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L Sa«. \/l(fi,IO ( itr^"^
I
HARVARD
COLLEGE
LIBRARY
MONATSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
Aus dem Jahre 1870.
Mit 13 Tafeln.
BERLIN 1871.
BUCUDBUCKBUEI DHU KGL. AKADBMIB DER WISSEKSCHAFTEM (G. VOGT)
CNITKR8ITÄT8STR. 8.
IM COMMISSION IN FERD. DÜMMLER's VERLAGS-BUCIIIIANDLUNQ.
RARRWITZ CKO 0088MABR.
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MONATSBERICHT
DBB
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
Januar 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Kammer.
3. Januar. Sitzung der philosophisch -historischen
Klasse.
Hr. Mommsen las über einige bei Assnan aufgefundene ro-
mische Inschriften.
6. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Riefs las über die Theorie der neuesten Elek-
trophormaschine und der überzähligen Conductoren.
Bei der Benrtheilang von Influenzmaschinen herrscht noch
grofse Verwirrung. Während im Laufe der letzten Jahre drei oder
Tier Influenzmaschinen als wesentlich neue beschrieben wurden, In
welchen leicht alte Apparate zu erkennen sind, ist die neueste
Elektrophormaschine vom Erfinder, dem Dr. Holtz, als eine alte
Maschine in neuer Gestalt eingeführt worden,^) obgleich sie mir
wesentlich neu erscheint — Das von mir vor drei Jahren ange-
wandte Princip zur Unterscheidung solcher Maschinen besteht
darin,') dafs man die durch Influenz erregten Elektricitfiten in
^) Poggend. Annalen 136. 171.
') Akad. Monatsb. 1867 203.
[1870]
2 GesatnmUitzung
Betracht zieht, und die Maschinen nach den Combinationen dieser
Elektricitfiten ordnet, welche sie benatsen. Eine Maschine also
von noch so angewohnlichem Aussehn, welche eine bereit« be-
nutzte Combination der Influenzelektricitfiten anwendet, ist als we-
sentlich alte, und eine Maschine, einer bekannten im Aassehn noch
so ähnlich, ist als wesentlich neue Maschine anzusehn, wenn sie
eine Combination benutzt, die noch keine Anwendung gefunden
hat. In diesem Sinne habe ich meine Meinong aber die neueste
Elektrophormaschine zu begründen.
Die Elektrophormaschinen zeigen im Allgemeinen einen Pa-
pierkuchen, davor einen Metallconductor, der mit einem Metall-
kamm endigt, und eine Glasscheibe, die zwischen beiden rotirt.
Nachdem der Papierkuchen elektrisirt worden, kommen durch Dop-
pel-Influenz drei nachweisbare Portionen von Elektricit&t zum
Vorschein: im Conductor die Menge 4- m, anf der (dem Eachen
zugewandten) Vorderfl&che der Glasscheibe die Menge — p, auf
ihrer Hinterflfiche die Menge — m. Ich erinnere daran, dafs m
und p fichte Brüche sind, wenn der erregende Kachen die Elek-
tricitfitsmenge 1 besitzt und dafs hier die Vorzeichen die Elek-
tricit&tsart in Bezug auf die der Kuchen angeben. Vom positiv
elektrischen Kuchen erregt, bezeichnet -f- m positive — m und — p
negative Elektricit&t, vom negativen Kuchen erregt, — m und — p
positive, + ff) negative Elektricität.
Die vor drei Jahren bekannten drei Elektrophormaschinen
mit Doppel-Influenz habe ich am angeführten Orte folgendermaafsen
geordnet, wobei ich hier noch &ufsere Kennzeichen hinzusetze:
Töplers Maschine benutzt die Elektricit&tsmenge — m und
besitzt in einfachster Einrichtung drei drehbare Glasscheiben.
Holtz erste Maschine benutzt die Combination der Mengen
(-hl») ( — ff») ( — p) und besitzt nur Eine drehbare Scheibe.
Holtz zweite Maschine benutzt die Combination (-t- m) ( — fft)
and besitzt zwei Scheiben, die in entgegengesetzter Richtung ge-
dreht werden und abwechselnd die Rolle der Papierkuchen über-
nehmen.
Als ZQ neuen Maschinen brauchbar hatte ich die Combi-
luUionen (-+- ff») ( — p) and ( — m) ( — p} bezeichnet.
Die neueste von Holtz construirte Elektrophormaschine, deren
Theorie hier folgt, gebraucht neben der Combination, (-1- ff») ( — ff»)
( — P) ^i® Combination ( — m) ( — p) und besitzt Eine drehbare
vom ß, Januar i670. S
Stheibe. Ich vrill diese tfaachine, des leichteren Verst&idnidses
wegen y snerst in der einfachen Form beschreiben, in der ich sie
benatat habe, bei welcher nur ( — m) ( — p) zur Anwendang kommt,
and dann die Einrichtang anfuhren, die ihr Holtz gegeben hat
Eine vertikale drehbare Glasscheibe von 15 Zoll Durchmesser
befindet sich swischen einer ihr parallelen ruhenden mit 2 Aus-
schnitten versehenen Glasscheibe und 2 horizontalen, der Mitte der
Aasschnitte gegenüberliegenden Metallk&mmen, deren Stiele in ge-
wöhnlicher Weise mit 2 verschiebbaren Metallstfiben, den Elek*
troden, verbunden sind. An der freien Flfiche der ruhenden Scheibe,
entfernt von den Ausschnitten, ist in einem gegen den Horizont
geneigten Durchmesser, über und unter der Ebene der Kfimme,
ein etwa 4 Zoll langes j- Zoll breites Papierstück (der Kuchen)
befestigt, von welchem ein l-^^ Linie breiter, nahe 5 Zoll langer
Papierstreifen zum nächsten Ausschnitte geht und mit einer in den
Ausschnitt hineinragenden Cartonspitze endigt. Jede Cartonspitze
tritt etwa 1 Zoll vor den Metallkamm ihrer Seite hervor. Den beiden
Papierkuchen stehen zwei Metallkämme (zur Unterscheidung die
schrägen genannt) gegenüber, die dauernd mit einander metallisch
verbunden sind. Die Scheibe wird, wie an der alten Maschine,
in der Richtung von einer Cartonspitze zu dem mit ihr verbun-
denen Kuchen schnell umgedreht Zur bequemen Darstellung der
Figur denke man sich, wie es Hr. Bert in gethan hat,^) statt
der beiden Glasscheiben einen hohlen Glascylinder um seine Aze
drehbar, in einen ruhenden Gylinder gesteckt, nnd zeichne deren Quer-
schnitt. Die Metallkämme kommen dann in der Bildebene zu liegen.
Fig. l.
>} Annal. de chimie (4) 13. 190.
4 GeBamnUsitzüng
Der innere Kreis entspricht der rotirenden, der fiafsere punk-
tirte der ruhenden Glasscheibe der Maschine. Die schrfigen mit
einander verbundenen Metallkamme sind bei h und h^ die horizon«
talen Kämme mit den zum Experimente dienenden Elektroden bei
e und e deutlich, die Papierkuchen bei a und b nebst ihren Yer-
l&ngernngen bis zu den Ausschnitten der ruhenden Scheibe, vor
welche die Cartonspitzen m und n hervortreten.
An der alten (ersten) Holtz 'sehen Maschine sind nur zwei
Metallk&mme mit gegenüberliegenden horizontalen Papierkuchen vor-
handen, und jeder Kamm hat eine zwiefache Bestimmung: er em-
pfängt Elektricität von der gedrehten Scheibe durch sogenannte
Einsaugung ^) zur Abgabe an die mit ihm verbundene Elektrode
und er elektrisirt die Scheibe mit entgegengesetzter Art Diese
Elektrisirung ist abhängig von der Elektricität, welche die Elektrode
bereits besitzt, nimmt mit zunehmender Menge dieser Elektricität
schnell ab und hört bald auf. Die sogenannte Einsaugung von
El. durch den Metallkamm nimmt zwar gleichfalls ab mit steigen-
der Elektrisirung der Elektroden, aber bei Weitem langsamer, weil
die elektrische Glasfläche dem Kamme näher steht, als die elektrische
Papierfläche. Entfernt man die Stelle der Elektrisirung der Scheibe
von der Stelle der Einsaugung, so läfst sich eine gröfsere Dichtigkeit
in den Elektroden erlangen. Diese Trennung der beiden Stellen
ist bereits in Toplcr's Maschine und in Holtz' zweiter Maschine
vorgenommen und jetzt in der hier betrachteten Elektrophorma-
schine. Die horizontalen Kämme e dienen als Einsauger, während
die schrägen Kämme k die Glasscheibe mit Elektricität versehen,
also mit den ihnen gegenüberstehenden Papierkuchen die Rolle der
Beibzeuge an der gewöhnlichen Elektrisirmaschine übernehmen.
*} EinsaugttDg bezeichnet den Erfolg der Erregung eines Metallstückes
durch Influenz, die sich Ton der gewöhnlichen Erregung dadurch unterschei-
det, dars dabei die erregende Elektricität zerstört wird. Der Metallkamm
der Maschine wird von der Elektricität der rotirenden Scheibe ebenso in-
fluencirt, wie von dem elektrischen Papierkuchen, aber die Elektricität des
Kuchens bleibt erhalten, wahrend die der Scheibe durch die Tom Kamme
elektrisirte Luft vernichtet wird. In beiden Fällen erhält der mit dem Kamme
verbundene Metallstab Elektricität derselben Art, die der erregenden gleich-
namig ist, aber bei der Erregung durch den Papierkuchen wird nebenbei die
Glasscheibe mit der ausströmenden (ungleichnamigen) £1. geladen.
vom ß, Januar 1870. 5
Da diese schrägen Kämme mit einander verbunden sind, so kön-
nen, w&hrend die Maschine in Gang gesetzt wird, die Elektroden
oorerbanden bleiben. Dies ist auch bei Holtz' zweiter Maschine
der Fall, wahrend an seiner ersten Maschine die Elektroden in
Berübrung sein massen.
Die neue Maschine wirkt in folgender Weise. Es sei der
Papierkuchen h negativ el. gemacht; der ihm gegenüberstehende
Metallkamm h erhält durch Influenz negative Ei., die aber sogleich
verschwindet, weil jener mit dem diametralen Kamme verbunden
ist. Die Glasscheibe vor dem Kamme wird auf beiden Flächen
positiv elektrisch und, in der Richtung des Pfeiles rotirend, zu der
Cartonspitze m des zweiten Kuchens gefuhrt, den die Vorderfläche
der Scheibe mit positiver Elektricitfit versieht, wonach der hori-
zontale Kamm $ + die Elektricitfit der Hinterfläche aufnimmt. Der
Papierkuchen a ist nun positiv elektrisch, er erregt in seinem
Metalikamme positive Elektricitfit, die wiederum verschwindet, und
versieht beide Flfichen der vor ihm befindlichen Glasscheibe mit
negativer EL, die zur weiteren Elektrisirung des Kuchens b und
zar Verstärkung der El. der Elektrode e — verwendet wird. Diese
Terstärkung wird länger fortdauern, als an der alten Maschine,
weil die Doppel- Influenz stets an den nicht elektrischen Kämmen h
wirkt Der die Kämme verbindende Metallstab erhält nämlich von
den Kämmen ziemlich gleiche Mengen entgegengesetzter £1. und
soll neutral bleiben; man kann ihn mit Vortheil zur Erde ableiten.
Es wird sich daher an dieser Maschine eine Flasche zu höherer
Dichtigkeit laden, ein längerer Entladungsfunke erhalten lassen.
Eine alte (erste) Holtz 'sehe Maschine ist in wenigen Minuten
in die hier beschriebene zu verwandeln, indem man die ruhende
Glasscheibe durch eine mit andern Papierbelegungen versehene er«
setzt, und zwei schräge mit einander metallisch verbundene Metall-
kamme anbringt. Zu einer Zeit, als meine alte Maschine Funken
von nur 2-^ Zoll Länge lieferte, gab sie nach Verwandlung in die
nene Maschine, bei Anwendung derselben rotirenden Scheibe, der«
selben Ladefiaschen und Elektrodenendigungen (Kugeln von 8|- Lin.
Darchmesser) Funken von b\ Zoll Länge.
Vergleicht man in dieser Weise die erste Holtz 'sehe Maschine
mit der neuen und erzeugt Funken gleicher Länge, so findet man
den Funkenstrom der alten Maschine ungleich dichter als an der
neaen, eine Folge davon, dafs an der ersten Maschine jede Elek-
6 Oesammtsitzung
trodiB zwei Portionen Elektricit&t, an der letzten nnr Eine davon
empfilngt. Die in der Elektrode selbst erregte Elektricität fügt sich
in der alten Maschine zu der durch die el. Glasflfiche erregten EI,,
wfihrend in der neuen der Funke nur von der letzten Erregung
herrührt Auch tritt an der neuen Maschine ein Pol Wechsel häu-
figer ein, als an der alten, weil den Elektroden keine Kuchen ge-
gienüberliegen, die mit ihnen die gleiche Elektricitfitsart besitzen nnd
dadurch das Austreten der in den Elektroden angesammelten El.
erschweren.
Beide Mfingel hat Holtz vermieden, indem er an dem Bande
jedes Auschnittes (bei m und n der Figur) einen horizootalen Pa-
pierkuchen angebracht hat, welcher die Cartonspitze tr£gt'). So
habe ich die Maschine ausgeführt gesehen, die also 2 Ausschnitte,
, 2 Paare von Metallk&mmen und ihnen gegenüber 2 Paare von Pa-
pierkuchen besitzt und als die Verbindung der alten Elektroplior-
mascbine, welche die Combination (+ «n) (-^fn) ( — p) mit der
neuen, die nur ( — m) ( — p) benutzt, anzusehen ist Das Spiel
dieser zusammengesetzten Maschine zeigt bei geöffneten Elektroden
drei Phasen.
So lange die von einander entfernten Elektroden nicht oder
fichwach elektrisch sind, geht die Doppel -Influenz von den horizon-
talen Papierknchen ans, und jede Elektrode erhält Influenzelektri-
eitfit sowol durch die auf ihrem Kuchen, wie durch die auf der
rotirenden Glasscheibe befindliche Elektricität, oder, wie man be-
quemer sagt, jeder Elektrodenkamm wird durch seinen Kuchen
elektrisirt und saugt die EL der Scheibe ein (siehe Anmerk. S. 4).
Aber nicht alle der Seheibe mitgetheilte Elektricität wird eingesaugt.
Weil nämlich die Scheibe, ehe sie an einen Elektrodenkamm tritt,
einem schrägen Kamme vorbeigeht und diesem näher steht, als der
auf der ruhenden Scheibe befindliche Kuchen, so wirkt die Elek-
tricität der rotirenden Scheibe stärker auf den schrägen Kamm,
als die ihr entgegengesetzte Elektricität des Kuchens, und in Folge
davon wird ein Theil der Elektricität der Scheibe vernichtet. Mit
') In der Abbildung der Maschhic, Poggd. Annalen Bd. 136 Taf. 5
obere Fignr, hangen die beiden Papierknchen jeder Seite nicht durch einen
ftchmalen Papierstreifen, sondern in ganzer Breite zusammen, eine spätere
nnwesentliche Änderung.
vom 6. Januar 1870. 7
steigender Ladung der Elektroden tritt die zweite Phase ein: die
Doppel -Influenz der horizontalen Kuchen nimmt ab, auf die roti*
lende Scheibe strömt vom Elektrodenkamme weniger Elektricitflt,
die Doppel*Infiuenz der schrägen Kuchen wird merklich, vermehrt
die £1. der Scheibe und nimmt so lange zu, bis sie zuletzt, wenn
die Elektroden nicht mehr erregbar sind, allein vorhanden ist In
dieser, dritten Phase wirken die horizontalen Kftmme nur als Ein-
sanger, die schrägen nur als Err^er.
Ist der Funke aasgebrochen, die Elektroden demnach nur
schwach elektrisch, so beginnt das Spiel von Neuem. Man sieht,
dafs die Maschine sowol bei offenen wie geschlossenen Elektroden
erregt werden kann, und dafs sie bei geschlossenen oder abgelei-
teten Elektroden bei der ersten Phase stehen bleibt und weniger
EL zum €rebrauche liefert, als die alte Maschine, welche die Com^
bination (4- m) ( — m) ( — p) allein benutzt, hingegen bei geöffneten
Elektroden mehr El. liefert, wenn sie die zu den drei Phasen n5*
tbige Zeit hindurch wirkt Im Finstem wird das beschriebene
Spid der Maschine dadurch sichtbar, dafs je zwei einander nächste
Kämme (zusammenhängenden Kuchen zugehörig) bei weit geöffne-
ten Elektroden die gleiche Lichterscheinung zeigen, bei geschlosse-
nen Elektroden die entgegengesetzte (Garben und Sterne).
Der Vorzug der neuen zusammengesetzten Maschine vor der
neuen einfachen besteht nicht nur darin, dafs sie, wie oben erörtert
wurde, an Elektricität ergiebiger und dafs bei ihr der Polwechsel
erschwert ist, sondern auch darin, dafs sie eine gröfsere Ansamm-
long von El. erlaubt. Die horizontalen Papierkuchen unterstutzen
nämlich die Einsaugung der El. der Scheibe durch die Elektroden-
kämme; wenn die Kämme der einfachen Maschine so stark elek-
trisch sind, dafs sie von der Scheibe keine El. mehr aufnehmen,
so werden me es an der zusammengesetzten Maschine tbun, weil
die ihnen gegenüberliegenden Kuchen £1. derselben Art besitzen,
von der die aufzunehmende EL ist Da nun die Länge der Fun-
ken von der Dichtigkeit der angesammelten EL abhängt, so wird
die zuletzt beschriebene Maschine die längsten Funken liefern. An
meiner nicht dazu gebauten sondern nur eingerichteten Maschine,
deren rotirende Scheibe 15 Zoll breit ist, erhielt ich Funken von
6 Zoll, und an einer eigens für lange Funken gebauten Maschine
mit 14 zolliger Scheibe habe ich Funken von nahe 7 Zoll Länge
gesehen«
8 OeiammtsUztmg
Ein Polwechsel der Maschine wird in den hfiufigsten Ffilleii
dadurch herheigefahrt, dafs die Elektrodenk&mme bei za grofaer eL
Dichtigkeit ihre Elektricitfit auf die rotirende Scheibe anBStrömeo«
Die yon einer Elektrode mit ihrer El. geladene Scheibe geht dem
aar Elektrode gehörigen Kuchen nahe vorbei, der Elektricitfit der*
Beiben Art besitzt, und in Folge davon diese Elektricitfit durch die
Cartonspitze auf die von der Elektrode abgewandte Scheibenflfiche
strömen Ififst Die Scheibe bringt bei der Rotation an die Carton-
spitze des diametralen Kuchens die entgegengesetzte Elektricitfit
von der, die sie ihm früher zugeführt hatte nnd entladet ihn. Um
ein Beispiel zu geben: die negative Elektrode ströme negative Elek*
tricitfit auf die ihr zugewandte Scheibenflfiche, diese geht an dem
negativen Kuchen vorbei, der in Folge davon negative El. lauf die
abgewandte Scheibenflfiche strömen Ififst; die erste Flfiche verliert
ihre Elektricitfit am scbrfigen Kamme, die zweite bringt ihre ne-
gative El. zur Cartonspitze des positiven Kuchens, der dadurch
entladen wird« Besitzen beide Kuchen Elektricitfit in nahe gleicher
Menge, so werden sie entladen, die Maschine erlischt; sind die
Mengen ungleich^ so behfilt Ein Kuchen die ihm zugefuhrte Elek-
tricitfitsart und die Maschine kommt mit vertauschten Polen wieder
in Wirksamkeit. AuTser dieser Veranlassung des Polwechsels tritt
noch eine andere ein, wenn die Elektroden eine starke el. Dichtig-
keit plötzlich verlieren. Dies zeigt ein auffallender Versuch. Man
errege die Maschine bei geschlossenen Elektroden; sie wird, so
lange die Scheibe gedreht wird> ohne Polwechsel in Thfitigkeit
bleiben. Offnet man aber die Elektroden, nimmt eine Anzahl langer
Funken, schliefst die Elektroden oder bringt ihre Enden einander
nahe nnd setzt die Drehung der Scheibe fort, so erlischt (unter
Umstfinden) die Maschine oder wechselt ihre Pole« Bei schlechter
(leitender) Beschaffenheit der rotirenden Scheibe geschieht Dies
immer, bei guter Beschaffenheit zuweilen, aber auch bei dem befs-
ten Glase habe ich es eintreten sehen, wenn die Luft sehr feucht
war. Der Versuch ist ein gutes Prüfungsmittel für die rotirende
Scheibe. Die Ursache dieser Erscheinung ist, wie früher, das
Ausströmen der Elektricitfit der Papierkuchen auf die rotirende
Scheibe. Früher wurde es durch die von den Elektroden ausge-
strömte Elektricitfit veranlafst, hier dadurch, dafs die Elektroden-
kamme, so lange sie stark elektrisch sind, das Ausströmen der
gleichnamigen Elektricitfit aus den ihnen nahestehenden Carton-
vom 6. Jtmuar 1870. 9
spitzen hindern ^ und dafs diese Hinderung aofhurt, ircnn die
Kämme nnelektriscli werden. Natiiriich erfolgt die Aasströmang
um flo leichter, je dichtere Elektricität der Kuchen besitzt und je
besser leitend die ihr naheliegende Glasfläche ist
Je längere Funken yon einer Elektrophormaschine genommen
werden, desto mehr Gelegenheit wird zu einem Polwechsel gegeben*
Die Elektroden und die mit ihnen verbundenen Flaschen müssen
zo grofser Dichtigkeit geladen werden, leicht strömt, vor dem
Aasbruche eines Funkens, die Elektricität der Flaschen und danach
die der Kuchen auf die Scheibe , oder nach dem Ausbruche des*
selben, der die Elektroden schwach elektrisch zurückläfst, die
Elektricität der Kuchen allein, und in jedem von beiden Fällen
erfolgt das Erloschen oder der Polwechsel der Maschine. Die
gröfste Länge, bis zu welcher man die Fanken ohne diese Störung
bringen kann, ist nicht nur nach der Maschine verschieden, die
man benutzt, sondern auch bei derselben Maschine nach dem Zu-
Stande der Luft. Zur Erlangung einer Reihe von Funken gleicher
Richtung und bedeutender Länge wird daher die Elektrisirmaschine
ein besseres Mittel bleiben als die Elektrophormaschine.
Die überzähligen Conductoren.
Das erörterte Spiel der Maschine mit zwei Paaren von Papier-
kachen gibt Rechenschaft über den bisher unerklärten Nutzen
der überzähligen Conductoren an der ersten Holtz*schen
Maschine. So werden von Holtz zwei diametral gestellte Metall-
kämme vor der rotirenden Glasscheibe genannt, unbelegten Stellen
der rahenden Scheibe gegenüber. Jeder Kamm ist entweder mit
der ihm in der Richtung der Drehung folgenden Elektrode ver-
bunden, oder beide Kämme sind mit einander verbunden.') Hat
die Maschine lange geruht, so verhindern die überzähligen Con-
dactoren ihre Erregung, ist sie aber kurz zuvor längere Zeit in
Gang gewesen, so wirkt die Maschine weiter fort und die Conduc-
toren erschweren die Umkehrung der Polarität der Elektroden.
Diese Wirkung ist folgendermaafsen abzuleiten.
Die rotirende Scheibe wird, wie ich bei der Beschreibung der
alten Maschine gezeigt habe, durch ihren horizontalen Durchmesser
') Poggd. AdusI. 127. 323.
10
Gesammtsitzung
in entgegengedetzt elektrische HSlften getheilt.') Die obere Hfilfte
der rotirenden Scheibe Fig. 2 8ei auf beiden Flfichen negativ, die
untere positiv, es seien die überzShligen Conductoren a and b
nicht vorhanden. Bei der gebotenen Richtung der Drehung der
Scheibe erhalt die Elektrode wie der Papierknchen zur rechteu
Hand negative EL, die zur linken positive. Nun seien die Elek*
troden so stark elektrisch geworden, dafs sie durch ihre Papier-
kuchen nicht mehr erregt werden. Die rotirende Scheibe tritt
unelektrisch an die Elektroden; es strömt von jeder Elektrode die
auf ihr angesammelte El. und in Folge davon, wie oben angegeben
wurde, auch die El. der Kuchen auf die Scheibe. Durch die Ro-
tation wird positive El. znm negativen Kuchen gebracht^ negative
zum positiven, und die Maschine erlischt oder wirkt mit verwech-
selten Polen weiter fort. Dies wird erschwert durch Anbringung
der ttberz&hligen Conductoren a und &, von welchen jeder mit der
in der Drehungsrichtung der Scheibe folgenden Elektrode metal-
lisch verbunden ist.
Fig. 2. 4-
Wie ich nämlich am angeführten Orte angegeben habe, liegt der
negativ elektrischen Hälfte der rotirenden Scheibe die durch Influenz
positiv gewordene Hälfte der ruhenden Scheibe parallel nahe, und
der positiven Hälfte die negativ gewordene.') Indem die elektrisch
1) Akad. Monatsber. 1867. 198.
') Ks ist ein bekannter Versuch dafs wenn die Maschine (auch ohne
überzählige Conductoren) längere Zeit gewirkt hat, und die ruhende Scheibe,
der Drebungsrichtnng der beweglichen entgegen, so weit verschoben wird, dafs
die Elektrodenluunme unbelegten Stellen der ruhenden Scheibe gegenüber-
vom 6. Januar 1870. 11
gewordene ruhende Scheibe auf die überzähligen Condactoren er«
regend wirkt, verhindert sie, dafs die rotirende Scheibe nnelek-
trisch an die ElektrodenkSrnme tritt, hebt also diesen Grand des
Polwechseis der Maschine auf. Indem 2. B* die linke Seite der
rotirenden Scheibe an den überzfihligen Condoctor a tritt, wird sie
auf beiden Flächen negativ elektrisch und theilt dem negativen
Kochen und der Elektrode e — negative EL mit Wenn nfimlich
die Elektrode e + so stark positiv elektrisch ist, dafs sie vom
positiven Kuchen nicht mehr erregt wird, so kann die positiv
elektrische ruhende Scheibe dennoch den Gonductor a erregen, weil
dieser negativ elektrisch ist Die Elektrode e — erhilt aber hier-
darch keine Verstärkung ihrer Elektricität. Der Condnctor a kann
nämlich, nach dem Orundgesetze der Influenz, auf die Scheibe nur
gerade so viel negative Elektricität strömen lassen, als er selbst
positive El. zurückbehält, und diese Elektricität gibt er der mit
ihm verbundenen Elektrode e — , aerstort also die zogefuhrte ne^
gative £1.
So lange die Elektrodenkämme noch erregbar sind und die
Scheibe mit £1. versehen, wird diese Elektricität nutzbar, da ein
Theil derselben von je einem Gonductor aufgenommen zu einer der
Elektroden gefuhrt, das Übrige von der Elektrode direkt aufge-
nommen wird. Die elektrische Dichtigkeit in den Elektroden wird
durch die Ck>nductoren theils dadurch verstärkt, dafs diese die
Ansdehnung der mit ihnen verbundenen Elektroden vergröfsem,
die Zeit also verlängern, während welcher die Elektroden erregbar
bleiben, theils dadurch, dafs durch sie die Kuchen stärker elek-
trisirt werden, die nun länger auf die Elektroden zu wirken ver-
mögen. Die Figur macht nebenbei deutlich, weshalb die Condnc-
toren die Erregung der Maschine verhindern. Es sei der positive
Kachen elektrisch; die rotirende Scheibe gibt ihre ganze negative
El. an den Gonductor a ab, weil die ruhende Scheibe noch nicht
stehn, die Maschine kürzere oder längere Zeit fortwirkt, ganz so, nur mit
geringerer Elektricitätsmenge, aU ob die Papierkuchen den Kämmen gegen-
fiberstinden. Daraus folgt, daCs die rahende Scheibe unterhalb des nega-
tiven Kucbens in der Figur negativ, und oberhalb des positiven Kuchens po-
fitir elektrisch ist. Diese Elektricität der ruhenden Scheibe unterstfitzt die
Aufnahme der £1. der rotirenden Scheibe durch die Elektrodenkämme.
12 GesammUttzung
elektrisch geworden ist, die rotircnde Scheibe tritt unelektrisch an
den Kuchen der Elektrode e — und kann ihn nicht elektrisiren.
Ist der Condttctor a kurz und nicht mit der Elektrode e — yer-
bunden, so nimmt er nur wenig Elektricit£t von der Scheine aaf
und Ififst so viel davon zurück, um die Maschine in Gang zu
setzen.
Die in den überzähligen Gonductoren erregte Elektricitfit wird
fortgeschafft, wenn man ihre Verbindung mit den Elektroden (nach
Holtz: Seitenverbindung) aufhebt und beide Gonductoren durch
einen Metall- Drath oder Stab mit einander verbindet (direkte Ver-
bindung)^); dann gleichen sich die beiden entgegengesetzten Elek-
tricitäten der Gonductoren aus, die von ihnen auf die Scheibe aus-
geströmte Elektricität gelangt nutzbar in die Elektroden, und diese
können zu höherer Dichtigkeit geladen werden, weil die Erregung
der Conductorenkfimme unabhängig von der Elektricitätsmenge ist,
welche die Elektroden besitzen. Es entsteht aber der Nachtheil,
dafs in gleicher Zeit eine viel geringere Elektricitätsmenge von der
Maschine geliefert wird, als früher. Wenn die Gonductoren fehlen
oder mit den Elektroden verbunden sind, so tritt die von jeder
Elektrode der Scheibe mitgetheilte El. (abgesehn von der Zer-
streuung in die Luft) voUstfindig in die diametrale Elektrode ein,
bei unter einander verbundenen Gonductoren nur zum Theil. Um
ein Beispiel zu geben: Wenn die Gonductoren a und b in Fig. 2
mit einander verbunden sind, so geht von der negativen EL, welche
die Elektrode e -h der Scheibe mittheilt, ein grofser Theil auf den
Gonductor a über, weil die ruhende Scheibe, a gegenüber, noth-
wendig weniger dichte positive Elektricität besitzt, als der positive
Papierkuchen. Die von a aufgenommene negative Elektricität gleicht
sich im Verbind ungstabe mit der vom Gonductor b aufgenommenen
positiven El. aus und geht für den Effekt verloren. Erst wenn
die Elektroden aufgehört haben, erregt zu werden, verstärken die
Gonductoren die El. der Elektroden, erlauben also längere Funken
und erschweren den Polwechsel der Maschine. Weniger Elek-
tricität wird durch die Gonductoren vernichtet, die Maschine wird
'} Dafs behufs langer Funken die direkte Verbindung vortheilhalter ist,
als die Seiten^erbindung, hat Poggendorff gezeigt, und dabei. die Ober-
zahligen Gonductoren nicht normal, sondern schräg gegen die Verbindungs-
Jinie der Elektroden gestellt. Pogg. Annal. 136. 171.
tom 6, Januar 1870. 13
ergiebiger, wenn man die den Condoctoren gegenüberliegenden
Stellen der rahenden Scheibe ebenso stark elektrisch macht, wie
die Kuchen es sind, was geschieht, wenn man auf der ruhenden
Scheibe, jedem Condnctor gegenfiber, ein Papierstuck anbringt und
durch einen Papierstreifen mit dem in der Drehungsrichtung vor-
angehenden Kuchen der Maschine verbindet, in andern Worten:
indem man die neue Maschine herstellt, die oben betrachtet wurde.
Dies ist, nach meiner Erfahrung, stets gerathen, wenn man lange
Funken erhalten will. Die überzähligen Conductoren allein sind
von unsicherm Gebrauche, da ihre Wirksamkeit verlangt, dafo die
ruhende Scheibe stark elektrisch sei, was erst nach längerer Thä-
tigkeit der Maschine, nicht bei jeder roHrenden Scheibe und bei
derselben Scheibe nicht zu jeder Zeit in gleichem Maafse der Fall
ist Die beschriebene neue Elektrophormaschine mit zwei Kuchen*
paaren ist dagegen stets leicht und sicher aus der alten Maschine
mit zwei Kuchen herzustellen^) und sogleich erregbar.
Hr. Mommsen legte die von den Herren Bormann, Hen-
zen, Hübner und Renier erstatteten Berichte über den Fortgang
der Arbeiten am Corpus inscriptionum Latinarnm während des
Arbeitajabrs 1. Nov. 1868 — 31. Oct 1869 nebst seinem eigenen
Berichte vor.
Hr. Henzen zeigt an, dafs der erste Theil des Manuscripts
der nrbanae, den grofseren Theil der sacrae umfassend| zum Ab-
druck nach Berlin abgesendet und das übrige für den ersten Band
der nrbanae erforderliche Material ebenfalls im Wesentlichen druck-
fertig sei. In Folge dessen ist sofort das nach Berlin gesandte
Manuscript hier durch Hm. Henzens bisherigen Gehülfen bei der
Ausarbeitung dieser Abtheilung, Hrn. Bormann, einer schliefs-
lichen Druckrevision unterzogen und unter dessen Leitung der
Druck derselben — der sechsten des ganzen Werkes — in AngriiF
genommen worden. — Hr. Hübner hat den Druck des zweiten
Bandes, der Spanien und Portugal umfafst, beendigt und ist der-
>) £• genOgt, die schrigen* Papier-Kuchen nnd -Streifen an der ruhen-
den Scheibe mit Wachs tu befestigen.
14 Gesammtsitzung
selbe xit Michaelis 1869 erschienen. Die Vorarbeiten für die sie-
bente, Britannien, Gallien nnd Germanien umfassende Abtheilung
sind so weit vorgeschritten, dafs zu Anfang des J. 1870 mit dem
Druck der britannischen Inschriften begonnen werden kann. —
Hr. Renier hat im Herbst 1869 einen grofsen Theil derjenigen Pro«
Tinzen des mittleren Frankreichs besucht, die noch nicht yon ihm
durchforscht worden waren, und denkt im Laufe des nächsten Jahres
diese Reisen abschliefsen zu können, während gleichzeitig die littera-
rischen Vorarbeiten für Frankeich von ihm energisch gefördert werden.
Der Druck der franzosischen Inschriften wird sich also an den der
englischen und deutschen ohne Unterbrechuag anschliefsen können.
Gleichzeitig hat Hr. Renier seine Collectaneen für Africa nicht
blos durch Einreihung alles neu Gefundenen ergänzt, sondern auch
f&r die bisher von ihm nur unvollkommen durchforschte Provinz
Gran neue und werthvoUe Grundlagen gewonnen. — Der Druck
der von Hrn. Mommsen bearbeiteten Bände ist in Band III von
S. 456 bis S. 640, in Band V von S. 88 bis S. 168 vorgeschritten;
es ist ferner theils durch eine Reise des Hrn. G. Wilmanns, jetzt
Professors in Dorpat, eine für Steiermark gebliebene Lücke aus-
geHillt, theils durch eine Reise Hrn. Mommsens das für Piemont
und den östlichen Theil der Lombardei noch mangelnde Material
herbeigeschafft und gesichtet worden. — Der Druck des von Hrn.
Zangemeister übernommenen vierten Bandes, die pompeianiscbcn
Wand- und Griffelinschriften enthaltend, ist in diesem Jahr nicht
vorgeschritten. — Die finanzielle Lage des Unternehmens konnte
als durchaus befriedigend bezeichnet werden. Gb durch den Über-
gang des Drucks auf eine andere mit grofseren Räumlichkeiten
versehene Officin die angestrebte raschere Forderung des Erschei-
nens erreicht werden wird, läfst sich zur Zeit noch nicht sagen,
da der Wechsel erst in den Sommermonaten ausgeführt worden ist.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vor-
gelegt:
Bartolomeo Borghesi, Oeuvres conipletea. Vol. 5. C. Paris 1868. 1869. 4.
Cataiogue qf scientific Papere. Vol. III. London 1869. 4.
' Recueil des ordonnances de la principcmte de Lihffe, Denxieme Serie.
Vol. 1. Bruxelles 1869. 4. Mit Rescript vom 23. Dec. 1869.
vom 13. Januar 1870. 15
F. de Botella, Detcripeion geoio^co^minera de ia§ proritteiM de Murcia
y Äibacete, Madrid 1669. foL
Greemeick Observations in the year 1867. London 1869. 4.
BuUeHn of the Museum of Comparatire Zoohgy, no, 9 — 13. Cambridge
1 869. 8.
Schriften der eudslarischen Akademie, Heft 9. Agram 1869. 8.
Hagueny, Le coup de foudre de Vlle du Rhin, Strasbourg 1869. 4.
Peters, Die Burgkapelle zu Iben, Bonn 1869. 4.
Naphegyi, The grand review of the dead. (Poem,) New York 1869. 8.
13. Januar. Gesammtsitzmig der Akademie.
Hr. Pertz las über den 2l8ten Band der Scriptoren der nio->
numenta Germaniae und die Octavausgaben des Helmold, Arnold,
Monumenta Welfica und Gislebertl chronicon Hannoviae.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Abhandlungen der Senckenbergiechen natur/orschenden Gesellschaft, 7. Bd.
1. n. 2. Heft. Frankfurt a. M. 1869. 4.
Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1672, Beriin 1870. 8.
Atti deila societa italiana delle scienze natwrali. Vol. XII, 1. Milano
1869. 8.
Annales aeademici, 1864—1865. Lngd. Bat. 1869. 4.
17. Januar. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. W. Peters las über den Ductus pneumaticus des
Unterkiefers bei den Crocodiien.
Eine der wichtigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Zoologie
ist die Erforschung der homologen oder genetisch gleichen Organe
bei den Thieren desselben Typus. Die fiuDserst mannicbfaltige Form
und EntwickeluDg der bei den verschiedenen Thieren vorkommen-
den identischen Theile, ihre wechselnden mehr oder weniger inni-
16 GesammUitzung
gen Beziehungen za den sie umgebenden Theilen und die Mod^-
cationen dieser letzteren machen solche Untersuchungen oft äufserst
schwierig und fuhren bei den verschiedenen Forschern zu den ver-
schiedensten Resultaten.
In der Geschichte der Wirbelthiere finden wir in dieser Hin-
sicht nichts, was zu der Aufstellung so verschiedener Ansichten
Veranlassung gegeben hätte, wie das Bestreben, die den Gehör-
knöchelchen der Säugethiere homologen Theile bei den anderen
Wirbelthieren und das diesen zukommende Quadratbein bei den
Säugethieren aufzufinden. Ich selbst bin angeregt worden, der
Akademie mehrere auf diesen höchst interessanten Punkt bezug-
liche Mittheilungen zu übergeben^) und hatte geglaubt, das für
diesen Gegenstand mir vorliegende sparsame Material erschöpft zu
haben.
Eine neuere Abhandlung von Hm. Huxley über denselben
Gegenstand') hat mich indessen veranlafst, meine Untersuchungen
noch einmal sorgfällig zu wiederholen. Wenn ich dabei auch nicht
zu einem anderen Endresultat habe gelangen können^ so habe ich
doch einige Berichtigungen und Erläuterungen hinzuzufügen, wel-
che zur YervoUständigung meiner früheren Mittheilungen nicht an-
wichtig sein durften.
Hr. Huxley hat an einem jungen Crocodilu$ biporcatus die
Beobachtung gemacht, dafs das Quadratbein zwei grofse Luftzellen
enthält, welche durch einen ganz kurzen pneumatischen Gang (den er
für ganz identisch mit dem von Stannius beobachteten hält) mit
dem Gelenktheil des Unterkiefers unmittelbar hinter und über dem
Gelenk in Verbindung gesetzt werden und hiervon eine bildliche
Darstellung gegeben.') Er hat ferner einen nicht mit dem Ham-
mer in Verbindung stehenden länglich dreieckigen Knorpel gefun-
den, welcher zwischen Jenem und dem Ductus pneumaticus gele-
gen ist und er hat keine Grenze (kein Gelenk und keinen Zwi-
schenknorpel) zwischen Hammer und Columella finden können und
schliefst nun, daXs überhaupt keine ursprüngliche Enorpelverbindang
zwischen dem Hammer und dem Meckelschen Knorpel des Unter-
1) Jifo;iaf96ericA«e.l867p.725u«779;lS68p.692; 1869p.5.
') Proceed, Zoolog, Society, Lond, 1869. p. 391.
») 1. c. p.39*Fig.l.
vom 17. Januar 1870* 17
kiefers ezisdre, sowie, Torzuglioh nach dem Verhalten dieser Theile
hei Sphenodon,^) dafo der von mir als Hammer (identisch mit dem
von Breschet hei V5geln entdeckten) gedeutete grofse Knorpel
ein doppelter Ans-wnchs des Stapes (Colamella) sei, den er mit
dem Amhos der Sftugethiere vergleicht, wfthrend er als Homologon
des Hammers nan nicht mehr den Golenktheil des Unterkiefers,
sondern das Qaadrathein hetrachtet.
Dafs diese von Hm. Haxley durchgeführte Deatnng meiner
Yorstellong nicht fem lag, ehe ich an die Untersuchung des Cro-
codils ging, wird man leicht aus meiner ersten') und sweiten')
Bfittheilnng ersehen nnd ich kann hinzufügen, dafs mein Freund,
Hr. Flow er, in der mit ihm über diesen Gegenstand geführten Cor>
respondenz schon am 11. Deeemher 1867 die Yermuthung aussprach,
es wftre vielleicht der Hammer allein das Quadratbein. Es dürfte dar-
aus hervorgehen, dafs wenn ich bei der Untersuchung des Croco«
dils und der Vogel schliefslich zu einem ganz anderen Resultat
kam, dieses nicht die Folge einer vorgefafsten Meinung war, son-
dern trotz der letzteren geschah.
Vielleicht würde es mir ebenso ergangen sein mit Hm. Hux-
lej's Arbeit, wie es ihm mit der meinigen ergangen ist, wenn ich
nicht glücklicherweise neuerdings Crocodilfotus (merkwürdigerweise
in den meisten europäischen Sammlungen eine grofse Seltenheit!)
erhalten hfitte, die ungefähr in demselben Alter stehen, wie der
von Hm. Haxley untersuchte. Ich fand sogleich ohne Schwie-
rigkeit den von ihm dargestellten Gang zwischen dem Gelenktheil
des Unterkiefers und dem Quadratbein so wie letzteres ganz pneu-
matisch nnd oben offen mit der Trommelhöhle communicirend.
Von dem hinteren Ende des ftufseren beilförmigen Hammerfort-
1) Ich inaüi mich jeder Vermuthnng Aber eine anderweitige Deutung
der in Rede stehenden Theile bei Sphenodon enthalten, da es mir nicht ge-
lungen ist, ungeachtet Tieljfihriger Bemfihnngen ein Esemplar dieses nensee-
lindischen Sauriers cu erhalten.
') Monat9heriehtlSQ7,p.729. „Es ist möglich nnd erscheint mir sogar
wahrscheinlich, dab der Hammer bei den Vögeln mit zur Bildung des Qua-
dnUbeins beitrfigt*
*) Ibid. p. 780. „Auffallend ist femer die aufserordentliche Grofse des
langen Hammerfortsatzes, der im Verhftltnifs zu der G^öfse des ganzen Thie-
res eine so riesige Entwickelung zeigt, wie bei keinem anderen Säugethier.*
[1870] 2
18 Sitzung der pkyBikalißch-mathefnaÜschen Klasse
Satzes geht ein g^rummter dünner Knorpelfkden aus, d^r bald et-
was dicker und platter (Stylohyoid-Knorpel Hnxley's) wird
nnd dann sich zuspiteend fadenförmig dünn in der Richtung nach
dem Foramen pneumaticum des Unterkiefers hin eich verliert
Eine Continuität der ColumeUa nnd des Hammerknorpels an den
mir vorliegenden Exemplaren verschiedenen Alters mufs ich dage-
gen entschieden bestreiten, denn derselbe (der eztrastapedial und
suprastapedial cartilage Huxley's zusammen) setzt sich mit seiner
kurzen Basis durch eine regelmäfsige Convezität gegen das verschie-
den aussehende äufswe Columellen-Ende ab/) dessen Deutung als
rudimentfiren Ambos ich aber längst aufgegeben habe, nachdem ich
mich wiederholt von dem Mangel desselben bei den Vögeln über-
zeugt habe. Aber dafs ein Organ, welches, wie der Ambos, bei
den Sfiugethieren gradatim von den höheren zu den niederen all-
mählig abnimmt, indem es bei Tachyglossus*) zu einer kleinen plat-
tenformigen Epiphyse des Hammers wird, bei den Vögeln aber
spurlos verschwunden ist, nun auf einmal bei den noch niedriger
stehenden Grocodilen in Form einer groüsen, wenigstens 8 bis 10
Millim. langen und breiten Platte aufs Neue auftreten sollte, durfte
wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben. Hr. Huxley hat bei
dem Taehyglossus ebenfalls den grofsen Hammermuskel beschrie-
ben und die int^essanie Beobachtung gemacht, dafs der Muse, sta-
pedius bei den Sehnabelthieren ganz fehlt Trotzdem nun das
Aufgehen des Amboses in den Hamnier bei dem Tachyghssus die eng-
sten Beziehungen dieser beiden Gehörknöchelchen zu einander noch
mehr beweist, hebt Hr. Huxley im Gegcntheil die Beziehungen zwi-
schen Ambos und Stapes als engere hervor und trotzdem der Sta-
pediusmuskel bei den Sehnabelthieren bereits ganz verschwindet,
ist ihm der bei den Grocodilen auftretende Muskel') nicht der
Hammermuskel, sondern der Stapedius oder vielmehr, da er den
') Bei den Vögeln liegt der bereits von Breschet „Hammer* genannte
enteprechende Knorpel anfangs lose vor der Columella, w&hrend von dem
ftafsem Ende dieser letzteren ein Fortsatz ausgeht (Monatsber, 1868. pag. 59S
Taf. lFig.4u.4a), welcher sieh mit dem Zungenbeinbogen verbindet«
') Echidna ist ein viel früher von Forster an eine Aalgattong ver*
gebener Name.
*) Dieser Huxley 'sehe Muskel ist flbrigens ganz verschieden von dem
von mir beschriebenen M. malleus.
CO» fr. Januar i87(L 19
groben yon mir als Hammer gedeuteten Knorpel als den ane
dem StapeB hervorsproasenden Amboa betrachtet, ein gana
neuer Ambosmuskel.
Ich hatte bisher nur jfingere Embryonen in Weingeist und
allerdings für die Untersuehnng leicht t&uschende Schädd gröfserer
Exemplare zur Disposition.
Bei dem ganz jungen Embryo des von mir abgebildeten^)
Croeodilus biporoatus bin ich dorch die grofee Ähnlichkeit, die das
knorpeUge Qoadratbein in diesem Stadium mit dem Hammerknor»
pel hat, und aus zu grofa^ Schonung für das seltene Object zu
einer Verwechselung beider verleitet worden und so in denselben
Fehler verfallen, auf den ich früher selbst') ebenso wie Hr« Hnx«
ley jetzt') aufmerksam gemacht haben. Wenn dieses auch an dem
ganzen Sachverhalt nichts ändert, so bin ich doch gern bereit, einen
Irrtham einzugestehen, auf den ich durch die belehrende Abhand-
lang des Hrn. Huxley aufmerksam gemacht worden bin.
In diesem Stadium nun ist der Meckelsche Knorpel bis zu
seinem hinteren in dem Articulare gelegenen Theile ganz solide«
Die nächstfolgenden Stadien fehlen mir und es wfire sehr erwünscht,
wenn die Naturforscher in den krokodilreichen Gegenden Suiten
von Crocodilembryonen für diese so wichtigen Untersuchungen sam««
* mein wollten« In einem bedeutend alteren Embryo von Croeodiltu
tulgarisy ebenfalls bereits von mir in naturlicher GroTse abgebil«
det,^) der aber jünger als der von Hrn. Huxley abgebildete von
1) Monaisber, 1868. p. 598. Taf. 1 Fig. 1.
') lfonat«6er. 1867. p. 727. aOhne namentlich auf diesen letzten Cm-
fftaad RQekaicht zu nehmen, ist ans der Ähnlichkeit, welche zwei ans dem
MeckelseheD Fortsatz herroigehende oder mit demselben zusammenhängende
Theile, der Gelenktheil des Unterkiefers der Vögel und Amphibien und der
hinter dem Unterkiefer liegende Hammer der Säugethiere zu einer gewissen
Entwickelungszeit mit einander haben, auf die Homologie dieser Theile ein
Schill fs gemacht n. s. w.^
') 1. c. p. 403. »and as the incus and the malieus ossifj, no-
thing can seem closer than the resemblance which they bear to the quadratum
and the articulcare respectively. Hence Reichert conceived that the quadratum
was the homologue of the tAcirs, and the malleus that of the articulare^ and
I have fallowed him. But the study of Sphenodon and of the Crocodüe hu
led me to belleye that we have fallen into an error.*
«) MonaUhtr. 1 868. p. 598 Taf. 1. Fig. 2.
2»
30 Sitzung der phyäikaUiek^mathenuitischen Kiaise
Cr^ h^pareisiui ist» bildet der Knorpel des Arttcnlare noch ein Con-
tinnum mit dem vorderen Ende des Meckelsehen Knorpels. • £r bil-
det aber auch bereits eine Hoble und diese Höhle hftngt darch
einen ganz kurzen Gbmg, der noch kürzer ist als in dem Hnxlej-
achen Falle, mit dem ganz hohlen Os quadratum zusammen. Die-
sen letzteren habe ich nun in Verfolgung des dünnen Knorpelstrangs,
welcher Hammer und Articnlare rerbindet, fibersehen, indem ich,
wie man sehen wird, nur die Richtung des bleibenden Ductus pneu-
maticus imd nicht die des von Hm. Huxley beschriebenen provi-
sorischen (das Endstfick des bleibenden) vor Augen hatte.
Zur Orientirnng über diesen Gegenstand möge das isolirte
Quadratbein (Taf. I Fig. 1) eines, 50 Cenlimeter langen, gespreng-
ten SchSdela von Oroeodilus paro$u$ Schneider (Cr. hiporeatu9
Cuv.) dienen, also von derselben Art, an welcher Hr. Huxley
seine Untersuchung gemacht hat.
Durch den an der oberen inneren Seite des Quadratbeins ge-
legenen Luftcanal (dp.) ist zuerst eine Sonde hindurchgefuhrt.
Darauf ist derselbe in der Art aufgemeifselt worden, dafs der An-
fang und das Ende^ an welches letztere sieh der fibröse Ductus
pneumaticus anschliefst, so wie zwei mittlere kleine Brücken ste-
hen geblieben sind, um ein deutliches Bild von dem Verlaufe und
von dem Durchmesser der verschiedenen Gegenden des Canals zu
haben. Von keiner Stelle dieses Canals geht irgend ein Neben-
canal ab in das Innere des Knochens und auch an anderen SchS-
dein, wo das hintere Ende des Canals biosgelegt ist, findet sich
keine Spur eines in das Innere des Quadratbeins eindringenden
Canals. Auch ist hierzu um so weniger irgend eine Veranlassung,
als die inneren Luftzellen des fötalen Quadratbeins, wie mitten
durch diesen Knochen in verschiedener Richtung gefahrte Schnitte
lehren, nun verschwunden sind und an deren Stelle sich nur mehr
oder minder grofse ringsum geschlossene Markzellen finden. Auch
das Os articulare ist bei demselben Exemplare von Croe, porostts
nun fast ganz solide und der feine Luftcanal ist äufserst eng und
fuhrt durch ein langes nach innen, unten und vom gerichtetes Ca-
nälchen in eine dreizellige Knochenhöhle.
Es dürfte hieraus hervorgehen, dafs der von Hrn. Huxle^'
beschriebene provisorische Luftkanal zwischen dem Articulare und
Quadratbein sehr verschieden ist von dem hier beschriebenen blei-
benden Luftcanal, welcher das Articulare direct mit der Trom-
l|inu»l«Ti!.Bfri,lkad.dWsfl Wtf.
vom 17. Januar 1870. 2 t
melhohle in Veibindang «etit und welcher auch ron Stannius
offenbar nicht seinem gancen Yerlaiif nach verfolgt worden ist')
Dieser bleibende Luftcanal hat in den früheren Entwickelungssta»
dien dieselbe Richtung wie der embryologische Knorpelfaden, von
dem der von Hm. Haxle j beschriebene jyStylohyoidknorpel'' ein Ru-
diment ist. Der Canal für den Knorpelstrang liegt aber oberflfich-
lieber nnd fKllt nachher mit dem für den Nerrns facialis aosam-
men, wird daher TerhAltnifsm&fsig immer kurser und der Knorpel ia
semem Endtheile nar dorch einen Bindegewebsstrang reprSsentirt,
während jener Lnftkanal an Lfinge mit dem Wachstham des Schft-
dels immer annimmt.
Die Entwickelnngsstadien zu verfolgen, welche zwischen die-
sen verschiedenen Bildungen (der vollkommenen Pneumaticitfit des
Qaadratbeins und der Reduction auf den feinen Luftcanal) liegen,
dazu werden ganze Reihen von Exemplaren erforderlich sein. Die
vorliegenden Mittheilungen durften jedoch genügen, um zu zeigen,
wie viel uns noch fehlt an einer erschöpfenden Kenntniis der bekann«
testen Thiere und wie fem wir daher noch sind von einer Erkennt
nifs der lur das Thierreich allgemein gültigen Gesetze.
'} Er wQrde Bonst {Handbuch der Zootomie. l%b%.VL p.b9) nicht gesagt
haben, dafs die Unterkiefenellen durch den Canal mit ^den Luft feilen
der Schädelknochen* commimiciren.
Erklftrung der Abbildungen.
Taf. L Flg. 1. Qoadratbein von einem 50 Centimeter langen Schädel
des Crocodiius poroau9 Schneider, durchsagt, ron oben gesehen, ((p. Luft-
canal; c. c. Markzellen. In natfirlicber Gröfse.
Fig. 2. Os articulare desaelben, durchsägt, dp. Luftcanal; cp. Luftcel-
len. In natfirlicher Gröfse.
Tat IL Flg. 1. Meckelscher Knorpel (/,/), geöffnete Höhle desselben
(ca9.), knorpeliger Yerbindungsstrang (x, i) mit dem Hammer (m) von Cr»
tuigeariSf dessen Kopf J/onotoAertcA^e 1S6S p. 598 Taf. 1 Fig. 2 in natfirlicher
Grobe abgebildet ist. dp, Luftgang; q, Qnadratbein; md* Unterkieferknochen.
Viermal vergröfsert.
Fig. 2. Längsdnrchschnitt des Quadratbeins und der angrenzenden Theile
?on ÄUigaior Iveius (total 82 Centim., Kopf 144* Cent lang), um den Verlauf
des Ductus pneumaticus und die Lage des (auf Huxley's Stylohyoid-
Knoipel) redncirten, zu dem Zungenbeine beziehungslosen, Knorpelstranges
mit dem umgebenden Sehnengewebe ^on der Seite zu zeigen, o. Auge;
22 OesammtsÜtwtg vom 20. Jcmuar 1870.
«. Hammer; U Membimn «jmpaai; c. CohuneÜ«; «• Rest des koorpeUgen
Yerbindnngutrftnges zwischen Hammer oAd Meckelschem Knorpel; x, sehnig
gewordener Tbeil des Yerbindnngsstrangej; /• Meckelscher Knorpel; md. Un-
terkiefer; #m. Oberkiefer; q, Quadratbein; oc. Occipitale laterale; »a. Kau-
muskel. In natOrlicher Gröfse.
Fig. 3. Obere Ansicht von denselben Theüen nach Abtragung eines
Theils des Quadratbeins. Bezeichnung wie in Fig. 2. In natürlicher GröCse,
Fig. 4 — 7. Hammer nnd ICnorpelstrang in verschiedenen Stadien; Be-
teichnnng wie in Fig. 1 n. 2.
Fig. 4. Seitliche Ansicht dieser Tkeile ron einem 35 Mm. Lingen Kopf
eines Crocod. aeutua, an welchem der Knorpelstraag an einer kleinen SteDe
bereits sehnig geworden ist. Sechsmal yergröfsert.
Fig. 4a. Passelbe Ton oben und hinten gesehen.
Fig. 5. Seitliche Ansicht derselben Theile Ton dem 43 Mnu langen Schädel
eines Crocodilua acutui, wo der Knorpelstrang sich rom Hammer abzulösen
beginnt und der untere Theil ganz sehnig geworden ist. Fünfmal yergrßssert.
Fig. 6. Dasselbe ron einem 8 Centim. langen Schädel von Alligator tu-
rtvs, «n welchem der Verbindungsstrang deutlich vom Hammer getrennt ist
und in den unteren ■} sehnig geworden ist. Dreimal yeigrÖTsert.
Fig. 7. Dasselbe von einem 14^ Centimeter langen Sehiidel eines Alii^
gator btciutf bei welchem nur ein kleiner Ton dem Hammer entfernt liegen«
der Knorpel (Huxley's Stylohjroidknorpel} von dem knorpeligen Verbindon^*
Strange übrig geblieben ist. Anderthalbmal vergröfsert.
Fig. 8. Colnmella mit einem Theil des Hammers von einem 39 Millim.
langen Schädel des Crocoiilua acuty», um den Gelenkkopf des Hammers s«
zeigen. Bezeichnung wie oben; «'. Knorpeliges, noch nicht verknöchertes
Stück der Columella. Achtmal vergröfsert.
Fig. 9. Columella des auf Tai^ 1 abgebildeten Croo. porosui, um die
Gelenkgrube derselben an ihrem änfsem Ende zu zeigen« In doppelter Grösse.
Die Fig. 2 bis 8 sind nach Präparaten und Zeichnungen des Hrn. Dr.
Max Fürbringer abgebildet worden.
20. Januar. Gesammtsitzimg der Akademie.
Hr. Trendelenburg las zur Geschichte des Wortes Person.
*
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
H. Gradl, Lieder und Sprüche der beiden Meister SpervogeL Prag^
1869. 8.
Mittheilungen der K, K. Central- Commiseion für Erforschung der Bamdenk^
male. XV. Jahrg. Jan.-Febr. Wien 1870. 4«
öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1870. 28
Nora Ada Reg, Soc. Sc. Upsaiieim*. 8er. HE. VoL VII. Faac h
Upula 1869. 3.
Ujfwia üniverwOeU Jreakrift /or 1868, Ujisala 1869. 8.
Ri^pport9 de ia commission kgdromitrique. Annee 24. 2^ Lyon 1867,
18G8. 8.
Palombo, Della proprieta e degli ordinament* eociali Studi, Kapoli
1869. 8.
27. Januar, öffentliche Sitzung der Akademie zur
GedächtniTsfeier Friedrichs 11.
Ihre Majestät die Konigin und Seine Königliche Hoheit der
Kronprinz geruhten der Sitzung beizuwohnen.
Zur Einleitung las Hr. Gurtius folgenden Vortrag des per-
sonlich verhinderten Secretars Hrn. Trendelen bürg:
Aus Friederichs des Grofsen politischen
Yermfichtnissen.
Friederich der Orofse schrieb im Jahre 1752, also in jenem
Jahrzehnt erfolgreichen Schaffens, das zwischen den Dresdener
Frieden und den Anfang des 7jährigen Krieges fällt, das Schrift-
stück, an das wir heute in dankbarer Erinnerung einige Betrach-
^ngen anknüpfen. Es war die Zeit, da er im Frieden sein durch
Siege neu befestigtes Land anbaute, da er der deutschen Welt das
Beispiel der ersten Justizreform gegeben hatte, da er f8r den freien
Handel der Neutralen im Seekrieg gegen das mächtige England
stritt ond das Recht der Vernunft gegen die Willkühr der alten
Seerechte wahrte; es war die Zeit, da er eben seine „Kunst des
Krieges^ ond andere Gedichte und seine Geschichte des Hauses Bran-
denburg unter dem Titel der Werke des Philosophen von Sanssouci
veröffentlicht hatte. In dieser Zeit schrieb er, die Gegenwart und die
Zuknnfit seines Staates bedenkend, ein „politisches Testament^ (testa^
menl politique)^ das er mit dem Datum des 27. August 1752 versah
und in das Archiv niederlegte. In einer späteren Zeit seioes Le-
bens kam der König auf dies Vermächtnifs zurück« Nach dem
siebenjährigen Kriege, da die Weltstellung verändert war, schrieb
er ein zweites politisches Testament und datirte es vom 7. No-
vember 1768. In den Grundgedanken ist es mit dem ersten das-
24 Offenüieke Sitzung
telbe, in allgemeinen Betrachtnngen sparsamer, in den Einselheiten
Ton Nachrichten und Entwürfen reicher.
Um dieselbe Zeit schrieb der König, wie jene politischen Testa-
mente, mit eigener Hand einen letzten Willen, Tom 8. Januar 1769
datirt, in welchem er über seinen gesammten Nachlafs yerfugte;
er sehrieb diese letzte Verfügung, die Geldeswerth und Eigenthum
betraf, nach den Landesgesetzen auf einen Stempclbogen, wie zum
letzten Zeichen, dafs er die kleinsten Gesetze des Staates, wie die
grSfsten gleich achte.
Dieses sogenannte Privattestament ist in die Ausgabe der Werke
Friederichs des GroCsen^ welche die Akademie der Wissenschaften
leitete, aufgenommen^); jedoch nicht jene ersten.
Andere Befehle, welche der Kom'g für den Fall seines Todes
erliefs, haben mehr eine Bedeutung für den Augenblick ; sie fassen
die Wechself&lle des Krieges ins Auge, wie z. B. der Brtef an den
Prinzen Ton Preufsen, seinen Bruder, Tom 8. April 1741, den er
zwei Tage vor dem Zusammenstofs bei Mollwitz schrieb'), jene
^geheime Anweisung^ {instruciion 9ecrite)j die der K5nig unter
dem 10. Januar 1757 seinem Minister, dem Grafen Fink von
Finkenstein gab, oder der Befehl, den er 3 Tage vor der Schlacht
von Zomdorf unter dem 22. Aug. 1758 erliefs ') und mit den Worten
überschrieb: Ordre an meine Generale dieser Armee, wie sie sich
im Fall zu verhalten haben, wenn ich sollte todt geschossen wer*
den, und in dem sich, nach der Anordnung des sofort seinem Neffen
zu leistenden neuen Eides und der Bestellung des Prinzen Heinrich
zum Vormund, die ergreifenden Worte finden: „Ich will, dafs nach
meinem Tode keine Umstfinde mit mir gemacht werden^; ein Jahr
sp&ter nach der Niederlage bei Knnersdorf, da der Konig den Ver-
lust des Vaterlandes nicht glaubte zu überleben , die Instruction
vom Tage der Schlacht, 12. Aug. 1759, für den General -Lieate-
nant von Fink ^), in welchem die Worte: -^ indessen, was mein
Bruder befehlen wird, das muTs geschehen; an Meinen Neven mufs
die Armee schw5ren. Diese Befehle versetzen uns in die Lage
') Werke Ausg. 1846. ff. VI, p. 215 f.
•) Werke XXVI, p. 85.
») Werke XXVI, p. 533 f.
^) Werke XXVII, 2, p. 305, Tgl. Brief an den Prinzen Heinrich vom
16. Angnst 1759. XXVI, p. 199.
vom 87. Jmuar i870. 25
des Aogenldickes, der tie entspraDgen, und bewegen iiBsere Mit-
empfindang für die entschlossene Hand, die sie schrieb.
Jene politischen Testamente, ans denen bereits Leopold Ton
Ranke's neun Bficher Prenis. Geschichte charakteristische Z6ge mit-
getbeilt haben *), sind so vielseitig, wie die weise and kluge Kunst
la regieren, die sie behandeln.
Bei der mir gestatteten Durchsicht fiel mein Blick auf die
bleibenden Gedanken, die nach Friederichs des Grofsen Anschauung
seinem Staate zum Grunde liegen und darum seine Zukunft bedingen.
£in Historiker wird andere Seiten finden, namentlich wird es ihn
Msiehen, wie Friederich die politische Lage Preufsens im Jahre
1752 und im Jahre 176S ansah; denn ungeachtet der weit aus-
sehenden Gedanken, in welche die Zukunft eines strebenden Staates
fuhrt, ist in dem politischen Vermfichtnifs die Sorge für den nftchr
sten Tag und das nftchste Jahr sichtbar.
Es mag mir erlaubt sein, die bezeichneten Seiten, auf die ich
achtete, herauszuscheiden« Wir werden darin keinen neuen Ge^
danken begegnen, keinen Gedanken, die nicht Friederich der Grofse
in seinen Abhandlungen und in seinen Denkwürdigkeiten oder in
seinen Briefen ausgesprochen hätte. Aber es hat rielleicht einen
Reiz zu sehen, wie er sie auf seinen Staat anwendet und sie in
ihm als Grundsfitze fortzupflanzen w&nscht.
Während des Aufenthaltes auf dem Schlosse zu Bheinsberg
hatte sich der König als Kronprinz in edler Vorbereitung auf sein
königliches Amt mit den Grundsätzen der Staatsweisheit beschäf-
tigt. Von Machiavell hatte er die nüchterne Klugheit gelernt, die
dem Mann der Geschäfte nöthig ist, aber Ton dem Unedeln in den
Maximen, die Machiarell in dem Musterbiide seines Fürsten zeichnet,
znruckgestofsen, hatte er eine Widerlegung von Machiavells Fürsten
geschrieben. Gedanken, die er in dieser Schrift, seinem Antima-
cbiavell, ausspricht, leiten ihn sein Leben hindurch. In Bheins-
berg, hatte er (1738) seine Betrachtungen über den gegenwärtigen
Zustand des Staatenkörpers von Europa geschrieben und darin je-
nen politischen Blick und Überblick gefibt, mit dem er später um
die Mitte der vierziger Jahre des Jahrhunderts das bewunderungs-
würdige erste Kapitel in der „Geschichte seiner Zeit^ entwarf, das
einleitende Kapitel, in dem er den Zustand Preufsens und Europa's
1} z. B. Bd. m, p. 476, 402, 419.
S6 Offentliehe Sitzung
sur Zeit seiner Thronbesteignngf die Charaktere der Ftirsten Earo-
pa's, ihre Minister und Feldherm, die gegenseitige Machtstellung
der Staaten, in die er eingetreten, zusammenfassend darstellte. In
den Denkwfirdigkeiten des Hauses Brandenburg, die der König im
Jahre 1747 und 1748 durch Darget, seinen Privatseeretair, einen
wissenschaftlichen Mann aus seinem vertrauteren Kreise, in dieser
Akademie lesen üefs, hatte er den grofsen Kurfürsten in grofsen
ZSgen gezeichnet, und man sah darin ein Vorbild, dem er nach-
eiferte, dagegen hatte er die Regierung des ersten Königs mit offe-
nem Freimuth und unverhaltener Sch&rfe beurtheilt, und man er-
kannte darin das Gegentheil dessen, was er wollte und erstrebte.
In dem Geiste dieser Schriften schrieb Friederich der Grofse seine
politischen Yermftchtnisse, mitten in den Zustftnden und Bedurf-
nissen Preufsens seine Stellung nehmend.
Der König will mittheilen, was ihn als Steuermann des Staats
die Erfahrung gelehrt hat. Ohne in das Kleine des Besonderen
einzugehen will er die Dinge im Grofsen fassen. Damach be-
trachtet er die vier Hauptpunkte, mit welchen die Regierung zu
thun hat, die Rechtspflege, den klugen Haushalt der Finanzen,
die kraftige Erhaltung der militairischen Zucht und endlich die
Kunst, die richtigsten Mafsregeln zur Förderung der politischen
Interessen zu ergreifen. AVie in den Denkwürdigkeiten des Hauses
Brandenburg *) fafst er dabei den Fürsten als den ersten Diener
und die erste Obrigkeit des Staates auf.
Vor Allem will der König seinen Staat in Gerechtigkeit ver-
fafst wissen. Mit Befriedigung sieht er auf die Reform der Ge-
setze und des Prozefs Verfahrens, die er eingeleitet hat, und wie in
dem Eingang zu seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges ')
erwähnt er dankbar der Verdienste des Grofskanzlers Gocceji, der
sich mit Kraft und Einsicht der muhevollen Arbeit der Rechtsver-
besserung unterzogen habe, ^enn es im Testament aus dem Jahre
1768 so scheint, als habe der König schon wahrgenommen, dafs
es mit der Justizreform Cocceji's nach dessen Tode zurückgegangen,
so beharrt er doch in derselben Richtung. Für sich selbst betont
er den Grundsatz, dafs es dem Fürsten nicht zieme, zur Entschei-
dung der Prozesse sein Ansehn ins Mittel zu legen. Es mSssen,
») Werke I, p. 123.
») Werke IV, p. 1 f., vgl. IX, p. 30 f., IX, p. 232.
vom 27. Januar 1870. 27
sagt er, die Gresetse allein legieien, und die Pfiidit des Ffiraten
beschrinkt sich auf ihren Schntz«
Friederich der Orofse hat ein Gelnhl lÜr das, was in den
Staate, dem der gro£ie Kurfürst seine Wege iries und dem sein
Vater die Mittel der Macht zusammenhielt, an Bedingungen der
Zokunft angelegt ist, und wiederum ffir das, was ihm fehlt, um,
ein Staat unter Staaten, diese Anlage zu erfüllen. Er fühlt den
Widerspruch zwischen dem Staat, der erstehen soll und seinen
besehrftnkten Mitteln sammt seiner ungünstigen gefährlichen Lage,
zwischen dem Beruf, den jeder wirkliche Staat in sich trAgt, und
der drohenden hemmenden Macht der Nachbaren, die den gesunden
Keim zu ersticken trachten. An der Lösung dieses Widerspruchs,
an der Bew<igung dieses Widerstreites, arbeitet sein ganzes Leben.
Als die Grundbedingung eines Staates, der Staat ist, erkann-
ten die alten Philosophen die Zulänglichkeit, das Wort im edelsten
Sinne genommen. Der Staat, fahrten sie aus, mSsse zulänglich
nod dadurch in sich selbst gegründet sein: zulänglich an Macht,
um die Gesetze zu schützen, zulän^ich in den rechten Quellen
aller Kraft, in den Erzengnissen des Landes, in der Erziehung
eines gesunden Nachwuchses, in der Bildung guter und tapferer
Burger, zulänglich nach aufsen in genügender Macht zur Abwehr
des Angriffs, zur Hut seiner Freiheit, zur Wahrung seiner unab^
^^gigen Bewegungen. Wir dürfen diesen alten Begriff anwenden
und mit ihm sagen , dals Friederich der Grolse auf eine solche
sittlich gedachte Autarkie seines Staates alle Gedanken und alle
Fürsorge richtete; und er weifs, dals er sie nirgends schöpfen kann,
als aus der Eo-aft seines Landes und der Tagend seines Volks und
der Weisheit seiner Regenten. Dies Gefühl geht ausgesprochen
and unausgesprochen durch seine Schriften wie durch seine beiden
politischen Vermächtnisse und, was mehr ist, durch seine Thaten.
In diesem Sinne bedenkt er in seinem politischen Testament
den Mangel an Hülfsquellen im eigenen Lande, die zerrissene geo«
graphische Lage, die bedrohten langen Grenzen, die Eifersucht der
europäischen Mächte, und denkt auf Mittel ihnen zu begegnen.
In diesem Sinne nennt er sein Land arm, das ungeachtet dreier
zwischenliegcnder Regierungen, ungeachtet des Friedens während
einer derselben noch die Spuren der Verwüstung aus dem ver-
heerenden 30jährigen Kriege an sich trage. Er sucht die Mittel
auf, das Land zu heben, und fuhrt mit Befriedigung an, was in
28 Öfentiiche SiUung
dieser Rtditiuig Bchoii von ihm gethaa tei, die Etitwisaerungen
▼OD Landstrichen, die Einföhrang des Seidenbaues , die Fördemng
▼on Wollenspimiereien, Ton Seiden- nnd Wollen -Mannfactoren, die
asiaiisehe Handelsgesellschaft zu Emden, die SeeverUndong Ton
Emden nnd Stettin, die Hebnng des Stettiner Handels a. s. w. Der
König sieht in dem Geschehenen nnr die Anfftnge aum Anhan des
Landes; er empfielt einen weiteren Plan, der durch alle ProTincen
geht; und was er im Jahre 1752 in seinem Vermächtnifs als nfitclich
empfielt, das hat er spftter die Freude gehabt, cu einem grofoen Theil
selbst aussuf&hren und ausgeführt an sehen, wie die Urbarmachung
der Oderbruche noch vor dem siebei\jihr]gen Kriege und nach dem-
selben die Urbarmachungen in Hinteipommem, die Austrocknungen
auf Usedom. So hat er sich früh in grofsem Plan die Unternehmun-
gen cum Besten des Landes voi^peseichnet. Derselbe Scharfblick,
der das Orolse erspfihte, sah in das Kleine. So bemerkt er, was
an Blanufacturen seinem Lande noch fehle; es bedarf mehr Messer*
schmiede, als rieh in Neustadt- Eberswalde angesiedelt haben, mehr
Knopfmacher, mehr Handschuhfabriken, mehr Buchdruckereien.
^Wenn er bis in die kleinsten Dinge herabstiegt, sagt einmal der
König ^) von seinem Vater, „so that er es, weil er fiberxeugt war,
dafs das Vielfache des Kleinen die grofsen Dinge bilde. ^ Den
Geist des Details, den Friederich an seinem Vater hochhält, hat
er von ihm geerbt, aber immer spiegelt sich ihm in dem Kleinen
• das Grofse. So macht er, um eine Elleinigkeit hervorsnheben, im
Blick auf das erworbene Ostfriesland, darauf aufmerksam, dafs die
Friesen ihre Lumpen cur Papierfabrication nach Holland verkaufen;
es mfisse dafSr gesorgt werden, dafe sie kfinfUg über Stettin nach
einer in Pommern anzulegenden Papiermühle gehen. Es ist ein
Zug, wie der König, wo es immer angeht, die getrennte neue Pro-
vinz mit den alten, die ihm den Körper des Landes bilden, zu
verknüpfen bedacht ist, und wie er im Sinne jener Zulingliohkeit
nicht will, dafs selbst das Geringste aus dem Lande gehe, was
dem Lande selbst zu Gute kommen kann. Friederich der Grofse
sagt in einer Abhandlung '), die er schon im Jahre 1749 in der
Akademie lesen liefs, von der vorangehenden Verwaltung: „Unser
') In den Denkwürdigkeiten des Hansea Brandenburg. Werke I, p. 125.
') Über die Sitten und Gebrauche unter der Dynastie der HohenzoUem.
Werke I, p.236.
VOM S7. Januar iS70. 99
Haodd irar noch nicht geboren; die Reg^ening erttickte ihn in
Folge Ton Onmdsiiceny welche seinen Fortechritt geradem hindere
ten." So will er in seinem politischen YermAchtniCB den Zwischen«
liaodel fremder Völker yennieden wissen und empüelt directen
Hsndelsvericehr einsnleiten; er will dnreh EingangscAUe auf aus*
Uindiscfae Srseugnlsse und dnreh Befreiung von Auflagen und durch
fweckmifsige indirecte Steuern den Oewerbfleüb des Landes heben
und sogleich die Einnahmen des Staates mehren. Der König kennt
in dieser Richtung das Eigenthümliche der einseinen Provinxen und
vill darnach die Verwaltung fSr jede eigenthüralich. So sagt er
im Yermlchtniüs Ton Schlesien: ^der Handel mit Leinen und Tuch,
welches diese schöne PM>yins erseugt, verdient von den Ffirsten
enanntert zu werden. Das Leinen bringt Schlesien fast ebenso
viel ein, als Peru dem König von Spanien einträgt.^
Indem Friederich der Grofse die Anleitung giebt, das Land
ansobanen, wird ihm die Volks wirthschaft cur Staats wirthschafr,
der soUngliche Erwerb im Volk cum Mittel fEkr die anlinglichen
Finanzen des Staats. In ihnen sieht er die Bedingung politischer
Selbstständigkeit; und der bSrgerliche Grundsats der Sparsamkeit,
anf dem der Einzelne sein Haus sicher bauet, ist ihm, wie dem
grofsen KurfSrsten und seinem Vater, ein Grundgesets des Staates.
Das Urtheil, das er in den Denkwürdigkeiten des Hauses Branden*
borg über den prachtliebenden König Friederich I gefUlt hatte, hat
dieselbe WurzeL
In die Beispiele der Geschichte bückend schreibt der König
im politischen VermftchtniCs von 1752: „Soll das Land glficklich,
will der Fürst geachtet sein, so mufs er nothwendig Ordnung in
seinen Finanzen halten. Niemals hat sich eine arme R^erung
Ansehn erworben. Enropa lachte ober die Unternehmungen des
Kaisers Maximilian; denn dieser Fürst, zwar begierig Schütze zu*
sammenzubringen, aber in seinen Ausgaben verschwenderisch, hatte,
wenn es darauf ankam einzusetzen, nie Geld; die Italiener, die ihn
kannten, nannten ihn den Maximilian ohne Heller (Maximiliane
9enza denarx). Wir haben erlebt, dafs die Zerrüttung, in der Kaiser
Karl VI seine Finanzen hinterliefs, die Königin von Ungarn nö*
thigte, von England Hülfsgelder zu nehmen, was sie in Abhüngig-
keit von König Georg brachte und ihr einige schöne Provinzen
kostete, die sie theils uns, theils dem Könige von Sardinien abtrat.
Biese weise Fürstin, die es erfahren, wie sehr der Mangel an baa«
80 Öf entliehe Sitzung
rem Gelde ihrer Saefae BintrAg gethan, arbeitet mit miablXssigein
Fleiise die gestörte Ordnung berzuetellen. Wfiren die Finanxen
Socfaeens ^wohl verwaltet gewesen, so hätte es in dem Kriege, der
1740 begann, eine BoUc spielen können, aber da es Terscbuldet
war, gab es sich den Meistbietenden hin und hatte nach allen
Seiten Unglück. August gewann nichts an unserer und der Fran-
sosen Seite; und er wurde Temichtet, als die englischen Hülfs-
gelder ihn gegen PrettTsen kehrten. Hätte er seine Koffer voll
gehabt, so brauchte er seine Interessen nicht für so mäfeige Sum-
men SU verkaufen. Dasselbe Holland, wcldies das Joch seiner
Zwingherrn abschfittelte und frfiher bis nach dem Erbfolgekriege
eine so grofse Rolle in Europa spielte, dieser selbe Freistaat wird
heute kaum unter die groOsen Mächte getählt, und zwar weil seine
Regierung mit Schnlden belastet, und, was schlimmer, ohne Credit
ist. Wenn Frankreich fortfährt schlecht zu wirthschaften, wie es
heute thttt, so wird es trots seiner grofeen Madit von seiner Höhe
sinken und seinen Nebenbuhlern ein Gegenstand der Verachtung
werden kennen.^
In derselben Beziehung sagt der König im Yermächtnils des
Jahres 1768 von Preu(sen:
„Wir haben weder ein Mexico noch ein Peru und keine solche
auswärtige Niederlassung, deren Handel die Besitzer bereichert.
Preufsen hat seine Hnlüsquellen nur in sich selbst, siemlich un*
fruchtbaren Boden, arme Einwohner. Dessenungeachtet ist dieses
Land durch gro&e Ordnung und Gewerbfleifs im Stande gewesen,
einen harten verderblichen Krieg gegen die gröfsten Monarchen
Europa' s zu fuhren; und nach sieben Jahren der Unruhe fanden
sich Osterreich, Frankreich und England von Schulden belastet,
während wir keine hatten, und uns noch Mittel genug blieben, die
zerstörten und halb verödeten Provinzen wieder herzustellen.^
So darf der König mit seltener Befriedigung die eigene Er*
fahrung Preulsens zum Zeugen nehmen und durch sie den Grund*
satz des Haushalts seinem Staate einprägen und der Verwaltung
und den Ausgaben die Richtung vorzeichnen.
Wie in den Finanzen, so hat Friederich der Grofse nach allen
Seiten im Auge, dafs der Staat auf Macht als auf seine Gmndfeste
gegründet ist Da sich die Macht in der Wechselwirkung der
Staaten miXst und erprobt, so führt dies auf die Lage des Landes
unter den andern Ländern.
vom 27. Januar ±870. Si
Friederich der Grofse betrachtete die Landkarte, aof welcher
seinem Lande die Bedingungen au einem anlänglichen, in sich ab-
geschloMenen, in sich selbst gegründeten Staate nicht gegönnt wa-
ren, mit nüchternem Blicke.
Ähnlich wie in dem einleitenden Kapitel zur ^Geschichte seiner
Zeit* '), sagt der Konig im politischen Testament vom Jahre 1752:
»Die Provinzen der preufsischen Monarchie sind fast alle Ton
einander getrennt. Der Körper des Staates, in dem seine Kraft
ibreo Sitz hat, ist das Kurfurstenthnm, Pommern, Magdeburg, HaU
berstadt und Schlesien. Diese Provinzen, das Hera des König-
reichs, verdienen hauptsfichiich die Aufmerksamkeit des FGrsten»
weil man hier sowol für das Innere wie für die Yertheidigong dieser
Provinzen sichere Anordnungen treffen kann. Preulsen, durch das
polnische Preufsen von Pommern getrennt, ist mit Polen und mit
RoTsland benachbart, dessen Kaiserin in Curland allmfichtig ist.
Das Herzogthnm Cleve und Friesland berühren Holland. Schlesien
grenzt an Böhmen, Mähren und sogar an Ungarn. Das Kurfürsten*
tbum und das Gebiet von Magdeburg liegen um Sachsen herum«
Pommern ist nur durch die Peene von den deutschen Besitzungen
des Königs von Schweden getrennt, und das Fürstenthum Minden
ist mit Land von Hannover, Munster, Kassel, Hildesheim und Braun*
schweig untermischt.^
„Ihr seht, dafs wir durch diese geographische Lage Nachbaren
der gröfsten Fürsten Europa's sind; alle diese Nachbaren sind
ebenso viele eifersuchtige oder ebenso viele geheime Feinde unserer
Macht Die örtliche Lage ihrer Lander, ihr Ehrgeiz, ihre Inter-
essen, alle diese verschiedenen Verbindungen bilden die Grundlage
ihrer mehr oder weniger versteckten Politik je nach Zeit und Um-
standen.^
In diesen Zügen empfinden wir die Unmöglichkeit, die der
König fiberkommen hatte, die Lage zu lassen, wie sie war. Ent-»
weder mufste der Staat des grofson Kurfürsten mit seinen Keimen
sich selbst aufgeben, oder er mufste vorwfirtsdringen und sich nach
aafscn wie nach innen fester gründen. Zwischen beiden gab ea
für Friederich den Grofsen keine Wahl. Kr weifs, was er wol*
len mois.
0 Werke n, p. 47.
ii ÖjfentlieU Siteung
Bezeichnend Bchreibt der König in dem Tennfichtnifs:
^Maehiavell sagt, da[^ eine nneigenn&tsige Macht, welche sich
mitten zwischen ehrgeizigen Mftehten befinde, znletzt unfehlbar
untergehen wiirde. Es that mir sehr leid, aber ich muTs einge*
stehen, daTs Machiayell Recht hat Daher mCssen die Forsten
nothwendig Ehrgmz haben, aber er muTs weise, gemfifsigt nnd Ton
Vernunft durchleuchtet sein.^ Der Ehrgeiz Friederichs ist die Macht
und die Wohlfahrt seines Staats, die in ihm, dem Könige, bewn&t
und zur Springfeder alles Strebens werden.
Wenn die Eichel, die den mfichtigen Baum in sich trftgt, in
dOrrem Erdreich der Bedingungen entbehrt, dafs sich entwickele,
was in ihr liegt: so strebt sie, ehe sie sich in ihren Untergang fugt.
Zu erreichen, was ihr fehlt; keimend streckt sie darnach ihre Wur-
zeln und treibt sie ihre Schossen. So arbeitet der Same im Stampf
um das Dasein. In fihnlicher Arbeit steht der Staat Friedericlis
des Orofsen nach anfsen und nach innen. Je edler dw Keim ist,
der in ihm liegt, desto edler ist sein Kampf um das Dasein, sein
Kampf um die Bedingungen seiner Entwickelung.
In diesem Sinne stellt der König der Politik des Fürsten die
Aufgabe, neben der Verwaltung des Innern und der Forderung der
Interessen und neben der Handhabung und Aufrechthaltung dea
Regierungssystems die Sicherheit des Staats zu befestigen und so
weit es geht, auf fiblichem und erlaubtem Wege die Besitzungen
und die Macht und das Ansehen der Fürsten auszudehnen.
Für den Staat, der zwar einen Körper hatte^ aber Theile von
dem Körper getrennt nnd in die Feme hinausgeworfen, war es ein
natürlicher Trieb, diese Theile zu wirklichen Gliedern zu machen;
es war daher eine Bedingung der Sicherheit gegen Angriffe und
eine Bedingung zur gegenseitigen Hülfe und zum Austausch der
Kräfte, die zerstückten Theile des Landes mit dem Ganzen zu
einigen, und daher das Gebiet abz\irunden und in seinen offenen
Seiten zu schützen. Friederieb der Grofse ist, so weit es an ihm
liegt, in dieser Richtung unablässig thätig, wie z. B. in den Mitteln,
das Land zu sichern, Festungen zu bauen, oder, wo er noch nicht
zu bauen im Stande ist, den Plan zum Bau zu entwerfen. An-
deres hat er nicht in seiner Gewalt und mufs die Erfüllung des
nothwendigen Bedürfnisses der Geschichte überlassen. In dieser
Richtung bewegen sich des Königs Wünsche, die er seinen poli-
tischen Traum nennt. Einige sah er selbst erfüllt, andere seine
vom 27. Januar 1870. 3S
Nachkommen. Es ist Im YermfichtniTs von 1752 sein Wunsch, dab
sich einst der stetige Zusammenhang von Pommern und Preulsen,
der durch das zwischenliegende polnische PreuTsen unterbrochen
war, xnr innigem Verbindung mit dem Hauptlande herstellen lasse.
Es erschien ihm für den Staat nothwendig und dieser Gedanke
leitete seine spätere Politik in den Wirren Polens, welche die
TheilttDg herbeiführten.
In der gefährlidien Lage, in der Friederich seinen Staat wuDste,
bt es für seine Weisheit und seinen Willen bezeichnend, dafs er
die schwierige Autgabe allein auf die Kraft seines Staates stellt,
einem tapfeni geschulten Heere, der Bereitschaft der ersparten Mittel
and der Treue und dem Geiste seines Volkes vertranend.
„Hütet euch wohl,^ sagt er, ^euer Vertrauen auf die Zahl
and die Treue euerer Verbündeten zu setzen; z&hlet nur auf euch
selbst*
Und ebenso sagt «r an einer andern Stelle, im Vergleich mit
deutschen Fürsten und Stfidten, die sich in fremde politische Ab-
hängigkeit verkauft haben, mit Befriedigung: „wir (wir Branden-
burger) haben niemals von irgend jemanden Hulfsgelder empfangen^
und streng tadelt er, wie in den Denkwürdigkeiten des Hauses
Brandenburg, den ersten Eonig, der im spanischen Erbfolgekrieg
anders verfahren war. Wer Subsidien nimmt, bindet sich die H&nde
und spielt nur eine zweite Rolle.
Der Konig verliefs wenige Jahre sp&ter diesen Grundsatz.
Zwei Tage vor der Schlacht bei Kunersdorf, in der er mit Leib
und Leben um das Dasein k&mpfte, gegen das halb Europa sich
erhoben hatte, am 10. Aug. 1758 schreibt er, ungewifs was ihm
selbst zustofsen könne, vorsorgend an seinen Bruder den Prinzen
Heinrich'): „Was die Finanzen betrifft, so glaube ich Euch unter-
richten zu müssen, dafs mich alle die Verlegenheiten, die uns zu*
letzt trafen, und vornehmlich die, welche ich noch voraussehe, ge-
noüiigt haben die englischen Hulfsgelder anzunehmen, die indessen
erst im Monat October zahlbar sein werden.^ Man hört es den
Porten an, wie ungern der König sich dazu entschlossen hatte«
Aber iu Wahrheit hatte er den Grundsatz nicht gebrochen. Es
war keine Gefahr in Englands Abhängigkeit zu gerathen; es galt
vielmehr der Unabhängigkeit Preufsens. Die Feinde sogen damals
*) Werke XXVI, p. 180.
[1870] 3
34 Offentliehe Sitzung
Preufsen und WestpbaTen aus. In dieser Noth xnafste der Konig
Oeldhülfe annehmen and er nahm sie von dem für den Helden-
konig begeisterten England. Es waren heifsere Tage, als die Tage
des K5nig8 Friederichs I., den Friederich der Grofse angeklagt
hatte '), dafs er mit dem Blut seiner Volker Handel getrieben habe
in Verträgen mit den Holländern und Engländern.
In der Lage des Landes, das Feinde ringsum und selbst rwischen
seinen Grenzen hatte, legt der Konig das grofste Gewicht auf ein
geschultes, schlagfertiges, tapferes Heer. Immer hat er den Krieg,
der ausbrechen kann, im Auge. Für ihn hält er die Mittel bereit.
Die Kriegskasse mufs immer einen Fonds Ton 680000 Thlm. hinter
der Hand haben, um dem Heere, wenn es ins Feld rucken soll,
den Sold eines Monats vorstrecken zu können, und dieser Fonds,
sagt der König, mufs unantastbar sein.
Dafs sein Adlerblick schon im Jahre 1752 die Möglichkeit
eines langen Krieges voraussah, beweist eine Stelle seines Ver-
mächtnisses. Nachdem er gezei^ hat, wie der Fürst in den Aus-
gaben zugleich sparsam and grofsmüthig sein solle, föhrt er fort:
Wir brauchen ungefähr 5 Millionen zu einem Feldzug, also 20 Mil-
lionen geben vier. Diese 20 Millionen zu sammeln und die andern
Kassen zu füllen, ist eine Pflicht des Monarchen ; es ist eine Sorge, die
er sich nicht erlassen darf und die das Volk ihm Dank weifs, wenn
es sich in Elriegszeiten von keinen neuen Auflagen gedrückt sieht ^
Da der König die Erfahrung des siebenjährigen Krieges hinter
sich hat, da er die Wahrscheinlichkeit bedenkt, dafs sich noch ein-
mal die Kräfte von Osterreich und Rufsland, von Frankreich und
Schweden, gegen ihn vereinigen können und dann mit äufserster
Anstrengung den Krieg fuhren werden, sagt er in seinem Testa-
ment vom Jahre 1768: „wenn ich noch einige Jahre l«be, werde
ich die Zahl des Heeres auf 166000 Mann bringen können.^ Da
aber die Feinde mehr Truppen aufbringen können, so will er, dafs
die preufsischen durch Tüchtigkeit mehr vermögen.
Den Geist und die Zucht des Heeres, in dem der Fürst sein
eigener Kronfeldherr sein soll, stellt der König in erste Linie; die
Verdienste des Adels im Heere hält er hoch und bedauert es im-
mer wieder, für tapfere Offiziere und Soldaten nicht Belohnungen
genug za haben. Er will den eigenen Adel zum Heeresdienst,
>) Werke I, p. 121.
vom 27. Januar 1870. 35
keinen fremden; denn die Fremden, sttgter^ gehen leieht in andere
Dienste über und bereicbem dann die Fremden mit unsem Kennt-
nissen.
In der Geachicbte sieht der König mit dem Verlust der Dis-
ciplin den Staat sinken. So m Schweden, so in Holland.
^Das rweite Beispiel, das ich erlebt habe,^ sagt der König im
Vermichtnirs Ton 1752, „betrifft die Hollfinder. Ihre Trappen
waren nnter dem Fürsten Ton Oranien das Voi4>ild der enropfii*
sehen Landwehr; und die Preufsen haben von ihnen die Ordnung
and die Knnst des Krieges gelernt Nach dem Tode des Königs
Wilhelm regierten die Kaufleute von Amsterdam, mit den Titeln
▼on Stadtschreibem, Bathspensionfiren und Generalstaaten geziert,
doi Staat. Sie machten ihre Ladendiener zu Offizieren, und Ter-
achteten die Yertheidiger des Freistaats. Alter und Tod nahmen
ihnen ihre guten Offiziere. Die Obersten wurden die Pfichter ihrer
Regimenter; die Subalternen rerweichlichten sich; die Hefe des
Volks, der Ans warf der Nation er^^riff das Kriegshandwerk und
wegen Mangels an Mannschaft warb man Söldner an. Niemand
hatte das Auge auf die Truppen. Der Krieg überkam sie und
der Terfichtliciie Haufe dieser republieanischen Miliz wurde gefan-
gen genommen. Man bedeckte sich durch Feigheit mit Schmach.
Flandern wurde TOn den Franzosen genommen nnd Holland fiel
auf Gnade nnd Ungnade in Ludwigs XV. Hand^ wenn er seine
Voriheile benutzen wollte oder konnte.^ „Ihr seht also, wie wich-
tig es für jedes Reich ist, besonders aber f&r eine heranwachsende
Macht, d&ffl der Fürst sein Feldherr sei, auf die Strenge der Zoebt
seine Hand halte, und dafs ihn dabei anch das Kleinliche in den
Einzelheiten nicht Terdriefse.^ ^Ich bin^, schliefst er, „Ton Kind
auf im Heere aufgezogen.^
Wie die Strategie des Krieges, denkt sich der König die
Klugheit der äufsem Politik. Daher verlangt er in ihr, verschwie-
gen zu sein, sich selbst zu beobachten, der eigenen Aifecte Herr
zu sein, seine Absichten zn verdecken, seinen Charakter zu ver-
h&Uen nnd nichts sehen zu lassen, als eine gemessene und durch
die Oerechtigkeit gemilderte Entschlossenheit ') Und wie Poljbius
von dem Feldherrn verlangt, dafs er die A£fecte in dem Charakter
seines Gegners kenne und in die Berechnung seines Planes auf-
') nne ferniete mesnree et temperee par la justice.
3*
36 Öf entliehe Siitung
nehme: so will Friederieh der Grobe, dab in den fiudsem Ter-
handlangen die Staatskunst es verstehe, die fremden Aflfecte, wie
die Eitelkeit, Eigenliebe, richtig za benutzen. Es ist überhaupt,
als ob zwischen den Staaten mitten im Frieden die Listen des
Krieges gelten sollen. Friederich hat in der nach seinem Tode
(1788) herausgegebenen Geschichte des siebei\i&hrigen Krieges^)
von dieser dunkeln Seite seines Verfahrens kein Hehl gehabt Es
mag sein, dafs die Staatskunst zwischen Staaten erst offener wer-
den wird, wenn mehr und mehr friedliche Bande, durch die Ver-
schlingung der Interessen in gegenseidgen Yertrfigen befestigt, die
Völker mit einander verketten.
Der König hat immer wachsam seine Gegner im Auge und
bezeichnet die politische Lage der Staaten in Ähnlicher Weise,
wie im 2. Kapitel seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges,
nur nackter, und die Linien gehen immer zu dem Augenpunkt hin,
der in Preu&en seinen Standort hat.
Dabei ist sein Urtheil gerecht und entbehrt der offenen Ao^
erkennubg für den Gregner nicht, das Zeichen des freien, in der
Wahrheit gegründeten Charakters.
So schreibt der König in dem Vermftchtnifs von 1768:
„Die Macht Oesterreichs verdient besondere Beachtung. Dies
Haus der C&saren hatte sich seit der Zeit Karls V. mehr und
mehr geschwächt Unter der Regierung Karls VL hob es sich
wieder; aber nach dem Tode dieses Kaisers und dem Erlöschen
des Mannsstammes glaubte Europa, es sei verloren. Eine Frau
erhob es wieder und behauptete es mit Festigkeit. Sie wurde der
Abgott eines vor Kurzem noch aufrührerischen Volkes, das sie für
ihre Sache in den Kampf führte. Diese Frau, regiert noch jetzt.
Wenn sie die verlorenen Provinzen noch nicht durch andere er-
oberte ersetzt hat, so hat sie doch, ihre Finanzen ordnend. Schätze
gefunden, und ihre Einkünfte belaufen sich so hoch, wie die des
Kaisers Karl VI. selbst- zu der Zeit, da er Neapel besafs. Man
berechnet ihre j&hrlichen Einkünfte auf 26 Millionen* Wirklich
unterhält sie 140000 Mann und kann diese Zahl, wenn Zeit und
Umstände es erfordern, auf 200000 steigern. Ihre Macht würde
noch furchtbarer sein, wenn sie nicht jährlich 8 Millionen Thaler
abrechnen mülste, theils um die Dividende zu zahlen, theils für
>) Werke IV. S. U t S. 83.
vom 27. Januar 1870. 37
einen Fonds znr Tilgung der wfihrend des letzten Krieges gemachten
Schulden. Sie hat die Kunst verstanden fähige Minister za finden
und zn wählen; nnd ihr Ministerrath ist dnrch Weisheit und syste-
matisches Verfahren dem aller andern Konige überlegen; sie han-
delt aas sich selbst. Ihr Sohn Ififst sich von ihr in den Geschfiften
belehren nnd folgt ihren Antrieben.^ „Die Königin von Ungarn,^
sagt Friederich an einer andern Stelle ehrend, ^gehört zu den' we-
nigen Fürsten, die sich über die schlechte Erziehung ihrer Jugend
erhoben haben. Ihr Geist hat über diese triumphirt.^ i»r>er Fürst
Eannitz und Hatzfeld,*' ffihrt der König in jenem Zusammenhang
fort, „sind ihre besten Minister. Die Generale, die den gröfsten
Namen haben, sind Lasci und London; wenn sie diese verlöre,
werde es ihr schwer werden, unter der grofsen Zahl der übrigen
ihres Gleichen zu finden. Indessen ist bis jetzt die Österreichische
Kavallerie schlecht, die Infanterie taugt mehr, besonders als Posten;
und ihr Korps der Artillerie ist so gut als möglich. Prägt es
euch wohl ein, dafs es keinen grofsen Fürsten giebt, der nicht den
Gedanken mit sieh herumtrüge, seine Herrschaft za erweitem.
Die Kaiserin -Königin hat ohne Zweifel ihr Eckchen Ehrgeiz, wie
die andern. Die Politik verlangt, dafs solche Vorhaben mit nn-
dnrchdringlichem Schleier verhüllt bleiben und dafs man die Aus-
führung verschiebt, weil die Mittel zum Erfolge fehlen. Man darf
also das System des Friedens, welches der Wiener Hof zur Schau
trägt, nur den 180 Millionen Thalem, die er schuldet, zuschreiben.
Sie würden ihn, wenn ein Elrieg zustiefse, ehe er einen ansehn-
lichen Theil dieser Summe getilgt hätte, zu einem Bankerott nö«
thigen.»»)
So sehr auch der König auf den Krieg gerichtet und gerüstet
ist und seinem Staat gebietet, immer auf dem Wachtposten zu sein,
so wenig will er den Krieg als solchen. „Ein Fürst, ^ sagt er in
dem Yermächtnifs von 1768, „der aus Unruhe, aus Leichtsinn, aus
schlechtem Ehrgeiz*) Krieg beginnt, ist so verwerflich, wie eia
Richter, der sich des Schwertes des Gesetzes bedient, um einen
Unschuldigen zu verderben. Dann ist der Elrieg ein guter Krieg,
wenn man ihn unternimmt, um das Ansehn eines Staates aufrecht
zu halten, um seinen Verbündeten zu Hülfe zu konmien, um die
') Vgl. Werke IV, p. 8 f.
') une ambition desordonnee.
38 Öffentliche Sitzung
Eotwurfe eines elurgeisigen Fürsten, der unseren Interessen sch&d-
liche Eroberungen vor hat, im Zaum zu halten.^
Wie Friedericfa selbst ein ritterlicher König ist, so will er
sein Heer mit edler Gesinnung erfüllen. „Die Ehre,^ schreibt er
(1768), „das Verlangen nach Ruhm, das Beste des Vaterlandes,
muussen alle die beseelen, welche sich den Waffen widmen und
keine niedrige Leidenschaft darf so edle Gesinnungen beflecken.*'
Der Purst, der mitten im Heere steht, soll ihm mit seinem Bei-
spiel diese Enipfnidungen «nflofsen. Denn „alle Welt,^ sagt Friede-
rieh, „hat in monarchischen Staaten ihre Aogeo auf den Monarchen.
Die öffentliche Meinung folgt seinem Geschmack und scheint be-
reit, die Eindrucke, die er giebt, in sich aufzunehmen.^ In dem
Adel sieht der König den Triger des militairischen Geistes. „Es
ist nöthig,^ schreibt er im Vermftchtnifs von 1752, „zu verhindern,
dafs der Adel in fremde Dienste trete, und seinen Sinn für Ge^
Bieiaschaft und Vaterland zu wecken. Daran habe ich gearbeitet
«nd im Laufe des ersten Krieges habe ich alles Mögliche gethan,
um den Namen Preulsen durchzuführen, und um die Offiziere zu
lehren, daüs sie alle, aus welcher Provinz sie seien, als Preufsen
giriten und dafs alle Provinzen, wenn auch zerschnitten, zusammen
Einen Körper bilden.^ So pflanzt damals der König durch das
Heer das Gefühl des Einen Ganzen in das Volk, schmilzt die
spröde .Gaugesinnung in Vaterlandsliebe und pflegt das Bewufst-
sein des zusammengehörigen Ganzen in den Einzelnen. Dem sich
aufopfernden Muthe giebt er dadurch einen gröfseren Gegenstand
und dem in die Heimat zurückkehrenden Soldaten eine Bedeutung
für die Empfindung im Volk.
Friederich der Grofse kennt den Vorzog der Monarchie, der
es leichter wird. Jeden an die Stelle zu bringen, für die er am
fähigsten ist „Wenige Menschen,'' sagt er, „sind gpmz ohne Ta-
lent geboren. Jeden nun an seine Stelle setzen, das heifst, ans
allen zusammen einen doppelten Vortheil ziehen ; es heifst, sich in
keinem täuschen und dem Ganzen der Regierung mehr Kraft und
Nachdruck geben, weil Alles dient und Alles im Stande ist, nütz-
lich zu dienen.*'
Die strenge Pünktlichkeit in der Pflichterfüllung, die er vom
Militair fordert, fordert er ebenso von den Beamten. Die Offiziere
hält er zum Dienst im Staat geschickt, weil sie es verstehen, zu
gehorchen und sich selbst Gehorsam zu verschaffen. Über die Staats-
vom 27. Januar 1870. 39
diener ist er wachsam, besonders im aaswfirligen Amte; „denn,*'
sagt er in seiner dastern Anschauung, ,,da8 Mifstrauen ist die Mutter
der Sicherheit und nur der, der die Menschen nicht kennt, darf
ihnen trauen (1768)* Treue Dienste beb< er in dankbarem An-
denken, wie z. B. den Eifer und die Anhänglichkeit der märkischen
^Landschaft,^ die ihm im Feldauge von 1744 auf ihren Credit
Sommen yorgestreckt, um den Krieg weiter fuhren au können»
Sammen, ohne welche er aus gänzlichem Mangel an baarem Gelde
yerloren gewesen wäre. Wiederholt spricht der König die Hoch-
achtung für sein Volk aus, dergestalt, dafs er sich es zur Ehre
rechnet, ein solches zu regieren'). „In diesem Staate,^ schreibt
er, ysind weder Parteiungen noch Empörungen zu furchten. Man
braucht in der Regierung nur Milde anzuwenden und keinen Ver-
dacht zu hegen, als etwa gegen einige verschuldete oder unzufrier
dene EdeUeute oder einige Domherrn oder Mönche in Schlesien,
welche jedoch, weit entfernt, sich offen zu erklaren, ihre schlechteR
Umtriebe darauf beschränken, sich zu Kundschaftern unserer Feinde
herzugeben.^ ^Ich habe gesagt und wiederhole es,^ schreibt der
König an einer andern Stelle, „in diesem Lande kommt man mehr
in Verlegenheit hinreichende Belohnungen für die guten Handlungen
zu finden, als dafs man genöthigt wäre, böse zu bestrafen. Ma^
kann nicht genug die Tugend schätzen und die, welche sie üben,
ermuntern. Es ist das Interesse des Staats, dafs sich seine Bürger
alle zu ihr bekennen. Darum mufs man sie hervorheben, ja die
gQten Handinngen selbst gröfser erscheinen lassen, um ihnen, wo
möglich, gröfseren Glanz zn verleihen und edeln empfängliche^
Seelen Nacheiferung einzuhauchen. Gesetzt auch, dafs ein Mann,
der von Nator nicht die Erhebung der Seele hätte, welche den
höher angelegten Geistern eigen ist, eine gute Handlung ans Hunger
nach Ehre und Belohnungen thäte, so ist damit doch viel gewon-
nen; und obschon der Beweggrund der Handlung an sich niedrig
wäre, so ist die schöne Handlung darum doch dem Gemein wohle
nicht weniger nützlich. Die nützlichsten Tugenden des Bürgers
sind: Menschlichkeit, Billigkeit, Tapferkeit, Wachsamkeit und Liebe
zur Arbeit. Diese bilden nützliche Menschen, sei es für die bürger-
lichen Geschärfte oder den Dienst im Heere.^
') S.- da« Testament über den Nachiafs iu den Werken VI, p. 215.
40 Öfentliehe Sitzung
Wenn Priederich der Orofae in diesen nnd andern Stetlen
die Springfeder dea Ehrgeizes in Bewegung setzt, nnd die ans Ehr-
geiz vollzogene Tugend am ihres Nutzens willen lohnt: so vergifst
er das Wort eines ihm wohlbekannten alten Geschichtsschreibers,
der, den Ehrgeiz der Römer betrachtend, ihn einen Fehler nennt,
wenn auch einen Fehler in der Nähe der Tagend. Friederich der
Grofse selbst ist ron der Tugend, die ihre Lust in sich hat und
nicht Ton Ehre und Lohn abhängt, beseelt. Ton dem Edelsinn
im Geben sagt er an der Stelle, wo er von dem Fürsten beides
fordert, Sparsamkeit und GroDsmuth: „Die grofsmüthige Freigebig-
keit ist eine hellsehende Tagend, weil sie mit Kenntnifs der Ur-
sache handelt. Wenn dieser Edelsinn aufrichtig ist, so ist er be-
scheiden, sanft, fordert keine Erkenntlichkeit and ist nicht bemüht
den Ruf seiner Wohlthaten zu rerbreiten.^
Man hat oft Friederichs des Grofsen Bestreben, der seinem
Volke die Strenge der Pflicht einprägte, mit Kants Lehre verglichen,
der gleichzeitig die Pflicht zum Mittelpunkt der Sittenlehre machte,
aber doch nicht die Pflicht um der Ehre, sondern die Pflicht um
der Pflicht willen.
In unserm gemeinsamen Leben liegt die Quelle einer solchen
Gesinnung, die dem Menschen an sich Werth und Würde giebt,
in der Religion, die das Gute um Gottes willen, oder, was un-
gefähr denselben Sinn hat, das Gute um Christi willen zu wollen
nnd zu thun gebietet.
Friederich der Grofse setzt in seinem Vermäcbtnifs diese Seite
des menschlichen Lebens hintan, obgleich er sich der Rechts-
pflichten gegen die Kirchen bewufst ist „Ich bin neutral,* sagt
er, „zwischen Rom und Genf. Will Rom in Genf eingreifen, so
zieht es den Kurzem; will Genf Rom unterdrücken, so wird Genf
verurtheilt. Auf diese Weise kann ich den Religionshafs mindern,
indem ich allen Theilen Mäfsigung predige und versuche sie zu
vereinigen, indem ich ihnen vorhalte, dafs sie alle Bürger Eines
Staates sind, und dafs man einen Menschen ebenso lieben kano,
der einen rothen, als einen andern, der einen grauen Rock trägt.
Ich habe versucht mit dem Papst gute Freundschaft zu halten,
um dadurch die Katholiken zu gewinnen und ihnen begreiflich zu
machen', dafs die Politik der Fürsten dieselbe ist, mag auch die
Religion, nach der sie genannt werden, verschieden sein.
vom 27. Januar iS70. 41
Der Oedanke an die Zaknnft seines Staates verbindet sich
dem Eonige mit dem Gedanken an die Zaknnft seiner Regenten.
«Die Königreiche,^ sagt er, „sind von den Mftnnem abhfingig, die
sie regieren. Erinnert ench, dafs England nnter Cromwell geachtet,
unter Karl IL verachtet wurde.^
Indem der Konig nach dieser Seite die Geschicke der Staaten
aberdenkt, bennrnhigt ihn der Gedanke an eine Minderjährigkeit,
die im Laufe der Zeit eintreten könne. „Wenn die Gottheit,^
schreibt er, „sich um das menschliche Elend kümmert, wenn die
schwache Stimme des Menschen bis sn ihr gelangen kann, so darf
ich dieses unbekannte und allmftchtige Wesen anrufen, es wolle
diesen Staat vor der Geifsel einer Mindeij&hrigkeit bewahren. Es
giebt kein Beispiel, dafs die Regierung eines Vormundes eine glück-
liche gewesen wfire. Alle Beispiele, von denen uns die Geschichte
berichtet, sind durch die Mifsgeschicke des Volkes, durch Spal-
tungen und oft durch fiufsere und innere Kriege bezeichnet. Nicht
Bargerkriege hat Preufsen wfihrend einer Minderjährigkeit zu furch*
ten, aber eine schwache Regierung, schlechte Verwaltung der Fi-
nanzen, eine schwankende Politik, eine Erschlaffung der militai-
rischen Zucht und den Verfall in der Ordnung der Truppen, welche
sie bis jetzt unbesiegbar gemacht hat Was wir besonders in die-
ser Zeit der Schwfiche zu fürchten hfitten, wäre ein Krieg.^
Es ist an uns, an dieser Stelle nicht schweigend vorüberzu-
gehen, sondern dankbar zu gedenken, dafs die Fügung, die in
keines Menschen Hand steht, bis dahin nnserm Vaterlande ge-
wfihrte, was Friederich der Grofse hier für seinen Staat von der
Vorsehung erbittet; — wolle Gott, dafs das unschätzbare Gut, das
in der durch keine Minderjährigkeit unterbrochenen Kette starker,
selbst denkender, selbst wollender Fürsten liegt, bis in die fernsten
Zeiten sein Erbtheil sei.
Friederich dem Grofsen trat alsbald, da nach wenigen Jahren
sein Bruder, der Prinz von Preufsen, unerwartet starb, die Sorge
näher, die diese Stelle ausspricht Man sieht es aus dem Briefe
voll Liebe, den er aus dem Felde nach der empfangenen Nachricht
unter dem 25. Juni 1758 an seinen Bruder, den Prinzen Heinrich
schrieb ' ). Ähnliche Gedanken liegen in seiner Seele, da zu einer
Zeit, in Welcher der Mannsstamm des königlichen Hauses auf we-
') Werke XXVI, p. 172 t
42 Öffentliche Sitzung
Digen Aagen stand, 20 Jahre alt, der blühende Prina Friederich
Heinrich, der zweite Sohn des verstorbenen Prinzen von Preufsen,
durch den Tod dahin gerafft wurde, und der Konig an seinen
Bruder, den Prinzen Heinrich, unter dem 27. oder 28. Mai 1767
einen Brief achrieb, auf den seine Thrane fiel. „Ich habe dies
Kind, wie meinen, eigenen Sohn geliebt; der Staat verliert an ihm
viel; meine Hoffnungen schwinden mit ihm^ 0*
Für den Fall der Minderj&hrigkeit empfiehlt der Konig in dem
Yermfichtnifs den nfichsten Verwandten und keine Frau zum Vor-
mund einzusetzen, und ihm allein die volle Macht in die Hand za
geben, ohne seine Beschlüsse an die Genehmigung eines ihn um-
gebenden Raths zu binden. „So wenig es Newton möglich gewesen
wäre,^ fugt er hinzu, „sein System der Anziehung zu gestalten,
wenn er im Verein mit Leibniz und Descartes gearbeitet hätte,
ebensowenig kann ein System der Politik gebildet und durchge-
führt werden, wenn es nicht aus Einem Kopfe entspringt^
Der König, der in dem Regenten die Zukunft des Landes
sieht, befielt vor Allem Sorgfalt der Erziehung, und während einer
Minderjährigkeit furchtet er Tomehmlich Schmeichler, die das junge
Gemüth verderben. Er vertrauet den richtigen Einwirkungen, wie
in seiner spätem Abhandlung über die Erziehung. Er will die
Erziehung der Fürstensöhne ebenso weit von Härte als von
Schmeichelei entfernt wissen. Schon im AntimachiaveU hat er das
Gift der Schmeichelei geschildert, welche sophistisch Mängel be-
schönige und verkleinere, und die Fehler mit dem Schein von Tu-
genden umkleide, indem sie Rauhheit und Rohheit Strenge der
Gerechtigkeit, Verschwendung Freigebigkeit nenne und Ausschwei-
fungen mit dem Schleier des Vergnügens umhülle« Vor Allem will
der ^önig eine richtige Gewöhnung zur Pflicht. „Die Gewohn-
heit,^ sagt er, „hat eine herrschende Gewalt über die Menschen;
sie kann sie zum Guten führen, wie zum Bösen; und es ist ein
vorzügliches Verdienst einer weise geleiteten Erziehung, daXs die
Kinder in der Gewohnheit ihrer Pflichten aufwachsen. Man kann
hierdurch dem Mangel der natürlichen Anlagen nachhelfen*'' Wie-
derum fordert er, dafs man den Fürstensohn an ein arbeitsames,
thätiges und mäfsiges Leben gewöhne und in ihm den Samen der
Tugenden, welche die Natur ihm zugetheilt hat, pflege.'' Damit
>) XXVI p. 307. Vgl. memoires de 17C3 iusqa* a 1775 VI, p. 23.
vom 277 Januar 1870. 43
er sie eigenthumlich entwickele, will der König ihm Freiheit ge-
währen; er soll die Menschen selbst kennen lernen, selbst hören,
selbst nrtheilen. Indem der König die Tugenden von Geschlecht
ZQ Geschlecht fortpflanxen möchte, die sein eignes Wesen sind^
lenkt er die Erziehung besonders auf die Menschlichkeit hin, die
Humanität, die menschlieh heifse, weil sie in unserer Natur liege
ond jedem Sterblichen gleichsam (innewohne, das Mitgefühl des
Meuschen mit dem Menschen.
Wie in dem Furstensohn, liegen ihm die Sitten des Volks am
Herzen. Da er nach dem siebenj&hrigen Kriege einen gröfseren
Luxus bemerkt hat, warnt er dagegen in seinem Vermfichtnifs vom
Jahre 1768. Wo er einreilse, wolle keiner dem andern in Aus-
gaben etwas nachgeben und die Ausgaben gelten als Mafs des An-
sehens. So sei es in Frankreich und England, in Rufsland und
selbst in Osterreich. „Halten wir uns", sagt er, „an Einfachheit;
bewahren wir nnsem Adel und unsere guten Eigenschaften, oder,
wenn ihr wollt, unsere deutschen Togenden. Ahmen wir nach,
was die Nachbarn Gutes haben, und hüten wir uns ihre Fehler
nachzuahmen.^
So möchte Friederich die Fürstensohne und das Volk, den
Adel und das Heer durch Bildung und Tugenden für die Zukunft
seines Staates erzogen wissen; und im Sinne eines solchen Ver-
mfichtnisses hofft er, dafs sein Preufsen einst eine der angesehen-
sten Mfichte Europa's werde.
Friedericfa der Grofse schU^fst d^s Testament über seinen
Nachlafs mit den Worten : „In dem Augenblick, wo ich das Leben
aushauchen werde, sollen meine letzten Wünsche für die Wohl-
fahrt dieses Reiches sein. Möge es immer mit Weisheit, Gerech-
tigkeit und Kraft regiert werden, der glücklichste der Staaten durch
die Milde äe» Gesetzes sein, der in billigster Gleichheit verwaltete
in Bezog auf die Finanzen, der am tapfersten vertheidigte durch
ein Heer, ,das nur Ehre und edlen Ruhm athmet, und möge es
dauern und blühen bis an das Ende der Zeiten.^
Wir danken Allen, die auf dem so gelegten Grunde wahrend
des inzwischen verflossenen Jahrhunderts in guten und schweren
Tagen treu dafür gearbeitet, dafs sich bis dahin mit Gottes Hülfe
des grofsen Königs letzter Wunsch erfüllte.
44 Öffentliche Sitzung
Hr. Haupt, Secretar der phnosopbfsch-bistoriscben Klasse,
gab bieranf Beriebt über die seit dem 28. Januar Toriges Jahres,
als dem Tage der TOijfihrigen offentlicben Sitzung zum Andenken
Friedrichs des Orofsen vorgekommenen Yerfinderungen im Perso-
nalstande der Akademie.
Derselbe rerkfindigte sodann das Folgende.
Die durch das AUerbSchste Patent vom 18. Juni 1844 ange-
ordnete Commission, welche Seiner Miyestät dem Könige das beste
in den Jahren 1863 bis Ende 1867 erschienene Werk über deut
sehe Geschichte behufs Ertbeilung des zum Andenken an den Ver-
trag von Yerdun gestifteten Preises zu bezeichnen hatte, ist, nach-
dem von deren Einberufung im Jahre 1868 mit Allerhöchster €re-
nehmigung Abstand genommen war, nach erfolgter Ernennung der
Mitglieder im vorigen Jahre vorschriftsmfifsig zusammengetreten.
Dieselbe hat zufolge Berichtes vom 24. November v. J. dem
Werke von Dümmler, Professor zu Halle, 'Geschichte des
Ostfränkischen Reichs, 2 Theile, Berlin 1862. 1865** den Preis
zuerkannt. Seine Mfyestfit der Konig haben geruht diesen Beschlufs
der Commission mittels Allerhöchsten Erlasses vom 29. v. M. und
J. Allergnädigst zu bestätigen und dem Professor Dümmler für
das gedachte Werk den stiftungsmftfsigen Preis von Eintausend
Thalern Gold nebst einer goldenen Denkmünze auf den Vertrag
von Yerdun zu ertbeilen.
Auf Grund der Bestimmung in der Allerhöchsten Ordre vom
22. December 1862 wird dies durch die Akademie hiermit öffent-
lich bekannt gemacht
Hierauf las Hr. duBois-Reymond, als Vorsitzender des
Curatoriums der Humboldt-Stiftung für Naturforschung und Reisen,
folgenden Bericht, zu dessen Erläuterung Hr. Kiepert eine Wand-
karte der Länder zwischen Chartum und dem Äquator angefertigt
hatte.
Das Curatorium der Humboldt-Stiftung für Naturforsebung
und Reisen erstattet statutenmäfsig Bericht über die Wirksamkeit
der Stiftung im verflossenen Jahre.
Die bei Gelegenheit der Säcularfeier der Geburt AI ex an-
deres von Humboldt am 14. September v, J. neuerwachte Theil-
vom 37. Januar 1870. 4&
ojdime für dessen Andenken ist auch der Stiftung zn Gate ge-
kommen« Es sind der Stiftung sugegangen: 1} Von Hm. PH-
Tsidocenten Dr. Eny hierselbst 80 Thk.; 2) Von Hm. Dr. Hei-
depriem in Cothen 82 Thlr. 7 Sgr. als £rtrag einer an der
Undwirthschafttich- chemischen Versuchsstation für das Herxogthum
Anhalt- Cöthen veranstalteten Sammlung; 3} von Hm. Professor
Dr. IL Knoblauch in Halle HO Thlr. als Ertrag einer dort ver-
anstalteten Sammlung; 4} von Hm. Professor Dr. Ed. Grube in
Breslaa 312 Thlr. als ein Theil des Kassenbestandes des ehema-
ligen akademischen Zirkels daselbst, der bei seiner Auflösung
diese Verwendung jener Summe beschlofs* Das Capital der Stiftung
ist somit seit vorigem Bericht um 584 Thlr. 7 Sgr. gewachsen.
Hm. Dr. Reinhold Hensel sind ffir das Jahr 1869 500 Thlr.
Zürn Zweck der weiteren Bearbeitung des von seiner Reise mitge-
brachten, die Wirbelthiere betreffenden Materiales ausgezahlt wor-
den. Diese Bearbeitung schreitet stetig vor, und liefert viele
werthvoUe Ergebnisse, welche sich aber ihrer Natur nach nicht xu
einer Znsammenfassung an dieser Stelle eignen«
Die laut vorigem Bericht im Jahr 1869 au Stiftungsswecken
verwendbare Summe von 2500 Thlm. ist auf Beschlufs der Aka-
demie Hrn. Dr. Georg Sohweinfurth aus Riga, sur Fortset-
sang seiner mit den Mitteln der Stiftung begonnenen botanischen
Beise in den südwestlichen Nilländem, überwiesen worden.
Die letaten Nachrichten, welche der vorige Bericht über
Hm. Dr. Schweinfurth gab, waren aus Chartum vom 10. De*
cember 1868. Sie zeigten den Reisenden im Begriff mit einer
Bandeisexpedition des dortigen koptischen Grofshändlers Ghat-
tas nach dem oberen weiOsen Nil aufaubrechen, und rühmten
die wohlwollende und energische Unterstntsung, welche Seine
Ezcellenz der Yicekonigliche General - Gouvemeur des Sudans,
Dschiaffer Pascha, Hm. Dr. Schweinfurth hatte angedeihen
Isssen.
Das Curatorium hat in Verbindung mit der Akademie die An-
wesenheit Seiner Hoheit des Khedive in Berlin wfihrend des
vorigen Sommers dazu benutzt, um Höchstdemselben eine Dank-
adresse für die von ihm Dschiaffer Pascha gnfidigst ertheilten
Weisungen zu überreichen und Seine Hoheit um die Erlaubnifs
zu bitten, auch Dschiaffer Pascha ein Dankschreiben über-
senden zu dürfen.
46 ÖfentUehe Sitzung
Die nächsten seit vorigem Bericbt eingetroffenen Briefe des
Reisenden waren von Faschoda (Denab), dem fioTsersten ägyp-
tischen Militärposten am Bahr el Abiad, am 2. und 3. Febraar
geschrieben, und am 5. April hier eingetroffen. Sie geben ein
lebendiges Bild der dreiwöchentlichen Nilfahrt bis Faschoda. Die
Barke des Ghattas, in welcher der Reisende Chartam am 5: Janaar
veriiefs, trug aufser ihm, seinen 6 Dienern und einer zur Besorgung
der Küche angekauften schwarzen Sklavin noch 15 dem Ghattas ge-
hörige sogenannte Soldaten, d. h. mit BSchsen bewaffnete Nnbicr,
8 Schiffer und eine Köchin für diesen Theil der Gesellschaft. Der
weifse Nil iliefst durch ein weites Flachland; grasreiche Steppen oder
Buschwald bilden die Ufer, erst südlicher tritt stellenweise üppiger
Urwald auf. Unzählige Zebuheerden, der Reichthum der Anwohner,
beleben das Land, Schaaren von Wasservögeln, darunter ganze
Flottillen von Pelikanen, bevölkern den Strom; Krokodil und Nil-
pferd werden immer häufiger. Am 5. Tage der Fahrt kommt
westlich das durch Kotschj den Botanikern bekannte Felsenge-
birge Araschkol in Sicht Am 6. Tage gelangt man oberhalb el Es
in das inselreiche Gebiet der Schillaks, eines kräftigen Neger-
stammes, der sich, nur hie und da durch die Baggara- Araber un-
terbrochen, bis Faschoda erstreckt. Hier trat zuerst ^as in den
oberen Gegenden immer reichlichere Schwimmholz Ambatseh^ (Her-
miniera elaphroxjlon) auf, ein im Strome wurzelndes Holzgewfichs
mit zartgefiederten Blättern und grofsen hochdottergelben Schmetter-
lingsblfithen, aus dessen überaus leichtem Holze Flösse gezinHnert
werden, die acht Mann über Wasser halten und leicht von Einem
getragen werden.
Am 34. Januar landete die Barke in Faschoda. Hier, am
Halteplatz aller Ghartumer Handelsschiffe, mufste die Ankunft der
von Chartum nachfolgenden Barken erwartet werden, da am oberen
weifsen Nil einzelne Fahrzeuge Überfällen ausgesetzt sind. Die
Rastzeit wurde zur Verpackung der bis dahin gemachten Samm-
lungen benutzt. Bei dem ägyptischen Gouverneur, den Hr. Dr.
Schweinfurth am 1. Februar in seinem Lager oberhalb Faschoda
aufsuchte, fand er eine sehr zuvorkommende Aufnahme, und lernte
er den König der Schilluks kennen.
Nach Eingang dieser Nachrichten, welche zu den besten Hoff-
nungen für den Fortgang des Unternehmens berechtigten, blieb
acht Monate (vom 5. April bis 6. December) jede Kunde vom
vom 27, Januar iS70, 47
Reisenden au8, und die Besorgnifs am ibn wurde gesteigert durch
ein im October eingetroffenes Schreiben des um die Schweinfurth'-
iche Reise sehr verdienten norddeutschen Viceconsuls in Chartum,
Hrn. Duisberg, wonach in Folge der durch Sir Samuel Baker' s
Expedition unter den Negerstfimmen verbreiteten Aufregung ein An-
griff auf Factoreien der Ghartumer Händler erfolgt sei und mit deren
Vernichtung geendet habe. Glucklicherweise war diese Besorgnifs
unbegründet, und das Ausbleiben der Briefe erkifirte sich dadurch,
dafs die Handelsbarken des Ghattas, cum Theil, wie es scheint,
allerdings ^egen Jener Unruhen, die Rückkehr nach Chartum unge-
wöhnlich spät angetreten hatten. Eine Reibe von Briefen des
Reisenden, vom 24. MSrz bis 31. August reichend, gelangte so
erst am 23. October nach Chartum und am 6. December nach
Beriin.
Wir ersehen aus diesen Briefen, dafs auch der zweite Theil
der Stromfahrt in der Zdt vom 5. bis 22. Februar glucklich zu-
rückgelegt wurde. Es ist dieser Theil der Fahrt der beschwer-
h'chere wegen der oberhalb der Sobat-Mündung beginnenden sumpf-
artigen Ausbreitung des Stromes und seines durch eine üppige Vege-
tation gehemmten labyrinthartigen Laufes. Hier, wo stellenweise die
Barken durch die SumpQ)flanzen hindurchgeschleppt werden müssen,
ist die wahre Heimath des Papyrus, der mit seinen 15 Fufs hohen
Halmen und rieaigen Dolden undurchdringliche Dickichte bildet
Eine von dem Reisenden angelegte Sammlung von Dolden, Halmen
nnd Wnrzelstöcken wird die Entscheidung des Streites ermögli-
chen, ob der einst in Ägypten gebaute Papyrus des oberen
Nils einerlei sei mit dem syrischen und sicilianischen oder nicht.
Zuletzt führte die Fahrt durch den an dem Zusammenflufs des
weifsen Nils, der oberhalb von hier Bahr el Djebel heilst, mit dem
Bahr el Ghasäi gelegenen See No, den Bahr el Ghasal hinauf
nach der Meschra el Req (auf filteren Karten Port Req), dem
Hafenplatze für die Barken aller Handelsunternehmungen in den
Lfindem südlich vom Bahr el Ghasäi.
In der Meschra verweilte der Reisende einen Monat (vom
22. Februar bis 25. März), theils um seine Sammlungen zu ver*
packen, theils um die Ankunft der Träger zu erwarten, die von
der gro&en Seriba des Ghattas zum Abholen des Gepäckes ver*
tragsm&fsig gesandt werden mufsten. Die Umgegend zeigte sich
minder ergiebig für Botanik als für Zoologie, es wurden nament*
48 Öjfintliche Sitzung
lieh Tiele Waaservogel erlegt, aach interessante Menschenscb&del
erbeutet Bei der dortigen Bevölkerung war Fräidein Tinne, die
1863 nicht weit von hier ihre Matter durch den Tod verlor, und
seitdem selber dem Martyrologium der Afrika -Reisenden ihren
Namen hinzugefugt hat, noch in lebhaftem Andtsnken.
Nach anstrengender sechstfigiger Landreise kam Hr. Dr.
Seh wein furth mit seiner Dienerschaft, 70 ihm entgegengesand-
ten Trägern und zwei Eseln am 31. M&rz wohlbehalten auf der
grofsen Seriba des Ghattas an, wo dessen Hauptagent, der seine
sfimmtUchen Seriben befehligt, ihn auf das Freundlichste aufnahm.
Die grofse Seriba liegt ziemlich unter 7° N. B., zwischen dem
Dschur- und Tondiflusse, von weichen der erste für den baupt-
sfichlichsten unter den vielen Flüssen gilt, die in der Ge-
gend der Meschra sich zum Bahr el Ghasal verbinden. Die
Seriba zfihlt etwa 2000 Bewohner, von denen 200 Soldaten sind.
Sie leben sämmtlich in dicht gedrängten, korbähnlichen, aus Bambus
erbauten und mit Stroh gedeckten Hütten. Hr. Dr. Schwein-
furth Ileus sich in zwei eigens für ihn erbauten Hütten häuslich
nieder, indem er sich aus mitgebrachten Brettern Tische und an-
deres Hausgeräth verfertigte. Ein Hühnerhaus und eine Schaaf-
hürde vervollständigten die wirthschaftliche Einrichtung.
Die Umgegend der Seriba wird als ein leicht ansteigendes
Hügelland beschrieben, hie und da von Felsreihen aus einem rothen
porösen Thoneisenstein unterbrochen. Steppen und Grasniede«
rungen von mannshohen Gräsern wechseln mit Busch wald, Hoch-
wald und Bambushorsten; auch Sümpfe und Segenteiche fehlen
nicht« Die Flora ist sehr reich und im Allgemeinen auffallend
verschieden von der des ägyptischen Sudans und der abessinischen
Tiefländer, während sie mit der westafrikanischen entschiedene
Ähnlichkeit zeigt. Besonders zahlreich sind die Gattungen der
Bäume, von denen viele efsbare Früchte tragen; zu den ansehn-
lichsten gehören die äthiopische Fächerpalme Deleb (Borassus
Aethiopum), die Olpalme, die Mimosengattung Parkeria, der Batter*
bäum (Butjrospermum), der afrikanische Fieberrindenbaum (Crosso-
pterjx) und mehrere breitkronige Ficus-Arten. Der Milchsaft von
Carpodinus, einem Baum aus der Familie der Apocyneen, im
frischen Zustande klebrig, und zu einer der Guttapercha ähnlichen
wasserdichten Masse eintrocknend, bot dem Reisenden ein will*
9Qm 27. Januar iSfO. 49
kommenes Mittel, um Pakete getrockneter Pflansen vor Regen und
losecten za schützen.
^ gegenseitigen Entfernungen von 4 bis 6 Ständen liegen am
Dschar- und Tondifinsse zahlreiche kleinere Seriben eerstreut, tob
denen der Reisende «chon viele besucht hat, wobei er stets gut auf-
genommen wurde. Ohne jede Gcftihr konnte er in Begleitung we-
niger Bewaffneter mehrtägige Ausduge ron seinem Wohnort aut
ontemehmen. Ungeachtet der Regenzeit, deren grofseren Theil er
bei Absendung der letzten Briefe bereits überstanden hatte, war
seine Gesundheit stets gut, während seine Diener ab und zu von
Fieber litten.
Auch &nfsere Ge&hren, die ihn zuweilen bedrohten, gingen
glücklich an ihm vorüber. So am 14. Januar, wo bei Landung
aaf einer der Schillnkinseln ein im Röhricht aufgescheuchter Bflf-
fei in seiner unmittelbaren Nähe einen Diener erheblich ver-
letzte; am 22. Januar^ wo ein Schwann grolser Bienen seine
Barke überfiel, vor deren farchtbaren Stichen er und die Mann«
Schaft sich nur dadurch retteten, dafs sie sich mit Tüchern
and Fellen bedeckt mehrere Stunden lang auf dem Boden der
Barke niederlegten; endlich am 22. Mai in der Seriba, wo der
Blitz in eine von der seinigen nur wenige Schritt entfernte
Hütte einschlag, sedis Menschen tödtete, und die Hütte in Bnand
steckte.
Die Briefe des Hrn. Dr. Schweinfurth sind in der Zeit-
schrift der hiesigen geographischen Gesellschaft und in Hm. Pe-
tcrmann's „Mittheilungen^ abgedruckt. Mit den jüngsten Briefen
sind auch wissenschaftliche Manuscripte angelangt: geographische
von einer Karte begleitete Mittheilungen, die nach des Reisenden
Wunsch Hm. Professor Eoner übergeben wurden, meteorolo-
gische Aufzeichnongen und eine Handschrift botanischen Inhalts,
welche nach dem Leben entworfene Beschreibungen der in den
Ländern südlich vom Bahr el Ghasal bis zum 7. Grade N. B.
beobachteten neuen oder zweifelhaften Pflanzen enthält. Die Zahl
der in diesem Bereiche vom Mai bis Juli aufgefundenen Pflanzen-
arten betragt 660^ die Zahl der auf der ganzen Reise bisher ge-
sammelten Arten 2322.
Von den Sammlungen des Reisenden sind schon zwei Ab-
theilnngen, die erste im April vorigen Jahres, die zweite im Laufe
dieses Monats angelangt; sie enthalten die auf der Reise bis Fa-
[1870] 4
50 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1870.
«choda gesammelten Naturalieo^ und aind in den betreffenden Kö-
niglichen Museen niedergelegt.
Was Hrn. Dr. Schweinforth's weitere Plfine betrifft» so haben
die bisher so günstigen £rlolge seiner Reise und das gute Ein-
vernehmen mit der HandeUgeselisehaft des Ohattas ihn «rmutliigt,
sieh einer von diesem beabsididgteny Anfangs Norembe«* nach
beendigter Regenseit na nntemehmenden grofsen Expedition in das
Hochland d^ Njam»Njam anzuschliefsen, das die Scheide rwischen
den dem Nil nnd den dem Niger znliefsenden Ckwfissem sa bil-
den scheint: eine naturgeschicbdicfa TöUlg unbekannte Gegend, di^
erst von einem einzigen Europäer, dem Italifiner Piaggia, betreten
wurde. Diese Expedition, anf weldher allem Yermuthen nach
Hr. Dr. Schweinfurfth gegenwärtig begriffen ist, war auf 4 — 6
Monate veranschiagt
Ist anch keinen Asgenbiiek zn vergessen, dafs Hr. Dr.
Schweinfurth ia einer Oegend weilt, die auf die Länge sieh
noch jedem weifsen Eindringling in der einen oder anderen Art
▼erderblich erwies, so darf man andererseits behaupten, dafs so
acelimatisirtcn und doch ungeschwfichten Leibes, bei geringen
Mitteln so gut ausgerüstet, bei aller Verwegenheit so besonnen
und in Allem, was Erfolg sichern kann, schon so erfahren wie er,
vielleicht noch kein Reisender in das Herz des geiurehteten Conti-
nentes drang; während sein vielseitiger Forschungstrieb und seine
rastlose Arbeitskraft, in Ländern fast so neu als werde, am mit
Darwin zu reden, ein anderer Planet betreten, eine des Na-
mens der Hnmboldt-Stiftiing wfirdige wissenschaftliche Ausbeute
hoffen lassen.
Die im laufenden Jahre zu Stifitungszwecken verwendbare
Summe beläuft sich, abgesehen von 375 Thlrn., die für Hm. Dr.
Hensel, und von 600 Thlrn., die für Hrn. Dr. Schweinfurth
reservirt werden, ordnungsmäfsig abgerundet auf 2200 Thlr.
Sitzung der phHo4oph.'histar. Kkuu vom 8i, Januar 1870. 51
31. Januar. Sitzung der phüosophisch-faistorischen
Klasse.
Hr. Kircbhoff las: über eine jüngst publicirte, ver-
mnthlich lakonisehe Urkunde.
Unser Yorratb griecbiscber arcludsoher Inschriften anf Bronze
ist in der letzten Zeit darch zwei Cabinetstueke Termebrt worden,
eine lokrische grofseren Umfanges nnd eine weniger nmfangreicbe
Fon Tegea, welche man ann£chst lür arkadisch halten sollte.
Was mich Teranlafst, hier einige Bemerkangea über die letztere
mitzQtheilen, ist lediglich der Umstand, dafs die Ecklining des
Denkmals durch die im Übrigen dnechaas aachgemfifise und ein-
sichtige Besprechung des ersten Herausgebers, Hm. Enstratiades
ffi^icf^ a^acoXo^iie^ N« F. n. 410, Tf. 50a, b)y noch nicht so
weit gefördert erscheint als es möglich und nothwendig ist, um
die Bedentnng der Urkunde fir unsere Kenntnifs in ihrem ganzen
Umfange erkennen zu lassen.
Ich coDStalire snnfichst, daCs das Alphabet der Inschrift aller-
dings in ailen Punkten genau der Vorstellong ent^vicht, welche
auf Grand der wenigen bisher bekannten altarkadischen Inschriften
Ton dem Character des Al[^abete dieser Gegend sieh hatte bilden
lassen. Dagegen bieten die sprachlichen Formen der Urkunde eine
Reihe von Abweichungen von denen einer bekannten jüngeren Te-
geatischen Steinschrift (Jahrb. f. PhiL u. P&dag. 1861. S. 585 ff.),
auf welche wir bisher für die Erkenntnils der Bigenthümlichkeiten
des arkadischen Dialektes wenn nicht ausschliefslich, doch vor^
nehmlich angewiesen waren. Ich gebe im Folgenden eine Zu-
sammenstellung dieser Abweichungen.
1. Die Bronze schreibt im Anlaut der Worte das Vau, wo
es erwartet werden darf, die Steinschrift bietet keine Spur
desselben, auch da, wo man es erwarten sollte.
2. Der Verbalendung -i^n, wie sie die Bronze hat, steht auf
der Steinschrift -vn gegenüber. Desgleichen lauten die
Zahlworter von Hundert bis Neunhundert auf jener auf
'OTtoi^ auf dieser auf -aTiot aus. Im Zusammenhang da-
mit steht auch, dafs die Präposition, deren attische Form
'irfo9 ist, auf der Steinschrift ttoc lautet, wfihrend der Di»»
lekt der Bronze ttpt/ festgehalten zu haben scheint (tto^-
4*
53 Sitzung der philogopaseh'histari^ehen Jüa$$e
3. ' D^r NomiaaÜT des Artikels im Plnral luvtet auf der Bronze
Toi Tctl (t«), auf der Steinscknft oS («f ra).
4. Gegen nno der Bronze steht amj der Steinschrift.
5. In der dritten Person des Singulars im Medium und Pas-
sivnm bietet die Bronze in der Endung -r<vi, die Stein-
sehrift regelmäfsig ^rcu
6. Die Partikel •% vnxA auf der efnen (Vorder-) Seite der
Bronze conscquent ai^ auf der anderen (Rück*) Seite fünf-
mal f I und • nar einmal noch ai geschrieben. Die 'Stein-
schrift hat durchgftagtg ti.
7. Der Infinitir des Yerbum Snbstantivum lautet auf der
Bronze i^mi^y aal der Steinschrifit Y,¥au
8. Yergkieht man mediale Imperativformen, irie anviT^u
(Siitg.) und InOMtctT^Mß (Ploral) dar Steinschrift mit av
oItS'k (Sing.) und avtXirS'ui (welches viermal b^egnet
und dem Znsammenhange nach in allen diesen FftUen die
dritte Person Plur. des Imperativs sein mufs, obwohl es
als solche noch ungelöste Schwierigkeiten darbietet) der
Bronze, so zeigt sich' auch in diesen Bildungen eine nicht
unerhebliche Divergenz*
9. Die Bronze bedient sich ausschliefslich der Partikel xtt
in den Verbindungen ccl (et) ua und Iml Krr, die Stein-
schrift h^ ebenso regelmäfsig au in der Verbindung u- av
und den oonjuncti vischen Relativsätzen: ro^ r^ aif; ort oriFi
tiu; öT^ m'^ so wie in dem räthselhaften fjarv av. In be-
stimmten Fällen erscheint vereinzelt EIKAN, was man sich
eH Mau zu lesen gewölmt hat, das aber wohl richtiger als
äi Huv d. h. <i Hai au zu deuten ist.
Es liegt auf der Hand, dafs mit Ausnahme etwa von n. 3.
8. 9, in allen übrigen Fällen die Formen der Bronze entweder die
ursprünglichen sind, ans welchen die der jüngeren Urkunde sich
entwickelt haben, oder wenigstens jenen näher stehen, als die letzte-
ren, und dafs, da beide Denkmäler zeitlich weit von einander ab-
liegen, die Möglichkeit nicht bestritten werden kann, dais beide dem-
selben Dialekte angehören, wenn sie auch verschiedene Entwickc-
lungsstadien desselben vertreten müfsten; n. 6 zeigt sogar den Über-
gang bereits in der Epoche des älteren Denkmales in Vollzug be-
griffen. Dagegen ist es ebensowohl möglich, ja in Anbetracht der
oben ausgeschiedenen Fälle sogar wahrscheinlich, dafs wir Denk-
wm 31, Januar l&fO,
53
mSler verschiedener Dialekte vor «ns haben, albo das Idiom der
Brome nid)t das von Tegea ist Weder der Fandort, wie sich
zeigen wird, noch das Alphabet, welches in dieser Gestalt nicht
etwa blos in Arkadien, sondern im ganzen Peloponnes, mit Aus-
nahme von Argos, Eorinth und der Insel Agina, das gemeinübliche
war, sind geeignet die Frage endgültig zu entscheiden. Ich komme
auf diesen Punkt weiter nnten zurttck.
Zu bedauern ist, dafs der Graveur seine Arbeit sehr nach-
lassig gethan, und sich mehrfach Buchstabenversetzungen und Aus-
lassungen hat zu Schulden kommen lassen. Die meisten dieser
Fehler sind von dem Herausgeber berichtigt worden, auch seine
Lesung verdient im Allgemeinen Billigung, obwohl an einzclnett
Stellen eine Änderung nöthig scheint Ich setze daher den Text
der Urkunde her, wie ich glaube, dafs er gelesen werden mufs,
bemerke darunter die Fehler des Originals und begründe die mir
nodiwendig scheinenden Abweichungen von der Lesung des Heraus*-
gebers in der Kurze.
1
%
3
4
h
6
7
nuTt\at \kvtiim
m na avnyjLr^ttj,
€u & xa juii} ^i^i^rali mvtt
yvuipuv Ss TW9 T£<y«arrr[c] |
frei.
^ i>,n^(!i\l t/a rMT^axartfet
ffi fjL\iir na s^>f» avT09 cfV'
Vfoi ttvt?*o(r^(ii rot yifr,\TtMf tnst
xtt Y,ßc€Ttatrri mvTM FETeja.
«I &3 xtt ixvf ^uii/Ttg Tai 3v-
yccrs^sf | avgXoT^ut rat yi^r,-
cria$,
il ii xa fxii I ^[wji^rij rot
Bi 8i xa I IJLYf »iS'ot ^dSvTt,
TOI aTTtTTa TToSi^fOfrl«? ap~
u ht X atf(pt?^yu}im t t|oi
Täyiarai StayvovrttD xarov |
1
8
S
4
6
1
3'6^fA0lf»
8
9
lU
11
19
frei.
M Sitzung der pMosopkiMek-kiMi&riMeken Dazu
a. 2. in der Licke vTOmiTO || fi. PETNETON || h. 2. TXE
TPAKATIAI !| 9— 10. TOtCAtl(TAPOetK|EC || 10—11. ANOIAE-
CONTjOI.
In der xweiten Zeile der Seite a lamX der Heransgeber m n
rotS^ [fjT, t£ (oder tv) iwOiaQ^» Weder 9 im Siniie ^b sonst
avf der Bronze dnrehweg beimachten ^mn iat wakraelieiDlichy noeb
das Adverbinm r» oder gar t» Ür tsvto glaaUieh; daiv kommt»
dafo unter allen Umatlnden «ura? fiJsdi besogen eraciieint» Die
Schrift ist auf dieser Seite der Flaue abmchtiicli getilgt and dämm
aciiwer za lesen; ich glaabe, daCi eine nochmalige genaae Pi^fung
der Stelle ergeben wird, dafa anch hier nichts Anderes gestanden
hat, als was die analoge der anderen Seite erwarten läfst, nlmlich
m xtt (uji^f nvT09 apt/jir^tg»
In der sechsten Zeile hat sich der Heraasgeber damit begnügt
das Ycrschriebene irrrvtrof in vivr* irötw xn. Sndem. Da die Bronze
aber wiederholt rirta schreibt, so war ein weitergreifender Fehler
anzunehmen.
In derselben Zeile liest der Heransgeber liriSixArotr r^utw nnd
yersteht unter imilxctTot die Verwandten, welche in Ermangelang
von Kindern Erbansprache erheben konnten. Dies wurde sich hören
lassen, wenn das Wort seiner Bildang nach aktiven Sinn haben
könnte, was nicht der Fall ist. Die Lesung, welche ich rorschlago,
bedarf keiner Rechtfertigung; höchstens bleibt zweifelhaft, ob auch
hier wieder ein Irrthum des Graveurs anzunehmen und iittStxaTrov
herzustellen ist; tTctSixtiu neben hrtitxn^uu wufste ich wenigstens
Sonsther nicht zu belegen. Jedenfalls ist der Sinn: Sind keine
Kinder am Leben, so soll Epidikasie verstattet sein, natOrlich fiir
diejenigen, welche auf Grund ihrer Verwandtschaft mit dem De*
ponenten glauben Ansprüche auf das Depositum geltend machen
zu können.
In der ersten Zeile der anderen Seite accontuirt Hr. Eustra-
tiades irctgHciS'y,xu als Yerbalform und wundert sich mit Recht,
dafs der somit in erster Person von sich redende Deponent nicht
bei Namen genannt sei, da Xuthias dann nothwendig als die Person
zu betrachten wäre, bei der das Depositum hinterlegt wurde. Es
genügt zu bemerken, dals die Unterdrückung des Augmentes, welche
diese Lesung voraussetzt, ganz unzulässig ist. Vielmehr ist mit
anderem Acccnte irctgHftSf(&)riHfi als Substantivum zu nehmen und
rom 3i Ja$mar iS70, 55
Xothias dann die Person, in deren Interesse das Depositam hinter-
legt worden ist, d. b. der Deponent selbst.
Die Bronae war auf beiden Seiten beschrieben; jede Seile
esthilt eine besondere selbststindige Uriconde über die geschehene
Hinttflegang eines Depositums Ton resp. 300 und 400 Minen Silbers.
Zweifellos sind Minen figinfiiscfacn FnCses an verstehen, so dafs
jene ZiffMn die ansehnlichen Betrfige von etwa 7250 und 14500
ThsJem repräsentircn. Der Deponent ist in beiden Ffillen dieselbe
Person, Xnthias, des PhilachAos Sohn, die Urkunden liegen also
seitlich höchstens am einige Deeennien auseinander, worauf ohne>
dem die Gleichartigkeit des Bchriftcharakters hinweist. Auf derv
jenigen Seite, welche die Urkunde über 200 Minen enthAlt, ist die
Schrift abmchtlichy wenn auch ni^^t bis au völliger Unleserlichkeit,
getilgt, woraos, wie der Heransgeber richtig bemerkt, au schltelsen
ist, dafs diese Seite zuerst beschrieben war: als spfiter Xnthias
das Depositam um weitere 200 Mine vermehrte und auf die Höhe
von 400 bradite, wurde die filtere Urkunde kassirt, und eine neue
ober 400 Minen auf der anderen Seite ausgestellt. Hieran stinunt
es, dafs auf a noch regelmfifsig m , aaf b bereits überwiegend «i
geschrieben ist Beiden Uriiunden sind Bestimmungen fiber die
CTentnelle Ausbftndigung des Depontum an den Deponenten oder,
nach dessen Tode, an seine Erben angehfingt; dkse Bestimninngen
sind in beiden dem Wesen nach identisch, auf der jfingeren Ur*
knnde nur genauer detaillirt, als auf der filteren, welche sich mit
einer mehr sammarischen Fassung begnfigt. Neu ist in jener nur
die durchaus nicht selbstverständliche Verfügung, dafs in Erman-
gelung ehelicher Einder die etwa vorhandenen unehelichen vor
den €€yyjTTi7< aar Erhebung des Depositums berechtigt sein, abo
in Bezug auf dieses Erbenqualitfit besitzen sollen.
An dieser Verordnung hat der Herausgeber mit Recht An-
stofs genommen, da sie mit einem bekannten Grundsatz des helle-
nischen Familienrechtes unvereinbar ist und die 400 Minen doch
such nicht als i^ila betrachtet werden können, weil im Falle des
Vorhandenseins einer ehelichen Descendenz letztere vor den uo^oi
ausdrücklich zu Erben berufen wird. Eine Lösung dieser Schwie-
rigkeit ist nicht versucht worden; vielltacht wird es den folgenden
Erwägnngen gelingen darsuthun, dafs sie nur scheinbar ist.
Auf den ersten Blick wird Mancher geneigt sein, in dem De-
ponenten Xnthias des Philachaos Sohn einen Burger von Tegea
56 Sitzung der philoBOphüeh-higtortBchen Klaue
Toraiiszasetaen. Allein die gleichlaatende SeblofiBbestiauinuig bei-
der Urkunden, der zufolge in auf das Depoeilnm bezügliohen Rechte-
h&ndel^ *die Tegeaten nach dem Gesetz' d. h. Tegeatische Richter
naeh dem in Tegea geltenden Rechte entacbeiden aollen ^ beweiat
unwiderleglich, dafa Xuthiaa ein Autlfiodor war, weil nur in diesen
Falle ihre Hinzuffigung nothwendig, ifln anderen, weil selbstver-
ständlich, rein überflüssig sein mufste. Durch Unterbringung sei*
lies Vermögens, soweit es in baarem Qelde bestand, oder eines
Theiles desselbm im Auslände hatte er nun das Depositum der
Einwirkung des heimischen Rechtes «nd der Entscheidung .der
richterlitheD B^örden seiner Heimath, deren Urtheiie für das Aus^
land wirkungslos waren, entzogen und sich völlig freie und will-
kürliche Disposition über dasselbe gesiehert; der Mod«s der Aus-
händigung wurde durch ein Privatabkommen mit der Stelle, bei
welcher deponirt worden war, geregelt und letztere an die Bestim-
mungen desselben gebunden. Dieses Übereinkomroen war für die
Erben des Deponenten unanfechtbar, weil der Depositar die Ent-
scheidungen ausländischer Gerichte nicht zu respectiren hatte, die
Gerichte von Tegea aber in Sachen der Erben als Ausländer nicht
eompetent waren, aufser in den Fällen^ in denen sie das Über-
einkommen selbst als eompetent anerkannte und dadurch auch die
Erben nothigte, sich ihrer Entscheidung zu unterwerfen, weil der
Depositar vertragsmäfsig nur der Entscheidung tegeatischer Richter
Folge zu geben gehalten war. Bei dieser Lage der Sachen begreift
es sich vollkommen, wie der Deponent Verfügungen über eines
Theil seines Vermögens zu treffen im Stande war, durch welche
die AyyjTTik in ihren Rechten benachtbeiligt wurden, ohne be-
fürchten zu müssen, dafs die Vollstreckung seines Willens durch
deren Einspruch werde behindert werden. Die Motive, welche ihn
dazu veranlalst haben, vermögen wir natürlich nicht zu beurtheilen,
allein die faktische Möglichkeit von etwas der rechtlichen Theorie
nach Unmöglichen ist darum nicht minder erwiesen.
Es kann auffallen, dafs der Depositar, dessen Wohnsitz zu
Tegea gewesen sein mufs, in keiner der beiden Urkunden genannt
oder bezeichnet wird. Es folgt daraus aber eben nur, dafs der-
selbe nicht ein Privatmann gewesen kein kann, weil in diesem Falle
die Urkunde ihn unbedingt zu nennen gehabt hätte; für den Fall aber,
der dann als allein möglich noch übrig bleibt, war eine Nennung
oder Bezeichnung des Depositars überflüssig. Wir wissen, dafs
wm 3L Januar 1870. 57
die Hellenen ihre Tempel, sowohl die der engeren, wie der wei-
teren Heimath, im letzteren Falle namentlich die von aosgebrei-
tetem Rafe und Einflösse, wie den delphischen n. a. als Depositen-
banken 2u benutzen pflegten, und da£s dies ebensowohl von Staaten
als von Privatleuten geschah« Die auf solche Depositionen bor
züglichen Urkunden wurden natürlich in den Tempeln selbst auf-
bewahrt und ansgehSngt, und dieser Umstand machte auf ihnen
eine besondere Angabe fiber den Depositar oder den Ort der De-
position entbehrlich, wenn er sie auch nicht unbedingt ausschlofs.
Jedenfalls deutet das Fehlen einer solchen Angabe auf den vor
liegenden Urkunden darauf hin, dafs Xuthias sein Capital bei einem
Tempel in Tegea hinterlegt hatte, der zugleich die Urkunde dar&ber
bewahrte« Ohne Zweifel war es der berühmte, im ganzen Pelo-
ponnes und auch' über die Grenzen desselben hinaus hochange*
sehene Tempel der Athene Alea, dessen Asylschutz selbst von
spartanischen Flüchtlingen wjederholl- in Ansprach genommen und
auch von dem Vororte des peloponnesischen Bundes stets respectirt
worden ist. Bekanntlich wurde der alte Tempel OL 96, 2 durch
eine Feuersbrunst zerstört und dann durch den Neubau des Skqpas
ersetit (Pauaanias 8, 46. 4); allein es können durch diesen Unfall
nicht alle Urkunden und Wdhgescbenke, die der alte Tempel barg,
verloren gegangen sein. Wenigstens waren die Fesseln der Lake*
damonier, welche Herodot (1, 66) im alten Tempel sah^ im neuen
noch zu Pausanias Zeiten (8, 47. 2) vorhanden, wenn auch vom
Rost zerfressen; auch das bronzene Pallasidol, welches in Tegea
gefanden sein soll und sich jetzt in Athen befindet (^BulUtino (kW
mU arch, 1865. p. 131), und dessen Basis die Aufschrift tragt:
• • • •
ANE0EKENTA0ENAIAI
mufs aus dem Inventar des alten Tempels stammen, da die Buch-
stabenformen der Widmung auf die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts
V. Chr. hinweisen ^ ). Unsere Bronze wäre das dritte nachweisbare
Beispiel dieser Art; ein viertes bietet eine weiter unten zu berüh-
rende Steinschrift, welche wenigstens im Temenos des Tempels vor
Ol. 96, 2 aufgestellt gewesen sein mnüs.
1) td^Y^vaif nötfaigt zu der Aunahme, dafs der Stifter des Weibgesehcnkes
ein Athener war.
58 Sitzung der philoBophigeh-hi^toriBchen Klasse
Man wird den Umstand, dafs die NationalitAt des Xuthias
in den Urkunden keine aasdruckliche Beeeicfanung gefanden hat,
nicht gegen die ohen Terfochtene Annahme geltend machen wollen,
dafs er nicht von Tegea, sondern ein Ansifinder war; aber nicht
nnerwfinscht wfire es, zu wissen, in welcher Qegend von Hellas
seine Heimath an soeben ist« Posidonios bei Athenaeos 6, 233
berichtet, dafs die Spartaner, um das Verbot des Privatbesitzes
von Gold oder Silber m umgehen, gewohnt gewesen seien, ihre
Baarschaften bei den benachbarten Arkadern zu deponiren: A<vie<-
iittfionot ifiwo r£¥ ISoüm nvkuofitvoi sir^gitv Mh tv,» ^irct^rviVg lic o
fuv ovitv ¥,TTOv, vct^ttxartriS'Mvro it rsT^ ißo^ot^ *AfxaTtf,
und ich halte es auch ans andern Gründen für sehr wahrschein-
lich, dafs Xuthias ein Spartiate war. Das Alter der Bronze, welche
nach dem allgemeinen Charakter der Schrift unzweifelhaft der ersten
Hfilfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. angehört, steht einer solchen
Annahme nicht entgegen; denn wenn man auch der Überlieferung,
wonach jenes Verbot des Besitzes von Gold und Silber bereits
von Lyknrgos erlassen sein soll, keinen Glauben schenkt, so wird
man doch auch na<^ der andern Seite die entgegengesetzte An-
gabe, der Besitz von Gold und Silber sei in Sparta den Privaten
kurz nach dem Ende des peloponnesischen Krieges bei Todesstrafe
verboten worden, nicht so verstehen dQrfen, als habe vor dieser
Zeit ein solches Verbot überhaupt nicht ezistirt; vielmehr ist an-
zunehmen, dafs um diese Zeit auf die bekannte Veranlassung hin
das filtere Verbot nur von Neuem eiogeschfirft und die Strafe der
Übertreter erhöht worden ist. Auch die Schrift der Bronze kann
ebensowohl lakonisch als arkadisch sein, da die Alphabete beider
Gegenden vollkommen identisch waren. Entscheidend aber scheint
mir die Sprache der Urkunden zu sein.
Denn war, wie bemerkt, Xuthias ein Ansifinder, so fallt da-
durch auf die oben besprochenen dialektischen Abweichungen der
Bronze von den sonst bekannten Formen des tegeatischen Idioms
ein neues Licht und es läfst sich die Vermuthung nicht leicht ab-
weisen, dafs zwischen jener Thatsache und diesen Erscheinungen
ein ursfichlicher Zusammenhang Statt finde. Es scheint zwar
natürlich, anzunehmen, dafs dergleichen Urkunden von der Behörde
des Tempels, bei welchem dcponirt worden war, ausgestellt wur-
den; dafs dies aber thatsacblich wenigstens nicht immer der Fall
vom 3i. JoMiar iS70. 59
war, beweist ottwiderleglieh eine Steinadurift gerade derselben
Fondstitte. Das an der Stelle des alten Tegea gefandene Frag-
ment C. I. G. 1511, welches den Anfingen des peloponnesischen
Krieges aagehSren mnlsy enCbllt ein Yerseiclmils von Beitrigea in
Gold ond Silber, welche von verschiedenen Staaten nnd Privaten
an die Lakedämonier an Kriegsswecken gesahlt worden waren;
die Anfatellnng der Urkande in Tegea kann aus keinem andern
Gmnde erfolgt sein, als weil die auf ihr verzeichneten Sammen
eben an diesem Orte hinterlegt waren, aller Wahrscheinlichkeit
nach gleichfalls beim Tempel der Athene Alea, wie wir denn
wissen, dafs die Spartaner Staatsgelder a. B« beim Tempel an
Delphi an deponiren pflegten; in den Zeiten des peloponnesischen
Krieges bedingten die Yerhfiltnisse die Nothwendigkeit, einen näher
gelegenen Ort za wfihlen, nnd eignete sich f&r die Aofbewahrung
von Geldern, welche für Zwecke des peloponesischen Bundes ver-
wendet an werden bestimmt waren, kaum ein anderer Tempel
niehr, als der im ganzen Bereiche des Bondesgebietes angesehene
tegeatische. Ohne Zweifel war auch diese Urkunde im Temenos
des Tempels aofgestellt. Oleichwohl weicht auch ihre Sprache
von der jener tegeatischen Steinschrifl in folgenden Punkten ab:
1) Das Vau ist im Anlaute verschiedener Worte noch le-
bendig.
2) Die Namen der Zahlworter von aweihundert an endigen
aaf 'iinot, nicht -anoi; dem vroc der tegeatischen Urkunde steht
hier vcrt gegenüber; vgl. das häufige votou oder norrGfA ni?^fuv,
3) Die männliche Form des Artikels im Plural lautet tcI»
nicht M.
4) Der Genetiv der Einheit von männlichen Stämmen der
ersten Deciioation zeigt die gemeindorisehe, durch Contraction ans
-ao entstandene Endung -a (in At/[x]fiSff vioc), während tegeatische
Inschriften (C. L O. 1513. 1514) ihn anf -nv endigen lassen
(EvVi:>j&ir*j, *AiPoX>MviSav), ja diese Endung sogar auf die weih«
lieben Stämme derselben Dedtnationsklasse übertragen; vgL ^afjutfj,
i^ütfiavt irioxen^ der mehrerwähnten Steinschrift.
Von diesen Abweichungen lassen sich 1, 2 und vielleicht auch
noch 3 unter der Voraussetzung erklären, dafs der Dialekt der
Inschrift nichtsdestoweniger der Von Tegea sei, allein Nr. 4 schliefst
diese Möglichkeit aus; denn von dem ans oq entstandenen a der
älteren Urkunde ist zu dem «rj der jüngeren tegeatischen In-
60 Sitzung der phtlo8ophisch-ki$torischen Khsse
sohrifben keio Übergang denkbar. Mit Recht hat daher Ahrens
geleugnet, dafs der Dialekt unoer» Urkunde der tegeattscke sein
könne, und die Behauptung aufgestellt, welche, wenn jene Fol-
gerung zugegeben wird, unatis weichlieh wird, da£s er als lakonisch
in Anspruch su Behmen sei; auch ich habe daher seuner Zeit kein
Bedenken getragen, die Inschrift als einen Beleg lakonischer Schreib-
weise zu verwenden. Ist dem aber so, und es kann nicht anders
sein, so ist auch erwiesen, dafs die Urkunde nicht von dem De*
positar, der Tempelbehorde zu Tegka, isondern den Deponenten,
den Laked&moniern, ausgestellt worden ist
Das Gleiche für unsere Bronze anzunehmen, unterliegt also
gar keinem Bedenken. Dann aber dilrfte es auch schwerlich zu-
fällig sein, dafs, abgesehen von den F&Uen» in denen eine Ver-
gleichung nach der Lage der Überlieferung nicht möglich ist, die
Bronze und die als lakonisch »kannte Steinschrift in dialektischen
Eigenheiten 'überall da übereinstimmen, wo beide vom tegeatiscben
Idiom > so weit es uns bekannt ist, abweichen, wovon sich zu
überzeugen ich den Lesern überlassen kann'). Ich wage also die
Behauptung aufrecht zu erhalten, nicht nur, dafs Xuthias ein Spar-
tiate war, sondern auch, dafs die ihn betreffenden Urkunden von
ihm und in seinem, d. h. dem lakonischen Dialekte ausgestellt
sind. Was dagegen bei oberflächlicher Betrachtung vom sprach-
lichen Standpunkte etwa noch vorgebracht werden könnte, dient
bei genauerer Prüfung meiner Annahme nur zu weiterer Unter-
stützung.
1) Nach der gemeinen Überlieferung setzte der lakonische
Dialekt 0- für ^ im An- wie im Inlaute; unsere Bronze schreibt
dagegen Zov&tqr (bis), avoS'avrfy &tS^ov (bis), jrttoMetSy,xtr^ ^^/yaTs^^c^
uo^ot (bis), noS'aeoiT9Qy der verschiedenen avt^trSou und aui?jiT3'w
gar nicht zu gedenken. Allein nicht nur die Tafeln von Heraklea
kennen kein o- für ^, sondern auch alle altlakonischen, im nationalen
Alphabet geschriebenen Inschriften ohne Ausnahme halten das 3
fest und schreiben muStti'^aip, n^i'cd^xt (öfter), ^A^nval^^ Tffd'^Vnrei*,
') Die Verglcichung mit anderen lakonischen Sprachdenkmälern ergiebt,
dafs aufserdem die Verbalendungen -vri, -täi, die Infinitivform 3f«i', die Form
der Präposition <riro, die Partikeln ul und xa dem lakonischen Sprachgebraache
gemäfs Bhid; ebenso die Endung des Imperativs in tuiyvivtv, welch« freilich
auch arkadisch und gemdndorisch ist.
ffom 3L Jamtar 1870. 61
^ 6A>ii»wi;i', &[«]a)^, ^AStcveuotj Ko^ir^ior, Tj^J^dkoi, 810*71^^, Ku&moi;
keine einzige von ihnen bietet ein <r fQr ^. Letztere Scltreibart
gehört den Zeiten nacb dem Bnde des peloponnetischen Krieges
an and kann nnr für. ate urkundlich belegt werden. Wenn daher
die Oberlieierung des Textes der Alkmanischen Fragmente nnd der
lakonischen Stellen bei Aristophanes nnd Thukydides diese Ortho-
graphie befolgt, so mufs geurtheilt werden, dafs hierin die £in-
wirkong einer grammatischen Recension zu erkennen* ist, welche
die Schreibweise einer spätren Zeit zum Mafssiabe nahm.
2) Die Bronze schreibt yßdrdovTiy bewahrt also inlautendes t
zwischen Vokalen, welches doch nach der Überlieferung der Gram-
matiker im lakonischen Dialekte in den Spiritus asper überzugehen
pflegte. Und in der That bieten die altlakonischen Inschriften in
ÜbereinstimnHing damit Formen wie inolr}, ivUcts, ¥ixaag^ *Ayv*iTT^aTOQ
und sogar liofiSai/oc. Aber keine von denen, auf welchen sich
diese Schreibung findet, kann über den Anfang des peloponnesischen
Krieges hinaufgeruckt werden und die lakonischen Stellen bei
Aristophanes, in denen die Überlieferung sie gleichfalls (wenn
aach ohne Consequenz) bietet, sind eben auch nicht älter. Da-
gegen zeigen nicht nur die Tafeln von Heraklea^ sondern auch die
Fragmente des Alkman durchaus keine Spur dieses Überganges,
sondern bewahren regelmäfsig das er. Es folgt hieraus, dafs die
Verflüchtigung des er zwischen Vokalen erst in der Zeit zwischen
dem Ende des 7. Jahrhunderts und den Anfängen des peloponnesi-
schen Krieges in den Dialekt einzudringen begonnen haben kann,
and dafs auf Urkunden, welche diesem Zeitraum angehören, nicht
ohne Weiteres der Spiritus Statt des «r erwartet oder gar verlangt
werden darf. Vielmehr ist aus den Urkunden wo möglich zu
lernen, bis za welchem Zeitpunkte sich das t behauptet hat. Nun
schreibt das platäische Weihgeschenk, aus der Zeit unmittelbar
nach den Perserkriegen, welches als eine lakonische Urkunde zu
hetrachten ich das Recht zu haben glaube, noch ^>.st(iTtoi; bis
wenigstens in diese Zeit also war das er zwischen Vokalen fest
geblieben. Kann also die . Bronze als dem platäischen Weihge-
schenke gleichaltrig oder gar als älter betrachtet werden, so ist
eine Schreibung wie vißdTuti/Tt auf ihr nicht nur unanstöfsig, son-
dern s<^ar die allein mögliche und darum zu erwartende. In der
That stammt sie aus derselben Zeit wie jenes. Um dies zu erwei-
sen, wird es vollkommen genügen, die Buchstabenformen beider
62 Sitzung der phÜoiopkf$eh'ki$tori$ehen Kloise
Urkanden eioander gegenüber «n fitellen; ich fuge die Variaaten
der uMgen lakonischen Inschriften hinan und bemerke nnr noch,
dafa die Bichtnng der Schrift auf beiden wie auf den meisten der
übrigen rechtslftnfig ist, während die wenigen filteren meiat ent-
weder Unkslfiofig oder in forchenformig geordneten Zeilen geschrie*
ben sind.
Bas Platäiflche
Di« Bi
ronie:
Weihgeschenk:
a.
».
1. A A
A
A
2. .
E
E
3. C
C
C
4. 0
0
t>
5. E
E
epE
6. F
F
F
7. I
•
1
8. .
B
•
9. 0 e
e
e
10. 1
1
1
11. K
K
K
12. A
A
AA
13. M
M
M
14. N
N
N
16. O
O
O
16. P
P
P
17. P
•
I^P
18. €
Z.
c
la. T
T
T
20. V
V
V
21. (D
0
0
22. X(|)
+ (ö
+ (ö
23. VCCx,)
^»'(x)
V(%)
1. Sp&ter A II 2. Auf anderen Inschriften B \\ 3. Auf einer
älteren Urkunde < || 5. Auf filteren ^ || 6. Auf filteren f \\ 8. Auf
anderen Q bis in den Anfang des peloponnesischen Krieges, sp&tcr
vom 31. Januar iS70. 6S
geoffoet H, Dab Weihgeeokenk sclireibt *E^oini^f ivie die Bronse
ißantifTt II 9. Spftter, doch noch neben Q, in Yereinfachter Form
Q II 12. Sp&ter A || 17. Aoeh eckig lt and auf anderen die ei»p
faehere Form P || 18. Auf den ftlleren Urkaaden dreistrichjg S ||
20. Auf anderen aoch Y || 23 Auf anderen auch Y ||
Die ÜbereinstimmoBg kann nicht grofser sein. Ich glanbe
daher an meiner Annahme, daOs Xuthias ein Spartiat war und die
TOD ihm aasgefertigten Urkunden, obwohl in Tegea aufgestellt, nach
Sprache und Schrift als lakonisch zu betrachten sind, so wie, dafa
sie aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts t. Chr« herrühren,
unbedenklich festhalten zu können.
Aber, wird man fragen, wie kam ein Spartiat dazu 'Achfier-
freand' zu heifsen ^), da doch das Yerbältnifs der herrschenden
Spartiaten zu ihren Untertbanen und Leibeigenen achäischer Ab-
kunft notorisch zu allen Zeiten ein keineswegs freundliches war?
Ich erwidere darauf, dafs auch diese Regel ihre Ausnahme hatte
und da£s nachweislich diejenigen Elemente im Schoolse der spar-
tanischen Burgerschaft, welche sich in Opposition zu den beste-
henden Zuständen befanden, im Besonderen die Glieder der beiden
Konigsfamilien , es mitunter nicht rerschmfibten sieh auf die Sym-
pathien der ach&ischen Unterthanenschaft zu stützen und als Ver-
treter ihrer Interessen zu geriren ; wollte doch König Klebmenes I.
lieber als Achäer, denn als Derer gelten (Herodot 5, 72), woraus
meiner Ansicht noch noch keineswegs folgt, dais die Konigsfamilie
der Agiaden wirklich achäischer Abkunft war, wie man wohl an-
zunehmen pflegt Wem indessen diese Auskunft nicht genügt, mag
meinetwegen annehmen, dafs Xuthias nicht Spartiat, sondern La-
kedämonier, d. h. achäischer PeriÖke war.
Ich fuge zum Schlufs noch eine Bemerkung hinzu. Wenn in
beiden Urkunden übereinstimmend verordnet wird, dafs die Sohne
des Deponenten nach dessen Tode zur Erhebung des Depositums
berechtigt sein sollen, sobald sie das fünfte Jahr vom Beginn der
fß^i zurückgelegt, so ist damit offenbar der Zeitpunkt bezeichnet,
mit welchem nach dem in der Heimath des Deponenten geltenden
') Dab der Name des Sohnes, Xuthias, Verwandschaft mit dem des
Vaters des mythischen Achaeos, Xnthos, zu verrathen scheint, ist wohl nar
nifüllig zu nennen.
64 Sitzung der phiioB^kiieh'hütariicken Klaue
R6cht<i Bie befähigt wurden, die selbststfindige Verwaltang ihres
ererbten Yerm^gens änxotreten. Ist, wie es allen Anschein hat,
einer Angabe, welche sieh unter den Herodotischen Glossen findet,
an trauen, so dliaerte in Sparta das Alter der Ephebie yom 14.
bis zam 20. Jahre: itprißivtt & lett^ avrol^ o irmf nni iviZv lB tJti%^€
xtu M, War also Xuthias, wie ich annehme, Spartiat, so erl&atert
sich jene Bestimmung dahin, däfs seine Sohne mit dem vollendeten
18. Jahr, d. h. um die Zeit, zu der sie in die Altersklasse der so-
genannten fxe>:>.sl§tvig eintreten wurden, den Besitz des deponirtea
Vermögens antreten sollten, und würde dadurch unter den ange-
deuteten Voraussetzungen der Zeitpunkt des Eintritts der civilrecht-
lichen Mündigkeit in Sparta für uns bestimmt sein.
Hierauf kam zum Vortrage der folgende
Bericht über die Handschriften von Arboreo.
Die Frage über die Authenticitiit der in Oristano auf der
Insel Sardinien in den letzten Decennien zum Vorschein gekom-
menen, unter dem Namen der Handschriften von Arborea bekann-
ten Pergament- und Fapierhandschriften ist seit dem Jahre 1846,
wo das erste derartige Document vero£fentlicht wurde, vielfaltig
verhandelt worden, ohne dals doch, wenigstens in Deutschland,
viel mehr dafür geschehen wäre, als dafs man sich, ohne weiteres
Eingehen in die Sache, theils dafür^ theils und häufiger dagegen
entschied. Auch die groCse mit einer Reihe sorgfaltiger Tafeln
ausgestattete Gesammtpublication derselben durch Hrn. Pietro
Martini*) rief keine genauere Untersuchung der Echtheitsfrage
hervor. Hiedurch veranlafst sprach Hr. Baudi di Vesme^ Mit-
glied der Akademie der Wissenschaften von Turin und, wie auf
anderen wissenschaftlichen Gebieten, so auch auf dem der sardini-
schen Geschichte und Sprache seit längerer Zeit thätig, gegen den
mitunterzeichneten Hrn. Mommsen bei dessen Anwesenheit in Turin
*) Pcrgamene, codici e fogli cartacei di Arborea. Cagliari 1863. 4.
pp. 544. Dazu Appendice 1865. pp. 250.
vom 3L Januar 1870. S5
im Mars ¥• J. den 'Wansch aus, dafa die hiesige K. Akademie
die Frage einer sorgfältigen Früfang unterziehen möge, und erbot
sich SU diesem Ende die Übersendung einer genugenden Aniahl
dieser jetxt sfimmtüch in der öffentUchen Bibliothek von Gagliari
aufbewahrten ]iandschriften nach Berlin zu veranlassen. Die phi-
losophisch-historische Ellasse der Akademie, von dieser Aufforderung
ia Kenntnifs gesetzt, verkannte nicht die ernstlichen Bedenken,
welche der Übernahme einer solchen Prüfung sich entgegenstellten,
glaubte aber dennoch ein für den Auffordernden sdbst sowohl wie
far die Akademie gleichmfifsig ehrenvolles Vertrauen nicht anders
erwiedem zu dürfen als durch Annahme des Auftrags. Selbst-
verstandlich konnte nicht davon die Rede sein eine wissenschaft-
liche Frage durch einen akademischen Beschlufs entscheiden zu
wollen; es lag der Ellasse nur ob diejenigen ihrer Mitglieder, die
für die verschiedenen hiebei in Betracht kommenden Fragen die
fachkundigsten erschienen und die zugleich zu der Übernahme
dieses Auftrages sich bereit fanden, zu einer solchen Prfifnng za
veranlassen und deren Ergebnisse, welcher Art sie immer sein
mochten, als Beitrag zur Kl&rung der keineswegs unwichtigen
Frage der Öffentlichkeit zu übergeben. In diesem Sinne wurden
in der Klassensitzung vom 7. Juni v. J. die Unterzeichneten mit
der Prüfung der sardinischen Handschriften beauftragt und die-
selben zugleich ermfichtigt andere geeignete Gelehrte, die nicht
der Akademie angehören, bei dieser Prüfung mit zuzuziehen.
Nachdem Hr. Yesme von diesem Beschlufs in Kenntnifs gesetzt
war, übersandte er versprochener Mafsen sechs dieser Documente
im OriginaP), woneben andere in photographischen Nachbildungen
oder in den Martinischen Stichen ebenfalls zur Beurtheilung vor-
lagen. Die Beschreibung jener sechs Handschriften gab Hr. Yesme
in dem folgenden, an den mitunterzeichneten Hm. Mommsen ge-
richteten Schreiben.
Quod tibi ante paucos menses versanti in hac nostra civitate
snm pollicitus, impetraturum a Rectoribus Atbenaei Garalitani, ut
selectas qnasdam e chartis manuscriptis Arboreensibns, de quibus
magna inter doctos contentio est, concederent, ad vestram Scientia-
') Nachtraglich kam cu diesen noch ein siebentes hinzu.
[1870] ö
66 Sitzung der pJulosaphisch^historisehen KlasBe
rum Academiam transmittendos, vestroqne ezamini BubjiciendaB, id
prospere successit Chartas eaa a me accepisti; jam eas tn ipse
et nonnulli e collegis tais, aliiqae docti Tiri, maiiibtts tractaTerant ;
ai qaas insuper desideratis, eas me, nt priores illas, impetratamm
confido. Ipse quidem e magna chartarom Arboreensittm copia eas
delegi, qaas ad Judicium de ipsarum palaeographica sinceritate fe-
rendum utiliores futuras existimavi, et vobis argumenti ratione ac«
ceptiores; tum quas, ipsa rerum de quibus agerent novitate aat
gravitate, magis dubias, atque ideo examine restro digniores ezi-
stimavi.
£n nunc chartarum quas misi enumerationem; cai interseram
adnotationes quasdam meas; rationes insuper afferam, qiubus ad-
ductus singulas quasque potissimum delegerim.
I. Membrana palimpsesta, cujus vetustior scriptura est sae-
culi VIII inenntis. Qui primus hanc membranam, et plerasque e
chartis Arboreensibus edidit, vir clarissimus et honestissimus, idem-
que dum viveret mihi amicissimns, nunc jam ferme ante triennium
patriae et amicis immaturo fato ereptus^ Petrus Martini^ opinatas
est, vetustiore scriptura exhiberi fragmentum chronic! de Sarracc-
norum incursionibus, aüisque rebus Sardicis, ineunte saeculo VIIL
Mihi alia sententia est: habere nos prae manibus fragmentum auto-
graphum epistolae Caralitani cujuspiam, enarrantis ea quae notatu
digniora acciderant in sua civitate et finitimis locis, nee temporis
nee locorum servato ordine, sed ut epistolam scribenti singula
quaeque se ofPerebant. De anno etiam quo litterae conscriptae
sint, dubitari vis potest; cum enim duod^cim anni elapsi dicantur
a prima Arabum invasione, hanc autem esse ad annum DCCX re-
ferendam jam satis constet, scripta epistola dicenda erit anno
DCCXXII; quo nempe ipso anno sancti Augustini Hipponensis
episcopi corpus redemptum fuit a Luitprando Langobardorum rege,
et in Italiam advectum.
Ad vetustiorem elutam et evanidam scripturam resuscitandum
Petrus Martini, sim verius Ignatius Pillito, a quo universae hae
Arboreenses chartae primum lectae et transscriptae sunt, usus fue-
rat galla diluta; sed parum prospero successu, ita ut ejus editio
multis adhuc lacunis biet. Postea, antecessore quodam Caralitano
docente, Ignatius Pillito atque ipse ego usi sumus parte una acidi
gallici cum novem partibus aquao distillatae; cujus efficacioris re-
vom 31, Jatmar 1870. ^7
medii ope, et qnod membranam non cormmpit ac rix foedat, la-
canae aliqaot suppietae sunt; reliquae etiam, m fallor, aappieri
poMunt
Beceotlor scriptnra, quam ad priorem saeonli XV partem re-
ferendam esse, mihi sententia est, ezhibet fragmentom, prineipio
tarnen et fine matilum, penreniistae narrationis, antiqaisaimo italico
Dostro idiomate, amorom Helenae filiae Gomiarii Judicis Arbove-
ensis, com Constantiiio Jadioe Gallarensi; eni etiam ode inest, siFe
ipsins GoDstantini, nve, qnod verina existimo, ejos nomine, qua
obdaratam Helenae animum flectere conatur. — De aetate et auc*
lore narrationis et carminia videndas Martini, Pergamene d^ArboMO^
eee. pag. 114; tum quae ipse disserni in Commentatione Di Ohtrardo
da Firenze e di Äldobrando da Siena, poeti del seeolo Xllf e deüs
origini del volgare Ulu$tre üaliamoy §, 39.
Hanc autem membranam vestro examini aalijiciendam delegi,
primam qnia omninm antiqaiasima, post nnam eam pancis annis
antiqaiorem, sed jam et accurate editam, et Academiae noetrae
Tanrinensis judicio comprobatam, qnae Deletonis hymnum de Ja^
leto servavit; Tide Memorie deUa B. Äeeadenria delle Seienze di To^
Tino, Serie II^ VoL XV ^ Parte 11^ pag, 306 s seguenti. Quin et eo
ipso quod sit palimpsesta^ non nna ratione conferre ad sincerum
de hisce chartta ferendam judicinm vidduUnr. Ac^edit, quod hae
nna membrana dno, et argomento, et longo temporis intervallo in
ter se dissita, antiqua moniimenta mno intnitn Testria ocnlia eob-
jicinntan Me movit etiam remm, quae tum vetustiore tum recen-
tiore acriptara ezhibentar, grayitaa et praeatantia. Epiatolae enim
fragmentum muUa habet notatu dlgna de Caralitanae civitatia anti-
qiiis monamentis et hiatoria; et Jalus aeu Jaletua ibi memoratur;
utr aic quae priore membrana tradantnr, baec quoqae jam aua aue«
tontate coüfirmet: tum aancti Ignatii, veteria lllina Eccleaiae Pa-
tris, patriam fniaae Noram Sardiniae («quod ejoa cocives Nuran.^);
cf. Martini, Pergotttene eeo» d^Arborea, pag, 631 e 640. -— ' Raoentior
autem acriptüra serravit inaigne antiquitate et praeatantia^ et Tel
nunc poat aliaa plurea cognitaa chartaa Arboreenaea unicam aoluta
oratione, ai minuta quaedam excipiaa, apecimen naaeentia tunc iti^
licae linguae^ Sed de hujuamodi antiquisaimia Italict aermonia re«
iiqaiis pauca infra adnotabo oportnniore loco.
II. Membrana aaeculi XIII, exhibena partem epiatolae- Tiri
inter Sardoa aetatis auae longe doctisaimi Georgii de Lacono ne«
5*
68 Sitzung der philoaopkMh'historischen KlMse
poti Buo (pato fratris filio) Petro de Lacono. De hac membrana
conferenduB Petras Martini, Nuove Pergamene d'Arhorea, Cagliari,
Ttmon, 1849, pag, iOi e aeguenti; et Pergamene ecc, d'Arhoreaj pag,
139 — 158 e 530 — 634, Membrana inferiore parte mutila est; Bope-
riore parte non quidem mutila, ut priori Editori visam, sed, quod
nemo hactenus animadvertit, snperatiti hnic aliam praesutam fuisse,
sutarae vestigia manifesto produnt. Oraviua est ad rem nostram,
quod, meo quidem judicio, non hoc est epistolae Georgii de Lacono
exemplum serius confectum, sed ipsa epistola nepoti Petro missa,
et ab eo cum aliis chartis quampluribus ad historiam Sardicam
pertinentibus (vide Martmi^ Pergamene eec.y pag. 93, 103^ 130^ 139)^
quarum maximam partem procul dubio ipse Georgius coUegerat,
religiöse assenrata. Non tamen esse hoc ipsum Georgii de Lacono
autographum ea significatione contendo, quasi integram membranäm
ipsius mann perscriptam affirmem; fieri enim facile potuit, ut quae
ipse in schedis digessisset, et forte diuturno studio retractasset,
amanuensi describenda in hac membrana mandaverit Gerte ab
ejus mann sunt verba quaedam passim postmodnm adjecta, quae
non sunt scribae corrigentis si quae per incuriam erraverat, sed
ipsius auctoris, quae prius scripserat accuratius et plenius expla*
nantis. Confer Martini, Pergamene ece. d'Arboreaj pag. 531, Im. ult.
--532, lin. 7; pag. 532, lin. 11; lin. 26-^27; litt. 31-^2; pag. 533,
Im. 1 — 2 e lifu 9.
Scripta autem est epistola vivo adhnc et regnante Comita Ja-
dice Arboreae, atque ideo inter annum MCCXXXYIII et MCGLIII.
Sub initium ejus regni scriptam puto; Comita enim extremis regni
sni annis „bonis initüs malos eventus habuit^.
Delegi Academiae vestrae mittendam haue membranam, primum
quia sinceritatem snam ipso adspectu proditura mihi videbatur;
dein ob ea quae versu nono leguntnr de Tigellio: ^sms nobis
transmissis poesibus, quas autem vorans tempus ioagna ex parte
pauUatim confecit^ ; unde apparet, quod neutiquam mireris, Tigellii
carmina diu in Sardinia lectitata fuisse, et saeculo XIII ineunte
nondum prorsus interüsse. Movit etiam, quod huic epistolae insertae
sint quinque staniiae cantionis (ita cum Dante appellabo) poetae
Oaralitani Bruni de Thoro; ita ut ejus carminum antiquitas et
sinceritas, quae se carmina ipsa iegenti jam satis prodit, novo
veteris hujus membranae et Georgii de Lacono testimonio con-
firmetur. Exemplar photographicum maximae partis hujus mem-
vom 31, Januar 1870, 69
braoae, mea cnra ante aliquot annos perfectum (vide Martini,
PtrgameM ecc.^ pag. 530) ad tob nuper misit Michael Martini,
Fetri frater.
Ad membranas Arboreenses notandam, omnea, nna ezcepta
qainta (nam membranae lacinia quam sub numero YIII edidit
Martinj, PergamtRe ece., pag. 217 — 218 e 639 — 640 ^ non est
Arboreensis, sed Polae a Pillito reperta, snturae veteris cujusdam
iibri firmandae apposita), in nsum tegendorum librorum adhibitaa
faisse; quod nti mutilandarnm causa fuit, ita earum saltem partem
ab interitu vindicavit.
III. Codex chartacens, saecnli XV ante medium, integer,
foliomm 158; exbibet yitas illustrium Sardorum coUectas a Sertonio
Phausaniensi saeculo IV, sedi refectas et comiptas, primum exeunte
saeculo VII aut ineunte VIII, a Deletone et Narcisso jussu Jaleti
regis; dein itemm ab Antonio, ut videtur, episcopo Ploacensi sub
finem saeculi XIII; prae ceteris pristinam formam servare mihi
videtur Tita Tigellii. Occasione alicnjus personae aut loci in
singnlis Titis memorati, adjecta passim sunt excerpta nonnuUa ex
aliis Sardia scriptoribus, a vitarnm per Sertonium collectarum
coipore prorsus aliena.
De hoc codice videnda quae primus tradidi in BoUeäino Archeo^
logico Sardo, VoL X {1864), pag. 99; tum quae Martini, Appendiee
alla Baccolta deüe Pergamene ecc, d^Arborea^ pag, 3e seguenti*
£nm examini yestro commendat rerum quae exbibet novitas
et gravitas, et ipsarum veritas detectis longo demum tempore post
scriptum codicem monumentis confirmata.
rV. Codex chartaceus ejusdem aetatis, foliornm 24, integer;
quo exbibetar Contio habita ab oratoribus qnarnmdam Sardiniae
civitatnm coram Stephano novo Praeside, imperante ConstantinopoU
Constantino Pogonato; adjectae sunt, et praecipuam codicis partem
constituunt, amplae ac maximi ad historiam momenti Notae seu
ezplanationes, Severino adscriptae, Garalitano, monacho et trivii
magistro; cujus inter Chartas Arboreenses snperest etiam breve
Chronicon eorum, quae memorabilia in Sardinia acciderunt ab
anno DCCLXXVIII ad annum DCCCXIII, quod editum primum,
uti et haec ipsa Contio cum suis Adnotationibus, a Salvatore De
Castro fiVtfort Codici d'Arbarea, ptd^lieoH dal Canonieo cav. Sahator
Angdo De- Castro; Cagliari, 1860, pag, 59 — 79), et denuo a Petro
70 Sitzung der philosophisch-histarisehen Kla$S€
Martini, Pergamene eec. d*Ärborea, pag, 244 — 2öl, De hoc codice
▼idendus Martini, Pergamene ece., pag. 221 e seguenti,
y. Codex chartacens, ejusdem aetatis, foliorum item 24; atrom
integer sit an fine matilns, affinnare non ansim; Tide qnae hac de
re tradidi in Commentatione Di Oherärdo da Flrenz€ «ec., §. iö,
sah finem. Deecriptum videre est apnd Martini, Äppendice aUü
Baeeolta delle Pergamene eee., pag, 138 eegg,; et a memet ipso in
Commentatione Dt Oherardo da Firenze eec.^ §, 11 — lö, Exhibet
excerpta carmina poetsmm saecnli XII Brani de Thoro Caralitani,
et Aldobrandi Senenms, tum breve fragmentum Oherardi Florentini;
demum quaedam carmina Sardoa ejusdem Bruni. Ex his maximam
partem nnns hie codex aerravit; sunt tarnen quaedam Bruni, quae
prostant etiam in membrana Arboreensi auctori coaeva (judicio
etiam Caroli Milanesi, Palaeographiae olim Professoris, quem ea
potissimum inspecta moTit, ut de sinceritate harum reliquiaram
nascentis tnnc italicae linguae omnem dubitationem abjiceret), de
qua videndus Martini, Pergamene «cc, 130 segg,^ et Äppendice alla
Baeeolta eec, pag. 149 — 163; tum Yesme, Di Oherardo ece.^ §, 21;
ac praeterea, ut supra monuimus, quinque stantiae cantionis Brani
ad Pretiosam leguntur in membrana saecuii XIII, quam supra
descripsi snb nnmero II. At praeterea carminum Aldobrandi
Senensis qnae hoc codice habentur pars servata est duplici alio
manoscripto codice, sapparis aetatis, Florentino altero, aitero Senensi,
«trisqne ex Panormo transmissis. Senensis codicis Berolinum misi
paginam photographice expressam. Et sane Aldobrandi nomen
et aetas primum innotuere non e chartis Arboreensibus, aed per
Adolphum Bartoli e codice Florentino; sed tum invento fides non
■tetit. Qua de re videodi Martini, Äppendice atla Baeeolta delU
Pergamene ecc.y pag, 142 — 144; et Yesme Di Oherardo da Firenze
eecy §• 3,
VI. Ejusdem ferme aetatis folia nndecim, quornm duo dimidiata
(panca praeterea alla adhnc sunt apnd inventores) avnlsa e codice
item chartaceo; quorum prioribus continentur carmina italica, ceteris
Sardoa carmina: illa quidem saecuii XII, Bruni et Gberardi; baec
vero diversorum poetarum et aetatnm. Egl de hoc manuscripto
codice in Commentatione Di Oherardo da Firenze eec., §, 16 et 75^
tum in Nuove Noiizie intomo a Oherardo ecc, Si pcrpanca excipia»
quae ipse edidi, ea quae his foliis continentur nondum in lucem
prodierunt; imo carmina italica, ob scripturae difficultatem, nondum
vom 3L Januar 1870, 71
exscripta sunt. E Sardois carminibus nonnuUa sunt codici ipsi
coaeva, et ea quidem tum niaximi momenti ad historiam Sardiniae
illoBtrandam, tum ad hanc ipsam qaaestionem de chartarum Arbore-
60810111 origine et sinceritate.
Nobis Italis rix quidpiam m^jas et insperatias in re litteraria
accidere poterat, quam ut Italic! acriptores in lucem prodirent,
tum ÜB qni pro antiquissimia in hanc diem habiti sunt, integro
saeculo antiqniores, tum non uno respectu praestantiores. Hino
quam via nunc Italonim plerique aut otio torpentes (pndet dicere!)
ant alÜB districti curia bona atudia passim negligant, non defuere
tarnen, qni magni momenti quaestionem agitarent. Inter eoa qui,
reteris noatrae italicae linguae studio insignes^ inspectis codicibus,
et poeaibna perpenaia, earum sinceritatem propugnarunt, principem
procul dubio locum tenet Caesar Guasti, in Archivio Centrali
Florentino a supremo Rectore Francisco Bonaini secundus, Aca-
demiae quam della Crusca vocant Socius, et editis operibus de
antiqnis nostria scriptoribus clarus; cujus sententiae accessere plures
docti Tiriy inter qnos memorasse sufficiat Fransciscum Zambrini,
BoDoniensem, et Lucianum Banchl, Senensem. Adhuc aversantur
nonnolli, inter quos insignis sane vir Alexander D*Ancona, Ante-
cessor Pisis, et Adolfns Borgognoni, Ravennae; neque id mirum;
nee enim quae teneris ab unguiculis quispiam didicit ac pro veris
et certissimis habuit, facile rejiciat, ut novis atque ob id ipsum
SQSpectis fidem accommodet. Quibus vero nitantur argumentis,
qoi inter Italos antiquissimorum carmrnum quae nuper in lucem
prodierunt sinceritatem respuunt, et quaenam illis de origine ac
aetate chartarum Arboreensium, tum codicum Florentini et Senensis,
sententia ait, nee ipsi nee alius quispiam adhuc prodidit; omnes
tarnen fatentur, non hujusmodi esse quaestionem quae silentio et
contemptn solvi possit, quo uno litterariae fraudes plerumque
corruunt, sed validis argumentis et diligenti ipsorum monumentorum
ezamine. — Mihi ea sententia est, praeter rei novitatem et ipsam,
si ita loqui faa sit, ejus molem, nullum alicigus momenti argumentum
contra harnm chartarum fidem et antiquitatem posse afferri; sed
ob hanc ipsam rei novitatem et inventi praestantiam non defuturos
e coaeris nostris, qui in eis rejiciendis aut saltem pro dubiis
habendia perdurent, vel si, ut mihi fert animus, earum sinceritas
Academiae vestrae et aliorum qui eas perpenderint doctorum Tirorum
jadicio firmetnr; tanta est longae et inveteratae opinionis vis, et
72 Sitzung der philoßophiBeh-^histarigchen Klasie
inutandae sententiae difficaltas! Credent et recipient, nailo jani
adversanie, filii nostri; et temporis lapsu, qui fraudes et sparia
monamenta qnamplorima in dies contemptui et oblivioni tradit,
sinceris hisce veritas fidem adstruet, ac, qnem in re nova ac naper
inaadita frostra sperea^ diu cognita copsensam faciet.
Sed antequam longae hnic epistolae finem faciam, nnam hoc
monitos adhnc velim te et reliqnos yestrae Academiae Socioa: me,
chartamm Arboreensium sinceritatem propugnantem, de sola palaeo-
graphica earam fide loqni. Renun quae chartis ipsis exhibentur
auctoritas longiore dispntatione tractanda est tune demam, cam
ipsa mannscriptoram sinceritas sit extra dnbitationem posita; et
de singalis quae in iis libris narrantar, non de tota simul, tum
aetate, tom origine, tom ipsa renim indole handqaaqnam pari»
chartarom Arboreensium congerie ferendum erit Judicium.
Scribebam Tanrini, pridie nonas norembres, anno MDCCCLXIX.
Die Unterzeichneten fanden es angemessen, die HH. Alfred
Dove, Philipp Jaff6 und Adolf Tobler Um ihre Mitwirkung
bei der Prüfung der Handschriften su ersuchen, die demgemäfs
bereitwillig gewährt ward.
Die paläographische Untersuchung erschien der Commission
als die hauptsfichlicbe, insbesondere deshalb, weil die Yertheidiger
der Fragmente sich stets vorzugsweise auf die Autopsie der Ori*
ginale gestützt hatten und weil ja überhaupt die Intervention der
Akademie zunächst für diese Prüfung angerufen worden war, da
über die anderen einschlagenden Fragen auch auf Grund der Mar-
tini'schen Publication hin jeder Sachverständige im Stande war zu
urtheilen. Das unter A angeschlossene Outachten des Hrn. Jaffe
erledigt diese Frage in definitiver Weise, indem es in den ersten
14 Zeilen der oben mit II. und den ersten zwei Seiten der
oben mit III. bezeichneten Handschrift eine wohl selbst im Ge-
biet der Fälschungen bisher unerhörte Reihe von paläographi»
sehen Unmöglichkeiten aufweist Die Commission hielt es für
angemessen die förmliche Motivirung des Urtbeils auf diese wenigen
Abschnitte zu beschränken, da die Fortsetzung der gleichen undank-
baren Arbeit zu nichts geführt haben würde; während andererseits
die sämmtlichen Documente von Arborea sachlich in dem Grade
unter einander connex und correlat sind, dafs schon aus diesem
Grunde die nachgewiesene Fälschung eines derselben den Nach-
vom 3L Januar 1870. 73
weis für alle in sich tragt. Die Commission erkl&rt aber aos-
drücklieb, dafs unter aUen Stücken, die im Original oder in Ab-
bildong ihr vorgelegen haben, nicht ein einziges sich befindet^
dessen Echtheit irgend einem ihrer Mitglieder auch nar wahr-
scheinlich erschienen w&re, und dafs, nach der gewissenhaften
Überzengong der Unterzeichneten, die gesammte Masse der soge-
nannten Fragmente von Arborea, bei aller ihrer Verschiedenheit
unter einander, dennoch von einem Fälscher oder mindestens einer
Fälschergnippe angefertigt worden ist
Obwohl hiermit die Commission die ihr gestellte Aufgabe zunächst
als erfüllt ansah, erschien es ihr doch angemessen, die Prüfung
nicht auf die Paläographie der Documente zn beschränken, sondern
die naheliegende Frage, wie die Documente von Arborea in sprach-
licher wie in sachlicher Hinsicht zu den sonstigen wissenschaftlich
gesicherten Thatsachen sich verhalten, wenigstens in einer Anzahl
von Beispielen zu erörtern. Denn es leuchtet ein, dafs diese
mannichfaltigen und inhaltreichen Urkunden durch die BeschafTen-
heit des in ihnen gebrauchten Lateinischen und Altitalieniscben,
durch ihr Verhältnifs zu dem, was anderweitig über die altere und
neuere Geschichte der Insel Sardinien und Italiens überhaupt fest-
steht, ebenso sehr, wenn sie echt waren, vielfältige und deutliche
Beweise der Echtheit in sich tragen mufsten, wie im umgekehrten
Fall ebenso vielfältige und ebenso deutliche Beweise der Unecht-
heit Aus diesen Erwägungen sind die weiteren, diesem Bericht
unter B. C. D beigefugten Specialuntersuchungen hervorgegangen.
Sie haben, jede unabhängig angestellt, durchaus zu demselben
Ergebnifs gefuhrt wie die paläographische des Hrn. Jaffe: so-
wohl diejenige des Hrn. Adolf Tobler über die in dem Alt-
italienischen dieser Documente auftretenden sprachlichen Eigen-
thümlichkeiten (Anl. B), wie diejenige des Hrn. Alfred Dove
über das Verhältnifs derselben zu den gesicherten Thatsachen
der mittelalterlichen Geschichte (Anlage G), wie endlich die-
jenige des mttunterzeichneten Hrn. Mommscn über die von dem
Urheber dieser Documente mitgetheilteu oder benutzten romischen
Inschriften (Anl. D). Alle diese Untersuchungen ergaben zugleich
sichere Anzeichen dafür, dafs hier eine Fälschung neuesten Datums
vorliegt, angefertigt mit Benutzung von Büchern und Inschriften,
die erst in den letzten Decennien veröffentlicht worden sind.
Das Ergebnifs der Untersuchung ist also dahin zusammen zu
74 Sitzung der philosaphisck-hUtarisehsn Klasse
ihBBen^ dafe die sftmmtlichen unter dem Namen der Documenle
von Arborea pablicirten Urkunden falsch sind und dafs gegen die-
selben, ebenso "wie gegen die ligorischen Inschriften oder die
simonideischen Handschriften, die Vertreter des ganzen einschlagen*
den philologisch - historischen Forschungsgebiets gleichmäfsig Ein-
spruch erheben. Haupt. Mommsen.
Anlage A.
Von den zahlreichen, in Arborea zum Vorschein gekommenen
und zumeist durch Pietro Martini stattlich edirten Handschriften,
deren Echtheit aus inneren Gründen angefochten und aus änÜBeren
in Schutz genommen wird, haben mir zur Prüfung ihres pal&ogra-
phischen Charakters im Ganzen sieben Stucke vorgelegen: zirei
Membranen (eine gröfsere und eine kleinere) und fünf Papier-
codices.
Eine vorläufige Betrachtung zeigte, dafs die Schriftart der
gröfsem Membran') dem 13ten Jahrhundert angehört und, indem
ich an der kleinem'), die einen Palimpsest darstellt, die primäre
— in jüngerer romischer Cursive gehaltene — Schrift aufser Acht
liefs, dafs ebensowohl ihre secundären Züge wie die Formen der
übrigen Handschriften etwa dem löten Jahrhundert zuzurechnen seien.
Nachdem dann die Untersuchung, von der anfänglich verwir-
renden Mannigfaltigkeit der Stücke und ihrer Schriftsorten unbeirrt,
den Erzengnissen einzeln und mit schärferer Aufmerksamkeit sich
zugewandt hatte, gewährte ihr Gesammtergebnifs mir die volle
Überzeugung, dafs mit diesen Handschriften der gelehrten Welt
ein Betrug gespielt worden ist.
Am augenfälligsten ist die Unechtheit in der scheinbar dem
13ten Jahrhundert angehörenden Schrift der grofsern, 104 Zeilen
enthaltenden Membran, von welcher auch ein Facsimile hier ein-
getroffen ist und deren Inhalt Pietro Martini herausgegeben hat,
Pergamene codici e fogli cartacei di Arborea p. 139 — 157.
Schon die Grundstriche der einzelnen Buchstaben verrathen
den modernen Schreiber, der von der eigenthümlichen und unver-
'} Sic ist in dem oben abgedracktcn Brief Vesmes mit II bezeichnet.
*) Vesmes n. I.
vom 31. Januar 1870, 75
rockVaren Federhaltnng einer mittelalterliGhen Hand keine sichere
Eenntnifd besafs. Sie entbehren daher der Gleichmfifsigkeit nicht
allein in Terscbiedenen Bnchstaben, sondern verlaufen aach einzeln
genommen nngleichm&fsig. Hierdurch erhält das Document ein
böchst verdächtiges Aussehen, wie es unter gewissen Verhältnissen
aasreichen mufste, die Glaubwürdigkeit einer Urkunde zu er*
schottern.
Allein diese allgemeine Wahrnehmung — welche, für sich
hingestellt, naturlich Gegner gefunden hätte — wird noch von an-
deren Merkmalen mehr als unterstützt.
Bekanntermaisen ist der Gonsonant i im Mittelalter durch das-
selbe Zeichen sichtlich gemacht worden wie der Vocal t. Man
kannte zwar ein nach unten verlängertes t, jedoch nicht als Conso-
nanten, nicht als Jod. Der Fälscher aber vermag sich dieses mo-
dernen Buchstabens nicht zu erwehren, wie die folgenden Beispiele
zeigen, denen ich die Nummern der sie enthaltenden 2ieilen in
Klammem hinzufuge:
#
'hj9 = ^tit'tM (3. S4), juuenilij juvetiU (5), jaetabatur^ cl^'e-
cit (7)f jWtcem (8), major {lO)y jucunde (ll)^ jocunditatemy
CUJUS (18), jus (19), ejusque (24) u. s. w.
Entscheidender als diese un mittelalterliche Verwendung des
Jod fallen gegen den Schreiber seine Abbreviaturen ins Gewicht,
durch die wir belehrt werden, dafs er nicht einmal die Anfangs-
grunde der Faläographie inne hatte, s Schon die ersten 14 Zeilen
dieses umfassenden Stucks — auf die ich mich beschränken will —
gewähren in dieser Beziehung hinlängliche Frohen.
Das Jedem wohlbekannte unten durch strichene jp, das p ver-
wendet er zwar einigemal richtig für p«r, zugleich aber auch wider
alles Herkommen und wider die allgemeine Regel, dafs jeder Ab-
kürzung ein feststehender Werth zukommt, für prae^ pri^ prin^ pru
und pur.
1) für prae: peepta ss praeeepta (3); pditus = praeditus (omni
virtute) (6) ; pstans ss= praestana (5); pbedi = prae-
hendi (7).
2) für pri und prini pmus = primus (12); ppes ss principes (6).
3) für pru: pdetiam = prudeniiam (6).
4) für pur: expg^e =s expurgare (13).
76 Sitzung der philoiaphiach-historüchen Klasse
Ebenso i^enig hatte er eine Ahnung davon, dafs das uber-
A
strichene p, p oder p uriabfinderlich die Bedeutung prae hatte.
Ihm gilt es auch für 2^<^^9 P^ und pori
1) für pari pi ss= pari (3).
2) für j;er: psöa = persona (3); recupavit = recuperavit (3);
despans = desperans (5); opa = opera (6); exctpunt
= exceperunt (6).
3) für jpor: /ept^« = leporibus (ll).
Er verwendet zum Überstreichen des p eine nach unten ge-
öffnete Schleife. Eine Bildung, die ihm noch wider allen und je-
den Brauch in vielen anderen Fällen hilft. Denn die übergesetzte
Schleife heifst ihm ar^ er, tr, or^ ori^ ra, re, ri^ ro und ur,
1) ar: c^mibs == carminibus (4); bHar9 = barbarus (14).
2) eri smoe = sermone (l); ^enosa s=s generosa (2); |)ai s= jja-
^^r (2).
3) tr : ttft(te =: viriute (6).
4) or: rob^ati a= roftorati (2); /aft*M = labores (2); m^em =
• mortem (5); exnar« a=s exomare (5); ^*f6» ac /e;pt6< ==
floribus ac leporibus (ll).
5) on : memam = memoriam (4).
6) ra: mtAri = mtrart (l); ^uta = gravia (2)j §to s=s grata (3);
m« = trans (6); /fer ssfrater (7).
A A
7) r«: tnsftavit = iransfretavit (6).
A ji
8) rt: |?aiä = patriam (l); p9 = j)rtiw (U).
A
9) ro: co^nam == coronam (l); intduci = introduci (5).
10) ur: expositus = expositurus (4); can/ = cwran^ (13).
Wie nc nunc heifst und t? tunc, so wurde für hunc im Mittel-
alter hc geschrieben. Jedem, der schreiben gelernt hatte, war
diese Kategorie gelfiufig. Der Falsarius kennt sie so wenig, dafs
er hc einige Male für haec setzt (3. 4) , dann wieder für hac (7)
und drittens für hoc (lO). Dagegen erfand er sich für hunc eine
eigene Abkürzung, die im Mittelalter Niemand kannte: ^^e (9. 12).
vom 3L Januar 1870, 77
Mit diesen Beispielen ist die Fluth palltographisehen Wider-
anDS, der schon die erw&hnten ersten 14 Zeilen des Schriftstücks
überströmt, lange nicht erschöpft. Da kommen noch Abbreviata«
rea vor wie: mM ss mihi (l. 3); ^t s» tibi (4. 9); maga s= magna (3);
ft = praeter (4); pst == post (5); quü «= quum (l. 2); aUq =» a/t-
^d(l}; glriam ^=s gloriam (4) und vieles Andere noch, das dio
Unwissenheit des Schrdbers anf Schritt und Tritt £o erkennen
giebt.
Nachdem die ganze Armseligkeit des Unternehmens an dem
einen Stuck zur Evidenz gelangt war, erstaunte ich nicht, als in
der einen Papierhandschrift ^) (edirt von Martini, Appendice alla
raccolta delle pergamene, dei codici e fogli cartacei di Arbor^
Csgliari 1865) genau derselbe Schreiber sich kundthat. Schon die
ersten zwei Seiten — die ich ausschliefslich berücksichtige — lehr-
ten das zur Genüge.
Da erscheint wieder jene vielbedeutende Schleife als ar^ er^
or^ roj rae, re.
1) als or: imla s= carmina\ h&b^e =3 harbare (vergleiche oben
Seite 76 ZeUe 13).
2) als er: pat = pater; integrima = integerrima; potu^unt = po-
tuerunt
3} als ar: memie = memorie,
A • A
4) als raz 9< «= contra; guati ss grav{Uii ilustuit ss iluetravit.
5) als ras und re: gco = graeco; /rat s=s/ratre.
Ein &hniicher Wirrwarr wie von der Schleife wird hier auch
Ton dem fiberschriebenen t erzeugt. Da heifst p wohl einmal rich-
tig pri aber auch schon zweimal auf der ersten Seite &st unglaub-
lieber Weise post; glo'osa heifst gloriosa; m'a = mira; m'acula ==
miracula; eafis = saiiris; cUsma = clarissima; piu'se = pluries.
Daneben wuchern auch hier allerorten noch besondere Selten-
heiten, wie eäa «s causa; süs =» suis; archppo =s archiepiscopo; mago
= magno; retuit =s retulit; esst =s esset; alis =» aliis; idm ss idem;
fidm =^fidem; eodm s= eadem; orbaim ss orbatam.
0 Vesmef n. III.
78 Sitzung der philoBophiich-historisehen Klasse
So wenig also jene Membran im ISten Jahrhundert beschrie-
ben worden ist, ebensowenig gebort diese Papierhandschrift ins
15 te Jahrhundert Das heifst, die Schiifistucke sind damals nicht
entstanden, als die Kunst zu lesen und zu schreiben gleicherweise
auf der EenntniDs der Abbreviatur beruhte wie auf der des Alpha-
bets. Sie sind Erzeugnisse einer Zeit, da — wie in unseren Ta-
gen — die Abkürzungen nicht mehr dem Lehrkreis der Schulen
angehorten, und stammen von einem Autodidakten, der von den
Gesetzen, die auf dem Felde der mittelalterlichen Abkürzungen
herrschen, sich falsche Begriffe gebildet hatte.
Schwerlich aber mit Erfolg dürfte man die Behauptung wa-
gen, in Sardinien sei das Schreibwesen so eigenthümlich entwickelt
worden, dafs in jenen Abbreviaturen sich nur ein besonderes, der
Insel ausschliefslich angehöriges System geltend mache ^). Denn
was wir da wahrnehmen, ist überhaupt nicht System sondern Con-
fusion.
Es ist nicht denkbar, dafs in den Sardinischen Schulen gelehrt
worden wäre, das unten durchstrichene p: p könne man setzen für
per^ praBf prin und pur, das überstrichene p : p dürfe benutzt wer*
den für prae, par, per, por, man könne eine und dieselbe Schleife
anwenden für ar, er, ir^ or, ort, ra, re, n, ro und ur u. s. w.
Eine solche Lehre würde ungefähr dieselbe Wirkung gehabt haben,
wie wenn gestattet worden wäre, dafs man das Schriftzeichen b
auch setzen dürfe für c, x, r, u und t und zu gleicher Zeit auch
den Buchstaben c zur Bezeichnung von d, /, g, k, l, m u. s. w.
Der Zweck des Schreibens ist, den Gedanken lesbar machen;
mit jenem Durcheinander von Abkürzungen wäre erreicht w^orden,
dafs der Sardinische Priester in einem aus Rom kommenden Mis-
sale sich nicht zurecht gefunden hätte, dafs ein Brief aus Arborea
in Pisa räthselhaft erschienen wäre, dafs in Sardinien weder eine
unzweideutige Rechtsurkunde aufgesetzt noch überhaupt von einem
Menschen des Nachbars Schrift sicher hätte verstanden werden
können. Diese Folge wäre eingetreten, wenn man — um einige
') Wenn aus einem nachträglich von Baudi de Vesme cingescliickten
Docnment erhellt, dafs in sardinischen SchriftstOcken des 16. und 17. Jahr-
hunderts das j als Consonant auftritt, so beweist dies nur, dafs mau in Sar-
dinien an der allgemeinen Entwicklang der Schrift theiJgenommen hat; denn
in jenen Jahrhunderten war der Buchstabe überall in Geltung.
vom 3L Januar 1870. 79
Beispiele sn geben — beim Schreiben nicht nnterschieden hätte
pareoy praeeo und poreo; prtui und punu; prineept and praeeep$i
jwriio ond pretio; pirmitiere und praemiUere; pergere und purgare;
carmmis, crhninU und cur minis\ dare^ dire^ dure und de re; IVo«
iamu, TraianuSy Hirianus^ ter lanue und tori anue; flore^ flare und
ßere; Jrater, fratri und fratre u. b. w.
Nicht die eigenen Stfidtenamen Sardiniens hfitte man bei aol-
cbem Schreiben vor Mifsdeutungen bewahrt Denn ^b^ea hätte al-
lerdings gelesen werden können Ärborea^ aber auch orba rea^ ro"
Q
horeüj robur ea und urbi rea» Und ealie konnte man zwar lesen:
Caraliij zugleich jedoch auch cera lis^ cura lie^ eoralie. Ebenso
konnte trie heifsen Turrie^ aber auch terrie und torrie.
Welcher Sardinier aber wird zugeben wollen, seine Vorfahren
Beien so thoricht gewesen^ wie zu eigener Verunehrung eine beson-
dere Methode zu erfinden und zu üben, vermittelst deren man sdus
beliebig lesen konnte: Sardus oder surdus; ahsdis: ab Sardis oder
abiurdis; sdi: Sardi oder sordi; sdidtuini: Sardi divini oder aor^
didi ütnt; sdi dati: Sardi dati oder aordidati? —
Zu den voranstehenden Bemerkungen sind die ersten 14 Zei-
len der einen Membran und die ersten zwei Seiten einer der Pa-
pierhandschriften herangezogen worden. Bedarf es noch eines Wei-
teren? Ware es nothig, für dasselbe Besultat auch aus den an-
deren hierhergelangten Handschriften die Beweise aufsahänfen, oder
gar alle übrigen Stucke zu durchforschen, die in den letzten
24 Jahren in Sardinien ans Tageslicht gebracht wurden, die in
der Bibliothek zu Cagliari aufbewahrt werden und die allesammt
80 harmonisch zusammenwirken, die Geschichte Sardiniens durch
Thatsachen, Helden und Dichter zu beleben, und zu gleicher Zeit
seine Literatur mit Inschriften, Annalen, Historien und Ges&ngen
zu bereichern?
Wurde es femer der Muhe lohnen, mit vielen Worten darzu-
stellen, was bei einer unmittelbaren Betrachtung mit wenigen Fin-
gerzeigen erwiesen werden kanb: in wie augenfällig artificieller
Weise das schmutzige Ansehen erzeugt ist, welches neben den er-
borgten Scbriftzugen die Bestimmung hat, die jungen Werke alt
erscheinen zu lassen? wie die Blätter ganz oder nur ihre Ränder
io mannigfache Flüssigkeiten eingetaucht, wie über groCsere und
kk'incre Partiecn fliefsender oder zäher Schmutz sei's ei^ossen, sei's
80 Sitzung der pkUosopkiseh-kUtariseheH Klas$e
angespritst« 8ei*8 auf- and niedergestrichen worden ist? Diese
Merkmale fogea m den paliogn^ihiachen Kriterien der Ffilschnng
nur noch einige sehr ialserliche Momente, die hier erwfihnt sa
haben genngen mag.
Philipp Jaffe.
Anlage B.
Dafs die romanischen Sprachen, in bewnfstem Unterschiede
von der lateinischen, schon in früherer Zeit bestanden haben als
diejenige ist, in welche die ältesten bis jetzt bekannten snsammen-
h&ngenden Denkm&ler hinaufreichen, wird Niemand bezweifeln, und
so ist denn auch nicht ohne Weiteres anf die Aussicht za verzichten,
es werde der Wissenschaft noch der eine oder andere Fund vor-
behalten sein, welcher altromanische Sprache noch vor dem 9. Jahr-
hundert, in mehr als ein Wort oder eine Phrase umfassender Aas-
dehnung durch die Schrift festgehalten, der Gegenwart zur Kennt-
nifo bringe. Dafs gerade die Insel Sardinien die Heimat solcher
Aufzeichnungen sein würde, war dagegen nicht eben wahrscheinlich;
wir erwarten sie eher ans denjenigen Theilen des romanischea
Gebietes, wo schon in früher 2^it die Volkssprache hinsichtlich
ihres lautlichen Verhaltens so bedeutende Verschiedenheit von der
lat Sprache der Kirche, des Gesetzes, der Schule zeigt, dafs das
VerstfindniCs dieser Letzteren dem Ungeschnlten nicht mehr zuza-
muthen ist; und erwarten sie zuletzt aus solchen Theilen des Ge-
bietes, deren Sprache noch heute, wie die sardinische Mundart es
thut, mit verhältnifsmafsig viel gröfserer Treue als die Schwester-
idiome an Sylbenzahl, vocaiischen und consonan^^hen Lauten der
lateinischen Wörter fest gehalten hat Diese Verhältnisse sind
freilich nicht das allein Entscheidende; es kommt dazu, dafs die
gesammte Cnlturlage, politische Ordnung, geistige Bildung u. s. w.
Aufzeichnungen in der Landessprache begünstigen, und dafs anderer-
seits die Erhaltung des Niedei^eschriebenen durch eine gewisse StS-
tigkeit der Interessen erleichtert werde. Auch in dieser Beziehung
schien Sardinien zum mindesten in nicht günstigerer Lage als irgend
ein Theil des romanischen Gebietes, die DonaofurstenthQm^ etwa
ausgenommen.
wm 31. Januar 1870. 81
Indefs liegen nun einmal Deokmfiler der besprochenen Art
TOD sardiniBcher Herkunft vor; allerdings nicht blofs solche, die
ober alle bis jetzt bekannten romanischen Anikdchnungen hinauf-
steigen, sondern auch, aber nicht weniger erwünscht, solche, die
blofs for die Geschichte der italiänischen Literatur und Sprache
von Bedeutung sind; aber von nicht geringer; denn ganxe Johr-
hooderte literarischer Verw^ddung sowohl der itali&nischen Sprache
als der sardinischen Mundart, kunstliebende Fürsten, dichterisch
tbätige Kreise sind der Forschung gewonnen, und, was Italien be-
sonders erfreuen mnfs, dieses älteste literarische Treiben ist gleich-
zettig mit dem der Frorenzalen oder reicht über dasselbe hinauf^ und
da die zahlreichen biographischen Notizen, welche die Denkmäler
begleiten, keinerlei Hinweisung auf provenzaliscbe Vorbilder enthalten,
so ist der italiänischen Dichtung einheimischer Ur^rung erwiesen.
Aber gerade die Massenhaftigkeit und das Gewicht des so
plötzlich und so durchaus unvermuthet Gefundenen erregt Besorg-
nifs and mahnt, zu untersuchen, ob die Ächtheit der Denkmäler
anzanehmen sei, oder ob man in den sämmtlichen Schriftstücken
ein Werk der Fälschung zu sehen habe. Im Folgenden soll dar-
gelegt werden, was dem Unterzeichneten die Denkmäler hinsicht-
lich der in denselben vorliegenden Sprache und ihres Inhaltes, so-
weit er die Literaturgeschichte interessirt, als u nacht erscheinen
U&t — Was die Herkunft derselben betrifft, so mag hier zuerst
der Umstand berührt werden, dafs der ganze Schatz, so sehr ge-
wisse Theile desselben literarisches Eigenthum der Halbinsel sind
und in Toscana bekannt gewesen und gelesen worden sein mussten,
in dem Einen Arborea gehoben ist, mit alleiniger Ausnahme einiger
(4) Blätter, die im Florentiner Staatsarchiv liegen und über deren
früheren Standort nichts mitgetheilt wird; denn ein zweites, in
Siena befindliches Manuscript von 22 Blättern, kann nicht in Be-
tracht kommen, da es erst 1862 durch Schenkung eines anonjm
gebliebenen Palermitaners dahin gekommen ist. Auch der That-
sache ist gleich hier zu gedenken, dafs die Doeumente zum gröfsten
Theile im Allgemeinen den Chairakter der Schrift des 15. Jahr-
hunderts zeigen, während sie im 12. oder im 18. Jahrhundert ver-
fafst sein sollen, und dafs schwerlich ein einziger Abschreiber des
15. Jahrh. der Urheber der für das Werk einer unverstellten Hand
noter sich doch allzu verschiedenen Züge auf sehr mannigfach
markirtem Papiere ist. Es würde dieser Umstand auf ein in jener
[1870] 6
82 Sitzung der philosophi$ch*lii8torischen Klasse
Zfiit rege gewordenes Interesse (mindestens Eines Sammlers, wahr-
scheinlich aber verschiedener Liebhuber) für die iltesten litera-
rischen Denkm&ier der engeren und der weiteren Heimat hin-
weisen, welches mit der Thatsache der vollständigen YerschoUen-
heit jener Schriften sich nicht leicht vereinigen lafst Insbesondre
ist schwer zu begreifen die Art, wie der Hirtenbrief eines Bischofs
in sardinischer Prosa vom Jahre 740 auf ans gekommen sein soll:
dieses Document (Pergam. 184) von keineswegs sehr wichtigem
Inhalte — ein Bischof ermahnt seinen Clerus und vielleicht auch
die Laien seines Sprengeis zum Beharren im Glauben und nennt
am SchluXs ein paar Pr&laten, mit denen er in nächster Zeit
kommen werde um seinen Bruder zu weihen, wegen dea Todes
des Felix, der in einem Kriege erfolgt sei, darin 1500 Sarazenen
und 80 Sarden in Einer Nacht den Tod gefanden hätten — war
schon zur Zeit des, judex Saltaro, dessen Regierung 1079 begonnen
haben soll, in dem nämlichen trostlosen Zustande, in welchem es
jetzt vorliegt, d. h. so voller Lücken, daXs es weder irgend wem
zur Erbauung gereichen, noch als Beweismittel in irgend welchen
Bechtsfällen dienen konnte; gleichwohl liefs Saltaro es auf Fol.
167 einer Actensammlung eintragen, die er veranstaltet hatte, und
sein Notar fugte der Abschrift ein Zeugnifs bei des Inhaltes, das
Original habe sich in einem solchen Zustande der Zernagung be-
funden, dafs nichts als das abschriftlich Mitgetheilte ihm zu ent-
nehmen gewesen sei. Die Lücken der Abschrift zeigten verschie-
dene Länge» ohne Zweifel in genauer Wiedergabe der Vorlage.
Jene Actensammlung kam im 14. Jahrhundert in die Hände eines
Torbeno, der seinem Halbbruder, dem judex Mariano IV, von der-
selben eine sehr genaue Beschreibung nebst Auszügen lieferte, die
Foliozahlen zu jedem Stücke angab, die Lücken bezeichnete und
dabei eine Sorgfalt aq den Tag legte, die zwar ihm alle Chre
macht, die aber in diesem Falle ebenso wenig zu begreifen ist,
wie das Interesse, welches die ganze Mittheilung für Mariano
haben konnte. Seinen Brief copirte 1385 ein Unbekannter ana un-
bekannten Gründen, und diese Abschrift ist in Arborea gefanden;
es ist eine Handschriftbeschreibung^ wie man sie heutzutage etwa
in einer gelehrten Zeitschrift zum Abdrucke bringt.
Nicht minder unglaublichen Umständen verdanken wir die
Erhaltung einer Reihe altitaliänischer Sprachproben, (Append. 115),
welche an Vollständigkeit für die verschiedenen Jahrhundertc und
fxm 3L Januar 1870. 83
an genauer Datirung der einzelnen Bcstandlheile wenig zq wOn-
scheo l&fst Im Jahre 1271 wurde ein sardiniseher Kaufmann von
einem Rumer seiner Sprache wegen angegriffen; da er sich dem
Gegner nicht gewachsen fühlte, wandte er sich an einen gelehrten
Landsmann, Comita de Orru, und der setzte fGr ihn eine Denk-
sebrift auf, deren Inhalt sich der OekrSnkte nur einenprfigen
brauchte, um Argumente in Menge zur VerfGgung zu haben, welche
geeignet waren, den Romer zur Achtung vor der sardinischen
Sprache zu zwingen. Comita brauchte sich das Material für seine
Schrift nicht erst zn sammeln; ihm lag, von dem Neffen des Ver-
fassers geborgt, ein leider seither verschwundenes Werk vor, das
alles Nöthige in bester Ordnung und Vollständigkeit bot, die „Ge-
schichte der sardinischen Sprache*^ von Giorgio von Lacon (geb.
1177, gest. 1267). Unter diesem Titel (historia de ssa lingua sar-
desca) hatte der gelehrte Verfasser der ebenfalls noch nicht wieder
gefundenen „Mater Sardinia cognita^ ein Werk geschrieben, in wel-
chem er, gestützt auf zahlreiche selbstgesanimelte sprachgeschicht-
licbe Documente, Inschriften, Briefe, Gedichte u. s. w. und auf
Beobachtungen, die er, zu diesem Zwecke kostspielige Reisen
nicht scheuend, in Italien, Frankreich und Spanien gemacht hatte,
Ober die Identität der sardinischen Sprache mit der rustiken Sprache
der Römer und über ihr Verhfiltnifs zur itali&nischen, spanischen,
französischen und provenzidischen allen wünschbaren Äufschlufs gab.
Ans dieser Fundgrube zog Comita soviel ihm nothwendig schien, und
da auch von seiner Denkschrift im 15. Jahrhundert eine Copie an-
gefertigt wurde, die nach Arborea gelangt ist, so besitzen nun auch
wir nicht blofs den Kern von Giorgio's spracbgeschichtlichem Wissen,
ivelches Martini den Ausruf thun läfst: Bello ravvicinamento delle epi-
nioni d'un dottissimo Sardo del XIII secolo con quelle dei grandi filo-
logi del XIXI, sondern auch wenigstens einen Theil der von ihm ge-
sammelten Materialien. So viel als Beispiel, auf wie wnnderli€Hen
Wegen die alten Sprach proben zu uns gelangt sein sollen.
Fassen wir nun die Sprache der ältesten aus Arborea gewon
nenen Denkmäler ins Auge, so befremdet bei fast allen die geringe
Verschiedenheit des Sprach zustandes von demjenigen, welcher in
den früher bekannten ältesten Denkmälern, die doch um Jahrhun-
derte jünger sind, sich kund gibt. Nirgends z. B. zeigt sich die
geringste Spur einer Unterscheidung des Nominativs der Nomina
6»
84 Sitzung der philosophisch-histarüchen Klaste
vom Casus obliques in den sardinischen Denkmfilem des 8. Jahr-
hunderts, wfthrend die beiden romanischen Sprachen Galliens bis
ins 14. Jahrhundert diesen Rest der lat Nominalflexion festge-
halten haben; und doch wäre gerade im Sardinischen, welches das
auslaut. 8 sonst duldet und in der Verbalflexion bis auf den heu-
tigen Tag aufweist, ein ähnliches Festhalten am lat. Vorbilde
durch kein lautliches Hindernifs unmöglich gemacht worden, wie
etwa im Italiänischen. Spuren der Erhaltung des auslaut. m in
tonlosen Endungen zeigen sich freilich in dem Liebeslicde des
Schäfers Gitilinus vom Jahre 800 (Pergam. 466); aber einmal er-
scheint dieses m in zahlreichen Wörtern des nämlichen Denkmals,
welche es nach Analogie ebenfalls haben mussten, nicht, so dafs
man annehmen muls, es danke sein Vorkommen in einzelnen Fällen
nur einer Gewohnung des Schreibers an lat. Texte, um so mehr,
als der früher erwähnte Hirtenbrief von 740 dasselbe auch nicht
kennt; sodann ist gerade das auslautende m derjenige lateinische
Laut, der in tonlosen Sylben in keiner romanischen Sprache eine
Spur hinterlassen hat. Dafs vielfach ipsu geschrieben ist, hat
ebenfalls kein Gewicht, denn die Formen mit assimilittem p und
die gekürzten ohne t, wie sie die Mundart Sardiniens jetzt ver
wendet^ stehn überall gleichberechtigt daneben. In einer Beziehung
stehn die ältesten sardinischen Denkmäler aus Arborea der jetzigen
Mundart sogar näher als dasjenige, welches bisher für das älteste
gehalten wurde und dessen Ächtheit aufser Zweifel steht, die Sta-
tuten von Sassari aus dem Jahre 1316 (Hist. Patr. Monum. X).
Das alte Perfectum des Indicativs (1. conj. cantäi^ datiy dit; da-
neben andre, die lat. Formen getreu wiederholende Perfecta, wie
/echitj fuity deit u. dgl.) ist das in jenen Statuten allein vor-
kommende; von den in der gegenwärtigen Mundart dafür einge-
tretenen Formen cantesi, cantesti, cantesit; factesit und dgl. zeigt
sich dort noch keine Spur; aber gerade diese Formen treten nun
in den Pergamene als älteste auf, naresint im Hirtenbrief, moresit
ebenda; auch Comita de Orru in seiner linguistischen Denkschrift
von 1271 sagt cunservesity cantesit, ponesit und dgl. und schreibt
doch, wie er selbst sagt, die alte Mundart der Berggegenden
(App. 1 20) ; er untermischt dann allerdings diese Formen mit eitarit,
uBarity furit und dgl., w^che aber ebenfalls denen der Statuten an
Alterthümlichkeit nachstehn und nach Analogie der Pluralfonuen
auf arunt gebildet scheinen.
vom 31. Januar 1870. 85
Auch die neugefcmdenen Denkm&ler der eigentlichen itäliäni-
sehen Sprache, wie sie, in To8cana ursprünglich heimisch, von alten
Florentinern, Senesen, aber auch Genuesen und Sarden in literari^
fichen Werken verwendet erscheint, zeigen eine bei ihrem hohen Alter
überraschende Übereinstimmung mit denjenigen, welche man bisher
für die Ältesten gehalten hat Elaum eine Form findet sich, die
nicht bei Guittone ihre Parallele hätte. Der altit Conditionalis aof
ara^ era, ira (ruhend auf dem lat Plsqpf. Ind.^ dea man in neuster
Zeit bei Vincenso d'Alcamo und schon früher auch bei sahireichen
Dichtem ans anderen Gegenden Italiens nachgewiesen hat (Nan«
noociy Yerbi, 1843 p. 323), tritt hier sogar nur sehr selten auf. Auch
gewisse Worter, welche bei den altitalifinischen Dichtern aaffollen,
weil sie eine den ital. Lautgesetzen zuwiderlaufende Behandlung
der lat Laute zeigen, welche aber bei diesen notorischen Nach-
ahmern der provenzalischen Trobadors ihre Erklärung in dem Um-
stände finden, dafs die Nachahmung des dichterischen Yer&hrens
eines fremden Volkes auch in der Einführung nicht nationaler Worter
sich kund zu geben pflegt, begegnen schon bei dem neuentdeckten
alten Gherardo da Firenze und seinen Schülern, die mit den alte-
sten Trobadors gleichzeitig gelebt haben und bei denen sonst
keinerlei Bekanntschaft mit provenzalischer Dichtung bezeugt ist;
sie brauchen lausor^ zambra^ eiera, bealiate (pr. latuor^ fz. ifhambre,
chere., beautS) u. dgl., welche alle nur im prov* und im franzos.
Sprachgebiete heimisch, in Italien nur Fremdworter sein können.
Hier und da erscheinen dogegen allerdings Worter, welche sonst
noch kein romanisches Denkmal aufgewiesen hat und die man
daher unter die von der Volkssprache früh aufgegebenen zu zählen
gewohnt gewesen ist; so ore der Mund, more die Sitte, (dieses
wenigstens im Französischen seit lange, aber nur im Plural, vor«
banden); conquerere sich beklagen, (dieses allen romanischen Spra-
chen unbekannt und schon darum nicht recht passend, weil conqueri
oder romanisch conquireTe mit con-quasrere^t das aufser Italien an die
Stelle ¥on eonqwrere trat, zusammenfallen musste); andere wagen
(ebenfalls überall aufgegeben, vermuthlich, weil es von audire sich
kaum unterschied, und durch aueare ersetzt). Die beiden letzt-
genannten Wörter hat man freilich auch an je einer Stelle des
Gnittone gefunden; aber diejenige, wo das Erstere vorzukommen
scheinen möchte, ist kaum zu verstehn, immer aber noch eher,
wenn man concherere gleich dem fz. conquSrir oder prov. conquerer
86 Sitzung der philoBopkiseh-hietoriBchen Klasse
Betzi; diejesiige wo Guittone aude == andei rielleieht verwendet —
rcretandlich ist auch sie nklit — und die des O. Goinicelli , wel-
chem Guittone auf die nfimlichen Reiroe antwortet, und der es an-
zweifelhaft =S3 lat. audet verwendet, gehören uberkilnstlichen Reime-
reien an, deren Anlage einen Latinismofi erlaubt scheinen l&fst«
wfthrend die Pergamene (122) die Form in Prosa und im Munde
einer Amme vorführen.
Bei andern Wörtern erheben sich Bedenken anderer Art: da
begegnet z. B. oft plusor; das Wort ist allerdings altit. oft ver-
wendet, ni e aber anders als adjectivisch, wie das ihm entsprechende
prov. plusor und fz. plusieurs; hier nun steht es ohne Weiteres
wie das it Adverbium pm^ auch bei Verben. Sollte hier eine
zu sorglose Benutzung der Commentare zu altitaliänischen Dich-
tern, in welchen allerdings plusor durch pm erklärt werden oiufste.
da die itaL Sprache jetzt zur Wiedergabe des alten Adjectivs kein
anderes Wort mehr hat als dieses Adverbium, an einem Fälscher
sich riehen? Aehnlich scheint es sich mit ad es so zu verhalten.
Dieses Wort heifst altit. nicht blofs „jetzt ^, sondern, gleichwie
prov. und afe. ades^ g^nz gem&fs seiner Herkunft von ad ipsum^
auch „zugleich, alsbald" ; es ist daher mehrfach von Gommentatoren
mit ffOllora*' erklärt worden, so namentlich oft von Salvini zu
Guittone, (dessen Sprachgebrauch überhaupt dem Leser der arbor.
Denkmäler in Versen und in Prosa so oft in Erinnerung ge-
bracht wird). Nun zeigt sich aber mehrfach in den arbor. Denk-
mälern adesso da verwendet, wo zwar allora ganz gut stehen
wurde, adesso aber gar nicht gesagt werden kann, z. B. ni roi
rimarrd adesso (d. h. wann ihr einmal alt und verblüht sein wer-
det) lo voito eonforto u. s. f., Pergam. 120. — Cantö unapoesia ^ein
Gedicht^ lesen wir in einem Prosa -Roman, der dem 12. Jahrb.
angeboren soll (ebenda 122); barbaro wird ein Gärtner ebenda
genannt, der sich weigert, eine Blume herzugeben, so lange sie
noch frisch ist; dasselbe Prosa -Werk braucht in einer Weise, die
sicher nie statthaft gewesen ist, den Ausdruck misehiatamente
etwa für y^qua e id', in der Verbindung nämlich: „es wird Euch
dann keine Freude mehr gewähren di eorrere misckiatamenie in/ra
le zambre a vostri mirador* (zu Einer Person gesagt).
Auffallender noch sind einige Erscheinungen der Syntax der
arbor. Denkmäler: Es war bekannt, dafs Vergleichungssätze, die
sich an einen Comparativ, d. h. ein von piü oder tneno begleitetes
vom 3L Januar iS70. 87
Adjecli^ anschliefeen, des einleiCenden chs entrathOD, dafs iid gleich
mit dem non beginnen können, welches in solchen SlUen das
Verbnm zu begleiten pflegt (Dtez III, 384); es war nicht Auffal-
lend, wenn das Gleiche hinter den einfachen ComparatiTen (nuiggicrt^
minore^ pm, «n^ro, pegghre u. dgl.) sich zeigte, wenn z. B. Ouit-
tone I, 16 sagte: maggio (=s mqfus) ^ cofntnciare, ntm ^ Mguire^ oder
II, 98: tu paghi piü^ non fa quelle a. dgl.; aber dafs auch hinler
Adjectiven oder Adverbien im Positir gleich gestaltete Vergleiehungs*
Sätze in gleichem Sinne möglich seien, war b^her anerhört;
die Denkmaler von Arborea bevorzugen diese Gonstmction, von
der man nicht recht begreift, wie sie verstanden werden konnten
ia bocca pande (d. h. ai apre) a dolci e piaeenti eanti^ non furon
delle Sirene^ Pergam. 119; amador[i] forte allumati dai suoi raggiy
non fett vetro^ ebend.; la pelle (einer Fraa) piana e lueente^ non
e U piano del mare, u luna fere, 120 (auch stjl istisch bemerkens-
werth!), und so unzählige Male. — Es war bekannt, dafs auch
im Italiäniscben unter Umständen (ähnlich wie im Englischen) das
Relativpronomen entbehrlich ist, wie denn Guittone II, 37 sagt:
non vive aleun uomy dioeeee ehe in voi manca alcuna cosa u. dgl.,
ebenso, dafs die Alten blofses che (^*^ quod) brauchen, wo Jetzt cid
che gesagt werden mnfs; dafs man aber sowohl cid als ehe^ nicht
blofs das Relativpronomen, sondern auch das, worauf sich der
Relativsatz bezieht , streichen und dem Leser znmuthen kann,
gleichwohl zu verstehn, zeigen wohl ganz allein die Dichter von
Arborea; hier lesen wir: voi sta catun desia, und das heifst: in voi
iia cid che ciascun desidera^ 490b. Es werden nämlich auch
Präpositionen in fast unbeschränkter Ausdehnung nach Belieben
oder Bcdurfnifs gesetzt oder unterdrückt Da altfrz. und prav. der
Unterdrückung der Präposition a (z=: €td) vor einem Nomen, das
eine Person bezeichnet, nichts im Wege steht, wofern das Nomen
die Stellung eines lat. Dativobjectes einnimmt und nicht etwa
zar Bestimmung des Zieles dient, da femer auch altitaliänisch,
wenigstens beim betonten Personalpronomen, die nämliche Er-
scheinung vorkommt, wie der Herausgeber des Gaittone fast auf
jeder Seite seines Dichters besonders notirt, so kann das häufige
Vorkommen der nämlichen Unterdrückung der Präposition a in
den arbor. Denkmälern keinen Anstofs erregen. Man wird aber
sich schwer entschliefsen zu glauben, es sei zu irgend einer Zeit
möglich gewesen zu sagen: Poi legate stanno \\ Voi vertu statt
88 Sitzung der phHoBophiseh^histarisehen Klagte
UgUU a fxyt, Pergatn. 4910, oder: menan mta, m morenti fSr menan
a tfitOy ebend. 119, oder Tollends: prodezza di proe guerrier pugnaU
in ver Qnhono für prodezza di prode g. eolla quäle pugnaUj
ebend. 491a. Wer würde dergleichen je verstanden haben? Frei-
lich Gherardo aus Florenz, das Haupt der Dichterscbule, welcher wir
die Mehrsahl der poetischen Erseugnisse ans Arborea zuschreiben
sollen, muthet seinen Lesern, denn an Hörer kann da nicht gedacht
werden, ein Mafs des Scharfsinns cu, mit welchem ausgerüstet man
der Prfipositionen und der Relativpronomina nicht mehr bedurfte;
er erlaubt sich -— doch wohl in der Voraussetzung, irgend wer
werde ihn verstehn — Inversionen in der Art der folgenden:
Scolar neecierUe di mio sento putäo \\ Da te für
Neaciente di mio punto eento scolar da to, d. h.
^Ungewifs über mein Lebensende gedenke ich zu scheiden von dir/
Das Verstfindnifs auch dieser Stelle verdankt man Herrn Pillito.
Einige der Thatsachen, welche sich ans der Ächtheit der
Denkmfiler von Arborea ergeben wurden und sich für die Heraus-
geber auch wirklich ergeben haben, mögen zum Schlüsse noch
angefahrt sein, jedoch ohne dafs weitere Erörterungen daran ge-
knüpft werden.
Im 7. Jahrhundert hat der König Jaletus die Verwendung
der auf ipee beruhenden Formen des bestimmten Artikels in Sar-
dinien eingeführt, nachdem bis dahin (wie in den andern romani-
schen Landern) auf ille zurückgehende Formen in solcher Stellung
gebraucht worden waren.
Im 13. Jahrhundert arbeitet ein Sarde eine Geschichte seiner
Sprache aus, nachdem er, um sich dafür zu beffihigen, lange und
kostspielige Reisen auf dem Gontinente gemacht und Sprachdenk-
mäler gesammelt hat, die er unter Angabe des Jahres ihrer Ab-
fassung seinem Werke einverleibt; er spricht darin die Ansicht aus,
die italiftnische, die französische, die provenzalische und die spa-
nische Sprache seien mit der sardinischen Eines Ursprungs und
im Grunde Eins mit der römischen lingua ruatica.
Zu Anfang des 13. Jahrhunderts hat in Florenz eine Schule
der Kunstdichtung bestanden, aus welcher fruchtbare Dichter her-
vorgegangen sind; ein Sarde unter ihnen hat abwechselnd in der
Sprache seines Meisters und in derjenigen seiner Heimat gedichtet;
ein sehr gelehrter, d. h. mit dem Alterthum vertrauter Senese, der
vom 3i. Jmuar 1870. 89
ebenimllB der Schule aogebSrt, hat ffOmore exarsus ob 9uam Imguam
italieam^ und „earntma hHna spemetu^ sich ausscbliefslich der ital.
Dichtung gewidmet; namentlich er hat in formvollendeten, kunst-
reichen, an Kraft des Aasdrucks und Bedeutung der Gedanken bis
aaf Dante nicht erreichten Gedichten eine glühende Liebe zum
italiSBischen Gesammtrateriande, einen tiefen Schmerz über die
odii ver ciUadi germane niedergelegt, zur Verbrüderung gegenüber der
Fremdherrschaft aufgerufen. Weder von ihm jedoch, noch von der
ganzen Dichterschnle hat bis 1847 irgend ein Mensch das Geringste
gewufst mit Ausnahme jener Liebhaber des 15. Jahrhunderts,
welche schweigend abschrieben, was damals noch aufzutreiben war.
Es iBt namentlich Dante die Existenz jener Dichterschule durchaus
unbekannt geblieben, ihm, der so eifrig nach AUem forschte, was
an Kunstdichtung in romanischer Zunge vor ihm geschaffen wor-
den war, der das Gedicht des Yincenzo d*Alcaroo, der die Werke
der siciiischen Schule, die der bolognesischen Dichter, der die
Mundarten aller Landestheiie kannte und mit stolzer Freude hin-
wies auf die vor ihm oder neben ihm gemachten Versuche, eine
Sprache itali&nischer Kunstdichtung zu pflegen« Wenn indessen
Dante jener trefflichen Vorgänger nicht ausdrücklich gedenkt
und keine Stelle ihrer Werke anfuhrt, so soll er nach der Ansicht
der Heransgeber, welche sich die Beredsamkeit seines Schweigens
nicht zu verhehlen scheinen, dieselben doch im Sinne gehabt haben,
wenn er Vita Nova c. 25 sagt, weiter als 150 Jahre aufw&rts
könne man die Spur der Dichtung in lingua volgare nicht ver-
folgen. Da nun von den bisher bekannten ital. Gedichten keines
um 150 Jahre älter sei als die Vita Nova von 1291, so müsse Dante
beim Niederschreiben dieser Worte an jene altefite, erst jetzt wie-
der bekannt gewordene Dichterschule seiner Heimat gedacht haben.
Der Dante'sche Satz: not non troviamo cose dette anzi il preaerUe
tempo per CL anni^ darf jedoch nicht ohne seinen Vordersatz citirt
werden, welcher lautet: st volemo eercare in lingua d*oco e in
lingua di sl, und welcher ihm die ganze ihm zugeschriebene Be-
weiskraft nimmt.
Das Vorstehende durfte genügen, um die Verwerfung der
arbor. Denkmaler vom Standpunkte der Sprachbetrachtung und der
literar - historischen Erwägungen zu rechtfertigen. Dafs die Sar-
dinier sich in diesen Zeugnissen ihrer Cultur als ein Volk dar-
stellen, welches Interessen hegt, für die dem gesammten übrigen
90 Sitzung der philosopkiteh-historiächen Klasse
Abendlande in der n&mlicben Zeit jeder Sina abgeht, als ein Volk,
welches andererseits unberührt geblieben ist von dem, was die
übrigen Völker des Mittelalters erfQllt, dafs nii^ends eine naive
Anschaoung, vorherrschend moderne Gkdanken in künstlich unge-
lenkem Aasdruck sich darin wahrnehmen lassen, würde nicht
schwierig darzathnn sein, würde aber mehr Zeit und eine ausfuhr-
lichere Darlegung erheischen, als man solchem Gegenstande gern
zuwendet.
Adolf Tobler.
Anlage C.
Wenn es leicht erscheint, den Inhalt der sogenannten ^Perga-
mente und Papiere von Arborea^, was die Geschichte Sardiniens
im Mittelalter anlangt, als einen einzigen grofsen Anachronismus
zu erkennen, darch welchen der Insel ein vormaliger Kolturzustand
beigelegt wird, wie er selbst heute höchstens als Ziel patriotischer
Wunsche vorhanden ist, so fallt es doch schwer, die Brdichtungen
im Einzelnen als solche zu erweisen. An eigentlichen Urkunden
gebricht es in dem Funde; gleichzeitige, wohldatirtc, sich für
authentisch gebende Aufzeichnungen sind überhaupt selten; das
auswärtige Element der sardischen Geschichte, wo eine Kontrole
bald ausfuhrbar wfire, tritt völlig in Schatten gegen das einheimiseho.
Wer aber den bisher so lückenhaften Zustand des letzteren kennt«
wird einräumen^ dafs es einer positiven Gesammtdarstellung des
historisch Echten bedürfte, um das Falsche nachhaltig zu ver-
drangen. Zudem ist, wie Freund und Feind bekennen mufs, die
Stellung der Papiere von Arborea eine solche, dafs, wenn sie eine
Fälschung sind, dieselbe nur auf Grund von Manno's storia di
Sardegna und der früher schon bekannten, zum Theil aber erst
jetzt in Tola's Codex diplomaticus abgedruckten Urkundenschätzc
von Cagliari gemacht sein kann. Wie oft hebt nicht der fleifsige
und durchaus ehrlich für seine pergamene begeisterte Herausgeber
Pietro Martini die Übereinstimmung derselben sogar mit Manno*8
blofsen Vermutliungen freudig hervor I Meine Aufgabe soll es hier
sein, die Unechtheit der Documente, die ja bekanntlich mit einan-
der stehen und fallen, an einem auffallenden Beispiele darzuthun,
an einem andern aber den Grad der von dem Verfasser bei Be«
vorn 31. Januar 1870. 91
oatznng seiner modeniea Materialien angewandten Kritik aufzu-
sagen, leh greife in die Zeit der Saracenenkriege des 11. Jahr-
handerts, weil eben für diese neuerdings durch die Publicationen
Amari^s von arabischer und Bonaini's von pisanischer Seite her
oeoes, von Manno ungeahntes Lieht gewonnen ist.
Unter den auf die Saracenenkiimpfe nach dem Jahre 1000
bezuglichen Stücken macht, aufser der sardischen Marseillaise des
llfredico vom Jahre 1001, Anspruch auf Gleichzeitigkeit dem In-
halte nach nnr die Instruktion seines Bruders Umberto, Erzbischofs
von Gagliari, für seinen Gesandten nach Genua und Rom (Per^
gamene p. 475), ein um so interessanteres Document, als dadurch
beiläufig die Abstammung des Hauses Savoyen von den alten Kö-
nigen Italiens uns offenbart worden. Die Datirung desselben durch
Martini auf circa 1020 ist nach dem Gesammtinhalt der pergamene
unwiderleglich: es mufs den ersten Lustren des 11. Jahrhunderts
angehören; die Entzifferung der unerhörten Abbreviaturen durch
den gewandten Pillitu ist ebenso überzeugend wie überraschend.
Leider findet sich jedoch unter den wenigen filr Jedermann les-
baren Stellen der Passus: reliquis vero cönsulihua distincte salutem
die cum amoris vineulo, woraus sich gleichzeitig für das vorauf-
gehende Co. Balneum unzweifelhaft die Lösung eonsulem Bamerhtm
ei^ebt. Mit einem Worte: die Gonsularverfassung, deren Entstehung
in Genua bekanntlich in die letzten Jahre des 11. Jahrhunderts
fällt, ist hier um 70 Jahre vorausdatirt. Ich beziehe mich neben
dem 5. Abschnitt, Bd. II, von Hegel's Geschichte der Stfidtever-
fassung besonders auf die neuere Arbeit von Ad. Pawinski: n^^^
Entstehungsgeschichte des Consulats in den Communen Nord- und
Mittel -Italiens^ (Berlin 1867), wo gerade die genuesischen Ver-
bältnisse sorgfältig erörtert sind und insbesondere auch die Irr-
thumer Raggio's in den Anmerkungen zu den Statuta ConBulatus
von 1143 (M<m. Hist. Patr. Leg. Muncp, T. I, p. 254, 262, 263,
i^^9) ihre Erledigung fi.nden. Vielleicht hat eben der Vorgang
Raggio's unseren Schreiber von Arborea sicher gemacht; denn,
gab man einmal für 1039 Consuln in Genua zu, so kam es auf
20 Jahre früher auch nicht an; oder er folgte dem Beispiele des
Brevier. Puan. hütor. (Muratori SS. VI, p. 167), das ihm auch
sonst unverfänglich erschienen ist und das sich hier ebenfalls bei
der Anfuhrung pisanischer Consuln und des Bischofs Lambert
unter 1017 um 70 Jahre vergriffen hat.
92 Sitztmg der pküoiophiseh-hütarUchen Klasse
Wenn dies Beispiel ein falsani darthat, welches doch auch
dem 15« Jahrhundert zagesinrochen werden konnte, so wird die
folgende Kritik der Geschichte des Königs Mnseto, wie sie aus
den Papieren Ton Arborea hervorgeht, die Zdt ihrer Abfassung
nfiher bestimmen lassen. Ich befinde und befand mich hierbei fast
in völliger Übereinstimmung mit Amari, noch ehe seine trefiSiche
Darstellung zuerst in der Nuova Aniologia, Maggio 1866, erschien;
zugleich mache ich im Folgenden Gebrauch von brieflichen Mit-
tfaeilnogen des rühmlich bekannten Kenners pisanischer Geschichte,
Herrn Theodor Wüstenfeld in Gpttingen. Leider mxdB ich weit
ausholen, um zum Ziele zu treffen«
Dafs Fälschungen in der Geschichte Mogehid-ibn-Abd- Allah' s,
Herrn von Denis, des den Italienern als König Museto bekannten
Eroberers von Sardinien, schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts
sich finden, dafs sie nachher von Jahrhundert zu Jahrhundert in's
Enorme wachsen, ist natfirlich: seine Vertreibung von dort durch
Pisaner und Genuesen 1015 — 16 legte den Grund zu dem rivali-
sirenden Streben beider Communen nach der Herrschaft über die
Insel. Mit dem wachsenden Kampfe beider darüber mufiste patrio*
tische Tradition und patriotischer Betrug immer emsiger jene grund-
legende That auszuschmücken, deren Verdienst sich allein beizu-
messen, die vorwiegende oder ausschliefsliche Berechtigung der
Vaterstadt daraus abzuleiten suchen. Eine vei^leichende Betrach-
tung der pisanischen Quellen, wie sie erst jetzt durch Bonaini's
Editionen (Archiv, stör. VI.) möglich ist, thut das überzeugend dar.
Die ältesten beiden Quellen, Lorenzo Vernese^s Gedicht von
ec. 1114 und Marangone^s Chronik aus der zweiten Hfilfte des
12. Jahrhunderts sind durch eine weite Kluft von den späteren
getrennt. Jener schrieb über König Musetus gerade ein Jahrhun-
dert später aus mündlichen pisanischen und sardischen Traditionen ;
Marangone nahm seine Notizen für die ältere Zeit, wie sich auf
den ersten Blick ergiebt, aus älteren, vor 1135 verfafsten Auf-
zeichnangeu. Wer aber die Jahre 1004 — 1136 bei ihm mit den
bei Baiuze MiscelL I, 130 und bei Muratori VI, 107 abgedruckten
Chroniken vergleicht, wird gewifs mit Wüstenfeld, was sich dort
übereinstimmend über Pisa selbst für die Jahre bis 1099 findet^
auf gleichzeitige, authentische, überall pisanisch datirte, um 1099
abgeschlossene Aufzeichnungen zurückführen, welche dann mit einer
Reihe von Kaisern und irgend einer beneventanischeu Chronik in
vom 31. Januar 1870., 9d
eine Art Annalen verarbeitet, einmal von einem Kanonikus in Lucca
abgeschrieben und dort deponirt (daher Baliue), ein andermal in
Pisa selbst durch Notisen bis 1135 erweitert worden (daher Mara-
tori). Demnach dürfen wir also Marangone's Daten von 1004 — 99
als filteste, sicher dem 11. Jahrhundert selber angehörige Nach-
richten ansprechen.
Nun finden sich aber Lorenzo's Gedicht wie Marangone in
Bezog auf die beiden Kriegszüge Pisa*s nach Sardinien gegen Mo-
gehid von Denia von 1015 u. 16 (denn dafs Lorenzo diese Jahre
meint, hat nie Jemand bestritten) mit den arabischen Quellen über
dieselben Ereignisse^ die uns Amari kennen gelehrt, vornehmlich
mit Ibn-el-Athir, in einer Harmonie, wie man sie bei gegnerischen
Schreibern zu finden erstaunen mufs. Wie sollte man ihnen da
nicht auch darin Glauben schenken, dafs nach 1016 weder ein
fernerer Kampf mit Mog^hid, noch überhaupt ein Saracenenkrieg
auf und um Sardinien stattgefunden hat? Marangone zwar schweigt
nur, aber sein Schweigen ist gewichtig, da er sowohl jene Züge
von 1015 n. 16 wie die sp&tcren Exkursionen nach Afrika und
Spanien von 1035, 1087, 1113—14 treulich berichtet. Ibn-el-AthJr
jedoch Iftfst nicht nur, wie seine Landsleute alle, Mog^hid in Spa-
nien weiter leben und sterben, sondern versichert kurz und bündig,
dafs seit 1016 Sardinien niemals wieder von Saracenen angegriffen
\rorden sei. Zum selben Resultate fuhrt uns lüorenzo, wenn er
Ton jenem Kampfe die Sicherheit der Sarden und die Unterthftnig-
keit ihrer Konige unter Pisa datirt und wenn er andrerseits die
Rückgabe des gefangenen jungen Ali an den Vater und das von
daher durch Generationen fortlebende höchst freundschaftliche Ver-
hältnifs zwischen den Albizoni von Pisa und Mog^hid sammt sei-
nem Hause beschreibt. Dies ist so gewifs wie irgend ein Theil
der Darstellung Lorenzo's, denn hiervon geht er aus; die ganze
Geschichte Mog^hid's dient nur zur Erläuterung der eben jetzt
1113 dem Pietro Albizoni seitens des Herrschers von Majorka ge-
machten Eröffnung. Doch genug: aus der Vergleichung unserer
drei trefflichen Quellen ergiebt sich für Jedermann mit Sicherheit,
dafs 1016 der letzte Streit um Sardinien mit MogShid ausgefochten
ist. Was andererseits die Ereignisse vor 1015 betrifft, wo Maran-
gone zu 1004 (ich vulgarisire stets die era pisanä) lakonisch die
Einnahme Pisa's durch Saracenen, und zu 1011 die Zerstörung
der Stadt durch einen spanischen Heereszug erwfthnt^ so könnte
94 Sitzung der phUoBaphi$ch''historischen Klasse
sich hier fragen, ob nicht diese Unthaten, besonders die letztere,
dem nämlichen Mogehid zur Last zu legen, nad ob nicht auch
Sardinien dabei berührt worden sei? Beides ist ebenso wahr-
scheinlich, als eine personliche Theiloahme Mogehid's daran aner-
weislich, w&hrend eine wirkliche Eroberung der Insel in jenen
Jahren aus unseren drei Gewährsleuten entschieden verneint wer-
den mufs.
Das 11 te Jahrhundert über befand sich Pisa im wenig bestrit-
tenen Besitze des sardinischen Handelsmonopols (denn von andrer
Herrschaft kann damals keine Rede sein); erst mit dem Beginne
des ]2ten tritt ernste Concorrenz von Seiten des aufblühenden
Genua ein. Was man sich erk&mpfen wollte, suchte man sich
auch historisch zu vindidren ; daher die erste ruhmredige Lfige der
Genuesen gegen Barbarossa 1164 über die Gefangennahme Muse-
to's durch ihre Väter. Ganz andere tendenziöse Erdichtungen ent-
hält dann schon das von Michael de Vico 1371 copirte Breviarium
Pis. bist., das jedoch seinem Inhalte nach, da es vor 1270 abbricht,
dem dritten Viertel des 13ten Jahrhunderts, einer Zeit erneuten
heftigen Streits um Sardinien angehört. In welchem Sinne hier
der zu Grunde liegende Text Marangone's gefälscht ist, leuchtet
ein, wenn man die Jahre 1015 u. 16 betrachtet. Die Schenkung
der Insel an Pisa durch Papst Benedikt ist eine sehr unglückliche
Nachbildung der geistlichen Unterwerfung Sardiniens unter das pi-
saniscbe Bisthum durch Urban IL, die Kreuzpredigt auf Gebeifs
Benedikts ist nach der echten des Pascbalis von 1113 ersonnen;
der imaginirten Consuln und des Bischofs Lambert ist schon oben
gedacht worden. Dafs die Genuesen 1016 den Streit begonnen
haben, nimmt dann nicht Wunder zu lesen. Wenn so die wirklieh
beglaubigte Unternehmung jener Jahre verunstaltet ist, so richtet
sich die Wiederkehr und abermalige Vertreibung Mog£hid's 1020
und die zweite Rückkehr und Gefangennahme desselben Mannes,
der doch in Wahrheit 1044 in Spanien starb, im Jahre 1049 von
selbst als baares Märchen. Es ist einfache Multiplikation, wie
denn zu 1049 auch noch einer neuen päpstlichen Schenkung ge-
dacht wird, während den Genuesen zu 1020 diesmal Habsucht an-
gehängt wird, vermöge deren sie sich vorher den Schatz des Fein-
des ausbedingen, den sie auch erhalten. Dies alles wie auch den
von den Pisanern bekämpften Araberzug über Cagliari bis vor
Rom von 1001 wird der Urthe iisfähige, die echten Quellen im
tfom 31. Januar i870. 95
Aage, nicht etw» für halb itrahre, anderweit entlehnte Kunde, son-
dern für freie Dichtung oder bewoTste Erschleicbung halten müssen.
Ich mufs es mir versagen, den von Jahrhundert zu Jahrhun-
dert vergröfserten und vergröberten Mythos vom Könige Museto
weiter durch Ranieri Sardo und Benvenuto da Imola bis zu Ron-
cioni und Tronci oder bis zu Lorenzo Bonincontro zu verfolgen;
es ist eine der prfiehtigsten historischen Staublawinen, die man
fsllen sehen kann, bis denn am Ende die Wahrheit ganz verdun-
kelt, ein halbes Jahrhundert von 1000 — 1050 mit dem Namen
Mogefaid's erfüllt, durch das in's Ungeheure verzerrte Bild zweier
kurzer Sommerfeldzöge bedeckt wird.
Heut freilich nach Bonaini's Publikationen, nach AmarTs Ar-
beiten, durchschauen wir die Sache leicht; früher aber war es an-
ders. Bewundern mufs man hier wie überall Muratori, der ohne
unsere HnUsmittel in seinen Annali schon hie und da seine Be-
denken über die Wiederholungen des Breviarium äufsert, das für
ihn doch noch fast originalen Werth besitzen mufste. Auch Manno
verfährt nicht ohne Vorsicht, allein er schwankt doch unentschie-
den zwischen Glauben und Zweifeln dahin; das Verhältnifs seiner
Qaelien zu studiren hat er unterlassen. Und auf dem Standpunkte
blieben dann die sardischen Gelehrten so ziemlich stehen. Was
sie nach Mnratori's und Manno's Vorgang eifrig und glücklich be-
kämpften, waren die Theorieen Benvenuto's u. Andrer über den
pisanischen Ursprung der Judikate und die damit eng zusammen-
hangende Vorstellung einer vorhergehenden längeren Araberherr-
scbaft etwa vom 9 ten bis ins 1 1 te JbdL ; überhaupt ermäfsigten
sie die Überschätzung der pisanischen Oberhoheit mit Erfolg. In
Bezng auf die Saracenenkampfe aber verfährt noch 1861 Tola im
Codex p. 139 ganz eklektisch, arglos Tronci und Folieta neben
den alten Chroniken citirend. Und so verth eidigt auch im selben
Jahre Martini in seiner storia delle invasioni degli Arabi den Inhalt
der pergamene dÄrhoria mit unbefangenem Gleichmuth aus Bonin-
contro wie aus Marangone, aus Tronci und Roncioni nicht minder
als aus Ibn-el^Athir; jeden Beleg begrüfst er mit gleicher Freude,
jeden Widerspruch mit der Quelle ersten oder letzten Grades hält
er für gleich unerheblich. Kein Wunder denn also, dafs mit glei-
cher Naivetät wie der hochverdiente aber verblendete Vertheidiger
auch der unbekannte Verfertiger der 1845 — 64 hervorgezogenen
pergamene verfahren ist Ein Dokument wird hinreichen, das zu
96 Sitzung der pkihsaphiich^histonMehm Kia$9e
erhfirten; wir wlhlen die y^Breve hütaria de 9U ree Mueehi in mo
Africa^ (cd. cart. 5). Sie ist »ngeblich ein Anscug »us dem be-
rfihmten Oeschichtswerk Mater Sardinia eognita des Jorgiu de La-
con, welches dieser in der zweiten H&lfte des ISten Jhdts. nnd
zwar aus sardischen gleichzeitigen Chroniken und andern Aufzeich-
nungen zusammengestellt hatte.
