchte,    welche    weder 
Rapbe  noch  Z&hne  besitzen,  als  Glieder  einer  besonderen^  schaif- 
abgegrenzten  Gruppe;    selbst    die   auf  das   wärmere  Amerika  be- 
schränkte geographische  Verbreitung')    deutet    auf  die  nahe  Stam- 
mesverwandtschaft  derselben  hin.     Nur  eine  Art  scheint  störend  in 
die  scharfe  Sonderung  der  beiden  durch  die  Nervatur  bezeichneten 
Sectionen  einzugreifen,  nämlich  die  vierte  der  oben  genannten,  die 
senegambische  M.  stibterranea,  welche  denen  von  M.  polyetarpa  ähn- 
liche Anastomosen  zu  besitzen  scheint^  während  sie  in  ihren  übrigen 
Merkmalen   sich  an   die  Arten  mit  getrennten  Nerven  der  Frucht 
anschliefst. 

Die  Nervatur  der  Frucht  von  Pilularia  weicht  von  der  der 
Marsilienfrucht  dadurch  wesentlich  ab,  dafs  das  in  die  Frucht  ein- 
tretende Bündel  sich  sofort  in  zwei  Theile  spaltet.  Die  weiteren 
Theilungen  der  Nerven,  sowie  die  Lage  der  Sori  sind  ans  den 
beifolgenden  Figuren  ersichtlich,  von  denen  1  und  3  nach  Aufnah- 
men von  P.  minula  und  glohuHfera  entworfen  sind,  während  Fig.  3 
auf  dem  Versuche  beruht,  eine  zwischen  beiden  anderen  liegende 
Mittelstufe  zu  construiren,  wie  sie  durch  die  Zahl  der  Sori  und 
Klappen  der  Frucht  für  P,  Ämericana  gefordert  ist  Die  Figuren 
sind  so  gestellt,  dafs  sie  die  Oberseite  der  Axe,  die  Unterseit«? 
dem  Blatt  zuwenden.  Der  selbst  wieder  aus  punktförmigen  Häuf- 
chen zusammengesetzte  linienformige  Sorus  liegt  hier  nicht  wie  bei 


1)    Einen  seltsamen  Absprung  in  dei  Verbreitung  von  J/.  poiycarpa  asf- 
genommen  (S.  656,  669). 


vom  iL  August  1870. 


705 


Manilia  in  einer  Oabeltheilang,    sondern  über  einem  ungetheilten 
Nerven. 

Die  Nervatur  der  Marsilienfracht  hat  ungeachtet  aller  Yer- 
Bchiedenheit  eine  unverkennbare  Ähnlichkeit  mit  der  des  Marsilien- 
blatts,  zumal  wenn  man  sich  den  abnormen  Fall  der  Verlängerung 
desselben  bei  der  Bildung  dreier  Fiederpaare  (S.  685)  vergegen- 
wärtigt Die  Frage  nach  der  morphologischen  Bedeutung  der 
Sporenfrucht  der  Marsiliaceen,  zunächst  der  Gattung  Marsilia  selbt, 
hat  daher  hier  ihren  naturlichen  Anknüpfungspunkt.  Der  gleich- 
sam zusammengeklappte  Verlauf  der  Nerven  derselben,  das  Anein- 
anderliegen  der  beiden  Seitenwände  mit  ihren  von  Indusien  um- 
hGllteo,  auf  Samenleisten-ähnlichen  Vorragungen  stehenden  Sporan- 
gienbäufchcn  erinnert  an  die  Aneinanderleguhg  der  Blättchen  der 
Laubspreite  im  Jugendzustand  und  erweckt  den  Gedanken,  die 
Marsiliafrucht  als  ein  der  Länge  nach  zusammengefaltetes,  mit  den 
Rändern  verwachsenes,  auf  der  eingeschlossenen  Oberfläche  die 
Sporangien  tragendes  Blattgebilde,  einem  geschlossenen  Fruchtblatt 
(z.B.  einer  Hülse)  vergleichbar,  zu  betrachten.')     Allein  die  Ent- 


*)  Nach  Endlicher  (Genen  p1.  p.  68)  soll  die  Frucht  fon  Martilia  ans 
2,  die  von  Ftiulearia  ans  4  Frachtblittem  bestehen»  Im  Character  der  Fa- 
milie sagt  er:    „Sporocarpia  .  .  .  nunc  e  carpylii«   dnobns  (in  follatis)  nnnc 


706  GeiammUiizung 

wicklangsgeficbichte  verbietet  eine  solche   Auffassung.      Nach  den  I 
Untersuchungen  von  Mettenius^)   ist  die  Frucht  der  Marsilieo  bei 
ihrer  Entstehung  weder  geöffnet   noch  hohl   im  Innern,    sondern 
tritt  am  jugendlichen  Blattstiel  als  ein  dichtes,    aus  einer  paren- 
chjmatischen  Mafse  bestehendes  Höckerchen  herror,  in  welches  ein 
Zweig  des  Blattstielbündels  eintritt,    und  in  dessen  Innerem  alle 
später  auftretenden  Gebilde  sich  entwickeln.     Nichts  desto  weniger 
werden  wir,  bei  der  Yerwandsehaft  der  Marsiliaceen  mit  den  Fu^ 
nen,   den  Gedanken  nicht  so  leicht  aufgeben,  die  Sporenfracht  der- 
selben für  ein  Blattgebilde,   und  zwar  nach  ihrer  bei  Marnlia  un- 
zweifelhaften Stellung  am  Rande   des  Blattstiels,    für  ein   Fieder- 
bl&ttchen  zu  halten,  während  bei  Pihdaria  vielleicht  eine  Theilang 
des  Blattes   in  einen   vorderen  und  hinteren  Theil,    nach  der  Art 
von  Ophioglossum  vulgatum*)    und  Botryehium^    anzunehmen  sein 
durfte.     Die  Sporenfrucht  von  Marsilia  hat,  wie  ich  gezeigt  habe, 
selbst  in  dem  Falle,    wo  man  es  äufserlich  kaum  wahrnimmt  (IT. 
polycarpa)y    eine  entschiedene  Rücken-  und  Bauchseite,    und  nach 
der  Nervatur  mochte  ich  dasselbe  von  Pilularia  glauben.      Ist  nun 
die  .Bauchnaht  nicht  die  Verbindung  der  zusammengelegten  Rändor 
eines  ursprünglich  offenen  Blattgebildes,  also  keine  Naht  im  eigent- 
lichen Sinne,    so  kann  sie  doch  betrachtet  werden  als  die  Verbin- 
düng  der  Ränder  eines  von   der  ersten  Bildung  her  geschlossenen 
Blattheiles,    d.  h.  eines   solchen,    dessen  Unterflache   sich  in  dem 
Mafse  entwickelt,    dafs  die  Oberfläche   gänzlich  verschwindet  oad 
potentialiter  ins  Innere  aufgenommen  wird,  wie  wir  es  an  zahlrei- 
chen auf  der  Oberseite  mit  einer  Kante  versehenen  (oder  auch  stiel- 
rundcn)  Blattstielen  phanerogamischer  Pflanzen   verfolgen  konnec 
namentlich  in  solchen  Fällen  (Umbelliferen,  Aroideen),  wo  der  Sdt! 
aus    einer  Scheide  hervorgeht,    deren   Ränder  in   die  Bauchkante 
desselben  zusammenlaufen,    und   eine  Spreite  trägt,    deren  Randtr 
aus  derselben  Bauchkante  wieder  hervortreten.     Dafs  die  Oberfläche 


(in  aphyllis)  e  carpldüs  quatuor  conflata,    maigiDibas  introflexis  disaepim^s'« 
coustitaentibufl  bi-?el  quadrilocularia. " 

0  Beiträge  zur  Kenntnirs  der  Rhizocarpeen  (1846)  S.  23,  Tal  Q 
Fig.  61—66. 

')  Ich  nenne  mit  Absicht  eine  bestimmte  Art,  da  in  derselben  Gattong  %^ä 
der  andere  Fall,  Bildung  der  sogenannten  Ähren  aus  Randlappen  des  Blafft 
vorkommt  {Ophioglouum  pcUmqtum), 


vom  iL  Ättgust  1870.  707 

des  Blattes  bei  solchen  Stielen  eigentlich  im  Innern  verborgen  ist, 
zeigt  sich  an  der  Art,  wie  schildförmige  Blattspreiten  aas  densel- 
ben hervortreten.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  dürfte 
auch  die  Bildung  der  Sporangien  im  Innern  des  Gewebes,  für  die 
es  unter  den  blattbildenden  Pflanzen  kein  Analogon')  giebt,  weni- 
ger auiserordentlich  erscheinen.  Die  einseitige  Stellung  der  Fructi- 
ficationsfiedem  (Sporocarpien)  am  Blattstiel  yon  Marsilia  durfte 
keinen  Anstofs  erregen,  da  ungleichseitige  Ausbildung  bei  zweizei- 
ligen Bl&ttem  horizontalwachsender  Stengel')  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung ist,  aber  räthselhaft  ist  der  Umstand,  dafs  an  den  steri- 
len Blfittem  keine  Spur  von  entsprechenden  Gebilden  gefun- 
den wird.  Auffallend  ist  ferner  die  Angabe  von  Mettenius^ 
dafs  die  Sporenfrüchte  bei  ihrem  ersten  Auftreten  die  Epider- 
mis des  Blattstiels  durchbrechen.  Eine  wiederholte  Verfolgung 
der  Entwicklungsgeschichte  derselben  wird  hoffentlich  über  die- 
sen und  andere  dunkle  Punkte  in  der  Folge  mehr  Licht  ver- 
breiten. Auf  Mifsbildungen,  welche  Aufschlufs  über  die  Natur  des 
Sporocarpiums  geben  könnten,  habe  ich  fortwährend  geachtet,  aber 
das  bisher  Gefundene  ist  von  geringem  Belang  und  beschränkt  sich 
auf  drei  bei  üf.  Drummondii  vorgekommene  Fälle,  nämlich  1)  eine 
im  obersten  Dritttheil  getheilte,  in  zwei  nebeneinanderliegende 
Spitzen  auslaufende  Frucht;  2)  eine  bis  zum  Grunde  getheilte,  so 
dafs  zwei  divergirende  Früchte  auf  der  Spitze  desselben  Stiels 
standen ;  3)  einen  Fruchtstiel ,  welcher  an  der  Stelle  der  Frucht 
eine  schmal-lanzetf5rmige ,  flache,  von  einem  einfachen  Nerven 
durchzogene  Spreite  trug. 


^)  Selbst  bei  der  den  Marsiliaceen  nächstrerwandten  Gattong  ScUtnnia 
bilden  sich  die  Sporangien  ursprünglich  nicht  im  Innern,  indem  das  Sporo- 
carpiam  nach  der  Darstellong  von  Grifßth,  der  auch  Mettenius  sich  anschliefst 
(Beiträge  etc.  p.  55)  sich  nach  Art  eines  Ovulnms  entwickelt,  aas  dessen  Kern 
die  Sporangien  henrorsprossen,  ehe  das  Integament  sich  völlig  geschlossen  hat. 

')  Wobei  bald  die  obere  Seite  bevorzugt  ist  (Ficus  stipulacea,  Hama- 
meliii),  bald  die  untere  {XJlmua,  Ceitis,  Monster a^  Dicoryphe,  Vicia  dumetorum, 
bei  den  letztgenannten  die  untere  Stipula  gröHser).  Am  merkwürdigsten  in 
dieser  Beziehung  sind  die  einseitig  gefiederten  Blätter  von  Hosackia  subpin- 
nata  und  Anthyllia  tetraphylla,  welche  an  der  nach  oben  gewendeten  Seite 
2 — 3  gröbere,  an  der  nach  unten  gewendeten  nur  ein  kleineres  Fiederblatt- 
chen haben. 


708  OesammUitzung 

Ohne  auf  den  anatomischen  Bau  der  Sporoearpien  veiCer  dfr 
sngehen,  hebe  ich  einige  Eigenthumlichkeiten  der  Haut,  ^reiche  die 
harte  Schale  der  Frucht  fibersieht ,  hervor,  weil  sie  sich  bei  der 
Charakterisirung  der  Arten  verwerthen  lassen.  Nach  Entfernafii 
der  Haare  ceigt  die  Oberflfiche  der  Furcht  ein  mehr  oder  minder 
rauhes  und  punktirtes  Ansehen.  Viele  Arten  lassen  schon  mit  der 
Luppe  unter  den  kleineren,  kaum  unterscheidbaren  Punkten  grS«- 
sere  umwallte  Punkte,  gleichsam  kleine  Krater,  unterseheiden,  die 
sich  besonders  leicht  erkennen  lassen,  wenn  die  Haut  der  Frncbt 
eine  hellere,  braungelbe  oder  graubraune  Farbe  hat,  in  welchem  Falk 
sich  die  erw&hnten  Punkte  durch  dunkler  braune,  cuweilenpurpnrrotlie 
oder  fast  schwarze  Farbe  hervorheben.  Weniger  auffallend  sind  sie  bd 
dunkelbrauner  Färbung  der  Frucht  und  bei  manchen  Arten  sifid 
sie  mit  der  Luppe  überhaupt  nicht  unterscheidbar.  Diese  Pmü^t^ 
seigen  die  Stelle  der  Lnftspidten  an,  welche  der  Luft  vennittdst 
eines  die  doppelte  Schicht  des  dichten  Pallisadengewebes  der  har- 
ten Schale  durchsiehenden  Eanales  Zutritt  in  das  innere  Gewebe 
der  Frucht  gestatten.  Sie  fehlen  bei  keiner  Art,  wenn  sie  wä 
nicht  bei  allen  Arten  gleich  h&ufig  sind.  Selbst  die  Arten  mit  on- 
terirdischen  Frachten,  sowohl  der  Gattung  Manilia^  als  der  Gat- 
tung Pilularia^  besitsen  diese  Yorrichtong. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Haut  seigt  eine  einfache 
Lage  polygonaler  HautzeUen,  kleiner  als  die  der  BlStter  und  ohne 
Buchtung,  bei  völlig  reifen  Früchten  ohne  bemerkbaren  Inhalt,  farb- 
los oder  gelblich  gefSrbt,  mit  einer '  Guticula  überxogen,  die  bei 
reifen  Fruchten  oft  braun  wird.  Nur  an  der  Basis  der  Frucht, 
über  der  Raphe  und  in  der  Gegend  des  oberen  Zahns,  wird  die 
Haut  mehrschichtig.  Dieser  obere  Zahn  selbst  ist  grofsentheils  darcb 
eine  wuchernde  Erhebung  des  Hautzellengewebes  gebildet  ZviscbeD 
den  Hautzellen  zerstreut  sieht  man  dreierlei  verschiedene  Bildungen« 
bei  verschiedeneu  Arten  in  verschiedenem  Verh&ltnifs  gemischt: 

1.  Kleinere,  von  oben  gesehen  kreisrunde  Zellen  von  goH- 
brauner  oder  rothbrauner  Farbe.  Im  L&ngsschnitt  sieht  mao 
sie  nach  unten  zu  breiter  sind  und  oft  mit  gewölbter  Basis 
unten  vorragen,  wfihrend  sie  nach  oben  meist  nur  die  halbe  Höhe  der 
Hautzellen  erreichen«  Es  sind  dies  die  Träger  oder  Ansatxzel* 
len  der  Haare. 

2.  Meist  gelblich  gefärbte,  längliche  Zellpaare,  welche  sich  is 
keiner  Weise  von  den  Schliefszellenpaaren  gewohnlicher  LofUpiI* 


vom  iL  August  1870.  709 

ten  unterscheiden,  aber  keine  oder  nur  eine  aehr  kleine,  linsen- 
förmige Lafthoble  anter  sich  haben.  Ich  will  sie  als  kleine  oder 
blinde  Laftspalten  (Microstomata)  bezeichnen.  Sielassen  sich 
besonders  deutlich  von  der  Unterseite  der  abgesogenen  Haut  er- 
kennen, da  sie  von  den  angrenzenden  Hautzellen  tbeilweise  aber* 
wölbt  sind.  Sie  sind  stets  in  weit  grofserer  Zahl  vorhanden  als 
die  folgenden  grotsen  Stomata,  oft  aach  in  grofserer  Zahl  als  die 
Ansatzzellen  der  Haare. 

3.  Die  grofsen  Luflspalten  oder  Ringspalten  (Macrostomata), 
die,  wie  oben  erw&bnt  wurde,  schon  mit  unbewaffnetem  Auge  oder 
mit  der  Luppe  sichtbar  sind,  liegen  noch  tiefer  als  die  kleinen  und 
sind  von  einem  den  Ifinglichen  Yorhof  bildenden  Kreise  zahlrei- 
cherer (8 — 10,  während  es  bei  den  vorigen  meist  nur  4  sind)  stark 
gewölbter  und  gefärbter  (gelb-  oder  rothbrauner)  Hautzellen  oder 
selbst  von  mehreren  Kreisen  solcher  Zellen  umgeben. 

Besonders  deutlich  und  schon  bei  geringer  Yergröfserung  sicht- 
bar sind  die  Bingspalten  bei  M.  unctnate,  mucranata  und  vesHta  (pur- 
purroth  auf  hellbrauner  Wand),  M.  maerocctrpa  (sehr  zahlreich  und 
dicht  aneinandergedrängt),  mUosa,  anguBtifolia  (purpurschwarz  auf 
hellbraunem  Grund),  exarata,  hirsuta^  gibbuy  Caromandeliana^  Drum" 
mondii  (gegen  die  Basis  der  Frucht  dichter  gedrängt),  biloba,  Äegyp^ 
tiaca;  wegen  dunkelbrauner  Färbung  der  Frucht  minder  auffallend, 
doch  mit  Bestimmtheit  unterscheidbar,  sind  sie  bei  M.  brachypus 
(schwarz  auf  braunem  Grund),  quadrifoliaia,  diffusa,,  pubescens^ 
Bureheün;  sehr  schwer  zu  erkennen  bei  M»  crenulata^  rotundata\ 
mit  der  Luppe  nicht  zu  erkennen  bei  M.  polycarpa^  subangulata, 
mutica,  Mexicana^  Emesti. 

Nur  2  Arten  sind  bekannt,  deren  Fruchthaut  ein  auffallend 
abweichendes  Verhalten  zeigt,  nänüich  Jf.  gymnocarpa  und  Nvbica. 
Bei  beiden  erscheint  die  Oberfläche  der  reifen  Frucht  glatt  und 
glänzend  schwarz,  bei  M.  Nubica  deutlich,  bei  M.  gymnocarpa  un- 
deutlich mit  sehr  kleinen  Pünktchen  übersäet.  Die  für  das  blofse 
Auge  schwarze  Färbung  hat  ihren  Sitz  in  der  Haut  und  die  ge- 
färbte Schicht  löst  sich  als  eine  zusammenhängende,  etwas  spröde 
Schale  von  der  Frucht  ab,  so  daCs  man  sie  leicht  im  Ganzen  oder 
in  einigen  grofsen  Stacken  abheben  und  dadurch  die  innere,  dickere 
und  härtere,  matt  hellbraune  Schale  entblöfsen  kann.  Die  mikro- 
skopische Untersuchung  zeigt,  dafs  die  sich  ablösende  äufsere 
Schale  nicht  die  ganze  Haut  darstellt,  sondern  nur  von  den  stark 


710  Oesammtsitzung 

verdickten  nach  aafsen  gekehrten  Deckwfinden  and  dem  angres- 1 
zenden,  bis  über  die  halbe  Tiefe  der  Haatzellen  faerablanfenda 
Tbeil  der  Seitenw&nde  gebildet  ist.  Unter  dem  Mikroskop  ersehei- 
nen diese  die  schwarze  Schale  bildenden  verdickten  Waude  dunkel- 
goldbraun  bis  porpurbraun,  vlUirend  die  unteren  Wunde  der  Haut- 
Zellen  9  welche  mit  dem  kleineren  unteren  Theil  der  Seitenwinde 
an  der  Oberfläche  der  Pallisadenschicht  (der  inneren  Schale)  hSat- 
gen  bleiben,  dünn  und  bleich  sind.  Ein  senkrecht  durch  die 
schwarze  Schale  geführter  Schnitt  bietet  ein  Bild,  irelchea  sieb 
mit  dem  Längsschnitt  durch  die  Zähne  des  äufseren  Peristoms 
vieler  Moose')  vergleichen  läfst  Von  der  Fläche  gesehen  zeig« 
die  festverbundenen  W&ide  die  Zellgrenzen  und  Yerdickangsschicli- 
ten  sehr  deutlieh.  Zwischen  den  dunklen  Feldern  (Deckwäodai 
der  Hautzellen)  sieht  man  zahlreiche  zerstreute  helle  Spalten,  wie 
kleine  Fensterchen,  kürzer  als  die  Länge  einer  Zelle,  bei  3f.  Nubie» 
etwa  ^  so  breit  als  lang,  bei  M,  gymnoearpa  so  schmal,  da£s  das 
Licht  nur  hier  und  da  ein  wenig  durchdringt.  Aufser  den  kürze- 
ren Spalten  kommen  in  geringerer  Zahl  längere,  von  zahlreicherem 
(6  —  8)  Zellen  begrenzte  vor.  Diese  Spalten  sind  die  Eingänge  za 
den  kleineren  und  grofseren  Luftdpalten,  deren  Schliefszellen  ao  sehen 
mir  an  der  reifen  Frucht  nicht  gelungen  ist. 

An  das  sonderbare  Verhalten  der  beiden  genannten  zeigen 
manche  andere  Arten  dadurch  eine  gewisse  Annäherung,  dafa  die 
reifen  Früchte  eine  Haut  besitzen,  die  sich  abreiben  läfst.  Dies 
ist  namentlich  bei  den  australischen  Arten  der  Fall,  welche  die 
Nardu-Fruchte  üefem,  die,  von  den  Eingeborenen  gesammelt,  nicht 
blofs  ihrer  Haare  beraubt,  sondern  zum  Theil  auch  durch  Abrei- 
bung der  Haut  geglättet  zu  uns  kommen,  welches  wahrscheinlich 
Folge  absichtlicher  Reibung  und  Schüttelung  ist  Bei  den  wild 
gesammelten  Fruchten')  der  ostlichen  Unterart  von  M,  Drut/mtOH' 
du  ist  es  namentlich  der  obere  Zahn  der  Frucht,  dessen  aus  Haut- 
gewebe gebildeter  Theil  sich  leicht  abschält,  wodurch  ein  niedriger 
glänzend  schwarzer  Höcker  entblöfst  wird.  Auch  PiL  globuUfera 
zeigt  an  alten  Früchten  nach  dem  Aufspringen  eine  deutliche  Ab- 
schälung der  Haut  in  Form  zarter  papierartiger  Fetzen. 


*)    Vcrgl.  Lantzius-Beninga  in  Nov.  act.  nat.  cur.  XXII.  IL  Taf.  59. 
60.  62.  63. 

>)   Die  caltivirten  erreichen  dazu  nicht  die  erforderliche  Reife. 


vom  IL  Augu9t  1870.  711 

]E^dlich  ist  noch  auf  die  Unterschiede  aafmerksam  zu  machen, 
-welche  sich  in  der  Beschafifenbeit  der  Haare  der  Fracht  zeigen. 
Im  Wesentlichen  stimmt  der  Bau  derselben  mit  dem  der  Blatthaare 
überein,  doch  sind  sie  im  Allgemeinen  straffer  nnd  st&rker  geffirbt, 
dabei  oft  kurzer,  in  anderen  Füllen  aber  auch  länger  und  feiner 
auslaufend  als  diejenigen  der  Blfitter  (Ji.  Emesti),  Bei  einigen 
A.rten  sind  sie  sehr  sp&rlich  voriianden  und  hinfällig  {M»  gymno^ 
carpa^  Nubica^  auch  M.  Coromandelianä)^  bei  anderen  reichlicher, 
aber  doch  zur  Zeit  der  Reife  sich  mehr  oder  inreniger  verlierend 
(üf.  quadrifoliatay  diffusa^  crenulatay  erosä)^  oder  endlich  auch  die 
reife  Frucht  mit  einer  dichten  Decke  bekleidend  (if.  hrachypus^ 
villoaa,  hirsuta^  Drummondü  nebst  allen  Verwandten).  Sie  sind  bald 
kürzer  und  dann  gewöhnlich  dicht  anliegend  (Jf.  Caromandeliana, 
hrachypuB,  tmctitafa,  strigosa,  Capensis^  diffusa  etc.),  oder  länger  und 
mehr  oder  weniger  abstehend  (if.  veaiita^  rt7/o<a,  biloba^  brachypus^ 
hirsutüstma^  distarta,  Emesti^  subangulata);  meist  gerade  gestreckt, 
selten  schlaff,  wellig  und  kraus  oder  selbst  zusammengeknittert 
(Af.  deßexGy  muiiea).  Die  Zahl  der  Zellen  wechselt  wie  bei  den 
Haaren  der  Blätter;  am  häufigsten  finden  sich  3 — 5  {M.  diffusay 
crenulatüj  erosa^  Aegyptiaca^  Drummondü)^  selten  weniger  z.  B.  2 — 3 
bei  M,  brachyearpa;  oft  dagegen  mehr  z.  B.  5 — 8  bei  M.  quadri- 
/oliatOj  Coromandeliana^  defiexcu  Die  entwickeltsten  Haare  fand  ich 
bei  M.  macropua  mit  5—10  Zellen.  Bei  den  meisten  Arten  sind 
die  Haare  an  allen  Zellen  mit  kleinen,  entferntstehenden,  seltener  dicht 
zasammengedrängten  Wärzchen  besetzt,  so  z.  B.  bei  M,  diffusa^ 
erenulatOy  erosa^  strigosa,  mcusroearpay  Capensis^  Burehelliiy  tnacroptis^ 
villosaj  Emestiy  Nuhica.  Besonders  stark  entwickelt  sind  diese 
Wärzchen  bei  M,  uncinata^  mucronata^  vesHta,  tenutfolic^  Äegyptiaoa^ 
biloba^  brachyptu^  braehycarpa  und  gibba^  dagegen  sehr  klein  und 
wenig  bemerkbar  bei  M,  pubescens,  Coromandelianaj  muscaideSy  9ub^ 
angulata,  polycarpa.  Bei  einer  Reihe  nahverwandter  australischer 
Arten  beginnt  die  Warzenbildung  erst  mit  der  zweiten  oder  dritten 
Zelle  des  Haars,  während  die  erste  glatt  und  oft  längsstreifig  er- 
scheint So  bei  M.  Drummondü  orientalis^  salvatriXy  elata^  hirsutis^ 
aintOy  mcurOy  Müllerin  so  wie  auch  bei  M,  hirsuia.  Kaum  bemerk- 
bar sind  die  Wärzchen  an  den  oberen  Zellen  von  M,  Drummondü 
occidentalis.  Völlig  glatte  Haare  habe  ich  nur  bei  wenigen  Arten 
gefunden,  unter  welchen  hauptsächlich  solche  mit  unterirdischen 
Fruchten "bemerkenswerth  sind,    nämlich  bei  if,  Mexicana^  mutka^ 


712  Gesammititzung 

distarta,  iubterranea,  dtfluta^   aber  aach  bei  ül  qnadrifi^iiata  and 
anguid/olia. 

Sehr  sonderbar  ist  die  Bildong  der  Fmchtiiaare  bei  PibUark 
gUhuHfera.  Die  erste  flache  Zelle  derselben  sitxt  horizontal  auf 
einer  trichterf5rmigen  Stielzelle  wie  bei  Jkfartfiia,  aber  die  fdgni- 
den  Zellen  haben  eine  Ähnliche  schildfonnige  Befestigung  nnd  liegen 
wie  schief  übereinandeigeschobene  Ifingllche  Blfitter  aufeinander, 
jede  folgende  die  TOraasgehende  überragend.  Die  letzte  geht  in  eine 
langgezogene  Spitze  ans.  Sie  sind  fast  nngefiirbt  und  glatt.  Met- 
ten! os^}  hat  eine  Entwicklangsgeschiehte  dieser  Haare  gegeben, 
welche  einige  Zweifel  Ifiist  and  eine  wiederholte  Beobachtung  wön- 
schenswerth  macht.  P.  Novae  SoUandiae  verhSlt  sich  ungefihr 
ebenso  wie  P.  glohuHfera^  desgleichen  P.  Ameriocma^  aber  die  Bad- 
spitze  des  Haares  der  letztgenannten  ist  durch  gewöhnliche  Qoerwinde 
noch  in  mehrere  Zellen  getheilt.  Bei  P.  minuta  sind  die  Haare 
weit  schffl&ler  als  bei  den  anderen  Arten^  sehr  dünnwandig  und  im 
trockenen  Zustande  vielfach  gefaltet  und  zerknittert.  So  weit  leb 
sehen  konnte,  sind  die  3 — 5  Zellen,  aus  welchen  sie  bestehen,  so 
den  Verbindungsstellen  nur  sehr  wenig,  die  äufsersten  gar  nicbt 
Sbereinander  geschoben. 

Ich  habe  es  unterlassen,  weiter  auf  die  anatomischen  Yerhilt- 
nisse  der  Marsiliaceen  einzugehen,  als  zur  Charakteristik  der  Artea 
nothwendig  war.  Eine  ausführliche  Darstellung  derselben  wird  näch- 
stens von  Dr.  Russow  in  Dorpat  erscheinen,  dem  ich  selbst  eise 
grofse  Zahl  bezuglicher,  mit  Meisterhand  gefertigter  anatomischer 
Pr&parate  verdanke.  Auch  Hm.  Dr.  Magnus  bin  ich  za  grofsem 
Dank  verpflichtet  ftlr  die  HSlfe,  die  er  mir  bei  den  einschlagenden 
Untersuchungen  geleistet  hat. 

Nachstehender  Schlüssel,  den  ich  zur  Bestimmung  der  Arten 
entworfen  habe,  ist  so  eingerichtet,  dafo  die  Arten,  so  weit  es  sich 
erreichen  liefs,  nach  ihren  Verwandtschaften  geordnet  sich  folgen 
Stellt  man  für  jede  Art  das  zusammen,  was  sich  auf  dem  We|^ 
des  Schlfissels  als  ihr  zukommend  ergpebt,  so  hat  man  zngleieL 
eine  möglichst  gedrungene  Diagnose  derselben. 


1}    Beitr.  znr  Kenntn.  der  Rbizocarpeen  S.  29,  Taf.  n.  f.  67. 


1 


vom  iL  August  1870.  713 


/.     Marsilia. 


A..    Seitennerven  der  Frucht  an  der  Theilungsstelle 
anastomosirend  (S.  703,  Fig.  5—7). 

a.  Mehrere  FrQchte  über  der  Basis  des 
Blattstiels  entspringend.  Frucht  ohne 
Raphe  und  ohne  Zähne. 

a.  Frucht  fast  kugelförmig,  ohne  Kanten,  nickend 
auf  seitlich  abstehendem  Stiel. 

t  An  einem  Blattstiel  10—25  Früchte  in  einer 
hoch  über  der  Basis  beginnenden  Reihe.  Sori  3. 

M.  polycarpa. 

ff  Nur  8 — 12  Früchte,  die  Reihe  nahe  am  Grunde 
des  Stiels  beginnend. 

M,  polycarpa  var. 
Mexicana. 

ß.  Frucht  mehr  oder  weniger  verlängert,  stumpf 
5  kantig. 

t  An  einem  Blattstiel  6  —  10  Früchte,  die  Reihe 
nahe  am  Grunde  desselben  beginnend.  Frucht- 
stiel seitlich  abstehend.  Frucht  nickend,  wenig 
verlängert     Sori  5. 

M.  subangulata. 

tt  Nur  2 — 3  Früchte  nahe  am  Grunde.  Frucht- 
stiel abwärts  gebogen.  Frucht  stark  verlängert. 
Sori  6 — 8.     Haare  der  Frucht  glatt. 

M,  defleaa, 

b.  Nur  eine  grundständige  Frucht  mit 
Raphe  und  (schwachen)  Zähnen.  Frucht-^ 
stiel  senkrecht  nach  unten  gebogen,  2  —  3 
mal  so  lang  als  die  zusamniengedrfickte  und 
berandete  Frucht.    Haare  glatt. 

M.  9ubterranea, 


714  Gesammtiiisung  * 

B.    Die  gabeltheiligen  Seiteimerven  der  Frucht  blei- 1 
ben  bis  zum  Bauchrande  getrennt  (S.702Fg.i-3\ 

a.  Mehrere  (2  —  5)  Früchte  theils  nahe, 
theils  ganz  am  Grunde  des  Blattstiels 
entspringend. 

a.  Die  Fruchtstiele  unter  sich  eine  Strecke  weit 
verwachsen  (aufrecht  oder  schief  abstehend). 

f  Fruchtstiele  von    der  Basis    des    Blattstiels 

entfernt,   doppelt  so   lang   als    die   Fracht 

Die  reife  Fracht  kahl,    aweizfihnig.     Haart- 

d.  Fr.  glatt 

Jf.  quadri/oliata. 

ff  Frachtstiele    fast    an   der  Basis,    3 — 4iii&l 

so  lang  als   die   grolse   langhaarige  Frucht. 

deren  oberer  Zahn  nur  schwach  angedeutet  ist 

Haare  d.  Fr.  warzig. 

M.  maeropui. 

ff  f  Fruchtstiele  basilär.    Beide  Zähne  der  Fracht 

sehr  schwach  angedeutet. 

M.  Brownii. 

ß.  Die  Fruchtstiele  unter  sich  frei  oder  am 
Grunde  nur  wenig  zusammenhängend  (auf- 
recht oder  schief  aufsteigend). 

t  Fruchtstiel  kürzer  als  die  Fracht,  etwa  ] 
so  lang.  Oberer  Zahn  länger  ab  der  untere. 
(Haare  der  Fracht  lang  und  abstehend.) 

*  Fracht  mit  sichtbaren  Rippen. 

Jf.  brachyjmi. 

**  Fracht  ohne  sichtbare  Rippen. 

M.  graeilentö, 

ff  Fruchtstiel    gleichlang   oder   länger   als  di^^ 
Fracht.     (Haare  d.  Fr.  anliegend.) 

*  Oberer  Zahn  etwas  länger  als  der  untere. 

1.  Frucht  gerippt  und  berandet.     (Fmchtstid-^ 
oft  etwas  zoBammenbän^nd)  1^ —  l^so  Unf  ^ 

M,   er<we. 


vom  iL  August  1870.  715 

2.  Frucht  nngerippt. 

Fruchtstiel  1  —  1^  so  lang.     Ringspalten 
deutlich  sichtbar. 

M.  comuta. 

Fruchtstiel  1^ — 2 mal  solang.    Ringspal- 
ten undeutlich. 

M.  crenulata. 

**  Beide  Zähne  fast  gleich.  Fracht  angerippt. 

1.  Frucht  länger  als  breit.     Sori  5 — 6. 

Jf.  diffusa. 

2.  Frucht  nicht  länger  als  breit,    sehr  klein. 
Sori  3. 

M.  brachycarpa. 

b.  Nur  eine  Frucht  am  Grunde  des  Blatt- 
stiels. 

a.  Haut  der  Frucht  bleibend  (was  auch  von 
allen  vorausgehenden  gilt). 

f  Blätter   ohne   Sclerenchymzellen    (wie 
bei  allen  vorhergehenden). 

I.     Fracht  mit  2  ziemlich  gleichen  Zähnen. 

1.  Fruchtstiel  kürzer  als  die  Fracht.  Hautzellen 
der  Blätter  ohne  Höcker  (wie  in  allen  Abthei- 
langen,  bei  welchen  nichts  darüber  bemerkt  ist). 

a.  Zähne  der  Fracht  karz  and  stampf.  Fracht- 
stiel i  —  ^  so  lang,  mit  der  Frucht  zur 
Seite  gebogen,  Fracht  etwas  ungleichseitig. 

a)  Haare  länger  und  abstehend,  sehr  fein  warzig. 

M.  pubescens. 
ß)  Haare  kürzer,  anliegend,  stark  warzig. 

M.  strigosa. 

b.  Zähne  der  Frucht  stärker,  Frachtstiel  j — ^ 
so  lang,  aufgerichtet. 

a)  Frucht  dick,  auf  der  Bauchseite  ausgefurcht. 

X  M.  exarata. 

ß)  Frucht  stärker  zusammengedrückt,  ohne  Aus- 
furchung. 

M.  hirsuta, 

2.  Frachtstiel  länger  als  die  Frucht,   meist  mehr 

als  doppelt  so  lang.     Hautzellen    der  Blätter 
mit  Höckern, 
[1870]  49 


716  Getammisitzung 


a.  Frucht  horizontal,  flcin  (4 — 5  Mra.  lang,  | 
Fruchtstiel  2-,  höchstens  3  mal  so  lang, 
a)  Banchseite    der    Frucht    nicht    ansgeliireb 
Hantzellen  nur  auf  der  Oberflache  des  BUni 
höckerig. 

t  Blättchen  ganzrandig,  stark  behaait. 

AT.  Hotoittianü. 
tt  Bl&ttchen  gekerbt,   dicht  seidenhaanf. 

Äf,  serictc. 

ftt  Blattchen    tiefer   gekerbt    oder   eingv- 
Bchnitten,  locker  behaart. 

Jf.   MüIUn. 
P)  Bauchseite    der    Frucht    leicht    aasgefnrrht 
Landblatter  auf  beiden  Flachen  mit  höckeri- 
gen HautzeUen.    (Blättchen  schwach  g^€Tt>t, 

schwach  behaart.) 

Jlf.  macra, 

6.  Frucht  schief  aufsteigend  oder  roUig  auf- 
gerichtet, grofs  (meist  über  5  bis  10  Mm. 
lang). 

a)  Bauchseite  der  Frucht  nicht  aosgefarcht,  ssr 
die  Hautzellen  der  Oberfläehe  des  Blatt? 
höckerig. 

t  Frucht  schwach  geneigt  oder  aufrediL 
oval.     Fruchtstiel  2  mal  so  lang. 

*  Blättchen  ganzrandig,  schwach  be- 
haart. Haare  der  Frucht  anlie- 
gend,  kurz. 

M*  axaloide*. 

**  Blättchen  gekerbt,  stark    behaaxt. 

Haare    der   Frucht  lang    und  ab> 
stehend. 

Af.  hirsutitsima. 

tt  Frucht  stärker  geneigt,  schief  eiförmig, 
auf  straff  aufrechtem  Stiel,  der  2  —  3 
mal  so  lang  ist  als  die  Frucht. 

*  Blättchen  ganzrandig,  stark  be- 
haart, Haare  der  Blätter  warzig. 

M.  Nardm 
(^Drummondit  orientaiü). 

**  BUttchen  gekerbt,    Haare  der  BL 
ohne  Warzen. 

M.  Drummondii  (occidentalisy 

ttt  Frucht    schwach    geneigt,    oval,    asf 
leicht   gekrümmtem   Stiel,    der   3  —  4 


/ 


vom  IL  August  1870.  717 

mal  80  lang  ist.    Blättchen  am  Rande 
gekerbt  und  wellig. 

M.  salvatrix. 

ß)  Bauchseite  der  Frucht  ausgefurcht,  die  Hant- 
zellen beider  Blattflächen  mit  Höckern. 
(Frucht  aufrecht,  Stiel  vielmal  so  lang, 
Blättchen  ganzrandtg  oder  gekerbt,  stark 
behaart.)  ' 

M.  elata. 

II.  Frucht  mit  2  Zähnen,  deren  oberer  Stachel-  oder 
hackenartig  yerlfingert  ist.  (Ringspalten  der  Fracht 
sehr  grofs  und  auffallend.) 

1.  Beide  Zähne  dicht  beisammen,  nur  durch  eine 
spitzwinkelige  Bucht  getrennt.  Fruchtstiel  kür- 
zer als  die  Frucht  (Blättchen  breit  und  ganz- 
randig.  Haare  der  Frucht  dicht,  lang  und  ab- 
stehend.) 

M,  villosa. 

2.  Beide  Zähne  durch  eine  breitere  Bucht  ge- 
trennt. 

o,  Fruchtstiel  kurzer  als  die  Frucht,  höch- 
stens gleich  lang.  (Oberer  Zahn  der 
Frucht  gerade  oder  schwach  gekrümmt) 

t  Blättchen  sehr  schmal,  am  Stinirand 
mit  einigen  Siähnchen.  (Haare  der 
Frucht  angedrQckt.) 

üf.  tenui/olia. 

tt  Blättchen  breiter  und  ganzrandig. 

*  Bl.  schwach   behaart     Haare   der 
Fr.  anliegend. 

M.  mucranaia, 

**  Bl.    stark    behaart       Haare     der 
Fr.  lang  und  abstehend. 

üf.  vestita, 

b,  Fruchtstiel  länger  als  die  Frucht,  1^ — 2 
mal  so  lang.  (Oberer  Zahn  meist  hacken- 
formig  gekrümmt.  Haare  der  Frucht  an- 
liegend.) 

M,  uncinata. 

III.  Nur  der  obere  Zahn  der  Frucht  ausgebildet,  der 
untere  mehr  oder  weniger  verflacht  oder  ganz  feh- 
lend.    (Fruchtstiel  bei  allen  Arten  verlängert) 

49» 


18  Ge9ammt8%tzung 


1.  Hantzellen  der  Blätter  ohne  Höcker.  (Fracb:-  | 
stiel  aufrecht  und  gerade.  Frucht  schief  ml-  ' 
steigend  oder  horizontal.) 

o.  Frucht  stumpf  oder  fast  spitz,    ohne  ver- 
längerten Stimrand,  ohne  Ansfurchnng. 
a)  Der  obere  Zahn  der  Fracht  kurz  und  stompl 
der  untere   nur  wenig  schwächer,    abgerm- 

det '). 

f  Fracht  fast  kreisnind,  fast  honzontal 
Ringspalten  ankenntüch.  Fmefatstie] 
2  —  3  mal  so  lang. 

M.  roiundatß. 

tt  Fracht  länglich ,  schief  ansteigesd. 
Ringspalte  sehr  grob  und  dicht  ge- 
drängt Fmchtstiel  angefähr  2  mal  sp 
lang. 

M,  fnacroearpa. 

ß)  Der  obere  Zahn  schärfer  herrortretend,  der 

nntere  ganz  oder  fist  ganz  Terwischt. 

t  Zahn  korz  kegelfSrmig. 

*  Frocht  länger  als  breit,  gegen  die 
Spitze  schief  abgeschnitten.  (Haar? 
der  Fracht  anliegend.  Blättcbes 
meist   ausgerandet   oder    zweilap- 

Pig)  ^ 

Jf.   Capensii. 

**  Frucht  nicht  länger  als  breit,  sebr 
klein.  (Haare  der  Fr.  anliegend. 
Bl.  ganzrandig.) 

M.  SureMlU, 

tt  Der  Zahn  stachelartig  Terlängert.  (Fr. 
nicht  länger  als  breit  mit  abstehende! 
Haaren.  Blättchen  einiach-  oder  dop- 
pelt zweUappig.) 

M.  biloba. 

b,  Frucht  abgestutzt,  mit  verlängeitem,  ans- 
gefurchtem  Stimrand. 

a)  Stimrand  breit  ausgefiircht.  RQckenkante 
8attelf5rmig.  Seitenwand  in  der  Mitte  ein- 
gedrückt.    Zahn  sehr  kurz  und  abgenmdei 

M.  Aegyptiaca. 


1)  Die  beiden  hierher  gestellten  Arten  könnten  nach  der  Beschaffenheit 
der  Zähne  der  Fracht  fast  mit  demselben  Recht  unter  b,  a,  I  (mit  S  gleich«a 
Zähnen)  gestellt  werden;  ich  ziehe  es  vor  sie  hierher  zu  stellen  wegen  ihm 
unzweifelhaft  natfirlichen  Anschlusses  an  die  unter  ß  folgenden  Arten. 


vom  iL  August  1870.  719 

ß)  Stirnrand   der  starker   znsammengedrückten 

fast  viereckigen  Fracht  schmal  aosgefarcht. 

Zahn  verlängert  kegelfSnnig. 

M.  quadraia. 

2.  Haatzellen  beider  Blattflächen  mit  Höckern. 
(Fruchtstiel  aus  niedergebogener  Basis  aufstei- 
gend^ 5  —  6  mal  so  lang  als  die  schief  aufge- 
richtete, berandete  Frucht.) 

M.  gibba, 

lY.     Nur  der  untere  Zahn  deutlich,  der  obere  mehr  oder 
weniger  verflacht  oder  ganz  unmerklich. 

1.  Fruchtstiel  sehr  kurz  und  aufrecht.  (Frucht 
fast  horizontal,  an  der  Bauchseite  ausgefurcht. 
Haare  der  Frucht  glatt.  Bl&ttchen  schmal  mit 
der  gröfsten  Breite  m  der  Mitte.) 

JKf.  angusti/olia^), 

2.  Fruchtstiel  mäfsig  verlängert  (1  —  2  mal  so 
lang),  niedergelegt  oder  abwärts  gebogen. 

a,  Raphe  äuTserst  kurz,  der  obere  Zahn  noch 
ziemlich  deutlich.  (Stiel  |- — |- lang.  Die 
Frucht  gegen  den  Stiel  nur  wenig  geneigt 
mit  stark  gewölbten  Seitenwänden  und 
dichtem  Haarfilz.     Haare  warzig'). 

M,  Emesti, 

b,  Raphe  etwas  verlängert,  der  obere  Zahn 
unmerklich. 

t  Stiel  gerade,  horizontal  oder  absteigend, 
1  —  1^  60  lang.  Frucht  gegen  den 
Stiel  geneigt  fast  bis  zum  Horizontalen, 
stark  zusammengedrückt.  Frachthaare 
glatt. 

M,  Mexicana. 

tt  Stiel  gebogen,  |  —  2  mal  so  lang.  Fr. 
gegen  den  Stiel  abwärts  geneigt.  BI. 
fast  unbehaart 

M,  Berteroi. 


' )  Wegen  mangelnder  Ausbildung  des  oberen  Zahns  in  der  Tabelle  hier 
iMtergcbracht,  während  sie  naturgemäfser  neben  M.  hirsuta  und  exarata  ste- 
llen würde. 

')  Könnte  nach  den  Zähnen  unter  6,  a,  I  (mit  2  gleichen  Zähnen)  ge- 
stellt werden,  hat  aber  ihre  nächsten  Verwandten  offenbar  hier. 


720  Gesammtsitzung 

ttt  Stiel  absteigend  und  luicken£>re4 
BUtter  graa  behaart  und  last  sekkt 
glänzend. 

V.  Frucht  ohne  Raphe  (der  Stiel  unter  der  Frucht  ii:ir 
etwas  verdickt)  und  ohne  Zahne  (an  der  Stelle  d.» 
oberen  Zahns  ein  länglicher  Fleck  8ichtl>ar). 

Fruchtstiel  bald  auf-,  bald  absteigend,  I|— - 
mal  so  lang.  Frucht  fast  stielrond.  Hure 
derselben  glatt. 

ff  Blätter  mit  Interstitialstreifen   an» 
Sclerenchjmzellen  (S.  692). 

1.  Fruchtstiel  dfinn,  aufrecht,  gerade,  lang  (2^6 
mal  so  lang).  Frucht  mit  2  deutlichen  Zäh- 
nen, berandet  uud  gerippt.  (Frucbthaare  an- 
gedrückt, hinfallig,  feinwarzig.  Blättchen  ganz- 
randig,  kahl.) 

a.  Frucht   aufrecht,    langer  als   breit.     Sori 
4—6, 

M,    Coromandeliana. 

b*  Frucht  etwas   geneigt,    wenig   länger   als 
breit.     Sori  3 — 4. 

M*  triehopoda. 

c,  Frucht  fast  horizontal,     nicht   länger  ai? 
breit,  sehr  klein.     Sori  2  —  3. 

M,  muscoidfs, 

2.  Fruchtstiel,  hin  und  hergebogen,  niedergelegt 
oder  absteigend  (2^ — 3  mal  so  lang).  Der 
obere  Zahn  der  Frucht  sehr  schwach,  flach  ge- 
rundet. Frucht  gegen  den  Stiel  zurückgelegt, 
nicht   berandet.     (Haare  der  Frucht    bleibend, 

lang,  glatt.) 

If.  distorta. 

ß.  Haut  der  Frucht   sich   ablösend,    eine 
äufsere,  locker  anliegende,    glänzend 


1)    Unvolbtändig  bekannt,   die  Charakteristik  künftig  zu  berichtigen  ood 
zu  ergänzen. 


vom  iL  Äugu$t  1870.  721 

schwarze  Schale   um    die   Frucht    bil- 
dend (S.  709). 

(Die  reife  Fracht  ohne  Haare,  ohne  vortre- 
tende Z&hne,  zusammengedruckt,  mit  langer 
Raphe.  Der  kurze  Fruchtstiel  vorwfirts  ge- 
neigt.) 

f  Die  Schale  deutlich  punktirt.      Die  Frucht 
gegen  den  ^ — -J-  langen  Stiel  horizontal. 

M*  Nubica* 
ff  Die  Schale  undeutlich  punctirt.     Die  Frucht 
gegen  den   1  —  1^  langen  Stiel  abwärts  ge- 
bogen. 

M.  gymnocafpa. 


II.     Pilularla. 


1.  Frucht  zweificherig. 

Fruchtstiel  absteigend,  lang.  Sporen  (deren  nur  eine 
in  jedem  Fach)  ohne  Einschnürung. 

P.  minuta, 

2.  Frucht  dreifächerig. 

Fruchtstiel  absteigend,  verlängert,  mit  kurzer  seitlicher 
Biegung  ansitzend.  Sporen  zahlreicli,  ohne  EinschnQ- 
rung. 

P.  Americana* 

3.  Frucht  vierfacherig. 

a.    Fruchtstiel  verlängert,  absteigend. 

f  Ende  des  Fruchtstiels  horizontal  mit  der  Frucht 
verbunden,  eine  Raphe  bildend.  Sporen  ohne 
Einschnürung. 

P.  Novae  Hollandiae. 

ff  Ende  des  Fruchtstiels   fast  gerade  an  die  Frucht 
angesetzt. 

P.  Mendoni. 

b.  Fruchtstiel  sehr  kurz,  aufrecht,  gerade  angesetzt.     Spo- 
ren mit  einer  Einschnürung  über  der  Mitte. 

P  gtobtUi/era. 


722  Geiammtsitzung 

Systematische  Übersicht  der  Arten  mit  Angabe 
der  Synonyme  imd  Fundorte. 

/.     Marsilia. 

Gruppe  der  M.  polycarpa. 

1.  M.  polycarpa  Hook,  et  Grev.  Je.  Fil.  (1831)  t.  IM;  A. 
Br.  Monatab.  d.  Ak.  1863,  S.  417.  Wohl  die  merkwürdigste  unter 
allen  Arten,  welche  im  Caltarzustande  beobachten  zu  können,  be- 
sonders in  Beziehung  auf  die  Entwicklungsgeschichte  der  Sponm- 
fr achte,  von  grofster  Wichtigkeit  wäre.  Da  sie  in  Sudamerika  Ter- 
breitet  und  hfiufig  zu  sein  scheint,  so  dürfen  wir  wohl  hoffen,  durch 
Beisende  reife  Fruchte  zu  erhalten.  Die  gröfste  Zahl  der  an  einem 
Blattstiel  sitzenden  Früchte,  nämlich  23,  habe  ich  an  einem  Exem- 
plar aus  Cuba  gesehen  und  gewifs  ist  dies  niclit  das  Maximum. 

Bekannte  Fundorte  der  Normalform  sind:  Guyana:  Demerara. 
am  Essequibo  (Parker  1828  in  herb.  Hooker);  Surinam  (Leprieur). 
Brasilien:  Para  (Spruce  1849  n.  42  in  herb.  Hook.  etc.).  Insel 
Cuba  (Pöppig  n.  290  steril  in  herb.  Kunz.;  Wright  n.  1799.  1800 
in  Mus.  Par.  etc.).  St  Thomas  (Friedrichsthal  in  herb.  Vind.)- 
Sandwichsinseln:  Tahiti  (Barclay  in  h.  Hook.,  Yesko  in  Mos.  Par., 
Yieillard  in  herb.  Lenorm.,  Wilkes  sec.  Brakenridge,  Expl.  Exped. 
p.  541).  Als  zweifelhaft  hierher  gehörig  sind  anzuführen  sterile 
Exemplare  von  Santa  Fä  de  Bogota  (Bonpland  in  Mus.  Par.)  und 
Buenos  Ayres  (Commerson  ibid.). 

Als  Varietäten  oder  vielleicht  nur  Formen  sind  zu  erwähnen: 

M.  polyc.  minor.  M.  Braailxensis  Martins  Je.  plant,  crjpt.  (18äS 
— 34)  p.  122,  t  73  aus  der  Provinz  Bahia,  in  ausgetrockneten  Tei- 
chen bei  Joazeiro.  Sie  ist  kleinblättrig  und  behaart  und  hat  nur 
8 — 10  Früchte  am  Stiel,  wahrscheinlich  in  Folge  trockenen  Stand- 
orts.  Von  Blanchet  bei  Bahia  gesammelte  Exemplare  (n.  2409 
in  herb.  Mus.  Par.,  Vindob.,  Lucaeano)  scheinen  die  Mitte  zwischen 
der  Normalform  und  der  von  Martins  zu  halten. 

M.  polyc,  Mexicana^  bei  Mesachica  in  Mexiko  von  Schiede  ge- 
sammelt (herb.  BeroL),  gleichfalls  klein,  aber  kahl.  Ich  sah  nicht 
über  8  Früchte,  welche  kugelig  und  ohne  Kanten  sind. 

M.  picta  Fee,  9me.  Mem.,  Catal.  des  Foug.  du  Mexique  (1857) 
p.  47.     In  den  Kanälen  bei  Mexiko  (v.  Chrismar  1848,  L.  Hahn 


vom  iL  August  1870.  723 

1868)  und  bei  Ghaptütepec  (Schaffner  1854).  Wasserform  mit  ge- 
streiften, sowie  Sumpf-  und  Landform  mit  ungestreiften  Bl&ttern, 
nur  steril  bekannt,  daher  nicht  sicher  bestimmbar,  doch  spricht  der 
anatomische  Bau  der  Blätter,  namentlich  die  sehr  kleinen  Hautzel- 
leu  der  Oberfläche,  die  nicht  gröfser  sind  als  die  Stomata,  für  die 
nahe  Beziehung  zu  M,  polycarpa^  während  die  meist  mehrschichti- 
gen (bei  M,  polycarpa  nur  aus  einer  Reihe  von  Pallisadenparenchjm 
gebildeten)  Grenzwände  der  Lufthöhlen  eine  Verschiedenheit  an- 
deuten. 

M.  Stratiotes.  So  habe  ich  vorläufig  eine  von  Spruce  im  Gapö 
(Überschwemmungsgebiet  des  Amazonenstroms)  bei  Manaquiry  nur 
im  sterilen  Zustande  gesammelte  Pflanze  genannt,  von  welcher 
Spruce  selbst  sagt,  sie  scheine  von  M.  polycarpa^  die  er  bei  Para 
gesammelt^  verschieden  zu  sein.  Es  ist  eine  Wasserform  mit  un- 
achten  Schwimm  blättern  von  ungewöhnlicher  Gröfse,  aber  mit  ver- 
bältnifsmäfsig  schmäleren  Blättchen  als  bei  den  grofsblättrigen  For- 
men der  M.  polycarpa.  Dieselben  sind  35 — 40  Mm.  lang,  25 — 28 
breit,  haben  keine  Interstitialstreifen,  aber  Luftspalten  auf  der  Un- 
terseite. Die  Hautzellen  der  Oberseite  sind  2 — 3  mal  so  grofs  als 
die  Stomata,  während  sie  bei  M.  polycarpa  diese  kaum  an  Gröfse 
übertreffen. 

Ä.  M.  subangudata  A.  Br.  Sitzungsber.  der  Ges.  naturf. 
Freunde  vom  19.  Juli  1870,  S.  46.  M.  polycarpa  Griseb.  Fl.  of 
the  Brit.  W.  Ind.  IL  645;  A.  Ernst,  Vargasia  No.7p.  181.  An  den 
grofseren  (3  Mm.  langen),  etwas  in  die  Länge  gezogenen,  fast  birn- 
förmigen,  stumpf  5  kantigen,  mit  äufserlich  sichtbaren  Rippen  ver- 
sehenen Fruchten,  die  gröfsere  Zahl  der  Sori  (5)  und  die  am  Bauch- 
rande der  Frucht  etwas  verzweigten  und  meist  anastomosirenden 
Nervenenden  (S.  703,  Fig.  6)  von  M,  polycarpa  leicht  zu  unter- 
scheiden, ein  merkwürdiges  Mittelglied  zwischen  dieser  und  der 
scheinbar  weitabstehenden  M,  deflexa  bildend.  Weniger  Gewicht 
kann  ich  auf  die  geringere  Zahr  der  Früchte  legen,  da  Schiede's 
mexikanische  Form  von  M,  polycarpa  in  dieser  Beziehung  mit  if. 
subangulata  übereinstimmt.  Bei  den  Exemplaren  aus  Caracas  fand 
ich  6 — 10  Früchte  an  einem  Stiel,  bei  denen  aus  Jamaica  5 — 10. 
Grisebach  giebt  für  die  letzteren  3 — 8  an.  —  Völlig  sicher  ist  nur 
der  Fundort  Caracas  (A.  Ernst  1870),  von  wo  allein  reife  Früchte 
vorliegen.     Die  Exemplare  aus  Jamaica  (Purdie  1844,  herb.  Hook.) 


I 

724  Gesamtntsitzung 

haben  unreife  Früchte,  gleichen  aber  im  Übrigen  sehr  denen  t«->c 
Caracas.  Ebenso  die  aus  Panama  (B.  Seemann  1846).  Zweifelhaf- 
ter ist  der  Fundort  Guatemala  (Friedrichstbal  no.  942  in  hert». 
Vindob.  et  Kunz.),  da  ich  die  Exemplare  seit  Unterscheidung  der 
M,  suhangulata  nicht  wiedergesehen  habe. 

3.  M.  deflexa  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  421;  M.  striaic: 
Mett.  in  Triana  et  Planch.  Prodr.  Fl.  Novo-Granat.  (Ann.  d.  sc. 
nat.  Ser.  5,  T.  III)  p.  310.  (Vergl.  S.  703,  Fig.  7,  Nervatur  dei 
Frucht.)—  Brasilien:  Prov.  Piauhy  (Gardner  1841,  No.  2760. 
Herb.  Vindob.  Boiss.  etc.);  Neu  Granada:  Aposentos,  Ilano  de 
Ibague,  pr(fv.  Mariquita  (Triana,  herb.  Mett.).  —  Die  an  diese  Art 
sich  anknüpfenden  Fragen  und  Wünsche  habe  ich  oben  (S.  67f— 
73)  ausgesprochen. 


4.  M.  subterranea  (Leprieur  ined.  ex  part)  A.  Br.  in  Flora 
1839  S.  301  u.  Monatsb.  1863  S.  433.  —  Senegambien,  ohne  nähere 
Angabe  (Perrottet  No.  996,  herb,  propr.;  Depreaux  in  herb.  Le- 
norm.  et  Mett).  —  Diese  in  den  Sammlungen  seltene  Art  habe 
ich  von  Perrottet  unter  dem  von  mir  beibehaltenen  Namen  erhal- 
ten; häufiger  findet  sich  jedoch  in  den  Sammlungen  unter  demsel- 
ben Namen  eine  andere  senegambische  Art,  nämlich  Af.  dis^rta, 
die  sich  durch  den  mannigfach  gebogenen  Fruchtstiel,  die  aof  deo 
Stiel  zurückgebogene  Frucht  und  die  hellen  Sclerencbymatreifen 
der  Blätter  leicht  unterscheiden  lä£st. 

Ob  diese  Art  unter  den  Arten  mit  anastomosirenden  Frucht- 
nerven  ihre  richtige  Stellung  hat  und  für  sich  allein  eine  eigeoe 
Gruppe  repräsentirt,  ist  mir  etwas  zweifelhaft,  da  ich  die  Nerva- 
tur wegen  spärlichen  Materials  nur  an  einer  einzigen  Frucht  un- 
tersucht habe.  Sollte  die  von  mir  gesehene  Nervenverbindung 
nicht  constant  sein^  so  würde  ich  sie  wegen  der  berandeten  und 
berippten  Frucht  an  M.  erosa  anreihen. 


Gruppe  der  M,  quadrifoliata. 

5.  M.  quadrt/oliata  L.  Sp.  pl.  ed.  II.  ex  anno  1762  (.V. 
quadrifolia  L.  Sp.  pl.  I.  et  auct);    A.  Br.  Monatsb.   1863  S.  Al^i 


vom  IL  'August  1870.  725 

IT.  vulgaris  Bory  in  Bojer  hört.  Maurit.  (1837)  p.  427  et  Belanger 
Crypt  p.  3  ex  p.  (conf.  M.  crenulaia),  —  Im  gemäfsigten  Eoropa  und 
Asien.  Am  Rhein  bis  Germersheim>  ^d-^  °,  und  noch  nördlicher  in 
Belgien  (Lejenne  u.  Courtois).  Fehlt  in  Britannien  und  Skandina- 
Tien.  Sudlich  in  Frankreich  bis  Marseille,  43^  (herb.  Shuttlew.), 
wo  sie  mit  dem  Vorkommen  von  M.  pubescens  nahe  zusammen- 
kommt; im  nordlichen  und  mittleren  Spanien  und  in  Portugal,  42 
—40°.  Im  Osten  bei  Sarepta  (Fischer)  und  Astrachan  (?),  wo  sie 
if.  strigosa  und  Aegyptiaca  begegnet;  femer  in  Giskaukasien  (bei 
Kisliar)  und  Transkaukausien  (bei  Tiflis^  42°,  und  Lenkoran,  39°). 
Nach  Ledebour  im  Uralschen  Sibirien  ohne  nähere  Angabe  des 
Fandorts,  aber  jedenfalls  das  nördlichste  Vorkommen,  während  das 
südlichste  bekannte  das  in  Kaschmir,  bei  30 — 33°  n.  Br.,  ist  (Jac- 
quemont  No.  87  u.  88  in  herb.  Mus.  Par.).  Das  Vorkommen  in  Ja- 
pan ist  zweifelhaft,  da  die  Ton  Keiske,  Wichura  und  Maximowicz 
gesammelten  Exemplare  unfruchtbar  sind.^)  Sehr  zweifelhaft  ist 
das  Vorkommen  in  Ägypten  (siehe  S.  657).  Die  vielfach  wieder- 
holte  Angabe  des  Vorkommens  auf  Mauritius')  führe  ich  nur  an, 
ATeil  sich  in  Fee's  Herbarium  in  der  That  von  Bory  stammende 
and  angeblich  auf  Mauritius  gesammelte  Exemplare  befinden,  die 
ich  von  If.  quadrifoliata  nicht  unterscheiden  kann,  obgleich  Fee 
sie  als  M,  macrocarpa  n.  sp.  unterscheiden  zu  müssen  glaubt.  Ich 
vermuthe,  dafs  hier  ein  Irrthum  zu  Grunde  liegt.  In  der  neuen 
Welt  ist  unzweifelhafte  M,  quadrifoliata  am  Bantam-See  in  Gonnec- 
ticut,  41 — 42°,  von  Timoth.  Allen  (1860)  aufgefunden  worden. 

6.  M.  Brownii  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  418;  M.  quadri- 
folia  R.  Brown  Prodr.  Nov.  HoU.  (167)  23;  M.  Äustraliae  R.  Br. 
berb.  —  Ich  kenne  diese,  wie  es  scheint,  mit  der  vorigen  sehr 
nahe  verwandte  Art  nur  aus  einem  vor  vielen  Jahren  gesehenen 
Exemplar  des  Wiener  Herbariums  und  aus  brieflichen  Nachrichten 
von  Seemann  und  Mettenius  über  die  Originalexemplare  im  Brit 
Maseum.     In  vieler  Beziehung  ist  sie  mir  nur  unvollständig  bekannt. 


*)  Vergl.  Miqnel,  Prolus.  FL  Jap.  in  Ann.  Mas.  Lngd.  Bat.  III.  p.  185. 

')  Bory  (bei  Belanger  1.  c.)  fügt  noch  ausdrücklich  bei  ^Absolument 
identiqae  avec  celle  de  TEurope''.  Alle  sicher  von  Mauritiaa  und  Bonrbon 
stammenden  Exemplare,  die  ich  gesehen,  waren  M,  crenulata. 


726  Gesammtsitzung 

Seit  R.  Brown,  der  sie  bei  Port  Jackson  sammelte,  scheint  sie  wenig- 
stens in  fruchttragendem  Zustande  nicht  wieder  gefanden  worden 
zu  sein;  ich  glaube  aber  einige  von  Dr.  F.  ▼.  Muller  mitgetheilte 
sterile  Formen,  namentlich  eine  ziemlich  kleinbl&ttrige  von  Cabn- 
matta  bei  Port  Jackson  und  eine  sehr  grofsblftttrige  (Wasserforni) 
von  Richmond  in  Neu  Sudwales  (von  Wilhelm!  gesammelt)  hierher 
rechnen  zu  dürfen. 

1.  M.  macropus  Engelm.  in  Siilim.  Journ.  Sen  2,  VoL  III, 
p.  56  (1847);  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  418.  —  Eine  sUttücbe, 
aber  leider  bis  jetzt  nur  sparsam  in  Frucht  gesammelte  Pflanze! 
Texas:  Am  untern  Guadeloupe  bei  Victoria  (Lindheimer  1846.  pL 
exsicc.  ni.  no.  573);  100  (engl.?)  Meilen  höher  oben  am  Guade- 
loupe (Dr.  Gideon  Lincecum  1866).  Nach  Dr.  Engelmann's  Yer- 
mnthung  gehört  ferner  wahrscheinlich  hierher  eine  von  Dnunmood 
in  Louisiana  gesammelte  sterile  Pflanze. 


Gruppe  der  M.  diffusa, 

8.  M.  diffusa  (Leprieur  ined.)  A.  Br.  in  Flora  1839,  p.300; 
Monatsb.  1863,  p.  419;  Bolle,  Zeitsch.  f.  Erdk.  neue  Folge  I.  p.  280; 
Milde  Fil.  Eur.  p.  294;  Kuhn  Fil.  Afric.  p.  199;  M.  vulgaris  Bory 
in  Bojer  hört.  Maurit.  p.  427  (quoad  plant.  Madagasc);  üf.  sarmen- 
tosa  Bory  herb.;  M.  superterranea  Kunth  herb.;  M.  erosa  Kunze  in 
herb.  —  Die  häufigste  unter  den  Arten  Senegambiens ,  von  allen 
dortigen  Sammlern  reichlich  eingebracht  und  daher  in  den  Herba- 
rien  sehr  verbreitet  (Leprieur;  Heudelot  1828  No.  548,  576;  Le- 
lievre  1829;  Perrottet  No.  992,  993,  1001).  In  den  oberen  Nil- 
ländern: Am  weifsen  Nil  (Speke  1863  in  herb.  Hook.,  Schwein- 
furth  1869  steril)  und  im  Djurgebiet  bei  der  Seriba  Ghattas  (steril, 
Schweinfurth).')  In  Algerien:  Campagne  Fourchault  unweit  Ras- 
sauta  in  der  Ebene  Meditja  bei  Algier  (A.  Letoumeux  in  herb. 
Cosson).  Auf  der  Insel  Ganaria  bei  dem  Dorfe  Aruca  (Depreaux, 
Bourgeau  1846  in  herb.  Webb.).     Auf  Madagascar  (Perville  1841, 


1)   Über  andere  Fundorte  zweifelhaft  hieher  gehöriger  steriler  Formoo 
siehe  bei  Kuhn  1.  c. 


vom  ii.  August  1870.  121 

No.  358,  herb.  Mas.  Par.  etc.)  und  auf  der  Insel  Nossi-bch  (Boi- 
vin  1849,  No.  1959,  herb.  Boiss.).  Meine  frühere  Angabe  des 
Vorkommens  auf  Mauritius  ist  mir  zweifelhaft  geworden,  da  die 
unreifen  Exemplare  von  Perrottet,  auf  welche  sie  sich  stützt,  nach 
wiederholter  Untersuchung  zu  M,  crenulata  zu  gehören  scheinen. 

Die  Exemplare  verschiedener  Gegenden  zeigen  kleine  Abwei- 
chungen und  selbst  unter  den  Senegambischen  lassen  sich  mehrere 
Formen  unterscheiden.  Bei  der  gewöhnlichen  Form  ist  der  Frucht- 
stiel 2  —  2^  mal  so  lang,  die  Frucht  3^  Mm.  lang,  3  breit,  die 
Zfihne  spitz,  der  obere  oft  etwas  länger,  die  Haare  kurz,  dicht  mit 
Wärzchen  besetzt.  Bei  einer  forma  microphylla  sind  auch  die 
Fruchte  etwas  kleiner^  3  —  3^  lang;  bei  einer  forma  gracilipes  ist 
der  Fruchtstiel  2^— 3  mal  so  lang,  die  Frucht  deutlicher  punktirt, 
die  Bl&tter  zarter  und  dunnstieliger.  Die  forma  Nüotica  hat  (nach 
den  wenigen,  die  ich  an  den  Exemplaren  von  Speke  sah)  gerun- 
detere  Fruchte,  die  nur  sehr  wenig  länger  als  breit  sind,  und  kür- 
zere Zähne.  Bei  der  forma  Madagasccfriensü  stehen  die  Frucht- 
stiele meist  enger  beisammen  und  sind  durchschnittlich  etwas  kür- 
zer, 1-^ — 2  mal  so  lang.  Die  forma  Canariensia  hat  etwas  gröfsere 
Früchte,  3^ — 4  Mm.  lang^  und  etwas  kürzere  stumpfere  Zähne; 
die  Haare  der  Frucht  sind  länger  und  lockerer  warzig.  Die  forma 
Älgeriensis  hat  unter  allen  die  grölsten  Früchte  von  4 — 5  Mm. 
Länge;  in  den  Haaren  stimmt  sie  mit  der  yorigen  überein;  die 
Blätter  sind  am  Stimrand  gekerbt,  während  sie  sonst  gewöhnlich 
ganzrandig  sind. 

9.  M.  crenulata  Desv.  Prodr.  Filic.  (Ann.  de  la  soc.  Linn. 
d.  Paris  1827)  p.  178;  M.  crenata  Presl.  Rel.  Haenk.  (1830)  p.  84, 
t.  XU,  f.  3;  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  420;  M.  microcarpa,  A.  Br. 
in  Flora  1839,  S.  300;  M,  vulgaris  Bory  in  Bojer.  hört  Maur.  p. 
426  ex  part;  M.  minuta  Blanco,  FL  de  Filipinas  (1845)  p.  577.  — 
Der  vorigen  sehr  nahe  stehend,  durch  yerhältnifsmäfsig  kürzere, 
am  Grunde  des  Blattstiels  dichter  zusammengedrängte  Fruchtstiele, 
etwas  kleinere  Früchte  mit  entschieden  längerem  oberem  Zahn  und 
am  Stimrand  meist  gekerbte  Blätter  verschieden.  —  Auf  der  Insel 
Bourbon  (Commerson,  Du  Petit  Thouars  in  herb.  Mus.  Par.);  auf 
Mauritius  (Bory  in  herb.  Willd.');    Perrottet  in  herb.  Boiss.;   Dr. 


>)    Auf  demselben  Blatte   dea  Willd.  Herbars  ist  aber  anch  ein  Exem- 
plar Ton  M,  quadrtfoliata  angeklebt,   F^e*8  M,  macrocarpal  (vgl.  S.  725). 


728  Gesammtsilzvng 

Ph.  Ajres  1860  in  herb.  Hooker).  Auf  den  Philippinen:  Ohs-: 
nähere  Angabe  (Haenke);  auf  Lozon  (von  Chamisso  in  herb.  B«- 
rol.,  Eschacholtz  in  herb.  Ledeb.).  Sandwichsinseln:  Oaha  (in  herb. 
Godet  von  Pamplin).  Lu  Tschu  Inseln  (Wrigfat,  herb,  of  the  U. 
S.  Pacific  Exploring  Expedit.  1853—56,  in  herb.  Hooker). 

Jf.  erenulata  var.  incurva  A.  Br.  in  Kuhn  Fil.  Afric.  p.  19S; 
M.  diffusa  v.  incurva  Monatsb.  1863,  S.  410;  M.  Sen^alenM  A, 
Br.  in  Flora  1839,  S.  300.  Senegambien  (Perrottet).  Weicht  von 
der  gewohnlichen  Form  durch  den  vorwärts  gekrümmten  Fruchtstiel 
und  die  dadurch  nickende,  kürzere  und  mehr  abgerundete,  oft  ein- 
seitig geschwollene  Frucht,  kürzere  Zfihne,  sowie  durch  härtere, 
stark  blaugraue  (stark  gekerbte)  Blätter  ab. 

lO.  M.  COrnuta.  M.  diffusa  var.  eomuta  A.  Br.  in  Kuhn 
Fil.  Afric.  (1868)  p.  199.  —  Angola,  im  Distrikte  MoBsamede», 
häufig  in  wenig  tiefen  Pfützen,  auf  sandigem  Boden,  längs  dee  Uferä 
des  Flufses  Bero,  fruchttragend  im  Juli  1859  von  Dr.  Wel witsch 
(It.  Angol.  No.  173)  gesammelt  Eine  wahrscheinlich  derselben 
Art  angcborige  sterile,  grofsblättrige  Form  in  demselben  Distrikt« 
in  Seen  an  der  Mundung  des  FluTses  Giraul  (Welw.  It.  Angol. 
No.  174).  —  Gleicht  zwar  in  der  Tracht  der  If.  diffusa,  steht  aber 
in  mancher  Beziehung  der  M.  erenulata  näher.  Die  Landform  (173) 
langkriechend,  kleinblättrig.  Die  Blätter  etwas  glaucescent,  kahl, 
der  hochgerundete  Stirnrand  derselben  meist  mit  mehreren  schwachen 
Kerben.  Meist  2  Fruchte  nahe  beisammen  am  Grunde  des  Blattstid«. 
Fruchtstiel  so  lang  als  die  Frucht,  selten  etwas  länger,  aufwärts 
gekrümmt.  Die  Frucht  horizontal,  4  Mm.  lang,  2^ — 3  breit  (ver- 
hältnifsmäfsig  länger  als  bei  üf.  diffusa  und  erenulata),  reif  fast 
kahl  und  ziemlich  dunkelbraun  mit  sehr  deutlich  hervortretenden 
schwarzen  Ringspalten.  Der  obere  Zahn  der  Frucht  hornartig  ver- 
längert, doppelt  so  lang  als  der  untere  (fast  1  Mm.  lang),  gerade 
aufgerichtet.  Die  Fruchtbaare  weniger  dicht  anliegend  und  länger 
gezogen,  als  es  gewöhnlich  bei  M,  diffusa  der  Fall  ist,  an  allen 
Zellen  stark,  aber  locker  warzig.  Sori  jederseits  5 — 6.  Die  sterile 
Pflanze  (174)  hat  einen  scheinbar  anderen,  huscheligen  Wuchs,  aber 
es  sind  diese  Büschel  ohne  Zweifel  Zweige  eines  absterbenden  krie- 
chenden Hauptsprofses.  Die  Blätter  sind  von  bedeutender  Grofse, 
grofser  als  bei  gewohnlicher  M,  quadri/oliata,  die  Blättchen  20 — 
25  Mm.  lang,  15 — 20  breit,  der  Stirnrand  meist  hoch  gewölbt,  mit 


vom  IL  August  1870.  729 

10 — 15  sehr  ungleichen  zum  Theil  spitzen  Zähnen,  denen  mancher 
Formen  von  M,  erosa  ähnlich. 

,  11.  Jlf.  erosa  Wllld.  Sp.  pl.  V  (1810)  p.  640  et  herb.  no. 
20255;  A.  Br.  in  Flora  1838,  S.  300;  Monatsb.  1863,  S.  419;  M. 
quadri/olia  floribus  umbellatis  Klein  in  herb.  Willd. ;  M,  quadri/olia 
Burm.  FL  ind.  (1767)  p.  237  ex  p.;  Roxb.  Fl.  ind.  IV  (in  Cal- 
cutta  Journ.  lY)  p*  7');  M.  denUxta  Roxb.  mspt.  in  herb.  Mus. 
Brit;  M.minuta  L.  mant  II  (1771)  p.  308  excl.  var.  ß.  —  Die 
häufigste  Art  in  Ostindien,  daselbst  die  Stelle  der  nahe  verwandten 
M,  diffusa  vertretend,  von  der  sie  sich  durch  meist  gekerbten  Blfitt- 
chen,  kürzere  Fruchtstiele,  die  am  Grunde  oft  etwas  zusammen- 
hängen, durch  etwas  berandete  und  mehr  oder  weniger  deutlich 
gerippte  Früchte  mit  längerem  oberen  Zahn  unterscheidet;  doch  giebt 
es  Formen,  bei  welchen  diese  Charactere  schwankend  sind.  Den 
verlassenen  Linne'schen  Namen  ziehe  ich  nicht  wieder  hervor,  da 
Linn^  zwei  ganz  verschiedene  Arten  vermischt  hat  und  sein  Name 
gerade  für  diese  Art,  welche  zu  den  mittelgrofsen  gehört,  nicht 
passend  ist.  —  Vorderindien:  Tranquebar  (Klein  in  herb.  W.); 
Pondichery  (Perrottet,  No.  611  Normalform,  612  kleinblättrige  Form) ; 
Madras  (Wright);  Labore  (Hook,  et  Thoms.);  Calcutta  (Wichura, 
grofsblättrige  Form  mit  tief  eingeschnittenem  Stirnrand)  etc.  Cey- 
lon (Thwaites  No.  1422  fructificirend,  No.  3051  steril  mit  ganzran- 
digen  Blättchen).  Hinterindien:  Assam  (Hook,  et  Thoms.,  grofsere 
sterile  Form  mit  ganzrandigen  Blättchen,  sehr  ähnlich  M,  qtiadri^ 
folia^  und  Jenkins,  kleinblättrige  sterile  Form,  beide  zweifelhaft). 
Als  Abarten  unterscheide  ich: 

M.  erosa  var.  Zollingeri  (als  M,  crenata  var.  im  Monatsb.  von 
1863  erwähnt),  von  Zollinger  1854  steril  und  1855  mit  Frucht 
(No.  3591)  bei  Bogor'  auf  Java  gesammelt.  Die  Blättchen  der 
Landform  sind  (ebenso  wie  die  der  sterilen  Wasserform)  ganzran* 
dig,  schmal  und  kurz  unter  dem  Stirnrand  plötzlich  breiter  wer-» 
dend,  wodurch  sie  eine  eigenthümlich  spathel  form  ige  Gestalt  er« 
halten.  Die  Fruchte  sind  etwas  kleiner  als  bei  der  Normalform, 
3  Mm.  lang,  2  Mm.  breit,  deutlich  berandet,  aber  undeutlich  gerippt. 


1)    M,   quadri/olia  Don  Fl.  Kep.  p.  19   gehört  wohl  auch  hieher,    aber 
icli  babe  von  Wallich  in  Nepal  gesammelte  Exemplare  nicht  gesehen. 


730  Oesammtsitzung  \ 

M.  erosa  var.  amhigna.  £ine  Yon  Belanger  bei  Pondicher 
gesammelte  Form,  bei  welcher  die  Rippen  der  Frucht  ganz  Ter- 
schwanden,  aber  die  Berandnng  noch  bemerkbar  ist.  Die  Fracb* 
ist  fast  4  Mm.  lang,  fast  3  Mm.  breit  nnd  etwas  abwärts  geneigt, 
fast  wie  bei  M,  crenulata  var.  ineurva^  der  sie  sehr  nahe  stthx. 
Der  Fruchtstiel  l^mal  so  lang  als  die  Fracht. 

12.  M.  brachycarpa  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  420.  Eioe 
kleine,  sehr  zierliche  Art,  die  sich  zunächst  an  die  kleinhiattrigen 
und  kleinfruchtigen  Formen  der  M.  erosa  anscbliefst  Der  früher 
gegebenen  Beschreibung  fage  ich  noch  bei,  dafs  die  Haare  der 
(jüngeren)  Frucht  kurz  und  anliegend  sind,  aus  2 — 4  Zellen  ge- 
bildet, die  dicht  mit  Warzen  besetzt  sind.  Eine  ins  Wasaer  ge- 
brachte Frucht  entleerte  13  Macrosporen  von  0,85 — 0,90  Mm.  Lange 
und  0,58  Mm.  Dicke^  die  leider  nicht  keimten.  —  Pegu  (Mo.  Clel- 
land  in  Hook,  et  Thoms.  herb.  Ind.  or.).  Wahrscheinlich  gehört 
hierher  auch  eine  von  Jacquemont  in  der  Provinz  Gurwal  im  Thale 
Doon  (Deyrah-Dun)  gesammelte  Form  mit  noch  sehr  jungen  Fruch- 
ten (No.  385  in  herb.  Mus.  Par.). 

13.  M.  brachypus  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  421.  Aach 
diese  Art  ist  mit  M.  erosa  sehr  nahe  verwandt,  durch  stärkere 
rothliche  Behaarung  aller  jGnjgeren  Theile,  besonders  der  Frucht, 
etwas  kürzeren  Fruchtstiel,  grofsere,  nicht  deutlich  berandet« 
Fruchte  von  ihr  abweichend.  Die  Haare  der  Frucht  sind  weniger 
hinfl&llig,  bedecken  die  Frucht  zottig,  den  unteren  Rand  weit  über- 
ragend; sie  sind  lang  und  schmal  ausgezogen,  6 — 8  zellig,  an  den 
Scheidewftnden  knotig  verdickt,  mit  starken,  locker  gestellten  Wärz- 
chen bedeckt  —  Vorderindien:  Neilgherries  (Wight  No.  310). 
Ufer  des  Sutletsch  (Hook,  et  Thoms.  1846,' eine  durch  ungerippte 
Frucht  abweichende,  der  folgenden  sich  anschliefsenden  Form). 

14.  M.  gracüenta  A,  Br.  Monatsb.  1863,  S.  421.  Viel- 
leicht nur  eine  Abart  der  vorigen.  Die  Haare  .der  Frucht  fand 
ich  3 — 5  zellig,  an  den  Gelenken  nicht  knotig,  mit  kleineren  Wärz- 
chen besetzt.  —  Vorderindien:  Concan  (Stocks  in  Hook,  et  Thoms. 
herb.  Ind.  or.  397). 


vom  iL  Augunt  1870.  731 

Gruppe  der  M.  pubescena, 

15.  M.  pubescens  Jenore  Fl.  Neap.  prodr.  suppl.  I,  p.  70; 
App.  I  ad  catal.  h.  Neap.  ed.  II  (1819),  p.  67;  Fl.  Neap.  IV,  p. 
140  et  V,  p.  309,  t.  250;  A,  Br.  in  Explor.  scient  d'Alger,  t  38; 
Monatsb.  1863,  p.  431;  Gren.  et  Godr.  Fl.  de  France  III.  p.  647; 
M.  FabH  Dunal  in  Ann.  d.  sc.  nat.  VI  (1836)  p.  375;  VII  p.  221, 
lab.  12  et  13;  IX,  p.  115,  tab.  13;  X,  p.  378;  M.  quadrf/olia  Desf. 
Fl.  Atl.  II,  p.  409;  Moris,  Stirp.  Sard.  Elench.  Fase.  I;  M.  atrigosa 
«.  Tplanta  Europaea  Milde  Fil.  Eur.  (1867)  p.  295.  —  Neapel:  In 
der  Basilicata  ,,ßosco  di  S.  Leonardo  tra  Taranto  e  Pistini**  (Te- 
nore);  Sardinien:  Ozieri  (Moris);  Pula  (Muller  in  herb.  un.  itin.); 
Sassari  (Gennari).  Languedoc:  Roque  Haute  zwischen  Agde  und 
Bezieres*)  (Fahre,  Dr.  Wunderly).  Algerien:  Oran  (Durieu,  Ba- 
lansa  No.  211);  Koleah  bei  Bou  Ismacl  (Durando);  Cbaiba  (Glau- 
8on  in  herb.  Coss.).     Tanger  (herb.  Cosson,  steril). 

16.  M.  Strigosa  Willd.  Sp.  pl.  V  (1810)  p.  539;  herb.  no. 
20254;  Ledeb.  Fl.  Boss.  IV,  p.  494;  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  430; 
M,  strigosa  ß.  planta  Rossica  Milde  Fil.  Eur.  p.  295.  —  Die  Un- 
terschiede von  der  vorigen  Art,  nämlich  ein  noch  kürzerer  Frucht- 
stiel, eine  hellergefärbte,  weniger  hartschalige  Frucht  mit  anliegenden, 
kürzeren,  stärker  und  dichter  warzigen  Haaren,  sind  sehr  gering; 
dennoch  nehme  ich  Anstand  beide  zu  vereinigen,  da  in  der  Tracht 
eine  Verschiedenheit  statt  zu  finden  scheint.  Niemals  sah  ich  bei 
3/.  strigosa  die  für  M.  pubescens  so  charakteristischen  langen  Dop- 
pelreihen dicht  aneinander  gedrängter  Früchte.  Hoffentlich  wird 
die  Cultur  beider  Arten  unter  gleichen  Verhältnissen  Gelegenheit 
zur  Prüfung  der  Frage  nach  ihrer  Verschiedenheit  geben.  —  Im 
sudlichen  Rufsland :  Sarepta  (Fischer,  Veesenmeyer,  Becker  pl. 
Wolgae  infer.  No.  J58);  am  Flufs  Achtupa  (Steven  in  herb.  Ber.); 
bei  Lenkoran  (C.  A.  Meyer);  in  der  Songarei  an  den  Flüssen 
Ischim  (Schrenk)  und  Ters  Akkan  (Schrenk  u.-  Ruprecht  in  herb. 
BeroL). 


*)  Über  die  eigenthümliche  Flora  dieser  merkwfirdigen  Localität,  an 
welcher  mehrere  andere  Pflanzen  ihren  einzigen  Standpunkt  in  Frankreich 
haben  {Pitularia  minuta,  Ritila  Gallica,  Elcrtine  Fahrt,  Damasonium  polysper- 
^um,  Banunculus  laieriflortm) ,  vergl.  DoTal-Jonve  im  Bnll.  de  )a  soc.  bot. 
de  France  1869,  p.  210. 

[1870]  50 


7  32  Ge$a  m  mUiizung 

Gruppe  der  M.  Rirsuta. 

(Australische  Arten  mit  kurzgestieltcr  Frucht  und  huckerlosen 

Hnutzellen  der  Blätter.) 

11.  M.  angustlfolia  R.  Br.  Prodr.  Fl.  Nov.  HolL  ed.  II. 
p.  (167)  23.  Von  kräftigem  Wüchse  und  ansehnlicher  Grofsii. 
Blättchen  fast  kahl,  lanzetförmig  (seltener  schmal  keilforoiig),  ab- 
gestutzt, der  Stimrand  meist  gezahnt  oder  eingeschnitten.  Fmcht 
am  Grunde  des  Blattstiels  kurzgestielt  (Stiel  halb  so  lang  bis  gleich- 
lang,  aufsteigend),  fast  horizontal,  länglich  (7  Mm.  lang,  5  Mm.) 
breit),  Ruckenscite  schwach  auswärts  gebogen,  Bauchkante  schwach 
ausgefurcht,  Seitenwände  ziemlich  stark  gewölbt,  undeatlich  gerippt. 
Raphe  ziemlich  lang  mit  einem  stumpfen  Zahn  endigend;  oberer 
Zahn  unmerklich.  Sori  jederseits  ungefähr  8.  Ringapalten  deut- 
lieh.  Haare  der  Frucht  angedruckt,  dunkelbraun,  glatt!  Haatzellen 
der  Blätter  ohne  Höcker  und  fast  ohne  Buchten.  —  Nord-Austra- 
lien: Carpentaria  Golf  (R.  Brown);  Baincs  Creek  am  Victona 
River  (Ferd.  v.  Möller  in  herb.  Melb.  et  Hook.). 

18.  M.  exarata,  3/.  hirsuta  mkrophylla  A.  Br.  in  herb. 
Hook.  Langkriechend  mit  huscheligen  Zweigen  und  kleinen  der- 
ben Blättern.  Blättchen  stark  und  glänzend  behaart,  br«*it  keilför- 
mig, mit  gerundeter  ganzrandiger  Stirn.  Frucht  sehr  kurz  gestielt 
(Stiel  \  —  •)•  so  lang,  aufwärts  gekrümmt),  aufsteigend,  länglich  (3| 
—  4  Mm.  lang,  3  Mm.  breit)  mit  eingebogener  Ruckenaeitc  und 
stark  ausgebogener,  ausgefurchter  Bauchkante,  stark  gewölbten  und 
breitgerippten  Seitenwänden.  Raphe  kurz,  mit  dem  Stiel  eine 
starke  Krümmung  bildend.  Zwei  fast  gleiche,  stumpfe  Zfihne. 
Sori  jederseits  5.  Ringspalten  deutlich.  Haardecke  der  Fracht 
dicht,  glänzend  rothbraun;  die  Haare  langgestreckt,  an  der  ersten 
Zelle  schwächer,  an  den  folgenden  stärker  warzig.  Haotzellen  der 
Blätter  ohne  Höcker,  stark  gebuchtet.  —  Ostaustralien:  Queensland, 
am  Brisbane  River  (F.  v.  Muller  1855  in  herb.  Hook.). 

19.  M.  hirsuta  R.  Brown.  Prodr.  Fl.  Nov.  HoU.  (1810) 
p.  (167)  23.  Von  mittlerer  Gröfse.  Blätter  mehr  oder  wenigt-r 
stark  behaart,  Blättchen  meist  breit  keilförmig,  an  der  Stirn  gerun- 
det,  ganzrandig,  selten  etwas  gekerbt.  Frucht  kurz  gestielt  (Stiel 
1 — ^-  fo  lang,  aufrecht),  horizontal,  wenig  länger  als  breit  (3 — 4! 


vom  U.  August  1870,  733 

Min.  lang,  2^ — 3^  breit^));  die  Ruckenseite  schwach  eingebogen 
oder  fast  geradlinig;  die  Baochkante  sehr  stark  aasgebogen,  in  der 
Mitte  fast  winkelartig  vortretend,  nicht  ausgefurcht;  Seitenwände 
ziemlich  flach,  ohne  deutliche  Rippen.  Raphe  lang.  Zwei  fast 
gleiche  stumpfe  Zähne.  Sori  jederseits  5  —  6.  Ringspalten  deut- 
lich. Haardecke  der  Frucht  dicht,  glänzend  rothlich;  die  Haare 
etwas  abstehend,  lang  ausgezogen,  von  der  2.  oder  3.  Zelle  an 
schwach  warzig.  Hautzellen  der  Blätter  ohne  Hocker,  stark  ge- 
buchtet. (Die  Eigenthümlichkeiten  der  Keimpflanzen  vergl.  S.  667.) 
—  Scheint  über  einen  grofsen  Theil  von  Neu-Holland  verbreitet 
zu  sein.  R.  Brown  giebt  Port  Jackson  und  die  Nordküste  an;  die 
Exemplare  seines  Herbariums  (die  ich  nicht  selbst  sah)  sind  von 
Broad  Sound  und  Carpentaria  Golf.  Ich  untersuchte  fertile  Exem- 
plare aus  Neu-Süd Wales  (F.  v.  Müller  ohne  nähere  Angabe),  Bris- 
bane (Früchte  mitgetheilt  von  Durieu),  Garisbrook  (F.  v.  Müller 
in  herb.  Melb.,  kleinfrüchtige  Form),  Yarra  YaiTa  (F.  v.  Müller), 
ferner  von  Macd.  Stuarts  Expedition  (1862)  ohne  nähere  Angabe 
des  Fundorts  (gi-ofsfrüchtige  Form,  mitgetheilt,  von  F.  v.  Müller). 
Eine  abweichende  Form  mit  schmäler  spatelfurmigen  Blättchen, 
nebst  breitblätterigor  Wasserform,  von  Baines  Creek  am  Victoria 
River  in  Arnheemsland  (F.  v.  Müller  1856)  ist  wegen  unreifer 
Frucht  nicht  ganz  sicher  bestimmbar;  andere  zweifelhaft  hierher- 
gehörige  Formen  von  Dooroodoo  (Dr.  .Beckler  1860,  mit  sehr 
weifsjhaarigen  und  gekerbten  Blättchen),  Lake  Alexandrinae  (F.  v. 
Muller  1848),  Gulong  und  Holdfafsbay  (Mus.  Melb.)  habe  ich  nur 
steril  gesehen.  Ich  überlasse  es  den  australischen  Botanikern,  die 
mir  zum  Theil  unbekannten  Fundorte  besser  zu  ordnen  und  die 
mannigfaltigen  Formen  dieser  Art  weiter  zu  erforschen. 


>)  Die  Exemplare  von  verschiedenen  Looalitfiten  zeigten  einige  Ver- 
echiedenheiten  in  der  Grörse  der  Frucht.  Die  kleinsten  Früchte  (3 — 3J  lang) 
zeigten  die  von  Garisbrook,  MittelgrGfse  die  von  Yarra  und  Brisbane,  unge- 
wöhnliche Gröri^e  die  von  Stiiart's  Expedition  (5 — 5^  nnd  fast  G  Mm.  Lange 
lind  fast  5  Breite). 


50 


734  Gesammtsifzung 

Gruppe    der   M.  Drummondiu 

(AttStraliscbe   Arten  mit  lang-gestielten  Frachten    und  Hockern 

aof  den  Hautzellen  der  Blfitter.) 

20.  M.  Howittiana  ^ ).  ich  gebe  von  dieser  and  den  fol- 
genden neu  aufgestellten  Arten  keine  Diagnosen,  da  aie  in  den 
oben  gegebenen  Schlüssel  ausreichend  charakterisirt  sind.  Nar 
einige  ergänzende  Bemerkungen  fuge  ich  bei.  Die  Kenntnifa  die- 
ser Art  gründet  sich  auf  ein  einziges  Exemplar,  das  ich  Hm.  Wii- 
helmi  verdanke,  der  es  von  Dr.  Murray,  dem  Begleiter  der  Ho- 
nvitt'schen  ^Expedition  zur  Aufsuchung  Burke^s  (1861)  mit  der  Be- 
zeichnung: „Road  to  Coopers  Creek^  erhalten.  Es  stellt  eine  rer- 
kleinerte  M.  Nardu  {Drummondii  orienialis)  dar.  Die  Blatter  sind 
ganzrandig  und  stark  behaart,  wie  bei  dieser.  Die  horixonule 
Fracht  ist  4  Mm.  lang,  3  breit,  mit  dichter,  gl&nzend  brmnnrother 
Ilaardecke.  Der  Fruchtstiel  10  Mm.  lang.  Die  nur  auf  der  Ober- 
üfiche  des  Blattes  vorhandenen  Höcker  der  Hautzellen  Bind  ^nreniger 
scharf  umschrieben  als  bei  den  folgenden  Arten  und  dicht. 

21.  M.  sei^cea.  M,  Drummondn  rt.  minor  A.  Br.  in  Linnae« 
XXV  (1852)  p.  221;  M,  erosa  var.  sericea  Ferd.  v.  Muller  in  herb. 
Sonder.  —  Dombey  Bay  in  Sudaustralien,  gesammelt  von  Wilhelm'* 
(F.  V.  Muller  in  herb.  Sonder);  Onkaparinga-Fiufs  (F.  v.  Malier 
1851  in  herb.  Mus.  Melb.).')  —  Die  kleinste  unter  den  Ver* 
wandten,  von  der  vorigen  durch  die  kleineren,  derberen,  dich- 
ter seidenartig  behaarten,  am  Stirnrand  gekerbten  BlStter  ab- 
weichend. Die  Frucht  stimmt  in  Grofse  und  Behaarung  mit  dtr 
der  vorigen,  sie  ist  4 — 5  Mm.  lang,  3  bis  fast  4  breit,  hat  ange- 

>)  Ich  führe  alle  dieser  Abtheilang  angehörigen  Formen  hier  vorUufts 
gesondert  auf,  ohne  Aber  ihren  specifischen  Werth  entscheiden  zu  woU«s. 
Reichlichere  Einsammlang  fructificirender  Exemplare  an  möglichst  viek: 
Fandorten,  sowie  fortgesetzte  Beobachtung  derselben  im  cnltivirten  Zustand' 
werden  später  ein  bestimmtes  Urtheil  darüber  erlauben,  ob  alle  diese  Forme: 
so  innig  zusammenhangen,  dafs  sie  als  Abarten  einer  Species  betrachtet  wer- 
den müssen,  oder  ob  sii-h  dieselben  in  mehrere  nnterscheidbare  Art^: 
gnippiren  Inssen. 

')  "NVohl  beides  derselbe  Fundort,  wie  ich  nach  der  TÖlligen  Üb^r«E- 
ütimtniing  der  Exeniplure  %-crmiifhc. 


vom  iL  August  1870.  735 

fähr  6  Sori  auf  jeder  Seite.     Fruchtstiel  fast  3  mal  so  lang.     Die 
Haare  der  Frucht  an  den  oberen  Zellen  sehr  stark  warzig. 

22.  M.  Müllen  A.  Br.  in  Linnaea  1.  c.  p.  721.  M.  eroaa 
F.  V.  Maller  in  herb.  Sond.  et  nostro.  Nachdem  ich  Exemplare 
von  mehreren  Fundorten  und  unter  diesen  auch  fruchttragende  ge- 
sehen, mufs  ich  die  früher  (Monatsb.  1863,  427)  versuchte  Yer- 
bindang  dieser  Art  mit  1/.  salvatrix  wieder  aufgeben.  Durch  die 
kleinen  Fruchte  (5 — 5}*  Mm.  lang,  4 — 4^  breit)  schliefst  sie  sich 
den  beiden  vorigen  an,  und  ist  im  fructificirenden  Zustande  fast  so 
kleinblättrig,  wie  die  vorige.  Die  Behaarung  ist  lockerer,  die  Blfitt- 
chen  der  kleineren  Form  sind  einfach  oder  doppelt  ausgeschnitten, 
die  der  gröfseren  (fast  ganz  kahlen,  sterilen)  zeigen  zahlreichere 
(5 — 6)  durch  tiefere  Einschnitte  gesonderte  Läppchen  am  Stimrand, 
welche  meist  selbst  wieder  in  2  —  3  Zähne  getheilt  sind.  Die 
Höcker  der  Hantzellen  sind  ausgehöhlt  —  Sud- Australien:  Nel- 
sabe  (F.  v.  MuH.  mit  Frucht);  Flinders  Ranges  (F.  v.  Mull,  eben- 
so); St  Vincents  Golf  (F.  v.  Mull.  1850,  schwfichliche  Sumpfform 
hier  und  da  mit  In terstitial streifen);  an  den  Seen  um  Port  Lincoln 
am  Spencer  Golf  gesammelt  von  Wilhelmi  (F.  v.  Mull.,  grofsere 
nnd  kleinere  sterile  Formen).  Am  See  diesseits  Bacchus  March 
(F.  V.  Muller  1853,  kleine  Landform). 

23.  M.  macra  A.  Br.  Ind.  sem.  hört  Berol.  1867,  appd. 
p.  3.  Im  bot  Garten  aus  von  Dr.  F.  v.  Muller  erhaltenen  Früch- 
ten erzogen,  welche  wahrscheinlich  in  den  Darling  Downs  gesam- 
melt sind  (vergl.  oben  S.  663).  Wild  gesammelte  fruchttragende 
Kxemplare  sind  nicht  bekannt,  abor  ein  steriles  Exemplar  vom 
Light  River  neben  den  Bergen  Barossa  Range  (F.  v.  Mfill.  1848) 
gehört  wahrscheinlich  hierher.  —  Auch  diese  Art  schliefst  sich 
durch  die  kleineren  fast  horizontalen  Fruchte  an  die  vorausgehen- 
den an,  ist  aber  durch  eine  leichte  Ausfurch nng  der  Bauchkante 
der  Frucht  ausgezeichnet  Die  Rückenkante  der  Frucht  ist  oft  et- 
was eingebogen,  wie  bei  M.  hirsuta.  Die  wild  gesammelten  Fruchte 
sind  4^ — 5  Mm.  lang,  3^^  —  4  breit;  die  cultivirten  erreichen  mit- 
unter 6  Mm.  Länge.  Sori  jederseits  6 — 7.  Der  Fruchtstiel  ist  2-, 
höchstens  3  mal  so  lang  als  die  Frucht  Die  Behaarung  ist  an 
allen  Theilen  schwächer  und  weniger  bemerkbar  als  bei  den  vori- 
gen.    Die  Haare  der  Blätter  zeichnen   sich   durch  eine  sehr  breite 


736  Gesammt$it2ung 

erste  Zelle  and  eine  plötzliche  Yerscbmiiierang  ober  derselben  as*. 
sie  sind  an  allen  Zellen  locker  warzig,  wie  bei  den  To^be^gebc^ 
den.  Die  Haare  der  Frucht  sind  fester  aoliegend  und  weniger  be- 
ständig. Die  Landblätter  haben  mit  Höckern  besetzte  Hautzeih. 
auf  beiden  Flachen,  die  Schwimmblätter  mir  aaf  der  Oberfiick 
(vgl.  S.  668,  691). 

24.  M.  OXaloides.  An  der  Westküste  Neubollands  aa 
Swan  River  von  Druinmond  gefunden,  welcher  die  ersten  steriks 
Exemplare  mit  der  Bezeichnung  ^^Oxalis*'  an  Ilooker  sendeti*. 
Fruchttragende  Exemplare  vom  Jahre  1848  tragen  die  Nununer 
398  (herb.  Hook.)  oder  398  B  (herb.  Boiss.).  Sie  ist  gror8blattn& 
die  Blätter  ganzrandig,  die  Behaarung  sparsam,  weich  and  |^aiu- 
los,  bei  einer  gröfseren  Sumpfform  fast  ganz  fehlend.  Die  Ha«re 
der  Blätter  weichen  von  denen  aller  anderen  Arten  dieser  Gnippe 
dadurch  ab,  dafs  sie  an  den  Gelenken  eingezogen  sind  und  aa? 
dfinnwandigen  (schwach  und  locker  warzigen)  Zellen  bestefaeo. 
Die  Frucht  ist  7-^  —  8  Mm.  lang,  5-}- — 6  breit,  stark  aosammenge- 
druckt,  an  der  Bauch-  und  Ruckenkante  schärfer  als  bei  aUen  Yei^ 
wandten,  schwach  geneigt  oder  völlig  aufrecht  Die  Haare  der 
Frucht  straff  anliegend,  aus  meist  4  sehr  dickwandigen  Zellen,  nacb 
der  Spitze  zu  warzig. 

25.  M.  hirsutiSSVnxa.  im  Innern  Australiens:  Wills  Creek 
(Dr.  Murray  auf  Howitts  Expedition  1861),  auch  auf  ATDoo^l 
Stuarts  Expedition  (1862)  gesammelt  nnd  von  Dr.  F.  t.  Müller 
mitgetheilt.  —  Gleicht  in  der  Gestalt  und  Richtung  der  Fracht  der 
vorigen,  aber  die  Bauchkante  derselben  ist  abgeflacht.  L&nge  der 
Frucht  b^ — 7^^  Mm.,  Breite  4^  —  5.  Fruchtstiel  doppelt  so  lang 
als  die  Frucht.  Die  Blättchen  sind  stark  gekerbt  Die  Bebaamog 
aller  Theile  ist  sehr  stark  und  auffallend.  Die  Haare  der  Frucht 
sehr  lang,  etwas  kraus  und  abstehend,  sehr  schmal  und  lang  auf- 
gezogen, aus  6 — 7  Zellen,  die  von  der*  zweiten  an  warzig  sind. 

26.  M.  Nardu.  M.  DrummondU  orientalis  im  Vorherge- 
henden (S.  162,  193  etc.).  M.  DrummondU  A.  Br.  in  Linnaea  XXV 
(1852)  p.  721  ex  part.  (quoad  var.  megalophyllam?);  Monatsb.  1S63 
S.  426  (ex  part);  Ind.  sem.  hört  Berol.  1867,  app.  p.  2;  M.  fMacn^ 
pm  Hook.  Ic.  pl.  X  (1854)  ex  part  (quoad  plant,  ad  fluv.  Lachlan 


vom  IL  August  1870,  737 

lectaro);  Garden  Ferns  (1862)  t.  63!  M.  hirsuta  (quadri/olia  vbt.) 
b\  V.  Muller  in  herb,  (non  R.  Br.);  M.  sericea  Kunze  herb.  —  Da 
ich  mich  überzeugt  habe,  dafs  die  seit  8  Jahren  in  den  bot  Gär* 
ten  cultivirte  ostaustralische  Pflanze,  ungeachtet  bedeutender  Ahn* 
liclikeit,  doch  nicht  identisch  ist  mit  der  von  Drunimond  in  West- 
äustrah'en  entdeckten  Art,  so  ist  eine  neue  Benennung  für  die  er-* 
stere  nöthig,  auch  wenn  man  sie  nur  als  Abart  betrachten  will. 
Ich  wähle  dazu  den  Namen,  den  die  Eingeborenen  den  zur  Brot- 
bereitung benutzten  Arten  geben,  da  die  Art,  um  die  es  sich  han- 
delt, ohne  Zweifel  die  vorzüglichste  unter  den  JVitirc^u* Pflanzen  ist, 
indem  sie  eine  minder  harte  Fruchtschale  besitzt  als  M.  salvatrix  und 
tiata  (vergl.  Monatsb.  1863,  S.  415).  Besonders  charakteristisch 
für  diese  Art  sind  die  schief  aufgerichteten,  von  unten  nach  oben 
schief  abgeschnittenen  Fruchte,  die  dicker  sind  als  bei  den  Ver- 
wandten, an  der  Bauchkante  etwas  abgeflacht,  aber  nicht  aasge- 
furcht. Sie  hat  unter  allen  Verwandten  den  gedrungensten  Wuchs 
und  die  gröfste  Fz  uchtbarkeit.  —  Ostaustralien  wahrscheinlich  bis 
weit  ins  Innere.  Der  von  Hooker  1.  c.  angegebene  Fundort  Lach- 
lan  River  und  Liverpoolplains  (All.  Cunningham)  gehört  wahr- 
scheinlich hierher,  sicher  die  Exemplare  in  Hooker's  Herbar  mit 
der  Bezeichnung  ^Eastern  subtropical  Newholland  (Mitchell)^.  Fer- 
ner sah  ich  unzweifelhafte  Exemplare  von  den  Darling  Downs 
(Darlachy  et  Goodwin)  in  der  von  Dr.  v.  Muller  zur  Ansicht  mit- 
gctheiltcn  Sammlung. 

M.  Nardu  var?  megalophtjlla  (M,  Drummondii  y,  megalophylla 
A.  Br.  in  Linnaea  XXV.  p.  221)  von  Dombey  Bay  (F.  v.  Muller 
1851)  und  Spencers  Golf  (F.  v.  Müll,  in  herb.  Melb.)  unterscheidet 
sich  durch  auf  beiden  Seiten  mit  höckertragenden  Hautzellen  ver- 
sehene Blatter  von  ausgezeichneter  Gröfse.  Die  Blättchen  sind 
23  —  25  Mm.  lang,  25 — 28  breit,  dabei  beiderseits  stark  behaart, 
ein  Zeichen,  dafs  es  keine  Schwimmblätter  sind.  Des  Fundorts 
wegen  ziehe  ich  sie  lieber  hierher  als  zu  M,  elata^  zgmal  die  cul- 
tivirte M,  Nardu  mitunter  (an  den  falschen  Schwimmblfittern) 
gleichfalls  auf  der  Unterseite  höckerige  Blatter  zeigt.  Ohne  Früchte 
ist  eine  Entscheidung  nicht  möglich. 


'.  M.  Drummonclü  A.  Br.  in  Linnaea  XXV.  (1852) 
p.  221  (ex  part,);  Monatsb.  1863,  S.  426  (ex  part);  M.  Drummon- 
dii occidtntalis  im  Vorhergehenden  (S.  690  etc.) ;  M,  macropu»  lloo- 


738  Gtsammtsitzung 

ker  Ic  pl.  X.  (1854)  t.  909!  (Cent  of  ferns  L  9  t)  mit  AudschloT« 
des  Fandorts  ^Laehlan  River  etc.**  Unterscheidet  sich  yoo  drf 
▼origen,  mit  der  sie  in  der  Form  und  Richtung  der  Kracht  h< 
wie  in  der  Lftnge  des  Fruchtstiels  übereinstimmt,  darch  gekerbte 
Blfitter  mit  schwächeren  (soliden)  Höckern  auf  den  Hautzellen  der 
Oberflache  und  mit  völlig  glatten  Haaren.  Auch  die  Haare  der 
Frucht,  welche  5  —  6  zellig  und  sehr  lang  und  sclimal  ausgezc^ec 
sind,  sind  beinahe  glatt  (an  den  letztem  Zellen  sehr  fein  panktirt . 

28.  M.  salvatrix  Hanstein,  Monatsb.  1863,  p.  103,  105  f, 
tab.');  A.  Br.  ibid.  p.  415.  427;  Ind.  sem.  h.  Ber.  1867,  app.  p.  3.— 
Die  Fruchte,  aus  welchen  die  seit  1863  cultivirte  Pflanze  erzogeü 
wurde,  sind  vom  Coopers  Creek  im  Innern  Australiens  (onter  iV 
sudl.  Breite  und  140  ostl.  Lfinge),  der  Gegend  in  welcher  Barke, 
nach  glOeklich  vollendeter  Reise  durchs  Innere,  auf  der  Rückkek 
vom  Carpentaria-Oolf  im  Juni  1861  sein  Leben  endete;  sie  stammeD 
wahrscheinlich  von  Howitts  Expedition  und  w^nrden  mir  1862  vcm 
Herrn  Osbome  uberbracht.  Getrocknete  Exemplare  derselben  Pflanze 
vom  Coopers  Creek  und  Wills  Creek,  gesammelt  von  Dr.  Morrtj 
und  Howitt,  verdanke  ich  Dr.  F.  v.  Müller  und  Hrn.  Wilhelmi. 
Zweifelhaft  rechne  ich  hierher  sterile  Exemplare  gesammelt  von 
Dr.  Wheeles  ^betweeu  Stockes  Range  and  Coopers  Creek  (hcri?. 
Mus.  Melb.).  —  Auszeichnend  fSr  diese  Art  sind  die  gekerbiec 
Blfittchen  mit  welligen  Rändern,  der  leicht  gebogene  Frachtstiel,  dir 
weniger  schiefe  und  stärker  zusammengedruckte  Fracht.  Sie 
gehört  zu  den  ansehnlichsten  der  Gattung,  i^t  auch  im  trocke- 
nen Land  st&rker  kriechend  als  M.  Nardu^  die  Blattstiele  sehr 
gestreckt  und  biegsam  (vergl.  S.  679).  Die  Blätter  färben  sick 
im   Spätjahr  dunkelbraun   (vergl.  S.  693)');   die   Fruchtstiele  sind 


0  Die  von  Hanvtein  unter  Fig.  1.  dargestellten  Frflchte  zeigen  eine  dfs 
Bp&ter  erhaltenen  und  hier  gezogenen  Frflchten  ungewöhnliche  Einbiegnjig  d« 
Rftcken«,  die  kleine  Fracht  (c)  gehört  schwerlich  derselben  Art  an.  Dif 
Kahlheit  der  Frucht,  welche  Hanstein  in  die  Diagnose  angenommen  hat,  i^ 
Folge  der  Abreibung  (vgl.  S.  710). 

')  In  dem  von  Wills,  dem  unglücklichen  Begleiter  Burke's,  bis  anm  Knd? 
seines  Lebens  geführten  Tagebuehe  findet  sich  die  Angabe,  dafs  er  an  eini^ 
Stellen  (des  Cooper  Creek)  die  Erde  ganz  schwarz  mit  Nardu  bedeckt  sr- 
funden  habe.     Dies  bezieht  sich  ohne  Zweifel  auf  die  Farbe  der  Blätter. 


vom  iL  August  1870,  739 

3-}— 4  mal  so  lang  alii  die  Fracht  and  nach  oben  za  leicht  ge* 
bogen;  die  Frocht  geneigt,  stärker  zusammengedruckt,  an  der 
Spitze  gleichmfifsiger  gerandet  als  bei  M,  Nardu^  6 — 9,  bei  caltiv. 
ExempL  7 — 10  Mm.  lang,  4^—5^  (caltiv.  3 — 6)  Mm.  breit,  deut- 
lich gerippt;  Sori  jederseits  8 — 10,  zuweilen  selbst  bis  12. 
Die  Haare  der  Fracht  sind  anliegender  und  dunkler  gef&rbt  als 
bei  Ü.  Nardu,  von  der  dritten  Zelle  an  deutlicher  warzig  als  bei 
J/.  Dmmmondiu 

29.  M.  elata  A.  Br.  Ind.  sem.  1867,  app.  p.  3.  —  Wilde 
Exemplare  sind  von  dieser  Art  nicht  bekannt;  die  seit  1864  cul- 
tivirte  Pflanze  ist  aus  Fruchten  von  M^  Kinlay's  Expedition  erzo- 
gen, die  mir  von  Dr.  F.  v.  Muller  mit  der  Angabe  „Northern 
Aostralia^  mitgetheilt  wurden.  Wahrscheinlich  sind  sie  aus  der 
Gegend  des  Lake  Blanche,  sGdlicher  als  Cooper*s  Creek.  Von 
dieser  Gegend  wird  in  M®  Kinlay's  Journal  unter  dem  10.  Januar 
1862  (p.  41)  angegeben,  dafs  die  hauptsächliche  Nahrung  der  Ein- 
geborenen in  Fischen  und  j^Äddo^  (dem  Nardu  Burke's)  bestehe.  — 
Die  sehr  langgestielten  aufrechten  Früchte  mit  ausgefurcfater  Bauch- 
kante und  die  beiderseits  mit  Hockerchen  besetzten  Blätter  lassen 
diese  Art  sicher  erkennen.  In  Beziehung  auf  Gröfse  und  beson- 
ders Länge  der  Frucht  ist  sie  se^ir  veränderlich  (vergl.  S.  700), 
ebenso  in  der  Lange  der  Fruchtstiele  (S.  695),  die  bei  dieser  Art 
ihr  Maximum  erreicht  Die  Blättchen  sind  bei  der  Normalform 
ganzrandig;  eine  Form  mit  gekerbten  Blättchen,  die  bei  den  wie- 
derholten Aussaaten  öfters  vorkam,  kann  als  var.  crenata  unter« 
schieden  werden. 


Gruppe  der  M.  mucronata. 

30.  M.  villosa  Kaulf.  Enum.  Fil.  (1824)  p.  272;  A.  Br. 
Monatsb.  (1863)  S.  425;  Horace  Mann,  Hawaian  plants  (Proceed. 
of  the  Amer.  Acad.  VII)  p.  222;  M.  quadri/olia  Kaulf.  1.  c.  p.  271 ; 
Gaudich.  in  Freyc.  Voyage  p.  406.  —  Sandwichs -Inseln:  Oahu 
(v.  Chamisso,  Gaudichaud,  Remy,  Eschscholtz,  Mann).  Eine  aus- 
gezeichnete ArtI  Der  Name  bezieht  sich  weniger  auf  die  Blätter 
als  aaf  die  Stengelspitzen,  die  mit  einem  dichten  rothlichen  Filz 
bedeckt  sind,  in  welchem  sich  die  gleichfalls  dicht  behaarten 
kurz  gestielten  Fruchte  verbergen.    Der  Fruchtstiel  ist  ungefähr  -} 


740  Gesammtßilzung 

80  lang  als  die  Frucbf,  welche  stark  zusammengedruckt  und  emii 
einseitig  gewölbt  ist,  wie  bei  AI.  pubescens»     Sorl  jederseits  7. 

31.  M.  tenuifoUa  Engelm.  in  lit.  1847;  A.  Br.  Monaob 
1863,  S.  425.  —  Im  westlichen  Texas:  bei  Friedrieb sbar]g  an  Wa»- 
serpfutzen  im  sandigen  Eichenwalde  (Postoak,  QuereuM  obtunio^ 
am  Pierdenales  (F.  Lindbeinier  1847,  Fl.  Tex.  exsicc  Fase.  fV. 
No.  745).  Im  östlichen  Texas  ohne  nähere  Angabe  (Ch.  Wrigjbt 
Coli,  du  Texas  or.  1848—49.  Herb.  Godet.)  —  Eine  der  austnli- 
sehen  M,  angmti/olia  analoge  Art,  aber,  abgesehen  von  der  wesent- 
lich verschiedenen  Fruchtbildung,  weit  zarter,  dünnstieliger  und 
kleinblättriger.  Die  grofsten  Blätter,  die  ich  sah,  haben  HlüttcheL 
von  20  Mm.  Länge  und  5  Mm.  Breite;  bei  15  Mm.  Lfänge  betrigt 
die  Breite  1^ — 2;  die  kleinsten  Blättchen  haben  5  Mm.  Lange  nnd 
kaum  1  Mm.  Breite.  Der  Stirnrand  der  Blättchen  ist  schief  abfir- 
schnitten  meist  mit  einigen  (3 — 6)  Zähnen.  Die  Frucht  hat  grofre 
Ähnlichkeit  mit  der  von  M.  mucronata ;  sie  ist  6  —  8  Mm.  lanc 
4^ — 5  breit,  reif  horizontal,  in  der  Jugend  auf  den  Stiel  xurück 
gelegt.  Der  obere  Zahn  ist  gerade  oder  schwach  ruckiirärts  i^f* 
bogen  und  nicht  immer  langer  als  der  untere.  Die  Haare  dtr 
Frucht  sind  angedrückt,  breit,  meist  dreizellig,  mit  ungewöhnlich 
starken  Warzen  besetzt.  Die  sparsamen  Haare  der  Blätter  s^iuA 
gleichfalls  anliegend  und  kurz,  aber  etwas  schmäler  und  sehwäcbf-r 
warzig.  Die  Schwimniblätter  sind  leider  unbekannt.  Mochten  y^ir 
doch  Gelegenheit  erhalten,   diese  eigenthumliche  Art  zu  cultivirrn! 

32.  M.  mua^onata  A.  Br.  in  Sillim.  Am.  Joum.  Ser.  IL 
vol.  III  (1847)  p.  55;  Monatsb.  18G3,  S.  423;  M.  vestita  Torr.  Cai- 
of  Nicollet's  Exped.  app.  p.  165  (non  Hook,  et  Grev.);  M,  qttadn- 
folia  Ward  in  herb.  t.  Engelm.  —  Minesota,  auf  der  Hochel>en<r 
zwischen  Missouri  und  Mississippi  in  der  Nähe  des  Shienne- Flosse? 
und  des  Devils-Sees  auf  NicoUefs  Expedition  entdeckt  Ton  Ch. 
Geyer  1839.  Als  zweifelhaft  zu  dieser  Art  gehörig  führe  ich  an: 
eine  sterile  Form  von  Michaux  aus  Illinois  („ad  amnem  Kaakajt- 
kia^  herb,  de  Franquev.) ;  ferner  Exemplare  von  Athens  in  Uliooi«« 
(Elihu  Hall  1862,  mit  unentwickelter  Frucht);  endlich  eine  lang> 
kriechende  sterile  Form  von  Neu  Orleans  (P.  Häuser  1868).  AN 
abweichende  Form  dieser  Art  betrachte  ich: 


VOM  iL  August  i870.  741 

1/.  hrevipet  Nutt.  in  herb.  Hook,  aus  Arkansas.  Die  Fracht 
ist  kurzer  als  bei  der  Normalform,  kaum  5  Mm.  lang,  4  Mm.  breit; 
der  obere  Zahn  gerade  aufgerichtet  und  doppelt  so  lang  als  der 
untere.  Der  Fruchtstiel  kaum  so  lang  als  die  Frucht.  Die  Haare 
der  Fracht  dicht  anliegend.  Die  Blätter  schwach  behaart.  Mit 
dieser  stimmen  auch  von  dem  Capitain  Le  Conte  (in  Georgien?) 
gesammelte  Exemplare  im  Pariser  Museum  uberein,  so  wie  eines 
aus  Texas  von  Drammond  gesammelt  (herb.  Fee).  Eine  sehr 
kleine  Form,  die  sich  gleichfalls  hier  am  besten  anzuschliefsen 
scheint,  habe  ich  vorläufig  als  M,  mucronata  var.  antrorsa  bezeich- 
net Sie  ist  von  Cb.  Wright  auf  der  Expedition  von  West-Texas 
nach  El  Paso  in  Neu -Mexico  (Mai  —  Oet.  1849),  wahrscheinlich 
bei  San  Elceario  am  Rio  Grande  in  W.  Texas  (wie  Torrey  im 
Rep.  on  the  U.  St.  and  Mex.  Boand.  Survey  1859,  vol.  II,  p.  236, 
jedoch  mit  Citirung  einer  nicht  hierher  gehörigen  Nummer,  an- 
giebt)  gesammelt  und  unter  der  Nummer  811  vertheilt  worden. 
Die  äufserst  kleinen  Blätter  (die  Blättchen  nur  3 — 5  Mm.  lang!) 
sind  grau,  aber  kahl.  Die  kleine,  aber  dick  geschwollene  Frucht 
nur  4  Mm.  lang  und  fast  ebenso  breit,  mit  anliegenden  Haaren 
bedeckt  Der  obere  Zahn  sehr  lang,  homformig  und  nach  vom 
gekrümmt. 

M,  mucronata  hängt  mit  M,  uncinata  sehr  innig  zusammen 
und  beide  sind  vielleicht  von  M,  vestita  nicht  specifisch  zu  tren- 
nen. Weitere  Prufang  im  Vaterland  und  durch  Cultur  werden 
hierüber  entscheiden. 

33.  M.  vestita  Hook,  et  Grev.  Ic.  Fil.  II  (1831)  t.  159; 
Engelm.  in  Sillim.  1.  c;  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  424;  M.  villosa 
(Kaulf.)  Brackcnr.  Expl.  Exped.  p.  272  ex  part.;  M,  lanugino^a 
Nutt  in  herb.  Hook.  —  Von  der  vorigen  durch  die  starke,  glän- 
zend rothlich-braune  Behaarung  der  Knospen,  Blätter  und  Fruchte 
abweichend.  Selbst  die  Blattstiele  sind  mit  langen,  abstechenden 
Haaren  besetzt  Die  Haare  der  Frucht  sind  sehr  lang  nnd  schmal 
ausgezogen,  während  sfe  bei  if.  mucronata  kurz  und  breit  sind. 
Sie  scheint  auf  die  Westseite  von  Nordamerika  beschränkt  zu  sein. 
Oregon:  Auf  den  Sandbänken  bei  den  Wasserfällen  („grand  ra- 
pids^)  des  Columbia- Flusses  (Scouler  in  herb.  Hook.);  bei  Walla- 
W^alla  an  demselben  Flusse  (nach  Brackenr.) ;  ohne  nähere  Angabc 
des  Fundorts  (Douglas,  Geyer).     Californien:  im  Thalc  des  Sacra- 


742  GesammUitzung 

mento  (nmch  BrackeDr.).     Neu -Mexico:   bei  St  Barbftm  (Nntt.  u 
herb.  Hook.). 

M.  vestita  Tar.  mmima.  So  bezeichne  ich  eine  too  Wrigfat  in  Neu* 
Mexico  gesammelte  sehr  kleine  Form,  die  in  der  CoU.  Not.  Mex 
1851 — 52  anter  No.  2112  aasg^eben  ist.  Sie  ist  nicht  xn  Ter> 
wechseln  mit  Wrigbis  No.  811  (M,  muenmata  ▼.  antror^a')^  da  sm 
die  starke  und  abstehende  Behaamog  der  M.  ve$tita  besifxt.  Die 
Pracht  ist  5  Mm.  lang,  4  breit;  die  Blaltchen  5 — 6  Mm.  lang. 

34.  M.  uncinata  A.  Br.  in  Flora  1839,  p.  300;  Rngeim 
in  Sillim.  Am.  Joum.  Ser.  II,  Vol.  III  (1847)  p.  55;  IT.  Beyrickh 
Sporleder  in  herb.  Kunze.  —  Little  Rock  am  Arkansas  (Engelmaos 
1835,  Bejrich  1834).  Von  den  bi'iden  voraosgehenden  weicht  &te 
hauptsächlich  darch  den  längeren  Fruchtstiel,  die  kürzere  Fracht 
und  den  meist  hacken  formig  zuruckgebogenen  oberen  Zahn  ab. 

M,  uncinata  v.  Texana  (AI.  Texana  Godet  herb.)  von  Landhd- 
mer  im  Jahr  1847  zwischen  dem  oberen  Guadeloupe  und  Cibolo. 
bei  Friedrichsburg,  zwischen  Braunfels  und  Comanche-Spring  und 
anderw&rts  gesammelt,  bildet  einen  deutlichen  Übergang  zu  M. 
mucronata,  von  welcher  namentlich  die  in  Lindh.  Fl.  Tex.  exsicc. 
Fase.  IV.  unter  No.  746  ausgegebene  Form  kaum  nnterscheidbar  ist 


Gruppe    der    M,   Capenaxa. 

35.  M.  rotundata  A.  Br.  in  Kuhn,  Fil.  Afr.  (1868)  p.  2in\ 
—  Von  Dr.  Wel witsch  in  Angola  entdeckt:  fruchttragende  Exeto- 
plare  im  Distrikt  Huilla,  in  Sumpfen  neben  dem  Flufse  Ton  Mum- 
pnlla,  in  Gesellschaft  von  Otteliay  Xyrie  und  «/ifnctM-ArteD ,  nnge- 
fjRhr  4500  über  M.  im  Juni  1870  (It.  Ang.  171);  sterile,  sehr 
wahrscheinlich  derselben  Art  angehorige  Exemplare  im  Distrikt 
Zenza  de  Golungo,  in  einem  Bache  Namens  Ribeira  de  Mncha«) 
im  Sept.  1854  (It.  Angol.  40).  —  Ich  bin  etwas  zweifelhaft«  ot> 
diese  Art  hier  die  richtige  Stellung  gefunden  hat,  da  die  Ringspal- 
ten der  Frucht  unmerklich  sind,  während  sie  bei  allen  anderec 
Arten  der  Gruppe  sehr  auffallend  hervortreten.  In  allen  anderem: 
Charakteren,  namentlich  in  der  schwachen  Ausbildung  beider  Zähne. 
schliefst  sie  sich  nah  an  M.  macrocarpa  an,  von  der  sie  sich  haapv 


rot»  li.  Angmt  iS70,  743 

sachlich  durch  kleine  und  verbältnifsmärsig  kürzere  Fruchte  unter- 
scheidet. Die  fructificirende  Land-  oder  Sumpfform  (171),  hat  un- 
gefähr die  Statur  von  M.  gucuiri/oliata,  aber  die  Blättchen  sind  et- 
was schmäler,  mehr  keilförmig,  am  Stirnrand  mehr  oder  weniger 
deutlich  gekerbt,  mit  7 — 8,  bei  kleinem  Blättern  2 — 4  Kerbsähuen; 
sie  sind  kahl  und  etwas  glaucesoent.  Der  aufrechte,  seltener  ge- 
gen die  Spitze  etwas  gekrümmte  Fruchtstiel  ist  2-^ — 3-,  selbst  4- 
mal  so  lang  als  die  Frucht.  Die  Frucht  ist  fastkreisrund,  4 — 5  Mm. 
lang,  3  j — 4  breit,  horizontal  oder  schwach  aufsteigend,  mit  verlänger- 
ter Raphe  und  zwei  flacbgerundeten ,  wenig  bemerkbaren  Zähnen. 
Sori  jederseits  7 — 8.  Die  Haare  der  Frucht,  welche  zur  Zeit  der 
Reife  verloren  gehen,  sind  fest  anliegend,  sehr  allmählig  verschmä- 
lert, aus  meist  6  ungewöhnlich  kurzen  Zellen  gebildet,  von  denen  die 
erste  gestreift  ist,  die  folgenden  mit  gereihten  Wärzchen  besetzt. 
Die  Wasserform  (40)  hat  bedeutend  grofsere  Blätter  mit  ganzran- 
digea  Blättchen^  die  so  breit  als  lang  sind  und.  auf  der  Unterseite 
die  für  die  Schwimmblätter  charakteristischen  Interstitialstreifen 
zeigen. 

36.  M.  macrocarpa  Presl  in  Abb.  d.  Böhm.  Ges.  d.  Wiss. 
III  (1843—44)  S.  580;  Kuhn  Fil.  Afr.  p.  199;  M.  Dregeana  A.  Br. 
Monatsb.  1863,  S.  428.  —  Im  Capland  (Dr^ge  als  If.  quadri/.  a, 
c  und  b,  letztere  die  sterile  Wasserform;  Burchell  3896).  —  Sie 
verdient  ihren  Namen  eigentlich  nicht,  da  die  Fruchte  nur  5^ — 6^ 
Mm.  lang,  3j — 4  Mm.  breit  sind.  Der  Fruchtstiel  ist  10 — 14  Mm. 
lang.     Sori  7 — 8.     Gröfse  der  Schwimmbl.  vergl.  S.  669. 

31.  M.  CapenstS  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  428;  M.  biloba 
J^ory  in  herb,  variis  (non  Willd.);  Jf.  quadrifolia  ß.  Kunze  in 
Linnaea  X  (1836)  p.  555.  —  Im  Capland  die  häufigste  Art  (Maire 
nnd  Mundt  in  herb.  Berol.;  Carmichael  in  herb.  Hook.;  Alexan- 
der In  herb.  Hook.;  Zeyher  4644;  Dr^ge  als  M.  quadrif,  d,  e  und  f, 
die  letzte  eine  sterile  Wasserform);  Natal  (Robertson  in  herb.  Hook., 
sterile  zweifelhafte  Form).  —  Eine  der  kleineren  Arten,  in  der 
Blattform  sehr  veränderlich,  mit  ungetheilten  bis  tief  zweilappigen 
Blattchcn;  die  Frucht  3—3^,  selten  bis  4  Mm.  lang,  2 — 2|  breit; 
der   Fruchtstiel  5 — 6  Mm.  lang.     Sori  5 — 6. 

M,  CapenstS  var.  brachycarpa  mit  kürzerer,    fast  horizontaler 


744  GenammHitzung 

Frucht  von  3  Mm.  Liinge  und  2^  Breite  nähert  sich  der  folge&i^ 
an  (Eoklon  et  Zeyher  No.  3). 

38.  i/.  Burchellü  A.  Br.  Monatsber.  1863,  S.  429;  V 
quadrifolia  y,  Burehellii  Kunze  in  Linnaea  X  (1836)  p.  556;  1 
mtfiti/a  Barch.  Cat  No  1625;  M,  pusilia  A.  Br.  olim  in  heii 
Drege;  M,  pumila  (Schreibfehler  statt  putilla)  E.  Mejer,  pfluuci- 
geogr.  Documente  (Beigabe  znr  Flora  von  1843)  S.  58.  —  C«^ 
land  (Burchell  No.  1625  und  2123  in  herb.  De  Cand.  et  Ued 
letttere  Nummer  eine  Form  mit  gröfseren  Blättern;  Drege  als  J^ 
quadrif,  g;  James  Backhouse).  —  Im  Interesse  der  Wiedf^ao/li^ 
dang  dieser  kleinsten,  sehr  niedlichen  Art  mag  die  genauere  A& 
gäbe  der  bekannten  Fundorte  nicht  überflüssig  sein.  J.  Backboos' 
hat  dieselbe  im  Jahr  1839  an  einer  Pfütze  auf  der  Nordseite  dr> 
grofsen  Oranjefiusses,  zwischen  29  und  30°  s.  B.,  25  aod  26'  ('. 
L.,  am  Weg  von  Philippolis  nach  Ramah  gesammelt  und  gbak 
dafs  dies  dieselbe  Stelle  sei,  an  welcher  sie  von  Barcbell  eotdef&i 
worden  sei.  Dr^ge  giebt  einen  sud westlicher  gelegenen  Fandon 
an:  Nieuweveld  zwischen  Brakrivier  und  Uitvlugt,  3000  —  ^*^' 
üb.  M.  —  Die  Frucht  ist  nar  1^— If  Mm.  lang  und  fast  ebensi^ 
breit;  die  Blattchen  2^6,  bei  BurchelFs  No.  2123  bis  lOMo.itng. 
Die  Nervatur  der  Fracht  vergl.  S.  702,  Fig.  1. 

* 

39.  M.  biloba  Willd.  Sp.  pl,  V  (1810)  p.  540;  hcrb.2025T: 
A.  Br.  Monatsb.  1863.  S.  429;  Kuhn,  Fil.  Afr.  p.  198;  M,gl^ 
rata  Presl  in  Abhandl.  der  Böhm.  Ges.  d.  Wiss.  III  (1843 -^|) 
S.  580.  —  Capland:  In  der  Gegend  der  Mosselbay  (Meuron  » 
herb.  Willd.);  am  Garip  (Oranjeriver)  bei  Verleptpram  (Drege,  »l« 
if.  quadrif.  h).  Eine  grofsblfittrige  sterile  Form  ist  Burchell's  N<>- 
4444*  —  Eine  durch  den  einzigen  (oberen),  stachelartig  verling«^ 
ten  Zahn  und  die  starke,  abstehende  Behaarung  der  Fracht,  so 
wie  durch  die  tief  zweilappigen,  bei  der  grofsblättrigen  Form  dop* 
pelt  zweilappigen  Blattchen  sehr  ausgezeichnete,  von  if*  Coff^^ 
wohl  verschiedene  ArtI  Die  Frucht  ist  kaum  Ifinger  als  breit  (M>' 
nahe  3  Mm.  lang,  2^  breit),  von  unten  nach  oben  schief  abgeschnit- 
ten, die  SeitenwÄnde  sehr  stark  gewölbt.  Sori  jederseits  4.  Frucht- 
stiel 1^ — 2  mal  so  lang. 


vom  ii.  August  1870.  745 

Gruppe    der   jl/.  Aegyptiaca. 
(Mit  der  vorausgehenden  Gruppe  nahe  verbunden.) 

40.  M.  Aegyptiaca  WiUd.  Sp.  pl.  (1810)  p.  540;  Delile 
Fl.  d'Egypte  p.  283,  t.  50;  Schweinf.  Beitr.  S.  218;  Coss.  et  Kral. 
Sertul.  Tunet.  p.  61;  Ledeb.  Fl.  Rofs.  IV.  p.  494;  Kuhn  Fil.  Afr. 
p.  197;  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  430;  M.  emarginata  Del.  in  herb. 
!dus.  Par.;  M.  tridentata  Del.  in  herb.  Fee.  —  Ägypten:  Bei  den 
Pyramiden  von  Gizeh  (Delile,  Kralik);  bei  Cairo  (Th.  Bilharz, 
Schweinfurth,  Steudner);  bei  Abu-Zabel  (W.  Schimper  et  WieBt 
No.  33,  Kotschy  No.  408) ;  bei  Gezaieh  (Husson,  Scbweinfurth) ; 
bei  Mansurah  und  Essaui  (Bhrenberg);  am  See  Menzaleh  bei  Tanis 
[Scbweinfurth);  bei  Damiatte  (Ehrenberg,  Sieber);  bei  Rosette  (Co- 
quebert  in  Mus.  Par.).  Tunis:  bei  Gabes  (Kralik  Fl.  Tnnct.  ex- 
Bicc  396).  Bei  Astrachan  (Blum  in  herb.  Ledeb.).  Ob  eine  von 
Dr.  Steudner  in  Abyssinien  bei  Zasaga  zwischen  Keren  und  Adoa 
gesammelte  sterile  Pflanze  hierher  gehört,  ist  sehr  zweifelhaft.  — 
über  die  Verschiedenheit  der  Land-  und  Wasserblätter  vgl.  S.  680, 
über  die  Fruchtbildung  S.  699. 

41.  31.  quadrata.  Eine  neue  Art  aus  Bomeo  (Lowe  in 
herb.  Hook.).  In  Grofse  und  Wuchs  der  M.  Capensis  und  Aegyp' 
tiaca  vergleichbar,  mit  der  letzteren  überdies  durch  die  horizontale 
und  fast  viereckige  Frucht  mit  senkrechter,  ausgefurchter  Stirn- 
kante übereinstimmend.  Die  Blätter  klein,  derb,  grau,  etwas  be- 
haart; die  Blättchen  keilf5rmig,  einfach  oder  mehrfach  ausgeran- 
det.  Der  Fruchtstiel  aufrecht  und  gerade,  2  —  3  mal  so  lang  als 
die  im  reifen  Zustand  kahle  schwarzbraune  Frucht,  an  welcher  die 
Ringspalten  nicht  deutlich  hervortreten.  Sie  ist  3  Mm.  lang  und 
ebenso  breit,  stark  zusammengedruckt,  mit  sehr  langer  Raphe,  ver- 
wischtem unterem  und  langem,  kegelförmigem,  aufrechtem  oberem 
Zahn.  Die  Rückenseite  gerade,  nicht  eingebogen.  Die  junge  Frucht 
ist  mit  anliegenden  kurzen  Haaren  bedeckt,  welche  3 — 4  zellig  und 
allenthalben  warzig  sind. 


42.  i¥.  gibba.  Neue  Art,  von  Dr.  Scbweinfurth  bei  Gir 
im  Djurgebiete  im  Juli  1869  entdeckt.  Von  mittlerer  Grofse,  die 
fructificirende    Form    ziemlich    kleinblättrig,     langkriechend.      Die 


746  GesammtsiUtmg 

Blfttter  derb,  mit  wenigen,  kaum  bemerkbaren  Haaren;  die  Bläii- 
chen  breit  keilförmig,  ganzrandig  oder  am  Stimrand  leicht  buchti^ 
Der  FruchtBtiel  ungefähr  5  mal  so  lang  als  die  Fracht,  am  Grande 
nach  unten  gebogen,  zuweilen  eine  Windung  beschreibend,  sodann 

aufsteigend.     Die  Frucht    schief  aufsteigend,    Unglich,    4 H  Mm 

lang,  3  breit,  an  der  Spitze  gleichmfifsig  gerundet,  beraodet,  arit 
hochgewölbtem  Mitteltheil  der  Seitenwand,  ungerippt.  Die  Rapbe 
ziemlich  kurz;  nur  der  obere  Zahn  ausgebildet,  niedrig,  aber  spitz. 
Ringspalten  deutlich.  Sori  jederseits  5.  Behaarung  der  Fracht 
unscheinbar  und  fest  anliegend;  die  Haare  kurz,  4  zellig,  allent- 
halben warzig.  Die  Hautzellen  beider  Blattfiachen  gebachtet  nut 
je  1 — 2  umschriebenen  Höckern  besetzt! 

Es  ist  schwer  diese  Art  an  irgend  eine  andere  anzaachlief«eo. 
Mit  den  australischen  höckerblfittrigen  Arten  hat  sie  keine  Ver- 
wandtschaft. In  der  Form  und  Berandung  der  Frucht  erinnert  sie 
an  i/.  CoromandelianOy  aber  durch  den  einzigen  Zahn  ftchlie£st  sie 
sich  den  Gruppen  der  M.  (JapenM  und  ÄegypHaca  an.  Die  Be- 
nennung bezieht  sich  auf  die  höckerartige  Wölbung  der  Seiten- 
w&nde  der  Frucht,  kann  aber  auch  auf  die  höckertragenden  Üaat> 
Zellen  der  Blfitter  bezogen  werden. 


Gruppe  der  M.  mutica, 

(Orofsentheils  amerikanische  Arten  mit  niederliegendeni  oder 
absteigendem  Fruchtstiel,  mit  schwachen  oder  fehlenden  Zahnen). 

43.  M.  Emesti  A.  Br.  Sitzungsber.  d.  Gesellseh.  natvt 
Freunde  vom  19.  Juli  1870,  S.  46;  IT.  striata  A.  Ernst,  Vargasn 
No.  7,  p.  181  (non  Mett.)  —  Wurde  gegen  Ende  v.  Jahres  tod 
Ad.  Ernst  bei  Caracas  entdeckt,  wo  sie  in  Gesellschaft  von  Jf. 
nubangulata  vorkommt  Die  Landform  ist  kleiner  und  schmSebi^ 
ger  als  M,  quadrifoliata^  langkriechcud.  Die  Blättchen  breitkeil- 
förmig,  vorn  gerundet,  ganzrandig,  besonders  auf  der  Unterseite 
mit  sparsamen  kurzen  Haaren  besetzt  Der  Fruchtstiel  nach  ontee 
gewendet  oder,  wo  er  Widerstand  findet,  horizontal  niedergelegt 
mit  schlangenartig  gebogenem,  zuweilen  selbst  geringeltem  Ende 
schief  an  ^ie  Frucht  angesetzt,  \ — |-  so  lang  als  diese.  Dir 
Frucht   geneigt    oder    fast    gerade    ausgestreckt,    iSnglich,  6^  —  T. 


vom  iL  August  1870.  747 

selten  bis  fast  8  Mm.  lang,  4^ — 5  Mm.  breit,  die  Seiten  stark  und 
gleichm&fsig  gewölbt,  so  dafs  die  Bauch-  und  Rückenkanten  fast 
verschwinden,  fast  ohne  Raphe,  indem  der  Stiel  sich  mit  einer 
schiefen,  auf  der  oberen  Seite  einen  schwachen  Zahn  tragenden 
Ausbreitung  ansetzt«  Der  zweite  Zahn  sehr  flach  gewölbt  und  we« 
nig  bemerkbar.  Sori  jederseits  7  —  9.  Die  Haare  bilden  einen 
dichten,  etwas  krausen  Pelz;  sie  sind  sehr  lang  und  fein  ausgezo- 
gen und  bestehen  aus  meist  7  mit  kleinen  Wfirzchen  dicht  besetz- 
ten Zellen.  Die  enthaarte  Fruchthaut  ist  braun,  matt,  rauh  und 
ohne  deutliche  Ringspalten.  (Über  Cultur,  Keimung,  Primordial- 
und  Schwimmblätter  «dieser  Art  vergl.  S.  662,  683  etc.).  Den  Na- 
men dieser  Art  wählte  ich  zu  Ehren  des  Entdeckers  derselben, 
Adolf  Ernst,  des  Grunders  und  Vorstehers  der  physikalisch^natur^ 
geschichtlichen  Gesellschaft  Vargasia  in  Caracas,  eines  eifrigen  und 
insbesondere  um  die  dortige  Flora  sehr  verdienten  Forschers. 

44.  M.  Mexkana.  Neue,  von  Beechey  bei  Julisca  (Xu- 
lisca)  in  Mexiko  gesanmielte  Art  (herb.  Hook.).  Sie  erinnert  in 
der  Tracht  an  M,  vestita  und  mucronaia^  schliefst  sich  aber  in  der 
Fruchtbildung  entschieden  der  vorausgehenden  an,  von  der  sie  sich 
durch  dünnere  Blattstiele,  schmälere  etwas  stärker  behaarte  Blätt- 
eben, geraden  (meist  horizontal  niederliegenden)  Fruchtstiel,  klei- 
nere (4 — 4}-  Mm.  lange,  3  Mm.  breite) ,  meist  horizontal  am  Stiel 
ansitzende,  stärker  zusammengedrückte  Frucht  mit  etwas  verlän- 
gerter Raphe  und  sehr  schwach  angedeutetem  oberen  Zahn,  end- 
lich darch  glatte  Haare  der  Frucht  unterscheidet.  Sori  jederseits 
8  —  9. 

m 

45.  M,  Berteroi.  Insel  S.  Dominique,  gesammelt  von  Ber- 
tero  (im  De  CandoUe'schen  Herbar,  mitgetheilt  von  Balbis  1821). 
Scheint  der  vorigen  sehr  nahe  zu  stehen  und  bedarf  noch  genaue- 
rer Vergleichnng,  namentlich  in  Betreff  der  Haare  der  Frucht. 
Die  Blätter  sind  kleiner  und  kahl;  der  Fruchtstiel  etwas  mehr  ver- 
längert (1^  bis  fast  2  mal  so  lang),  geschwungen-niedergelegt,  die 
Frucht  rückwärts  an  den  Stiel  angelegt,  5 — 6  Mm.  lang,  4  Mm. 
breit,  mit  anliegenden  Haaren. 

46.  M.  ancyclopoda  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  434.  Gua- 
jaquil  (Jameson  1847  No.  394  in  herb.  Boiss.).     Nicht  hinreichend 

[1870]  51 


748  Gesammtsitzung 

bekannt,  da  die  Fruckte  der  wenigen  gesehenen  Exemplare  noek 
sehr  jong  sind.  Die  hakenförmige  KrünuBang  des  absteigenden 
Fmehtsieis  ist  wahrsdieinHch  nur  ein  Torabergehender  Jogendza- 
stand,  der  Name  in  diesem  Falle  nicht  gut  gewählt. 

46.  M.  mutica  Mett  Fil.  Nov.  Caled.  p.  34   (Ann.  d.  se. 
nat.  S^r.  4,  Vol.  XV,  p.  88).      In  Nea-Caledonien    von   Vieiliard 
entdeckt  (1861  —  1867  No.  1698).  —   Die  Land-   (oder  Sampf) 
Form  von  der  Statur  und  Blattform  der  M.  quaärtfoUatct^  aber  die 
Bl£ttchen  mitunter  etwas  gekerbt.     Der  Fruchtstiel  1^  —  2  niAi  so 
lang  als  die  Frucht,    in  seiner  Richtung  veränderlich,    aufsteigend 
oder  niedergestreckt.     t>ie  bald  gerade  ausgestreckte,    bald  gegen 
den  Stiel  geneigte  Frucht  länglich,  4  Mol  lang,   2  bis  fast  5  Um. 
breit  und  ungefähr  ebenso  dick>  fast  stieirund,  zuweilen  läoga  des 
Rückens  vertieft  und  dann  selbst  etwas  dicker  als  breit.     Der  Stiel 
tritt  mit  einer  schwachen,    nach  der  Rückenseite  zu  kaum  stärker 
hervortretenden  Verdickung  an  die  Frucht,  weder  eine  Raphe  noch 
einen  Zahn  bildend;    die  Stelle  des  zweiten  Zahnes  ist  nar  durtb 
eine  längliche,    glattere  Stelle  angedeutet.     Die  Frucht  ist  in  eine 
dichte  Decke  langer,  fest  ineinander  gewirrter  Haare  gleichsam  ein- 
gepackt;    die  Haare  sind  von  ungewöhnlicher  Länge,    4 — 5  zellig. 
wellig  und  zerknittert,    ohne  Spur  von  Wärzchen I     Die   enthaarte 
Frucht  ist  dunkelbraun^  rauh,  ohne  bemerkbare  Ringspalten.     Sori 
jederseits.  6.     Trotz  <|er  mangelnden  Zahne  schliefst  sich  diese  An 
doch  unzweifelhaft  an  M,  Emß$H  an.      Eine  gleichfalls  von  Vieil- 
lard    gesammelte  Wasaerform   mit   sehr   grofsen,    auf  der    Unter- 
fläche mit  braunen  Intercostalstreifen  versehenen  Schwimmblätter^ 
gehört  ohne  Zweifel  derselben  Art  an  (vergl.  S.  669,  671). 

AT.  quadri/oliata  Brackenridge  £xpl.  £zped.  p.  340  und  See- 
mann Journ.  of  Bot  II,  p.  Bl  von  den  Fe^eeinseln,  wo  sie  baapt- 
sächlich  in  den  Pflanzungen  von  Colocasia  esculenta  vorkommt,  i$t 
nur  steril  gesammelt  worden,  daher  nicht  sicher  zu  bestimmen. 


Gruppe    der  M.   trichopoda, 
(Arten  der  alten  Welt  mit  Intercostalstreifen  aus  Sclerencbym." 

41.  M.  Coromandeliana  Willd.  Spec.  pl.  V  (1810)  p.  539. 

A.  Br.  in  Flora  1839,  S.  300;  Monatsb.   1863,  S.  422;  M.  quadr- 


vom  11.  August  1870.  74S^ 

Mia  Bonn.  Fl.  Ind.  (1767)  p.  237  ex  parte,  t.  62,  f.  31').  M. 
minuia  ß,  Coromandeliana  L.  Mant.  II  (1771)  p,  308;  M,  minuta 
Qedw.  theor.  gen,  t  8,  f.  6-^11  (sec.  specinuna  herb.  Hedw.);  M. 
minuta  pedunculis  unifioris  longioribus  fiUformbus  Ellein  in  herb; 
Willd.  20253;  M,  marginata  Kunze  herb.;  üf.  longipes  Bory  (in 
berb.  Kunze).  —  Vorderindien,  Kaate  Coromandel:  Trankebar 
(Klein  in  berb.  Willd.);  Pondicbery  (Perrottet  1836);  Madras 
(Thomeon  1845  in  herb.  Hook.);  ohne  nähere  Angabe  (Wright 
berb.  No.  3).  Über  das  fragliche  Vorkommen  auf  Mauritius  yergl. 
S.  657;  über  Cultur  und  Keimung  S.  661,  665;  über  die  Scleren«* 
cbymstreifen  S.  692. 

48.  M.  trichopoda  (Lepr,  ined.)  A.  Br.  in  Flora  1839, 
S.  300;  Monatsb.  1863,  S.  422;  Kuhn  Fil.  Afr.  p.  200.  --  Sene- 
gambien  (Leprieur^  Perrottet,  Heuddot  No.  548).  —  Von  der  vo- 
rigen durch  noch  feinere  längere  Fruchtstiele,  etwas  kleinere,  kur- 
sere,  mehr  geneigte  Früchte  und  geringere  Zahl  der  Sori  abwei«- 
chend,  vollkommen  die  Mitte  zwischen  ihr  und  der  folgenden 
haltend. 

49,  M,  itiUSCoides  (Lepr.  ined.  sec.  Perrott) ;  A.  Br.  in 
Flora  1.  c;  Monatsb,  1863,  S..  422;  Kuhn  Fil.  Afr.  p,  200;  M. 
pygma^a  Lepr.  (in  herb.  Kunze);  M,  microphylla  Welw.  herb.  An- 
gol.  mspt.  et  in  lit.  ad  Hook.  —  Senegambien,  namentlich  in  der 
Gegend  des  „Gap  de  Nasse"  (Leprieur  1827,  comni.  Perrottet). 
Angola:  Im  Distrikt  Benguella,  an  etwas  feuchten,  sandig-lehmigen 
Stellen,  welche  im  Sommer  überschwemmt  werden,  swischen  der 
Stadt  Benguella  und  Serra  das  Bimbas  (Welwitsch  Juni  1859,  No. 
176);  im  Distrikt  Loanda  (Welw.  Mai  1859,  No.  109).  Über  die 
Art  des  Vorkommens  in  letzterer  Gegend  giebt  Dr.  Welwitsch  fol- 
gende,  für  eine  Marsilia  bemerkenswerthe  Mittheilung:    ^Ich  fand 


^)  Burmann  ist  selbst  geneigt,  die  zwei  von  ihm  vermischten  ostindi* 
sehen  Arten,  die  noch  seiner  Angabe  sogar  besondere  einheimische  Namen 
haben,  zu  unterscheiden:  ^Indica  Coromandeli  coUeeta  sub  nomine  Warra- 
Urei  multo  tenerior  europaea;  petioli  pollicares,  capillo  humano  teneriorcs 
...;  quae  vero  eodem  in  loco  sub  nomine  Nier-raer-rei  cum  europaea 
convenit  et  major  est,  hinc  dnbitandum,  an  non  pro  distinctis  speciebus  ha- 
b<^ndae.*     Die  erwähnte  zweite  Art  ist  ohne  Zweifel  M,  eroaa  W. 


750  OesamnUsitzung 

diese  niedliche  Art  im  Mai  1859  aaf  sandigem  rothem  Lehmbodea 
zwischen  Bemposta  und  Gamama,  circa  4  Meilen  (geogr.)  landda- 
w&rts  von  der  Stadt  Loanda;  sie  hatte  sich  nicht  allein  auf  mas- 
cheo  zur  Regenzeit  (Nor.  bis  Mftrz)  überschwemmten,  nnn  aber 
fast  aufgetrockneten  knrzgrasigen  Stellen  rasenformig  ausgebreitet 
sondern  auch  einen  benachbarten  Oemüse«Oarten  derart  invadirt, 
dafs  einige  für  Oemüsekultur  zubereitete  Abtheilungen  desselben 
mit  ihr  gleich  einem  dichten  Kleefelde  überdeckt  waren. ^  —  Nächst 
M,  BureheHii  ist  dies  die  kleinste  Art  der  Gattung,  durch  Feinheit 
der  Stengel,  Blatt-  und  Fruchtstiele  vor  allen  anderen  anagezeicb- 
net  Die  fast  horizontale  Frucht  ist  1|-,  höchstens  2  Mm.  lang 
und  fast  ebenso  breit  und  hat  jederseits  2 — 3  Sori.  Die  beidea 
Zfihne  sind  deutlich  und  meist  Bpitz.  Der  fadenförmige  Frachtstiel 
ist  2^  bis  5  mal  so  lang  als  die  Frucht.  Die  ziemlich  schmalen 
Blfittchen  sind  ganzrandig,  am  Ende  gerundet,  mit  nur  10 — 12 
in  den  Rand  eintretenden  NerTenenden  und  spärlichen,  zuweilen 
ganz  fehlenden  Anastomosen.  (Vergl.  S.  680.)  Die  senegambi- 
sehen  Exemplare  bilden  einen  fiufserst  dichten,  niedrigen,  moosar- 
tigen  Rasen;  die  von  Angola  haben  einen  lockereren  Wuchs  und 
die  zahlreichen  Zweige  mit  gedehnteren  Intemodien  sind  aufstei- 
gend. Dadurch,  sowie  durch  die  mehr  aufgerichtete  Frucht, 
schliefst  sie  sich  der  M,  trkhopoda  näher  an. 

50.  i¥.  distorta  A.  Br,  Monatsb.  1863,  S.  433;  M.  subter- 
ranea  (Lepr.)  in  herb.  Mus.  Par.,  Kunth  etc.  (non  Lepr.  in  herb. 
Perrott).  —  Senegambien:  Im  Reiche  Walo.  bei  Dagana-Oualio 
(Leprieur  1828);  bei  Richard-Tol  (Lelievre  1829).  —  Der  Frucht- 
stiel ist  dann  und  lang  (2^ — 3  mal  so  lang)  wie  bei  den  vorigeo 
Arten,  aber  niederliegend  oder  absteigend,  hin-  und  hcrgebogea. 
zunächst  unter  der  Frucht  zuweilen  einen  Kreis  beschreibend.  Die 
Frucht  ungefähr  von  der  Orofse  derjenigen  von  M,  Coromandeliana. 
3^ — 44^  Mm.  lang,  2|- — 3^  breit,  aber  dicker  und  unberandet,  auf 
den  Stiel  zurückgelegt,  fast  ohne  oberen  Zahn,  mit  langen  ab- 
stechenden Haaren,  welche  völlig  glatt  sind.  Sori  jederseits  6 — 7. 
Die  Blättchen  am  Stirnrande  wellig  oder  gekerbt.  Keine  der  vor- 
ausgehenden Arten  zeigt  eine  so  starke  Entwicklung  der  durch- 
sichtigen Intercostalstreifen,  deren  Sclerenchymzellen  sich  durcb 
sehr  bedeutende  Dicke  der  Wand  auszeichnen.  Dr.  Kny  hat  die- 
selben auf  Kieselerdegehalt  geprüft,  aber  mit  negativem  Erfolg. 


vom  iL  August  1870.  751 

Gruppe  der  M,  gymnocarpa. 

(Afrikanische  Arten,  deren  Frucbthaut  sich  als  äufsere  Schaale 

ablöst     Vergl.  S.  709). 

51.  M.  gymnocarpa  Lepr.  in  herb.  Perrott;  A.  Br.  in 
Flora  1839,  S.  300;  Monatsb.  1863,  S.  432;  Kahn  Fil.  Afr. 
p.  199;  M,  pygmaea  Lepr.  sec.  A.  Brongn.  in  Dict.  class.  d'hist. 
nat. ;  M.  leiocarpa  Bory  herb.  —  Senegambien  (Leprieur,  Perrottet). 
Eine  der  zierlichsten,  aber  nicht  der  kleinsten  Arten.  Ich  halte 
es  nicht  für  zweckm&Tsig  den  sicheren,  bezeichnenden  und  ohne 
Zweifel  von  dem  Entdecker  selbst  vorgezogenen  Namen  aufzage- 
ben,  um  einen  früher  publicirten  zur  Geltung  zu  bringen,  in  Be- 
ziehung auf  welchen  in  den  Sammlungen  Widersprüche  bestehen. 
(Vergl.  bei  M,  muscoides). 

52.  M.  Nubica  A.  Br.  in  Kotschy,  FL  Nub.  exsicc.  1841; 
A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  432;  Schweinf.  Beitr.  S.  218;  Kuhn  Fil. 
Afr.  p.  200.  —  Am  Berge  Arasch-Kol  in  Kordofan,  an  ausgetrock- 
neten Wasserzusammenflüssen  (Kotschy  im  Oct.  1839,  No.  126). 
Der  vorigen  nahe  verwandt  Abgesehen  von  der  eigenthümlichen 
Ablösung  der  äufseren  Hautschicht  der  Frucht  schliefsen  sich  die 
beiden  letzten  Arten  am  nächsten  an  M.  strigosa  und  pubescens  an. 


53.  M.  fimhnata  Schum.  et  Thonning  in  Dansk.  Vidensk. 
Afh.  IV.  S.  235;  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  432.  —  Guinea  (Thon- 
ning).   Kaum  mehr  als  dem  Namen  nach  bekannt.     Yrgl.  S.  654. 


//.     Pilutaria. 

1»  P.  minuta  Duricu  Mspt.;  A.  Br.  in  Descript  scient. 
d'Algerie  (ined.)  t.  38,  f.  1—20;  Monatsb.  1863,  S.  435;  Milde 
Fil.  Eur.  p.  292;  Kuhn  Fil.  Afr.  p.  197;  P.  pygmaea  Bory  in  lit. 
(herb.  Kunze) ;  P.  minor  De  Notaris  sec.  Cesati  in  herb.'  de  Fran- 
quev.  —  Algerien:  Bei  Oran  (Durieu  1842,  1844,  1848;  Balansa 
pl.  d'Alg^rie  No.  210).      Sardinien:    Bei  Pula   (De  Notaris  schon 


752  ChsammUitzun^ 

1835);  in  derselben  Gegend  bei  Cala  d'OfltiA  in  Gesellschaft  tos 
lioeUi  Tegulensis  (Ascberson  und  Reinhardt  1863);  bei  Decioo- 
inanna  mit  Manilia  pubeseent  (Gennari  1865,  Erbario  crittng.  itaL 
No.  302).  Sfidfrankreicb :  Roqnebaute  bei  Agde  mit  Äf,  pubesee%i 
und  lioetea  setacea  (Balansa  1866,  Daval-Joure  1869.  Conf.  BnlL 
de  la  80C.  bot.  de  Fr.  1869,  p.  210).  Smjrna,  am  Berge  Pagas 
(Balansa). 