Schon die Überschrift erregt unser Erstaunen. Wie? Mnscto
Konig in Afrika? In der That wird er auch in der Geschichte
selber als Afrikaner behandelt. Die gleichzeitigen Sarden lebten
also alle im Irrtbum über die Heimath ihres Dr&ngersl Mit Tor-
sorglicher Angst sahen sie zwar mehrere Male richtig seiner Wie-
derkehr entgegen, von wannen er aber wiederkommen mufste, blieb
ihnen verborget I Lorenzo Yernese giebt TÖllig genau die Heimath
Museto's als Denia und die Balearen an; die sardischen Fürsten,
die 1113 — 14 mit den Ihrigen den pisanischen Zug nach den
Balearen mitmachten, mnfsten da so gut wie Lorenzo die Wahr-
heit erfahren, mufsten sie daheim mittheilen — sie war wichtig
genug — mindestens einige der vielen sardischen Chroniken, welche
Jorgiu de Lacon durchs tudirte, mufsten sie aufnehmen. Doch wozu
ein Weiteres? Die Sache liegt einfach: Marangone schon und
Oberhaupt die kurzen pisanischen Noten lassen Mogehid 1016 nach
Afrika fliehen. Gewifs ein Irrtbum, aber zum Afrikaner ward er
so doch noch nicht, das geschah erst dadurch, dafs sein Name von
einigen spfiter mit dem Zuge der Pisaner von 1035 gegen das
afrikanische Bona in Verbindung gebracht ward. Von Sardo aber
bis auf Manno, ja bis Tola blieben die Neueren bei dem Irrthunie,
nur Roncioni entnahm aus seinem Lorenzo Vernese die wahre
Heimath Museto's und vor Amart wies schon 1845 Wenrich (Efi
ab Ärabibus gesiae) nach den Balearen. Diesen kannte der Ver-
fasser der pergamene wohl nicht, oder er hielt sich an seinen
Manno nnd verachtete selbst die Autoritfit Lorenzo's. So hat er
durch eigenen verzeihlichen Irrthnm seinem angeblichen Autor
einen unverzeihlichen in die Schuh geschoben. Doch weiter! Über
den Inhalt kann ich mich sehr kurz fassen. Sechs Einf&lle Mo-
g^hid's in Sardinien werden aufgozfihlt, 1000, 1002, —1012, —1017,
1022, 1050—52 (?), fünf Mal wird er verjagt, das sechste gefangen.
Die Pisaner sind bei den fünf letzten FeldzSgen betheiligt, die
Genuesen nur beim vierten und fünften; anno 1000 kfimpfen die
sardischen Heroen allein, beim letzten Straufs dagegen auch sogar
v<m 31. Janyur 1870. 97
christUche Spanier, die wir sogleich näher untersuchen wollen.
Racbezuge gegen Pisa unternimmt Mogehid nach 1002 und nach
1012; der Papst (immer ungenannt) fordert zum dritten, vierten
QDd sechsten Zuge auf. Wahrend es nach der von uns gewonnenen
Anschauung der Quellen keinen Augenblick zweifelhaft ist^ dafa
wir es mit einer Compilatton verschiedener pisanisch datirter Ereig-
nisse zu thun haben, welche aus Zeiten bereits hoch entwickelter
Moseto- Fabel stammt, müssen wir jedoch gleich bemerken, dafs
nichts von päpatltchen Privilegien für Pisa bei unserem Autor zu
lesen ist und dafs bei aller Anerkennung pisanischer Hulfsleistung
doch die Thaten und Leiden der Insulaner den Hauptstoff der
Erzählung bilden und natürlich darunter viel bisher aus auswar*
tigen Quellen gänzlich Unbekanntes zum Vorschein kommt. Wenn
Jorgin de Lacon hierin Farbe bekennt, so erscheint doch die Auf-
nahme eines Zuges rein pisanischer Überlieferung in die sardische
Erzählung ala höchst ungereimt, ich meine die des Vertrages zwi-
schen Pisanern und Genuesen wegen Theilung der Beute. Im
Hreviarinm steht zuerst die Nachricht, dafs die Genuesen den
Schatz des Königs erhalten, weil sie anders nicht hätten mitziehen
wollen; offenbar sind sie hier als habsüchtig gebrandmarkt gegen-
über den Pisanern, die ohne Beutegier in den heiligen Kampf
gehen« Bei Sardo und Benvenuto ist diese Geschichte so umge-
wandelt worden, dafs die Städte vorher einen Vertrag schliefsen,
wonach Genua die bewegliche Beute, Pisa der Besitz des Landes
selber zufallen sollte. Diese Anekdote des 14. Jahrhunderts, die
besonders bei Benvenuto vortrefflich zu der von ihm erzählten
sofortigen Besitznahme und Ein theilung des Landes durch die Pi-
saner pafst, steht mit den erlogenen päpstlichen Schenkungen völlig
auf einer Linie, nur dafs sie zugleich thörichter und boshafter
ausgedacht ist Es gewährt eine deutliche Vorstellung von der
kritischen Gabe des Erzählers von Arborea, wenn er die Vertrags-
fiktion ebenso ausführlich seinem Fabrikate eingeflochten, wie er
die papstlichen Schenkungen daraus ferngehalten hat. Das Motiv
jedoch leuchtet ein: die letzteren thaten der Idee der sardischen
Unabhängigkeit 'Eintrag, auch sind sie längst ernstlich bestritten
worden; der Vertrag schien weniger bedenklich, ja durch eine neue
Motivirung, welche die pisanische, von den Genuesen niemals aner-
kannte Fabel zum genuesischen Produkt umstempeln müfste, wird
sogar Anlafs gegeben, die sardische Tapferkeit und ihren Ruf zu
[1870] 7
98 Sitzung der philo$ophisch'hi8tori9chen Klasse
verherrlichen. Der Vertrag wfire danach eine pfiffige List der
Genuesen, um Pisa in gefährlichen Krieg mit den Sarden au stur-
xen und so ganz leer ausgehen au lassen.
Doch ich eile zum Schlüsse. Der sechste Einfall MogShid*s
aus der Mitte des 11. Jahrhunderts (1050 oder 51) soll mir dienen,
unserm Fälscher noch mehr in die Karten su sehen. Die Ersählung,
die er hier giebt, basirt durchaus auf der des sogenannten Lorenzo
Bonincontro, eines angeblichen Schriftstellers des 15. Jahrhundert«,
den Gaietani zuerst 1638 bekannt machte; ^'ir finden den betrefien-
den Passus dann wieder abgedruckt bei Muratori SS. III, 1, p.401.
Bonincontro erzählt den auerst im Breviarium auftauchenden Mnseto-
Krieg von 1049 (50 oder 51) in origineller Weise: nicht der Staat
Pisa, sondern eine Anzahl pisanischer Nobili unternehmen w^en
Ermattung der Gemeinde auf Privatfaust den Zug und theilen nach
dem Siege die Insel unter sich und ihre Genossen von Gtenua etc.;
die Eintheilung wird genau verzeichnet Schon Manno wies auf
die viel, zum Theil Jahrhunderte spätere Festsetzung der einzelneo
edlen Häupter in den bezeichneten Distrikten hin. Das ganze
Machwerk ist interessant, weil das Prinzip, späteren Besitz durch
erdichtete historische Rechtsansprüche zu bekräftigen, das man so
lange für den Staat Pisa hatte walten lassen, hier auf die einzelnen
Familien übertragen ist. Unser Chronikant hat sich, durch Manno
gewarnt, vor der Wiedergabe der ihm ohnehin fatalen pisanischen
Familien-Legenden gehütet, alles Andere aber nimmt er ruhig von
Bonincontro herüber, begeht dabei aber hose Fehler. Der 90jährige
Musettus, seine Gefangennahme und sein Tod im Kerker zu Pi^^ft
macht ihm keine Sorgen, weil er die arabische Notiz von Mogebid'g
Tode 1044 nicht kannte. Wenn aber Bonincontro sagt: Museüvs
A/ricae rex ingenti navium apparatu ex Hispania movtns^ so erkennen
wir darin eine schlechte Combination der wahren spanischen Hei-
math und der falschen afrikanischen des Saracenen. Was macht
der Arborese daraus? Ihm ist Museto zweifellos Afrikaner, er
verändert daher den Aufbruch von Spanien in Hülfsleistung spani-
scher Mauren. Aber noch mehr: unter den erlauchten Theilnehmem
an der Eroberung und Thcilung Sardiniens erscheint bei Lorenzo
ein Bernardus Centilius Comes Modicae Hispani generis, der nach-
her in dem Theile Sardiniens jtixia Saxerim angesiedelt wird.
Christliche Grafen von Modica im Val di Noto gab es 1050 lange
vor der normannischen Eroberung überhaupt nicht; eine spanische
vom 31. Januar i870. 99
Familie kann die sicilisobe Grafschaft erst unter den Aragonesea
erbalten haben. Im 15. Jahrhundert wird dann unter der arago-
Dischen Herrechaft über Sardinien das ehemals spanische Orafen*
geschlecht ron Modica Grundbesits in der Gegend von Sassari
erworben haben. Dem zu Ehren ist dann sein Ahn Bemardo
Ceotilio neben die der Gherardesehi, Malaspina n. s. w. in*s Jahr
1050 hineingedichtet worden. Seine Person erschien unserm Ffil-
scber weniger bedenklieb, als die Nobili Pisa's und Genua's. Aber
die spanische Abstammung des sicilischen Grafen verdreht er aus
Willkür oder gar ans Unkenntnifs der Lage Modica's so, dafs
Graf Bernhard ein wirklich spanischer Graf wird und mit Ispaniolos
bemannte Schiffe herbexfahrt, mit denen er auf die Saracenenjagd
ausgezogen war.
Ein frappantes Zeugnifs für die Benutzung Manno's legt end-
lich, um anderer zu gescbweigen, die Schlufsnote ab, die unserer
hUtma de su ret Musetu angehfingt ist Manno hatte besonders
gegen den Zug von 1050 überhaupt die stfirksten Zweifel nicht
unterdrückt; die 50j&hrige Dauer der Raubzüge Mog^hid's schon
allein entlockte ihm dann wenigstens die saghafte und freilich sehr
anglückliche Vermnthung, dafs hier von einem andern Mnseto die
Rede sei, Sohn oder Enkel, wie auch Martini meinte (vgl. siona
delle inras. pag. 154). Hätte Manno damals die echten Quellen
der Geschichte des Königs gekannt, die uns vorliegen, er würde
freilich um der EHklirung eines Mfirchens willen keine Gonjektur
gemacht haben. Unser Arborese nun adoptirt beides, die Zweifel
wie die Ausflucht Manno's; in der Anmerkung aus dem 15. Jahr*
hundert legt er dem sardischen Historiker Ferdinandus de Fönte,
einer unbekannten Figur vielleicht des 14. Jahrhunderts, den Zweifel
in den Mund , einer gelehrten arboresischen ffComissio deputaia
super Wantumptu ehranacarumf^ aber aus dem 15. Jahrhundert die
Vertheidigung des OCjfihrigen Museto, der im Texte figurirt; zu-
gleich aber bat die Commission auch die Frage wegen eines zweiten
Museto ventilirt, ist aber so wenig wie 500 Jahre später Manno
zur Entscheidung gekommen.
Wenn man diese wenigen Bemerkungen über die hütoria de
itf rtt Mueetu susammenfa&t, ergiebt sich klar, dafs dieselbe ein
ganz modernes Machwerk ist, das ohne Kritik die nun durch
neuere Forschungen weit überholten Ansichten Manno's zur Grund-
lage hat, zum Theil aber auch, wie in der Benutzung einzelner
7*
100 Sitzung der philosophiseh-histoHschen Klasse
spfitpisanischer Erdichtungen, die Besonnenheit des verdienten sar-
dischen Historikers gans aufser Acht iSfst^ hierbei aber mit mehr
oder Aveniger Geschick die pisanischen Elemente der Fabel ditrcb-
nationale zn ersetzen sucht; eine Tendenz, welche die gesamniten
pergamene d'Arborea gteichmäfsig beherrscht, auf Kosten der con-
tinentalen Eroberer Römer, Germanen^ Byzantiner, Araber, Italiener,
Aragonesen den sardischen Ruhm zu verherrlichen.
Alfred Dove.
Anlage D.
Die Unechthoit der Inschriflen, welche Martini aas den
angeblichen Notizbuchern eines im J. 1510 verstorbenen Notars
Michael Gilj S. 429 fg. abgedruckt hat, ist schon von dem er-
sten Herausgeber derselben, dem verdienten Alberto la Marmora,
spfiterhin zugegeben und ebenso von mehreren anderen der ein-
sichtigsten Turiner Gelehrten^ unter denen ich Domenieo Promis
nenne (das. S. 521), ausdrucklich anerkannt worden. Dafs spfitere
Funde den Inhalt derselben bestätigten und weiter ausführten, so
Martinis Papierhandschrift N. 4 die Inschrift N. 3 (Martini S. 434)
und Martinis Papierhandschrift N. 3 die Inschrift N. 6 (Martini
S. 436), kann nur auf diese Papierhandschriften selbst ein ungün-
stiges Licht werfen; an der Thatsache der F&lschung selbst wird
dadurch nichts geändert. Dieselbe steht sachlich und sprachlich
vollständig fest. Namenbildungen wie Marcus Florus Sem, /,
Marcus Bestitutus — dieser ein Statthalter von Sardinien! — ,
Atilius Lud f., welcher zugleich ein Freigelassener des Servios
Secundus ist; eine Orthographie wie moerentes; Redewendungen
wie orator ComensiSy qui in Tonalum Turr(itanum) orcOicinem)
hab(uit); wie suae uxoris cineribus se iunxü; cuius erat libert(us) ac
in suis (soll heifsen eius) negot{iis) geren{dis) fidus proe{urator)\
praeci(bus) suae sponsae Nerinae chri[sti]anae in rest[itutio}ne tempH
[Fo]rtunae die[ati 6]peram suam praesta[re rec}usans zeigen auf das
Evidenteste, nicht blois dafs dies moderne Fabrtcate sind, sondern
auch, dafs sie von einem Fälscher herrühren, der von romischer
Sitte und römischer Sprache nicht das geringste Yerständnifs hatte
— charakteristisch dafür ist insbesondere das durchaus nach dem
vom 3t Januar 1870, 101
modernen Italienisch angewandte Possessi vam. — Sind sie aber
falsch, so können sie nicht ror dem J. 1820 verfertigt sein. Denn
obwohl wenigstens diejenigen Steine, die ans römischer Zeit sein
sollen, so vollständig verkehrt sind, dafs im Ganzen genommen
bei diesem Falsar nicht einmal von echten Mustern die Rede sein
kann, so ist doch evident, dafs der Statilins von Tarres, der auf
Bitten seiner frommen »posa Nerina sich weigerte bei dem Wieder-
aofbaa des Fortunatempels mit Hand anzulegen, gefälscht ist in
Veranlassung der bekannten Turritaner Inschrift ober den Wieder-
aufbau des templum Ihrtunae cum basilieia et columni% durch den
Statthalter von Sardinien unter den Philipp! M. Ulpias Victor.
Diese Inschrift aber (della Marmora voy, en Sard. 2,479 n. 34)
wurde zuerst bald nach ihrer Auffindung von Baille im J. 1820 in
den Schriften der Turiner Akademie bekannt gemacht. Dafs der
im J. 1510 verstorbene Notar GilJ bereits Gelegenheit gehabt hat
sie za lesen und sie für seine schiechten Scherze auszubeuten, ist
schwer zu glauben.
Noch in einer andern Hinsicht ist die Epigraphik bei den
Handschriften von Arborea betheiligt. Die ehemals Garnerische
als Anhang zu seiner Gesammtpublication von Martini im Jahre
1865 herausgegebene Handschrift enthält acht der zwölf Biographien
berühmter Sarden, welche angeblich Sertonins aus Phausanias (sot),
der im Jahre 441 n. Chr. achtzigj&hrig starb, verfafst hat, die dann
wieder aufgefunden wurden unter dem König Jaletus von Sardinien
KD Anfang des achten Jahrhunderts und uns erhalten sind in einer
Abschrift des fonfzehnten. Die Masse der Ungereimtheiten und
Unmöglichkeiten aller Art auseinander zu setzen, welche dieser
sardinische Snetonius enthält, wGrde zu nichts fahren, um so mehr,
da die Ausrede ja vorgesehen ist, dafs hier am Ende des 5. Jahr-
hunderts aus dem Yolksmunde gemachte Aufzeichnungen vorliegen.
Aber das Yerhältnifs dieses Products zu den Inschriften neuester
Findung darf nicht übergangen werden. Unter zahlreichen bisher
nnbekannten römischen Statthaltern Sardiniens, von denen die meisten
schon durch die gänzlich unrömischen Namen (z. B. Marcus EIio,
Jurgius Susinius, Gaius Nestor) sich hinreichend charakterisiren,
treten hier auch verschiedene bereits bekannte auf, insbesondere
in der Biographie des Siphilio, eines dem Sertonius zufolge sehr
berahmten sardinischen Philosophen, Yipsanius Laenas, der nach
Tacitus (ann. 13,30) im Jahre 50 n. Chr. wegen Erpressungen in
102 Sitzung der pbilosophiseh-historUehen Klasse
der Provinz Sardinien verortU«|lt ward. Es bdfot hier von ibin
abo (p. 25): habetur de Siphilioney quod ea tempestaief qua popularit
lumultus Karali excitatus fiät^ cauea avaritie euiuedam Vip0ani Lene
(Genetiv!) presidis ipee^ iuvenie licet anwiTum XXXV II ^ atamtn suorum
concioium anitnoi sedavit, spondens *e ad consulem Quintum VolusiamM
amicum suum rescripturuni — Dies ist Q. Voluslus, Consiil aller-
dings in demselben Jahr nach Angabe desselben Tacitus 13,25.
Nee spem f^ellit eventu9j fährt Sertoni us fort, nam vi Nero resciciU
exilio Vipsanium damnavii^ worauf dann Sipbilio einen Tractat
schrieb unter dem eleganten Titel de modo quo iniurie reparande.
Als Nachfolger dieses Vipsanius wird weiter genannt C. Caesias
Arpius, und zwar in folgender Randnote: quod (die genannte Scbrift)
C. Ceeio Arpio iuetiseimo ac onesiieeimo Sardinie proconeule^ qui balneo
portue itinera teatra ac similia alia rettauraoit ac auxit teste Älareobo
ac Melchiade, dicavit. Ohne Zweifel ist kein anderer gemeint als
C. Caesius Aper, der nach Inschriften im Jahre 60 Cohortenprüfecl
und später kaiserlicher Statthalter (Jegatus pro praetore) von Sar-
dinien gewesen ist Dies wies Borghesi im Bullett delV Institute
1856 S. 140 f. nach, wo die Inschrift von Sestinum, ans der Apers
Statthalterschaft von Sardinien uns bekannt ist, zum ersten Male
gedruckt ward; ßorghesis Aufsatz wurde bald darauf von den
verdienten Spano BulL arcJieol, sardo IV (1858) p. 181 wieder-
holt — So liegt der Thatbestand^ auf den man sich häufig berufen
hat zum Beweise dafür, daüs positive Angaben der Handschriften
von Arborea durch später gefundene Inschriften bestätigt worden
sind ^). Es kommt dabei nur darauf an, dafs man sich über das
'später gefunden verständigt Allerdings ist die Inschrift unstreitig
um Jahrhunderte später gefunden, als die fragliche Handschrift nach
Angabe ihrer Vertreter geschrieben ist, das heifst als das fünfzehnte
Jahrhundert. ludefs ist dies eben diejenige Handschrift — Vesmes
n. III — , deren paläographische Beschaffenheit Hr. Jaffe oben S. 77
gewürdigt hat ; und ebenso unstreitig mangelt jeder Beweis dafür, dafs
die fragliche Randbemerkung vor dem Jahre 1856 von irgend einem
glaubwürdigen Mann gesehen worden ist Zwar sagt Vesme^): >?R0
') Zonächst hierauf gebt die dcffiffillige Äurticrung Ycemes (ubfti
S. 6D).
'^} Nuove uotizie intomo a Gherardu da Firunze. Bulugna 1]$6D S. iO.
vom 31. Januar 1870. 103
dd iSöO era noto^ e ttato visto da pareechi, qutl codice, che, acquistato
poco dopo dal Signor Ce$€tre Gameriy fu poscia da hii donato alla
Biblioteea di Cagliari. Es ist in hohem Grade zu bedauern, dafs
in einem solchen Fall, vro es sieh um eine Ffllsehong handelt und
dieselbe gewissenhafte Genauigkeit nnd strenge Feststellung der
Thatsacben, wie sie im Criminalprozefs erfordert wird, auch von
den an einer solchen literarischen Fehde Betheiligten gefordert
ü^erden darf und mufs, die Yertheidiger der Pergamente über die
MTicbtigsten Daten sich auf so allgemeine und so oberflächliche
Angaben beschrfinken, wie beispielsweise dies 'viBto da pareechi ist.
Indefs dies ist ein Versehen mehr in der Form als im Wesen der
Sache; in die Thatsache selbst setze ich keinen Zweifel und bin
überzeugt, dafs der — allerdings erforderliche — Beweis nachgeholt
werden kann. Aber auch die Thatsache als vollständig bewiesen
angenommen, so wird ihr jede Beweiskraft dadurch entzogen, dafs
der fragliche Satz am Rande der Handschrift steht und von dem
gewissenhaften Herausgeber selbst ausdrucklich als sp&terer Nach-
trag bezeichnet wird. Nun steht aber keineswegs fest, dafs, wenn
auch die Handschrift bereits 1850 vorhanden war, nicht noch nach-
her es dem Falscher möglich gewesen ist einzelne Blatter dersel-
ben zu vertauschen oder wenigstens Nachträge an den Rand zu
schreiben. Die wie fast alle diese Documente schwer zu lesende
Handschrift hat sich längere Zeit in den Händen von Abschrei-
bern befanden; wer bürgt uns dafür, dafs nicht einer von diesen
der Fälscher ist oder mit dem Falscher in Verbindung stand?
and was beweist die Existenz der Handschrift im Jahre 1850
dafür, dafs damals auch schon jene Randbemerkung in derselben
stand? Wenn am Rande eines Kaufbriefes ein ähnlicher Zusatz
sich vorfinde, welches Gericht würde darauf hin entscheiden? —
Notorisch ist nur, dafs die Inschrift zuerst 1856, die handschrift-
liche Notiz £uerst 1865 gedruckt worden ist und der Urheber der
letzteren also gar wohl im Stande gewesen sein kann von jener
Gebranch zn machen. — £s wird hienach kaum noch erforderlich
sein darauf hinzuweisen, dafs^ wie schon aus Martinis Vorrede
append. p. 14. 15 hervorgeht, dem Verfertiger des Garnerischen
Codex auch noch zwei andere echte Inschriften neuester Findung
vorgelegen haben, die des Isis- und Serapis-Tempels von Sulci (della
Marmora 2, 479, Nr. 33), zuerst herausgegeben von Gazzera 1830,
und die der Cornelia Tibullesia, zuerst herausgegeben von della
104 Sitzung der phys.^hist KlasBe vom 31. Januar 1870.
Marmora 1840 (a. a. O. p. 492 Nr. 63). Für mich ist das Ergebnifs
dieser Uotersachang, dafs die Garnerische Handselirifl nach dem
Jahre 1840 verfertigt und nach dem Jahre 1856 von ihrem Yerfer-
tiger mit Nachtrfigen versehen worden ist
Th. Mommsen.
MONATSBEEICHT
KÖNIGLICH PBEUSSI8CHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
Februar 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Kummer.
3. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Lepsias las über die altfigyptisehen Jahreszeiten und
Monate«
Hr. Cartias überreichte der Akademie im Auftrage des Ver-
fassers die Historische Topographie von Akragas in Sicilien von
Dr. Jalins Schnbring (Leipzig bei EngeLnann 1870) und machte
aaf den günstigen Umstand aufmerksam, dafs den von der Aka-
demie unterstützten Untersuchungen Schubring*s die neue Au&ahme
der Terrains durch den Italianischen Generalstab in hohem Grade
zu Oute gekommen sei.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Corrapondenzhiatt des zoologUch ' minercUogiachen Vereins in Regenthwrg,
23. Jahig. Begensborg 1869. 8.
£. J. Bonsdorff, Kritik der allgemein angenommenen Deuiwig der Fvr-
cula bei den Vögeln. Helsingfors 1869. 4.
Berichte der Deutschen Chemischen OeselUchqft zu Berlin. 2. Jahrg. Ber-
lin 1869. 8.
[1870] 8
1 OG Ge»ammt3it2ung
Atti delf accademia di scienze morcUi e politiche. Vol. 4. Kapoli 1869. 4.
Archivio per la zoologict, Serie II, Vol. 1. Torino 1869. 8.
Baumhaner, Archivees nierlandiii$ea. Tome 4. La Haye 1869. 8.
Annumre de tacadimie de BruxelUe, Annee 36. Brnzelles 1870. 8.
2fyt Magazin for Naturvidenskaberne, Vol. 16. Christiania 1869. 8.
Dipiomatarium norrefficum, XIV. Qiristiania 1869. 8.
Norwegieche Statistik. Christiania 1868—69. 4. 20 Hefte.
Flatej/jarbok, in, 2. ib. 1868. 8.
Botten-Hansen» La Narvege iiterttire. Cbxiftiania 1868. 8.
Thomas Saga Erkibyskups. J^tor gamle Haandskri/ter vdgiven qf C. R.
Unger. Christiania 1869. 8.
Forhandiinger i Videnskabs-Seiskabei i Christiania aar 1868. Christiania
1869. 8.
Bet Kongelige Norske Videnskabers Seiskabs Skri/ter i det 19 de Aarhun-
drede. V, 2. Throndhjem 1868. 8.
£. Sparano, Vorigines ed il progresso delle nazioni, Caserta 1869. 8.
Giolo, Avrertimenti di agricolton, Rovigo 1864. 8,
Garcin de Tassy, Histoire de la Uterature hindoiiie et hindoustanie, EcL
n. Tome 1, Paria 1870. 8.
10. Februar* Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. W. Peters las eine Abhandlung über die afrikani*
sehen Warneidecbsen, Monitorea^ and ihre geographi-
sche Verbreitung, von welcher im Folgenden ein Auszug mit-
getheilt wird.
Die Monitoren sind unter allen Eidechsen durch ihre Grofse
ausgezeichnet, indem einzelne Arten eine Länge von 2^ Meter
(7 FuTs) erreichen. Sie stehen in dieser Hinsicht nur den Croco-
dilen nach, mit denen sie seit den ältesten Zeiten von Reisenden
verwechselt worden sind. Indessen finden wir sie schon bei den
alten griechischen Schriftstellern unter dem Namen der Landcroco-
dile von den Flufscrocodilen oder eigentlichen Crocodilen unter-
schieden, indem z. B. Herodot unter den Thieren der libyschen
Wüste der Landcrocodile {x^oxihtiKot yjarcuoi) von mehr als 4 Fufs
Länge erwähnt.
vom 10. Februar 1870, 107
Co vier bat ctierst nnd swar im Jahre 1817^) die hierher ge-
hörigen Arten in eine Untergattung, welche er Monitor nannte, xu-
BammengefallBt und die SoTseren Merkmale angegeben, welche sie von
anderen verwandten den beiD^en Gegenden Amerikas angehorigen
Gattungen unterscheiden, mit denen sie sowohl vor als nach ihm
Ton verschiedenen Autoren unrichtigerweise vereinigt worden sind.
Man kennt jetzt an zwanzig Arten, welche sämmtlich der östlichen
Hemisph&re angeboren und in Afiriea, Asien und Australien ver-
breitet sind.
Sie sind Ton Fitzinger, Wagler nnd Gray in verschiedene
Gattungen veriheilt worden, wfibrend Dum^ril und Bibron in
ihrem groDsen Werke über die Reptilien dieselben in eine einzige
Gattung vereinigt haben, für welche sie den Namen VaranuB an-
genommen, unter welchem diese Thiere von Merrem im Jahre
1820') aufgeführt worden sind.
Es sind die einzigen Eidechsen der östlichen Hemisphibre, wel-
che, wie die Schlangen, eine schmale, tiefgespaltene, in eine Scheide
zarückziehbare Zunge haben. Ein ganz fihnlicher Zungenbau fin-
det sich aufserdem nur bei den amerikanischen Eidechsengattungen
T^ und Amewa und das hat früher Veranlassung gegeben, sie
mit diesen in eine einzige Gattung zu vereinigen. Aber schon die
ganz verschiedene Pholidosis, namentlich die grofsen regelmSfsigen
Kopfschilder der letzteren im Gegensatz zu der aus kleinen Schup-
pen bestehenden Kopfbedeckung der Monitoren unterscheidet diese
auf den ersten Blick. Die aus gröfseren länglichen, ringförmig von
Eömchenschnppen umgebenen und in regelmfifsigen Querreihen ge-
ordneten Tuberkeln bestehende Bekleidung der obern Seite des
Körpers, die an der innem Seite der Kiefer sichtbare verbreiterte
Basis ihrer Zähne sind fernere Merkmale, welche diesen Eidechsen
aosschliefelich zukommen. AUe haben vier wohl entwickelte fünf-
zehige Extremitäten mit fünf Krallen und keine Schenkelporen.
Die Merkmale, nach welchen die Guvier'sche Gattung Monitor
in mehrere Gattungen zersplittert worden ist, sind hergenommen
von der mehr oder weniger zusammengedrückten Form des Schwan-
zes, der mehr rundlichen oder ovalen Form und der geringeren
0 Btgne animal. U, p. 24.
') Versuch eines Systems der Amphibien. 1820. p. 58.
8
108 Oeiammtsitzung
oder grofseren Entfernung der Nasenlöcher von den Aagen and der
Form der Z&hne. Mit Recht haben aber schon Dum^ril und
Bibron darauf aufmerksam gemacht, wie diese Merkmale an Werth
verlieren, tbeib dadurch, dafs sich, wenn man alle bekannten Ar-
ten betrachtet, ein allm&bliger Obergang zwischen den extremen
Formen beobachten Ififst, theils dadurch, dafs bei verschiedenen
Arten je nach dem verschiedenen Lebensalter die Z&hne eine sehr
verschiedene Gestalt annehmen. Auch ich kann mich nur ihrer
Ansicht anschliefsen, dafs, so lange uns nicht andere wichtigere
Meikmale zur Unterscheidung vorliegen, die Yertheilung sämmt-
lieber Arten in eine einzige Gattung, vielleicht mit mehreren Un-
tergattungen, naturgem&fser ist.
£s durfte auffallend erscheinen, dafs bei der Grofse dieser
Thiere, deren einzelne Arten in den verschiedenen Welttheilen mei-
stens eine sehr weite Verbreitung haben, die Unterscheidung der
Arten noch nicht zu einem Abschlufs gekommen ist, was doch
grade für die geographische Verbreitung, an welche sich die Lö-
sung so vieler allgemeiner Fragen anknüpft, eine so grofse Wich-
tigkeit bat.
Das Material, welches mir zu Gebote steht, ist nicht hinrei-
chend, um diese Frage hier ganz zu lösen. Nur in Bezug auf die
afrikanischen Arten liegt mir ein solches vor, wie es vielleicht in
keiner anderen Sammlung vorhanden sein dürfte. Aus Nord- und
Nordostafrika besitzen wir Exemplare aus der Sammlung der Hrn.
Ehrenberg und Hemprich, aus dem Caplande von Krebs, aus
Sud-Ostafrika von dem Baron Carl von der Decken, aus mei-
ner eigenen Sammlung und aus den sehr wichtigen Sammlangen
von Säugethieren und Amphibien, welche unser Museum der hiesi-
gen Mission durch Hrn. Grützner verdankt, und von der West-
küste haben wir mehrere Exemplare durch Hm. Halleur, Ungar,
Dr. F in seh und Dr. Hartlaub erhalten.
l. Monitor nilotious 'S HB sei qvLiBi.
Diese Art, welche mit der folgenden von den meisten Autoren
vereinigt worden ist, unterscheidet sich durch das stets viel dunk-
lere Colorit und vorzüglich dadurch, dafs die Nackenschuppen klei-
ner als die Rückenschuppen sind, während das Umgekehrte bei al-
len übrigen afrikanischen Monitoren der FaU ist Sie scheint aus-
schliefslich dem Nilgebiete anzugehören.
vom 10. Februar 1870. 109
2. Monitor sauruBhanr enii.
Lacerta capenM Sparrmann.
Tupinamlna ateliaiu» D au d i n.
Vartums mioHeuSf Dam^ril et Bibron ex parte.
Eine im Osten von Zanzibar bis nach dem Caplande and an
der Westkfiste in Guinea verbreitete Art, welche die vorige in die-
sen elenden vertritt. Sie h< sich wie jene in der Nähe des
Wassers auf und kann aach an Baumstämmen liinanf klettern. So
traf ich im Lupatagebirge ein Exemplar, welches sich einen Ruhe-
platz auf einem circa 3 Meter hohen Baumstamm zwischen den
Ästen ausgewählt hatte, Vün dem ^s sich bei meiner Annäherung
herabstürzte, am ins Wasser zu fliehen.
3. Monitor alhogularia D a u d i n.
Tvpinamhia alho^ularis D a n d i n.
Varcmus aihoptlaris 'Dum iril et Bibron. •
Vtaranu» alboguiaris A. S m i th.
Eine Art, welche bisher mit Bestimmtheit nur in dem südost-
lichen Theile Afrikas, vom 15 bis 27° S. Br. gefunden worden ist,
sich durch die kleineren Schuppen leicht von den beiden folgenden
Arten unterscheiden läfst.
4. Monitor ocellatus R ü p p e 1 1.
Aus Abessinien und Kordofan. Mit der vorhergehenden
Art durch die unmittelbar vor den Augen befindlichen Nasenlöcher,
mit der folgenden durch die, besonders am Nacken, grofsen Schup-
pen übereinstimmend.
5. Monitor exanthematicua B ose.
Laeerta exanthematica BoiCt Act. Soc^ ^hist. not. Paris. 1792.
Tat 5. Fig. 3.
Tupinambis exanthematicu» Daadin. III. p.80.
Var<Mmu ocellatu8 D n m. B i b r. m. p. 496.
Regenia octilata Gray Catal.Liz. p.9.
Von den beiden vorhergehenden verschieden durch die Entfer-
nung der Nasenlocher von den Augen, die reichlich halb so grofs
ist, wie ihre Entfernung von der Schnauzeospitze.
Sie ist bis jetzt ausschliefslich an der Westküste Afrikas,
vom Senegal bis Angola gefunden worden.
6. Monitor griseuaDsLud in.
Tvpincanbis griaeua D and in. VIII. p. 352.
Tupincanhw arencariua 6 e o f f r o y.
110 ' GesamnUsitzung
Varantu 9eincu$ Merrem.
VcaranuB artnariuB D v m. B i b r.
Aus dem nordlichen Africa (Äg^ten, Tripoli, Algerien),
Arabien (dorch Ehrenberg) und Persien.
Hr. W. Peters gab femer einen Beitrag xur Kenntnifs
der herpetologischen Fauna von Südafrika.
Hr. Dr. H. Meyer, welcher sich mehrere Jahre in Hantam
(CaMniadistrict, Oorlogsrivier, S. W. Africa) aufgehalten, hat eine
in der dortigen Gegend gemachte Sammlung von Arthropoden und
Amphibien mitgebracht, über welche letztere ich mir eine Mitthei-
Inng Torsul^en erlaube, da sie aufser mehreren seltenen unserem
Museum noch fehlenden Arten eine neue Gattung Ton Geckonen
enthfilt, und die Kenntnifs des Fundorts fSr die geographische Ver-
breitung von Interesse sein durfte. Ich verbinde damit die Yorlage
von zwei mir von Hm. Sundevall zur Ansicht mitgetheilten eigen-
thfimlichen Batrachiem, welche Hr. Wahlberg im Kafferlande
entdeckt hat und von denen A. Smith in seinen Illuatratiant of
the Herpetologie 0/ SotUh Africa eine kurze Beschreibung lieferte.
Saxtrii.
1. C^amae/aopumt7iM Latr eil le. — Hantam.
2. Chamaeleo namaquensis Smith. — Hantam und Oranger!-
vier.*)
3. PachydaetylusBihronti 8 ml th. — Hantam.
4. Pachydactylus capenais Smith. — Hantam.
5. Pachydactylus mariquenM Smith. — Hantam.
ChondrodactyluB nov. gen.')
Differt a Stenodactylo unguium de/ectu (f pholido$i notad heU^
rogenea).
^) Da Merrem bereits, wenn auch nur nach einer Seba*6chen Abbil-
dung, einen C%. calcaratus aa£fahrt, habe ich den Namen der von mir so
benannten nnd beschriebenen Art (MonaUberüAt 1869. p.44ö) in CL catcari^
umgeändert.
') x^^^9^*9 granom, iaxrvXoc*
vom 10. Februar 1870. 1 1 1
6. Ck, amguli/er n. sp. (Taf. Fig. 1).
C%. ftipra cmtrto/ueeMj /asciü Juico'nigris laiis angulatU or*
naüts.
Im Habitns fihnlich dem Stmodaetyhu ffuiiatH$y aber mit kör-
serer Scbnaiue und mit knneii Stommelxehen. Kopf um ^ brei-
ter als hoch. Schnaoae ^ l&nger als das Auge, welches genau in
der Mitte awischen der Schnanienspitae und der Ohröffnung liegt.
Nasenlocher swischen drei convezen Schildchen gelegen, ron denen
das grofste innere mit dem der anderen Seite zusammenstöfot.
Schnauze mit convexen Schuppen bedeckt, welche sich bis sum
Hinterhanpte hinaufaiehen, yon wo an Tiele runde gekielte Tuber-
keln swischen der feineren Granulation des Rfickens hemmragen,
welche nach den Korperseiten hin an Greise abnehmen. Das obere
nidimentfire Augenlid ist mit einer Reihe platter Schuppen bedeckt,
wahrend das untere feine Kömchen zeigt, welche sich vor dem
Auge, nach den Snpralabialia hin, allmfthiig gröfoer werdend, hin-
aiehen. Die Ohröffnung bildet eine mfilsig grofee schiefe, am Tor-
deiu Kande grade, am hintern Bande conveze Spalte. Supndabialia
10 bis 11; Infralabialia 11 bis 13. Der hintere bogenförmige Theii
der Lippen ist mit kleinen Kömdien gerfindert. Das Rostrale ist
breiter als das Mentale, welches Iftnger als breit und hinten abge-
Btmnpft ist Die untern Theile der Körperseiten sind mit convexen
Schuppen bekleidet, welche viel gröfeer sind als die feinen Granula
des Rückens. Die Kehle und Submentalgegend ist sehr fein ge-
körnt, wobei die kleinen convezen Schüppchen nach der Lippe hin
aUmShb'g groCser werden. Brust und Bauch sind mit kleinen dach-
ziegeUönnig gelagerten glatten Schuppen bekleidet Auf dem
Schwänze stehen die gröfseren st&rker gekielten Tuberkeln in
Qoerreihen und die Unterseite desselben ist mit flachen Schuppen
bekleidet, welche merklich gröfser sind als die der Ventralgegend.
Die vordere Extremität ragt nach vom gelegt mit dem läng-
sten Finger eben über das Auge hinaus, während die hintere bis
an die Achselgrube reicht Die Innenseite des Ober- und Unter-
anns ist fein granulirt, die Aufsenseite mit convexen Schuppen be-
kleidet, unter denen einige auf dem Unterarm tuberkelförmig her-
vorragen. Alle Finger sind kurz, der 1. ein wenig langer als der
5., dann folgt der 2., 4. und 3.; Hand und Finger sind oben mit
glatten Schuppen bekleidet; Hand- und Fingersohlen fein granulirt
und xwar stehen die Granula unter den Fingern in 10 bis 12 Längs-
112 OeBammUitzung
reihen. An der Basis der Hand und jedes Fingers tritt die Haat
wnlstartig hervor. Der Oberschenkel ist nnten und hinten fein
granulirt, vom mehr oder weniger dachEiegeifdrmig beschuppt, oben
mit Tuberkeln versehen. Der Unterschenkel ist an der innem
Seite mit convezen Schuppen an der ftufsem mit Tuberkeln und
feinen Kömchen bekleidet. Die Zehen nehmen von der 1. bis 4.
progressiv an Lunge su, die 5. steht der Lfinge nach in der Mitte
awischen der 2. und 3. Die Beschnppung des Fulses und der
Zehen ist ganz ähnlich wie die der Hand und Finger. Nirgends
kann ich die Spur eines Nagels entdecken.
Oberseite des Kopfes dankelbraun mit undeutlichen dunkleren
Lfingsstreifen zwischen den Augen. Auf jeder Schlfife ein dunkler
Fleck, welcher sich nach oben, hinten und innen auf die Seite des
Hinterhaupts ausdehnt. Auf der Mitte des Hinterhaupts ein dunk-
ler Fleck, welcher sich in einen mittlem Längsstreifen fortsetzt^
der sich mit einer breiten winkligen schwarzgeränderten Querbinde
über der Schultergegend vereinigt. Eine zweite breite Querbinde
auf der Korpermitte, eine dritte (zuweilen fehlende) vor und eine
vierte auf der Sacralgegend. Die dunklem Ränder dieser Quer-
binden werden jederseits entweder durch einen hellem Saum oder
durch helle Flecken hervorgehoben. An den Körperseiten rnnde
helle Flecke auf der dunklem netzförmigen Grundfarbe. Schwarz
mit vier breiten schwärzlichen Querbinden, welche durch schmale
gelblichweifse Zwischenräume getrennt werden. Die ganze Unter-
seite bräunlichgran.
Vord. Extremität . . 0?023
Hand mit 3. Finger . 070065
Hint. Extremität . . 07027
Fufs mit 4. Zehe . . 0?0085
Fünf Exemplare aus dem Calviniadistrict, Oorlogsrivier.
7. Agama hispida liinne.
Lacerta hispida L i n n e » Syst, not, ed. X. p. 205.
I Agama hiapida Gravenhorst, JVov. Act Acad, C. L, Not, Cur. XVL
2.Taf.64.Fig.l— 8.
Agama aculeata M e r r e m , Syst» Amphib. p. 53.
Trapelus hispidua Kaup, Isis. 1827. p.616. Taf. 7.
Agama aculeata et spinosa Dum^ril et Bibron, Erp. getuIV. p.499
&502.
Totallänge . <
. . . 0?085
Kopflänge . <
. . . 0?0185
Kopfbreite . <
. . . 0»0142
Kopfhöhe . .
. . . 0?011
Schwanz
. . . 0?032
vom iO. FAruar 1870. 113
Ich kann die Merkmale, welche Damiril and Bibron zur
Unterscheidung von A, aeuUata nnd hispida angeffibrt haben, nur
far indiTidaelle nnd sexnelle halten. Der schlankere Körper und
ISngere Schwanz (Seba. ü. Taf.8. Flg. 6) kommt den Mftnncben, der
breitere Korper nnd der kürzere Schwanz (Seba. I. Taf.83. Fig 1.3,
Taf.l09.Flg.6; IL Taf.8. Fig. 7) den Weibchen zu. Die Original-
exemplare von Orayenhorst's A, higpida habe ich durch Hm.
Grabe's gütige Yermittelung nntersnchen können nnd zeigen die«
selben, wenn auch schwach, deutliche Kiele der Bauchschuppen.
Die mehr oder weniger stachlige Beschaffenheit der Schuppen um
das Occipitale und auf den Gliedmafsen hilngt aller Wahrschein-
lichkeit nach eben so wie die geringere oder st&rkere Entwickelung
der Kiele der Bauchschuppen von der Jahreszeit ab. Übrigens
erlaube ich mir noch zu bemerken, dafs die von Seba II. Taf. 8
Fig. 6 abgebildete Art die dritte Zehe Iftnger als die vierte hat,
nach der diagnostischen Tabelle von Dum^ril et Bibron das Ge-
gentheil stattfinden soll, wfihrend in der Beschreibung von A. aeu'
lenta nichts über diesen Punct erwähnt ist. Auf der anderen Seite
xeigt dieselbe Figur verl&ngerte Stachelschuppen auf dem Kopfe
und den Extremit&ten, welche nach ihrer Beschreibung A. aculeata
nicht haben soll. — Calvinia-District.
8. it^oinaatraDaudin.
1 Agama aculeata M e r r e m , Beitr. Getch. Amph, HL. p. 91. Taf. 5.
Agama atra Dum^ril et Bibron, 1. c. IV. p.403.
Agama atra et cc^neis (aculeata) Gra^, Cat, Lix. 256. 257.
Wir besitzen das Originalexemplar aus der Sammlang des Gra-
fen von Borcke (Nr. 750. Mus. Berol.), nach welchem Merrem
seine A, aculeata abgebildet und beschrieben hat und ich weiTs
nicht, aas welchem Grunde Dumeril et Bibron angenommen ha-
ben, daÜB nur die Abbildung und nicht die Beschreibung Merrems
aaf diese Art zu beziehen sei. Die Seitenfalten des Rückens sind
bald vorhanden, bald fehlen sie und eben so sind zwar in den
meisten Ffillen hervorspringende Schuppen mit l&ngem Spitzen
und von etwas betrfichtlicherer Grofse unter den seitlichen Rücken-
schnppen bemerkbar, wfthrend bei einzelnen Exemplaren die Be-
Bchnppung hier ganz homogen ist — Hantam.
9. Agama armata Ptrs.
Ein einziges sehr grofses Exemplar, ausgezeichnet durch die
grofsere Zahl der Supralabialia, 15 anstatt 12 oder 11, von dem
Orangerivier.
114 GesammUitzung
10. EremiaiKnoxiiEd'WEkTdB, — Hantam.
1 1 . Er$miai eapmuis (et latieeps) Smith.
Von dieser Art liegen gegen 20 Exemplare Tor, die nicht al-
lein in der Farbe, sondern auch in der Pholidosis so variiren, dafs
ich es für mehr als zweifelhaft halten ma£s, ob E. laticeps davon za
trennen sei. Einige haben ganz dieselbe schwarze Grandfarbe mit
fünf goldgelben Linien, wie eine YarietAt von E. lugubrii (Smith
I.e. Taf.46.Fig.2 » E. lugubria et dorealie Dumeril et Bibron),
andere zeigen gelbweifse Puncto zwischen diesen Linien, bei andern
werden die Linien undeutlich und es tritt statt deren eine netzför-
mige Zeichnung auf ond bei zwei Exemplaren sind die hellen Li-
nien ganz yerschwunden und die Zeichnung ist ühnlich wie bei
Smith auf Taf. 4. 5. Fig. 2. Bei einigen stofsen die beiden Supra-
Orbitalschilder mit ihrem ganzlsn innem Rande an das Frontale,
bei anderen tritt vorn eine Reihe kleiner Schuppen dazwischen
und bei anderen sind sie yollstfindig durch eine solche Reihe von
dem Frontale getrennt, ohne dads die verschiedene Ffirbung dieser
verschiedenen Beschuppung entsprfiche. Es finden sich 4, 5, 6 oder
7 Supralabialia vor dem an den Lippenrand tretenden Infraoculare.
— - Hantam.
1 2. Eremias lineo-ocellata Smith. — Hantam.
13. Lacerta Delalande EdwtLTdB, — Hantam.
14. Euprepee trilineatus Schneider, — Hantam.
15. Euprepes vittatue Olivier, var. occidentalis Ptrs. — Hantam.
Euprepet Oiivierü Smith, lUuatr. S. A/r, Rept. Taf. 31. Fig. 3. 4. 5.
Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit zu bemerken, dafs die
von mir zu dieser Art gezogenen Exemplare {E. varius Ptrs., Mo-
nateherichte. l^^l , ^.20) nicht zu der von Smith abgebildeten Art
geboren, wie ich angenommen hatte.
1 6. Typklosaurus ccecue Cuvier. — Hantam.
Aconticu (xecua Cuvier, Regne animaL 1817. II. p.60.
Typhloeaurue ccecua W i eg m a n n , Berpetologia mexiccma p. 54.
Ophidii.
17. OnychocepJialtM Lalandü Schlegel, — Hantam.
1 8. CoroneUa cana Linn^. — Galvinia- District.
19. Psammophie eihilaneJjinne. — Hantam.
20. Philothamnue eemivarisgatus Smith« — Orangerivier.
21. Poecilophülacteua Li nn^, — Hantam.
22. Aapidelaps h^ricu8Jj9LVir enii, — Hantam.
V:ini(^WdUiaddWks(närh Berlin n> ^ lli
]rhoni!ro(!aclvliis,inQiilifer._'ar-ihrali'p(isW^lilh?ii
•! Hyperolius lubpiilinänis
r f Schmoll («ul;lh
vom 10. Februar 1870. 115
23. Najah^jelttkurenti. — Hantam.
24. Viperaeomuta Daudin. — Calvinia-District und Oran-
gerivier.
Batrachia.
1. ArthrolepHs Wahaergii Smith. (Taf.Fig.2.)
Arthroieptis Wahlberffü S mi tb, Iliuiir. ZooL S. Äff. Rept. App. p. 24.
Diese Art ist, wie ich mich durch directe Yergleichung habe
überzeugen können, durch die Iftngere und spitzere Schnauze, das
kleinere Trommelfell, etwas andere Proportionen der Eztremit&ten
und die Färbung leicht zu unterscheiden von A. pceeilonotus^ von
der ich eine ausfuhrliche Beschreibung gegeben habe (MonaUberieht.
1863. p.446).
Von J. Wahlberg im Elafferlande entdeckt.
2. HyperoUustuberilinguü Sun deT all (TalFig.3.)
HyperoHu9 tuherüinguU SnndeTall, Smith 1. c. p. 26.
Der Smith 'sehen Beschreibung dieser durch ihre Zungenbil-
düng ausgezeichneten Art habe ich noch hinzuzufügen, dafs das
Tronmielfell versteckt ist
Ebenfalls von Wahlberg im Kafferlande entdeckt Aufoer
dem mir vorliegenden Exemplare waren nach Hrn. Sundevalls
Mittheilung noch zwei andere Exemplare mit derselben Zungenbil-
dung an Hm. A. Smith zur Untersuchung gesandt worden, die
verloren gegangen zu sein scheinen. Um so willkommener durfte
daher eine Abbildung des noch fibrig gebliebenen Exemplars sein,
welches dem Museum zu Stockholm angehört.')
^) Ich erlaube mir bei dieser Gelegenlieit den Namen von Hemidacijflu9
variegatut P trs. {MonaUherichte 1S68 p.449 ; C.v.d. Decken Reuen. HL p. 13.
Amphib.-Taf.U; non Dnm^ril et Bibron) in H, picturatue omzuändern.
m
Erklärung der Abbildungen.
Flg. 1. Ckondrodactyius anguli/erVtt9.i in natürlicher Gr^fse; Fig. la. Un-
teneite der rechten Hand 5mal veigröfsert.
Fig. 2. Arthroieptis Wahlhergii Smitb, in natfirlicher Gröfse; Fig. 2a. auf-
gesperrtes Maul einmal vergrötsert.
Fig. 3. J?^ro/ttf« /ii6«rtVtn^ut9 Sundevall, in natärlicher Grobe; Fig. 3a.
an^esperrtes Maul in doppelter Gröfse.
IIS Gesammtsitzung
Hr. WeierBtrafs legte eine Abbandlang des Hrn. Eostka
so Elbing
Über die Auffindung der ellipsoidischen Gleichge-
ip^icbtsfiguren einer bomogenen, um eine feste Axe
rotirenden FlüsBigkeitBmasse, wenn deren Dichtig-
keit und Umlaufszeit bekannt sind,
vor ' ).
Es sei D die Dichtigkeit, T die Umlaufszeit einer um eine
feste Axe rodrenden FlusBigkeitsmasBe, / der Proportionalitfilsfak-
tor des Newtonseben Graritationsgesetzes : dann giebt es bekannt-
^) Hr. Richelot, Ck>rre8pondent der Akademie, der diese Aibeit ein-
geBandt hat, schreibt darüber Folgendes:
9 So Tiel ich weifs, ist keine geeignete und sichere Methode bis jetzt be-
kannt gemacht, die Axenverh<nisse des dreiazigen Gleichgewichtsellipsoids
zn berechnen.
Dies yeranlafste mich am Anfange des Jahres 1868 meinem oben ge-
nannten, talentvollen Schfller, nachdem er während seiner UniverBitätsstodien
in diese Untersuchungen und in die Theorie der elliptischen Funktionen von
mir eingeführt war, die Ani^be zn stellen, eine solche Näherungsmethode zu
suchen und an demjenigen Resultat namentlich zu prfifen, welches Ton dem
ausgezeichneten Schfller Jacobi*s, dessen Namen in diesen Untersnchongen
rflhmlichst bekannt ist, gewibermaCien noch unter den Auspizien selnet nn*
sterblichen Lehrers gefunden und später Ton allen Qeometem als richtig an-
genommen war. Ich meine die Axenverhältnisse bei der Umdrehungsgeschwin-
digkeit unserer Erde, die Hr. Prof. O. Meyer im 24. Bande des Crelleschen
Journals zuerst angegeben hat, ohne die Art der Berechnung anzuführen.
Ohne letztere zu kennen, hegte ich doch seit längerer Zeit Bedenken gegen
die mir von Jacobi und Meyer darüber angedeutete Art der Berechnung
und hielt die Resultate fftr unrichtig.
Hr. Kostka hat in jeder Beziehung meine Erwartungen ToUkommen
gerechtfertigt Seine von ihm ausgedachte, in demselben Jahr mir mitgetheilte
Näherungsmethode fand ich sicher und geeignet; aber sie gab yflllig abwei-
chende Zahlenresultate fQr das genannte Beispiel.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes, sowie die Eigenthflmlichkeit seines
Verfahrens yeranlafste mich. Hm. Kostka vorzuschlagen, die Resultate noch
auf andere Weise zu prfifen. In Folge dessen fand er eine andere, einfachere
Methode. Es ist dieselbe, welche ich Ihnen in einem das Wesentlichste ent-
haltenden Auszuge, den ich der Akademie vorzulegen bitte, mittheile.
Königsberg, den 30. Januar 1870.
F. Richelot.*
vom 10. Februar 1870. 117
lieh für jeden Wcrth der Zahl F= fTPfi zwischen 0 und 0,18711
zwei Rotationsellipsoide und ein dreiaxiges als Gleichgewichtsfigu-
ren, zwischen F= 0,18711 und F=s 0,2846 nur zwei Rotations-
ellipsoide. Die Frage, wie zu jedem gegebenen Werthe von V die
zugehörigen ellipsoidiscben Gleichgewichtsfiguren zu ermitteln sind,
wird im Folgenden fGr den Fall eines sehr kleinen F behandelt,
der hauptsächlich bei physikalischen Problemen Anwendung findet.
Hierfür ist, wenn A^ B, C die drei Axen, C die Drehungsaze:
Rotationsellipsoid,
C C
-Tssz — nahe 1 für das eine
A. B
C C
-^ = n nahe 0 für das andere
A. Jy
C C
— nahe 0, r= nahe 1 für das dreiaxige Ellipsoid.
1.
O C
Die beiden Rotationsellipsoide sind, falls — = ^ s= cosrs
A JS
gesetzt, also siuix die Excentricitfit ist, durch die Gleichung be-
stimmt:
. ^_«(3 4-tg'rr) — 3tg«
Um den Werth n nahe 0 zu finden, entwickele ich nach Potenzen
von tgff, wodurch:
F= 42.(— 1)«-» . '!^^ll . .
1*^ ' (2n-hl)(2n-h3)
Dieser Gleichung kann man die Form geben:
rqijt^ ^ « -^ - 0,0236 tg»« 4- 0,016 tg-«.
Daher ist ein Näherungswerth bei kleinem F:
16 F
^ ^6 16F
1
7 4
1 1 8 GeBammtiitzung
Setzt man dies in die rechte Seite der vorigen Oleichiinf^ ein, so
erhält man noch genauer:
16 F 1 fnW
— — h
fnvy fnvy fnvy
^*^*^ "" ^ 6 (ibv ifnvy 7i6fV /isryM
Diese Formel liefert noch für F == 0,009 den Werth von tg'rt bis zur
7. Dezimale richtig; denn hierfür ist tg^^» «s I l<0,00000005.
Das Axenyerhfiltnifs ist dann:
-4 B , , , ^i tg*« tg*it tg«« 6 , ,
Für den der Erde zukommenden Werth:
F = 0,0022997
orgiebt sich tg'rr = 0,008688144 und
Ä B
^ *= ^ = 1,00433467 .
AT
Um den Werth a nahe ~ zn finden, entwickele ich 1) nach Po-
2
tenzen von cotg^, wodurch:
2F 8, .8~,.. ncotff'*«
--=.cotg«--cotg*.4-3eotg».--^,(-l)"^^^_3^8^^_^^-
Hieraus l£fst sich ableiten:
IT
(16F\
1 j- J cotg^v — 3,485 cotg'« 4- 6 cotg*« — 4cotg*a
woraus der Näherungswerth :
ff 8 2F
Weil iget sehr grofs, genügt die Kenntniüis der 4. Dezimale; die
Formel 3) liefert diese noch richtig für Fa= 0,01, wofür das toV
wm 10. JMruar 1870. 119
— 1 < 0,000045 wird. Das Axenverbfiltnifs
ist:
A B ^ cotg« «r 8 2F
3a) . . c •= C = *«« + -?- = iF-i^-*'«''T
Hieraus ergiebt sich f&r Ft=s 0,0022997:
^ « ^ « 680,4939-
2.
c c
Das dreiaxige Ellipsoid ist, — a» cos<t , ~ ss cos/3 gesetxt,
darch die Oleichangen bestimmt:
4a) F« cos««co8*/3 f" ^(iH-g)
,/ y(l -+- ;e) (H- ;e cos'«) (IH- « cos'/3)' '
0
4b) r= »in»« 8in'/3 /", ^ . .dg.
J V(l + z) (IH- 2 co8'rt)(l -H z coe*;3)
0
Dieselben sollen mit Hülfe der ^ -Funktionen entwickelt werden.
Man setze daher:
^»_^, = ** nnd « = ampl (ti, *) ,
wodurch
/3 s=s ampl (Ä* — M, ifc) ,
dann ist für diejenige aus 4) abgeleitete Gleichung, welche V nicht
enthält, der Ausdruck in elliptischen Funktionen:
wo— Zu =^^, Z(tt4-^=::^> — Ä(tt4-^=:^.
120 Gesammtsitzung
Ferner lautet diejenige Gleichung, aas welcher das Integral der
zweiten Gattung eliminirt ist:
Ff 1 1 ^, ^'» .1 « «*Awr 1 1 1
Beide Gleichungen enthalten nur Potenzen von q^i da q^=^0 wird
für r» 0,18711, sind in der Nfihe dieses Werthes die Entwick-
lungen nach q zu benutzen. Es zeigt sich aber, dafs q sehr schnell
wfichst, so dafs für die meisten Werthe von V es passender ist,
K
die Entwicklungen nach q^ z=s $ ^^ zunehmen. Namentlich sind
dieselben in der Nähe von F= 0 zu w&hlen, weil ^i mit F zu-
gleich der Null sich n&hert.
Setzt man also u = iv, so gehen die beiden eben erwähnten
Gleichungen in folgende über:
.{c«.o^-*-+*-{ii-.)(^.-^.))
Ff , cJm A?!/ ,, 1
3 l Aji; cf 1/ J
= «^ -— ^ I 14- cf 1/ 4- :rV- 1 •
^xv axv\ Aj 1*/
Hier sollen mittelst der bekannten Relationen zwischen elliptischen
und d*" Funktionen die Argumente
Xi =s -:fy ona gi =s 0 »
eingeführt werden. Dabei werde ich aber sogleich mehrere Ver-
nachlässigungen eintreten lassen.
C
Weil --T stets zwischen 1 und 0, liegt a stets zwischen 0 und
K-n
— , also u zwischen 0 und £*; daher ist ^i e'* &= e ^ für jeden
Werth von F ein echter Bruch. Die Division der Gleichungen 4}
zeigt ferner, dafs:
rom 10. Februar 1870. 121
GOtgam(u, ib) < ibj tgani(tt, ib) .
Haben wir aber irgend zwei reelle Argumente u und r, so wird
stets: ' )
cotgam(tt,l:) = Jbitgam(r, ib) sein,
je nachdem u + v = IT ist.
Daher ist für nnsem Fall 2tt > JT und 9i«"i stets ein unech-
ter Bruch. Es ergiebt sich also die Beibenfolge:
0 < «r**i < Ji < Ä^i < ^1 «*i < 1 und q\f?*\ > ^i .
Es scheint femer bei flüchtiger Überlegung, q\^^ werde 1 für
IT
F=s 0, weil I« = — , jb s=s 1 wird; aber, sobald q^ so klein ist,
dafs es yemachlfifsigt werden kann, werden die Axenverhältnisse
unseres EUipsoids:
1 •+•«-'» JÖ IH-^i«'
1
woraus folgt, dafs q\^^ =0 ist für Fsa o.
Es sei nun V so klein, dafs qxf^^ < 0,005, so ist ^t <0,000025
und q\^^ < 0,000000125. Vernachlässigen wir also im Folgenden
gje'*i , ö'i«'"** > d~**i , welche alle noch kleiner sind als J?«*«,
dagegen vorläufig keine Potenz Ton qi-^"^ selbst: dann können die
beiden in v und ibi ausgedrückten Gleichungen auf die Form ge-
bracht werden:
5) . . 2(ä, — 3)e-*i
__ gl g*i — lOgi — 24f '*!
6) . • (a?i — 3)«-*i
TT"
^ l-h4«"*i -f-2e~'*i — 12(?J«*i — gie*'i
Eine erste Nftherung werden wir erhalten, wenn wir Alles aufser
gi«*t Temachl&ssigen. Dies giebt:
[1870] 9
122
OetammUilzung
7) ..
V V
^' 2(1 — 2 F) V * / 4
Es ist also eine transcendentc Gleichung von der Form
r«""' s= tn
cu losen.
Dieselbe hat , falls t» ein positiver echter Bruch •< — ist, —
Y
eine Bedingung, die —6* erfüllt, — zwei reelle positive Wurzeln
für 2:, die eine zwischen 0 und 1, die andere z>vischen 1 und <s>;
letztere ist hier zu wählen, weil im Grenzfalle (F = 0) x,, also
auch z rss Xi — 3 unendlich grofs wird. Ein Nähernngswerth für
diese Wurzel wird wol am besten aus der Form:
logz SS logt» + zloge
gefunden, kennt man einen solchen ==ro, so ist:
Z = 2n -^
So — me'o
I I ■ ■ ^ ■ I ■! I M —
»»e*o — 1
falls (2 — Zq)' vemachlfiesigt werden kann.
Es seien nun die Näherungswerthe ql^x] gefunden: man be-
rechne mit denselben die rechte Seite in 5) und 6), setze 9 1^1
SS gl 6^1 --h ^, so läfst sich ^, und dann, indem man Xi s= x\-\-y,
setzt, dieses r. durch einfache Formeln bestimmen. Wenn man
(?i ^0^ vemachläfsigt, werden diese Formeln der zweiten Nähe-
rung in ihrer einfachsten Gestalt:
8) . .
q^e'i =
2rji =
gl«*l-+-4g!-|-6glVl+2(gl««l)*-+-4(gl«*ly
qi «*! — I2g{ — 24<r*^i -^6g}*g*i
«•1
*1
3 — A»e*i
jue»! — 1
Durch 7) und 8) sind die Wurzelwerthe qi und Xi, welche unsem
beiden simultanen transcendenten Gleichungen genügen , unter der
Annahme bestimmt, dafs gi e*i < O^OOÖi also dafs alle vernachlas-
vom 10. Ftlnruar 1870. 123
sigten Grofsen (^j ^0*» ^i *""**>«"'*'» tfi***' erat in der achten
Dezimale einen Werth haben. Diese Annahme aber ist gewifs
richdg für F < 0,009 , so dafs hierfür durch 7) und 8) die Wur-
zeln direkt zu finden sind. Die Axenverfafiltnisse werden dann:
A e»
9)
3.
Die Anwendung der soeben entwickelten Formeln habe ich fSi*
den Werth von V gemacht, welcher der Erde zukommt, also
V = 0,0022997.
Man findet aus 7) :
q\e\ t= 0,001155163
x\ = 9,302164 ,
woraus
q\ = 0,0000001004 .
Die zweite Näherung liefern dann die Gleichungen 8):
,g, e»i = 0,001155588
^i =s 9,303238
g, t=3 0,0000001054 •
Die Gleichungen 9) liefern endlich:
A
^ = 62,4425
B
- «= 1,0023134 ,
also wesentlich verschieden von den Zahlen, welche Meyer in
A
Grelle's Journal Bd« 24 angegeben hat, nehmlich ^ = 19^57 und
-- 1^018. Doch hatte ich schon im Sommer 1868 a«f ganz an-
0
124 6e$anmtHtzung
derem, sehr viel weidfioftigerem Wege, als dem hier verfolgten,
gefanden: ^ == 52,36314 » ^ « I9OO23OI5.
Um aber meine Zahlen noch in anderer Weise ca prüfen, habe
ich die Gleichungen 4) nach Potenzen von tg';S entwickelt, wo-
durch man folgende, in unserm Falle stark konvergirende Reihen
^hält:
\ ""sin'acos^T"^ ' 2n.(2n — 2)...2 * ^
{•^«+1 cotg'*« — •^•H-sCOtg'"^'«}
' 8inrtco8*0 «"^ ' an.(2n — 2),..8. ^
If2n + 1) ••. 3I""*
^ '*' I == 1 gesetzt ist. Die J^& erh< man ent-
2n ••• 2 I
weder durch die Formel:
Jn
= ^-') (2n-~2)(2n^4),..2Hyri:nd^j-^^°")
l 2n — 2 2n — 2 2n — 4
^ /_ tx»-» (2n-~l)(2n~3)...5 tg»al
■*"^ ^> (2n — 2)(2n — 4)...4' 2 J
oder, für unsem Zweck bequemer, successire durch die Gleichungen:
/i = / I V ; ^^ — I — sm«
(2n — 2)j;,-^(2n— 1)/^^, = tg«»«-^ cos«.
^ 1
Man findet für die oben berechneten Werthe von 7; = und
C cos«
B 1
. >
C cos ti
vom 10. Februar 1870. 125
Ji — /, cotg' I« « 3,1649309
/, COtg' « — 7, COtg* « = 0,2481793
/» COtg* a — J^ cotg* « « 0,0832064 .
Die reehte Seite von 4a) wird:
0,00830087 — 0,00000126 =: 0,00229961 ,
die rechte Seite von 4b) wird:
0,00230503 — 0,00000537 « 0,00229966
anstatt 0,0022997. Die Differenz ist also eine 1 in der siebenten
Stelle; jene oben gefundenen Zahlen sind dadurch wol genügend
bestätigt Berechnet man diese AusdrGcke mit den Me 7 ersehen
Werthen, so wird die rechte Seite von 4a) 3» 0,01155 und die von
4b) wird 0,0175 ansUtt 0,0022997.
Die Gleichungen 2), 3), 7), 8), 9) liefern also die Azenver-
hSltnisse aller drei eUipsoidischen Gleichgewichtsfignren mit hin«
reichender Q«nauigkeit fQr V < 0,009. Für gr5(sere Werthe von
V werden sie immerhin noch sehr brauchbare N&heningswerthe
geben.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Transactions 0/ the Camhridge Phiio90phical Society, Vol. XI, Part 2.
Cambridge 1869. 4.
Bijdragen tot de Tool- Land- en Voikunde, IV, 2. 3.
Gravenbage 1870. 8.
Nötiger ur SalMtapete pro Fauna et Fiora /eimica F&rhandlingar, Fase. 10.
HelaiiigforB 1870. 8.
Sillimums Journal 0/ edence and arte, no. 144. New Haven 1869. 8.
A. PejrroD, La prima taooUt di Eracka. Torino 1869. 4.
136 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
14. Februar. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. Dove las fiber die Compensation der in Europa im Ja-
oaar 1870 beobachteten Kfilte durch eine ungewöhnliche Erhöhung
der Temperatur in Amerika.
Hr. Ehrenberg machte vorläufige Mittheilong über die
Bacillarien-B&nke im Hochlande Californiens.
Durch eine sehr glückliche Th&tigkeit der geologischen Ge«
lehrten der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas sind so bemerkens-
werihe Erweiterungen unserer Kepntnifs der ans mikroskopischen
Lebensformen bestehenden kieeelerdigen Gebirgsmassen gans neuer-
lich entwickelt und meiner eigenen Beurtheilnng sugfinglich ge-
macht worden, dals idi für angemessen halte der Akademie schon
jetat eine vorl&nfige Mittbeilung darüber vorsulegen. Schon 1843 and
1845 wurden mir durch die Vermittlung des seitdem verstorbenen
Professor Bailej die von Professor James Dana vom unteren
Columbia River in Oregon mitgebrachten Proben von Gebirgs-
schichten, aus kieselerdigen Bacillarien - Scbaalen bestehend, zur
Kenntnifsnahme und specielleren Analyse übersandt, welche in den
Monatsberichten jener Jahre publicirt worden sind.
Noch weit auffallendere Verhältnisse solcher anstehenden Ge-
birgsschichten entdeckte Kapitain Fr ^mont bei seinen kühnen und
glücklichen Untersuchungen des Hochlandes von Oregon und C4ili-
fomien am Fallriver, wo er bis 500 Fufs mfichtige, 100 Fols hoch
mit Basalt überlagerte, steile Felswände des Thaies bildende, weifse,
scheinbar thonige, fürPorzellanthon gehaltene, Gebirgsschichten fand.
Über diese mir ebenfalls übersandten Proben habe ich, i. J. 1849 0
publicirte, Mittheilungen vorgelegt Es war mir damals gelungen,
aus beiden Gebirgsschichten susammen 146 verschiedene Formen-
arten als ihre Hauptelemente namentlich darzulegen. Beides, beson-
ders aber die letztere Masse ausschliefslich, hatte den Charakter
I) Monatsbericht d. Ak. 1849 p. 76. *
vom 14. Februar 1870. 127
ron SSfswasaerbildongen, nur 3 Tereinzelte Fonnen des ersteren spra«»
chen als Meeresgebilde an* Die nnerhorte Mfichtigkeit und Lage-
niDg als 500 Fii£b hohe Felawinde Tun Bacillarien sind bisher
ohne Gleiehen geblieben and überbieten auch die im Torigen Jahre
mitgeUittlten VerhÜtnisse der mexikanischen Hochgebirge bei
Wdtem.
Seit 1849y seit nun 20 Jahren» sind keine weiteren Erl&ute-
rangen aas jenen nnwirthlichen Gegenden des califomischen Hoch«
landes erreichbar gewesen. Die Epodie machende grolse indastrielle
Unteroehmong der Eisenbahn vom Mississippi nach dem Stillen
Ocean hat erst neaerlich Aufschlüsse der merkwürdigsten Art aas
den zu dorchbrechenden Hochgebirgen au gewinnen erlaubt Der
Staatsgeolog der Vereinigten Staaten Nord - Amerikas Professor
Whitney in Cambridge hat umfassende Untersuchangen der Yer^
breituBg und Mächtigkeit der califomischen Bacillarien-Biolithe an-
gestellt und über dieselben einen ausführlichen Bericht in den
Schriften der Akademie der Wissenschaften zu San Francisco rer-
offentlicht
Nachdem mir bereits au Anfang des vorigen Jahres eine sehr
saaber verpackte und etikettirte Reihe von 35 Proben verschiede-
ner biolithischer Grebirgsarten durch Hrn. Baron von Gerolt, den
Gesandten des norddeutschen Bundes in Washington, cur KenntniTs-
nähme und Analyse zugesandt worden waren, sind mir auch nea-
erlich auf demselben Wege Proben Jener Porzellanerden- oder
Elaolin-artigen» zuweilen auch Btennthon (FSreclay) und Pfei«
fenthon, auch sogar von verschiedenen. Beisenden Magnesia genann-
ten, zum Erstaunen hohen Gebirgsschichten übermittelt worden,
und der Professor Hague in Cambridge hat aus eigener Anschauung
Erlfiuterungen specieller Art hinztigefügt Nach den Berichten des
Professor Whitney finden sich diese mfichtigen Läget polygastri-
scher Infusorien, welche von mir als Bacillarien bezeichnet worden
sind, aulaer in Oregon auch in dem califomischen Hochlande zwi-
schen der Sierra Nevada und den Rocky Mountains, dem sogenann-
ten „Great Basin^, in ganz unerwarteter Ausdehnung und hier und
da in einer Mächtigkeit, welche Jene 500 Fufs am Fallriver um
das Doppelte übersteigt Die beiden viele Tausende von Quadrat-
mcilen umfassenden Territorien Nevada und Utah enthalten an vie-
leo Punkten grofse Bänke solcher Infusorienerden, welche durch tief
eingerissene Thäler oft im Profil gesehen werden, zuweilen mit
1^8 Sitzung der phy9ikai%9eh*mathtmati$ehen Klasse
Bimsteiiistaab, GteröU und Basalttuff abwcdifielnde mehr oder we-
niger didce Schiditen bildend. Die Mächtigkeit derselben ist za-
weilen, wie nach Hm. Profeegor Hague im HamboIdt>Tlisle, im
Bchroffen Abfall so stark erkennbar, dals sie sieh avf 1000 Fufs
erstreckt') Oft sind sie auch hier wie in Oregon oberhalb mit
einem Basaltlager überdeckt. Im Nevada-Territoriam^st besonders
der Homboldt-District, Hamboldt Valley, mit dergleidien weiCsen
Oebirgswftnden versehen, nnd aneh an den Umgebungen des Salz-
sees finden sich solche Gebirgsmassen. Die mir sagekommenen
Proben, welche speciell diese Yerhftltnisse sn erlfiotem bestimmt
sind, betreffen 5 örtlichkeiten, 2 Tom Nevada-Territorium (Tmekee
River und Humboldt Valley) und 3 vom Salzsee des Mormonen*
landes im Territorinm Utah. Ich habe mir nicht versagen können
und bereits angelegen sein lassen einige Übersicht dieser so höchst
merkwürdigen ehemaligen Lebensverhfihnisse zu gewinnen und hoffe,
wenn auch langsam, durch gleichartige Behandlung eine den schon
vorhandenen Kenntnissen vergleichbare Erlftuterung dieses Gegen-
standes herbeifOhren zu können. Für jetzt möge es genügen, fol-
gende Thatsachen dieser Erscheinang zu berühren.
Aus den Mittheilungen des verdienstvollen Geologen Professor
Whitney geht hervor, dafs ungeheure ehemalige Seen des cali-
fornisehen Hochbassins staunenswerthe Ablagerungen im Thalboden
bewirkt haben, welche beim allmfilfgen Abfliefsen der Gew&sser in
tiefer gelegene Thfiler und Schluchten, oft selbst Berge bildend, sieb
verbreitet haben. Dabei ist allerdings kaum ein Maafsstab festsa-
stellen, bis an welcher Mfiohtigkeit diese Lager im Bereiche der
Seen sichtbar werden können.
Wenn hierbei Hr. Professor Whitney die Meinung ausspricht,
als sei dies im Widerspruch mit früheren Vorstellungen und als
habe ich solche Massen für Auswürflinge aus der Tiefe der Vol*
kaue gehalten, so möchte ich bemericen, dafs diese Ansicht niemals
die meinige gewesen ist, daOs ich sie vielmehr bekämpft habe. Seit-
dem die Moya und die Asche des Imbaburu«Vulkans in Quito
von mir als vulkanischer Auswurfstotf durch verkohlte Pflanzen-
reste nachgewiesen, ist auch die Vorstellung von graphitartiger
^) In the region of the Hamboldt desert there are beds, stratified and
conformable with the tertiary rocks, which judging from the oatcroM of the
Btrata mast be from 500 to 1000 feet thick.
vom 14. Februar 1870. 129
UrkoUe ana dem Innern der Erde als dortige torfartige Brschei-
naog onmogUch geworden. Wohl aber ist das darch eingestünte
thSdge Volkankegel zerrissene nnd reriEohlte Oberfifichenverfafilt-
nifs mit seiner Pflanaendecke als deatliehster, wahrer, aber sekon-
dSrer Aasworfstoff nicht in Zweifel cu zi^en. Bei manchen hiersn
gehörigen Tuffen sind die feinen organischen Theile dorch Hitze
rerandert oft sehr nnkenntlich geworden und darauf besonders
habe ich meine Aufmerksamkeit gelenkt. Dafs jene Phytolitharien«
massen als Gb-aatheile bei Mexiko nicht in Seen gebildet sein konn-
ten, durfte ebenfalls unbezweifelt bleiben.
Ganz besonders bemerkenswerth ist bei den califomischen Bio*
lithen der Umstand, daCs sie doch wohl in Hohen von 4 — 5000 Fofs
über dem Meere, also denen von Mexiko fast Ähnlich, abgelagert
Bind. AUeia sie sind den mexikanischen Gebirgsschicbten dieser
Art dadurch ganz unfihnlich, dafs sie nicht blofse Sfifswasserge-
bilde, sondern auch nicht wenige entschiedene Meeres- oder Salz-
foimen unter sich fuhren. Die Gattungen : CoBdnodiBCUSj DiphneU^
CroipedodiscuSj ChramnuEiophora (und Biddulphia am Columbia River)
Bind meinen in der Mikrogeologie mitgetheilten nnd anschaulich
gemachten Erfahrungen zufolge niemals im reinen SQTswasser, aber
regelmfifing als Meeresgebilde vorgekommen. Nur einige Male sind
Fragmente eines CoBcinodi8cu$?y wie in Bilin (Mikrogeologie Tab. XI.
Fig. 4) anschaulich geworden, deren Natur aber auch anderen SATs-
vasserbildungen nahe steht; z. B. Coscinophaena Diiooplea (Mikro-
geologie Tab. XXXYA. XIII A. Fig. 1). Es geboren auch mehrere
Formen der Spongolithen der califomischen Gebirge wohl kaum
zu den Sufswasser-Spongillen. Wenn man siclwalso Sufswasser-
Bassins im califomischen Hochlande denken soll , so fehlt ihnen
jener reine Sfifewasser-Charakter der mexikanischen Gebirgsschicb-
ten. Dagegen ist die noch vorhandene Existenz des grofsen Salz-
sees in Utah ein deutlicher Hinweis, dads auch in frühesten 2ieiten
sahnge Gewfisser alle Seen des Hochlandes dort erfüllt haben könn-
ten. Nur ist dann der Umstand schwierig zu erläutern, dafs doch
die Hauptmassen jener ungeheuren Lebensablagerungen sich als
Sübwasserformen weit vorherrschend zu erkennen geben.
Dafs die vulkanischen Feuer jener Länder, wie es auch in Me-
xiko der Fall ist, auf diese Massen, etwa Hebung ausgenommen, gar
keinen Einflufs ausgeübt haben, ergiebt sich mit voller Deutlichkeit
>U8 der schönen Erhaltung aller Formen, die, ohne Spuren von Ein-
130 Sitzung der physikaHseh-maihematischen Klasse
wirkang volkamscher Hitse, nun grofsen Theil ganz geblieben oder
nur einfach serbrochen sind. Nicht unwesentlich scheint das mir
gelungene Auffinden von (7ypm-artigen Kalkschalenformen, wie in
Mexiko, deren Gestalt jedoch eigenthümlich ist
Das Massenverhältnifs der Formen in den fünf geprfiften Ge-
birgsproben hat ergeben, dafs die Masse am Tmckee River fast
ansschliefslich aus OaUiamlla grantUata und G. scvipta besteht mit
jEahlreichen Co«CHio(ft«cv«- Fragmenten. Im Gänsen wurden bisher
24 Polygastem* Arten, 15 Phytoliiharien, darunter 6 Spongolithen da-
selbst beobachtet. Hierunter ist CoecinodUeus radiatue Meeresforra,
die übrigen alle sind Sfifswassergebilde.
Von den Massen am Humboldts-Flufs (Humboldt Valley) bil-
den die Hauptelemente wieder GMionelia granulata und (?• eculpta
mit besonders auffälligen zahlreichen, zum Theil unbekannten Spon-
golithen, von denen 4 — 5 Arten sich ebenfalls als Meeresgebilde an-
sprechen lassen, wozii auch Fragmente des Coseinodiseue radiatue
und C. eubtilis sich gesellen. Im Ganzen sind hierin bis jetzt 9
Arten Polygastem, 18 Aorten PhytoUtharien, darunter 14 Spongo-
lithen hervorgetreten.
Die drei Proben vom Salzsee in Utah sind zwar unter sich
in der Mischung etwas verschieden, haben aber den gemeinsamen
Charakter, abweichend von den Nevada-Gebirgen, dafs ihre Mas-
sen aus Amphora /tftyoa, Synedra epeetabiUe, FragHatia rhabdoeama
und F. phmata^ sowie aus Surirella Teetudo, Eunotia Argue, Gram-
matophora stricUiy sammt Navicula bohemica überwiegend gebildet
sind. Im Ganzen haben sieh 84 Arten Polygastem, 6 Phytolitha-
rien, 4 Geolithiei^ und 1 Art kalkschaliger Cyprie darin verzeich-
nen lassen. Unter diesen Formen sind 6 entschiedene Meeresfor-
men oder Salzwasserformen. Alle aufser den genannten Haupt-
massenformen, besonders die Meeresformen, sind mehr oder weni-
ger vereinzelt in diese Masse eingestreut In diesen letzteren ört-
licbkeiten macht sich auch eine Beimischung von feinen Sandtheil-
chen bemerklich, welche zum Theil doppelt lichtbrechend sind.
AniFallend bei allen diesen Verhältnissen ist es, dafs nur sehr sel-
tene Spuren von Grasphytolitharien vorhanden sind und dafs in
auffalliger Weise Campylodietue Clypeue mit Navicula bohemica^ wie
in Mexiko und Böhmen, vorkommen.
Ich sdiliefse diese vorlinfigen Bemerkungen damit, dafs die
hier zur Kenntnifs gekommenen 134 Arten organischer Elemente
vom 14. Februar 1870. 131
(97 Potygastern, 31 Phytolitbarien, 466oiithien und 1 Cf piis) mit den
fraher am Colambia River nnd am Fallri?er in Oregon anafysirten
Gebirgsschichten 223 Arten betragen, die aber die sämmtlichen
Elemente noch bei Weitem nicht darstellen können, welehe weite-
rer Analysen bedürfen. £s sind in der Mikrogeologte anf Tafel
XXXni nnd XXXVII 48 dieser Formen im Jahre 1854 abgebildet
worden.
Da der Mormonenstaat von Utah am Salzsee bereits so viele
industrielle Kräfte besitst nnd wahrscheinlich mit Trinkwasser nicht
sehr begünstigt ist, so dürften artesische Brunnen wie in Mexiko
dort leicht und zahlreich ausgeführt und weiter ansfuhrbar sein,
deren Bohrerden zu überwachen und zu sammeln ein ansehnliches
Interesse hat. Ebenso sehr ist es aber auch wünschenswerth, da(s
die neuesten Ablagerungen und lebenden Spongillen als Oberflächen-
schlamm und Gebilde des Salzsees der mikroskopischen Prüfung
zugSnglich werden. Sollten sich die Meeresformen in diesem Salz-
see nicht lebend finden, so würden die grofsen Lager jener Bio-
lithe als einer früheren Bildungszeit zugehörig durch ihre Etonente
bezeichnet sein, sowie auch Professor Hagoe in seinem beigefiig*
ten ausführlichen Schreiben dieselben als Tertiärbildung aufgefafet
hat, während sie Professor Whitney der neuesten Erdbildung mit
überweist« Das ursprüngliche Zustandekommen brackischer Bacil*
larien- und Spongolithen^Lager auf Hochgebirgen dürfte einer wei«*
teren Erläuterung sehr würdig sein.
Eine technische Verwendung dieser BaciUarien-Tripel soll zur
Abschwächung der gefahrvoilou zufälUgen Explosion des ,)Dyna-
mit^ genannten gewaltigen Sprengmittels des Niteo-Olycerin viel«*
fadi jetzt stattfinden.
Überblickt man die bisher bekannt gewordenen, nur durch
künstlieh verstärkte Sehkraft erkennbaren fossilen Überreste des
feinen Lebens, so tritt die seit 1830 hier vorgetragene Polythala-
mien-Kalkbildnng durch kalkschalige Elemente, gewöhnlich Schreib-
kreide genannt, in meist 800 bis 1000 Fufs Erhebung, den Boden
vieler grofser Länder bildend, am meisten hervor. Diesen zur
Seite ist seit 1844 eine bis 1100 Fufs mächtige kieselerdige Poly-
cystinen - Mergelbildung der Insel Barbados und auch der Nico-
baren - Inseln nachweisbar geworden. Neben vielen weniger ho-
hen Gebirgsschichten tritt nun hiermit das organische Eieselelement
in den Hochländern Californiens als bis 1000 Fufs mächtige und
132 Sitzung der phyBikaUieh-mathemaüiehen KImm
in der Yerbreitang auch das mexikanlache Oebirge weit überragende
Erscbeinung au Tage. So wachsen denn die Erscheinnngen eines
ansichtbaren und doch m&chtig wirkenden Lebens au erfreulicher
Genngthaong ruhiger Forschung in grofoem Maalsstabe weiter.
Hr. Weierstrafs machte folgende Mittheilung des Hrn. Eet-
teler in Bonn:
Über den Einflnfs der ponderablen Moleküle auf die
Pispersion des Lichtes und über die Bedeutung der
Gonstanten der Dispersionsformeln.
Während die in letzter Zeit von Mascart') veröffentlichten
Messungen des ultravioletten Spektrums sowie die von mir'} an-
temommene Untersuchung der Dispersionsverh<nisse der Gase
bereits einen ziemlich weiten Überblick gestatten über den Verlauf
der Dispersionscurve als eiqer Funktion von Wellenlänge und
Dichtigkeit, wfihrenddefs hat auoh die Theorie insbesondere durch
die trefflichen Arbeiten Briot's') einen neuen Aufschwung ge-
nommen und durchaus neue und fruchtbare Prinzipien ange-
stellt.
Es liegt daher die Frage nahe, ob es nicht möglich sei, aus
dem vielen voiliogenden Material mit Innehaltung eines streng kri-
tischen, empirischen Standpunktes zu einer Formel zu gelangen,
die einerseits bei der bis Jetzt erzielten Genauigkeit der Versuche
als die einzig zulfifsige und dabei als die dem heutigen Stande der
Theorie einzig entsprechende erachtet werden müsse.
0 Mascarl, Ana. de T^cole normale, 1. 1. und Ann. de chim. 4 serie,
t. XIV.
^} Ketteier, Beobachtungen über die Farbenzerstreuung der Gase,
Bonn 1865. — Monatsberichte der Königl. Akademie, November 1864. —
Sitzungsberichte der Niederrhein. Gesellschaft, Dec. 1868.
') Briot, Essais sur la th^orie mathematique de la lamiere. Paris
1864.
vom 14. Februar 1870. 133
Die Anforderangen , die man an eine rationelle Diepernons-
formel eii stellen berechtigt ist, lassen sich meines Braehtens in
die Tier folgenden Fnnkte zusammenfassen:
1. Eine rationelle Formel mafs bei einer bestimmten Dieh-
tigkeit des dispergirenden Mittels f&r den ganaen bekann-
ten Umfang der prismatischen Strahlung die einaelnen Far^
ben in richtiger räumlicher Aufeinanderfolge ans den
Wellenlängen berechnen lassen.
2. Ihren Constanten mnfs, etwa in analoger Weise wie bei
der bekannten Interpretation Christoffel's^) (besfiglich
zweier Cauchj'schen Gonstanten) eine specifisch physika-
lische Bedeutung untergelegt werden können.
3. Bei Dichtigkeitsänderungen seitens der dispergirenden Sub-
stanz müssen diese Constanten in einer einfachen, den Gas-
▼ersuchen entsprechenden Weise an den Änderungen der
Molekular-Constitution participiren. Speciell also müssen
4. an der Oränze der Verdünnung die Indices sämmtlicher
Farben gleichzeitig den gleichen Gränzwerth 1 errnehen.
Demnach wird eine Arbeit, die sich dieses Ziel gestellt hat,
natargemäfs in drei entsprechende Abschnitte zerfalien. Es sind
zunächst die einzelnen vorgeschlagenen Ausdrucke auf dem Wege
der Rechnung hinsichtlich ihres Baues und der Anzahl ihrer Glie-
der nach dem Grade ihrer Leistungsfähigkeit zu beurtheilen« So-
dann werden die mathematischen Charaktere der gewonnenen Con-
stanten hervorgehoben, die Constanten also nach der formellen
Seite interpretirt werden mfissen. Endlich mufs jede derselben als
Ausflufs der bei der Dispersion zur Mitwirkung kommenden Kräfte
erklärbar sein und darnach definirt werden.
Ich habe es versucht, die hier besprochene Aufgabe ihrer L6-
song entgegenzufuhren.
Es wurden zu dem Ende in sehr mannigfacher Weise bei«ch-
net: die Messungen Mascart^s, betreffend das ordinäre und extra-
ordinäre Spektrum des Kalkspath und Quarz sowie das Spektrum
eines stark zerstreuenden Flintglases, Messungen, die sich aufser
auf die optischen auch auf einen mehr oder minder grofsen- Theil
der ultravioletten Strahlen erstrecken, — femer die Indices des
Hassers, die bei Anwendung der gebräuchlichen Formeln eine be-
') ChriBtoffel, Monatsberichte der Kdnigl. Akademie, Okt. 1861.
134 Sitzung der physikaiiBoh'matJiBmaiischen Klasse
merkenswerthe Anonaslie «eigen, die Indices des schweren Meri'-
Behen FlintglaAefl« für das van der Willigen') «wischen den
Fraunhofer 'sehen Linien Ä und H nicht weniger als «weinnd*
fünfidg Linien beracksichtigt hat, sowie endlich das Spektrum des
Schwefelkohlenstoff von Yerdet') und die drei Hauptspektren des
Arragonit von Rudberg. Dabei worden die Constanten der ca
vergleichenden Ausdrucke zum Theil aus einseinen Beobachtungen,
cum Theil mittelst Grnpptrung sSmmtlicher disponibler Gleichungen
und zum Theil mittelst Anwendung der Methode der kleinsten Qua-
drate berechnet.
Zugleich war für die Absch&tzung und Wfirdigung der mit
einander concurrirenden Ausdrucke das Kriterium maafsgebend, dafs
diejenige Reihe, resp. diejenige Combination von Reiben, welche
bei gleicher Brauchbarkeit die kleinste Anzahl Constanten, also die
stärkste Convergens besitzt, vor allen übrigen den Vorzug ver-
dient*
Das Resultat dieses Theiles der Arbeit lä&t sich dahin zu-
sammenfassen, dab:
1) die reine Cauchj'sche Reihe, d. h. diejenige, deren Glieder
fortsclweiten nach Potenzen der reciproken Quadrate der in-
neren Wellenl&nge I / = - j , der Erfahrung nicht genSgt,
dafs dieselbe
8) durch ein das Quadrat der direkten Wellenlfinge enthalten-
tendes Glied erglLnzt werden müsse, und dafs so im Gan-
zen vier Glieder erforderlich sind und ausreichen, dafs man
endlich auch
3) die die Wellenl&ngen enthaltenden Glieder in einer gewis-
sen abschliefsenden Weise zusammenfassen dürfe, ohne da-
durch der empirischen Brauchbarkeit irgendwie Abbruch zu
thun.
Die so gewonnene Dispersionsformel hat vier Constanten, und
da je zwei derselben sich als zusammengehöriger charakteristischer
Index und charakteristische Wellenlange entsprechen, so folgt, dafs
jede dispergirende Substanz durch zwei bestimmte, ihr eigenthum-
liehe Strahlen physikalisch definirt ist Von den beiden charakte-
') T. d. Willigen, Archives du Musee Teyler, t. I.
*) Verdet, Ann. de chun. 3 serie,-t. XIX.
vom 14. Februar 1870. 1B5
mtisehen WeUenl&igen kann — wenigstens ideell oder auch prak-
tisch — die eine anendlich grofa werden» so dafs dann die Aniahl
der Gonstanten sich anf drei redncirt. Der eine der beiden ge-
ninoten Strahlen begrinat das Spektrum anf der nltravioletten
Seite — ich nenne seine Elemente n«, /«, Xo — 9 der andere anf
der iiltrarothen Seite, nnd seine Elemente helfsen Hs« /«, Xf Zwi-
schen beiden liegt dann noch ein dritter ansgeseichneter Strahl,
dem Im Allgemeinen auf der Dispersionscnrve ein unbestimmter
Punkt (»1, /i9 Xi) entspricht» Nur in dem eben erwfibnten Spe-
cialfall wird /j S3 ly S3 oo , nnd der Index wird ein asymptotischer
Granzindex («i ss n« ca nj) auf der nltrarothen Seite des Spek-*
trnms.
Fafst man die Abhängigkeit der einzelnen Glieder der Dis-
persionsformel von der Dichtigkeit ins Auge, so ergibt sich, dafs
dasjenige Glied, welches (in der ungeschlossenen Reihe) die direkte
Wellenlänge enth<, bei Abnahme der Dichtigkeit rascher abnimmt
als die übrigen, so dafs an der Grfinse der Verdünnung die Zahl
der merklichen Glieder und folglich die der Constanten sich stets
auf drei reducirt.
Ich definire dabei analog dem Begriffe der sogenannten breehen-
nl —-»?
den Kraft ni — 1 den Quotienten j — als dispergirende KrafT.
~ Führt man zugleich in die Dispersionsformel diejenige Orofse
ein, die als Gränzwellenlfinge (Aq) ^^ der Grfinze der Verdünnung
(d SS 0) deflnirt werden mufs, so zeigt sich, dafs diese Orölse bei
Gasen von der Dichtigkeit nnabhüngig ist, dafs dasselbe wahr-
scheinlich der Fall ist für den flüssigen Zustand, und dafs selbst
die Einwirkung der EIrjstallisationskraft sie anscheinend nicht ver-
ändert
Was schliefslich die Beziehungen zur Theorie betri£ft, so denke
ich mir mit Briot die dispergirenden Medien als Aggregate ans
ponderablen nnd Ätbermolekfilen nnd zwar derart, dafs jedes pon-
derable Molekül mit einer Atmosphäre von verdichtetem Äther um-
geben ist, nnd dafis innerhalb der so gebildeten intramolekularen
Zellen die Dichtigkeit des Äthers von einer znr andern periodisoh
Tsrürt, etwa wie momentan die Dichtigkeit der Luft zwischen den
Dicbtigkeitsmaximis einer longitudinalen Klangwelle. Es sind dann
dreierlei Arten von Kräften in Betracht zn ziehen, Attraction zwi-
Behen den ponderablen Molekülen, Attraction zwischen ponderablen
136 Sitzung der physikaliseh-mathematUehen Klasse
und Äthermolekulen und Repulsion zwischen den Athertbeilchen.
Sofern nun im Allgemeinen von der crsteren abstrahirt werden
darf, so verbindet sich die zweite mit der dritten zu einer Resul-
tirenden, und zwar zeigt sich die Attraction zwischen ponderablen
und Äthermolekülen einmal als statische, die Anordnung des Äthers
modificirende Kraft, dann aber auch als. dynamische, die Schwin-
gungen des Äthers beeinflussende Kraft*
Dem entsprechend zeige ich, dafs die drei Arten von Gliedern,
welche die Dispersionsformel enthält, auf drei besondere physika-
lische ExSfte zurfickzufuhren sind. Das constante, von der Wel-
lenlünge unabhängige Olied repräsentirt die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit, mit der «ich in einem gleichförmig isotropen Medium von
der gleichen mittleren Dichte (aber unendlich dünn gedacht) s&mmt-
liehe Farben fortpflanzen würden.
Das, das Quadrat der directen Wellenlänge enthaltende Glied
rührt her von der direkten, dynamischen Einwirkung der ponde-
rablen Moleküle auf die schwingenden Athertbeilchen und wird für
Gase zwar nicht vernichtet, aber doch unmerklich.
Die beiden übrigen, die ersten quadratischen Potenzen der re-
ciproken Wellenlänge enthaltenden Glieder messen die Stärice der
Concentration der Ätherhüllen um ihren ponderablen Kern und da-
mit die Amplitude der periodischen Modificationen der Dichtigkeit
des Äthers.
Zwischen der Amplitude a und der zerstreuenden Kraft besteht
die einfache Relation:
a nj — nj
al n\
und ich definire die Constante — oder das Verhältnifs der zer-
streuenden Kraft zur Amplitude als das Zerstreuungsvermogen.
Das Zerstreuungsvermogen eines dispergirenden Mittels ist wesent-
lich bedingt durch den Charakter oder die Form der periodischen
Un^eichheiten, diese letztere aber nur abhängig von der chemischen
Substanz, dagegen unabhängig von der Dichtigkeit
Für Gase ist die Amplitude a der Quadratwurzel aus ihrer
Dichtigkeit proportional.
Endlich läfst sich rücksichtlich der Grofse a, (proportional
mit Aq) noch der folgende Satz aussprechen: Wird die Dichtigkeit
ront 14. FAruar 1870. 137
einer diftpei^reiid«ii Sabstanx, die wie Sehwafelirablenstoff seitens
ihrer pondersblen Molekfile nar eine fiviserst schwache direiUe Ein*
Wirkung VethStigt, vom Grfinssnstand (d «s o) an condnoirlich gc«
steigert, so wird die ragehorige Cnnre der Dispersion einmal, bei
einer gans bestimmten Dichtigkeit , in eine Lage kommen, deren
mathematiseher Ansdruck die Christoff ersehe Fermel ist; die
dieser Dichtigkeit entsprechende Amplitfide ist angenfihert as «i«
Ffir den gedachten Speciaifall ist:
Ebenso einfach ist die Beziehung, die anf der anderen Hfilfte
der Dispersionscarve den Gränzstrahi (n^^ti, Xj) mit dem charak-
teristischen Mittelstrahl verbindet
Nenne ich kf den Coefficienten des die direkte Wellenlänge
enthaltenden Gliedes und setze k ss» n\ifj so bestehen die Glei-
chungen:
h
' y? ' ''Vi*
Die erstere bleibt gültig für alle nicht za grolsen Werthe von k,
die zweite ersetzt sich für den Specialiall , = -7= durch die
Proportions
Dem entsprechend wfire das Spektrum der Befraetion zwischen
den Grinsen:
w« =» W1V2
»1 =« »1V2
I
enthalten, den Chris toffeTschen Specialfall vorausgesetzt
Schreibt man Wf s* t*^iV^f so ist:
[1870] 10
138 Sitzung der phys.^maih* Klasse vom 14. Februar 1870.
unter 12 die LichtgescbiArindigkeit im freien WeltStber veretanden,
die Gr&ugeschwindigkeit, die in einem unendlich dünnen Gase von
einer unendlich grofsen Welle höchstenB erreicht wird. Diese Ge-
ftchwindigkeit mufs aber angenfihert schon in den gewöhnlichen
Gasen endlichen Wellen von einer gewissen betr&chtlichen Grofse
an ankommen. Sie f&Ut naheaa zusammen mit derjenigen Con-
stanten
e =s 59330 Meilen,
die von Kohl rausch und Weber definirt ist als diejenige rela-
tive Geschwindigkeit zvieier elektrischen- Massen gegen einander,
bei der sie nicht mehr auf einander einwirken.
Auf eine Beziehung zum Leitungsvermogen für Elektricität
deutet ferner das Verhalten des Coefficienten k. Ordnet man nfim-
lieh die durchsichtigen Mittel je nach der Gröfse desselben in Gmp-
pen, so stellen sich anscheinend einerseits Wasser, Schwefelsaure
und Cblorzinklösung , andererseits Schwefelkohlenstoff, Phosphor
und Arragonit (7) als die extremen zusammen.
Die Formel selbst, die sich mit Nothwendigkeit aus der Er-
fahrung zu ergeben schien, und von der ich wohl hinzufugen darf,
dafs sie durch Briot*s Theorie eine gewisse Bestätigung erhalten,
hat die Form:
, _ A C _
"" "* if .-. i» "^ /> - r '
wenn v die der inneren Wellenlänge / = r . T entsprechende Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit bedeutet» A, J9, C, D sind Constanten,
von denen B und 2), reciprok genommen, wenigstens für die un-
tersuchten optischen Mittel Gr5£ien derselben Ordnung sind.
Dem Gesagten zufolge wirken zur Hervorrufung der Disper-
sion im Allgemeinen zwei wesentlich verschiedene, nicht parallel
laufende Kräfte zusammen, und wie z. B. beim Schwefelkohlenstoff
der Einflufs der einen stark zurficktritt, so mag es andere Mittel
geben, in denen umgekehrt die periodische Modification des Äthers
klein ist gegen die direkte Einwirkung der ponderablen Moleküle.
Sollte nun ein wohlbekannter Versuch von Quincke auf die Me-
talle als diese letzteren hindeuten, so halten sich bei der .Disper-
sion des Wassers beide Arten von Kräften nahe das Gleichgewicht.
Und wenn man annimmt, dafs bei Abnahme seiner Dichtigkeit eine
jede derselben zwar regulär, aber ungleich schnell geschwächt
Geummtsitzung vom i7, Esbruar 1870. 139
wird, 8o findet vielleicht anch die Anomalie, die seine Indices un-
terhalb des DicbdgkeiCiBniaximuniB zeigen, eine naturgemäüie Er-
kUrang«
Hr. Weierstrafs machte sodann -r- im AnschluIlB an die am
2. December v. J. gelesene Notiz — eine weitere Mittbeilung aus
seinen Untersuchungen über die 2 n fach periodischen Funktionen«
17. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Peter mann las über die Eroberung von Jerusalem durch
Saladin und dessen weitere Thaten im Jahre 1187 n. Ch. nach
Imad el Ispahäni.
Hr. Ehrenberg legte ein an ihn adressirtes arabisches Schrei-
ben des ägyptischen Gouverneurs iin Sudan, Djafer Pascha, vor,
worin derselbe seinen Dank für die Anerkennung seiner Theil-
nahme an den Bestrebungen des Naturforschers Hrn. Dr. Schwein-
fiu-th aasspricht und auch für die Zukunft seine den Absichten d^r
Akademie entsprechende grofste Bereitwilligkeit d^r Beförderung
derselben anzeigt.
Hr. Pertz legte den Ersten Band der von ihm veranstalteten
Sammlang von Schrifttafeln zum Gebrauche bei diplo-
matischen Vorlesungen — Hannover im Verlage der Hahn-
schen Hofbuchhandlung 1869, 97 Platten nebst 3 Bogen Inhaltsver-
zeichnissen in Folio — vor, und erkl&rte sich darüber wie folgt:
Als bei Entwerfung des Plans der Monumenta Germaniae die
Ausstattung und Beglaubigung der Texte durch getreue Schrift-
10*
140 OesammtMiizung
mnster beschlossen warde, bedachte ich die Leichtigkeit, durch
eine Zasammenstellung der einzelnen anf diese Weise im Laafe der
Zeit za gewinnenden Musterbilder den fahlbaren Mangel zweckm&-
Isiger nnd mannigfaltig nützlicher Hdlfsmittel für das diplomatische
Stadium sn ersetzen. Es wurden sich somit zwei verschiedene
Theile, einer f&r Bacher, der andere fSr Urkunden bilden lassen,
wenn grundsfitzlich auch bei Herausgabe der letzteren auf Nachbil-
dung einer geeigneten Urkunde jedes Königs und Kaisers gehalten,
nnd die Elemente einer deutschen Diplomatik in der Zeitfolge ge-
wonnen wftren. An diesen letztem Theil wird mit dem nahe be▼o^
stehenden Erscheinen der Kaiserurkunden gedacht werden. Die
Erfordernisse des ersten sind allmfilig mit dem Yorschreiten der
Seriptoren nnd Leges zusammengekommen, indem der Herr Verle-
ger der Monnmenta meinem Wunsche durch Yeranstaltang einer et-
was erhöheten Zahl Abdrücke der fSr die Auflage der Monuments
erforderlichen Sefarifttafeln entsprochen, und jetzt das Zosammeole-
gen der in zehn Heften einzeln erschienenen Handschriftentafeln
der Torliegenden 33 Binde veranstaltet hat Die wissenschaftliche
Veninigung derselben ist durdi Professor Dr. Karl Perts ansge-
lEhrt, welcher dem Bande eine chronologische Übersicht der in den
sämmtlichen Schrifttafeln enthaltenen Arten in folgender Ordnung
vorgesetzt hat:
I. Uncialschrift. H. Beneventanische Schrift HL Angel-
sfichsische Schrift lY. Karolingische Halbcursive. Y. Mi*
nuskelschrift nach ihrer Entwickelung in Folge der Jahr-
hunderte, dem 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. unserer
Zeitrechnung.
Die beschr&nktere Zahl der Uncial - Proben wird durch die be-
vorstehenden Mittheilungen aus den filtesten Handschriften der Me-
rowinger, Langobarden, Gothen nnd Römer vervollst&ndigt werden.
Die Sammlung empfiehlt sich durch ihre Mannigfaltigkeit, dieTrene,
Grofse nnd den Werth ihrer ausgewählten Bestandtheile und ihre
leichte Zuginglichkeit.
wm 17. Februar i870. 141
IBenrnf wurde der lolgende AnfiMtz des Hrn. Geibardt in
Eisleben mitgeüieilt:
Zur Geschichte der Algebra in Dentschland.
Zweiter TheiL
In dem ersten Theil (Monatsberichte 1867 S. 38 ff.) habe ich
aas den bisher zagfinglichen Dmckschriften die AnfSlnge der Al-
gebra in Dentschland dargestellt. Es blieben die Fragen sa erle-
digen: ans welcher Grundlage haben die ersten deutschen Algebri-
Bten, Henricus Grammateus (Schrejber aus Erfurt) und Christoff
Radolff von Jauer geschöpft? haben sie sich an arabische oder
italienische Schriftsteller angeschlossen? und was haben sie selbst-
ständig geleistet?
Hiersn war eine Durchmusterung der in den Bibliotheken von
Wien, München, NQmberg vorhandenen Manuscripte nöthig; ich
babe sie im Sommer 1867 ausgef&hrt. Mein Plan, vor allem nach
lateinischen Übersetzungen arabischer Schriftsteller über Algebra
za suchen, wie deren Libri (Hist. des mathemat en Italic, Tom. I.
p. 253) von der Algebra des Mohammed ben Musa als in der Kai-
serlichen Bibliothek zu Paris vorhanden erwfihnt, war f3r Wien
wenigstens ohne Erfolg'); in München dagegen fand ich in der
Handsdirift n. 14908, die aus der Benedictiner*Abtei St Emmeran
stammt und die das gesammte mathematische Wissen um die Mitte
des 15. Jahrhunderts in Deutschland enthfilt*), das BruchstSck
^) Ich bemerke, dafii Tielleicht noch manches, was mir entgangen, durch
die begonnene genaae Catalogisimng der Mannscripte der Wiener Bibliodiek
^ 7>ge geiSrdert werden kann. Dasselbe gilt von der Bibliothek in
Ufinchen.
') Der Codex enthalt: Modnm rednctionis minutiarum vnlgarium atqne
physicanun dissimilium denominationnm ad eandem denominationem commu-
nnn et rednctionis integromm ad minntias et e converso sabjangere, aus dem
Jahr 1457; es wird darin Ober die Additio, Subtractio, Duplatio, Dimidiatio,
MoltipUcatio, Divisio in Brfichen gehandelt, femer de radice quadrata in mi-
aotiis, extractio radicis cnbicae in minntiis, Regula fractionis fractionnm ; dar-
auf folgt In deutscher Sprache: Ton geraden und ungeraden Zahlen, Ton per-
fecten Zahlen, Progressio; nach vielen Beispielen konmit die Regula falsi,
aladann Ampliatio Regnlae Proportionnm, De aurea Regula vel de tre (die
beigebrachteii Beispiele zum Theil deutsch, zum Theil lateinisch), Rq^alaligar
(<!• i. Mischungsrechnung), Regula positionis, Conversa regula de tre, Regula
142 Gesammisitzukg
eines Anszags aus der Algebra des Mohammed ben Musa in deut-
scher Sprache aas dem Jahre 1461. Dasselbe iaotet:
Machmet in dem piiech aigebrja nn almaleobnla hat geprachet
dise wort censas, radiz, numerus. Census ist ain yede zal die in
sich selb multiplicirt wirt, das ist nomerus quadratus. Radix ist
die wurtz der zal oder des zins. Namems ist ain aal für sieh
selb gemercket, nit alz sie ain zins oder ain wurtz ist. Aus den
dingen merkt er 6 ding: das erst wann der census sich gelichet
den wurtseuy daz ander so der census sich geliehet der aal, daz
drit so sich dye zal gelichet den wurtsen« das 4 so sich der cen-
sus vnd die wurtzen gelichent der zal, als ob man spreche, ain
census vnd 10 wurtz gelichent sich 32.'} Daz fünft ist so sich
der census vnd die zal gelichent den wurtzen, das sechst so sich
die wurtzen vnd die zal gelichent dem census.
Dar') vmb Sprech ainer: gib mir ain zensus vnd zuech dar^
von sin wurtz vnd von dem daz vberbelyb an dem census zuech
och aufe dye wurtz, die zwo wurtz tue zusamen daz 2 zal darauCs
werden. So aber daz nit in der sechs regel ainer stat, so bring
aagmentationi«. De soeietatibiiB aenigmata (QefellsehafInrechDQng), De Mone-
tibo«, Divinaii (d. L Zahlen erraihen}« Hierauf folgt das oben voUatlndig
nitgethejlte Bnichatflck der Algebra aus dem Jahr 1461. Ferner enthalt der
Codex: Algorismixs Proportionum Nicolai Orem (d. i. Nicolai Oresmti) aus
dem Jahr 1456; Thomae Bradwardinl geometria; Geometrica practica emn
figuris ; Nicolai de Cnsa über de geometricis transmutationibns, Ejusdem Trac-
ta^us de mathematicis coraplementis«
'} Soll heifaen 39, wie in der Algebra des Mohammed ben Musa steht.
') Das folgende Beispiel behandelt die Gleichung
Der Gang der Auflösung läfst sich so darstellen:
Ki»— * = 2 — «
x' — jp =s! 4 — 4« 4- Jb'
«»
=s
4 —
Sx
-H
««
3«
»
4
X
«
H
X»
==
V.
Dies Beispiel findet sich in der von Libri poblicirtcn lateinischen Übersetzung
K C p. 296.
tom 17. FAruar i870. 148
CS in ain regel also. Es sollen die zwo wurtis 2 numero gelich
gesin, so kompt es in die dritten regel, daramb znechab von den
2 namero die wurtzen dez census, so belyben 2 minder der war-
tzen defs zins, dafs selb belybend ist gelych der wnrtzen defs dafo
ain censns uberbelybt sein wurtz darvon gesogen wart, daz du
aber habest dez geiychnufs daz uberbelybt, so mnlHplicir die 2
dragmas minder ainer wartzen in sieh selb, so kommen 4 dragma
vnd ain zins minder 4 wurtzen, daz wart gelieh dem daz Uberbe-
lybt an dem census, wann sein wurtz darvon wart gezogen. Nun
znech darvon dye gemindert w^ortz, so belybt 1 census vnd 4 drag-
me gelich ain census vnd 3 wurtz. Nun tu baindenthalb den zins
darvon, so beleybt dennocht (?) dafs iibrig gelich, dafs ist 4 dragme
Bind gelych 3 wnrtzen. So mufs ain wurtz l^- sein, wann 3mal 1 j-
macht 4, mnltiplicir Ij- in sich selb, so kompt ^, daz ist der
censos vnd sein wurtz ist 1^, vnd wann tue 1^ tust von y, so
belyb f, die wartz von ^ ist f, die -| zu der wurtzen y, daz ist
1|, macht 2 gantz.
So weit zur Zeit bekannt, ist dies die erste Erwähnung der
Algebra in Deutschland.
In der Wiener Bibliothek gelang es mir das Manuscript auf-
zufinden, das zum Theil wenigstens die Grundlage zu den Schrif-
ten von Henr. Grammate us und Ch. Rudolff bildet Es ist
dasselbe Mannscript,' das aus dem Nachlasse Stober l's (Stiborius)
in die Wiener Universitätsbibliothek kam (Mopatsberichte 1867
S. 46), und die Aufschrift hat: Regul^ Cos^ ve^ Algobr^.') Es
entbfilt im Anfang eine übersichtliche Zusammehstellnng der Re-
geln über die algebraische Addition, Subtraction und Multiplication.
Von der letztern geht es weiter zu den Potenzen und deren Be-
zeichnung, so dafs hier die Regeln der Division ganz fehlen. Dar-
auf folgen unter der Aufschtift: Incipit Algorithmus de integris
qne subsequuntur regulis deserviens^ die Regeln über die Addition,
Subtraction, Multiplication, Division von algebraischen Summen^
wobei für jede Operation mehrere Beispiele beigebracht sind, deren
') Das Mannucript besteht ajbs 33 Blättern in fol. and findet sich zu-
gleich mit mehreren andern Maituscripteu aus dem Kaehlafs StöberTs in
einem Bande n. 5277. \ Da unter den darin aufgeführten algebraischen Auf-
gaben einö ziemliche Anzahl in- deutscher Sprache beigebracht wird, so
'lurfite die Abfossui^ desselben um die Mitte des 15. Jahrb. zu setzen sein.
U4
6e$ammfiitzunff
Resoltole dnrch eine ^Probatio^ ak richtig dargethan werden. Die
Behandlung der Division algebraischer Summen ist ftufserst man-
gelhaft und undentU^h; es wird hierbei aof die später folgenden
Gleichungen verwiesen. Nfiehstdem kommt Brnchredinung und
Regula de tri. Hieran schlieflsen sich: Begule eqnationum Intro-
duetorie in omnia que dsiaoeps sequuntar dogmata (d. L Beispiele}.
Diese Regeln, acht an der Zahl, beliehen sich auf die folgenden
Formen von Gleichungen:
3x s= 6 , 3*' = 12 , 2X* s= 16 , 2 j;f =s 32 ,
3ä* -4- 4jp s= 20 , 4j?» -f- S = I2x , 4x -h 12 «
6«* ,
Um von diesem Theil des Manuscripts eine Anschauung tn geben,
soll der Anfang hier mitgetheilt werden: Quarum prima est quan-
docunqae dae denominationes coequantur, quamm una natural! Se-
rie aliam sequitur^ tunc prima per secundam dividatur, et quotiens
ostendit quesitum.
Exempla.
3^
5 ee
7 alt
sunt aequalea
12 CS
16 a/l
facit l^2<f>
Secunda regula
facta relatione duarum denominationum quarum una non immediate
sequitnr aliam, sed una silentio pertransitur, tunc prior per poste-
riorem dividatur, et quotientis radix quadrata docet optatum.
Exempla.
3«
sunt aequales
12 (f>
16^
20 J
24 ce
2»Ji
facit lZ<,2(/i
vom U. FAruar 1870. Üb
Nachdem nun för eine jede dieser acht Hanptregeln eine An-
zahl Beispiele, die Mehrsahl lateinisch, andere in deutscher Spra-
che, mit ihren Losungen beigebracht sind, folgen noch eine neunte
und zehnte Regel, die des Folgenden wegen hier wörtlich angeführt
werden sollen. Nona regala: Quum ) assimilatur TJ^ de ^, pnnc*
tas (siel) de T^ deleatur, ) in se dncatur, et remanent adhnc inter
86 aeqnalia. — Dedma r^pila: Quum ) assimilatur \ de ), tunc
panctus de g deleatur, j ex altera parte in se ducatur, et remanent
adhac inter se aequalia. — Das vorletzte Blatt des Manuscripts
enthfilt ein Tableau unter der Aufschrift: Begule Cosse, in wel-
chem die 24 Formen von Gleichungen') zusammengestellt sind,
die Ton Adam Riese ebenfalls angegeben und auch von Gh. Rü-
de Iff und Stifel erwähnt werden. Beide Angaben, die des in
Bede stehenden Tableaus und wie sie von Riese aufgezählt wer-
den, folgen hier in der gegenwärtig üblichen S^eichensprache mit
Weglassung der Coefficienten:
'} Ich habe sie In dem ersten Theil (Monstsberichte 1867 S. 49} mit
dem nicht passenden Aosdmck ^Kechnnngsregeln" bezeichnet; es ist leicht zu
sehen, dars diese 24 Formen ans den 8 Hanptgleichungen specialisirt sind.
Deshalb worden sie anch später Ton Ch. Rndolff, Riese, Stiefel Ter-
worfen.
146
Gesammtsiizung
Formen des Table^Hü
1.
n
ass Ä
2.
s
SS «•
3.
x^
S3 «•
4.
X*
a= JP*
5.
n
= X'
6.
X
= Jf*
7.
x'
=a X*
8.
n
= j:*
9.
n
= x-Hx'
10.
X
= x' -h x'
11.
X«
= x* -H x^
12.
X«
== x-4-n
13.
*•
= x'-Hx
14.
X*
= x'-hx'
15.
X
«=» x'-+-n
16.
X«
= x'4- X
17.
X*
= x*-4-x'
18.
n
= x' H- X*
19.
X*
= x*H- n
20.
«•
= X* -h n
21.
n
= x*
22.
X
= X*
23.
x«
SÄ X
24.
x«
= x»
Nach Rie«e
1.
X
=s n
2.
n
«X«
3.
X
«X«
4.
n
= x-hx*
5.
X
= n-f-x'
6.
n -f- X = x'
7.
x'
= x"
8.
x'
= X
9.
x'
s= n
10.
X
= x»-4-x»
11.
x'
= x-Hx*
12.
x'
= x'-hx
13.
X*
= x*
14.
X*
= x>
15.
X*
s= X
16.
x'
= x»H-x*
17.
x'
= x»4-x*
18.
x^
= x'-+-x*
19.
x'
^Vx
20.
x'
«f/x«
21.
X*
= n
22.
n
= «» + X«
23.
X*
= 11 + «*
24.
X*
= «» + ».')
^) Abgesehen von der Reihenfolge stimmen die Formen in beiden Auf-
zählungen überein, denn offenbar fehlen in den beiden letztem Formen des
Tableaus die Wurzelzeichen, die in n. 19 und 20 nach Riese erscheinen.
rom U. Ftbruar iS70. 147
Die folgende Seite des ManiiBeripts enthält Terschiedene Bemer^
kongen, Zasammenstellung von bereits Erw&hntem, Beispiele u. s. w.
Hiervon ist die erste Bemerknng besonders wichtig: Per punctum
intellige radicem.
Was das in Rede stehende Manascript besonders cbarakterisirt
ond wodurch es sich wesentlich von andern Handschriften und
vielen ersten Druckwerken unterscheidet, ist die schematische Art
des Ausdrucks: die Regdn, die sonst nur in Worten gegeben wer-
den, sind hier auf kurze Weise möglichst durch Zeichen ausge*
drückt. So lautet z. B. der Anfang:
f
m
Conditiones circa + rel — in additione
+ et + +
^ facit ^ addatur non sumendo respectum quis nu-
— et — — «x •
merus Sit supenor.
{-h et —
^ simpliciter snbtrahatur minor numerus a
® "*" majori et residuo sua ascribatur nota.
Conditiones circa + et — in subtractione.
Si fuerit H- et 4- vel — et — , existente numero superiore ma-
jore, fiat subtractio et relicto sua ascribatur nota. Si inferior ex-
cesserit superiorem, fiat subtractio et residuo apponatur nota aliena.
. f -H et — \ addatur absque uUo respectu snperioris ( -h
Ol luent l * . I et inferioris, quaesitum ad excessum pro- {
^ "" ®^ "*" ^ ductum habebit ^
Diese schematische Darstellung ist offenbar die Folge des Gebrauchs
der Zeichen + und — , die in Deutschland zuerst auftreten. Es
konnte nun demjenigen, der nicht blofs mechanisch rechnete, dem
es vielmehr um die Ausbildung der Wissenschaft zu thun war,
nicht entgehen, dafs die Einfiihrung anderer Zeichen für die übri-
gen Operationen von grödstem Nutzen sein m&fste. In Bezug hier-
auf ist hervorzuheben, was meines Wissens noch nicht geschehen
ist, dafs die Einführung des Wurzelzeichens ebenfalls
den deutschen Algebristen zu verdanken ist. IJm dies
deutlich auseinander zu setzen, mufs auf die indischen und arabi-
schen Mathematiker zurückgegangen werden.
148 OeiommUUzung
Bekanntlich ist in dem Werk Bhaacara's (12. Jabrh. o. Chr.)
Ulawati genannt, eine Abhandlung über die Arithmetik der Inder
enthalten. Ich entnehme daraus die Anaaiehung der Quadratwur*
sei, und awar nach der Obersetsung Taylor'a (Bombay 1816),
die das Verfahren und die Erlftuterungen dee Oommentators Ga-
nesa vollständiger giebt, als die Bearbeitung Co lehr ooke's. Da
die genannte Obersetsung ftufserst selten ist, so will ich die Stelle
hier vollständig reprodueiren. Bhascara's Vorschrift cur Ans*
Ziehung der Quadratwurzel lautet:
Of the Square Root.
Subtract from the last uneven period the greatest Square which
it contains. Set down double the Square root in a separate line,
and after dividing hj it the next eren period, subtract the Square
of the quotient from the next uneven period, and also set down
double this quotient in the line: Then divide the next even period
by the number in the line, and on subtracting the Square of the
quotient from the next uneven period, set down double this quo-
tient in the line. Thus repeat the Operation tbro' all the figures.
The half of the separate or quotient line is the root —
Dazu giebt Taylor folgende Explication, zugleich mit der
Übersetzung des Commentars von Ganesa:
The figures in the first, third, fifth etc. places, reckoning from the
right, are called visama or uneven, and are marked by a perpendi-
cular stroke. Those in the second, fourth, sixth etc. places, are cal-
led sama or even, and are marked by a horizontal stroke. In the
Operation the period reeeives its name from the denomination of the
first figure on the right band. When the first fignre on the right is une-
ven, the periodis called uneven; when this first figure is even, the period
is called even. Thus in the subsequent example of extracting the sqna-
^ 1- i-i -I- -I
re root of 88209, the numbers 48, 122, 410, 49, are respectively na-
med even, uneven, even, uneven. The details of the Operation are
i-i-i
thus given m the commentary, tacking for exemple 88209. „Make
the marks even and nneven, Here the last uneven figure is 8;
from this subtract 4 which is the Square of 2, and there remains
i-i-i
of the Square number 48209: Then multiply the root of 4 by 2,
the product is 4; set this down in a separate line, and by it di-
I-
vide te next even period 48; tfie quotient is 9, and there remaias
vom 17. FOruar 1870. 149
of the sqaare 12209; sabtract 81 which is the Square of the quo-
tienl 9 from the next nneyen period 12S; there remaina of th«
-i-i
Square 4109: Then muldplj the quotient 9.bj 2; the product is
18, which being put down in the separate llne below 4, one place
forward, the anm is 58: Bj this number divido the next even pe-
-I- -I
riod 410; the quotient is 7, and there roQiains of the Square 49;
irom thia oneven period subtract 49 which is the Square of 7; no
remainder is lest: Then xnultiply the quotient 7 by 2, the product
is 14; put this down in the separate line one place forward, and
add together the different products in the separate line; their sum
is 594, and the half of this is 297, which is the root of the
Square 88209.^
Will man sich Ton der praktischen Ausfuhrung des hier be-
schriebenen Verfahrens eine Vorstellung machen, so mufs man wis-
sen, dafs die Inder auf einer kleinen weifsen Tafel von 12 Zoll
Lange und 8 Zoll Breite, die mit rothem Sand bedeckt war, rech-
neten; mit einem Holzstift entfernten sie den Sand, so dafs die
Ziffern auf dem weifsen Grund der Tafel sichtbar wurden. Leidit
konnten die Ziffern, die nicht mehr gebraucht wurden, mit dem
Finger ausgewischt werden, so dafs nur die Ziffern, die unmittel-
bar bei der Rechnung in Betracht kamen, auf der Tafel vorhanden
waren. ^) Demnach wird das obige Beispiel sich so darstellen:
88209 2 X 2 » 4
48209 9x2 « 18
i-i-i
12209 58
4109 7x2 =r 14 I
49 2) -23^
mit dem Unterschied, dafs die Zahlen 88209, 48209, 12209 u.s.w. j
nicht snsammen auf der Tafel vorhanden sind, sondern immer nur j
eine. Daraus erklfirt sich denn auch die eigenthümliche Bestim-
1} Taylor Lilawatl, Intr<Kla<;tioii.
150
Oesammiifizung
mung der Wuneel, dafs n&mlich durch Halbirung der Sommen der
Prodacte, die man zur Befitimmung der Divisoren bildet, die Wur-
eel gefunden wird: es ist eben auf der Reohentafel cnletzt nichts
weiter vorhanden, als Jene Summe«
Dies Verfahren der indischen Mathematiker in Betreff der
Wurzelausziehung wurde von den Arabern aufgenommen; äufser-
lieh machten sie einige AbAnderungen , sie liefsen z. B. bei der
Eintheilung der Zahl die Horizontalstriche weg und setzten an die
Stelle der Yerticalstriche Punkte, neben welchen die Ziffern der
Wurzel ihre Stelle erhielten.^} Am ausfuhrlichsten beschreibt ein
arabischer Mathematiker der spAtesten Zeit (aus dem 15. Jahrh.)
Abul Hasan 'Ali ben Mohammed Alkalsadi in seiner Arithmetilc
die dabei befolgte Praxis: La') pratique de cette Operation con-
sistc k compter les rangs du (nombre propos^) en (disant alternative-
ment) „racine, point de racine^, jusqu'ä la demiere place qni seit
affectee de „racine^ ; puis k chercher un nombre que vous poserez
*} Ein Beispiel macht daa Verfahren sofort deutlich:
.r
.0
.^
1
r
1
r
A
•
A
r
0
1
ö
T
V
r
ö
*i
1
f
A
V
1
V
V
•
A
1
ö
t"
d.h.
.3
.5
.8
1
2
9
3
3
8
0
8
2
1
5
7
2
5
6
5
6
6
4
8
*
7
1
7
7
0
B
6
5
3
'} Nach der Übersetsung von Woepck«. HoiPr 1859»
vom 17. Februar 1870. 151
8008 cette (demi^re place), qae vous midtiplierex en lai-m^ine, et
leqnel alors fera eyanooir ee (nombre) qui est plac^ au-dessaa de
liil, oa en laiaae un reate» Enanite youb prenea le double du nom*
bre qui avait 4te xnaltipliä en liii*m£nie, vona le faitea recnler (de
mani^re qa*il ae tronye) aa-deasoua de la place qui est affect^e de
«point de racine^t et voaa cberchea uo nombre qae voua poaerez
sous la (place) pr^cidente affect^ de ,|racine^, et leqael^ multiplie
par le nombre redoabl6 et par lai-mftmey faaae ^vanonir ce (nom*
bre) qoi est place aa-deaaua de lui, oa en laisse an reste. Et
ainBi de aaite jaaqa'lt la fin de Top^ration. ' )
Was hier aofort in die Augen springt, ist dafs der Punkt das
Zeidien für die Wursel geworden iat Diese Auffasaung wird
nicht nar bestätigt durch die oben mitgetheilten, ans der Wiener
Handschiift entlehnten Stellen, in welchen geradesu ^punctum^ für
Warzel gebraucht wird, sondern auch durch Adam Riese, in
dessen Manuscript gebliebener Algebra die 19te Regel so lautet:
1%X^ SO } vergleicht wird \^ vom radiz, sol man den } in sich muN
tipliciren vnnd das punct vor dem Radix aufsleschn.
Gehen wir nun zu den ersten gedruckten algebraischen Schrif-
ten von Hen. Grammateus und Ch. Rudolff über, so befolgt
der erstere das Verfahren der arabischen Mathematiker in Betreff
der Ausziehung der Quadratwurzel. Er giebt folgende Regel:
Distinguere oder Vorzeichen dein vorgelegte zahl mit puncten
anzufahen von der rechten handt also das auff der ersten
figum stehe ain punkt, auff der dritten aber ein punct, und
darnach auff der funfften figurn auch ein punct, und also wei-
ter allemal auff die nechsten dritten figurn ain punct, also
werden allezeit die punctlein gesatzt auff die ungeraden stat, als
auff die 1. 3. 5. 7. 9. 11 etc. stat, und wie viel punct sein, also
viel kernen figurn in die zal welches die wurtzel ist u. s. w. Doch
Grammateus bleibt hierbei stehen und bedient sich in der Be*
0 Daa hier beschriebene Verfahren ist etwas anders als in dem obigen
^ispiel; es stellt sich so dar:
436
193225
3 6 5
6
72
152 GenammUitzung
handlottg der algebraiflchen Anfgaben 2ften Grades stets des wort-
lichen Ausdrucks «»radiz qnadrata^. Anders Ch. Bndolff; im 7ten
Capitel des ersten Theils seiner Algebra, worin er über den algo-
rithmum de snrdis qnadratorum (d. L über irrationide Quadratwar
sein) handelt, bemerkt er: Zu mercken das radix qnadrata in di*
sem algorithmo Ton kürta wegen vermerckt wfirt mitt solchem cha-
racter •, als v^4 bedeutet radieem qnadratam aufs 4; ferner im
8ten Capitel, welches den algorithmum de snrdis cnbioorum est-
bfilt: Wfirt radiz cubiea in disem algoridimo bedent durch solchen
character v%^, als v^8 ist su versteen radix cnbica aufs 8; dsge*
gen beseichnet er die Wurzel des vierten Grades durch «•• Die
Inconsequensy die in der Beaeichnung der Wurzeln der verschiede-
nen Grade hier sich seigt, beseitigte Michael Stifel; er gebraucht
sowohl in der Arithmetica integra als in der Cob Ch. Rndolff s
folgende Zeichen: ^i «s y, y^e^ =» V, an welchen man noch se-
hen kann, dals sie aus dem Punct entstanden sind. Aus diesen
Wurzelaeichen Stifel's ist im Lauf der Zeit das gegenw&rtige
}f geworden.
Demnach ist die bisherige Annahme, dafs das gegeawSrtig ge-
brauchte Wurzelzeichen aus ^, welches die italienischen Mathe-
matiker als Abkürzung von Radix gebrauchen, hervorgegangen sei)
durchaus unbegründet.
Was nun die weitere Benutzung des Wiener Manuscripts von
Seiten der ersten deutschen algebraischen Schriftsteller, Henr.
Grammateus und Ch. Rudolff, anlangt, so erscheint der &i-
gebrinsche Theil der Schrift des erstem nicht unmittelbar abhfingig
von demselben; der Verfasser bewegt sich durchaus freier als Cb.
Rudolff, und hat offenbar noch andere Quellen gehabt.') Dage-
gen hat Ch. Rudolff nach dem Wiener Manuscript gearbeitet');
') Hierauf scheinen die Worte in der Vorrede hinzudeuten: Als aber
Ich ain zeyt Jn der kunst arithmetica vnd geometria etlich schöne vnd be-
hende regehl jn TÜIerlay sachen dienstlich zusammen gezogen o. s. w-
') Damit stimmt das was Stifel in der Vorrede zu Radolff*8 Co^
berichtet: Was aber dieser Christoff Rndolff bey etzlichen für Bank k>b,
will ich mich nicht jrren lassen« Ich höret anff ein zeit Jm grewlich rad
vnchristlich fluchen, das er die Cors hatte geschriben« vnd das beste (wie
der flncher sagt) bette verachwigen, nemlich die Demonstrationes seiner B^
vom il. Ff^ruar 1870. 158
venigsteas was die Tlii5orie der idgebraiacheil Oleichnngen betrifflt,
80 ist diese unmittelbar daraas entlehnt Aber er beherrscht den
ihm gebotenen Stoff selbstst&ndig; er bleibt bei den acht Hanpt-
iallen der Gleichungen stehen und ycrwirft die daraus henrorge-
gangenen 24 specialen Fälle. Mehr aber als dieses ist hervorzu-
heben, dafs Rvdolff von der Obersengung durchdrungen ist, dafS
die Qestaltang der Wissenschaft von einer Zeichensprache abhängt*)
Dadarch dafs er das Wurxelzeicfaen einOhrte und dafs er die Zei-
chen -f- und — durehgehefids anwandte, wvrde er der Begründer
der algebraischen Zeichensprache und errang so ein Übergewicht
der deutschen If atheraadker aber die Leistungen anderer, besonders
italiemscher Algebristen, was bereits Hutton und Chasles aoer-
kannt haben.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Sechizehnter Bericht der Phiiomathie in Neiaee, Neisse 186S. 8.
Aazeiger für Kunde der Deutechen Vorzeit. Nene Folge. 16. Jahrgang.
NSinbeig 1S69. 4.
Jahrbüeker de» Vereins «•« Aitertkmmeßreunden tm Rheinkmde, Heft XL Vn
n. XLVm. Bann 1S69. 8.
// nuovo Cimeato. Des. Pisa 1869« 8.
A. Falle, Über Meningitis. Athen 1869. 8.
Lacolonge, Recherches sur le ventilateur. Faris 1869. 8.
gelo. Vnd kette aeine Ezenpls (wie er saget) anfs der librey zu Wiea
gestolea.
^) Das bezeugen alte bücher nit vor wenig jaren von der cofs geichri-
ben, in welchen die qnantitetn, als dragma, res, snbstantia etc. nit durch
charäeter, snnder durch gantz geschribne wort dargegeben sein, vnd sunder*
lieh in practiclrung eines yeden exempels die frag gesetzt, ein ding, mit sol-
chen Worten, ponatur yna res. — Aus der Vorrede zum zweiten Theil der
Cofs Rudolirs.
[1870] 11
154 Oe$amnU$itzung
24. Febraar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. A. W. Hofmann las über die Daratellang der
Äthylamine im Grossen.
Seit es mir') gelangen war, die &thjrlirten Ammoniake mit Hülfe
des Brom- oder Jod&thyls dariustellen, hat man mehrfach versucht,
statt dieser Agenden andere ansagenden. Der Gedanke lag nahe,
die Brom- nnd Jodverbindnng dorch das Chlorid za ersetsen and es
«chien filr diesen ErsaU einmal die weit gröfsere Zagänglichkeit des
Chlors an sprechen, dann aber aach das viel niedrigere Atomgewicht
des Chlors nnd schliefslich die gröfsere Unlöslichkeit des Chloram-
monioms in Alkohol, veiglichen mit der des entsprechenden Bro-
mids and Jodids, welche eine leichtere and voUstfindigere Scheidnog
des Ammoniaks von seinen äthylirten Abkömmlingen versprach.
Die ersten Yersache fiber die Einwirkang des Chlorfithyls aaf das
Ammoniak sind von Hm. Stas') angestellt worden. Dieser Che-
miker beobachtete, dafs eine Losung von Chlorätbyl in mit Am-
moniak gesättigtem Äther nach längerer Zeit schone Elrystalle von
salzsaurem Äthylamin absetzte. Eingehender ist das Verhalten des
Chloräthyls zum Ammoniak etwas später von Hrn. C. E. Groves*)
in meinem Laboratorium untersucht worden« Derselbe fand, daTs
sich bei sechs- bis siebenstundigem Erhitzen von Chlor&thyl mit
dem dreifachen Volum starker alkoholischer Ammoniaklösung auf
100^ vorzugsweise chlorwasserstoffisanres Äthylamin neben kleinen
Mengen chlorwasserstoffsauren Diäthylamins und Triäthylammonium-
chlorids bildet Es mir nicht bekannt geworden, dafs diese Ver-
suche von Andern wieder aafgenommen worden sind, auch lagen
bisher keine Ermittelungen vor, welche die Chemiker hätten ver-
anlassen können, dem Chloräthyl vor dem altbewährten Bromid
und Jodid den Vorzug zu geben.
In letzter Zeit war ich genöthigt, zur Fortsetzung meiner Ar-
beit über das ÄthylsenfÖl eine gröfsere Menge von Äthylamin sn
bereiten. Ein eigenthümliches Znsammentreffen von Umständen
hat mich veranlafst, die Darstellung der Äthylbasen durch die Ein-
wirkung des Chlorätbyls auf Ammoniak von Neuem zu versuchen.
1) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. I^XXII. 159.
') 8tafl, KekuU^t Lehrbuch. Bd. I. S. 455.
>) Groves, Ghem. Soc. Qu. J. XIII., S. 341.
vom 24. JMruar 1870. 156
iotereasanieii Beobachtungen des Hrn. O. Liebreich über
die physiologischen Wirkungen des Chloralhjdrats haben schnell
m einer schwanghaften indnstriellen Gewinnung dieses merkwür-
digen Körpers geföhrt Mehrfach bereits ist die Chloralindustrie
Gegenstand der Besprechung im Schoofse der chemischen Qesell-
schaft gewesen, und es sind aumal die Mittheiiungen der H£L Mar^
titts und Mendelsohn*Bartoldy^), sowie der HH» Müller
und PanP) hier su erw&hnen« Diese betreffen indessen nur die
Eigenschaften und die Darstellung des Chlorais. Die gleichseitig
in dieser Fabrikation auftretenden Nebenprodncte sind bis jetst
kaum beachtet worden. Ich wurde zuerst von Hm. Gustay
Kram er, der sich ebenfalls eingehend mit der Gewinnung des
Chlorals beschäftigt hat, darauf aufmerksam gemacht, dals sich bei
der Darstellung dieses Körpers eine erhebliche Quantit&t ron Ne-
beoproducten bildet, welche stets grofiiere Mengen von Chlorithyl
enthalten. Von diesen Nebenproducten und sumal Ton dem flüch-
tigeren Antheile derselben, waren während der letzten kalten Tage
iu der Fabrik des Hm. K Schering viele Kilogramme condensirt
worden. Durch die Güte der HH. Schering und Kr&mer
stand mir eine reichliche Menge dieses interessanten Productes sur
Verfügung. Wie ich es erhielt, stellt dies Product eine farblose,
dorchsichtige, in Wasser unlösliche und untersinkende Flüssigkeit
dar, von so niedrigem Siedepunkte, dafs sie schon bei der Berüh-
rung mit der Hand ins Kochen kommt Die reichlich entwickel-
ten Dumpfe sind entsündlich und brennen mit rasender grünum-
randeter Flamme. Mit eingesenktem Thermometer destillirt, beginnt
die Flüssigkeit bei 17—18'' su sieden. Der Siedepunkt steigt lang-
sam auf 30 — 32^, wo ^r einige Augenblicke constant wird, dann
rssch bis auf 50^, bei welcher Temperatur fost alles übergegangen
ist Setzt man die Destillation noch weiter fort^' so istHÜ^i der
Temperator des siedenden Wassers nichts anderes als eine kleine
Menge krystaUisirter Substanz zurückgeblieben.
Ich war begierig zu erfahren, in wie weit sich dieses Product
for die Darstellung der Äthylbasen würde yerwerthen lassen. Gleich
die ersten Versuche, bei denen ich von Hrn. Fr. Hobrecker mit
gewohntem Eifer und Geschick unterstützt worden bin, haben so
1) Martins und MendeUoh-Bartholdy, Berichte 1869, S. 353.
*) Malier und Paul, Berichte 1869, S. 541.
11»
156 OeBornrnUitzung
eHreuIiehe Resultate ergeben, dafs ich nicht umhin kann, die Aka-
demie schon in der hentigen Sitzung anf diese fast oserschöpfliche
Quelle von Material f&r die Darstellong der fiHiylirten Ammo-
niake aufmerksam zu machen, obwohl verschiedene Versuche, wel-
che durch die erwfihnte Beobachtung angeregt wurden, noch nicht
tum Abschlufs gekommen sind.
Zur Erzeugung der Äthylbasen behanddt man die bei der
Fabrikation des Chlorals entweichenden, durch geeignete Abkühlung
condensirten flQchtigsten Nebenproducte mit einer starken Losung Ton
Anunoniak in Alkohol, in geschlossenen Gefassen bei 100°. Ich
habe die Digestion Anfangs in emaillirten £isengef2UBen vorgenom-
men, mich aber sp&ter, nachdem ich gefunden hatte, dafs das Bisen
unter den gedachtet Umständen kaum angegriffen wird, eines gros-
sen nicht emaillirten schmiedeeisernen Digestors bedient, dessen
Deckplatte aufgeschraubt war, so dafs die Flüssigkeiten durch eine
kleine leicht verschraubbare öffiiung eingebracht wurden. Dieselbe
Öffnung diente alsdann auch zur Entleerung der Digestionsproducte.
"Wfissriges Ammoniak wirkt gleichfalls, nur langsamer; auch Ver-
den in diesem Falle die eisernen Gef&sse stark angegriffen. Bei
Anwendung der w&ssrigen Ammoniak «Lösung Ififst sich stets die
Bildung einer kleinen Menge Alkohols constatiren. Wahrschein-
lich wird indessen auch bei Anwendung alkoholischer Lösungen
etwas Alkohol und vielleicht sogar Äther aus dem Chlorfithyl er-
zeugt. Bei gewöhnlicher Temperatur wird das Gemenge von
Chloriden sowohl von wässriger als auch von alkoholischer Am-
moniaklösung nur fiufserst langsam angegriffen«
Nach mehreren Prfiliminarversuchen zeigte es sich, dafs die
mir zur Verfügung stehende Mischung von Chloriden bei der Di-
gestion mit dem dreifachen Volumen Alkohol von 95 pCt., der bei
0^ mit Ammoniak gesättigt war, befriedigende Ergebnisse lieferte.
Der Digestor, dessen ich mich bediente, bat eine Capacitfit von 5
Litern; er wurde mit 500 Cub. Cent der Chloride und der ent-
sprechenden Menge alkoholischen Ammoniaks beschickt« Nach
einstündigem Erhitzen im Wassfrbade war die Reaction vollendet
Das noch immer stark ammoniakalische nur wenig gef&rbte Reac-
tions-Product wurde zunfichst durch ein Filter von dem reichlieh
gebildeten Salmiak geschieden und alsdann im Wasserbade destil-
lirt. Aus den ersten Antheilen des alkoholischen Destillates schied
sich auf Wasserzusatz eine nicht unbeträchtliche Menge einer
vom 24. Februar 1870. 157
schweren öligen Blosaigkeit, offenbar die hoher chlorirten Chlor<
&thjle enthaltend, von der ich für heute nur bemerken will,
dafii rie, wie sich ans dem Siedepunkt alsbald ergab, kein Chlor-
athyl mehr enthält Die sp&teren Antheüe der Destülatton sind
schwaches alkoholisches Ammoniak; welches, um für eine zweite
Operation verwendbar bu sein, nur wieder gesättigt m werden
braucht. Sobald die Destillation im Wasserbade erlahmt, wird die
Flüssigkeit in einer offnen Schale lunächst auf dem Wasserbade
and endlich bei höherer Temperatur erhitzt, bis die letzten Spuren
Alkohol ausgetrieben sind. Beim Erkalten erstarrt die Flüssigkeit
za einer faserigen Erystallmasse der Chlorhjdrate der athylirten
Ammoniake, denen nur auüserordentlich wenig Salmiak beige-
mengt ist
Auf Zusatz von concentrirter Natronlauge zerlegen sich die
Chlorhjdrate der Aminbasen und ein Gemenge von Äthyl-, Di&thyl-
und Triathylamin steigt auf die Oberfläche der wfifsrigen Salzlö-
sung, während eine kleine Menge Ammoniak entweicht. Die freien
athylirten Ammoniake brauchen nur noch mittelst eines Scheide-
trichters abgehoben und eine Nacht über starres Natriumhydrat
gestellt zu werden, damit sie alles Wasser verlieren. Bei der
Destillation erweist sich die farblos durchsichtige Flüssigkeit als
ein Gemenge von Äthylamin, Diäthylamin und Triathylamin in etwa
gleichen Theilen; die Flüssigkeit fängt bei etwa 20° an zu sieden;
der Siedepunkt steigt dann auf 108°, allein schon bei 95° ist fast
die ganze Menge der Flüssigkeit übergegangen.
In den Versuchen, deren Ergebnisse ich der Akademie vorzu-
legen die £hre habe, wurden 5 Liter des bei der Fabrikation des
Cblorals als Nebenproduct auftretenden Öles in Arbeit genommen.
IMe Operation war mit fünf oder sechs Digestionen vollendet und
es wurden etwa 1^ Liter wasserfreier Basen erhalten.
Leider hatte ich bei diesen Versuchen von Neuem Gelegenheit,
die schon früher gemachte Erfahrung^) zu bestätigen, dafs es hoff-
nungslos ist, die drei Äthylbasen durch Destillation von einander
scheiden zu wollen. Diese Erscheinung ist gewifs befremdlich,
wenn man bedenkt, dafs zwischen den Siedepunkten sowohl des
Athyl- und Diäthylamins, als auch des Diätbyl- und Triäthylamins
ein Temperatnrintervall von nahezu 40° liegt Man mufs um die
0 Hof mann, Lond. R. See. Proc. XI. S. 66.
158 OesamnUHtzung vom M. Fehnur 1870.
drei Basen von einander in scfaeideD, m der früher*) Ton mir be-
achriebenen Trennangsmethode mit Oxala&areftther seine Zuflucht
nelunen. Mfiglich indessen, dab das reichliche Material, welches
jetst snr Verfugong steht, einfachere Trennungsmethoden anfzufin-
den gestatten wird.
Die hier mitgetfieilten Ergehnisse haben mich Teranlafet, auch
das Verhalten anderer Alkoholchloride und snmal des Chlormethjls
snm Ammoniak einer eingehenderen Priifong m unterwerfen. In
einer der nAehsten Sitsungen hoffe ich, der Akademie fiber den
Erfolg dieser Versuche berichten sn können.
>) Hofmann, Lond. R. Soc Proo. XL 66.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vor-
gelegt:
Zeiueknft der devi$cK€>i mor^nltbuL GemlUcKttfL S3. Bd. 4. Heft Ldp-
rig 1869. 8.
Hedwigia» Ein Notixblatt für hyptogamische Studien, 8. Bd. Dresden
1869. 8.
Verhandlungen und Mittheilungen des eiebenhOrgischen Vereins für Natur-
wissenachaften in Hermannstadt, 12. Jahi^. Hermannstadt 1861. 8.
Abhandl. der Konigl, OeaelUchcfi der Wiuenach, tu Gottingen^ 14. Band.
Göttingen 1869. 4.
Carl Karpf, Ti xl vfß •hat. Die Idee Skakeepeare und deren Vertctrh-
hekung, Hambaig 1869. 8. Hit Begleitaehreiben def Verfiaasen d.d.
Bnbethal 16. Febr. 1870.
Regel, Sertum petropoUtaman, Petersburg 1869. fol. Hit Begleitschrei-
ben d. d. Petersburg 3. Dez. 1869.
Bulietino meteorologico. Anno III. Torino 1868. 4.
Atti deUa accademia delle scienxe di Torino, Vol. 4. Torino 1869. 8.
Dub3r, Choix de crgptogamee exotiques, (Suite.) Geneve 1869. 4.
Sitzung der phShef^Ju-hUtor. Klaue wm 28. FAmat £870. 159
28.Februar. Sitzung der philosophisch^-historischen
Klasse.
Hr. Cartius sprach über griechische Personennamen.
Für kein Gebiet der klassischen Alterthnmskunde ist in dec
letzten Zeit der Stoff so massenhaft angewachsen, wie für die
Eenntnifs der griechischen Namen, deren wissenschaftliche Betrach-
tang kein Sachkenner als eine unnutze Arbeit ansehen wird, und
nachdem ich früher einen Abschnitt der geographischen Onomato-
logie behandelt habe'), nm den Versuch zu machen, was sich auf
diesem Gebiete erreichen lasse, um die Naturanschauung der Grie-
chen und die wesentlichsten Gesichtspunkte ihrer Namengebung kla-
rer zu machen, lege ich heute einige Studien über griechische Per-
sonennamen Tor, um darauf hinzuweisen^ wie dieselben als Quel-
len der Volksgeschichte zu benutzen sein möchten.
Wenn Proklos zu Flato's Kratylos zwei Arten von Personen-
namen unterscheidet, solche, welche Begriffe und solche, welche
Individuen bezeichnen, so würden im eigentlichen Sinne nur die
letzteren Eigennamen sein. Indessen sind auch diese, wie mao
schwerlich bezweifeln wird, ursprünglich appellativ und haben nur
willkürlich eine rein individuelle Bezeichnung erhalten. Von den
Griechen aber ist dieser Zusammenhang immer sehr lebhaft em-
pfanden worden. Sie haben eine entschiedene Vorliebe für inhalt-
Tolle Namen mit durchsichtiger Bedeutung, und wenn es unter den
griechischen Namen manche giebt, welche wie inhaltleere Lant-
gruppen aussehen und scheinbar ohne Zusammenhang dastehen,
80 liegt der Grund wohl darin, dafs die Eigennamen z. Th. sehr
alten Sprachperioden angehören. Die Griechen betrachteten ihre
Eigennamen als ein wesentliches Kennzeichen ihrer Nationalität
and sahen es als etwas Entehrendes an, wenn Freigeborene unter
ihnen ausländische Namen trugen.
tctT*/jOGv yaa ovofjut ipovyia^ou yvvctTx sf/jtv (Athen, p. 578).
Ihr Sinn für daa Schöne und Gute ist in' ihren Namen wie in
ihren Kunstwerken ausgeprägt. Sie vermeiden alle Namen von
üblem Klange, mochte derselbe nur in den Lauten, oder auch in
der Bedeutung liegen, also eine Hctxoif^micc oder eine hvT(pr,fMcc sein,
>} G5ttiiig. NachrkbteD 1861 Julias.
160 SUtstmg der pkiksaphiseh^kUM^ichßn SSasse
nnd liebten es vielmehr die edelsten Ricfatangen des Yolkfigeifltes
sowie die am meisteD geschätzten Tagenden in ihren Eigennamen
ausgeprägt zu sehen. Andererseits wuTsten sie die gleichlautenden
Begriffs- und Eigennamen in sehr bestimmter und praktischer Weise
zu unterscheiden^ und zwar nicht nur durch den Tonfall, sondern,
wenn wir den alten Grammatikern glauben, auch durch den Hauch,
indem bei componirten Eigennamen die Interaspiration gehört, bei
den gleichlautenden Appellativen aber nicht gehört wurde. Man
vnterschied tpl^nirog von ^t^amrog, apuf>ittKos von 'AfA^/reXof , und er-
reichte für das Ohr, was in alten nnd neuen Sprachen nur durch
Schriftweisen erzielt worden ist (Schol. Od. 8, 114. Lehrs Arist.
ed. alt p. 318).
Die griechischen Personennamen sind aber nicht nur für das
Volk im Ganzen ein Spiegel seiner Eigenthümlichkeit und gleich-
sam der Niederschlag seiner ethischen Vorstellungen, sondern auch
für die Eigenthumlichkeiten der einzelnen Volksstämme, Land-
schaften und Städte. Man erkennt in ihnen die vorherrschenden
Lokalkulte die reinere oder gemischtere Nationalität, die geringere
oder höhere Idealität der Geistesrichtung, die Beziehungen zum
Auslande sowie die innerhalb der Gemeinde vorherrschenden Be-
schäftigungen. Dies sind die ivoiutrct ano twv Tr^d^ttav, wie sie
Apollodoros nach Athenaeus 172 F. zusammengestellt hat Wenn
man also in einer Gemeinde eine Reihe solcher Namen fand, wie
'A^Tva-tT^ceyog, *EX«oJunjc, *l%Sv0oXog, ^twHOfOQ, SO erkannte man so-
fort, dafs hier ein Tempelinstitut das Centrum war, von dem die
6 emei Ddeglieder ihren Erwerb, ihre Beschäftigungen und dann auch
ihre Namen erhalten hatten, wie es in Delos der Fall war. Auch
bei dem vielseitigst entfalteten Leben konnte man immer noch einen
Lokalton der Eigennamen erkennen, und wenn die Athener ihren
zum Export bestimmten ThongefEfsen den Character der Heimath
recht deutlich aufdrucken wollten, so schmückten sie dieselben mit
den bei ihnen landesüblichen Namen, und Jedermann nahm die 6e-
fäfse als attisch hin. Wir haben nach und nach für Delphi, für
Aetolien, für Bootien, auch für Thasos und Rhodos einen Über-
blick der dort üblichen Namenreihen, und man wird nicht ver-
kennen, dafs damit ein Material für Stamm- und Ortsgeschicfate
gewonnen ist, welches lange noch nicht genügend verwerthet ist.
Die landschaftlichen Personennamen haben gleich den Landesmün-
zen ihr charakteristisches Gepräge, aber es bildete sich allmählich
vom 28. FArwr mo. 161
aach in den Namen dne nnwt. Beliebte Namen wie *AflTrwu —
daher das Sprichwort ireAXot ol 'Aglrrmutg — finden sich in Athen,
Sparta, Korinih, Kjrene, and wir aind bei Weitem nicht so sicher,
um z. B. wie ee bei den Unterenchnngen über das VaterUmd des
Tyitaios geschehen ist, die auf ßfcrog aasgehenden Eigennamen
als unbedingt laked&monisch in Ansprach an nehmen. Die grie-
chischen Namen aoTseriialb des griechischen Volksgebiets, wie s. B.
io Garthago, seigen ans die Hellenen in der Diaspora; nng^echi*
sdie Namen in Griechenland das Eindringen fremder Elemente.
Auch nach der Zeit lassen sich die Namen gmppiren nnd kleine
Abweichnngeo genfigen, vm die klassische Zeit ron der spilem
sa unterscheiden, wie dies schon Meineke in dem an feinen ono*
matoiogischen Beobachtungen reichen Vortrage aber die Epidemien
des Hippokrates gezeigt hat (Monatsbericht 1852).
Endlieh sind anch die StXndenamen von Wichtigkeit, weil sie
uns den Bestand der Zonftigkeit erkennen lassen and ans seigen,
was die Alten bei den einaelnen Stfinden der Gesellschaft, bei dem
der Künstler, der Ärzte, der Priester als das Charakteristische an-
sahen. Die Charaktemamen bilden ein reiches Material, um den
Witz des Volks nnd seine Lebensanschaanngen kennen zu ler-
nen. In die gemfithüchen Beziehangen des h&uslichen Zusammen-
lebens, welche sich sonst der geschichtlichen Betrachtang ganz ent-
ziehen, f&hren ans die Sklavennamen, namentlich die der späteren
Zeit; denn wir können auch hier gewisse Moden erkennen. In
diesen Namen erging sich der Volksgeist ohne darch Herkommen
beschränkt zu sein. Zur 2«eit der delphischen Manumissionsurkon*
den herrsehte in der Namengebong schon eine gewisse sentimen-
tale T&ndelei (Uv^tm^a, Ao^ag, Kocrjvtpa, *I1&cmv^); wobei viel-
leicht zn erwägen ist, dafs es besonders yertrauliche Verhfiltnisse
wsTMi, aas denen die Manumission hervorging.
Urspranglich haben die Sklaven, weil sie keine Personen sind,
auch keine Personennamen, sondern nur ouoßccra äno rwv töuutv.
Nach der Sitte, welche wir in Athen finden, benennt der Haus-
herr unbedingt die freien wie die unfreien Mitglieder seines Haus-
standes; er ist KV flog ov ijlovou ^ta-^ai av a^%i[9 rtyvoyM^ ATsXu xciv
va>M i^a^jfhi/at ßov?MVTatj «ai teTToxrffv^tu Dem. 1006. Es bedarf
■) G. Curtins Berichte der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften
1864 6.235.
168 Sitzung der phUaicphUcb-historUeien Klasse
also nur einer Anmeldung und einer Yeröffentlichang durch die
Ausrufer. Von Staatswegen geschieht nichts in Betreff der Namen-
gebung, als dafs etwa zu Ehren einzelner Personen, wie des Har-
modios und Aristogeiton, die Verwendung ihrer Namen für Un-
freie verboten wird. Der Staat hat ein unTcrkennbares Interesse
daran, dafs eine gewisse Ordnung in der Namengebung herrsche
und den Unzuträglichkeiten yoigebeugt werde, welche ans Verwechs-
lung der Personen entstehen. Aber auch hier misdit er sich un-
gern ein und Hantitheos kann es nicht durchaetaen, daÜB ihn die
Richter im alleinigen Besitze seines Namens schützen. In der Ge-
meinde selbst aber wird das tAiusw im roC opiptarog als Pflicht und
eine Sadie des Anstandes angesehen; wlilkurlidie Namens&nderun-
gen zeugen von Unzuveiiässigkeit» wie bei Aisdiines«
Die vfiterliche Willkür in Betreff der Namengebung wird durch
die Tradition beschränkt. Die Familiennamen bilden den Faden,
welcher die einzelnen Glieder an einander reiht. Der Name ist
etwas Heiliges, von dem auch das jeaiJ nwitv gilt Er bezeugt, wie die
Todtenspende, den Glauben an den das Grab überdauernden Zu-
sammenbang der Hausglieder; er ist das Unterpfand für das Ge-
dfichtnifs der Verstorbenen und zugleich eine Weisung für die Nach-
geborenen, der Haussitte treu zu sein; sie werden also gegeben,
wie die Alten es ausdrücken, ir^o? tAi^fJir,v nm ttoo^ ikicüa*
Eine weitere Beschrlinkung der Willkür lag in der auch aus-
serhalb Athen, namentlich in Böoiien (Keil Sylloge p. 531, 557)
nachgewiesenen Sitte, dem titesten Sohne den Namen des GroCs<
vaters yaterlicher Seite als ehrende Mitgift zu verleihen, eine Sitte,
wellte im semitischen Morgenlande zu Hause ist (Luynes Num.
des Satr. p. 89) und ihre gute physiologische Begründung hat
Darauf beruht der Gebrauch zweier Familiennamen, welche alter-
niren, und es ist von Interesse, das Verhalten derselben zu einander
in das Auge zu fassen, namentlich bei Compositen, weldie schon
des vollen Klangs wegen in den vornehmeren Familien besonders
beliebt waren. Wir finden nfimlich in der Regel ein Namen-
thema, welches beiden gemeinschaftlich ist, wfihrend das andere
wechselt. Also A bleibt und B ist das unwesentliche Element
oder umgekehrt; dabei ist auch der Umstand zu erwfihnen, dafs
das unwesentliche Element, mag es A oder B sein, auch in dem
einen Namen ganz fehlen kann und in dem andern nur wie ein
erweiterndes Suffix eintritt (wie auch zuweUen nur durch alterni-
vom 28. FAfuar 1870. 163
renda Snf&ce aus einem Stamme awd FamUiemuunen gebildet wer-
den, 2. B. Tolmaios und Tolmides). Z« der ersten Klasse geboren
Areheneos und Archemaebos, Kallistratos und Kallikrates» Kriton
und Kritobiilos, Hermon und Hermokrates. Zu der sweiten Eupo*
ÜB und Sosipolis, Apollodoros und Aiautodoros, Timokles und Po-
lykles. Zuweilen ist es eine bloÜBe Assonanz» welcbe die beiden
Namen verbindet, wie Aaytos und Antheroion, Krios und Poljkri-
tos. Auch kommt es vor, dafs A und B ibre Stellen tauscben,
wie in Anstonikos und Nikophanes, Bularehos und Aristobulos.
Endüdi giebt es nocb eine interessante Gruppe ron Familienna*
men, wo die Übereinstimmung im Sinne liegt, wie Atrometos und
Apbobetosj P^tbios und Apelles, Philumenos und Eros. Man er-
kennt das Streben, die Namen paarweise an verbinden und durch
die Anwendung aweier Namen das fehlende gentilicium lu ersetien.
Ahnliches findet sidi einzeln auch anfserhalb Athen und auTserhalb
Chiechenland , wie die Familiennamen Pharnakcs und Phamaba-
£08 beweisen.
In Bezug auf die Namentbemata haben schon die Alten
(Athen. 748) einen durchgreifenden Unterschied geltend gemacht,
den der profanen Namen (a^Mi*) und den der ^ioipoga^ welche dem
Siegelsteine gleich einen Oott als Zeichen an sich tragen, and den
Anschlufs eines Hauses an einen bestimmten Cult erkennen lassen.
Wenn ein Oott gewissermafsen zu den Famiiiengevattem geborte,
80 fShlten sich die Mitglieder ihm verpflichtet. Davon zeugen z. B*
die von der Mutter einer Demetrias fQr ihre Tochter der Demeter
dargebrachten Weihgeschenke (G. 1. Gr. n. 2108). Der Name ist
eine S'$m Inuthring und kann, wie es G. 1« Gr. 601S spielend ge*
schiebt, als ein Gottesgeschenk bezeichnet werden. Was durch
8olche Namen erzielt wird, nennt Plntarch (de def. or. c. 21) wv^
TtTiiySrm S'tf; sie lassen auf eine gewisse feierliche Verleihung
schliefsen, nach Art der unter Auspicien stattfindenden Namenge-
bang der Heroenzeit (Find. Isthm. 5. 50) and auf priesterlichen
Einflafs, ebenso wie die oben erwähnten delischen Namen, nur mit
dem Unterschiede, dafs die letztem aus der Hierodulie erwachsen
sind. Bei der andern Namensgattang verschwinden alle religiösen
Einwirkungen und es treten ohne Einschränkung alle Lieblingsideen
des Volks (*'txr„ So^«, o'Sf'iuog, «^%*?> /3©v>.*j, fAa%i?, Sfi*off u. 8. w.)
als beliebteste Namenthemata auf.
164 Sitzung der philo80phiseh'hi$tori$chen Klasse
Hat man sich die Bescfar&nkang deutlich gemacht, welche darch
erbliche Tradition der vlterlichen Willkür gesetzt war, so ist es
andererseits von Interesse, die Abweichangen von der Tradition
nach ihren verschiedenen Arten und Veranlassungen In das Ange
SU fassen.
Zunächst ist lu bedenken, dafs nur in Betreff des Stammhal-
ters von einer Gebundenheit des Familienvaters die Rede sein kann.
Es ist also gans verkehrt, wenn Gleichnamigkeit von Vater und
Sohn als etwas griechischer Sitte Widersprechendes beseiehnet wird
(Petersen Archäologie 8. 91). Der Sohn der Aspasia erhielt cu
seiner Legitimation den Namen Perikles. Starb der Erstgeborene
im Vaterhanse, so dfirfen wir vielleicht annehmen, dafs der Jüngere
Bruder in seinen Namen einrückte, weil derselbe ein n^Tßsllo¥ war
und mit Erstgeburtsrechten susammenhing. Dafs auch Erstgeborene
den Vatemamen tragen konnten, seigen Demosthenes, der jüngere
Meidias n. A*
Die Abweichungen von der Familientradition bestehen zunfichst
in Verftnderungen des Erbnamens; das sind entweder Koseformen,
welche den ursprünglichen Namen verdr&ngen, wie 'A^/ttvXXo? für
'A^f9-roifiXij9« *H^vXXo9 far *H^ajeX^c> AfjupiQ für ^Aijuptafttog und viel-
leicht ZtC^tg jfür Zsv^tfTTrog (Sauppe zu Protagoras p. 318), oder
was hfiufiger ist, nobilitirende Erweiterungen, namentlich durch
patrony mische Endung: Xi/iawi/, XtßooviSr,^, Mi/f}W^^o^, Muficragf^iSr,^;
der Einzelne erscheint dadurch als das Glied einer Reihe von Oe-
Bchlechtsgenossen; es ist die antike Art des Baronisirens. Jede
Verlängerung hat etwas dem Ohre Imponirendes und dient dazu,
dem Namen statt des bürgerlichen Klanges (wo^if>^ rtcintinr^ einen
hochtrabenden Anklang zu geben, der an den Kothurn der Bühne
erinnerte; daher tMgfpvj vfayiKvi. Der reich gewordene Stephanos
nennt sich sofort ^t?^o€rTi^(wo9, xä>M ygafAfutrci ir^oT&iiV (Brunck.
Anal. II, 154). Von den amplificirenden Namensuffixen, welche
sich im Neugriechischen erhalten haben, habe ich in den Gottinger
Nachrichten 1857 S. 307 gehandelt
Wirkliche und vollständige Namensänderungen oder Metono-
masien finden statt, wenn die Person, welche mit der Namenge-
bnng zu einer solchen geworden war, in ein neues Leben fibergeht,
also vor Allem wenn Menschen Heroen werden, wie der Schafhirt
Pixodaros, der Entdecker der Steinbrüche bei Ephesos; ita sfatim
bonores decreveruut ei et nomen mutaverant, ut pro Pixodaro Euan-
vom 28* Februar i870. 165
gelod nominarehir (Vitmv. p. 252 ed. Rose). So wurde, weil er
einen Gott empfangen, Sophokles xnm Dexion (nach Analogie von
Emjgjes und Androgeos, Thyone and Semele), Oimos smn Dexa-
menoe. Nomen matare istVergotternng; daher der Titel MtrtovO"
futritu für das Bach des Nikanor bei Athen. 296 d.
Eine wesentUehe Yerinderang der Persönlichkeit ist aach der
Übertritt aas dem Privatleben in den Furstenstand; so erhSlt
Lyside als Fürstin von Korinth den Ehrennamen Melissa. Aas
Aeropos wird ein Archelaos, aus Andreas Orthi^oras, aus Athenion
Aiistion; die Identität von lason and Prometheas ist sehr wahr-
BcheinUch (Gr. Gesch. III, 766). Ich bin übersengt, da£B wir von den
griechischen Tyrannen meistens nar den Djnastennamen kennen,
Aristcmymos, Polykrates, Leodokos, Periandros, Philokjpros etc.
Avuek der Übertritt ans einer Nation in eine andere ist wie eine
nene Ciebart, daher wird aas der Gallischen Petta eine Aristoxena
(Athen. 576); es ist ein Beispiel der Umnennnngen, wie sie hlin£g
in den Colonien vorkamen bei Yerheirathang der Eingebomen
mit Hellenen. Femer der Übertritt aas dem profanen Leben in
ein heiliges, ein ganz dem Gottesdienste gewidmetes. Da werden
die Individuen geweiht and empfangen als oTiu^iurtg anstatt des
Familiennamens, den sie ablegen, einen neuen Namen; sie werden
erst MniwfMt and dann U^titmy^t. Lacian. Lexiph.lO.^) ImCaltas
herrscht das Symbol. Daher soll auch der Name ein Symbol des
Dienstes sein gleich den anderen Attributen desselben nnd das Auf-
gehen der Persönlichkeit in den Dienst bezeichnen. Darum hiefs
der Fackelträger auch Dadnchos. Das Zusammengehen von nomen
and omen, was die Griechen (fn^wwfua nennen, ist bei den Heilig-
thümem zu Hause, wie die priesterlichen Namen Butes, Hieron,
Hieronymus, Hierophantes, Athenion, Pyrphoros, liri ßaofjup u. s. w.
zeigen. Vergleiche Bockh C. 1. Gr. I. p. 325 b. Hermogenes ist
') Wie weit verbreitet diese Art der Metonomasie ist, die darin besteht,
dafs der Anfang eines neuen Lebens dnrch einen neuen Namen bezeichnet
wird, bedarf keines gelehrten Nach weises. Ich erinnere nur an die Be-
nennung der Apostel bei Antritt ihres Amts, an die Taufnamen der Wieder-
geborenen und an die Art, wie sich Einige der ersten Humanisten dadurch
von den bQrgerlichen Verhältnissen lossagten, dafs sie klassische Namen an*
nahmen nnd s. B. aus einem Sonseverin zu einem Julius Pomponius Luetaa
wurde (Burckhart Cultor der Benaissance Aufl. 2. S. 19d).
166 Sitzung der philoBopkiseh-hiitoriMehen Klaue
der Namen dnes Henaespriesters (Ari9t. Bhet ed. Spengel II, 330).
In Athen folgte der Gebrauch der Amtsnamen Baaileas und Bast*
lisaa der Analogie der Hieronjrmie.
Von den priesterlichen Amtsnamen sind diejenigen an nnter-
acheiden, welche in den priesterlichen Geschlechtem als Erbnamen
gebrAuchlich waren, wie der Name Timotheos bei den Enmolpiden
(Rehdantz Vit. Iph. p. 46). Es gab Priestergescblechter, in denen
derselbe Name ohne Wechsel herrschte, wie die Inschrift aas My-
tikne zeigt im C. 1. Gr. d. 2186, wo Boxenos in sechs GeneratioDen
wiederkehrt and die Abstammung nicht als Ergfinzung des Perso-
nennamens angefahrt wird, sondern als Bezeichnung des priester-
lichen Erbadels; daher die Ausdrficke vtu9 und ancy^vdc. Die wirk-
liche Descendenz wird hier hervoigehoben, weil die Geschlechter, die
ein erbliches Priestertham hatten, sich durch Adoption ergfinzten
und sich so bis in späteste Zeit erhielten, wie die lamiden in Olym-
pia. Dafs nicht fiberall gleiche Namensitte herrschte, zeigen die
Priesterkataloge aus Halikamass C. 1. Gr^ n. 2655.
Der Vaternamen gehört nach gewöhnlichem Gebrauche zam
Personennamen (daher der Ausdruck xsx?*i{o-3'rt/ ne^c?), indem beide
cnsammen erst den vollen Namen bilden. Es ist also auch eine
Metonomasie und eine ihrer Entstehung nach der Hieronymie ver-
wandte, wenn der Vatemame in der Weise verändert wird, um
dadurch anzudeuten, dafs Jemand aus seinem Geburtsstande heraas-
und in andere Verhältnisse eingetreten sei, in welchen die angebo-
renen als unwesentlich verschwinden. In dem Spielen mit dem
Vatemamen zeigt sich die Natur der Griechen auf eine sehr be-
zeichnende Weise, ihre Abneigung gegen trockene Überlieferung,
ihr Streben, das geistig Zusammengehörige auch leiblich in Ver-
bindung zu bringen, ihre Gewandheit, die Person durch fingirte Va-
temamen in witziger Weise zu charakterisiren, wofür die Komödie
an Beispielen unerschöpflich ist Von den gemachten Genealogien
auf dem Gebiete der Literaturgeschichte hat A. Schone in seinen
Untersachnngen ober das Leben der Sappbo eine lehrreiche Über-
sicht gegeben. Wissenschaft und Kunst absorbiren das natur-
liche Leben. Nach Analogie von Aristoteles o TUArtuvo^ werden
auch die bildenden Künstler nach dem Meister benannt; bei ihnen
hat die Familientradition aber eine ganz andere Bedeutung und in
unzähligen Fällen ist der Vater auch der Lehrer, und pm^irrs beim
Genetiv zu ergänzen, wie es in römischer Zeit bei Stephanos und
ooM S8. Fsbruar S870. 187
Meodaos aoBdrueklich betgttdirieben ist Mit dieser Anfhesong
des VatemameiiB bfingt der eigenthümliche Oebraoch der patrony*
mica zasammen, wenn a. B. Ev^t/uXii^m Leute beseichnety irelcbe
die Ptofession des Enrykles treiben«
Andere Oründe xom Aufgeben der Familientradition liegen in
personlicben Beaiehangen, aoa denen WabWerwandeobaften hervor-
gehen, welche sich in die Blataverwandtsehaft als gleichbereebtigt
einschieben; das sind die Namen xara tptltttu und ^tviat»^ wie Elle*
archos seinen Erstgeborenen Timotheos nannte, wie in die Familie
der Endlos der Name Alkibiades aufgenommen wurde und durch
den attischen Feldherm der Name Fhormion in Akamanien lan-
desüblich wurde» Ein besonderes Beispiel von diesem SvofAtt^uv im
rm ovofjLiai rivoc ist Ensebios, welcher seines Freundes Pamphilos
Namen dem seinigen im Genetiv anfSgte, um anzuzeigen, wie seine
ganze Existenz von ihm abhängig und mit ihm verschmolzen sei.
Ich weils nicht anzugeben, wie weit ihm hiebei filtere Analogien
vorlagen, aber wir sehen auch hier wieder, wie zwei Namen susam-
men gleichsam eine Firma bildet^i, in welche Beziehungen der
verschiedensten Art aufgenommen werden konnten.
Die auf Gastfreundschaft beruhenden Namen — theils Perso*
nennamen, theils Ethnika (Magnes, Eretrieus), theils Ortsnamen
(Samos, Nikopolis) — sind vcm geschichtlichem Interesse, weil
sie uns die versteckteren Beziehungen zwischen den verschiedenen
Stfidten Griechenlands sowie zwischen hellenischen und auslfindi*
sehen Staaten erkennen lassen. Sjrakus und Theben finden nch
durch Namen wie Thrasydaios und Boiotos verbunden (Urlichs
Skopas S. 73 Anm.}. Wir erkennen die Beziehungen der T3rran-
nen zu den orientalischen Dynastien, wenn wir bei den Kjpseliden
die Namen Psammetichos und Gordios antreffen, am Hofe des Po-
Ijkrates den Namen Smerdis (Duncker Gesch. des Alt II' S. 797).
Hierher geboren audi der.Neleidenname ^^vytoe, der Name Mif&o?
in Larisa (Xen. HelL p. 89 das.), BiTT(t?jo9 im Hause der Pisistra^
tiden. Der Name Libys bei Lysanders Bruder lafst, mit andern
Nachrichten vereinigt, keinen Zweifel darüber, daüs Lysandros
mit Libyen und insbesondere mit dem Ammonion in Beziehun-
gen stand, weiche er zur Befriedigung seines Ehrgeizes ausbeuten
wollte. Aiginetes, der Sohn des Königs Pompös (Paus. 8, 5. 8),
bezeichnet durch seinen Namen, daüs diesem Konig, welcher das
Binnenland zuerst mit der See in Verbindung gesetzt haben sollte,
168 Sitzung der pkilo$0pki$ch'M$taH$ehen Klasse
die Aegineten besonders hlllfreich gewesen sind. Ans der geschieht-
iicben Zeit gielit es kein interessanteres Beispiel fireigewfihlter Na-
mengebang als die bekannte Namengmppe in der Familie Kimons,
der seine Zwillinge Eleios und Lakedaimonios nannte und den drit-
ten Thessalos. Diese Ethnika sind also nicht als aas Gastfreund-
schaft erwachsene Namen anzusehen, aber als nach Analogie der-
selben gemachte, dasa bestimmt, im Sinne des Haasberm die Stel-
lang der Familie xu den Parteüragen der Gegenwart xn charakte-
risiren und den Kindern ihren Standponkt ansaweisen; einem ein-
seitigen Atticismns gegenüber waren sie als Trfiger solcher Namen
zu Vertretern einer so zn sagen grofegriechischen Richtung designirt
In Ähnlicher Weise wurden auch Orts- und Landesnamen ge-
braucht, lason Yon Pherai nannte seine Tochter Thebe; als die
Verbindung mit dieser Stadt ihm den Weg zu öflfnen schien, um
seine Herrschaft zu sichern. Themistokles dienten die Namen seiner
Töchter als eine Art von Programm seiner auswfirtigen Poliük,
indem er mit Italia, Asia, Sybaris theils in weiterem theils in
engerem Sinne die Punkte andeutete, auf die sein Blick Torzngs-
weise gerichtet war, um attischen Einflufs bis dabin geltend n
machen. Es waren also Namen nar iXinBa und bezeugen das
kühne Selbstvertrauen des Mannes. Wir sehen also, wie in der
Zeit greiser Parteispannung die Onomatothesie einen politischen
Charakter annahm und die Familiennamen zu politischen Parolen
wurden. Auch Perikles schlofs sich dieser Sitte an, indem er sei-
nen zweiten Sohn Paralos nannte. Dafs man zuweilen auch glo^
reiche Ereignisse, welche mit der Geburt eines Kindes zusammen-
trafen, im Namen desselben angedeutet habe, scheint aua der £r-
kl&rung des Namens Euripides bei Prisciao 1, 68, 3 Herta henror-
zugehen.
Solche Wahlnamen dienten aber nicht nur, um die Richtung
der Namengeber zu bezeichnen, sondern sie wurden auch im öffent-
lichen Leben angewendet, wenn es darauf ankam, bei intemations-
len Gesch£flten solche Staatsangehörige verwenden zu können, de-
ren Namen dem Gelingen förderlich zu sein schien.
Lakedaimonios wurde mit 10 Schiffen nach Eerkjra gesendet,
nicht wie Stesimbrotos dem Perikles Schuld gab, um den Sohn
des Kimon in Gefahr und Schande zu bringen, sondern um schon
durch den Namen des Geschwaderfiohrers zu bezeugen, dafs man
keine Feindseligkeit gegen Sparta im Sinn trage. Die Lakedämo-
vom 28. Februar 1870. 169
nier dagegen schickten, als sie ernstlich Frieden wollten , einen
Atbenaios als Commissar su den schwierigen Verhandlungen an
der thrakischen Küste« Eben so deutlich ist die Absicht, wenn
die unglücklichen Platfier in letzter Stunde einen Mitbürger Namens
Lakon xu ihrem Sprecher machen, um den Lakedfimoniem in sei-
ner Person die traulichen Besiehungen, welche durch das griechi-
sche Yolk hindurch gehen, noch einmal an das Herz zu legen,
oder wenn Agesilaos, um bei seinem Abschiede die kleinasiatischen
Stfidte zu beruhigen und sein Yerhfiltnifs zu ihnen auszudrücken,
einen Harmosten Eozenos bei ihnen zurücklfifst.
Nach solchen Analogien mnfs man auch wohl zugeben, dafs
es kein Zufall ist, wenn der Wortführer der Ol. 109, 4 von Athen an
Konig Ochos abgeordneten Gesandtschaft Ephialtes hiefs, so schmfth-
lieh auch die Reminiscenz an den Verrath der Thermopylen war.
Wir sehen, welcher Werth in öffentlichen Dingen auf den
Namen gelegt wurde. Wir finden einen Dorieus als Führer der
antiathenischen Partei in Thurioi, einen Athenagoras an der Spitze
der Athenerfreunde in Syrakus, und wenn sich auch nicht nach-
weisen Ifilst, dafe die Griechen in so ängstlicher und pedantischer
Weise, wie die Romer, die im Namen liegende Vorbedeutung be-
rücksichtigt haben, so sind die Orundanschauungen doch dieselben,
and dies zeigt sich z. B., wenn bei Rückkehr in das von Thra-
sjbnlos befreite Athen ein Aisimos Zugführer ist, wenn man einen
Hermogenea zum Gesandten wählt, einen Poly Stratos zum ersten
Soldnerhauptmann und einen Eukles zum Boten des maratbonischen
Siegs.
[1870] 12
Nachtrag.
24. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. A* W. Hofmann las ferner Nachträgliche Bemer-
kungen über die Entschwefelnngsproducte des Diphe-
njlsulfocarbamids.
In einer der Akademie vor einigen Monaten vorgelegten Hit-
tbeilnng habe ich gezeigt, dafs der diphenjlirte Stdfohamstoff bei
der Entachwefelnng mittelst Bleiozyds in alkoholischer Ammoniak-
lösung eine schön krjstallisirte Base von der Zusammensetzung
liefert.') Ich liels es damals nnentschieden, ob diese Base mit
dem firoher von mir erhaltenen Melanilin') identisch oder. nur
isomer sei. In letzter Zeit habe ich Gelegenheit gehabt, das durch
Entschwefelung gebildete Prodnct mit einem durch die Einwirkung
des Chlorcyans auf Anilin erhaltenen schönen Prfiparate, welches
Hr. Dr. Salkowski mit grofser Sorgfalt dargestellt hatte, zn ver-
gteichen, und hege auf Orund dieser Vergleichung hin keinen Zwei-
fel mehr, dafs hier Isomerie nicht Identit&t stattfindet.
Um Irrthümer möglichst auszuschüefsen, wurden die beiden
Basen in die schwerlöslichen, aber leichtkrystallisirbaren Nitrate
verwandelt und aus diesen Salzen erst wieder abgeschieden, nach-
dem dieselben vier bis fünf Mal umkrystallisirt worden waren.
Die fireien Basen wurden alsdann nochmals wiederholt als Alkohol
umkrystallisirt.
1) Hofmann, Monatoberichte 1869, 589.
^) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXVIL 129.
12^
172 Nachtrag.
Eine bemerkenswerthe Yerscbiedenbeit zeigte sieb alsbald io
der Kiyatallisationsf&bigkeit beider Substanzen. Die neue Base
krystalüsirt ungleich leicbter, als die alte; auch sind die Krjstalle
derselben, lange abgeplattete Nadeln, viel besser ausgebildet, als
die yerworrenen Krystallisationen des früher erhaltenen Körpers.
Auch in der ungleichen Löslichkeit tritt diese Verschiedenheit in |
bestimmter Weise hervor: 100 Oew.-Tb. Weingeist von 90 pCt |
losen 18 Gew.-Th. des alten Melanilins und nur 9,6 6ew.-Th. des ,
neuen. Endlich Ififst die Bestimmung des Schmelzpunktes der bei-
den Basen keinen Zweifel. Das alte Melanilin, dessen Schmelx-
pnnkt ich früher nur annfthemd als zwischen 125** und 130^ lie-
gend angegeben hatte, schmilzt bei 131^, die neue Baae erst bei
147^. Die Versuche wurden anm öfteren mit denselben Ergeb-
nissen wiederholt.
Ich schlage vor, den Namen Melanilin ganz fallen zu las-
sen und die beiden Basen als Diphenjlguanidine, und zwar
die durch Entschwefelung entstehende als a-, die mittelst Chlorcyan
dargestellte als yS-DIphenylguanidin zu bezeichnen. Dieser
Namentansch empfiehlt sich um so mehr, als die Bezeichnung Me-
lanilin, welche an eine nahe Beziehung der so genannten Base
mit dem Ton Lieb ig entdeckten Melamin erinnern sollte, ihre
Bedeutung verloren hat, seit ich das wahre Melanilin, d.h. das
triphenylirte Melamin, fiber welches ich der Akademie in
einer sp&tem Sitzung bericiiten werde, in diesen Tagen entdeckt
habe.')
In welcher Weise immer »an die Isomerie der beiden diphe-
nylirten Ghianidlne erklären will, so viel Ist gewifs, dafs sich die
Atome in den Abkömmlingen beider Körper wieder gleichmäfsig
lagern. Dnrckjdie Einwirkung des Cyangases auf das /B^Diphenjl-
guanidin entsteht der Körper, den ich mit dem Namen Dicyano«
melanilin') bezeichnet habe, und letzterer verwandelt sieh unter
dem Einflüsse der S&uren zunfichst in Melanoximid und schliefs-
lieh in Diphenylparabans&ure.')
Alle diese Körper bilden sidk mit der gröfsten Leichtigkeit
auch ans dem a-Diphenjlguanidin ; ich habe aber bei der sorgfal*
1) Hofmann, Monatsberichte 1869, 791.
') Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXYU, 159 und LXXIV, 1.
') Hofmann, Royal Soc. Froc. XI, 275.
Nachtrag, 173
tigen Vergleichang der aoB der tt- und ^S-Yarietfit entstehenden
Verbindungen keine Verschiedenheit mehr wahrnehmen können;
ich halte dieselben f&r identisch. Die anf beiden Wegen erhalte-
nen Dicyanyerbindungen schmehEen bei 154^; der Schmelzpunkt
der Diphenjlparabaosfiare, ob ans der <»- und i3-Abart dargestellt,
liegt bei 204^
Die beschriebenen Versuche haben mich an einen dritten Kor-
per erinnert, den ich vor einiger Zeit durch Behandlung des nor-
malen Guanidins mit Anilin erhalten und dem ich irrthümlich eben-
falls die Zusammensetzung des diphenylirten Guanidins (Melanilins)
beigelegt habe^). Wenn ein Guanidinsalz mit einem Überschüsse
▼on Anilin zum Siedepunkt der letzteren erhitzt wird, so entwickeln
sich Strome von Ammoniak und beim Erkalten erstarrt die Flüs-
sigkeit zu einem Krjstallbrei , ans dem sich durch geeignete Be-
handlung mit Wasser und Alkohol ein in schönen Nadeln krystalli-
sirender Korper darstellen IfiTst
Indem ich die Reactioa nach der Gleichung
CH,N,0 -^ 2C^H^N — Ci,H,3N3 -+- H,0 -h 2H,N
interpretirte, glaubte ich in dem kiystallisirten Producte ein diphe-
Djlirtes Guanidin
CuH„N, ^ CH,(C,H,),N,
zu erblicken.
Die Auffindung des a-Diphenylgtianidins, welches sich bei der
Entschwefelung des diphenylirten Sulfoharnstoffs in Gegenwart von
Ammoniak bildet, hat mich veranlafst, auch den phenylirten Gnani-
dinabkömmling nochmals darzustellen. Ich habe mich bei diesem
Versuche, welcher in etwas gröfserem Maafstabe ausgeführt wurde,
überzeugt, dafs die Einwirkung des Anilins auf den Guanidin nicht
in dem oben angegebenen Sinne, sondern nach der Gleichung
CH^NjO 4- 2CgH^N =s CijHjjNjG -t- SHjN
verlauft, dafs mithin der unter den bezeichneten Bedingungen ge-
bildete krystallisirte Korper nicht diphenylirtes Guanidin, sondern
diphenylirter Harnstoff ist
1) Hofniann Monatoberichte 1868, 464.
174 Nachtrag.
C„Hi,NaO = CH,(CeH5),NjO.
Im Eohlen8toff- und Wasserstoflfgehalt unterscheiden sich in der
That beide Korper nur wenig.
Diphesylgnsnidin Dipbenylhsmstoff
Kohlenstoff 73.93 73.63
Wasserstoff 6.16 5.66
Zwei Verbrennungen hatten ergeben Kohlenstoff 74.00 nnd
73.95, femer Wasserstoff 6.27 aus 6.21, Zahlen, welche der Zusam-
mensetzung des diphenylirten Guanidins noch nfiher kommen als
des diphenylirten Harnstoffs. Leider war die Bestimmung des
Stickstoffs unterblieben, welche die Natur des Korpers alsbald ent-
hüllt haben wurde.
Ich habe jetzt den in Rede siehenden Korper durch ein genaue-
res Studium seiner physikalischen Eigenschaften, namentlich durch
die Bestimmung des Schmelzpunkts, welcher bei 232^ gefunden wurde,
mit dem auf gewohnliche Weise dargestellten Diphenylsulfohamstoff
identificirt. Die Bildung des diphenylirten Harnstoffs aus dem
Quanidin hat nichts Befremdliches, wenn man bedenkt, mit wel-
cher Leichtigkeit das Guanidin unter Ammoniakverlust in normalen
Harnstoff übergeht
CH^NjO « H,N 4- CH^N,0.
In Ferd. Dnmmler's Yerlagsbachhandlung sind neuerdinga
folgende akademische Abhandlangen aus dem Jahrgang 1869 er-
schienen :
Ebbsshbro, Über mSchtige Gebirgsschichten vorhernchend ans mikroskopi-
schon Bacillarien anter und bei der Stadt Mexiko.
Preis: 1 Thir. 15 Sgr.
* Lkpsics, Über den chronologischen Werth der Assyrischen Eponymen und
einige Berfihrangsponkte mit der Aegytischen Chronologie.
Preis: 15 Sgr.
BoTB, BeitrSge zur Petrographie der platonischen Gesteine.
Preis: 3 Thlr. 7 Sgr. 6 Pt
Maqhijb» über Emission, Absorption and Reflexion.
Preis: 15 Sgr.
In den Abhandlungen der Akademie sind in den Jahrgängen 1852^
18ö3, i862j 1864 keine Mathemaiiechen Klassen enthalten.
MONATSBERICHT
DBB
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
März 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Kammer.
3. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Homejer las über Hausmarken und legte lithogra*
phirte Tafeln zur Erläuterung vor.
Er beabsichtige über die Geschichte, die Verbreitung und die
Verwendung der sog. Haus- und Hofmarken im germanischen
Earopa eine grofsere Arbeit zu veröffentlichen. Derselben werden
nicht nur einzelne Figuren im Texte selber einverleibt, sondern
aach vierundvierzig Tafeln als Anlagen beigegeben werden. Sie
sollen die ungemeine Fülle der Erscheinungen zur weiteren An-
schauung bringen. Sie sollen, indem sie die Marken massenweise
für ganze Kreise, Ortschaften, Genossenschaften zusammenstellen,
über die mancherlei Weisen belehren, durch welche die Unter-
scheidbarkeit der Zeichen im Leben erreicht worden. Sie mögen
endlich mittels der Fixirung eines gegenwärtigen Zustandes dazu
verhelfen, die künftigen Änderungen und Schicksale der alten Sitte
genauer zu verfolgen.
Diese Beilagen sind vorweg lithographirt worden, um sie beim
spätem Druck der Hauptarbeit selber bestimmter anziehen zu kön-
nen. Ihre heutige Vorlage wurde mit Erklärungen begleitet.
Hier folgt eine summarische Übersicht.
Die Tafeln I bis XXXVU sind nach Ländern und Orten ge-
ordnet. Sie beginnen mit Skandinavien, führen zu England, zu
[1870] 13
176 Gesammtsitzung
den Niederlanden, treten mit Oldenburg in Deutschland ein, folgen
dem Rande der Ostsee bis in die Gegend von Danzig, gehen dann
von dem Meere ab, gelangen zunächst durch das übrige Nord-
deutschland von Ost nach West nach dem Rheine und schliefsen
mit Süddeutschland und der Schweiz.
I. Island.
A. 23 Marken aus Siegeln der Bischöfe und andrer Standes-
personen von 1373 bis 1631, mitgetheilt von Hrn. Archivar Jon
Sigurdsson zu Kopenhagen. B. Zeichen in Felsholen, vielleicht
von deren Besuchern eingegraben, welche in das 12te oder 13te
Jahrh. gesetzt werden. — Anhangsweise ein kleiner, mit Zeichen
bedeckter Stein aus einem alten, im J. 1838 in Virginia entdeck-
ten Grabe.
II. Schweden.
Zeichen aus einer Sammlung von 75 mit Lochern versehenen
kleinen Holzscheiben (Bricken), die etwa den Rindern um die Hor-
ner gehängt oder als Looshölzer, s. Germanisches Loosen S. 29,
benutzt wurden.
m — VII. England.
Die dritte Tafel gtebt A) Handzeichen von Landleuten aus
Urkunden des 17ten Jahrhunderts, B) die Marken, welche die
Schwanhalter den Schnäbeln dieser Thiere auch noch gegenwärtig
eingraben lassen u. a. die Marken der Konigin Victoria und des
Eton College.
Die 300 Nummern der Tafeln 4 bis 7 gehören einer von
Ewing in den Schriften der Norwicher Alterthumsgesellschaft 1850
edirten, aus Siegeln,^ Unterschriften, Grabsteinen und allerlei Bau-
lichkeiten des 14ten bis zum 17ten Jahrh. entnommenen Samm
lung an. Vgl. Monatsberichte der Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1868
S. 578.
VIII. Niederlande.
A. Grabzeichen des 17ten Jahrhund, aus Delft. B. Hand-
zeichen auf einer Schuldverschreibung von. 1481 zu Lejden.
C. Zeichen auf einem alten Thurm des Tempelhofes zu Nieupoort.
vom 3. März 1870, 177
D. Handzeichen in einem ^Yenditiebook^ von 1632 im Archive
daselbst.
IX, X. Oldenburg.
Ans einer Mittheilang des Geh. Archivraths Leycrkas stam-
men 148 2^ichen haaptsfichlich von Siegeln und Unterschriften des
16ten und 17ten Jahrh. 1) aus der Herrlichkeit Knjphausen, na-
mentlich aus den Kirchspielen Sengewarden, Ackum, Fedderwarden,
2) aus dem Jeverlande, Kirchspiel Wangeroge u. s. w. , 3) aus
Stad- und Butjadinger Land, 4) aus der Grafschaft Oldenburg,
Kirchspiele Edewecht, Westerstede, Varel, Zwischenahn, Bockhorn.
XL
A. Ans Mölln in Lauenburg Marken von Leichensteinen 1584
bis 1768, Ton Kirchenstuhlen der sog. Feuergraven, von den zehn
Brauh&usem. B. Aus Schoneberg im Ratzeburgischen, Hand-
zeichen unter einer Urkunde von 1622,
XII — XVL Lübeck.
Die zwölfte Tafel giebt 62 Zeichen von den Grabsteinen der
zu St Jacobi von 1606 bis 1655 beerdigten Personen nach dem
dortigen „Steinbuche^.
Die Tafeln 13 bis 16 liefern 364 Siegelmarken, von H. Ma-
ler Milde zu Lübeck aus Urkunden theils Lubscher Einwohner,
theils andrer Nationalen des europäischen Nordens von 1341 bis
1519 alphabetisch zusammengeatellt.
XVn. Rostock.
A. Abbildung eines 1831 im Schutt gefundenen mit Zeichen,
Bachstaben und Zahlen u. a. 1606 bedeckten Stücks eines starken
Hirschgeweihes. B. Die 56 Marken an dem Altarschranke eines
früheren Nonnenchors der Elosterkirche zum H. Kreuz.
XVIII.
In dem Kirchspiel Bovershagen bei Rostock hat sich der
Gebrauch der Hausmarken, namentlich auch zur Bezeichnung der
Looskaveln lebendig erhalten. Die Tafel giebt deren 125 aus den
Ortschaften Over- Mittel -Niederhagen, Hinrichshagen , Sandberg,
Torf brück, Wiethagen, Sandhagen.
13*
178 OesammUitzüng
XIX.
Proben der Zeichen auf den Kirchenplfitzen zu Warne münde
y. J. 1590, welche jetzt durch ein neues Gestühl ersetzt werden
sollen, Tgl. Monatsb. a. a. O. 578.
XX. Rügen.
A. Siegelmarken von Bauern aus dem 16ten Jahrhundert.
B. Hand- und Hauszeichen von acht Halbbauem und Kossäten zu
Qagern auf der Halbinsel Monchgut unter einem Pachtcontract v.
J. 1832. C. Zeichen, die noch an Gebäuden, Leichensteinen, Ge-
räthen in verschiedenen Ortschaften der Halbinsel Wittow z. B.
zu Vitte nahe bei Arcona vorkommen. D. Noch übliche Bauer-
und Büdnermarken von Monchgut
XXI. Greifswald.
In den Gängen der dortigen Kirchen liegen noch zahlreiche
Grabsteine mit den Zeichen der Beerdigten. Die hier unter 09
Nummern nach Hrn. Prof. Böhlau mitgetheilten stammen aus der
Marienkirche und gehören den J. 1363 bis 1734 an, vgl. Monats-
bericht 577.
XXII.
Marken der zahlreichen Fischer der Pommerschen Oderstädte
Greifenhagen (58) und Garz (47). Häufig aus I und X zu-
sammengesetzt gelten sie doch nicht als Zahlen, sondern als Haus-
marken mit Bezeichnung derselben als Kreuze und Kerben^ vergl.
M.-B. 580.
XXIII — XXVIII. Provinz Preufsen.
Die Marken dieser Tafeln haften sämmtlich an ländlichen Ge-
höften und stehen noch in lebendigem Gebrauch.
Nr. XXIII giebt die Hofmarken der Dörfer Praust, Zipplau,
Rostau, Müggenhal auf der Danziger Höhe; XXIV der Ortschaf-
ten Weslinke, Gottswalde, Reichenberg, Scharfenberg aus dem Dan-
ziger Werder. Die übrigen Tafeln fallen auf den Marienbur-
ger Werder, für den der Landrath Hr. Parey aus 83 Ortschaf-
ten über 800 Marken zusammengebracht und zur Veröffentlichung
mitgetheilt hat, M.-B. 579.
vom 3. März 1870. 179
XXIX. Polnische Adels wappen.
Sie sind hier aufgenommen einmal um die Übereinstimmang
mancher derselben mit Germanischen Hausmarken zu belegen, so-
dano nm zu veranschaulichen, wie zahlreiche einzelne Adelsge«
schlechter einem grofsen Wappenverbande mit einem Gesammt-
zeichen angehören, welches dann in den Wappen der besondern
Familien als Grundform, wenn auch mit gewissen Beizeichen oder
verschiedenen Tinkturen, wiederkehrt. Die Tafel giebt 67 solcher
haasmarkenfihnlicher Grundzeichen und bei einigen derselben auch
die Variationen der einzelnen zum Verbände sich zählender Ge-
schlechter an.
XXX, XXXI. Mark Brandenburg.
Die erste Tafel enth< noch übliche Hofzeichen aus ländlichen
Ortschaften, A) von Jänickendorf im Kreise Lebus (M.-B. 579),
B) von Pewesin, Roskow, Wachow, Gohlitz im Westhavellande.
Die andre theilt die hundert auf einer Tafel in der St. Gott-
bardskirche zu Brandenburg a. H. angebrachten Zeichen der Tuch-
machergilde mit, die im J. 1623 die dortige Kanzel renoviren lieüs,
M.-B. 578.
XXXII. Lüneburg.
Auf die Saline (Sülze) daselbst beziehen sich A) 42 Zeichen
der Corporation der Salzpächter vom J. 1534, B) 24 der zu den
^Sulzhänsern^ gehörigen Marken von 1785.
XXXIII, XXXIV. Erfurt.
Sie stellen unter 50 Nununern die von H. Major Bockner
aas dortigen Siegeln, Grabsteinen, allerlei Baulichkeiten, Glasge-
mälden n. s. w. gesammelten Zeichen in ihren Schilden dar,
M..B. 579.
XXXV. Rheinpreufsen.
A. Dreifsig zu Schweinschied bei Meisenheim noch jetzt
in Gemeindeangelegenheiten benutzte „Familien und Hausmarken^.
B. 80 zu Masterhausen am Hunsrück im 1 8 ten Jahrhundert zu
vielfachen Zwecken verwendete Zeichen dortiger Bürger.
180 Gescanmtsitzmig
XXXVL Tyrol.
Als Beiapiele der hier üblichen, sehr einfachen^ oft in Buch-
staben übergehenden Formen sind die Zeichen der Orte Untermie-
ming und Fiecht im Obeiinnthal gegeben.
XXXVn. Sehwei«.
1. Drei und dreifsig Marken an Oeb&uden, Ger&thschaften
oder aus Siegeln Sebwjzer Familien.
2. Zwölf Zeichen von Milchlieferanten des Wirthes zum Al-
penclub im Maderanerthal, Canton Uri, auf einer sog. Milchbeile
(Kerbstock) eingegraben, M.-B. 581.
3. Dreifsig von den 120 zu Münster im C.Wallis gebrauch-
lichen Häuserzeichen, M.-B. ebd.
4. Aus einer alten deutschen Niederlassung zu Alagna in
Fiemont, südlich vom Monte Rosa, 39 noch übliche Marken, deren
Eigner theils deutsche theils italienische Namen führen, M.-B. ebd.
Die sieben noch übrigen Tafeln sind theils nach Personen-
classen theils nach Gegenständen der Bezeichnung geordnet.
XXXVIII, XXXIX. Steinmetzzeichen (vgl. M.-B. 582).
Ältere Formen derselben, welche oft geradezu irgend ein Werk-
zeug 'wiedergeben, sind mitgetheilt von der 1263 fif. erbaueten Hei-
ligengeistkirche zu Mainz, von der Burg Land eck in Pfalzbaiern
aus der Hoheüstaufenzeit, vom deutschen Eck zu Coblenz 1275,
Ton der Goblenzer Moselbrücke ^ unter denen die Nr. 1 bis 108
dem J. 1340 ff., die Nr. 109 — 116 aber einer späteren Zeit an-
gehören.
Diese letzteren, ferner die dem Wolfe nbüttl er Schlosse und
die den sog. Heunensäulen bei Miltenberg am Main entnommenen
tragen die Stabform und begnügen sich mit einer blofsen Andeu-
tung des Werkzeuges im Querstriche.
XL.
Die Tafel giebt A) 30 Zeichen von Buchführern (Verlegern
und Buchdruckern), B) 40 Zeichen von Baumeistern, unter ihnen
die von 28 im J. 1658 zu Strafsburg versammelten Werkmeistern,
welche dem Typus der Heunensäulen (XXXYIII) nahe stehen.
vom 3. März 1870. 181
XLI. Künstlerzeichen.
Proben von Zeichen A) der Maler, B) der Bildhauer, G) der
Graveorey D. sonstiger Künstler, sämmtlich im Hausmarkentjpns.
XLII. Zeichen von Schiffsgütern und Schiffen.
1. Auszug aus einer Pergamentrolle, welche die nach Thorn
bestimmten Waaren eines im J. 1377 an der Jütischen Küste ge-
strandeten SchilFes, behufs deren Wiedererlangung, mit ihren Eigen -
thumern und Marken verzeichnet. 2. Sieben Zeichen, welche im
J. 1856 auf Helgoland von den Schalupen der dortigen Com-
pagaien noch neben Bild und Namen geführt wurden.
XLIII. Familienzeichen.
Die Abwandelungen, welche ein Familienzeichen zur Unter-
scheidung der einzelnen Gliederungen des Geschlechts erleidet; dar-
gelegt in 49 Beispielen aus Danzig, Fehmarn, den Werdern bei
Hamburg, Holland, Pommern, Rügen, Schleswig und der Schweiz.
XLIV. Acker- und Holz marken.
I. Von dep einfachen, in Äcker oder Wiesen gepflügten oder
geschnittenen' Zeichen sind 16 aus England, 12 noch heute ge-
bräuchliche aus dem Mansfelder Gebirgskreise mitgetheilt.
n. Von den gleichfalls simpeln, in Holzstücke (Sfigeklotze)
meist durch die Axt einzuschlagenden Marken sind unter A) die
darch ein gewisses System geordneten Zeichen der Glieder der
Schiffer- und Flöfsergesellschaffc im' Murgthal gegeben; B) die
abn}icheH aus dem Lechthal in Tyrol; G) die zu Gramais
ebendaselbst im J. 1690 gebräuchlichen, welche zugleich zur Un-
terschrift dienten. Unter D) endlich zehn der im Bajerschen
Frankenwalde üblichen, den gewohnlichen Hausmarken ähn-
lichen, aas dem Flofszeichencataster zu Kronach mitgetheilten
Marken.
182 Gesammtsifzunff
An eingegaDgenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
vorgelegt :
Sitzungahtrichte der GeaeUßchaft natur/orichender Freunde tu Berlin im J.
1869. Berlin 1870. 4.
PubiieoHonen des Litterariechen Vereins in Stuttgart. 96. — 99. Puhiicaiion.
Tfibingen 1869. 8.
P. Call Morel, Ojfenharungen der Schwester Mechtiid von Magdeburg,
oder diu ßie/sende Licht der Gottheit. Regeiubnrg 1869. 8. Mit Be-
gleitschreiben des Hm. Verf. Einsiedeln 12. Febr. 1870.
Schweizerische Meteorologisch Beobachtungen. Decb. 1868« Jan. n. Febr.
1869. Bonn 1869. 4.
10. März. GesammtsitzuDg der Akademie.
Hr. Petermann las den «weiten Theil seiner Abhandlung
über die Eroberung von Jerusalem durch Saladin.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Archives du Musie Teyler. Vol. II, 4. Harlem 1869. 8.
Bulletin de la socike des naturalistes de Moseou, no. 2. Moscou 1869. 8.
Archäologische Zeitung. Nene Folge. Bd. 2. Berlin 1869. 4.
Bulletin de tacademie de Petersbourg. VoL 14, no. 1 — 3. Petersboarg
1869. 4.
Memoires de tacademie de Petersbourg. YoL 13. no. 8. Vol. 14, no. 1 — 7.
Petersbonrg 1869. 4.
Egger, Vhellenisme en France. YoL 1. 2. Paris 1869. 8.
14. März. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. Dove las: 1) Über die Wärmeverbreitung im Polarmeer.
2) Über die Kälte im gegenwärtigen Frühjahr (s. Nachtrag).
vom 17. März 1870. 183
17. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Buschmann las den Schlafs von Zusätzen cn der ersten
Abtheilong seiner sonorischen Grammatik: dem Lautsjstem.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Oteruigt over dei KongL Deuuke Videnskabernes Seiskabs Forhandlinger,
1869, no. 3. KjohnhaTn 1869. 8.
MiUheilungen aus dem Otterlande, 19, 1. 2. Altenbnrg 1869. 8.
d'Arbois de Jubainville, Reckerchee eur tanneau ngiliaire de Pouam,
Paris 1869. 8.
— Eene^ Euzue, Paris 1869. 8.
— Le Baron de Jaujoz. Paris 1869. 8.
24. März. öflFentliche SitzuDg der Akademie zm-
Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät
des Königs.
Der Torsitzende Sekretär Hr. Kummer eröffnete die Sitzung
mit einer Rede, in welcher er die culturgeschichtliche Bedeutung
der Thaten des Königs betrachtete und namentlich die durch die-
selben gesicherte nationale Grundlage der ferneren Entwickelung
deutscher Wissenschaft hervorhob. Derselbe gab hierauf einen Be-
richt über die grofseren Arbeiten und Unternehmungen der Akade-
mie, nämlich die Herausgabe des Corpus Inscriptionum Latinarum,
des Corpus Inscriptionum Graecarum und des Index zum Aristo-
teles. Zum Schlnfs hielt Hr. Peter mann einen Vortrag über die
Eroberung Jerusalems durch Saladin.
28. März. Sitzung der philosophisch-historischen
Klasse.
Hr. Müllenhoff las Beitrage zur Geographie der Alten.
184 Oeßammtaitzung
31. März. Gesammtsitzung der Akademie,
Hr. Weber las über das Bdmdyaiiia,
Hierauf legte Hr. daBois-Rejmond folgenden Aaüsatx vor:
Nene Versuche über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Reizung in den motorischen Nerven der Menschen,
ausgeführt von N. Baxt aus Petersburg. Mitgetheilt von
Hm. H. Helmholtz, correspondirendem Mitgliede der
Akademie.
In der Sitzung vom 29. April 1867 habe ich der Akademie
Mittheilung gemacht über Versuche, welche Hr. N. Baxt in mei-
nem Laboratorium unternommen hatte, um die Fortpflanzungsge-
schwindigkeit der Reizung in den motorischen Nerven des leben-
den Menschen nach einer Methode zu bestimmen, wobei die psy-
chischen Thfitigkeiten des Experimentirenden zur Erregung der
motorischen Nerven nicht in Anspruch genommen werden. Es
wurde damals der Nervus medianus bald am Oberarm, bald am
Handgelenk gereizt. Der Vorderarm und die Hand waren in eine
Gypsform unverschieblich eingelegt, und die Zuckung der Muskeln
des Daumenballens wurde durch einen hölzernen Stab auf den
Schreibhebel des für die Versuche mit Froschmuskeln construirten
Mjographion übertragen. Übrigens wurden mit den genannten Ab-
änderungen die Versuche wesentlich nach demselben Principe aus-
geführt, wie die zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
in den motorischen Nerven des Frosches.
Es ergaben sich hierbei Fortpflanzungsgeschwindigkeiten in
drei Versuchsreihen von 31. 53, 33. 39 und 37. 49 Meter für die
Secunde.
Bei der Wichtigkeit dieses Resultats und in der Hoffnung auch
noch einige andere damit zusammenhängende Fragen entscheiden
zu können, beschlossen wir die Methode zu möglichster Genauig-
keit auszubilden, und ich liefs defshalb (nach einem schon früher
von A. Fick angegebenen Plane) ein Pendelmjographion bauen,
im Wesentlichen aus einem schweren und festen eisernen Pendel
vom 31. März 1870. 185
bestehend, dessen ganze Schwingung nahehin swei Seconden dauerte,
und welches an seinem untern Ende eine rechteckige ebene Glas-
tafel trägt, auf der die Zuckungscunren geschrieben werden. Das
Pendel wird ror dem Versuche in schrfiger Lage durch einen Sperr-
baken gehalten; sobald dieser gelöst wird, f&Ut es, lost in der
Mitte seiner Bahn den Inductionsschlag aus, der den Nerven trifft,
und wird schliefslich beim Rückschwünge vom Beobachter wieder
aufgefangen und hinter den Sperrhaken gelegt Somit dauert jeder
Versuch nur xwei Secunden, und man kann schnell hintereinander
sehr riele Zuckungen seichnen. Um dies zu können, Ifibt sich die
Glasplatte mittels einer Schraube am Pendel auf- und abschieben.
Eine gleiche Platte an der andern Seite des Pendels, welche die
entgegengesetzte Bewegung macht, bewirkt, dafs die Schwingungs-
daner dabei nicht geändert wird.
Die Zackungscurven erhalten auf dem neuen Apparat viel be-
trachtlichere Hohe (20 bis 40 Millim.) und Länge ^ so dafs auch
ihre Entfernung von einander viel genauer gemessen werden konnte.
Letzteres geschah mit dem Ophthalmometer.
Unsere Hoffnung, genauere Resultate zu erhalten, erschien nach
den ersten Versuchsreihen mit dem neuen Apparate zunächst fast
ganz vereitelt zu sein. Bei den Versuchen Ende des Sonuners 1868,
im Winter 18^ und Anfang des Sommers 1869 fanden sich ziem-
lich ähnliche Werthe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit für die Ner-
venstrecke vom Ellenbogen zum Handgelenk, wie die früher mitge-
theilten für die Strecke von einer obern Oberarmstelle (vom untern
Ende des Deltoideus) zum Handgelenk, dazwischen aber auch viel
gröfsere für die Nervenstrecke zwischen Deltoideus und Ellenbogen-
gelenk. Die Werthe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit für die
Strecke vom Ellenbogen bis zum Handgelenk wurden ziemlich fiber-
einstimmend erhalten, sowohl bei Reizung des N. medianus, wo-
bei die Contractionen der Muskeln des Daumenballens verzeichnet
wurden, als auch bei anderer Einrichtung der Gjpsform und bei
Reizung des N. ulnar! s, wobei die Contractionen der Mm. ab-
ductor indicis et adductor p oll i eis verzeichnet wurden.
Diese Werthe für die Strecke vom Ellenbogen zum Handgelenk
waren:
Reizung des N. medianus:
30.3904 Meter als Mittel aus 9 Curvenpaaren,
186 Oesammtsitzung
Reizung des N. ulnaris:
27.8081 Meter als Mittel ans 9 Carvenpaaren,
32.8827 „ „ „ „ 8 ^
29.5142 ^ „ ^ „18 «
also im Mittel 30.1488 Meter in der Secunde.
«
Von Mitte des Sommers 1869 fanden sich aber ganz regel
m&fsig grofsere Werthe der Geschwindigkeit für die grofse Strecke
vom untern Rande des Deltoideus bis zum Handgelenk, und zwar:
62.1462 Meter als Mittelwerth aus 12 Curvenpaaren,
64.2099 « „ « „9 r»
67.3272 „ „ „ «9
also im Mittel 64.5611 Meter in der Secunde.
Mancherlei Veränderungen in der Methode der Reizung und
in den sonstigen Anordnungen der Versuche änderten nichts an
diesen letzten Resultaten, bis endlich mit Anfang des Winters wie-
der kleinere Zahlen auch für diese grofse Strecke erhalten werden
konnten.
Dieser Umstand schien anzuzeigen , dafs die Temperatur die
Ursache dieser Schwankungen sein müsse, obgleich die Verände-
rung der Temperatur der tiefer gelegenen Theile des menschlichen
Korpers, der Muskeln und Nerven, so lange nicht gerade ein Ge-
fühl des Unbehagens durch sie hervorgerufen wird, nach den bis
her vorliegenden Beobachtungen nur sehr geringe Grofse haben kann.
Diese Vermuthung hat sich vollständig bestätigt Wir haben an
demselben Versuchstage absichtlich hinter einander Veränderungen
der Temperatur des zuckenden Armes hervorgebracht, und es ge-
lang auf diese Weise abwechselnd bald, bei höherer Temperatur,
grofsere, bald, bei stärkerer Abkühlung, namentlich des Vorder-
arms, kleinere Werthe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit zu er-
halten.
Versuchsreihe I. Das Handgelenk wurde durch eine Eis-
blase gekühlt, während der Arm in der Gjpsform lag. Die brauch-
baren Curven der ersten Tafel gaben eine Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit von 41.2752 Meter, die einer zweiten Tafel, wobei die
Abkühlung mehr eingewirkt haben w^ird, 36.4765 Meter in der Se-
cunde. Darauf wurden die Gypsplatten etwas gewärmt und das
Handgelenk mit einer Blase voll Wasser von 40° C. bedeckt. Die
Curven der ersten Tafel gaben dabei eine Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit von 45.2332 Meter, die einer zweiten Tafel, wo die Er-
vofn 31. März 1870. 187
wärxnimg mebr eingewirkt haben wird, eine Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit von 51.8016 Meter in der Secande. Es ist zu bemerken,
dafs auch bei dieser Erwärmung der Vorderarm zu einer behag-
lichen warmen Temperatur nicht gekommen war.
Versuchsreihe 11. Der Arm wurde bei WinterkiÜte TOr
dem Versuche stark abgekühlt. Höhe der Zuckungen nur 15 bis 17
Millim., deshalb die Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
unsicher, etwa 47.22 Meter. Darauf wurde der Arm durch die
erwärmten Gypsplatten und warme Bedeckung gewärmt. Die
Zuckungshohe steigt auf 26 Mm., die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
far die Gurven der ersten Tafel auf 54.1755 Meter, für die der
zweiten Tafel auf 56.7808 Meter. Endlich wird der untere Theil
des Vorderarms wieder durch eine Eisblase gekühlt Die erste
Tafel ergiebt im Mittel 47.7276 Meter, die zweite Tafel 38.2331
Meter Fortpflanzungsgeschwindigkeit; die Höhe der Zuckungscurven
sinkt dabei wieder bis auf 14 Millim«
Hinsichtlich des erwärmten Armes gilt übrigens auch hier,
obgleich in geringerem Grade, dieselbe Bemerkung wie bei Ver-
snchsreihe I.
Versuchsreihe III. Um eine möglichst groDse Steigerung
der Temperatur des Unterarms zu erreichen, wurde das Zimmer
ziemlich stark geheizt, die Gypsform erwärmt und äufserlich mit
erwärmten Sand umgeben. Im Anfang wurde die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit für die Strecke zwischen Handgelenk und unterm
Rande des Deltoideus bestimmt, und gleich 61.4185 Meter gefun-
den (Mittel aus 10 Gurvenpaaren). Dann wurden zwei Tafeln voll
Carven gezeichnet, welche der Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwi-
schen unterm Ende des Oberarms und Handgelenks entsprechen;
der Werth dieser Geschwindigkeit betrug 57.3400 Meter (Mittel
aQ3 8 Gurvenpaaren). Endlich wurden die Versuche für die län-
gere Strecke noch einmal wiederholt und ergaben nun eine Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit von 89.4272 Meter (Mittel aus 10 Gur-
venpaaren). Dabei war die Höhe der Zuckungen von 21.4 Mm.,
ihrem Mittelwerthe im Anfang, bis auf 30 Mm. gestiegen.
Versuchsreihe IV. Ein Versuch den Oberarm durch eine
Eisblase in einem ziemlich stark geheitzten Zimmer abzukühlen,
so dafs der Unterarm warm blieb, brachte keine erhebliche Ände-
rung hervor. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ergab sich im
Mittel aus 5 Versuchen 50.6262 Meter in 1 Secunde, ein Werth,
188 Oesammtsitzung
der etwas kleiner ist, als er sieb anter übrigens gleichen Umstan-
den ohne die Eisblase ergeben haben würde.
Es ist hierbei noch za bemerken, dafs die Versuche mit ab-
gekühltem Vorderarm immer nur wenige brauchbare Gurvenpaare
geben, weil das Zuckungsmaximum bei Reizung der Nerven am
Handgelenk dann sehr geringe Höhe hat, und man stark abge-
schwächte Inductionsschläge zur Reizung der obern NerTenstelle
anwenden mufs. Deren Wirkung ist aber ziemlich unregelmüTiBig,
und es gelingt dann nur selten, zwei an Höhe wenigstens nahehin
gleiche Curyen von den beiden Reizungsstellen neben einander zu
zeichnen.
Wird der Vorderarm gewärmt, so wächst das Zuckungsmaxi-
mum der untern Nervenstelle stets erheblich, obgleich es uns bis-
her doch nicht gelungen ist, es dem von der obern Stelle bei der-
selben Stärke des Inductionsschlags zu erhaltenden ganz gleich za
machen. Es ist dann aber viel leichter eine Stellung der Induc-
tionsrollen zu finden, welche mit ziemlich grofser Regelmäfsigkeit
Zuckungen der verlangten Höhe auch von der obern Nervenstelle
her giebt, so dafs es unter solchen Umständen leicht ist schnell
hinter einander eine grofse Anzahl brauchbarer Gurvenpaare zu er-
halten.
Die Versuche über Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwischen
Ellenbogengelenk und Handgelenk ergaben regelmäfsig eine kleinere
Geschwindigkeit als zwischen Deltoideus und Handgelenk, wie es
aus den zuerst angeführten Versuchen, die übrigens bei etwas nie-
drigerer Temperatur als die zuletzt angeführten angestellt worden
sind, und ebenso aus der Versuchsreihe HI zu ersehen ist. Die
Ursache davon kann in dem Umstände gesucht werden, dafs
die Nerven im Vorderarm regelmäfsig kälter sind als im Oberarm;
es könnte dabei aber auch an eine ungleichförmige Geschwindigkeit
des Nervenreizes gedacht werden. In unsern Versuchen war eben
selbst nach der eine Stunde lang fortgesetzten Einwirkung eines
äufsern warmen Mediums der erwähnte Unterschied in der Fort-
pflanzung nicht ganz verschwunden.
Andererseits ergaben einige, wegen Kleinheit der Strecke al-
lerdings nicht sehr sichere Bestimmungen der Fortpflanzung zwi-
vom 3t März 1870. 189
sehen Deltoideus nnd Ellenbogengölenk grofse Werthe der Ge-
schwindigkeit. Da es zweifelhaft erscheinen konnte, ob die geringe
Geschwindigkeit bei kaltem Vorderarm nicht herrühre von einer
langsamem Fortpflanzung schwächerer Reizungen, wie sie unter
solchen Umst£nden an der obem Stelle angewendet wurden, so
wurden die Ordinaten von Curven mit einander verglichen, welche
von derselben Stelle aus mit verschiedener Stärke der Reizung
herTorgebracht waren, aber gefunden, dafs sich ihre Ordinaten für
gleiche Zeiten nach der Reizung fast genau in dem Yerhältnifs der
verminderten Gesanunthohe vermindern und keine Verzögerung der
schwachem Zuckungen zu bemerken ist.
Es sei noch erlaubt einige Resultate zu erwähnen, welche bei
den Versuchen mit abgeänderten Reizungsmethoden gelegentlich er-
halten wurden.
Um vom Handgelenk aus Zuckungen von grofserer Stärke zu
erhalten, als sie ein einzelner öffnungsinductionsschlag lieferte,
versuchten wir zwei schnell hintereinander zu gebrauchen. Es
zeigte sich dabei, dafs die Zeit^ welche zwischen beiden Schlägen
verfliefsen mufste, ehe der zweite Schlag im Stande war die maxi-
male Wirkung des ersten ein wenig zu verstärken, y)^ Secunde
betrug. Bei einer Zwischenzeit von -y^ Secunde war die Verstär-
kung schon bedeutend. In dieser Beziehung verhält sich also der
menschliche Nerv denen des Frosches nahezu gleich.
Zweitens versuchten wir auch constante Strome zur Reizung
zu verwenden, diese gaben aber am lebenden Menschen leicht Te-
tanus, namentlich bei absteigender Stromesrichtung. Die Oscilla-
tionen, welche man dabei im Muskel fahlt, konnten auch mit Hülfe
des Mjographions verzeichnet werden. Es ergaben sich für die
ersten Oscillationen dieser Art unmittelbar nach Beginn des Stro-
mes folgende Werthe:
190
GesamnUiitzung
Zeitdauer der Osdllationen in Seeanden«
Batterie
1
2
3
11 Qroves
0.0939
0.0912
Kleine
0.0883
0.0897
0.0906
0.0892
15 Grovefl
0.0927
0.0876
Kleine
0.0925
0.0860
0.0962
0.0856
0.0859
0.0907
0.0863
0.0828
0.0901
0.0854
0.0840
Die Vorzüge der bei den Versuchen über die Fortpflanzangs-
geschwindigkeit gebrauchten neuen Untersuchungsmethoden leuch-
tet unter Anderem aus der Übereinstimmung der einzelnen Ver-
suche einer jeden Versuchsreihe hervor. Um den Grad dieser
Übereinstimmung zu zeigen, möge beispielweise folgende Zusam-
menstellung nur einer Versuchsreihe dienen, wobei wegen der Be-
deutung der einzelnen Buchstaben auf den Eingangs erwähnten Be-
richt verwiesen werden mag. D ist nämlich das Mittel der ge-
messenen Horizontalabstände eines einzelnen Gurvenpaares, Aq —
die Zackungshöhe von der untern, hi — die von der obern Ner-
venstelle, ^ + ^(^1 — Ao) dl® <^us der im angeführten Bericht
angegebenen Interpolationsformel berechneten Werthe der Horizon-
talabstände; in der letzten Verticalcolumne sind die Differenzen
der gemessenen und berechneten Werthe der Horizontalabstände
angegeben.
vom 3L März i870.
191
D
Ä«
Ä,
Differenz
1
3.8537
35.35
36.1
4.0182
-t-0.1645
8
4.3975
36.0
35.8
4.3392
—0.0583
3
3.8274
34.35
35.7
3.8013
—0.0261
4
3.8069
33.9
34.7
3.9897
+0.1828
5
4.3177
35.4
35.2
4.3402
+0.0225
6
4.2577
36.3
36.7
4.1406
—0,1171
7
3.8526
36.1
37.0
3.9736
+0.1210
8
3.9614
36.7
38.3
3.7498
—0.2116
9
4.4304
37.55
37.3
4.3523
—0.0781
Wie man sieht, stimmen sowohl die einzelnen gemessenen
Horizontalabst&nde, als die gemessenen und berechneten Horizon-
talabst&nde viel mehr unter einander, als die früher mitgetheilte
Zusammenstellung.
Nach Ausführung mancher noch mangelnden Versuche wird
die ausfuhrlichere Auseinandersetzung der Besultate dieser Unter*
suchnng von N. Baxt ausgearbeitet und veröffentlicht werden.
Hr. A« W. Hofmann las über substituirte Melamine.
Die Thatsachen, welche ich heute der Akademie vorzulegen
mir erlaube, wurden bei der weiteren Ausfährung von Versuchen
ermittelt, über die ich bereits in einer früheren Sitzung berichtet
habe.O
In einem Aufsatze: Zur Geschichte der geschwefelten Harn-
stoffe, habe ich gezeigt, dafs der monoäthylirte Sulfohamstoff bei
der Entschwefelung mit Blei- oder Quecksilberoxjd in eine Base
übergeht, welche ich unter dem Namen Triäthylmelamin be-
Bchiieben habe.
' 3CHa(C,H5)N,S = SH^S + C,U,(C^U,),N,.
1} Hofmann, Monatsberichte 1869, 791.
[1870]
14
192 OesammUttzung
Bei der Fortsetzung dieser Versuche hab' ich zunfichst con-
statirt, dafs der monomethylirte und der monoamylirte Harnstoff bei
der Entschwefelung mit Bleioxjd das entsprechende trimethylirte
und triamylirte Melamin liefern.
Das Trimethylmelannin krystallisirt aus Wasser sowohl
als auch aus Alkohol in feinen farblosen Prismen, die eine stark
alkalische Reaction besitzen und sich beim Erhitzen yerflachtigen
ohne vorher zu schmelzen. Aus der mit möglichst wenig Chlor-
wasserstoffsfiure versetzten Losung des Salzes scheiden sich anf
Zusatz von Platinchlorid gut ausgebildete Blattchen eines in Was-
ser und Alkohol ziemlich unlöslichen Platinsalzes aus, dessen Ana-
lyse zu der Formel
CeHi.NePtCl« = C3H3(CH3),N6, 2HC1, PtCl,
fuhrt Das Trimethylmelamin wird, wie die entsprechende Äthyl-
verbindung durch Salzsäure unter Abspaltung von Ammoniak zer-
setzt. Es ist mir indessen nicht gelungen, das offenbar hier za-
nfichst auftretende Trimethylammelin festzuhalten. Die E^action
geht alsbald weiter.
Das aus dem wohlkrystallisirten Amylsulfohamstoff, dessen
Schmelzpunkt bei dieser Gelegenheit zu 93° gefunden wurde, dar-
gestellte Triamyl melamin wird als ein stark alkalischer zäher
Syrup erhalten, der selbst nach langem Stehen nicht fest wird.
Er ist unlöslich in Wasser und wässeriger Salzsäure. Die Lo-
sung des salzsauren Salzes in Alkohol liefert auf Zusatz von
Platinchlorid ein Haufwerk von gelben Erystallen, welche löslich
in Wasser^ weniger löslich in Alkohol sind. Sie enthalten
CjgHjgN.PtCl, = C3H,(C,H„)sN8 , 2HC1 , PtCl« .
Auch bei dem Triamylmelamin liefs sich beim Kochen mit
Salzsäure ohne Schwierigkeit das Austreten von Ammoniak nach-
weisen. Allein auch in dieser Reihe wollte es nicht gelingen, aas
den Zersetzungsproducten das substituirte Ammeiin zu isoliren.
Schon in meiner ersten Mittheilung über diese Eiasse von
Verbindungen hab' ich die Vermuthung ausgesprochen, dafs die
substituirten Melamine nicht das directe Entschwefelungs-Prodnct
der geschwefelten Harnstoffe seien, ^) dafs ihrer Entstehung vielmehr
1) Hof mann, Monatsberichte 1S69, 794.
vom 31. März 1870. 193
die Bildung der substitiiirten Cyanamide vorausgehe. Was ich da*
mals vermathete ist mir durch neue Versuche, die ich zumal in
der Äthykeihe ausgeführt habe, zur Gewifsheit geworden. Das
^recte Entschweflungsproduct des Monoäthylharn Stoffs ist nicht
alkalisch, krystallisirt nicht, liefert kein krystallinisches Platin-
salz. Erst nach mehrmaligem Eindampfen auf dem Wasserb'ade
wird das Prodnct plötzlich alkalisch, krystallisirt alsdann bei der
Berührung mit einem Glasstabe und liefert das charakteristische
wawellitartig krystallisirende Platinsalz.
Für die Richtigkeit der Interpretation, dafs sich hier zu-
nächst Äthylcjanamid bilde, welches erst später in Triäthylamin
übergehe, liefs sich noch ein weiterer Beweis in dem Verhal-
ten des auf gewohnliche Weise dargestellten Äthylcyanamids bei-
bringen. Dieser Korper ist, ebenso wie das Methyl- und Phe-
njlcyanamid, den Chemikern aus den schönen Untersuchungen
Ton Gahours und Gloöz bekannt,') welche diese Substanzen
darch Behandlung der betreffenden Aminbasen mit gasförmigem
Chlorcyan erhalten haben. Beim Einleiten von Chlorcyangas in
eine ätherische Lösung von Athylamin haV ich in der That genau
die Erscheinungen beobachtet, welche die genannten Chemiker be-
schreiben. Die von dem ausgeschiedenen Athylaminchlorhydrat
abfiltrirte ätherische Lösung hinterliefs nach dem Verdampfen des
Äthers das Äthylcyanamid als einen neutralen und unkrystallisir-
baren Syrup, welcher mit Salzsäure und Platinchlorid kein kry-
stallinisches Platinsalz lieferte, sich also gerade so verhielt wie das
Entschwefelungsproduct des Monoäthylsulfohamstoffs. Zwei- bis
dreimal in Wasser gelöst und auf dem Wasserbade eingedampft
lieferte dieser Syrup eine alkalische Flüssigkeit, aus der sich Ery-
stalle absetzten, welche alle Eigenschaften des aus dem Sulfoharn-
stoff dargestellten triäthylirten Melamins besafsen.
Nach dieser Beobachtung nimmt denn auch ^^}€ Umbildung
durch die Wärme, welche Gahours und GloSzfür das Äthyl-
cyanamid angeben, eine einfachere Form an. Diese Ghemiker
fanden, dafs sich bei der Destillation des Äthylcyanamids eine bei
190"^ siedende Flüssigkeit von der Formel
G.HioNa = GN(G,H,),N
0 Cahoars a. CI0S2, Ann. Chem. Pharm. XC. 91.
194 OifommUitzung
bildet^ welche Cahonrs und CloSz als Difithylcjanamid er-
kannt haben, w&brend gleichzeitig eine feste krystallinische Base
entsteht, welche die Zusammensetsang
C,H,N, = C,H,(C,H,)N,
besitzt, und die ich als Äthjldicjandiamid ansprechen möchte.
Offenbar sind diese Verbindungen keine directen Zersetznngspro-
dttcte des Äthylcjanamids, sondern entstehen aus dem bereits poly-
merisirten Körper, aus dem Trifithylmelamin.
C3H,(C,H^3Ne = CN(C,H5),N-*-C,H,(C,H0N,
Die Zersetzungsproducte des Triäthylmelamins sind, wie schon
die hier aufgeführte Umbildung durch die Wfirme andeutet, in mehr
als einer Beziehung interessant. Die Möglichkeit diesen Körper
mittelst Chlorcjan auf eine einfachere und weniger kostspielige
Weise darzustellen, als aus dem fithylirten Sulfohamstoff, hat mich
veranlafst, die Umwandlungen des tri&thjlirten Melamins etwas
genauer zu untersuchen. Für heute will ich nur bemerken, dafs
das Triäthylmelamin in der That, wie ich dies bereits früher
vermnthet hatte,') durch längere Behandlung mit Sfiuren unter
Ammoniakabspaltang und Aufnahme von Wasser in Cyanurs&ure-
äthyläther übergeht. Beim einfachen Aufkochen mit Salzsäure
verwandelt es sich, wie bereits früher gezeigt wurde, in Triäthyl-
ammeiin
C3H3(C,H,)3Ne H- H,0 = C3H,(C2H,),N50h. H,N ;
durch mehrstündige Digestion mit Salzsäure in geschlossener Röhre
entsteht Cyanursäureäthyläther
C3H,(C3H5)3Ne + 3H3O = C3(C,H,)3N303 H- 3H3N ,
welcher durch seine physikalischen Eigenschaften, zumal durch sei-
nen Schmelzpunkt (85°) und durch seine Zersetzungsproducte iden-
tiücirt wurde. Das zwischen dem Triäthylammelin und dem Cya-
nursäureäthyläther in der Mitte liegende Triäthylammelid
C3H(C3H,)3N,03
hab' ich bis jetzt trotz vieler Versuche nicht fassen können.
1) Hofmann, Monatsberichte 1S69, 797.
vom 31. März 1870. 195
Ich habe mir das Vergnügen nicht versagen wollen, das hier
für die Äihylkorper Ermittelte schliefslich auch noch einmal in der
Phenylreihe za beobachten.
Es wurde also zanftcbst der Monophenylhamstoff entschwefelt,
den ich vor längerer Zeit bei der Einwirkung von Ammoniak auf
Phenylsenfol erhalten hatte.') Wie nach den Ergebnissen in der
Athylreihe zu erwarten stand, liefert dieser Korper bei der Be-
handlang mit Bleioxyd keinen sauerstoffhaltigen Harnstoff, sondern
es entsteht zunächst Phenylcyanamid mit all* den Eigenschaf-
ten, welche Cahours und CloSz dem durch die Einwirkung von
Chlorcyan auf Anilin erhaltenen Körper beilegen. Die von dem
Bleisulfid abfiltrirte alkoholische Losung hinterläfst nach dem Ab-
dampfen auf dem Wasserbade eine durchsichtige, spröde, colopho-
niomartige Masse, welche keinerlei krystallinische Structur zeigt
Wird dieselbe aber in Alkohol wieder gelöst, und einige Stunden
lang gelinde erwärmt, so beginnen sich beim Erkalten Krjstalle
aaszuscheiden. Ähnliche Kiystallbildung erfolgt auch nach mehr-
tägigem Stehen in der Kälte. Ed gelingt jedoch nicht leicht, die
ganze Menge der colophoniumartigen Masse in Krystalle überzu-
fuhren.
Diese Krystalle sind in Alkohol und Äther aafserordentlich
loslich; aus letzterem krystallisirt die Verbindung in zolllangen con-
centrisch vereinigten Nadeln, in Wasser ist dieselbe schwer löslich.
Die Krjstalle schmelzen schon bei 36 bis 37°; einmal geschmol-
zen, erstarren sie nur äufserst langsam, gewöhnlich erst bei der
Berührung mit einem festen Körper. Auch in Salzsäure sind sie
vollkommen unlöslich und es gelingt nicht, eine Platinverbindung
ans denselben darzustellen. Die leicht schmelzbaren Krystalle sind
nichts anderes als das Phenylcyanamid.
Schon bei gewöhnlicher Temperatur verwandelt sich das Phe-
nylcyanamid nach längerer iSeit inXriphenylmelamin, welches
sich alsbald durch seine viel geringere Schmelzbarkeit von der ur-
sprunglichen Verbindung unterscheidet. Der Übergang in die tri-
moleculare Verbindung scheint um so leichter zu erfolgen, je rei-
ner der monomoleculare Körper ist Das auf dem Wasserbade
geschmolzene vollkommen reine Amid erstarrt oft schon nach eini-
>) Hofmann, Lond. R. Soc Proc. IX. 276.
196 Oe8€tmmt8itzung
gen Augenblicken zn dem bei weit höherer Temperatur als der
Siedepunkt des Wassers schmelzenden Triphenylmelamin.
Die polymerisirte Verbindung, behufs völliger Reinigung mehr-
mals aus Alkohol umkrjstallisirt, stellt' wohl ausgebildete, pyrami-
dal endende Prismen dar, welche in kaltem Wasser unlöslich,
in siedendem sehr schwer löslich sind; in Alkohol und Äther, zu-
mal in der Wfirme, sind sie leicht löslich. Die kochend gesättigte,
wäTsrige Lösung setzt den Körper beim Erkalten in haarfeinen Na-
deln ab. Die Erystalle schmelzen, ohne eine Veränderung zu er-
leiden, bei 162—163°.
Die Analyse weist diesem Körper als einfachsten Ausdruck
die Formel
an; allein die Untersuchung des Platinsalzes, welches als ein gel-
ber, gut krystallisirter Niederschlag fallt, zeigt unzweideutig, dafs
hier die trimoleculare Verbindung vorliegt. Das Platinsalz hat
nämlich die Formel:
C,,H,oNePtCle = C,U,(C^U,\^, , 2HC1 , PtCl, .
Die schwer schmelzbaren Krystalle stellen also das tripheny-
lirte Melamin dar, welches aus dem durch Entschweflung des Mo-
nophenylhamstoffs zunächst gebildeten Phenylcyanamid durch Po-
lymerisation entstanden ist.
Ich habe mich durch den Versuch überzeugt, dafs das nach
dem Verfahren von Cahours und Cloöz durch Behandlung von
Anilin mit Chlorcyan erhaltene Phenylcyanamid beim längeren Er-
wärmen gleichfalls in Triphenylmelamin übei^eht, welches durch
das Studium seiner Eigenschaften, zumal seines Schmelzpunktes
und seiner Zersetzungsproducte, mit dem durch Entschweflung des
Monophenylhamstoffs gewonnenen identificirt wurde. Bei der Dar-
stellung des Phenylcyanamids durch Einwirkung von Chlorcyan
auf Anilin wurde in einigen Operationen der gesuchte Körper beim
Verdampfen des Äthers Anfangs gleichfalls in Gestalt einer zähen
zu einer colophoninmartigen Substanz erstarrende Harzmasse er-
halten, welche nur allmählig in den krystallinischen Zustand über-
ging. Bei anderen Darstellungen, in denen frisch destillirtes^ voll-
kommen farbloses Anilin angewendet worden war und das Chlor-
cyangas im ÜberschuEs eingewirkt hatte, blieb das Phenylcyana-
mid beim Verdampfen des Äthers im Zustande völlig reiner Kry-
vom 3L März 1870. 197
stalle vom Schmelzpunkt 36^ soruck. Bei der so erhaltenen, ▼oll>
kommen reinen Substanz erfolgt der Übergang in die trimoleculare
Verbindung mit besonderer Leichtigkeit
Nach den Erfahrungen, welche ich über die Veränderungen
des TriSthjlmelamins unter dem Einflüsse der Sauren eingesam-
melt hatte, lag der Gedanke nahe, auch das Verhalten des Triphe-
nylmelamina gegen Sauren zu studiren. Schon Aufkochen mit
Chlorwasserstoffsäure ist hinreichend, um aus dem triphenylirten
Melamin Ammoniak abzuspalten; allein wenn es mir schon bei der
triäthylirten Base nicht gelungen ist, sämmtliche von der Theorie
in Aussicht gestellten Verbindungen zu erhalten, so ist die Ausbeute
bei dem Triphenjlkorper noch unergiebiger gewesen. In der That
ist es mir weder geglückt, ein triphenylirtes Ammeiin, noch ein
triphenylirtes Ammelid darzustellen. Erhält man eine mit Salzsäure
versetzte alkoholische Lösung von Triphenylmelamin kurze Zeit
im Sieden, so scheiden sich beim Erkalten glänzende Prismen aus,
welche nichts anderes sind, als cyanursaures Phenyl
C„H„N,0, = C,(C6H,),N,0,,
dessen Bildung der des Cyanursäureäthylätbers voUkommen ana-
log ist:
CaHjCCeHOjNe -h 3HaO = C^(C^U,\1^^0^ H- 3 N3N.
Der Cyanursänrephenyläther setzt sich aus der salzsauren al-
koholischen Losung nur langsam ab. Man kürzt die Darstellung,
indem man die saure Losang mit Alkali abstumpft, zur Trockne
verdampft und den durch Wasser von Salz befreiten Rückstand
aas siedendem Alkohol umkrystallisirt. Man erhält auf diese Weise
sehr schone, wohl ausgebildete, farblose Prismen mit grader End-
fläche, welche bei 264° schmelzen. Der cyanursaure Phenyläther
18t in kaltem und siedendem Wasser unlöslich; in kaltem Alkohol
ist er schwer, leichter in siedendem löslich; auch in Äther lost er
sich auf. Vergeblich hatte ich gehofft, das cyanursaure Phenyl
bei der Destillation geradezu in cyansaures Phenyl (Carbanil),
dessen Darstellung noch immer die grofste Schwierigkeit bietet,
übergehen zu sehen. Der cyanursaure Phenyläther läfst sich zum
grofsen Theile ohne Zersetzung verflüchtigen, obgleich der heftig
riechende, thränenreizende Dampf, welcher sich entwickelt, die
Spaltung eines Theiles des Cyanursäurephenyläthers nicht verken-
nen labt.
198 OeiommUitzuHg
Das Phenjlcjannrat, welches sich ans dem Triphenjlmelamin
bildet, ist offenbar identisch mit dem Korper, welchen ich froher^)
durch Polymerisation des Phenjlcjanats mittelst Trifithylphosphin
erhalten habe. Leider besafs ich von dem so dargestellten Kör-
per keine Probe mehr, nm einen letzten Zweifel, der noch hfitte
bleiben können, durch den Versuch xu entfernen. Ich beabsichtige
aber das Studium des Phenjlcyanats wieder aufxunehmen und
werde alsdann Gelegenheit haben, diese Beobachtung nachzutragen.
Hm. F. Hobrecker bin ich für die mir bei Anstellung der
beschriebenen Versuche geleistete Hülfe zu bestem Danke ver-
pflichtet
Hr. A. W. Hofmann las femer über eine gemeinschaftlich
mit Hm« Otto Olshausen ausgeführte Arbeit: Über die Iso-
meren der Gjanursfiure-Äther.
Schon vor Ifingerer Zeit hat Hr. CloSz') unter dem Namen
Cjanfitholin einen merkwürdigen Korper beschrieben, welcher die
Zusammensetzung des Cyansfiureäthyläthers, aber keineswegs die
Eigenschaften desselben besitzt. Von letzterem unterscheidet er
sich namentlich in seinem Verhalten zu den Alkalien, welche nach
den Beobachtungen von CloSz Ammoniak, nicht Äthylamin, aus
demselben entwickeln. Mit den Sfiuren vereinigt sich das Cyan-
ätholin nach CloSz zu krystallisirbaren Salzen, von denen indessen
bis jetzt nicht ein einziges genauer untersucht worden ist. Über-
haupt ist es auffallend, wie wenig sich die Aufmerksamkeit der
Chemiker diesem merkwürdigen Korper zugelenkt hat. Hr. Cloez
hat sich mit der Entdeckung des Cjanfitholins und der Feststellung
seiner Zusammensetzung begnügt; er ist kaum mehr auf diesen
Gegenstand zurückgekommen. Von Arbeiten anderer Chemiker,
welche das Cyanfitholin betreffen, sind uns nur einige wenige, aber
nicht unwichtige Versuche von Hm. Gal') bekannt geworden.
') Hofmann, Ann. Chem. Pharm. Snp. I. 57.
*) CloSz, Compt Rend. XLIV. 482 und Ann. Chem. Pharm. CII. 354.
>) H. Ga 1, Compt. Bend. LXL 527 and Ann. Chem. Pharm. CXXXVII. 1 27.
vom 31. März 1870. 199
Nach aeinen Beobachtangen verwandelt sieh das CyanftthoKn bei
der Behandlung mit Kalilaage in Kaliomcyanat und Alkohol, bei
der iänwirknng von Chlorwasserstoffiifinre in Cyanorsfiare und
ChloriUhyl; nnd Oal nnd CloSz sprechen in Folge dieser Erfah-
nuigen die Ansicht ans, das CyanStholin sei der wahre Äther der
CjansSiire, welcher anf den Typus Wasser sn beziehen sei:
}o "l]- "'l'}" c^Sjo.
während das schon früher bekannte Äthylcyanat des Hm. Würts
dem Typus Ammoniak entspreche
h}» 'Th l'h '%x]^-
Es braucht kaum erw&hnt zu werden » wie vollkommen diese
Anfhssnng durch die seit jener Zeit erfolgte Entdeckung der Iso-
nitrile und der den SchwefelcyanwasserstoffsSurefithem isomeren
Senfole best&tigt worden ist
Die Bildung des Cyanfitholins, welches bekanntlich durch die
Einwirkung des Chlorcyans auf {Tatriumäthylat erhalten wird, be-
gründet eine nahe Beziehung dieses Korpers mit dem von den HH.
Cahours und CloSz') entdeckten Äthylcyanamid , welches bei
der Behandlung von Äthylamin mit Chlorcyan entsteht. Dasselbe
Agens, auf äthylirtes Wasser und fithylirtes Ammoniak einwirkend,
veranlafst die Bildung in dem einen Falle von Äthylcyanat, in dem
andern von Äthylcyanamid. Wenn nun aber eine gewisse Analo-
gie zwischen Gyanätholin und Äthylcyanamid, die sich vielleicht
am besten in den Formeln
CN(C,Hs)0 und CN(CjH5)HN
spiegelt, nicht zu verkennen ist, so mufsten die Beobachtungen
über die leichte Polymerisation des Äthylcyamids, über welche der
Eine von uns erst heute noch der Akademie Mittheilung gemacht
hat, ganz naturgemäfs die Frage anregen, ob sich das Cyanfitholin
nicht in ähnlicher Weise werde polymerisiren lassen, wie das
Äthylcyanamid, in anderen Worten, ob nicht auch eine Reihe von
0 Cahoars ond CloSz, Ann. Chem. Pharm. XC. 91.
200 Oesammtsitmng
VeibindiiDgen ezistire, welche den bereits bekannten Cyanursfiore-
athern isomer sind.
Die zur Losang dieser Frage nntemonunenen Versuche sind
in der Methyl-, 'Äthyl-, Aniyl- nnd Phenylreihe angestellt worden.
Wir b^innen unsere Mittheilung mit der Beschreibung der
Versuche in der Hethylreihe, obwohl die ursprünglichen Unter-
suchungen in der Äthylreihe ausgeführt worden sind, weil uns
gerade die Hethylkörper alsbald die befriedigendsten AufschlGsse
geliefert haben.
Versuche in der Methylreihe.
Leitet man einen Strom von Chlorcyangas in eine verdünnte
methylalkoholische Losung von Natriummethylat — wir haben in
der R^el 20 Grm. Natrium in etwa 400 Grm. wasserfreien Me-
thylalkohols aufgelöst — so scheidet sich eine reichliche Menge
von Kochsalz aus. Fährt man mit dem Einleiten fort, bis die
Flüssigkeit nach Chlorcyan riecht, und destillirt alsdann den über-
schüssigen Methylalkohol ab, so bleibt ein braunes öl zurück,
demjenigen ähnlich, welches Cloez bei dem entsprechenden Ver-
suche in der Äthylreihe erhalten und unter dem Namen Cyanätho-
lin beschrieben hat. Dieses öl t>leibt oft lange flüssig; zum öfte-
ren aber erstarrt es nach einiger Zeit. Häufig aber bildet sieb
entweder gar kein oder nur ganz wenig öl und es bleibt alsbald
nach dem Abdestilliren des Methylalkohols ein zu brauner Kry-
stallmasse erstarrender Rückstand. Die Reinigung der Substanz
bietet keine Schwierigkeit: ein- bis zweimaliges Umkrystallisiren
aus siedendem Wasser, in dem die Krystalle leicht löslich sind,
während sie sich in kaltem Wasser nur wenig lösen, und schliefs-
lich Behandlung mit ein wenig Thierkohle entfernen den Farbstoff.
Allein die nunmehr farblos gewordenen Krystalle erweisen sich
unter dem Mikroskop alsbald als ein Gemenge zweier Verbindun-
gen, von denen die eine, in feinen Nadeln anschief sende, die leich
ter lösliche ist, während die andere, in rhombischen Tafeln sich
absetzende, sich schwerer löst. Man kann beide mit Aufopferung
eines mittleren Mischproductes durch mehrfaches Umkrystallisiren
aus heifsem Wasser in reinem Zustande erhalten. Man trennt sie
aber besser durch ihre ganz aufserordentlich verschiedene Loslich-
keit in Äther, welcher die Nadeln löst und die rhombischen Ta-
feln ungelöst zurückläCst.
vom 31. März 1870. 201
Ck/anursäure-Jüethylaiher. Verdampft inan den Äther, ivelchen
man von dem Erystallgemische abgegossen hat, so bleibt eine kry-
staUimsche Masse, welche sich aus Alkohol, besser aber aus heis-
sero Wasser umkrystallisiren läfst Die so erhaltenen Nadeln be-
sitzen die Charaktere einer reinen Substanz. Bei der Kohlenstoff-,
Wasserstoff- und Stickstoff bestimmung, welch' letzteres Element
sieb mit Leichtigkeit in der Form von Ammoniak wiegen läfst, er-
gab sich als einfachster Ansdrock die Formel
CjHjNO;
aber es bedarf nur einer nSheren Prüfung des hier vorliegenden
Prodnctes, um za erkennen, dafs dasselbe nicht das Methylcya-
nat, sondern das Trimethylcyanurat, nicht die monomoleculare,
sondern die trimolecnlare Verbindung ist. Der Schmelzpunkt der
Kiystalle liegt bei 132^, der Siedepunkt — wir waren nur im Be-
sitz einer bescheidenen Menge — zwischen 160 und 170°. Diese
Eigenschaften bezeichnen unzweideutig eine trimolecnlare Verbin-
dang, ein Cyanurat
Es würde gleichwohl geboten gewesen sein, in der Gasvolam-
gewichtsbestimmung eine experimentale Bestätigung dieser Andeu-
tungen zu suchen, wenn nicht der Versuch an einem elgenthüm-
b'chen Verhalten des neuen Körpers gescheitert wäre, welches in-
dessen kaum minder bezeichnend für sein Moleculargewicht ist, als die
Ermittelung seiner Dampfdichte gewesen sein würde. Wird das neue
Cjanurat in einer Retorte erhitzt, so destillirt es über, ohne dafs ein
bemerkenswerther Rückstand bleibt, und das Destillat erstarrt als-
bald wieder zu einer weiDsen Krystallmasse. Allein diese Krystalle
sind nicht mehr der unveränderte Körper; der Schmelzpunkt der-
selben ist von 132 auf 175^ gestiegen, die Krystallform ist eine
ganz andere geworden : an die Stelle der feinen Nadeln sind kurze
dicke Prismen mit scharf entwickelten Endflächen getreten. Man
erkennt ohne Schwierigkeit, dafs der neue Cyanursäurcäther durch
Atomwanderung im Molecule, welche man durch die Formeln
(CH3)J"» - (CH,),/^'
andeuten könnte, in den alten längst bekannten Äther übergegan-
gen ist. Wollte man sich auf die sorgfütige Untersuchung der
physikalischen Eigenschaften nicht verlassen, so würde es hinrei-
202 OucmnittUzvmg
fA 0, + 3H,0 = ^^^'} 0, + 3(CH,H0).
^Mn, + 3H,0 = 3 \^^y] n] + 300, .
chen, das Verhalten des Körpers vor und nach der Destillation
gegen Reagentien za vergleichen. Vor der Destillation mit Kali
erhitzt, liefert er Cyanursfiure und Methylalkohol:
(CN),
(CH,
Wird er nach der Destillation derselben Behandlung unterworfen,
so entsteht Methylamin und Kohlensfinre:
(CO),
(CH,
Die beschriebenen Versuche dürften hinreichen, um die Natar
des neuen Cyanursäurefithers festzustellen. Weitere Anhaltspunkte
für die Beurtheilung dieses Körpers mufsten sich bei dem Studium
der Veränderungen ergeben, welche die Einwirkung des Ammoniaks
auf denselben in Aussicht stellte.
Wenn der Äther einer einbasischen Sfiure bei der Behandlaog
mit Ammoniak durch Austausch des primfiren Alkoholfragmentes
gegen das primfire Ammoniakfragment direct in das Amid fiber-
geht, der Äther einer zweibasischen Sfiure aber zunächst den Ather
einer Amidosfiure liefert, so mufs dem eigentlichen Amide einer
dreibasischen Säure die Bildung eines ersten und zweiten Amido-
säureäthers vorausgehen. Nach dieser Auffassung durfte man bei
der Einwirkung des Ammoniaks auf den Cyanursfiuremethyiätber
rCHaO
CHjO
.CH3O
die Entstehung der Körper
U
/CHjO rC^sO r^jN
C3N3 CH3O C3N3 HjN C3N3 H,N
l HjN l H3N IHjN
Dimethyläther der Amido- Methyl&ther der Triamid der
cyanursäare Diamidocyanursäure Cyanursäare.
erwarten, nicht der Möglichkeit zu gedenken, dafs die Alkobol-
fragmente auch noch gleichzeitig gegen Wasserfragmente ausge-
tauscht werden konnten.
Wir sind bisher nur auf einen der hier verzeichneten Körper
gestofsen, nämlich auf den
vm 31. März 1870. 203
JHmkhyläther der Amidocyanursäure. Diese Verbindung bildet
sich bei der Einwirkung des Ammoniaks auf den neaen Cjannr»
sfiaremethjl&ther, allein es ist nicht ganz leicht, sie aaf diese
Weise rein zu erhalten, in der Regel geht die Reaction weiter und
es entsteht ein Gemenge von Substanzen, deren Trennung uns bis
jetzt nicht gelungen ist. Die fragliche Verbindung entsteht aber
immer in mehr oder minder grofser Menge als Nebenproduct bei
der Darstellung des Trimethylcjanurats; es ist dies in der That
der schon oben erwähnte, in Äther unlösliche Körper, und da aus-
ser den beiden genannten Körpern kein weiteres Product gebildet
wird, so ist es leicht, die dimethjlirte Amidos&ure rein zu er
halten.
Die neue Verbindung krystallisirt aus heifsem Wasser in scho-
nen rhombischen Tafeln, geruch- und geschmacklos, erst bei 212*^
schmelzend. Sie ist in kaltem Wasser viel schwerer loslich, als
der cyanursaure Äther; schwer löslich in kaltem, leichter loslich
in heilsem Alkohol, fast unlöslich in kaltem Äther.
Die Formel
rCHjO
CsH3N,0, = C,NJCH,0
l H,N
warde durch Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Stickstoffbestimmung
und überdies durch die Analyse eines in schonen Nadeln krystal-
lisirenden Silbersalzes
CjHjN.O,, AgNO,
festgestellt, welches auf Zusatz von Silbernitrat zu der salpeter-
sauren Losung des Amidoathers und Umkrystallisiren des zunächst
gebildeten Niederschlages gewonnen wird.
Bei der Behandlung mit wSfsrigem Ammoniak in zugeschmol-
zener Rohre werden dieselben Producte erhalten, welche in dem
analogen Processe aus dem Äther entstehen. Sie sind noch nicht
untersucht; es ist indessen festgestellt, dafs hierbei, wie dies nicht
anders erwartet wurde, Methylalkohol austritt.
Was schlielslich die Bildung des Amidoathers bei der Einwir-
kung des Chlorcyans auf das Natriummethylat anlangt, so entsteht
derselbe offenbar in Folge von Spuren Wasser, welche bei dem
Processe kaum, ausgeschlossen sind. Das Wasser veranlafst zu-
nächst die Bildung von Salzsäure und Cyansäure, welche letztere
204 G^esammtsitzung
in Kohlensaure und Ammoniak xerfäUt. Ammoniak nnd Cjanur-
sfiaremethjlfither in eondidone riMcendi zusammentreffend, liefern
Methylalkohol und den Amidofither,
In der That ist dem in dem Processe ausgeschiedenen Koch-
salz eine nicht unerhebliche Menge Cjanat und Carbonat beige-
mengt.
Versiuihe in der Aihylreihe.
Unsere ersten Versuche wurden in dieser Reihe angestellt, und
wir haben in ihr eigentlich mehr gearbeitet, als in der Methjlgruppe.
Wir sind gleichwohl bis jetzt nicht im Stande gewesen, den Cya-
nursfiuretriäthylfither im reinen Zustande zu erhalten; wir haben
dagegen die Äther der beiden Amidosfiuren fassen können.
Was zunfichst die Erscheinungen bei der Einwirkung des
Chlorcyans auf das Natriumfithylat betrifft, so gestalten sich die-
selben genau wie bei der analogen Behandlung des Methylats, und
wie sie überdies von Hrn. Clo€z beschrieben worden sind. Wir
haben indessen öfter schon in erster Instanz einen festen Korper
erhalten; meist jedoch bildete sich nur ein öl, und aus diesem
setzten sich dann gewöhnlich nach einiger Zeit Krystalle an, deren
Ausbeute in verschiedenen Darstellungen aufserordentlichen Schwan*
kungen unterworfen war. Wir glaubten begreiflich zunächst, dals
hier die trimoleculare Modification des Cyanätholins vorliege; allein
die Analyse zeigte, dafs diese Krystalle trotz ihrer Schönheit ein
Gemenge sind, welches das gesuchte Cyanurat, wenn überhaupt, nur
in geringer Menge enthält. Sie bestehen, wie vielfache Analysen
darthaten, aus einem Gemenge der Äthyläther der beiden Amido-
säuren, deren Trennung einige Schmerzen gekostet hat
Diäthyläiher der Ämidocyanursäure, Durch Behandlung mit
Thierkohle und sehr häufiges Umkrystallisiren einer nicht unbe-
trächtlichen Menge der aus dem rohen Cyanätholin abgesetzten
Krystalle gelang es, zarte weifse Prismen zu erhalten, welche den
Schmelzpunkt 97° zeigten; dieser Schmelzpunkt blieb auch nach
mehrfachem Umkrystallisiren aus Wasser unverändert, ein Verhal-
ten, welches die Reinheit der Substanz erschliefsen liefs. Derselbe
Körper wird erhalten, wenn das rohe Cyanätholin einige Stunden
lang mit wäfsrigem Ammoniak in geschlossener Röhre erhitzt wird.
Die Digestion darf aber nicht zu lange fortgesetzt werden, weil
vom 31. März 1870. 205
sonst andere Prodacte, zumal ein in Wasser fast unlöslicher amor«
pher Körper, gebildet werden.
Die Analyse der Krystalle, welche auch in Alkohol und selbst
in Äther, besonders unter Mitwirkung der Wfirme, loslich sind,
bat gezeigt, dafs dieselben die dem Amidofither der Methylreihe
entsprechende äthylirte Verbindung sind, also die Zusammen-
setzung
rCoH.O
H,N
besitzen. Die diathylirte Amidocyanursfiure verbindet sich in zwei
Verhältnissen mit Silbernitrat. Je nachdem man die in Salpeter-
säure geloste Substanz oder Silbemitrat im Überschufs anwendet,
erhält man die Verbindungen:
20,H,jN^O,, AgNO,
. oder C^HjjN^Oj, AgNOj
Beide Salze krystallisiren in Nadeln. Das letztere kann ohne
bemerkenswerthe Zersetzung aus siedendem Wasser umkrystallisirt
werden, das erstere zersetzt sich beim Umkrystallisiren, indem es
allmählig in das zweite Salz übergeht.
Äthyläther der Diamidocyanursäure. Aus einer Losung der
eben beschriebenen, jedoch noch nicht völlig gereinigten Verbindung,
welche mit concentrirter Ammoniakflussigkeit längere Zeit stehen
geblieben war, hatten sich weifse Krystalle abgesetzt^ welche zwi-
schen 190 und 200^ schmolzen und sich in Alkohol weit schwerer
lösten. Bei der Analyse (EohlenstofF-, Wasserstoff- und Stickstoff-
bestimmung) dieser Krystalle wurden Zahlen erhalten, welche sie
als den Ätbyläther der Diamidocyanursäure, als
HaN
H,N
charakterisiren. Auch diese Verbindung liefert, in Salpetersäure
gelöst und mit Silbemitrat versetzt, feine Krystallnadeln , welche
jedoch noch nicht analysirt worden sind.
206 Onammtsttzunji
Veriuehe m der Amylreihe.
Wir haben in dieser Reihe bis jetzt nur qualitativ gearbeitet
Das Product der Einwirkung des Chlorcyans auf das Amjlcjanat
ist olformig. Es destillirt bei etwa 200^, wie es scheint, nicht
ohne tiefgreifende Zersetzung. Die letzten DestiUationsantheile er-
starren xu weifsen, seideglfinzenden Krjstallen, die sich durch Lo-
sen und Umkrystallisiren leicht rein erhalten lassen. Wir sind
geneigt, diese Substanz fQr das Amylcjanurat zu halten, allein es
liegen bis jetzt keine Zahlen vor, auf welche sich diese Annahme
stützt.
Versuche in der Phenylreihe.
Schlielslich möge hier noch eines Versuches gedacht werden,
welcher in der Phenylreihe ausgeführt wurde. Chlorcyan wirkt
auf Natriumphenjlat, welches in diesem Falle in absolutem Alko-
hol aufgelöst wurde, mit derselben Energie, wie auf die andern
Natriumverbindungen. Die von dem ausgeschiedenen Kochsalze
abgegossene Flüssigkeit lieferte auf Zusatz von Wasser ein in Was-
ser untersinkendes öl, welches der Destillation unterworfen wnrde.
Was zunächst überging bestand aus fast reinem Phenol ; die Destil-
lation wurde unterbrochen, sobald ein Tropfen des Rückstandes za
einer Ery Stallmasse erstarrte, welche sich in kaltem Alkohol als
fast unlöslich erwies. Der Destillationsrückstand wurde alsdann
mit Alkohol gemischt und auf einem Filter mit kaltem Alkohol
ausgewaschen. Der bereits weifs gewordene Erystallbrei wurde
alsdann aus einer grofsen Menge siedenden Alkohols umkrystalli-
sirt. Beim langsamen Erkalten schieden sich lange feine Nadeln
aus, welche in Wasser und Äther fast unlöslich sind, sich aber in
Benzol auflösen.
Die Analyse dieser Erystalle führte zu der Formel
C^HsNO..
Aus der Bildungsweise derselben, sowie aus ihrem ganzen Habitus
aber schliefsen wir, dafs dieselben die trimoleculare Yerbindang.
das Phenylcyanurat
aH,o
CsiHi.NjO, = C3N3 C,H,0
mm 3i. März 1870. 307
darstellen^ Trelehefi der im Anfange dieser Note beschriebenen Me-
thjlFerbindong entspricht.
Der Schmelzpunkt der Krystalle wurde zu 224^ gefunden,
also wesentlich niedriger, als der der isomeren Verbindung (264^),
über welche der Eine von uns*) am heutigen Abend der Akademie
berichtet hat. Von letzterer, welche man jetzt als Isocyanursfiurephe-
njläther ansprechen mufs, unterscheidet sich das neue Cjanurat
auch ganz unzweideutig, was Krjstallform und Verhalten gegen
Losungsmittel anlangt. Ob auch die Phenjlverbindung, wie der
Methylkoiper, durch die Einwirkung der Wfirme sich umlagert
und in daa schon bekannte Cjanurat übergeht, mufs noch ermittelt
werden.
Wir können diese Mittheilung nicht schliefen, ohne den HH.
R. Bensemann und E. Sarnow für die BereitwiUigkeit zu dan-
ken, mit der sie uns bei der Ausführung der beschriebenen Ver-
suche haben unterstützen wollen.
Hr. W. Peters las über die Verwandtschaft der Cte-
nodactyli mit den Chinchillen und anderen Qrnppen der
Nager.
AIb Resultat einer ausfuhrlichen Untersuchung des Oesammt-
baues der eigenthümlichen afrikanischen Nagethiergattungen Cteno-
daetyliis und PecUnator wurde mitgetheilt, dafs dieselben in allen
wesentlichen Theilen von den Dipoda abweichen und hierin mit
den Hystrici/ormes übereinstimmen, theils den Chinchillen, theils
den Octodontes oder auch den ^chinomjes sich anschliefsen, in ein-
zelnen Punkten aber auch eine Hinneigung zu den Murinen zeigen.
0 Hofmann, Monatoberichte 1S70, 197.
[1870] 15
208 Cre$ammUUzung vom 31. März 1870.
An eingegangenen Schriften nebet Begleitachreiben worden
vorgelegt:
Neu^M Laumisi$cke$ Magazm. 47. Bd. 1. Bett. GörUtx 1870. 8.
Vierteijahreucktift der Astronotmeehen GtieiUeke/i in Leipng. 6. Jahxg.
1. Heft Leipzig 1870. 8.
Zur Erinnerung an Wiih. WackemageL Basel 1870. 8.