2.  P.  Americana  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  435 ;  POulanef 
sp.  Nutt.  in  Transact  of  the  Amer.  phil.  soc  Philad.  YoK  V  (1837! 
p.  140;  P.  Valdiüiana  Philippi  in  lit  —  Arkansas,  bei  Fort  Smitii 
(Nuttal);  Georgia?  (Capitain  Leconte  in  Mas.  Par.);  Chili,  bd 
Valdivia  (R.  A.  Philippi,  Vater,  nnd  Fr.  PbHippi,  Sohn,  1869;. 
Über  Gultur  und  Nervatur  der  Fracht  vergl.  S.  660,  705. 

3.  P.  Mandoni.  Neue  in  Bolivia  von  Mandon  entdeckte 
Art.  Als  Fundort  ist  angregeben :  La  Paz,  via  ad  Corvico,  Ldmeha. 
in  paladosis.  Regio  alpina  5000  Met.  Mai  1857.  (Mandou,  plant 
Andium  Boliviens.  No.  1534.)  —  Ich  sah  nar  zwei  kümmeriicfae 
Exemplare,  das  eine  De  Candolle's,  das  andere  Lcnormand's  Her- 
bariam,  so  dafs  ich  mir  aber  die  Zahl  und  Form  der  Sporen  keine 
Kenntnifs  verschaffen  konnte.  Die  Zahl  der  Fächer  ergiebt  sich 
aus  der  Zahl  der  Klappen  einer  aufgesprungenen  Frucht.  Dir 
Frucht  hat  einen  Durchmesser  von  2|-Mm.;  der  Fruchtstiel  isi 
4 — 5  Mm.  lang,  bald  aufwärts,  bald  abwSrts  gebogen;  er  setzt  sich 
mit  etwas  verdicktem,  kaum  schiefem  Ende  an  die  Fracht  an.  Die 
Blfitter  sind  kurz  (3 — 4  Cm.  lang)  und  verh&ltnifsm&fsig  dick. 

4.  P.  Novae  Hollandiae  A.  Br.  Monatsb.  1863,  S.  435; 
P.  globuU/era  I.  D.  Ilook.  Fl.  Tasm.  IL  p.  150;  F.  v,  Muller,  Fragm, 
Phytogr.  Austr.  V,  p.  140.  —  In  West- Australien  am  Swan  River 
(Drummond  No.  991);  in  Sudost-Australien  am  Barwan  River  (Sam. 
Ilannaford  nach  F.  v.  Müller  1.  c);  in  Tasmanien  bei  Penquite 
(Gunn  No.  1561);  in  Neuseeland,  am  unteren  Waikato  River  («1. 
Kirk  1869,  steril,  daher  die  Artbestimmung  ungewifs).  Die  Exem- 
plare vom  Swan  River  und  aus  Tasmanien  stimmen  völlig  fiberein. 

5.  P.  globulifera  L.  Sp.  pl.  I;  I.  Agardh,  Dissert  bot. 
1833;    A.  Br.  Monatsb.  1863,    S.  434;    P.  natans  Merat,  FL  Par. 


vom  IL  August  1870.  753 

ed.  2,  I,  p.  283  (eine  im  Wasser  flathende  Form  mit  sehr  langen 
Blättern).  —  Den  früher  angeführten  Fundorten  fuge  ich  bei :  Bor- 
deaux (Bory  in  herb.  Fe^);  Portugal,  in  der  ProTfnz  Alemtejo, 
ewischen  Grandola  und  Melides,  nahe  am  Ufer  des  Meeres  (Wel- 
wisch  1848);  Corfu  (C.  Bolle).  Im  Herbarium  v.  Franqueyille 
findet  sich  ein  Exemplar  mit  der  Bezeichnung  Pilul,  (glohuli/erd) 
Tanariensis  ohne  Angabe  des  Sammlers.  Wohl  ein  Irrthum?  — 
Dr.  Hooker  fuhrt  als  Grund  gegen  die  specifische  Unterscheidung 
Jer  australischen  von  der  europäischen  Pilularia  an,  dafs  er  auch 
bei  Exemplaren  aus  England  mitunter  zurückgekrummte  Frucht- 
stiele und  hängende  Früchte  gefunden  habe,  und  ich  verdanke  sei- 
ner Güte'  ein  Exemplärchen  mit  einer  solchen  Frucht  aus  Norfolk, 
[ch  kann  diese  Angabe  auch  durch  deutsche  Exemplare  bestäti- 
gen ;  ich  habe  an  solchen  .von  Sommerfeld  und  von  Minden  einzelne 
Früchte  mit  deutlich  zurückgekrümmtem,  etwas  verlängertem  Stiel 
gesehen,  aber  stets  nur  einzelne,  so  dafs  auf  dieses  Vorkommen 
nicht  einmal  eine  Abart  gegründet  werden  kann.  In  solchen 
Fällen  ist  jedoch  die  Verlängerung  des  Fruchtstiels,  den  ich  nicht 
länger  als  halb  so  lang  als  die  Frucht  sah,  nie  so  beträchtlich, 
wie  bei  P.  Novae  Hollandiae,  und  der  Fruchtstiel  tritt  gerade  an 
diie  Frucht  heran,  während  er  bei  der  neuholländischen  Art  eine 
Strecke  weit  horizontal  an  derselben  hinläuft  und  eine  Raphe 
bildet.  Überdies  sind  schon  die  Sporen  ausreichend  um  beide  Ar- 
ten sicher  zu  unterscheiden. 

Schliefslich  spreche  ich  allen  botanischen  Freunden  meinen 
Dank  aus,  welche  mich  in  Bearbeitung  dieser  Familie  mit  Material 
unterstützt  haben,  sowie  auch  den  Gärtnern,  deren  Aufmerksamkeit 
und  Sorgfalt  das  Gelingen  der  Marsiliaceenculturen  zu  verdanken 
ist,  insbesondere  dem  Inspector  des  botan.  Gartens,  Hrn.  Bouch^, 
dem  Universitätsgärtner,  Hm.  Sauer,  und  dem  Gehülfen  im  Uni- 
versitätsgarten, Hrn.  Barleben. 


754  Gesammtsiizung  vom  iL  August  i870^ 

An  eingegangenen  Schriften  worden  vorgelegt: 

Max  Mfiller,   Vorlegungen  über  die  WiseeMchqft  der  Sprache  deuUek  t 

Karl  Böttger.     2.  Aufl.     Leipzig  1870.     8. 
de  la  RiTe,  Recherchee  eur  la  poiarüalion  rotataire  magnetique  dt*  Ü^ 

dee,     (Qenive  1870.)     8. 
Flora  baiava,     Fase.  21S.     Leyden  1870.     4. 


MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH  PREÜSSISCHEN 

AKADEMIE    DER   WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 
September  und  October  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  Haupt. 


Sommerferien. 


10-  October.    Sitzung  der  physikalisch -mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  Kammer  las 

Über  die  aas  31ten  Wurzeln  der  Einheit  gebildeten 

complexen  Zahlen. 

Für  die  aus  3  Iten  Einheitswurzeln  gebildeten  complexen  Zah- 
len ist 9  ¥rie  ich  froher  nachgewiesen  habe,  der  erste  Faktor  der 
Klassenzahl  gleich  9.  Da  diese  Zahl  ein  Quadrat  ist,  so  bleibt  es 
unentschieden,  ob  es  ideale  complexe  Zahlen  giebt,  deren  neunte 
Potenz,  and  keine  niedere,  wirklich  wird,  oder  ob  schon  die  drit- 
ten Potenzen  aller  hierhin  gehörenden  idealen  Zahlen  wirklich  sind, 
also  ob  in  Beziehung  auf  diese  Klassenzahl  9  im  Gaufsi sehen 
Sinne  Regularitfit  Statt  hat,  oder  Irregularität  Die  Analogie  mit 
den  aas  29ten  Einheitsworzeln  gebildeten  complexen  Zahlen,  f8r 
welche  der  erste  Faktor  der  Klassenzahl  gleich  8  ist,  für  welche 
aber,  wie  ich  aus  der  Theorie  der  Kreistheilung  bewiesen  habe, 
schon  die  zweiten  Potenzen  aller  idealen  Zahlen  wirklich  sind, 
giebt  einen  Anlafs  za  der  Yermuthung,  dafs  dies  in  dem  hier  zu 
betrachtenden  Falle  in  &hnlicher  Weise  Statt  haben  mochte.  Da 
nun  Hr.  Rens c hie  für  die  aus  31ten  Einheitswurzeln  gebildeten 
idealen  Primfaktoren  der  Zahl  2  eine  wirkliche  Darstellung  der 
[1870]  52 


756  Sitzung  der  physikaliieh-mathematischen  Klasse 

nennten  Potenz  gefunden  hat,  während  e8  ihm  nicht  gelonges  bt 
die  dritte  Potenz  dieses  idealen  Primfaktors  in  wirklicher  ¥cn 
darzustellen,  und  da  Ton  der  Zerlegung  der  einen  Zahl  9  die  Zcr 
legungen  aller  in  dieselbe  Kategorie  gehörenden  Primzalüen  abhia- 
gig  sind,  so  schien  es  mir  namentlich  auch  für  das  Ton  ihm  hsx- 
auszugebende  Werk  über  die  Zerlegung  der  Zahlen  in  ihre  c<@- 
plexen  Primfaktoren  Ton  Wichtigkeit  ToUstündig  zu  ergründen,  t^ 
keine  niedere  als  die  neunte  Potenz  des  idealen  Primfaktors  tos 
2  in  dieser  Theorie  wirklich  wird,  oder  was  dasselbe  ist:  ob  di^ 
dritte  Potenz  dieses  idealen  Primfaktors  als  wirkliche  compkie 
Zahl  sich  darstellen  Ififst,  oder  nicht. 

5       5  5  5  5  5 

Bezeichnet  man  mit  «; ,  ij]  ,  rs  »  ^i  9  ^4  y  ^s  die  sechs  fucf- 
gliedrigen,  aus  31ten  Einheitswurzeln  gebildeten  Perioden,  geoni- 
net  nach  der  primitiven  Wurzel  8,  und  die  drei  zehngliedrigen  Fe 
rioden 

55  10       5         5  10       5         5  10 

so  hat  man  unter  denselben  die  Gleichungen: 


55  5  5  5 

*I»5     «    ♦  H- »5 -+- 2^1  -H  215,         m  •  m 

5  5  5  5  5  5 

r»Ji=   ♦-+-»?       •       4-    *Ji        ♦      -+-81:44-    ijs 

55  55  55 

»5»Ji==   ♦       ♦  4-     »:i  4-    »5j        •       4-    »J4  4-2ijj 

5  6  5  5  6  5 

»J1J,  =  6  4- ij  4-     »Ji        ♦      4-    *Ji  4-    n«        • 

55  5  5  5  5 

»J'54=«4-t?       •       4-»;j4-2i:,       •      4-r» 

5  5  6  6  5  5 

>jr;j==    •        •4-     iji         m      4-  2*j,  4-     1J4  4-    if» 


und 


1010  10       10  10 

1}  15    =5  10  4-  3ij  4-  4*Ji  -h  2ij, 

1010  10        10  10 

ti  r,i  =  •    -f-  4»5  -h  2ri  4-  4rj 

1010  10  10  10 

r  rj  =  »   4- a*j  4- 4i;i  4- 4rt 


vom  iO.  October  iS70.  Ibl 

'emer  hat  man  die  nach  dem  Modul  2  den  Perioden  entsprechen» 
en  Congnienzwurzeln : 


&  5  5  5  5  & 


5 

reiche  zu  dem  idealen  Primfaktor  /()?}  der  Zahl  2  gehören  aollen. 
Betrachtet  man  nun  die  complexe  Zahl 

S  5  10 

0  findet  man  yermoge  dieser  Congrnenzbedingungen,    dafs  sie  die 

5  s 

meiden  idealen  Primfaktoren  von  2  /(i?)  und  /(t^t)  enth&lt  und  weil 

10  10       ^  10 

(l-f-tj)(l-f-*ii)(l-l-»jO  =  2 

ist,  so  folgt,    dafs  sie  aufserdem  keine  anderen  Primfaktoren  ent- 
hält.   Man  hat  daher  die  ideale  Zerlegung 

10  5        s 

14-,,  «=/W/(tj.). 

Wenn  nun  die  dritte  Potenz   des  idealen  Primfaktors  der  2  sich 

5 

als  wirkliche  complexe  Zahl  F{y^  darstellen  liefse,  so  wurde  auch 

10 

die  dritte  Potenz  von  1  +  >; »  multiplicirt  mit  einer  passenden  Ein- 
heit,  sich  als  Produkt  der  beiden  wirklichen   complexen  Zahlen 

S  5 

P(f;)  undwP(i73)  darstellen  lassen,  man  wurde  also  haben 

10  .         10  5  5 

10 

wo  E(9;)  irgend  eine  Einheit  bezeichnet,  welche  nothwendig  nur 
die  zehngliedrigen  Perioden  enthält,  weil  alle  Einheiten  der  aus 
den  funfgliedrigen  Perioden  gebildeten  complexen  Zahlen  nur  die 
zehngliedrigen  Perioden  enthalten  können.  Die  drei  conjugirten 
Kreistheilungseinheiten  sind  hier: 


52 


75S  Sitzung  der  phßMJkäiüch  mnthfwmHuhen  Klm9$& 

10  10  10 

«(*?)     =  7-+-4r     -+-tr, 

^10  10  10 

e(r,)  «  7-4-4ri  -+-aTt 

10  10  10 

«(rj)   =  7-h4i',  -+-»15 

die  onmeritchen  Werthe  der  drei  xelm^ediigeii  Perioden  and: 

10  10  10 

ij  =  -h  3,08387  ,     i:,  ==  —0,78680  ,     r,  =  —  3,29707 

und  demiiaeh 

10  10  10 

e(r)  s  +  17,76188  ,     «  (r,)  =  — 2,74134  ,     0  (r,)  =  —  0,0»54, 

10  10  10 

1  -+-»?  =  -+-  4,08387  ,    1  -H  iji  «=  -»-  0,31390  ,    1  -^  n  =  —  2^70:. 
Es  folgt  hieraus,  dais 

10    .10  10     .       10  10     .       M 

-(H-r)'e(ri),    —  (i -i- r,)»  Kr.)  ,   -  (i -h  r,)' f{0 
alle  drei  positive  Werthe  haben.     Sondert  man   nun  too  der  Ein- 

10  10 

heit  E(^yi)  die  Einheit  — «(f;i)  &b,  indem  man  setzt 

_    10  10  10 


so  dafs 


10    .        10  10  SS 


s        s 

so  mafs,   weil  F(Yi)  F{yi^)  überhaupt  nur  positiv  sein  kann,    di< 

10 

Einheit  E\ri)  die  Eigenschaft  haben,  daC»  sie  mit  ihren  beiden  c 
jagirten  zugleich  nur  positive  Werthe  hat.      Eine  solche    Eiohi 

10 

E^{y,)  mufs  aber  nothwendig  das  Quadrat  einer  Einheit  sein, 
leicht  folgendermafsen  gezeigt  wird.  Man  kann  zwar  nicht  ei 
jede  Einheit  selbst,  aber  doch  eine  gewisse  Potenz  ein^r  j( 
Einheit  als  Produkt  von  Potenzen  der  Kreistheilungseinheiten  ai 
drScken.     Man  hat  daher 

10  10  10  y 


vom  iO.  Octoher  1870.  759 

nro  n^  €€^  ß  ganze  Zahlen  sind,    welche  nicht  alle  drei  grade  sein 

können,  weil  sonst  schon  die  ^Potenx  von  E'{r\)  sich  durch  Kreis- 
theilongseinheiten  ausdrücken  iiefse.      Aas  den  numerischen  Wer- 

10  10  10 

then  der  «(«]),  e(9}i),  6(«7i}  ersieht  man  nun  sogleich,  dafs  die 
3rei  Grofsen 

10  10      .  10  10     ,2  10  10  a 

e(*)r«(^i)^,   e{r,,Ye{r,^f,   e(yj^reM^ 

oicht  alle  drei  ein  und  dasselbe  Vorzeichen  haben  können,  aulser  wenn 
or  und  ß  beide  grade  sind  und  darum  n  ungrade,  n  a=  2 1/  +  1 .     Es 

10 

mufs  also  E'(riy*'^^  das  Quadrat  einer  Einheit  sein  und  darum 
auch  ^M    selbst   das   Quadrat  einer  Einheit   E\fi)  »  («(«}))'. 

5  10  5  ft 

Setzt  man  nun  F(vi)i(Y,)  statt  F(r,)  und  demgemfiTs  auch  F(ni) 

10  s 

B{r,)  statt  jF(9:t),  so  erhält  man  die  Gleichung 

10  .       10  5  s 

-(14-0*  «('S.)   =   FW^C»!,), 

oder  entwickelt: 

—  1341?  —  113ri  —  IbbVf  =  F{r,)  Flirii)  • 

Die  nothwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dafs  die  dritte 
Potenz  eines  idealen  Primfaktors  der  2  eine  wirklich  complexe 
Zahl  sei,   liegt  also  darin,    dafs  es  eine  wirkliche  complexe  Zahl 

5 

F{y)  gebe,  welche  dieser  Gleichung  genügt. 
Setzt  man  nun 

S  5  5  5  5.5  5 

F(fi)  =s  aii  +  aii^i  +  atYj)  -i-  a,i;,  +  a«^«  +  as^f 
und  entwickelt  das  Produkt  in  die  Form 

5  5  10  10  10 

so  erhält  man,  weil  A  ss  134,  Ai  s=  113,  2I1  ss  155  sein  mufs, 
folgende  drei  Gleichungen: 


760  Sitzung  der  phystkaUieh-matkemaiischen  Klatse 

134  «  6Q  —  P'  -h  a?  4-  al  —  (a  —  a,)(«i  —  «4) 

113  «  6Q  —  P*  -+-  aj  -h  aj  —  (a,  —  a^)Ca^  —  «») 
^   ^^  H-2(a,a-*-a4ai)  -h  «104 , 

165  =  6Q  —  P*  -f-  aj  4-  a*  —  (a,  —  a^)Ca^  —  a) 

-+-2(0101  +0^04)  +  asai , 

wo  der  Abkaming  halber 

P  «  a  -+-  a,  -h  a,  H-  a,  4-  a^  -+-  a»  t 
Q  =  a'-4-  «1  -f-  «J  -+-  aj  4-  aj  -f-  aj  , 

geeeUt  ist     Addirt  mnn  diese  drei  Oleichnngeii  nnd    mnltiplkirt 
mit  9,  80  erbilt  man 

(B.)  804  «=  3lQ  — 5P'. 

Setzt  man  aaÜBerdem 

B  «  (a— ai)'  4-  («—«.)'  4-  (a-^a^y  4-  («  —  a4)»4-  (a— flj)* 

4-(a|— a,)*4-(a,— a3)'4-(a,— a4)*4-(a,— flj)' 

4-(«,— a,)>4-  (a,— aO'4-  (a,— «,)' 

4-  («1— a4)'4-  (afaiY 

4'(a,-a,)' 
80  hat  man  die  identische  Oieichung 

3lQ  — öP*  =  Q4-6iJ, 

aUo  auch 

(C.)  804  «  Q  4-  öÄ  . 

Nachdem  so  die  ganse  Frage  darauf  redacirt  ist:  ob  die  drei 
Gleichungen  (A.)  mit  6  unbestimmten  Gröfsen  in  ganzen  Zahlen 
losbar  sind,  oder  nicht,  untersuche  ich  zunächst  die  Ck>ngnien2be- 
dingungen  für  den  Modul  2  und  sodann  für  den  Modul  8,  welche 
diese  sechs  Zahlen  erfollen  müssen. 

Da  die  Zahl  F(ri)  den  idealen  Primfaktor  /(fi)  der  Zahl  3 
enthalten  soll   und  da  sie  keinen  der  übrigen  fünf  coigugirten  ent- 


vom  iO.  Oetober  1870. 


761 


halten  darf,    so  hat  man  nach   den  oben  angegebenen  Congruenz- 
wurzeln,  welche  den  Perioden  für  den  Modul  2  entsprechen: 


mod.  2. 


a    -}-  «1  4-  a4  =  0 

öl  "i"  <*j  -H  öj  ~ 
öj  -f-  fli  -h  «  = 
ö»  -+-  «♦  -h  fli  = 

«4  -+- ö»  -+- a,  = 
05  -}-  «    4-  «1  = 

woraus  folgt,  dafs  die  drei  Zahlen  a,  02,  a»  grade  sein  müssen 
und  die  drei  Zahlen  €fi,  «r«,  a«  ungrade,  oder 

a  =  26  ,   «1  =  2hl  -}-  1  ,   aj  =  2&j  ,  a«  =  2Ä,  -4-  1  , 

Um  weiter  die  nothwendigen  Congruenzbedingungen  nach  dem  Mo- 
dal 8  zu  entwickeln,  setze  ich  diese  gefundenen  Werthe  der  a,  aj.. 
in  die  Gleichungen  (A.)  ein  und  erhalte  so  zunächst: 

4(6    —  6»)(6i  — 64)  -H  46  6,  -h  46»  =  2  —  26  -f-  26x  —  2*4 , 
4(&,  —  64)(*»  —  ft5)-f-45ift4  -f-4ft»  =  —  2fti  4-264  ,         mod.  8. 
4(^8  —  6s)(*i  —  ft)    4-46,644-4       =  —  26,4-2^4, 

aas  welchen  Congrnenzen  zunächst  folgt,  dafs 

61  =  64  ,    ftj  =  65  ,    6  =  1,    mod.  2. 

sein  mufs,  wodurch  diese  Congruenzen  sich  weiter  vereinfachen: 

461  4-  465  =2  —  26  , 

46s  =  261  4-  264  ,     mod.  8. 
4  =  26,  4-265  , 

und  wenn  statt  der  Zahlen  h  wieder  die  Zahlen  a  eingeführt 
werden : 


762  Sitzung  der  physikaliseh'-mathemaiUchen  Kl4tsse 

2ai  4-  2aj  =4  —  a  y 

2ai  =  ai  H-  a«  9     mod.  8. 

Macht  man  nun  die  Gleichung  (B.)  za  einer  Congmenz  md 
dem  Modal  31,  so  hat  man 

2  =  5P'  ,    mod.  31. 
alao 

P'  =  19  ,   P=  dt  9  ,    mod.  31. 

Da  man  alle  Vorzeichen  der  6  Zahlen  a,  ai ...  gleichzeitig  inderB 
kann,  so  reicht  es  hin  P  positiv  za  nehmen;  beachtet  man  aoHscr' 
dem,  dafs  P  ungrade  ist,  so  erh&lt  man  fSr  P  folgende  Reibe  mög- 
licher Werthe: 

P«=  9,  63,  71,  115,  ... 
Die  ans  (B.)  zu  berechnenden  zagehörenden  Werthe  des  Q  sind 

Qs39,  479,  839,  2159,  ... 

and  die  ans  (C.)  zu  berechnenden  zugeborenden  Werthe  des  B 

Ä  =:  153  ,  65  ,  —  7  ,  —  272  ,  ... 

Da  aber  B  als  Samme  von  Quadraten  nothwendig  positiv  ist,  so 
bleiben  nur  die  beiden  F&lle  übrig: 

1)  P  =  9  ,     Qs=:  Z9  y     Ä  =  153  , 

2)  P  =  53  ,    Q  s=  479  ,    jß  =  65  . 

Da  in  beiden  Fällen  P=  1  ,  mod.  4  ist,  so  hat  man 

a  -f-  «1   4-  «8  4-  «a    -^  a^    -Ha»    =1    mod.  4. 
also 

26-f-25i -h26,-4- 26,4- 264-h25j  =2    mod.  4. 

also  nach  den  oben  gegebenen  Congruenzen  für  den  Modul  8: 

6s  =  0  ,   mod.  2       ,       a«  =  1  ,   mod.  4. 
Diese  Congruenzen  ergeben  deshalb  folgende  Resultate: 


(DO 


vom  iO.  Oetober  1870. 

a    =  2  9  mod.  4      ,      Hl  4-  a»  =  4  9  mod.  8  , 
a«  =  1  ,   mod.  4      ,      a,  -h  a4  =  2  ,  mod.  8  . 


763 


Ich  untersuche  nun  zunächst  den  ersten  der  beiden  unterschie- 
denen Ffille,  nämlich 

a    -t-  «1  -f-  «t  4-  «t  H-  «4  H-  «»  =  9  , 
a,  4-  a?  4-  aj  4-  aj  -h  aj  -f-  ai  =  39  . 

Zerlegt  man  die  Zahl  39  auf  alle  möglichen  Weisen  in  die  Summe 
von  6  Quadraten,  und  wählt  man  die  Vorzeichen  so,  dafs  die 
Summe  der  sechs  Wurzeln  gleich  9  ist,  so  erhält  man  folgende 
acht  verschiedene  Fälle  für  die  Werthe  der  Zahlen  0^01,0^,0,, 
n«,  a^ ,  welche  diesen  beiden  Gleichungen  genügen: 


1) 

-»-6, 

+  1, 

4-J, 

+  1, 

0, 

0, 

2) 

+  6, 

+  3, 

+  2, 

0, 

0, 

—  1, 

3) 

+  6, 

+  2, 

+  2, 

+  2, 

—  1  , 

—  1, 

4) 

+  8, 

4-3, 

+  2, 

+  1, 

+  1  , 

—  2, 

5) 

+  4, 

+  4, 

-+-2, 

+  1. 

—  1  , 

—  1, 

6) 

+  4. 

+  *. 

-+-1, 

+  1. 

+  1  ) 

—  2, 

7) 

+  *» 

+  3, 

-»-3, 

-+•1, 

0, 

—  2, 

8) 

+  3, 

+  3, 

+  2, 

+  2, 

+  2  , 

—  3. 

Die  Fälle  1,  2,  5  und  6  sind  aber  mit  den  für  die  drei  graden 
Zahlen  a^a^^a^  bestehenden  beiden  Congruenzbedingungen  (D.) 
unvereinbar.  Femer  sind  die  Fälle  3,  7  und  8  mit  den  unter  den 
drei  ungraden  Zahlen  ai,  a%^  a«  bestehenden  beiden  Congruenzbe- 
dingungen (D.)  unvereinbar.  Es  bleibt  also  nur  noch  der  Fall  4 
übrig,  welcher  mit  diesen  vier  Congruenzbedingungen  bestehen  kann, 
wenn 


a  =  —  2,  a,  =-f-i,   ats4-2, 

«1  =  4-2 


4-  6  ,   «4  =  4-  1  , 


genommen  wird.  Um  zu  sehen,  ob  diese  Werthe  der  Aufgabe  wirk- 
lich genügen,  mufs  man  zu  den  Gleichungen  (A.)  zurückgehen. 
Man  erhält  für  diese  Werthe: 


764  Sitzung  der  physikaliseh-mathenuUischen  Klasse 

6Q  —  P'  4-  a?  -f-  aj  —  (a  —  a,)  (a,  —  a*) 

4- 2(aa, -f-aja,) -+- aaj  ==  118, 

sie  genügen  also  schon  der  ersten  dieser  drei  Gleichungen  Dichi 
nach  welcher  dieser  Ausdruck  den  Werth  134  haben  mufs.  £< 
giebt  also  in  dem  ersten  Hauptfalle  wo  P  =  9  Q  =  39  sein  mab 
überhaupt  keine  den  drei  Gleichungen  (A.)  genugenden  Zahlen. 

Es  bleibt  nun  noch  übrig  auch  den  zweiten  Haaptfall  la  oo- 
tersuchen,  wo 

P  SS  53     ,        Q  «=  479     ,       JB  «  65  . 

Es  sei  ffi  die  kleinste  der  sechs  Zahlen  a,  Od  ^s»  «'s»  ^4»  ^i ;  ^ 
übrigen  fünf  seien  m  -f-  Ci  ,  •»  H-  C|  ,  »  -4-  c»  »  m  4-  C4  ,  m  -h  Cj, 
so  sind  Ci ,  C| ,  Cj ,  c«  9  c»  positive  Zahlen,  bei  welchen  jedoch  aoeh 
der  Werth  0  nicht  auszuschliefsen  ist.  Setzt  man  nun  zur  Ab- 
kürzung 

Ci  4-  c,  -f-  Cj  -+-  C4  -f-  Cj  =  p  , 

Ci  4-  ci  4-  cj  -}-  cj  4-  cj  =  q  y 

(Ci— c,)'  -4-  (Ci  —  c,)»  4-  (Cx  —  c^y  4-  (ci  —  Cs)»  4-  (c,  — c»)' 
4-  (c,  —  c^y  4-  (c,  —  Cj)*  +  (ci  —  c*)'  -H  (<?j  —  Ci)' 
-i-(c4  — Cs)'   =  r, 

so  hat  man 

63  =s  6fit  4-jp  > 
479  =  6m'  4-  2Mp  4-  ^  , 
65  =  (?  4-  r  , 

und  wenn  man  aus  diesen  drei  Gleichungen  p  und  q  eliminirt: 

414  =  106m— 6  m'— r, 

und  weil  p,  q^  r  positive  Zahlen  sind,    so  ist 

53  >  6m  ^ 
414  <  106m  — m'  , 

woraus  folgt,    dafs  m  nur  die  drei  Werthe   m  =  8,    m  s=  7    wa 
m  =  6    erhalten  kann. 

Nimmt  man  zuerst  m  s=  8,  so  ist  für  diesen  Werth 

j)  =  5       ,       q  =  Ib       ,       r==dO. 


vom  10.  Octoher  1870.  765 

Die  einzige  Art  wie  die  Zahl  ^  =  15  in  fünf  Quadrate  zerlegt 
werden  kann  ist  aber 

15  =  3»  4-  2'  rh  l'  -t-l'  4-  O'  , 

welche,  weil  keine  der  Zahlen  Ci,  Cj,  c^y  c«,  Ci  negativ  ist,  nicht 
p  =  5,  sondern  jp  ==3  7  giebt.  Der  Fall  m  =  8  giebt  also  keine 
Auflosang  der  Aufgabe. 

Nimmt  man  zweitens  m  ss  7,  so  hat  man 

jp  =  11       ,       g  =  31       ,       r  =  34  . 

Die  Zahl  g  s=  31  Ufat  sich  aber  nur  auf  folgende  drei  Arten  als 
Summe  von  5  Qnadratzahlen  darstellen: 

31  =  5*  4-  2*  +  1*  4-  1*  -i-  0'  , 
31  =  4*  -H  3*  4-  2'  4-  1'  4-  1'  , 
31  =  3»  -f.  3»  ^  3»  4-  2*  4-  0'  • 

Die  erste  derselben  ist  zu  verwerfen,  weil  sie  nicht  p  =  11,  son- 
dern p  =  9  ergiebt;  die  zweite  und  dritte  sind  mit  dieser  Bedin- 
gung im  Einklänge  und  ergeben  für  die  fünf  Zahlen  Ci,  Ca,  C|,  c«,  c» 

die  Werthe 

4,3,2,1,1, 

o,    o,    3,    2,    O, 

und  demgemäfs  für  die  sechs  Zahlen    a^  ai^  a^^  a^^  a^^  a^    die 

Werthe 

11  ,    10  ,    9  ,   8  ,   S  ,    7  , 

10  ,    10  ,    10  ,   9  ,    7  ,    7  . 

Die  ersteren  sind  aber  mit  den  unter  den  drei  graden  Zahlen  a, 
0],  Oj  nothwendigen  beiden  Congruenzbedingungen  (D.)  und  die 
anderen  mit  den  unter  den  drei  ungraden  Zahlen  ai,  a^,  a«  noth- 
wendig  Statt  habenden  Congruenzbedingungen  (D.)  unvereinbar. 
Der  Fall  m  =  7  giebt  also  ebenfalls  keine  Losung  der  Aufgabe. 
Nimmt  man  endlich  m  =  6,    so  hat  man: 

p  =  17     ,     j  =  59    ,     r  =  6. 

Da  r  eine  Summe  von  10  Quadraten  ist,  so  ist  die  Zahl  6  als 
Summe  von  10  Quadraten  darzustellen,  welches  auf  folgende  zwei 
verschiedene  Arten  möglich  ist: 


766  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

6    aa    2*  -f-l'  -f-  l'  -^  7.0'  , 

6  =  1*  +  1*  -f-l'  -hl*  H-  l'  -*-  1*  -h4.0*. 

Es  ist  aber  unmdglich,  dafs  von  den  10  Differenzen  je  zweier  der 
fSnf  OrSfsen  Ci ,  Cj ,  c, ,  c« ,  c» ,  aas  deren  Quadraten  r  =  6  be> 
steht,  genau  7  gleich  Null  sind;  denn  wenn  selbst  vier  dieser  Zah- 
len einander  gleich  wfiren,  so  wurden  nur  6  dieser  DüFereoiefl 
gleich  Null  sein.  Es  bleibt  also  nur  die  zweite  DarsteUnng  tob 
r  s=  6  zu  betrachten,  für  welche  3  von  den  fünf  Zahlen  Ci,es,eii 
c^yC^  einander  gleich  sein  müssen  und  die  übrigen  beiden  aoeh 
einander  gleich  und  wo  die  Differenzen  der  ersten  drei  Reichen 
von  den  anderen  zwei  gleichen  gleich  Eins  ist.  Da  die  Summe 
p  dieser  Zahlen  gleich  17  sein  mufs,  so  genügen  keine  anderen 
Wertho  der  C],  Cj,  C|,  C4,  c^  als 

4,    4,    3,    3,    3« 

Die  zngehorenden  Werthe  der  6  Zahlen  a,  tfi,  ai,a«,  a«,  o«  sind 
demnach : 

10  ,    10  ,    9  ,    9  ,    9  9    6  y 

welche  sich  in  der  That  den  einzelnen  Zahlen  ü^ai^a^y  a^^  a^^a^ 
so  zuordnen  lassen,  dalB  den  vier  Gongruenzbedingungen  (D.)  ge- 
nügt wird,  und  zwar  nur  auf  folgende  Weise: 

a  SS  6    ,    ai  SS  9    ,    a|  =s  10    ,    Oj  «s  9    ,   a«  s=  9  ,  a«  =  10. 

Aber  auch  diese  Werthe  genügen  den  drei  Gleichungen  (A.)  nicht, 
denn  man  erhfilt  für  dieselben 

hQ  —  P*  4-  «1  •+-  aj  —  (a  —  ai)(fli  —  a«) -H  2(aai  4- «a«j) 

+  aai  =  102  , 

und  nicht  134,  welchen  Werth  dieser  Ausdruck  vermöge  der  erstes 
dieser  Gleichungen  haben  muls. 

Es  ist  also  in  allen  Fällen  unmöglich,  die  sechs  Zahlen  a,  Hp 
A>9^i)^49^s  80  2u  bestimmen,  dafs  sie  den  drei  Gleichungen  (Ai 
genügen  und  darum  ist  es  unmöglich  die  dritte  Potenz  eines  ideJ- 
len  Primfaktors  der  Zahl  2  als  wirkliche  complexe  Zahl  F(v^  dar 
zustellen;  es  giebt  also  keine  niedere  Potenz  des  idealen  Primfak 
tors  der  2,  als  die  neunte,  welche  wirklich  ist. 


vom  10.  October  1870.  767 

Hr.  Weierstrafs  legte  die  folgende  Abhandlang  des  Herrn 
H.  A.  Schwarz  xn  Zürich  vor: 

Über  die  Integration  der  partiellen  Differential- 
gleichung 

unter  vorgeBchriebenen  Orens-  and  UnBtetigkeits- 

bedingungen. 

Im  August  1866  hat  Hr.  Weierstrafs  der  Eönigl.  Akademie 
von  einer  Arbeit  Mittheilung  gemacht,  welche  die  conforme  Ab- 
bildang  eines  einfach  zusammenhfingenden  Bereiches  T  auf  die 
Flfiche  S  eines  Kreises  beziehungsweise  auf  die  Flfiche  E  einer 
Halbebene  betrifft,  für  den  Fall,  dafs  die  Begrenznngslinie  des  Be- 
reiches T  von  geradlinigen  Strecken  oder  von  Kreisbogen  gebildet 
wird.  Für  den  allgemeinen  Fall  wurde  die  Lösung  der  angegebe- 
nen Abbildungsaufgabe  unter  der  Voraussetzung,  dafs  es  überhaupt 
eine  Losung  derselben  gebe,  auf  die  Integration  einer  gewohnlichen 
Differentialgleichung  und  die  Bestimmung  einer  endlichen  Anzahl 
von  Gonstanten  zurückgefohrt. 

Diese  Zuruckfuhrung  beruht  im  Wesentlichen  auf  folgenden 
Betrachtungen. 

Es  sei  z  sss  x-hyi  eine  complexe  Variable,  in  einer  Ebene 
geometrisch  dargestellt  durch  einen  Punkt  mit  den  rechtwinkligen 
Coordinaten  Xy  y.  Die  auf  der  positiven  Seite  der  x-Axe  lie- 
gende Halbebene  sei  der  Bereich  E.  Der  von  geradlinigen  Strecken 
oder  von  Kreisbogen  begrenzte  Bereich  T  sei  der  geometrische 
Ort  eines  Punktes,  durch  welchen  eine  zweite  complexe  Variable 
^  s=  ^  4.  t;  t  geometrisch  dargesteUt  wird. 

Es  wird  vorausgesetzt,  dafs  für  alle  im  Innern  von  E  liegen- 
den Werthe  von  z  die  Variable  ^  als  eine  eindeutige  analytische 
Funktion  von  z  mit  dem  Charakter  einer  rationalen  Funktion  so 
erklärt  ist,  dafs  vermöge  der  Beziehung  ^  ^a  f{z)  der  Bereich  E 
auf  den  Bereich  T  zusammenh&ngend  und  in  den  kleinsten  Theilen 
ähnlich  abgebildet  wird. 

Nun  bilde  man  die  Funktionen 


d         di 

5i  •««  Tz  -  -^W 


d 

dz 


*  di       ,( d  ,      d^y 


768  Sitzung  der  phyBikaUMek-mathemaHsehen  Kiatte 

Hierbei  sind  für  die  Fnnktioii  E(2)  als  singol&re  Werthe  tob  : 
aufser  dem  Werthe  z  ^=  oo  alle  diejenigen  Werthe  im  Ixinem  ni 
auf  der  Begrenzung  von  E  anzusehen,  welche  den  der  FlSdie  7 
angehörenden  Ecken^  Windangspankten  und  unendlich  fernen  Punk- 
ten entsprechen. 

Für  die  Funktion  If{z)  hingegen  gehören  die  vorkommende«- 
falls  den  unendlich  fernen  Punkten  yon  T  entspredienden  Werdi« 
von  z  nicht  zu  den  singulären  Werthen  des  Arguments,  irenn  jesf 
Punkte  nicht  zugleich  Windungspunkte  oder  Ecken  von    T  aisd. 

Die  Funktion  F{z)  hat  für  alle  reellen  Werthe  von  z  eba- 
falls  reelle  Werthe.  Es  ist  daher  möglich,  das  Gebiet  oes  Ar^ 
mentes  r,  welches  zufolge  der  ursprünglichen  Erklünuig  der  Fonk* 
tion  F{z)  zunädist  auf  die  Halbebene  E  beschränkt  ist,  dadnrcli 
auf  die  ganze  Ebene  auszudehnen,  dafs  coiyugirten  Werthen  des 
Argumentes  z  cox^ugirte  Werthe  von  F{z)  zugeordnet  werden. 
Hierbei  ergibt  sieh,  dafs  die  durch  die  erweiterte  Definitiott  ür 
alle  Werthe  der  unbeschränkt  veränderlichen  complexen  Gro&e  z 
definirte  analytische  Funktion  F(z)  in  der  Umgebung  aller  sings- 
lären  Werthe  den  Charakter  einer  rationalen  Funktion  besitzt  nsd 
daher  —  nach  einem  Fundamentalsatze  der  Theorie  der  analrti- 
sehen  Funktionen  —  selbst  eine  rationale  Funktion  von  z  ist. 

Wenn  die  Begrenzungslinie  von  T  nur  aus  geraden  Strecken 
besteht,  ergibt  sich  durch  analoge  Betrachtungen,  dafs  schon  die 
Funktion  E{z)  eine  rationale  Funktion  ihres  Argumentes  ist. 

Es  darf  hierbei  nicht  übersehen  werden,  daCs  diese  Bewei»- 
führnng  wesentlich  auf  der  von  vorn  herein  gemachten  Yoraos- 
Setzung  beruht,  dafs  es  eine  Funktion  ^=/(r)  gebe,  durch 
welche  die  geforderte  Abbildung  vermittelt  wird,  —  dals  es  dem- 
nach nicht  erlaubt  ist,  hieraus  umgekehrt  auf  die  Möglichkeit  d«rr 
Lösung  der  angegebenen  Abbildungsanfgabe  einen  Schlnfe  zu 
machen,  bevor  nicht  der  Naehweis  geführt  ist,  da£s  es  möglich  ist, 
für  jede  einfach  zusammenhängende  von  geraden  Strecken  oder 
Kreisbogen  begrenzte  Fläche  T  die  in  die  rationalen  FnnktioBen 
E{z)  beziehungsweise  F{z)  eingehenden  Constanten  so  an  bestim> 
men,  dafs  allen  Bedingungen  der  Aufgabe  Genüge  geschieht. 

Während  es  leicht  ist,  specielle  Fälle  anzugeben,  für  welche 
die  Bestimmung  der  Cons tauten  ohne  Weiteres  gelingt,  liegt  bei  der 
betrachteten    allgemeinen    Aufgabe    die    einzige   sich    darbietende 


votn  iO.  October  1870.  769 

Schwierigkeit  von  Belang  in  dem  zu  leistenden  Beweis  für  die 
Möglichkeit  dieser  Gonstantenbestimmung. 

Der  Konigl.  Akademie  habe  ich  die  Ehre,  im  nachfolgenden 
kuszuge  von  einem  Verfahren  Mitiheilang  ca  machen,  dorch  dessen 
Anwendung  es,  wie  ich  mich  überzeugt  zn  haben  glaube,  gelingt, 
licht  nur  die  Frage  nach  der  Möglichkeit  der  Constantenbestim« 
nung  bei  der  erwähnten  Aufgabe  allgemein  zu  beantworten,  sondern 
iberhaupt  die  von  Riemann  in  seiner  Inauguraldissertation  und  in 
meiner  Abhandlung  „Theorie  der  AbeFschen  Funktionen^  aasge-* 
»prochenen    allgemeinen  Lehrsfitze   über   die  Integration   der   par- 

:iellen  Differentialgleichung  Au  =  ^— j  4-  ^— j  =  0    unter    vorge- 

ichriebenen  Grenz-  und  Un Stetigkeitsbedingungen  streng  zu  be* 
w^eisen. 

1.  Bezeichnet  /(</>)  eine  nach  dem  Intervalle  9«  periodisch 
sich  wiederholende,  endliche,  stetige  und  eindeutige  reelle  Funktion 
des  reellen  Argumentes  c(),  so  stellen  die  Gleichungen 

/»S  IT                                                                          m 
A'^) ^^ — ^ r^^»  (o<r<i), 
■'^    ''l  — 2rcos(>fr— «/>)H-r'     '^  '  v   -  /» 

d 

eine  für  alle  Punkte  z  aa  x-^-  yi  =  r.e*'^  einer  mit  dem  Radius  1 
um  den  Punkt  z  «=  0  beschriebenen  Kreisfläche  S  (O^r ^  l)  ein- 
deutig definirte,  endliche  und  stetige  Funktion  u  dar,  welche  für 
das  Innere  von   S  (O^r  <,!)  der  *  partiellen  Differentialgleichung 

A  u  ==:  ;r— j  4-  ^—5-  =  0   genügt.     Die   durch  die  obigen  Gleichun- 

gen  mit  der  Beschränkung  O^r^l  dargestellte  Funktion  ist  zu« 
gleich  die  einzige,  welche  für  alle  Punkte  von  S  endlich,  stetig 
und  eindeutig  ist,  welche  für  das  Innere  von  S  der  partiellen  Diffgl. 
Au  =s  0  in  der  Art  genügt,   dafs  die  partiellen  Ableitungen  von  u 

^r-  »  T-  >  ^T—?  >  TT  ^^  demselben  Umfange  existiren ,  endliche, 
dx    öy    öx^    öy^ 

stetige   und  eindeutige  Funktionen  von  x  und  y  sind,    und  welche 

überdiefs  auf  dem  Rande  von  S  mit  /(c/>}  übereinstimmt. 

Einen  Beweis  dieser  Sätze,  welcher  nach  der  von  Riemann 

im   Artikel  10.    seiner  Dissertation   mitgetheilten   Methode  geführt 


770  Sitzung  der  phytihaliiek-maihemaiisehen  Kiasss 

ist,  habe  ich  im  XV.  Jahi^ange  der  Yierteljahrsschrift  der  Kitcr- 
forschenden  Gesellschaft  in  Zürich  1870  pag.  113-128  v-eröffaitlkki 

2.  Die  eben  definirte  Funktion  «  ist  für  alle  Werthe  voe  f, 
welche  die  Einheit  nicht  dberschreiten,  in  eine  nach  Prodoktrn 
ans  den  Potenzen  von  r  und  den  Sinns  und  Cosiims  der  glekir 
namigen  Vielfachen  von  ip  fortschreitende  Reihe  entwickelbar  o&i 
es  finden  aaf  diese  Fanktion  diejenigen  Betrachtangen  AnwendsDg. 
welche  überhaupt  die  analytische  Fortsetzung  von  Fonktioneo,  wel- 
che partiellen  Differentialgleichangen  genügen,  betreffen.  Insbesondeft 
gilt  der  Satz:  Wenn  zwei  Funktionen  «i  und  Ut,  welche  for  zwei 
Bereiche  Ti  und  T^,  die  ein  einfach  zusammenhängendes  Gebie: 
7*  von  zwei  Dimensionen  gemeinsam  haben,  als  endliche,  eindeoti«? 
und  stetige  Funktionen  erklärt  sind  und  in  dem  erklärten  SioK 
der  partiellen  Diffgl.  A^  =b  0  genügen,  in  einem  noch  ao  kleiiiet: 
Theile  dieses  gemeinsamen  Gebietes  mit  einander  fibereinatimmec 
so  stimmen  sie  für  alle  Funkte  desselben  mit  einander  ubereou 
lassen  sich  unter  Aufrechterhaltung  der  angegebenen  £igenschafte& 
beide  simultan  gleich  weit  analytisch  fortsetzen  und  stimmen  lanp 
jeder  solchen  Fortsetzung  mit  einander  überein. 

3.  Wenn  eine  Funktion  u  für  einen  Bereich  t  einschliedsüch 
der  Begrenzung  desselben  endlich,  stetig  und  eindeutig  ist  und  im 
Innern  desselben  der  partiellen  Diffgl.  Au  «b  o  im  'angegebenen 
Sinne  genügt,  so  hat  dieselbe  entweder  in  einem  Theile  des  Ge- 
bietes einen  constanten  Werth  und  dann  ist  dieselbe  überhaupt 
eine  Gonstante,  oder  dieses  ist  nicht  der  Fall.  Im  letztem  FaU« 
möge  der  grofste  Werth  von  u  mit  g^  der  kleinste  Werth  mit  k 
bezeichnet  werden.  Einen  Beweis  des  Saues,  dafs  eine  stetige 
Funktion  einer  oder  mehrerer  Yerfinderlichen ,  welche  nicht  eioe 
Gonstante  ist,  einen  grofsten  Werth  mindestens  für  einen  Punkt 
im  Innern  oder  auf  der  Begrenzung  des  Bereiches  der  Yariableo, 
für  welchen  jene  Funktion  erklärt  ist,  wirklich  erreicht,  falls  die 
Funktion  einschliefslich  der  Begrenzung  des  Bereiches  stetig  ist. 
hat  Hr.  Weierstrafs  in  seinen  Vorlesungen  gegeben,  auf  den 
Bezug  zu  nehmen  ich  mir  erlaube.  Im  vorliegenden  Falle  müssen 
die  Punkte,  in  denen  die  Funktion  u  ihre  extremen  Werthe  er- 
reicht, auf  der  Begrenzung  liegen.  (Vergl.  Riemann*s  Inaagaral- 
dissertation  Art  11.  III.} 

Wenn  also  die  .Funktion  u  nicht   constant  ist,  so  liegen  alle 
Werthe,   welche    dieselbe  für  die  Innern  Paukte  des   Bereichs  T 


vom  10.  Oc tober  1870.  771 

inter  den  angegebenen  Voraussetzungen  annehmen  kann^  zwischen 
lern  gröisten  Werthe  g  und  dem  kleinsten  Werthe  k  unter  den- 
enigen  Werthen,  welche  u  auf  der  Begrenzung  von  T  annimmt. 

Wenn  daher  alle  Werthe  von  u  am  Bande  von  T  gleich  Null 
ind^  so  ist  u  auch  für  alle  innem  Punkte  gleich  Null. 

Wenn  es  mithin  eine  Funktion  u  gibt,  welche  unter  den  an- 
gegebenen Bedingungen  für  den  Bereich  T  erklärt  ist  und  in  jedem 
'unkte  der  Begrenzung  einen  vorgeschriebenen,  nach  der  Stetig- 
:eit  sich  findemden  Werth  besitzt,  so  gibt  es  nur  eine  solche 
i'unktion. 

4.  Wenn  ein  einfach  zusammenhängender  Bereich  (z)\  für 
welchen  eine  Funktion  u  den  angegebenen  Bedingungen  gemfifa 
erklärt  ist,  durch  eine  analytische  Funktion 

^  =  -^W>  ?  4-  r,»  =  Fix  4-  yO 

auf  ein  Gebiet  (f)'  conform  abgebildet  wird  und  die  Funktion  F(z) 
für  alle  Punkte  im  Innem  des  Qebietes  (z)'  den  Charakter  einer 
ganzen  Funktion  besitzt,  während  F  (z)  im  Innern  desselben  nicht 
gleich  Null  wird,  so  geht  die  Funktion  u  von  x  und  y  in  eine 
Funktion  von  ^  und  97  über  und  genügt  für  das  Gebiet  (^'  und 
die  Variablen  ^  und  97  ebenfalls  den  allgemeinen  Bedingungen. 

Dieser  bekannte  Satz  macht  es  in  Verbindung  mit  der  in  no.  1. 
angegebenen  Formel  möglich,  für  jeden  einfach  zusammenhängenden 
Bereich  T,  welcher  ganz  im  Endlichen  liegt  und  in  seinem  Innern 
keinen  Windungspunkt  besitzt,  die  partielle  Differentialgleichung 
äu=  0  vorgeschriebenen  Grenzbedingungen  gemäfs  zu  integriren, 
venu  die  conforme  Abbildung  dieses  Bereiches  T  auf  die  Fläche  S 
eines  Kreises  bekannt  ist.  Unter  denjenigen  Bereichen,  welche 
durch  Vermittelung  einfacher  Funktionen  auf  die  Fläche  eines  Krei- 
ses conform  abgebildet  werden  können,  sind  hervorzuheben: 

a.  Die  von  zwei  Kreisbogen  begrenzte  Sichel  oder  Mond- 
figur. 

Wenn  die  Werthe  z  ^=:  Zq  und  z  s=  Zq  die  beiden  Ecken  der 
Mondfigur  bestinmien,  und  der  Winkel,  den  die  Tangenten  beider 
Kreisbogen  in  diesen  Punkten  mit  einander  bUden  mit  av  bezeich- 
net wird,  so  wird  diese  Figur  durch  die  Funktion 

[1870]  53 


772  Sitzung  der,  physikalisch-mathematischen  Klasse 

auf  eine  in  der  Ebene  der  complexen  GroOse  ^  liegende  Halbebev 
conform  abgebildet.  Die  conforme  Abbildnng  einer  Halbebene  atf 
das  Innere  eines  Kreises  wird  aber  bekanntlich  dor^  eise  ge- 
brochene Funktion  ersten  Grades  vermitteh,  welche  für  dun 
jener  Halbebene  nicht  angehörenden  Pankt  unendlich  grofs  wird. 

Zu  den  Gebieten  dieser  Art  gehört  auch  das  Kreissegment 
und  der  Halbkreis. 

b.  Ein  von  drei  Kreisbogen  oder  geraden  Strecken  begreoit« 
Stuck  der  Ebene,  oder  Kreisbogendreieck,  wenn  swei  dtr 
Eckenwinkel  Rechte  sind  und  der  dritte  gleich  air  ist,  w(»bej  je- 
doch €t  weder  gleich  Null  noch  einer  ganzen  Zahl  gleich  ist. 

Bezeichnet  z  ^=  z^  die  Ecke  des  Bereiches  mit  dem  Eeka- 
winke!  arr^  z  =  Zq  den  zweiten  Schnittpunkt  der  im  Punkte  r  =  ;, 
sich  schneidenden  Kreise,  so  wird  dieser  Bereich  durch  die  Fonktios 


auf  die  Fläche  eines  Halbkreises  conform  al^ebildet,  wodurch  dif^tfr 
Fall  auf  den  vorhergehenden  zurückgeführt  ist. 

Zu   den  Gebieten  dieser  Art  gehört  auch  der  Kreissektor: 

in  diesem  Falle  ist  z'^^  ss  oo  and  man  hat  ^  =  (z  —  z«)«  zu  setzen. 
Den  unter  a,  und  5.  genannten  Gebieten  reiht  sich  an: 
c.  Ein  von  drei  Kreisbogen  begrenztes  ebenes  Kreisbogen- 
dreieck, in  welchem  eine  Ecke  eine  Spitze  ist  und  die  Winkel 
in  den  beiden  andern  Ecken  Rechte  sind. 

Bezeichnet  z  =  Zq  die  Lage  der  Spitze  dieses  Bereiches  und 
r  =  «0 -+- ^""**'  ^r  positive  Werthe  von  t  die  Tangente  der 
Spit2e,  so  wird  dieser  Bereich  durch  die  Funktionen 


^am 


auf  die  Fläche  eines  in  der  Ebene  der  complexen  Gröfse  ^'  liegeo- 
den  Kreissektors  conform  abgebildet^  und  hierdurch  ist  dieser  Fall 
auf  den  vorhergehenden  zurückgeführt. 

Für  die  genannten  drei  Bereiche  also,  sowie  für  alle  diejeni- 
gen Bereiche,  welche  auf  diese  conform  abgebildet  werden  können. 
kann  die  partielle  Diffgl.  Au  =  0  vorgeschriebenen  Grenzbedin- 
gungen  gemfifs  integrirt  werden. 


vom  10.  October  1870.  773 

5.  Unter  einer  ebenen  analytischen  Linie  versteht  man  eine 
i)ene  Linie,  für  welche  die  rechtwinkligen  Coordinaten  x  und  y 
Ines  beliebigen  Punktes  analytische  Funktionen  einer  reellen  Ver- 
aderlichen  t  sind.  Es  sei  t  ^=i  t^  ein  specieller  Werth  von  t^  so 
t  also  die  Gleichung 

r  =  Co  4-  Ci  {t—U)  4-  c,  (^  —  ^o)*  H in.  inf.  «/(/;  U) 

0  Co,  Ci ,  Ct  ***  compleze  Constanten  yon  der  Beschaffenheit 
^zeichnen,  dafs  die  Reihe  für  alle  dem  absoluten  Betrage  nach 
ine  gewisse  Grenze  nicht  überschreitenden  Werthe  von  t  —  t^  con- 
ergirt,  die  allgemeine  Gleichung  eines  Zweiges  einer  analytischen 
linie.  Man  betrachte  ein  Stück  dieses  Zweiges,  welches  so  be- 
i^haffen  ist,  daüis  für  keinen  im  Innern  desselben  liegenden  Punkt 

-  den  Werth  Null  annimmt. 
t 

In  der  analytischen  Gleichung 

lönnen  der  Variablen  t  auch  complexe  Werthe  beigelegt  werden; 

lann  Termittelt   diese   Gleichung    eine  conforme  Abbildung  eines 

Theiles  der  Ebene  der  complexen  Gröfse  t^  welcher  jene  in  Be- 

racht  gezogene  Strecke  der  reellen  Axe   enthält,  auf  einen  Theil 

1er  Ebene    der   complexen   Grofse  r,   welcher  jenen  betrachteten 

)ogen   der   analytischen  Linie   in  seinem  Innern  enthält.     Es  ist 

mch  möglich  9  zu  beiden  Seiten  der  geraden  Strecke  zwei  solche 

rheile  T|   und  T^  abzugrenzen,  dafs  für  keinen  Punkt  im  Innern 

dz 
ier  80  abgegrenzten  Theile  —  gleich  Null  wird.     Um   die  Vor- 

CK  ( 

»tellong  zu  fixiren,  mag  angenommen  werden,  dafs  die  beiden  Be- 
reiche T^  und  T)  zwei  zu  einander  symmetrische  Kreisabschnitte 
seien.  Die  beiden  Theile  Ti  und  T^  werden  durch  die  analytische 
Funktion  auf  zwei  zu  beiden  Seiten  der  analytischen  Linie  liegende 
Theile  Z^  und  Z^  der  Ebene  der  complexen  Grofse  z  conform 
Abgebildet  Für  diese  Bereiche  kann  also  nach  dem  Inhalte  von 
no.  1.  und  no.  4.  die  Diffgl.  Au  ^=  0  beliebig  vorgeschriebenen 
Grenzbedingungen  gemfifs  integrirt  werden. 

Es  ist  auch  umgekehrt  möglich,  wenn  in  der  Ebene  der  com- 
plexen Gröfse  z  eine  analytische  Linie  gegeben  ist,  ein  Gebiet 
^1  +  Z)  anzugeben,    welches    ein   Stuck    der   analytischen  Linie 

53  • 


774  Sitzung  der  physikalisch-mathematischen  Klasse 

in  seinem  Innern  enth&lt  und  welches  auf  die  Ebene  der  cos- 
plexen  Orofse  t  conform  so  abgebildet  werden  kann,  dsSs  dts 
Stücke  der  analytischen  Linie  eine  gerade  Strecke  entspricht 

Diese  Eigenschaft  ist  für  die  analytischen  Linien  charakteris- 
tisch. 

In  einigen  Fällen  bietet  es  Vortheile ,  statt  der  Yariableii  ( 
die  Bogenlänge  $  der  Carve,  von  einem  festen  Punkte  bis  za  einos 
beweglichen  gezählt,  als  unabhängige  Variable  einzufahren. 

Es  gibt  zwar  unendlich  viele  Funktionen,  welche  die  Eigenscluüi 
haben,  die  Gebiete  Z^  und  Z^  auf  zwei  andere  durch  eine  gerad- 
linige Strecke  getrennte  Gebiete  Ti  und  T,  conform  ahzubildeo. 
Werden  aber  die  Punkte  von  Tj  und  7,  durch  Symmetrie  einasde! 
zugeordnet,  so  ist  das  aus  dieser  Zuordnung  hervorgehende  punkt- 
weise Entsprechen  der  Gebiete  Zi  und  Z^  allein  von  der  betrach- 
teten analytischen  Linie,  nicht  aber  von  der  besondern  Wahl  der 
abbildenden  Funktion  abhängig  (Vergl.  Borcbardt's  Journal  Bd.  70. 
pag.  106  und  107).  Die  Möbius'sche  Kreisverwandtschaft  ist  ein 
specieller  Fall  eines  solchen  EntSprechens,  welcher  eintritt,  wem 
die  analytische  Linie  ein  Kreisbogen  ist. 

6.  Längs  einer  analytischen  Linie  L  im  Innern  eines  Berdche? 
Tf  für  welchen  eine  Funktion  u  im  angegebenen  Sinne  der  pari 
Diffgl.  Au  e=s  0  genügt,  besitzt  diese  Funktion  in  Bezug  auf  da 
Bogen  s  dieser  Linie  den  Charakter  einer  ganzen  Funktion.  Us- 
gekehrt:  Wenn  der  Bogen  L  einer  analytischen  Linie  einea  The! 
der  Begrenzung  eines  Bereiches  T  bildet,  für  welchen  eine  Funk- 
tion u  der  Diffgl.  Au  9=:  o  genügt,  und  die  Werthe  vom  v  längs 
der  Linie  L  mit  /(«)  bezeichnet  werden,  so  ist  die  nothwendi^ 
Bedingung  dafür,  dafs  sich  die  Funktion  u  über  die  Linie  JL  hin- 
aus analytisch  fortsetzen  lasse,  nämlich  dals  /(«)  eine  analytischf 
Funktion  von  s  ist,  welche  für  alle  in  Betracht  kommenden  Weiths 
von  s  den  Charakter  einer  ganzen  Funktion  besitzt ,  für  dk 
Möglichkeit  dieser  analytischen  Fortsetzung  auch  hinreichend.  1j2 
specieller  Fall  dieses  Satzes  tritt  ein,  wenn  die  Linie  L  eine  ge- 
rade Strecke  ist,  längs  welcher  eine  Funktion  u  den  Werth  Ncl 
hat.  In  diesem  Falle  nimmt  die  Funktion  u  in  solchen  Ponk^ 
paaren,  welche  in  Bezug  auf  die  Gerade  symmetrisch  liegen,  efsl- 
gegengesetzte  Werthe  an,  ein  Satz,  welcher  sein  Analogon  in  d^~T 
Potentialtheorie  findet. 


vom  10.  October  1870.  775 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  erwähnt  werden^  dafs,  wenn  die 
Tonktion  /(</>)  in  no.  1.  in  Bezug  auf  <f>  an  keiner  Stelle  den  Charak- 
er  einer  ganzen  Funktion  besitzt,  dafs  in  diesem  Falle  die  Peri- 
pherie der  Kreisfläche  S  für  die  Funktion  u  und  für  die  an^Iy- 
ische  Funktion 


leren  reeller  Theil  die  Funktion  u  ist,  hinsichtlich  des  Bereiches 
1er  Argumente  dieser  Funktionen  eine  naturliche  Grenze  bildet, 
welche  von  der  Darstellungsform  unabhängig  ist. 

Auf  den  für  die  Funktionentheorie  wichtigen  Umstand,  dafs 
1er  Bereich  des  Argumentes  einer  analytischen  Funktion  nicht 
mmcr  ein  willkürlich  auszudehnender,  sondern  vielmehr  in  vielen 
ß'ällen  ein  bestimmt  begrenzter  ist,  hat  Hr.  Weierstrafs  vor 
einigen  Jahren  aufmerksam  gemacht.  (Monatsberichte  1866  p.  617). 

7.  An  die  vorhergehenden  Erörterungen  schliefst  sich  eine 
[Jntersuchnng  der  UnStetigkeiten  an,  welche  eine  Funktion  u  in 
einem  Punkte  annehmen  kann,  wenn  der  Werth  der  Funktion  bei 
der  Annäherung  an  diesen  Punkt  dem  absoluten  Betrage  nach 
einen  endlichen  Werth  nicht  überschreitet.  Wenn  eine  Funktion  u 
for  das  Innere  eines  beliebig  grofsen  um  den  Punkt  z  ss  0  mit  dem 
Radius  S  beschriebenen  Kreises  so  erklärt  werden  kann,  dafs  sie 
der  Diffgl.  Au  ss  o  im  angegebenen  Sinne  genügt,  und,  wie  grofs 
auch  R  sein  möge,  dem  absoluten  Betrage  nach  die  endliche  Gröfse  g 
nicht  fiberschreitet,  so  ist  die  Funktion  eine  Constante.  Der  Be- 
weis  dieses  Satzes    folgt   aus    der  in  no.  1.  angegebenen  Formel, 

wenn  in  derselben  r  durch  ~,  /(</>)   durch  u  (2?,  </>)   ersetzt  und 

dann  zur  Grenze  lim  22  s=  oo  übergegangen  wird. 

Wenn  von  einer  Funktion  u  bekannt  ist,  dafs  dieselbe  für 
das  Iniiere  eines  Bereiches  T  mit  Ausnahme  eines  im  Innern  des- 
selben liegenden  Punktes  Tq,  (für  welchen  es  noch  ungewifs  ist, 
ob  die  Funktion  für  denselben  überhaupt  einen  bestimmten  Werth 
hat,)  im  obigen  Sinne  der  Diffgl.  Au  ss  o  genügt,  und  dafs,  wenn 
in  der  Umgebung  von  z^  ein  beliebig  kleiner  Bereich  abgegrenzt 
wird,  alle  Werthe  von  u  im  übrigen  Bereiche,  wie  klein  auch  der 
ausgeschlossene  sein  möge,  die  endliche  Grofse  g  dem  absoluten 


776  Sitzung  der  phytikaHseh-maihematUehen  Klasse 

Betrage   nach  nicht  öberschreiten ,    wenn  endlich    eine  durch  Al^ 
finderaog  des  Werthes   von  u  im  Punkte  Zo   hebbare   ünsteü^e 
ansgeschlossen  wird,  —  so  genSgt  dieses^  um  za  sehliefBen,  i^' . 
die  Funktion  u  aach  far  den  Punkt  z^   einen   endlichen  und  k-  \ 
stimmten  Werth  hat,  dafs   dieselbe  überhaupt  in   der  Nihe  dkse 
Punktes,  den  Punkt  Zq  selbst  eingeschlossen,  den  Charakter  eisrr 
ganzen  Funktion  besitzt 

Im  Innern  eines  Bereiches  T  kann  also  eine  der  I>ifrgL  ^n  =  0 
im  Allgemeinen  genugende  Funktion  keine  anderen  Singnlaritirfs 
besitzen,  als  solche,  bei  denen  die  Funktion  sich  Terzweigt  oder 
unendlich  grofse  Werthe  erreicht 

Auch  in  dem  Falle,  wenn  auf  der  Begrenzung  von  T  ein  ds- 
zelner  Punkt  z^  liegt,  für  welchen  die  Eindeutigkeit  tind  Ste^- 
keit  von  u  ungewifs  ist,  wfihrend  die  Endlichkeit  von  «  in  de 
Umgebung  dieses  Punktes  feststeht,  l&fst  sich  analogerweise  der 
Schlnfs  auf  das  Vorhandensein  dieser  genannten  beiden  Eigenscbafta 
machen,  wenn  erstens  bekannt  ist,  dafs  das  Gebiet  T  confona  so 
abgebildet  werden  kann,  dafs  einem  Stucke  der  Begrenzung  tod  T, 
welches  den  Punkt  Zq  im  Innern  enthält,  eine  gerade  Strecke  ent- 
spricht, und  zweitens  die  Werthe  von  u  Ifings  der  Begrenzung  tod  T 
In  jenem  Punkte  z^  eine  Unterbrechung  der  Stetigkeit  nicht  er- 
leiden. 

Wenn  dagegen  unter  im  Übrigen  unveränderten  Voraussetzvs' 
gen  die  Werthe  von  u  längs  der  Begrenzung  von  T  im  Punkte:» 
eine  Unterbrechung  der  Stetigkeit  erleiden  und  der  Punkt  z«  nkM 
zugleich  eine  Spitze  der  Begrenzung  von  T  ist,  so  erhält  man  mis 

der  Funktion  u  durch  Subtraktion  eines  Ausdruckes  Carctg 7 

bei  geeigneter  Bestimmung  der  Constante  C  eine  in  diesem  Punkte 
eindeutige  und  stetige  Funktion. 

Ist  aber  der  Punkt  Zq  eine  Spitze  und  sind  die  beiden  die 
Spitze  bildenden  Linien  L^  und  Lf  analytische  Linien,  so  kann? 
ohne  dafs  der  Allgemeinheit  Eintrag  geschieht,  angenommen  ir^ 
den,  dafs  die  die  Ordnung  der  gegenseitigen  Berührung  der  beiden 
Linien  in  der  Spitze  ausdruckende  Zahl,  welche  stets  eine  positive 
rationale  Zahl  ist,  nicht  gröfser  sei  als  die  ebenfalls  rationalei^ 
Zahlen,  welche  die  Ordnung  der  Berührung  der  beiden  Linien  mit 
der   Tangente  der   Spitze   ausdrücken,    da    auf  diesen    Fall  der 


tom  10.  Oetoher  1870.  777 

allgemeinere  durch  eine  vorhergehende  conforme  Abbildong  stets 
zarückgefShrt  werden  kann. 

Wird  dann  die  Spitze  selbst  zum  Pol  von  Polarcoordinaten 
gewählt  und  entspricht  (^  =  o  der  Tangente  der  Spitze,  so  erhält 
man  aus  der  Funktion  u  durch  Subtraktion  eines  Ausdruckes 


C.  —  sin  fiif^ 


bei  geeigneter  Bestimmung  von  C  und  t*  eine  auch  in  der  Um- 
gebung der  Spitze  stetige  Funktion.  Wird  also  der  Gröfse  r  ein 
constanter  Werth  von  hinreichender  Kleinheit  beigelegt,  so  sind 
für  die  in  Betracht  kommenden  Werthe  von  (p  die  Änderungen 
von  u  um  so  g^iauer  den  Änderungen  von  4>  proportional,  je 
kleiner  der  Werth  von  r  ist 

In  dieser  Form  gilt  der  Satz  sowohl  für  den  Fall  einer  Spitze 
als  auch  für  den  Fall  einer  Ecke. 

8.  Wenn  für  die  Werthe  einer  Funktion  u  längs  der  Be- 
grenzung von  T  UnStetigkeiten  (endliche  Sprünge)  in  einer  end- 
lichen Anzahl  von  Punkten  der  Begrenzung  zugelassen  werden, 
so  kann  es  ebenfalls  nur  eine  Funktion  geben,  welche  l&ngs  der 
ganzen  Begrenzung  vorgeschriebene  Werthe  hat,  nirgends  unend- 
lich gröfs  wird,  mit  Ausnahme  jener  Punkte  stetig  und  eindeutig 
ist  und  im  Innern  von  T  mit  Ausnahme  einer  endlichen  Anzahl 
von  Punkten  im  angegebenen  Sinne  der  partiellen  Diffgl.  Au  =i  0 
genügt 

Auch  gilt  unter  denselben  Voraussetzungen  noch  der  Satz 
(vergl.  no.  3.),  dais  der  Werth  von  u  für  einen  inneren  Punkt  des 
Gebietes  stets  zwischen  der  oberen  und  unteren  Grenze  derjeni- 
gen Werthe  liegt,  welche  diese  Funktion  auf  der  Begrenzung  von  T 
annimmt 

Die  in  no.  1.  angegebene  Formel  stellt  für  die  Fläche  eines 
Kreises  die  einzige  den  obigen  Bedingungen  genügende  Funktion  u 
auch  dann  dar,  wenn  die  längs  der  Peripherie  vorgeschriebene 
Werthenreihe  /(<f>)  in  einer  endlichen  Anzahl  von  Punkten  un- 
stetig ist 

9.  Die  vorstehenden  Betrachtungen  erfahren  keine  wesentliche 
Modifikation,  wenn  der  Bereich  T  in  seinem  Innern  Windungs- 
punkte  enthält 


I 


778  Sitzung  der  phyatkäÜMeh-mathematischen  Klasse 

I 

Der  einfachste  Fall  eines  solchen  Bereiches  ist  der  Fall  eiaer  1 

m-bl&ttrigen    Kreisfläche,    für  welche   der    Mittelpunkt  eis  . 

ta  —  1  facher  Windungspnnkt  ist     Ist  z  =  xtq   der   Mittelponkt,  E  ^ 

der  Radius  der  begrenzenden  Kreislinie,  so  fahrt  die  conforme  Ab-  | 
bildung  durch  die  Funktion 


C-^)- 


auf   den    unter  no.  1.  betrachteten  Fall  einer  einblättrigen  Krek- 
fläche  zarüek.     (Vergl.  Riemann's  Dissertation  Art  14.) 

Während  die  Funktion  u  auch  für  die  Windungspunkte  die 
Eigenschaft  behält,  stetig  und  eindeutig  bestimmt  zu  sein,  wesa 
sie  endlich  bleibt,  können  ihre  partiellen  Ableitungen  bcü  der  Ab- 
näherung  an  diese  Funkte  unendlich  grofs  werden  und  hören  iar 
die  Windungspunkte  selbst  im  Allgemeinen  zu  exist'ren  auf.  Die 
Gültigkeit  des  unter  no.  8.  erwähnten  allgemeinen  Satzes  wird  je- 
doch durch  die  Zulassung  von  Windungspunkten  für  das  Innere 
des  Bereiches  nicht  beeinträchtigt 

10.  Es  werde  angenommen,  für  einen  von  einer  endlichen 
Anzahl  von  Stücken  analytischer  Linien  begrenzten  Bereich  T  s& 
es  möglich,  die  part.  Diffgl.  Au  =  0  im  angegebenen  Sinne  be- 
liebig YOi^eschriebenen  Orenzbedingungen  gemäfs  zu  integriren. 
Hierbei  sollen  die  längs  der  Begrenzung  von  T  Yorgeschriebenee 
Werthe  überall  endlich  und  mit  Ausnahme  einer  endlichen  AnzaU 
von  Punkten  P,  in  welchen  eine  Unterbrechung  der  Stetigkeit  ein- 
tritt, stetig  und  eindeutig  erklärt  sein. 

Für  diesen  Bereich  ist  dann,  wie  eine  nähere  Untersuchung 
zeigt,  die  Voraussetzung  erfüllt,  betrc£fend  die  Abbildbarkeit  toq 
Theilen  des  Gebietes  T  in  der  Nähe  der  etwa  vorhandenen  Eckeo 
und  Spitzen  der  Begrenzung  von  T  auf  zum  Theil  geradlinig  be- 
grenzte Bereiche,  welche  in  no.  7.  gemacht  wurde,  und  es  finden 
daher  auf  den  Bereich  T  die  unter  no.  7.  und  8.  angeführten  Sätie 
Anwendung. 

Die  Begrenzung  von  T  denke  man  sich  in  eine  endliehe  Ab- 
zahl  von  Strecken  (Theilen)  getheilt  und  diese  wieder  zu  zwei 
Gruppen  angeordnet,  so  dafs  in  jeder  Gruppe  mindestens  eic^ 
Strecke  enthalten  ist     Den  einzelnen  Strecken  lege  man,  jenach- 


v<m  iO.  October  1870.  779 

dem  sie  der  ersten  oder  zweiten  Gruppe  angeboren,  ungrade  oder 
grade  Ordnungszahlen  bei. 

Dann  ist  die  Anzahl  derjenigen  Punkte,  welche  eine  Strecke 
mit  grader  und  eine  Strecke  mit  ungrader  Ordnungszahl  trennen, 
jedenfalls  eine  endliche;  dieselbe  kann  auch  gleich  Null  sein,  wenn 
die  Begrenzungslinie  aus  mehr  als  einem  geschlossenen  Theile  be* 
steht.  Diese  Punkte  mögen  mit  P  bezeichnet  werden.  Nach  der 
Voraussetzung  gibt  es  nun  eine  und  nach  dem  Inhalt  von  no.  8. 
nur  eine  einzige  Funktion  u,  welche  mit  Ausnahme  der  Punkte  P 
und  einer  endlichen  Anzahl  anderer  Punkte  fcLr  den  Bereich  T  der 
partiellen  Diffgl.  Au  s=  o  genügt  und  in  allen  Punkten  der  Be- 
grenzung den  Werth  Null  oder  +  1  hat,  jenachdem  die  Ordnnngs* 
zahl  der  Strecke,  in  deren  Innerem  der  betre£fende  Punkt  liegt, 
grade  oder  ungrade  ist 

Man  denke  sich  nun  im  Innern  von  T  eine  endliche  Anzahl 
analytischer  Linien  L  gegeben,  welche  mit  den  Strecken  ungrader 
Ordnungszahl  entweder  keinen  Punkt  oder  nur  Endpunkte  P  der- 
selben gemeinsam  haben.  Im  letzteren  Falle  wird  jedoch  voraus- 
gesetzt, dafs  die  Ordnung  der  etwaigen  Berührung  zwischen  einer 
der  Linien  L  und  einer  Strecke  ungrader  Ordnungszahl  in  keinem 
der  gemeinsamen  Punkte  P  höher  sei,  als  die  Berührung  zwischen 
derselben  Strecke  ungrader  Ordnungszahl  und  der  in  dem  Punkte 
P  anstofsenden  Strecke  mit  grader  Ordnungszahl.  Für  alle  die- 
jenigen Werthe,  welche  die  oben  erklärte  Funktion  u  für  die  Punkte 
der  Linien  L  annehmen  kann,  gibt  es  eine  obere  Grenze,  beziehungs- 
weise ein  Maximum.  Diese  obere  Grenze  q  ist  kleiner  als  1. 
Nach  der  Beweismethode  des  Hrn.  Weierstrafs,  welche  auch  dem 
Beweise  des  in  no.  3.  erwfihiiten  Satzes  zu  Grunde  liegt,  gibt  es 
auf  den  Linien  L  mindestens  einen  Punkt  Q  von  der  Beschaffen- 
heit, dafs,  wenn  von  derjenigen  Linie,  auf  welcher  dieser  Punkt 
liegt,  in  der  Umgebung  desselben  ein  beliebig  kleines  Stuck  ab- 
geschnitten wird,  die  obere  Grenze  aller  "Werthe,  welche  die  Funk- 
tion u  für  die  Punkte  dieses  Stuckes  annehmen  kann^  ebenfalls 
noch  q  ist.  Man  betrachte  einen  dieser  Punkte;  liegt  derselbe  im 
Innern  von  T,  so  wird  der  Werth  q  wegen  der  Stetigkeit  der 
Funktion  u  in  diesem  Punkte  erreicht;  es  ist  q  ein  Maximum;  da 
nun  nach  no.  8.  der  Werth  von  u  für  jeden  Innern  Punkt  zwi- 
schen dem  Werthe  0  und  +  1  liegt,  und  keinen  dieser  Werthe 
wirklich  annehmen  kann,  so  ist  q  kleiner  als  1. 


780  Sitzung  der  physikaliseh-mathenuUisehen  Klasse 

Wenn  hingegen  der  Pnnkt  Q  auf  der  Begrensniig  von  T  hep. 
60  kann  er  nur  mit  einem  der  Punkte  P  soBammenfiilleii  und  dam 
Ist  q  der  Orenrwerth,  welchem  sich  «  nfihert^  wenn  der  esl- 
sprechende  Punkt  l&ngs  einer  der  Linien  L  jenem  Punkte  P  eid 
nähert  Dann  folgt  aber  aus  den  gemachten  Yoransaetauiga. 
(rergL  no.  7.)  dafs  q  kleiner  als  1  ist. 

11.  Es  möge  nun  for  denselben  Bereich  Tbei  derselben  Einthe- 
Inng  der  Begrenzung  in  Strecken  mit  grader  und  ungrader  Ordnungs- 
zahl und  für  dieselben  Linien  L  eine  Funktion  «i  beatimnit  wer- 
den, welche  für  das  Innere  von  Tder  Diffgl.  Aui  j=s  o  genagt  und 
auf  der  Begrenzung  Iflngs  der  Strecken  mit  grader  OrdnnngssaU 
den  Werth  Null  hat,  und  deren  Werth  laogs  der  Strecken  mit  hb- 
grader  Ordnungszahl  dem  absoluten  Betrage  nach  die  Gro£se  ^i 
nicht  überschreitet. 

Betrachtet  man  nun  die  Funktion 

«•«  =  ^1  -uii*! 

wo  tt  dieselbe  Bedeutung  hat,  wie  in  no.  10.,  so  genügt  diese  der 
Diffgl.  A«,  SS  0  und  hat  längs  der  Begrenzung  von  T  aam  Theil 
den  Werth  Null,  zum  Theil  positive  Werthe.  Daher  ist  der  Werth 
von  Us  für  keinen  Punkt  im  Innern  von  T  negativ  und  es  über- 
steigt somit  der  Werth  von  Ui  dem  absoluten  Betrage  nach  nir- 
gends den  Werth  von  gfu;  längs  der  Linien  L  übersteigt  also 
der  Werth  von  Ui  in  keinem  Punkte  die  Grofse  ^t*9>  wo  die 
Zahl  q  die  in  no.  10.  erklärte  Bedeutung  hat  und  kleiner  als  1  ist. 
Auf  diesem  Satze  beruht  hauptsächlich  das  Gelingen  des  fol- 
genden Conveigenzbeweises. 

12.  Nach  dem  für  eine  Anzahl  von  einfach  begrenzten  Be- 
reichen gezeigt  ist,  dafs  für  dieselben  die  DiffgL  Au  =  o  beliebig 
vorgeschriebenen  Grenzbediugungen  gemäss  integrirt  werden  kann, 
handelt  es  sich  darum,  den  Nachweis  zu  fuhren,  dafs  auch  für 
einen  weniger  einfachen  Bereich,  der  aus  jenen  auf  gewisse  Weise 
zusammengesetzt  ist,  die  Diffgl.  Au  ^=  0  beliebigen  Grenzbedio- 
gungen  gemSfs  integrirt  werden  kann. 

Zum  Beweise  dieses  Satzes  kann  ein  Grenzübergang  dienen, 
welcher  mit  dem  bekannten  zur  Herstellung  eines  luft verdünnten 
Raumes  mittelst  einer  zweistie feiigen  Luftpumpe  dienenden  Ter- 


vom  iL  Oetober  1870.  781 

fahren  grofse  Analogie  hat  und  welcher  kurz  Grenzabergang  dnrch 
alter nirendes  Verfahren  genannt  werden  kann. 

Es  seien  gegeben  zwei  von  analytischen  Linien  begrenzte  Be- 
reiche Ti  und  Tfj  welche  einen  oder  mehrere  Bereiche  T*  ge- 
meinsam haben.  Die  Begrenzung  von  T|  wird  von  der  Begren- 
zung von  Tf  in  eine  Anzahl  Stucke  zerschnitten.  Das  System 
aller  Theile  der  Begrenzung  von  T|,  welche  auTserhalb  T,  liegen, 
werde  mit  Lqj  das  System  aller  übrigen,  innerhalb  Tf  liegenden 
Theile  mit  Lf  bezeichnet.  Hierbei  sollen  alle  den  Begrenzungen 
von  Ti  und  T^  etwa  gemeinsamen  Strecken  dem  Systeme  Lq  zu- 
gezählt werden. 

Ebenso  zerfällt  die  Begrenzung  von  T^  in  die  Systeme  Z^, 
und  Xr,,  wenn  nämlich  mit  Li  das  System  aller  Stöcke,  welche 
innerhalb  T|  liegen,  mit  L^  das  System  aller  Stucke,  die  aufser- 
halb  Ti  liegen,  bezeichnet  wird,  wobei  etwaige  gemeinsame  Be- 
grenzungstheile  dem  Systeme  L^  zuzuzählen  sind. 

Es  wird  vorausgesetzt,  dafs  die  Systeme  Li  und  L^  keine 
anderen  Punkte  gemeinsam  haben,  als  solche,  in  denen  die  Be- 
grenzungen von  Ti  und  Tf  sich  schneiden,  und  zwar,  dafs  in 
diesen  Punkten  zwischen  den  betre£fenden  Linien  der  Systeme 
Li  und  Lf  nicht  eine  Berührung  von  höherer  Ordnung  stattfindet, 
als  in  demselben  Punkte  zwischen  den  betreffenden  Linien  der 
Systeme  Lq  und  L^  Statt  hat. 

Es  wird  ferner  vorausgesetzt,  es  sei  sowohl  für  den  Bereich  T] 
als  auch  für  den  Bereich  T^  möglich,  die  DüTgl.  Au  =  0  beliebig 
vorgeschriebenen  Grenzbedingungen  gemäfs  zu  integriren. 

Es  wird  behauptet,  dafs  es  unter  diesen  Voraussetzungen  mög* 
lieh  sei ,  auch  für  dasjenige  Gebiet  Ti  -4-  T,  —  T*  =  T,  welches 
das  Gebiet  Ti  und  das  Gebiet  T,  als  Theile  enthält,  bei  welchem 
aber  das  beiden  Gebieten  Ti  und  Tf  gemeinsame  Gebiet  T*  nur 
einfach  zu  zählen  ist,  die  Diffgl.  Av  s=s  0  beliebig  vorgeschriebenen 
Grenzbedingungen  gemäfs  zu  integriren. 

Sowohl  fQr  das  Gebiet  Tj  und  das  System  Li  als  auch  für  das 
Gebiet  T,  und  das  System  L^  sind  die  Bedingungen  des  in  no.  11. 
entwickelten  Hulfssatzes  erfüllt,  wenn  im  ersten  Falle  das  System 
Lq,  im  zweiten  das  System  L^  an  die  Stelle  der  Gruppe  der 
Strecken  mit  grader  Ordnungszahl  tritt.  Es  ist  daher  möglich, 
zwei  Zahlen  qi  und  g^  zu  bestimmen,  welche  die  Rolle  der  Zahl  q 
,  in  dem  Hülfssatze  vertreten  und  welche  beide  kleiner  sind  als  1. 


I 


782  Sitzung  der  physikaliseh-mathematischen  Blasse 

Es  seien  auf  der  Begrenzung  Ton  T,  also  längs  L^  und  X). 
die  Werthe  für  die  Fanktion  u  wiUkfirlich  vorgeschrieben;  g  sei 
die  obere,  k  sei  die  nntere  Grenze  dieser  Werthe;  die  DüTereu 
g  —  k  werde  mit  O  bezeichnet. 

Nnn  nehme  man  Ufings  Lr^  eine  Werthenreihe  willkorlidi  an, 
s.  B.  in  allen  Ponkten  von  Lf  den  Werth  ib,  nnd  bestimme  & 
das  Qebiet  Ti  eine  Funktion  Ui,  welche  l&ngs  £14^  die  vorgeschrie- 
benen Werthe,  Ifings  L^  den  Werth  k  hat  nnd  im  Innern  von  Ti 
der  Differentialgleichung  ^Ui  =:  0  genügt.  Nach  der  aber  das  Ge- 
biet Ti  gemachten  Voranssetzung  gibt  es  eine  solche  Funktion. 

Die  Werthe,  welche  die  Funktion  11  ^  lüngs  Zr,  hat,  denke 
mau  sich  fixirt  und  bestimme  für  das  Gebiet  T|  eine  Fanktion  a^f 
welche  l&ngs  L^  die  vorgeschriebenen  Werthe  hat,  längs  Zr^  mit 
der  vorher  bestimmten  Funktion  «1  übereinstimmt  und  für  welebe 
AUf  s=s  0  ist  Nach  der  über  das  Gebiet  T^  gemachtcsn  Yoraos- 
setzung  gibt  es  eine  solche  Funktion. 

Der  Werth  von  u^  —  v  1  oder  von  u^  —  k  längs  L^  ist  kleber 
als  g  —  k  S9i  O, 

Man  bestimme  nun  für  das  Gebiet  T|  eine  Funktion  », ,  wel- 
che längs  Z/o  di®  vorgeschriebenen  Werthe  hat,  längs  Zf«  Moit  «, 
übereinstimmt  und  für  welche  Au^  =  0  ist 

Die  Differenz  ti,  —  Uj  ist  im  Innern  von  Tj  in  keinem 
Punkte  negativ  und  dem  absoluten  Betrage  nach  kleiner  als  G, 
längs  Li  aber  nach  dem  erwähnten  Hülfssatze  kleiner  als  G-q^ 
weil  Us  — 11 1  längs  Lq  den  Werth  Null  hat  und  längs  L^  kleiner 
als  G  ist 

Den  Werth  der  Funktion  »s  längs  Li  denke  man  sich  fixirt 
und  für  das  Gebiet  T^  eine  Funktion  «4  bestimmt,  welche  längs 
Li  mit  Us  übereinstimmt,  längs  Z,  die  vorgeschriebenen  Werthe 
hat  und  für  welche  Au«  as=  0  ist. 

Die  Differenz  11 4  —  u«  hat  längs  Li  den  Werth  Null  and  ist 
längs  Zj,  wo  sie  mit  »3  — ttj  übereinstimmt,  positiv  und  kleiner 
als  G  'qi;  daher  ist  im  Innern  von  T,  U4  — »i  nirgends  negativ 
und  beständig  kleiner  als  G'  qi,  längs  L^  aber  kleiner  als  G^q^'q., 

Durch  Fortsetzung  dieses  alternirenden  Verfahrens  gelangt 
man  zu  einer  Reihe  von  unendlich  vielen  Funktionen  mit  ungradeci 
und  mit  gradem  Index.  Die  einen  sind  für  das  Gebiet  Ti ,  die 
andern  für  das  Gebiet  T^  so  erklärt,  dafs  sie  beziehlich  längs  L^ 
und  Li   die  vorgeschriebenen  Werthe    haben    und    im  Innern  der 


vom  10.  October  1870.  783 

Gebiete,  für  welche  sie  erklärt  sind,  der  partiellen  Differential- 
gleicbnog  Au  :=  0  genügen. 

Für  das  Gebiet  T*  sind  sowohl  die  Funktionen  mit  nngradem 
als  die  mit  gradem  Index  erklfirt  und  zwar  stimmen  dieselben  ab- 
M^echselnd  Ifings  Li  und  längs  X,  mit  einander  überein.  Längs 
Li  ist  n&mlich  u^f^^i  =  u^^  und  Ifings  Zr,  tt,^^i  =  u,^. 

Die  Funktionen  mit  ungradem  und  diejenigen  mit  gradeni 
Index  nähern  sich  mit  wachsendem  Index  bestimmten  Grenzfunk- 
tionen u   nnd  u*\  welche  durch  die  Gleichungen 

tt'  ==  «1  +(wt— Mi)-h(«5— tt3)...-H(»,^+,— tt,^_,)H ininf. 

u"  =  tt,  -H(tt4  —  Wi)-H(m«— tt4)'"-»-  («t«+i       ttjii)  -H  -"ininf. 

erklärt  sind,  denn  die  auf  der  rechten  Seite  stehenden  Reihen  con- 
vergiren  unbedingt  und  für  alle  in  Betracht  kommenden  Werthe- 
paare  x,  y  in  gleichem  Grade;  es  ist  nämlich 

(«t«+t  —  «»i.-i)<  ö-(tfi-^i)""*  und 
(tta«+>  —  «»«)      <  G  •  (ö'i  •^«)""*  •  qi  • 

Man  denke  sich  nun  far  den  Bereich  Ti  die  Funktion  u  be- 
stimmt,  welche  längs  L^  die  vorgeschriebenen  Werthe  besitzt, 
längs  Zr,  mit  u*  übereinstimmt  nnd  für  das  Innere  von  Ti  der 
Diffgl.  ^tt  =  0  genügt     Dann  hat  die  Differenz 

längs  i/o  clen  Werth  Null  und  ist  längs  L^  kleiner  als 

Hieraus  folgt,  dafs  u  —  ti 9.^.1  auch  für  jeden  innem  Punkt  von 
T,  kleiner  als  diese  Gröfse  ist;  daher  ist  u  gleich  lim  u^^^i  far 
n  =  00,  und  es  stimmen  somit  die  beiden  Funktionen  «  und  u'  für 
das  Innere  von  Ti  fiberein;  also  genfigt  u'  der  Diffgl.  Au' =  0. 
Auf  dieselbe  Weise  wird  gezeigt,  dafs  für  das  Innere  von  T^ 
Au'  =  0. 


'i 

784  Sitzung  der  ph^iikalisch-mathematisehen  in€tsse 

(Dali  A«'  es  0  und  Au"  ss  o  erfordert  einen  besonderen  Kacb- 
weis,  weil  im  AUgemeinen  aus  der  in  gleichem  Grade  stattfindro- 
den  Conyergenx  einer  unendlichen  Reihe  nnd  der  I>i£RBrentiirbar 
keit  der  einseinen  Glieder  nicht  mit  Sicherheit  die  Differentiirhsr- 
keit  der  Summe  geschlossen  werden  kann.) 

Sowohl  längs  Li  als  Ifings  Lf  ist  «'  &=  ti^;  daher  ist  für 
jeden  Punkt  von  T*  u!  ^^  u",  weil  auf  der  gansen  Begrenzoi^ 
von  T*  beide  Funktionen  mit  einander  übereinstimmen. 

Es  sind  demnach  (s.  no.  2.)  die  beiden  Funkdonen  tt'  und  u 
Werthe  derselben  Funktion  u,  welche  für  das  ganze  Gebiet 
T  a=s  7i  -4-  r,  —  7*  erklärt  ist,  im  Innern  desselben  der  partiellen 
Differentialgleichung  Au  s=  o  genügt  und  auf  der  BegrenzuB^ 
Lq  -h  Li  die  yorgeschriebenen  Werthe  annimmt 

Hiermit  ist  der  Beweis  für  die  oben  ausgesprochene  Behaup- 
tung geführt:  unter  den  angegebenen  Voraussetzungen  ist  es  sorh 
für  den  Bereich  T  möglich,  die  partielle  Differentialgleichung  Au  ^=  o 
willkürlich  vorgeschriebenen  Grenzbedingungen  gemäfs  an  inte- 
griren. 

Durch  wiederholte  Anwendung  des  vorstehend  erläuterten 
Grenz  Verfahrens  gelangt  man,  wenn  es  sich  um  eine  endliche  An- 
zahl von  Bereichen  Tj,  Tf  T^  handelt,  welche  durch  Gebiete 
von  zwei  Dimensionen  zusammenhängen,  und  aus  diesen  Bereichen 
ein  einziger  Bereich  T  gebildet  wird,  in  welchem  die  Punkte  der 
gemeinschaftlichen  Gebiete  auch  nur  einfach  gezählt  werden,  za 
einem  Beweise  desselben  Satzes  für  diesen  Bereich  T, 

Den  wesentlichen  Inhalt  von  no.  10.,  11.  und  12.  habe  Ich  vor 
Kurzem  im  XV.  Jahrgange  der  Vierteljahrsschrift  der  Natarfor- 
sehenden  Gesellschaft  in  Zürich,  1870  pag.  272-286  verojffentUchL 

13,  Jeder  ganz  im  Endlichen  liegende  Bereich  T,  dessen  Be- 
grenzung ausscbliefslich  von  geraden  Strecken  oder  von  Kreisbogen 
gebildet  wird,  kann  aus  einer  endlichen  Anzahl  solcher  Bereiche^ 
wie  der  in  no.  1.,  no.  4.a,  b^  o  und  in  no.  9.  betrachteten  durch  Zu- 
sammensetzung so  gebildet  werden,  wie  es  die  VoraussetzuDgen 
des  in  no.  12  bewiesenen  Lehrsatzes  erfordern. 

Durch  Zuhülfenahme  der  unter  no.  5.  betrachteten  Bereiche 
wird  der  in  no.  12.  bewiesene  Lehrsatz  auf  alle  von  einer  endlicfaea 
Anzahl  von  Stücken  analytischer  Lim'en  begrenzten  Bereiche  aus- 
gedehnt. 


vom  10.  October  1870.  785 

14.  Bisher  wurde  voraasgeseUt,  dafs  alle  Pankte  der  betrach- 
teten Bereiche  im  Endlichen  liegen.  Diese  Einschränkung  ist 
nicht  wesentlich.  Denn  die  vorhergehenden  Entwickeiungen  und 
Sätze  lassen  sich  mit  geringen  Modifikationen  von  der  Ebene  auf 
die  Kugel fl Sehe  übertragen,  und  es  ist  daher  der  Fall,  in  wel- 
chem der  ebene  Bereich  T  sich  ins  Unendliche  erstreckt,  durch 
Projektion  auf  die  Kngelfläche  mittelst  reciproker  Radii  vektorcs 
ebenso  leicht  zu  behandeln,  wie  der  Fall  eines  ganz  im  Endlichen 
liegenden  ebenen  Bereiches. 

Das  erl&uterte  Verfahren  erstreckt  sich  nicht  blofs  auf  den 
Fall,  in  welchem  die  das  Gebiet  T  repr&sentirende  einfach  oder 
mehrfach  zusammenhängende  Fläche  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
in  derselben  Ebene  oder  auf  derselben  Eugelfläche  ausgebreitet  ist, 
sondern  gilt,  im  Wesentlichen  unverändert,  auch  für  den  Fall,  in 
welchem  diese  Fläche  auf  einer  aus  mehreren  ebenen  oder  sphäri- 
schen Flächen  gebildeten  Polyederoberfläche  ausgebreitet  ist. 

Das  Beweisverfahren  gilt  auch  fSr  beliebige  analytische  Flächen, 
welche  in  jedem  Punkte  den  Charakter  algebraischer  Flächen  haben, 
und  in  ihrem  Innern  von  singulärcn  Stellen  frei  sind,  weil  für 
diese  die  Möglichkeit  der  conformen  Abbildung  von  Theilen  der- 
selben auf  ebene  Figuren  nachgewiesen  werden  kann. 

Das  Auftreten  einer  oder  mehrerer  Kanten  im  Innern  des  Be- 
reiches verursacht  keine  Schwierigkeit;  auch  das  Auftreten  von 
Ecken  nicht,  wenn  für  jede  Ecke  der  Nachweis  gefuhrt  werden 
kann,  dafs  es  möglich  ist,  von  dem  Gebiete  einen  die  Ecke  im 
Innern  enthaltenden  einfach  zusammenhängenden  Bereich  abzu- 
schneiden, welcher  bis  auf  den  Eckpunkt  selbst  conform  auf  die 
Flache  eines  Kreises  abgebildet  werden  kann. 

Dieser  Nachweis  ist  für  die  erwähnten  aus  ebenen  oder  sphä- 
rischen Flächen  gebildeten  Bereiche  nicht  schwer  zu  fuhren. 

Wird  die  Ecke  nur  von  ebenen  Flächen  gebildet  und  liegt 
der  Eckpunkt  im  Endlichen,  so  schneide  man  von  derselben  durch 
»ine  Kngelfläche  mit  hinreichend  kleinem  Radius,  deren  Mittel« 
punkt  mit  dem  Eckpunkt  zusammenfällt,  ein  Stuck  ab,  schneido 
lasselbe  längs  einer  Kante  auf  und  breite  es  als  Kreissektor  mit 
iena  Centriwinkel  2 an-  auf  die  Ebene  der  complexen  Gröfse  z  so 
iudy  dafs  dem  Eckpunkt  der  Punkt  2;  =  0  entspricht. 


78G  Sitzung  der  physikalisch^mathematischen  Klasse 

Durch  die  Funktion  ^  =  r3  'wird  der  Bereich  auf  die  Fläcl- 
eines  Kreises  conform  abgebildet. 

Auch  der  Fall,  dafs  die  Ecke  von  ebenen  Flächen  gebildr-: 
wird,  der  Eckpunkt  aber  im  Unendlichen  liegt,  —  auf  welebro 
Fall  der  Fall  einer  von  sphärischen  Flächen  gebildeten  Ecke  stet? 
zurückgeführt  werden  kann,  —  bietet,  wenn  er  auch  nicht  gsju 
so  einfach  zu  erledigen  ist,  wie  der  vorhergehende«  principielle 
Schwierigkeiten  nicht  dar. 

15.  Durch  das  im  Vorhergehenden  entwickelte  Beweisrer- 
fahren  ist  dargethan ,  dafs  die  partielle  Diffgl.  A  u  =  O  für  jedes 
von  analytischen  Linien  begrenzten  auf  einer  von  ebenen  od€r 
sphärischen  Flächen  gebildeten  Polyederoberfläche  ausgebreitetfit 
Bereich  T  beliebig  vorgeschriebenen  Grenzbedingungen  gemfifs  inte- 
grirt  werden  kann. 

Dieses  Verfahren  ist  einer  Ausdehnung  fähig,  dafs  es  such 
noch  den  Fall  umfafst,  in  welchem  die  Diffgl.  Au=  o  in  der 
Weise  integrirt  werden  soll,  dafs  die  Funktion  u  im  Innern  des 
Bereiches  gewisse  vorgeschriebene  Unstetigkeiten  annimmt. 

Die  Unstetigkeitsbedingungen ,  welche  bei  der  Riemann'scbeD 
Theorie  der  Abelschen  Integrale  in  Betracht  kommen,  bieten  za- 
nächst  das  meiste  Interesse  dar. 

Unter  diesen  Unstetigkeitsbedingungen  sind  zwei  Arten  za 
unterscheiden. 

a.  Es  ist  für  den  Punkt  z  =:  Zq  im  Innern  des  Bereiches,  der 
kein  singulärer  Punkt  ist,  —  hierauf  läfst  sich  notbigenfalls  darch 
vorhergehende  Abbildung  der  allgemeine  Fall  eines  inneren  Punktes 
stets  zurückfuhren  —  eine  Funktion  complexen  Argumentes  von 
der  Gestalt 


(z  -  z^r     (^  -  ^o)' 

-^iA-^Bi)  logC-s  — zo) 


vorgeschrieben;  es  soll  die  Diffgl.  Au  =?  o  so  integrirt  werdeo, 
dafs  die  Differenz  zwischen  u  und  dem  reellen  Theile  von  <p(2;:^) 
in  der  Umgebung  des  Punktes  z  ^  Zq,  diesen  Punkt  eingeschlosseo, 
endlich,  stetig  und  eindeutig  ist. 


vom  10.  Octöber  1870.  787 

h.  Das  Gebiet  T  ist  durch  Querschnitte  in  ein  einfach  zusam- 
menh&ngendes  Gebiet  T  verwandelt;  es  wird  die  Bedingung  gestellt, 
es  soll  die  Funktion  u  im  Innern  von  T'  eindeutig  sein  und  beim 
Überschreiten  jedes  Querschnittes  sich  um  eine  längs  dieses  Quer- 
schnittes constante  Grofse  ändern,  während  die  Werthe  der  Ablei- 
tungen zu  beiden  Seiten  des  Querschnitts  dieselben  sind. 

Wenn  der  Bereich  T  Begrenzungslinien  hat,  können  überdiefs 
die  Werthe  der  Funktion  u  längs  dieser  Begrenzungslinien  will- 
kürlich vorgeschrieben  sein. 

Es  ist  aber  auch  der  Fall  in  Betracht  zu  ziehen,  dafs  der 
Bereich  T  ein  geschlossener  ist  und  demnach  die  Funktion  nur 
durch  Unstetigkeitsbedingungen  zu  bestimmen  ist. 

16.  Zunächst  möge  der  einfachste  Fall  betrachtet  werden. 

Es  sei  S  ein  die  Ebene  der  complexen  Grofse  z  überall  nur 
einfach  bedeckender,  einfach  zusammenhängender  Bereich.  Es  sei 
r  =  2:0  ein  innerer  Punkt  desselben,  in  welchem  die  vorgeschriebene 
UnStetigkeit  von  u  durch  den  reellen  Theil  ^fp{z  ;  Zq)  der  Funktion 
<^(^;2^o)  (s.  no.  15.)  ausgedruckt  wird.  Wenn  B  einen  von  Null 
verschiedenen  Werth  hat,  ziehe  man  von  Zq  aus  nach  einem  Punkte 
der  Begrenzung  von  S  eine  durch  keinen  Punkt  mehr  als  einmal 
gehende  Linie,  durch  welche  der  Bereich  S  in  einen  einfach  zu- 
sammenhängenden Bereich  S*  übergeht. 

Für  den  Bereich  S*  ist  der  Werth  von  9l<f(-3;ro)  mit  Aus- 
nahme des  Punktes  z  ^=  Zq  eindeutig  erklärt. 

Die  Differenz  u  —  ^ip(z  •j.Zq)  ist  nach  der  Forderung  der  Auf- 
gabe für  den  ganzen  Bereich  S  eindeutig,  endlich  und  stetig.  Die 
Werthe  dieser  Funktion  längs  der  Begrenzung  von  S  ergeben  sich 
durch  Subtraktion  der  Werthe  von  ^tp^Z'^Zo)  von  den  für  u  vor- 
«roschriebenen  Randwerthen. 

Hierdurch  ist  also  die  Differenz  u  —  9t'^(^;^o)  für  das  Innere 
von  S  bestimmt  und  nach  dem  Vorhergehenden  bestimmbar,  mithin 
auch  die  Funktion  u  selbst. 

Analog  ist  zu  verfahren,  wenn  für  mehr  als  einen  Punkt  im 
Innern  von  S  die  Funktion  u  vorgeschriebene  Unstetigkeiten  an- 
nehmen soll. 

Auf  den  vorhergehenden  Fall  kann  der  Fall  jedes  einfach 
zusammenhängenden  Bereiches  T  zurückgeführt  werden  und  zwar 
so,  dafs  die  die  Ebene  nur  einfach  bedeckende,  einfach  zusainmen- 
hüngende  Fläche  S  eine  Kreisfläche  ist. 

[1870]  Ö4 


788  Sitzung  der  phyiikaUach-matheinatiichen  Klasse 

Um  diesen  Satz  zu  beweisen,  hat  man  nar  nothig,  za  zeigcs.  I 
dafs  es  für  jeden  einfach  zusammenhängenden  Bereich  T  eine  Fmk-  i 
tion  complezen  Argumentes  gibt,  welche  für  einen  Punkt  im  Innen  i 
▼on  T  logarithmisch  unendlich  wird  und  deren  reeller  Theil  lii^  | 
der  Begrenzung  von  T  den  Werth  Null  hat.  (Vgl.  Riemann'! 
Dissertation  Art.  21.) 

Es   wird  sun&chst  der  reelle  Theil  dieser  Funktion  bestinuDt 

Die  Begrenzungslinie  von  T  sei  JD^.  Im  Innern  von  T  be- 
grenze man  durch  eine  in  sich  zurückkehrende  einfache  analytisd» 
Linie  Li ,  welche  ganz  im  Innern  von  T  liegt,  ein  Stuck  7,. 
dessen  Inneres  man  als  von  singul&ren  Stellen  frei  annehmen  kaim. 
und  welches  auf  die  Fläche  S^  eines  Kreises  mit  dem  Radina  r,  ==  1 
conform  abgebildet  werden  kann. 

In  der  Fl&che  S^  construire  man  einen  mit  der  Begrenznng 
concentrischen  Kreis,  dessen  Radius  r^  kleiner  ist  als  r|   und  der 

Einfachheit  wegen  gleich  r,  •«""*  =  —  angenommen  werden  möge, 

wo  e  die  Grundzahl  des  naturlichen  Logarithmensysteus  ist. 

Die  diesem  Kreise  in  dem  Gebiete  T,  entsprechende  Linie 
sei  mit  L^  und  der  zwischen  L^  und  L^  liegende  zweifiMh  zu- 
sammenhängende Theil  von  T  mit  Ti  bezeichnet. 

Der  zwischen  Li  und  L^  liegende,  den  Gebieten  Ti  und  7* 
gemeinsame,  zweifach  zusammenhängende  Theil  möge  im  Anschlag 
an  die  in  no.  12.  gewählte  Bezeichnungsweise  mit  T*  bezeichnet 
werden.     Dem  Mittelpunkte  von  S^  entspreche  der  Punkt  Po- 

Man  bestimme  nun  für  das  Gebiet  Ti  eine  Funktion  «i. 
welche  längs  I/o  den  Werth  Null,  längs  L^  den  Werth  —  log  r,  = 
H-  1  hat>  und  für  welche  i^u,  =s  o  ist. 

Für  alle  im  Innern  von  Tj  liegenden  Punkte  liegt  «|  zwi* 
sehen  0  und  +  1;  der  gröfste  Werth,  den  Uj  längs  Zr,  erlangen 
kann,  welcher  mit  qi  bezeichnet  werden  möge,  ist  angebbar  kleiner 
als  1.  , 

Längs  Li  denke  man  sich  die  Werthe  von  ti,  featgehaltea 
und  für  das  Gebiet  7,  eine  Funktion  u,  bestimmt,  welche  längs 
Li  mit  Ui  übereinstimmt  und  für  welche  im  Innern  von  T,  Au,  =0 
ist     Es  ist  M,  ZQi' 

Die  Werthe  von  u,  längs  L^  denke  man  sich  fixirt  und  be> 
stimme  für  das  Gebiet  Ti  eine  Funktion  ti3,  welche  längs  L^  des 
Werth    Null    hat,    längs  /v,    mit  1  +  m»    übereinstimmt     und    filr 


v(m  10.  October  1870.  789 

velche  ^ti,  =  O  ist.     Im  Innern    von  Tj    ist  v 3  —  Ui    best&ndig 
deiner  als  qi  und  längs  Li  kleiner  als  q]. 

Hierauf  denke  man  sich  wieder  die  Werthe  von  »3  längs  der 
jinie  Li  festgehalten  und  für  das  Gebiet  T,  eine  Funktion  U4 
gestimmt,  welche  längs  Li  mit  u^  übereinstimmt  und  für  welche 
^»4  =  0  ist.  Dann  ist  »4  — »3  im  Innern  von  T,  sicher  kleiner 
ds  ^j,  da  längs  Li  114  — »3  =  »3  — Uj  ist 

Sodann  denke  man  sich  die  Werthe  von  »4  längs  Lf  be- 
itimmt  und  für  den  Bereich  Ti  eine  Funktion  u^  aufgestellt, 
irelche  längs  L^  den  Werth  Null,  längs  L^  den  Werth  1  +  V4 
lat  und  far  welche  Hu^  =  0  ist. 

Auf  diese  Weise  denke  man  sich  das  altemirende  Verfahren 
HS  ins  Unendliche  fortgesetzt. 

Ähnlich  wie  in  no.  12.  ergibt  sich,  dafs  die  für  das  Innere 
Ton  jT,  erklärten  Funktionen  Ui,  U3,  u»,  ...  und  die  für  das  In- 
lere  von  T3  erklärten  Funktionen  u,,  U4,  ...  mit  wachsendem 
index  sich  zwei  bestimmten  Grenzfunktionen  u'  und  u"  nähern, 
für  welche  ebenfalls  Hu'  und  Hu"  gleich  Null  ist. 

Die  Funktion  u'  hat  längs  Lq  den  Werth  Null  und  stimmt 
längs  Li  mit  u*  überein,  längs  L^  hingegen  hat  die  Di£ferenz 
u*  —  tt"  den  Werth  -h  1. 

Bezeichnet  nun  r  den  Abstand  eines  Punktes  der  Kreisfläche 
iSi]  von  deren  Mittelpunkt,  so  hat  die  Funktion  — logr  längs  Li 
den  Werth  Null,  längs  L^  den  Werth  4-  1  und  genügt  für  das 
Innere  von  T3  mit  Ausnahme  des  Punktes  Po 9  ^o  dieselbe  loga- 
rithroisch  unendlich  wird,  der  part.  Diffgl.  Au  =  0.  £s  stimmen 
demnach  die  beiden  Funktionen  u'  und  u"  —  log  r  sowohl  längs 
Li  als  auch  längs  L^  mit  einander  überein,  folglich  auch  für  jeden 
innern  Punkt  des  Gebietes  T*  und  es  ist  daher  u"  —  log  r  die  ana- 
lytische Fortsetzung  der  Funktion  u'. 

Setzt  man  nun  u  =  — u'  für  die  Punkte  im  Innern  von  Ti 
and  tt  =  —  tt"  -I-  log  r  für  die  Punkte  im  Innern  von  T,,  so  ist  die 
Funktion  u  für  das  Innere  des  Bereiches  T  eindeutig  erklärt,  hat 
längs  der  Begrenzung  Lq  desselben  den  Werth  Null  und  wird  für 
einen  einzigen  Punkt  Po  i^  Innern  des  Gebietes  logarithmisch 
unendlich. 

Man  ziehe  nun  vom  Punkte  Pq  nach  einem  Punkte  von  L^ 
eine  einfache  Linie  L.  durch  welche  der  Bereich  T  in  einen  eben- 
falls einfach  zusammenhängenden  Bereich  T'  übergeht. 

54  • 


1 


790  Sitzung  der  phy^kahsch^mathemathehen  Klasse  \ 

Für  das  Innere  dieses  Bereiches  T'  Ififst  sich  eine  Fanktioii*  \ 
eindeutig  so  erklären,  dafs  tt+  rt  eine  Funktion  complexen  kr^- 
inentes  ist  und  zwar  ist  der  Werth  dieser  Funktion  eindeutig  W 
stimmt,  sobald  der  Werth  des  imaginären  Theiles  für  irgend  etacs 
vom  Funkt  Pq  verschiedenen  Punkt  fixirt  wird. 

Beim  Überschreiten  der  Schnittlinie  L  ändert  sich  der  Wmk 
dieser  Funktion  sprungweise  um  eine  längs  dieser  Linie  constaur« 
Grofse,  und  zwar,  wie  sich  aus  der  Betrachtung  der  Kreiafläcbe  5; 
ergibt,  um  — 2vt  beim  Übergange  von  der  negativen  Seite  asf 
die  positive  Seite  von  L. 

Durch  die  Funktion 


u  +  ri 


wird  der  einfach  zusammenhängende  Bereich  T  auf  die  Flache  .V 
eines  in  der  Ebene  der  complexen  Gröfse  ^  um  den  Punkt  ^  =  o 
mit  dem  Radius  1  beschriebenen  Kreises  conform  abgebildet,  so 
daf^  dem  Punkte  Po  der  Mittelpunkt,  der  Begrenzungslinie  L^  di« 
Peripherie  des  Kreises  entspricht. 

Vermöge  der  in  r  noch  verfügbaren  Constante  kann  bewirkt 
werden,  dafs  bei  dieser  Abbildung  ein  beliebig  vorgeschriebeDer 
Punkt  von  Z/q  einem  vorgeschriebenen  Punkte  der  Kreisperipherie 
entspreche. 

Ist  ^0  =  ^  .  «••^  irgend  ein  Punkt  im  Innern  dieser  Kreisflächf. 
so  vermittelt  die  Funktion 

eine  solche  Abbildung  des  Bereiches  T  auf  einen  Kreis  mit  dem 
Radius  1 ,  bei  welcher  dem  dem  Punkte  ^o  entsprechenden  Punkte 
von  T  der  Mittelpunkt  des  Kreises  entspricht.  Hiermit  .ist,  wie 
ich  glaube,  ein  strepger  Beweis  des  im  Art.  21  der  Riemann'scbes 
Dissertation  ausgesprochenen  Lehrsatzes  gefuhrt 

Zugleich  ist  hiermit  ein  Beweis  erbracht  für  die  Möglichkeit 
der  Gonstantenbestimmung  in  den  in  der  Einleitung  zu  dieser  Mit- 
theilung erwähnten  Formeln,  durch  welche  die  conforme  Abbildung 
der  Fläche  eines  ebenen  von  geradlinigen  Strecken  oder  Kreisbogen 
begrenzten  einfach  zusammenhängenden  Polygones  auf  die  Flache 
einer  Halbebene  beziehungsweise  eines  Kreises  vermittelt  wird. 


vom  10.  October  1870.  791 

(Vergl.  ^Über  einige  Abbildangsaufgaben^,  Borchardt's  Jour- 
nal Bd.  70  pag.  114  und  117.) 

Mit  dem  Beweise  dieses  Satzes  ist  zugleich  die  Grundlage 
für  ein  Beweisverfahren  gesichert,  durch  welches  dargethan  wird, 
flafs  es  stets  möglich  ist,  die  Fläche  einer  einfach  zusammenhän- 
genden, die  Ebene  nur  einfach  bedeckenden,  von  einer  überall  con- 
vcxen  Linie  begrenzten  Figur  conform  auf  die  Fläche  eines 
Kreises  abzubilden,  ohne  dafs  hierbei  die  Voraussetzung  gemacht 
mrird,  dafs  die  Begrenzungslinie  aus  einer  endlichen  Anzahl  von 
Stucken  analytischer  Linien  bestehe,  oder  dafs  dieselbe  stetig  ge- 
krümmt sei.  Hinsichtlich  dieses  Beweisverfahrens  erlaube  ich  mir 
auf  eine  Abhandlung  „Zur  Theorie  der  Abbildung^  Bezug  zu  neh- 
men, welche  das  Programm  der  polytechnischen  Schule  in  Zürich 
für  das  Schuljahr  1869—70  begleitet. 

Durch  den  Beweis   des  angeführten  Satzes  ist  auch  der  Fall 
jedes  einfach  zusammenhängenden  Bereiches  hinsichtlich  des  Nach- 
weises  der  Erfüllbarkeit  von  vorgeschriebenen  Unstetigkeitsbedin- 
gungen  auf  den  im  Eingange  dieser  no.  betrachteten  Fall  zurück- 
fuhrbar, indem  hierbei   den   die  Unstetigkeiten  definirenden  Funk- 
tionen ^^{z\Zq)  ähnlich  gebildete  Funktionen  "^{^^  ^o)  entsprechen, 
welche  jedoch  im  Allgemeinen  nicht  dieselben  Coefßcienten  besitzen. 
17.  Dem  von  Riemann  ausgesprochenen  Satze,  dafs  es  stets 
möglich  sei,  einen  einfach  zusammenhängenden  Bereich  zusammen- 
hängend und  in  den  kleinsten  Theilen  ähnlich  auf  die  Fläche  eines 
Kreises  abzubilden,  steht  ein  anderer  Satz  zur  Seite.     Es  ist  stets 
möglich,  einen  einfach  zusammenhängenden  und  geschlossenen  Be- 
reich zusammenhängend  und  in  den  kleinsten  Theilen  ähnlich   auf 
die  Fläche  einer  Kugel  abzubilden  und  zwar  nur  auf  eine  Weise 
so,    dafs   drei   beliebig  vorgeschriebenen   Punkten  jenes  Bereiches 
drei  ebenfalls  vorgeschriebene  Punkte  der  Kugelfläche  entsprechen. 
Dieser  Satz    soll  hier    für  den   Fall   einer    von    ebenen    oder 
Ton    sphärischen   Flächen    gebildeten   Polyederoberfläche  bewiesen 
werden. 

Zu  diesem  Zwecke  reicht  es  hin,  zu  zeigen,  dafs  es  für  einen 
solchen  Bereich  eine  Funktion  complexen  Argumentes  gibt,  welche 
für  einen  Punkt  des  Bereiches  von  der  ersten  Ordnung  unendlich 
grofs  wird,  für  alle  übrigen  Punkte  des  Bereiches  jedoch  endlich, 
stetig  und  eindeutig  ist. 


792  Sitzung  der  physikaliseh-mathematisehen  Klasse 

Es  wird    zunächst    der    reelle  Theil    einer    solchen    FanktsGi 
hestimmt.  ( 

Man  constraire  wie   in   dem   unter  no.  16.   betrachteten  Falle 
zwei  Linien  Li  und  L^  und  bezeichne  die  hierdurch  entstebendei  ^ 
Gebiete    wie    in   no.  16.  mit  Ti,  7,,  T*,    mit   dem  Unterschiede, 
dafs  hier  die  Begrenzungslinie  Lq  wegfällt  und  dafs  das  Gebiet  7, 
einfach  zusammenhängend  und  nur  von  der  Linie  Zfj   begrenzt  ist 

In  der  Kreisfläche  «S,    sei  /  ==  r  •  c'^.     Dem   Punkte  r*  =  ö 
entspreche    der  Punkt  Pq,     An    die  Stelle  der  Funktion  — logr 

in  no.  1 6.  tritt  hier   die  Funktion  —  cos  (h ,    der   reelle    Theil  roc 

r 

-j.     Es  möge  r,  so  klein  angenommen  werden,  dafs  qi  = 

z  Ti  —  r. 

angebbar  kleiner  ist  als  l;  (z.  B.  r^  =  ^rj.)  —  Zur  Vereinfacfaus| 

des  Folgenden    dient  ein   Hulfssatz,    der  vorher  bewiesen   werlen 

soll. 

Längs  Li  werde  irgend  eine  analytische  Werthenreihe  ^^(r,,«^} 

angenommen  und  ftir  den  Bereich  Tj   (vergl.  no.  14.)  die  Funktion 

^bestimmt,   für  welche  AZ/ssO   ist   und  welche   längs    L^  mit 

^(^sW')  übereinstimmt.     Es  wird  behauptet ,   die   über   den  Kve^ 

mit   dem   Radius    r  »s  r,    und    über    den  Kreis    mit    dem  Radia? 

r  =^  Vj  erstreckten  Integrale 

fU(ri,<p)dily    und    Jü(ri,ip)d.ty 

0  0 

haben  gleichen  Werth. 

Beweis.    Für  jeden  Kreis  mit  dem  Radius  r,    r,  2»'<r,,  i?' 

/*'\    TT  •\    TJ 

der  Werth  des  Integrales    /  -rr—dSy  wo  -r-—  die   bekannte   Bedefi- 

./    dp  vp 

tung  hat 9  gleich  Null,  weil  die  Kreislinie,  über  welche  die  Inte 
gration  erstreckt  wird,  im  Innern  des  einfach  zusammenhangender 
Bereiches  Tj  liegt,  und  weil  A  ^  =  o  ist. 

Nun  ist  T— -  ds  =s  r  -^r—  dtp  ,  also  ist  auch 
dp  er 

3ir 


vom  10.  October  1870.  793 

.    dr 
Durch  Multiplication  mit  —  und   Integration   zwischen  den  Gren- 
zen r  =  r^  und  r  s=  r,   ergiebt  sich  dann 


JU(r,  ,  !/>)  de/.  =  /^(r,  ,  I/O  dcp 


wie  oben  behauptet  wurde.  — 

Für  den  Bereich  T^  bestimme  man  eine  Funktion  Ui,  welche 

]£ngs  Lm  mit  — cos«/«  übereinstimmt  und  für  welche  Au.  =  0  ist. 


Dann     ist   Jui{r^  ,  </>)  dip  =  0  also  auch  j  u,  (ri  ,  </>)  dip  =  0. 


Die  Funktion  Ui   ist  nirgends  grÖfser  als  — • 
Für  den  Bereich  T^  bestimme  man  eine  Funktion  Uj,  welche 
längs  Z/1   mit  Ui  (r,  ,  </>) cos  (/>   übereinstimmt  und  f&r  welche 


Au,   =  0    ist.      Es    ist  J  tt)  (r,  ,  c/>)  d</)  :=i  j  u^  (r,  ,  cf)  rf</>  =  o. 


Wenn   nun 1 =  ^  gesetzt  wird,  so  ist  Uj  beständig  kleiner 

als  ^,    längs    des  Kreises  r  s=  r,    aber    kleiner   als    2</« ^ — 

Ti  —  r, 

oder  kleiner  als  g '  q\  ,  wo  ^,  <:  1,  wie  sich  aus  der  in  no.  1.  an- 
gegebenen Formel  und  aus  der  über  r,  gemachten  Annahme  er- 
gibt. 

Hierauf  bestimme  man  für  das  Gebiet  Tj    eine  Funktion  u,, 

welche    längs  L^    mit  u^  -^ cos  fp  übereinstimmt  und  für  welche 

Au,  =  o  ist.     Dann  ist  U|  — tii   überall  kleiner  als  ^'^i  ,  auch 

Nun    bestimme    man    für    das    Gebiet  T,    eine  Funktion  «4, 

welche    längs   Li    mit  u^ cos  ip  übereinstimmt  und  für  welche 

^\ 

(IU4  s  0  ist 

Der    absolute  Betrag  von  u« — u^   ist  beständig  kleiner  als 
7.^1    und  längs  L^  kleiner  als  g  •q\* 


794  Sitzung  der  physikaliack-mathematischen  Klasse 


.1 


Sodann   bestimme  man  für  das  Gebiet  Ti    eine  FunktioD  u, 

welche  längs  L,  mit  «4  H cos  </>  übereinstimmt  u.  s.  w.  ' 

Die  für  den  Bereich  T,  erklärten  Funktionen  »i,  v«,  «»••• 
und  die  für  den  Bereich  T%  erklarten  Funktionen  tf«,  «4,  .. 
nähern  sich  mit  wachsendem  Index  zwei  bestimmten  GrenzfonktioiM'B 
tt'  und  u'\  für  welche  Hu'  und  Au"  gleich  Null  ist,  und  für  welcbe 
die  Differenz  «'  —  u" 

l&ngs  Li    gleich   — cos  if> 

Ifings  Z/9   gleich  —  cos  <^  ist. 

Es  stimmt  daher  die  Funktion  u'  mit  der  Funktion  u"  -i eos^ 

r 

sowohl  Ifings  Li    als  längs  ly,   also  auch  für  das  Innere  von  T* 

überein,   und    es   ist   mithin  u"  H cos  </>  die    analytische  Fort- 
setzung der  Funktion  u. 

Setzt   man   nun  u  s=s  u  für  das   Innere   von   T, ,  und  u  =  u 

H cos  </)  für  das   Innere  von  T, ,  so  ist  diese  Funktion  für  das 

Innere  des  geschlossenen  Bereiches  T  eindeutig  erklärt  und  wird 

für  den  Punkt  P«  unendlich  wie  —  cos  ib, 

r 

Wird  nun  zu  der  Funktion  u  der  imaginäre  Theil  vi  bestimmt, 
so  dafs  11  +  t*t  eine  Funktion  complexen  Argumentes  ist,  so  ist  r 
mit  Ausnahme  des  Punktes  Po  ^i*  <^c°  ganzen  Bereich  T  bis  aaf 
eine  additive  Constante  eindeutig  erklärt  und  es  vermittelt  dk 
Funktion  u  -h  vi  eine  conforme  Abbildung  des  einfach  zusammen- 
hängenden geschlossenen  Bereiches  T  auf  eine  ganze  Ebene,  wobei 
dem  Punkte  Po  der  unendlich  ferne  Punkt  der  Ebene  entspricht. 

Durch  Verwandlung  mittelst  reciproker  Radii  vektores  kaii& 
diese  Ebene  und  mittelbar  der  Bereich  T  auf  eine  Kugelfläche  <x)ih 
form  abgebildet  werden. 

Mit  diesem  Beweise  ist  zugleich  die  Möglichkeit  der  Constant^E- 
bestimmung  in  dem  Integralausdrucke,  durch  dessen  Yermitteloog 
eine  Kugelfläche  auf  eine  von  ebenen  Flächen  gebildete  Polyeder- 
oberfläche conform  abgebildet  wird,  bewiesen.  (Vergl.  Borchardt*^ 
Journal  Bd.  70  pag.  119, 121—136.     Monatsberichte  1865  pag-  15«' 


vom  10.  October  1870.  795 

18.  Durch  ein  analoges  Verfahren  kann  man  zeigen,  dafs  es 
möglich  ist,  auch  far  einen  geschlossenen  Bereich  die  Diffgl.  Au  =  0 
8o  zu  integriren,  dafs  die  Funktion  u  in  gegebenen  Punkten  des 
Bereiches  Torgeschriebene  Unstetigkeiten  der  unter  no.  15.  ange- 
gebenen ersten  Art  annimmt.  Hierzu  ist  aber  nothwendig,  dafs 
die  über  alle  Unstetigkeitspunkte  ausgedehnte  Summe  2;(J.4-£t) 
den  Werth  Null  habe. 

In  &bnlicher  Weise  Ififst  sich  die  Untersuchung  für  die  zweite 
der  unter  no.  15.  angegebenen  Arten  von  Unstetigkeitsbedingungen 
durchfuhren.  Die  nähere  Ausßihrung  darf  hier  wol  unterbleiben, 
da  die  Anwendung  wesentlich  anderer  Hulfsmittel  als  der  im  Vor- 
hergehenden angegebenen  hierzu  nicht  erfordert  wird. 

Es  ist  also  das  Dirichlet'sche  Princip  durch  eine,  wie  ich 
glaube,  strenge  Beweismethode  ersetzbar,  welche  für  die  Theorie 
der  Abel'schen  Integrale  dasselbe  leistet,  was  Riemann  mit  Hülfe 
dieses  Principes  hergeleitet  hat. 


13.  October.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Mommsen  las  über  die  Siebenbürgischen  Wachstafeln. 


An  eingegangenen  Schriften  nebst  Begleitschreiben  wurden  vor- 
gelegt: 

G.  L.  T.  Maurer,  Geschichte  der  Stddteverfasmmg  tu  Deutschland.  HL.  Bd. 

Erlangen  1870.     8. 
Wallace,  Beiträge  zur  Theorie  der  natürlichen  Zuchtwahl.    Deutsch  Ton 

A.  B.  Meyer.       Erlangen  1870.     8. 
Raikem  et  Polain,    Coutumee  du  paye  de  Liege.      Tome  1.      Bmzelles 

1870.     4. 
Documenti  di  storia  italiana.     Cronaca  della  cittä  di  Fermo,     Commissioni 

di  Rinaldo  degli  Albizzi,    IL     Firenze  1870.     4. 
A.  Ghirardini,  Studii  aulla  lingua  umana,     Milane  1869.     4. 
Oeuvres  de  Frederic  de  Grand,     Edition  in  4.  vol.  16 — 23. 


796  GesammUitzung  vom  13.  October  1870, 

Goerts,  Archäologische  Topographie  der  HalhiMel  Tameen,     Moskau  1S?0. 

4.     Mit  Schreiben  des  Verf.  d.  d.  Moskau  25.  Mai  187a  \ 

Schriften  der  eüdelaviechen  Akademie  in  Agranu  4  Bände.     Agnun  1870.  & 
Chevalier,  Mimoire  nir  la  Siciie,     Paria  1867.     8. 
Geraci,  Le  droit  dea  Contriöuables  de  la  dette publique.     Fiorenze  1870.  S. 

—         Le  leggi  eema  la  ciriltä  ....     Milano  1869.     8. 
helazione  nti  manoscritti  d*Arborea,     Tonne  1870*     8. 
Pessina,  QMisHoni  naturali  e  Ricerche  meteorologiche.     Firenze  1870.    S. 
Nachtrag  zur  Sammlung  der  Gesetze  und  Vertcaltungeeinrichtungem.  im  Km- 

kaeus,    Petersburg  1870.     8. 
Eccardt,  die  retrograde  Multiplivation,    Neidenboig  1870.    4.    Mit  Schrei- 
ben des  Verf.  vom  10.  Septbr.  1870. 
Schlfltel,  die  Philosophen -Veretunmlung  in  Leipzig.     Unmhnr^  1870.    S. 

Mit  Schreiben  des  Verf.  vom  4.  Septbr.  1870. 
Heinrich  Fischer,    das  zoologische  Museum  der    üniversitdi  Freibtu^. 

Freiburg  1870.     4. 
Woodward,   The  histologg  o/ minute  blood  ressels.     Washington  1 870.    4. 
Abhandlungen  der  Math.' Physik.  Klasse  der  KCnigl.  Bayerischen  Akadtmk 

der   Wissenschaften.     X.  Bd.  3.  Abthl.     München  1870.     4. 
Zeitschrift  für  die   Gesammten  Naturtcissenschcften.     Berlin  1870.     Bd.  L 

Neue  Folge.     Beriin  1870.     8. 
Mittheilungen  der  natur/orschenden  Gesellschaft  in  Bern  aus  dem  Jakre  1869. 

Bern  1870.     8. 
Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft.     XXII.  Bd.     3.  Heft. 

Berlin  1870.     8. 
Verhandlungen  d.  Schweizerischen  Naturforschenden  Gesellschefft  in  Soiothunu 

Jahresbericht  1869.     Solothnm  1870.     8. 
Nachrichten  von  d.  K,  Gesellschctft  der  Wissenschiften  und  der  G.  A.  ütd- 

versität  zu  Gottingen.     No.  10—20.     Göttingen  1870.     8. 
Transactions  of  the  Linnean  Society  XXVI,  4.     XX Vn,  1.  2.     Londoa 

1869—1870.     4. 
Acta  universitatis  Lundensts.     Lund  1868.     4. 
Magnetische  und  meteorologische  Beobachtungen  auf  der  Prager  Siemwartt 

im  Jahre  1869.     30.  Jahrgang.     Prag  1870.     4. 
Barclay,  Astronomical  Observations,     Vol.  II.     London  1870.     4. 
Atti  delC  Jstituto  veneto.     Vol.  XV,  3—6.     Venesia  1860—1870.     8. 
Memoire  delf  Jstituto  veneto.     XIV,  3.     Venezia  1870.     4. 
Bulletin    de    tacadhnie    de    St.    Petersbourg.       XV,    1.    3.       PetenA^nr? 

1870.     4. 
Mimoires  de  (aeademie  de  St.  Petersbourg.     Vol.  XV.  ib.  1870.     4. 
Gongte  rendu  de  la  Commission  archeologique  pour  tannee  1868.     Peters 

bürg  1869.     4.  et  Folio. 


Uesammtsitzung  vom  20.  Oetober  1870.  797 

NederlaneUch  Kruidhtndig  Arckief.     IV,  4.     Leeuwarden  1870.     8. 
Archiven  du  Mueee  TtyUr.     III,  1.     Harlem  1870.     8. 


20.  Oetober.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Bonitz  las:  Zur  Erklärung  des  Phaidon. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

//  nuovo  Cimento.     Vol.  III,  6.     Pisa  1870.     8. 
*Ap;(acoXo;^firf]  'E^utptg,     No.  52—54.     Athen  1870.     4. 


24.  Oetober.  Sitzung  der  philosophiseh-historisehen 

Klasse. 

Hr.  Schott  las  über  eine  deutsche  Übersetzung  mon- 
golischer marchen. 

Professor  Juig  an  der  Universität  Insbruck  geburt  die  aner- 
kennung,  die  ersten  mongolischen  texte  in  Deutschland,  ja,  so  wir 
nicht  irren,  in  Westeuropa  überhaupt,  zum  drucke  befördert  zu 
haben.  Dem  Siddhi-küür  nach  kalmykischer  bearbeitung  (Leipzig 
1866)  folgte  1868  eine  ostmongolische  ergänzung  des  genannten 
nebst  der  gleichfalls  ostmongolisch  wiedergegebenen  'geschichte  des 
chans  Ärgi-Borgu  Eine  Petersburger  handschrift  ersteren  textes 
(neun  nachträgliche  märchen)  war  dem  herausgeber  zur  benutzung 
ubersandt  worden.  Die  sieben  märchen  des  zweiten  textes  gehö- 
ren in  den  kreis  der  abenteuer  Vikramäditja's,  und  sind  nach 
drei  handschriften  hergestellt 

Während  im  Siddhi-küür  ein  von  einem  dämon  zeitweilig  be- 
lebter leichnam  erzählt,  übernimmt  dieses  geschäft  in  dem  anderen 


798  Sitzung  der  philosophiseh-histariseken  Klasse 

kleinen  cyclus  eine  mystisch  beseelte  holjEfigar.  Der  aUerhöchstf 
sahörer  fühlt  nemlich  starke  versnchung,  sns  dem  plötzlich  sn  tage  l 
gestiegenen  throne  des  vorweltlichen  Yikramaditja  sich  niederzu- 
lassen; aber  32  an  den  stufen  befestigte  holzpuppen  verwehren  dies 
siemlich  barsch,  und  eine  derselben  erzahlt  dem  fursten  eine  am- 
wähl  grosztaten  seines  urvorwesers,  zu  erhöhter  unehre  des  nach- 
fahren, d.  h.  um  ihn  recht  empfindlich  fühlen  zu  lassen  wie  wenig 
er  es  verdiene,  seine  sitzteile  mit  dem  hehren  antiquarischen  fände 
in  beruhrnng  zu  bringen. 

Beide  Sammlungen  gehören  in  die  classe  der  sehr  zahlreicbeo 
Übertragungen  indischer  originale,  also  nicht  zur  einigermaszen 
selbstfindigen  mongolischen  schriftstellerei,  und  haben  also,  tod 
diesem  Standpunkt  betrachtet,  lange  nicht  gleichen  wert  wie  z.  b. 
die  6eszer-sage,  iu  welcher  der  liochasiatische  bearbeiter  das  indi- 
sche element  frei  handhabt,  und  öfter  seinem  steppen-elemente  un- 
terordnet 

Herr  Julg  stellt  die  verschiedncn  lesearten  der  texte  zusam- 
men und  begleitet  sie  zum  teil  mit  critischen  bemerkungen.  Seine 
Übersetzung  giebt  die  Urschrift  im  ganzen  treu  wieder,  sein  Stil 
aber  wird  die  meisten  leser  sehr  wenig  befriedigen.  Der  heraus- 
geber  folgt  einem  von  ihm  in  der  vorrede  ausgesprochenen  grund- 
satze,  möglichst  eng  den  Wendungen  der  mongol.  spräche  sich  an- 
zuschlieszen,  da  seine  arbeit  nicht  blosz  für  die  grosze  leseweit  be- 
stimmt sein,  sondern  auch  bei  erlemung  des  mongolischen  'fordernd 
an  die  band  gehen*  sollte.  Allein  unsere  lese  weit  ist  bis  dato  un- 
geheuer viel  gröszer  als  die  vergleichungsweise  winzige  weit  der 
freunde  und  pfleger  des  mongolischen,  und  ausserdem  kann  man 
dem  geiste,  ja  selbst  der  förbung  (dem  s.  g.  colorit)  eines  texte« 
recht  wohl  treu  bleiben  ohne  dass  es  auf  kosten  der  muttersprache 
geschiht  Ohnehin  ist  unser  lesendes  publicum  mit  groszenteih 
recht  angenehm  erzfihlten  mfirlein  aus  allen  zonen  fast  überschüttet, 
und  vieljärige  gewohn ung  hat  es  gegen  ungelenkigkeiten  des  deut- 
schen ausdrucks  empfindlich  gemacht.  Endlich  sind  die  rorliegen- 
den  texte  —  einzelne  stellen  abgerechnet  —  keinesweges  so  schwie- 
rig, dass  nicht  ein  mit  lebendigem  sprachsinn  begabter  autodidact 
auch  ganz  ohne  beihilfe  einer  Übersetzung,  sei  sie  frei  oder  unfrei, 
bald  sich  hineinlesen  konnte. 

Besonders  störend  und  der  rede  einen  schleppenden  cbarac- 
ter  gebend  ist  der  oft  ganz  unnötige  ja  unrichtige  gebrauch   von 


vorn  24.  October  1870,  709 

Avahrend,  naclidem,  indem,  wobein.  s.w.    Belege  dazu  kann 
jeder  leser  selbst  finden,    daher  wir  lieber  proben   anderer  wenig 
statthafter  aasdrucksweisen  hier  folgen  lassen.     Aus  niehrem  der- 
selben wird  sich  ergeben,    dafs  der  Übersetzer  auch  mitunter  gaiKS 
ohne   not  vom   originale  abweicht,    also  seinem  eignen  gnindsatze 
zuwider  handelt.     S.  146:  'da  sie  den  maszstab  nicht  kannte',  soll 
heissen  'da  ir  das  augenmafs  fehlte*.     S.  153:   einstmals  aber... 
ging  die  alte  aus  ...  bei  welcher  gelegen  hei  t  sie  die  kuh  zu- 
hause zurückliesz'.     Wenn  der  verf.  hier  wörtlich  verfahren  wollte, 
so  masste  'bei  welcher  gelegenheit'   fortbleiben,    denn  sein   'einst- 
mals' steht  schon  für  'bei  einer  gelegenheit'  (nigen  ucir-dur)^  wo- 
mit der  Satz  im  texte  anfangt.     S.  155:  als  er  das  am  felsen  haf- 
tende euter  gewahrte,  schnitt  er  es  unwillkürlich  mit  dem  mes- 
ser  ab  und  Terzehrte  es'.     Man  sollte  hieraus  Unzurechnungsfähig- 
keit des   mannes    argwohnen;    aber  'unwillkürlich'    (unabsichtlich, 
zufällig)  geht  auf  das  gewahren,   nicht  auf  das  abschneiden  und 
▼erzehren.     S.  156:  'so  gut  es  eben  für  sie  anging.'     Yerst&nd- 
licher  und  zugleich  wortlicher   hfitte  herr  J.   die  worte   uber-ün 
einege^er  mit  'nach  iren  besten   kräften'   übersetzt.     S.  159:  jeke 
gani  mungehak  heifst  nicht  'sehr  beschränkten  Verstandes',   sondern 
erz-  oder  stockdumm.    S.  197:  'die  übrigen  knaben  mussten  als 
Würdenträger,  ministerundadjutanten  fungiren'.   Bomanische 
fremdworter  (zu  denen  beispielsweise  auch  College  auf  s.  151,  und 
commandirende  anfsicbtsbeamten  auf  s.  250  gehört)  sollte  man 
besonders  in  morgenl&ndischen  mfirchen  möglichst  vermeiden  indem 
nichts   das  'colorit'   ärger  benachteiligt.      Dem  texte  gemäsz  über- 
setze etwa:  'die  übrigen  knaben  dienten  ihm  als  Würdenträger  und 
leibwächter.     Kija  ist  nicht  mongolisch,    sondern  das  chinesische 
khi'hjä   (wörtlich  'unter  der  fahne')   bannerleute^    gardisten ;  ^ )    die 
Übersetzung  'adjutanten'   giebt  demnach  sogar  eine  falsche  Vorstel- 
lung.    S.  202:  'da  erschien  neuerdings  noch  ein  zweiter  ganz 
gleicher  söhn.'     Der  text  lautet:    hasza  nigen  adali  kübegün  rrebej 
d.  h.   wieder   ein  ähnlicher   söhn  kam.     Neuerdings  ist  also  ganz 
überflüssig.     S.  229  äufsert  könig  A-B.  nur  in  der  Übersetzung  den 
Wunsch,  sich  auf  jenen  thron  setzen  zu  wollen.    S.  237:  'selbst 


')    Bei  leibe  nicht  hjä  allein,  wie  bei  Kowalewski  fälschlich  steht;  denn 
(lies  bedeutet  nur  unterteil,  unten. 


800      Sitzung  der  philosoph.-histor.  Kla$9€  vom  24.  Oetober  1870. 

die  berittenen  rosse  blieben  stehen,  geschweige  denn  dl^ 
menschen .  Statt  geschweige  denn'  wäre  'wieviel  mehr  passende 
gewesen,  nnd  berittene  rosse  sind  nach  Grimm  s.  t.  b.  augeritteor. 
nicht  solche  auf  denen  eben  geritten  wird.  S.  247:  'bei  dieses 
anlass  sprach  die  königstochter:  ich  sollte  eigentlich  an  mei- 
nem vater  dem  könige  gehen.*  Diese  fiasscrnng  stimmt  aeltsss 
au  der  sehr  bedenklichen  läge  einer  plötzlich  verhafteten  prineess. 
Die  Worte  des  Originals:  'ecige-degen  eeikü  bülüge  (an  meinem  vater 
SU  gehen  war)  können  doch  keinen  anderen  sinn  haben  als:  was 
bringt  ir  mich  nicht  zu  meinem  vater?*  S.  248:  'indessen  frag 
Naran  Gerel  den  Szaran,  ober  irgend  ein  rettnngsmittel  keaoe. 
aber  der  minister  erwiderte  dass  es  keinen  ans  weg  gebe.'  Der 
text  lautet:  tuiimel  etse  cima-dur  arga  Ingu  kemebeszuy  tuihnel  argi 
ug^  gehe,  zu  deutsch:  (N.  G.)  fragte  den  minister:  hast  da  [wam- 
sest du]  eine  ausknnft?  der  minister  sagte:  eine  anskunft  giebt  e« 
nicht.'  Klingt  jenes  dagegen  nicht  lahm  und  schleppend?  ^)  S.  250: 
'da  wagte  der  aufsichtsbeamte  dem  könige  folgende  vorstellaog 
zu  machen.'  £s  entsprechen  die  worte:  iere  dsanggi  ckagan-dur 
ailatcharun  d.  h.  da  berichtete  (stellte  vor)  der  dsanggi  dem  könige. 
und  von  'wagen'  ist  nichts  zu  lesen,  obwohl  untertänige  einwen- 
dungen,  einem  absoluten  herrscher  gemacht,  immer  etwas  gewag- 
tes sein  mögen. 

Mit  diesen  ausstellungen  sollte  dem  leser  keineswegs  die  mei- 
nung  beigebracht  werden  als  hfitte  herr  J.  alles  unrichtige  oder 
unpassende  nicht  selbst  verbessern  können  ohne  dafs  ein  anderer 
darauf  hindeutete.  Ich  hielt  es  aber  für  geraten  ihn  besonders 
vor  etwaniger  künftiger  missanwendung  seines  oben  angedeuteten 
grundsatzes  zu  warnen. 


')  Wie  sehr  die  verwandlang  directer  rede  in  indirecte  dem  eiodmrk 
einer  erzählnng  schaden  kann,  beweist  unter  andern  herren  BehmaDers  bei- 
spiel,  wenn  er  die  schlufsworte  des  tiefsinnigen  und  reizenden  marcbens 
von  einem  kOnige  der  den  propheten  Chisr  sehen  wollte  (Jim  Kyrk  JVcfir 
so  wiedergiebt:  'darauf  verschwand  der  mann,  nachdem  er  dem  Schah  noch 
gesagt  hatte  dass  er  selber  Chisr  sei*.  Dem  türkischen  texte  gemäfs  muf^  es 
heifäen:  'zuletzt  sprach  er:  'O  schab,  sihe,  ich  selbst  bin  Chisr!  nnd  xer- 
scliwand.'  Kin  gran  ästhetischen  sinnes  hatte  hingereicht  um  der  dirpct'Ti 
rede  treu  zu  bleiben. 


Gesammtsitiung  vom  27.  Octoher  J870.  801 


27.  October.     Gesaramtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Kronecker  las  über  die  charakteristischen  Eigenschaften 
des  Potentials. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

A.  Frauenholz,  Die  Sonnenflecken  was  sie  sind  und  woher  sie  kommen. 
Breslau  1870.     8. 

—   Die  Sonne  und  ihre  Achsendrehung.     Breslau  1870.     8. 

översigi  af  Finska  Vetenskaps-Societetens  Förheundlingcar.  XII.  Helsing- 
fors  1870.     8. 

Bidrag  tili  Kännedom  af  Finlands  Natur  och  Folk.  Heft  15.  16.  ibid. 
1870.     8. 

J*roceedintiS  of  the  London  mathematical  Society,  no.  29 — 31.  London 
1870.     8. 

Proceedings  of  the  American  Pharmaceutical  Association,  XVII.  Phila- 
delphia 1870.     8. 


MONATSBERICHT 

DBB 

KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN 

AKADEMIE    DER    WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

November  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  Haupt. 


3.  November.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Cartius    las    Gber   die   Münzen    der    griechischen 
Colonien  in   ihren  Beziehungen   zum  Mutterlande. 

Im  Anschlüsse  an  frühere  Untersuchungen,  in  welchen  der  Zu- 
sammenhang des  griechischen  Münzwesens  mit  dem  Tempeldienste 
nachgewiesen  wurde  (s.  Monatsbericht  vom  10.  Juni  1869)  er- 
schien es  als  eine  dankbare  Aufgabe^  die  Münzen  als  Quelle  der 
politischen  Alterthümer  in  der  Weise  zu  verwerthen,  dafs  man  der 
Ausbreitung  und  Fortpflanzung  der  Prägbilder  nachgeht,  um  darin 
die  Beziehungen,  welche  zwischen  den  einzelnen  Stadtgemeinden 
bestanden  haben,  zu  erkennen.  Als  die  wichtigste  Form  der  Fort- 
pflanzung hat  man  seit  Spanheim  und  Eckhel  die  Colonisation  an- 
gesehen, ohne  dafs  bisher  genauer  untersucht  worden  ist,  wie  weit 
die  Identität  der  Typen  zwischen  Mutter-  und  Tochterstadt  als 
Regel  angesehen  werden  könne  und  wie  weit  es  gestattet  sei,  iden- 
tische Typen  als  urkundliche  Abkunftszeugnisse  der  einzelnen 
Stadtgemeinden  anzusehen.  Es  kam  also  darauf  an,  die  Fälle  aus- 
zusondern, in  denen  Typengleichheit  durch  anderweitige  Gründe 
veranlafst  worden  ist,  und  zweitens  die  Thatsache  zu  erklären, 
dafs  so  viele  Pflanzstädte  mit  der  Mutterstadt  keine  Übereinstim- 
mung im  Prägbilde  zeigen.  Es  mufsten  die  Umstände  beleuchtet 
werden,  unter  denen  die  angestammten  Beziehungen  gestört  wor- 
den sind,  indem  sie  entweder  durch  Auflehnung  und  Abfall  zer- 
rissen oder  durch  neue  landschaftliche  Verhältnisse,  in  welche  die 
Colonieen  eintraten,  und  Veränderung  der  Handelswege  zurückge- 
[1870]  55 


804  OetammUiUung 

drängt  worden  sind.  Es  muCBte  überhaupt  der  verschiedene  Cb- 
rakter,  welchen  die  Colonialmunxe  im  Ckgensatze  zur  matterliDdi* 
sehen  hat,  n&her  untersucht  werden.  Dabei  zeigt  sieb,  dals  die 
Beziehungen  zwischen  Colonie  und  Mutterstadt  zuweilen  in  anderer 
Form  als  in  der  Gleichheit  der  Typen  zum  Ausdrucke  konuDen. 
Eine  besondere  Erwfigung  erforderten  die  unter  delphischer  Auto- 
rität deducirten  Colonien  und  endlich  diejenigen,  welche  unter  Theil- 
nähme  verschiedener  Stadtgemeinden  zu  Stande  gekommen  sind. 


Hierauf  las  Hr.  O.  Rose    über   einen   angeblichen  Me- 
teoritenfall von  Murzuk  in  Fessan. 

Im  Mai  dieses  Jahres  theilte  Hr.  Dove  nach  einem  Artikel 
des  in  Rom  erscheinenden  Bnlletino  meteorologico  dell*  osservato- 
rio  del  Collegio  romano  vom  30.  April  1870  (Num.  4,  Vol.  IX 
die  Nachricht  mit^  dafs  in  Murzuk  ein  Meteorit  gefallen  sei,  dessei 
Fall  einen  benachbarten  Beduinenschwarm  so  in  Schrecken  geseti 
habe,  dafs  sfimmtliche  Beduinen  ihre  Flinten  auf  die  gefall« r 
Masse  abgefeuert  hätten.  Der  Stein,  von  dem  ungefähren  Durc^ 
messer  eines  Meters »  sollte  später  nach  Tripolis  gebracht  scli 
Von  dem  Wunsche  veranlafst,  ein  Stuck  dieses  Meteoriten  für  d 
Metebriten -Sammlung  des  mineralogischen  Museums  zu  erhalte 
wandte  ich  mich  zu  diesem  Zwecke  an  das  hiesige  auswärtige  A 
Letzteres  ging  auch  zu  meiner  grofsen  Befriedigung  auf  m( 
Bitte  ein,  und  da  in  Tripolis  kein  Consul  des  Norddeutschen  Bl 
des  existirt,  so  veranlafate  dasselbe  die  Österreichische  Regiei 
dem  Osterreichischen  Consul  in  Tripolis  den  obigen  Auftrag  zu 
th  eilen. 

Ich  habe  nun  darüber   ein  Schreiben  des  Kanzlers  des   N( 
deutschen  Bundes  erhalten,   dem  eine  Abschrift  des  k.  k.  Idii 
riums   des   Äufsern  beigelegt  war,    sowie  eine  ItaUänische 
Setzung    eines  Briefes    des  Scheichs    von  Murzuk    an   den    Coli 
Rossi  in  Tripolis,    und  ich   unterlasse  nicht  diese   3  Aktenstii 
hier  mitzutheilen ,    da  die  Nachricht  von    dem   Meteor! tenfall«! 
Murzuk  nach  dem  Bulletino  romano  auch  in  andere  Deutsche 
auswärtige  Zeitschriften  übergegangen  ist. 


vom  3.  Natember  1S70.  805 

Berlin,  den  30«  September  1870. 

In  Erwiderung  auf  das  gefällige  Schreiben  vom  Id.  Mai  d.  J. 
benachrichtige  ich  Euer  Hochwohlgeboren  ergebenste  dafs  ich  sei- 
ner Zeit  die  Gesandtschaft  des  Norddeutschen  Bundes  in  Wien  ver^ 
anlafst  habe,  die  Vermittelung  der  Kaiserlich  österreichischen  Re- 
gierang in  Anspruch  zu  nehmen,  um  durch  deren  Consul  in  Tripoli 
ein  StGck  des  angeblich  in  Mursuk  gefallenen  und  nach  Tripoli 
geschafften  grofsen  Meteoriten  fSr  das  mineralogische  Museum  der 
hiesigen  Königlichen  Universitfi  eu  verschaffen«  Die  Antwort  der 
Kaiserlichen  Regierung  nebst  einem  Schreiben  des  Scheiches  von 
Murzuk,  wonach  bei  dem  in  Frage  stehenden  Phänomen  ein  Stein- 
fall nicht  stattgefunden,  beehre  ich  mich  Eurer  Roehwohlgeboren 
beifolgend  ergebenst  zu  übersenden. 

Der  Kanzler  des  Norddeutschen  Bundes. 

In  Vertretung 

Thile. 

An 
den  KSniglichen  Geheimen 
ilegierungS'Rath  und  Professor 
Herrn  6.  Rose 

Hochwohlgeboren. 


Verbalnote. 

In  Folge  der  gefälligen  Mittheilung  der  lob).  Gesandtschaft 
es  Norddeutschen  Bundes  vom  28.  Mai  d.  J«,  betreffend  den 
Funsch  der  Berliner  Universität,  ein  Stück  des  angeblich  im  Der 
2mber  v.  J.  zu  Murzuk  in  Fezzan  gefallenen  Meteorits  zu  erhal- 
o,  hat  das  K.  K.  Ministerium  des  Äufsern  nicht  ermangelt,  den 
!•  K.  Consul  in  Tripolis  entsprechend  anzuweisen. 

Letzterer  zeigt  hierauf  an,  dafs  wenn  ein  solcher  Meteorstein- 
all in  Murzuk  wirklich  stattgefunden  habe^  derselbe,  wie  aus  den 
mauen  Erkundigungen  hervorgehe,  welche  er  bei  verschiedenen 
IS  jenen  Gegenden  eingelangten  Arabischen  Kaufleuten  einzog, 
dnesfalls  so  beträchtlich  gewesen  sein  könne,  wie  er  von  Hm. 
irabella  in  den  Journalen  dargestellt  worden  sei.  In  dieser  An- 
iht  wurde  Hr.  Rossi  durch  den  Umstand  bestärkt,  dafs  Dr.  Nach- 
hall, welcher  sich  zu  jener  Zeit  eben  in  Murzuk  befand,  und  mit 
sichern  der  Consul  eine  ununterbrochene  Correspondenz  unterhielt, 

Ö5^ 


806  Gesammtsüizimg 

eines  derartigen  Ereignisses  niemals  Erwfihnnng  ifaat.  Hr.  Bo-ä 
hat  sicli  indefs  wiederholt  an  dortige  Bekannte  gewendet,  iha  pt- 
naue  Auskünfte  über  den  fraglichen  Meteoriten,  and  womogikhi 
ein  Stück  desselben  zukommen  zu  lassen. 

Nach  Schlufs  des  Berichtes  war  dem  genannten  K.  K.  Caoad 
laut  Nachschrift  9  das  in  Übersetzung  mitfolgende  Schreiben  öei 
Scheich's  von  Murzuk  zugegangen,^)  wonach  bei  jeneni  Ph&iooiM« 
ein  Steinfall  nicht  stattgehabt  hfitte. 

Sobald  das  K.  K.  Ministerium  des  Aufsem  in  dieser  An^I<^ 
genheit  eine  weitere  Anzeige  yon  Hm.  Rossi  erh£lt,  wird  es  dif 
Ehre  haben,  selbe  der  löblichen  Gesandtschaft  des  Norddeat^b^t 
Bundes  mitzntheilen. 

Wien  am  11.  September  1870. 


Übersetzung  eines  Briefs  d.  d.  I.  Rabi  'ul  Ewwel  (2.  JunP. 
welcher  mir  durch  Hrn.  Hag  Ibraim  Ben  Alna,  Scheich  Bled  di 
Morzuk  geschrieben  wurde  in  Erwiderung  auf  meine  Bitte,  nr 
Auskunft  zu  geben  über  den  in  der  Umgebung  von  Morzuk  (Fti- 
zan)  gegen  Ende  des  Decembers  1869  niedergefallenen  Meteorit<*a. 
und  ein  Stück  desselben,  wenn  es  möglich  w£re,  zu  uberseoden. 

„In  Erwiderung  auf  Euer  Ersuchen  um  Nachrichten  aber  des 
Stern  (Meteor),  welcher  in  dieser  Gegend  gegen  Ende  des  Rama- 
dan (December)  niedergefallen  sein  soll,  —  kann  ich  Euch  F<^!- 
gendes  mtttheilen.  Ein  Ombaschi  (Korporal),  welcher  die  Wache 
am  Stadttbore  hatte,  horte  in  der  Nacht  Schüsse  gleich  nenn  FfaV 
tenschüssen  und  setzte  davon  sogleich  den  Officier  der  Wache  in 
Eenntnifs.  Dieser  trat  zum  Thore  hinaus  begleitet  von  fünf  Mami. 
nm  zu  sehen,  was  vorgefallen.  Bei  dem  Auskundschaften  bege|^ 
neten  sie  einem  Manne  mit  Namen  Hag  Habib,  welcher  ihnen  auf 
ihre  Frage,  was  das  für  Flintenschüsse  gewesen,  und  wo  sie  ge- 
fallen, erwiderte,  dafs  die  Knalle  welche  sie  gehört,  überhaupt  nichc 
von  Flintenschüssen  hergerührt  hätten,  sondern  vielmehr  von  einea 
Sterne  (Meteor),  welcher  am  Himmel  zerplatzt  sei,  in  der  Riehtsn^: 
eines  Dörfchens,  Namus  mit  Namen.  Hierauf  wurden  weiterr 
Nachforschungen  angestellt,  und  wurde  uns  Ton  Leuten  jenes  Ort» 


'}    Die    Italianische    Übersetzunjar   ist    hier    wieder    ins    Deutsche   iber- 
tragen.  G.  IL 


com  iO.  November  1870.  807 

versichert,  dafs  Nichts  zar  Erde  gefallen  sei.  Schenkt  deshalb  nnr 
lern  Glauben,  was  ich  Euch  sage,  und  nicht  den  Worten  irgend 
iines  Andern;  denn  weder  jetzt  noch  früher  ist  jemals  Etwas  vom 
[limmel  gefallen.  (Was  also  sagen  will,  dafs  in  Fezzan  bisher 
Eeine  Meteoriten  gefallen  sind.) 


An  eingegangenen  Schriften  worden  vorgelegt : 

Archiv  de»  hUtorUchen  Vereins  /Sr  Ünter/remken  und  Aschäjfenhurg,  20. 
Bd.  3.  Hft.     Wflrzburg  1870.     8. 

Zeitschrift  der  deutschen  morgenidnd,  Geseiischaft,  24.  Bd.  3.  HefL  Leip- 
zig 1870.     8. 

WOrttemberg.  naturwiss,  Jakreshefle.     26.  Jahrg.     Stuttgart  1870.     8. 

Tjndall,  On  the  acHon  of  rays  of  high  rrfrangibUty  upon  gateous  matter. 
(Philosophical  TrsDsactions,  27.  Janaar  1870.) 

Vincenzo  Fiorentino,  Prosa  e  poesie  italitme  della  Raccolta  arhorense, 
NspoJi  1870.     8. 


1.  November.    Sitzung  der  physikalisch  -  mathemati- 
schen Klasse. 

Hr.  dn  Bois-Reymond  las  fiber  die  Krause-Kahne' sehe  Theo- 
ie  der  Muskelzusammenziehung. 


LO.  November.     Gesanmitsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Mullenhoff  las  über  die  vorptole maischen  Diathesen  dos 
stlichen  Europas. 