AehtundMwcMzigeter Berichi über das Museum Francieeo^Carolinum, Linz
1869. 8.
Giaenik. Vol. 8. 9. Belgrad 1869. 8.
Almanaque ncoitico, para 187 L Cadiz 1871. 8.
Jahrbucher der Gelehrten GeeeUechaft in Krakau. 89. Bd. Krakan 1870.
8. Mit Begleitschreiben d.'d. Krakau 20. März 1870.
Puhiicatione de la eociiii archiologique, YoL 84. Lnxembonrg 1869. 4.
Wild*s Bepertorium /ur Meteorologie. l.Bd. l.Heft Petersburg 1869. 4.
Ed. de la Barre-Dnparcq, Du nomhre de» tue» dane le» bataiüt9.
Paris 1870. 8. Mit Schreiben Tom 20. Mirx 1870.
Nachtrags
14. März. Sitzung der physikalisch -mathematir
sehen Klasse.
Hr. Dove las über die Temperaturvertheilang im
Winter 18fj^.
Wenn Ton yomherein es unwahrscheinlich ist, dafs der Polar-
und Aqnatorialstrom, welche unsere Wittemngsyerhftltnisse bestim-
men, uferlos wie sie sind, je genau in denselben Betten flie£sen
werden, welche sie einmal früher einnahmen, wenn also die in der
jährlichen Periode identisch wiederkehrende Insolation eine nicht
identische Atmosphfire vorfindet, auf welche sie wirkt, so darf doch
die Hoffiiong nicht aufgegeben werden, in dem scheinbar willkühr-
liehen Wechsel des Verlaufs jener Ströme ann&hemd sichere An-
haltspunkte SU gewinnen dafür, wie eine bestimmte anomale Tem-
peraturvertheilung in die ihr folgende übergeht Natürlich kann
bei dem m&chtigen Querschnitt dieser Strome eine derartige Unter-
suchung nur an die gleichzeitige Betrachtung einer grofsen Anzahl
▼OD Stationen sich anknüpfen, da das an einer bestimmten Stelle
mit einem früheren Vorkommen identisch Erscheinende in weiter
Entfernung von jener Stelle als ein durchaus Ungleiehartiges sich
herausstellen kann, indem dieselbe Temperatur an jener durch einen
ganz anders gerichteten Luftstrom hervorgerufen werden kann.
Auberdem mufs, um zu wifsen, ob eine in einem bestimmten Jahre
sich zeigende Aufeinanderfolge der Erscheinungen bereits früher in
entsprechender Weise hervortrat, eine vieljfihrige Beobachtungsreihe
vorliegen. Dies bestimmte mich in meinen seit 1838 nnunterbro.
chen fortgesetzten Untersuchungen über die nicht periodischen Ver«
15»
210 Nachtrag.
findernngen der TemperatnrTertheilang auf der Oberflfiche der Erde
die WitteroDgsgeschichte der Vergangenheit, soweit Beobachtungen
Torlagen, numerisch durch Abweichungen yon normalen Werthen
darzustellen. Ich habe diese Geschichte in dem zweiten Theile mei-
ner klimatologischen Beiträge 1869 für monatliche Mittel und in
den Abhandlungen der Berliner Akademie 1869 für fünftägige Mit-
tel bis zur Gegenwart fortgesetzt. An dieses so zu einem Ab-
schluTs gelangte Material knüpfen sich die nachfolgenden Bemer-
kungen über den eben verflossenen Winter 18fS'.
Dieser Winter war in Deutschland streng. Der Februar in
Claussen bei Lyck entsprach der mittlem W&rme dieses Monats
in Archangel, Catherinenburg und Orenburg, die Temperatur yon
Ratibor und Landeck war die von Smolensk. In Bunzlau glaubte
man sich nach Moscau versetzt, Breslau war sogar kälter. Königs-
berg und Conitz entsprachen Ufa, Tilsit war Novgorod geworden,
Berlin hatte eine niedrigere Temperatur als Abo, Schwerin wurde
Kiew. Frankfurt a. M. und Friedrichshafen am Bodensee wurden
Memel, Trier entsprach Posen, Canstadt bei Stuttgard hatte sich
in Bromberg verwandelt, Wiesbaden fürchtete seinen Ruf als deut-
sches Montpellier zu verlieren, denn es war kälter als im vielj&h-
rigen Mittel das ostpreufsische, kälter als Elbing. Da aber die
Kälte erst nach der Mitte Januars beginnt, dessen Anfang unver-
hältnifsmäfsig mild war, und nach der Mitte Februars die inten-
sive Strenge des Winters gebrochen wurde, dadurch dafs am 21.
Februar ein warmer das Barometer stark herabdrüokender SW das
ganze westliche und mittlere Europa überströmte, so geben die
Monatsmittel nur eine annähernde Anschauung der eigentlichen Er-
niedrigung unter die normale Wärme. Um diese deutlicher hervor-
treten zu lassen, habe ich daher im Folgenden bestimmt, um wie
viel der monatliche Zeitraum vom 21. Januar bis 19. Februar käl-
ter war als ihm im Mittel zukommt (Grade B^umur wie über-
haupt).
Claussen bei Lyck — 8.01.
Ratibor —7.58, Königsberg —7.45, Bromberg — 7.44f Tilsit
—7.34, Breslau —7.13.
Zechen —6.85, Conitz —6.76, Landeck —6.70, Posen —6.64,
Bichberg —6.35, Ulm —6.32, Memel -6.28, Grüllenburg
—6.27, Frankfurt a. d. O. —6.09, Görlitz --6.01.
Nachtrag. 211
Gorisch— 5.98, Wermsdorf— 5.95, Riesa— 5.95, Dresden —5.93,
Heia —5.80, Leipzig —5.69, Zittau —5.68, Erfurt —5.61.
Regenwalde — 5.59, Reizenhain — 5.55, Zwickau — 5.53, Stet-
tin—5.52, Zwenkan— 5.49, Gorisch— 5.41, Freiherg— 5.39^
HeQbronn —5.39, Bautzen —5.33, Elster —5.32, Anna-
berg — 5.23, Heidenheim — 5.17, Cöslin — 5.15, Berlin
— 5.15, Hinrichshagen — 5.05, Hechingen — 5.05.
Halle —4.99, Darmstadt —4.98, Rehefeld —4.94, Schopfloch
— 4.90, Sondershausen — 4.90, Friedrichshafen — ^4.88,
Heiligenstadt —4.85, Wien —4.85, HannoTer —4.68, Got-
tingen — 4.62, Mnhlhausen — 4.60, HohenzoUem —4.59,
Hinterhermsdorf —4.58, Frankfurt a. M. — 4.50, Issny
—4.48, Calw —4.40, Kreuznach —4.39, Frendenstadt
—4.33, Oberwiesenthal —4.31, Schwerin —4.20, Güters-
loh —4.19, Boppard —4.08, Lüneburg —4.07, Kirche
Wang —4.07.
Patbus —3.99, Schönberg —3.88, Birkenfeld —3.87, Rostock
— 3.82, Loningen —3.75, Lübeck —3.73, Stuttgard —3.70,
Clausthal —3.66, Oldenburg —3.64, Olsberg —3.58, Wu-
strow —3.55, Ottemdorf — 3.50, Trier —3.50, Cöln —3.44,
Lingen —3.42, Crefeld —3.36, Eutin —3.34, Cleve —3.22,
Munster —3.19, Emden 3.19, Brüssel —3.16, Jever
—3.13.
Paris —2.41.
Rom —1.74.
Lissabon — 0.65.
Auf dem Plateau der masurischen Seeen fehlten also jedem
Tage einen Monat lang 8 Grad. Das ist viel für ein ohnehin nicht
begünstigtes Land.
Klarer natürlich tritt die eigentliche Yertheilung in der Ab-
weichung der fünftfigigen Mittel von ihrem normalen Werthe her-
vor. Sie ist die folgende. Die „Unterschied^ überschriebene Co-
lumne bezeichnet, um wie viel der Wfirmeüberschufs am 6 — 10
Januar die Erniedrigung von 5 — 9 Februar übertrifft. Beide ex«
treme Abweichungen sind durch den Druck hervorgehoben.
»2
Naeitraf.
Jan
aar
1—6
e— 10
11—15
16—80
21—25
26—30
Memel
S.48
5.16
3.66
—0.87
—0.90
—4.49
Tiliit
8.S9
5.54
3.57
-0.99
—1.93
— e.45
ClaosBea
8.41
5.79
2.96
—0.30
—1.74
—8.21
2.92
5.37
3.47
—0.42
—1.44
—5.59
HeU
1.72
3.25
1.71
0.62
—0.56
—2.81
Coniti
1.99
5.09
3.31
—0.60
—1.76
—8.84
Brombei^
1.40
5.43
3.67
0.34
—1.80
—3.83
Pofen
9.20
5.60
3.65
0.60
—1.95
—8.85
Zeclien
1.58
5.29
3.43
0.55
—8.10
—8.76
BresU«
2.29
5.89
3.29
0.31
—3.08
—3.84
Batibor
3.12
5.47
3.14
1.28
—1.80
—6.74
Landeck
2.14
5.67
3.05
—0.20
—3.49
—5.33
Eichberg
1.26
7.35
3.71
0^1
—3.65
—4.64
Wang
4.89
5.89
1.95
—0.69
—4.35
—4.84
Görliti
8.95
5.26
2.90
0.00
—8.89
—3.17
Zittau
2.12
4.68
3.07
—0.14
—8.96
—8.49
HinterhermBdorf
1.51
4.53
2.64
—1.52
—2.81
—8.04
Baataen
2.50
5.00
2.94
—0.70
—3.06
—3.32
Dresden
0.93
4.86
2.80
—0.54
—3.58
—3.51
Grüllenbarg
4.31
5.48
2.73
—0.92
—4.06
—3.73
Freiberg
4.13
4.39
2.22
—1.32
—4.01
—3.72
Behfeld
2.50
5.17
2.55
—1.03
—3.70
—3.20
Beixenhain
3.79
5.48
8.75
—1.16
—4.25
—3.85
Annaberg
4.76
4.79
1.98
—1.45
—4.74
—4.00
Oberwiesenthal
5.21
4.00
0.87
—1.12
—4.22
—3.12
Elster
1.67
4.95
2.90
0.16
—3.08
— 3.90
Zwickau
4.57
6.06
3.16
—0.54
—3.90
—3.61
Chemnitz
3.86
7.13
3.01
—0.26
—3.44
—3.15
Wermsdorf
3.62
5.06
2.73
—0.31
—3.58
—3.30
Riesa
2.44
4.71
3.55
—1.04
—3.32
—8.86
Gorisch
2.46
5.62
3.23
0.58
—2.89
—3.18
Torgaii
2.57
5.92
3.37
0.64
—2.75
—8.51
Leipzig
2.72
5.09
3.10
0.12
—3.35
—2.76
Zwenkau
4.11
5.68
3.44
0.06
—3.45
—2.93
Halle
3.58
5.88
3.58
0.46
—2.91
—1.89
Erfurt
4.99
6.45
3.73
—0.06
—3.42
—3.18
Sondershansen
3.74
6.17
3.85
—0.09
—3.50
—1.82
Naektng.
313
F • b
r n a r
31--4
5—9
10—14
15—19
20—24
25—1
Unterschied
- 9.77
-12.53
— 9.23
—0.60
—1.03
1.40
17.69
-10.99
-14.37
— 9.53
—2.18
—0.51
1.48
19.91
-ia.43
-15.39
— 7.38
—3.77
—0.87
1.66
21.10
-10.74
-14.37
—10.11
—3.01
—0.89
1.67
19.74
- 7.71
-10.06
— 8.36
—3.05
—2.79
—0.37
13.31
- 9.80
-14.58
— 9.18
—3.49
—1.27
1.10
19.67
-11.12
-15.42
— 8.52
—4.07
—1.67
1.43
20.85
- 9.62
-14.98
— 8.33
—3.23
—1.46
1.74
20.56
- 8.99
-15.52
— 8.77 ,
—3.59
—1.47
1.5b
20.81
- 9.03
-16.04
— 8.87
—3.62
-.-1.39
1.70
21.93
- 9.74
-17.86
— 7.47
—2.57
—1.60
1.37
22.83
- 6.62
-17.15
— 6.46
—3.12
—1.54
1.79
22.82
- 7.65
-12.66
— 9.07
—3.01
—1.05
2.33
20.01
- 1.08
- 6.92
— 6.10
—3.68
—2.32
4.31
11.81
- 4.77
-13.65
— 9.02
—3.79
—1.69
1.60
18.91
- 3.51
-12.78
— 9.12
—3.64
—2.52
1.92
17.46
- 1.84
- 9.25
— 8.52
—3.25
—2.60
0.78
13.78
- 4.27
- 9.71
— 9.26
—4.15
—1.28
0.47
14.71
- 4.48
-10.32
— 9.24
—4.47
—2.09
1.11
15.18
- 4.13
-10.11
-10.24
—5.38
—2.35
1.21
16.72
- 2.76
— 7.98
- 9.16
—4.74
—2.66
1.19
13.56
- 4.14
- 9.44
— 6.86
—2.31
—2.29
0.56
14.61
- 4.43
-10.51
— 6.82
—3.42
—2.50
0.61
15.99
- 2.72
- 8.49
— 7.35
—4.07
—2.93
1.00
13.28
- 0.05
- 9.59
— 6.21
—2.67
—2.88
1.97
14.80
- 4.01
- 9.52
— 7.61
—3.83
—2.51
1.01
14.47
- 3.62
- 8.90
— 8.32
—4.82
—2.41
1.92
14.96
- 2.62
— 7.84
- 7.90
—4.15
—2.38
1.50
15.03
- 3.22
-11.36
— 9.25
—5.00
—1.97
1.40
16.42
- 4.39
-11.64
— 9.06
—4.46
—2.54
1.15
16.35
- 4.95
-12.09
— 9.19
—4.65
—1.87
3.24
17.71
- 3.47
-11.42
— 8.49
—3.84
—1.79
0.71
17.34
- 2.93
-11.49
— 8.95
—4.66
—2.13
1.10
16.58
- 3.01
- 9.56
— 9.12
—4.89
—1.77
1.26
15.24
- 2.21
-10.61
— 8.30
—4.00
—1.87
1.93
15.99
- 3.64
-10.26
— 8.45
—4.74
—1.84
1.94
16.71
- 2.15
- 9.88
— 7.88
—4.19
—1.99
16.05
214
Nachfrag,
Jan
n a r
1—5
6—10
11—15
16—20
21—25
26—30
Mühlhausen
2.87
6.61
4.06
0.35
—2.82
—1.83
Heillgenstadt
4.62
5.81
3.23
—0.45
—3.92
—3.09
Wernigerode
4.92
3.58
2.77
—1.35
—5.07
—2.55
ClanAthal
3.90
4.31
1.66
-1.52
—4.04
—2.22
Göttibgen
4.08
5.70
2.98
—0.28
—3.91
—3.28
Copenliagen
3.28
4.65
3.16
1.43
— a70
1.26
Cöslin
2.30
5.21
2.82
0.54
— a93
—0.65
•
Regeswalde
2.53
6.11
3.20
0.34
—1.09
—0.36
Stettin
2.23
4.35
3.08
0.56
—1.41
—0.19
Pntbos
2.09
4.31
2.82
1.55
—1.14
0.64
Wurtrow
1.99
4.29
3.28
1.19
—1.19
0.78
Bostock
2.32
4.89
3.25
0.78
—1.38
0.54
Schwerin
3.29
5.53
3.60
0.50
—2.17
—0.22
Hinriduhagen
3.28
5.48
3.51
0.70
—2.03
—0.35
Berlin
2.50
5.76
3.56
0.68
—2.35
—0.94
Frankfurt
1.89
5.95
3.55
0.44
—2.45
—1.74
Schönberg
3.23
5.67
8.85
—0.06
—2.82
—0.88
Lübeck
3.15
4.93
3.74
1.31
—2.00
0.22
Entin
3.43
5.43
3.32
1.35
—1.63
—0.37
Kiel
3.74
5.00
3.24
0.99
—1.61
0.32
Neomfinster
3.91
5.37
3.41
1.24
—2.02
—0.14
Alton»
4.43
5.92
3.80
1.37
—2.07
—0.34
Otterndorf
4.20
5.47
3.53
0.98
—1.61
—0.16
Lüneburg
4.08
5.60
3.76
0.94
—2.49
—0.45
Hannover
4.53
5.58
3.48
0.20
—3.60
—1.84
Oldenburg
4.29
5.14
3.26
0.51
—1.98
—1.45
Jever
3.23
4.49
3.13
0.59
—1.33
—0.75
Emden
2.98
4.24
2.74
0.21
—1.32
—1.25
Lingen
4.18
4.53
2.54
—0.36
—2.65
—1.79
Löningen
4.42
4.79
2.98
0.12
—2.56
—2.11
Munster
4.65
5.06
2.56
0.13
—2.88
—2.41
Gütersloh
4.62
4.86
2.39
—0.25
—3.83
— 3.G2
Olsberg
5.92
5.49
2.64
—0.16
—3.45
—3.63
Cleve
4.40
4.89
2.20
—0.31
—2.93
—2.18
Crefeld
4.65
4.93
2.64
—0.24
—8.02
—2.04
Cöln
4.04
3.98
4.98
2.27
—0.15
—3.31
—1.71
Boppard
5.49
2.53
—0.23
—2.34
—8.85
Nachtrag,
215
F e b
r a a r
31-4
6—9
10—14
15—19
20—24
25—1
Unterschied
-2.15
- 9.20
—7.99
—3.61
—1.43
1.16
15.81
—0.94
- 9.20
—7.91
—4.07
—1.67
2.18
15.01
1.25
— 6.13
-8.53
—4.27
—2.52
2.92
12.84
-0.79
- 8.20
—7.46
—4.10
-1.76
0.99
13.90
—0.29
— 3.53
-5.50
—1.60
—3.20
—3.46
10.15
—8.29
-12.11
—5.56
—3.38
—1.52
0.81
17.32
-7.66
-12.94
—8.11
—3.38
—0.71
1.01
18.05
—7.02
-12.65
—8.26
—3.61
—1.27
1.07
17.00
-4.52
-10.39
—5.52
—3.03
—1.45
—0.42
14.70
-2.78
- 9.91
—4.76
—3.47
—1.86
0.40
14.20
—3.22
-10.31
—4.96
—3.68
—1.49
1.12
15.20
-2.65
-10.26
—6.99
—3.90
—1.67
1.08
16.79
-6.02
-12.04
—7.00
—3.86
—1.75
1.62
17.5«
-4.29
-12.35
—7.52
—3.46
—1.46
1.25
18.11
—6.08
-13.87
—8.76
—3.67
—1.66
1.07
19.82
-2.02
- 9.38
—4.70
—3.47
—1.84
1.57
15.05
-1.81
- 9.49
—4.84
—3.89
—1.74
0.96
14.42
-1.51
- 8.45
—4.77
—3.31
—1.62
1.13
13.88
-1.13
- 7.82
—5.67
—3.42
—1.47
0.95
12.82
-1.81
— 9.74
—6.81
—3.79
—2.06
1.48
16.12
-1.86
- 9.95
—6.03
—3.69
—1.81
0.88
15.87
-0.84
- 8.93
—5.57
—3.79
—2.22
1.79
14.40
-1.72
— 9.47
—7.08
—3.24
—1.63
2.47
16.07
-1.03
-10.10
—7.69
—3.82
—1.76
2.26
15.68
0.00
— 8.84
—6.15
—3.42
—1.28
1.77
13.98
0.14
— 7.90
—5.61
—3.32
—1.11
2.33
12.39
0.24
- 7.69
—6.72
—3.37
—1.27
1.18
11.93
1.36
- 7.03
—6.43
—3.98
—1.68
2.28
11.21
0.40
- 8.37
—6.31
—3.55
—1.39
2.23
13.16
0.99
— 5.20
-6.50
—3.11
—1.72
2.79
12.16
-0.39
— 6.18
-7.24
—3.88
—1.95
2.32
12.10
1.04
— 4.96
-7.16
—3.33
—1.64
2.78
13.08
0.79
— 4.30
-6.89
—3.82
—1.91
3.09
11.29
0.54
— 4.67
-6.68
—4.29
—1.68
3.27
11.61
—0.17
— 6.18
-6.23
—4.07
—2.47
1.48
11.21
—1.19
— 6.59
-7.05
—3.46
—1.97
1.81
12.64
21«
Naehtrag.
Jan
n a r
1—5
6—10
11—15
16—20
21—25
26—30
Trier
4.06
5.41
2.55
0.56
—2.95
—3.16
Brflsi«!
8.79
5.40
2.28
0.18
—3.18
—2.97
Blrkenfeld
8.89
5.42
2.56
0.54
—3.33
—3.30
Kreoxnach
0.80
5.60
2.97
0.98
—2.86
—3.90
FrmnkfaH a. K.
1.41
5.06
2.02
0.50
—2.86
—3.60
Dannttadt
3.50
4.63
2.10
0.20
—3.84
—4.24
HeUbronn
0.65
4.36
8.02
0.67
—3.60
—5.66
^ Stnttgard
2.59
5.32
8.30
0.49
—3.54
—1.42
Ucchingen
8.74
5.87
3.19
—0.28
—5.03
—6.61
Hohenzollern
5.04
4.25
1.16
—1.78
—7.19
—5.28
Calw
1.67
4.24
2.90
1.28
—4.89
—6.69
Frendenatadt
4.86
5.04
2.48
—0.56
—5.00
—6.16
Ulm
O.Ol
3.80
2.41
—0.11
—4.28
—6.82
Heldenheün
—0.74
8.93
2.89
0.96
—3.13
—4.47
Schopfloch
4.20
4.30
2.00
—0.92
—6.95
—5.26
iMny
2.98
4.95
2.00
—0.17
—6.51
—5.68
Wien
1.71
3.08
2.62
1.02
—1.35
—4.34
Friedrichshafen
—0.41
2.67
2.57
—0.17
—4.45
—5.65
Rom
—1.64
1.92
—1.83
—1.32
—3.41
-6.04
Liaaabon
0.72
1.12
0.72
—0.39
-3,68
-3.28
Durch Oberscblesien sind also innerhalb eines einzigen Mo-
nats 22 Isothermen von 1° R. hindurchgegangen, darch Colo
nar 11.
Aus der Tafel geht entschieden hervor:
1) dafs die Abkühlung auf dem Beobachtungsgebiet am
st&rksten an der Ostgrenze von Deutschland ist und
nach West hin erheblich abnimmt,
2) dafs die Meeresnähe (Heia, Wustrow) sie abstumpft,
3) daCs sie auf den hochgelegenen Stationen (Kirche Wang
an der Sehneekoppe) bedeutend geringer ist, was ich
früher schon vielfach nachgewiesen habe,
Naektroff.
217
F e b
r n a r
31--4
5—9
10—14
15—19
20—24
25—1
Unterschied
-0.06
— 4.88
-6.91
—8.74
—2.58
1.93
12.32
2.27
— 0.54
-8.49
—6.12
—3.90
13.89
-0.76
— 6.12
-6.51
—3.19
—2.99
1.85
11.93
-3.06
- 7.05
— 6.19
—3.29
-1.61
1.27
12.65
—3.22
— 7.21
-7.38
—3.83
—2.05
1.66
12.44
—2.45
- 7.84
— 7.70
—3.83
—2.47
1.78
12.47
—3.83
- 8.47
— 7.58
—3.17
—2.62
1.59
12.83
—2.58
- 6.96
— 6.28
—1.45
—1.99
3.29
12.28
—2.91
— 6.65
-7.70
—1.48
—1.97
3.69
13.57
—1.03
— 4.56
-6.81
—2.66
—2.73
3.89
10.85
—2.32
— 5.29
-6.15
—1.13
—1.64
0.89
10.39
—0.92
— 5.32
-6.58
—2.02
—2.68
2.43
11.62
—8.11
- 9.58
— 7.02
—2.09
—1.61
0.40
13.38
-7.44
- 8.60
— 6.03
—1.34
— 1.53
—0.25
12.53
-1.27
- 7.88
— 7.16
—1.88
—2.72
1.89
12.18
-2.35
- 6.88
— 5.43
—0.12
—2.16
—2.10
11.83
-4.60
-10.76
— 5.93
—2.11
—1.88
13.54
-4.87
- 6.82
— 6.19
—1.39
—2,16
—0.19
9.49
-2.14
— 1.98
0.75
2.46
—0.72
8.50
0.10
1.21
1.08
0.76
1.33
5.01
4) dafs sie im westlichen Europa (Westphalen, Rhein,
Belgien) später eintritt als im ostlichen, dafs hingegen
Suddeutschland sich an Osteuropa anschliefst. Das
Fortrucken der Kälte erfolgt also von NO nach SW.
Auch in den absoluten Extremen spricht sieb, natürlich mit
Berücksichtigung der geographischen Breite, das aus, was aus den
Abweichungen hervorgeht. Die folgende Tafel enthält die mir bis
jetxt zugegangenen grofsten Kältegrade (R) , welche mit Ausnahme
von Spanien, Südfrankreich und Italien, wo sie Ende Januar ein-
tritt, auf den Februar flSllt.
318 Naehirag.
Elverum in Korwegen — 31.2.
Haparanda — 29.4.
Hochwald in M&hren — 28.2, Cxernowiis — 28.0, Dobrzechow
in Galizien ^28.0.
Teachen —27.5.
Claossen bei Ljck — 26.8.
Hermanstadt in Siebenburgen — 25.1, Moscau — 25.0, Helaing-
fors —25.0.
Lemberg — 24.4, Poronin — 24.4, Landeck in Schlesien — 24.0,
Conitz —24.0, Petersborg —24.0.
Ratibor —23.7, Königsberg —23.2, Erakau —23.2.
Eichberg bei Hirschberg —22.9, Riga —22.3, TiUit —22.2,
Tröpolach in Kfirnthen —22.0.
Bromberg —21.6, Klagenfort —21.4, Upsala —21.2, Memel
—21.0.
Breslau — 20.7, Altenfurt — 20.5, Lauenburg in Ponmiem — 20.5,
Seeshaupt am Starenberger See — 20.0.
Bonzlau — 19.8, Vinkovee — 19.7, Zechen bei Bojanowo — 19,
Posen 19.4, Obir —19.0.
Cöslin — 18.8, Mfigdesprung — 18.8, Dovre in Norwegen — 18.8,
Görlitz — 18.5^ Grube Meiseberg — 18.2, Harzigerode
—18.0.
Regenwalde —17.6, Ischl —17.6, Debreczin —17.4, Christiania
—17.4, Stettin —17.4, Promenhof in Böhmen —17.3,
Kirche Wang —17.0.
Hinrichshagen in Mecklenburg — 16.9, Frankfurt a. O. — 16.8,
GroCsbreitenbach — 16.6, Rohrbrunn im Spessart — 16.6,
Duschberg im bayerischen Wald — 16.5, München — 16.2,
Wien —16.0, Wustrow —16.0, Heia —16.0, Sandosund
—16.0.
Berlin— 15.8, Erfurt— 15.6, Szegedin — 15.2, Schopf loch —15.2,
Ebrach im Steigerwald — 15.0, Torgau — 15.0, Biberach
—15.0.
Putbus —14.8, Halle —14.8, Clausthal —14.8, HeiligensUdt
— 14.6, Sonderhausen — 14.6, Mühihausen — 14.6, Heiden-
heim — 14.5, Mamitz — 14.3, Rostock — 14.0.
Agram —13.7, Bludenz —13.6, Johanniskreuz in PfSlzerwald
— 13.6, Tromsö — 13.6, Schwerin — 13.5, Neumunster 13.5,
Hannover —13.4, Fulda —13.4, Vardö —13.3, Caleves
Nachtrag. 219
—13.2, le Pny —13.2, Altona —13.1, Marburg -13.0,
Olsberg — 13.0, Lüneburg —13.0, Lübeck —13.0.
Louingeii —12.7, Oöttingen —12.7, Benoile Yeaax —12.6,
Lingen— 12.5, Emden —12.5, Ulm —12.5, GasBel- 12.4,
Oldesloe —12.3, Oram —12.3, Arnsberg —12.2, Sch5n-
berg in Mecklenburg — 12.2, Birkenfeld — 12.1, Altmor-
eben —12.0, Oldenburg — 12.0, Aschaffenburg —12.0,
Frankfurt a. M. — 12.0, HohenzoUem — 12.0, Segeberg
—12.0, Neustadt a. d. Ostsee —12.0, Husum —12.0.
Hamburg — 11.9, Issnj — 11.7, Hechingen — 11.6, Abtei Laach
— 11.6, Mergentheim — 11.5, Hanau — 11.5, Mandal in
Norwegen —11.5, Wilhelmshafen —11.3, Cleye —11.2,
Ottemdorf —11.2, Darmstadt —11.2, Foix —11.2, Mün-
ster— 11.0, Heilbronn — 11.0, Copenhagen — 11.0, Br5n5
—11.0.
Freudenstadt —10.8, Canstadt — 10.7, Jever- 10.7, Bodo— lO.G,
Leirdal — 10.6, Hearth Content in Neufundland — 10.6,
Bourg —10.6, Meldorf —10.5, Tondem —10.5, Brüssel
—10.5, Lille —10.4, Crefeld —10.4, Calw —10.3, Güters-
loh —10.2, Metz —10.2, Trier 10.0, Stuttgard —10.0,
Friedrichshafeu — 10.0, Verdun — 10.0, Weser-Leuchtthurm
— 10.0, Appenrade — 10.0, Hadersleben — 10.0.
Wiesbaden — 9.8, Gappein — 9.8, Woltersmühle — 9.7, Hohen-
heim — 9.6, Ichtrazheim — 9.6, Chatillon — 9.6, Flensburg
—9,5, Boppard —9.4, Cöln —9.4, Paris —9.0, Rodez
—9.0.
Kreuznach — 8.9, Versailles — 8.8, Soissons — 8.8, Aubervilliers
— 8.8, Ronen — 8.7, Corne — 8.6, Polders — 8.3, Vendome
—8.2, Montargis —8.1 , St. Maur —8.1 , Blois —8.0,
Aosta —8.0.
Cap Orinez —7.7, Bergen —7.6, Nantes —7.2, Tours —7.0.
Skndesnes — 6.7, Christiansund — 6.6, Subiaco — 6.6, Montpel-
lier —6.5, Isle d'Aix —6.2, Mailand —6.0, Florenz —6.0.
Lesina — 5.9, Bozen — 5.9, Constantinopel — 5.9, Ferrara — 5.9,
Fecamp — 5.8, Lavallade — 5.6, Madrid — 5.4, Smeaton
— 5.4, Bezieres — 5.2, Lorient — 5.0, Aalesund — 5.0,
Florö —5.0.
Fola — 4.8, Eallabus —4.7, Stonjhurst —4.2, Bejrie —4.0.
Born —3.8, Tivoli —3.8, Biariz —3.6, St Matthieu —3.5.
220 Nachtrag.
Dorazzo —2.9, Marseille —2.7, CivitaTecehia —2.6, Marcia
. — 2.6, Larressore — 2.0.
, Santiago — 1.9, Cannes — 1.6, Anc<Mia — 1.0, Sicii 0.8. Bag-
dad 0.
le Qrognon 0, Perpignan 0.2, Atiien 0.9.
Neapel 1.6, Palermo 1.6, Lissabon 1.4.
Ponta Delgada (Azoren) 6.0.
Znr Yerrollstfindigang des Bildes fehlen noch die Beobach-
tungen der Systeme Ton Niederland, England, Schottland, Schwe-
den, RoTsland, Österreich, Schweiz, Italien, Spanien und Nordame-
rika, deren ausnahmsweise frfihe Yeroffenllichung ftofoerst wün-
schenswerth w&re, ehe das Interesse für das eben Erlebte sich Yet-
wischt
Die nach West hin stets abnehmende Abkühlung deutet schon
•darauf hin, wo wir den compensirenden wannen Strom zu suchen
haben, dies ist in Amerika. „Juni im Januar'' ist die Oberschrift
eines am 27. Januar in der New York Eyening Post erschienenen
Artikeb. „Heute^, heiÜBt es in demselben, „ist ein Maitag, oder
richtiger zu sagen ein Junitag. Die Witterung Ist die auffallend-
ste seit yielen Jahren erlebte. Südliche Winde haben in einer in
dieser Jahreszeit unerhörten Weise geherrscht Wenn es stürmt,
haben wir Regen statt Schnee, jeder Sturm schlofs mit Wfirme,
der Boden ist frei Ton Frost wie sonst im Mai. Auf Lond Island
stehen Blumen in voller Bliithe, die Elnospen der Bfiume sind fast
im Aufbrechen. Bleibt das Wetter so, so wird man Erbsen auf
den Markt bringen zu der Zeit, wo man sie sonst sfiet.^
Der Januar Ton New York war 3? 19 zu warm, die Tempe-
ratur des Februar durch den im letzten Drittel des Monats eintre-
tenden Polarstrom erniedrigt nahe normal, die Abweichung nfimlich
— 0723. Die westliche Grenze des Äquatorialstroms, welcher den
Innern und atlantischen Staaten Ton Nordamerika diese warme und
feuchte Witterung brachte, schreibt mir Dr. Blake aus San Fran-
cisco, fiel in das Thal des Missisippi, denn in Galifomien herrschte
vom Oktober bis zum Februar ein Polarstrom, der nach Westen
hin wiederum Ton einem Äquaterialstrom begrenzt war, denn alle
nach San Francisco kommende Schiffscapit&ne berichteten, dafs sie
besonders im December unfern der Küste auf dem stillen Ozean
mit schwerem Wetter bei starkem SWwinden zu kfimpfen gehabt
Nachtrag. 221
hStten. Erst un 7. Februar (sn derselben Zeit also, wo im 5sfe-
licheii Deatsehland die KÜte ihre grofste Intensit&t nnd das Baro-
meter eioe enorme Höhe erreichte) , kundigte sich der Äquatorial-
Strom an, der am 9ten die Grundfläche der Atmosph&re berührte,
nachdem er schon etwas früher in der 8000 Fufs hohen Virginia
City sich gezeigt hatte. Am 21ten Februar traf die Ostseite des
TOD den Küsten Califomiens verdr&ngten Polarstromes die ameri-
kanischen Küsten des atlantischen Ozeans, (an demselben Tage
also, an welchem Europa von dem Aquatorialstrom überfluthet
worde^ der am 21 ten das Barometer zn einem erheblichen Minimum
erniedrigend, schliefslich am 28. die Temperatur auf unsem ganzen Be-
obschtnngsgebiete so erhöhte, daCs, freilich Tornbergehend, überall
FrühlingswSrme an die Stelle der eisigen WinterkSlte trat) Ich
glaube wohl hier die Bemerkung hinzufügen zu dürfen, dafs die in
dem Abschnitt ^Stürme durch seitliche Einwirkung entgegengesetz-
ter Strome auf einander^ (Gesetz der Sturme 3. Aufl. p. 222—312)
geltend gemachten Ansichten in diesem Beispiel eine Bestätigung
finden, wie sie entscheidender nicht verlangt werden kann.
Ich habe in frühem Abhandlungen durch Berechnung der ther-
mischen Abweichungen (Abb. der BerL Akad. 1858 p. 423) nach*
gewiesen, dafs ein am nördlichen Ural beginnender Polarstrom,
dorch die Drehung der Erde bei seinem Fortschreiten eine nord-
ostliche Richtung annehmend, in sein Abkühlungsgebiet auch die
Südspitsen Europas aufnimmt und dies in dem 1864 erschienenen
Atlas der Monats- und Jahresisotiiermen in der Folarprojection
durch den Entwurf der Isametralen z. B. für Januar 1850 veran-
schaulicht. FfiUt der Ursprung desselben hingegen an die nörd*
liehen Ufer der Ostsee, wie z. B. 1814 in die Gegend von Peters-
burg, so triflft diese Kfilte vorzugsweise Frankreich nnd England,
wShrend die Linie normaler Temperatur nach Oberitalien fUlt, so
da(s Italien selbst nicht in das K<egebiet aufgenommen ist. Ter«
findert sich nun der Strom in der Weise, dafs der erste Fall in
den zweiten übergeht, d. h. breitet sich der Polarstrom schon an
seinem Ursprünge seitlich nach Westen aus, indem dem durch die
Verdichtung der intensiv kalten Luft gesteigerten Seitendruck die
durch W&rme aufgelockerte Luft des westlich daneben fliefsenden
Äquatorialstromes nur einen geringen Widerstand entgegenzustellen
vermag, so wird die sich über Europa verbreitende Kfilte zuerst
im südöstlichen Europa auftreten, dann im mittleren und endlich
222 Nachtrag.
auch in das nordwestliche übergreifen. Dies war nun der Fall in
dem eben verflossenen Winter. Der erste Einbrach des Folarstro-
mes rief im Conflict mit südlichen Winden besonders in den öster-
reichischen Gebirgen ungeheure allen Verkehr hemmende Schnee-
ffille berTor, welche im December Efimthen unter eine 3 bis 4 Fufa
hohe Schneedecke begruben. Durch diesen Schneewall (analog der
auf den Eisfeldern des Polarmeers von Scoresby beobachteten Er
scheinung), gegen das Eindringen warmer feuchter Luft geschützt,
erreichte die nördlich davon gelagerte wenig bewegte Luft einen
auffallenden Grad der Trockenheit, so dafs bei vollkommen heite-
rem Himmel die Ausstrahlung erheblich sich steigerte und dadurch
besonders die Wfirme der untern Luftschichten entschieden herab-
drückte. Da in dieser Zeit über England nach Norwegen hinauf
der Äquatorialstrom noch herrschte, trat in Ostpreufsen die Kälte
Mitte Januar mit schwachem SOwinde ein, indem die ohnehin im
Januar, wie ich gezeigt habe, im Mittel im nordlichen Deutschland
nicht von Ost nach West, sondern von Nord nach Sud laufenden
Isothermen ans den angegebenen Gründen Anfang Januar sogar
nach Ost hin geneigte Scheitel erhielten. Auf diese Weise erklart
sich, dafs das barometrische Maximum in Ost- und Westprenfsen,
Pommern, Mecklenburg, Dänemark, der Mark, Schlesien, Galizien,
Österreich, Sachsen bis Kassel hin auf den 6 ten Januar, den Tag
der gröfsten Kälte, fällt, und in Tilsit so bedeutend wird, dafs der
Druck der Atmosphäre den mittleren um einen ganzen Zoll über-
trifft, während hingegen in Oberitalien, Südfrankreich, Spanien,
Schwaben, Hessen, der Rheinpfalz, von Boppard bis zum Boden-
see der höchste Druck schon am Iten eintritt. Die lange Dauer
der Kälte erklärt sich aber dadurch, dafs im Süden ein Stausturm
den Abflufs verhindert. Secchi berichtet im Februarheft des Bul-
letino, dafs in Subiaco am 13 ten Februar ein die Wärme der Laft auf
14? 4 erhöhender Südost wuthend einbrach, der mit einem die ganze
Küste von Ligurien treffenden rothen Staubfall verbunden war, in
Subiaco und Rom von wenig Regen, in Piemont von starkem
Schneefall begleitet. Als eine Wirkung des Aufstauens könnte es
angesehen werden, dafs das barometrische Maximum am Nieder-
rhein zwischen dem lOten und 12ten eintritt, in Brüssel am Uten
Abends, auch in England und Norwegen auf den Idten und 14ten
fällt Da aber am Rhein nicht das fünftägige Mittel vom 5 — 9ten
Februar das niedrigste ist, sondern das vom 10 ten zum 14 ten.
Nachtrag. 223
Da die niedrigste Wärme auch in Belgien nnd England auf den
12ten Februar fällt, so kann das . Hervortreten des barometrischen
Maximums unmittelbar auf eine thermische Ursache zurückgeführt
vrcrden. Erst am 2isten Februar gelang es dem Aquatorialstrom
den Polarstrom überall zu verdrängen. Von Memel bis Palermo,
Athen und Constantinopel ist dies der Tag des niedrigsten Baro*
meterstandes, ein Tag, an welchem in Alezandria der Chamsin
die Schattenwärme über 26^ erhob, während im mittleren Europa
erst der 28 te der wärmste Tag ist, an welchem in Ratibor das
Thermometer 33 Grad hoher steht als am 6ten.
In dem vorliegenden Beispiel finden also, wie es überhaupt
immer der Fall ist, die Bewegungen des Barometers ihre einfache
Erläuterung, wenn mit dem Stande desselben die gleichzeitige Yer^
theilnng der Wärme und Feuchtigkeit in Untersuchung gezogen
wird, aufserdem die Richtung beachtet, in welcher die bewegte
Luft fortschreitet. Zusammenstellungen gleichzeitiger Barometer-
stande an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche ohne diese Be-
rücksichtigung, wie sie auch jetzt noch publicirt werden, sind voll-
kommen ungeeignet, meteorologische Fragen zu erledigen.
Da seit dem kalten Februar 1865 erst fünf Jahre verflossen
sind, so ist die Erinnerung an denselben noch nicht verwischt, und
es wurde daher oft in den Gesprächen über den diesjährigen stren-
gen Winter an ihn erinnert, während des furchtbaren Nachwinters
von 1845 nicht mehr gedacht wurde. Dies würde gewifs gesche-
hen sein, wenn Hr. Wolfers seine Vergleichung der Temperaturen
von Berlin in spätem Jahrgängen mit frühern auf 1870 ausgedehnt
hätte. Die Übereinstimmung, die ich für Januar und Februar in
Beziehung auf Abnahme und Zunahme der Temperatur zwischen
1870 und 1865 fand, veranlafsten mich die d^r Akademie gemach-
ten Mittheilungen nicht unmittelbar zu veröffentlichen, da ich zu
wissen wünschte, ob dieser Parallelismus sich auch auf den März
ausdehnen würde. Die folgende Tafel zeigt, dafs das wirklich der
Fall ist, obgleich das Material für diesen Monat noch erheblichere
Ergänzungen bedarf als das für den Februar bereits vorliegende.
Im Jahr 1865 fällt im Januar die höchste Wärme etwas später
als 1870, das wärmste fünftägige Mittel ist nämlich 1865 das vom
Uten bis 15ten, 1870 hingegen vom 6ten bis lOten, die tiefste
Erniedrigung fällt aber in beiden Jahren übereinstimmend zwischen
den 5ten und 9ten Februar. Für das nordöstliche Deutschland
[1870] 16
224
Nachtrag.
fallt die gröftere Temperaturerniedrigung im Mfir« des Jahre» 1870
cwischen dem 12ten und 16ten, 1865 zwisehen dem 17ten und
21ten, aber dieser Nachwinter erreicht im westlichen Deutschland
ein «weites Kfilteroaximuni und dies ßllt sowohl 1865 als 1870
auf den Zeitraum vom 27ten bis 3]ten Mirz. Ein drei Monate
hindurch sich erhaltender Parallelisrons des Ganges der Tempera-
tur ist so überraschend, dafs man sich zu der Frage veranlaf&t
fühlt, ob sie noch längere Zeit erhalten wird. Darüber mofs die
Zukunft entscheiden. Die Abweichungen im Man 1870 sind:
2—6
7—11
12—16
17—21
22—26
27—31
Memel
1.85
— 1.53
—1.48
—4.51
— 1.02
1.03
Tilsit
1.72
—3.18
—3.61
—4.38
-1.13
0.57
Chnssen
1.53
—3.34
—3.54
—5.37
— 1.81
0.52
Ktoigsbeit?
1.60
—2.83
—3.97
—4.28
—0.62
—0.22
Heia
—0.16
—1.22
—1.35
— 1.J9
—1.90
—1.42
Goniti
0.50
—1.82
—3.91
—4.29
—1,73
—0.58
COslin
1.17
—2.26
—4.11
—2.62
— 1.40
—1.34
Regenwalde
1.60
—2.38
—4.32
—2.66
—0.90
—0.28
Stettin
1.44
—1.82
—3.27
—2.77
— 1.23
— 1.67
Putbns
0.51
—0.70
—3.09
—2.21
—0.88
— 1.S3
Wustrow
0.48
—1.30
—2.40
— 1.28
—0.88
—2.06
Soitock
0.69
—1.33
—2.24
—1.95
—1.16
—2.37
Schwerin
0.89
—1.44
—2.08
—1.51
—1.51
—2.55
Seh5neberg
0.95
—1.17
— 1.87
—1.10
—1.17
—2.29
Kiel
1.01
—1.05
-2.32
—1.38
— 1.23
—1.91
Neomfinster
1.19
—1.25
—2.86
— 1.50
— 1.57
—2.28
Altona
1.18
—1.09
—2.30
—1.30
—2.06
— 3.17
Lfibeck
1.05
—1.44
—2.32
— 1.07
—1.18
—2.57
Etttia
1.48
—0.91
—1.89
—1.40
—1.43
—2.01
Otterndorf
1.41
^0.75
—1.31
—0.76
—0.93
—1.82
Lünebaig
1.59
—0.65
—2.18
—0.09
— 0.S5
— 1.21
Berlin
1.61
—1.80
—2.01
—1.65
—1.17
— 1.74
Frankfurt o. d. 0.
1.77
—2,70
—3.11
—2.33
-1.59
— 1.82
Posen
2.26
—2.21
—3.03
—2.44
—1.07
—1.01
Bromberg
2.00
—2.20
—4.57
—3.79
—1.61
—0.66
Ratibor
2.30
—2.47
—2,91
—3.59
—1.50
—1,81
Zechen
1.69
—3.09
—4.50
—3.46
—1.67
—1.65
Breslau
2.05
—3.24
—3.47
—3.03
—1.81
—2.08
Landeck
2.35
—2.84
—3.93
—2.83
— 2.3Ö
—2.51
Eiehberg
2.79
—2.95
—4.38
—1.94
—2.08
—2,50
Naehtreig,
225
2—6
7—11
13—16
17—21
22—26
27—31
Göriitz
2.02
—3.07
—3.59
—2.67
—2.12
—2.76
Wang
3.92
—2,73
—2.94
—1.62
—1.91
—2.69
Toigaa
1.27
—1.89
—2.72
—1.58
—2.06
—2.47
HaUe
1.29
—1.82
—2.18
—0.87
—2.05
-:2.38
Erfart
1.42
—2.07
—2.47
—0.29
—2.50
—3.00
Mühlhansen
1.73
—0.36
—2.07
0.49
—1.72
—2.40
Heiligenstadt
2.25
—1.06
—2.28
—0.10
—2.31
—3.04
Claastluil
2.32
— 1.12
—2.36
—0.03
—2.48
—3.27
HannoTer
1.73
—0.81
— 1.50
0.31
—2.13
—2.62
Oldenbui^
2.39
—0.92
—1.17
—0.03
—1.84
—2.81
Jcver
1.91
—0.17
—0.60
—0.29
—1.33
—2.29
Emden
1.73
—0.20
—1.04
0.32
—1.13
—2.68
Liflgen
1.80
—1.05
—1.19
0.38
—1.95
—3.02
Löningen
1.89
—0.79
—1.26
0.36
—1.82
—2.75
Münster
2.60
—0.48
—1.38
1.03
—2.15
—2.40
Gütersloh
2.25
—0.83
—1.75
0.62
—2.44
—3.09
Olsbeig
2.68
—1.00
—1.78
—0.24
—2.88
—3.32
Cleve
2.36
—0.63
—2.13
0.45
2.29
—3.07
Crefeld
2.77
—0,64
—1.74
0.91
—2.03
—2.94
Coln
2.68
—0.62
—2.82
0.60
—2.04
—2.58
Boppard
2.27
—0.51
—2.28
1.05
—1.92
—2.50
Trier
2.81
—0.78
—2.45
1.15
—2.13
2.77
Frankfurt a. M.
0.61
—2.59
—3.21
—3.04
—2.48
—2.08
Darmstadt
1.33
—1.72
—2.54
0.09
—3.08
—3.23
Hechingen
2.71
—0.88
—2.98
—0.04
—3.15
—2.40
HobenzoUem
2.45
—2.22
—3.44
—0,73
—3.83
—3.67
Stuttgart
1.56
—0.77
—2.27
—0.08
— 3.12
2.80
Heilbronn
0.00
—1.56
—3.25
—0.62
—3.36
—2.98
Frendenstadt
2.50
—1.19
—3.30
0.13
—3.21
—2.86
Calw
0.90
—0.09
—2.34
0.54
—3.50
—2.41
Ulm
0.09
—1.33
—3.17
—0.79
—3.93
3.79
Schopfloeh
2.30
—1.55
—3,48
—0.50
—4.39
—3.57
Heidenheim
—0.14
—0.89
—4.56
—0.37
—3.88-
—3.10
Usnj
2.50
—0.97
—3.42
—0.46
—3.75
—2.77
Friedrichshafen
0.15
—1.75
—3.64
—0.95
—4.17
—4.60
Die YeigleichuDg der extremen Abweichungen in 1870 und
1865 enthält die folgende Tafel:
16
226
N<Khirag,
^
1870
1865
Januar
Februar
März
Januar
Februar
März
6—10
ö— 9
12—16
27—31
11—15
5—9
1
17 20
27—31
Memel
5.16
—12.53
—4.51
5.12
— 8.69
—5.35
Tilsit
5.54
—14.37
—4.38
5.65
— 9.90
—6.93
Cl aussen
5.79
—15.39
—5.37
q.45
— 9.68
6.94
Königsberg
5.37
—14.37
—4.28
5.17
— 9.33
—6.47
Heia
3.25
—10.06
—1.90
3.34
— 7.19
—4.20
Conitz
5.09
—14.58
—4.29
5.15
— 9.07
6.18
Bromberg
5.43
—15.42
—4.57
5.39
— 8.99
—5.61
Posen
5.60
—14.98
—3.03
5.14
— 8.27
4.80
Zechen
5.29
—15.52
—4.50
5.07
— 7.81
—4.67
Breslau
5.89
— 16.04
—3.47
5.35
— 9.46
—5.52
Ratibor
5.47
—17.36
—2.91
5.59
—10.19
—6.2»
Landeck
5.67
— 17.15
—3.93
6.08
— 8.56
—6.85
Eichberg
7.35
— 12.66
—4.38
5.63
— 7.86
— G.41
Wang
5.89
— 6.92
—2.94
5.02
— 6.29
—6.82
Görlitz
5.26
— 13.65
—3.59
4.25
— 8.47
—5.71
Zittau
4.68
— 12.78
4.02
— 9.19
-6.711
Hinterhermsdorf
4.53
— 9.25
4.13
— 7.71
—7.61
Bautzen
5.00
— 9.71
4.73
— 9.07
—5.65
Dresden
4.86
—10.32
•
3.96
— 8.93
—5.68
GrüUenburg
5.48
—10.24
4.74
— 9.65
—6.61
Freiberg
4.39
— 9.16
3.88
— 8.95
—6.12
Rehefeld
5.17
— 9.44
3.39
— 8.40
—7.48
Reizenhain
5.48
— 10.51
3.38
— 8.79
—7.08
Annaberg
4.79
— 8.49
3.11
— 8.24
—6.67
Oberwiesenthal
5.21
— 9.59
2.90
— 7.07
—6.94
Elster
4.95
— 9.52
3.52
— 9.02
—7.39
Zwickau
6.06
— 8.90
4.51
—10.08
—7.36
Chemnitz
7.13
— 2.90
4.02
— 9.18
—7.79
Wermsdorf
5.06
— 11.36
5.05
— 8.44
—5.66
Riesa
4.71
— 11.64
4.37
— 9.46
—5.26
Torgau
5.92
^11.42
—2.72
4.40
— 8.49
—4.87
Leipzig
5.09
— 11.49
4.39
— 9.87
—7.09
Zwenkau
5.68
— 9.56
4.17
— 9.78
—5.91
Halle
5.88
—10.61
—2.38
4.80
— 9.62
—5.75
Erfurt
6.45
—10.26
—3.00
5.26
—10.20
—7.12
Sondershauseu
6.17
— 9.88
4.88
—10.33
—6.69
Mühlhausen
6.61
9.20
—2.40
4.13
—10.85
-7.45
Heiligenstadt
5.81
— 9.20
—3.04
4.26
—10.16
—6.49
Nachtrag.
227
*
1870
1865
Januar
Februar
Märe
Januar
Februar
März
6—10
5—9
12—16
27 31
11 — 15
5-9
17—26
27—31
Wernigerode
4.92
4.54
-9.71
—6.58
Clansthal
4.31
— 8.53
—3.27
3.30
—8.11
—6.57
Göttingen
6.70
— 8.20
4.09
—9.68
—6.08
Cösiin
5.21
— 12.11
—4.11
5.15
—9.07
— 6.18
Regenwalde
6.11
— 12.94
—4.32
4.56
—8.51
— 5.28
Stettin
4.35
—12.65
—3.77
4.46
—8.06
-4.96
Patbus
4.31
—10.39
—3.09
3.52
—.5.97
—4.58
Wustrow
4.29
— 9.91
—2.40
3.84
—6.08
—4.06
Rostock
4.89
— 10.31
—2.37
4.22
—6.67
—3.79
Schwerin
5.53
— 10.26
—2.55
4.27
—8.15
—4.68
Hinrichsbagen
5.48
— 12.04
—3.25
4.79
—8.27
—4.77
Berlin
5.76
— 12.35
—2.01
4.64
—7.92
—4.83
Frankfurt a. d. 0.
5.95
— 13.87
—3.11
4.93
—8.26
—4.90
Schönberg
5.67
— 9.38
—2.29
4.62
—7.71
—4.16
Lübeck
4.93
— 9.39
—2.57
4.63
—7.57
—3.85
Botin
5.43
— 8.45
—2.01
4.18
—6.98
—4.24
Kiel
5.00
— 7.82
—2.32
4.29
—6.77
—3.76
Neumünstcr
5.37
— 9.74
—2.86
-^
—
—
Altona
5.92
— 9.95
—3.17
4.55
—7.79
4.53
Otterndorf
5.47
— 8.93
— 1.82
3.88
—7.11
— 3.90
Lüneburg
5.60
— 9.47
— 1.21
4.72
—8.88
—4.79
Hannover
5.58
—10.10
—2.62
4.52
—9.46
—6.04
Oldenburg
5.14
— 8.84
—2.81
4.27
—8.42
—4.47
Je%'er
4.49
— 7.90
—2.29
3.90
—7.09
—4.05
Emden
4.24
— 7.69
—2.68
3.65
—6.81
—4.32
LingcD
4.83
— 7.03
—3.02
4.14
—8.33
—5.00
Löningcn
4.79
— 8.37
—1.29
3.96
—8.46
—5.04
Munster
5.06
— 6.50
—2.40
4.05
—8.26
—5.44
Gatersloh
4.86
— 7.24
—3.09
3.62
— 8.72
—5.64
Otsberg
5.92
— 7.16
-3.32
3.49
—8.54
—6.10
Cleve
4.40
— 6.89
—3.07
2.96
—7.38
—4.90
Crefeld
4.93
— 6.68
—2.94
3.47
—7.71
—5.41
Cöln
4.98
— 6.23
—2.58
3.73
—6.74
—5.38
Boppard
5.49
— 7.05
—2.50
3.54
—6.94
—5.38
Trier
5.41
— 6.91
—2.77
3.29
-^6.73
—5.64
Birkenfeld
5.42
— 6.51
3.40
—7.71
—5.09
Kreuznach
5.60
— 7.05
2.99
—6.90
—5.33
236
Nachtrag.
1870
1865
Januar
Febmar
März
Jannar
Febmar
Man
6—10
5 9
12—16
27—31
11—15
5—9
17-26
27—31
Frankfurt a. M.
5.06
— 7.38
—3.21
2.85
—7.93
-5.70
DarmstadI
4.63
— 7.84
—3.23
2.70
—8.21
—6.31
Heilbrono
4.36
— 8.47
—3.36
2.15
—7.96
—6.43
Stnttgard
5.32
— 6.96
—3.12
2.58
—7.43
—6.27
Bechingen
6.87
— 7.70
—3.15
3.46
—8.29
—6.18
HohenzoUem
5.04
— 6.81
—3.83
3.80
—8.76
—6.95
Calw
4.24
— 6.15
—3.50
2.15
—6.91
—5.32
Frendenstadt
5.04
— 6.58
—3.30
3.65
—6.83
5.82
Ulm
3.80
— 9.58
—8.93
2.01
—7.36
—6.37
Heidenhcim
3.93
— 8.60
—5.00
3.17
—6.21
—5.82
Schopflocfa
4.30
— 7.88
—4.39
3.80
—8.48
—6.89
Issny
4.95
— 6.88
—4.42
3.27
—8.53
—6.55
Wien
3.08
—10.76
—0.85
4.59
—7.84
—5.62
Friedrichshafen
2.67
— 6.82
—4.54
3.53
—7.23
—6.37
Die mitgetheilten Zahlen zeigen, dafs die Kälte Im Februar
zwar im südlichen und westlichen Deutschland 1865 und 1870
nahe gleich war, dafs die Intensität derselben aber im östlichen
im Jahr 1870 eine yiel bedeutende war. als 1865. Umgekehrt war
die Abkühlung Ende März 1865 viel erheblicher als 1870. Der
Mai 1865 war ungewöhnlich warm mit starkem Rückschlag im
Juni. Wird 1870 dem entsprechen? Das wenigstens zeigt sieb,
dafs nach den Stürmen der letzten Jahre die Atmosphäre zu frü-
heren Zuständen zurückzukehren rermochte.
Durch fünftägige Mittel können die gleichzeitigen Wärme-
erscheinungeu in Amerika für 1865 nicht dargestellt werden. Ich
fuge daher in der folgenden Tafel nur die Abweichungen der mo-
natlichen hinzu. Die neben den Namen stehende Zahl bezeich-
net, aus wie viel Stationen der einzelnen Staaten die Werthe er-
halten wurden. Der vollständige Gegensatz dieser Abweichungen
zu dem der 200 europäischen Stationen, deren Abweichungen ich
(Klimatologische Beiträge p. 194—200) mitgetheilt habe, bestätigt
von Neuem die übereinstimmenden Erscheinungen der Jahre 1865
und 1870.
Naehtrag.
829
Januar
Februar
März
Haine
5
—0.90
0.67
2.04
N«w Hampshire
4
—0.90
0.68
2.63
Vermont
4
—0.76
—0.68
4.46
MassachufieU
12
—0.45
0.71
2.63
Connecticut
4
—1.78
0.80
2.31
New York
18
—0.84
0.18
2.84
New Jersey
4
— X).27
0.09
2.98
Pennsjlvaniea
19
—0.09
—0.71
2.76
Marjlaud
5
0.27
—0.04
2.76
Ohio
19
—1.96
0.18
2.58
Michigan
7
0.0
1.91
2,76
Indiana
4
—1.29
1.47
2.62
Illinois
13
—0.36
2.18
0.40
WiMonsia
13
—2.80
3.07
0.58
Jowa
8
0.04
2,40
—0.80
Im Februar treten bereits in den Innern Staaten hohe positire
Differenzen hervor, wo in den atlantischen Staaten die Temperatur
noch fast normal ist So wie im März die Abweichungen in die-
^n bedeutend werden, sind sie unbedeutend in den innem. Oans
dasselbe zeigte sich im Jahr 1845. Wir glauben daher den Satz
aussprechen zu dürfen :
Anomale in Europa hervortretende K<e be-
wegt sieh im Allgemeinen von Ost nach West
also voo Europa nach Amerika hinüber, wäh-
rend die darauf folgende anomale Wärme in
entgegengesetzter Richtung dann sich von
West nach Ost fortpflanzt
Für 1845 mögen folgende Bemerkungen genügen, da die Ab-
weichungen der Monatsmittel Februar and Mftrc (Klimatologische
Beitrage IL p, 253 — 255) gegeben sind.
Das Jahr 1845 ist eins der ausgezeichnetsten durch die bis
in das Sp&tfrühjahr andauernde Kälte. Am L März waren in
Nord-Deutschland alle Eisenbahnen in Schnee vergraben, so dafa
/
330 Nachtrag.
überall Militär aufgeboten wurde, um sie frei zu machen. In der
zweiten H&lfte des Februar waren in Bessarabien, Yolhynien und
Podolien grofse Schneestürme, ebenso in Ungarn und Siebenburgen
ungeheure Massen Schnee gefallen. Auf dem St. Gotthard soll
der Schnee im März 30 Fufs tief gewesen sein. In Augsburg fro-
ren am 10. Februar die Wasserwerke bei — 22° R. ein; am 14.
war der Rhein bei Mannheim völlig zugefroren, in gleicher Weise
der Untersee des Bodensee. Diese Kälte verbreitete sich dann
auch nach Scandinavien, wo vorher milde Witterung geherrscht
hatte. Der Sund war seit dem 23. Febraar zugefroren, ebenso der
grofse Belt.. In Ghristiania stand am 20. Februar das Thermo-
meter — 24° R., in Metz — 15.0, in Lyon — 14.4, in Paris — 9.4,
am lOten — 12° in Brüssel. Um diese Zeit war strenger Winter
in Algerien, es fielen dort grofse Schneemassen; ebenso in Marocco,
so dafs die dortige Küste und die gegenüberliegende spanische mit
Schnee bedeckt waren. Am 8. März stellte sich das Eis des Rhei-
nes von Neuem, ja am 12. März schneite es bei Montpellier und
noch Mitte Mai in den Vogesen und dem Schwarzwald. Bei Prag
war die Moldau 114 Tage mit Eis bedeckt, am längsten seitdem
man Beobachtungen besitzt, da die mittlere Dauer nur 66.4 Tage
beträgt. Die mittlere Dicke des Eises betrug an der Prager Brücke
19.8 Zoll, an den Pfeilern 21.9. Bei so lang anhaltender Kälte
verspätete sich daher die Vegetation auffallend. Das Schneeglöck-
chen blühte am Spirdingsee in Ost-Preufsen , 30 Tage später als
gewöhnlich, in Brüssel 31 Tage, die Verspätung war also gleich
an so entfernten Orten, obgleich dort die Blüthe auf den 14. April
fiel, hier auf den 25. März.
Auf der 15. Tafel des Atlas habe ich für den Februar and
iur den März die Isametralen entworfen. Im Februar fallt die
kälteste Stelle in die Gegend von Wilna. Die nördliche Grenze
des kalten Stromes läfst sich nur erreichen, wo er, bisher ganz
Europa umfassend, sich auf dem Meere nach Süden herabsenkt
und durch den nördlichsten Küstensaum von Schottland geht Im
März ist die kälteste Stelle mehr nach Westen gerückt. Sie bildet
eine Berlin mit Warschau verbindende Linie. Der Strom ist aber
zugleich schmaler geworden. Seine Nordgrenze ist bis in die Mitte
von Lappland herabgekommen, während die südliche Grenze von
der Mitte Spaniens durch die von Sardinien hindurchgeht und
Nachtrag. 23 1
Griechenland unter sich l&fet, endlich von der Krimm aas schnell
in der Richtung von SW nach NO hinaufifiuft.
Die Karten deuten, da sie nur Europa umfassen, den daneben
fliefsenden warmen Strom nur an, der in Amerika zur vollen Herr-
schaft gelangt.
Die gröfste Abkühlung im Februar 1845 ist das fünftägige Mittel
vom lOten bis 14ten. Sie war in Archangel — 9.74, Petersburg
—8.80, Mitau —9.84, Arys —9.98, Breslau —9.09, Stettin —7.38,
Berlin —8.31, Leipzig —7.51, Jena —8.50, Arnstadt —10.27,
Aschersleben — 7.14, Brocken — 7.10, Braunschweig — 8.87, Gü-
tersloh —8.20, Peissenberg —9.50, Genf —6.38, Moscau —5.60,
Brüssel —7.91, Paris —6.79, London —4.41, Dublin —2.18, die
im März das Mittel vom 12. bis 16. Sie war in Archangel — 10.11,
Petersburg —10.39, Mitou —10.62, Arys —12.92, Breslau —9.49,
Stettin —10.34, Sülz —12.09, BerUn —11.20, Leipzig —10.33,
Jena — 9.75, Aschersleben — 10.20, Arnstadt — 9.85, Brocken
—8.27, Braunschweig —9.91, Gütersloh —10.97, Moscau —6.68,
Brüssel —8.79, Paris —7.47, London —7.19, Dublin —5.59, wo-
gegen 1865 und 1870 erheblich zurücktreten, obgleich die Zeit dev
Eintritts dieselbe, da der Überschufs der Wfirme im Januar im
westlichen £uropa auch auf denselben Zeitraum 6. — 10. Jan. fallt.
Er ist in Petersburg 7.33, Archangel 7.34 (vom 11. — 15), Mitau
4.97, Arys 5.39, Stettin 4.14, Berlm 4.70, Breslau 4.61, Leipzig
5.37, Jena 4.10, Breslau 4.61, Aschersleben 5.10, Brocken 7.46,
Braunschweig 4.03, Gütersloh 3.16, Brüssel 3.03, Paris 1.65, Lon-
don 3,04, (beide 11—15,) Dublin 2.71.
Die hier mitgetheilten Ergebnisse zeigen, dafs wir dem Ver-
standnifs der nicht-periodischen Veränderungen einen Schritt näher
getreten sind.
Die Übereinstimmung, welche wir in den Teraperaturcurveu
des Januar und Februar des Jahres 1865 und 1870 fanden, führt
natürlich schliefslich zu der Frage, wie sie sich vorbereitet, oder
mit andern Worten, wo wir annehmen dürfen, dafs sie beginnt.
Es ist oben schon angedeutet worden, dafs der ungewöhnlichen
Müde der ersten Hälfte des Januar eine zeitweise das südliche
Deutschland vorzugsweise umfassende Kälte, welche zu enormen
332 Nachtrag.
Schneefällen Veranladsung gab, vorherging. Die Abweichnng des
funftfigigen Mittels vom 27. bis 31. Decenber ist nfimlich, wenn
wir von Ostpreufsen nach dem Bodensee gehen, folgende:
Memel --0.G6, Tilsit —4.02, Claussen —3.70, Königs-
berg —3.46, Heia —3.13, Cöslin —2.92, Regenwaldo
—2.86, Stettin —3.04, Conita —2.98, Bromberg —3.51,
Posen —1.99, Zechen —2.16, Breslau —0.98, Ratibor
—1.04, Landeck —0.08, Eichberg —1.56, Wang — 0.92,
Görlitz —1.04, Frankfort —3.71, Berlin —3.42, Torgau
—2.67, Halle —3.56, Langensalza —4.18, Erfurt —3.85,
Gotha — 3.24, Muhlhansen — 4.31, Sondershausen — 4.41,
Heiligenstodt —2.86, Wernigerode —3.25, Clansthal —3.21,
Göttingen — 3.31.
Hinrichshagen —3.13, Putbus —2.13, Wnstrow —2.28,
Rostock —3.15, Schwerin —3.12, Schönberg —2.76, Lü-
beck —2.41, Eutin —2.26, Kiel —2.37, Neumünster —2.75,
Altona —2.60, Otterndorf —2.79, Lüneburg —3.38, Han-
nover —2.92, Oldenburg —2.45, Jever —1.93, Emden
—2.51, Lingen —2.50, Löningen — 2<46, Münster —2.15.
Gütersloh —3.09, Olsberg —2.43, Cleve —2.95, Crefeld
—3.73, Cöln —3.16, Boppard —3.66, Trier —3.98, Bir-
kenfeld — 5.51, Kreuznach — 5.53, Frankfurt — 4.52, Darm-
stadt —5.19, Calw —8.05, Hetlbronn —9.35, Stuttgard
—6.07, Freudenstadt —5.09, Hechingen —6.94, Hohen-
zoUern —6.28, Schopfloch —5.62, Issny —5.12, Frie-
drichshafen —5.09, Ulm -7.75, Heidenheim —8.17.
Die Zunahme der Abkühlung von NO nach SW hin tritt evi-
dent hervor. Sie erstreckt sich auf das südliche Europa. Da hier
die normalen mittleren Werthe fehlen, so mögen die absoluten Ex-
treme die Stelle der Abweichung vertreten. Die früher mitgetheil-
ten bezogen sich auf Januar und Februar 1870. Die des Deceni-
bers 18G9 sind, wie aus der Yergleichung mit jenen hervorgeht,
an vielen südlichen Stationen die bedeutendsten des ganzen Win-
ters. Diese Extreme sind (R.):
le Puy —15.0, Aosto —11.2, Caleves —10.8, Foix
— 9.9, Ichtratzheim — 9.4, Doulevant — 9.3, Auxerre — 9.2,
Rodez —8.8, Metz —8.3, Beauficel —8.2, Soissons —8.0,
Pavia —8.0, Fecamp —7.9, Montorgis —7.6, Turin —7.3,
Nachtrag. 233
Chatillon —7.2, Poitlers —7.2, Verdan —7.1, Lugano
—7.0, Ferrara —7.0, Mantna —7.0, Padoa —7,0, Moii-
culieri —6.4, Reggio (Emilia) —6.8, Biella —6.7, Mont-
pellier — 6.6, Sacra di S. Michele — 6.5, Onastalla — 6.4.
Beyrie — 6.2, Cremona — 6.2, Mondovi — 6.0, Ronen
— 6.0, Cosne — 5.9, Modena — 5.9, Marseille — 5.8, Mai-
land — 5.8, la Charite — 5.8, Lavallade — 5.6, Casale
— 5.6, Monferato — 5.6, St Matthieu — 5.4, Blois — 5.4,
Alessandria — 5.4, Pinerolo — 5.3, Aquila — 5.3, Brescia
— 5.2, Nantes — 5.2, Tours — 5.0, Tarbes — 4.8, Cannes
— 4.8, Lorient — 4.5, Bezieres — 4.4, Perpignan — 4.0,
Biariz— 3.6, Siena— 3.4, Isle d'Aix — 3.3, Bologna— 3.1,
Murcia — 3.0, Camerino — 3.0, Perugia — 2.9, Ferrara
—2.8, Santiago —2.8, Forli —2.3, ürbino —2.2, Chiog-
gia — 2.2, Florenz — 1.6, Livorno — 1.5, Venedig — 1.2,
Genua —0.4, Rom —0.2, Chieti 0.2, Jesi 0 2, Velletri 0.8,
Neapel 1.4, Catanzaro 3.4, Catania 4.2, Palermo 4.7.
Im südlichen Deutschland war dieser starken Abkühlung eine
sehr hohe Temperatur vorhergegangen, so dafs das Mittel Tom
17ten bis 21ten December an manchen Orten 11 bis 13 Grade
höher ist als >das vom 27ten bis 31ten. Es ist nun interreesant,
dafs im December 1864 ebenfalls der Wärme zu Anfang des Ja-
nuar eine auf das letzte Drittheil des Decembers fallende starke
Kälte vorhergeht, aber das Maximum derselben fällt auf den 22ten
bis 26ten und ist sehr intensiv in Schlesien. Hier verliert sich
also der Parallelismus beider Jahre, denn in Suddeutschland fehlt
auch die auf den 17ten bis 21ten December hervortretende hohe
Temperatur.
Den entschiedensten Gegensatz zu Europa bildet auch im De-
cember 1869 Amerika. In South Trenton in New York wird die
Luft zu Weihnachten balsamisch mild genannt, in Zuny Station in
Virginien pflückte man am Neujahrstage blühende Rosen im Freieu.
Diese nach früherer Kälte eingetretene Milde umfafste die nörd-
lichen Staaten, denn in Steuben, Lisbon, Norway in Maine ver-
schwand der Schnee am 31sten. Von Buffalo schrieb man, die
Luft sei frühlingsmäfsig. In den innern Staaten trat diese Wärme
90 plötzlich ein, dafs in West ßend in Jowa das auf — 20.9 her-
abgesunkene Thermometer sich 3? 6 über den Frostpunkt erhob,
234 Nachtrag,
während man in Monroe City die letzten Tage des December als
verspäteten Indianersommer bezeichnete.
Am 2ten und 3ten Januar strich hingegen ein äufserst hefti-
ger Schneesturm über Neu-England, über die innern Staaten, die
südlichen diesseits des AUeghanies, und westlich über die Sceon
nach Michigan hin. In Lunenburg in Massachusets war er zuerst
NW, dann SO, zuleUt SW, in Newark in New Jersey SO. S.
SW, welches auf eine Cyclon deuten würde, wenn er nicht in Buf-
falo wüthende SWGale genannt und in Massachusets überall als
Gale bezeichnet wurde. Dies macht es wahrscheinlich, dafs es
ein heftiger aber von dem herrschenden Äquatorialstrom zurückge-
wiesener Angriff des Polarstromes war. Diefs gilt entschieden von
dem vom 14ten bis 15ten Januar einbrechenden und am 17tcn
auf grofse Strecken als heftiger Gewittersturm auftretendem Winde.
Die plötzlich hervortretende enorme Abkühlung von kurzem Be-
stand ist ein Beleg dafür. Ein Nordwind, heifst es von Leyden
N. y., brachte die Wärme auf — 20.4, bevor er aber New York
erreichte, wo die Temperatur — 7.1, warf ihn der Südwind zurück
und steigerte die Temperatur in 48 Stunden um 24° R. In North
Ilammond N. Y. stieg vom 14ten zum löten die Wärme von
— 20.4 auf 6.2 in 20 Stunden. Das vorhergehende Fallen war
ebenso rasch. In Peoria in Illinois fiel am 16ten bei dem Gewit-
terstnrm das Thermometer 20° R. in 10 Stunden, in Wartensburg
Mo. stand am 15ten Mittags das Thermometer 14? 2, Abends 9 Uhr
— 16.0, also 30° Abkühlung in 9 Stunden, in West Union 24° in
10 Stunden. In Winnebago in Illinois fiel es in 9 Stunden 19?5,
in Peoria 20° in derselben Zeit, in Guttenberg in Jowa 21 ?7 in
8^ Stunden, in Leavenworth (Kansas) fiel es am 16ten 23° in 8 Stun-
den, in Le Roy am 17ten in 10 Stunden von 9.8 auf — 10? 7, in
Council Grove sank die Temperatur 11° in 3 Minuten, als der
heftige Südwind in einen Nordwind sich verwandelte. Aufser die-
sem kalten Nordsturm wird der Monat überall als „pleasant^ be-
zeichnet. Einige Beispiele mögen genügen, welche den Gegensatz
zu dem warmen Anfang des Januars in Europa und der Abkühlung
in der zweiten Hälfte deutlich hervortreten lassen. Die vor dem
Namen des Staates stehende Zahl bezeichnet die höchste in dem-
selben beobachtete Wärme.
Nachtrag. 235
10.7 Maine. Houhon: eisig bis znm 25sten, Steuben: Schnee ver-
schwindet am 16ten, Flusse und Buchten eisfrei am
31sten, West Waterville : Monat mild und feucht, 3?31
warmer als im sechsjährigen Mittel, Gardiner: Monat
3.05 wärmer als 34j. M., Noricay:- warm open Januaiy,
Comishville: 3? 89 wärmer als 41j. M.
10.2 New Hampshire. Goffstoum Center : warm und feucht, Frost
aus dem Boden am 31sten.
8.9 Vermont. Graftahury: warmer Januar, Schnee endet in Re-
gen, East Bethel: seit vielen Jahren am wärmsten, Mid-
dlehury: wärmster Januar in 16 Jahren, Panton: Veil-
chen im Garten am 4ten.
14.7 Massachusets. Kingston: kein Frost im Boden den ganzen
Monat, Topsfield: oft wie im April, Georgetown: Crocus
blühte an sonnigen Stellen, die Bäche offen den ganzen
Monat, West Newton: Lowedzahn und Stiefmutterchen
blühen am 27sten, Lunenburg: mildester Januar seit
1851, Worcester: Weidengebusch in Blfithc am 28sten.
11.6 Connecticut. Middletown: Flüsse eisfrei den ganzen Mo-
naty Rothkehlchen am 23sten.
16.0 New York. Palermo: 1863 ausgenommen der wärmste Ja-
nuar in 17 Jahren, Depauville: 2? 22 über dem sechs-
zeitigen Mittel.
16.0 New Jersey. Newark: Aufser 1858 seit 26 Jahren am
wärmsten, 3? 2 über dem Mittel, Moorestown: wärmster
hier bekannter Januar, Frosche am 17ten, Löwenzahn
blüht am 25sten, Bio Grande: Frühlingsmorgen, die
Vogel singen am 268ten, Haddonfield: Löwenzahn am
16ten, Veilchen am 23sten, gelber Jasmin am 268ten.
147 Pensylvanien. Nyces: sehr mild, Rothkehlchen und Krähen
am 27sten, Dyherry: 4? 44 über dem fünQährigen Mit-
tel, Falsington: Delaware eisfrei am 26sten, PkiladeU
phia: der wärmste Januar in IS Jahren, 3? 89 zu warm,
Germantown: Spirea belaubt^ Löwenzahn und Jasmin
blühen am 27sten9 Factoryville: Flüsse offen, überall
Gewitter am 17ten, ebenso in
21.3 Virginien. Johnsontown: Pfirsich blühten am 31sten, Hamp-
ton: babylonische Weide voll belaubt am 31sten, nicht
eine Schneeflocke den ganzen Monat, Zuni Station:
Ahorn (Acer rubrum) blüht, Wiesen grün, ist dies Win-
ter?, Piedmont Station: Vögel singen am 12ten, der
Zaunkönig ist hier geblieben, blue birds.ani 16ten,
Lynchburg: Kartoffeln gepflanzt, die am 14ten gesäten
Erbsen keimen am 24ten.
236 Nachtrag.
20.4. Süd-Cnrolina. Anderson: Erle blüht am ISten, Gotodeys-
ville: warm uild schön vom I2ten zum 3l8ten, Klee
and Weisen steht schön.
23.1 Florida. Pilatka: warm vom 6ten bis 3l8ten, Orangen,
Pfirsiche und Pflaumen blühen.
19.6 Louisiana. New Orleans: Erdbeeren blühen vom 12ten bis
21ten, Sommertage vom 24ten bis Slsten« aber die
Nfichte kühl.
17.8 Tennessee. Austin: prachtvolles Wetter nach dem Gewit-
tersturm am 17ten» Trentan: warmer feuchter Winter.
15.1 Ohio. Viel Regen und Schnee.
14.2 Kentucky. Dasselbe.
9.8 Jowa. Waterlow: mildester Winter seit vielen Jahren, Lo-
gan: dasselbe.
8.0 Michigan. Litchfield: Monat mild aber 1?9 kfilter als 1869,
Northport: kein Eis in der Bay.
16.0 Illinois. Aurora: Monat mild, den Sturm am 16ten ausge-
nommen.
6.2 Wisconsin. Baraboo: mildester hier bekannter Winter.
16.0 Kansas. Council Grove: aufser dem schnellen Fall am 16ten
und ITten der Monat angenehm.
7.1 Utah. Harrishurg: erste Hälfte des Monats kfilter als seit b
Jahren.
20.4 Californien. Ckico: seit dem 16ten growing weather, Wat-
sonville: mehr Frost und weniger Regen als gewohnlich,
Vacaville: Dürre in Snd-Califomien gefürchtet«
.8.4 Montana Territory. Dear Lodge City: der wärmste hier
bekannte Janaar.
14.2 Washington Territory. Walla-Walla: Frost am 258ten
aus dem Boden, Butterblume blüht am 29sten.
Der Übergang von den Ostküsten zu den Westküsten tritt^
wie er von Dr. Blake geschildert wurde, also deutlich hervor.
Welcher Gegensatz der Vereinigten Staaten zu dem Zurückbleiben
der Vegetation in Europa, und zu dem nur durch kurze Zwischen-
räume der Wärme nicht enden wollenden Winter.
In Ferd. Dummler's Verlagsbuchhandlung sind neuerdings
folgende akademische Abbandlungen aus dem Jahrgang 1869 er*
schienen :
Ehbbrbsbg, Über mächtige Gebirgsschlchten Torberrschend ans mikroskopi-
schen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko.
Preis: 1 Thlr. 15 Sgr.
Lbpstos, Über den chronologischen Werth der Assyrischen Eponymen und
einige Berührungspunkte mit der Aegytischen Chronologie. ^
Preis: 15 Sgr.
BoTH, Beiträge zur Petrographie der plutonischen Gesteine.
Preis: 3 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf.
Maohos, Über Emission, Absorption und Reflexion der bei niederer Tem-
peratur ausgestrahlten Wärmearten.
Preis: 15 Sgr.
Br8CHMii95, Grammatik der souorischen Sprachen: vorzüglich der Tarahn-
mara, Tepegnana, Cora und Cahita; als IX. Abschnitt der
Spuren der aztekischen Sprache. 2. Ahth. der Artikel, das
Substantivurn und Adjectivum.
Preis: 3 Thlr. 15 Sgr.
Roth, Über den Serpentin.
Preis: 14 Sgr.
Hagbn, Über die Bewegung des Wassers in cylindrischen, nahe horizonta-
len Leitungen, und über die Bewegung des Wassers in vertikal
abwärts gerichteten Röhren.
Preis: 12 Sgr.
Zur Nachricht,
In den Abhandlungen der Akademie sind in den Jahrgängen 1852,
1853, 1862j 1864 keine Mathematischen Klassen enthalten.
MONATSBERICHT
DKS
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
April 1870.
Vorsitzeoder Sekretär: Herr Kammer.
7. ApriL Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. C. RammeUberg las über die Stellang des Thal-
liums in der Reihe der Elemente.
Unter den in neuester Zeit entdeckten Elementen nimmt kei-
Des das Interesse so vielfach in Ansprach als das Thalliam. Nie-
mand wird einen Augenblick zweifelhaft sein, dafis Robidiom und
Cäsium sich in jeder Beziehung dem Kalium anreihen, dafs dem
Jndium ein Platz in der Nfihe des Zinks gebührt« Aber wohin
gehört das Thallium? Seine physikalischen Eigenschaften, sein
Verhalten zum Chlor, Brom, Jod, zum Schwefel u. s. w. stellen es
zu den schweren Metallen, in die Nfihe des Bleis. Die leichte
Löslicbkeit seines Oxyds und Hydroxyds und die stark alkalischen,
ja fitzenden Eigenschaften des letzteren stempeln es im Gegentheil
za einem wahren Alkalimetall, und die Isomorphie seiner Salze
mit denen des Kaliums (Ammoniums, Natriums) ist ein weiterer
Grund, das Thallium zur Gruppe des Kaliums zu rechnen.
So zahlreich die bisher bekannt gewordenen Thatsachen sind,
welche die Thalliumvcrbindungen betreffen, so bleibt doch noch
manche Lücke auszufallen; es sind, wie mir scheint, besonders
jene eigenthumlichen Verbindungen noch genauer zu studiren, wel-
che den höheren Oxyden des Thalliums angehören. Das Nachfol-
gende ist nur ein kleiner Beitrag zur Lösung dieser Aufgabe,
welche in der Seltenheit des Materials ihre Schwierigkeiten hat.
[1870] 17
238 OesamnUsitzung
Im Anschlufs an frühere Arbeiten habe ich mich bemuht, die
Jodate und Peijodate des Thalliums darzustellen , und werde die
erhaltenen Resultate hier kurz angeben. Dabei sei bemerkt, dafs
das Atomgewicht Tl =3 204 angenommen, d. h. dafs das Thallium
als einwerthig betrachtet ist Allein aufser dem Oxyd TPO giebt
es ein braunes Sesquioxyd, Tl'O*, ein entsprechendes Tri- oder
Hexachlorid (TlCl* = TlCl*), und selbst eine Reihe von Oxy-
salzen, deren Molekül 2 At. Thallium (Tl) enth<, die daher Di-
th all! um salze genannt sind. In diesen Verbindungen ist die
Gruppe Tl sechswerthig, gleich AI, Fe, Mn, Cr.
Jodsaures Thallium.
Thalliumjodat entsteht, wenn eine Auflösung von Thallium-
hydroxyd mit Jodsfiure versetzt wird. Es föllt in Form eines
weifsen Pulvers nieder. Auch aus Thalliumsalzen und einem lös-
lichen Jodat ist es leicht zu erhalten. Sein Ansehen verräth keine
erkennbare krystallinische Natur; in Wasser ist es kaum, in Sal-
petersfiure schwer löslich. Bei 150° ist es noch unverändert, und
enth&It überhaupt kein «Wasser. Die Analyse bestätigte die For-
mel TIJO*.
berechnet gefanden
Tl == 53,82
\ 8z >
3 0 12,67
100
Bei stärkerem Erhitzen schmilzt es zu einer braunen Flüssigkeit,
entwickelt Sauerstoff und Jod, und liefert ein reichliches Sublimat
von Thalliumjodid. Hierbei werden Glasgefäfse durch die gleich-
zeitige Bildung des Oxyds Tl^O stark angegriffen.
Dithallium jodat entsteht, wenn frischgefälltes braunes Thal-
liumsesquioxyd mit einer Auflösung von Jodsäure erwärmt wird.
Dabei löst sich keine Spur Thallium in der Säure auf, das braune
Oxyd aber verwandelt sich in ein bräunlichgraues schweres kry-
stallinisches Salz, welches durch Wasser nicht verändert wird und
selbst in Salpetersäure schwer löslich ist. Es giebt sich als ein
Dithalliumsalz dadurch zu erkennen, dafs seine salpetersaure Auf-
lösung von Alkalien braun gefällt wird, oder dadurch, dafs es bei
vom 7. April 1870. 239
der Behandlang mit Kalilange anter Abscheidang des braunen
Oxyds eine thalliamfireie AnflSsang giebt
Bei der Schwierigkeit der direkten Thalliambestimniang darf
es nicht befremden, wenn die Analyse solcher Salze etwas zu wün-
schen abrig Ififet. Im yorliegenden Fall war jedoch mit Sicherheit
festzostellen, dafs 3 At Jod auf 1 At. Thallium kommen, so dafs
fSr das Dithallinmjodat die Formel
TlJ«0"4-3aq
gerechtfertigt erscheint
Berechnet gefunden
Tl == 27,00 27,3
6J 50,40 48,6
180 19,03
3aq 3,57
100.
Oder
2T1J 43,78 43,57.
Beim Erhitzen giebt es Wasser, schmilzt und verh< sich im
Übrigen ungefähr so wie das zuvor beschriebene Salz.
Überjodsaares Thallium.
Thalliumperjodat. Durch Sättigung einer Aufl6sung von
Thalliumhydroxyd durch reine Überjodsäure entsteht ein wcifser
Niederschlag. Einen ebensolchen erhält man durch Vermischen
der Lösungen von Thalliumnitrat und von halb überjodsaurem Kali
(K^J'O^). Allein die weifse Farbe verwandelt sich bald in eine
gelbe und nach dem Auswaschen und Trocknen ist die Substanz
gelb, theilweise rothlich. Die Versuche, welchen man dieselbe un-
terwerfen kann, namentlich ihr Verhalten gegen Alkalieiv und ge-
gen Säuren, liefern den Beweis^ dafs sie gar kein Ferjodat, son-
dern ein Gemenge der beiden zuvor beschriebenen Jodate ist. Es
giebt kein Thalliumperjodat, weil Überjodsäure das Thalliumoxyd
in Sesquioxyd verwandelt, wobei sie selbst zu Jodsäure reducirt
wird.
Dithalliumperjodat. Trägt man das braune Oxyd TIO'
in eine Auflosung von H^ JO^, so verwandelt es sich in ein schwe-
res hellbraunes Pulver, aber es lost sich nichts in der freien Säure
IT
240 Oesammiiiizung
aaf. Dieses Polver ist ein reines Dithaliiamsalx; durch Kalilaage
serSetst, scheidet es braunes Oxyd ab, während die alkalische
Flüssigkeit, welche kein Thallium enth<, auf Übeijodsaure
reagirt.
Die Analyse l&fst nicht ganz klar erkennen, ob es ein Drit-
tel-Peijodat oder eine Verbindung von Drittel- nnd Viertel-Perjodat
ist, d. h. entweder
TPJ^O" -h 30aq (I)
oder
TliojcQM 4- 90aq (II)
berechnet gefanden
I.
II.
Thallium 53,84
56,06
55,71
Jod 11,17
10,47
9,95
Sauerstoff 11,26
11,21
Wasser 23,74
22,26
100 100
Im zweiten Fall dürfte dieses aus sehr saurer Flüssigkeit abge-
schiedene und dennoch sehr basische Salz als
T1J«0«* 1
OH'TIO«}"^^^*^
zu betrachten sein.
Seitens der Jodate und Peijodate entfernt sich das Thallium
sehr weit vom Kalium; sein Verhalten zu Überjodsfiure stellt es
namentlich in eine Reihe mit Kobalt, Eisen und Mangan, wie sich
dies ans meinen froheren Untersuchungen der Überjodsauren Salze
deutlich ergiebt.
Die höheren Chloride, Broniide nnd Jodide des
Thalliums und deren Doppelsalze.
Blan weifs, dafs das Thalliumchlorid TlCl beim Schmelzen
im Chlorstrom höhere Chlorverbindungen liefert Doch ist die«
keine passende Methode ihrer Darstellung, weil sie stärkerer Hitze
nicht widerstehen. Beim Behandeln mit Wasser bleiben blafegelbe
Bl&ttchen znrück, welche, wie ich mich überzeugt habe, TPCP
sind.
vom 7. ApHl 1870. 241
Wird die Losung eines Thalliamsalzes mit unterchlorigsaarem
nnd freiem Alkali yermischt, so entsteht ein dunkelbrauner Nieder-
schlag von Dithalliumoxyd (Thallinmsesquioxyd) TIO', wel-
ches sich in Chlorwasserstoffs Sure leicht auflöst, wobei sich nicht
merklich Chlor entwickelt, wiewohl beim Verdünnen ein wenig
TP Gl' abgeschieden wird. Versetzt man diese Auflösung mit
Chlorkalium oder Chlorammonium, so erh< man beim Verdunsten
schön krjstallisirte Doppelsalxe, die ich zur Erg&nsong früherer
uDvoUständiger Angaben von Nickles und Willm auf ihre Form
und Znsammensetzung näher untersucht habe.
Kaliam-Dithalliumchlorid und Ammonium-Dithal-
liumchlorid schiefsen in farblosen, durchsichtigen Kiystallen an,
welche auf den ersten Blick regulär zu sein scheinen, jedoch vier-
gliedrig sind. Herrschend ist ein Quadratoktaöder, in den End-
kanten 116^ 12', in den Seitenkanten 96^ 44' messend, zu welchem
das erste stumpfere, beide quadratische Prismen und die Endflfiche
hinzutreten. Das Axenverhfiltnifs a : c ist =5 1 : 0,795» und beide
Salze differiren in den Winkeln nur wenig.
Die Analyse zeigt, dafs sie auch analog zusammengesetzt sind,
nämlich:
3KCll ^ , SAmCll ^
TICW"*-^"^ ""^ TICP)-*-^*^
oder
6KCl\ , , ÖAmCll .
Diese Doppelsalze sind sehr stabil; sie werden vom Wasser,
auch beim Kochen, nicht zersetzt. ChlorwasserstofFs&ure entwickelt
kein Chlor. Alkalien scheiden braunes TIO' ab; ist aber ihre
Auflösung hinreichend sauer, so wird sie von Ammoniak nicht ge-
fallt. Platinchlorid f&Ut nur K oder Am, nicht das Tl aus; Jod-
kalium scheidet TU und freies Jod ab. Alle reducirenden Mittel
bewirken eine F&Uung von TlCl.
Doppelsalze von Dithalliumbromid.
Das Bromör TlBr gleicht dem Chlorür vollkommen. Auf
Zusatz von Brom löst es sich in Wasser leicht auf, indem es sich
843 OesamnUaiizung
in TlBr* oder TlBx« verwandelt. Denn die mit KBr versetzte
Flüssigkeit liefert beim Yerdansten gelbliche Krystalle eines Dop-
pelsalzes, welches nach meinen Versachen
3KBr\ „ 3KBrl ^
2TlBr3j-^'*^ == TlBr«/-^^*^
ist Ihre Flfichen sind für genaue Messungen nicht glfinzend ge-
nug; sie erscheinen als Würfel in Kombination mit dem OktaSder
und OranatoMer und die gefundenen Werthe sprechen allerdings
für regulfire Formen.
Doppelsalze von Dithalliumjodid.
Jodthallium, TU, ist in Jodkalium unlöslich; fugt man aber
Jod hinzu und Ififst die dunkelgef&rbte Flüssigkeit verdunsten, so
schieOsen schwarze Kiystalle an, welche durch Umkrystallisiren
aus Alkohol von beigemengtem K J zu befreien sind. Es sind re-
gulfire OktaSder mit Wurfelflfichen, sie haben starken Glanz, sind
roth durchscheinend und geben ein rothes Pulver. Ich habe für
dieses Kalium-Dithalliumjodid die Zusammensetzung
3KJ\ ^ 3KJ\ ^
gefunden, also entsprechend dem Bromsalze, mit welchem es iso-
morph ist.
Dieses Doppelsalz ist weit weniger bestfindig als die früheren;
schon in gelinder Wfirme giebt es Jod; Wasser zersetzt einen
Theil, unter Abscheidung von TU und Jod.
Ganz anders verhalten sich die Oxysalze, welche aus der
Einwirkung von Sfiuren auf das braune Sesquioxyd TIC entste-
hen. Sie werden nfimlich von Wasser voUstfindig zer-
setzt, und das braune Oxyd, welches sich dabei abscheidet, ist,
wie es scheint, rein, d. h. kein basisches Salz. Es ist schwer,
diese Dithalliumsalze rein zu erhalten, da sich das Sesquioxyd erst
beim Erwfirmen in Sfiuren auflost, wobei immer etwas gewohn-
liches Thalliumsalz entsteht.
Es ist mir leider nicht geglückt, das Sulfat und das Nitrat in
bestimmbaren Krystallen zu erhalten, ich kann daher den Angaben
Strecker's nichts Neues hinzufügen. Bios das essigsaure Di*
vom 7. ÄprU 1870. 243
thalliam bildet farblose darchsichtige sweigliedrige Kiystalle,
RhombenoktaSder, deren Endkanten 123'' 30' and 79'' 34', und de-
ren Seitenkanten 129'' (V messen. Sie sind tafelartig durch Aua-
dehnong der Endfläche, braunen sich aber an der Luft sehr bald.
Isomorphie der ThalliumTerbindungen mit anderen.
Die früheren Beobachtangen über die Form der ThalliumsaUe
sind neuerlich durch Des Gloizeaux sehr vervoUstfindigt wor-
den. ' ) Die Thatsache, dafs sie mit den Salzen des Kaliums (Ru-
bidiams und Ammoniums) isomorph sind, hat hierdurch in mehr-
facher Hinsicht eine Bestätigung erfahren, und so haben wir
denn folgende in Form und Zusammensetzung sich entsprechende
Salze:
Nitrat TINO» =
KNO»
Perchlorat TICIO* ==
KCIO*
Doppelsulfate T1»RS»0« 4- 6aq =
K»RS>08-4-6aq
Alaun TP RS* Ol« -4- 24aq ==
K»RVoi«-^24aq
Ferrocy anür Tl* Fe Cy « -h 2 a q =
Rb*FeCy«-h2aq
Oxalat HS Tl C* 0« -^ 2 a q =
U>KC*0»-h2aq
Tartrate HT1C*H*0« =
HKC*H*0«
NaTlC*H*0«-4-4aq = NaKC*H*0« -4- 4aq
Tl(SbO)C*H*0«-+-aq = K(SbO)C*H*0« -h aq .
Aber von besonderem Interesse sind die Phosphate, weil sie die
isomorphe Vertretung der einwerthigen Tl, K, Na, Am durch Was-
serstoff darthan. Denn es sind isomorph:
H^TIPO* und HAm»PO*
HTl^PO* und H^AmPO*
HTl>PO*-|-aq und H«NaPO* -h aq.')
^) Lamj et Des Gloizeaux, Etadee chimiqueB, optiqnes et crütallo-
gnphiqnes sor les «eis de Thallium. Axu. Gh. Phys. (4) 17,310.
') 8. meinen Aufsatz in den Bericht, d. d. ehem. Gesellsch. 1870 S.376*
244 Oeeammtsitzung
Leider gestatten die Formen der Dithalliumsalse, welche ich
prüfen konnte, keinen Vergleich, weil kiyatallisirte analog snsam-
mengesetste Verbipdangen nicht bekannt sind.
Es scheint unmöglich, dem Thalliam einen bestimmten Platx
unter den übrigen Elementen anzuweisen. Nur so viel ist sicher,
daSß es physikalisch wie chemisch ein Metall, und zwar ein sehr
elektropositives ist. Obwohl es bei niederer Teroperatar das Was-
ser nicht xersetxt, oxjdirt es sich an der Luft doch weit schneller
als Blei, Magnesium oder Aluminium.
Seine Ähnlichkeit mit den Alkalimetallen .liegt aber besonders
darin, dafs sein Hydroxyd ein entschiedenes fitzendes Alkali ist
und dafs die von demselben gebildeten Salze durch ihre Loslich-
keit und ihre Kry stall form sich unmittelbar den Alkalisalzen an-
reihen.
Dagegen sind die Haloidsalze durch Unlöalichkeit und Fär-
bung den entsprechenden Salzen des Silbers, freilich auch des
Bleis, fihnlich. Ebenso ist Schwefelthallium nur den Sulfureten der
Schwermetalle vergleichbar.
Durch seine höheren Oxydations- und Chlorstufen entfernt
sich das Thallium ganz und gar von den Alkalimetalien. Dem
Tl O' und Tl Cl^, analog erscheinen die Verbindungen von AI, Mo,
Fe, Cr, €e und Ki. Und doch stehen jene gleichsam für sich da.
TIO' wird durch Erhitzen zu TIO, während MnO' und CeO'
höchstens zu R'O^, die übrigen aber gar nicht reducirt werden.
Das durch Auflösen in HCl entstehende T1C1< ist weit best&odi-
ger als MnCl^ oder CeClS jedoch nicht in dem Mafse wie die
übrigen RCl^. Die Oxysalze werden von Wasser zersetzt; dies
ist aber eine den Salzen jener R sehr allgemein zukommende Eigen-
schaft, weniger hervortretend bei denen von Cr und AI, starker
beim Fe, und noch starker bei Mn, Ce und U. Dimangansulfat
(schwefelsaures Manganoxyd) « MnS'O^' zerfällt durch Wasser
in MnO' und dH^SOS also genau so wie das DithalliumssU
TIS' O^*. Ce und Ki aber liefern hierbei bekanntlich nur basische
Salze. Ich erinnere daran, dafs auch schon in dem Verhalten des
Thalliums zur Dbeijodsfiure seine Beziehungen zum Mangan gleich-
sam angedeutet sind.
Ist das Atg. des Thalliums &= 204, entsprechend dem Do-
lo ng-Petit 'sehen Gesetz, so ist Tl ein einwerthiges Element
gleich dem Kalium, Silber u. s. w. Das ehemische Verhalten und
vom 7. Äpfü i870. 245
die Krjgtallfonn der monatomen Thallinmverbindungen Yerleihen
dieser Annahme eine feste Stutze.
Während wir aber bei den Alkalimetallen nnd dem Silber auf
keine Weise höhere Chloride etc. darzustellen rermögen, gelingt
dies beim Thallium. Dadurch entstehen Verbindungen, in deren
MoL 2 At. Thallium als ein sechswerthiges Atomenpaar enthalten
sind. Sind dieselben, wie wir wohl annehmen müssen, unter sich
▼eiicettet, so wfire das Thallinmatom wenigstens vierwerthig, wie
dies für die in der Regel cweiwerthigen Fe, Mn, Ce u. s. w. gilt.
Aber es ist noch eine andere Möglichkeit, die nfimlich, dafo
sich das Thallium in diesen höheren Chloriden, Oxyden und Sal-
zen verhielte wie das Uran, d. h. dafs sie ein zweiwerthiges Ra-
dikal (TPO'} einschlössen, oder ein entsprechendes (TPCl^).
Weitere Untersuchungen sollten auf diesen Punkt gerichtet sein.
Hr. Poggendorff berichtete mundlich über eine neue In-
floenzmaschine, die nicht allein die doppelte Kraft der gewöhnlichen
besitzt, sondern auch in jeder andern Beziehung als die Yollkom-
menste unter den bisher dargestellten zu betrachten sein möchte.
Da er nächstens der Akademie eine ausführliche Mitiheilung über
diese Doppel maschine zu machen gedenkt, so sei hier nur erwähnt,
dafs sie nach dem von ihm im Januarheft der Monatsberichte von
1869 S. 55 angedeuteten Princip construirt worden ist, und die
practische Anwendbarkeit dieses Princips in befriedigendster Weise
dargethan hat
Hr. Dove machte eine Mittheilung über die Witterung des
vergangenen Winters.
246 OiaammUitzung
An eing^j^angenen Schriften worden vorgelegt:
Verhandiunffen der zoolo^isch-botanüchen GeselUchqft in Wien. Jahig. 1869.
19. Bd. Wieo 1869. 8.
Ge§ckicht€ der Wieaenmshaften in DeuiedUand. 8. Bd. H&Dchen 1869. 8.
Verhandlungen der Phgeik,-Mediz. GeeeUechcfi in Würzhurg. Neae Folge.
1. Bd. 4. Heft. Wfiixbui^ 1869. 8.
Mittheüungen der k. k. CeMrat-Kommiesion zur Erfor9chung der Baudenk-
male* 15. Jahrg. Man- April. Wien 1870. 4.
Lotue. ZeiUchriß für Naturwieeenechaften. 19. Jahig. Prag 1869. 8.
W. J, A. Jonckbloei» Geschichte der Niederländiechen Literatur y übersetzt
von W, Berg, 1. Bd. Leipzig 1870. 8.
Anales de la Universidad de Chile. AMo 1867. 1868. 8.
Berichte an den Congre/s des Staates Chile. 9 B&nde. Santiago 1868. 8.
Annmario estadistico de la repuhlica de Chile. Bntrega 9. Santiago
1868. 8.
Observations made at the ü. St. Naoal Observatorg, during the year 1866.
Washington 1868. 4.
The American Ephemeris for 1871. Washington 1868. 8.
Tables to /adlitate the reduction o/ places of the fixed stars. Washington
1869. 8.
(Settimani) D*une seconde nouvelle mithode pour determinier la parallaxe du
soleü. Florence 1870. 8.
Berichte der südslavischen Akademie. 10. Heft. Agram 1870. 8.
Second Radcliffe Catalogue, containing 2386 stars. Oxford 1870. 8.
25. ApriL Sitzung der physikalisch-mathemati-
schen Klasse.
Es wurden verschiedene geschäftliche Angelegenheiten erledigt.
vom ^. April 1870. 247
28. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Haupt las über die Perser des Aescbylus.
Hr. 6. Rose legte eine Untersuchung des Dr. P. Groth vor:
Über Beziehungen zwischen Krystallform und
chemischer Constitution bei einigen organischen
Verbindungen.
Alle bisherigen Versuche, die für den unorganischen Theil der
Chemie so eminent wichtig gewordene Lehre des Isomorphismus
auf die organischen Verbindungen anieuwenden, haben zu keinem
befriedigenden Resultate geführt , weil die verschiedenen, in den
letzteren befindlichen, Atomgruppen nicht in demselben Verhältnifs
za einander stehen, wie z. B. verschiedene isomorphe Metalle in
den Salzen von gleicher Constitution. Die Resultate einiger Unter-
sachungen, welche allerdings zu dem Endzweck unternommen wur-
den, gesetzmäfsige Beziehungen zwischen Krystallform und che-
mischer Constitution bei organischen Verbindungen zu finden, fähr-
ten den Verfasser zu der Überzeugung» dafs man bei diesen For-
schungen einen ganz andern Weg, als bisher, einzuschlagen habe.
Statt gleich krystallisirte Körper aufzusuchen, erweist es sich
vielmehr als vortheilhaft, die Verschiedenheiten der Krjstall-
formen chemisch verwandter Korper zu studiren, d. h. die
Frage bei der Aufsuchung gesetzmäfsiger Relationen in folgender
Weise zu stellen:
„Es sei die Krystallform einer chemischen Verbindung,
von welcher sich zahlreiche Derivate ableiten, als gegebene
Thatsache vorliegend (wobei der Versuch, diese selbst aus
der chemischen Constitution der Verbindung herzuleiten,
beim jetzigen Stand der Wissenschaft als ein durchaus
verfrühter bezeichnet werden mnfs); — welche Ände-
rung erfährt diese gegebene Krystallform nun
durch den Eintritt eines bestimmten, Wasser-
stoff substituirenden, Atoms oder einer Atom-
gruppe?*
848 OesammUitztaig
Durch die Unterfiachiing einer Reihe von Derivaten derjenigen
Orundverbindang, von welcher sich die Hfilfte der organischen
Korper, die aromatischen, ableiten, nfimlich des Benzols, hat sich
das Resultat ei^eben, dafs es gewisse Atome and Atom-
grappen giebt, welche, für H in das Benzol und dessen
Abkömmlinge eintretend, die Krjstallform derselben
nar in mifsiger Weise alteriren, so dafs man im Stande
ist, die Form des neaen Körpers noch mit der des ursprünglichen
SU vergleichen. Die Änderung ist s. Th. derart, dafs a. B. bei
rhombischen Substanzen das Yerh<nifs zweier Axen, also die
Gröfse der Winkel in der betreffenden Zone, dieselbe bleibt (mit
den kleinen Unterschieden, wie sie isomorphe Körper zeigen), wäh-
rend nur die dritte Axe durch den Eintritt eines neuen Stoffes in
das Molecfil eine erhebliche Änderung ihres Werthes erflUirt Zu
den in dieser Weise wirkenden Atomg^uppen gehören besonders
das Hydroxyl HO, und die Nitrogruppe NOj.
Die wichtigsten Beispiele werden das Gesagte erl&ntem^):
Das Benzol CeH« ist rhombisch') und krjstallisirt in
Pyramiden, welche sich auch der optischen Untersuchung als grad-
rhombische erwiesen, von dem Axenverhfiltnife :
a: b: c » 0,891 : 1 : 0,799.
1. Das erste Hydroxylderivat desselben, das Phenol, kry-
stallographisch zu bestimmen, hat mir bisher noch nicht gelingen
wollen. Die durch langsames Erstarren des geschmolzenen darge-
stellten langen Nadeln sind so zusammengesetzt, dafs man sie nicht
messen kann. Indefs zeigte sich bei deren optischer Untersuchung,
dafs die Substanz, wie die vorige, rhombisch ist
>) Überall, wo kein Beobachter angegeben ist, rfihren die Bestimmongeo,
deren Detail später in Poggend. Ann. mitgetlieilt werden soll, Tom Verbwer
her. Bei den übrigen Sabatanzen war oft, um die Beziehungen deutlicher
hervortreten zu lassen, eine andere Aufstellung der Krystalle zu nehmen, als
sie der ursprüngliche Beobachter gewählt hatte.
') Die starke Kälte des yeigangenen Winters gestattete die HenteUnng
gröfserer Räume von so niedriger Temperatur, dab das bei +3° schmelzende
B. nicht nur gut krystalHsirt, sondern auch gemessen werden konnte. Die
Messungen sind freilich nur sehr angenäherte, da die Substanz selbst bei
einer Kälte Ton mehreren Graden unter 0 noch so flüchtig ist, dafs die Flä-
chen nach kurzem Verweilen des Krystalls auf dem Goniometer schon ganz
uneben sind.
wm 28. Apnl 1870. 249
2. Das Resorcin, d. i. Benzol, in welchem 2 Atome H
dorch HO vertreten sind, ist sehr wohl bestimmbar. Es ist eben-
falls rhombisch (mit ausgezeichneter Hemimorphie) ; sein Axen-
verhfiltnifs:
a : b : c « 0,910 : 1 : 0,540 ,
also a : b gleicli dem Benzol (die Differenz ist nicht gröfser, als
der mögliche Beobachtungsfehler bei diesem), die Axe c betrScht-
lich gefindert
Das zweite von den drei isomeren Bioxylderivaten des Ben-
zols, welche sich nur durch die relative Stellung der Gruppen HO
anterscheiden, das Brenzcatechin, ist ebenfalls rhombisch,
aber bisher noch unvoUst&ndig bekannt, so dafs man z. Z. nicht
bestimmen kann, welche Axe and wie stark sie gefindert ist. Iso-
morph mit dem vorigen ist es nicht, da der einzige bekannte Win-
kel desselben an jenem nicht vorkommt.
Das Hydrochinon endlich wird von Gerhardt als rhombisch
angegeben, indefs ohne Messungen; ich erhielt anders, als gewöhn-
lich, dargestellte Kiystalle, welche rhomboßdrisch waren; jedenfalls
liegt hier Dimorphie vor, wofSr auch noch der Umstand spricht,
dafs das horizontale Prisma des Resorcins, mit dem die hypothe-
tische rhombische Form des. Hydrochinons ja in naher Beziehung
stehen mfifste, fast Winkel von 120° hat (dimorphe Körper haben
gewöhnlich in gewissen Zonen sehr fihnliche Winkel).
3. Für das eine Trioxylderivat, die Pyrogallnssfinre,
liegen keine sichern Angaben vor. Hr. Rammeisberg vermutfaet
(Kiystallogr. Chemie, p. 346), daCs die angeblich an Gallussfiure
angestellten Messungen Brooke's sich auf jenen Körper bezögen«
lu der Tbat zeigen die gemessenen Winkel Ähnlichkeiten mit de-
nen des Resorcins; doch mufs die Bestimmung der Fyrogallussfiure
jedenfalls wiederholt werden.
Der Eintritt von Hydroxyl scheint also die Kry-
stalle dieser Substanzen nur in einer Richtung zu fin-
dern, mit Beibehaltung ihrer Form in den übrigen Rich-
tungen and ihres Krystallsystems.
Weit vollständiger , als die Wirkung des Hydroxyl, können
wir die der Nitrogruppe NOj studiren. Zunächst bietet sich
dafür die Reihe der nitrirten Phenole dar:
250 OesamnUsitxung
1. Das gewohnliche Mono-Nitrophenol ist, wie ich op-
tisch nachweisen konnte, rhombisch, wie das Phenol selbst;
die Prismen desselben sind sehr genau zu messen, dagegen die
Endflfichen so unvollkommen ausgebildet, dafs der einzige Winkel,
den ich bestimmen konnte, nur zu einem ganz unsichem Werth
der Yerticalaxe fuhrt, indem die benutzte kleine Octa§derflfiche so
gerundete Kanten hatte, dafe nicht sicher zu entscheiden war, ob
sie auf das Prisma grade oder schief aufgesetzt sei. Es ist
a : b : c = 0,873 : 1 : (0,60?)
wobei ich mir die genauere Bestimmung des letztem Werthes vor-
behalte, bis es gelungen, bessere Krystalle der Substanz zu be-
schaifeu.
2. Binitrophenol ist bereits von Laurent gemessen und
von Hm. ▼. Lang optisch untersucht worden. Dies hat:
a : b : c ». 0,933 : 1 : 0,753.
3. Trinitrophenol nach Mitscherlich:
a : b : c = 0,937 : 1 : 0,974.
Man sieht hier also deutlich, dafs bei gleichbleibendem
Krystallsjstem und fast unverändertem Verhältnifs a:b,
der Eintritt einer neuen NOt-Oruppe immer nur die
dritte Aze, und zwar stets in demselben Sinne, än-
dert.')
') Es liegt die Vermuthnng nahe, dafs dies auch um gleich viel ge-
schehe. Unter dieser, allerdings noch sehr nnsichern, Annahme, und nnter
der ebenso wenig bewiesenen, dafs das erste in das Phenol eintretende
NO, dieselbe Andemng hervorbringen, — könnte man rückwärts das
Axenverhältnifs des Phenols aus der Differenz von Di- und Trinitrophenol
berechnen (beim Mononitrophenol ist c zu unvollkommen bestimmt, um in
Betracht zu kommen). Unter denselben Annahmen könnte das AxenTerbalt-
nifs des Phenols aufserdem das Mittel derjenigen Yon Benzol und Resorcin
sein. Die Berechnung auf beiden Wegen liefert genau dasselbe Yerhältnirs
fQr a : b, fQr c aber einen gerade halb so grorsen Werth auf dem ersten
Wege, als auf dem zweiten (also rationaler Co6fficient). Femer zeigt diese
hypothetische Krystallform des Phenols in einer Zone ganz gleiche Winkel
mit der Isonitrophensfture , dem Isomeren des Nitrophenols, welches nach
Hm. T. Kokscharoff allerdings monoklinisch krystallisirt Es ist schwer an-
vom 28. Apnl 1870. 251
Das a-Chloranilin C^H« C1(NH,) ist nach Hrn. Des Cloi-
seaox's Messung rhombisch mit dem Azenverbfiltnifs
a : b : c = 0,804 : 1 : 0,935.
Das entsprechende Nitrochloranilin C6Hs(N0))Cl(NH,) ge-
hört demselben System an. Nach demselben Beobachter:
a:b:c = 0,791 : 1: 1,117.
Also darch die Nitrogrnppe eine Änderung, wieder nor in einer
Richtung, und zwar in demselben Sinne, ja von nahe gleicher
Grofse, wie bei den nitrirten Phenolen.
Das rr-Nitrochlorbenzol (Ghlorbenzol selbst ist flüssig) ist
rhombisch, aber nur unvollständig bekannt; zwei seiner Axcn
verhalten sich wie 1 : 0,515 (nach Hm. Jungfleisch).
Vom Binitrochlorbenzol hat Hr. Jungfleisch (Ann. chim.
phys. [4], 15. Bd.) zwei isomere Modificationen dargestellt, welche
Hr. Des Cloiseaux krystallographisch untersucht hat. Nach die-
sem sind sie beide ebenfalls rhombisch, wie der erste Korper,
und haben die Dimensionen:
a-Chlorbinitrobenzol: a : b : c = 0,809 : 1 : 0,713 ,
ß' « « « Ä « = 0,835: 1:0,387.
Diese beiden Isomeren deriviren krystallographisch vielleicht
derart von Nitrochlorbenzol, dafs eines der beiden unbekann-
ten AxenverhSltnisse desselben nahe ungeändert blieb, die dritte
Axe dagegen variirte, und zwar verschieden, je nach der relativen
Stellang der Nitrogruppen.
Auch zwischen Bichlorbenzol (Des Cloiseaux) undNitro-
biclilorbenzol (Jungfleisch) zeigen sich in gewissen Zonen Win-
kelfihnlichkeiten ; doch ist letzteres unvollständig bekannt.
zunebmen, dafs dies Alles auf Zufall beruhe; doch mufs erst eine genaue
Bestimmung des Phenols selbst die Frage entscheiden. Der Einflufs der re-
latiTen Stellung der Gruppen N0| und HO bei den nitrirten Phenolen kann
wegen deren nnToHkommener Kenntnifs ebenfalls noch nicht beurtheilt
werden.
252 OeutmnUiitgyng
. Alle Beispiele «eigen also fibereinstimmend , dafo der Ein-
tritt von NOs die Krystallform nnr in einer Richtang
'«wesentlich findert.
Eine weit energischere Wirkung fibt die Substitution durch
Chlor, Brom u. s. w. ans, welche regelmftfsig zugleich eine Än-
derung des Systems in ein weniger reguläres nach sich
zieht Trotzdem bleiben auch dann noch die Winkel einer
Zone den entsprechenden an der unveränderten Sub-
stanz nahe gleich.
Die Chlorsubstitutionsreihe des Benzols ist nur unvollständig
bekannt:
1. Das Benzol selbst leitet sich von einem rhombischen
Prisma von circa 96^° ab.
2. Das Bichlorbenzol (und Bibrombenzol, welches da-
mit isomorph ist) ist monoklinisch geworden; sein Prisma ist
aber 98"" 40' (n. Des Clois.).
3. Das Tetrachlorbenzol hat dasselbe System und ein
Prisma von 96° 17' (Des Clois.), also beide dem des Bensols sehr
ähnlich.
Das Tri- und Pentachlorphenol haben nach Laurents
Messungen ein gleiches Prisma von 110°; die fibrigen Dimensio
nen sind unbekannt.
Das Binitrophenol ist, wie wir oben sahen, rhombisch;
eine prismatische Zone desselben hat die Winkel 106° O' und 74° O'.
Tritt ein Atom Brom für Wasserstoff ein, so wird es mo-
noklinisch, aber mit einem Prisma von 106° 30' und 73° Bif.
Chlornitrobenzol zeigt mit Bichlornitrobenxol und
dieses wieder mit Trichlornitrobenzol ebenfalls je in einer
Zone ähnliche Winkel, doch sind diese Körper s. Z. noch unvoll-
ständig untersucht (von Hm. Jungfleisch).
vom 28. April 1870. 253
Wir geben also in allen sicher bestimmten F&Uen durch den
Eintritt eines Gl (Br)- Atoms das Krystallsystem sich findem, we-
niger regelmäßig werden. Dagegen scheint der Eintritt eines drit-
ten Gl -Atoms wieder eine mehr symmetrische Stmctnr des Mole-
cals herxastellen; dafür spricht wenigstens das nach Hrn. Jnng-
fleiscb wahrscheinlich rhombische Trichlorbenzol, ebenso da6
rhombische Trichlorphenol und PerchlorbenEol.
Eine in ahnlicher Weise starke, aber auch vorwiegend einsei-
tige Änderung der Krjstallform bedingt endlich auch der Eintritt
von GH3, wenigstens weist darauf folgendes Yerbältnifs hin:
Monochloranilin: rhombisches Prisma von 93^ 52',
Monochlortolnidin: monoklin. Prisma von 94^ 52^.
Nach der wohl ziemlich allgemein adoptirten Ansicht von
Hm. Erlenmejer hat das Naphtalin mit dem Benzol ana-
loge Molecularstructur; dasselbe ist monoklinisch mit dem Axen-
TerhaltniTs :
a : b : c « 1,395 : 1 : 1,428
y = 56° 31'.
Der Eintritt von HO bedingt hier ebenso, wie beim
Benzol, keine SystemSnderung, sondern nur eine vor-
wiegende Variation der einen Axe. Die beiden isomeren
Napbthole haben die Dimensionen:
«-Naphthol: a ; b : c = 1,475 : 1 : 1,802, — 7 = 62^ 40'.
/3- ,, ^ = 1,369 : 1 : ? — „ = 60° 8'.
Die verticalen Prismen beider (von dem Yerhältnifs a : b ab-
hängig) sind denen des Naphtalins sehr nahe gleich. Daraus er-
scheint es wahrscheinlich, dafs das weitere Studium der Naphta-
[1870] 18
254 Gesammtaiizunff
linderivate ebenfalls interessante Beziehungen zwischen deren
Krjstallfomien ergeben werde.
Die analoge Molecularstructur des Benzols, Naphtaiins
und Anthracens (vgL Gr&be und Liebermann^ Ann. d. Cbem. a.
Pharm. 1870) zeigt sich auch in einer grofsen Ähnlichkeit ihrer
Krjstallformen. Obgleich verschiedenen Systemen angehorig, zei-
gen sie doch alle das gleiche verticale Prisma:
Benzol: Rhombisches Prisma von 96^^;
Naphtalin: Monoklin. Prisma von 98° 40';
Anthracen*): do. do. ^ 99° 7'.
Was nun die oben zusammengestellten Beispiele für die Än-
derung der Krystallformen durch den Eintritt gewisser Atorogrup-
pen betrifft, so mufs es zwar weiteren Untersuchungen Torbehalten
bleiben, die Zahlengesetze für diese Änderungen aufzufinden; —
aber auch die noch unvollständig vorliegenden Thatsachen bewei-
sen bereits die Eingangs ausgesprochene Behauptung, dafs es Atome
und Atomgruppen gäbe, welche durch ihre Substitution für Was-
serstoff die Krjstallform eines Korpers nur in gewisser Richtung
Andern. Es wird vielleicht geeignet sein, die in Rede stehende Er-
scheinung immer mit einem einzigen Worte bezeichnen zu können,
und die gesetzmäfsige Änderung einer Krystallforni
durch den, Wasserstoff substituirenden, Eintritt eines
neuen Atoms oder einer Atomgruppe etwa mit dem Namen
j^Morphotropie*^ zu belegen.
Es wurden dann z. B. unter den oben angeführten FfiUen das
Mono-, Bi- und Trinitrophenol zu einander im Yerhfiltnifs der
Morphotropie stehen, „eine morphotropische Reihe^ bilden.
Man würde dann von der „morphotropischen Kraft^ eines
Elementes oder einer Atomgruppe in Bezug auf eine Verbindung
') = Photen von Hrn. Fritzschc, von Hrn. v. Kokscharoff und mir
gemessen.
vom 28. April 1870. 355
zu sprechen haben. So wurde s. B. die morphotropische Kraft des
Hjdrozyls nnd der Nitrogroppe in Bezug auf Benzol, Phenol u. 8. w.
als eine sehr mSCsige bezeichnet werden müssen, welche nur eine
Axe um einen bestimmten Werth ändert, ohne das Krystallsjstem
t\k alteriren. Dagegen wftre die morphotropische Kraft des Chlors
u. 8. w. eine weit intensivere (vgl. oben). Es Iftfst sich theoretisch
leicht voraussehen, von welchen Umstünden der Betrag der mor-
photropischen KraftSufsernng abhängen mufs:
1. Von der specifischen morphotropiachen Kraft des subBtituiren-
den Atoms oder der Atomgruppe.
2. Von der chemischen Natur derjenigen Verbindung^ in u>eU
eher die Substitution vor sich geht. Die Gruppe CH« z. B. än-
dert nicht jede Verbindung in gleicher Weise, daher sind homo-
loge Korper einander in ihren Krystallformen theils mehr, theils
weniger nahe stehend. Die zwischen solchen bestehenden entfern-
teren Beziehungen, welche Laurent als „Isomorphie in verschie-
denen Systemen^ auffafste, Hr. Hjordahl (J. f. pract. Cbem.,
94. Bd.) noch weiter ausführte und ^partiellen Isomorphismus^
nannte, lassen sich jedenfalls alle durch Morphotropie erklären.
3. Von dem Krystallsysiem der zu verändernden Verbindung.
Es liegt auf der Hand, dafs eine viel grofsere formändemde Kraft
dazu gehört, einen regulären Krystall zu alteriren, als einen der
andern Systeme, weil bei jenem eine blofse Änderung der Win-
kel, ohne einen vollständigen Weehsel des Krjstallsystems, un-
niuglich ist.
4. Van der relativen Stellung der neu eintretenden Gruppe zu
den andern Atomen des Moleeüls. Aus einem oben angeführten
Beispiele scheint hervorzugehen, dafs der Eintritt derselben Gruppe
an verschiedenen Stellen des Moleculs dieselbe Axe, aber in ver-
schiedener Weise ändert. Von der grofsten Wichtigkeit für die
Beantwortung dieser Frage würde die Vervollständigung der kry-
stallographischen Kenntnifs der beiden Isomeren des Resorcin,
nämlich des Brenzcatechin und Hydrocfainon^ sein, welche ich da-
her ausfuhren werde, sobald es mir gelingt, die betre£fenden Sub-
stanzen in geeignetem Zustande zu erhalten.
Als sicher ist indefs wohl anzunehmen^ dafs die Krystall-
formen isomerer Körper stets verschieden sind» und zwar
18*
256 Oüammintzvkg
om so mehr, je gröFser ihre chemische Verschiedenheit durch die
Art ihrer Isomerie ist.
Wenn gewisse Atomgrappen, wie HO und NOs, nur solche
Anderangen hervorbringen, dafs die neuen Formen noch mit den
frühem vergleichbar sind, so entsteht die Frage, ob es nicht auch
unter den Metallen solche mit geringer morphotropischer Kraft
giebt. Dann muIlBte eine (H haltige) Sfiure mit dem SaLse, welches
das betreffende Metall für H enthält, im Yerh&Itnils der Morpho-
tropie stehen. Dies ist in der That der Fall; doch ist die Zahl
der, zur Aufsuchung solcher Beziehungen benutzbaren, krystallo
graphisch untersuchten Sfiuren und Salze eine sehr geringe, weil
man nur dicjenigsn in Betracht ziehen kann, bei welchen Saure,
wie Salz wasserfrei krystallisiren.')
Es liegen aus der Omppe der aromatischen Siuren zwei Bei-
spiele vor:
1. Die Form der Pikrinsfiure (Trinitrophenol) wird
darch den Eintritt eines Kalium- Atoms fQr H nur in einer
Richtung geändert. Es ist:
a :b: e
Pikrinsäure; CcH,(NO,),.OH: Rhombisch: « 0,937 : 1 : 0,974,
Pikrins.KaL: CeH,(NO0fQKa: ^ ^ es 0,942 : 1 : 1,352.
Ammonium bringt hier dieselbe Änderung hervor, d. h. das
Ammoniumsalz ist dem Kaliumsalz isomorph.
2. Ähnlich verhalten sich zu einander Ph talsäure (nach
Hrn. Scheibler) und saures phtals. Ammonium (letzteres
nicht sehr genau von Gerhardt gemessen):
a: b: c
Phtalsäure: C«H4(C00H)(C00H): Rhombisch: 0,355: 1 : 1,363,
Phtals. Am-
monium: C«H4(COOH)(COOAm): „ „ 0,453 : 1 : 1,327.
^} Man kennt noch nicht die Rolle, welche in Verbindung mit anderen
Kdipera dos Wasser in krystaUagraphischer Hinsicht spielt. Dies ist ein
specielier Fall der allgemeinen Frage nach dem Zusammenhang der Krystall*
form einer molecularen Verbindung mit den Formen der beiden Be-
standtheile, einer Frage, auf welche ich in einer spätem Mittheilong zurück-
zukommen hoffo.
vom 28. April 1870. 257
Ealiam und Ammoniam haben also eine morphötropisehe
Kraft in Bezng auf die Pikrin- nnd die PhtaLsfiure, welche sich
mit der yon HO and NO] vergleichen Ifilst. Da aie fast in allen
Verbindungen isomorph sind, so mufs man ihnen eine nahe gleiche
specifische morphötropisehe Kraft zuschreiben. Ob deren Aufse-
rung allgemein eine ähnliche ist, wie in obigen F&Uen, mufs vor-
läufig dahingestellt bleiben* Dafs diese Beziehungen jedoch über
den Kreis der hier besprochenen Verbindungen hinaus verfolgt zu
werden rerdienen, darauf deutet ein Beispiel hin, dessen Kenntnifs
wir Hrn. Rammeisberg verdanken (Berichte d. d. ehem. Ges.
1870):
Die beiden Salze
HTlgPO^+aq
und HjNaPO« + aq
zeigen eine bemerkenswerthe Ähnlichkeit ihrer Form ; dem zweiten
ist sicher isomorph das entsprechende Thalliumsalz; wir hätten
also zu vergleichen, wobei R das Alkalimetall bedeutet:
H,RP04+aq und HR,P04+aq.
Die Axenverhältnisse sind für den angegebenen Fall:
1) HsRPO« +aq: Rhombisch: a:b:c=» 0,934:1:0,657.
2) HB,P04-haq: „ „ „ „ «0,931:1:0,782.
Also eine Morphotropie durch den Eintritt eines zweiten R-
Atoms, in ganz derselben Weise, wie oben beim Ejilium (Hr. Ram-
melsberg, s. a. a. O., war, um die beiden Salze in das Gewand
der Isomorphie zu kleiden, zu der Annahme gezwungen, die
Ilauptaxe c der einen Substanz müsse mit dem CoSfficient \ auf
die der andern bezogen werden). — Ebenso verhalten sich zu ein-
ander die beiden monoklinen Salze:
H.TIPO^: a:b:c= 3,175:1:1,458.7 = 88° 16'.
HAm.PO*: „ „ =» 3,043 : 1 : 1,198. „ = 88° 0'.
Hier ist also ebeofalls nur die Axe c durch die Substitution eines
H durch ein Alkalimetall-Atom verändert worden.
Hier bietet sich also, besonders mit Rücksicht auf die Bezie-
bangen zwischen Isomorphie und Morphotropie, der weitern For-
278 Oesammtsiizung
Der Werth dieses Yernichtnngswinkels isl Terschieden
nach dem Abstände zwischen den Elektroden und ancb naeh dem
Durchmesser der Kugeln, in welchen die Elektroden endigen. Je
gröDser dieser Abstand ist, desto gröfser ist auch jener Winkel,
ohne ihm gerade proportional zu sein. Bei Funken von 7 bis 8
Zoll Lfinge kann er wohl auf 30^ und darüber steigen*
Auch bleibt der Winkel bei Fortdauer des Stromes nicht con-
fttant. Anfangs genügt vielleicht schon ein Winkel von 30^ um
die Funken zu unterdrücken; aUein bei fortgesetzter Drehung der
Maschine kommen sie wieder zum Vorschein, und es bedarf za
ihrer Vernichtung einer abermaligen Reduetion des Winkela, welche
sich naeh einiger Zeit vielleicht aufs Nene als ungenügend Mweist,
bis man endlieh zu einem Minimalwerth gelangt, bei dem die Fan-
ken bleibend verschwinden.
Aber was besonders bemerkenswerth ist: jener Winkel ist anch
bei gleicher Qröfse des gegenseitigen Abstandes der Elektroden
verschieden nach der Lage desselben zwischen den Elektrodenhal-
tern. Der nämliche Winkel, der, wenn dieser Abstand auf Seite
des positiven Elektrodenhalters liegt, die Entladungsfunken der
Flasche vernichtet, l&ist Funken von glekber Lfinge unverfindert
bestehen, wenn der Abstand nach Seite des negativen Elektroden-
halters hin versetzt wird. Es h&ngt dies wohl zusammen mit der
schon früher, als noch keine schrfigen Conductoren üblich waren,
von Hm. Dr. Holtz gemachten Erfahrung, dafs man überhaupt,
um gute Fanken zu erhalten, nur die negative Elektrode aus der
Mitte entfernen dürfe, nicht die positive.
Der Einflufs des erwfihnten Winkels auf die Wirkung des dia«
metralen Conductors zeigt sich übrigens auch in dem Fall, wo ihm
keine grofsen Fapierbelege gegenüber stehen. Hat dieser
Winkel einen beträchtlichen Werth, z. B. 45°, so ist es nicht mög-
lich, die Maschine auf eine der bekannten Weisen in Tbfitigkeit zu
setzen, und daher war ich früher, um diese Erregung zu bewerkstel-
Ug^n, genöthigt, entweder den Conductor zu entfernen oder die Ver-
bindung zwischen seinen Kämmen aufzuheben. Bei der neuen Ma-
schine ist dies nicht mehr nothwendig; man braucht den Winkel
nur bis 10° oder 15° zu verringern und kann sie dann mit Leich-
tigkeit auf die gewohnliche Art erregen.
Hat man einmal die Maschine auf diese Weise in Thätigkeit
gesetzt und erhält sie einige Zeit darin, damit die ruhende Scheibe,
v<m 12. Mai 1870. 279
von welcher der acbrftge Conductor seine Wirksamkeit empfftngt,
recht stark elektrisch werde, so kann man diesen unter einen grds*
fleren Winkel (etwa 45^) einstellen, und dabei wahrnehmen, dafs
er daxm ohne Papierbeleg an der Rückseite der ruhenden Scheibe
^t eben so stark wirkt wie mit |demselben. Ich habe mit ihm
in ersterem Falle Bfisehel und Funken Ton 6 Zoll Lftnge er^
halten.*)
Wenn die Wirkung ohne Papierbelege auch etwas schwacher
ist, 80 hat sie doch andererseits den Vorzug, dafs dabei die Um-
kehmngen des Stroms, wenn überhaupt noch möglich, viel kräfti-
ger verhütet werden als bei Anwendung von Papierbelegen.
Es scheint dieses mit der LeitungsfSbigkeit der Belege zusam-
men zu hSngen, denn wenn man dieselbe erhöht, c. B. das Papier
durch Stanniol ersetzt, treten die Strom -Umkehrungen ungleich
leichter ein.
So lange die Elektroden einander berflhren oder durch einen
Leiter, z. B. eine Flüssigkeit, eine Geifslersche Röhre, Terbnnden
sind, hat man zwischen ihnen einen kr&ftigen Strom, der dem bei
Anwendung von Papierbelegen stattfindenden, durchaus nicht nach-
steht Sowie man sie aber in freier Luft auseinander zieht, nimmt
dieser Strom rasch ab, und bald, wenn der Abstand zwischen ihren
Kogeln auf einige Zoll gebracht ist, erlischt er g&nzlich, ungeach-
tet dann in dem schrfigen Conductor selbst, wie immer, wenn der
Strom zwischen den Elektroden schwach oder Null ist, ein star-
ker Strom auffaitt, der lange und helle Lichtpinsel ans dem positi-
ven seiner Kämme auf die rotirende Scheibe absendet.
Besonders leicht tritt die Strom -Umkehrung ein, wenn der
diametrale Conductor lothrecht steht, oder aus der Lage 45^ in
die lothrechte Stellung gebracht wird.
^) Ebenso sind die Erscheinongen, wenn hinter den Kämmen des Con-
ductors zwar kleine Pspierbelege angebracht sind, diese aber nicht mit den.
Belagen hinter den Elektroden in leitender Verbindang stehen.
Um die volle Wirkung des Conductors zu erhalten, werden gewöhnlich
die enteren Belege durch einen schmalen, gekrümmten Papierstreifen mit den
letzteren verbunden. Ich gebe indefii quadrantalen Belegen, die durchweg so
breit wie die Kimme lang sind, den Vorzug, weil man dabei die Wirkung
des diametralen Conductors unter jedem Winkel stndiren kann.
280 Oesammtsiizung
Die Wirksamkeit des diametralen Condactors ist immer mit
einem in ihm vorhandenen Strom verknüpft. Ohne denselben wirkt
er nicht, obgleich er mit demselben, wie schon erw&hnt, auch nn*
wirksam sein kann. Man erkennt das Dasein und die Richtung
dieses Stromes an den Lichtpunkten und Lichtpinseln, die an den
Kfimmen des Conducton auftreten.
Besser aber lassen sich die einseinen Phasen und Schwankun-
gen des im Conductor vorhandenen Stromes studiren, wenn man,
wie ich es gethan habe, die Kfimme desselben durch ein isoliren-
des Mittelstück trennt and sie darauf durch eine geeignete Spec-
tralröhre (eine enge, an beiden Enden cur Kugel erweiterte Röhre,
die daselbst eingeschmelzte Platindrfihte enthält und mit stark ver-
dünntem Wasserstoff oder Stickstoff gefüllt ist) wiederum verbin-
det Die Wirkung eines so eingerichteten Hülfiscondactors ist einem
metallischen vollkommen gleich, aber bei weitem instructiver und
augenfUliger, wenn man im Dunklen beobachtet Hier einige Bei-
spiele davon.
Wenn man, vor der Maschine stehend, dieselbe so erregt, dafs
der linke Elektrodenkamm negative Elektricit&t ausströmt, und wenn
zugleich der Conductor so gestellt ist, dafs seine obere Hälfte eben-
falls nach der Linken um 45° gegen den Horizont neigt, so ge-
wahrt man, falls auch die Elektroden zusammengeschoben sind,
dafs sein oberer Kamm gleich nach der Erregung positive Elek-
tricitfit aussendet, denn in der oberen Kugel der Spectralröhre
erscheint das bekannte blaue negative Licht Dies dauert aber
nur eine Weile , dann erlischt es; nun kann man die Elektroden
mehre Linien auseinander ziehen, ohne dafs die Röhre irgend wel-
ches Licht sehen läfst Sowie man aber die Elektroden weiter von
einander entfernt, wird die Röhre wieder leuchtend, und zwar so,
dafs nun das blaue Licht in ihrer unteren Kugel erscheint.
Der Strom in dem Conductor geht also Jetzt gegen vorher in umge
kehrter Richtung und diese behält er bei allen ferneren Vergröfse-
rungen des Abstandes zwischen den Elektroden. Überhaupt ist,
wie schon gesagt, der Strom in dem Conductor immer am stärk-
sten, wenn er zwischen den Elektroden am schwächsten, vielleicht
gar Null ist
Waren dagegen bei Erregung der Maschine die Elektroden
nicht in Berührung gebracht, so hat der Strom in dem Conductor
oom 12. Mai 1870. 281
sogleich die letztere Richtung und es findet also keine Umkehmng
desselben statt
Einen Strom von gleicher Richtang, und zwar einen sehr in-
tensiren, seigt aach der Conductor, sobald einmal die Maschine
erregt ist, wenn man ihn so weit nach der Rechten dreht, dafs ihm
kein Papierbeleg mehr gegenüber steht Hierbei müssen aber die
Elektroden auseinander gesogen sein; schiebt man sie zusammen,
so verschwindet das Licht in der Röhre.
Andrerseits, wenn man bei der letzteren Stellung des Conduc-
tors die Maschine in genannter Weise erst erregt, crhSlt man das
blaue Licht wiederum in der oberen Kugel der Rohre, voraus-
gesetzt, dafs die Elektroden zusammengeschoben sind; zieht man
sie auseinander, so erlischt es gänzlich und mit ihm natürlich auch
der Strom.
In allen diesen Ffillen war die Gegenwart grofser Papierbe-
lege hinter den Kfimmen des Conductors vorausgesetzt Dieselben
Erscheinungen zeigen sich aber auch ohne diese Belege fast noch
besser ausgebildet
Einflufs des diametralen Condnctors auf die Erregungsweise
der Elektromaschine.
Bekanntlich ist die Elektromaschine keine primitive Elektrici-
tatsqnelle, sondern ein Werkzeug zur Yervielfi<igung einer ihm
mitgetheilten kleinen Menge freier Elektricit&t, die ebensowohl aus
der Yolta sehen Batterie oder dem Inductorium, als aus der Elek-
trisirmaschine oder einer geriebenen Ebonitplatte herstammen kann,
weshalb denn das Product dieser Vervielföltigung sich im Allge-
meinen nicht einmal als Reibungs-Elektricität betrachten I&fst, ob-
gleich es für gewöhnlich dieser seinen Ursprung verdankt
Gerade durch diesen ihren secundären Character erlangt aber
die Elektromaschine, besonders ^enn man das Verhalten des dia-
metralen Conductors dabei in Betracht zieht, ein Interesse, welches
Elektrisirmaschine und Eiektrophor nicht gewähren.
W&hrend nämlich die Elektrisirmaschine nur durch Reibung,
und der Eiektrophor nur durch Reibung oder Mittheilung zur Wirk-
samkeit gelangt, ohne dabei eine bemerkenswerthe Erscheinung zu
282 Oe$ammU%tzufkg
x^igen'), kann» wie ich schon früher dargethan habe (Monataberichte
1869, April) die rechtl&afig gedrehte Elektromaschine erster Art
aof dreierlei Weisen in Th&tigkeit gesetst werden.
Erstens von der Rückseite her, nach dem gewöhnlichen Yer-
fahren, indem man einem der Belege durch Yertbeiiung oder Mit-
theilung Elektricitfit anfuhrt.')
Zweitens von der Vorderseite her, indem man ans einer an-
deren Elektricit&tsquelle, einer geladenen Flasche oder einer rwei-
ten Maschine, Elektricit&t durch die Metallkfimme der Elektroden
auf die rotirende Scheibe ausströmen Ififst.
Und drittens auf intermediäre Weise mittelst der ruhenden
Scheibe, nachdem man dieselbe durch vorherigen Gebrauch der
Maschine in ihrer oberen und unteren H&lfte entgegengesetat elek-
trisch gemacht und die Belege ableitend berührt hat.
^) Die leichteste Art, einen Elektrophor zu erregen, besteht darin, dafs
man den Knchen desselben einige Male zwischen den Elektroden der Elek-
tromaschine hin- und herführt. Man erhält dadurch nach Belieben, je nach-*
dem wie man ihn in die Form einlegt oder zugleich mit derselben elektrisirt hat,
einen negativen oder einen positiven Elektrophor, der bei der ersten Schiies-
sang Funken von flbenaschender Kraftigkeit giebt Es dQrfen aber bei die-
sem Procefs die Elektroden nur in Spitzen auslaufen, nicht in Kugeln, weil
sonst der Kuchen, wenn er etwas dünn ist, leicht von den Funken der Ma-
schine durchbohrt wird.
'} Es ist ganz einerlei, ob dem einen Beleg z.B. positive Elektricitit
durch Berührung mitgetheilt wird, oder dieselbe in distans vertheilend auf
ihn wirkt In beiden Fällen sendet der gegenüberstehende Elektrodenkamm
negative Elektricität ans.
Bemerkenswerth ist auch, dafs während es, um die Maschine auf solche
Weise in Thätigkeit zu setzen, nur einer geringen Elektricitätsmenge bedarf,
die dann durch das Spiel der Maschine selbst bis zu einem gewissen Punkt
vermehrt wird, eine weitere Vermehrung derselben durch künstliche Mittel
durchaus nichts zur Verstärkung der Wirksamkeit der Maschine beiträgt.
Leitet man z. B., während die Maschine in Thätigkeit ist, positive Elek-
tricität auf ihren positiven Beleg, und negative auf ihren negativen, ans einer
zweiten Maschine, so wird der Strom der ersteren dadurch nicht im Minde-
sten verstärkt.
Dagegen wird dieser Strom augenblicklich vernichtet und auch wohl um-
gekehrt, sowie man die zweite Maschine im entgegengesetzten Sinne auf die
Belege der ersten wirken läfst.
vom 12. Mai 1870. 283
Auf diese dritte Erregongsweise scheint der Hnlfscondactor
ganz ohne EinfloDs zu sein- Und auf die erste wirkt er nur inso*
fern, als er, wenn ihm keine Papierbelege gegenüber stehen, sie
gar nicht zu Stande kommen Ififst, sobald er nicht einen kleinen
Winkel mit der Yerbindangsiinie der Elektrodenkfimme macht, wie
schon vorhin gesagt.
Desto entschiedener nnd merkwürdiger aber ist sein Einfluls
auf die zweite Erregungsweise. Ich habe darüber schon im Mo-
natsbericht Tom Januar des verflossenen Jahrs eine vorlfiufige No-
tiz gegeben^ und will nun hier die Sache ausführlicher behandeln.
Biese Erregungsweise kann sowohl durch geladene Flaschen als
durch den Strom einer zweiten Elektromaschine bewerkstelligt wer*
den. Beide Methoden haben ihr Eigenthümliches.
Erregung der Maschine durch geladene Flaschen.
Erster Fall: Maschine ohne Hülfsconductor. — Legt
man zwei entgegengesetzt geladene Flaschen, deren äuTsere Belege
in metallische Verbindung gesetzt sind, mit ihren Knöpfen an die,
zur Verhütung einer Entladung zwischen ihnen, hinreichend aus*
einander gezogenen Elektroden, und bringt darauf die Maschine
rechtl&ofig, d. h. den Z&hnen ihrer Papierbelege entgegen, in
Rotation, so erfolgt eine stille Entladung der Flaschen gegen
die rotirende Scheibe. Dabei geht von der positiven Flasche (d. h.
von ihrem inneren positiven Belege) positive Elektricität, und von
der negativen negative Elektricität auf die Scheibe über, wie man
dies im Dunklen aus den Licht-Erscheinungen an den Elektroden-
kammen deutlich ersieht.
Durch diese Entladung gelangt die Maschine zur Thätigkeit,
in solcher Weise, dafs sie, nachdem die Flaschen erschöpft sind,
den eingeleiteten Procefs in gleicher Richtung fortsetzt Da nun,
wenn der eine Kamm fortdauernd positive , und der andere fort*
dauernd negative Elektricitfit aussendet, die EInöpfe der Elektroden
notbwendigerweise eben so fortdauernd die entgegengesetzten Elek-
tricitaten an die Flaschen abgeben müssen, so werden diese wie-
derum geladen, und zwar in umgekehrtem Sinn, wie sie es vor-
her waren.
Allein die so umgekehrt geladenen Flaschen wirken auf die
Maschine zurück, erregen sie im entgegengesetzten Sinn, um
sie nach kurzer Zeit wiederum im ursprünglichen Sinn zu be-
284 Gesammtsitzung
lebeO) und so fort, eine onunterbrochene Reihe von Strom-Umkeh-
rungen bewirkend. Um die Maschine in einem bestimmten Sinn
erregt sa haben, mufs man demnach die Elektroden zur rechten Zeit
schliefsen nnd die Flaschen entfernen.
Zweiter Fall: Maschine swar mit Hülfscondnctor
armirt, aber ohne Papierbelege dahinter. — In diesem
Falle findet bei der eben beschriebenen Operation wohl eine stille
Entladung der Flaschen gegen die Scheibe statt, aber keine umge-
kehrte Ladung derselben, da die Maschine nicht zur selbststfindigen
Th&tigkeit gelangt. Die Licht-Erscheinungen an den Kämmen der
Elektroden und des Conductors während der Entladung sind nur
schwach, und zeigen, dafs während derselben, bei schräger Stel-
lung des Conductors, die benachbarten Kämme entgegengesetzt
elektrisch sind, also, im Kreise herumgezählt, auf zwei positire
Kämme zwei negative folgen.
Dritter Fall: Maschine mit Hülfscondnctor und Pa-
pierbelegen dahinter. — Dieser Fall bietet eine ganz ano-
male Erscheinung dar. Die positiv geladene Flasche sendet
nämlich bei rechtläufiger Drehung der Maschine nicht positive,
sondern negative Elektricität gegen die rotirende Scheibe, und
die negativ geladene ebenso positive.') Eine stille Entladung
der Flaschen findet nicht statt, im Gegentheil eine stärkere La-
dung derselben im ursprfinglichen Sinn, während die Maschine«
verglichen mit dem ersten Fall, wo kein Conductor vorhanden war,
im umgekehrten Sinn zur selbstständigen Thätigkeit gelangt.
Die geladenen Flaschen verlieren also nichts von der in ihnen
angehäuften Elektricität, nehmen vielmehr noch neue derselben Art
aus der rotirenden Scheibe auf, ungeachtet diese erst durch sie
elektrisch gemacht wird.
Die Ladung der Flaschen, um diese Wirkung hervorzubringen,
braucht gar keine starke zu sein. Zwei Flaschen, jede von 73
Quadratzoll äufserer Belegung, die an einer anderen Elektroma-
schine durch eine einzige Kurbeldrehung geladen worden waren,
so schwach, dafs sie sich zwischen Kugeln von 10 Lin. erst ent-
') Dreht man die Maschine rückläufig, so verhält es sich umgekehrt.
Die positiv geladene Flasche oder vielmehr ihr positiver Knopf z. B. sendet
positive Elektricität auf die Scheibe.
vom i2. Mai £870. 285
laden, wenn diese bis za 3 Lin. sasammeDgeschoben wurden, reich*
ten hin, die anomale Erregang hervorzurufen, welche ihnen nun
eine viel höhere Ladung ertheilte, eine Ladung von 4 Zoll Schlag-
weite und darüber.
Diese merkwürdige Erzeugung und Einsaugung von Elektrici-
tat durch partiell geladene Flaschen ist nicht blofs der eben ge-
nannten Combination eigen, sondern zeigt sich auch in zwei an-
dern, sehr verschiedenen FfiUen, von denen ich weiterhin sprechen
werde.
Das verschiedene Verhalten geladener Flaschen gegen, die
noch unerregte Maschine, je nachdem diese mit einem diametra-
len Conductor versehen ist oder nicht, giebt übrigens eine einfache
Erkl&rung der Thatsache, dafs wenn man Flaschen von einiger
GroJse an der bereits th fitigen Maschine zu laden versucht und
diese mit keinem Conductor versehen ist, der Strom derselben sich
umkehrt, dafs dies aber nicht geschieht, sobald ein Conductor zu-
gegen ist. Im ersten Fall wirkt nämlich die Flasche der Maschine
entgegen, im zweiten Fall aber nicht.
Erregung der Elektromasehine durch den Strom einer andern.
Erster Fall: Beide Maschinen ohne diametralen
Conductor. — Wird der Strom der einen Maschine auf die
rechtlfiufig rotirende Scheibe der anderen, noch nicht erregten ge-
leitet, so kommt auch diese in Thfitigkeit und zwar in gleichem
Sinne mit der ersteren^ so dafs jeder der Verbindungsdr&hte an
seinen Enden oder Metallkämmen entgegengesetzte Elektricitäten
aassendet.
Werden die beiden Maschinen erst einzeln erregt und dann
gleichsinnig verbunden, so ist auch nach der Verbindung der Strom
in beiden ein gleichsinniger. Werden sie aber, nach der Erregung,
widersinnig verbunden, so erlischt der Strom in beiden.
Zweiter Fall: Die eine Maschine ohne Conductor,
die andere mit demselben. — Wird die Maschine Ä^ die kei-
nen Hülfsconductor hat, erst erregt, und alsdann ihr Strom auf
die noch unerregte Maschine J9, die mit Conductor versehen ist,
geleitet, so kommt auch diese in Thfitigkeit, momentan in wider-
sinniger Richtung mit dem Strom von A\ allein sie übt auf die-
sen eineReaction aus, kehrt ihn nämlich um, so dafs dann doch
die Strome bei der Maschine in gleicher Richtung gehen, aber ent-
286 Oesammtsitzung
gegen der, welcher man den Strom von Ä ursprünglich eingeprägt
hatte.
Hat man die mit Condactor versehene Maschine B zuerst er>
regt und ihren Strom auf die unerregte Ä geleitet, so findet eine
solche Reaction oder Umkehrung nicht statt. Der Strom von A
ist gleichsinnig mit dem von B, der auch nach der Verbindung
seine ursprüngliche Richtung bewahrt.
Dritter Fall: Die eine Maschine ohne Conductor,
die andere mit Conductor, aber ohne Papierbelege da-
hinter. — Der Strom der ersten Maschine Ä bringt die andere
B nicht cur selbststfindigen Thfitigkeit; während der Einströmung
bemerkt man zwar Licht-Erscheinungen an den Kftmmen von B^
aber sie sind schwach, werden immer schwächer und verschwinden
endlich mit dem gleichzeitigen Erlöschen des Stroms in A*
Vierter Fall: Beide Maschinen mit Conductoren,
aber nur die eine mit Papierbelegen dahinter. — Die
Maschine A mit Belegen erregt ganz deutlich in der Maschine B
ohne Belege einen gleichsinnigen Strom; aber dieser Strom besteht
nur während der Einströmung und so lange man B in Rotation
erhält. Dabei findet in A kein Erloschen des Stromes statt. Der
ganze Vorgang hat Ähnlichkeit mit dem in zweiten Fall der Erre-
gung durch Flaschen.
Fünfter Fall: Beide Maschinen mit Conductoren und
Papierbelegen dahinter. — Dieser Fall ist wiederum ganz
anomal. Lieitet man nämlich den Strom der einen Maschine auf
die zwar in Rotation versetzte, aber noch unerregte zweite Ma-
schine, so kommt diese in widersinniger Richtung zur selbst-
ständigen Thätigkeit, also so, daCs ihr Strom dem der ersten Ma-
schine entgegengesetzt ist. In Folge defs hat man die merkwfir-
dige, im Dunklen schon durch den blofsen Anblick erkennbare Er-
scheinung, dafs die Verbindungsdrähte aus den Kämmen an ihren
Enden einerlei Elektricität aussenden und aus ihrer Mitte die
entgegengesetzte. Der eine Draht strahlt solchergestalt an
beiden Enden positve und in der Mitte negative Elektricität aus;
der andere an den Enden negative und in der Mitte positive.
Dasselbe geschieht, wenn man zwei mit diametralen Ck)nduc-
toren versehene Maschinen erst einzeln erregt und dann widersin-
nig verbindet. Die Strome derselben loschen einander nicht ans.
vom 12. Mai 1870. 287
wie im Falle der Abwesenheit dieser Conductoren, sondern ver-
harren unyerfindert in ihrer Widersinnigkeit.
Verbindet man andrerseits dieselben vorher erregten Maschi-
nen gleichsinnig mit einander, so kehrt der Strom der einen
den der andern lun, und die Maschinen wirken also dann doch
wie vorhin einander entgegen. Welche der beiden Maschinen
dabei das Übergewicht erlangt, h&ngt theils von der Kr&ftigkeit
derselben ab, theils aber, und, wie es scheint, hauptsfichlich
davon, welche von ihnen, nach der Verbindung mit der andern,
cDerst in Bewegung gesetzt ward. Die zuerst bewegte Maschine
überwältigt die andere.
In allen diesen drei F&llen ist kein Strom in den Verbindnngs-
drähten vorhanden. Denn wenn man sie an einer Stelle unter-
bricht und daselbst eine Geifslersche Rohre einschaltet, bleibt
dieselbe dunkel, sobald nur beide Maschinen gleich stark wirken.
Von dieser merkwürdigen Anordnung der Elektricit&t auf den
Verbindungsdrfihten kann man eine Nutzanwendung machen, darin
bestehend, dafs man zwischen beiden Dr&hten eine Brücke scblfigt.
Man erhilt dann in dieser Brücke einen Strom, welcher gleich ist
der Summe der Strome beider Maschinen.
Schon in der kurzen Notiz im Januarheft der voij&hrigen Mo-
natsberichte, aus der ich die eben angeführten Worte entlehne,
Bsgte ich, dafs sich, gestutzt auf diese Thatsache, eine Maschine
von doppelter Kraft einer einfachen construiren lasse, unterliefs es
aber damals die Idee zur Ausfuhrung zu bringen. Seit einigen
Monaten bin ich jedoch im Besitz einer solchen Doppelmaschine,
vortrefflich ausgeführt von dem Mechanikus Borchardt, die allen
meinen von ihr gehegten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern
sogar übertroffen hat. Bevor ich indefs zur Beschreibung dersel-
ben übergehe, will ich hier einige andere Beobachtungen mitthei-
leo, die mit den bereits auseinander gesetzten in enger Beziehung
stehen.
Nene Erregangsweise der Eleklromaschine.
Bei allen bisherigen Erregungsweisen mufste man die Maschine
erster Art, damit sie zur Thätigkeit gelange, rechtlfiufig, d. h.
den Zfihnen der Belege entgegen, rotiren lassen. Es ist dies aber
288 Oesammt$iizunff
keine ateolnte Nothwendigkeit Sie kann auch durch rückläu-
fige Rotation in Th&tigkeit Teraetit werden.
Binen ersten Fall der Art habe ich bei Gelegenheit meiner
Untersachnng über das Holte sehe BotationsphXnomen beobachtet,
damals aber nnerwShnt gdassen.
Leitet man nämlich den Strom einer Maschine A^ die mit
Condactor und Papierbelegen dahinter yersehen ist, auf eine zweite
Maschine B, weldie keinen Condnctor hat, so kommt diese, wenn
sie hinreichend bew^lich ist, nach einem kleinen Anstols, in Ro-
tation, und zwar nach der einen Richtnng siemlich eben so. gut
als nach der anderen.
Das N&nliche ist der Fall, wenn die Maschine B swar einen
Condactor hat, derselbe aber so gestellt ist, dals ihm die grofsen
Papierbelege nidit gegenfiberstehen. Bringt man ihn jedoch in die
Stellung yor diesen, so vermag die Maschine merkwordigerweise
nur in einer Richtung au rotiren, nSmlich in der rückläufigen.
Unterh< man nun diese rückläufige Rotation eine Zeitlang,
trennt dann die Maschine B yon der andern A, und setzt sie mit-
telst der durch die Hand gedrehten Kurbel in rechtl£ufige Ro-
tation, so giebt sie einen starken Strom, welcher dem von Ä^ der
anfangs auf sie einströmte» in Riditung entgegengesetst ist
Ein zweiter Fall ist dieser. Man leitet den Strom der Ma-
schine A^ die mit Conductor und Papierbelegen yersehen ist, auf
die Maschine Bj aber nicht wie immer bisher durch ihre Elektro-
denk&mme, sondern durch die Kfimme ihres Conductors, die 20
diesem Zweck von einander -isolirt sein müssen, jedoch nicht noth-
wendig Papierbelegen gegenüber zu stehen brauchen. Dreht man
nun die Maschine J9, gleichviel ob rech tl aufig oder rückläafigi
so gewahrt man an den Licht-Erscheinungen, die im Dunklen an
den K&mmen sichtbar sind, daCs während der Einströmung in B
ein Strom erregt wird, der dem von A in Richtung entgegengesetzt
ist, der aber, sowie man B von A abtrennt und fortgesetzt recbt-
läufig dreht, seine Richtung umkehrt, folglich gleiche Richtung mit
dem erregenden Strom von A bekommt.
Ich halte dafür, dafs diese beiden Fälle, obwohl in der Form
von den bisher bekannten Erregungsweisen verschieden, dennoch
im Wesen zusammenfallen mit derjenigen, welche ich vorhin die
intermediäre genannt habe, dafs sie nämlich aus einer entgegen-
vom 12. Mai 1870. S89
geseUten Elektrisirnng der beiden Hfilften der ruhenden Scheibe
hervorgehen.
Die rucklfiafige Rotation, von der eben die Bede war, Ufst
sich auch mittelst geladener Flaschen berrorbringen, die man
der noch nnerregten Maschine anlegt.
Interessanter macht sich aber der Versuch, wenn man an die
bereits erregte Maschine ein Paar etwas grofser, ungelade*
n er Flaschen ansetzt (ich nehme sie von 73 und von 152 Quadrat*
zoll finfserer Belegung eine jede) und die Elektroden 4 bis 5 Zoll
auseinander zieht, um ihnen eine recht starke Ladung ertheilen zu
können, und nun rechtlfiufig dreht. Schon hiebei spürt man
fühlbar, dafs sich die Maschine um so schwerer drehen Ififst, je
mehr man dem möglichen Maximum der Ladung nahe kommt.
Hat man dieses Maximum ungef&hr erreicht und läfst nun die
Kurbel los, so beginnt die Maschine durch die Beaction der Flasche
aas freien Stücken rückläufig zu rotiren, und zwar trotz des
Schnurlaufs (wenn er nur nicht zu stark gespannt ist) ziemlich
rasch und wohl so lange, dafs die Scheibe 25 bis 30 Umgänge
macht. Entfernt man die Schnur, so rotirt sie natürlich viel schnel-
ler und langer. Auch zu dieser Rotation, bei welcher die Flaschen
still entladen werden, und jede derselben diejenige Elektricitfit auf
die Scheibe aussendet, mit welcher sie geladen war, ist nothwen-
dig, dafs die Maschine mit einem vor den Papierbelegen stehenden
diametralen Conductor versehen sei; sonst erfolgt sie nicht
Dafs diese interessante Form des Holtz'schen Rotationspbfi*
nomena bisher noch nicht beobachtet worden ist, ungeachtet man
seit fünf Jahren so oft Flaschen an der Maschine geladen hat, hat
seinen Grund wohl darin, dafs die Maschine einerseits nicht be-
weglich genug war und andrerseits auch keine Einrichtung besafs,
um gröfsere Flaschen mit ihr zu verbinden, was nur mittelst
der weiterhin beschriebenen Teller auf den Elektrodenhaltem leicht
und bequem zu bewerkstelligen ist.
Erregung der Elektromaschine erster Art bei Vertanschang
der Elektroden gegen den diametralen Conductor.
Im Aprilheft der Monatsberichte von vorigem Jahre habe ich
eine Gebrauchsweise der Elektromaschine erster Art beschrieben,
290 OiMammtsitzung
die auf eine VertauBchnng der Elektroden gegen den diametralen
Condactor hinanslfioft. Es wird nfimlich die mhende Scheibe,
welche mit swei gezahnten Belegen von geringer Breite versehen
sein mnfs, so gestellt, dafs der eine dieser Belege senkrecht unter
dem andern liegt. Bringt man nun vor ihnen den diametralen
mifsconductor ebenfalls in lothrechter Stellung an, so kann man
die Maschine (sobald nur die Elektroden hinreichend auseinander
gesogen sind) auf die gewöhnliche Weise von der Rückseite her
erregen, und bekommt dann in dem Conductor den Hauptstrom,
wie ich ihn nannte, und in den Elektroden der horizontalen Kfimme,
denen keine gezahnten Belege gegenüberstehen, den Nebenstrom,
der allein nutzbar ist.
Ich zeigte dann, dafs dieser Nebenstrom die Differenz zweier
entgegengesetzten Strome ist, deren einer von der vorderen rotiren-
den Scheibe und der andere von der hinteren ruhenden aasgeht,
und data man den letzteren schwfichen oder vernichten müsse, wenn
man eine anhaltende Wirkung zu erhalten wünscht. Dies gelang
mir, indem ich die ruhende Scheibe hinter den Elektrodenkfimmen
mit grofsen Ausschnitten versah, denen keine Belege angefugt
waren.
Als ich jetzt die letztere Combination auf ihre Erregung nfiher
nntersuchte, fand ich, dafs, wiewohl man sie durch Elektrisirnng
der Belege von der Rückseite her ganz leicht in Thfitigkeit setzen
kann, dieses durch Einströmung von Elektricit&t auf die vordere
rotirende Scheibe mittelst der Elektrodenkämme nicht zu bewerk-
stelligen sei. Ich mochte die Elektroden mit geladenen Flaschen
oder mit einer anderen Maschine verbinden: die genannte Combi-
nation kam nicht zur Wirksamkeit.
Ich vertauschte nun die Scheibe mit vier Ausschnitten gegen
die mit zwei und daran sitzenden Belegen, und siehe da: jetzt
war eine Erregung von der Vorderseite her durch die Elektroden
möglich.
Legte ich geladene Flaschen an, so wurden sie nicht still
entladen, sondern stfirker geladen; sie boten also denselben
anomalen Fall dar, der vorhin S. 284 besprochen wurde, ungeach-
tet es hier der Hülfscondactor selber war, in welchem der Vorgang
stattfand.
Ähnlich verhielt es sich , als der Strom einer anderen Ma-
schine durch die Kfimme der als Hülfscondnctoren fungirenden
vom 12. Mai 1870. 291
Elektroden auf die rotirende Scheibe geleitet wurde. Die Yerbin-
dangsdrfihte strömten einerlei £lektricit&t aus ihren £nden aus,
aod die erregte Maschine, abgetrennt von der erregenden, gab einen
Strom, der in Richtung dem der letzteren entgegengesetzt war.
Verhalten der lateralen Condnctoren.
Es ist nicht allein der diametrale Conductor, welcher die F&-
higkeit besitzt, den Strömen zweier vereinten Maschinen eine wider-
sinnige Richtung zu geben und zu erhalten: auch der laterale
oder überzählige Conductor, den Hr. Dr. Holtz in der ersten
Zeit zur Verhütung der Strom -Umkehrungen anwandte, ist mit
dieser Eigenschaft begabt, jedoch in geringerem Orade.
Der laterale Conductor * besteht bekanntlich aus einem Metall-
kamm, der vertikal entweder oben oder nnten vor der Scheibe in
qoadrantalem Abstand von den Elektrodenk£mmen angebracht und
mit einem der letzteren durch einen Bügel metallisch verknüpft
ist. Zur Erhöhung seiner Wirksamkeit wird an die ruhende
Scheibe ein quadrantaler Papierbeleg angelegt, der sich gegenüber
von dem unverbundenen Elektrodenkamm bis gegenüber zu den!
Conductorkamm erstreckt. Statt eines solchen lateralen Conduc-
tors können auch deren zwei angewandt werden, einer oben und
einer unten.
Um nicht zu weitlauftig zu werden, will ich nicht alle hier
möglichen Ffille in Betracht ziehen, sondern nur einige der inter-
essanteren.
Erster Fall: 'Erregende Maschine Ä mit diametra-
len Conductor und Belegen dahinter. Die andere Ma-
schine B mit vertikalem Kamm oben, Bügel rechts, Be-
leg links.
Der Strom der Maschine Ä erregt schon während der Ver-
bindung derselben mit B in dieser einen ihm entgegengesetz-
ten Strom, der sich auch nach der Trennung beider Maschinen
erhält. Der vertikale Hülfskamm strömt dabei positive Elektri-
cität in langen Pinseln aus, wenn der mit ihm verbundene links
liegende Elektrodenkamm die negativen Lichtpunkte zeigt. Am
rechtsliegenden positiven Elektrodenkamm erscheinen w&hrend der
Einströmung nur schwache Pinsel, nachher stärkere.
[1870] 21
292 OeiammUiizung
Z.w«iier Fall: Maschine A wie rorhin armirt. Ma-
9ehine j? mit rertikalem Kamm unten, Bfigel links» Be-
leg rechts.
Dieser Fall ist identisch mit dem ersten, da das Gänse von
Condactor, Bügel nnd Beleg in der Maschine B nnr um 180° ge-
dreht ist. Man erhält also auch in diesem Fall in B einen wider-
sinnigen Strom mit dem in A,
Dritter Fall: Maschine A wie vorhin armirt Ma-
schine B mit yertikalem Kamm oben und unten, BGgel
oben rechts, unten links, Beleg oben links, unten
rechts.
In diesem Fall erregt der Strom A nnr einen finfserst schwa-
chen Strom in Bj der rielleicht blos einer Unregelmfifsigkeit in
dieser Maschine seine Entstehung yerdankt
Vierter Fall: A wie yorhin armirt; B mit vertika-
lem Kamm oben oder unten; Beleg und Bügel auf
einerlei Seite.
In diesem Fall giebt B einen gleichsinnigen Strom mit
dem von A^ wie wenn der laterale Conductor nicht da wfire.
Ist die Maschine A nicht mit diametralen Conductor und Be-
legen armirt, so hat man im ersten Fall wiederum das interessante
Schauspiel der Reactton, von welcher schon S. 285 die Rede war.
Der Strom von A erregt in B einen entgegengesetst gerichteten
und wird darauf von diesem umgekehrt, so dafs nun beide Strome
in gleicher Richtung gehen.
Geladene Flaschen verhalten sich gegen die mit dem lateralen
Conductor armirte Maschine genau so wie gegen die mit dem dia-
metralen Conductor versehen.
Im ersten und aweiten der eben erwShnten F&lle zeigen sie die
anomale Erscheinung, dafs sie die entgegengesetste Elektricitfit von
der, mit welcher sie geladen wurden, auf die Maschine ausströmen,
und im vierten Falle die gleiche.
Verhalten der Elektromascbine zweiter Art.
Die Elektromaschine zweiter Art, d. h. die mit zwei wider-
sinnig rotirenden Scheiben ist neuerdings von Hrn. Dr. Holtz
wesentlich gegen die frühere verändert worden. Nicht allein, dafs
vom 12. Mai 1870. 293
die Scheiben yertikal gestellt sind, w&hrend sie früher horizontal
lagen, ist auch die Maschine mit swei beweglichen diametralen
Condactoren versehen. Der eine befindet sich auf Seite der Elek-
troden, der andere anf der Rückseite der Scheiben, wogegen die
frohere Maschine vier oder fünf feststehende Metallkämme besafs.
Nnr der erste dieser drehbaren Condactoren ist gewissermas-
8en als überflüssig sa betrachten, da die Maschine auch ohne ihn
zur Wirksamkeit gelangt nnd er nur den Zweck hat, die Strom»
Umkehrongen zu verhüten, welchen Zweck er übrigens nur bedin«
gtmgsweise erfüllt. Der zweite Conductor dagegen, der an der
Ruckseite der Scheiben, der für gewöhnlich lothrecht gestellt wird,
ist unumgänglich nothwendig: ohne ihn ist keine Wirkung der
Maschine möglich.
Von diesem letzteren werde ich hier absehen, da es nicht in
meinem Plan liegt, gegenwärtig in eine vollständige Untersuchung
über die Elektromaschine zweiter Art einzugehen. Ich werde nur
den vordem Conductor in Betracht ziehen, um sein Verhalten mit
dem des entsprechenden Conductors an der Maschine erster Art zu
vergleichen.
Zuvörderst mufs ich bemerken, dafs zwischen diesen beiden
Conductoren ein wesentlicher Unterschied besteht. Bei der Ma-
schine erster Art kann der drehbare Conductor so ziemlich eine
jede Lage haben, und man erhält doch immer zwischen den Elek-
troden, wenn sie nur nicht zu weit von einander stehen, eine mehr
oder weniger kräftige Wirkung. Bei der Maschine zweiter Art
dagegen mub der vordere Conductor eine durch die Rotation be-
dingte Lage haben, wenn man überhaupt eine nutzbare Wirkung
erlangen will.
Wenn die vordere Scheibe in rechtläufige d. h. schraubenrechte
Rotation versetzt ist, mufs der Conductor vor ihrem ersten und
dritten Quadranten stehen; steht er vor dem zweiten nnd vierten
Quadranten, so erhält man zwischen den Elektroden, auch wenn
sie einander noch so sehr genähert sind, gar keine Wirkung, nicht
weil die Maschine alsdann keine Elektricität entwickelte, sondern
weil dieselbe ihren Weg lediglich durch die beiden Conductoren
nimmt Um in diesem Fall einen Strom zwischen den Elektroden
zu erhalten, mufs man die vordere Scheibe in rückläufige Rota-
tion versetzen.
21»
894 Geiammtsitmng
In der Erregangsweise dnrch Elekiricit&t, die man mittelst der
ElektrodenUmme auf die yordere rotirende Scheibe einstromeii
ISfst, findet gar kein Unterschied c^rischen den Maschinen zweiter
und erster Art statt, die Elektricitfit mag nun von geladenen Fla-
schen oder yon einer andern Maschine geliefert werden.
Die Flaschen senden entweder dieselben Elektricitaten , mit
denen sie geladen sind, oder die entgegengesetsten auf die rotirende
Seheibe, je nachdem die Maschine ohne oder mit vorderem Gon-
dnetor versehen ist, ganz wie in den analogen F&llen der Erre-
gung der Maschine erster Art (S. 283 u. 284).
Ebenso verh< sich die Maschine zweiter Art gegen den
Strom einer Maschine erster Art, die mit Conductor und Papier-
belegen versehen ist. Ohne Conductor kommt sie in gleichsinni-
ger, mit demselben in widersinniger Richtung gegen letzteren zur
Thfitigkeit
Soll indefs bei der Maschine zweiter Art der Conductor eine
nutzbare Wirkung ausüben, so mufs er, wenigstens wenn man
rechtl&ufig dreht, vordem ersten und dritten Quadranten stehen.
Ist das nicht der Fall, steht er vor dem zweiten und vierten Qua-
dranten, so erhfilt man zwischen den Elektroden der Maschine kei-
nen Strom, man mag die eine oder die andere Elektricitfitsqnelle
auf sie einströmen lassen.
Die Maschine kommt freilich auch in diesem Falle zur vollen
Thätigkeit, aber dieselbe ist keine nutzbare, da sie beschränkt i^^t
auf die beiden Conductoren, den vorderen und den hinteren, die
aus ihren unteren Kfimmen lange positive Lichtpinsel aussenden,
wenn der rechten Elektrode negative und der linken positive Elek-
tricitfit zugeführt wird. Diese Thfitigkeit besteht sowohl während
der Einströmung als nach derselben. Dreht man, nach Abtrennung
von der erregenden Maschine, den Conductor in den ersten und
dritten Quadranten zurück, und läfst darauf die vordere Scheibe
rechtläufig rotiren, so bekommt man zwischen den Elektroden einen
Strom, der dem von jener Maschine gleichgerichtet ist
Stellt man denselben Versuch mit geladenen Flaschen an, in-
dem man die positive an die linke Elektrode und die negative an
die rechte anlegt, während der Conductor vor dem zweiten und
vierten Quadranten steht, so bekommt man ganz dieselbe Erscbei-
nung, d. h. nur Lichtphfinomen an den beiden Conductoren, deren
untere Kämme positive Lichtpinsel aussenden, aber keinen Strom
vom 12. Mai 1870. 295
zwischen den Blektroden. Entfernt man dann die Flaachen, die
hierbei still entladen werden, stellt den Condactor vor den ersten
und dritten Quadranten, so erhfilt man, immer rechtlfiafige Rotation
bei der vorderen Scheibe vorausgesetst^ swischen den Blektroden
einen Strom von eben der Richtung, wie ihn die Flaschen bei
Abwesenheit des vorderen Conductors erregt haben wurden.
Beschreibung der neuen Boppelmaschine.
Die Constrnction dieser Doppelmaschine wurde, wie schon ge-
sagt, durch die Thatsache an die Hand gegeben, dafs zwei einfache
Maschinen, sobald sie mit diametralen Gonductoren und Papierbe-
legen armirt sind, bei ihrer Verbindung Ströme von entgegenge-
setzter Richtung liefern, die, wenn man zwischen den Verbindungs*
drahten eine Brücke schlagt, dieselbe in gleicher Richtung durch-
laufen, folglich sich daselbst addiren.
Zu dem Ende sind, wie die Abbildung auf beigefügter Tafel
zeigt, auf einem Fufsbrett zwei einfache Maschinen erster Art von
der neuen Einrichtung mit einseitiger Axe parallel neben einander
aufgestellt, solchergestalt, dafs die rotirenden Scheiben, die 15^
par. Zoll im Durchmesser halten, nach innen liegen.^) In der
Mitte des Abstandes zwischen beiden Maschinen, der sehr nahe
10 par. Zoll beträgt, erheben sich zwei starke Ebonits&ulen, wel-
che die Elektroden tragen. Jede dieser Elektroden besteht zunfichst
aus einem horizontalen Arme, der die elektrische Verbindung bei*
der Maschinen herstellt, und gegen die rotirenden Scheiben dersel-
ben an beiden Enden in Metallkammen ausläuft. Von der Mitte
dieser Arme gehen messingene Träger senkrecht in die Höhe, oben
in Kugeln endigend, deren horizontale Durchbohrungen die ver-
schiebbaren Theile der Elektroden aufnehmen.
Alle diese metallenen Theile sind hohl und von beträchtlichem
Durchmesser (8 bis 9 Lin.), wodurch ein wesentlicher Fehler in
') Aus dem vorhio S. 291 und S. 292 Mitgetheilten wird einleuchtend
sein, dafs die neue Doppeimaschine auch aus Maschinen erster Art, wenn
sie mit lateralem Conductor yersehen sind, sowie ans Maschinen zweiter Art
zusammengesetzt werden könnte. £s würde dies Beides aber keinen Vortheil
gewjlhren.
296 OuanmUitzung
der bisherigen Constraciion der Elektromaachinen, die Ausstrahlung
von Elektricitit aus den dünnen Stangen nämlich, Termieden wird.
Zu gleichem Zweck sind die verschiebbaren Elektroden an ihren
finfsern Enden nicht mit Ebonit-Handgriffen versehen, sondern mit
Metallkugeln von gut 2^^ par. TLoVL Durchmesser. Durch diese Ein-
richtung ist die schädliche Ausstrahlung vermieden; sie macht aber
einen Ebonitschlüssel nöthig, um die Elektroden w&hrend des Stro-
mes verschieben zu können, was übrigens nur selten nothwendig
sein dürfte.
Wegen der beträchtlichen Dicke der Elektroden können auf
ihre einander zugewandten Enden nicht unmittelbar Kugeln aufge-
steckt werden. Die Röhren, aus denen die Elektroden gebildet
sind, haben daher vorn auf einer Strecke von etwa anderthalb Zoll
eine metallische Füllung, in deren Durchbohrung aufgeschlitzte
Stifte eingeschoben sind. Auf die herausragenden Enden dieser
Stifte werden nun die Kugeln aufgesteckt, zwischen denen man
Funken überschlagen lassen will.
Jede der Maschinen hat einen besondem Schnurlauf, aber
beide Schnurifiufe werden durch eine gemeinsame Kurbel, d^vn
Axe zwei gleich grofse Rollen trägt, in Bewegung gesetzt Die
Schnüre sind vorher möglichst gleichlang gemacht, so dafs eine
geringe Verstellung der Axe, ohne weitere künstliche Vorrichtung,
hinreichend ist, sie in gleicher Spannung zu erhalten.
Die Rotation beider Scheiben geschieht also mit gleicher Oe*
schwindigkeit, und, mechanisch genommen, auch in gleicher Rich-
tung. Allein in elektrischer Beziehung rotiren beide Scheiben ent-
gegengesetzt, weil nämlich die Elektrodenkämme für die eine an
der linken Seite und für die andere an der rechten liegen. Des-
halb haben auch die gezahnten Belege der einen Scheibe die um-
gekehrte Lage von denen der andern. Die Rotation wird übrigens
durch die zwei Scheiben nicht im Geringsten erschwert; die Dop-
pelmaschine rotirt eben so leicht, wie die einfache*
Von sonstiger Einrichtung der Doppelmaschine will ich nur
erwähnen, dafs die lothrechten Stutzen, welche die verschiebbaren
Elektrodentheile tragen, aus zwei in einander geschobenen Röhren
bestehen, damit sie nach Bedürfnifs verlängert werden können, am
so die Elektroden nicht allein in Niveau mit den oberen Scheiben-
rändern zu bringen, sondern auch noch einige Zoll darüber zu er-
heben; daüs femer die Kugeln am obern Ende der lothrediten
vom 12. Mai 1870. 297
Trfiger aach eine Tertikaie Einbohraog besitaen, um kleine Ebonit-
stfitsen aafsnnehmen, welche sum Halten von Geifs 1er sehen Röh-
ren, Thermometern oder anderen Gegenst&nden bestimmt sind;
endlich dafs der Maschine^ statt zwei Flaschen, vier von der be-
kannten Form nnd Grofse beigegeben sind, welche an die unteren
Querarme der Elektroden angesetzt werden.
Von mheodeB Scheiben habe ich dreierlei Paare angewandt.
Erstens die gewöhnlichen mit swei Ausschnitten nnd daran sitzen-
den gezahnten Belegen. Zweitens die von mir bei der S. 290 er*
wähnten neuen Combination benutzten mit vier Ausschnitten, von
denen swei ohne gezahnte Belege sind. Und drittens die früher
von mir empfohlenen (Monatsberichte, 1869, April) ohne Ausschnitt
mit blolsen Durchbohrungen. Für gewöhnlich habe ich indefs das
erstere Paar angewandt, und mich der beiden anderen nur zu be-
sonderen Zwedcen bedient
um die Maschine auseinander nehmen zu können, ist von
Hm. Borchardt die Vorrichtung getroffen, dafs die El^troden-
kamme in einer in den Ebonitsfiulen befestigten Hfilse stecken
und diese SAulen selbst wiederum um 90^ drehbar sind. Demge-
mSfs werden die Kämme erst ein wenig von den Scheiben abge-
schoben'), dann senkrecht gestellt, und nun die Ebonitsäulen um
90^ gedreht, nachdem man die zu ihrer Befestigung dienenden
eisernen Schraubenmutter am Fufse derselben etwas gelfifket hat.
Jetzt kann man die Scheiben abtrennen, um sie entweder zu
reinigen oder durch andere zu ersetzen.') 2iur Wiederherstel-
^) Statt deMen kann man auch die an dem einen Ende der Elektroden-
kämme befindlichen Ebonitschrauben, welche zum Anseinandeibalten der bei-
den Scheiben dienen, so weit sarfickdrehen, dafs sie ror der rotirenden
Seheibe Torbeigehen.
') Die rodrenden Scheiben dieser Doppelmaschine sind nicht gefimifst,
die ruhenden sind es schwach. Um letztere von dem Staube zu reinigen,
der sich auf sie absetzt, hat man sie bekanntlich mit einem nassen Lappen
oder mit feuchtem Löschpapier abzuwischen. Bei längarem Gebrauche bilden
sich aber auch Flecke auf denselben, die nickt auf diese Weise zu entferne^
sind. Um diese fortzuschaffen und den Scheiben ihre ufsprfingiiche Sauber*
keit zu geben, ist nichts geeigneter als das Abreiben mit Petroleum, wel-
ches aaeh von der Scheibe der gewöhnlichen Elektrisirmaschine ^e bekann-
ten schwarzen Amalgamflecke am schn^lsten fortnimmt. Äther ist weniger
gut, zumal er des Fimib aofl^ift, wenn er nicht alkoholfrei ist.
298 Oesammtsitzung
long der Maschine wird begreiflich in umgekehrter Weise ver-
fahren.
Erregnngsweise der Doppelmaschine.
Die Doppelmaschine l&fst sich durch jede der drei vorhin
(S. 282) beschriebenen Methoden mit grolser Leichtigkeit in Th£-
tigkeit setzen.
Die erste derselben, die Erregung von der Buckseite her, be-
werkstellige ich gewöhnlich, wie bei der einfachen Elektromaschine,
durch eine kleine Flasche (von etwa 20 QuadrataoU fiufserer Be-
legung), die an einer Elektrisirmaschine von auch nur geringer
Grofse geladen worden ist. Wenn man eine solche Maschine cur
Hand hat, finde ich dies Erregungsmittel bequemer und sicherer
als das der geriebenen Ebonitplatte, deren Elektrisirung durch Bei-
bung bisweilen viele körperliche Anstrengung erfordert.
Vor Anlegung der Flasche mfissen jedoch, wenn die diame-
tralen Conductoren einen betrfichtlichen Winkel mit dem Horizont
bilden, die Scheiben schon fest mit grofsen Belegen versehen sein.
Ist dies nicht der Fallj und will man sie nicht mit Wachs u. dgL
ankleben, weil dies das beim Experimentiren oft nöthige Abnehmen
derselben erschwert, so mufs man die Scheiben erst anderweitig
elektrisiren, damit die Belege durch elektrische Adhäsion haften
bleiben. Diese Elektrisirung geschieht am einfachsten, wenn man
die erw&hnten Elektroden, bevor man die Flasche anlegt, einen
kleinen Winkel mit dem Horizont machen l&fst. Die Belege ad*
h&riren dann bald und bleiben tagelang haften, wenn auch unter-
defs die Maschine ganz wirkunglos geworden ist^)
'} Die blo8 adhärireoden Belege zeigen bisweilen die eigenthfimliche Er-
scheinung, dars sie während des Stromes Ton den Scheiben abgestofsen, förm-
lich aufgerollt and ireggeschleudert werden. Vorzogsweise beobachtete ich
dieses, wenn sie ans dem allerdfinnsten Postpapier geschnitten waren, wel-
ches im Übrigen, aufgeklebt, seinem Zweck sehr gut entspricht. Ich wende
daher etwas dickeres Papier an, bei welchem der genannte Übelstand seile*
ner eintritt. Wenn er auch bei diesem erfolgt, was gew&hiUich an dem den
Zähnen zugewandten Ende der Belege zuerst zu geschehen pflegt, so drücke
ich das Papier durch einen Ebonitstreifen wiederum sanft gegen die Scheibe.
vom 12. Mai 1870. 299
Um die Doppelmaschine schnell zu erregen, ist es gnt, die
Elektroden zuvor auseinander zu ziehen. Legt man dann die
Flasche an einen der Belege der einen Partialmaschine , so kom-
men beide gleichzeitig in entgegengesetzte Thätigkeit^}
Es schadet freilich nicht, wenn die Elektroden zusammenge-
schoben sind; denn kommt auch dann zunächst nur diejenige Par*
tialmaschine in Thfitigkeit, welche man mit der Flasche berührt
hat, 60 bringt doch diese die zweite auch zur Wirksamkeit, sowie
man die Elektroden auseinander zieht. Nur geht dann der Erre*
gungsproceCs etwas langsamer von Statten.
Bei zusammengeschobenen Elektroden kann man auch die bei-
den Partialmaschinen gleichsinnig erregen, indem man die eine
an ihrem linken und die andere an ihrem rechten Beleg mit
der FUsche berührt. Diese Gleichsinnigkeit erhfilt sich, so lange
die Elektroden in Berührung bleiben und selbst noch ein Weile,
nachdem man diese auseinander gezogen hat; allein es dauert nicht
gar lange, so kehrt sich der eine oder andere Partialstrom um,
beide gehen widersinnig und dadurch kommt dann der Doppel-
strom zwischen den Elektroden zum Vorschein.
Ist einmal die Doppelmaschine vollst&ndig erregt, so kann
man ohne Nachtheil die diametralen Conductoren entfernen, sobald
nar die Elektroden in Berührung gehalten werden. Ja man kann
diese sogar um einen Zoll und mehr auseinander ziehen, ohne die
Wiedersinnigkeit der Partialstrome za stören, und ohne also den
Doppelstrom zu vernichten. Entfernt man sie aber weiter, so kehrt
sich der Strom der einen oder andern Partialmaschine um, Ifiuft
mit dem der zweiten gleichsinnig und damit hat dann der Doppel-
strom seine Endschaft erreicht
Hat man vor der Erregung die Conductoren abgenommen, so
kann begreiflich von dem Doppelstrom nicht die Rede sein; allein,
wenn dabei die Elektroden zusammengeschoben sind, so kommt
doch bei Anlegung der Flasche eine der Partialmaschinen zur
^) Dieselbe Übertragung von einer Partialmaschine zur andern findet auch
statt, wenn die ruhenden Scheiben vier Ausschnitte haben, zwei mit Ideinen
Belegen und zwei ohne dieselben. Die Elektroden, deren Bogen hierbei die
Stelle des diametralen Condnctors vertritt, mfissen aber nothwendlg auseinan-
der gezogen sein, sonst erfolgt keine Erregung.
300 GesamnUsitzung
Wirksamkeit, nftmlich diejenige, deren Beleg man berührt hat; die
andere bleibt unth&tig. Sie verharrt in dieser Unth&tigkeit selbst
ii'enn man die Elektroden ein wenig auseinander siebt, allein nur
eine Zeitlang, dann wird auch sie durch den Einflufs der ersten
Maschine erregt, und da es gleichsinnig mit dieser geschieht, ver-
schwindet damit «wischen den Elektroden der Partialstrom , den
nuui anfangs bekam.
Bei der «weiten Erregongsmethode, von der Vorderseite her
durch geladene Flaschen oder einen Mascliinenstrom, kommen diese
Verhältnisse nicht vor, da sie nothwendig eine Trennung der Elek-
troden voraussetzt. Sonst aber seigt dabei die Doppelmaschine
alle die Merkwürdigkeiten, welche der einfachen Maschine eigen sind.
Es versteht sich übrigens von selbst, dals die Doppelmaschine
vermöge ihrer beiden Partialmaschinen Gelegenheit giebt, alle die
Erscheinungen xu beobachten^ welche bei gegenseitiger Einwirkung
zweier einfachen Maschinen auftreten und vorhin (S. 285) beschrie *
ben wurden.
Ebenso kann man leicht das S. 288 erwähnte Rotadonspha-
nomen darstellen. Wenn man nämlich an der vollständig mit Con-
ductoren und Papierbelegen armirten Doppelmaschine die eine der
Partialmaschinen von ihrem Schnurlauf befreit, und nun die andere
mittelst der Kurbel rechtiäufig dreht, so geräth die erstere von
selbst in eine ganz schnelle rückläufige Rotation, sobald nur die
Elektroden hinreichend auseinander gezogen sind. Dabei senden
die an einem und demselben Querarm befindlichen Elektrodenkämme
entgegengesetzte Elektricitäten aus, so dafs also von einem Dop*
pelstrom nicht die Bede sein kann. Hat man den Conductor vor
die unbelegtcn Quadranten der ersten Partialmaschi ne gestellt, so
vermag ihre bewegliche Scheibe in beiden Richtungen zu rotiren,
aber nicht so schnell. An der rückläufig rotirenden Scheibe
haben übrigens die positiven Lichtpiusel eine verkehrte Lage, sind
nämlich zwar, wie immer, dem Sinn der Rotation entgegen ge-
richtet, aber auch entgegen den Zähnen der Belege.
Leistungen der Doppelmaschiue.
Von den Leistungen der Doppelmaschine will ich hier nur
die leuchtenden Entladungen in Betracht zidien, die in freier LoH
vom 12. Mai 1870. 301
mit und ohne Beihulfe Ton Flaschen swischen ihren Elektroden
stattfinden.
a) EntladungBStrovM mit Beihülfe von Flasehetu
Unter Funken sind hier immer die Entladangsfunken der klei*
nen, der Maschine beigegebenen Flaschen von 10^ Quadratsoil
änfserer Belegung und 1^ Lin. Glasdicke verstanden.
Zwischen Kugeln von 10 par. Lin. Durchmesser erhalte ich
diese Fanken, ohne die Elektroden vorher einander näher gestellt
za haben, so lang, wie es die Dimensionen der Maschine gestatten,
d. h. von 8 par. Zoll (21,7 Centim.) Lfinge, was den Abstand
zwischen den Elektrodenk&nunen fast um einen halben Zoll über-
trifft.') Dabei sind sie von einer Krfiftigkeit, wie man sie bisher
▼on Scheiben gleicher .Orofse noch nicht erhalten haben mochte,
und noch mehr ist dies der Fall, wenn man alle vier der Maschine
beigegebenen Flaschen anwendet Ich glaube sogar, dafs man die
Intensitfit der Funken, ohne Benachtheiligung ihrer Länge, noch
viel weiter erhohen könnte, wenn man grolsere Flaschen von ge-
eigneter Gestalt und hinreichender Breite ihres unbelegten Randes
anwendete.
Es ist aber nicht allein die Länge und Kräftigkeit der
Fanken, wodurch sich die Doppelmaschine an ihrem Yortheil aus*
') Zwischen grGfseren Kugeln sind sie natfirlich kfirzer. Kugeln Ton
18 Lin. Durchmesser geben nur 5zöUige Funken. Nehme ich aber blofs
zur negativen Kugel eine Ton 18 Lin., so sind die Funken wiederum so lang
als es dann die Dimensionen der Maschinen Terstatten, nämlich 7^ Zoll.
Als eine zwar nicht ganz anbekannte, aber doch* immeihin bemerkens-
werthe Thoteache will ich hier noch an0hren, dafs, wiewohl man zwischen
Kugeln Ton 10 Lin. Darchm. die Fnnken ohne alle Schwierigkeit von S Zoll
Länge erhält, sie doch verschwinden, wenn man die negative Elektrode
etwa 2 Zoll einschiebt, and erst wieder zum Vorschein kommen, wenn man
diese Einschiebang bis anf etwa 6 Zoll verlängert hat. In dem Litervall von
4 Zoll (worin man freilich durch einen der negativen Elektrode genäherten
Metalikamm die Funken auch wieder hervorrufen kann) erscheint an der ne^
gativen Elektrode ein kurzer zischender Bflschel und an der positiven blaues
Glimmlicht.
Endigt die negative Elektrode in einer Kugel von 18 Lin. Durchmesser
oder endigen beide Elektroden in einer solchen Kugel, so ist von ebenge-
nannter Erscheinung nichts zu sehen.
302 GesammUiUung
zeichnet, «oodern auch die Leichtigkeit nnd Sicherheit, mit
der man sie erhfilt
Meine einfache Maschine, eine sehr gate der netteren Gonstrac-
tion, giebt auch wohl Fanken von 7, ja sogar von 8 par. Zoll,
aber sie giebt sie nur selten, die letztern sogar aofserst selten,
und, wenn sie dieselben giebt, so geschieht es nur für eine Weile;
dann verschwinden sie, nnd es ist nicht möglich, sie und selbst
kürzere wieder heryorzurufen.
Bei der Doppel maschine dagegen erscheinen die Funken vom
ersten ab in ununterbrochener Reihenfolge, so lange wie man will,
schon bei ganz langsamer Rotation der Scheiben (etwa 3 bis 4
Umläufe in der Sekunde) und ohne dafs man nothig hat, die Elek-
troden erst auf einen kleineren Abstand einzustellen. Diesen Vor-
zug schreibe ich dem Umstände zu, dafs durch die beträchtlichen
Dimensionen ihrer metallischen Theile die schädliche Ausstrahlung
vermieden ist, welcher die bisherigen Maschinen in so hohem Mafse
ausgesetzt sind.^)
Die Funkenbildung in der Doppelmaschine bestätigt in recht
auffallender Weise das, was vorhin S. 277 über die Noth wendig-
keit eines bestimmten Winkels für den Condnctor gesagt worden
ist. Um das Maximum der Funkenlänge von 8 par. Zoll zu er-
halten, reicht ein Winkel von 45° gegen den Horizont nicht aus,
vielmehr müssen die Conductoren bis zu 70°, 75° und mehr ge-
neigt werden. Andererseits kann man beobachten, dafs sich bei
einem Winkel von 30° kürzere Funken, z. B. von 4 Zoll Länge,
^) Ich zweifle daher auch gar nicht, dafti die einfache Maschine, wenn
man sie mit ahnlichen volaminösen Elektroden versähe, wie sie die neue
Doppelmaschine besitzt, auch eben so lange Fanken mit Sicherheit geben
würde wie letztere, nur freilich nicht in solcher Menge. Die Lange der
Fanken scheint anter gleichen Umständen, wie auch schon früher bemerkt
worden, nur von der Grörse der rotirenden Scheibe abzuhängen, oder, ge-
nauer gesprochen, von der Länge der Kreisbögen, welche die Theile dieser
Scheibe von dem einen Elektrodenkamm zu dem andern zurückzulegen haben.
Viel länger als der gegenseitige Abstand dieser Kämme können die Funken
überhaupt nicht werden. Zuweilen schlagen sogar schon bei geringerem Ab-
stände der Elektroden von einander die Funken nicht zwischen diesen über,
sondern von dem einen Kamm zum Conductor und von diesem zum andern
Kamm.
vom 12. Mai 1870. 303
wohl auf Seite des negativen Elektrodenhalters entwickeln lassen,
nicht aber auf Seite des positiven.
£ine andere merkwürdige Beobachtung, die man freilich bei
jeder Elektroniaschine, nnr nicht so ansgeprfigt wie bei der Dop-
pelmaschine machen kann, besonders wenn man Funken von 8 Zoll
durch sie entwickelt, betrifft die Einwirkung von Spitzen auf die
Funkenbildung.
Nimmt man einen Metaükamm in die Hand und nähert ihn,
während des Überschlagens der Funken, der fiufsern Kugel der
positiven Elektrode nur einen Augenblick, so verschwinden die
Funken, und es dauert eine ganze Weile, ehe sie wiederum zum
Vorschein kommen. Sie folgen dann in einem relativ langsamen
Tempo auf einander, das aber, bei gleicher Rotationsgeschwindig-
keit der Maschine, beschleunigt wird, wenn man nun den Kamm
gegen die äufsere Kugel der negativen Elektrode h<. Eine
einzige Spitze, eine feine Nähnadel, thut dieselben Dienste.
Je gröfser die Funkenlange ist, desto grofser ist auch die
Entfernung, von welcher aus die Spitzen diese fast magische Wir-
kung ausübten. Achtzollige Funken werden schon aus einer Ent-
fernung von sechs Zoll vernichtet, und aus einer fast eben so gro-
fsen wieder hergestellt Zu grofse Nfihe des Kamms an der ne-
gativen Elektrode ist übrigens auch schädlich; sie unterdrückt die
Funken ebenfalls und veranlafst das Ausbrechen eines Licbtbüschels
aus der positiven Elektrode.
Schon früher ist von mir und Anderen beobachtet worden,
dafs, wenn anfangs die Funken nicht oder nicht recht erscheinen
wollen, man sie hervorlocken oder in besseren Gang bringen kann,
wenn man der negativen Elektrode einen Knöchel nähert. Die-
selbe Wirkung übt in höherem Grade ein Spitzenkamm oder eine
Nähnadel aus.
Auf kürzere Funken, etwa von 2 bis 3 ZoU Länge^ hat eine
Spitze keine so entschiedene Wirkung; doch läfst sich auch bei
diesen wahrnehmen, dafs sie dieselben verlangsamt oder beschleu-
nigt 9 je nachdem sie der positiven oder negativen Elektrode ge-
nähert wird.
h) Entladungsstrome ohne Flaschen.
Die Entladungsströme zwischen den Elektroden der Elektro-
maschinen ohne Mitwirkung von Flaschen sind so mannigfaltig.
304 OesamnUsttzung
dafs die herkomnuliche Unterscheidung der drei Formen von Fanken-,
Bu8chel- und Glimm-Eniladung kaum eine auareichende Anwendung
auf sie gestattet Sie wechseln anfserordentlich nach Grofse und
Gestalt der yordem Enden der Elektroden, nach Grofse und Lage
des Ahstands swischen ihnen.
Bis auf etwa einen halben Zoll auseinander gezogen, hat man
swischen den Elektroden ein lichtschwaches violettes Band, das an
der positiven Seite in einem scharf abgeschnitten hellen Theil von
Linienlfinge endigt und dadurch das leichteste Erkennongsmittel
des positiven Pols abgiebt. Wenn der Strom stark ist, und be-
sonders wenn zugleich die Kugeln grofs sind, serf&llt dies violette
Band in mehre ebenso gefärbte B&nder, die, offenbar vermöge der
Erwärmung der Luft, nach oben gekrümmt sind, sich bald vereini-
gen, bald wieder trennen. Weichen Namen soll man diesen Licht-
Erscheinungen beilegen? — Es sind weder BSscbel, noch Funken,
in welche letztere sie aber augenblicklich übergehen, sowie man
die positive Elektrode ableitend berührt
Entfernt man die Elektroden um einen Zoll und etwas mehr
von einander, so erfolgt der Übergang der Elektricitfit zwischen
ihnen in sehr hell leuchtenden Streifen, die sich ebenfalls bald
trennen, bald wieder vereinigen, und die nach der negativen Elek-
trode hin ganz deutlich einen dunklen Raum erkennen lassen
Diese Lichtstreifen, welche man wohl schon als eigentliche
Funken betrachten kann, erscheinen noch bei einem Abstand von
anderthalb Zoll zwischen den Elektroden, aber nur dann, wenn
dieser Abstand auf der positiven Seite liegt, d. h. die positive
Elektrode weit ausgezogen und die negative weit hineingeschoben
ist. Liegt der Abstand auf der negativen Seite, so erhfilt man
statt der compacten Lichtstreifen bereits einen in der Mitte aufge-
schwollenen Büschel, in welchen von der positiven Elektrode aas
geschlXngelte Funken hineinfahren.
Es wurde ermüdend sein, alle die Formen zu beschreiben,
welche der leuchtende Übergang der Elektricit&t je nach der Ent-
fernung, Grofse und Lage der Elektrodenkugeln annehmen kann.
Ich will nur bemerken, dafs, wenn diese Kugeln, nach der positi-
ven Seite hin, einen gewissen Abstand von einander haben, man
keinen sie verbindenden Licbtstreifen oder Lichtbüschel bekommt,
sondern ein blaues Glimmerlicht an der positiven Kugel und einen
vom 12. Mai 1870. 805
karxen lichtschwachen Buachel an der negativen, wi&brend sich zu-
gleich ein tiefer Ton hörbar macht, der in einen hohen zischenden
übergeht, sowie man der positiven Elektrode einen Metallkamm
nähert oder ihn ableitend berührt. Dieser Abstand entspricht den
„schwachen Funken^ des Hm. Riefs, die man sogleich be-
kommt, sowie man kleine Flaschen anlegt. Ich habe indefs diese
Erscheinung nur bei der einfachen Elektromaschine gut beobachten
können.
Bei der Doppelmaschine ist begreiflich die Biischelbildang viel
kräftiger als bei der einfachen, und wegen der Grofse der Ober-
fläche, welche die Elektricität bekleiden mufs, ehe sie die tum
Durchbrechen der Luft erforderliche Dichtigkeit erlangt hat, eine
weniger continuirliche als bei letzterer.
Lange Büschel erhftlt man schon ganz gnt zwischen zwei Ku-
geln von 10 Lin. Durchmesser, nur sind sie dann; kräftiger, aber
freilich kurzer, sind sie zwischen zwei Kugeln von 18 Lin. Durch-
messer. Am längsten, über 7 Zoll lang und zugleich sehr kräftig,
habe ich sie erhalten, wenn ich die positive Elektrode mit einer
der kleinem Kugeln und die negative mit einer der grofsem versah.
Nicht ganz so lang, aber fast noch schöner bekam ich den Bü-
schel, als ich die negative Kugel durch eine Scheibe von 6 Zoll
Durchmesser ersetzte. Er hatte dann gewissermafsen die Gestalt
eines Paraboloids, dessen Basis der Scheibe zugewandt war. Ob*^
wohl auf dem scharfen Rand dieser aus dünnem Zinkblech ge-
schnittenen Scheibe einzelne Punkte von Glimmlicht erschienen, so
schadete dies doch dem Büschel durchaus nicht; er war besser aus-
gebildet als bei zwei andern Scheiben mit umgelegten Rändern.
Bei der Elektrisirmaschine besteht der positive Büschel ge-
wohnlich zunächst der Kugel, von welcher er entweicht, aus einem
kurzen hellen Stiel, der sich weiterhin zu zarten Lichtf&den aus-
breitet Bei der Elcktro-Doppelmaschine dagegen schiefsen, wenn
der Abstand zwischen den Elektroden einige Zoll beträgt, fortwäh-
rend verästelte und ziemlich compacte Blitze von der positiven Ku-
gel ans in die zarte Lichthülle hinein, die sich bis zur negativen
Elektrode erstreckt.
Diese Erscheinung wird in hohem Grade verstärkt, wenn man
die Maschine mit grofsen Conductoren versieht, ähnlich denen, die
bei den Elektrisirmaschinen üblich sind.
306 Oesamtntsitzung
Schon in meiner Arbeit: ^Über die Wärme -Entwicklang in
der Lufitstrecke elektrischer Entladungen,^ ^} habe ich gezeigt, dsh
es für die Wirkung solcher Conductoren gar nicht nothig ist, sie
der Lfinge nach von dem Strom durchlaufen zu lassen, sondern dafs
es hinreicht, sie demselben seitw&rts anzusetzen, um so für die
Elektricität gleichsam eine Sackgasse zu bilden. Sie wirken also
nicht sowohl durch ihr Leitnngsvermogen , als vielmehr dadurch,
dafs sie wegen ihrer grofsen Oberfläche eine bedeutende Anhäufung
von Elektricität gestatten, ohne sie, wie in der Leidner Flasche,
zu verdichten. Deshalb und um sie von den früher besprochenen
Hulfsconductoren genügend zu unterscheiden, finde ich es aucJi
zweckmäfsiger, sie Collectoren oder Cumulatoren zu nennen
als Conductoren.
Vermöge der eben genannten Eigenschaft ist es nun leicht,
jede Elektromaschine und also auch die Doppelmaschine, wenn sie
die von mir gewählte Einrichtung besitzt, mit Collectoren oder
Cumulatoren zu versehen. Ich ziehe nämlich oben aus den Ku-
geln, welche die verschiebbaren Theile der Elektroden aufnehmen,
die kleinen, zum Tragen von Hülfsapparaten bestimmten Stützen
heraus und stecke statt deren die Zapfen hinein, welche an einem
Ende der Collectoren angebracht sind. Diese, welche also senk-
recht stehen, haben bei cylindrischer Gestalt eine Höhe von 2 Fufs
und eine Oberfläche von 2^ Qnadratfufs, ein jeder. Sind sie aus
dünnem Blech gearbeitet, so beschweren sie die Maschine durchaus
nicht, und lassen sich eben so leicht entfernen als wieder auf-
setzen.
Statt der ganz metallenen Collectoren habe ich auch w^ohl
Leidner Flaschen oder blofs äufserlich mit Stanniol belegte Glas-
cylinder angewandt, die auf Tellern ruhen, welche mittelst Zapfen
oben in den Tragekugeln der Elektroden befestigt sind.'} Diese
0 Monatsberichte, 1867, Mai.
') Biese Teller sind von Holz, halten nahe 6 Zoll im Durchmesser und
haben einen wulstigen Rand, um die Flaschen am Abgleiten zu hindern ; ihre
metallenen Zapfen, durch welche sie mit den Elektroden in leitender Verbin-
dung stehen, gehen durch bis zur obern Fläche, die mit Stanniol belegt ist.
Will man die darauf gestellten Flaschen laden, so müssen nat&rlich ihre in-
neren Belege leitend verbunden werden. Solche Teller sind sehr bequem,
um gröfsere Flaschen zu laden, für die sonst kein Platz ist an der Mascfain«.
Ich habe daher sowohl die einfache als die doppelte mit ihnen versehen lassen.
vom 12. Mm i870. 307
hftlb gISseraen CoUeetoren wirken fthnlich wie die metallenen, aber
wegen ihrer geringeren GröDse natürlich schwScher.
Sehen die kleineren Collectoren zeigen die ans der positiven
Elektrodenkugel hervorschielflenden Blitse in sehr verstArktem Grade
und noch mehr ist dies der Fall bei den grofisen metallenen.
Bei letzteren ist es nicht mehr ein reiner Bfischel, was man
erbllt, sondern ein Gemisch von Büscheln und Funken. Durch
eine sarte Lichthülle Ton ellipsoTdischer Gestalt schlagen fortw&h-
rend Funken von einer Elektrode zur andern über, in so rascher
Folge, dab sie als ein zusammenhftngender, vielfach geschl&ngel-
ter Blitz erscheinen. Diese Funken, welche man von 7 Zoll Lfinge
erhalten kann, sind bei weitem nicht so compact, so hell und ge*
räoschvoll wie die Entladungsfunken der Leidner Flasche, aber
man sieht sie doch noch sehr gut bei hellem Tageslicht, im Dunk-
len freilich viel schöner. Sie haben viele Ähnlichkeit mit den
Fanken der Elektrisirmaschine.
In dieser ausgeprägten Gestalt zeigt sich die Erscheinung,
wenn die Maschine mit zwei Collectoren versehen ist, und zugleich
die positive Elektrode in einer kleineren Kugel (10 Lin. Duchmes-
ser) und die negative in einer gröfsem (18 Lin. Durchm.) endigt.
Nimmt man den negativen Collector ab, so sind die von
der positiven Elektrode ausgehenden Funken kürzer, nicht mehr
die negative Elektrode erreichend, aber dafür verftstelter, wfihrend
andrerseits der ellipsoldische Büschel heller und ausgebildeter er-
scheint
Nimmt man dagegen den positiven Collector fort, so erhfilt
man keine blitzähnliche Funken, sondern statt deren an der posi-
tiven Elektrode einen gestielten Büschel, dessen Lichtf&den stark
divergiren und sich bisweilen von den Fäden des negativen Bü-
schels ganz abtrennen.
Der Einflufs eines Metallkamms oder einer Spitze auf diese
Büschel und blitzähnlichen Funken ist fast noch stärker als auf
die compacten Entladungsfunken. Schon aus mehr als 6 Zoll Ab-
stand von der positiven Elektrode vernichtet er sie gänzlich, und
ans eben so grober Entfernung von der negativen Elektrode ver-
stärkt und beschleunigt er sie, wie man dies namentlich an dem
schnelleren Tempo des knackenden Geräusches der Funken ver-
nimmt.
[1870]
22
808 Oesammtsitzung
Vergleicli der neaen Doppelmaschine mit der älteren
des Hrn. Holtz.
Obwohl die neue Doppelmaschine die einfache begreiflich in
allen Wirkungen übertrifft, so ist es doch vorzugsweise die Bildung
von Funken und Buschein i worin sich diese Überlegenheit aus-
spricht Dies gilt auch in Betreff einer Maschine, die ihr eigent-
lich an Wirkung gleich sein sollte, nfimlich in Betreff der früher
von Hm. Dr. Holtz construirten Maschine, deren ruhende Scheibe
vier s. g. Elemente oder ErregungssteUen besitzt
Diese Maschine, der ich neuerdings eine einfachere Gestalt
gegeben habe,*) ist, wiewohl sie nur eine ruhende Scheibe besitzt,
doch auch als Döppelmaschine zu betrachten, da sich darin eben-
falls zwei Partialstrome von entgegengesetzter Richtung unterschei-
den lassen, die hier bemerkenswertherweise ohne ^hrfigen Conduc-
tor zu Stande kommen, und sich in einer Brücke zu einem gleich-
gerichteten Strom vereinigen.
So wie ich diese Maschine abge&ndert habe, steht vor den
lothrechten Belegen der diametrale Conductor und vor den horizon-
talen der aus den zusammengeschobenen Elektroden gebildete Bo-
gen. Verbindet man nun Conductor und Bogen in ihren Mitten
durch einen Leiter und erregt einen der gezahnten Belege auf ge-
wohnliche Weise, so erhält man in dieser Brücke (die aber bei
der Erregung ganz geschlossen sein mufs oder wenigstens nur
durch eine sehr kleine Luftstrecke unterbrochen sein darf) den
Summenstrom, wobei die Kämme der Elektroden beide z. B. posi-
tive Elektricität ausströmen, wenn die Kämme des Conductors
beide negative abgeben.
Insofern kommt also diese Maschine mit der neuen Doppel -
maschine überein; allein in anderer Beziehung weicht sie sehr zu
ihrem Nachtheil von dieser ab.
So lange nämlich die Brücke aus einem Leiter besteht, thnt
sie gute Dienste, und daher mag sie bei Beobachtung der magne-
tischen Wirkung oder der Erscheinungen in stark verdünnten Ga-
sen ziemlich eben so viel leisten als die neue Maschine. Sowie
man aber die Brücke in freier Luft irgendwo unterbricht, um Fun-
ken zu erzeugen, nimmt der Strom rasch ab, und ehe man diese
0 Monatsberichte 1869, April, S. 327.
vom 12. Mai 1870. 309^
Laftstrecke bis 2U einem Zoll yerl&ngert bat, iat er gewöhnlich
ganz erloschen. Von Büscheln ist überdies gar nicht die Rede.
Diesem Mangel ist nicht durch einen Hfilfscondactor absuhel-
fen, der anch hier gar nicht die Rolle wie bei der neuen Doppel-
msschine spielen wurde, da die Widersinnigkeit der Partialströme
schon ohne ihn vorhanden ist.
Die Abnahme der Funkenlftnge, welche Hr. Dr. Holts auch
bei andern Maschinen wahrgenommen hatte, wenn er die Quantität
der Eltsktricit&t durch Vermehrung der Erregungsstellen an einer
Scheibe zu yergrofsem suchte, sowie ähnliche Beobachtungen, die
ich bei Verknüpfung sweier Maschinen durch Drähte machte, schie-
nen der Vermuthung Raum zu geben, dafs Funkenlänge und £lek-
tricit£tsmenge in einem umgekehrten Verhältnifs zu einander stän-
den, und ich muTs bekennen, dafs es zum Theil der Wunsch war,
hierüber ins Reine zu kommen, der mich bewog, die neue Doppel-
maschine constrniren zu lassen. Durch sie ist denn diese Vermu-
thung gründlich M'iderlegt.
S c h I u fs b e m e rk u n g.
Die neue Doppelmaschine ist, glaube ich, die vollkommenste
Elektromaschine , welche bisher dargestellt worden, in Betreff so-
wohl der Eräftigkeit ihrer Leistungen, als der Eleganz und Zweck-
mäfsigkeit ihrer Construction. Ihr Bau ist ein ganz symmetrischer,
und der Experimentator, welcher ihre Wirkungen einem gröfsem
Aaditorium zu zeigen hat, ist dabei sowohl diesem als der Ma-
schine mit den Augen zugewandt. Sie eignet sich also ganz vor-
züglich zu Vorlesungen, zumal sie, viel leichter als die einfache
Maschine, durch einen Glaskasten gegen die feuchte Atmosphäre
einer grofsen Versammlung geschützt werden k«aii.
Dabei besitzt sie die nicht genug zu schätzende Tugend frei
211 sein von den so störenden Strom-Umkehrungen; wenigstens
habe ich dieselben bei trockner Luft bis jetzt nicht wahrnehmen
können, obgleich ich sie mit allem Fleifse absichtlich hervorzurufen
Süchte.
Täusche ich mich nicht, so hat mit dieser Maschine, falls
nicht etwa noch ein ganz neues Princip aufgefunden wird, die
heitere Vervollkommnung derselben ihren einstweiligen Abschlnfs
22»
310 Oeiommtiitzung
gefanden. Freilich kSnnte man sie — was ich übrigens nie
einmal für rathsam halten möchte — in gröÜBerem Mafsstabe da
stellen nnd dadaroh ihre Wiricung ansehnlich steigern; aber ac^we
lieh wird man doch fiber das Doppelte der Leistungen einer eit
fachen Maschine von gleichen Dimensionen hinauskommen , aobal
man auf grofse Funkenlfinge bestehen bleibt.
Will man diese aufgeben, so bietet allerdings der schon ra
Hm. Dr. Holtz eingeschlagene Weg, nfimlich Yermehrong d«
Erregungsstellen an einer und derselben Scheibe, ein Mittel dsi
die Quantit&t der Elektricitfit bedeutend lu yergröfsem. £i
Probe-Exemplar dieser Art, welches ich der Gute des Erfindet
verdanke, und an einer Scheibe von fast dnttehalb FuTs Durd
messer 30 Erregungsstellen besitzt, also die Elektricitfitsmenge de
einfachen Maschine verzehnfachen sollte, leistet in dieser Beauehiin|
allerdings Bedeutendes, ist aber den Strom-Umkehrungen und ai»
deren Mftngeln in dem Maafse ausgesetzt, dafs man durch sie dea
beabsichtigten Zweck noch nicht als erreicht ansehen kann.
Die hier beschriebene Doppelmaschine hat nicht allein einen
grofsen practischen Werth, sondern auch ein theoredsches Interesse
von Bedeutung. Denn, wie vorhin gesagt, beruht ihre Wirkung
darauf, dafs die Ströme der Partialmaschinen in entgegengesetzter
Richtung gehen, und, damit sie dieses thun, mfissen diametrale Con-
ductoren angebracht sein. Ohne solche Conductoren entwiekelt
die Doppelmaschine genau eben so viel Elektricit&t wie nkit den-
selben; aber diese schlügt einen andern Weg ein, geht zwiachen
den rotirenden Scheiben gleichsam im Kreise herum, indem die
Partialstr5me eine gleiche Richtung annehmen. Dadurch wird nber
die Nutzwiricung vollständig annullirt Zwischen den Elektroden
geht durchaus kein Strom über, sobald beide Maschinen von glei-
cher Krftftigkeit sind.
Die Eigenschaft des diametralen Condnctors, den Partialstro-
men eine entgegengesetzte Richtung zu geben, nicht minder vrie
die analoge, die partielle Ladung von Flaschen zu erhöhen, scheint
mir eine sehr wunderbare zu sein, welche sich für jetzt eben so
wenig theoretisch erklären l&fst, als man sie schwerlich a prioH
aufgefunden haben würde.
vom 12. Mai 1870. 311
Hr. W. Peters las aber Platemys tuberosa^ eine neue
Art von Schildkröten aus British-Guiana.
Unter den vielen interessanten Gegenstfinden ans British-Gni-
ana, welche die Königlich zoologischen Sammlangen dem Eifer des
Hm. Richard Schombnrgk verdanken, befindet sich ein Exem*
plar einer Schildkröte in Weingeist, welches die wahrscheinlich
sehr feinen Homschilder verloren hat, sonst aber sehr wohl eriial-
ten ist, und in seinem Reisewerke als „Platemys Hilarii Dum.
Bibr.*- aufgeführt wurde.') Die hiesige Sammlung von Schild-
kröten war zur Zeit der Herausgabe jenes Werkes verhfiltnifsmfi-
fsig sehr arm und die PL Hilarii nur nach der Beschreibung in
der ErpStologie gSrUrale (II. p. 429) bekannt, wfihrend erst vor
wenig Jahren eine Abbildung derselben in dem Werke von Ga-
st ein au über die sudamerikanische Fauna erschienen ist.') Diese
letztere liefert aber den Beweis, dafs PL Hilarii in keiner Hinsicht
von PL Geoffroyana Schweigger verschieden ist, sondern sehr
wahrscheinlich nach jungen Exemplaren dieser letztem aufgestellt
wurde, wie dieses sowohl aus dem in unserm Museum befindlichen
Originalexemplare von PL Geoffroyana Wagler 's, wie aus der
Vergleichung der reichen Sammlung des Hrn. Heu sei aus Rio
Grande de Sul und der Beschreibung in der Erpiiologie gindraie
hervorgeht. Das vorliegende Exemplar gehört dagegen einer sehr
verschiedenen, durch die Convexität und die entwickelten Höcker
ihres Rnckcnschildes sowie durch ihre Färbung sehr ausgezeichne-
ten neuen Art an, über die ich mir erlaube, der Akademie eine
genauere Mittheilung vorzulegen.
Platemys tuberosa n. sp. (Taf. 1.2.)
PL testa aUiore, carina spinali distincta, icutia vertebralibw cottd-
Ubu$que carinato-tuberosis ; tupra /usca, albo-fimbriolala^ tubtu$ dl-
bida nigro-rivulata.
Platemys Hilarii Troschel, IL Schomburykf Reisen in British-Oviana^
m. p.647. (non Dameril et Bibron).
Der Kopf dieser Schildkröte hat eine ähnliche Form wie der
von PL Geoffroyana^ die dünne Hornbekleidung der Oberseite des-
selben ist in ähnlicher Weise in schuppenfÖrmige Abtheilungen zer-
^) B. Schombargk, ReieeninBriiish'Guiana^ III. p.647.
') Castelnan, Expid. dane VAmiri^e du Sud. Rept p.7..Tafl 1.
312 Oeiammtsitzung
fSUt und die Schlfifengraben sind oben , wie man durch die Haut
fühlen kann, durch eine Boiochenbrücke von einander getrennt,
welche doppelt so breit ist, wie die Interorbitalgegend. Die Augen
Bind einander mehr genähert und weniger entfernt von dem Lip-
penraade als bei Exemplaren gleicher OrSfse jener Art, auch er*
scheint die Schnauze merklich kürzer, indem ihre Lfinge } des
Augendurchmessers gleich kommt. Die Haut des Halses erscheint
grob grannlirt oder knotig« Die Dorsalseite des Vorderarms ist
mit zwei bis drei Reihen halbmondförmiger Schuppen, der hintere
hfiutige Saum mit viel gröfseren platten Schuppen bekleidet und
die sehr entwickelten Schwimmhäute, welche die fünf Finger bis
zu den Erallen mit einander verbinden, ragen mit ihren freien con-
vexen Rändern zwischen den letzteren herv<Hr. Auf dem Unter-
schenkel findet sich vor den beiden hintern Reihen halbmondför-
miger Schuppen nur eine unvollkommene dritte Reihe mit kleine-
ren ähnlichen Schuppen und unter den grofsen Schuppen seines
Yorderrandes ragt die gröfste vorletzte höckerartig hervor; die
Schwimmhäute der Zehen sind ähnlich entwickelt, wie die der
Finger. Der Schwanz ist kurz und seine Haut grob granulirt
Der Panzer ist höber als bei irgend einer andern Art, was
besonders herrührt von der stark gekielten Beschaffenheit der drei
mittleren Yertebralschilder; er ist verhältnifsmäfsig breiter als bei
gleich grofsen P/, Oeoffroyana, Die tuberculöse Beschaffenheit der
Gostalschilder ist unter den bisher bekannten Arten von Platemys
(JSydroipU Gray) characteristisch für diese Art
Das Stern um ist vorn mehr bogenförmig, weniger grade ab-
geschnitten. Die Oularplatten sind verhältnifsmäfsig kleiner und
kürzer, indem die Seiten des Winkels, mit welchem das Intergulare
zwischen den Brachialplatten liegt, eine gröfsere Ausdehnung haben
als bei PL Oeoffroyana, Die Pect oralplatten sind nicht allein län-
ger als die Brachialplatten, sondern auch als die Abdominalplatten
und der innere Rand der Analplatten ist viel länger als der der
Femoralplatten.
Die Farbe der Oberseite des Kopfes und Halses ist jetzt braun.
Eine breite schwarze Längsbinde an dem oberen Theile der Hals-
seite theilt sich hinter dem Trommelfell nach vorn gabelförmig in
einen oberen über das Trommelfall bis zum Auge verlaufenden
Ast, dem ein seitlicher Schnauzenstreif entspricht, und in einen
unteren an den Mundwinkel gehenden und die Lippenränder ein-
riaU'invf. lubcro.sa rii->.
Plalemvs Lubfrnsa Pim
vom 12. Mai 1870. 313
fadsenden Ast Eine untere seitliche Halsbinde v^einigt sich vorn
mit einer hufeisenförmigen Binde am Innern Rande des Unterkie-
fers und die Unterseite des Halses ist durch swei nnregelmftfeige
tortuose Lfingsbinden ausgezeichnet. Die Fufs- und Handsohlen,
sowie die Aufsenseite der Extremitäten sind schwarz, am Tordern
und hintern Rande gelblich weifs gesäumt Der Panzer ist oben
braun, undeutlich gefleckt, am Rande mit einem schmalen wei£sen
Saum. An der Unterseite haben die vorderen und seitlichen Rand-
schilder einen mittleren schwarzbraunen Längsstreifen und der weifse
Grund des Stemums ist ausgezeichnet durch breite geschlfogelte
Binden und Flecke von schwarzbrauner Farbe.
Kopflänge .... 0?0315 Länge des Panzers . . 0?127
Kopfbreite .... 0?026 Breite „ „ . . 0?107
Kopf höhe . . . . 0?015 Höhe „ „ . . 0^045
Das einzige Exemplar stammt nach der Angabe des Hrn. Ri-
chard Schomburgk aus dem Cotingaflusse am Roraimagebirge
in British-Guiana.
Erklärang der Abbildangea.
Ta£. 1. Fig. 1. Piatemya tuberosa P tr a. ron anten ;
Fig. 2. Kopf derselben von oben.
TaL2. Fig. 1. Panzer dersdben von oben; Fig. 2. derselbe von der linken Seite.
Simmdiche Figuren in natflrUcher GröCse.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
vorgelegt:
Sitiungsberichte der k, k. Akademie der Wiaeenadic/ten in Wien, phiL-hiet,
Klaue, 61. Bd. 2. n. 3. Heft. 62. Bd. 1. — 4. Heft. Math,'natuno,
Kiasse. 1869. 1. AbtL Kr. 3—7. 2. Abth. Nr. 4—7. Wien 1869. 8.
Denktekr^Un der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Wien, phiL-histor,
Klasse. 16. u. 18. Bd. Malhm.'naturw. KL 29. Bd. Wien 1869. 4.
Archiv fit Kunde osterr^ Oesckichis^llen. 41. Bd. 1. n. 2. Helk. Wien
1869. 8.
814 0€8ammi$itzung
Ahmanach der KaUerL Akademie der Wteeeneehq/leH in Wien. 19. Bd.
Wien 1869. 8.
TaMae eodicum. VoL I. Wien 1864. 8.
Bebra, Atlae der HauthwMei^H. 7. LiefeniDg. Wien 1869. foL
Jelinek, Tew^i>eraturverKältni9Be der Jahre 1848—1863, Wien 1869. 4.
Alfred v. Renmont, Oeechickte der Stadt Rom. 3. Bd. Berlin 1870. 8.
Mit Begleitschreiben des Hm. Verf. d. d. Bonn 1. Mai 1870.
Annaien der k, Sternwarte hei München, 17. Bd. n. 19. Snpplementband.
Manchen 1869. 8.
6. L. T. Manrer, Oeschichte der Städteterfaeeimg in Deuteckland, S. Bd.
Erlangen 1870. 8.
BuUetin de ia SocUU dee Naiuraiietee de Moeetm, Ann^ 1869. Nr. 4.
MoscoQ 1870. 8.
W. Carssen, Über Aueepracke, Vokaiiemue und Betonung der Laiemieekem
Stacke, 9, Bd. Leipzig 1870. 8.
Memoire o/ tke Oeohgicai Surve^ o/ Indio, V, 7 — 10. VI, 3. Calcatta
1868. 4.
Hirfch et Plantamonr, Nivellement de pricieion de la Suieee, larr. 3.
Gen^ye 1870. 4.
M. Hang, An old Pakloüi-Paxand Oloeeary, London 1870. 8.
G. di Siena, Commedia di Dame Alligkieriy con note, Napoli 1870. 8.
Annuaire de taeeodation pour feneouragement dee kudee greequee, Annee
4. Paris 1870. 8.
19. Mai. Oesammtsitzung der Akademie.
Hr. Rammeisberg laa über die Zusammensetzung der
Meteorite von Shalka und von Hainhols.
Die Meteorite, mineralische Massen, welche aus dem Welt-
raum auf die Oberflficbe der Erde gelangen, bieten in Betreff ihres
Ursprungs und ihrer Bewegung der Astronomie, hinsichtlich der
ihren Fall begleitenden Erscheinungen der Physik Stoff zu wich-
tigen Erörterungen dar. Das Interesse, welches sie an und für
sich als Bruchstücke kosmischer Substanzen haben, steigert sieb,
wenn wir ihre materielle Natur erforschen und sie mit den tellari-
sehen Substanzen vergleichen. Mineralogische Beobachtung und
vom 19. Mai 1870. 315
chemische Untersnchung fohrea uns zur Kenntnifs dieser ihrer ma-
teriellen Natar, und schon liegt ein werthvolles Material vor^ ge*
nugend, am daraus Schlüsse und Vergleiche abzuleiten, allerdings
unToUstfindig, insofern wir TOn manchen Meteoriten noch keine ge-
naue Untersuchung haben.
Soweit unsere Erfahrung reicht, steht fest, dafs die Elemente
der Meteorite nur solche sind, die auf der Erde Torkommen. Es
ist femer ausgemacht, dafs diese Elemente in ihnen ganz in glei-
cher Art zu bestimmten Verbindungen gruppirt sind, wie in den
Mineralien. Die Mineralien der Meteorite sind aber auch nach
Form und Zusammensetzung ident mit gewissen wichtigen und
weitverbreiteten Mineralien, welche in den filteren krystallinischen
und in den neueren vulkanischen Gesteinen vorkommen. Es sind
Silikate von Eisen, Magnesia, Kalk, Thonerde und wenig Alkali.
Eine grofse Zahl von Meteoriten, aber nicht alle, enth< frei-
lich metallisches, nickel- und phosphorhaltiges Eisen, dessen
Vorkommen auf der Erde nicht nachgewiesen, dessen Existenz
überhaupt in den ans zug&nglichen oberflächlichen Theilen der Erd-
masse deswegen nicht wahrscheinlich ist, weil es den Angriffen
von Wasser, Sauerstoff und Kohlens&ure, welche in diesen oberen
Theilen der Erdrinde fast überall chemische Prozesse hervorrufen,
keinen Widerstand leisten, sich oxydiren würde. Man kann mit
Sicherheit behaupten, dafs jene Agentien auf die Meteorite, bevor
dieselben in den Bereich der Erde gelangen, noch nicht eingewirkt
haben.
Die Meteorite sind den tellurischen Gebirgsarten vergleichbar;
ihre Eintheilung und Unterscheidung beruht also auf der Natur
der sie bildenden Mineralien, Auch bei ihnen giebt es wesentliche
und accessorische Gemengtheile, und zu diesen letzteren geboren
Schwefeleisen und Chromeisenerz.
Gustav Rose hat nach diesem allein richtigen Princip die
Meteorite in Gruppen gebracht ^ ) und diese mit besonderen Namen
belegt. Eine solche Gruppe ist wohlbegründet, wenn wir die Ge-
mengtheile des Ganzen, d. h. die einzelnen Mineralien, genau ken-
nen. Dies gilt z.B. von den Pallasiten, deren Typus die be-
kannte Pallasmasse bildet; Meteoreisen mit eingewachsenen 0 1 i -
') Beschreibung und Eintheilong der Meteoriten. Abhandl. der Akade-
mie T. J. 1863.
316 OesammtsUzung
TinkrjaUlleo. Es gilt ebenso von den Eukriten, welche aus
Augit nnd Anorthit bestehen, ein Besnltat, welches Ton O. Rose
schon 1825 durch mineralogische Beobachtang begründet, von mir
sp&teT durch die chemische Analyse festgestellt wurde.
Wo aber über die Natur der Mineralien noch Zweifel herr-
schen, wo die Feinheit der Gemengtheile der Beobachtung hinder-
lich ist, wo die Seltenheit des Materials Untersuchungen verhindert
hat, sind diese Gruppen nicht scharf definirt, und ihre Feststellung
ist erst durch neue Arbeiten zu hoffen. Zu diesen Gruppen oder
Abtheilungen gehören c. B. Chondrit, Howardit, Chladnit und
Shalkit
Ich will heute die Aufmerksamkeit zunfichst auf den Shal-
kit lenken nnd durch die Resultate meiner Untersuchung darthun,
dafs auch diese Art von Meteoriten jetzt als sicher festgestellt be-
trachtet werden kann.
/. Der Meteorit van Shalka^
G. Rose nennt den am 30. November 1850 bei Shalka in
Bengalen gefallenen Stein, der beim Fall in viele Stücke zersprang,
und wovon das Meiste in Calcutta und im British Museum sich
befindet, Shalkit, indem er ihn also für verschieden von allen übri-
gen erklArt. Ich brauche nicht auf die Sufseren Charaktere der
kleinkörnigen Masse einzugehen, weil dieselben von Haidinger
und von G. Rose ausfuhrlich beschrieben sind. Aber es ist be-
merkenswerth , dafs Ersterer das Ganze, in welchem kleine Ejy-
stalle von Chromeisenerz eingewachsen sind, trotz wechselnder Fär-
bung, nur für ein Mineral hfilt, welcher Meinung G. Rose nicht
beitritt, theils aus mineralogischen Gründen, thells deswegen, weil
* das feine Pulver des Meteorsteins von Säuren theilweise zersetzt
wird, wie er sich überzeugte, so dafs er Olivin, und zwar in über-
wiegender Menge^ als Gemengtheil des Shalkits voraussetzt.
Nun ist dieser Meteorit allerdings von C. v. Hauer*) analy-
sirt worden, welcher (nach Abzug von Chromeisenerz) fand:
>) Wien. Akad. Berichte Bd. 41.
vom 19. Mai 1870. 317
Sauerstoff
Eieselsfiure 57,66 30,75
Eisenoxjdul 20,65 4,59 .
Magnesia 19,00 7,60 i 12,63.
Kalk 1,53 0,44 ^
98,84
Die Analyse ist an sich wegen des Verlustes von 1,2 p. C, den
man nicht zu deuten vermag, nicht recht befriedigend. Hfilt man
sich an die Zahlen, so ist es ein dem Olivin und dem Broncit quali-
tativ gleiches Bilikat^ mit dem SauerstoffverhftltniTs 1 : 2,435 oder
nahe «= 1 : 2,5.
W&hrend nun Haidinger in dieser angeblich swischen einem
Bi- und Trisilikat stehenden Verbindung ein bestimmtes, von ihm
Piddingtonit genanntes Mineral sehen will, nimmt 6. Rose das
Ganze als ein Gemenge von Singulosilikat von Mg und Fe (Oli-
vin) nnd von Trisilikat von Mg (Shepardit) und zwar in dem Ver-
hfiltnifs
wiewohl
f 2Mg«Si»0«l „ ^ , «oo
l SsiOM Sauerstoff == 1 : 2,33,
f5Mg«Si30B| _
l2R«SiOM « -1.2,43
der Analyse am nächsten kommen, und
f 3Mg»Si»0» 1
1 R> Si O* J
= 1 : 2,5
die nfichst einfachste Proportion geben würde« Aber aus zwei
Gründen ist diese Deutung unannehmbar. Zuvörderst beruht die
Annahme des als Shepardit bezeichneten Trisilikats von Mg auf
der Voraussetzung, dafs ein solches Silikat wirklich existire, und
die Hauptmasse der Chladuite, zunächst des Steins von Bishop-
viUe, ausmache; allein die Analysen von S hepar d und von Sar-
tori us, welche zu dieser Annahme Veranlassung gegeben haben,
sind durch meine späteren Versuche, durch die von Smith und
die Schmelzresultate Daubr^e 's als völlig unrichtig nachgewiesen,
die Substanz ist Bisilikat von Magnesia, ist Enstatit, wie Eenn-
gott schon längst vermuthet hat, ein in den Meteoriten mehrfach
31S OesammUüzung
aaftretendes Glied der Aagitgrappe, welches sich cum Broncit yer-
h<, wie Forsterit zu Olivin.
Aber es ist überhaupt kein Magnesiatrisilikat im vorliegenden
Fall ansunehmen, denn da in Haner^s Analyse das Atomverhalt-
niis von Fe : Mg(Ca) = 4:7, also nahe 1 : 2 ist, so würde der
Olivin gar keine Magnesia enthalten, ja nach den beiden letz-
ten Formeln wurde das Trisilikat selbst eisenhaltig sein
müssen.
Wir müssen auf Hauer^s Analyse zurückkommen. Lfifstsich
auch aus den mitgetheilten Zahlen kein Orund, sie anzuzweifeln^
entnehmen, so lehrt doch die Erfahrung, dab die Analyse von ma
«
gnesiareichen Silikaten immer unrichtig ausf&Ut, wenn man versftumt,
die Kieselsiure noch besonders zu prüfen. Ich habe bei den Horn-
blenden den Beweis dafür geliefert Es bedurfte also für den Stein
von Shalka einer neuen Untersuchung, und eine solche wurde da-
durch möglich, daÜB O. Rose mit gewohnter Liberalit&t von den
wenigen Fragmenten, welche die hiesige Sammlung besitzt, mir die
nothige Menge zur Verfügung stellte.
An ein Auslesen der einzelnen Körner der durch den Finger-
druck leicht zerreiblichen Masse war nicht zu denken. Ich suchte,
wie ich es schon früher bei Bishopville gethan, .durch Schlämmen
des feinen Pulvers mit Wasser und Analyse des leichteren und
des schwereren Theils zu entscheiden, ob das Ganze aus einem
Silikat oder aus mehreren bestehe.
Der schwerere (gröbere) Theil wurde mit Fluorammoninm
und Schwefels&ure aufgeschlossen; seine Menge betrug nur 0,78
Orm. — Der leichtere Theil wurde mit reiner Schwefels&ure,
der -j- Wasser zugesetzt war, in ein Glasrohr eingeschmolzen und
einige Zeit auf 200^ erhitzt. Dabei blieb das Feste pulverig, die
saure Flüssigkeit war durch Chromgehalt grün. Zu diesem Ver>
such konnten 2 Grm. verwendet werden.
Was zun&chst diesen leichteren Theil betriflft, so zeigte sich,
dafs die S&ure nur wenig Silikat zersetzt hatte, was beweist, dafs
der Shalkit nicht vorwiegend Olivin enthalten kann. Das Resultat
der Behandlung mit Schwefels&ure war n&mlich:
vom i$. Mai 1870. 319
Eieselsfiiire 3,84
Eisenoxydul 3,91
Magnesia (Ca, Spur) 3,17
Eiflenoxjdol 0,67
Chromoxjd
Unzersetstes 86,43
99,46
Berechnet man daa zersetzte Silikat (10,92 p. C.) auf 100 Theile,
so erh< man:
Sauerstoff
Kieselsaure 35,17 18,76
Eisenozydul 35,80 7,95
Magnesia 29
,03 11,61 J '^
100
Dies ist also Olivin, der 2 At. Fe gegen 3 At. Mg enth<,
f 3Mg«SiO*
iO* J
berechnet zu:
l2Fe«SiO*
5Si = 140 = Si 0> 36,23
4Fe « 224 FeO 34,78
6Mg=144 MgO 28,99
20 O = 320 100
828
Von dem Unzersetzten wurden zwei Analysen gemacht
(a. mit kohlensaurem Natron, b. mit Florwasserstoffsäure).
a. b. Mittel Sauerstoff
Kiesels&ure 55,55 55,55 29,63
Eisenoxydul 17,01 16,25 16,53 3,67
Magnesia | 27,56 27,73 11,09
Kalk J ' 0,09 0,09 0,02
Natron 0,92 0,92 0,23
Chromoxyd 0,23 0,23 0,23 , ^ ._
15,0
FeO 0,10
101,15
}o,i
320 Oesammtsittung
Dieser Theil ist also Bisilikat, ist Broncit, mit 1 At. Fe
gegen 3 At. Mg, also
{
Fe SiO« 1
3MgSiOS J
berechnet zu:
4Si = 112 == SiO» 55,56
Fe = 56 FeO 16,66
3Mg= 72 MgO 27,78
120 = 192 100
432
Hiemach besteht also der leichtere Theil des Steins von Shalka
aus:
86,15 Broncit
10,92 Olivin
2,39 Chromeisenera
99,46
Der schwerere Theil liefs sich wegen seiner geringen Menge
nur als Ganxes untersuchen; ich gebe nachstehend die erhaltenen
Werthe und stelle die des leichteren daneben, wie sie sich aus den
mitgetheilten Daten berechnen lassen.
«.
b.
Schwererer (gröberer) Tbeil.
Leichterer (feinerer) Theil.
KieseU&are (52,25)
s 52,64
53,13
Eisenoxjrdul 20,03
20,18
19,32
Magnesia 25,96
26,15
27,80
Kalk 1,03
1,03
0,07
Natron —
—
0,81
Chromoxyd 0,45
100
101,13
Eisenozydnl 0,28
100
Beide Theile sind fast gleich, denn die Y. G. Ton Olivin und Bron-
cit sind zu wenig verschieden, als dafs der Schlfimmproaefs ihre
relative Menge in beiden wesentlich hfitte &ndem können. Die
Analysen aber constatiren zugleich, dafs das Ganze basischer
als ein Bisilikat ist, und sie treten dadurch den Angaben
vom 19. Mai 1870. 321
Hauer 's, die das Gegentheil erweisen sollen, aufs schärfste gegen-
üben Es ist nSmlich der Sauerstoff der RO und der SiO*
in a== 15,21:28,07 = 1:1,8
in b = 16,64 : 28,33 = 1 : 1,85.
Wollte man aus diesen Proportionen die Mengen des Olivins und
Broncits berechnen, so hätte man in
a. b.
f 8R SiOM r 12R SiOM
1 R»SiO*J 1 R«SiO*J
und wenn R im Bisilikat = F^Mg^, im Singnlosilikat aber
= Fe* Mg* ist, so würde
a.
b.
Broncit 83,9
88,67
OUrin 16,1
11,33
100 100.
Meine direkte Analyse von b hat aber in der That
88,75 Broncit
11,25 Olivin
100
gegeben.
Shalkit ist also Broncit und Olivin.
Nach Haidinger ist das V. G. der ganzen Masse = 3,41,
während Broncit = 3,20 — 3,25, Olivin = 3,30 — 3,90 ist, was
von dem Yerhältnifs Fe : Mg abhängt. Dem gröfseren Gewicht des
Olivins entspricht es vollkommen, dafs der schwerere Theil (a)
olivinreicher, broncitärmer ist Sein Sauerstoffverhältnifs deutet
auf 16 p. C. Olivin in dem Gemenge.
Giebt es noch andere Meteoriten derselben Art? Wahrschein*
lieh, doch fehlt es an Untersuchungen. Hier sei nur daran erin-p
nert, dafs die reine Broncitsubstanz als Meteoriten masse auf-^
tritt, nämlich in dem am 26. Juli 1843 gleichfalls in Hindostan
gefallenen Stein von Manegaam (Mallygaum bei G. Rose). Erst
vor Kurzem hat Maskelyne gezeigt'}, dafs die grfinlichgelbeu
1) Proceed. R. Soo. XYIIL 156.
322
KSnier, am weldien er besidit» dlie KiTBtallfonii des Bronetfts und
ein Y. G. » S,I98 babeo, od dab aie nadi Miner Analyse die
Mtschmig
r FeSiO»1
l2Mg8iO»J
darsteUen. Aber auch die Analyse des ganzen Steins ergiebt ne-
ben 1 p. C. Chromeisenen genau dasselbe Silikat')
//• Der MeUorii van Hainholz,
Diese merkwürdige Masse wnrde im J. 1856 in der Nfibe toa
Paderborn von Dr. Mfihlenpfordt aofgefdnden. Ihre Fallzeit ist
unbekannt, aber die &ulserliche und bis zu einer gewissen Tiefe
eingedrungene YerSnderung beweist , dab sie lange in der Erde
gelegen bat. Es ist ein Mesosiderit, d. h. ein Gemenge von
Meteoreisen, Olivin und Augift, analog dem M. ans der
Sierra de Chaco, welchen G. Rose ausführlich beschrieben hat.
Da bisher noch keine durchgreifende Untersuchung ei^es dieser
Meteoriten versucht ist, so habe ich, durch G. Rose mit dem er-
forderlichen Material versehen, die Analyse des M. von Hainholz
unternommen. Es ist aber daran zu erinnern, dafs die ursprüng-
liche Natur der Gemengtheile sich nur durch eine Correction der
analytischen Resultate darstellen Ififst, indem man der Aufnahme
von Sauerstoff und Wasser in den &nlseren Parthieen Rechnung
trAgt.
Beim Pulvern des Steins bleiben die gröberen Partikel des
Meteoreisens zurück. Eine von SiUkattheilchen nicht ganz freie
Probe desselben, mittelst einer Lösung von Quecksilberchlorid zer-
legt, gab nach Abzug Jener und nachdem eine kleine Menge Ma-
gnesia (0,69 p. C.) in der Form der Olivinbasen (FeO + 3MgO)
gleichfalls abgerechnet war,
Eisen 93,84
Nickel 6,16
100.
'} G. Rose hstte diesen Meteorit nach dem «ufsem Ansehen eines
Stflckchens von 0,03 Loth zu den Howarditen gestellt.
vom 19. Mai 1870. 323
Das Meteoreisen, Fe^^Ni etwa, ist also eins der nickel&rme-
ren and steht dem von Arva, Lenarto, Schwets, Seeläsgen, Braunan,
vielen amerikanischen, sowie dem M. der Chondrite von Poltusk
Seres, Blansko sehr nahe, wfihrend die Mehrzahl des letzteren
mehr Nickel enthält.
Das feinere Palver, welches nach der Ahsonderung jener grö-
beren Eisentheile übrig hlieb, wurde gleichfalls mit Qaecksilber-
chloridauflosnng behandelt, um die Menge der metallischen Theile
zu bestinunen. Der Rückstand ward mit Chlorwasserstoffs&ure
digerirt, um das Singulosilikat (Olivin) zu zerlegen; aus dem
Rückstande wurde die zu jenem gehörige Elieselsäure ausgezogen,
worauf er für sich weiter untersucht wurde. Ein besonderer Ver-
such bestimmte den Wassergehalt.
So ergaben sich
Eisen 4,12
Nickel 1,05
}
5,17
{Kieselsäure 20,04 ^
Eisenoxjd 22,20 1 66,61
Magnesia 24,37 ^
Unzersetzt
Kieselsäure 13,20
Eisenozydul 3,51
Magnesia 6,15
. Thonerde 0,72
23,58
Chromeisenerz 0,50
Glühverlust (Wasser) 2,86
98,72
Das Nickeleisen würde 20,3 p, C. Nickel enthalten, also dreimal
mehr als die vorhergehende Untersuchung geliefert hat Man sieht
also, dafs bei dem langen Liegen des Meteorits viel Eisen in Oxyd
(Oxydhydrat) sich verwandelt hat, welches in dem sauren Auszuge
erhalten ist.') Man darf also mit vollem Recht dem Nickel so-
viel Eisen hinzurechnen, als nach dem zuvor Angeführten ursprüng-
lich vorhanden war. Indem man den Rest im Oiivin als Oxydul
nimmt (welches gleichfalls zum Theil Oxyd geworden ist), erhält
man:
^) Nickel fand sich in ihm nicht.
[1870] 23
324
Oesammisilzung
Meteoreisen
{Eiaen
Nickel
MagiM
Angit
10,88
1,05
)=
11,93
f Kieselafiore 20,04
Olivin { Eisenozjdnl
13,51 1 »
24,37 ^
= 57,92
Kieselsäure 13,20
Eisenozjdql 3,51
Magnesia 6,15
. Thonerde 0,72
Chromeisenera
= 23,58
0,50
Betrachtet man nun die Mischong der beiden Silikate nSher, so
sieht man, dab es beim Olivin an Sftnre felilt, während der Aagit
deren zn viel hat Dies ist eine Folge der analytischen Methoden
und nothigt an einer kleinen Correction, sodafs
Olivin
Aagit
f Kieselsäore
Eisenoxjdül
^ Magnesia
21,09.
13,51
24,37 ^
Kieselsäure
12,15
Eisenoxjdol
3,51
Magnesia
6,15
. Thonerde
0,72
58,97
22,53
Wird endlich das Ganze auf 100 Theile redncirt, so hat man
Meteoreisen 12,70
Olivin 62,78
Aagit 24,00
Chromeisenerz 0,52
100
Von Schwefel habe ich nur Sparen gefanden.
Natürlich gilt das VerhältniOs dieser Gemengtheile nar für die
untersuchte Probe, von welcher die gröberen Eisentheile abgeson-
dert waren. In dieser Hinsicht sind die einzelnen Theile der gan-
zen Masse sehr ungleich beschaffen.
Nimmt man nan die Zusammensetzung der beiden Silikate für
sich:
vom 19. Mai 1870. 325
Olivin Augit
SaaerstofT SaaerstofT
Eieselaäftre 35,77 19,08 53,93 28,76
Eisenoxydul 22,91 5,09 1 15,58 3,46 \
Magnesia 41,32 16,53 J ' 27,30 10,92/ '^
Thonerde — 3,19 1,49
100 100
so sieht man, dafs beide Silikate 1 At. Eisen gegen 3 At Magne-
sium enthalten. Der Augit ist aber Broncit, und in ihm ist
1 MoL Thonerde mit etmra 8 Mol. des Bisilikats verbunden.
Wir haben also
f Fe» SiOM f FeSiOn
1 3Mg« SiO* J / 1 3MgSiO« J
fl3MgSiO»j)
l AlO» j
Berechnet:
Si O» 38,46 Si 0> 53,95
FeO 23,08 FeO 16,19
MgO 38,46 MgO 26,98
100 AI 0> 2,88
100
Die beiden Meteorite, welche uns hier beschäftigt haben, der
vor 20 Jahren gefallene von Shalka und der seiner Fallzeit nach
unbekannte von Hainholz, beide bestehen aus Olivin und Broncit,
aber bei dem letzten tritt noch Meteoreisen hinzu.'} Während der
Broncit beider so sehr verschiedener Massen dieselbe isomorphe
Mischung von Bisilikaten ist, 1 At. Eisen gegen 3 At Magnesium
enih&It, unterscheidet sich ihr Oliyin, die isomorphe Mischung der
Singulosilikate der nämlichen Metalle. In Shalka ist die Mischung
Fe : Mg = 2 : 3, in Hainholz = 1 : 3 At
Die Olivinsubstanz erscheint für sich in Ghassignj und ziem-
lieh rein auch in Alais (in beiden Fe: 2 Mg); der Broncit bildet
für sich den M. von Manegaum (Fe: 2 Mg). Ein Gemenge beider
ist Shalka (Olivin = 2Fe : 3Mg, Broncit =: Fe : 3Mg).
') In Shalka überwiegt der Broncit, in Hainholz der Olivin.
326 GesammUitsung vom iS. Mai 1870.
Eine Parallelreihe entoteht darch das Hinzutreten des Nickel-
eisens oder Meteoreisens , welches mit Olivin die Pallasite dar-
stellt (O. der Pallasmasse ss Fe: 8 Mg, von Brahin nhd von Ata-
cama =» Fe: 4 Mg), während es mit Broncit (Fe: 4 Mg) die ähn-
lichen Massen von Breitenbach, Steinbach, Rittersgrün, und endlich
mit Olivin nnd Broncit die Mesoderite bildet, von denen far jetzt
blos Hainholz (Olivin gleichwie Broncit «a Fe: 3 Mg) n&her er-
forscht ist.
Ich hoffe, demnfichst zeigen zu können, dafs wenigstens ein
Theil der Chondrite dasselbe Gemenge darstellt wie Hainholz, d. h.
wie die Mesosiderite.
An eingegangenen Schriften warden vorgelegt:
O. BGttger, Beitrag zur Kenntni/t der Peptilien SpanieM und Portugal*.
Offenbach a. M. 1869. 8.
E. Crzyrnianski, Chemische Theorie auf der rotirenden Bewegung der
Atome haairt, 2. Aufl. Krakaa 1870. 8.
Mommsen, Hietoire de la monuaie nmiatiM, trciduite par ie Duo de Bla-
cas. Vol. II. Paris 1870. 8.
Bulletin de la sociM giologique de France. 1868, no. 5. 1869, no. 2. 3.
Pariii 1869. 8.
Bulletin de» eciencee matematiquea et aetronomiquee , ridigi petr Darbovr.
Tome I, 1. Paris 1870. 8.
A complete Collection qf the Poeme of Tukerdma. Vol. I. Bombay 1869.
8. Im Auftrag des Goremment of Bombay eingesendet ^on Trübner et Co.
■
23. Mai. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. Ewald las über einige die Ökologie der Anden betref-
fende Fragen.
I .a.;,t/ .1 llh! Mm I.Wl Pn;
,.V
T^r
:^'%f^/S"
MONATSBERICHT
DBB
KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
Juni 1870-
Vorsitzender Sekretär: Herr du Bois-Reymond.
2. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. 6. Rose las über den Zusammenhang zwischen
hemiedrischer Krjstallform und thermo- elektrischen^
Verhalten .beim Eisenkies und Kobaltglanc.
Eisenkies und Kobaltglanz sind bekanntlich die Hauptbeispiele
von Krjstallen des regulären Systems, die die dodekaSdrische oder
parallel flächige HemiSdrie zeigen. Bei beiden, besonders dem er-
stem, kommen eine grofse Menge von einfachen Formen und Com-
binationen vor; indessen war es immer aufifallend, dafs bei diesen
nur, oder vorzugsweise Formen der einen Stellung vorzukommen
schienen, während doch bei den Substanzen, deren Formen die te-^
traedrische oder geneigtflächige Hemiedrie zeigen, die verschiedenen
hemiedrischen Formen der einen Stellung wie der andern häufig
allein oder miteinander combinirt vorkommen; so beim Borazit,
Fahlerz und der Zinkblende. Man hat allerdings beim Eisenkies
Krystalle beschrieben, die Combinationen von Formen beider Stel-
lungen sind, doch gehören dergleichen Krystalle zu den grofsten
Seltenheiten, zumal wenn man bedenkt, wie sehr der Eisenkies in
der Natur verbreitet ist, und dafs er sich auf den verschiedensten
Lagerstätten und zu den verschiedensten Zeiten gebildet hat.
So beschrieb schon Hauy^) Eisenkieskrystalle, an welchen
nicht nur die Pentagondodekaeder (a:^a: coa), sondern auch an-
>) Traite de Mineralogie, 2 ed. t 4 p. 56 Fig. 211 und p. 57 Fig. 215.
[1870] 24
328 GesammUitzung
dere, an welchen die DiploSder^) (a:^a:ya) in beiden Stellangen
vorkommen. Die ersten finden sich in einer Combination mit dem
OktaSder and LeacitoCder, das OktaSder herrscht vor, die FUchen
des LeucitoSders bilden Zuspitzungen der Ecken, und die Flächen
der beiden PyritoSder die Abstumpfungen der Kanten der Zu-
spitzung. Die andern finden sich in Combination mit dem Oktaeder,
einem TriakisoktaSder, dem Leucitoeder und HexaSder; aach hier
herrscht das OktaSder vor, das Triakisocta§der (a:^a:^a) bildet
die Zuschfirfung der Kanten, die Flfichen der beiden Diploeder er-
scheinen als achtfiächige Zuspitzungen der Ecken, zu denen nun
noch untergeordnet die Flfichen des LeucitoSders und Hexaeders
hinzutreten. Die Flfichen der Pyrito§der nnd DipIoSder beider
Stellungen sind von gleicher Grolse gezeichnet und eine Verschie-
denheit in dem Ansehen derselben ist nicht angegeben ; ebenso we-
nig der Fundort beider Krystalle.
Eisenkieskrjstalle mit den Flfichen beider PyritoSder als Ab-
stumpfungsflfichen der sfimmtlichen schfirferen Kanten des Lenci-
tofiders hat spfiter auch Breithaupt') an einem StQcke der Wer-
nerschen Sammlung in Freiberg erkannt nnd beschrieben, leider
auch hier ohne den Fundort desselben zu kennen.')
*} It'b gebrauche hier, vie schon seit langer Zeit in meinen Vorlesun-
gen ffir die Ausdrücke Trapezoid-IkositetraSder (Mohs) oder Dyakis-Dode-
kaOder (Naumann) den kflrcern Ausdruck Dlplodder, worin ich mir erlaubt
habe, den Namen DiploTd von Haidinger umzuändern.
') Journal fHr prakt. Chemie von Erdmann nnd Schweigger-Sei •
de 1 Bd. 4 S. 264.
>) Da es mir sehr darum zu thun war, Krystalle mit solchen Fliehen,
die sich in dem Berliner mineralogischen Museum gar nicht befinden, aus
eigener Ansicht kennen zu lernen, so bat ich Prof. Weisbach, mir die
Stufe mit den beschriebenen Kristallen zur Ansicht zu schicken, was er mir
auch freundlichst gewährte. Die Krystalle, an denen die beiden PyritoSder
vorkommen, haben nur die geringe OrÖ&e von höchstens einer Linie Durch-
messer und sind in einem kleinen Drusenraum einer derben Kisenkiesmasse
aufgewachsen. Es sind Combinationen des Oktaeders, LeucitoSders mit den
beiden PTritoSdem, ganz wie bei den von Haüy beschriebenen Kristallen,
nur dafs hier noch die Flächen des Hexaeders hinzutreten. Die Flächen der
PyritoSder erscheinen als Abstumpfungen der Kanten der Zuspitzung des Ok-
tadders, aber die einen abwechselnden Abstumpfungsflächen sind merklich gr$-
vom 2. Juni 1870. 329
Combinationen von dem DipIoCder (a:4^a:-]>a) mit dem Py-
ritoSder Terschiedener Stellung, wo also das PyritoSder an den
sch&fern Kanten dnrch die Flächen des DiploSders abgestumpft
erscheint, haben sp&ter auch Naumann^) und Zippe') beschrie-
ben. Sie nehmen dabei an, dafs das PyritoSder erster und das
Diploeder zweiter Stellung sei. FundÖrter werden von beiden
Aotoren nicht angegeben.
Combinationen des PyritoSders und DiploSders (a : ^a : ^l-a)
der einen und des Diplo€ders (-{^ai^ar-^a) der andern Stellung
beschreibt Levy*). Die Flfichen des letztem DiploSders erschei-
nen untergeordnet am erstem als Abstumpfungsflächen der mittlem
Kanten; das HexaSder tritt auch noch hinzu; DiploSder 123*)
und PyritoSder werden in erster Stellung, das Diploßder 345 dem-
nach in zweiter Stellung angenommen.
In seiner grofsen Arbeit über die Italiänischen Eisenkiese giebt
Siruver*) noch 5 Pentagondodekallder an, die in Vergleich mit
dem mit ihnen zusammen vorkommenden PyritoCder in entgegen-
gesetzter Stellung stehen, sowie auch ein DiploSder 234, das wie das
&er aU die andern, und die grobem haben neben sich noch echmale Ab-
stompfiingsflächen der Combinationskanten mit dem LeucitoSder, Fahrschein-
lieh die Flächen des DlploSders (a:^a:^a}; die Flächen des Oktaeders
und HezaSders sind stark glänzend und glatt, die Flächen der beiden Pjrri-
toSder auch glänzend, die schmälern PjritoSderflächen aber schwach horizontal
nach den Combinationskanten mit dem HexaSder gestreift; die Flächen desLea-
citoSders sind ganz matt durch kleine dreieckige Eindrücke, die durch die
HezaSderflächen hervorgebracht werden, daher die Leucitoederflächen in der
Bichtnng der HexaSderflächen schillern. Die Flächen der beiden PyritoCder
smd demnach in ihrem Verhalten doch sehr rerschiedea.
>) Lehrbuch der Mineralogie Berlin 1828 S. 563 Fig. 45.
*) Leichtfafsliche Anfimgsgrftnde der Naturgeschichte des Mineralreichs
1839 Th. 2 S. 513 Fig. 220.
*) Description d*une collection de Min^ranx formte par Heuland, Lon*
don 1837 t. 3 p. 134 pl. 68 Fig. 10.
^) Ich werde in dem Folgenden öfter wie hier geschehen die abgekürzte
Millersche Schreibart 123 statt (a:|a:^a) und 345 statt (ia:^a:|a) ge-
brauchen.
*) Stndi neUa mineralogia italiana, pirite del Fiemonte et dell* Elba,
Tnrino 1869 p. 6.
24 •
330 Gesammtsitzung
von Levy angeführte und mit ihm gemeinschaülich vorkommende
Diploeder 345 in entgegengesetzter Stellung zu dem Diploeder 1 23
steht. ^) Das Pentagondodeka^der 560 zweiter Stellung, das sich
auch unter den Pentagondodeka^dem Struvers findet, wird auch
von Hessenberg') bei einem Krystalle wahrscheinlich von Tra-
verselia, an welchem das Pyritoeder vorherrscht, und Hexaeder,
Leucitoeder und die Diploeder 123 u. 124 untergeordnet hinzutre*
ten, aufgeführt
Dies sind die sfimmtlichen mir bekannten Formen des Eisen-
kieses, die als in zweiter Stellung vorkommend beschrieben sind.
£s sind nur sehr wenige, und diese sind auch nur an einzelnen
Krystallen vorgekommen. Strüver hat in den grofsen Turiner
Sammlungen nur 9 Krjstalle gesehen, an welchen hemiSdrische
Formen in zweiter Stellung vorkommen. Indessen ist durch diese
Beobachtungen doch ausgemacht, dafs solche Formen vorkommen.
Man hat sie aber immer nur erkannt, wenn sie mit Formen der
andern Stellung in Combination vorkommen, und hat die herr-
schenden Formen für Formen erster Stellung, die untergeordnet
vorkommenden für Formen zweiter Stellung gebalten. An einem
bestimmten Beweise für die Richtigkeit dieser Annahme fehlte es
aber ganz. Ob daher die herrschenden hemiedrischen Formen stets
der ersten oder einer und derselben Stellung, die untergeordnet
vorkommenden stets der zweiten Stellung angehören, ist noch gar
nicht ausgemacht.
Ich hatte mich deshalb schon lange mit diesen* Fragen be-
schäftigt. Da doch das Vorkommen von Formen beider Stellun-
gen beim Eisenkies erwiesen ist, schien es mir wahrscheinlich, dafs
man auch Mittel finden müfste, die Formen beider Stellungen, auch
wo sie nicht miteinander in Combination getreten sind, zu erken-
nen, und wo dies der Fall ist, auszumachen, welche von diesen
erster und welche zweiter Stellung sind. Bei den Krystallen aller
übrigen Substanzen, die in hemiedrischen Formen beider Stellun-
gen vorkommen, unterscheiden sich die der einen Stellung so be-
stimmt von denen der andern durch verschiedene Gröfse, Streifung
1) A. a. O. Fig. 113.
^) Abhandl. der Senkenbergschen natarforschenden Ges. in Frankfurt
a. M. B. 7 N. 9 S. 60.
tsom 2. Juni 1870. 031
Dder Glanz der Flächen, durch verschiedene Combinatiou mit an-
dern hemi^rischen Formen, durch HSnfigkeit des Vorkommens,
pjro-elektrisches Verhalten, sowie durch die regeimäfsigen Eindrücke,
die man durch Atzung auf den Flächen erhält Bei dem Borazit
z. B. sind die Tetraeder erster Stellung stets glänzender als die
zweiter, sie finden sich häufiger, fehlen nie^ erscheinen in Combi-
nation mit einem Hexakistetraeder, und in ihnen liegen die antilo-
gen elektrischen Pole, dagegen die Tetraeder zweiter Stellung häufig
fehlen, in Combination vorkommen mit einem TriakistetraSder, und
in ihnen die analogen elektrischen Pole liegen. Die Orofse der
Tetraeder ist verschieden, doch sind gewohnlich die Flächen des
ersten Tetraeders gröfser als die des zweiten.^) Beim Quarz sind
die Flächen des HauptrhomboSders gröfser und glänzender als die
des GegenrhomboSders, nach den Combinationskanten mit dem er-
steren sind die Rhombenflächen gestreift, unter dem Hauptrhom-
boeder liegen die Flächen der gewohnlichen Trapezoeder erster
Ordnung, unter dem Gegen rhomboSder keine oder andere, die viel
seltener vorkommenden Trapezoeder zweiter Ordnung. Auch die
vorkommenden spitzem Rhombodder sind unter dem Hanptrhom-
boeder gewöhnlich andere als unter dem Gegenrhomboeder.') Sehr
entscheidend sind femer, wie Lejdolt so schön dargethan hat'},
die durch Ätzung mit Flufssäure entstehenden regeimäfsigen Ein-
drucke; sie sind linienartig und werden durch Flächen hervorge-
bracht, die den Flächen des ersten stumpfern RhomboSder des Ge-
genrhomboeders parallel gehen, sind daher auf dem Hauptrhom-
boeder horizontal und parallel den Combinationskanten mit dem
ersten sechsseitigen Prisma, auf dem Gegenrhomboeder schief und
parallel den Kanten mit dem zweiten sechsseitigen Prisma; eine
Verschiedenheit, die die verschiedenen Zwillingskrystalle beim
Quarz so leicht und sicher erkennen läfst.
Alle diese Mittel schienen beim Eisenkies nicht auszureichen.
Da die Flächen der PyritoSder von Traversella und von vielen
') Vergl. Abh. d. k. Akatl. d. WJöö. zu Berlin von 1844 S. 261.
») A. a. O. 1843 S. 82.
') SitzaDgsbericbte der mathcm.-naturw. Kl. d. k. Akad. d. Wii)8. von
1855 B. 15 S. 59.
333 OesammUitzung
andeni Orten hoiisontal parallel ihren Omndkanten, die Pyrito^der
von Elba, Kougsberg, Gopiapo vertical, parallel den Normalen auf
den Orundkanten gestreift sind, ao schien dies ein einfaches Mit«
tel absageben, die PjritoMer beider Stellungen an unterscheiden,
indem man die horisontal gestreiften für PjritoSder der einen (er*
sten) Stellung, die vertical gestreiften für Pjrrito^der der andern
(xweiten) Stellung halten konnte. Aber die Streifung hfilt nicht
aus, die Flächen sind oft vollkommen glatt, oder sie sind theils
horizontal, theils vertical gestreift, und was die Hauptsache ist, die
horizontal und verticalgestreiften PyritoSder finden sich in Traver-
sella und Elba in denselben Gombinationen mit den DiploSdem
123 u. 124. Die Fliehen des OktaSders sowohl als des Hexae-
ders sind femer in Combination mit dem horizontal und vertical
gestreiften Pyrito§der oft parallel ihren Kanten mit dem Pyritoe-
der gestreift, wie beides bei den Ery stallen von Traversella und
Elba zu sehen ist Überhaupt zeigte sich die Streifung der Flfichen
des Eisenkieses im Gegensatz zu der der meisten übrigen Krystalle
sehr unbestfindig, die Flfichen des Oktaeders z. B, kommen nach dem
PyritoSder (Brosso), dem LeuciftaSder (Elba) und dem Diplomier
124 (Brosso), die Flfichen des Diplo€ders 123 nach den Flfichen des
OktaSders (Elba) oder nach den Flfichen des Hexaeders (Brosso)
oder stellenweise nach dem einen oder dem andern gestreift vor.
Die Streifung schien so bei dem Eisenkies gar kein Anhalten zu
gew&hren«
Ebenso unzureichend bewiesen sich die durch Atzung erhalte-
nen Eindrucke. Ich hatte schon vor l&ngerer Zeit dieselben un-
tersucht, die Krystalle wurden in Königswasser ein bis zwei Mi-
nuten erhitzt und die ge&tzten Oberflfichen dann unter dem Mikro-
skop im reflectirten Lichte, oder besser noch, die von ihnen ge-
machten Hausenblasenabrucke im durchgehenden Lichte betrachtet.
Letztere wurden auf dieselbe Weise dargestellt, wie es Leydolt
in seinen Abhandlungen über Quarz und Aragonit vorschreibt.
Die auf diese Weise erhaltenen Eindrücke in dem Eisenkies sind
oft sehr nett und zierlich, sie sind aber auf den gleichen Flfichen
aller Eisenkieskrystalle, die ich untersucht habe, dieselben, mögen
diese eine Beschaffenheit haben, welche sie wollen, wenigstens
habe ich einen wesentlichen Unterschied bei ihnen nicht erkennen
können. Auf den PyritoSderflfichen sind die Eindrücke symme-
trische Fünfecke (Fig. 3), im Allgemeinen fihnlich denen der Flfi-
vom 2. Juni 1870. 333
chen des PyritoSders selbst, nur verkehrt liegend, indem ihr stumpf-
ster Winkel gegen die Grandkante gerichtet ist. Betrachtet man
eine Flflche eines geatzten PjritoSders bei hellem Kerxenlicht mit
der Lope, so erhfilt man, wenn man das Licht von der Flflche re*
flectiren läfst, den Schiller der Eindrucke von den fünf umgeben-
den Pjritoederfl&chen , die Eindrücke werden also durch diese
Fliehen hervorgebracht, doch scheinen mir bei den Eindrücken;
wo die Ätzung am besten gelangen war, die der Orundkante an-
liegenden Eumten parallel zu sein, wie auch die Fig. 3 sie darstellt«
Läfst man das Licht in der Richtung einer Hexaederflfiche reflec-
tiren, so erhfilt man den Schiller der Eindrücke von den sfimmt-
lichen 4 Pyritoederfifichen, die die Hexaederflfiche umgeben. Mit
einer OktaSderflfiche schillern zugleich die Eindrücke der sfimmt-
liehen diese umgebenden Pjrito^erflfichen; auch mit den Leuci*
tolderflfichen schillern die Pyrito€derflfichen. In den Bindrücken
müssen sich also auch Flfichen aller der genannten Formen befin-
den, die parallel den Abstumpfungsflflchen der Grundkanten des
Pyritoeders sind auch zuweilen recht deutlich.
Auf einer HexaSderflfiche erhfilt man Eindrücke von zwei
symmetrischen Fünfecken, die mit ihren Grundlinien aneinander
stofsen (Fig. 2). Sie werden durch die PyritoSderflfichen hervor-
gebracht, was man annähernd durch die Messung mit dem Be-
flexionsgoniometer bestimmen kann. Auf einer OktaSderflfiche er-
hält man dreieckige Eindrücke, deren Seiten den Kanten des Ok-
taeders mit dem PyritoSder parallel gehen und auch durch die Flfichen
dieses hervorgebracht werden (Fig. 1). Die Ätzeindrücke werden
also aufser den Pyritoederflfichen nur durch Flfichen holoedrischer
Formen hervorgebracht und sind daher überall gleich, mögen die
Flfichen, auf denen man sie darstellt, einer Form der einen oder
der andern Stellung angehören. —
Im Jahre 1857 machte nun Marbach') die wichtige Ent-
deckung, dafs die verschiedenen Krystalle von Eisenkies und Ko-
baltglanz nach ihrem thermo-elektrischen Verhalten in zwei Classen
zerfallen in der Weise, dafs die Krystalle der einen Classe in der
thermo-elektrischen Spannungsreihe jenseits des positiven Antimons,
die der andern Classe jenseits des negativen Wismuths zu stellen
sind, in Folge dessen je zwei Krystalle der verschiedenen Classen
^) Comptes rendos 1857 t. 45 p. 707.
334 Geiammtsitzung
untereinander einen stiirkern Gegensatz bilden als die Combination
Antimon und Wismutb/)
Marbacb gab nicht an, wie die positiven und negativen Kry-
stalle in krystallograpbiscber Hinsiebt sich unterscheiden. £r führte
nur an, dafs er von 58 Krystallen 34 gefunden habe, die sich ge-
gen Kupfer positiv und 20, die sich dagegen negativ verhielten,
während 4 andere die sonderbare Eigenschaft hätten, an verschie-
denen Funkten ein entgegengesetztes thermo-elektrisches Verhalten
zu zeigen. Er versprach in kurzer Zeit in einer ausfuhrlichen
Abhandlung in Poggendorffs Annalen das Nähere seiner vielen
Versuche anzugeben. Biot legte die Entdeckung der Pariser Aka-
demie vor, auf die Wichtigkeit und das Interesse, welches sie er-
wecken müTste, aufmerksam machend, indem sie ein neues Beispiel
liefere, wie Moleeule von derselben chemischen Beschaffenheit sieh
zu Krystallen derselben Form mit ganz entgegengesetzten physika-
lischen Eigenschaften zusammenlegen konnten; aber die ausführ-
liche Abhandlung, die Marbach angekündigt hatte, erschien nicht
und ist auch bis jetzt noch nicht erschienen.
Von der Überzeugung durchdrungen, dafs das verschiedene
elektrische Verhalten des Eisenkieses mit seiner Krystallform in
Zusammenhang stehen müfste, fing ich im Winter 1858 — 59 selbst
an, die Versuche von Marbach zu wiederholen. Ich vereinigte
0 Ich kann nicht unterlassen hier zu bemerken, dafs Prof. Hanke I
mich darauf aufmerksam gemacht bat, dars er schon 13 Jahre früher aAs
Marbach in einer Abhandlung in Poggendorffs Ann. von 1844 Bd. 62
S. 197, in welcher er das thermo-clektrische Verhalten verschiedener Mine-
ralien nntersucht, gezeigt hat, dafs Kobaltglanz von Tnnaberg in Oktaedern
krystalllsirt gegen Kupfer negativ, in HexaSdem krystallisirt dagegen positiv,
ferner Eisenkies aus Piemont in Combinationen des Hexaeders und Octaeders
krystallisirt gegen Kupfer negativ, dagegen von £lba und Piemont iu Pj-ritofS
dem , und in Combinationen des PyritoSders mit einem DiploSder krystallisirt
positiv wäre. Hankel hat also ganz richtig schon beobachtet, dafs diesel-
ben Substanzen wie Kobaltglanz und Eisenkies bei verschiedener Krystallform
sich ganz verschieden thermo-elektrisch verhalten können; er hebt dies anch
am Schlüsse seiner Abhandlung hervor, aber er hat dieser wichtigen Beob-
achtung keine weitere Folge gegeben, und Marbach erwähnt ihrer niciif.
scheint demnach also nicht durch sie zu seiner wichtigen Entdeckung geführt
worden zu sein.
vom 2. Juni 1870. 335
mich mit Prof. Schellbach, der gern meinen Wünschen entge-
geokam, mit ihm gemeinschaftlich die Versuche anzustellen. Sie
bestätigten vollkommen die Angaben von Marbach, wurden auch
eine Zeitlang fortgesetzt, dann aber aufgegeben, da sie zu keinem
Resoltate führten, indem sich ergab, dafs die auf gleiche Weise ge-
streiften Hexaeder von Traversella und von Tavistock sich ganz
verschieden thermo-elektrisch verhielten^ das eine positiv das andere
negativ war, und die horizontal, parallel den Grundkanten gestreif-
ten Pjritooder von Traversella ebenso wie die senkrecht zur Grund-
kante gestreiften Pyritoeder von Elba positiv waren.
Darauf beschäftigte sich FriedeP) mit derselben Untersu-
chung; auch er erkannte bei seinen Versuchen die beiden Variete*
ten des Eisenkieses, doch konnte auch er nicht den mindesten kry-
stftllographischen Unterschied zwischen den Eisenkieskrystallen, die
die entgegengesetzten tbermo-elektrischen Eigenschaften besfifsen,
auffinden. Indessen beobachtete er, dafs die schonen Hexaeder
von Tra/ersella in Piemont zuweilen an ihrer Oberfläche unregel-
mafsig begränzte Stellen zeigten, die in gleicher Richtung, doch
feiner als der übrige Theil der Flächen gestreift wären, und die
ihn an die ähnlichen Erscheinungen bei den Zwillingskrjstallen
vom Quarz erinnerten. Die feiner gestreiften Stellen zeigten sich
immer von einem entgegengesetzten Verhalten, als wie die umge-
benden glänzenden, daher er geneigt war, anzunehmen, dafs die
Existenz der beiden Varietäten des Eisenkieses an die rechts- und
links - hemiedrischen Erystalle gebunden wäre, die krystallogra-
phisch gleich und congruent, wenn sie getrennt, sich doch in den
Zwillingen durch Verschiedenheiten des Glanzes verriethen. Frie-
del erkannte also wie Marbach, dafs die beiden thermo-elektri-
schen Varietäten sich in einem Erystalle zusammenfinden; er ver-
folgte aber die Untersuchung der Eisenkieskrystalle in dieser Rich-
tung nicht w^eiter, sondern von der Betrachtung ausgehend, dafs 2
entgegengesetzte Ecken der gestreiften Eisenkies-Hexaeder nicht
congruent wären, suchte er nachzuweisen, dafs der Eisenkies pyro-
elektrisch wäre, eine Ansicht, die er aber doch später wieder auf-
gegeben hat').
>) Institut vom 27 Dec. 1860 N. 1408 S. 420.
0 Ann. de chemie (4) 1869 t. IC p. 14.
836 OeMmmUitzung
Im TOrigen Jahre erschien naa die grofse Abhandlong tod
StrSver über die Italifinischen EieenkieBe.^) Er beschreibt hier
nur die Krjstalie von 3 Fnndörtem, von Traversella, Brosso and
Elba, und führt doch auf 154 Terschiedene CombinaUonen, die alle
mit Genauigkeit gemessen und bestimmt, und mit einer Sorgfalt
und Vollkommenheit geteichnet sind, die bei dieser Falle wahrhaft
bewunderungswürdig ist. Er hat dabei die Zahl der bekannten
ein&chen Formen fast verdoppelt, da von den aufgeführten 54 ein-
fachen Formen 24 neu hinzugekommen sind.')
Strüver hat sich auch mit dem thermo-eiektriscben Verhalten
des Eisenkieses beschäftigt, aber nur so weit, um sich von der Rich-
tigkeit der Marbachschen Versuche su überzeugen, und war auf
') Stndi ralla mineralogia italiaoa, pirite del Piemonte e deU* Elba,
Torino 1869.
') Unter den (a. a. O. S. 6) anfgelBhrten 54 Formen des Eisenkieses
belinden sich S von Descloiceanz und 3 von StrflTer nicht mit Sicher-
heit angegebene Formen; unter den 30 bekannten Formen sind ferner 2 tod
mir in meiner Krystallograpbie angegebene Formen ao%ef&hrty die Pentagon-
dodekaCder 230 und 240 zweiter Stellang, die aber nicht wie die erster Stel-
lung beobachtet sind, was zu bemerken ich unbedachter Weis« nicht angege*
ben hatte, und ebenso ist das DiploCder 124 zweiter Stellung nach Mo ha
irrthfimlich au^efOhrt. Mobs führt in der ersten Ausgabe seiner Mineralo-
gie S. 537 diese Form als bei der VarietSt von Petorka in Peru, die Haöy
beschrieben hat, vorkommend anf, nimmt aber hier die Flache des LencitoS-
den (0 bei HaQy) l&r die Flache des DiploCders 124 zweiter Stellung nnd
bezeichnet sie mit — —r- , ein Irrthum, der auch in die zweite Ausgabe von
Mobs Mineralogie, die Zippe besorgt hat, Tb. 2 S. 511, und daraus in
Strüver 8 Abhandlung flbergegangen ist. Der Irrthum von Mohs ist wohl
dadurch entstanden, dafs Hafiy bei der Beschreibung der Varietät von Pe-
torka (trait^ de mineralogie, 2. ^d. t 4 p. 57) für das LeucitoSder nicht da^
1
Zeichen A s^ 0, wie bei Fig. 211, genommen hat, sondern um die Ver-
wandtschaft desselben mit den DiploCdem 123 s= f und 124 = s zu bezeich-
nen, es als intermediäre Dekrescenz bezeichnet hat, also (A^B'Gi)(A''B'G')
0" r
(A'B'6^), welches erste Zeichen von Mohs falsch übersetzt ist. Zieht man
M
s
von den 54 angegebenen einfachen Formen die 5 unsicher bestimmten und
die 3 irrthümlich angegebenen ab, so bleiben beim Eisenkies noch 46 mit
Sicherheit bestimmte einCache Formen übrig.
vom 2. Juni i870. 887
eine genauere üntersachnng nicht eingegangen. Das Studium seiner
Arbeit war aber Veranlafsung, dafa ich meine angefangenen Arbei«
teo des Eisenkieses wieder aufnahm. Das thermo-elektrische Ver-
halten desselben mufste an einer grofsem Zahl von Krystallen be
stimmt werden. Dr. Oroth bot mir freundlichst seine Hülfe zur
Anstellung der Versuche an, und Prof. Magnus verstattete gern,
dafs wir sie in seinem Laboratorium und mit den Instrumenten
des unter seiner Leitung stehenden physikalischen Apparats an- '
stellen konnten.^) Die Versuche wurden auf &hnliche Weise ge-
macht, wie sie Marbach angestellt hatte, und nur in soweit ab-
geändert, als zwei mit einem Galvanometer in Verbindung gesetzte
Kapferdrähte, deren freie Enden etwas abgerundet und von einer
metallischen Oberflfiche waren, von beiden Seiten je an eine der
zu untersuchenden Flfichen des Krystalls angelegt, und jedesmal
einer derselben in einiger Entfernung vom Krystall erwfirmt wurde,
statt dafs Marbach das Ende des Eupferdrahts mit der Oaslampe
erwärmt und dann erst an den Krjstall angelegt hatte. Durch
obiges Verfahren wurden alle secundfiren Strome, welche durch
das Ajilegen selbst hervorgebracht werden konnten, vermieden. Die
Stromesrichtung wurde an einem gewöhnlichen Spiegelgalvanome*
ter mit Scala und Fernrohr abgelesen. Diese empfindliche Methode
war nothwendig, weil manche Krjstalle ihrer schlechten Leitungs-
fahigkeit halber nur schwache Strome gaben.
Wir haben auf diese Weise 179 Ery stalle') untersucht; viele
derselben wurden zu wiederholten Malen, und wenn sie sich als
Zwillingskrystalle herausstellten, an sehr verschiedenen Stellen un-
tersucht, so dafs wir eine sehr grofse Zahl von Versuchen gemacht
haben, deren Anstellung sich Dr. Oroth mit grofsem wissen-
schaftlichen Eifer und Geschick unterzog, was hier auch öffentlich
anzuerkennen ich nicht unterlassen kann. Die Erystalle zu diesen
Versuchen wurden gröfstentheils aus der reichen Sammlung des
Berliner mineralogischen Museums genommen, doch konnte ich
durch die Gef&lligkeit der Hrn. Hauchecorne und Eck, Ewald
und Tarn n au auch Erystalle aus der hiesigen Bergakademie sowie
^) Leider hat Magnus die Beendigung dieser Versuche, an die er so
vielen Antbeil nahm, nicht mehr erleben können.
') Unter diesen befinden sich 71 positive und 62 negative Erystalle und
46 Zwillingskrystalle mit positiven und negativen Individuen.
338 GesammtsUzung
hiesiger Priratsanunlongen benutzen. Die Hnro. Weisbach und
Stelxner sandten mir die oben erwShnte Eisenkiesdruse aas der
Wemerschen Sammlung, Prof. vom Rath sandte mir einen schö-
nen grofsen Zwillingskry stall mit durcheinander gewachsenen In-
dividuen von Elba aus der Bonner Sammlung, Prof. Römer einen
grofsen Krystall von Waidenstein, Dr. Hessenberg den oben
S. 330 erwfihnten Krjstall von Traversella. Von ganz besonderem
Werthe waren mir aber die schonen Kiystalle, die ich durch die
Gute der Hm. Sismonda und Strüver auf meine Bitte aus den
öffentlichen Turiner Sammlungen erhielt und auf die ich durch die
Struversche Abhandlung aufmerksam gemacht war,') was ich alles
nur mit groisem Danke anerkenne.
Aus den angestellten Untersuchungen hat sich nun das unzwei-
felhafte Resultat ergeben, dafs sich die Kry stalle des Eisen-
kieses und des Kobaltglanzes in Krystalle erster and
zweiter Stellung bestimmt unterscheiden lassen, von
denen die einen positiv, die andern negativ sind, dafs
das thermo-elektrische Verhalten des Eisenkieses and
Kobaltglanzes also im genauen Zusammenhange mit der
HemiSdrie der Krystalle steht Ich werde in dem Folgen-
den die positiven Krystalle als Krystalle erster Stellung, die nega-
tiven als Krystalle zweiter Stellung betrachten, werde aber jetzt
nur eine Übersicht der einfachen Formen, die ich unter den unter-
suchten positiven und negativen Krystallen beobachtet habe, folgen
lassen, und nur im Allgemeinen Einiges über die Beschaffenheit
der Flfichen der einfachen Formen, die Häufigkeit des Vorkommens
derselben und die beobachteten Zwillingskrystalle angeben, die ge-
nauere Beschreibung der untersuchten einfachen und Zwillingskry-
stalle mir für eine spätere Zeit versparend.
>) Es traten 5 Stufen mit den in den Fig. 110, 111, 128, 144 u. 177
der Strüvertfchen Abhandlung abgebildeten Knrstallen.
vom 2. Juni 1870.
339
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340 Oesammtsiizung
Hätifigkeit und gtgeMeiüge Oro/se der verschiedenen em/acken
Formen,
Hexafider sowohl selbstst&Ddig als in Combinationen kommen
im Allgemeinen hfiafiger bei den positiven als negativen Krjstal-
len vor; dagegen umgekehrt sich Oktaeder viel hfiafiger bei nega-
tiven Krystallen finden. Das DodekaSder habe ich nur einmal
selbststfindig, und auch dann nur in kleinen Krystallen, die posi-
tiv sind, beobachtet') Von IkositetraSdern ist eigentlich nur
das LeucitoSder zu erwähnen, die stumpfem sind nur sehr selten
und bei negativen Krystallen vorgekommen. Auch das Leucitoeder
findet sich vorzugsweise bei negativen Krystallen und kommt in
den Combinationen herrschend nur bei diesen allein vor. Die
TriakisoktaSder sind immer nur klein und untergeordnet beobach-
tet Unter den PentagondodekaSdern ist das Pyritogder das häu-
figste, und allein selbststfindig vorgekommen; es ist die eigentliche
charakteristische Form des Eisenkieses, und gleich hfiufig bei den
positiven wie bei den negativen Krystallen. Stumpfere und schfir-
fere Pentagondodekaeder kommen nur untergeordnet und fast nur an
den herrschenden Pyritoedern vor; stumpfere sind selten, die schar-
fem hfiufiger, und beide vorzugsweise an negativen Krystallen vor-
gekommen, so dafs man solche schon an dem Vorkommen dieser
Flfichen vermuthen kann. Von den DiploSdern kommen besonders
zwei vor, die DiploSder 123 und 124; ersteres ist besonders charakte«
ristisch für die positiven, letzteres für die negativen Krystalle, und da
nach Strnver unter den Italianischen Eisenkiesen ersteres vorzugs-
weise in Traversella, letzteres in Brosso vorkommt, so scheint doch
auch die Beschaffenheit der Lagerstfitte einen Einflufs auf die
thermo-elektrische Beschaffenheit der sich auf ihr bildenden Eisen-
kiese gehabt zu haben.
Unter den seltenem DiploSdern ist mir besonders das Diploe-
der 16 10 vorgekommen. Ich hatte es schon bei meinen ersten
Untersuchungen des Eisenkieses beobachtet an einem schonen gro-
fsen flachenreichen Krystall aus Piemont, spfiter beobachtete ich es
an Krystallen von Lichtfeld in Siegen, Schemnitz, Gomwall, Me-
xico und Dognatzka; es ist stets negativ befunden.
>} Aas der Wälderkohle ron Bölhorst bei Minden. Hr. Dr. Krantz hatte
die Frenndlichkeit, mir einige dieser selten rorkommenden Krystalle za verehren.
Quenstedt erwähnt ihrer auch in seinem Handbnche der Mineralogie S« 662.
vom 2. Juni 1870. 941
Beschaffenheit der Flächen der verschiedenen einfachen Formen,
Die Beschaffenheit der Flächen bleibt sich nicht überall gleich,
und fällt in den verschiedenen Combinationen oft verschieden aus,
doch kann man darüber im Allgemeinen Folgendes festsetzen.
Die Flächen des positiven Hexaeders sind vorzugsweise und häufig
sehr stark gestreift parallel den stumpferen Combinationskanten
mit dem Pjritoeder (Traversella}. Die Flächen des negativen
Hexaeders sind auch wohl auf eine ähnliche Weise gestreift, doch
feiner (Tavistock), nicht selten aber ganz glatt und stark glänzend
(Traversella). In den positiven Combinationen des Hexaeders mit
dem Pjritoeder und Diploeder 123 ist die Hexagderfläche oft pa-
rallel den Kanten mit diesen beiden Formen gestreift (Elba, Tra-
versella),*) und ebenso in den positiven Combinationen des Hexae-
ders mit dem PyritoSder und dem Diploeder 124 (Rodna).
Zuweilen finden sich auf den Hexaederflächen kleine quadra-
tische Eindrücke; bei den positiven Krjstallen gehen ihre Seiten
parallel den Kanten mit dem DodekaSder (Fig. 6) und werden
wahrscheinlich auch durch die Flächen des Dodekaeders hervorge-
bracht. Sie finden sich auf Krjstallen von Elba, wo sie indessen
nur klein, fast mikroskopisch sind. Bei den negativen Krjstallen
gehen sie parallel den Kanten mit dem Oktaeder, und werden auch
durch die Flächen des Oktaeders hervorgebracht (Fig. 7). Sie sind,
wo sie sich finden, grofser als die vorigen, oft sehr bedeutend grofs,
wie bei Elrjstallen von Traversella.')
Die Flächen des positiven Oktaeders sind oft gestreift paral-
lel den Kanten mit dem pos. PjritoSder, besonders sind sie aber cha-
rakterisirt durch kleine dreieckige Eindrücke, die in der Richtung
der HexaSderflächen schillern und durch diese auch hervorgebracht
werden, deren Seiten also parallel mit den Kanten des OktaSders
gehen (Traversella, Elba).') Die Flächen des negativen Oktaeders
sind vorzugsweise parallel den Elanten mit dem negativen Pjrito€«
der gestreift; kleine dreieckige Eindrucke finden sich auch hier,
sie schillern aber in der Richtung der OktaSderflächen und werden
auch durch diese hervorgebracht; ihre Seiten gehen auch noch den
1) Tgl. Strfiver's Fig. 176.
») vgL Strfiver's Fig. 174.
') VgL Fig. 4 und 10 und Strfiver's Fig. 176.
342 Gesammtsitzung
Kanten mit dem Oktaeder parallel, doch haben sie eine umgekehrte
Lage ^ie die vorigen (Elba^ BrosBo, Immenkippel bei Bensdorf).*)
Streifung und Eindrucke finden sich gewöhnlich zu gleicher Zeit;
bei einem merkwürdigen Kry stall der Turiner Sammlung, den
Strüver beschrieben und in den Fig. 177 u. 157 gezeichnet hat,
sind aber diese Eindrucke ganz nach den Stellen der Oktaeder-
flache gedrängt, wo sich keine Pyritoederfläclien finden und die
PyritoSderflächen erster Stellung liegen wurden, wenn sie da
wfiren.*)
Bei den negativen Krystallen von Elba, bei welchen die Ok-
taederflfichen nur untergeordnet an den senkrecht gestreiften Pyri-
toederflächen vorkommen, bringen die Leucitoederflachen , wie sie
die senkrechte Streifung auf den Pyri toederflächen verursachen,
auch eine Streifung auf den Oktaederflächen hervor.') Bei ne-
gativen Krystallen von Brosso findet sich auch auf den OktaSder-
flächen eine Streifung nach dem Diploeder 124.^)
*) vgl. Fig. 5 and Strüver« Fig. 177.
') Strfiver schliefst aas dieser Yertheilung der Eindrucke aaf der
OktaSderflache, dafs der Krystall vielleicht ein Zwilling sein könnte ; dies ist
jedoch nicht der Fall. Der KrvstaU befand sich unter denen, die Hr. Strü-
ver die Gute hatte, mir zur Ansicht zu schicken, ich untersuchte ihn mit
Dr. Groth sehr sorgsam, und wir konnten uns überzeugen, dafs er sich in
therroo-elektrischer Hinsicht vollkommen wie ein einfacher negativer Krystall
verhielt. Auch sieht man die Streifen, die den Kanten mit dem Pjrito6der
parallel gehen, wenn man sie unter dem Mikroscop betrachtet, ziun Theil in
gleicher Richtung in die Felder fortsetzen, in welchen die dreieckigen Kin-
drücke enthalten sind; die Streifung erscheint nur nicht so regelmäfsig, wie
sie gezeichnet ist, und findet auch nicht blofs parallel den Kanten mit dem
PyritoSder, sondern auch mit dem OktaSder statt.
*) Diese Streif ung, die auch Quenstcdt in seiner Mineralogie angiebt
(S. 662), ist von Strüver nicht beobachtet worden (a. a. O. S. 35). Die
Kristalle von Elba, an denen sich diese Streifung findet, sehen aus wie die,
welche Strüver in Fig. 186 seiner Abhandlung gezeichnet hat, nur dafs
sich bei ihnen nicht das DiploSder 124, sondern das LeucitoSder findet. Bei
den Zwillingskrystallen mit durcheinander gewachsenen Individuen erscheint
diese Streifung auf den gleich Hegenden OktaSderflächen beider Individuen
parallel.
*) vgl. Strfiver's Fig. 188.
vom 2. Juni 1870. 343
Die Flächen des positiven Dodekaeders sind glatt und glänzend
(Cornwall, Zwilling) oder ziemlich glatt (BoUhort bei Pr. Minden);
die Flfichen des negativen Dodekaeders sind glfinzend und nach
der kurzen Diagonale gestreift (Chile, Immenkippel bei Bensdorf),
oder matt und nach der langen Diagonale gestreift (Cornwall,
Zwilling, Lobenstein, Jonswand in Lappland).
Die Flfichen des positiven LeucitoSders sind meistens glfin-
zend, die des negativen bei Krystallen von Erbach par/dlel mit
den Kanten des HexaSders fein gestreift, bei den oben erwfihnten
Krystallen aus der Wernerschen Sammlung, von denen es zweifel-
haft ist, ob sie positiv oder negativ sind, erscheinen die Flfichen
durch dreieckige Eindrücke, welche von den HexaSderflfichen her-
vorgebracht werden, ganz matt.
Die Flfichen des positiven Pyritogders sind, wo es selbststfin-
dig oder herrschend vorkommt, vorzugsweise horizontal parallel
den Kanten mit dem HexaSder gestreift; sehr hfinfig wechseln
beide Flachen in treppenarligen Absfitzen. Zuweilen kommt neben
der horizontalen eine senkrechte vor, wie bei den stark glänzen-
den Krystallen von Zacatecas in Mexico, die hier durch die Flfi-
chen des DiploSders 124 hervorgebracht wird. Die PyritoSder-
flachen scheinen wie mit niedrigen rectangulfiren Streifen bedeckt,
deren Randfl&chen durch die Hexaeder- und die DiploSderflfichen
gebildet werden, und die von verschiedener Breite und auf den
Pyritoederflfichen bald nur einzeln, bald in grofser Menge erschei-
nen.^) Bei positiven Krystallen von Elba, wo das PyritoSder noch
in Verbindung mit dem Oktaeder und dem DiploSder 123 vorkommt,
erscheinen die ganzen Pyritoederflfichen senkrecht zur Grundkante
gestreift; wenn man die Streifung aber genau betrachtet, so sieht
man, dafs sie auf ganz fihnliche Weise hervorgebracht wird, wie
bei den Krystallen von Zacatecas, nur dafs hier die Streifen viel
feiner und schmaler, und nicht so unterbrochen sind.
Die Flfichen des negativen PyritöSders sind vorzugsweise senk-
recht zur Orundkante gestreift. Die Streifung rührt hier von den
LencitoSderflfichen her; dies sieht man sehr deutlich bei den Kry-
stallen von Elba, wo das Pyritoeder vorherrscht, und OktaSder und
') Fig. 9 stellt eine solche PyritoSderfläche nnr ein halbmal vergrörsert
dar; die Hexafider- and DipIoSderflächen sind bei den Streifen aU sehr
schmal meistentheik in der Fig« fortgelassen.
[1870] 25
344 GeBammtsitzufig
Leucitoeder nur untergeordnet hinzutreten; ebenso bei Krystallen
aus Copiapo, wo das Hexaeder mehr vorherrscht. Die Streif ung
ist sehr geradlinicht und unterscheidet sich sehr bestimmt Yon der
verticalen durch das Diploeder 124 hervorgebrachten Streifung, die
bei den positiven Elbaer Eisenkieskry stallen vorkommt.
Aufser den Streifen finden sich noch, sowohl bei den positi-
ven wie negativen Krystallen dreieckige oder trapczoidale Ein-
drücke (Fig. 8)9 die in der Riehtong der Hexaeder- und der Oktaeder-
flächen schillern, nnd daher auch durch diese hervorgebracht wer-
den; ihre Seiten gehen also auch den Kanten mit dem Hexaeder
nnd OktaSder parallel. Diese Eindrucke sind aber dieselben bei
den positiven wie bei den negativen Krystallen. Sie sind oft nur
klein und von einander getrennt, wie bei den positiven Pyritoedem
von der Himmelfahrt bei Freiberg und bei den grof^en schonen
Cubo-Oktaddera van Traversella, an denen die Pyritoederflächen
nur untergeordnet erscheinen; in andern Fällen sind sie grofser
wie bei den grofsen Krystallen von Elba, bei denen die Pyritoe-
derflächen vorherrschen, in deren Mitte sie dann so znsammeage-
häuft sind, dals diese Stellen dadurch g^na drusig erscheinen. Sie
kommen so bei den zart vertical gestreiften positiven Kr^^stalleo
vor, wo die Eindrücke aufser den Oktaeder flächen noch durch die
Diplocderflächen 123 gebildet werden, als auch bei den stark ge-
streiften negativen Krystallen, bvi denen die Diploederflächen
fehlen.
Die schärfern Pentagon dodekaed er, die sämmtlich negativ sind,
erscheinen selten recht glatt und glänzend, sie sind meistens hori-
zontal gestreift, und dann auch ebenso das negative Pyrito^er, zu
dem sie gewöhnlich untergeordnet hinzutreten.
Das Diploeder 123 ist charakteristisch für die positiven Kry-
stalle, and ist dann stets sehr glänzend, zuweilen auch ganz glatt,
gewohnlich aber mit einer Streifung versehen, tiieils mit einer
Längsstreifung parallel den Kanten mit dem Oktaeder (Elba), tbeils
mit einer Querstreifung, parallel den Kanten mit dem DiploSder 124
(Traversella}. Zuweilen kommen Längs- und Querstreifung auf
derselben Fläche vor, wie dies bei Krystallen von Elba nicht sel-
ten der Fall ist und auch Strüver angiebt in seiner Fig. 183.
Die Längsstreifung rührt gewöhnlich von den OktaSderflächen her,
doch zuweilen auch von den Pyrito(^derflächen , und bei manchen
Krystallen wechselt Streifung nach den Octa^derflächen mit Strei-
vom 2. Juni 1870, 345
fang nach den Pyritoederflächen ab, und die zwischen Oktaeder«
und PyritoSderfläche liegende Diploederfläche ist nach dem DiploS-
der 124 gestreift und enthfilt auch viereckige Eindrucke in dieser
Richtung.
Das negative DiploSder 123 kommt nur selten vor, und ge-
wöhnlich sehr untergeordnet, selten herrschender. Es findet sich
so an den positiven Pyrito€dern von Traversella, wo seine Flä-
chen ganz rauh und drusig und auch mit Eindrücken versehen
sind, die sämmtlich in der Richtung des Hexaeders schillern.
Das Diploeder 124 kommt am häufigsten bei negativen Ery-
stallen von Brosso vor, bei denen das Oktaeder herrscht und Di-
ploeder and HexaSder untergeordnet hinjEutreten; es ist dann in
der Regel glänzend, und erscheint auch so bei einem losen Ery-
«talle von Rodna in Siebenbürgen, wo es vorherrscht und öfter
darch die Flächen des HexaSders unterbrochen wird. Dieselbe
Combination kommt aber hier auch bei positiven Krystallen dieses
Fundorts vor; die Kry stalle sitzen bei mehreren Stücken des mi-
neralogischen Museums auf schön krystallisirter Blende; das Di-
ploeder ist matt, und nur in der Richtung des Hexaeders glänzend,
nach welchem es fein gestreift ist; HexaSder und Pyritoßder er-
scheinen stark glänzend. Indessen kommt das negative DiploSder
124 bei den vorhin erwähnten positiven Krystallen von Traversella
auch matt nnd drusig vor, und erscheint hier mit den matten, rauhen,
ebenfalls nach dem Hexaeder gestreiften negativen DiploSder 123.
Das Diploeder 16 10, welches ich nur bei negativen Krystal-
len beobachtet habe, erscheint, wo es auch vorkommt, stets sehr
glatt und glänzend, so dafs es sich zu den schärfsten Messungen
eignet. '
Zwilling $kry stalle.
Regelmäfsige Verwachsungen zweier Krystalle zu Zwillings-
krystallen kommen bei dem Eisenkies sehr häufig vor und viel
häufiger als man bis jetzt angenommen hat, da man einen grofsen
Theil derselben bisher ganz verkannt, und nur die deutlichen, mit
durcheinander gewachsenen Individuen für solche genommen hat.
Die Zwillingskrystalle, die beim Eisenkiese vorkommen, sind aber
zweierlei Art; die beiden Krystalle, die untereinander regelmäfsig
verwachsen vorkommen, sind entweder thermo-elektrisch einerlei
Art oder sie sind verschieden. Beide zerfallen wieder in 2 Ab-
25*
346 Gesammtsitzung
theilangeo, bei den erstem sind die Terwachsenen Krystalle ent-
weder beide positiv oder beide negativ, und der eine erscheint ge-
gen den andern nm eine der 3 rechtwinkligen Axen um 90° ge-
dreht; bei den letztem, bei denen der eine Krystall positiv, der
andere negativ ist, stehen beide gegeneinander in Zwillingsstellang
oder sie haben ihre parallele Stellung bebalten.
1. Zwillingskrystalle, bei welchen beide Individnen
thermo-elektrisch einerlei Art sind.
"Wenn man einen solchen Zwillingskrjstall parallel einer Hexae-
derfl&che mit einem scharfen Meifsel spaltet, so kann man aaf der
Bruchflfiche von einer Orfinze zwischen den beiden Individnen in
der Regel nichts sehen. Lfifst man die Bruchflfiche poliren, so
zeigen die beiden Individuen öfter wohl etwas Verschiedenheit im
Glänze, so dafs man die Granzen schon erkennen kann, ganz
vortrefflich sieht man sie aber, wenn man die Bruchfl&che fitzt;
es entstehen nun die oben S. 333 beschriebenen Eindrücke parallel
den PyritoSderflfichen, die in jedem Individuum verschieden liegen*
Die Bruchfläche jedes Individuums glänzt nun in der Richtung
ihrer Pjritoederflächen, während die andere ganz matt ist, die uiin
ihrerseits glänzt, während die erste matt erscheint, wenn man die
geätzte Fläche um die Zwillingsaxe um 90° dreht. Die Granzen
zwischen beiden Individuen gehen unregelmäfsig , nie genau durch
die Diagonalen der Hexaederfläche, sind aber sonst ganz gerad-
linicht.
d) Positive Zwillingskrystalle der Art wurden von 4
Fundörtern untersucht: von Elba, vom Dörrel bei Pr. Oldendorf
in Hannover, von Leiwa in Columbien und einem andern Vorkom-
men von Elba.
Die Krystalle von Elba sind von 3 — 4 Linien Gröfse und auf
einer derben Eisenkiesmasse aufgewachsen. Sie sind sämmtlich
vorherrschend PyritoSder^ die Grundkanten nur schwach abgestumpft
durch die Hexaederflächen; die Krystalle sind durcheinander ge-
wachsen, die HexaSderflächen der beiden Krystalle kreutzen sich
also rechtwinklig und fallen in eine Ebene. Die Flächen der Pj-
ritoeder sind horizontal gestreift.
Bei dem Eisenkies vom Dörre! sind bei einer Stufe des mi-
neralogischen Museums die Krjstalle nur ein wenig kleiner und
vom 2. Juni 1870. 347
auf schon krystallisirtem Eisenspath aufgewachsen; ^ ) sie sind eben-
falls vorherrschend PyritoSder, Hexaeder und ein stumpferes Pen*
tagondodeka§der treten nur untergeordnet hinzu. Die Kry stalle
sind aufserordentlich glänzend; das Pyritoeder ist schwach, das
stumpfere PentagondodekaSder stark horizontal gestreift.
Von den Krystallen von Leiwa besitzt das mineralogische Mu-
seum 3, sie sind reine PyritoSder, etwas grofser als die vorigen
von etwa 6 — 8 Linien im Durchmesser, horizontal gestreift und &U8-
serlich braun angelaufen. Bei einem derselben hatte ich 2 sich recht-
winklich schneidende HexaSderflächen anschleifen lassen; man sah
dabei, dafs er einen Kern hatte, der mit einer Schale späteren
Absatzes gleich mäfsig bedeckt war, so aber, dafs man die Grfinze
zwischen Schale und Kern auf den Schlifüflächen deutlich erkennen
konnte, Schale und Kern zeigten sich beide positiv.
Die zw^eite Varietät der Zwillingskrystalle von Elba sind Com-
binationen des DiploSders 1 23 mit dem PyritoSder, HexaSder und Ok-
taeder, wie sie Fig. 36 in Struver's Abhandlung darstellt. Die
DiploSder sind meistentheils vorherrschend, und nach den Kanten
mit dem Oktaeder und Pyritoeder, wie oben S. 344 angegeben, stark
gestreift, das Pyritoeder schwach senkrecht gestreift, Hexaeder und
Oktaeder glatt; die Flächen des erstem enthalten stellenweise die
kleinen oben S. 341 beschriebenen Eindrücke. Die Mineralien-
sammlung der Bonner Universität besitzt einen über zoUgrofsen
prachtvollen Zwilling, bei dem die beiden Krystalle vollständig
and sehr symmetrisch durcheinander gewachsen sind, der mir durch
freundliche Vermittelung des Prof. vom Rath zur Untersuchung
geschickt wurde; das Berl. mineral. Mus. besitzt mehrere kleinere
Krystalle der Art, die aber einfach sind, und nur einen bei dem 2 In-
dividuen durcheinander gewachsen sind, doch nicht so vollkommen
und regelmäfsig als bei dem Bonner Krystall. Die Krystalle sind
anf dünn tafelförmigen mit deb Rändern aufsitzenden Eisenglanz
aufgewachsen, deren Eindrücke die lösen Krystalle des Eisenkieses
enthalten.
b) Zwillingskrystalle bei denen die beiden Indivi-
duen negativ sind. Von diesen sind Eisenkieskrystalle von 4
') Das mineralog. Museum verdankt diese Stufe Hrn. Dr. Lasard,
der auch das Vorkommen beschrieben hat (Zeitschrift d. d. geol. Ges. von
1867 B. 19 S. 16).
848 GeBammUitzung
Fundortern antorsucht: von Elba, Ylotho bei Pr. Minden, Pfitscb
in Tyrol und Eisenerz in Steiermark.
Von Elba ein über 2 Zoll grofser Zwilling, hauptsächlich ans
einem PjritoSder bestehend, ans dem das andere Indiriduum in
einzelnen Theilen lierausragt; nur sehr untergeordnet tretcu Hexae-
der, Oktaeder and Leucitoeder hinzu. Die Flftchen des PyritoMers
sehr stark und geradlinicht parallel den Kanten mit dem Leuci-
toeder und durch dieses gestreift.
Die Krystalle von Vlotho kommen in grofser Menge in Keu-
permergel eingeschlossen vor; sie sind nur einige Linien grofs,
grörstentheils einfache PyritoSder nnd zu Zwillingen oft aber sehr
regelmfifsig, durcheinander gewachsen. Sie sind so wie man sie in
den Sammlungen sieht, gewöhnlich mehr oder weniger voUstfindig
in Gothit umgeändert; zuweilen nur auf der äufsersten Oberflache;
solche sind zur Untersuchung genommen, nachdem sie zuvor durch
heifse Chlorwasserstoffsäure von ihrer bedeckenden braunen Haut
befreit waren.
Die Krystalle von Eisenerz in Steiermark in dem Berliner
Museum sind kleiner als die von Vlotho, aber ganz irisch. Sie
sind lose, vielleicht sind sie aber früher in Eisenspath eingewach-
sen gewesen, denn sie zeigen aufser dem Pyritoeder noch die Flä-
chen eines scharfem PentagondodekaSders 340, was bei Eisenkies-
krystallen, die in Eisenspath vorkommen, öfter der Fall ist, z. B.
in Lobenstein. Die Flächen sind nicht besonders glänzend, aber
nicht gestreift.
Von Pfitsch besitzt das Berliner Museum nur einen 4 Linien
grofsen Krystall, zwei durcheinander gewachsene PyritoSder. Die
Flächen sind etwas uneben, doch deutlich vertikal gestreift; aufser
den Flächen des PyritoSders kommen noch untergeordnet die des
Oktaeders vor, von denen hier besonders an einer Ecke zwei den
verschiedenen Individuen angehörige Flächen sehr schön sternför-
mig durcheinander gewachsen sind.
2. Zwillingtkrystalle, bei welchen das eine Individanm
positiv, das andere negativ ist.
a) Beide Individuen in Zwillingsstellung. Es sind
dies die Zwi 11 ingskry stalle, die erst durch die Untersuchung ihres
thermo-elektrischen Verhaltens erkannt worden sind. Die Flächen
des einen Krystalls kommen hierbei vollständig in die Lage des
vom 2. Juni 1870. 349
andern, und der Zwilling erscheint hier wie ein einfacher Krystall,
wenn man nicht auf die Beschaffenheit der FlSchen achtet. Die
Rrystalle des Zwillings sind aneinander gewachsen oder durchein-
ander gewachsen; gewöhnlich ganz unregelmäfsig und Theile des
einen durch den andern oft vollständig getrennt. Die Flfichen des
Zwillings erscheinen dann, wenn die Flächen des positiven und
negativen Krystatls in ihrer Beschaffenheit sehr verschieden sind^
wie gefleckt. Man findet diese Art der Zwillinge sehr ausgezeich-
net bei den Italiänischen Eisenkiesen von Traversella, Brosso und
Elba.»)
Von Brosso wurden 8 Krystalle untersucht, die vorherrschend
Gombinationen des Hexaeders und OktaSders sind, und an denen
untergeordnet die Flächen des PyritoSders und des DiploSders 123
erscheinen. Die gleichnamigen Flächen sind sehr unregelmäfsig
ausgedehnt, und Pjritoeder und Diplo^er treten auch ganz un-
regelmäfsig hinzu.') Die Krystalle sind von dem Ansehn wie die,
welche Stru ver in den Fig. 166, 167 u. 169 darteilt. Die Flächen
des Hexaeders gehören gröfstentheils dem neg. Krystalle an, sie sind
glatt und glänzend oder haben die oben S.341 angegebene schwa-
che Streifung nach den Seiten eines langgezogenen Sechsecks wie die
pos. Krystalle. Stellenweise sind sie aber öfter stark gestreift,'
die Streifen ganz unregelmäfsig begränzt, und diese so stark ge-
streiften Stellen gehören dem positiven Krystalle an. Die OktaS
^) Leider bin ich bei den Italianischen Eisenkiesen des Berl. min. Mu-
seums oft ganz unsiclier fiber die Fundörter, da die Zettel fehlen oder nicht
genau genug sind. Die von StrAver angegebenen Kennzeichen för die
Fundörter aus den begleitenden Mineralien, Magneteisenerz und Dolomit für
Traversella, Scbwerspath fQr Brosso, Eisenglanz für Elba, verlassen einen,
wenn man es mit losen Krjstallcn zu thun hat. Es wäre vielleicht gut ge-
wesen, wenn Strüver bei der Erklärung der schönen Figuren der Kupfer-
tafeln wie die jedesmaligen Gombinationen so auch die Fundörter angegeben
hätte; man hätte dadurch für die Bestimmung der Fundörter noch ein wei-
teres Anhalten. Bei vielen stehen zwar die Fundörter in der Beschreibung
der einfachen Formen, aber doch bei weiten nicht bei allen.
') Diese Unregelmäfsigkeiten in der Gröfse und in dem Auftreten der
gleichnamigen Flächen charakterisiren diese Art der ZwiUingskrystalle, daher
wohl zn vermuthen ist, dafs der gröfste Theii der von Strüver Taf. XII
gezeichneten Krystalle solche ZwiUingskrystalle sind.
350 Ge$ammUitzung
derfifichen gehören theils dem negativen, tbeils dem poeitiven Kry-
stalle an. Die negativen Flächen sind in der Regel ganz glatt,
die positiven aber gestreift nach den Fl&cben des positiven Di-
ploSders 123, und aufserdem mit den kleinen oben S. 341 beschrie-
benen dreieckigen Eindrucken versehn, die darch die Flächen des
Hexaeders hervorgebracht werden. Die PjritoSderflächen sind matt
und mit den oben S. 344 beschriebenen kleinen dreieckigen oder
trapezoidalen Eindrucken versehn, die durch die Oktaeder- und
HexaSderflächen hervorgebracht werden; die DiploSder sind paral-
lel den Kanten mit dem OktaSder gestreift, stets positiv. Fig. 10
stellt die horizontale Frojection eines solchen Zwillings dar^ bei
dem die vordem OktaSderflächen 0 positiv und voller kleiner Ein-
drücke sind, die in der Richtung der Hexaederflächen prächtig schil-
lern, die hintern OktaSderflächen 0' sind meistens negativ, die der un-
tern Seite dagegen sämmtlich positiv. Die HexaSderflächen sind
bis auf die zur Seite rechts liegende Fläche sämmtlich negativ,
und alle glatt und glänzend. An der hintern Seite erscheint noch
eine kleine negative Pyritoederfläche ^d', an derselben Stelle wo
2 positive DiploSderflächen liegen muüsten. Fig. 11 ist ein grofs-
tentheils negativer Krystall, an dem nur die kleine stark gestreifte
Stelle der obern HexaSderfläche a', sowie einige mehr oder weni-
ger stark hervorspringende DiploSderecken von 123 auf den vor-
dem Okta^derflächen 0' positiv sind. Bei einem andern Krystalle
sind 5 HexaSderflächen positiv und nur eine negativ, und diese an
allen 4 Ecken von den positiven glänzenden Flächen des Diploe-
123 umgeben. Eine parallel einer HexaSderfläche gelegte Bruch-
fläche zeigt trotz des starken Glanzes auch ohne Ätzung die
Gränze beider Individuen ziemlich deutlich; sie verläuft hier auf
der Bruchfläche ganz unregelmäfsig und krummlinicht ; geätzt siebt
man sie noch besser, trotzdem dafs nun in beiden Individuen die
pyritoSdrischen Eindrücke eine gleiche Lage haben. Die des ne-
gativen Erystalls sind mehr in der Richtung der Grundkante ver-
längert, sind meistentheils feiner und liegen dichter nebeneinander,
daher die geätzte Bruchfläche des negativen Krystalls weniger
glänzt als die des positiven.^)
') Bei weiterm Studiam wird es deshalb gewifs noch möglich sein,
zwischen den Atzeindrficken der positiven und negativen Flachen beim Eisen-
kies einen Unterschied zu finden.
vom 2. Juni i870. 351
Von Traversella warden 4 über zoUgrofse Zwillingskrystalle
untersacht. Sie süid Combinationen eines PyritoSders, welches
vorherrscht mit dem Hexaeder und den Diplo€dern 123 und 124,
die untergeordnet hinzutreten. PyritoSder und Hexaeder sind sehr
glänzend und schwach gestreift parallel den stumpfern Combina-
tionskanten, die sie bilden; die Diploeder sind ganz matt und dru-
sig von lauter kleinen hervorragenden Ecken, sie schillern aber
sämmtUch in der Richtung der Oktaederfl&che, und werden also
auch zum Theil durch eine solche Fläche begränzt. Die Flächen
des Diploeders 1 23 werden aber stellenweise durch ganz glänzende
Streifen, die den Combinationskanten des DiploSders mit dem
Hexaeder oder dem Diploeder 124 parallel gehen, oder ganz
unregelmäßig begränzt sind unterbrochen. PyritoSder uud He-
xaederflächen sind positiv^ die matten Diploederflächen 123 und 124
sind negativ, die glänzenden Stellen auf ihnen dagegen wieder
positiv.
In Brosso kommt die nämliche Combination mit vorherrschen-
den Octaederflächen vor (vergl. Struver Fig. 168), aber hier sind
diese negativ, Pyrito€der und Diploeder 123 positiv; auch sind hier
sämmtliche Flächen glänzend, die des Oktaeders gestreift parallel
den Kanten mit dem Pyritoeder, die des Diploeders 123 parallel
den Kanten mit dem Hexaeder und dem DiploSder 124; die Kry-
stallflächen sind auch sehr unregelmäfsig ausgedehnt. Der nega-
tive Krystall ist hier oft sehr vorherrschend; das DiploSder 123
bildet bei einem Krystalle des Berl. mineralog. Museums nur an
den Ecken eine positive Schale, die nicht sehr dick ist, und im
Brach sehr scharf an dem übrigen negativen Theil abschneidet.
Hierher gehört auch der merkwürdige Krystall von Brosso,
den Struver S. 21 seiner Abhandlung beschrieben und Fig 144
vortrefflich abgebildet hat, und den er die Güte hatte, mir zur An-
sicht zu schicken. Er besteht aus einer Gruppe von 2 Krystallen
mit ganz verschiedenen Combinationen von Flächen, die in schein-
bar paralleler Stellung mit ganz unregelmäfsig laufenden und deut-
lich sichtbaren Gränzen miteinander verwachsen sind. Beide ent-
halten das PyritoSder vorherrschend, der eine aufserdem etwas mehr
untergeordnet die Flächen des LeucitoSders , und noch mehr die
Flächen des Hexaeders und des schärfern Pentagondodekaeders
405; der andere die Flächen des OktaSders in ungefähr gleicher
Gröfse mit dem Pyritoeder und klein die Flächen des Diploeders
352 Gesammtsitzung
124. Der erste Krystali ist positiv, der andere negativ. Strüver
sagt: der Kr}^stall kann nicht ftir einen Zwilling gehalten werden,
da die Flächen des PyritoSders des einen Individuums parallel den
Flächen des andern sind; das elektrische Verhalten klärt die Er-
scheinung auf, auch sind die Combinationen die gewöhnlichen,
die bei positiven und negativen Krystallen vorkommen.')
In Traversella kommen noch andere mehrere Zoll grofse Kry-
stalle vor, die oft nur reine PyritoSder und horizontal gestreift
sind; die Streifung ist häufig sehr grob und unterbrochen, und der
Krystall erscheint dann oft aus mehreren Individuen zu bestehen,
deren Grundkanten nicht genau untereinander parallel sind. Ein
Krystall aus der Sammlung des Dr. Tarn n au, an welchem die
Streifung feiner ist, erschien vollkommen positiv, die mit grober
Streifung zeigten sich gröfstentheils als Zwillingskrystalle, positiv
und negativ, nnd die Gränze zwischen beiden ist oft deutlich zu
verfolgen. Manche enthalten an den einzelnen gleichkantigen Ecken
des Pyritoeders noch untergeordnet die glänzenden Flächen des Ok-
taeders und des Diploeders 123, und diese Stellen zeigten sich
stets positiv.
Bei einer grofsen Druse des Berl. min. Museuros von Traver-
sella, an welcher die Eisenkieskrystalle, gröfstentheils reine Pyri-
toeder von verschiedener Grofse, mit gröfsern und kleinem Krystal-
len von Dolomit aufgewachsen sind, erscheinen die Eisenkieskry-
stalle matt, aber da, wo der bedockende Dolomit mit dem Messer
oder mit Chlorwasserstoffsäure weggenommen war, stark glänzend.
Die glänzenden Slellen liegen stets tiefer als die matten, und sind
scharf begränzt. Offenbar hatte hier die Eisenkiesbildnng nach
dem Dolomitabsatze noch einmal begonnen und eine schwache Lage
auf dem von Dolomit nicht bedeckten Theil gebildet. Die ent-
blöfsten glänzenden Stellen zeigten sich bei einem kleinen Krystalle
negativ, die matten schwach positiv. Bei einem gröfsern Krystalle
war die Bruchfläche mit welcher derselbe aufgesessen hatte positiv,
eine matte Stelle auf einer Pyritoederfläche auch positiv; eine sehr
*) Bis auf das sohfirfere PentagondodekaSder, da bisher ein schärferes
überhaupt bei positiven Krystallen noch nicht beobachtet ist; dasselbe Penta-
gondodekaC>der kommt bei dem mir von Hm. Strfivcr ebenfalls gesandten
Krystalle Kig. 128 negativ vor.
vom 2. Juni 1870. 353
glänzende Stelle aaf einer andern PyritoSderfläche negativ, auf
einer dritten Flfiche ebenfalls negativ, eine Ecke, an welcher eine
Oktaederfiäche und kleine Fl&chen des DiploSders 123 erschienen,
auch positiv. Wegen des positiven Bruches im Innern scheint
hier also eine mehrfach sich wiederholende Bildung von positiven
und negativen Eisenkies stattgefunden zu haben.
Etwas Räthselhaftes bieten gewisse grofse schön ausgebildete
und glanzende Krystalle von Elba dar, die Combinationen des Py*
ritoeders mit Hexa€der, Oktaeder und Diplo^der 123 sind, deren
PyritoSderflächen schwach vertical gestreift sind mit drusigen Ein-
drücken in der Mitte und deren DiploSder die doppelte Streifung
haben. Hier sind die PyritoSderflächen auf einer Fläche zuweilen
positiv, auf einer andern negativ, und die vom Diploeder umgebenen
Oktaederflächen positiv oder negativ. Da man nie weifs, wie im
Innern die Gränzen des positiven und negativen Krystalles laufen,
so ist es sehr möglich, dafs ein Theil des negativen Krystalles
sich nahe unter der Oberfläche des positiven hinzieht; ist nun die
Erwärmung von Kupferdraht aus erst bis zur Berührungsstelle des-
selben mit dem Krystall gelangt, so wird ein Strom erregt, dessen
Richtung den Krystall als positiv characterisirt, aber bald, wenn
die Temperaturerhöhung bis zur Gränze zwischen positiven und
negativen Krystall eingedrungen ist, tritt dann ein stärkerer ent*
gegengesetzter Strom auf.
Sehr mehrkwürdig sind einige lose Krystalle in der Sammlung
der Bergakademie, die angeblich aus Cornwall stammen; die Kry«
stalle sind 3 bis 4 Linien grofs und vorherrschend Dodekaeder, an
deren vierflächigen Ecken untergeordnet die Flächen des Diploeders
1610, die Pyito§der- und Hexaederflächen erscheinen, und deren
Kanten durch die LeucitoSderflächen schwach abgestumpft sind.
Die Dodekaederflächen sind zur Hälfte nach dem der Pyritoeder-
fläche anliegenden Theile stark glänzend und glatt, und zur andern
Hälfte ganz matt. HexaSder, Pyrito^der und Diploeder glänzend,
das Leucitoeder ist matt. Das Matte der letztern und der Hälf-
ten der DodekaSderflächeu rührt von einer zarten Streifung paral-
lel den Kanten mit dem Oktaeder her, dessen Flächen selbst nicht
da sind; alle um eine dreiflächige Ecke des Dodekaeders gelege-
nen Dodekaeder- und Leucitoederflächen schillern daher, silberweifs
glänzend, in der Richtung der Oktaederflächen, was diesen Kry-
354 Gesammtsitzung
stallen ein sehr eigentbümlicbes Ansebn giebt') Hexaeder, Pjri-
toeder und DiploSderfl&cben sowie die matten Theile der Dode-
kaSderflfichen sind positiv, die glfinzenden Theile negativ. Die
Krystallc sind also sebr rcgelmäfsige Zwillingskrystalle mit darch-
einander gewachsenen Individuen.
Diesen in mancher Rücksicht ähnlich sind kleine Krjstalle
von Immenkippel bei Bensdorf des mineralog. Maseums. Diesel-
ben sind Combinationen des Oktaeders mit den untergeordnet hin-
zutretenden Fl&cben des Dodekaeders, Pyritogders und Hexaeders.
Lfetztere Fl&cben sind glatt, die DodekaSderflSchen haben eine
Streifnng nach der kurzen Diagonale, die sich auf den PyritoSder-
fl£chen fortsetzt. Die OktaSderflächen sind matt und mit kleinen
mikroskopischen dreieckigen Eindrucken versehen, deren Seiten
den Kanten des OktaSders parallel sind und von dem Hexaeder
herrühren. Hexaeder, PyritoSder und Dodekaeder sind negativ,
die OktaSderflfichen positiv, was auch schon die dreieckigen Ein-
drucke beweisen.')
b) Zwillingskrystalle, beide Krystalle in paralleler
Stellung.
Hierher geboren alle die seltenen Ffille von Erystallen, bei
denen man hemiedrische Formen in beiden Stellungen beobachtet
hat, denn hier ist stets anzunehmen, dafs die Formen der einen
Stellung positiv, der andern negativ sind. Wir haben allerdings
nur einige solcher Krystalle untersucht, die sich auf einer kleinen
Stufe befinden, die mir Hr. Strüver gutigst gesandt, doch waren
diese Krystalle entscheidend, da bei ihnen das Verhältnifs so ge-
funden wurde, wie angegeben. Die oben S. 328 erw&hnten Kry-
^) Die Krystalle haben im Ansehn die gröfste Ähnlichkeit mit der von
Strüver Fig. 128 abgebildeten und S. 26 beschriebenen Combination wahr-
scheinlich von Brosso, nar findet sich hiei statt des glänzenden Theiles der
DodekaMerflächen das PentagondodekaSder 405.
') Hierher gehören weiter auch wohl die Krystalle, die Strüver S. 38
seiner Abhandlung beschrieben und Fig. 181 abgebildet hat. Ks sind Pyri-
toSder von Traversella, die an den Gmndkanten schwach abgestumpft sind;
auf den PyritoCderflachen finden sich kleine hervorragende Ecken von einem
DiploSder, vielleicht 851, an welche noch die Flächen des Hexaeders und
des PyritoSders hinzugetreten sind, welche den gleichnamigen Flächen des
Krystalls, worauf sie aufgewachsen, parallel sind.
vom 2. Juni 1870. 355
stalle, die Hr. Weisbach die Güte hatte, mir aus der Freiberger
Sammlang zu schicken, waren zu klein und miteinander zu sehr ver-
wachsen, um ein entscheidendes Resultat geben zu können, doch fin-
den sich auch hier einzelne Flächen und ßruchsteUen positiv, andere
negativ, so dafs sich wenigstens die Anwesenheit von positiven
und negativen Tbeiien ergab. Ebenso gab auch der von Hrn. Hes-
senberg oben S. 330 erwähnte Krystall, der mir freundlichst zur
Ansicht geschickt wurde, kein Resultat, da die Fläche des Fenta-
gondodekaSders zweiter Stellung für die Untersuchung zu klein war,
sie ist in der That noch kleiner als sie in der Figur dargestellt
ist. Der ganze Krystall wurde nur negativ gefunden.
Die von Hrn. Struver gesandte Stufe enthielt drei Erjstalle
von der in Fig. 111 seiner Abhandlung abgebildeten Gombination.
Sie besteht aus dem Hexaeder, dem Dodekaeder, den beiden Fy-
ritoedern, einem flachern PentagondodekaSder 103, dem Oktaeder
uud LieucitoSder. Das Hexaeder herrscht vor, alle übrigen Flä-
chen sind untergeordnet und so wie in der Figur dargestellt ist
Das PentagondodekaSder 103 erscheint nur bei dem einen PyritoS-
der, das sich aber im Ansehn nicht wesentlich von dem andern
unterscheidet, alle Flächen sind glänzend. Die Erystalle sind auf-
gewachsen, doch ist bei allen eine HexaSderecke mit den umgeben-
den Flächen frei. Das Pyritoeder, bei welchem sich das Penta-
gondodekaSder 103 befand, zeigte sich negativ, das wobei dieses
fehlte, positiv; bei einigen Flächen waren die Resultate ganz ent-
scheidend, in andern Fällen wurde auch bei 'dem Pyritoeder ohne
das PentagondodekaSder 103 der umgekehrte Strom erhalten; of-
fenbar war in dem Zwillinge die negative Masse vorherrschend,
und zog sich in dem letzten Falle wohl unter der positiven weg,
so dafs dann die negative auch hier den Ausschlag gab. Die
Gränzon zwischen den positiven und negativen Individuen ist bei
allen 3 Krystallen nicht sichtbar.^)
0 Bei einer andern Stufe mit Krystallen, die mir auch Hr. Strüver
schickte und auf welcher die Krystalle die in Fig. 110 abgebildete Form
hatten, waren die Krystalle auf der Oberfläche in Eisenoxydhydrat umgeän-
dert und dadurch nicht leitend geworden, obgleich die entstandene Haut nur
sehr dünn war. Da ich nicht das Recht hatte mit Chlorwasserstoffsänre die
nicht leitende HüUe zu entfernen, so konnten die Krystalle fär meine Zwecke
nicht benutzt werden.
356 Gesammtiitzung
Wahrscheinlieh gehören hierher noch 2 Krystalle des Berl.
mineralog. Mosenms Terra uthlich von Brosso. Es sind 5 bis 6
Linien grofse Oktaeder, an den Ecken mit den Flächen des Hexae-
ders, Pyrito^ders und DiploSders 123 begrfinzt, die nur ganz an-
tergeordnet hinzutreten. Diese letztern Flächen sind glänzend, die
OktaSderflächen matt, aber ebenfalls silberweifs metallisch glänzend
in der Richtung der Flächen eines PyritoSders entgegengesetzter
Stellung. Betrachtet man die Oktaederflächen oder besser noch
einen von ihnen gemachten Hausenblasenabdruck unter dem Mi-
kroskop, so sieht man, dafs sie mit lauter kleinen dreiseitigen Pr-
rnniiden bedeckt sind, deren Flächen dem PyritoSder der entgegen-
gesetzten Stellung angehören. Untersucht man das thermo-elektn-
sehe Verhalten dar Flächen, so findet man die des Hexaeders
stark positiv, die Flächen des Oktaeders auch, aber einen merk-
lich schwächern Strom liefernd; es ist daher wahrscheinlich die
ganze Erscheinung so zu deuten, dafs die Krystalle positiv, aber
auf der Oberfläche mit negativen Kry stallen bedeckt sind, die aber
so klein sind und nur eine so dfinne Decke auf der Oberfläche
bilden, dafs bei der Erwärmung die drunter liegende positive Masse
in Bezug auf die Stromesrichtung bald die Oberhand gewinnt.
Diese kleinen Krystalle wurden dann aber nicht in Zwillingsstel*
lang stehen, sondern in paralleler Stellung, sodafs die Krystalle
Zwillingskrystalle der vierten Art sind.')
Man könnte auch annehmen, dafs die Krystalle Zwillingskry-
stalle erster Art wären und die geringe Leitung auf der Oktaeder-
fläche nur daher käme, weil die Flächen rauh waren, indessen sind
in diesem Falle die in Zwillingsstellang stehenden Krystalle stets
gleich ausgebildet, und es ist noch nicht der Fall vorgekommen,
dafs der eine Krystall ungleich gegen den andern und der eine
wie hier ein Oktaeder, der andere, oder wie hier die andern, Py-
ritoöder sind, daher die erstere Meinung wohl die wahrschein-
lichere ist.
1) Ähnliche Betrachtungen könnte man freilich auch bei den S. 343
beschriebenen und Fig. 9 abgebildeten Krystallen anstellen; auch hier könn-
ten die aufliegenden dünnen Streifen negativen Krystallen angehören, die
aber auch hier ganz dfinn sein mfirsten, denn die Untersncbnng hat hier
Gberall nur positive Elektricität gegeben.
vom 2. Juni 1870. 357
Pqsitive und negative Krystalle in unregelmäfsiger Ordnung
nebeneinander.
Positive and negative Krystalle von Eisenkies finden sich öf-
ter auf einer und derselben Stufe oder einer und derselben Gruppe
in unregeloiäfsiger Verbindung neben einander. So enthält das
mineralogische Museum einen zollgrofsen Krystall von Traversella,
eine Combination des Hexaeders, Oktaeders und Pyritoeders mit
etwas unregelmäfsiger Ausdehnung der Flächen, doch ungefährem
Gleichgewicht der Formen. Die Hexaeder dächen sind glatt, aus-
ser einigen Unterbrechungen durch die PyritoSderflächen, die Ok^^
taederflächen ebenfalls glatt, nur sind an einigen Stellen die Ecken
des Diploeders 123 in paralleler Stellung hervorgebrochen, die
Flächen des Pyritoeders sind senkrecht gestreift, wenn auch an
einer grofsen Fläche nur stellenweise, und daneben glatt. Auf
einer Uexaederfläche ist ein kleinerer Krystall aufgewachsen, bei
dem die Hexaederflächen vorherrschen, die Pyritoederflächen mehr
untergeordnet vorkommen, und an dessen Ecken, von denen drei
sichtbar sind, die Flächen des Diploeders 123 erscheinen; die
Hexaederflächen sind glatt, und wie bei dem grofsen Krystall nur
stellenweise durch die Pyritoederflächen unterbrochen, die Pyritoe-
dcr- nnd Diploederflächen ebenfalls glatt. Der grofse Krystall ist
bis auf die aus den Okta3derflächen hervorragenden Diploederecken
negativ, selbst auf den ganz glatten Stellen der Pyritoederflächen
neben den gestreiften, die Diploederecken sind aber positiv; der
grofse Krystall also schon ein Zwillingskrystall.. Der kleine Kry-
stall ist positiv, die Combination auch vollkommen einer positiven
gemäfs, aber die Verwachsung beider Krystalle ist ganz zufällig,
ein bestimmtes Gesetz der Verwachsung scheint nicht statt zu
finden.
In dem Museum befindet sich ferner eine Druse aus Cornwall
ohne nähere Bestimmung, die auf der (untern) Bruchfläche vorzugs-
weise aus Kupferkies besteht, in welchem Eisenkies und Quarz
eingemengt ist; der erstere stets in regelmäfsig ausgebildeten Kry-
stallen, die öfter zu Kry^tallgruppen vereinigt sind; sie sind He-
xaeder, auf den Flächen stark gestreift und 3 bis 4 Linien grofs.
Krystalle von derselben Form erscheinen auch auf der obern freien
Seite der Stufe in einzelnen Gruppen auf dem Kupferkies aufge-
wachsen und hier zusammen mit schneeweifsenQuarzkry stallen;
358 GesamnUsitzung
aber diese in Hexaedern krjstallisirten Eisenkieskrystalle werden
snm Theil von andern Gruppen von Eisenkieskrystallen bedeckt,
die eine andere Form haben und Combinationen des vorherrschen-
den Oktaeders mit dem Hexaeder sind. Sie sind kngelich zusam-
mengehfiuft, bunt angelaufen, dennoch glänzender als die Hexaeder,
und da sie diese bedecken, späterer Bildung als diese.
Die reinen Hexaeder sind auf manchen Flachen positiv, auf
andern negativ, also Zwillingskrjstalle, ohne dafs man auf den
Krystallfiächen eine Granze zwischen den positiven und negativen
Kry stallen sehen kann. Sie gleichen im Ansehn und in ihrem
thermo-elektrischen Verhalten andern Eisenkieskrystallen von Ta-
vistock in Devonshire, die lose oder in losen Gruppen in dem mi-
neralogischen Museum sich befinden, nur etwas grofser sind.')
Die angelaufenen Krystalle sind positiv, was bei den vorherrschen-
den Oktaederflfichen auffiillen kann. Auch die Quarzkrystalle zei-
gen darin etwas Eigenthümliches , dafs sie nur auf einer äufsern
Schicht schneeweifs und undurchsichtig, im Ihnern aber graulich -
weifs und durchsichtig sind.
Hierher sind endlich noch zwei Stufen von Chachiyuyo del
oro bei Copiapo in Chile zu rechnen, die wie die vorigen ein Ge-
menge von Kupferkies mit Eisenkies und Quarz sind. Kupferkies
ist vorherrschend, auf der einen (obern) Seite findet er sich allein
mit Quarz in grofsen undeutlichen Krystallen, die an der Ober-
fläche angelaufen, blauschwarz und matt, im Bruch aber frisch und
stark glänzend sind. Der Quarz ist in prismatischen Krystallen
krystallisirt. Auf der Unterseite und im Innern ist der Kupfer-
kies sehr drusig und mit vielem Eisenkies gemengt, der in den
vielen Drusen deutlich auskrystallisirt und aufserordentlich glän-
zend ist. Die Krystalle sind von verschiedener, 1 bis 4 Linien
Grofse, sie sind aber zweierlei Art; in beiden ist das Hexaeder
vorherrschend, und die Pyritoederflächen erscheinen nur als Ab-
stumpfung der Kanten, aber in dem einen Falle ist es senkrecht
gestreift, und zeigt an den Ecken, wenn auch nur klein, doch sehr
stark glänzend, die Flächen des Oktaeders, Leucitoeders und des
') Diese letztern sind von Dr. Krantz erworben, und es wäre mSg-
lieh, dafs anch die Stufe daher stammt und der auf dem Zettel angegebene
Fundort ungenau ist.
roi» 2. Juni 1870. 359
DiploMerB 124; in andern F&llen ist es horixontal gestreift, und
an den HexaSderecken erscheinen ebenfalls klein und stark glän-
zend die Flächen des DiploSders 123 mit den OktaSderflächen.
Die letztem Krystalle sind positiv, die erstem negativ, was auch
schon aus der Combination der Flächen hervorgeht. Die negati-
ven Erystalle sind der Zahl nach vorherrschend; bei den kleinem
Kiystallen fehlen aber in der R^el die an den HexaSderecken
auftretenden Flächen und man sieht dann nur Combinationen des
vorherrschenden HexaSders und Pjritoeders. Bei dem starken
Glanxe des Eisenkieses und Kupferkieses, bei letzterm freilich nur
im Bruch, und den ebenfalls glänzenden Quarxkrystallen haben die
Dmsen ein schönes Ansehn.
Kobahglanz,
Die Krystalle des Kobaltglanzes sind viel weniger verbreitet,
als die des Eisenkieses, und bestehen in den zwei Hauptfundortem,
die man kennt, in Tunaberg in Schweden und Skutterud in Nor-
wegen^ nur aus wenigen einfachen Formen, die an beiden Orten
dieselben sind, obgleich der Kobaltglanz in Tunaberg auf einem Ku-
pferkieslager und die schönsten Krystalle in Kupferkies, in Skut-
temd in Glimmerschiefer eingewachsen vorkommen. Die ersteren
finden sich häufiger und kommen in gröfsem Ejystallen vor als
die letztem, bei beiden sind aber nur Combinationen bekannt des
Pyritoeders, HexaÖders, Oktaöders und eines stumpfem Pentagon-
dodekaöders, dessen Flächen gewöhnlich nur untergeordnet als Ab-
fitunpfungen der Kanten des PyritoSders und Hexaeders erschei-
nen, aber in allen Krystallen der Universitätssammlung zu stark
gestreift sind, parallel den Kanten mit dem HexaÖder, um die Nei-
gungen desselben bestimmen zu können. Es wurden von dem
Kobaltglanz von Tunaberg 17, von Skutterud 2 Krystalle unter-
sucht; von den erstem wurden 8 positiv und 9 negativ; von den
letztem 1 positiv und 1 negativ gefunden. Bei den positiven Kry-
stallen von Tunaberg herrschen die HexaSderflächen vor, PyritoS-
der und Oktaöder treten nur untergeordnet hinzu; bei den negati-
ven die Oktaöderflächen, und bei diesen allein finden sich die Flä-
chen des stumpfem PentagondodekaSders, so dafs wir in diesem
ein Mittel hatten, im Voraus das thermo-elektrische Verhalten der
Krystalle zu bestimmen, was bei den untersuchten nie trngte. Bei
den beiden Krystallen von Sküttemd war dies Verhalten ganz
[1870] 26
360 GesammUitzung
ebenso, bei dem negativen Krystalle herrschen die Okta6derfl£chen
vor, und es finden sich hier wenn auch klein noch die Flächen
des stumpfem PentagondodekaSderff. Nur bei einem Krystalle aus
Tnnaberg fanden sich diese Flächen vorherrschend, die Flächen
des OktaSders nur untergeordnet, so dafs der Erystall wie ein
Hexaöder mit sugemndeten Flächen erscheint; seine Grofoe ist
dabei nicht unbedeutend, indem er zwischen xwei parallelen He-
xaMerflächen einen Durchmesser von einem Zoll hat Zwillings-
krystalle haben sich unter den Krystallen des Kobaltglanzes nicht
gefunden.
Das Vorherrschen der HexaSderform bei den positiven, das
der Okta^derform bei den negativen Krystallen hat der Kobalt-
glänz mit dem Eisenkies gemein. Stumpfere Pentagondodekaeder,
die beim Kobaltglanz so entscheidend sind, kommen beim Eisen-
kies nur selten vor, Strnter giebt deren mehrere an, and unter
den überschickten Krystallen war der, bei dem sich ein solches
befand, negativ, wie beim Kobaltglanz, indessen kommt ein solches
auch hei dem positiven Eisenkies vom Dörrel vor (vei^L S. 346),
so dafs also das Vorkommen der stumpfem Pentagondodekaßder
beim Eisenkies nicht mit der Sicherheit negative Krystalle voraus-
setzt, als dies bis jetzt beim Kobaltglanz der Fall ist Streifongen
der Flächen kommen beim Kobaltglanz, ausgenommen bei dem
Stampfern PentagondodekaSder, nicht vor; hierdurch ist also kein
Anhaltspunkt für die Bestimmung des thermo-elektrischen Verhal-
tens gegeben, and man ist also bei dem Kobaltglanz für die Vor-
ausbestinunung der negativen Krystalle nur auf das Vorkommen
der stumpfern Pentagondodekaeder und das Vorherrschen der Ok-
ta^derform angewiesen.
Vergleichung der Zwillingskryatalle des Eisenkieses mit denen
anderer hemiedrischer Krystalle,
Die vier angeführten Arten von Zwillingskrystallen kommen
in ganz ähnlicher Weise wie beim Eisenkies auch bei andern Sub-
stanzen von hemiSdrischer Krystallisation vor, wie namentlich beim
Quarz. Regelmäfsige Verwachsungen von 2 rechten oder 2 linken
Krystallen, d. h. von 2 Elrystallen erster und zweiter Stellung, fin-
den sich bei diesem besonders häufig. Sie sind am besten zu er-
kennen, wenn Haupt- und Gegenrhombo^der in ihrem Glänze recht
vatn 2. Juni 1870. 361
verschieden, und die Fliehen des erstem glfinzend, die andern matt
fiind. Da die Flfichen des HauptrhomboSders hierbei in die Lage
des OegenrhomboSders kommen und die Orfinze swischen beiden
Krjstallen gewöhnlich unregelm&fsig über die Flftchen hinUuffc, so
sind diese auf der einen Seite der Gr&nzlinie glftnzend, auf der
andern matt Dies sind die Krystalle, die Haidinger zuerst als
Zwiliingskrystalle erkannt hat, und von denen ich gezeigt habe^),
dafs es ZwilUngskrystiille von 2 rechten oder 2 linken Individuen
sind.
Regelm&fsige Verwachsungen von einem rechten und einem
linken Individuum in Zwillingsstellung machen sich im Äufsem
seltener kenntlich; ich habe ihrer in meiner Quarzabhandlung nicht
erwähnt, aber seit der Zeit mehrere auch fiuTserlich deutlich er-
kennbare von Jerischau in Schlesien durch Hm. Brücke erhalten,
der sie in seiner ausgezeichneten Mineraliensammlung entdeckt
hatte, einen andern solchen Zwillingskrystall von Priebom in
Schlesien auch selbst in dem mineralogischen Museum beobachtet.
Sie kommen indessen h&ufig bei Krystallen vor, die äufserlich wie
einfache erscheinen, als blofse Combination des sechsseitigen Pris-
mas mit den beiden RhomboCdem, wie bei den Marmoroscher
Qnarzkrjstallen, und können durch Ätzung der Flficfaen mit Flufs-
säure erkannt werden, wie dies Leydolt gezeigt und in Taf. I
Fig. 1 seiner Quarzabhandlung ^) dargestellt hat Die Individuen
begrSnzen sich immer hierbei mit graden Begränzungsflfichen im
Gegensatz zu den vorigen, die sich stets mit krummen begrenzen,
worauf Leydolt aufmerksam gemacht hat
Verwachsungen von rechten und linken Individuen in paralle-
ler Stellang kommen mit aneinander gewachsenen Individuen bei
den Schweizer Bergkrystallen, mit durcheinander gewachsenen In-
dividuen bei Qnarzkrjstallen aus den Höhlungen der Mandelsteine
vor. Die erstem hatte schon Wacker na gel krystallographisch
bestimmt*) undDove optisch untersucht^), und es wurde dadurch
bewiesen, dafs die rechten und linken Trapezfl&chen dieser glei-
^) Abhandlangen der k. Akademie d-Wiss. za Berlin von 1S44 S. 233.
^) Sitzungsberichte der inathem.-natarw. Classe der kaiserl. Akad. der
Wiss. in Wien von 1855 B. 15 S. 59.
') Kastner's Archiv ffir die gesammte Naturlehre von 1825 B. 5 S. 75,
*) Pof^endorffs Ann. 1837 B. 40 S. 607.
26 •
362 Gesammtsitzung
eher Art and die beiden Erystalle rechts- und linkadrehend
wären. Die durcheinander gewachsenen Krystalle wurden tod
Hai ding er bei Krystallen aus den Vendyahbergen in Ostindien
beobachtet*) und von mir bei Kry stallen aus Brasilien nSher be-
stimmt'), und es wurde dadurch gezeigt, dafs die rechten nnd lin-
ken Trapezflächen gleich wären. Leydolt hatte dergleichen Zwil-
lingskrystalle durch Ätzung der Flächen erkannt und dabei gezeigt,
dafs sich auch hier die beiden Erystalle in geraden Flächen be-
gränzen. Groth hat nun neuerdings auch die von mir gemesse-
nen Erystalle, die so ganz das Ansehen von scalenoCdrischen Com-
binationen haben und daher auch für solche gehalten werden konn-
ten, in optischer Hinsicht untersucht'), und indem er die yerwach-
senen Individuen rechts- und linksdrehend gefunden hat, jeden
Zweifel an ihre Zwillingsnatnr gehoben.
Bei dieser grofisen Übereinstimmung der Zwillingskrystaüe des
Eisenkieses und Quarzes ist es auffallend, dafs in Rücksicht des
Verlaufs der Gränzen zwischen den beiden Individuen in den Zwil-
lingskrystallen die des Eisenkieses und des Quarzes sich gerade
umgekehrt verhalten. Bei den ZwillingskryBtallen von Individuen
gleicher Stellung sind beim Eisenkies die Gränzlinien auf der Brach-
fläche des Zwillings geradlinicht, beim Quarz krummlinicht, and
bei den Zwillingskrystallen von Individuen ungleicher Stellung diese
Gränzlinien beim Eisenkies krammlinicht and beim Quarz gerad-
linicht Der Grund dieses Unterschiedes ist nicht einzusehen.
Wenn aber so das analoge Vorkommen des Quarzes zur Be-
stätigung der beobachteten Zwillingskrystalle des Eisenkieses dient,
und es bei diesen durch die Untersuchung des optischen und thermo-
elektrischen Verhaltens erwiesen ist, dafs wenn bei einem and dem-
selben Krystalle sich hemiSdrische Formen beider Stellungen in
ihren parallelen Stellungen finden, man es mit Zwillingskrystallen
und mit regelmäfsigen Verwachsungen von Krystallen erster and
zweiter Stellung zu thun hat, so scheint man genothigt zu sein,
auch eine ähnliche Annahme bei den tetraSdrischen Kiystallen zu
machen, wo das Zusammen -Vorkommen von Formen erster und
zweiter Stellung eine sehr gewohnliche Erscheinung ist; wie beim
») Journ. of Sc. 1824 V. 1 p. 322.
9) Abb. d. k. Akad. d. Wiss. von 1844 S. 256.
') Poggendorffs Ann. von 1869 B. 137 S. 435.
vom 2. Juni 1870, 3G3
Borasit, Fahlers und der Zinkblende. Es fehlen uns nur hier die
Mittel dies aascomachen, und es mafs weitem Untersuchungen vor-
behalten bleiben, darüber zu entscheiden. Die Versuche, die wir
übrigens beim Kupferkies anstellten, bestätigten diese Ansicht nicht,
denn wir fanden bei ihm die beiden TetraSder erster und zweiter
Stellaog gleich und zwar negativ thermo-elektrisch.
Theorie der hemiedriechen Formen überhaupt
In seinen krystallographischen Werken^) stellt Naumann die
Ansicht auf, dafs die holoedrischen Formen, die mit hemiSdriscfaen
vorkommen, nur scheinbar holoedrische, in der That aber hemiS-
drische Formen und zwar Qrfinzformen derselben sind; indem er
die sSmmtlichen Formen des regul&ren Systems aus den Hexakis-
Oktaedern als ihren eigentlichen Repräsentanten ableitet, zeigt er,
dafs nach den beiden allein vorkommenden Arten der Hemi^drie
durch Wegfallen der einen oder der andern an den abwechselnden
Hexaederecken liegenden sechsflächigen Flächengruppen oder der
diese repräsentirenden dreiflächigen Flächengruppen oder blofsen
Flächen aus ihnen die HexakistetraSder, DeltoSder (Deltoiddode-
kaSder), TriakistetraSder und das Tetraeder und femer auch die
TetrakishexaSder und das DodekaSder und HexaSder; durch Weg-
fallen der einen oder der andern an den abwechselnden mittlem
Kanten gelegenen Flächenpaare oder der diese repräsentirenden
Flächen die DiploSder und PentagondodekaSder und femer auch
die IkositetraSder, TriakisoktaSder und das DodekaSder, Oktaeder
und HexaSder entstehen.^) Die drei letztem Arten von Formen,
die nach dem erstem Gesetze entstehen, sowie die fünf letztem Ar-
ten, die nach dem zweiten Oesetze entstehen, sind zwar von den
hololdrischen Formen ihrem Ansehen nach nicht verschieden, wohl
aber ihrer Natur und Entstehungsweise nach, und müssen deshalb
als hemiSdrische Formen betrachtet werden. Es ist dies nur eine
theoretische Ansicht von Naumann, sie giebt, wie er selbst sagt,
für alle diese Formen kein in die Augen fallendes Resultat.') In
') z. B. Elemente der theoretischen Krystallographie S. 92 etc.
') Die am angegebenen Orte S. 94 und 99 gegebenen Figuren machen
(liese Entstehmigsweise der hemil^driichen Formen sehr anschaulich.
') Vergl. Naumann Anfangsgrftnde der Krystallographie S. 35. Man
könnte hiergegen das Ansehen der oben S. 342 erwähnten und von StrQver
364 GesammUitzuntj
dem Obigen ist der Beweis fQr die Richtigkeit dieser Ansicht ge-
geben; die Oktaeder und HexaSder, die beim Eisenkies yorkom-
men, und ebenso die seltneren DodekaSder, IkositetraSder und Tria*
kisoktaMer sind wirklich hemiSdrische Formen, denn sie verhal-
ten sich ebenso wie die beim Eisenkies vorkommenden Pentagon-
dodekaCder und DiploSder, und sind wie diese thermo- elektrisch
positiv oder negativ; ebenso sind sie auch in ihren Combinationen
und gröIiBtentheils auch in dem Ansehen ihrer Flfichen verschieden.
Was von den dodekaSdrischen hemifidrischen Formen bewiesen ist,
mufs dann auch für die tetraSdrisch hemiSdrischen Formen gelten.
Die angeführten Untersuchungen über die thermo-elektrischen Eigen-
schaften des Eisenkieses und des Kobaltglanaes sind demnach auch
für die Theorie der hemiCdrischen Formen im Allgemeinen von
Interesse.
Erklärung der Figaren.
Fig. 1 — 3 Atzeindrücke bei positiven und negativen Eisenkieskrystallen.
„ 1 aaf einer OktaSderflache S. 333.
, 2 , , HexaSderfl&che S. 333.
„ 3 » „ PfritoSderfläche S. 333.
Fig. 4 — 8 natOrliche regelm&fsige Eindrücke.
, 4 auf einer Fliehe de« positiven Oktafiders 0 S. 341.
m ^ n n m » negativen » 0' S. 341.
„6a, » « positiven Hexaeders a 8. 341.
» 7 , , , „ negativen , a S. 341.
„ 8 „ „ .9 0 positiven und des negativen Pjrit ^d S. 34].
j, 9 Fläche des positiven Pyritoeders des Eisenkieses von Zacatecas in
Mexico S. 343.
„ 10 horizontale Projection eines Eisenkieszwillings von Traversella, sd$
einem positiven und negativen Kristalle bestehend. Die Flicbeo
des positiven Oktafiders haben die hemiedrischen Eindrficke tos
Fig. 4 8. 850.
„11 horizontale Projection eines negativen Eisenkieskrystalles von Traver-
sella, auf dessen Hexaeder- und OktaGderflichen einzelne Tiieile
eines positiven Krystalls in Zwillingsstellnug hervorgetreten sind.
Die Flächen des PyritoSders haben die Eindrficke von Fig. 8 S. 35a
in seiner Abhandlang Fig. 177 gezeichneten Flächen des negativen Oktaeden
Fig. 157 anführen, weil hier die dreieckigen Eindrficke sämmtlich an des
Stellen der Oktafiderfläche liegen, die den fortgefallenen abwechselnden Fli-
ehen an der 6 flächigen Ecke der Hexakisoktafider entsprechen. Doch i^
dies Vorkommen nur eine seltene Erscheinung.
vom 2. Juni 1870. 365
Hr. Dove las über die Zurückffihrung der j&hrlichen
Temperatarcurve auf die ihr zam Grande liegenden
Bedingangen.
Wenn mit zanefamender Mittagshohe der Sonne die W&me
sich erhöht, so geschieht dies bei derselben geographischen Breite
unter versehiedenen Lfingegraden sehr verschieden. Man braucht
nur einen Blick auf die von mir in der Äquatorial- und Polarpro-
jection entworfenen Monatsisothermen zu werfen, um sich zu über-
zeugen, dafs die Bewegung der Isothermen vom Äquator nach
dem Pol hin sehr ungleich erfolgt, so dafs ihre Gestalt sich un-
unterbrochen verfindert, und zwar so bedeutend, dafs im mittleren
Europa ihre Richtung im Sommer senkrecht steht auf der, in
welcher sie w&hrend des Winters verlaufen. Fügt sich unter dem
Einflufs der intensiven Kftlte des Januars, dafs durch Meeres-
buchten, Meeresengen und grofse Süfswasserspiegel mannigfach ge-
gliederte Nordamerika zu einem grofsentheils mit Eis bedeckten
Continent zusammen, so fallen alle die Winterk<e mildernden
Wirkungen einer bewegten flufsigen Grundfläche hinweg, wodurch
sich erklärt, dafs bis nach Philadelphia hinunter nun erst die Kälte
ihr Maximum erreicht und daher dieses nicht wie bei uns in die
enlQ Hälfte des Januar, sondern in die des Februar fällt. Wäh-
rend in der alten Welt daher dann schon alle Isothermen in der
Bewegung nach Norden begriffen sind, nähern sie sich dort noch
dem Äquator. Entledigen sich im Frühjahr die bis dahin ge-
schlossenen Meeresbuchten ihrer Eisdecken, so wirken die nach
Süden treibenden Eismassen abkühlend auf die ihnen benachbarten
LYer, und es rückt daher der concave Scheitel der Isothermen,
welcher im Januar in die Mitte des Continents fiel, nach den
Ostküsten, nach Newfoundland. In derselben Zeit hat in Sibirien,
die grofsartige Auflockerung begonnen, welche veranlafst, dafs dort
die barometrische Jahrescnrve eine regelmässige concave Einbie-
gung bildet, deren tiefster Punkt auf den wärmsten Monat fällt.
An dieser kann sich aber Europa nicht betheiligen, denn die kalte
Luft des nordatlantischen Ocean bricht nun über Europa herein,
um die asiatische Lücke auszufüllen. Daher sinkt in Europa das
Barometer nur bis zum \pril, und erhebt sich dann zu einer den
Sommer bezeichnenden convexen Krümmung, die im Herbste sich
endet. Die eindringende kalte Luft hemmt natürlich das Fort»
schreiten der Isothermen nach Norden, die Anfang Mai starke Er-
366
Gesammuitzung
wftnnuDg verlangsamt sich bedeutend, ja es tritt nicht nur in die-
sem Monat, sondern auch noch auffallender im Juni eine RQckbe-
wegung ein, welche den Eintritt unserer Regenzeit bezeichnet. Die
folgende Tafel wird das zur Anschauung bringen.
Ich habe in derselben die Differenzen zwischen den auf ein-
ander folgenden ffinftägigen Mitteln des Mai und Juni bestimmt.
Zahlen ohne Zeichen deuten also eine Temperaturzunahme an,
Mai
1—6
6—10 11—15 16—20 »1-25
England
Niederland .
Bheinland .
Weatphalen
Oldenburg n. Hannorer 10
Brandenboig
Mecklenburg
Holstein
Pommern
Westpreufsen
Ostpreafsen
Posen . .
Schlesien
Sachsen
Xhfiringen .
Böhmen
Mahren
Oalizien
Siebenbürgen
Ungarn .
Österreich n. Steiermark 20
Kimthen u. Erain
DalmaÜen .
Tirol . .
Schweiz
Württemberg
Scandinavien
Nördliches Rofsland
Westliches Rnfsland
Ural ....
Sibirien ....
5
0.33
0.13
0.61
0.53
5
0.60
—0.19
0.39
0.81
10
1.50
0.61
0.61
0.54
4
1.65
0.39
0.63
0.55
3
6
5
4
3
4
2
7
15
9
9
6
5
3
14
16
8
10
4
10
4
4
5
3
5
1.25
1.40
1.41
1.28
1.17
0.77
0.38
1.02
0.24
1.16
1.54
1.49
1.22
0.79
1.30
1.22
1.31
1.31
1.05
1.26
0.94
1.48
0.69
0.96
1.37
0.87
0.99
1.07
1.33
0.93
1.07
1.24
1.39
1.89
1.78
1.79
1.56
0.99
1.50
1.81
1.85
1.45
1.77
1.24
1.89
1.00
0.53
0.34
0.91
0.26
o.sb
1.31
0.71
1.21
0.61
0.53
0.39
0.81
0.61
0.54
0.63
0.55
0.73
0.52
0.79
0.46
1.61
0.54
1.22
0.24
0.76
0.82
0.98
0.84
1.06
0.67
0.79
0.48
0.09
0.32
—0.23
0.89
0.66
0.45
0.10
0.37
—0.21
0.33
—0.46
0.24
—0.93
0.06
—0.46
0.39
0.04
0.55
0.38
0.43
0.52
0.11
0.59
0.54
0.46
1.28
0.27
0.11
0.43
0.53
1.45
0.10
0.73
0.42
1.52
—0.30
0.81
1.38
vom 2. Juni 1870. 367
Zahlen mit negativem Zeichen eine Temperatorabnahme, kleine
Zahlen ohne Zeichen, welche grofsen folgen eine Verlangsamung
der Zunahme der Wfirme. Um die Tafel abzukürzen, habe ich
die 218 einzelnen Stationen zu Gmppen verbonden, welche dorch
die vorstehende Bezeichnung erlfiutert werden. Die neben dem
Namen der Gruppe stehende Zahl giebt die Anzahl der Stationen
an, aus welchen die mittleren Werthe bestimmt wurden.
Juni
26—30
31—4
5-
-9 10-
■14 15—9
20-
-24 25—29
0.53
0.43
0.21
0.46
0.22
0.10
0.41
0.3S
0.73
0.36
0.49
0.02
0.19
0.20
1.53
1.32
0.39
—0.48
—0.38
0.91
0.39
0.41
1.43
0.42
—0.51
—0.36
0.70
0.10
0740
0.93
0.57
—0.06
—0.13
0.81
0.05
0.62
1.26
0.81
—0.29
—0.35
0.33
0.05
0.37
0.90
0.90
0.26
—0.51
0.41
—0.04
0.63
0.42
0.99
0.16
—0.38
0.73
—0.06
0^3
0.84
1.26
0.03
—0.71
0.61
—0.07
0.69
0.65
1.01
0.21
—0.41
0.28
O.Ol
0.37
0.80
1.18
0.28
—0.08
0.09
—0.85
0.53
1.42
2.00
—0.44
0.16
0.86
—0.02
1.01
1.42
0.42
—0.28
—0.51
0.62
0.03
0.59
1.68
0.08
—O.Ol
—0.92
0.71
0.18
0.73
1.31
0-58
—0.27
—0.90
0.94
0.21
1.01
1.49
0.57
—0.27
—0.62
0.64
0.05
1.02
1.71
0.61
—0.47
—0.33
0.38
—0.04
1.03
1.57
0.60
—0.23
—0.06
0.17
—0.14
1.08
1.52
0.02
—0.13
0.21
0.27
—0.29
0.75
1.56
0.52
—0.24
—0.45
0.59
—0.02
0.44
1.11
0.34
—0,14
—0.67
0.76
0.50
1.04
1.09
0.37
—0.05
—0.64
0.98
0.52
0.83
0.81
0.81
—0.00
0.30
0.39
0.51
0.91
1.09
0.58
—0.15
—0.76
0.84
0.85
0.35
0.84
0.31
0.07
—0.03
0.28
0.48
1.20
0.87
0.24
—0.28
—1.19
1.03
0.80
0.54
0.47
0.67
0.90
0.89
0.06
0.18
0.87
0.83
1.37
0.57
0.42
0.52
0.18
0.23
0.48
0.75
0.98
0.44
—0.07
0.21
0.63
1.05
0.26
0.51
1.25
0.16
1.07
1.02
0.63
1.33
0.30
0.50
0.95
1.02
368 Gesammtsitzuftg
Eine Abkühlung am Ende der ersten H&lfte des Mais ist ent-
schieden für das mittlere Deatschland angedeutet, noch deutlicher
die in der Mitte des Juni, welche einen l&ngeren Zeitraum aus-
füllt, Ja am Ende des Monats nach kurzer AbschwAchnng wieder
zunimmt. Jenes sind die sogenannten gestr^igen Herrn, dies,
weil sie mit der Schafschur zusammenf&Ut, die Schaafkfilte in der
Terminologie unsrer Landwirthe.
In den 1856 von mir veröffentlichten Rückf&llcn der Kalte
im Mai habe ich gezeigt, „dafs ein kaltes Frühjahr in Europa vor-
zugsweise dann einem milden Winter folgt, wenn in Nordamerika
der Winter streng war, dafs also, wenn Polarstrome im Winter
über Amerika lange Zeit dem Äquator zugeflossen sind, während
Aequatorialströme über Europa hin dem Pole zuströmten, die kalte
Luft jener endlich die Wfirme dieser erniedrigen muTs, daher ein
Nachwinter folgt, indem der als Nordwest einfallende kalte Strom,
den Südwest verdr&ngend, eine schnelle Drehung nach Nordost
beschreibt^ wo dann der südliche Strom durchbrochen wird und
auf die Westseite des Polarstroms zu liegen kommt Der Polar-
strom wird dann spfiter, wahrscheinlich in höheren Breiten, von
dem Äquatorialstrom durchbrochen, und dadurch von seiner in
diesem Theile des Jahres bereits in den nordamerikanischen Polar-
Ifindern liegenden Quelle abgeschnitten, so dafs seine Dauer ver-
h<nissmäfsig kurz, öder vielmehr die Erscheinung jenes Kampfes
eine mehrfach sich wiederholende ist.^
Der Anblick der vorher mitgetheilten Tafel beweist, daCs die
Tendenz zu Rückfällen nicht auf bestimmte Tage beschränkt ist,
sondern sich eine längere Zeit hindurch erhält In naiver Weise
erwartet man daher, wenn die gestrengen Herrn sehr warm sind,
dafs sie dann nach dem alten Calender eintreten werden. Sind
die Abweichungen der verschiedenen Stationen auf Mittel derselben
Jahrgänge bezogen (und das gilt hier fQr die des preufsischen und
österreichischen Beobachtungssystems), so zeigt sich eine auffallende
Übereinstimmung zwischen denselben, hingegen eine Yerscbiebung
der Einbiegung, wenn andere Jahrgänge den Mitteln zum Grunde
gelegt werden. Aufserdem zeigt sich deutlich, dafs die Erschei-
nung selbst auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist, nach d^sen
Grenzen hin sie abnimmt. Auch tritt deutlich ein Fortschreiten
hervor. Im Juni beginnt die Abkühlung früher im westlichen
Deutschland als im östlichen^ während im Mai die Bewegung mehr
vom 2. Juni 1870. 369
TOD NO nach SW hin erfolgt, denn die trois sainto de glace in
Frankreich und die d^ Eism&nner in Süddentschland: Pancratius,
Servatias, Bonifacioa sind einen Tag sp&ter als die gestrengen
Herrn in Norddentschland : Mamertus, Pancratius und Servatius.
Ans den Bestimmungen der mittleren Windesrichtnng wissen
wir, dafs diese im Winter in Europa auf die Sudwestseite der
Windrose f&llt, im Sommer auf die Nordwestseite. Das als
Folge dieses Wechsels entstehende Herahdrficken der in starkem
Steigen begriffenen Temperaturcurve leitet uiysre Regenzeit ein,
aber auch diese ist nicht an bestimmte Tage geknüpft. Wfihrend
in Norddeutschland der 27. Juni: die sieben Schläfer, als ent-
scheidender Loostag gilt, heifst es in andern Gegenden Deutsch-
lands:
Regnets am Johannistag
Eine nasse Emdt man gewarten mag
in England hingegen:
If the first of July it be rainy weather
T' will rain more or less for four weeks together.
Aus den von mir seit 1836 veröffentlichen Untersuchungen
über die nicht periodischen Yerftnderungen der Temperatur, geht
entschieden hervor, dafs erhebliche Abweichungen, welche in ver-
schiedenen Jahren von der regelm&fsigen Zu- und Abnahme der
Temperatur hervortreten, durch allgemeiner wirkende Ursachen her-
vorgerufen werden, welche durch Ifingere Zeiträume hindurch fort-
wirkend sie lu einem Maximum steigern, von dem sie wiederum
alimählig zu normalen Werthen zurückkehren. Dafs diese Ursachen
nicht kosmische, sondern tellnrische seien, geht daraus hervor, dafs
die (^eichzeitigen Abweichungen auf grofsen Flächen der Erdober-
fläche sich stets in der Weise compensiren, dafs einem Zuwenig
auf einem bestimmten Gebiet ein Zuviel auf einem benachbarten
entspricht. Die in den einzelnen Abhandlungen zerstreuten ent-
scheidenden Belege habe ich in den klimatologischen Beiträgen IT.
p. 255 — 278 zusammengestellt. Dafs diese Ursachen in den neben
einander fliefsenden Äquatorial- nnd Polarströmen zu suchen seien,
dafSr enthält das Märzheft des Berichts einen neuen entscheiden-
den Beleg. Warum aber in einem Jahre der zurückkehrende obere
Passat gerade an dieser bestimmten Stelle herabsinkt, läCst sich
jetzt noch nicht beantworten, aber der Weg läfst sich andeuten,
welcher schliefslich zu dem Ziele führen wird.
370 Gesammtsitzung
Der herabsinkende ÄqnatorialBtrom findet in den einzelnen
Abschnitten des Jahres eine darch die Monatsisothemen dargestellte
sehr verschiedene Temperatur -Vertheilang. Seine Wirkung wird
daher auch eine wesentlich verschiedene werden, doch ist es wahr-
scheinlich, dafs das zu denselben Zeiten in verschiedenen Jahren
erfolgende Herabkommen übereinstimmendere Folgen haben wird,
als das zu verschiedenen Zeiten des Jahres eintretende. Dasselbe
gilt naturlich fOr den Polarstrom, dessen Gebiet eben durch jenen
bestimmt wird« Ist dies der Fall, so müssen die Anomalien der
einzelnen Jahrg&nge sich in gewisse Gruppen zerlegen lassen, die
durch die Obereinstammung des Ganges der Temperatur von an-
dern Gruppen sich wesentlich unterscheiden.
Daraus folgt, dafs die Temperaturcurve des Jahres im lang-
j&hrigen Mittel durch Superposition jener Gruppencurven ihre de-
finitive Gestalt erhfilt. In dieser Gurve werden sich, (analog den
ifesultirendem Wellensjstem in dem Youngschen Wellenapparat bei
Obereinanderschichten verschiedener Wellensysteme) an Stellen Ein-
biegungen zeigen, die an sich ohne Bedeutung eben nur jenen ver-
schiedenen Systemen ihre Entstehung verdanken. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus^ erscheint das Bestreben, die Einbiegungen der
Temperaturcurve direct auf gleichzeitige kosmische oder tellurische
Ursachen zurückzufahren, als ein durchaus verfehltes.
Giebt es nun solche Gruppen?
In der im M&rz Heft 1870 der Berichte der Akademie abge-
druckten Abhandlung „über die Temperatur-Yertheilung im Winter
1869 — 1870^ habe ich dies an einem bestimmten Beispiele zu er-
weisen gesucht. Die Übereinstimmung in der Gestalt der Tempe-
raturcurve des Winters von 1869—1870 und 1864—1865 würde,
wenn sie allein stünde, aber nur als ein Curiosum zu betrachten
sein^ da unter einer grofsen Anzahl möglicher Fülle, sich scbliefs-
lich auch einmal sehr fihnliche finden werden. Eben um zu zeigen,
dafs hier nicht eine blofse ZufUligkeit vorliege, erstreckte ich die
Yergleichung auf 1845. Ich habe aber einen Hauptbeleg dafür,
dafs es sich um einen bestimmten T3rpus der Erscheinungen handle,
nicht erwfthnt, den Winter von 1855. Die von mir für diesen in
der Darstellung der Wfirmeerscheinnngen durch fanftfigige Mittel
II. p. S28 — 333 berechneten Werthe bezogen sich n&mlich, und
zwar für viel weniger Stationen, nur auf zehnjährige Mittel, wäh-
rend die far 1870 berechneten für zwanzigjährige gelten. Ich
voftt 2, Juni 1870,
371
habe daher jene Abweichungea von Neuen berechnet, sie ebenfalls
auf die xwanzigj&hrigen Mittel bezogen. Die Yergleichnng der in
folgenden Tafel enthaltenen drei Bestimmnngen mit der im Mfirz-
heft p. 212 — 217 pro 1870 gegebenen zeigt die analoge Yertheilung,
in welcher die Maxima der positiven und negatiren Abweichungen
ebenfalls auf den 6 — 10 Januar und auf den 10 — 14 oder 15—19
Februar fallen. Zu den dort far 1870 mitgetheilten Stationen kön-
nen nachtr&glich noch zwei hinzugefugt und eine vervollstfindigt
werden.
Danzig
Ofen
Wernigerode
1870 Januar 1^5
1.22
4.38
4.92
6—10
4.21
4.72
3.68
11— lö
2.40
2.94
2.77
16—20
— 0.20
1.80
— 1.35
21—26
— 0.95
0.22
— 6.07
26—30
— 3.94
— 6.63
— 2.55
Februar 31—4
— 12.02
— 3.81
0.00
6—9
-13.72
-10.24
-10.64
10—14
— 7.99
— 3.78
— 9.72
16—19
— 3.14
— O.Ol
— 5.28
20—24
— 2.11
— 1.36
— 2.17
26—1
0.22
0.73
2.93
Unterschied
17.93
14.96
15.56
Für 1855 sind die Abweichungen folgende:
372
Gesammtsitzung
J a n a a r 1855
1—5
6—10
11—15
16—20
21—25
26—30
Memel
9.62
5.34
0.68
— 7.46
—6.04
—6.44
Tilrit
2.65
5.29
1.53
— 9.1 T
—6.92
—6.57
Claussen
3.21
5.47
1.15
— 9.69
—6.90
—6.77
Königsberg
3.36
5.84
0.81
—10.32
—6.44
—6.95
Heia
2.52
4,02
1.09
— 6.52
—4.09
—3.14
Conitx
3.42
4.98
1.09
— .7.38
—3.92
—4.46
Bromberg
3.20
5.26
1.47
— 8.03
—4.05
—5.73
PoBen
3.58
5.40
1.16
— 7.52
—2.29
—5.29
Zechen
3.88
5.88
0.76
— 7.79
—2.51
—5.26
BresUin
3.88
5.34
0.32
— 6.71
—2.11
—4.85
Ratibor
8.66
5.03
0.33
— 6.33
—2.34
—5.24
Görlitz
8.80
5.29.
—0.43
— 7.51
—3.44
—4.45
Dresden
3.85
5.16
—0.09
— 6.55
—3.74
—3.77
Torgau
4.17
4.88
0.13
— 6.50
—4.56
—4.15
Leipzig
8.93
5.10
0.25
— 7.61
—4.22
—3.66
Halle
4.28
5.15
0.30
— 6.98
—5.17
—4.09
Erfurt
4.24
5.26
0.30
— 8.00
—5.59
—4.57
Mühlbauaen
3.74
5.62
0.23
— 7,71
—6.04
—4.13
HeiligenBtadt
4.00
4.55
—0.75
— 9.29
—5.64
—4.79
Wernigerode
3.43
4.11
—0.34
— 8.43
—5.99
—4.48
ClaoBthal
2.39
2.85
—1.78
— 7.58
—4.97
— 4.55
Cöslin
3.62
4.77
1.84
— 7.61
—3.47
—4.42
Stettin
3.73
5.00
1.33
— 6.85
—2.96
—3.25
Putbus
2.96
4.19
0.62
— 5.22
—2.31
—2.67
Wufltrow
2.87
4.05
1.08
— 5.95
—2.89
—3.00
Rostock
3.33
4.41
0.84
— 6.31
—3.20
—3.26
Schwerin
3.91
5.00
0.80
— 5.87
—3.31
—3.32
Hinrichshagen
3.62
4.85
0.68
— 6.62
—3.37
—3.55
Berlin
4.06
5.35
0.61
— 6.67
—3.11
—3.72
Frankfort a. 0.
4.23
5.83
0.90
— 6.64
—2.39
—3.78
SchÖnbeTg
3.44
4.69
0.99
— 7.05
—3.98
—3.92
Kiel
2.43
4.33
0.52
— 5.48
—4.52
—3.58
Ottemdorf
4.22
4.74
1.31
— 5.27
—4.65
—3.73
L&neburg
4.10
5.11
0.48
— 6.40
—5.27
—4.33
Hannover
3.76
3.95
—0.47
— 8.06
—6.89
—5.13
Emden
3.20
3.86
0.89
— 6.20
—6.37
—3.77
t>om 2, Juni 1870,
373
31—4
5—9
FebrB
10—14
lar 185i
15—19
5
20—24
25—1
Unterschied
- 6.28
—5.17
— 7.35
— 7.73
—5.60
—2.41
13.07
- 6.34
—7.74
- 8.50
— 7.70
—7.00
—2.26
13.79
- 7.79
—8.98
— 9.44
-10.26
—9.01
—3.91
16.73
- 6.39
—7.48
- 9.17
— 8.77
—8.27
—2.33
14.51
- 4.44
—4.41
- 6.65
— 5.64
—6.15
—2.85
10.67
- 7.44
—5.22
- 8.44
— 6.14
—7.33
—2.21
13.42
- 9.31
—6.14
- 9.57
— 7.10
—9.07
—2.84
14.83
- 9.46
—6.56
-10.02
— 8.45
—7.47
—2.16
15.42
-10.21
—6.76
-10.56
— 7.93
—6.87
—1.47
15.94
- 9.73
—5.38
- 9.77
— 8.16
—6.60
—0.29
15.11
- 9.82
—3.43
— 7.27
- 7.43
—7.13
—0.95
12.46
- 9.87
—4.48
— 8.32
- 8.54
—6.86
—1.24
13.83
- 7.93
—4.75
— 8.31
- 9.16
—5.61
—1.42
14.32
- 9.36
-4.53
— 8.91
- 9.14
—6.36
—1.74
14.02
— 4.80
—4.26
— 8.05
- 9.26
—6.63
— 1.21
14.36
- 9.95
—4.37
— 8.48
-10.32
—6.07
—1.43
16.47
- 9.04
—3.41
— 7.51
-11.07
—6.20
—0.68
16.33
- 8.06
—2.86
— 6.78
- 9.77
—6.03
—0.22
16.39
- 6.64
—3.49
— 7.10
-10.49
—6.22
—0.22
16.04
- 7.56
—4.50
— 8.34
-10.03
—6.11
—1.01
14.14
~ 3.55
—3.44
— 6.67
- 9.32
—5.69
—0.69
12.17
- 7.37
—4.39
- 8.45
— 6.58
-6.61
—2.61
13.22
- 7.64
—4.72
- 8.51
— 7.52
—6.78
—2.08
13.51
- 6.68
—4.17
— 6.84
- 7.53
—6.53
—3.03
11.72
- 6.43
—4.20
— 7.07
- 8.43
—6.72
—2.66
*
12.48
- 6.67
—4.73
— 7.03
- 8.35
—6.94
—2.14
12.76
- 7.27
—4.60
— 8.20
- 8.75
—7.08
—2.15
13.75
- 7.82
—6.01
— 8.30
- 8.36
—6,91
—2.39
13.21
" 8.63
—6.17
- 9.02
— 8.35
—6.71
—1.97
14.37
- 8.29
—5.27
- 9.59
— 8.39
—6.00
—1.91
15.22
- 7.60
—5.01
— 7.34
- 9.46
—7.54
—2.92
14.15
~ 7.00
—4.70
— 9.08
- 9.91
—8.30
—4.08
14.24
- 7.85
—4.92
— 7.95
- 9.68
-r.7.61
—2.51
14.42
- 8.62
—4.26
- 9.30
— 9.26
—7.99
—1.27
14.41
- 8.54
—5.55
— 8.24
-11.45
—7.12
—2.66
15.40
- 8.69
—5.11
— 7.74
- 9.28
—7.10
—2.09
13.14
374
GeBommUitzung
J a n a a r 1855
1—6
6—10
11—15
16—20
21—25
26—30
Lingen
3.94
4.41
0.14
—8.09
—7.99
—5.01
Mflniter
3.55
3.83
—1.13
—8.33
—7.03
—5.34
Oatenloh
3.40
3.39
—1.25
—8.70
—6.67
—5.44
Cleve
3.67
4.02
—0.21
—7.25
—6.66
—4.80
Orefeld
4.28
3.92
—0.91
—7.85
—6.48
—5.59
C51n
3.58
3.06
—1.50
—7.81
—6.43
—6.50
Boppard
4.23
3.73
—0.84
—8.36
—6.18
—7.34
Trier
3.98
3.56
—0.39
—7.76
—5.10
—7.56
Brassel
3.33
3.50
—0.37
—5.99
—5.26
—4.66
Kreuznach
4.55
4.23
—0.31
—7.86
—6.06
—8.42
Fnmkfort a. M.
4.20
3.65
—0.18
—8.57
—5.74
—7.01
Panoftadt
3.95
3.71
—0.98
—8.57
—6.22
—6.24
Stottgard
3.60
1.70
—1.21
—8.45
—7.33
—9.08
Calw
4.48
2.59
—0.32
—6.77
—6.79
—9.01
Ulm
2.68
1.97
—2.59
—6.80
—4.20
—8.02
Heidenheim
2.82
—0.36
—2.97
—6.89
—3.76
—5.76
Schopfloeh
4.25
3.38
-3.68
—6.29
—5.56
—8.96
Iflsay
3.99
0.22
—1.93
—5.63
—2.45
—6.66
Friedricfashafen
4.19
1.22
—0.50
—6.79
—3.23
—7.15
In dem Zeitraum von 26 Jahren sich 4 mal, nfimlich 1845,
1855, 1865, 1870, wiederholende so bedeutende Anomalien müssen
natürlich einen EinfloTs haben auf die Gestalt der aus einer langen
Beobachtungsreihe bestimmten mittleren Werthe. Um die Grofse
desselben zu bestimmen habe ich für 6 Stationen die Mittelwerthe
von 1845 — 1870 bestimmt, und dann die, welche ans 22 Jahren
unter Wegfall jener 4 Jahre sich ergeben. Die Unterschiede
dieser Mittel sind folgende:
vom 2. Juni 1870,
375
31-4
6—9
Februar 185£
10—14 15—19
20—24
•
26—1
Unterschied
-8.09
—4.47
—7.46
-11.54
—8.09 .
—1.48
16.96
-6.58
—4.01
—7.35
-11.28
—6.62
—0.92
16.11
-6.85
—3.88
—7.18
-10.48
—6.31
—0.86
13.8S
-7.18
—3.88
—7.69
-10.62
—7.14
-0.69
14.64
-6.53
—2.86
—7.21
-10.73
—6.84
—0.08
16.01
-5.02
—2.73
—6.67
-10.49
—6.36
—0.88
14.07
-5.63
—2.74
—5.54
- 9.50
—4.91
0.84
13.73
-4.03
—2.43
—5.34
- 8.80
-6.14
0.44
12.78
-5.24
—3.71
—7.63
- 9.39
—6.69
0.40
12.89
-4.73
—1.82
—4.29
- 8.83
—4.88
1.12
13.38
-5.62
—2.36
—6.47
- 8.67
—4.72
0.04
12.87
-5.25
—1.00
—4.36
- 8.19
—3.78
0.74
12.14
-3.13
—0.83
—4.00
- 7.64
—3.63
0.86
11.24
-0.34
0.80
— 1.52
6.56
—1.30
1.63
11.04
-1.36
0.45
—0.17
- 6.32
— 1.49
1.16
9.00
-1.01
—1.69
—2.33
- 7.74
—0.30
1.36
10.66
-1.49
(4.21)
— 1.33
- 6.34
—1.80
1.06
10.69
2.16
0.89
0.16
- 3.17
—0.89
1.97
7.16
0.00
0.13
—1.36
- 5.29
—2.38
1.69
9.67
Claussen
Breslaa
Stettin
Berlin
Leipzig
Gaterslob
Januar
•
1—6
0.16
0.26
0.27
0.26
0.33
0.31
6—10
0.79
0.77
0.64
0.76
0.73
0.53
11—15
0.49
0.60
0.41
0.44
0.43
0.27
16-20
—0.14
—0.16
—0.20
—0.19
—0.16
—0.59
21—25
—0.41
—0.29
—0.32
—0.37
—0.40
—0.51
26—30
—0.48
—0.30
—0.20
—0.27
—0.30
—0.61
Febraar
31-4
—1.26
—1.03
0.98
—0.91
—0.75
—0.61
6-9
—1.65
—1.62
—1.14
—1.29
—1.27
—0.64
10—14
—1.53
— 1.63
1.47
—2.16
—0.98
—1.44
15—19
—1.16
—0.84
—0.84
—0.86
—0.94
—0.96
20—24
—0.94
—0.12
—0.80
—0.80
—0.75
—0.84
26-1
—0.51
0.66
—0.72
—0,66
—0.33
—0.32
[1870]
27
37G Gesammtsitzung
Die regelmässige Zunahme und Abnahme der Differenzen
spricht für sich selbst. Die nach den positiven Differenzen in der
ersten Hfilfte des Sommers eintretenden negativen, welche in der
Mitte des Februar ihren grSfsten Werth erreichen und sich in der
Regel den März hindurch fortsetzen, erinnern an die bekannten
Witterungsregeln (da zu diesen noch die hinzukommen, in welche
der ganze Januar warm war).
Grüne Weihnachten, weifse Ostern.
If Janiveer Calends be snmmerly gay
'Twili be winterly weather tili the Calends of May.
If the grass grows in Janiveer
It grows the worse for all the yeär.
Qnando Gennaio mette erba
Se tu hai grano, e tu lo serba
Die Winter, in welchen bereits in der ersten Hälfte des Som-
mers die Temparatur erheblich unter ihren normalen Werth sinkt,
gehören einer andern Klasse von Wintern an. Hier beginnt die
Temperatur-Erniedrigung einen vollen Monat früher, als bei den
vorher betrachteten. Vergleicht man z. B. für Breslau den mitt-
leren Werth der Winter von 1792, 1795, 1799, 1803, 1805, 1809,
1811, 1823, 1827, 1838, 1847, 1848, 1850, 1854, 1861 mit dem
75 jährigen Mittel von 1791—1865, so erhält man:
December
7—11 12—16 17—21 22—26 27—31
allgemeines Mittel
15 strenge Winter
Unterschied
0.05 —0.09 —0.36 —0.14 —0.26
■0.32 —2.78 —3.66 —4.02 —4.37
—0.27 —2.69 —3.30 —3.88 —4.11
Januar
I 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30
allgemeines Mittel
15 strenge Winter
Unterschied
—2.87 —3.45 —3.37 —2.54 —2.35 —1.61
—6.12 —6.44 —7.59 —5.71 —6.59 —3,72
—3.25 —2.99 —4.22 —3.17 —4.24 —2.11
Bis tief in den März eingreifende Temperatur-Emiedrignngen,
die eigentlichen Nachwinter, beginnen in der Regel in der Mitte
vom 2, Juni 1870,
377
des Februar, wobei es aber auch vorkommen kann, dafs ein sol-
cher intensiver Nachwinter wie z. B. 1845 sich unmittelbar an
einen der «raten Klasse anscbliefst Vergleicht man für Breslau die
Winter 1792, 1790, 1800, 1804, 1808, 18Ä, 1815, 1845, 1853
mit dem 70 jährigen Mittel, so erhfilt man:
Februar
10 14
15—19
20—24
25—1
allgemeines Mittel
9 Nachwinter
—1.67
3.42
— 1.13
—3.56
0.60
—4.01
0.07
—5.64
Unterschied
1.75
2.43
3.41
—5.71
März
allgemeines Mittel
9 Nachwinter
Unterschied
2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27—31
0.53 0.75 0.97 1.53 2.01 2.98
3.42 —3.31 —3.11 —2.01 —0.59 1.13
—3.95 —4.06 —4.08 —3.54 —2.60 —1.85
während die Winter 1845, 1855, 1865, 1870 folgende Differenzen
geben :
Januar
allgemeines Mittel
4 Winter
Unterschied
1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30
2.87 —3.45 —3.37 —2.54 —2.35 — l.Gl
1.59 4.78 2.49 —0.99 —2.44 —1.49
4.46 8.23 5.86 1.55 —0.09 0.J2
Februar
31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—1
allgemeines Mittel
4 Winter
—1.21 —1.46 —1.67 —1.13 —0.60 0.07
_4.83 —7.37 —8.16 —4.68 —3.81 —1.89
Unterschied
I —3.62 —5.91 —6.49 —3.55 —3.21 —1.96
Ana der Combination dieser Omppen allein erläutert es sich,
dafs selbst in so langjährigen Mitteln die Winterkälte ein zweites
relatives Minimum im Februar erreicht, welches nicht durch Winter
wie 1848 und 1850, wo auf einen sehr kalten Januar ein sehr war-
mer Februar folgt, abgeglichen wird.
Da die Anfänge jener Früh-, Mittel- und Nachwinter grade
27»
378 GesammUitzung
in die Mitte des Decembers, Janoars und Februars fallen, so konnten
sie durch monatliche Werthe nicht gefunden werden.
Eine Ausdehnung dieser Betrachtungen auf andre. Abschnittf
des Jahres mufs sp£tem Untersuchungen vorbehalten werden.
Hier sollte nur der einzuschlagende Weg angedeutet werden. Aller-
dings hat man auch schon früher verschiedene Jahrgänge nnCer
einander verglichen, aber man hat £U lange Zeiträume in Betracht
gezogen, um eine gewisse Anzahl mit einander nicht der Zeit nach
zusammenhängender Überschusse zu Wärmesnmmen zu combinircn,
in gleicher Weise von einander getrennte Temperatur-Emiedrigon-
gen. Die hier mitgetheilten Untersuchungen zeigen, dafs das Quan-
tum hier nicht das Entscheidende ist, sondern die Gestalt der
Temperaturcurven in ihrer eigenthümlichen Aufeinanderfolge von
Hebungen und Senkungen. Für jetzt ist es freilich nur möglich
auf einem verhältnifsmäfsig beschränkten Gebiete solche Arbeiten
auszuführen. Durch die consequent durchgeführte DarstellnDg des
innerhalb des österreichischen Beobachtungssystems gewonnenen
Materials durch fünftägige Mittel hat Hr. Jelinek es mir mög-
lich gemacht, die seit 1848 auf dem Gebiete des preufsischen Be-
obachtungssystems gewonnenen Ergebnisse auf einem viel umfassen-
derem Terain zu untersuchen. Von der türkischen und russischen
Grenze bis zur franzosischen , . von der Nord- und Ostsee bis lum
adriatischen Meere wird die Natur in gleicher Weise befragt und
hoffentlich wird sie ihre Antwort nicht versagen.
Dem starren Festhalten einer verfehlten Richtung in der Wis-
senschaft gegenüber, ist es nun erfreulich zu sehen, dafs in den
Vorstellungen, welches der unbefangene nicht streng wissenschaft-
liche Beobachter über die Witterung sich bildet, eine von jenen
Irrthümern freie Anschauung sich bewahrt hat Diese liegt in
der Bezeichnung Loostage oder Lurtage. Durch das Wort
Tag betheiligt sich allerdings auch er an den vorher gerügten Irr-
thümern, aber das Wort Loos spricht es entschieden aus, dafs es
Tage giebt, an welchen sich das Loos der zu erwartenden Witte-
rung fSr längere Zeit entscheidet, eine Zeit, wo man zu lauern
(aufzulauern) habe, um auf das Kommende vorbereitet zu sein.
Als ich für die Abweichungen der einzelnen Jahrgänge tod
ihrem vieljährigen mittleren Werthe die jetzt allgemein angenom-
mene Bezeichnung „nicht periodische Veränderungen'' vorscblog,
um eben anzudeuten, dafs das Suchen von Perioden nicht die ein-
vom 2. Juni 1870. 379
zige der Meteorologie gestellte Aufgabe sei, wurde die Bemerkung
gemacht, dieser Name sei nicht passend, da möglicher Weise in
diesen Veränderungen Perioden verborgen seien. Die hier mitge-
theilten Untersuchungen zeigen, dafs eben das Nichtperiodische den
Schlüssel giebt für die Erklärung des Periodischen.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Säzungsberichte der k, bokmitchen Qeseiüchq/t der Wiseenachaften in Prag,
Jahrg. 1869. Prag 1869. 8.
W. B. Weit enw eher, Mepertorium aämmtlicher Schriften der k. böhm,
GeeeiUchqft d. Wie», vom Jahre 1769-^1868. Prag 1869. 8.
Abhandlungen der k. bohm, GeselUchaft der Wiae. v. J. 1869. 6. Folge.
3. Bd. Prag 1870. 4.
Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. 12. Bd. 2. Heft. Ber-
lin 1870. 8.
Wissenschaftliche Begründung der liechnungsmethoden des Ckniralbureaus d.
Europ. Gradmessung. Berlin 1870. 4.
F. V. Zieglaner, Harteneck, Graf der sächsischen Nation^ und die sieben-
burgischen Parteikämp/e seiner Zeit. 1691—1703. Hermannatadt 1869. 8.
Jos. Transch, Schriftsteller - Lexika oder biographisch-literarische Denk-
blatter der Siebenbürger Deutschen. 1. Bd. Kronstadt 1868. 8.
Archiv des Vereins für siebenbürg. Landeskunde. Nene Folge. 8* Bd. 3. H.
9. Bd. 1. Heft. Kronstadt 1870. 8.
Von der belgischen Akademie der Wissenschaften:
Memoires couronnes. Tome 84. Bmxelles 1870. 4. .
CoUection in 8. Vol. 21.
Bulletins. Vol. 37. 38. Braxelles 1869. 8.
Annuaire. Annee 3G. 37. Bmzelles 1869. 8.
CoUection de Chroniques beiges inidites. 3 toU. ib. 1869. 4.
Annales de t observatoire. Tome 29. Bruxelles 1869. 4.
Qtietelet, Observations sur les phenomenes periodiques. ib. 1809. 4.
— , Physique sociale. Tome IL Braxelles 1869. 8.
Memoires de la sociiti des sciences naturelles de Strasbourg. Tome IV, 2.
Publikationen d. Archäolog. Instituts in Born fttr 1869.
Conestabile, Dei monumenti di Perugia etrusca e romana. Vol. IV.
Perugia 1870. 4. mit Atlas.
Garcin de Tassy, Eistoire de la literature hindoue. Vol. II. Pari8l870. 8.
Nederlandsche Gedichten uit de 14. eenio, uitgegeven door F. A. Snellaert.
Brüssel 1869. 8.
Beilncci, SuU ozono Note e riflessioni. Prato 1869. 8.
Bulletin de la societe de sciences naturelles de Strasbourg. Annee 1, no. 1
— 11. Annee 2, no. 1--7. Strasbourg 1868— 1869. 8.
380 Sitzung der phUosophisch-hiüloriscften Klasse
13. Juni. Sitzung der philosophisch -historischen
Klasse.
Hr. OlshauBen sprach aber den gegenw&rtfgen Zustand der
alt-testamentlichen Textkritik und legte die nachfolgenden Bei-
trfige £ur Kritik des überlieferten Textes im Buche Ge-
nesis vor.
Cap. 1, 14. Vielleicht ist £u lesen: t^irmhy abhfingig sammt dem
Folgenden von rhikiV. Indessen scheint die jetzige Lesart schon
bei Ps. 104, 19 aum Grunde zu liegen.
24. Die Anordnung ist hier weniger angemesseu, als im fol-
genden Verse, auch die Behandlung im Einzelnen minder conse-
quent; doch mag dies nicht von einer Entstellung des Textes
herrühren, sondern der Redaction zur Last fallen.
26. Für initn-Vaäl wird zu lesen sein: in«n n^*^3S-;
worauf schon von andrer Seite aufmerksam gemacht ist.
28. HQQ'^n n^n-Vdä^ ist anstofoig; vielleicht ist der Vers un-
vollständig.
30. Vor pn"»-Vs-rw scheint "rro zu fehlen.
Cap. 2, 2. "^"^wn wird das erste Mal in "^isvn zu verwandeln sein,
mit LXX. Sam. Syr.
19. tr^n vta ist störend, wie bereits von verschiedenen Seiten
anerkannt ist, und mufs wenigstens hier getilgt werden.
20. Für dM^i ist wahrscheinlich ziMr\ zu lesen.
IT » J I» » IT t
25. Vielleicht war hier B'^^'^JJ. beabsichtigt; vgl. 3, 7. 10. 11.
Das Auge irrte leicht auf die folgende Zeile ab.
Gap. 3, 10. Vielleicht war beabsichtigt: Nainrnn; vgl. v. 8.
16. Zu Anfang wird die Bindepartikel n vermifst — Statt
•^jahnT erwartet man etwa: 7l3*"»7na. Vgl. deshalb meinLehrb.S.407.
17. Für Dn«V?i war en«Vt auszusprechen. — nsVa«^ ist an-
T»! ITTITt * ■•|7"ll
stofsig; man erwartet etwa na^o ^a(<n, vgl. v. 19.
21. Auch hier war cnnh zu sprechen.
tr »IT *
Cap. 4, 4. Ob in "sna^rrai die Fluralform des Nomen beabsich-
tigt war, ist zweifelhaft.
7. Bedenklich ist der kurze und unklare Ausdruck nxb ; fer-
ner der Gebrauch von nNtjn als masc.; sodann der ganze Inhalt
des Satzes: wenn du nicht gut handelst, liegt die Sünde vor der
Thür; endlich die genaue und doch unpassende Übereinstimmung
vom 13. Juni 1870. aSl
des zweiten HalbTerses mit 3, 16. Daus der Text richtig über-
liefert sei, ist höchst unwahrscheiDlich , ob die LXX., die sich
eben helfen mufsten, so gut sie konnten, einen abweichenden
Text vor sich hatten, mindestens zweifelhaft.
8. Eine Lücke am Schlüsse des ersten Halbverses anzaneh-
men ist unvermeidlich, wenn nsM^^ festgehalten wird; es fehlt
dann wenigstens: Xi:"^^ ^3^^' ^^ &sjsi. LXX. Syr. u. A. er-
gänzen. Vielleicht ist aber mit Böttcher statt nsM^n zu lesen:
'latrii, er lauerte auf. Ganz in demselben Sinne findet sich
freilich die Verbindung mit der Praeposition Vn sonst nicht;
doch ist eine solche an sich durchaus unbedenklich und überdies
wird nsd Hiob 14, 16 in demselben Sinne mit V9 und 2 Sam.
11, 16 in nah verwandtem Sinne auch mit hn verbunden.
13. Vermuthlich war beabsichtigt: Vi^Jti*
18. Auch das zweite Mal wird Vn^^i^q zu lesen sein.
22. mh ist wahrscheinlich blofs Glossem zu «Jnh, welches
in die Stelle eingedrungen ist, wo ehemals die Worte mn Hnn
*aM gestanden haben werden.
Cap. 5, 3. Hinter ^Vip kann i^ nicht wohl entbehrt werden.
23. Statt *Tt^ wird mit verschiedenen Handschriiften TXVn zu
lesen sein, wie v. 8. 11. 14. 17. 20. 27.
29. rmiKn-l« befiriedigt nicht; es war etwa rro'iMn rrti:r*iö
beabsichtigt.
31. Auch hier wird r^'>^ herzustellen sein; s. zu v. 23.
Cap. 6, 3. Für ^ffr ist vielleicht "j*»^; zu lesen, oder wie Andre
vorgeschlagen haben, *;1V^ Das räthselhafte Dä\Da konnte etwa
ans tA onV entstanden sein: auch er ist mit Fleisch ange-
than, d. h. mit Sinnlichkeit behaftet.
4. Das Ganze glossenhaft, aber so, dafs der zweite Halbvers
wieder als Anmerkung zu dem ersten erscheint Mit ';3~*nriM
sollte übrigens die erste Bemerkung ursprünglich geschlossen
werden und das Folgende bis Drr^ ist ebenfalls nachträglich bei-
gefügt, ohne sich an das Vorhergehende in angemessener Weise
anzuschliefsen.
13. |nKn*r^. ist' nicht unbedenklich; man erwartet etwa
I V IT » — ••
14. De Lagarde (Onomastica sacra II. p. 95) schlägt vor zu
lesen: c*^p cnp, womit die ursprüngliche Gestalt des Textes in
der That wieder hergestellt zu sein scheint.
382 Sitzung der phiiosophUch-histonschen Klasse
17« b'ni bfttie wohl nicht 80 eng mit hxx&n verbanden werdeo
BoUen, wie durch die Accentaation geschehen ist; vgl. 7, 6.
Cap. 7, 13. ndV^ in der Femininform (vor *«)^a) wird hier bo we
nig, als Hiob 1, 4 beabsichtigt gewesen sein.
21. Die Worte inKrrV^ irahn fallen an dieser Stelle. sehr
anf; auch wird to«|*;jn vor denselben ungern vermiCst, vgl. 1, 26.
7, 14. 89 17. Wahrscheinlich ist der Text hier beschfidigt und
in Unordnung gerathen, wie es ähnlich auch 8, 19 der Fall ist.
23. Die bestbeglaubigte Lesart r»j«i ist unbedenklich, obgleich
auch rro^n in Ni<f>9al zulässig gewesen wäre.
Cap. 8, 8. Wahrscheinlich fehlen zu Anfang die Worte: n^ Vn;^
s**«^ r>5a«J oder vielmehr Vn^-n; virl. v. 10. 12.
10. In Übereinstimmung mit v. 12 wird Vn;^ herzustellen
sein.
19. Der Text scheint in Unordnung gerathen zu sein; vgl.
zu 7, 21.
Cap. 9, 4. ''Ttfl i^Ba^ bleibt immer anstofsig, hier, wieLev. 17, 14.
5. Das zweite Hemistich ist unbedenklich; in den an sich
klaren Satz c*iMn V^Ba-r« vhnti STfitn n^n ist das erläuternde
Glied mn vS^n n^ eingeschoben, in dem Sinne von c^ Tx
T^r:« oea-r«.
r » '.yv
10. Die Weitschweifigkeit des Ausdrucks ist auffallend und
insbesondere erregen das zweite tam und die Schlulsworte
"ä^nn r'^n hbh Bedenken. Letztere fehlen in den meisten Hand-
Schriften der LXX.
26. 27. Der Text bietet mancherlei Anstofs. Am Schlüsse
von V. 26 mufste man ''h erwarten statt icV, welches hier durch-
rr'
aus nicht am Platze ist, aber auch nicht durch Versehen ans rs
entstanden sein kann. Übrigens würde auch iV nicht gut auf
tt bezogen werden können, sondern nur auf sib *>n'7K tTTTy was
doch schwerlich beabsichtigt war. Das ganze zweite HemiBtich
ist daher verdächtig, und zwar um so mehr, da es sich v. 27
wiederholt. V. 27 fällt es zunächst auf, dafs Jaet^oS- in Sem's
Zelten wohnen soll, obgleich ihm eigner Ranm nicht fehlen kann.
Vielleicht würden die Worte cttS-'^nKa "pü'^n besser das zweite
r •• Tl rr I ' I : • t
Hemistich von v. 26 bilden und auf Jahwe bezogen werden.
Dann würde das zweite Hemistich v. 27 bleiben und auf beide
Brüder bezogen werden können, während es v. 26 ganz zu tilgen
wäre. Doch bliebe der Übergang von Jmtpe^ allein auf beide
vom 13. Juni 1870. 383
Bruder sasammen ein anerwartet rascher « und insbesondere be-
denklich, dafs K'na!ran nicht blofs dem S^m, sondern auch dem
Jsstped" dienen soll, was der Anschauungsweise des Hebraeers zu
widersprechen scheint
29. Ob auch hier mit vielen Handschriften und Ausgaben
rn^ zu lesen sei, wie bei 5, 23. 31 wahrscheinlich war, ist
zweifelhaüt.
Cap. 10, 3. Für wn giebt 1 Chr. 1, 6 nt**^; welche von beiden
Formen die richtige ist, Ififst sich nicht mehr entscheiden.
4. Dasselbe gilt von ü^Tf\ und e-a^, wie 1 Chr. 1, 7 ge-
lesen wird.
5. Bei Vergleichung von v. 20. 31 wird es wahrscheinlich,
dafs der Text ursprünglich etwa so lautete: trjnMa nfe'«'-*'aa nVti
"A^,; worauf schon anderweit aufmerksam gemacht ist. Die ersten
Worte trhxn "«^ tnca rm« wurden dann wohl als eine in den
Text eingedrungene Randbemerkung zu betrachten sein.
8 — 12 mögen spfitere Erweiterung des Textes sein, wofür die
Art ihrer Einführung spricht, sowie die Erwähnung des Aus-
zuges rasVür's (v. 11) aus Sinyär. — Das zweite Hemistich
von V. 12 scheint ursprunglich eine auf NinV^ sich beziehende
Randbemerkung gewesen zu sein, vgl. Jon. 1, 2. 3, 3.
13. Wenn auch die ü'^nh mit den ü^^h Nah. 3, 9 u. ^. und
den gtA Dan. 11, 43 identisch sein werden, beruht doch die
Schreibart hier schwerlich auf einer Entstellung des Textes.
14. Die Worte s**»)tS^ zm ims*^ noK scheinen eine Rand-
- I • I rr • I i>T V -t
bemerkung zu dem folgenden cnhca-TKn zu sein; vgl. Jer. 47, 4.
Aoi. 9, 7, womach die jetzige Gestalt von Deut 2, 23 ebenfalls
bedenklich erscheint.
15 — 18. In dieser Aufzählung vermifst man den Namen
'T^BH, vgL Ex. 3, 8. Deut. 7, 1; vielleicht ist derselbe durch ein
Versehen ausgefallen.
19. Der Gebrauch von *Vf neben nsMi braucht keinen Anstofs
zu gewähren; Letzteres deutet hier nur die Richtung an, nicht
den terminus ad quem. Ähnlich ist Nnm. 13, 21.
21. Vielleicht ist HTi zu Anfang des zweiten Hemistichs zu
wiederholen. Ob n&** wirklich durch die Accentuation näher mir
^Tissn als mit tin zu verbinden war, ist zweifelhaft.
23. Statt m giebt 1 Chr. 1, 17 '^q, was wegen V. 2 und
1 Chr. 1, 5 bedenklich, aber nicht nothwendig falsch ist.
384 Sitzung der philosophisch' historischen Klasse
30. D'lp^Q n»i fugt sich nicht gut in den Satz ein; vielleiclit
fehlt "^ vor dieser Ortsbezeichnang, vgl. v. 19.
31. Anstatt ümxh war eher cn^i>a zu erwarten; vgl.
V. 5. 20. 32,
Cap. 11,4. Die Worte '<^i 'p^ri^. schliefsen sich an das Vorher-
gehende nicht gat an, wenn ctb hier die Bedeatung von Namen.
Ruhm haben soll.
30. ^Vy, nnr hier, nnd als E'3i/3 in einem Theile der Hand-
Schriften 2 Sam. €, 23, beruht entweder anf einer zufalligen Ent-
stellung des Textes, oder ist als eine dialectische EigenthSmlich-
keit des Schriftstellers anzusehen.
31. !)N2C^l ist anstofsig; man erwartet MX^n im Singular, wie
der Syrer liest Sam. LXX. Yulg. geben dafür er« ntti.
Cap. 12, 3. Vielleicht war der Plural Tp^V^n beabsichtigt.
6. Die zweite Ortsbestimmung rrm *fh» ^ ist TielleicLt
nachtraglich eingefügt.
16. Die Knechte und Mägde scheinen durch irgend ein Ver-
sehen an die verkehrte Stelle gerathen zu sein, zwischen dio
Esel und Eselinnen. Vielleicht waren sie ursprünglich gar nicht
mit erwähnt.
Cap. 13, 10. Die einzelnen Angaben im zweiten Hemisticfa sind
nicht gut geordnet und zum Theil auch ihrem Inhalte nach b«-
denklich. Die Worte n*>b5-rwi ano-rw mn^ rrnö ■•ac^ scheinen
ursprünglich eine Randbemerkung gewesen zu sein. Das Fol-
gende mufste sich gleich an das erste Hemistich anscbliefscn:
aber neben nir('^~%a ist tyyt^ yy^^^ überflüssig nnd selbst an-
stofsig. Die letzten Worte n^ nsfeia bilden auch für den sieber
echten Theil des Verses einen passenden Schlufs: „denn sie war
wasserreich gleich dem Garten Jahwie's bis nach QoTar hin."
11. Statt C'ipTa sollte man n^alP erwarten, doch läfst sich
jenes vielleicht rechtfertigen.
Gap. 14, 1. 2. Wahrscheinlich ist nach filterem Vorschlage zu
lesen: '-^^i ^£^««1 B'naK '»»''a ^n^n; worauf dann die beiden Versf
hätten zu einem einzigen verbunden werden sollen. Das zweite
Hemistich von v. 2 ist vielleicht erst spater hinzugefngt, wobei
versäumt wurde die Praeposition gehörigen Orts zu wiederholen.
4. Das Subject ist nicht nfiher bezeichnet; doch braocht dar-
aus nicht gerade auf eine Lücke im Texte geschlossen zu werden.
Wahrscheinlich ist aber mit dem Snmarit. zu lese« : n^xsrvhvz''
vom 13, Juni 1870, 385
5. Der Ortsname cn beruht vielleicht auf einer Entstellang
des Textes. Die LXX. sprachen cna aus statt cna, das ihnen
fremd sein mochte, trafen damit aber schwerlich das Richtige.
Hieronjmos (Qnaestiones Hebr. in libr. Genes., p. 22 sq. Lagarde)
las shA; vielleicht war ursprünglich rana geschrieben.
9. Der ganze Vers mit der Umstellung der Zahlen am Schlüsse
ist wohl als ursprüngliche Randbemerkung anzusehen.
12. Die Worte D^M *«nK-"{a stehn an der unrechten Stelle
und sind vielleicht blofs Randbemerkung gewesen, die mit v. 14. IG
nicht ganz übereinstimmt.
14. Der Cod. Sam. hat pin, er musterte, was möglicher-
weise das Ursprüngliche war. LXX.: r,zt^ßr,Ti,
15. Nicht ohne Grund hat man an phrr^ Anstofs genommen;
mit dem dafür vorgeschlagenen t|'?n];i ist vielleicht das Richtige
getroffen.
Cap. 15, 2. Das zweite Hemistich ist unverstfindlich und die Er-
klärung des p^^'ia durch „Erbe^ unzulässig. Die Worte Mnn
ptnn haben das Ansehen einer Randbemerkung zu dem dunkeln
Ausdruck püia. Was hier etwa erwartet werden durfte ist im
folgenden Verse gesagt und wird durch cn^M *)»K71 so eingeführt,
als wenn es sich unmittelbar an v. 1 anschliefsen sollte. Die
Dunkelheit von v. 2 mag die spätere Anfügung von v. 3 ver-
anlafst haben, eine Herstellung des unklaren Hemistichs aber
wird kaum mehr möglich sein.
4. Für rrsn^ war vielleicht '*rr:n beabsichtigt.
10. Die Worte nnri r^H'^h rina-tS-'K wi sind unbedenklich:
r - r't ' I J • r ' r'—
^und legte eins — (nemlich) das Stück davon — dem andern
gegenüber.* Es ist s. v. a. nnri fWipV ^ ^^'^ l^?!-
12. tHQ^H und natJn neben einander sind sehr anstöfsig; eins
oder das andre wird Glosscm sein, wahrscheinlich das Letztere.
LXX.: ipoßo(: (rxor«i/oc, was nicht zu billigen ist.
13. Der Name M'in*^ scheint hinter nsK^!; ausgefallen zu
sein.
19 — 21. Man vermiDst hier die 'Hiwwiter (^nn), deren Name
vielleicht nur durch Versehen ausfiel.
Cap. 16, 5. Das zweite '^ in rprsi^ ist schon in der officiellen
Grundlage der jetzigen Gestalt des Textes in Übereinstimmung
mit der herrschenden Schreibweise durch übergesetztes Punctum
getilgt.
386 Sitzung der philosaphUck-hiiUoruchen Kla$$e
13. Das «weite Hemistich giebt keinen klaren Sinn, auch
dann niclit, wenn man *^k^ in ''Nh umändern wollte. Die Rieh-
iigkeit des Textes bleibt daher aweifelhaft. De Lagarde (Ono-
mast Sacra II. p. 95) will s'Vn streichen , was bedenklich ist
Eher konnte s>n an tilgen seiq. entstanden etwa ans *-än, das
hinter tnj9^n einen passenden Plats gefunden hätte. Die vor-
handene Unklarheit wird indessen durch Änderungen dieser Art
nicht gehoben.
14. Der Name des Brunnens ist nach Form nnd Sinn un-
klar, aber Änderung kaum aulässig. — Hinter mn ist vielleicht
M*!n ausgefallen, oder auch nun zu lesen.
Cap. 17, 10. Wahrscheinlich ist su lesen: *Tt*na tiiH rm; vgl. v. 11
und 9, 12. — Die Worte tp'Jf?« .^T^nj T^lü sind überflüssig, vgl.
V. 11, und vielleicht nachträglich aus v. 7 ergänst — Das aweite
Hemistich ist unbedenklich.
Cap. 18, 3. Ursprünglich mag die Aussprache **yiM beabsichtigt
gewesen sein.
9. Das Wort i'^W hat einst durch die darüber geaetxten
Pnncte getilgt werden sollen, swar unnöthiger Weise, aber im
AnschluTs an das nach einer älteren Handschrift bereits verbes-
serte Exemplar, das zu officiellem Ansehen gelangte.
10. mm hätte wohl mit den LXX. als Feminin punctirt wer-
den sollen.
12. Man hat zu erklären: „ist mir (denn), nachdem ich alt
geworden, Liebeslust zu Theil geworden, während mein Herr alt
ist?^ Eine Änderung des Textes ist unnothig.
19. Das erste mh erschwert das Yerständnifs sehr und ist
vielleicht nur durch ein Versehen in den Text gerathen. Das
zweite Hemistich würde besser fehlen, doch kann es zur Notb
ertragen werden.
20. Zu Anfang der Rede mag 'wwi ausgefallen sein. Vgl.
de Lagarde, Onomast sacra II. p. 95.
21. Das Singularsuffix in nn;;s;2tsri kann richtig sein, obgleich
v. 20 zwei Städte genannt waren; gemeint wäre l^*S6m, das
auch im Folgenden allein hervortritt. — Die Functatoren behan-
deln nNa^i nicht als Particip, sondern als Perfect mit dem Ar-
tikel statt der Relativpartikel; ob mit Recht, ist fraglich. — Statt
n^s war vielleicht cVs beabsichtigt. — nriK ist zwar entbehrlich,
aber doch erträglich.
vom IS. Juni 1870. 387
24. tr^^ als Fem. gebraucht, was wenigstens sehr selten ist.
Vielleicht ist aber das Saf&x auf das vorhergehende n*9n zu
beziehen, oder auf das dem Schriftsteller im Sinne liegende cnp,
vgl. 19, 13.
Cap. 19, 4. cno ^H ist vielleicht nur Glossem zu den vorher-
gehenden Worten.
9. Dasselbe gilt von dem Worte DiVa.
12. ^i^n, im Singular und ohne alle nfihere Bestimmung, ist
an sich und bei Vergleichung von i'^srn v. 14 sehr anstofsig.
Wahrscheinlich ist der Text beschädigt.
13. Vielleicht war TT^P^ beabsichtigt, wie 18, 21. Das Fe-
mininsttffix bezöge sich dann, wie das am Ende des Verses, auf
chD, welches mit den Worten nm ci;?^*3 gemeint ist.
16. Die Praeposition in rVara erregt Bedenken; beabsichtigt
war wohl eher nVcnfi.
17. Statt -»«»1 erwartet man vielmehr riwi^n. — Die Worte
VI— I » I-
^fi|-V9 sind unbedenklich, wenngleich über die Erklärung ge-
stritten werden kann.
19. Der Übergang in die singularische Anrede kann nicht
auf einer Entstellung des Textes beruhen und ist lediglich der
Redaction zuzuschreiben.
24. STQ^*";« ist vielleicht nur Olossem zu den vorhergehen-
den Woiten, deren Echtheit nicht so leicht bezweifelt werden
kann.
26. V)«3m statt m nON gewahrt keinen erheblichen Anstofs.
I : • I V r "
30. Der Artikel in mrsA fällt auf: es kann indessen damit
auf eine zur Zeit der Abfassung dieses Theils der Qen. hin-
reichend bekannte Hohle hingedeutet sein.
33. Man hat in Übereinstimmung mit v. 35 Mnn^ i^V^ ^®^'
zustellen; vgl. zu 30, 16.
Cap. 20, 6. Die Schreibart hom beruht vielleicht nur auf einem
Versehen.
12. n3«M = S3«M scheint durch Jos. 7, 20 hinreichend geschützt.
16. Das zweite Hemistich ist völlig unverständlich und ohne
Zweifel stark entstellt
Cap. 21, 6. 7. Diese beiden Verse sollten vielleicht vor v. 3
stehn.
12. Der Ausdruck im zweiten Hemistich ist nicht ganz klar,
kann jedoch richtig sein.
388 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
14. Wahrscheinlich ist su lesen: norn narr^ tir*^ cnVr?**
W '3^1 "iV^rrtTiti nnVtH rraatrVy öd ena. Dem steht aacb das
r^Veni v. 15 nicht entgegen, da bei dieser Fassang aber die Art
und Weise, wie der Knabe fortgebracht wurde, gar nichts aas-
gesagt ist.
20. Statt nvp rrsh wird nach Jer. 4, 29 zu lesen sein:
1»'- r '
22. Die Worte vcut*nb hsrt^ gehören schwerlich hieher und
mögen anpassender Weise aas v. 32 nachgetragen sein.
25. Von dem Brunnen war bisher nicht die Rede; die 6e-
seichnnng desselben als eines schon bekannten fUlt der Redactioo
cur Last
33. Abrahams Name ist vielleicht aasgefallen.
Cap. 22, 13. Statt um ist mit Sam. LXX. Sjr. q. a. nrw za
lesen und dann wohl die Lesart mMS der anCserlich besser be-
glaabigten Lesart thms yorzaziehen.
14« Das zweite Hemistich ist yermuthlich ein sp&terer Zasati,
dessen Fassang nicht gut gelangen ist
21. Die Abweichangen von den Angaben Cap. 10, 22 bernheo
nicht anf Entstellong des Textes.
Cap. 23, 1. Der Schlafs ist ganz uberflassig and mag als Inhalts-
angäbe einst am Rande gestanden haben.
5. Wegen ft -^h^ s. zu v. 13.
10. Die Constructiou 'tM VaV ist einigermafsen anstofsig und
vielleicht dieser ganze Schlafs sp&ter hinzugefügt. Vgl. za v. 18.
11. Vgl. zu V. 13.
13. Hinter nm^SK ^h werden einige Worte aosgefallen sein,
wie etwa: rpa9*C9 non niS9. Ähnliches dem Sinne nach suchte
Hitzig (Begriff der Kritik, S. 141) auf andrem Wege zu gewin-
nen. — nV mit dem Imperativ nur hier und an sich bedenklich.
Hitzig (a. a. O., S. 140 f.) will freilich auch v. 6 ''aanao ^'^ her-
stellen, indem er das schliefsende iV des vorhergehenden Verses
heranzieht, verfährt ebenso bei v. 14. 15, wo '^snati *^h n^ g^-
lesen werden soll , und liest endlich v. 1 1 mit etwas anderer
Orthographie 'd *onN-NV. Die Oleichartigkeit in allen vier Stel-
len, die auf diese Weise erreicht wird, ist sehr ansprechend.
Man h&tte anzunehmen, dafs die Verbindung von nV mit dem
Imperativ ehemals zulässig war, aber frühzeitig aufser Oebrauch
kam, wodurch denn die Umgestaltung von v. 6. 11. 15 veranlafst
vom 13. Juni 1870. 389
wurde. Nar hier (v. ] 3) liefs sich ein ähnliches Verfahren nicht
wohl anwenden; denn die Veränderung von nV in *>V ^^^ den
LXX. verdient wenig Lob. Im Übrigen wäre die Verbindung
1^ "nsM^ ^* d- 1^ An sich nicht verwerflich; ganz ähnlich ist
Lev. 11,1 cn^« '^bnh.
14. Wegen iV nb«^ vgl. sn v. 13.
18. Vä&, ebenso anstöfsig wie hA v. 10; man erwartet etwa:
I r: T i
19. Ynän H*n Mn«Q föUt auf neben v. 2 und 13, 18, wozu
auch 35, 27 zu vergleichen ist. Hier mag ursprunglich der
Name Knm allein im Texte gestanden haben.
Cap. 24, 30. *vxP nsril ohne Subjectsansdruck braucht keinen An-
Btofs zu gewähren.
32. Vielleicht war Mä^n beabsichtigt, wie J. D. Michaelis le-
sen wollte.
33. Der Änderung im Q'ri, cim^i statt cis^;>i, hätte es viel-
leicht nicht bedurft, wenn Letzteres activisch gefafst werden
konnte. Im entgegengesetzten Falle wäre die Passivform auch
wohl 50, 26 herzustellen gewesen. Die Punctation Dirnen ist
übrigens verwerflich.
38. nV*dn ist unbedenklich.
39. ^htf^ defectiv geschrieben, wahrscheinlich auf Veranlassung
von •'V« V. 40.
55. Vor ü^l ist vielleicht mh ausgefallen; vgl. 29, 14.
62. n>i WWQ M ist sehr anstöfsig. Sam.: iftn nnä n^lsä nH;
LXX.: iiroatviTO 8m rr,s i^xfxov Hctra ro (p^sct^ riig ogartoog. Auch
dies sagt wenig zu. Houbigant: 'iAi nna D^p N3, vgl. 25, 11;
vielleicht richtig. Auch nM» Nä konnte genügen und daraus
würde sich die vorliegende Entstellung des Textes am einfach-
sten erklären; s. de Lagarde, Onomast, sacra II. p. 95.
67. Hinter n^n'Kn fehlt wahrscheinlich: Vn'K.
• V.- I ▼ VI
Cap. 25, 13. cnbi^ä fällt nach dem Vorhergehenden auf, wird aber
nur von nachlässiger Redaction herrühren.
15. Die Lesart ^Tin verdient den Vorzug vor der Lesart n*Tn;
vgl. 1 Chr. 1, 30. Ob ursprünglich tin beabsichtigt war, bleibt
zweifelhaft. — Die Localform ün'ip fällt zwar auf, wird aber
doch beizubehalten sein.
18. nniQ9K hält Nöldeke (Untersuchungen zur Kritik des A. T.
S. 26« Anm. 1) für verdorben, wozu kaum hinreichender Orund
390 Sitzung der phihsojyhisch^historischen Klasse
vorhanden ca sein scheint. — Am Schiasse findet sich eine
Lücke. Man erwartet etwa: nVisn iV-nVta oder Vwwr^V rhu
22. Ob das erste Hemistich vollständig erhalten sei, ist zwei-
felhaft; vielleicht liefse sich am Schiasse desselben n^ ergSnzen.
26. Aach hier war eher wnp^n sa erwarten, wie v. 25.
28. Sam.: i^^'X, vielleicht richtig, wenn auch nicht grade
nothig.
Cap. 26, 2. 3. Der Widersprach awischen den beiden Befehlen
fällt ansschliefslich der Redaction aar Last Die gaoxe Stelle
V. 2— 5 ist später eingefügt; vgl. Hitsig, Begr. der Krit. S.169f.
12. Statt fi'nanä drücken LXX. Syr. crira aas: viellekht
richtig.
28. n3*T;iS'*ä and gleich daneben ^rra braucht keinen Anstofs
zu gewähren, ist vielmehr ganz angemessen, da das Pluralsuffix
in beiden Formen nicht die gleiche Oeltang hat.
Cap. 27, 3. Das K'Stfl rmt (neben ^ v. 5. 7) beruht wohl auf
einem Versehen, woza das vorhergehende TTVSr] Anlafs gab.
24. Die Auslassung der Fragepartikel ist unbedenklich.
29. Das K'^iß mm^ beruht wohl nur auf einem Schreib-
fehler.
31. Die Punctation Dp*« fKllt auf; man erwartete eher :?%
doch läfst sich auch jenes rechtfertigen.
33. 34. Hitzig, Begriff der Kritik S. 126 ff., will lesen:
:fbt3s rvm i rrnsrzyf wahrscheinlich mit Recht.
39. Der Vers bildet ein Gegenstück zu v. 28 und "pa steht
hier in der Bedeutung von ohne. Obgleich man den Gegensatz
zu V. 28 gern schärfer ausgedrückt sähe, darf doch die Richtig-
keit des Textes schwerlich bezweifelt werden.
40. Der Sinn von Tn^ ist so dunkel, dafs man auf eine
Entstellang des Textes schliefsen darf. Die LXX. sprachen
dafür ^**nri, womit Nichts gewonnen ist. Im Übrigen ist dort
XvtH au und ix}.vTitg zu lesen.
42. cnan» scheint durch Jes. 1, 24 hinreichend gerechtfertigt.
44. 45. Der Scblufs von v. 44 und der Anfang von v. 45
können kaum neben einander bestehen. LXX. blofs: etue roC
arroTToiyl/at rou SvfMv Hat Tr,v ogyiiv roC dSsX^oO arov ävo a-oG.
46. Die Minuskel rührt von einem Versehen her, durch wel-
ches das zweite p ausgelassen war. — Erst rn~n^9aa und dann
vom 13. Juni 1870. 391
»
noch yyS^ ^^??^ 1^^ ^^^^ anstofsig. Die LXX. lassen das
erste weg.
Cap. 28, 11. cij?iaa ist anstofsig, da keine Ortsbezeichnung vor-
hergeht, auf welche sich das bestimmte Nomen beziehen konnte.
Vielleicht ist tsipsa (oder ^ihm t'yi^) zu lesen.
22. Der Übergang in die zweite Person im zweiten Hemistich
beruht nicht auf Beschädigung des Textes, sondern auf unge-
schickter Redaction.
Cap. 29, 2. fiMni richtig; es ist der Stein, mit dem die Öffnung
des Brunnens regelmäfsig verschlossen wird.
5, Vor "linr^ ist vielleicht ^Mnna-";:^ ausgefallen.
10. Das dreimalige tbm '^riM f&llt auf und kann zum Theil auf
blofsem Versehen beruhen.
24. Die Wortordnung weniger naturlich, als v. 29, doch viel-
leicht ertr&glich.
Cap. 30, 11. Beabsichtigt war ohne Zweifel ^>a; vgl. v.l3 *n^MA,
wobei der Umstand, dafs dort ein Pronominalsuffix angehfingt
ist, von keinem Belang ist, weil dies von dem Unterschied der
Bedeutungen von n^ und ^x^vk herrührt.
15. nnpVi, als Infinitiv mit der Praeposition V punctirt, Ififst
sich vertheidigen; möglich ist aber, dafs ursprünglich Pinp_Vi im
Perf. beabsichtigt war.
16. M^n für M^int^, wie 19, 33, auch hier wahrscheinlich nur
Schreibfehler; vgl.' noch zu 32, 23. 38, 21. 1 Sam. 19, 10.
20. ''n'K gewährt Anstofs; vielleicht stand ursprünglich
''nMos da.
31. Statt nbm wird "ia^H^ zu lesen sein.
I t V I t VI
32 — 36. Die Bestimmung des Lohns ist nicht ganz klar und
jedenfalls unvollständig, indem des künftig fallenden bunten
Viehs hier gar nicht gedacht wird. Auch das Verfahren bei
der Aussonderung des bunten Viehs bleibt undeutlich; die erste
Person "ih;^N v. 32 stimmt nicht zu v. 35. 36, wo Laban Subject
ist. Dies alles wird aber Schuld der Redaction sein und nicht
auf Beschädigung des Textes beruhen. Gleiches gilt von dem
Wechsel der Ausdrücke nj;>a v. 32. 33 und &**n];9n v. 35, in
welcher Hinsicht auch v. 39. 40 und 31, 8. 10. 12 zu ver-
gleichen sind.
37. Statt V;^a durfte man rnp;?a erwarten und auf diesen
Pluralbegriif bezieht sich jedenfalls das folgende "jn^, obgleich
[1870] '^28
392 Sitzung der phHosophtMch'historisehen Klaise
h^rü n?;:^ sonst masc. ist. Zach. 11, 7. 14. Statt V{ärvz wire
etwa tfion erwanschter; vielleicht war auch eine andere Aus-
sprache beabsichtigt.
38. Die Worte c^^n P^T^.^ ^^^ vielleicht auch die darauf folgen-
den bis einschliefslich Tmqh haben das Ansehen einer Randglosse,
die dem ursprünglichen Texte fremd war. — Die auffallende
Form nataTT»*) wird doch schwerlich anzufechten sein: vgl. za v. 41.
40. Die Darstellung ist unklar und nicht ohne inneren 'Wi-
derspruch , welcher durch Ausstofsnng der Worte p^ a. s. w.
(bis zum Ende des ersten Hemistichs) gehoben werden kann.
Von gefleckten Thieren, die in Labans Heerde bleiben, ist dann
nicht die Rede. Jene Worte mögen durch ungeschickte Über-
arbeitung in den Text gekommen sein. Der Vorschlag ^r^'-i!
in *ibT*h^ zu verwandeln ist nicht unbedenklich; eher wünschte
man der Cönformität halber "^by-^a-VK.
41. Das Accusativ-Suffix in iiSTDn^^ ist in hohem Grade an-
stofsig. Man wird versucht etwa n:prr"^ zu schreiben, vgl. v. 38;
allein der Gebrauch von V ^^^ Conjunction ist dem Hebräischen
fremd. Es mag daher eher ein Fehler in den Consonanten
stecken, der durch die Nachbarschaft von v. 38 leicht veranlafst
werden konnte.
Cap. 31, 9. Das Suffix in »'^., statt der Femininform verwen-
det, dürfte nicht aufTallen, wenn nicht letztere v. 6. 7 gebraucht
wäre. Der Mangel an Übereinstimmung wird der Redaction zur
Last fallen.
13. Vmh vor dem Genitiv ist unzulässig; wahrscheinlich ist
hinter dem Worte eine Lücke anzunehmen und etwa in der
Weise auszufüllen, welche die LXX. an die Hand geben.
18. Die Worte h:**ap T\ip'ü u. s. w. bis zum Schlüsse des
Hemistichs gehören wohl dem ursprunglichen Texte nicht an.
20. V$ ist hier eigenthumlich gebraucht; doch braucht die
Richtigkeit des Textes nicht bezweifelt zu werden. Man erklfire:
^Jakob täuschte den Laban, darum dafs er*^ — d. h. ^inso-
fern er* oder „indem er** — „ihm nicht anzeigte, dafs er
fliehen (davon gehn) wollte^. Das Ungewöhnliche des Aus-
drucks sucht der Samaritanische Text zu meiden, indem er "q
statt ^9 giebt, was schwerlich vorzuziehen ist — Dafs Laban hier
(und V. 24) wieder als „der Aram&er^ bezeichnet wird, ist zwar
sehr überflüssig, aber lediglich Sache der Redaction.
row 13. Juni iS70. 393
30. Das zweite Hemistich hätte wohl, als Rede Labans be-
zeichnet, hinter v. 31 stehn und dann v. 32 als Worte Jakobs
eingeführt werden sollen; doch wird auch hier lediglich die Re-
daction ungeschickt sein.
32. Die Construction K2C«n nuJK C9 statt ts9 mx^dti ni23M ist
sehr bedenklich, Abhülfe aber nicht leicht zu gewinnen.
39. Die Worte nst3pä^ *>^^s werden wohl an das Ende des
Verses gehören. Auch mag nsNOftM statt der syncopirten Form
herzustellen sein.
40. Das isolirt da stehende T^'^'^n fftllt auf, doch läfst es sich
vielleicht rechtfertigen.
44. Vielleicht sind vor dem zweiten Hemistich einige Worte
ausgefallen, wie etwa: Va-ntoai.
45 — 54. Die Erzählung wird hier sehr verwirrt, indem zwei-
erlei Relationen in nicht geschickter Weise mit einander ver-
schmolzen sind. Für ^n)^^ v. 46 wird nach einem filteren Vor-
schlage, unter Zustimmung von de Lagarde (Onomast, sacra II.
p. 95), itdpV?!! herzustellen sein. — Eine Beschädigung des Textes,
ISS 4
die nicht der Redaction zur Last fallen kann, zeigt sich v. 49
zu Anfang, wo nsaKtaQ*! aufserhalb aller Satzverbindung steht und
die Anknüpfung an das Vorhergehende und das Nachfolgende
gleich mangelhaft ist. Eine Wiederherstellung des ursprüng-
lichen Textes scheint unmöglich. — V. 50 haben die Worte
cri'^nM *^n'Wi ganz das Ansehen einer in den Text eingefügten
Randbemerkung.
Cap. 32, 7. Wahrscheinlich ist zu lesen: ,^«^;jV Hin 'j^^h er.
9. Statt nrtttn ist ^i^rml^ zu schreiben, da das Wort nan« hier
sonst als Masculin behandelt ist
23. s. zu 30, 16.
31. 32. Der Wechsel der Formen Vm^^sb und \w&^ beruht
aaf zufälliger Entstellung.
33. Ein Subjectsausdruck bei 9>9 wird ungern vermifst und
ist vielleicht durch Versehen oder in Folge einer Beschädigung
des Textes ausgefallen.
Cap. 33, 4. Vielleicht war ursprünglich inM;2| mit Singularsuffix
beabsichtigt. — Die Puncto über dem Worte in^v^l sollten die
Tilgung desselben andeuten, welche aber von der bei der
Punctation zum Grunde gelegten Tradition mit Recht nicht an-
erkannt wurde.
28»
^94 Sitzung der phUosophi9ch-liUtCTi$€hen Klasse
20. Für einen Altar scheint der angeführte Name so wenig
passend, dafs man geneigt sein konnte zu lesen: '*)Ai Vm^ anpü-
Ähnlich die LXX.: ncti insHaXuraro rov B'mov 'It^«»;>.. Doeh
ist es sehr zweifelhaft, ob damit das Richtige getroffen wSre,
da eine Namengebung beabsichtigt gewesen sein wird, welche
nur bei der Redaction mifsverstanden wurde. Übrigens vgl.
zu 35, 7.
Cap. 34, 13. Das zweite Hemistich steht offenbar an nng^ioriger
Stelle. Zar Noth konnte es hinter den Namen caib treten;
wahrscheinlicher ist, dafs es eine — freilich sehr überflussige —
Randbemerkong war, die in den Text eindrang. Gans anzu-
Iftssig ist aber auch in seiner jetzigen Stellang das Wort r^a*r:;
jeder Anstofs wäre beseitigt, wenn es mit rmnsa den Platz
tauschte.
23. rngnsL neben na»^» ist nicht anstofsig; es bedeutet hier
lediglich das Lastvieh, wie 36, 6 u. o.
24. Die Wiederholang der Worte '"^n ""^^t^-Vd flllt auf and
beruht vermuthlich auf einem Versehen. Die LXX. lassen die
Worte aus.
25. naa, zu n^n gehörig, hat denselben Sinn wie etwa:
naa rzw^ m'ü'). Die Ausdrucksweise ist befremdlich, doch scheint
-IT V IV .f I '
der Sprachgebrauch gesichert; vgl. besonders Ez. 30, 9 und die
analogen Fälle Hab. 2, 19. Prov. 3, 25.
27. Man vermifst zu Anfang die Bindepartikel, welche LXX.
und Andre ergänzen. — Ob das zweite Hemistich an der rech-
ten Stelle stehe, ist zweifelhaft.
29. nta^n wäre wohl zum zweiten Hemistich zu ziehen, dann
aber auch rn statt des folgenden rw} zu schreiben gewesen.
Cap. 35, 7. Der Ort, um den es sich hier handelt, hat sicher
nur den Namen VN-n*'^ (nicht VK-n'^a V») gefuhrt. Es wird hier
ein ähnliches Mifsverständnifs der Quelle obwalten, wie bei
33, 20. — Der Plural !iV>a wird der Quelle entnommen und die
Abänderung in den Singular nur aus Unachtsamkeit unterblie-
ben sein.
16. dp.rii neben nnto'pn v. 17 braucht keinen Anstofs zu ge-
währen.
22. Am Schlüsse des Verses ist eine Lücke anzunehmen, die
sich auch äufserlich kenntlich macht.
vom 13. Juni 1870. 395
26. Vielleicht war fttrV^ beabsichtigt, wie 36, 5. — i^fca
a^M pafst nach v. 16 nicht auf Jo86(f>; die Ungenauigkeit fällt
aber der Redaction zur Last.
27. Vgl. zu 23, 19. Auch hier mag 2ranMn n^]? und Min
yrpn nachträglich in den Text aufgenommen sein, oder doch,
wenn 23, 19 mafsgebend sein kann, Ersteres allein.
Cap. 36, 2. 3. Der Widerspruch zwischen der Bezeichnung ^iSäQ
*>|939 und der folgenden Aufzfthlung, die nur zwei kenaanitische
Weiber — und ursprünglich wohl nur ein solches — erwfthnt,
desgleichen die Abweichungen von 26, 34. 27, 46. 28, 9 hin-
sichtlich der Eigennamen, werden von der Redaction verschuldet
sein. Übrigens war hier (und v. 14) anstatt itfäx^na nach hebr.
Sitte vielmehr 'sfia zu er^'arten, da n» der Sohn des Ci^S^on
(oder GiS'ron) ist, nicht die Tochter; s. v. 24. Doch wird nicht
etwa mit den LXX. 2t*'>|a herzostellen sein; vielmehr ist 3rrä
als eine gegen die herkömmliche Form solcher genealogischer
Angaben verstofsende spätere Ergänzung zu betrachten, wel-
che entweder durch ein MiTsverstfindnifs von v. 25 veranlafst
ist, oder auf einer von der Stammtafel v. 20 ff. abweichenden
Überlieferung beruht. Eine nachträgliche Ergänzung gleicher
Art findet sich v. 39. — Statt •»nnn war nach v. 24, vgl. mit
V. 20, *nhn zu erwarten; die jetzige Lesart beruht wahrschein-
lich auf einem Versehen oder auf zufälliger Beschädigung des
Textes.
5. Mit dem Q'ri ttsnar» (hier und v. 14) stimmt v. 18 und
1 Chr. 1, 35 nberein.
6. Wegen nnna neben njjjn s. zu 34, 23. -r- Hinter f^K*^«
ist unzweifelhaft der Name des Landes ausgefallen, wahrschein-
lich n*^, wie der Syrer ergänzt; indessen vgl. man Nöldeke,
Untersuchungen S. 30 Anm.
8. Die letzten Worte vielleicht ursprünglich blofs Rand-
bemerkung.
10. Warum die Söhne der dritten Frau hier übergangen und
erst V. 14 nachgeholt werden, ist unklar; doch ist kein Grund
vorhanden, an eine Entstellung des Textes zu denken.
11. Statt iss (hier und v. 15) giebt 1 Chr. 1, 36 ^:t.
13. Wie die Bedeutung der Namen nna und rnT einen ge-
wissen Gegensatz bildet, so mag auch bei den beiden folgenden
Namen (hier, sowie v. 17 und 1 Chr. 1, 37) etwas Ähnliches
396 Sitzutig der pkilosophinch-hiistorUchen Klasse
beabsichtigt und deren ursprungliche Gestalt msc und htq (dort-
hin und von hier) gewesen sein.
14. Vgl. zu ▼. 2. 3 und 5.
15. Das K*3i3 yair kann nur auf Entstellung beruhen. —
Wegen its s. zu v. 11. — ^^ war nach v. 11 und 1 Chr. L 36
eher im folgenden Verse zu erwarten.
16. Die Erw&hnung Ton rr\^^ an dieser Stelle scheint auf
irgend einem Irrthume oder ungeschickter Interpolation zu be-
ruhen; vgl. V. 18| womit V. 14 (und 1 Chr. 1, 35) überein-
stimmt.
20. 9*nä, QiySyons Bruder, hier und v. 25, und 9'nA, Q\c-
yons Sohn, v.24, sind ursprünglich wohl identisch; die verschiednc
Stellung, welche der Repraesentant eines und desselben Stammes
oder Qeschlechtes in verschiedenen Geschlechtsregistem einnahm,
hätte hier nicht die AufiTahrung zweier Personen gleiches Na-
mens veranlassen sollen. Derselbe Fall wiederholt sich bei
Dison, dem Bruder (v. 21) oder Sohne (v. 25) des 3^ä. Übri-
gens ist zu beachten, dafs die Handschriften der LXX. zum
Tbeil zwischen 'Am v. 20. 25 und '&2m, '^vag oder 'S^mtV v. 24
auch einen formellen Unterschied machen.
21. Statt yit-^ nennen die LXX. hier und v. 28. 30 ^Pir^r
(oder 'FiiTwV).
22. Ffir wry giebt 1 Chr. 1, 39 e«in.— AufTallend ist, daf^
hier (und in der Chronik) die Schwester Lotäns nach dessen
Söhnen, und nicht, wie sonst üblich, nach ihren Brüdern auf-
geführt wird.
23. Statt iBQi bietet 1 Chr. 1, 40 ^t^.
24. Vor n^Mi ist vielleicht ein Name ausgefallen; doch kann
die Bindepartikel, welche bei den LXX. Sam. Syr. und auch
1 Chr. 1, 40 fehlt, auch blofs von einem Versehen herrühren. —
Das Wort min^ welches schon als ct^rr«^ y.tyifAMvov die Aufmerk-
samkeit auf sich zieht, Ififst sich mit einiger Sicherheit nicht
mehr erklären und setzte bereits die alten Übersetzer in Ver-
legenheit. LXX.: 701/ 'I<v^t<V; Sam. Onk. drucken &*'C'*h^ ans,
vgl. Gen. 14, 5. Deut. 2, 10. 11, Sjr. c^^sn. Die Erklärung der
Vuig. durch aquae calidae etymologisch zu rechtfertigen will
nicht gelingen. Bei unsrer Unbekanntschaft mit der 'horitischen
Sagengeschichte ist es naturlich nicht möglich zu ermitteln, was
r*nä in der Wüste gefunden; vielleicht fand er ganz einfach
vofn 13. Juni 1870. 397
£^*'n~rK, seinen Vetter, v. 22, mit welchem irgend etwas Unge-
wöhnliches vorgegangen sein mag, das Ifingst vergessen war, als
die jetzige Aussprache des Textes festgestellt und mit Übersetzung
desselben begonnen wurde.
25. Die ersten Worte lassen mehr als den einen Namen
ym erwarten; doch s. fihnliche Fälle 46, 23. Num. 26, 8. 1 Chr.
], 41. 2, 8. Übrigens vgl. in Bezug auf diesen zu v. 20. '— Das
zweite Hemistich steht mit v. 2. 14 in Folge der dort nachge-
tragenen Bezeichnung "(tf^-ra in Widerspruch, da es nicht zwei-
felhaft sein kann, dafs der hier genannte 9*n& der Bruder des
^i^yön (v. 20), nicht dessen Sohn (v. 24) sein soll. Bei dem
Nachtragen der Worte 'iT^ v. 2. 14 mag die hier vorliegende
Stelle des *höritischen Geschlechtsregisters benutzt, aber mifs-
verstanden sein.
26. Hier war statt i«^ ohne Zweifel y^"^ zu nennen, vgl.
V. 21; Dirfän folgt erst v. 28 an geeigneter Stelle. LXX. rich-
tig: ^r,T(L'v, Auch 1 Chr. 1, 41 steht das Richtige; statt fron
wird aber dort fn^n geschrieben.
27. Statt "ii^^pi wird mit Rucksicht auf Num^ 33, 31. 32.
Deut. 10, 6 )Zt^) ^^ ^^^'^ ^^^°* ^^^^ ^ C^- h ^2 ^^^^^ *i^9:^i
wo nur die Bindepartikel vor dem Namen wieder herzustel-
len ist.
28. 30. Wegen fw-^ vgl. zu v. 21.
32. Die Form yba (hier und 1 Chr. 1, 43) ist unverdächtig,
wenn auch die Person mit dem -rff&~ia ey^s identisch ist
35. Für rtx geben die LXX. Ba^dS^ far n'n?^ ^MT^ailA (oder
r«.S'-3'«i^).
36. LXX.: XitfActSd oder Xct?jKiAdf und Maa-TinHa (oder Ma-
39, LXX.: 'A^dS (oder 'A^«cr) vioc Bw^rcS (oder Bcr^ad*) ; vgl.
V. 35. — Statt des zweiten na geben die LXX. ",3; vgl. zu v. 2.
40 — 43. LXX. weichen in den Consonanten der Eigennamen
theilweise ab. — Statt nnVrP v* 40 war vielleicht -p^r zu schrei-
IT I — 'IT J -
ben, vgl V. 23, und statt nn^ etwa ')nri7, vgl. v. 26. LXX. an
erster Stelle freilich FwXrv, nicht Vuj?mi'^ wie v. 23, an zweiter
aber "U^so (oder "leßi^). Statt •;3'*fi v. 41 findet sich Num. 33, 42
*i3ne; Eusebius Ononiast. spricht für die Lesart der Gen. Die
Form ürr:f ist nicht anzufechten, auch wenn rn^:: 1 Chr. 4, 15
dieselbe Person bezeichnen sollte.
398 Sitsuug der phUosophiech-hiitorisehen Klane
Cap. 37, 2. Die ersten Worte passen schlecht xa der nacbfolgeL-
den ErsShlung und mögen IrOher an einer andern Stelle gestu-
den haben. — Übrigens scheint der Text dnreh Interpolatka
entstellt «u sein. Die Worte 'täi nrrVa "aa-rn »^53 K^m konneo
nicht faglicb heiTsen: nnd er war (als dienender) Bnrscke
bei den Söhnen Bilhäs a. s. w. Allerdings ist Ge h*zi *;n
Ttnh^ pner Elisae 2 Reg. 5, 20, vgL 2 Reg. 4, 12. 8, 4 and
Stellen wie 1 Reg. 20, 15. 17. 19. 2 Reg. 19, 6, schwerlieh aber
sagte man „Barsche bei jemand*'. Daher wird 'W hier ledig-
lich den jungen Menschen bedeuten, die folgenden Worte aber
(bis r*SH ^ einschliefslich) werden als eine nachtrSglich und
ungeschickt eingefügte Erlftuterung zu. dem Torhergehenden
i^nK*r« anxusehen sein, welche wegen v.21 angemessen scheinen
konnte. Die noch übrig bleibende auffallende Erscheinung, dafs
der unbestimmtere Ausdruck 'W auf die genaue Altersangabe
folgt, Iftfst sich begreifen, wenn man erklftrt: „Josef, siebenzehn-
j&hrig, war beschXftigt mit seinen Brüdern das KleluTieh zu
weiden, und er war ein junger Mensch nnd brachte' (d. b. und
da er eben noch ein junger unerfahrener Mensch war, der die
Folgen seiner Handlung nicht übersah, so brachte er) „ihren
Rnf als einen schlechten su ihrem Vater^. Dafs rcn nicht Ad-
IT »
jectiv 2u &na*? sein kann, versteht sich von selbst, da ihm der
Artikel fehlt.
4. ril'n kann wohl nicht heifsen: mit ihm zu reden, son-
II-
dern nur: sein Reden. Damach hat man erklfirt: „sie hielten
sein Gerede nicht aus in Gutem*^; was gebilligt werden mufs,
insofern der Text als unversehrt gelten darf.
12. Die Praeposition vor ikS sollte durch Übersetzen der
Puncte getilgt werden, was jedoch von der Tradition nicht ge-
billigt ist.
17. Vielleicht war statt yrn^ ^^ Übereinstimmung mit dem
Vorhergehenden yrn^ beabsichtigt; doch findet sich die Form
fy!\ auch 2 Reg. 6, 13 und ist an sich nicht anstöfsig.
23. Die letzten Worte vielleicht nur nachgetragene Erlfinte-
runir zu nrsrtfi-TM.
28. Die hier auftretenden Midianiter sind von den (bereits
erw&hnten) IsmaSlitem nicht verschieden, obgleich jenes Volk
25, 2 nicht zu den Ismaölitern gerechnet wurde. Hier soll dem
weiteren Begriffe der IsmaSliter der engere midianitischer
vom 13. Juni 1870. 399
IsmaSliter 8ub8tituirt werden, welcher, als bisher nicht erwähnt,
unbestimmt bleiben mufste, sodafs der Artikel nicht gebraucht
werden durfte: „die gedachten IsmaSliter waren aber^, wie sich
bald zeigte, „midianitische Kaufleute*^.
36. Statt B^^yrsni ist wohl nach v. 28 s*'9*^^fri herzustellen. —
Der Name nfc'^hB, hier und 39, 1, scheint nur eine verstummelte
Form des Namens snD *>Difi 41, 45. 46, 20 zu sein. Die LXX.
haben für beide Namen dieselbe Form HiTt(f>^,fy mit der Variante
ÜBVTiipg^g; s. de Lagarde, Vorrede zur Genesis, p. 20, welcher
:^E*<^& für die ursprüngliche Lesart hftlt Doch möchte die
Umgestaltung der ersten Sylbe bei den Hebrfiern schon vor Ab-
fassung dieses Theils der Gen. eingetreten sein.
Cap. 38, 14. s^a*^, hier ohne Artikel, v. 21 mit demselben, was
aber gerade bei dem Eigennamen keinen Anstofs giebt« Übri-
gens ist hn& hier so wenig, wie anderswo, s. v. a. "Wdi man
MTurde es etwa durch „Eingang^ zu übersetzen haben.
16. Vn vor l^l^^in wird mit de Lagarde, Anmerkungen zur
griech. Übersetzung der Froverbien S. III, zu tilgen sein.
21. Wahrscheinlich ist zu lesen: Hr\m TV^^'n', vgl. zu 30, 16.
28. 'T^'p^Tl ohne nfthere Bezeichnung des Subjects, die wohl
möglich war, aber entbehrlich schien.
29. 30. Für K**)p^i hfttte man beide Male vielmehr Mlpmi er-
warten dürfen , wie 4, 25 u. ö. Indessen wird das Verbnm Mnp
im Activ so hfiufig als Aequivalent einer Passivform gebraucht,
dafs an eine Entstellung des Textes nicht gedacht werden darf.
Cap. 39, 4. Vielleicht sollte auch hier, wie v. 5. 8, stehen: Vbi
8. Statt n*'asi'-ns war nach v. 6 eher a manttta zu erwarten.
14. H^m ohne nähere Bezeichnung des Subjects, die unnö-
tbig schien.
20. Das K'«&i;3 -«niDM beruht wohl nur auf zufälliger Ent-
stellung des Textes. V. 22 ist B'i^'QKrT die allein beglaubigte
Lesart, obgleich manche Ausgaben dieselbe auch dort nur als
Q'ri anmerken.
Cap. 40, 10. nses ist bedenklich, da ^a = nxa sonst nicht vor-
kommt und gewifs als Masc. anzusehen wfire. Man hat nsa zu
lesen und nach Analogie von Jes. 5, 6. 34, 13. Prov. 24, 31
zu erklären: „und er^ (der Weinstock) „war wie sprossend;
er ging auf als Blüte ^ (d. h. in Bluten); „die Traubenkämme
400 Sitzung der philosophiach'hhtorischen Klasse
brachten^ (schliefslich) „Trauben zur Reife*^. Alles dieses hatte
sich nach und nach in dem Traume so gezeigt.
14. Der Anschlufs an das Vorhergehende durch *a ist unge-
wöhnlicher Art, wird sich aber rechtfertigen lassen; cm ist wie
gewöhnlich Bedingungspartikel: „aber wenn du dich meiner er-
innert haben wirst, sobald es dir gut geht, dann bitte übe Gnade
an mir u. s. w.^
15. ^4 mit dem Artikel, insofern das ganze, bereits er>
wähnte Gef&ngnifs als ein unterirdisches gedacht werden mochte.
20. Dafs hier von beiden Beamten gleicbro&fsig erzählt wird,
ihr Haupt sei erhoben worden, ist anstöfsig, da der Zusatz
rj^^Tü y. 19 von so wesentlicher Bedeutung ist. Doch scheint
der Text nicht gerade beschädigt zu sein.
Cap. 41, 3. 4. Zu ri;»*?; findet sich die Variante rn;»*^*), wie auch
der Samarit. hat. Mit Rücksicht auf v. 19. 20 kann diese Lesart
den Vorzug zu verdienen scheinen; doch ist eine völlige Über-
einstimmung in den verschiedenen Stellen nicht eben erforderlich.
8. Statt n79'7n war nach dem Vorhergehenden und wegen de^
folgenden cnnn der Plural zu erwarten; die Inconsequenz mag
aber der Redaction zur Last fallen.
13. Vielleicht ist tvsnt hinter ä**i^n ausgefallen; zur Noth kann
es jedoch entbehrt werden.
23. n^*! stimmt nicht genau zu v. 27, wo Tr!^y} gelesen wird ;
vgl. zu V. 3. 4. — (^\!*^^.^ '^^ Bezug auf das Feminin ist nur
deshalb anstöfsig, weil in diesem ganzen Abschnitte sonst be-
ständig das Sufßx )n gebraucht wird.
26. Vor n^B sollte der Artikel stehn, der wohl nicht ab-
sichtlich weggelassen ist.
27. Statt ^*^ ni:5 war wiederum nan s**:« zu erwarten: es
wird aber eine Inconsequenz der Redaction sein.
32. Die mit -j^i nis^Kn Vri beginnende Rede bleibt unvollen-
det oder wird durch das eintretende **& unterbrochen; der Text
r
ist aber unversehrt.
34. Vor rnS9'^ wird etwa n's herzustellen sein.
ir"Jr- I
42. Die goldne Kette, richtig; es war diejenige, welche er
selber trug und die zu den Insignien der Herrschaft gehörte.
43. 1\i}'^^ ist dunkel und der Text vielleicht beschädigt; na-
mentlich schliefst sich das zweite Hemistich unbequem an. Viel-
leicht steckt in dem dunkeln Worte der Inf. abs. T^na, als unter-
vom 13. Juni 1870. 401
geordneter Theil eines Satzes, der vor dem Josef ausgerufen
wurde, wie etwa: W 1\^ ClD'T-rit a-rf'^« tj'ja.
45. Dafs die LXX., indem sie narfi nscat durch "fou^ofjufyttuYiX
ersetzen y eine andere Lesart vor Augen hatten, ist nicht ge-
wifs. — Wegen des Namens tf^t nsnB vgl. zu 37, 36. — Das
zweite Hemistich lassen die LXX. weg, wie es denn wegen
v. 46 überflussig ist. Es ist nicht unmöglich, dais ursprünglich
e)Oi'**rw| nst^ geschrieben war, wozu die Praeposition V9 besser
pafot, als SU t:)DV« MS^n, was durch ein Versehen aus v. 46 her-
nbergenommen wurde.
48. Für c'^ats 9:itt) wird wie v. 53 zu lesen sein: '^so t^v
yy&n; nur dann hat das folgende 'i>r\ n^n n^, einen Sinn. —
Das zweite Hemistich mag ursprünglich blofs erläuternde Rand>
bemerkung gewesen sein.
50. Warum "^t^ gesprochen wird und nicht nV^ ist unklar. —
I9nn rtiu im Sing, ffillt auf, ohne dafs Grund vorhanden wfire,
die Richtigkeit des Textes zu bezweifeln. — Das zweite Hemi-
stich vielleicht späterer Zusatz.
53. Für n;n stünde besser w, wie v. 48 ; vielleicht liegt nur
ein Versehen zum Grunde.
54. Obgleich die letzten Worte in Widerspruch mit v. 55 zu
stehn scheinen, wird doch an dem Texte nichts zu ändern sein;
der Ausdruck ist nur etwas ungeschickt V. 54 bezieht sich cnV
auf das v. 49 erwähnte angesammelte Getraide (na), v. 55 auf
das den Landesbewohnem wegen Mifswachs fehlende eigne Brod-
kom. Die Handschriften der LXX. suchen zum Theil dem an-
scheinenden Widerspruche durch Einfügung einer Negation ab-
zuhelfen: iv is TTtiTYi yri AiyxjTrrov evj€ Yfrnv a^Tot\ dadurch wird
aber wieder nur scheinbar geholfen.
56. Der Text gewährt mancherlei Anstofs. Die Worte
cnä *itt)K-V&*nN können unmöglich richtig sein; es fehlt eine
ausdrückliche Bezeichnung der Vorrathshäuser und am Schlüsse
etwa na, wie der Samarit. richtig ergänzt. LXX.: nviw^s Si
'iwTiJ^ iravrttQ roig vftoßoktSvag. Ferner steht natD^T in einer
ganz ungewöhnlichen Bedeutung; vermutblich war nat3^ beab-
sichtigt, vgl. 42, 6. Der letzte Satz ist hier störend und fehlt
bei den LXX.; er hätte den Vers beginnen können und dafür
das erste Hemistich hier am Ende stehn; dann wäre der Ober-
gang zu V. 57 ein natürlicher gewesen.
402 Sitzung der philosophisch-hi$torischen Kla$$e
57. ODr~^N> abhfingig von nttt, steht nicht an recht geeigne-
tem Platze und ist wohl erst nachtrftglich eingeschoben.
Cap. 42, 13. Die Oestalt des Textes ist sehr anbefriedigen<L Der
Gedanke, der allein beabsichtigt sein kann, war auszudrücken
entweder durch die Worte: Tw-ti^ na ötw *r*T^ **» o-or,
oder durch dieselben Worte mit ^onaK an Stelle von tm^r.
Ohne Zweifel ist *.atn3M aus v. 32, wo es ganz am Orte ist, hier
einst am Rande angemerkt und später in den Text geraüien.
19. ^N hfitte wohl hier nicht weniger mit dem Artikel ver*
sehen werden sollen, als v. 33. — Der Ausdruck % fa^n mc
„Oetraide (zur Stillung) des Hungers*^ fiUlt auf; einigermaCsen
ähnlich ist der Ausdruck tj^^iT map Jes. 30, 23, „Regen (zum
Gedeihen) deiner Saat^. V. 33 steht sogar blofs a *|tun.
25. nA*) a**i:}nVn in Abhängigkeit von nx^n ist wegen des da-
zwischen getretenen Satzes sehr unbequem und incorrect; die
Schuld davon fällt auf die Redaction. — t7-*N hat hier den Werth
r
eines Genitivs, abhängig von t)DS, welches auszudrücken durch
das unmittelbar vorhergehende &n**Bp& unnöthig wurde.
28. i-'nM-VK ti^« ^T^n^T ist unbedenklich; gemeint ist c*— r«
30. VieUeicht war beabsichtigt: n«iöo-V« ?):nki i^r ; vgL v. 17.
33. Vor a *pa2n mag ^X3 ausgefallen sein; vgl. v. 19.
34. Statt cn» cna *»s wäre eher m q*«»-»« zu erwarten ee-
wesen, wie v. 19; in dieser Fassung würden die Worte dann
dem zweiten Hemistich angehören. In dem Texte, wie er vor-
liegt, sind entweder diese Worte oder die zunächst vorhergehen-
den, ebenfalls durch **^ eingeleiteten, überflüssig.
35. lü^H steht hier absolute voran und ist entweder als
Accusativ nach arabischer Weise abhängig von nsn (Silvestre de
Sacy, gramm. Ar., 2* edit. II. p. 105), oder — was im Hebr.
zulässig erscheint — ein von rtsn unabhängiger Nominativ.
Cap. 43, 11. fn^n t^'jltat, bei der gewohnlichen Erklärung ein
kühner Ausdruck, aber doch wohl statthaft. LXX.: atro t^v
Haart^v r^9 7^^; ob nach andrer Lesart ist zweifelhaft.
12. >ni^^ tlOs hier und C)Da-n3^Q v. 15 sind gleich statthaft;
in keinem von beiden Fällen hängt das zweite Wort von dem
ersten im Genitiv ab.
14. *-)nK ohne Artikel, incorrect. LXX. drücken nnM (oder
r* •▼
TTiKn) aus.
i^om 13. Juni 1870. 403
28. Das K'^i^ *i{^v^ beruht nur auf einem VerBeben.
34. Statt ixmy war vielleicbt der Plural beabsichtigt. LXX.:
Cap. 45, 1. Die Worte v^hp^ B'*^9Q VbV schliefsen sieh an das
Vorhergehende zwar nicht mit völlig klarem Sinne an, doch
scheint der Text unbesch&digt zu sein.
7. Statt riD^^V wird m9*'V& zu lesen sein. LXX. richtig:
8. hm^y nachlfissig statt des concinneren Vi^Vu
19. Der Übergang von nn^^nat n^Mi zu dem Folgenden ist
sehr schroflf ; doch deutet Nichts auf eine Beschldigung des Textes.
Die LXX., den Übergang erleichternd: 9-0 il !vT»t>utt ravTet.
Cap. 46, 3. Der Infinitiv srn nur hier; vielleicht ist das gewöhn-
liche nm herzustellen.
VI»
9 — 24. Auch in diesem Oeschlechtsregister weichen die
LXX hinsichtlich der Eigennamen mehr£sch erheblich ab.
10. Stott htm^i geben die Parallelstellen Num.26, 12. 1 Chr.
4, 24 VKqaa. Ebenda fehlt "iQ'fic ganz. Statt y^'i hat 1 Chr. 4, 24
i-n;. Statt nrt» (hier und Ex. 6, 15) wird Num. 26, 13 rnj ge-
nannt. Die Divergenz zeigt sich auch bei den LXX. n'^a;p3fin
(hier und Ex. 6, 15) mit dem Artikel, indem hinreichende Be-
kanntschaft mit den Verhfiltnissen vorausgesetzt wird.
13. Die Bildung des Namens n^B (hier und Num. 26, 23)
föllt auf, zumal da das Patronymicnm '^ym (Num. a. a. O.) lautet,
zu welchem aber auch die Schreibart riNW 1 Chr. 7, 1 (vgl.
Jad. 10, 1) nicht pabt; vgl. zu Num. 26,^23. — Für äh^ ist
ohne Zweifel nach Num. 26, 24. 1 Chr. 7, 1 (im QVi) mit Sam.
LXX. ^r^ herzustellen.
15. Die ungeschickte Anfügung der Worte a na*^ riM*) und
die Einschaltung von VT(m'n fallen der Redaction zur Last.
16. Stott ti^'fel giebt Num. 26, 15 lifeS (LXX.: Xatpuiy), statt
laxN (LXX.: earoßdv) Num.26, 16 '«stM, stoU ^^^vr» Num.26, 17
17. niti*« und '^^'^ hier und 1 Chr. 7, 30 neben einander,
W J • PI* ' '
wfihrend Num. 26, 44 "^«s^ genannt ist. Die Zählung v. 18 setzt
beide Namen voraus.
20. Die Worte 'n>i iV-m^*^ nVN bis zum Schlüsse des ersten
Hemistichs sind unangemessener Weise nachtrfiglich in den ur*
sprünglichen Text eingefugt.
404 Siizung der philoBophUch-histarischen Klasze
21. -ca fehlt in der ParalleUtelle 1 Chr. 8 nnd erhfilt Num.
269 35 einen Platz unter den Ephraimiten. Umgekehrt fehlt
msk Nom. 26 nnd erhilt 1 Chr. 8, 3. 5 einen andern Platz. Der
Name "»ya wird sowohl Nnm. 26, 40 als 1 Chr. 8, 4 auf andre
Weise in die Geschlechtstafel eingelugt. AUe diese Verschieden-
heiten mögen auf abweichender Tradition beruhen. Dagegen
wird hier t^Knn *rat (und 1 Chr. 8, 1 rnrjg) aus ursprünglichem
£'n'*nK entstanden sein; vgl. Num. 26, 38. Doch setzt schon die
Znsammenzählnng t. 22 zwei Namen voraus. — Auch c*^?
(LXX.: Maiu^nu oder M«r|(Mf>tu) ist ohne Zweifel entstellt; 1 Chr.
7, 12 findet sich statt dessen eso (LXX. Sa^i^i oder 2£a7^},
Num. 26, 39 eriKi^ (LXX. Set'i^V), aber mit dem Patronjmiciiffl
roric^ (LXX. Sw^m^/), und 1 Chr. 8, 5 icninb (LXX. Sw^), ^'^
Enkel Binjamin's. Die richtige Form war vielleicht ecm — In
ähnlicher Weise anstöfsig ist der folgende Name &*^tn, 1 Chr.
7, 12 rsn geschrieben; dagegen giebt Num. 26, 39 wahrschein-
lich richtig C£?n, woraus trm 1 Chr. 8, 5 (als Enkel Binjamin*s)
entstellt sein wird. — Mit Tw, der Num. 26, 40 als Enkel Bin-
jamin's auftritt, darf vielleicht ttm 1 Chr. 8, 3 (ebenfalls Enkel
B's) zusammengestellt werden.
22. Für ni^ wfire n*!:?^ mehr am Orte gewesen, wie in dem
eingefügten Satze v. 20.
23. 71 ^vi\ im Plural, obgleich nur ein Name folgt, wird
doch der Redaction angehören. Der Name &*m (1 Chr. 7, 13
£isn, mit der Variante cvn) erregt Bedenken. Num. 26, 42
giebt dafür crnc), welche Form den zu v. 21 angeführten Namen
CBIO und cfiin gut entspricht.
24. Statt \vcsßr^ (hier und Num. 26, 48) liest man 1 Chr. 7, 13
^»"«Sti::; statt cV^ (hier und Num. 26, 49) ebenda entti.
26. ^L^"^ scheint unbedenklich, wenn man auch eher äbr***:?
erwartet hfitte. — Bei der Zusammenz&hlung bleiben hier die
früher eingeschlossenen Personen weg: Jaqob selbst, Josetp und
dessen Söhne. Die Wiederholung von T^fes^Va zu Anfang des
zweiten Hemistichs ist nicht anstörsig.
28. Ein Objectsausdruck zu rHmh ist durchaus entbehrlich
und nicht etwa ausgefallen.
Cap. 47, 3. Wahrscheinlich sollte *;kS ^1 geschrieben werden und
das vorhergehende Wort, das mit nsn schliefst, veranlasste einou
Irrthum. Cap. 46, 34 war r»^ am Orte.
vom 13. Juni 1870. 405
21. Das erste Hemistich ist weder ganz klar, noch dem Zu-
sammenhange angemessen. Der Samaritanische Text bietet die
Lesart: s'^näj'^ TT.« ^nsr\ zsima^s womit die LXX. ubereinstim-
men: nai rov "kctov x{tTsBoif}Ma'nTo civtw th valSixc, Josef machte
ihm (dem Eonige) das Volk dienstbar zu Knechten, d. h. sodafs
sie Knechte, Hörige wurden. Diese Gestalt des Textes w^ird
die ursprüngliche sein.
24. Die Kürze des Ausdrucks ret^ü^si Ififst sich kaum recht-
fertigen und wahrscheinlich ist der Text beschädigt. LXX.
ohne Praeposition: nett tTrat rce yivY,fActT{t ovt^c. — Die Hand-
schriften der LXX. lassen grofstentheils die beiden letzten Worte
weg, vielleicht mit Recht. Sonst fänden dieselben einen sehr
angemessenen Platz unmittelbar hinter ea^NV^, wo sie auch ur-
sprünglich gestanden haben mögen.
26. Die Worte OTh'^ ni>i£'^ schliefsen sich sehr schlecht an
• I I • «
das Vorhergehende an. LXX. : arrorrtfjLTrroCv rw ^a^nti. Schwer-
lich liegt der Text in seiner ursprünglichen Gestalt vor.
28. Die Worte r;n "»s^ sind vielleicht nachträglich einge-
schoben, und zwar mit Rücksicht auf den Ausdruck v. 8. 9.
Cap. 48, 1. 2. Die Singulare npÄ-^n — *7ä^ — und nochmals HttK^
scheinen dem sonstigen hebräischen Sprachgebrauche nicht zu
entsprechen; die Berufung auf den analogen Gebrauch von m^;?
(s. zu 38, 29. 30) genügt nicht ganz zur Rechtfertigung des Tex-
tes. Yielleicht war auszusprechen: tiöi"^ IBK'^i und n«K»l apa?*»^ ^»'•n.
7. Der ganze Vers könnte hier fuglich entbehrt werden, die
Aufnahme desselben ist aber der Redaction zuzuschreiben. —
Hinter "^'q ist vielleicht cn» durch Versehen oder in Folge
einer Beschädigung ausgefallen. — Für n'nttt wird ntnntN her-
zustellen sein; das n scheint auf Anlafs des folgenden Wortes
ausgefallen zu sein.
8. Der Übergang zum Gebrauche des Namens ^»"^107 statt
21??'* beruht auf Verschiedenheit der benutzten Berichte.
11. Statt n'Kn war vielleicht ne<n (rrwn) beabsichtigt.
12. Für den Sing. Ti^'y drucken Sam. LXX. Syr. den Plural
ans, was nicht gebilligt zu werden verdient.
14. Die Bedeutung von Vato ist nicht ganz sicher; LXX.:
sVft/J.«^ Trtc x«f«9, unter Weglasaung der folgenden Worte, die
allerdings unter allen Umständen entbehrlich sind und Ursprung*
lieh vielleicht nur eine Randbemerkung waren.
1
40G Sitzung der philosophiscJi'h istarischen Klasse
16. "^iS*^«! wäre besser weggeblieben, doch gebort es gewiis
dem nrsprSnglicben Texte an. — Der Ausdruck '^im srsn mt^"*
ist kein gewöhnlicher, die Richtigkeit des Textes l&fst sich aber
wohl nicht bezweifeln.
20. Statt Tca war eher csa su erwarten.
Cap. 49, 3. Für t^ erwartete man tp; was die überlieferte Aas-
sprache veranlafste ist unklar.
4. Im ersten Hemistich lassen sich die grammatischen Ver-
hältnisse nicht gana klar erkennen und ebensowenig der Siim
von -irrm genau feststellen. Vielleicht war eine andre Aus-
sprache beabsichtigt, etwa nrntn*VM. Im zweiten Hemistich wird
durch das letzte Wort n^ die Gliederung des Versea wesentlich
gestört und es ist möglich, dafs dieses Wort einst vor tv^hr stand
und T(^ zu sprechen war. LXX.: oS avißYfi. Auch Sjr. und
Andre geben die zweite Person.
10. Die Varianten in der Schreibung des Ortsnamens n*'?*^
sind unerheblich, sobald die überlieferte Aussprache festgehalten
wird. Doch mag die Plenarschreibart erst durch die jetzige
Aussprache hervorgerufen und nVo (oder n^^v) als die ältere
Gestalt des Textes anzusehen sein. Da das „Gelangen nach
Schilo*^ für die Geschichte Juda's ganz unerheblich war und
die Praeposition na» hier nur den terminus ad quem bezeichnet
haben kann, so mufs in dem nVv die Bezeichnung einer Person
gefunden werden , welche das Subject des vorhergehenden ks^
sein sollte. Gemeint kann nur ein solcher sein, der Juda in
der Herrschaft ablöste. Hiernach erscheint der Vorschlag de
Lagarde's (Onomast sacra II. p. 96) die Schreibart n*?*^ bei-
zubehalten und durch üVki^ (is quem Inda ipse expetit) zu er-
klären, unannehmbar. Damit könnte doch nur der Messias ge-
meint sein; dieser aber durfte zur Zeit, wo v. 10 entstand, kauoi
anderswo her erwartet werden, als eben aus Juda, und dann
war seine künftige Herrschaft doch lediglich die Fortsetzung der
von Juda mit erhöhtem Ansehen. Dafs Juda's Herrschaft einst
ein Ende nehmen und auf einen Anderen, Mächtigeren, über-
gehen werde, ist in dem Segen auch dann nicht befremdlich,
wenn Letzterer kein Besserer war, als Juda; es mufste eben
einmal so kommen und es kam so, als Juda von dem obex'
asiatischen Grofskönige unterworfen wurde. Auf diesen wird
auch durch das dunkle nVv gezielt sein, welches frühzeitig etwa
vom 13. Juni 1870, 407
ans irV« (vgl. 42, 6) entstanden sein mag. Der Sinn wäre:
^bis dafs ein Gewaltiger kommt und ihm^ (d. h. diesem) ^Na-
tionen gehorchen^.
13. Die Gliederung des Verses ist gestört; vielleicht genügt
es die Worte r^sN thrh Nnni auszuscheiden. Übrigens hfitte
wohl Jissäx^^ (^* ^^* ^«^) ^^^ Z^bülun erwfihnt sein sollen.
14. Statt B*^> nbn geben die LXX.: ro Häkov STrs^vufiTtVy
indem sie für nuan ohne Zweifel ^Tän lasen oder lesen wollten,
während, die Gestaltung des folgenden Wortes bei ihnen nicht
deutlich za erkennen ist Die Richtigkeit des hebr. Textes kann
allerdings zweifelhaft erscheinen. Geiger (Urschrift und Über-
setzungen, S. 360) liest, auf den Sam. Text sich stützend, -ibn
c*n^, was durch den Inhalt von v. 15 empfohlen wird.
17. Statt "n*» liefe sich zwar eher ir^tr» erwarten, doch wird
auch jenes zulässig sein.
18. Dieser Stofsseufzer an dieser Stelle fällt mit Recht auf
und darf für ein späteres Einschiebsel gehalten werden.
19. Hier war zunächst die Erwähnung Na(f>t&irs zu erwar-
ten, als des jüngeren Sohnes der Bilhä. — Statt äp9 wird mit
Heranziehung des störenden "q zu Anfang des folgenden Verses
cnp.9 zu lesen sein, wie längst vorgeschlagen ist.
20. Wegen n^o s. zu v. 19.
21. Statt n^M möchte die Punctation hVm vorzuziehen sein.
LiXX.: TTl\t%og; vgl. Hieronym. quaestiones Hebr. p. 70 de
Liagarde. Dann ist aber auch nci^^'ncM zu schreiben: „er, der
schöne Wipfel treibt*'. LXX.: iviSiSovg iv tw ytuviifMeTt xaK>.o^y
was die Gestalt des Textes, die dabei zum Grunde liegt, nicht
klar erkennen läfst.
.22. Das zweite Hemistich mufs als beschädigt angesehen
vrerden; der Sinn ist ziemlich unklar. LXX.: vloc im\j viuSTccroff
TT^og u8 ai/«TT^Ä\por. Sie wollten etwa lesen : nzw '^hn n'^rxn na;
was freilich nicht sonderlich befriedigt.
23. Die Schroffheit des Überganges kann mit der Zerstörung
des vorhergehenden Hemistichs zusammenhängen; vielleicht ist
aber noch eine Lücke zwischen beiden Versen anzunehmen. —
Statt na^3, was vermuthlich bedeuteu soll „indem sie schös-
sen*', drucken mehrere alte Übersetzungen nann aus, von ä'^n.
LfXX.: iXotBogo'jt; Sam.: "iH^'^^'n, wodurch zugleich die ihm
vielleicht — wenn auch ohne Grund — anstöfsige Perfectform
[1870] 29
408 Sitzung der phihsophUch-historischen Kla$$e
beseitigt wurde. Weder der Sinn, noch die arsprungliche Gv
stalt des Textes lassen sieh mit Sicherheit feststellen.
24. Die Worte ir'*Na ^VP^y von dem Bogen gebraucht, be-
friedigen nicht und die Verbindung i***!^ **shT ist sehr anstöfsig.
Vielleicht war ursprünglich r^^ rrhj geschrieben. Die LrXX.
beliehen die Pronominalsuffize auf die Feinde und findem -x^^
in 'ISTO13 ab: 9eni avvtT^ißyi fjura x^irrovc ra ro^n wjt^v xai l^i-
XiiS^ ra vtv^a ßgayjovojy %f^öiv nvTm*j woran sich dann im
sweiten Hemistich unmittelbar die Worte anschliefsen : Suz ysh*^
BvvaTTo'j 'litHwß. Bei der Unklarheit der überlieferten Gestalt
des Textes lag es allerdings nahe an Stellen sn denken, wie
Ps. 37, 15. 46, 10; aber die Art, wie die LXX. den Text am-
sagestalten yersuchten, ist ebenfalls unklar und befriedigt durch*
aus nicht. Übrigens liegt es auch nicht fern, bei dem ersten
Hemistich an eine ursprüngliche Fassung au denken, die etwa
den Sinn hatte von isjti^ cp^'n anwn-«^, vgl, 2 Sam. 1, 22. —
Das zweite Hemistich ist in seiner jetzigen Gestalt unverständ-
lich und ohne Zweifel entstellt Die ersten Worte :ib9"> n*dc **'r::
konnten, mit dem Vorhergehenden verbunden, nur comparativisch
gefafst werden, was keinen zulässigen Sinn giebt. Das Richtige
wird sein mit de Lagarde (Onomast. Sacra II. p. 96) 'n'na in
**ratQ zu verwandeln und am Schlüsse zu lesen: "^a ms nrs^
VM'lto'*, so dafs zwei Parallclglieder von befriedigendem Sinne vor-
liegen. Die Praeposition *;'a mufs dann von einem ausgefalle-
nen Verbum abhängen, etw^ von ")Dn*^^N ne recedas, dessen
Ergänzung dann auch in v. 25 fortgesetzt wird und dort den
Anschlufs von •n'^T^n und •nana^'i verständlich macht.
25. Vgl. zu V. 24. — Statt r«l ist rwn oder r«w oder auch
mit einigen Handschriften und Versionen Vn*;, oder dafür hnrz
oder Vnq!), herzustellen. LXX. blofs: >na E/Sorc-rxi <rot o «c^fcc
0 ittov feai ti\oyY,Ti o-t xtX. — Das zweite Hemistich ist eine
prosaische und dem Text ursprünglich nicht angehörende Er-
läuterung und zwar weniger des vorhergehenden, als des fol-
genden Verses.
26. Für n» *'nin wird "VP "»nnn zu lesen sein, den cV-cr rjr?
entsprechend, — Der Ausdruck innp ist in befremdlicher Weiso
gebraucht; höchst wahrscheinlich ist dafür n-Äiri (oder nK»-Vr)
herzustellen.
I V
vom 13. Juni 1870. 409
30. Das zweite Hemistich schliefst sieh nicht gut an und
scheint ein ebenso anpassendes als nnnöthiges Einschiebsel zu
sein. Dasselbe wird 50, 13 fast wortlich wiederholt, schliefst
sich aber auch dort nicht besser an. Übrigens kann nv^M in
dieser Verbindung keinen andren Sinn haben, als den von nv)M
cv, wie Num. 20, 13.
32. Der Vers steht aufserhalb aller graminatischen Verbin-
dung nnd gehörte gewifs nicht in den Text.
Cap. 50, 13. Vgl. zu 49, 80.
23. B?^tK^ unbedenklich, obgleich der Ausdruck ü^^^üi Enkel
mit Rucksicht auf Joß^(p gewählt ist; dieser sah efiraimitische
Urenkel und auch manassi tische, Söhne seines Enkels Machir.
26. Hier war eher die Passiyform daypy zu erwarten; vgl,
zu 24, 33.
16- Juni. Gesammtsitzung der Akademie,
Hr. Kummer las über die einfachste Darstellung der
ans Einheitswur'^eln gebildeten complexen Zahlen, wel
che durch Multiplikation mit Einheiten bewirkt werden
kann.
Unter den complexen Primfaktoren, welche Hr. Reuschle
ausgerechnet und der Akademie übergeben hat, befindet sich ein
idealer Primfaktor, dessen neunte Potenz wirklich ist und zwar
ist dies ein idealer Primfaktor der Zahl 2, für die aus 31ten Ein-
heitswurzeln gebildeten complexen Zahlen. Die neunte Potenz die-
ses idealen Primfaktors der Zahl 2 stellt sich, weil 2^ ^ 1 mod. 31
ist, als wirklich complexe Zahl dar, welche nur die fünfgliedrigen
Perioden der 31ten Wurzeln der Einheit enth<. Bezeichnet man
die 31te Wurzel der Einheit mit cc und nimmt die sechs fünfglie-
drigen Perioden:
29»
410
OesammUitzung
VI =s
n -f- «1« -f- a« -f- a* -H rt*
^1 =
«• -f. a^l -f- rt«4 -f- a« -f- a«
Ij =
„9 ^ „20 -^ rt*0 ^ «5 ^ ^18
^t =
rt»7 ^ ^9 ^ „so ^ „IS ^ „2S
» A
ftl9 -^ ^5 ^ „28 ^ „14 ^ „7
^i =
„26 4. „IS ^ „22 ^ „M ^ „21
80 I&fst Sich die von Hrn. Reuschle gefandene nennte Potenz des
idealen Primfaktors der 2 in der einfachsten Form darstellen als:
/(*:)9 = 3-f-*;,-h»?3 4-rj., * (1.)
welche complexe Zahl wirklich die Bedingung erfüllt, dafs ihre
Norm gleich 2' == 612 ist nnd dafs sie nur einen der sechs eon-
jagirten idealen Primfaktoren neunmal enthält. Ich bemerke noch,
dafs dieselbe neunte Potenz der idealen Zahl in gebrochener Form
sich auch so darsteUen Ififst:
1 "i" T4
Da dieser eine gefundene ideale Primfaktor zur Auffindung
aller derjenigen aus 31ten £inheits wurzeln gebildeten idealen Prim-
faktoren, deren neunte Potenzen wirklieh werden, den Weg eröff-
net, so habe ich versucht mit Hülfe desselben auch einen von den-
jenigen idealen Primfaktoren auszurechnen, welche nicht aus Perio-
den, sondern aus den 31ten Einheits wurzeln selbst gebildet sind,
welche also 30 conjugirte ideale Primfaktoren haben. Nach den
aus dem Canon arithmeticus zu entnehmenden 30 Congruenzwur-
zeln, welche für jp = 311 den Einheitswnrzeln entsprechen, findet
man sogleich, dafs die complexe Zahl
1 -h f<« — («1«
einen idealen Primfaktor der Zahl 311 enthält. Bildet man nun
die Norm, so findet man
N(l -f- rt« — ai6) = 2*. 311 , (3.)
woraus folgt, dafs diese complexe Zahl aufser dem einen idealen
Primfaktor von 311 nur noch einen idealen Primfaktor von 2
vom 16. Juni 1870. 411
enthält, and zwar, wie die für diesen vorhandenen Congruenzhe-
d in gangen zeigen, denselben, dessen nennte Potenz oben dargestellt
ist. Bezeichnet man nun den idealen Primfaktor von 311 mit (p(/*)i
so hat man
.,(„)» = (^ + "' - «")L . (4.)
'^ ^ 3 -h »Js -f- r, -H rs ^ '
Hiermit ist die neunte Potenz des gesuchten idealen Primfak-
tors als wirkliche complexe Zahl dargestellt, aber noch in gebro-
chener Form; um dieselbe als ganze complexe Zahl darzustellen,
mufs man Z&hler und Nenner mit der complexen Zahl \^(r) mul-
tipliciren, welche das Produkt der fünf zu 3 -4- »j^ -4- »jj 4- »15 con-
JQgirten complexen Zahlen ist und daher die Eigenschaft hat, dafs
^^ W (3 H- ra 4- iJj -f- O =* 2»
ist und ausgerechnet folgenden Werth ergiebt:
%|/(>5) = 101 -+- öl*j — 3l>ji — 6^2 — 58*j3 -h 35174 • (^0
Hiernach erhält man
'P («)3 = ^'^ J ^^^^^ • (6.)
Nach Ausfuhrung der Potenzerhebung und Multiplikation im Zäh-
ler hebt sich der Nenner 2^ von selbst hinweg und man erhält
folgendes Resultat:
<p(ay =: — 264 -4- 26« 4-792«^ -f- 136«« — 4U«* — 364«*
— 695 ««-1-44 «^4-629 a» 4-10«^ — 10Sal<>— 458«"
— 831«" -*- 197 «1» -t- 480«** 4- 185 «** -f- 286«" (7.)
— 615 «i'^ — 634«" -t- 316«" 4- ZSOa^ 4- 641«*^
502«" — 521«" — 383«** 4- 172«" -4- 160«"
801«" 4- 403«" — 517«" — 295««» .
Die Prüfung der Richtigkeit der numerischen Rechnung er-
giebt sich zumTheil schon daraus, dafs der Nenner 2^ sich wirk-
lich hin weghebt, ich habe aber aufserdem auch in allen einzelnen
Stadien dieser und auch der folgenden Rechnung die Congruenzen
412 Ge$ammUitzung
far den Modul 31 angewendet, welche alle Gleichungen erfüllen
müssen 9 wenn n «= 1 gesetzt wird. Endlich habe ich das gefnn-
dede Resultat auch dadurch geprfift, dafs (f>(a)' = 0, mod. 311 sein
muTs, wenn für die Einheitswurzeln die entsprechenden Gongmenz-
wurzeln gesetzt werden. Die wirkliche Berechnang der Norm des
gefundenen Ausdrucks von <^(^)' wurde eine unverhSltnifsmfifsig
grofse Arbeit erfordern.
Da eine jede complexe Zahl, insofern sie nur durch die in
ihr enthaltenen (idealen) Primfaktoren bestimmt Ist, mit Einheiten
ganz beliebig behaftet sein, und so in unendlich vielen verschiede-
nen Gestalten dargesteUt werden kann, unter denen diejenigen,
welche möglichst kleine Zahlen als CoSfBcienten enthalten, offenbar
den Vorzug verdienen, so habe ich darch Multiplication mit pas-
send gewählten Einheiten die gefundene complexe Zahl zu verein-
fachen gesucht und bin so bis zu folgender einfacheren Darstel-
lung gelangt:
(f)(ay = — 5 — 2a -f- 5«* -I- 8«' -f- 7a* — 4a* -f- 4a« -f- a^
-h 5a» -4- 6al0 _ e<,n »_ 2 a" -f- a*» — 2 a»* — a^*
H- 4al«— a"— 2al»-4-2a«>— 4a*i— 10aM-f.2a»
— 2a" — 5a«*-|-3a"-f-7a»^ — 2a" — 2ftW--2a»0.
Da auf dem bis dahin von mir eingeschlagenen Wege der
nach einem bestimmten Principe angestellten Versuche eine weitere
Vereinfachung sich nicht erreichen liefs, und da ich dessenunge*
achtet die Überzeugung hatte, dafs dies noch nicht die einfachste
Form dieser complexen Zahl sei, so suchte ich eine Methode, durch
welche man in den Stand gesetzt wurde in directer Weise die ein-
fachste Form einer jeden gegebenen complexen Zahl zu finden.
Diese Methode will ich hier auseinandersetzen.
Wenn wir in dem Vorhergehenden diejenige complexe Zahl
als die einfachere angesehen haben, deren GoSfßcienten kleinere
Zahlen sind, so ist diese Bestimmung insofern ungenau, als von
zwei gegebenen Complexen von je n Zahlen sich nicht immer mit
Bestimmtheit angeben l&fst, welcher von ihnen die grofseren oder
die kleineren Zahlen enth< es ist darum zunächst genau zu de-
finiren, welche Form der complexen Zahl als die einfachere oder
einfachste anzusehen ist. Diese Bestimmung ist an die wesent-
licheren Eigenschaften der complexen Zahl anzuknüpfen.
vom 16. Juni 1870. 413
Es sei Xeine Primzahl, «* =as i, und /(«) eine aus Xten Wur-
zeln der Einheit gebildete complexe Zahl» so ist das Produkt
/(")/(«"')> sowie auch alle seine conjugirten, stets real und po-
sitiv. Setzt man nun der Kürze halber = ß und bezeichnet
2
mit 7 eine primitive Wurzel der Primzahl X, so ist die Summe
dieser ju conjugirten complexen Zahlen
Jf = /(«)/(«-') +/(«")/(«-") + - +/(«"""")/(«-''""') (9.)
als symmetrische Funktion aller Wurzeln «, «', ... «^~* eine nicht-
complexe ganze Zahl. Diese Summe Jif nimmt andere und andere
Werthe an, wenn/(») mit anderen und anderen Einheiten multiplicirt
wird, das Produkt dieser (jl conjugirten complexen Zahlen, welches
gleich der Norm N/(ct) ist, ist aber von den Einheiten, mit welchen
/(rr) multiplicirt werden kann, ganz unabhängig. Da das Produkt die-
ser IIA stets positiven Gröfsen unverändert bleibt, so wird nach
einem bekannnten Satze ihre Summe M den kleinsten Werth er-
halten, wenn die einzelnen Theile derselben möglichst nahe einan-
der gleich werden und umgekehrt, wenn M den möglichst klein-
sten Werth erhält, werden die conjugirten complexen Zahlen, ans
welchen diese Summe zusammengesetzt ist, möglichst nahe einan-
der gleich werden. Da die möglichst nahe Gleichheit der Werthe
dieser conjugirten complexen Zahlen, die wesentlichste Bedingung
der Einfachheit der complexen Zahl /(rc) ausmacht, so definire ich:
Unter allen complexen Zahlen /(<y), welche nur durch hin-
zugefugte Einheiten sich unterscheiden, soll diejenige als
die einfachste betrachtet werden, für welche die Summe
M der mit f(s')/ior^) conjugirten (a complexen Zahlen
den kleinsten Werth erhält
Nimmt man
/(«) = a -h Ol« -h öa«^ H- ... 4- öx_i«^~* ,
so erhält man für die Summe M folgenden Ausdruck •
2lf=>.(a«H-a?-f-ajH f-aÜ.,)^— (a-l-ai+ajH hax-i)*(10.)
^' vergl. meine Abhandlung in Lionvilles Journal Bd. XVI p442,
welcher auch so dargestellt werden kann:
(13.)
414 OesammUitzung
2M = (a— ai)' -H (ö — öl)' + (a— a,)' H h (a— a;,.,)*
-h(a, — a,)'-f-(ai— a,)'H l-(ai— ax_,)'(ll.)
4-(a,— aj)'H l-(a,— a^,.,)*
«
Man hat daher mit der obigen Definition vollkommen übereinstim-
mend auch die folgende:
Unter allen complexen Zahlen, welche nur durch hiiucage-
fngte Einheiten Bich unterscheiden » soll diejenige als die
einfachste betrachtet werden , für welche die Summe der
Quadrate der Unterschiede je zweier ihrer >. CoSfficienten i
den kleinsten Werth hat.
Die Aufgabe für eine gegebene complexe Zahl f(jx) die ein-
fachste Form zu finden, d. h. eine Einheit J^(«t) von der Art zu
finden, dafs für E{€t)/(a) die Summe der Quadrate der Differen-
zen je zweier CoSfficienten den kleinsten Werth erhalte, wird nun
durch folgende direkte Methode gelöst:
Es sei «1, «s, 01, ... e^_i ein System von- Fundamentalein-
heiten, so dafs jede beliebige Einheit sich in der Form
1 S 1 M'l
darstellen läfst, so handelt es sich darum die Exponenten X],4r),
• -• ^M-i ^^ 2^ bestimmen, dafs
efi««i...e;i-. /(«)=/•(«) (12.)
die einfachste Form erhalte. Es wird nun, weil die Einheiten un-
verändert bleiben, wenn « in «""^ verwandelt wird
und wenn die Logarithmen genommen werden :
welche Gleichung, da statt der Wurzel n i^uch n^, »^ , ... n^"
genommen werden kann, ein System von fx Gleichungen repräsen-
vom 16. Juni 1870, 415
tirt, von denen jedoch nur /u — 1 unabhängig sind, da die Samme
aller ^- Gleichungen identisch o =» 0 ergiebt.
Wenn man nun vorläufig darauf verzichtet, dafs die Grofsen
Xx^x^^ ,,. Xf^^i ganze Zahlen sein sollen, so kann man dieselben
so bestimmen, dafs die numerischen Werthe der fx conjugirten com-
plexen Zahlen
/(«)/(«-), /'(«^)/'(. -") , .../'(«^""')/(«-^''"') (1*0
nicht nur möglichst nahe, sondern sogar vollständig einander gleich
werden, dafs also, da ihr Produkt gleich der Norm iV/(«) ist, jede
I*
derselben den Werth yNf{a) erhält. Man erhält so zur Be-
stimmung der ju — 1 Grofsen Xi^ x^, ,.. x^_i ein System von n* — 1
unabhängigen linearen Gleichungen, welches durch
= -/iV/(«)-/(/W/(«->))
repräsentirt wird, wo die Einheitswurzel et die \x — l verschiede-
nen Werthe rr , a^ , »^ . . . a*^ annimmt. Da nun die aus die
Sern Systeme von /ia — i unabhängigen linearen Gleichungen zu be-
stimmenden, nicht ganzzahligen Werthe der Grofsen Xi^ x^^ ... x^^i
die vollständige Gleichheit der ju conjugirten complexen Zahlen (14)
ergeben, so wird man die nahe Gleichheit derselben und somit
einen sehr kleinen Werth ihrer Summe M erlangen, wenn man für
die Exponenten x^yX^^ ... j;^.i diejenigen ganzen Zahlen nimmt,
welche diesen gefundenen nicht ganzzahligen Werthen am nächsten
liegen, namentlich diejenigen, welche sich nur um weniger als eine
halbe Einheit von ihnen unterscheiden. Man kann jedoch nicht
mit Sicherheit darauf rechnen, dafs man durch Multiplikation der
complexen Zahl f{ct) durch die nach dieser Methode bestimmte
Einheit die absolut einfachste Darstellung derselben erhält, ffir
welche M den absolut kleinsten Werth hat, sondern* nur darauf,
dafs man eine Darstellung der complexen Zahl erhält, welche der
absolut einfachsten sehr nahe liegt
Der mehr oder minder gunstige Erfolg dieser Methode hängt
nothwendig auch von der Wahl des Systems der Fundamentalein-
heiten ab, durch welche die zu findende Einheit ausgedrückt wird.
416 Gesammtsitzung
Aus dem Systeme der Gleichungen (13) ersieht man unmittelbar,
dafs diejenigen Fundamentaleinheiten die vorth ei Ihaf testen sein wer-
den, für welche kleine Änderungen der Qröfsen j?i ,X2> ... «r^-i
nur möglichst kleine Änderungen der Werthe von ^lN/{a)
— /(«)/(«"') zur Folge haben und dies ist offenbar der Fall,
wenn die Grofsen
l(e\) , l(el) , ... l(eU,)
und ihre conjugirten die möglichst kleinsten Werthe haben, d. h.
dem Werthe 0 möglichst nahe kommen. Hieraus folgt, dafs die
Quadrate der zu Grunde zu legenden Fundamentaleinheiten und
der ihnen conjugirten, welche zum Theil gröfser und zum Theil
kleiner als Eins sind, alle dem Werthe Eins möglichst nahe liegen
müssen, dafs also für eine jede dieser Fundamentaleinheiten die
oben mit M bezeichnete Zahl den möglichst kleinsten Werth er-
halten mufs, dafs also diejenigen Fundaroentaleinheiten zu wählen
sind, welche in dem oben definirten Sinne selbst als die einfachsten
anzusehen sind.
Da man in der Theorie der hier behandelten complexen Zah-
len bis jetzt noch in keinem einzigen Falle ein fundamentaleres
System unabhängiger Einheiten kennt, als das der conjugirten
Kreistheilungscinheiten, so wird man für jetzt nothwendig nur
ein solches zu Grunde zu legen haben; aber auch diese werden
nach dem oben Bemerkten nicht alle gleich vortheilhaft sein, und
man wird in jedem Falle denjenigen den Vorzug zu geben haben,
für welche die Zahl Af , also die Summe der Quadrate der Diffe-
renzen je zweier Coefücienten den kleinsten Werth erhält. In dem
Falle, wo :±: 2 eine primitive Wurzel der Primzahl X ist, bat man
das unabhängige System der zu » -f- rc~' conjugirten Einheiten zu
wählen, für welches die Zahl M den Werth >. — 2 hat; wenn db3
die kleinste primitive Wurzel von X ist, so hat man die zu 1 + ^
3(X — 3)
oT^ conjugirten Einheiten zu wählen, für welche M =^
ist u. s. w.
Das System linearer Gleichungen, durch welche die Exponen-
ten Xi, Xs , ...x^..i bestimmt werden, hat in dem Falle, wo ein Sy*
stem conjugirter Kreistheilungseinheiten zu Grunde gelegt wird,
eine sehr einfache Auflösung. Nimmt man
vom Iß. Juni 1870. 417
"* (1 _„)(!_„-.) ' (16-)
WO ±: 7 eine primitiTe Wurzel der Primzahl X ist, so bilden
ein System conjugirter Kreistheilungseinheiten , welches, da unter
denselben nur die eine Gleichung
besteht, ein System von /li — l unabhängigen Einheiten ist. Nimmt
man nun
^= «'efi«fa...«'«7i (17.)
als die Einheit mit welcher /(rr) zu multipliciren ist, damit es in
der einfachsten Form dargestellt werde, so kann man ohne diese
Einheit zu ändern die u-Exponenten Xy Xi^ .,, x~^ alle um eine
und dieselbe Oröfse vermehren oder vermindern, sodafs einer der-
selben, oder wenn man will die Summe aller unbestimmt bleibt
und beliebig gewählt werden kann. Setzt man nun zur Verein-
fachung
so hat man folgendes System von Gleichungen:
*,x 4- «a^i 4- ^4^2 -+- ••• 4- 'i^M-i =-48 (18.)
s^^i X -{- e Xj -hfl Jfa +•••-+- s^_2X^_i == Ä^^i
wo
« 4- «1 4- ffj H h s^^i =0
.4 4- -4, -h Jla 4 h .4«., = 0
ist, sodafs nur /Li — l dieser /tx- Gleichungen von einander unabhän-
gig sind und eine derselben eine Folge der übrigen ist Bezeich-
net man nun mit ß eine primitive Wurzel der Gleichung
418 Gesa/mntsitzung
;3« = 1,
als welche
fi = cos h ism
•^ — cos h t sm —
gewählt werden soll, so erh< man durch Maltiplikation dieser
line&ren Gleichungen mit 1, /?*, /3'*,.. /B^"""*^* und Addition:
also
und hieraus, wenn man mit /3^* multiplicirt und für A = 1, 2^ .../ia — i
die Summe nimmt:
M** - Ä = -* ,^^*,^^....^^c.-.,»,^_, C2O0
WO Ä = jc -h j?, H- ••• H- x^_i die Summe aller Exponenten be-
zeichnet, welche, wie oben gezeigt worden ist, beliebig gewählt
werden kann. Hieraus folgt weiter, dafs die Werthe der Expo-
nenten j;, Xi , ••• x^_i in folgende Form gesetzt werden können
fjix . = Ä -h CÄ-i- CiÄi -{ hC^-iilM-i
JJLXi = Ä, -h CiÄ'\- C2Ä1 -i \-CÄ^^i
i (21.)
ßx^^i = S -i- C^_, Ä -h CÄi H h C^_, i4^_, •
Die Coefficienten C, C, , ... C;«.i sind in realer Form durch fol-
genden Ausdruck gegeben
cos ^jL -h sm El
C -'V ^ '^ ' (22.)
*• "■ 7* Ei -hE'^
wo
I + /3*e, + - -+- /3"-'>*t^., «= £» + t£i .
vom 16. Jmi 1870. 419
Die Summen von fx — i Gliedern, durch vrelche die CyCi ... C^_,
zu berechnen sind, reduciren sich auf die Hfilfte der Glieder, weil
je zwei vom Anfange und Ende gleich abstehende Glieder einander
gleich sind, welches daraus folgt, dafs
w w f2n(u — h)7r\ _^2n^7r
U/^«j = Jb/^ COS I I = COS 9
f*
F' — F' a\n 2n(a — A)?r «:„ l^A^
j!i jL = — /*,» Sin = — sin •
Da die Grofse S in dem Ausdrucke (22.) ganz beliebig ge-
wählt werden kann, oder, was dasselbe ist, da man die Werthe
der x,Xi^ ••• J^m-i ^^ gleichzeitig um eine und dieselbe beliebige
Grofse yermehren und vermindern kann, ohne das Resultat zu an-
dern, so folgt, dafs es nicht blofs ein einziges bestimmtes System
von ganzzahligen Werthen dieser Exponenten giebt, welche sich
von den gebrochenen Werthen um weniger als eine halbe Einheit
unterscheiden, sondern dafs es im Allgemeinen fx solcher Werth-
Bysteme giebt, welche man mit gleichem Rechte wählen konnte.
Unter diesen hat man daher schliefslich noch dasjenige auszusu-
chen, welches den kleinsten Werth der Summe M ergiebt
Nach dieser Methode habe ich nun für die oben gegebene
complexe Zahl, welche die neunte Potenz eines idealen Primfaktors
von p = 311 für X = 31 giebt, die nothigen Rechnungen vollstän-
dig ausgeführt und gefunden, dafs dieselbe folgende sehr einfache
Form annimmt.
(f)(a)9 = 2 * — 2«^ — 2ft3 — «44.2«*-+-«* ♦ — «®
• • -f- 3 «** • ♦ 4- «** — «** -4- 2 «1^ •
— «26 ^_ 3^27 _|. 2 «2« -h 3 «29 4- 2«»0 .
(23.)
Aus der bei (8.) gegebenen schon etwas vereinfachten Form erhält
man diese einfache durch Multiplikation mit der Einheit
E = e»e}e|e2«2e3^,2^|4«}jet2«}3i^t4 ^ (24.)
wo
420 Oesanmtsüzung
Aas der bei (7.) gegebenen, nrsprunglich gefundenen Form geht
dieselbe einfache Form hervor durch Multiplikation mit der Einheit
£ SS e 01^2^3 ^^« ^6^7 ^ ^^1 ^uns^i4 * (25.)
Die Zahl M, durch welche der Grad der Einfachheit der com-
plexen Zahl bestimmt wird, ist für die ursprüngliche Form (7.)
M = 966253169 für die etwas vereinfachte Form (8.) M == S039
und für die einfache Form (23.) M «= 987. Wenn durch Multipli-
kation mit Einheiten die Theile der Summe M nicht blofs ange-
nfihcrt, sondern vollständig gleich gemacht werden konnten, so
würde der Werth des M sich bis auf ^ Nf{ct) herabbringen las-
15
sen, also in dem vorliegenden Falle bis auf ^(311)^=^ 496,621...
Bei Ausführung der numerischen Rechnungen mit Hülfe der
Logarithmen hat man nur denjenigen Grad der Genauigkeit einzu-
halten^ welcher dafür bürgt, dafs die gefundenen Werthe der Ex-
ponenten XyXi^ ...i^M-i ^° ^^° Ganxen, Zehnteln und Hunderteln ge-
nau erlangt werden, es werden also im Allgemeinen Logarithmen-
tafeln von einer sehr geringen Stellenzahl ausreichen. Es tritt
aber, wenn die ursprünglich gegebene complexe Zahl /(») wenig
einfach ist, allemal der Umstand ein, dafs von den zu /(<«)/(<»'' 0
conjugirten complexen Zahlen, deren Werthe man berechnen mufs,
eine oder einige aufserordentlich klein werden, wodurch ihre Be-
rechnung und die Berechnung ihrer Logarithmen, welche man auf
einige Stellen genau kennen mufs, aufserordentlich mühsam wer-
den würde, wenn man ihre Ausdrücke als Summen von a« + 1
Gliedern zu Grunde legen wollte. Bei der Durchführung der
Rechnung, deren Resultat ich hier gegeben habe, liefs sich diese
Unzuträglichkeit dadurch vermeiden, dafs bei der Berechnung die-
ser Zahlenwerthe nicht die entwickelte Form (7.), sondern die un-
entwickelte gebrochene Form (4.) zu Grunde gelegt wurde.
Schliefslich bemerke ich noch, dafs diese Methode der Reini-
gung der complexen Zahlen von den sie behaftenden Einheiten
ohne Schwierigkeit auch auf die nicht aus den Einh ei ts wurzeln
selbst, sondern aus den Perioden gebildeten complexen Zahlen sich
anwenden lälst.
vom 18. Juni 1870. 421
Hr. W. Peters las über Propitheeug Deekenii^ eine
neue Art von Halbaffen aus Madagascar.
Als mir die zoologischen Sammlungen, welche der unglück-
liche Baron G. von der Decken hinterlassen hatte, zur Bearbei-
tung übergeben wurden, war mir nur eine einzige Art der Gattung
Propithecus mit Bestimmtheit bekannt, und auch diese, Pr. diademay
kannte man nur unvollkommen nach jungen Exemplaren. Erst im
vorigen Jahre hatte ich durch die Zuvorkommenheit der Hrn. Ed-
wards Gelegenheit, die schöne Reihe von Pr. Verrauxii Gran-
didier in Paris zu untersuchen und mich von ihrer Eigenthüm-
lichkeit zu überzeugen, und ganz neuerdings hat unsere Samij^lung
ein ausgewachsenes Exemplar von dem wahren Pr. diadema Ben-
nett erworben, wodurch eine genauere Vergleichung dieses letzte-
ren mit den durch Hm. von der Decken in Kanatzi erlegten
Exemplaren ermöglicht wurde. Diese hat gezeigt, dafs die letzte-
ren nicht allein durch den Mangel jeder schwarzen Färbung der
Kopfhaare und der Hände ^ sondern auch durch mehrere Eigen-
thümlichkeiten im Zahn- und Schädelbau von dem ächten Pr, dia-
dema abweichen und einer besondern Art angehören, welche ich
dem Entdecker zu Ehren benannt habe.
Propithecus Deckenii n. sp.
Propithecua diadema Peters, C von der Decken» Reisen III. 1, p. 3 Taf. I.
(non Ben nett).
Indris diadema St. George Mivart, Proceed, zool, soc, Land. 18G7.
p.247Taf.XVIU. (Schädel eines jungen Thiers.)
Behaarung der Hände und des Kopfes von der gelblich weis-
sen Färbung des übrigen Körpers, Lendengegend nnd Weichen bei
einem alten Weibchen grau angelaufen, bei einem jungen Weibchen
einige Nackenhaare mit schwarzen Spitzen. Gesicht schwarz mit
weifslichem Fleck auf der Nase oder auf dem Schnauzenrücken.
Schwanz so lang oder länger als Kopf und Rumpf zusammenge-
nommen.
Pr. diadema ist im ausgewachsenen Zustande ein gröfseres
Thier, hat, wie es die neuerdings nach Europa gebrachten Exem-
plare zeigen^ in der That constant einen viel kürzeren nicht bis zu
den Hacken reichenden Schwanz und ist auch durch die Färbung
sehr verachieden.
Zur Vergleichung des Gebisses und Schädels liegt mir der
Schädel eines ausgewachsenen weiblichen Prop. diadema^ die Schä-
422
Gesammtmtzung
del eines alten und eines sehr jungen weiblichen und der von
Hrn. Mivart beschriebene und abgebildete Schfidel eines Exem-
plars unbestimmten Geschlechts von iV. Deckenü vor.
Was das Gebifs anbelangt, so stimmen swohl die oberen wie
die unteren vorderen Backzähne beider Arten so sehr mit einander
Qberein, dafs sich keine wesentliche Verschiedenheit daraus ent-
nehmen iafst. Dagegen sind sowohl die beiden letzten Backzfihne
oben und unten, wie auch die Schneidezähne beträchtlich grofser
bei Pr. diadema als bei JRr. Deckenü^ wie dieses auch sogleich bei
einer Vergleichung der Mivartschen Abbildungen mit der Blainviile-
schen in die Augen springt und wie es die folgenden Mause der
beiden alten Schädel deutlich zeigen.
Pr, diadema
. 0™008
. 0T0058
. 0™0075
. 0?0075
. 0?0064
. 0?0035
Pr, Deckeaü
0?O065
0«0041
0-0063
0?0063
0?0036
0-003
0-0029
Länge des vorletzten oberen Backzahns . .
T» V letzten ^ ^ , ,
„ ^ vorletzten unteren „ . .
9) ji letzten „ „ . .
• ^ „ ersten oberen Schneidezahns . .
„ „ zweiten ^ „
Breite des unteren Eckzahns 0?0037
Breite der beiden unteren Eck- und Schneide-
zähne zusammen . 0-0095 0-007
Distanz der oberen Eckzahnspitzen . . . 0^0195 0*^16
Pr. Verreauxii Grandidier (^Älbum de ViU de la BSunian. 1867.) hat,
nach der Abbildung zu urtheilen, dieselbe Grofse der Backzähne
wie Pr, dictdema^ indem die Reihe der oberen Backzähne 0*^31
(bei Pr, Deckenü 0^283) lang ist, aber die kleineren Schneidezähne
von Pr, Deckenü.
Was den Schädel anbelangt, so sind, bei im Allgemeinen glei-
cher Grofse, besonders folgende Unterschiede zu bemerken. Bei
Pr, Deckenü ist die vordere Nasenöffnong merklich grofser, die
Schnauze daher sowohl in senkrechter als in querer Richtung ne-
ben jener mehr aufgetrieben und zugleich sind die Nasenbeine
platter, im Ganzen breiter und weniger nach hinten ragend; die
Stirngegend ist flacher und ohne merkliche Seitengruben über den
weniger hervorspringenden Supraorbitalbogen ; das Foramen iacr)'-
male liegt dem Rande der Orbita näher und das Os laciymale bil-
det hinter und über demselben eine Crista; die Orbita ist kleiner
und ihr Abstand von dem dritten Backzahn grofser als bei Pr.
vom 16. Juni 1870. 423
diadema. Über dem Thränenbein findet sich bei iV. Deekenii eine
auffallende sapraorbitale Einbuchtung, während dieselbe bei Pr. dia-
dema viel mehr abgeflacht ist. Der Postorbitalfortsatz des Stirnbeins
ist breiter und sowohl der Oberkieferjochforisatz als der Jochbogen
sind hoher und der letztere ist mehr nach aufsen gebogen als bei
dieser Art. Der Gaumen und der Hirnsch&del über der Wurzel des
Schläfenjochfortsatzes sind etwas schmäler als bei Pr. diadema. Die
Ghoanen und der Abstand des letzten Backzahns von den OehorbuUen
sind grofeer, die letzteren selbst aber kleiner. Die Ala interna des
Eeilbeins ist merklich breiter und daher ist die Entfernung der
Hamuli pterygoidei von den OehÖrbullen viel geringer als von dem
hintersten Backzahn, während bei Pr. diadema das Umgekehrte
statt findet und die Hamuli pterygoidei den Backzähnen viel mehr
genähert sind. Auch ist die Unterseite des Eeilbeinkorpers ganz
flach, während sie bei Pr. diadema einen mittleren erhabenen Längs-
kiel bildet und endlich ist der für die Indris characteristische un-
tere Ausschnitt des Schläfenjochfortsatzes neben der Kiefergelenk-
grube merklich kleiner. Der Unterkiefer von P. Deekenii hat eine
längere Symphyse, ist sowohl in seinem horizontalen als in seinem
aufsteigenden Theile hoher und in diesem letztern auch breiter,
aber von der Basis des Schneidezahnes bis zur Mitte des hintern
Randes etwas kürzer als der von Pr, diadema*
Bei den folgenden Mafsen der beiden alten weiblichen Schädel
ist zu bemerken, dafs an dem von Pr. Deekenii der obere Theil
des Hinterhaupts fehlt und daher die Totallänge desselben nicht
angegeben werden kann.
Pr. diadema Pr, Deekenii
Totallänge 0™0875 —
Distanz vom hintern Rande der Gelenkhöcker
bis zum vordem Ende des Zwischenkiefers 0?0765 0?075
Breite der vordem Nasenöfl&iung .... 0™0118 0'»013
Breite der Schnauze über dem ersten Back-
zahn neben der Nasenofihung .... 0^020 0?0215
Höhe der Schnauze nebst dem ersten Back-
zahn neben der Nasenoffnung .... 0^023 0';'0255
Länge der Nasenbeine 0?022 0™016
Breite beider Nasenbeine zusammen in der
Mitte 0?0067 0'y0082
Grofster Durchmesser der Orbita .... 0?0247 0™0232
[1870] 30
424 OesammUitzung
Pr, diadema Pr, Decket* H
OrbiUldistanz 0?0187 0-0178
Abstand des antern Orbitalrandes von dem
dritten Backzahn 0^0105 0»012
Hohe des Oberkieferjochfortsatzes in der
Mitte 070093 O'?0102
Höhe des Jochbogens in der Mitte . . . 0?0064 0?00$4
Breite des Postorbitalfortsatzes in der Mitte 0?OOG 0?0075
Breite des Schädels über der Wurzel des
Schlafenjochfortsatzes 0?045 0?043
Gröfster AbsUnd der Jochbogen .... 0?0575 0?059
Lfinge des Gaumens 0?03ä 0-0315
Breite des Gaumens zivischen den vorletz-
ten Backzähnen 0?0195 0-017
Abstand des letzten Backzahns von der Ge-
hörbnlla 0?0175 0-0195
Abstand des letzten Backzahns von dem
Hamulus pterjgoideus 0-0055 O-OIl
Höhe der Choanen 0-0065 0-008
Breite des Proc. pteryg. int. in der Mitte . 0-0046 0-0073
Längsdurchmesser der Gehörbulla . . . 0-0153 0-014
Länge des Unterkiefers von der Basis der
Schneidezähne bis zur Mitte des hintern
Randes 0-0583 0-0565
Länge der Symphyse des Unterkiefers . . 0-0217 0-024
Höhe des Unterkiefers unter dem vorletzten
Backzahn O7OIO8 0-0143
Höhe von dem untersten Theil des Unter-
kieferwinkels bis zum Gelenkhöcker . . 0-034 0^0387
Längsdurchmesser des senkrechten Unter-
kiefertheiis über den Backzähnen . . . 0?020 0-0225
Der Schädel von Pr, Verrauxii steht, nach der Abbildung zu
artheilen, durch die Form des Unterkiefers und die Höhe des
Jochbogens dem Pr. Deckenii^ durch die geringere Höhe des
Schnauzenendes und die Lage des Foramen lacrymale dem Pr.
diadema näher. Jedoch würde eine genauere craniologiscbe Unter-
suchung sowohl von iV. Verrauxii wie von dem neuerdings bekannt
gewordenen Pr, demanus Vollen sehr wünschenswerth sein.
N
vom 16. Juni 1870, 425
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Comptes r^ndus de facademie des scienees. Vol. 69, no. 12 — 26. Vol. 70,
no. 1—19. Paris 1869—70. 4.
Göteborgs VeU Samhälles Handlingar, Haftet X. Göteborg 1870. 8.
Münchener Sitzungsberichte, 1870. I. Heft 2.
Proceedings of the London MathemaÜcal Society, no. 21 — 24. London
1870. 8.
Quarterfy Journal of the Geolegical Society. XXV, 4. London 1869. 8.
Proceedings of the Royal Oeographical Society. XVIII, no. 5. London
1869. 8.
Zehnter Bericht der Gesellschaft in Offenbach. Offenbach 1869. 8.
Sands, Reports on the Total Solar Eclipse. Ang. 7. 1869. Washington
1869. 4.
Poncelet, Introduction a la mecanique industrielle. Ed. III. Paris 1870. 8.
23. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Braun theilte eine Abhandlung von Dr. LeopoldKny
über die Morphologie von Chondriopsis cosrulescens
Crouan und die dieser Alge eigenen optischen Erschei-
nungen mit
Unter den Florideen der Bucht von Palermo ist Chondriopsis
ccBTuleBcens ^) Crouan durch die Pracht ihres Farbenspieles in ho-
hem Grade ausgezeichnet. Bei heller Witterung sieht man schon
aus grofserer Entfernung die dichten Büschel, welche die Kalk-
felsen der Küste wenig unterhalb des mittleren Wassemiveaus
(oft streckenweise) überdecken, in lebhaft stahlblauem Licht er-
1) Diese Pflanze wurde von den Brüdern Crouan an der Küste der
Bretagne entdeckt und in ihren Alg. mar. Finist edirt. Nach einer gefal-
ligen brieflichen Mittheilung von Hm. Thuret ist sie an der atlantischen
Küste von Frankreich mehrfach beobachtet worden; sie ist sehr häufig bei
Biarritz und geht nordlich bis St. Yaast-Ia-Hougue. Aus dem Mittelmeer ist
sie meines Wissens noch nicht bekannt geworden. Hr. L. Crouan hatte
die Güte, die Identität der Art an einem ihm übersandten Exemplar zu con-
statiren.
30»
426 Gesammtsitzung
glänzen. Betrachtet man einzelne, noch mit Seewasser benetzte
Exemplare bei auffallendem Licht genauer, so sieht man den
blauen Metallglanz an vereinzelten Punkten in ein schönes Grün,
an anderen Stellen in eine violette Nuance übergehen und gegen
die Astspitzen sich allmfilig in einen mattgrauen Ton auflösen.
An älteren Stammgliedern tritt die Erscheinung im Ganzen viel
weniger lebhaft hervor. Bei durchfallendem Licht besitzen alle
erwachsenen Theile der Pflanze eine schmutzig blafsrothe Färbung;
an den Astspitzen zeigt dieselbe einen Stich in's gelbliche.
Entwickelte Exemplare, wie ich sie im Laufe des April und
Mai 1870 in der Nähe des alten Hafens sammelte, sind etwa
3 — 4 Zoll lang und reich büschelförmig verzweigt. Das Stämm-
chen ist seiner gesammten Länge nach cylindrisch; die von ihm
entspringenden Äste, besonders aber die Auszweigungen höheren
Grades, sind am Grunde, deutlieh verschmälert. Die jüngsten noch
unentwickelten Zweige besitzen Eeulenform. Über die glatte Ober-
fläche des Thallus treten flach-warzenf5rmige Narben hervor, die,
zusammen mit den Ursprungsstellen der Zweige, eine fortlaufende
Spirale bilden. Sie bezeichnen die Stelle abortirter oder abge-
fallener Zweige. Das Stellungsverhältnifs fand ich an einer grofse-
ren Anzahl von Exemplaren ziemlich genau \.
Untersucht man einen der jüngeren Zweige bei schwacher
(etwa 50 — 100 facher) Yergröfserung und mittlerer Einstellung, so
erkennt man unschwer eine Gliederung. Ober- und unterhalb der
Medianebene wird dieselbe undeutlicher und verrchwindet an der
äufsersten Rindenschicht vollkommen. Der Vergleich von Längs-
und Querschnitten erweist, dafs jedes Glied seiner gesammten
Länge nach aus einer grofsen Centralzelle und 5 um sie geordne-
ten Zellen von annähernd gleichem Querdurchmesser zusammenge-
setzt ist. (Fig. 1 nnd 2). Letztere altemiren in den aufein-
anderfolgenden Gliedern regelmäfsig miteinander. Auf die 5
peripherischen Zellen folgen ein bis zwei Schichten engerer und
kürzerer Zellen von unbestimmter Zahl und regelloser Unord-
nung, die nicht überall lückenlos aneinanderschliefsen. Nach aufsen
wird der gesammte Zellkörper von einer continuirlichen, aus noch
kleineren Zellen zusammengefSgten Rindenschicht umschlossen.
(Fig. 2).
Es ist nicht ganz leicht den Ursprung der verschiedenen Ge-
webselemente im Yegetationspunkt zu ermitteln, da dieser in einer
vom 23. Juni 1870. 427
napfformigeo Vertiefung der Stammspitze eingesenkt liegt. Die
Terminahelle nimmt den Scheitel eines schlanken Kegels ein, der
sich aus der Mitte der Einsenk ong bis fast zar Höhe des Walles
erhebt. (Fig. 1). Durch Behandlung mit Ätzkali, unter gleich-
zeitiger Anwendung eines mäfsigen Druckes, gelingt es zuweilen,
den Vegetationspunkt aus der Vertiefung hervorzustulpen (Fig. 4).
Man erkennt dann aufs deutlichste, dafs sich die Scheitelzelle durch
die wiederholt« Bildung horizontaler, einander paralleler Scheide-
wände verjüngt. Bevor die flach -scheibenförmigen Oliederzellen
weitere Theilungen eingehen, sieht man ihre Seitenwandung sich
an einer bestimmten Stelle hervorwölben (Fig. 4 u. Fig. 6 bei a). Es
ist dies die erste Anlage der für Chondriopsis und Polysiphania
charakteristischen pseudodichotomen Haare, vonNägeli ihres be-
grenzten Wachsthums wegen als Blätter gedeutet. Bald nach
ihrem ersten Auftreten gliedern sie sich durch eine schräge Wand
von ihrer Mutterzelle ab (Fig. 3 bei a.)^). Nach oben setzt sich
diese Wand der horizontalen Querwand der Gliederzelle auf; nach
unten trifft sie wenig oberhalb derselben. Erst nachdem sich die
Anlage des pseudodichotomen Blattes abgesondert hat, beginnt die
Gliederzelle durch eine Reihe von Längs wänden sich in eine
centrale und 5 peripherische Zellen zu theilen (Fig. 6 bei b.).
Die erste dieser Längswände entsteht genau unterhalb der jungen
Haaranlage; von da schreitet ihre Bildung wahrscheinlich, wie
bei Polysiphonia^), nach beiden Seiten fort, um auf der gegen-
überliegenden Seite zum Abschluiüs zu gelangen. Eine direkte Ver-
folgang dieser Theilungen hat mir bei der grofsen Schwierigkeit,
Querschnitte durch den eingesenkten Vegetationskegel herzustellen,
nicht gelingen wollen.
Während die Centralzelle eines jeden Gliedes zur Dauerzelle
^) Ähnlich, wie bei den Landmoosen ; hier wird indefs durdi den er-
sten TheUangsschnitt in jedem Segmente die MutterzeUe des Blattes sammt
eioesTheiles des äufseren Stammgewebes abgetrennt, cf. Pflanzen-
physiologische Untersuchungen von Nägeli und Gramer 1 Heft p. 76
und Leitgeb, Wachsthum des Stammebens von Fontinalia antipi/retica
(Sitzungsberichte der "Wiener Akademie 1868) p. 3, wo die einschlägigen
Angaben der Litteratur besprochen sind.
') cf. Nägeli in dessen Zeitschrift fQr wissenschaftliche Botanik, Heft
ni u. IV p. 209.
428 GesamnUsHzung
Dvird, treten in den peripherischen Zellen eine Reihe weiterer, an-
ter sich übereinstimmender Theilnngen auf. Die erste Wand ist
achr£g nach innen und nach abwfirts gerichtet; sie setzt sich einer-
seits der freien AoTsenwand, andererseits der unteren Querwand
an und trennt eine kleinere, im Seitenprofil dreiseitige Zelle vod
einer gröfseren, fünfseitigen ab (Fig. 6 bei d). In letzterer folgt
bald darauf eine der Aufsenfläche parallele Wand, welche den klei-
neren, nach auTsen gelegenen Theil als selbstst&ndige Zelle abglie-
dert (Fig. 6, bei e.). Die nach innen gelegene Zelle des 3 zelligen
Complezes wird nun auch ihrerseits zur Dauerzelle; jede der bei-
den Aufsenzellen dagegen verdoppelt sich durch eine radiale Längs-
wand« Im weiteren Verlauf wiederholt sich in ihren Tochterzellen
der TheilungSTorgang, den wir für die Aufsenzellen ersten Grades
beschrieben haben. Die erste Scheidewand ist ebenso, wie in die-
sen, schrfig nach innen und abwärts gerichtet (Fig. 6 bei f); in
der oberen der beiden Tochterzellen folgt eine tangentiale Längs-
wand, und in den neuen Aufsenzellen wechseln hiermit radiale
Längswände ab. Damit ist das Dickenwachsthum des Stämmchens,
soweit es eine Folge von Zellvermehmng ist, meist beschlossen.
Die Aufsenzellen desselben Gliedes halten bei diesen Theilungen
nicht nothwendig gleichen Schritt; gewöhnlich gehen die oberen den
unteren um eine Stufe voran (Fig. 6, bei f.).
Während die letzten Theilungen an der Peripherie, welche
zur Bildung der definitiven Rindenschicht fuhren, vor sich gehen,
strecken sich die fünf um die.Centralzelle liegenden Zellen jedes
Gliedes schief nach oben und aufisen (Fig. 1), wobei sich ihr seit-
licher Zusammenhang lockert Indem die Streckung sich in den
nächstunteren Gliedern rasch steigert, wird die von ihnen getragene
junge Epidermis aus der steil absteigenden Richtung, welche sie im
Yegetationskegel zeigte, in eine entgegengesetzte umgewendet und
zum Wall der trichterförmigen Vertiefung, in dessen Grunde der
Vegetationskegel sich erhebt Die wenigen Stammglieder, welche
an der Zusammensetzung des Walles Antheil nehmen, stellen ein
System ineinandergeschachtelter paraboloidischer Schalen dar. Wei-
ter abwärts flachen sich dieselben rasch ab, indem die Längsdeh-
nung in allen Zellen eine immer gleichmäfsigere wird. Die Folge
hiervon ist, dafs die Aufsencontour des Stämmchens von Neuem
in ihre frühere Richtung nach unten umbiegt (Fig^ 1).
Die Anlagen der pseudodichotomen Blätter, die wir aus den
vom 23. Juni 1870. 429
jüngsten Oliederzellen der Stanimspitze hervortretea und durch eine
Scheidewand sich abgliedern sahen^ eilen dem Stammchen in ihrer
Entwickelnng rasch voran. Nachdem sie sich bis auf das Doppelte
ihres Querdurchmessers verlängert haben, werden sie durch eine
Querwand zweizeilig (Fig. 4 bei c.)* Bald darauf stülpt sich die
Gliederzelle dicht unterhalb der Scheidewand seitlich und zwar,
mit Rücksicht auf das Stämmchen, in tangentialer Richtung her-
vor und zerfallt, nachdem sich die junge ScheitelzeUe von Neuem
getheilt hat, in eine freie obere Zelle und eine untere Zelle, welche
die Dimensionen der ursprünglichen GliederzeUe wiederholt So-
wohl im Hauptstrahl, als im Zweigstrahl setzt sich Wachsthnm
und Verzweigung fort Für letztere gilt als Regel, dafs jede
Gliederzelle (mit Ausnahme derer an den fiufsersten Zweigenden
des entwickelten Haares, welche steril bleiben) je einen Zweig-
strahl erzeugt; daÜB der erste Zweig stets auf der dem Mutterstrahl
abgekehrten Seite entsteht und sie in den aufeinanderfolgenden
Gliedern regelmfifsig nach rechts und links altemiren; endlich, dafs
sammtlichen Verzweigungen in derselben u. zw., mit Rücksicht auf
das Stammchen, in einer tangentialen') Ebene liegen. Die
Theilungen, welche' im Haupt- und Seitenstrahl gleichen Schritt
halten^ gelangen schon zum Abschlufs, während sich die Blätter
noch am inneren Rande der napffSrmig vertieften Stammspitze
befinden. Kurz, bevor sie auf der Höhe des Walles angelangt
sind, beginnt die Längsdehnung ihrer Zellen, die in geringer
Entfernung unterhalb desselben schon beendet wird und ihnen die
charakteristische pseudodichotome Gestalt ertheilt Ebenso rasch,
wie sie sich entwickelt haben, gehen sie auch wieder zu Grunde;
in Entfernung der doppelten Stammdicke unterhalb der Spitze ist
schon keine Spur mehr von ihnen zu finden. Bei ihrer frühzeiti-
gen Zerstörung wirken, aufser den inneren, wohl auch noch zwei
äafsere Ursachen mit; einmal die Entwlckelung der sie umschlies-
senden Rinde, deren Dehnung ihre zarte, bereits ausgewachsene
') Nach Nageli (Neuere Algensysteme p. 234) ist bei den unserer
Pflanze nahe verwandten Chondriopsis dcuyphylla (Woodw.) and C%. tenuüshna
(Good. et Woodw.) die Divergenz der aufeinanderfolgenden Verzweigongs-
ebenen = ^ , ebenso wie bei Polysiphonia (vergl. Zeitschr. f. wissensch. Bot.,
Heft III u. IV p.211).
1
430 GesammUitzunff
Basalzelie wahrscheinlich nur noch passiv folgt und das Wachs-
tham der in ihren Achseln entspringenden Seitenzweige. ^)
Es hat mir nicht gelingen wollen^ die Seitenzweige his auf
ihre einzellige Anlage rückwfirts zu verfolgen, da diese in der Ver-
tiefung der Stammspitze eingesenkt liegt; doch ist es mir aas
der Untersuchung der frühesten Znst&nde wahrscheinlich geworden,
dafs sie aus einer Aufsenzelle des Stammes ihren Ursprung
nehmen. In der Jugend sind sie schlank, fast spindelförmig und
gegen den Scheitel des Mutterastes aufgerichtet (Fig. 6). Die
Scheitelzelle liegt frei an der Spitze und die Gliederung der Zell-
complexe ist his zur Basis hin leicht zu verfolgen. Die Entwicke-
lung der untersten Glieder ist von der der folgenden in mehr, als
einer Beziehung ahweichend. Die ersten Längstheilungen, welche zar
Bildung einer centralen und 5 peripherischer Zellen führen, heben
hier stets auf der dem Mutterast abgekehrten Seite an (Fig. 5,
bei a.) die weiteren Theilungen sind beschrankter, als in den spä*
teren Gliedern und das Dickenwachsthum der Zweigbasis damit
ein viel geringeres. Am wichtigsten ist, dafs ihnen die Fähigkeit
abgeht, pseudodichotome Blätter zu erzeugen. Erst auf dem 6. bis
*) Da der gesammte Verlauf ihrer Entwickelang: — die Abtrennung
ihrer Mntterzelle durch den ersten Theilungscbnitt von der Gliederzelle des
Stammes; ihre frühzeitige Ausbildung, welche der des zugehörigen Stamm-
gliedes Yoraneilt, und ihr rasches Absterben — die pseudodichotomen Haare
als echte Blatter charakterisirt , nehme ich keinen Anstand, die dicht über
ihrer Basis entstehenden und dem nächsthöheren Gliede angehörigen Zweig-
anlagen als Achselsprosse zu bezeichnen. Ist diese Deutung richtig, dann
bezeichnet Chondriopsis die tiefste Stufe des natürlichen Sjstemes,
auf welcher sich Azillarknospen entwickeln. Die Gesetzmatsigkeit
ihrer Stellung ist gegenüber der scheinbaren Regellusigkeit, die in der Stel-
lung der Seitenknospen unter den Moosen herrscht, höchst auffallig. (cf.