808  Ouammtiitzun^ 

An  enkg^guigeiien  Sehriften  warden  vorgel^: 

V$rhmidiunffen   der  Sariemer  natmfBrBcK.   OttelhckafL     m.  Serie,  VoL  l 

1. 9.     Hartem  1870.     4. 
Afekw99  niefiandai$dtf   par   Baumkautr,      Tont  V,    1.  2.  3,       Im  Hin 

1870.     8. 
Natuwrkundig    Tijdtckrift   voor   Nederland9ch  Indie»      Deel  31.      Batirii 

1869.  8. 

Bijdrageii   tot  de  Taai^   Land-   en  Volkenkunde  von   Nederlimdsek  ladi/f. 

y,  1.     Gra^enhage  1870.     8. 
Archiv  fitr  die  Naturkunde  Liv^^  Ehet*  und  Kurlonde*     8  Hefte.    Docpit 

1870.  8. 

Reporte  on  experimente  made  witk  tke  Baef/orth   Chronograph,      LoDdca 
1870.     8. 


m  '        »  ■ 


17.  November.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Bodiger  las  über  die  arabische  Redaction  der 
Yorjastinianischen  Eaisergesetze  und  deren  YerhiltDifs 
zum  syrischen  Texte. 

Die  Akademie  hat  wiederholt  Eenntnifs  genommen  Ton  den 
grundlichen  nnd  scharfsinnigen  Untersuchungen  Hm.  Rudorffs 
über  den  Inhalt  der  von  Professor  Land  herausgegebenen  sjriscbeo 
Übersetzung  der  den  Kaisern  Constantin,  Theodosins  and  Lieo  zb- 
geschriebenen  Gesetze.  Hr.  Budorff  wird  eine  gröCsere  Abhand- 
lung über  den  Gegenstand  veröffentlichen.  Derselbe  hml,  was  das 
sprachliche  Verstfindnifs  der  dazu  gehörigen  syrischen  und  arabi- 
schen Texte  betrifft,  meine  Beihülfe  in  Anspruch  genommen,  und 
habe  ich  dieser  Aufforderung  selbstverstfindlich  und  gern  entspro- 
chen. Von  dem  arabischen  Texte  jener  Gesetze  hat  mir  auf  meine 
Bitte  unser  stets  hülfreicher  Correspondent  Hr.  W.  Wright  eiges- 
hfindig  Abschrift  gemacht  ans  dem  Oxforder  Cod.  Thom.  Roe  f6, 
fol.  338—356  (s.  NieolPs  Catal.  codd.  mss.  Orient,  bibl.  Bodleiaoae 
P.  II,  p.  37,  cod.  XXXYl,  no.  48),  wozu  mir  noch  einiges  andere 
handschriftliche  Material  zur  Hand  ist  Das  heute  Vorgetragene 
wird  sich  der  Abhandlung  des  Hrn.  Budorff  anschliefsen. 


I 


eom  i7.  Novmber  1870.  809 

An    eingegangenen  Schriften    nebat   Begleitsehreiben   worden 
vorgelegt : 

Schweizeriscke  Meteorologische  Beohacktungen.     6.  Jahrg.    Zfirich  1869.    4. 

Fr.  V.  Stalin,  Württembergische  Geschichte.  4.  Theil.  1.  Abth.  Stutt- 
gart 1870.     8.     Mit  Begleitschreiben  des  Hrn.  Verf.  v.  20.  Sept.  1870. 

Bulletin  des  naturalistes  de  Moscou,     Annee  1870,  no.  1. 

Götheborgs  K.  Vetenskaps  och  Vitterhets  Samhälles  Handlingar.  Vol.  I. 
Götheborg  1850.     8. 

Rnd.  Graf  Still  fried,  Geschichtliche  Nachrichten  vom  Geschlechte  StUl/ried 
von  Rattonitz.  1.  n.  2.  Bd.  Berlin  1869.  4.  Mit  Begleitschreiben 
des  Hrn.  Verf.  vom  17.  Nov.  1870. 


2 1 .  Novemb.    Sitzung  der  philosophisch-historischen 

Klasse. 

Hr.  Pertz  las  über  das  in  der  Herzoglichen  Linie  des 
Hochfürstlichen  Hauses  Braunschweig-Lünebarg  gesetz- 
liche Alter  der  Mündigkeit  für  den  RegierungS'^Antritt. 

Diese  Frage  ward  im  dritten  und  vierten  Jahrzeh nd  dieses 
Jahrhunderts  durch  den  Herzog  Karl  znm  Gegenstand  der  bitter- 
sten und  grundlosesten  Beschuldigungen  gegen  seinen  Königlichen 
Oheim  und  Vormund  Georg  IV  von  Grofsbritanien  und  Hannover 
gemacht,  indem  er  behauptete  mit  vollendetem  18.  Lebensjahre  zum 
Antritt  der  Regierung  berechtigt,  und  dieses  Rechts  um  ein  ganzes 
Jahr  beraubt  worden  zu  sein.  Über  diesen  Rechtspunkt  entwickelte 
sich  ein  für  den  jungen  Herzog  seine  Regierung  und  seine  ganze 
Zukunft  verderblicher  Kriegsstand,  welcher  mit  seiner  Flucht  und 
Absetzung  durch  die  Agnaten  und  Deutschen  BundesmSchte  endi- 
gen sollte,  zunächst  aber  die  Noth wendigkeit  herbeiführte  die  Rechts- 
frage zu  voller  Sicherheit  zu  bringen.  Dieses  erforderte  die  Unter- 
suchung der  betreffenden  Verhältnisse  des  Weifischen  Fürstenhau- 
ses während  eines  tausendjährigen  Zeitraums  seiner  Herrschaft  in 
seinen  verschiedenen  Linien;  die  reichen  Archive  gewährten  dazu 
die  Mittel,    und  das  Ergebnifs  der  Forschung  war  die  hier  mitge*. 


810  Sitzung  der  philosöphüeh-hiatorUeken  Kltisse 

theilte  Widerlegung  der  Yorgeblicheo  Recbtsansprficfae    des   dme^ 
falsche  Rathgeber  irregeleiteten  Herzogs. 


H.  Bekker  gab  bemerkangen  zum  Homer. 

L. 

1. 

Warum  steht  A  557  (^f^  ya^  tcI  yt  ntt^i^tro)  a^ol  yt^  ns^ 
nicht  das  enklitische  pronomen?  das  dem  sinne  genfigen  würde  wie 
540  und  541.  ist  nicht  etwa  ar'  f,  yt  zu  lesen?  o-'  für  o-oc  zu  se- 
men  wfire  wenigstens,  Yor  dem  langen  yokale,  leichler  als  170  (e-l& 
a*  oiotf  aCrcf  aufjkog  iwv  atptvo^  xcu  irXovrey  a^b^fir)«  f)  yt  aber  väre 
gebraucht  wie,  um  die  beispiele  nur  aus  A  zu  entlehnen,  S  ys  ^ 
93  97  101  190  320  342,  ^  7t  496,  riv  yi  401,  tw  yt  304  581, 
Ol  yt  485. 

dafs  wer  für  ar'  r'  verlange  oder  gar  S**,  erwarten  "wir  nicht. 
TOI  darf  seinen  diphthong  weder  elidiren  noch  durch  eine  kiasb 
trübes,  wenn  es  verstlUidliGh  bleiben  will,  ydg  t*  ergänzt  sich  nur 
zu  yä^  Ttt 

2. 

A  555  (juif  0*0  iFag$iir[i)  hat  das  digamma  gewalt  erlitten,    aaf- 

helfen  würde  ihm  ntt^atfp^t  vgl.  A  792 

TIC  oio    ti  xiv  Ol  av»  öcuiMvt  -wru^or  o^ptu 
fra^ffiirfiii/;  ayaS^  B$  irte^anpaTt^  emv  iroiccxt» 

wa^a(fyr,fAt   haben   wir  A  577,  na^tpaiMvog  i2  771:    so  wechselt  /^ 

mit  iifiaro. 

3. 

2  35  h5rt  Thetis  ihres  sohnes  klage  um  Patroklos,  wie  sie 
A  558  seine  klage  um  die  Briseide  gehört  hat, 

r/ifVf}  Iv  ßtvSiTTtu  n>»OQ  ira^  ircerot  yffOvTu 
unverzfiglich  taucht  sie  empor,  tröstet  den  betrübten,   verhelfst  zu 
morgen  früh  neue  waffen  für  die  verlorenen,      die  von  Hephistos 
zu  erbitten  macht  sie  sofort  sich  auf  den  weg  zum  Olympos»     rrj 


vom  21.  November  1870.  8U 

jjLiv  tto  Oikofxnivht  niitg  (pi^ov  sagt  der  dichter,  anstatt  sie  nun 
aber  zu  begleiten  und  scbleunigst  der  allein  möglichen  und  drin- 
gend nötigen  hfilfe  entgegen  zu  fQhren«  verliert  er  sie  der  gestalt 
aus  den  äugen,  dafs  er  ihrer  zunächst  den  ganzen  übrigen  teil 
des  tages  mit  keinem  worte  gedenkt,  und  doch  dauert  der  tag 
noch  laug  genug  zu  dem  kämpf  um  Patroklos  leiche,  zu  einer 
botschaft  der  Hera  an  den  Peliden,  zu  dessen  ^idererscheinen 
im  felde^  zu  einer  volksversamlung  und  einer  abendspeisung  der 
Troer,  alles  teilname  erweckende  und  folgenschwere  ereigiiisse^ 
die,  eben  weil  sie  das  sind,  mit  bequemster  umstfindlichkeit  in 
mehr  als  zweihundert  versen  vorgetragen  sich  recht  stattlich  aus- 
nemen,  aber  in  die  Olymposfahrt  eingefafst  zu  werden  wenig  ge- 
eignet scheinen. 

die  sonne  geht  unter,  wie  die  Achäer  die  nacht  zugebracht  wird 
ausfuhrlich  berichtet:  fragen  wir  nach  der  Nereide,  so  antwortet 
allein  jenes  ri^v  fxtu  ao  OCXufXTrovSt  tro^tg  ipt^ev.  also  wfirend  sonst 
ein  gott,  auch  ohne  besondem  anlass  zur  eile,  seinen  weg  abtut 
so  schnell  er  ihn  denkt,  oder  höchstens  dreimal  den  fufs  aufhebt 
und  mit  dem  vierten  mal  am  ziele  steht,  wie  denn  auch  hier  Iris 
wenige  stunden  vorher  ihren  in  umgekehrter  richtung  gleich  wei* 
ten  botenlanf,  vom  Olympos  hinab  an  den  Troerstrand  und  von  da 
zurfik  zu  ihrer  herrin,  zurfikgelegt  hat  ohne  den  gang  der.  band* 
lung,  worein  sie  eingreift,  auch  nur  einen  augenblik  zu  stören 
noch  zu  unterbrechen,  troz  dieser  herschenden  Vorstellung  von  dei: 
geschwindigkeit  göttlicher  bewegungen  ist  Thetis  unterweges  und 
bleibt  unterweges  (P  700),  wie  mfichtig  auch  mutterliebe  und  mutter- 
angst  sie  treiben  mag,  schneckengeleise  ziehend  durch  den  schnee 
von  Schlucht  zu  Schlucht  in  nacht  und  nebel. 

wie  aber  endlich  der  tag  anbricht  und  das  haus  des  Hephästos 
erreicht  ist,  (nicht  allzu  früh:  denn  der  gott  ist  bereits  in  seiner 
Werkstatt  voller  tfitigkeit),  empf&ngt  er  die  göttin  gastlich  und 
unterh&lt  sie  mit  erinnerungen  aus  seiner  kindheit.  gleich  ruhig 
geht  er  an  die  arbeit,  die  von  ihm  verlangt  wird,  wie  lange  er 
daran  zu  tun  hat?  wahrscheinlich  bis  an  den  nfichsten  morgen: 
denn  nicht  eher  kau  die  mutter  das  fertige  geschmeide  zu  dem 
söhn  hinunter  bringen,  das  tut  sie  nun  aber  im  habichtsfluge,  als 
wolte  oder  könte  sie  noch  einbringen  was  sie  von  zeit  so  schnöde 
vergeudet  hat. 


812        ^  GesammUiizung 

Erz&let  so  qai  nil  molitar  inepte?   schwerlich,    wol 
ein  diaskenast  in  böser  stände  gerade  diesen  glans-  nnd  w 
des  gedichtes  zum  pranger  gewftU  haben  för  seinen  nnvcnitaBd. 

4. 

Dafs  die  verse  o  d43->5  eine  gnome  sind,  die  des  verwandln 
inbaltes  wegen  an  den  rand  geschrieben  durch  fahrl&ssigkeit  in  dcE 
text  geraten,  das  erhellt  schon  aas  dem  einen  worte  w^^ayttrorCvvc, 
wofür  die  in  diesem  fall  unnmgfingliche  epanalepse  oX«;« 
oder  irgend  eine  ableitnng  Ton  aXfi. 

5. 

Wamm  iarntv  inmug  (B  832  A  330  T  295  Q  17) 
iamtv  iavm^,  oi%vff07»  et^vtauev  (E  790  O  640)  nnd  nicht  otF^wum 
ti%vtliarHw7  die  iterative  form  scheint  an  die  einer  contnusIkNi  nn 
t  empf&nglichen  Charaktere  a  i  o  gewöhnlich  nicht  9am¥  sv  figca. 
wodurch  freilich  arnev  tirxov  cCa^ov  entStande,  sondern  nur 
wie  sie  aach  in  der  conjagation  auf  pu  tat:  ßaamv  ioaicsr 
ovTOTxtif  iTTaar^  crruTxtv  tptienuv,  zu  dieser  conjugadon  gehören  die 
passiven  aoriste:  daher  <pdvtmiv  far  iifuivr,,  gewohnlieh,  wegen 
^tXitTxov  und  H€e?^iorHoui  tptXilaieeif  und  xdKtiTüev  wenigstena  koamcB 
nicht  vor. 

auch    in    uixarnofAtu   X  511    haben    wir  also    das    a    harz  n 
sprechen. 

eben  so  erklfirt  sich  die  kunsong  in  HBerntro  4>  41* 


27.  November.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Borcbardt  las  über  ein  die  Pyramiden  betreffendes  Pro- 
blem des  Maximus. 


vom  27.  November  1870.  813 

Hr.  DoTe  las  über  die  Vertbeilung  des  Regens  in  der 
jahrlichen  Periode  im  mittleren  Europa. 

Die  Verthellang  des  Regens  aaf  der  OberflAche  der  Erde  habe 
ich  1851  im  ersten  Theil  meiner  klimatologischen  Beitr&ge  p.  77 
— 183  einer  so  eingehenden  Untersuchang  unterworfen,  dafs  ich 
glaubte,  nicht  mehr  darauf  zurückkommen  zu  dürfen.  Um  an* 
schaolich  zu  machen,  warum  dies  dennoch  nothwendig  ist,  mufs 
ich  auf  die  Hauptpunkte  jener  Darstellung  zurückkommen. 

Das  Eintreten  der  Regen  ist  in  der  tropischen  Zone  so  rege!- 
mSfaig,    dafs  es  die  Eintheilung  des  Jahres  bestimmt.     Die  India- 
ner des  Orinocco  theilen   dasselbe  in  die  Zeit  der  Regen  und  die 
Zeit   der  Sonnen.      Das   Herauf-  und  Herabrücken   dieser  Regen 
setzte  Vareni  US  in  gerechtes  Erstaunen,  weil  es  „contra  coelestem 
rationem*^  sei.     Mit  gewohnter  Klarheit  beschreibt  Dampier,   wie 
diese  Regen  der  Sonne  folgen.      Innerhalb  noch  weiterer  Grenzen 
findet  dies  Herauf-  und  Herabrücken  in  dem  Gebiet  der  Monsoons 
statt,  und  der  Gegensatz  einer  heitern  trocknen  Himmels  im  Win« 
ter  zu   mächtigen  Niederschlügen  mit    den   heftigsten    elektrischen 
Entladungen    im  Sommer   hat  allen  Anschauungen   der  Bewohner 
Hindostans   die  Vorstellung  des  Waltens   zweier  einander    bekfim- 
pfeodcn  Mfichte  aufgeprägt.     Die   Allgemeinheit    dieser  tropischen 
Verhältnisse  blieb  den  Griechen  fremd,  und  daher  war  das  perio« 
dische  Anschwellen  des  Nils  fSr  sie  ein  Problem,  wenn  auch  He* 
rodot   seiner  Lösung   nahe   war.     Ihr   Gesichtskreis   beschränkte 
sieb  auf  subtropische  Verhältnisse^  und  Lucrez  hatte  daher  Recht, 
wenn  er  Frühling  und  Herbst,    wo  das  himmlische  Haus  am  hau« 
figsten  vom   Donner    erschüttert  werde,    des  Jahrs    kriegfahrende 
Zeiten  nannte,  eine  Bezeichnung,    die  für  unsere  Gegend  ToUkom- 
men  unpassend  wäre.     Diese  subtropischen  Regen  führte  L.  v.  Buch 
im  Jahr  1820    auf  das  Herabsinken  des  obern  Passates    zurück, 
während  Gasparin  in  seinem  1828   erschienenen  Aufsatz:    „des 
climats  Enrop^ens  par  rapport  aux  pluis^,    die  Herbstregen  Süd«> 
earopas  in  ihrem  Gegensatz  zu  den  Sommerregen  des  mittlem  und 
nördlichen  hervorhob  und  Dal  ton  nachwies,    dafs  an  der  V^est- 
kfiste   von    Grofsbrittannien    die   Regenourven    ein    Maximum    im 
Herbst  haben,  ein  Ergebnifs,  welches  durch  Miller  fSr  das  Gebiet 
der  Cumberlandischen  Seeen  so  auffiillend  bestätigt  wurde. 


814  GeeammUitsung 

Im  Jahr  1835  habe  ich  in  einem  Aufsatz  ^tiber  das  Vorfc«-- 
deosein  zweier  Regenzeiten  im  sadlichen  Europa^  die  Gesaointb^ii 
der  RegenTerhältnisse  der  gemafsigten  Zone  (auf  der  eoropüadM;: 
Seile)  unter  dem  Gesichtspunkte  znsammengefalst:  die  "Winterrego- 
zeit  an  den  Grenzen  der  Tropen  tritt,  je  weiter  wir  uns  Ton  &- 
sen  entfernen,  immer  mehr  in  zwei  durch  schwächere  Niederachligt 
Terbnndene  Maxima  auseinander,  welche  in  Deutschland  in  eEnea 
Sommermaximum  wieder  zusammenfallen,  wo  also  temporäre  Ee- 
genlosigkeit  vollkommen  aufhört  Dies  früher  übersehene  Früln 
lingsmaximum  ist  in  Italien  schwach,  tritt  aber,  wie  neaere  Beob- 
achtungen bestätigt  haben,  an  bestimmten  Stellen  in  Algerien,  Spa- 
nien und  Palastina  entschieden  hervor.  In  spätem  AbbandloBga 
habe  ich  die  entsprechenden  Verhältnisse  der  südlichen  Krdfaälfb 
untersucht  und  die  nordliche  Grenze  subtropischer  Regen  in  ihrer 
durch  Gebirgssfige  sich  verwickelnden  Gestalt  festzustellen  ndcb 
bemüht  Das  neuerdings  in  vorher  ungeahnter  Weise  sich  erwo- 
temde  Beobachtungsmaterial  liefs  mich  hoffen,  in  reinerer  Fotn 
für  die  einzelnen  Gebiete  die  Jahrescurve  der  Regenmenge  berror- 
treten  zu  sehen,  als  die  früher  lückenhaften  Beobachtungen  dies  n 
leisten  vermochten.  Aber  bei  dieser  neuen  Bearbeitung  fand  idi 
dies  nicht  bestätigt  Selbst  eine  neunzigjährige  Cnrve  enthält  Ab- 
weichungen von  einer  symmetrischen  Vertheilnng.  Dalor  mniste 
ein  Grund  gesucht  werden,  denn  Regellosigkeit  ist  kein  Nrntor^ 
gesetz. 

Die  Lnftstrome  sind  abgesehen  von  den  in  sie  hin^nragendeo 
Untiefen,  die  wir  Gebirge  nennen,  uferlos.  Sie  verändern  daher 
häufig  ihre  Betten,  aber  innerhalb  bestimmter  Grenzen.  Zwiacbeo 
den  verschiedenen  einander  begrenzenden  Wittemngssystemen  giebt 
es  daher  Übergangsgebiete,  die  bald  dem  einen,  bald  dem  nndetn 
anheimfallen.  Hierzu  gehört  im  grofsen  Ganzen  Europa,  es  weils 
nie,  ob  es  sich  für  das  See-  oder  für  das  Continental- Klima  ent- 
scheiden soll.  Es  blickt  wie  ein  Janus  nach  entgegengesetzten 
Seiten,  nach  Ost  und  nach  West.  Im  Frühjahr  überwiegt  der 
Einflufs  seines  ostlichen  gelegenen  continentalen  Nachbars.  Die» 
spricht  sich  in  den  unbedeutenden  Niederschlägen  des  Februar  und 
März  aus,  und  den  vorwaltenden  trocknen  Ostwinden,  welche  bis 
in  den  Mai  hinein  Nachtfroste  hervorrufen.  Von  deqo  Juni  an  ist 
es  die  Westseite  der  Windrose,  welche  die  die  Witterung  beslioi- 
mende  Rolle  übernimmt     Nur  in   seltnen  Fällen  ist  der  Yeriasf 


vom  24.  Novetnber  187 0.  815 

in  andrer,  und  stellt  sich  als  ein  Yerrücken  der  Erscheinungen  in 
ler  Richtung  der  Meridiane  dar.  In  beifsen  Sommern  gehört 
Deatscbiand  der  dann  regenlosen  subtropischen  Zone  an,  während, 
vovon  ein  auffallendes  Beispiel  vorliegt,  die  Nilschwelle  dann 
inorm  wird,  weil  die  tropischen  Regen  ungewöhnlich  weit  in  den 
)bern  Lauf  des  Flufses  eingreifen.  In  andern  Jahren  betheiligt 
iich  hingegen  Italien  an  unsern  Sommerregen.  Greifen  im  ge- 
KTÖhnlicben  Verlauf  die  Yerhfiltnisse  der  Westküsten  weiter  nach 
[)sten,  so  bekommen  wegen  der  Herbstregen  Englands  nnsre  Re- 
^encurven  die  Tendenz  ihr  Sommermaximum  erheblich  im  Jahr  zu 
rerspfiten.  Wollen  wir  daher  das  einem  Grenzgebiet  eigenthOm- 
liehe  Schwanken  verstehen,  so  müssen  wir  nicht  blos  vieljShrige 
Mittel  betrachten,  sondern  bestimmte  einzelne  Jahre  einer  genauen 
Untersuchung  unterwerfen.  Im  Jahr  1858  habe  ich  eine  solche 
Arbeit  in  Pogg.  Ann.  105  p.  490  unter  dem  Titel:  „die  diesjähri- 
gen Überschwemmungen  in  Schlesien  und  am  Harz  und  ihre  Ur- 
sachen^ veröffentlicht  Der  Sommer  1870  ist  ein  dem  vollkommen 
entsprechendes  Beispiel  furchtbarer  Niederschläge  nach  einer  un- 
gewöhnlich lange  anhaltenden  Dürre,  veranlagst  durch  einbrechende 
kalte  Westwinde,  in  eine  in  Westeuropa  vorher  überhitzte  Atmo- 
sphäre. 

Die  folgenden  Tafeln  enthalten  aufser  den  gemessenen  Regen- 
sommen  für  die  Stationen,  wo  mehrjährige  Beobachtungen  vorla- 
gen, den  Überschufs  der  in  pariser  Linien  ausgedrückten  Menge 
Regens  des  August  über  die  mittleren  Werthe  derselben,  nach 
einem  Juli,  für  welchen  fast  überall  die  Niederschlagssumme  unter 
ihrem  Mittel  zurückbleibt. 

Die  Aufeinanderfolge  der  Stationen  ist  in  Deutschland  im  All- 
gemeinen von  Nordost  nach  Südwest,  nämlich  von  Ostpreufscn  über 
Pommern,  Mecklenburg,  Holstein,  die  Mark  nach  Schlesien,  Sach- 
sen, Thüringen,  Westphalen,  Niederrhein,  Bayern,  Baden  und  Würt- 
temberg, die  in  Italien  hingegen  von  Nord  nach  Süd.  Wegen  der 
Breite  des  Bcobachtungsgebietes  mufste  natürlich  mehrfach  zurück- 
gegriffen werden. 


Sil 


Deutschland. 


1870 

Mittel 

Unterschied 

JnU 

A-g. 

JuU 

Aug. 

Juli 

Ah 

Tilsit 

S1.25 

38.91 

39.36 

36.19 

— 18.11 

V.i 

CUnssm 

30.63 

36.19 

39.59 

98.93 

—    1.96 

:.i.- 

KAoi^bcrig 

9.73 

96.70 

99.37 

33.98 

—  17.64 

-  e-> 

Conitx 

S8.63 

54.07 

98.94 

33.01 

—  0.31 

ji.i-^ 

CA«tia 

96.31 

59.59 

98.70 

36.61 

—  9JI9 

tt.§> 

RfgcawaUe 

91.05 

76.80 

98.48 

38.96 

—   7.93 

^$M 

Stttüm 

14.31 

91.09 

94.83 

33.87 

—  10.59 

iUi 

Patlm 

17.38 

84.68 

96.10 

37.99 

—  8.89 

i:M 

Wwtrow 

34.69 

45.91 

91.33 

90.51 

3.36 

iCi- 

Marnits 

95.76 

74.04 

95.45 

98.99 

0^1 

45.:? 

Rostock 

18.60 

36.90 

99.57 

93.99 

—  3.97 

l?.&? 

Labcek 

94.95 

60.14 

31.85 

30.49 

—  7.60 

i9.ec 

Nesstadt 

13.78 

96.88 

90.09 

96.17 

—  6.94 

o.n 

Batoi 

16.99 

55.34 

99.53 

34.70 

—19.54 

20.^ 

Kiel 

20.61 

51.50 

96.68 

33.19 

—  6.07 

n::^ 

KeomAitfter 

19.73 

58.96 

30.15 

33.05 

—10.49 

25.?l 

AHoDa 

96.49 

67.90 

37.00 

35.09 

—10.51 

ZiA\ 

GlurkstadC 

33.83 

62.30 

45.33 

45.67 

—  1.50  1 

ICx 

Meldorf 

17.36 

48.39 

—31.03 

ßefebefg 

94.34 

54.70 

99.69 

38.66 

—  5.98 

UM 

Hadersleben 

17.57 

45.11 

Ftensbarg 

10.97 

34.06 

19.94 

39.19 

—13.09 

—  hl- 

Apcnnde 

11.89 

59.76 

Oldesloe 

16.59 

85.34 

Hasam 

91.61 

99.39 

33.48 

35.75 

—11.87 

—  ^% 

Gm 

19.59 

34.46 

Tondera 

14.31 

49.46 

Cappeln 

15.96 

36.09 

CiixIuiTen 

94.71 

55.47 

1 
1 

Otterndorf 

14.84 

67.46 

31.70 

40.99 

—16.86   . 

2fe"' 

LOnebarg 

17.85 

55.13 

39.59 

97.97 

—14.67 

iT.l« 

Hinrichshagen 

90.08 

79.00 

98.16 

98.63 

—  8.08 

43f 

Berlin 

95.51 

68.36 

31.91 

98.51 

—  6.40 

SiV*J 

Prenslaa 

91.07 

60.07 

94.55 

95.79 

—  3.38    i 

34AJ 

Labbenow 

39.94 

1 

66.68 

36.95 

31.50 

3.69    ; 

31 

vom  27.  November  1870. 


817 


1870 

Mittel 

Unterschied 

JuU 

Aug. 

Juli 

Aug. 

Juli 

Aug. 

P'rankfurt  «.  0. 

35.65 

44.78 

29.76 

28.86 

—  5.89 

15.92 

Posen 

32.06 

41.08 

^8.86 

32.79 

3.20 

8.29 

Bromberg 

28.10 

38.17 

27.72 

30.84 

0.38 

7.33 

{Udbor 

— 

53.75 

31.66 

38.63 

— 

15.12 

Sechen 

64.15 

39.77 

80.26 

34.96 

23.89 

4.81 

Breslau 

37.67 

40.42 

29.97 

36.81 

7.70 

4.11 

IV^ang 

77.31 

109.78 

38.41 

46.81 

38.90 

67.97 

Siebberg 

57.51 

72.07 

39.21 

42.01 

18.30 

30.06 

JuDzlan 

30.99 

41.22 

Görlitz 

22.35 

52.87 

36.12 

38.76 

—  13.77 

14.11 

Torgaa 

18.94 

35.75 

33.35 

25.38 

—14.41 

10.42 

ialle 

80.83 

39.10 

81.47 

23.86 

—  0.64 

12.24 

\Xuh 

14.81 

40.53 

27.03 

20.92 

—12.22 

19.61 

^ipzig 

17.83 

64.07 

29.93 

26.94 

—12.10 

37.13 

)re0<len 

27.15 

53.23 

39.21 

30.90 

—  12.07 

22.33 

Iwenkan 

26.26 

49.56 

30.46 

29.46 

—  4.20 

20.10 

)5beln 

18.27 

57.70 

Vermsdorf 

14.89 

38.82 

35.13 

26.09 

—20.76 

12.73 

;rGaitz 

20.88 

58.34 

32.00 

31.79 

—11.12 

26.55 

rbarand 

28.45 

63.21 

tentzen 

28.42 

41.53 

32.95 

23.66 

—  4.53 

17.87 

iUtaa 

7.17 

83.22 

29.75 

35.45 

—22.58 

47.77 

«wickan 

28.22 

100.02 

82.00 

34.87 

—  3.78 

65.15 

'hemnitz 

20.15 

68.56 

28.48 

31.81 

—  8.33 

86.65 

Cönigstein 

49.79 

62.57 

40.35 

29.37 

9.44 

33.20 

iaaen 

25.46 

78.12 

24.96 

28.11 

0.50 

50.01 

linterhemwdorf 

28.21 

68.44 

43.67 

27.65 

—15.46 

30.79 

irfillenhurg 

25.28 

54.96 

38.15 

29.77 

—12.87 

25.19 

reiberg 

82.00 

65.32 

41.12 

29.34 

—  9.12 

35.98 

Ifiter 

16.37 

50.12 

27.40 

22.55 

—  11.03 

27.57 

iUnaberg 

28.88 

64.67 

27.80 

32.31 

—  4.42 

32.36 

;ehefeld 

59.48 

93.57 

48.05 

81.34 

11.43 

62.23 

leitienhain 

82.49 

84.14 

35.88 

36.75 

—  3.39 

47.39 

tierwieaenthal 

27.80 

89.31 

37.25 

42.68 

—  9.45 

46.63 

reu6«6n 

20.45 

42.04 

^effnrt 

8.92 

81.10 

818 


Otiommtsitzung 


1870 

Mittel 

Unterschied   j 

Juli 

Aog. 

Juli 

Aog. 

Juli 

1     Ä0£. 

Arnstadt 

40.15 

44.52 

30.54 

24.63 

9.61 

11 V 

Holzengel 

86.33 

51.62' 

KeaU 

16.16 

89.99 

Sondemhaufeii 

13.11 

64.93 

26.39 

27.04 

13.28 

ZU: 

Grorsbreitenbach 

24.28 

95.71 

31.33 

44.08 

—   7.05 

bU^ 

Hfiblbausen 

16.10 

53.40 

Wernigerode 

21.38 

69.79 

28.76 

30.05 

—   7.38 

39.74 

Heiligenstadt 

10.42 

43.96 

32.02 

31.39 

—21.40 

iij: 

GOttingen 

12.74 

67.49 

30.28 

33.93 

—17.54 

33.5^* 

Clanfttbal 

21.20 

124.88 

67.24 

62.54 

—46.04 

62Ji 

Harzigerode 

13.56 

76.88 

Brannschweig 

8.93 

55.84 

25.12 

32.25 

—16.19 

53.5:- 

Hannover 

18.80 

63.59 

30.50 

29.80 

—11.70 

33.75 

Kassel 

12.71 

55.32 

24.82 

35.63 

—12.11 

\m 

Altmorschen 

27.25 

66.47 

29.83 

42.61 

—   2.58 

23.'f 

Marburg 

17.08 

42.02 

21.52 

26.37 

—  4.44 

\h.r? 

Fulda 

10.50 

46.10 

24.16 

29.09 

—  13.66 

17.ni 

Elsfleth 

18.65 

93.09 

35.87 

39.57 

—  17.22 

W.o2 

Oldenburg 

22.10 

77.55 

35.13 

38.75 

—13.03 

3S.5» 

Jcver 

20.48 

88.47 

32.41 

40.08 

—  11.93 

48,5? 

Weser-Lcuchtthnrm 

10.02 

39.66 

Emden 

29.63 

67.01 

33.87 

38.37 

—  4.24 

2«.64 

Lingen 

22.34 

46.21 

35.53 

35.74 

—13.19 

10.47 

Löningen 

24.10 

48.11 

36.96 

34.34 

—12.86 

i3.r 

>lQnster 

27.57 

68.84 

31.77 

32.11 

—  4.20 

26.7: 

Arnsberg 

29.50 

97.36 

36.96 

49.78 

—  7.46 

47.:- 

Gütersloh 

28.28 

73.01 

33.21 

34.71 

—  9.93 

3S.' 

Olsberg 

29.66 

12^.08 

40.28 

55.28 

—10.62 

66- 

Brüssel 

25.57 

75.37 

31.43 

33.34 

—  3.86 

41' • 

Clcve 

39.50 

76.36 

34.98 

36.24 

4.52 

4»m: 

Crefeld 

28.70 

69.60 

28.87 

32.43 

—  0.17 

:^:!: 

Aachen 

48.22 

81.54 

30.65 

45.33 

17.57 

36  e: 

Cöln 

62.07 

70.36 

29.20 

80.04 

22.87 

40  :t 

Laach 

10.04 

70.09 

10.12 

42.38 

—  0.08 

27.71 

Boppard 

29.69 

80.78 

29.71 

31.52  ' 

—  0.02 

49^f 

Trier 

16.70 

39.21 

32.80 

32.03 

—  15.33 

7.1  • 

vom  24.  November  1870, 


819 


1870 

Mittel 

Unterschied 

Juli       Aug. 

Juli 

Aug. 

Juli 

Aug. 

»rkeofeld 

11.53 

32.70 

32.81 

32.81 

—21.28 

—  0.11 

Frankfurt  a.  M. 

47.63 

50.75 

32.71 

28.47 

14.92 

21.28 

Viesbaden 

29.63 

42.63 

19.22 

36.35 

10.41 

6.28 

fanan 

36.60 

54.87 

45.35 

39.22 

—  2.62 

15.65 

)arm8tadt 

33.09 

68.08 

33.38 

28.82 

—  0.29 

39.23 

)u8€hlberg 

26.00 

130.42 

22.80 

66.52 

3.20 

63.90 

»eeshaapt 

16.67 

83.33 

42.06 

68.08 

25.39 

15.25 

'romenhof 

12.58 

71.83 

18.79 

48.67 

—  6.21 

23.16 

tohrbrann 

32.08 

87.75 

25.21 

53.15 

6.87 

34.60 

Übrach 

13.75 

76.26 

11.53 

40.57 

2.22 

25.69 

ütenfurt 

17.92 

102.02 

17.38 

49.95 

0.54 

52.07 

kschaffenbarg 

26.27 

66.15 

17.00 

37.31 

9.27 

28.84 

ieersbnrg 

41.23 

46.55 

fannheim 

20.57 

91.76 

31.95 

29.25 

—  16.38 

62.51 

V^estheim 

15.70 

78.64 

buchen 

29.08 

84.36 

ichopfheim 

— 

76.20 

»chweigmatt 

— 

73.01 

• 

^Illingen 

24.91 

24.29 

'reiburg 

27.13 

66.49 

(adenweiler 

17.56 

84.67 

[5chenschwand 

30.10 

70.08 

Karlsruhe 

33.61 

129.75 

34.71 

30.17 

—  1.11 

99.58 

taden 

37.68 

117.25 

Itattgard 

27.33 

76.58 

31.82 

32.70 

—  4.49 

43.88 

^anstadt 

31.54 

66.00 

31.63 

33.54 

--  0.09 

32.46 

[ecbingen 

49.43 

72.50 

36.93 

34.90 

12.50 

37.60 

(obenzollern 

47.00 

63.17 

39.63 

40.86 

7.37 

22.31 

teilbronn 

23.29 

59.33 

27.01 

25.89 

—  3.72 

33.44 

*rendeD8tadt 

42.08 

89.17 

37.55 

49.60 

4.53 

39.57 

Mw 

21.75 

77.08 

37.47 

37.44 

—15.72 

39.64 

Jim 

34.19 

71.44 

30.32 

29.63 

3.87 

41.81 

•cbopfloch 

38.38 

123.30 

51.82 

50.87 

—13.44 

72.43 

[eidenheim 

32.17 

55.00 

51.33 

38.90 

—19.16 

16.10 

Bsny 

54.16 

99.71 

70.72 

72.73 

—16.56 

26.98 

'riedrichshafen 

39.21 

29.44 

40.05 

41.52 

—  0.84 

—12.08 

[1870] 

56 

%fö 


M 

70 

Mi 

ttel 

Uaters- 

►  •  .. 

J^U 

A^e. 

J«II 

A-S- 

jg^i 

i- 

««r«-*«. 

1«0§ 

7337 

t5-5^ 

33L43 

—  5-«: 

*"  ]• 

K^ftnrk 

♦^.n 

75-75 

BcÄcxb«ia 

1 7^-54 

S9  40 

3337 

323» 

— ICiS 

Wms 

71.« 

t7.41 

J7.05 

»7.14 

43J>3 

- 

Tt^ 

U.S4 

45.73 

14.CC 

14.39 

14J0 

:^f 

Jukmw 

«».OS 

»7.S0 

f^zjJ^A 

M^« 

30^S 

fkt*^ 

33.^ 

«4.3S 

Beez* 

31.79 

87.44 

Italien. 


8t.  Gonfaanl 
Saerm  di  g.  Michd 


Pinerolo 
ICoDdovi 

San  Reno 

Genna 

AUsfaadrU 

Cauüe  Honferato 

Volp^glino 
Paria 
Mailaod 
Lugano 

Brescia 

Cremona 

GnaataUa 

Trento 

Mantna 

Padna 


1870 
Jali    .  Aug. 


»3.14 
»7.04 
»7.84 
18.27 
69.33 
60.01 
»4.25 
3.37 
»0.31 
21.64 


12.85  i 


30.01 
26.15 
46.77 
35.49 
16.14 
27.66 
9.75 
36.13 
16.00  , 


49.61 

59.40 

I  56.08 

44.51 

I  45.44 
!  38.79 
125.72 
\  38.04 
!  63.39 

41.67 
53.49 
55.81 
65.61 
62.06 

82.41 

64.19 
77.05 


Mittel 
Jali       Äug. 


Unterfchf^i 
Juli        Aq 


40.06      62.06 

36.90  j  36.99 
11.85  I  24.93 


21.45 

9.60 

23.28 

17.12 


28.96 

10.39 

50.98 

6.12 


33.24 

45.72 

32.32 

36.38 

56.47 

58.16 

32.04 

47.04 

18.66 

23.21 

30.00 

30.96 

30.72 

29.52 

—16.95     -12.^ 

—  9.06        15» 
6.43  ,      U-^' 


38.56 

14.65 

19.91 

3.19 


lU 


**.t' 


-  3.23  I 

-  6.17 

-  9.70 
3.38 

9.00 

6.13 
14.72 


10  i^ 


11'- 


ÄS  4' 


vom  24.  Nocembtr  1870, 


821 


1870 

Mittel 

Unterschied 

Juli       Aug. 

Juli 

Aug. 

Juli 

Aug. 

rdine 

37.72 

102.93 

73.40 

59.00 

—35.68 

43.93 

'icenza 

19.15 

76.25 

34.68 

32.88 

—15.53 

43.37 

'enedig 

26.11 

!hioggia 

12.68 

79.04 

'errars 

12.59 

51.78 

19.22 

32.48 

—  6.63 

19.30 

leggio  (Emilia) 

11.62 

&5.06 

16.39 

32.08 

—  4.77 

22.98 

lodena 

17.81 

67.47 

15.59 

31.05 

2.22 

38.42 

lologna 

24.82 

60.51 

14.05 

17.24 

10.77 

43.27 

'orli 

11.26 

57.99 

12.01 

39.94 

—  0.75 

18.05 

''lorenz 

4.88 

69.11 

15.99 

20.76 

—11.11 

48.35 

avorno 

4.21 

49.21 

16.48 

24.77 

—12.27 

24.44 

^orto  fetaro 

2.79 

5.01 

liena 

15.83 

50.40 

30.24 

16.44 

—14.41 

33.96 

Jrbino 

12.54 

89.10 

24.51 

43.98 

—11.97 

45.12 

Lncona 

8.82 

63.83 

20.07 

23.58 

—11.25 

40.25 

esi 

0.93 

43.13 

16.18 

28.21 

—15.25 

14.92 

/amerino 

12.41 

15.07 

17.24 

22.70 

—  4.83 

—  7.63 

^erugia 

2.88 

61.93 

18.98 

34.41 

—16.10 

27.5« 

:hieti 

15.74 

15.52 

lom 

16.32 

4.47 

7.14 

12.68 

9.18 

—  8.21 

ri?oH 

9.00 

16.04 

rnietri 

4.92 

6.30 

Neapel  S.  R. 

8.02 

11.80 

4.58 

16.91 

3.44 

—  5.11 

—     0.  U. 

8.87 

16.09  • 

ienevento 

11.89 

18.8 

• 

iocorotondo. 

1.77 

5.76 

7.20 

12.33 

—  5.43 

—  6.57 

^atanzaro 

12.63 

7.85 

^atania 

19.06 

^alermo 

25.00 

1.64 

2.58 

4.03 

22.42 

—  2.39 

r.n* 


56 


822 


GesawumUüzKmg 


Nach  Westen  hin  konnte  die  Untersachong  nur  bis  lor  &»■ 
zosischen  Grenze  fortgesetxt  werden.  Auf  nnsenn  Ci^nete  liic 
die  extremen  Werthe  in  das  BheinthaL  Am  1 1  ten  Angast  betn: 
der  Niederschlag  in  Carlsmhe  39'!'32,  der  achte  Theil  der  Jibftr 
somme,  in  Baden  33'!'29,  in  BadenweUer  32':'80.  In  den  ITT^  b 
Carlsmhe  beginnenden  Messungen  bt  eine  Monatssnmme  wie  u 
des  Angost  1870  nach  Klanp recht  bisher  nie  TOfgekoaneü 
Ähnliche  anfallend  groCse  Tagessnmmen  geben  die  Beobacbtoage: 
in  Schwaben,  41.4  in  Giofsaltdorf,  38.8  in  Schopfioch,  37.4  it 
Bmehsal,  35.3  in  Issnj,  34.0  in  Tübingen  and  Winnendea.  Dk 
hochgelegenen  Stationen  liefern  aberall  bedeutende  Menf^eo,  D«cbd- 
berg  im  bayerischen  Wald  (27760  giebt  für  den  Aognat  13a4i 
Kirche  Wang  am  Abhang  der  Schneekoppe  in  Schlesien  10S.7^ 
Olsberg  in  Westphalen  122.08,  Claosthal  aof  dem  Plateaa  in 
Harses  124.88.  Die  Nordwestkasten  Deutschlands  geben  rdicr 
sehr  hohe  Werthe;  dals  aber  bei  weiterem  Fortschreiten  tob  NO 
nach  SW  sich  die  Quelle  erschöpft,  zeigt  Wien,  welcbes  bei  eiser 
Monatssnmme  Ton  27.42  an  18  B^entagen  nur  8.80  als  hö^tea 
Niederschlag  in  24  Stunden  liefert. 

Die  italienischen  Stationen  aeigen  deutlich,  dala  Unteritaliei 
sich  an  der  Elrscheinung  nicht  mehr  betheiligt.  DaCs  nach  Norda 
hin  Norwegen  einem  andern  Sjstem  angehört,  zeigt  deotlidi  fol- 
gende Tafel: 


Norwegen. 


UpsaU 

Christumsiind 

Aalesnnd 

Skadesnes 

ICandal 

Sandösnnd 

Christiaiiui 

I>OTre 


•  1870 


Juli  I  Aug.  !  Sept. 


Mittel 
Juli    1  Aug.    Sept. 


29.22 
14.63 
17.95 
12.68 
18.31 
27.04 
21.19 
7.58 


I 


13.66 

2.57 

4.43 

24.18 

76.29 

20.13 

12.82 

2.35 


60.73 
68.89 
50.85 
49.87 
26.60 
29.48 
20.79 


31.03 
42.56 
24.38 
32.36 
17.29 


32.36 
44.77 
44.33 
42.11 
44.33 


29.70      35.91  . 
16.40  j  16.40  I 


35.4^ 

33.01 
J8.3T 


vom  24.  Noveniber  1870, 


823 


Uni 

Verschied 

• 

JuU 

Aug. 

Sept. 

Upsala 

• 

Cfaristiansiind 

—16.40 

—29.79 

25.27 

Aalesund 

—24.61 

—40.34 

20.58 

Skttdesnes 

—11.70 

—20.15 

—17.42 

Mandal 

—14.05 

34.18 

—  4.66 

SandGsund 

9.25 

—24.20 

—12.41 

ChristiaDa 

—  8.51 

—23.09 

1.11 

DoTre 

—  8.82 

—14.05 

13.19 

Die   diese   Niederschläge  im  mittleren  Europa   hervorrufende 
Temperatarerniedrigung  geht  sehr  deutlich  aus  der  folgenden  Tafel 
hervor.     Diese  enth&lt  in  Reaumurschen  Graden  die  Abweichungen 
der  fünftägigen  Mittel  far  August  1870  vom  mittlem  Werthe  der- 
selben  berechnet ' aus  zwanzig  Jahren«     Bedenkt  man,    wie  ener- 
gisch bei  der  vorhergehenden  ungewöhnlich  hohen  Wfirme  die  Ver- 
dunstung eingeleitet  gewesen  sein  mufs,   so  begreift  man,  wie  eine 
so  bedeutende  plötzliche  Abkühlung  die  mächtigsten  Niederschlfige 
veranlassen  mufste.     In  der  That  verdunstete  auf  den  bayerischen 
Waldstationen  Seeshaupt,  Promenhof,  Rohrbrunn,  Altenfurt,  Aschaf- 
fenburg   von   einer  freien  Wasserfläche  eine  Wasserschicht,    deren 
Höhe  im  Juli  55.5  56.5  61.0  63.3  34.7  pariser  Linien  war,    hin- 
gegen im  Au- 
gust nur  39.0  29.1  24.2  30.9  15.9. 


824 


Getammttüzung 


Juli 

Aq 

25  —  29 

30  —  3 

4  —  8 

ChrutianiA 

4.87 

3.88 

4.56 

Memel 

1.73 

3.74 

3.19 

Tilsit 

1.52 

3.83 

3.34 

Ciaassen 

0.66 

3.75 

3.13 

Königsberg 

1.13 

3.39 

3.49 

Heia 

0.31 

2.67 

3.66 

Conits 

1.31 

4.01 

3.21 

CösUn 

1.86 

3.36 

4.0S 

Regenwalde 

1.37 

2.75 

4.30 

Stettin 

1.11 

2.97 

S.67 

Pathos 

1.45 

2.81 

4.18 

Wustrow 

0.40 

3.80 

3.25 

Rostock 

0.76 

2.39 

2.79 

Schwerin 

0.99 

2.74 

2.98 

Kid 

1.13 

2.06 

2.70 

Neamünster 

1.83 

2.47 

3.47 

Altona 

0.87 

2.08 

3.86 

Labeck 

1.20 

2.85 

3.57 

Eutin 

1.96 

2.50 

3.1$ 

Otterndorf 

2.81 

3.33 

3.60 

Lüneburg 

2.04 

3.81 

3.49 

Hinriebshagen 

1.63 

3.52 

3.S4 

Beriin 

1.33 

2.95 

3.15 

Frankfurt  a.  0. 

1.41 

2.99 

4.04 

Posen 

0.66 

2.71 

3.79 

Bromberg 

0.91 

3.32 

3.57 

Ratibor 

— 

2.74 

2.66 

Zechen 

0.70 

2.46 

3.08 

Breslau 

0.62 

2.72 

2.93 

Eichberg 

0.25 

— 

3-27 

Wang 

0.33 

3.29 

2.37 

Görlitz 

1.22 

2.63 

3.94 

Torgan 

1.86 

3.74 

3.83 

Halle 

2.07 

3.39 

3.17 

Erfurt 

1.07 

2.86 

2.68 

MOhlhausen 

0.44 

2.78 

2.71 

vom  24.  November  1870. 


825 


gast 

Sept. 

9  —  13 

14  —  18 

19  —  23 

24  —  28 

29  —  2 

2.99 

—0.46 

—1.49 

—1.74 

—1.58 

1.70 

—1.76 

—2.69 

—2.78 

—1.01 

2.02 

-2.21 

—3.41 

—1.90 

—1.98 

1.83 

—2.54 

—3.44 

—2.76 

—  1.68 

1.99 

—2.40 

—3.03 

—2.77 

—1.31 

1.55 

—1.95 

—2.67 

—2.44 

—1.34 

2.17 

—2.67 

—3.07 

—2.77 

—2.15 

2.50 

—2.30 

—2.30 

—2.32 

—1.45 

1.99 

—2.26 

—2.12 

—1.88 

—1.53 

1.45 

—1.60 

—2.62 

—3.02 

—2.00 

1.90 

—1.08 

—2.13 

—2.39 

—1.12 

1.08 

—0.89 

—1.97 

—2.15 

—0.72 

1.14 

—1.19 

—2.16 

—2.65 

—1.36 

1.17 

—  1.70 

—2.97 

—2.92 

-r-1.47 

1.04 

—0.89 

—2.52 

—2.56 

—1.60 

1.40 

—1.33 

—2.98 

—3.24 

—0.88 

—0.04 

—1.68 

—3.39 

—3.41 

—2.00 

2.55 

—0.21 

—1.76 

—1.72 

—1.06 

1.53 

—0.71 

—1.83 

—  2.15 

—0.99 

1.97 

—0.12 

—2.50 

—2.24 

—0.81 

1.84 

—0.90 

—3.00 

—  2.05 

—0.80 

1.66 

—1.81 

—2.93 

—2.89 

—1.35 . 

0.77 

—1.56 

—3.29 

—3.14 

—2.10 

1.19 

—1.87 

—3.59 

—3.01 

—1.92 

1.54 

—1.97 

—2.95 

—3.03 

—1.87 

2.42 

—2.89 

—2.89 

—2.86 

—1.99 

0.74 

—2.24 

—3.39 

—3.05 

—2.76 

0.46 

—2.24 

—3.26 

—3.19 

—1.65 

0.45 

—1.89 

—3.46 

—3.92 

—1.83 

0.68 

—1.34 

—3.02 

—2.78 

—1.27 

1.10 

—1.71 

—3.30 

—4.18 

—2.29 

0.47 

—1.30 

—3.56 

—3.30 

—1.51 

0.22 

—1.32 

—3.21 

—3.02 

—  1.86 

0.10 

—1.40 

—2.83 

—3.05 

—1.68 

—0.07 

—1.87 

—3.75 

—3.94 

—  1.29 

—O.Ol 

-0.83 

—2.62 

—2.59 

—2.37 

-»• 


826 


OeiommUitzung 


Juli 


25  —  29 


30  —  3 


4-8 


Wernigerode 
Heiligenstadt 
Gattingen 
ClaiuthAl 

Hannover 
Oldenburg 
Jever 
EUfleth 

Emden 
Lingen 

Löningen 

Münster 

Gfitersloh 

Olsberg 
Brüssel 

Cleve 

Crefeld 

C6ln 

Boppard 

Trier 

Birkenfeld 

Frankfurt  a.  M. 

Darmstadt 

Mannheim 

Carlsrahe 

Heilbronn 

Stuttgard 

Hechingen 

Hohenzollern 

Freudenstadt 

Calw 

Ulm 

Schopfloch 

Heidenheim 

Friedrichshafen 

Issny 

Wien 

Rom 


1.19 
1.19 
1.18 
1.57 
1.98 
2.58 
2.38 
2.61 
2.36 
2.86 
2.41 
2.34 
2.51 
2.73 
3.63 
2.16 
2.04 
1.84 
1.59 
2.63 
2.46 
1.01 
0.80 
0.37 
0.58 
0.16 
0.51 
0.89 
0.57 
0.32 
1.42 
■0.73 
0.05 
-0.32 
0.64 
1.13 
-0.16 

1.26 


0.85 


S.99 

1         Ifil 

3.46 

3.0-2 

3.70 

2.77 

3.95 

2.75 

3.80 

3.Sä 

3.38 

3.07 

2.81 

3.1S 

2.93 

2.90 

3.82 

3.07 

3.59 

3.19 

3.37 

3.04 

3.57 

2.S0 

3.56 

2.45 

2.72 

2.42 

4.14 

l.gi 

2.94 

1.97 

3.25 

1.77 

2.20 

l.li 

2.20 

1.47 

2.24 

1.3Ö 

2.12 

1;73 

1.92 

1.16 

2.54 

0.71 

0.22 

—0,1« 

1.29 

—0.40 

1.65 

—0.13 

1.37 

—0.15 

2.35 

0.65 

2  40 

—0.52 

2.49 

— 0.60 

1.64 

0.73 

1.22 

— 0.15 

2.22 

—0.86 

2.14 

— O.IS 

0.25 

—0.93 

2.28 

—0.06 

1.02 

1.01 

0.14 


vom  24.  November  1870. 


827 


gust 

Sept. 

9  —  13 

14  —  18 

19  —  23 

24  —  28 

29  —  2 

— O.07 

—1.78 

—3.64 

—3.60 

—1.87 

0.41 

—1.22 

—3.29 

—3.40 

—1.33 

0.36 

—1.27 

—3.36 

—3.38 

—1.71 

— O.05 

—2.11 

—4.17 

—4.10 

—2.04 

0.65 

—0.93 

—2.27 

—2.73 

—1.26 

1.51 

—0.12 

—3.22 

—2.27 

—I.Ol 

1.35 

—0.64 

—3.02 

—2.69 

—1.19 

0.92 

—1.92 

—4.04 

—3.13 

—1.79 

1.08 

—0.34 

—2.68 

—2.49 

—1.11 

O.70 

—0.37 

—3.53 

—3.01 

—1.52 

1.03 

—0.65 

—3.58 

—3.27 

—1.62 

1.33 

—0.62 

—3.41 

—3.26 

—2.10 

0.69 

—0.91 

—3.54 

—3.38 

—1.73 

0.83 

—1.23 

—3.27 

—2.93 

—2.76 

1.27 

—0.19 

—2.63 

—1.96 

—2.26 

0.51 

—0.70 

—2.99 

—3.10 

—1.37 

—  0.15 

—0.91 

—3.64 

—3.35 

—1.88 

— O.30 

—1.35 

—2.94 

—3.86 

—2.50 

— 0.16 

—1.28 

—3.17 

—3.27 

—2.10 

O.04   ♦ 

—1.07 

—3.55 

—2.42 

—2.52 

0.75 

—0.69 

—3.68 

—3.13 

—2.77 

— 0.62  « 

—0.92 

—4.11 

—4.41 

—3.06 

—  1.39 

—2.03 

—4.32 

—4.71 

—3.34 

—1.93 

—3.13 

—5.22 

—5.38 

—2.77 

—  1.73 

—2.38 

—3.79 

—4.34 

—3.58 

—  1.62 

—1.76 

—3.97 

—4.32 

—4.40 

—  1.21 

—1.44 

—3.57 

—4.04 

—3.76 

— 0.91 

—1.66 

—3.32 

—3.87 

—2.51 

-1.85 

—  1.59 

—3.96 

—4.67 

—3.20 

— O.70 

—1.09 

—2.47 

—4.17 

—3.70 

— 0.19 

—1.21 

—3.39 

—3.73 

—3.68 

—  1.62 

—1.78 

—3.70 

—4.69 

—3.17 

—2.44 

—2.41 

—4.50 

—5.29 

—3.02 

—  1.66 

—2.13 

—3.77 

—4.64 

—3.46 

—  1.33 

—0.44 

—2.13 

—3.35 

—3.90 

—2.00 

—0.68 

—3.21 

—4.82 

—2.36 

—  I.IO 

—1.38 

—3.64 

—4.41 

—2.26 

_0.62 

—0.44 

—1.24 

—1.81 

0.13 

828  GesammUiizung 

• 

Den  entfichiedensten  Gegensatz  zu   den  mSchdgen  Regen  de*  ^ 
August  bildet  die  Regenlosigkeit  des  Frühlings,    sie    umfaüst  ^ 
ganze  westliche  Earopa.     In  den  Nonvelles  meteorologiques  bildet 
im  Frühjahr  die  Trockenheit  in  Frankreich  einen   durch  mehrere 
Monatshefte  fortlaufenden  ArtikeL     ))Wir  brauchen  Wasser,  T?as- 
ser  und  es  kommt  nicht^,  wird  schon  im  April  yon  Blois  geschrie- 
ben.     In  Montpellier  fallen  im  Mai  im  Mittel  42'."11 ,    1870  biä 
zum  31ten  kein  Tropfen.     „Man  spricht  nur  von  der  Trockenheit, 
heifst   es  im  Mai  von   Verdun,    welche   alles   in   Gefahr   bringt*: 
von  Lavallade:  „Jeder  sagt  auf  Regen  hoffend,  wir  werden  an  die 
Reihe  kommen,    aber  3  Monate  und   mehr,    und  dieselbe  Voraos- 
Setzung  scheitert  an  derselben  Lage,   ,du  soleil  et  toajonrs  da  so- 
leil'  *'.     Man  fragt  sich  ob  die  glühenden  Ebenen  der  Sahara  elo» 
traurigem  Anblick  bieten  als  unsre  Kalkgehfinge.     Der  Himmel  Tca 
Bezi^res   wird  als  d'nne  beaut^  implacable  bezeichnet.     In  Bevrit 
(Landes)  war  im  April  nur  ein  Regentag,  vom  März  bis  Joli  incl 
fielen  45'."  10  sUtt  153'."92.     Von  Tonrs  schreibt  man  am  1.  JuU: 
^täglich  müssen  die  Landleute  weite  Strecken  fahren,    um  Wasser 
für  ihr  Vieh  zu  holen,  sie  selbst  trinken  warmes  Sumpfwasser  ncd 
verkaufen  zu  niedrigen  Preisen  ihr  Vieh,    da  sie  es  nicht  erhaltes 
können.^     Ein  Monat  ohne  Regen,    eine   afrikanische  Sonne   war 
das  Bezeichnende  des  Juni  in  Beauficel. 

Da  diese  ungewöhnliche  Trockenheit  auf  zwei  ebenfalls  trockih 
Jahre  1868  und  1869  folgte,  so  vermuthen  die  durch  ihre  #chÖDe£ 
Arbeiten  über  die  hydrographischen  Verhältnisse  des  Seinebassir* 
bekannten  Hrn.  Beigrand  und  Lemoine,  dafs  wie  stark  aacl 
die  Sommerregen  ausfallen  mochten,  dies  den  Wassermangel  drz 
Quellen  und  Flusse  doch  bis  zum  November  nicht  werde  za  er- 
setzen vermögen. 

Auch  die  iberische  Halbinsel  erfuhr  diese  Trockenheit.  1: 
Lissabon  war  der  Juni  so  trocken  wie  der  Mai.  In  dem  dorvr 
seine  Regenmasse,  der  es  seinen  bekannten  Beinamen  verdankt,  s, 
berüchtigten  San  Jago  fielen  2V504  statt  16.517  vom  April  b- 
Juni.  Die  Allgemeinheit  der  Trockenheit  geht  aus  der  folgend^a 
Tafel  hervor,  während  in  Deutschland  hingegen  schon  im  Jani  d\ 
Regenmenge  überall  die  normale  ist.     Die  Regensumme  war: 


vom  24,  November  1870. 


829 


April 

Mai 

Juni 

Summe 

Beaniicel 

6.12 

19.81 

2.26 

2.349 

Fecamp 

2.88 

14.23 

4.83 

1.828 

Lille 

3.63 

12.99 

7.00 

2.135 

SoiBsons 

2.22 

4.65 

2.22 

0.757 

Pari« 

1.77 

17.42 

1.06 

1.688 

Tours 

1.68 

11.53 

0.44 

1.138 

BloU 

0.75 

7.14 

0. 

0.657 

Montargis 

1.86 

7.23 

1.64 

0.894 

Chstillon 

0.13 

14.94 

0.27 

1.278 

Doulevant 

2.48 

25.58 

1.24 

2.442 

le  Syndicat  (Voges) 

2.53 

24.47 

12.15 

3.263 

Cemboine 

2.48 

25.93 

7.18 

2.966 

Metz 

0.80   . 

6.74 

2.57 

0.842 

Ichtratzheim 

4.96 

17.91 

7.18 

2.504 

Yerdun 

7.23 

11.79 

3.86 

1.907 

liorient 

2.51 

9.49 

1.51 

1.131 

Beyrie 

3.19 

20.39 

6.52 

2.508 

Lavallade 

2.75 

13.17 

2.00 

1.493 

]e  Puy 

17.24 

33.73 

4.92 

4.658 

Bodez 

19.99 

11.79 

1.86 

2.803 

Caleves 

6.25 

8.02 

17.11 

2.615 

Bourg 

1.20 

8.69 

2.66 

1.046 

Foix 

11.39 

24.60 

23.36 

4.946 

Tarbes 

19.68 

49.20 

19.95 

7.402 

Larressore 

1.20 

24.56 

14.45 

3.351 

Montpellier 

14.67 

6.76 

3.32 

1.979 

Bezieres 

24.60 

7.31 

7.09 

3.233 

Cannes 

9.31 

7.36 

21.67 

3.195 

Isle  d*Aix 

0.00 

3.99 

0.0 

0.333 

Biarritz 

3.72 

14.63 

11.30 

2.471 

Sicie 

0.93 

0.0 

21.28 

1.851 

Cap  Gris-Nez 

1.37 

12.01 

1.51 

1.241 

St.  Matthieu 

1.86 

25.71 

2.30 

2.489 

Murcia 

8.91 

2.66 

14.05 

2.135 

San  Jago* 

18.00 

12.37 

3.77 

2.845 

Lissabon 

4.96 

17.91 

7.18 

2.504 

*  statt 


I      91.27      I      68.99      |      37.94     |       16.517 


830 


OesammUftzung 


Ähnliches  gilt  Ton  England«  In  Greenwich  war  nach  Glai- 
sher  die  Regensamme  1V060,  eine  Menge,  die  so  klein  noch  nk 
beobachtet  worden  ist.  Für  das  erste  Halbjahr  Jaoaar-Joni  ikka 
4V888  sUtt  107209,  seit  1815,  bis  wohin  zurfick  die  Beobachtufr 
gen  reichen,  noch  nie  erlebt.  Die  folgende  Tafel  giebt  ebenfalls 
in  pariser  Linien  die  gemessenen  Regenhohen. 


April 

Mai 

Jani 

Summe 

Onemsey 

8.67 

18.58 

Mf 

2.36 

2^467 

Heiston 

3.25 

16.21 

7.43 

2.157 

Tmro 

2.03 

19.37 

3.60 

2.0S3 

Sidmonth 

3.94 

15.76 

7.32 

2.252 

Eastboiim« 

3.15 

14.19 

1.25 

2.383 

Osbom 

3.16 

16.99 

2.03 

1.764 

Portmouth 

2.36 

15.09 

3.38 

1.736 

Taunton 

6.40 

11.03 

6.76 

1.933 

Wilton  Hoose 

5.07 

14.75 

4.50 

2.027 

Barnstaple 

5.29 

18.47 

11.49 

2.937 

Aldershot 

4.17 

14.75 

4.17 

1.924 

West  Hampton 

7.99 

32.31 

9.00 

4.108 

Strathfield  Targiss 

3.27 

20.94 

6.64 

2.571 

Weybridge  Heath 

3.60 

8.44 

6.64 

1.557 

Bath 

4.73 

23.31 

8.56 

3.050 

Marlboroogh.  Cot 

6.08 

24.09 

3.94 

2.859 

Greenwich 

3.04 

5.29 

4.39 

1.O60 

Streatlej  Vicarage 

4.73 

14.19 

2.03 

1.746 

Marylebone 

5.63 

9.34 

8.78 

1.979 

Camden 

5.29 

7.88 

9.11 

1.857 

Oxford 

5.97 

1.16 

7.43 

1.213 

Gloucester 

6.98 

14.30 

11.15 

2.702 

Royston 

4.28 

8.33 

13.17 

2.148 

litUe  Wratting 

4.39 

6.53 

8.33 

1.604 

Cardington 

4.63 

7.32 

11.26 

2.017 

Lampeter 

13.06 

23.42 

8.11 

3.716 

Leamington 

6.98 

7.32 

8.11 

1.867 

Somerleyton 

6.76 

6.87 

11.82 

2.121 

Norwich 

10.36 

7.99 

17.12 

2.956 

Wisbech 

8.44 

7.77 

27.81 

3.665 

vom  24.  November  i870. 


831 


April 

Mai 

Juni 

Summe 

Llandando 

23.31 

8.22 

11.94 

3.'622 

Derby 

8.44 

8.11 

13.85 

2.533 

Nottingham 

5.86 

8.89 

10.92 

2.139 

Holkham 

10.13 

6.19 

18.58 

2.075 

Boston 

6.64 

8.22 

18.02 

2.740 

Hawarden 

14.64 

11.49 

8.78 

2.909 

Liverpool 

14.41 

10.47 

13.51 

3.199 

Old  Trafford 

25.00 

8.44 

20.15 

4.466 

Ecilefl 

23.08 

10.13 

21.62 

4.569 

Halifax 

13.40 

26.12 

34.46 

6.165 

HaU 

5.52 

6.19 

32.31 

3.668 

Stonyhurst 

29.73 

21.96 

25.11 

6.400 

Bradford 

5.63 

13.62 

22.18 

3.452 

Leeds 

5.18 

10.25 

16.10 

2.627 

Otlej 

8.78 

23.87 

19.37 

4.335 

York 

7.09 

12.72 

31.30 

4.426 

Hawsker 

4.28 

15.76 

36.14 

4.682 

Cockermouth 

23.76 

45.27 

22.18 

7.601 

Allenheads 

20.15 

35.35 

22.86 

6.530 

Carlisle 

9.79 

18.69 

19.82 

4.025 

Bywell 

7.21 

9.00 

18.13 

2.862 

North  Shields 

8.78 

15.76 

27.47 

4.334 

Miltown 

12.50 

18.35 

10.92 

3.481 

Bestimmt  man  aus  allen  zwischen  50°  und  55°  N.  B.  gelege- 
en  Stationen  för  den  ganzen  Zeitraum  April  bis  Juni  die  mittlere 
tegensumme,  so  erh&lt  man  dVl61,  also  fast  genau  nur  die  Hftlfte 
es  in  denselben  ZeiUbschnitt  1869  gefallenen  6V287. 


Hingegen  gehört  Norwegen  nicht  dem  System  an,    wie  fol- 
ende  Tafel  zeigt: 


i.:i 


i-  I 


♦T^5 


Fl  rl 


E" 


2-47 

».41 
5*J4 

<.44 


2i41 


34.7« 


«0.41 


13.10 


*•♦  t « 


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44.4! 


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ijt  ffeflirÜÄ?-»  Fe 
^i^  cje  ist.  wo  ix  e 


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e^m-^ix-     1.^**«  Fe 

PLi»:-^«9e  säd  dxrrk  die  Jakressdt« 
■  Grs=Kil:«eiiisfxinMefl.  Es  ^ebc  dibcr  bestiiLr.  - 
Wenier«irxr«<e^  Atrtn  Az&^-^ziz  eine  Tid  wichtigere  Aa%Bbe  i^- 
ab  <L«  Acfs^chsn^  maf  €C2<e  Gresna  beschriakter  lfodlificado::.r 
w^kie  iBxn  WeBieT«<he5opca  nennt;,  die  ebea  nvr  eine  locale  Bed^  - 
tecs  kibirn. 

Errek^ra  die   bier  erOrtenen  ErscheisuBgCB«    wie  dies   1^' 
d?T  F^l  War,    extrexe  Wertbe.    so  Tennogen  sie  die  Jafaresccr 
de»  Nk-ier^hlags   so  we^^nüicli  xo  modificireo,    6m£s  ein  solcL* 
jAbr^sg  den  Sebeiiel  d«*  Carre,    wie  er  dvrch  xidiahrige  M:" 
bestfmint  war.    zn  rerlegen  Temmg.      Dies  ist  der  Gnuid,    wmtzt 
die  sichre  Fesutellong  dieser  Corren  stets  emeaerte  Untersacb ei- 
gen erbrischL     IHe  Ton  mir  in  dieser  Beziehong  ai^estelUen   L:  * 
mitzntbeilen,  wurde  zu  weit  fahren. 


vom  24.  November  1870.  833 

Hr.  Braun  gab  Mittheiluogen  aus  den  jüngsten  Briefen  des 
Reisenden  der  Huroboldtstiftung,   Hm.  Dr.  Scfaweinfurth. 

Fast  ein  volles  Jahr  lang,  vom  23.  October  v.J.  bis  zum  21. 
1.  M.  waren  die  Nachrichten  des  Reisenden  ausgeblieben.  Die  an 
lern  genannten  Tage  angekommenen  Briefe  sind  vom  4.  und  14. 
Juli,  erstere  von  der  entfernteren  Seriba  Ssabbi,  letztere  von  der  Se- 
riba  Ghattas  in  Djur,  der  Hanptstation  der  Thfitigkeit  des  Reisen- 
len,  nach  welcher  er  am  13.  Juli  znrQckgekehrt  war.  Sie  enthal- 
ten vorläufige  Berichte  über  eine  während  achtmonatlicher  Abwe- 
senheit von  der  Station  ausgeführte  Expedition  in  die  kaum  mehr 
als  dem  Namen  nach  bekannten  Länder  der  Njam-Njam's  und 
Monbuttu's,  kriegerischer  und  kannibalischer,  von  der  europäischen 
Cultur  noch  unberührter  Völker.  Die  Hauptstadt  der  letzteren, 
Munsa,  unter  dem  3.  Breitegrad  oder  etwas  südlicher,  war  der 
entfernteste  Punkt,  den  er  erreichte,  und  woselbst  er  von  dem  Kö- 
nige der  Monbuttu's  feierlich  und  gastlich  empfangen  wurde.  Die 
auf  dieser  Reise  gemachten  umfangreichen  Sammlungen  wurden  nach 
der  Rückkehr  zur  Seriba  Ghattas  sofort  nach  der  Meschra  am 
Bahr  el  Ghazal  befordert  und  befinden  sich  auf  dem  Wege  nach 
Europa;  der  Reisende  selbst  blieb  auf  der  Seriba  um  sich  von 
den  Anstrengungen  der  Reise  zu  erholen  und  die  Erforschung  des 
dortigen  Gebietes  durch  einige  weitere  Exkursionen  zu  vollenden. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Geachichtv  der  Wtssenschaßen  in  Deutachiand.     9.  Bd.     Mfinchen  1870.    8. 
Bulletin   de    la   aodeü  des  eciencee  naturellee  de  NeuchateL     Tome  VIII. 

Neochatel  1870.     8. 
Puclicationa     de     V Institut    de    Luzemhourg,       Tome   XI.       Laxemboni^ 

1870.     8. 
The  Quarterfy    Journal   of  geological   Society,     no.  101  —  104.     London 

1870.     8. 


834  Oesammtsitzung  vom  24.  Novmnber  iS70. 

Fn^eeedin^i    0/    tk€    Ro^al     Geograpkical    Society,      VoL    14.      Lood^«! 

1870.     8. 
Journal     oj    lA«     Royal     Otogrtiphical    Society,         Vol.     39.         Load  s 

1870.     8. 


Nachtrag. 


7.  Juli,        öffentliche  Sitzung    der  Akademie  zur 

Feier  des  Leibnizischen  Jahrestages, 

Hr.  duBois-Reymond,  an  diesem  Tage  Vorsitzender  Se- 
kretär, eröffnete  die  Sitzung  mit  einem  einleitenden  Vortrag  über 
Leibnizische  Gedanken  in  der  neueren  Naturwissen- 
schaft. 

Mit  Kant  endet  die  Reihe  der  Philosophen,  die  im  Vollbesitze 
der  naturwissenschaftlichen  Kenntnifse  ihrer  Zeit  sich  selber  an 
der  Arbeit  der  Naturforscher  betheiligten.  Leibniz  dagegen  steht 
als  mathematischer  Physiker  noch  so  grofs  da,  dafs  man  seine 
Leistungen  in  der  von  uns  eigentlich  sogenannten  Philosophie  ver- 
schweigen oder  herabsetzen  konnte,  ohne  dafs  er  aufhörte  als 
einer  der  gewaltigsten  Geister  zu  erscheinen.  Und  man  wörde 
irren,  wollte  man  die  Verbindung  der  mathematisch -physikalischen 
mit  der  speculativ- philosophischen  Richtung  in  Leibniz  aus 
einer  polyhistorischen  Neigung  herleiten,  die  ihn  auch  juristischen 
Erörterungen,  diplomatischen  Quellenstudien,  sprachwissenschaftli- 
chen Forschungen  zutrieb.  Hätte  nur  ein  äufserliches  Band,  durch 
Zufall  und  Laune  geknüpft,  diese  ungleichartigen  Dinge  in  seinem 
Kopfe  zusammengehalten,  dann  wäre  Leibniz  nicht  der  würdige 
Heros  des  Cultus,  den  ihm  mit  gleicher  Inbrunst  beide  Klassen 
dieser  Akademie  weihen.  Nicht  Vielwisser  war  er,  sondern,  soweit 
der  Mensch  es  kann,  All-  und  Ganz  wisser,  und  sein  Erfassen, 
sein  Erkennen  war  stets  zugleich  schöpferischer  Act.  Dem  Insect 
gleich,  das  honigsammelnd  den  Blüthenstaub  von  Zweig  zu  Zweig 
trägf^  hinterläfst  sein  beweglicher  Geist,  indem  er  von  Disciplin 
zu  Disciplin  schweift,  reich  befruchtende  Spur,  auch  wo  er  nur 
tändelnd  sich  niederzulassen  scheint. 
[1870]  57 


836  Nachtrag. 

Wie  bei  seinem  Vorgänger  Descartes  war  daher  seine  Pbi-  | 
losopbie  mit  seinen  mathematisch -physikalisciien  Anschanon«n 
innig  verwebt.  Die  damals  neuen  mathematischen  Begriffe  de^ 
Unendlichen  verschiedener  Ordnung  und  der  Stetigkeit,  zum  Th^1 
seine  Erfindung,  spielen  hinüber  in  seine  Metaphysik,  und  sd» 
Demonstrationen,  Deductionen,  Constructionen ,  die  von  ihm  ge 
wählten  Beispiele  und  Gleichnisse,  lassen  überall  den  inathemati$<^ 
angelegten  und  geschulten  Kopf  erkennen. 

Man  hat  bemerkt,  dafs  Leibniz  philosophische  Schrifiten  trotz 
der  Tiefe,  in  die  sie  führen,  mehr  exoterisch  gehalten  sind,  und 
als  Grund  angegeben,  dafs  sie  meist  Gelegenheitsschriften  seien. 
Briefe  oder  Darlegungen  für  hohe  Gönner  und  Gönnerinnen,  denea 
Leibniz  gern  so  verständlich  wie  möglich  war.  Die  ander» 
entstandenen  posthumen  Nouveaux  E$sais  sur  VEntendement  hmsiah 
sind  zum  Theil  wirklieh  schwerer  geschrieben;  allein  der  wahrr 
G^ond  seiner  deutlichen  Schreibart  durfte  in  seiner  mathemati- 
schen Denkart  liegen. 

Prüft  man  vom  heutigen  Standpunkte  die  Frucht,  die  an» 
dieser  Verbindung  der  Philosophie  mit  Mathematik  und  Physä 
erwuchs,  so  kann  man  bei  Leibniz,  wie  bei  Descartes,  häufig 
eines  Gefühles  von  Staunen  und  Enttäuschung  sich  nicht  erwehren. 
Seine  Schriften  sind  reich  an  glucklichen  Blicken  in  die  ferne  Zc- 
kunft  der  Wissenschaft;  aber  in  solcher  Divination  zeigt  sich  mehr 
sein  naturliches  Genie,  als  dafs  die  Stärke  seiner  Denkmethoden 
sich  daran  bewährte.  Für  diese  liegt  die  Probe  in  seinen  syste- 
matischen Entwickelungen,  und  hier  erscheint  nicht  selten  das  Er- 
gebnifs  so  unbefriedigend,  bei  aller  formellen  Strenge  die  Schluf^ 
folge  so  gewagt,  der  Bau  übereinander  gethurmter  Aufstellungen 
so  willkürlich,  dafs  man  zweifelt,  ob  es  sich  um  die  Wahrheit,  und 
nicht  blofs  um  ein  Spiel  scharfsinnigen  Witzes  handelt  Man  wird 
irre  daran,  ob  wirklich,  wie  man  glauben  könnte,  wachsende  Ent- 
fremdung zwischen  Philosophie  und  Naturwissenschaft  die  Schuld 
an  ähnlichen  Schwächen  bei  Kant's  Nachfolgern  trage. 

Bei  Descartes  und  Leibniz  lassen  sich  aber  für  diese 
Schwächen  zwei  Gründe  angeben,  welche  neueren  Philosophen 
nicht  in  gleicher  Weise  zur  Entschuldigung  gereichen. 

Einmal  hatte  zu  Leibniz',  vollends  zu  Descartes' «Zeit, 
die  Erziehung  des  menschlichen  Geistes  durch  die  experimentelltf* 
Beschäftigung  mit  der   Natur   erst  begonnen,    durch   welche  allein 


Nachtrag.  837 

ihm  das  heilsame  Mifstrauen  in  seine  Kraft,  die  nothige  Achtung 
der  Thatsache  und  Gleichgültigkeit  gegen  die  Deutung,  die  richtige 
Ergebung  gegenüber  unlöslichen  Aufgaben  eingeflofst  wird. 