Leitgeb 1. c. p. 23 ff. und derselbe: Wachsthum des Stämmchens und Ent-
wickelung der Antheriden von Sphctgnum p. 11).
Während bei Chondrioptia cctrulescena Cr. jedes Stammglied normal
ein pseudodichotomes Blatt und einen in der Achsel desselben entspringen-
den Seitenzweig erzeugt, tragen bei den Arten der nächst verwandten
Gattung Polysipkonia die aufeinanderfolgenden Glieder ohne bestimmte Regel
je ein Blatt oder je einen Zweig, die sämmtlich Glieder derselben Spi-
rale sind. Dabei bleiben oft ein oder mehrere Stammglieder steril, ohne daf«
die Schraubenlinie dieserhalb eine Unterbrechung erleidet (cf. Nägeli 1. c. p. 213).
vom 23. Juni 1870. 431
12. Gliede und zwar meist, aber durchaus nicht gesetzmafsig, auf
der dem Hauptstamm abgekehrten Seite tritt das erste derselben auf
(Fig 6, bei c; hier ist es dem Hauptstamm zugekehrt); und von
nun an werden sie ohne Unterbrechung und, soweit ich feststel-
len konnte, in demselben Stellungsverbfiltnifs (ohngefähr ^) gebildet,
das ihre Achselsprosse oder deren Narben am entwickelten Stfimm-
chen zeigen. Mit dem Auftreten der Blfitter nehmen auch die weite-
ren Theilungen der Oliederzellen die oben beschriebene Regelmäfsig^
keit an; die erste Längswand entsteht nun nicht mehr an der
Aufsenseite des jungen Zweiges, sondern unterhalb der Ursprungs-
stelle des Blattes.
Seiner Entwickelung nach läfst sich das Stämmchen von Chon-
driopsis cctrulescens als aus einer regelmäfsig verzweigten Zellreihe
aufgebaut betrachten. Die Hauptachse des Yerzweigungssystemes
bildet die Reihe der Centralzellen sämmtlicher aufeinanderfolgender
Glieder. Von jeder derselben entspringt ein fünfzähliger Quirl
begrenzter Äste, die mit denen der nächst oberen und unteren
Wirtel alterniren. Jeder Ast trägt auf seiner einfachen Basalzelle
4 Zweige, von denen 2 gegen den Scheitel, 2 gegen die Basis der
Pflanze gerichtet sind. Diese Verästelung wiederholt sich genau
in der gleichen Weise, aber meist in weniger bestimmtem Zahlen-
verhältnifs, mindestens noch einmal, seltener noch zweimal. Die
letzten, der Regel nach einzelligen Zweige legen sich mit ihren
Nachbarinnen eng zur Rinde zusammen, während der seitliche Zu-
sammenhang der übrigen Zellen, soweit dieselben nicht aus der
gleichen Specialmutterzelle hervorgegangen sind, nur ein partieller
ist und mehr oder weniger weite, mit wäfsrigem Saft erfüllte Lucken
zwischen ihnen frei bleiben. Fast immer werden diese nachträg-
lich durch enge verästelte Fäden ausgefüllt, welche aus den inne-
ren Zellen des Stämmchens ihren Ursprung nehmen (Fig. 2).
Ans der Rinde der älteren Stammglieder sieht man an ver-
schiedenen Stellen, besonders häufig auf den warzenförmigen Zweig-
narben , Büschel einzelliger Wurzelhaaro hervortreten. Dieselben
sind Nichts, als eine Verlängerung der Aufsenzelle, der sie ange-
hören; ihr freier, äufserer Theil ist von dem der Rindenschicht
angehörigen inneren Theil durch keine Scheidewand getrennt.
Alle Thcile der Rinde, besonders aber die warzenförmigen
Narben, besitzen die Fähigkeit, Adventivzweige zu erzeugen. Zu-
weilen entstehen sie in gröfserer Zahl nebeneinander. Ebenso^ wie
432 Gesammtsitzung
die normalen Achselsprosse, scheinen sie aus der Theilung einer
Aufsenzelle hervorcagehen (Fig. 5).
Chondriopsis earulescens ist, wie die grofse Mehrzahl
aller Florideen streng trioecisch.
Die Tetra Sporen -Exemplare sind durch zahlreiche kurze,
am Ende der Hauptfiste zu Büscheln vereinigte Zweige kenntlich,
die sich, auTser durch matter graue Färbung, ron den vegetativen
Zweigen in Nichts unterscheiden. Die Tetrasporen werden hier
in gtöfserer Zahl dicht unter der Rinde gebildet. Sie entspringen
am oberen Ende der um die Centralzelle geordneten fünf periphe-
rischen Zellen und nehmen die Stelle einer der nach auXsen ihr
angrenzenden 4 Tochterzellen sammt dem ihr zugehörigen Rinden-
stück ein. Ob dieselbe peripherische Zelle mehr, als eine Tetra-
spore zu erzeugen vermag, lasse ich dahingestellt; sicher dagegen
ist, dafs in demselben Stammgliede oft mehrere gleichzeitig auf-
treten, welche dann verschiedenen, auf gleicher Hohe stehenden
peripherischen Zellen angehören« Die Membran der jungen Sporen-
mutterzelle zeichnet sich vor denen der ihr benachbarten vegetati-
ven Zellen durch ihre grofse Quellbarkeit in Ätzkali aus. Die
Theilung des protoplasmatischen Inhaltes erfolgt stets in tetrae-
drischer Richtung und zwar schon in geringer Entfernung unter-
halb der Spitze des fort wach senden Tetrasporenastes. Nachdem
sie vollendet ist, nehmen sämmdiche 4 Tochterzellen sammt ihrer
Mutterzellmembran noch bedeutend an Umfang zu, ohne dafs die
Kugelgestalt des Tetrasporencomplexes dadurch geändert wird.
Vor der Reife werden die Tetrasporen von der Rindenschicht des
Stänimchens continuirlich bedeckt Die unmittelbar über ihnen
liegenden Rindenzellcn sind meist gr5£ser, als die ihnen benach-
barten.
Keimfrüchte und Antheridien habe ich nur einmal ge-
sammelt. Leider versäumte ich diese Gelegenheit, ihre Entwicke-
lung zu untersuchen. Nur davon überzeugte ich mich, dafs der
Bau der Antheridien in allen wesentlichen Punkten denen von
Chrondiopsis tenuüsima (Good. et Woodw.) entspricht, welche
Thuret (Ann, sc. nat, sSr. III bot. tome 16 p. 17 et pL 7) be-
schreibt und abbildet Sie entstehen, wie auch bei Polysiphonia^
durch Metamorphose der einen Hälfte eines pseudodichotomen
Blattes und stellen einen plattenform igen Korper von unregelmäfsig
vom 23. Juni 1870. 433
ovalem Umrifs dar, auf dessen beiderseitigen Flächen die Matter-
zellen der Saamenbläschen entspringen. In der Mitte ist ein (nicht
pseudodichotom-) verzweigter Zellfaden erkennbar, der das ganze
Organ als Gerüst stützt; am Rande wird dasselbe von einer ein-
fachen Reihe grofserer, steriler Zellen nmkrfinzt Bemerkenswerth
ist, dafs die Antheridien-tragenden Haare nicht so früh zu Grande
gehen, als die sterilen; sie reichen etwas weiter an den Zweig-
enden herab and sind schon mit blofsem Aage als weiTsliche
Schüppchen an denselben erkennbar.
Stellt man darch einen erwachsenen, deutlich blau schimmern-
den Stammtheil unserer Pflanze eine Anzahl Qoerschnitte her,
welche etwas mehr, als die Dicke eines Gliedes besitzen, so dafs
man sicher ist, über ihre gesammte Fläche unverletzte Zellen zu
erblicken, so überzeugt man sich leicht, dafs die Farbenerscheinung
in ihrer vollen Lebhaftigkeit nur den Zellen der äussersten
Rindenschicht angehört und weiter nach innen höchstens noch
Spuren davon sichtbar sind. Schon die Betrachtung dieser Quer-
schnitte macht es mehr als wahrscheinlich, dafs die Eigenschaft, blaues
Licht zu leflektiren, nicht der Membran der Rindenzellen, son-
dern ihrem Inhalt angehört. Deutlicher noch wird diefs, wenn
man durch einen dünnen Oberflächenschnitt einen Theil der äusser-
sten Rindenschicht abtrennt. Die Zellen derselben lassen sich dann
sammt ihrem Inhalt bei durchfallendem Licht klar übersehen. Sie
sind in der Richtung der Stammachse auf das Doppelte bis Sechs-
fache ihres Querdurchmessers verlängert; ihre Scheidewände sind
dünn und schwach welb'g gebogen. Dem Primordialschlauch, wel-
cher die Innenseite der Membran auskleidet, liegen zahlreiche lin-
senförmige , schmutzig - roth gefärbte Plasmakörner eingebettet.
Weiter nach innen bemerkt man in dem das Lumen erfüllenden
wasserhellen Zellsaft eine unbestimmte Zahl schwach körniger,
schmutzig-blafsgelber Körper von etwas stärkerem Lichtbrechungs-
vermögen und gerundetem, aber selten genau kugeligem Umrifs
(Fig. 9). Hat man sich in einer bestimmten unverletzten Zelle
über die relative Anordnung ihrer Inhaltsbestandtheile genau orien-
tirt und schliefst das vom Spiegel des Mikroskopes zurückgewor-
fene Licht ab, indem man gleichzeitig ein Objektivsystem benutzt,
dessen Fokalabstand eine genugende Intensität des von oben auf
das Objekt fallenden Lichtes gestattet, so überzeugt man sich, dafs
434 GesammUitzung
die Ffihigkeit blaues Licht zu reflektiren, ausschliefst
lieh den blars-gelblichen Inhaltskorpern eigen ist. Da-
mit hängt es zusammen, dafs man bei Anwendung schwacher Ver-
grörseningen den Zellinhalt nicht gleichmfifsig, sondern an ge-
wissen Stellen besonders lebhaft in stahlblauem Licht erglänzen
sieht und dafs die zu einem Maschennetz vereinigten dunklen Li-
nien, welche die beleuchteten Zelllumina von einander abgrenzen,
nicht nur die Dicke der Scheidewand zwischen den einzelnen Ober-
hautzellen, sondern auch die ihnen anliegenden zwei Primordial-
schlSuche nebst einem Theil des wässerigen Zellsaftes begreifen.
Diejenigen Zellen des Präparates, welche durch den Schnitt ver-
letzt wurden, bleiben bei auffallendem Licht vollkommen dunkel.
Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dafs jede Spur der gelblichen
Inhaltskorper in ihnen verschwunden ist. Das von aufeen einge-
drungene Seewasser hat dieselben offenbar gelost.
Legt man dünne Oberflächenschnitte, deren Rindenzellen grofs-
tentheils unverletzt sind, in sufs es Wasser, so sieht man, gleich-
zeitig mit dem Austritt des rothen Farbstoffes aus den Plasma-
komern des Wandbeleges, die gelben Inhaltskörper sich allmälig
losen. Die Losung erfolgt von aufsen nach innen und ist
meist schon nach 2 — 3 Stunden beendet. Auch nachdem die Kor-
per schon sehr klein geworden, besitzen die Zellen immer noch,
wenn auch in geringerem Grade, die Fähigkeit, blaues Licht zu
reflektiren: ein Beweis, dafs ßie Eigenschaft, jene Farbenerschei-
nung hervorzurufen, allen Theilen der Inhaltskorper, auch den in-
neren, zukommt.
Ätzkali lost die Körper wenige Sekunden, nachdem es die
röthlichen Plasmakörner grasgrün gefllrbt. Auch nach dieser Um-
färbung wurden, wie ich mich auf das Bestimmteste überzeugt
habe, bei auffallendem Licht die blauen Strahlen mit derselben Leb-
haftigkeit, wie vorher, reflektirt; das Verschwinden der Erscheinung
ist ein plötzliches und findet gleichzeitig mit der Lösung der be-
schriebenen Inhaltskörper statt.
Unter Einwirkung wässriger Jodlösung (1 Th. Jod, 2 Th.
Jodkalium) nehmen die gelblichen Inhaltskörper eine dunkel roth-
braune Färbung an. Bei dieser Umfärbung scheint sich, aufscr
dem aus der Lösung aufgespeicherten Jod, auch der aus den Plas-
niakörnern diffundirende rothe Farbstoff zu betheiligen. Ihre Form
war nach einigen Stunden noch unverändert.
votn 23. Juni 1870, 435
Salzsäure und Essigs äare bewirken eine rasche Losung
der Inhaltskorper. In beiden Fällen geht ein Erloschen der op-
tischen Erscheinung in den Rindenzellen damit Hand in Hand.
Die angeführten Reaktionen liefern übereinstimmend den Be-
weis, dafs die Farbenänderung der Rindenzellen ausschliefslich
durch die eigenthümlichen gelblichen Inhaltskörper derselben her-
vorgerufen wird. Ein weiterer Beleg hierfür liegt darin, dafs die
Lebhaftigkeit der Erscheinung genau im Yerhältnifs zur Zahl und
Grofse dieser Inhaltskörper steht. An jungen Stämmchen, welche
schon bei diffusem Tageslicht ein intensiv blaues Licht reflektirten,
fand ich das Lumen der Rindenzellen dicht mit ihnen erfüllt; an alten,
derAnheftungsstelle nahen Stammgliedem sind meist nur noch Spuren
TOD ihnen vorhanden, und auch der von der Rinde zarückgeworfene
Schimmer ist oft kaum bemerkbar. Exemplare, welche dicht un-
terhalb des mittleren Meeresniveaus wachsen und, bei niedrigem
Wasserstande, zeitweise entblöfst sind, verlieren den blauen Me-
tallglanz vollständig und nehmen eine gleichmäfsig bräunliche^)
Färbung an. Die mikroskopische Prüfung zeigt, dafs die Inhalts-
körper ihrer Rindenzellen vollkommen verschwunden sind.
Es wurde Eingangs erwähnt, dafs das reine Stahlblau an
manchen Stellen der Pflanze in Violett, an anderen in Qrün über-
geht. Beide Farbennuancen haben eine sehr verschiedene Ursache.
Die violetten Töne werden stets durch Vermischung des durch-
fallenden rothen und des reflektirten blauen Lichtes hervorgerufen,
die sich durch die mannichfachen Spiegelungen innerhalb des Ge-
^^ebes zur Genüge erklärt Unter dem Mikroskop, wo sich das
durchfallende Licht sicherer ausschliefsen läfst, geht das Violett
stets in reines Blau über. Grüne Töne treten vorzüglich in den
warzenförmigen Narben, aber auch in einzelnen Zellen sonst auf und
stehen auch unter dem Mikroskop deutlich von dem Blau der um-
gebenden Zellen ab. Am wahrscheinlichsten ist es mir, dafs diese
Änderung der Reflexionsfarbe mit einem langsamen Absterben der
betreffenden Zellen in Zusammenhang steht. Die charakteristischen
Inhaltskörper waren in allen Fällen deutlich nachweisbar.
Die mikroskopische Untersuchung der Rindenzellen legte mir
die Vermuthung nahe, dafs die optische Eigenthümlichkeit der be-
') Dieselbe Färbung, nnr noch tiefer schwärzlich braan, ist auch ge-
trockneten Exemplaren eigen.
436 GesaiHttiUitzung
schriebenen Inhaltskorper , ihre maUgelbe Farbe bei auffallendeiu
Liebt in ein lebhaftes Stahlblau umzuwandeln, sich den zahlreichen
bekannten Fluorescenz-Erscheinungen organischer und un-
organischer Körper anreiht. BesäCsen die Inhaltskorper krystalli-
nische oder geschichtete Struktur, so wäre es immeriiin denkbar,
dafs durch Reflexion des Lichtes an den Grenzflächen spaltenfor-
miger, mit Luft oder Flufsigkeit gefüllter Interstition sich die In-
terferenzfarben dunner Blättchen bilden konnten. Doch würde man
sich auch dann kaum vorstellen können, daüs bei so grofser Ver-
schiedenheit in Grofse und Form der Körper^ die Spalten überall
dieselbe Weite besitzen sollten, was zur Erklärung der rein blauen
Reflexionafarbe unumgänglich nothwendig wäre. Unmöglich wird
diese Annahme gegenüber der erwiesenen Strukturlosigkeit der In-
haltskörper, die mit der eines im Zellsafte suspendirten und mit
deutlicher Gontour gegen denselben abgegrenzten Schleimtropfens
die meiste Ähnlichkeit hat Weder das aus der wässrigen Losung
begierig aufgenommene Jod, noch Säuren und ätzende Alkalien
Hefsen die geringste Schichtung erkennen.
Bevor ich indefs die Erscheinung als unzweifelhafte FLaores-
cenz ansprach, war es nothwendig, sie den bekannten physikali-
schen Proben zu unterwerfen, um so mehr als die Eigenschaft, zu
fluoresciren, an einem Inhaltsbestandtheile lebender Zellen bisher
noch nicht beobachtet worden ist. Ich verdanke die Gelegenheit
hierzu der Gute der Herren Professoren Blaserna und Caniz-
zaro, die mir Räumlichkeiten und Instrumente mit freundlichster
Bereitwilligkeit zur Verfügung stellten.
Es kam darauf an, zu entscheiden, wie die Erscheinung ge-
genüber den verschiedenen Strahlen des Spektrums sich verhält.
Die erste Versuchsreihe wurde mit farbigen Gläsern ausge-
führt. Ein Oberflächenschnitt, welcher eine gröfsere Zahl unver-
letzter Zellen enthielt, wurde auf dem Objekttisch des Mikroskopes
gebracht und, unter Abschlufs des durchfallenden Lichtes, zuerst
bei weifsem, dann bei gelbem und zuletzt bei blauem Oberlicht
beobachtet. Bei weifsem und blauem Licht trat der Metallglanz
mit grofser Lebhaftigkeit hervor, während unter Einflufs der gel-
ben Strahlen keine Spur davon sichtbar war.
Um die Wirkung der verschiedenen, insbesondere der brech*
bareren Strahlen reiner untersuchen zu können, wurden mittels
vom 23. Juni 1870. 437
eines Flintglas- und eines Quarzprismas ') Spektren auf dunklem
Hintergrand entworfen und lebhaft stahlblaue Zweige unserer
Pflanze in einem Reagensglase unter Seewasser an den einzelnen
Abtheilungen desselben langsam vorubergefahrt. Das Resultat wur
kein befriedigendes. Zwar blieb die Erscheinung im hellleuch-
tenden Theile des Spektrums weg und trat erst im Blau wie-
der deutlich hervor; im Violett war die charakteristische blaue
Farbe aber schon schwierig nachzuweisen, und im Ultraviolett, wo
eine zum Vergleich mitgebrachte Lösung von schwefelsaurem Chi-
nin noch deutlich in dem ihr eigenthumlichen mattblauen Licht
erglänzte, waren an den Zweigen von Ckandriopais ccerulescens nur
noch Spuren eines matten Schimmers zu beobachten. Wurden die
ultravioletten Strahlen, nach Ausschlufs der übrigen Theile des
Spektrums, mittels einer Quarzlinse auf die Zwdge concentrirt, so
trat zwar der blaue Glanz, wenn auch schwach, doch deutlich
hervor; da aber keine ganz absolute Dunkelheit im Zimmer her-
zustellen war, blieb es unmer unentschieden, ob derselbe von den
ultravioletten Strahlen oder von den Spuren diffusen weissen Lichtes
herrühre, das, wie ich mich überzeugte, von der Quarzlinse zu
einem matten Fleck vereinigt wurde.
Durchaus erfolglos war ein letzter, mit einem Rhumkorff-
sehen Inductionsapparat von 8 — 10 Cm. Funkenlfinge ausgeführter
Versuch. Bekanntlich ist das elektrische Licht besonders reich
an ultravioletten Strahlen, welche Fluorescenz erregen. Im vor-
liegenden Falle brachte weder der durch Luft$ noch der durch eine
mit Stickstoff gefüllte 6 eisler' sehe Röhre gehende Funke das
Phänomen zum Vorscheinen. Dieses negative Resultat scheint
auf den ersten Blick die Möglichkeit vollkommen auszuschliefsen,
dafs die vorliegende optische Erscheinung Fluorescenz sei. Doch
möchte ich vor allem daran erinnern ^ dafs die Intensitlit der vio-
letten und ultravioletten Strahlen möglicherweise in beiden Fällen
eine zu geringe war, um die blaue Eigenfarbe hervorzurufen. Viel-
leicht tritt aber hierzu noch ein anderes Moment. Man kennt eine
Reihe von Körpern (z. B. Schwefelkohlenstoff und Benzol ' }, welche
1) Quarzprismen and Quarzlinsen sind fSr die Untersuchung deshalb
besonders geeignet, weil der Quarz die ultravioletten Strahlen, welche vor-
zugsweise Fluorescenz erzeugen, viel weniger stark absorbirt, als Glas.
') cf. Mfiller's Lehrbuch der Phjsik und Meteorologie Bd. X. p. 646,
438 GuammUUzung
die Eigensehaft haben, alle siehtbaren Strahlen des Spektmms un-
gehindert hindorchtreten ra laaten, liir Ultraviolett aber ondarch-
gSngig sind. Es wSre nnn möglich, dafe der nach anisen gelegene
Theil der Rindenzellenmembran , welcher starker, als die Seiten-
wfinde verdickt ist, sich Ihnlich Terhielte. Ist diese YemitttiioDg,
deren Prüfung durch den Yersnch w<^l mit grofsen praktischen
Schwierig^iten Terbnnden sein wurde, richtig, so w2re dadnrcb
zur Genüge eiklfirt, warum die ultravioletten Strahlen, besonders,
wenn sie mit geringer Intens! tut auftreten, nicht bis zu den In-
haltskorpem vordringen und die Erscheinung somit nicht hervor-
rufen können.
Eine sichere Entscheidung der Frage, ob die in Rede stehende
Erscheinug Fluorescenz ist, oder nicht, wäre voraussichtlich dareli
die Untersuchung der Inhaltskorper bei polarisirtem Licht her-
beigeführt worden. Fluoresdrende Korper, besitzen nSmlidi, ahn-
lich wie selbstleuchtende, die Eigenschaft, das Licht nach allen
Richtungen hin auszustrahlen; die von ihnen ausgehenden Licht-
strahlen sind deshalb nicht polarisirt, wfihrend bei einfach reflek-
tirten Strahlen alle Äthertheilchen in derselben Ebene schwingen.
Leider konnte ich diesen Versuch, auf den mich Hr. Professor
Blaserna freundlichst aufmerksam machte, nicht ausfuhren, da
ich versäumt hatte, meinen Polarisationsapparat auf die Reise mit-
zunehmen.
Obschon nun durch vorstehende Untersuchung die Natur der
optischen Erscheinungen bei Chondriopsis earuleseens noch nicbt
vollkommen aufgeklärt ist, glaubte ich, daCs die beobachteten That-
sachen, auch in dieser unvollständigen Form, einiges Interesse bie-
ten, um ihre Veröffentlichung zu rechtfertigen.
Erklärnng der Abbildangen.
Fig. 1. Ende eine« erwachsenen Zweiges, nach Behandlung mit Atzkali,
bei mittlerer EinsteUong (also im optischen Längsschnitt) gezeichnet.
45 mal Tergröbert
Fig. 2. Qaerschnitt durch ein erwachsenes, lebhaft blau schimmerndes Stamm*
eben. Bei a ist eine warzenförmige Zweignarbe durch den Schnitt
getroffen.
88 mal vergröfsert.
Fig. 3. Vegetationspnnkt eines jungen Astes, nach Behandlung mit Ätzkali-
480 mal yeigröfsert.
. 1/M,iü6r/- y ^. y/y/^ (f. ll'Juffi A
Pl
(:f:\-^„.,„/r /„/.
vom 23. Juni 1870. 439
Fig. 4. Vegetationspunkt eines in Foctentwickelang begriffenen Haaptastes,
nach Behandlung mit Atzkali durch Druck aus der napff5miigon
Vertiefung der Stammspitze herrorgestfilpt
480 mal vergröfsert
Fig. 5. Junger AdventiTZweig , aus dem obem Theil einer warzenförmigen
Narbe (10 Mm. unterhalb der Spitze des Mntterastes) hervorbrechend.
330 mal vergrÖDsert
Fig. 6. Junger Achselsprors , nach Behandlang mit Ätzkali im optischen
Längsschnitt gezeichnet.
430 mal vergröCsert.
Fig. 7. Dreizellige Anlage eines pseudodichotimen Haares.
480 mal veigröfsert.
Fig. 6. Jongea Haar, auf weiterer Entwickelungsstnfe, als Fig. 7.
480 mal Tergrdfsert.
Fig« 9. Unverletzte Rindenzellen eines blau schimmernden Stämmchens, durch
einen Oberflichenschnitt abgetrennt.
480 mal vergrölsert» (Die KÖmelung der gelblichen Inhaltskör-
per ist in Wirklichkeit matter, als in der Fignr).
Hr« du Bois-Reymond las einen Nachtrag zu seiner Ab-
handlung über die aperiodische Bewegung gedfimpfter
Magnete (s. Nachtrag).
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
v'orgelegt:
E. Ketteier, Über den, Einflu/» der ponderahlen Moleküle auf die Dis-
persion des LictUes, Berlin 1870. 8.
F. Ranschy Oeechichte der Literatur des RkdtO'Romanischen Volkes mit
einem Blick au/ Sprache und Charakter desselben, Frankfurt a. M. 1870.
8. Mit Schreiben des Verf. d. d. Frankfurt a. M. vom 20. Juni 1870.
Verhandiungen des naturhistorisch-meditinischen Vereins zu Heidelberg, 5.
Bd. 3. Heft. Heidelberg 1870. 8.
[1870] 31
440 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Schweizerische Meteorologische Beobachtungen, Juni-Aagast 1869. Zühch
1869. 4.
Nederlandech Meteorologisch Jaarhoek voor 1869, l.Deel. Utrecht 1869. 4.
Proceedings of the Asiatic Society, no. 11. 1869. no. 2. 1870.
Journal of the Asiatic Society, 1869, no. 4. Calcntta 1870. 8.
NumisBUMtie Chronicle, no. 37. London 1870. 8.
Oversigt over det Kongl, Danske Videnskahernes Selskabs Forhandiin^r,
i aaret 1869, Kjobnhavn 1869—70. 8.
Proceedings of the Royal Irish Academy, Vol. 10. Edinburgh 1867—68. 8.
Transaetions of the Royal Irish Academy, Vol. 24. Doblin 1867— 1S70.
9 Hefte 4.
Breen, On the corrections of Bouvard^s Elements of the orbits of Jupiter
and Sdaium, (Appendix to the Oreemoic^ Ohservations for 1868,)
Verhcmdlungen der Südslavischen Akademie, 11. Heft. Agram 1870. S.
Y. Eichwald, Nils von Nordenskiöld und Alexander von Nordmasn,
Petersburg 1870. 8.
Scriptores rerum Lusaticantm, Vol. 4. GOrlitz 1870. 8.
27. Juni. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. C. Rammeisberg las Beiträge zur Kenntnifs der
Meteoriten.
Über die Analyse von Meteoriten.
Berzelius hat in seiner ausgezeichneten Arbeit die Methode
der Untersuchung vorgezeichnet, welche in ihren Grundzügen noch
heute besteht. Dennoch ist es für Jeden, der sich mit eigenen
Forschungen in diesem Gebiet beschäftigt, von grofser Wichtigkeit,
diese Methode in einzelnen Theilen zu verbessern, da sich nicht
verkennen läfst, dafs hierin noch viel zu thun übrig bleibt
1, Trennung des Nickels vom Eisen,
Berzelius bediente sich dazu zweier Methoden. Entweder
fällte er das Eisenoxjd durch überschüssiges Ammoniak oder er
setzte nur soviel desselben hinzu, dafs ein basisches Salz entstand
vom 27. Juni 1870. 441
und fällte dann mit bernsteinBaurem Ammoniak. Das Nickel wurde
aus dem Filtrat immer durch Ammoniumhydrosulfur niedergeschla-
gen. Nach H. Rose ist die erste Methode die ungenauste von
allen, weil das Eisenoxyd immer nickelhaltig bleibt; man erhält
also zu wenig Nickel. Und was die zweite betrifft, so giebt sie
nach H. Rose ein kaum besseres Resultat.
Sehr allgemein benutzt man die Ffillnng des Eisens, nachdem
seine Losung mit kohlensaurem Natron bis zur Rothung versetzt
worden, durch essigsaures Natron in der Siedhitze. Allein auch
von dieser Methode bemerkt H. Rose, dafs sie beim Nickel nicht
ganz so genau sei wie beim Kobalt.
Die Scheidung beider Metalle durch kohlensauren Baryt liefert
nach H. Rose befriedigende Resultate, gelingt besser als beim
Kobalt, l&Tst aber doch Spuren vob Nickel beim Eisen.
Bei der Analyse von Meteoreisen können andere Methoden
kaum in Betracht kommen.
Nach meinen Erfahrungen ist die Anwendung des kohlensau-
ren Baryts vorzuziehen, denn selbst wenn man die Ffillung durch
essigsaures Natron wiederholt hat, so l&fst sich durch jenen noch
etwas Nickel in dem Eisen nachweisen. Beispielsweise sei ange-
führt, dafs bei diesem Verfahren das Meteoreisen von Tula (s. wei-
terhin) gab:
durch die erste Fällung 8,18 pc. Ni
„ „ zweite „ 0,58 „
„ kohlensauren Baryt 1,48 „
zusammen 10,24 „
Man wird bei mehreren Analysen stets das Maximum des
Nickels als die zuverläfsigste Zahl annehmen müssen.
Wie grofs die Differenzen lediglich in Folge des Verfahrens
sind, zeigen folgende Zahlen für den Prozentgehalt von Nickel.
Meteoreisen von nach meinen Ver-
suchen
Tula 9,84—10,24 2,63 Auerbach,
Ruffs Mountains 9,65 3,12 Shepard,
Lockport 10,73 5,71 Silliman.
Man mag sich vorstellen, wie viele Angaben in dieser Hinsicht
weit unter dem wahren Werth geblieben sein m5gen.
3i^
442 Sitzung der physikaUseh-mathematisehen lÜtuse
2. Trennung und BeBtimmung des Meteoreisens in Steinmeteoriten,
Alle, welche sich mit Analysen dieser Art beschfiftigt haben,
wissen, dafs eine mechanische Absonderung des Eisens darch
Schlammen und durch den Magnet sehr mangelhaft ist. Deshalb
hat Wo hier die Anwendung von Kupferchlorid empfohlen, wobei
nach ihm das Schwefeleisen nicht angegriffen wird. Diese Methode
entspricht ihrem Zweck, nur mufs das Chlorid säurefrei sein.
Indessen die nachherige Ausfällung des Kupfers darch Schwefel-
wasserstoff ist bei der leichten Oxydation des Schwefelkupfera nicht
angenehm, und selbst möglichst neutrales Kupferchlorid ist nicht
ohne Wirkung auf Schwefeleisen und die Silikate.
Von 100 Th. gepulverten Eisensulfurets (aus käuflichem Schwe-
feleisen durch Schmelzen mit Schwefel) loste Kupferchlorid bei
zweitägiger Digestion 35,8 auf.
Bei einer Analyse des Chondrits von Pultask mittelst Kupfer-
Chlorid enthielten 0,17 Nickeloxyd bei näherer Prüfung 0,048
Magnesia, d. h. wäre jenes rein, so wurde es ^ 0,13324 Ni ge-
wesen sein; statt dessen war es = 0,09292 Ni, oder statt 100 Tb.
Ni haben wir nur etwa 70 Ni und mehr als 36 MgO.
Ich habe mich deshalb des Quecksilberchlorids bedient,
welches neutral ist und nichts Feuerbeständiges in die Analyse
bringt. Auch hat die Fällung des Schwefelquecksilbers nichts Un-
bequemes. Freilich greift es Schwefeleisen ebenfalls, doch weit
weniger an.
Von 100 Th. Eisensulfuret wurden unter gleichen Umständen
nur 6,97 aufgelöst.
Ja es haben sogar früher schon Orewingk und Schmidt in
der Auflösung dieses Chlorids ein Mittel finden wollen, die Menge
nicht blos, sondern auch sogar die Natur des Schwefeleisens zu
ermitteln, ob Troilit (FeS) oder Magnetkies (Fe»S^). Dies beruht
doch darauf, dafs das Chlorid Schwefeleisen leicht und vollkom-
men zersetzen könnte. Ich habe zudem schon vor längerer Zeit
nachgewiesen*), dafs von Magnetkies nach 6 Tagen nur 30 p. C.
zersetzt waren, und dafs ebensowenig die hierbei freiwerdende
Schwefelsäure der von den Urhebern dieser Methode aufgestellten
Rechnung entspricht.
*) Zeitschrift der d. geol. Ges. 18, 691.
vom 27. Juni 1870. 443
Selbst auf den OÜTin der Meteoriten ist das Quecksilberchlo-
rid nicht ohne Einwirkung. 100 Th. Nickeloxyd von dem M. von
Poltusk enthielten 39,3, und von dem von Richmond 41,7 p. C.
Magnesia.^)
Chlorsiiber ist nicht gut verwendbar, weil sich basisches
Eisenchlorid bildet und das pulverige Silber den Silikaten beige-
mengt bleibt.
Jod hat Wohl er nicht brauchbar gefunden. W&sseriges
Brom ist ein vortreffliches Mittel, Eisen aufzulösen (Meteoreisen,
Roheisen etc.), allein es greift auch die Silikate sehr stark an.
ICD Th. des M. von Pultusk lieferten einen Auszug, aus dem er-
halten wurden:
Eisenoxyd 29,07
Nickeloxyd 2,02
Magnesia 4,72
Bei wiederholter Behandlung des Rests mit Wasser und Brom gin-
gen Magnesia und Eisen von neuem in Losung.
3, Die Analyse der Silikate.
Wie vortrefflich die in neuerer Zeit öfter verd&chtigte Tren-
nung der Silikate durch Säuren in geeigneten F&Uen zum Ziele
führt, habe ich immer wieder bestätigt gefunden. Nur darf man
nicht vergessen, dafs die Kieselsäure des Olivins aus dem Rest
noch feucht durch Kochen mit einer Auflösung von kohlensaurem
Natron zu extrahiren und aus derselben abzuscheiden ist. Femer
aber, dafs die Analyse des unzersetzbaren Silikats eine Prüfung
der Elieselsäure auf ihre Reinheit erfordert, dafs Thonerde und
Magnesia sich genau nur in der Fluorwasserstoffanalyse bestimmen
lassen, und dafs ihre Trennung am sichersten durch Glühen mit
Atzkali erfolgt, wobei man die Menge der Thonerde aus der Dif-
ferenz findet und somit von der Reinheit des Kalis unabhängig ist.
'} Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dafs Magnete 10 en von beiden
Chloriden gar nicht angegriflfen wird.
444 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
A. Meteoreisen.
I. Ruffs Mountains, Newberry (oder Lezington Ck>iuitj),
S&dcarolina. Feilspfihnef z. Th. gerostet, von Shepard mitgetheilt,
der dieses Eisen beschrieben hat.^) Die Masse wog 53 Kilogr.
In a mit Ghlorwasserstofiisäare, in b mit Quecksilberchlorid auf-
gelöst
Analyse
a b Mittel von Shepard
Nickel 7,6 9,65 8,62 3,12
96,00
99,12
II. Lockport (Cambria), New-York. Analyse mitteleit
Brom.
Schwefel 0,17 1 ^ ^- „ „ Silliman
reo
Eisen
0,30 J -'-• *
*/ 1>^
Eisen
88,76
92,58
Nickel
10,65
.} 5,71
Kobalt
0,08
Kupfer
0,04
Rückstand 1,40
100 99,69
III. Tula (Netschaevo). Von einem grofsem, von Dr. Auer-
bach erhaltenen Stück. Analyse a mittelst Chlorwasserstoffsaure ;
b mittelst Quecksilberchlorid.
Nickel (Co) im
Maximo
a = 10,24 p. C.
• b = 9,84 „
2,63 „ nach einer frühern Unter-
suchung Auerbach's.')
B. Der Pallasit von Brahin.
Die im Jahre 1810 bei Brahin im Gouv. Minsk gefundenen
beiden Stücke (im Gewicht von etwa 200 Pfund) gleichen in jeder
Beziehung der berühmten Pallasmasse aus Sibirien. Während wir
aber von dieser, von ihrem Metcoreisen und dem Olivin, durch
») Am. J. Sc. (2) 10, 128. 15, 5.
') Pogg. Ann. 118, 363.
vom 27. Juni 1870. 445
Berzelius längst eine genaue Eenntnifs haben, ist die Meteor*
masse von Brahin nur von Laugier im J. 1823 in höchst unvoll-
kommener Art untersucht worden.') Ich theile deshalb hier die
Resultate meiner Analysen mit, nnd stelle sie des Vergleiches we-
gen mit denen der Pallasmasse von Berzelius zusammen.
A. Das Meteoreisen, durch Hämmern vom anhängenden
Olivin befreit, wurde mittelst einer Auflösung von Quecksilberchlo-
rid analysirt.
Pallaseisen
Berzelius
Eisen
88,17
Nickel
(Co)
11,04
11,19
Cu 0,07
Mg 0,05
C 0,04
Ruckstand 0,42
100
Beide sind gleich zusammengesetzt, etwa NiFe^. Die kleine Menge
des zur Verfügung stehenden Materials gestattete nicht, auf die
Nebenbestandtheile Rucksicht zu nehmen.
Der Olivin hat folgende Zusammensetzung:
Pallasmasse
Berzelius
Kieselsäure
37,58
40,86
Magnesia
43,32
47,35
Eisenoxydul (Mn)
18,85
12,15
99,75
SnO» 0,17
100,53
Hiernach ist der Olivin beider Massen etwas verschieden; der von
Brahin enthält Fe : Mg im Verhältnifs 1:4, der der Pallasmasse
beide = 1:8. Jener stimmt mit dem O. des Pallasits von Ata-
cama nach der Analyse von Schmid.
C. Die Chondrite von Pultusk, Richmond und Jowa.
Die Chondrite, die bei weitem zahlreichste Abtheiiung der
Steinmeteoriten — 93 unter 109 der Berliner Sammlung oder mehr
») Gilb. Ann. 75, 264.
446 Sitzung der physikalisch-fnathematisehen Klasse
als 85 p. C. gehören ihr an — haben zahlreiche Analysen hervor-
gerufen, und man sollte danach glauben, dafs hierdurch bestimmte
Schlüsse auf ihre mineralogische Natur gegeben seien.
Wie bekannt enthalten sie Nickeleisen in mehr oder min-
der feiner Yertheilnng in einer überwiegenden Orundmasse. Sehr
geringfügig und nicht immer nachweisbar ist Schwefeleisen, aus
dessen Farbe man auf Magnetkies schliefst, sowie Chromeisen-
erz. Jene Grundmasse aber, welche fast immer kleine Kegeln
von unebenem oder ezcentrisch faserigem Bruch enthält, mitunter
ganz aus solchen besteht, ist ein Gemenge von Silikaten, von de-
nen sich eins durch Beobachtung bei manchen als Olivin in äus-
serst kleinen Krystallen oder Körnern zu erkennen giebt, während
seine Gegenwart in allen Chondriten durch die Analyse unzwei-
felhaft wird. Welcher Natur aber das Übrige ist, darüber giebt
die Beobachtung an sich sowohl als auch der Dünnschliffe unter
dem Mikroskop keinen bestimmten Anfschlufs. G. Rose, dem
wir die genausten Untersuchungen dieser Art verdanken, konnte
nur faserige Aggregate und vereinzelte schwarze, grün durchschei-
nende Körner wahrnehmen.
Beseitigt man das Nickeleisen eines solchen Meteoriten, indem
man das Pulver mit einer Auflösung von Quecksilberchlorid er
bitzt, so bleiben die Silikate nebst Schwefeleisen und Ghromeisen
zurück. Behandelt man dies Gemenge mit Chlorwasserstoffsäure,
so löst sich das Schwefeleisen auf und etwa die Hälfte der Süi-
kate wird zersetzt Der zersetzte Antheil ist in allen Fällen Oli-
vin, oft ganz rein, biswellen ein wenig Kalk- und Thonerde ent-
haltend, weil die Säure auch den Rest nicht unangegriffen liefs.
Dieser Rest ist es nun, dessen Natur zu ergründen, hauptsächlich
das Ziel neuer Versuche gewesen ist.
Alle Analysen dieses Theils haben darin EisenoxyduP)
und Magnesia nachgewiesen; von 34, welche mir zur Verglei-
chung zu Gebote stehen, giebt nur eine (Ch. von Sauguis nach
Mcunier) keine Thonerde, alle übrigen zwischen 1 und 12 p. C,
meist jedoch nicht über 6 p. C. Vier geben keinen Kalk, die
übrigen 0,5 — 5 p. C. dieser Erde. Natron und Kali, von ge-
0 KakoTa und Murcia sind die einzigen, wo das Eisen ganz oder fast
fehlt.
vom 27. Juni 1870. 447
ringen Mengen bis etwa 5 p. C, sind meist aufgeführt, und über-
haupt wohl stets vorhanden, wenn auch die Untersuchung nicht
darauf Rücksicht genommen hatte.
Berzelius äufsert sich in seiner wichtigen Arbeit über die
Meteoriten, nachdem er die Ghondrite von Blansko und Chanton-
nay untersucht hat, über diesen Silikatrest nur ganz allgemein, in-
dem er bemerkt, dafs das Ganze ein Bisilikat darstelle, und ver-
muthlich aus einem augitartigen und einem leucitartigen bestehe,
wobei er aber nicht an den durch Sfiuren zersetzbaren Leucit denkt,
sondern einen Kalk- und Alkalifeldspath von Bisilikatmischung im
Sinne hat, also einen Körper, wie man ihn als Andesin bezeich-
net hat.
Auch später ist die Vorstellung, dieser Theil der Ghondrite
bestehe aus zwei ganz bestimmten Silikaten, die in unseren Gestei-
nen häufig seien, immer wieder hervoi^etreten, und ich suchte im
J. 1843 durch eine Berechnung der Analysen zur Kenntnifs der
einzelnen Silikate zu gelangen.^) Eine solche Berechnung schien
zu beweisen, dafs der Silikatrest der Ch. von Chateau- Renard,
Blansko und Ghantonnay als Labrador und Hornblende gedeutet
werden könnte.
Als ^ann meine eigenen Versuche zeigten, dafs die filtere An-
sicht über die Zusammensetzung der Hornblende nicht richtig war,
wies ich nach, dafs jener Rest aus den Gh. von Ghantonnay und
Blansko sich wohl auch als Augit und Labrador auffassen lasse,
erkannte aber zugleich, wie unsicher bei dem Angriff der Sfiuren
auf Labrador die Grundlage solcher Rechnungen sei, welche nur
dadurch eine Art von Berechtigung erhielten, dafs terrestrische Ge-
menge von Augit und Labrador, auch mit Olivin, in Basalten und
Doleriten hfiufig sind, und dafs die Eukrite gleichfalls, und zwar
erweislich, aus Augit und einem Feldspath (damals für Labrador
gehalten, spfiter allerdings als Anorthit erkannt) bestehen.')
In der letzten Zeit sind einige wichtige Fortschritte in der
Kenntnifs der Mineralien^ welche andere Klassen von Meteoriten
bilden, gemacht worden. Wir wissen jetzt mit voller Sicherheit,
dafs Olivin und Augitsubstanz (ßroncit), jede für sich, Meteorite
') l'ogg. Ann. 60, 130.
^) Handbuch der Miueralchemie S. 929 u. f.
448 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
bilden, dafs ein Oemenge beider den Shalkit, dafs dasselbe Ge-
menge mit Meteoreisen die Mesosiderite constituirt
Die Erfahrungen Daubree's, dafs Chondrite nach dem Schmel-
zen zu einem Eisenkomer enthaltenden sehr deutlichen £[rystall-
gemenge von Singulo- und von Bisilikat, d. h. von Olivin- und
Augitsubstanz erstarren und meine eigene Erfahrung, dafs alle al-
kalihaltigen Feldspathe (Orthoklas, Albit, Oligoklas, Labrador)
beim Schmelzen Glfiser bilden, dafs Daubree auch die Enkrite
(Juvinas) zu Glasmassen schmolz, w&hrend in den geschmolzeneD
Chondriten nichts davon zu bemerken ist, — diese Thatsachen
mufsten zu dem Schlufs fuhren, dafs Feldspathsubstanz in den
Chondriten überhaupt nicht vorkommt
Die Analyse eines Mineralgemenges, wie die Meteoriten ein
solches bilden, mufs so vollkommen wie möglich sein, wenn sie
der Berechnung der Gemengtheile zur Grundlage dienen soll. Her-
zelius's Arbeiten haben den Weg gebahnt, aber die analytische
Chemie hat seit 40 Jahren wesentliche Fortschritte gemacht; es
wird daher heute sogar nothig, selbst diese anerkannten Unter-
suchungen zu revidiren, indem man dasselbe Material schSrferen
Trennungsmethoden unterwirft. Bevor dies geschehen ist, wird es
dem Forscher erlaubt sein, zun&chst blos seine eigenen Erfahrun-
gen und die daraus hei^eleiteten Schlüsse darzulegen; and die
Hoffnung auszusprechen, eine sp&tere Wiederholung der früheren
Arbeiten werde das gesetzlich Erkannte als allgemein gültig be-
währen.
In diesem Sinne habe ich drei Chondrite speciell untersucht
nfimlich 1) Pultusk, der reichliches Material bot und weil mit ihm
gerade in letzter Zeit zwei Untersucher (vom Rath und Werther)
sich beschäftigt haben; 2) Richmond inVirginien und 3) Linn-
Couuty, Jowa, weil diese beiden bisher überhaupt nicht zuver-
läfsig untersucht waren.
I. Pultusk.
1. Analyse mittelst Kupferchlorid.
2. 3. 4. Analyse mittelst Quecksilberchlorid. Das Material
von 4. war durch Absieben von den grobem Körnern des Meteor-
eisens getrennt In Nr. 3 war die Behandlung mit Quecksilber-
chlorid wiederholt worden.
vom 27. Juni 1870. 449
Zwei gesonderte Versuche hatten 0,99 p. G. und 1^00 p. C.
Schwefel gegeben.
A. durch die Metallchloride aufgelöst
B. durch Chlorwasserstoffsäure zersetzt.
C. nnzersetzbares Silikat.
].
2.
3.
4.
/ Eisen
A. 1 Nickel
^ Magnesia
13,82
13,42
12,96
4,59
2,21
Ml.
2,90
2,045
0,89
0,96
0,73
Schwefel
0,99
0,99
1,00
1,00
Eisen
1,73
1,73
1,75
1,75
Kieselsäure
12,16
13,04
12,17
15,30
Eisenoxydul
12,12
11,34
10,05
11,68
Dm '
NiO 0,57
Magnesia
13,54
14,23
12,88
16,97
C.
42,70
41,04
45,96
100,38 98,69 98,87
Die metallischen Chloride haben ein wenig Olivin zersetzt,
denn sie haben Magnesia aufgelöst. Man hat daher die Olivinba-
sen, und zwar, wie wir sehen werden, in dem Verhältnifs Fe:6Mg
abzuziehen'), und erhält so:
1.
2.
3.
4.
f Eisen
l Nickel
13,31
12,91
12,74
4,25
2,21
1,93
2,045
0,89
f Kieselsäure
B. Eisenoxydul
*^ Magnesia
12,16
13,04
12,17
15,30
12,78
12,00
6,73
12,12
14,65
15,20
13,84
17,70
Hiernach wurde das Meteoreisen dieses Chondrits
Nickel 14,24 13,00 13,83 17,31 p. C.
enthalten, während in A. die Sauerstoffverhältnisse sind:
1. 2. 3. 4.
SiO» 6,48 = 1 6,95 = 1 6,49 =1 8,16 = 1
RO 8,70 1,34 8,75 1,26 7,04 1,09 9,77 1,2
») In Nr. 3 da;» NiO als Ni, überdies (ala Nickel) in Rechnang zu bringen.
450 Sitzung der physikaliich-mathematischen Klasse
Nan liegt kein Orand vor, in A. aoTäer Olivin eine andere
Yerbindang anzunehmen, dagegen ist es in hohem Grade wahr-
scheinlich, dafs etwas Meteoreisen von dem Lösungsmittel nicht
angegriffen wurde, zurückblieb und die Menge der RO vergros-
serte.*)
Wir berechnen daher aus der Kieselsäure und der Magnesia
die zum Olivin nöthige Menge FeO, und erhalten:
1.
2,
3.
4.
Kiesels&ure 12,16
13,04
12,17
15,30
Eisenozydul 2,79
3,91
4,27
4,86
Magnesia 14,65
15,20
13,84
17,70
Bringt man nun den Rest des Eisens für das Meteoreisen in Rech-
nung, so folgt
1. 2. 3. 4.
Eisen 21,09 19,20 19,705 9,90
Nickel 2,21 1,93 2,045 0,89
d.h.
Nickel 9,49 9,13 9,40 8,25 p. C.
Nach den früheren Versuchen enthalten die mittelst des Ma-
gnets ausgezogenen Korner
6,93 p. C. Nickel nach Rath
8,0 „ „ „ Werther.
Rath hat die Zusammensetzung des zersetzbaren Theils in
dem vom Meteoreisen durch den Magnet befreiten Pulver gefunden.
Sauerstoff
Kieselsäure 35,4 18,9
Thonerde 0,7
Eisenoxydul 24,9
Magnesia 39,0
""löö
Hehr erklärlich ist auch hier der Überschufs an Eisen. E»
} 21,^
^) Diese Annahme wird darch Nr. 3 faktisch bewiesen, wo auf die
Gegenwart und Menge des Niclcels in der Auflösung der Olivinbascn genau
geachtet wurde.
vom 27. Juni 1870. 451
folgt hier die corrigirte Analyse neben den procentischen Zahlen
meiner Versuche:
1. 2. 3. 4. Rath Werther
Kieselsäure 41,08 40,56 40,19 40,41 39,67 40,53
Eisenoxydul 9,42 12,16 14,11 12,84 16,64 13,08
Magnesia 49,50 47,28 45,70 46,75 43,69 44,36
100 100 100 100 100 Kalk 2,03
)
100
Das Atomverhfiltnifs ist
Fe 1 1 1 11 1
Mg 9,5 7 5,8 7 4,7 6,3
Hiemach scheint 1 : 6 das annehmbarste Yerh<nirs, der Olivin
mithin
r Fe»SiO*
1 6Mg«SiO*
berechnet zu:
7Si = 196 = SiO» 40,24
2Fe =112 FeO 13,79
12Mg = 288 MgO 45,97
280 =448 100
1044
Wir kommen nun zu dem unzersetzbaren Silikat (C).
Dasselbe enthfilt etwas Chromeisenerz, im Mittel 1,26 p. C. Sein
V.-G. fand ich = 3,20. Die procentische Zusammensetzung die-
ses Theils^ verglichen mit Rath's und Werther's Resultaten, ist
2. 3. Werther Rath
Eiesels&ure 56,93 55,48 57,76 60,1
Thonerde (Cr) 4,17 4,58 2,70 1,7
Eisenoxydul (Mn) 9,54 9,01 10,71 10,0
Magnesia 24,23 24,14 22,43 24,8
Kalk 3,10 3,65 4,96 0,6
Natron 2,22 1,44 2,8
Kali 0,92 — —
100 100 100
Werden die kleinen Mengen Na und K in ihr Äq. von R ver-
wandelt, so verhalten sich die Atome
452 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
R:Si
A1:R
3 = 1 : 1,1
1 : 18,6
Werther = 1 : 1,16
1 : 31,8
Rath = 1 : ] ,24
1 : 47,3
Es l&fst sich hiernach wohl behaupten, dafs das erste Yerhaltnifs
= 1:1, das Silikat also ein normales oder Bisilikat ist, bei dem
ein wenig Kieselsfiure vom Olivin zurückgeblieben ist
Ist nun AI : K =: 1:18, so hat das Oanze den Ausdruck
{
H
ISRSiOM
AIO'J
wobei R : R = 1:9, and
Ca : Fe : Mg = 1:2:9 ist.
Man wird nicht anstehen, diesen Theil des Chondrits von Pultusk
für Broncit zu erklären.
Als Endresultat meiner Versuche fclgt für diesen Meteoriten
2. 3»).
Nickeleisen 21,13 = 21,78 10,79 == 11,08
Sch\<refeleisen
2,69
2,77
2,75
2,82
Chromeisenerz
1,26
1,80
1,26
1,30
OHvin
32,15
33,14
37,86
38,89
Broncit
39,78
41,01
44,70
45,91
97,01
100
97,36
100
Beide Silikate stehen in dem YerhiHtnirs von
45,3 : 54,7.
(44 : 56 Werther.)
(42,6 : 57,4 Rath.)
(47 : 53 Wawnikiewiz.)')
^} Nach Entfernung eines Theils Meteoreisem
'} Notiee sur la meteorite de Paltosk. Publik par la Haute jfccole de
Varsovie.
vom 27, Juni 1870.
453
II. R i c h m o n d.
Dieser am 4. Juni 1828 sudwestlich von Richmond in Vir-
ginien gefallene etwa vier Pfund schwere Stein ist von Shepard
beschrieben worden.*)
G. Rose bemerkt hinsichtlich seiner aufseren Beschaffenheit,
dafs die Kugeln der Masse oberflächlich raub, selbst drusig seien,.
und dafs sie dichtgedrängt nebeneinander liegen.
Eine vor Jahren von Shepard erhaltene Quantität kleiner
Stuckeben nnd groben Pulvers setzte mich in den Stand, diesen
Meteoriten näher zu untersuchen.
1. Analyse mittelst Quecksilberchlorid.
2. direkte Behandlung mit Chlorwasserstoffsäure.
Eine besondere Schwefelbestimmung gab 1,55 p. C. dieses
Elements,
= 4,26 Fe S = 2,71 Fe
= 3,96 Fe»S9 = 2,41 Fe.
1.
Qaecksilberchlo- f Eisen
ridauszug \ Nickel
Eisen
Schwefel
2.
Chlorwasserstoff-
auszug
Unzersetzb. Silik.
Eisenoxydul
Kalk
Magnesia
Kieselsäure
Eisenoxydul
Kalk
Magnesia
Thonerde
Kieselsäure
3,74 1
1,18 J
2,71 I
1,55/
12,80]
0,27
18,32
16,80
5,37)
2,26
9,07
2,17
21,91
4,92
4,26
48,19
2,71
1,55
(u. NiO) 17,79
0,45
18,83
18,27
)
40,78
40,57
98,15
100,17
Zuvorderst ist zu bemerken, dafs das ursprüngliche Nickel-
eisen sich theilweise oxydirt zu haben scheint; die vielen Rost-
flecke sprechen dafür, mehr aber noch der Umstand, dafs der
>) Am. J. Sc. 15, 195. 16, 191. 42, 102. (2) 6, 411.
454 Sitzung der physikaliseh-fnathematischen Kla$se
ChlorwaSBerstoffauszug in 1., für Olivin zuviel Basen, d« b. FeO
gegeben hat Wir werden also diesen Tbeil als Olivin berechnen
und das überschfifsige Eisen als ursprunglich metallisch vorhanden
ansehen :
1.
1,18 } ^''^ = { 12,49 j^^'^^
Eisen
Nickel
100
Eisen 2,71
Schwefel
2.71 1 4
26 FeS
Kieselsfiure 16,80
Eisenoxydul 6,98
Magnesia 18,32
Kalk 0,27
42,37 Oiivin
40,78 Unzereetctes Silikat.
96,86
wobei der Verlust eine Folge des nachtrfiglich oxjdirten Theiis
Eisen ist.
In 1. beträgt das Eisen als FeO 20,02, das Nickel als NiO
1,52, beide zusammen 21,54 p. C.
In 2. wurde die Gesammtsumme beider = 21,27 p. C. gefun-
den, also vollkommen übereinstimmend.
Da auch die Menge des Unzersetzten in beiden Versuchen fast
dieselbe ist, so wollen wir 2. mit Hülfe des Schwefels und Nickels
in 1., und unter Annahme von Olivin berechnen:
2.
Eisen . 5,74
Nickel 0
•m } «•«
Eisen 2,71 1
Schwefel 1,55 J '
Kieselsfiure 18,27
Eisenoxydul 9 36 ^,.^^
Magnesia 18,83 '
Kalk 0,45
40,57 ünzersetztes Silikat
98,30
vom 27. Juni 1870. 455
Das Mittel beider Yereucbe giebt für die Mischung des Steins
von Ricbmond:
Nickeleisen
8,22
Scbwefeleisen
4,37
Olivin
45,73
Unzersetzbares Silikat 41,68
100 100
Geben wir jetzt zur n&beren Betracbtnng der beiden Silikate
über.
Das durcb Säuren Zersetzbare kann nichts anderes als Oli-
vin sein, dessen prozentische Zusammensetzung ist:
1.
2.
Mittel
Kieselsäure
39,65
38,95
39,30
Eisenoxydnl
16,47
19,95
18,21
Magnesia
43,24
40,14
41,69
Kalk
0,64
0,96
0,80
100 100 100
Der Olivin des Chondrits von Ricbmond enthält also 1 At.
Eisen gegen 4 At. Magnesium, d. h. er ist eine Mischung
{
Fe»SiO* 1
4 Mg» Si O* J
berechnet zu:
5 8i = 140 = Si O» 39,27
2Fe « 112 FeO 18,85
8Mg « 192 MgO 41,88
20 0 = 320 100
764
Er ist also genau derselbe wie derjenige der Pallasite von Brahin
und Atacama.
Das unzersetzbare Silikat hat folgende prozentische Zu-
sammensetzung :
[1870] 32
456 Sitzung der phtfsi/rafUeh-mathemaHsehen KUuse
Atome
Kieselsfiure
53,74
=s Si 25,08
17,S
Thonerde
5,32
AI 2,83
1
Efsenoxydul
13,17
Fe 10,24
3,5
Magnema
22,23
Mg 13,34
10,7
16
Kalk
5,54
Ca S,96
m
1,«
100
. ■ tt
Da R:Si offenbar =s 1 : 1, so ist es ein normales oderBi-
Silikat von Magnesium, Eisen und Calcium, d. h. es ist entweder
ein kalkhaltiger Broncit oder ein Gemenge ron kalkfreiem
Broneit und KaIk*Augit =3 Diopsid, worfiber die Analyse na-
türlich nicht entscheiden kann.
Da die Atome von Ca : Fe : Mg = 1:2:6 sind, da ferner
Al:R = 1 : 16, so ist es im ersten Fall
16RSiOn
A10»J
oder vielleicht
CaSiO»
18RSiOn j UMgSiO»^ |
A10»J "* 1 AlO» j
berechnet zu:
18Si « 504 := SiO^ 52,36
AI = 54,6= A10> 4,97
4Fe = 234 = FeO 13,96
12Mg = 288 ;= MgO 23,28
2Ca = 80 = CaO 5,43
570 = 912 100
2062,6
Das Endergebnifs ist mithin : der Stein von Richmond besteht
im Durchschnitt aus 8 p. C. Nickeleisen , 4 p. C. Schwefeleisen
und 88 p. C. Silikaten, welche fast zur Hfilfte Olivin, zur HälHe
Augit, und zwar entweder Broncit oder Broncit und Diopsid sind.
vom 27. Juni 1870. 457
Des Contrai^tes wegen mag angefahrt werden, waa Shepard
von der mineralogitchen Natnr dieses Meteoriten angiebtt Aufser
einem 6 p. C. Nickel enthaltenden Keteoreisen and etwas Magnet«
kies 90 p. C. Olivin und das Übrige ein feldspathartiges Minevaly
Howardit nnd phosphorsanrer Kalk*
III. Linn Gönnt y^Jowa.
Dieser Meteorit fiel am 25. Febmar 1847, im GeeammtgB-«
wicht Yon etwa 65 Pfnnd. ' Shepard^} hat den Fall beschrieben
und den Stein mineralogisch und chemisch nntersucht
Nach seiner Angabe besteht derselbe aus 10, 4 Nickeleisen,
welches etwa 14 p. C. Nickel enthält, ans 5 p. C. Magnetkies und
83 p. C eines einzigen homogenen Silikats, welches er Howardit
nannte. Dieses Silikat soll' v* d. L. leicht zu einem schwarzen
schlackigen Glase schmelzen, von Chlorwasserstoffsfiure unter Ab-
scheidung flockiger Kiesels&ure zersetzt werden, und aus
Sauere toff
Kieselsäure
63,06
93,63
Eisenoxydnl
24,60
tJ: )">.■'
Magnesia
11,74
Alkali
0,31
99,71
bestehen.
Da die Sauerstoffproportion =3 1 : 3,3, so wfire der Howar-
dit noch saurer als ein Trisilikat.
Es ist unverkennbar, dafs diese Angaben Shepards in hohem
Grade problematisch, ja unwahrscheinlich sind. Die leichte Schmelz-
barkeit und die Zersetzbarkeit eines so sauren Silikats wfire höchst
seltsam.
G. Rose stellt Jowa unter die Chondrite und bemerkt, er sei
dem von Mauerkirchen im höchsten Grade ähnlich.
Von Prof. Shepard hatte ich schon vor JiAren ein Stuck
dieses Meteoriten erhalten. Die Masse ist sehr mürbe und enthält
zahlreiche Rostflecke, wie auch die äufsere Rinde braun aussieht.
1) Am. J. of Sc. (2) 4, tSS and R^ort 00 Amertcan Meteorites 164S%
32 •
458
Sitzung der phifsikaU$ch'madiemaii$ehen Klane
Beim Pulvern fthlt man nur ioTserst wenig metaliisehes Eisen,
und 68 scheint, dab ein grofser Theil desselben in Oxyd oder
Oz jdhydrat verwuidell ist. In der That giebt der Stein beim Er-
hitien nicht nnbetrichtUch Wasser.
Bei der Analyse ist wegen der offenbaren partielien Verinde-
rung des Nickeleisens von einer besonderen Bestimmung desselben
Abstand genommen; das Pulver wurde mit Chlorwasserstoffs&ure
behandelt, aus der Kiesels&ure und der Magnesia wurde der zur
Olivinmischung erforderliche Eisengehalt berechnet, der Rest des
letstereen aber ab Metall.
Nach Absttg von 1,84 p. C. OlQhverlnst ergab sich:
Eisen
Nickel
9,46
1,08
Eisen
Schwefel
4,05
2,32
9,46 1 r 89,
1,08 ) '«'^* = { 10,
89,75
25
100
.37 FeS
Kiesels&ure 16,24
Eisenoxydol 8,92
Magnesia 16,69 ]
Unsersetstes
f 38,80
41,85 »
Sauerstoff
20,7
21,31 4,74
39,89 15
''' 1 20.'
,96 J
100
41,24
100
Der Olivin wäre ungef&hr
Fe»SiOM
3Mg»SiOM
Die unxersetcbaren Silikate, deren Menge der des Olivins fast
genau gleich ist, bestehen aus:
Kieselsäure 55,08
Thonerde 4,86
Eisenoxydnl 13,58
Magnesia 22,70
Kalk
Natron
Kali
2,85
0,93
Sp.
3,021
9,08
0,81
0,24 J
29,38
2,27
13,15
100
Das Ganze ist also fast genau Bisilikat.
vom 27. Juni 1870. 4d9
Die
proxenüsche Zutammenteizung der
(83,09 p.
C.
des
Me-
teoriten
betragenden)
Silikate ist hiemach:
Eiesels&ure
46,88
.
Thonerde
2,40
Eisenoxyd al
17,49
Magnesia
31,36
Kalk
1,41
Natron
0,46
100
Es ist ersichtlich, dafs diese Resultate nicht die geringste
Ähnlichkeit mit Shepards Angaben zeigen.
Jowa ist ein Chondrit.
Es liegen hier nan die Resultate von drei Chondriten vor, und
es dürfte von Interesse sein, ihre Silikate unter einander zu, ver-
gleichen. Ihnen sei noch beigefugt: der von mir schon früher un-
tersuchte'} von Klein-Wenden bei Nordhausen (gefallen den
16. September 1843).
A. Zusammensetzung des zersetzbaren Silikats (Olivin):
1.
2.
3.
4.
Kl. Wenden
Pultusk
Richmond
Jowa
a.
Rg.
Werther
SiO>
39,60
40,48
40,53 .
39,30
38,80
FeO(Mn) 10,91
12,50
13,08
18,21
21,31
MgO
47,37
47,02
44,36
41,69
39,89
CaO
2,12
—
2,03
0,80
100 100 100 100 100
£s enthfilt also der Olivin aus
O Pogg- Aon. 62, 449.
466 Sitzung der physikaliBch-mathematiscfien Klasse
KL Wenden Fe Mg* a O. der Pallasmasae,
Pultusk FeMg«
Richmond FeMg^ = O. der Pallasite von
Brabin, Atacama,
Jowa FeMg^ = O. des Mesosid. von
Hainholz.
B. Zusammensetsung des unseraeUbaren Silikats (Augit ==
Broncit) :
1.
SiO»
51,01
AlO'
9,08
FeO
11,42
MgO
22,07
CaO
4,79
N«»0
0,71
K«0
0,92
2.
3.
4.
55,48
53,74
55,08
4,58
5,32
4,86
9,01
13,17
13,58
24,14
22,23
22,70
3,65
5,54
2,85
2,22
0,92
Spuren
0,93
100 100 100 100
Die Berechnung ergiebt für diese vier verschiedenen Chon-
drite übereinstimmend, dafs das nnzersetzbare Silikat 1 At. R ge-
gen 1 At. Si enthält, d. h. ein Bisilikat ist Denn man hat die
Atome von
R:Si A1:R
in 1 = 1: 1,03 1.: 9,3 =1:9
2 = 1:1,1 1:18,6
3=1 :1,06 1:16,1 } =1:18
4=1:1,11
1 : 16,1 1
1 :17,5^
Der Broncit ist also
1. 2.-3.-4.
r9R Sion r i8R Sion
l A103J 1 AlOM
und ferner ist er aus
vom 27. Juni 1870. 461
Klein Wenden 1 ^ -^ « »#_^
Richmond J
Paltusk Ca Fe^ Mg»
Jowa Ca Fe* Mg"
Das Endreeultat der eigenen Untersuchungen ist also:
Die vier von mir untersuchten Chondrit« ent-
halten nur swei Silikate: das Singulosiiikat
oder Olivin und das Bisilikat oder Broncit.
Die Trennung derselben durch S&nren gelingt sehr gut.
Auch unter den bekannten Analysen anderer Cbondrite finden
sich solche, die genau dieselben Resultate geben. So der Ch. von
Ausson (Montr^jean). Die von Harris unter. Wohlers Leitung
ausgelahrte Zerlegung ergiebt einen Olivin mit FeMg^, also gleich
Chassigny und Alais, und einen Broncit, worin R:Si = 1:1,08,
frei von Kalk, nahezu
^ „ . , r löRSi OM
FeMg*, und { ^^^3 }
Abichs Analyse des Steins von Stauropol fuhrt auf einen
Olivin, der fast FeMg^ enthält, und auf einen Broncit, worin
R : Si = 1 : 0,95, die At. von Ca : Fe : Mg genau wie in Kl. Wen-
den, und ebenso die Menge des AI, also
9R Si O»
r 9R Si ü» 1
1 A103 1
£0 lafst sich hiemach behaupten:
Mesosiderit und Chondrit sind petrograpbisch nicht ver^
schieden. Nar ihre Struktur unterscheidet sie.
462 GuammUitzung
30. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Weber Im
fiber das «weite Bach der Atharva-Samhitd,^)
1. Verherrlichiuig des Ui^^ndes aller Dinge.
1. Das Höchste der Seher schaat, das Verborgne,
Worin Alles (wieder) wird eingestaltig. I
Ihm molk Pfigni ab, was da ward geboren.
Ziyauchsten die Scbaaren, die Hiromelskond'gen. N i fl
Dies ganze Stack findet sich, mit erheblichen Varianten indefs,
wieder als Theil der MahdnäräyatjM-Upanishad, resp. in IkiitL Ar.
10, 1, s. i. Vqj. S. 32, 8 — 12; s. die Obersetcang des dortigen Textes
in Ind. Stad. 2, Si. — Vom ersten Vers findet sich dort nur das
erste Hemistich*}, nnd swar mit den Varianten pafifon mpvd'}
bhuvanäni vidvän in T., nihitam guhd sad in Vs. (für paramam gukd
yad) and ekanüam in T., ekaniiam Vs. (statt ekarupam). — veno
ndma gandharva^ Sdy. zu T.; Ygl. zend. }/vaSn^ sehen. — Unter
pfigni ist wohl hier^) die anter dem Symbol einer bunt-gespren-
kelten Kuh personificirte bunte Natur kraft (mülaprakjriHj hier aber
als Demiurgos wirkend,) zu verstehen, vgl. das über ^o in dieser
Beziehung Ind. Stud. 9, 100. Ind. Streif. 2, 462 — 3 Bemerkte. Die
bunte Sturmeswolke, die das himmlische Nafs melkt (R. 10, 13,3
duhS ydd Snt divydm ghjritdni vd^i^)y reicht hier jedenfalls nicht aus;
dagegen ist eben an die ^aii^)^ s. Ind. Stud. 5, 443 ff., an die ajd
lohitaguklakjish^d (Taut. Ar, 10, 12, &. ^eidfv. üp. 4, 5. Ind. Stad.
1, 42S), die neben dem hrahman als increata gleichberechtigt da-
steht, zu erinnern. — aduhat mit doppeltem Accusativ der Person and
der Sache (wie duhe eben). — jdyamdnd^ fem.; dazu wohl aas dem
Folgenden vrdi^ heranzozielien? — vrd^ von yvrd «s vor; eig. Um-
>) die ÜbersetzoDg des ersten Baches s. in den Ind. Stod. 4, 393-430.
') das zweite Hemistich lantet: tcumitm (ycuminn T.) idam 9am ca vi cot Vi
sarvam (vicai 'kam T.)y sa otah protap ca vibhuh (vibhu T.) pfujdm ,daria
dies Alles eingehet und herausgeht; er (es) ist gewoben und geflochten in di«
Wesen als ihr Herr."
*) o»pr4 ist wohl metri caussa zu tilgen.
<) im Cbrigen s. Pet. W. s. v., und Muir Orig. Sansc. Text« 5, 39. 147.
^) vgl. fabalam als Name des brahman Kaush. Upan, p. 24. 140 Co well.
vom 30. Juni 1870. 463
•
gebnog, dann Schaar, vgl. vrdta. Der lobende Zuruf bezieht sich
^ohl nicht auf den Akt der Erkenntnifs von Seiten des Sehers,
sondern vielmehr auf die Melkung des Absoluten durch die prifniy
den Akt der Schöpfung also, und die svarvido vrdl^ sind entweder
die dadurch eben ins Leben gerufenen Schaaren? oder solche, die
bereits aus einem früheren dgl. Akte stammen, und, da die Schö-
pfung immer fort dauert, nun späteren Akten der Art beiwohnen?
2. DiLs meld' uns der Weise, des Ew'gen Kund'ge,
was als höchster Grund im Verborgnen ruhet. I
Denn seine drei Stufen ruhn im Verborgnen, —
Wer sie erkennt, d^r sei des Vaters Vater! H s II
Dieser Vers kehrt im Wesentlichen identisch an den angege-
benen Stellen wieder; toee T. (für voeed), amrttam nu (fGr amritasya)
T. Vs., ndnui^) nihitan^ guhdsu T. dhdma vibhritam (guhd sat) Vs.,
(für dhdma paramam guhd yai)^ guMtu T. (für gühd ^syd), yat tad
veda T. (fSr yas tdni veda), $avitti^ T. (für sa ptfti^). — gandharea
hier in der abgeschwfichten Bedeutung: ein Weiser, vgl. ^dnkk,
12, 20, 2 (Ath. 19, 138, s) ycul bhadrasya purushcuya putro bhavati
dädhfühi^ I tad vipro abravtd u tad gandharva^ kdmyam vaca^;
die manushyagandharva stehen den devagandharva gegenüber
in Taitt. üp. 2, 8 (Ind. Stud. 2, 230). — Die drei j» ad <lnt. Zu-
stande, Stufen sind nach Mahtdhara: Entstehen, Bestehen, Vergehen,
oder: brahman Absolutes, antarydmin Demiurg, vijndndtman Einzel-
seele; oder bezieht sich der Ausdruck etwa auf die im purusha-
9Ükta (R. 10, 90, 3. Vs. 31, a) vorliegende Vorstellung, dafs drei
Viertel') des Absoluten nicht cur Erscheinung in der Welt
gelangen, nur ein Viertel desselben deren theilhaftig wird? wozu
aoch die gleiche Vorstellung von den vier Vierteln der vdc (s. Pe-
terab. Wort, unter turiya) zu vergleichen ist — 9)der sei des
Vaters Vater!*^, s. Ind. Stud. 9, 45.46.
3. Er ist unser Vater, Verwandter, Zenger.
Er kennt alle Satzungen, alle Wesen. I
Er, der allein setzet der Götter Namen, —
Alle Welten gehen zu ihm als Richter. II s II
Nur das erste Hemistich dieses Verses findet sich an den an-
>) die in den Ind. Stud. 2, 84 hiebei von mir gemachte GIciebstellang
Ton ndma es numen ist nicht als eine etymologische zu fassen.
9) pada == pdday Fafs, Viertel s. Ind. Stud. 9, 96.
461 GeBammUitzung
gegebenen Stellen') und zwar mit den Varianten: «a no handkwr
janüd sa vidhdtd (far Band^ pitdjanitd sa tUa*) bandhuit); der ganze
Vers aber findet sich in Jfik^Sarnh. 10, 82, t and Vs. 17, 27 mit den
Varianten yo vidhdtd (statt: sa Uta bandhur)^ ndmadhd (statt: nd-
ntadhä) und yanty anyd (statt yanU Borvd}. — Über Prajdpaü aU
den, der allen Wesen ihre Bestimmung zutheilt, s. z. B. ^i, K
4, 2, 1 ff.
4. Himmel und Erd' bab' ich sofort umscbritten,
nahte mich dem Erstgebornen der Ordnung. I
Stimme gleichsam ein in den Sprecher setzend
Steht in der Welt er, wahrlich er ist Agni. H 4 II
Das erste Hemistich enthält wenigstens einige Ankl&nge an
T. Vs. am a. O. — Der Dichter hat Himmel und Erde durchsucht
und den Prajdpati als den gefanden, der jedes Ding an seipe
richtige Stelle setzt und dem Agni an flammender Majestät gleich-
kommt. Dieser seiner Kunde rühmt er sich, weil er dadurch von
der Hoheit des Erkannten selbst bestrahlt wird. So allein schei-
nen mir die Varianten dieses und des folgenden Verses zu der ur-
sprünglichen Fassung derselben, in der sie sich blos auf das Ver-
hältnifs des Demiurgos zum Absoluten beziehen, erklSrltch. — Es
liegt hier resp. in 1. eine ähnliche allgemeine Einleitung für die,
von 2. an folgenden speciellcn brahmd^y Spruchsegen, Tor, wie
beim ersten Buche.
5. Alle Welten habe ich rings umscbritten
Den durch gehnMen Faden zu sohau'n der Ordnung, I
Unsterblichkeit findend worin die Götter
zur einigen Quelle empor sich heben. U & II
Das erste Hemistich klingt an T. und Vs. 32, 18 an; das zweite
findet sich in T. und Vs. 32, 10 wieder (wo aber tfitiyt dhdmann
adhy Vs., tfitiye dhämdny abiiy T., statt samdn» yandv adhy). Der
Dichter, resp. Priester, rühmt sich seiner Allwissenheit, um da-
durch seinem Wirken und seinen Sprüchen Ausehen und Vertrauen
zu sichern.
*) das zweite HeniUtich lautet daselbst (s. hier v. 5): j/cttra derd amri-
iam änofdNds tritiye dhdmaun (Vs., dhdmdny T.) adhy (Vs., abhy T.) aira-
y€uUa ,,in welchem die Götter Unsterblichkeit erreichend hinauf zur dritten
(HimmelsOStatte sieh erheben".
') Metrums halber lies: «o Vci.
vom SO. Juni 1870. 465
2. Würfelsegen.
1. Der himmlische Oandharva^ der als Welt-Herr
einzig zu ehr'n ist, für die Leut* preiswurdig — t
Dich banne ich, himmlischer Gott, durch^s Sprachlied.
Verneigung sei dir, dessen Sitz am Himmel ! II i H
Dafs dies Lied ein Würfelsegen sei, vermnthe ich nur ans dem
letzten Verse, der dann, wie so häufig im Ätharva-Veda, die Pointe
enthält, um die es sich handelt, während die vorhergehenden Verse
die feierliche Einleitung dazu bilden. — Ob wirklich ein „Genius des
Mondes*^ unter gandharva zu verstehen ist, wie Bohtlingk-lRotili
6. V. wollen, ist wohl noch zweifelhaft. Gemeint jedenfalls ist hier
damit (so auch das Pet. W.) der in v. 4 ja auch direkt genannte
Vifvävasu, der alle Schätze Habende (?), der als König sämmt-
lieber Gandharva und als Gemahl der Apsaras (s. v. 5), speciell aber
weiter als, nach Soma erster, Gemahl auch jeder menschlichen Jung-
frau, resp, als Genius der weiblichen Pubertät und Virginität')
gilt. In den Brdhmaria erscheint er überdem noch als Räuber
des Soma-, den er der gdyaM^ als sie ihn vom Himmel holte,
entwendete und mit dem er sich dann in das Wasser zurückzog,
ß. (^atap, 3, 2, 4, 2. Pane. 6, 9, 22. Ts. 6, 1, 6, 6. 11, 5. Käfh 24, 1.
In einer andern ^ruti im schol. zu Vs. 2, 3 wird er freilich umge-
kehrt unter den Hütern des Soma genannt^ im Text selbst resp.
als Huter der paridhi genannten Schutzwehr um das Feuer. Er
ist jedenfalls ein dämonischer Gesell, und wird daher hier auch
mit möglichster Unterwürfigkeit angerufen. — Die anakoluthische
Construction der . beiden Hemistiche erhöht die Lebendi^eit des
Ausdrucks und finden wir sie hier im zweiten Buche noch mehrfach.
2. Zum Himmel hin reicht er, der Opferwürdge,
Sonnfarbige, göttlichen Zornes Abwehrer! I
Mild sei uns der Gandharva^ der als Welt-Herr
einzig zu chr'n ist und voll guten Heiles. II 2 II
Sonnen farbig, eig. Sonnen(-helle) Haut habend.
3. Mit den Tadellosen kam ich zusammen;
Der Gandharva unter den Apsard war. 1
*) der cunnofl gilt als Bein Mund ^'dnkhdy.g. 1, 19. Bei der ersten coha-
bitatio wird er angewiesen sich wegzubegeben, ^-atap. 14, 9, 4, 18. Ath. 14,
1, 24. 25. Ind. Stitd. 5, 185. 191.
466 GesammUitzung
Im Meere ist, sagt man, ihr Sitx, allwo sie
best&idiglich herwärts and abwärts steigen. U s H
jagme fasse ich jetst (anders in meiner Ahhandl. über Omina
und Portenta p. 350) als 1 pers. singnl. Der Dichter hat eine £r-
scheinong der Apsaräj die man nicht tadein darf), die man stets
nnr loben soll, gehabt, den Gandharva ihren Gemahl (den Elfen-
könig) mitten unter ihnen gesehen'); daher wendet er sich in v. 1. 2
an diesen, lobt und preist ihn, um dadurch auch über die Apsard
Macht und ihren Schutz beim Würfelspiel 2u gewinnen. — Idi
glaube noch immer (s, V^i* S. spec. prim. p. 18 n.), dafs die Er-
klärung Ton a-pBoröt, a-^aards aus p$äras sc rüpa Nigh, 3, 7 die
richtige ist'). Es sind die gestaltlosen, oder (s. Pet W.) die
unheimlichen, unfriedlichen Nebelgestalten der Elfen * ) und son-
stigen Spukgeister der Art, die im schattigen Waldesdunkel (s. v. 4)
ihr Wesen treiben. In Ts. 3, 4, 8^ 4 werden die dichtschattigen
Bäume nyagrodha^ udumbara^ agvaUha^ plakska als die Häuser, der
Aufenthaltsort, der Oandharva und der Apsaras bezeichnet Auch
nach Ath, 4, 37 sind es die grofsen, kronenreichen') Bäume, die
agoatiha und nyagrodha, wo sich die goldnen und silbernen Schau-
keln der Apsaras*) finden, und wo ihre Cymbeln {dghätd) und
^) ? an-a-vadya; oder ob cui-avadya^ und letzteres Wort aas ava-t^a ent-
standen? vgL die alte VerstSmmelung von atihhuta in adhhutOy und die jün-
gere von prdttw, Pali pdtur (patur aho»i Fausböll Dhamm. p. 204), in prddtir
(so, nicht prddu 9 ist die Form anzusetzen, wie deir ans dvid, nicht ort«;
anders M. MQlIer Einl. zu Buddhagh, Parables p. Lvm}.
') vgl. Panc, 12, 11, 10, wo KcUydna Ähgirtua auf den G<mdkarra
Urndifu trifft, der sich unter einer Scbaar Apsarcu schaukelt (prelkkhayamdmnm).
>) die Herleitung von dp8a$ » rtipa (fat, 9, 4, 1, 4 ist schwerlich
richtig. Übrigens bedeutet dpMoa wohl nicht die Wange, sondern den Bu-
sen. Statt ap9<ud 'pso Ath, 6, 49, 2 hat die Parallclstelle im Kdth. 39, 14
vakshcud vaksho. Ich fasse apsas als „begehrt, ersehnt", von a/M^ ältere
Form des sp&teren tps (vgl. akah neben tksh),
^) deren Tanz und Gesang sich bei den Apsaras ebenso wieder findet,
wie die Vogelgestalt der Schwanenjungfranen (die Apsaraa erscheinen als dtt-
VGgel, 8. Ind. Stud. 1, 197).
^) ^khanßinah ; oder ist dies etwa Gen. Sgl. ? als n. pr. eines GatidAarva,
wie in v. 7 ibid.
*) dies Schaukeln, Tanzen und Hin- und Her-sich*bewegen ist wohl
auch der Grund , warum die Apsaras mit dem WOrfelspiel in Bezug sieben?
vom 30. Juni 1870. 467
Laoten {karkari) erklingen. Nach dem Fluase hin, sam Ufer der
Gewfisaer sollen sie wie weghaucht sammt ihrem tanxenden
Herrn Qikhai^in verschwinden, durch den starken Qemeh des
Krautes Bockshorn (ßja^rifigf) verscheacht. Es wird dies Kraut
resp. daselhst auch noch (v. 10) als gegen die hinlenehtenden (? a-
bhigoed$)^ im Wasser sich spiegelnden Qt aptu jyotaycmdmdka) Pi'^
fdea wirksam beseichnet, worunter wohl, s. Pet W., Irrlichter
and fihnliche Erscheinungen zu verstehen sind* Die^e Zusammen-
Btellang der Oandkarva und Apsaras mit den Pifäca erinnert sofort
an die Bezeichnung der Fata Morgana als ^,0 and karva 'Stadt* ^
die sich neuerdings auch, s. Sachau im Journ, R. As. Soc 1869.
4, 351. 857, bei den PArsi wiedergefunden hat, somit offenbar schon
der frischen Periode angehört'). — Nach Äth. 7, 109, s treiben
die Äpstn^oB ihr Wesen zwischen dem Opferplatz, der Erde also»
und der Sonne, somit in der Luft, und das „im Meere*' unsere
Verses ist daher wohl eben auf das Luftmeer zu beziehen.
4. O Wolkige, Blitzige du, du Stem'ge,
Die ihr da folgt Vi^vatUy dem Oandkart>* — I
Euch Göttinnen bringe ich hier Yemeigung. H i II
Diese Namen der Apsard deuten auf leuchtende, elektrische
Lufterscheinungen, d. i. wohl eben auf die lichten Nebelgestalten
der Elfen und Irrlichter.
5. Die ihr da kreischt, im Dunkeln weilt,
die Würfel liebt, den Gteist verwirrt — I
Diesen Frauen des Gandharva^
den Apsard ich mich verneig'. II s II
yklandj krand wohl mit clangor. Klang zusammenzustellen;
Wechsel im Auslaut wie bei gardabha und ygofy (Weiterbildung
auswar). — iamishicaifas für ^egas^ aus tamüM-^ane^ fem.; oder
ist etwa direkt eine Weiterbildung daraus: UmnshM anzusetzen?
tanUahi neben tamaSy wie taoühi neben tavaa. — Unter dem Dun-
kel ist wohl eben das schattige Dunkel des Waldes zu ver^
stehen. Vergl. noch AjA. 14, 2, 9, welcher Vers im Kaug. 77, 7
(s. Lid« Stud. 5, 394. 206) auf das Vorüberziehen des Brautzuges
bei grofsen Bfiumen bezogen wird, und die Onnst der in diesen
') ans Tedlschen Texten einstweilen allerdings mir nocli nicht direet
nachweisbar; vgl. aber die goldnen Pal&ste (kiranycmmüdni) der Oandkarva
Im fat. 11, 5, 1, 11. und das fiber »ob ha Ind. St. 2, 38 n. Bemerkte.
468 GesamnUaitzung
weilenden Äpsartu and Oandharva auf denselben, insonderheit na-
türlich anf die Braut herabruft. — akahakämdh; für die specieUe
Beziehung der Äpsaras zum Würfelspiel legt Ath, 4, 38. 7, 109
luknlentes Zengnifs ab (s. Moir Original S.Texts 5, 430). — Die geist-
verwirrend e Kraft der Ap$ara$ besieht sieh entweder auch noch
hierauf, auf die fascinirende dimonische Gewalt des Spieles also«
oder es ist dabei an die Terfuhrerische Buhlkoboldsohaft an den-
ken, die in 4, 37 von den Oandharva den menschlichen Frauen
gegenüber, daher wohl aueh stillsohweigend , wie sp&ter, von den
ApMras den Mfinnem gegenüber, gefürchtet wird. Sie ist es ja
eben, die, in poetischer Yerklfimng, in der spftteren Zeit den Apa»-
TOM täst allewig geblieben ist. Nach AiK, 8, 5> is ist von beiden
Klassen von Genien sogar todlicher EinfuTa auf den Menschen
ausgehend und auch in 12, l, so werden sie in Gemeinachsft mit
anderen bösen Geistern genannt, und um ihre Fernhaltung gebetet.
3. WondenbaLsam.
1. Welches Brnnnelein dort herab,
herunter von dem Berge, Unft,
Das mach' ich dir zum Balsam, dafo
ein gutes Heilmittel du sei' st U i II
Das Quell* Wasser soll sich balsamartig mit den übrigen Stof-
fen des Heilmittels (s. 3^-5) vermischen.
2. Hinsu, wohlan! recht viel, wohlani
Welch' hundert Balsam' es dir giebt, I
Von denen du das beste bist,
Gebrechen tilgend, tilgend Schmerz Usll
Wird mit päda 1 etwa ein ZusammenguCs verschiedener Stoffe
vorgenommen? ä»räva Gebrechen; eig. Anflnfs, (übler) Binflufs,
s. Tief ein graben die Asura
dies mftcht'ge Wundenheilende I I
dies ist Heilmittel gegen jed*
Gebrechen, dieses tilgt den Sohmers. II s U
tUcttikj in dem Schoofse der Erde vergraben sie es, damit es
nicht an's Tageslicht soll? oder umgekehrt (wie ykhan hier vielfscb):
sie graben es aus? — arussrdnam wird bei Böhtlingk-Roth wohl
mit Recht als aruf^-gräii^ „die Wunde zerbrechend^ (VP^*^ diffin-
dere) gefafst; am«, die Wunde, eig. die getroffene Stelle, 8. Ind.
Stud. 8, 276.
vom 30, Juni 1810, 469
4. Die Wasdernixen ^ ) bringen dies
Heilmittel ans dem Meer hervor. I
Dies ist Heilmittel gegen jed'
Gebrechen, dieses tilgt den Schmers. U 4 H
5. Dies mächt'ge Wundenheilende
wird ans der Erd' hervorgebracht. I
Dies ist Heilmittel gegen jed'
Gebrechen, dieses tilgt den Schmerz II 6 U
6. Die Wasser sei'n heilkräftig uns, die Pflanzen mildl
Indra's Blitakeil schlage hinweg die Bakshas all! 1
Fortfliegen sollen ihre Pfeil' in die Feme hin! Hell
Statt raksha$dm lies metri canssat co, „In die Feme^, nicht
in onsre Nibe.
4. /an^f^-Amulett gegen Vishkandha (Reifsen?).
1. Zar Langlebigkeit und zu hoher Hörende,
bestfindiglich schadenfrei und gedeihend, I
tragen wir hier den Jangida
als Reüsenstiirndes (?) Amulett. II i H
In 1, 16, 3 wird Blei, in 4, 9, 5 eine Salbe als Mittel gegen
das vishhandhcm bezeichnet. Der j an gitfa, 8- Grohmann in den
Ind. Stud. 9, 417 — 9, stammt nach v. 5 aus den „Sfiften des Acker-
banes'^, scheint somit etwa eine Art Öl (Baumöl) zu sein? Er
ist nach 19, 34, 7 ein Kraut (oshadhi)^ resp. ein Baufn (baumlan-
ges Gewächs?) nach V. 9; und zwar haben ihn nach ibid. v. 6 die
Götter dreimal aus der Erde erzeugt; bezieht sich dies etwa auf
dreimalige Emdte im Jahre? Er ist gegen eine grofse Zahl von
Krankheiten wirksam, unter denen neben dem vishkandham^ ge-
gen das er ein Specificum ist (19, 35^ i), auch das samskantUiam
(19, 34, s) erscheint. Weder die Natur der Krankheit, noch die
des Heilmittels Ififst sich einstweilen sicher bestimmen. Meine
Auffassung von vishkandham als „die Schultern auseinander zie-
bend^, also Rheumatismus in den Schultern, Hexenschnfs, Beifsen
überhaupt, stützt sich besonders darauf, dafs in v. S neben dem
jangi^a auch Hanf als Mittel dagegen genannt wird. Auch in
0 8o B^htlingk Roth im Pet. W. anter upajika.
\
470 GesatMHUittung
3, 9» > 18t von Bändern als Mittel g^eo das vühkandham die
Rede. In 3, 9, < werden aber 101 vishkandhäni als ftber die Erde
▼erbreitet erwähnt. Vgl. noch Ts. 7, 3, 11, i vishkandha^ tatrmn
Mffatdti^ yo ^smän dce$htu — Sollte evl ja^gi4<^ etwa das ingi4<ivi
äjyam Kau^, 47 (wo ängirasam genannt, wie der jangi^a in Ath.
19,34,6). 116, d. i. doch wohl das Öl der inguda-FBanze ^ ter-
minalia catappa, eine NuÜBart, deren öl bei Zaubereien dient (»,
auch fJäkuntaL ▼.14 ed. Bohtlingk), au ▼ergleichen sein?
s. JaHgi4a schfita' uns allseit ▼or
dem Jambha^ vor dem Vigara I
▼or Reifsen (?) und vor AnglQhen (?)
als tausendkrftftges Amulett II 9 11
jambka das Zermalmen, wohl eine Kinderkrankheit, ▼gl. Kaug,
32 jambhagfiMtäya stanam prayaehaü; etwa das Zahnen? — Zu oa-
^ara^ Zerreiisen, Auflösen vgl. vi^arUca in 19, 34, lo (neben d^a-
rika). — Sollte ahhifocana^ Anglfihen, etwa von einem Sudzauber
2U ▼erstehen sein?
a. Er besieget das Reilsen (?) uns,
er treibt die Fresser (all) hinweg. I
Für Alles sei uns Heilmittel
der JangitfOi schütz' uns ▼or Nothl H s U
olrtfUM (att^)j die Fresser, Qnfilgeister, Krankheitsgenien.
4. Durch den heil^oUen Jangi4a^
das gottgegebne Amulett I
Das Reifsen (?) und die RcJcshaa all
besiegen wir im Streite (stets). H 4 U
&. Der Hanf mich und der Jangi^a
Vor dem Reifsen (?) bewahren solFnl I
Jener ist aus dem Wald' geholt,
D^r aus des Feldbau's Sfiften stammt. U a II
Hanf (potui) resp. Hanfwerg dient, um die leidende Stelle ge*
wickelt, bei uns als Mittel gegen Gicht oder Reifsen. Kadi pdda
3. handelt es sich resp. um wildwachsenden Hanf, wfihread der
Jafig%4a auf dem Acker gebaut wird.
6. Zu Schanden macht das Amulett
die Zauberkunst, den Feindestrug. I
Der sieggewalt'ge Jangi4a
fuhr' unser Leben weit hinaus! Hell
vom 30, Juni 1870. 471
5. Einladung an Indra zum «oma-Trunk.
1. Indra! sei günstig — fahr' hervor I
O Held, komm herwärts — mit Gespann!
Trinke vom soma — dir 'nen Rausch!
Am Meth dich letzend, zum Rausch willkommen! H i II
2. Indray den Leib dir — wie Schiffsbauch')
mit Meth anfülle — wie mit Licht!
von diesem soma — wie im Glanz
dir nahten Räusche, mit gutem Klang. Hall
3. Indra rasch siegend — wie Mitra
erschlug den Vfiira — wie Zaubrer;
spaltet' den Vala — wie Bhfigu^
besiegt' die Feinde, im Rausch des soma, II s II
4. Eingeh'n soll'n in dich, die Säfte, Indra!
Fuir deine Mägen! sättge dich, Mächtger!
ob unsres Lieds komm!
Auf ünsem Ruf hör', nimm unser Lied an!
Indra! mit Freuden berausche hier dich
zu grofser Freude! II 4 II
5. Nun des Indra männliche That'n ich singe,
des Blitzfuhrers, die er gethan zu Anfang, i
Den Ähi schlug er, machte frei die Wasser,
Spaltete die Brüste der Wolkenzüge. lUII
6. Schlug den ÄM^ der in Gewölk' sich hüllte,
Tcashtar schuf ihm dazu den strahl'nden Blitzkeil. I
Dahinfliefsend, brüllend wie Mutterkühe,
Zum Meere flugs strömten hinab die Wasser. II e II
7. Zur Kräftigung er sich erkor den soma.
und trank von dem Saft aus drei braunen Krügen; I
fafste sodann mächtig den scharfen Blitzkei],
Und schlug ihn, den Erstgebornen der Schlangen. II i II
Dieser Spruch (dient er etwa, s. v. 7, als Schlangenzauber?)
ist aus zwei ganz verschiedenen Stücken zusammengesetzt. Das
zweite zunächst, v. 5—7, ist dem Eingang des bekannten ») Indra-
') oder: Schiffisranm, Schifisschlauch ?
•) vgl. (^aiap. 1, 6, 4, 2, wo sein Vf. Hiranyaatupa als Repräsentant
aJler rithi erscheint, offenbar well dies sein Lied eben in hohen Ehren stand
[1870] 33
472 Gesammtsitzung
Liedes im ersten Bach der fika^ (IT 32, i — s) entlehnt. Das erste |
dagegen, v» 1 — 4, findet sich nicht in der fiks, selbst, wohl
aber im Ritual des fik {Agval. 6, 3, i. Qdnkh, 9, 5, s. Br, 17, i),
V. 1 — 3 resp. auch in ^et Sdmasamhitd ^^ ZO'i — 4^), vgl. Pane, 12,
13, >i sowie Anup. 3, 13 (anter Citirnng übrigens des Kdfhakam,
der Ätharvan and der Bhdllavin) nnd Nid. 2, 12 (anter Citirung
der Bahvfied$ and Atharvaf^ikdB).^ wieder; and zwar mit mannich-
fachen Varianten; es erscheint resp. hier theilweise in ziemlich ver-
derbtem Text, worüber bereits Roth in seiner Abh. über den Ath,
Veda (Tab. 1856) p. 11 gehandelt hat. Das Metrum dieser ersten
vier Verse') ist eigenthumlich ; sie bestehen nämlich aus fünf 5silbigen
pdda^ von denen hier, wie in Sdmas.^ in v. 1 — 3, und bei AfvaL auch in
den beiden hier in v. 4 zusammengefafsten Versen, je die drei ersten
durch eingefügte 38ilbige£inschübe in 88ilbige|>i(/a umgewandelt sind.
Diese Einschübe lassen sich zum Theil nur schwer, zum Theil')
gar nicht mit dein übrigen Texte in Zusammenhang bringen, und
sind offenbar ganz fremdartige Bcstandtheile. Das Ritual bezeich-
net sie denn auch als upasarga ((Jdfikh, Br. Nid,), resp. als (vgl.
Ind. Stud. 8, 67. 76) ekapctddi tryakshard vish^of chando hhurijah
fakvarya^^PancBr») Sie dienen zu der behufs Herstellung des
sho4ct^%'^a8ira, resp. -stotra, nöthigen Wandlung*) der Weise der
25 silbigen gdyatri in die der 34silbigen anu8htubh svardj (^-dnkk,
Br.). Um einen leidlichen Text, resp. doch eine Art Sinn zu be-
kommen, lese ich in Ic statt des viersilbigen, somit offenbar
falschen mater iha (matir na Ag. S. (7.) mader ha; — in 2b resti-
tuire ich für navi/o mit Af. ^. navyam und fasse es als ndvyam;
Agni von den Göttern, Hiranya$tupa von den rithi, die brihati von
den Metren ziehen aus, den nach dem Todschlage Vfitras ans Forcht vor
ihm (dafs er etwa noch lebe) entflohnen Indra zu suchen.
») als gtotriyds ffir das Gaunvitam sdma, schol. zu Panc; s. auch AiL
Br. 4, 2 Haug p. 257.
*) resp. aksharapankti nach Anup, (sollte padcpahkti heifsen, vgl. Ind.
Stud. 8, 152. 155).
•) insbesondere bei der von A'frcUdyana gegebenen Form von v. 4.
^) tdh ptt^cavi^atyakshctrd, ekaikd naoabhir navabhir aktkartsir vpa-
»fishtd..» idp catuatn'Apadakshardh ßompadycMte, svard^ rat tac chando yat
kim ca catustrihfadak9haram (^, Br, Auf den Sinn kommt es bei diesen
Verschmelzungen und Neugnippiningen der Verstheile gar nicht an, wenn
nur die Silben zahl stimmt, s. Ind. Stud. 8, 24 ff.
vom 30. Juni 1870. 473
in 3 ist in a. mit Ag. Q. mitro na zu lesen, yo in b. zu streichen
und ycttir na zu lesen; — in 4 ist in d avi44^ aus Af. zu re-
stituiren, in f. g. giro me umzustellen, und in h. wohl aayughhir mit
Ag. zu lesen. Auf die andern zahlreichen Varianten lasse ich
mich hier nicht weiter ein, und bemerke nur zweierlei. Einmal
n&mlich, dafs statt yatir na „wie ein Zauberer^ es jedenfalls
näher läge yatin na (yattr nä) zu lesen und dies auf die bekannte
Bekämpfung der yaü (vgl. yatu^ ydtu) durch Indra zu beziehen;
die Analogie mit den übrigen upasarga aber erheischt den Nom.
Sgl. Wichtiger ist der zweite Umstand. Wir sehen hier in v. 4
zwei Verse vereinigt, und zwar ohne die bei AgvaL in dieselben
eingefugten upasarga; nach dem Zeugnisse des Nidäna^MÜtra aber
standen in dem damaligen Atharvan-Text auch die drei
ersten Verse, um die allein es sich im Sämaveda handelt, ohne
die in unserm jetzigen Texte darin aufgenommenen upasarga; es
heifst nämlich daselbst: athä ^pi fofvad enä anupasfishid Athar^
van^ikd adhiyate; und auch das Anupada scheint Gleiches anzu-
deuten mit seiner freilich etwas dunklen Redeweise: aksharapank-
ty-ekapadd-pfithagdmndndd Atharvandm sampadvddas (^ tarn
panktishu caikapaddsu ca sarp^ajya $tuvata iti Bhdllabindtd, pra-
vaha hariha matir neti prathamdydm, navyam na divo na 8var neti dcu
üydydm^ mitro na yatir na bhfigur neti tfitiydydm).
6. An Agni,
1. Dich stärken soU'n, Agni! die Tag', Jahrzeiten,
Die Jahre, die Seher und die Wahrheiten! I
Blit himmlischem Glänze erstrahle stetig I
Die vier Himmelsgegenden all' erleuchte ! II i II
Dieses Stuck kehrt, mit mehrfachen Varianten, in allen drei
Fajua-Texten wieder, in Ts. 4, 1, 7, 1. 2. Kdth. 18, 16. Vs. 27, 1—3.
5. 6^}. Es wird daselbst beim agnicayana verwandt, resp. zwi-
schen die zu dem Thieropfer (ishfakdpa^) gehörigen sdmidhent-
Verse eingeschoben (s. Mdkidh. ad 1.). — Unter samds versteht
Mahtdhara die Monate; s. indefs Ind. Stud. 4,430 (Ath. 1, 34, s.
^) es gehören daselbst dazu noch 4 triahtubh und eine anushtubh am
Schlafs; im Käfh. resp. noch eine fQnfte truhtubh,
33*
474 Ge$ammt8itzung
Kauf, 102). Das Feuer soll von Tag zu Tag, von Zeit xu Zeit
an Kraft zunehmen.
9. Entzünde dich, Feuer I und ihn maeh* wachsen!
Erheb' dich zu mfichtiger Olücksverein'gungl I
Nicht leiden sollen deine Beisitzer, Ägnit
Deine Priester ruhmesreich sei'n, nicht Andrei 11 2 11
ihn, den Opfernden,
s. Die BrdhmofjL hier haben erwählt dich, Agni!
Sei hnlfreich uns, Agni^ bei (Nacht)-Umhüllung! I
Sieg' Agni! du ob (unsren) Gegnern, Feinden!
In unserm Haus wache du unablässig! 11 s 11
4. Packe du an, Agni! mit deiner Herrschkraft I
Gieb Müh', Agni! dir mit dem Freund in Freundschaft! I
Im Mittelpunkt stehend der Gleichgebomen,
Erstrahle hier, Agni! als Hort der Kon'ge. II 4 n
„im Mittelpunkt stehend^^ d. i. um den sich alle schaaren. —
vihavyah „als Hort^, eig. als der, der von verschiedenen Seiten,
als Schiedsrichter nämlich, oder als Helfer, angerufen wird.
». Über die Neider, die Streiter, die Unbesonn'nen, Hassenden I
ÜT>er alles Ungemach fuhr hinweg uns,
o Agni^ gieb uns Mannen-reichen Reichthum! U s H
niho haben alle vier Texte (td-hantar Mdhidh,)^ und ob auch
das Wort sonst nirgendwo vorkömmt, so ist doch wohl kaum nido
zu lesen? Die Wurzel niksh durchbohren, die sich etwa vergleichen
liefse, ist vielmehr wohl Desid. aus nag (und in der Bedeutung:
küssen aus ny?), wie nins aus namy pits aus pat, — Statt sfidko
haben die 7a;u«-Tezte sridho^ vgl. lat stlis> unser Streit.
7. Gegenzauber gegen Verfluchung.
1. Dies Gottgebome, von Bösen
gehalste, fluchabwehr'nde Kraut I
Hat alle Fluche von mir weg
gespült, wie Wasser spult den Schmutz. II i II
2. Sowohl des Nebenbuhlers Fluch,
als auch den Fluch der Basenschaft, I
Od'r wenn im Zorn ein Priester fluch',
— all das treten mit Füfsen wir. II s II
vom 30. Juni 1870. 475
sdpatna^ konnte hier speciell etwa: der Flach der Nebenbuh-
lerin sein, wenn nfimlich das Stück, s. v. 4, einem Weibe in den
Mand in legen ist. — jdmyäf^j der Schwester, d. i. wohl allgemei-
ner : der weiblichen Verwandtschaft. — Das Amulett hebt über dies
Alles hinweg.
s. Vom Himmel Vab die Wurzel hfingt,
aus der Erd' hebt es sich empor. I
Mit diesen tausend Stfingeln du
beschütze rings uns allseitig! II 3 11
Das Amulett ist somit wohl eine Art Schmarotzerpflanze, die
ihre zahllosen Triebe von dem Mutterbaum nach unten hinab han-
gen läfst, so dafs sie (wie beim nyagrodha) in der Erde neue
Wurzeln schlagen. Die Zahllosigkeit der Triebe verbürgt die
allseitige Wirkungskraft des Amuletts. „Man trinkt (gegen Fie-
ber) das Wasser von gekochtem Wegerich, weil dieser 99 Wur-
zeln hat^ Wuttke der deutsche Yolksaberglanbe d. Oeg. §. 529.
4. Bingsum sie, rings die Kinder mein,
ringsum schütze die Habe uns! I
Der Unhold komm' nicht über uns!
nicht nns're Gegner über unsl II i II
Der Text hat parimäm »rings um diese (Frau) hier^; dann
mufs der Vers in den Mund des Gatten gelegt werden, der für seine
Frau um Schutz bittet Oder ist zu lesen: pari mdm, und der
Vers in den Mund eines Weibes selbst zu legen? s. v. 2.
ft. Dem Flucher kehre heim der Fluch!
Der's wohl meint, eins sei'n wir mit dem.
Wer üb'l uns will, mit Blick bespricht,
Dem zerbrechen die Ribben wir. II 5 H
„mit dem sei uns Gemeinschaft^. — c. Dieselbe Drohung (aber
vermittelst einer Salbe) gegen den cakshurmantra^ der mit bö-
sem Blick bespricht, behext, findet sich in 19, 45> i; vgl. das ^Ao-
ram cakshus^ den bösen Blick, in 4, 9, 6 (durch das traikakudam
dnjanam^ die TrikahidSalhe vom Himavant^ abzuwehren). 19, 35, 3
(durch den Jangi(fa zu bekämpfen); besonders an Frauen gefürchtet,
vgl. aghoracakBhur apatighny edhi Pdr. 1, 4. ^dnkh. g. l, 16. Das
jihmam cakahus schiefe Auge, (7a/. 1, 5, i, 20. ^dnkh. 1, 6, 2 ist
etwas Anderes und bezieht sich auf Übersehen, Nebenhinsehen.
476 Ge$ammUit2ung
8. Gegen Feldschaden.
1. Aufgingen die gluckbringenden
Doppelstern', Namens Vicfitau^ I
Sie mögen des Feldschadens Band*
auflosen, untre, obere! tt i II
Der ganze Vers kehrt in 3, 7, 4 und der erste Halbvers aacb
in 6, 121, 8 (vgl. Taitt Ar. 2, 6, s), beidemale resp. bei andrer Ver-
anlassung, wieder, s. meine Abh. über die Nakshatra 2, 291. 2di.
vicfitau ^die beiden Losenden^ ist der alte Name des später
mülabarhatjit, resp. müla allein genannten nakshatra^ s. ibid. 2, 394.
Unter kshetriya ist hier offenbar Feldschaden zu verstehen,
wie der Zusammenhang unsers Stücks erheischt^), während in
3, 7, 4 es sich wohl (s. unten bei 10} um eine gefährliche Krank-
heit handelt, vgl. Nak$h, 2, 292. Ind. Stud. 5, 145.'). — Nach J^auf .
26 veranlafst er (der Priester nämlich) unter Recitirung dieses Spru-
ches den Betreffenden, für den die Ceremonie gilt, „sich aufsen
(außerhalb der zu v. 5 genannten ^dlä?) zu baden*^ Q i>^^ begies-
sen^? ud agdtdm ity äpldvayati bahiff).
2. Hinschwinden möge jetzt die Nacht,
die Zauberspinnerinnen hin! I
Das Feldschaden tilgende Kraut
den Feldschaden hinschwinden mach' I II s tl
Bei Tagesanbruch zu recitiren, vyuchantydm Kaug, — abhikfU-
vartSy von ykart Cl. 7 spinnen, wovon auch kjityd^ Zaubergespinnst,
herzuleiten.
3. Mit dem Strohhalm der rothbraunen
Gerste, der silberstengligen.
Mit der Ranke der Sesampflanz —
das Feldschaden tilgende Kraut
den Feldschaden hinschwinden mach*. 11 s II
') auffällig freilich, dafs es bei Aatip. (26) unter den als hhaUkafydni,
Ueilsprtlche, verwandten Stücken (25 ff.) erscheint!
') in Bezug auf Kd^h. 15, 1 ist mir die Sache noch immer zweifelhaft:
idam aham amuahydmuahydyanasya kshetriyam avayaje (resp. apidadhdmt) hcif^t
es daselbst, und dies fuhrt eben doch auf eine Krankheit! aber der Sprucli
wird verwendet zur Opferung eines ausgehobenen Ameisenhaufens (ruA
mikarapdm uddhatya, s. hier Aauf . zu v. 3) ; und zwar geschieht diese in ein
Feuer, das auf svakrita irina, aufgerissenem unfruchtbarem Boden angelegt
ist, und dies fuhrt auf Feld schaden!
vom 30. Juni 1810. 477
^Die im Verse genannten Gegenstände, sowie einen Erdklofs
und einen Ameisenhaufen, die zu umcirkeln (und auszuheben)
sind, bindet man in einen Hodensack (?) den man zuvor einem leben-
digen Thier abgebunden (abgeschnürt) hat (?)^; nkantrokiam dkfiti-
lo8h(a(?yvalmikauparilikhyajivako8ha^yäm^) utsivya hadhndtij Kauf,
Die Castration durch Abschnüren geht auch bei uns wohl jetzt noch
neben der durch Schneiden einher. Meine obige Übersetzung ist
übrigens rein konjekturell ; über das, was weiter zu geschehen hat,
8. die Angabe zu v. 5. — Die Construktion des Verses ist ana-
kolathisch; man erwartet nach päda 3 etwa: ,}Wir den Feldscha-
den treiben fort^; der Refrain aber wog vor. Gerste und Sesam
sind offenbar die Hauptrertreter der Ackerfrüchte.
4. Yemeigung deinen Pflügen sei,
den Deichseln und den Jochen deinl I
Das Feldschaden tilgende Kraut
den Feldschaden hinschwinden mach'I lUll
„Hiermit begieüst er einen Pflug- Stier, über das Haupt^; üi
sirayogam (s. Kdty 5, 11, la yoga = balivardä) adhigiro ^vcksineati^
Kaug. Und zwar wohl mit dem Wasser, welches beim näch-
sten Verse erwähnt wird? oder mit dem, welches zu dem Bade
bei Y. 1 diente? Auffällig bleibt, dafs der Text stets nur von
einem Kraut (virudh)y nicht von einer Flüssigkeit spricht; es
bleibt somit ungewifs, in wie weit die Angaben bei Kaug. wirk-
lich für die vom Text im Auge gehabte Ceremonie maafsgebend sind,
s. Den Zwinkemd-äugigen, Auftrag' Ausfuhrenden Verneigung seil
Vemeigung sei dem Feldes-HerrnI I
Das Feldschaden tilgende Kraut
den Feldschaden hinschwinden mach' I II 5 II
„In einer leeren Halle') thue er (der Priester?) die (in v. 3
genannten resp. bei Kaug.y aufserdem noch dazu aufgeführten) Zu-
thatcn in Wasser hinein, (giefse dies) dann in eine alte Grube
(Cidteme?), die mit in der Halle gewachsenen (?) Grashalmen')
versehen ist, und lasse darin den Betreffenden (für den die Cere-
*) vgl. jivornä, Wolle vom lebenden Thier entnommen Käiy.d, 2, 16;
jicavisfiäna drgl. Hörn Pdr. 3, 7.
') ?('d/a ist nach dem schol. zu (^'a^. 3,1, 1,6 ein dirgka{m) catura$ram
griham „langes viereckiges Gebäude^.
^) oder handelt es sich etwa um Halme vom Strohdach, vgl. Hdla v. 320.
478 Ge8am}ntsitzunff
monie bestimmt ist) Wasser schlürfen und sich waschen (baden ?)^;
iti ^nyafdlätfdm apsu $ampätän dnayatyy uttaram jaraikhäte ia^dld-
tfine, tasminn dedmayaty dpldvayati, Kaug, 27. — Sind unter den
BanxBraBdkiha (sanisrasay ysrans, decidere) und aamde^ya ein-
fach nur die fleifsigen ^Diener^ gemeint, deren Augen Tor saviel
Arbeit gern zufallen möchten? wie ja in v. 4 in der That nnr die
einfachen Ackerinstrumente selbst aufgezählt sind. Es liegt dies
wohl am n&chsten. Indessen die Nennung derselben neben dem
kshetrasya pati^ genius fundi et loci (s. Pet. W. s. v.), legt an-
drerseits auch die Yermuthung nahe, dafs auch unter ihnen viel-
mehr ebenfalls Genien, und zwar gute, Kobold artige Wesen, zo
verstehen seien. — Zu dem kshetrasya pati s. noch Kd\h. 9, 17.
26, 1. 30, 4^) und vgl. den spätem kshetrapdla; in 12, l finden wir
eine kshetrasya patnL — Jedenfalls bietet uns dieses Stück, mag
man nun den Text für sich allein betrachten (Aufgang eines be-
stimmten Gestirns, Frühmorgen, Huldigung an die einzelnen Fak-
toren, Instrumente etc. des Ackerbaus) oder die von Kaufika hin-
zugefugten Einzelheiten (Lustration des Hausherrn, Einbinden von
Gerste, Sesam, Bodenkrume und Ameisenhaufen in den abgeschnür-
ten Hodensack (?) eines kastrirten Thieres (?), Lustration des
Ackerstieres ^ Bad des Hausherrn in einer alten Wassergrube) ins
Auge fassen, ein höchst interessantes patriarchalisches Gemälde dar.
9. Suchtenbrechen.
1. Zehnerlei Holzl lose ihn von dem RakshaSy
Von der grdhi^ die ihm gepackt die Glieder! I
Und fahre ihn, o Waldesherr I
Zur Welt der Lebenden, empor! Hill
Zehn Freunde (des Kranken) berühren diesen Spruch mur-
melnd, (zehn?) Holzsplitter; dofavfiksheti ^kalo (ffdkaldn?) da^
suhfido japanto ^bhimrigantiy KauQ. Was mit den Splittern weiter
') Wer da wünscht: ^ttaydin me jcuiatdydm fidhyeta^ »uiöge es mir
hier unter dieser Menschheit (in dieser Versammlung) wohl gehend der weiht
dem kshetrasya paH (neben Gaben an indra und puahan) ein Kömermafe icarv)
Kdth. 9, 17 (Ts. 3, 2, 1, 5); iyam (die Erde) kshetrasya patih,, asydm era
pratitishlhati ibid. ; iyam kshetrasya patis tend *syd ncuti K, 26, 1 ; asau (der
Himmel) kshetrasya pcUir^ amuto varshati K, 30, 4.
vom 30. Juni 1870. 479
zu machen ist, wird nicht gesagt; werden sie etwa vergraben? —
Aus dem Namen dafapfiksha^ aus v. 4, und aus der Zehnzahl der
Freunde (bei JTauf.) vermuthe ich, dafs es eben zehn ^dkala sind,
und zwar von verschiedenem Holz, wie denn dies Verfahren
auch in unserm Aberglauben ja noch ganz identisch erhalten
iat*). — Die zehn Freunde sollen dem Krankheitsd&mon wohl
Furcht einflofsen? — „Waldesherr^ d. i. Baum ist hier eine Meto-
nymie, das totum pro parte. — grdht^ Ergreifung, Packung, „eine
Unholdinn, w^elche die Menschen fesselt, Krankheit und Tod bringt;
Betäubung, BewuTstlosigkeit*' Pet. W. Der Traum (svaptia^ nicht:
Schlaf, wie im Pet. W.), der schwere Fiebertraum nämlich, ist ihr
Sohn Ath. 16, 5, i. Sie erscheint neben tamas Dunkel 2, 10, 8. IG,
7, 1, den kravyddä^ pi^dcds 8, 3, li, dem pdpman 12, 3, is; Bitte
um Hülfe vor ihrem pd^^ Strick 2, 10, 6 (neben dem der druh),
6, 112, 1. 2. 16, 8, 1, vor ihren vier bandha^ Banden 19, 45, 5.
2. Zurück kam der hier, wieder auf^
trat in die Schaar der Leb'nden ein. I
Werde Vater von Söhnen er,
und der Männer glückseligster! 11 2 tl
„Zurück kam er^ d. i. wieder zu sich, aus der Bewufstlosig-
keit, in die er bereits versenkt war. — Die vier Aoriste sollten
sich eigentlich auf Solche beziehen, die früher schon das Mittel
angewendet haben, dessen Wirksamkeit resp. als eine schon oft
erprobte verherrlichen. Aber das ayam weist auf die Gegenwart
bin, und muTs daher abhüt wohl in konjunktivem Sinn verstanden
werden. Ist etwa die Erfüllung des Wunsches eine so sichere, dafs
sie als bereits eingetreten, ja als der Vergangenheit bereits angehorig
bezeichnet wird? vgl. den ehrerbietigen Grufs im Drama: der
König siegt (Praesens, nicht Imperativ); sowie die grüf sende An-
rede durch dyttshmanty hhagavant^ welche Worter Einen der bereits
im Besitze langen Lebens, resp. des Glückes ist, bezeichnen,
während der Grufs offenbar doch nur bestimmt ist, diesen Besitz
dem Begrüfsten anzuwünschen.
0 8. Wattke, der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart (Berlin 1869)
§•538: 9 man bricht von neun verschiedenen Bäumen, die kein Steinobst
tragen, kleine Stücke, die unter Gebetsfonneln in ein Gefafs mit Wasser
geworfen werden; dadurch wird die Sucht des Kranken gebrochen.** vgl.
noch ibid. §. ISl und über neunerlei Kräuter ib. §. 120.
480 Ge$amnU$ttzung
3. Zur BeBinnang er wieder kam,
trat in der Leb'nden Wohnsitz' ein. I
Denn dem hier wohnen ein hundert
Ärzte und tausend Heilkräuter. II s II
Wahrend ayam in päda a. auf den Kranken, bezieht sich as^
in pädac. offenbar auf das Heilmittel , dem die Krfifte von 100
Ärzten, 1000 Kräutern einwohnen.
4. Die Gotter dich zu sammeln sahn,
die Priester auch, die Elräuter selbst I
Alle Götter zu sammeln dich
auf der Erde sahn (hin und her) II 4 11
Es müssen somit ziemlich erlesene Dinge, die schwer zusam*
men zu bekommen waren, in dem da^vfiksha-Mlttel vereint sein*);
daher denn auch seine grofse Macht (s. v. 3). In avidan liegt hier
noch die alte Bedeutung der ^ruf, video iSttVj vor.
5. Wer's gemacht hat, der bring's zurecht I
Es ist eben der beste Arzt I
Es soll eben die Heilmittel
dir verschaffen, als reinster Arzt. II s II
Das Heilmittel mufs hiemach wohl auch etwas schwer anzu-
fertigen gewesen sein? Wer es (schon einmal) gemacht hat, der
solFs auch jetzt wieder machen. Unter sa eva verstehe ich in
beiden päda, b. wie c, nicht den Yerfertiger des Mittels, sondern
das Mittel selbst; in pdda d. lese ich bhishajäm; der Instrumental
giebt keinen Sinn.
•
10. Segensspruch für einen Neugebornen (?).
1. Von kshetriyoy Nirfüi^ Fluch Verwandter,
Von der Druh^ von Varuna^^ Strick dich 15s' ich. I
Ich mache dich fehlerlos durch mein Spruchlied.
Beide dir sei^n, Himmel und Erde, gunstigt II i II
Dies ganze Stuck kehrt, mit verschiedenen Varianten aller-
dings^ im Taut, Br, 2, 5, 6, i-3 wieder, und zwar ist es nach dem
') Wuttke §. 121 „neunerlei Holz, zu Tielen Zauberzwecken verwandt»
wird von lauter in der alten Religion und im Aberglauben bedeutsamen Blu-
men und Strauchern entnommen, bes. Kreuzdorn, HoUunder, Taxus; es dürfen
nur Bäume sein, die kein Steinobst tragen. Dieses Holz wehrt bösen Zau-
ber ab und dient auch zur Erkennung der Hexen. ^
vom 30. Juni 1870, 481
schol. daselbst und der darin citirten Stelle aus Baudhdyana beim
Geburtsritnal (Jätakarman)^ beim (ersten) Waschen nämlich
des neagebornen Kindes, zu verwenden. Ob dies wirklich die
ursprungliche Absicht dieser Spruche hier ist, mufs indefs einst-
weilen noch unentschieden bleiben. Es ist im Wortlaut derselben
(8. im Verlauf) allerlei, was nicht recht dazu stimmen will.') —
Das erste Wort lautet im T. Br, nicht kshetriyät, sondern kshe-
triyai; und zwar ist nach dem schol. unter kshetrt eine den
Kindern nachstellende Dämonenspecies (bdlapadravakdrint kdcid
rakshcjdti^ kshetrt) zu verstehen. Im Pet. Wort. 5, 1352 wird nun
zwar jenes kzhetriyai als „entstellte Lesart^ bezeichnet; ich mochte dem
indefs nicht direkt beipflichten. Jedenfalls erscheint mir die dadurch
an die Hand gegebene Anknüpfung an ykshi, xTifvpu auch für kahe-
triya bei weitem der künstlichen Erklärung, die dies Wort schon
bei Pdnini gefunden hat (s. Ind. Stud. 5, 146), vorzuziehen. Höch-
stens wird auch ihr der Rang noch streitig gemacht durch die
von dem Schol, zum T. Br, beim letzten Verse, wo auch dort
kshetriyät gelesen wird, beigebrachte, zu der Verwendung des
ganzen Stucks beim jdtakarma trefflich passende Erklärung, wo-
nach nämlich darunter (kshetram garhhasthdnamy tatrotpannatvdt)
eine vom Mutterleibe {kshetram^ s. Pet. W. 2, 572) her dem
Kinde anhaftende Krankheit, ein erblicher Schaden somit be-
zeichnet sein soll. Nach Äth, 3, 7 wird das kahetriyam (neutr. v. 7)
durch Hirschhorn {harinasya visMnd) beseitigt, und sitzt im
Herzen des Betreffenden; eine Waschung ist nach v. 5 offenbar
daselbst auch damit verbunden, und zwar ist dieselbe des Früh-
morgens beim Heimleuchten der Sterne und der Morgenrothe vor-
annehmen, oder, wie bei dem mit gleichem Namen benannten
Feldschaden (s. oben p. 476), beim Scheine des Doppelgestirns der
Vicfitau (sowie eines andern vom Himmel wie ein vierbeschwingtes
Dach herableuchtenden Gestirnes). Wenn es sich daselbst etwa auch
um die Waschung eines Neugebornen handeln sollte^), würde die
') Auch die leider sehr dunklen Angaben bei Kauf, 27 stimmen nicht
üazQ, sie lauten: ksh, tveti catuhpathe kämpilafakaiaih parvasu haddhvd pin-
ptttbhir dpldcayaty avatincoH, „auf einem Kreuzweg, mit Ä:rt»ipt/a-Splittcni
{kämpUay Crinum, Amaryllacee Pet. W.), an den Gelenken bindend luit
Ualmbäscheln, läfst er (ihn, sicli) waschen und begiefst (ihn).''
^) Die leider ebenfalls sehr abrupten und dunklen Angaben bei Kauf. 27
488 Ge$ammt8itzung
Erklärung aus k$hetra^ Mutterleib, allerdings erheblich an Wahr-
scheinlichkeit gewinnen. — jdmi^nsa. Verwand tenfluch, Tgl. oben
p. 475. Da£s das Yerhältnifs zwischen den Blutsverwandten in
der Brdhma^chFenode theil weise ein ziemlich getrübtes war, dafür
liegt ein lukolenter Beweis vor in der praegnanten Verwendung
des Wortes bhrdtjrivya ,,Bruderssohn^, in der Bedeutung yon:
feindlicher Vetter, Nebenbuhler, Gegner. Auch wird der Feind-
schaft zwischen den sajdta und sahandhu h&ufig genug Erwäh-
nung gethan. Im T. Br, fehlt das Wort jdmi^^a hier, findet sich
aber im letzten Verse vor. — Die druh (s. Pet. W.) ist hier of-
fenbar wie im j^tib (und im Zend) als 'Namen einer feindlichen
Genie, nicht als appell. {drohdi^ schoL zu T, Br.) aufzufassen. —
Wenn es sich hier wirklich um ein neugebornes Kind handelt,
so könnte andgas hier nicht gut „snndelos, unschuldig*' sein (der
Begriff der Erbsünde fehlt ja den Indem), sondern sich nur auf
körperliche Gebrechen beziehen, die der Priester durch seinen
Spruch (hrahtnai^) beseitigt') Nun bedeutet aber andgas sonst
eben stets nur „sündelos, schuldlos^, und es frfigt sich somit in der
That, ob die Beziehung auf das Geburtsritual wirklich dem Verse
ursprünglich beiwohnt. Dafs der Priester durch seinen Spruch
einen Schuldigen entsühnt, und somit den Folgen seiner Schuld,
den Ejrankheiten nfimlich und dem Einflufs der hosen Genien ent-
zieht, ist ganz im Character des JLtA., der ja eben theils die Ge-
walt des priesterlichen Wortes auf das Höchste verherrlicht, theils
Krankheiten etc. als Folge sittlicher Vergehungen ansieht (vgl.
Grohmann in den Ind. Stud. 9, 405. 407-11); aber dafs er ein neu-
gebornes Kind entsühnen sollte, dafür fehlt ein jeder Anhalt.
Sprüchwörtlich heifst es ja gerade: „an ihm ist so wenig Sünde,
wie an einem essenden Kinde'', s. ^atap. 4, 4, 5, 23.
2. Heilbringend dir Agni sei mit den Wassern,
heilbringend auch Soma dir mit den Pflanzen I I
S 0 ich dich von kshetriya, Fluch Verwandter,
Nirfiti^ Druh, Varutjiä's Fessel löse. I
geben dazu freilich keinen Anhalt: hcurincuyeti bandhana'pdyand'^camafta
(^ndni?), famkudhdnajväknd 'vanakshatre (jtfdiebhdva^ Cod.) 'pomca/y, tani-
tamdtrdyält sakfidgfihUdn yavän dvapati, hhaktam prayachati. I
') der Text im 7*. Br. hat brahman^ (parivjri^ihdya jdtakarmädigcnus'
kdrdya schol.)} d. i. doch wohl: zum Wachsthum, Gedeihen.
vom 30. Juni 1870. 488
Ich mache dich fehlerlos durch mein Sprachlied
Beide dir sei'n, Himmel and Erde, gunstig I Hall
Unter $oma ist entweder der «omo-Saft oder bereits der Mond
zu verstehen. Das 21 Br^ hat dafür nochmals : Himmel and Erde. —
Der Refrain: y^9o ich dich. .^ fehlt in T. Br, and kehrt erst beim
letzten Verse wieder; mit Auslassang übrigens von Nirjriti^ wo
dann das Metrum anter Beibehaltung des hiesigen Versanfangs:
evdham tvd (das T. Br, hat aber evam aham imam) richtig ist, w&h-
rend dasselbe in der hiesigen Gestalt des Refrains eben drei Sil-
ben zu viel hat. Nun, bei solchen Refrainartigen Formeln pflegt
ja auf das Metrum keine grofse Rücksicht genommen zu werden,
s. Der Wind in der Luft geh' dir Starke heilvoll I
die vier Himmelsgegenden sei'n dir heilvoll! t
S o ich dich von ... II s II
4. Die vier Himmelsgegenden, die die Sonne
bescheint, des Winds Gattinnen, die da leuchten, — I
So ich dich von ... 11 4 II
Die beiden ersten pdda erscheinen als eine Ampliflkation des
zweiten pdda von v. 3 und hfingen offenbar mit pdda 1 . 2 von v. 5
aufs Engste zusammen, sind eben nur durch den solennen Refrain
davon getrennt; im T. Br.j wo dieser fehlt, ist der Zusammenhang
nicht unterbrochen.
5. In sie ich dich setze, in's Greisenalter.
fort hebe sich Nirjritiy weg die Schwindsucht! I
So ich dich von ... II 5 II
Statt jarasi hat T. Br, offenbar viel besser: jarase, zum
Greisenalter, jaradash^ir yaihd ^sat, wie es Qdnkh, g, 1, 27 bei einem
im sechsten Monat, Pdr, 2, l und Agv.g, 1, 17, lo bei einer im er-
sten oder dritten Jahre mit dem Kinde vorzanehmenden Ceremo-
nie heifst; vgl. noch unten 13, 1. 28, 1, wo ebenfalls für Kinder
um Leben bis zum Greisenalter gebetet wird.
6. Von Schwindsucht, Unheil and von Fehl erlost nun
du bist, der Druh Fesseln, der grdhi ledig. I,
S o ich dich von ... II 6 II
Die bisherigen Sprüche sind wohl während des Bades zu
recitiren, dieser and die folgenden Verse dagegen nach demselben.
Der Refrain (resp. das Praesens darin) padst nunmehr freilich
gar nicht mehr recht. — duritdt und avadydt weisen eigentlich
wohl wieder auf moralische Schäden hin, passen somit nicht
484 QesaiumUitzung
recht zu dem jätakarman. — Statt avadydt hat T. Br. avart^ai
was der Schol. mifsverstandlich durch a-varti (ddridrya, Armatb;
als ob avfitti dastfinde) erklfirt, während es doch als ^va-jiti (5.
Pet. W.) aufzufassen ist.
7. Zurücklassend Ungunst, gewannst du Heil dir,
Tratst ein in die glückliche Welt der Gutthat. I
So ich dich von ... II 7 11
Auch hier hat T. Br, avartim (statt ardthn), — Das „Eintre-
ten in die Weit der Gutthat^ will auch zum jdtakarman nicht
recht passen, sondern fuhrt auf Einen, der bisher übel gethan
hat, nun aber durch die Ceremonie entsühnt ist.
8. Vom Dunkel, von grdhi die drein verfairne
Sonne befrei'nd losten vom Fehl die Götter. I
S o ich dich von ... II 8 11
Auch dieser Vers weist so entschieden auf ein €nas, also eine
moralische Verschuldung hin, dafs es zum Mindesten schwer fiilt,
denselben als ursprünglich für ein jdtakarman bestimmt anfzufassea.
Andrerseits pflegt die Sonne nfinsternifs, auf die hier offenbar
angespielt wird, in den Erdkma^-Texten sonst auch nicht gerade
auf eine Verschuldung der Sonne zurückgeführt zu werden, wird
vielmehr einfach auch nur als ein Unglück derselben bezeichnet.
Man konnte nun wohl fragen, ob nicht unser ganzes Stuck etwa
ursprünglich eben gerade dieser speciellen Veranlassung entstammt,
resp. bestimmt sei, bei dem Eintreten derselben recitirt zu werden?
Dem steht aber entgegen, dafs man dann jedenfalls wohl eine all-
gemeinere, nicht blos wie hier auf ein Individuum beschrankte
Entsühnung zu erwarten haben würde. Es ist daher in der Tbat
die Sonnenfinstemifs hier wohl eben nur als Beispiel herangezo-
gen; T. Br. liest denn auch yat statt a<Mt, und der Schol. erklärt
dies durch yathd, — Derselbe fuhrt zugleich ad rem eine brdhmana-
Stelle (Ts. 2, 1, 2, 1; ebenso Panc, 23, 16, 2) an: suvarbkdnur («rar-
bh, vd Panc) dsura^ aüryam tamasd ^vidkyat, tasmai devd^ prdya^-
dttim aichann iti. Der Eingang derselben findet sich identisch im
Kdth. 12, 13 (svarbhdnur vd di, $, /. 'v.)^ doch heifst es dann wei-
ter: sa na vyarocata, tasmdd devds tamo ^pdlumpan; ebenso 27, 2
und ähnlich im Pancav, 4, 5, 1 (jtam devdh svarair aspfiffvan). Et-
was abweichend lautet die Darstellung im (^. 5, 3, 2, s: svarbhd-
nur ha vd dsurajj. süryam tamasd vivyddha^ sa tamasd viddho na
^arocata, tasya somdrudrdv evaitat tamo ^pdhatdm. Im Pancar,
vom 30, Juni 1870. 485
14, 11, u ist es Atri, der die Finsternifs durch das bhdsam (säfna)
vertreibt. Endlich im Qdfikh. Br. 24, 3. 4 sind es die Atrayas^
denen dies durch die drei dem vishuüant-T&ge (Sommersolstiz) vor-
hergehenden 9var€i8dman'T&ge gelingt, und zwar beruft sich der
Text dafür auf J^iÄ; 5, 40, 9. Und hiermit gelangen wir denn zu
jenem interessanten j^tÄ;-Hymnu8, der in der That (v. 5 — 9) die
Befreiung der Sonne von Svarbhänu theils dem Indray thcils dem
Atriy theils den Atri zuweist (vgl. hierzu noch Ath. 13, 2, 4. la. se),
und zwar eben wohl der Kraft seiner, resp. ihrer Gebete (Jbrdhmdniy
s. ^ik 5, 2, 6. 39, 5 giras). Unstreitig sind dies rein mythische,
kindliche Auffassungen des betreffenden Vorganges, baar irgend-
welchen astronomischen Verständnisses desselben! ganz entspre-
chend jenen naiven Legenden der Erdkmana^ wonach die Sonne
vom Himmel zu fallen drohte und erst durch bestimmte Metra
daran befestigt ward, s. Ind. Stud. 8, 11. 42. 55. 9, sssfT. — tamaso
grdhyd adhi liefse sich allenfalls auch übersetzen: „aus dem Dun-
kel der ffrdhi^ und man könnte bei grdhi etwa an eine hose
Genie denken; ich ziehe indessen vor, auch hier das Wort einfach
als Name einer Krankheit zu fassen, da es einmal sonst hier im
Ath. (s. z. B. oben bei p. 478) nur in dieser Bedeutung vorkommt
11. Das srdktya'Amulettj als Gegenzauber.
1. Du bist Verderben gegen Verderben, Lanze gegen Lanze,
Waffe gegen Waffel I
Erreiche den, der hoher steht! Schreite weg über den,
der dir gleich steht! II i II
In dieser in Prosa abgefafsten Formel ist durchweg der erste
Theil jedes Spruches an das Amulett, der zweite, die Form eines
Refrains habende Theil dagegen an den Träger des Amuletts ge-
richtet. — Nach Kauf. 39 bindet er (der Priester) dem Betreffen-
den hiemit den srdktya (n&mlich marit) um ; er läfst vor dem Feuer
ein röthliches Rind, hinter dem Feuer einen rothen Ziegenbock
schlachten, um Brühe und Fleisch davon zu gewinnen.') Es ist
somit wohl eine Art Opferschmaus hiermit verbunden. — Über den
^) aräktyam badknäti, purastäd agneh pi^amgagdm kdrayati, pafcdd
agner lohUdjam yu»kapipt&rtham. Zu der praegnanten Bedeutung von kära-
yati „schlachten lassen* vgl. Ä^. g. 1, 24, 31. Kaup. 92. Pdr. 1, 3.
486 Gesammtsitzung
Stoff des mofit wird nichts gesagt; dem Namen nach ist er woLl
als „vielkantig^ {srakti^ Ecke) su denken; etwa ein geschlif-
fener Edelstein oder Krjstall (s. v. 5), der als Amulett an
einem Bande um den Hals getragen wird und an dessen Kanten
alles Üble abprallen soll.
s. Du bist kantig! du bist ringförmig! du bist gegenxaabemd. i
Erreiche den ... II s II
pratisara, in sich zurücklaufend; von der Amulettschnnr s. PetW.
3. Schleudre den Zauber zurück auf den der uns hafst, den
wir hassen, i Erreiche den . . • H s II
Kräftig hassen und fluchen konnten die Inder dieser Zeit!
Dafür legt ihr ganzes (rauto- wie gfihya-Bitual vollgültiges Zeug-
nifs ab! s. oben p. 474. 475. Unsere Priester haben ihr: ana-
thema siti ja auch noch nicht verlernt.
4. Du bist schaffend! du bist Kraftgebend! du biat Leib-
schützend ! I Erreiche den • • . N 4 I
süri von ysü^ zeugen, zeugnngskräftig? als Name des Wei-
sen, Dichters (wie später) besser wohl: der Schaffende, Schöpferi-
sche? (vgl. 9roii;ry;c). Oder kommt das Wort von ysvar^ leuch-
ten? dagegen spricht hier der Inhalt dieses und des nächsten Verses.
5. Du bist flammend! du bist strahlend! du bist Glanz! du
bist Licht! I Erreiche den ... H s H
12. Schwur, mit Feuer-Ordale verbunden.
1. Der Himmel, die Erde, der weite Luftraum,
die Feldes-Frau, Vtshttu^ der wundersame, I
Und der weite Luftraum, der Windbeschutzte, —
Die mögen hier brennen, wenn ich mich brenne! Hill
Dieses Stück, welches offenbar zu einem Feuer-Ordale gebort,
ist bereits von Dr. Emil Schlagjntweit in seiner Abb. über die
Gottesurtheiie der Inder (München 1866) p. 13 — 19 übersetzt und
behandelt worden. — In v. 1 werden die drei Welten, und ihre
drei gottlichen Hüter zu Zeugen angerufen, oder vielmehr eigent-
lich verwünscht, wenn sie etwa — was aber eben unmöglich —
falsch Zeugnifs ablegen sollten. Dabei ist die Aufzählung der drei
Hüter eine ganz ungewöhnliche. Man erwartert einfach Ägniy F/zy»,
Sürya genannt zu finden. Aber statt des Agni erscheint der Erd-
genius selbst und zwar in weiblicher Gestalt, als kshetrasya
I
i
vom 30. Juni 1870, 487
patnt; statt des Sürya erscheint Ft«Afiii, und zwar nur unter
seinem solennen Beinamen urugdya^ der weithinschreitende; und
statt des Väyu wird der Luftraum selbst nochmals und vdta nur
nebenher, im Beiworte, genannt^). — ta iha ist zweisilbig zu lesen,
a. Hort ihr Gotter dies^ die ihr opferwurdigl
Bharadväja singt für mich seine Lieder. I
Gebunden in Bande verfall* dem Unheil,
wer da irgend hier meinen Sinn antastet. II s II
fjitfuta zweisilbig, ebenso ^ansati; also wohl gruta, gansat zu
lesen? — Ist etwa Bharadväja hier (und 19, 48, e) appellativisch
aufzufassen, als Name des Priesters? oder ist wirklich der alte
T%6U und j^tilr-Sfinger dieses Namens gemeint? — yo asmdkam mana
idam hinasti, wortlich: wer diesen meinen Sinn beschädigt, d. i.
diesen meinen Schwur antastet, mein Wort bezweifelt. Gramma-
tisch wäre auch die Construktion möglich: wer von uns diesen
Sinn beschädigt, d. i. etwa: diesen Vertrag bricht; doch pafst dies
nicht zu der individuellen Färbung der andern Verse, die ausdrück-
lich (auch V. 4) nur Einen als den wirklich Schwörenden hinstel-
len. — yhihs ist offenbar ursprünglich ein Desid. von yhan, wie
niksh, pit8 etc.; aber schon früh vom Sprachgeist verkannt und ir-
ri g als Wurzel der Gl. 7 flektirt. — yujycUdm ist zweisilbig zu le-
sen; ob etwa yujydm mit Ausfall des t, wie in duhdm für dugdhdm,
ebenfalls 3 sg. Imp.; oder ist etwa das Ätm, yunktdm^ in passiver
Bedeutung, in den Text zu setzen?
3. Dieses, Indral höre du, <Of?ki-TrinkerI
warum ich dich rufe mit heifsem Herzen I I
Ich schlage den, wie mit der Axt *nen Baumstamm,
wer da irgend hier meinen Sinn antastet! II s II
In pdda 1 fehlt eine Silbe; ich schlage vor tvam hinter so-
mapa einzufügen. — Statt vrigcdtmi des Textes liegt es nahe, t^ft-
^) Man denkt bei dieser Aafzählang unwillkürlich an die »ha4 urvts,
^e sich im Ritual mehrfach ähnlich (s. Pet W. unter tim), obschon aller-
<liiig8 denn doch erheblich verschieden aufgezählt finden (s. f^ai. 1, 5, 1, 22.
^kh. 1, 6, 4), im Rik resp. wie im Ath. (s. 10, 7, 38) vielmehr von den vier
Himmelsgegenden und dem Oben und Unten verstanden werden. Im Kd(h,
37, 10 stehen indefs die ahc4 vrvia neben den pcmca pradigaSf and in 40, 10
erscheinen gar: traytah (1) aha^ urvia (die Farallelstelle Rik 10, 128, 5
hat devth ah, «.)•
[1870] 34
488 GesammtsUzung
fca 'bhi zu lesen, so dafs dies eben die Bitte wäre, um derentwillen
Indra so inbrünstig angerufen wird; kuli^a wird ja eben gerade
auch von Indrä^B Waffe, dem Donnerkeil, gebraucht Indessen da
in der Chdndogya Upanishad 8, 16 ausdrucklich das Tragen einer
geglühten Axt als Feuer-Ordale (für einen angeschuldigten Dieb)
erwähnt wird, so läfst sich auch die 1 p. sg. „ich HUle mit der
Axt hier den, der mich fälschlich anschuldigt,^ trefflich verwerthf'n.
und wird uns resp. dadurch sogar wohl die Erklärung dafür ge-
boten, warum man gerade eine glühende Axt Ton dem Angeschul-
digten zu seiner Reinigung tragen läfst Oder dient etwa die Axt.
s. V. 7, wenn sie wieder erkaltet ist, zur Hinrichtung des FreTlers,
wenn er sich schuldig gezeigt hat? Indra würde dann eben nur
als Zeuge und Beistand angerufen.
4. Und mit dreien Achtz'gen von c^ina-Sängern,
Mit den Adityay V<uu, Angiras hier — I
Es schütz' mich die Seligkeit unsrer Väter —
mit gottlicher Gluth nehm' ich diesen an mich. II 4 D
Die dreimal achtzig (240) «(fma-Sänger sind wohl die mensch-
lichen, die Aditya, Vaau, Angiras und die Manen die gottlichen
Eideshelfer des Schworenden, der mit diesem Verse offenbar wohl
ein glühendes Beil (amuniy diesen) in seine Hand nimmt; Tgl.
eben Chdndogya üp, 1. c. — Die grofse Zahl Ton 240 Eidesbelfem
befremdet zunächst^); jedenfalls kann es sich demnach hier nicht
um einen einfachen Diebstahl, sondern es mufs sich wohl um dea
Schwur, resp. die Reinigung einer hochstehenden Person handeln.,
Schlagintweit führt (p. 16) einen analogen Fall aus dem Ditb-
marsischen an, wo es sich um 30 x 12 Eideshelfer handelte. —
Die „Achtzig*^ scheint eine gewisse Rolle gerade im Feuer-
Ritual zu spielen; es ist mir wenigstens auffallig, dafs ich ihr em^
solche eben fast nur in den Büchern des faiap, Br, zugelheiU
finde'), welche sich auf die Schichtung (Aufmauerung) des heili-
gen Feueraltars (agnicayanam) beziehen; vgl. annam a^ttih (etv*
1) za Tgl. sind etwa die zehn Freunde, die nach Kauf^, 27 bei de
j, zehnerlei Holz* mithelfen, s. oben 9, 1.
>) eine Stelle im zweiten Buche 2, 3, 3, 19 aasgenommen, wo es si'
nm 720 Achtzige von /**c handelt, die resp. aber auch ebenfalls bei eln€i
Feuer Opfer erwähnt werden, bei dem agnihotra nämlich, früh und Abenc
die 360 Tage des Jahres Aber, zu recitiren sind.
I
vom 30. Juni 1870. 489
mol. Spiel mit '^a^ 8, 5, % 17. 9, 1^ 1, 21, gdyatrya^itif^ 8, 6^ 2, 3.
9, 1, 1, 31.44. 3, 3, 19, r^ga^tiJ^ 9, 6, 1, 63; je dreimal achtzig
ishfakds 10, 4, 2, 6.10, einhundert und achtzig ishfakäs 10, 4, 2, 6,
achtzig weniger zwei (78) dgl. 10, 4, 3, 13; die acht Metra ent-
halten dreimal achtzig (u. 45) Silben 10, 1, 2, 9; alle drei Veda
enthalten in summa 10800 Achtzige (von Silben n&mlich) 10, 4,
2, 25; in jedem muhürta erlangt man eine dgl. Achtzig, in einem
«Fahre somit die ganzen drei Veda ibid. und ka^4' 30. Sollte etwa
das etymologische Spiel, welches offenbar in der Gleichstellung der
Nahrung (annam) mit c^H {^ag verzehren), s. oben, vorliegt, auch
bezugfi dieser eigenthümlichen Vorliebe zur Rechnung mit Achtzi-
gen^), ap»<i, bei das Feuer betreffenden Handlungen und Anga-
ben anzunehmen sein? da ja das Feuer eben auch wiederholt als
das verzehrende {attar) bezeichnet wird? — ^Mit gott lieber
Gluth% so dafs er dadurch die Oluth des Beiles überbietet?
5. Himmel und Erd'I blicket hier hinter mir drein!
All ihr Götter! fasset mich hinterdrein an! I
Ihr ÄngirasI ihr «oma-würd'ge Väter!
In Unheil geh', wer des AbscheulVhen Thäterl II 5 II
didkitkäm metri caussa für didhiyäthäm. — Die vi^e devda sind
hier wohl noch wirklich „alle Götter^, nicht die besondere, die-
sen Namen sekundär führende Göttergruppe. — Über das hinter-
drein-Anfassen 8. Ind. Stud. 9, 21; wer es thut, nimmt dadurch
Theil an dem Geschick dessen, den er anfafst — Alle diese Ge-
nien also werden von dem Angeklagten als Zeugen seiner Unschuld
angerufen.
6. Wer uns etwa, o ihr Marutf, verachtet,
Oder unser heiliges Werk hier tadelt, — I
Glühend solFn dem sein seine Übelthaten,
Der Himmel den Feind heiTger Werke glühe! II 6 II
1) Sonst ist es, und zwar auch schon ans alter Zeit her, die Zahl 84,
welelie bei Aufzahlungen als besonders beliebt erscheint und u. A. auch noch
ur <üe territoriale Eintheilung des heutigen Indiens Ton Bedeutung ist, s.
'^Uiot memoirs on the northwestem provinces of India 2, 47 ff. (cd. Beames^.
^uddhaghoaas Comm. zum Dhammapadam (ed. FausböU) bietet zahlreiche
^le^e för die Solennität der Zahl caturäsiti, vgl, z. B. p. 94. 99. 129. 130.
4.4 eto.; s. auch meine Abh. über die Bhag<tvatt 1, 427 n.
34»
490 Gesammtsitzung
Dieser aas ^ik 6, 52, s mit einigen Varianten entlehnte
Sprach ist wohl, wie die beiden folgenden, in den Mund des Prie-
sters zu legen. Bisher sprach der Angescholdigte, seine UnschaM
betheaernd. Nunmehr aber wird er selbst angeredet, und in qd-
serm Verse hier ihm die Heiligkeit der Handlang krfiftig zu Ge-
muthe geführt^); er solle nicht etwa gering davon denken, son-
dern sich der Hoheit und Reinheit derselben wohl bewuTst sein.
7. Die sieben Odem, acht Marke, die zerhau' mit dem Spruch ich dir! i
In Tamd'a Wohnung tratst du ein, vom FeuV entboten, zage-
rustH. II 7 n
Die 7 prä^üj Odem, sind die 7 ^rshanyä^ prä^^ Augen,
Ohren, Nasenlöcher und Mund ; die acht Marke sind die je zwei Ober-
und Unter- Arme, Ober- und Unter-Beine. Alles dies zerhaue ich
dir (hier mit der Axt), wenn du falsch schworst! Du bist dem
Tode verfallen, wenn du das Ordale nicht bestehst
8. Ich setze deinen Tritt hinein in das entflammte Feuer nun! I
Die Flamm' verzehre deinen Leib! OdV ein zum Leben
geh' dein Wort! UsN
Der Wortlaut des Verses verlangt somit wohl ein Durch-
schreiten des Feaers; und es fragt sich nun, ob dieser Vers, der
wie der vorige in einem andern Metrum (anushfubJi) j als die frü-
heren Verse {trishpibh) abgefafst ist, wirklich von vornherein mit
zu unserm Stücke gebort hat, oder erst sekundär hinzugekommen
ist. Im erstem Fall müfste man annehmen, dafs zu der einen
Probe, die nach v. 4 in dem Erfassen eines glühenden Gegenstan-
des, vermathlich einer Axt, bestand, nunmehr noch eine zweite
Probe, eben das Hineinschreiten in Feuer, hinzutrete. Eine dgl. Cu-
mulation ist aber eben doch sehr bedenklich. Ich meine somit,
dafs es sich hier um eine sekundäre Zuthat handelt'), die eben
') im Hik ist der Vers offenbar in einem allgemeineren Zasammenhang
stehend.
') es verdient hiebei Bemerkung, dafs die grofse Mehrzahl der
Stücke des zweiten Baches nar fünf Verse zählt, daher es ja auch in Athar-
vctparip, 48, 10 (und Ath, 19, 23, 2) nnter dem Namen der jttincareds an-
gerufen, resp. benedicirt wird, s. Ind. Stud. 4, 433. Jedenfalls wird hier-
durch für die mehr als 5 Verse zählenden Stücke die Annahme von am
Schlosse gemachten Zusätzen nahe gelegt, resp. zum Wenigsten sehr er-
leichtert.
vom SO. Juni 1870. 491
das Stuck auch für diese zweite Art der Feuerprobe nutzbar
zu machen bezweckte. — jätavedasi; das Feuer ist hier ab»
sichtlich gerade mit diesem Namen: ^aogebomes Wissen habend^
bezeichnet, weil es eben durch ihn als Zeuge der Wahrheit quali-
ficirt wird. — Das zweite Hemistlch enthält offenbar zwei Even-
tualitäten: entweder das Feuer verzehre') deinen Leib, oder
dein Wort zeige sieh als wahrhaft, gehe, resp. führe dich, ins Le-
ben ein. — Eine ganz andere Auffassung von v. 7. 8 hat Groh-
mann gegeben, s. Schlagintweit 1. c. p. 19; dieselbe betont filr
padam die Bedeutung „Fufstapfen^ und bezieht die Verse auf
einen Sudzauber mit einem ausgehobenen dgl., um dem Betreffenden
ein böses Bein anzuhexen. Dagegen spricht indessen zunächst der
Zusammenhang, in welchen diese Verse doch offenbar hier zu den
vorhergehenden gesetzt sind. Auch ist die Bedeutung: Tritt,
Schritt flr padam jedenf^ls ebenso beglaubigt (wenn nicht über-
haupt die frühere), als die von: betretene Stelle, Fufstapfen. Es
ist femer in v. 7 von der Vernichtung des ganzen Menschen,
nicht blos von einem bösen Beine die Rede. Endlich hat schon
Schlagintweit bemerkt, dafs in v. 8 te aus pdda 1 (so wie für fa-
riram in päda 3, so wohl auch) für väk in pdda 4 noch fortgilt.
„Ans Leben gehe (dir mein) Wort^ (wie Gr. übersetzt), kann
jedenfalls asum vdg apigachatu in keinem Falle bedeuten, und es
ist eben dieser letzte pdda geradezu entscheidend gegen diese ganze
Auffassung Grohmann's (für die er sich ja im Übrigen nur auf
ein analoges Sympathiemittel aus der Umgegend von Braunau
stutzt).
13. Investitur eines Jünglings.
1. Lebenspendend, werbend ihm Greisenalter,
Ghee im Antlitz, Ghee auf dem Rücken, Agni! I
Und Ghee trinkend, Honig und süfse Kuhmilch,
Wie'n Vater die Söhne, beschütz' hier diesen ! II i II
') vtüeshpji; yvish Cl. 3, eig. wohl nur eine Weiterbildung von yvas
Cl. 2 bekleiden (vgL veeka. Kleidang; yveshf); weiter entwickelt zu der Be-
«ieutnng Ton : jem. bedienen, ihm aufwarten, speciell beim Essen. Hier mufs
(las Verbum resp. wohl als reflexivum gefafst werden, um (vgl. Westergaard)
die Bedeutung: verzehren zu gewinnen; an ^vif einkehren oder eindrin-
gen, wie Schlagintweit und Grobmann übersetzen, ist hier nicht zu denken.
492 Gesammtsitzung
Nach Kaug, 53. 54 gehört dieses Stück zu der goddna gt:-
nannten Ccremonie, welche (s. Pet. W.) ^im 16 ton oder 18tes
Jahre eines Jünglings, beim Eintritt der vollen Mannbarkeit nni
kurz vor seiner Yerheirathung mit seinem Barte vorgenommen
wird.*^ Das Ritual derselben wird in den gfihyasütra und specitl.
eben im Kau^kasütra sehr ausfuhrlich geschildert Näher daraci
hier einzugehen, würde uns zu weit führen, zumal aus dem TexU
des Stückes nicht einmal mit voller Sicherheit hervorgeht, dafs der-
selbe wirklich gerade diese Ceremonie im Auge hat; es fehlt ebes
darin jede Beziehung auf den Bart und handelt es sich vielmebr
darin speciell nur um die Bekleidung des Jünglings mit einem
(neuen) Gewände, die im gfikya-Riinal freilich ja auch einen Theii
des godänam bildet. Ich entlehne dem Kaufika daher nur die un-
mittelbar auf die Verwendung der einzelnen Verse (zwiscben
welche dort noch viele andere eingeschoben werden) bezüglichen
Angaben. Mitv.l also werden^) dem Jüngling die darin genann-
ten Flüfsigkeiten (Ghee^ Honig, Milch) über das Haupt gegossen,
unter gleichzeitigem Eingufs von Ghee in das Feuer, welche?
dem entsprechend um Schutz für den Jüngling angefleht wird.
Der Vers findet sich wieder in Vs. 35, 17; die dortigen Lesarteii
sind offenbar die ursprünglicheren {dyushmdn agne havishd vfidhdno.X
die hiesigen der Gelegenheit angepafst — jarasam vfindnah,
für ihn um Greisenalter werbend, es ihm von den Göttern erbit-
tend? 8. oben 10, ö. — Metrumshalber ist pitvd dreisilbig, raksha-
tdd imam viersilbig zu lesen.
2. Umhüllet ihn, hüllt ihn uns ein mit Thatkraft!
Lang Leben ihm schafft, Tod durch Greisenalter! I
Bfihaspati hier dies Gewand darreichte
dem Könige Soma^ dafs er es umthu'. II s II
Nachdem dem Jüngling Haupthaar und Bart geschoren, di-/
Nagel beschnitten, er gebadet und gesalbt ist, läfst er (der Prie-
ster) ihn unter Recitirung von v. 2 u. 3 mit einem ungetragenen
Gewände umhüllen^). — Diese beiden Verse (2. 3) sind es viel-
leicht, die im Kaug, 79 unter dem Namen der paridhdpaniy
' ) djyam juhvan murdhni samjydtdn dnayati, Kauf.
') uptakegagmap^m kritanakham dpidvayati . . . anakti . . . ntkaü^
ahatena vasanena paridhdpayati Kauf, 54.
rot» 30. Juni 1870, 493
erscheinen, wenn daselbst nicht etwa zwei andere Ähnliche Verse
(14, 1^45. »3) gemeint sind; vgl. Ind. Stud. 5,404.405. Der An-
fang onsers Verses hier findet sich, mit der Variante vdsasd statt
varcasd^ bei Gobhila 2, 1, 18 beim Hochzeitsritual wieder, und zwar
bei Umhüllung der Braut nach dem Braatbade, der weitere Ver-
lauf mofs somit dem entsprechend etwas differirt haben. Völlig
identisch dagegen kehrt der Vers in Äth. 19, 24, 4 zurück, var-
cas scheint mir mit yvarj (vfijand) und varezj wirken, «^7 in Ver-
bindung zu bringen; wir haben zahlreiche Fälle, wo im Auslaut
tenuis und sonans in derselben Wurzel variiren, so z. B. arj^ arc;
paj^ pag; marjy marg; gad, gat etc.
3. Du hast dies Kleid umgethan dir zum Wohlsein!
Wardst Schutz so vor Hexenwerk unsren Färsen! 1
Lebe du nun hundert vielartge Herbste!
Und hülle dich ein in Qedeih'n des Reichthums. 11 s 11
Dieser Vers ist in Ath. 19,24,5.6 nebst zwei andern pdda zur
Herstellung zweier Verse verwendet, so zwar dafs daselbst v. 5
nur einen andern Anfang (: geh wohlig zum Alter! thu dieses
Kleid uml), v. 6 dagegen theils in pdda 2: unsre Kühe (statt un-
sre F&rsen) theils einen andern Schlnfs hat (: vertheile lebend gü-
tig deine Schätze!). — Der Jüngling tritt durch diese Investitur of-
fenbar als vollberechtigtes Glied in die Familie ein, nimmt an ihren
Sorgen nun selbständigen, aktiven Antheil. Das „Jungvieh*^ wird
resp. speciell seiner Obhut anempfohlen. — Die Rechnung nach
Herbsten, nicht nach Regenzeiten, ist verhältnifsmäfsig alterthüm-
licb, s. Ind. Stud. 1, 88. 5, 194; sie findet sich in den von den
grihyasütra citirten Versen fast durchweg vor.
4. Komm' her und tritt hier auf den Stein!
(fest wie) Stein werde nun dein Leib!
Die Allgötter sollen verleihn
hundert Herbste als Leben dir! II 4 II
Nach dem Kaug. läfst er (der Priester) hiermit den Jüngling
mit dem rechten Fufse eine Scheibe von Stein (?) betreten^). Die
übrigen gfihyasütra haben beim goddnam nichts hiervon, kennen
resp. diesen Vorgang nur bei der Hochzeit, wo die Braut bei
zwei verschiedenen Gelegenheiten dazu veranlafst wird, s. Ind. Stud.
0 dakshinena pddend ' gmamaftifala/n dsthapya.
494 Gesammtsitzung
5, 201. 318. 383. 387 — 8. Eine dem Sprach: agmd bhavatu ie tanu^
etc. analoge Formel aber findet sich im Qatap, Br. 14, 9, 4, 26 beim
Geburtsritual vor: agmd bhava paragur hhava . • , I dtmd tai
putra ndmd '«t sa jiva garada}^ gatanu — Das Betreten oder
Überspringen eines Steines kommt noch mehrfach im Ritual vor.
ft. Wenn wir dir jetzt rauben das erste Kleid hier,
so mögen dich die Gotter all beschützen! I
Und hinter dir, froh gedeihend, wohlgestaltet,
dir noch viele Brüder geboren werden I II & II
Hiermit raubt er (der Priester) dem Jüngling das eben erst
urogethane Gewand, nachdem er ihn zuvor nach rechtshin um das
Feuer herumgeführt. Er umhüllt ihn darauf unter Recitation von
Äth, 1 3, 1, 16-90 mit einem andern noch nicht getragenen Kleide. ^ ) —
Für dieses Rauben des Gewandes weiTs ich gar nichts Analoges;
auch bleibt mir die symbolische Bedeutung des Aktes unklar. Soll
der Jüngling etwa durch diese zeitweise Entblöfsung dem Schutze
der Götter ganz besonders anempfohlen werden? darauf führt etwa
der Wortlaut des ersten Hemistichs. — Der Inhalt des zweiten Hemi-
stichs bezeichnet den Jüngling wohl als den Erstgebornen? resp.
als einen Solchen, der einstweilen noch keinen Bruder hinter sich
hat, und man mochte hiernach das Stück als ursprünglich nicht
für die ^oe/dna- Ceremonie, sondern für ein früheres Lebensalter,
das ciu4dkarman etwa'), bestimmt ansehen; aber freilich damit will
wieder v. 3 nicht recht stimmen, der vielmehr entschieden nur auf
einen erwachsenen Jüngling pafst. — Im ersten pdda ist durch
vyüha eine Silbe zu gewinnen, wofür sich verschiedene Eventuali-
tfiten bieten. In pdda 3 ist bhrdtara^ zweisilbig zu lesen.
14. Segen gegen Hauskobolde.
1. Die Dreiste^ Z&he, Ausspring'nde (?), Eintönige, Gefräfsige I
Alle Niftel des Grimmigen, die Saddnvds vernichten wir. II i It
Dies Stück gehört zu den in Kaug. 8 unter dem Namen cd-
') pradakshinam agnim anuparxntyd *thd ^sya vdso nirmuBhndii yasyn
t'e vdsa ity etay&t *thain<xm aparendhatena vcutuiend *^chddayaty ayam raste
g, p. iti pancdbhihf Kmng,
') bei welcher Ceremonie die gjrihyeuutra in der That die Umhüllang
dea Kindes mit einem neaen Gewände ebenfalls erwähnen.
vom 30. Juni 1870. 495
iandni aufgeführten Spruchen zur Verscheuch ung böser Gei-
ster; ibid. 9 erscheint es neben den mfigdrasüktdni (Reinigungs-
Hymnen?), und es wird bei Kaug. auch sonst noch mehrfach er-
wähnt. Nach ibid. 72. 82 findet hiermit eine Besprengung des Haus-
ein ganges mit Weihwasser statt {iti gdldniveganam samprokshatt),
— Ich vermuthe, dafs wir unter den hier namhaft gemachten Un-
holdinnen Ratten und ähnliches Haus-Ungeziefer zu verstehen
haben. — nüsdld ^die aufserhalb des Hauses ist^ Pet. W.; ich
möchte das Wort lieber wie oben fassen. — dhfishnum als Accus.
Fem. ist immerhin auffällig. — Für disha^äm möchte ich geradezu
dhishandm lesen; von den vier Strichen der Silbe i^ geht in der hand-
schriftlichen Überlieferung leicht einer verloren; ich erkläre das
Wort aus einer alten Des. Form von ydkd, festhaltend, zähe. —
ekavddyd^ eintönig; ob etwa der Holzwurm? der ja bei uns
auch die Todtenuhr heifst, somit als unheimlich genug gilt, um
hier mit genannnt sein zu können. — napti Niftel, Nichte; Toch-
ter, Enkelinn. — cant^^^ Name eines Hauptkobolds (Rattenkönigs?),
oder etwa des Rudra^ dem ja die Mäuse, Ratten etc. zugehören?
Can4ja ist später ein Name des aus Rudra entwickelten ^iva. —
^addntsd würde ich am liebsten in aadd-nvä theilen, wenn mit
nvd nur irgend etwas Leidliches zu machen wäre. Die im Pet. W.
aufgeführten beiden Wurzeln nu ergäben die Bedeutung: beständig
schreiend, oder: beständig sich bewegend, wendend, und Letz-
teres liefse sich schon halten; aber die Form nvd macht Schwierigkeit!
Bei der Theilung sa-ddnvd wäre ddnva etwa als irreguläre Neben-
form zu dem Dämonen-Namen dänava (von dduu, ydd schneiden),
und sa^ nicht in dem älteren Sinn der Identität, Einheit, sondern
in dem spätem der Zusammengehörigkeit zu nehmen, und das
Wort als: Genossinn, Freundinn der Ddnava zu übersetzen?
2. Wir treiben aus dem Kuhstall Euch,
aus der Achse, dem Wagenraum. I
Ihr Töchter der Magundi! wir
scheuchen Euch aus den Häusern fort. II 2 11
Ist unter updnasa etwa an die Küche (vgl. mahdnasa) zu den-
ken? Mit der Magundi, die hier doch wohl eben als Gemahlinn
des in v. 1 genannten Cafi4^ auftritt, liegt es nahe, die Cart^a-
muntfdy Cdmur^d der späteren Zeit, die böse {Can<ji) Gemahlinn
p'ra's (Cantfct^B) zu vergleichen, resp. diese aus jener herzuleiten;
man hätte resp. dann wohl in letzterer Namensform eine volksetj-
496 Gesammtsitzung
mologische An&hnlichang an das Wort mu^4o zvl sehen? Im Übri-
gen stellen sich zu Magundi selbst wohl die freilich ebenfallä
dunklen Namen Pramagarnda, Magadha und Mdgandiya (im Päli.
8. schoL zum Dhammapadam^ Fausboll p. 162 ff.; denn an Mar-
kar^eya ist hierfür wohl nicht zu denken? zumal sich ja auch die
Nebenform Mdgandika findet, s. ib. p. 153).
8. Welches Haus da dort unten ist,
da soirn die Unholdinnen seini I
Da niste sich die Armuth ein!
und auch die Spukgestalten all I II s II
Ist mit diesem Hause die Unterwelt gemeint? oder eine Hohle
im Berge^)? oder das Haus einer befeindeten Familie, die wei-
ter ^unten" wohnt? — sediy yon y«a(/, in der praegnanten Be-
deutung: sitzenbleiben, nicht fortkommen; gebildet wie kepi^ nemi.
— Zu ydtudhänij Spukgestalt, s. Pet. W. Die Ind. Stud. 4, 399.
400 vorgeschlagene Herleitung von yyat findet eine weitere Stütze
in der Form yätavya, mit kurzem a, in Ts. 2, 3, 13, i.
4. BMtapati treib' fort von hier
und Indra die Saddnvds! I
Die an des Hauses Grund sitzen,
treff' Indra mit dem Donnerkeil! II 4 II
bhüta ^ein unheimliches Wesen, Gespenst, Kobold** Pet, W.;
hhütapati erscheint aber auch speciell als Name Rudrd*8.
5. Ob Ihr gehört zum Feld hinaus,
oder von Menschen seid gesandt I
Oder von den Dämonen stammt —
Saddnvds I schwindet fort von hier! II 5 II
kahetriydx^dm, zu denen, die auf dem Felde hausen (Feldmaase?).
— Der Gegensatz von purusha und dasyu weist wohl eben auf
Menschen und Dämonen hin? oder ob etwa auf Arier und Nicht-
Arier?; die purusha wären dann irdische Feinde, die in der Weise
von V. 3 die Saddnvds in das Haus des Sprechenden gebannt
haben.
6. Ihre Sitz' ich umgangen hab',
wie rasches Rofs den Pfahl am Ziel! I
Ich besiegt' Euch in jedem Lauf.
Saddnvds, schwindet fort von hier! II 6 II
*) vgl. unten 25, 4; also a la Rattenfänger Furiband!
vom 30. Juni 1870, 497
Lies : äfu^, kdshfhdm ivd ^saram ; der padapäfha in Chambers 8
hat: d^i]^ I gdshfhdm.
15. Spruch gegen die Furcht*).
1. Gleichwie der Himmel und die Erd' sich nicht furchten noch
Leid's befahn, I
Also fürchte dich nicht, mein HerzI II i II
mein Herz^ wörtlich: mein Odem (prdnä).
2. Gleichwie der Tag und auch die Nacht II 2 11
3. Gleichwie die Sonne und der Mond II 3 II
4. Gleichwie das brahman, das kshatram II 4 II
die Brahmanenkaste und die Kriegerkaste in ihrer Gesammtheit.
5. Gleichwie die Wahrheit, die Ordnung II 5 II
Statt cdnfitam ist unbedingt wohl ca fiiam zu lesen; die Un-
wahrheit kann doch hier in einer solchen Formel nicht füglich
als Beispiel aufgeführt seini das wäre ja eine Art sacrilegium.
6. Gleichwie Vergangenheit und Zukunft II 6 II
Nur die Gegenwart ist der Furcht ausgesetzt; die beiden an-
dern Zeiten sind, die eine darüber hinaus, die andere derselben
noch nicht unterworfen.
IG. Schutzformel im Allgemeinen.
1. Einhauch und Aushauch! schützet mich vor dem Tode!
Bvdhd, II 1 II
Die Stücke 16 — 24 sind solenne Formeln in Prosa, bei de-
nen ein Hauptgewicht auf der völligen Identität der äufseren Form
zu beruhen pflegt. — svdhd^ benedictio sit!
2. Himmel und Erde! schützet mich vor Behorchen I svdhd. II 2 11
vor Behorchen, durch meine Feinde; oder: durch Behor-
chung (instrum.) der Anschläge meiner Feinde.
3. Sonne I schütze mich mit (deinem) Auge ! svdhd. II 3 II
mit dem Alles, somit auch die Pläne meiner Feinde erschau-
enden Auge.
4. Agni vai^vdnaraf schütze mich mit allen Göttern! svdhd. IUI!
Unter vigvair devais sind etwa hier die Sinnesorgane zu ver-
') etwa als Amalett fär einen in die Schlacht ziehenden Krieger?
498 Oesammtsitzung
stehen, die in den Brähnunj^a-Texten mehrfach als deva bezeichnet
werden? Oder liegt die Gottergruppe, die den Namen vip>e cUcds
führt, vor?
ft. O da Alles Tragender! schütze mich mit jeglicher Pflege!
aodkd. II 5 II
Unter vifvambhara the all-sustaining (Vühnu oder IndrOy
nach Wilson) ist hier wohl Prajdpati zu verstehen?
17. An ein Amulett.
1. Du bist Stfirke! gieb mir Stärke! Bf)dhd II 1 11
2. Du bist Qewaltl gieb mir Gewalt! svdhd. II s II
8. Du bist Kraft! gieb mir Kraft! svdhd. II 3 II
4. Du bist Leben ! gieb mir Leben ! svdhd. II 4 II
ft. Du bist Gehör! gieb mir Gehör! svdhd. H 5 N
6. Du bist Auge! gieb mir Auge! svdhd. II 6 II
7. Du bist Schutz! gieb mir Schutz! svdhd. II 7 II
18. Desgl., zum Schutz gegen Feinde und Unholde.^)
1. Du bist Verderben der Feinde!
gieb mir Yerscheuchung der Feinde ! svdhd. II i II
». Du bist Verderben der Nebenbuhler!
gieb mir Verscheuchung der Nebenbuhler! svdhd. II 9 II
3. Du bist Verderben der Unholde!
gieb mir Verscheuchung der Unholde! svdhd. II s II
4. Du bist Verderben der Pifdcal
gieb mir Verscheuchung der Pi^dcal svdhd. II 4 II
5. Du bist Verderben der SaddnvdX
gieb mir Verscheuchung der Saddnvd ! svdhd. II s II
19. Verwünschung des Feindes.
1. Agni! mit der Hitze, die dein ist, sei heifs auf den, der
uns hafst, den wir hassen! II i II
a. Agni! mit der Qluth, die dein ist^ glühe auf den, der uns
hafst, ... II 2 II
') iD Kauf, 8 unter den cdtandni (s. oben zu 14, 1} aufgefährt.
vom 30. Juni 1870. 499
hara mufs hier wohl eben in einer dem tapa^ arca^ ^ca der
andern Verse, resp. der Etymologie des Wortes haras selbst ent-
sprechenden Bedeutung genommen, also nicht zu yhar^ nehmen,
holen, sondern zu yhar^ ghar gezogen werden! Eine andere
Stelle, wo diese Wurzel als verbum finitum vorkäme, ist mir nicht
zur Hand. (Gurios ist die Herlieitung des Wortes ghfita in Ts.
2, 3, 10; 1 aus ydhar; yad adhriyata tad ghfitam abhavat).
3. Agni! mit dem Licht, das dein ist, leuchte auf den, der
uns hafst, ... II s H
4. Ägnil mit der Flamme, die dein ist, flamme auf den, der
uns hafst, ... 11 4 II
5. Agni/ mit dem Glanz, der dein ist, mache glanzlos den,
der uns hafst, ... II s II
20 — 23. Desgleichen.
Diese vier Stucke unterscheiden sich von 19 hur dadurch,
dafs in ihnen statt des Agni der Reihe nach Väyu, Süryay der
Mond {fiandr(i)y die Gewässer angerufen werden. Die in den drei
Welten Erde, Luft und Himmel herrschende Trias Agni^ VdyUj
Surya (oder Aditya)^ welche in den Brähmaf^a-T tuten (und bei
Tdska) an der Spitze aller Götter erscheint, und zwar nach ^atap,
6, 1, 2,1 ^dnkh, Br, 6, 1 als von Prajdpati^) geschaffen, resp.
über ihm stehend, ist somit hier, um den Eindruck der Beschwo-
rung desto nachhaltiger zu machen, noch durch den Mond und die
Wasser verstärkt. Der Mond erscheint so auch sonst noch (s.
meine Abh. über Omina p. 338. 386), nicht aber die Wasser.
24. Gegenzauber.
1-8. ^erabkaka! Qerabha! ') Eure Zauberspuke mögen wieder gehen!
') der seinerseits aus dem altem Zeugungsgott Savitar sich entwickelt
hat. Tgl. meine Abh. über Omina und Port. p. 386. 392. — Bei Yäaka steht
der diman an der Stelle des prajdpati (s. Nir. 7, 4: mdh&bh&gydd devatdyd
eka dtmd bcthudhd stuyate, ekasydtmano ^nye devdk pratyahgdni bhananti;
und ibid. 5: Hera eva devcUd iti Ncnruktdy agnih pjrithivUthdno , vdyur
vendro vd *ntariksh{uthdnah, süryo dyuBthdnah).
') in 2 — 8 andere Namen, pevjridhixka fevjridha in 2, mroka anumroka
in 3, sarpa, (umsarpa in 4, jurni in 5, upabdi in 6, arjuni in 7, bharuji in 8.
500 Gesammtsitzung
wieder gebn eare Waffe, o ihr Kimidin!^), Wem Ihr angehört,
den fresset I Wer Euch abgesandt hat, den fresset! Euer
eignes Fleisch fresset I II i-s II
Vier männliche und vier weibliche Kirnt din^ Kirnt dini wer-
den hier in 1 — 8 je zunächst im Eingange einzeln mit Namen ge-
nannt, und sodann je insgesammt mit ihren Zauberspuken (ydtavai)
und ihrer Waffe (keU) zurückgewiesen. Sie sind eines Andern,
eines Feindes, Diener, von ihm abgesandt, dem Beschworenden zu
schaden, und werden von diesem nun hiermit veranlafst ihre ver-
zehrende Kraft vielmehr gegen ihren Herrn und Absender, resp.
gegen sich selbst zu richten'). Was nun unter diesen acht KimU
din zu verstehen ist, ob Ungeziefer (etwa Heuschrecken?) oder
sonstige schädliche Thiere, oder etwa Krankheiten, erhellt nicht
recht. Die einzelnen Namen sind eben entweder zu unklar oder
umgekehrt zu vieldeutig, um einen. sicheren Anhalt zu gewähren
für das, was sie hier bedeuten. Die Etymologie allein kann ja
bei dgl. Eigennamen eben nur die nothdürftigste Auskunft gewäh-
ren. — Auch über die Bedeutung des Wortes kimtdin selbst (s.
Pet W.) schwebt noch völliges Dunkel. Im jp. 7, 104, a ') schei-
nen unter dem „&ra^7nan - hassenden , rohes Fleisch verzehrenden,
bösen Blick habenden^ kimtdin etwa die dem Arier feindlichen
Ureinwohner Indiens zu verstehen? Im Äth, sodann erscheinen
die kimtdin als fressend 1, 7, s ^), als in nächster Verbindung mit
Zauberern (ydtudhdnä) stehend 1, 7, 3. 28, i. s. 4, 20, 8 (seien es
Arya oder ^udral), als nur dem gefeiten Auge sichtbar 4, 20, 5,
als in Schlachten zu besiegen 4^ 28, 7, als bösherzig, anfeindend
und durch das Feuer zurückzustofsen 8, 3, 9s, als durch das pinga-
>) in 5-8; o ihr Kimtdintl
') diese Zuruckschleaderang des Zaubers ist im Ath, häufig, und auch
unserm Aberglauben wohl bekannt.
•) kirnt din e kirn iddnim iti carate kirn idam kirn idam iti rd pifu-
ndya carate Nir, 6, IX (Roth: eine Klasse der Geister der Finstemiüs).
*) von mir durch: boshaftig übersetzt, theils im Anschlüsse an Ydakas
Erklärung dureb pif^na, was indefs bei ihm wohl eher als: spionirend, ver*
Iftumderisch, verrätherisch aufzufassen ist, theils unter Heranziehung des Wor-
tes fimidä R. 7, 50, 4 (s. a^mida, Pet. W.). Nach schol. zu (^at, 7, 4, 1, 27
ist fimidä von giftigen Spinnen, Skorpionen etc. zu verstehen. lin Taitt.
Ar, 4, 9, 1 findet sich fimidvant als Beiname eines väta.
vom 30. Juni 1870. 501
Amulett zu vertreiben 8, G, 2i. 25 (resp. als Buhlkobolde? s. Ind.
Stud. 5, 456), als neben den Gandharva etc. genannte Unholde 12,
], 50. An unsrer Stelle kann bei kimidin an menschliche Feinde
natürlich nicht gedacht werden. Fassen wir von den aufgeführ-
ten aoht Namen derselben zunächst die vier mannlichen Namen
^erabhaka resp. ferabha, ^evfidhaka resp. fevfidha, mroka resp.
anumroka, und sarpa resp. anusarpa ins Auge, so liegt jedenfalls
in ihnen theils eben gar nichts vor, was irgendwie in praegnanter
Weise auf eine bestimmte Gruppe schädlicher Wesen oder Gegen-
stände hinwiese, theils wohnt ihnen in ihrer Mehrzahl überhaupt
nicht nothwendig die Bedeutung des Schädlichen inne. Der zweite
dieser Namen: ^evfidha kommt sogar im Gegentheil im Ngh. 3, 6
unter den 20 Namen für sukha^ Wohlbefinden, vor und erscheint
im ^ik als Adjectiv, resp. 3, 16, 2 als Beiwort von rdyah (jfivfi-
dhdsah, ddnabkogddyupayogena sukhasya vardhakdni; varnavya-
iyayahy fatn sukham vardkayaiiy Sdy.) und 1, 54, ii als Beiwort
zu dyumnam (sam^amanam, rogdndm gamane satt yad vardhate tädfi-
^am, Sdy,), Und da die Bildung des Wortes g er ab ha denn doch
in der That in gleicher Weise erfolgt scheint, so wäre sonach auch
für dieses eigentlich eine günstige Bedeutung zu subsumirenl
Ob sarpa wirklich hier Schlange bedeutet, ist mir zweifelhaft;
wegen des anusarpa^) mochte ich es in der That lieber appella-
tivisch auffassen, wie ja auch dem mroka ein anumroka zur Seite
steht. Dies Wort mroka ist das einzige, welches (von sarpoy
Schlange, abgesehen) auch sonst noch im Äth. und zwar, der hie-
sigen Verwendung entsprechend, in übler Bedeutung sich findet
In 5, 31, 9 erscheint es als Beiwort eines Zaubers, kfityd (feminin),
der gegen die Knochen des (auf dem pyrus L'egenden) Leichnams
(? purushdsthe) oder gegen das Feuer des pyrus selbst {agnau samka-
suke, vgl. Kaug, 86) gerichtet ist, und zwar steht es daselbst neben
deo ebenfalls masculinen Beiwortern nirddham kravyddam, und wird
daher im Pet. W. als „N. eines verderblichen agni^ (resp. dem-
gemäfs hier als „N. einer Flamme") aufgefafst. In 16, 1,3.7 so-
dann erscheint mroka unter den Namen von zehn im Wasser
wohnenden Feuern (agni), d. i. doch wohl von schädlichen, Fie-
berhitze oder andere derartige Krankheiten etc. hervorrufenden
1) hierin „ein schlangen artig es Geschöpf' zu sehen (Pet. W.), halte ich
für bedenklich.
502 Gesammtsitzung
Eigenschaften des Wassers?^) Etymologisch scheint aach mroka
nur etwa: sich verbergend, hineinschlüpfend zu bedeuten. — Die
Benennung der weiblichen Kimidin bleibt zunächst fiufserlich dadurch
von der der mannlichen geschieden, dafs die Namen nicht wiederholt,
resp. doppelt aufgeführt werden, sondern je einzeln stehen: jurnif
upabdi, arjunt, bharüjt; ferner aber scheint für diese Namen
wirklich die Auffassung derselben als Krankheiten indicirt zu sein.
Für jürrjtt nämlich liegt der Anschlufs an jürt^i Gluth, Lohe, Fie-
ber (s. Pet. W.), für arjunt der Bezug auf die Hautkrankheit
arjuna (ibid., s. Sdy. zu J^. 1, 122,»)) ^uid für upabdi „Geräusch,
Geklapper, Gerassel^ der auf das Klappern des Fieberfrostes,
in der That denn doch wohl näher als die Beziehung dieser Namen
(s. Pet. W.) auf Schlangen (upabdi etwa als Klapperschlange?).
Endlich bharüji wird zwar im Pet. W. auch „als Bez. eines
schädlichen Thieres^ aufgefafst, unter Hinweis auf das in der Be-
deutung „Schakal^ belegte Wort bharvija. Es liegt indefs der
Bezug auf das Nir. 2, 2 vorliegende bharüjd wohl näher, welches
nach Tdska (resp. Durgd) auf ybharj, bhrajj frigere, assare zurück-
zuführen scheint, somit ebenfalls von der gleichsam rostenden
Fieberhitze wohl verstanden werden könnte.
25. Gegen Abortus.
1. Gottinn /ytpnipar^if uns Heil
brachte, Unheil der Nirfiti, I
Mächtig zermalmt sie die KatjLva,
Sie erkor ich, die sieghafte. II i II
Dieses in Kaug, 8 unter den cdtandni^ Verscheuchungs-Sprü-
chen aufgeführte Stück ist gegen eine Classe von Dämonen gerich-
tet, Namens Kar^va^ die nur hier vorkommen. Das Kraut pri^-
^) Ich fasse das Stück als ein des Abends beim Waschen vor dem zu
Ruhe-Gehen zu recitirendes Gebet; mit 1—8 werden die im Wasser wirken-
den schädlichen Gewalten gebannt, mit 9 — 13 wird um den heilbringenden
Einflufs des Wassers, in specie auch gegen böse Träume, gebeten. Die
Namen der zehn cigni sind: rujant, parirujant; mrinanty parimjrinant ; mrokoy
manohath khana (resp. khani in 7), nirddha, dtmadushi, tanudushi. Auch die
folgenden Stficke (16, 2—7) fasse ich als ähnliche Abendgebete, vor dem xu
Ruhe-Gehen zu recitiren.
vom 30. Juni iS70. 50d
nipari^i wird, 8. P. W., ') tbeils im Ritaal songt noch erwähnt
(das fma^nam darf nicht in der Nähe solcher Pflanzen gemacht,
dieselben mfissen resp. an dem Orte, wo man es machen will, aus-
gerottet werden), theils auch in der Medicin als officinelles Kraut
verwendet; und zwar ist dieselbe u. A. nach Su^, 1, 377, 7, mit
Milch vermischt, bei während der ersten 7 Monate der Schwanger-
schaft drohendem Abortus (garbhasräve) zu gebrauchen, womit denn
dieses Stück hier trefflich im Einläange steht.
2. I^i^ipar^t hier gleich zuerst
als sieghaftig entstanden ist; I
mit ihr haue das Haupt wie 'nem
Vogel den Bösnam'gen ich ab. N 9 H
dumdman, . einen bösen Namen habend, den man lieber gar
nicht in den Mund nimmt; doch wohl aus Scheu vor ihrer furcht-
baren Macht? vgl. Ind. Stud. 9, 269. Als appellative Bedeutung
wird für kaffvdi „taub^ angegeben; das kann wohl nicht gemeint
sein? Mit dentalem n bedeutet aber durndtnan, durndmaka (s.
Pet. W.) auch speciell die Hämorrhoiden; und es scheint in der
That, als ob diese Bedeutung auch hier speciell ins Auge zu fas-
sen, resp. auf den mit Abortus verbundenen Bkitflufs zu bezie-
hen ist.
3. Den unholden, Blut trinkenden,
das Gedeihen fortreifsenden, I
Embryo-fressenden Ka^va^
Pfi^ipafi^I vemicht' und tilg' ! U s It
Dieser Vers ist charakteristisch für die Bedeutung dieser Dä-
monen-Gruppe.
4. In den Berg sperre die Ka^va^
die Leben schädigenden, hinein! I
Göttin Pftgnipafffii sie air,
wie Feuer, brennend, zieh' einher! 114 II
I>as Bannen der Krankheitsdämonen in einen Berg, aus dem
sie nicht wieder hinaus können, findet auch in unserm Aberglauben
seine Analoga; man bannt sie in Bäume, Steine etc.
ft* Hinweg treibe die JTa^oa, fort
die Leben schäd'genden, von hier! I
1) Hemlonitis cordifolia Bozb.; nach dem schoL zu Kdty^ 25, 7, 17
aber ^^^ mdahaparnt Glycine debilis Lin. ; ancb iakthmand genannt.
[1870] 35
MH Oe$amml8itzung
Wo Finsternisse sich ergehn,
^ dahin schsflT ich die Fleischfresser. N s II
^Die Finsternisse^, das ist wohl vom Dunkel des Waldes zu
verstehen? — „Fleischfresser*^ heifsen die Kanva, weil sie die
Emhryonen verzehren (s. v. 3).
26. Stallsegen, beim Heimkehren des Viehes am Abend.
1. Heim kehr' hier das Vieh, das seitab gegangen,
deren Gespielschafik sich der Wind erfreute I I
Deren Gestalten alle bekannt dem Tvashiar,
Saoitar sie treibe in diesen Stall ein! M i II
9. In diesen Stall mögen die Thier' einströmen I
Bfihaspati fuhr' sie herbei, der Kündiget I
Sintväli fuhr heran ihre Spitzel
Änumatil treib' sie ein, wenn sie da sind. H 9 II
SinivdU^ Vollmond? s. Ind. Stad. 5, 330. 232 ff.; AnumaHy Neu-
mond.
s. Zusammen strömen solFn die Thier',
zusamm'n die Mannen und die Ross'. I
Zusammen des Getraides Florl
Ich opfre mit zusamm'ngegossner Spende. H s II
samsrdvye^ havishd; wie aus v. 4.5 erhellt, besteht die Spende
aus Milch, Butter und Getraidesaft (einer Art Bier?). Der Zu-
sammengufs dieser verschiedenen Bestandtheile soll wohl symbo-
lisch die Vereinigang der einzelnen Theile des Hanswesens dar-
stellen. — Wenn juhomi nicht etwa Glosse ist, hat pdda 4 ein an-
dres Metrum (irishtubh) als pdda 1 — 3.
4. Zusammen ich der Kühe Milch
giefse mit djya^ Kraft und Saft. I
Zusamm'ngegossen sei'n unsre
Mannen, treu mir als Hirt die Kuh' I N 4 U
mayi ist einsilbig za lesen.
s. Herbei hol' ich der Kühe Müch,
holte her des Getraides Saft I
Herbeigeholt die Mannen sind,
unsre Frauen hier in dies Haus! 11 s II
dhdnyam (rasam) ist hier (s« Fet. W.) adjektivisch zu fassen:
^^aus dhdndsj Körnern (Setzkprn), stammend.^ — Der Hausvater
• vom 30. Juni 1870. 505
holt des Abends alle die Seinen, sein Gesinde und sein Vieh in
das Haus zusammen; aAi/fa liest Chambers 8 ; doch ist dhfitd wohl
wegen fdda 1. 2 passender.
27. Zum Schutz der Scheuem und Speisekammern.
1. Dafs der Feind nicht dem Speis'vorrath
obsiegM sieghaft du, m&chtig bist! I
Schlag' fort, die meinen Speis'rorrath
schädigen, mach' kraftlos sie, o Kraut! 11 1 N
Das Kraut fuhrt nach v. 4 den Namen päfä, d. i. spaltend,
aufschlitzend (?). Nach Kauf, 38 wird die Wurzel desselben hiermit
bei jeder Mahlzeit (?) angesprochen, dann in einen aus sieben
Blättern bestehenden (?) Kranz gebunden und so aufbewahrt'),
d« i. wohl am betreffenden Orte aufgeh&ngt?
2. Schönfitt'ger (Falk) hat dich erschaut,
Eber dich ausgrub mit der Nas'. I
Schlag' fort... II 2 II
Die Wurzel scheint also schwer zu finden; der Sdiarfblick
des Falken, die Spürkraft des Ebers gehört dazu. — Hemistich 1
kehrt identisch wieder in 5, 14, u
3. Indra steckte dich an den Arm,
niederzumäh'n die Äsura. 1
Schlag fort ... II s U
cakre tod bdhau; er nahm das Kraut nicht etwa als Waffe in
die Hand, sondern steckte es als Amulett an den Arm.
4. Indra verzehrte die |7<2(a,
niederzumfih'n die ÄBura. I
Schlag fort ... II 4 U
5. Ich besiege dadurch die Feind',
wie Indra die Sdldvfika. I
Schlag fort ... II & U
sdkshe; eine Desiderat! v-Bildung von «aA, wesentlich in der Be-
deatnng des einfachen Yerbums, wie sich derartige Bildungen viel-
fach im Veday Pdli etc. vorfinden. — Die sdldvfika erscheinen
') nechatrur iti pdtdmulam pratiprdpitcon (?) anvdha, hadhndti mdid(m)
S(y9t€^€Mldfim, dhdrayctnti, Ist etwa unter pratiprd^itam etwas dem pratiprd-
faA des Textes Entsprechendes zu verstehen?
35»
£06 Ge^ammUiizung •
sonst nirgendwo als Tndrd^H Feinde. Vielmehr nimmt er tfaeils
selbst nach Tt. 6, 2, i, 4 die Gestalt einer iäldvfikt an, nm die
asura sa besiegen (ebenso im Kdß, 28, 4 die dakshi^ die Gestalt
einer idldvjriki)^ theils übergiebt er vielmehr seine Feinde, die ffotu
den sdldvrikd (zum FraTs) Ts. 6, 2, 7, &. iitt. Br. 7, 28. (^ÄitA.
pr. 14, 50, 9 (mor4:afa scbol.), resp. den sdldtfikeya Panc 8.
1, 4 (ara^yafvabhyai schoL). 13, 4, 16 (sdldvfikydJ^ putrebkya^ kroth-
fübhyai). 14, 11, ta (sdldvfik^intirebhyai). 18, 1, 9 (ara^ya^üahhai^),
19, 4, 7 (desgl.). Kdth. 8, 6. 11, 10. 25, 6. 36, 7 (Ind. Stnd. 3, 465
-66). Kaush, Up, 3, 1. Und swar erscheinen dieselben als unmit-
telbare Diener des Tama^)^ s. Ind. Stnd. 1,412 ff., sind resp.
nrspr&nglich wohl einfach die an Leichnamen sich afittigendcn
Schakale, HyAnen und Wölfe (jackals and wholves, Haag lo Ait
Br.) nnd erst seknndfir snm Range von DAmonen erhoben.
6. O Eudra, dessen Heilmittel
lindem, — Schwarslockgerl Werkth&tgerl — I
Schlag fort, die meinen Speis' vorrath
schftdgen, mach kraftlos sie, o Kraut! II < II
Im ersten Hemistich fehlt ein Yerbum; es sind wohl die im
sweiten Hemistich stehenden Verba zugleich auf Budra und auf
das Kraut zu beziehen. — Da Eudra hier als jaldshabheshitfa ao-
gerufen wird, könnte man meinen, es handele sich hier um eine
Krankheit, etwa um Schutz gegen Verdau ungsbeschwerden; doch
will dazu der sonstige Tenor des ganzen StSckes nicht recht stim-
men. Es fragt sich freilich eben, ob prdf gerade mit ,, Speis e-
vorrath, Lebensmittel*', so Pet. W., zu übersetzen oder ob nicht
eine andere Bedeutung, etwa eben die von: Verdauung, damit za
verbinden ist
7. Vernichte dessen Speis'vorrath,
o Indra! der uns feindet an. I
Segne mit deinen Kräften uns!
steir mich ob'nan im SpeisVorrath. II 7 H
I) das Geschrei einer p<S/tS(!)-vftK gilt als onglfi^kverheiCsend , als To-
desbotschaft schol. zu T, Ar, 4, 29, 1. 30, 1. Bei A'pastamba findet sich
wio in.T«. die Form säMprilny s. 1, 10. 17. 11, 33 ed. Bilhler.
vom 30. Juni 1870. 507
28. Bitte um langes Leben für einen Knaben.
1. Dir allein wachs' er zu, Oreisenalter!
nicht soirn die hundert andern Tod* ihn trefien! I
Wie sorglich die Mutter den Sohn im Schoofse,
so ihn Mitra schutse vor Freund-Bedrfingnng! H i U
Das Stuck ist entweder für einen Neugebomen oder für eine
spätere Gelegenheit des Kindesalters bestimmt — ^Hundert und
ein Tode^ ist die solenne Zahl; der einzig wunschenswerthe dar-
unter der an Altersschw&che. — mitriydd anhasa^ kann entwe-
der die Angst sein, die er seinen Freunden macht, oder es kann,
s> V. 3, sich auf Bedr&ngnisse beziehen, die ihm von Freundesseito
bevorstehen könnten.
s. Miira oder Varuna^ der Feind-Sch&d'ger,
einmüthig sollen sterbend am Alt'r ihn machen! I
Agni^ der hotar^ aller Regeln kond'ge,
verkündiget alle Ursprung' der Götter. II s II
Ich theile rigd-das^ die Schfidigenden (mit verlfingertem Aus-
laut) vernichtend (yda$). — Der Zusammenhang der beiden Hemi-
stiche ist mir unklar. Ist das zweite Hemistich etwa auf eine
Geburtsceremonie hinweisend?
s. Du beherrschest alle die ird'schen Thiere,
die gehonten oder die noch entstehenden. I
Nicht mög ihm je Einhauch abgehn, noch Aushaucht
Nicht mögen ihn Freunde bedrftng'n noch Feinde. II s II
Auch dieser Vers scheint auf ein Geburtsritual hinzuweisen. —
Der im ersten Hemistich angerufene Gott ist IbduAfar oder Pä-
«Aan; ja auch Eudra könnte darunter zu verstehen sein. — va-
dhiahus kann hier wohl nicht geradezu: tödten, erschlagen be-
deuten?
4. Dich der Vater Himmel, die Mutter Erde
einmfithig soU'n sterbend am Alter machen! I
Damit du im Schoofs der Aditi lebest,
durch Ein- und Aushauch bewacht, hundert Winter! II i II
Während der Vater Himmel und die hundert Winter den
Vers als alterthümlich erscheinen lassen, wird ihm durch die Ver-
wendung des Wortes gupita (im ^ik nur 10, S6, 4 und jugupui 7,
103, 9, s. Fet. W.) dieser Anspruch wieder geraubt. Oder ist etwa
die im Fet W. angenommene sekundäre Herleitung der Ygup aas
508 GeMommtsitzunff
go-pa doch nicht richtig? vielmehr ffup mit guh (aber kuh, yfv&>\)
eines Stammes? vgl. zend. gu/ra tief, verborgen; resp. verbergend,
beschützend.
5. Ffibr, Ägnil zum Leben ihn! und zu Thatkraft!
Das liebe Kind, Varuf^, König Mitral I
Oieb Aditi! Muttergleich deinen Schutz ihm!
all Ihr Oöttert dafs er gelang* zum Alter. H s H
priyaxfi reUu eig. den lieben Samen, s. unten 34, 2. — Za
eareas s. oben pag. 493 und vgl. noch lurj,
29. Segenswunsch (für einen Verwundeten?).
1. Ihr Gotter, in des Ird'schen Saft
(setzt ihn), in Kraft des Glficks und Leib'sl I
Und Leben ihm Ägfdj Sürya,
Thatkraft gebe Bfikaipati. II i II
Im ersten Hemistich fehlt das Yerbum, ist resp. aus dem zwei-
ten zu ergänzen. — äyushyam (umai ist wohl mit dyur astnai in
V. 2 umzustellen; dann wird das Metrum beiderseits richtig.
9. Lebenskraft gieb du ihm, o JätavedoBl
Nachkommenschaft setz' in ihn du, o Tcathfart I
Reich thnmsgedeihn Savitarl spende du ihml
Er möge dir hundert von Herbsten leben! II 9 II
Dir, durch deine Onade.
s. Der Segenswunsch Kraft uns (geh'), reichen Nachwuchs!
Stfirke gebet, einmuthig Beid', und Habet I
O Indra! er Lfinder ersiege mächtig,
seine Gegner unter sich bring*nd, die Andern I II s H
Diese Übersetzung schliefst sich, bis auf die unumgängliche
Veränderung von jayam in jayan etwa, an den vorliegenden Text
an. Im ersten pdda liest der pcuiapdfha: dfi^ I no^; es ist somit
^gebe^ nothwendig zu ergänzen. Sonst könnte man etwa meinen,
dafs dt girrte zu lesen und dies als „Einer, der sich etwas gebrochen
hat, verwundet ist^ aufzufassen sei, wo dann das erste Hemistich
wenigstens eine einheitliche Construktion erhielte. Wer freilich die
in pdda 2 angerufenen Zwei sind, erhellt überhaupt nicht. Der
Text ist eben verderbt (sauprc^dstvaml); der Vers findet sich resp.
mit erheblich andern Lesarten in den drei Yqfus-Texten wieder,
nämlich in Ti. 3, 2, S, 5. Kdth. 5, 2. Kdty. 10, 6, 3 (das zweite He-
com 30. Juni 1870. 509
mistich resp. Jauch in Käfh. 32, 2) und xwar in folgender Weise:
d^r ma ärjam utd suprajds'tvdm isham dadhdiu drdvirtam*8d''
varcäsam (jsuv^ Kdty.) I samjdyan kshitrdni sdhcL^d ^hdm indra
kfi^vdnö anyan ddhardnt sapdtndn II Die dazu hier vorliegenden
Variationen treffen speciell den zweiten und dritten pdda, bestehen
resp. in der Aufnahme der beiden Duale (dhattam und sacetasaü)^
und in der Wandlung von samjayan,,aham in: jayam(a\cl) , . ayam.
Hat etwa bei der Aufnahme jener Duale eine Rücksicht auf die
Gelegenheit mit eingewirkt, für welche nach Kauf. 27 dieses Stuck
zu verwenden ist? Es handelt sich danach um die Kur eines
(etwa in Folge von Wundfieber?} an Durst Leidenden! ^Er (der
Priester) heifst den Kranken sich mit dem Rucken an einen Ge-
sunden lehnen, läfst sie Beide sich aof Zweige niedersetzen, den
Kranken nach Osten, den Gesunden nach Westen gewendet, quirlt
darauf in einem aus vetasa-Holz gemachten Becher mit swei Rühr-
löffeln über dem Haupte 'des vom Durste Geplagten einen mantha
(Mehl in Milch) und reicht ihn dem Andern, auf den er den
Durst dadurch überträgt (das rouls somit ein treuer Freund
oder Diener sein, der sich dazu beigebt!); auch läfst er ihn das
herausgenommene Wasser trinken. Mit v. 6 geschieht dann das
darin Erwähnte')^, d. i. Beide trinken den numtha. Man müfste
somift freilich statt: ^Stärke gebet ^ {dhattam) etwa ^Stärke erlan-
get** erwarten.
4. Als Indrd'B Gab', von Varutjta belehrt kam
der Tapfre, von den Marut uns gesendet I 1
') pdrthivasyety utpa^yati Q) pfüth{hasamhitdv (^tdm Cod.) upave^yattf
prdkmukham vyddhitam pratyanmukham avyddhitam ^khdsöpavefya vaitase ca-
tnasa upamanthanihhydm ifishndgrikUasya ^rasi mantham upamathyd ^trishi-
tdya prayadiati, t<umHks tfishttdm scmnayaty, uddhritam udakam pdyayaü I
tavdaindv iti maniroktam. 1 Die behagliche und ungelenke Breite dieser
Scbildemng steht zu der sonstigen lakonischen Kurze des JToiip. t&tra in
starkem Gegensatz nnd möchte wohl die Vorstellung erwecken, dars es sich
hier etwa um einen neuen, oder wenigstens nicht sehr bekannten
Brauch handele, der eben darum ausführlich darzustellen war, während bei
sonstigen Bräuchen deren Bekanntschaft vorausgesetzt, daher nur mit kurzen
Worten darauf hingewiesen wird. — Das Übertragen von Krankheiten
auf Andere ist auch unserm Aberglauben wohl bekannt, doch mehr so, dafs
dasselbe ohne Mitwissen des Gesunden geschieht, s. Wuttke §. 402 ff., wäh-
rend hier offenbar Einverständnifs mit ihm stattfindet.
öiO QuämmUitzung
Er in Enrem Sehooi^ rah^ Himmel 1 ErdeT
Er hoDgre nicht! er dfirste nicht t II 4 I
pdda 4t mit nor 6 Silben, statt deren 11, ist offenhar iaeom-
plett — Der „von Indra Gegebene^ etc. kann wohl nar ein «t^*
rer^ (ugra) Krieger sein, I3r den die Seinigen eben beten, weil er
krank, resp. etwa verwandet (s. v. 7) daliegt
s. Kraut m5get Ihr spenden ihm Beid% Kraftrdehe!
Milch m5get Ihr geben ihm Beid\ Milchreiche I 1
Kraft haben ihm Himmel und Erd' gegeben,
alle Götter, Kraft die Marut, die Wasser. II % ■
Währehd in pdda 1. 2 Himmel und Erde angerufen werden,
Kraft sn spenden, wird in pdda 3 diese Bitte als schon erreicht
dargestellt ^a$paä und payatvaH sind funfsUbig an lesen ; dage-
gen dydvdpfithM Tiersilbig.
6. Mit lab'ndem (Trank) ich dir dein Hers befried'ge.
Der Krankheit frei, letse dich* dran, thatkrfiftigf 1
Dies gleiche Paar soll hier den Rührtrank trinken!
Anthnend der Agvin Gestalt, wie Blendwerk.
Zu givdbhii ist wohl etwa adbhii oder dhdrdbhis an ergin*
zen? — iavdiinau^ so gleich gekleidet und gestaltet, dafs mao
sie Beide für das göttliche Zwillingspaar der A^m halten kann,
dafs es ein wahres Blendwerk ist und die Slrankheit daher vod
dem Kranken auf den Andern nbei^eht, ohne es au merken, vgl.
die Angabe aas Kauf, bei ▼. 3.
7. Indroy durchbohrt, schuf vormals diesen Krafttmnk,
alterlose Labspeise, — sie ist dein hier. I
Durch sie da (noch) Herbste lang leb', thatkrfiftig!
Nicht fliefs dir was an! dir die Ärste halfen. H 7 It
viddhaf^^ durchbohrt, verwandet. Vermathlich also handelt es
^ich eben auch hier um einen Verwundeten. -^ svadhd in FfiUen
wie hier trenne ich von dem sonstigen sva'dhd ab, und leite es
von ysvad ab, vgl. sincUm von ^syand
30. Liebeszauber.
1. Gleichwie der Wind die Grfiser dort
auf der Erde schwenkt hin und her. I
also schwenke ich deinen Geist.
vom 30. Juni 1870. 511
damit du mich (nur) liebend seist,
damit da nimmer von mir gehst n i U
Ich habe dies St&ck zwar bereits in den Ind. Stad. 5, 218
obersetzt, wiederhole indefs hier diese Übersetzung, weil ich theils
in ihr, theils aber, und zwar insbesondere zu der ibid. p. 262 ge-
gebnen Auffassung der betreffenden Stelle des Kaug, (35), einige
Änderungen resp. Bemerkungen zu machen habe. Die Worte
rMkma$Bathiiafrti^ nfimlich sind dem Pet W. zufolge mit „vom
Sturm abgerissenes Oras^ zu fibersetzen, und far sthakara ist auf
T, Br. 2, 3, 10, 1-3 zu verweisen, wo ein sthägara alavnkdra
(sthdgaro ndma kofcit sugandhadracyaoigeshd^; »IhägarapUhtena ta*
Byd^, mukhe iilakddyalamkdram eakdra schol.) als ein Liebeszauber
gebraucht wird^). Die Angaben hei Ktm^,*) besagen somit: „zwi-
schen zwei Holzstficke, welche von einem Baume und der ihn um-
schlingenden Schlingpflagze genommen sind, leg^ man einen Pfeil
(als Symbol des Liebesgotts, s. Ind. Stud. 5, 225), sthakara {Tagara*
Pulver?), Augensalbe, kushfha und madugka (zu dieser Trias s. Ind.
Stud. 5, 244), und vom Sturm abgerissenes Gras (die symbolische
Bedeutung hievon ergiebt unser Vers), mischt all dies mit djya
(Opferbutter) und berührt dann^ (damit; was? ist nicht gesagt; ob
das M&dchen?). — Die Verwendung der ymatk in unserm Verse
erinnert an den spAtern Namen des Liebesgottes nummatka.
9. Ihr Agvin beidM fahret nun doch,
bringet zusammen das Liebespaar I I
(Wie) Euer Gluck zusammentrat.
Eure Herzen, Eure Gelnbd'. II 9 II
So wie ihr selbst Beide vereinigt seid, so sorget nun auch
dafür, dafs dieser hier mit seinem (oder: dafs ich mit meinem)
Mädchen vereinigt werde. — cet fasse ich jetzt nicht als „wenn^,
sondern in alter Weise nur als: ca id»
8« Wenn die Vögel sich aufmachen
um fortzuziehn, die fröhlichen, I
Da komme sie auf meinen Ruf,
wie der Schaft in den Pfeilspitzhals. II s II
') iÜ 9€mujpjrishtdifar i^fikshahthojaffo^ paktildv antart * »hu-8thakard''nja*
na-ku$k^ka'madkugh€i'rt9hm(tmathitatf%nam dfyena sturniiya eam9pjrHfa)t%,
-) vgl. meine Abh. über das Rdmdyana pag« 10.
513 OesammttiUung '
anatnivd^ krankheitslos, lustig. — So genau, so sicher, wie
der Schaft in den Hals der Pfeilspitze hineinpafst
4. Was innen ist, sei &ufserlich;
was &afserlich, sei innen drin! I
Der wankelmüthigen Jungfraun
Herz erfasse du nun, o Kraut! II 4 II
Ihr ganzes Wesen soll in Aufregung gebracht werden. —
fsigvarüpa^ eig. allartig gestaltet. Der Plural wohl eine Artplnr.
nii^iest.
ft. Herbei kam sie, suchend 'nen Mann.
Ein Weib suchend kam ich herbei. I
Gleich einem (freudig) wieh'mden Rofs
kam ich zusammen mit meinem Oluck. N & H
Freude über den Erfolg des Zaubers.
31. Gegen Wurmer.
1. Des Indra grofser Mühlstein hier,
der jeden Wurm zermalmende — I
Damit zerstampf die Würmer ich,
wie mit dem Mühlstein khaha-Korn, H i II
Dieses (und das folgende) Stück ist schon von Kuhn in sei-
ner Z. 13, 135 ff. übersetzt, kommentirt und mit germanischen Sprü-
chen ähnlichen Inhalts zusammengestellt worden. Auch findet sich
daselbst der Text der entsprechenden Stelle im Kaug. sütra (27)
bereits mitgetbeilt; leider ist derselbe, wie gewöhnlich, sehr abrupt,
dazu wohl auch verderbt. „Er opfert (mit v. 1) khahanga-^ (zldn^u-,
hanand-^W urmer)^ mit Ghee vermischt. Die junge Brut (?) quetscht
er in einen gesprenkelten Rohrhalm (?) zusammen, indem er die
linke (Hand mit einem Tuche?) umhüllt (um sie trocken zu hal*
ten?); er macht (ihn?) darauf (am Feuer) heifs und setzt ihn (da-
ran) an, wirft sodann mit der (trockengebliebenen) Linken, nach
Süden gewendet, Staub rings herum, den er vorher umgerührt hat,
zerdruckt nun (Alles?) und setzt es (am Feuer?) an**; khahangdn
ald^tfiin hanandn gfiptami^rdn juhoti I bdldn kalmdshe kdriife savyam
pariveshfya samhhinatti I pratapaty ddadhdti, savyena dakshindmukhck
pdnsün upamathya parikirati, sammjidhndty ddadhdti. Von den drei
genannten Würmer- Arten kommt nur die eine, aldi^Uj auch im
iltÄ.-Texte vor, s. sogleich.
vom 30. Juni 1870, 513
s. Den Sichtbaren, Unsichtbaren,
den Kurüru zerdrückte ich^ I
Die Aldn^u, ^aluna all,
zermalmen wir dareh onsern Sprach. H 9 H
kurüru^ entweder von yru toben, summen, dröhnen, oder von
yru zerschlagen (resp. yiü schneiden, nagen, rupfen). — aldn4uy
wohl von alay dla Laich und aijufu = a^4^ Ei. — ^aluna von
y^r diffindere? — krimin ist durch das Metrum als Glosse markirt
(ebenso in v. 4).
s. Die Aldi^if^ todt' ich mit starker Waffe.
Gebrannt oder nicht, sie sind schwach geworden! I
Cbrig oder nicht, sie mit meinem Wort hier
nieder ich werf! ihrer bleib Keiner übrig! II 3 II
4. Den ^Wurm im Eingeweide drinn,
den im Kopf, in den Ribben drinn, I
Den Avaskava^ Vyadhvara,
zermalmen wir durch unsem Spruch. II 4 II
avaskavoy der da abdeckt, abschält? ysku, decken. — vya^
dhvard; dies Wort wird sonst mit d geschrieben, stammt also wohl
von yad^ verzehren, bedeutet resp. somit wohl: fressend, s. 3, 28,3
kravydd bhüivd vyddvari (freilich auch andrer AccentI). ^L 7, 4, i',
27 yahfalshi^ lokSshu ndshprdt yö vyadvarö ydf ^midd, wo Sdy. das
Wort denn auch durch adanafila danda^kddi^ erklärt.
5. Die Würmer all, die in den Bergen, Wäldern,
den Pflanzen, Thier'n, drinnen im Wasser hausen, I
Die in unsern Leib sind hineingefahren,
ich todte sie, all das Gezücht der Würmer. II i II
32. Gegen Wurmer (im Vieh).
1. Aufgehend schlage sie die Sonn',
und untergehend mit ihren StrahUn! I
Die Würmer die drinn in der Kuh. II i II
Ans den Angaben bei Kauf, (27) ist hier nicht viel zu machen:
udyann dditya (v. 1) Hy udyati, gondmely dhd ^sdv iti I suktdnte ie
hatd iti darbhair abhyasyati I madhyandine ca I prattdm apardhne.
Die Ceremonie scheint hienach dreimal, bei Sonnenaufgang, Mit-
tags und Abends vor sich zu gehen. Am Schlufs des g^kta erfolgt
resp. jedesmal mit den Worten ^sie sind todt^ eine Bewerfung
514 GesammUitzung
(wessen?) mit Grashalmen, und die Kah ist mit ihrem Namen n
nennen.
9. Den allgestaltgen, vierfiog^gen»
schwfinlichen Warm, den weifslichen — I
Ich zerbreche die Rippen ihm,
nnd ich hane ihm ab den Kopf. II 9 N
Das zweite Hemistich sowie die nftchstfolgenden drei Verse
kehren gleichlautend wieder in 5, 93, s-is. — vi^var4pa «allge*
staldg^ bezieht sich wohl auf die verschiedenen Formen, die ein
Warm, der sich krfimmt und windet, annehmen kann; — eatnr
aksha „vierftngig^ ist wohl von zwei bei den Angen befindüdien
Flecken za verstehen; vgL den vierfiagigen Hand beim RoDsopfer;
— zu sdramga s. Ind. Stad. 8, 975. Die verschiedenen Farben der
Wfirmer werden ebenso aach in den germanischen Wormsaabem
erwähnt, s. Kahn 1. c.
s. Wie Atri tödte ich, Wfirmer 1
wie Ka^foctj Jatnadagni^ Euch! I
BÜt dem Sprache des Agaitya
zerstampfe ich die Wormer hier. N s N
Die Berufang anf diese heiligen ptAt der Vorzeit geht aus
demselben Gesichtspunkt hervor, welcher der Zoruckfilhrung der
Lieder des Ath," V. auf die Atharvan und Afigira$ za Grunde liegt
(s. Ind. Stud. 1, 295. Vorles. fiber Ind. Lit G. p« 144); der Zau-
ber soll dadurch möglichst krfiftig werden,
4. Todt ist der Würmer König nun,
und todt auch ist ihr ithapati; I
Todt ist der Wumr, die Matter todt,
todt die Broder, die Schwestern seini N4II
sthapdti ist aaf ysthap^ eine causative Nebenform zu ystkd^
zurückzufuhren und bedeutet wohl eigentlich den Feststeller, Ord-
ner, dann den Richter. Er erscheint ^ai. 5, 4, 4, i«. i7. Käty.
15, 7, 19 unmittelbar nach dem Bruder des Königs unter den
Hauptbeamten desselben (der schol. zu Kdty. erklärt das Wort als
grämeffjara)^ neben dem süta^ vor dem grdma$i; so auch Qdnkh.
14, 22, t'). Nach Kdty. 22, 6, ts. Ldty* 8, 7, n ist athapaü der
Titel dessen, der den bfihaspati^iava genannten ekdka (be-
stimmt für den, der tejasy brahmavarcasam oder purodhd wünscht)
0 wo vom schol. durch kufytMra, Zimmermanii (1) wUirt.
vom 30. Juni 1870. 515
gefeiert hat; es darf dies Opfer resp. aber eben nar ein Solch er
begehen, welchen die brähtnaf^a in Gemeinschaft mit dem Kö-
nige^) sich voranstellen, und swar nach dem schoL, damit er das
Recht feststelle (dharmasthdpakatvena; ebenso schol. zu Panc.
17, 11, 5). Alle müssen ihn ehrerbietig begrfifsen, während er
selbst vor Niemandem aufsteht. Nach Kdty. 22, 11,10 ist stha-
pati übrigens auch der Titel dessen, der den gosava gefeiert
hat, den resp. die rtp in Gemeinschaft mit dem Könige an ihre
Spitze gestellt haben. Bin Eevottaras sthapati Päfava Cdkra er-
scheint in (^f. 12, S, 1, 17. 9, 3» 1 ff. als specieller Kenner des sau-
lr<fmaril-Opfers, vermittelst dessen er dem DuthlaHtu Paunsdyana
zur Herrschaft über die Srn^faya verhalf. Über ein Opfer für einen
ithapati der Niihdda s. Kdiy. 1, 1, it. — Wie sich neben der eben-
falls auf die Wurzel sthd (ursprunglieh std) zurückgehenden Wur-
zel stambh mixßw eine Form skamhh findet, so ist auch neben
Hthap eine Form 9kap anzusetzen, vgl. oTn^irrw a-itrifrocv; und zu ihr
ist denn wohl auch goth. tkapan, ags. seapan^ schaffen (vgl.
Vorles. über ind. Lit. Gesch. p. 211), zu stellen, so dafs hie-
nach unser Schöffe (scabinus) mit nthapaÜ gleichen Stammes
zum Mindesten ist, wenn nicht etwa gar auch die Verwendung
der Wurzel in dieser Beziehung schon aus indogermanischer
Zeit stammt.
i. Getödtet sind die Diener nun^
getödtet die Umdienenden; I
Und auch die noch ganz klein gleichsam,
alle Würmer getödtet sind. II s II
vefdg Diener, p drivegas umdienend; von einer Yvif, die (s.
Pet W. unter pa4vinfa) wohl mit lat. vincire zusammenh fingt, und
von der auch vega Diener, vegatva, vaigya (neutr.) servitinm, her-
stammen, welche Wörter mit yvif intrare schwerlich in Bezug zu
setzen sind; vgl. devd vd asurdt^tn vegatvam updyan Kd^h, 12, 5,
omativddand enatfi vegd hhavanti ibid. 31, 12 (adabdhd asya v. bh»,
praUdndvasitä v, bh,), sarasvatyai vegabhaginyai svdheti vegayama-
10^ vd etat ibid. 32, 4; te devd^ par^figydnd aeurd^m vaigyam
updyan Tg. 2, 3, 7, 1. Das spfitere Sanskrit hat hievon allein noch
^^fyd, a harlot, behalten.
*) nach Ldty. 8, 7, 4 resp. brdhmandi 9vardfdnak, d. i. ytshdm rdjä
"«<^ also: unabhängig, keinem König unterworfene Brdhmanth
51 & GtMmmtsitzung
6. Ich cerbreche dir die beiden
Horner, womit du stofsen willst; I
Ich zerspalte die Blase dir,
welche dein Oiftbeb<er ist. 11 e H
Zu kuskumbha^ Blase, vgL kufun^hot kusumbha Kmgj Was-
sertopf der Einsiedler; das Wort bedeutet wohl: „wie leicht zer-
brechlichl^, von yaumbh occidere ferire West; vgl. 7«. 2, 4, 1, t.
Käfh. 10, 7 teshdm (U yad K.) devänäm uta yad alpam (apy alpa-
kamK,) lohitam akurvanj tad rakshdfui rdtribhir asubhnan (asum-
hhdm K. kshubhitdn kfitavanta^ Sdy,)^ tönt subdhdn mfitdn abhi-
vyauchaty te devd avidur: yo rat no *yam mriyaU rakshdnsi vä imam
ghnanHH (ye vai na ime ke ca mriyante rakihdiui vdvaitdn «um-
bhantiti K.), An unsrer Stelle hier wurde fibrigens auch die ak-
tive Bedeutung: „wie todtlich'' passen.
33. Gegen yakshma (Schwund).
1. Ans den Augen, den Naslöchern,
den Ohren und dem Kinne dir, I
Aus dem Gehirn, der Zung*, — den Schwund,
der dir im Kopfe sitzt, zieh ich 'raus. II i II
Auch dieses Stuck, das den ganzen menschlichen Korper von
Kopf zu Fufs der Reihe nach durchmustert, um den Schwund
(jfakikma) ans den einzelnen Gliedern zu vertreiben, hat Knhn
bereits in seiner Zeitschrift 13, 63 ff. übersetzt und mit analogen
germanischen Krankheits-Zaubem verglichen, sowie auch theils die
Variationen, welche die hiesige Recension des Spruches zu der in
flik 1, 163. Ath. 20, 96, i7-2S vorliegenden zeigte behandelt, theils
eine dritte Variante dazu, die sich bei Pdraskara 3, 6 findet, spe-
ciell erörtert (p. 70 ff.)- — ^^i ^<*^' (^7) ist leider nur wenig
sich findend : vdldstukdm (? vola^ Cod.^ ^sukdm pr. m.) dehidya kkah
vddiny akshibhydtp. ta iti I (sicl der Strich im Cod.) vibarham
udapdtre^ sampdtavatd 'vasincati I „er zerschneidet (?) die Haar-
flechte (?), zieht unter Recitation von 33, 1 (etc.) die khalva-Kömer
etc. heraus und begiefst (den Betreffenden) mit Wasser, welches mit
(der üblichen) Zuthat versehen ist> Eine Hauptachwierigkeit
macht hier zunfichst das Wort vdlastukdm, dessen erster Theil so-
wohl vdla Haar, als bäla Kind sein kann. Zu 9tukd Haar-
schopf, Flechte vgl. mekhald aiukdidrgam Sfiahtd ^at. 3, 3, i, 13
vom 30. Jmi 1870. 517
(siukd kegaveifi yathd if^yixte tathd^ schoL), dakihitj^t kefosiukdt
Kau^. 42, prithushtukd ^. 2, 32, 6 (10, 86, 8 wo prithushpi). Nir.
11, 32; vfnsJnjte^ stukd (roma schol.) (JaU 3, 5, 2, 16. Kdty. 5, 4> 17
{vpshne^ stukd^; ^roromd^i schoL), ürndstukd Ait. Br. 1, 28. Kdtlu
25, 6. Apastamba in der paddh. zu Kdty. 4, 1 pag. 299, 4. A^v.g.
l, 7, 16. Ferner bleibt unklar, wo „die khalüa-Kömer etc.^ heraus-
zuziehen sind. Endlich, was das Schlimmste ist, es mufs einst*
weilen sowohl noch ungewifs bleiben, ob die Worte vdl. ach. kh.
überhaupt hieher und nicht vielmehr zum Vorhergehenden (zu
den unmittelbar vorhergehenden Angaben über den Wurmzauber mit
Spruch 32} gehörig sind, wie es ebenso auch nach der andern
Richtung hin ungewifs ist, ob nicht die Worte vib. udap. samp Va«.
ihrerseits vielmehr zum Folgenden (es folgt: harinasyeti Aih. 3, 7,i)
gehören II — ehubuka das Kinn, etwa von der ychup, eup anfassen,
berühren, die sich im Pdli, Prdkrit findet, s. Hdla pag. 166. 238
(unter chiv). 261, lind zu der auch wohl ycumb^ küssen, gehört;
die spätere Sprache hat civuka^ cucuka.
9. Aus dem Halse, aus dem Genick,
den Ruckenwirbeln, dem Ruckgrat, I
Den Schultern, Dick -Armen — den Schwund,
der dir im Arm sitzt, zieh ich 'raus. II 2 U
kikasds sind nach Shatfv. 1, 3 die Glieder, d. i. wohl Knor-
pel des Ruckgrats : bfihatya eva pargavo (pdrgvdsthini) bfihatya era
ktkasdh (pftBhthasydvayava^) prishfham abhisamdyanii.
3. Aus dem Herzen, der Lunge dir,
aus der Galle^ dem Seitenpaar, I
Aus den Nieren, der Milz den Schwund
und aus der Lieber zieh'n wir *rans. II a II
halikshfjLa, wohl was gelb (hart) aussieht (ikshionid). — ma^
tanne die beiden Nieren, etwa die nach Gefallen (vgl. matam^ga)
traufeinden? die Nieren bereiten den Urin.
4. Aus den Gedfirmen, dem Hintern,
aus dem Mastdarm, dem Bauch heraus, I
Aus den Mägen, dem Nabel ich,
aus dem Gekröse zieh' den Schwund. lU N
5. Ans den Schenkeln, den Knieen dir,
aus den Fersen, den Fufsspitzen, I
Den Hinterbacken, Schamtheirn ich
den Schwund, der in der Scham sitzt, zieh. 11 a II
518 Geiammtiitzung
bha$ad^ podex; ob der Blinkende, Blanke, Glatte, der ^Spie-
gel**; — fro^i, clanes, loins; eig. wohl die rauhen, zottigen; —
hhdiodam ist durch das Metrum als Glosse markirt; — bhan-
iai gehört wohl au hhaiod,
«. Aus den Knochen, den Markknochen,
den Sehnen und den Adern dir, I
Ans den Hftnden, den Fingern ich
und aus den Nfigeln sieh' den Schwund. N 6 H
7« In jedem Glied, in jedem Haar,
jedem Gelenk, wo er dir sitit, I
Den Schwund, der in der Haut sitzt, wir
mit des Kafyapa Ziehe-Spruch
ziehen- dir 'raus, dafs fort er gebt. H 7 II
Ka^apa ist hier genannt, wie oben in 32, 3 Ätri^ Kaw»a etc.
Der die Symmetrie des Metrums störende vierte pdda ist wohl ein
Einschub; s. indefs auch oben in 30, 1 fünf pdda,
34. Beim Thieropfer.
1. Ob welchen Thier'n waltet der Herr der Thiere,
Yierfufsigen oder sei'n sie zweifQfsig , — I
Losgekauft dies hier wend' zum Opfertheil sieht
Dem Opfernden folge Gedeihn des Reichthuma! Nil
Dies Stuck findet sich identisch, ob auch mit allerlei Yarian-
ten, von denen ich nur die wichtigsten aushebe, resp. als Theii
eines gröfseren Abschnittes, in Ts. 3, 1, 4, 1. Kdfh. 30, S wieder.
Die Reihenfolge der Verse ist daselbst 5. 1. 3. 4. 2. — Nach
Kaug. 44 ist der Spruch beim Schlachten einer va^d^ Kuh, zu rer-
wenden und zwar wird dieselbe zun&chst, unter Darbringung einer
(?Aeespende mit v. 1, am Kopf, Rücken und der Schenkelgegend
gesalbt; yd ipe p. p, iti hutpd va^dm anakti firasi kakude jaghana-
deg$, — yeihdm ige Ts. K. ist offenbar (schon metri c.) dem ya (fe
vorzuziehen ; ebenso ea dmpaddm Tt. dem yo doipaddm (in K. heilst
es : catuahpdda uia ye dvipddai). Die Construktion ist anakoluthisch.
Das Opferthier mufs aus dem Verbände der fibrigen Thiere erst
gelöst, dem Schutzpatron derselben abgekauft werden, ehe es opfer*
wQrdig wird. Die hiesige Lesart wurde dasselbe als Herrn sXmmt-
lieber Thiere hinstellen, was nirgendwo sonst vorkommt, soweit
ich mich erinnere ^ und wobei dann jedenfalls das nükkrito gar
vom 30. Juni 1870. 519
nicht mehr pafst Auf den Opfernden in pdda 4, der ja seiner-
seits in der That durch das Opferthier sich seihst loskauft, s.
Ind. Streifen 1, 72, kann sich pdda 3 auch nicht etwa bestehen,
weil ja sonst zu pdda 1. 2 gar kein Bezug stattfinde. Auch spricht
dagegen die Lesart der beiden ra;t<4-Texte; T$. liest in pdda 3
nUhkrito^yam, und K. gar täihhitdi te yuQniyam bhdgam yantu. —
Die Nebeneinanderstdlnng der Zweifufsler und Yierfufsler in
solenner Opferformel wird durch das umbrische dupursua, petur-
pursusy s. Anfirecht-Kirchho£f die Umbr. Sprachdenkmäler 2, 199.
200, als schon ans indogermanischer Zeit stammend erwiesen.
2. Entlassend den Samen (zukünftgen) Daseins,
gebt Fortgang dem Opfernden, o ihr Götter 1 1
Herbeigeholt was hier da steht, besfinftigt, —
SU der Odtter Pfad geh' es ein,, dem lieben! Nsll
Die Ootter (s. v. 3. 4) sollen das Opferthier aus ihrer Hat
entlassen; es wird als reto bhuvanasya Saune n für kGnftige Exi-
stenzen bezeichnet, s. oben 28, 5 priyam retah; — gdtum, guten
Fortgang, Gedeihen; — updkfita ist der terminns technicus für
die feierliche Herbeiführung der Hostie; — ^a^amdna von y^a»,
weiche Wurzel (Gaus, still machen) euphemistisch ja geradezu für
^schlachtend gebraucht wird, analog wie sar^napay^ s. Pet W.
unter jnd^ — das geopferte Thier findet unmittelbaren Eingang in
die Hinunelswelt.
s. Die da sinnend hinter dem Angebundnen
drein schauend stehn mit ihrem Sinn und Auge, — I
Gott Agni sie möge zuerst ablösen,
Vifvakarman^ mit den Geschöpfn einträchtig. II s II
Es sind die Verwandten des Thieres gemeint^); die Flamme
des Opferfeuers soll sie aus ihrem Nachsinnen über das Geschick
ihies Genossen erlösen. Ob vi^akarman in pdda 4t als Name des
gottlichen Bildners oder appellativisch als Beiname Agnfsj der AI-
les thnende, zu fassen ist, bleibt zunächst ungewifs.
4. Die zahmen Thiere (hier), die vielgestaltgen,
yielfach geschieden, dennoch eingestalt'gen, — i
') Mutter, Vater, Brflder and Freunde desselben werden in andern
Spruchen um ihre Erlaubnib gebeten, es opfern zu dflrfen Kd^k. 3, 5. 26, 8.
V». 6, 9. gat. 3, 7, 4, 5.
[1870] 36
520 . Oesammtsitzung
Gott Vdyu sie möge zaerst ablösen,
Prajäpati^ mit den Oeschopfn eintrfichtig. H 4 H
Statt ye grämyd^ hat T«. K. ya dra^yd^; wilde Thiere sid
aber in der Regel nicht opferfähig. — Die ^Eingestaltigkeit*^ der
«ahmen Thiere besteht eben wohl darin, dafs sie sahm sind. —
Die „Ablösung^ besieht sich offenbar auf denselbea Gedaliken wie
in y. 3. — Auch hier ist unklar, ob Jhrqfdpati etwa als Beiname
Vdyu'B SU fassen ist.
&. Die Kundigen mögen suerst ergreifen
den Odem, der hier aus den Gliedern fortgeht! I
Zum Himmel geh'! bleibe mit deinen Knochen!
Zum Svarga hin geh' auf den Pfad'n der Gotter. UsB
Wer diese „Kundigen^ sind, erhellt sunächst nicht; ob die
fiuinif? Die ausgehauchte Seele geht ja in die Luft ein; vdtam
dtmd ^. 10, 16, 8, $am U prdr^ vdtena gachatdm Vs. 6, 10. (Vz/. 3,
7, 4, 8. 9. T$. 1, 3, 8, 1. 6, 3, 7, 4. Kdth. 3, 5. 26, 8 idimd 'ntari-
ksham rohati Ts. 5, 3, 6, 3; vgl. Ind. Stud. 2, 229. — In T$.K. ist
pddaSn.4 umgestellt, pddaZ lautet resp. oshadhiahu pratitishihd
,^{nr%rai(^ „in den Pflanzen bleibe mit deinen Knochen^. Dies ist of-
fenbar viel besser; einmal wird das doppelte „2um Himmel geb^
beseitigt, und ferner im Gegensatz zu dem seelischen Thdl, der
eben zum Himmel gehen soll, dem körperlichen Theile zugerufen,
hier auf der Erde zu bleiben, und ihm die Pflanzen als der Ori
angewiesen, wo er sich hin zu wenden hat Vgl. hiezu die ent-
sprechenden Angaben im J^tib 10, 16, 8 sffryam cdkßhur gadiatu
vätam dtmdt dy£m ea gaeha pfithivfm ea dhdrmar^d I apd rd
gacha yddi tdtra U hitdm öshadhißhu prdtitiihfhd ^drtraib.
An andern Stellen freilich werden auch die Glieder des Opfer-
thieres (angdnt) angewiesen , sich mit den yi^atra d. i. mit des
Gottheiten (devatds Kdth. 26, 8) zu vereinigen. Zu garira intfer
Bedeutung: Knochen, eig. die vergfinglichen Bestandtheile, s. z. B.
Kdty. 21, 3, 7.. 4, 8. 8, 14. 15. — Nach Kau^. 44 wird die Kuh mit
diesem Verse erstickt'): aiha prdndn dathdpayoH prajdnanta Üu
35. Zur Sühne falschen Opfers.
1. Die wir trotz dem (8(mia)-Genufs nicht reicher,
um die betrübt auf den Alt&r'n die Feuer, I
0 8. Ind. Stud. 9, 22. 23. 10, 345.
vom 30. Juni 1870. 521
Die wir mit schlechtem Opfer abgefunden —
dies Opfer ans gut mach' nan, Vi^akarmanl tl i II
Durch das Ungeschick eines Genossen beim sattra^Opfer schei-
nen die Übrigen in Schaden gerathen und nun ein Sühnopfer an*
gestellt zu haben; der Schuldige scheint gebunden (s. v. 3) auf
den Opferplatz geführt zu sein. — Bei Katig. (38) findet sich nui;
die kurze Angabe: ye bhakshayanta iti parishady ekabhaktam anvi^
kshamdf^ bhunkte: ^er (der Delinquent?) verzehrt in der Versamm-
lung eine Portion (Reis?), darauf (?) hinblickend.^ Dies konnte
eher auf eine Ordale gedeutet werden! vgl. die Angaben bei Stenz-
1er Z. D. M. O. 9, 676 und bei Schlagintweit p.33£f. Der Schuldige
nimmt etwa durch das Verzehren dieser Portion alle Schuld auf sich,
und entsühnt so die Andern? — Zu y$na.. dnjidhus ist aus päda 4
nas heraufzuholen; die Abfassung in dritter Person erklart sich dar-
aus, dafs dieser Nebensatz voransteht. — Zu bhakshayanto ergänze
ich somamj und beziehe es auf die beim sattram allen Theilnehmern
daran gemeinschaftliche Vertheilung des «omo-Trunkes. — =• „Die wir
mit schlechtem Opfer abgefunden^ sind, eig.: „welcnes schlechte
Opfer diesen (uns) Abfindung'' (war); ava-yd im Padapd(ha\ es
ist aber ava-ydh zu lesen, s. Pet. W. unter avayajy und dies eben
als: Abfindung aufzufassen. — Vi^äkarmany der Alles Thuende,
erscheint daher hier als ein Genius, der im Stande ist, auch sol-
che Opferschäden wie die begangenen zu heilen. Anderswo ist er
mir gerade noch nicht so begegnet; s. z. B. oben 34, 3. Agni
Vaigvdnara ist vielmehr die im Ritual für Sühnacte solenne
Gottheit.
2. Den Opferherrn nennen die fishi mit Fehl
behaftet, und um seine Sipp' sich sorgend. I
Die Meth-artgen Tropfen, die er verfehlte,
mit denen verein'ge uns Vi^akarman! II 9 II
Unter Opferherr ist hier wohl der gr^hapaU^ Hausherr, des
sattra zu verstehen. Andere fishi haben ihm voigeworfen, dafs er
seine Sache falsch gemacht (Beispiele der Art finden sich mehrfach
in den Brdhmana) und er ist nun wegen der Folgen, die dies für
die Seinigen haben wird, betrübt. Unter den „methartigen Tropfen''
ist wohl der soma zu verstehen, zu dessen richtigem Genufs er,
und die Seinigen mit ihm, nicht gelangt ist.
a. Für «oma-Trinker dess nicht Würd'ge haltend,
opferkundig, (doch) im Vertrag nicht achtsam, I
36»
522 Gesammtsiizung
Welchen FehP hier der Geband'ne machte,
den löse inr Wohlfahrt da, Vigvakarman! H s II
Der von den yajnapati begangne Fehler acheint nach pdda 1
somit darin bestanden zu haben, dafs er Unberechtigte zur Gabe,
d. i. zum Genufs des somoj zugelassen hat, also i. B. etwa die bei
dem sattra in Bezog anf die hhinnakalpa geltenden Bestiotmon-
gen, s. Ind. Stud. 10, 93. 94, nicht strikt beobachtete oder sonstige
Controll-Vorschriften darüber (s.Ind.Stad.lO,44.4ö) vemachl&ssigte.
Trotz aller Vertrautheit mit dem Opfer hat er sich somit doch in
Bezog auf die Bedingungen des samctyüy Vereins, Vertrags nicht
achtsam erwiesen, ond steht nun, wie es scheint, gebunden aaf der
Opferstfttte, um Befreiung von seiner Schuld zu erlangen.
4. Gewaltig die fishit Huldigung sei ihnen!
und ihrem Auge, ihres Geistes Wahrheit! I
Dem Bfihaspatiy Mächtger I lichte Huldigung!
Vi^vakarmanl Huld'gung dir! schütze du uns! N4II
Es sind wohl die fi$hi gemeint, die nach v. 2 den Fehler des
yajnapati bemerkt haben. — Im dritten pdda ist das Metrann ge-
stört; sollte etwa hfihaspate zu lesen sein? „dir, Bfihaspatii^
ft. Er des Opfers Auge ist, Anfang, Anhub.
Mit Rede und Ohr, Herzen ich ihm opfre. — I
Zu dem Opfer hier, das yon Vi^akarman
geleitet ist, froh mögen komm'n die Götter! H 5 U
Im ersten pdda ist wohl Vi^akarman zu ergänzen : prabkjritij
Anhub, Anfang und mtiibAam, Mund, Ausgangspunkt sind ziemlich
tautologisch. — Die in pdda 2 aufgeführte Trias entspricht wohl
dem sonstigen rdc, karman, manas; das Ohr als karman repräsentirt
resp. wohl das andächtige Lauschen auf die Opfergebete. — Auf
Grund all der Bitten hat denn schliefsiich Vt^akarman das Opfer
wirklich unter seine Obhut genommen, und sorgt nun dafür, dafs
es gut von Statten gehe ; die Götter mögen also wohlgemuth kom-
men, ohne abermalige Störung zu besorgen.
36. BrautorakeL
Diesen Spruch habe ich bereits in den Ind. Stud. 5, 219 — 21
übersetzt und commentirt, worauf ich hiermit verweise. Ich theile
hier aber noch die bei Kauf. (34) hergehörigen Angaben mit, die
leider diesmal theils wegen ihrer Kürze, theils wegen des schlech-
ten ZuStandes der Handschrift ganz besonders schwer verständlich
vom 30. Juni 1870. 523
sind, 8o dafs ich kaum eine Überseteung hinxacnfugen wage: . • •
audumbartr ädhäpayaty uttamd vrajitäyaiy pativedandny, d no agna
ity (v. 1) dgamafUofaram (?) d^yaü I mfigdverdd (?wohl mfigdkha-
rdd) vedydm (?) mantroktdtU (wohl in v. 7) sampdtwanH dvdre pra-
yachaty, üdakense (?udakan8e?) vrihiyavau jdmyai (?) ni^ hutcd da-
kshi^^a prakrdmati^ pa^cdd agne^ prakshdlya sat^hdvya sampdta-
vatim bhagasya ndvam iti (y. 5) matUroktam. Danach scheint also
mit ▼. 1 (dem ankommenden Werber?) ein dganumtofara (was dies bei
Kaug. mehrfach vorkonunende Wort bedeutet'), ist mir unklar) als
Speise vorgesetzt zu werden. An der Thür (des Hauses?) reicht
er (wer? und wem? dem MiSdchen?) die im Spruche (▼. 7?) ge-
nannten Gegenstünde, nachdem er sie vorher (mit v. 4?) aus der
Hohle (? dem Neste?) eines ftifiga (Rehs? oder resp. Vogels?) auf
die vedi (gelegt hat?). In einem Wassergefftfs (?) opfert er
des Nachts der Jdmi (Genie der Yorwandtschaft?) Reis und Gerste,
schreitet nach rechts hin vor, und Ififst dann hinter dem Feuer
durch das Madchen, welches (was? sich selbst?) gewaschen und
gereim'gt hat, und mit den üblichen sampdta (?) versehen ist, mit
V. 5 'das darin Gesagte thun.
1. Der Werber komm sm unsrer Freud', o Agni!
KU dieser Maid her, mitsammt unserm Glücke'). I
Begehrt sie bei Freiem ist, hold in Reihen.
Schleunig ihr mog' Glück kommen durch 'nen Gatten. Hill
3. Als von Soma, Brahman begehrt,
durch Äryaman erworbnes Glück, I
Kraft der Wahrheit des Gottes Dhdtar
stell' ich das Brautorakel an. 11 s 11
paUvedanam^ eig. die Gattenschau, die Untersuchung darüber,
wen das Mädchen als Gatten bekommen wird.
3. Dies Weib hier 'nen Gatten, o Agnil findet
denn der Konig S<ma sie hoch an Glück macht. I
Söhne gebfir'nd mog' sie Hausherrin werden,
zum Gatten gehnd strahlen in schönem Glücke! II 3 N
4. Wie diese Hohl"), Maghavan! dort, die schone.
0 ob etwa eig. «SahnenBchaiun fllr einen Gast*? vgl. {\tf. 3, 3, 3, 2.
') es ist ja ein GlAck fQr die Ihrigen, wenn eine Maid heirathet, aus
dem Hause kommt.
') oder: dieses Nest, wenn es sich etwa um ein Vogelnest handelt.
524 GesammUitzung
den Thier'n lieb war, weiKs drin so gut sich wohnte, I
Also sei dies Weib hier des Glückes Liebling»
geliebt vom Mann, nimmer von ihm geschieden! II 4 H
5. Besteige du des Glückes Schiff,
das volle, unerschöpfliche, I
Und fahre damit hin zu dem,
der dir ein wunschenswerther FreiV. II & II
6. Schreie ihn an, du Reichthnms HerrI
mache den Freier zugeneigt I I
Um Jeden wandle du nach Rechts,
der da ein wunschenswerther Frei'r. II 6 II
Angeredet ist wohl das in v. 5 erwähnte Schiff, welches die
Braut mit ihrem Glucke trägt.
7. Hier ist Gold, hier ist Guggulu^)^
das Stierfell (?) hier, das Gluck dazu; I
Diese g<*ben den Männern dich,
dafs du den wünschenswerthea find'st. II r II
8. Herbei führe dir Savitar^ den Mann, der deinem Wunsch
entspricht. I
Und du, o Kraut, verleih' ihr den! II 8 II
Zur Erklärung von v. 5 ff. halte ich es für angemessen, die
am a. O. aus Schönwerth's Mittheilungen aus der Oberpfalz und
aus Mätz's siebenbürgi scher Bauernhochzeit beigebrachten Gitatc
auch hier zu wiederholen, da sie in der That ein treffliches Ana-
logon zu bilden scheinen. ^jDas Mädchen stellt in der Thomas-
nacht ein Schaff Wasser in die Stube, und wirft die Zettelchen,
auf welche sie die Namen ihrer männlichen Bekannten geschrie-
ben, zusammengedreht hinein. Dann läfst sie ein kleines Brett-
chen mit einem brennenden Lichtchen im Wasser schwimmen.
Der Zettel, bei welchem es zuerst ankömmt (und zwar wohl nach
oben v. 6, an dessen rechter Seite), enthält den rechten Namen*
Schonwerth 1, 140. „Oder sie giefsen in eine grofse Schussel
Wasser, geben in hohle Nufsschaalcn brennende Kerzchen, jedes
eine Person bedeutend; schwimmt ein Pärchen bis früh Morgens
zusammen, so heiratben sie einander. Dasselbe Orakel in Thü-
ringen^ Mätz p. 23.
) Bdelliou.
com 30. Juni 1870. 525
Hr. A* W. Hofmann las weitere Beobachtungen über
den Methylaldehyd»
Einige Versuche über die Wasserstoflfabkommlinge des Schwe-
felkohlenstoflfs, welche Hr. Aim^Girard') vor Kurzem der frauz.
Akademie vorgelegt hat und welche auch in der Pariser Corres;
pondenz der deutschen chemischen Gesellschaft') flüchtig erwfihnt
worden sind, veranlassen mich nochmals auf einen Gegenstand zu-
rückzukommen, über den ich der Akademie bereits mehrfach Mit-
theilang gemacht habe.')
Nachdem ich gezeigt hatte, dats sich der bei der flammelosen
Verbrennung des Methylalkohols entstehende gasformige Korper
durch sein ganzes Verhalten, und zumal durch sein Gasvolumge-
wicht als normaler Methylaldehyd charakterisirt, mithin durch die
Formel CH2O ausgedrückt werden mufs, habe ich auch die Frage
zu beantworten gesucht, welche Meleculargrofse dem isomeren star-
ren Korper angehören möge, in welchen sich das Methylaldehydgas
nach einiger Zeit verwandelt, und welchen Hr. Butlerow früher
in Folge einer von ihm seitdem als irrig erkannten Dampfdichte-
bestimmung als Dioxymethylen angesprochen hatte. Da sich
keine directen Anhaltspunkte für die Bestimmung der Molecular-
grofse dieses Körpers boten, so glaubte ich wohl Schlüsse rück-
wärts ans der Zusammensetzung des durch die Einwirkung des
Schwefelwasserstoffs auf das feste Product gebildeten Schwefelkör-
pers ziehen zu dürfen, und habe deshalb einige Verbindungen,
welche der letztgenannte Körper mit Silber- und Platin salzen
erzeugt, der Analyse unterworfen.
Der Silbersalze, welche untersucht wurden, waren zwei, näm-
lich die Verbindungen
CjHeSa , AgNO, und
CsHeS, , SAgNOj.
Das Platinsalz wurde nach der Formel 2C3HeS3, PtCl4 zu-
sammengestellt gefunden. Ich nalnn auf diese Ergebnisse gestützt
') Aime Girard, Compt. Rend. LXX, 623.
^) Friedel, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, III. Jahr-
gang, 326.
') Uofmann, Monatsberichte 1867, 665, u. 1870, 362.
526 OuammtBxtzung
für den Schwefelkorper die Formel CgH^Ss an und bemerkte vel-
ter, daffl mit der Annahme dieses Ausdrucks auch die Formel
CjH^Oj für die starre Modification des Methylaldehyds, for den
Methylmetaldehyd y einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit er-
halte.
Bei den oben erwähnten Versuchen, welche von Hm. Oirard
über den Schwefelkörper, den er ursprunglich bei der Einwirkung des
Wasserstoflfs th eondicione nascendi auf den Schwefelkohlenstoff er-
halten hatte, angestellt wurden, hat derselbe zunächst einen neuen
Beweis für die Beziehung zwischen der Schwefelverbindnng und
dem starren Methylaldehyd beigebracht Während ich früher die
Sauerstoffverbindung in den Schwefelkörper fibergeführt hatte, ist
es Hm. Oirard nunmehr gelungen, umgekehrt den Schwefelkör-
per wieder in die Sauerstoffverbindung umzuwandeln. Bei der
Analyse der Silber- und Platinsalze dagegen ist er zu Ergebnissen
gelangt, die von dei^ meinigen mehrfach abweichen.
• Ober die erste der Silbferverbindungen, welche bei überschus-
sigem Schwefelkörper gebildet witd, kann kein Zweifel sein; Hr.
Oirard hat sie mit denselben Eigenschaften und von derselben
Zusammensetzung erhalten, die ich angegeben habe. Dagegen hat
er das zweite Silbersalz nicht darstellen können; wohl aber eine
Verbindung, deren Zusammensetzung, wenn ich den im alten Styl
geschriebenen Ausdruck in die neuere Notation übersetze, durch
die Formel
CjHeSa, 2AgN0,
ausgedrückt wird.
Bei einer Wiederholung der Versuche habe ich in der That, wenn
das Silbernitrat im Oberschusse angewendet wurde, genau die von Hm.
Oirard angegebenen Zahlen erhalten. Man könnte also versucht
sein, die Existenz der drei Verbindungen
CjHjS, , AgNO,
CjHjS, , 2 AgNO, nnd
C,H,S, , 3AgN0,
«
anzunehmen; ich habe aber trotz mehrfacher Anläufe bei meinen
neuen Versuchen das dritte in dieser Reihe figurirende Salz nicht
wieder erhalten können. Ich mufs daher, zumal auch meine An-
nahme auf einer einzigen Silberbestimmung beruht, die Existenz
eines Silbersalzes mit 3 MoL Siibernitrat selbst in Zweifel ziehen;
vom 30. Juni 1870. 527
jedenfalls sind neae Versuche nothig, um diese Verbindung lu re-
habili^ren.
Auch bei der Analyse der Platinverbindung ist Hr. Oirard
zu abweichenden Resultaten gelangt. Auf die Bestimmung des
Kohlenstoflfs, Wasserstoffs und Platins gestützt, hatte ich derselben,
wie bemerkt, die Formel
^CjHeSa, PtCl^
zogeschrieben. Hr. Girard hat auch das Chlor bestimmt und
gefanden, dafs der Korper etwas weniger Chlor enthfilt, als dieser
Formel entspricht, und er nimmt delshalb an, dafs ein Theil des
Platins, und zwar ein Drittheil, in der Form von ChlorSr in der
Verbindung Yorhanden sei. Die Analyse liefert ihm schliefslich
Resultate, welche sich in der Formel
2(C,HeS,) , PtCla -4- 2[2(C3HeS3) , PtClJ
wiedergeben lassen.
Die Formel, welche ich für die Platinverbindung aufgestellt
habe, nnd welche sich zumal durch ihre Einfachheit empfiehlt,
stutzt sich auf eine Reihe von Analysen, deren Procente ich mit
den theoretischen Werthen der beiden vorgeschlagenen Formeln
zusammenstelle.
Theorie. Versuche.
Girard: Hof mann: I. n. m. IV.
Kohlenstoff 12.2 11.69 12.02 _ -. —
Wasserstoff 2.0 1.95 2.10 — _ _
Platin 33.3 32.14 — 32.17 32.35 32.13.
Da diese Zahlen bei der Analyse von Producten verschiede-
ner Darstellungen erhalten wurden, — der für I., H. und III ver
wendete Methylsulfaldehyd war aus Methylaldehyd, der für IV. ver-
wendete aus Schwefelcyankalium dargestellt worden, — so glaube
ich, dafs die Existenz der Verbindung
2CaHeSa, PtCl^
nicht zu bezweifeln ist. Ich bin aber vollkommen mit Hm. Gi-
rard einverstanden, dafs sich je nach der Darstellungsweise ver-
schiedene Verbindungen bilden, unter denen auch die von ihm an-
genommene auftreten mag. Ich habe nfimlich in Versuchen, wel-
che seit der Veröffentlichung von Hrn. Qirards Abhandlung an-
528 OeiamnUsitxung
gestellt worden^ ebenfalls höhere, aber keineswegs constante Pia-
tinprocente in verschiedenen Darstellungen gefunden. In vier Sal-
sen verschiedener Darstellungen wurden folgende Werthe erhalten:
I. IL IIL IV.
Platinprocente 33.20 33.37 34.75 35.00.
Der steigende Platingehalt kann nur von einer Reduction des
Platinchlorids zu Platincblorur herrühren, aliein es durfte schwer
sein, unter diesen Umstünden ganz bestimmte Verbindungen zu er-
zeugen. Angesichts der hier zu Tage tretenden Reductionserschci-
nungen lag der Gedanke nahe, den Melhjlsulfaldehyd statt mit
Platinchlorid^ mit Platincblorur zu verbinden. In der That liefert
eine salzsaure Losung von Platincblorur mit einer alkoholischen
von Methjlsulfaldehyd einen blafsgelben Niederschlag, der, ob kalt
oder warm bereitet, dieselbe Zusammensetzung, nfimlich
3C,HeS3,2PtCl,
zeigte. Diese Verbindung scheint in der That geeigneter für die
Bestimmung der Moleculargrofse des Sulfomethylaldehyds als das
nur wenig constante Platinchloridsalz.
Vergleicht man die hier mitgetheilten Ergebnisse meiner Ver-
suche mit denen^ welche Hr. Girard erhalten hat, so findet man,
dafs sie im grofsen Ganzen übereinstimmen.
Dagegen kann ich mich den Schlufsfolgerungen, welche Hr. Gi-
rard aus seinen Versuchen zieht, nicht anschliefsen. Obwohl er die
Moleculargrofse des Schwefelkörpers nicht als definitiv festgestellt
betrachtet, so glaubt derselbe doch, dafs sich die mehrfach genann-
ten Salze am einfachsten darstellen, wenn man in ihnen den
Schwefelkörper mit dem Werthe C2H^S2 nnd nicht, wie ich ihn
auffasse, mit dem Werthe CjHgS, fungiren läfst. Mich will es
dagegen bedunkßn, dafs die neuen Versuche des Hrn. Girard
und zumal auch die Analyse der Quecksilberverbindung, die ich
nicht untersucht hatte, unzweideutig für die letztere Auffassung
sprechen. Eine Vergleichung der Formeln der Verbindungen im
Sinne der beiden Auffassungen geschrieben, durfte in dieser Be-
ziehung kaum einen Zweifel lassen.
vom 30. Juni 1870, 529
Quecksilberverbindang.
Nach Girard: Nach Hofmann:
3CjH,S, , 2HgCl, CjHjS, , HgClj.
Silberverbindungen.
SCaH^Sj, 2AgN03 ^31X683 , AgNOj
3CaH,S, , 4AgN0, CgHeSa , 2AgN03.
Verbindung mit Platinchlorid.
302X1^829 PtCl^ 2C3HgS3 ) PtCl^.
Verbindung mit Platinchlorür und Platinchlorid.
SC^H^S,, PtCU 2C3H6S3, PtCla 1
eCjlI.Sa, PtClJ 2[2C3HeS3, PtClj)
Mit Platinchlonlr.
OCgH^Sj, 4PtClj 3C3HßS3, 2PtCl2.
Man sieht also, dafs die Annahme einer trimolccularen Con-
stition für den geschwefelten Methylmetaldehyd zu weit einfacheren
Formeln fuhrt, als die dimoleculare Auffassung desselben. Offen-
bar hat auch Hr. Girard die dimolecularen Formeln nur defshalb
gewählt, weil der Schwefelkörper zweifellos dem starren Methyl-
metaldehyd entspricht, welchen man früher als Dioxymethylen
C2H^02 zu betrachten gewohnt war, eine Anzahl ^ welche Hr.
Butlerow, der sie ursprunglich aufgestellt, alsbald aber wieder
verlassen hatte, nachdem er meine Versuche über das Verhalten
des Körpers unter dem Einflüsse der Wärme wiederholt hatte.
Obwohl nun die Versuche des Hrn. Girard für meine An-
sicht, dafs der Schwefelkörper der trimoleculare und nicht der di-
moleculare Schwefelaldehyd der Methylrreihe sei, weitere Stutzen
geliefert haben, so schien es mir gleichwohl wunschenswerth, noch
eine bestimmtere experimcntale Grundlage für dieselbe zu gewin-
nen. Zu dem Ende habe ich versucht, die Dampfdichte des
Schwefelkorpers zu nehmen. Diese Substanz schmilzt allerdings
erst bei 216°, allein sie beginnt schon bei niederer Temperatur
zu verdampfen. Im Anilindampf läfst sich der Körper nicht ver-
gasen, wohl aber, obwohl auch nur mit grofser Schwierigkeit bei
212° im Xylidindampf. Das gefundene Gasvolumgewicht, obwohl
etwas hoch, erhebt die Formel CjHgSs über jeden Zweifel.
530
Gasvolumgewicht
auf WsMentoff bezogen
auf Lnft bezogen
OesamnUsitzung
Theorie:
C2 H^ Sj C3 Hg Sj
46 69
3.19 4.79
Venochc :
I. Tl.
72 73.17
5 5.08.
Nachachri/u
Zur Kenntnifs des Snlfaldehjds der Athylreihe.
Die immerhin etwas hohe Zahl, welche bei der Dampfdichte
bestimmnng des geschwefelten Methylmetaldehjds gefunden worden
war, hat mich bestimmt, auch das Gasvolumgewicht des geschwe-
felten Äthylaldehjds su bestimmen. Bisher hat man die Molecn-
largrofse desselben in der Regel durch die Formel C^H^S ausge*
druckt Die in der Metbylreihe ermittelten Yerhfiltnisse lieTsen
aber tnit Sicherheit voraussetzen, dafs auch dieser Korper ein hö-
heres Moleculargewicht besitzen werde. Der Versuch hat denn
auch diese Voraussetzung in erfreulicher Weise bestätigt. Die ge-
schwefelte Athylverbindnng ist, ebenso wie der Korper in der Me-
thylreihe, trimolecular, wird also durch die Formel
C«Hi,S,
ausgedrückt. Die Oasvolumgewichtsbestimmung, welche ebenfalls
im Xylidindampf ausgeführt wurde, ergab folgende Werthe:
Theorie:
Versuche:
^6 Hu S3
Gasvol umgewicht
I. 11.
auf Wasserstoif bezogen
90
89.43 90
auf Luft bezogen
6.25
6.21 6,25.
Es verdient bemerkt zu werden, dafs sich die Athylverbin-
dnng wesentlich leichter verdampfen läfst, als die Methyl Ver-
bindung.
Da der Sulfaldehyd der Äthylreihe nach den angeführten Ver-
suchen ganz unzweifelhaft eine trimoleculare Verbindung ist, so
kann man annehmen, dafs sich bei seiner Verbindung zunächst
vom 30. Juni 1870. 531
Paraldehyd erzeugt, der sich alsdann einfach schwefelt. Der Ver-
such hat gezeigt, dafs sich der Paraldehyd in der That mit der
gröfsten Leichtigkeit in den in Rede stehenden Schwefelkörper
verwandelt.
Dürfen wir nun nach den Versuchen, die vorliegen, die bei-
den Schwefelverbindnngen
und die ihnen gegenüberstehenden Sauerstoffverbindnngen
CjHeO, und C^YL^^O^
als analoge Aldehydmodificationen in der Methyl- und Äthylreihe
betrachten?
Was zunächst die Schwefelverbindungen anlangt, so stehen
sie ihrer Bildungsweisc sowohl als ihrer Dampfdichte nach einan-
der so nahe, dafs man versucht ist, sie als Analoge aufzufassen.
Hierzu kommt noch die Ähnlichkeit der Silberverbindungen. Die
von Weidenbusch analysirte Silberverbindung
CeHijS,, 2AgN03
entspricht in der That ihrer Zusammensetzung nach genau dem
Silbersalze des geschwefelten Methylaldehyds, welches bei einem
Lberschusse von Silbernitrat entsteht Wahrscheinlich existirt
auch die Verbindung mit 1 Mol. Silbemitrat, obwohl sie bis jetzt,
der viel gröfseren Unbestfindigkeit der Salze in dieser Reihe hal-
ber, nicht erhalten worden ist.
Vergleicht man andrerseits den starren Methylaldehyd mit dem
Paraldehyd der Äthylreihe, so stellen sich schon weit tieferge-
hende Unterschiede heraus. Der auffallendste Unterschied ist im-
mer, dafs sich der starre Methylaldehyd beim Vergasen alsbald in
normalen Methylaldehyd verwandelt, welcher nach kurzer Frist wie-
der in die starre Modification übergeht, während sich der Paralde-
hyd der Äthylreihe unverändert vergasen Ififst, so dafs über seine
Moleculargrofse kein Zweifel obwalten kann. Allerdings lafst sich
der Paraldehyd durch Destillation mit etwas Schwefelsäure sehr
leicht wieder in den normalen Äthylaldehyd zurückfuhren.
Fast näher noch als der Äthylparaldehyd steht indesten dem
starren Methylaldehyd der Äthylmetaldehyd, die von Liebig beob-
achtete starre, unschmelzbare Modification des Äthylaldehyds, wel-
532 GesammHitzung
che durch Soblimation in schonen Kiystallen erhalten wird. la
gasformigen Zustande ist dieser Korper, wie Hr. Oeuther niid
neuerdings noch die HH. Kekule und Zincke nachgewiesen
haben, ebensowenig bekannt als der starre Methjlaldehjd. Es war
in der That dieses ähnliche Verhalten unter dem Einflüsse der
Wurme, welches mich veranlafste, den starren Aldehyd der Methvl-
reihe mit dem Namen Methylmetaldehyd zu bezeichnen.
Übrigens weicht auch der Äthylmetaldehyd von dem Metal-
dehyd der Methylreihe wieder in vieler Beziehung wesentlich ab.
Der Methylkorper verwandelt sich beim Erhitzen vollständig in
normalen Aldehyd, der beim Erkalten sehr langsam aber seiner
ganzen Masse nach wieder in den starren Aggregatzustand über-
geht. Bei der Einwirkung der Wärme auf den Äthylmetaldehvd
andrerseits bleibt stets eine kleine Menge unverwandelt und der
gebildete normale Aldehyd erhält sich alsdann Tage lang unver-
ändert, und wird wahrscheinlich erst wieder Metaldehyd, wenn er
die Bedingungen findet, unter denen der Aldehyd überhaupt in
Metaldehyd übergeht Dies Verhalten läfst sich bequem bei der
Dampfdichtebestimmung in der Barometerleerc beobachten. Die
Bestimmungen, welche theilweise von den HHrn. Krämer und
Pinner (I. II.}, theilweise von Hrn. Hobrccker (III.) ausgeführt
wurden, ergaben folgende Zahlen:
Theorie:
Vennche:
C,II«0
GaSToIamgewicht
I.
II.
III.
anf Wasseratoff belogen
22
25.8
27.4
24.4
auf Luft bezogen
1.52
1.79
1.71
1.69.
Aus diesen Zahlen ersieht man, dafs der Metaldehyd nahezu,
aber nicht vollständig in den normalen Aldehyd übergegangen war,
obwohl die Versuche bei ziemlich hoher Temperatur, nämlich theil-
weise im Anilin- (I u. HI), theilweise im Xylidindampfe (II) aus-
geführt wurden. Beim Erkalten des Apparates zeigte sich alsbald
der obere Theil der Barometerrdhre mit langen Nadeln des un-
veränderten Metaldehyds durchsetzt, allein bei weitem die gröfsere
Menge desselben war und blieb in normalen Aldehyd amge-
wandelt.
vom SO. Juni 1870. 533
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
vorgelegt:
Wahltach, Paicografia con figttre ancdoghe, Napoli 1870. 8. Mit
Schreiben des Antors d. d. Florenz 21. Juni 1870.
Ed. de la Barre Duparcq, Ewai sur le caractere d^Hannihal, Paris
1870. 8.
Funicola, La scienza dell* inaegnamento, Napoli 1869. 8.
liendiconti deW (tccademia di Napoli, IX, 1 — 3. Napoli 1870. 8.
Grad, Obaervationß aur la Constitution et le Mouvement des Glaciera, Lettre
a M. Schimper etc. Strassburg 1870.
Berichtigung zu S. 390.
Zu Gen. 27, 33. 34 ist statt d^r Worte: ^wahrscheinlich mit
Recht^, welche aaf einem Versehen beruhen, evl lesen:
in der That bedarf v. 34. zu Anfang einer Ergänzung, an
V. 33. ist aber nichts zu findem. Als die nöthige Ergänzung
von y. 34 ist '^n^ anzusehen; vgl. z. B. c. 39, 13. 15. 18. Deut.
5, 20. u. dgl. m.
[1870] 37
Nachtrag.
23. Juni 1870. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. du Bois-Reymond las einen Nachtrag zu seiner
Abhandlung über die aperiodische Bewegung gedämpf-
ter Magnete. *)
§. I. Einleitung.