Der  andere  Quell    des  Übels   bei  Leibniz  ist  die  seine  Zeit 
noch  ganz  in  ihren  Fesseln  haltende,  ihre  Voraussetzungen  überall 
unterschiebende,  jedem  unbefangenen  Urtheil  in  den  Weg  tretende 
Theologie.     Die  geistige  Arbeit  des  achtzehnten  Jahrhunderts  war 
noch  nothig;  um  den  Menschengeist  aus  diesem  grauen  Larvenge- 
hSuse  zu  befreien,  in  das  er  fiber  ein  Jahrtausend  gebannt  gewesen 
war;  und  so  sind  Leibniz'  Physik  und  Metaphysik  noch  ganz  in 
den  theologischen  Schranken  gefangen.    Die  Voranssetzungslosigkeit, 
die  erste  Voraussetzung  unseres  Philosophirens,  ist,  ihm  unbewufst, 
bei  ihm  so  wenig  vorhanden  wie  bei  Descartes,  in  dessen  Discaur^ 
de  la  Methode  der  ontologische  Beweis   des  Daseins   Gottes  eine 
nicht  minder  schrille  Dissonanz  wirft,  als  die  so  selbstgefällig  vor- 
getragene,  merkwürdig  falsclie  Theorie  des  Blutumlaufes.     Zwar 
stellt  Leibniz  die   grofsen   Principien  vom  zureichenden  Grunde 
und  von  der  Stetigkeit  auf;  aber  der  Wille  Gottes,  der  doch  frei, 
d.  h.  ohne  zureichenden  Grund   handelt,  gilt  ihm  als  zureichender 
Grund,   und    Schöpfung    und  Wunder    durchbrechen  sein   Gesetz 
der  Continuitfit.    Ein  gutes  Beispiel  des  Mifsbrauches  theologischer 
Betrachtungsweise    bei  Leibniz   ist  sein  Beweis  der  Unmöglich- 
keit, dafs  es  einen  leeren  Raum  gebe.     „Ich  nehme  an^,  sagt  er, 
^dafs  jede  Vollkommenheit,  welche  Gott  in  die  Dinge  legen  konnte, 
„ohne  deren  anderen  Vollkommenheiten  Abbruch  zu  thun,  in   die 
„Dinge    gelegt   worden    ist.     Stellen    wir    uns    einen    ganz    leeren 
„Raum  vor;   Gott  konnte  Materie  hineinbringen,  ohne  irgend  einem 
„anderen  Dinge  Abbruch    zu    thun;    folglich    hat    er  sie  hineinge- 
„bracht;    folglich   giebt  es  keinen  ganz   leeren  Raum;    folglich  ist 
„Alles  erfüllt^  ^     Ähnlich  beweist  Leibniz  die   Theilbarkeit  der 
Materie  in's  Unendliche  oder  das  Nichtvorhandensein  von  Atomen.' 
Der  Lehre    von    der   Erhaltung  der   Kraft,  welche    unsere   Welt- 
anschauung  beherrscht,  gab  Leibniz  zuerst  den  richtigen  Ausdruck, 
und  wie    sinnreich  ist  das   Bild,    durch    welches    er  das   schein- 
bare Verschwinden  von  Kraft  bei  Umwandlung  von  Massenbewe- 
gung in  Molecu larbewegnng  erläutert:   es  sei  wie  das  Umwechseln 
eines  grofsen  Geldstuckes  in  Scheidemünze. i     Aber  wie  für  Des- 
cartes  ist  auch   für   ihn  die  Constanz  der  Kraft  nur  ein  Ausflufs 
des  göttlichen  Willens. 

57» 


838  Nachtrag, 

Die  widernatürliche  Verbindang  der  speculativen  Theologi«* 
mit  der  Mathematik  bei  Leibniz  zeigt  sich  nirgend  greller  iL* 
in  dem  Grundgedanken  seiner  Theodicee.  Von  Kindheit  auf,  urk 
er  selber  berichtet^,  von  dem  Rfithsel  gepeinigt,  welches  der  Ur- 
sprung des  metaphysischen,  physischen  und  sittlichen  Ghels  in  dfr 
Welt  sei,  —  der  Unvollkommenheit,  des  Leidens  und  der  Sande,  — 
da  doch  Gott,  als  ToUkommen  gut  und  als  allmfichtig,  das  Cb»rl 
anscheinend  nicht  bfitte  schaffen  dürfen,  wird  Leibniz  durch  die 
Konigin  Sophie  Charlotte  Ton  Preufsen,  der  Bajle's  Schrif- 
ten dasselbe  Bedenken  eingeflofst  hatten,  um  Aufklärung  gebeten. 
Bekanntlich  verdankte  ihm  die  Theorie  der  Maxima  nnd  Minimi 
der  Functionen  durch  die  Auffindung  der  Methode  der  Tangenten 
den  gröfsten  Fortschritt.  Nun  stellt  er  sich  Gott  bei  Erschaffung  der 
Welt  wie  einen  Mathematiker  vor,  der  eine  Minimum- Aufgabe,  oder 
vielmehr,  nach  jetziger  Redeweise,  eine  Aufgabe  der  Variations- 
Rechnung  löst;  die  Aufgabe,  unter  unendlich  vielen  möglichen 
Welten,  die  ihm  unerschaffen  vorschweben,  die  zu  bestimmen,  für 
welche  die  Summe  des  nothwendigen  Übels  ein  Minimum  ist: 
wie  man  den  kürzesten  Weg  zwischen  zwei  Punkten,  den  grofst^n 
Flfichenraum  bei  gleichem  Umfange,  die  Curve  schnellsten  Falles 
bestimmt.  Diese  bestmögliche  Welt  hat  Gott  in 's  Dasein  gemfoo: 
es  ist  die  Welt,   in  der  wir  leben. 

Wenig  speculative  Gedanken  haben  auf  die  Literatur  so  un- 
mittelbaren Einflufs  geübt,  wie  dieser.  Bis  in  die  zweite  HilAe 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  beschäftigt  er  die  Geister.  Wah- 
rend Pope  in  dem  Essay  on  Man  ihm  auf  seine  Weisi? 
poetischen  Ausdruck  gab,  machte  ihn  Voltaire  zur  Ziel- 
scheibe seines  nie  fehlenden  Spottes.  In  seinem  philosophischen 
Roman  Candide  setzt  er  dem  Leibni zischen  Optimismus  eine 
Demonstration  entgegen,  ähnlich  der  durch  welche  Diogenes 
den  Bewegung  Ifingnenden  Sophisten  widerlegte.  Die  Behauptung, 
der  Welten  beste  sei  diese,  verhöhnt  er,  indem  er  den  Menschen 
als  Spielball  sinnloser  Geschicke  malt»  und  grfifsliches  Elend  un- 
schuldige Häupter  treffen  lässt,  wovon  das  Erdbeben  zu  Lissabon 
ihm  ein  zeitgemfifdes  Beispiel  bot.  Versöhnung  und  Trost  aber 
lehrte  er,  ein  später  von  Goethe  vielfach  ausgeführter  Gedanke, 
statt  in  Betrachtung  des  Göttlichen  und  Hinblick  auf  eine  Zu- 
kunft jenseit  des  Grabes,    in  Entsagung  und  Arbeit  finden. 


Nachtrag.  839 

Ohne  mit  Voltaire  über  den  theodicei sehen  Gedanken  zu 
spotten,  kann  man  aller  weiteren  Erlfiuterungen  ungeachtet  nicht 
darüber  hinaus,  dafs,  wie  Niemand  besser  als  Leibniz  wufste^ 
jede  Maximum-  und  Minimum- Aufgabe  stetige  Veränderlichkeit  des 
Werthes  einer  Function,  oder  der  Function  selber,  unter  gewissen 
Bedingungen  voraussetzt.  Die  zu  losende  Aufgabe  hat  also  nur 
eine  andere  Form  erhalten,  denn  wie  stimmt  es  zur  unbedingten 
Natur  Gottes,  dafs  ihm  irgend  welche,  vollends  seinem  Wesen 
widerstreitende  Bedingungen  vorgeschrieben  waren,  noch  ehe  es 
eine  Welt  gab? 

Als  Urgrund  aller  Erscheinung  gelten  Leibniz  die  Monaden, 
einfache  Substanzen  im  metaphysischen  Sinne,  nnausgedehnt,  doch 
im  Räume  vorhanden,  selbstthätig,  aber  nicht  nach  Aufsen  wirkend 
und  &ttfseren  Wirkungen  unzugänglich.  Die  Monaden  bilden  eine 
stetige  Entwickelungsreihe  von  Nichts  bis  zu  Gott,  der  selber  die 
höchste  Monade  ist,  nach  Analogie  der  Ordinalen  einer  CUrve,  die 
von  Null  bis  Unendlich  wachsen.  Von  einem  gewissen  Punkt  an 
besitzen  die  Monaden  Bewufstsein,  welches  sich  in  den  höheren 
Gliedern  der  Reihe  zu  immer  höherer  geistiger^Thätigkeit  entfal- 
tet Die  menschlichen  Seelen -Monaden  nehmen  irgendwo  eino 
mittlere  Stellung  zwischen  denen  der  Thiere  und  Engel  ein.  Übri- 
gens ist,  wie  wir  schon  sahen,  der  Raum  nirgend  leer;  sondern  in 
jedem  kleinsten  Theil  unendlich  voll  von  Wesen,  daher  jeder 
materielle  Punkt,  gleichviel  ob  eines  organischen  oder  anorgani- 
schen Korpers,  eine  Welt  von  Monaden  beherbergt. 

Da  die  Monaden  als  einfache  Wesen  nicht  durch  Zusammen- 
setzung entstehen  und  nicht  durch  Auflösung  vergehen  können, 
schliefst  Leibniz,  dafs  Gott  mit  Einem  Schlage  sie  in's  Dasein 
gerufen  habe,  und  dafs  auch  er  nur  ebenso  plötzlich  sie  vernichten 
könne.  Da  sie  weder  eine  Einwirkung  von  Aufsen  erfahren  noch 
nach  Aufsen  wirken,  oder,  wie  er  in  seiner  lebhaften,  bildlichen 
Art  sich  ausdruckt,  da  8ie  keine  Fenster  haben,  durch  die  etwas 
in  sie  eindringen  oder  sie  verlassen  könnte^,  so  schliefst  er,  dafs 
in  den  Seelen -Monaden  ein  Flufs  der  Vorstellungen  stattfinde, 
genau  entsprechend  den  aufseren  Umständen,  in  welche  '  sie 
gerathen.  Wenn  ich  einen  bellenden  Hund  sehe  und  höre  und 
nach  ihm  schlage,  dringen  nicht  etwa  Botschaften  von  meinen 
Sinneswerkzeugen  bis  zum  Sitze  meines  Bewufstseins  und  belehren 
mich^  dafs  ein  bellender  Hund  da  sei  und  mich  beifäen  wolle,  und 


840  Nachtrag. 

68  wirken  nicht  etwa  Willensim pulse  meiner  Seele  auf  Nerven  ood 
Muskeln,  um  Arm  und  Stock  zu  bewegen.  Sondern  als  Gcu 
meine  Seelen-Monade  schuf,  schuf  er  sie  so  dafs  in  demseibni 
Augenblicke,  wo  der  Hund  sich  auf  meiner  Netzhaut  abbildet 
und  sein  Gebell  mein  Labyrinthwasser  erschüttert,  sie  aus  innerec 
Gründen  im  Flufs  ihrer  Vorstellungen  auch  gerade  bei  der  Vor> 
Stellung  eines  bellenden  Hundes  anlangt,  und  dafs  sie  sich  rur- 
stellt,  mein  Korper  schlage  den  Hund,  in  demselben  Angenblickf. 
wo  er  rein  mechanisch  es  wirklich  thut. 

Dies  ist  Leibniz'  berühmte  Lehre  von  der  praestabilirten 
Harmonie,  von  der  uns  heute  allerdings  schwer  fallt,  uns  zu  den- 
ken,  dafs  er  sie  alles  Ernstes  geglaubt  habe,  durch  die  er  aber 
mit  gröfster  Zuversicht  das  Riithsel  der  Verbindung  von  Körper 
und  Geist  gelöst  zu  haben  meinte.  Zerhauen  hatte  er  den  Kooteo 
wohl,  der  darin  besteht,  dafs  nicht  zu  begreifen  ist,  wie  die  im- 
materielle Seele  auf  den  materiellen  Korper  wirkt  und  umgekehrt, 
aber  langst  glaubt  Niemand  mehr,  dafs  er  ihn  richtig  entscbürzt 
habe.  Das  Wesen  der  geistigen  Vorgänge  wird  nicht  klarer  durch 
die  Vorstellung,  dafs  sie  sich  von  selber  in  den  Monaden  abwickelik 
vielmehr  ist  au  Stelle  der  gehobenen  Schwierigkeit,  die  in  die:^: 
Form  doch  nur  in  dem  Widerspruch  willkürlich  gebildeter  Begriffe 
liegt,  die  andere  getreten,  dafs  die  geistigen  Vorgänge  ganz  aufser- 
halb  aller  Causalität  gestellt  sind.  In  der  That  läfst  Leibnii 
in  der  Monadenwelt  keine  anderen  Bestimmungen  zu  als  darch  jeoe 
Endursachen,  welche  aus  der  Weltanschauung  zu  verbannen  da^ 
Ziel  theoretischer  Naturforschung  ist. 

Wenn  dieser  Fehlgriffe  des  grofsen  Mannes  heute,  an  seiner. 
Ehrentage,  hier  gedacht  wird,  so  geschieht  dies  nicht,  am  ihn  t: 
verkleinern.  Die  Betrachtung  der  Irrwege  eines  solchen  Kopfes 
ist  vielmehr  geeignet,  uns  selber  zur  Demuth  zu  stimmen.  Der 
sich  mit  Vorliebe  VAuteur  du  Systeme  de  VHarmonie  prettahhi 
nannte^,  und  nicht  erst  spät  und  krankhaft  wie  Newton,  senden 
in  voller  Kraft  und  mit  sichtlichem  Behagen  in  theologischen  Spiti- 
findigkeiten  sich  erging:  es  war  der  Nämliche,  der  mit  Eineic 
Federstrich  Johann  Bernoulli's  herausfordernde  Probleme  loste : 
es  war  der  von  welchem  Diderot,  selber  der  Begabtesten  Ein«?, 
schreibt:  „Wenn  man  auf  sich  zurückkehrt,  und  die  Talente,  cic 
^man  empfing,  mit  denen  eines  Lcibniz  vergleicht,  wird  m^* 
;, versucht,  die  Buclicr  von   sich   zu  werfen,   und   in  irgend   chui 


Nachtrag,  841 

^versteckten  Weltwiukel  ruhig  sterben  zu  gehen.^ '  So  werden  wir 
inue,  wie  die  stolze  Hohe,  auf  der  wir  zu  wandeln  meinen,  nicht 
unser  Verdienst  ist,  sondera  das  unserer  Zeit,  und  wie  vielleicht 
unseren  Nachfolgern,  im  Lichte  der  Erkenntnifs  ihrer  Tage,  einst 
unsere  beste  Einsicht  erscheinen  wird. 

Aber  noch  in  anderer  Rucksicht  ist  es  oft  lehrreich,  sich 
solcher  Dinge  zu  erinnern.  Es  ist  merkwürdig  zu  sehen,  wie  zu- 
weilen solche  Philosopheme ,  nachdem  sie  das  Schicksal  mensch- 
licher Meinungen  durchlebt  haben,  geglaubt  und  bestritten,  gepriesen 
und  verlacht,  zuletzt  durch  ihresgleichen  verdr&ngt  und  scheinbar 
vergessen  wurden,  im  Bewufstsein  folgender  Geschlechter  doch  noch 
gleichsam  ein  latentes  Dasein  fristen,  wie  sie  mifsverstanden ,  nur 
formell  noch  bestehend  und  mit  anderem  Inhalte  gefüllt,  nach  Jahren 
%vieder  auftauchen,  und  wenn  das  Gluck  gut  ist,  zuletzt  in  so  ver- 
änderter Gestalt  einen  dauernden  Platz  in  der  Wissenschaft  erobern. 
Unsere  heutige  Naturwissenschaft  Ififst  mehrere  dergleichen  Auslfiufer 
L#eibnizischer  Gedanken  erkennen,  wenn  sie  auch  in  ebenso  ent- 
stellender Verkleidung  auftreten,  wie  der  von  LeibnizLudwig  XIV. 
vorgelegte  Plan  zur  Eroberung  Aegyptens  in  Bonaparte 's  kriege- 
rischem Abenteuer  oder  in  Hrn.  von  Lesseps'  Friedens  werk. 

Die  Lehre  von  der  Erhaltung  der  Kraft  ist  nicht  ein  blofser 
Ausläufer  zu  nennen,  und  also  nicht  hierher  zu  rechnen.  Auch  wäre 
wohl  kaum  gerechtfertigt,  wollte  man  eine  solche  Filiation  der 
Ideen,  wie  die  französische  Sprache  sich  schwer  übersetzbar  aus- 
drGckt,  zwischen  dem  L ei bni zischen  Optimismus  und  unserer  heuti- 
gen Einsicht  annehmen,  dafs  in  Rücksicht  auf  die  gerade  stattfind- 
enden äusseren  Bedingungen  die  organische  Natur  jederzeit  die 
möglichst  vollkommene  ist.  Doch  lohnt  es  sich,  das  gegenseitige 
Verliältnifs  beider  Lehren  festzustellen. 

Vom  Standpunkte  der  mathematischen  Physik  giebt  es  keine 
grössere  oder  geringere  Vollkommenheit.  Für  diese  Betrachtungs- 
>vei8e,  der  sich  alle  übrigen  theoretischen  Naturwissenschaften 
mehr  und  mehr  zu  nähern  streben,  unterscheiden  sich  Chaos  und 
Klosnios  nur  durch  andere  Vertheilung  derselben  Massen  und 
Kräfte.  Aber  für  eine  andere  Art  der  Betrachtung  stellen  sich 
Makrokosmos  und  Mikrokosmen  als  Ganze  dar,  deren  Theile  für 
gewisse  Wirkungen,  die  wir  als  Zwecke  auffassen,  mehr  oder 
itiinder  passend  eingerichtet  sind.  Da  erscheinen  bestimmte  Thier- 
und    Pflanzenfonuen   vollkommener   als  andere,    und  lange  konnte 


842  yachtrag. 

man  artheilen,  dafs  ent^'eder  aus  inneren  Gründen,  oder  doitk 
erneute  Eingriffe  einer  schaffenden  Macht,  die  organische  Nate* 
stufenweise  zu  immer  vollkommneren  Formen  aufgestiegen  s<i. 
Es  schien  als  seien  ganze  Schöpfungen  plumper  fremdartigtr 
Gestalten  gleichsam  als  erste  rohe  Versuche  der  bildenden  Nator 
SU  Grunde  gegangen  und  hätten  höher  entwickelten,  besser  gelns- 
genen  Geschöpfen  Platz  gemacht.  Von  der  Darw in 'scben  Lehre 
aus  Ifisst  sich  diese  Anschauung  ebensowenig  billigen,  wie  die, 
nach  welcher  unser  Planet  einst  sollte  ein  heroisches  Zeitalter 
erlebt  und  noch  mit  gröfserer  Zeugungskraft  begabt  die  gewaltiger 
Gestalten  der  Vorwelt  hervorgebracht  haben.  Sobald  zwischen 
den  Eigenschaften  der  organischen  Wesen  und  ihren  Lebeas- 
bedingungen  das  Verhältniss  erreicht  ist,  welches  man  Anpafeoogf- 
Gleichgewicht  nennen  könnte,  ist  die  Welt  möglichst  vollkommen, 
und  bleibt  so,  wenn  die  Bedingungen  die  nämlichen  bleiben,  hti 
der  Langsamkeit,  mit  der  in  der  Regel  die  klimatischen  und 
geographisch -physikalischen  Bedingungen  eines  Erdstriches  sic^ 
ändern,  reicht  aber  für  die  Herstellung  des  Anpafsnngs- Gleich- 
gewichtes die  Zeit  stets  aus.  Somit  ist  in  dieser  Welt,  bezuglieb 
der  Organisation  der  Pflanzen  und  Thiere,  stets  und  überall  das 
Maximum  der  Vollkommenheit  erreicht;  diese  Welt  ist  jederztit 
die  gerade  bestmögliche  gewesen  und  wird  es  sein,  so  lange 
es  Thiere  und  Pflanzen  giebt  und  nicht  plötzliche  Katastrophen 
über  deren  Wohnstätten  hereinbrechen.  Die  Un Vollkommenheiten 
der  Organismen  aber,  an  denen  kein  Mangel  ist,  sind  Wahr- 
zeichen des  Compromisses ,  der  zwischen  den  Bedingungen  der 
Aussenwelt  und  der  Organisation  einerseits,  andererseits  den  zum 
Bestände  des  Organismus  nötliigen  Forderungen  stattfand.  Sie 
entsprechen  dem  Übel  in  Leibuiz'  bester  der  möglichen  Weltea 
Das  Ganze  dieser  Beziehungen  lufst  sich  nicht  besser  ausdruckeo 
als  mit  den  Worten,  in  welche  Leibniz  seine  eigene  Lehre  zo- 
sammenfafst:  „Obschon  die  Welt  stets  gleich  vollkommen  war. 
„wird  sie  nie  ganz  (jiouverainement)  vollkommen  sein;  denn  sie 
„ändert  sich  stets  und  gewinnt  neue  Vollkommenheiten,  wrahrend 
„sie  andere  einbufst.^'  So  pafst  in  gewissem  Sinne  der  Leib* 
ni zische  Optimismus  auf  die  organische  Natur,  und  so  fuhrt 
merkwürdigerweise  die  mechanische  Naturansicht«  unter  Aus- 
stofsnng    der    Endursachen,     schlief$lich    zu    demselben    ErgebniTs     | 


Nachtrag,  843 

wie  der  niit  der  Teleologie  unzertrennlich  verbundene  theodicei- 
sche  Gedanke. 

Die  Monadenlebre,  deren  Wiederbelebung  durch  Herbart  in 
mehr  geläuterter  Gestalt  ausserhalb  des  Kreises  unserer  Betrach- 
tung liegt,  hat  auf  die  Naturwissenschaft  einen  bedeutenden  Ein- 
flufs  geübt,  wenn  auch  nur  auf  Grund  von  Mi fs Verständnissen 
und  falschen  Analogien.  Ausdrucklich  hatte  Leibniz  davor  ge* 
warnt,  seine  Monaden  mit  den  Atomen  anderer  philosophischer 
Systeme  zu  venn'echseln.  Doch  vermochten  Gelehrte  und  Gebil- 
dete  des  achtzehnten  Jahrhunderts  diese  Unterscheidung  unausgc- 
dehnter  formloser  metaphysischer  Substanzen  im  Raum  und  klein- 
ster materieller  Theilchen  nicht  immer  festzuhalten.  Die  Behaup- 
tang,  dafs  jeder  Funkt  auch  des  scheinbar  leeren  Raumes,  vollends 
jedes  Theilchen  eines  belebten  Körpers,  eine  Welt  von  Monaden 
enthalte,  wurde  in's  Materielle  übersetzt  Mancher  Ausdruck  bei 
Leibniz  selber  begünstigte  die  Verwirrung.  So  wenn  er  sagt; 
^Jeden  Theil  der  Materie  kann  man  sich  vorstellen  wie  einen 
„Garten  voller  Pflanzen,  oder  einen  Teich  voller  Fische.  Aber 
^jedcr  Zweig  der  Pflanze,  jedes  Glied  des  Thieres,  jeder  Tropfen 
,»8e]Der  S&fte  ist  abermals  solch  ein  Garten  oder  Teich.  Und 
^obschon  die  Erde  und  Luft  zwischen  den  Pflanzen  des  Gar- 
„tens,  oder  das  Wasser  zwischen  den  Fischen  des  Teiches,  nicht 
„Pflanze  oder  Fisch  ist,  enthalten  sie  deren  doch  noch,  aber  meist 
„von  unwahrnehm  barer  Kleinheit.  ^^  Was  für  das  geistige  Auge 
gemeint  war,  wollte  das  leibliche  Auge  sehen;  und  wenn  man 
nicht  geradezu  versuchte,  die  Monaden  mit  dem  Mikroskope  zu 
entdecken,  so  glaubte  man  doch,  sie  oder  etwas  ihnen  ähnliches 
beobachtet  zu  haben,  als  das  Mikroskop  wirklich  jeden  Tropfen 
einer  Infusion  von  kleinen,  scheinbar  einfachen  Wesen  wimmelnd 
zeigte.  Dafs  Otto  Friedrich  Müller,  unter  Hrn.  Ehren  her  g 's 
Vorläufern  einer  der  bedeutendsten,  für  dergleichen  Formen  den 
Namen  Monas  in  die  zoologische  Nomenclatur  einführte,' °  war 
nar  einer  jener  terminologischen  Scherze,  wie  sie  auch  bei  Linne 
die  Trockenheit  des  Systemes  anmuthig  beleben;  allein  diese 
Anspielung  deutet  auf  eine  damals  vorhandene  Richtung  der  Geister, 
die  bei  phantasiereichen  Persönlichkeiten  zu  schweren  Irrthümern 
führte. 

Buffon  glaubte  merkwürdigerweise  in  Infusorien  und  Zoo- 
spermien  lebendige,  ohne  Unlerlafs  thätige,  durch  Feuer  und  Faul- 


844  Nachtrag, 

nifs  unzerstörbare  organische  Urtheilchen  2u  erkennen.  Wie  ä 
Koch  salz  Würfel  aus  unzähligen  mikroskopischen  KocbsaizwDrieldit: 
bestehe,  so  sollten  bei  Entstehung,  Ernährung,  Wachsthum  der 
Thlere  und  Pflanzen  diese  Urtheilchen  ihr  Einzelleben  aafgebeK 
sich  zu  den  mannigfaltigen  Organismen  zusammenfügen,  deren  G^ 
sammtleben  die  Summe  jener  Einzelleben  sei.  ^ '  Die  aageblicki 
organischen  Urtheilchen  nannte  Buffon  nicht  Monaden,  aach  tr- 
innert  er  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  an  Leibniz.  Der  so  n 
sagen  materialisirte  Leibni  zische  Gedanke  ist  aber  in  dfiD  ei- 
nigen nicht  zu  verkennen,  und  vielleicht  vermied  Buffon  den  Ur- 
sprung seiner  Lehre  zu  verrathen,  weil  ihr  dies  damals,  wo  b 
Frankreich  durch  Voltaire  das  Ansehen  der  Leibaizisdies 
Philosophie  untergraben  war,  nicht  zur  Empfehlung  gereicht  hittt 

Aus  der  Annahme,  dafs  die  Monaden  im  Anfang  gesehafftn 
sind,  folgte  für  Leibniz  selber  unmittelbar  die  Lehre  tod  <k 
Einschachtelung  der  Keime,  nach  der  z.  B.  alle  Hühner,  das  eiK 
in  den  Eierstocken  des  anderen,  kleiner  und  kleiner  bereits  in  dtrc 
Eierstöcken  des  ersten  Huhnes  vorgebildet  waren. '  '  Die  Praede- 
lineations- Theorie,  welche  schon  an  der  Entdeckung  der  Z<4- 
Spermien  eine  mächtige  empirische  Stutze  erhalten  hatte,  erlao^'^ 
so  durch  Leibniz  eine  in  damaliger  Zeit  sehr  tricbtic- 
metaphysische  Grundlage,  die  sicherlich  dazu  beitrug,  den  erst  e-. 
Jahrhundert  später  durch  Caspar  Friedrich  Wolff  erfochterc 
Sieg  der  Epigenesc  zu  erschweren. '  '  Dagegen  fuhrt«  die  Monadei- 
lehre  Leibniz  folgerichtig  dazu,  die  Möglichkeit  einer  Urzeups 
zu  leugnen.  *  ^ 

In  beiden  Punkten  dachte  Buffon  anders.     Der  Embrvo  b- 

« 

det  sich  nach  ihm  aus  den  bei  der  Ernährung  überschüssig  ac' 
genommenen  organischen  Urtheilchen,  welche  gleichsam  in  rii^-^ 
inneren  Form  {mouU  intSrieur)  gegossen  werden,  wie  Gvp«  t* 
Metall  in  einer  änfsereu.  Auch  B  u  ff o  n's  Theorie  liefs  die  Urtb^-'- 
eben  gegenwärtig  nicht  mehr  entstehen ;  allein  sie  verführte  ihn,  i' 
Needham^s  fehlerhafte  Versuche  über  Urzeugung  in  dem  Si^' 
zu  glauben,  als  könnten  die  Urtheilchen  sich  zu  grofseren  Oitt 
nismen,  Kleisterälchen,  zusammenfugen.  So  ward  seine  Lebre  s 
den  durch  Lazzaro  Spallanzani  bewirkten  Untergang  der  Neec 
hämischen  Behauptungen  verwickelt,' '  während  zugleich  Bono«' 
den  man  den  Genfer  Buffon  nennen  könnte,  als  Yertbeidiger  lir 
Praedelineations-Thcoric  wider  sie  auftrat, '  *  obschon  seine  eig^' 


Nachtrag.  845 

Urkeime    (germes  primiti/s)  auch  nichts    anderes   waren,    als   ver- 
kappte Leib ni zische  Monaden.*^ 

Siebzig  Jahre  spSter,  als  Robert  Brown  die  nach  ihm  ge- 
nannte Bewegung  kleiner  in  tropfbaren  Flüfsigkeiten  aufgeschwemm- 
ter Theilchen  entdeckte,  tauchte  Buffon's  Lehre  wieder  auf,  um 
sogleich  wieder  zu  scheitern.  Brown  glaubte  auf  belebte,  selbst 
im  Feuer  unzerstörbare  Urtheilchen  aller  organischen  und  anorga- 
nischen Korper  gestofsen  zu  sein,  ganz  wie  Buffon  sie  sich 
dachte,  den  er  übrigens  so  wenig  wie  die  Monaden  erwähnt.'' 
Hr.  C.  A.  Sig.  Schnitze,  damals  in  Freiburg,  spann  den  ge- 
schichtlichen Faden  von  der  Brown'sclien  Vorstellung  zur  Leib- 
nizischen  Monadologie  zurück.  ^  ^  Er  bewies  zugleich,  dafs  die 
zitternde  Bewegung  der  Theilchen  nicht  von  dieser  ausgehe,  son- 
dern nur  das  Anzeichen  einer  zitternden  Bewegung  der  tropfbaren 
Flüfsigkeit  sei.  Die  Untersuchungen  von  Hrn.  Christian  Wie- 
ner'* und  Hrn.  Sigmund  Exner'*  haben  neuerdings  wahr- 
scheinlich gemacht,  dafs  diese  zitternde  Bewegung  der  Flüfsigkeit 
einerlei  ist  mit  deren  Wfirmeschwingungen,  zu  denen  die'  Schwan- 
kungen der  Theilchen  sich  verhalten  mögen,  wie  zu  kurzen  Wellen 
die  langsamen  Schwankungen  des  grofsen  Seeschiffs. 

Robert  Brown's  Active  Mohcules  waren  also  auch  noch 
keine  belebten  Urtheilchen  der  Organismen.  Dafs  ein  Mann  wie 
er  so  irren  konnte,  zeigt,  wie  tiefe  Wurzeln  die  Überzeugung 
geschlagen  hatte,  es  müsse  solche  Theilchen  geben.  Dem  da- 
mals herrschenden  Yitalismns  schien  es,  als  würde  den  Lebens- 
kräften,  die  man  die  Wunder  der  Organisation  verrichten  liefs, 
ihr  Geschäft  erleichtert  gleichsam  durch  Vervielfältigung  der 
Etappen,  durch  Kleinheit  des  Bezirkes,  in  welchem  sie  feind- 
lichen anorganischen  Kräften  entgegen  die  organischen  Aufgaben 
zu  erfüllen  hätten.  Oken,*'  Heusinger,"  Purkinje'*  und 
A.  F.  J.  Carl  Mayer"*  (in  Bonn)  behaupteten  dergestalt  theo- 
retisch das  Dasein  organischer  Urtheilchen,  in  denen  eine  £n- 
telechie  walte,  die  sie  Monaden  nannten,  und  zum  Theil,  ganz 
wie  Buffon,  als  Infusorien  und  Zoospermien  ein  selbständiges 
Leben  führen  liefsen.  Ähnlichen  Meinungen  begegnet  man  um  die- 
selbe Zeit  in  Frankreich  bei  RaspaiP^  und  Dutrochet. '^ 

Man  weifs  wie,  nach  den  ernsten  Arbeiten  noch  eines  Jahrzehends 
mit  dem  verbesserten  Mikroskope,  schliefslicli  der  Gedanke  or- 
ganischer  Urtheilchen   durch  Hrn.    Schwann's    epochemachenden 


846  Nachtrag. 

^Untersuchungen^    verwirklicht  ward.     Jeder  Orgaoismafi  ist  am 
nun    wirklich  ein  Aggregat  mehr  oder  minder  zahlreicher  kla&e 
Einzelwesen,  deren  Eigenschaften  die  Eigenschaften  des  GesaniBr 
Organismus  fast  so  wiederholen ,   wie  die  Eigenschaften  der  Krr- 
stallniolekein  die  Eigenschaften   des  Krjstalls;   welche  anfeige« 
Hand  sich  ernähren,   umbilden,   bewegen,  fortpflanzen,  und  dorc^ 
die    Summe    ihrer    normalen    und    anomalen    Verfinderangeo  <k 
entsprechenden    Yerfinderungen    des    Organismus    bewirken.    Wir 
nennen    diese  Wesen    nach  Hm.  B rucke's  Vorschlag  Elesmißf- 
Organismen^*,    eine    Bezeichnung,   welche  alles  Hypothetische  asi 
Streitige  in  ihrer  Natur  unberührt  Ififst     Freilich  halten  vir.  cüt 
Hrn.   Schwann  in  seiner,   im   Einzelnen  immerhin  nicht  obenil 
zutreffenden,  sonst  aber  für  alle  Zeit  tief  richtig  gedachten  ^Tlieon« 
der  Zellen '^,  die  Veränderungen  der  Elementarorganismen,  hh  «^ 
eines    Besseren    belehrt    werden,     für    gleichartig    mit   6ta  ^e^ 
gangen  der  anorganischen  Natur.     Statt  von  einer  Entelechie  leiui 
wir  sie   von  den  unveränderlichen  Kräften   der   Atome,  tmd  ib 
Besonderheit   von  der  besonderen  Zusammenfugnng  der  Materie  k 
den  Organismen  ab.     In  Hrn.  Schwann's  Augen  hatten  die  Zeih 
mit   den   Monaden   nichts   mehr  zu   schaffen.     Dennoch  dankte  d 
Zellenlehre  die  Bereitwilligkeit,   mit  der  sie  aufgenommen  ward' 
zum   Theil  dem   Umstände,    dafs    darin    für  Viele   der  nie  wieder 
ganz  vergessene  L ei bni  zische   Gedanke  gleichsam  Fleisch  vtra: 
und  der  diese  Lehre  am  lebhaftesten  ergriff  und  am  wärmfiten  vi^ 
trug,  Johannes  Müller,  war  dieses  Zusammenhanges  so  entseb>^ 
den  sich  bewufst,   dafs  er  in  seinem  „Handbuch  der  PhysiologW* 
unter  Hinweis  auf   die  Lei bniz-Herbar tische  Monadologie.  Tu* 
die   Zellen  den  Namen    „organische   Monaden '^  vorschlug."    I^ 
selben  Namens   bediente  sich  auf  denselben  geschichtlichen  Gm: 
hin   auch  Hr.  Henle  bei   seiner  ersten  theoretischen    Darstellst; 
der  Zellenlehre  in  der  „Allgemeinen  Anatomie.^ '^ 

Die  Leibni zische  praestabilirte  Harmonie  stand  in  gerades 
Gegensatze  zur  Aristotelischen  oder  Locke'schen  Lehre,  äa' 
die  Seele  ursprunglich  eine  Tabula  rasa  sei,  auf  der  die  Vorstellcr 
gen  erst  allmählich  durch  die  Sinnes  Wahrnehmungen  eingetrsg. 
werden,  ja  die  Novveatuc  Essais  waren,  wie  ihr  Titel  zeigt,  «^ 
drucklich  auf  die  Kritik  des  Sensualismus  gerichtet.  Dies  ist  ^' 
der  praestabilirten  Harmonie,  wie  sie  Lei  bni  z  sich  dachte.  «^ 
Seite,  welche  bis  heute  lebendig  und  wirksam  in  der  WissenK- 


Nachtrag.  847 

blieb.  Die  Physiologie  bedient  sich  jenes  Ausdruckes  auch,  um 
das  unerklärte  zweckmfifsige  Ineinandergreifen  der  Vorgänge  im 
Thierkörper  zu  bezeichnen,  wie  man  z.  B.  ein  solches  annehmen 
inufs,  um  die  zweckmäfsigen  Bewegungen  enthimter  Thiere  durch 
Reflexmechanismen  zu  erklären,  anstatt  mit  Hrn.  Pfluger  dem 
Ruckenmarke  sensorische  Functionen  zuzuschreiben.  Doch  wird 
unter  praestabilirter  Harmonie  schlechthin  gewöhnlich  die  Lehr-^ 
meinnng  verstanden,  dafs  es  der  Aufsenwelt  entsprechende  ange- 
bome  Vorstellungen    und  Verstandes- Kategorien  gebe. 

Hier  wfire  nicht  Ort  noch  Zeit,  den  Verlauf  des  seit  Leibniz 
über  diese  Lehrmeinnng  geführten  Streites  auch  nur  anzudeuten. 
Nur  die  Stellung,  welche  dazu  die  neuere  Physiologie  einnimmt, 
i8t  hervorzuheben.  Durch  die  den  Physiologen  mehr  als  den  spe« 
culativen  Philosophen  nah  liegende  Zergliederung  der  Sinneswahr- 
nehmungen  wurden  erstere  meist  dazu  gefuhrt,  sich  Locke's  An- 
sicht anzaschliefsen.  Schon  Johannes  Müller'^  sprach  sich  in 
einer  lichtvollen  Auseinandersetzung  wider  die  angebornen  K  an  ti- 
schen Kategorien  und  für  die  Meinung  aus,  dafs  das  einzige  nr- 
sprungliche  Vermögen  des  menschlichen  Geistes  darin  bestehe,  ans 
den  durch  die  Sinne  zugefübrten  Vorstellungen  allgemeine  Begriffe 
zu  bilden;  im  Gegensatz  zu  den  Thieren,  welche  höchstens  zur 
Association  gleichzeitig  wiederkehrender  Eindrücke  sich  erheben, 
wie  Stock  und  Schläge,  Hutaufsetzen  des  Herrn  und  Spazieren- 
gehen solche  für  den  Hund  sind.  Sogar  der  CausalitätsbegrifF 
braucht  nicht  angeboren  zu  sein,  sondern  man  kann  sich  denken, 
daf3  der  verallgemeinernde  Verstand  ihn  aus  dem  regelmäfsigen 
Zusammentreffen   der  Vorstellungen  ableitet. 

Zu  ähnlichen  Aussprüchen  ist  neuerdings  Hr.  Helmholtz 
gelangt,  als  im  Verfolg  seiner  Bearbeitung  der  physiologischen 
Optik  die  altberühmte  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Raunivor- 
stellang  ihm  entgegentrat."  Hr.  Helmholtz  setzt  die  beiden 
Lehrmeinungen,  die  der  angebornen  und  die  der  erworbenen  Vor- 
stellungen, einander  gegenüber  unter  dem  Namen  der  nativistischen 
nnd  der  empiristiaehen  Theorie.  Er  besteht  darauf,  dafs,  bis  die 
Unmöglichkeit  bewiesen  sei  mit  dem  Empirismus  auszukommen, 
der  Nativismus  als  ein  Unerklärliches  zurückzuweisen  sei.  Was 
insbesondere  die  Deutung  unserer  Netzhautbilder  betrifft,  so  lassen 
seine  Ausführungen  keinen  Zweifel,  dafs,  unter  der  Voraussetzung 
des  Vermögens    allgemeine  Begriffe  zu  bilden,    durch    das  Znsani- 


848  Nachtrag. 

roenwirken  der  Netzhautbilder  mit  TastempfindaDgen  uod  ßetr 
gungen,  die  Raum  Vorstellung  entstehen  könne.  Wie  in  der  m"^ 
folgenden  Lebenszeit  Gehen  und  Sprechen  augenscheinlich  eHrr^ 
i^erden ,  so  gehen  die  ersten  Monate  des  Lebens  darüber  bin,  lü^ 
nicht  minder  schwierigen  Künste,  des  Sehens  und  Greifens  za  er- 
lernen. Molyneux*  sogenanntes  Problem,  ob  ein  BliodgebonM^f 
sehend  gemacht  eine  Kugel  von  einem  Würfel  unterscheiden  vü^- 
die  er  schon  früher  durch  den  Tastsinn  zu  unterscheiden  wbjsi«». 
scheint  durch  mehrere  Beobachtungen,  namentlich  doith  (k 
lilteren  Fall  von  Che  seiden  und  den  etwas  neueren  von  Wa  r- 
drop,  dahin  entschieden,  dafs  der  Operirte  seine  Gedcfat«- 
eindrücke  nur  mangelhaft  zu  deuten  versteht 

Die  metamathematischen  Untersuchungen  von  R  i  e  ni  a  o  n ,  Hm 
Helm  hol tz  u.  A.  über  die  der  Geometrie  zu  Grunde  liegeadm 
Thatsachen  haben  dieser  Anschauungsweise  eine  neue  Stütie  ui- 
liehen.  Sie  haben  gezeigt,  dafs  Gröfsencomplexe  mit  den  wf^:- 
liehen  Eigenschaften  des  Raumes  sich  logisch  denken  lassen,  ü 
nicht  unser  gemeiner  Raum  mit  seinen  drei  Dimensionen  ^^ 
Die  Vorstellung  dieses  Raumes,  wird  daher  geschlossen,  b^ 
keine  angeborne,  sie  mufs  eine  erwotbene  sein." 

Eine  Reihe  von  Problemen,  der  Frage  nach  den  angeborttc* 
Vorstellungen  verwandt,  bieten  die  durch  an  sich  mehr  gldcbgi^- 
tige  Sinneseindrücke  hervorgerufenen  Empfindungen  der  Lust  m^ 
Unlust,  sowie  die  instinctroäfsigen  Strebungen,  dar.  Anch  \k 
handelt  es  sich  darum,  ob  das  Urtheil  über  Schön  und  HiI^bu 
über  Angenehm  und  Widerwfti*tig,  ob  der  Trieb  zu  bestimmt^- 
Handlungen  der  Seele  ursprünglich  eingepflanzt  sei,  oder  ob  »v 
Gründe  angeben  lassen,  welche, .  wenn  auch  unbewuf^t,  cs^^' 
Gefühl  und  unsere  Thfitigkeit  bestimmen. 

Ein  solches  R&thsel  liegt  vor  in  der  Wirkung  gleichzeiti^t^ 
oder  einander  folgender  Töne  in  Harmonie  und  Melodie.  In  seifig ^* 
erstaunlichen  Werk  über  die  Tonempfindungen  hat  Hr.  Hein* 
holtz  versucht,  für  den  Unterschied,  den  unser  Ohr  zwiscb^' 
Consonanz  und  Dissonanz  macht,  den  zureichenden  Grund  vsr^ 
geben.  Er  hat  gezeigt,  dafs  die  Obertöne  von  Tonen,  derf^ 
Schwingungszahlen  in  einfachem  Verhfiltnifse  stehen,  miteinasi^' 
keine,  oder  nur  solche  Schwebungen  machen,  welche  noch  c^' 
als  widerwärtige  Rauhigkeit,  unerträglich  wie  das  Flackern  ris' 
Lichtes,  empfunden  werden,  und  durch  Verwin-ung  der  Klangroa.^ 


Nachtrarj.  849 

die  Seele  in  peinliche  Ungewifsheit  versetzen.  Er  hat  diese  Lo- 
sung des  alten  Pythagoreischen  Problems  auch  auf  die  Construc- 
tion  der  Tonleitern,  ja  auf  d^  Melodie  ausgedehnt,  indem  er  als 
Bedingung  wohlgefälliger  Klangfolge  die  Verwandscha/t  der  Klänge 
bezeichnet.  Sie  besteht  darin,  dafs  die  einander  folgenden  Klange 
gemeinschaftliche  Obertone  besitzen,  gleichsam  miteinander  reimen. 
Eine  melodische  Wirkung  an  Obertonen  armer  Klänge^  vollends  ein- 
facher Tone  ist  nach  ihm  nur  dadurch  möglich,  dafs  wir  die  zu- 
gehörigen Obertöne  in  der  Vorstellung  unbewufst  ergänzen. 

Wir  wissen  also  nun,    dafs  gleichzeitig  erklingende  Töne  von 
einfachem»  Schwingungsverhältnifs  eine  unangenehme  Nebenwirkung 
nicht  haben,    welche  Tönen  von    minder    einfachem  Schwingungs- 
verhältnifs  eigen  ist.     Verstehen  wir  aber  darum,    weshalb    solche 
Tone    eine    angenehme   Wirkung    üben?      Warum    entzückt    denn 
mein  Ohr  jener  ruhige  Flufs,    in  welchem    consonirende  Töne  ne- 
beneinander abfliefsen?   Was  vollends  die  Melodie  betrifft,  so  wird 
keine    solche  Deutung  je    verständlich    machen,    weshalb  eine  be- 
stimmte   Tonfolge    nach    bestimmtem    Zeitmafse    mein    Herz    mit 
schmerzlich    süfser  Rührung    füllt,    weshalb    eine  andere  zu  todes- 
muthigem  Vorstürmen   mich  entflammt.     Die  Erklärung  der  Melo- 
die, welche  Diderot  Rameau^s  Neffen  in  den  Mund  legt,  sie  sei 
eine  Nachahmung  der  Sprache   der   Leidenschaft,'^    ist  nicht  be- 
lästigend, wie  die  Haller's,  der  meinte,  hohe  und  schnelle  Töne 
erheiterten,  tiefe  und  langsame  betrübten  uns,  weil  wir  in  der  Freude 
schnelle  und  hohe,  in  der  Trauer  langsame  und  tiefe  Töne  von  uns 
gaben;"  aber  sie  pafst  einigermafsen  doch  nur  auf  das  Recitativ, 
^^elcbes  keine  Melodie  ist.     Die    positiv    angenehme  Wirkung  der 
Harmonie    und   der  Melodie,    zu    der    sich  bei  letzterer  eine  spe- 
cifiscbe  psychische  Wirkung  gesellt,    sind  ein  unergründliches  Ge- 
heimnifs,  und  es  ist  ziemlich  einerlei,  ob  wir  unsere  Unwissenheit 
in  dieser  Form    bekennen,    oder   indem  wir  sagen,    zwischen  den 
sinnlichen  Eindrücken    und    der    Seelenbewegungen    herrsche    eine 
praestabilirte  Harmonie. 

Diderot*8  Definition  der  Melodie  gehört  demselben  Kreise 
seichter  rationalistischer  Erklärungen  an,  wie  die  im  vorigen  Jahr- 
hundert geläufige  Erklärung  der  Liebe  aus  den  Tugenden  des  ge- 
liebten Gegenstandes,  die  Abbe  Prevost  durch  seine  Manon  Les- 
caut  widerlegte.  In  Wahrheit  ist  nicht  einmal  eine  Erklärung  für 
di(»  Anziehung    denkbar,    welrlie    die    schönen  Formen    des    einen 


850  Nachtrag, 

Geschlechter  anf  das  andere  üben,  geschweige  für  die  indiriduflk 
Neigungen,  denen  Liebe  entspringt. 

Doch    sind    dies    besonders   dunkle   Problenoe,    bei  denen  ^ 
unter  Ariderem  schwer  ffiUt,  aus  den  zu  erklärenden  geistigen  Be- 
ziehungen den  Antheil  zu  scheiden,   der  von   unserer  Bildang,  r<: 
fruheren    Eindrucken    stammt.      Die    Begriffe    musikalischer  o». 
plastischer  Schönheit  wechseln    so    sehr  vom  Einen    anim  Aodma. 
von  Volk  zu  Volk,  dafs  es  mifslich  wäre,  auf  Beispiele  allein  ar« 
dieser  Sphaere    die  Annahme    einer    praestabilirten    Harmonie  r. 
stutzen.     Sieht  man  aber  zahllose  sonst  sehr  stumpfsinnige  TliiVr? 
in    kürzester  Frist    den    vollständigen  Gebranch    ihrer  Sinne  csJ 
Glieder  erlangen,    Kalb    und  Füllen    neugeboren    auf  die  müner- 
liehen  Zitzen  zugehen,   gleichviel  ob  durch   das  Gesicht,  oder,  vie 
Hr.  Helmholtz    vermuthet,    durch    den  Geruch  geleitet'*;  $ieVt 
man   Schmetterling    und  Libelle    auf  kaum  fertigem  Flügel  in  di«* 
Lüfte  steigen,  Küchlein   picken   und  Entchen  schwimmen;  enrä^ 
man    die    mannigfaltigen   Kunsttriebe,    die    bei   jedem    Individunn 
einer  Species  zu  gewissen  Lebenszeiten   auch  unabhängig  von  d** 
äufseren  Umstfinden  sich  einstellen,  auf  welche  sie  berechnet  schö- 
nen, und  die  allein  sie  hervorrufen  könnten:  so  verzweifelt  man  a: 
der  Durchfuhrung  der  empiristischen  Ansicht,  und  fühlt  sich  wider- 
willig,   doch  unausweichlich,    auf  eine  praestabilirte  Harmonie  r:- 
rückge  wiesen. 

Gegenüber    solch    überwältigender  Masse    des    Unerklarlicli 
verliert  man  dann  die  Freude    daran,  diese  Masse    um    einen  vrT- 
schwindenden  Bruchtbeil  dadurch  zu  verringern,  dafs  man  in  ein- 
einzelnen Falle,  am  menschlichen  Kinde,  mühsam  ausfuhrt»  wie  -^ 
durch    eine    unbewufst    bewufste   Thfttigkeit    wohl    dazu    gelanirü 
könne,    seine  Sinneseindrücke    richtig  zu   deuten,    den    Raum   ci 
sich    zu    entwerfen,    seine  Glieder  passend  zu  bewegen,    und   c 
Satz    vom    zureichenden    Grunde    zu    finden.      Für    angeboren   -r. 
strengen  Sinne,    d.  h.  für  zur  Zeit   der  Geburt   bereits    vorlian^i: 
braucht    man    darum    diese  Kenntnisse    und  Ffihigkeiten    nicht  71 
halten.     Sie    können    in    einem    gewissen    Alter    noch    fehlen    url 
später  plötzlich   bemerkt  w^erden,    ohne  dafs   das  Kind  sie  in  i  > 
Weise  sich  erwarb,  wie  die  empiristische  Theorie  meint.    Das  E: 
stehen  des  Gedfichtnisses ,    der  geschlechtlichen  Vorstellungen  "J 
Strebnngen,  das  von  Goethe  beobachtete  Wachsen  specifischer  T 
lento  ohne  Übung,*'   und  eine  Menge  ähnlicher  Thatsachen  »chri' 


Nachtrag.  851 

SU  lehren,  dafs  im  Gehirne  die  Bedingungen  für  gewisse  geistige 
Vorgänge  mit  der  Zeit  von  selber  sich  herstellen,  heraufgeführt 
durch  das  Wachsthum  des  Organes,  ganz  wie  dies  mit  den  £nt- 
wickelungszust&nden  und  Leistungen  anderer  Organe  zweifellos 
dei-  Fall  ist  Während  also  beim  Kälbchen  schon  während  des 
Poetallebens  eine  Gehirnentwickelung  geschah,  vermöge  deren 
das  neugeborne  Tliier  im  Räume  Bescheid  weifs,  seine  vier  Fufse 
iii  richtiger  Folge  zu  setzen  und  seinen  Schwerpunkt  zu  unter- 
stutzen versteht,  geht  beim  Kinde  die  entsprechende  Entwickelung 
erst  nach  der  Geburt,  während  der  ersten  Monate,  vor  sich. 
Nach  dieser  Ansicht  wären  die  Raum  Vorstellung,  die  Verstan- 
des-Kategorien,  weder  angeboren  noch  erworben,  sondern  sie 
Avuchsen  dem  werdenden  Geiste  allmählich  zur  richtigen  Zeit  von 
sell^r  zu.  Damit  aber  verständlich  werde,  warum  ein  sehend  ge- 
machter Blindgeborner  ein  an  das  Licht  gelassener  Caspar 
Ilauser  seine  Gesichtseindrucke  mangelhaft  deutet,  mufs  freilich 
hinscugefügt  werden,  dafs  zur  normalen  Entwickelung  der  Sehsinn- 
substanz  normale  GesichtseindrGcke  gehören:  wofür  es  an  Analo- 
gien nicht  fehlt. 

Über  die  Art,  wie  die  geistigen  Vorgänge  und  die  Vorgänge 
im    Gehirne    miteinander    zusammenhängen,    wird  hier  nichts   vor- 
an sgesc^tzt,   als   dafs  diese   für  jene  die  nothwendige  Bedingung  zu 
sein  scheinen.     Die  Physiologie  ist  zwar  die  Wissenschaft  von  den 
iiiiberen    Bedingungen    des    Bewufstseins    in    der    Welt;    doch    ist 
leicht  zu  zeigen,    dafs   es   nie  gelingen  kann,    auch  nur  die  ersten 
Stuten  des  Bewufstseins,  Lust  und  Unlust,  denkend  zu  begreifen. 
Das  also  ist  der  Sinn,  in  welchem  von  einer  praestabilirten  Har- 
monie   zwischen    unseren  Vorstellungen    und    der  Welt    noch    die 
Rede  sein  kann.     Allein  ehe  wir  uns  zu  ihrer  Annahme  auch  nur 
in  dieser  Gestalt  bequemen,  wird  es  angemessen  sein,  zu  versuchen, 
ob  ein  für  unseren  Verstand  so  peinliches  Zugeständnifs  sich  nicht 
noch  irgendwie  bedingen   lasse.     Und  es  scheint  allerdings,  als  ob 
neuere  siegreiche  Fortschritte  der  Wissenschaft    uns  erlaubten,  die 
Marksteine  unserer  Krkenntnifs  weiter  hinaus  zu  schieben,  und  der 
praestabilirten   Harmonie    das    supranaturalistische  Gewand    abzu- 
streifen, das  ihr  noch  von  Leibniz  her  anhängt. 

Eine  der  Grundthatsachen,  auf  denen  die  Darwin 'sehe  Theo- 
rie ruht,  ist  die  Möglichkeit  der  Vererbung  aller  erdenklichen  kör- 
perlichen   und    geistigen   Besonderheiten    und  Fähigkeiten,    welche 
[1870]  58 


852  Nachfrag. 

durch  die  Neigung  zur  VarietSteobilduDg  entstehen.  Sie  köoaa 
auf  den  Keim  fibergehen,  können  während  langer  £ntwickelQS|^ 
abschnitte  schlummern,  und  unter  geeigneten  Umständeu,  als  wäm 
sie  durch  diese  hervorgerufen,  plötzlich  in  aller  Starke  sieh  1k> 
thfitigen.  So  hat  der  grofse  Britische  Denker  und  Forscher  dai 
R&thsel  vieler  sonst  nur  durch  praestabilirte  Harmonie  zu  erkli- 
render,  d.  h.  unbegreiflicher  Knnsttriebe  glucklich  gelöst. 

Sollte  man  sich  nicht  denken  können,  dafs  auch  die  söge 
nannten  angebornen  Ideen  dergestalt  ein  naturliches  ErbtheU  im- 
seres  Geschlechtes  seien?  Sollte  nicht  hierin  die  wahre  EntsdKi- 
dung  des  alten  Streites  zwischen  Empirismus  und  Nativismos  Ik- 
gen,  eine  Entscheidung,  die  zugleich  eine  Yersöhnang  wäre,  ds 
beide  Theile  Recht  behielten?  Denn  indem  diese  Anscluuiacf 
die  praestabilirte  Harmonie  für  das  menschliche  Individuum  zs- 
Ififst,  wie  in  Dingen  des  Instinctes  ffir  die  einzelne  Biene  oder 
Ameise ,  l&fst  sie  für  das  ganze  Geschlecht  die  sensoal istische  Ai}- 
sicht  gelten.  So  bietet  sie  uberdiefs  noch  einen  VortheiL  Di? 
schwierige  Arbeit,  welche  der  Sensualismus  dem  einzelnen  Meih 
schenkinde  während  der  ersten  Lebensmonate  zumuthet,  Ton  dece& 
es  noch  dazu  etwa  elf  Zwölftel  schlafend  verbringt,  vertheilt  sie  acf 
eine  unermefsliche  Reihe  von  Geschlechtem,  die  sich,  ihre  Errnfi- 
genschaften  durch  Vererbung  steigernd,  folgweise  an  jener  Arbeit 
betheiligen.  Abermals  trifft  hier  die  Lei bnizi sehe  Lehre  zosao- 
men  mit  der  Lehre  Darwin 's,  um  durch  sie  formell  bestätigt,  des 
Inhalte  nach  aber  besiegt  zu  werden:  denn  es  ist  dergestalt  6\^ 
praestabilirte  Harmonie  gleichsam  in  den  mechanischen  Weltpr»- 
cess  aufgenommen. 

In  den  mittelalterlichen  Bauten  Italiens  sieht  man  ofl  Tempil- 
trummer  einer  versunkenen  Religion  als  Werkstucke  eingemaoert 
Seiner  Bestimmung  entfremdet,  kaum  kenntlich,  fesselt  der  mar- 
morne Architrav  einen  Augenblick  den  sinnigen  Wanderer.  Acht- 
los vorüber  eilt  die  Menge.  So  birgt  der  unscheinbare,  aber  sicherr 
Bau  heutiger  Empirie  manche  Trummer  einer  glänzenden,  einst  dk 
Wissenschaft  beherrschenden  Speculation,  in'  der  unsere  Zeit  d»' 
Heil  nicht  mehr  sucht.  Von  Vielem,  was  wir,  des  Ürsprun^ft' 
unserer  Schätze  nicht  immer  eingedenk,  das  Unsere  nennen,  kü&Dtf 
Leibniz,  nach  zweihundert  Jahren  wiederkehrend,  im  sicheres 
Gefühle  geistiger  Urheberschaft  sagen:  Das  ist  Geist  von  meinen 
Geist,  und  Gedanke  von  meinem  Gedanken. 


Nachtrag,  853 


Anmerkungen. 


'      6.   6.  Leibnitii   Opera  philosophica   etc.     £d.  J.  E.  Erdmann. 
Berolini  1840.     4^     p.  758. 
«     L.  c. 

*  L.  c.  p.  775.  »Les  forces  ne  sont  [pas]  ditruites,  mais  dissipees 
^parmi  les  parties  menues.  Ce  n^est  pas  les  perdre,  mais  c'est  faire  comme 
^fönt  ceux  qui  changent  la  grosse  monnaie  en  petite.** 

*  L.  c.  p.  476. 

*  L.  c.  p.  705. 

*  Kuno  Fischer,  Geschichte  der  neaern  Philosophie.  Heidelberg 
1867.     Bd.  U.     S.289. 

^     Oeuvres  de  Denis  Diderot.     Paris  1798.     t  VI.     266.  267. 

*  L.  c.  p.  724. 

'     L.  c.  Monadologie.     §.  67.  68.     p.  710. 

^®  Animaicula  Infusoria  flnviatilia  et  marina,  opus  posthamum.  Cnra 
Othonis  Fabricii.     Havniae  1786.     4.     p.  1.  4. 

^  ^  Histoire  naturelle,  generale  et  particnli^re.  Aux  Deux-Ponts  1785. 
t.  IV.  p.  22:  «Les  etres  vivants  contiennent  une  grande  quantite  de  mo- 
^lecules  Vivantes  et  actives;  la  vie  de  Tanimal  ou  du  vegetal  ne  parait  Stre 
,qne  le  resultat  de  toutes  les  actions,  de  toutes  les  petites  vies  particuli^res 
,^s''i]  m'est  permis  de  m^exprimer  ainsi)  de  chacone  de  ces  mol^cules  ac- 
^tives,  dont  la  vie  est  primitive  et  parait  ne  pouvoir  Stre  detruite,**  etc. 

»»     L.  c.  p.  125.  527,  711. 

*>  Oeuvres  de  Funtenelle  etc.  Paris  1792.  p.  VIL  Eloge  de  Hart- 
soeker.     p.  216.   217. 

**     L.  c.  p.  711, 

1 »     Yergl.  diese  Berichte,  1868.     S.  49. 

'*     Consid^rations  sur  les  Corps  organises  etc.  Amsterdam.    1762. 

t.  I.     p.  95  et  suiv. 

'^  Vergl.  Rixner,  Handbuch  der  Geschichte  der  Philosophie.  Sulz- 
bach 1823.     Bd.  m.     S.  224. 

' '  A  Brief  Account  of  Microscopical  ObservationS  .  .  .  on  the  Particles 
eontained  in  the  Polleu  of  Plauts;  and  on  the  General  Existence  of  Active 
Molecules  in  Organic  and  Inorganic  Bodies.  —  Als  MS  1828  in  London 
gedruckt 

^*  Mikroskopische  Untersuchungen  über  des  Herrn  Robert  Brown 
Entdeckung  lebender,  selbst  im  Feuer  unzerstörbarer  Theilchen  in  allen 
Körpern,  und  fiber  Erzeugung  von  Monaden.  Carlsmhe  und  Freiburg  1828.  4°. 

58* 


854  ^Nachtrag. 

'^     Poggendorff^g  ADnalen  u.  s.  w.   1863.     Bd.  CXVm.     8.  T>£ 

' '  UDtenuchaiigeii  aber  B  r  o  w  n  *8  Molecolarbewegong.  In  den  Siira^ 
berichten  der  Kab.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Wien.  1867.  Bd.  L^. 
S.  116. 

"     Oken,  Die  Zengnag.     Bamberg  and  Wfirzbuig  1805.     S.  S1. 

"  De  Organogenia.  Particola  L  de  Materia  oiganicm  amorpha.  Pr- 
gramma.     Jenae  18f}w     4^. 

>^  S.  in  Joh.  Mfiller*8  Handbach  der  Physiologie.  CoUenf  1I4Cl 
Bd.  II.     S.  555. 

'^  Supplemente  znr  Lehre  vom  Kreisläufe.  Heft  1.  Bonn  1827.  V. 
S.  21;  —  Heft  2.  Bonn  1836.  S.  41;  —  die  Metamorphose  der  Koosdn. 
Bonn   1840. 

'*     Chimie  organique.     §.  831.  832.  1656.  4421  et  suir.  —  Otat  ( 
Henle,  Allgemeine  Anatomie  u.  s.  w.     S.  128. 

'*  Memoires  pour  serrir  a  THistoire  anatomique  et  phjsiologiqBe  i'- 
Vegetaux  et  des  Animaaz.     Paris  1837.     t  IL     p.  468. 

>8     Wiener  Sitzungsberichte,  1861.  Bd.  XLIV.     S.  381  IE. 

'»     A.  a.  O.  Bd.  n.     S.  655. 

*«     A.  a.  O.     Leipzig  1841.     8.  127.  132. 

>i     Handbuch  der  Physiologie.     Bd.  IL     S.  517. 

"     Handbuch  der  physiologischen  Optik.     Leipzig  1867.     S.  427  £ 

*'  Helmholtz,  Les  Aziomes  de  la  Geometrie,  in  AlglaTe't  Refir 
des  Cours  ecientifiques  et  litteraires.  1870.  p.  498.  —  Ans  der  Aeoäe-} 
übersetzt. 

'^  ,Le  cbant  est  une  Imitation,  par  les  sons,  d*une  echeOe  inTcair* 
»par  Tart  ou  inspiree  par  la  nature,  comme  il  voos  plaira,  ou  par  la  tv:i 
,ou  par  linstrument,  des  bruits  physiqaes  ou  des  accents  de  la  pacsioB.* 

'^  „Mihi  quidem  res  non  adeo  dif&cilis  videtnr.  Lactitiam  aosp' 
„homines  excitatis  et  celeribus  sonis,  tristitiam  lentis  et  grmviboi  ab  ipa 
,  natura  docti  exprimunt  .  .  .  Quare  ex  lege  adsociationis  ideamm,  tukn. 
,soni  eum  in  cerebro  et  in  mente  statum  revocant,  cujus  signa  sant  ü  c«l«rr« 
,»soni,  et  graves  pariter  eum  animi  adfectum  restituunt,  cojas  dialecto«  U 
«gravibus  tonis  est.*'  Elementa  Physiolog.ae  Corporis  hummoi.  4^.  L  V 
l^usannae  1763.     p.  504. 

'*  Die  neueren  Fortschritte  in  der  Theorie  des  Sebena.  Prea&is^^ 
Jahrbucher  1868. 

'^  Eckermann,  Gespräche  mit  Goethe  in  den  letzten  Jahmi  5^ 
nes  Lebens.     Leipzig  1836.     Tb.  IL     S.  132.  133. 


MONATSBERICHT 

DER 

KÖNIGLICH  PREÜSSISCHEN 

AKADEMIE    DER    WISSENSCHAFTEN 

zu  BERLIN. 

December  1870. 


Vorsitzender  Sekretär:    Herr  Haupt. 


l.  December.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Kummer  las: 

Über  eine  Eigenschaft  der  Einheiten   der  ans  den 

Wurzeln    der    Gleichnng    a^  =  l    gebildeten    complexen 

Zahlen    und    über    den    zweiten    Faktor    der 

Klassenzahl. 

Die  Einheiten  der  complexen  Zahlen  sind,  wenn  man  von  den 
einfachen  Einheitswurzeln  absieht,  welche  als  Faktoren  hinzutreten 
können,  stets  reale  Grofsen.     Betrachtet  man  eine  beliebige  solche 
Einheit  mit  allen  ihren  conjugirten  zusammen,  so  crhfilt  man  eine 
Reihe  von  realen  Grofsen,   welche  im  Allgemeinen  zum  Theil  po- 
sitiv, zum  Theil  negativ   sein  werden,    welche  aber  in  dem  beson- 
deren FaUe,  wo  die  gegebene  Einheit  ein  Quadrat  ist,  nothwendig 
alle  positiv  sind.     Hieran  knüpft  sich  nun  die  Frage,  ob  auch  um- 
gekehrt alle   diejenigen   Einheiten,    welche  die  Eigenschaft  haben, 
dafs  sie  mit  allen  ihren  conjugirten   nur  positive  Werthe    haben, 
vollständige  Quadrate  von  Einheiten  sein  müssen,    oder  wenn  dies 
nicht  der  Fall  ist,  welche  weitere  Bedingungen  hierzu  nothig  sind. 
Diese  Frage  ist  es,  welche  ich  hier  für  die  aus  Aten  Einheitswur- 
zeln gebildeten  complexen  Zahlen  erörtern  will;    sie  hat  auch  da- 
rum ein  besonderes  Interesse,    weil  ihre  Lösung  eine   neue  Eigen- 
schaft des  schwer  zugänglichen  zweiten  Faktors  der  Klassenzahl 
ergiebt,  nämlich  eine  Bedingung  seiner  Theilbarkeit  durch  Zwei. 
[1870]  59 


I 


856  Gesammtsitzung 

Es  Bei  y  eine  primitive  Wurzel  der  Primsahl  >.,  femer  sei  - .  • 
der  kleinste  positive  Rest  von  y\  nach  dem  Modal  X,  nnd  a^  =  *.  | 
so  wird  das  System  der  conjogirten  Kreisthdlungseinheiten  darg^ 
stellt  darcb 


für   1;  =  0,  1,  2, ...  |tA  —  1,    wo  fi,    wie  auch    in    dem  Folgend 
gleich    ist.     Weil 

2t    .     .   .    2ir 
a  =  cos h  t  sm  — -  > 


eo. 


so  hat  man  auch 


sm 


woraus  man  ersieht,  dafs  ej^  positiv  ist,  wenn  y^^  und  y^^i  beme 
zugleich  kleiner  als  ^,  oder  beide  zugleich  grufser  als  ^  sind  ond 
dafs  «A  negativ  ist,  wenn  von  den  beiden  Zahlen  yj^  und  7t-»>i  ^^- 
eine  grofser  als  ^,  die  andere  aber  kleiner  als  ^  ist.     Da 

ist,  so  folgt,  dafs  die  Anzahl  der  negativen  unter  den  conjngirtm 
Kreistheilungseinheitcn  eine  ungrade  ist,  dafs  diese  also  niemab 
alle  positiv  sind, 

£s  soll  nun  weiter  untersucht  werden,  unter  welchen  Bedin- 
gungen eine  aus  den  Kreistheilungseinheitcn  zusammengesetzte  Eic- 
hel t,  welche  sich  als  ein  Produkt  von  Potenzen  der  conjagirtrs 
Kreistheilungseinhciten  darstellt,  die  Eigenschaft  haben  kann,  da'> 
sie  mit  allen  ihren  conjugirten  nur  positive  Werdie  hat.  Es  s>ei 
die  zu  betrachtende  Einheit 


X       .T 


vom  i.  December  1870. 


857 


ro  j;,  o;, , ....  Xu.i  irgend  welche  ganze  Zahlen  sind,  so  handelt 
s  sich  darum  diese  Exponenten  so  zu  hestimmen,  dafs  allgemein 

ositiv  sei ,  für  jeden  der  Werthe  k  =  0  ,  1  ^  2  ^  .»..  fx  —  i.  Ich 
•estimme  nun  die  Zahl  Cj^  so,  dafs  sie  für  jeden  Werth  des  A;  nur 
inen  der  beiden  Werthe  0  oder  1  habe  und  zwar: 

Cjfc  =  0    für  die  Werthe  des  Ar,   für  welche  «^  positiv, 
c^  =  1    für  die  Werthe  des  k,    für  welche  #4  negativ  ist. 

3Ie  Bedingung,  dafs  Ej^  positiv  sei,  ist  alsdann  gleichbedeutend 
nit  der,  dafs 

CigX  -f-  Cj^+iXi  -h  Cj^+^Xi  4-  ....  4-  Cjg^i  a?^«i 

nne  grade  Zahl  ist  und  weil  diese  Bedingung  für  jeden  der  fx 
Werthe  des  k  erfüllt  sein  soll,  so  hat  man  das  System  der  Con- 
gruenzen: 


(C.) 


ex        -h  Ci  a:,  H-  c,^2  -H 
CiX        -h  C^Xi  -4-CjJ?2  -h 


-4-  c^— 1  x^^i  =  0  , 

-h  CX^^i  =  0  , 

H-Ci«M-i       =0, 


mod.  2. 


Cm-1  X  -i-  cxi     4-  Ci  Äj  4- 


Cft-^^Xfi^l  ^zz  0  • 


Dieses  System  l&fst  sich  wie  bekannt  durch  die  lüiten  Wurzeln  der 
Einheit  auflösen;  bezeichnet  man  mit  w  eine  jede  beliebige  primi- 
tive oder  nicht  primitive  Wurzel  der  Gleichung  «?"  =  !,  multipli- 
clrt  diese  Congruenzen  der  Reihe  nach  mit  l,u;,to',  ....  u?""^  und 
addirt,  so  erhält  man 

(D)(c+Cito4-c»tö'4 l-c^_i«;**~')(j;H-a?,M>~*4-X8M'~*H hx^^t^) 

=  0  ,       mod.  2. 


Ich  setze  nun  zur  Abkürzung 


59^ 


( 


858  GesamnUtitzung 

so  bt  die  Determinante  dieses  Systems  Ton  Congmenzen  glci 
der  Tollstandigen,  über  alle  primitiven  und  nicht  primitiTcn  ^v- 
zeln  der  Gleichung  to"  =  1  sich  erstreckenden  Norm  von  vV. 
welche  ich  durch  N4/(to)  bezeichne.  Wenn  nun  diese  Detera- 
nante  N^i/  (w)  nicht  congruent  Null  ist,  mod.  2,  so  müssen  bekanr- 
lieh  alle  Werthe  der  Unbekannten  x,  Xi,  ....x^.i  einzeln  congrt* 
ent  Null  sein,  nach  dem  Modul  2,  also  die  Einheit  E  mu£s  in  di-. 
sem  Falle  ein  ToUstfindiges  Quadrat  sein. 

Wenn  nur  E  eine  Einheit  ist,  welche  sich  nicht  als  ein  Pro- 
dukt von  Potenzen  der  Ereistheilungseinheiten  darstellen  lälst,  m 
läfst  sich  nach  einem  bekannten  Satze  doch  stets  eine  bestiniBt« 
Potenz  von  E  in  dieser  Weise  ausdrucken  und  man  hat  allgeac: 
für  jede  Einheit  E  eine  Gleichung  von  der  Form 

Jlv         ^— *      C      C|        6]       ••••   Cfg^m\         f 

WO  n,  X,  Xi ,  • . . .  x^.i  ganze  Zahlen  sind,  deren  eine  man  gleidi  KiC 
nehmen  kann,  und  welche  nicht  alle  zugleich  einen  gemeinschaftüdiii: 
Faktor  haben.  Wenn  nun  N'4/(to)  nicht  durch  3  theilbar  ist,  so 
kann  E^  mit  seinen  conjugirten  nicht  stets  positiv  sein,  ohne  d»k 
X,  Xj ,  ....  x^_i  alle  grade  sind;  alsdann  mufs  n,  welches  nicht  mit 
allen  diesen  einen  gemeinschaftlichen  Faktor  haben  soll,  nugn&t 
sein  und  weil  £J"  ein  Quadrat  ist  und  n  ungrade,  so  mufs  E  seU^ 
ein  Quadrat  sein.     Man  hat  demnach  folgenden  Satz: 

„Für  alle  diejenigen  Werthe  der  Primzahl  >.,  für  welche 
„die  vollständige,  über  alle  der  Gleichung  to"  =  l  9^ 
„nügenden  fx  Werthe  des  w  sich  erstreckende  Nora 
(I.)  jyNy]y(w)  nicht  durch  2  theilbar  ist,  ist  eine  jede  w» 
„>.ten  Einheitswurzeln  gebildete  Einheit,  welche  mit 
„allen  ihren  conjugirten  nur  positive  Werthe  bat,  notih 
„wendig  ein  Quadrat  einer  Einheit 

Die  Bedingung,  dafs  die  vollständige  Norm  N4^(ic)  nidit 
durch  Zwei  theilbar  sei,  ist  identisch  mit  der  Bedingung,  dafs  ^ 
erste  Faktor  der  Klassenzahl  der  aus  >.ten  Einheits wurzeln  gebil- 
deten complexen  Zahlen  nicht  durch  Zwei  theilbar  sei.  Um  lÜ^ 
zu  zeigen,  verwandle  ich  den  Ausdruck  der.  complexen  Zahl  ^^M 
in  folgender  Weise: 


vom  i.  Becemher  1870.    .  859 

Es  sei  T  der  Index  von  2,    für  die  primitive  Wurzel  7,    oder 
f  =  2,  mod.  >.,  so  ist 

27*  =  7*+r  y        wenn    7»  <  t  » 

27*  =  7jt+r  +  ^ >         wenn    7*  >  T  » 

sdso  wenn  7;^   und  7;^+!    beide  zugleich  <  ^  oder  beide  zugleich 
>  \  sind,  d.  i.  wenn  Cjt  =  0  ist,  so  hat  man 

27fc—  2  7fc+i    ==   7ib+r—  7fc+i+r» 

wenn  aber  von  den  beiden  Zahlen  7^^   und  7^+1   die  eine  grofser,. 
die  andere  kleiner  als  ^  ist,  d.  i.  wenn  Cj^  =3  1  ist,  so  hat  man 

27*  —  27*+!   =  7ib+r  —  7*+i+r  =t  >^  » 
also  in  beiden  Fällen  hat  man  allgemein 

27*  —  27jt+i    =»   7*^  —  7*+i+r  =*=  <^k^ 

und  demgem&fs 

Cjfc  =  7jt+r  —  7t+l+r  >      mod.  2. 

Hieraus  folgt 

«-1  M-I 

^(w)  =  ^fcCjtW*  =  2:^(7;^^.^  —  7n.i+r)  w*  ,     mod.  2. 
0  0 

und  weil  für  jeden  Werth  des  ifc,  7^^.^  =  X  —  7^  und  demgemäfs 
74+^  —  7jt+i+M  =7*  —  7jk+i  >  mod.  2,  ist  und  10*^'*  =  w*,  so  kann 
man  diese  Summe  auch  so  darstellen: 

(E.)  vf/  iyo)  =  M?-^  >";t  (7*  —  7*+i )  w'*  )     mod.  2. 

0 

Betrachtet  man  nun  andererseits  den  ersten  Faktor  der  Klas- 
senzahl, welchen  ich  (Crelle's  Journal  Bd.  40  p.  110)  so  dargestellt 
habe: 

—  2"-'  /,"-' 


860  Gi 

wo  2  eine  priaiidTe  Wanel  der  Gleichimg  ß^"^  =  1  ist  asd      I 

0(2)  =  l-hyi3-h7,5*  H H7x-,a3^-*  I 

und  welcher,  wenn  >3  eine  jede  Wurzel  der  Gleichung  ,o*  =  ~i 
bezeichnet,  auch  so  dargestellt  werden  kann: 

p,_     A>(3) 


wo  die  Norm  nber  alle  h  Wurzeln  der  Gleichung  ß*^  =  —  l  sidi 
erstreckt;  so  hat  man  znnficbst 

(1  -  3-')H2)  =  2  (7*-  y^-.)  iS* 

ond  weil 

(7*+.- 7».+.) iß**'  =  (7*- 7*+.) 'S», 
SO  ist 

(1-/3-')  4»  (-3)  =  2  2*(7»-7.+.)/3*, 

O 

also  wenn  durch  2  dividirt  und  mit  ß'*"  roultiplicirt  wird: 

i^-' (1-/2-')  ^(.5)  =  >K)3)  , 

WO 

v^(;3)  =  j2-"2(7»-7t+.)'e*- 

0 

Nimmt  man  nun  die  roUständige  Norm  in  Beziehung  auf  alle 
Werthe,  welche  der  Gleichung  ß'^  =s  —  1  genügen,  so  hat  man 
iV(l  —  /J-*)  =  2   und  demgemafs 

oder  als  Congruenz  nach  dem  Modul  2: 

P'  =  Nyl^iß)  ,     mod.  2. 

Die  complexe  Zahl  \|/  (a3)  hat  nach  dem  Modul  2  ganz  diesel- 
ben CoefBcienten,  als  die  obige  complexe  Zahl  4^(tc).  Da  fen^* 
in  den  beiden  Gleichungen  ^ten  Grades 


com  i.  December  1870,  861 

/3"  =  —  1         und         to"  =  4-  1 

alle  Coefficienten  der  einen  den  Goefficienten  der  andern  congruent 
sind,  nach  dem  Modul  2,  so  folgt,  dafs  auch  eine  jede  symmetri- 
sche Funktion  aller  Wurzeln  der  Gleichung  ß*^  =  —  1  derselben 
symmetrischen  Funktion  der  Wurzeln  der  Gleichung  «?•*  =  i  con- 
gruent sein  mufs,  nach  dem  Modul  2.     Es  ist  daher 

Nyl^  (w)  =  N4^  {ß)  =  P' ,     mod.  2. 

Die  Bedingung,  dafs  N^i/(w)  nicht  durch  2  theilbar  sei,  ist  also 
identisch  mit  der,  dafs  der  erste  Faktor  der  Klassenzahl  nicht 
durch  2  theilbar  sei.  Der  obige  Satz  läfst  sich  daher  auch  so  aus- 
sprechen: 

„Für  alle  diejenigen  Primzahlen  X,  für  welche  der 
„erste  Faktor  der  Klassenzahl  nicht  durch  Zwei  theil- 
(II.)  „bar  ist,  ist  jede  complexe  Einheit,  welche  mit  ihren 
„conjugirten  nur  positive  Werthe  hat,  ein  Quadrat  einer 
„Einheit. 

Hieraus  ergiebt  sich  nun  unmittelbar  die  Bedingung  dafür, 
dafs  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  nicht  durch  2  theilbar  sei. 
Wenn  nämlich  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  durch  Zwei  theil- 
bar ist,  so  giebt  es  notliwendig  eine  Einheit  E  von  der  Art,  dafs 

wo  x,  Xi,..Xfjt^i  ganze  Zahlen  sind,  deren  eine  gleich  Null  genom- 
men werden  kann,  und  welche  nicht  alle  den  gemeinschaftlichen 
Faktor  2  haben.  Wenn  aber  der  erste  Faktor  der  Klassenzahl 
nicht  durch  2  theilbar  ist,  so  giebt  es  keine  solche  Einheit 

welche  mit  allen  ihren  conjugirten  positive  Werthe  hat,  ein  solches 
Produkt  von  Potenzen  von  Kreistheilungseinheiten  kann  also  nicht 
ein  Quadrat,  also  nicht  gleich  jEJ'  sein.     Hieraus  folgt: 

„Der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  ist  niemals  durch 
(in.)     „Zwei  theilbar,    wenn  nicht   zugleich    auch  der   erste 
„Faktor  der  Klassenzahl  durch  Zwei  theilbar  ist. 


862  GesamnUsitrung 

Dieser  Sats  aber  die  Theilbarkeit  der  Elassenzahl  durch  2  ist  tqS-  ( 
kommen  analog  dem  früher  von   mir  bewiesenen  Satze   ober  di^ 
Theilbarkeit  der  Ellassenzahl  durch  X. 

Wenn  der  erste  Faktor  der  Klaasenzahl  durch  2  theflbar  ist. 
also  die  Bedingung  der  Gültigkeit  der  oben  aufgestellten  Sätze  (I.] 
und  (n.)  nicht  erfüllt  ist,  so  giebt  es  stets  Einheiten  too  der 
Form  I 

welche  mit  allen  ihren  conjugirten  nur  positive  Werthe  habes, 
ohne  dafs  die  Exponenten  x,jri....  alle  durch  8  theilbar  sbi  | 
Eine  solche  Einheit  E  ist  nur  in  dem  Falle  ein  vollständiges  Qn- 
drat,  wo  nicht  nur  der  erste,  sondern  auch  der  zweite  Faktor  der 
Klassenzahl  durch  2  theiibar  ist,  welches  im  Allgemeinen  nicht  der 
Fall  ist,  wie  die  folgenden  ausgeführten  Beispiele  zeigen. 

Unter  den  Primzahlen  ?^  welche  im  ersten  Hundert  Hegnu 
giebt  es  nur  eine,  für  welche  der  erste  Faktor  der  Klassenzahl 
durch  2  theiibar  ist,  nSmlich  X  s=  29.  Unter  den  14  conjugirten 
Kreistheilungseinheiten  sind,  wenn  die  primitive  Wurzel  7  =  3  zu 
Grunde  gelegt  wird,  nur  folgende  fünf  negativ: 

es  ist  also 

Cj  =  tf^  =  Cg  =  Cj  =  e^Q  =  1  , 
c  =  C|  =  C3  =  Cj  ^  Cg  =  Cy  =  Cjj  =  Cjj  =  Cj  =  0 . 

Setzt  man  diese  Werthe  der  Grofisen  c  in  das  System  der  Coq- 
gruenzen  (C.)  ein,  so  erhält  man  darch  Auflosung  desselben  alle 
Werthe  der  Exponenten  x,  die  demselben  genügen,  dargesteUt  darch 

mod.  f. 

und  durch  die  cjklischen  Yertauschungen  derselben,  deren  es  nor 
7  verschiedene  giebt.  Es  folgt  hieraus,  da£s  für  X  =>  29  alle  Ein- 
heiten, welche  mit  ihren  conjugirten  nur  positive  Werthe  habes. 
durch  die  eine  Einheit 

E  a=  e  e^  ^2  04  «7  «g  €9  «11 


vom  i.  December  1870. 


863 


und  durch  ihre  conjugirten  gegeben  sind,  mrenn  man  von  den  Qua- 
draten von  Ereistheiiungseinheiten  absieht,  welche  beliebig  hinzu- 
treten können,  weil  die  Exponenten  x  nur  nach  dem  Modul  2  be- 
stimmt sind.     Die  Ausdrücke  der  Ereistheiiungseinheiten  sind  hier: 


e    = 


e^   = 


eo   = 


e.   = 


Ca     = 


tfr     = 


«6     == 


«,     = 


«8  = 
«9  == 
«10  = 
«11  = 
«12  "^ 
«13  =^ 


a 


-3 


--6 


,-11 


.-4 


a 


-12 


a 


-7 


1  -h  a®   -h  rt~* 

1  -h  rt*    H-  «~* 
1  -h  «1*  -h  «"** 

1  -+-  «*5  -h  «"15 
X  -+-  «10  _|_  ^-10 

1-4- «9   +«-9 


Aus  diesen  folgt: 


«  «1  «9  =  —  («  +  «"*)  ♦  «7  «8  «9  =  —  («"  -+-  «"**)    5 


also 


i^  =  («  -4-  «-!)  («la  +  a"i2)  (1  4-  «  -H  «-i)  (i  +  «w  -+-  «-i»)  . 

Die  Einheit  E  ist,  wie  man  hieraus  ersieht,  nur  von  den  vierglie- 
drigen  Perioden  der  Wurzeln  der  Gleichung  a^^  =  1  abhängig,  be- 
zeichnet man  diese,  nach  der  primitiven  Wurzel  7  =  3  geordnet, 
durch  t]  9  «Ix  '  ^9  >  ^3  »  *74  '  ^5 '  ^6'  ^^  erhält  man  durch  Ausfuhrung 
der  Multiplikation 

^  W  =  »Js  (^  +  ^5  -+-  0 

und  hieraus  weiter 


E(yi)  =  4  4-  2>)  4-  ri  4-  2^3  -H  >?4  -+-  rs  -I-  »jg 


864  Gesammtsitznng 

Um  nun  zu  untersnchen ,  ob  diese  Einheit  E(r;)  ein  ToIlAtlndifei  \ 
Quadrat  ist,  oder  ob  nicht,  reicht  es  hin  von  einer  CongroenzW  | 
dingang  nach  dem  Modul  4  (jebraoch  zu  machen ,  urelche  jede 
complexe  Zahl /(tr)  erfüllen  mufs,  wenn  sie  ein  vollständiges  Qca- 
drat  sein  soll^  nfimlich  die  Bedingung 

Wenn  nämlich  /(«)  =  (/>(«)'  ist,  so  ist  /(«)  ^  <>>(«*),  med.  r. 
also  /(«)*  =  </>(«*)'»  niod,  4,  also  auch  /(«)*  ^ /(«*),  motL  4. 
Damit  E(r)  ein  Quadrat  sei,  mufs  also  E(r,y  —  -^(^j)  ^0,  mod.4. 
sein.     Die  Ausfuhrung  der  Rechnung  ergiebt  aber 

E{ry  —  E(r,^)  =  2iii  +  U^  ,     mod.  4, 

also  nicht  ^  0.  Die  Einheit  E{r)  ist  also  nicht  ein  Quadrat;  also 
für  A  SS  29  ist  der  zweite  Faktor  der  Elassenzahl  nicht  durch  2 
theilbar. 

Um  noch  ein  zweites  Beispiel  dieser  Art  zu  erhalten,  habe 
ich  auch  einige  Primzahlen  X  im  zweiten  Hundert  untersncht  ond 
unter  diesen  X  =  113  als  eine  solche  gefunden,  deren  erster  Fak- 
tor der  Elassenzahl  durch  2  theilbar  ist- 

Für  X  =  113  wird,  wenn  die  primitive  Wurzel  «y  =  10  ge- 
nommen wird,  ejt  negativ  und  folglich  Cj^.  =  1  für  folgende  ^ 
Werthe  des  k: 

ib  »   1,  3,  4,  9,  14,   16,   17,   18,  19,  20,  22,  24,  26,   27,  30, 
31,  34,  35,  36,  37,  39,  42,  44,  45,  46,  49,  50,   51,  53. 

Für  die  übrigen  27  Werthe  des  k  ist  Cj^  =  0.  Die  Auflösung  dor 
Congruenzen  (C.)  ergiebt  nun  folgende  Werthe  der  Exponenten  x: 

x*  =  1    für   Ä:  =  0,  7,  14,  21,  28,  35,  42,  49 

1,  8,   15,  22,  29,  36,  43,  50 

2,  9,  16,  23,  30,  37,  44,  51 
5, 12, 19,  26,  33,  40,  47,  54 

für  die  übrigen  24  Werthe  des  k  ist  x^  =  0,  mod.  2.  Setzt  mao 
nun 


vom  i.  December  1870.  865 

•"*  =  ^k  ^*+7  ^*+14  ^JH-21  **+28  ^iH-85  ^ik+42  **+49  > 

SO  ist,  abgesehen  von  Quadraten  der  Kreistheilungseinheiten, 

E  =s  H ü^  Jje^  .Oi^ 

mit  ihren  conjngirten  die  einzige,  als  Produkt  von  Potenzen  der 
Kreistheilungseinheiten  darstellbare  Einheit,  welche  nur  positive 
Werthe  hat.  Um  diese  Einheit  E^  welche  wie  man  hieraus  ersieht 
nur  aus  den  7  Perioden  von  je  16  der  Wurzeln  der  Gleichung 
f^iis  _.  i  zusammengesetzt  ist,  die  ich  nach  der  primitiven  Wurzel 
10  geordnet  mit  «} ,  t^^ ,  t^a  9  «fa  9  ^4  >  rs  >  r«  bezeichne,  bemerke  ich 
zunächst,  dafs 

«+3  —  «-3 
ist.     Wird  nun  der  Abkürzung  wegen 


„y*  ^  a-y*  =  e'j, 


gesetzt,  und 


'*   =*    ^*  ^ib+7  **+14  **+21  **+28  **+35  *JH-42  '*4-49  » 

so   zeigt  die  Ausfuhrung   der  Multiplikation,    dafs  sj^  gleich  dem 
Produkte  zweier  Perioden 

ist,  und  dafs  durch  die  Einheiten  Hj  H^  ..,  ausgedruckt 

ist.     Hieraus  folgt  weiter 

also,  wenn  von  dem  quadratischen  Faktor  abgesehen  wird, 

'1  '3  »4  '5  =  -^ 
und  durch  die  Perioden  ausgedruckt,  wird 

«1  '8  '4  '5  ==  ^2  U  rs  (Tii  »53)*  » 
also,  wenn  wieder  von  dem  quadratischen  Faktor  abgesehen  wird, 


1 


866  GesammUitzung 

stellt  sich  die  Einheit,    welche  mit  ihren  conjugirten  nur  positiT«    I 
Werthe  hat,  dar  als  | 

Die  Aasfuhrong  der  Multiplikation  ergieht: 

iE(*j)  =  12  —  fj  H-  *jj  4-  2*j,  -+-  1J4  —  4r« . 

Wenn  diese  Einheit  ein  Quadrat  sein  soUte,  80  mülste,  wie  im 
vorigen  Beispiele  gezeigt  worden^ 

E(Ty  —  E(r,i)  =  0  ,    mod.  4 
sein;    man  findet  aber 

E(ry  —Eirji)  =  2»i  +  2*ji  -|- 2»J4  +215,  -|- 2»j8  ,      mod.  4. 

Es  ist  also  E(i^)  nicht  ein  Quadrat,  and  darum  auch  für  >.  =  lis 
der  sweite  Faktor  der  Klassenzahl  nicht  durch  Zwei  theilhar. 

Nach  dieser  Methode  läfst  sich  auch  allgemein  eine  neue  Be- 
dingung dafür  ableiten,  dafs  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl 
durch  2  theilbar  sei.  Wenn  dieser  Fall  statt  haben  soll,  so  mo^ 
es  eine  Einheit 

geben,  welche  ein  Quadrat  einer  Einheit  ist,  ohne  dals  die  Expo- 
nenten  x,Xi  ...  x^_i  alle  durch  2  theilbar  sind,  wenn  einer  der- 
selben gleich  Null  genommen  wird,  wo  e(«),  «(«^)  .-..  e(ayß-^) 
die  oben  mit  e,  ßi  .,,.  e^.i  bezeichneten  Kreistheilongseinheiten 
sind,  also 

«(«)  =  =T  • 

et  —  «    * 

Hieraus  erhält  man 

«(«)    —  «(«  )  =   — 5 i 5 rr- 

^    2((«»y—(t-'y)(l-~a-»)  —  (a'  — «-')(!— «-''')) 
~  («'  4-  «-'  —  2)  («'  —  a-») 

also  wenn  gesetzt  wird 


i 


vom  1.  December  1870.  867 

«(«)*  =  e(«*)  (l  -4-  2/(a))  ,     mod.  4, 


so  erhalt  man 

Demnach  wird 

E(»y  =  Eiet^)  (l  +  2  (:r/(«)  +  x,/(«y)  +  ...  +ÄM-i/(«^''"')))» 

mod.  4. 

Wenn  nun  E(a)  ein  Quadrat  sein  soll,  so  mufs^  wie  oben  gezeigt 
worden, 

E{ay  =  E(a^)  .     mod.  4 
sein,  folglich  aach 

welche  Congruenz,    weil  sie  ebenso   für  die  ia  mit  et  conjngirten 

Wurzeln  «,  a^, ...  «^  gelten  mufs,  ein  System  von  ia  Congru- 
enzen  repr&sentirt.  Setzt  man  für  /(a)  seinen  Werth  ein,  und 
wendet  das  Summenzeichen  an,  so  kann  man  dieses  System  von 
Congruenzen  auch  so  darstellen: 

^  0  ,   mod.  2. 


v*»(r3^  -*-  i_„'»v*-^')  =  ° ' 


Multiplicirt  man  nun  mit  a~'*^  und  summirt  in  Beziehung  auf 
alle  A  —  1  verschiedenen  Werth e  der  Wurzel  «,  so  hat  man 

In  den  beiden  Summen,  welche  sich  über  alle  Werthe  der  Wurzel 
et  erstrecken,  kann  man  statt  dieser  Wurzel  eine  beliebige  andere 
zu  Grunde  legen;  setzt  man  daher  in  der  ersteren  Summe  et  statt 

a'^     und  in  der  anderen  a  statt  a'^  "^^  so  erhält  man 


< 


868  Oesammtiitiung 


v.xJS.— ^ -hi-.J )   =0, 


^  0  .     mod.  3. 


Aus  der  Gleichung 
—  X 


=  «-h  2ft*  H-  3«*  +....  -|-(X —  1)«^-'  , 


1  —  « 
welche  auch  so  dargestellt  werden  kann: 


1  —  rt 


folgt  aber,  wenn  mit  a"'^^  multiplicirt  und  in  Beziehung  auf  alle 
X  —  1     verschiedenen     Werthe     der     Wurzel     «     der     Gleichung 


ff  -f-  (t 


4-  a  H-  1  =  0    summirt  wird : 


1  — rt 

und  weil 

X  (X  —  1) 
1  4-  Vi  4-  7»  4 H  7x-j   = » 

so  folgt,  wenn  durch  X  dividirt  wird: 

^-r=7;  =  —2 — y-- 

Macht  man  von  dieser  Summation  Gebrauch,  so  hat  man: 

Ai-l 

-jt^t(VA-*+i  —  7*-*)  =  0  >     mo^-  2. 

0 

Durch  Multiplikation  mit  U7~\  wo  w  eine  jede  primitive  oder  nicht 
primitive  Wurzel  der  Gleichung  w*^  r=  1  bezeichnet  und  durch 
Summation  in  Beziehung  auf  die  Werthe  h  =  k,  ifc4-l,...  k-^u — i 
wird  dieses  System  von  fA  Congruenzen  in  folgende  Form  gebracht: 

-*  -A  (7A--AH.I  —  7*-*)«o'  *"^***w'*  =  0  ,      mod.  2, 

0        k 


vom  1.  Deeemher  1870.  869 

woraus  endlich,  wenn  h  in  h  -{- k  verwandelt  wird,  folgt 

M-l  M-l 

-A  (Va+i  —  y»)  w;"*-  ^k^vr^  =  0  ,    mod.  2. 

0  0 

Nach  der  ohen  gegebenen  Congruenz  (E.)  ist  aber 

-A  (7a+i  —  7a)  w^"*  =  —  «'"'"V  («0"')  »      mod.  2, 

0 

also  hat  man 

M-l 

(F.)  \f/  (mj-')  .  :£;t  jTjt«'"*  =  0  >     mod-  2, 

0 

als  neue  Bedingung  für  die  Bestimmung  der  Exponenten  x,  Xi  ... 
^M- 1 9  während  die  nach  der  anderen  Methode  gefundene  bei  (D.) 
aufgestellte 

^f/  (w)  .  i'^arj^to"*  ^  0  ,     mod.  2, 

0 

war.  Die  schon  oben  hieraus  abgeleitete  nothwendige  Bedingung 
dafür,  dafs  nicht  alle  Exponenten  x,  Xi  ...  x^^j  congruent  Null 
sein  müssen,  nach  dem  Modul  2,  dafs  also  der  zweite  Faktor  der 
Klassenzahl  durch  2  theilbar  sein  könne,  nämlich  dafs  die  voll- 
ständige Norm  von  Nf^(t^)  durch  2  theilbar  sein  mufs,  läfst  sich 
aber  auch  so  aussprechen,  dafs  die  complexe  Zahl  4^(w)  einen 
complexen  (idealen)  Primfaktor  von  2  enthalten  mufs.  Die  Ver- 
gleichung  der  Congruenz  (F.)  mit  der  obigen  (D.)  ergiebt  nun, 
dafs  die  complexe  Zahl  \(/(u;~~^)  denselben  complexen  Primfak« 
tor  von  2  enthalten  mufs  als  4^  (w).     Also 

„Wenn  der  zweite  Faktor  der  Elassenzahl  durch  Zwei 
„theilbar  ist,    so   enthält  die  complexe   Zahl    >^(u;~^) 
'      '^     „nothwendig    denselben    complexen    Primfaktor    von 
„Zwei,  welchen  4^(w)  enthält. 

Es  ist  leicht  zu  erkennen,  dafs  die  nothwendige  Bedingung  dieses 
Satzes  für  die  Werthe  X  =  29  und  X  ==  113  nicht  erfüllt  ist,  dafs 
also  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  für  dieselben  nicht  durch 
Zwei  theilbar  ist,  was  oben  durch  specielle  Ausrechnungnachgewie- 
sen worden  ist. 


870  Geiammtiitzung 

Die  Methode,  nach  welcher  diese  nothwendige  Bedingoxig  der 
Theilbarkeit  des  sweiten  Faktors  der  Klassenzahl  darch  2  gefim- 
den  worden  ist,  läfst  sich  mit  demselben  Erfolge  auch  auf  die 
Theilbarkeit  dieses  zweiten  Faktors  der  Elassenzahl  durch  irgeod 
eine  ungrade  von  X  verschiedene  Primzahl  q  anwenden.  Es  mofa 
hier  die  Einheit 

eine  qte  Potenz  einer  Einheit  sein,  ohne  dafs  die  Elxponenteo 
X,  jTi  ....  i;^_i  alle  dnrch  q  theilbar  sind,  wenn  einer  derselben 
gleich  Nall  genommen  wird.  Eine  nothwendige  Bedingung  dafor, 
dafs  E(ft)  eine  ^te  Potenz  sei,  ist  aber 

E(cty  =  ^(a«)  ,     mod.  q^; 

denn  setzt  man  E(ct)  =  >^(^)S  so  hat  man  bekanntlich 

\|/  («)«  ^  4"  (ö«)  ,     mod.  q 
oder 

und  wenn  man  diese  Gleichung  auf  beiden  Seiten  zur  ^ten  Potenz 
erhebt  und  die  Vielfachen  von  q^  wegl&fst,  so  hat  man 

%K«)«'  =  >Krt«)«  ,     mod.  q\ 

und  wenn  für  n^C«)»  sein  Werth  E(ct)  und  für  \^(««)«  ebenso  E(tt^} 
zurückgesetzt  wird,  so  erhfilt  man  die  aufgestellte  Congruenz. 
Um  dieselbe  anzuwenden,  ist  zunfichst  die  ^te  Potenz  von 


e(«)  = 


nach  dem  Modul  q*  zu  entwickeln.     Erhebt  man  ce —  a^^  zuraten 
Potenz,  so  erh&lt  man 

(«  —  «"*)«  EZ  a«  —  «-«  -H  qip(a)  ,     mod.  q^  , 
wo 


vom  t  Deeember  1870.  871 

2 

mod.  <7, 
and  demnach 

«W^  =  — s :; /\     ,    inod.a* 

^'  ««  —  «-«  + gif  («)     '  *' 

^welchea  man  auch  in  folgende  Form  setzen  kann: 

e(«)«  =  e(««)  (l  4-  g/(«))  >    mod.  g^», 
-wo 

Hieraus  folgt  ohne  Schwierigkeit 

E(c*y  =  £(««)  (l  +  qF(ct))  ,     mod.  g% 
wo 

F(a)  =  ar/(«)  -I-  a:,/(«^)  H H  J^m-i/C«^'*"')  ,     mod.  g, 

und  weil 

E(ay  =  E(a9)  ,     mod.  gr» 

sein  soll,  so  folgt  hieraus 

F(a)  ^  0  ,     mod.  q. 

Die  complexe  Zahl  F{a)  hat  die  Eigenschaft,  dafs  sie  nnverfindert 
bleibt,  wenn  a  in  a~^  verwandelt  wird,  sie  enthält  daher  nur  die 
zweigliedrigen  Perioden  und  kann  in  die  Form  gesetzt  werden: 

Die  Bedingung,  dafs  F(a)  congruent  Null  sei,  nach  dem  Modul  q, 
erfordert  also,  dafs  die  Coefßcienten  C,  Ci  ...  C^_i  alle  einzeln 
congruent  Null   seien  nach  dem  Modul  q,     Multiplicirt  man  F(a) 

mit  a^  +  ct^'^  —  2  und  nimmt  die  Summe  in  Beziehung  auf  alle 
?.  —  1  verschiedenen  Wurzeln  rr,  so  erhfilt  man 

[1870]  60 


^72  Oeiammtsitzung 

M ttltiplicirt  man  nun  weiter  mit  w^^  wo  to  eine  jede  beliebige  Wur- 
zel der  Gleichung  w"  =  1  bezeichnet,  mit  alleiniger  Ausnahme 
von  to  s=  1,  and  nimmt  die  Summe  für  A  ==:  o,  1,  8, ...  jea  —  l,  so 
erhält  man 


2x%c^t€^  =  2/2:i(«y*4-«-y*) «7* !?■(«)  . 


0  0 

Es  ist  aber 


0  0 

die  bekannte  Lagrangesche  Resolrente  der  EreistheOnng,  also 

2 xij^Ci^w^  =s  2a  (w ,  «)  F(a)  . 

0 

Setzt  man  nun  den  oben  gegebenen  Werth  des  FXf^,  und  in  dem- 
selben den  Werth  des  /{(*)  ein  und  bemerkt,  dafs  nach  einer  be- 
kannten Eigenschaft  der  Lagrangeschen  Resolrente  der  Kreis- 
theilung 

so  erh&lt  man: 

0 

Setzt  man  in  der  ersten  dieser  beiden  Summen  a  statt  a^  und  in 
der  zweiten  a  statt  a^  ,  wodurch  nichts  ge&ndert  wird,  weil  alle 
Wertbe  des  a  genau  dieselben  sind,  als  alle  Werthe  des  «^  oder 
«^      ,  so  wird: 

2  X  Zj^ 0*  tu«  a=»  (1  —  ti;)  2jk*» w*.  5«  — -;—-  • 

Ich  setze  nun 


l 


vom  L  December  1870, 


873 


so  ist,  wenn  für  </>  (»}  der  oben  angegebene  Werth  eingesetzt  wird 


-^.* 


0      1t  ««  —  a~« 


Um   den  einfachsten  Ausdruck  des  ^(tü)  zu  finden,    betrachte  ich 
die  allgemeine  Summe 


S 


-s     5^ —-_ , 


a«  —  a~<» 


ich  setze  in  derselben  a  statt  a^  und  bezeichne  mit 
positive  Wurzel  der  Congruenz 


b 
a 


die  kleinste 


so  wird 


Ä=  2. 


ax  z=z  b  ,     mod.  \ 


(Ifi    -Ifhrlil    -lii) 


«  —  a 


—  1 


und  weil 


a 


a 


a 


Ai-, 


|A|-i 


a  —  a 


,— 1 


-4-  « 


-4- -4-  « 


-ifi+. 


-!>» 


a 


so  erhält  man 


S  ^X 


a 


Ikli 


— 1 


\\-\i\- 


tt 


-»il-^lil^^ 


-+-« 


i  _  -^  -1  .   -2.  -  LS-  -1 


-4- 4-  a 


-lil-lf-^' 


Die  in  Beziehung  ^uf  alle  Werthe  des  u  zu  nehmenden  Summen 

b 
der  einzelnen  Theile,    deren  Anzahl  gleich  2  —  ist,  werden,  wenn 

a 

60» 


874  GesammUitzung 

der  Exponent  der  Potenz  von  €t  nicht  durch  X  theilbar  ist,   gleich    | 
—  1,  wenn  aber  dieser  Exponent  durch  >.  theilbar  ist,  so  geben  sie    | 
X  —  1.      Es  wird   aber  einer  der  Exponenten   in  der  ersten  Zeile    ^ 
und  zugleich  der  entsprechende  gleiche,    aber   negative  Exponent     l| 
der  zweiten  Zeile  nur  in  folgenden  zwei  F&llen  durch  X  theilbar: 


erstens  wenn 


a 


•4- 


e 
a 


grade  ist  und  gröfser    als   X,     zweitem 


wenn 


6 
a 


ungrade  ist  und  gröfser  als  NulL      Da  der  erste 


Fall  auch 


—  I  —  IX  —  I  —  I  I    ungrade  und  gröfser  als  Null  aos- 

gesprochen  werden  kann,    oder  was   dasselbe  ist,    i  — |  —  1  — 
ungrade  und  gröfser  als  Null,  da  ferner  die  eine  der  beiden  Zahlen 

-   —    — I  stets  grade,  die  andere  aber  ungrsd« 


b 

e 

h 

— . 

und 

— 

a 

a 

a 

ist,  so  erhält  man  folgenden  Werth  der  Summe  Si 


5  =  2X«  —  2 


a 


wo   t  =s  1   ist,    wenn  die  ungrade  der  beiden  Zahlen  |  — |  —  1  — j 


und 


—  c 


positiv  ist,  und  wo  im  entgegengesetzten  Falle  e 


den  Werth  Null  hat. 

Um  dieses  Resultat  auf  den  vorliegenden  Ausdruck  des  ^(tr) 
anzuwenden,    nehme  ich  a  =  9,  5  =  ^  —  2t,  c=  7%    so  wird 


h 

g  — 2t 

c 

a 

? 

9 

a 

9 


==-  y*~f 


wenn  9  ==  7',  mod.  X  ist.     Es  wird  demnach 


»-1 


2  >.*(»)  ^\ 

0 


9— a 


^1) 


und  weil 


q  —  2  t 


M-i 


von  h  unabhängig  und   S^  to*  =  0  ist,   so  fallt 

0 


vom  L  December  iS70.  875 

dieser  Theil  iveg  und  man  hat,  wenn  der  gemeinschaftliche  Factor 
2X  weggehoben  wird: 

Ol  t 

Die  Grofse  b  hat  nur  die  beiden  Werthe   1  und  0  und  zwar  ist, 

wenn einfach  durch  v^  bezeichnet  wird^  »  =  1>  wenn  von 

den  beiden  Zahlen  p^ — yjk-e  ^^^  p^  —  y»-.f+»i>  deren  eine  noth- 
wendig  grade,  die  andere  ungrade  ist,  die  ungrade  zugleich  positiv 
ist,  im  entgegengesetzten  Falle  ist  <  =  0.  Setzt  man  Vj^-f  =  n, 
so  wird  h  —  ^  =  indti,  mod.  X  —  1,  setzt  man  ferner  y^-^^.^  =  n', 
so  wird  h  —  ^  -+-  /*  =  indn',  mod.  X  —  1,  also  indn'  =  indn,  mod.jLt, 
also  wenn  man  von  der  in  Beziehung  auf  h  zu  nehmenden  Summe 
nur  diejenigen  Glieder  beibehfilt,  für  welche  a  nicht  gleich  0,  son 
dem  gleich  1  ist,  so  hat  man: 


welche  Reihe,  wenn  i/|  grade  ist,  bis  zu  dem  Gliede  io^°^o,  und 
wenn  i%-  ungrade  ist,  bis  zum  Gliede  w^'^^^^^  fortzusetzen  ist. 

Die  nothwendige  Bedingung  dafür,  daCs  die  zusammengesetzte 
Kreistheilungseinheit  E(ce)  eine  qte  Potenz  einer  Einheit  sei,  wel- 
che oben  darauf  zurückgeführt  ist,  dafs  die  CoSf&cienten  Cj^  alle 
congruent  Null,  mod.  j?,  sein  müssen,  stellt  sich  demnach  dar,  als: 

(H.)  ^(tt^)  •  ^k  ^k^^9  i"od.  qj 

0 

welche  CoDgruenz  für  jeden  Werth  der  Wurzel  w  der  Gleichung 

to**"'  -h  u?"*"*  -H  ••••  -H  u>  -H  1  =  0 

Statt  haben  mufs.  Es  folgt  hieraus,  dafs  wenn  ^(to)  keinen  com- 
plexen  (idealen)  Primfaktor  des  q  enthfilt,  also  die  vollstfindige 
Norm  iVi'(ti7)  nicht  durch  q  theilbar  ist,    nothwendig  der  andere 

Faktor  Xj^  Xf^  w'^  alle  complexen  Primfaktoren  des  q  enthalten  und 

0 


876  OaammUitzung 

folglich  darch  q  theilbar  sein  mafs,  für  jeden  der  m  —  1  Wetthe 
des  tv.     Die  ans  den  Wurzeln  w  der  Gleichung  w""*  -♦-  »"""'h — 

H-  147  +  1  =  0  gebildete  complexe  Zahl  S|^  Xj^  w^y  welche  Termittelit 

0 

dieser  Gleichung  auf  den  ijl  —  2ten  Grad  erniedrigt  'wird,  kaim 
aber  nicht  für  alle  Wurzeln  w  congruent  Null  sein,  nach  dem  Mo- 
dul 9,  wenn  nicht  die  fi  —  1  CoefELcienten  x  —  «^.i«  ^i  — '^-i»-- 
jr^_i  —  jr^_i  einzeln  congruent  Null  sind,  oder,  was  dasselbe  i^ 
wenn  nicht  die  fi  Exponenten  dP,  jTj,  ...  «^_i  alle  einer  and  der- 
selben Zahl  congruent  sind,  für  welche  man  auch  die  Null  nehmeo 
kann,  weil  man  einen  beliebigen  derselben  gleich  Null  aetsen  kann. 
Also: 

„Wenn  die  Einheit 

„eine  qit  Potenz  einer  anderen,  fundamoitaleren  Ein- 
„heit  ist,  so  dafs  die  Exponenten  XjXi  ...x^^i  der 
(V.)  „Ereistheilnngseinheiten  nicht  alle  congruent  Null  sind, 
„nach  dem  Modul  g,  wenn  einer  derselben  =  0  ge- 
„nommen  wird,  so  mu£s  die  complexe  Zahl  f(te)  einen 
„complexen  (idealen)  Primfaktor  von  q  enthalten  und 
„demgem&fs  die  Tollstfindige  Norm  von  "fiw)  durch  q 
„theilbar  sein. 

Hieraus  folgt  sodann  unmittelbar  der  Satz: 

„Eine  ungrade  Primzahl  q  kann  nicht  Theiler  des  zwei- 
„ten  Faktors  der  Klassenzahl  sein,  wenn  nicht  die 
(VI.)  „complexe  Zahl  '¥(w)  einen  comptexen  Primfaktor  ron 
„q  enthält,  also  die  vollstfindige  Norm  von  Y(io)  durch 
„g  theilbar  ist 

Wenn  die  für  die  Theilbarkeit  des  zweiten  Faktors  der  Klas- 
senzahl durch  die  Primzahl  q  nothwendige,  aber  nicht  hinreichende 
Bedingung  erfüllt  ist,  dafs  ^'(u;)  einen  idealen  Primfaktor  von  q 
enthfilt,  so  kann  der  Fall  eintreten,  dafs  dieser  Primfaktor  des  q 
in  Y  (w)  nicht  für  die  primitiven  Wurzeln  w  der  Gleichung  w*  :=  i 
vorhanden  ist,  sondern  für  gewisse  nicht  primitive  Wurzeln,  wel- 
che der  Gleichung  niederen  Grades  u/'^  =  1  angehören,  wo  n»  ein 
Factor  von  fA  ist     Es  sei  (x  =  mm!  und  die  Norm  von  Y(io'),  für 


vom  i.  Deeember  1870.  877 

»lle  primitiven  Wurzeln  der  Gleichung  to'"*  =  l  sei  durch  q  theil- 
bar,  80  zeigt  die  Congruenz 

M-l 

t  (w)  ,2Lj^Xj^tß*  =  0  ,     mod.  q^ 

'  0 

dafs  für  alle  diejenigen  Werthe  des  U7,  ffir  welche  Y(tü)  keinen 
complexen  Primfaktor  des  q  enthält,  ^Lj^X/^w^  congruent  Null  sein 

0 

mufs,  nach  dem  Modul  q.  Es  sind  dies  die  Werthe  des  tr,  wel- 
che der  Gleichung  «?"*"*'  =  1  genügen,  ohne  der  Gleichung  to^  =  1 
zu  genügen,  also  die  Werthe  des  u?,  welche  der  Gleichung 

1  —  to'* 
genügen.     Hieraus  schliefst  man,  dafs 

i'jJCjkto*  ^  (H-a?~-4- to*'»-+- ••••4- to^''*'-*>'")'^X«^) 

sein  mufs,  wo  F(w)  nur  bis  zum  Grade  fit — 1  in  tu  aufsteigt 
und  hieraus  folgert  man  weiter,  dafs 

*t  =  **+m  ==  ^Jb+a»4  ••••  ^  *it  +  (»i»-ijiH »     mod.  ^, 

sein  mufs.    Man  hat  daher  folgenden  Satz: 

„Wenn  die  complexe  Zahl  "i^iw)  nicht  für  die  primiti- 
„ven  Wurzeln  w  der  Gleichung  to*  s=  i,  sondern  für 
„die  primitiven  Wurzeln  der  Gleichung  w*»»  ==  i,  wo 
^u  =  mm\  einen  idealen  Primfaktor  von  q  enth&lt,  so 
(VII.)  „kann  die  fundamentalere  Einheit,  deren  qte  Potenz 
„sich  als  Produkt  von  Potenzen  der  Kreistheilungsein- 
„heiten  ausdrücken  Ififst^  nur  die  m  Perioden  von  je 
„2  m'  Gliedern  der  Wurzeln  der  Gleichung  «^  =s  i  ent- 
„halten. 

Ein  einfaches  Beispiel  für  den  Fall,  wo  der  zweite  Faktor 
der  Klassenzahl  nicht  gleich  Eins  ist,  ist  X  =  229.  Für  diesen 
Werth  des  X  haben  schon  die  aus  den  zwei  Perioden  von  je  114 
Gliedern  gebildeten  complexen  Zahlen  drei  verschiedene  Klassen, 


880  GesammUitzung 

gicbt  Die  nothwendige  and  zugleich  auch  hinreichende  BediogBB|: 
dafür,  dafs  für  X  &s  163  der  zweite  Faktor  der  Klaasenzahl  dorct 
2  theilbar  sei,  ist  nan  die,  dafs  die  zasammengesetzte  Kreistfad- 
lungseinheit 

gleich  einem  Quadrate  einer  Einheit  sei,  für  irgend  welche  Wertk 
der  X,«  1,471,  welche  nur  gleich  0  oder  1  za  nehmen  sind,  l^ 
ist  aber  hier  schon  E  selbst  ein  vollstfindiges  Quadrat,  denn  mao 
hat 

—  63»j  —  62»ii  —  49»5,   =  (5  -4-  »j,)*  , 

wie  vermittelst  der  Formeln  für  die  Multiplikation  der  Penoden 
leicht  nachgewiesen  wird. 

Für  >.  s=  163  ist  also  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  durch 
Zwei  theilbar  und  man  hat  in  diesem  Falle  die  Einheiten  5  +  ▼, 
^  +  );i9  ^  +  >;99  welche  fundamentaler  sind,  als  die  Kreistheilnn^- 
einheiten. 

Ein  anderes  Beispiel  dieser  Art,  wo  die  kubische  Form  be- 
wirkt, dafs  der  zweite  Faktor  der  Klassenzahl  durch  Zwei  theil* 
bar  ist,  giebt  X  rss  937. 


vom  i.  December  1870.  881 

Hr.  Kronecker  knüpfte  an  den  Vortrag  des  Hrn.  Kummer 
die  folgende  Auseinandersetzung  einiger  Eigenschaften 
der  Klassenanzahl  idealer  complexer  Zahlen. 

Eines  der  hauptsächlichsten  theoretischen  Resultate  in  der  so- 
eben vorgetragenen  Abhandlung  ist  der  Satz,  daTs  der  zweite  Fak- 
tor der  Klassenzahl  idealer  aus  X  ten  Wurzeln  der  Einheit  gebilde- 
ter Zahlen  nur  dann  durch  2hffei  theilbar  sein  kann,  wenn  auch  der 
erste  Faktor  durch  Zwei  theilbar  ist     Als  mir  mein  Freund  Kum- 
mer vor  einiger  Zeit  diesen  Satz  mittheilte  und  die  offenbare  Ana- 
logie desselben  mit  seinem   filteren,    die  Theilbarkeit  der   beiden 
Faktoren  der  Klassenzahl  durch  X  betreffenden  Satze   hervorhob, 
suchte  ich  mir  nähere  Aufklarung  darüber  zu  verschaffen,  warum 
grade  die  Zahl  Zwei  in  dem  Kummerschen  Satze  eine  Rolle  spielt. 
In   diesem  Sinne  bemühte  ich  mich  zuvorderst  die  in  dem  Satze 
enthaltenen  Eigenschaften  der  beiden  Faktoren  der  Klassenzahl  un- 
mittelbar aus  deren  Definition  herzuleiten,    oder  wenigstens  ohne, 
wie  es  in  dem  Kummerschen  Beweise  geschieht,    die  entwickelten 
Ausdrücke  der  beiden  Faktoren  zu  benutzen.     Da  der  zweite  Fak- 
tor der  Klassenzahl  selbst  als  Klassenzahl  der  aus  zweigliedrigen 
Perioden  gebildeten  complexen  Zahlen  definirt  werden  kann,  so  ist 
der  erste  Faktor  als  Quotient  zweier  Klassenzahlen  bestimmt     So- 
bald es  mir  nun  gelungen  war  auf  diese  Definition  einen  Beweis 
des  Kummerschen  Satzes  zu  gründen,    erkannte  ich  sogleich,   dafe 
die   dabei  angewendete  Methode  nicht  auf  zweigliedrige  Perioden 
beschränkt,  sondern  auf  beliebige  Perioden  anwendbar  ist,  und  dafs 
alsdann  in  dem  Kummerschen  Satze  an  Stelle  der  Zahl  Zwei  die 
Primfaktoren  der  Gliederzahl  der  Periode  auftreten.     Ich  erkannte 
femer,  dafs  der  Satz  in  allgemeinerer  Fassung  nicht  blos  für  com- 
plexe  aus  Xten  Wurzeln  der  Einheit  gebildete  Zahlen,  sondern  für 
beliebige  complexe  Zahlen  gilt,  sobald  nur  hierfür  der  Begriff  der 
idealen  Zahlen  resp.   der  verschiedenen  Klassen   derselben  festge- 
stellt ist.     Die  Entwickelung   dieser  Begriffe    bildet  die  Grundlage 
eingehender  und  umfassender  Untersuchungen,    welche  ich    schon 
vor  langer  Zeit,  nämlich  vor  etwa  dreizehn  Jahren,  über  die  Theo- 
rie der  allgemeinsten  complexen  Zahlen  und  der  damit  zusammen- 
hängenden in  Linearfaktoren   zerlegbaren  Formen    angestellt    und 
deren  Hauptresultate  ich  damals  meinen  mathematischen  Freunden 
mitgctheilt  habe.     Obgleich  ich  darüber  bisher,    durch  andere  Ar- 


882  GesaakMUitzumg 

beiten  in  Anspruch  genommen,  noch  nichts  reroffenüicht  hahe^  tL 
ich  dennoch  die  Torliegende  Frage  fnr  den  Fall  beliebiger  eoc- 
plexer  Zahlen  erörtern,  weil  bei  dieser  allgemeineren  Behandloc; 
die  wesentlichen  Oesichtsponkte  klarer  hervortreten. 


§.  1. 

In  den  Artikeln  305  nnd  306  der  y^DigquUitiones  ari^Km^titar 
hat  Ganfs  eine  Anordnung  der  verschiedenen  £Jassen  qnadratisd)^ 
Formen  aaf  die  Theorie  der  Composition  gegründet  und  Hr.  Sehe- 
ring  hat  neuerdings  der  weiteren  Aosfuhmng  dieses  Gegenstandes 
eine  Arbeit  gewidmet,  welche  im  XIY.  Bande  der  Abbandlangen 
der  Königlichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Gottingen  Te^ 
öffentlicht  ist  und  namentlich,  wie  es  auch  der  Titel  angiebt,  eine 
sachgemälse  Aufstellung  von  , Fundamentalklassen*  xom  Zwecke  h^t 
Die  überaus  einfachen  Prinzipien,  auf  denen  die  Gaufs'sche  Me> 
thode  beruht,  linden  nicht  blos  an  der  bezeichneten  Stelle,  sondern 
auch  sonst  vielfach  und  zwar  schon  in  den  elementarsten  Theüen 
der  Zahlentheorie  Anwendung.  Dieser  Umstand  deutet  darauf  hiin 
nnd  es  ist  leicht  sich  davon  zu  überzeugen,  dafo  die  erwähnten 
Prinzipien  einer  allgemeineren,  abstrakteren  Ideeensphfire  angehören. 
Deshalb  erscheint  es  angemessen  die  Entwickelung  derselben  vno 
allen  unwesentlichen  Beschränkungen  zu  befreien,  sodafs  man  als- 
dann einer  Wiederholung  derselben  Schlnfsweise  in  den  verschie- 
denen Fällen  des  Gebrauchs  fiberhoben  wird.  Dieser  Yortheil 
kommt  sogar  schon  bei  der  Entwickelung  selbst  zur  Geltung  und 
die  Darstellung  gewinnt  dadurch,  wenn  sie  in  der  zuläfsig  allge- 
meinsten Weise  gegeben  wird,  zugleich  an  Einfachheit  nnd  durch 
das  deutliche  Hervortreten  des  allein  Wesentlichen  auch  an  Über- 
sichtlichkeit. 

Es  seien  V^  V'y  6"\  . . .  Elemente  in  endlicher  Anzahl  und  so 
beschaffen,  dafs  sich  aus  je  zweien  derselben  mittels  eines  bestimm- 
ten Verfahrens  ein  drittes  ableiten  läfst.  Demnach  soll,  wenn  das 
Resultat  dieses  Verfahrens  durch  f  angedeutet  wird,  für  zwei  be> 
liebige  Elemente  ff  und  6",  welche  auch  mit  einander  identisch 
sein  können,  ein  ('"  existiren,  welches  gleich:  ^{i^yV)  ist.  Über- 
dies soll: 


vom  i.  December  1870.  883 

f  («',  6")  =  f  (r,  ff) 
f(fl',  f(«",6"'))  =  ?(!(«',«").«'") 
und  aber,  sobald  6"  und  V"  von  einander  verschieden  sind,  aach: 

f  (6',  6")    nicht  identisch  mit    f  (6',  fl'") 

sein.  Dies  vorausgesetzt,  kann  die  mit  f  (£',  6")  angedeutete  Ope- 
ration durch  die  Multiplikation  der  Elemente  6'  6"  ersetzt  werden, 
wenn  man  dabei  an  Stelle  der  vollkommenen  Gleichheit  eine  blofse 
Äquivalenz  einfuhrt.^)  Macht  man  von  dem  üblichen  Äquivalenz- 
zeichen: (X)  Gebrauch,  so  wird  hiernach  die  Äquivalenz: 

ff.  6"  CO  6"' 

durch  die  Gleichung: 

f  (6',  6")  =  6"' 

definirt.  —  Da  die  Anzahl  der  Elemente  9,  welche  mit  n  bezeich- 
net 'werden  möge,  als  endlich  vorausgesetzt  ist,  so  haben  dieselben 
folgende  Eigenschaften: 

I.  Unter  den  verschiedenen  Potenzen  eines  Elementes  8 
giebt  es  stets  solche,  die  der  Einheit  äquivalent  sind. 
Die  Exponenten  aller,  dieser  Potenzen  sind  ganze  Viel- 
fache eines  derselben,  zu  welchem  —  wie  ich  mich  aus- 
drücken werde  —  das  betreffende  6  gehört, 

IL     Gehort  irgend    ein  6  zum  Exponenten  i',    so  gehören 
auch  zu  jedem  Theiler  von  v  gewisse  Elemente  9. 

III.  Wenn  die  beiden  Exponenten  ^  und  t,  zu  denen  resp. 
die  Elemente  ('  und  ("  gehören^  relative  Primzahlen 
sind,  so  gehört  das  Produkt  ff,  ff'  zum  Exponenten  ^  t. 

lY.  Ist  fix  die  kleinste  Zahl,  welche  die  sfimmtlichen  Ex- 
ponenten als  Theiler  enthält,  zu  denen  die  n  Elemente 
6  gehören,    so  giebt  es  auch  Elemente,    welche  zu  nj 


^)  Anstatt  der  Multiplikation  kann  anch  die  Addition  gebraucht  wer- 
den, welcher  6 aufs  bei  Einführung  einer  Symbolik  tue  die  Composition  der 
quadratischen  Formen  aus  leicht  erkennbaren  Grfinden  den  Vorzug  gege- 
ben hat. 


884  Oe$ammt$iUung 

selbst  gehören.  Denn,  wenn  Hi  in  seine  PrimiaktoTG 
serlegt  gleich:  p"  g^  r^  ...  ist,  so  giebt  es  nach  E 
Elemente  f  die  za  p^^  femer  Elemente  S^  die  za  q\ 
Elemente  C"  die  xu  r^  etc.  gehören,  und  das  Produkt: 
9.V\V'\.n  gehört  alsdann  nach  III.  za:  p''.q^.f\,. 
d«  h.  zn  n|. 

Der  hier  mit  fii  bezeichnete  Exponent  ist  der  grofste  tod  al- 
len, za  denen  die  verschiedenen  Elemente  9  gehören;  zugleich  ist 
fii  ein  ganzes  Vielfache  von  jedem  dieser  Exponenten  und  es  fin- 
det demnadi  für  jedes  beliebige  i  die  Äquivalenz:  (*i  c\^  l  sutt 

Gehört  f  i  zam  Exponenten  «i,  so  Ififst  sich  der  B^riff  der 
Äquivalenz  dahin  erweitern,  dafs  zwei  Elemente  V  und  £^  ab  ^iy- 
ladv  äquivalent^  angesehen  werden,  wenn  für  irgend  eine  ganzt 
Zahl  k: 

6'.  fi*  CO  9" 

ist  Das  Äqnivalenzzeichen  co  bleibt  hier,  wie  im  Folgenden,  fat 
den  früheren  engeren  Begriff  der  Äquivalenz  reservirt.  Sonden 
man  nun  aus  sfimmtlichen  Elementen  6  ein  vollständiges  Sjsten 
solcher  aus,  die  untereinander  nicht  relativ  äquivalent  sind,  so  ge- 
nügt dasselbe  den  für  das  System  sfimmtlicher  Elemente  6  obes 
aufgestellten  Bedingungen  und  besitzt  daher  auch  alle  daraus  abge- 
leiteten Eigenschaften.  Es  existirt  also  namentlich  eine  der  Zahl 
fti  entsprechende  Zahl  n^,  welche  so  beschaffen  ist,  daCs  die  a.u 
Potenz  eines  jeden  6  relativ  äquivalent  Eins  ist,  und  es  existir^n 
ferner  Elemente  f^^,  für  welche  keine  niedrigere  als  die  n^te  Pc^ 
tenz  der  Einheit  relativ  äquivalent  whrd.  Da  für  jedes  Elemes'. 
6  die  Äquivalenz:  0"i  co  1  stattfindet  und  also  a  fortiori  B*i  wltxc^ 
relativ  äquivalent  iS7«n«  ist,  so  mufs  nach  I.  die  Zahl  nj  ein  Vi^I 
faches  von  n^  sein.    Ist  nun 

und   erhebt   man   die  Ausdrücke   auf  beiden  Seiten   zur  Tötest 

n  k  •. 

-^ ,  so  erhält  man,  wenn  —  =s  m  gesetzt  wird,  die  Äquivalenz: 

r"'  CO  1 , 


vom  i,  Decemher  1870,  885 

ms  welcher,  da  6^  zam  Exponenten  rii  gehört,  unmittelbar  folgt, 
lafs  m  ganz  und  also  k  ein  Vielfaches  von  n^  sein  mufs.  Es 
^ebt  demnach  ein  Element  9),  definirt  durch  die  Äquivalenz: 

lessen  n^te  Potenz  nicht  blos  relativ,  d.  h.  im  weiteren  Sinne, 
sondern  auch  im  engeren  Sinne  der  Einheit  Squivalent  ist  und 
irelches  (im  zwiefachen  Sinne  des  Wortes)  zum  Exponenten  n^ 
gehört. 

Indem  man  nunmehr  je  zwei  Elemente  6^,  ("  als  relativ  äqui- 
valent ansieht,  für  welche: 

ist,  gelangt  man  zu  einem  dem  Elemente  9«  entsprechenden  0^, 
welches  zum  Exponenten  n«,  einem  Theiler  von  fty,  gehört  u.  s.  f. 
and  man  erhält  auf  diese  Weise  ein  „Fuudamentalsystem^  von 
Elementen:  9i,9t9^t»««*9  welches  die  Eigenschaft  hat,  dafs  der 
A^usdruck : 

9i  *  9j  '  83     ••  •  (A^  =  1,  2,  3,  •  • .  n^ 

im  Sinne  der  Äquivalenz  sfimmtliche  Elemente  6  und  zwar  jedes 
nur  ein  Mal  darstellt.  Dabei  sind  die  Zahlen  ni,!!^,*!«,..., 
EU  denen  resp.  Si,^},^«,..,  gehören,  so  beschaffen,  dafs  jede  der- 
selben durch  jede  folgende  theilbar  ist,  das  Produkt:  nifi^n^  .>• 
ist  gleich  der  mit  n  bezeichneten  Anzahl  sfimmtlicher  Elemente  6, 
imd  diese  Zahl  n  enthält  demnach  keine  anderen  Primfaktoren  als 
[liejenigen,  welche  auch  in  fti  enthalten  sind. 

Wenn  man  unter  den  Elementen  6  ein  System  von  nicht  äqui- 
ralenten  idealen  Zahlen  oder  ein  System  von  nicht  äquivalenten 
insammensetzbaren  arithmetischen  Formen  versteht,  so  fällt  die 
bier  entwickelte  Darstellung  sämmtlicher  Elemente  0  durch  ein 
Produkt  von  Potenzen  ausgewählter  Elemente  0j,9i,ft9<«*  voll- 
ständig mit  derjenigen  zusammen,  welche  sich  in  der  oben  erwähn- 
ten Abhandlung  des  Hm.  Schering  angegeben  findet. 


886  GesamnU9itzung 

§.2. 

Wenn  $(4?)  «=  o  und  «(x)  =  0  irreduktible  ganszahUge  Glei- 
chnngen  der  Grade  m  und  |ii  bedeuten,  Ton  denen  die  erstere  un- 
ter Adjanction  einer  Warzel  der  letzteren  redaktibel  wird,  so  las- 
sen sich  die  m  Wurzeln  der  Gleichung  ^(j?)  =  0  in  /a  Grappes 
sondern,  deren  jede  einer  der  m  Wurzeln  ron  ^  (x)  s=  0  entspriebt 
Bezeichnet  man  demgem&fs  (m  ==  fAm  gesetzt)  mit; 

^h.k  (Ä  =  1,2,  ...fi;  A;  »  1,  2,  ...  aO 

die  /bim  Wurzeln  von  g(x)  ss  0  und  mit: 

gk  (Ä  =  1,  2,  ...fi) 

die  Wurzeln  von  #(x)  =  0,  so  ist,  insofern  der  Coefficient  von  x"^ 
in  S(x)  und  der  Coefficient  von  x**  in  #(x)  gleich  Eins  vorausge- 
setzt wird: 

nn(x-a;^,^)  =  g(x)   ,     n(x  — f^)  =  *(x) 
und  ferner: 

wo  die  CoSfficienten  der  mit  F  bezeichneten  ganzen  Function  ntes 
Grades  von  x  rationale  Functionen  von  ^ ^  sind,  und  die  Bucbsta- 
ben  h  k  wie  überall  im  Folgenden  resp.  die  Werthe:  1,  2,  ...  ^ 
und  1 ,  2 ,  . . .  m  annehmen.  Femer  ist  g^  eine  rationale  Function 
von  u^^]^  und  zwar  so,  dafs  eine  und  dieselbe  Gleichung: 

gk  =  !(««*,*) 

für  alle  Werthe  von  k  besteht.  Dies  vorausgeschickt  läfst  siel 
eine  Theorie  ganzer  complexer  in  w  rationaler  Zahlen  /(et )  sLuf- 
stellen,  unter  welchen  auch  die  in  g  und  also  auch  in  tu  rationak: 
CoSfficienten  von  F(x)  enthalten  sind.  Alsdann  sind  auch  ^''. 
Partialnormen : 

n/K*) 

ganze  complexe  Zahlen  /(<v),  und  man  kann  demgem&fs  aas  ir^^d 
einem  System    nicht    ftquivalenter  idealer  Zahlen  /(w)    diejenigri: 


vom  1.  Decemher  1870.  887 

aussondern,  welche  Partialnormen  der  bezeichneten  Art  äquivalent 
sind.  Diese  mögen,  da  die  Partialnormen  wirklicher  Zahlen  f(x) 
rational  in  ^  sind,  mit  </>(^)  und  die  nach  den  Bestimmungen  des 
§.  1  ausgewählten  fundamentalen  mit: 

«^iC?)  »   ^»(f)»   03  (f)  >   ... 

bezeichnet  werden;  auch  möge  in  dem  dort  erläuterten  Sinne  des 
Wortes  <pi  zum  Exponenten  i'i ,  (/>s  zum  Exponenten  v^  u.  s.  f. 
gehören. 

Erweitert  man  den  Begriff  der  Äquivalenz  für  die  idealen 
Zahlen  in  w  dahin,  dafs  /'(w)  und  /"(*•)  als  y^relativ  äquivalent^ 
angesehen  werden,  wenn  im  engeren  Sinne  die  Äquivalenz: 

stattfindet,  so  existirt  nach  dem  Inhalte  des  §.  1  auch  ein  System 
fundamentaler  idealer  Zahlen: 

/i  W  »  A  W  j  /j  W  »    ..•  1 

welche  im  Sinne  der  relativen  Äquivalenz  resp.  zu  den  Exponen- 
ten ni ,  fis  ,  fis,  ...  geboren.  Hiernach  sind  die  sämmtlichen  im 
ar sprünglichen  engeren  Sinne  des  Wortes  unter  einander  nicht 
äquivalenten  Zahlen  /((^ )  in  dem  Ausdrucke : 

enthalten,  wenn  man  darin  den  Exponenten  a,  a  der  Reihe  nach 
die  Werthe: 

«,  =  1,  2, ...  1^1  ;   «3  ==  1,  2,  ...  i'j  ;   etc. 
a,  =  1,  2,  ...  «1  ;   Oj  =  1,  2,  ...  n,  ;   etc. 

beilegt.  Die  Klassenzahl  für  die  coniplexen  Zahlen  /((«j)  ist  also, 
wenn : 

n  s=:  ni  .  nj  .  na  ...    ,    »/ =s  i», .  i', .  i'a  ... 

gesetzt  wird,    genau  gleich  n.f,    und  jeder  dieser  beiden  Faktoren 
n   und  V  hat  auch  für  sich  die  Bedeutung  einer  Klassenzahl. 
[1870]  61 


888  Gesammtsitzung 

Nach  der  obigen  Definition  der  Zahlen  4*  (f)  ist  jede  der^- 
ben  der  Partialnorm  einer  Zahl  /(»)  Squivalenl',  und  es  sei  dem* 
gemafs: 

</>!  Qk)  CSD  n/('Jt,,k) ' 

Auf  Grund  der  festgesetzten  Bedeutung  von   n,    mufs    andren«eits 
eine  ideale  Zahl  tpQ)  existiren,  für  welche 

ist  und  also,  wenn  auf  beiden  Seiten  die  Partialnorm  gebildet  wird: 

Ist  nun  T  der  gröfste  gemeinsame  Tbeiler  von   m  und  i^i    and  er- 
hebt man  die  Ausdrucke   auf  beiden   Seiten    der  Äquivalenz    zar 

Potenz:  — ,    so  wird  die  rechte  Seite  der  Einheit  äquivalent;,  weil 


der    Exponent: ein  ganzes  Vielfache  von  i',   ist.      £s  muf:: 


für 

T 

demnach   auch  die   linke  Seite  der  Einheit  äquivalent    abo   auch: 


—  —   ein  Vielfaches  von  i'j    d.  h. 

fi,   durch  r  theilbar 

sein.  Da  ferner  nach  Inhalt  des  §.  1  die  Zahl  v  keine  andern 
Primfaktoren  enth&lt  als  i'i,  so  mufs  die  Zahl  n,  und  folglich 
auch  die  durch  n,  theilbare  Zahl  n  jeden  Primfaktor  enthalten« 
welcher  den  beiden  Zahlen  m  und  v  gemeinsam  ist.  Die  hiermit 
erlangten  Sätze  lassen  sich  folgendermafsen  aussprechen: 

Es  sei  OD  Wurzel  einer  irreduktibeln  Gleichung  mien 
Grades,  deren  Coefßcienten  ganze  complexc  Zahlen  tf>{z) 
sind,  wobei  der  Ausdruck  „irredukUbeP  also  im  Sinne 
eben  dieser  complexen  Zahlen  zu  verstehen  ist.  Als- 
dann ist  die  Klassenzahl  für  complexe  Zahlen  /(:»}. 
welche  die  Zahlen  '/>  Q)  mit  in  sich  begreifen,  ein  Pro- 
dukt zweier  Faktoren,  von  denen  der  eine  die  Klassen- 
zahl für  die  Zahlen  tp{f)  bedeutet.  Jeder  in  diesem 
Faktor  enthaltene  Primtheiler  von  m  ist  auch  in  dem 
andern  Faktor  enthalten.     Wenn  es  ferner  ideale  (nicht 


vom  1.  Decemher  1870.  889 

wirkliche)  Zahlen  tp{^)  giebt,  deren  mte  Potenz  wirk- 
lich ist,  8o  giebt  es  auch  nnter  denjenigen  idealen  Zahr 
len  /(w),  welche  keiner  Zahl  <p{f)  äquivalent  sind,  sol- 
che, deren  tnte  Potenz  einer  Klasse  der  Zahlen  ip{^) 
angehört.  Ist  endlich  d  irgend  ein  Divisor  von  m, 
für  welchen  eine  ideale  Zahl  (/>(o}  zur  ^ten  Potenz  er- 
hoben wirklich  wird,  ohne  daTs  dies  schon  für  eine  nie- 
drigere Potenz  der  Fall  wfire,  so  giebt  es  auch  ideale 
Zahlen  /(^),  die  so  bescha£fen'  sind,  dafs  die  dte  Po- 
tenz derselben,  aber  keine  niedrigere,  einer  der  idealen 
Zahlen  (/>(^)  äquivalent  wird. 

Die  angegebenen  Sätze  lassen  sich  unmittelbar  auf  die  aus 
Wurzeln  der  Einheit  gebildeten  complexen  Zahlen  anwenden,  wenn 
man  far  oo  eine  primitive  Wurzel  der  Gleichung  x^  ^^  \  und  für 
^  eine  der  Perioden  nimmt,  welche  aus  den  Wurzeln  dieser  Glei- 
chung gebildet  werden  können.  Die  Gliederzahl  der  Perioden  ist 
alsdann  gleich  dem  oben  mit  m  bezeichneten  Grade  einer  irreduk- 
tibeln  Gleichung,  deren  Wurzeln  gewisse  Potenzen  von  du,  deren 
CoSfficienten  aber  rationale  Functionen  einer  Periode  ^  sind,  und 
der  Fall  des  im  Eingang  erwähnten  Kummerschen  Satzes  tritt  ein, 
^venn  far  >,  eine  Primzahl  und  m  =  2  angenommen  wird. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

Jahrbuch    der   K,   K.    Geologischen    Reichsamtalt,     Jahrg.  1870.     20.  Bd. 
Wien  1870.     8. 

Berichi  über  die  Thdtigkeit  der  St.  Oalliechen  natvrtüissenschaftiichen  Ge- 
sellschaft während  des  Vereinsjahrts  1868S9.     St,  Gallen  1869.     8. 

C.  O.  Homeyer,  Die  Haus-  ttnd  Ho/marken,     Berlin  1870.     8. 

Colnet  d'Hnart,    Memoire  sur  la  thiorie  mathimatique  de   la  ehaleur  et 
de  la  lumiere.     Luxembourg  1870.     4. 

Colding,    Extrait  dun  Memoire  sur  les  lois  des  courants.     (Copenhague 
1870.)     4. 

Memorie  del  reale  Istituto  reneto.     XV,  1.     Vfenezia  1870.     4. 

61» 


890  GesammUitiwng  vom  8,  Deceaher  1870. 

Atti  dd  reale  iMitMio  reaeio  DUp.  7—9.    Venezi«  1869—70.     8. 
JoMrmai  aad  Proceedimge  af  tie  Amatic  Society  af  Bem^oL     Cakvtta,   )b 

— Jone  1870.     8. 
Trantactiome  of  tie  Edinburgh  Geologieal  Society.     Vol.  I,  3. 

1870.      8. 
Sillimaii,  Journal  of  wdenee.     no.  147.     New  Haven  1870.     8. 


S.December.   Sitzung  der  physikalisch -mathemati* 

sehen  Klasse. 

Hr.  Reichert  las  eine  Fortsetzung  seiner  am  4.  Aognst  g^ 
lesenen  Abhandlung  über  das  Skelett  der  Wirbelthiere,  namentlkL 
über  MyxinoideUy  Leptocephaliden,  knorpliche  Ganoiden,  Protopte- 
ras  angniUiformis  und  über  Chimären. 


8.  üeceinber,     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Droysen  las  über  die  Lage  der  Politik  im  Anfange  dt^ 
ersten  schlesischen  Krieges. 


An    eingegangenen   Schriften    nebst   Begleitschreiben    wurden 
vorgelegt: 

Ferd«  Römer,  Geologie  von  Oberechleeien.  Mit  AtUs.  Breslaa  187«v 
8.     Mit  Begleitschreiben  des  Verfassers  v.  30.  Not.  1870. 

Atti  della  accademia  delle  ecienze  di  ^orino,    YoL  5.     Toriao  1869.     $. 

Publications  de  la  eeciion  hietorique  de  V Institut  de  Luxemhourg.  Vol.  f.^. 
Laxembourg  1870.     4. 

BuUetino  meteorologico  ed  aetronomico  deW  univereita  di  Torino.  Axik» 
IV.     Tonne  1869.     4. 


Gesammtsitzung  vom  15.  December  1870,  891 


15,  December.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Roth  las   über  die  Lehre  vom  Metamorphismus   und  die 
Kntstehung  der  krystallinischen  Schiefer. 


Hr.  Kummer  trag  folgende  von  den  Hm.  Dr.  Felix  Klein 
in  Dusseldorf  und  Dr.  Sophus  Lie  in  Christiania  ihm  zugegan- 
gene Mittheiiung  vor: 

Über  die  Haupttangenten-Cnrven  der  Kummerschen 
Fläche  vierten  Grades  mit  16  Knotenpunkten. 

Die  Kummersche  Fläche  vierten  Grades  mit  16  Knotenpunk- 
ten ist  bekanntlich ' )  für  einfach  unendlich  viele  Complexe  des 
zweiten  Grades  Sigularitätenfläche,  d.  h.  diejenige  Fläche,  welche 
der  geometrische  Ort  ist  für  solche  Punkte,  deren  Complexkegel 
in  zwei  Ebenen  zerfallen  ist,  oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt, 
die  umhüllt  wird  von  solchen  Ebenen,  deren  Complex-Curve  sich 
in  zwei  Punkte  aufgelöst  hat.  Die  Betrachtung  dieser  Complexe 
zweiten  Grades  fuhrt  fast  unmittelbar  zu  der  Bestimmung  der 
llaupttangenten-Curven  der  Fläche,  wie  im  Nachstehenden  gezeigt 
VT  erden  soll. 

1.  Aus  der  einfach  unendlichen  Zahl  der  zu*  der  Fläche  ge- 
hörigen Complexe  zweiten  Grades  heben  wir  einen  heraus. 

Die  demselben  innerhalb  einer  Tangentialebene  der  Fläche 
entsprechende  Complex-Curve  hat  sich  in  zwei  Punkte  aufgelöst. 
Diese  beiden  Punkte  sind  diejenigen,  in  denen  die  in  der  Tangen- 
tialebene enthaltene  Durchschnitts-Curve  vierter  Ordnung  mit  der 
Fläche  von  einer  bestimmten,  durch  den  Berührungspunkt  gehen- 
den Geraden,  die  dessen  zugeordnete  singulare  Linie  genannt  wird, 
noch  aufser  in  diesem  Berührungspunkte  geschnitten  wird. 


'}  cf.  Pluecker:  Neue  Geometrie  des  Raumes,  gegründet  auf  die  Be- 
trachtung der  geraden  Linie  als  Raumelement.  (B.  G.  Teubner  1868,  69.) 
n.  310  ff.  Yergl.  auch,  hier  und  im  Folgenden,  Klein:  Zar  Theorie  der 
Complexe  des  ersten  und  zweiten  Grades.    Math.  Ann.  II,  2. 


892  GtsammUUzung 

Man  kann  nnn  nach  denjenigen  Punkten  der  FlSche  fragest 
deren  xugeordnete  singulfire  Linie  eine  Haupttangente  der  Fläebe 
18t.  Die  übrigen  Tangenten  der  Fläche  in  einem  solchen  Fankte 
gehören  offenbar  auch  dem  Complexe  an.  Andererseits  sind  dies« 
Complexgeraden  die  einzigen,  welche  die  Fläche  berühren,  ohne 
sugleich  singulare  Linien  des  Complexes  cu  sein.  Betrachten  wir 
nun  in  einer  beliebigen  Ebene  den  Complex-Kegelschnitt  and  die 
Durchschnitts-Curve  vierter  Ordnung  mit  der  Fläche.  Dieselben 
berühren  sich  in  vier  Punkten,  und  die  Tangenten  in  diesen  Punk- 
ten sind  die  in  der  Ebene  gelegenen  singulären  Linien.'}  Aufser 
diesen  doppelt  zu  zählenden  Tangenten  haben  die  beiden  Carreo, 
als  bez.  von  der  2ten  und  der  12ten  Classe,  noch  16  Tangenten 
gemein.  Die  Berührungspunkte  derselben  mit  der  Durchschnitts- 
Curve  vierter  Ordnung  sind  Punkte  der  gesuchten  Beschaffenheit. 

Die  Punkte  der  Kummerschen  Fläche,  deren  xuge- 
ordnete singulare  Linien  Haupttangenten  der  Fläche 
sind,    bilden  also  eine  Curve  der  16ten  Ordnung. 

2.  Die  so  bestimmte  Curve  ist  nun  eine  Haupttan- 
genten Curve  der  Fläche. 

Zum  Beweise  bemerken  wir  zunächst,  dafs  zwischen  den  durch 
eine  Complexlinie,  —  welche  nur  keine  singulare  Linie  sein  darf,  — 
hindurchgelegten  Ebenen  und  den  Berührungspunkten  der  in  den- 
selben enthaltenen  Complex-Curven  mit  der  Linie  projectivisches 
Entsprechen  Statt  findet.  Hieraus  schliefst  man^  dafs  einer  unend- 
lich kleinen  Verschiebung  des  Punktes  auf  der  Linie  eine  Drehung 
der  Ebene  entspricht,  deren  Grofse  von  derselben  Ordnung  des 
Unendlich-Kleinen  ist. 

Nun  ist  .die  Verbindungslinie  zweier  consecutiver  Punkte  der 
eben  bestimmten  Curve  eine  Complexlinie,  ohne  zugleich  singulare 
Linie  desselben  zu  sein.  Die  beiden  Tangentialebenen  in  den  bei- 
den Punkten  enthalten  dem  Complexe  angehörige  Strahlbüschel, 
deren  Scheitel  diese  Punkte  sind.  Die  beiden  Tangentialebenen 
sind  also  zwei  Ebenen,  deren  Complex-Curven  die  angenommene 
Tangente  in  zwei  consecutiven  Punkten  berühren.  Hieraus  folgt, 
nach  der  vorstehenden  Bemerkung,  dafs,  wenn  man  auf  der  Curre 


^}    Pluecker:  Neue  Creometrie.     n.  318. 


vom  15,  December  1870,  893 

Tortschreitet,  die  Tangentialebene  der  Fläche  sich  um  die  Tangente 
der  Curve  dreht. 

Das  aber  ist  die  cbaracteristische  Eigenschaft  der  Haopttan- 
genten-Cnrven  einer  Fläche;  unsere  Behauptung  ist  also  erwiesen. 

Da  der  Begriff  der  Haupttangenten-Curre,  sowie  der  des  Com* 
plexes,  sich  selbst  dualistisch  ist,  folgt,  dafs  die  dualistisch  entge«> 
genstehenden  Singularitäten  der  Curve  einander  gleich  sind.  Ins* 
besondere  ist  ihre  Classe  gleich  ihrer  Ordnung,  also 
gleich  16. 

Da  ferner  die  Curve  sich  selbst  dualistisch  in  einziger  Weise 
durch  den  Complez  bestimmt  ist,  geht  sie,  wie  dieser,  durch  ein 
System  linearer,  sowie  rcciproker Transformationen  in  sich  über.') 
Man  schliefst  hieraus  eine  Reihe  von  Eigenschaften  derselben,  die 
^ir  hier  nicht  weiter  verfolgen  können. 

3.  Auf  die  auseinandergesetzte  Weise  erhalten  wir  einem  je- 
den der  einfach  unendlich  vielen  Complcxe  zweiten  Grades,  die 
zu  derselben  Eummer'schen  Flache,  gehören,  entsprechend  eine 
Haupttangenten-Curve.  Hiermit  hat  man  aber  alle  Haupttangen- 
ten-Curven,  wofern  nicht  etwa  UmhüUnngs-Curven  derselben  exi- 
stiren,  da  man  für  jeden  Punkt  der  Fläche  einen  der  Compleze 
angeben  kann,  der  die  eine  oder  die  andere  der  beiden  Haupttan- 
genten in  demselben  zur  singulären  Linie  hat. 

Unter  den  zu  der  Fläche  gehörigen  Coroplexen  zweiten  6ra* 
des  befinden  sich  sechs,  doppelt  zu  zählende,  lineare  Complexe. 
Als  die  singulären  Linien  derselben  sind  die  Doppeltangenten  der 
Fläche  anzusehen,  so  zwar,  dafs  jedem  der  sechs  Complexe  eines 
der  sechs  von  den  Doppeltangenten  gebildeten  Systeme  angehört. 
Entsprechend  diesen  Complexen  gibt  es  sechs  ausge- 
zeichnete Haupttangenten-Curven.  Dieselben  sind,  wie  sich 
durch  dieselben  Betrachtungen  ergibt,  durch  die  wir  Ordnung  und 
Classe  der  allgemeinen  Curve  bestimmt  haben,  nur  noch  von  der 
Sten  Ordnung  und  der  8tcn  Classe. 

3,  Wir  gehen  jetzt  dazu  über,  die  Singularitäten  der  Haupt- 
tangcnten-Curven  zu  bestimmen.  Hierzu  gelangen  wir,  indem  wir 
der  allgemeinen  Theorie  solcher  Curven  die  folgenden  Sätze  ent- 
lehnen. 


')    cf.  die  bereits  citirte  Abhandlung:  Zur  Theorie  etc.  n.  13. 


894  GeMmmtsitzung 

Die  Haapltangenten-Carven  einer  beliebigen  Fläche  haben  ia 
den  Knotenpunkten  derselben  Spitzen. 

Überhaupt  haben  sie  Spitien  in  den  Pankten  der  parabal»chen 
Carve,  Torausgesetzt,  daTs  diese  nicht  selbst  HaoptUingenteii'-CorTe 
ist.  In  dem  letzteren  Falle  ist  sie  Umhüllungs^Corve  für  die  übri- 
gen Haapttangenten«Carven.  Dies  gilt  besonders,  *weon  die  para- 
bolische Curve  aas  ebenen  Beruhrangs-Curven   besteht. 

Femer  haben  die  Uaupttangenten-Gurven  in  den  Darchsduiitt»- 
punkten  mit  der  Gurre  vierpunktig^r  Berührung  stationfire  Tangen- 
ten, wofern  die  Curve  vierpunktiger  Berührung  nicht  zugleich  pa- 
rabolische Curve  ist,  was  eine  besondere  Betrachtung  verachiedeDer 
Fälle  verlangt,  die  wir  liier  nicht  nothig  haben. 

Endlich  können  die  Haupttangenten*Curven  aufser  in  den  an- 
gegebenen F&llen  keine  Spitzen  und  keine  stationären  Tangenten 
haben. 

In  unserem  Falle  hat  man  16  Knotenpunkte,  in  denen  also 
die  Ilaupttangenten-Curvcn  Spitzen  haben. 

Die  parabolische  Curve,  welche  von  der  32ten  Ordnung  sein 
muTs,  besteht  aus  den  16  Beruhrungskegelschnitten  in  den  16  Dop- 
peltangentialebenen der  Fläche.  Sie  ist  also  UmhüIIungs-Carve  der 
Haupttangenten-Curvcn.  Die  16  Ebenen  sind  dabei  stationäre  Ebe- 
nen dieser  Curven,  wie  dies  überhaupt  die  Ebenen  ebener  Beräh- 
rungs-Cnrven  sind. 

Man  überzeugt  sich  nun  leicht,  dafs  die  Hanpttangenten-Cor- 
ven  in  jedem  Knotenpunkte  nur  eine  Spitze  haben  und  nur  je  ein- 
mal die  Doppel tangentialebenen  stationär  berühren.  Die  Curre 
kann  nämlich  mit  der  Doppel tangentialebene  nur  16  Punkte  ge- 
mein haben;  4  davon  kommen  auf  die  stationäre  Berührung,  und 
12  auf  die  6  Spitzen  in  den  6  in  der  Ebene  liegenden  Knoten« 
punkten. 

Die  Haupttangenten-Curven  haben  hiernach  16  (in 
die  Knotenpunkte  der  Fläche  fallende)  Spitzen  und  16 
(mit  den  Doppeltangentialebenen  derselben  identische) 
stationäre  Ebenen. 

Die  Curve  vierpunktiger  Berührung  besteht  in  unserem  Falle 
einmal  aus  den  16  Berubrungs-Kegelschnitten,  die  hier  nicht  wei- 
ter in  Betracht  kommen,  da  sie  schon  erledigt  sind.  Andererseits 
besteht  sie  aus  den  sechs  ausgezeichneten  Haupt tangenten-Carven 
8ter  Ordnung,  die  den  6  linearen  Coroplexen  angehören.     Es  gebt 


vom  15.  Decemher  iS70.  895 

dies  daraus  hervor,  daXs  die  singalären  Linien  dieser  Complexe, 
^vie  schon  angefahrt,  Doppeltangenten  der  Fläche  sind.  TV  eitere 
Corven  nmfafst  die  Carve  vierpanktiger  Berührung  nicht,  da  die 
aufgezählten  zusammen  die  richtige  Ordnung,  80,  besitzen. 

Wir  müssen  jetzt  die  Zahl  der  Durch schnittspnnkte  einer 
Haopttangenten-Curve  mit  den  6  ausgezeichneten  bestimmen. 

Diese  Durchschnittspnnkte  sind  dadurch  characterisirt,  dafs 
die  Tierpunktig  berührende  Haupttangente  eine  Linie  des  Com- 
plexes  zweiten  Grades  ist,  dem  die  gegebene  Haupttangenten-Curve 
zugehört.  Die  in  den  Punkten  einer  der  6  Curven  vierpunktig 
berührenden  Haupttangenten  bilden  aber  eine  Linienfläche  von  der 
8ten  Ordnung,  da  der  vollständige  Durchschnitt  derselben  mit  der 
Knromerschen  Fläche  aus  der  gewählten  Curve  besteht,  welche 
vierfach  zählt.  Mit  einer  solchen  Fläche  hat  aber  der  Complex 
zweiten  Grades  16  Linien  gemein.  Man  erhält  also,  jeder  der  6 
Curven  entsprechend,  16  Durchschnittspunkte.  Wir  haben  somit 
den  Satz: 

Die  Haupttangenten-Curven  haben  6.16  =  96  statio- 
näre Tangenten. 

Fugen  wir  noch  hinzu,  dafs  die  Haupttangenten-Curven  kei- 
nen wirklichen  Doppelpunkt  und  also  auch  keine  wirkliche  Dop- 
pel-Osculationsebene  besitzen  können,  da  in  keinem  Punkte  der 
Eummer'schen  Fläche,  der  nicht  auf  der  parabolischen  Curve  liegt, 
die  beiden  Haupttangenten  demselben  Complexe  als  singulare  Li- 
nien angehören,  so  können  wir  die  sämmtlichen  Singularitäten  der- 
selben, von  denen  die  dualistisch  entgegenstehenden  gleich  sind, 
ohne  Weiteres  bestimmen.  Insbesondere  finden  wir:  den  Rang 
=  48,  die  Zahl  der  scheinbaren  Doppelpunkte  =  72,  die  Ordnung 
der  Doppelcurve  der  Developpable  =  952,  da«  Geschlecht  =  17. 

5.  Für  die  6  ausgezeichneten  Haupttangenten-Curven  wird 
die  Zahl  der  Spitzen  und  stationären  Osculations  -  Ebenen  gleich 
Null.  Eine  solche  Curve  geht  nämlich  durch  jeden  der  Doppel- 
punkte einfach  hindurch  und  hat  in  ihm  eine  der  6  ihn  enthalten- 
den Doppeltangentialebenen  zur  Osculationsebene.  Man  hat  sich 
den  stetigen  Übergang  zwischen  den  allgemeinen  Curven  und  die- 
sen besonderen  so  vorzustellen,  dafs  die  letzteren  doppelt  zählen 
und  aus  der  Vereinigung  je  zweier  in  einer  Spitze  zusammen- 
stofsender  Zweige  der  übrigen  entstanden  sind.  Darum  sinkt 
Ordnung    und    Classe    auf    die    Hälfte.       Hiernach    müfste    auch 


896  Gesammtsitzung 

der  Rang  halb  so  grofs  sein,  wie  der  der  anderen,  also  gleidb  24. 
Das  aber  findet  man  auch,  wenn  man  die  Zahl  der  stationarea 
Tangenten  berechnet.  Für  dieselbe  kommt  nämlich  jetst  40,  ia* 
dem  die  Curve  jede  der  anderen  nicht  mehr  IG  mal,  aondem,  woi 
sie  2  mal  zählt,  nur  8  mal  sehneidet,  und  das  nicht  6 mal,  aoodm 
nur  5  mal  geschieht 

Wir  finden  weiter:  die  Zahl  der  scheinbaren  I>oppelpiinki:: 
gleich  16,  die  Ordnung  der  Doppelcurve  der  Developpable  gIdcL 
200,  das  Geschlecht  gleich  5. 

6.  Wie  man  sich  die  Auf- 
einanderfolge der  Haupttangen- 
teuyCurven  zu  denken  hat,  ist 
in  der  nebenstehenden  Zeichnung 
für  den  Fall,  dafs  die  6  zuge- 
hörigen linearen  Complexe  reell 
sind,  schematisch  dargestellt. 