Bei der kurzlich von mir der Akademie mitgetheilten Theorie
der aperiodischen Bewegung gedämpfter Magnete bin ich dem vom
physikalischen Standpunkte sich darbietenden Wege gefolgt, das
allgemeine vollständige Integral der Ditferentialgleichung für die
Bewegung des Magnetes aufzustellen, und die darin vorkommenden
willkürlichen Constanten der jedesmaligen Aufgabe gemäfs zu be-
stimmen. Indem ich die Ablenkung zur Zeit Null, = 0 oder =
einer positiven oder negativen Gröfse ^, ebenso die Greschwindig-
keit zur Zeit Null, = 0 oder gleich einer positiven oder negativen
Gröfse c setzte, habe ich die Bewegnngsgleichungen für die ver-
schiedenen Combinationen dieser Fälle nacheinander einzeln her-
geleitet.
Unter diesen Combinationen erwies sich besonders lehrreich
die, wo der Magnet bei ^ im Augenblicke des Fallenlassens eine
Anfangsgeschwindigkeit — c, also im Sinne der Richtkraft, erhält.
Die Rechnung zeigte, dafs auch dann der Nullpunkt nicht über-
schritten werde, so )ange nicht c gröfser als (e -+- r) ^ sei. Es
entstand die Frage nach dem Sinne dieser Bedingung. Da es
gleichgültig ist, ob der Magnet bei ^ im Augenblicke des Fallen-
*) S. das Novemberheft vorigen Jahres, S. 807 — 852. Die Bezeichnungen
des Nachtrages sind dieselhen wie die der Abhandlung. Die Ordnungszahlen
der Formeln des Nachtrages sind arabische, zum Unterschiede von den
romischen der Abhandlung.
37»
538 Nachtrag.
lassens eine Anfangsgeschwindigkeit c im Sinne der Richtkraft
erhält, oder ob er diese Geschwindigkeit als Fallgeschvrindig^eit
or' = — c aus einer höheren Ablenkung mitbringt; da, unter der
Voraussetzung unbegrenzter Gültigkeit der Differentialgleichung,
der Magnet mit keiner durch Fallen ans noch so hoher Ablenkung
erlangten Geschwindigkeit den Nullpunkt zu überschreiten vermag;
endlich da für ein gegebenes x die Fallgeschwindigkeit mit der
Fallhohe w&chst: so vermuthete ich, dafs (* -h r) ^ die gröfste
Fallgeschwindigkeit sei, die der Magnet überhaupt bei ^ erlangeo
könne, d. h., bei unbegrenzter Gültigkeit der Differentialgleichung,
durch Fall aus dem Unendlichen erlangen würde.
Um diese Vermuthung zu prüfen, stellte ich mit Hülfe der
bekannten Relation x==/(t, ^) den Verlauf der Curve je^= ^(x, ^)
im Allgemeinen fest, und untersuchte, was im Endlichen ans dieser
Curve werde, wenn man ^=00 setze. Diese Untersuchung lehrte,
dafs meine Vermuthung genau nur im Grenzfall s = n oder r = 0
zutreffe; af = — iX ist wirklich im Endlichen die Gleichung der
Curve, deren Ordinaten für jedes x die Geschwindigkeit des ans dem
Unendlichen fallenden Magnetes angeben. Für f > n aber ist diese
Gleichung nicht j/ = — (' -^ r) x, sondern o^ = — (« — r) x; und
die Geschwindigkeit bei ^ muCs diese höchste durch Fall aus dem
Unendlichen erreichbare Geschwindigkeit um noch mehr als 2r'c
übertreffen, damit der Nullpunkt überschritten werde.
Die Differentialgleichung setzt die Proportionalität der Richt-
kraft mit der Ablenkung, und der verzögernden Kraft der Dämpfung
mit der Geschwindigkeit voraus; die Abweichungen der Beobach-
tung von der Theorie können also nur so lange innerhalb der Grenze
der Beobachtungsfehler bleiben, als die Ablenkung eine gewisse
Gröfse nicht übersteigt. Vollends hat ans Gründen , die keiner
Ausführung bedürfen, eine unendlich grofse Ablenkung des Magne-
tes keinen physikalischen Sinn. Man sieht aber, dafs die mathe-
matische Fiction einer solchen Ablenkung uüd der unbegrenztes
Gültigkeit der Differentialgleichung dadurch eine wirkliche Bedeu-
tung erhält, dafs man eine dem Magnet innerhalb der Grenzen,
wo die Bedingungen der Differentialgleichung noch erfüllt sind,
auf andere Art ertheilte Geschwindigkeit als durch Fall aus dem
Unendlichen entstanden ansehen kann.
Als ich meinem Freunde, Hm. Kronecker, die Ergebnisse
meiner Untersuchung mittheilte, machte er mich auf eine Behand-
Nachtrag, 539
hingsweise des Gegenstandes aufmerksam, auf welche vom physi-
kalischen Standpunkte nicht leicht zu kommen war. Sie schlägt
gerade den entgegengesetzten Weg von dem eben angedeuteten ein.
Von vorn herein wird die Gültigkeit der Differentialgleichung für
ein unendliches x^ oder, was das Nämliche ist, für ein unendliches
negatives t^ vorausgesetzt. Indem man überdies bei gewissen
ersten Integralen der Differentialgleichung stehen bleibt, hat man
ohne Weiteres für jede Zeit zwischen f =» — oo und ^ = -+- oo
die Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Ablenkung vor Augen.
Um aber von dieser ganz allgemeinen und der Wirklichkeit in der
That entfremdeten Betrachtung zu den wirklichen Bedingungen
zurückzukehren, ist nur nothig, letztere als gegebene Beziehungen
zwischen Ablenkung, Geschwindigkeit und Zeit in den allgemeinen
Ausdruck einzufuhren.
Wenngleich diese Art der Betrachtung die frühere nicht wohl
entbehrlich macht, hat sie doch ihre eigenthumlichen Yortheile, und
erst in ihrem Lichte lassen manche durch die frühere Betrachtung
aufgedeckte Beziehungen ihren wahren Zusammenhang erkennen.
Dies wird am besten erhellen, wenn wir mit ihrer Hülfe einige
der Aufgaben behandeln, deren Losung scheinbar schon auf dem
früheren Wege vollständig erreicht war.
§. II. Die fundamentalen Eigenschaften unserer
Differentialgleichung.
Indem wir übrigens summtliche Bezeichnungen der Abhandlung
beibehalten, setzen wir kurzehalber
i -^ r •= Oy t — r = b.
Unsere Differentialgleichung heifst alsdann (vergl. Abhandlung (I),
S. 809 und 822)
0 = y -+- (a-+- ^) Jj'H-a^x (l)
Die neue Theorie geht aus von der fundamentalen Bemerkung,
Jafs man durch Differenziren der Ausdrücke
e«« (6a: + o;'), e" (ax -+- x') (2)
las rechte Glied der Differentialgleichung beziehlich mit e^' und e*''
unltiplicirt erhält.
540 Nachtrag.
Die Ausdrücke (2) sind also constant; man kann setzen
«j: 4- -p' r= 5V" J ^'
wo A\ B' willkürliche Constanten sind, welche zu den Constanteo
A, B in dem Integral unserer Differentialgleichung, wie es Glei-
chung (VI) der Abhandlung giebt, in der Beziehung stehen
A'^ — 2rA, B' = 2rJ5.
Es folgt weiter, dafs man jederzeit setzen kann
^'(bx 4- a/) = ««' (ftX-h X') \
e"(aj:-+-«')==«*^(aXH-X')J ' • • • W
Wird der Verlauf von x, sf als Functionen der Zeit, insofern er
Ton den willkürlichen Constanten abhängt, als bereits bestimmt
angenommen, so bedeuten X, X\ T beliebige zusammengehörige
Werthe der Functionen x, ä' und der Zeit. "Wird aber jener Ver-
lauf als noch nicht bestimmt angesehen, so bedeuten X, X\ T
willkürliche Constanten, durch deren Einsetzung der Verlauf be-
stimmt wird.
Durch i' malige Differentiation der Gleichungen (3) erhält man,
wenn -r-^ = j:^'^ gesetzt wird,
aar^') -f. «<'+') = (— 5)'i?'«"«J '
und folglich
(- 1)'. 2rx^'^ = — a'A'^^* 4- b'B'e-^*, ... (6)
oxf'5-Ha?^'+'> b'B*
(5)
fc^CO 4-a;C+»)""aM'
.«'^ G)
oder, wenn man zu den Logarithmen übergehend — log I — } = &
setzt,
Hieraus sind folgende Schlüsse zu ziehen:
I. Wenn die Gröfsen x und x' für irgend einen endlichen Werih
von t endliche Werthe haben, so sind A' und B* endlich. 1:3t
einer der beiden Ausdrücke
ax-hx^t bx-hx! (^9
Nachtrag. 541
für irgend einen endlichen Werth von t gleich Null, und ist es
also auch B* oder A (3), so bleibt der Ausdruck Null für alle
endlichen Werthe von t^ und es wird demgemSTs die Ablenkung as
durch eine der beiden Gleichungen
4? = «"«*, « =s= — e- w
2r 2r
dargestellt.
IL Wenn, wie es in der Folge stets geschehen soll, von den
erwähnten besonderen Fällen abgesehen wird, so bleiben die Vor-
zeichen der Ausdrücke
ax^'^ -h x^'-^'\ ftojC') -f- «<''+*\ . • . (10)
wie die Gleichungen (5) zeigen, für alle Zeit constant. Wählt man
nun, was offenbar erlaubt ist, das Vorzeichen von x so, dafs
ßx -h x! nnd also B' positiv ist, so ist bx -h äf für den ganzen
Verlauf der Zeit und also A' entweder positiv odet negativ. Dem-
nach sind zwei wesentlich verschiedene Hauptfälle zu unterT
scheiden, von denen derjenige stets als der erste bezeichnet werden
soll, in welchem A* positiv ist, also die Ausdrücke (9) einerlei
Zeichens sind, und als der zweite der, in welchem A' negativ ist,
also jene Ausdrücke verschiedenen Zeichens sind.
III. Der Ausdruck (— l)' (ax^'^ •+- x^*-^^^) nimmt, während t
von — oo bis -h oo geht, alle positiven Werthe von oo bis 0
wirklich an; ebejiso durchläuft ( — l)' (ftx^'^ H- x^'"*"'^) je nach
den beiden soeben unterschiedenen Fällen alle Werthe von + oo
bis 0 oder von — oo bis 0. Der Quotient
durchläuft, wie Gleichung (7) zeigt, je nach den beiden Fällen
sämmüiche positive oder sämmtliche negative Werthe von 0 bis oo ;
aber der Quotient
welcher für f = — oo den Werth — a und für f = -+- oo den
Werth — b hat, durchläuft im zweiten Hauptfalle sämmtliche zwischen
--- a und — b liegenden Werthe, im ersten Hauptfalle alle übrigen
542 Naehtrag.
positiTen und negatiren Werthe. Nur in diesem ersten Haaptfaile
werden datier sn gewissen Zeiten x und seine Differentimlqaotienten
gleich Nnll. Für diese Zeiten und die zugehörigen Werthe der
Ablenkung x and ihrer Differentialquotieoten fuhren wir übrigens
nachstehende Bezeichnungen ein: der Zeit
t^ entspreche x ss o, af s=z x\y
T ^ ^ = 0, ««g,
tf j^ X ^^ 0| X ^* *|j * *s »v if
ttf n m ^^ 0) X :=3 Xify X s= X ^^^ U* S« W«
lY. Gleichung (6) liefert folgende Bestimmangen für die Ab-
lenkung (j?) und deren DifFerentialquotienten :
wenn * =■ — oO| so ist ( — l)' «^ '^ = zjp oo von der Ordnung «"•';
wenn t«« -4- oo, so ist «^'^s» 0 von der Ordnung «"**.
Ffir I as — oo ist also «^'^ unendlich grofs von derselben Ordnung
wie 64f^''^-+-«^''*"*\ aber von höherer Ordnung als ax<'^ -f- *<'+*\
F6r t »3 -f. oo ist «^'^ unendlich klein von derselben Ordnung wie
o«^''^-H«^''"''*^ aber von niederer Ordnung als 6«^"^ H-xf'"*"*^
y. Die Zeitpunkte, in denen der Reihe nach die Quotienten
XXX
einen und denselben bestimmten Werth annehmen, bilden, wie aus
Gleichung (8) hervorgeht, eine arithmetische Reihe mit dem be-
stfindigen Unterschiede Ä. Dies findet also namentlich für die-
jenigen Zeitpunkte <09 ^9 ^m ^»r • • • statt, in denen im ersten
Hauptfalle folgweise x, j/, x", j/". . gleich Null werden (s. oben III.X
so wie für diejenigen Zeitpunkte, in denen im zweiten Hauptfalle
-rjT — = — f wird. Diese beiden Reihen von Zeitpunkten sind
X
zwar je nach den beiden verschiedenen Ffillen ganz verschieden
charakterisirt, entsprechen einander aber insofern, als dabei stets
wird.
VI. Wenn
gesetzt wird, so nehmen die Gleichungen (3) und (6) die Form ao
Nachtrag. 543
x<'') = (— 1)" . -- $ (ÄC"-»)e&c-o ^ ^(.-1) e«('-')), . (12)
und es bedeutet r die Zeit, za welcher •
aaf -+- «"
fco;'
= ± 1
ist, wahrend aus der zar Zeit r stattfindenden Ablenkung x die
positive Grofse ^ durch die Gleichung
c. ö — b
bestimmt ist. Hiernach ist im ersten Hauptfalle r die Zeit und ^
die Ablenkung, bei der die Umkehr des Magnetes nach Überschreiten
des Nullpunktes erfolgt, bei der also x' = 0 und
ist, w&hrend im zweiten Hauptfalle t die Zeit und r ^ = — $
die Ablenkung ist, bei der j/ = § und
c* ^"^ O
» £' — n'a? = 0
M'irdj
V'il. Da nach den Gleichungen (II) für irgend w^elche bestimmte
zusimmengehorige Werthe T, X, X* die Relationen
a X -f- X' = a^e^^ ^-'\ bX-h X' = ztb^e^^ '-')
statthaben, so erhält man aus gegebenen Werthen T, X, X' die
W'erthe von t und ^ in folgender Weise:
r = T+^
1 /a62:H-«Z'\ ,,,.
|=(x-4-Ax')r..[±(x+-iz')]--. . (14)
VIII. Die Beziehung zwischen Ablenkung und Geschwindigkeit,
d. h. zwischen x und j/, ergiebt sich unmittelbar aus den Glei-
chungen (11) in folgender Weise:
544 Nachtrag*
(ax -{- a^\ - f hx -^ af\
(15«)
WO unter dem Logarithmus- Zeichen nur positive Grofsen stehen,
oder also
(ax -+- a;* V __ ( hx -\- a/V
~W) ~\^K) • • • •
(15*)
§. III. Erster Hauptfall: ax -h x^ und 6« + x^ sind
einerlei Zeichens.
Aus (12) ergeben sich in diesem Falle die Gleichungen
$:
x = ^(ae^^"*^^be^^'-% • . . . (16)
:c'=^(««f--« — e*f '-'>), .... (17)
welche den Gleichungen (VII) und (XII) der Abhandlung entspre-
chen. Hier werden gcmäfs der fünften obigen Schlufsfolgerong
zu den Zeiten
to = r — A, T, /, = T -h *^, f,, = T -i- 2 J^, u. s. w.
j; =r 0, £==0^ x" = 0, ^"' = 0, U.S.W.
und zwar müssen, wenn x oder ein Differentialquotient von x
Null werden soll, die Ausdrücke aar 4- J?', bx -h sf einerlei Zeichens
sein. Dies ist nur möglich, wenn entweder x und x^ selber einerlei
Zeichens sind, oder wenn, bei verschiedenem Zeichen von x und x',
x^ entweder gröfser als ax und also auch als bx, oder kleiner
als bx und also auch als ax ist.
Für t = — oo ist gemäfs der vierten Folgerung 4? = — oo,
x' = -+- oo, — = — a. Was für endliche Werthe von t geschieht,
X
zeigt Fig. 1 (s. die Taf.). Man erkennt die Curven an den ihnen
beigefügten Ordnungszahlen ihrer Gleichungen; Curve (16) ist die
der Ablenkungen, Curve (17) die der Geschwindigkeiten. Beide
Curven sind anfänglich convex gegen die Abscissenaxe der Zeiten,
denn x" ist negativ und j?'" positiv. Dann folgen einander in
dem nur von den Constanten der Vorrichtung, nicht von ^ ab-
hängigen Abstände A die vier Zeitpunkte foj ''? 'm ^v Bei U
Nachtrag. 545
schneidet die Carve der Ablenkungen die Axe der Zeiten nnd wird
gegen sie concav, da ihre Ordinate das Zeichen wechselt , £* das
seinige behält. Dies dauert bis zum Zeitpunkte r. Hier erreicht
die Cnrve der Ablenkungen das Maximum ^, denn für ^ = r ist
X = ^ und j/ = 0. Die Curve der Geschwindigkeiten schneidet
also jetzt gleichfalls die Abscissenaxe der Zeiten und wird gegen
sie concav, weil «"' sein Zeichen behält; bei tt erreicht ihre Or-
dinate das negative Maximum
und es findet ein Wendepunkt der Curve der Ablenkungen statt.
Endlich für <„ hat die Curve der Geschwindigkeiten einen Wende-
punkt.
In der Figur sind aus Gründen, die später einleuchten wer-
den (8. unten §. VII), $=1, a=l, 6 = ^ gesetzt. A wird dann
= 1,38629; X| = ^, Xu = -j^; ar^ = 2, * i = — -J-, * n ^ — tj^»
Für f = -+- cx> werden gemäfs der vierten Folgerung x und x'= 0,
X* = — hxy X läuft auf der positiven, a^ auf der negativen Seite der
Abscissenaxe asymptotisch aus.
Man kann dergestalt für unsere Betrachtung die ganze Zeit
von t= — oo bis ^=-Hoo in drei Abschnitte theilen, wie fol-
gendes Schema zeigt (vergl. auch zwischen Fig. 1. und 2).
I.
II.
III.
«= — oo
— oo bis Iq
<o bis T
T bis -+- oo
H" oo
j? = — oo
negativ
positiv
positiv
-h 0
jj* = 4- oo
positiv
positiv
negativ
— 0
— = a
a bis -+- oo
— oo bis 0
0 bis h
h
X
Welche Werthe zu irgend einer Zeit T die Ablenkung X und die
Geschwindigkeit X* haben mögen, vorausgesetzt nur, dafs sie dem
ersten Hauptfall entsprechen, stets giebt es, wie oben unter VIT.
ausgeführt ist, einen Zeitpunkt r, v/)r oder nach T, in welchem
j:' = 0 ist, und es läfst sich diese Zeit r und die zugehörige Ab-
lenkung ^ aus den gegebenen Werthen T, X, X^ berechnen,
r vorhergegangen ist stets im Zeitabstande A die Zeit t^^ wo x^= 0
w^ar. Der ganze Vorgang bleibt also, da einzig und allein die
Werthe von r und f variiren können, an sich und im Wesentlichen
stets derselbe und namentlich bleibt das Verhalten in positiv und
546 Nachtrag.
negativ unendlicher Zeit unverSndert, Avie man aach die Beding-
ungen wfihlen möge, vorausgesetzt nur, dafs die für den ersten
Hauptfall bezeichnenden Eigenschaften gewahrt bleiben.
Nimmt man ^ negativ, so ändern die* Ausdrücke (9) und in
allen drei Zeitabschnitten x und af ihr Zeichen. Alle Vorgänge
bleiben also dieselben, nur dafs die beiden Seiten der Abscissen-
axe, oder die beiden Hälften der Scale, mit einander vertauscht sind.
§. IV. Physikalische Anwendung der gewonnenen Er-
gebnisse, und Vergleichung dieser Ergebnisse mit denen
der Abhandlung.
Wir können die verschiedenen Fälle der Bewegung des Magne-
tes — von einer Ablenkung oder vom Nullpunkt aus, mit oder
ohne Anfangsgeschwindigkeit — aus folgender Fiction herleiten.
Vor unendlicher Zeit durchfiel der Magnet Räume unendlicher Ab-
lenkung mit solcher unendlichen Geschwindigkeit, dafs diese zur
Ablenkung in dem von den Constanten der Vorrichtung abhängigen
Verhältnifs — a stand. Zur Zeit f=»0, wo wir den Vorgang zu
betrachten anfangen, ist der Magnet in endliche Ablenkung gelangt
und es sind, je nach den Bedingungen der Aufgabe, gewisse Zeit-
punkte schon vorüber. Ist der Magnet bereits abgelenkt, so kann
der Fall aus dem Unendlichen geschehen sein entweder von der Seite
her, auf der er sich befindet, oder von der entgegengesetzten Seite her.
I. Jedesmal, dafs der Magnet zur Zeit f = 0 ohne Anfangs-
geschwindigkeit BUS einer endlichen, positiven oder negativen Ab-
lenkung ^ fällt, können wir uns denken, er sei von der entgegen-
gesetzten Seite her aus dem Unendlichen gefallen, habe den Nullpunkt
überschritten, und kehre bei ^ in seiner Bewegung um, daher
af hier = 0 ist. Der Vorgang beginnt also in der Idee an der
Grenze des zweiten und dritten der oben unterschiedenen Zeit-
abschnitte. Man braucht in der That nur in (16) t = 0 zu setzen,
um Gleichung (VII) der Abhandlung zu erhalten, welche diese
Bewegung des Magnetes darstellt; und unsere gegenwärtige Fig. 1
fSllt von T ab nach wachsender Zeit hin im Wesentlichen mit Fig. 1
der Abhandlung zusammen. ^) Selbst der Fall aus dem Unend-
') In letzterer ist r = 0, va der gegenwärtigen Figur = \ gemacht (s.
▼orige Seite).
Nachtrag. 547
liehen ohne Anfangsgeschwindigkeit, mit dem sich §. VI der Ab*
handlung beschäftigt, läfst sich unter denselben Gesichtspunkt
bringen , indem man ^ =: oo setzt. Alle endlichen mit ^ multi-
plicirten Ordinaten, wie j;,, Xn, o/q, y,, ot'm, werden gleichfalls
unendlich ; für t = — oo aber werden x und a/ unendliche Gröfsen
höherer Ordnung. Man hat sich also vorzustellen, der Magnet sei
aus unendlicher Ferne höherer Ordnung gefallen, habe den Null-
punkt mit unendlicher Geschwindigkeit überschritten und jenseits
ausschlagend ein unendliches ^ erreicht, bei welchem er zur neuen
Anfangszeit = 0 eben umkehre.
IL Jedesmal, dafs der Magnet auf dem Nullpunkt einen Stofs
erhält, der ihm eine Anfangsgeschwindigkeit + c ertheilt, können
^'ir uns denken, er sei in der Richtung des Stofses aus dem Un-
endlichen gefallen, und überschreite zur Zeit ^0 = 0 den Nullpunkt
mit einer, jener Anfangsgeschwindigkeit -h c gleichen Fallgeschwin-
digkeit x'. Der Vorgang beginnt in der Idee an der Grenze des
ersten und zweiten Zeitabschnittes« Man erhält Gleichung (XXXI)
der Abhandlung, welche diese Bewegung des Magnetes darstellt,
indem man in den Gleichungen (4) T = 0, X = 0 und X' = c setzt.
IIl. Jedesmal dafs der Magnet im Augenblicke, wo er in
einer gegebenen Ablenkung sich selbst überlassen wird, einen Stofs
im einen oder anderen Sinne erhält, können wir ebenso für die
Anfangsgeschwindigkeit Fallgeschwindigkeit, durch Fall aus dem
Unendlichen erlangt, substituiren. Dabei sind drei Fälle zu un-
terscheiden.
1. Di4 Geschwindigkeit hat den Sinn der Richtkraft und ist
gro/ser als a x. Es ist als sei der Magnet von der Seite her, nach
welcher er abgelenkt ist, aus dem Unendlichen gefallen, und über-
schreite eben die gegebene Ablenkung mit der gegebenen Geschwin-
digkeit — c. Daher von ^1 ti ^1 nach wachsender Zeit hin unsere
gegenwärtige Fig. 1 im Wesentlichen mit Fig. 2 der Abhandlung
zusammenfällt, welche die Bewegung des Magnetes mit einer ne-
gativen Anfangsgeschwindigkeit > ( — ax) vorstellt; nur dafs in
beiden Figuren die beiden Seiten der Abscissenaxe, also die beiden
Scalenhälften, mit einander vertauscht sind, und aufserdem in der
Figur der Abhandlung abermals r = 0, in der jetzigen = ^ ge-
setzt ist Gleichung (XXII) der Abhandlung entsteht aus den
Gleichungen (4), indem man in letzteren T = 0, X' = — c, X==:
dem ^ der Abhandlung setzt, welches zum Unterschiede vom
548 Nachtrag,
jetzigen ^ *} fortan ^^ heifsen soll. Um X und X' verschiedenen
Zeichens,* und dabei X* grofser als aX zn finden, müssen wir den
Anfang des Vorganges in den ersten Zeitabschnitt verlegen.
2. Die Geschwindigkeit hat den entgegengesetzten Sinn der
Bichtkra/t, Es ist als sei der Magnet auf der entgegengesetzten
Seite von der, nach welcher er abgelenkt ist, aus dem Unendlichen
gefallen, habe den Nullpunkt überschritten, und überschreite eben
die gegebene Ablenkung ^^ mit der gegebenen Geschwindigkeit + c,
mit welcher er dem Maximum ^ seines Ausschlages zustrebt;
s. bei fi ^] ts in Fig. 1. Analytisch entsteht dieser Fall, indem
man in den Gleichungen (4) T=0, jr=f^, X' =: -^ e setzt.
Da nur zAvischen t=tQ und f=r, x und Jif einerlei Zeichens
sind, föUt der Beginn des Vorganges in den zweiten Zeitabschnitt;
und da zu Anfang dieses Abschnittes a; = o, sf endlich ist, za
Ende das Umgekehrte stattfindet, ist diesmal der Geschwindigkeit
kein Grenzverhältnifs zur Ablenkung vorgeschrieben.
3. Die Geschwindigkeit hat den Sinn der Eichtkraft und ist
kleiner als bx. Diese Combination kommt nur im dritten Zeit-
abschnitt vor. Es ist abermals als sei der Magnet auf der ent-
gegengesetzten Seite aus dem Unendlichen gefallen, als habe er
aber nicht allein den Nullpunkt, sondern auch das Maximum seines
Ausschlages bereits überschritten; s. bei fa ta jr', in Fig. 1. Ana-
lytisch entsteht dieser Fall, indem man in den Gleichungen (4) wie
im Falle III. 1. T=0^ -X"' = — c, X=^j^ setzt; man erhalt
Gleichung (XXII) der Abhandlung, aber, weil c kleiner ist als bj,
mit umgekehrtem Zeichen der rechten Seite, daher auch diesmal
unsere Figur zur Gleichung erst nach Vertauschung der beiden
Scalenhälften pafst.
IV. Die in §. IX der Abhandlung behandelten F&lle, in denen
der in Bewegung begriffene Magnet zu gegebener Zeit einen Stofs
1) Dafs das jetzige und frühere ^ einander nicht fitets, wie in Fall I, eut-
sprechen, rahrt daher, dafs Dait.dem jetzigen g jedesmal der Ausschlag nach
Überschreiten des Nullpunktes bezeichnet wird, während in der Ahhanilluiii;
g gerade deshalb keine solche gleichmäfsige Bedeutung erhielt, weil es st4>t<
die der Anfangszeit t = 0 entsprechende Ablenkung bezeichnete, wenn nicht
diese Null war, wie in dem soeben unter H erwähnten Falle des §. VII
der Abhandlung. Daher das | der Abhandlung und das jetzige nur bei dem
Fallenlassen des Magnetes ohne Anfangsgeschwindigkeit überelnütinimen.
Nachtrag. 549
im einen oder .anderen Sinn erhält, lassen sich gleich den vorigen
betrachten, indem man die beiden Geschwindigkeiten, die vorhan-
dene und die hinzutretende, als 'durch Fall aus dem Unendlichen
unter geeigneten Bedingungen entstanden ansieht und algebraisch
snmmirt.
Die neue Behan dl ungs weise bietet, wie man sieht, den Vor-
theil, dafs sie sämmtliche in der Abhandlung einzeln abgeleitete
Fälle auf Einen allgemeinen Fall zurückfuhrt. Die Rolle der
merkwürdigen arithmetischen Reihe der Zeiten, von der sich in je-
nen Fällen eine grÖfsere oder geringere Zahl von Gliedern zeigte, ist
nun klar. Man versteht auch die Bedeutung der negativen Zeiten,
welche dort im Dunkel blieb. Im Fall eines den bei ^^ sich über-
lassenen Magnet im Sinne der Richtkraft treffenden Stofses fanden
wir für die Zeit des Durchganges durch den Nullpunkt den Ausdruck
,^^L log {'-^^±^\
2r ^ \c^a^j,)
(8. S. 817 der Abb.). t^ ist positiv nur für c^a^j^*, im Falle
c<a^^ ist ^0 reell nur wenn c auch < ^^^, und dann negativ.
Dies heifst, wie wir jetzt sehen, soviel als dafs unter der Voraus-
setzung des Falles aus dem Unendlichen, die Zeit des Durchganges
durch den Nullpunkt schon seit jener Zeit vorüber war.
Die beiden Hauptergebnisse, welche im §. VI der Abhandlung
hergeleitet worden sind, nämlich sow^ohl die Bedingung für die
zum Überschreiten des Nullpunktes nöthigc Anfangsgeschwindig-
keit, als auch die Grenze der durch Fallen aus beliebig hoher
Anfangslage ohne Anfangsgeschwindigkeit zu erreichenden Ge-
schwindigkeit, lassen sich unmittelbar 'aus dem obigen Schema,
S. 545, erkennen. Denn wenn zur Zeit t bei der Ablenkung x
der Nullpunkt noch zu überschreiten sein soll, so mufs t im ersten
Zeitabschnitt liegen, also dem Schema gemäfs — — > a sein,
X
und dies ist daher die Bedingung für die zum Überschreiten des
Nullpunktes nöthige Anfangsgeschwindigkeit. Femer ist die Ge-
schwindigkeit eines aus beliebig hoher Anfangslage ohne Anfangs-
geschwindigkeit fallenden Magnetes, der sich also in der ganzen
Zeit des Fallens im dritten Zeitabschnitt befindet, nach dem Schema
bei jeder Ablenkung x eine solche, dafs — — < ft ist; der Grenz-
X
werth der Geschwindigkeit af i^t daher — bx.
550 Nachtrag,
Wfihreiid der ganzen Bewegung des Magnetes^ insofern dabei
der NaUpnnkt wirklieb oder in der Idee überschritten wird, liegt
die Geschwindigkeit j/ aafserhalb des von den Werthen — bx und
— ax eingeschlossenen Intervalls. Es fragt sich nnn, was die Folge
sei» wenn dem Magnete bei x eine Geschwindigkeit grofser als hx^
aber kleiner als a«, zugeschrieben, oder was geschehe, wenn ihm
im Angenblicke des Fallenlassens von x eine solche Anfangsge*
schwindigkeit im Sinne der Richtkraft wirklich ertheilt werde.
Diese Frage ist in der Abhandlung nicht zur Sprache gekommen.
Aus den oben yoraufgeschicktcn allgemeinen Sfitzen hat man schon
erfahren, dafs die Discussion unseres zweiten Hauptfalles ans dar-
fiber AnfschluTs zu geben bestimmt ist
§. V. Zweiter Hauptfall: ax -+- jc' und hx -^ a! sind ver-
schiedenen Zeichens.
Liegt af seiner Grofse nach zwischen ax und 6x, und siod
X und sf verschiedenen Zeichens, so sind auch die Ausdrucke (9)
verschiedenen Zeichens. Da diese Ausdrücke für jede Zeit ihr
Zeichen behalten, sie aber für x = 0 oder j/ s= 0 einerlei Zeicbeo,
beziehlich das von d/ oder x erhalten würden, so können unter
der Voraussetzung: x* grolser als bXy und kleiner als ax, an keiner
endlichen Zeit x und x' == 0 werden. Erst für ^ s= -h oo tritt dies
ein. Dies ist der zweite hier stattfindende Hauptfall, der sich
vom ersten also dadurch unterscheidet, dafs dabei der Nullpunkt
zu keiner Zeit überschritten wird, sondern Ablenkung und Ge-
schwindigkeit von t rs^ — oo bis ^s + oo stetig abnehmen, j
Nimmt man x positiv, so ergeben sich in diesem Falle aus (12), i
wenn man darin ^ = f , = — ^, setzt, die den Oleichnngea
(16) und (17) des ersten Falles analogen Bestimmungen
x = — ' (a«*<'-«-+-5««f^-«X .... (16*)
0:' = -.^^! (^(r-0 _,.«»(--')), . . . (17')
2 e
wo T den Zeitpunkt und ^, denjenigen Werth der Ablenkung s
bedeuten, für welche
af* BS ahx und folglich (a 4- &} 4/ + 2a6x «s 0
'
Nachtrag. 551
8t, für welchen also -j- das arithmetische und -j. das geometri-
(che Mittel jener bezuglichen Grenzwerthe erreicht, zwischen denen
He Werthe der beiden Quotienten von tss — oo bis tss^-oo
rarüren. Die Zeitpunkte, in denen folgweise die Quotienten
X 3b «w
ien bezeichneten Mittelwerth — \ 1 ^fr\ erreichen, bilden
gemfifs der fünften Folgerung eine arithmetische Reihe, deren An-
Cangsglied r und deren bestfindiger Unterschied ^ ist
Die Reduction aller möglichen Yorgfinge auf einen einzigen
Typus geschah oben in §. II (sechste Folgerung) dadurch, dafs
man bei jedem Vorgänge einen gewissen Zeitpunkt r festsetzte, in
welchem das Yerhfiltnifs --j einen bestimmten Werth annimmt
Dieser Zeitpunkt r hat aber, wie man sieht, im zweiten Haupt-
falle keine so ausgesprochene Bedeutung wie im ersten, wo er
der Umkehr des Magnetes entsprach. Es ist deshalb nicht ohne
Interesse im vorliegenden zweiten Hauptfalle von jener Reduction
abzusehen und die Betrachtung unmittelbar an die Gleichungen (4)
anzuknüpfen.
Es sei X positiv, X* negativ. Kürzehalber setzen wir
aZ-H -2:'= -f.«,
Da nach unseren Voraussetzungen X^ zwischen hX und aX
schwankt, und 31 + 93 = 2rX ist, so schwanken dementsprechend
S und S zwischen ^rX und 0, indem sie sich stets zu 2rX
ergänzen.
Nach Analogie der Gleichungen (16) und (17) für den ersten
Hauptfall erhalten wir hier aus (4)
X « i(3[<5*(^-«-|-g5ö«(^-«) (19)
aj' = — -i-(«fre*f^-«-4-Sae«^^-«) .... (20)
Wahrend t von <s= — oo zu tssa-t-oo sich verändert, gehen x
[1870] 38
552
Nachtrag.
und j/, convex gegen die Abscissenaxe der Zeiten, beziehlich von
-h oo und — oo bis 0. Wie im ersten Hanptfalle ist für * = — oc
(21)
= — a,
für t
a/ = — &* (22)
Setzt man in Gleichung (19) 9( s: o, so erhfilt man
« = e«f^-«^ (23)
Setzt man umgekehrt darin 93 = 0, so erhält man
Ä^e^c-o^ (24)
Für < s T aber wird in (19)» (23), (24) x^X. Gleichung (19)
stellt also eine Schaar von Curven vor, welche durch den Werth
von % und 93 unterschieden und zwischen den Grenxcarven (23)
und (24) eingeschlossen, sich mit ihnen im Gipfel der Ordi-
nate X schneiden.
Setzt man in Gleichung (20) 3( oder 3} ss o, so erhält man
beziehlich
«' = — a«<^-«aZ;
ä' = — «Mr-Djjf
Für t^T werden (20), (25), (26) beziehlich
ar y =s — a X^
«•j. = jf' = — aX4- « = — i^:— S,
i^r^ — hX;
setzt man aber (s= T+ ^, so werden dieselben Ausdrücke
*V+A = — (y j ' aX,
(26)
(27)
r+A
«'t+a = — (-yj bX.
(28)
Die drei Ausdrücke (28) sind identisch und die Grenzcurven (25), (26),
sowie die zwischen ihnen eingeschlossenen Curven (20), schneiden
sich also im Gipfel der Ordinate, die im Abstände ^ auf X^ folgt.
Nachtrag. 553
Während im allgemeinen Falle für / = — <x> , — =: — a für
f =s -i- ooy ä' = — hx ist, hat man für 9( ss 0
j:' = — flj«, (29)
für S «= 0
a/ = — fto? '. -. (30)
für jede Zeit.
Setzt man S = 2rX4- S, St = — ä, wo & eine beliebig kleine,
aber endliche positive Grofse, 80 wird alsbald die Axe der Zeiten
wieder geschnitten, wenngleich erst zur späten Zeit
1 , /2rX-f- S\
man hat wieder den ersten Hauptfall, und befindet sich in dessen
erstem Zeitabschnitt Setzt man umgekehrt 31 = 2r X-+- J, 93 = — S,
80 ist diesmal die Axe der Zeiten geschnitten worden zur längst
verflossenen Zeit
'o
man befindet sich im dritten Zeitabschnitt des ersten Hauptfalles.
Wir wollen nun, um die Vorgänge in beiden Hauptfällen
ihrer Or5fse nach vergleichbar zu machen, Ts^r und X==s^
setzen. Dabei ist zu bemerken, dafs, da jetzt nicht wie im ersten
Hanptfalle, zu r und ^ ein für allemal eine bestimmte Geschwin-
digkeit (d/ = 0, s. oben S. 542) gehört, der Verlauf der Curven
zwischen den Grenzcurven ein unbestimmter bleibt, so lange nicht
die Geschwindigkeit £' gegeben ist Es entspricht aUo jedem ^
jetzt vielmehr von Ablenkungs- und Geschwindigkeitscurven eine
ganze Schaar, deren Steilheit mit ^ wächst, weil A unabhängig
von $ ist
In Fig. 2 sind die beiden Curven oberhalb der Abscissen-
axe die Grenzcurven der Ablenknngscurven, die unterhalb die
Grenzcurven der Geschwindigkeitscurven des zweiten Hauptfal*
les; jede Curve trägt die Ordnungszahl der durch sie vorgestellten
Gleichung. Die Annahmen, unter denen die Curven construirt
wurden, sind dieselben wie in Fig. 1: ^ = 1, asssl, b sss ^,
Der Mafsstab ist derselbe, und gleiche Zeitpunkte stehen in beiden
Figuren senkrecht untereinander. Schreitet man auf der Abscis*
38»
554 Nachtrag.
senaze von r aas in beiden Richtungen am Abstände s^ A fort,
so bilden die sagehdrigen Ordinaten jeder der vier Grenxconres
eine Beilie, deren allgemeines Glied für
(23), (24), (25), (26):
2»% 2% —2»% —2'
ist, wo für i' in der Riebtang von — t nach + 1 die Reihe der
positiven and negativen ganzen Zahlen sa setzen ist. Die Carren
(23) and (25) liegen völlig symmetrisch zar Abscissenaze, und so
dafs bei r, i/s=o ist; die Carven (24) and (26) dagegen sind
zwar anch symmetrisch, aber gegeneinander in der Richtung dir
Abscissen am A verschoben, so dafs für (24) i/ bei r, for (26)
bereits bei t^^ ss: o ist.
Denkt man sich die Carven [beider HauptföUe, wie Fig. 1
und 2 sie darstellen, auf dieselbe Abscissenaxe aufgetragen, bo
schneiden sich die Ablenkungscurven des zweiten Hauptfalles im
Gipfel der Maximal - Ordinate ^ der Ablenkungscurve des ersten
Hauptfalles. Ebenso schneiden sich die Geschwindigkeitscarren
des zweiten Hauptfalles im Gipfel der Maximal- Ordinate der Ge
schwindigkeitscurve des ersten Hauptfalles: denn die miteinander
identischen Gleichungen (28) sind es auch mit (18). Von des
Maximis ab nach den positiven Zeiten hin verlaufen die Curreo
des zweiten Hauptfalles näher der Abscissenaxe als die des erstoi.
Denkt man sich den zweiten Hauptfall anf die andere Scalen-
Seite verlegt, so entstehen in der Richtung von r nach den nega-
tiven Zeiten hin Schneidepunkte seiner Curven mit denen des
ersten Hauptfalles. Unter den unseren Figuren zu Grunde liegen-
den Annahmen rucken jedoch für die beiden steileren Grenzcurven
des zweiten Hanptfalles diese Schneidepunkte in die negative Uo-
endlichkeit.
Im Fall einer dem bei -h x losgelassenen Magnet ertheil-
ten, bx y aber nicht ax übertre£Fenden Anfangsgeschwindigkeit
— c, ist es also, als sei der Magnet von der positiven Seite her
aus dem Unendlichen gefallen mit einer Geschwindigkeit, grofser
zwar als die grofste Geschwindigkeit bXj die der Magnet bei -f- 1
durch Fall von einem unendlichen positiven ^, d. h. aus negativer
Unendlichkeit höherer Ordnung, erlangt hätte (s. oben S. 547^
aber nicht grofs genug, um den Magnet über den Nullpunkt za
treiben, wozu die Geschwindigkeit im Endlichen ax übertreffen muls.
Nachtrag, 555
§. VI. Behandlung des Orenzfalles t ss n.
Der Orenzfall i = n kann für sich behandelt werden, oder
auch indem man in den obigen Formeln ass 5 setzt
Man hat znn&cfast anstatt der beiden Gleichungen (4) hier
nur die eine Gleichung
(ix-hof) e'*^ Consta (iX-h X')e'^ . . . (31)
Diese Gleichung integrirt ^ebt
wo C eine willkürliche Constante ist, die dadurch bestimmt wird,
dafs für ^ =s T, j; = X sein solle. So erhält man
jP«^.(r-ojx_(y— t)(eX4-X';} . . . (32)
und durch Division mit (31) in (32)
— « = -^ — :=z-. — r=s const
Gleichung (12) ergiebt für a=s5:
a?^'' = (— f)'. e'('-'> (X — i' -h «< — tr) ^,
und daher für i^ ss o und ir =: i
«=:|c'Cr-r) |i_,(y_j)|^ .... (83)
Ä'«|«»«'(-0(r — 0 (34)
Diese Gleichungen entsprechen den Gleichungen (XIY) und
(XV) der Abhandlung. Da für a = 6 der bestfindige Zeitunterschied
A = — wird, so ist für
1 12
Iq =s T , T, f , s=r T H , f;, = r H , U. S. W.
£ 8 8
Wird ^ positiv genommen, so sind für ts= — oo:«=s — oo,
^ =3 + oo, und zwar, der geringeren Dämpfung halber, beide von
höherer Ordnung, als für ein endliches r; — ist = — 8. Im
X
Endlichen sind die Curven (33), (34) zunächst convex gegen die
Abscissenaxe der Zeiten. Es folgen einander in dem wiederum
nur von den Constanten der Vorrichtung, nicht von ^ abhängigen
556 Nachtrag.
Abstände — die vier Zeitpunkte t^^ r, f„ t„. Für ^ sas -4- oo schlie-
fsen sich beide Canren asymptotisch der Axe der Zeiten an, aod
o/ ist = — f «.
Die in der Abhandlang aufgestellten Gleichungen für die ver-
schiedenen FaUe mit und ohne Anfangsgeschwindigkeit findet mao
ähnlich wie dies im §. IV für ein endliches r gezeigt wurde, indeoi
man in (32) für T, X^ X* die Werthe ^o» 0, a/©; ''» $» 0 a. s.v.
einfahrt and fo, r, <,, tn = 0 setst.
Soll cor Zeit t der Nallpankt noch zu aberschreiten, d.h. soll
t^-^t^ -
positiv sein, so müssen x and af verschiedenen Zeichens, and der
absolute Werth von sf maTs grofser als der von tx sein. Diese
Bedingung ist nur für die Zeit t erfüllt, welche dem Zei^ankt (q
vorangegangen ist, da im folgenden Zeitabschnitt A, bis zu t hin,
X und o/ einerlei Zeichens sind, von r ab aber, wo x und £ nie-
der verschiedenen Zeichens sind, der absolute Werth von jf kleiner
ids der von tx ist, und diesen erst für ^ss 4. 00 erreicht Das
also ist der wahre Sinn der in der Abbandlong gefundenen Be-
dingung s^ > ( — tx) für das Überschreiten des Nullpunktes im
Falle r = 0 (vergl. oben S. 538).
Der zweite Hauptfall findet hier nicht mehr statt, sondern der
Nullpunkt wird überschritten, sobald die Geschwindigkeit die Fall-
geschwindigkeit aus der negativen Unendlichkeit höherer Ordnang
übertrifft, d. h. af grüfter ist als a«.
§. Yn. Die Curven der Geschwindigkeiten bezogen auf
die Ablenkungen im allgemeinen Fall s > n.
Das Ganze dieser Beziehungen wird klarer, wenn wir von
X und x^ als Functionen der Zeit übergehen zur Betrachtung von /
als Function von ar, d/ s= <p(x) (vergl. Abh. S. 821 und oben S. 538}.
In Fig. 3 stellt die Gerade [ — «, 0, •+• x] die beiderseits voa
Nullpunkt in's Unendliche sich erstreckende Scale vor, auf weick
als Abscissenaxe die Geschwindigkeiten a^ als Ordinaten aufgetragen
sind. Die beiden Geraden AÄ\ BB* stellen die beiden Gleichungei
(29) und (30):
Nachtrag, bbl
Tor. Die Carve t^riftttO ist alsdann für ein positives ^ die Cürve
des ersten Hauptfalles , yrelche auf der negativen Seite aus dem
Unendlichen kommend im Funkte 4; == + ^ zur Zeit r die Scale
schneidet, und bei 0 von der positiven Seite her physikalisch
endet. Die Funkte ^09 ^» ^m ^n bezeichnen die oft erwähnten,
eine arithmetische Reihe bildenden Zeitabschnitte A. Kommt der
Magnet von der anderen Seite, so hat die Curve die Lage ^o^'o.
Die Gurven des zweiten Hauptfalles liegen wie 0^, 0^' nothwen^
dig zwischen den Geraden AA'<i BB\ die selber den Grenzcurven
(25), (26) entsprechen; aus dem Unendlichen kommend enden
auch die Gurven 0^, 0^ und die Geraden 0^, O^i', 0^, oB'
physikalisch am Nullpunkt, und die im rechten unteren Quadran-
ten verlaufenden, 0^', 0^', oB', entsprechen ihrer Lage nach den in
unserer Fig. 2 dargestellten Gurven.
Wo immer man von einem Punkt irgend einer der Gurven
parallel der a/-Aze eine Gerade nach einer der Geraden AA\ BB'
ziehe, wie z. B. jc'a, j:'b in der Figur, findet man für die Länge der
Geraden j/a, jc'b beziehlich den Ausdruck ao? -4- j/, bx-h ^y wo ax,
bx und x', je nach der Lage des Curvenpunktes, positiv oder negativ
sind. Wir gelangen so zur Einsicht in die Bedeutung der für uns so
wichtigen Ausdrücke (9). Sie messen in der Richtung der af-Axe
die Entfernung des Curvenpunktes von den Geraden AA\ BB';
und sie sind positiv jedesmal dafs der Punkt (in unserer Figur)
nach oben und rechts von der Geraden liegt, negativ im anderen
Falle; daher sie für die zwischen den Geraden AA'^ BB' liegen-
den Curvenpunkte, wie der zweite Hauptfall es mit sich bringt,
verschiedenen Zeichens sind.
Eliminirt man die Zeit zwischen den Gleichungen (16) und
(17) des ersten Hauptfalles (vergl. die achte Folgerung), so erhfilt
nian die mit dem Ausdruck auf S. 827 der Abhandlung identische
Gleichung
C-^)"-C-^)' p"
welche also die Gleichung der Curve tQ r t, t,, 0 ist. Eliminirt
man ebenso die Zeit zwischen den Gleichungen (19) und (20) des
zweiten Hauptfalles, so erhält man
(^)'-C-^)' ■ ■ • •("«
558 Naehtrag.
dlB Gleichung aller der Canren 0^, die für ii^^end eio IC und S
swischen den Grenzcnrven 0^', off liegen.
Setxt man in (36)
-» = 6-ar4-:f' = -fr$, J • • • • ^'^'^
so onteracbeiden sich (35) und (36) nar noch durch daa ncgatire
Zeichen Ton 6^ in (36), dem aber auch, nach den Voraoasetsongeii
des zweiten Hanptfalles, ein negativer Werth des Zfihlers hx -k-s^
entspricht Durch dieselbe Sabstitation werden die Gleichnngen
(19) und (20):
««l.(ae*'^-"4-fte««^-'0> ^
x'«— ^ («»<»•- 0 4.^ «•-•)). (39)
sie unterscheiden sich also von den entsprechenden Gleichunges
des ersten Hauptfalles (9) und (10)
2r ^ '
af T= ^^ (e« (^-0 — e* ^"-'0»
nur noch dadurch, dafs in den Gleichungen (38), (39) T for r
steht und beide Tennen in der Klammer positiv sind; sie werden
identisch mit den Gleichungen (16*) und (17*) auf S. 550, wenn
man T s= t und wie dort ^ = — f , setzt
Unter der zu einem bestimmten X und T gehörigen Schaar ron
AblenkuDgscurven (1 9) des zweiten Hauptfalles und der entsprechen-
den Schaar von Geschwindigkeitscurven (20) giebt es also stets
ein Paar zusammengehöriger Curven, deren Gleichungen durch
Elimlniren der Zeit einen Ausdruck liefern identisch mit dem,
welchen gleichfalls durch Eliminiren der Zeit die Gleichungen der xn
einem bestimmten ^ uud r gehörigen Ablenkungscurve und Geschwin-
Nachtrag, 559
digkeitscarve des ersten Haaptfalles liefern« Es ist jenes Paar das,
für welches aur Zeit < = T') in (19) und (20)
x=X=^^
sf^X'^ — ^
a-b'
2ab
(40)
Bind [(37), (38), (39)]. Wir wollen dies X und X', «um Unterschiede
von dem allgemeinen, X, S\ und die zugehörige Zeit £ nennen.
3^ ist > ^; soll Curve (38) durch den Gipfel der Ordinate ^ gehen,
so mufs S >• r sein. Weitere Bemerkungen über das gegenseitige
entsprechen der bezüglichen Curven des ersten und zweiten Haupt-
falles finden sich oben in der fünften und sechsten Folgerung. Das
dortige ^, ist hier X genannt.
Von dem so bestimmten Curvenpaare werden sich die af des
zureiten Hauptfalles, bezogen auf dessen «, mit den af des ersten
Hanptfalles, bezogen auf die gleichen x, für das nämliche ^ in
Eine Construction zusammenfassen lassen. Zu dieser schreiten
wir nun, indem wir von den übrigen Curven des zweiten Haupt-
falles, welche zu der des ersten Hauptfalles nicht in der eben
entwickelten, merkwürdigen Beziehung stehen, vorläufig absehen.
Um Gleichung (35) auf eine für die Discussion bequemere Form
za bringen, machen wir die Geraden ÄA\ BB' zu Axen eines
schiefen Coordinatensjstemes; die Gerade BB* sei die Absdssen-
axe, die Gerade AA* die Ordinatenaxe; die neuen Abscissen eines
Punktes x, af der Curve (z. B. des Punktes i^ in der Figur) mö-
gen 3*, die neuen Ordinaten y; heifsen. Man hat
') Wegen der Schwierigkeit, Gleichung (16*) umzukehren, und die Zeit als
ezplicite Function von x darzustellen, läfst sich Ton der Zeit T nur noch
aussagen, dafs sie zwischen
liege. Dies sind die Werthe fSr T, die den Gleichungen (23) und (24) der
Grenzcurren, zwischen denen die Ablenkungscurren des zweiten Haaptfalles
verlaufen, f ur x = g und x =: g r (40) genügen; die Zeiten also, zu
^ * I JL
a + ö
welchen die Ordinaten dieser Curven den Werth H r annehmen.
o— 6
560 Naehtrag.
ax
cosa
cos p
wo A and )8 die sa a und fr als Tangenten gehörigen Winkel be-
deaten, and darcb Einsetzen dieser Werthe in (35)
n
oder, wenn wir kurzehalber
(bYi
setzen,
r> = C . £•« (4i)
Wir haben es also mit einer anf schiefe Coordinaten bezogenen
Parabel vom -r-ten Grade zu thon. Sind a und h ganze Zahleiu
1) Kennt man x, x', tj, d die geraden and schiefen Coordinaten eines be-
liebigen, Xf X\ H, O die eines gegebenen Punktee einer der vier Gurren, so
kann man stet« setzen
aX-hX'"'®' bX-hX^'^B'
Biso, da nach (4)
(o* -4- ä' \* / Aar 4" a:^ \*
3v«
©-© '"
Macht man JTss -f-g, JJC'=0, so werden H und O die schiefen Coordi-
naten Ha, O^ des g- Punktes, in welchem die Curve des ersten Haupt&Ik>
die z-Ane schneidet (s. ^ei t in der Figur). Es ist
^ ^sin(« — ß) 2r
-. . cos « a tsVi -h *'
^ ^öin(a — ß) 2r
Durch Einsetzen dieser Werthe in (41a} erhalt man gleichfalls (41).
Nachtrag. 561
80 bestimmen deren Qeradheit oder Ungeradheit und das Zeichen
von C, in welchem der vier Coordinatenwinkel Parabelzweige liegen
und wie sich diese im Nullpunkte verhalten, ob sie in einander
übergehen, eine Spitze bilden, u. s. w. C würde beiläufig in diesem
Falle, wegen des geraden Exponenten 2 r, auch für ein negatives ^
positiv sein. Physikalisch hat indefs, wie schon bemerkt, ein Zu-
sammenhang der Garven im Nullpunkte keinen denkbaren Sinn;
auch werden a und b nur ausnahmsweise nicht irrationale Zahlen
sein. Ohne die am Nullpunkte möglichen Singularitäten weiter zu
ergründen, schreiben wir Gleichung (42) daher besser folgender-
mafsen:
Hog »; es a log S -h log C (43)
^ ist von gleichem Zeichen mit ^, und für Jeden der beiden Werthe
von & kann y; wiederum positiv oder negativ sein; die Logarith-
men sind von den absoluten Werthen der Grofsen zu nehmen.
So stellt Gleichung (43) für jede der vier möglichen Zeichencom-
binationen je einen Curvenzweig vor, der sich vom Nullpunkt
in's Unendliche erstreckt.
Beispielsweise betrachten wir nun näher das Paar dieser
Zweige, welches den beiden Werthen von vj für ein positives ^
und 3" entspricht. Der bequemeren Discussion halber kehren wir
dabei zu der Gestalt der Gleichung zurück, wie sie (42) zeigt.
Der erste Differentialquotient ist
der zweite
der b
d'tj 2ra ^\. ^^-j
• d<T
Welchen endlichen Werth man auch a und b beilege, für & s=s o
» dvi
sind r} und auch -pr = 0; die Curven berühren also im Nullpunkte
die Gerade BB*, entsprechend unserem früheren Ergebnifs: für
««-+-00, sf^^bx in beiden Hauptfällen [(18), (22)]. Beide
Zweige steigen convex gegen die Abscissenaxe vom Nullpunkt
in's Unendliche beziehlich auf- und abwärts, wobei der den po-
sitiven r, entsprechende Zweig den Nullpunkt überschreitet, der
562 Nachtrag.
den negadTen if eotsprechende auf der positiven Scalenseite bleibt
Die Constroction lehrt, dafs in der NShe des Nallpnnktes die
Krümmung der Corre oberl^alb der Geraden BBf eine stSrkere
dt}
ist als unterhalb. Für S' s=a -h oo werden db *j und ± -pr = ± oo;
«CT
beide Zweige entfernen sich also immer weiter von der Geraden
AA\ nehmen aber dabei immer mehr deren Richtung an, ent-
sprechend unserem früheren ErgebniTs; für < = — oo, — = — 0
in beiden Hauptf&llen.
Die Gleichung einer Tangente an irgend einem Punkte r„ 3,
der Gurre, auf dieselben schiefen Coordinaten bezogen, lautet
H — r„tss—- . .^- (6 — N/,),
0 CT,
wo H, 8 die Coordinaten der Punkte der Tangente bedeuteo.
Setzt man für 9;,, S'o die Coordinaten H^, 8^ des ^-Punktes
[(415}, S. 560 Anm.], so wird die Gleichung
H cos « SÄ 8 cos ß — f.
Dies ist die Gleichung einer Geraden, welche parallel der 2^-Axe
durch den ^- Punkt bei r geht: die Curve des ersten Hauptfalles
schneidet folglich die x-Axe senkrecht (vergl. Abhandl. S. 826).
Es ist gleichgültig, ob man in (41) 1; und 3- mit einer Con-
stanten kj oder ob man ^ mit -r- multiplicirt: Verfinderong Ton ^
erzeugt also eine Schaar ähnlicher Cunren.
Bei gleichem d- ist vi um so kleiner, je grofser ^; ^ =5 00
macht 1; s= 0 für jedes endliche •&. Bei wachsendem positivem |
schmiegen sich mithin die Curve des ersten und die dea zweiteii
Hauptfalles, jene von oben, diese von unten, vom Nullpunkt her der
Geraden ^£' auf der positiven Seite an; für ^ss 00 versclunelzec
sie im Endlichen mit dieser Geraden. Hinsichtlich der Curve des
ersten Hauptfalles entspricht dies Ergebnifs unserem friiheren £r-
gebnifs: für ^=-<-oo, af s= — hx für jedes endliche t (S» oben
S. 538; Abhandl. S. 826); nur denken wir uns jetzt das unend-
liche ^ entstanden durch Überschreiten des Nullpunktes mit xxn-
endlicher Geschwindigkeit nach Fall aus unendlicher Feme höherer
Ordnung (vergl. oben S. 547).
Nachtrag. 563
^ SS 0 macht C as oo , also 3 =s o für Jedes endliche vi ; die
Carve des ersten Hauptfalles fällt zusammen mit der Geraden
AA auf der negativen und die Cnrve des zweiten Hauptfalles mit
derselben Geraden auf der positiven Scalenseite, und so geht hier
beziehlich der erste Hauptfall in den zweiten, oder der zweite in
den ersten über. Dies ist das analytische Abbild dessen was man
beobachtet, wenn man far s >• n dem Magnet im Augenblicke, wo
man ihn aus einer stets gleichen Ablenkung fallen läfst, beziehlich
einen immer schwächeren oder immer stärkeren Inductionsstofa
ertheilt, so dafs zuletzt der Nullpunkt nicht mehr überschritten
wird, oder eben anfSngt überschritten zu werden.
Macht man -^ s= 2, so wird die Curve eine gemeine Parabel,
\_
welche die ^-Axe im Nullpunkte berührt, deren Axe der «;-Axe
parallel, und deren Parameter
sin'(a-/3)
2p = j
CT
ist. Die Cnrve des zweiten Hauptfalles auf der negativen Seite
ist die Fortsetzung der Curve des ersten Hauptfalles auf der po-
sitiven Seite und umgekehrt; man hat zwei Parabeln, die einander
im Nullpunkte berühren.
Da die Tangente am Scheitel der Parabel senkrecht steht auf
der Parabelaxe, welche mit der Tangente am negativen Maximum
der auf die a;-Axe bezogenen Parabel den Winkel rr, mit der
Tangente am ^- Punkt den Winkel SO** — « bildet, so fällt der
Scheitel weder mit dem einen, noch mit dem anderen dieser beiden
Punkte zusammen, sondern liegt zwischen ihnen, um so näher
dem Maximum, je grofser, um so näher dem ^-Punkte, je
kleiner «r.
Macht man nun noch n = 45^, also a = 1, & =s ^, so folgt
ans den Eigenschaften der Parabel, dafs der Scheitel in der Mitte
zwischen den beiden Punkten liegt. Die den ^- Punkt und das
Maximum verbindende Gerade geht durch den Brennpunkt F^ ihre
Lange yh ist der Parameter
564 Nachtrag,
2p = r= s= 0,35355.
21/2
Das Mazimnm y, ist =s — ^; die Axe der Parabel schneidet die
;r- Axe bei jr, ss |.; £^ ist ss 2 u. s. w. Diese Verhältnisse li^n
Fig. 3, und wie schon bemerkt, auch Fig. 1 und 2 zn Grunde
(vgl. oben S. 545. 553).
Die übrigen Gurren des zweiten Hauptfalles sind jetzt noch
genauer zu betrachten. Für eine und dieselbe Vorrichtung, d. h.
ein und dasselbe a und h entspricht im zweiten Hauptfalle jedem
X eine Schaar von Curven der Ablenkungen und eine Schaar von
Curven der Geschwindigkeiten bezogen auf die Zeit. Die ein-
zelnen Curven dieser beiden Schaaren unterscheiden sich durch
den Werth von X'y welcher zwischen hX und aX schwankt
Da unendlich viele X denkbar sind, giebt es dergestalt nnend-
lichmal unendlich viele Ablenkungs- und Geschwindigkeitscurren
des zweiten Hauptfalles bezogen auf die Zeit. Wird aber die
Geschwindigkeit auf die Ablenkung bezogen, so hat man nur
noch Eine Curvenschaar des zweiten Hauptfalles, welche, mit den sie
einschliefsenden Grenzcurven, für alle Werthe von X dieselbe bleibt
Denn da die Bewegung des Magnetes durch bestimmte Geschwin-
digkeit bei bestimmter Ablenkung eindeutig bestimmt ist, kann
durch einen zwischen den Geraden AA\ BB' gelegenen Punkt, ab
Gipfel einer Geschwindigkeitsordinate, auch nur Eine Curve gehen.
Je grofser 3( und je kleiner folglich 93 (s. oben S* 551), um so
nfiher der Geraden BB\ je grofser 33 und je kleiner 9(, um so
näher der Geraden AA' verl&uft die Curve; für 9( = 2rX, 33 = 0
fällt sie mit BB'y für 93 = 2rX, 9 = 0 mit AA' zusammen. Die
zu einem bestimmten X gehörigen Ordinaten — bXy — X'y — aX
aber sind jedesmal die nämlichen, die in Fig. 2 bei gleichem Mafs-
stabe zu demselben X und zur Zeit T geboren würden (27).
Für £ a= r z. B. schwankt in Fig. 2 die Ordinate sämmtlicher Ge-
sehwindigkeitscurven zwischen a/ = ~ und a/ = — f, M*ährend
sämmtliche Ablenkungscurven sich im Gipfel der Ordinate + ^
schneiden (vergL oben S. 554). Demgemäfs sind in Fig. 3 die
Ordinaten — a^ und — b^ der Geraden AA\ BB*^ bezieh lieh = 1
und SS ^. Dagegen schneiden sich in Fig. 2 sämmtliche Geschwin-
digkeitscurven bei t, im Gipfel der Ordinate — ~-, während
Nachtrag, . 565
die Ordinate der Ablenkungscurven zwischen x = H- 7- und x = -i- -^
schwankt (vergl. oben S. 554). In Fig. 3 stellt sich dies so dar,
dafs die der d:- Axe parallele Gerade d/ = ^ die Gerade AA bei
X =: -i- -^, die JBJ?' bei « = 4- Y schneidet. In Fig. 2 würde
mit wachsendem ^ die Steilheit der Gurven wachsen (s. oben
S. 553); in Fig. 3 bleiben die Carven für jedes ^ die nämlichen,
und nur die bezeichneten Schneideponkte rücken mit wachsendem
^ weiter vom Nullpunkte fort.
Man vergegenwärtige sich nun die Schaar der durch ^ unter-
schiedenen Curven des ersten Hauptfalles. Mit einer jeden von
diesen wird eine der durch % und 93 unterschiedenen Gurven des
zweiten Hauptfalles in der obigen Art gemeinsam construirbar sein;
und eine einfache Gonstruction dient, die so zusammengehörigen
Carven beider HauptfUle zu bestimmen. Diese Gonstruction ist
in Fig. 4 in kleinerem Mafsstabe besonders vorgefahrt, da sie für
ein so grofses ^, wie es aus anderen Gründen in Fig. 3 nothig
war, zu weite Ausdehnung dieser Figur bedingt hätte, wie denn
aus demselben Grunde in Fig. 2 die Darstellung der zu X gehörigen
Carven unterblieben ist.
Aus (36) folgt, dafs, wenn %\ 93' das 3t und 93 bedeuten, für
welches X =» X, X' = X', man stets haben müsse
a' : 93' : : a : *.
Man ziehe irgendwo eine der a/-Axe parallele Gerade JiA\ und
theile die Strecke — (a — h) X «s B*A! im YerhältniTs von a : & so
ein, dafs das a entsprechende 'gröfsere Stuck an A! stofse. Man
hat dann
die Punkte X, B'y C\ A! liegen harmonisch, und die Geraden
OX, 0^', oC,' ^A! sind harmonische Strahlen. Zieht man von C
nach r dem Strahle ^A! parallel eine Gerade, so wird diese durch
den zugeordneten Strahl oB' in ihre beiden Hälften -f- 1; und — if
getheilt. Da oB' die d-Axe ist, so sind C und r Curvenpunkte,
und der Strahl oC, der zur Gleichung hat (40)
_ 2tf5
a
566 Nachtrag.
ist der Ort aller Carvenpnnkte des sweiten Hauptfalles, deren i
bei gleichem S* dem i} des ^-Punktes irgend einer Curve d«
ersten Hanptfiilles gleich und entgegengesetzt ist aJc + S' rs 1
ist sichüich = a$; fti -*- I' = — »' « — ftf . In Fig. 4 sinl
abermals ^asl, acsl, 6 = ^ gemacht; demgemäfs ist JE = 3^
r s 2; die Gleichung des Strahles OC ist
3
Da für alle Corven des rweiten Hanptfalles, ausgenommen für die
Grenzcnrve 0A\ am Nullpunkte d/ b= — hx [(22), (29)], und für
alle, ausgenommen für die Grenxcurve oB\ im Unendlicbeft
— ai — a [(21), (23)], so schneiden s£mmtliche Corren des
X
Strahl 0C^ Schreibt man Gleichung (36)
(ax 4- J^)" _ («0" _ g^ t,^
(6x4-«')* ""(—33')* ""(—*)* '^ '
so xeigt sich abermals, dafs für ^s=sO, x'sss — nx, und iiir
^ sa oo, x' SS — hx wird (vgl. oben S. 562); der Annahme ^ = 0
genfigen aber femer X und X' =: o, und der Annahme ^ = oo
genügen X und X' == oo; für ^ &= 0 also rfickt der Schneide-
punkt C auf der Geradem OC an den Nullpunkt, für ^ s= oo in
die Unendlichkeit,
§. YIIL Die Curve der Geschwindigkeiten besogen auf
die Ablenkungen im Grenxfall t b= n«
Denkt man sich den Winkel n — ß immer kleiner bis zum
Verschwinden, so hört im Augenblicke, wo die Geraden AA\ BB
zusammenfallen, der zweite Hauptfall zu bestehen auf, und Ton den
vier Curvenzweigen der Fig. 3 bleiben nur die beiden übrig, welche
den ersten Hauptfall vorstellten. Auch die Transformation, bei
der jene Geraden als Axen eines schiefen Coordinatensystemea be*
nutzt werden, wird unmöglich. Man kann aber mit ausreichen-
dem Erfolge diese Transformation durch mehrere andere, z. B.
durch die in Fig. 5 sichtbare, ersetzen. Hier ist Otnt,rt^ wieder
die Curve sfss<p{x) für ein positives, OrVo die für ein nega-
tives ^.
Nachtrag. 567
Die gegenwärtige Constmction entsteht aus der vorigen, wenn
man sich unter der d-Axe jet£t die Gerade denkt, welche mit der
x-Axe den zu s als Tangente gehörigen Winkel m einschliefst,
während man in Gedanken die ij-Axe so weit von der •S'-Axe
fortdreht, dafs sie mit der a/-Axe zusammenfällt Die Richtungen,
in denen die 17 und d wachsen, bleiben dieselben.
Ganz wie für ein endliches r die Ausdrücke (9) den Abstand
der Corvenpunkte von den Geraden AA\ BB' in der Richtung
der af-Ane mafsen, mifst nun sx^^a/ deren in derselben Richtung,
also auch in der Richtung der tj-Axe, genommenen Abstand, z. B.
des Cnrvenpunktes ]C von der Geraden af =s — ex. Man hat also
positiv auf der oberen, negativ auf der unteren Seite der 3-Axe.
Man hat femer
tx ==s ^ sin
cv.
Eliminirt man die Zeit zwischen den Gleichungen (33) und
(34), so erhält man die mit dem Ausdruck auf S. 825 der Ab-
handlung identische Gleichung
1 "
f
aj-f-j/^f^e •ap+x', (44)
die hier die Stelle von (35) vertritt. Indem man in (44) für
(X-Ho/, BX die obigen Werthe setzt, kommt
1 sm u
i««^« " (45)
oder
3 = .J!_ log flli) , (46)
Sin w ^ \ v\ J
woraus sich das Nothige ergiebt. Macht man ^ negativ, so wer-
den r und 3 negativ; die Gleichung stellt also beliebig den einen
und den anderen der beiden Curvenzweige vor^ welche physikalisch
Qür getrennt Bedeutung haben. Wir verfolgen von diesen Zwei-
gen den oberhalb der &-Axe gelegenen. Bei der Discussion ist
es diesmal bequemer, die i]-Axe als Abscissen-, die 3-Axe als
Ordinatenaxe anzusehen.
[1870] 39
568 Nachtrag.
Es ist
d») sm w \^ J
^= — _i_
dtj* *j sin w '
Ao) Nullpunkte fällt die Carve zusammen mit der c-Aie,
entsprechend dem obigen Ergebnifs: für t= -h oo, x* = — «i
Die Curve steigt dann^ concav gegen die i}-Axe, bis za eioes
Maximum am ^-Punkte bei r abwärts, wo 97 = f^; da hier
-r— =: 0 ist, schneidet die Curve die «-Axe senkrecht (vergL Ab-
handlung S. 823). Von hier ab steigt sie ohne Wendepunkt ins
Unendliche an. Bei y, = ee^ schneidet sie die 9}-Axe; forUn ist
ihre Ordinate negativ^ und sie selber convex gegen die AbfidtteD-
axe; zuletzt für t; s 00 nimmt sie wieder die Richtung der
•S'-Axe an, entsprechend dem obigen Ergebnifs: für t ss — 00,
^
X
Es ist gleichgültig, ob man in (45) oder (46) yi und c- mit
einer Constanten k, oder ob man ^ mit -^ moltiplicirt: Ver-
änderung von ^ erzeugt also eine Schaar ähnlicher Cnrven.
Für ^ = 0 schmiegt sich die Curve dem negativen, ßr
^ = 00 dem positiven Schenkel der 3 -Axe an, und im letzteres
Fall ist es als sei der Magnet iiiis unendlicher Farne höherer
Ordnung gefallen und habe den Nullpunkt mit unendlicher 6^
schwindigkeit überschritten.
Macht man ^ negativ, so verlegt man dadurch den Vorgang
auf die andere Scalenseite, auf der Alles Gesagte symmetrisch
wiederkehrt.
In der Figur ist w =b 45**, $ = 1 ; das Maximum der Cor«
1 S
sf zssz (p(x) wird dadurch = , und liegt bei « = — ; dieO^*
2 3
dinate des Wendepunktes wird ^, und liegt bei < "^ ^'
endlich die Ordinate j/o ist =6. Die Fig. 3 der Abbandloiig
entspricht einem Theile dieser Figur, nur dafs dort ^, statt ss I.
SS 2 gemacht war.
Nachtrag, 569
Hr. Kronecker fugte folgende Bemerkung hinzu:
Läfst man den Magnet aus einer positiven Ablenkung je
ohne Dämpfung fallen, bis er eine Ablenkung: ^.cosv erreicht,
und erst an dieser Stelle die D&mpfung eintreten, was sich durch
Schliefsen eines Gewindes bewerkstelligen liefse, so kann man
für die weitere Bewegung des Magnetes die Orofsen ^ und t? als
Constanten einführen. Hiemach erhfilt man, wenn der Nullpunkt
der Zeit an den Eintritt der D&mpfung und
y6 sss ya . tg tt (O < tt < ^ff)
gesetzt wird, Ablenkung und Geschwindigkeit durch folgende
Gleichungen bestimmt:
^ sin tt cos u
oder:
— cos 2u =» cos u . cos (tt -f- 1?) . €~^^ — sin tt . sin (tt — v) e"""'
r
COS 2tt = sin tt . cos (tt -+- t?) . e"*' — cos tt . sin (u — v)e *".
Für ^ = 0 wird :
X s= j cos ü , a/ = — ny sin v
ax-j- af cos tt cos (u H- r) aaf -{- a/' sin u cos (m -f- v)
bx-haf sinttsin(tt — t?) ' bxf -i- x^' costt8in(tt — v)'
Der Ausdruck -: — S i durchläuft, wenn v von 0 bis u geht,
sm (tt — V)
alle Werthe von cot tt bis + <» , hierauf (während v von u bis 9r
wächst) stetig zunehmend alle Werthe von — oo bis cot tt. Liegt
TT
V zwischen 0 und tt oder zwischen u und rr , so findet der
erste Hauptfall statt, der zweite aber, sobald v zwischen u und
TT
Y — tt liegt.
So lange o^— ~ tt ist, d. b. so lange die Dämpfung bei
einer Ablenkung eintritt, welche nicht kleiner als jc.sintt oder
T V 1 ist, überschreitet der Magnet nicht seine Ruhelage a? = 0,
sondern nähert sich derselben asymptotisch von der positiven Seite
39*
570 Nachtrag.
her. Wenn aber v zwischen u und — liegt und demgem&fft
«■ TS
die Ablenkung bei Eintritt der D&mpfung positiv und kleiner alii
jr . sin tt ist, so überschreitet der Magnet die Ruhelage, kehrt bd
der negativen Ablenkung:
b_
r
^ \ COS u J \sm (v — «)/
um und n&hert sich alsdann von der negativen Seite her wiedi
TT
der Ruhelage. Wenn endlich v zwischen — und tt 11^,
Dfimpfnng also erst bei einer negativen Ablenkung beginnt,
bewegt sich der Magnet im Sinne wachsender negativer Ableo
gen weiter bis zu dem durch den Ausdruck (A) gegebenen Mal
mum, kehrt alsdann um und erreicht schliefslich von der negadvi
Seite her seine Ruhelage. Der Werth x=sO wird also für positi
endliche Werthe von t nur erreicht« wenn u <v < —
^2 2
der Werth a/ = 0, wenn 1* < c < w ist.
* 2
MONATSBERICHT
DBS
KÖNIGLICH PREÜSSI8CHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
Juli 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr da Bois-Reymond.
7. Juli. öffentliche Sitzung der Akademie zur
Feier des Leibnizischen Jahrestages.
Hr. da Bois-Reymond, an diesem Tage Vorsitzender Se-
kretär, eröffnete die Sitzung mit einem einleitenden Vortrag aber
Leibnizische Gedanken in der neueren Naturwissenschaft (wird in
einem der nächsten Hefte mitgetheilt werden).
Hierauf verlas derselbe, als Sekretär der physikalisch-mathe-
matischen Klasse, folgenden Bericht über die von der Akademie
gestellten Preisfragen:
In der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage, dem
4. Juli 1867, hatte die Akademie aus dem Ell er' sehen Legate
folgende Preisfrage gestellt:
„Eine grofse Anzahl der in dem Organismus der Thiere und
Pflanzen vorkommenden chemischen Verbindungen hat die neuere
Forschung aus den Elementen aufzubauen gelehrt Für viele sol-
cher Substanznen sind jedoch die Bedingungen der Synthese noch
aufzufinden. Es ist zumal die Klasse von Korpern, welche unter
dem Namen „vegetabilische Alkaloide^ zusammengefafst
wird, deren synthetische Erzeugung bis jetzt kaum in Angriff ge-
nommen worden ist.
[1870] ^ 40
572 Öffentliche Sitzung
Die Akademie glaubt, dafs der Zeitpunkt für die Losung die-
ser Aufgabe gekommen ist und sie bietet daher einen Preis vod
100 Ducaten für die Synthese des Chinins, Ginchonins, Morphins,
Strychnins oder Brucins. Der Preis ivürde auch dann noch zuer-
kannt werden, wenn es dem Bewerber gelungen wfire aaa eiDeni
der fünf genannten Alkaloide eine wohlcbarakterisirte atickstofifreie
Verbindung au erzeugen, welche sieb durch die Einwirkung 3ti
Ammoniaks beziehungsweise in Chinin, Cinchonin, Morphin, Steycb-
nin oder Bruein aurückverwandeln liefse.*^
Auf diese Frage ist keine Antwort eingegangen. Die Aka-
demie hat beschlossen, sie unter denselben Bedingungen zu er-
neuern. Die ansBchliefsende Frist für die Einsendung der Arbei-
ten, welche lateinisch, deutsch, französisch oder englisch geschrie-
ben sein können, ist nunmehr der erste März des Jahres 1S7S.
Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen, and die-
ses auf dem Äufseren eines versiegelten Zettels, welcher den Na-
men des Verfassers enth<, zu wiederholen.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Preises von 100
Ducaten geschieht in der öiTentlichen Sitzung am Leibnizischeo
Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1873.
In der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage, dem
2. Juli 1868, hatte die Akademie aus dem Stein er 'sehen Legate
folgende Preisfrage gestellt:
^Die von Steiner und anderen Geometem über die Ober-
flächen dritten Grades angestellten Untersuchungen haben be-
reits zu einer Reihe wichtiger Eigenschaften derselben gefuhrt.
Aber die Theorie der Krümmung dieser Oberfl&chen ist von den
bisherigen Untersuchungen fast unberührt geblieben. Die Akade-
mie wünscht daher eine speciell hierauf gerichtete Behandlung der
in Rede stehenden Oberflächen. Es würde sich dabei sunächst
um geometrische Constructionen für die beiden Hauptkrum-
mungs-Richtungen und Radien in jedem Punkt der Ober-
fläche handeln. Als zu lösende Hauptaufgabe bezeichnet aber die
Akademie
die Angabe aller Oberflächen dritten Grades, deren Krura-
mungslinien algebraisch sind, sowie die Bestimmung
und Discussion dieser Krümmungslinien.
vom 7. Mi 1870. 573
Es wird verlangt, dafs die zar Yerifteation der Resultate die-
nenden analytischen Erläuterungen der Lösung hinzugefügt seien. ^
Auf diese Frage ist keine Antwort eingegangen. Die Akade-
mie hat beschlossen, sie unter denselben Bedingungen zu erneuem.
Die ausschliefsendö Frist für die Einsendung der Arbeiten, welche
lateinisch, deutsch, franzosisch oder englisch geschrieben sein kön-
nen, ist nunmehr der erste M&rz des Jahres 1872. ' Jede Bewer-
bungsschriffe ist mit einem Motto zu versehen, und dieses auf dem
Attfseren eines versiegelten Zettels, welcher den Namen des Ver-
fassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von
600 Thalern erfolgt in der o£fentiichen Sitzung am Lcibnizischen
Jahrestage im Juli 1873.
Den Statuten der Steiner sehen Stiftung gemäfs hat aber die
Akademie zugleich beschlossen, den heute zu vertbeilenden Stei-
ner'sehen Preis von 600 Thlrn. dem Hrn. Schl&fli, Professor
an der Universitfit zu Bern, für zwei von ihm veröffentlichte und
in Verbindung miteinander stehende Abhandlungen zuzuerkennen.
Die erste dieser Abhandlungen ist im 2. Bande des Qaarterly
Journal of Mathematics abgedruckt unter dem Titel: ^An Attempt
to determine the 27 lines upon a surface of the third order and
to divide such surfaces into species in reference to the reality of
the lines upon the surface.^ Die zweite ist im December 1862
durch Hrn. Cayley der Royal Society vorgelegt und in den Phi-
losophical Transactions von 1863 gedruckt worden unter dem Ti-
tel: ,,0n the Distribution of surfaces of the third order into spe-
cies in reference to the absence or presence of Singular points and
the reality of their lines.**
Seitdem die Grundlagen der Theorie der Flächen dritter Ord-
nung gleichzeitig durch Steiner in Deutschland, durch Cayley
und Salmon in England entdeckt worden waren, ist nach dem
Urtheil der Akademie durch Niemand ein grofserer Fortschritt in
dieser Theorie gemacht worden, als durch Hrn. Schläfli in den
beiden erwähnten Abbandlungen. Dies hat die Akademie bestimmt,
Hrn. Schläfli den Steiner'schen Preis für das Jahr 1870 zu-
zuerkennen.
40^
574 Öffmüiehe Sitzung
Hierauf verkündete Hr. Haupt als Secretar der pbiloaopbisGfa-
historischen Klasse die folgende Preisanfgabe:
Die Origines des Isidoms sind nicht nar nnentbehrlich für
das Yerstlindniss der Litteratar des Mittelalters, das einen grosses
Theil seiner Gelehrsamkeit aus ihnen schöpfte, sondern auch tod
Wichtigkeit für die classische Philologie, indem die Ton Isidoms
ausgeschriebenen oder benutzten Stellen noch vorhandener filterer
Schriften zur Berichtigung oder doch zur Geschichte der Texte
Beitrfige gewähren, ausserdem aber Manches aus verlorenen Bnchem
allein durch Isidorus erhalten ist Die sichere Benutzung der Ori-
gines wird aber erst möglich durch sorgffiltige und soweit es er-
reichbar ist erschöpfende Ermittelung ihrer Quellen.
Die Akademie stellt daher für das Jahr 1873 als Preisaufgabe
eine die Origines des Isidorus in der Reihenfolge der in
ihnen enthaltenen Angaben begleitende Darlegung ihrer
Quellen.
Die von Isidorus ausgeschriebenen oder benutzten Stellen sind
vollständig mitzutheilen. In einer Einleitung ist eine Übersicht
über die von Isidorus gebrauchten Schriften zu geben, die Art der
Benutzung darzulegen, was aus jetzt verlorenen Büchern genom-
men ist zusammen zu stellen und es sind, soweit dies besonnener
Vermuthung möglich ist, auch hier die Quellen aus denen Isidorus
schöpfte zu ermitteln.
Die Arbeit kann in deutscher, lateinischer oder französischer
Sprache abgefasst werden.
Die ansschliessende Frist für die Einsendung der dieser Auf-
gabe gewidmeten Arbeiten ist der 1. März 1873. Jede Bewerbungs-
schrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äus-
seren des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers
enthält, zu wiederholen.'
Die Ertheilung des Preises von 100 Ducaten geschieht in der
öffentlichen Sitznng am Leibnizischen Jahrestage im Monat Juli
des Jahres 1873.
Derselbe trug hierauf den Jahresbericht der vorberathenden
Commission der Boppstiftung vor.
Für den 16. Mai des Jahres 1870 ist von den beiden zu ver-
gebenden Raten die Hauptraten von 300 Thalern Hrn. William
Duright Whitney, Professor in New-Haven in Connecticat, als
ein Preis für seine Bearbeitung des Taitiiriya Prdtigdkhya zuerkannt
vom 7. Juli 1870. 575
i^orden, die zweite Rate, im Betrage von 150 Thalern» I|rii. Dr.
Wilhelm. Thomsen in Kopenhagen als ein Preis für seine
Schrift über den Einflufs der germanischen Sprachen auf die fin-
nisch-lappischen.
Der Vermögensstand der Stiftung ist durch einen Beitrag des
Hrn.. Professors H. Bloch mann in Calcutta im Betrage von 66|-
Thlr. SQwie durch Zins Überschüsse um 300 Thlr. in preuTsischer
Staatsanleihe vom J. 1864 vermehrt worden. Das Vermögen der
Stiftung besteht gegenwärtig aus
a) 11,400 Thln preufs. Staatsanleihe aus den Jahren 1854.
1859. 1864, zu ^ Procent;
b) 100 Thlr. preufs. Prämienanleihe vom J. 1855, zu 3^^
Procent.
Der jährliche Zinsertrag beläuft sich auf 516^^ Thlr.
11. Juli. Sitzung der philosophisch -historischen
Klasse.
■
Hr. Kirchhoff las über die Tributlisten der Jahre Ol. 85,2
— 87,1. •
14. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Weierstrafs las: Bemerkungen über das sogenannte
D i rieh let' sehe Princip.
576 GesammUiUung
Hr« A. W. Hofmann las über die aromatischen Cjanate.
Die einzige dieser Klasse angeborige Verbind ang, welche man
einigermafsen stndirt hat, ist das Phenylcyanat. Vor etwa 20
Jahren habe ich diesen Körper in einer sehr complexen Reaction
aufgefunden, indem ich eine Substanz, die ich damals mit dem
Namen Oxamelanil oder Melanoximid') bezeichnete, und die
man heutzutage als Ozalyldiphenylgnanidin auffassen würde,
der trocknen Destillation unterwarf. Das Phenylcyanat — ich
nannte den Körper damals Anilocyansäure — bildet sich hier-
bei in nur ganz geringer Menge; niemals hab' ich mehr als einige
Gramme in meinem Besitz gehabt und nur den scharf ausgespro-
chenen Eigenschaften des Körpers ist es zu danken, dafs ich im
Stande war ihn richtig zu interpretiren.
Acht Jahre später bin ich diesem Körper von Neuem begeg-
net. Nachdem ich gefunden hatte, dafs sich der Dipbenylsnlfo-
hamstoff unter dem Einflufs des PhosphörsSureanhydrids in Anilin
und Phenylsenfol spaltet, lag der Gedanke nahe, diese Reaction
für die Darstellung des Phenylcyanats zu verwerthen und diesen
Körper durch Destillation des normalen Diphenylhamstoffis mit
wasserfreier Phosphorsfiure zu gewinnen.')
In der That läfst sich denn auch auf diese Weise Phenylcya-
nat darstellen. Man braucht trocknes Diphenylcarbamid nur mit
Phosphorsäure zu erwärmen, um alsbald den furchtbaren Geruch
des Cyanats wahrzunehmen; werden beide Körper mit einander
destillirt, so sieht man das Phenylcyanat in farblosen Tropfen
übergehen. Als aber der Versuch in etwas gröfserem Maafsstabe
angestellt wurde, erwies sich die Ausbeute so klein, dafs ich die-
sen Procefs mehr als eine Bildungsweise denn als eine Darstel-
lungsmethode betrachten mufste. —
Die Versuche über die Senföle haben mich in letzter Zeit zn
einem einfachen Verfahren gefuhrt, das Phenylcyanat und seine
Homologen darzustellen.
In einer früheren Mittheilung') habe ich auf die Leichtigkeit
aufmerksam gemacht, mit der sich die Senfole ein Mol. Alkohol«.
>} Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXXIV, 9.
') Hofmann, Lond. R. Soc. Proc. IX. 275.
*) Hof mann, Monatsberichte 1869, 332.
vom 14. Juli 1870. 577
j^ulegen. Phenylsenfol mit Alkohol ISngere Zeit erhitzt, liefert das
schön krystallisirte halbgeschwefelte Phenylurethan, welches für
sich, oder besser mit Phosphorsaureanhydrid destillirt, sich wieder
in seine Componenten, nämlich in Alkohol und Phenylsenfol,
spaltet.
Sollte man, wenn man im Sinne dieser Erfahrung das nor-
male Phenylurethan mit Phosphorsäure der Destillation unterwarf,
nicht Phenylcyanat erhalten können?
Versuche in der Phenylreihe.
PhenyhurHhan. Das Phenylurethan ist bekannt Ich habe
dasselbe schon bei der oben angefahrten Untersuchung des Pheiiyl-
cyanats erhalten. Behandelt man diesen Körper mit Methyl-,
Äthyl- oder Amylalkohol, so entstehen die Phenylurethane der
Methyl-, Äthyl- und Amylreihe.^) Später ist das Phenylurethan
der Äthylreihe, der Phenylcarbaminsäure-Äthyläther, eingehend von
den HH. Wilm und Wischin') untersucht worden, welche die-
sen Korper durch die Einwirkung des Ghlorkohlensäureäthers auf
das Anilin erhalten haben.
Ich habe die Versuche der HH. Wilm und Witschin wie-
derholt und kann die Angaben derselben vollkommen bestätigen.
Der auf diese Weise entstehende Körper Ist identisch mit dem
früher von mir erhaltenen. Der Schmelzpunkt des mehrfach um-
krystallisirten Körpers wurde zu 51^ gefunden. Die HH. Wilm
und Wischin geben 51.5 — 52° an. Der Siedepunkt lag bei 237%
wie ihn die genannten Beobachter fanden.
Die HH. Wilm und Wischin geben an, der Phenylcarba-
minsäure-Äthyläther — sie nennen ihn Carbanilidsäure-Äther —
sei unzersetzt fluchtig. Ich finde, dafs bei der Destillation aller-
dings der gröfsere Theil unzersetzt übergeht, ein Theil aber sich
in Phenylcyanat und Alkohol spaltet,
also gaiuB im Sinne der Auffassung, zu der mich das Studium des
halbgeschwefelten Phenylurethans geführt hatte« — Bei der Destil-
1) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXXIV. 16.
3) Wilm o. Wischin, Ann. Chem. Pharm. CXLVH. 157.
578 Oesammtiitzung
lation entstand alsbald der mir noch ans früherer Zeit wohl be-
kannte Geruch des Phenylcyanats, den in der That aach die HH.
Wilm und Wischin beobachtet haben, denn sie sagen von dem
CarbanilidsSure -Äther: ^die Dämpfe dieses Korpers reixen die
Augen stark au Thränen, riechen aber verdünnt entfernt nach Bit-
termandeloL^ Was die HH. Wilm und Wisch in gerochen ha-
ben, war das Phenylcyanat Läfst man das Oemenge von Phenjl-
cjanat und Alkohol, welches man neben viel unzersetztem Phenjl-
nrethan bei der Destillation des letzteren enthält, längere Zeit
stehen, so ist der Geruch des Cyanats verschwunden; Cyanat und
Alkohol haben sich wieder zu Phenylurethan vereinigt.
Nach diesen Beobachtungen über das Verhalten des Phenyl-
nrethans unter dem EinfluTs der Wärme liefs es sich kaom mehr
bezweifeln, dals man durch Destillation mit Phosphorsäureanhydrid
das Phenylcyanat erhalten müsse.
Der Versuch hat diese Erwartung in erfreulichster Weise be-
stätigt.
Phenylcyanat Erhitzt man ein Gemenge von Phenylurethan
mit wasserfreier Phosphorsäure, so desdllirt eine reichliche Menge
farbloser, das Licht in außallender Weise stark brechender Flüs-
sigkeit von stechendem, die Augen zu Thränen reizendem Geruch.
Diese Flfissigkeit ist Phenylcyanat, welches nur noch einmal de-
stillirt zu werden braucht, um als reiner Korper erhalten za wer-
den. Die Ausbeute ist wie bei allen Operationen in der aromati-
schen Reihe, bei denen das Phosphorsäureanhydrid eine Rolle spielt
nicht die theoretische aber doch eine der Theorie nahe kommende.
Die Auffindung einer einfachen Methode das Phenylcyanat
darzustellen, war mir ans mehr als einem Grunde erwünscht. Zu-
nächst bin ich jetzt im Stande, den Siedepunkt des Korpers ge-
nauer anzugeben. Derselbe liegt bei 163°. Bei der frühem Be-
stimmung, für welche nur wenige Gramme angewendet werden
konnten, war derselbe zu 178° gefunden worden.
Das spccifische Gewicht des Phenylcyanats ist bei 150° 1.092.
Das Gasvolumgewicht wurde im Anilindampfe bestimmt. Die gefun-
dene Zahl bestätigt die schon frfiher durch die Analyse festgestellte
Formel
C,H,NO = ^^j, I N.
00» ii. Juli 1870. &7d
Gasvolamgewicbt Theorie Venach
auf Wasserstoff bezogen ...;... 59.5 58.9
auf Luft bezogen 4.13 4.09.
Was das Verhalten des Korpers zu anderen Substanzen an-
langt, so darf ich auf meine frühere Abhandlung verweisen. Mit
Wasser entsteht neben Kohlensäure Diphenylcarbamid; mit den
Alkoholen zusammengebracht, reproducirt er Urethane; mit Am-
moniak und seinen Derivaten vereinigt er sich alsbald zu einer
unabsehbaren Mannichfaltigkeit von Harnstoffen. Aber auch ande-
ren Verbindungen gegenüber zeigt er eine bemerkenswerthe Reac-
tionsfahigkeit. Noch will ich erwähnen, dafs mir der Besitz einer
grufseren Menge von Phenylcyanat (Gelegenheit gegeben hat, das
schon früher') wahrgenommene Verhalten des Körpers zum Tri-
uthylphosphin von Neuem zu beobachten. Taucht man einen mit
Phosphorbase befeuchteten Olasstab in eine grofsere Menge von
Phenylcyanat, so erfolgt nach einigen Augenblicken eine heftige
Wärmeentwicklung und die ganze Masse erstarrt zu prächtigen
Krystallen.
Das Hauptproduct, welches sich in dieser Reaction bildet, ist
ein im Wasser unlöslicher, in siedendem Alkohol nicht ganz leicht
löslicher und beim Erkalten in feinen Prismen krystallisirender
Körper, welcher bei einer schon früher angestellten Analyse die
Zahlen des cyansauren Phenyls geliefert hat, also wohl als Phe-
nylcyanurat betrachtet werden kann. Ich möchte aber die Frage
offen lassen, ob diese Substanz mit einer der beiden bereits be-
kannten Phenylcyanurate, von denen das eine durch die Einwir-
kung des Chlorcyans auf Phenol,') das andere aus dem Triphenyl-
melamin entsteht,') identisch ist. Einer eingehenden Untersuchung
dieses Körpers, so wie der Nebenproducte, welche sich in der in
Frage stehenden Reaction bilden, steht jetzt, da das nöthige Ma-
terial vorhanden ist, keine Schwierigkeit im Wege.
Noch mögen hier einige Bemerkungen über die Homologen
des Phenylcyanats Platz finden.
'} Hofmann, Ann. Chem. Pharm.^ Suppl. I. 57.
*) Hofmann, Monatsb. 1S70, 206.
*) Hof mann, Monatsb. 1870, 197.
580 Oe$ammUitzung
Versuche in der Tolylreihe.
Tolylurethan, Der Cblorkohlens&ure-Äther wirkt mit der al-
lergrofsten Heftigkeit auf das Toluidin ein, so dafs es zweckmäs-
sig ist die Reactiou sich in Gegenwart von Äther vollziehen zo
lassen.
Der von dem chlorwasserstoffsaaren Toluidin abfiltrirte Äther
hinterläfst beim Verdampfen das Tolylurethan als ein aromatisches
öl, welches nnr schwierig, in der Regel erst nach Ifingerem Ver-
weilen in einer Kfiltemischung erstarrt.
Das Tolylurethan ist in Wasser unlöslich; es löst sich dage-
gen in Alkohol und Äther mit Leichtigkeit. Aus ersterem krj-
stallisirt es in schönen langen Prismen, die schon bei 52^
schmelzen.
Tolylcyanat Bei der Destillation für sich, verhalt sich das
Tolylurethan wie das Phenylurethan, indem der gröfsere Theil un-
zersetzt übergeht, ein kleinerer Teil aber sich in Tolylcyanat und
Alkohol spaltet.
C0(C,H,)HN1 CO 1 C,H,1
C,H, J° " (C,HOr ■+- h]^-
Findet die Destillation bei Gegenwart von wasserfreier Phos-
phorsäure statt, so wird der Alkohol fixirt und das Tolylcyanat
destillirt im nahezu reinen Zustande. Es bedarf in der That nur
noch einer Rectification um es vollkommen rein zu erhalten. Das
Tolylcyanat ist eine farblose Flüssigkeit von starkem Lichtbrechungs-
vermögen und heftigem, die Augen zu Thrftnen reizenden Geracb,
welche bei 185° siedet.
Bei der Gasvolnmgewichtsbestimmung im Anilindampf ergaben
sich folgende Zahlen:
Theorie Versuche
Oasvolumgewicht I. IL
auf Wasserstoff bezogen . . . 66.5 64.6 65.7
auf Luft bezogen • . • • . 4.61 4.48 4.56.
Gegen Wasser und seine Derivate, ebenso wie gegen Aauno-
niak und seine Abkömmlinge, verhält sich das Tolylcyanat wie das
vom U. Juli 1870. 581
Phenylcyanat. Bei der Behandlung mit Wasser entsteht unter
Kohlensäureentwickel ung Ditolylhamstoff, mit den Alkoholen bil-
den sich die Urethane, mit Ammoniak und den Aminen entsteht
die Gruppe der sabstituirtcn Harnstoffe. Triäthylphosphin bewirkt
dieselbe Umbildung wie bei der Phenylverbindung; die Metamor-
phose erfolgt indessen etwas weniger schnell. Das gebildete sehr
schon krystallisirende Product soll auch noch näher untersucht
werden.
Versuche in der Xylylreihe.
Die Erscheinungen verlaufen genau wie in der Phenyl- und
Tolylgruppe. Das Xylidin ist indessen entschieden träger, als das
Anilin und Toluidin.
Das Xylylurethan
C,.H..N0.-«°"'.'««'')0
krystallisirt in schonen Nadeln, welche bei 58° schmelzen.
Das Xylylcyanat
c,H,No = i'^^y
ist eine wasserhelle, das Licht stark brechende Flüssigkeit von
schwachem, die Augen nur wenig reizenden Geruch. Der Siede-
punkt liegt bei 200°. Das Gasvolumgewicht wurde im Anilin-
dampfe genommen.
GaSYolumge wicht Theorie Vermich
auf Wasserstoff bezogen 73.5 74.69
auf Luft bezogen 5.10 5.18,
Bei dem Xylylcyanate erweist sich die Reactionsfähigkeit,
welche bei den entsprechenden Gliedern der Phenyl- und Tolyl-
reihe so entschieden auftritt, schon wesentlich abgeschwächt. Die
Verbindungen, welche bei dem Phenyl- und Tolylcyanat fast augen-
blicklich erscheinen, bilden sich mit dem Xylylcyanat oft erst nach
Verlauf von Tagen. Selbst mit dem Triäthylphosphin erstarrt das
Xylylcyanat nur langsam.
♦ • ■
582 GesammtsUzung
Versuche in der Naphtylreihe.
Naphtylurethan, Es wurde, der Bildung der übrigen hier be-
schriebenen Urethane analog, dureh die Einwirkung des Chlorkob-
lensäure-Athers auf das Naphtjlamin gewonnen. In Wasser an*
loslicher, daraus in Nadeln krystallisirender Körper, welcher bei
79° schmilzt Seine Zusammensetzung wird durch die Formel
C,.H,.N0,_C<'«'..".^«^}0
ausgedruckt
Naphtykyanat. Über diese Verbindung liegen bereits einige
kurze Angaben vor. Nachdem ich gefunden hatte, dafs das Di-
phenylcarbamid bei der Destillatiou mit Phosphors&ureanhydrid et-
was Phenylcyanat liefert, hat Hr. Vincent Hall') in meinem
Laboratorium den analogen Versuch in der Naphtylreihe angestellt
aber nur eine noch geringere Menge der entsprechenden Naphtrl-
Verbindung erhalten. Die Bildung des Naphtylcyanats auf den
angedeuteten Wege war jedoch festgestellt.
Bei der Destillation des Naphtylurethans mit wasserfreier
Phosphorsfiure wird das Naphtylcyanat in reichlicher Menge er-
halten. Es ist eine farblose, schon etwas schwer bewegliche Flüs-
sigkeit, deren Siedepunkt bei 269 — 270^ liegt. Der Dampf des
Körpers besitzt noch den stechenden Geruch, welcher den Cyana-
ten eigenthümlich ist; bei gewohnlicher Temperatur aber ist da£
Naphtylcyanat fast geruchlos. Die Zusammensetzung des N^h-
tylcyanats wird durch die Formel
ausgedruckt; ich habe mich aber, begnügt, diese Formel durch di^
Reactionen des Körpers festzustellen. Angesichts des Verhalten«
zum Wasser und Ammoniak sammt seinen Derivaten, konnte über
die Natur der Verbindung kein Zweifel obwalten. Bemerkenswerth
ist die Leichtigkeit, mit welcher sich alle diese Reactionen bei der
Naphtylrerbindung vollziehen. Das Naphtylcyanat arbeitet mit un-
gleich gröfserer Schnelligkeit und Präcision als der analoge Xylyl-
körper; dies zeigt sich ganz besonders bei der Einwirkung des
■) Vincent Hall, Lond. R. S. Proc IX. 365.
vom 14. Juli 1870. 583
Trifithylphosphins, welches das Gyanat der Naphtylreihe fast angen-
blicklich zum Erstarren bringt.
Schliefslich sage ich Hrn. F. Hobrecker für seine thatkräf-
tige Hülfe bei Anstellang der beschriebenen Versuche meinen be-
sten Dank.
An eingegangenen Schriften wnrden vorgelegt:
Regnaalt, Relation des experiences 9ur ... les machines a feu,
Tome m. Paris 1870. 4.
Morbio, Opere storico-numismaUche, Bologna 1870. 8.
PrantI, Geschichte der Logik, 4. Bd. Leipzig 1870. 8.
CatcUoffue qf map» of the British Possessions in Indio, London 1870. 8.
Drejer, Syrnhola/e caricologicae. Ha?niael844. fol.
Wild, Jahresbericht des physikcUischen Central-Obseriratoriums für 1869,
Petersburg 1870. 4.
Mhnoires de l'academie de Petersbourg, Tome XIV, 8 — 9. XV, 1 — 4.
Petersburg 1870. 4.
Bulletin de tacademie de Petersburg, Tome XIV. Petersburg 1870. 4.
Schriften der dänischen Akademie der Wissenschaften. Physikal, Klasse,
VIII, 6. 7. IX, 1. HUtor. Klasse. IV, 4. Kopenhagen 1869. 4.
Flora batava. Lief. 211. Leyden 1870. 4.
V. Keumont, Man/ondini und Corlatti s. L et a. 8.
— Karl von Hügel, (Augsburger Zeitung 1870.)
21. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Parthey las über Horapollo's Hieroglyphica.
584 Sitzung der phytikatUeh'mathemaiiichen Klaue
An eingegangeaen Schriften nelist Begleitschreiben wurden
vorgelegt:
H. T. Dehn- Rotfei 8 er, Die Baudenkmaler dee RegiermMgebesirt Cas§^,
Canel 1870. 8. Mit Minuterialschreiben ▼om 11. Juli 1870.
HOrnes, Die /oseiien Moiiusken. II, no. 9. 10. Wien 1870. foL
Vtrhandlungefi der mineralogiecken GemlUchaft in Peterdmrg, 5. Bd. Pe-
tersburg 1870. 8.
Vargatia. no. 7. Caracas 1870. 8.
Dora d*Istria, La SaiionaiUe albaaaise ctapree lee choMts poptUaire*.
LiTonme 1867. 8. Mit Schreiben der Verfasserin d. d. Törin 15.
Juli 1870.
Geologische Karten von Schweden, (Fortsetzung.)
25. Juli. Sitzung der physikalisch - mathemati-
schen Klasse.
Hr. Kummer las über die algebraischen Strablensjsteme drit-
ter Ordnung.
Hr. W. Peters las über neue Arten von Spitzmäusen
des Königl. zoologischen Museums aus Ceylon, Malacca,
Borneo, China, Luzon und Ostafrika.
Unter den insectivoren Säugethieren ist kaum eine von grös-
serem Interesse in Bezug auf ihre geographische Verbreitung ab
die der Spitzmäuse. Jedoch sind wir noch weit entfernt davon,
nur einigermafsen eine allgemeine Übersicht derselben zu besitzen.
£s gilt dieses namentlich von den in den tropischen Gregenden vor-
kommenden Arten. Die Kenutnifs derselben wird sehr gehindert
durch die grofse Schwierigkeit, sich diese meist sehr kleinen un-
scheinbaren, in der Verborgenheit lebenden Thiere zu verschaffen.
wm 25. Juli 1870. 685
Zudem Bind die Merkmale xur Unterscheidung der Arten einer und
derselben Gruppe meist so geringfügig und so wenig in die Augen
springend, dafs eine groCse Zahl von Beschreibungen der bisher
aufgestellten Arten viel su ungenügend, oft nur in der Angabe der
Korper- und Schwanzlftnge bestehend, ist, um sie bei der Bestim-
mung neuer Arten verwerthen zu können.
Die Spitzm&use Indiens gehören fast sfimmllich der Gattung
Oocuitfra Wagler an und weichen in Bezug auf die Färbung nur
wenig von einander ab. Die Mafse der Fufssohle und der Z&hne
sowie die Form und Proportionen der Zähne geboren zu deiyeni-
gen Merkmalen , welche bei einer und derselben Art am constante-
sten zu sein scheinen.
A. Zähne: lilJL 1. J. L-s =, jj. Crocidura s. s.
3*1 0 4 0 1-S 13'
1. Crocidura (Cr,) retusa n. sp.
Von der Grofse des Sorex vulgaris.
Die hintere Abtheüung des ersten obern Schneidezahns ist
kürzer als die vordere und ihre Spitze halb so hoch, wie die des
zweiten Sehneidezahns. Der Eckzahn erscheint von aufsen be-
trachtet eben so hoch und grofs wie der dritte Schneidezahn, von
der Kaufiäche angesehen aber merklich gröfser. Der vordere
Zacken des falschen Backzahns ist wohl entwickelt, ragt aber nur
bis zur halben Höhe des Eckzahns hervor. Der erste untere
Schneidezahn ist hinter seiner Spitze wellenfSrmig eingebuchtet;
der zweite ist mehr als doppelt so lang wie hoch. Der vordere
Zacken des ersten untern linken Backzahns ist wohl entwickelt,
und ragt bis zum letzten Drittel der Spitze des falschen Backzahns
hervor.
Die innere Seite der Ohrmuschel ist mit kurzen braunen Haa-
ren sparsam bekleidet, noch sparsamere längere braune Haare ste-
hen auf den beiden Yorsprüngen derselben.
An jeder Eörperseite ist die Lage der Drüsen durch einen
länglich ovalen Fleck kürzerer hellbrauner Haare zu erkennen.
Der Schwanz ist länger als der Rumpf, hinter der Basis spin-
delförmig angeschwollen oder ohne Anschwellung, sehr fein und
unregelmäfsig geringelt (etwa 16 Ringel auf 5 Millimeter).
Oben zimmetbraun, unten graubraun, alle Haare an der Basis
schieferfarbig. Oberseite der Hände und Füfse rostfarbig. Schwanz
oben dunkler, unten blafaer rostfarbig. Die Spitzen der Barthaare,
586
Sitzung der phytikaliBeh'n^themiUischen Klasse
der Ifingeren and vieler der kurzen unteren Schwanzbaare weifs-
lieh. Krallen blaCsgelb.
Totallfinge OflOö
Schwan« *) 0?049
Kopf 07023
Schnauzenspitze bis Auge 0^009
Auge bis Ohr 0^004
Ohroffnung bis Nasenloch Of Ol 45
Höhe des Ohrs O^OOB
Breite des Ohrs 0?007
Fufssohle mit Kralle 0?0125
Kralle der Mittelzehen 070013
Obere Zahnreihe 0?007
Untere Zahnreihe 0^0063
Länge des 1. obem
Schneidezahns O7OOI2
Höhe des 1. obem
Schneidezahns 0?002
Länge des 1. untern
Schneidezahns 0?0026
Zwei Exemplare aus Paradenia (Ceylon).
2. Croctdura {Cr,) foetida n. sp.
An Orofse etwa mit Croeeopus födiene übereinstimmend.
Die hintere Abtheilung des ersten obem Scheidezahns ist et-
was länger als die vordere, sehr niedrig, am Rande schneidend
convex ohne hervortretende Spitze. Der Eckzahn ist eben so
hoch wie der dritte Schneidezahn und die wenig entwickelte vor-
dere Spitze des falschen Backzahns, aber im Umfang etwas grös-
ser als jener. Der vordere untere Schneidezahn ist aufTallend
grade, an der Spitze fast gar nicht gekrümmt; der zweite
Schneidezahn ist doppelt so hoch wie lang, ohne Spitze und der
erste untere Backzahn ist vom abgestutzt und hat keinen vorderen
Nebenzacken, indem der diesem ensprechende kleine innere Höcker
kaum bemerkbar ist.
Die innere Seite der Ohrmuschel ist mit sparsamen braunen
Härchen bekleidet, welche auf den beiden Ohrklappen etwas lan-
ger sind.
An jeder Kurperseite befindet sich ein länglich ovaler, 4 Mm.
langer, zimmtbrauncr Fleck kürzerer steiferer Haare.
Der Schwanz ist fein gei ingelt (18 Ringel s» 5 Millimeter),
an dem einzigen Exemplar ohne Anschwellung und vierseitig, mit
kurzen schwarzen und braunen und sparsamen längeren, blafsspitzi-
gen Haaren versehen.
Oben zimmtbraun, unten blasser; alle Haare an der Ba^is
dunkelbraun. Hände und Fufse rostbraun; Krallen gelblicli.
*) Als Anfang des Schwanzes ist der anmittelbar hinter der Analöffhung
liegende Punkt betrachtet worden.
vom 25. Juli iSrO. 587
Totallfinge 0™120 Lfinge der obern Zahn-
Schwanz 0»056 reihe 0?0095
Kopf 0^030 Länge der untern Zahn-
Schnauzenspi tze bis Auge O^^O 1 35 reihe 0?0092
Auge bis Ohr 0^0045 Lfinge des L oberen
Naseoloch bis Ohroffnung 0?0185 Schneidezahns 070015
Ohrhohe 0?0085 Höhe des L oberen
Ohrbreite O^OO? Schneidezahns 0?002
Fufssohle mit Krallen O'^l'Olö Länge des untern Scbnei-
Kralle der Mittelzehe 0?0018 dezahns 0?0034
Bengkajang (Borneo); gesammelt von Hrn. Dr. v. Martens.
In der Gröfse und im Ansehen hat diese Art, der Abbildung
nach zu urtheilen, grofse Ähnlichkeit mit C. Sannerati Is. Oeof-
froy, welche aber nach Duvernoy einer anderen Abtheilung,
Pachyura^ mit einem kleinen Lückenzahn im Oberkiefer angehört.
3, Crocidura (Cr.) Doriae n. sp.
Von der Grofse einer Hausmaus.
Die hintere Abtheilung des ersten oberen Schneidezahns ist
ebensolang wie die vordere und ihre Spitze halb so hoch, wie die
des zweiten Schneidezahns. Der Eckzahn ist ebensogrofs oder ein
"wenig gröfser als der dritte Schneidezahn. Das Gingnlum des
grofsen falschen Backzahns bildet keinen deutlichen Zacken und ist
daher viel niedriger als der Eckzahn. Der zweite untere Schneide-
zahn ist doppelt so lang wie hoch und der vordere kleine vom
Cingulum ausgehende Zacken des ersten unteren wahren Backzahns
ragt lange nicht so hoch hinauf wie die Spitze des falschen Back-
zahns.
Die innere Seite der Ohren ist mit kurzen dunklen Härchen
bekleidet, welche die Haut durchscheinen lassen und die Ränder
der beiden Ohrvorsprünge zeigen sparsame längere dunkelbraune
Ilaare.
Der Schwanz ist in der Grundiiälfte spindelförmig angeschwol-
len, sehr fein geringelt, indem etwa 16 Ringel auf 5 Mm. gehen,
sowohl oben wie unten mit dunkelbraunen kurzen Haaren sparsam
bekleidet und mit nur wenigen längeren weifsspitzigen Haaren ver-
sehen.
An dem mir vorliegenden Exemplare, einem Weibchen, befin-
den sich, wie gewohnlich, jederseits drei Saugwarzen, von denen
die beiden vorderen unter dem^ hintern Rande des Oberschenkels,
die hinteren weiter zurück, in gleicher Querlinie mit der Geschlechts-
[1870] 41
588
Sitzung der pbyiikaUsch-mathemattsehen Klctsse
Öffnung, liegen. Eine Seitendrusc oder ein dien Öffnungen dersel-
ben entsprechender Fleck oder eine durch kürzere Behaarung aus-
gezeichnete Stelle habe ich nicht finden können.
Farbe: oben, auch die Hftnde und Fufse dunkelzimmtbraan,
unten blasser; sammtliche Haare mit Ausnahme der kurzen Haarp
des Hand- und Fufsrückens an der Basis schieferfarbig. Die
Barthaare mit helleren Spitzen, die Krallen gelblich weifs.
TotalUnge • O'^HO
Schwanz 0?060
Kopf 0?032
Schnauzenspitze bis Auge 0*f 0 1 3
Von Auge bis Ohr 0?006
Von Ohröffaung bis Na-
senloch 0™020
Höhe des Ohrs 0?010
Breite des Ohrs O'fOOd
Fufssohle mit Krallen 0?016
Kralle der Mittelzehen 0^002
Obere Zahnreihe O^Oll
Untere Zahnreihe 0?010
Länge des 1. oberen
Schneidezahns OfOOlS
Hohe desselben 0«0027
Länge des 1. unteren
Schneidezahns 0?0052
Sarawak (Borneo), gesammelt von Hrn. Marquis J. Doria.
4. Crocidura (Cr.) monticola n. sp.
Von der Gröfse des Sorex pygmasus.
Die hintere Abtheilung des oberen Schneidezahns ist kurzer
als die vordere und bildet einen spitzen Zacken. Die Hohe des
zweiten Schneidezahns ist gleich |- der Höhe des ersten und seine
Länge gröfser als die des dritten Schneidezahns und des Eckzahns
zusammen. Der Eckzahn ist kaum höher, aber etwas gröfser als
der letzte Schneidezahn. Der vordere vom Zahnkranz gebildete
Zacken des falschen Backzahns ist klein, aber deutlich und nach
aufsen von dem Eckzahn gelegen, dessen halbe Höhe er erreicht;
die beiden innern Höcker desselben Zahnkranzes sind wenig ent-
wickelt. Der zweite untere Schneidezahn ist nicht doppelt so lang
wie hoch, eilen so lang wie der falsche Backzahn, dessen Lange
und Höhe gleich sind. Der vordere innere Zacken des ersten
wahren Backzahns ist wohl entwickelt. Die Ohren sind sparsam
mit dunkelbraunen Härchen bekleidet.
Der Schwanz ist dünn, aber immer noch dicker als der Meta-
tarsus, vierkantig, fein geringelt (circa 22 Ringel gehen auf 5 Mm.),
oben brannschwarz, unten graubraun, indem die kurzen Haare oben
und an den Seiten braunschwarz, die der Unterseite braun, die län-
gern Haare zum gröfsten Theil weifslich sind.
vom 26. Juli 1870. 5d9
Oben dankelbraun, unten dunkelgrau, Haare am Gmnde scbie*
ferfarbig; Hände and Fufse braun, Krallen gelblicb.
Totallfinge 0?102 Kralle der Mittelzehe O7OOI
Schwan» ' 0™047 Obere Zahnreihe 0?0069
Kopf 0'?020 Untere Zahnreihe 0»0063
Schnauzenspitze bis Auge 0*7009 Lfinge des 1. oberen
Auge bis Ohr 0^0035 Schneidezahns 0?0011
Nasenloch bis Gehörgang 0?014 Höhe desselben 0»0017
Ohrhöhe 0?0045 Länge des 1. unteren
Fufssohle mit Krallen 0?0065 Schneidezahns 0^0026
Von dieser ausgezeichneten Art besitzt die Sammlung nur ein
einziges nicht sehr wohl erhaltenes Exemplar, welches Hr. F. Jä-
ger in 3500 Fufs Höhe im Walde des Berges Lawu bei Surakarta
auf Java gefangen hat.
5. Orocidura (Cr.) microtis n. sp.
Die Basis des 2. obern Schneidezahns ist etwas länger als
der 3. Schneidezahn und der Eckzahn zusammengenommen. Der
Eckzahn ist kaum höher und gröfser als der 3. Schneidezahn.
Der zweite untere Schneidezahn ist doppelt so lang wie hoch und
der vorderste kleine Zacken des ersten unteren wahren Backzahns
ragt lange nicht so hoch hinauf wie die Spitze des falschen Back-
zahns.
Die innere Seite der kleinen Ohren ist wohl behaart , die
Ränder der Ohrklappen sind mit langem Haaren versehen.
Der Schwanz ist verdickt, ziemlich kurz und so dicht behaart,
dafs die Ringel fast ganz verdeckt sind.
Oben graubraun, unten grau, Hände und FuCse dunkelbraun.
Schwanz oben dunkelbraun, unten heller, die langen Haare dessel-
ben grauweifs.
Totallänge 0?120 Höhe des Ohrs 0»007
Schwanz 0™035 Breite des Ohrs O'JOOÖ
Kopf 0'?030 Fufssohle mit Krallen 0?018
Schnauzenspitze bis Auge 070 16 Obere Zahnreihe 0?013
Auge bis Ohr O^OO? Untere Zahnreihe 0T012
Zwei noch junge Exemplare von Hongkong durch Hrn.
Faber.
Bei ganz jungen nackten Exemplaren anderer Arten sind die
Ohren auch verhältnifsmäfsig sehr klein, da die vorliegenden Exem-
plare aber vollständig behaart sind, so dfirfte die geringe Gröfae der
41 •
590 Sitzung der phffsikalüch'tnathemati$chen Klasse
Ohren nicht auf Rechnung des jagendlichen Alters zn setzen
sein.
6. Croeidura (Cr.) graciUpes n. sp.
Die hintere Abtheilang des 1. oberen Schneidezahns ist so
lang wie die vordere und bildet eine deutlich scharfe Spitze. Die
Basis des 2. Schneidezahns ist etwas kurzer als der 3. Schneide-
zahn and der Eckzahn zusammengenommen. Der Eckzahn ist et-
was niedriger, aber eben so grofs wie der 3. Schneidezahn. Der
vordere Zacken des Reifszahns ist nicht so hoch wie der Eckzahn.
Der 2. untere Schneidezahn ist mehr als doppelt so lang wie hoch
und bildet vom eine abgerundete kurze Spitze.
Die Ohren sind kahl, nur mit sparsamen Hfirchen versehen,
etwas Ifinger als hoch.
Der Schwanz ist dünn, quadrangnlär und aufser den kurzen
nur mit sehr vereinzelten l&ngeren Hfirchen versehen.
Die Krallen der Finger sind länger als die der Zehen (wie
bei Cr, sacralis Ptrs.).
Oben schön zimmtbrann, unten graubraun; sämmtliche Haare
an der Basis schieferfarbig. Hände und Fnfse mit sparsamen
zimmtfarbigen Härchen. Schwanz oben braun, unten braungrau.
Totallänge O^llT Kralle des Mittelfingers 0^001^
Bis Schwanzbein 0*^065 Länge der oberen Zahn-
Schwanz 0?052 reihe O»O087
Kopf 07024 Länge der unteren Zahn-
Schnauzenspitze bis A uge 0^009 reihe 0^008
Auge bis Ohr 0^0046 Länge des 1. oberen
Nasenloch bis OhröifnungO?01 5 Schneidezahns 0?00I2
Ohrhöhe 0?0065 Höhe des 1. oberen
Ohrbreite 0?007 Schneidezahns 0*^002
Fufssohle mit Krallen 0?013 Länge des unteren 1.
Kralle der Mittelzehc 0^008 Schneidezahns 0»003i
Aus der Sammlung des Baron C. v. d« Decken, auf der
Reise nach dem Kilimandscharo.
B. Zähne: 1^2 1 i ili? == M- PöcÄywra Selys.
7. Croeidura (P.) Waldemarii n. sp.
Von der GrÖfse einer kleinen Hausratte.
Die hintere Abtheilung des ersten oberen Schneidezahns i$t
länger als die vordere und bildet eine deutliche Spitze. Der Eck-
vom 29. Juli 1670. 591
zahn ist merklich hoher und grofser als der 3. Schneidezahn.
Der kleine Luckenzahn ist zum grofsten Theil von aufsen sieht*
bar. Der vordere Zacken des falschen Backzahns ragt lange nicht
80 weit herab wie der Eckzahn. Der zweite untere Schneidezahn
ist mehr als doppelt so lang wie hoch und bildet einen deutlichen
Zacken. Die vordere innere Zacken des ersten nntem wahren
Backzahns ist wohl entwickelt, aber viel niedriger als der vorher-
gehende falsche Backzahn.
Die Ohrklappen sind nur mit sparsamen Haaren versehen,
welche eben so wie die kurzern der Ohrmuschel weifslich sind.
Der verdickte feingeringelte (etwa 15 Ringel ac 5 Millimeter)
Schwanz ist mit weifsgrauen Haaren bekleidet Unter den Hinter-
krallen ist die zweite, wie bei den verwandten Arten, durch grös-
sere Breite ausgezeichnet.
Die Seitendrusenöffnungen sind mit kurzen weijüslichen Haa-
ren umgeben.
Totallfinge 0?200 Länge der oberen Zahn-
Schwanz 07074 reihe 0»0125
Kopf ca. 0*^033 L&nge der unteren Zahn-
Schnauzenspitze bis Auge 0?0 1 7 reihe 0?0 1 2
Auge bis Ohr 0^009 Lange des 1. oberen
Ohrhöhe 0?011 Schneidezahns 0?002
Ohrbreite 0?009 Höhe desselben 0?004
Fufssohle mit Krallen 0?021 Lange des 1. unteren
Kralle der Mittelzehe 0?002 Schneidezahns 0?006
Bengalen; ein ausgestopftes weibliches Exemplar aus der
Sammlung S. K. H. des Prinzen Wal dem ar von Preufsen.
Diese Art ist der Cr. ccerulescens Shaw (= S. indicus Geof-
fro 7 MSm. du Mus. d'hisL nat. 1815. L Taf. XV. Fig. \. 2 := S.
giganteua Is. Geoffroy) ähnlich, aber beträchtlich kleiner. Cr.
SonneraH Is. Geoffr. von der Gröfse einer Hausmaus und Cr.
serpentarius Is. Geoffr. (Belanger, Voyage aux Indes orientales.
1834. p. 119. Kopf und Körper 0?105, Schwanz 0?056) sind da-
mit nicht zu vergleichen, abgesehen davon, dafs die letztere über-
haupt zu wenig characterisirt ist, um zu einer genauem Yerglei-
chung dienen zu können.
8. Crocidura (P.) ceylanica n. sp.
Etwas grofser als Mus sylvaticus.
Die hintere Abtheilung des 1. oberen Schneidezahns ist kur-
zer als die vordere und bildet nur eine kurze schneidende Spitze.
592 Sitzung der phpsikalisch-mathefnatischen Klasse
Der 2. Sehneidezahn ist 60 lang wie der 3. und der Eckzahn za-
flammen, und der letztere ist höher und um die Hälfte grofser als
der 3. Schneidezahn. Der kleine Luckenzahn liegt zum grofsten
Theil an der inneren Seite des falschen Backzahns (Reilszahns)
und ist daher von aufsen wenig sichtbar. Die vordere Spitze des
Reilszahns ist niedriger als der Eckzahn und ragt fast so weit
herab wie der 3. Schneidezahn. Der 2. untere Schneidezahn ist
doppelt so lang wie hoch, mit einer stumpfwinkeligen schneidenden
Spitze versehen und die vordere innere Spitze des unteren ersten
wahren Backzahns ist wohl entwickelt.
Die Ohren sind kahl, nur mit sehr sparsamen Haaren, länger
an den Ohrklappen versehen.
Der Schwanz ist feingeringelt (15 Ringel = 5 Mm.}, verdickt,
oben braun, unten heller, mit braunen Haaren bekleidet, von de-
nen die langen und die der Unterseite helle Spitzen haben.
Oben dunkel zimmtbraun, unten graubraun, alle Haare am
Grunde schieferfarbig. Jederseits ein 7 Mm. langer ovaler Fleck
blafsbrauner steifer kurzer Haare.
Hände und Ffifse gelbbraun, mit kurzen braunen Haaren be-
kleidet, welche die Schuppen der Epidermis nicht verdecken.
TotalUnge 0?180 Fufssohle mit Erallen 07023
Schwanz 0'?069 Kralle der Mittelzehe 0^0025
Kopf 0?043 Obere Zahnreihe 0?0137
Schnauzenspitze bis Auge CfO 1 8 Untere Zahnreihe 0?0 135
Auge bis Ohr 0^007 Länge des 1. oberen
Nasenloch bis Ohröfiiiung 0?03 1 Schneidezahns 0?0024
Ohrhöhe 0?014 Höhe desselben 0»004
Ohrbreite O'fOll Länge des 1. unteren
Schneidezahns 0^006
Ein ausgewachsenes Männchen aus Paradenia (Ceylon).
9. Croeidura (P.) media n. sp.
Sehr ähnlich der vorhergehenden Art, aber kleiner.
Die hintere Abtheilung des 1. oberen Schneidezahns ist kiir^
zer als die vordere und bildet einen deutlichen Zacken. Der 2.
Schneidezahn ist etwas kurzer als der 3. und der Eckzahn zosam-
men. Der Eckzahn ist nur unmerklich hoher und gröfeer als der
3. Backzahn. Der Lückenzahn liegt in der Zahnreihe nnd ist' von
aufsen ganz sichtbar; er ist etwas niedriger als die vordere Spitze
des Reifszahns. Der untere 2. Schneidezahn ist nicht halb so
vom 25. Juli 1870. 595
hoch, wie lang. Die vordere innere Spitze des ersten unteren
Backzahns ist entwickelt.
In der Färbung, Schwanzbildung und Behaarung mit der vor*
hergehenden übereinstimmend.
Totallänge 0?149 Fufssohle mit Krallen O^Oieö
Schwanz 0™056 Kralle der Mittelzehe 0™0018
Kopf 0^038 Obere Zahnreihe 0'?0125
Scbnauzenspitze bis Auge O'^O 156 Untere Zahnreihe 0';'0112
Auge bis Ohr 0™0055 Länge des 1. oberen
Nasenloch bis Ohröflfnung0™0255 Schneidezahns 0?00Ö4
Ohrhöhe 0^01 1 Höhe desselben O'jOOSe
Ohrbreite O™0095 Länge des unteren 1.
Schneidezahns 0?0053
Ein ausgebildetes Männchen aus Parade nia (Ceylon).
10. Crocidura (P.) sumcUrana n. sp.
Hintere Abtheilung des 1. oberen Schneidezahns kürzer als
die vordere, mit niedriger abgerundeter Spitze. Zweiter Schneide-
zahn kürzer als der 3. und der Eckzahn zusammen. Eckzahn
ebenso hoch wie der 3. Schneidezahn und nur wenig grofser.
Luckenzahn sehr klein, hinter dem Eckzahn gelegen, durch einen
Zwischenraum von dem Reifszahn getrennt. Der abgerundete vor-
dere Höcker des Reifszahns tiefer herabragend als der Eckzahn.
Unterer 2. Schneidezahn reichlich doppelt so lang wie hoch. Vor-
derer innerer Höcker des ersten wahren Backzahns fast so hoch
heraufragend wie der vorhergehende falsche Backzahn.
Innere Seite der Ohrmuschel mit sparsamen kurzen rostfarbi-
gen Haaren besetzt; sparsamere längere Haare an den Ohrklappen.
Schwanz fein geringelt (15 Ringel »^ 5 Millim.), verdickt, mit
kurzen braunen Haaren bekleidet Die längern Haare und einige
kurze der Unterseite mit hellen Spitzen.
Oben hell zimmtfarbig, unten graubraun. Haare an der Basis
schiefergrau. Hände und Füfse heller rostfarbig, Krallen gelblich
weifs.
Totallänge 0?175 Ohrbreite 0?011
Schwanz 0^066 Fufssohle mit Krallen 0?019
Kopf 0?038 Kralle der Mittelzehe 0^0022
Schnauzenspitze bis AugeO^'0 15 Obere Zahnreihe 0'°0122
Auge bis Ohr 0?008 Untere Zahnreihe 0*0115
Nasenloch bis OhröffnungO?024 Länge des 1. oberen
Ofarhöhe 0?012 Schneidezahns 0?002
594 Sitzung der physikalisch-mathematisehen Klasse
Hohe des 1. oberen Lfinge des unteren 1.
Schneidezahns 0'»0032 Schneidezahns O^fOOö
Ein weibliches Exemplar mit entwickelten Zitzen aus Palem-
bang aaf Sumatra durch Hrn. Dr. von Märten s..
11. Crocidura (P,J fuscipes n. sp.
Etwas gröXser als Mus sylvatiem,
Hintere Abtheilung des 1. oberen Schneidezahns eben so lang,
wie die vordere und eine scharfe Spitze bildend. Zweiter Schnei*
dezahn nicht ganz so lang wie der 3. und der Eckzahn zusammen.
Der Eckzahn um \ gröfser als der 3. Schneidezahn, aber kaum
hoher als derselbe. Der Lückenzahn ist zum grofsten Theil von
aufsen sichtbar, liegt aber z. Th. an der innern Seite des Reifs-
Zahns. Die vordere Spitze des letztern ragt kaum tiefer herab^
als die Spitze des Luckenzahns, ist daher viel niedriger als der
Eckzahn. Der untere 2. Schneidezahn ist doppelt so lang wie hoch
und der innere Zacken des ersten unteren Backzahns ist woblent-
wickelt.
Schwanz dick, etwas st&rker geringelt als die vorhergehenden
(12 Ringel = 5 Mm.), oben dunkelbraun, unten heller, indem die
Haare der Oberseite braun, die der Unterseite sowie die langem
weifslich sind.
Oben graubraun, unten grau, H&nde und Fufse dunkelbraun,
Krallen gelblich. Die steifen kurzen Haare des Seitenflecks sind
wie die übrigen Körperhaare, am Grunde schieferfarbig, oben an
der Spitze grauweifs.
Totollftnge 0?I70 Kralle der Mittelzehe 0<f002
Schwanz 0?065 Obere Zahnreihe O'^OIS
Kopf 0™0385 Untere Zahnreihe 0«012
Schnauzenspitze bis Auge 0*1^01 55 Lange des 1. oberen
Auge bis Ohr 0?0055 Schneidezahns 0'!^02
Nasenloch bis OhröifnungO?0245 Hohe desselben 0^0032
Ohrhohe 0^012 Länge des 1. unteren
Ohrbreite 0';010 Schneidezahns O'fOO^ö
Fufssoble mit Kralle 0*^019 (0?020)
Von Singapore, wo Hr. F. Ja gor 6 Exemplare auf einem
Cocosfelde fand.
In der Oröfse ist diese sowohl wie die vorhergehende dem
S, myosurus Pallas ähnlich. Nach der Angabe von Pallas würde
diese Art aber zu den Crocidura s. s. gehören und keinen kleineo
vom 25. Juli 1870. Ö95
Lückenzahn babeä, womit auch die von ihm gegebene Abbildung
{ActaAcad. Scient. Imp. PetropoUuY. 1781. IL Taf.5. Fig.l7) uber^
einstimmt, welche den Eckzahn kleiner als den 3. Schneidezahn
zeigt. Ob die von Geoffroy {Annal. du Mus. d^kist nat. XVIL 181 1.
p. 185. Taf.3. Fig. 2.3) gegebene Abbildung, welche den Eckzahn
gröfser zeigt, nach den Originalexemplaren aus dem geraubten nie-
derländischen Museum gemacht sei, ist nicht ganz klar aus dem
Text zu ersehen.
Ein Exemplar, welches unser Museum neuerdings aus Java
erbalten hat und welches vielleicht zu S. myo^urti« Pallas gehören
durfte, hat die hintere Abtheilnng des 1. oberen Schneidezahns
viel kürzer als die vordere, den 2. Schneidezahn eben so lang wie
den 3. und den Eckzahn zusammengenommen, einen niedrigen ganz
nach innen gedrängten Lückenzahn und den vordem Innern Zacken
des Reifszahns fast eben so weit herabragend wie den Eckzahn,
diesen letzteren aber wie in der Godcffroy 'sehen Abbildung ein
wenig hoher und grofser als den 3. Schneidezahn.
Vielleicht wird es noch möglich sein, herauszubringen, ob die
im Pariser Museum befindlichen Originalexemplare zu der Abbil-
dung und Beschreibung Geoffroy 's aus dem ehemaligen nieder-
landischen Museum stammen, was für diesen Gegenstand von gro-
fsem Interesse sein würde.
12. Crocidura (P.) luzoniensh n. sp.
Hintere Abtheilung des 1. oberen Schneidezahns kürzer als
die vordere, mit kurzer scharfer Spitze. Zweiter Schneidezahn
nicht so lang wie der 3. und der Eckzahn zusammen. Der Eck-
zahn merklich hoher als der 1. und um die Hälfte grofser als der
3. Backzahn. Lückenzahn nur zum kleinen Theil von aufsen
sichtbar, an der Innern Seite des Eckzahns und Reifszahns liegend.
Vorderer Hocker des Reifszahns wenig entwickelt, tiefer liegend
als der Lückenzahn. Zweiter unterer Schneidezahn reichlich dop-
pelt so lang wie hoch. Vorderer innerer Höcker des 1. unteren
wahren Backzahns wohl ' entwickelt.
Ohren mit ganz kurzen braunen Haaren sparsam bekleidet,
längere auf den Ohrklappen.
Schwanz dick, fein geringelt (ca. 16 Ringel = 5 Mm.), ver-
dickt, einfarbig dunkelbraun, ringsum mit schwarzbraunen Haaren
bekleidet, nur die längern mit blasser Spitze.
596 Sitzung der physikalisch^fMihematischen Klasse
Oben dunkel zimmtbraan, unten etwas blasser, Hände und
Füfse rein braun. Haare an dem Grunde schieferfarbig. Nägel
gelblichweifs.
Totallänge 0?148 Kralle der Mittelzehe 0?002
Schwanz 0?050 Obere Zahnreihe 0™0115
Kopf 0?033 Untere Zahnreihe O?0105
Schnauzenspitze bis Auge 070 15 Länge des 1. oberen
Auge bis Ohr 0™0055 Schneidezahns 0?0017
OhröflFnung bis Nasenloch 0^0235 Höhe desselben 0?Ö03
Ohrhöhe O7OIO8 Länge des 1. untersten
Ohrbreite 0*»009 * Schneidezahns 0-0046
Fufssohle mit Kralle O^Ol? (0?018)
Zwei Weibchen aus Luzon, eins von Daraga durch Hrn.
F. Jagor und eins von Manila durch Hrn. Dr. v. Martens.
Hr. A. W. Hofmann las:
Beobachtungen vermischten Inhalts.
1. Über die Einwirkung des Cyans auf das Anilin.
Neben dem Cyananilin, dem Hauptproducte dieser Reaction«
bildet sich, wie ich bereits vor 22 Jahren gefunden habe/) eine
rothc kry Stallini sehe Materie, welche in letzter Zeit einer einge-
henden Prüfung unterworfen wurde. In geeigneter Weise gerei-
nigt liefert dieses Pulver schöne morgenrothe, violettschillernde
Krystalle einer wohl krystallisirten einsäurigen Base von der
Formel
Cai Hi7 Nj ,
welche sowohl für sich als auch in Form eines in Nadeln krystal-
lisirten chlorwasserstoffsauren Salzes
CjjHjyNj , HCl
analysirt worden ist.
Man kann annehmen, dafs sich djeser Körper durch Cyanan-
lagerung aus Triphenylguanidin bilde, und in diesem Sinne die
Base durch die Formel
*) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXVI, 127«
vom 25. Juli 1870. 597
C,,H,,N, = 2CN, (CeH,)3 N3
H2 J
darstellen.
Übereinstimmend mit dieser Auffassung sind die Umbildungen
der Base. Längere Zeit mit verdünntem Alkohol erhitzt (am be<
sten unter Druck) geht sie unter Ammoniak- und Anilinabspaltung
in Diphenylparabansäure über:
C CO
2CN, (CgH5)jlN, + 3H,0 = 0,0^ In, + 2HjN + CgHjN.
H, i (CeHO,J
Kocht man die alkoholische Lösung der Base längere Zeit
mit coucontrirter Salzsäure, so zerfällt auch die Diphenylparaban-
säure, und man erhält schliefslich nur Ammoniak, Anilin, Kohlen-
säure und Oxalsäure.
2 C N, (C6H5)3l N3 4- 6 Hg O = 2H3 N -f- 3 CßH^N -h CO2 -h CgHaO^.
Hg J
2. Einwirkung des Cyans auf das Triphenylguanidin.
Nachdem die Zusammensetzung der in dem vorhergehenden
Paragraphen beschriebenen Verbindung festgestellt worden war, lag
der Gedanke nahe, die Darstellung derselben durch die Einwirkung
des Cyans auf das Triphenylguanidin zu versuchen.
Eine alkoholische Losung des triphenylirten Guanidins absor-
birt in der That reichliche Mengen von Cyangas, und nach länge-
rem Stehen setzt die gesättigte Losung gelblich weifse Krystalle
ab, welche durch Umkrystallisiren gereinigt werden. Dieser Kör-
per hat dieselbe Zusammensetzung wie der neben dem Cyananiiin
entstehende^ nämlich
Cj,H„N, = 2CN,(C,Hj),In,.
Und nicht nur in der Zusammensetzung stimmt er mit diesem
Nebenprodacte überein, auch in seiner Gonstitation mufs er demselben
598 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
sehr nahe stehen. Nichtsdestoweniger genügt eine einfache Verglei-
chung der Eigenschaften beider Verbindungen, um za zeigen, dafs hier
nur Isoroerie, nicht Identität statt hat. Hinsichtlich der Farbe,
KrystaUform and Loslichkeit geben sich die grofsten Unterschiede
£U erkennen, besonders scharf aber zeigt sich die Verschiedenheit
im Verhalten za den Sfiuren.
Der aas dem Triphenylgaanidin entstehende Cjankörper nimmt
in Berührung mit Salzs&ure eine tiefe gelbrothe Farbe an, offenbar
in Folge der Bildung eines Salzes; allein vergeblich bemüht man
sich, dieses Salz za fixiren. Schon nach einigen Augenblicken ist
der Körper unter Ammoniakabspaltung in eine schön krystallisirte
gelbe Substanz übergegangen, welche nichts anderes als Oxalyl-
triphenylguanidin
C
Cj^Hj^NjO, = C3O, |n,
(CALV
ist und nach der Gleichung
C„H„Nj + 2H,0 = C„H„N,0, + 2H,N
entsteht. Mit Alkohol und Salzsftnre gekocht liefert dies Product,
unter Ausscheidung von Anilin, Diphenylparabansfiure,
C,iH„N,0, + H,0 = C„H,oN,0, + CjH,N ,
welche letztere schliefslich in Anilin, Oxalsäure und Kohlensaare
zerfällt
Man sieht, auch die Zersetzungsproducte der beiden Isomeren
sind dieselben, die Erscheinungen aber, unter denen sie sich bil-
den, charakterisiren nicht minder die Verschiedenheit beider Sub-
stanzen.
Erwägt man, wie leicht die beiden isomeren Dicy an Verbindun-
gen des Triphenylguanidins , sowie auch nach meinen früheren
Untersuchungen^) des Diphenylguanidins in Diphenylparabansäure
übergehen, so liegt der Gedanke nahe, die Bildung der normalen
Parabansäure durch Behandlung des normalen Guanidins mit Cjan
anzustreben. Diese Aufgabe verfolgende Versuche werden im
Augenblick im hiesigen Laboratorium angestellt
>} Hofmann, Lond. R. S. Proc. XI, 275 und Monatsb. 1870, 171.
vom 26. Juli 1870. 599
3. Über eine neue Classe von Cyansäureätbern.
Schon vor vielen Jahren habe ich gezeigt, dafs sich die ge-
wöhnlichen Cyansänreäther bei der Berührung mit Triäthylphos-
phin polymerisiren J ) Diese Beobachtung wurde zunächst beim
Phenylcyanat angestellt. Ich sprach damals die aus dem Phenyl-
cyanat entstehende schon krystallisirte Verbindung als Phenylcya-
nurat an. Diese Annahme schien vollkommen berechtigt, da die
starre Verbindung dieselbe Zusammensetzung wie das flussige
Cyanat besitzt, von letzterem aber in seinen Eigenschaften, zumal
aber durch einen ungleich höheren Siedepunkt abweicht. Seitdem
bin ich den phenylirten Cyanursäureverbindungen auf anderen Wö-
gen begegnet, dem Phenylcyanurat unter den Zersetzungsproducten
des Triphenylmelamins,') dem Isocy annrat bei der Untersuchung
der Einwirkung des Cyanchlorids auf Phenol.') Die Entdeckung
einer einfachen Methode, das Phenylcyanat aus dem Phenylurethan
darzustellen,^) war mir deshalb von besonderem Werthe, weil sie
mir die Entscheidung der Frage erlaubte, ob das durch Polymeri-
sation aus dem Cyanat entstehende Product mit einem der auf an-
dere Weise gewonnenen Cyanurate identisch sei.
Eine eingehende Prüfung des mittelst Phosphorbase aus dem
Phenylcyanat erhaltenen Korpers hat mich nun gelehrt, dafs diese
Substanz weder mit dem Phenylcyanurat noch mit dem Phenyliso-
cyanurat identisch ist. Der Schmelzpunkt des aus dem Triphenyl-
melamin entstehenden Cyanurats liegt bei 260, der des dem Phe-
nol entstammenden Isocyanurats bei 224; die durch Polymerisation
entstandene Verbindung schmilzt schon bei 175°. Auch in den
übrigen Eigenschaften weicht diese Verbindung von den bereits be-
kannten Cyanuraten ab.
Ganz ähnliche Erscheinungen^ wie diejenigen, welche man bei
der Einwirkung der Phosphorbase auf das Phenylcyanat beobach-
tet, zeigen sich bei der Behandlung des Äthyl- und Methylcyanats
mit dem Phosphorkorper. Das Äthylcyanat geht unter diesen Um-
ständen bei gewöhnlicher Temperatur langsam, bei der Temperatur
') Hofmanu, Ann. Chem. Pharm. Suppl. I, 57.
') Hofmann, Monatsberichte 1870, 197.
>) Hofmann, Monatsberichte 1870, 206.
^) Hofmann, Monatsberichte 1870, 676.
600 Sitzung der physikalisek-mathematisehen Klasse
des siedenden Wassers unter Druck fast augenblicklieb in eine zähe
Flüssigkeit über, die nacb kurzer Zeit krystallinisch erstarrt. Das
Methylcyanat verwandelt sieb bei der Berührung mit einem Tropfea
Triäthylphospbin augenblicklich und unter beträchtlicher Wärme-
entwicklung in eine schone Krystallmasse. Die unter Mitwirkung
der Wärme aus dem Äthylcyanat entstehende Verbindung zeigt
den Schmelzpunkt 95°, ist also wohl mit dem bekannten Äthvi-
cyanurat identisch. Der Schmelzpunkt des gewohnlichen Methyl-
cyanurats liegt bei 175°; das erst jungst von mir entdeckte Methyl-
isocyanurat schmilzt bei 132°; die neue durch Polymerisation ent
standene Verbindung schmilzt schon bei 98°.
Die neuen Isomeren der Cyansäure- und Cyanursänreäther
liefern, zumal in der aromatischen Reihe, interessante Umbildan-
gon, welche ich eingehend zu untersuchen gedenke. Schon jetzt
aber mag es mir gestattet sein, die Ansicht auszusprechen, dafs
die neu entdeckten Verbindungen in der Mitte zwischen den Cyau-
säure- und Cyanursäureäthern liegen
CO 1 (CO), I (CO), I
CgHj^ (C,B,),r^ (C.H,),]"»'
Phenylcjranat. Neue Verbindung. Phenylcyanurat.
Weitere Untersuchungen müssen feststellen, ob diese Auffas-
sung die richtige ist.
4. Neue Bildungsweise der Isonitrile.
Die merkwürdige Umwandlung, welche die Cyan säure- Äther
durch die Einwirkung des Triäthylphosphins erleiden, liefs es wün-
schenswerth erscheinen, das Verhalten der Phosphorbase auch ge-
gen die Senfole von Neuem zu studiren. Schon früher habe ich
gezeigt, dafs das Senföl par excellence sowie das PhenylsenfoP )
1 Mol. Triäthylphosphin fixiren, indem substituirte Harnstoffe ent-
stehen, welche gleichzeitig Stickstoff und Phosphor enthalten. In
der citirten Abhandlung findet sich bereits die Angabe, dafs sich
^} Hofmann, Ann. Chem. Pharm. I. Suppl. 57.
vom 25. Juli 1870, 601
diese Harnstoffe bei höherer Temperatur in Triäthylphosphinsulfid
und flussige Korper von durchdringend unangenehmem Charakter
verwandeln, deren Natur damals unergrundet blieb. Bei einer
Wiederholung dieser Versuche ergab es sich, dafs als das complc-
roentäre Product des Triäthylphosphinsulfids das Isonitril der Reihe
auftritt,
C,H, NP = (C,HO,PS + ^ N.
(C,H,),i ^»««J
Auch die seit jener Zeit entdeckten Senfole der Methyl-,
Äthyl- und Amylreihe zeigen ein vollkommen analoges Verhalten.
Beim Zusammentreffen von Phosphorbase mit den genannten Senf-
ülen wird Wärme frei, der Geruch verschwindet offenbar in Folge
der Bildung von den genannten Harnstoffen analogen Phosphor-
stickstoffverbindungen. Wird nunmehr die Mischung unter Druck
erhitzt, so scheiden sich beim Erkalten die prachtvollen Krystalle
des Triäthylphosphinsulflds ab, während sich gleichzeitig das Iso-
nitril der Methyl-, Äthyl- und Amylreihe durch seinen furchtbaren
Geruch zu erkennen geben.
6. Reaction auf Cyanursäure.
Wenn die Cyanursäure als solche und in nur irgend erheb-
licher Menge vorliegt, so wird man, um sie zu erkennen, kaum
einen anderen Weg einschlagen, als die Säure scharf zu trocknen
und sie alsdann in einer kurzen engen Röhre zu erhitzen. Der
Geruch des entwickelten Cyansäuredampfes ist so charakteristisch,
dafs man über die Gegenwart oder Abwesenheit der Säure nicht
leicht im Zweifel bleiben kann.
Hat man es dagegen mit einer Lösung von Cyanursäure zu
thun, und ist die Säure in aufserordentlich geringer Menge vorhan-
den, so kann man sich mit grofsem Vortheii der Schwerlöslich -
keit des Natriumcyanurats in heifser concentrirter Natronlauge zur
Charakterisirung der Säure bedienen.
Zu dem Ende wird die Lösung, zweckmäfsig auf einem Uhr-
glase, mit concentrirter Natronlauge versetzt und die Flüssigkeit
602 Sitzung der physikaUseh-fnathemaüBchen Blasse
alsdann einige Augenblicke aber einem Spitzbrenner erw£nnt Als-
bald erscheinen von dem Punkte aus, wo die Flamme aaftriB.
prächtige feine Nadeln des cyanursauren Salzes, welche, wenn die
Lösung nicht allzu concentrirt ist, beim Erkalten wieder Ter-
schwinden.
Ich war begierig, die Zusammensetzung dieses schönen Salzes
zu erfahren. Zu dem Ende wurde eine grofsere Menge der Kry-
stalle durch siedende Natronlauge gefällt und noch heifs auf einen
Trichter gebracht^ dessen Rohr durch eine eingelegte Glaskugel
geschlossen war. Um das freie Alkali zu entfernen, mufs mit
Alkohol gewaschen werden, da sich das Salz in Wasser lost; so
kommt es, dafs der Verbindung leicht eine Spur Natriumcarbooat
anhängt.
In dem bei 100° getrockneten Salze wurde das Natrium als
Sulfat bestimmt. 0.392 Grm. Salz lieferten 0.4389 Natriamsulfat
= 0.142 Grm. = 36.2 pCt, Natrium.
Das bei der Verbrennung mit Natronkalk erhaltene Ammoniak
wurde als Salmiak gesammelt, und in diesem das Chlor volume-
trisch bestimmt. Aus dem Chlor berechnet, ergaben sich 21.6 pCu
Stickstoff.
Diese Zahlen zeigen, dafs die beim Erhitzen mit concentrirter
Natronlauge entstehenden Krystalle das trimetallische Salz
NajCaNjGj
darstellen. Dieses Salz enthält 35.4 pCt. Natrium und 21.5 Stick-
stoff.
6. Rcaction auf Chloroform.
Wenn es sich darum handelt, kleine Mengen von Chloro-
form nachzuweisen, zumal in Gegenwart anderer, dem Chlorofortn
nahestehender Verbindungen, deren Eigenschaften denen des Chlo-
roforms gleichen, so kann man sich mit grofsem Vortheil seiiie.-^
Verhaltens zu den Monaminen in Gegenwart von Alkohol und Na-
triumhydrat bedienen. Der Geruch des entstehenden Isonitrils i~<t
ein unfehlbares Merkmal der Anwesenheit des Chloroforms.
Man stellt den Versuch einfach in der Weise an, dafs man
die zu prüfende Flüssigkeit in eine Mischung von Anilin — jede?
vom 25. Juli 1870. 603
andere primfire Monamin, fett oder aromatisch, leistet denselben
Dienst — und alkoholischem Natriumhydrat eingiefst. Ist Chloro-
form vorhanden, so erfolgt alsbald, jedenfalls aber bei gelindem
Erwärmen, heftige Reaction unter Entwickelung des charakteri-
stisch riechenden Isonitrils.
Ich habe eine grofse Anzahl von dem Chloroform ähnlichen
Körpern der angeführten Reaction unterworfen — aber keinen ge-
funden, welcher im Stande war, Körper von dem eigenthumlichen
Geruch des Isonitrils zu entwickeln.
Es versteht sich von selbst, dafs Bromoform und Jodoform
genau dasselbe Verhalten zeigen wie Chloroform; auch beobachtet
man die Reaction mit sämmtlichen, bei Einwirkung eines Alkalis,
Chloroform, Bromoform und Jodoform liefernden Korpern. Ver-
setzt man z. B. eine Auf losung von Chloral in Anilin mit alkohor
lischer Kalilosung, so entwickelt sich sofort mit grofser Heftigkeit
der Dampf des Isonitrils.
In neuester Zeit hat man für anästhetische Zwecke statt des
Chloroforms das Chloräthyliden vorgeschlagen. Beide Sub-
stanzen sind sowohl hinsichtlich des Geruchs, als auch hinsichtlich
der Siedepunkte (Chloroform 61°, Chloräthyliden 60°) nur schwie-
rig von einander zu unterscheiden. Nichts ist aber leichter, als
in einem solchen Falle das Chloroform albald zu charakterisiren.
Das Chloräthyliden liefert mit alkoholischem Natriumhydrat und
Anilin kein Isonitril.
Die hier empfohlene Reaction ist so empfindlich, dafs sieb
1 Th. Chloroform in 5000 bis 6000 Th. Alkohol gelost noch mit
Sicherheit erkennen läfst.
7. Diagnose primärer, secundärer und tertiärer Amine.
Zur Untersuchung der drei Klassen substituirter Ammoniake
ist man bisher fast nur auf eine Methode hingewiesen gewesen, wel-
che sich aus meinen Untersuchungen über die Darstellung der Alkohol-
Derivate^) des Ammoniaks ergeben hat. Dieses seither vielfach, be-
1) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXXU, 159.
[1^0] 42
604 Sitzung der physikaliach-mathematf sehen Klasse
sonders bei der Untersuchung der Pflanienbasen, angewendete Ver-
fahren besteht in der Feststellung der Anzahl von Methyl- oder
Äthylgruppen, welche das in Frage stehende Amin zu fixiren im
Stande ist, insofern die Aufnahme einer Methylgruppe das ter-
tifire, die zweier das secundäre, die dreier Methylgruppen
endlich das prim&re Amin charakterisirt.
Diese Methode liefert, wo immer man es mit nur ^nigermas-
sen wohl definirten Ammoniak-Derivaten zu thun hat, vollkommen
zuverlofsige Resultate. Sic hat aber den Nachtheil, dafs man stets
mit gröfseren Mengen arbeiten mufs, und schliefsh'ch einer quanti-
tativen Analyse bedarf, die sich allerdings in den meisten Fällen
auf eine einfache Platinbestimmung beschränkt.
Ich habe mich, zur Erreichung desselben Zinns, in letzter Zeit
zum öfteren einer einfachen qualitativen Methode bedient, wel-
che sich auf die bei der Untersuchung der Isonitrile und der
Senfole gesammelte Erfahrungen gründet
Nach den bereits veröffentlichten Resultaten, welche durch
vielfache Versuche in jüngster Zeit allgemeine Bestätigung gefun-
den haben, sind es nur die primären Monamine, welche mit
Chloroform und alkoholischer Kalilauge Isonitrile zu liefern im
Stande sind. Da diese Reaction von aufserordentlicher Empfind-
lichkeit ist, und der Geruch der Isonitrile, obwohl je nach der
Natur der Eohlenstoffgruppe, welche die Base enthält, verschiedeo,
dennoch ein ganz unverkennbarer ist, so kann man albald ohne
die geringste Schwierigkeit entscheiden, ob man es mit einer pri-
mären Base zu thun hat.
Was die Ausführung des Versuches anlangt, so braucht man
nicht mehr als einige Centigramme der Base in Alkohol zu losen,
die Losung in einer Proberöhre mit alkoholischer Kali- oder Na-
tronlösung zu versetzen und alsdann nach Zusatz einiger Tropfen
Chloroform gelinde zu erwärmen, alsbald entwickeln sich, unter lel»-
tiaftem Aufwallen der Flüssigkeit, die betäubenden Dämpfe des
Isouitrils, die man gleichzeitig in der Nase und auf der Zunge
spurt.
Ist bei dem Versuche mit alkoholischem Kali und Chloroform
der charakteristische Geruch eines Isonitrils nicht aufgetreten, so
hat man jetzt noch die Frage zu beantworten, ob das zu unter-
suchende Amin ein secundäres oder ein tertiäres ist. Hier wird
die Senfolbildung mit grofsem Vortheil verwerthet. Durch Ver-
vom 25. Juli 1870. 605
suche ist festgestellt, daCs sowohl die primären als auch die sccun«
dären Amine Senfole liefern.') Man hat also, um die Gegenwart
einer secondären Base zu erkennen, nur noch zu ermitteln, ob
das untersuchte Amin sich in ein Senföl verwandeln läfst Die
Senfole besitzen gleichfalls, je nach der Reihe, in der man arbei-
tet, einen verschiedenen Geruch, allein der allgemeine Charakter
des Geruchs und zumal die heftige Einwirkung auf die Schleim-
haut der Nase sind allen Senfolen gemeinschaftlich. Man wird
daher diesen Geruch unter allen Umstanden leicht erkennen.
Was die Ausfuhrung des Versuches anlangt, so lost man
einige Centigramme der Base in Alkohol, versetzt die Losung
mit etwa der gleichen Menge Schwefelkohlenstoff, und verdampft
einen Theil des Alkohols. Alsdann erhitzt man die ruckständige
Flüssigkeit, welche die sulfocarbaminsaure Base enthält, mit einer
wäfsrigen Lösung von Quecksilberchlorid. Augenblicklich entsteht,
falls eine primäre oder secundäre Base vorliegt, der heftige Geruch
des Senfols der Reihe.
Leider ist diese Reaction, welche an Präcision und Schnellig-
keit der Ausführung nichts zu wünschen übrig läfst, doch nicht
ganz allgemein.
Der Nachweis, ob man es mit einer primären Base zu thun
habe, gelingt in allen Fällen, ganz einerlei, ob man in der fetten
oder aromatischen Reihe arbeitet, oder Körper untersucht, die bei-
den Reihen angehören. Nicht so, wenn eine secundäre Base nach-
gewiesen werden soll. In diesem Falle tritt die Senfolbildung un-
ter den angegebenen Bedingungen nur dann ein, wenn das Amin
entweder ein Glied der fetten Reihe, oder aber ein Mischling ist,
in welchem sich die Amidirung in der fetten Hälfte der Verbin-
dung vollendet hat.')
Wurde bei der Untersuchung einer aromatischen Verbindung
die Senfolreaction ausbleiben, so mufste man zur Entscheidung der
Frage, ob ein secundäres oder ein tertiäres Amin vorliegt^ auf die
alte Methode, Behandlung mit Jodmethyl etc., zurückfallen. Wäre
andererseits Senfolbildung eingetreten, so hätte man nicht nur die
Substitutionsstufc des Amins ermittelt, sondern auch gleichzeitig
0 Hofmann, Monatsb. 1868, 467.
') Hofmann, Monatsb. 1868, 471.
42
GOG Sitzung der physikalisch-matkemaiisehen Klasse
eine bestimmte Auffassung über die Stellung des Ammoniakfrag-
ments gewonnen.
8. Zur Kenntnifs des Phenylxanthogenamids.
Vor Kurzem habe ich der Akademie eine einfache Methode
mitgetheilt, die aromatischen Cyanate darzustellen,') welche darin
besteht, die substituirten Urethane mit Phosphorsaureanhjdrid zu
behandeln. Unter Entwickelung von olbildendem Gase destilliren
die reinen Cyanate. Diese einfache Methode wurde, wie dies ge-
wohnlich zu geschehen pflegt, erst aufgefunden, nachdem viele an-
dere Methoden vergeblich versucht worden waren. Unter den an-
gestellten Versuchen will ich einen erwähnen, da er zu einigen
Beobachtungen Veranlassung gegeben hat, welche der Aufzeichnung
werth erscheinen.
Bekanntlich zerlegt sich das Xanthogenamid oder halb ge-
schwefelte Urethan bei der Destillation in Mercaptan und Cyansäure
C3H7NOS = C,HgS 4- CHNO.
Der Gedanke lag nahe, ein phenylirtes Xanthogenamid darzu-
stellen und die eben angeführte Reaction für die Gewinnung des
Phenylcyanats zu verwerthen.
Allerdings hatte ich bereits bei meinen Untersuchungen über
die Senfole einen Körper von der Zusammensetzung des Phenyl-
xanthogenamids oder halbgeschwefeltcn Phenylurethans erhalten,')
dessen Verhalten in der WSrme den hier angedeuteten Erwartun-
gen keineswegs entspricht.
Der in Frage stehende bildet sich beim Erhitzen von Phenyl-
senföl mit Alkohol aut 110 bis 125''
(CS)"1 ^ ^ C,UA _ (CS)"(CeH,)HN|
und zerlegte sich bei der Destillation wieder in seine Bestandt-
theile, denen stets je nach den Umstanden mehr oder weniger Sul-
focarbanilid oder Diphenylsnlfoharnstoif beigemengt ist. Wahrschein-
1) Hof mann, Monatsb. 1870, 576.
3) Hof mann, Monatsb. 1869, 332.
vom 25. Juli 1870. 607
lieh wird während der Destillation etwas Alkohol zersetzt, und
dsi» Sulfocarbanilid wurde alsdann als secundares Product der Ein-
wirkung des von dem Alkohol gelieferten Wassers auf das PhenjN
senföl auftreten.
Neben dem hier als halbgeschwefeltes Phenylarethan bezeich-»
neten Körper mufs ein zweiter von derselben Zusammensetzung
existiren, von dem ersten nur durch die relative Stellung der
SaaerstofF- und Schwefelatome verschieden. Man wird, im Hinblick
auf die in der Äthylreihe bereits vorliegenden Beobachtungen,')
erwarten dürfen, den isomeren Korper durch die Einwirkung des
Phenylcyanats auf das Äthyl mercap tan zu erhalten. Bildung und
Zersetzung des Korpers wurde im Sinne der Gleichung
(CO)"] N + C2H5I s _ (CO)"(C6H0HN| -
erfolgen.
Ich habe nicht versucht, den hier angedeuteten Korper aus
Seinen Componenten zusammenzusetzen, da seine Darstellung auf
diesem Wege für die Losung der Aufgabe, welche ich anstrebte,
ohne Interesse gewesen wäre. Wohl aber war es bei der Leich-
tigkeit, mit welcher in dieser Körpergruppe Sauerstoff und Schw^e-
fel ihren Platz wechseln, su versuchen, ob sich ein bei der Destil-
lation in Äthylraercaptan und Phenylcyanat zerfallender Körper
nicht in irgend einem der Processc bilden könne, in denen sich
das normale Xanthogenamid erzeugt.
Von den verschiedenen Methoden, mittelst deren man das Xan-
thogenamid erhalten hat, schien die, von Hrn. Debus') entdeckte,
aus dem sogenannten Äthyldisulfocarbonsulfid (Äthyl bioxysulfocar-
bonat) am schnellsten zum Ziele zu fuhren. Bei der Darstellung
dieser letzteren Verbindung wurde genau das von Hrn. Debus')
angegebene elegante Verfahren eingehalten, welches ich bestens
empfehlen kann. Eine starke alkoholische Kalilösung wurde mit
dem berechneten Gewicht Schwefelkohlenstoff versetzt und stehen
gelassen bis sie zu einer Masse schöner Kry stall nadeln von xan-
1) Hof mann, Monatsb. 1869, 120.
') Debus, Ann. Cliem. Pharm. LXXII. 8.
3) Debns, Loc. cit. LXXXUI. 261.
608 Sitzung der physikalisch^mathematisehen Klasse
thogensaurem Kalium erstarrt war. Diese Masse wurde alsdann
in dem doppelten Volum Wasser gelost und durch die Flüssigkeit,
welche mit einer kleinen Menge Jodkalium versetzt worden War,
ein starker Chlorstrom geleitet. Die Ausscheidung von Jod den-
tet den Zeitpunkt an, wenn das Chlor nicht mehr von dem Metall
des xanthogensauren Salzes fixirt wird. Für den Zweck, den ich
im Auge hatte, war es hinreichend, die chlorgesättigte Flüssigkeit
stehen zu lassen, his sich das Äthyldisulfocarbonsulfid als oifge
Schicht abgeschieden hatte, und diese nach dem Waschen mit Was-
ser und Abheben im Scheidetrichter direct mit Anilin zu behandeln.
Die Rcaction ist eine sehr lebhafte und erfolgt gerade so wie
man nach den Versuchen des Hm. Debus über die Wirkung des
Ammoniaks erwarten durfte. Unter gleichzeitiger Schwefelaus-
scheidung spaltet sich das Äthyldisulfocarbonsulfid bei der Behand-
lung mit Anilin in Phenylxanthogenamid (halbgeschwefeltes Phe-
nylurethan) und Xanthogensaure
(CSjH ' ' Hj CgHj HJ *
ein Theil der letzteren gebt bei Gegenwart eines Überschufses von
Anilin unter Schwefelwasserstoffcntwicklung und Austreten von
Alkohol in diphenylirten Schwefelharnstoff über,
^»^»}CS,0 + 2[^*h;}n] = (C,H,),|n, + ^»f]0 + H,S.
Die gleichzeitige Bildung von Diphenylsulfoharnstoff erschwert
die Reindarstellung des Phenylxanthogenamids, allein durch oft
wiederholtes Umkrystallisiren aus Weingeist, in dem der Harnstoff
ungleich weniger loslich ist, gelingt es schliefslich das Phenylxan-
thogenamid rein zu erhalten.
In Folge dieser grofsen Schwierigkeit, den Körper im Zu-
stande der Reinheit zu gewinnen, bin ich längere Zeit der Meinung
gewesen, dafs die aus dem Äthyldisulfocarbonsulfid dargestellte
Verbindung verschieden sei von der bei der Einwirkung von Al-
kohol auf Phenylsenfol erhaltenen.
Bei einer sorgfaltigen Vergleichung der physikalischen Eigen-
schaften und namentlich des chemischen Verhaltens der nach bei-
vom 25. Juli 1870.
609
den Yerfahrungsweisen gewonnenen Substanzen habe ich indessen
keinen Unterschied auffinden können.
Die eingebende krystallographische Untersuchung des Phenyl-
xanthogenamids, dessen alkoholische Lösung beim langsamen Ver-
dunsten sehr schöne Ery stalle liefert, fuhren zu demselben Schlüsse.
Hr. Dr. Groth fand die Krystallform dieselbe, ob die Verbindung
auf die eine oder die andere Weise dargestellt worden war.
Folgendes sind die Details der krystallographischen Unter-
suchung, welche mir Hr. Dr. Groth freundlichst hat mittheilen
wollen.
Krystallsystem triklinisch.
AxenvcrhSltnifs (Brachydiag. : Makrodiag. : Verticalaxe) :
a : b : c = 0,6027 : 1 : 0,6539.
Winkel der Axenebenen und der Axen:
A = 94° 55'
B = 102 35
C = 93 54
«= 94° 10'
ß = 102 18
7 = 92 54
Die Krystalle sind säulenförmige Combinationen der Flachen-
paare a und b, des linken Hemiprisma p, der nach vorn geneigten
Endflache c, dem vordem (r) und hintern (r') makrodiagonalen,
sowie dem linken brachydiagonalen Hemidoma o', endlich den Oc-
taederfiächpaaren o', x, x' und z'.
Die Figur stellt eine gerade Projection auf der Horizontal-
ebene dar. Die Zeichen der Flächen (nach Naumann und Weifs)
sind folgende, wobei der hintere Theil der Axe a mit a', der links
gelegene Theil von b mit b' bezeichnet ist:
610 Sitzung der phy8ikali$eh''mathematUchen Klasse
a =;f CO IT <x> =
a
: CO D : <^
c
b = CO P oo ^ (x>a
: b : CO c
c = 0 P = coa
: oo b :
c
p = <x, ;p =
a
: b' : CO
c
r =
'P'oo =
a
: oo b :
c
r' =
,P,CO=:
a'
: CO b :
c
q'=
T, oo = ooa
: b':
c
o' =
,p =
a'
: b :
c
X =
p'i =
a
: ib :
c
x' =
Ti =
a
: iW :
c
Z'=:
Tanten
Winkel sind:
berechnet :
a'
: 4b ;
beobachtet :
c
a : b
=
•93° 54'
a : p
s=
•148 5
b : p
= 118° V
•118 1
a : c
-^
•102 35
b : c
=
•94 55
a : r
= 143 3
143 51
c : r
= 139 32
138 55
b : c
= 95 40
94 46
a : r'
=
♦131 35
b : r'
= 90 29
90 11
q': b'
= 119 5
119 32
Spaltbarkeit vollkommen nach b == co P oo.
Zwillinge haben dieselben Flächen b gemein und liegiU
umgekehrt.
vom 25. Juli 1870, Gll
9. Über die Einwirkung der EBSigsaure auf das
Phenylsenföl.
Beim Durchblättern meiner Tagebucher am Schlüsse des Se-
mesters finde ich noch einen Versuch, den ich eigentlich schon iu
meinen früheren Mittheilungen über die Senfole hätte anfuhren
sollen. Derselbe mag, da ich nicht weifs ob es mir vergönnt sein
wird auf diese Untersuchungen zurückzukommen, hier eine Stelle
finden.
Ich habe bereits gezeigt,') dafs sich das Äthylsenfol unter
dem Einflufse des Wassers in letzter Instanz in Äthjlamini, Koh-
lensäure und Schwefelwasserstoff zersetzt.
Bei dem Phenylsenföl werden genau dieselben Erscheinungen
beobachtet. Unter Mitwirkung der Elemente von 2 Mol. Wasser
entsteht Anilin, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff.
Wahrscheinlich geht indessen, indem zu Anfang der Reaction
nur 1 Mol. Wasser fixirt wird, dieser Umsetzung die Bildung einer
wenig stabilen Sulfocarbaminsäure voraus, so dafs* der Procefs in
zwei Phasen verlaufen würde
2) «=ä>"(«<n'"'2}o+H.o = <'.«')hh-co.h-h.&
Läfst man statt des Wassers Alkohol einwirken, so bleibt die
Reaction in der That auf halbem Wege stehen, indem sich zu-
nächst halbgeschwefeltes Phenylurethan ') erzeugt,
CeH, f„ C,H,1 (CS)"(C«H,)HN1
Es bleibt noch zu versuchen, ob sich bei höherer Temperatur
das halbgeschwefelte Phenylurethan in Diäthylanilin, Kohlensäure
und Schwefelwasserstoff verwandelt,
0 Hofmann, Monatsb. 1868, 479.
-) Hofmann, Monatsb. 1869, 333.
612 Sitzung der physikalUch-mathemaiischen KJctsse
Im Hinblick auf das Verhalten des Phenylsenfols zum Wasser i
und zum Alkohol schien es von Interesse , auch die EiDwirkiu^
der Essigsäure auf das Senful zu studiren. |
Hier konnte viedemm unter Mitwirkung der Elemente Tonj
1 Mol. Essigsäure die Acetylverbindung der Phenjlsulfocarbamm-
säurc entstehen
welche mit einem zweiten Mol. Essigsäure Phenjldiacetamid, Koh-
lensäure und Schwefelwasserstoff liefern mufste,
(CS)"(CeH,)HNl C,H,0| _ CeH, 1 „ . ^o -^H S
Die Reaction verläuft in der Art, dafs man die in der zweiten
Gleichung angedeuteten Producte erhält.
Läfst man ein Gemenge von Anilin und Essigsäurehjdrat
einige Stunden lang unter Druck bei 130 — 140^ auf einander ein-
wirken, so entwickeln sich beim Öffnen der Rohre Strome von
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, und die Flüssigkeit erstarrt
beim Ausgiefsen zu einer prachtvollen Krystallmasse, die man nur
einmal aus Weingeist umzukrjstallisiren braucht, um sie alsbald
im Zustande vollkommener Reinheit zu haben. Das phenylirte
Diacetamid gleicht dem Acetanilid in seinen Eigenschaften. Der
Schmelzpunkt liegt bei 110°. Mit den Alkalien erhitzt liefert das
Phenyldiacetamid , wie zu erwarten war, Anilin und essigsaures
Salz.
10. Zur Geschichte der Athylenbasen.
Behufs der Darstellung einer gröfseren Menge Äthylendiamio>,
dessen ich für das Studium des Cyanäthylens und des Ätliylen-
senfols bedurfte, waren mehrere Kilogramme Bromätliylen «nit al-
koholischem Ammoniak gemischt stehen geblieben. Nach Verla af
einiger Monate hatten sich aus dieser Mischung reichliche Mengen
einer weifsen Substanz abgesetzt, welche, von der Flüssigkeit ge-
trennt, sich bei der Behandlung mit Wasser als ein Gemenge \xii\ \
vom 2ö. Juli 1870. 613
iroraanunonium mit einem amorphen, in Wasser, Alkoliol and
Letbcr so gut Aivie unlöslichen Korper erwies. Bei erneuten Ope*
ationen wurde die sonderbare Substanz stets wiedererhalten, za-
nal, wenn das Bromäthylen im Überschusse angewendet wurde.
Der Analyse stellten sich ungewöhnliche Schwierigkeiten entgegen,
ia sich der Körper nicht reinigen liefs und bei verschiedenen Ver-
»uchen Producte von ähnlicher Bescha£fenheit, aber verschiedener
Zusammensetzung entstanden.
Durch vielfach wiederholte Analysen zahlreicher Producte ver-
schiedener Darstellungen wurden diese eigenthümlichen Substanzen
ila Verbindungen eines uud desselben Äthylenderivats des Am-
noniaks mit mehr oder weniger Bromwasserstoffsäure erkannt,
^^ach den bis jetzt angestellten Versuchen lassen sie sich betrach-
ten als die bromwasserstoffsauren Salze eines Tetraäthylentriamins,
nrelche 1, 2 oder 3 Mol. Bromwasserstoffsäure enthalten, nämlich
CeH.eNjBr = (C.HO^HNg HBr,
CgHigNaBrg = (C^HJ^HNa, 2 HBr und
C8H2oN3Br, = (C2H,),HN3 3HBr.
Durch längere Digestion mit Ammoniak läfst sich die Brom-
wassers toffsäure entfernen, indem entsprechende Hydroxyl Verbin-
dungen entstehen, welche eben so wenig krystallinisch und löslich
sind als die Salze. Aus den Hydroxylverbindungen lassen sich
die übrigen Salze dieser merkwürdigen Base erhalten.
Die oben angegebenen Formeln drucken nur die einfachsten
Atomverhältnisse aus. Man kann aber kaum bezweifeln, dafs diese
Salze weit entfernt sind, Triaminsalze zu sein, dafs sie sich im
Gegentheil als Salze von Polyaminen der höchsten Ordnung er-
weisen werden.
11. Zur Kenntnifs des Aldehy dgruns.
Die Aufschlüsse, welche die mit Hrn. Gh. Girard gemein-
schaftlich ausgeführte Unteruchung') über die Natur des Jodgrüns
I) Hufmann u. Girard, Monatsberichte 1869, 563.
614 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
gegeben hatte, mufsten den Wunsch rege machen, auch die Zosaic-
mensetzung des Aldebydgruns zu ermitteln. Durch die Gute 6ct
Hrn. Dr. H. Buff in Crefeld war ich im Besitz einer grofserv-i
Menge dieses merkwürdigen Körpers, and habe mich in den letz-
ten Monaten vielfach bemüht, die Zusammensetzung desselben fest-
zustellen.
Das breiartige Rohproduct enthalt noch Natrinmsulfat aui
Natriumacetat ; durch Waschen mit warmem Wasser wurde es t«-:
diesen beiden, sowie allen übrigen Mineralbestandtheilen befreit, v
dafs eine Probe auf dem Platinblech verbrannt keinen feuerbe9t£D
digen Ruckstand hinterliefs. Es sind viele Versache gema<li
worden, die so gereinigte Substanz zu kiystallisiren oder in eir«'
krystallisirte Verbindung überzufuhren, aber ohne Erfolg. Es bli<-&
nichts anderes übrig, als das ausgewaschene Grün in Alkohol n
losen und die Losung mit Äther zu fällen. Diese Operation wnrd«^
zur Sicherung eines möglichst reinen Präparates mehrfach wieder«
holt. Die schön grüne amorphe Substanz erwies sich schwofel^
halt ig; in vacuo getrocknet lieferte sie folgende Zahlen:
I.
II.
UL
Kohle • . .
. 63.71
63.61
63.80
Wasserstoff .
. 6.83
6.67
6.43
Schwefel . .
. 14.99
14.66
14.85
Diesen Procenten entspricht sehr nahe die Formel
C27H27N3S2O ,
welche folgende Werthe verlangt:
Theorie
C22
264
63.93
H27
27
6.54
N3
42
10.17
S2
64
15.49
0
16
3.87
413
100.00
Man könnte sich das Aldehydgrün gebildet denken dun*fa da»;
Zusammentreten von 1 Mol. Rosanilin, 1 Mol. Aldehyd und 2 Mol.
Schwefelwasserstoff, welche bei der Darstellung — EinwirküRf
vom 26. Juli 1870, 615
on Aldehyd auf ein RosaDÜinsalz in Gegenwart von unterschwef-
igaaurem Natrium — möglicherweise auftreten können.
C20H19N3 4- CjH^O -4- 2H2S = CjjHjyNjSgO.
Ich bin indessen weit entfernt, die angeführte Formel als den
rabren Ausdruck für die Zusammensetzung des Aldehydgrüns zu
alten. AVeder in der Bildungsweise noch in den Metamorphosen
tieses Korpers habe ich bisher die nöthigen Garantieen für die
tichtigkeit der gegebenen Formel finden können, und ich wurde
lie unfertigen Resultate nicht veröffentlicht haben, wenn ich nicht
Srcbten mufste, dafs mich die Zeitverhältnisse wahrscheinlich wäh-
end einer längeren Periode verbinden werden, diese Untersuchung
weiter zu verfolgen.
Schliefslich mag nur noch die Richtung angedeutet werden, in
reicher ich den Schlüssel zur Erkenntnifs des Aldehydgruns zu
nden hoffe. Die Rosanilinsalze werden auch ohne Gegenwart von
Lldehyd durch Behandlung mit Natriumhyposulfit in eine Schwefel*
alti'ge Substanz umgewandelt, deren offenbar weit einfachere Zu-
ammensetzung — so darf man annehmen — sich dem Versuche
ogänglicher erweisen wird. Auf die Kenntnifs analoger Vorgänge
iestutzt, wird man alsdann leichter die bei der Analyse des Aide-
ydgruns aufgefundenen Zahlen richtig interpretiren können.
12. Über die Moleculargröfse des Chinons.
Bei der Mittheilung von Versuchen, die von Hrn. £. Ador
bor das PhtalyP) angestellt worden sind, hat Hr. Baeyer eine
emerkenswerthe Parallele gezogen zwischen den von dem Phtalyl
ch ableitenden Verbindungen und den Reductionsproducten deS
hinons. Dieser Betrachtung liegt die Annahme zu Grande , die
[olecularformel des Chinons sei CjgHgO^ und dieser Körper leite
ich von 2 Mol. Benzol ab, während man bisher die Formel
'^H^02 gelten liefs, w^onach das Chinon nur einem Mol. Benzol
itsprechen wurde.
0 Ador, Berichte der deutechen chemischen Gesellschaft Jahig. III. 513.
616 Sitzung der physikalisch-nuithematischen Klasse
Die neue Auffassung des Chinons schien sehr wohl mit etc'h
gen Beobachtungen vereinbar, welche ich früher ansastellen Gc*k*
genheit hatte. Schon vor längerer Zeit habe ich nachgewie^ei.
dafs sich das Cbinon durch Oxydation sowohl aus dem Anili:
als aus dem Benzidin darstellen lafst.') AufTallend war es invi
bei diesen Versuchen, wie schwierig das von 1 Mol. Benzol ab$UD-i
mende Anilin sich in Chinon verwandelte, während sich di««'«^
Korper aus dem Benzidin, also aus einem Dibenzolderivale , h«
leicht und so reichlich gewinnen läfst, dafs man letzteres nicht m«
zweckmäfsig als Material für die Darstellung des Chinons benatzc- .1
könnte. Dieses auffallende Verhalten wurde verständlich, wen*
das Chinon wirklich zwei Benzolreste enthielte.
Mit einer Reihe von Versuchen über Gasvolumge^wichte U-;
schäftigt, deren Aufgabe zumal die weitere Prüfung der von nü^
beschriebenen Dampfdichtebestimmung in der Barometerleere wa^|
schien es mir von Interesse, auch die Dichte des Cbinongascs rJ
bestimmen.
Dieser Körper verfluchtigt sich vollständig bei der TempcTa-i
tur des siedenden Anilins; sein Gas ist schwach gelb gefärbt, D:-i
verdichtet sich beim Abkühlen wieder zu langen gelben Nadc*!:^
welche keine Spur von Zersetzung zeigen.
Die Versuche, die ich mit dem Chinon angestellt habe, siu-j
der Auffassung der HHrn. Baeyer und Ador, welche aas deci;
angeführten Grunde auch für mich einen hohen Grad von >Valir-
scheinlichkeit gewonnen hatte, nicht gunstig. Bei der im Anil:D>
dampf ausgeführten Dampfdichtebestimmung, deren Details ich spä-
ter mittheilen werde, ergaben sich Zahlen, welche das Chinon uc-;
zweideutig als ein Monobenzolderivat charakterisiren.
Theori«
« 9
Verso«
he:
CijHgO«
Cell.O,
I.
IL
n 108
54
54.7
7.5
3.75
3.79
Gasvolumgewicht
auf Wasserstoff bezogen 108
auf Luft bezogen
Die geringe Ausbeute an Chinon, welche man aus dem Anilic
erbält, mufs daher einen anderen Grund haben. Vielleicht rühr:
sie von der Leichtigkeit her, mit der sich Chinon und Anilin vvr*
^) Hof mann, Lond. K. Soc. Proc. XlII, 4.
vom. 26. Juli 1870. 617
binden. Aach verdient hier bemerkt zu werden, dafs das Beta-
phenylendiamin, welches doch auch ein Monobenzolderivat ist,
das Chinon ohne Schwierigkeit liefert.').
Ich habe bei dieser Gelegenheit auch versucht, die Dampf-
dichte des Chlor anils und schliefslich des Anthrachiuons za
bestimmen. Es ist mir aber nicht gelungen, diese Körper voll-
standig zu vergasen.
Schliefslich bleibt mir noch die angenehme Pflicht zu erfüllen,
meinen Assistenten, den HH. K. Sarnow, R. Bensemann und
F. Hob reck er, für die ebenso unermüdliche wie umsichtige Hülfe
zu danken, welche sie mir, wie bei so vielen anderen Gelegenhei-
ten, auch bei Feststellung der im Vorhergehenden beschriebenen
Thatsachen haben leisten wollen.
28. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen las über das romische Consulartribunat.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Verhandelingen vcui het Batavicuuch Genootachap vcui Künsten en JVeteU'
schc^pen. Vol. XXXIII. Batavia 1868. 4.
Tydschrift voor Indische Taal , Land- en Volkenkunde. Vol. XVI, 2 — 6.
XVn, 1—6. XVIII, 1. Batavia 1868. 8.
totalen aan de Algemeene en Bestuurs-Vorgaderingen van het Bataviaasch
Genootschap van Künsten en Wetenschappen. Vol. IV — VII. 1867 — 69. 8.
0 Hofmann, Lond. R. Soc. Proc. XII, 643.
618 Gesammtntzung vom 28, JuK 1870.
Kataiogti4 der Ethnohgitche en Numiwtattache A/dttling ran het Mi
van het Batetviaasch Genoot9chc^ ran KuMien en Weienackappen, Bs:
via 1868. 8.
Abhandlungen der phiL-hist. Kiasse der KönigL Bayerischen Akademie
Wi99en9chc^ien. 12. Bd. 1. Abth. Manchen 1869. 4.
Wilh. P reg er, EHe Entfaltung der Idee des Menschen durch die HVf^
schichte. Manchen 1870. 4.
MONATSBERICHT
DBB
KÖNIGLICH PREÜSSI8CHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
August 1870.
YorBitzender Sekretär: Herr du Bois-Rejmond.
4. August. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Reichert las über das Skelet der Wirbelthiere.
8. August Sitzung der philosophisch-historischen
Klasse.
Hr. V. Ranke las Litterarische Erörterungen betreffend den
Ursprung des siebenjährigen Elrieges.
11. August Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen legte folgende Mittheilung des Hm. Dr. Otto
Blau vor:
Dritter Bericht über römische Alterthümer in Bosnien.
Als Ausgangspunkt der gegenwärtigen Beiträge zur Auffindung
romischer Spuren in Bosnien nehme ich nochmals die im letzten
Berichte (Monatsberichte, 25. Nov. 1867) besprochenen Strafsen,
welche von Salonae nach der Flottenstation an der Save und nach
Narona führten.
[1870] 43
620 Gesammtsitzung
Die Schwierigkeit, die Stationen dieser Strafsen im Einzelnen
nach Lage und Namen nachzuweisen, verdoppelte sich dadurch.
dafs dieselben aufser den Itinerarien nirgends weiter erwähnt scbk-
nen. Es kommt sonach der Forschung zu Statten, daXs eine bL^
her unbeachtete Quelle einen grofsen Theil derselben Namen, wel-
che die Antoninischen Itinerarien und die Tab. Peut. auf den Ton j
Salonae auslaufenden Strafsen nennt, nicht allein in autbentiseher
Form erhalten hat, sondern auch als noch im 6. Jahrhundert an-
serer Zeitrechnung bestehend nachweist.
Diese Quelle sind die, soweit ich sehe, von allen unverstan-
denen Nachrichten, welche sich in den Acten des i. J. 532 gehal-
tenen zweiten Concils von Salonae über die zu der Erzdiöce^ ;
Salonae gehörigen Bisthumer finden, gedruckt bei Farlati, Illyr.
Sacr. II, 273 ff.
Die abendländische Kirche hatte von der dalmatinischen Eästr
aus, wohl schon seit der Christenverfolgung unter Dioclctian, den
Fufstapfen der romischen Colonisation folgend, immer mehr Ter-
rain im Binnenlandc gewonnen und verhältnifsmäfsig zalilreiclie
Schöfslinge auf bosnischem Boden getrieben.
Eines der bedeutendsten und allem Anschein nach das älteste
Bisthum in Bosnien war das von Bis tue, einer Ortschaft, die
schon in der Tab. Peut. erwähnt wird, wobei nur zweifelhalt
bleibt, ob Bistue vetus oder nova der Sitz desselben war. Der
Bischof von Bjstue, der sich auf dem Concil v. J. 532 als Andreas
episcopus Bestocnsis unterschreibt, stand unter der Erzdiocese
Salonae. Er klagt auf dem Concil über die Beschwerlichkeit sei-
nes Dienstes und beantragt, dafs zu seiner Erleichterung ein zwei-
tes Bisthum von den Grenzen von Bistue an bis zu den Ortschaf-
ten Copella^) und Arena gegründet werde, worauf jedoch das
Concil nicht eingeht, sondern nur genehmigt, dafs noch ein Pontl-
fex mehr bestellt werde. Aus dem Umstände, dafs Bistue vetos
viel zu nahe an Salonae lag, um jene Klagen gerechtfertigt er-
scheinen zu lassen, und überdies in einer Gegend, die einem wei-
terhin zu erwähnenden andern Sprengel zugehorte, wird man mit
ziemlicher Sicherheit schliefsen dürfen, dafs vielmehr Bistue noTS,
') Fra G. Marti6 will in dem Namen Copella das heutige Kopilo in
der Kähe von Kreschevo erkennen.
vom IL Äugmt 1870. 621
in der Gegend des heutigen Hauptklosters der Fraozislcaner Foj-
nitza, der Sitz jenes Bischofs war.
Nicht genug aber^ dafs schon diese kirchlichen Bedürfnisse
auf einen so lebhüften Verkehr des inneren Bosniens mit Dalma-
tien und auf eine so verbreitete christliche Cultur deuten, wie sie
später bis ins 14. Jahrhundert nicht wiedergekehrt sind; es kam
auch auf demselben Concil die Errichtung mehrerer neuer Bisthü*
mer in gleicher Gegend und Richtung zur Sprache und zum Aus«
trag. Es wurde beschlossen, dafs
in Sarsentero, Muccuro et Ludro episcopi debeant con
secrari,
und w^urde jedem dieser Bischöfe eine gewisse Anzahl von Paro-
chien zugeordnet, die früher unter Salonae gestanden hatten.
Um Muccurum hier zu übergehen, welches als wahrscheinlich
identisch mit MeviuKoty^ct/ des Prokop an der dalmatinischen Küste
nicht zum eigentlichen Bosnien gehört und nach den Concilsacten
bei Farlati (der es im heutigen Macarsca sucht) auch thatsäch-
lich nur den Küstenstrich von der Berglandschaft Delminium
bis nach Oneum ^ ) und die Inseln umfafste, — so laden die Orts-
namen in den Diöcesen Sardenterum und Ludrum') um so mehr
zu einer Untersuchung ein, als sie selbst einem so mit dem
Lande vertrauten Gelehrten, wie Farlati, ganz unerfindlich geblie-
ben sind.
Die Diöcese Ludrum wird folgendermafsen constituirt:
Ludrensis episcopus municipium Magnioticum, Equiti-
num, Salviaticum et Sarziaticum, sicut ad ordinem
nostrum noscit obtinuisse, percipiat.
Es springt in die Augen, dafs diese Municipien, wenn sie um ihrer
zu grofsen Entfernung willen von Salona abgezweigt wurden, im
Binnenlande weit von der dalmatinischen Küste lagen, und man
darf daher
das Municipium Magnioticum mit Magno
„ „ Equitinum ;, Equum
- « Salviaticum „ Salviae
1) ''Ovaiov Ptolem. Ob Neum bei Kiek, wo römische Inschriften vor-
lEommen ?
*) Der Bischof unterschreibt sich: Cecilianus Ludroensis; was auf eine
Form Lndroa führt, wie Bestoensis von Bistue, Butoensis von Butua.
43»
622 Gesammtaitzung
ohne Weiteres und
das Municipiam Sarciaticam mit Samade
vermittelst einer sehr leichten Correctur zusammenstellen.
Yergegenwfirtigt man sich nun, dafs Magno zwischen £^onae
nnd Scardona in der Nähe von Dernis zu suchen ist,') dafe femer
Equon, AIxovgi*^ Aeqnnm nach Inschriften mit Sicherheit nach
Citluk hei Sign') zu setzen ist; Salviae als handschriftliche Les-
art statt des gewohnlich Silviae geschriebenen Namens im Itin. An«
ton. auf der Strafise nach Pannonien, etwa beim heutigen Glavice
vorkommt,') und Samade oder Sarnate^) nach ungefährer Di-
stanzberechnung mit Peska zusammenfällt, so l&fst sich sowohl im
Allgemeinen die Lage des Sprengeis des Bischofs von Lndnim geo-
graphisch ziemlich genau festlegen, als auch erschliefsen, daJs
Ludrum, sofern man als einigermafsen wahrscheinlich gelten las-
sen wird, dafs es in der Mitte jener Ortschaften lag, etwa hei
Olamotsch zu suchen sein wird. Nach Überlieferung der Fran-
ziskaner soll ohnehin bei Glamotsch eines der ältesten christlichen
Klöster Bosniens gelegen haben. Nach Occhievia nennt Haroldas
es Glama.^)
Auch die Beschreibung der zweiten neageschaffenen Dioces
bietet einige Anhaltepunkte für altromische Namen. Der stark
corrumpirte Text bei Farlati a. a. O. lautet:
ut Sarsenterensis Episcopus basilicas in municipio de
Lontino, Stantino, Novense per Rusticiarum, pecuatico
et Beuzzavatico, quae tamen ad nos hactenus respexere,
in parochia consequatur.
*) GeogT. Rav. 211, 1 nennt den Ort Magnm, wo Tab. Peot.
Magno hat.
>) Mittheilung des Hrn. Mommsen.
•) SalTiae Hin. Anton, ed. Find, et Parth. 269, 4. ■— Ein "Sakcitei
auch bei Ptolem. mit Ovapovapa zusammen.
*) Form wie Aemate. Über die Ortslage s. Monatsber. 1867, S. 743«
') Philipp, ab Occhievia, Epitome retustatum Bosncnsls provtncia«.
Anconae 1776, S. 66, p. 11: «Septimus conventua fuit in ant jaxta nrbem
Glamoae; sie apnd Haroldnm coenobium quoque Glamae vocatur, qui locos
est in confiniis Croatiae aut CorbsTiae."
vom iL August 1870. 623
Von den hier genannten örtlichkeiten ist zunächst Sars en-
ter um, der Bischofssitz, zusammenzuhalten mit Sarsiteron, wel-
ches im Qeogr. Ra venu. 211,14 neben Bistue betus genannt wird,
und somit nicht allznfem von der Ebene von Duvno gesucht wer-
den darf, da Bistne vetus nach der Angabe seiner Entfernung 6
Mill. landeinwärts vom Mons Bulsinius (Buianin s. MB. 1867
S. 744) ziemlich genau festgelegt werden kann.^)
Während nach dem oben Gesagten die Dlöcese von Ludrum
den nordlichen Theil des Erzbisthums Salona bildete, ist die von
Sarsenterum im Südwesten zu suchen. Darauf fuhrt schon das
mit Sicherheit erkennbare Municipium Novense, welches ich
für die gleiche Ortschaft halte, die im Geogr. R. 211,21 und Tab.
Peut. Novas, ad Novas, Novae geschrieben wird und inschriffc-
lich als das heutige Runovitj feststeht, auf der Strafse, die von
der Tilurius-Brucke sich nach Narona abzweigte/ Auf derselben
Strafse, 25 Mill. von Narona entfernt, wird im Itin. Anton. 338,5
der Ort Dalluntum genannt, und es durfte daher kein Bedenken
erregen, wenn ich in de Lontino ein corrumpirtes Dallontino
erkenne. Pecuatico fuhrt mit leichter Änderung auf Peluatico
von Pelua') oder Pelva, welches nach einer annähernden Distanzbe-
rechnung in der Gegend des heutigen Ljubuncitj zu suchen ist')
Von den noch übrigen Namen bringe ichStantino, obschon zwei-
felnd, mit Naurtium zusammen, das Geogr. Rav. 211,19 in der
Nähe des vorigen nennt, und halte endlich für möglich, dafs Be-
uzzavatico aus Leusavatico verderbt ist, da Leusava eben-
falls als Station auf der Römerstrafse durch Bosnien, wenn auch
nm ein Bedeutendes nördlicher, erwähnt wlrd.^) — Das „per Ru»
sticiarum*' allein bleibt mir .unverständlich.')
Vergegenwärtigt man sich das Ergebnifs dieser Untersuchung
in einer kartographischen Darstellung, so gestaltet sich die Ver-
^) FQr die Auffindung des Ortes ist vielleicht der Dorf- oder Flufsnam«
Biät zu beachten, der auf Roskievic's Karte nahe bei Livno verzeich-
net ist.
') So Cod. im Itin. Ant 269, 5.
3) Monatsberichte 1867, S. 743.
«) Itin. Ant. 269, 2.
^) Ob an eine Entstellung aas Anfustianis zu denken, das aach in
der Gegend lag?
624 Gesammtsüzung
theilang der christlichen Metropolen und Ortschaften anf dem (k-
biet, welches jetzt zu. Bosnien gehört, so, dafs die drei Bisthnner
Ladrum, Sarsenterum und Bistue sich ziemlich langgestreckt, pa-
rallel den Küstensprengeln Spalatro und Ma^grsca hinzogen, ood
jedes für sich gleichsam als L&ngenaxe eine der römischen Stras-
sen, 1) nach Pannonien, 2) nach Argentaria, 3) nach Narona.
besafs.
Diese christlichen Ansiedelungen müssen indeOs bald zu Grunde
gegangen und Ton den Heerzugen der Oothen und Slaven, die
denselben Romers trafsen folgten, Terschlungen worden sein; dexm
nach 532, dem Datum jenes Concils von Salonae, wird weder der
neucreirten Bisthümer noch ihrer Bischöfe jemals wieder in der
Kirchengeschichte gedacht. Die Anordnungen des Concils in die-
ser Beziehung scheinen kaum ernstlich ins Leben getreten zu sein.
Von der Strafse, die nach Narona führte, hatten meine und
Moiza's letzten Untersuchungen im J. 1867 die Spuren bis in die
Gegend von Arzano verfolgt und nachgewiesen; jenseit der bosni-
schen Grenze und in der Richtung über Runovitj hinaus fehlte e«
an allen Anhaltspunkten. Neuerdings haben sich jedoch Reste der
alten Strafse bei Tihaljina und Nezdravitza^) nordwestlich
von Ljubuschki gefunden, die für die weitere Verfolgung des Iti-
norars von Wichtigkeit sind.
Für den weiteren Lauf dieser Route bietet sich ohnehin das
Trebischat-Thal als der natürliche Abflnfs des Verkehrs nach Na-
rona zu. Auch sollen im Trebischat-Thale, nach mündlichen Mit-
theilungen Eingeborner, sich an mehr als einer Stelle Strecken der
alten Strafse erhalten finden. Dem kommt zu Hülfe, dafs durch
den thätigen französischen Consul Moreau im vorigen Jahre eben
an einem Punkte römische Alterthümer ans Licht gezogen sind,
der im Bereich dieser Strafse lag, n&mlich in der Nähe des Fleckens
Ljubuschki, der nach einer Notiz des Franziskaner-Schematis-
mus einst den Beinamen Parva Salona (ob = Saloniana des
Ptolem.?) gehabt haben soll.')
>) Schematismus castodiae provincial. in Hercegorina (Spalat 1S6T;
S. 165: ^Nezdravica unum iusigne habebat fortalitium .... item reliqnia«
antiquae Romanomm viae, quae Naronam docebat.* Ebenda aber Tihal-
jina, welches 2 St südafid westlich von Rnzici liegt.
') Schematism. etc. S. 174,
vom iL August 1870. 625
In der katholischen Pfarre zu Hamatz, 1^ Standen sadlich
von Ljubaschki sind zwei Steine mit r5mi8chen Inschriften einge-
mauert, welche am rechten Ufer des Flufses ausgegraben wurden.
IDie Beschreibung dea Fundortes im Schematismus S. 174 lautet:
^Humatz et viciniaa ejus antiquis in aestimio fuisse,
^circumstantia magnifica rudera haesitare non sinunt. Sunt ete-
^nim duae lapideae tabulae, latinis exaratae litteris, hie prope
^ultra flumen erutae, in quibus etsi omnia ordine legere denege-
^tur, illud tamen nitido colligere est: lapides illos Romanoram
^templo
„vetustate corrupto colamnis et
^porticibus adjectia a Romanis
^consulibus restaurato
^positos fuisse Sed ibidem in loco Grad^ine
^(magnae arces) plurimi existunt lapides perita manu elaborati;
^tum aggeres, aedificiorum divisiones, lateres, imbrices, atque
^tegulae magna in copia. — «- Pontis quoque pervetusti bases ibi-
^dem se offerunt et Romanorum antiquae yiae, etiam aliquos
^milliares lapides habentes, reliquiae passim occurrunt. Itaque
^ Humatz suis cum viciniis, etiam ab antiquis magni habitus (!)
^fiiit. De Veljad quod tetigi ' ) hie quoque reitero : in istis dua-
^bus parochiis numismata, annulos, deorum simulacra, arma et
^id genas pluries et pluribus in locis inventa fuisse.*'
Die Abschriften dieser Steine, welche ich Hrn. Moreau ver-
danke/) sind folgende:
') Veljaci liegt halbwegs zwischen Runovitj und Ljubuschki, 4 St von
letzterem, etwas weniger von ersterem entfernt.
^} Nächst einer brieflieben Mittheilung vom 19. Juni 1869 hatte ich
im August 1869 Gelegenheit die Abschriften mit den Originalcopien Moreaus
in Mostar zu vergleichen.
626 Gesammtiitzung
1.
Q_ PISENIVS S E
VERIN\S 5IICXICL
TEMPLVM LIBPAT.
VETVSTATE CORRVP^
PORTICI ADIECT
RESTITVIT
2.
TEMPLVM LIBERI
PATRIS SITBIAE VETvs
TÄTE LAPSVMRESTIT
C «^L ADIECTIS POR
TICIBVS CVRAS AGENTE
FL VICTORE y LEG I AD P
S E V E R O ET POMPEIANO
TT COS
Von den romischen Ziegelsteinen , die aus gleicher Gegend,
wo P. Baknla, der Verfasser des Schematismus, sie erwähnt, nach
Mostar gebracht worden sind, besitzt der .französische Consol einen
mit dem Stempel
LEG VIII AVG
und mit letzterem zusammen fanden sich sorgßiltig bearbeite Plat-
ten, zum Theil aus carrarischem Marmor, sowie Münzen mit Octavians
Namen. Der alte Bacchu Stempel, der also hier stand, ist gewifs
in Zusammenhang mit der Weinkultur, die in diesen Gegenden lo
die Romerzeit zurückreicht, zu setzen.')
Aus der Umgegend von Ljubuschki, ohne n&here Angabe
des Fundortes, stammen femer noch folgende Inschriften, deren
Abschriften, resp. Abklatsche ich ebenfalls Hrn. Moreau verdanke:
0 Ortsnamen wie Viteline, Vinjani, Yinaci sind in der Ckgend häufig
und alle vom Weinbau entlehnt.
vom iL August 1870.
627
3.
4.
DOL
MOPSVS
DIDIVO
SEXVARISER
ÖMANiT
A N NOR • XIIX
siTT^ y
H I C SITVS
5.
L • HERENNI
VS. I.E. PAP.
MVL. ! ADE
V E T . LEG VIII
AN. LX . STI .
XXX H S E
6.
Nahe bei Viteline (Vitaljina) ^ St südwärts von Humaiz
iw^urde eine verstümmelte Säule von 2^ Fufs Hohe und 1^ Fufs
Dicke gefunden, auf welcher eine ältere Inschrift, von der erkennt-
lich war
H CAES
ET ANN
CAES
RROMAN
durch eine spätere überschrieben worden ist.
IMP CAES
M.AVR.
PROBO
P.F INVIC
Letztere lautet
7.
•
Bei dem Chan Eutatz, |-St. von Ljubuschki nach Mostar zu^
existiren neben andern behauenen und init Sculpturen roh verzier-
ten Steinen zwei Inschriften, deren Entzifferung jedoch dem Fin-
der nicht ganz gelang. Nach einem Abklatsch des Hrn. Moreau
laÄ&t sich die eine folgendermafsen lesen:
628 Gesammttitzung
M • P L A • P .
MILES CHOTIS
VIII * VOL
7ARTANI MARCI
LIINONI • VALENIS
h A '•.DEM. NONIO-
VALENTI . BENEME
R E N T I . TITVLVM POS
ANNORVM XXX ST • VI
8.
von der anderen, die erst stundenlang gereinigt werden muTste,
ehe sie einigermafsen leserlich wurde, giebt Hr. Moreau folgende
Umschrift:
PRIMVS TITI
E TVBICEN D°
CA TVRIX MIL
COH III ALP
AN XLIIX ST
I P . XXIII . H S E
TFIL. OPTIO
ET TVLLIVS VE
TR H . P.
®6B
9.
Ferner ist auf der Strafse nach Mostar der kleine Ort Gra-
datz bei Oradnitj (verschieden von zwei anderen Oradatz in der-
selben Gegend), von dem es im Schematismus S. 93 heifst:
magnifica coemeteria antiquam in Gradatz nuraerosam
ac divitem populationem sine dubio indicant, '
durch romische Funde bemerken s wer th. Pater Bakula fand da-
selbst die Inschrift
L . LIVIO RVFINO
FI LIO PIA AELIA
vom 11. August 1870. 629
wolil dieselbe, von der auch Moreau gehört hatte, in dessen Reise •
notizen sich aas Gradatz notirt findet: Hie jacet Rufus Filius
Titi Livi Ael.
10.
Endlich fand sich noch bei Cerin, einer katholischen Pfarre,
etwas nördlich von Gradatz das folgende Fragment
M P I L
CLEME
Nach der Angabe des Schematismus, der S. 84 ff. ausfuhrlich
V
über die Antiquitäten von Cerin handelt, soll sich unter andern
Grabsteinen auch einer dort finden, der eine alte gothische In-
schrift (freilich unleserlich und nach meinen Erkundigungen eher
für altslavisch zu halten) bewahrt hat. Ebenda sind auch in einer
Gruft die Vasen gefunden worden, welche im J. 1867 mein Bru-
der, der Architekt Erwin Blau, durch Hrn. Prof. Adler der archäo-
logischen Gesellschaft in Zeichnungen vorgelegt hat.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Abhandlung des Hrn. Dr.
Hugo Kronecker über die Gesetze der Muskelermüdung
vor.
Die Herren Ludwig und Alexander Schmidt hatten')
^das Verhalten der Gase, welche mit dem Blute durch den reizba-
ren Säugethiermuskel strömen^ kennen gelehrt und zugleich gezeigt,
dafs sauerstoffhaltiges Blut die (mittels intermittirender Strome ge-
prüfte) Erregbarkeit, auch wenn sie in Folge von mangelnder
Circulation oder Tetanus schon beträchtlich gesunken war, wieder-
>) Berichte der Königl. sachsischen Gesellsch. der Wisscnsch. Mathem.-
phys. Ciasse. Leipzig 4. II. 1868.
630 OesamnUsitzung
berzastellen vermag. Es waren nun zanichst die weiteren Fragen
za erledigen, ob durch Zufuhr von sauerstoffhaltigem Blute auch
die gesunkene Leistnngsf&higkeit eines arbeitenden ermüde
ten Muskels gesteigert werden könne, ob femer andere Stoffe das
Blut in dieser Hinsicht zu ersetzen im Stande seien und in wel-
cher Weise die Restitution erfolge. Für diese Untersuchung schien
es mir eine unerlSfsliche Vorarbeit, zuvörderst den Ermfidungsver-
lauf des nicht durchströmten arbeitenden Muskels zu prüfen. Als
Objekt der Experimente konnte hierbei nicht der Muskel eines
Warmblüters rerwendet werden, weil solcher aufser der Circulation
schnell abstirbt. Ich wählte deshalb Froschmnskeln und zwar Tor-
zugsweise den M. triceps femoris (Ecker). Die Versuche habe ich
zu Leipzig im physiologischen Institute ausgeführt, dessen Direc-
tor, Hr. Professor Ludwig, mir nicht nur reiche experimentelle
Hilfsmittel zur Verfügung stellte, sondern auch durch seinen werth-
Yollen Rath meine Arbeit vielfach forderte.
Die ausfuhrliche Darlegung der Versuchs-Ergebnisse und die
nähere Beschreibung der Methoden, mit Hilfe deren sie gewonnen
worden sind, werde ich demnächst an einem anderen Orte geben.
Für jene Veröffentlichung verspare ich auch die Anführung der
einschlägigen Arbeiten, welche ich hier um der Kürze willen un-
erwähnt lasse.
Die Versuchsanordnung war im Allgemeinen folgende: Die
beiden entsprechenden Muskeln eines Frosches waren mittels fester
Fäden in Verbindung mit zwei Schreibhebeln gesetzt, welche neben
einander auf der berufsten Papierhülle einer grofsen Kjmographion-
trommel die Zuckungshöhen um das Doppelte vergröfsert aufschrie-
ben. Als Reize dienten öffnungs- oder Schliefsungs-Inductions-
schläge, welche direct die beiden Muskeln durchsetzten, nachdem
der eine Pol dem unteren Ende des einen Muskels, der andere Pol
dem unteren Ende des anderen Muskels angelegt »worden war.
Die Reize wurden in der Regel verstärkt bis sie maximale Zuckun-
gen auslösten, ehe der eigentliche Versuch begann. Mittels eines
Metronoms, der den primären Stromkreis eines du Bois-Rej-
mond'schen Magnetelektromotors schlofs, wurden in gleichen Zeit-
intervallen, deren Oröfse innerhalb weiter Grenzen geändert wer-
den konnte, Inductionsschläge ausgelöst, deren eine Art (Schlies*
sungs- oder Öfihungsschläge) durch eine Pflüge r 'sehe Vorrichtung
abgeblendet wurde. Gewöhnlich wurde auch nach jeder Zuckung
vom iL August 1870. 631
die Stromesrichtung mit Hülfe eines von mir zu dem Behofe con-
struirten Stromwenders umgekehrt Nach jeder Zuckung gestattete
ein von dem Metronome mittelbar abh&ngiger Elektromagnet dem
Windflugel des Kymographion-Uhrwerks eine halbe Drehung und
hiermit der Trommel ein kleines Stuck Rotation.
Die Zuckungshohen wurden demzufolge im Abstände ron etwa
1 Mm. neben einander gezeichnet.
Der Arbeitsverlauf der Muskeln, welche oft viele hundert
Zuckungshohen bis zur volligen Ermüdung schrieben, konnte auf
diese Weise bequem übersehen werden.
1.
Als erstes Hauptgesetz der Muskelermüdung hat sich folgen
des ergeben:
Wenn ein Muskel bei irgend einer bestimmten Überla-
stung^) in gleichen Zeitintervallen mit gleichen (maximalen)
ÖffnungS' oder Schlie/sungs -Inductionsschlägen gereizt wird^
so bilden die Zuckungsgro/sen eine arithmetische Eeihe^ de-
ren constante Differenz einzig und allein von der Oro/se des
Intervalls abhängt.
Dieses Gesetz gilt, wie man auch die gleichen Zeit-Intervalle
und wie man auch die Überlastungen w&hlen mag; aber für
Belastungen gilt es nur bis zu derjenigen Zuckungshohe, deren
Grofse der Dehnung durch das angehängte Gewicht gleichkommt.
Stellt man den Vorgang graphisch so dar, dafs man auf einer
Abscifsenaxe in gleichweit von einander abstehenden Punkten die
Zuckungshohen als Ordinaten aufträgt, so liegen nach dem ange-
führten Gesetze deren Endpunkte in einer graden Linie. Ist k der
Abstand zwischen je zwei Punkten der Abscifsenaxe, welche zwei
') Die von Hrn. Helmholtz (Muller's Archiv f. Anat. und Phys.
eingeführten Bezeichnungen „ Überlastung*' und „Belastung" sollen hier be-
deuten, dafs im ersten Falle der durch 5 Gramm schwach gespannte Muskel
unterstfitzt worden ist, bevor ihm das gröfsere Gewicht angehängt wurde;
dafs im zweiten Falle der Muskel durch das ganze Gewicht gedehnt wurde.
63S GeiammUititiing
anfeinanderfolgenden Reizen entsprechen und demgemafs die der
fiten Zackung zugehurige Abscifse «,, gleich (n — 1)1;, so ist die
Zuckungshöhe y« bestimmt durch die Gleichung
I yi, = yi — (« — 1)-^»
wo D jene im Gesetz erwähnte constante Differenz bedeutet
Die Gröfse der ersten Zuckungsbohe ^i bfingt von der IndF-
vidualität des Muskels und von der Gröfse der Überlastung ab,
immer maximale Reize vorausgesetzt.
Die letzte Reizung, bei welcher noch eine (wirksame) Zuckung
erfolgt, ist diejenige, für welche nach der obigen Formel die Con-
tractionshohe y, den kleinsten positiven Werth annimmt Die An-
zahl sammtlicher Zuckungen, welche hier mit v bezeichnet worden
ist, wird demgemäfs durch die Ungleichheiten
•^ y» -^ 1
bestimmt; die Zahl v ist also die dem Werthe y|- zunächst liegende
gröfsere ganze Zahl.
Aus der Gleichung I ergiebt sich unmittelbar folgende Rela-
tion zwischen 3 beliebigen Zuckungshohen ^^ , y^, y^i
(n — m) y, 4- (i — n) y^ -4- (to — 0 y, = 0 .
Die Gleichung der graden Linie, welche die Endpunkte mit einan-
der verbindet, ist:
y = yi — ax
und der Werth der Constanten a ergiebt sich gleich -r , indem man
k
für X = nk die Ordinate y = y^ — nD zu setzen hat Man hat
also:
II A^Cyi— y) ^Dx
als Gleichung jener graden Linie, wo k und D die oben festgesetzte
Bedeutung haben. Nennt man 0 das zwischen zwei Reizen lie-
gende Zeitintervall in Secunden und setzt Jb = 0, so ist x die seit
der ersten Zuckung verflossene Zeit (in Secunden), so da(s, wenn
hierfür der Buchstabe t genommen wird.
vom ii. August 1870. €33
III e(y. — y)=.Z)<
ist. Nennt man t^ den z\x y = 0 gehörigen Werth von t, das
heifst also die Gesammtzeit der Arbeit des überlasteten Muskels,
8o ist
e to '
also wenn man diesen Werth von — in Gleichung in einsetzt,
0
Da (^0 — 0 ^'® Zeitdauer ist, während welcher der Muskel von
der Zuckung y ab noch arbeitet, so besagt die Gleichung IV, dafs
sich die Zuckungshöhen verhalten wie die Zeiten der restirenden
Arbeitsföhigkeit.
2.
Wenn einerseits die Zeitintervalle, andererseits die Überlastun-
gen variirt werden, so gilt folgendes allgemeinere Gesetz:
Die Hohe irgend einer Zuckung mit einer Überlastung p
bei einem Beize^ der nach einem Zeitintervall 6 dem vorher^
gehenden folgt^ ist eben so gro/s^ wie wenn sämmtliche vor-
hergehende Beize in gleichem Intervalle 0 au/einander gefolgt
und sämmtliche Zuckungen mit demselben Gewichte p voll-
führt worden wären.
•
Hierdurch ist der allgemeinere Fall variabler Überlastungen
und Intervalle auf den specielleren zurückgeführt^ für welchen das
erste Hauptgesetz aufgestellt worden ist
Da auf Grund desselben die n te Zuckungshöhe y^ sich durch
die Gleichung I als:
y, — (n — 1)Z>
bestimmt hatte, so gilt dieser Ausdruck für die Höhe der nten
Zuckung bei einer Überlastung Pf^ und bei einem Reize, der nach
einem Zeitintervall 0,^ auf den (n — l) sten Reiz folgt, wenn näm-,
lieh yi die Höhe der ersten Zuckung mit der Überlastung p^ be«
634 Oeiommtiitzung
deutet and wenn ferner für D die naeh dem ersten Haaptgeseize
für gleiche Intervalle Q^ stattfindende Höhendifferenz genommen
wird. Nach Inhalt eben dieses Gksetces ist D allein von der
Grofse des Intervalls 6^ abh&ngig, während yi der Natur der
Sache nach einzig durch das Gewicht p^ bestimmt isL Man
kann daher um diese Art der Abhängigkeit in Evidenz zu setcen,
die Bezeichnung:
Z>(ej für D
und
einfuhren. Hiemach hat man die Formel
durch welche der Inhalt des ersten specielleren, wie des zweiten
allgemeineren Gesetzes ausgedruckt wird unter der Voraussetzung,
dafs ein und derselbe Muskel successive nach Intervallen: 03,83,
64 ... also zu den Zeiten:
0, e,, e,-i-6,, 08 4-9,4-04, ...
gereizt und bei jedem dieser Reize resp. mit den Gewichten:
Pii Pii Pti Pa9 •••
überlastet wird. Aus der Formel V ergebt sich ähnlich wie oben
der Satz:
Zwischen je 3 Zuckungshohen yi, y^, y^y für welche
Pl^Pm'^' Pn und e, t=r 0^ = 0^
ist, besteht die Relation
(n — m)y, 4- (/ — n)y„ 4- (•» — Oy„ = 0 .
Bei der graphischen Darstellung ist die der nten Zuckung ent*
sprechende Abscisse x^ gleich (n — l)kj so dafs
und nach Weglassang des Index n:
vom 11, August 1870. 635
VI y = ?{p)-l'D{e)
wird. Hieraas folgt:
Die Endpunkte aller Zuckungshohen y, für welche sowohl
p als 6 dieselben Werthe hohen ^ liegen in einer graden
Linie j deren Richtung sich zwar mit 6, nicht aber mit p
ändert.
Zum genaueren Yerständnifs der hier angewendeten graphischen
Darstellung rnuls bemerkt werden, dafs dabei gleiche Abscissen-
theile im Allgemeinen verschiedenen Zeittheilen entsprechen, indem
die Abscissenwerthe
respective den Zeiten
zugehoren. Die Zeit t ist also nicht x proportional, sondern eine
Fonction von jr, für welche die Differentialgleichung:
— = 0
dx
besteht, w&hrend 6 yon Punkt zu Punkt veränderlich, d. h. ge-
wissermafsen als eine gegebene Function von x gedacht werden
kann.
3.
^s ist bereits oben erwähnt, dafs das erste Hauptgesetz und
in Folge dessen auch das allgemeinere zweite für Belastungen
nur bis zu derjenigen Zuckungshöhe gilt, welche der Dehnung (S)
des ruhenden Muskels durch das angehängte Gewicht gleichkommt.
Bis dahin wird also die Zuckungshöhe y^ durch die Gleichung V:
y«=^(p»)-(n-i)i>(e,)
bestimmt, wo nunmehr ^(Pn) die erste Verkfirzang des mit dem
Gewichte p^^ belasteten gereizten Muskels bedeutet. Für den
[1870] 44
636 GesammtfiUunff
Fall coDStanten Gewichtes und Interralles, den wir jetzt nur be-
handeln wollen, iftt
yn==yi — (n— 1)2),
wo die ente ZuckungshÖhe yi des belasteten Muskels grofser
ist, als die erste Zuckungshohe des überlasteten, weil die durch
Dehnung wirksam gemachte Elasticitfit einen Theil der Arbeit über-
nimmt
Bei den angewandten nicht su grofsen Gewichten') ist es zur
lAfsig, die Elasticit&t der Muskeln als vollkommen su betrachten;
sie wird auch erfahmngsgemAfs durch die Ermüdung nicht verän-
dert llV&hrend sich also der ruhende belastete Muskel vermöge
seiner Elasticitfit in einer Gleichgewichtslage befindet, aas welcher
ihn um ein Geringes die kleinste „Steigerung seiner Enei^e^ brin-
gen kann, wird in dem Mafse, wie der th&tige Muskel sich wah-
rend der Zuckung (bis zur Höhe y = 5) verkürzt, der Antheil der
elastischen Kr&fte an der Arbeit abnehmen. Demgemfifs bleibt
auf der Höhe z für die Contractilit&tskrfifte von dem Gewichte p
ein Theil, der proportional ist der Höhe r, das heüst az^ wo
a B= -^ , weil für r s= 5 offenbar das Gewicht p ist Also ist
o
^ der Gewichtswcrth bei einer Zuckung r. Dos Differential der
p z
Arbeit der Contractilitfit ist hiemach -r-'dz^ folglich die Arbeit
pz^
selbst --r-* Die Arbeit wurde ohne Dehnung bei einem Gewichte
2 O
P und der Zuckungshöhe z sein: Pz, also ist jene Arbeit
dieselbe, wie wenn das Gewicht P = ^ einem Muskel als Über-
lastung gegeben würde, so dafs gem&fs der Formel V au setzen
wftre
1) Gewichte von 20—50 Gramm entsprechen den Lasten, welche ein
Schenkel eines lebenden Frosches unter normalen selbst extremen Verhilr-
nissen zu heben hat. Ein ziemlich grofser Frosch wiegt etwa 50 Gramme.
GrOfsere Gewichte indem nicht nur den normalen ErmüdnngsTerlanf, sondern
auch dauernd die Moskelstruktnr.
vom iL August i870. 637
=Kfi)-<"-«^
und wenn wieder y^ für z eingesetzt wird:
Vn y, = ^^£|.j_(n_l)D,
eine Formel, durch welche die nte Znckungshohe y^ implicite be-
stimmt wird. Als die erste Zucknngshöhe y, ist hierbei diejenige
gerechnet, welche gleich der Dehnung & ist.
^ehmen wir (was innerhalb dieser engen Grenzen gestattet
sein mag) die Function ^(p) das heifst die erste Zuckungshohe
umgekehrt proportional dem Gewichte p, also
80 geht die Gleichung VII in folgende fiber:
f CS
aas welcher sich für n = 1 die Constante c als ^^^« also als —
20 2
ergiebt. Die Gleichung
VIII yi + (n-i)y.2) = 8'
bestimmt also die Zuckungshohen in dem ganzen Verlaufe von der-
jenigen Zuckungshöhe an, welche der Dehnung h gleich ist.
Für die graphische Darstellung des Vorgangs ist in der For-
mel VIII wiederum wie oben der Faktor (n — ^ l) durch den Quo-
X
tienten -^ zu ersetzen. Wird alsdann der Index n weggelassen and
die Grofse k als Maafseinheit genommen also gleich 1 gesetzt, so
erh< man die Gleichung:
IX y' 4- Z>xy = S» ,
wobei der Nullpunkt der den Zeiten proportionalen Abscissen bei
dem Werthe y = $ liegt. Diese Gleichung stellt eine Hyperbel
44 #
e-
638 OeiammUitzung
dar, für welche die x-Axe eine der Asymptoten ist. Der Diffi
rentialqaotient -y- ist durch die Gleichung
ÜX
dy _ _py^
bestimmt Wenn die Zuckung den mtea Theil der Dehnung be-
trägty also
^ i . dy D
für y = - 18t — 3^ = ~= ,
^ ^ dy D
ax 2
Die experimentell gefundenen Zuckungsgrofsen entsprechen mit
grofser Annfiherung den durch die Hyperbelformel (IX) bedingten
Werthen. Auch ist namentlich die plötzliche Abnahme des -^
um die H&lfte bei y = & in dem graphisch dargestellten Ermü-
dungsverlaufe deutlich ausgeprftgt. Für die Werthe yX^^ ist nSm-
dy
lieh — -^ constant gleich D.
4.
Die bisher angeführten Kesultate beziehen sich allein auf die
Leistungsfähigkeit der Muskeln; im Gebiete der Reizbarkeit sind
feste Gesetze sehr selten. Im Allgemeinen stören bei Anwendung
von Maximalreizen Änderungen der Reizbarkeit den gesetzmafsigen
Ermüdungsverlauf nicht, denn die Reize, welche für den fri-
schen Muskel maximale sind, bleiben es auch für den
ermüdeten*
Als wesentlichste Eigenthümlichkeiten der Reizbarkeit mach-
ten sich folgende bemerklich:
1. Es kommt bei sehr reizbaren Muskeln (besonders roa
Thieren, die um die Laichzeit gefangen sind) vor, dafä
der eigentliche Maximalreiz für den frischen Muskel gar
nicht zn ermitteln ist, weil auch ohne Verstärkung der
noch untermaximalen Reize beider Stromrichtnngen die
vom iL August 1870. 639
folgenden (60 bis 100) Zuckungen etwas wachsen , wfih-
rend die späteren schnell abnehmen, um dann erst (nach
abermals 100 Zuckungen) dem Gesetze sich zu fugen.
2. Andrerseits giebt es eine Reihe von FfiUen (besonders nach
der Laichzeit), wo eine weitere Steigerung starker Reize
kleinere Zuckungen zur Folge hat. In diesen zwei Ffillen
bewirkt dann eine Verstärkung der anfanglichen Maximal-
reize am Ende des Ermudungsverlaufes eine kleine Stei-
gerung der Contractionen, während bei normaler Erregbar-
keit eine spätere Reizverstärkung den Verlauf wie oben
erwähnt unbeeinflufst läfst
3« Eine absonderliche Reizbarkeitserscheinung bieten manche
schwach (20 Gramm) belastet oder überlastet zuckende
Muskeln; sie bleiben auch während der Ruhepausen ein
wenig contrahirt Die hieraus resultirende ^Abscifsen-
hebung^ wächst zuerst mit der Anzahl der Zuckungen
(einmal während 100 Zuckungen bis etwa 1,5 Mm.)« um
eine Weile (100 Zuckungen) auf dieser Hohe zu beharren
und dann, erst schnell, später sehr allmählig (nach 300
Zuckungen) zu der normalen Abscisse zurückzukehren.
4. Eine andere Unregelmäfsigkeit im Ermüdungsverlaufe brach-
ten die in manchen Fällen auch bei Maximalreizen beste-
henden, bedeutenden Unterschiede der Zuckungshohen bei
Inductionsschlägen verschiedener Richtung. Es geschah
dann, dafs der gesetzmäfsige Ermüdungsverlauf im Anfange
nur für die niedrigeren Contractionen galt, während die
Differenz (Z>) der höheren grofser war. So wurden in
der Folge die Zuckungen beider Richtung gleich hoch und
fielen dann gemeinsam nach demselben Gesetze ab.
5. Eine constante nur in verschiedenem Grade auftretende
Veränderung der Reizbarkeit zeigt sich nach Reizung mit
Inductionsschlägen gleicher Richtung. Es werden dann
die Zuckungen, welche Inductionsstrome entge-
gengesetzter Richtung auslosen, hoher, als sie
ohne Erregbarkeitsänderung hätten sein kön-
nen, und zwar auch dann, wenn die Elektroden gewech-
selt werden, oder der Anlegeort geändert wird, oder da9
berührte Stück entfernt, oder eine lange Weile vor de^
neuen Reizung gewartet wird; in geringem Grade auch
640 Gesammtsitzung
dann noch, wenn iinpoUirisirbare Elektroden angewendet
werden (Winter 1868).
6. Nicht maximale Reize geben einen langsameren (für die
Contractionen der weniger wirksamen Stromesricbtang haa-
fig anregelmifsigen) Ermadangsyerlaaf, der beim Eintritte
maximaler Reise far beide Stromesrichtangen dem norma-
len wieder Platz macht
7. Ein allgemein galtiges Zackongsgesetz, der eigentUche Aos-
dmck geordneter Abhängigkeit der Contraction vom Reize,
existirt für Indactionsschl&ge beider Richtongen nicht. Es
ist nicht nar za verschiedenen Jahreszeiten das Verhalten
der Muskeln gegen Indactionsstrome, welche ihn in auf-
oder absteigender Richtung durchsetzen, ein verschiedenes,
sondern selbst bei verschiedenen Individuen unter sonst
gleichen Bedingungen abweichend und sogar zaweilen ent-
gegengesetzt bei zwei analogen Muskeln ein und desselben
Thieres zu derselben Zeit. Doch bleibt das individuelle
Zocknngsgesetz eines Muskels constant für alle ErmSdnngs-
Stadien.
5.
Die Ermüdung wird durch Stoffe, welche dem Muskel injicirt
werden, (durch Bauchaorta ein-, durch Bauchvene ausfliefsend) Id
verschieden vollkommner Weise aufgehoben. Die Versuche Ober
diesen Gegenstand sind noch nicht zum Abschlüsse gebracht; im
Allgemeinen hat sich kurz Folgendes herausgestellt: 1) Blat von
Kaninehen oder Hunden rein oder mit Kochsalzlosung (0,5 -g-) in
verschiedenem Verhältnisse gemengt ist in verschiedenem Grade
stets wirksam. 2) Serum und sehr verdünnte Losungen von über-
mangansaurem Kali (0,05 bis 0,1 Gramm auf 1000 Cubc. einer
Kochsalzlosung von 0,5 bis 0,75 f) sind oft wirksam zu Zeitea,
w&hrend welchen Kochsalzlösung allein unwirksam ist. 3) Koch-
salzlösung erweist sich in gewissen Lebensperioden der Frosche
{bald nach dem Laichen) ebenfalls als ein ziemlich gutes Herstel-
lungsmittel, fast in gleichem Grade wie Losung von übermangan-
saurem Kali, doch stets viel weniger gut als Blut, das auch ver-
dfinnt die höchste wiedererholcnde Krafifc besitzt.
vom iL August 1870. 641
Hr. W. Peters machte eine llittheilung über neue Am-
phibien (Hemidactylus, ürosaura^ TropidoUpumc^ Geophü^ Urieehia,
ScaphtophiSj HophcephaUu^ Banay EntomogloasuSy CyatigtMkus, Hy-
lodesy ArthroUptis, Phyllohaita, Cophomantis) des Königlich aoologi-
sehen Museums«
Saubii.
1. Hemidaetylta muHceus n. sp.
Rucken zwischen der feinen Granulation mit Eahlreichen, nn«
regelm&fsig zerstreuten, kleinen spitzen conischen Tuberkeln.
Schwanz mit Querreiben ähnlicher aber l&ngerer Tuberkeln. Schnauze
mit grofseren convexen Schuppen. 8 bis 9 Infralabialia. Hinter
dem spitzen Mentale jederseits ein grofseres Submentale, auf wel-
ches mehrere kleinere folgen. OhrÖffnung fast senkrecht, ziemlich
eng. Unterkinn und Kehle fein granulirt. Bauchschuppen in der
Mitte in 33 Lfingsreihen, jederseits neben denselben eine schwache
Längsfalte, auf der die untersten Tuberkeln stehen.
Braungrau, mit schmalen m oder v förmigen dunkeln, unregel-
mäfsigen Querbinden ; ähnliche Querbinden auf dem Schwänze und
den Extren^itäten. Unterseite heller mit dunkleren an dem Unter*
kinn zahlreicheren und zusammenfliefsendcn Pünktchen.
Totallänge 0?086; Kopf 07013; Schwanz 0?046.
Keta (Guinea).
Diese Art steht dem Hemid. faaciatus (= Liurus omatus) Gray
durch ihren ganzen Bau sehr nahe, unterscheidet sich aber von ihr
nicht allein durch eine ganz andere Färbung, sondern auch durch
die viel weniger zahlreichen, kleinem und spitzeren Tuberkeln.
2. Cercoaaura (üroaaura) gldbeUa nov. subgen. et nov. sp.
(Taf. 1. Fig. 1.)
Rückenschuppen grofs vierseitig glatt; Schwanzschuppen läng-
lich vierseitig glatt, Bauchschuppen grofs vierseitig» in sechs Längs-
reihen, von denen die der äufsern Reihe kleiner sind. JSLehlschup-
pen klein, am Rande der deutlichen queren Kehlfurcfae grofser,
vierseitig; Die seitlichen Körperschuppen convex, kleiner als die
Rucken- und Bauchschuppen, so dafs 4 Querreihen derselben drei
Qnerreihen der Banchschilder entsprechen. Schläfenschnppen grofs
and glatt.
Das Internasale ist einfach, das Interparietale langgestreckt
hexagonal, das Frenale so lang wie hoch, das untere Augenlid
643 OesammUitiung
mit einer darchsichtigen Scheibe versehen und das Aoge diuth
vier Snpraorbitalia von oben geschutEi.
Oben schmatzig. braongelb, in der Mitte dankler nnd mit zer-
streuten schwarzen Fleckchen. Eorperseiten mit einer donkelbraa-
nen Längsbinde, welche unten durch eine gelbe Linie von einer
schwarzen Fleckenlinie getrennt wird« Unterseite gelbweifs, Bauch
und Schwanzschilder mit dunkelbraunen Punkten. Auf den £x-
tremitfiten einige gelbe runde Flecke.
Totallinge 0?146 Vord. Extremitäten 0?012
Kopf 0?010 Hint. Extremitäten 0?016
Schwanz 0?107 Vierte Zehe O-fGOö
Sta. Catharina (Brasilien).
3. TropidolepUma Btriolatum n. sp.
Habitus, Eopfbeschildung und Ohr ähnlich wie Tr. Ktngn.
Korper schuppen in 32, auf dem Kücken in 8 Längsreihen. Die
mittleren breiten Nackenschuppen 6- bis 8 kielig, die mittelsten
Rnckenschuppen 4- bis 5 kielig, die seitlichen 3 kielig. Die Schup-
pen der Aufsenseite der Extremitäten mit 3 stumpfen, aber deut-
lichen Längskielen. Die Schuppen der obem und untern Mittel-
reihe des Schwanzes sehr breit, erstere vielkielig.
Zähne am Gaumen habe ich nicht finden können.
Oben olivenfarbig. Die mittleren Schuppen iu der Mitte schwarz,
so dafs schwarze mehr oder weniger breite Längsbinden gebildet
werden, auf jeder Seite der. Schuppen ein oder zwei helle Punkte.
An der Korperseite eine unregelmäfsige breite schwarze Längs-
binde. Ränder der Kopfschilder schwarz, auf dem olivenbrauneo
Grunde derselben weifsliche Yermiculation. Unterseite schmutzig
gelb, Elinn und Kehle schwarz gefleckt und liniirt.
Totallänge 0?191 Vord. Extremität 0^028
Kopflänge 0'»028 Vierter Finger 0?008
Kopfbreite 0™017 Hint. Extremität 0?037
Kopf höhe 07011 Vierte Zehe 0?011
Schwanz 0?086
Lake Elphinstone (im 19^ S. Br. in N.O. Australien); aus
dem Museum Oodeffroy.
Die vorstehende Art steht dem IV. majuB Gray und Tr. Ri-
chardi Ptrs. (Monatsber. 1869. p.787.) durch die Gröfse der Schup-
pen am nächsten, ist aber leicht durch die Beschaffenheit derselben
von beiden zu unterscheiden.
vom iL August 1870. 643
Ophidii.
4. Geophis annulatus n. sp. (Taf. 1. Fig. 2.)
Korperschuppcn glatt, ohne Grubchen, in 17 Lfingsreihen. Fre-
noorbitale kurz, nicht länger als das Nasale anterius^ über und un-
ter demselben ein kleines Anteorbitale, Frontale so lang wie breit,
fast dreieckig, mit convexen Seltenrändern. Supralabialia 8, das
Auge über dem 4. und 5. Zwei Postorbitalia, das untere rechte
mit dem Temporale verwachsen. Temporalia lang 1+2 oder in
zweiter Reihe 1 oberes und 2 untere. Mentale wohlentwickelt,
spitzwinkelig unregelmäfsig, blofs an das rechte Submentale stos-
send, 9 Infralabialia, einerseits 5, andererseits 6 an die Submen-
talia tretend, von denen das zweite Paar nicht halb so lang wie
das erste ist. 177 Yentralia, 1 einfaches Anale, 55 Paar Sub-
caudalia.
Mit 7 bis 8 Schuppen breiten blauschwarzen Bingen, welche
zum Tb eil in der Mitte des Bauches offen stehen, und durch schmale
2 bis 3 Schuppen breite gelbe (im Leben rothe?) mit sparsamen
dunkeln Punkten bestreute Ringe getrennt sind. Kopf bis zum
hintern Rande der Parietalia und mit Einschlufs des vordem Theils
der Temporalia und der 5. ersten Supra- und Infralabialia schwarz,
der übrige Theil gelb, auf dem Nacken durch diese gelbe Binde
von dem ersten 13 Schuppen breiten schwarzen Halsringe getrennt
Totallänge 0?395; Kopf 0?015; Schwanz 0?070.
Fundort unbekannt, wahrscheinlich Südamerica.
5. üriechisCMetopophis) lineatus nov. subg. et n. sp. (Tf. l.Fg.3.)
Korperschuppen glänzend, porenlos, in 15 Längsreihen. In-
temasalia pentagonal; Praefrontalia zu einem einfachen Schilde
vereinigt; Parietalia lang zugespitzt^ hinten auseinanderweichend.
Nasale, Anteorbitale und Postorbitale einfach. 7 Supralabialia,
von denen das 5te und 6te an das Parietale stofsen. 6 Infrala-
bialia, das erste mit dem der andern Seite zusammenstofsend, das
5. das gröfste. Vier oder fünf stofsen an die beiden Submen talia.
168 Abdominalia, 1 einfaches Anale, 41 Subcaudalia.
Oben olivenfarbig mit drei dunkeln Längslinien, von denen
eine längs der Mitte, eine jederseits zwischen der dritten und vier-
ten Schuppenreihe verläuft Die beiden untersten Schuppenreihen
grau, die unterste mit einem gelben Fleck. Kehle und Yorderhals gelb,
Bauchschilder und Schwanzschilder dicht mit dunkelgrau besprengt.
644 Oesanuntsitzung
Totallfinge 0?440 ; Schwans 0»057 ;
Kopf 0?0115 ; Körperdicke 0?007.
Zwei Exemplare von Keta (Guinea).
Diese Art zeigt, ungeachtet der Vereinigung der Praelrontalia,
eine so vollkommene Übereinstimmung im ganzen übrigen Bau mit
Uriechißj dafs es mir unnatürlich scheinen wurde, auf dieses Merk-
mal eine besondere Gattung zu gründen. Ganz ähnliche Yerschie-
denheiten zeigen sich bei den Elapomorphus, obgleich aach hier
der Versuch gemacht ist, dieselbe in Gattungen zu zersplittern.')
Scaphiophis nov. gen. ' )
»
Oberkieferzfihne sfimmtlich sehr klein, mehr ho-
rizontal nach innen gewandt; Gaumen- und Pterj-
goidalzahnreihen nach hinten convergirend, hier dop-
pelt so weit von den Oberkieferzähnen als vorn ent-
fernt. Habitus von Bhamphiophis, Rostrale sehr ent-
wickelt, oben convex, unten concav, mit vorspringen-
dem scharfen, schneidenden Rande. Obere Kopfschil-
der in gewohnlicher Zahl. Nasenlöcher zwischen zwei
Nasalia und dem Internasale gelegen. Frenalia, Ante-
und Postorbitalia vorhanden. Pupille rund. Schup-
pen glatt. Anale und Subcaadalia getheilt.
>) Wiederholt habe ich auf die Variabilität in der Pholidosia der Schlan-
gen aufmerksam gemacht, wodurch nicht allein die Zahl der Arten, sondein
sogar der Gattungen unnatfirlich vermehrt worden ist. In vielen F&llen ist
es schwer, die Variation als solche nachzuweisen, da hierzu oft ganze ReibeB
gehören und es kann daher den Reisenden in fernen Ländern nicht genug
empfohlen werden, von derselben Art möglichst viele Exemplare za sammeln.
Alle Mittheilungen Aber derlei Varietäten gesammelt dürften zu einem end-
lichen Resultat führen. Von solchen bemerkenswerthcn Varietäten, die mir
neuerdings durch die Güte des Hm. Meyer aus Hamburg an javanischeii
Sehlangen vorgekommen sind, kann ich anfuhren 1) unter 6 Exemplaren von
CcUamaria Linncti Boie (var. tesßellaia) 1 Exemplar mit fünf, anstatt vier
Supralabialia jederseits, von denen das 3. linke sehr kurz ist; 2) anter 5
Exemplaren von Cal, Cuvieri Jan eins mit einem sehr kleinen unteren An-
teorbitale jederseits.
') ffna^fov, Schaufel, o^tc.
vom iL August 1870. 645
6. Sc. albopunctatus n. sp. (Taf. 1. Fig. 4.)
Das grofse Rostrale bildet nach hinten einen stampfen Win-
kel, den die Intemasalia einschliefsen, welche viel breiter als lang
und aafsen breiter als inwendig sind und nach aufsen an beide
Nasalia stofsen. Die Präfrontalia sind um die Hälfte länger, fast
doppelt so breit wie lang, hinten convex, mit ihrem äufseren spit-
zen Winkel zwischen dem hinteren Nasale und dem oberen Frenale
eindringend. Das Frontale medium ist kaum länger als breit, vorn
und hinten stumpfwinkelig. Die Parietalia sind kürzer als das
Frontale, so breit wie lang und abnorm in mehrere Schuppen zer-
fallen. Das vordere Nasale ist viel kleiner und niedriger als das
hintere, an welches zwei kleine, über einander liegende Frenalia
stofsen. Das Auge wird vorn von einem Anteorbitale, hinten von drei
Postorbitalia und unten von zwei kleinen Suborbitalia umgeben und
so von den Supralabialia getrennt. Temporalia zahlreich 44-5 + 5,
klein, mit Ausnahme der längeren beiden unteren der vordersten Quer-
reihe. Fünf Supralabialia, von denen das fünfte so lang ist wie
alle übrigen zusammen. Sieben Infralabialia, von denen das 6te
das grüfste ist; das erste tritt mit dem der andern Seite hinter
dem kleinen Mentale zusammen. Ein Paar kurzer breiter Submen-
talia, die nur mit den drei vordersten Infralabialia in Berührung
stehen, da zwischen ihnen und den drei folgenden sich eine lange
schmale Schuppe hineinschiebt.
Eorperschuppen glatt, mit zwei Endgrübchen, am Halse in 25^
dann in 21 und in der Eorpermitte in 23 Längsreihen; die der
untersten Längsreihe sind am grofsten, die des Rückens am klein-
sten. 210 Banchschilder, ^ Anale, 64 Paar Subcaudalia und eine
lange conische Endschnppe.
Oben olivenbraun, viele Schuppen mit einem weifsen Basal-
punkt; die unteren Seitenschuppen schmutzig weifs, dunkel geran-
det. Unterseite gelblichweifs, Bauchschilder seitlich dunkelgerandet.
Totallänge 0»352; Kopflänge 0?0165; Kopf breite 0?0095;
Schwanzlänge 0?057; Körperdicke in der Mitte 0?008.
Ein Exemplar von Keta (Guinea).
Diese Schlange ist insofern sehr merkwürdig, als sie unter
den Isodonten eine Gattung repräscntirt^ welche sich durch die
Pholidosis, namentlich auch durch die zwischen zwei Nasalia und
dem Internasale befindliche Nasenoffnang, den diacranthercn Zamenis^
646 Gesammttitztmg
Lytorhynehus und den ebenfalls für Afrika characieristischen gifti-
gen Camus und Heterophia anscbliefst.
7. Boploeephalus frenatus n. sp.
Körperschnppen in 19 Längsreiben, Anale einfacb, angetheilt
Intemasalia um die Hälfte breiter als lang; die Länge des Fron-
tale medium zu seiner Breite wie 4:2^; Nasale binten zugespitzt,
von dem Anteorbitale getrennt; 6 Supralabialia, 2 Postorbitalia,
Temporalia 2 + 2. 7 Infralabialia, das erste mit dem der andern
Seite zusammenstofsend, das 4. das grofste; 2 Paar Submentalia,
welche mit 4 Paar Infralabialia in Berührung steben, Abdominalia
167, Anale 1, Snbcaudalia 35.
Oben oli renbraun, Lippenrand mit Einscblufs des Rostrale
gelby darüber eine gelbe von dem Rostrale ausgebende Linie,
welche durch das Auge geht und sich auf der Schläfe verliert, die
ganze Unterseite weifs.
Totallänge 0?390; Kopf 0^016; Scbwanz 0?054.
Lake £lp hin s tone (Australien), aus der Sammlung des Hm.
Godeffroy.
8. Eana !<mgiro$tris n. sp. (Taf. 1. Fig.5.)
Der ganze Habitus, Schwanz, Nasenlöcber, Trommelfell, Che-
anen wie bei R. oxyrhyncha Sundevall, aber die Gaumenzähne
nach hinten convergirend , nicht in einer queren Linie stehend,
Spalte der Schallblase näher dem Rande des Unterkiefers befind-
lich, und nicht kürzer oder höchstens gleich dem Augendurcbmes-
scr, sondern viel länger als derselbe und endlich die Mittelzebe
nicht so beträchtlich viel länger als die seitlichen und die Schwimm-
häute nicht tief ausgerandet wie bei jener Art.
Rückenhaut mit feinen Längserhabenheiten, Metatarsus mit 2 Tu-
berkeln, der äufsere aber wenig hervorragend.
Oben grau mit einzelnen zerstreuten Flecken, die erhabenen
Längslinien weifslich. Seite der Schnauze und Schläfengegend
scharf abgeschnitten schwarz, welche Farbe sich in einen weniger
scharf begrenzten Streifen bis zum Oberschenkel und längs der vor-
dem Seite desselben fortsetzt. Hintere und vordere Seite mit einer
unregclmäfsigen schwarzen Längsbinde, dunkle Querbinden auf
Ober-, Unterschenkel und Fufs. Fufssohle schwarz.
Totallänge 0°»043; Kopflänge 0»0165; Kopfbreite 0?0136;
Schnauze 0™008ö; vord. Extrem. 07027; bint. Extr. 0?091.
vom IL August 1870. 647
Eiu Exemplar aus Keta (Quinea).
Entomoglo88u$ n. gen.^)
Zähne in den Oberkiefern und am Gaumen. Zunge hinten
irasgeschnitten. Tubae Eustachii, Trommelhöhle und Membrana
tympani sowie das Manubrium stemi wohl entwickelt. Querfort-
sätze des Sacralwirbels cylindrisch. Keine Parotoiden oder Seiten-
drüsen. Finger und Zehen zugespitzt, frei.
Eine Gattung, welche im Habitus am meisten Ähnlichkeit mit
CyelorhamphuB zeigt, sich aber von diesem durch den Mangel der
Schwimmhäute sowie von ihm und Cystignathua durch die ziemlich
tief ausgeschnittene Zunge unterscheidet.
9. E. pustulatus n. sp. (Taf.2. Fig. 1.)
Braun, undeutlich längsgestreift, unten mit zahlreichen klei-
nen runden gelblichweifsen Flecken.
Im Allgemeinen etwas platt Kopf mäfsig, Nasenlöcher schief,
auf der Schnauzenspitze einander genähert, etwa um 1 Augen-
durchmesser von den Augen entfernt, Trommelfell deutlich, im
Durchmesser halb so grofs wie das Auge. Choanen quer, etwas
kleiner als die dreieckigen Tuben. Gaumenzähne auf zwei kur-
zen Querreihen auf der Mitte des Gaumens hinter der Linie der
Choanen stehend. Zunge grofs und hinten winkelig ausgeschnitten.
Korperhaut oben fein runzelig, unten glatt. Finger ganz frei, der
dritte der längste, dann der erste, während von den beiden übri-
gen der zweite kaum länger als der vierte ist. Die Handballen
sind kaum merklich. Die spitzen Zehen sind ebenfalls ganz frei,
nur die Mittelfufsglieder durch Schwimmhäute verbunden; sie neh-
men von der ersten zur vierten rasch an Länge zu, während die
fünfte Zehe nur wenig kürzer als die dritte ist. Die Fufssohle ist
glatt
Totallänge 0?046 Hand mit 3. Fing. 0<°011
Kopflänge 0?014 Hintere Extremität 0?060
Kopfbreite 0^014 Fufs mit 4. Zehe 0?030
Vord. Extr. 0«023
Ein trächtiges Weibchen aus Ceara (Nördl. Brasilien).
>) «vfOjuioc, ykSeffeu
648
10. CjftiignatkuM diploiisin$ IL ap. (Taf.2.Fig.2.)
Im Habitns and aoch in der ZeichnoDg mit PUwrodtma Dar-
tüinü Bell fiberdiistimmend, aber ohne SeitendriiBen, mit kfirzern
Fingern and Zehen, beide Mittelfofshocker schneidend and grofoer*)
and einen deotiichen platten Hocker anter dem Tarsas. Gnomen-
sihne aaf zwei nach hinten and innen oonrergirenden Qaerhockem
swiflchen den Choanen, welche den Tobenoflhangen an Grolne fast
gleich kommen. Zange herzförmig. Trommelfell sichtiwr, sein
Dorchmesser etwa gleich •]• Aogendorchmesser.
Totallfinge 0?036 Hand mit 3. Fing. 0-009
Kopflänge 0?015 Hintere Extremität 0?046
Kopf breite 0?016 Fofs mit 4. Zehe 0?0215
Vord. Extr. 0"020
Drei Exemplare Terschiedener Grofse aas Ceara.
11. Hylodes Henseliu n. sp.
Der Ton Hm. Dr. Hensel im Archiv für Natorgeschichte
1867 p. 161 beschriebene Batrachier gehört ohne Zweifel, ^le der
Vf. angiebt, zar Gattung Hylodes and bildet eine dorch die Stel-
lang der Gaomenz&hne sehr aosgezeichnete Art Da das Exemplar
jetzt der Berliner Sammlang einverleibt ist (No. 6813), so habe
ich es mit dem Namen des Entdeckers bezeichnet
12. Hylodes rugulosus n. sp.
Im Habitas fihnlich einer JRana temporaria. Vomerzahnplalten
hinter den Choanen, ähnlich gebogen wie bei ff. BicardH, aber in
der Mitte nicht zosammenstofsend. Choanen länger als breit und
daher grofser als die Tabenoffnangen. Zange hinten ganzrandig
oder kanm herzfSrmig eingeschnitten. Canthi rostrales s^r dent-
lieh wegen der concaven Zugelgegend. Nasenlocher seitlich anter
dem Ende derselben und nicht ganz einen Augendurchmesser von
den Augen entfernt liegend. Trommelfell im Durchmesser gleich
} Augendurchmesser; über demselben eine bogenförmige ron dem
>) Die Entwickelang dieser Höcker ist von PL Bibrom'i, FL Darwinti
und C. diplolistris eine graduelle und scheint mir daher um so weniger allein
eine generische Trennung zu begrönden, als Pleurodema nur ala Untergattai^
von Cy8tignathu9 zu betrachten ist. CL Ly$tri8 (scr. Li$tn»f Xicrpov) Cope
{Proc, Ac. N. Sc. Philadelphia 1868. p.312}.
vom ii. August 1870. 649
oberen Augenlide ausgehende Haatwulst. Kopf- nnd Eorperober-
seite fein granalirt nnd mit zahlreichen erhabenen Lfingslinien;
Unterseite glatt. Finger und Zehen ganz frei^ mit deutlichen Haft-
scheiben und sehr entwickelten Tuberkeln unter den (Tclenkeli.
Oben graugelb mit zwei mehr oder weniger deutlichen Reihen
schwarzer Flecke, welche zwischen den Augen eine undeutliche
Zickzackbinde bilden. Die Oliedmafsen mit dunkeln Querbinden.
Eine schwarze Binde von den Nasenlochern an der untern Seite
des CanthuS rostralis und der bogenförmigen Wulst über dem Ohr.
Unterseite gelblich weifs; Fufssohlen schwarz.
Totallfinge 0?060 Hand mit 3. Fing. 0?015
Kopflfinge 0?025 Hintere Extremitfit O'^llO
Kopfbreite 0?0225 Fufs mit 4. Fing. 07045
Vord.Extr. 0°>036
Zwei Exemplare aus Sta. Catharina (Brasilien). Auf das
grofste derselben beziehen sich die angegebenen Mafse.
13. ArthroleptiB disparn. si^. (Taf. 2. Fig. 3.)
Oben dunkel violetbraun^ die Lippenr&nder, Unterohrgegend,
Korperseiten, Vorder- und Hinterseite des Oberschenkels schwarz
und gelblichweifs melirt; Gliedmafsen mit queren, wegen der dun-
keln Grundfarbe wenig sichtbaren schwarzen Querbinden. Unter-
kinn und Brust dichter, Yorderbauch sparsamer mit braun be-
sprengt.
Korper schlank, Schnauze abgestutzt, Trommelfell undeutlich,
im Durchmesser ungefähr gleich •}■ Augendurchmesser, Zunge herz-
förmig, Choanen grÖfser als die sehr kleinen Tuben, Finger frei.
Zehen an der Basis geheftet und mit kleineu deutlichen Haftschei-
ben; am Mittelfnfs zwei und unter dem letzten Drittel des Tarsus
ein kleines Knötchen.
Totallänge 0?020 Hand mit 3. Fing. 0?005
Kopflänge 0?0075 Hintere Extremität 0?035
Kopf breite 0?0062 Fufs mit 4. Zehe 0^0 16
Vord.Extr. 0?014
Ein Exemplar von Ilha do Principe, durch Hrn. Dr.
Dohrn.
Diese Art ist sehr interessant wegen grofserer Entwickelung
der Haftscheiben, die bei A* Wahlbergii Smith (cf. M<maUh. 1870.
p. 125. Taf. Fig. 2) und A. poecilonotu$ (MonaUber. 1863. p.446) als
solche kaum zu erkennen sind. Es geht hieraus hervor, dafs Hß"
G50 Gesammtsitzung
teroglos$a a/ricana Hall o well (Proc. Äc. NaU Sc, Philadelphia 1857.
p.64; Cope ibid. 1862. p. 343) ebenfalls in die Gattung ArthTO'
leptis zu stellen ist, welche sich nun den Hyperoliua so nahe an-
schliefst, dafs man sie höchstens als eine Untergattung derselben
betrachten kann. Es ist dieses eine neue Schwierigkeit für die
Systematik der proteusartigen Batrachier, wie sie ähnlich schon bei
den Flectropus, Plectromantis, Diplopelma nnd Hemiphractus sich noi
aufgedrängt hat
14. Phyll6bate$ verruculatus n. sp.
Oberseite des Körpers und der Gliedmafsen gelbbraun, schwarz
gefleckt und punktirt, Zügel und Schläfengegend schwarzbraan;
Unterseite bräunlichgelb, dunkel besprengt.
Schnauze wenig länger als der Äugend nrchmesser; Zugelgegend
senkrecht; Canthus rostralis abgerundet Zunge ganzrandig. Trom-
melfell sehr deutlich, im Durchmesser gleich f des Augendurch-
messers. Oberseite des Körpers mit wärzchenfSrmigen Herrorra-
gungen; Kehle und Brust glatt; Hinterbauch und Unterseite der
Oberschenkel dicht granulirt
Von den Fingern ist der erste der kürzeste, der vierte wenig
länger als der zweite und der dritte am meisten henrorragend.
Die subarticularen Hervorragnngen sind deutlich und die Haftbal-
len mäfsig grofs, aber merklich gröfser als die ziemlich kleinen
Haftballen der Zehen. Diese letztem sind frei, von der 1. bis 4.
progressiv an Oröfse zunehmend, die 5. ein wenig kürzer als die
3te. Die beiden Metatarsalknotchen sind kaum grofser als die
Subarticularknoten.
Totallänge 0?020 Hand mit 3. Fing. 0^0058
Kopflänge 0?008 Hintere Extremität 0?031
Kopfbreite O'JOO? Fufs m. 4. Zehe 0?014
Vord.Extr. 0?014ö
Ein Exemplar aus Huanusco (Mexico), durch Hm. Dr.
Hille.
Cophomantis n. gen.^)
Finger und Zehen mit wohlentwickelten Haft-
Scheiben und Schwimmhäuten wie Hyla. Keine Kie
') XW(^OC, lulvTtQ*
vom iL August 1870. 651
ferzähne, aber Zähne am Gaumen. Kein Trommelfell
und keine Tnbae Eustachii. Zunge herzförmig; Ster-
num mit Manubrium; Querfortsätze des Sacralwirbels
verbreitert Keine Parotoiden.
15. C punctillaia n. sp. (Taf.2. Fig. 4.)
Blaugrau mit dichtstehenden dunkeln Pünktchen, welche weit-
läufiger stehen auf einem schmalen Streifen der Oberschenkel, auf
der Aufsenseite des Vorderarms > des Unterschenkels und Fufses;
Unterseite schmutzig gelblich; Vorder- und Hinterseite des Ober-
und Unterschenkels, die Oberseite der Hand mit Ausschlufs der
üufseren Hälfte des 4. Fingers und der Fufs mit Ausschlufs der
fünften und der äufseren Hälfte der vierten Zehe schwarzbraun.
Über der Analoffnung in einer flachen Vertiefung ein schwarzer
Querstrich.
Die Schnauze ist etwas länger als der Augendurchmesser,
vorn abgestutzt, die Frenalgegend ziemlich hoch, der Canthus ro-
stralis abgerundet, die kleinen rundlichen Nasenlöcher seitlich,
nahe hinter dem Schnauzenende. Das untere Augenlid ist durch-
sichtig. Die Choanen sind grofs oval, seitlich, nach vorn conver-
girend; nach innen und hinten von ihnen liegen die ziemlich lan-
gen nach vorn convergirenden Gaumenzahnhöcker. Zunge herzför-
mig, hinten wenig ausgerandet. Die Haut der Rückseite ist glatt,
von dem Auge nach der Achsel einen bogenförmigen, aber nicht
drusigen Vorsprung bildend. Kehle und Brust sind gleichfalls
glatt, dagegen der Bauch und die Unterseite der Oberschenkel
dicht gekörnt.
An der Vorderextremität ist der erste Finger der kürzeste,
dann der zweite und der vierte um die Länge der Haftscheibe kür-
zer als der dritte; die Bindehaut zwischen den drei äufseren Fin-
gern reicht bis zum vorletzten Gliede und ist am stärksten zwi-
schen dem 3. und 4. Finger entwickelt. Unter der Basis des er-
sten Fingers findet sich ein gröfserer Ballen, unter den andern
Fingern nur kleine unregelmäfsige Erhabenheiten, Die Zehen sind
etwa bis auf f durch Schwimmhäute verbunden; die Unterseite des
Tarsus und Metatarsus ist glatt; nur am Hacken befindet sich ein
kurzer domformiger Haut vor Sprung.
[1870] 45
652 GemnnmUitzuvg
ToUllänge 0?028 Hand mit 3. Fing. 0?0095
Kopflänge 0?0095 Hintere Extremität 0?042
Kopf breite 0?0085 Fufs mit 4. Zehe 0^019
Vord.Extr. 07020
Sta. Catharina (Brasilien).
Ich habe lange gezögert , die vorstehende Art als Repräsen-
tanten einer Gattung mit einer neaen Combination eigenthümlicber
Charaktere anzuerkennen, und ich dachte wegen des Mangels der
Kieferzähne und auch wegen der kleinen vertieften Querlinie ub^^r
der Analoffnung an den Jugendzustand einer JETy/o, namentlich we-
gen der Färbung und der Ähnlichkeit des Habitus an H. cmerai-
een$ Spix (Spee. luw. Testud. et Ranar, Taf. 8. Fig. 4.}. Indefs ist
das vorliegende Exemplar keineswegs klein und bei H. etneraacm
das Trommelfell nicht allein sehr deutlich, sondern auch die Pro-
portion der Finger eine andere, indem der erste merklich länger
als der zweite und der vierte verhältnifsmäfsig viel kurzer ist.
Übersicht der Abbildangen.
Taf. 1. Fig. 1. Vrosaura glabeUa Ptrs.
, 2. Geophi9 annulatutVttz,
ff 3. Üriechis lineatu» Ptrs.
, 4. ScaphiophU albopunctaibts Vir ^
, 5. Rana longirostrii Ptrs,
Taf. 2. Fig. 1. Entomoglossus pustulatus Ptrs.
, 2. CyBtignathuB diphli9tri9 Vir ^,
„ 3. Arthroleptis dispcw V it B.
„ 4. Cophoman tis punctillata Ptrs.
Taf. 1. Fig. 1 — 4 Bind irergrOfsert , die übrigen Figuren in natarli<li''r
GrAfse.
-r-rtrr;
i
I l'rg».iura ebbdia ^CnphU^iinulalus.^rrii'iiuslinnius. i.>i.-ip)iL0|ihisalb(ipiinn3Uis
■., .,. iR.mi ionBimslris . ^, ,,
I.F.niomo^DM^us puslul.ilux .'^ CvMi^Mlhus iliplolisU
, . -;, , . . . , , V Cnphomaili» puntlillau
vom 11, August 1870. 653
Hr. Braun theilte neuere Untersuchungen über die
Gattungen Marsilia und Pilularia mit.
Vor sieben Jahren*) habe ich der Akademie einen Versuch vor-
gelegt, die Arten der Gattungen Marsilia und Pilularia festzustel-
len; aus letzterer Gattung konnte ich damals 4 Arten, aus ersterer
37 (oder bei weiterer Fassung des Artbegriffs 30) aufzählen und,
mit Ausnahme einiger mir nicht aus eigener Anschauung bekannter,
scharf charakterisiren. Es zeigte sich schon damals, dafs die Anzahl
der Arten beträchtlicher sei, als man anzunehmen geneigt war,
dafs insbesondere die in älteren Schriften unter dem Namen M.
quadri/oliata angeführten aufsereuropäischen Formen sämmtlich an-
deren, Ton der europäischen dieses Namens verschiedenen Arten
angehören.') Zu der früheren Ansicht haben namentlich 2 Mo-
mente beigetragen, die grofse Ähnlichkeit der meisten Arten in den
sterilen, oft allein gesammelten Wasserformen und der innige Zu-
sammenhang der vielgestaltigen Arten einzelner Gruppen, wie z. B.
der Gruppe der M. diffusa in Afrika und Asien, der Gruppe der M.
vestita in Nordamerika, der M, Drummondii in Australien. So ist es
erklärlich, dafs selbst neuerlich der verdienstvolle Dr. Ferd.v. Müller')
die sämmtlichen australischen Marsilien für Formen einer einzigen
Art, der M, hirsuta R. Br., die er selbst wieder als Abart der üf.
quadri/oliata betrachtet, halten konnte.^)
Seit jener früheren Mittheilung hat sich die Kenntnifs dieser
kleinen Pflanzengruppe in mannigfacher Beziehung vermehrt Die
Einsicht in die Befruchtungs- , Keimungs- und Entwicklungsvor-
gänge ist durch die Arbeiten von Hanstein') in erfreulicher Weise
1) Monatfib. 1863, S. 413.
') Vielleicht mit einziger Ausnahme der M. quadri/oliata Thunb. Flor.
Japon., die im sterilen Zustande, in welchem allein sie mir bekannt ist, von
der ächten M, quadri/oliata nicht unterscheidbar ist.
') . Zur Befruchtung und Entwicklung der Gattung Marnlia (Pringsheim
Jahrb. f. wiss. Bot. IV, 1865); Pilulariae globuli/erae generatio cum Marsi-
lia comparata. Bonnae 1866.
*) Fragmenta Phytograph. Australiae V. p. 140 und in brieflichen Mit-
theilungen.
^) Ich werde im Folgenden zeigen, data die australischen Arten dreien
45*
C54 Gesammisitzung
gefordert; die Entwicklangsgeschichte der Wurzel ist von Nig^ll
und Leitgeb'), die Bildung des männlichen Prothaliiuma ans der
Mikrospore durch Millardet') genauer untersncht worden. Die
Kenntnifs der Arten und ihrer Lebensweise ist durch neue Ent-
deckungen und fortgesetzte Culturversuche bereichert worden. Die
mir damals -nur aus ungenügenden Diagnosen bekannten Anen
(M. hirsuta und angusttfolia R. Br., M. mutica Mett) konnten ge-
nauer untersucht werden,') eine Reihe früher ganz nobekannter
wurden seither entdeckt {Pilularia Mendani von Mendon in Bolivia.
MarsiL rotundata und diffusa v, comuta von Welvritsch iu Angola.
M. gibba von Schweinfurth in den oberen Nillfindem, M. quadrata
von Lowe in Borneo, üf. subangulata und Emesti von Ernst in Ca-
racas, M, macra^t elata^ hirautüsima, sericea und andere neue For-
men aus der Gruppe der vielgestaltigen M. Drummondii in Austra-
lien von Ferd. v. Müller, Wilhelmi, Murray, M^ Kinlaj und andereo
Reisenden im Inneren Australiens); einige andere neue Äxten fan-
den sich in älteren Herbarien versteckt (üf. Berteroi im De Can-
doUe'schen, Af. Mexicana und M. exarata im Hooker'schen).
Die Kenntnifs der geographischen Verbreitung der Arten ist
durch die Entdeckung neuer Fundorte mehrfach erweitert worden,
aber auch jetzt noch gilt die Behauptung, dafs die meisten Arten
ein sehr beschränktes Vorkommen besitzen. Nur wenige Arten ha-
ben eine weiter ausgedehnte geographische Verbreitung, nach den
jetzigen Kenntnissen mit meist grofsen Unterbrechungen. M, qua-
dri/oliata zieht sich durch das südliche und mittlere Europa zxri-
vorschiedenen Gruppen angehören, so dafs man bei möglichst weiter Fassoiu:
mindestens 3 Arten anerkennen müfste.
^) Entstehung und Wachsthum der Wurzeln (Nageli, Beiträge znr wi>5.
Bot. 4. Heft, 1868 S. 114).
^) Le Protballium male des Crjptogames vasc. Strasb. 1869.