In  diesem  Falle  haben  näm- 
lich die  Theile  der  Fläche,  für 
welche  die  Haupttangenten  reell 
werden,  die  Gestalt  eines  von 
zwei  Kegelschnittstucken  begränz- 
ten  Segmentes,  das  sich  von  ei- 
nem Knotenpunkte  nach  einem 
anderen  hinzieht.  Die  beiden  be- 
gräiizenden  Curvenstucke  gehö- 
ren den  Berührungskegelschnit« 
ten  in  denjenigen  beiden  Doppel- 
tangentialebenen der  Fläche  an^ 
welche  beide  Knotenpunkte  zu- 
gleich enthalten. 

Innerhalb  eines  solchen  Segmentes  verlaufen  nnn  snnachst 
zwei  der  sechs  ausgezeichneten  Haupttangenten-Cnrven.  Dieselbec 
gehören  denjenigen  zwei  der  sechs  linearen  Complexe  an,  deoea 
in  den  zwei  Knotenpunkten,  zwischen  denen  sich  das  Segment  irr- 
streckt, die  beiden  dasselbe  begränzenden  Doppeltangentialebeoro 
entsprechen.  Die  betreffenden  Curven  sind  in  der  Figur  stärker 
ausgezogen.  Dieselben  haben  eine  S  formige  Gestalt.  Sie  xiehec 
sich  von  dem  einen  Knotenpunkte  zu  dem  anderen  hin,  indem  sk 
in  jedem  eine  der  beiden   Begränzungs-Curven  berühren.     Aofi^T 


vom  15.  December  1870.  897 

in  den  beiden  Knotenpunkten  schneiden  sich  dieselben  in  einem 
beiden  gemeinsamen  Wendepunkte,  der  den  Mittelpunkt  der  Zeich- 
nung bildet.  —  Übrigens  setzen  sich  diese  Ciirven  über  die  beiden 
Knotenpunkte  hinaus  auf  weitere,  ähnlich  gestaltete  Segmente  der 
Fläche  fort 

Von  den  übrigen  Haupttangenien-Curven,  deren  drei  gezeich- 
net sind,  weifs  man,  dafs  sie  in  den  Knotenpunkten  eine  Spitze 
haben,  dafs  sie  jeden  der  beiden  begräuzenden  Kegelschnitte  ein- 
mal berühren,  und  dafs  sie  dort,  wo  sie,  aufser  in  den  beiden 
Knotenpunkten,  die  beiden  ausgezeichneten  Curven  treffen,  einen 
Wendepunkt  besitzen.  Hiemach  wird  es  leicht  sein,  ihrem  Yer- 
laufe  in  der  Figur  zu  folgen. 


7.  Die  im  Vorstehenden  gegebene  Bestimmung  der  Haupt- 
tangenten-Curven  der  Kummer'schen  Fläche,  welche  wir  an  die 
Betrachtung  der  zugehörigen  Gomplexe  zweiten  Grades  geknüpft 
haben,  kann  noch  unter  einem  anderen  Gesichtspunkte  gefafst  wer- 
den, indem  man  von  einem  der  sechs  unter  denselben  befindlichen 
linearen  Gomplexe  ausgeht  Die  Fläche  ist  nämlich  Brennfläche 
eines  diesem  Gomplexe  angehörigen  Strahlensystems:  des  einen 
Systems  ihrer  Doppeltangenten.  Wir  wollen  nun  zeigen,  dafs 
das  Problem:  die  Haupttangenten-Gurven  auf  der  Brenn- 
fläche eines  einem  linearen  Gomplexe  angehörigen 
Strahlensystems  zu  bestimmen,  identisch  ist  mit  dem 
anderen:  die  Krümmungs-Gurven  einer  gewissen  Flä- 
che zu  finden.  In  unserem  Falle  wird  diese  Fläche  die  Fläche 
vierter  Ordnung,  welche  den  unendlich  weit  entfernten  imaginären 
Kreis  doppelt  enthält;  und  da  man  deren  Krummungs-Gurven  kennt, 
so  erhält  mau  eine  Bestimmung  der  Haupttangenten-Gurven  der 
Kummer'schcn  Fläche,  die  naturlich  mit  der  oben  gegebenen  über- 
einstimmt. 

Man  beziehe  nämlich  die  Linien  des  gegebenen  linearen  Gom- 
plexes  eindeutig  auf  die  Punkte  des  Raumes,  indem  man,  vermöge 
der  gegebenen  linearen  Gleichung  und  der  zwischen  den  Linien- 
Coordinaten  bestehenden  Identität  zwei  der  sechs  Linien-Goordina- 
ien,  die  sich  auf  zwei  sich  schneidende  Kanten  des  Tetraeders  be- 


898  GesammUf'izung 

sieheiiy  al8  Faactionen  der  vier  fibrigen  anlTafot  und  diese  letzit- 
reo  als  Punkt-Coordinaten  interpretirt. ' } 

Man  findet,  dafs  dann  allen  Linien  des  Complexes,  weldk 
durch  einen  Punkt  hindurchgeben,  die  Punkte  einer  geraden  Liok 
entsprechen,  und  dafs  diese  gerade  Linie  einen  festen  Kegelschnlu 
schneidet,  der  für  die  Abbildung  fundamental  ist.  Das  Strablec- 
system,  welches  dem  linearen  Complexe  mit  einem  Complexe  nm 
Grades  gemein  ist,  bildet  sich  ab  als  Fl&cbe  2nten  Grades,  wel- 
che den  Kegelschnitt  nfach  enthält.  Insbesondere  ist  das  Bild 
einer  geraden  Linie,  d.  h.  der  dieselbe  schneidenden  Complexlinien, 
eine  Fläche  zweiten  Grades,  die  durch  den  Kegelschnitt  gebt. 

Wir  wollen  fortan  für  den  fundamentalen  Kegelschnitt  deo 
unendlich  weit  entfernten  imaginären  Kreis  wählen,  so  dafis  also 
das  Bild  einer  geraden  Linie  eine  Kugel  wird. 

Sei  jetzt  eine  beliebige  Fläche  gegeben  und  auf  derselben  eiDt 
Krümmungs-Curve.  Die  Fläche  ist  das  Bild  eines  dem  lineaivn 
Complexe  angehörigen  Strahlensystems,  die  Curve  das  Bild  einer 
in  demselben  enthaltenen  geradlinigen  Fläche.  Wir  behanpteo, 
dafs  diese  geradlinige  Fläche  die  Brennfläcbe  des  Strab- 
lensystems  nach  einer  Hanpttangenten-Oarve  bernbrt. 

Zum  Beweise  bemerken  wir  zunächst,  dafs,  rückwärts,  d&5 
Bild  dieser  Brennfläche  dasjenige  Strahlensystem  ist,  dessen  Linien 
gleichzeitig  die  gegebene  Fläche  berühren  und  den  unendlich  weit 
entfernten  imaginären  Kreis  schneiden.  Einer  jeden  geraden  Linie, 
welche  die  Brennfläche  berührt,  entspricht  hiemacb  eine  die  gege- 
bene Fläche  berührende  Kugel.  Insbesondere  entspricht  einer 
Haupttangente  eine  stationär  berührende  Kugel. 

Eine  der  beiden  in  einem  beliebigen  Punkte  der  Krununangs- 
Cur  VC  stationär  berfihrenden  Kugeln  enthält  aber  drei  consecntive 
Punkte  der  Krümmungs-Curve.  Also  schneidet  eine  der  beiden 
Haupttangonten  der  Brennfläche  in  einem  Berührungspunkte  mi: 
der  umgeschriebenen  Linienfläche  drei  consecutive  Erzeugende  der- 
selben, mit  anderen  Worten,  ist  eine  Haupttangente  auch  der  letz- 
teren. 


*)  Dieses  Abbildungsverfahren  ist  bereits  gelegentlich  von  Hrn.  Köthe 
angegeben  worden:  Znr  Theorie  der  algebraischen  Functionen  mehrerer  cüü 
plexer  Veränderliehen.     Gott.  Nachrichten  1S69. 


vom  iö.  December  1870.  899 

Man  hat  aber  allgemein  den  Satz:  Wenn  zwei  Flächen  sicli 
nach  einer  Curve  berühren  und  in  jedem  Punkte  dieser  Cnrve  ist 
ihnen  eine  Haupttangente  gemeinsam,  so  ist  die  Curve  eine  Haupt- 
tangenten-Curve. 

Damit  ist  unsere  Behauptung  erwiesen. 

Wenn  man  nun  insbesondere  für  die  gegebene  Fläche  eine 
Fläche  vierter  Ordnung  nimmt,  die  den  unendlich  weit  entfernten 
imaginären  Kreis  doppelt  enthält,  —  eine  solche  ist  das  Bild  eines 
dem  linearen  Complexe  angehörigen  Strahlensjstems  zweiter  Ord- 
nung und  Classe,  —  so  erhält  man  auf  diesem  Wege  die  Haupt- 
tangenten-Curven  der  Kummer'schen  Fläche,  welche  die  Brennfläche 
eines  solchen  Strahlensystems  ist 


Die  in  der  letzten  Nummer  enthaltenen  Betrachtungen  sind  es 
gewesen,  durch  die  der  Eine  von  uns  (Lie)^)  zuerst  zu  der  Be- 
merkung geführt  wurde,  dafs  die  Haupttangen ten-Curven  der  Kum- 
merschen  Fläche  algebraische  Curven  der  16ten  Ordnung  sind; 
hierauf  fand  der  Andere  (Klein)  die  Beziehung  dieser  Curven  zu 
den  Complexen  zweiten  Grades,  die  zu  der  Kummerschen  Fläche 
gehören,  und  bestimmte,  wie  im  Vorstehenden  auseinandergesetzt 
ist,  ihre  Singularitäten. 


An  eingegangenen  Schriften  wurden  vorgelegt: 

J.  Moir,    Original 'Sanskrit 'Texte.     Vol.  1.  3.  4.  5.     London   1S63  — 
1870.     8. 


1)    vergl.  Lie:    Über  eine  Classe  geometrischer  Transformationen.     Be- 
richte der  Akademie  zu  Christtania.     IS 70. 


900  Geiammtaiizung 

19.Decemb.  Sitzung  der  philosophisch-historischen 

Klasse. 


Hr.   Trendelenbnrg  las:    Zur    Geschichte    philosopbisck 
Termini.     Zweiter  Beitrag:  Moralische  Gewifsheit. 


22.  Deceinber.     Gesammtsitzung  der  Akademie. 

Hr.  Bonitz  las:  Bemerkungen  über  PlatODS  Charmides. 


Hr.  W.  Peters  legte  eine  riionographische  Übersici 
der  Chiropterengattungen  Nycteris  und  Atalapha    vor. 

I.     NrcTEB/s  Geoffroy. 

1803.  NycterisQeottrof,  Desmarest  A^otiv.  dicU  cthist  not,  XV.  p. 501 
1809.  Nyciere  GeoffrojSt.  Hilaire,  Descr.  de  Vigypte,  Hut.  NcU.  3/ßjii 

firet,  Planche  1. 
1811.  Nycteris  Qeoitrojf  IUI  ger  Sgit^mamm,  et  avium,  p.  119. 
1813.  Njfcieri»  GeoffroySt.  Hilaire,  Descr. Meunmif, en Eggpte. p.  113; 

du  Mua,  XX.  p.  1 1. 

1838.  NycteriB  et  Petedia  Gray,  Magazine  of  Zoology  and  Botcuty,   II.  p.  i 
1866.  NgcteriSf  Ngcterope  et  Pelatia  O  t  t^y ,  Proc.  Zooi.  Soc.  Lond,  p.  83. 

Die  Organisation  der  hierher  gehörigen  Arten  ist  sehr  ubers 
stimmend,  die  Verbind angshaut  der  Ohren  immer  vorhanden,  nur  w 
oder  minder  deutlich,  und  kann  daher  aus  dem  Fehlen  oderVorfaanii 
sein  derselben  ebensowenig  wie  aas  der  blofsen  Lfinge  der  Ofai 


vom  25.  Decnnher  1870.  901 

ein  Character  zur  Unterscheidung  mehrerer  Gattungen  entnommen 
werden,  wie  dieses  von  Hrn.  Dr.  J.  E.  Gray  versucht  worden 
ist.  Es  sind  viel  mehr  Arten  aufgestellt  worden,  als  in  der  Natur 
vorhanden  sind  und  die  sehr  verwickelte  Synonjmie  zu  entwirren 
würde  mir  ohne  Untersuchung  der  meisten  Originalexemplare  nicht 
roöslich  gewesen  sein.     Gebifs  stets  lil  -1  i.  1  iii.     Die  verschie- 

o  o  8.2   16     1  2«3 

dene  Entwickelung  des  zweiten  unteren  Praemolarzahns  bietet  ein 
beachtenswerthes  Merkmal  zur  Unterscheidung  der  Arten  dar. 


a.     Ohren  so  lang  oder  kaum  länger  als  der  Kopf, 
obere  Schneidezähne  dreilappig. 

1.  NycteHs  hispida.  (Taf.  Fig.  1,2.) 

1759.  Campagnol-rolantf  Dftu benton,  Mem.  de  r Acad,  liojf,  des 
Sctene.  Parit.  p.  388. 

1 763.  No. DCDIX. Autre chaure-sourie, Daubenton, Bujfon Biet 
.  fia/.X.p.88.  Taf.20.F]g.l.2. 

1775.  Vespertilio  hispidue  Schreber,  Säugeihiere.  I.  p.  169. 190. 
Taf.  LVI  (cop.  Danbenton). 

1788.  Vesperfilio  hispidus  Gmelin,  LinneSyst,  nat,  ed.  XIII.  L 
p.  4S. 

1813.  Ntfderie  DaubenionH,  Geoffroy  St.  Hilaire,  Descr,  df 
Mammi/,  E^ypte.  p.  113 ;  Ann.  Mus.  XX.  p.  19. 

1 820.  Nycteris Dauhentonii,  Desmarest,  Mammaiogie.  p.  1 28. 
I  1843.  Bkinolophue  Martini  Fräser,  Proceed.  Zoolog.  Soc.  Lond. 

p.  25. 

1843.  Nycteris  Poensie  Qray,  Cat.  Mamm.  Brit.  Mus.  p.  24  (nor- 
men!}. 

1866.  Nycterops  pilosa  Gray,   Proceed.  Zool.  Soc.  Lond.  1866. 
^  p.  83.  (nomen!) 

Diese  zuerst  durch  Adanson  von  dem  Senegal  nach  Europa 
ebrachte  Art  ist  später  von  Fräser  aus  Fernando  Po,    von  der 

^ , 'ürttembergischen  Mission  aus  Guinea,  durch  Hrn.  J.  Ungar  aus 
.ccra  (Guinea)  nach  Europa  gebracht  und  durch  den  vernnglück- 

r.  «n  Hrn.  Wilcke  in  Dongola,    sowie  durch  Hrn.  Dr.  Schwein- 

p'irth  in  Port  Rek  (Sudan)  gesammelt  worden.  Die  Art,  obgleich  der 
aubentonschen  Abbildung  und  Beschreibung  nach  wohl  zu  erken- 
*n,    ist  vermuthlich  deshalb   verkannt  worden,    weil  sich   in  der 

'/o tomischen  Sammlung  des  Jardin  desplantesein  Schädel  einer 

,  'ycteris  als  „iV.  hispida^  bezeichnet  befindet,  welcher  einer  andern 

1  c» 


902  GeBammUitzung 

Art,  wahrscheinlich  der  N.  thebaica^  angehört,  Tielleicht  a«ch  mit 
dem  von  Daubenton  1.  c.  p.  91  unter  No.  DCDXI.  erwähutti) 
identisch  ist,  w&hrend  das  Originalexeniplar  von  N,  ki^pida  sich 
nicht  wieder  auffinden  IfiCst.  Auch  Desmarest  hatte  sich  nach 
Yergleichung  von  N.  thebaiea  mit  den  Originalexemplaren  zu  den  Be- 
schreibungen von  No.  DCDX  und  DCDXI  (Buffon  1.  c  p.  91)  be- 
reits für  die  Übereinstimmung  dieser  Exemplare  ausgesprochen. 
Ohrklappe  am  vordem  Rande  concav. 

Das  m&nnliche  Exemplar,  welches  unsere  Sammlung  ans  Ät- 
cra  besitzt  und  dessen  Abbildung  ich  hier  vorzulegen  mir  erlaube, 
ist  kaum  ein  wenig  kleiner  als  die  Exemplare  aus  dem  Sudan, 
sein  Gebifs  aber  ganz  mit  ihnen  übereinstimmend. 

Mafse  eines  ausgewachsenen  Exemplars  aus  Port  Rek: 

Mei«r 

Totallänge o,iio 

Kopf o,oH 

Ohrhöhe o,o3o 

Ohrbreite o,ois 

Ohrklappe o,oo4s 

Schwanz o,o4& 

Oberarm o,oi7 

Torderarm o,04i 

L.  1 .  F.  Mh.  0,0053 ;    1  Gl.  0,0047;   2G1.  o,oo39 0,011 

L.  2.  F.     -    0,0365 ;      -     0,0. o.ovs 

L.  3.  F.     -   0,0335;      -     0,0223;     -      0,021»;   Kpl.  0,003» 
L.  4.  F.     -    0,034;        -     0,0125;     -      0,0087;      -     0,001 

L.  5.  F.       -     0,035;  -       0,0125  ^      -        0,0098;         -       0,0018 

Oberschenkel 0,017 

Unterschenkel o,oi> 

Fufs 0,011 

Sporn 0,017 

2.  Nycteri8viUo8aFtT3.  (Fig.  3.) 

1852.  Nt/cteris viliosaT eters f  Reite  nach  Mo^mbique^  Säuge- 
thiere.  p.48.  Taf.xi. 

Diese  Art  ist  äufserst  nahe  verwandt  mit  der  vorhergehenden, 
unterscheidet  sich  aber,  abgesehen  von  einigen  geringeren  Merkma> 
len,    durch  die  stfirkere  und  weiter   ausgedehnte    Behaarong    der 


vom  22.  December  1870.  903 

Flughfiute  nnd  merklichere    Orofse   des    zweiten    nntem   fklschen 
Backzahns. 

Das  bisher  noch  immer  einzige  Exemplar  von  meiner  Samm- 
lang {Mus.  ZooL  Berol.  Mammalia.  No.394)  stammt,  wie  ich  angege- 
ben habe,  ans  Inhambane,  in  Südostafrika. 

b.     Ohren  auffallend  länger  als  der  Kopf,  obere 
Schneidezähne  zweispitzig. 

A,     Der  zweite  untere  Praemolarzahn   sehr  klein  und  ganz 
nach  innen  gedrängt. 

3.  Nycteris  thebaica  Geoff  roy.  (Fig.  4.) 

1809.  Nyctere  de  la  Th^baide,  Geoffroy  St.  Hilaire,  Descript 
de  Vtgifpte,  Mammi/eres.  PI.  1.  Fig.  2,  PI.  4.  Fig.  1,  1',  1". 

1813.  Nycteris  thebaicue  Geoff  roy  St.  Hilaire,  Deacript.  de 
l*Egjfpte.  Bist,  Not.  Mammtf.  p.  119 ;  Mem,  du  Museum.  XX. 
p.  20. 

1 820.  Nycteris  Geoffroyi Desmarest,  Mammalogie.  p.  1 27. 

1839.  Nycteris hispidaTSiXtkinyWlty  OstSoyrapkie.  Taf. vn. 

1 840.  Nycteris  thebaica  et  albiventer  Wag  n  e  r ,  Schreber  Säugeth f>- 
re.  Suppl.  I.  p.  439. 

1855.  Nycteris  thebaica  (G  e  o  f  f  r  o  y)  Wa g  n  e  r,  Säugethiere.  p.  645. 
1861.  Nycteris  iabiata  H  e  u  g  1  i  n ,  Beitr,  zur  Fauna  der  Säugethiere 
Nordost- Africas.  p.5.  (Acad.  Leop.  Carol.  Vol.  XXIX.} 

Aegypten,  Abyssinien  (Kören). 

4.  Nycteris  angolensis  n.  sp.  (Fig.  5.) 

Durch  die  Gute  des  Hm.  Barboza  du  Bocage  habe  ich 
verschiedene  £xemplare  einer  Nycteris  zur  Untersuchung  erhalten, 
welche  ich  für  identisch  mit  N.  fuliginosa  aus  Mo^ambiqi^  gehal- 
ten habe.')  Eine  genauere  Untersuchung  hat  mir  aber  gezeigt, 
dafs,  obgleich  sie  in  der  Färbung  mehr  mit  dieser  letztem  über* 
einstimmt,  sie  durch  die  Entwicklung  des  kleinen  zweiten  untern 
falschen  Backzahns  und  aueh  durch  eine  etwas  geringere  Länge 
des  Sporns  der  N.  thebaica  näher  steh^  und  dafs  sie  von  dieser 
nur  durch  eine  etwas  stärkere  Entwickelung  dieses  äufserst  kleinen 


*)  cf.  Jomal  de  Sciencias  mathem,  phys,  e  nat,  Acad,  /?.  Scienc,  Lisboa. 
1870.  No.  X.  p.  123. 

[1870]  62 


904  Gesammtiitzung 

Zahnes  von  ihr  verschieden  ist  Der  Tragus  zerfallt,  wie  gewolm- 
lieh,  in  zwei  Abtheilungen  und  die  obere  abgerundete  Abtheiloog 
hat,    wie  bei  iV.  thebaica  und  eapensiSy    den  vordem  Rand  con?ei. 


Totallange Mi3 

Kopf        o,öi.'> 

Ohrhöhe 0^ 

Ohrbreite o,a» 

Ohrklappe 0,005 

Schwanz 0,«« 

Oberarm 0^ 

Vorderarm o.ou 

L.  I.F.*  Mh.  0,0058;  1  Gl.o,oo>;  2  Gl.  0,002s 0,01} 

L.  2.  F.     -     o,o4o;       -    0,001s o^m 

L.  3.  F.  -  0,0368;  -  0,026;  -  o,om;  Kpl.  0,005 
L.  4.  F.  -  0,038;  -  0,015;  -  0,0115;  -  0,0019 
L.  5.  F.     -     0,038;       -     0,0145;    -      0,0125;     -     0,0095 

Oberschenkel 0,033 

Unterschenkel o,on 

Fufs 0,01s 

Sporn 0,017 

Diese  Art  ist  in  Gaconda,  Biballa  und  Rio  Coroca  von 
Hm.  Anchieta  gefunden  worden. 

ß.  Der  zweite  antere  Praemolarzahn  klein  und  in  der  Zahn- 
reihe zwischen  dem  ersten  and  dem  ersten  Molarzahn  zo- 
sammengedrückt,  mehr  entwickelt  an  der  inneren  al5  an 
der  aufseren  Seite  der  Zahnreihe. 

5.  Nycieris  capensis  Smith.  (Fig.  6.) 

1829.  Nycteri»  captntia  et  ctffinis  Smith,  The  zooioffical  Journal, 

IV.  p.  434. 
1840.  Nycteria  discolorVi^AgneTf  Schreber  Sdugethiere,  Snppl.  I. 

p.  440. 

Die  geringen  Farbenunterschiede  ebenso  wie  die  geringere  oder 
grofsere  Lfinge  des  letzten  Schwanzgliedes  und  die  Verschiedenheit  der 
Ohrengrofse  innerhalb  der  angegebenen  Grenze,  sowie  endlich  der  leicht 
bei  der  Präparation  der  zarten  Zwischenkiefer  entstehende  Zwischen- 
raum zwischen  den  obern  Schneidezahnpaaren  bilden  durchaus  keine 


vom  22.  December  1870.  905 

unterscheidenden  Merkmale  und  das  Gebifs  ist  Tollkommen  überein- 
stimmend. Dafs  auch  die  Exemplare  aus  der  Ecklon'schen  Samm- 
lung, nach  denen  Wagner  seine  N.  discolor  aufstellte,  durchaus 
nicht  hiervon  verschieden  sind,  davon  habe  ich  mich  durch  directe 
Vergleichnng  derselben  überzeugt 

Im  Innern.  Südafrikas  (Kafferland)  und  in  Port  Natal. 

6.  Nycteris  damarensis  n.  sp.  (Fig.  7.) 

Aus  dem  Damaralande  haben  das  Berliner,  das  Stockholmer 
und  das  British  Museum  Exemplare  einer  Nycteris  erhalten,  wel- 
che der  capensia  Smith  äufserst  nahe  steht,  durch  die  ganz 
schneeweifse  Unterseite,  ohne  bräunliche  Schattirung  an  der  Seite 
der  Brust  vor  der  Schulter,  auffällt  und  sich  durch  eine  etwas  stär- 
kere Entwickelung  des  kleinen  zweiten  untern  falschen  Backzahns 
auszeichnet.  Ich  lasse  dieser  Art  den  Namen,  unter  welchem  sie 
im  British  Museum  und  in  dem  Gatalogue  of  Mammalia  von  1843 
[p.  24)  aufgeführt,  ist,  obgleich  sie  niemals  beschrieben  wurde. 

Meter 

lotallfinge o,ii8 

Kopf 0,0232 

Ohrlänge 0,035 

Ohrbreite 0,023 

Tragus 0,009 

Schwanz o,056 

Oberarm 0,022 

Vorderarm 0,047 

ü*.  1.  F.  Mb.  0,005;    1  Gl.  0,005;   2  Gl.  0,0025 0,013 

Li.  2.  F.     -     0,040 ;       -     0,0  0,040 

[i.  3.  F.       -      0,0872;        -      0,0265;        -      0,025;    Kpl.  0,005 

u.  4.  F.     -     0,040«;      -    0,014;       -     0,0117;     -     0,0015 
'a.5.Y.     -     0,0408;      -     0,0137;      -     0,0117;     -     0,002 

Oberschenkel    .* ■-.  - .     .     .     .     .     0,0235 

Jnterschenkel 0,023 

?ufß 0,012  —  0,013 

Jporn 0,017 

Wir  haben  diese  Art  durch  Hrn.  Hahn  aus  Otjimbingue. 


62^ 


90G  GeBammUitzung 

7.  Nyteris/uliginosaFiTS.  (Fig,8.) 

1 SÖ2.  Nycieri9ful%g%no9a  P  e  t  e  r 8  1.  c.  p.  46.  Taf.  x. 

Diese  Art  schliefst  sich  ebenfalls  znnficbst  an  N,  copaim  Smith 
an,  hat  aber  die  Obrklappe  schmäler  und  den  zweiten  untern  ti- 
schen Backzahn  grofser.  Sie  ist  spater  von  Dr.  Kirk  am  Zam- 
beze  in  Shupanga  und  von  dem  Baron  C.  von  der  Decken 
an  der  Küste  von  Zanzibar  wieder  gefunden  worden. 

y.    Der  zweite  untere  Backzahn  wohl  entwickelt 

8.  Nycteris  grandis  Ptrs. 

1865.  Nycteris  grtmdis  Peters,  Monatsb,  BerL  Akad,  d.  Wissen- 
9chaß,  p.  358 ;  ibid.  1866.  p.  672. 

Der  zweite  untere  falsche  Backzahn  erreicht  nur  ein  Drittel 
der  Grofse  des  ersten  bei  dieser  riesigen  Art,  von  welcher  mir  bis 
jetzt  nur  zwei  Exemplare,  ein  trocknes  im  Leidener  and  ein  Wein- 
geistexemplar im  British  Museum,  beide  aus  Guinea,  bekannt 
sind. 

9.  Nycteris  javanica  Geoffroy.  (Fig.  9.) 

1813.  Nycteri$  javanicuB  Geoffroy  St  Hilaire,  Ann,  du  JA- 

•^m.  XX.  p.  20. 
1828.  PetaiiajavanicaCrTtky,  Mag,  ZooL^Bot  II.  p.494. 

1866.  Pelatiajavanica  Gray,  Proc,  ZooL  Soc.  Lond,  p.  83. 

Bei  dieser  Art,  dem  einzigen  bisher  bekannten  ReprSsentantei 
der  Gattung  im  indischen  Archipel,  welche  auch  nur  auf  Jars 
gefunden  wurde,  erreicht  der  zweite  untere  Backzahn  zwei  Drittel 
der  Grofse  des  ersten  und  die  Ohrklappe  ist  am  vordem  Rande 
nicht  convex,  sondern  grade  abgestutzt.  Eine  bogenförmige  quer:, 
die  Basis  der  Ohren  verbindende  Haut  ist  aber  bei  ihr  ebensowol. 
vorhanden  wie  bei  den  afrikanischen  Arten  und  eine  generiscb^ 
Abtrennung  von  denselben  scheint  mir  durchaus  bicht  begruod'^ 
zu  sein. 

Erklärung    der    Abbildungen. 

Fig.  1 — Ic  Nycteris  hispida  Sehr  eh  er.  AusAccra.  NatQrl.  Grofse. 
,     2.  Unterkieferzahne  von  Nycteris  hispida  Schreber.  Aus  Port  R e k. 
„     3.  Dieselben  von  Nycteris  vilhsa  Ptrs. 


vom  22.  December  1870.  907 


Fig.  4.  Dieselben  von  Nycteris  thehaica  Geoffroy. 
„     5.  Dieselben  von  NycterU  angoiensis  Ptrs. 
^     6.  Dieselben  von  Nycieria  capenais  Smith. 
„     7.  Dieselben  von  Nycteris  dctmarensia^t TB, 
„     8.  Dieselben  von  Nycteri$ /uliginosa  Ptrs. 
^     9.  Dieselben  von  Nycteris  jävanica  Geoffroy, 

Fig.  2  bis  9  viermal  vergröfsert 


II.     Atalafua  Rafinesque. 

1814.  Atalapha  Rafinesqae,   Precis  des  decouvertes  et  tracaux  »omiologiquea 

p.  12. 
1820.  Atalapha  Desmarest,  Mammalogie.  p.  146.^) 
1838.  ScotophiluS'Lanurua-Atalapha  Raf.  Gray,  Mag. Zool.  Bot,  TL,  p.498. 
1841.  Nycticejus  T emminckf  Monogr.  MammcU,  IL  p.  I54(exp.). 
1854.  Atalapha  Gervais,  Hiat,  not,  Mammi/.  I.  p.214. 

1856.  Atalapha  Gervais,  Docwn,  zooL  Cheiropt,  Sud-AnUric.  p.  72. 

1857.  Lasiurua  Tomes,  Proc,  ZooL  Soc,  Lond,  p.  34. 

1864.  Lanurus  Allen,  Monogrc^h  o/ihe  Bata  qf  North-America,  p.  14. 

Die  Synonymie  der  hierher  gehörigen  Arten  zu  entwirren,  ist 
äufserst  schwierig  und  würde  nur  möglich  sein  durch  eine  directe 
Vergleichung  der  Originalexemplare,  die  kaum  ausfuhrbar  sein 
dürfte.  Anstatt,  wie  ich  hoffte,  die  Zahl  der  aufgestellten  Arten 
zu  yermlndem,  bin  ich  genöthigt,  dieselbe  noch  zu  vermehren. 


^)    Desmarest   und   nach    ihm   Temminck,   Gervais  n.  A.   citiren 
eine  Abhandlung  „Prodrom,  de  Somiologie*  von  Rafinesque,  die  gar  nicht 
existirt,  indem  derselbe  wohl  eine  Schrift  „Principea  fondamentaux  de  Somio- 
io^ie'^,  Palerme  1814.  veröffentlicht  hat,   worin  aber  der  Name  Atalapha  gar 
nicht  vorkommt.     Überhaupt  behalte   ich   den  Namen  Atalapha  nur  defshalb 
bei,  weil  Rafinesque  ausdrficklich  den  V,  novaeboracenaia  als  hierher  gehörig 
anfuhrt,    da  die  von  ihm  angeführten  Merkmale    (Mangel  der  Schneidezahne 
etc.)  falsch  sind  und  weil  Desmarest  zuerst  seine  Gattung  unter  demselben 
JKamen  näher  begründet  hat.      Das  Rafinesqnesche  Werk  „Nature^,    welches 
Hr.  Graj  f&r  den  Namen  Laaiwrua  citirt,  habe  ich  nicht  zu  Gesicht  bekom- 
men können,  da  es  der  KönigL  Bibliothek  fehlt. 


908  Gesammtsitzung 

a.    Schenkelflughant  ganz  oder  bis  auf  den  hinterstem 
Rand  behaart;   Backzähne:  1^  —  1^.     Atalapka  s,  s. 

1.  Ätalapha  novaeboracensis. 

1777.  Vespertilio  novaeboraceims  Erziehen,    Sj^  refm,  wdm, 

p.  155. 
1788.  Vespertilio  novaeboracensis  et  lasiuruM  Gmelin,  /.um.  Syt 

not.  p.  50. 
1792.  VesperHHo  /otfturufS  ehre  her,  Säugeihiere.  IV.  p.636.  Txl 

Lxn.B. 
1796.  Vespertilio  rubelius  Palisot  deBeauvois,   CaL  Prtlv'i 

Mus.  (fide  Allen). 
1814.  Ätalapha  (xmericana'RtL f Ines (luty  L Cm 
1817.  Vespertilio monachus  et  tessellatusB. afinesqnCy  Am. M%Mtkl. 

Mag.  IV.  p.  445  (fide  Allen). 
1843.  Lasiurus  nt/üs  Gray,  CaJt,  Mammal,  BriL  Mus,  {».33  'fiele 

Tomes). 
1854.  Ätalapha  novaeboracensis  et  lasiurus  GerTaia,  Bist.  %il 

Mammif.  p.  214. 
1857.  Lasiurus  novaeboracensis  Tomes,  Proc.  zooL  Soc.  p.34. 
1 864.  Lasiurus  novaeboracensis  Allen,  1.  c  p.  15. 

Über  ganz  Nordamerica  verbreitet  Das  Berliner  Mnseam 
besitzt  zwei  Exemplare  durch  Evers mann  von  den  Aleaten  und 
nach  Geoffroy  und  Temminck  soll  die  Art  auch  in  Cajenne 
und  Surinam  vorkommen. 

2.  Ätalapha  Pfeffferi  Gundlach. 

1861.  Ätalapha  P/eifferi  Gundlach,  Monatsb.  BerL  Akad.  p.  1  '^2, 
Guba. 

3.  Ätalapha  Frantzii  n.  sp. 

Diese  Art  ist  der  Ä.  novaeboracensis  sehr  ähnlich;  aber  abgtr* 
sehen  von  geringeren  Unterschieden  in  der  Färbung  sind  die  Ohreo 
etwas  kleiner,  die  Ohrklappe  kurzer  und  mehr  zugespitzt,  der  Rand 
der  Schenkelflughaut  kahl  und  die  Behaarung  an  der  Bauchseite  längs 
dem  Vorderarm  sehr  kurz  und  sparsam.  Auch  ist  der  Kopf  klei- 
ner und  die  Extremitäten  sind  mehr  gestreckt.  Die  Flaghäate  ge- 
hen bis  an  die  Zehenwurzel,  so  dafs  diese  Art  auch  nicht  zu  A, 
Grayi  Tomes  geboren  kann,  bei  der  die  Flughäute  nur  bis  zar 
Mitte  der  Fufswnrzel  reichen. 


vom  22.  December  1870.  909 

Ob  V.  bonartensis  Lesson  zu  dieser  oder,  wie  andere  Auto* 
ren  behaupten,  zu  F.  novaeboracensis  geliort,  darüber  kann  ich  nicht 
urtheilen,  da  das  Original exemplar  verloren  gegangen  zu  sein 
scheint  und  die  Abbildung  und  Beschreibung  zu  einem  genauem 
Vergleich  zu  ungenügend  sind. 

Unser  Museum  verdankt  zwei  Exemplare  dem  Hm.  Dr.  v. 
Frantzius,  welche  in  Costa  Rica  gesammelt  sind,  und  besitzt 
aufserdem  ein  Exemplar  aus  Brasilien  von  einem  nicht  genauer 
bestimmten  Fundorte. 

Meter 

Totallänge o,iio 

Kopf 0,015 

Ohrhohe o,oi8 

Vorderer  Ohrrand o,oo8 

Ohrbreite o,oo8 

Ohrklappe o,oo7 

Schwanz o,057 

Oberarm 0,027 

Vorderarm 0,039 

Li.  1.  F.  Mh.  0,003;  161.  0,00s;  2  61.  0,0025 0,010 

L«.  2.  F.   -   0,044;    -   0,006 0,050 

L«.  3.  F.   -   0,0448;   -   0,0173;   -   0,0175;  Kpl.  0,0045 

L«.  4.  F.  -  0,040 ;   -   0,012;   -   o^oii;   -  0,003 

L«.  5.  F.   -   0,0363;   -   0,0082;   -   0,008;    -   0,0018 

Oberschenkel 0,0195 

Unterschenkel 0,0195 

Fufs 0,008 

Sporn 0,015 

Abstand  der  obern  Eckzahnspitzen 0,0037 

4.  Ätalapha  varxa, 

1S35.  Nycticejus  varius  POppig,    Reisen  in  Chile ^  Peru  etc.  I. 
p.451. 

Ich  habe  schon  früher  {MonaUber,  Berl.  Akad.  1861  p.l53)  auf 
die  Eigenthumlichkeit  dieser  Art  aufmerksam  gemacht.  Wir  be- 
sitzen dieselbe  aus  Peru  und  Chile.  Äufserlich  ist  sie  leicht  dadurch 
zu  unterscheiden  von  den  verwandten  N.  novaeboracensis  u.  a.  dersel- 
ben Orofse,  dafs  sämmtliche  Flughäute  gleichf5rmig  schwarz  sind. 
Wir  haben  sie  mit  einem  Exemplar  aus  der  Leipziger  Sammlung, 


9 1 0  Gesammtsitzung 

welches  von  Poppig  selber  bestimmt  ist,  darch  die  Gate  des  Hn. 
Prof.  Dr.  Leackart  vergleichen  können. 

5.  Ätalapha  Grayu 

1857.  Lasiurus  Grayi  T  o  m  e  8 ,  Proc.  Zool,  Soc,  Lomd.  p.  40. 
Diese  von  mir  nicht  untersuchte  Art  steht  nach  Hm.  Tomet 
zwischen  A,  novaeboracensis  und  A.  pruinosa  (cinerea)  nnd  hat  dk 
Flughäute  nur  bis  «ur  Mitte  der  FuTswurzel  herabsteig^id.  Sie 
soll  nicht  allein  in  Chile,  sondern  nach  Hrn.  Oraj  (iVoc.  Z.  S. 
ZfOnd»  1862.  p.  143)  auch  auf  den  Sandwichsinselnl  und  in 
Nordamerica  (bei  Nisqually,  Juan  da  Fuca)  vorkommen. 

6.  Ätalapha  cinerea* 

1796.  Vespertilio  cinereus  Palisot  de  BeanTois,  Catal,  Peclft 

MuB,  (fide  Allen). 
1823.  Vespertilio  pntinosus  S  a  j,  Long' s  Exped.  Rocky  MommL  p.  €T. 
1 842.  Vespertilio  pruinoeus  D  e  k  a  y,  NaL  Bist.  New  York,  ZooU  gy. 

p.7.Taf.2.Fig.2. 
1857.  Lasiurus pruinosue  Tomes,  Proc,  Zool.  Soc  Lomd.  p.37. 
1864.  Lasiurua  cinereus  Allen,  Monogr.  Bote  N.Aml  p.Sl. 

Von  dieser  ausgezeichneten  und  lange  bekannten  Art  besitzt 
die  Berliner  Sammlung  zwei  südamericanische  Exemplare  ans  Men- 
doza  und  durch  Hm.  Dr.  Hensel  eins  aus  Montevideo,  wel- 
che mir  keinen  Unterschied  von  den  nordamericanischen  zeigen. 

7.  Ätalapha  pallescens  n.  sp. 

Diese  der  vorhergehenden  sehr  nahe  verwandte  Art  fallt  gleich 
durch  ihre  sehr  viel  hellere  Farbe,  nicht  allein  der  Behaarung,  son- 
dem  auch  der  nackten  Korpertheile,  als  verschieden  auf,  indem  auch 
der  Ohrrand  und  Schnauzenrand  nicht  schwarz,  sondern  gelbbrana 
gefärbt  sind.  Die  Ohren  sind  bei  sonst  gleicher  Korpergrüüs« 
etwas  kleiner,  schwächer  behaart,  der  vordere  Theil  der  Helix  we- 
niger entwickelt,  nicht  mit  seinem  vordem  untern  Ende  nach  hin- 
ten spitz  vorspringend.  Die  Behaarung  der  Schulterflughant,  der 
Lendenflaghaut  und  der  Schenkelflughaut  ist  nicht  so  reichlich, 
auch  sind  die  Haarflecke  der  Rückseite  auf  der  Mittelhand  des 
Daumens,  auf  der  Basis  des  fünften  Fingers  und  über  dem  Ellbo- 
gen an  der  Aufsen-  und  Innenseite  der  Vorderarmes  weniger  stark 
und  die  Mittelhand  des  fünften  Fingers  ist  länger  als  bei  A. 
cinerea. 


voni  22.  December  1870.  911 

Die  Haare  des  Rückens  sind  an  der  Basis  dankel  rostbraun, 
haben  dann  einen  breit  gelben,  dann  einen  schmalen  rostrothen  Ring 
und  hellgelbe  Spitzen;  die  der  Schenkelflugbaut  sind  rostroth  mit 
blafsgelben  Spitzen,  die  Haarflecke  auf  dem  Daumen,  dem  5.  Fin- 
ger und  auf  dem  Vorderarm  blafsgelb.  Die  kürzeren  Haare  der 
Bauchmitte  sind  ähnlicb  gefärbt,  wie  die  der  Rückseite,  die  der 
Bauchseiten,  der  Lenden-  und  Schenkelflugbaut  gelbbraun.  Die  quere 
hellgelbe  Keblbinde  ist,  wie  bei  A.  cinerea^  nach  hinten  scharf  ab- 
gegrenzt. 

Mafse  eines  ausgewacbsenen  Weibchens: 

Meter 

Totallänge o,i50 

Kopf 0,020 

Ohrböhe        o,oift 

Vorderer  Ohrrand  bis  zur  Mitte  des  abgerundeten  Winkels  .  o,oo9 

Ohrbreite o,oi3 

Ohrklappe o,oo8S 

Schwanz o,o6o 

Oberarm o,036 

Vorderarm 0,0535 

L.  1.  F.  Mb.  0,005;    1  Gl.  0,007;   2  Gl.  0,003 o,ou 

L.  2.  F.       -      0,059;  -       0,006 0,065 

L.  3.  F.     -     0,060;       -     0,020;        -     0,024;   Epl.  0,005 
L.  4.  F.     -    0,054;       -     0,012;        -     0,014;      -     0,0015 
L.  5.  F.     -     0,048;       -     0,008;       -     0,009;      -    0,002 

Oberschenkel 0,023 

Unterschenkel 0,023 

Fufs  mit  Erallen 0,011 

Sporn 0,020 

Distanz  der  obern  Eckzahnspitzen o,oos5 

Fundort:  Paramo  de  la  Culata,  Andes  de  Merida  (Re- 
gion frigida),  Venezuela;  durcb  Hrn.  Earsten. 

Ich  war  Anfangs  geneigt,  diese  Art  nur  für  eine  Farbenvarie 
tat  von  der  vorgehenden  zu  balten,  zumal  da  die  Exemplare  aus 
den  LaPlata-Staaten,  also  aus  viel  südlicheren  Gegenden,  die 
gar  keine  Verscbiedenbeit  von  der  Ätalapha  cinerea  aus  den  nord- 
americaniscben  Staaten  zeigen,  das  Vorkommen  einer  verschiede- 
nen Art  in  den  dazwischen  liegenden  Gegenden  sehr  auffallend  er- 


\ 


912  Gesammtsitzung 

scheinen  liefsen.  Indessen  ist  zugleich  zu  beachten,  dafs  die  h^ 
faen  Gebirgsgegenden  anderer  Länder  auch  oft  Arten  liefern,  die 
von  denen  der  Ebene  verschieden  sind. 


b.  Die  Ruckseite  der  Schenkelfinghaut  ist  nur  bis  lar 
Mitte  oder  etwas  über  zwei  Drittel  behaart;  Backzähne: 
^*-  —  i^;    subgen.  Dasjfpterus. 

«.     Nar  das   letzte  Drittel  der  Schenkelflnghant   anbehaart. 

8.  Äialapka  intermedia, 

1862.  LoMunts  itttermediti$  Allen,  Proceed,  Acctd,  Nai,  Sc.  Phi- 
ladelphick,  p.  46 ;  Monogr,  BaU  AV  Am.  p.  25. 
Mexico  (Matamoras). 

9.  Ätalapha  egregia  n.  sp. 

Ohren  höher  als  breit,  am  vordem  Rande  stark,  am  hintern 
Rande  flach  convex,  mit  vier  Qaerfalten;  ein  Kiel  rother  Haare 
nahe  der  unteren  Hfilfte  des  inneren  Randes  und  die  Mitte  der  in- 
nern  Oberseite  nach  oben  hin  mit  feinen  rothen  Haaren  sparsamer 
bekleidet;  der  Antitragus  nur  durch  einen  flachen  Ausschnitt  tod 
dem  hintern  Ohrrande  abgesetzt;  Ohrklappe  ziemlich  spitz,  nur  mit 
der  Spitze  nach  vom  gekrümmt  NasenöfTnungen  vorspringend. 
Der  untere  erste  falsche  Backzahn  reichlich  halb  so  grofs  wie  der 
zweite;  Cingulum  dieser  letzteren  an  der  äufsern  Seite  deutlich 
zweilappig.  Flughäute  bis  an  die  Zehenwurzel  gehend.  Die  Be- 
haarung der  Rfickseite  der  Schenkelflugbaut  lafst  ungefähr  da» 
letzte  Drittel  frei;  an  der  Bauchseite  erstreckt  sich  die  Behaarung 
nur  auf  das  Basalviertel.  Auf  dem  Rücken  ist  die  Basis  des  Dao- 
mens  und  die  Aufsenseite  des  Ellbogens  mit  rothen  Haaren  beklei- 
det An  der  Bauchseite  finden  sich  sparsam  l&ngere  rotbe  Haan. 
zwischen  der  Basis  des  4.  und  5.  Fingers,  zu  beiden  Seiten  dca 
Vorderarms  und  zwischen  der  Endhälfte  des  Oberarms  und  dem 
Knie,  während  die  Gegend  zwischen  der  Grundhälfte  des  Ober- 
arms und  dem  Oberschenkel  sowohl  auf  der  Rücken-  wie  auf  der 
Bauchseite  dichter  mit  langen  Haaren  bekleidet  ist. 

Die  Haare  des  Oberkopfes  und  des  Nackens  sind  an  der  Ba- 
sis schieferfarbig,  dann  breit  hellgelb  und  an  der  Spitze  schon  roth; 
diese  rothen  Spitzen  werden  an  den  Rückenhaaren  nach  hinten  bin 
immer  länger  und  unterdrücken  allmählig  die  gelbe  ZwiscbenfarW 


vom  22.  Decemher  1870.  913 

und  die  Haare  der  Schenkelfloghaut  sowie  der  Hinterextremitäten 
sind  einfarbig  roth.  Kehle  und  Unterkinn  nebst  dem  Yorderkopf 
haben  hellgelbe  Haare  mit  rothen  Spitzen.  Die  Haare  der  Brust 
und  des  Bauches  sind  an  der  Basis  schieferfarbig  und  an  der  Spitze 
rostroth,  die  des  Hinterbauchs  und  der  Schenkelflughaut  einfarbig 
rostroth.  Die  Flughäute  sind  schwarz,  mit  Ausnahme  der  Schen- 
kelflughaut, des  an  den  Vorderarm  grenzendon  Theils  der  Schul- 
terflughaut und  der  Fingerflughäute  zwischen  Daumen,  Zeigefinger 
und  Mittelfinger,  welche  von  brauner  Farbe  sind. 

Meter 

Totallänge        o,i3o 

Kopf  0,0205 

Ohrhohe o,oi9 

Vorderer  Ohrrand 0,015 

Ohrbreite 0,013 

Okrklappe 0,0095 

Schwanz o,o6o 

Oberarm 0,034 

Vorderarm 0,047 

L.  1.  F.  Mh.  0,0042;  1  Gl.  0,0058;  2  61. 0,0035 0,013 

L.  2.  F.   -   0,055;    -    0,0065 0,0615 

L.  3.  F.   -   0,0573;   -    0,0203;    -   0,0225;  Kpl.  0,0055 

L.  4.  F,  -  0,051;   -   0,0121;   -  0,0137;   -  0,0023 
L.  5.  F.  -  0,043;   -   0,0092;   -  0,009;   -  0,0012 

Oberschenkel 0,0225 

Unterschenkel 0,0225 

Fufs 0,010 

Sporn 0,020 

Distanz  der  oberen  Eckzahnspitzen 0,005 

Aus  Sta.  Catharina  in  Brasilien. 

Diese  Art  ist  sehr  nahe  verwandt  mit  Ä,  intermedia  Alien <, 
welche  aber,  abgesehen  von  der  ganz  verschiedenen  Färbung,  un- 
ter anderem  durch  spitzere,  am  hinteren  Rande  etwas  ausgerandete 
Ohren,  den  höheren,  abgerundeten  und  durch  einen  viel  tieferen 
Ausschnitt  von  dem  hinteren  Ohrrande  abgesetzten  Antitragus,  den 
stumpferen,  weniger  zugespitzten  Tragus,  den  verhältnifsmäfsig  klei* 
neren  ersten  unteren  falschen  Backzahn  und  die  ungelappte  Beschaf- 
fenheit des  Cingulunis   an  der  äufseren  Seite  des  zweiten  unteren 


914  Gesammtsitzung 

falschen  Backsahns  ausgezeichnet  ist.  Anch  ist  diese  Art  grölkf 
und  unter  anderem  die  erste  Phalanx  des  4.  Fingers  TerhSltoiL- 
inäfsig  Ifinger  (Vorderarm  0?053;  Schwanz  0»068;  1  Gl.  des  S.Fb- 
gers  0?021,  des  4.  Fingers  0?0155,  des  5.  Fingers  0?009). 

ß.  Die  Behaarung  der  Schenkelflnghaat  reicht  norbis  znrMitt?. 

10.  Ätalapha  Ega, 

1856.  NjftHctJHM  Ega  Ger  Tals,  Doettm.  zool,  Ok^ropt.  Sttd-Amtr. 
p.72. 

1857.  LtuiurusAga  Tom  es,  Proc.  ZooL  Soe,  Land,  p.43. 

Brasilien,  woher  auch  die  Berliner  Sammlung  ein  getrockne- 
tes Exemplar  durch  Sello  besitzt. 

11.  Ätalapha  caudata. 

1857.  Lcmurut  ccatdattts  Tomes  1.  c.  p.42. 

Diese  Art  ist  mir  aus  eigner  Anschauung  nicht  bekannt  und 
scheint  mir  die  Verschiedenheit  derselben  von  der  vorhergeheudcD 
noch  nicht  ganz  ausgemacht  zu  sein,  da  der  Hauptunterschied  in 
der  bedeutenderen  Länge  des  Schwanzes  liegen  soll  und  bei  der  Ver- 
gleichung  nur  ein  einziger  Balg  von  N.  ega  zu  Grunde  gelegen  bat 

Die  von  Hrn.  Tom  es  zu  dieser  Art  gerechneten  beiden  Exem- 
plare stammen  aus  Pernambuco  und  Chile. 


Hr.  Mommsen  legte  die  von  den  Hm.  Henzen  und  Hab- 
ner  erstatteten  Berichte  fiber  den  Fortgang  der  Arbeiten  am  Cor- 
pus inscriptionum  Latinarum  während  des  Arbeitsjahrs  1.  Nov.  1869 
-^  31.  Oct.  1870  nebst  seinem  eigenen  Berichte  vor.  Auch  io 
diesem  bewegten  Jahr  hat  die  Arbeit  und  der  Druck,  wenn  nicht 
ohne  Störungen,  doch  im  Ganzen  ununterbrochen  fortgeführt  wer* 
den  können. 


\-7.  \vmristepida.;nAill»s:r4S.lhpbir;i,,t  V™eoliTiN]s.liX.iape]ws./.\.iLinurf!i'js 


v<m  22.  December  1870.  915 

Hr.  Henzen  und  Hr.  Bor  mann  haben  die  Drucklegung  der 
stadtrömischen  Inschriften  (Bd.  VI)  begonnen  und  bis  p.  112 
gefuhrt,  wobei  theils  wfihrend  Hrn.  Bormanns  Abwesenheit  im 
Felde  der  in  dieser  Zeit  in  Berlin  anwesende  Hr.  Henzen  den 
Druck  leitete,  theils  nach  dessen  Rückkehr  nach  Rom  Hr.  Bor- 
mann, der  inzwischen  von  seiner  bei  Mars-la-Tour  am  16.  Aug. 
d.  J.  empfangenen  Wnnde  wieder  einigermafsen  hergestellt  und 
nach  Berlin  zurückgekehrt  war.  Die  sacrae  sind  damit  zum  grös- 
seren Theil  abgeschlossen.  Die  Eaiserinschriften  sind  zum  Druck 
fertig.  —  Hr.  Hübner  hat  vor  Kurzem  mit  dem  Druck  der  In- 
schriften von  Britannien  (Bd.  YII)  den  Anfang  gemacht  —  Die 
von  Hrn.  Zangemeister  bearbeiteten  Wand-  und  Griffel inschrif- 
ten  von  Pompeii  (Bd.  IV)  sind  ausgedruckt  und  gelangen  demn&chst 
zur  Versendung.  —  Der  Druck  der  von  Hrn.  Mommsen  bear- 
beiteten Bände  ist  in  Band  III  von  S.  640  bis  S.  800  vorgeschrit- 
ten, womit  dieser  Theil  bis  auf  die  allerdings  umfangreichen  An- 
hange und  die  Indices  abgeschlossen  ist;  in  Bd.  Y  von  S.  168  bis 
S.  328,  welche  die  östliche  Hälfte  Oberitaliens  bis  Verona  um* 
fassen.  —  Die  finanzielle  Lage  des  Unternehmens  ist  befriedigend, 
die  Förderung  des  Druckes,  wenn  nicht  allen  Wünschen  ent« 
sprechend,  doch  merklich  und  erfreulich. 


An   eingegangenen    Schriften    nebst   Begleitschreiben    wurden 
vorgelegt: 

Corretpondenzhlatt  de»  Naturforscher -Verein»   zu   Riga.     IS.  Jahrg.     Riga 

1870.     8. 
Denkschrift  de»  Natur/or»cher- Verein»  zu  Riga,    herauegeg.   in  Anla/»  der 

Feier  »eine»  25 jähr.  Bestehen».     Riga  1870.     4. 
W.  V.  Gutzeit,  Zur  Oeechichte  der  Forschungen  über  die  Phosphorite  de» 

mittleren  Ru/»land».     Riga  1870.     4. 
Siehenundzwanzigster  Jahreebericht  der   »chie»i»chen  Qe»ell»cheft  für  vater- 

ländi»che  Ouitur.     Breslan  1870.     8. 
Abhandlungen  der  Schles.  Gesellsch,  f.  vaterl,  Cultur.     Abth,  /.  Naturw.  u, 

Medidn.  1869  |  70.     Philo».'hi»t.  Abth.  1870.     Breslau  1870.     8. 


l 


916  Gesammtiitzung  vom  22.  December  1870. 

V.  Rofe,    Atteedota  Oraeca  et  GraeeoloHna,     2.  Heft     Berlin  1870.    S. 

Mit  Begleiticbreiben  cL  Veil  cL  d.  30.  Dec.  1870. 
VierUljakrt9»chr^  der  AetronowL  OeeelUchqft,    5.  Jahig.  4.  Heft     Lei^ 

1870.     8. 
Schriftem  der  ünivereitat  tu  KieL     16.  Bd.     Kiel  1870.     4. 
Mainardi,  Auezuge  aus  dem  Atti  dei  Noovi  Lineei,     (Roma  1870.)    4. 
Ahnual  Report  of  the  Commieeioner  of  patente  for  1867.     Yol.  1—4.   Wi- 

8hiDgton  1868.     8. 


Verbesserungen  und  Druckfehler. 


S.  657  Zeile  5  statt  crenata  lies  crenulata, 

jf  —  in  der  Note  Zeile  2  statt  Saude  lies  Sande. 

^  658  letzter  Absatz  Zeile  2  statt  Mendoni  lies  Mandoni. 

ji  659  Zeile  1  statt  Dominica  lies  St.  Domingo. 

„  689  Zeile  6  statt  angustifolia  lies  tenuifolia, 

n  704  Zeile  7  von  unten  statt  Fig.  3  lies  Fig.  2. 

n  747  No.  45  Zeile  1  statt  S.  Dominique  lies  St  Domingo. 

^    748  Zeile  5  statt  No.  46  lies  47.     Die  folgenden  Nummern  47 

bis  53  sind  sämmtlich  um  1  zu  erhohen. 


Namen  -  Register. 


(Die  mit  einem  *  bezeichueten  Vortrage  sind  im  Monatsbericht  nicht 

aufgefahrt.) 


Baxt,  N.,  Neue  Versuche  fiber  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Rei- 
zung in  den  motorischen  Kerven  der  Menschen,  184. 

Bekker,  Bemerkungen  zum  Homer,  810. 

Blau,  Otto,  Dritter  Bericht  über  römische  Alterthfimer  in  Bosnien,  619. 

du  Bois-Reymond,  Jahresbericht  der  Humboldtstiftung,  44.  —  Nachtrag 
zur  Abhandlung  Ober  die  aperiodische  Bewegung  gedämpfter  Magnete, 
537.  —  *Über  die  Krause-Kühne*sche  Theorie  der  Muskelzusammenzie- 
hung, 807.  —  Über  Leibnizische  Gedanken  in  der  neuem  Naturwissen- 
schaft, 835. 

Bonitz,  *Zur  Erklärung  des  Phaidon,  797.  —  ^Bemerkungen  fiber  Platon's 
Charmides,  900. 

Borchardt,  *Über  ein  die  Pyramiden  betreffendes  Problem  des  Maximus, 
812. 

Braun,  Neuere  Untersuchungen  fiber  die  Gattungen  MarsUia  und  Pilularia, 
653.  —  Mittheilungen  fiber  die  Reise  des  Dr.  Schweinfurth,  833. 

Buschmann,  ^Zusätze  zur  sonorischen  Grammatik,  183. 

Curtius,  Über  griechische  Personennamen,  159.  —  Über  die  Mfinzen  der 
griechischen  Colonien  in  ihren  Beziehungen  zum  Mutterlande,  803. 

Dove,  Alfred,  Über  die  Handschriften  von  Arborea,  90. 

DoYe,  *Über  die  Compensation  der  in  Europa  im  Januar  1870  beobachte-' 
ten  Kälte  durch  eine  ungewöhnliche  Erhöhung  der  Temperatur  in  Ame- 
rika, 126.  *Über  die  Wärmevertheilung  im  Polarmeer,  182.  •—  Über  die 
Temperaturvertheilung  im  Winter  18f{,  209.  —  Über  die  Zurfickffihrung 

[1870]  63 


920  Namen-Register. 

der  jährlichen  Temperatorcurve  auf  die  ihr  zum  Gmnde  lic^genden  Be- 
dingungen, 365.  —  Über  die  Yertheilong  des  Regens  in  der  jährlkk'^ 
Periode  im  mittleren  Europa,  813. 

Droysen,  *Über  die  Lage  der  Politik  im  Anfange  des  ersten  scUesurbes 
Krieges,  890. 

Ehrenberg,  Über  die  Bacillarienbänke  im  Hochlande  Califomiens,  12€w  — 
Über  die  wachsende  Kenntnifs  des  ansichtbaren  Lebens  ala  USiASHeak 
Bacillarien  in  Califomien,  259. 

Ewald,  *Über   einige  die  Geologie  der  Anden  betreffenden  Fragen,  S2€. 

Gerhardt,  Zur  Geschichte  der  Algebra  in  Deutschland.  Zweiter TbeiJ,  141. 

Groth,  Über  Beziehungen  zwischen  Krystallform  und  chemischer  CoBftits- 
tion  bei  einigen  organischen  Verbindungen,  247. 

Haupt,  *Über  die  Perser  des  Aeschylos,  247.  —  Bericht  fiber  die  Hand- 
schriften Ton  Arborea,  64. 

Hofmann,  Nachträgliche  Bemerkungen  über  die  Entschwcfelungsprodaktr 
des  Diphenylsulfocarbamids,  171.  —  Über  substituirte  Mekimine,  191.  — 
Über  die  Darstellung  der  Athylamine  im  Grolsen,  154.  —  Über  die  Iso- 
meren der  Cjanursänre-Äther,  198.  —  Weitere  Beobachtungen  über  das 
Methylaldehyd,  525.  —  Über  die  aromatischen  Cyanate,  576.  —  Über 
die  Einwirkung  des  Cyans  auf  das  Anilin,  597.  —  Einwirkung  d«s 
Cyans  auf  das  Triphenyl-Guanadin,  597.  —  Über  eine  neue  Klasse  rt« 
Cyansäureäthem,  599.  —  Über  Bildnngsweise  der  laonitrile,  600l  — 
Reaction  auf  Cyanursäure,  601.  —  Reaction  auf  Chloroform,  602.  — 
Diagnose  primärer,  secundärer  und  tertiärer  Amine,  603.  —  Zur  Kennt- 
nifs des  Phenylzanthogenamids,  606.  —  Über  die  Einwirkung  der  Es- 
sigsäure auf  das  PhenylsenfSl,  611.  -^  Zar  Geschichte  der  AthjlcBba- 
sen,  612.  —  Zur  Kenntnifs  des  Aldehydgruns,  618.  —  Über  die  Ho- 
leculargröfse  des  Cbinons,  616. 

Homeyer,  Über  Hausmarken,  175. 

Jaffe,  Über  die  Handschriften  Ton  Arborea,  74. 

Ketteier,  Über  den  Einflufs  der  ponderablen  Moleküle  auf  die  Disperaon 
des  Lichtes  und  über  die  Bedeutung  der  Constanten  der  Disperstonsfor- 
meln, 132. 

Kirch  hoff.  Über  eine  jüngst  publicirte  vermuthlich  lakonische  Urkunde,  5  t. 
*-  Über  die  Tributlisten  der  Jahre  Ol.  85,«  — 87, f  ,^  575. 

Klein,  Felix  und  Sophus  Lie,  Über  die  Haupttangenten-Corren  der  Kub- 
mer^schen  Fläche  vierten  Grades  mit  16  Knotenpunkten,  691. 

Kny,  Über  die  Morphologie  von  Chondriopsis  coemlescens  Cronan,  und  di« 
dieser  Alge  eigenen  optischen  Erscheinungen,  425. 

Köhler,  Ulrich,  Über  zwei  Inschriften  aus  dem  äufiroren  Kerameikoe  tob 
Athen,  272. 


Nainen-Beghter.  921 

Kostka,  Über  die  Anffindang  der  ellipsoidischen  Gleichgewichtsflguren  einer 
homogenen  um  eine  feste  Axe  rotirenden  Flfissigkeitsmasse,  116. 

Kronecker,  Hugo,  Über  die  Gesetze  der  Moskelermüdang,  629. 

Kronecker,  *Über  die  pharakteristischen  Eigenschaften  des  Potentials,  801. 
—  Einige  Eigenschaften  der  Klassenanzabl  idealer  complezer  Zahlen, 
88]. 

Kammer,  ^Festrede,  183.  —  Über  die  einfachste  Darstellung  der  aus  Ein- 
beitswurzeln  gebildeten  complezen  Zahlen,  welche  durch  Mnltiplication 
mit  Einheiten  bewirkt  werden  kann,  409.  —  Bericht  fiber  Preisfragen, 
571.  —  *Über  die  algebraische  Strahlensysteme  dritter  Ordnung,  584  — 
Über  die  aus  Slten  Wurzeln  der  Einheit  gebildeten  complexen  Zahlen, 
755.  —  Über  eine  Eigenschaft  der  Einheiten  der  ans  den  Wurzeln  der 
Gleichung  a^  sss  i  gebildeten  complezen  Zahlen  tind  über  den  zweiten 
Faktor  der  Klassenzahl,  855. 

licpsius,  *Über  die  altägyptischen  Jahreszeiten  und  Monate,  105. 

Mommsen,  *Bei  Assuan  aufgefundene  römische  Inschriften,  I.  —  Jahres- 
berichte fiber  das  Inschriften -Werk,  13.  914.  —  *Über  das  römische 
Consnlartribunat,  617.  —  *Über  die  Siebenbfirgischen  Wachsfafeln,  795. 

Müllen  hoff,  ^Beiträge  zur  Geographie  der  Alten,  183.  —  ^Über  die  vor* 
ptolomäischen  Diathesen  des  östlichen  Europa,  807.  • 

Olshansen,  Otto,  Über  die  Isomeren  der  Cyanursäure-Ä&er,  198,      t       . 

Olshansen,  Beiträge  zur  Kritik  des  überlieferten  Textes  im  Buche. Gene- 
sis, 380.  —  *Über  den  gegenwärtigen  Znstand  der  alttestamehtUchen 
Textkritik,  380. 

F  a  r  t  h  e  7 ,  *Über  Horapollo*s  Hieroglyphica,  583. 

Pertz,  Sammlung  von  Schrifttafeln  zum  Gebrauche  bei  diplomatischen  Vor 
lesungen,  139.  —  Über   das   im  Hause  Brannschweig -Lüneburg  gesetz- 
liche Alter  der  Mündigkeit,  809. 

Petermann,  *Über  die  Eroberung  von  Jerusalem  durch  Saladin,  139.  182. 

Peters,  Über  den  Ductus  pneumaticus  des  Unterkiefers  bei  den  Crocodilen, 
15.  —  Über  die  afrikanischen  Wameidechsen  und  ihre  geographische 
Verbreitung,  106.  —  Beitrag  zur  Kenntnifs  der  herpetologischen  Fauna 
von  Südaftika,  110.  —  Über  die  Verwandtschaft  der  Ctenodactyli  mit 
den  Chinchillen,  207.  —  Über  Platemys  tuberosa,  eine  neue  Schildkrö- 
tenart aus  British-Guiana,  311.  —  Über  Propithecus  Deckenii,  eine  neue 
Art  von  Halbaffen  aus  Madagaskar,  421.  —  Über  neue  Arten  von  Spitz« 
mausen  aus  Ceylon,  Malacca,  Borneo,  China,  Luzon.  und  Ostafrika,  584. 
—  Über  neue  Amphibien  des  Königl.  zoologischen  Museums,  641.  -^ 
Monographische  Übersicht  der  Chiroptercngattungen  Kycteris  und  Ata« 
lapha,  900. 

Foggendorff,  Über  eine  neue  Influenzmaschine,  245.  —  Über  einige  neue 

63» 


922  Namen-BegUter, 

merkwfirdtge  Eigenachallen  der  diametrslmi  Condnction  an  der  Eledm- 

mMohine,  875. 
Rammelsberg,    Über  die   Stellung  des  ThalUnms  ia   der  Reihe  der  Br- 

mente,  837.  ^   Über  die  Zosammensetznng  der  Meteorite  Ton   SluSki 

and  TOD  Hainh<^,  314.  —  Beitrige  zar  Kenntnife  der  Meteoriten,  44(1 
Ranke,   ^Literarische  ErGrtenmgen  betreffend  den  Urspnuig  dea  siebenjalm- 

gen  Kriegs,  619. 
Reichert,   *Über  das  Skelet  der  Wirbdtbiere,  619.  890. 
Riefs,  Theorie  der  neusten  E^ektrophormaschtne  and  der  fibersShligea  Con- 

dnktoren,  1. 
Rödiger,    Über  einige  lam  Theil  fragmentaiische  ph5nikisehe    laadirii)« 

ans  Cjpem  864.  —  Über  die  arabische  Redaktion  der  TorjnstiniaaischMi 

Kaisergesetxe  und  deren  Yerhiltnifs  zum  syrischen  Texte,  808. 
Rose,   Über   den  Zusammenhang  zwischen  hemüdrischer  Krystallfonn  «sd 

thermoelektrischem  Verhalten  heim  Eisenkies  und  Kobahglanx,    327.  — 

Über  einen  angeblichen  Meteoritenlall  tou  Morznk  in  Fessan,  804. 
Roth,    Über  die  Lehre  rom  Metamorphismas  and  die  Eotatehoag  der  Inr- 

staUiaischen  Sehiefer,  899. 
Schott,  Über  eine  deutsche  Übenetzong  asongoHscber  Mabrdiea,  797. 
Tob  1er,  Über  die  Handschriften  tou  Arborea,  80. 
Trendelenbnrg,   ^nr  Geschichte   des  Wortes  Person,  88.  —    Aas  Frie> 

drichs  des  OrofiMn  politischen  Yermichtnissen,  23.  —    *Zar  Geschieht? 

pliilosophlscher  TenninL    Zweiter  Beitrag,  900. 
Weber,  *Über  das  Ramayai^a,  184.  —  Über  das  zweite  Bach  der  Athar^a- 

Samhita,  463. 
Weierstrafs,  *Über  die  Safiich  periodischen  Funktionen,  139.  —  *Bemer- 

kangen  über  das  sogenannte  Dirichlet'sche  Prineip,  575. 


Sach- Register. 


Äthylamine,  Darstellang  im  Grofsen,  154. 

Äthylenbasen,  612. 

Aldehydgrfin,  613. 

Algebra,  Geschichte,  141. 

Amine,  Diagnose  primärer,  secundärer  und  tertiärer,  603. 

Amphibien,  15.  106.  110.  311.  641. 

Arborea,   Fälschnngen,  64. 

Arthroleptis  dispar  Ptrs.,  649. 

Atalapba  Raf.   (Übersicht  der  Gattung),  907. 

Atalapha  Frantsii  Ptrs.,  908. 

Atharvan-Samhita,  462. 

Bacillarien,   126.  259. 

Boppstiftong,  571. 

Bosnien,  römische  Alterthumer,  619. 

Botanik,  Morphologie  von  Chondriopsis  coerulescens  Crouan,  425.  —  Un- 
tersuchungen Aber  die  Gattungen  Marsilia  und  Pilalaria,  653. 

Californien,  126.  259. 

Cercosanra  glabella  Ptrs.,  641. 

Chemie,  Darstellung  der  Äthylamine  im  Grolsen,  154. —  Entschwefelnngs- 
producte  des  Diphenylsulfocarbamids,  171.  —  Isomeren  der  Cjanursaure- 
Äther,  198.  —  Stellung  des  Thalliums  in  der  Reihe  der  Elemente,  837. 

—  Beziehungen  zwischen  Krystallform  und  chemischer  Constitution,  247. 

—  Znsammensetzung  der  Meteorite  von  Shalka  und  von  Hafnholz,  314« 

—  Beiträge  zur  Kenntnifs  der  Meteoriten,  440.  —  Weitere  Betrachtun- 
gen Aber  den  Methylaldehyd,  525.  —  Über  die  aromatischen  Cyanate, 
576.  —  Beobachtungen  vermischten  Inhalts,  596. 

Chiropteren,  900. 

Chloroform,  602. 

Chondriopsis  coerulescens  Crouan,  425. 


924  Sach'Segister. 

Chondrodactylufl  angniifer  Ptrs.,  111. 

CompUxe  Zahlen,  409.  755.  855. 

Condnctoren,  diametrale,  276. —  Übenablige,  9. 

Cophomantis  panctillata  Ptrs.,  651. 

Crocidnra  ceylanica  Ptn.,  591.  —    Doriae  Ptra.,   587.   —   froetidi 

Ptrs.,  586.  —  fuscipes  Ptrs.,  594.  —  gracilipes  Ptrs.,  590.  —  In- 

zoniensis  Ptrs.,  595.  —  media  Ptrs.,  592.  —  microtis  Ptrs.,  589. 

—  monticola  Ptrs.,  588.  —  retasaPtrs.,  585.  —  sumatrana  Ptrs^ 

593.  —  Waldemarii  Ptrs.,  590. 
Crocodile,  15. 

Ctenodactjli,  Verwandschaft  derselben,  207. 
Cyan,  seine  Einwirkung  auf  das  Anilin  and  Triphenjlgoanidin,  597. 
Cyanate,  aromatische,  576. 
Cyans&nreither,  599. 
Cyannrsftnre,  601. 
Cyannrs&ureäther,  198. 
Cystignathns  diplolistris  Ptrs.,  648. 
Dispersion  des  Lichtes,  132. 
Doppelmasohine,  neue,  295. 
Dnctns  pneumaticns,  15. 
Eisenkies!  327. 
Eieotroniasehine,  1.  275. 
Entomoglossns  pnstnlatas  Ptrs.,  647.* 
Rntschwefelungsproducte  des  Diphenylsulfocarbamids,   171. 
Essigs &are,  ihre  Einwirkung  auf  das  PhenjlsenfSl,  611. 
Festreden,  23.  571.  835. 
Genesis,  Beiträge  zur  Kritik  des  Textes,  880. 
Geophis  annulatus  Ptrs.,  643. 
Geschichtspreis,   44. 
Gleichgewichtsfiguren,  116. 
Griechische  Münzen,  803. 
Griechische  Personennamen,  159. 
Hausmarken,  175. 
Hemidactylus  mnriceus  Ptrs.,  641. 
Homerisches, 

(11.  A  557.  555.  X  35),  810. 

(Od.  0  343),  812. 
Hoplocephalus  frenatus  Ptrs.,   646. 
Humboldtstiftung,  54.  833. 

Hjlodes  Henselii  Ptrs.,  648.  —  rugulosus  Ptrs.,  648. 
Influenzmaschine,  neue,  245. 


Sach'Begister.  925 

Inschriften, 

gefälschte  sardinische,  100. 
griechische, 

ans  dem  Kerameikos,  272. 
lakonische  von  Tegea,  51. 
phönicische  aus  CTpem,  264. 
romische 

Corpus  inscriptionnm  Latinarum,  13.  915. 
ans  Bosnien,  G26. 
Isonitrile,  600. 
Kobaltglanz,  327. 
Krystallform  und   chemische  Constitution,  247.  —    hemiSdrische,    ihr 

Zusammenhang  mit  thermo-elektrischem  Verhalten,  327. 
Lakonische  Sprachformen,  60. 

Leibnizische  Gedanken  in  der  neueren  Naturwissenschaft,  835. 
Magnete,  aperiodische  Bewegung  gedämpfter,  537. 
Marsilia,  653. 

Mathematik,  Ober  die  Auffindung  der  ellipsoidischen  Gleichgewichtsfiguren 
einer  homogenen,   um  eine  feste  Axe  rotirenden  Flfissigkettsmasse,  116. 

—  Zur  Geschichte  der  Algebra  in  Deutschland,  141.  —  Über  die  ein- 
fachste Darstellung  der  aus  Einheitswnrzehi  gebildeten  complexen  Zahlen, 
welche  durch  Multiplikation  mit  Einheiten   bewirkt  werden  kann,   409. 

—  Über  die  aus  den  31ten  Wurzeln  gebildeten  complexen  Zahlen,  755. 

—  Über  eine  Eigenschaft  der  Einheiten  der  ans  den  Wurzeln  der  Glei- 
chung a^  =  1  gebildeten  complexen  Zahlen  und  über  den  zweiten  Fak- 
tor der  Klassenzahl,  855.  —  Auseinandersetzung  einiger.  Eigenschaften 
der  Klassenanzahl  idealer  complexer  Zahlen,  881.  —  Über  die  Haupt- 
tangenten-Curven  der  Kummerschen  Fläche  vierten  Grades  mit  16  Kno- 
tenpunkten, 891. 

Meteoriten  fall,  angeblicher,  von  Murzuk  in  Fessan,  804. 

Meteorite,  314.  440. 

Methylaldehyd,  525. 

Mineralogie,  Beziehungen  zwischen  Krystallform  und  chemischer  Consti- 
tation,  247.  —  Zusammeüsetzung  der  Meteorite  von  Shalka  und  von 
Hainholz,  314.  —  Über  den  Zusammenhang  zwischen  hemiSdrischer 
Krystallform  und  thermoelektrischen  Verhalten  beim  Eisenkies  und  Ko- 
baltglanz, 327.  —  Beiträge  zur  Kenntnifs  der  Meteoriten,  440. 

MoleculargrÖfse  des  Chinons,  615. 

Mongolische  Märchen,  797. 

Monitores,  106. 

Münzen,  griechische,  803. 


026  Saeh'JRegister. 

MatkeUrmfidang,  629. 

Namen,  griechische,  159. 

Nerven,  motoriflche,  184. 

Nycterif  Oeotroy  (Obenicht  der  Gattung)«  900. 

Nycterit  angolensis  Ptrs.,  903.  -^  damareneis  Ptn.,  905. 

Optische  Erscheinnogen  an  Chondriopsis  coeruleseens,  435. 

Phenylanthegenamid,  606. 

Phenylcyanat,  676. 

Phyllobates  Terrncnlatns  Ptrs.,  650. 

Physik,  Theorie  der  neuesten  Elektrophonnaschine,  1.  —  Einflnls  der  poa 
derablen  Moleküle  auf  die  Dispersion  des  Lichtes,  132.  —  Temperttv 
▼ertheilnng  im  Winter  18f{,  209.  —  Nene  Inflaenrmaschine,  245.  - 
Über  einige  neue  merkwürdige  Eigenschaften  der  diametralen  CoDciDkh 
ren  an  der  Elektromaschine,  275.  —  Znrfickfuhmng  der  jähriicheDTe« 
peratnr^nrve  auf  die  ihr  snm  Gmnde  liegenden  Bedingungen,  365.  - 
Aperiodische  Bewegung  gedämpfter  Magnete,  537.  —  Vertheilang  d^ 
Regens  in  der  jährlichen  Periode  im  mittleren  Europa,  813. 

Physiologie,  Fortpflansungsgeschwindigkeit  der  Beizung  in  den  motonscba 
Nerven  der  Menschen,  184.  —  Gesetze  der  Muskelermudnng,  629. 

Pilularift,  653. 

Platemys  tuberosa  Ptrs.,   311. 

Preisfragen,  571. 

Propithecus  Deckenii  Ptrs.,  421. 

Rana  longirostris  Ptrs.,  646. 

Regenvertheilung  im  mittleren  Europa,  813. 

Säugethiere,  207.  421.  584.  900. 

Sardinische  Fälschungen  64. 

Geschichte,  90. 

Scaphiophis  albopunctatns  Ptrs.,  645. 

Sitzungen,   öffentliche,    23.  183.  535. 

Spitzmäuse,  neue  Arten,  584. 

Sfidafrika,   110. 

Temperaturcurve,  365. 

Temperatnrvertheilung  im  Winter  18f),   209. 

Thallium,  seine  Stellung  in  der  Reihe  der  Elemente,  237. 

Tropidolepisma  striolatum  Ptrs.,  642. 

Uriechis  lineatns  Ptrs.,  643. 

Warneidechsen,  106. 

Zoologie,  Ductus  pneumaticns  des  Unterkiefers  bei  den  Crocodilen,  15.  " 
über  die  afrikanischen  Wanicidcchsen  und  ihre  geographische  Vertr- 
tung,    106.  —    Beitrag  zur  Kenntnifs   der  herpetologischen   Fauna  » 


Sach-Begister.  927 

Südafrika,  110.  —  Die  wachsende  Kenntnifs  des  unsichtbaren  Lebens 
als  felsbildende  BaciUarien  in  Californlen,  259,  —  Yerwandschaft  der 
Ctenodactyli  mit  den  Chinchillen  und  anderen  Gruppen  der  Nager,  207. 
Platemys  tuberosa,  eine  neue  Art  von  Schildkröten  aus  British-Guiana, 
311.  —  Propithecus  Deckenü,  eine  neue  Art  von  Halbaffen  aus  Mada- 
ga^kar,  421.  —  Neue  Arten  von  Spitzmäusen,  584.  —  Nene  Amphibien, 
641.  —  Monographische  Übersicht  der  Chiropterengattungen  Njcteris 
und  Atalapha,  900. 


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