') Nur Mars, fimhriata Schum. et Thonning bleibt auch femer nnb-:-
kannt, da Exemplare dieser Art im Kopenhagener Museum nach den &Iit*
theilnngen von Prof. Lange nicht vorhanden sind. Die fernere Erwihnnri^
derselben in dem Verzeichnifs der Arten hat nur insofern noch einen Werth,
als durch dieselbe, unter der Voraussetzung, dafs die Angabe der Autoren
richtig ist, die Existenz einer Art mit beinahe sitzenden Fruchten im tropi-
schen Afrika constatirt wird.
vom iL August 1870. 655
sehen 36 und 55^ n. Br., taucht in Asien wieder auf in der Krimm,
den Gaucasusländern, dem südlichen Sibirien, bei Astrachan und
in Kaschmir, zweifelhaft in China und Japan.') Endlich macht
sie einen Sprung in die neue Welt, wo sie von einer einzigen Lo-
calitat in Connecticut bekannt ist. Eine ähnliche Ausbreitung hat
-wahrscheinlich Pilularia globuli/era, aber sie geht in Europa etwas
-weiter nach Norden (in Norwegen bis zu 60**) und weniger weit
nach Süden (in Italien bis 41, in Portugal bis zu 38°). Im Osten
der alten Welt ist sie nur bis zum Jaik bekannt, aber man mufs
bedenken, dafs die unscheinbare Gestalt der Pilularia weit leichter
übersehen wird als die auffallende der Marsilia, In Nordamerika
fehlt sie, was bei ihrer weiteren Verbreitung nach Norden im Ver-
gleich mit Marsilia quadri/oliata auffallend ist Erst in den süd-
lichen vereinigten Staaten tritt eine von der europäischen specifisch
verschiedene Art {Pilularia Americana) auf. Europa besitzt aus
jeder der beiden Gattungen noch eine zweite, südlichere, aus*
schliefslich dem Gebiet der Mittelmeerflora angehorige Art, deren
wenige, zerstreute Fundorte zwischen dem 35. und 43.° n. B. lic'»
gen, nämlich Marsilia pubescens und Pilularia minuta. Beide fin-
den sich im L'anguedoc (Roquehaute bei Agde) , in Sardinien und
in Algerien, PiL minuta aufserdem bei Smyrna, Mars, pubescena
bei Tanger. Zieht man die kaum verschiedene M. strigosa W. mit
3/. pubesesTis zusammen, so erweitert sich der Verbreitungsbezirk
derselben nach den Wolga- und Caucasus-Gegenden Südrufslands.
Zu den weit verbreiteten Arten gehört ferner Mars, diffusa^ die,
auf den Canarischen Inseln und in Algerien beginnend, über Sene-
gambien (wo sie die häufigste Art ist), die oberen Nilländer, Angola
(in einer etwas abweichenden Form) und Madagascar sich ausbrei-
tet und ohne Zweifel in vielen anderen Gegenden namentlich des
tropischen Afrikas noch aufzufinden ist. Vereinigt man mit M.
diffusa die sehr nahe verwandten und schwer scharf zu trennenden
Arten M, crenulata und M, erosa^ so geht die Verbreitung weiter nach
Mauritius und Bourbon, Ceylon und ganz Vorderindien, Assam, Java,
') Die TOD neaeren Reisenden, Wichura und Maximowitsch gesammel-
ten Exemplare sind steril; doch ist die Richtigkeit der Bestimmung nicht
unwahrscheinlich, da auch die europäische Salvinia natans in Japan wieder«
kehrt.
656 Gesammtsitzung
den Philippinen und La Tschu Inseln. Einen Wohnangsbeziik toq
bedeotender Ansdelinang hat endlich noch Mars, polycarpoj zumal
wenn man die zweifelhafte M. picta und die sehr nahe verwandte M.
subangulata hinzuzieht, nämlich über Brasilien, Guyana, Neu-Granada
und Centralamerica (subangulata), Mexico (picta\ Jamaica ($ubangu-
lata?)y Cuba, von wo sie einen ungeheuren Sprung macht nach Tahiü,
auf welcher Insel &chte M. polycarpa in fast gleicher Breite mit
Brasilien aber um 100 Längengrade entfernt sich wieder findet
Einen merkwürdigen Sprung zeigt auch Pilularia Ämericana in ihrem
Vorkommen, welche in den südlichen vereinigten Staaten (Arkaa-
sas) und in Chile (Yaldivia) beobachtet ist, nicht aber in den zwi-
schenliegenden Theilen Amerikas.
Alle übrigen Arten zeigen ein beschränktes Vorkommen, wo-
bei nicht selten alle oder die meisten Arten desselben geographi-
schen Gebietes unter sich nahe verwandt sind, wie z. B. sämmt-
liehe südafrikanische Marsilia-Arien (Af. nuierocarpc^ CapenHSy Bnr-
chelliiy biloba)^ die Mehrzahl der Arten des wärmeren Nordamerika
{M. ttnctnato, mucronaia^f vestUc^ tenui/oUay mexicand), so wie die
meisten australischen {M, Drummondiiy elata und die verwandten
Formen) einer und derselben Gruppe angehören. Oft finden sich
aber auch in entfernten Gebieten analoge Arten, so wird die ost-
indische if. Coromandeliana in Afrika (Senegambien) durch Jlf. tri-
chopoda vertreten; die ostindische M, erosa in Afrika durch 3f.
diffusa; die europäische M, quadri/oliata im wärmeren Nordamerika
durch M. macropus^ in Australien durch M. Broumii; JH. restita
Nordamerikas auf den Sandwichsiuseln durch M. viUosai Jf. Ati^'ca
der Nilländer in Senegambien durch M. gymnoearpa ; die europäische
Pilul. globuH/era in Australien durch P. Novae HoUandiae.
Der an Marsiliaceen reichste Welttheil ist Afrika mit 17 Mar-
silia-Arten und 1 Pilularia, Senegambien allein besitzt von er-
steren 7 Arten (M. trichopoda, muscoides^ distorta^ diffusa^ crenulata^
gymnoearpa^ subterranea)^ von denen 4 diesem Lande eigenthüm-
lich sind. ' ) In Guinea ist bis jetzt nur eine Art beobachtet worden
') Die EntdeckoDg dieser Arten verdankt man den älteren französlschea
Beisenden, Ferro tet, Heudelot und Leprieur, von welchen der erst-
genannte als Director eines Cultur-Etablissements, der zweite als Obergirtner,
der dritte als Marine- Apotheker die Flora Senegambiens in den Jahren 1824
vom iL August 1870. 657
und diese ist nicht genauer bekannt (If . finibriata) ; in Angola sind
von Dr. Welwitsch 3 Arten in fructificirendem Zustand aufgefunden
worden {M. rotundata^ comuta, muscoides)^ von denen die dritte mit
einer der senegambischen Arten identisch ist, während die zweite
an zwei weiter verbreitete Arten (M. diffusa und crenaie) sich so
nahe anschliefst, dafs die specifische Trennung zweifelhaft er-
scheint.')
Aus dem oberen Nil gebiete sind 3 Arten bekannt (i/. diffusa^
gibbOf Nubicä)^ von denen 2 diesem Gebiete eigenthümlich ; aus
Nordafrika 3 oder 4 Arten (M. pubescensj diffusa, Aegyptiaca, qua-
dri/oliata?)y von denen die erste der Mittelmeerflora gemeinsam ist,
die zweite den Hauptheerd ihrer Verbreitung im tropischen Afrika
hat, die dritte sich von Ägypten, wahrscheinlich mit Mittelstationen
in Kleinaaieu, nach dem Ausflufs der Wolga (Astrachan) erstreckt,
die vierte, wenn nicht ein Irrthum zu Grunde liegt'), als südli-
cher Vorposten der altbekannten mitteleuropäischen Art erscheint.
Von der Ostknste Afrikas sind bis jetzt keine Marsiliaceen
bekannt Aus Madagascar, Mauritius und Bourbon nur 2 auch in
verschiedenen Theilen des Festlandes von Afrika vorhandene Arten,
M, d^usa und crenulata*)\ auch auf den Ganaren findet sich eine
Form der weit verbreiteten M, diffusa.
bis 1829 erforschten. Seither scheint dort Niemand diese merkwürdigen Ge-
wächse beachtet zu haben, was nm so mehr zu bedaaem ist, als die Frfichte
der aus jener Zeit stammenden in den Herbarien reichlich vorhandenen
Exemplare sich als nicht mehr keimfähig erwiesen haben.
') Eine vielleicht vierte, aber nur steril gesammelte Art gleicht in den
Blattern sehr der ostindischen M. erosa.
') Im Hedwig sehen Herbarium Qetzt im Besitz von Van der Saude
Lacoste) befinden sich fructificirende Exemplare ächter M, quadri/oliata mit
der Angabe »Ex Egypto'' ohne Nennung des Sammlers.
') In Bojer's Hortus Mauritianns (1837) 426 wird aufser M, vulgari9
Bory, einer Mischart aus M. diffusa, crenuiata und der europäischen i/.
quadri/oliata j auch noch i/. Coromandeliana angeführt. Dies beruht wahr-
scheinlich auf einem Irrthum. In mehreren Herbarien finden sich allerdings
Exemplare achter AI. Coromandeliana mit dem Beisatz „Mauritius. Perrottet*',
aber gemischt unter denselben fand ich ein kleines Eriocaulonf welches nach
K5micke zu E. sexangulare gehört, einer Art, die in Ostindien häufig ist,
auf Mauritius dagegen fehlt. Perrottet hat bekanntlich auch bei Pondichery
gesammelt.
658 Gesammtsitzung
Aas Earopa and Asien sind 12 Arten von Marsiliaceen be-
kannt, von denen 5 mit Afrika gemeinsam. Earopa and Aaen
nordwärts vom 30. Breitegrad besitzen 6 Arten {Pil. glohulifera und
mtnu/a, Mars, quadrifoliaia^ pubescens, Btrigosa and Aegyptiacd)^ die
südlicberen Theile Asiens 6 andere and zwar Vorderindien 5 {M,
erosay brachycarpay brachypuSy gr<icilenia^ Corwnandeliana)'^ Ton de-
nen 2 aach in Hinterindien gefunden warden (2f. hrachycarpa und
erom). Aus Ceylon ist nar eine auch aaf dem Festlande verbrei-
tete Art (if. 0roBa) bekannt, ebenso aas Java (If. erosa var.)»
aas Borneo dagegen eine von anderwärts nicht bekannte (if.
quadrata), von den Philippinen die in Afrika verbreitetere M. cre-
nulata» Alle nicht genannten Theile des wärmeren Asiens, wie
namentlich Samatra, Celebes, Nea-Gainea, das südliche China
sind in Beziehang auf diese Familie anerforscht
Aas Amerika sind 17 Arten der Familie bekannt, wobei einige
sehr schwache Arten mitgezählt sind, durch deren Einziehung sieb
die Zahl auf 12 vermindern würde. Mit Ausnahme zweier Arten
(if. guadrifoliata und polycarpd) sind alle Amerika eigenthümlich.
In den vereinigten Staaten von Nordamerika finden sich eine
Pilularia (P. Amerieana) und 6 Arten Marsiltay nämlich anfser M.
quadrifoliatay welche in Nordamerika einen einzigen Standort (Con-
necticut, zwischen A\ und 42° n. Br.) hat, 5 unter sich kaum ver>
schiedene Nordamerika eigenthümliche Arten (^M, uncinatay brecipes,
mucronata^ vestitOy tenujfolia), von denen eine (Af. mucronatä) in
Minesota bis zum 47° n. Br. sich erstreckt. In Mexico kommen
dazu noch 2 (vielleicht 3?) weitere Arten (if. Mexicana^ pieta und
polycarpa var., beide letzteren vielleicht einerlei). Nordamerika
im Ganzen besitzt somit 9 Marsiliaceen, von denen nur 2 in Süd-
amerika wiederkehren.
Das Festland von Südamerika hat bis jetzt nur 7 Arten aaf-
zuweisen, 2 Pilularien (P. Mendoni in Bolivia, P. Amerieana in
Chili) und 5 Marsilien, von denen 3 dem Isthmus, Venezuela und
Neugranada (if. Emestiy subangulata, deflexa)^ 1 Ecuador (if. an-
cylopoda)y 2 Guyana und Brasilien (if. deflexa und polycarpa) an-
geboren. Aus Peru, Bolivia, sowie allen sudlich vom 14.^ s. Br.
gelegenen Theilen Südamerikas (eine zweifelhaft zu if. polycarpa
gehörige Form von Buenot Ayres ausgenommen) sind bis jeut
keine Marsilien bekannt geworden. Auf den westindischen Inseln
sind nur wenige Arten gesammelt, doch scheint eine eigenthüni-
vom iL Augmt 1870, 659
liehe darunter zu fieiu (if. Berteroi von Dominica) ; M. polycarpa ist
auf Gaba, M, subangulata? auf Jamaica gefunden worden.
Australien ist, wenn auch nicht an Zahl der Arten, doch an
Zahl der Individuen ohne Zweifel das gelobte Land der Marsilien,
die namentlich die Niederungen im Inneren Neuhollands, die soge-
nannten Creek's, streckenweise bedecken, wo die Eingeborenen die
harten, aber mit stärkehaltigen Sporen gefüllten Früchte, die unter
dem Namen Nardu^) oder Addo^) bekannt sind, einsammeln, um
Brod daraus zu bereiten. Je nach der Anffassungsweise bestimmt
sich die Zahl der bekannten Arten sehr verschieden; man kann
entweder nur 6 Arten zählen, 1 Pilularia (P. Novae Hollandiae)
und 5 ifar«t7ta- Arten (if. Brownii^ hireuta^ exarcUOy angustifolia,
Drummondii) oder auch 15, wenn man die Formenreihe der M,
Drummondii (ealvatria) in Arten auflöst, deren sich nicht weniger
als 10 unterscheiden lassen. Von Van Diemens Land und Neu-
seeland sind keine Marsilien, wohl aber von beiden Pilularia No-
vae Hollandiae bekannt Alle australischen Marsiliaceen sind die-
sem Welttheil eigenthümlich.
Von den Inseln des stillen Oceans ist nur wenig anzuführen.
Auf den Sand wichsin sein wurden 2 Arten gesammelt, von denen
die eine, M, villo/a, durch ihre Yerwandschaft mit M. vestiia nach
dem im Osten liegenden Festlande des wärmeren Nordamerikas
deutet, die andere (3f. crenulata) nach den Philippinen und Lu
Tschu-Inseln in Westen, wo dieselbe Art vorkommt In Neucale-
donien findet sich eine Art (3f. mutica)^ die mit keiner anderen
bekannten, namentlich mit keiner der australischen Arten eine nä-
here Verwandschaft zeigt; vielleicht gehört dazu auch die nur ste-
ril bekannte Art der Viti-Inseln, Die auf Tahiti, in der Mitte zwi-
schen Australien und Südamerika, gefundene Mareilia ist völlig
identisch mit der südamerikanischen M. polycarpa. Mehr ist aus
diesem weiten Inselgebiete nicht bekannt. Unter den vier genann-
ten sind 2 für Polynesien eigenthümlich.
*) Exploring Expedition from Victoria to the Gulf of Carpentaria un-
der the command of Mr. Robert Ottara Barke (Joum. of the roy. geogr.
Soc. Vol. XXXII (1862) p. 430).
*) Mc. Kinlay's Journal of Exploring in the interior of Australia.
Oct. 1861 — Aug. 1862. p. 41.
660 Oesammi$itzung
Zur Forderung der Kenntnifs der Marsiliaceen, der sicheres
Unterscheidung der Arten nicht nur, sondern auch der Kenntnils
ihrer Entwickelungs- und Wachthumsgeschichte und ihres anatomi-
schen Baus, hat die Cultur einer ansehnlichen Zahl derselben ve-
sendich beigetragen. Vor dem Jahre 1863 wurden ausser den i
europäischen keine weiteren Arten der Gattungen Pilularia nod
Marailia in botanischen Gärten cultivirt; in dem genannten Jiil^
gelang es zum ersten Male 2 australische Arten (M, Drummondu
var. Orientalis und M» salvairix) aus Sporen £ur vollen Entwicklung
zu bringen und für die Gärten zu gewinnen. ' ) Seither ist dass^iW
mit mehreren anderen Arten gelungen, so dafs ich jetzt ein Ve^
zeichnifs von 15 Arten geben kann, welche im hiesigen botanischen
und Universitätsgarten gezogen werden.
1. Pilularia glohulifera L., seit langer Zeit im Garten. Die
Keimmung ist von älteren und neueren Beobachtern verfolgt wor-
den, von Bernh. v. Jussieu 1739, Bischoff 1828, Jac. Agardh 1833,
neuerlich von Hanstein 1866.')
2. P. minuta Durieu. Wurde im Jahre 1847 im Fretbarger
bot. Garten aus Sporen von Exemplaren, welche Durieu 18-14 bfi
Gran gesammelt hatte, erzogen und seit jener Zeit in den botao.
Gärten verbreitet.
3. P. Americana A. Br. Einige Sporen aus einer der Un-
tersuchung geopferten Frucht eines von R. A. Philippi int Man
1869 bei Valdivia gesammelten Exemplares keimten im Febniar
d. J. und wuchsen zu ausgedehnten dichten Rasen heran, die je-
doch im verflossenen Sommer, vielleicht wegen zu üppiger vegetativer
Entwicklung, keine Früchte getragen haben.
4. Marsilia quadrifoliata L., die, aus den Rheingegenden Baden*«
bezogen, seit Jahren im Garten angebaut wird, hat in den letxteo
Jahren, ungeachtet verschiedenartiger Behandlung, keine Frnrbt
getragen. Aus Sporen ist sie bis jetzt nicht erzogen worden. Da^
Aufspringen der Frucht, die Entwicklung des Gallertstrangs, <1^^
Hervortreten des Sori und die Anfänge der Keimung bis zur Bil-
dung des Vorkeims wurden von mir schon im J. 1835 in Ctrb-
1) Vergl. Monatsb. d. Ak. d. Wiss. 1863 S. 414 und 1864 S. 576.
«) Vergl. J. Agardh, de Pilularia, Lundae 1833; Hanstein, Pihlarn<
giobali/erae gencratio cum Marsilia comparata, Bonnae 18C6.
vom iL August 1870. 661
ruhe beobachtet, aber die weitere' Eetwicklnng unterblieb; aach alle
spfiteren Aussaatversache waren ohne Erfolg, so dafs gerade von
dieser bekanntesten Art die Beschaffenheit der Keimpflanzen noch
unbekannt istJ)
5. M, pubescens Tenore wurde zuerst aus im Jahre 1842 bei
Roquehaute unweit Agde von Dr. Wunderly gesammelten Fruchten
im Freiburger bot. Garten 1847 erzogen. Aus Früchten von der-
selben Zeit, so wie aus noch älteren von Esprit Fahre, dem Ent-
decker des Vorkommens dieser Pflanze in Frankreich, im Jahre
1838 gesammelten, wurde sie hier in den Jahren 1865 — 66 culti*
virt und ein in diesem Jahre gemachter Versuch zeigte, dafs die
Früchte von 1838 auch jetzt noch vollkommen keimfähige Sporen
enthalten.')
6. M. Aegyptiaca W. sendete Dr. Th. Bilharz im J. 1855
lebend von Cairo. Sie gedeiht alljährlich während des Sommers
sehr gut im freien trockenen Land und im Wasser, erfriert jedoch
regelmäfsig im Winter, so dafs sie im Haus überwintert werden
mufs. Leider waren alle Versuche, sie zum Fruchttragen zu brin-
gen, vergeblich.
7. M. Coromandeliana W. wurde in diesem Jahre aus Fruch-
ten von Dr. Thomson bei Madras im J. 1845 gesammelter Exem-
plare erzogen und entwickelte sich mit aufserordentlicher Schuellig-
^) Das Mifi$liDgen so vieler Aussaatversnche erklärt sich zam Theil aus
dem Umstände, dafs die Einsammlnng der für Herbarien bestimmten Exem-
plare meist vor der Zeit der völligen Reife der Fruchte geschieht. Zar Er-
Jangnng dieser Reife gehOrt hinreichende Wärme und trockene Witterung;
ein kühles und regnerisches Spätjahr verhindert dieselbe. Die exotischen
Marsilien tragen daher in unseren Garten zwar reichliche und anscheinend
wohl ansgebildete Fruchte, aber selten keimfähige Sporen. Es gilt dies na-
mentlich von den neuholländischen Arten, von denen wir in Berlin noch
keine eigentlich reifen Früchte erhalten haben, während in Süddeutschland
(Carlsruhe) solche erzogen wurden. Af. quculrifoliata wächst an Stellen,
^reiche bei eintretender feuchterer Witterung im Spätsommer wieder unter
Wasser gesetzt werden, wodurch die unreifen Früchte am Reifen gehindert
%rerden, die reifen dagegen aufspringen und sich entleeren. Der rechte Au-
genblick zum Einsammein wird daher leicht verfehlt.
') Zwei Früchte, welche zusammen 164 Macrosporen entleerten, liefer-
ten 160 Keimpflänzchen 1
662 GesammUiizung
keit Die Aussaat geschah am 9. Mai ; mehrere über 1 Fois bn-it"
flache Schüsseln wurden in kurzer Zeit von einem einzigen Kod-
pflänzchen überwuchert, und zu Ende Juli hatten unzählige Früchte
bereits ihre Yollwüchsigkeit, wenn auch nicht die volle Reife, er-
reicht. Ich schätze die Zahl der Früchte, welche von der au
einer einzigen Spore erzogenen Pflanze getragen wurden, auf min-
destens 50001
8. M. diffusa Lepr. in den Jahren 1865 und 66 aus Frürli-
ten der Exemplare erzogen, welche Perville 1841 in Madagiscar
gesammelt hat. Sie gedeiht im freien Lande vortrefflich und madit
ihrem Namen Ehre, denn keine Art breitet sich so rasch und ge-
waltig aus, wie diese; ein in diesem Jahre ausgesetztes Pflaiizcb<:B
überzog im Laufe des Sommers ein Gartenbeet von 6' Länge imd
3' Breite. Sie mufs im Hause überwintert werden.
9. M, crenulata Desv. aus Früchten von Dr. Ajres L J. 1S60
auf Mauritius gesammelter Exemplare in den Jahren 1865 und 66
erzogen, der vorigen ähnlich, aber nicht so weit kriechend, aoch
bei der Gultnr im Wasser sich anders verhaltend. Diese und die
vorige Art haben 1867 im Garten Fruchte mit keimfähigen Sporeo
getragen.
10. M, EmesH A. Br. Im Mai d. J. von Ad. Ernst, dem
Entdecker dieser Art, bei Caracas gesammelte Früchte wurden am
13. Juni angesäet; die Entwicklung ging rasch von Statten, m
dafs die erzogenen Pflanzen bis zum Ende des Sommers die charak-
teristischen unterirdischen Früchte anscheinend völlig reiften.
11. M, Drummondii A. Br. (var, orientalis) und
12. M, salvatrix Haust, wenigstens als Abarten wohl unter-
scheidbar, werden seit 1863 im Garten gezogen aus Frficbteo.
welche Hr. Osborne aus Australien brachte, von denen die d^
erstgenannten Art wahrscheinlich am Darling River gesammelt
wurden, die letzteren im Goopers Greek, einer durch den unglück-
lichen Ausgang von Burke's Expedition (1861) berühmten Locali-
tät. Sie gedeihen vortrefflich im freien Land, ertragen jedoch an-
sern Winter nicht. Selbst in Bordeaux ist M. Drummondii in dem
allerdings ungewöhnlich kalten Winter von 1869 auf 70 erfroreo.
13. M, elata A. Br., den beiden vorigen sehr nahe stcbeodi
seit 1864 wiederholt und zuletzt in diesem Jahre aus einem Vur*
rath von Früchten erzogen, die von M^ Einlays Expedition (1^^^
t)otn iL August 1870. 663
— 62) herrühren.*) Wir erhielten dieselben von Dr. F. v. Müller
mit der allgemeinen Angabe ^Northern Australia^; ich vermuthe
aber, dafs sie vom Lake Blanche (nordlich vom Coopers Creek
unter dem 27° s. Br.) sind, wo M^ Einlay am 10. Januar 1862
lagerte und In seinem Journal des Addo (Burke's Nardu) erwähnt,
das nebst Fischen die Hauptnahrung der Eingeborenen bilde. Sie
verhfilt sich in der Cultnr wie die vorigen Arten ^ gelangt wie
diese im ersten Jahre nur zu spärlicher, die Reife nicht erreichen-
der Fruchtbildung, während sie im zweiten Jahre reichlich Frucht
trägt. Ich will noch bemerken, dafs wild gesammelte Exemplare
dieser durch ungewöhnlich langgestielte und aufrechte Sporocarpien
ausgezeichneten Form weder im Hooker'schen, für australische
Marsilien besonders wichtigen Herbarium, noch in der von Dr.
F. V. Muller mitgetheilten reichhaltigen Sammlung der australischen
Formen vorhanden sind; sie ist lediglich durch die Zucht im Gar-
ten bekannt.
14. M, macra A. Br. schliefst sich gleichfalls, doch minder
innig, den vorigen an. Sie wurde 1866 aus von Dr. F. v. Müller
mitgetheilten australischen Früchten erzogen, über deren genaueren
Fundort ich jedoch etwas im Zweifel bin, da dieselben bei brief-
licher Übersendung die Aufschrift „Darling Downs^ trugen, wäh-
rend sie in der Mullerschen Sammlung fraglich zu M, salvcUrix ge-
hörigen sterilen Exemplaren aus der Nähe des Coopers Creek
(between Stockes Range and Coopers Creek. Dr. Wheeles) beige-
fugt waren. Im freien Lande gezogen erfriert sie im Winter, aber
in einem Teich des botanischen Gartens hat sie den kalten Win-
ter 1869 — 70, in welchem die Kälte an mehreren Tagen — 19° R.
erreichte, überstanden, wiewohl der Fundort in Australien dem
Äquator um mehr als 20 Breitengrade näher liegt als Berlin.
15. M, hirsuta R. Br. Die am Brisbane (Queensland) ge^
sammelten, von Durieu mitgetheilten Früchte wurden erst vor Kur-
zem ausgesäet; von den Eigenthümlichkeiten der Keimpflanzen
wird im Nachfolgenden die Rede sein.
*) Früchte dieser Art können von Hm. Knnstgärtner Wilhelm! (als
„Jkfarg. htrsnta") bezogen werden; sie werden ihre Keimkraft voraassichtlich
noch für Jahrzehnte erhalten.
C64 Gesammtsitzung
Als bemerkenswerthes ErgebnUs dieser Cultnren ist zuoäcb^
die lange Dauer der Keimf&bigkeit der Marsilitt-Sporen anznfubrea
M, crenülata hat sich nach 6, M, elata nach 8, M, diffusa und
Coromandeliana nach 25, M. pvhescens nach 32 Jahren vollkommen
keimfähig gezeigt. Wenn es dagegen nicht gelangen ist, di«
Früchte irgend einer der senegambischen Marsilien , die über 40
Jahre in den Herbarien liegen, zur Keimung zu bringen, so ma^;
dies wohl zum Theil in der unvollkommnen Reife derselben, tm
Theil vielleicht auch in der Art der Trocknung der Exemplare
Beinen Grund haben.
Es hat sich ferner durch die Anzucht aus Sporen heraa$gf-
stellt, dafs die Marsilien eine regelmfifsige Folge von 4 Blattfor-
niationen^) oder besser von 4 verschiedenen Abstufungen grüner
(laubartiger) Blfitter besitzen, nämlich 1) ein Keimblatt (f'), 2) uo-
tergetauchte Primordialblätter (P) in ungefähr bestimmter Zahl
4) Blätter mit auf der Oberfläche des Wassers «ich ausbreitender
Spreite, Schwimmblätter («S^) in unbestimmter Zahl, 4) aufserhalb
des Wassers sich entwickelnde Land- oder Lnftblätter (Zr), welche
in der Regel die allein fructificationsfahigen sind. Von der höchstfi
(4ten) Stufe sinkt die Blattbildung unter Umständen zur dritten.
ja sogar zur zweiten herab, um sich von Neuem zu erheben. Ver-
schiedene Arten zeigen bei einem im Allgemeinen übereinstimmen-
den Entwicklungsgang bemerkenswerthe Verschiedenheiten, welcbe
bei ausgedehnterer Erforschung selbst far die naturliche Orappi*
rung der Arten von Bedeutung zu werden versprechen.
Das Keimblatt, das erste, welches die kegelartig sich er
hebende Spitze des Vorkeims durchbricht, ist stets einfach ujni
von einem ungetheilten Gefäfsbündel durchzogen. Es läuft sVeVf
in eine pfriemenförmtge stielrunde Spitze aus, die nicht selten et-
was gedreht ist.') «Bei manchen ^ar«i7ia- Arten ist das Keimbbs-
>) Hanstein I. c. S. 49 u. f. nnterscheidet 3 Arten von Blättern, ^
Keimblatt, die Jugendblätter (= Primordialblätter), die normalen Blät:.^
(Schwimmblätter nnd Landblätter). Die Bezeichnung „Jngendblätter* mbci:
ich den ersten Schwimmblättern junger Pflanzen, die noch nicht alle Meri
male der späteren besitzen, vorbehalten.
') Vergl. Hanstein 1. c. t. 14, f. 14 (von Mars, elata); Bischoff crr^.
Gew. II. t. 8, f. 9 (von PUularia globuli/era). Die Richtung der Drchci
fand ich bei Mars» puhescena bald rechts, bald links.
vom 11. AnguRt 1870. 665
ebenso wie das von Pilularia„ durchaus stielrundlich (M. pubescens
und Drummondii nebst den Verwandten), bei anderen Arten breitet
es sich über der Basis zu einer schmallanzetformigen Fläche aus
und geht erst über dieser in eine schwanzartige stielrunde Spitze
aus {M. Coramandeliana^ Emesti, und mit besonders breiter Fläche
31. diffusa und crenulatä). Hanstein hat an dem Keimblatt der von
ihm untersuchten australischen Arten einige (oft nicht vollständig
entwickelte) Spaltöffnungen beobachtet/) ich habe solche auch
bei M. pubescens gesehen.
Die auf das Keimblatt folgenden Primordialblätter cha-
rakterisiren sich durch das Auftreten einer Spreite am oberen
£nde des Blattes, welche von Blatt zu Blatt an Breite zunimmt
und sich bei den letzten Primordialblättern häufig in 2 oder 4, selten
in 3 Lappen oder Segmente theilt, wobei jedoch die Theile auf-
recht erscheinen, der Gliederung am Grunde entbehren und keine
periodische Bewegung besitzen. Im Jugendzustand sind eie mit
der Spitze mehr oder weniger einwärts gekrümmt und löffelformig
gewölbt Die Nervatur beginnt schon mit dem ersten Primordial-
blatt ihre dichotomc Theilung, welche von Blatt zu Blatt weiter
fortschreitet, doch fehlen in der Regel die bei den spätem Blättern
auftretenden Anastomosen, die Verbindung der Nerven am Rande
der Spreite ausgenommen. Der Blattstiel ist im Vergleich zu dem
der folgenden Blätter kurz und dick und die Spreite bleibt unter
gewöhnlichen Verhältnissen in der Tiefe des Wassers, besitzt jedoch
auf der Oberfläche Spaltöffnungen, deren Schliefszellen oft fest anein-
ander liegen. Die Zahl der Primordialblätter ist nicht nur nach
den Arten verschieden, sondern auch bei derselben Art veränder-
lich. Die geringste Zahl, nämlich 2, fand ich bei M. Coromande-
liana, 4 — 6 bei M. pubescens, 4 — 7 bei M. diffusa und crenulatä,
4 — 8 bei M. Emesti, 6 — 8 bei M. hirsuta, 6 — 10 bei M. Drum-
mondii, salvatrix, macra und elata. Bei derselben Art können entweder
alle Primordialblätter einfach oder die letzten getheilt sein. Zur
Yeranschaulichung der Verschiedenheiten, welche bei einer und der-
selben Art eintreten können, mag folgende Darstellung einer Reibe
bei M. diffusa und crenulatä vorkommender und gröfstentheils
mehrfach beobachteter, zum kleineren Theil zur Ergänzung der
Reihe eingefugter Fälle dienen^ wobei die Buchstaben K. P. S die
1) Hanstein I. c. t. 14, f. 13, 14.
€M
P'.P'. P»
rdtfaeilig'
beanchon.
P\
P».
5,
1. 5.
\.
6.
1.
7.
4
3
3
5
4
4
3
3
3
6
5
5
4
4
4
6
6
5
5
5
0
1
0
0
1
0
1
2
0
0
1
0
1
2
0
1
0
1
2
0
0
o
1
0
0
1
1
0
2
0
0
1
1
0
2
0
1
1
0
2
3C
3C
-C
Bei den mit if. Drummondii verwandten australischen Arres
ist meist die Hälfte, ja selbst mehr als die Hälfte der Primordi^-
blätter getheilt, so dafs deren 5 — 6, theils zweitheilige, theils vier-
theilige auftreten.')
>) Bei Hanstein 1. c. t 14, f. 15 ist eine Keimpflanze mit Kl. F^
P*2, P*4, also mit 6 getheilten Primordialblattem, daigestelU.
vom iL August i870. 667
Die Gestalt der Primordialblfitter zeigt gleichfalls mit dem
Artcharakter susammeDhfingendeYerschiedeDheiten, die sich haapt-
s&chlich in der Breite aassprechen, welche die Lamina (oder die
Segmente derselben) zumal bei den letzten Primordialblfittern er*
reicht. Das eine Extrem in dieser Beziehang zeigt M. pubescens^
bei welcher bald nur das erste^ bald die beiden ersten noch sehr
dem Keimblatt gleichen, nur durch die stumpfere Spitze und die
Theilung des Nerven abweichend, w&hrend die folgenden schon
eine deutlichere schmal lanzetförmige stumpfe Spreite, die letzten
eine zweitheilige Spreite mit linienformigen Segmenten besitzen.')
Breiter lanzetförmig (wie bei allen Arten nach der Blattfolge an
Breite zunehmend), dabei spitz oder selbst zugespitzt sind die Pri-
mordialblfitter bei M. Drummondii, elata^ macra etc.; noch breiter,
Ifinglich oder verkehrt eiförmig, abgerundet, aber mit einem kleinen
vorragenden Spitzchen in der Mitte des Stirnrandes, sind sie bei
M. hirsuta; breit spatelformig mit abgerundeter, oder selbst ausgeran-
deter Spitze, erscheinen sie bei AI, Emestii in fihnlicher Weise, aber
besonders die letzten noch breiter, fast kreisförmig, und überdies
durch Grofse ausgezeichnet (die Spreite zuweilen bis 14 Mm. lang
und ebenso breit) bei M, diffusa und crenulctta.
Bei der Mehrzahl der Arten stehen die Primordialblfitter sehr
dicht beisammen, zwei gedrungene Reihen bildend, indem die Deh-
nung der Internodien und das damit verbundene horizontale Krie-
chen des Stengels erst in der Region der Schwimmblfitter und
zwar nach dem ersten oder zweiten Schwimmblatte bei M. Coro-
mandeliana^ elata^ nach dem zweiten, dritten oder selbst vierten
bei M. Emestiy diffusa und crenulata eintritt. Eine Ausnahme in
dieser Beziehung ist bis jetzt nur bei einer Art gefunden, nfimlich
bei der australischen M. hirsuta. Bei dieser tritt nfimlich die
Streckung der Internodien schon innerhalb der Primordialregion
ein und zwar gewöhnlich nach dem vierten Primordialblatt, so dafs
die 3 bis 4 letzten Primordialblfitter von den vorausgehenden und
unter sich durch gedehnte Internodien entfernt werden, von denen
die letzten bis 20 Mm. Lfinge erreichen. Dasselbe wiederholt sich
>) Niemals sah ich die ersten Primordialblätter so breit, wie sie Fahre
<Ann. d. sc. nat. IX. 1838. PJ. 13) abbUdet
[1870] 46
6C8 GesammtsUzung
an den in dieser Region entspringenden Zweigen, welche mit meL«
reren Primordialblfittern beginnen, von denen schon das erste dnitb
ein deutliches Intemodiaro yom Hauptstengel entfernt vri^d- Di«
Keimpflanzen erb alten hierdurch ein ganz fremdartiges Ansehm
und unterscheiden sich durch dieses Verhalten (sowie auch dore^
die Breite der Keimblätter) böchst auflfallend von denen der Ar*
len ans der Gruppe der M. Drummondii.
Primordialblätter treten nicht blofs an der Hauptachse, soo^
dern auch an den Zweigen der Keimpflanzen auf, wie soeben vosi
M, hirsuta erwähnt wurde. In oder eigentlich unterhalb der |
Achseln der letzten Primordialblätter (bei M, Coromandeliana scboa ,
in der Achsel des zweiten) treten bereits Zweige auf, die in ibrtr ^
Entwicklung der Hauptachse unverzüglich nachfolgen. Diese, so-
wie auch öfters noch die Zweige in den Achseln der ersten
Schwimmblätter, beginnen mit 1 bis 3 Primordialblättem , oho«
Dehnung der tragenden Internodien (M. hirsuta ausgenommen) und
meist mit viertheiliger Spreite. Nur bei M. hirsuta sab ich Prim*
ordialblätter der Zweige mit einfacher Spreite, zuweilen selbst mit-
ten zwischen solchen mit getheilter Spreite auftretend.
Endlich treten Primordialblätter an den unter Wasser sieb
entwickelnden Verjungungsknospen uberwinterter Stöcke auf, so
namentlich bei M, pttbescens, Aegyptiaca, diffu6€u Man findet der%:n
3 — 4, kurz gestielt mit kleiner unter Wasser bleibender Spreite,
welche bei dem ersten und oft auch zweiten meist zweitheilig, In-i
den folgenden viertheiiig ist. Bei if. Aegyptiaca sah ich auch eic
einfaches Primordialblatt am Zweiganfang. Solche nach der Win-
terruhe zuerst hervortretende Sprofse gleichen in ihrer Beblätte-
rung auffallend den Keimpflanzen.
Den Primordialblättem folgen, meist mit Sprung weiaem Über-
gang, die Schwimmblätter, vor den kurzstieligen Primordial-
blättem ausgezeichnet durch lange dünne Stiele und in der Jugeini
eingerollte Spitzen mit flach aneinander gedruckten Blättchen der
Spreite, welche sich auf dem Wasserspiegel schwimmend ausbrei-
ten. Bei niedrigem Wasserstand wachsen sie anfangs 2 — 3 Zoll
hoch über dos Wasser empor, aber bald sinken die schwanken
Stiele, indem sie sich bogenartig rückwärts krummen, nieder, so
dafs die sich entfaltende Spreite den Wasserspiegel gewinnt Bei
dem ersten ist die Spreite zuweilen nur aus 2, bei den folgenden
vom iL August 1870. 669
in der gewohnlichen Weise ans 4 Fiederblfittchen*) gebildet. Die
ersten Scbwimmblätter sind verhältnifsmäfsig klein, die spätem er-
reichen; wenn die Pflanze in tieferem Wasser verbleibt, bei man-
chen Arten eine bedeutende GrÖfse, welche die der Landblfitter
weit übertrifft. Die bedeutendsten Dimensionen zeigte eine sterile,
wahrscheinlich der M, Brownii angehörige Pflanze von Richraond
in Neusud- Wales, bei welcher die Fiederblättchen in der Länge 35,
in der Breite 40 Mm. mafsen, der Durchmesser des ganzen Spreite
somit 7 Gm. betrug. Die Blättchen einer von Spruce am Amazo-
nenstrom nur in der sterilen Wasserform gesammelten Art, der
ich den provisorischen Namen M, Stratiotes gegeben habe, sind
40 Mm. lang, 30 — 32 Mm. breit. Bei M, macrocarpa erreichen die
Blättchen der Scbwimmblätter 35 Mm. Länge und 32 Mm. Breite.
Von M. Aegyptiaca^ welche sich im fruchttragenden Zustand durch
die Kleinheit der Blätter auszeichnet, fand ich Schwimmblätter, deren
Fiedern 30 — 32 Mm. lang, 32 — 35 breit waren, doch ist dies ein Maxi-
mum, das selten erreicht wird. Von M. polyearpa sah ich Schwimm-
blätter mit Fiedern von 30 Mm. Länge und gleicher Breite, aber auch
fructificirende Landblätter von ähnlichen Dimensionen. M. tnutica
zeigte an den gröfsten Schwimmblättern 28 Mm. Länge und 30 Mm.
Breite. Bei der deutschen M. quadri/oliata übersteigt die Länge
selten 20 Mm., bei 20 — 22 Breite, aber aus Italien sah ich Blätter
mit Fiedem von 30 Mm. Länge und gleicher Breite. Gnltivirte
M. diffusa (aus Madagascar) zeigte dieselben Dimensionen der
Schwimmblätter, wie die deutsche M. quadrtfoliata; ebenso die
Wasserform der Javanischen Abart von M, erosa. An franzosi-
ficben Wasserexemplaren von M. pubescens sind die Fiedern der
Schwimmblätter 10 — 15 Mm. lang und breit; ebenso zeigten die
Scbwimmblätter junger Pflanzen cultivirter M, Coromandeliana 10
— 15 Mm. Länge und eine nur um ein Weniges geringere Breite
der Fiedern. Die kleinsten Schwimmblätter zeigen von Drege
gesammelte Wasserexemplare der M, Capensis, indem die Länge
und Breite der Fiedern derselben nur 7 Mm. beträgt.
') Auf die Frage, ob die 4 Blattchen des Marsilien-BIatts als 2 Paare
fiber einander stehender Fiedem oder als 2 selbst wieder zweitheilige Ab-
schnitte eines doppelt zweitheiligen Blattes za betrachten seien, komme ich
«P»ter zurOck.
46^
670 OesamffUsitzung
Wm die Oeetah der Schwimmblätter betrifft, so Bind die BUtt-
eben derselben in der Regel verhfiltnifsmfifsig breiter als die der
spfiteren Landblfttter und ganzrandig, während die Landblätter am
Stimrande verschiedenartig ausgerandet, gebuchtet, gekerbt oder
gelappt sein können. Der Unterschied beider ist in diesem Falle oh
sehr auffallend, z. B. bei M, Aegyptiaca, Capen$i8, macrocarpa^ eroia.
Die australischen Marsilien aus der Gruppe der M, salvatris ma-
chen insofern eine Ausnahme, als ihre Schwimmblätter stets ge-
kerbt (am Stimrand mit 3 bis 7 Einbuchtungen versehen) sind,
während die Landblätter mehrerer derselben (if. Drummondü tar,
ortentalis, macra und elata normalis) ganzrandig sind. Auch über-
treffen die Schwimmblätter dieser Arten an Grofse die Blätter kräf-
tiger Landexemplare nicht oder kaum.
Die Schwimmblätter waren schon den alten Botanikern be^
kannt und es beruht darauf die unpassende Zusammenstellung der
M. quadr\fol%ata mit den Wasserlinsen und die hiermit zusammen-
hängenden Benennungen. Bei Cameraiius (Epit. 853) heilst sie Xm«
palustris altera, bei Tabemaemontan (890 mit Abbildung) Lemticula
palustris 11, bei C. Bauhin (Pin. 362) Lenticula palustris quadrr-
foliata. Ebenso bei Mappus (Alsat 166 mit Abb.), welcher aus-
drücklich sagt: „pediculi foliorum aquae supernatantium pro ra-
tione altitudinis aquarum elongari saepe vel extendi videntnr.^
Eine ähnliche Bemerkung findet sich bei Bischoff (crjpt Gew. II.
66). Ich selbst habe in meiner Abhandlung vom Jahre 1863 auf
das Vorkommen der Marsilien in 2 Formen, der Land- und Was-
serform, aufmerksam gemacht. Dies mag zur Berichtigung der
gegentheiligen Behauptung im Eingang zu Prof. Hildebrand's Ab-
handlung über die Schwimmblätter der Marsilia (bot. Zeit. 1870. 1)
dienen. Allerdings wurden die Schwimmblätter von den Landblät-
tem nicht scharf unterschieden und es ist Hildebrand's Verdienst
auf die anatomischen Verschiedenheiten beider aufmerksam gemacht
zu haben. Während die Landblätter auf beiden Flächen Laftspal-
ten (Stomata) besitzen und zwar in ungefähr gleicher Anzahl, fin-
den sich bei den Schwimmblättern solche nur auf der oberen, der
Luft zugekehrten Fläche und zwar dichter beisammen stehend, aaf
gleichem Flächenraum doppelt so viel oder mehr als bei den Land-
blättern. Auf der dem Wasser zugekehrten Unterfläche fehlen die
Luftspalten gänzlich. Auch sind die Hautzellen der Oberfläche
beträchtlich kleiner und schwächer gebuchtet. Ich konnte dieses
vom 11. August 1870. 671
* * *
von Hildebrand an M, quadrifoliata und pvhescens^) n&her be-
schriebene, und ebenso für M, elata angegebene Verhalten bei
vielen Arten bestätigen, namentlich bei M. diffusa^ Broumii, Er-
nestiy deflexa, picta^ polycarpa^ macra und Drummondii.
Ein anderer die Luftspalten betreffender Unterschied, auf wel-
chen Hildebrand aufmerksam gemacht hat, nfimlich die oberflfich-
liche^ in gleicher Ebene mit den Hautzellen befindliche Lage
der Schliefszellen derselben bei den Schwimmblfittern, die tiefere
Lage bei den Landblättern, so dafs die Schliefszellen von den an-
grenzenden Oberhautzeilen etwas übergriffen werden, ist dagegen
nicht von allgemeiner Geltung. Übereinstimmend mit M, quadrif.
und pubeseens verhalten sich in dieser Beziehung unter anderen Jf.
diffusa und Emestiy wogegen bei M, Drummondii^ M. macra und
wahrscheinlich auch der übrigen verwandten Arten die Luftspalten
der Schwimmbl&tter ebenso wie die der Landblätter in schmale
Vertiefungen eingesenkt sind, indem die Schliefszellen tiefer liegen
als die umgebenden HautJEellen und von beiden Seiten bis über
die Hälfte von denselben verdeckt sind.
Eine weitere Eigen thü ml ichkeit, welche den meisten Schwimm-
blättern, mit Ausnahme der frühesten junger Pflanzen, zukommt,
sind die Interstitialstreifen auf der Unterseite der Spreite. Sie
finden sich mitten zwischen den Nerven; oft nur einen Theil der
von diesen gebildeten Maschen einnehmend, und sind bald von
dunkelbrauner, bald von hellerer, gelbbrauner Farbe, oft etwas
über die Fläche vorragend. Sie wurden zuerst von Mettenins bei
seiner M> striata (=» M. deflexa\ welche er nach der Streifung der
Blätter benannte, sowie bei M. mutiea beobachtet'); F^e bemerkte
0 Vergl. die Darstellung auf Tat 1. Die Figuren 1 — 6 beziehen sich
auf At, quadrifoiiatay Fig. 7 n. 8 auf Jli. pubeacens. Die Angabe Hildebrand' a,
dafii bei den Wa«8ed>lattem von M. pubem^ns die Epidermiszellen der Ober-
seite mit Höckerchen besetzt seien, wodurch die Oberfläche des Blatts ein
sammetartiges Ansehen erhalte, beruht jedoch auf einer Verwechselung mit
M. elata; bei M, pnbeacens sind die Hautzellen beider Blattfläcfaen ebenso
wie bei Af. quadri/oiitäa völlig eben. Näheres hierfiber bei der Beschrei-
bung der Laadblätter.
') Prodr. Fl. Novo-Granatensis in Ann. des sc. nat. 5. S^r., Tom. III,
p. 310.
672 OesamnUsitzung
sie bei einer sterilen Marsilia aus Mexico, der er deshalb den
Namen Äf. picta gab.') Die mikroskopiscbe Untersnchnng zeigt
"wie dies Mettenius dargethan hat, dafs diese Streifen ihren Sitz in
der Haut des Blattes haben. Sie bestehen aus mehreren (der
Zahl nach w^en des Ineinandergreifens der Zellen nur angpfahr
bestimmbaren, meist 3 — 5) Reihen eigenthumlich beschaffener Haut-
Zellen, die sich zunächst durch die mehr oder weniger intensir
goldbraane, selten rothbraune Färbung der Wand vor den farblo-
sen Zellen der Umgebung auszeichnen; zugleich sind sie am ein
Weniges dickwandiger, meist etwas kleiner und gestreckter, schwa-
cher oder oft gar nicht gebuchtet und mit homogenem flufsigem Inhalt
erfallt, während die übrigen Hautzellen der Unterseite meist stark
und zierlich gebuchtet sind und häufig kleine zerstreute Stärkeköm-
chen enthalten. Auch die zunächst diesem Streifen anliegenden
Zellen des inneren Blattparenchyms fand ich mitunter in ähnlicher
Weise modificirt. Mettenius fuhrt bei Beschreibung seiner if. striata
(= deflexä) an, dafs die gefärbten Streifen keine Stomata enthalten,
welche dagegen in der angrenzenden Epidermis vorhanden seien.')
Ich habe bei der brasilianischen M. deflexa^ ebenso wie bei einem
untersuchten Blatte der davon nicht zu trennenden M, striata ans
Venezuela, auf der ganzen Unterfläche keine Stomata gefunden^
wage aber doch nicht die Richtigkeit der Angabe von Mettenius zq
bestreiten, da M, deflexa möglicher Weise 2 Modificationen gestreif-
ter Blätter besitzen könnte, von denen die einen den Landblättem
im Baue näher stunden. Ich werde in der Folge analoge Erschei-
nungen von anderen Arten, namentlich von M. Aegyptiaca anfuhrea.
Die Anwesenheit gefärbter Interstitialstreifen wurde von Met-
tenius für eine specifische Eigenthumlichkeit einiger weniger Arte:
gehalten; meine Untersuchungen haben zu dem Resultate geführt,
dafs sie eine Eigenthumlichkeit der Schwimmblätter, wenn nickt
aller, doch der meisten Arten sind. Von vielen Arten der GattuDv
sind freilich die Wasserformen mit den Schwimmblättem noch ut^
bekannt, doch habe ich mit Interstitialstreifen versehene Schwimc-
blätter von folgenden Arten gesehen: M. quadrifoUatay Srotcnv,
1} Nenyi^me memoire. Catal. des Fougeres da Mexiqne (1857) p. 47.
') .. „stomatibufl sunt destitatae et cellulis epidermidis rectis sabeits-
gatis formantar; epidermis parenchymatis adjacentis contra e cellulis parietiV^«
lateralibas flezuosis formantur et stomatibus crebris obsita est.*
vom iL August 1870. 673
diffusa^ erosa^ pubescens, macrocarpa^ Capensis, rotundatOy Emeiti,
mutica^ subangulata, picta, polycarpa, macra^ Drummanäüj salvattix,
clfftexa und Äegyptiaca. Über die Schwimmblätter der beiden letz-
teren wird sp&ter noch einiges Besondere nachgetragen werden.
Niemals habe ich Landblätter mit Streifen gesehen und mit
einer einzigen Ausnahme fand ich die Exemplare mit gestreiften
Blättern stets unfruchtbar. Diese einzige Ausnahme bietet die selt-
same jftf. deßexüy von welcher ebensowohl die von Gardner in Bra-
silien, als die von Triana bei Maraquita in Venezuela gesammelten
Exemplare (die Originalexemplare von Mettenius M, striata) fructi-
ficirende gestreifte Blätter besitzen, Blätter die auch abgesehen von
der Streifung auf ein Vorkommen im Wasser hinweisen. Der Grund
dieses abweichenden Verhaltens liegt vielleicht in einer eigenthum-
lichen, au sschliefsl icher dem Wasser zugewiesenen Lebensweise
dieser Art, worüber wir am sichersten Aufschlufs erhalten konnten,
wenn es gelänge, dieselbe zu cultiviren. Bei dem äufserst spar-
samen Material, welches in den Sammlungen vorliegt, und der Sel-
tenheit dieser Art ist dazu freilich wenig Aussicht vorhanden.
£s ist endlich von den Schwimmblättern anzuführen, daCs ihnen
die periodische Zusammenlegung der Fiederblätteben (der frQheren
Knospenlage entsprechend), der Schlaf, in w^elchen die Landblätter
des Nachts verfallen, fehlt Einmal ausgebreitet schliefsen sich die
Blättchen nicht wieder zusammen; ausgewachsene Schwimmblätter
logen dagegen, wenn sie aus dem Wasser genommen werden, in
der Art wie es bei Oxalis der Fall ist, die Fiederblättchen rück-
wärts an den Blattstiel an.^)
Aus dem Entwicklungsgang der Marsilien ergiebt sich, dafs
das Auftreten der Schwimmblätter nicht als eine blofs äufseren
Umständen, einer zufälligen Überfluthung und Versenkung unter
Wasser, zuzuschreibende Abweichung von der normalen Ausbildung
>) Hiidebrand (1. c. S. 3) hat beobachtet, dafs die Schwimmblätter,
wenn sie bei schnellem Steigen dos Wasserspiegels unter Wasser kommen,
ihre Theilblättchen nach oben zusammenlegen bis die Spreite durch Wachs-
thum dea Blattstiels die Oberfläche wieder erreicht hat und sich von Neuem
schwimmend ausbreiten kann. Es fehlt mir hierüber an eigener Beobachtung,
ich möchte aber vermuthen, dafs beides, die Zusammenlegung der Theilblätt-
chen and die nachträgliche Verlängerung des Blattstiels nur jugendlichen
Schwimmblättern zukommt.
674 Oe9amnU$itz^g
der Blfitter betrachtet werden kann, daCs vielmehr die Schwimm-
blfttter eine wesentliche Stofe der Metamorphose dieser Pflanzai
darstellen.') Manilia Ist ursprunglich eine Wasserpflanze, Kei-
mung und erste Entwicklung sind nur im Wasser möglich; sie
wird aber im Verlauf ihres Lebens zur Landpflanze and kann
(vielleicht mit Ausnahme von M, deflexa) nur auf dem Lande, in
vielen FftUen, wie bei den Arten, die im Innern Australiena wadi-
sen, sogar nur unter dem Einflufs einer den grofseren Thdl des
Jahres hindurch andauernden Dürre, die Frfichte reifen. Sie verhäJt
sich also wie jene Insekten, die ihre Metamorphose im Wasser begin*
nen und auf dem Lande vollenden. Wenn die Marsilien nach vor-
hergegangener Bildung der Landblätter unter gewissen UmatindcD
von Neuem Schwimmblfitter bilden, so ist dies eine Ruckkehr n
einer niederen Stufe der Metamorphose, welche Ruckkehr regel-
mftfsig überall da eintritt, wo die Localitäten, an welchen sie
wachsen, im Spätherbst oder in der Regenzeit unter Wasser ge-
setzt werden. Es wird dadurch eine VerjSngung und ein Ober-
gang aus einer Vegetationsperiode in die andere bewerkstelligt
Dafs die Verschiedenheiten der Schwimm- und Landbl&tter sich
nicht in blos passiver Weise aus der Einwirkung des umgebendeo
Mediums erklären lassen, sondern auf einer angeborenen Eigen-
schaft, einer den unentbehrlichen äufseren Lebensbedingungen an-
gepafsten specifischen Begabung beruhen,') beweist einerseits der
>) Hildebrsnd (1* e. S. 17) vergleicht Martilia passend mit Sagitiana
und es Ififst sich dieser Vergleich Doch bestimmter aasf&hren, da Sa^iitarii
nach dem Keimblatt gleichfalls 3 Abstafttugen grOner Blatter herrorbrinit
und ebenso bei den YerjftngnDgen dnreh Ausläufer nach den ersten farbloses
Niederbl&ttem diese 3 AbstufaDgen regelmafsig wiederholt, nämlich r ]) u-
tergetaachte linienfBrmige Blätter ohne Scheidung ron Stiel und Spreitr.
2) Schwimmblätter mit mehr oder minder ausgeführter Scheidung beider TbeS^
und länglicher ungetheilter oder unvollkommen pfeilf5rmiger Spreite, 3) Lb£-
blätter von bekannter pfeilf5rmiger Gestalt. Auch ist es bekannt, dafe dkfe
Pflanze unter Umständen auf der ersten oder zweiten Stufe stehen bleibt usc
in der Regel nur zur Blüthen- und Fruchtbildung fortschreitet, wenn sie &t
dritte erreicht hat. (Spenner Flor. Frib. III. 1058; Ascherson Flora der
Prov. Brandenburg 653).
'} Etwas Ahnliches behauptet auch Hildebrand (I. c. S. Sl), wenn «
die Fähigkeit der Marsilien und anderer amphibischer Pflanzen, WaaserbU:-
ter von eigenthfimlichem, dem Medium angepafstem Bau herrorzahringen, al^
vom 11. August 1870. 675
Umstand, dafs die ersten Land- (Lnfi-) Blätter bereits ehe die
Pflanze ins Trockene kommt, also im Wasser, gebildet werden,
wie man an in seichtem Wasser cultivirten Exemplaren beobachten
kann, and dafs bei Versenkung filterer Pflanzen ins Wasser der
Übergang zur Bildung wahrer Schwimmblätter nicht immer mit
gleicher Leichtigkeit, ja bei manchen Arten vielleicht gar nicht her-
vorgerufen werden kann. Einige Erfahrungen hierüber mögen die
Mittheilungen über die Schwimmblätter beschliefsen.
eine angeerbte latente Eigenschaft betrachtet, welche dnrch Veränderung des
Medinms znm Vorschein gebracht werde. Da es sich Jedoch hier, wie ich
xn zeigen gesucht habe, nicht am eine nur aufserordentUcher Weise und nur
nnter ungewöhnlichen Verhältnissen erscheinende Eigenschaft, sondern um
ein in den normalen EntwiclLlungsgang des Lebens gehöriges Ereignifs lian-
delt, so kann ich die Hildebrandsche Darstellung in keinem anderen Sinne
auffassen, als in welchem überhaupt alle specifischen Eigenschaften der Pflanze
angeerbte und so lange latente sind, bis theils die äufseren Bedingungen,
theils die dem Entwicklungsgang des Lebens selbst angehSrigen Voraussetzun-
gen eingetreten sind, welche ihre Verwirklichung möglich machen. Die ver-
suchte Anknfipfung an die Descendenztheorie, insbesondere die Erklärung der
Fähigkeit Schwimmblätter hervorzubringen durch Ableitung von einem ganz
dem Wasser angehörigen Vorfahren, kann ich dagegen durchaus nicht zutref-
fend finden. Da die Schwimmblätter der Marsilieu mit ihrer eigenthümlichen
Organisation keineswegs überflüfsige Gebilde sind, sondern vielmehr wesent-
lich dazu beitragen, dafs diese Pflanzen »den Kampf ums Dasein^ bestehen
können, so ist nicht einzusehen, warum die Fähigkeit ihrer Hervorbringung
nicht als eine mit der Entstehung der Marsilien selbst zusammenfallende Er-
rungenschaft beti achtet werden soll. Die Ableitung von einer Wasserpflanze
scheint mir ganz grundlos. Eher könnte man, wenn man auf dieses gewagte
Feld der Hypothesen eingehen will, in dem Vorkommen der Stomata auf den
stets nnter Wasser befindlichen Primordialblättem einen Hinweis erblicken,
dafs die Vorfahren der Marsilien Landbewohner waren, und in der That kön-
nen wir den sonderbaren Typus dieser Familie, ungeachtet des grofsen Ab-
standes, doch nirgends näher anknöpfen als an die Farne. Es sind keine
vorweltlichen Gewächse bekannt, welche man mit irgend welcher Sicherheit als
nächste Vorläufer der Marsiliaceen betrachten könnte. Die Gattung JeanpauUa^
-welche man dieser Familie zugeschrieben hatte, gehört nach Schenk (Flora der
Grenzschichten des Keupers und Lias S. 39} zu den Famen; das von Hildebrand
angeführte Sphenophyllum der Steinkohlenperiode dagegen gehört unzweifelhaft
in den den Marsiliaceen ganz fremden Verwandschaftskreis der Calamiten und
-vrar wahrscheinlich eine nur mit dem untersten Theile des Stamms im Wasser
stehende Sumpfpflanze (vergl. Schimper, Paleon t v%dt p. $36).
676 ' GesammUitzung
Mars. ÄegypHaca ist im botanischen Qarten wiederholt zu
Anfang des Sommers in einen Teich gesetzt worden; sie yennr
derte in Folge davon ihr Ansehen gänzlich, indem sie üppige
Schofslinge bildete, welche theils auf dem Grunde kriechend, häu-
figer aber frei im Wasser schwimmend, sich wohl 8 — 10 Fufs weit
ins Innere des Teiches erstreckten und an langgedehnten Stengel-
gliedern Blätter mit schwimmender, auf dem Wasserspiegel aasge-
breiteter Lamina und ganzrandigen Blättchen trugen, im Ansehen
denen der Wasserform von M. quadrifoUata täuschend ähnlich, aber
dieselben an Gröfse meist etwas übertreffend. Bei minderer Tiefe
des Wassers ragten die im Übrigen ebenso gestalteten Blätter blei-
bend über den Wasserspiegel hervor und breiteten ihre Lamina in
der Luft aus. An nur mit dem Untertheil des Topfes in Wasser
gestellten Exemplaren sah man viele Schofslinge über den Rand des
Topfes nach dem Wasser herabsteigen, wobei die kleinen Land-
blätter mit schmalen gelappten oder gekerbten Fiedern in ganz all-
mähliger Abstufung gröfser wurden und in die Form der grofsen
Wasserblätter mit breiten ganzrandigen Fiedern übergingen. Die
mikroskopische Untersuchung ergab das unerwartete Resultat, dafs
alle diese Wasserblätter, nicht blos die über den Wasserspiegel
sich erhebenden, sondern auch die vollkommen schwimmenden,
nicht den gewohnlichen Bau der Wasserblätter bcsafsen. Sie wa-
ren alle auf der Rückseite mit Luftspalten versehen, wenn aach in
geringerer Zahl als auf der Oberseite; auch fehlten die sonst so
charakteristischen Interstitialstreifen. Nur einige wenige Blätter
zeigten Spuren solcher Streifung, aber auch diese hatten Luftspal-
ten auf der Unterseite. Es schien demnach für M, Aegyptiac^i
charakteristisch zu sein, Wasserblätter ohne Streifen und mit Luft-
spalten auf der Unterseite zu besitzen, und doch ist es nicht so!
Von Dr. Steudner und von Kotschy bei Cairo gesammelte Wasser-
exemplare, die keiner anderen Art angeboren können, haben die
schönsten Streifen und keine Luftspalten auf der Unterseite! Die
Blätter dieser Exemplare sind kleiner und zarter, die Blattstiele
schwächer als bei der cultivirten Wasserform, was dafür spricht,
dafs diese wilden Exemplare aus Sporen erwachsen, ihre Blät-
ter primäre Wasserblätter sind. Könnten wir M, ÄegypHaca aus
Sporen erziehen, wozu leider die Gelegenheit bis jetzt gefehlt hat,
so würden wir ohne Zweifel zunächst vollkommen charakteristische
Wasserblätter und sodann fructificirende Pflanzen erhalten, was
vom iL August 1870. 677
beides bei der seit 15 Jahren im Garten durch fortgesetzte Sprofs-
bildaag cultivirten Pflanze nicht erreicht werden konnte. Der Ge-
danke liegt nahe, dafs M, Aegyptiaca in ihrem Vaterlande, dem
unteren Nillande, mit seinem schroffen Wechsel einer Zeit grofser
Überschwemmungen und einer Zeit grofser Trockenheit, eine ein-
jährige Pflanze ist, nur einmal Schwimmblätter und nur einmal
fruchttragende Liandblatter zu tragen bestimmt; und dafs sie bei
der durch Cultnr unter ungewöhnlichen Verhältnissen herbeigeführten
Ausdauer in einem Mittelzustande fortlebt, in welchem sie sich we-
der vollkommen verjüngen , noch das eigentliche Ziel ihrer Ent-
wicklung erreichen kann. Beobachtungen im Vaterlande, sowie
weitere und mehrfach modificirte Culturversuche werden diese Frage
künftig entscheiden.
Ein noch abweichenderes Verhalten scheint M. Ooromandeliana
zu haben. Die Pflanze wurde in diesem Jahre aus Sporen erzo-
gen und in der ersten Zeit etwa 2 Zoll tief unter Wasser gehal-
ten. Sie breitete sich mit reifsender Schnelligkeit aus, wie keine
andere Art, und brachte eine grofse Zahl von Blättern, welche
sämmtlich über die Oberfläche des Wassers emporwuchsen und sich
dann, die ersten früher, die folgenden zögernder niederlegten und
schwimmend ausbreiteten. Ganz allmählig war der Übergang von
diesen zu den über Wasser bleibenden, allmählig an Grofse ab-
nehmenden Luftblättern, mit deren reichlicherem Erscheinen die
Pflanze trockener gehalten wurde und in kurzer Zeit reichlich
Frucht brachte. Es wurde versäumt die allerersten Schwimmblätter
der jungen Pflänzchen zu untersuchen, von denen es somit ungewifs
ist, ob sie Luftspalten auf der Unterseite besitzen, aber alle spä-
teren zahlreichen Blätter mit schwimmender Spreite hatten Luft-
spalten auf der Unterfläche, wiewohl in weit geringerer Zahl als
auf der Oberfläche ; sie hatten keine oder nur schwach angedeutete
(gelbliche) Interstitial streifen, wogegen bei manchen (wohl den Über-
gang zu den eigentlichen Landblättern bildenden) sogar schon die
charakteristischen Scleremchymzellen der Landblätter dieser Art
auftraten. Pflanzen mit entwickelten Landblättem, welche im
Laufe des Sommers in ein gröfseres Wasserbehältnifs etwa 6 Zoll
tief versenkt wurden, trieben bald lange, im Wasser fluthende
Sprofse mit Blättern^ deren Fiederblättchen zwar breiter waren als die
der Landblätter und sich schwimmend ausbreiteten, aber in allem
Übrigen, auch in Beziehung auf die Scleremchymzellen, mit den Land-
678 Gesammtsitzung
bl&ttern fibereinstimmten; sie erreichten auch nicht die Grofse der
früheren Schwimmblätter und hatten fiberhaupt für Wasserblitter
ein sehr kümmerliches Ansehen. Ich mochte darnach vermothen,
dafs auch M. Coromandeliana normal einen einjährigen Lebenscjklas
hat und bei der Schnelligkeit ihrer Entwicklung die Stafe Tollkom-
mener Schwimmblätter gar nicht zur Ausbildung bringt.
Ebenso brachte M. erenulata^ im Juni in einen grofseren Was-
serbehälter versenkt, nur schwächliche Wassertriebe mit unvoll-
kommenen d. h. auf der Unterfläche mit spärlichen Luftspalten
besetzten und nur hier und da mit Spuren brauner Interstitialstrei-
fen versehenen, übrigens nicht gekerbten, sondern ganzrandJgen
Schwimmbättern hervor, während die nahe verwandte M. dijfusa
unter denselben Verhältnissen und in derselben Zeit sehr üppige
Wassersprosse mit charakteristischen Schwimmblättem bildete. Eine
Versenkung im Frfihjahr, zu Anfang der Vegetationsperiode, würde
wahrscheinlich ein anderes Resultat gehabt haben, analog dem Ver-
halten von üf. DrummondiL Diese wurde im Jahre 1867 frühzei-
tig in den Teich gesetzt, woselbst sie in einer Tiefe von 2 Fnfs und
mehr weit umherkriechend an gegen 6 Zoll langen Stengelgliedern
durchgehends ächte Schwimmblätter, auf der Unterseite ohne Loft
spalten und mit braungelben Streifen schon gezeichnet, hervor-
brachte, wogegen dieselbe Art in diesem Jahre, gegen Ende Juni
in den Teich gesetzt, zwar auch langgliedrige Sprofse mit sehr
langgestielten Blättern, deren Spreite sich schwimmend auf dem
Wasser ausbreitete, hervorbrachte, aber doch keine vollkommen
charakteristischen Wasserblätter, da sie insgesammt auf der Unter-
seite Luftspalten, wenn auch in geringerer Zahl, hatten, selbst die-
jenigen (wenig zahlreichen), welche einen Anfang von Streifenbil-
dnng zeigten. Ebenso verhielten sich M, salvatrix und M, elata^
von denen die letztgenannte auch keine Spur von Streifen an den
anscheinenden Schwimmblättern zeigte. In ganz anderer Weise
dagegen verhielt sich unter denselben Verhältnissen M. macra^ wel-
che im Juni ins Wasser gebracht sofort zur Bildung ächter Scbwimm-
blätter überging.
Die Luft-, oder, wie ich sie lieber nenne, Landblätter
zeichnen sich vor den Schwimmblättem durch eine gr5fsere Man-
nigfaltigkeit der Form aus, haben daher für die specifische Unter-
scheidung schon etwas mehr Werth als diese; auch die Verhält-
vom il. August 1870. 679
nisse der Bekleidung und der anatomische Bau, namentlich der
Epidermis, bieten in dieser Beziehung Anhaltspunkte.
Die Sprofse, an welchen die Landblfttter auftreten , sind im
AUgemeinen kurzgliedriger als die Wassersprofse, und wenn auch
der Hauptsprofs noch eine stärkere Verlfingerung zeigt, so sind
wenigstens die Seitensprofse in der Regel kurz und gestaucht.
Besonders auffallend tritt dies bei M, pubescena hervor, wo an
einem mehr oder minder verlängerten Hauptsprofs die mit 2 Rei-
hen dichtgedrängter Früchte besetzten Seitensprofse wie sitzende
Kätzchen oder Zapfen anhängen. Bei M, diffusa kriechen die ge-
dehnteren Hanptsprofse und ihre nächsten Verzweigungen weit und
breit umher (vergl. S. 662), aber die letzten Seitensprofse sind
auch hier gedrungen, daher die Blätter und Fruchte an denselben
dicht gehäuft. Zu den Arten, deren Landform einen besonders ge-
drungenen Wuchs hat, gehören M. elata und Drummondii (var. orien-
taUa)^ während M. salvatrix stets etwas länger kriechend ist. Durch
lockereren Wuchs zeichnen sich ferner aus M, polycarpa^ subangu'
lata^ Emesti, sowie M, Coromcmdeliana und trichopoda^ welche
beide, gegen die Sitte der übrigen Arten, häufig bis zum Senkrech-
ten aufsteigende letzte Verzweigungen haben.
Was zunächst die Blattstiele der Luftblätter betrifft, so sind
dieselben in der Regel kürzer, starrer und von festerem Bau ^} als
die biegsamen schwankenden Stiele der Schwimmblätter, geeignet
sich aufrecht zu erhalten und die Spreite frei empor zu tragen.
Selten kommt bei üppiger Vegetation auf feuchtem Grunde eine
bedeutendere Verlängerung der Blattstiele der Landblätter vor, wo-
bei dieselben entweder steif und gerade sind {M. villosa), oder eine
eigenthümliche an die der windenden Stengel und Ranken erin-
nernde Biegsamkeit zeigen. Letzteres namentlich bei M. Balvatrix^
deren Blattstiele unter günstigen Bedingungen 36 — 40 Centimeter
(13 — 15 Zoll) Länge erreichen und die Neigung haben, sich mit
dem oberen, der Spreite zunächst vorausgehenden Theile um ein-
ander zu schlingen und zu verwickeln.')
^) Vergl. Hildebrand I. c. S. 6. Die anatomischen Unterschiede des
BUttfltiels der Wasser- und Landblätter bedfirfen fibrigens noch einer fiber
zahlreichere Arten ausgedehnten vergleichenden Untersuchung.
') Die M^indung beschreibt kaum mehr als 1 bis 2 Umgänge und
acheint constant rechts sa sein.
680 Oesammtsitzung
Die Spreite der Landblätter ist in der Regel kleiner und rer-
hfiltnifsmfifsig schmfiler als die der ScbMrimmbl&tter, übrigens siod
die Grofsenverbältnifse derselben je nach dem feuchteren oder
trociceneren Standort nnd selbst an demselben Exemplare je
nach der Stellung der Blatter am Hauptsprofs oder den Zweigen
äufserst veränderlich. Der Unterschied in der Gröfse der Blatt-
spreiten, zumal wenn noch Verschiedenheiten der Qestalt nnd Be-
kleidung hinzutreten, bedingt das bei manchen Arten so sehr ver-
schiedene Ansehen der auf dem Land und der im Wasser wach-
senden Exemplare derselben Art Wohl bei keiner Art ist dieser
Unterschied auffallender als bei M. Äegypiiaca^ deren glatte W^as-
serblätter mit ganzrandigen Fiederblättchen, wie oben (S. 669) er-
wähnt, oft eine Länge von 30 — 32 Mm. und eine die Länge noch
etwas übertreffende Breite erlangen und über 100 in den Stimrand
einlaufende Nervenenden zeigen, während die behaarten Landblätter
fructificirender Exemplare einfach oder doppelt ausgerandete (mit
2 — 4 Läppchen am Stirnrand versehene) Blättchen von 5 — 7, an
den letzten Zweigen 3 — 4 Mm. Länge und etwa halber Breite be-
sitzen, in deren Stirnrand nur etwa 10 — 25 Nervenenden eintretsi.
Zu den Arten, die sich durch Kleinheit der Landblätter auszeichnen,
gehören ferner M, brachycarpa, sericea, biloba^ Capensis, BurcheÜii
(Blättchen 2 — 6, selten bis 10 Mm. lang), trichopoda^ Caromande-
liana (Bl. 4 — 10 Mm. lang), muscoides. Die letztgenannte hat un-
ter allen die kleinsten Blätter, deren Blättchen bei den senegambi-
schen Exemplaren nicht fiber 2 — 3, bei denen aus Angola höch-
stens 4 Mm. lang und etwa halb so breit sind. Der Kleinheit der
Blätter entspricht ungefähr die geringe Zahl der letzten in den
Rand eintretenden Nervenzweige, deren ich bei. der Mehrzahl der
oben genannten Arten 12 — 15, bei M, muscoides nur 10 — li
zählte. Die geringste Zahl fand ich bei einigen der kleinsten
Blättchen von M, Coromandeliana^ nämlich 6 — 8. Bei mittelgros-
sen Blättern von M, quadrifoliata kommen dagegen 70 — 75 Ner-
venspitzen auf ein Blättchen. Zu den Arten, deren Landblätter
sich durch ansehnliche Gröfse auszeichnen, gehören M. salvairii,
Dmmmondii, macropus^ macrocarpa und polycarpa. Von der letzt-
genannten sah ich fructificirende Landblätter von besonderer Gröfse.
Ein gemessenes Theilblättchen war 28 Mm. lang, 32 Mm. breit
und zeigte ungefähr 210 den Rand erreichende Nerven.
Was die Gestalt der Landblätter betrifft, so mufs ich zunächst
vom IL August 1870, 681
einige allgemeine (die Schwimmblätter mit begreifende) Bemerkun-
gen Yoraasgehen lassen. Die Blatter der Marsilien sind, wenn wir
von den Primordialblättern absehen, durchgehends viertbeilig, we-
nigstens ist keine Art mit Sicherheit') bekannt, welche sich an-
ders verhielte ; nur als Ausnahme oder Abweichung von der Regel
kommen einzelne zweitheilige Blätter vor (öfters das erste Schwimm-
blatt junger Pflanzen, selten das erste Landblatt eines Zweiges),
noch seltener dreitheilige (mehrmals an der Landform von M, ere^
nulata beobachtet) , etwas häufiger dagegen fünf- bis sechstheilige
(Wasser- und Landblättcr von M. Coromandeliana, Landblätter von
M. macra und" quadri/oliata); nur einmal fand ich ein Blatt mit 8
Theilblättchen (M. elatä). Die in der Nervatur der Blättchen
herrschende Dichotomie, sowie das Vorkommen nur zweitheiliger
Blätter könnte der Yermuthung Raum geben, dafs das ganze Blatt
dem Gesetze der Dichotomie folge, somit eigentlich zweitheilig sei
mit nochmaliger Theilung der Hälften, sich anschliefsend an die
wiederholt zweitheiligen Blätter mancher Farne, namentlich der
Gattungen Schizaea^)^ Bhipidopteris*)^ Hecistopteria^) und der be-
reits erwähnten vorweltlichen Gewächse, welche früher für Mar-
siliaceen gehalten wurden, der Farngattung Jeanpaulia^) und der
Calamariengattung Sphenophyllum^)* Allein die nähere Betrachtung
scheint ein anderes Resultat zu geben; sie zeigt, dafs die 4 Blättchen
zwei übereinander befindliche Paare darstellen, ein unteres, über
1} In Blanco Flora de Filipinas (Manila 1845) wird S. 577 allerdings
unter dem Namen Mars, trifolia eine Art aufgeführt, welche normal 3 Blätt-
chen haben soll, die an Gestalt denen der M. crenulata (M. minuta Blanco)
ähnlich sein sollen. Die Beschreibung dieser Art ist aber so ungenfigend,
dafs sie die Yermuthung nicht ausschliefst, es möge derselben irgend eine
phanerogamische Pflanze zu Grunde liegen. Übrigens ist es bemerkenswerth,
dafs gerade an der einzigen von den Philippinen sicher bekannten Marsilia'
Art (J/. crenuiata) ausnahmsweise Bl&tter mit 3 Blättchen vorkommen.
*) Von Ettingshausen , Flächenskelet der Famkrauter der Jctztwelt
t. 175, f. 1 und t. 176, f. 2.
*) Fee, Genera Filicum, t. 2 und von Ettingsh. t. 1, f. 1—6 u. 9—13.
*) Fee 1. c. t. 16.
^} Schenk 1. c. t. 9; Schimper Paleont. veget. t. 44, f. 9.
«) Ibid. t. 25, f. 25—23.
682 Gesammtsitzung
welchem sich ein karzer Stiel (Fortsetiung des Blattstiels, Mittel-
stiel, oder Rachis) erhebt, welcher das zweite obere trfigt. Damii
steht auch die Knospenlage im Einklang, welche sich ähnlich Ter-
hfilt wie bei den gefiederten Blättern zahlreicher Gewächse, z. B. der
Mimoseen, Gleditschien, Tamarinden, Cassien, indem die Blfittcbeo,
an and für sich ungefaltet, sich mit der Oberfläche aneimmderle-
gen und zwar so, dafs das untere Paar das obere grofiBentheils
bedeckt, wefshalb auch an dem sich ausbreitenden Blatte die I«age
der Blättchen unterschächtig erscheint, welche Deckung erst mit
der vollendeten Ausbreitung zum regelmäfsig vierstrahligen Stern
verschwindet. Während des Schlafes legen sich die Bl&ttchen der
Marsilien in derselben Weise wie bei den Mimosen wieder zusam-
men, indem sie in die Knospenlage curOckkehren. ' )
Die paarweise Folge der 4 Blättchen scheint eine Bestättgang zu
finden in dem Verlauf der Bündel des Blattes.') Der Blattstiel ist sei-
ner ganzen Länge nach ron einem starken Bündel durchzogen. Beim
Übergang zur Spreite gehen von demselben zunächst 2 Zweige ab, wel-
che in die Blättchen des ersten Paares eintreten, während das Haupt-
bfindel sich noch eine kleine Strecke weit ungetheilt fortsetzt und dann,
sich gabelnd, in die Blätteben des oberen Paares eintritt. Inner-
halb der Blätteben, sowohl der unteren als der oberen, tritt sofort
eine wiederholte Dichotomie ein, hier und da mit bogenartigen Ver-
bindungen zweier benachbarter Gabel theile. Zunächst dem Rande
des Blättchens sind sämmtliche letzte Bfindelzweige durch eine
continuirliche Anastomosenreibe verkettet, einen mehr oder weni-
ger deutlichen Randnerven bildend. Das Verbältnifs des vierthei-
ligen zum zweitheiligen Blatt zeigt sich besonders deutlich in der
Nervatur der Primordialblätter, deren letzte häufig viertheilig sind.
') Der periodische Schlaf i«t ohne Zweifel eine Eigenthümlichkeit der
Landblätter aller Marsilien und verdient genauer beobachtet zu werden. Die
verschiedenen Arten öffnen and schliefsen ihre Blätter nicht gleichzeitig; un-
ter den hier cultivirten öffnet M, pubescens die Blätter am frflhesten und
schliefst sie am spätesten, ist also die wachsamste, wogegen M, Drummondn
die schlafsamste zu sein scheint
') Ich gebrauche den kürzesten Ausdruck statt des weitläufigen ,Fibro-
rasalstrang* oder des noch immer gebräuchlichen „Gefafsbündel", welcher,
wenn man das Wort „Gefafs* im strengsten Sinne des Wortes nimmt, nach
en UnterBiicIiunEen viin Metlenius und Caspary dir die Hhiiocarpeen, ebenso
ie für die Uehrzalil der QbrigeD ,Gi.-fi[GicrjFtogunen*, nicht richtig br.
[1870] 47
684 Oesammtsiizung
Die Figuren 1, 2, 4, G, 7, 8 stellen die Folge der BlStter
eines Keimpflänzchens von Mars. Emeati dar, wobei 3 and 5, als
unerhebliche Mittelglieder, weggelassen sind. Das Keimblatt (Fig.l)
ist von einem einzigen BSndel (Nerven) darchzogen; mit dem ersten
Primordialblatt (Fig. 2) tritt in dem oberen zur Spreite sich aas-
dehnenden Theil des Blatts bereits eine wiederholte Gabelung des
Bundeis ein,') welche bis zum 6ten Blatt ohne fiufsere TheiloBg
der Spreite fortschreitet. Beim 7ten Blatt trennen sich die beiden
durch die erste Gabeltheilung bezeichneten HSlften der Spreite^
es entsteht ein einfach zweitheiliges Blatt; beim 8ten Blatt tritt
zwischen beiden Seitentheilen eine mittlere Fortsetzung auf, in
welcher derselbe Gabel ungsprozefs der Nerven und dieselbe der
ersten Gabelung entsprechende äufsere Theilung in der Bildung
eines zweiten Blfittchenpaares sich wiederholt. Eine in der vorlie-
genden Reihe fehlende Mittelstufe zwischen 7 und 8, bei welcher
die beiden Theile des oberen Paares vereinigt bleiben, giebt die
Erklärung der bei den Primordialblättem nicht sehr selten und selbst
bei den Landblättern (if. crenulata)^ hier jedoch sehr selten, vor-
kommenden dreitheiligen Spreite.
Eine solche Auffassung des Marsilienblattes wird femer durch
den Gang der Entwicklungsgeschichte desselben, wie wir ihn ans der
Darstellung von Hanstein (1. c. S. 53, T. 14) kennen, nnterstStzt
Das junge Blatt erscheint zunächst in Form eines sich allmähli^
etwas nach innen krummenden Kegels, dessen erste Anlegung durdi
wiederholte Theilung einer Scheitelzelle durch wechselnd von beiden
Seiten her gegeneinander geneigte Scheidewände fortschreitet, somit
ursprunglich (ebenso wie das bleibend einfache Keimblatt) eine
einheitliche Spitze hat. Die Entstehung der Spreite verrfitb sich zu-
nächst durch fiberwiegende Schwellung und vermehrte Theilung
zweier gegenüberliegender seitlicher Randzellengruppen, wodurch das
obere Ende des Blatts zunächst stumpf dreieckig, bald darauf deut-
lich dreilappig wird. Mit dem Auftreten der beiden seitlichen
Lappen ist das erste Paar der Seitenblättchen angelegt. Jetzt
h5rt die Scheitelzelle des Blatts, welche die Spitze des mittleres
Lappens krönt, auf als solche thätig zu sein, während seitlich voa
1) Die bei dieser Art fehlende Mittelstufe des einfach gegabelten Xer
veu findet sich normal bei dem ersten, iufserst schmalen Primordialblam
von M. pubesce/it.
vom iL August 1870. 685
ihr die Randzellen in lebhafter Theilang sich herrordrftngen. So
wird der mittlere Lappen getheilt und das zweite Paar der Blfitt-
chen ist angelegt.
Endlich mögen auch die abnorm mehr als viertheiligen Blftt*
ter in Betracht gezogen werden. Die oberzähligen (meist schmA«
leren) Blättcben derselben treten gewöhnlich zwischen den Blättchen
des oberen Paares auf and zwar in vielen Fällen (if . Caromandelianä
und macra) dentlich als drittes, von einem gemeinsamen kurzen
Mitielstiel getragenes Paar, das sich zum zweiten Paare ganz
ebenso veriiält, wie dieses zum ersten. In anderen Fällen freilich
kommen überzählige Segmente vor, die nicht anders als durch
Theilnng der oberen, zuweilen auch der unteren Blättchen betrach-
tet werden können.
Dies sind die Orfinde, welche f&r die Auffassung des Marsi*
lien-Blattes als eines zweijochig gefiederten sprechen; sie scheinen
nicht angewichtig, aber ich kann doch die Bemerkung nicht unter-
drücken, dafs sich auch Gründe gegen dieselben anfuhren lassen,
die vielleicht geeignet sind, der zuerst erwähnten Auffassung, ob
sie gleich dem Augenschein zu widersprechen scheint, den Vorzug
zu geben. Betrachten wir zunächst den Fall des blofs zweitheili-*
gen Blattes (Priroordialblatt 7 in der oben dargestellten Reihe), so
werden wir nicht umhin können, in der Bildung desselben eine
Dichotomie anzuerkennen, und dasselbe werden wir bei der Bil*
dang des oberen Paares des viertbeiligen Blattes zugeben müssen«
Die oben erwähnte Scheitelzelle der ersten Blattanlage hat zur Zeit
der Bildung der Blättchen offenbar ihre frühere Bedeutung ganz«*
lieh verloren; in dem Falle, wo die Blattspreite ungetheilt bleibt
und gleichsam fächerförmig ausstrahlt, ist sie ohne Zweifel ganz
in der Bildung von Randzellen aufgegangen. Auch dürfen wir bei
der Betrachtung des Hervortretens gesonderter Lappen oder Blätt-
eben nicht blos von den Vorgängen am Rande der Blattanlage
ausgehen, sondern müssen auch die im Innern des Blattes zur
Geltung kommenden und nach aufsen drängenden Bildungsrichtun«
gen, welche schliefslich in den Oefäfsbündeln ihren Ausdruck fin-*
den^ mit in Betracht ziehen. Halten wir beim viertbeiligen Blatt
für das untere Paar an der Vorstellung der Fiederbildung fest,
so kommen wir zu der sonderbaren Annahme eines ersten durch
Fiederbildung und eines zweiten durch Gabeltheilnng gebildeten
Bl&ttchenpaares und es wird die Frage sich aufdrängen, ob dieser
47*
686 GtsammUitzung
Wid^lrsprach nicht zn heben ist Sehen wir zu diesem £nde von
den einzelnen Blättern und Blftttchen ab^ und lassen wir die ganze
Reihe der Blatter vom einfachsten Keimblatt bis zum Tierdieiligen
Primordialblatt öder, wo dieses fehlt, zum gevierten Schwimmblatt
in eine gemeinsame Betrachtung zusammen, so finden wir, da&
die Yiertheilnng des Blattes früher oder später, mit oder ofcne die
Übergangsstnfe der Zweitheilung, mit oder ohne weitere Zwischen-
glieder unvollkommener Theilungsgrade eintreten kann, dafs aber,
unabhängig von dem Eintritt dieser Theilungen, die Zahl der in
den Rand des ganzen (ungetheilten oder getheilten) Blattes einlau-
fenden Nervenenden mit einer gewissen Stetigkeit zuninunt So
beträgt z. B. bei der im Vorhergehenden (S. 68S) dargestellteo
Reihe von üf. EmesH (mit Einfügung der übersprungenen Nam-
mem) die Zahl der Nervenenden der aufeinanderfolgenden Blätter
1. 4. 5. 7. 10. 15. 23. 29. Andere Exemplare und andere Arten
werden andere, aber doch im Wesentlichen ähnliche Zahlenreihen
liefern, namentlich verdient üf. pubeaeens Erwähnung, bei welcher
die Reihe mit 1. 2. 3 oder 1. 2. 4 beginnt. Wfirde die wieder-
holte Dichotomie der Nerven von Blatt zu Blatt r^elmälsig um
einen Grad fortschreiten, so erhielten wir die Zahlen 1. 2. 4^ 8.
16. 32 ..., allein dies ist nicht der Fall, die Theilung tritt nicht
leicht in allen Spitzen auf einmal ein, sie schreitet ungleichmäfsig
und deshalb langsamer voran, und zwar ist sie anfangs in den Seiten-
theilen, später in den mittleren Theilen des Blatts mehr gefordert
In dem oben gegebenen Beispiel ist das 7 te Blatt (mit 23 Nerven-
den) zweitheilig, das Ste (mit 29 Enden) viertheilig; die Zahl der
Nervenenden wurde aber ungefähr die gleiche sein, wenn diese beiden
Blätter sich ungetheilt entwickelt hätten. Man ersieht hieraus, dafs
die Lappen, Segmente oder Blättchen Theile eines Ganzen sind.
Theile, deren Entstehung nicht auf verschiedene Weise erklärt
werden darf. Was wir vom Ganzen und seinen Theilen sagten«
können wir noch spedell auf die beiden Hälften des Blattes an-
wenden, indem wir das viertheilige Blatt (Fig. 8) mit dem awei-
theiligcn (Fig. 7) vergleichen. Wir können die 2 mittleren (obe-
ren) Blättchen des ersteren nicht wohl als eine zu den 2 BIfittchen
des letzteren hinzukommende Neubildung betrachten, denn wir fin-
den zn einer solchen bei Blatt 7 durchaus keine Anlage; wir mus^
sen also ihre Entstehung von den Blättchen des zweitheiligen Blat-
tes selbst ableiten, müssen sie als abgelöste vordere (obere) Half-
1
vom it August 1870. 687
ten derselben, somit als Viertel des ungetheilen Blattes betrachten.
Die Zahl der Nervenenden der beiden Blfittchen des dargestellten
Eweitheiligen Blattes betragt zusammen 23, die der beiden unteren
Blattchen des folgenden viertheiligen Blattes snsammen nur 16,
wahrend man nach dem Gesetze der fortschreitenden Theilang der
Nerven nicht eine kleinere, sondern eine grofsere Zahl erwarten
mufste, wenn nämlich die unteren Blättchen des viertheiligen Blatts
für sich allein als denen des zweitheiligen gleichwerthig betrachtet
werden sollten. Wenn wir dagegen das untere und obere Blättchen
zasammengenommen dem Blättchen des zweitheiligen Blattes gleich-
stellen, finden wir uns mit der Regel der zunehmenden Zahl der
Nervenenden im Einklang.
Mit dem Ergebnifs dieser Auseinandersetzung scheint nun frei-
lich der Umstand an vereinbar zu sein, dafs bei dem viertheiligen
Blatt das zweite Paar der Blättchen durch einen deutlichen Mittel-
stiel über das erste Paar erhoben ist, durch einen Mittelstiel, der
ebenso wie der vorausgehende Blattstiel von einem anscheinend
einfachen Bündel durchzogen ist Diese Schwierigkeit erscheint
jedoch nicht unüberwindlich, wenn wir die Beschaffenheit des be-
treffenden Bundeis näher betrachten. Dasselbe ist nämlich nach
Nägeli's Untersuchungen') in der That ursprünglich und zwar schon
im Stiel des Blatts, durch Theilang unmittelbar über der Eintrittsstelle
vom Stengel in die Blattbasis^ ein doppeltes, dessen Theile jedoch
bei der weiteren Entwicklung der Gewebe, ebenso wie die Gefäfs-
stränge des Stengels, durch eine gemeinsame Innen- und Aufsen-
scheide verbunden werden.') Die Eigenthumlichkeit der gevierten
1) Beiträge zar wissensch. Bot. I (1858) S. 54. 55.
') Die beiden Gefafiistränge zeigen im Querschnitt eine halbmondfSrmige
Gestalt und sind, die gewölbte Seite nach innen kehrend, nach der Rficken-
seite des Blattstiels hin so aneinander gelegt, dafs sie die Form eines nach
der Vorderseite hin offenen y bilden. Die Halbmonde berühren sich jedoch
nicht vollständig, sind aber meist darch eine engere Netzfaserzelle brflckenartig
verbanden, wahrend sie selbst hauptsächlich ans weiteren, leiterförmigen und
längsreihig pnnktirten Gefafinzellen bestehen. Das beide Stränge ver-
bindende Gewebe besteht aus langröhrigen, engen, stärkefuhrenden 2^11en mit
horizontalen Grenzwänden, eingeschlossen durch einen Zellring, welcher den
Character einer Scbutzscheide hat. Hierauf folgt nach anfeen ein Gewebe
aus weitröbrigen, . mit gröberen Stärkekömern gef&Uten Zellen, welches von
688
GesammUitzung
ManiHa-SpT^te beruht demnach auf dem Umstände, dafa von den
4 durch doppelte Zweitheilang gebildeten Theilen die 2 benachbar-
ten mittleren noch eine Strecke weit über die aweite Oabelnng
(die OabeltheUnng der Hfilften) hinaus finfserlidi verbanden blei-
ben, wie dies durch die beifolgende schematische Fig. 2 im Ter-
gleidi mit Fig. 1 veranschaulicht wird.
Theilen sich die beiden mittleren BlSttchen noch einmal, so
kann sich dieselbe Verbindung der angrenzenden Theile wieder-
holen, wodurch anscheinend ein drittes Paar von Fiederblätteben
gebildet wird. Es erklärt sich aber zugleich auch der andere oben
erwähnte Fall abnormer Vermehrung der Blättchen auf 6 ^der S
durch Theilung ohne solche Verbindung.
Wir kehren nach dieser Abschweifung zur besonderen Betrach-
tung der Landblätter zurück und zwar zu den Form Verhältnissen
der Blättchen selbst, die weit mannigfaltiger sind als bei den
Schwimmblättern und, ungeachtet bedeutender Veränderlichkeit, doch
nicht ohne Bedeutung für die Charakterisirung der Arten. Die
allgemeine Form derselben ist die eines fast gleichscheokeligen.
auf die Spitze gestellten Dreiecks mit abgerundeten oberen Ecken.
an denen das obere (innere) meist ein wenig hoher steht als das
einem mehrsohiebtigen Ring protenchymatiBelier, dickwandiger, bascäiiiili^«T
Zelleoi welche die äabere Scheide biden, ansehloMCn ift.
vom Ü, Auffust 1870. 689
untere (Kufsere). Die Blättchen sind tomit (oft etwas schief) keil-
fortnig, bald schm&ler, bald breiter^ je nmoh der Grofse des Win-^
kels, in welchem die Seitenränder aaseinander laufen. Diese sind
meist geradlinig oder^ besonders auf der Innenseite, etwas ausge-
schnitten {M^ uneinatay, seltener deutlich ausgebaucht (If. (mgu9t^
/oHüy schwächer und nur auf der Aufsenseite bei Jf« angusUfblim)*
Die grofste Breite fKUt somit in den obersten Theil des BUlttoliens>
wo der durch Abrundung der Ecken mehr oder weniger bogenartig
sich erhebende, seltener fast gerade abgeschnittene StErnrand be-
ginnt. Wenige Arten machen hiervon eine Ausnahme, indem die
schmalen Blättchen in der ganxea oberen Hälfte bis cum Stirnrand
fast gleich breit sind (M. ttnuifoUa^ gymnocarpa) oder die grSfste
Breite sogar weit unter dem Stimrand, etwa in der halben Länge
des Blättchens, eeigen (M, anguBtifolia^)). Der Stimrand ist eSt an
welchem die weiteren Verschiedenheiten auftreten. Bei einer gfSs«*
Seren Zahl von Arten ist derselbe stets ungethetlt und ganferandig
(if. pubeecene^ quadr\foliata^ undnaic^ Drummondii var« ofientaiU^
Coromand^lianay Nnbicaj gymnoearpa^ Emesti^ rnulica, iUbtetrdm^^i
deflexa^ polyoarpa etc.), bei anderen ist er einfach attsgerandet (AC
Capenau) bis zum tief sweilappigen {M, hiloha, dipenm var.)^
oder einfach bis doppelt ausgerandet, so dafs 2 — 4 Randläppchen
entstehen (if. Aegypüaca, quadrata^ brachifearpa) bis tief doppelt
sweilappig (iT biloba^ Sterile Form). Oft ist der Stimrand mit
einer nnbestimmten, zuweilen ziemlich grdfsen Zahl von Eetbzäh'*
nen versehen, die bald kürzer und sttimpfer (M. crenv/ofa» salvatrts^
fnacroaarpä) y bald etwas spitzer (M^ «roso, braekfpm^ tenuif^lia^
angu8ti/olia)y oft sehr schwach und unbeständig sind (M* gibba^
macra). Vielfach und ungleichmäßig eingeschnitten, mit einer Nei-
gung zur Dichotomie der Spitzen, ist der Stimrand bei JK MSiUri^
besonders bei den gr5fseren Blättern steriler Pflanzen. Zu be-
merken ist noch, dafs solche Theilungen des Stirarandes nicht an
allen Blättern derselben Pflanzen, ja nicht einmal an allen Blätteben
desselben Blattes in gleicher Weise auftreten. Die kleineren Blät-
ter verhalten sich häufig einfacher als die grofseren, und an dem
*) Eine hiermit in Verbindang stehende Kigenthflmlichkeit dieser Art
spricht sich im Yerlanf der Nerren aus, indeni lahlreiche Nervenenden den
Stimrand nicht erreichen, sondern in die SeUearsnder attslasfen«
690 GesammUitzung
cuixelnen Blatt sind die Bl&ttchen des nnteren Paares nicht aehea |
ganarandigf während die des oberen, die meist angleldi grolser
sind, verschiedentlich ansgerandet, gelappt oder gekeibt erscheineD.
Die Landbl&tter sind hfiufig behaart and auch bei d^enigeB
Arten, deren Blatter im ausgebildeten Zustand kahl eracheinen
(^M. quadri/oliaUiy diffusa^ Caramandeliand), seigen sie irmfarscheinlich
im Jngendzostand dorchgehends eine Behaarang/) Eine bleibende,
aber sparsame nnd anscheinbare Behaamng haben s. B. M, JSmetti,
Mexieana, tenu^oUa, maera; eine dichtere und anffallendere M. fm-
be8C0n$ (im wildwachsenden Zustand), tfestita^ biloba, saivairii^
Drummandii, elata^ hirautisBima, «erteea. Der trocknere oder feuch*
lere Standort hat übrigens auf die Dichtigkeit und Danerhaltigkeit
der Behaarung einen bedeutenden Einfluls. Die Unterfl<che der
Blfittchen scheint stets stärker behaart zu sein als die Oberfläche.
Die Haare haben bei allen Arten denselben Bau; sie beginnen mit
einer horizontal anliegenden, plattgedrückten , nach unten (oder
besser hinten) zugespitzten Zelle, welche mit ihrer Mitte einer nach
oben trichterförmig erweiterten, mit dem dünneren Binde in die
Haut des Blattes eingesenkten Stielzelle aufsitzt An diese erste
breiteste Zelle schliedBen sich, stufenweise schmäler und länger wcr^
dend, meist mehrere (2—5, selten nur 1) weitere Zellen an, wo-
durch das mehr oder weniger verlängerte, mehr oder weniger fein
ausgesogene freie Ende des Haars gebildet wird. Bald alle, bald
nnr die oberen Zellen sind mit zerstreuten (der Zellhant angehöii-
gen) Wärzchen besetzt, nur bei üf. Drummandii var. oeeidentalit
habe ich die Haare ganz glatt gefunden. Es sind übrigens noch
nicht alle Arten in dieser Beziehung verglichen worden.
Die Haut') der Landblätter zeigt, im Gegensatz xa den
Schwimmbläftern, auf beiden Blattflächen eine fast ganz uberein*
stimmende Beschaffenheit. Sie besteht beiderseits aus mehr oder
minder stark gebuchteten, durchschnittlich in der Richtung des
Nervenlaufs etwas verlängerten Zellen, die häufig sehr kleine zer-
^} So zeigt z. B. M, Coromandeliana an den jungen, noch gefalteten
Blattspreiten, ebenso wie am Blattstiel, spärliche, 3 — 4 zellige, ziemlich breite,
warzige Haare, die sich spater ganz Terlieren.
') Kürzer und richtiger als „Oberhaut*, da eine Unterhairt nicht Tor-
lianden ist. Will man « Oberhaut*' seiner Wortbedeutung nach anwenden, so
kann man nur die Cuticnla damit bezeichnen.
vom IL August 1870. 691
streute Stfirkekornchen oder zu Zeiten Chlorophyilkotncfaen enthal-
ten und deren nach aufsen gekehrte Wfinde mehr oder weniger
stark verdickt sind. Die Hautzellen der Unterseite erscheinen mit-
unter etwas mehr in die LSnge gesehen nnd etwas stärker ge-
buchtet als die der Oberseite , doch ist der Unterschied unerheb-
lich. Besonders stark nnd zierlich gebuchtete Hautzellen besitaen
die australischen Arten ans den Gruppen der if. kirsuta nnd M.
Drummondüy femer Jf. Aegyptiaca und Emesti; etwas schwächer
gebuchtet sind sie bei if. quadri/oliata nnd pubescens^); fast unge-
buchtet und nahezn reetangülär, sowohl auf der Unter- als auf der
Oberseite, fand ich sie nnr bei M, a$igu8ti/olia,^) Bei der grofsen
Mehrzahl der Arten ist die Oberfläche der Hautzellen flach nnd
eben oder etwas nach aufsen gewölbt, nur bei M, gibha und bei
den Arten aus der Gruppe der if. Drummondii tragen die Haut-
Zellen regelmfifsige, stumpf kegelförmige, halbkugelige oder knppel-
fürmige Höcker von kreisförmigem Umrils, beinahe 0,01 Mm. Durch-
messer und halb so grofser bis gleich grofser Hohe, Hocker, welche
ursprünglich Ausstülpungen der Zellhaut sind, später aber in gewissen
F&llen durch Verdickung der Membran solid werden oder nur einen
kurzen und engen Kanal als Rest der ursprunglichen Anshöhlung
zeigen. Bei ü. gihha trägt jede Zelle nur 1 oder höchstens 2
Höcker nnd zwar auf beiden Blattflächen; bei allen Arten der
Gruppe von Jf. Drummondii dagegen besitzen die durch bedeuten-
dere Grofse ausgezeichneten Hautzellen je 3 bis 6 Höcker, bei AT.
macra nnd M. data auf beiden Blattflächen'), bei den übrigen {M.
Drummondii occidentaliS und orientalis^ M. salvatrix^ oxaloidea^ hirsu'
ÜHtma^ Howittiiy Mülleri und sericea) nur auf der Oberfläche.*)
Durch die Anwesenheit der Höcker auf den Hautzellen ist die
J) Hildebrand 1. c. t. 1. f. 1. 2. 7.
^} Die Schwimmblätter dieser Art sind leider unbekannt; wahrschein-
lich sind sie in der Form der Blättchen und in der Gestalt der Hantzellen
von den Landblättern abweichend.
*) Wogegen die Schwimmblätter der M. macra und nach Hildebrand^s
Angaben ohne Zweifel auch die der M, etata nnr auf der Oberfläche Höcker
tragen. Bei M. macra sind die Höcker der Schwimmblätter hohl, die der
Landbl&tter mehr oder weniger ausgefüllt.
') Die ächten Schwimmblätter von M, Drummondii {orientaliif) verhalten
sich in Beziehung auf die Hdckerbildung wie die von M, macra, wogegea
693 Ge9anmtsit2ung
Gmppe der M, Drummondii weaenüicb ▼erschicden Ton der gleiclh
UUb aastraliscfaen Gruppe der M. hirsuta, ea- weldier aofeer dieser
If. exarata und angtuUfoUa gehören.
Die Lnftspalten (Stomate) sind bei den Landbi&ttem aof bei-
den Fliehen in nngeftbr gleicher Zahl verbanden; ihre Schliefs-
Bellen sind darehgehends von den benachbarten HantceUen mehr
oder weniger fibergriffen, so dafs sie tiefer als die OberflXche der
Haat liegen. In geringerem Grade aeigt sich dieses VerhSltnifs
bei M. quadrijöliaia^)^ Aegypiiaca^ JSmesti; in höherem bei den
australischen Arten ans der Verwandtschaft der M. Drummcndn and
hirmtay sowie auch bei M, gibba^ bei welchen allen die hochgewölb-
ten Orenxxellen einen engen und tiefen Vorhof der Lnftspalte bilden.
Yon den übrigen anatomischen Verhältnissen der LuftblStter
verdient besonders das bereits von Mettenius*) erw&hnte Vorkom-
men glasheller Sclerenchymsellen Brw&hnnng, welche eine eigene,^
von denen der Wasserblitter ginalich verschiedene Art von Inter-
stitialstreifen bilden. Sie haben ihren Sita nicht wie diese In der
Haut der Unterfl&che, sondern im Mittelgewebe des Blattes. Bei
schwächerer Entwicklung treten die Sclerenchymsellen dicht an der
Haut der Unterfläche des Blatts auf, selten einzeln, meist 2 — 3
nebeneinander und 2 — 3 Schichten übereinander. Dann zeigen sich
einige weitere unter der Haut der Oberfläche, durch Parenchym von
denen der Unterfläche getrennt; bei stärkerer Entwicklung endlich
verbindet sich die obere und untere Parthie, so dafs eine S^eide-
wand gebildet wird, welche zwischen der oberen und unteren Haut
ausgespannt ist. Im ersteren Fall lassen sich die Sclerenchymstrei-
fen am unverletzten Blatt bei durchscheinendem Lichte mit unbe-
waffnetem Auge nur als undeutliche dunklere Streifen erkennen, im
letzteren bilden sie schmale farblose Streifen, so dafs es den An>
schein hat, als ob Spalten zwischen den Nerven vorhanden seien.')
die falschen Scbwimmblätter (S. 678) auch auf der Unterflicbe Höcker zei-
gen, was um so auffallender ist, als die Landblätter unten ohne H6cker sind.
Ebenso scheint sich 3/. salvairix zu Yerhalten.
1) HUdebrand 1. c. t 1, f. 3.
*) In Triana et Planchon, Prodr. Fl. Not. Granat. Crypt. p. 395.
') Sie erinnern dadurch an die durchsichtigen Streifen der Bl&tter Tie«
1er Selagineita-Arten s. B. S. cUbo-nitentf cladorrhizans^ Lj^ehnuchms^ si&t^
phifUa^ allein bei dieaen liegen die Sclereachjrmx^Uen in der Epidermis d«r
Unterseite des Blatts.
vom iL Äugutt iS70. 693
Sie bestehen a«8 krSItigen, langgestreckten, aieinlich dickwandigen,
wellenförmig gebogenen und hier und da mit «wischen die an*
grenzenden Parenchymzellen eingreifenden Zacken versehenen Zellen
von glasartig»! Ansehen und eigenthfimlichem Qlanxe, mit hori-
eontalen, seltener mit schiefen Verbindangswftnden aneinanderge*
reiht und an den Yerbindungsstellea häufig mit seitlichen Erweite*
rongen versehen; wo die Enden frei anslajofen, sind sie spitz oder
selbst zugespitzt. Derartige durch Scleremchjm gehildeten Intersti«*
tialstreifen finden sich übrigens nur bei einer kleiaea Gruppe
nahe verwandter Arten, n&mlich M*. Coromand$liana^ tnokop^da^
muscoides und distorta*
Endlich mag noch der für einige Arten bezeichnenden herbst-
lichen Verfärbung der BlAtter gedacht werden. Mehrere der austra-
lischen Arten, namentlich if. DrummancUi (var. orientalis) und 3fi
eiata nehmen eine lichtbraungelbe Farbe an; die mikroskopische
Untersuchung zeigt, dafs namentlich die Schliefszellen der Luft-
spalten und die Ansatzzellen der Haare, sowie auch die zunfichst
angrenzenden Zellen der Haut sich gelb gefiSrbt haben. Äi. salva*
trix zeichnet sich dadurch aus, dafs die ganze Blattfl&che, besoa*
ders die der Oberseite, oft mit Ausnahme des Randes, sich dunkel-
kalFebraun oder selbst purpurbraun ffirbt; der Sitz dieser Färbung
ist in den Wänden der Hautzellen. M, maera zeigt im Alter von
der Basis der Blättchen aus rothbraun geflammte Blätter. Die Blätter
von Jf. quadri/oUaia nehmen eine gleichmäfbige lichtbraune Farbe
an, während die blaugrauen Blätter von M. pubeseens sich vor
dem Absterben nicht verfärben.
Die Sporen fruchte (spocrocarpia, receptacula oder concep«
tacula der Autoren) stehen in engster Verknüpfung mit den Blätr
tern; sie entspringen entweder deutlich ans dem Blattstiel selbst
und zwar aus dem änfseren (unteren) Rande desselben, oder sie
treten an der Basis dieses Randes neben dem Blattstiel hervor,
im ersteren Falle die Stelle einseitiger Fiederblättchen, im letzte-
ren die eines einseitigen Nebenblatts einnehmend. Die blattstiel-
ständigen sind meist in Mehrzahl an einem Blattstiel vorhanden,
während bei grundständiger Stellung nur eine Frucht zu einem
Blatte gehört. Die grofste Zahl der Frfichte an einem Blatte fin-
det sich bei if. polycarpa^ gewohnlich zwischen 10 und 20, zu-
weilen selbst noch mehr; in ziemlicher Entfernung von der Basis
beginnend, bilden sie eine Reihe, welche oft bis über die halbe
G94 Oe8ammUit2ung
Hohe des Blattatiols hinaufreicht. Ihr Ursprung ans dem Raade (
des Blattstiels ist bei dieser Art besonders deutlich, da sie einen
Blattstiel besitzt, der auf seiner Vorderseite dorch eine breite Binoe
aosgefurcht ist, während bei den meisten anderen Arten der Blatt-
stiel anf der Vorderseite nur etwas abgeflacht und die Rinne nor
schvrach angedeutet ist. Bei der dichten Aneinanderdrfingang vei-
chen sich die Fruchte oft abwechselnd aus, so daCs sie 2 Reihen
bilden, allein die Entfernung der Fruchte aeigt sofort, dafs ihre
Stiele alle ans demselben Rande des Blattstiels herrorgehen, dem
Ursprung nach also nur eine einzige Reihe von Fruchten vorban-
den ist Ähnlich verhält sich die nahe verwandte Jf. Mulpangulaia,
aber die Reihe von nur 6 — 10 Fruchten beginnt nahe an der Ba-
sis des Blattstiels. Eine noch geringere Zahl sich nur wenig vüiet
den Grund des Blattstiels erhebender Fruchte, wobei die unterste
oft ganz basil&r erscheint, haben M, erosa (2 — 5 Früchte), M. dif-
fusa (2 — 4), crenulaU» (2, selten 3), braehypus (1 — 3), graeilenta
(1 — 2). Bei einigen Arten findet man die Stiele mehrerer über
der Basis des Blattstiels entspringender Fruchte eine Strecke weit
verbunden, so dafe anscheinend 2 oder mehrere Fruchte von einem
gemeinsamen Stiel getragen werden* So bei M. guadri/ölüUa (2, sel-
ten 3 — 4, Ton denen zuweilen eine mit freiem Stiel), Braumü (l
— 3), macropus (2 — 5). Alle übrigen bekannten Arten haben nor-
mal nur eine Frucht am Grunde des Blattstiels, deren Zusammen-
gehörigkeit mit dem Blatte sich dadurch verrath, dafs beim Ab-
reifsen des letzteren die Frucht häufig mitfolgt, indem der Frucht-
stiel am Grunde des Blattstiels hängen bleibt Auch fehlt es nicht
an Ausnahmsfilllen, welche seigen, dafs die basiläre Stellung der
Frucht von der blattstielständigen nicht wesentlich rerachieden seio
kann; sie sind namentlich nicht selten bei den australischen Artes
aus der Gruppe der M. Drummcmdii^ besonders bei if. elata. Ich fud
bei dieser Art folgende vom normalen Verhalten abweichende Fälle*.
1. Eine Frucht, wie gewohnlich, aber mehr oder weniger hoch
über der Basis des Blattstiels entspringend; 2. awei Früchte, die
eine basilär, die andere am Blattstiel, zuweilen in einer Höhe ton
1 bis 1^ Zoll, entspringend; 3. zwei Früchte, beide über der Ba-
sis in ungleicher oder fast gleicher Höhe entspringend; 4. Drei
Früchte, sämmtlich über dem Grunde entspringend, die erste is
etwa ^ Zoll Höhe, die beiden folgenden in fast 2 Zoll Höhe ns^
vom iL Augu$t 1870. 695
mit den Stielen bts über die Hfilfte verwachsen, naeb Art von M.
quadrifoliata.
Die Länge des Frachtstiels ist sehr verschieden und schwankt
zuweilen bei derselben Art beträchtlich. Den kürzesten Stiel, kur-
zer als die Frucht selbst, zeigen If . strigosa (ungef&hr ^ der Frucht),
pubescens (^ — y)» ^^^ca {\ — ^), exarata (|- — ^), hirguta (|. — ^),
villoaa (|-), braehypua und gradlenta (^). Die Länge des Stiels
kommt der Frucht ungef&hr gleich bei M, cmgu^HfoUa (^ — 1),
mucranata, brevipes und vMtita (^ — 1), tmuifolia (^ — 1), polycarpa
und subangulata (f — 1), EmesH (f — ^)j ancylopoda (^), Mexieana
(1— |-), eomtua (1 — ^), defitxa (1 — 1^), gymnoearpa (1 — 1^),
eroaa et var. (Ij- — 1^), (i7oto (1^ — \\). Ungel&hr die doppelte
Länge des Fruchtstiels bis zur dreifachen finden wir bei M* und"
nata and Berieroi (lj> — 2), crmulata und muHea (1^ — 2), Capen-
sis (1|- — 2), brachycarpa^ quadri/oliatay serieea (2), macroearpa (1|>
— 2|-), diffusa^ Mulleri^ Hawittiana (2 — 2^), maera xmd 9ubterranea
(2—3), Aegypiiaca und quadraia (2^ — 3), distorta (2^ — 3). Durch-
schnittlich oder bei' anderen Arten durchgehends mehr als die drei*
fache Länge zeigt der Fruchtstiel bei if. rotundaia (2^ — 4), nui-
eropus (3 — 4), Carcmandeliana und museoideg (2^ — 5), triekapoda
(3 — 6), gibba (5 — 6). Die Arten aus der Gruppe der M. Drumr
mondif, welche hierher gehören, sind in der Länge des Fruchtstiels
sehr veränderlich. Bei M. DnemmandU (orientalU) finden wir den-
selben 2 — 5 mal, am häufigsten 2^^ — 3^ mal so lang; bei M. sal-
catrix 3 — 8, am häufigsten 3} — 4; bei M. elata endlich 3 — 12,
am hftafigsten 4 — 8, in einzelnen Fällen 20 — 28 mal so lang als
die Frucht.*)
Die Richtung des Fruchtstiels zeigt mancherlei charakteristische
Verschiedenheiten. Am häufigsten, besonders bei grundständiger
Stellung, ist der Fruchtstiel aufrecht {M. Coromanddiamay Aegyp^
iiaca, quadraia, macroearpa, CapensUy Drummondii und die v^r*
wandten Arten); oder er ist aus etwas vorwärts oder seitwärts
gekrümmter Basis aufsteigend (If. diffusa^ erosa^ erenuiataf braehy-
1) Die gewöhnliche Länge des Fruchtstiels betragt bei M, elata 30 — 60
hixn., selten nur 20 Mm., nicht selten dagegen bis 100 Mm. Die längsten ge-
Dessenen Stiele zeigten 140, 170 und 190 Mm. und hatten fast die Länge
ler Blattstiele selbst.
60G GeaammUitzttng
pu8 etc.); etwas vorwärts ubergebogen M. gymnoearpa und Nrnhica)-.
seitwärts, fast bis zum Horizontalen abstehend {M. pub€^eenM)\ aas
bogenartiger, zuerst nach unten gewendeter, aaweilen einen Schrao-
benumgang bildender Basis aufgerichtet (^M. gihba). Entaprin^en
die Fruchtstiele hoher am Blattstiel^ so stehen sie entweder sducf
von ihm ab, die Spitzen mit den Früchten etwas nach vom ge-
neigt {M. quadrifoliatd) y oder sie stehen fast horizontal ab und
krummen sich seitwärts über die Vorderfläche des Stiels heriibvr
(M. polyearpa^ subangulata). Bei mehreren Arten, welche iÜMrigenft
verschiedenen Gruppen angeboren, legen sich die Frucbtstide Bie-
der oder wenden sich selbst nach unten, so dafs die Frocbte ia
die Erde versenkt werden. In geringerem Grade und mit weni*
ger Beständigkeit zeigt sich diese Erscheinung bei J/. muUeoj de-
ren Fruchtstiele bald schief aufsteigen, bald niedergelegt oder a^
steigend sind. Horizontal abstehend oder abwärts gericht^ dabei
gerade, sind sie bei M, Mexieana; obenso aber oft mit Verkrüm-
mungen bei M, Berieroi und Emesti; mit starken, unregelmäfsigen
Krümmungen bei M, distorta; fast gerade und senkreeht abwärt«
gerichtet bei M. $uhterran$a. Bei M. defiexa endlich, bei welcher
2 — 3 Fruchtstiele über der Basis des Blattstiels entspringen, bie-
gen sich dieselben wie bei M. polyearpa über den Blattstiel her-
über, aus dem horizontalen mehr oder weniger nach anten
strebend.
Die Sporenfrucht von Pilularia scheint eine wesentlich
Stellung zu haben als die von Margilia; sie steht nicht
Rande, sondern mitten vor dem stielartigen, spreitenlosen Bbtie.,
anscheinend genau in der Achsel desselben, von kürzerem oder
längerem, aufrechtem oder absteigendem Fruchtstiel getragen.
Die Sporenfrocht der Marsilia ist ein bilateral-symmetrisches
Gebilde, an welchem eine unterschiedene Rücken* und Banchseite,
eq^prechend der Rücken- und Bauchseite des Blattstiels, wahr to
nehmen ist, sowie 2 übereinstimmende Seiten wände, ein obere«
Ende und eine Basis. Der Frachtstiel tritt gew5hnlich sehiet
an die Basis der Frucht heran, eine Strecke weit unterschetdbar
daran hinlaufend, wodurch die sogenannte Raphe gebildet wird,
ehe er an der Grenze der Rückenseite der Frucht mit einem vor-
springenden Zahne endigt Dem ersten Zahne folgt meist ein zwei-
ter, welcher die Stelle bezeichnet, vor welcher das Bündel des Stieb
sich abwärts biegt und unter einer eigenthümlichen Verdoppeloog
vom iL August 1870. 697
der Pallisadenschicht iq das Gewobe der Innenseite der Frucht ein-
tritt. Beide ZShne fehlen nur in dem FsU, in welchem der Fracht*
stiel fast senkrecht an die Fracht herantritt und keine Raphe bildet
(^M. polyearpa, subanguUita, dtfiexa^ mtid'oa); aber auch bei rorbande-
ner Raphe können beide Z&hne oder der eine von beiden unauigebil-
det, gleichsam verwischt sein. Das erstere ist bei M, gywnoearpa
und Nubicoy Arten mit sehr langer Raphe, der Fall; nur der un-
tere Zahn ist deutlich bei M. Mexkana, BerUrot, anffUMtifolia; nur
der obere bei JH. CapensUj BureheUüf quadrata^ Äegyptiaea, gibboy
subterranea, biloba; bei der letztgenannten ist der einsige vorhan-
dene Zahn von bedeutender L&nge. Beide Zihne sind zwar deut*
lichy aber sehr schwach, bei M. nuurocarpa, rotundata^ pnU^escmu,
JSmeBti; stfirker und gleichmäfsig entwickelt bei M. quadriföHata^
diffusa, brachgcarpa, CoromandeUana und den Verwandten, sowie
bei allen Arten der Oruppe von M. Drummondiii der untere Zahn
ist st&rker bei M. distorta^ der obere dagegen st&rker, stachel-
oder hackenartig verlängert, bei M. viUosa, uneittata^ mucranata^
vMtita^ tenui/oHa; ebenso, aber der Unterschied weniger auffallend,
bei M. braehyput, gracilenta, comuta, erenulata^ erosa.
Was die Richtung der Frucht im Yerhfiltnifo zum Stiel be-
trifft, so zeigt dieselbe alle Abstufungen von der gerade ausge-
streckten (bei aufrechtem Stiel auch zum Horizont aufrechten) bis
zur abwärts geneigten oder zurückgeschlagenen d. h. dem Stiel in
spitzem Winkel zugebrochenen Lage. Zwischen den Extremen liegt
die unter stumpfem Winkel geneigte, schief gestellte, und die recht-
winklige, horizontale Richtung. Die gerade ausgestreckte Richtung
kommt insbesondere den Arten zu, deren Fruchte keine Raphe be-
sitzen; doch ist bei den wenigen Arten, welchen diese Eigenth&m-
lichkeit zukommt, die Frucht in der Regel nicht aufrecht, sondern
inregen der Krümmung des Stiels seitlich oder abwärts nickend.
So bei J/. pdycarpa^ subanguiata^ deßexa. Bei der in der äufseren
Beschaffenheit der Frucht sich anschüefsenden M. mutica ist die
Richtung derselben zum Stiel, abgesehen von der gleichfalls ver-
änderlichen Richtung des Stiels selbst (S. 696), sehr unbeständig,
bald aufrecht ansitzend, bald (durch Biegung der Spitze des Stiels)
horizontal oder nickend. Seltener kommt die aufrechte Lage der
Frucht bei solchen Arten vor, die eine Raphe besitzen; sie wird
dadurch hergestellt, dafis die (sehr kurze) Raphe einen fast rechten
Winkel mit dem Fruchtstiel bildet, wobei zugleich der untere Zahn,
698 Ge$ammt$itzung^
\
ia welclieii ne anslioft, stark nach nnten gewendet wird, wie dies \
bei M. CaromamdeKana and eUaa der Fall ist Bald gerade aas-
gestreckt, l»ald schief anm Stiel gestellt, erscheinen die Fruchte
Yon M. Eme$iL Eine schiefe, mehr oder weniger geneigte, znwei*
len (d. i. an einzelnen Frachten) fast horizontale Riehtang zeigen
M. fubterranea (bei abwärts gerichtetem Stiel), M. triehopoda, Ca-
pensU, maeroearpay gibba^ exaratay angustijölia, Müllerin fnaera, tal-
vatrix^ Drvmm<mdii, BurckdUi, biloba, rotundata, von denen nament-
lich die drei letztgenannten an der Grenze derer mit völlig horizon-
taler Richtung der Fracht stehen. Diese findet sich bei Jf. qua-
dri/oliaia^ difu9a and den verwandten Arten, graeilenta^ uneinata ond
den verwandten, ÄegypHaca, quadraia, muscaides. Bald horizontal,
bald darfiber hinaas abwärts geneigt sind die Fruchte von Jf. ^ra-
ehffpus^ vühMj htrsuta, Berteroi; entschieden und constant ab-
wärts geneigt und zwar in Verbindung mit sehr langer Raphe
bei M. pubeecene and giftunoearpa^ mit sehr kurzer Raphe bei M.
dietorta* Die in der Länge der Raphe mit M, gymnocarpa überein-
stimmende M^ Nubiea schwankt zwischen der horizontalen nnd ab-
wärts geneigten Richtung der Frucht.
Die Oestaltverschiedenheiten, in welchen die Sporenfrucht der
Marsilien auftritt, bewegen sich in ziemlich engen Grenzen, nnd
die für die Arten characteristischen Verschiedenheiten sind in den
meisten Fällen durch Beschreibung schwer zu klarer Anschauung
zu bringen. Nur einige Hauptpunkte will ich hervoriieben. Bei
einer einzigen Art {M. polycarpa) ist die Frucht, wie bei den Pi-
lularien, fast kugelfSrmig, so dafs die verschiedenen Seiten gleich-
mäßig in einander übergehen. Bei der grofsen Mehrzahl der Ar-
ten ist die Frucht stärker oder schwächer von der Seite zusam-
mengedruckt, 80 dafs Rficken- und Bauchseite als meist abgemn-
dete Kanten deutlich hervortreten. Die Rückenkante ist bei den
meisten Arten geradlinig und biegt sich erst gegen die Spitze hin
abwärts, um sich mit der in ihrer ganzen Längserstreckung nach
aufsen gewölbten Bauchkantc zu vereinigen, wodurch die Fruchn
wenn sie etwas in die Länge gezogen ist, eine schief oder halb-
ciformige Gestalt erhält (if. diffusa und die verwandten Arten.
M, Drummondii, Capensis etc.); seltener ist die Rückenkante
sattelartig eingebogen (M, Aegyptiaca, exarata^ in geringerem Grade
mitunter auch bei M, hirsuta und macrä); oder sie ist fast ebenso
stark nach aufsen gebogen wie die Bauchkante, wodurch die Form
vorn IL August 1870. G99
der Frucht breit elliptisch wird (if. mueronata nebst Verwandten,
annSherungsweise M, Emesti und salvatrix). Kommen sich Rucken-
und Banchkante mit einer plötzlicheren Biegung entgegen, so daÜB
die Spitze der Frucht abgestutzt erscheint, so kann man eine beide
verbindende Stirnkante unterscheiden (if. Äegyptiaca, quadrata).
Der Grad der Zusammendrückung der Frucht ist sehr verschieden,
daher die Seitenflfichen bald stark bauchig, bald flacher gewölbt.
Am stfirksten ist die Wölbung bei M, muHca^ welche sich hierin
nahe an M. polycarpa anschliefst; zu den besonders dickfruchtigen
Arten gehören ferner M, Em$8ti, distorta^ biloba; zu den Arten
mit mfifsig zusammengedrückter Frucht M. quadrifoliata^ dUfftua,
Drumnumdii etc.; mit stark zusammengedrückter M, hirsuta, villosay
quadrata. Zuweilen ist die eine Seitenflfiche (bei der seitiliehen
NiederleguDg der Frucht die obere) stärker gewölbt als die andere.
So in ausgezeichneter Weise bei M. pubescms^ weniger best&ndig
bei M. braehypuB und villosa. BeschrAnkt sich die Wölbung der Sei*
tenwfinde auf die mittlere Region, so dafs zwischen ihr und dem
Rande eine schwache Depression eintritt, so erscheint die Frucht
berandet (M. erosa, braehycarpa, gibbüy Coromandelianay stibterranea)»
Bei einer einzigen Art (M. Äegypttaea) kommt eine querlaufende
(vom Rücken nach der Bauchkante hin sich erstreckende) Ein-
dracknng inmitten der Seitenwand vor, so dafs ein horizontaler
Längsschnitt der Frucht geigenfÖrmig erscheint. Bei Af. subangu*
lata und deflexa ist die Seitenwand von einer der Rückenkante
näher als der Bauchkante liegenden stumpfen LSngskante durch-
zogen. Da bei diesen beiden Arten die Bauchseite abgeflacht und
die Bauchfl&che gleichfalls jederseits von einer Kante begrenzt ist,
erscheint die Frucht derselben fanfkantig (im Querschnitt ungleich*
zeitig fünfeckig). Eine abgeflachte Bauch- und Rückenkante zeigt
M. gymnocarpa*y eine breit abgeflachte und in der Mitte in senk-
rechter Richtung thalartig eingedrückte Stirnkante zeichnet AT.
Aegyptiaea aus. Ähnlich verhält sich nur noch M, qttadratOy doch
iflt die Fläche der Stirnkante viel schmäler und sehr schwach aus«
gefurcht. Eine der Länge nach rinnenartig ausgefurchte Bauch-i
kante zeigt M, exarata) in schwächerem Grade M. angusti/öliaj
macra und elata.
Was die Gröfse der Frucht betrifft, so ist zu bemerken, dafs
sie bei manchen Arten ziemlich constant, bei anderen, besonders
den grofsfrucbtigen, bedeutenden Schwankungen unterworfen ist;
[1870] 48
700 OesammUitzung
sie hftt daher bei der Unterscheidung der Arten einen nnte^eord-
Werth. Ich begnüge mich die £xtreme und einige wenige Mittd-
glieder ansufOhren« Die kleinfmchtigeten Arten sind JKf. Burekeiki
mit 1^ — l|>Mm. Lftnge der Frucht und gleicher Breite; JL mm-
eoidei mit l^^ — 2 Mm. L&nge und fast gleicher Breite; M, broekf-
earpa mit 2 Mm. Länge nnd gleiche Breite; M. polycarpa L. 2—
2^, B. 2—2^; M. Äegypiiaea L. 2— 2|, B. ebenso; M. triekopoda
L. 2—8, B. 2; If. ermulata L. 2^—3, B. 2; M, Uloba und «vi-
angulata L. 3, B. 2^^; M» quadrata L. 3/B. ebenso. Mittelgroräe
Früchte besitzen s. B. M. pt^escens mit I/. 4 — 5^, B. 3 j^ -Ij, if.
maera L« 4^^ — 5 (an cultivirten Ex. auweilen bis 6), B. 3^ — 4;
M. quadfifoliata L. 5 — 6» B. 3^ — 4. Als grofsfruchtig können be-
reits gelten M, maeroearpa L. 5^ — 6^, B. 3^ — 4; AT. EmeMii L.
6^—7^, B. 4^— H; M. maorojm L. 7—8, B. 5. Die bedeo-
tenste Oröfse der Früchte erreichen einige aastralische Arten, na-
mentlich im coItiTirten Zustande, $o namentlich M. Drmwtmamdn
(arientalü) J^ 6 — 9, B. 4 — 5; M. taivatrix L. 7—10, B. 5—6,
Die längsten Früchte sah ich bei M. tlata^ .welche zugleich in Be-
aiehung auf die Grobe der Frucht die veränderlichste aller Arteo
ist Unter den Ton M^ Kinlay gesammelten Früchten finden sich
solche von 4 bis zu 9 Mm. Länge und 4 — 5 Mm. Breite, an der
cultivirten Pflanze zeigen sie 7 — 10 L. nnd 5 — 6 B., ich fand
aber auch einige, welche bis 12 Mm. lang waren.
Mit der Oröfse und besonders mit der Länge der Frucht hängt
die Zahl der streifenartig verlängerten Häufchen der Sporenhebil-
ter (Sori) zusammen, welche sich, quer über die Seitenwände ver-
laufend, an der inneren Wand der Frucht befinden. Zuweil^i kann
man ihre Zahl schon an den äufserlich sichtbaren, schwach exha-
benen Querrippen der Seitenwäode errathen, wie z. B. bei Af, €ro$&,
Coranumdelianüy elata^ während bei anderen Arten äufserlich keine
Spur solcher Rippen oder Schwielen wahrnehmbar ist Die Artok
mit kleineren Früchten haben im Allgemeinen auch eine geringere
Zahl der Sori, doch stimmen beide Verhältnisse nicht genau xa-
sammen, wie die Beispiele zeigen werden. Jederseits 2 — 3, alto
im Ganzen 4, 5 oder 6 Sori besitzen M. mutcaides^ A/igyptiaeai
jederseits 3 fand ich bei M. brachycarpa und polycarpa; 3 — 4 hei
M.BurchelUi^ irkhopoda^ bHoba, Nubiea^ quadrata^ pubtscem^; 4 — 5
bei AT. iubangulata, gibba^ Coromandeliana (auch bis 6), crenuidita
(ebenso); 5 — 6 if. CapmeiSy hirsuUiy erosUf diffuta^ muHea; 6 — T
I
vom iL August 1870. 701
M* braehypua, maera^ äeftexa, distorta^ 7 — 8 if. macroearpa. Mit
der Oröfse der Zahl wird auch die Verftnderlichkeit gröfser; ich
fand 7—9 bei M. quadrifoliata^ EmMi, vestita; 6—10 bei M.
Drummandn ((mentalis) •f 8—12 bei M. salvatna; 7 — 12 bei if.
slata; 9 — 12 bei M, iinctnate.
Die Zahl der Macroaporen, welche in einer Frucht enthalten
sind, hängt theils von der Zahl der Sori ab, theils von der Zahl der
Macrosporangien eines Sorus, welche letztere auweilen bis auf 1-^2
herabsinkt (if. hirsuta). Es stehen mir nur wenige Zählungun zn
Gebot. Ich zfihlte in einer Frucht von M. museaides 12, von M. bro'
chycarpa 13, bei M. hirsuta (in 11 HSufchen) 13, bei M, polycarpa
(in 6 Häufchen) 12—14, M. deflexa 40, M. mutica 55 — 60, M.
Coramandeliana 56 — 60, M. pubescens 60 — 90, M. slata 61 — 76,
M. Drummondii 70 — 146, M. Emesti 280.
Bei Paularia beträgt die Zahl der Sori 2 (P. minuta), 3 (P.
Americana) oder 4 (P. globuli/era^ Mendonij Novae ffollandiae); die
Zahl der Macrosporen 2 (P. mtnuto), 39 (P. Americana^ nach einer
einzigen Zählung), zwischen 50 und 100 (P. globuli/era% über 100
bei P. Novae HoUandiae.
Wichtiger als die Zahl der Sori ist die Beschaffenheit des Ner-
vengernstes, von welchem dieselben getragen werden. Nicht nur
sind die beiden Gattungen Pilularia und Marsilia in der Verthei-
lung der Nerven der Frucht bedeutend verschieden, auch die Mar-
silien selbst zeigen unter sich Verschiedenheiten, welche für die
Bildung zweier Sektionen Anhalt geben, die nach den von Presl
und F^e bei den Famen beobachteten Grundsätzen auf den Werth
von Gattungen Anspruch machen könnten. Bei Marsilia tritt ein
einziges , wie im Stiel des Blattes 2 GefäTsstränge umscbliefsendes
Bündel aus dem Stiel in den Rücken der Frucht ein, wo es in der
weicheren Parenchymsehicht innerhalb der harten Sehaale dem
Rücken entlang sich hinzieht und beiderseits einfach gabelig ^)
sich theilende, an den Seitenwänden der Frucht herabsteigende
Zweige abgiebt, um sich endlich im letzten Drittheil oder Yiertheil
der Frucht in 2 Schenkel zu theilen, welche nach Abgabe einiger
weiterer Zweige auf ihrer Aufsenseite zuletzt selbst zunächst der
Spitze Seitenzweigen ähnlich an der Wand der Frucht herablau-
>} Nur der erste Seitenzweig ist mitunter zweimal gegabelt.
48»
702 GeiammttiUmg
fea. Die Zweige erreichen die Bunclikante, jedo«b ohne sicli du
deDen der entgegengesetzten Seite sn verlnnden. Bei der MdinaU
der Arten bilden die Seitennerren in ihiem VerUnf ketoe An*-
Stomosen; erst dicht an der Bsnchkante Terbinden sich gcwühn-
lich die Schenkel der angrenzenden Oabeltheile, wie die beifolgen-
den Figuren l) 2 und 3 zeigen, welche die Seitenwand der FracLi
von M. Burehellii (1), Aeg^tiaea (2) und gvadr^oHaia (3) ron
der Innenseite darstellen. Die Zahl der Nerven, welche ma der
Seitenwand herablaufen, ist, wie die Figuren zeigen, nach 6tn
Arten verschieden, aber ancb, ebenso wie die Zahl der Sori, inner-
halb gewisser Grenzen verSnderlich. Sie ist Stets grfifser al«
die der Sori, da die Sufeersten Nerven, sowohl am hinteren als
vorderen E^nde, keine SoH tragen. Die Lage der Sori, welch« auf
nach innen vorragenden, Busschlterslich aus lang^slreckten Paren-
chymzellen gebildeten, zwischen den Schenkeln der gabeltbefligpo
Nerven entspringenden PlacentarstrAngen siti»], ist bei Fig. 4 an-
gedeutet.
vom iL August 1870,
703
Fig. 4 zeigt die Nervatur der ganzen Frucht von M, diffusa
Im ausgebreiteten Zustande, die im Wesentlichen mit der der vori-
gen Arten übereinstimmt.
Ein anderes Verbalten zeigt dagegen die Nervatur der in Fig. 5,
6 n. 7 dargestellten Fruchte von M. polycarpOy suhangulaia und
defiexa^ denen sich aufserdem noch M. subterranea anschliefst.
704 OesammUitzung
Die Oabeltheile je xweier benachbarter Seitennenren verbiDden
sich hier sofort nach ihrem Ursprung, so dafs eine der Rücken-
linie parallele Kette von Anastomosen etwas über der Mitte der
Seitenwand gebildet wird. Von jedem der so gebildeten YerbiD-
dangsbögen entspringt ein einziger Nerv, der sich geradlinig nach
dem Banchrande hin fortsetzt, daselbst einfach verlöschend (Fig. 5),
oder mit den benachbarten sich verbindend nnd eine zweite Kette
von Anastomosen bildend (Fig. 6. 7). Es werden auf diese Weise
zwei Reihen mit einander abwechselnder Maschen gebildet, von
denen die der unteren Reihe die Sori aufnehmen, deren Lage in
Fig. 5 und 6 angedeutet ist. Die 3 zuerst genannten Arten, denen
eine solche Nervatur der Frucht zukommt, erweisen sich auch
durch ihre sonstigen Eigenthümlichkeiten, die starke Anskielong
des Blattstiels, die hohe Insertion der Früchte, welche weder
Rapbe noch Z&hne besitzen, als Glieder einer besonderen^ schaif-
abgegrenzten Gruppe; selbst die auf das wärmere Amerika be-
schränkte geographische Verbreitung') deutet auf die nahe Stam-
mesverwandtschaft derselben hin. Nur eine Art scheint störend in
die scharfe Sonderung der beiden durch die Nervatur bezeichneten
Sectionen einzugreifen, nämlich die vierte der oben genannten, die
senegambische M. stibterranea, welche denen von M. polyetarpa ähn-
liche Anastomosen zu besitzen scheint^ während sie in ihren übrigen
Merkmalen sich an die Arten mit getrennten Nerven der Frucht
anschliefst.
Die Nervatur der Frucht von Pilularia weicht von der der
Marsilienfrucht dadurch wesentlich ab, dafs das in die Frucht ein-
tretende Bündel sich sofort in zwei Theile spaltet. Die weiteren
Theilungen der Nerven, sowie die Lage der Sori sind ans den
beifolgenden Figuren ersichtlich, von denen 1 und 3 nach Aufnah-
men von P. minula und glohuHfera entworfen sind, während Fig. 3
auf dem Versuche beruht, eine zwischen beiden anderen liegende
Mittelstufe zu construiren, wie sie durch die Zahl der Sori und
Klappen der Frucht für P, Ämericana gefordert ist Die Figuren
sind so gestellt, dafs sie die Oberseite der Axe, die Unterseit«?
dem Blatt zuwenden. Der selbst wieder aus punktförmigen Häuf-
chen zusammengesetzte linienformige Sorus liegt hier nicht wie bei
1) Einen seltsamen Absprung in dei Verbreitung von J/. poiycarpa asf-
genommen (S. 656, 669).
vom iL August 1870.
705
Manilia in einer Oabeltheilang, sondern über einem ungetheilten
Nerven.
Die Nervatur der Marsilienfracht hat ungeachtet aller Yer-
Bchiedenheit eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der des Marsilien-
blatts, zumal wenn man sich den abnormen Fall der Verlängerung
desselben bei der Bildung dreier Fiederpaare (S. 685) vergegen-
wärtigt Die Frage nach der morphologischen Bedeutung der
Sporenfrucht der Marsiliaceen, zunächst der Gattung Marsilia selbt,
hat daher hier ihren naturlichen Anknüpfungspunkt. Der gleich-
sam zusammengeklappte Verlauf der Nerven derselben, das Anein-
anderliegen der beiden Seitenwände mit ihren von Indusien um-
hGllteo, auf Samenleisten-ähnlichen Vorragungen stehenden Sporan-
gienbäufchcn erinnert an die Aneinanderleguhg der Blättchen der
Laubspreite im Jugendzustand und erweckt den Gedanken, die
Marsiliafrucht als ein der Länge nach zusammengefaltetes, mit den
Rändern verwachsenes, auf der eingeschlossenen Oberfläche die
Sporangien tragendes Blattgebilde, einem geschlossenen Fruchtblatt
(z.B. einer Hülse) vergleichbar, zu betrachten.') Allein die Ent-
*) Nach Endlicher (Genen p1. p. 68) soll die Frucht fon Martilia ans
2, die von Ftiulearia ans 4 Frachtblittem bestehen» Im Character der Fa-
milie sagt er: „Sporocarpia . . . nunc e carpylii« dnobns (in follatis) nnnc
706 GeiammUiizung
wicklangsgeficbichte verbietet eine solche Auffassung. Nach den I
Untersuchungen von Mettenius^) ist die Frucht der Marsilieo bei
ihrer Entstehung weder geöffnet noch hohl im Innern, sondern
tritt am jugendlichen Blattstiel als ein dichtes, aus einer paren-
chjmatischen Mafse bestehendes Höckerchen herror, in welches ein
Zweig des Blattstielbündels eintritt, und in dessen Innerem alle
später auftretenden Gebilde sich entwickeln. Nichts desto weniger
werden wir, bei der Yerwandsehaft der Marsiliaceen mit den Fu^
nen, den Gedanken nicht so leicht aufgeben, die Sporenfracht der-
selben für ein Blattgebilde, und zwar nach ihrer bei Marnlia un-
zweifelhaften Stellung am Rande des Blattstiels, für ein Fieder-
bl&ttchen zu halten, während bei Pihdaria vielleicht eine Theilang
des Blattes in einen vorderen und hinteren Theil, nach der Art
von Ophioglossum vulgatum*) und Botryehium^ anzunehmen sein
durfte. Die Sporenfrucht von Marsilia hat, wie ich gezeigt habe,
selbst in dem Falle, wo man es äufserlich kaum wahrnimmt (IT.
polycarpa)y eine entschiedene Rücken- und Bauchseite, und nach
der Nervatur mochte ich dasselbe von Pilularia glauben. Ist nun
die .Bauchnaht nicht die Verbindung der zusammengelegten Rändor
eines ursprünglich offenen Blattgebildes, also keine Naht im eigent-
lichen Sinne, so kann sie doch betrachtet werden als die Verbin-
düng der Ränder eines von der ersten Bildung her geschlossenen
Blattheiles, d. h. eines solchen, dessen Unterflache sich in dem
Mafse entwickelt, dafs die Oberfläche gänzlich verschwindet oad
potentialiter ins Innere aufgenommen wird, wie wir es an zahlrei-
chen auf der Oberseite mit einer Kante versehenen (oder auch stiel-
rundcn) Blattstielen phanerogamischer Pflanzen verfolgen konnec
namentlich in solchen Fällen (Umbelliferen, Aroideen), wo der Sdt!
aus einer Scheide hervorgeht, deren Ränder in die Bauchkante
desselben zusammenlaufen, und eine Spreite trägt, deren Randtr
aus derselben Bauchkante wieder hervortreten. Dafs die Oberfläche
(in aphyllis) e carpldüs quatuor conflata, maigiDibas introflexis disaepim^s'«
coustitaentibufl bi-?el quadrilocularia. "
0 Beiträge zur Kenntnirs der Rhizocarpeen (1846) S. 23, Tal Q
Fig. 61—66.
') Ich nenne mit Absicht eine bestimmte Art, da in derselben Gattong %^ä
der andere Fall, Bildung der sogenannten Ähren aus Randlappen des Blafft
vorkommt {Ophioglouum pcUmqtum),
vom iL Ättgust 1870. 707
des Blattes bei solchen Stielen eigentlich im Innern verborgen ist,
zeigt sich an der Art, wie schildförmige Blattspreiten aas densel-
ben hervortreten. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet dürfte
auch die Bildung der Sporangien im Innern des Gewebes, für die
es unter den blattbildenden Pflanzen kein Analogon') giebt, weni-
ger auiserordentlich erscheinen. Die einseitige Stellung der Fructi-
ficationsfiedem (Sporocarpien) am Blattstiel yon Marsilia durfte
keinen Anstofs erregen, da ungleichseitige Ausbildung bei zweizei-
ligen Bl&ttem horizontalwachsender Stengel') eine gewöhnliche Er-
scheinung ist, aber räthselhaft ist der Umstand, dafs an den steri-
len Blfittem keine Spur von entsprechenden Gebilden gefun-
den wird. Auffallend ist ferner die Angabe von Mettenius^
dafs die Sporenfrüchte bei ihrem ersten Auftreten die Epider-
mis des Blattstiels durchbrechen. Eine wiederholte Verfolgung
der Entwicklungsgeschichte derselben wird hoffentlich über die-
sen und andere dunkle Punkte in der Folge mehr Licht ver-
breiten. Auf Mifsbildungen, welche Aufschlufs über die Natur des
Sporocarpiums geben könnten, habe ich fortwährend geachtet, aber
das bisher Gefundene ist von geringem Belang und beschränkt sich
auf drei bei üf. Drummondii vorgekommene Fälle, nämlich 1) eine
im obersten Dritttheil getheilte, in zwei nebeneinanderliegende
Spitzen auslaufende Frucht; 2) eine bis zum Grunde getheilte, so
dafs zwei divergirende Früchte auf der Spitze desselben Stiels
standen ; 3) einen Fruchtstiel , welcher an der Stelle der Frucht
eine schmal-lanzetf5rmige , flache, von einem einfachen Nerven
durchzogene Spreite trug.
^) Selbst bei der den Marsiliaceen nächstrerwandten Gattong ScUtnnia
bilden sich die Sporangien ursprünglich nicht im Innern, indem das Sporo-
carpiam nach der Darstellong von Grifßth, der auch Mettenius sich anschliefst
(Beiträge etc. p. 55) sich nach Art eines Ovulnms entwickelt, aas dessen Kern
die Sporangien henrorsprossen, ehe das Integament sich völlig geschlossen hat.
') Wobei bald die obere Seite bevorzugt ist (Ficus stipulacea, Hama-
meliii), bald die untere {XJlmua, Ceitis, Monster a^ Dicoryphe, Vicia dumetorum,
bei den letztgenannten die untere Stipula gröHser). Am merkwürdigsten in
dieser Beziehung sind die einseitig gefiederten Blätter von Hosackia subpin-
nata und Anthyllia tetraphylla, welche an der nach oben gewendeten Seite
2 — 3 gröbere, an der nach unten gewendeten nur ein kleineres Fiederblatt-
chen haben.
708 OesammUitzung
Ohne auf den anatomischen Bau der Sporoearpien veiCer dfr
sngehen, hebe ich einige Eigenthumlichkeiten der Haut, ^reiche die
harte Schale der Frucht fibersieht , hervor, weil sie sich bei der
Charakterisirung der Arten verwerthen lassen. Nach Entfernafii
der Haare ceigt die Oberflfiche der Furcht ein mehr oder minder
rauhes und punktirtes Ansehen. Viele Arten lassen schon mit der
Luppe unter den kleineren, kaum unterscheidbaren Punkten grS«-
sere umwallte Punkte, gleichsam kleine Krater, unterseheiden, die
sich besonders leicht erkennen lassen, wenn die Haut der Frncbt
eine hellere, braungelbe oder graubraune Farbe hat, in welchem Falk
sich die erw&hnten Punkte durch dunkler braune, cuweilenpurpnrrotlie
oder fast schwarze Farbe hervorheben. Weniger auffallend sind sie bd
dunkelbrauner Färbung der Frucht und bei manchen Arten sifid
sie mit der Luppe überhaupt nicht unterscheidbar. Diese Pmü^t^
seigen die Stelle der Lnftspidten an, welche der Luft vennittdst
eines die doppelte Schicht des dichten Pallisadengewebes der har-
ten Schale durchsiehenden Eanales Zutritt in das innere Gewebe
der Frucht gestatten. Sie fehlen bei keiner Art, wenn sie wä
nicht bei allen Arten gleich h&ufig sind. Selbst die Arten mit on-
terirdischen Frachten, sowohl der Gattung Manilia^ als der Gat-
tung Pilularia^ besitsen diese Yorrichtong.
Die mikroskopische Untersuchung der Haut seigt eine einfache
Lage polygonaler HautzeUen, kleiner als die der BlStter und ohne
Buchtung, bei völlig reifen Früchten ohne bemerkbaren Inhalt, farb-
los oder gelblich gefSrbt, mit einer ' Guticula überxogen, die bei
reifen Fruchten oft braun wird. Nur an der Basis der Frucht,
über der Raphe und in der Gegend des oberen Zahns, wird die
Haut mehrschichtig. Dieser obere Zahn selbst ist grofsentheils darcb
eine wuchernde Erhebung des Hautzellengewebes gebildet ZviscbeD
den Hautzellen zerstreut sieht man dreierlei verschiedene Bildungen«
bei verschiedeneu Arten in verschiedenem Verh<nifs gemischt:
1. Kleinere, von oben gesehen kreisrunde Zellen von goH-
brauner oder rothbrauner Farbe. Im L&ngsschnitt sieht mao
sie nach unten zu breiter sind und oft mit gewölbter Basis
unten vorragen, wfihrend sie nach oben meist nur die halbe Höhe der
Hautzellen erreichen« Es sind dies die Träger oder Ansatxzel*
len der Haare.
2. Meist gelblich gefärbte, längliche Zellpaare, welche sich is
keiner Weise von den Schliefszellenpaaren gewohnlicher LofUpiI*
vom iL August 1870. 709
ten unterscheiden, aber keine oder nur eine aehr kleine, linsen-
förmige Lafthoble anter sich haben. Ich will sie als kleine oder
blinde Laftspalten (Microstomata) bezeichnen. Sielassen sich
besonders deutlich von der Unterseite der abgesogenen Haut er-
kennen, da sie von den angrenzenden Hautzellen tbeilweise aber*
wölbt sind. Sie sind stets in weit grofserer Zahl vorhanden als
die folgenden grotsen Stomata, oft aach in grofserer Zahl als die
Ansatzzellen der Haare.
3. Die grofsen Luflspalten oder Ringspalten (Macrostomata),
die, wie oben erw&bnt wurde, schon mit unbewaffnetem Auge oder
mit der Luppe sichtbar sind, liegen noch tiefer als die kleinen und
sind von einem den Ifinglichen Yorhof bildenden Kreise zahlrei-
cherer (8 — 10, während es bei den vorigen meist nur 4 sind) stark
gewölbter und gefärbter (gelb- oder rothbrauner) Hautzellen oder
selbst von mehreren Kreisen solcher Zellen umgeben.
Besonders deutlich und schon bei geringer Yergröfserung sicht-
bar sind die Bingspalten bei M. unctnate, mucranata und vesHta (pur-
purroth auf hellbrauner Wand), M. maerocctrpa (sehr zahlreich und
dicht aneinandergedrängt), mUosa, anguBtifolia (purpurschwarz auf
hellbraunem Grund), exarata, hirsuta^ gibbuy Caromandeliana^ Drum"
mondii (gegen die Basis der Frucht dichter gedrängt), biloba, Äegyp^
tiaca; wegen dunkelbrauner Färbung der Frucht minder auffallend,
doch mit Bestimmtheit unterscheidbar, sind sie bei M. brachypus
(schwarz auf braunem Grund), quadrifoliaia, diffusa,, pubescens^
Bureheün; sehr schwer zu erkennen bei M» crenulata^ rotundata\
mit der Luppe nicht zu erkennen bei M. polycarpa^ subangulata,
mutica, Mexicana^ Emesti.
Nur 2 Arten sind bekannt, deren Fruchthaut ein auffallend
abweichendes Verhalten zeigt, nänüich Jf. gymnocarpa und Nvbica.
Bei beiden erscheint die Oberfläche der reifen Frucht glatt und
glänzend schwarz, bei M. Nubica deutlich, bei M. gymnocarpa un-
deutlich mit sehr kleinen Pünktchen übersäet. Die für das blofse
Auge schwarze Färbung hat ihren Sitz in der Haut und die ge-
färbte Schicht löst sich als eine zusammenhängende, etwas spröde
Schale von der Frucht ab, so daCs man sie leicht im Ganzen oder
in einigen grofsen Stacken abheben und dadurch die innere, dickere
und härtere, matt hellbraune Schale entblöfsen kann. Die mikro-
skopische Untersuchung zeigt, dafs die sich ablösende äufsere
Schale nicht die ganze Haut darstellt, sondern nur von den stark
710 Oesammtsitzung
verdickten nach aafsen gekehrten Deckwfinden and dem angres- 1
zenden, bis über die halbe Tiefe der Haatzellen faerablanfenda
Tbeil der Seitenw&nde gebildet ist. Unter dem Mikroskop ersehei-
nen diese die schwarze Schale bildenden verdickten Waude dunkel-
goldbraun bis porpurbraun, vlUirend die unteren Wunde der Haut-
Zellen 9 welche mit dem kleineren unteren Theil der Seitenwinde
an der Oberfläche der Pallisadenschicht (der inneren Schale) hSat-
gen bleiben, dünn und bleich sind. Ein senkrecht durch die
schwarze Schale geführter Schnitt bietet ein Bild, irelchea sieb
mit dem Längsschnitt durch die Zähne des äufseren Peristoms
vieler Moose') vergleichen läfst Von der Fläche gesehen zeig«
die festverbundenen W&ide die Zellgrenzen und Yerdickangsschicli-
ten sehr deutlieh. Zwischen den dunklen Feldern (Deckwäodai
der Hautzellen) sieht man zahlreiche zerstreute helle Spalten, wie
kleine Fensterchen, kürzer als die Länge einer Zelle, bei 3f. Nubie»
etwa ^ so breit als lang, bei M, gymnoearpa so schmal, da£s das
Licht nur hier und da ein wenig durchdringt. Aufser den kürze-
ren Spalten kommen in geringerer Zahl längere, von zahlreicherem
(6 — 8) Zellen begrenzte vor. Diese Spalten sind die Eingänge za
den kleineren und grofseren Luftdpalten, deren Schliefszellen ao sehen
mir an der reifen Frucht nicht gelungen ist.
An das sonderbare Verhalten der beiden genannten zeigen
manche andere Arten dadurch eine gewisse Annäherung, dafa die
reifen Früchte eine Haut besitzen, die sich abreiben läfst. Dies
ist namentlich bei den australischen Arten der Fall, welche die
Nardu-Fruchte üefem, die, von den Eingeborenen gesammelt, nicht
blofs ihrer Haare beraubt, sondern zum Theil auch durch Abrei-
bung der Haut geglättet zu uns kommen, welches wahrscheinlich
Folge absichtlicher Reibung und Schüttelung ist Bei den wild
gesammelten Fruchten') der ostlichen Unterart von M, Drut/mtOH'
du ist es namentlich der obere Zahn der Frucht, dessen aus Haut-
gewebe gebildeter Theil sich leicht abschält, wodurch ein niedriger
glänzend schwarzer Höcker entblöfst wird. Auch PiL globuUfera
zeigt an alten Früchten nach dem Aufspringen eine deutliche Ab-
schälung der Haut in Form zarter papierartiger Fetzen.
*) Vcrgl. Lantzius-Beninga in Nov. act. nat. cur. XXII. IL Taf. 59.
60. 62. 63.
>) Die caltivirten erreichen dazu nicht die erforderliche Reife.
vom IL Augu9t 1870. 711
]E^dlich ist noch auf die Unterschiede aafmerksam zu machen,
-welche sich in der Beschafifenbeit der Haare der Fracht zeigen.
Im Wesentlichen stimmt der Bau derselben mit dem der Blatthaare
überein, doch sind sie im Allgemeinen straffer nnd st&rker geffirbt,
dabei oft kurzer, in anderen Füllen aber auch länger und feiner
auslaufend als diejenigen der Blfitter (Ji. Emesti), Bei einigen
A.rten sind sie sehr sp&rlich voriianden und hinfällig {M» gymno^
carpa^ Nubica^ auch M. Coromandelianä)^ bei anderen reichlicher,
aber doch zur Zeit der Reife sich mehr oder inreniger verlierend
(üf. quadrifoliatay diffusa^ crenulatay erosä)^ oder endlich auch die
reife Frucht mit einer dichten Decke bekleidend (if. hrachypus^
villoaa, hirsuta^ Drummondü nebst allen Verwandten). Sie sind bald
kürzer und dann gewöhnlich dicht anliegend (Jf. Caromandeliana,
hrachypuB, tmctitafa, strigosa, Capensis^ diffusa etc.), oder länger und
mehr oder weniger abstehend (if. veaiita^ rt7/o<a, biloba^ brachypus^
hirsutüstma^ distarta, Emesti^ subangulata); meist gerade gestreckt,
selten schlaff, wellig und kraus oder selbst zusammengeknittert
(Af. deßexGy muiiea). Die Zahl der Zellen wechselt wie bei den
Haaren der Blätter; am häufigsten finden sich 3 — 5 {M. diffusay
crenulatüj erosa^ Aegyptiaca^ Drummondü)^ selten weniger z. B. 2 — 3
bei M, brachyearpa; oft dagegen mehr z. B. 5 — 8 bei M. quadri-
/oliatOj Coromandeliana^ defiexcu Die entwickeltsten Haare fand ich
bei M. macropua mit 5—10 Zellen. Bei den meisten Arten sind
die Haare an allen Zellen mit kleinen, entferntstehenden, seltener dicht
zasammengedrängten Wärzchen besetzt, so z. B. bei M, diffusa^
erenulatOy erosa^ strigosa, mcusroearpay Capensis^ Burehelliiy tnacroptis^
villosaj Emestiy Nuhica. Besonders stark entwickelt sind diese
Wärzchen bei M, uncinata^ mucronata^ vesHta, tenutfolic^ Äegyptiaoa^
biloba^ brachyptu^ braehycarpa und gibba^ dagegen sehr klein und
wenig bemerkbar bei M, pubescens, Coromandelianaj muscaideSy 9ub^
angulata, polycarpa. Bei einer Reihe nahverwandter australischer
Arten beginnt die Warzenbildung erst mit der zweiten oder dritten
Zelle des Haars, während die erste glatt und oft längsstreifig er-
scheint So bei M. Drummondü orientalis^ salvatriXy elata^ hirsutis^
aintOy mcurOy Müllerin so wie auch bei M, hirsuia. Kaum bemerk-
bar sind die Wärzchen an den oberen Zellen von M, Drummondü
occidentalis. Völlig glatte Haare habe ich nur bei wenigen Arten
gefunden, unter welchen hauptsächlich solche mit unterirdischen
Fruchten "bemerkenswerth sind, nämlich bei if, Mexicana^ mutka^
712 Gesammititzung
distarta, iubterranea, dtfluta^ aber aach bei ül qnadrifi^iiata and
anguid/olia.
Sehr sonderbar ist die Bildong der Fmchtiiaare bei PibUark
gUhuHfera. Die erste flache Zelle derselben sitxt horizontal auf
einer trichterf5rmigen Stielzelle wie bei Jkfartfiia, aber die fdgni-
den Zellen haben eine Ähnliche schildfonnige Befestigung nnd liegen
wie schief übereinandeigeschobene Ifingllche Blfitter aufeinander,
jede folgende die TOraasgehende überragend. Die letzte geht in eine
langgezogene Spitze ans. Sie sind fast nngefiirbt und glatt. Met-
ten! os^} hat eine Entwicklangsgeschiehte dieser Haare gegeben,
welche einige Zweifel Ifiist and eine wiederholte Beobachtung wön-
schenswerth macht. P. Novae SoUandiae verhSlt sich ungefihr
ebenso wie P. glohuHfera^ desgleichen P. Ameriocma^ aber die Bad-
spitze des Haares der letztgenannten ist durch gewöhnliche Qoerwinde
noch in mehrere Zellen getheilt. Bei P. minuta sind die Haare
weit schffl&ler als bei den anderen Arten^ sehr dünnwandig und im
trockenen Zustande vielfach gefaltet und zerknittert. So weit leb
sehen konnte, sind die 3 — 5 Zellen, aus welchen sie bestehen, so
den Verbindungsstellen nur sehr wenig, die äufsersten gar nicbt
Sbereinander geschoben.
Ich habe es unterlassen, weiter auf die anatomischen Yerhilt-
nisse der Marsiliaceen einzugehen, als zur Charakteristik der Artea
nothwendig war. Eine ausführliche Darstellung derselben wird näch-
stens von Dr. Russow in Dorpat erscheinen, dem ich selbst eise
grofse Zahl bezuglicher, mit Meisterhand gefertigter anatomischer
Pr¶te verdanke. Auch Hm. Dr. Magnus bin ich za grofsem
Dank verpflichtet ftlr die HSlfe, die er mir bei den einschlagenden
Untersuchungen geleistet hat.
Nachstehender Schlüssel, den ich zur Bestimmung der Arten
entworfen habe, ist so eingerichtet, dafo die Arten, so weit es sich
erreichen liefs, nach ihren Verwandtschaften geordnet sich folgen
Stellt man für jede Art das zusammen, was sich auf dem We|^
des Schlfissels als ihr zukommend ergpebt, so hat man zngleieL
eine möglichst gedrungene Diagnose derselben.
1} Beitr. znr Kenntn. der Rbizocarpeen S. 29, Taf. n. f. 67.
1
vom iL August 1870. 713
/. Marsilia.
A.. Seitennerven der Frucht an der Theilungsstelle
anastomosirend (S. 703, Fig. 5—7).
a. Mehrere FrQchte über der Basis des
Blattstiels entspringend. Frucht ohne
Raphe und ohne Zähne.
a. Frucht fast kugelförmig, ohne Kanten, nickend
auf seitlich abstehendem Stiel.
t An einem Blattstiel 10—25 Früchte in einer
hoch über der Basis beginnenden Reihe. Sori 3.
M. polycarpa.
ff Nur 8 — 12 Früchte, die Reihe nahe am Grunde
des Stiels beginnend.
M, polycarpa var.
Mexicana.
ß. Frucht mehr oder weniger verlängert, stumpf
5 kantig.
t An einem Blattstiel 6 — 10 Früchte, die Reihe
nahe am Grunde desselben beginnend. Frucht-
stiel seitlich abstehend. Frucht nickend, wenig
verlängert Sori 5.
M. subangulata.
tt Nur 2 — 3 Früchte nahe am Grunde. Frucht-
stiel abwärts gebogen. Frucht stark verlängert.
Sori 6 — 8. Haare der Frucht glatt.
M, defleaa,
b. Nur eine grundständige Frucht mit
Raphe und (schwachen) Zähnen. Frucht-^
stiel senkrecht nach unten gebogen, 2 — 3
mal so lang als die zusamniengedrfickte und
berandete Frucht. Haare glatt.
M. 9ubterranea,
714 Gesammtiiisung *
B. Die gabeltheiligen Seiteimerven der Frucht blei- 1
ben bis zum Bauchrande getrennt (S.702Fg.i-3\
a. Mehrere (2 — 5) Früchte theils nahe,
theils ganz am Grunde des Blattstiels
entspringend.
a. Die Fruchtstiele unter sich eine Strecke weit
verwachsen (aufrecht oder schief abstehend).
f Fruchtstiele von der Basis des Blattstiels
entfernt, doppelt so lang als die Fracht
Die reife Fracht kahl, aweizfihnig. Haart-
d. Fr. glatt
Jf. quadri/oliata.
ff Frachtstiele fast an der Basis, 3 — 4iii&l
so lang als die grolse langhaarige Frucht.
deren oberer Zahn nur schwach angedeutet ist
Haare d. Fr. warzig.
M. maeropui.
ff f Fruchtstiele basilär. Beide Zähne der Fracht
sehr schwach angedeutet.
M. Brownii.
ß. Die Fruchtstiele unter sich frei oder am
Grunde nur wenig zusammenhängend (auf-
recht oder schief aufsteigend).
t Fruchtstiel kürzer als die Fracht, etwa ]
so lang. Oberer Zahn länger ab der untere.
(Haare der Fracht lang und abstehend.)
* Fracht mit sichtbaren Rippen.
Jf. brachyjmi.
** Fracht ohne sichtbare Rippen.
M. graeilentö,
ff Fruchtstiel gleichlang oder länger als di^^
Fracht. (Haare d. Fr. anliegend.)
* Oberer Zahn etwas länger als der untere.
1. Frucht gerippt und berandet. (Fmchtstid-^
oft etwas zoBammenbän^nd) 1^ — l^so Unf ^
M, er<we.
vom iL August 1870. 715
2. Frucht nngerippt.
Fruchtstiel 1 — 1^ so lang. Ringspalten
deutlich sichtbar.
M. comuta.
Fruchtstiel 1^ — 2 mal solang. Ringspal-
ten undeutlich.
M. crenulata.
** Beide Zähne fast gleich. Fracht angerippt.
1. Frucht länger als breit. Sori 5 — 6.
Jf. diffusa.
2. Frucht nicht länger als breit, sehr klein.
Sori 3.
M. brachycarpa.
b. Nur eine Frucht am Grunde des Blatt-
stiels.
a. Haut der Frucht bleibend (was auch von
allen vorausgehenden gilt).
f Blätter ohne Sclerenchymzellen (wie
bei allen vorhergehenden).
I. Fracht mit 2 ziemlich gleichen Zähnen.
1. Fruchtstiel kürzer als die Fracht. Hautzellen
der Blätter ohne Höcker (wie in allen Abthei-
langen, bei welchen nichts darüber bemerkt ist).
a. Zähne der Fracht karz and stampf. Fracht-
stiel i — ^ so lang, mit der Frucht zur
Seite gebogen, Fracht etwas ungleichseitig.
a) Haare länger und abstehend, sehr fein warzig.
M. pubescens.
ß) Haare kürzer, anliegend, stark warzig.
M. strigosa.
b. Zähne der Frucht stärker, Frachtstiel j — ^
so lang, aufgerichtet.
a) Frucht dick, auf der Bauchseite ausgefurcht.
X M. exarata.
ß) Frucht stärker zusammengedrückt, ohne Aus-
furchung.
M. hirsuta,
2. Frachtstiel länger als die Frucht, meist mehr
als doppelt so lang. Hautzellen der Blätter
mit Höckern,
[1870] 49
716 Getammisitzung
a. Frucht horizontal, flcin (4 — 5 Mra. lang, |
Fruchtstiel 2-, höchstens 3 mal so lang,
a) Banchseite der Frucht nicht ansgeliireb
Hantzellen nur auf der Oberflache des BUni
höckerig.
t Blättchen ganzrandig, stark behaait.
AT. Hotoittianü.
tt Bl&ttchen gekerbt, dicht seidenhaanf.
Äf, serictc.
ftt Blattchen tiefer gekerbt oder eingv-
Bchnitten, locker behaart.
Jf. MüIUn.
P) Bauchseite der Frucht leicht aasgefnrrht
Landblatter auf beiden Flachen mit höckeri-
gen HautzeUen. (Blättchen schwach g^€Tt>t,
schwach behaart.)
Jlf. macra,
6. Frucht schief aufsteigend oder roUig auf-
gerichtet, grofs (meist über 5 bis 10 Mm.
lang).
a) Bauchseite der Frucht nicht aosgefarcht, ssr
die Hautzellen der Oberfläehe des Blatt?
höckerig.
t Frucht schwach geneigt oder aufrediL
oval. Fruchtstiel 2 mal so lang.
* Blättchen ganzrandig, schwach be-
haart. Haare der Frucht anlie-
gend, kurz.
M* axaloide*.
** Blättchen gekerbt, stark behaaxt.
Haare der Frucht lang und ab>
stehend.
Af. hirsutitsima.
tt Frucht stärker geneigt, schief eiförmig,
auf straff aufrechtem Stiel, der 2 — 3
mal so lang ist als die Frucht.
* Blättchen ganzrandig, stark be-
haart, Haare der Blätter warzig.
M. Nardm
(^Drummondit orientaiü).
** BUttchen gekerbt, Haare der BL
ohne Warzen.
M. Drummondii (occidentalisy
ttt Frucht schwach geneigt, oval, asf
leicht gekrümmtem Stiel, der 3 — 4
/
vom IL August 1870. 717
mal 80 lang ist. Blättchen am Rande
gekerbt und wellig.
M. salvatrix.
ß) Bauchseite der Frucht ausgefurcht, die Hant-
zellen beider Blattflächen mit Höckern.
(Frucht aufrecht, Stiel vielmal so lang,
Blättchen ganzrandtg oder gekerbt, stark
behaart.) '
M. elata.
II. Frucht mit 2 Zähnen, deren oberer Stachel- oder
hackenartig yerlfingert ist. (Ringspalten der Fracht
sehr grofs und auffallend.)
1. Beide Zähne dicht beisammen, nur durch eine
spitzwinkelige Bucht getrennt. Fruchtstiel kür-
zer als die Frucht (Blättchen breit und ganz-
randig. Haare der Frucht dicht, lang und ab-
stehend.)
M, villosa.
2. Beide Zähne durch eine breitere Bucht ge-
trennt.
o, Fruchtstiel kurzer als die Frucht, höch-
stens gleich lang. (Oberer Zahn der
Frucht gerade oder schwach gekrümmt)
t Blättchen sehr schmal, am Stinirand
mit einigen Siähnchen. (Haare der
Frucht angedrQckt.)
üf. tenui/olia.
tt Blättchen breiter und ganzrandig.
* Bl. schwach behaart Haare der
Fr. anliegend.
M. mucranaia,
** Bl. stark behaart Haare der
Fr. lang und abstehend.
üf. vestita,
b, Fruchtstiel länger als die Frucht, 1^ — 2
mal so lang. (Oberer Zahn meist hacken-
formig gekrümmt. Haare der Frucht an-
liegend.)
M, uncinata.
III. Nur der obere Zahn der Frucht ausgebildet, der
untere mehr oder weniger verflacht oder ganz feh-
lend. (Fruchtstiel bei allen Arten verlängert)
49»
18 Ge9ammt8%tzung
1. Hantzellen der Blätter ohne Höcker. (Fracb:- |
stiel aufrecht und gerade. Frucht schief ml- '
steigend oder horizontal.)
o. Frucht stumpf oder fast spitz, ohne ver-
längerten Stimrand, ohne Ansfurchnng.
a) Der obere Zahn der Fracht kurz und stompl
der untere nur wenig schwächer, abgerm-
det ').
f Fracht fast kreisnind, fast honzontal
Ringspalten ankenntüch. Fmefatstie]
2 — 3 mal so lang.
M. roiundatß.
tt Fracht länglich , schief ansteigesd.
Ringspalte sehr grob und dicht ge-
drängt Fmchtstiel angefähr 2 mal sp
lang.
M, fnacroearpa.
ß) Der obere Zahn schärfer herrortretend, der
nntere ganz oder fist ganz Terwischt.
t Zahn korz kegelfSrmig.
* Frocht länger als breit, gegen die
Spitze schief abgeschnitten. (Haar?
der Fracht anliegend. Blättcbes
meist ausgerandet oder zweilap-
Pig) ^
Jf. Capensii.
** Frucht nicht länger als breit, sebr
klein. (Haare der Fr. anliegend.
Bl. ganzrandig.)
M. SureMlU,
tt Der Zahn stachelartig Terlängert. (Fr.
nicht länger als breit mit abstehende!
Haaren. Blättchen einiach- oder dop-
pelt zweUappig.)
M. biloba.
b, Frucht abgestutzt, mit verlängeitem, ans-
gefurchtem Stimrand.
a) Stimrand breit ausgefiircht. RQckenkante
8attelf5rmig. Seitenwand in der Mitte ein-
gedrückt. Zahn sehr kurz und abgenmdei
M. Aegyptiaca.
1) Die beiden hierher gestellten Arten könnten nach der Beschaffenheit
der Zähne der Fracht fast mit demselben Recht unter b, a, I (mit S gleich«a
Zähnen) gestellt werden; ich ziehe es vor sie hierher zu stellen wegen ihm
unzweifelhaft natfirlichen Anschlusses an die unter ß folgenden Arten.
vom iL August 1870. 719
ß) Stirnrand der starker znsammengedrückten
fast viereckigen Fracht schmal aosgefarcht.
Zahn verlängert kegelfSnnig.
M. quadraia.
2. Haatzellen beider Blattflächen mit Höckern.
(Fruchtstiel aus niedergebogener Basis aufstei-
gend^ 5 — 6 mal so lang als die schief aufge-
richtete, berandete Frucht.)
M. gibba,
lY. Nur der untere Zahn deutlich, der obere mehr oder
weniger verflacht oder ganz unmerklich.
1. Fruchtstiel sehr kurz und aufrecht. (Frucht
fast horizontal, an der Bauchseite ausgefurcht.
Haare der Frucht glatt. Bl&ttchen schmal mit
der gröfsten Breite m der Mitte.)
JKf. angusti/olia^),
2. Fruchtstiel mäfsig verlängert (1 — 2 mal so
lang), niedergelegt oder abwärts gebogen.
a, Raphe äuTserst kurz, der obere Zahn noch
ziemlich deutlich. (Stiel |- — |- lang. Die
Frucht gegen den Stiel nur wenig geneigt
mit stark gewölbten Seitenwänden und
dichtem Haarfilz. Haare warzig').
M, Emesti,
b, Raphe etwas verlängert, der obere Zahn
unmerklich.
t Stiel gerade, horizontal oder absteigend,
1 — 1^ 60 lang. Frucht gegen den
Stiel geneigt fast bis zum Horizontalen,
stark zusammengedrückt. Frachthaare
glatt.
M, Mexicana.
tt Stiel gebogen, | — 2 mal so lang. Fr.
gegen den Stiel abwärts geneigt. BI.
fast unbehaart
M, Berteroi.
' ) Wegen mangelnder Ausbildung des oberen Zahns in der Tabelle hier
iMtergcbracht, während sie naturgemäfser neben M. hirsuta und exarata ste-
llen würde.
') Könnte nach den Zähnen unter 6, a, I (mit 2 gleichen Zähnen) ge-
stellt werden, hat aber ihre nächsten Verwandten offenbar hier.
720 Gesammtsitzung
ttt Stiel absteigend und luicken£>re4
BUtter graa behaart und last sekkt
glänzend.
V. Frucht ohne Raphe (der Stiel unter der Frucht ii:ir
etwas verdickt) und ohne Zahne (an der Stelle d.»
oberen Zahns ein länglicher Fleck 8ichtl>ar).
Fruchtstiel bald auf-, bald absteigend, I|— -
mal so lang. Frucht fast stielrond. Hure
derselben glatt.
ff Blätter mit Interstitialstreifen an»
Sclerenchjmzellen (S. 692).
1. Fruchtstiel dfinn, aufrecht, gerade, lang (2^6
mal so lang). Frucht mit 2 deutlichen Zäh-
nen, berandet uud gerippt. (Frucbthaare an-
gedrückt, hinfallig, feinwarzig. Blättchen ganz-
randig, kahl.)
a. Frucht aufrecht, langer als breit. Sori
4—6,
M, Coromandeliana.
b* Frucht etwas geneigt, wenig länger als
breit. Sori 3 — 4.
M* triehopoda.
c, Frucht fast horizontal, nicht länger ai?
breit, sehr klein. Sori 2 — 3.
M, muscoidfs,
2. Fruchtstiel, hin und hergebogen, niedergelegt
oder absteigend (2^ — 3 mal so lang). Der
obere Zahn der Frucht sehr schwach, flach ge-
rundet. Frucht gegen den Stiel zurückgelegt,
nicht berandet. (Haare der Frucht bleibend,
lang, glatt.)
If. distorta.
ß. Haut der Frucht sich ablösend, eine
äufsere, locker anliegende, glänzend
1) Unvolbtändig bekannt, die Charakteristik künftig zu berichtigen ood
zu ergänzen.
vom iL Äugu$t 1870. 721
schwarze Schale um die Frucht bil-
dend (S. 709).
(Die reife Fracht ohne Haare, ohne vortre-
tende Z&hne, zusammengedruckt, mit langer
Raphe. Der kurze Fruchtstiel vorwfirts ge-
neigt.)
f Die Schale deutlich punktirt. Die Frucht
gegen den ^ — -J- langen Stiel horizontal.
M* Nubica*
ff Die Schale undeutlich punctirt. Die Frucht
gegen den 1 — 1^ langen Stiel abwärts ge-
bogen.
M. gymnocafpa.
II. Pilularla.
1. Frucht zweificherig.
Fruchtstiel absteigend, lang. Sporen (deren nur eine
in jedem Fach) ohne Einschnürung.
P. minuta,
2. Frucht dreifächerig.
Fruchtstiel absteigend, verlängert, mit kurzer seitlicher
Biegung ansitzend. Sporen zahlreicli, ohne EinschnQ-
rung.
P. Americana*
3. Frucht vierfacherig.
a. Fruchtstiel verlängert, absteigend.
f Ende des Fruchtstiels horizontal mit der Frucht
verbunden, eine Raphe bildend. Sporen ohne
Einschnürung.
P. Novae Hollandiae.
ff Ende des Fruchtstiels fast gerade an die Frucht
angesetzt.
P. Mendoni.
b. Fruchtstiel sehr kurz, aufrecht, gerade angesetzt. Spo-
ren mit einer Einschnürung über der Mitte.
P gtobtUi/era.
722 Geiammtsitzung
Systematische Übersicht der Arten mit Angabe
der Synonyme imd Fundorte.
/. Marsilia.
Gruppe der M. polycarpa.
1. M. polycarpa Hook, et Grev. Je. Fil. (1831) t. IM; A.
Br. Monatab. d. Ak. 1863, S. 417. Wohl die merkwürdigste unter
allen Arten, welche im Caltarzustande beobachten zu können, be-
sonders in Beziehung auf die Entwicklungsgeschichte der Sponm-
fr achte, von grofster Wichtigkeit wäre. Da sie in Sudamerika Ter-
breitet und hfiufig zu sein scheint, so dürfen wir wohl hoffen, durch
Beisende reife Fruchte zu erhalten. Die gröfste Zahl der an einem
Blattstiel sitzenden Früchte, nämlich 23, habe ich an einem Exem-
plar aus Cuba gesehen und gewifs ist dies niclit das Maximum.
Bekannte Fundorte der Normalform sind: Guyana: Demerara.
am Essequibo (Parker 1828 in herb. Hooker); Surinam (Leprieur).
Brasilien: Para (Spruce 1849 n. 42 in herb. Hook. etc.). Insel
Cuba (Pöppig n. 290 steril in herb. Kunz.; Wright n. 1799. 1800
in Mus. Par. etc.). St Thomas (Friedrichsthal in herb. Vind.)-
Sandwichsinseln: Tahiti (Barclay in h. Hook., Yesko in Mos. Par.,
Yieillard in herb. Lenorm., Wilkes sec. Brakenridge, Expl. Exped.
p. 541). Als zweifelhaft hierher gehörig sind anzuführen sterile
Exemplare von Santa Fä de Bogota (Bonpland in Mus. Par.) und
Buenos Ayres (Commerson ibid.).
Als Varietäten oder vielleicht nur Formen sind zu erwähnen:
M. polyc. minor. M. Braailxensis Martins Je. plant, crjpt. (18äS
— 34) p. 122, t 73 aus der Provinz Bahia, in ausgetrockneten Tei-
chen bei Joazeiro. Sie ist kleinblättrig und behaart und hat nur
8 — 10 Früchte am Stiel, wahrscheinlich in Folge trockenen Stand-
orts. Von Blanchet bei Bahia gesammelte Exemplare (n. 2409
in herb. Mus. Par., Vindob., Lucaeano) scheinen die Mitte zwischen
der Normalform und der von Martins zu halten.
M. polyc, Mexicana^ bei Mesachica in Mexiko von Schiede ge-
sammelt (herb. BeroL), gleichfalls klein, aber kahl. Ich sah nicht
über 8 Früchte, welche kugelig und ohne Kanten sind.
M. picta Fee, 9me. Mem., Catal. des Foug. du Mexique (1857)
p. 47. In den Kanälen bei Mexiko (v. Chrismar 1848, L. Hahn
vom iL August 1870. 723
1868) und bei Ghaptütepec (Schaffner 1854). Wasserform mit ge-
streiften, sowie Sumpf- und Landform mit ungestreiften Bl&ttern,
nur steril bekannt, daher nicht sicher bestimmbar, doch spricht der
anatomische Bau der Blätter, namentlich die sehr kleinen Hautzel-
leu der Oberfläche, die nicht gröfser sind als die Stomata, für die
nahe Beziehung zu M, polycarpa^ während die meist mehrschichti-
gen (bei M, polycarpa nur aus einer Reihe von Pallisadenparenchjm
gebildeten) Grenzwände der Lufthöhlen eine Verschiedenheit an-
deuten.
M. Stratiotes. So habe ich vorläufig eine von Spruce im Gapö
(Überschwemmungsgebiet des Amazonenstroms) bei Manaquiry nur
im sterilen Zustande gesammelte Pflanze genannt, von welcher
Spruce selbst sagt, sie scheine von M. polycarpa^ die er bei Para
gesammelt^ verschieden zu sein. Es ist eine Wasserform mit un-
achten Schwimm blättern von ungewöhnlicher Gröfse, aber mit ver-
bältnifsmäfsig schmäleren Blättchen als bei den grofsblättrigen For-
men der M. polycarpa. Dieselben sind 35 — 40 Mm. lang, 25 — 28
breit, haben keine Interstitialstreifen, aber Luftspalten auf der Un-
terseite. Die Hautzellen der Oberseite sind 2 — 3 mal so grofs als
die Stomata, während sie bei M. polycarpa diese kaum an Gröfse
übertreffen.
Ä. M. subangudata A. Br. Sitzungsber. der Ges. naturf.
Freunde vom 19. Juli 1870, S. 46. M. polycarpa Griseb. Fl. of
the Brit. W. Ind. IL 645; A. Ernst, Vargasia No.7p. 181. An den
grofseren (3 Mm. langen), etwas in die Länge gezogenen, fast birn-
förmigen, stumpf 5 kantigen, mit äufserlich sichtbaren Rippen ver-
sehenen Fruchten, die gröfsere Zahl der Sori (5) und die am Bauch-
rande der Frucht etwas verzweigten und meist anastomosirenden
Nervenenden (S. 703, Fig. 6) von M, polycarpa leicht zu unter-
scheiden, ein merkwürdiges Mittelglied zwischen dieser und der
scheinbar weitabstehenden M, deflexa bildend. Weniger Gewicht
kann ich auf die geringere Zahr der Früchte legen, da Schiede's
mexikanische Form von M, polycarpa in dieser Beziehung mit if.
subangulata übereinstimmt. Bei den Exemplaren aus Caracas fand
ich 6 — 10 Früchte an einem Stiel, bei denen aus Jamaica 5 — 10.
Grisebach giebt für die letzteren 3 — 8 an. — Völlig sicher ist nur
der Fundort Caracas (A. Ernst 1870), von wo allein reife Früchte
vorliegen. Die Exemplare aus Jamaica (Purdie 1844, herb. Hook.)
I
724 Gesamtntsitzung
haben unreife Früchte, gleichen aber im Übrigen sehr denen t«->c
Caracas. Ebenso die aus Panama (B. Seemann 1846). Zweifelhaf-
ter ist der Fundort Guatemala (Friedrichstbal no. 942 in hert».
Vindob. et Kunz.), da ich die Exemplare seit Unterscheidung der
M, suhangulata nicht wiedergesehen habe.
3. M. deflexa A. Br. Monatsb. 1863, S. 421; M. striaic:
Mett. in Triana et Planch. Prodr. Fl. Novo-Granat. (Ann. d. sc.
nat. Ser. 5, T. III) p. 310. (Vergl. S. 703, Fig. 7, Nervatur dei
Frucht.)— Brasilien: Prov. Piauhy (Gardner 1841, No. 2760.
Herb. Vindob. Boiss. etc.); Neu Granada: Aposentos, Ilano de
Ibague, pr(fv. Mariquita (Triana, herb. Mett.). — Die an diese Art
sich anknüpfenden Fragen und Wünsche habe ich oben (S. 67f—
73) ausgesprochen.
4. M. subterranea (Leprieur ined. ex part) A. Br. in Flora
1839 S. 301 u. Monatsb. 1863 S. 433. — Senegambien, ohne nähere
Angabe (Perrottet No. 996, herb, propr.; Depreaux in herb. Le-
norm. et Mett). — Diese in den Sammlungen seltene Art habe
ich von Perrottet unter dem von mir beibehaltenen Namen erhal-
ten; häufiger findet sich jedoch in den Sammlungen unter demsel-
ben Namen eine andere senegambische Art, nämlich Af. dis^rta,
die sich durch den mannigfach gebogenen Fruchtstiel, die aof deo
Stiel zurückgebogene Frucht und die hellen Sclerencbymatreifen
der Blätter leicht unterscheiden lä£st.
Ob diese Art unter den Arten mit anastomosirenden Frucht-
nerven ihre richtige Stellung hat und für sich allein eine eigeoe
Gruppe repräsentirt, ist mir etwas zweifelhaft, da ich die Nerva-
tur wegen spärlichen Materials nur an einer einzigen Frucht un-
tersucht habe. Sollte die von mir gesehene Nervenverbindung
nicht constant sein^ so würde ich sie wegen der berandeten und
berippten Frucht an M. erosa anreihen.
Gruppe der M, quadrifoliata.
5. M. quadrt/oliata L. Sp. pl. ed. II. ex anno 1762 (.V.
quadrifolia L. Sp. pl. I. et auct); A. Br. Monatsb. 1863 S. Al^i
vom IL 'August 1870. 725
IT. vulgaris Bory in Bojer hört. Maurit. (1837) p. 427 et Belanger
Crypt p. 3 ex p. (conf. M. crenulaia), — Im gemäfsigten Eoropa und
Asien. Am Rhein bis Germersheim> ^d-^ °, und noch nördlicher in
Belgien (Lejenne u. Courtois). Fehlt in Britannien und Skandina-
Tien. Sudlich in Frankreich bis Marseille, 43^ (herb. Shuttlew.),
wo sie mit dem Vorkommen von M. pubescens nahe zusammen-
kommt; im nordlichen und mittleren Spanien und in Portugal, 42
—40°. Im Osten bei Sarepta (Fischer) und Astrachan (?), wo sie
if. strigosa und Aegyptiaca begegnet; femer in Giskaukasien (bei
Kisliar) und Transkaukausien (bei Tiflis^ 42°, und Lenkoran, 39°).
Nach Ledebour im Uralschen Sibirien ohne nähere Angabe des
Fandorts, aber jedenfalls das nördlichste Vorkommen, während das
südlichste bekannte das in Kaschmir, bei 30 — 33° n. Br., ist (Jac-
quemont No. 87 u. 88 in herb. Mus. Par.). Das Vorkommen in Ja-
pan ist zweifelhaft, da die Ton Keiske, Wichura und Maximowicz
gesammelten Exemplare unfruchtbar sind.^) Sehr zweifelhaft ist
das Vorkommen in Ägypten (siehe S. 657). Die vielfach wieder-
holte Angabe des Vorkommens auf Mauritius') führe ich nur an,
ATeil sich in Fee's Herbarium in der That von Bory stammende
and angeblich auf Mauritius gesammelte Exemplare befinden, die
ich von If. quadrifoliata nicht unterscheiden kann, obgleich Fee
sie als M, macrocarpa n. sp. unterscheiden zu müssen glaubt. Ich
vermuthe, dafs hier ein Irrthum zu Grunde liegt. In der neuen
Welt ist unzweifelhafte M, quadrifoliata am Bantam-See in Gonnec-
ticut, 41 — 42°, von Timoth. Allen (1860) aufgefunden worden.
6. M. Brownii A. Br. Monatsb. 1863, S. 418; M. quadri-
folia R. Brown Prodr. Nov. HoU. (167) 23; M. Äustraliae R. Br.
berb. — Ich kenne diese, wie es scheint, mit der vorigen sehr
nahe verwandte Art nur aus einem vor vielen Jahren gesehenen
Exemplar des Wiener Herbariums und aus brieflichen Nachrichten
von Seemann und Mettenius über die Originalexemplare im Brit
Maseum. In vieler Beziehung ist sie mir nur unvollständig bekannt.
*) Vergl. Miqnel, Prolus. FL Jap. in Ann. Mas. Lngd. Bat. III. p. 185.
') Bory (bei Belanger 1. c.) fügt noch ausdrücklich bei ^Absolument
identiqae avec celle de TEurope''. Alle sicher von Mauritiaa und Bonrbon
stammenden Exemplare, die ich gesehen, waren M, crenulata.
726 Gesammtsitzung
Seit R. Brown, der sie bei Port Jackson sammelte, scheint sie wenig-
stens in fruchttragendem Zustande nicht wieder gefanden worden
zu sein; ich glaube aber einige von Dr. F. ▼. Muller mitgetheilte
sterile Formen, namentlich eine ziemlich kleinbl&ttrige von Cabn-
matta bei Port Jackson und eine sehr grofsblftttrige (Wasserforni)
von Richmond in Neu Sudwales (von Wilhelm! gesammelt) hierher
rechnen zu dürfen.
1. M. macropus Engelm. in Siilim. Journ. Sen 2, VoL III,
p. 56 (1847); A. Br. Monatsb. 1863, S. 418. — Eine sUttücbe,
aber leider bis jetzt nur sparsam in Frucht gesammelte Pflanze!
Texas: Am untern Guadeloupe bei Victoria (Lindheimer 1846. pL
exsicc. ni. no. 573); 100 (engl.?) Meilen höher oben am Guade-
loupe (Dr. Gideon Lincecum 1866). Nach Dr. Engelmann's Yer-
mnthung gehört ferner wahrscheinlich hierher eine von Dnunmood
in Louisiana gesammelte sterile Pflanze.
Gruppe der M. diffusa,
8. M. diffusa (Leprieur ined.) A. Br. in Flora 1839, p.300;
Monatsb. 1863, p. 419; Bolle, Zeitsch. f. Erdk. neue Folge I. p. 280;
Milde Fil. Eur. p. 294; Kuhn Fil. Afric. p. 199; M. vulgaris Bory
in Bojer hört. Maurit. p. 427 (quoad plant. Madagasc); üf. sarmen-
tosa Bory herb.; M. superterranea Kunth herb.; M. erosa Kunze in
herb. — Die häufigste unter den Arten Senegambiens , von allen
dortigen Sammlern reichlich eingebracht und daher in den Herba-
rien sehr verbreitet (Leprieur; Heudelot 1828 No. 548, 576; Le-
lievre 1829; Perrottet No. 992, 993, 1001). In den oberen Nil-
ländern: Am weifsen Nil (Speke 1863 in herb. Hook., Schwein-
furth 1869 steril) und im Djurgebiet bei der Seriba Ghattas (steril,
Schweinfurth).') In Algerien: Campagne Fourchault unweit Ras-
sauta in der Ebene Meditja bei Algier (A. Letoumeux in herb.
Cosson). Auf der Insel Ganaria bei dem Dorfe Aruca (Depreaux,
Bourgeau 1846 in herb. Webb.). Auf Madagascar (Perville 1841,
1) Über andere Fundorte zweifelhaft hieher gehöriger steriler Formoo
siehe bei Kuhn 1. c.
vom ii. August 1870. 121
No. 358, herb. Mas. Par. etc.) und auf der Insel Nossi-bch (Boi-
vin 1849, No. 1959, herb. Boiss.). Meine frühere Angabe des
Vorkommens auf Mauritius ist mir zweifelhaft geworden, da die
unreifen Exemplare von Perrottet, auf welche sie sich stützt, nach
wiederholter Untersuchung zu M, crenulata zu gehören scheinen.
Die Exemplare verschiedener Gegenden zeigen kleine Abwei-
chungen und selbst unter den Senegambischen lassen sich mehrere
Formen unterscheiden. Bei der gewöhnlichen Form ist der Frucht-
stiel 2 — 2^ mal so lang, die Frucht 3^ Mm. lang, 3 breit, die
Zfihne spitz, der obere oft etwas länger, die Haare kurz, dicht mit
Wärzchen besetzt. Bei einer forma microphylla sind auch die
Fruchte etwas kleiner^ 3 — 3^ lang; bei einer forma gracilipes ist
der Fruchtstiel 2^— 3 mal so lang, die Frucht deutlicher punktirt,
die Bl&tter zarter und dunnstieliger. Die forma Nüotica hat (nach
den wenigen, die ich an den Exemplaren von Speke sah) gerun-
detere Fruchte, die nur sehr wenig länger als breit sind, und kür-
zere Zähne. Bei der forma Madagasccfriensü stehen die Frucht-
stiele meist enger beisammen und sind durchschnittlich etwas kür-
zer, 1-^ — 2 mal so lang. Die forma Canariensia hat etwas gröfsere
Früchte, 3^ — 4 Mm. lang^ und etwas kürzere stumpfere Zähne;
die Haare der Frucht sind länger und lockerer warzig. Die forma
Älgeriensis hat unter allen die grölsten Früchte von 4 — 5 Mm.
Länge; in den Haaren stimmt sie mit der yorigen überein; die
Blätter sind am Stimrand gekerbt, während sie sonst gewöhnlich
ganzrandig sind.
9. M. crenulata Desv. Prodr. Filic. (Ann. de la soc. Linn.
d. Paris 1827) p. 178; M. crenata Presl. Rel. Haenk. (1830) p. 84,
t. XU, f. 3; A. Br. Monatsb. 1863, S. 420; M. microcarpa, A. Br.
in Flora 1839, S. 300; M, vulgaris Bory in Bojer. hört Maur. p.
426 ex part; M. minuta Blanco, FL de Filipinas (1845) p. 577. —
Der vorigen sehr nahe stehend, durch yerhältnifsmäfsig kürzere,
am Grunde des Blattstiels dichter zusammengedrängte Fruchtstiele,
etwas kleinere Früchte mit entschieden längerem oberem Zahn und
am Stimrand meist gekerbte Blätter verschieden. — Auf der Insel
Bourbon (Commerson, Du Petit Thouars in herb. Mus. Par.); auf
Mauritius (Bory in herb. Willd.'); Perrottet in herb. Boiss.; Dr.
>) Auf demselben Blatte dea Willd. Herbars ist aber anch ein Exem-
plar Ton M, quadrtfoliata angeklebt, F^e*8 M, macrocarpal (vgl. S. 725).
728 Gesammtsilzvng
Ph. Ajres 1860 in herb. Hooker). Auf den Philippinen: Ohs-:
nähere Angabe (Haenke); auf Lozon (von Chamisso in herb. B«-
rol., Eschacholtz in herb. Ledeb.). Sandwichsinseln: Oaha (in herb.
Godet von Pamplin). Lu Tschu Inseln (Wrigfat, herb, of the U.
S. Pacific Exploring Expedit. 1853—56, in herb. Hooker).
Jf. erenulata var. incurva A. Br. in Kuhn Fil. Afric. p. 19S;
M. diffusa v. incurva Monatsb. 1863, S. 410; M. Sen^alenM A,
Br. in Flora 1839, S. 300. Senegambien (Perrottet). Weicht von
der gewohnlichen Form durch den vorwärts gekrümmten Fruchtstiel
und die dadurch nickende, kürzere und mehr abgerundete, oft ein-
seitig geschwollene Frucht, kürzere Zfihne, sowie durch härtere,
stark blaugraue (stark gekerbte) Blätter ab.
lO. M. COrnuta. M. diffusa var. eomuta A. Br. in Kuhn
Fil. Afric. (1868) p. 199. — Angola, im Distrikte MoBsamede»,
häufig in wenig tiefen Pfützen, auf sandigem Boden, längs dee Uferä
des Flufses Bero, fruchttragend im Juli 1859 von Dr. Wel witsch
(It. Angol. No. 173) gesammelt Eine wahrscheinlich derselben
Art angcborige sterile, grofsblättrige Form in demselben Distrikt«
in Seen an der Mundung des FluTses Giraul (Welw. It. Angol.
No. 174). — Gleicht zwar in der Tracht der If. diffusa, steht aber
in mancher Beziehung der M. erenulata näher. Die Landform (173)
langkriechend, kleinblättrig. Die Blätter etwas glaucescent, kahl,
der hochgerundete Stirnrand derselben meist mit mehreren schwachen
Kerben. Meist 2 Fruchte nahe beisammen am Grunde des Blattstid«.
Fruchtstiel so lang als die Frucht, selten etwas länger, aufwärts
gekrümmt. Die Frucht horizontal, 4 Mm. lang, 2^ — 3 breit (ver-
hältnifsmäfsig länger als bei üf. diffusa und erenulata), reif fast
kahl und ziemlich dunkelbraun mit sehr deutlich hervortretenden
schwarzen Ringspalten. Der obere Zahn der Frucht hornartig ver-
längert, doppelt so lang als der untere (fast 1 Mm. lang), gerade
aufgerichtet. Die Fruchtbaare weniger dicht anliegend und länger
gezogen, als es gewöhnlich bei M, diffusa der Fall ist, an allen
Zellen stark, aber locker warzig. Sori jederseits 5 — 6. Die sterile
Pflanze (174) hat einen scheinbar anderen, huscheligen Wuchs, aber
es sind diese Büschel ohne Zweifel Zweige eines absterbenden krie-
chenden Hauptsprofses. Die Blätter sind von bedeutender Grofse,
grofser als bei gewohnlicher M, quadri/oliata, die Blättchen 20 —
25 Mm. lang, 15 — 20 breit, der Stirnrand meist hoch gewölbt, mit
vom IL August 1870. 729
10 — 15 sehr ungleichen zum Theil spitzen Zähnen, denen mancher
Formen von M, erosa ähnlich.
, 11. Jlf. erosa Wllld. Sp. pl. V (1810) p. 640 et herb. no.
20255; A. Br. in Flora 1838, S. 300; Monatsb. 1863, S. 419; M.
quadri/olia floribus umbellatis Klein in herb. Willd. ; M, quadri/olia
Burm. FL ind. (1767) p. 237 ex p.; Roxb. Fl. ind. IV (in Cal-
cutta Journ. lY) p* 7'); M. denUxta Roxb. mspt. in herb. Mus.
Brit; M.minuta L. mant II (1771) p. 308 excl. var. ß. — Die
häufigste Art in Ostindien, daselbst die Stelle der nahe verwandten
M, diffusa vertretend, von der sie sich durch meist gekerbten Blfitt-
chen, kürzere Fruchtstiele, die am Grunde oft etwas zusammen-
hängen, durch etwas berandete und mehr oder weniger deutlich
gerippte Früchte mit längerem oberen Zahn unterscheidet; doch giebt
es Formen, bei welchen diese Charactere schwankend sind. Den
verlassenen Linne'schen Namen ziehe ich nicht wieder hervor, da
Linn^ zwei ganz verschiedene Arten vermischt hat und sein Name
gerade für diese Art, welche zu den mittelgrofsen gehört, nicht
passend ist. — Vorderindien: Tranquebar (Klein in herb. W.);
Pondichery (Perrottet, No. 611 Normalform, 612 kleinblättrige Form) ;
Madras (Wright); Labore (Hook, et Thoms.); Calcutta (Wichura,
grofsblättrige Form mit tief eingeschnittenem Stirnrand) etc. Cey-
lon (Thwaites No. 1422 fructificirend, No. 3051 steril mit ganzran-
digen Blättchen). Hinterindien: Assam (Hook, et Thoms., grofsere
sterile Form mit ganzrandigen Blättchen, sehr ähnlich M, qtiadri^
folia^ und Jenkins, kleinblättrige sterile Form, beide zweifelhaft).
Als Abarten unterscheide ich:
M. erosa var. Zollingeri (als M, crenata var. im Monatsb. von
1863 erwähnt), von Zollinger 1854 steril und 1855 mit Frucht
(No. 3591) bei Bogor' auf Java gesammelt. Die Blättchen der
Landform sind (ebenso wie die der sterilen Wasserform) ganzran*
dig, schmal und kurz unter dem Stirnrand plötzlich breiter wer-»
dend, wodurch sie eine eigenthümlich spathel form ige Gestalt er«
halten. Die Fruchte sind etwas kleiner als bei der Normalform,
3 Mm. lang, 2 Mm. breit, deutlich berandet, aber undeutlich gerippt.
1) M, quadri/olia Don Fl. Kep. p. 19 gehört wohl auch hieher, aber
icli babe von Wallich in Nepal gesammelte Exemplare nicht gesehen.
730 Oesammtsitzung \
M. erosa var. amhigna. £ine Yon Belanger bei Pondicher
gesammelte Form, bei welcher die Rippen der Frucht ganz Ter-
schwanden, aber die Berandnng noch bemerkbar ist. Die Fracb*
ist fast 4 Mm. lang, fast 3 Mm. breit nnd etwas abwärts geneigt,
fast wie bei M, crenulata var. ineurva^ der sie sehr nahe stthx.
Der Fruchtstiel l^mal so lang als die Fracht.
12. M. brachycarpa A. Br. Monatsb. 1863, S. 420. Eioe
kleine, sehr zierliche Art, die sich zunächst an die kleinhiattrigen
und kleinfruchtigen Formen der M. erosa anscbliefst Der früher
gegebenen Beschreibung fage ich noch bei, dafs die Haare der
(jüngeren) Frucht kurz und anliegend sind, aus 2 — 4 Zellen ge-
bildet, die dicht mit Warzen besetzt sind. Eine ins Wasaer ge-
brachte Frucht entleerte 13 Macrosporen von 0,85 — 0,90 Mm. Lange
und 0,58 Mm. Dicke^ die leider nicht keimten. — Pegu (Mo. Clel-
land in Hook, et Thoms. herb. Ind. or.). Wahrscheinlich gehört
hierher auch eine von Jacquemont in der Provinz Gurwal im Thale
Doon (Deyrah-Dun) gesammelte Form mit noch sehr jungen Fruch-
ten (No. 385 in herb. Mus. Par.).
13. M. brachypus A. Br. Monatsb. 1863, S. 421. Aach
diese Art ist mit M. erosa sehr nahe verwandt, durch stärkere
rothliche Behaarung aller jGnjgeren Theile, besonders der Frucht,
etwas kürzeren Fruchtstiel, grofsere, nicht deutlich berandet«
Fruchte von ihr abweichend. Die Haare der Frucht sind weniger
hinfl&llig, bedecken die Frucht zottig, den unteren Rand weit über-
ragend; sie sind lang und schmal ausgezogen, 6 — 8 zellig, an den
Scheidewftnden knotig verdickt, mit starken, locker gestellten Wärz-
chen bedeckt — Vorderindien: Neilgherries (Wight No. 310).
Ufer des Sutletsch (Hook, et Thoms. 1846,' eine durch ungerippte
Frucht abweichende, der folgenden sich anschliefsenden Form).
14. M. gracüenta A, Br. Monatsb. 1863, S. 421. Viel-
leicht nur eine Abart der vorigen. Die Haare .der Frucht fand
ich 3 — 5 zellig, an den Gelenken nicht knotig, mit kleineren Wärz-
chen besetzt. — Vorderindien: Concan (Stocks in Hook, et Thoms.
herb. Ind. or. 397).
vom iL Augunt 1870. 731
Gruppe der M. pubescena,
15. M. pubescens Jenore Fl. Neap. prodr. suppl. I, p. 70;
App. I ad catal. h. Neap. ed. II (1819), p. 67; Fl. Neap. IV, p.
140 et V, p. 309, t. 250; A, Br. in Explor. scient d'Alger, t 38;
Monatsb. 1863, p. 431; Gren. et Godr. Fl. de France III. p. 647;
M. FabH Dunal in Ann. d. sc. nat. VI (1836) p. 375; VII p. 221,
lab. 12 et 13; IX, p. 115, tab. 13; X, p. 378; M. quadrf/olia Desf.
Fl. Atl. II, p. 409; Moris, Stirp. Sard. Elench. Fase. I; M. atrigosa
«. Tplanta Europaea Milde Fil. Eur. (1867) p. 295. — Neapel: In
der Basilicata ,,ßosco di S. Leonardo tra Taranto e Pistini** (Te-
nore); Sardinien: Ozieri (Moris); Pula (Muller in herb. un. itin.);
Sassari (Gennari). Languedoc: Roque Haute zwischen Agde und
Bezieres*) (Fahre, Dr. Wunderly). Algerien: Oran (Durieu, Ba-
lansa No. 211); Koleah bei Bou Ismacl (Durando); Cbaiba (Glau-
8on in herb. Coss.). Tanger (herb. Cosson, steril).
16. M. Strigosa Willd. Sp. pl. V (1810) p. 539; herb. no.
20254; Ledeb. Fl. Boss. IV, p. 494; A. Br. Monatsb. 1863, S. 430;
M, strigosa ß. planta Rossica Milde Fil. Eur. p. 295. — Die Un-
terschiede von der vorigen Art, nämlich ein noch kürzerer Frucht-
stiel, eine hellergefärbte, weniger hartschalige Frucht mit anliegenden,
kürzeren, stärker und dichter warzigen Haaren, sind sehr gering;
dennoch nehme ich Anstand beide zu vereinigen, da in der Tracht
eine Verschiedenheit statt zu finden scheint. Niemals sah ich bei
3/. strigosa die für M. pubescens so charakteristischen langen Dop-
pelreihen dicht aneinander gedrängter Früchte. Hoffentlich wird
die Cultur beider Arten unter gleichen Verhältnissen Gelegenheit
zur Prüfung der Frage nach ihrer Verschiedenheit geben. — Im
sudlichen Rufsland : Sarepta (Fischer, Veesenmeyer, Becker pl.
Wolgae infer. No. J58); am Flufs Achtupa (Steven in herb. Ber.);
bei Lenkoran (C. A. Meyer); in der Songarei an den Flüssen
Ischim (Schrenk) und Ters Akkan (Schrenk u.- Ruprecht in herb.
BeroL).
*) Über die eigenthümliche Flora dieser merkwfirdigen Localität, an
welcher mehrere andere Pflanzen ihren einzigen Standpunkt in Frankreich
haben {Pitularia minuta, Ritila Gallica, Elcrtine Fahrt, Damasonium polysper-
^um, Banunculus laieriflortm) , vergl. DoTal-Jonve im Bnll. de )a soc. bot.
de France 1869, p. 210.
[1870] 50
7 32 Ge$a m mUiizung
Gruppe der M. Rirsuta.
(Australische Arten mit kurzgestieltcr Frucht und huckerlosen
Hnutzellen der Blätter.)
11. M. angustlfolia R. Br. Prodr. Fl. Nov. HolL ed. II.
p. (167) 23. Von kräftigem Wüchse und ansehnlicher Grofsii.
Blättchen fast kahl, lanzetförmig (seltener schmal keilforoiig), ab-
gestutzt, der Stimrand meist gezahnt oder eingeschnitten. Fmcht
am Grunde des Blattstiels kurzgestielt (Stiel halb so lang bis gleich-
lang, aufsteigend), fast horizontal, länglich (7 Mm. lang, 5 Mm.)
breit), Ruckenscite schwach auswärts gebogen, Bauchkante schwach
ausgefurcht, Seitenwände ziemlich stark gewölbt, undeatlich gerippt.
Raphe ziemlich lang mit einem stumpfen Zahn endigend; oberer
Zahn unmerklich. Sori jederseits ungefähr 8. Ringapalten deut-
lieh. Haare der Frucht angedruckt, dunkelbraun, glatt! Haatzellen
der Blätter ohne Höcker und fast ohne Buchten. — Nord-Austra-
lien: Carpentaria Golf (R. Brown); Baincs Creek am Victona
River (Ferd. v. Möller in herb. Melb. et Hook.).
18. M. exarata, 3/. hirsuta mkrophylla A. Br. in herb.
Hook. Langkriechend mit huscheligen Zweigen und kleinen der-
ben Blättern. Blättchen stark und glänzend behaart, br«*it keilför-
mig, mit gerundeter ganzrandiger Stirn. Frucht sehr kurz gestielt
(Stiel \ — •)• so lang, aufwärts gekrümmt), aufsteigend, länglich (3|
— 4 Mm. lang, 3 Mm. breit) mit eingebogener Ruckenaeitc und
stark ausgebogener, ausgefurchter Bauchkante, stark gewölbten und
breitgerippten Seitenwänden. Raphe kurz, mit dem Stiel eine
starke Krümmung bildend. Zwei fast gleiche, stumpfe Zfihne.
Sori jederseits 5. Ringspalten deutlich. Haardecke der Fracht
dicht, glänzend rothbraun; die Haare langgestreckt, an der ersten
Zelle schwächer, an den folgenden stärker warzig. Haotzellen der
Blätter ohne Höcker, stark gebuchtet. — Ostaustralien: Queensland,
am Brisbane River (F. v. Muller 1855 in herb. Hook.).
19. M. hirsuta R. Brown. Prodr. Fl. Nov. HoU. (1810)
p. (167) 23. Von mittlerer Gröfse. Blätter mehr oder wenigt-r
stark behaart, Blättchen meist breit keilförmig, an der Stirn gerun-
det, ganzrandig, selten etwas gekerbt. Frucht kurz gestielt (Stiel
1 — ^- fo lang, aufrecht), horizontal, wenig länger als breit (3 — 4!
vom U. August 1870, 733
Min. lang, 2^ — 3^ breit^)); die Ruckenseite schwach eingebogen
oder fast geradlinig; die Baochkante sehr stark aasgebogen, in der
Mitte fast winkelartig vortretend, nicht ausgefurcht; Seitenwände
ziemlich flach, ohne deutliche Rippen. Raphe lang. Zwei fast
gleiche stumpfe Zähne. Sori jederseits 5 — 6. Ringspalten deut-
lich. Haardecke der Frucht dicht, glänzend rothlich; die Haare
etwas abstehend, lang ausgezogen, von der 2. oder 3. Zelle an
schwach warzig. Hautzellen der Blätter ohne Hocker, stark ge-
buchtet. (Die Eigenthümlichkeiten der Keimpflanzen vergl. S. 667.)
— Scheint über einen grofsen Theil von Neu-Holland verbreitet
zu sein. R. Brown giebt Port Jackson und die Nordküste an; die
Exemplare seines Herbariums (die ich nicht selbst sah) sind von
Broad Sound und Carpentaria Golf. Ich untersuchte fertile Exem-
plare aus Neu-Süd Wales (F. v. Müller ohne nähere Angabe), Bris-
bane (Früchte mitgetheilt von Durieu), Garisbrook (F. v. Müller
in herb. Melb., kleinfrüchtige Form), Yarra YaiTa (F. v. Müller),
ferner von Macd. Stuarts Expedition (1862) ohne nähere Angabe
des Fundorts (gi-ofsfrüchtige Form, mitgetheilt, von F. v. Müller).
Eine abweichende Form mit schmäler spatelfurmigen Blättchen,
nebst breitblätterigor Wasserform, von Baines Creek am Victoria
River in Arnheemsland (F. v. Müller 1856) ist wegen unreifer
Frucht nicht ganz sicher bestimmbar; andere zweifelhaft hierher-
gehörige Formen von Dooroodoo (Dr. .Beckler 1860, mit sehr
weifsjhaarigen und gekerbten Blättchen), Lake Alexandrinae (F. v.
Muller 1848), Gulong und Holdfafsbay (Mus. Melb.) habe ich nur
steril gesehen. Ich überlasse es den australischen Botanikern, die
mir zum Theil unbekannten Fundorte besser zu ordnen und die
mannigfaltigen Formen dieser Art weiter zu erforschen.
>) Die Exemplare von verschiedenen Looalitfiten zeigten einige Ver-
echiedenheiten in der Grörse der Frucht. Die kleinsten Früchte (3 — 3J lang)
zeigten die von Garisbrook, MittelgrGfse die von Yarra und Brisbane, unge-
wöhnliche Gröri^e die von Stiiart's Expedition (5 — 5^ nnd fast G Mm. Lange
lind fast 5 Breite).
50
734 Gesammtsifzung
Gruppe der M. Drummondiu
(AttStraliscbe Arten mit lang-gestielten Frachten und Hockern
aof den Hautzellen der Blfitter.)
20. M. Howittiana ^ ). ich gebe von dieser and den fol-
genden neu aufgestellten Arten keine Diagnosen, da aie in den
oben gegebenen Schlüssel ausreichend charakterisirt sind. Nar
einige ergänzende Bemerkungen fuge ich bei. Die Kenntnifa die-
ser Art gründet sich auf ein einziges Exemplar, das ich Hm. Wii-
helmi verdanke, der es von Dr. Murray, dem Begleiter der Ho-
nvitt'schen ^Expedition zur Aufsuchung Burke^s (1861) mit der Be-
zeichnung: „Road to Coopers Creek^ erhalten. Es stellt eine rer-
kleinerte M. Nardu {Drummondii orienialis) dar. Die Blatter sind
ganzrandig und stark behaart, wie bei dieser. Die horixonule
Fracht ist 4 Mm. lang, 3 breit, mit dichter, gl&nzend brmnnrother
Ilaardecke. Der Fruchtstiel 10 Mm. lang. Die nur auf der Ober-
üfiche des Blattes vorhandenen Höcker der Hautzellen Bind ^nreniger
scharf umschrieben als bei den folgenden Arten und dicht.
21. M. sei^cea. M, Drummondn rt. minor A. Br. in Linnae«
XXV (1852) p. 221; M, erosa var. sericea Ferd. v. Muller in herb.
Sonder. — Dombey Bay in Sudaustralien, gesammelt von Wilhelm'*
(F. V. Muller in herb. Sonder); Onkaparinga-Fiufs (F. v. Malier
1851 in herb. Mus. Melb.).') — Die kleinste unter den Ver*
wandten, von der vorigen durch die kleineren, derberen, dich-
ter seidenartig behaarten, am Stirnrand gekerbten BlStter ab-
weichend. Die Frucht stimmt in Grofse und Behaarung mit dtr
der vorigen, sie ist 4 — 5 Mm. lang, 3 bis fast 4 breit, hat ange-
>) Ich führe alle dieser Abtheilang angehörigen Formen hier vorUufts
gesondert auf, ohne Aber ihren specifischen Werth entscheiden zu woU«s.
Reichlichere Einsammlang fructificirender Exemplare an möglichst viek:
Fandorten, sowie fortgesetzte Beobachtung derselben im cnltivirten Zustand'
werden später ein bestimmtes Urtheil darüber erlauben, ob alle diese Forme:
so innig zusammenhangen, dafs sie als Abarten einer Species betrachtet wer-
den müssen, oder ob sii-h dieselben in mehrere nnterscheidbare Art^:
gnippiren Inssen.
') "NVohl beides derselbe Fundort, wie ich nach der TÖlligen Üb^r«E-
ütimtniing der Exeniplure %-crmiifhc.
vom iL August 1870. 735
fähr 6 Sori auf jeder Seite. Fruchtstiel fast 3 mal so lang. Die
Haare der Frucht an den oberen Zellen sehr stark warzig.
22. M. Müllen A. Br. in Linnaea 1. c. p. 721. M. eroaa
F. V. Maller in herb. Sond. et nostro. Nachdem ich Exemplare
von mehreren Fundorten und unter diesen auch fruchttragende ge-
sehen, mufs ich die früher (Monatsb. 1863, 427) versuchte Yer-
bindang dieser Art mit 1/. salvatrix wieder aufgeben. Durch die
kleinen Fruchte (5 — 5}* Mm. lang, 4 — 4^ breit) schliefst sie sich
den beiden vorigen an, und ist im fructificirenden Zustande fast so
kleinblättrig, wie die vorige. Die Behaarung ist lockerer, die Blfitt-
chen der kleineren Form sind einfach oder doppelt ausgeschnitten,
die der gröfseren (fast ganz kahlen, sterilen) zeigen zahlreichere
(5 — 6) durch tiefere Einschnitte gesonderte Läppchen am Stimrand,
welche meist selbst wieder in 2 — 3 Zähne getheilt sind. Die
Höcker der Hantzellen sind ausgehöhlt — Sud- Australien: Nel-
sabe (F. v. MuH. mit Frucht); Flinders Ranges (F. v. Mull, eben-
so); St Vincents Golf (F. v. Mull. 1850, schwfichliche Sumpfform
hier und da mit In terstitial streifen); an den Seen um Port Lincoln
am Spencer Golf gesammelt von Wilhelmi (F. v. Mull., grofsere
nnd kleinere sterile Formen). Am See diesseits Bacchus March
(F. V. Muller 1853, kleine Landform).
23. M. macra A. Br. Ind. sem. hört Berol. 1867, appd.
p. 3. Im bot Garten aus von Dr. F. v. Muller erhaltenen Früch-
ten erzogen, welche wahrscheinlich in den Darling Downs gesam-
melt sind (vergl. oben S. 663). Wild gesammelte fruchttragende
Kxemplare sind nicht bekannt, abor ein steriles Exemplar vom
Light River neben den Bergen Barossa Range (F. v. Mfill. 1848)
gehört wahrscheinlich hierher. — Auch diese Art schliefst sich
durch die kleineren fast horizontalen Fruchte an die vorausgehen-
den an, ist aber durch eine leichte Ausfurch nng der Bauchkante
der Frucht ausgezeichnet Die Rückenkante der Frucht ist oft et-
was eingebogen, wie bei M. hirsuta. Die wild gesammelten Fruchte
sind 4^ — 5 Mm. lang, 3^^ — 4 breit; die cultivirten erreichen mit-
unter 6 Mm. Länge. Sori jederseits 6 — 7. Der Fruchtstiel ist 2-,
höchstens 3 mal so lang als die Frucht Die Behaarung ist an
allen Theilen schwächer und weniger bemerkbar als bei den vori-
gen. Die Haare der Blätter zeichnen sich durch eine sehr breite
736 Gesammt$it2ung
erste Zelle and eine plötzliche Yerscbmiiierang ober derselben as*.
sie sind an allen Zellen locker warzig, wie bei den To^be^gebc^
den. Die Haare der Frucht sind fester aoliegend und weniger be-
ständig. Die Landblätter haben mit Höckern besetzte Hautzeih.
auf beiden Flachen, die Schwimmblätter mir aaf der Oberfiick
(vgl. S. 668, 691).
24. M. OXaloides. An der Westküste Neubollands aa
Swan River von Druinmond gefunden, welcher die ersten steriks
Exemplare mit der Bezeichnung ^^Oxalis*' an Ilooker sendeti*.
Fruchttragende Exemplare vom Jahre 1848 tragen die Nununer
398 (herb. Hook.) oder 398 B (herb. Boiss.). Sie ist gror8blattn&
die Blätter ganzrandig, die Behaarung sparsam, weich and |^aiu-
los, bei einer gröfseren Sumpfform fast ganz fehlend. Die Ha«re
der Blätter weichen von denen aller anderen Arten dieser Gnippe
dadurch ab, dafs sie an den Gelenken eingezogen sind und aa?
dfinnwandigen (schwach und locker warzigen) Zellen bestefaeo.
Die Frucht ist 7-^ — 8 Mm. lang, 5-}- — 6 breit, stark aosammenge-
druckt, an der Bauch- und Ruckenkante schärfer als bei aUen Yei^
wandten, schwach geneigt oder völlig aufrecht Die Haare der
Frucht straff anliegend, aus meist 4 sehr dickwandigen Zellen, nacb
der Spitze zu warzig.
25. M. hirsutiSSVnxa. im Innern Australiens: Wills Creek
(Dr. Murray auf Howitts Expedition 1861), auch auf ATDoo^l
Stuarts Expedition (1862) gesammelt nnd von Dr. F. t. Müller
mitgetheilt. — Gleicht in der Gestalt und Richtung der Fracht der
vorigen, aber die Bauchkante derselben ist abgeflacht. L&nge der
Frucht b^ — 7^^ Mm., Breite 4^ — 5. Fruchtstiel doppelt so lang
als die Frucht. Die Blättchen sind stark gekerbt Die Bebaamog
aller Theile ist sehr stark und auffallend. Die Haare der Frucht
sehr lang, etwas kraus und abstehend, sehr schmal und lang auf-
gezogen, aus 6 — 7 Zellen, die von der* zweiten an warzig sind.
26. M. Nardu. M. DrummondU orientalis im Vorherge-
henden (S. 162, 193 etc.). M. DrummondU A. Br. in Linnaea XXV
(1852) p. 721 ex part. (quoad var. megalophyllam?); Monatsb. 1S63
S. 426 (ex part); Ind. sem. hört Berol. 1867, app. p. 2; M. fMacn^
pm Hook. Ic. pl. X (1854) ex part (quoad plant, ad fluv. Lachlan
vom IL August 1870, 737
lectaro); Garden Ferns (1862) t. 63! M. hirsuta (quadri/olia vbt.)
b\ V. Muller in herb, (non R. Br.); M. sericea Kunze herb. — Da
ich mich überzeugt habe, dafs die seit 8 Jahren in den bot Gär*
ten cultivirte ostaustralische Pflanze, ungeachtet bedeutender Ahn*
liclikeit, doch nicht identisch ist mit der von Drunimond in West-
äustrah'en entdeckten Art, so ist eine neue Benennung für die er-*
stere nöthig, auch wenn man sie nur als Abart betrachten will.
Ich wähle dazu den Namen, den die Eingeborenen den zur Brot-
bereitung benutzten Arten geben, da die Art, um die es sich han-
delt, ohne Zweifel die vorzüglichste unter den JVitirc^u* Pflanzen ist,
indem sie eine minder harte Fruchtschale besitzt als M. salvatrix und
tiata (vergl. Monatsb. 1863, S. 415). Besonders charakteristisch
für diese Art sind die schief aufgerichteten, von unten nach oben
schief abgeschnittenen Fruchte, die dicker sind als bei den Ver-
wandten, an der Bauchkante etwas abgeflacht, aber nicht aasge-
furcht. Sie hat unter allen Verwandten den gedrungensten Wuchs
und die gröfste Fz uchtbarkeit. — Ostaustralien wahrscheinlich bis
weit ins Innere. Der von Hooker 1. c. angegebene Fundort Lach-
lan River und Liverpoolplains (All. Cunningham) gehört wahr-
scheinlich hierher, sicher die Exemplare in Hooker's Herbar mit
der Bezeichnung ^Eastern subtropical Newholland (Mitchell)^. Fer-
ner sah ich unzweifelhafte Exemplare von den Darling Downs
(Darlachy et Goodwin) in der von Dr. v. Muller zur Ansicht mit-
gctheiltcn Sammlung.
M. Nardu var? megalophtjlla (M, Drummondii y, megalophylla
A. Br. in Linnaea XXV. p. 221) von Dombey Bay (F. v. Muller
1851) und Spencers Golf (F. v. Müll, in herb. Melb.) unterscheidet
sich durch auf beiden Seiten mit höckertragenden Hautzellen ver-
sehene Blatter von ausgezeichneter Gröfse. Die Blättchen sind
23 — 25 Mm. lang, 25 — 28 breit, dabei beiderseits stark behaart,
ein Zeichen, dafs es keine Schwimmblätter sind. Des Fundorts
wegen ziehe ich sie lieber hierher als zu M, elata^ zgmal die cul-
tivirte M, Nardu mitunter (an den falschen Schwimmblfittern)
gleichfalls auf der Unterseite höckerige Blatter zeigt. Ohne Früchte
ist eine Entscheidung nicht möglich.
'. M. Drummonclü A. Br. in Linnaea XXV. (1852)
p. 221 (ex part,); Monatsb. 1863, S. 426 (ex part); M. Drummon-
dii occidtntalis im Vorhergehenden (S. 690 etc.) ; M, macropu» lloo-
738 Gtsammtsitzung
ker Ic pl. X. (1854) t. 909! (Cent of ferns L 9 t) mit AudschloT«
des Fandorts ^Laehlan River etc.** Unterscheidet sich yoo drf
▼origen, mit der sie in der Form und Richtung der Kracht h<
wie in der Lftnge des Fruchtstiels übereinstimmt, darch gekerbte
Blfitter mit schwächeren (soliden) Höckern auf den Hautzellen der
Oberflache und mit völlig glatten Haaren. Auch die Haare der
Frucht, welche 5 — 6 zellig und sehr lang und sclimal ausgezc^ec
sind, sind beinahe glatt (an den letztem Zellen sehr fein panktirt .
28. M. salvatrix Hanstein, Monatsb. 1863, p. 103, 105 f,
tab.'); A. Br. ibid. p. 415. 427; Ind. sem. h. Ber. 1867, app. p. 3.—
Die Fruchte, aus welchen die seit 1863 cultivirte Pflanze erzogeü
wurde, sind vom Coopers Creek im Innern Australiens (onter iV
sudl. Breite und 140 ostl. Lfinge), der Gegend in welcher Barke,
nach glOeklich vollendeter Reise durchs Innere, auf der Rückkek
vom Carpentaria-Oolf im Juni 1861 sein Leben endete; sie stammeD
wahrscheinlich von Howitts Expedition und w^nrden mir 1862 vcm
Herrn Osbome uberbracht. Getrocknete Exemplare derselben Pflanze
vom Coopers Creek und Wills Creek, gesammelt von Dr. Morrtj
und Howitt, verdanke ich Dr. F. v. Müller und Hrn. Wilhelmi.
Zweifelhaft rechne ich hierher sterile Exemplare gesammelt von
Dr. Wheeles ^betweeu Stockes Range and Coopers Creek (hcri?.
Mus. Melb.). — Auszeichnend fSr diese Art sind die gekerbiec
Blfittchen mit welligen Rändern, der leicht gebogene Frachtstiel, dir
weniger schiefe und stärker zusammengedruckte Fracht. Sie
gehört zu den ansehnlichsten der Gattung, i^t auch im trocke-
nen Land st&rker kriechend als M. Nardu^ die Blattstiele sehr
gestreckt und biegsam (vergl. S. 679). Die Blätter färben sick
im Spätjahr dunkelbraun (vergl. S. 693)'); die Fruchtstiele sind
0 Die von Hanvtein unter Fig. 1. dargestellten Frflchte zeigen eine dfs
Bp&ter erhaltenen und hier gezogenen Frflchten ungewöhnliche Einbiegnjig d«
Rftcken«, die kleine Fracht (c) gehört schwerlich derselben Art an. Dif
Kahlheit der Frucht, welche Hanstein in die Diagnose angenommen hat, i^
Folge der Abreibung (vgl. S. 710).
') In dem von Wills, dem unglücklichen Begleiter Burke's, bis anm Knd?
seines Lebens geführten Tagebuehe findet sich die Angabe, dafs er an eini^
Stellen (des Cooper Creek) die Erde ganz schwarz mit Nardu bedeckt sr-
funden habe. Dies bezieht sich ohne Zweifel auf die Farbe der Blätter.
vom iL August 1870, 739
3-}— 4 mal so lang alii die Fracht and nach oben za leicht ge*
bogen; die Frocht geneigt, stärker zusammengedruckt, an der
Spitze gleichmfifsiger gerandet als bei M, Nardu^ 6 — 9, bei caltiv.
ExempL 7 — 10 Mm. lang, 4^—5^ (caltiv. 3 — 6) Mm. breit, deut-
lich gerippt; Sori jederseits 8 — 10, zuweilen selbst bis 12.
Die Haare der Fracht sind anliegender und dunkler gef&rbt als
bei Ü. Nardu, von der dritten Zelle an deutlicher warzig als bei
J/. Dmmmondiu
29. M. elata A. Br. Ind. sem. 1867, app. p. 3. — Wilde
Exemplare sind von dieser Art nicht bekannt; die seit 1864 cul-
tivirte Pflanze ist aus Fruchten von M^ Kinlay's Expedition erzo-
gen, die mir von Dr. F. v. Muller mit der Angabe „Northern
Aostralia^ mitgetheilt wurden. Wahrscheinlich sind sie aus der
Gegend des Lake Blanche, sGdlicher als Cooper*s Creek. Von
dieser Gegend wird in M® Kinlay's Journal unter dem 10. Januar
1862 (p. 41) angegeben, dafs die hauptsächliche Nahrung der Ein-
geborenen in Fischen und j^Äddo^ (dem Nardu Burke's) bestehe. —
Die sehr langgestielten aufrechten Früchte mit ausgefurcfater Bauch-
kante und die beiderseits mit Hockerchen besetzten Blätter lassen
diese Art sicher erkennen. In Beziehung auf Gröfse und beson-
ders Länge der Frucht ist sie se^ir veränderlich (vergl. S. 700),
ebenso in der Lange der Fruchtstiele (S. 695), die bei dieser Art
ihr Maximum erreicht Die Blättchen sind bei der Normalform
ganzrandig; eine Form mit gekerbten Blättchen, die bei den wie-
derholten Aussaaten öfters vorkam, kann als var. crenata unter«
schieden werden.
Gruppe der M. mucronata.
30. M. villosa Kaulf. Enum. Fil. (1824) p. 272; A. Br.
Monatsb. (1863) S. 425; Horace Mann, Hawaian plants (Proceed.
of the Amer. Acad. VII) p. 222; M. quadri/olia Kaulf. 1. c. p. 271 ;
Gaudich. in Freyc. Voyage p. 406. — Sandwichs -Inseln: Oahu
(v. Chamisso, Gaudichaud, Remy, Eschscholtz, Mann). Eine aus-
gezeichnete ArtI Der Name bezieht sich weniger auf die Blätter
als aaf die Stengelspitzen, die mit einem dichten rothlichen Filz
bedeckt sind, in welchem sich die gleichfalls dicht behaarten
kurz gestielten Fruchte verbergen. Der Fruchtstiel ist ungefähr -}
740 Gesammtßilzung
80 lang als die Frucbf, welche stark zusammengedruckt und emii
einseitig gewölbt ist, wie bei AI. pubescens» Sorl jederseits 7.
31. M. tenuifoUa Engelm. in lit. 1847; A. Br. Monaob
1863, S. 425. — Im westlichen Texas: bei Friedrieb sbar]g an Wa»-
serpfutzen im sandigen Eichenwalde (Postoak, QuereuM obtunio^
am Pierdenales (F. Lindbeinier 1847, Fl. Tex. exsicc Fase. fV.
No. 745). Im östlichen Texas ohne nähere Angabe (Ch. Wrigjbt
Coli, du Texas or. 1848—49. Herb. Godet.) — Eine der austnli-
sehen M, angmti/olia analoge Art, aber, abgesehen von der wesent-
lich verschiedenen Fruchtbildung, weit zarter, dünnstieliger und
kleinblättriger. Die grofsten Blätter, die ich sah, haben HlüttcheL
von 20 Mm. Länge und 5 Mm. Breite; bei 15 Mm. Lfänge betrigt
die Breite 1^ — 2; die kleinsten Blättchen haben 5 Mm. Lange nnd
kaum 1 Mm. Breite. Der Stirnrand der Blättchen ist schief abfir-
schnitten meist mit einigen (3 — 6) Zähnen. Die Frucht hat grofre
Ähnlichkeit mit der von M. mucronata ; sie ist 6 — 8 Mm. lanc
4^ — 5 breit, reif horizontal, in der Jugend auf den Stiel xurück
gelegt. Der obere Zahn ist gerade oder schwach ruckiirärts i^f*
bogen und nicht immer langer als der untere. Die Haare dtr
Frucht sind angedrückt, breit, meist dreizellig, mit ungewöhnlich
starken Warzen besetzt. Die sparsamen Haare der Blätter s^iuA
gleichfalls anliegend und kurz, aber etwas schmäler und sehwäcbf-r
warzig. Die Schwimniblätter sind leider unbekannt. Mochten y^ir
doch Gelegenheit erhalten, diese eigenthumliche Art zu cultivirrn!
32. M. mua^onata A. Br. in Sillim. Am. Joum. Ser. IL
vol. III (1847) p. 55; Monatsb. 18G3, S. 423; M. vestita Torr. Cai-
of Nicollet's Exped. app. p. 165 (non Hook, et Grev.); M, qttadn-
folia Ward in herb. t. Engelm. — Minesota, auf der Hochel>en<r
zwischen Missouri und Mississippi in der Nähe des Shienne- Flosse?
und des Devils-Sees auf NicoUefs Expedition entdeckt Ton Ch.
Geyer 1839. Als zweifelhaft zu dieser Art gehörig führe ich an:
eine sterile Form von Michaux aus Illinois („ad amnem Kaakajt-
kia^ herb, de Franquev.) ; ferner Exemplare von Athens in Uliooi««
(Elihu Hall 1862, mit unentwickelter Frucht); endlich eine lang>
kriechende sterile Form von Neu Orleans (P. Häuser 1868). AN
abweichende Form dieser Art betrachte ich:
VOM iL August i870. 741
1/. hrevipet Nutt. in herb. Hook, aus Arkansas. Die Fracht
ist kurzer als bei der Normalform, kaum 5 Mm. lang, 4 Mm. breit;
der obere Zahn gerade aufgerichtet und doppelt so lang als der
untere. Der Fruchtstiel kaum so lang als die Frucht. Die Haare
der Fracht dicht anliegend. Die Blätter schwach behaart. Mit
dieser stimmen auch von dem Capitain Le Conte (in Georgien?)
gesammelte Exemplare im Pariser Museum uberein, so wie eines
aus Texas von Drammond gesammelt (herb. Fee). Eine sehr
kleine Form, die sich gleichfalls hier am besten anzuschliefsen
scheint, habe ich vorläufig als M, mucronata var. antrorsa bezeich-
net Sie ist von Cb. Wright auf der Expedition von West-Texas
nach El Paso in Neu -Mexico (Mai — Oet. 1849), wahrscheinlich
bei San Elceario am Rio Grande in W. Texas (wie Torrey im
Rep. on the U. St. and Mex. Boand. Survey 1859, vol. II, p. 236,
jedoch mit Citirung einer nicht hierher gehörigen Nummer, an-
giebt) gesammelt und unter der Nummer 811 vertheilt worden.
Die äufserst kleinen Blätter (die Blättchen nur 3 — 5 Mm. lang!)
sind grau, aber kahl. Die kleine, aber dick geschwollene Frucht
nur 4 Mm. lang und fast ebenso breit, mit anliegenden Haaren
bedeckt Der obere Zahn sehr lang, homformig und nach vom
gekrümmt.
M, mucronata hängt mit M, uncinata sehr innig zusammen
und beide sind vielleicht von M, vestita nicht specifisch zu tren-
nen. Weitere Prufang im Vaterland und durch Cultur werden
hierüber entscheiden.
33. M. vestita Hook, et Grev. Ic. Fil. II (1831) t. 159;
Engelm. in Sillim. 1. c; A. Br. Monatsb. 1863, S. 424; M. villosa
(Kaulf.) Brackcnr. Expl. Exped. p. 272 ex part.; M, lanugino^a
Nutt in herb. Hook. — Von der vorigen durch die starke, glän-
zend rothlich-braune Behaarung der Knospen, Blätter und Fruchte
abweichend. Selbst die Blattstiele sind mit langen, abstechenden
Haaren besetzt Die Haare der Frucht sind sehr lang nnd schmal
ausgezogen, während sfe bei if. mucronata kurz und breit sind.
Sie scheint auf die Westseite von Nordamerika beschränkt zu sein.
Oregon: Auf den Sandbänken bei den Wasserfällen („grand ra-
pids^) des Columbia- Flusses (Scouler in herb. Hook.); bei Walla-
W^alla an demselben Flusse (nach Brackenr.) ; ohne nähere Angabc
des Fundorts (Douglas, Geyer). Californien: im Thalc des Sacra-
742 GesammUitzung
mento (nmch BrackeDr.). Neu -Mexico: bei St Barbftm (Nntt. u
herb. Hook.).
M. vestita Tar. mmima. So bezeichne ich eine too Wrigfat in Neu*
Mexico gesammelte sehr kleine Form, die in der CoU. Not. Mex
1851 — 52 anter No. 2112 aasg^eben ist. Sie ist nicht xn Ter>
wechseln mit Wrigbis No. 811 (M, muenmata ▼. antror^a')^ da sm
die starke und abstehende Behaamog der M. ve$tita besifxt. Die
Pracht ist 5 Mm. lang, 4 breit; die Blaltchen 5 — 6 Mm. lang.
34. M. uncinata A. Br. in Flora 1839, p. 300; Rngeim
in Sillim. Am. Joum. Ser. II, Vol. III (1847) p. 55; IT. Beyrickh
Sporleder in herb. Kunze. — Little Rock am Arkansas (Engelmaos
1835, Bejrich 1834). Von den bi'iden voraosgehenden weicht &te
hauptsächlich darch den längeren Fruchtstiel, die kürzere Fracht
und den meist hacken formig zuruckgebogenen oberen Zahn ab.
M, uncinata v. Texana (AI. Texana Godet herb.) von Landhd-
mer im Jahr 1847 zwischen dem oberen Guadeloupe und Cibolo.
bei Friedrichsburg, zwischen Braunfels und Comanche-Spring und
anderw&rts gesammelt, bildet einen deutlichen Übergang zu M.
mucronata, von welcher namentlich die in Lindh. Fl. Tex. exsicc.
Fase. IV. unter No. 746 ausgegebene Form kaum nnterscheidbar ist
Gruppe der M, Capenaxa.
35. M. rotundata A. Br. in Kuhn, Fil. Afr. (1868) p. 2in\
— Von Dr. Wel witsch in Angola entdeckt: fruchttragende Exeto-
plare im Distrikt Huilla, in Sumpfen neben dem Flufse Ton Mum-
pnlla, in Gesellschaft von Otteliay Xyrie und «/ifnctM-ArteD , nnge-
fjRhr 4500 über M. im Juni 1870 (It. Ang. 171); sterile, sehr
wahrscheinlich derselben Art angehorige Exemplare im Distrikt
Zenza de Golungo, in einem Bache Namens Ribeira de Mncha«)
im Sept. 1854 (It. Angol. 40). — Ich bin etwas zweifelhaft« ot>
diese Art hier die richtige Stellung gefunden hat, da die Ringspal-
ten der Frucht unmerklich sind, während sie bei allen anderec
Arten der Gruppe sehr auffallend hervortreten. In allen anderem:
Charakteren, namentlich in der schwachen Ausbildung beider Zähne.
schliefst sie sich nah an M. macrocarpa an, von der sie sich haapv
rot» li. Angmt iS70, 743
sachlich durch kleine und verbältnifsmärsig kürzere Fruchte unter-
scheidet. Die fructificirende Land- oder Sumpfform (171), hat un-
gefähr die Statur von M. gucuiri/oliata, aber die Blättchen sind et-
was schmäler, mehr keilförmig, am Stirnrand mehr oder weniger
deutlich gekerbt, mit 7 — 8, bei kleinem Blättern 2 — 4 Kerbsähuen;
sie sind kahl und etwas glaucesoent. Der aufrechte, seltener ge-
gen die Spitze etwas gekrümmte Fruchtstiel ist 2-^ — 3-, selbst 4-
mal so lang als die Frucht. Die Frucht ist fastkreisrund, 4 — 5 Mm.
lang, 3 j — 4 breit, horizontal oder schwach aufsteigend, mit verlänger-
ter Raphe und zwei flacbgerundeten , wenig bemerkbaren Zähnen.
Sori jederseits 7 — 8. Die Haare der Frucht, welche zur Zeit der
Reife verloren gehen, sind fest anliegend, sehr allmählig verschmä-
lert, aus meist 6 ungewöhnlich kurzen Zellen gebildet, von denen die
erste gestreift ist, die folgenden mit gereihten Wärzchen besetzt.
Die Wasserform (40) hat bedeutend grofsere Blätter mit ganzran-
digea Blättchen^ die so breit als lang sind und. auf der Unterseite
die für die Schwimmblätter charakteristischen Interstitialstreifen
zeigen.
36. M. macrocarpa Presl in Abb. d. Böhm. Ges. d. Wiss.
III (1843—44) S. 580; Kuhn Fil. Afr. p. 199; M. Dregeana A. Br.
Monatsb. 1863, S. 428. — Im Capland (Dr^ge als If. quadri/. a,
c und b, letztere die sterile Wasserform; Burchell 3896). — Sie
verdient ihren Namen eigentlich nicht, da die Fruchte nur 5^ — 6^
Mm. lang, 3j — 4 Mm. breit sind. Der Fruchtstiel ist 10 — 14 Mm.
lang. Sori 7 — 8. Gröfse der Schwimmbl. vergl. S. 669.
31. M. CapenstS A. Br. Monatsb. 1863, S. 428; M. biloba
J^ory in herb, variis (non Willd.); Jf. quadrifolia ß. Kunze in
Linnaea X (1836) p. 555. — Im Capland die häufigste Art (Maire
nnd Mundt in herb. Berol.; Carmichael in herb. Hook.; Alexan-
der In herb. Hook.; Zeyher 4644; Dr^ge als M. quadrif, d, e und f,
die letzte eine sterile Wasserform); Natal (Robertson in herb. Hook.,
sterile zweifelhafte Form). — Eine der kleineren Arten, in der
Blattform sehr veränderlich, mit ungetheilten bis tief zweilappigen
Blattchcn; die Frucht 3—3^, selten bis 4 Mm. lang, 2 — 2| breit;
der Fruchtstiel 5 — 6 Mm. lang. Sori 5 — 6.
M, CapenstS var. brachycarpa mit kürzerer, fast horizontaler
744 GenammHitzung
Frucht von 3 Mm. Liinge und 2^ Breite nähert sich der folge&i^
an (Eoklon et Zeyher No. 3).
38. i/. Burchellü A. Br. Monatsber. 1863, S. 429; V
quadrifolia y, Burehellii Kunze in Linnaea X (1836) p. 556; 1
mtfiti/a Barch. Cat No 1625; M, pusilia A. Br. olim in heii
Drege; M, pumila (Schreibfehler statt putilla) E. Mejer, pfluuci-
geogr. Documente (Beigabe znr Flora von 1843) S. 58. — C«^
land (Burchell No. 1625 und 2123 in herb. De Cand. et Ued
letttere Nummer eine Form mit gröfseren Blättern; Drege als J^
quadrif, g; James Backhouse). — Im Interesse der Wiedf^ao/li^
dang dieser kleinsten, sehr niedlichen Art mag die genauere A&
gäbe der bekannten Fundorte nicht überflüssig sein. J. Backboos'
hat dieselbe im Jahr 1839 an einer Pfütze auf der Nordseite dr>
grofsen Oranjefiusses, zwischen 29 und 30° s. B., 25 aod 26' ('.
L., am Weg von Philippolis nach Ramah gesammelt und gbak
dafs dies dieselbe Stelle sei, an welcher sie von Barcbell eotdef&i
worden sei. Dr^ge giebt einen sud westlicher gelegenen Fandon
an: Nieuweveld zwischen Brakrivier und Uitvlugt, 3000 — ^*^'
üb. M. — Die Frucht ist nar 1^— If Mm. lang und fast ebensi^
breit; die Blattchen 2^6, bei BurchelFs No. 2123 bis lOMo.itng.
Die Nervatur der Fracht vergl. S. 702, Fig. 1.
*
39. M. biloba Willd. Sp. pl, V (1810) p. 540; hcrb.2025T:
A. Br. Monatsb. 1863. S. 429; Kuhn, Fil. Afr. p. 198; M,gl^
rata Presl in Abhandl. der Böhm. Ges. d. Wiss. III (1843 -^|)
S. 580. — Capland: In der Gegend der Mosselbay (Meuron »
herb. Willd.); am Garip (Oranjeriver) bei Verleptpram (Drege, »l«
if. quadrif. h). Eine grofsblfittrige sterile Form ist Burchell's N<>-
4444* — Eine durch den einzigen (oberen), stachelartig verling«^
ten Zahn und die starke, abstehende Behaarung der Fracht, so
wie durch die tief zweilappigen, bei der grofsblättrigen Form dop*
pelt zweilappigen Blattchen sehr ausgezeichnete, von if* Coff^^
wohl verschiedene ArtI Die Frucht ist kaum Ifinger als breit (M>'
nahe 3 Mm. lang, 2^ breit), von unten nach oben schief abgeschnit-
ten, die SeitenwÄnde sehr stark gewölbt. Sori jederseits 4. Frucht-
stiel 1^ — 2 mal so lang.
vom ii. August 1870. 745
Gruppe der jl/. Aegyptiaca.
(Mit der vorausgehenden Gruppe nahe verbunden.)
40. M. Aegyptiaca WiUd. Sp. pl. (1810) p. 540; Delile
Fl. d'Egypte p. 283, t. 50; Schweinf. Beitr. S. 218; Coss. et Kral.
Sertul. Tunet. p. 61; Ledeb. Fl. Rofs. IV. p. 494; Kuhn Fil. Afr.
p. 197; A. Br. Monatsb. 1863, S. 430; M. emarginata Del. in herb.
!dus. Par.; M. tridentata Del. in herb. Fee. — Ägypten: Bei den
Pyramiden von Gizeh (Delile, Kralik); bei Cairo (Th. Bilharz,
Schweinfurth, Steudner); bei Abu-Zabel (W. Schimper et WieBt
No. 33, Kotschy No. 408) ; bei Gezaieh (Husson, Scbweinfurth) ;
bei Mansurah und Essaui (Bhrenberg); am See Menzaleh bei Tanis
[Scbweinfurth); bei Damiatte (Ehrenberg, Sieber); bei Rosette (Co-
quebert in Mus. Par.). Tunis: bei Gabes (Kralik Fl. Tnnct. ex-
Bicc 396). Bei Astrachan (Blum in herb. Ledeb.). Ob eine von
Dr. Steudner in Abyssinien bei Zasaga zwischen Keren und Adoa
gesammelte sterile Pflanze hierher gehört, ist sehr zweifelhaft. —
über die Verschiedenheit der Land- und Wasserblätter vgl. S. 680,
über die Fruchtbildung S. 699.
41. 31. quadrata. Eine neue Art aus Bomeo (Lowe in
herb. Hook.). In Grofse und Wuchs der M. Capensis und Aegyp'
tiaca vergleichbar, mit der letzteren überdies durch die horizontale
und fast viereckige Frucht mit senkrechter, ausgefurchter Stirn-
kante übereinstimmend. Die Blätter klein, derb, grau, etwas be-
haart; die Blättchen keilf5rmig, einfach oder mehrfach ausgeran-
det. Der Fruchtstiel aufrecht und gerade, 2 — 3 mal so lang als
die im reifen Zustand kahle schwarzbraune Frucht, an welcher die
Ringspalten nicht deutlich hervortreten. Sie ist 3 Mm. lang und
ebenso breit, stark zusammengedruckt, mit sehr langer Raphe, ver-
wischtem unterem und langem, kegelförmigem, aufrechtem oberem
Zahn. Die Rückenseite gerade, nicht eingebogen. Die junge Frucht
ist mit anliegenden kurzen Haaren bedeckt, welche 3 — 4 zellig und
allenthalben warzig sind.
42. i¥. gibba. Neue Art, von Dr. Scbweinfurth bei Gir
im Djurgebiete im Juli 1869 entdeckt. Von mittlerer Grofse, die
fructificirende Form ziemlich kleinblättrig, langkriechend. Die
746 GesammtsiUtmg
Blfttter derb, mit wenigen, kaum bemerkbaren Haaren; die Bläii-
chen breit keilförmig, ganzrandig oder am Stimrand leicht buchti^
Der FruchtBtiel ungefähr 5 mal so lang als die Fracht, am Grande
nach unten gebogen, zuweilen eine Windung beschreibend, sodann
aufsteigend. Die Frucht schief aufsteigend, Unglich, 4 H Mm
lang, 3 breit, an der Spitze gleichmfifsig gerundet, beraodet, arit
hochgewölbtem Mitteltheil der Seitenwand, ungerippt. Die Rapbe
ziemlich kurz; nur der obere Zahn ausgebildet, niedrig, aber spitz.
Ringspalten deutlich. Sori jederseits 5. Behaarung der Fracht
unscheinbar und fest anliegend; die Haare kurz, 4 zellig, allent-
halben warzig. Die Hautzellen beider Blattfiachen gebachtet nut
je 1 — 2 umschriebenen Höckern besetzt!
Es ist schwer diese Art an irgend eine andere anzaachlief«eo.
Mit den australischen höckerblfittrigen Arten hat sie keine Ver-
wandtschaft. In der Form und Berandung der Frucht erinnert sie
an i/. CoromandelianOy aber durch den einzigen Zahn ftchlie£st sie
sich den Gruppen der M. (JapenM und ÄegypHaca an. Die Be-
nennung bezieht sich auf die höckerartige Wölbung der Seiten-
w&nde der Frucht, kann aber auch auf die höckertragenden Üaat>
Zellen der Blfitter bezogen werden.
Gruppe der M. mutica,
(Orofsentheils amerikanische Arten mit niederliegendeni oder
absteigendem Fruchtstiel, mit schwachen oder fehlenden Zahnen).
43. M. Emesti A. Br. Sitzungsber. d. Gesellseh. natvt
Freunde vom 19. Juli 1870, S. 46; IT. striata A. Ernst, Vargasn
No. 7, p. 181 (non Mett.) — Wurde gegen Ende v. Jahres tod
Ad. Ernst bei Caracas entdeckt, wo sie in Gesellschaft von Jf.
nubangulata vorkommt Die Landform ist kleiner und schmSebi^
ger als M, quadrifoliata^ langkriechcud. Die Blättchen breitkeil-
förmig, vorn gerundet, ganzrandig, besonders auf der Unterseite
mit sparsamen kurzen Haaren besetzt Der Fruchtstiel nach ontee
gewendet oder, wo er Widerstand findet, horizontal niedergelegt
mit schlangenartig gebogenem, zuweilen selbst geringeltem Ende
schief an ^ie Frucht angesetzt, \ — |- so lang als diese. Dir
Frucht geneigt oder fast gerade ausgestreckt, iSnglich, 6^ — T.
vom iL August 1870. 747
selten bis fast 8 Mm. lang, 4^ — 5 Mm. breit, die Seiten stark und
gleichm&fsig gewölbt, so dafs die Bauch- und Rückenkanten fast
verschwinden, fast ohne Raphe, indem der Stiel sich mit einer
schiefen, auf der oberen Seite einen schwachen Zahn tragenden
Ausbreitung ansetzt« Der zweite Zahn sehr flach gewölbt und we«
nig bemerkbar. Sori jederseits 7 — 9. Die Haare bilden einen
dichten, etwas krausen Pelz; sie sind sehr lang und fein ausgezo-
gen und bestehen aus meist 7 mit kleinen Wfirzchen dicht besetz-
ten Zellen. Die enthaarte Fruchthaut ist braun, matt, rauh und
ohne deutliche Ringspalten. (Über Cultur, Keimung, Primordial-
und Schwimmblätter «dieser Art vergl. S. 662, 683 etc.). Den Na-
men dieser Art wählte ich zu Ehren des Entdeckers derselben,
Adolf Ernst, des Grunders und Vorstehers der physikalisch^natur^
geschichtlichen Gesellschaft Vargasia in Caracas, eines eifrigen und
insbesondere um die dortige Flora sehr verdienten Forschers.
44. M. Mexkana. Neue, von Beechey bei Julisca (Xu-
lisca) in Mexiko gesanmielte Art (herb. Hook.). Sie erinnert in
der Tracht an M, vestita und mucronaia^ schliefst sich aber in der
Fruchtbildung entschieden der vorausgehenden an, von der sie sich
durch dünnere Blattstiele, schmälere etwas stärker behaarte Blätt-
eben, geraden (meist horizontal niederliegenden) Fruchtstiel, klei-
nere (4 — 4}- Mm. lange, 3 Mm. breite) , meist horizontal am Stiel
ansitzende, stärker zusammengedrückte Frucht mit etwas verlän-
gerter Raphe und sehr schwach angedeutetem oberen Zahn, end-
lich darch glatte Haare der Frucht unterscheidet. Sori jederseits
8 — 9.
m
45. M, Berteroi. Insel S. Dominique, gesammelt von Ber-
tero (im De CandoUe'schen Herbar, mitgetheilt von Balbis 1821).
Scheint der vorigen sehr nahe zu stehen und bedarf noch genaue-
rer Vergleichnng, namentlich in Betreff der Haare der Frucht.
Die Blätter sind kleiner und kahl; der Fruchtstiel etwas mehr ver-
längert (1^ bis fast 2 mal so lang), geschwungen-niedergelegt, die
Frucht rückwärts an den Stiel angelegt, 5 — 6 Mm. lang, 4 Mm.
breit, mit anliegenden Haaren.
46. M. ancyclopoda A. Br. Monatsb. 1863, S. 434. Gua-
jaquil (Jameson 1847 No. 394 in herb. Boiss.). Nicht hinreichend
[1870] 51
748 Gesammtsitzung
bekannt, da die Fruckte der wenigen gesehenen Exemplare noek
sehr jong sind. Die hakenförmige KrünuBang des absteigenden
Fmehtsieis ist wahrsdieinHch nur ein Torabergehender Jogendza-
stand, der Name in diesem Falle nicht gut gewählt.
46. M. mutica Mett Fil. Nov. Caled. p. 34 (Ann. d. se.
nat. S^r. 4, Vol. XV, p. 88). In Nea-Caledonien von Vieiliard
entdeckt (1861 — 1867 No. 1698). — Die Land- (oder Sampf)
Form von der Statur und Blattform der M. quaärtfoUatct^ aber die
Bl£ttchen mitunter etwas gekerbt. Der Fruchtstiel 1^ — 2 niAi so
lang als die Frucht, in seiner Richtung veränderlich, aufsteigend
oder niedergestreckt. t>ie bald gerade ausgestreckte, bald gegen
den Stiel geneigte Frucht länglich, 4 Mol lang, 2 bis fast 5 Um.
breit und ungefähr ebenso dick> fast stieirund, zuweilen läoga des
Rückens vertieft und dann selbst etwas dicker als breit. Der Stiel
tritt mit einer schwachen, nach der Rückenseite zu kaum stärker
hervortretenden Verdickung an die Frucht, weder eine Raphe noch
einen Zahn bildend; die Stelle des zweiten Zahnes ist nar durtb
eine längliche, glattere Stelle angedeutet. Die Frucht ist in eine
dichte Decke langer, fest ineinander gewirrter Haare gleichsam ein-
gepackt; die Haare sind von ungewöhnlicher Länge, 4 — 5 zellig.
wellig und zerknittert, ohne Spur von Wärzchen I Die enthaarte
Frucht ist dunkelbraun^ rauh, ohne bemerkbare Ringspalten. Sori
jederseits. 6. Trotz <|er mangelnden Zahne schliefst sich diese An
doch unzweifelhaft an M, Emß$H an. Eine gleichfalls von Vieil-
lard gesammelte Wasaerform mit sehr grofsen, auf der Unter-
fläche mit braunen Intercostalstreifen versehenen Schwimmblätter^
gehört ohne Zweifel derselben Art an (vergl. S. 669, 671).
AT. quadri/oliata Brackenridge £xpl. £zped. p. 340 und See-
mann Journ. of Bot II, p. Bl von den Fe^eeinseln, wo sie baapt-
sächlich in den Pflanzungen von Colocasia esculenta vorkommt, i$t
nur steril gesammelt worden, daher nicht sicher zu bestimmen.
Gruppe der M. trichopoda,
(Arten der alten Welt mit Intercostalstreifen aus Sclerencbym."
41. M. Coromandeliana Willd. Spec. pl. V (1810) p. 539.
A. Br. in Flora 1839, S. 300; Monatsb. 1863, S. 422; M. quadr-
vom 11. August 1870. 74S^
Mia Bonn. Fl. Ind. (1767) p. 237 ex parte, t. 62, f. 31'). M.
minuia ß, Coromandeliana L. Mant. II (1771) p, 308; M, minuta
Qedw. theor. gen, t 8, f. 6-^11 (sec. specinuna herb. Hedw.); M.
minuta pedunculis unifioris longioribus fiUformbus Ellein in herb;
Willd. 20253; M, marginata Kunze herb.; üf. longipes Bory (in
berb. Kunze). — Vorderindien, Kaate Coromandel: Trankebar
(Klein in berb. Willd.); Pondicbery (Perrottet 1836); Madras
(Thomeon 1845 in herb. Hook.); ohne nähere Angabe (Wright
berb. No. 3). Über das fragliche Vorkommen auf Mauritius yergl.
S. 657; über Cultur und Keimung S. 661, 665; über die Scleren«*
cbymstreifen S. 692.
48. M. trichopoda (Lepr, ined.) A. Br. in Flora 1839,
S. 300; Monatsb. 1863, S. 422; Kuhn Fil. Afr. p. 200. -- Sene-
gambien (Leprieur^ Perrottet, Heuddot No. 548). — Von der vo-
rigen durch noch feinere längere Fruchtstiele, etwas kleinere, kur-
sere, mehr geneigte Früchte und geringere Zahl der Sori abwei«-
chend, vollkommen die Mitte zwischen ihr und der folgenden
haltend.
49, M, itiUSCoides (Lepr. ined. sec. Perrott) ; A. Br. in
Flora 1. c; Monatsb, 1863, S.. 422; Kuhn Fil. Afr. p, 200; M.
pygma^a Lepr. (in herb. Kunze); M, microphylla Welw. herb. An-
gol. mspt. et in lit. ad Hook. — Senegambien, namentlich in der
Gegend des „Gap de Nasse" (Leprieur 1827, comni. Perrottet).
Angola: Im Distrikt Benguella, an etwas feuchten, sandig-lehmigen
Stellen, welche im Sommer überschwemmt werden, swischen der
Stadt Benguella und Serra das Bimbas (Welwitsch Juni 1859, No.
176); im Distrikt Loanda (Welw. Mai 1859, No. 109). Über die
Art des Vorkommens in letzterer Gegend giebt Dr. Welwitsch fol-
gende, für eine Marsilia bemerkenswerthe Mittheilung: ^Ich fand
^) Burmann ist selbst geneigt, die zwei von ihm vermischten ostindi*
sehen Arten, die noch seiner Angabe sogar besondere einheimische Namen
haben, zu unterscheiden: ^Indica Coromandeli coUeeta sub nomine Warra-
Urei multo tenerior europaea; petioli pollicares, capillo humano teneriorcs
...; quae vero eodem in loco sub nomine Nier-raer-rei cum europaea
convenit et major est, hinc dnbitandum, an non pro distinctis speciebus ha-
b<^ndae.* Die erwähnte zweite Art ist ohne Zweifel M, eroaa W.
750 OesamnUsitzung
diese niedliche Art im Mai 1859 aaf sandigem rothem Lehmbodea
zwischen Bemposta und Gamama, circa 4 Meilen (geogr.) landda-
w&rts von der Stadt Loanda; sie hatte sich nicht allein auf mas-
cheo zur Regenzeit (Nor. bis Mftrz) überschwemmten, nnn aber
fast aufgetrockneten knrzgrasigen Stellen rasenformig ausgebreitet
sondern auch einen benachbarten Oemüse«Oarten derart invadirt,
dafs einige für Oemüsekultur zubereitete Abtheilungen desselben
mit ihr gleich einem dichten Kleefelde überdeckt waren. ^ — Nächst
M, BureheHii ist dies die kleinste Art der Gattung, durch Feinheit
der Stengel, Blatt- und Fruchtstiele vor allen anderen anagezeicb-
net Die fast horizontale Frucht ist 1|-, höchstens 2 Mm. lang
und fast ebenso breit und hat jederseits 2 — 3 Sori. Die beidea
Zfihne sind deutlich und meist Bpitz. Der fadenförmige Frachtstiel
ist 2^ bis 5 mal so lang als die Frucht. Die ziemlich schmalen
Blfittchen sind ganzrandig, am Ende gerundet, mit nur 10 — 12
in den Rand eintretenden NerTenenden und spärlichen, zuweilen
ganz fehlenden Anastomosen. (Vergl. S. 680.) Die senegambi-
sehen Exemplare bilden einen fiufserst dichten, niedrigen, moosar-
tigen Rasen; die von Angola haben einen lockereren Wuchs und
die zahlreichen Zweige mit gedehnteren Intemodien sind aufstei-
gend. Dadurch, sowie durch die mehr aufgerichtete Frucht,
schliefst sie sich der M, trkhopoda näher an.
50. i¥. distorta A. Br, Monatsb. 1863, S. 433; M. subter-
ranea (Lepr.) in herb. Mus. Par., Kunth etc. (non Lepr. in herb.
Perrott). — Senegambien: Im Reiche Walo. bei Dagana-Oualio
(Leprieur 1828); bei Richard-Tol (Lelievre 1829). — Der Frucht-
stiel ist dann und lang (2^ — 3 mal so lang) wie bei den vorigeo
Arten, aber niederliegend oder absteigend, hin- und hcrgebogea.
zunächst unter der Frucht zuweilen einen Kreis beschreibend. Die
Frucht ungefähr von der Orofse derjenigen von M, Coromandeliana.
3^ — 44^ Mm. lang, 2|- — 3^ breit, aber dicker und unberandet, auf
den Stiel zurückgelegt, fast ohne oberen Zahn, mit langen ab-
stechenden Haaren, welche völlig glatt sind. Sori jederseits 6 — 7.
Die Blättchen am Stirnrande wellig oder gekerbt. Keine der vor-
ausgehenden Arten zeigt eine so starke Entwicklung der durch-
sichtigen Intercostalstreifen, deren Sclerenchymzellen sich durcb
sehr bedeutende Dicke der Wand auszeichnen. Dr. Kny hat die-
selben auf Kieselerdegehalt geprüft, aber mit negativem Erfolg.
vom iL August 1870. 751
Gruppe der M, gymnocarpa.
(Afrikanische Arten, deren Frucbthaut sich als äufsere Schaale
ablöst Vergl. S. 709).
51. M. gymnocarpa Lepr. in herb. Perrott; A. Br. in
Flora 1839, S. 300; Monatsb. 1863, S. 432; Kahn Fil. Afr.
p. 199; M, pygmaea Lepr. sec. A. Brongn. in Dict. class. d'hist.
nat. ; M. leiocarpa Bory herb. — Senegambien (Leprieur, Perrottet).
Eine der zierlichsten, aber nicht der kleinsten Arten. Ich halte
es nicht für zweckm&Tsig den sicheren, bezeichnenden und ohne
Zweifel von dem Entdecker selbst vorgezogenen Namen aufzage-
ben, um einen früher publicirten zur Geltung zu bringen, in Be-
ziehung auf welchen in den Sammlungen Widersprüche bestehen.
(Vergl. bei M, muscoides).
52. M. Nubica A. Br. in Kotschy, FL Nub. exsicc. 1841;
A. Br. Monatsb. 1863, S. 432; Schweinf. Beitr. S. 218; Kuhn Fil.
Afr. p. 200. — Am Berge Arasch-Kol in Kordofan, an ausgetrock-
neten Wasserzusammenflüssen (Kotschy im Oct. 1839, No. 126).
Der vorigen nahe verwandt Abgesehen von der eigenthümlichen
Ablösung der äufseren Hautschicht der Frucht schliefsen sich die
beiden letzten Arten am nächsten an M. strigosa und pubescens an.
53. M. fimhnata Schum. et Thonning in Dansk. Vidensk.
Afh. IV. S. 235; A. Br. Monatsb. 1863, S. 432. — Guinea (Thon-
ning). Kaum mehr als dem Namen nach bekannt. Yrgl. S. 654.
//. Pilutaria.
1» P. minuta Duricu Mspt.; A. Br. in Descript scient.
d'Algerie (ined.) t. 38, f. 1—20; Monatsb. 1863, S. 435; Milde
Fil. Eur. p. 292; Kuhn Fil. Afr. p. 197; P. pygmaea Bory in lit.
(herb. Kunze) ; P. minor De Notaris sec. Cesati in herb.' de Fran-
quev. — Algerien: Bei Oran (Durieu 1842, 1844, 1848; Balansa
pl. d'Alg^rie No. 210). Sardinien: Bei Pula (De Notaris schon
752 ChsammUitzun^
1835); in derselben Gegend bei Cala d'OfltiA in Gesellschaft tos
lioeUi Tegulensis (Ascberson und Reinhardt 1863); bei Decioo-
inanna mit Manilia pubeseent (Gennari 1865, Erbario crittng. itaL
No. 302). Sfidfrankreicb : Roqnebaute bei Agde mit Äf, pubesee%i
und lioetea setacea (Balansa 1866, Daval-Joure 1869. Conf. BnlL
de la 80C. bot. de Fr. 1869, p. 210). Smjrna, am Berge Pagas
(Balansa).
2. P. Americana A. Br. Monatsb. 1863, S. 435 ; POulanef
sp. Nutt. in Transact of the Amer. phil. soc Philad. YoK V (1837!
p. 140; P. Valdiüiana Philippi in lit — Arkansas, bei Fort Smitii
(Nuttal); Georgia? (Capitain Leconte in Mas. Par.); Chili, bd
Valdivia (R. A. Philippi, Vater, nnd Fr. PbHippi, Sohn, 1869;.
Über Gultur und Nervatur der Fracht vergl. S. 660, 705.
3. P. Mandoni. Neue in Bolivia von Mandon entdeckte
Art. Als Fundort ist angregeben : La Paz, via ad Corvico, Ldmeha.
in paladosis. Regio alpina 5000 Met. Mai 1857. (Mandou, plant
Andium Boliviens. No. 1534.) — Ich sah nar zwei kümmeriicfae
Exemplare, das eine De Candolle's, das andere Lcnormand's Her-
bariam, so dafs ich mir aber die Zahl und Form der Sporen keine
Kenntnifs verschaffen konnte. Die Zahl der Fächer ergiebt sich
aus der Zahl der Klappen einer aufgesprungenen Frucht. Dir
Frucht hat einen Durchmesser von 2|-Mm.; der Fruchtstiel isi
4 — 5 Mm. lang, bald aufwärts, bald abwSrts gebogen; er setzt sich
mit etwas verdicktem, kaum schiefem Ende an die Fracht an. Die
Blfitter sind kurz (3 — 4 Cm. lang) und verh<nifsm&fsig dick.
4. P. Novae Hollandiae A. Br. Monatsb. 1863, S. 435;
P. globuU/era I. D. Ilook. Fl. Tasm. IL p. 150; F. v, Muller, Fragm,
Phytogr. Austr. V, p. 140. — In West- Australien am Swan River
(Drummond No. 991); in Sudost-Australien am Barwan River (Sam.
Ilannaford nach F. v. Müller 1. c); in Tasmanien bei Penquite
(Gunn No. 1561); in Neuseeland, am unteren Waikato River («1.
Kirk 1869, steril, daher die Artbestimmung ungewifs). Die Exem-
plare vom Swan River und aus Tasmanien stimmen völlig fiberein.
5. P. globulifera L. Sp. pl. I; I. Agardh, Dissert bot.
1833; A. Br. Monatsb. 1863, S. 434; P. natans Merat, FL Par.
vom IL August 1870. 753
ed. 2, I, p. 283 (eine im Wasser flathende Form mit sehr langen
Blättern). — Den früher angeführten Fundorten fuge ich bei : Bor-
deaux (Bory in herb. Fe^); Portugal, in der ProTfnz Alemtejo,
ewischen Grandola und Melides, nahe am Ufer des Meeres (Wel-
wisch 1848); Corfu (C. Bolle). Im Herbarium v. Franqueyille
findet sich ein Exemplar mit der Bezeichnung Pilul, (glohuli/erd)
Tanariensis ohne Angabe des Sammlers. Wohl ein Irrthum? —
Dr. Hooker fuhrt als Grund gegen die specifische Unterscheidung
Jer australischen von der europäischen Pilularia an, dafs er auch
bei Exemplaren aus England mitunter zurückgekrummte Frucht-
stiele und hängende Früchte gefunden habe, und ich verdanke sei-
ner Güte' ein Exemplärchen mit einer solchen Frucht aus Norfolk,
[ch kann diese Angabe auch durch deutsche Exemplare bestäti-
gen ; ich habe an solchen .von Sommerfeld und von Minden einzelne
Früchte mit deutlich zurückgekrümmtem, etwas verlängertem Stiel
gesehen, aber stets nur einzelne, so dafs auf dieses Vorkommen
nicht einmal eine Abart gegründet werden kann. In solchen
Fällen ist jedoch die Verlängerung des Fruchtstiels, den ich nicht
länger als halb so lang als die Frucht sah, nie so beträchtlich,
wie bei P. Novae Hollandiae, und der Fruchtstiel tritt gerade an
diie Frucht heran, während er bei der neuholländischen Art eine
Strecke weit horizontal an derselben hinläuft und eine Raphe
bildet. Überdies sind schon die Sporen ausreichend um beide Ar-
ten sicher zu unterscheiden.
Schliefslich spreche ich allen botanischen Freunden meinen
Dank aus, welche mich in Bearbeitung dieser Familie mit Material
unterstützt haben, sowie auch den Gärtnern, deren Aufmerksamkeit
und Sorgfalt das Gelingen der Marsiliaceenculturen zu verdanken
ist, insbesondere dem Inspector des botan. Gartens, Hrn. Bouch^,
dem Universitätsgärtner, Hm. Sauer, und dem Gehülfen im Uni-
versitätsgarten, Hrn. Barleben.
754 Gesammtsiizung vom iL August i870^
An eingegangenen Schriften worden vorgelegt:
Max Mfiller, Vorlegungen über die WiseeMchqft der Sprache deuUek t
Karl Böttger. 2. Aufl. Leipzig 1870. 8.
de la RiTe, Recherchee eur la poiarüalion rotataire magnetique dt* Ü^
dee, (Qenive 1870.) 8.
Flora baiava, Fase. 21S. Leyden 1870. 4.
MONATSBERICHT
KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
September und October 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Haupt.
Sommerferien.
10- October. Sitzung der physikalisch -mathemati-
schen Klasse.
Hr. Kammer las
Über die aas 31ten Wurzeln der Einheit gebildeten
complexen Zahlen.
Für die aus 3 Iten Einheitswurzeln gebildeten complexen Zah-
len ist 9 ¥rie ich froher nachgewiesen habe, der erste Faktor der
Klassenzahl gleich 9. Da diese Zahl ein Quadrat ist, so bleibt es
unentschieden, ob es ideale complexe Zahlen giebt, deren neunte
Potenz, and keine niedere, wirklich wird, oder ob schon die drit-
ten Potenzen aller hierhin gehörenden idealen Zahlen wirklich sind,
also ob in Beziehung auf diese Klassenzahl 9 im Gaufsi sehen
Sinne Regularitfit Statt hat, oder Irregularität Die Analogie mit
den aas 29ten Einheitsworzeln gebildeten complexen Zahlen, f8r
welche der erste Faktor der Klassenzahl gleich 8 ist, für welche
aber, wie ich aus der Theorie der Kreistheilung bewiesen habe,
schon die zweiten Potenzen aller idealen Zahlen wirklich sind,
giebt einen Anlafs za der Yermuthung, dafs dies in dem hier zu
betrachtenden Falle in &hnlicher Weise Statt haben mochte. Da
nun Hr. Rens c hie für die aus 31ten Einheitswurzeln gebildeten
idealen Primfaktoren der Zahl 2 eine wirkliche Darstellung der
[1870] 52
756 Sitzung der physikaliieh-mathematischen Klasse
nennten Potenz gefunden hat, während e8 ihm nicht gelonges bt
die dritte Potenz dieses idealen Primfaktors in wirklicher ¥cn
darzustellen, und da Ton der Zerlegung der einen Zahl 9 die Zcr
legungen aller in dieselbe Kategorie gehörenden Primzalüen abhia-
gig sind, so schien es mir namentlich auch für das Ton ihm hsx-
auszugebende Werk über die Zerlegung der Zahlen in ihre c<@-
plexen Primfaktoren Ton Wichtigkeit ToUstündig zu ergründen, t^
keine niedere als die neunte Potenz des idealen Primfaktors tos
2 in dieser Theorie wirklich wird, oder was dasselbe ist: ob di^
dritte Potenz dieses idealen Primfaktors als wirkliche compkie
Zahl sich darstellen Ififst, oder nicht.
5 5 5 5 5 5
Bezeichnet man mit «; , ij] , rs » ^i 9 ^4 y ^s die sechs fucf-
gliedrigen, aus 31ten Einheitswurzeln gebildeten Perioden, geoni-
net nach der primitiven Wurzel 8, und die drei zehngliedrigen Fe
rioden
55 10 5 5 10 5 5 10
so hat man unter denselben die Gleichungen:
55 5 5 5
*I»5 « ♦ H- »5 -+- 2^1 -H 215, m • m
5 5 5 5 5 5
r»Ji= ♦-+-»? • 4- *Ji ♦ -+-81:44- ijs
55 55 55
»5»Ji== ♦ ♦ 4- »:i 4- »5j • 4- »J4 4-2ijj
5 6 5 5 6 5
»J1J, = 6 4- ij 4- »Ji ♦ 4- *Ji 4- n« •
55 5 5 5 5
»J'54=«4-t? • 4-»;j4-2i:, • 4-r»
5 5 6 6 5 5
>jr;j== • •4- iji m 4- 2*j, 4- 1J4 4- if»
und
1010 10 10 10
1} 15 =5 10 4- 3ij 4- 4*Ji -h 2ij,
1010 10 10 10
ti r,i = • -f- 4»5 -h 2ri 4- 4rj
1010 10 10 10
r rj = » 4- a*j 4- 4i;i 4- 4rt
vom iO. October iS70. Ibl
'emer hat man die nach dem Modul 2 den Perioden entsprechen»
en Congnienzwurzeln :
& 5 5 5 5 &
5
reiche zu dem idealen Primfaktor /()?} der Zahl 2 gehören aollen.
Betrachtet man nun die complexe Zahl
S 5 10
0 findet man yermoge dieser Congrnenzbedingungen, dafs sie die
5 s
meiden idealen Primfaktoren von 2 /(i?) und /(t^t) enth< und weil
10 10 ^ 10
(l-f-tj)(l-f-*ii)(l-l-»jO = 2
ist, so folgt, dafs sie aufserdem keine anderen Primfaktoren ent-
hält. Man hat daher die ideale Zerlegung
10 5 s
14-,, «=/W/(tj.).
Wenn nun die dritte Potenz des idealen Primfaktors der 2 sich
5
als wirkliche complexe Zahl F{y^ darstellen liefse, so wurde auch
10
die dritte Potenz von 1 + >; » multiplicirt mit einer passenden Ein-
heit, sich als Produkt der beiden wirklichen complexen Zahlen
S 5
P(f;) undwP(i73) darstellen lassen, man wurde also haben
10 . 10 5 5
10
wo E(9;) irgend eine Einheit bezeichnet, welche nothwendig nur
die zehngliedrigen Perioden enthält, weil alle Einheiten der aus
den funfgliedrigen Perioden gebildeten complexen Zahlen nur die
zehngliedrigen Perioden enthalten können. Die drei conjugirten
Kreistheilungseinheiten sind hier:
52
75S Sitzung der phßMJkäiüch mnthfwmHuhen Klm9$&
10 10 10
«(*?) = 7-+-4r -+-tr,
^10 10 10
e(r,) « 7-4-4ri -+-aTt
10 10 10
«(rj) = 7-h4i', -+-»15
die onmeritchen Werthe der drei xelm^ediigeii Perioden and:
10 10 10
ij = -h 3,08387 , i:, == —0,78680 , r, = — 3,29707
und demiiaeh
10 10 10
e(r) s + 17,76188 , « (r,) = — 2,74134 , 0 (r,) = — 0,0»54,
10 10 10
1 -+-»? = -+- 4,08387 , 1 -H iji «= -»- 0,31390 , 1 -^ n = — 2^70:.
Es folgt hieraus, dais
10 .10 10 . 10 10 . M
-(H-r)'e(ri), — (i -i- r,)» Kr.) , - (i -h r,)' f{0
alle drei positive Werthe haben. Sondert man nun too der Ein-
10 10
heit E(^yi) die Einheit — «(f;i) &b, indem man setzt
_ 10 10 10
so dafs
10 . 10 10 SS
s s
so mafs, weil F(Yi) F{yi^) überhaupt nur positiv sein kann, di<
10
Einheit E\ri) die Eigenschaft haben, daC» sie mit ihren beiden c
jagirten zugleich nur positive Werthe hat. Eine solche Eiohi
10
E^{y,) mufs aber nothwendig das Quadrat einer Einheit sein,
leicht folgendermafsen gezeigt wird. Man kann zwar nicht ei
jede Einheit selbst, aber doch eine gewisse Potenz ein^r j(
Einheit als Produkt von Potenzen der Kreistheilungseinheiten ai
drScken. Man hat daher
10 10 10 y
vom iO. Octoher 1870. 759
nro n^ €€^ ß ganze Zahlen sind, welche nicht alle drei grade sein
können, weil sonst schon die ^Potenx von E'{r\) sich durch Kreis-
theilongseinheiten ausdrücken iiefse. Aas den numerischen Wer-
10 10 10
then der «(«]), e(9}i), 6(«7i} ersieht man nun sogleich, dafs die
3rei Grofsen
10 10 . 10 10 ,2 10 10 a
e(*)r«(^i)^, e{r,,Ye{r,^f, e(yj^reM^
oicht alle drei ein und dasselbe Vorzeichen haben können, aulser wenn
or und ß beide grade sind und darum n ungrade, n a= 2 1/ + 1 . Es
10
mufs also E'(riy*'^^ das Quadrat einer Einheit sein und darum
auch ^M selbst das Quadrat einer Einheit E\fi) » («(«}))'.
5 10 5 ft
Setzt man nun F(vi)i(Y,) statt F(r,) und demgemfiTs auch F(ni)
10 s
B{r,) statt jF(9:t), so erhält man die Gleichung
10 . 10 5 s
-(14-0* «('S.) = FW^C»!,),
oder entwickelt:
— 1341? — 113ri — IbbVf = F{r,) Flirii) •
Die nothwendige und hinreichende Bedingung dafür, dafs die dritte
Potenz eines idealen Primfaktors der 2 eine wirklich complexe
Zahl sei, liegt also darin, dafs es eine wirkliche complexe Zahl
5
F{y) gebe, welche dieser Gleichung genügt.
Setzt man nun
S 5 5 5 5.5 5
F(fi) =s aii + aii^i + atYj) -i- a,i;, + a«^« + as^f
und entwickelt das Produkt in die Form
5 5 10 10 10
so erhält man, weil A ss 134, Ai s= 113, 2I1 ss 155 sein mufs,
folgende drei Gleichungen:
760 Sitzung der phystkaUieh-matkemaiischen Klatse
134 « 6Q — P' -h a? 4- al — (a — a,)(«i — «4)
113 « 6Q — P* -+- aj -h aj — (a, — a^)Ca^ — «»)
^ ^^ H-2(a,a-*-a4ai) -h «104 ,
165 = 6Q — P* -f- aj 4- a* — (a, — a^)Ca^ — a)
-+-2(0101 +0^04) + asai ,
wo der Abkaming halber
P « a -+- a, -h a, H- a, 4- a^ -+- a» t
Q = a'-4- «1 -f- «J -+- aj 4- aj -f- aj ,
geeeUt ist Addirt mnn diese drei Oleichnngeii nnd mnltiplkirt
mit 9, 80 erbilt man
(B.) 804 «= 3lQ — 5P'.
Setzt man aaÜBerdem
B « (a— ai)' 4- («—«.)' 4- (a-^a^y 4- (« — a4)»4- (a— flj)*
4-(a|— a,)*4-(a,— a3)'4-(a,— a4)*4-(a,— flj)'
4-(«,— a,)>4- (a,— aO'4- (a,— «,)'
4- («1— a4)'4- (afaiY
4'(a,-a,)'
80 hat man die identische Oieichung
3lQ — öP* = Q4-6iJ,
aUo auch
(C.) 804 « Q 4- öÄ .
Nachdem so die ganse Frage darauf redacirt ist: ob die drei
Gleichungen (A.) mit 6 unbestimmten Gröfsen in ganzen Zahlen
losbar sind, oder nicht, untersuche ich zunächst die Ck>ngnien2be-
dingungen für den Modul 2 und sodann für den Modul 8, welche
diese sechs Zahlen erfollen müssen.
Da die Zahl F(ri) den idealen Primfaktor /(fi) der Zahl 3
enthalten soll und da sie keinen der übrigen fünf coigugirten ent-
vom iO. Oetober 1870.
761
halten darf, so hat man nach den oben angegebenen Congruenz-
wurzeln, welche den Perioden für den Modul 2 entsprechen:
mod. 2.
a -}- «1 4- a4 = 0
öl "i" <*j -H öj ~
öj -f- fli -h « =
ö» -+- «♦ -h fli =
«4 -+- ö» -+- a, =
05 -}- « 4- «1 =
woraus folgt, dafs die drei Zahlen a, 02, a» grade sein müssen
und die drei Zahlen €fi, «r«, a« ungrade, oder
a = 26 , «1 = 2hl -}- 1 , aj = 2&j , a« = 2Ä, -4- 1 ,
Um weiter die nothwendigen Congruenzbedingungen nach dem Mo-
dal 8 zu entwickeln, setze ich diese gefundenen Werthe der a, aj..
in die Gleichungen (A.) ein und erhalte so zunächst:
4(6 — 6»)(6i — 64) -H 46 6, -h 46» = 2 — 26 -f- 26x — 2*4 ,
4(&, — 64)(*» — ft5)-f-45ift4 -f-4ft» = — 2fti 4-264 , mod. 8.
4(^8 — 6s)(*i — ft) 4-46,644-4 = — 26,4-2^4,
aas welchen Congrnenzen zunächst folgt, dafs
61 = 64 , ftj = 65 , 6 = 1, mod. 2.
sein mufs, wodurch diese Congruenzen sich weiter vereinfachen:
461 4- 465 =2 — 26 ,
46s = 261 4- 264 , mod. 8.
4 = 26, 4-265 ,
und wenn statt der Zahlen h wieder die Zahlen a eingeführt
werden :
762 Sitzung der physikaliseh'-mathemaiUchen Kl4tsse
2ai 4- 2aj =4 — a y
2ai = ai H- a« 9 mod. 8.
Macht man nun die Gleichung (B.) za einer Congmenz md
dem Modal 31, so hat man
2 = 5P' , mod. 31.
alao
P' = 19 , P= dt 9 , mod. 31.
Da man alle Vorzeichen der 6 Zahlen a, ai ... gleichzeitig inderB
kann, so reicht es hin P positiv za nehmen; beachtet man aoHscr'
dem, dafs P ungrade ist, so erh< man fSr P folgende Reibe mög-
licher Werthe:
P«= 9, 63, 71, 115, ...
Die ans (B.) zu berechnenden zagehörenden Werthe des Q sind
Qs39, 479, 839, 2159, ...
and die ans (C.) zu berechnenden zugeborenden Werthe des B
Ä =: 153 , 65 , — 7 , — 272 , ...
Da aber B als Samme von Quadraten nothwendig positiv ist, so
bleiben nur die beiden F&lle übrig:
1) P = 9 , Qs=: Z9 y Ä = 153 ,
2) P = 53 , Q s= 479 , jß = 65 .
Da in beiden Fällen P= 1 , mod. 4 ist, so hat man
a -f- «1 4- «8 4- «a -^ a^ -Ha» =1 mod. 4.
also
26-f-25i -h26,-4- 26,4- 264-h25j =2 mod. 4.
also nach den oben gegebenen Congruenzen für den Modul 8:
6s = 0 , mod. 2 , a« = 1 , mod. 4.
Diese Congruenzen ergeben deshalb folgende Resultate:
(DO
vom iO. Oetober 1870.
a = 2 9 mod. 4 , Hl 4- a» = 4 9 mod. 8 ,
a« = 1 , mod. 4 , a, -h a4 = 2 , mod. 8 .
763
Ich untersuche nun zunächst den ersten der beiden unterschie-
denen Ffille, nämlich
a -t- «1 -f- «t 4- «t H- «4 H- «» = 9 ,
a, 4- a? 4- aj 4- aj -h aj -f- ai = 39 .
Zerlegt man die Zahl 39 auf alle möglichen Weisen in die Summe
von 6 Quadraten, und wählt man die Vorzeichen so, dafs die
Summe der sechs Wurzeln gleich 9 ist, so erhält man folgende
acht verschiedene Fälle für die Werthe der Zahlen 0^01,0^,0,,
n«, a^ , welche diesen beiden Gleichungen genügen:
1)
-»-6,
+ 1,
4-J,
+ 1,
0,
0,
2)
+ 6,
+ 3,
+ 2,
0,
0,
— 1,
3)
+ 6,
+ 2,
+ 2,
+ 2,
— 1 ,
— 1,
4)
+ 8,
4-3,
+ 2,
+ 1,
+ 1 ,
— 2,
5)
+ 4,
+ 4,
-+-2,
+ 1.
— 1 ,
— 1,
6)
+ 4.
+ *.
-+-1,
+ 1.
+ 1 )
— 2,
7)
+ *»
+ 3,
-»-3,
-+•1,
0,
— 2,
8)
+ 3,
+ 3,
+ 2,
+ 2,
+ 2 ,
— 3.
Die Fälle 1, 2, 5 und 6 sind aber mit den für die drei graden
Zahlen a^a^^a^ bestehenden beiden Congruenzbedingungen (D.)
unvereinbar. Femer sind die Fälle 3, 7 und 8 mit den unter den
drei ungraden Zahlen ai, a%^ a« bestehenden beiden Congruenzbe-
dingungen (D.) unvereinbar. Es bleibt also nur noch der Fall 4
übrig, welcher mit diesen vier Congruenzbedingungen bestehen kann,
wenn
a = — 2, a, =-f-i, ats4-2,
«1 = 4-2
4- 6 , «4 = 4- 1 ,
genommen wird. Um zu sehen, ob diese Werthe der Aufgabe wirk-
lich genügen, mufs man zu den Gleichungen (A.) zurückgehen.
Man erhält für diese Werthe:
764 Sitzung der physikaliseh-mathenuUischen Klasse
6Q — P' 4- a? -f- aj — (a — a,) (a, — a*)
4- 2(aa, -f-aja,) -+- aaj == 118,
sie genügen also schon der ersten dieser drei Gleichungen Dichi
nach welcher dieser Ausdruck den Werth 134 haben mufs. £<
giebt also in dem ersten Hauptfalle wo P = 9 Q = 39 sein mab
überhaupt keine den drei Gleichungen (A.) genugenden Zahlen.
Es bleibt nun noch übrig auch den zweiten Haaptfall la oo-
tersuchen, wo
P SS 53 , Q «= 479 , JB « 65 .
Es sei ffi die kleinste der sechs Zahlen a, Od ^s» «'s» ^4» ^i ; ^
übrigen fünf seien m -f- Ci , •» H- C| , » -4- c» » m 4- C4 , m -h Cj,
so sind Ci , C| , Cj , c« 9 c» positive Zahlen, bei welchen jedoch aoeh
der Werth 0 nicht auszuschliefsen ist. Setzt man nun zur Ab-
kürzung
Ci 4- c, -f- Cj -+- C4 -f- Cj = p ,
Ci 4- ci 4- cj -}- cj 4- cj = q y
(Ci— c,)' -4- (Ci — c,)» 4- (Cx — c^y 4- (ci — Cs)» 4- (c, — c»)'
4- (c, — c^y 4- (c, — Cj)* + (ci — c*)' -H (<?j — Ci)'
-i-(c4 — Cs)' = r,
so hat man
63 =s 6fit 4-jp >
479 = 6m' 4- 2Mp 4- ^ ,
65 = (? 4- r ,
und wenn man aus diesen drei Gleichungen p und q eliminirt:
414 = 106m— 6 m'— r,
und weil p, q^ r positive Zahlen sind, so ist
53 > 6m ^
414 < 106m — m' ,
woraus folgt, dafs m nur die drei Werthe m = 8, m s= 7 wa
m = 6 erhalten kann.
Nimmt man zuerst m s= 8, so ist für diesen Werth
j) = 5 , q = Ib , r==dO.
vom 10. Octoher 1870. 765
Die einzige Art wie die Zahl ^ = 15 in fünf Quadrate zerlegt
werden kann ist aber
15 = 3» 4- 2' rh l' -t-l' 4- O' ,
welche, weil keine der Zahlen Ci, Cj, c^y c«, Ci negativ ist, nicht
p = 5, sondern jp ==3 7 giebt. Der Fall m = 8 giebt also keine
Auflosang der Aufgabe.
Nimmt man zweitens m ss 7, so hat man
jp = 11 , g = 31 , r = 34 .
Die Zahl g s= 31 Ufat sich aber nur auf folgende drei Arten als
Summe von 5 Qnadratzahlen darstellen:
31 = 5* 4- 2* + 1* 4- 1* -i- 0' ,
31 = 4* -H 3* 4- 2' 4- 1' 4- 1' ,
31 = 3» -f. 3» ^ 3» 4- 2* 4- 0' •
Die erste derselben ist zu verwerfen, weil sie nicht p = 11, son-
dern p = 9 ergiebt; die zweite und dritte sind mit dieser Bedin-
gung im Einklänge und ergeben für die fünf Zahlen Ci, Ca, C|, c«, c»
die Werthe
4,3,2,1,1,
o, o, 3, 2, O,
und demgemäfs für die sechs Zahlen a^ ai^ a^^ a^^ a^^ a^ die
Werthe
11 , 10 , 9 , 8 , S , 7 ,
10 , 10 , 10 , 9 , 7 , 7 .
Die ersteren sind aber mit den unter den drei graden Zahlen a,
0], Oj nothwendigen beiden Congruenzbedingungen (D.) und die
anderen mit den unter den drei ungraden Zahlen ai, a^, a« noth-
wendig Statt habenden Congruenzbedingungen (D.) unvereinbar.
Der Fall m = 7 giebt also ebenfalls keine Losung der Aufgabe.
Nimmt man endlich m = 6, so hat man:
p = 17 , j = 59 , r = 6.
Da r eine Summe von 10 Quadraten ist, so ist die Zahl 6 als
Summe von 10 Quadraten darzustellen, welches auf folgende zwei
verschiedene Arten möglich ist:
766 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
6 aa 2* -f-l' -f- l' -^ 7.0' ,
6 = 1* + 1* -f-l' -hl* H- l' -*- 1* -h4.0*.
Es ist aber unmdglich, dafs von den 10 Differenzen je zweier der
fSnf OrSfsen Ci , Cj , c, , c« , c» , aas deren Quadraten r = 6 be>
steht, genau 7 gleich Null sind; denn wenn selbst vier dieser Zah-
len einander gleich wfiren, so wurden nur 6 dieser DüFereoiefl
gleich Null sein. Es bleibt also nur die zweite DarsteUnng tob
r s= 6 zu betrachten, für welche 3 von den fünf Zahlen Ci,es,eii
c^yC^ einander gleich sein müssen und die übrigen beiden aoeh
einander gleich und wo die Differenzen der ersten drei Reichen
von den anderen zwei gleichen gleich Eins ist. Da die Summe
p dieser Zahlen gleich 17 sein mufs, so genügen keine anderen
Wertho der C], Cj, C|, C4, c^ als
4, 4, 3, 3, 3«
Die zngehorenden Werthe der 6 Zahlen a, tfi, ai,a«, a«, o« sind
demnach :
10 , 10 , 9 , 9 , 9 9 6 y
welche sich in der That den einzelnen Zahlen ü^ai^a^y a^^ a^^a^
so zuordnen lassen, dalB den vier Gongruenzbedingungen (D.) ge-
nügt wird, und zwar nur auf folgende Weise:
a SS 6 , ai SS 9 , a| =s 10 , Oj «s 9 , a« s= 9 , a« = 10.
Aber auch diese Werthe genügen den drei Gleichungen (A.) nicht,
denn man erhfilt für dieselben
hQ — P* 4- «1 •+- aj — (a — ai)(fli — a«) -H 2(aai 4- «a«j)
+ aai = 102 ,
und nicht 134, welchen Werth dieser Ausdruck vermöge der erstes
dieser Gleichungen haben muls.
Es ist also in allen Fällen unmöglich, die sechs Zahlen a, Hp
A>9^i)^49^s 80 2u bestimmen, dafs sie den drei Gleichungen (Ai
genügen und darum ist es unmöglich die dritte Potenz eines ideJ-
len Primfaktors der Zahl 2 als wirkliche complexe Zahl F(v^ dar
zustellen; es giebt also keine niedere Potenz des idealen Primfak
tors der 2, als die neunte, welche wirklich ist.
vom 10. October 1870. 767
Hr. Weierstrafs legte die folgende Abhandlang des Herrn
H. A. Schwarz xn Zürich vor:
Über die Integration der partiellen Differential-
gleichung
unter vorgeBchriebenen Orens- and UnBtetigkeits-
bedingungen.
Im August 1866 hat Hr. Weierstrafs der Eönigl. Akademie
von einer Arbeit Mittheilung gemacht, welche die conforme Ab-
bildang eines einfach zusammenhfingenden Bereiches T auf die
Flfiche S eines Kreises beziehungsweise auf die Flfiche E einer
Halbebene betrifft, für den Fall, dafs die Begrenznngslinie des Be-
reiches T von geradlinigen Strecken oder von Kreisbogen gebildet
wird. Für den allgemeinen Fall wurde die Lösung der angegebe-
nen Abbildungsaufgabe unter der Voraussetzung, dafs es überhaupt
eine Losung derselben gebe, auf die Integration einer gewohnlichen
Differentialgleichung und die Bestimmung einer endlichen Anzahl
von Gonstanten zurückgefohrt.
Diese Zuruckfuhrung beruht im Wesentlichen auf folgenden
Betrachtungen.
Es sei z sss x-hyi eine complexe Variable, in einer Ebene
geometrisch dargestellt durch einen Punkt mit den rechtwinkligen
Coordinaten Xy y. Die auf der positiven Seite der x-Axe lie-
gende Halbebene sei der Bereich E. Der von geradlinigen Strecken
oder von Kreisbogen begrenzte Bereich T sei der geometrische
Ort eines Punktes, durch welchen eine zweite complexe Variable
^ s= ^ 4. t; t geometrisch dargesteUt wird.
Es wird vorausgesetzt, dafs für alle im Innern von E liegen-
den Werthe von z die Variable ^ als eine eindeutige analytische
Funktion von z mit dem Charakter einer rationalen Funktion so
erklärt ist, dafs vermöge der Beziehung ^ ^a f{z) der Bereich E
auf den Bereich T zusammenh&ngend und in den kleinsten Theilen
ähnlich abgebildet wird.
Nun bilde man die Funktionen
d di
5i •«« Tz - -^W
d
dz
* di ,( d , d^y
768 Sitzung der phyBikaUMek-mathemaHsehen Kiatte
Hierbei sind für die Fnnktioii E(2) als singol&re Werthe tob :
aufser dem Werthe z ^= oo alle diejenigen Werthe im Ixinem ni
auf der Begrenzung von E anzusehen, welche den der FlSdie 7
angehörenden Ecken^ Windangspankten und unendlich fernen Punk-
ten entsprechen.
Für die Funktion If{z) hingegen gehören die vorkommende«-
falls den unendlich fernen Punkten yon T entspredienden Werdi«
von z nicht zu den singulären Werthen des Arguments, irenn jesf
Punkte nicht zugleich Windungspunkte oder Ecken von T aisd.
Die Funktion F{z) hat für alle reellen Werthe von z eba-
falls reelle Werthe. Es ist daher möglich, das Gebiet oes Ar^
mentes r, welches zufolge der ursprünglichen Erklünuig der Fonk*
tion F{z) zunädist auf die Halbebene E beschränkt ist, dadnrcli
auf die ganze Ebene auszudehnen, dafs coiyugirten Werthen des
Argumentes z cox^ugirte Werthe von F{z) zugeordnet werden.
Hierbei ergibt sieh, dafs die durch die erweiterte Definitiott ür
alle Werthe der unbeschränkt veränderlichen complexen Gro&e z
definirte analytische Funktion F(z) in der Umgebung aller sings-
lären Werthe den Charakter einer rationalen Funktion besitzt nsd
daher — nach einem Fundamentalsatze der Theorie der analrti-
sehen Funktionen — selbst eine rationale Funktion von z ist.
Wenn die Begrenzungslinie von T nur aus geraden Strecken
besteht, ergibt sich durch analoge Betrachtungen, dafs schon die
Funktion E{z) eine rationale Funktion ihres Argumentes ist.
Es darf hierbei nicht übersehen werden, daCs diese Bewei»-
führnng wesentlich auf der von vorn herein gemachten Yoraos-
Setzung beruht, dafs es eine Funktion ^=/(r) gebe, durch
welche die geforderte Abbildung vermittelt wird, — dals es dem-
nach nicht erlaubt ist, hieraus umgekehrt auf die Möglichkeit d«rr
Lösung der angegebenen Abbildungsanfgabe einen Schlnfe zu
machen, bevor nicht der Naehweis geführt ist, da£s es möglich ist,
für jede einfach zusammenhängende von geraden Strecken oder
Kreisbogen begrenzte Fläche T die in die rationalen FnnktioBen
E{z) beziehungsweise F{z) eingehenden Constanten so an bestim>
men, dafs allen Bedingungen der Aufgabe Genüge geschieht.
Während es leicht ist, specielle Fälle anzugeben, für welche
die Bestimmung der Cons tauten ohne Weiteres gelingt, liegt bei der
betrachteten allgemeinen Aufgabe die einzige sich darbietende
votn iO. October 1870. 769
Schwierigkeit von Belang in dem zu leistenden Beweis für die
Möglichkeit dieser Gonstantenbestimmung.
Der Konigl. Akademie habe ich die Ehre, im nachfolgenden
kuszuge von einem Verfahren Mitiheilang ca machen, dorch dessen
Anwendung es, wie ich mich überzeugt zn haben glaube, gelingt,
licht nur die Frage nach der Möglichkeit der Constantenbestim«
nung bei der erwähnten Aufgabe allgemein zu beantworten, sondern
iberhaupt die von Riemann in seiner Inauguraldissertation und in
meiner Abhandlung „Theorie der AbeFschen Funktionen^ aasge-*
»prochenen allgemeinen Lehrsfitze über die Integration der par-
:iellen Differentialgleichung Au = ^— j 4- ^— j = 0 unter vorge-
ichriebenen Grenz- und Un Stetigkeitsbedingungen streng zu be*
w^eisen.
1. Bezeichnet /(</>) eine nach dem Intervalle 9« periodisch
sich wiederholende, endliche, stetige und eindeutige reelle Funktion
des reellen Argumentes c(), so stellen die Gleichungen
/»S IT m
A'^) ^^ — ^ r^^» (o<r<i),
■'^ ''l — 2rcos(>fr— «/>)H-r' '^ ' v - /»
d
eine für alle Punkte z aa x-^- yi = r.e*'^ einer mit dem Radius 1
um den Punkt z «= 0 beschriebenen Kreisfläche S (O^r ^ l) ein-
deutig definirte, endliche und stetige Funktion u dar, welche für
das Innere von S (O^r <,!) der * partiellen Differentialgleichung
A u ==: ;r— j 4- ^—5- = 0 genügt. Die durch die obigen Gleichun-
gen mit der Beschränkung O^r^l dargestellte Funktion ist zu«
gleich die einzige, welche für alle Punkte von S endlich, stetig
und eindeutig ist, welche für das Innere von S der partiellen Diffgl.
Au =s 0 in der Art genügt, dafs die partiellen Ableitungen von u
^r- » T- > ^T—? > TT ^^ demselben Umfange existiren , endliche,
dx öy öx^ öy^
stetige und eindeutige Funktionen von x und y sind, und welche
überdiefs auf dem Rande von S mit /(c/>} übereinstimmt.
Einen Beweis dieser Sätze, welcher nach der von Riemann
im Artikel 10. seiner Dissertation mitgetheilten Methode geführt
770 Sitzung der phytihaliiek-maihemaiisehen Kiasss
ist, habe ich im XV. Jahi^ange der Yierteljahrsschrift der Kitcr-
forschenden Gesellschaft in Zürich 1870 pag. 113-128 v-eröffaitlkki
2. Die eben definirte Funktion « ist für alle Werthe voe f,
welche die Einheit nicht dberschreiten, in eine nach Prodoktrn
ans den Potenzen von r und den Sinns und Cosiims der glekir
namigen Vielfachen von ip fortschreitende Reihe entwickelbar o&i
es finden aaf diese Fanktion diejenigen Betrachtangen AnwendsDg.
welche überhaupt die analytische Fortsetzung von Fonktioneo, wel-
che partiellen Differentialgleichangen genügen, betreffen. Insbesondeft
gilt der Satz: Wenn zwei Funktionen «i und Ut, welche for zwei
Bereiche Ti und T^, die ein einfach zusammenhängendes Gebie:
7* von zwei Dimensionen gemeinsam haben, als endliche, eindeoti«?
und stetige Funktionen erklärt sind und in dem erklärten SioK
der partiellen Diffgl. A^ =b 0 genügen, in einem noch ao kleiiiet:
Theile dieses gemeinsamen Gebietes mit einander fibereinatimmec
so stimmen sie für alle Funkte desselben mit einander ubereou
lassen sich unter Aufrechterhaltung der angegebenen £igenschafte&
beide simultan gleich weit analytisch fortsetzen und stimmen lanp
jeder solchen Fortsetzung mit einander überein.
3. Wenn eine Funktion u für einen Bereich t einschliedsüch
der Begrenzung desselben endlich, stetig und eindeutig ist und im
Innern desselben der partiellen Diffgl. Au «b o im 'angegebenen
Sinne genügt, so hat dieselbe entweder in einem Theile des Ge-
bietes einen constanten Werth und dann ist dieselbe überhaupt
eine Gonstante, oder dieses ist nicht der Fall. Im letztem FaU«
möge der grofste Werth von u mit g^ der kleinste Werth mit k
bezeichnet werden. Einen Beweis des Saues, dafs eine stetige
Funktion einer oder mehrerer Yerfinderlichen , welche nicht eioe
Gonstante ist, einen grofsten Werth mindestens für einen Punkt
im Innern oder auf der Begrenzung des Bereiches der Yariableo,
für welchen jene Funktion erklärt ist, wirklich erreicht, falls die
Funktion einschliefslich der Begrenzung des Bereiches stetig ist.
hat Hr. Weierstrafs in seinen Vorlesungen gegeben, auf den
Bezug zu nehmen ich mir erlaube. Im vorliegenden Falle müssen
die Punkte, in denen die Funktion u ihre extremen Werthe er-
reicht, auf der Begrenzung liegen. (Vergl. Riemann*s Inaagaral-
dissertation Art 11. III.}
Wenn also die .Funktion u nicht constant ist, so liegen alle
Werthe, welche dieselbe für die Innern Paukte des Bereichs T
vom 10. Oc tober 1870. 771
inter den angegebenen Voraussetzungen annehmen kann^ zwischen
lern gröisten Werthe g und dem kleinsten Werthe k unter den-
enigen Werthen, welche u auf der Begrenzung von T annimmt.
Wenn daher alle Werthe von u am Bande von T gleich Null
ind^ so ist u auch für alle innem Punkte gleich Null.
Wenn es mithin eine Funktion u gibt, welche unter den an-
gegebenen Bedingungen für den Bereich T erklärt ist und in jedem
'unkte der Begrenzung einen vorgeschriebenen, nach der Stetig-
:eit sich findemden Werth besitzt, so gibt es nur eine solche
i'unktion.
4. Wenn ein einfach zusammenhängender Bereich (z)\ für
welchen eine Funktion u den angegebenen Bedingungen gemfifa
erklärt ist, durch eine analytische Funktion
^ = -^W> ? 4- r,» = Fix 4- yO
auf ein Gebiet (f)' conform abgebildet wird und die Funktion F(z)
für alle Punkte im Innem des Qebietes (z)' den Charakter einer
ganzen Funktion besitzt, während F (z) im Innern desselben nicht
gleich Null wird, so geht die Funktion u von x und y in eine
Funktion von ^ und 97 über und genügt für das Gebiet (^' und
die Variablen ^ und 97 ebenfalls den allgemeinen Bedingungen.
Dieser bekannte Satz macht es in Verbindung mit der in no. 1.
angegebenen Formel möglich, für jeden einfach zusammenhängenden
Bereich T, welcher ganz im Endlichen liegt und in seinem Innern
keinen Windungspunkt besitzt, die partielle Differentialgleichung
äu= 0 vorgeschriebenen Grenzbedingungen gemäfs zu integriren,
venu die conforme Abbildung dieses Bereiches T auf die Fläche S
eines Kreises bekannt ist. Unter denjenigen Bereichen, welche
durch Vermittelung einfacher Funktionen auf die Fläche eines Krei-
ses conform abgebildet werden können, sind hervorzuheben:
a. Die von zwei Kreisbogen begrenzte Sichel oder Mond-
figur.
Wenn die Werthe z ^=: Zq und z s= Zq die beiden Ecken der
Mondfigur bestinmien, und der Winkel, den die Tangenten beider
Kreisbogen in diesen Punkten mit einander bUden mit av bezeich-
net wird, so wird diese Figur durch die Funktion
[1870] 53
772 Sitzung der, physikalisch-mathematischen Klasse
auf eine in der Ebene der complexen GroOse ^ liegende Halbebev
conform abgebildet. Die conforme Abbildnng einer Halbebene atf
das Innere eines Kreises wird aber bekanntlich dor^ eise ge-
brochene Funktion ersten Grades vermitteh, welche für dun
jener Halbebene nicht angehörenden Pankt unendlich grofs wird.
Zu den Gebieten dieser Art gehört auch das Kreissegment
und der Halbkreis.
b. Ein von drei Kreisbogen oder geraden Strecken begreoit«
Stuck der Ebene, oder Kreisbogendreieck, wenn swei dtr
Eckenwinkel Rechte sind und der dritte gleich air ist, w(»bej je-
doch €t weder gleich Null noch einer ganzen Zahl gleich ist.
Bezeichnet z ^= z^ die Ecke des Bereiches mit dem Eeka-
winke! arr^ z = Zq den zweiten Schnittpunkt der im Punkte r = ;,
sich schneidenden Kreise, so wird dieser Bereich durch die Fonktios
auf die Fläche eines Halbkreises conform al^ebildet, wodurch dif^tfr
Fall auf den vorhergehenden zurückgeführt ist.
Zu den Gebieten dieser Art gehört auch der Kreissektor:
in diesem Falle ist z'^^ ss oo and man hat ^ = (z — z«)« zu setzen.
Den unter a, und 5. genannten Gebieten reiht sich an:
c. Ein von drei Kreisbogen begrenztes ebenes Kreisbogen-
dreieck, in welchem eine Ecke eine Spitze ist und die Winkel
in den beiden andern Ecken Rechte sind.
Bezeichnet z = Zq die Lage der Spitze dieses Bereiches und
r = «0 -+- ^""**' ^r positive Werthe von t die Tangente der
Spit2e, so wird dieser Bereich durch die Funktionen
^am
auf die Fläche eines in der Ebene der complexen Gröfse ^' liegeo-
den Kreissektors conform abgebildet^ und hierdurch ist dieser Fall
auf den vorhergehenden zurückgeführt.
Für die genannten drei Bereiche also, sowie für alle diejeni-
gen Bereiche, welche auf diese conform abgebildet werden können.
kann die partielle Diffgl. Au = 0 vorgeschriebenen Grenzbedin-
gungen gemfifs integrirt werden.
vom 10. October 1870. 773
5. Unter einer ebenen analytischen Linie versteht man eine
i)ene Linie, für welche die rechtwinkligen Coordinaten x und y
Ines beliebigen Punktes analytische Funktionen einer reellen Ver-
aderlichen t sind. Es sei t ^=i t^ ein specieller Werth von t^ so
t also die Gleichung
r = Co 4- Ci {t—U) 4- c, (^ — ^o)* H in. inf. «/(/; U)
0 Co, Ci , Ct *** compleze Constanten yon der Beschaffenheit
^zeichnen, dafs die Reihe für alle dem absoluten Betrage nach
ine gewisse Grenze nicht überschreitenden Werthe von t — t^ con-
ergirt, die allgemeine Gleichung eines Zweiges einer analytischen
linie. Man betrachte ein Stück dieses Zweiges, welches so be-
i^haffen ist, daüis für keinen im Innern desselben liegenden Punkt
- den Werth Null annimmt.
t
In der analytischen Gleichung
lönnen der Variablen t auch complexe Werthe beigelegt werden;
lann Termittelt diese Gleichung eine conforme Abbildung eines
Theiles der Ebene der complexen Gröfse t^ welcher jene in Be-
racht gezogene Strecke der reellen Axe enthält, auf einen Theil
1er Ebene der complexen Grofse r, welcher jenen betrachteten
)ogen der analytischen Linie in seinem Innern enthält. Es ist
mch möglich 9 zu beiden Seiten der geraden Strecke zwei solche
rheile T| und T^ abzugrenzen, dafs für keinen Punkt im Innern
dz
ier 80 abgegrenzten Theile — gleich Null wird. Um die Vor-
CK (
»tellong zu fixiren, mag angenommen werden, dafs die beiden Be-
reiche T^ und T) zwei zu einander symmetrische Kreisabschnitte
seien. Die beiden Theile Ti und T^ werden durch die analytische
Funktion auf zwei zu beiden Seiten der analytischen Linie liegende
Theile Z^ und Z^ der Ebene der complexen Grofse z conform
Abgebildet Für diese Bereiche kann also nach dem Inhalte von
no. 1. und no. 4. die Diffgl. Au ^= 0 beliebig vorgeschriebenen
Grenzbedingungen gemfifs integrirt werden.
Es ist auch umgekehrt möglich, wenn in der Ebene der com-
plexen Gröfse z eine analytische Linie gegeben ist, ein Gebiet
^1 + Z) anzugeben, welches ein Stuck der analytischen Linie
53 •
774 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
in seinem Innern enth< und welches auf die Ebene der cos-
plexen Orofse t conform so abgebildet werden kann, dsSs dts
Stücke der analytischen Linie eine gerade Strecke entspricht
Diese Eigenschaft ist für die analytischen Linien charakteris-
tisch.
In einigen Fällen bietet es Vortheile , statt der Yariableii (
die Bogenlänge $ der Carve, von einem festen Punkte bis za einos
beweglichen gezählt, als unabhängige Variable einzufahren.
Es gibt zwar unendlich viele Funktionen, welche die Eigenscluüi
haben, die Gebiete Z^ und Z^ auf zwei andere durch eine gerad-
linige Strecke getrennte Gebiete Ti und T, conform ahzubildeo.
Werden aber die Punkte von Tj und 7, durch Symmetrie einasde!
zugeordnet, so ist das aus dieser Zuordnung hervorgehende punkt-
weise Entsprechen der Gebiete Zi und Z^ allein von der betrach-
teten analytischen Linie, nicht aber von der besondern Wahl der
abbildenden Funktion abhängig (Vergl. Borcbardt's Journal Bd. 70.
pag. 106 und 107). Die Möbius'sche Kreisverwandtschaft ist ein
specieller Fall eines solchen EntSprechens, welcher eintritt, wem
die analytische Linie ein Kreisbogen ist.
6. Längs einer analytischen Linie L im Innern eines Berdche?
Tf für welchen eine Funktion u im angegebenen Sinne der pari
Diffgl. Au e=s 0 genügt, besitzt diese Funktion in Bezug auf da
Bogen s dieser Linie den Charakter einer ganzen Funktion. Us-
gekehrt: Wenn der Bogen L einer analytischen Linie einea The!
der Begrenzung eines Bereiches T bildet, für welchen eine Funk-
tion u der Diffgl. Au 9=: o genügt, und die Werthe vom v längs
der Linie L mit /(«) bezeichnet werden, so ist die nothwendi^
Bedingung dafür, dafs sich die Funktion u über die Linie JL hin-
aus analytisch fortsetzen lasse, nämlich dals /(«) eine analytischf
Funktion von s ist, welche für alle in Betracht kommenden Weiths
von s den Charakter einer ganzen Funktion besitzt , für dk
Möglichkeit dieser analytischen Fortsetzung auch hinreichend. 1j2
specieller Fall dieses Satzes tritt ein, wenn die Linie L eine ge-
rade Strecke ist, längs welcher eine Funktion u den Werth Ncl
hat. In diesem Falle nimmt die Funktion u in solchen Ponk^
paaren, welche in Bezug auf die Gerade symmetrisch liegen, efsl-
gegengesetzte Werthe an, ein Satz, welcher sein Analogon in d^~T
Potentialtheorie findet.
vom 10. October 1870. 775
Bei dieser Gelegenheit mag erwähnt werden^ dafs, wenn die
Tonktion /(</>) in no. 1. in Bezug auf <f> an keiner Stelle den Charak-
er einer ganzen Funktion besitzt, dafs in diesem Falle die Peri-
pherie der Kreisfläche S für die Funktion u und für die an^Iy-
ische Funktion
leren reeller Theil die Funktion u ist, hinsichtlich des Bereiches
1er Argumente dieser Funktionen eine naturliche Grenze bildet,
welche von der Darstellungsform unabhängig ist.
Auf den für die Funktionentheorie wichtigen Umstand, dafs
1er Bereich des Argumentes einer analytischen Funktion nicht
mmcr ein willkürlich auszudehnender, sondern vielmehr in vielen
ß'ällen ein bestimmt begrenzter ist, hat Hr. Weierstrafs vor
einigen Jahren aufmerksam gemacht. (Monatsberichte 1866 p. 617).
7. An die vorhergehenden Erörterungen schliefst sich eine
[Jntersuchnng der UnStetigkeiten an, welche eine Funktion u in
einem Punkte annehmen kann, wenn der Werth der Funktion bei
der Annäherung an diesen Punkt dem absoluten Betrage nach
einen endlichen Werth nicht überschreitet. Wenn eine Funktion u
for das Innere eines beliebig grofsen um den Punkt z ss 0 mit dem
Radius S beschriebenen Kreises so erklärt werden kann, dafs sie
der Diffgl. Au ss o im angegebenen Sinne genügt, und, wie grofs
auch R sein möge, dem absoluten Betrage nach die endliche Gröfse g
nicht fiberschreitet, so ist die Funktion eine Constante. Der Be-
weis dieses Satzes folgt aus der in no. 1. angegebenen Formel,
wenn in derselben r durch ~, /(</>) durch u (2?, </>) ersetzt und
dann zur Grenze lim 22 s= oo übergegangen wird.
Wenn von einer Funktion u bekannt ist, dafs dieselbe für
das Iniiere eines Bereiches T mit Ausnahme eines im Innern des-
selben liegenden Punktes Tq, (für welchen es noch ungewifs ist,
ob die Funktion für denselben überhaupt einen bestimmten Werth
hat,) im obigen Sinne der Diffgl. Au ss o genügt, und dafs, wenn
in der Umgebung von z^ ein beliebig kleiner Bereich abgegrenzt
wird, alle Werthe von u im übrigen Bereiche, wie klein auch der
ausgeschlossene sein möge, die endliche Grofse g dem absoluten
776 Sitzung der phytikaHseh-maihematUehen Klasse
Betrage nach nicht öberschreiten , wenn endlich eine durch Al^
finderaog des Werthes von u im Punkte Zo hebbare ünsteü^e
ansgeschlossen wird, — so genSgt dieses^ um za sehliefBen, i^' .
die Funktion u aach far den Punkt z^ einen endlichen und k- \
stimmten Werth hat, dafs dieselbe überhaupt in der Nihe dkse
Punktes, den Punkt Zq selbst eingeschlossen, den Charakter eisrr
ganzen Funktion besitzt
Im Innern eines Bereiches T kann also eine der I>ifrgL ^n = 0
im Allgemeinen genugende Funktion keine anderen Singnlaritirfs
besitzen, als solche, bei denen die Funktion sich Terzweigt oder
unendlich grofse Werthe erreicht
Auch in dem Falle, wenn auf der Begrenzung von T ein ds-
zelner Punkt z^ liegt, für welchen die Eindeutigkeit tind Ste^-
keit von u ungewifs ist, wfihrend die Endlichkeit von « in de
Umgebung dieses Punktes feststeht, l&fst sich analogerweise der
Schlnfs auf das Vorhandensein dieser genannten beiden Eigenscbafta
machen, wenn erstens bekannt ist, dafs das Gebiet T confona so
abgebildet werden kann, dafs einem Stucke der Begrenzung tod T,
welches den Punkt Zq im Innern enthält, eine gerade Strecke ent-
spricht, und zweitens die Werthe von u Ifings der Begrenzung tod T
In jenem Punkte z^ eine Unterbrechung der Stetigkeit nicht er-
leiden.
Wenn dagegen unter im Übrigen unveränderten Voraussetzvs'
gen die Werthe von u längs der Begrenzung von T im Punkte:»
eine Unterbrechung der Stetigkeit erleiden und der Punkt z« nkM
zugleich eine Spitze der Begrenzung von T ist, so erhält man mis
der Funktion u durch Subtraktion eines Ausdruckes Carctg 7
bei geeigneter Bestimmung der Constante C eine in diesem Punkte
eindeutige und stetige Funktion.
Ist aber der Punkt Zq eine Spitze und sind die beiden die
Spitze bildenden Linien L^ und Lf analytische Linien, so kann?
ohne dafs der Allgemeinheit Eintrag geschieht, angenommen ir^
den, dafs die die Ordnung der gegenseitigen Berührung der beiden
Linien in der Spitze ausdruckende Zahl, welche stets eine positive
rationale Zahl ist, nicht gröfser sei als die ebenfalls rationalei^
Zahlen, welche die Ordnung der Berührung der beiden Linien mit
der Tangente der Spitze ausdrücken, da auf diesen Fall der
tom 10. Oetoher 1870. 777
allgemeinere durch eine vorhergehende conforme Abbildong stets
zarückgefShrt werden kann.
Wird dann die Spitze selbst zum Pol von Polarcoordinaten
gewählt und entspricht (^ = o der Tangente der Spitze, so erhält
man aus der Funktion u durch Subtraktion eines Ausdruckes
C. — sin fiif^
bei geeigneter Bestimmung von C und t* eine auch in der Um-
gebung der Spitze stetige Funktion. Wird also der Gröfse r ein
constanter Werth von hinreichender Kleinheit beigelegt, so sind
für die in Betracht kommenden Werthe von (p die Änderungen
von u um so g^iauer den Änderungen von 4> proportional, je
kleiner der Werth von r ist
In dieser Form gilt der Satz sowohl für den Fall einer Spitze
als auch für den Fall einer Ecke.
8. Wenn für die Werthe einer Funktion u längs der Be-
grenzung von T UnStetigkeiten (endliche Sprünge) in einer end-
lichen Anzahl von Punkten der Begrenzung zugelassen werden,
so kann es ebenfalls nur eine Funktion geben, welche l&ngs der
ganzen Begrenzung vorgeschriebene Werthe hat, nirgends unend-
lich gröfs wird, mit Ausnahme jener Punkte stetig und eindeutig
ist und im Innern von T mit Ausnahme einer endlichen Anzahl
von Punkten im angegebenen Sinne der partiellen Diffgl. Au =i 0
genügt
Auch gilt unter denselben Voraussetzungen noch der Satz
(vergl. no. 3.), dais der Werth von u für einen inneren Punkt des
Gebietes stets zwischen der oberen und unteren Grenze derjeni-
gen Werthe liegt, welche diese Funktion auf der Begrenzung von T
annimmt
Die in no. 1. angegebene Formel stellt für die Fläche eines
Kreises die einzige den obigen Bedingungen genügende Funktion u
auch dann dar, wenn die längs der Peripherie vorgeschriebene
Werthenreihe /(<f>) in einer endlichen Anzahl von Punkten un-
stetig ist
9. Die vorstehenden Betrachtungen erfahren keine wesentliche
Modifikation, wenn der Bereich T in seinem Innern Windungs-
punkte enthält
I
778 Sitzung der phyatkäÜMeh-mathematischen Klasse
I
Der einfachste Fall eines solchen Bereiches ist der Fall eiaer 1
m-bl&ttrigen Kreisfläche, für welche der Mittelpunkt eis .
ta — 1 facher Windungspnnkt ist Ist z = xtq der Mittelponkt, E ^
der Radius der begrenzenden Kreislinie, so fahrt die conforme Ab- |
bildung durch die Funktion
C-^)-
auf den unter no. 1. betrachteten Fall einer einblättrigen Krek-
fläche zarüek. (Vergl. Riemann's Dissertation Art 14.)
Während die Funktion u auch für die Windungspunkte die
Eigenschaft behält, stetig und eindeutig bestimmt zu sein, wesa
sie endlich bleibt, können ihre partiellen Ableitungen bcü der Ab-
näherung an diese Funkte unendlich grofs werden und hören iar
die Windungspunkte selbst im Allgemeinen zu exist'ren auf. Die
Gültigkeit des unter no. 8. erwähnten allgemeinen Satzes wird je-
doch durch die Zulassung von Windungspunkten für das Innere
des Bereiches nicht beeinträchtigt
10. Es werde angenommen, für einen von einer endlichen
Anzahl von Stücken analytischer Linien begrenzten Bereich T s&
es möglich, die part. Diffgl. Au = 0 im angegebenen Sinne be-
liebig YOi^eschriebenen Orenzbedingungen gemäfs zu integriren.
Hierbei sollen die längs der Begrenzung von T Yorgeschriebenee
Werthe überall endlich und mit Ausnahme einer endlichen AnzaU
von Punkten P, in welchen eine Unterbrechung der Stetigkeit ein-
tritt, stetig und eindeutig erklärt sein.
Für diesen Bereich ist dann, wie eine nähere Untersuchung
zeigt, die Voraussetzung erfüllt, betrc£fend die Abbildbarkeit toq
Theilen des Gebietes T in der Nähe der etwa vorhandenen Eckeo
und Spitzen der Begrenzung von T auf zum Theil geradlinig be-
grenzte Bereiche, welche in no. 7. gemacht wurde, und es finden
daher auf den Bereich T die unter no. 7. und 8. angeführten Sätie
Anwendung.
Die Begrenzung von T denke man sich in eine endliehe Ab-
zahl von Strecken (Theilen) getheilt und diese wieder zu zwei
Gruppen angeordnet, so dafs in jeder Gruppe mindestens eic^
Strecke enthalten ist Den einzelnen Strecken lege man, jenach-
v<m iO. October 1870. 779
dem sie der ersten oder zweiten Gruppe angeboren, ungrade oder
grade Ordnungszahlen bei.
Dann ist die Anzahl derjenigen Punkte, welche eine Strecke
mit grader und eine Strecke mit ungrader Ordnungszahl trennen,
jedenfalls eine endliche; dieselbe kann auch gleich Null sein, wenn
die Begrenzungslinie aus mehr als einem geschlossenen Theile be*
steht. Diese Punkte mögen mit P bezeichnet werden. Nach der
Voraussetzung gibt es nun eine und nach dem Inhalt von no. 8.
nur eine einzige Funktion u, welche mit Ausnahme der Punkte P
und einer endlichen Anzahl anderer Punkte fcLr den Bereich T der
partiellen Diffgl. Au s= o genügt und in allen Punkten der Be-
grenzung den Werth Null oder + 1 hat, jenachdem die Ordnnngs*
zahl der Strecke, in deren Innerem der betre£fende Punkt liegt,
grade oder ungrade ist
Man denke sich nun im Innern von T eine endliche Anzahl
analytischer Linien L gegeben, welche mit den Strecken ungrader
Ordnungszahl entweder keinen Punkt oder nur Endpunkte P der-
selben gemeinsam haben. Im letzteren Falle wird jedoch voraus-
gesetzt, dafs die Ordnung der etwaigen Berührung zwischen einer
der Linien L und einer Strecke ungrader Ordnungszahl in keinem
der gemeinsamen Punkte P höher sei, als die Berührung zwischen
derselben Strecke ungrader Ordnungszahl und der in dem Punkte
P anstofsenden Strecke mit grader Ordnungszahl. Für alle die-
jenigen Werthe, welche die oben erklärte Funktion u für die Punkte
der Linien L annehmen kann, gibt es eine obere Grenze, beziehungs-
weise ein Maximum. Diese obere Grenze q ist kleiner als 1.
Nach der Beweismethode des Hrn. Weierstrafs, welche auch dem
Beweise des in no. 3. erwfihiiten Satzes zu Grunde liegt, gibt es
auf den Linien L mindestens einen Punkt Q von der Beschaffen-
heit, dafs, wenn von derjenigen Linie, auf welcher dieser Punkt
liegt, in der Umgebung desselben ein beliebig kleines Stuck ab-
geschnitten wird, die obere Grenze aller "Werthe, welche die Funk-
tion u für die Punkte dieses Stuckes annehmen kann^ ebenfalls
noch q ist. Man betrachte einen dieser Punkte; liegt derselbe im
Innern von T, so wird der Werth q wegen der Stetigkeit der
Funktion u in diesem Punkte erreicht; es ist q ein Maximum; da
nun nach no. 8. der Werth von u für jeden Innern Punkt zwi-
schen dem Werthe 0 und + 1 liegt, und keinen dieser Werthe
wirklich annehmen kann, so ist q kleiner als 1.
780 Sitzung der physikaliseh-mathenuUisehen Klasse
Wenn hingegen der Pnnkt Q auf der Begrensniig von T hep.
60 kann er nur mit einem der Punkte P soBammenfiilleii und dam
Ist q der Orenrwerth, welchem sich « nfihert^ wenn der esl-
sprechende Punkt l&ngs einer der Linien L jenem Punkte P eid
nähert Dann folgt aber aus den gemachten Yoransaetauiga.
(rergL no. 7.) dafs q kleiner als 1 ist.
11. Es möge nun for denselben Bereich Tbei derselben Einthe-
Inng der Begrenzung in Strecken mit grader und ungrader Ordnungs-
zahl und für dieselben Linien L eine Funktion «i beatimnit wer-
den, welche für das Innere von Tder Diffgl. Aui j=s o genagt und
auf der Begrenzung Iflngs der Strecken mit grader OrdnnngssaU
den Werth Null hat, und deren Werth laogs der Strecken mit hb-
grader Ordnungszahl dem absoluten Betrage nach die Gro£se ^i
nicht überschreitet.
Betrachtet man nun die Funktion
«•« = ^1 -uii*!
wo tt dieselbe Bedeutung hat, wie in no. 10., so genügt diese der
Diffgl. A«, SS 0 und hat längs der Begrenzung von T aam Theil
den Werth Null, zum Theil positive Werthe. Daher ist der Werth
von Us für keinen Punkt im Innern von T negativ und es über-
steigt somit der Werth von Ui dem absoluten Betrage nach nir-
gends den Werth von gfu; längs der Linien L übersteigt also
der Werth von Ui in keinem Punkte die Grofse ^t*9> wo die
Zahl q die in no. 10. erklärte Bedeutung hat und kleiner als 1 ist.
Auf diesem Satze beruht hauptsächlich das Gelingen des fol-
genden Conveigenzbeweises.
12. Nach dem für eine Anzahl von einfach begrenzten Be-
reichen gezeigt ist, dafs für dieselben die DiffgL Au = o beliebig
vorgeschriebenen Grenzbediugungen gemäss integrirt werden kann,
handelt es sich darum, den Nachweis zu fuhren, dafs auch für
einen weniger einfachen Bereich, der aus jenen auf gewisse Weise
zusammengesetzt ist, die Diffgl. Au ^= 0 beliebigen Grenzbedio-
gungen gemSfs integrirt werden kann.
Zum Beweise dieses Satzes kann ein Grenzübergang dienen,
welcher mit dem bekannten zur Herstellung eines luft verdünnten
Raumes mittelst einer zweistie feiigen Luftpumpe dienenden Ter-
vom iL Oetober 1870. 781
fahren grofse Analogie hat und welcher kurz Grenzabergang dnrch
alter nirendes Verfahren genannt werden kann.
Es seien gegeben zwei von analytischen Linien begrenzte Be-
reiche Ti und Tfj welche einen oder mehrere Bereiche T* ge-
meinsam haben. Die Begrenzung von T| wird von der Begren-
zung von Tf in eine Anzahl Stucke zerschnitten. Das System
aller Theile der Begrenzung von T|, welche auTserhalb T, liegen,
werde mit Lqj das System aller übrigen, innerhalb Tf liegenden
Theile mit Lf bezeichnet. Hierbei sollen alle den Begrenzungen
von Ti und T^ etwa gemeinsamen Strecken dem Systeme Lq zu-
gezählt werden.
Ebenso zerfällt die Begrenzung von T^ in die Systeme Z^,
und Xr,, wenn nämlich mit Li das System aller Stöcke, welche
innerhalb T| liegen, mit L^ das System aller Stucke, die aufser-
halb Ti liegen, bezeichnet wird, wobei etwaige gemeinsame Be-
grenzungstheile dem Systeme L^ zuzuzählen sind.
Es wird vorausgesetzt, dafs die Systeme Li und L^ keine
anderen Punkte gemeinsam haben, als solche, in denen die Be-
grenzungen von Ti und Tf sich schneiden, und zwar, dafs in
diesen Punkten zwischen den betre£fenden Linien der Systeme
Li und Lf nicht eine Berührung von höherer Ordnung stattfindet,
als in demselben Punkte zwischen den betreffenden Linien der
Systeme Lq und L^ Statt hat.
Es wird ferner vorausgesetzt, es sei sowohl für den Bereich T]
als auch für den Bereich T^ möglich, die DüTgl. Au = 0 beliebig
vorgeschriebenen Grenzbedingungen gemäfs zu integriren.
Es wird behauptet, dafs es unter diesen Voraussetzungen mög*
lieh sei , auch für dasjenige Gebiet Ti -4- T, — T* = T, welches
das Gebiet Ti und das Gebiet T, als Theile enthält, bei welchem
aber das beiden Gebieten Ti und Tf gemeinsame Gebiet T* nur
einfach zu zählen ist, die Diffgl. Av s=s 0 beliebig vorgeschriebenen
Grenzbedingungen gemäfs zu integriren.
Sowohl fQr das Gebiet Tj und das System Li als auch für das
Gebiet T, und das System L^ sind die Bedingungen des in no. 11.
entwickelten Hulfssatzes erfüllt, wenn im ersten Falle das System
Lq, im zweiten das System L^ an die Stelle der Gruppe der
Strecken mit grader Ordnungszahl tritt. Es ist daher möglich,
zwei Zahlen qi und g^ zu bestimmen, welche die Rolle der Zahl q
, in dem Hülfssatze vertreten und welche beide kleiner sind als 1.
I
782 Sitzung der physikaliseh-mathematischen Blasse
Es seien auf der Begrenzung Ton T, also längs L^ und X).
die Werthe für die Fanktion u wiUkfirlich vorgeschrieben; g sei
die obere, k sei die nntere Grenze dieser Werthe; die DüTereu
g — k werde mit O bezeichnet.
Nnn nehme man Ufings Lr^ eine Werthenreihe willkorlidi an,
s. B. in allen Ponkten von Lf den Werth ib, nnd bestimme &
das Qebiet Ti eine Funktion Ui, welche l&ngs £14^ die vorgeschrie-
benen Werthe, Ifings L^ den Werth k hat nnd im Innern von Ti
der Differentialgleichung ^Ui =: 0 genügt. Nach der aber das Ge-
biet Ti gemachten Voranssetzung gibt es eine solche Funktion.
Die Werthe, welche die Funktion 11 ^ lüngs Zr, hat, denke
mau sich fixirt und bestimme für das Gebiet T| eine Fanktion a^f
welche l&ngs L^ die vorgeschriebenen Werthe hat, längs Zr^ mit
der vorher bestimmten Funktion «1 übereinstimmt und für welebe
AUf s=s 0 ist Nach der über das Gebiet T^ gemachtcsn Yoraos-
setzung gibt es eine solche Funktion.
Der Werth von u^ — v 1 oder von u^ — k längs L^ ist kleber
als g — k S9i O,
Man bestimme nun für das Gebiet T| eine Funktion », , wel-
che längs Z/o di® vorgeschriebenen Werthe hat, längs Zf« Moit «,
übereinstimmt und für welche Au^ = 0 ist
Die Differenz ti, — Uj ist im Innern von Tj in keinem
Punkte negativ und dem absoluten Betrage nach kleiner als G,
längs Li aber nach dem erwähnten Hülfssatze kleiner als G-q^
weil Us — 11 1 längs Lq den Werth Null hat und längs L^ kleiner
als G ist
Den Werth der Funktion »s längs Li denke man sich fixirt
und für das Gebiet T^ eine Funktion «4 bestimmt, welche längs
Li mit Us übereinstimmt, längs Z, die vorgeschriebenen Werthe
hat und für welche Au« as= 0 ist.
Die Differenz 11 4 — u« hat längs Li den Werth Null and ist
längs Zj, wo sie mit »3 — ttj übereinstimmt, positiv und kleiner
als G 'qi; daher ist im Innern von T, U4 — »i nirgends negativ
und beständig kleiner als G' qi, längs L^ aber kleiner als G^q^'q.,
Durch Fortsetzung dieses alternirenden Verfahrens gelangt
man zu einer Reihe von unendlich vielen Funktionen mit ungradeci
und mit gradem Index. Die einen sind für das Gebiet Ti , die
andern für das Gebiet T^ so erklärt, dafs sie beziehlich längs L^
und Li die vorgeschriebenen Werthe haben und im Innern der
vom 10. October 1870. 783
Gebiete, für welche sie erklärt sind, der partiellen Differential-
gleicbnog Au := 0 genügen.
Für das Gebiet T* sind sowohl die Funktionen mit nngradem
als die mit gradem Index erklfirt und zwar stimmen dieselben ab-
M^echselnd Ifings Li und längs X, mit einander überein. Längs
Li ist n&mlich u^f^^i = u^^ und Ifings Zr, tt,^^i = u,^.
Die Funktionen mit ungradem und diejenigen mit gradeni
Index nähern sich mit wachsendem Index bestimmten Grenzfunk-
tionen u nnd u*\ welche durch die Gleichungen
tt' == «1 +(wt— Mi)-h(«5— tt3)...-H(»,^+,— tt,^_,)H ininf.
u" = tt, -H(tt4 — Wi)-H(m«— tt4)'"-»- («t«+i ttjii) -H -"ininf.
erklärt sind, denn die auf der rechten Seite stehenden Reihen con-
vergiren unbedingt und für alle in Betracht kommenden Werthe-
paare x, y in gleichem Grade; es ist nämlich
(«t«+t — «»i.-i)< ö-(tfi-^i)""* und
(tta«+> — «»«) < G • (ö'i •^«)""* • qi •
Man denke sich nun far den Bereich Ti die Funktion u be-
stimmt, welche längs L^ die vorgeschriebenen Werthe besitzt,
längs Zr, mit u* übereinstimmt nnd für das Innere von Ti der
Diffgl. ^tt = 0 genügt Dann hat die Differenz
längs i/o clen Werth Null und ist längs L^ kleiner als
Hieraus folgt, dafs u — ti 9.^.1 auch für jeden innem Punkt von
T, kleiner als diese Gröfse ist; daher ist u gleich lim u^^^i far
n = 00, und es stimmen somit die beiden Funktionen « und u' für
das Innere von Ti fiberein; also genfigt u' der Diffgl. Au' = 0.
Auf dieselbe Weise wird gezeigt, dafs für das Innere von T^
Au' = 0.
'i
784 Sitzung der ph^iikalisch-mathematisehen in€tsse
(Dali A«' es 0 und Au" ss o erfordert einen besonderen Kacb-
weis, weil im AUgemeinen aus der in gleichem Grade stattfindro-
den Conyergenx einer unendlichen Reihe nnd der I>i£RBrentiirbar
keit der einseinen Glieder nicht mit Sicherheit die Differentiirhsr-
keit der Summe geschlossen werden kann.)
Sowohl längs Li als Ifings Lf ist «' &= ti^; daher ist für
jeden Punkt von T* u! ^^ u", weil auf der gansen Begrenzoi^
von T* beide Funktionen mit einander übereinstimmen.
Es sind demnach (s. no. 2.) die beiden Funkdonen tt' und u
Werthe derselben Funktion u, welche für das ganze Gebiet
T a=s 7i -4- r, — 7* erklärt ist, im Innern desselben der partiellen
Differentialgleichung Au s= o genügt und auf der BegrenzuB^
Lq -h Li die yorgeschriebenen Werthe annimmt
Hiermit ist der Beweis für die oben ausgesprochene Behaup-
tung geführt: unter den angegebenen Voraussetzungen ist es sorh
für den Bereich T möglich, die partielle Differentialgleichung Au ^= o
willkürlich vorgeschriebenen Grenzbedingungen gemäfs an inte-
griren.
Durch wiederholte Anwendung des vorstehend erläuterten
Grenz Verfahrens gelangt man, wenn es sich um eine endliche An-
zahl von Bereichen Tj, Tf T^ handelt, welche durch Gebiete
von zwei Dimensionen zusammenhängen, und aus diesen Bereichen
ein einziger Bereich T gebildet wird, in welchem die Punkte der
gemeinschaftlichen Gebiete auch nur einfach gezählt werden, za
einem Beweise desselben Satzes für diesen Bereich T,
Den wesentlichen Inhalt von no. 10., 11. und 12. habe Ich vor
Kurzem im XV. Jahrgange der Vierteljahrsschrift der Natarfor-
sehenden Gesellschaft in Zürich, 1870 pag. 272-286 verojffentUchL
13, Jeder ganz im Endlichen liegende Bereich T, dessen Be-
grenzung ausscbliefslich von geraden Strecken oder von Kreisbogen
gebildet wird, kann aus einer endlichen Anzahl solcher Bereiche^
wie der in no. 1., no. 4.a, b^ o und in no. 9. betrachteten durch Zu-
sammensetzung so gebildet werden, wie es die VoraussetzuDgen
des in no. 12 bewiesenen Lehrsatzes erfordern.
Durch Zuhülfenahme der unter no. 5. betrachteten Bereiche
wird der in no. 12. bewiesene Lehrsatz auf alle von einer endlicfaea
Anzahl von Stücken analytischer Lim'en begrenzten Bereiche aus-
gedehnt.
vom 10. October 1870. 785
14. Bisher wurde voraasgeseUt, dafs alle Pankte der betrach-
teten Bereiche im Endlichen liegen. Diese Einschränkung ist
nicht wesentlich. Denn die vorhergehenden Entwickeiungen und
Sätze lassen sich mit geringen Modifikationen von der Ebene auf
die Kugel fl Sehe übertragen, und es ist daher der Fall, in wel-
chem der ebene Bereich T sich ins Unendliche erstreckt, durch
Projektion auf die Kngelfläche mittelst reciproker Radii vektorcs
ebenso leicht zu behandeln, wie der Fall eines ganz im Endlichen
liegenden ebenen Bereiches.
Das erl&uterte Verfahren erstreckt sich nicht blofs auf den
Fall, in welchem die das Gebiet T repr&sentirende einfach oder
mehrfach zusammenhängende Fläche in ihrer ganzen Ausdehnung
in derselben Ebene oder auf derselben Eugelfläche ausgebreitet ist,
sondern gilt, im Wesentlichen unverändert, auch für den Fall, in
welchem diese Fläche auf einer aus mehreren ebenen oder sphäri-
schen Flächen gebildeten Polyederoberfläche ausgebreitet ist.
Das Beweisverfahren gilt auch fSr beliebige analytische Flächen,
welche in jedem Punkte den Charakter algebraischer Flächen haben,
und in ihrem Innern von singulärcn Stellen frei sind, weil für
diese die Möglichkeit der conformen Abbildung von Theilen der-
selben auf ebene Figuren nachgewiesen werden kann.
Das Auftreten einer oder mehrerer Kanten im Innern des Be-
reiches verursacht keine Schwierigkeit; auch das Auftreten von
Ecken nicht, wenn für jede Ecke der Nachweis gefuhrt werden
kann, dafs es möglich ist, von dem Gebiete einen die Ecke im
Innern enthaltenden einfach zusammenhängenden Bereich abzu-
schneiden, welcher bis auf den Eckpunkt selbst conform auf die
Flache eines Kreises abgebildet werden kann.
Dieser Nachweis ist für die erwähnten aus ebenen oder sphä-
rischen Flächen gebildeten Bereiche nicht schwer zu fuhren.
Wird die Ecke nur von ebenen Flächen gebildet und liegt
der Eckpunkt im Endlichen, so schneide man von derselben durch
»ine Kngelfläche mit hinreichend kleinem Radius, deren Mittel«
punkt mit dem Eckpunkt zusammenfällt, ein Stuck ab, schneido
lasselbe längs einer Kante auf und breite es als Kreissektor mit
iena Centriwinkel 2 an- auf die Ebene der complexen Gröfse z so
iudy dafs dem Eckpunkt der Punkt 2; = 0 entspricht.
78G Sitzung der physikalisch^mathematischen Klasse
Durch die Funktion ^ = r3 'wird der Bereich auf die Fläcl-
eines Kreises conform abgebildet.
Auch der Fall, dafs die Ecke von ebenen Flächen gebildr-:
wird, der Eckpunkt aber im Unendlichen liegt, — auf welebro
Fall der Fall einer von sphärischen Flächen gebildeten Ecke stet?
zurückgeführt werden kann, — bietet, wenn er auch nicht gsju
so einfach zu erledigen ist, wie der vorhergehende« principielle
Schwierigkeiten nicht dar.
15. Durch das im Vorhergehenden entwickelte Beweisrer-
fahren ist dargethan , dafs die partielle Diffgl. A u = O für jedes
von analytischen Linien begrenzten auf einer von ebenen od€r
sphärischen Flächen gebildeten Polyederoberfläche ausgebreitetfit
Bereich T beliebig vorgeschriebenen Grenzbedingungen gemfifs inte-
grirt werden kann.
Dieses Verfahren ist einer Ausdehnung fähig, dafs es such
noch den Fall umfafst, in welchem die Diffgl. Au= o in der
Weise integrirt werden soll, dafs die Funktion u im Innern des
Bereiches gewisse vorgeschriebene Unstetigkeiten annimmt.
Die Unstetigkeitsbedingungen , welche bei der Riemann'scbeD
Theorie der Abelschen Integrale in Betracht kommen, bieten za-
nächst das meiste Interesse dar.
Unter diesen Unstetigkeitsbedingungen sind zwei Arten za
unterscheiden.
a. Es ist für den Punkt z =: Zq im Innern des Bereiches, der
kein singulärer Punkt ist, — hierauf läfst sich notbigenfalls darch
vorhergehende Abbildung der allgemeine Fall eines inneren Punktes
stets zurückfuhren — eine Funktion complexen Argumentes von
der Gestalt
(z - z^r (^ - ^o)'
-^iA-^Bi) logC-s — zo)
vorgeschrieben; es soll die Diffgl. Au =? o so integrirt werdeo,
dafs die Differenz zwischen u und dem reellen Theile von <p(2;:^)
in der Umgebung des Punktes z ^ Zq, diesen Punkt eingeschlosseo,
endlich, stetig und eindeutig ist.
vom 10. Octöber 1870. 787
h. Das Gebiet T ist durch Querschnitte in ein einfach zusam-
menh&ngendes Gebiet T verwandelt; es wird die Bedingung gestellt,
es soll die Funktion u im Innern von T' eindeutig sein und beim
Überschreiten jedes Querschnittes sich um eine längs dieses Quer-
schnittes constante Grofse ändern, während die Werthe der Ablei-
tungen zu beiden Seiten des Querschnitts dieselben sind.
Wenn der Bereich T Begrenzungslinien hat, können überdiefs
die Werthe der Funktion u längs dieser Begrenzungslinien will-
kürlich vorgeschrieben sein.
Es ist aber auch der Fall in Betracht zu ziehen, dafs der
Bereich T ein geschlossener ist und demnach die Funktion nur
durch Unstetigkeitsbedingungen zu bestimmen ist.
16. Zunächst möge der einfachste Fall betrachtet werden.
Es sei S ein die Ebene der complexen Grofse z überall nur
einfach bedeckender, einfach zusammenhängender Bereich. Es sei
r = 2:0 ein innerer Punkt desselben, in welchem die vorgeschriebene
UnStetigkeit von u durch den reellen Theil ^fp{z ; Zq) der Funktion
<^(^;2^o) (s. no. 15.) ausgedruckt wird. Wenn B einen von Null
verschiedenen Werth hat, ziehe man von Zq aus nach einem Punkte
der Begrenzung von S eine durch keinen Punkt mehr als einmal
gehende Linie, durch welche der Bereich S in einen einfach zu-
sammenhängenden Bereich S* übergeht.
Für den Bereich S* ist der Werth von 9l<f(-3;ro) mit Aus-
nahme des Punktes z ^= Zq eindeutig erklärt.
Die Differenz u — ^ip(z •j.Zq) ist nach der Forderung der Auf-
gabe für den ganzen Bereich S eindeutig, endlich und stetig. Die
Werthe dieser Funktion längs der Begrenzung von S ergeben sich
durch Subtraktion der Werthe von ^tp^Z'^Zo) von den für u vor-
«roschriebenen Randwerthen.
Hierdurch ist also die Differenz u — 9t'^(^;^o) für das Innere
von S bestimmt und nach dem Vorhergehenden bestimmbar, mithin
auch die Funktion u selbst.
Analog ist zu verfahren, wenn für mehr als einen Punkt im
Innern von S die Funktion u vorgeschriebene Unstetigkeiten an-
nehmen soll.
Auf den vorhergehenden Fall kann der Fall jedes einfach
zusammenhängenden Bereiches T zurückgeführt werden und zwar
so, dafs die die Ebene nur einfach bedeckende, einfach zusainmen-
hüngende Fläche S eine Kreisfläche ist.
[1870] Ö4
788 Sitzung der phyiikaUach-matheinatiichen Klasse
Um diesen Satz zu beweisen, hat man nar nothig, za zeigcs. I
dafs es für jeden einfach zusammenhängenden Bereich T eine Fmk- i
tion complezen Argumentes gibt, welche für einen Punkt im Innen i
▼on T logarithmisch unendlich wird und deren reeller Theil lii^ |
der Begrenzung von T den Werth Null hat. (Vgl. Riemann'!
Dissertation Art. 21.)
Es wird sun&chst der reelle Theil dieser Funktion bestinuDt
Die Begrenzungslinie von T sei JD^. Im Innern von T be-
grenze man durch eine in sich zurückkehrende einfache analytisd»
Linie Li , welche ganz im Innern von T liegt, ein Stuck 7,.
dessen Inneres man als von singul&ren Stellen frei annehmen kaim.
und welches auf die Fläche S^ eines Kreises mit dem Radina r, == 1
conform abgebildet werden kann.
In der Fl&che S^ construire man einen mit der Begrenznng
concentrischen Kreis, dessen Radius r^ kleiner ist als r| und der
Einfachheit wegen gleich r, •«""* = — angenommen werden möge,
wo e die Grundzahl des naturlichen Logarithmensysteus ist.
Die diesem Kreise in dem Gebiete T, entsprechende Linie
sei mit L^ und der zwischen L^ und L^ liegende zweifiMh zu-
sammenhängende Theil von T mit Ti bezeichnet.
Der zwischen Li und L^ liegende, den Gebieten Ti und 7*
gemeinsame, zweifach zusammenhängende Theil möge im Anschlag
an die in no. 12. gewählte Bezeichnungsweise mit T* bezeichnet
werden. Dem Mittelpunkte von S^ entspreche der Punkt Po-
Man bestimme nun für das Gebiet Ti eine Funktion «i.
welche längs I/o den Werth Null, längs L^ den Werth — log r, =
H- 1 hat> und für welche i^u, =s o ist.
Für alle im Innern von Tj liegenden Punkte liegt «| zwi*
sehen 0 und + 1; der gröfste Werth, den Uj längs Zr, erlangen
kann, welcher mit qi bezeichnet werden möge, ist angebbar kleiner
als 1. ,
Längs Li denke man sich die Werthe von ti, featgehaltea
und für das Gebiet 7, eine Funktion u, bestimmt, welche längs
Li mit Ui übereinstimmt und für welche im Innern von T, Au, =0
ist Es ist M, ZQi'
Die Werthe von u, längs L^ denke man sich fixirt und be>
stimme für das Gebiet Ti eine Funktion ti3, welche längs L^ des
Werth Null hat, längs /v, mit 1 + m» übereinstimmt und filr
v(m 10. October 1870. 789
velche ^ti, = O ist. Im Innern von Tj ist v 3 — Ui best&ndig
deiner als qi und längs Li kleiner als q].
Hierauf denke man sich wieder die Werthe von »3 längs der
jinie Li festgehalten und für das Gebiet T, eine Funktion U4
gestimmt, welche längs Li mit u^ übereinstimmt und für welche
^»4 = 0 ist. Dann ist »4 — »3 im Innern von T, sicher kleiner
ds ^j, da längs Li 114 — »3 = »3 — Uj ist
Sodann denke man sich die Werthe von »4 längs Lf be-
itimmt und für den Bereich Ti eine Funktion u^ aufgestellt,
irelche längs L^ den Werth Null, längs L^ den Werth 1 + V4
lat und far welche Hu^ = 0 ist.
Auf diese Weise denke man sich das altemirende Verfahren
HS ins Unendliche fortgesetzt.
Ähnlich wie in no. 12. ergibt sich, dafs die für das Innere
Ton jT, erklärten Funktionen Ui, U3, u», ... und die für das In-
lere von T3 erklärten Funktionen u,, U4, ... mit wachsendem
index sich zwei bestimmten Grenzfunktionen u' und u" nähern,
für welche ebenfalls Hu' und Hu" gleich Null ist.
Die Funktion u' hat längs Lq den Werth Null und stimmt
längs Li mit u* überein, längs L^ hingegen hat die Di£ferenz
u* — tt" den Werth -h 1.
Bezeichnet nun r den Abstand eines Punktes der Kreisfläche
iSi] von deren Mittelpunkt, so hat die Funktion — logr längs Li
den Werth Null, längs L^ den Werth 4- 1 und genügt für das
Innere von T3 mit Ausnahme des Punktes Po 9 ^o dieselbe loga-
rithroisch unendlich wird, der part. Diffgl. Au = 0. £s stimmen
demnach die beiden Funktionen u' und u" — log r sowohl längs
Li als auch längs L^ mit einander überein, folglich auch für jeden
innern Punkt des Gebietes T* und es ist daher u" — log r die ana-
lytische Fortsetzung der Funktion u'.
Setzt man nun u = — u' für die Punkte im Innern von Ti
and tt = — tt" -I- log r für die Punkte im Innern von T,, so ist die
Funktion u für das Innere des Bereiches T eindeutig erklärt, hat
längs der Begrenzung Lq desselben den Werth Null und wird für
einen einzigen Punkt Po i^ Innern des Gebietes logarithmisch
unendlich.
Man ziehe nun vom Punkte Pq nach einem Punkte von L^
eine einfache Linie L. durch welche der Bereich T in einen eben-
falls einfach zusammenhängenden Bereich T' übergeht.
54 •
1
790 Sitzung der phy^kahsch^mathemathehen Klasse \
Für das Innere dieses Bereiches T' Ififst sich eine Fanktioii* \
eindeutig so erklären, dafs tt+ rt eine Funktion complexen kr^-
inentes ist und zwar ist der Werth dieser Funktion eindeutig W
stimmt, sobald der Werth des imaginären Theiles für irgend etacs
vom Funkt Pq verschiedenen Punkt fixirt wird.
Beim Überschreiten der Schnittlinie L ändert sich der Wmk
dieser Funktion sprungweise um eine längs dieser Linie constaur«
Grofse, und zwar, wie sich aus der Betrachtung der Kreiafläcbe 5;
ergibt, um — 2vt beim Übergange von der negativen Seite asf
die positive Seite von L.
Durch die Funktion
u + ri
wird der einfach zusammenhängende Bereich T auf die Flache .V
eines in der Ebene der complexen Gröfse ^ um den Punkt ^ = o
mit dem Radius 1 beschriebenen Kreises conform abgebildet, so
daf^ dem Punkte Po der Mittelpunkt, der Begrenzungslinie L^ di«
Peripherie des Kreises entspricht.
Vermöge der in r noch verfügbaren Constante kann bewirkt
werden, dafs bei dieser Abbildung ein beliebig vorgeschriebeDer
Punkt von Z/q einem vorgeschriebenen Punkte der Kreisperipherie
entspreche.
Ist ^0 = ^ . «••^ irgend ein Punkt im Innern dieser Kreisflächf.
so vermittelt die Funktion
eine solche Abbildung des Bereiches T auf einen Kreis mit dem
Radius 1 , bei welcher dem dem Punkte ^o entsprechenden Punkte
von T der Mittelpunkt des Kreises entspricht. Hiermit .ist, wie
ich glaube, ein strepger Beweis des im Art. 21 der Riemann'scbes
Dissertation ausgesprochenen Lehrsatzes gefuhrt
Zugleich ist hiermit ein Beweis erbracht für die Möglichkeit
der Gonstantenbestimmung in den in der Einleitung zu dieser Mit-
theilung erwähnten Formeln, durch welche die conforme Abbildung
der Fläche eines ebenen von geradlinigen Strecken oder Kreisbogen
begrenzten einfach zusammenhängenden Polygones auf die Flache
einer Halbebene beziehungsweise eines Kreises vermittelt wird.
vom 10. October 1870. 791
(Vergl. ^Über einige Abbildangsaufgaben^, Borchardt's Jour-
nal Bd. 70 pag. 114 und 117.)
Mit dem Beweise dieses Satzes ist zugleich die Grundlage
für ein Beweisverfahren gesichert, durch welches dargethan wird,
flafs es stets möglich ist, die Fläche einer einfach zusammenhän-
genden, die Ebene nur einfach bedeckenden, von einer überall con-
vcxen Linie begrenzten Figur conform auf die Fläche eines
Kreises abzubilden, ohne dafs hierbei die Voraussetzung gemacht
mrird, dafs die Begrenzungslinie aus einer endlichen Anzahl von
Stucken analytischer Linien bestehe, oder dafs dieselbe stetig ge-
krümmt sei. Hinsichtlich dieses Beweisverfahrens erlaube ich mir
auf eine Abhandlung „Zur Theorie der Abbildung^ Bezug zu neh-
men, welche das Programm der polytechnischen Schule in Zürich
für das Schuljahr 1869—70 begleitet.
Durch den Beweis des angeführten Satzes ist auch der Fall
jedes einfach zusammenhängenden Bereiches hinsichtlich des Nach-
weises der Erfüllbarkeit von vorgeschriebenen Unstetigkeitsbedin-
gungen auf den im Eingange dieser no. betrachteten Fall zurück-
fuhrbar, indem hierbei den die Unstetigkeiten definirenden Funk-
tionen ^^{z\Zq) ähnlich gebildete Funktionen "^{^^ ^o) entsprechen,
welche jedoch im Allgemeinen nicht dieselben Coefßcienten besitzen.
17. Dem von Riemann ausgesprochenen Satze, dafs es stets
möglich sei, einen einfach zusammenhängenden Bereich zusammen-
hängend und in den kleinsten Theilen ähnlich auf die Fläche eines
Kreises abzubilden, steht ein anderer Satz zur Seite. Es ist stets
möglich, einen einfach zusammenhängenden und geschlossenen Be-
reich zusammenhängend und in den kleinsten Theilen ähnlich auf
die Fläche einer Kugel abzubilden und zwar nur auf eine Weise
so, dafs drei beliebig vorgeschriebenen Punkten jenes Bereiches
drei ebenfalls vorgeschriebene Punkte der Kugelfläche entsprechen.
Dieser Satz soll hier für den Fall einer von ebenen oder
Ton sphärischen Flächen gebildeten Polyederoberfläche bewiesen
werden.
Zu diesem Zwecke reicht es hin, zu zeigen, dafs es für einen
solchen Bereich eine Funktion complexen Argumentes gibt, welche
für einen Punkt des Bereiches von der ersten Ordnung unendlich
grofs wird, für alle übrigen Punkte des Bereiches jedoch endlich,
stetig und eindeutig ist.
792 Sitzung der physikaliseh-mathematisehen Klasse
Es wird zunächst der reelle Theil einer solchen FanktsGi
hestimmt. (
Man constraire wie in dem unter no. 16. betrachteten Falle
zwei Linien Li und L^ und bezeichne die hierdurch entstebendei ^
Gebiete wie in no. 16. mit Ti, 7,, T*, mit dem Unterschiede,
dafs hier die Begrenzungslinie Lq wegfällt und dafs das Gebiet 7,
einfach zusammenhängend und nur von der Linie Zfj begrenzt ist
In der Kreisfläche «S, sei / == r • c'^. Dem Punkte r* = ö
entspreche der Punkt Pq, An die Stelle der Funktion — logr
in no. 1 6. tritt hier die Funktion — cos (h , der reelle Theil roc
r
-j. Es möge r, so klein angenommen werden, dafs qi =
z Ti — r.
angebbar kleiner ist als l; (z. B. r^ = ^rj.) — Zur Vereinfacfaus|
des Folgenden dient ein Hulfssatz, der vorher bewiesen werlen
soll.
Längs Li werde irgend eine analytische Werthenreihe ^^(r,,«^}
angenommen und ftir den Bereich Tj (vergl. no. 14.) die Funktion
^bestimmt, für welche AZ/ssO ist und welche längs L^ mit
^(^sW') übereinstimmt. Es wird behauptet , die über den Kve^
mit dem Radius r »s r, und über den Kreis mit dem Radia?
r =^ Vj erstreckten Integrale
fU(ri,<p)dily und Jü(ri,ip)d.ty
0 0
haben gleichen Werth.
Beweis. Für jeden Kreis mit dem Radius r, r, 2»'<r,, i?'
/*'\ TT •\ TJ
der Werth des Integrales / -rr—dSy wo -r-— die bekannte Bedefi-
./ dp vp
tung hat 9 gleich Null, weil die Kreislinie, über welche die Inte
gration erstreckt wird, im Innern des einfach zusammenhangender
Bereiches Tj liegt, und weil A ^ = o ist.
Nun ist T— - ds =s r -^r— dtp , also ist auch
dp er
3ir
vom 10. October 1870. 793
. dr
Durch Multiplication mit — und Integration zwischen den Gren-
zen r = r^ und r s= r, ergiebt sich dann
JU(r, , !/>) de/. = /^(r, , I/O dcp
wie oben behauptet wurde. —
Für den Bereich T^ bestimme man eine Funktion Ui, welche
]£ngs Lm mit — cos«/« übereinstimmt und für welche Au. = 0 ist.
Dann ist Jui{r^ , </>) dip = 0 also auch j u, (ri , </>) dip = 0.
Die Funktion Ui ist nirgends grÖfser als — •
Für den Bereich T^ bestimme man eine Funktion Uj, welche
längs Z/1 mit Ui (r, , </>) cos (/> übereinstimmt und f&r welche
Au, = 0 ist. Es ist J tt) (r, , c/>) d</) :=i j u^ (r, , cf) rf</> = o.
Wenn nun 1 = ^ gesetzt wird, so ist Uj beständig kleiner
als ^, längs des Kreises r s= r, aber kleiner als 2</« ^ —
Ti — r,
oder kleiner als g ' q\ , wo ^, <: 1, wie sich aus der in no. 1. an-
gegebenen Formel und aus der über r, gemachten Annahme er-
gibt.
Hierauf bestimme man für das Gebiet Tj eine Funktion u,,
welche längs L^ mit u^ -^ cos fp übereinstimmt und für welche
Au, = o ist. Dann ist U| — tii überall kleiner als ^'^i , auch
Nun bestimme man für das Gebiet T, eine Funktion «4,
welche längs Li mit u^ cos ip übereinstimmt und für welche
^\
(IU4 s 0 ist
Der absolute Betrag von u« — u^ ist beständig kleiner als
7.^1 und längs L^ kleiner als g •q\*
794 Sitzung der physikaliack-mathematischen Klasse
.1
Sodann bestimme man für das Gebiet Ti eine FunktioD u,
welche längs L, mit «4 H cos </> übereinstimmt u. s. w. '
Die für den Bereich T, erklärten Funktionen »i, v«, «»•••
und die für den Bereich T% erklarten Funktionen tf«, «4, ..
nähern sich mit wachsendem Index zwei bestimmten GrenzfonktioiM'B
tt' und u'\ für welche Hu' und Au" gleich Null ist, und für welcbe
die Differenz «' — u"
l&ngs Li gleich — cos if>
Ifings Z/9 gleich — cos <^ ist.
Es stimmt daher die Funktion u' mit der Funktion u" -i eos^
r
sowohl Ifings Li als längs ly, also auch für das Innere von T*
überein, und es ist mithin u" H cos </> die analytische Fort-
setzung der Funktion u.
Setzt man nun u s=s u für das Innere von T, , und u = u
H cos </) für das Innere von T, , so ist diese Funktion für das
Innere des geschlossenen Bereiches T eindeutig erklärt und wird
für den Punkt P« unendlich wie — cos ib,
r
Wird nun zu der Funktion u der imaginäre Theil vi bestimmt,
so dafs 11 + t*t eine Funktion complexen Argumentes ist, so ist r
mit Ausnahme des Punktes Po ^i* <^c° ganzen Bereich T bis aaf
eine additive Constante eindeutig erklärt und es vermittelt dk
Funktion u -h vi eine conforme Abbildung des einfach zusammen-
hängenden geschlossenen Bereiches T auf eine ganze Ebene, wobei
dem Punkte Po der unendlich ferne Punkt der Ebene entspricht.
Durch Verwandlung mittelst reciproker Radii vektores kaii&
diese Ebene und mittelbar der Bereich T auf eine Kugelfläche <x)ih
form abgebildet werden.
Mit diesem Beweise ist zugleich die Möglichkeit der Constant^E-
bestimmung in dem Integralausdrucke, durch dessen Yermitteloog
eine Kugelfläche auf eine von ebenen Flächen gebildete Polyeder-
oberfläche conform abgebildet wird, bewiesen. (Vergl. Borchardt*^
Journal Bd. 70 pag. 119, 121—136. Monatsberichte 1865 pag- 15«'
vom 10. October 1870. 795
18. Durch ein analoges Verfahren kann man zeigen, dafs es
möglich ist, auch far einen geschlossenen Bereich die Diffgl. Au = 0
8o zu integriren, dafs die Funktion u in gegebenen Punkten des
Bereiches Torgeschriebene Unstetigkeiten der unter no. 15. ange-
gebenen ersten Art annimmt. Hierzu ist aber nothwendig, dafs
die über alle Unstetigkeitspunkte ausgedehnte Summe 2;(J.4-£t)
den Werth Null habe.
In &bnlicher Weise Ififst sich die Untersuchung für die zweite
der unter no. 15. angegebenen Arten von Unstetigkeitsbedingungen
durchfuhren. Die nähere Ausßihrung darf hier wol unterbleiben,
da die Anwendung wesentlich anderer Hulfsmittel als der im Vor-
hergehenden angegebenen hierzu nicht erfordert wird.
Es ist also das Dirichlet'sche Princip durch eine, wie ich
glaube, strenge Beweismethode ersetzbar, welche für die Theorie
der Abel'schen Integrale dasselbe leistet, was Riemann mit Hülfe
dieses Principes hergeleitet hat.
13. October. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen las über die Siebenbürgischen Wachstafeln.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vor-
gelegt:
G. L. T. Maurer, Geschichte der Stddteverfasmmg tu Deutschland. HL. Bd.
Erlangen 1870. 8.
Wallace, Beiträge zur Theorie der natürlichen Zuchtwahl. Deutsch Ton
A. B. Meyer. Erlangen 1870. 8.
Raikem et Polain, Coutumee du paye de Liege. Tome 1. Bmzelles
1870. 4.
Documenti di storia italiana. Cronaca della cittä di Fermo, Commissioni
di Rinaldo degli Albizzi, IL Firenze 1870. 4.
A. Ghirardini, Studii aulla lingua umana, Milane 1869. 4.
Oeuvres de Frederic de Grand, Edition in 4. vol. 16 — 23.
796 GesammUitzung vom 13. October 1870,
Goerts, Archäologische Topographie der HalhiMel Tameen, Moskau 1S?0.
4. Mit Schreiben des Verf. d. d. Moskau 25. Mai 187a \
Schriften der eüdelaviechen Akademie in Agranu 4 Bände. Agnun 1870. &
Chevalier, Mimoire nir la Siciie, Paria 1867. 8.
Geraci, Le droit dea Contriöuables de la dette publique. Fiorenze 1870. S.
— Le leggi eema la ciriltä .... Milano 1869. 8.
helazione nti manoscritti d*Arborea, Tonne 1870* 8.
Pessina, QMisHoni naturali e Ricerche meteorologiche. Firenze 1870. S.
Nachtrag zur Sammlung der Gesetze und Vertcaltungeeinrichtungem. im Km-
kaeus, Petersburg 1870. 8.
Eccardt, die retrograde Multiplivation, Neidenboig 1870. 4. Mit Schrei-
ben des Verf. vom 10. Septbr. 1870.
Schlfltel, die Philosophen -Veretunmlung in Leipzig. Unmhnr^ 1870. S.
Mit Schreiben des Verf. vom 4. Septbr. 1870.
Heinrich Fischer, das zoologische Museum der üniversitdi Freibtu^.
Freiburg 1870. 4.
Woodward, The histologg o/ minute blood ressels. Washington 1 870. 4.
Abhandlungen der Math.' Physik. Klasse der KCnigl. Bayerischen Akadtmk
der Wissenschaften. X. Bd. 3. Abthl. München 1870. 4.
Zeitschrift für die Gesammten Naturtcissenschcften. Berlin 1870. Bd. L
Neue Folge. Beriin 1870. 8.
Mittheilungen der natur/orschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jakre 1869.
Bern 1870. 8.
Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. XXII. Bd. 3. Heft.
Berlin 1870. 8.
Verhandlungen d. Schweizerischen Naturforschenden Gesellschefft in Soiothunu
Jahresbericht 1869. Solothnm 1870. 8.
Nachrichten von d. K, Gesellschctft der Wissenschiften und der G. A. ütd-
versität zu Gottingen. No. 10—20. Göttingen 1870. 8.
Transactions of the Linnean Society XXVI, 4. XX Vn, 1. 2. Londoa
1869—1870. 4.
Acta universitatis Lundensts. Lund 1868. 4.
Magnetische und meteorologische Beobachtungen auf der Prager Siemwartt
im Jahre 1869. 30. Jahrgang. Prag 1870. 4.
Barclay, Astronomical Observations, Vol. II. London 1870. 4.
Atti delC Jstituto veneto. Vol. XV, 3—6. Venesia 1860—1870. 8.
Memoire delf Jstituto veneto. XIV, 3. Venezia 1870. 4.
Bulletin de tacadhnie de St. Petersbourg. XV, 1. 3. PetenA^nr?
1870. 4.
Mimoires de (aeademie de St. Petersbourg. Vol. XV. ib. 1870. 4.
Gongte rendu de la Commission archeologique pour tannee 1868. Peters
bürg 1869. 4. et Folio.
Uesammtsitzung vom 20. Oetober 1870. 797
NederlaneUch Kruidhtndig Arckief. IV, 4. Leeuwarden 1870. 8.
Archiven du Mueee TtyUr. III, 1. Harlem 1870. 8.
20. Oetober. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bonitz las: Zur Erklärung des Phaidon.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
// nuovo Cimento. Vol. III, 6. Pisa 1870. 8.
*Ap;(acoXo;^firf] 'E^utptg, No. 52—54. Athen 1870. 4.
24. Oetober. Sitzung der philosophiseh-historisehen
Klasse.
Hr. Schott las über eine deutsche Übersetzung mon-
golischer marchen.
Professor Juig an der Universität Insbruck geburt die aner-
kennung, die ersten mongolischen texte in Deutschland, ja, so wir
nicht irren, in Westeuropa überhaupt, zum drucke befördert zu
haben. Dem Siddhi-küür nach kalmykischer bearbeitung (Leipzig
1866) folgte 1868 eine ostmongolische ergänzung des genannten
nebst der gleichfalls ostmongolisch wiedergegebenen 'geschichte des
chans Ärgi-Borgu Eine Petersburger handschrift ersteren textes
(neun nachträgliche märchen) war dem herausgeber zur benutzung
ubersandt worden. Die sieben märchen des zweiten textes gehö-
ren in den kreis der abenteuer Vikramäditja's, und sind nach
drei handschriften hergestellt
Während im Siddhi-küür ein von einem dämon zeitweilig be-
lebter leichnam erzählt, übernimmt dieses geschäft in dem anderen
798 Sitzung der philosophiseh-histariseken Klasse
kleinen cyclus eine mystisch beseelte holjEfigar. Der aUerhöchstf
sahörer fühlt nemlich starke versnchung, sns dem plötzlich sn tage l
gestiegenen throne des vorweltlichen Yikramaditja sich niederzu-
lassen; aber 32 an den stufen befestigte holzpuppen verwehren dies
siemlich barsch, und eine derselben erzahlt dem fursten eine am-
wähl grosztaten seines urvorwesers, zu erhöhter unehre des nach-
fahren, d. h. um ihn recht empfindlich fühlen zu lassen wie wenig
er es verdiene, seine sitzteile mit dem hehren antiquarischen fände
in beruhrnng zu bringen.
Beide Sammlungen gehören in die classe der sehr zahlreicbeo
Übertragungen indischer originale, also nicht zur einigermaszen
selbstfindigen mongolischen schriftstellerei, und haben also, tod
diesem Standpunkt betrachtet, lange nicht gleichen wert wie z. b.
die 6eszer-sage, iu welcher der liochasiatische bearbeiter das indi-
sche element frei handhabt, und öfter seinem steppen-elemente un-
terordnet
Herr Julg stellt die verschiedncn lesearten der texte zusam-
men und begleitet sie zum teil mit critischen bemerkungen. Seine
Übersetzung giebt die Urschrift im ganzen treu wieder, sein Stil
aber wird die meisten leser sehr wenig befriedigen. Der heraus-
geber folgt einem von ihm in der vorrede ausgesprochenen grund-
satze, möglichst eng den Wendungen der mongol. spräche sich an-
zuschlieszen, da seine arbeit nicht blosz für die grosze leseweit be-
stimmt sein, sondern auch bei erlemung des mongolischen 'fordernd
an die band gehen* sollte. Allein unsere lese weit ist bis dato un-
geheuer viel gröszer als die vergleichungsweise winzige weit der
freunde und pfleger des mongolischen, und ausserdem kann man
dem geiste, ja selbst der förbung (dem s. g. colorit) eines texte«
recht wohl treu bleiben ohne dass es auf kosten der muttersprache
geschiht Ohnehin ist unser lesendes publicum mit groszenteih
recht angenehm erzfihlten mfirlein aus allen zonen fast überschüttet,
und vieljärige gewohn ung hat es gegen ungelenkigkeiten des deut-
schen ausdrucks empfindlich gemacht. Endlich sind die rorliegen-
den texte — einzelne stellen abgerechnet — keinesweges so schwie-
rig, dass nicht ein mit lebendigem sprachsinn begabter autodidact
auch ganz ohne beihilfe einer Übersetzung, sei sie frei oder unfrei,
bald sich hineinlesen konnte.
Besonders störend und der rede einen schleppenden cbarac-
ter gebend ist der oft ganz unnötige ja unrichtige gebrauch von
vorn 24. October 1870, 709
Avahrend, naclidem, indem, wobein. s.w. Belege dazu kann
jeder leser selbst finden, daher wir lieber proben anderer wenig
statthafter aasdrucksweisen hier folgen lassen. Aus niehrem der-
selben wird sich ergeben, dafs der Übersetzer auch mitunter gaiKS
ohne not vom originale abweicht, also seinem eignen gnindsatze
zuwider handelt. S. 146: 'da sie den maszstab nicht kannte', soll
heissen 'da ir das augenmafs fehlte*. S. 153: einstmals aber...
ging die alte aus ... bei welcher gelegen hei t sie die kuh zu-
hause zurückliesz'. Wenn der verf. hier wörtlich verfahren wollte,
so masste 'bei welcher gelegenheit' fortbleiben, denn sein 'einst-
mals' steht schon für 'bei einer gelegenheit' (nigen ucir-dur)^ wo-
mit der Satz im texte anfangt. S. 155: als er das am felsen haf-
tende euter gewahrte, schnitt er es unwillkürlich mit dem mes-
ser ab und Terzehrte es'. Man sollte hieraus Unzurechnungsfähig-
keit des mannes argwohnen; aber 'unwillkürlich' (unabsichtlich,
zufällig) geht auf das gewahren, nicht auf das abschneiden und
▼erzehren. S. 156: 'so gut es eben für sie anging.' Yerst&nd-
licher und zugleich wortlicher hfitte herr J. die worte uber-ün
einege^er mit 'nach iren besten kräften' übersetzt. S. 159: jeke
gani mungehak heifst nicht 'sehr beschränkten Verstandes', sondern
erz- oder stockdumm. S. 197: 'die übrigen knaben mussten als
Würdenträger, ministerundadjutanten fungiren'. Bomanische
fremdworter (zu denen beispielsweise auch College auf s. 151, und
commandirende anfsicbtsbeamten auf s. 250 gehört) sollte man
besonders in morgenl&ndischen mfirchen möglichst vermeiden indem
nichts das 'colorit' ärger benachteiligt. Dem texte gemäsz über-
setze etwa: 'die übrigen knaben dienten ihm als Würdenträger und
leibwächter. Kija ist nicht mongolisch, sondern das chinesische
khi'hjä (wörtlich 'unter der fahne') bannerleute^ gardisten ; ^ ) die
Übersetzung 'adjutanten' giebt demnach sogar eine falsche Vorstel-
lung. S. 202: 'da erschien neuerdings noch ein zweiter ganz
gleicher söhn.' Der text lautet: hasza nigen adali kübegün rrebej
d. h. wieder ein ähnlicher söhn kam. Neuerdings ist also ganz
überflüssig. S. 229 äufsert könig A-B. nur in der Übersetzung den
Wunsch, sich auf jenen thron setzen zu wollen. S. 237: 'selbst
') Bei leibe nicht hjä allein, wie bei Kowalewski fälschlich steht; denn
(lies bedeutet nur unterteil, unten.
800 Sitzung der philosoph.-histor. Kla$9€ vom 24. Oetober 1870.
die berittenen rosse blieben stehen, geschweige denn dl^
menschen . Statt geschweige denn' wäre 'wieviel mehr passende
gewesen, nnd berittene rosse sind nach Grimm s. t. b. augeritteor.
nicht solche auf denen eben geritten wird. S. 247: 'bei dieses
anlass sprach die königstochter: ich sollte eigentlich an mei-
nem vater dem könige gehen.* Diese fiasscrnng stimmt aeltsss
au der sehr bedenklichen läge einer plötzlich verhafteten prineess.
Die Worte des Originals: 'ecige-degen eeikü bülüge (an meinem vater
SU gehen war) können doch keinen anderen sinn haben als: was
bringt ir mich nicht zu meinem vater?* S. 248: 'indessen frag
Naran Gerel den Szaran, ober irgend ein rettnngsmittel keaoe.
aber der minister erwiderte dass es keinen ans weg gebe.' Der
text lautet: tuiimel etse cima-dur arga Ingu kemebeszuy tuihnel argi
ug^ gehe, zu deutsch: (N. G.) fragte den minister: hast da [wam-
sest du] eine ausknnft? der minister sagte: eine anskunft giebt e«
nicht.' Klingt jenes dagegen nicht lahm und schleppend? ^) S. 250:
'da wagte der aufsichtsbeamte dem könige folgende vorstellaog
zu machen.' £s entsprechen die worte: iere dsanggi ckagan-dur
ailatcharun d. h. da berichtete (stellte vor) der dsanggi dem könige.
und von 'wagen' ist nichts zu lesen, obwohl untertänige einwen-
dungen, einem absoluten herrscher gemacht, immer etwas gewag-
tes sein mögen.
Mit diesen ausstellungen sollte dem leser keineswegs die mei-
nung beigebracht werden als hfitte herr J. alles unrichtige oder
unpassende nicht selbst verbessern können ohne dafs ein anderer
darauf hindeutete. Ich hielt es aber für geraten ihn besonders
vor etwaniger künftiger missanwendung seines oben angedeuteten
grundsatzes zu warnen.
') Wie sehr die verwandlang directer rede in indirecte dem eiodmrk
einer erzählnng schaden kann, beweist unter andern herren BehmaDers bei-
spiel, wenn er die schlufsworte des tiefsinnigen und reizenden marcbens
von einem kOnige der den propheten Chisr sehen wollte (Jim Kyrk JVcfir
so wiedergiebt: 'darauf verschwand der mann, nachdem er dem Schah noch
gesagt hatte dass er selber Chisr sei*. Dem türkischen texte gemäfs muf^ es
heifäen: 'zuletzt sprach er: 'O schab, sihe, ich selbst bin Chisr! nnd xer-
scliwand.' Kin gran ästhetischen sinnes hatte hingereicht um der dirpct'Ti
rede treu zu bleiben.
Gesammtsitiung vom 27. Octoher J870. 801
27. October. Gesaramtsitzung der Akademie.
Hr. Kronecker las über die charakteristischen Eigenschaften
des Potentials.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
A. Frauenholz, Die Sonnenflecken was sie sind und woher sie kommen.
Breslau 1870. 8.
— Die Sonne und ihre Achsendrehung. Breslau 1870. 8.
översigi af Finska Vetenskaps-Societetens Förheundlingcar. XII. Helsing-
fors 1870. 8.
Bidrag tili Kännedom af Finlands Natur och Folk. Heft 15. 16. ibid.
1870. 8.
J*roceedintiS of the London mathematical Society, no. 29 — 31. London
1870. 8.
Proceedings of the American Pharmaceutical Association, XVII. Phila-
delphia 1870. 8.
MONATSBERICHT
DBB
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
November 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Haupt.
3. November. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Cartius las Gber die Münzen der griechischen
Colonien in ihren Beziehungen zum Mutterlande.
Im Anschlüsse an frühere Untersuchungen, in welchen der Zu-
sammenhang des griechischen Münzwesens mit dem Tempeldienste
nachgewiesen wurde (s. Monatsbericht vom 10. Juni 1869) er-
schien es als eine dankbare Aufgabe^ die Münzen als Quelle der
politischen Alterthümer in der Weise zu verwerthen, dafs man der
Ausbreitung und Fortpflanzung der Prägbilder nachgeht, um darin
die Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Stadtgemeinden
bestanden haben, zu erkennen. Als die wichtigste Form der Fort-
pflanzung hat man seit Spanheim und Eckhel die Colonisation an-
gesehen, ohne dafs bisher genauer untersucht worden ist, wie weit
die Identität der Typen zwischen Mutter- und Tochterstadt als
Regel angesehen werden könne und wie weit es gestattet sei, iden-
tische Typen als urkundliche Abkunftszeugnisse der einzelnen
Stadtgemeinden anzusehen. Es kam also darauf an, die Fälle aus-
zusondern, in denen Typengleichheit durch anderweitige Gründe
veranlafst worden ist, und zweitens die Thatsache zu erklären,
dafs so viele Pflanzstädte mit der Mutterstadt keine Übereinstim-
mung im Prägbilde zeigen. Es mufsten die Umstände beleuchtet
werden, unter denen die angestammten Beziehungen gestört wor-
den sind, indem sie entweder durch Auflehnung und Abfall zer-
rissen oder durch neue landschaftliche Verhältnisse, in welche die
Colonieen eintraten, und Veränderung der Handelswege zurückge-
[1870] 55
804 OetammUiUung
drängt worden sind. Es muCBte überhaupt der verschiedene Cb-
rakter, welchen die Colonialmunxe im Ckgensatze zur matterliDdi*
sehen hat, n&her untersucht werden. Dabei zeigt sieb, dals die
Beziehungen zwischen Colonie und Mutterstadt zuweilen in anderer
Form als in der Gleichheit der Typen zum Ausdrucke konuDen.
Eine besondere Erwfigung erforderten die unter delphischer Auto-
rität deducirten Colonien und endlich diejenigen, welche unter Theil-
nähme verschiedener Stadtgemeinden zu Stande gekommen sind.
Hierauf las Hr. O. Rose über einen angeblichen Me-
teoritenfall von Murzuk in Fessan.
Im Mai dieses Jahres theilte Hr. Dove nach einem Artikel
des in Rom erscheinenden Bnlletino meteorologico dell* osservato-
rio del Collegio romano vom 30. April 1870 (Num. 4, Vol. IX
die Nachricht mit^ dafs in Murzuk ein Meteorit gefallen sei, dessei
Fall einen benachbarten Beduinenschwarm so in Schrecken geseti
habe, dafs sfimmtliche Beduinen ihre Flinten auf die gefall« r
Masse abgefeuert hätten. Der Stein, von dem ungefähren Durc^
messer eines Meters » sollte später nach Tripolis gebracht scli
Von dem Wunsche veranlafst, ein Stuck dieses Meteoriten für d
Metebriten -Sammlung des mineralogischen Museums zu erhalte
wandte ich mich zu diesem Zwecke an das hiesige auswärtige A
Letzteres ging auch zu meiner grofsen Befriedigung auf m(
Bitte ein, und da in Tripolis kein Consul des Norddeutschen Bl
des existirt, so veranlafate dasselbe die Österreichische Regiei
dem Osterreichischen Consul in Tripolis den obigen Auftrag zu
th eilen.
Ich habe nun darüber ein Schreiben des Kanzlers des N(
deutschen Bundes erhalten, dem eine Abschrift des k. k. Idii
riums des Äufsern beigelegt war, sowie eine ItaUänische
Setzung eines Briefes des Scheichs von Murzuk an den Coli
Rossi in Tripolis, und ich unterlasse nicht diese 3 Aktenstii
hier mitzutheilen , da die Nachricht von dem Meteor! tenfall«!
Murzuk nach dem Bulletino romano auch in andere Deutsche
auswärtige Zeitschriften übergegangen ist.
vom 3. Natember 1S70. 805
Berlin, den 30« September 1870.
In Erwiderung auf das gefällige Schreiben vom Id. Mai d. J.
benachrichtige ich Euer Hochwohlgeboren ergebenste dafs ich sei-
ner Zeit die Gesandtschaft des Norddeutschen Bundes in Wien ver^
anlafst habe, die Vermittelung der Kaiserlich österreichischen Re-
gierang in Anspruch zu nehmen, um durch deren Consul in Tripoli
ein StGck des angeblich in Mursuk gefallenen und nach Tripoli
geschafften grofsen Meteoriten fSr das mineralogische Museum der
hiesigen Königlichen Universitfi eu verschaffen« Die Antwort der
Kaiserlichen Regierung nebst einem Schreiben des Scheiches von
Murzuk, wonach bei dem in Frage stehenden Phänomen ein Stein-
fall nicht stattgefunden, beehre ich mich Eurer Roehwohlgeboren
beifolgend ergebenst zu übersenden.
Der Kanzler des Norddeutschen Bundes.
In Vertretung
Thile.
An
den KSniglichen Geheimen
ilegierungS'Rath und Professor
Herrn 6. Rose
Hochwohlgeboren.
Verbalnote.
In Folge der gefälligen Mittheilung der lob). Gesandtschaft
es Norddeutschen Bundes vom 28. Mai d. J«, betreffend den
Funsch der Berliner Universität, ein Stück des angeblich im Der
2mber v. J. zu Murzuk in Fezzan gefallenen Meteorits zu erhal-
o, hat das K. K. Ministerium des Äufsern nicht ermangelt, den
!• K. Consul in Tripolis entsprechend anzuweisen.
Letzterer zeigt hierauf an, dafs wenn ein solcher Meteorstein-
all in Murzuk wirklich stattgefunden habe^ derselbe, wie aus den
mauen Erkundigungen hervorgehe, welche er bei verschiedenen
IS jenen Gegenden eingelangten Arabischen Kaufleuten einzog,
dnesfalls so beträchtlich gewesen sein könne, wie er von Hm.
irabella in den Journalen dargestellt worden sei. In dieser An-
iht wurde Hr. Rossi durch den Umstand bestärkt, dafs Dr. Nach-
hall, welcher sich zu jener Zeit eben in Murzuk befand, und mit
sichern der Consul eine ununterbrochene Correspondenz unterhielt,
Ö5^
806 Gesammtsüizimg
eines derartigen Ereignisses niemals Erwfihnnng ifaat. Hr. Bo-ä
hat sicli indefs wiederholt an dortige Bekannte gewendet, iha pt-
naue Auskünfte über den fraglichen Meteoriten, and womogikhi
ein Stück desselben zukommen zu lassen.
Nach Schlufs des Berichtes war dem genannten K. K. Caoad
laut Nachschrift 9 das in Übersetzung mitfolgende Schreiben öei
Scheich's von Murzuk zugegangen,^) wonach bei jeneni Ph&iooiM«
ein Steinfall nicht stattgehabt hfitte.
Sobald das K. K. Ministerium des Aufsem in dieser An^I<^
genheit eine weitere Anzeige yon Hm. Rossi erh£lt, wird es dif
Ehre haben, selbe der löblichen Gesandtschaft des Norddeat^b^t
Bundes mitzntheilen.
Wien am 11. September 1870.
Übersetzung eines Briefs d. d. I. Rabi 'ul Ewwel (2. JunP.
welcher mir durch Hrn. Hag Ibraim Ben Alna, Scheich Bled di
Morzuk geschrieben wurde in Erwiderung auf meine Bitte, nr
Auskunft zu geben über den in der Umgebung von Morzuk (Fti-
zan) gegen Ende des Decembers 1869 niedergefallenen Meteorit<*a.
und ein Stück desselben, wenn es möglich w£re, zu uberseoden.
„In Erwiderung auf Euer Ersuchen um Nachrichten aber des
Stern (Meteor), welcher in dieser Gegend gegen Ende des Rama-
dan (December) niedergefallen sein soll, — kann ich Euch F<^!-
gendes mtttheilen. Ein Ombaschi (Korporal), welcher die Wache
am Stadttbore hatte, horte in der Nacht Schüsse gleich nenn FfaV
tenschüssen und setzte davon sogleich den Officier der Wache in
Eenntnifs. Dieser trat zum Thore hinaus begleitet von fünf Mami.
nm zu sehen, was vorgefallen. Bei dem Auskundschaften bege|^
neten sie einem Manne mit Namen Hag Habib, welcher ihnen auf
ihre Frage, was das für Flintenschüsse gewesen, und wo sie ge-
fallen, erwiderte, dafs die Knalle welche sie gehört, überhaupt nichc
von Flintenschüssen hergerührt hätten, sondern vielmehr von einea
Sterne (Meteor), welcher am Himmel zerplatzt sei, in der Riehtsn^:
eines Dörfchens, Namus mit Namen. Hierauf wurden weiterr
Nachforschungen angestellt, und wurde uns Ton Leuten jenes Ort»
'} Die Italianische Übersetzunjar ist hier wieder ins Deutsche iber-
tragen. G. IL
com iO. November 1870. 807
versichert, dafs Nichts zar Erde gefallen sei. Schenkt deshalb nnr
lern Glauben, was ich Euch sage, und nicht den Worten irgend
iines Andern; denn weder jetzt noch früher ist jemals Etwas vom
[limmel gefallen. (Was also sagen will, dafs in Fezzan bisher
Eeine Meteoriten gefallen sind.)
An eingegangenen Schriften worden vorgelegt :
Archiv de» hUtorUchen Vereins /Sr Ünter/remken und Aschäjfenhurg, 20.
Bd. 3. Hft. Wflrzburg 1870. 8.
Zeitschrift der deutschen morgenidnd, Geseiischaft, 24. Bd. 3. HefL Leip-
zig 1870. 8.
WOrttemberg. naturwiss, Jakreshefle. 26. Jahrg. Stuttgart 1870. 8.
Tjndall, On the acHon of rays of high rrfrangibUty upon gateous matter.
(Philosophical TrsDsactions, 27. Janaar 1870.)
Vincenzo Fiorentino, Prosa e poesie italitme della Raccolta arhorense,
NspoJi 1870. 8.
1. November. Sitzung der physikalisch - mathemati-
schen Klasse.
Hr. dn Bois-Reymond las fiber die Krause-Kahne' sehe Theo-
ie der Muskelzusammenziehung.
LO. November. Gesanmitsitzung der Akademie.
Hr. Mullenhoff las über die vorptole maischen Diathesen dos
stlichen Europas.
808 Ouammtiitzun^
An enkg^guigeiien Sehriften warden vorgel^:
V$rhmidiunffen der Sariemer natmfBrBcK. OttelhckafL m. Serie, VoL l
1. 9. Hartem 1870. 4.
Afekw99 niefiandai$dtf par Baumkautr, Tont V, 1. 2. 3, Im Hin
1870. 8.
Natuwrkundig Tijdtckrift voor Nederland9ch Indie» Deel 31. Batirii
1869. 8.
Bijdrageii tot de Taai^ Land- en Volkenkunde von Nederlimdsek ladi/f.
y, 1. Gra^enhage 1870. 8.
Archiv fitr die Naturkunde Liv^^ Ehet* und Kurlonde* 8 Hefte. Docpit
1870. 8.
Reporte on experimente made witk tke Baef/orth Chronograph, LoDdca
1870. 8.
m ' » ■
17. November. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bodiger las über die arabische Redaction der
Yorjastinianischen Eaisergesetze und deren YerhiltDifs
zum syrischen Texte.
Die Akademie hat wiederholt Eenntnifs genommen Ton den
grundlichen nnd scharfsinnigen Untersuchungen Hm. Rudorffs
über den Inhalt der von Professor Land herausgegebenen sjriscbeo
Übersetzung der den Kaisern Constantin, Theodosins and Lieo zb-
geschriebenen Gesetze. Hr. Budorff wird eine gröCsere Abhand-
lung über den Gegenstand veröffentlichen. Derselbe hml, was das
sprachliche Verstfindnifs der dazu gehörigen syrischen und arabi-
schen Texte betrifft, meine Beihülfe in Anspruch genommen, und
habe ich dieser Aufforderung selbstverstfindlich und gern entspro-
chen. Von dem arabischen Texte jener Gesetze hat mir auf meine
Bitte unser stets hülfreicher Correspondent Hr. W. Wright eiges-
hfindig Abschrift gemacht ans dem Oxforder Cod. Thom. Roe f6,
fol. 338—356 (s. NieolPs Catal. codd. mss. Orient, bibl. Bodleiaoae
P. II, p. 37, cod. XXXYl, no. 48), wozu mir noch einiges andere
handschriftliche Material zur Hand ist Das heute Vorgetragene
wird sich der Abhandlung des Hrn. Budorff anschliefsen.
I
eom i7. Novmber 1870. 809
An eingegangenen Schriften nebat Begleitsehreiben worden
vorgelegt :
Schweizeriscke Meteorologische Beohacktungen. 6. Jahrg. Zfirich 1869. 4.
Fr. V. Stalin, Württembergische Geschichte. 4. Theil. 1. Abth. Stutt-
gart 1870. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verf. v. 20. Sept. 1870.
Bulletin des naturalistes de Moscou, Annee 1870, no. 1.
Götheborgs K. Vetenskaps och Vitterhets Samhälles Handlingar. Vol. I.
Götheborg 1850. 8.
Rnd. Graf Still fried, Geschichtliche Nachrichten vom Geschlechte StUl/ried
von Rattonitz. 1. n. 2. Bd. Berlin 1869. 4. Mit Begleitschreiben
des Hrn. Verf. vom 17. Nov. 1870.
2 1 . Novemb. Sitzung der philosophisch-historischen
Klasse.
Hr. Pertz las über das in der Herzoglichen Linie des
Hochfürstlichen Hauses Braunschweig-Lünebarg gesetz-
liche Alter der Mündigkeit für den RegierungS'^Antritt.
Diese Frage ward im dritten und vierten Jahrzeh nd dieses
Jahrhunderts durch den Herzog Karl znm Gegenstand der bitter-
sten und grundlosesten Beschuldigungen gegen seinen Königlichen
Oheim und Vormund Georg IV von Grofsbritanien und Hannover
gemacht, indem er behauptete mit vollendetem 18. Lebensjahre zum
Antritt der Regierung berechtigt, und dieses Rechts um ein ganzes
Jahr beraubt worden zu sein. Über diesen Rechtspunkt entwickelte
sich ein für den jungen Herzog seine Regierung und seine ganze
Zukunft verderblicher Kriegsstand, welcher mit seiner Flucht und
Absetzung durch die Agnaten und Deutschen BundesmSchte endi-
gen sollte, zunächst aber die Noth wendigkeit herbeiführte die Rechts-
frage zu voller Sicherheit zu bringen. Dieses erforderte die Unter-
suchung der betreffenden Verhältnisse des Weifischen Fürstenhau-
ses während eines tausendjährigen Zeitraums seiner Herrschaft in
seinen verschiedenen Linien; die reichen Archive gewährten dazu
die Mittel, und das Ergebnifs der Forschung war die hier mitge*.
810 Sitzung der philosöphüeh-hiatorUeken Kltisse
theilte Widerlegung der Yorgeblicheo Recbtsansprficfae des dme^
falsche Rathgeber irregeleiteten Herzogs.
H. Bekker gab bemerkangen zum Homer.
L.
1.
Warum steht A 557 (^f^ ya^ tcI yt ntt^i^tro) a^ol yt^ ns^
nicht das enklitische pronomen? das dem sinne genfigen würde wie
540 und 541. ist nicht etwa ar' f, yt zu lesen? o-' für o-oc zu se-
men wfire wenigstens, Yor dem langen yokale, leichler als 170 (e-l&
a* oiotf aCrcf aufjkog iwv atptvo^ xcu irXovrey a^b^fir)« f) yt aber väre
gebraucht wie, um die beispiele nur aus A zu entlehnen, S ys ^
93 97 101 190 320 342, ^ 7t 496, riv yi 401, tw yt 304 581,
Ol yt 485.
dafs wer für ar' r' verlange oder gar S**, erwarten "wir nicht.
TOI darf seinen diphthong weder elidiren noch durch eine kiasb
trübes, wenn es verstlUidliGh bleiben will, ydg t* ergänzt sich nur
zu yä^ Ttt
2.
A 555 (juif 0*0 iFag$iir[i) hat das digamma gewalt erlitten, aaf-
helfen würde ihm ntt^atfp^t vgl. A 792
TIC oio ti xiv Ol av» öcuiMvt -wru^or o^ptu
fra^ffiirfiii/; ayaS^ B$ irte^anpaTt^ emv iroiccxt»
wa^a(fyr,fAt haben wir A 577, na^tpaiMvog i2 771: so wechselt /^
mit iifiaro.
3.
2 35 h5rt Thetis ihres sohnes klage um Patroklos, wie sie
A 558 seine klage um die Briseide gehört hat,
r/ifVf} Iv ßtvSiTTtu n>»OQ ira^ ircerot yffOvTu
unverzfiglich taucht sie empor, tröstet den betrübten, verhelfst zu
morgen früh neue waffen für die verlorenen, die von Hephistos
zu erbitten macht sie sofort sich auf den weg zum Olympos» rrj
vom 21. November 1870. 8U
jjLiv tto Oikofxnivht niitg (pi^ov sagt der dichter, anstatt sie nun
aber zu begleiten und scbleunigst der allein möglichen und drin-
gend nötigen hfilfe entgegen zu fQhren« verliert er sie der gestalt
aus den äugen, dafs er ihrer zunächst den ganzen übrigen teil
des tages mit keinem worte gedenkt, und doch dauert der tag
noch laug genug zu dem kämpf um Patroklos leiche, zu einer
botschaft der Hera an den Peliden, zu dessen ^idererscheinen
im felde^ zu einer volksversamlung und einer abendspeisung der
Troer, alles teilname erweckende und folgenschwere ereigiiisse^
die, eben weil sie das sind, mit bequemster umstfindlichkeit in
mehr als zweihundert versen vorgetragen sich recht stattlich aus-
nemen, aber in die Olymposfahrt eingefafst zu werden wenig ge-
eignet scheinen.
die sonne geht unter, wie die Achäer die nacht zugebracht wird
ausfuhrlich berichtet: fragen wir nach der Nereide, so antwortet
allein jenes ri^v fxtu ao OCXufXTrovSt tro^tg ipt^ev. also wfirend sonst
ein gott, auch ohne besondem anlass zur eile, seinen weg abtut
so schnell er ihn denkt, oder höchstens dreimal den fufs aufhebt
und mit dem vierten mal am ziele steht, wie denn auch hier Iris
wenige stunden vorher ihren in umgekehrter richtung gleich wei*
ten botenlanf, vom Olympos hinab an den Troerstrand und von da
zurfik zu ihrer herrin, zurfikgelegt hat ohne den gang der. band*
lung, worein sie eingreift, auch nur einen augenblik zu stören
noch zu unterbrechen, troz dieser herschenden Vorstellung von dei:
geschwindigkeit göttlicher bewegungen ist Thetis unterweges und
bleibt unterweges (P 700), wie mfichtig auch mutterliebe und mutter-
angst sie treiben mag, schneckengeleise ziehend durch den schnee
von Schlucht zu Schlucht in nacht und nebel.
wie aber endlich der tag anbricht und das haus des Hephästos
erreicht ist, (nicht allzu früh: denn der gott ist bereits in seiner
Werkstatt voller tfitigkeit), empf&ngt er die göttin gastlich und
unterh< sie mit erinnerungen aus seiner kindheit. gleich ruhig
geht er an die arbeit, die von ihm verlangt wird, wie lange er
daran zu tun hat? wahrscheinlich bis an den nfichsten morgen:
denn nicht eher kau die mutter das fertige geschmeide zu dem
söhn hinunter bringen, das tut sie nun aber im habichtsfluge, als
wolte oder könte sie noch einbringen was sie von zeit so schnöde
vergeudet hat.
812 ^ GesammUiizung
Erz&let so qai nil molitar inepte? schwerlich, wol
ein diaskenast in böser stände gerade diesen glans- nnd w
des gedichtes zum pranger gewftU haben för seinen nnvcnitaBd.
4.
Dafs die verse o d43->5 eine gnome sind, die des verwandln
inbaltes wegen an den rand geschrieben durch fahrl&ssigkeit in dcE
text geraten, das erhellt schon aas dem einen worte w^^ayttrorCvvc,
wofür die in diesem fall unnmgfingliche epanalepse oX«;«
oder irgend eine ableitnng Ton aXfi.
5.
Wamm iarntv inmug (B 832 A 330 T 295 Q 17)
iamtv iavm^, oi%vff07» et^vtauev (E 790 O 640) nnd nicht otF^wum
ti%vtliarHw7 die iterative form scheint an die einer contnusIkNi nn
t empf&nglichen Charaktere a i o gewöhnlich nicht 9am¥ sv figca.
wodurch freilich arnev tirxov cCa^ov entStande, sondern nur
wie sie aach in der conjagation auf pu tat: ßaamv ioaicsr
ovTOTxtif iTTaar^ crruTxtv tptienuv, zu dieser conjugadon gehören die
passiven aoriste: daher <pdvtmiv far iifuivr,, gewohnlieh, wegen
^tXitTxov und H€e?^iorHoui tptXilaieeif und xdKtiTüev wenigstena koamcB
nicht vor.
auch in uixarnofAtu X 511 haben wir also das a harz n
sprechen.
eben so erklfirt sich die kunsong in HBerntro 4> 41*
27. November. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Borcbardt las über ein die Pyramiden betreffendes Pro-
blem des Maximus.
vom 27. November 1870. 813
Hr. DoTe las über die Vertbeilung des Regens in der
jahrlichen Periode im mittleren Europa.
Die Verthellang des Regens aaf der OberflAche der Erde habe
ich 1851 im ersten Theil meiner klimatologischen Beitr&ge p. 77
— 183 einer so eingehenden Untersuchang unterworfen, dafs ich
glaubte, nicht mehr darauf zurückkommen zu dürfen. Um an*
schaolich zu machen, warum dies dennoch nothwendig ist, mufs
ich auf die Hauptpunkte jener Darstellung zurückkommen.
Das Eintreten der Regen ist in der tropischen Zone so rege!-
mSfaig, dafs es die Eintheilung des Jahres bestimmt. Die India-
ner des Orinocco theilen dasselbe in die Zeit der Regen und die
Zeit der Sonnen. Das Herauf- und Herabrücken dieser Regen
setzte Vareni US in gerechtes Erstaunen, weil es „contra coelestem
rationem*^ sei. Mit gewohnter Klarheit beschreibt Dampier, wie
diese Regen der Sonne folgen. Innerhalb noch weiterer Grenzen
findet dies Herauf- und Herabrücken in dem Gebiet der Monsoons
statt, und der Gegensatz einer heitern trocknen Himmels im Win«
ter zu mächtigen Niederschlügen mit den heftigsten elektrischen
Entladungen im Sommer hat allen Anschauungen der Bewohner
Hindostans die Vorstellung des Waltens zweier einander bekfim-
pfeodcn Mfichte aufgeprägt. Die Allgemeinheit dieser tropischen
Verhältnisse blieb den Griechen fremd, und daher war das perio«
dische Anschwellen des Nils fSr sie ein Problem, wenn auch He*
rodot seiner Lösung nahe war. Ihr Gesichtskreis beschränkte
sieb auf subtropische Verhältnisse^ und Lucrez hatte daher Recht,
wenn er Frühling und Herbst, wo das himmlische Haus am hau«
figsten vom Donner erschüttert werde, des Jahrs kriegfahrende
Zeiten nannte, eine Bezeichnung, die für unsere Gegend ToUkom-
men unpassend wäre. Diese subtropischen Regen führte L. v. Buch
im Jahr 1820 auf das Herabsinken des obern Passates zurück,
während Gasparin in seinem 1828 erschienenen Aufsatz: „des
climats Enrop^ens par rapport aux pluis^, die Herbstregen Süd«>
earopas in ihrem Gegensatz zu den Sommerregen des mittlem und
nördlichen hervorhob und Dal ton nachwies, dafs an der V^est-
kfiste von Grofsbrittannien die Regenourven ein Maximum im
Herbst haben, ein Ergebnifs, welches durch Miller fSr das Gebiet
der Cumberlandischen Seeen so auffiillend bestätigt wurde.
814 GeeammUitsung
Im Jahr 1835 habe ich in einem Aufsatz ^tiber das Vorfc«--
deosein zweier Regenzeiten im sadlichen Europa^ die Gesaointb^ii
der RegenTerhältnisse der gemafsigten Zone (auf der eoropüadM;:
Seile) unter dem Gesichtspunkte znsammengefalst: die "Winterrego-
zeit an den Grenzen der Tropen tritt, je weiter wir uns Ton &-
sen entfernen, immer mehr in zwei durch schwächere Niederachligt
Terbnndene Maxima auseinander, welche in Deutschland in eEnea
Sommermaximum wieder zusammenfallen, wo also temporäre Ee-
genlosigkeit vollkommen aufhört Dies früher übersehene Früln
lingsmaximum ist in Italien schwach, tritt aber, wie neaere Beob-
achtungen bestätigt haben, an bestimmten Stellen in Algerien, Spa-
nien und Palastina entschieden hervor. In spätem AbbandloBga
habe ich die entsprechenden Verhältnisse der südlichen Krdfaälfb
untersucht und die nordliche Grenze subtropischer Regen in ihrer
durch Gebirgssfige sich verwickelnden Gestalt festzustellen ndcb
bemüht Das neuerdings in vorher ungeahnter Weise sich erwo-
temde Beobachtungsmaterial liefs mich hoffen, in reinerer Fotn
für die einzelnen Gebiete die Jahrescurve der Regenmenge berror-
treten zu sehen, als die früher lückenhaften Beobachtungen dies n
leisten vermochten. Aber bei dieser neuen Bearbeitung fand idi
dies nicht bestätigt Selbst eine neunzigjährige Cnrve enthält Ab-
weichungen von einer symmetrischen Vertheilnng. Dalor mniste
ein Grund gesucht werden, denn Regellosigkeit ist kein Nrntor^
gesetz.
Die Lnftstrome sind abgesehen von den in sie hin^nragendeo
Untiefen, die wir Gebirge nennen, uferlos. Sie verändern daher
häufig ihre Betten, aber innerhalb bestimmter Grenzen. Zwiacbeo
den verschiedenen einander begrenzenden Wittemngssystemen giebt
es daher Übergangsgebiete, die bald dem einen, bald dem nndetn
anheimfallen. Hierzu gehört im grofsen Ganzen Europa, es weils
nie, ob es sich für das See- oder für das Continental- Klima ent-
scheiden soll. Es blickt wie ein Janus nach entgegengesetzten
Seiten, nach Ost und nach West. Im Frühjahr überwiegt der
Einflufs seines ostlichen gelegenen continentalen Nachbars. Die»
spricht sich in den unbedeutenden Niederschlägen des Februar und
März aus, und den vorwaltenden trocknen Ostwinden, welche bis
in den Mai hinein Nachtfroste hervorrufen. Von deqo Juni an ist
es die Westseite der Windrose, welche die die Witterung beslioi-
mende Rolle übernimmt Nur in seltnen Fällen ist der Yeriasf
vom 24. Novetnber 187 0. 815
in andrer, und stellt sich als ein Yerrücken der Erscheinungen in
ler Richtung der Meridiane dar. In beifsen Sommern gehört
Deatscbiand der dann regenlosen subtropischen Zone an, während,
vovon ein auffallendes Beispiel vorliegt, die Nilschwelle dann
inorm wird, weil die tropischen Regen ungewöhnlich weit in den
)bern Lauf des Flufses eingreifen. In andern Jahren betheiligt
iich hingegen Italien an unsern Sommerregen. Greifen im ge-
KTÖhnlicben Verlauf die Yerhfiltnisse der Westküsten weiter nach
[)sten, so bekommen wegen der Herbstregen Englands nnsre Re-
^encurven die Tendenz ihr Sommermaximum erheblich im Jahr zu
rerspfiten. Wollen wir daher das einem Grenzgebiet eigenthOm-
liehe Schwanken verstehen, so müssen wir nicht blos vieljShrige
Mittel betrachten, sondern bestimmte einzelne Jahre einer genauen
Untersuchung unterwerfen. Im Jahr 1858 habe ich eine solche
Arbeit in Pogg. Ann. 105 p. 490 unter dem Titel: „die diesjähri-
gen Überschwemmungen in Schlesien und am Harz und ihre Ur-
sachen^ veröffentlicht Der Sommer 1870 ist ein dem vollkommen
entsprechendes Beispiel furchtbarer Niederschläge nach einer un-
gewöhnlich lange anhaltenden Dürre, veranlagst durch einbrechende
kalte Westwinde, in eine in Westeuropa vorher überhitzte Atmo-
sphäre.
Die folgenden Tafeln enthalten aufser den gemessenen Regen-
sommen für die Stationen, wo mehrjährige Beobachtungen vorla-
gen, den Überschufs der in pariser Linien ausgedrückten Menge
Regens des August über die mittleren Werthe derselben, nach
einem Juli, für welchen fast überall die Niederschlagssumme unter
ihrem Mittel zurückbleibt.
Die Aufeinanderfolge der Stationen ist in Deutschland im All-
gemeinen von Nordost nach Südwest, nämlich von Ostpreufscn über
Pommern, Mecklenburg, Holstein, die Mark nach Schlesien, Sach-
sen, Thüringen, Westphalen, Niederrhein, Bayern, Baden und Würt-
temberg, die in Italien hingegen von Nord nach Süd. Wegen der
Breite des Bcobachtungsgebietes mufste natürlich mehrfach zurück-
gegriffen werden.
Sil
Deutschland.
1870
Mittel
Unterschied
JnU
A-g.
JuU
Aug.
Juli
Ah
Tilsit
S1.25
38.91
39.36
36.19
— 18.11
V.i
CUnssm
30.63
36.19
39.59
98.93
— 1.96
:.i.-
KAoi^bcrig
9.73
96.70
99.37
33.98
— 17.64
- e->
Conitx
S8.63
54.07
98.94
33.01
— 0.31
ji.i-^
CA«tia
96.31
59.59
98.70
36.61
— 9JI9
tt.§>
RfgcawaUe
91.05
76.80
98.48
38.96
— 7.93
^$M
Stttüm
14.31
91.09
94.83
33.87
— 10.59
iUi
Patlm
17.38
84.68
96.10
37.99
— 8.89
i:M
Wwtrow
34.69
45.91
91.33
90.51
3.36
iCi-
Marnits
95.76
74.04
95.45
98.99
0^1
45.:?
Rostock
18.60
36.90
99.57
93.99
— 3.97
l?.&?
Labcek
94.95
60.14
31.85
30.49
— 7.60
i9.ec
Nesstadt
13.78
96.88
90.09
96.17
— 6.94
o.n
Batoi
16.99
55.34
99.53
34.70
—19.54
20.^
Kiel
20.61
51.50
96.68
33.19
— 6.07
n::^
KeomAitfter
19.73
58.96
30.15
33.05
—10.49
25.?l
AHoDa
96.49
67.90
37.00
35.09
—10.51
ZiA\
GlurkstadC
33.83
62.30
45.33
45.67
— 1.50 1
ICx
Meldorf
17.36
48.39
—31.03
ßefebefg
94.34
54.70
99.69
38.66
— 5.98
UM
Hadersleben
17.57
45.11
Ftensbarg
10.97
34.06
19.94
39.19
—13.09
— hl-
Apcnnde
11.89
59.76
Oldesloe
16.59
85.34
Hasam
91.61
99.39
33.48
35.75
—11.87
— ^%
Gm
19.59
34.46
Tondera
14.31
49.46
Cappeln
15.96
36.09
CiixIuiTen
94.71
55.47
1
1
Otterndorf
14.84
67.46
31.70
40.99
—16.86 .
2fe"'
LOnebarg
17.85
55.13
39.59
97.97
—14.67
iT.l«
Hinrichshagen
90.08
79.00
98.16
98.63
— 8.08
43f
Berlin
95.51
68.36
31.91
98.51
— 6.40
SiV*J
Prenslaa
91.07
60.07
94.55
95.79
— 3.38 i
34AJ
Labbenow
39.94
1
66.68
36.95
31.50
3.69 ;
31
vom 27. November 1870.
817
1870
Mittel
Unterschied
JuU
Aug.
Juli
Aug.
Juli
Aug.
P'rankfurt «. 0.
35.65
44.78
29.76
28.86
— 5.89
15.92
Posen
32.06
41.08
^8.86
32.79
3.20
8.29
Bromberg
28.10
38.17
27.72
30.84
0.38
7.33
{Udbor
—
53.75
31.66
38.63
—
15.12
Sechen
64.15
39.77
80.26
34.96
23.89
4.81
Breslau
37.67
40.42
29.97
36.81
7.70
4.11
IV^ang
77.31
109.78
38.41
46.81
38.90
67.97
Siebberg
57.51
72.07
39.21
42.01
18.30
30.06
JuDzlan
30.99
41.22
Görlitz
22.35
52.87
36.12
38.76
— 13.77
14.11
Torgaa
18.94
35.75
33.35
25.38
—14.41
10.42
ialle
80.83
39.10
81.47
23.86
— 0.64
12.24
\Xuh
14.81
40.53
27.03
20.92
—12.22
19.61
^ipzig
17.83
64.07
29.93
26.94
—12.10
37.13
)re0<len
27.15
53.23
39.21
30.90
— 12.07
22.33
Iwenkan
26.26
49.56
30.46
29.46
— 4.20
20.10
)5beln
18.27
57.70
Vermsdorf
14.89
38.82
35.13
26.09
—20.76
12.73
;rGaitz
20.88
58.34
32.00
31.79
—11.12
26.55
rbarand
28.45
63.21
tentzen
28.42
41.53
32.95
23.66
— 4.53
17.87
iUtaa
7.17
83.22
29.75
35.45
—22.58
47.77
«wickan
28.22
100.02
82.00
34.87
— 3.78
65.15
'hemnitz
20.15
68.56
28.48
31.81
— 8.33
86.65
Cönigstein
49.79
62.57
40.35
29.37
9.44
33.20
iaaen
25.46
78.12
24.96
28.11
0.50
50.01
linterhemwdorf
28.21
68.44
43.67
27.65
—15.46
30.79
irfillenhurg
25.28
54.96
38.15
29.77
—12.87
25.19
reiberg
82.00
65.32
41.12
29.34
— 9.12
35.98
Ifiter
16.37
50.12
27.40
22.55
— 11.03
27.57
iUnaberg
28.88
64.67
27.80
32.31
— 4.42
32.36
;ehefeld
59.48
93.57
48.05
81.34
11.43
62.23
leitienhain
82.49
84.14
35.88
36.75
— 3.39
47.39
tierwieaenthal
27.80
89.31
37.25
42.68
— 9.45
46.63
reu6«6n
20.45
42.04
^effnrt
8.92
81.10
818
Otiommtsitzung
1870
Mittel
Unterschied j
Juli
Aog.
Juli
Aog.
Juli
1 Ä0£.
Arnstadt
40.15
44.52
30.54
24.63
9.61
11 V
Holzengel
86.33
51.62'
KeaU
16.16
89.99
Sondemhaufeii
13.11
64.93
26.39
27.04
13.28
ZU:
Grorsbreitenbach
24.28
95.71
31.33
44.08
— 7.05
bU^
Hfiblbausen
16.10
53.40
Wernigerode
21.38
69.79
28.76
30.05
— 7.38
39.74
Heiligenstadt
10.42
43.96
32.02
31.39
—21.40
iij:
GOttingen
12.74
67.49
30.28
33.93
—17.54
33.5^*
Clanfttbal
21.20
124.88
67.24
62.54
—46.04
62Ji
Harzigerode
13.56
76.88
Brannschweig
8.93
55.84
25.12
32.25
—16.19
53.5:-
Hannover
18.80
63.59
30.50
29.80
—11.70
33.75
Kassel
12.71
55.32
24.82
35.63
—12.11
\m
Altmorschen
27.25
66.47
29.83
42.61
— 2.58
23.'f
Marburg
17.08
42.02
21.52
26.37
— 4.44
\h.r?
Fulda
10.50
46.10
24.16
29.09
— 13.66
17.ni
Elsfleth
18.65
93.09
35.87
39.57
— 17.22
W.o2
Oldenburg
22.10
77.55
35.13
38.75
—13.03
3S.5»
Jcver
20.48
88.47
32.41
40.08
— 11.93
48,5?
Weser-Lcuchtthnrm
10.02
39.66
Emden
29.63
67.01
33.87
38.37
— 4.24
2«.64
Lingen
22.34
46.21
35.53
35.74
—13.19
10.47
Löningen
24.10
48.11
36.96
34.34
—12.86
i3.r
>lQnster
27.57
68.84
31.77
32.11
— 4.20
26.7:
Arnsberg
29.50
97.36
36.96
49.78
— 7.46
47.:-
Gütersloh
28.28
73.01
33.21
34.71
— 9.93
3S.'
Olsberg
29.66
12^.08
40.28
55.28
—10.62
66-
Brüssel
25.57
75.37
31.43
33.34
— 3.86
41' •
Clcve
39.50
76.36
34.98
36.24
4.52
4»m:
Crefeld
28.70
69.60
28.87
32.43
— 0.17
:^:!:
Aachen
48.22
81.54
30.65
45.33
17.57
36 e:
Cöln
62.07
70.36
29.20
80.04
22.87
40 :t
Laach
10.04
70.09
10.12
42.38
— 0.08
27.71
Boppard
29.69
80.78
29.71
31.52 '
— 0.02
49^f
Trier
16.70
39.21
32.80
32.03
— 15.33
7.1 •
vom 24. November 1870,
819
1870
Mittel
Unterschied
Juli Aug.
Juli
Aug.
Juli
Aug.
»rkeofeld
11.53
32.70
32.81
32.81
—21.28
— 0.11
Frankfurt a. M.
47.63
50.75
32.71
28.47
14.92
21.28
Viesbaden
29.63
42.63
19.22
36.35
10.41
6.28
fanan
36.60
54.87
45.35
39.22
— 2.62
15.65
)arm8tadt
33.09
68.08
33.38
28.82
— 0.29
39.23
)u8€hlberg
26.00
130.42
22.80
66.52
3.20
63.90
»eeshaapt
16.67
83.33
42.06
68.08
25.39
15.25
'romenhof
12.58
71.83
18.79
48.67
— 6.21
23.16
tohrbrann
32.08
87.75
25.21
53.15
6.87
34.60
Übrach
13.75
76.26
11.53
40.57
2.22
25.69
ütenfurt
17.92
102.02
17.38
49.95
0.54
52.07
kschaffenbarg
26.27
66.15
17.00
37.31
9.27
28.84
ieersbnrg
41.23
46.55
fannheim
20.57
91.76
31.95
29.25
— 16.38
62.51
V^estheim
15.70
78.64
buchen
29.08
84.36
ichopfheim
—
76.20
»chweigmatt
—
73.01
•
^Illingen
24.91
24.29
'reiburg
27.13
66.49
(adenweiler
17.56
84.67
[5chenschwand
30.10
70.08
Karlsruhe
33.61
129.75
34.71
30.17
— 1.11
99.58
taden
37.68
117.25
Itattgard
27.33
76.58
31.82
32.70
— 4.49
43.88
^anstadt
31.54
66.00
31.63
33.54
-- 0.09
32.46
[ecbingen
49.43
72.50
36.93
34.90
12.50
37.60
(obenzollern
47.00
63.17
39.63
40.86
7.37
22.31
teilbronn
23.29
59.33
27.01
25.89
— 3.72
33.44
*rendeD8tadt
42.08
89.17
37.55
49.60
4.53
39.57
Mw
21.75
77.08
37.47
37.44
—15.72
39.64
Jim
34.19
71.44
30.32
29.63
3.87
41.81
•cbopfloch
38.38
123.30
51.82
50.87
—13.44
72.43
[eidenheim
32.17
55.00
51.33
38.90
—19.16
16.10
Bsny
54.16
99.71
70.72
72.73
—16.56
26.98
'riedrichshafen
39.21
29.44
40.05
41.52
— 0.84
—12.08
[1870]
56
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70
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75-75
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3337
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t7.41
J7.05
»7.14
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14.39
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31.79
87.44
Italien.
8t. Gonfaanl
Saerm di g. Michd
Pinerolo
ICoDdovi
San Reno
Genna
AUsfaadrU
Cauüe Honferato
Volp^glino
Paria
Mailaod
Lugano
Brescia
Cremona
GnaataUa
Trento
Mantna
Padna
1870
Jali . Aug.
»3.14
»7.04
»7.84
18.27
69.33
60.01
»4.25
3.37
»0.31
21.64
12.85 i
30.01
26.15
46.77
35.49
16.14
27.66
9.75
36.13
16.00 ,
49.61
59.40
I 56.08
44.51
I 45.44
! 38.79
125.72
\ 38.04
! 63.39
41.67
53.49
55.81
65.61
62.06
82.41
64.19
77.05
Mittel
Jali Äug.
Unterfchf^i
Juli Aq
40.06 62.06
36.90 j 36.99
11.85 I 24.93
21.45
9.60
23.28
17.12
28.96
10.39
50.98
6.12
33.24
45.72
32.32
36.38
56.47
58.16
32.04
47.04
18.66
23.21
30.00
30.96
30.72
29.52
—16.95 -12.^
— 9.06 15»
6.43 , U-^'
38.56
14.65
19.91
3.19
lU
**.t'
- 3.23 I
- 6.17
- 9.70
3.38
9.00
6.13
14.72
10 i^
11'-
ÄS 4'
vom 24. Nocembtr 1870,
821
1870
Mittel
Unterschied
Juli Aug.
Juli
Aug.
Juli
Aug.
rdine
37.72
102.93
73.40
59.00
—35.68
43.93
'icenza
19.15
76.25
34.68
32.88
—15.53
43.37
'enedig
26.11
!hioggia
12.68
79.04
'errars
12.59
51.78
19.22
32.48
— 6.63
19.30
leggio (Emilia)
11.62
&5.06
16.39
32.08
— 4.77
22.98
lodena
17.81
67.47
15.59
31.05
2.22
38.42
lologna
24.82
60.51
14.05
17.24
10.77
43.27
'orli
11.26
57.99
12.01
39.94
— 0.75
18.05
''lorenz
4.88
69.11
15.99
20.76
—11.11
48.35
avorno
4.21
49.21
16.48
24.77
—12.27
24.44
^orto fetaro
2.79
5.01
liena
15.83
50.40
30.24
16.44
—14.41
33.96
Jrbino
12.54
89.10
24.51
43.98
—11.97
45.12
Lncona
8.82
63.83
20.07
23.58
—11.25
40.25
esi
0.93
43.13
16.18
28.21
—15.25
14.92
/amerino
12.41
15.07
17.24
22.70
— 4.83
— 7.63
^erugia
2.88
61.93
18.98
34.41
—16.10
27.5«
:hieti
15.74
15.52
lom
16.32
4.47
7.14
12.68
9.18
— 8.21
ri?oH
9.00
16.04
rnietri
4.92
6.30
Neapel S. R.
8.02
11.80
4.58
16.91
3.44
— 5.11
— 0. U.
8.87
16.09 •
ienevento
11.89
18.8
•
iocorotondo.
1.77
5.76
7.20
12.33
— 5.43
— 6.57
^atanzaro
12.63
7.85
^atania
19.06
^alermo
25.00
1.64
2.58
4.03
22.42
— 2.39
r.n*
56
822
GesawumUüzKmg
Nach Westen hin konnte die Untersachong nur bis lor &»■
zosischen Grenze fortgesetxt werden. Auf nnsenn Ci^nete liic
die extremen Werthe in das BheinthaL Am 1 1 ten Angast betn:
der Niederschlag in Carlsmhe 39'!'32, der achte Theil der Jibftr
somme, in Baden 33'!'29, in BadenweUer 32':'80. In den ITT^ b
Carlsmhe beginnenden Messungen bt eine Monatssnmme wie u
des Angost 1870 nach Klanp recht bisher nie TOfgekoaneü
Ähnliche anfallend groCse Tagessnmmen geben die Beobacbtoage:
in Schwaben, 41.4 in Giofsaltdorf, 38.8 in Schopfioch, 37.4 it
Bmehsal, 35.3 in Issnj, 34.0 in Tübingen and Winnendea. Dk
hochgelegenen Stationen liefern aberall bedeutende Menf^eo, D«cbd-
berg im bayerischen Wald (27760 giebt für den Aognat 13a4i
Kirche Wang am Abhang der Schneekoppe in Schlesien 10S.7^
Olsberg in Westphalen 122.08, Claosthal aof dem Plateaa in
Harses 124.88. Die Nordwestkasten Deutschlands geben rdicr
sehr hohe Werthe; dals aber bei weiterem Fortschreiten tob NO
nach SW sich die Quelle erschöpft, zeigt Wien, welcbes bei eiser
Monatssnmme Ton 27.42 an 18 B^entagen nur 8.80 als hö^tea
Niederschlag in 24 Stunden liefert.
Die italienischen Stationen aeigen deutlich, dala Unteritaliei
sich an der Elrscheinung nicht mehr betheiligt. DaCs nach Norda
hin Norwegen einem andern Sjstem angehört, zeigt deotlidi fol-
gende Tafel:
Norwegen.
UpsaU
Christumsiind
Aalesnnd
Skadesnes
ICandal
Sandösnnd
Christiaiiui
I>OTre
• 1870
Juli I Aug. ! Sept.
Mittel
Juli 1 Aug. Sept.
29.22
14.63
17.95
12.68
18.31
27.04
21.19
7.58
I
13.66
2.57
4.43
24.18
76.29
20.13
12.82
2.35
60.73
68.89
50.85
49.87
26.60
29.48
20.79
31.03
42.56
24.38
32.36
17.29
32.36
44.77
44.33
42.11
44.33
29.70 35.91 .
16.40 j 16.40 I
35.4^
33.01
J8.3T
vom 24. Noveniber 1870,
823
Uni
Verschied
•
JuU
Aug.
Sept.
Upsala
•
Cfaristiansiind
—16.40
—29.79
25.27
Aalesund
—24.61
—40.34
20.58
Skttdesnes
—11.70
—20.15
—17.42
Mandal
—14.05
34.18
— 4.66
SandGsund
9.25
—24.20
—12.41
ChristiaDa
— 8.51
—23.09
1.11
DoTre
— 8.82
—14.05
13.19
Die diese Niederschläge im mittleren Europa hervorrufende
Temperatarerniedrigung geht sehr deutlich aus der folgenden Tafel
hervor. Diese enth< in Reaumurschen Graden die Abweichungen
der fünftägigen Mittel far August 1870 vom mittlem Werthe der-
selben berechnet ' aus zwanzig Jahren« Bedenkt man, wie ener-
gisch bei der vorhergehenden ungewöhnlich hohen Wfirme die Ver-
dunstung eingeleitet gewesen sein mufs, so begreift man, wie eine
so bedeutende plötzliche Abkühlung die mächtigsten Niederschlfige
veranlassen mufste. In der That verdunstete auf den bayerischen
Waldstationen Seeshaupt, Promenhof, Rohrbrunn, Altenfurt, Aschaf-
fenburg von einer freien Wasserfläche eine Wasserschicht, deren
Höhe im Juli 55.5 56.5 61.0 63.3 34.7 pariser Linien war, hin-
gegen im Au-
gust nur 39.0 29.1 24.2 30.9 15.9.
824
Getammttüzung
Juli
Aq
25 — 29
30 — 3
4 — 8
ChrutianiA
4.87
3.88
4.56
Memel
1.73
3.74
3.19
Tilsit
1.52
3.83
3.34
Ciaassen
0.66
3.75
3.13
Königsberg
1.13
3.39
3.49
Heia
0.31
2.67
3.66
Conits
1.31
4.01
3.21
CösUn
1.86
3.36
4.0S
Regenwalde
1.37
2.75
4.30
Stettin
1.11
2.97
S.67
Pathos
1.45
2.81
4.18
Wustrow
0.40
3.80
3.25
Rostock
0.76
2.39
2.79
Schwerin
0.99
2.74
2.98
Kid
1.13
2.06
2.70
Neamünster
1.83
2.47
3.47
Altona
0.87
2.08
3.86
Labeck
1.20
2.85
3.57
Eutin
1.96
2.50
3.1$
Otterndorf
2.81
3.33
3.60
Lüneburg
2.04
3.81
3.49
Hinriebshagen
1.63
3.52
3.S4
Beriin
1.33
2.95
3.15
Frankfurt a. 0.
1.41
2.99
4.04
Posen
0.66
2.71
3.79
Bromberg
0.91
3.32
3.57
Ratibor
—
2.74
2.66
Zechen
0.70
2.46
3.08
Breslau
0.62
2.72
2.93
Eichberg
0.25
—
3-27
Wang
0.33
3.29
2.37
Görlitz
1.22
2.63
3.94
Torgan
1.86
3.74
3.83
Halle
2.07
3.39
3.17
Erfurt
1.07
2.86
2.68
MOhlhausen
0.44
2.78
2.71
vom 24. November 1870.
825
gast
Sept.
9 — 13
14 — 18
19 — 23
24 — 28
29 — 2
2.99
—0.46
—1.49
—1.74
—1.58
1.70
—1.76
—2.69
—2.78
—1.01
2.02
-2.21
—3.41
—1.90
—1.98
1.83
—2.54
—3.44
—2.76
— 1.68
1.99
—2.40
—3.03
—2.77
—1.31
1.55
—1.95
—2.67
—2.44
—1.34
2.17
—2.67
—3.07
—2.77
—2.15
2.50
—2.30
—2.30
—2.32
—1.45
1.99
—2.26
—2.12
—1.88
—1.53
1.45
—1.60
—2.62
—3.02
—2.00
1.90
—1.08
—2.13
—2.39
—1.12
1.08
—0.89
—1.97
—2.15
—0.72
1.14
—1.19
—2.16
—2.65
—1.36
1.17
— 1.70
—2.97
—2.92
-r-1.47
1.04
—0.89
—2.52
—2.56
—1.60
1.40
—1.33
—2.98
—3.24
—0.88
—0.04
—1.68
—3.39
—3.41
—2.00
2.55
—0.21
—1.76
—1.72
—1.06
1.53
—0.71
—1.83
— 2.15
—0.99
1.97
—0.12
—2.50
—2.24
—0.81
1.84
—0.90
—3.00
— 2.05
—0.80
1.66
—1.81
—2.93
—2.89
—1.35 .
0.77
—1.56
—3.29
—3.14
—2.10
1.19
—1.87
—3.59
—3.01
—1.92
1.54
—1.97
—2.95
—3.03
—1.87
2.42
—2.89
—2.89
—2.86
—1.99
0.74
—2.24
—3.39
—3.05
—2.76
0.46
—2.24
—3.26
—3.19
—1.65
0.45
—1.89
—3.46
—3.92
—1.83
0.68
—1.34
—3.02
—2.78
—1.27
1.10
—1.71
—3.30
—4.18
—2.29
0.47
—1.30
—3.56
—3.30
—1.51
0.22
—1.32
—3.21
—3.02
— 1.86
0.10
—1.40
—2.83
—3.05
—1.68
—0.07
—1.87
—3.75
—3.94
— 1.29
—O.Ol
-0.83
—2.62
—2.59
—2.37
-»•
826
OeiommUitzung
Juli
25 — 29
30 — 3
4-8
Wernigerode
Heiligenstadt
Gattingen
ClaiuthAl
Hannover
Oldenburg
Jever
EUfleth
Emden
Lingen
Löningen
Münster
Gfitersloh
Olsberg
Brüssel
Cleve
Crefeld
C6ln
Boppard
Trier
Birkenfeld
Frankfurt a. M.
Darmstadt
Mannheim
Carlsrahe
Heilbronn
Stuttgard
Hechingen
Hohenzollern
Freudenstadt
Calw
Ulm
Schopfloch
Heidenheim
Friedrichshafen
Issny
Wien
Rom
1.19
1.19
1.18
1.57
1.98
2.58
2.38
2.61
2.36
2.86
2.41
2.34
2.51
2.73
3.63
2.16
2.04
1.84
1.59
2.63
2.46
1.01
0.80
0.37
0.58
0.16
0.51
0.89
0.57
0.32
1.42
■0.73
0.05
-0.32
0.64
1.13
-0.16
1.26
0.85
S.99
1 Ifil
3.46
3.0-2
3.70
2.77
3.95
2.75
3.80
3.Sä
3.38
3.07
2.81
3.1S
2.93
2.90
3.82
3.07
3.59
3.19
3.37
3.04
3.57
2.S0
3.56
2.45
2.72
2.42
4.14
l.gi
2.94
1.97
3.25
1.77
2.20
l.li
2.20
1.47
2.24
1.3Ö
2.12
1;73
1.92
1.16
2.54
0.71
0.22
—0,1«
1.29
—0.40
1.65
—0.13
1.37
—0.15
2.35
0.65
2 40
—0.52
2.49
— 0.60
1.64
0.73
1.22
— 0.15
2.22
—0.86
2.14
— O.IS
0.25
—0.93
2.28
—0.06
1.02
1.01
0.14
vom 24. November 1870.
827
gust
Sept.
9 — 13
14 — 18
19 — 23
24 — 28
29 — 2
— O.07
—1.78
—3.64
—3.60
—1.87
0.41
—1.22
—3.29
—3.40
—1.33
0.36
—1.27
—3.36
—3.38
—1.71
— O.05
—2.11
—4.17
—4.10
—2.04
0.65
—0.93
—2.27
—2.73
—1.26
1.51
—0.12
—3.22
—2.27
—I.Ol
1.35
—0.64
—3.02
—2.69
—1.19
0.92
—1.92
—4.04
—3.13
—1.79
1.08
—0.34
—2.68
—2.49
—1.11
O.70
—0.37
—3.53
—3.01
—1.52
1.03
—0.65
—3.58
—3.27
—1.62
1.33
—0.62
—3.41
—3.26
—2.10
0.69
—0.91
—3.54
—3.38
—1.73
0.83
—1.23
—3.27
—2.93
—2.76
1.27
—0.19
—2.63
—1.96
—2.26
0.51
—0.70
—2.99
—3.10
—1.37
— 0.15
—0.91
—3.64
—3.35
—1.88
— O.30
—1.35
—2.94
—3.86
—2.50
— 0.16
—1.28
—3.17
—3.27
—2.10
O.04 ♦
—1.07
—3.55
—2.42
—2.52
0.75
—0.69
—3.68
—3.13
—2.77
— 0.62 «
—0.92
—4.11
—4.41
—3.06
— 1.39
—2.03
—4.32
—4.71
—3.34
—1.93
—3.13
—5.22
—5.38
—2.77
— 1.73
—2.38
—3.79
—4.34
—3.58
— 1.62
—1.76
—3.97
—4.32
—4.40
— 1.21
—1.44
—3.57
—4.04
—3.76
— 0.91
—1.66
—3.32
—3.87
—2.51
-1.85
— 1.59
—3.96
—4.67
—3.20
— O.70
—1.09
—2.47
—4.17
—3.70
— 0.19
—1.21
—3.39
—3.73
—3.68
— 1.62
—1.78
—3.70
—4.69
—3.17
—2.44
—2.41
—4.50
—5.29
—3.02
— 1.66
—2.13
—3.77
—4.64
—3.46
— 1.33
—0.44
—2.13
—3.35
—3.90
—2.00
—0.68
—3.21
—4.82
—2.36
— I.IO
—1.38
—3.64
—4.41
—2.26
_0.62
—0.44
—1.24
—1.81
0.13
828 GesammUiizung
•
Den entfichiedensten Gegensatz zu den mSchdgen Regen de* ^
August bildet die Regenlosigkeit des Frühlings, sie umfaüst ^
ganze westliche Earopa. In den Nonvelles meteorologiques bildet
im Frühjahr die Trockenheit in Frankreich einen durch mehrere
Monatshefte fortlaufenden ArtikeL ))Wir brauchen Wasser, T?as-
ser und es kommt nicht^, wird schon im April yon Blois geschrie-
ben. In Montpellier fallen im Mai im Mittel 42'."11 , 1870 biä
zum 31ten kein Tropfen. „Man spricht nur von der Trockenheit,
heifst es im Mai von Verdun, welche alles in Gefahr bringt*:
von Lavallade: „Jeder sagt auf Regen hoffend, wir werden an die
Reihe kommen, aber 3 Monate und mehr, und dieselbe Voraos-
Setzung scheitert an derselben Lage, ,du soleil et toajonrs da so-
leil' *'. Man fragt sich ob die glühenden Ebenen der Sahara elo»
traurigem Anblick bieten als unsre Kalkgehfinge. Der Himmel Tca
Bezi^res wird als d'nne beaut^ implacable bezeichnet. In Bevrit
(Landes) war im April nur ein Regentag, vom März bis Joli incl
fielen 45'." 10 sUtt 153'."92. Von Tonrs schreibt man am 1. JuU:
^täglich müssen die Landleute weite Strecken fahren, um Wasser
für ihr Vieh zu holen, sie selbst trinken warmes Sumpfwasser ncd
verkaufen zu niedrigen Preisen ihr Vieh, da sie es nicht erhaltes
können.^ Ein Monat ohne Regen, eine afrikanische Sonne war
das Bezeichnende des Juni in Beauficel.
Da diese ungewöhnliche Trockenheit auf zwei ebenfalls trockih
Jahre 1868 und 1869 folgte, so vermuthen die durch ihre #chÖDe£
Arbeiten über die hydrographischen Verhältnisse des Seinebassir*
bekannten Hrn. Beigrand und Lemoine, dafs wie stark aacl
die Sommerregen ausfallen mochten, dies den Wassermangel drz
Quellen und Flusse doch bis zum November nicht werde za er-
setzen vermögen.
Auch die iberische Halbinsel erfuhr diese Trockenheit. 1:
Lissabon war der Juni so trocken wie der Mai. In dem dorvr
seine Regenmasse, der es seinen bekannten Beinamen verdankt, s,
berüchtigten San Jago fielen 2V504 statt 16.517 vom April b-
Juni. Die Allgemeinheit der Trockenheit geht aus der folgend^a
Tafel hervor, während in Deutschland hingegen schon im Jani d\
Regenmenge überall die normale ist. Die Regensumme war:
vom 24, November 1870.
829
April
Mai
Juni
Summe
Beaniicel
6.12
19.81
2.26
2.349
Fecamp
2.88
14.23
4.83
1.828
Lille
3.63
12.99
7.00
2.135
SoiBsons
2.22
4.65
2.22
0.757
Pari«
1.77
17.42
1.06
1.688
Tours
1.68
11.53
0.44
1.138
BloU
0.75
7.14
0.
0.657
Montargis
1.86
7.23
1.64
0.894
Chstillon
0.13
14.94
0.27
1.278
Doulevant
2.48
25.58
1.24
2.442
le Syndicat (Voges)
2.53
24.47
12.15
3.263
Cemboine
2.48
25.93
7.18
2.966
Metz
0.80 .
6.74
2.57
0.842
Ichtratzheim
4.96
17.91
7.18
2.504
Yerdun
7.23
11.79
3.86
1.907
liorient
2.51
9.49
1.51
1.131
Beyrie
3.19
20.39
6.52
2.508
Lavallade
2.75
13.17
2.00
1.493
]e Puy
17.24
33.73
4.92
4.658
Bodez
19.99
11.79
1.86
2.803
Caleves
6.25
8.02
17.11
2.615
Bourg
1.20
8.69
2.66
1.046
Foix
11.39
24.60
23.36
4.946
Tarbes
19.68
49.20
19.95
7.402
Larressore
1.20
24.56
14.45
3.351
Montpellier
14.67
6.76
3.32
1.979
Bezieres
24.60
7.31
7.09
3.233
Cannes
9.31
7.36
21.67
3.195
Isle d*Aix
0.00
3.99
0.0
0.333
Biarritz
3.72
14.63
11.30
2.471
Sicie
0.93
0.0
21.28
1.851
Cap Gris-Nez
1.37
12.01
1.51
1.241
St. Matthieu
1.86
25.71
2.30
2.489
Murcia
8.91
2.66
14.05
2.135
San Jago*
18.00
12.37
3.77
2.845
Lissabon
4.96
17.91
7.18
2.504
* statt
I 91.27 I 68.99 | 37.94 | 16.517
830
OesammUftzung
Ähnliches gilt Ton England« In Greenwich war nach Glai-
sher die Regensamme 1V060, eine Menge, die so klein noch nk
beobachtet worden ist. Für das erste Halbjahr Jaoaar-Joni ikka
4V888 sUtt 107209, seit 1815, bis wohin zurfick die Beobachtufr
gen reichen, noch nie erlebt. Die folgende Tafel giebt ebenfalls
in pariser Linien die gemessenen Regenhohen.
April
Mai
Jani
Summe
Onemsey
8.67
18.58
Mf
2.36
2^467
Heiston
3.25
16.21
7.43
2.157
Tmro
2.03
19.37
3.60
2.0S3
Sidmonth
3.94
15.76
7.32
2.252
Eastboiim«
3.15
14.19
1.25
2.383
Osbom
3.16
16.99
2.03
1.764
Portmouth
2.36
15.09
3.38
1.736
Taunton
6.40
11.03
6.76
1.933
Wilton Hoose
5.07
14.75
4.50
2.027
Barnstaple
5.29
18.47
11.49
2.937
Aldershot
4.17
14.75
4.17
1.924
West Hampton
7.99
32.31
9.00
4.108
Strathfield Targiss
3.27
20.94
6.64
2.571
Weybridge Heath
3.60
8.44
6.64
1.557
Bath
4.73
23.31
8.56
3.050
Marlboroogh. Cot
6.08
24.09
3.94
2.859
Greenwich
3.04
5.29
4.39
1.O60
Streatlej Vicarage
4.73
14.19
2.03
1.746
Marylebone
5.63
9.34
8.78
1.979
Camden
5.29
7.88
9.11
1.857
Oxford
5.97
1.16
7.43
1.213
Gloucester
6.98
14.30
11.15
2.702
Royston
4.28
8.33
13.17
2.148
litUe Wratting
4.39
6.53
8.33
1.604
Cardington
4.63
7.32
11.26
2.017
Lampeter
13.06
23.42
8.11
3.716
Leamington
6.98
7.32
8.11
1.867
Somerleyton
6.76
6.87
11.82
2.121
Norwich
10.36
7.99
17.12
2.956
Wisbech
8.44
7.77
27.81
3.665
vom 24. November i870.
831
April
Mai
Juni
Summe
Llandando
23.31
8.22
11.94
3.'622
Derby
8.44
8.11
13.85
2.533
Nottingham
5.86
8.89
10.92
2.139
Holkham
10.13
6.19
18.58
2.075
Boston
6.64
8.22
18.02
2.740
Hawarden
14.64
11.49
8.78
2.909
Liverpool
14.41
10.47
13.51
3.199
Old Trafford
25.00
8.44
20.15
4.466
Ecilefl
23.08
10.13
21.62
4.569
Halifax
13.40
26.12
34.46
6.165
HaU
5.52
6.19
32.31
3.668
Stonyhurst
29.73
21.96
25.11
6.400
Bradford
5.63
13.62
22.18
3.452
Leeds
5.18
10.25
16.10
2.627
Otlej
8.78
23.87
19.37
4.335
York
7.09
12.72
31.30
4.426
Hawsker
4.28
15.76
36.14
4.682
Cockermouth
23.76
45.27
22.18
7.601
Allenheads
20.15
35.35
22.86
6.530
Carlisle
9.79
18.69
19.82
4.025
Bywell
7.21
9.00
18.13
2.862
North Shields
8.78
15.76
27.47
4.334
Miltown
12.50
18.35
10.92
3.481
Bestimmt man aus allen zwischen 50° und 55° N. B. gelege-
en Stationen för den ganzen Zeitraum April bis Juni die mittlere
tegensumme, so erh< man dVl61, also fast genau nur die Hftlfte
es in denselben ZeiUbschnitt 1869 gefallenen 6V287.
Hingegen gehört Norwegen nicht dem System an, wie fol-
ende Tafel zeigt:
i.:i
i- I
♦T^5
Fl rl
E"
2-47
».41
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■ Grs=Kil:«eiiisfxinMefl. Es ^ebc dibcr bestiiLr. -
Wenier«irxr«<e^ Atrtn Az&^-^ziz eine Tid wichtigere Aa%Bbe i^-
ab <L« Acfs^chsn^ maf €C2<e Gresna beschriakter lfodlificado::.r
w^kie iBxn WeBieT«<he5opca nennt;, die ebea nvr eine locale Bed^ -
tecs kibirn.
Errek^ra die bier erOrtenen ErscheisuBgCB« wie dies 1^'
d?T F^l War, extrexe Wertbe. so Tennogen sie die Jafaresccr
de» Nk-ier^hlags so we^^nüicli xo modificireo, 6m£s ein solcL*
jAbr^sg den Sebeiiel d«* Carre, wie er dvrch xidiahrige M:"
bestfmint war. zn rerlegen Temmg. Dies ist der Gnuid, wmtzt
die sichre Fesutellong dieser Corren stets emeaerte Untersacb ei-
gen erbrischL IHe Ton mir in dieser Beziehong ai^estelUen L: *
mitzntbeilen, wurde zu weit fahren.
vom 24. November 1870. 833
Hr. Braun gab Mittheiluogen aus den jüngsten Briefen des
Reisenden der Huroboldtstiftung, Hm. Dr. Scfaweinfurth.
Fast ein volles Jahr lang, vom 23. October v.J. bis zum 21.
1. M. waren die Nachrichten des Reisenden ausgeblieben. Die an
lern genannten Tage angekommenen Briefe sind vom 4. und 14.
Juli, erstere von der entfernteren Seriba Ssabbi, letztere von der Se-
riba Ghattas in Djur, der Hanptstation der Thfitigkeit des Reisen-
len, nach welcher er am 13. Juli znrQckgekehrt war. Sie enthal-
ten vorläufige Berichte über eine während achtmonatlicher Abwe-
senheit von der Station ausgeführte Expedition in die kaum mehr
als dem Namen nach bekannten Länder der Njam-Njam's und
Monbuttu's, kriegerischer und kannibalischer, von der europäischen
Cultur noch unberührter Völker. Die Hauptstadt der letzteren,
Munsa, unter dem 3. Breitegrad oder etwas südlicher, war der
entfernteste Punkt, den er erreichte, und woselbst er von dem Kö-
nige der Monbuttu's feierlich und gastlich empfangen wurde. Die
auf dieser Reise gemachten umfangreichen Sammlungen wurden nach
der Rückkehr zur Seriba Ghattas sofort nach der Meschra am
Bahr el Ghazal befordert und befinden sich auf dem Wege nach
Europa; der Reisende selbst blieb auf der Seriba um sich von
den Anstrengungen der Reise zu erholen und die Erforschung des
dortigen Gebietes durch einige weitere Exkursionen zu vollenden.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Geachichtv der Wtssenschaßen in Deutachiand. 9. Bd. Mfinchen 1870. 8.
Bulletin de la aodeü des eciencee naturellee de NeuchateL Tome VIII.
Neochatel 1870. 8.
Puclicationa de V Institut de Luzemhourg, Tome XI. Laxemboni^
1870. 8.
The Quarterfy Journal of geological Society, no. 101 — 104. London
1870. 8.
834 Oesammtsitzung vom 24. Novmnber iS70.
Fn^eeedin^i 0/ tk€ Ro^al Geograpkical Society, VoL 14. Lood^«!
1870. 8.
Journal oj lA« Royal Otogrtiphical Society, Vol. 39. Load s
1870. 8.
Nachtrag.
7. Juli, öffentliche Sitzung der Akademie zur
Feier des Leibnizischen Jahrestages,
Hr. duBois-Reymond, an diesem Tage Vorsitzender Se-
kretär, eröffnete die Sitzung mit einem einleitenden Vortrag über
Leibnizische Gedanken in der neueren Naturwissen-
schaft.
Mit Kant endet die Reihe der Philosophen, die im Vollbesitze
der naturwissenschaftlichen Kenntnifse ihrer Zeit sich selber an
der Arbeit der Naturforscher betheiligten. Leibniz dagegen steht
als mathematischer Physiker noch so grofs da, dafs man seine
Leistungen in der von uns eigentlich sogenannten Philosophie ver-
schweigen oder herabsetzen konnte, ohne dafs er aufhörte als
einer der gewaltigsten Geister zu erscheinen. Und man wörde
irren, wollte man die Verbindung der mathematisch -physikalischen
mit der speculativ- philosophischen Richtung in Leibniz aus
einer polyhistorischen Neigung herleiten, die ihn auch juristischen
Erörterungen, diplomatischen Quellenstudien, sprachwissenschaftli-
chen Forschungen zutrieb. Hätte nur ein äufserliches Band, durch
Zufall und Laune geknüpft, diese ungleichartigen Dinge in seinem
Kopfe zusammengehalten, dann wäre Leibniz nicht der würdige
Heros des Cultus, den ihm mit gleicher Inbrunst beide Klassen
dieser Akademie weihen. Nicht Vielwisser war er, sondern, soweit
der Mensch es kann, All- und Ganz wisser, und sein Erfassen,
sein Erkennen war stets zugleich schöpferischer Act. Dem Insect
gleich, das honigsammelnd den Blüthenstaub von Zweig zu Zweig
trägf^ hinterläfst sein beweglicher Geist, indem er von Disciplin
zu Disciplin schweift, reich befruchtende Spur, auch wo er nur
tändelnd sich niederzulassen scheint.
[1870] 57
836 Nachtrag.
Wie bei seinem Vorgänger Descartes war daher seine Pbi- |
losopbie mit seinen mathematisch -physikalisciien Anschanon«n
innig verwebt. Die damals neuen mathematischen Begriffe de^
Unendlichen verschiedener Ordnung und der Stetigkeit, zum Th^1
seine Erfindung, spielen hinüber in seine Metaphysik, und sd»
Demonstrationen, Deductionen, Constructionen , die von ihm ge
wählten Beispiele und Gleichnisse, lassen überall den inathemati$<^
angelegten und geschulten Kopf erkennen.
Man hat bemerkt, dafs Leibniz philosophische Schrifiten trotz
der Tiefe, in die sie führen, mehr exoterisch gehalten sind, und
als Grund angegeben, dafs sie meist Gelegenheitsschriften seien.
Briefe oder Darlegungen für hohe Gönner und Gönnerinnen, denea
Leibniz gern so verständlich wie möglich war. Die ander»
entstandenen posthumen Nouveaux E$sais sur VEntendement hmsiah
sind zum Theil wirklieh schwerer geschrieben; allein der wahrr
G^ond seiner deutlichen Schreibart durfte in seiner mathemati-
schen Denkart liegen.
Prüft man vom heutigen Standpunkte die Frucht, die an»
dieser Verbindung der Philosophie mit Mathematik und Physä
erwuchs, so kann man bei Leibniz, wie bei Descartes, häufig
eines Gefühles von Staunen und Enttäuschung sich nicht erwehren.
Seine Schriften sind reich an glucklichen Blicken in die ferne Zc-
kunft der Wissenschaft; aber in solcher Divination zeigt sich mehr
sein naturliches Genie, als dafs die Stärke seiner Denkmethoden
sich daran bewährte. Für diese liegt die Probe in seinen syste-
matischen Entwickelungen, und hier erscheint nicht selten das Er-
gebnifs so unbefriedigend, bei aller formellen Strenge die Schluf^
folge so gewagt, der Bau übereinander gethurmter Aufstellungen
so willkürlich, dafs man zweifelt, ob es sich um die Wahrheit, und
nicht blofs um ein Spiel scharfsinnigen Witzes handelt Man wird
irre daran, ob wirklich, wie man glauben könnte, wachsende Ent-
fremdung zwischen Philosophie und Naturwissenschaft die Schuld
an ähnlichen Schwächen bei Kant's Nachfolgern trage.
Bei Descartes und Leibniz lassen sich aber für diese
Schwächen zwei Gründe angeben, welche neueren Philosophen
nicht in gleicher Weise zur Entschuldigung gereichen.
Einmal hatte zu Leibniz', vollends zu Descartes' «Zeit,
die Erziehung des menschlichen Geistes durch die experimentelltf*
Beschäftigung mit der Natur erst begonnen, durch welche allein
Nachtrag. 837
ihm das heilsame Mifstrauen in seine Kraft, die nothige Achtung
der Thatsache und Gleichgültigkeit gegen die Deutung, die richtige
Ergebung gegenüber unlöslichen Aufgaben eingeflofst wird.
Der andere Quell des Übels bei Leibniz ist die seine Zeit
noch ganz in ihren Fesseln haltende, ihre Voraussetzungen überall
unterschiebende, jedem unbefangenen Urtheil in den Weg tretende
Theologie. Die geistige Arbeit des achtzehnten Jahrhunderts war
noch nothig; um den Menschengeist aus diesem grauen Larvenge-
hSuse zu befreien, in das er fiber ein Jahrtausend gebannt gewesen
war; und so sind Leibniz' Physik und Metaphysik noch ganz in
den theologischen Schranken gefangen. Die Voranssetzungslosigkeit,
die erste Voraussetzung unseres Philosophirens, ist, ihm unbewufst,
bei ihm so wenig vorhanden wie bei Descartes, in dessen Discaur^
de la Methode der ontologische Beweis des Daseins Gottes eine
nicht minder schrille Dissonanz wirft, als die so selbstgefällig vor-
getragene, merkwürdig falsclie Theorie des Blutumlaufes. Zwar
stellt Leibniz die grofsen Principien vom zureichenden Grunde
und von der Stetigkeit auf; aber der Wille Gottes, der doch frei,
d. h. ohne zureichenden Grund handelt, gilt ihm als zureichender
Grund, und Schöpfung und Wunder durchbrechen sein Gesetz
der Continuitfit. Ein gutes Beispiel des Mifsbrauches theologischer
Betrachtungsweise bei Leibniz ist sein Beweis der Unmöglich-
keit, dafs es einen leeren Raum gebe. „Ich nehme an^, sagt er,
^dafs jede Vollkommenheit, welche Gott in die Dinge legen konnte,
„ohne deren anderen Vollkommenheiten Abbruch zu thun, in die
„Dinge gelegt worden ist. Stellen wir uns einen ganz leeren
„Raum vor; Gott konnte Materie hineinbringen, ohne irgend einem
„anderen Dinge Abbruch zu thun; folglich hat er sie hineinge-
„bracht; folglich giebt es keinen ganz leeren Raum; folglich ist
„Alles erfüllt^ ^ Ähnlich beweist Leibniz die Theilbarkeit der
Materie in's Unendliche oder das Nichtvorhandensein von Atomen.'
Der Lehre von der Erhaltung der Kraft, welche unsere Welt-
anschauung beherrscht, gab Leibniz zuerst den richtigen Ausdruck,
und wie sinnreich ist das Bild, durch welches er das schein-
bare Verschwinden von Kraft bei Umwandlung von Massenbewe-
gung in Molecu larbewegnng erläutert: es sei wie das Umwechseln
eines grofsen Geldstuckes in Scheidemünze. i Aber wie für Des-
cartes ist auch für ihn die Constanz der Kraft nur ein Ausflufs
des göttlichen Willens.
57»
838 Nachtrag,
Die widernatürliche Verbindang der speculativen Theologi«*
mit der Mathematik bei Leibniz zeigt sich nirgend greller iL*
in dem Grundgedanken seiner Theodicee. Von Kindheit auf, urk
er selber berichtet^, von dem Rfithsel gepeinigt, welches der Ur-
sprung des metaphysischen, physischen und sittlichen Ghels in dfr
Welt sei, — der Unvollkommenheit, des Leidens und der Sande, —
da doch Gott, als ToUkommen gut und als allmfichtig, das Cb»rl
anscheinend nicht bfitte schaffen dürfen, wird Leibniz durch die
Konigin Sophie Charlotte Ton Preufsen, der Bajle's Schrif-
ten dasselbe Bedenken eingeflofst hatten, um Aufklärung gebeten.
Bekanntlich verdankte ihm die Theorie der Maxima nnd Minimi
der Functionen durch die Auffindung der Methode der Tangenten
den gröfsten Fortschritt. Nun stellt er sich Gott bei Erschaffung der
Welt wie einen Mathematiker vor, der eine Minimum- Aufgabe, oder
vielmehr, nach jetziger Redeweise, eine Aufgabe der Variations-
Rechnung löst; die Aufgabe, unter unendlich vielen möglichen
Welten, die ihm unerschaffen vorschweben, die zu bestimmen, für
welche die Summe des nothwendigen Übels ein Minimum ist:
wie man den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten, den grofst^n
Flfichenraum bei gleichem Umfange, die Curve schnellsten Falles
bestimmt. Diese bestmögliche Welt hat Gott in 's Dasein gemfoo:
es ist die Welt, in der wir leben.
Wenig speculative Gedanken haben auf die Literatur so un-
mittelbaren Einflufs geübt, wie dieser. Bis in die zweite HilAe
des achtzehnten Jahrhunderts beschäftigt er die Geister. Wah-
rend Pope in dem Essay on Man ihm auf seine Weisi?
poetischen Ausdruck gab, machte ihn Voltaire zur Ziel-
scheibe seines nie fehlenden Spottes. In seinem philosophischen
Roman Candide setzt er dem Leibni zischen Optimismus eine
Demonstration entgegen, ähnlich der durch welche Diogenes
den Bewegung Ifingnenden Sophisten widerlegte. Die Behauptung,
der Welten beste sei diese, verhöhnt er, indem er den Menschen
als Spielball sinnloser Geschicke malt» und grfifsliches Elend un-
schuldige Häupter treffen lässt, wovon das Erdbeben zu Lissabon
ihm ein zeitgemfifdes Beispiel bot. Versöhnung und Trost aber
lehrte er, ein später von Goethe vielfach ausgeführter Gedanke,
statt in Betrachtung des Göttlichen und Hinblick auf eine Zu-
kunft jenseit des Grabes, in Entsagung und Arbeit finden.
Nachtrag. 839
Ohne mit Voltaire über den theodicei sehen Gedanken zu
spotten, kann man aller weiteren Erlfiuterungen ungeachtet nicht
darüber hinaus, dafs, wie Niemand besser als Leibniz wufste^
jede Maximum- und Minimum- Aufgabe stetige Veränderlichkeit des
Werthes einer Function, oder der Function selber, unter gewissen
Bedingungen voraussetzt. Die zu losende Aufgabe hat also nur
eine andere Form erhalten, denn wie stimmt es zur unbedingten
Natur Gottes, dafs ihm irgend welche, vollends seinem Wesen
widerstreitende Bedingungen vorgeschrieben waren, noch ehe es
eine Welt gab?
Als Urgrund aller Erscheinung gelten Leibniz die Monaden,
einfache Substanzen im metaphysischen Sinne, nnausgedehnt, doch
im Räume vorhanden, selbstthätig, aber nicht nach Aufsen wirkend
und &ttfseren Wirkungen unzugänglich. Die Monaden bilden eine
stetige Entwickelungsreihe von Nichts bis zu Gott, der selber die
höchste Monade ist, nach Analogie der Ordinalen einer CUrve, die
von Null bis Unendlich wachsen. Von einem gewissen Punkt an
besitzen die Monaden Bewufstsein, welches sich in den höheren
Gliedern der Reihe zu immer höherer geistiger^Thätigkeit entfal-
tet Die menschlichen Seelen -Monaden nehmen irgendwo eino
mittlere Stellung zwischen denen der Thiere und Engel ein. Übri-
gens ist, wie wir schon sahen, der Raum nirgend leer; sondern in
jedem kleinsten Theil unendlich voll von Wesen, daher jeder
materielle Punkt, gleichviel ob eines organischen oder anorgani-
schen Korpers, eine Welt von Monaden beherbergt.
Da die Monaden als einfache Wesen nicht durch Zusammen-
setzung entstehen und nicht durch Auflösung vergehen können,
schliefst Leibniz, dafs Gott mit Einem Schlage sie in's Dasein
gerufen habe, und dafs auch er nur ebenso plötzlich sie vernichten
könne. Da sie weder eine Einwirkung von Aufsen erfahren noch
nach Aufsen wirken, oder, wie er in seiner lebhaften, bildlichen
Art sich ausdruckt, da 8ie keine Fenster haben, durch die etwas
in sie eindringen oder sie verlassen könnte^, so schliefst er, dafs
in den Seelen -Monaden ein Flufs der Vorstellungen stattfinde,
genau entsprechend den aufseren Umständen, in welche ' sie
gerathen. Wenn ich einen bellenden Hund sehe und höre und
nach ihm schlage, dringen nicht etwa Botschaften von meinen
Sinneswerkzeugen bis zum Sitze meines Bewufstseins und belehren
mich^ dafs ein bellender Hund da sei und mich beifäen wolle, und
840 Nachtrag.
68 wirken nicht etwa Willensim pulse meiner Seele auf Nerven ood
Muskeln, um Arm und Stock zu bewegen. Sondern als Gcu
meine Seelen-Monade schuf, schuf er sie so dafs in demseibni
Augenblicke, wo der Hund sich auf meiner Netzhaut abbildet
und sein Gebell mein Labyrinthwasser erschüttert, sie aus innerec
Gründen im Flufs ihrer Vorstellungen auch gerade bei der Vor>
Stellung eines bellenden Hundes anlangt, und dafs sie sich rur-
stellt, mein Korper schlage den Hund, in demselben Angenblickf.
wo er rein mechanisch es wirklich thut.
Dies ist Leibniz' berühmte Lehre von der praestabilirten
Harmonie, von der uns heute allerdings schwer fallt, uns zu den-
ken, dafs er sie alles Ernstes geglaubt habe, durch die er aber
mit gröfster Zuversicht das Riithsel der Verbindung von Körper
und Geist gelöst zu haben meinte. Zerhauen hatte er den Kooteo
wohl, der darin besteht, dafs nicht zu begreifen ist, wie die im-
materielle Seele auf den materiellen Korper wirkt und umgekehrt,
aber langst glaubt Niemand mehr, dafs er ihn richtig entscbürzt
habe. Das Wesen der geistigen Vorgänge wird nicht klarer durch
die Vorstellung, dafs sie sich von selber in den Monaden abwickelik
vielmehr ist au Stelle der gehobenen Schwierigkeit, die in die:^:
Form doch nur in dem Widerspruch willkürlich gebildeter Begriffe
liegt, die andere getreten, dafs die geistigen Vorgänge ganz aufser-
halb aller Causalität gestellt sind. In der That läfst Leibnii
in der Monadenwelt keine anderen Bestimmungen zu als darch jeoe
Endursachen, welche aus der Weltanschauung zu verbannen da^
Ziel theoretischer Naturforschung ist.
Wenn dieser Fehlgriffe des grofsen Mannes heute, an seiner.
Ehrentage, hier gedacht wird, so geschieht dies nicht, am ihn t:
verkleinern. Die Betrachtung der Irrwege eines solchen Kopfes
ist vielmehr geeignet, uns selber zur Demuth zu stimmen. Der
sich mit Vorliebe VAuteur du Systeme de VHarmonie prettahhi
nannte^, und nicht erst spät und krankhaft wie Newton, senden
in voller Kraft und mit sichtlichem Behagen in theologischen Spiti-
findigkeiten sich erging: es war der Nämliche, der mit Eineic
Federstrich Johann Bernoulli's herausfordernde Probleme loste :
es war der von welchem Diderot, selber der Begabtesten Ein«?,
schreibt: „Wenn man auf sich zurückkehrt, und die Talente, cic
^man empfing, mit denen eines Lcibniz vergleicht, wird m^*
;, versucht, die Buclicr von sich zu werfen, und in irgend chui
Nachtrag, 841
^versteckten Weltwiukel ruhig sterben zu gehen.^ ' So werden wir
inue, wie die stolze Hohe, auf der wir zu wandeln meinen, nicht
unser Verdienst ist, sondera das unserer Zeit, und wie vielleicht
unseren Nachfolgern, im Lichte der Erkenntnifs ihrer Tage, einst
unsere beste Einsicht erscheinen wird.
Aber noch in anderer Rucksicht ist es oft lehrreich, sich
solcher Dinge zu erinnern. Es ist merkwürdig zu sehen, wie zu-
weilen solche Philosopheme , nachdem sie das Schicksal mensch-
licher Meinungen durchlebt haben, geglaubt und bestritten, gepriesen
und verlacht, zuletzt durch ihresgleichen verdr&ngt und scheinbar
vergessen wurden, im Bewufstsein folgender Geschlechter doch noch
gleichsam ein latentes Dasein fristen, wie sie mifsverstanden , nur
formell noch bestehend und mit anderem Inhalte gefüllt, nach Jahren
%vieder auftauchen, und wenn das Gluck gut ist, zuletzt in so ver-
änderter Gestalt einen dauernden Platz in der Wissenschaft erobern.
Unsere heutige Naturwissenschaft Ififst mehrere dergleichen Auslfiufer
L#eibnizischer Gedanken erkennen, wenn sie auch in ebenso ent-
stellender Verkleidung auftreten, wie der von LeibnizLudwig XIV.
vorgelegte Plan zur Eroberung Aegyptens in Bonaparte 's kriege-
rischem Abenteuer oder in Hrn. von Lesseps' Friedens werk.
Die Lehre von der Erhaltung der Kraft ist nicht ein blofser
Ausläufer zu nennen, und also nicht hierher zu rechnen. Auch wäre
wohl kaum gerechtfertigt, wollte man eine solche Filiation der
Ideen, wie die französische Sprache sich schwer übersetzbar aus-
drGckt, zwischen dem L ei bni zischen Optimismus und unserer heuti-
gen Einsicht annehmen, dafs in Rücksicht auf die gerade stattfind-
enden äusseren Bedingungen die organische Natur jederzeit die
möglichst vollkommene ist. Doch lohnt es sich, das gegenseitige
Verliältnifs beider Lehren festzustellen.
Vom Standpunkte der mathematischen Physik giebt es keine
grössere oder geringere Vollkommenheit. Für diese Betrachtungs-
>vei8e, der sich alle übrigen theoretischen Naturwissenschaften
mehr und mehr zu nähern streben, unterscheiden sich Chaos und
Klosnios nur durch andere Vertheilung derselben Massen und
Kräfte. Aber für eine andere Art der Betrachtung stellen sich
Makrokosmos und Mikrokosmen als Ganze dar, deren Theile für
gewisse Wirkungen, die wir als Zwecke auffassen, mehr oder
itiinder passend eingerichtet sind. Da erscheinen bestimmte Thier-
und Pflanzenfonuen vollkommener als andere, und lange konnte
842 yachtrag.
man artheilen, dafs ent^'eder aus inneren Gründen, oder doitk
erneute Eingriffe einer schaffenden Macht, die organische Nate*
stufenweise zu immer vollkommneren Formen aufgestiegen s<i.
Es schien als seien ganze Schöpfungen plumper fremdartigtr
Gestalten gleichsam als erste rohe Versuche der bildenden Nator
SU Grunde gegangen und hätten höher entwickelten, besser gelns-
genen Geschöpfen Platz gemacht. Von der Darw in 'scben Lehre
aus Ifisst sich diese Anschauung ebensowenig billigen, wie die,
nach welcher unser Planet einst sollte ein heroisches Zeitalter
erlebt und noch mit gröfserer Zeugungskraft begabt die gewaltiger
Gestalten der Vorwelt hervorgebracht haben. Sobald zwischen
den Eigenschaften der organischen Wesen und ihren Lebeas-
bedingungen das Verhältniss erreicht ist, welches man Anpafeoogf-
Gleichgewicht nennen könnte, ist die Welt möglichst vollkommen,
und bleibt so, wenn die Bedingungen die nämlichen bleiben, hti
der Langsamkeit, mit der in der Regel die klimatischen und
geographisch -physikalischen Bedingungen eines Erdstriches sic^
ändern, reicht aber für die Herstellung des Anpafsnngs- Gleich-
gewichtes die Zeit stets aus. Somit ist in dieser Welt, bezuglieb
der Organisation der Pflanzen und Thiere, stets und überall das
Maximum der Vollkommenheit erreicht; diese Welt ist jederztit
die gerade bestmögliche gewesen und wird es sein, so lange
es Thiere und Pflanzen giebt und nicht plötzliche Katastrophen
über deren Wohnstätten hereinbrechen. Die Un Vollkommenheiten
der Organismen aber, an denen kein Mangel ist, sind Wahr-
zeichen des Compromisses , der zwischen den Bedingungen der
Aussenwelt und der Organisation einerseits, andererseits den zum
Bestände des Organismus nötliigen Forderungen stattfand. Sie
entsprechen dem Übel in Leibuiz' bester der möglichen Weltea
Das Ganze dieser Beziehungen lufst sich nicht besser ausdruckeo
als mit den Worten, in welche Leibniz seine eigene Lehre zo-
sammenfafst: „Obschon die Welt stets gleich vollkommen war.
„wird sie nie ganz (jiouverainement) vollkommen sein; denn sie
„ändert sich stets und gewinnt neue Vollkommenheiten, wrahrend
„sie andere einbufst.^' So pafst in gewissem Sinne der Leib*
ni zische Optimismus auf die organische Natur, und so fuhrt
merkwürdigerweise die mechanische Naturansicht« unter Aus-
stofsnng der Endursachen, schlief$lich zu demselben ErgebniTs |
Nachtrag, 843
wie der niit der Teleologie unzertrennlich verbundene theodicei-
sche Gedanke.
Die Monadenlebre, deren Wiederbelebung durch Herbart in
mehr geläuterter Gestalt ausserhalb des Kreises unserer Betrach-
tung liegt, hat auf die Naturwissenschaft einen bedeutenden Ein-
flufs geübt, wenn auch nur auf Grund von Mi fs Verständnissen
und falschen Analogien. Ausdrucklich hatte Leibniz davor ge*
warnt, seine Monaden mit den Atomen anderer philosophischer
Systeme zu venn'echseln. Doch vermochten Gelehrte und Gebil-
dete des achtzehnten Jahrhunderts diese Unterscheidung unausgc-
dehnter formloser metaphysischer Substanzen im Raum und klein-
ster materieller Theilchen nicht immer festzuhalten. Die Behaup-
tang, dafs jeder Funkt auch des scheinbar leeren Raumes, vollends
jedes Theilchen eines belebten Körpers, eine Welt von Monaden
enthalte, wurde in's Materielle übersetzt Mancher Ausdruck bei
Leibniz selber begünstigte die Verwirrung. So wenn er sagt;
^Jeden Theil der Materie kann man sich vorstellen wie einen
„Garten voller Pflanzen, oder einen Teich voller Fische. Aber
^jedcr Zweig der Pflanze, jedes Glied des Thieres, jeder Tropfen
,»8e]Der S&fte ist abermals solch ein Garten oder Teich. Und
^obschon die Erde und Luft zwischen den Pflanzen des Gar-
„tens, oder das Wasser zwischen den Fischen des Teiches, nicht
„Pflanze oder Fisch ist, enthalten sie deren doch noch, aber meist
„von unwahrnehm barer Kleinheit. ^^ Was für das geistige Auge
gemeint war, wollte das leibliche Auge sehen; und wenn man
nicht geradezu versuchte, die Monaden mit dem Mikroskope zu
entdecken, so glaubte man doch, sie oder etwas ihnen ähnliches
beobachtet zu haben, als das Mikroskop wirklich jeden Tropfen
einer Infusion von kleinen, scheinbar einfachen Wesen wimmelnd
zeigte. Dafs Otto Friedrich Müller, unter Hrn. Ehren her g 's
Vorläufern einer der bedeutendsten, für dergleichen Formen den
Namen Monas in die zoologische Nomenclatur einführte,' ° war
nar einer jener terminologischen Scherze, wie sie auch bei Linne
die Trockenheit des Systemes anmuthig beleben; allein diese
Anspielung deutet auf eine damals vorhandene Richtung der Geister,
die bei phantasiereichen Persönlichkeiten zu schweren Irrthümern
führte.
Buffon glaubte merkwürdigerweise in Infusorien und Zoo-
spermien lebendige, ohne Unlerlafs thätige, durch Feuer und Faul-
844 Nachtrag,
nifs unzerstörbare organische Urtheilchen 2u erkennen. Wie ä
Koch salz Würfel aus unzähligen mikroskopischen KocbsaizwDrieldit:
bestehe, so sollten bei Entstehung, Ernährung, Wachsthum der
Thlere und Pflanzen diese Urtheilchen ihr Einzelleben aafgebeK
sich zu den mannigfaltigen Organismen zusammenfügen, deren G^
sammtleben die Summe jener Einzelleben sei. ^ ' Die aageblicki
organischen Urtheilchen nannte Buffon nicht Monaden, aach tr-
innert er bei dieser Gelegenheit nicht an Leibniz. Der so n
sagen materialisirte Leibni zische Gedanke ist aber in dfiD ei-
nigen nicht zu verkennen, und vielleicht vermied Buffon den Ur-
sprung seiner Lehre zu verrathen, weil ihr dies damals, wo b
Frankreich durch Voltaire das Ansehen der Leibaizisdies
Philosophie untergraben war, nicht zur Empfehlung gereicht hittt
Aus der Annahme, dafs die Monaden im Anfang gesehafftn
sind, folgte für Leibniz selber unmittelbar die Lehre tod <k
Einschachtelung der Keime, nach der z. B. alle Hühner, das eiK
in den Eierstocken des anderen, kleiner und kleiner bereits in dtrc
Eierstöcken des ersten Huhnes vorgebildet waren. ' ' Die Praede-
lineations- Theorie, welche schon an der Entdeckung der Z<4-
Spermien eine mächtige empirische Stutze erhalten hatte, erlao^'^
so durch Leibniz eine in damaliger Zeit sehr tricbtic-
metaphysische Grundlage, die sicherlich dazu beitrug, den erst e-.
Jahrhundert später durch Caspar Friedrich Wolff erfochterc
Sieg der Epigenesc zu erschweren. ' ' Dagegen fuhrt« die Monadei-
lehre Leibniz folgerichtig dazu, die Möglichkeit einer Urzeups
zu leugnen. * ^
In beiden Punkten dachte Buffon anders. Der Embrvo b-
«
det sich nach ihm aus den bei der Ernährung überschüssig ac'
genommenen organischen Urtheilchen, welche gleichsam in rii^-^
inneren Form {mouU intSrieur) gegossen werden, wie Gvp« t*
Metall in einer änfsereu. Auch B u ff o n's Theorie liefs die Urtb^-'-
eben gegenwärtig nicht mehr entstehen ; allein sie verführte ihn, i'
Needham^s fehlerhafte Versuche über Urzeugung in dem Si^'
zu glauben, als könnten die Urtheilchen sich zu grofseren Oitt
nismen, Kleisterälchen, zusammenfugen. So ward seine Lebre s
den durch Lazzaro Spallanzani bewirkten Untergang der Neec
hämischen Behauptungen verwickelt,' ' während zugleich Bono«'
den man den Genfer Buffon nennen könnte, als Yertbeidiger lir
Praedelineations-Thcoric wider sie auftrat, ' * obschon seine eig^'
Nachtrag. 845
Urkeime (germes primiti/s) auch nichts anderes waren, als ver-
kappte Leib ni zische Monaden.*^
Siebzig Jahre spSter, als Robert Brown die nach ihm ge-
nannte Bewegung kleiner in tropfbaren Flüfsigkeiten aufgeschwemm-
ter Theilchen entdeckte, tauchte Buffon's Lehre wieder auf, um
sogleich wieder zu scheitern. Brown glaubte auf belebte, selbst
im Feuer unzerstörbare Urtheilchen aller organischen und anorga-
nischen Korper gestofsen zu sein, ganz wie Buffon sie sich
dachte, den er übrigens so wenig wie die Monaden erwähnt.''
Hr. C. A. Sig. Schnitze, damals in Freiburg, spann den ge-
schichtlichen Faden von der Brown'sclien Vorstellung zur Leib-
nizischen Monadologie zurück. ^ ^ Er bewies zugleich, dafs die
zitternde Bewegung der Theilchen nicht von dieser ausgehe, son-
dern nur das Anzeichen einer zitternden Bewegung der tropfbaren
Flüfsigkeit sei. Die Untersuchungen von Hrn. Christian Wie-
ner'* und Hrn. Sigmund Exner'* haben neuerdings wahr-
scheinlich gemacht, dafs diese zitternde Bewegung der Flüfsigkeit
einerlei ist mit deren Wfirmeschwingungen, zu denen die' Schwan-
kungen der Theilchen sich verhalten mögen, wie zu kurzen Wellen
die langsamen Schwankungen des grofsen Seeschiffs.
Robert Brown's Active Mohcules waren also auch noch
keine belebten Urtheilchen der Organismen. Dafs ein Mann wie
er so irren konnte, zeigt, wie tiefe Wurzeln die Überzeugung
geschlagen hatte, es müsse solche Theilchen geben. Dem da-
mals herrschenden Yitalismns schien es, als würde den Lebens-
kräften, die man die Wunder der Organisation verrichten liefs,
ihr Geschäft erleichtert gleichsam durch Vervielfältigung der
Etappen, durch Kleinheit des Bezirkes, in welchem sie feind-
lichen anorganischen Kräften entgegen die organischen Aufgaben
zu erfüllen hätten. Oken,*' Heusinger," Purkinje'* und
A. F. J. Carl Mayer"* (in Bonn) behaupteten dergestalt theo-
retisch das Dasein organischer Urtheilchen, in denen eine £n-
telechie walte, die sie Monaden nannten, und zum Theil, ganz
wie Buffon, als Infusorien und Zoospermien ein selbständiges
Leben führen liefsen. Ähnlichen Meinungen begegnet man um die-
selbe Zeit in Frankreich bei RaspaiP^ und Dutrochet. '^
Man weifs wie, nach den ernsten Arbeiten noch eines Jahrzehends
mit dem verbesserten Mikroskope, schliefslicli der Gedanke or-
ganischer Urtheilchen durch Hrn. Schwann's epochemachenden
846 Nachtrag.
^Untersuchungen^ verwirklicht ward. Jeder Orgaoismafi ist am
nun wirklich ein Aggregat mehr oder minder zahlreicher kla&e
Einzelwesen, deren Eigenschaften die Eigenschaften des GesaniBr
Organismus fast so wiederholen , wie die Eigenschaften der Krr-
stallniolekein die Eigenschaften des Krjstalls; welche anfeige«
Hand sich ernähren, umbilden, bewegen, fortpflanzen, und dorc^
die Summe ihrer normalen und anomalen Verfinderangeo <k
entsprechenden Yerfinderungen des Organismus bewirken. Wir
nennen diese Wesen nach Hm. B rucke's Vorschlag Elesmißf-
Organismen^*, eine Bezeichnung, welche alles Hypothetische asi
Streitige in ihrer Natur unberührt Ififst Freilich halten vir. cüt
Hrn. Schwann in seiner, im Einzelnen immerhin nicht obenil
zutreffenden, sonst aber für alle Zeit tief richtig gedachten ^Tlieon«
der Zellen '^, die Veränderungen der Elementarorganismen, hh «^
eines Besseren belehrt werden, für gleichartig mit 6ta ^e^
gangen der anorganischen Natur. Statt von einer Entelechie leiui
wir sie von den unveränderlichen Kräften der Atome, tmd ib
Besonderheit von der besonderen Zusammenfugnng der Materie k
den Organismen ab. In Hrn. Schwann's Augen hatten die Zeih
mit den Monaden nichts mehr zu schaffen. Dennoch dankte d
Zellenlehre die Bereitwilligkeit, mit der sie aufgenommen ward'
zum Theil dem Umstände, dafs darin für Viele der nie wieder
ganz vergessene L ei bni zische Gedanke gleichsam Fleisch vtra:
und der diese Lehre am lebhaftesten ergriff und am wärmfiten vi^
trug, Johannes Müller, war dieses Zusammenhanges so entseb>^
den sich bewufst, dafs er in seinem „Handbuch der PhysiologW*
unter Hinweis auf die Lei bniz-Herbar tische Monadologie. Tu*
die Zellen den Namen „organische Monaden '^ vorschlug." I^
selben Namens bediente sich auf denselben geschichtlichen Gm:
hin auch Hr. Henle bei seiner ersten theoretischen Darstellst;
der Zellenlehre in der „Allgemeinen Anatomie.^ '^
Die Leibni zische praestabilirte Harmonie stand in gerades
Gegensatze zur Aristotelischen oder Locke'schen Lehre, äa'
die Seele ursprunglich eine Tabula rasa sei, auf der die Vorstellcr
gen erst allmählich durch die Sinnes Wahrnehmungen eingetrsg.
werden, ja die Novveatuc Essais waren, wie ihr Titel zeigt, «^
drucklich auf die Kritik des Sensualismus gerichtet. Dies ist ^'
der praestabilirten Harmonie, wie sie Lei bni z sich dachte. «^
Seite, welche bis heute lebendig und wirksam in der WissenK-
Nachtrag. 847
blieb. Die Physiologie bedient sich jenes Ausdruckes auch, um
das unerklärte zweckmfifsige Ineinandergreifen der Vorgänge im
Thierkörper zu bezeichnen, wie man z. B. ein solches annehmen
inufs, um die zweckmäfsigen Bewegungen enthimter Thiere durch
Reflexmechanismen zu erklären, anstatt mit Hrn. Pfluger dem
Ruckenmarke sensorische Functionen zuzuschreiben. Doch wird
unter praestabilirter Harmonie schlechthin gewöhnlich die Lehr-^
meinnng verstanden, dafs es der Aufsenwelt entsprechende ange-
bome Vorstellungen und Verstandes- Kategorien gebe.
Hier wfire nicht Ort noch Zeit, den Verlauf des seit Leibniz
über diese Lehrmeinnng geführten Streites auch nur anzudeuten.
Nur die Stellung, welche dazu die neuere Physiologie einnimmt,
i8t hervorzuheben. Durch die den Physiologen mehr als den spe«
culativen Philosophen nah liegende Zergliederung der Sinneswahr-
nehmungen wurden erstere meist dazu gefuhrt, sich Locke's An-
sicht anzaschliefsen. Schon Johannes Müller'^ sprach sich in
einer lichtvollen Auseinandersetzung wider die angebornen K an ti-
schen Kategorien und für die Meinung aus, dafs das einzige nr-
sprungliche Vermögen des menschlichen Geistes darin bestehe, ans
den durch die Sinne zugefübrten Vorstellungen allgemeine Begriffe
zu bilden; im Gegensatz zu den Thieren, welche höchstens zur
Association gleichzeitig wiederkehrender Eindrücke sich erheben,
wie Stock und Schläge, Hutaufsetzen des Herrn und Spazieren-
gehen solche für den Hund sind. Sogar der CausalitätsbegrifF
braucht nicht angeboren zu sein, sondern man kann sich denken,
daf3 der verallgemeinernde Verstand ihn aus dem regelmäfsigen
Zusammentreffen der Vorstellungen ableitet.
Zu ähnlichen Aussprüchen ist neuerdings Hr. Helmholtz
gelangt, als im Verfolg seiner Bearbeitung der physiologischen
Optik die altberühmte Frage nach dem Ursprünge der Raunivor-
stellang ihm entgegentrat." Hr. Helmholtz setzt die beiden
Lehrmeinungen, die der angebornen und die der erworbenen Vor-
stellungen, einander gegenüber unter dem Namen der nativistischen
nnd der empiristiaehen Theorie. Er besteht darauf, dafs, bis die
Unmöglichkeit bewiesen sei mit dem Empirismus auszukommen,
der Nativismus als ein Unerklärliches zurückzuweisen sei. Was
insbesondere die Deutung unserer Netzhautbilder betrifft, so lassen
seine Ausführungen keinen Zweifel, dafs, unter der Voraussetzung
des Vermögens allgemeine Begriffe zu bilden, durch das Znsani-
848 Nachtrag.
roenwirken der Netzhautbilder mit TastempfindaDgen uod ßetr
gungen, die Raum Vorstellung entstehen könne. Wie in der m"^
folgenden Lebenszeit Gehen und Sprechen augenscheinlich eHrr^
i^erden , so gehen die ersten Monate des Lebens darüber bin, lü^
nicht minder schwierigen Künste, des Sehens und Greifens za er-
lernen. Molyneux* sogenanntes Problem, ob ein BliodgebonM^f
sehend gemacht eine Kugel von einem Würfel unterscheiden vü^-
die er schon früher durch den Tastsinn zu unterscheiden wbjsi«».
scheint durch mehrere Beobachtungen, namentlich doith (k
lilteren Fall von Che seiden und den etwas neueren von Wa r-
drop, dahin entschieden, dafs der Operirte seine Gedcfat«-
eindrücke nur mangelhaft zu deuten versteht
Die metamathematischen Untersuchungen von R i e ni a o n , Hm
Helm hol tz u. A. über die der Geometrie zu Grunde liegeadm
Thatsachen haben dieser Anschauungsweise eine neue Stütie ui-
liehen. Sie haben gezeigt, dafs Gröfsencomplexe mit den wf^:-
liehen Eigenschaften des Raumes sich logisch denken lassen, ü
nicht unser gemeiner Raum mit seinen drei Dimensionen ^^
Die Vorstellung dieses Raumes, wird daher geschlossen, b^
keine angeborne, sie mufs eine erwotbene sein."
Eine Reihe von Problemen, der Frage nach den angeborttc*
Vorstellungen verwandt, bieten die durch an sich mehr gldcbgi^-
tige Sinneseindrücke hervorgerufenen Empfindungen der Lust m^
Unlust, sowie die instinctroäfsigen Strebungen, dar. Anch \k
handelt es sich darum, ob das Urtheil über Schön und HiI^bu
über Angenehm und Widerwfti*tig, ob der Trieb zu bestimmt^-
Handlungen der Seele ursprünglich eingepflanzt sei, oder ob »v
Gründe angeben lassen, welche, . wenn auch unbewuf^t, cs^^'
Gefühl und unsere Thfitigkeit bestimmen.
Ein solches R&thsel liegt vor in der Wirkung gleichzeiti^t^
oder einander folgender Töne in Harmonie und Melodie. In seifig ^*
erstaunlichen Werk über die Tonempfindungen hat Hr. Hein*
holtz versucht, für den Unterschied, den unser Ohr zwiscb^'
Consonanz und Dissonanz macht, den zureichenden Grund vsr^
geben. Er hat gezeigt, dafs die Obertöne von Tonen, derf^
Schwingungszahlen in einfachem Verhfiltnifse stehen, miteinasi^'
keine, oder nur solche Schwebungen machen, welche noch c^'
als widerwärtige Rauhigkeit, unerträglich wie das Flackern ris'
Lichtes, empfunden werden, und durch Verwin-ung der Klangroa.^
Nachtrarj. 849
die Seele in peinliche Ungewifsheit versetzen. Er hat diese Lo-
sung des alten Pythagoreischen Problems auch auf die Construc-
tion der Tonleitern, ja auf d^ Melodie ausgedehnt, indem er als
Bedingung wohlgefälliger Klangfolge die Verwandscha/t der Klänge
bezeichnet. Sie besteht darin, dafs die einander folgenden Klange
gemeinschaftliche Obertone besitzen, gleichsam miteinander reimen.
Eine melodische Wirkung an Obertonen armer Klänge^ vollends ein-
facher Tone ist nach ihm nur dadurch möglich, dafs wir die zu-
gehörigen Obertöne in der Vorstellung unbewufst ergänzen.
Wir wissen also nun, dafs gleichzeitig erklingende Töne von
einfachem» Schwingungsverhältnifs eine unangenehme Nebenwirkung
nicht haben, welche Tönen von minder einfachem Schwingungs-
verhältnifs eigen ist. Verstehen wir aber darum, weshalb solche
Tone eine angenehme Wirkung üben? Warum entzückt denn
mein Ohr jener ruhige Flufs, in welchem consonirende Töne ne-
beneinander abfliefsen? Was vollends die Melodie betrifft, so wird
keine solche Deutung je verständlich machen, weshalb eine be-
stimmte Tonfolge nach bestimmtem Zeitmafse mein Herz mit
schmerzlich süfser Rührung füllt, weshalb eine andere zu todes-
muthigem Vorstürmen mich entflammt. Die Erklärung der Melo-
die, welche Diderot Rameau^s Neffen in den Mund legt, sie sei
eine Nachahmung der Sprache der Leidenschaft,'^ ist nicht be-
lästigend, wie die Haller's, der meinte, hohe und schnelle Töne
erheiterten, tiefe und langsame betrübten uns, weil wir in der Freude
schnelle und hohe, in der Trauer langsame und tiefe Töne von uns
gaben;" aber sie pafst einigermafsen doch nur auf das Recitativ,
^^elcbes keine Melodie ist. Die positiv angenehme Wirkung der
Harmonie und der Melodie, zu der sich bei letzterer eine spe-
cifiscbe psychische Wirkung gesellt, sind ein unergründliches Ge-
heimnifs, und es ist ziemlich einerlei, ob wir unsere Unwissenheit
in dieser Form bekennen, oder indem wir sagen, zwischen den
sinnlichen Eindrücken und der Seelenbewegungen herrsche eine
praestabilirte Harmonie.
Diderot*8 Definition der Melodie gehört demselben Kreise
seichter rationalistischer Erklärungen an, wie die im vorigen Jahr-
hundert geläufige Erklärung der Liebe aus den Tugenden des ge-
liebten Gegenstandes, die Abbe Prevost durch seine Manon Les-
caut widerlegte. In Wahrheit ist nicht einmal eine Erklärung für
di(» Anziehung denkbar, welrlie die schönen Formen des einen
850 Nachtrag,
Geschlechter anf das andere üben, geschweige für die indiriduflk
Neigungen, denen Liebe entspringt.
Doch sind dies besonders dunkle Problenoe, bei denen ^
unter Ariderem schwer ffiUt, aus den zu erklärenden geistigen Be-
ziehungen den Antheil zu scheiden, der von unserer Bildang, r<:
fruheren Eindrucken stammt. Die Begriffe musikalischer o».
plastischer Schönheit wechseln so sehr vom Einen anim Aodma.
von Volk zu Volk, dafs es mifslich wäre, auf Beispiele allein ar«
dieser Sphaere die Annahme einer praestabilirten Harmonie r.
stutzen. Sieht man aber zahllose sonst sehr stumpfsinnige TliiVr?
in kürzester Frist den vollständigen Gebranch ihrer Sinne csJ
Glieder erlangen, Kalb und Füllen neugeboren auf die müner-
liehen Zitzen zugehen, gleichviel ob durch das Gesicht, oder, vie
Hr. Helmholtz vermuthet, durch den Geruch geleitet'*; $ieVt
man Schmetterling und Libelle auf kaum fertigem Flügel in di«*
Lüfte steigen, Küchlein picken und Entchen schwimmen; enrä^
man die mannigfaltigen Kunsttriebe, die bei jedem Individunn
einer Species zu gewissen Lebenszeiten auch unabhängig von d**
äufseren Umstfinden sich einstellen, auf welche sie berechnet schö-
nen, und die allein sie hervorrufen könnten: so verzweifelt man a:
der Durchfuhrung der empiristischen Ansicht, und fühlt sich wider-
willig, doch unausweichlich, auf eine praestabilirte Harmonie r:-
rückge wiesen.
Gegenüber solch überwältigender Masse des Unerklarlicli
verliert man dann die Freude daran, diese Masse um einen vrT-
schwindenden Bruchtbeil dadurch zu verringern, dafs man in ein-
einzelnen Falle, am menschlichen Kinde, mühsam ausfuhrt» wie -^
durch eine unbewufst bewufste Thfttigkeit wohl dazu gelanirü
könne, seine Sinneseindrücke richtig zu deuten, den Raum ci
sich zu entwerfen, seine Glieder passend zu bewegen, und c
Satz vom zureichenden Grunde zu finden. Für angeboren -r.
strengen Sinne, d. h. für zur Zeit der Geburt bereits vorlian^i:
braucht man darum diese Kenntnisse und Ffihigkeiten nicht 71
halten. Sie können in einem gewissen Alter noch fehlen url
später plötzlich bemerkt w^erden, ohne dafs das Kind sie in i >
Weise sich erwarb, wie die empiristische Theorie meint. Das E:
stehen des Gedfichtnisses , der geschlechtlichen Vorstellungen "J
Strebnngen, das von Goethe beobachtete Wachsen specifischer T
lento ohne Übung,*' und eine Menge ähnlicher Thatsachen »chri'
Nachtrag. 851
SU lehren, dafs im Gehirne die Bedingungen für gewisse geistige
Vorgänge mit der Zeit von selber sich herstellen, heraufgeführt
durch das Wachsthum des Organes, ganz wie dies mit den £nt-
wickelungszust&nden und Leistungen anderer Organe zweifellos
dei- Fall ist Während also beim Kälbchen schon während des
Poetallebens eine Gehirnentwickelung geschah, vermöge deren
das neugeborne Tliier im Räume Bescheid weifs, seine vier Fufse
iii richtiger Folge zu setzen und seinen Schwerpunkt zu unter-
stutzen versteht, geht beim Kinde die entsprechende Entwickelung
erst nach der Geburt, während der ersten Monate, vor sich.
Nach dieser Ansicht wären die Raum Vorstellung, die Verstan-
des-Kategorien, weder angeboren noch erworben, sondern sie
Avuchsen dem werdenden Geiste allmählich zur richtigen Zeit von
sell^r zu. Damit aber verständlich werde, warum ein sehend ge-
machter Blindgeborner ein an das Licht gelassener Caspar
Ilauser seine Gesichtseindrucke mangelhaft deutet, mufs freilich
hinscugefügt werden, dafs zur normalen Entwickelung der Sehsinn-
substanz normale GesichtseindrGcke gehören: wofür es an Analo-
gien nicht fehlt.
Über die Art, wie die geistigen Vorgänge und die Vorgänge
im Gehirne miteinander zusammenhängen, wird hier nichts vor-
an sgesc^tzt, als dafs diese für jene die nothwendige Bedingung zu
sein scheinen. Die Physiologie ist zwar die Wissenschaft von den
iiiiberen Bedingungen des Bewufstseins in der Welt; doch ist
leicht zu zeigen, dafs es nie gelingen kann, auch nur die ersten
Stuten des Bewufstseins, Lust und Unlust, denkend zu begreifen.
Das also ist der Sinn, in welchem von einer praestabilirten Har-
monie zwischen unseren Vorstellungen und der Welt noch die
Rede sein kann. Allein ehe wir uns zu ihrer Annahme auch nur
in dieser Gestalt bequemen, wird es angemessen sein, zu versuchen,
ob ein für unseren Verstand so peinliches Zugeständnifs sich nicht
noch irgendwie bedingen lasse. Und es scheint allerdings, als ob
neuere siegreiche Fortschritte der Wissenschaft uns erlaubten, die
Marksteine unserer Krkenntnifs weiter hinaus zu schieben, und der
praestabilirten Harmonie das supranaturalistische Gewand abzu-
streifen, das ihr noch von Leibniz her anhängt.
Eine der Grundthatsachen, auf denen die Darwin 'sehe Theo-
rie ruht, ist die Möglichkeit der Vererbung aller erdenklichen kör-
perlichen und geistigen Besonderheiten und Fähigkeiten, welche
[1870] 58
852 Nachfrag.
durch die Neigung zur VarietSteobilduDg entstehen. Sie köoaa
auf den Keim fibergehen, können während langer £ntwickelQS|^
abschnitte schlummern, und unter geeigneten Umständeu, als wäm
sie durch diese hervorgerufen, plötzlich in aller Starke sieh 1k>
thfitigen. So hat der grofse Britische Denker und Forscher dai
R&thsel vieler sonst nur durch praestabilirte Harmonie zu erkli-
render, d. h. unbegreiflicher Knnsttriebe glucklich gelöst.
Sollte man sich nicht denken können, dafs auch die söge
nannten angebornen Ideen dergestalt ein naturliches ErbtheU im-
seres Geschlechtes seien? Sollte nicht hierin die wahre EntsdKi-
dung des alten Streites zwischen Empirismus und Nativismos Ik-
gen, eine Entscheidung, die zugleich eine Yersöhnang wäre, ds
beide Theile Recht behielten? Denn indem diese Anscluuiacf
die praestabilirte Harmonie für das menschliche Individuum zs-
Ififst, wie in Dingen des Instinctes ffir die einzelne Biene oder
Ameise , l&fst sie für das ganze Geschlecht die sensoal istische Ai}-
sicht gelten. So bietet sie uberdiefs noch einen VortheiL Di?
schwierige Arbeit, welche der Sensualismus dem einzelnen Meih
schenkinde während der ersten Lebensmonate zumuthet, Ton dece&
es noch dazu etwa elf Zwölftel schlafend verbringt, vertheilt sie acf
eine unermefsliche Reihe von Geschlechtem, die sich, ihre Errnfi-
genschaften durch Vererbung steigernd, folgweise an jener Arbeit
betheiligen. Abermals trifft hier die Lei bnizi sehe Lehre zosao-
men mit der Lehre Darwin 's, um durch sie formell bestätigt, des
Inhalte nach aber besiegt zu werden: denn es ist dergestalt 6\^
praestabilirte Harmonie gleichsam in den mechanischen Weltpr»-
cess aufgenommen.
In den mittelalterlichen Bauten Italiens sieht man ofl Tempil-
trummer einer versunkenen Religion als Werkstucke eingemaoert
Seiner Bestimmung entfremdet, kaum kenntlich, fesselt der mar-
morne Architrav einen Augenblick den sinnigen Wanderer. Acht-
los vorüber eilt die Menge. So birgt der unscheinbare, aber sicherr
Bau heutiger Empirie manche Trummer einer glänzenden, einst dk
Wissenschaft beherrschenden Speculation, in' der unsere Zeit d»'
Heil nicht mehr sucht. Von Vielem, was wir, des Ürsprun^ft'
unserer Schätze nicht immer eingedenk, das Unsere nennen, kü&Dtf
Leibniz, nach zweihundert Jahren wiederkehrend, im sicheres
Gefühle geistiger Urheberschaft sagen: Das ist Geist von meinen
Geist, und Gedanke von meinem Gedanken.
Nachtrag, 853
Anmerkungen.
' 6. 6. Leibnitii Opera philosophica etc. £d. J. E. Erdmann.
Berolini 1840. 4^ p. 758.
« L. c.
* L. c. p. 775. »Les forces ne sont [pas] ditruites, mais dissipees
^parmi les parties menues. Ce n^est pas les perdre, mais c'est faire comme
^fönt ceux qui changent la grosse monnaie en petite.**
* L. c. p. 476.
* L. c. p. 705.
* Kuno Fischer, Geschichte der neaern Philosophie. Heidelberg
1867. Bd. U. S.289.
^ Oeuvres de Denis Diderot. Paris 1798. t VI. 266. 267.
* L. c. p. 724.
' L. c. Monadologie. §. 67. 68. p. 710.
^® Animaicula Infusoria flnviatilia et marina, opus posthamum. Cnra
Othonis Fabricii. Havniae 1786. 4. p. 1. 4.
^ ^ Histoire naturelle, generale et particnli^re. Aux Deux-Ponts 1785.
t. IV. p. 22: «Les etres vivants contiennent une grande quantite de mo-
^lecules Vivantes et actives; la vie de Tanimal ou du vegetal ne parait Stre
,qne le resultat de toutes les actions, de toutes les petites vies particuli^res
,^s''i] m'est permis de m^exprimer ainsi) de chacone de ces mol^cules ac-
^tives, dont la vie est primitive et parait ne pouvoir Stre detruite,** etc.
»» L. c. p. 125. 527, 711.
*> Oeuvres de Funtenelle etc. Paris 1792. p. VIL Eloge de Hart-
soeker. p. 216. 217.
** L. c. p. 711,
1 » Yergl. diese Berichte, 1868. S. 49.
'* Consid^rations sur les Corps organises etc. Amsterdam. 1762.
t. I. p. 95 et suiv.
'^ Vergl. Rixner, Handbuch der Geschichte der Philosophie. Sulz-
bach 1823. Bd. m. S. 224.
' ' A Brief Account of Microscopical ObservationS . . . on the Particles
eontained in the Polleu of Plauts; and on the General Existence of Active
Molecules in Organic and Inorganic Bodies. — Als MS 1828 in London
gedruckt
^* Mikroskopische Untersuchungen über des Herrn Robert Brown
Entdeckung lebender, selbst im Feuer unzerstörbarer Theilchen in allen
Körpern, und fiber Erzeugung von Monaden. Carlsmhe und Freiburg 1828. 4°.
58*
854 ^Nachtrag.
'^ Poggendorff^g ADnalen u. s. w. 1863. Bd. CXVm. 8. T>£
' ' UDtenuchaiigeii aber B r o w n *8 Molecolarbewegong. In den Siira^
berichten der Kab. Akademie der Wissenschaften zu Wien. 1867. Bd. L^.
S. 116.
" Oken, Die Zengnag. Bamberg and Wfirzbuig 1805. S. S1.
" De Organogenia. Particola L de Materia oiganicm amorpha. Pr-
gramma. Jenae 18f}w 4^.
>^ S. in Joh. Mfiller*8 Handbach der Physiologie. CoUenf 1I4Cl
Bd. II. S. 555.
'^ Supplemente znr Lehre vom Kreisläufe. Heft 1. Bonn 1827. V.
S. 21; — Heft 2. Bonn 1836. S. 41; — die Metamorphose der Koosdn.
Bonn 1840.
'* Chimie organique. §. 831. 832. 1656. 4421 et suir. — Otat (
Henle, Allgemeine Anatomie u. s. w. S. 128.
'* Memoires pour serrir a THistoire anatomique et phjsiologiqBe i'-
Vegetaux et des Animaaz. Paris 1837. t IL p. 468.
>8 Wiener Sitzungsberichte, 1861. Bd. XLIV. S. 381 IE.
'» A. a. O. Bd. n. S. 655.
*« A. a. O. Leipzig 1841. 8. 127. 132.
>i Handbuch der Physiologie. Bd. IL S. 517.
" Handbuch der physiologischen Optik. Leipzig 1867. S. 427 £
*' Helmholtz, Les Aziomes de la Geometrie, in AlglaTe't Refir
des Cours ecientifiques et litteraires. 1870. p. 498. — Ans der Aeoäe-}
übersetzt.
'^ ,Le cbant est une Imitation, par les sons, d*une echeOe inTcair*
»par Tart ou inspiree par la nature, comme il voos plaira, ou par la tv:i
,ou par linstrument, des bruits physiqaes ou des accents de la pacsioB.*
'^ „Mihi quidem res non adeo dif&cilis videtnr. Lactitiam aosp'
„homines excitatis et celeribus sonis, tristitiam lentis et grmviboi ab ipa
, natura docti exprimunt . . . Quare ex lege adsociationis ideamm, tukn.
,soni eum in cerebro et in mente statum revocant, cujus signa sant ü c«l«rr«
,»soni, et graves pariter eum animi adfectum restituunt, cojas dialecto« U
«gravibus tonis est.*' Elementa Physiolog.ae Corporis hummoi. 4^. L V
l^usannae 1763. p. 504.
'* Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sebena. Prea&is^^
Jahrbucher 1868.
'^ Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahmi 5^
nes Lebens. Leipzig 1836. Tb. IL S. 132. 133.
MONATSBERICHT
DER
KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu BERLIN.
December 1870.
Vorsitzender Sekretär: Herr Haupt.
l. December. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kummer las:
Über eine Eigenschaft der Einheiten der ans den
Wurzeln der Gleichnng a^ = l gebildeten complexen
Zahlen und über den zweiten Faktor der
Klassenzahl.
Die Einheiten der complexen Zahlen sind, wenn man von den
einfachen Einheitswurzeln absieht, welche als Faktoren hinzutreten
können, stets reale Grofsen. Betrachtet man eine beliebige solche
Einheit mit allen ihren conjugirten zusammen, so crhfilt man eine
Reihe von realen Grofsen, welche im Allgemeinen zum Theil po-
sitiv, zum Theil negativ sein werden, welche aber in dem beson-
deren FaUe, wo die gegebene Einheit ein Quadrat ist, nothwendig
alle positiv sind. Hieran knüpft sich nun die Frage, ob auch um-
gekehrt alle diejenigen Einheiten, welche die Eigenschaft haben,
dafs sie mit allen ihren conjugirten nur positive Werthe haben,
vollständige Quadrate von Einheiten sein müssen, oder wenn dies
nicht der Fall ist, welche weitere Bedingungen hierzu nothig sind.
Diese Frage ist es, welche ich hier für die aus Aten Einheitswur-
zeln gebildeten complexen Zahlen erörtern will; sie hat auch da-
rum ein besonderes Interesse, weil ihre Lösung eine neue Eigen-
schaft des schwer zugänglichen zweiten Faktors der Klassenzahl
ergiebt, nämlich eine Bedingung seiner Theilbarkeit durch Zwei.
[1870] 59
I
856 Gesammtsitzung
Es Bei y eine primitive Wurzel der Primsahl >., femer sei - . •
der kleinste positive Rest von y\ nach dem Modal X, nnd a^ = *. |
so wird das System der conjogirten Kreisthdlungseinheiten darg^
stellt darcb
für 1; = 0, 1, 2, ... |tA — 1, wo fi, wie auch in dem Folgend
gleich ist. Weil
2t . . . 2ir
a = cos h t sm — - >
eo.
so hat man auch
sm
woraus man ersieht, dafs ej^ positiv ist, wenn y^^ und y^^i beme
zugleich kleiner als ^, oder beide zugleich grufser als ^ sind ond
dafs «A negativ ist, wenn von den beiden Zahlen yj^ und 7t-»>i ^^-
eine grofser als ^, die andere aber kleiner als ^ ist. Da
ist, so folgt, dafs die Anzahl der negativen unter den conjngirtm
Kreistheilungseinheitcn eine ungrade ist, dafs diese also niemab
alle positiv sind,
£s soll nun weiter untersucht werden, unter welchen Bedin-
gungen eine aus den Kreistheilungseinheitcn zusammengesetzte Eic-
hel t, welche sich als ein Produkt von Potenzen der conjagirtrs
Kreistheilungseinhciten darstellt, die Eigenschaft haben kann, da'>
sie mit allen ihren conjugirten nur positive Werdie hat. Es s>ei
die zu betrachtende Einheit
X .T
vom i. December 1870.
857
ro j;, o;, , .... Xu.i irgend welche ganze Zahlen sind, so handelt
s sich darum diese Exponenten so zu hestimmen, dafs allgemein
ositiv sei , für jeden der Werthe k = 0 , 1 ^ 2 ^ .».. fx — i. Ich
•estimme nun die Zahl Cj^ so, dafs sie für jeden Werth des A; nur
inen der beiden Werthe 0 oder 1 habe und zwar:
Cjfc = 0 für die Werthe des Ar, für welche «^ positiv,
c^ = 1 für die Werthe des k, für welche #4 negativ ist.
3Ie Bedingung, dafs Ej^ positiv sei, ist alsdann gleichbedeutend
nit der, dafs
CigX -f- Cj^+iXi -h Cj^+^Xi 4- .... 4- Cjg^i a?^«i
nne grade Zahl ist und weil diese Bedingung für jeden der fx
Werthe des k erfüllt sein soll, so hat man das System der Con-
gruenzen:
(C.)
ex -h Ci a:, H- c,^2 -H
CiX -h C^Xi -4-CjJ?2 -h
-4- c^— 1 x^^i = 0 ,
-h CX^^i = 0 ,
H-Ci«M-i =0,
mod. 2.
Cm-1 X -i- cxi 4- Ci Äj 4-
Cft-^^Xfi^l ^zz 0 •
Dieses System l&fst sich wie bekannt durch die lüiten Wurzeln der
Einheit auflösen; bezeichnet man mit w eine jede beliebige primi-
tive oder nicht primitive Wurzel der Gleichung «?" = !, multipli-
clrt diese Congruenzen der Reihe nach mit l,u;,to', .... u?""^ und
addirt, so erhält man
(D)(c+Cito4-c»tö'4 l-c^_i«;**~')(j;H-a?,M>~*4-X8M'~*H hx^^t^)
= 0 , mod. 2.
Ich setze nun zur Abkürzung
59^
(
858 GesamnUtitzung
so bt die Determinante dieses Systems Ton Congmenzen glci
der Tollstandigen, über alle primitiven und nicht primitiTcn ^v-
zeln der Gleichung to" = 1 sich erstreckenden Norm von vV.
welche ich durch N4/(to) bezeichne. Wenn nun diese Detera-
nante N^i/ (w) nicht congruent Null ist, mod. 2, so müssen bekanr-
lieh alle Werthe der Unbekannten x, Xi, ....x^.i einzeln congrt*
ent Null sein, nach dem Modul 2, also die Einheit E mu£s in di-.
sem Falle ein ToUstfindiges Quadrat sein.
Wenn nur E eine Einheit ist, welche sich nicht als ein Pro-
dukt von Potenzen der Ereistheilungseinheiten darstellen lälst, m
läfst sich nach einem bekannten Satze doch stets eine bestiniBt«
Potenz von E in dieser Weise ausdrucken und man hat allgeac:
für jede Einheit E eine Gleichung von der Form
Jlv ^— * C C| 6] •••• Cfg^m\ f
WO n, X, Xi , • . . . x^.i ganze Zahlen sind, deren eine man gleidi KiC
nehmen kann, und welche nicht alle zugleich einen gemeinschaftüdiii:
Faktor haben. Wenn nun N'4/(to) nicht durch 3 theilbar ist, so
kann E^ mit seinen conjugirten nicht stets positiv sein, ohne d»k
X, Xj , .... x^_i alle grade sind; alsdann mufs n, welches nicht mit
allen diesen einen gemeinschaftlichen Faktor haben soll, nugn&t
sein und weil £J" ein Quadrat ist und n ungrade, so mufs E seU^
ein Quadrat sein. Man hat demnach folgenden Satz:
„Für alle diejenigen Werthe der Primzahl >., für welche
„die vollständige, über alle der Gleichung to" = l 9^
„nügenden fx Werthe des w sich erstreckende Nora
(I.) jyNy]y(w) nicht durch 2 theilbar ist, ist eine jede w»
„>.ten Einheitswurzeln gebildete Einheit, welche mit
„allen ihren conjugirten nur positive Werthe bat, notih
„wendig ein Quadrat einer Einheit
Die Bedingung, dafs die vollständige Norm N4^(ic) nidit
durch Zwei theilbar sei, ist identisch mit der Bedingung, dafs ^
erste Faktor der Klassenzahl der aus >.ten Einheits wurzeln gebil-
deten complexen Zahlen nicht durch Zwei theilbar sei. Um lÜ^
zu zeigen, verwandle ich den Ausdruck der. complexen Zahl ^^M
in folgender Weise:
vom i. Becemher 1870. . 859
Es sei T der Index von 2, für die primitive Wurzel 7, oder
f = 2, mod. >., so ist
27* = 7*+r y wenn 7» < t »
27* = 7jt+r + ^ > wenn 7* > T »
sdso wenn 7;^ und 7;^+! beide zugleich < ^ oder beide zugleich
> \ sind, d. i. wenn Cjt = 0 ist, so hat man
27fc— 2 7fc+i == 7ib+r— 7fc+i+r»
wenn aber von den beiden Zahlen 7^^ und 7^+1 die eine grofser,.
die andere kleiner als ^ ist, d. i. wenn Cj^ =3 1 ist, so hat man
27* — 27*+! = 7ib+r — 7*+i+r =t >^ »
also in beiden Fällen hat man allgemein
27* — 27jt+i =» 7*^ — 7*+i+r =*= <^k^
und demgem&fs
Cjfc = 7jt+r — 7t+l+r > mod. 2.
Hieraus folgt
«-1 M-I
^(w) = ^fcCjtW* = 2:^(7;^^.^ — 7n.i+r) w* , mod. 2.
0 0
und weil für jeden Werth des ifc, 7^^.^ = X — 7^ und demgemäfs
74+^ — 7jt+i+M =7* — 7jk+i > mod. 2, ist und 10*^'* = w*, so kann
man diese Summe auch so darstellen:
(E.) vf/ iyo) = M?-^ >";t (7* — 7*+i ) w'* ) mod. 2.
0
Betrachtet man nun andererseits den ersten Faktor der Klas-
senzahl, welchen ich (Crelle's Journal Bd. 40 p. 110) so dargestellt
habe:
— 2"-' /,"-'
860 Gi
wo 2 eine priaiidTe Wanel der Gleichimg ß^"^ = 1 ist asd I
0(2) = l-hyi3-h7,5* H H7x-,a3^-* I
und welcher, wenn >3 eine jede Wurzel der Gleichung ,o* = ~i
bezeichnet, auch so dargestellt werden kann:
p,_ A>(3)
wo die Norm nber alle h Wurzeln der Gleichung ß*^ = — l sidi
erstreckt; so hat man znnficbst
(1 - 3-')H2) = 2 (7*- y^-.) iS*
ond weil
(7*+.- 7».+.) iß**' = (7*- 7*+.) 'S»,
SO ist
(1-/3-') 4» (-3) = 2 2*(7»-7.+.)/3*,
O
also wenn durch 2 dividirt und mit ß'*" roultiplicirt wird:
i^-' (1-/2-') ^(.5) = >K)3) ,
WO
v^(;3) = j2-"2(7»-7t+.)'e*-
0
Nimmt man nun die roUständige Norm in Beziehung auf alle
Werthe, welche der Gleichung ß'^ =s — 1 genügen, so hat man
iV(l — /J-*) = 2 und demgemafs
oder als Congruenz nach dem Modul 2:
P' = Nyl^iß) , mod. 2.
Die complexe Zahl \|/ (a3) hat nach dem Modul 2 ganz diesel-
ben CoefBcienten, als die obige complexe Zahl 4^(tc). Da fen^*
in den beiden Gleichungen ^ten Grades
com i. December 1870, 861
/3" = — 1 und to" = 4- 1
alle Coefficienten der einen den Goefficienten der andern congruent
sind, nach dem Modul 2, so folgt, dafs auch eine jede symmetri-
sche Funktion aller Wurzeln der Gleichung ß*^ = — 1 derselben
symmetrischen Funktion der Wurzeln der Gleichung «?•* = i con-
gruent sein mufs, nach dem Modul 2. Es ist daher
Nyl^ (w) = N4^ {ß) = P' , mod. 2.
Die Bedingung, dafs N^i/(w) nicht durch 2 theilbar sei, ist also
identisch mit der, dafs der erste Faktor der Klassenzahl nicht
durch 2 theilbar sei. Der obige Satz läfst sich daher auch so aus-
sprechen:
„Für alle diejenigen Primzahlen X, für welche der
„erste Faktor der Klassenzahl nicht durch Zwei theil-
(II.) „bar ist, ist jede complexe Einheit, welche mit ihren
„conjugirten nur positive Werthe hat, ein Quadrat einer
„Einheit.
Hieraus ergiebt sich nun unmittelbar die Bedingung dafür,
dafs der zweite Faktor der Klassenzahl nicht durch 2 theilbar sei.
Wenn nämlich der zweite Faktor der Klassenzahl durch Zwei theil-
bar ist, so giebt es notliwendig eine Einheit E von der Art, dafs
wo x, Xi,..Xfjt^i ganze Zahlen sind, deren eine gleich Null genom-
men werden kann, und welche nicht alle den gemeinschaftlichen
Faktor 2 haben. Wenn aber der erste Faktor der Klassenzahl
nicht durch 2 theilbar ist, so giebt es keine solche Einheit
welche mit allen ihren conjugirten positive Werthe hat, ein solches
Produkt von Potenzen von Kreistheilungseinheiten kann also nicht
ein Quadrat, also nicht gleich jEJ' sein. Hieraus folgt:
„Der zweite Faktor der Klassenzahl ist niemals durch
(in.) „Zwei theilbar, wenn nicht zugleich auch der erste
„Faktor der Klassenzahl durch Zwei theilbar ist.
862 GesamnUsitrung
Dieser Sats aber die Theilbarkeit der Elassenzahl durch 2 ist tqS- (
kommen analog dem früher von mir bewiesenen Satze ober di^
Theilbarkeit der Ellassenzahl durch X.
Wenn der erste Faktor der Klaasenzahl durch 2 theflbar ist.
also die Bedingung der Gültigkeit der oben aufgestellten Sätze (I.]
und (n.) nicht erfüllt ist, so giebt es stets Einheiten too der
Form I
welche mit allen ihren conjugirten nur positive Werthe habes,
ohne dafs die Exponenten x,jri.... alle durch 8 theilbar sbi |
Eine solche Einheit E ist nur in dem Falle ein vollständiges Qn-
drat, wo nicht nur der erste, sondern auch der zweite Faktor der
Klassenzahl durch 2 theiibar ist, welches im Allgemeinen nicht der
Fall ist, wie die folgenden ausgeführten Beispiele zeigen.
Unter den Primzahlen ?^ welche im ersten Hundert Hegnu
giebt es nur eine, für welche der erste Faktor der Klassenzahl
durch 2 theiibar ist, nSmlich X s= 29. Unter den 14 conjugirten
Kreistheilungseinheiten sind, wenn die primitive Wurzel 7 = 3 zu
Grunde gelegt wird, nur folgende fünf negativ:
es ist also
Cj = tf^ = Cg = Cj = e^Q = 1 ,
c = C| = C3 = Cj ^ Cg = Cy = Cjj = Cjj = Cj = 0 .
Setzt man diese Werthe der Grofisen c in das System der Coq-
gruenzen (C.) ein, so erhält man darch Auflosung desselben alle
Werthe der Exponenten x, die demselben genügen, dargesteUt darch
mod. f.
und durch die cjklischen Yertauschungen derselben, deren es nor
7 verschiedene giebt. Es folgt hieraus, da£s für X => 29 alle Ein-
heiten, welche mit ihren conjugirten nur positive Werthe habes.
durch die eine Einheit
E a= e e^ ^2 04 «7 «g €9 «11
vom i. December 1870.
863
und durch ihre conjugirten gegeben sind, mrenn man von den Qua-
draten von Ereistheiiungseinheiten absieht, welche beliebig hinzu-
treten können, weil die Exponenten x nur nach dem Modul 2 be-
stimmt sind. Die Ausdrücke der Ereistheiiungseinheiten sind hier:
e =
e^ =
eo =
e. =
Ca =
tfr =
«6 ==
«, =
«8 =
«9 ==
«10 =
«11 =
«12 "^
«13 =^
a
-3
--6
,-11
.-4
a
-12
a
-7
1 -h a® -h rt~*
1 -h rt* H- «~*
1 -h «1* -h «"**
1 -+- «*5 -h «"15
X -+- «10 _|_ ^-10
1-4- «9 +«-9
Aus diesen folgt:
« «1 «9 = — (« + «"*) ♦ «7 «8 «9 = — («" -+- «"**) 5
also
i^ = (« -4- «-!) («la + a"i2) (1 4- « -H «-i) (i + «w -+- «-i») .
Die Einheit E ist, wie man hieraus ersieht, nur von den vierglie-
drigen Perioden der Wurzeln der Gleichung a^^ = 1 abhängig, be-
zeichnet man diese, nach der primitiven Wurzel 7 = 3 geordnet,
durch t] 9 «Ix ' ^9 > ^3 » *74 ' ^5 ' ^6' ^^ erhält man durch Ausfuhrung
der Multiplikation
^ W = »Js (^ + ^5 -+- 0
und hieraus weiter
E(yi) = 4 4- 2>) 4- ri 4- 2^3 -H >?4 -+- rs -I- »jg
864 Gesammtsitznng
Um nun zu untersnchen , ob diese Einheit E(r;) ein ToIlAtlndifei \
Quadrat ist, oder ob nicht, reicht es hin von einer CongroenzW |
dingang nach dem Modul 4 (jebraoch zu machen , urelche jede
complexe Zahl /(tr) erfüllen mufs, wenn sie ein vollständiges Qca-
drat sein soll^ nfimlich die Bedingung
Wenn nämlich /(«) = (/>(«)' ist, so ist /(«) ^ <>>(«*), med. r.
also /(«)* = </>(«*)'» niod, 4, also auch /(«)* ^ /(«*), motL 4.
Damit E(r) ein Quadrat sei, mufs also E(r,y — -^(^j) ^0, mod.4.
sein. Die Ausfuhrung der Rechnung ergiebt aber
E{ry — E(r,^) = 2iii + U^ , mod. 4,
also nicht ^ 0. Die Einheit E{r) ist also nicht ein Quadrat; also
für A SS 29 ist der zweite Faktor der Elassenzahl nicht durch 2
theilbar.
Um noch ein zweites Beispiel dieser Art zu erhalten, habe
ich auch einige Primzahlen X im zweiten Hundert untersncht ond
unter diesen X = 113 als eine solche gefunden, deren erster Fak-
tor der Elassenzahl durch 2 theilbar ist-
Für X = 113 wird, wenn die primitive Wurzel «y = 10 ge-
nommen wird, ejt negativ und folglich Cj^. = 1 für folgende ^
Werthe des k:
ib » 1, 3, 4, 9, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 22, 24, 26, 27, 30,
31, 34, 35, 36, 37, 39, 42, 44, 45, 46, 49, 50, 51, 53.
Für die übrigen 27 Werthe des k ist Cj^ = 0. Die Auflösung dor
Congruenzen (C.) ergiebt nun folgende Werthe der Exponenten x:
x* = 1 für Ä: = 0, 7, 14, 21, 28, 35, 42, 49
1, 8, 15, 22, 29, 36, 43, 50
2, 9, 16, 23, 30, 37, 44, 51
5, 12, 19, 26, 33, 40, 47, 54
für die übrigen 24 Werthe des k ist x^ = 0, mod. 2. Setzt mao
nun
vom i. December 1870. 865
•"* = ^k ^*+7 ^*+14 ^JH-21 **+28 ^iH-85 ^ik+42 **+49 >
SO ist, abgesehen von Quadraten der Kreistheilungseinheiten,
E =s H ü^ Jje^ .Oi^
mit ihren conjngirten die einzige, als Produkt von Potenzen der
Kreistheilungseinheiten darstellbare Einheit, welche nur positive
Werthe hat. Um diese Einheit E^ welche wie man hieraus ersieht
nur aus den 7 Perioden von je 16 der Wurzeln der Gleichung
f^iis _. i zusammengesetzt ist, die ich nach der primitiven Wurzel
10 geordnet mit «} , t^^ , t^a 9 «fa 9 ^4 > rs > r« bezeichne, bemerke ich
zunächst, dafs
«+3 — «-3
ist. Wird nun der Abkürzung wegen
„y* ^ a-y* = e'j,
gesetzt, und
'* =* ^* ^ib+7 **+14 **+21 **+28 **+35 *JH-42 '*4-49 »
so zeigt die Ausfuhrung der Multiplikation, dafs sj^ gleich dem
Produkte zweier Perioden
ist, und dafs durch die Einheiten Hj H^ .., ausgedruckt
ist. Hieraus folgt weiter
also, wenn von dem quadratischen Faktor abgesehen wird,
'1 '3 »4 '5 = -^
und durch die Perioden ausgedruckt, wird
«1 '8 '4 '5 == ^2 U rs (Tii »53)* »
also, wenn wieder von dem quadratischen Faktor abgesehen wird,
1
866 GesammUitzung
stellt sich die Einheit, welche mit ihren conjugirten nur positiT« I
Werthe hat, dar als |
Die Aasfuhrong der Multiplikation ergieht:
iE(*j) = 12 — fj H- *jj 4- 2*j, -+- 1J4 — 4r« .
Wenn diese Einheit ein Quadrat sein soUte, 80 mülste, wie im
vorigen Beispiele gezeigt worden^
E(Ty — E(r,i) = 0 , mod. 4
sein; man findet aber
E(ry —Eirji) = 2»i + 2*ji -|- 2»J4 +215, -|- 2»j8 , mod. 4.
Es ist also E(i^) nicht ein Quadrat, and darum auch für >. = lis
der sweite Faktor der Klassenzahl nicht durch Zwei theilhar.
Nach dieser Methode läfst sich auch allgemein eine neue Be-
dingung dafür ableiten, dafs der zweite Faktor der Klassenzahl
durch 2 theilbar sei. Wenn dieser Fall statt haben soll, so mo^
es eine Einheit
geben, welche ein Quadrat einer Einheit ist, ohne dals die Expo-
nenten x,Xi ... x^_i alle durch 2 theilbar sind, wenn einer der-
selben gleich Null genommen wird, wo e(«), «(«^) .-.. e(ayß-^)
die oben mit e, ßi .,,. e^.i bezeichneten Kreistheilongseinheiten
sind, also
«(«) = =T •
et — « *
Hieraus erhält man
«(«) — «(« ) = — 5 i 5 rr-
^ 2((«»y—(t-'y)(l-~a-») — (a' — «-')(!— «-'''))
~ («' 4- «-' — 2) («' — a-»)
also wenn gesetzt wird
i
vom 1. December 1870. 867
«(«)* = e(«*) (l -4- 2/(a)) , mod. 4,
so erhalt man
Demnach wird
E(»y = Eiet^) (l + 2 (:r/(«) + x,/(«y) + ... +ÄM-i/(«^''"')))»
mod. 4.
Wenn nun E(a) ein Quadrat sein soll, so mufs^ wie oben gezeigt
worden,
E{ay = E(a^) . mod. 4
sein, folglich aach
welche Congruenz, weil sie ebenso für die ia mit et conjngirten
Wurzeln «, a^, ... «^ gelten mufs, ein System von ia Congru-
enzen repr&sentirt. Setzt man für /(a) seinen Werth ein, und
wendet das Summenzeichen an, so kann man dieses System von
Congruenzen auch so darstellen:
^ 0 , mod. 2.
v*»(r3^ -*- i_„'»v*-^') = ° '
Multiplicirt man nun mit a~'*^ und summirt in Beziehung auf
alle A — 1 verschiedenen Werth e der Wurzel «, so hat man
In den beiden Summen, welche sich über alle Werthe der Wurzel
et erstrecken, kann man statt dieser Wurzel eine beliebige andere
zu Grunde legen; setzt man daher in der ersteren Summe et statt
a'^ und in der anderen a statt a'^ "^^ so erhält man
<
868 Oesammtiitiung
v.xJS.— ^ -hi-.J ) =0,
^ 0 . mod. 3.
Aus der Gleichung
— X
= «-h 2ft* H- 3«* +.... -|-(X — 1)«^-' ,
1 — «
welche auch so dargestellt werden kann:
1 — rt
folgt aber, wenn mit a"'^^ multiplicirt und in Beziehung auf alle
X — 1 verschiedenen Werthe der Wurzel « der Gleichung
ff -f- (t
4- a H- 1 = 0 summirt wird :
1 — rt
und weil
X (X — 1)
1 4- Vi 4- 7» 4 H 7x-j = »
so folgt, wenn durch X dividirt wird:
^-r=7; = —2 — y--
Macht man von dieser Summation Gebrauch, so hat man:
Ai-l
-jt^t(VA-*+i — 7*-*) = 0 > mo^- 2.
0
Durch Multiplikation mit U7~\ wo w eine jede primitive oder nicht
primitive Wurzel der Gleichung w*^ r= 1 bezeichnet und durch
Summation in Beziehung auf die Werthe h = k, ifc4-l,... k-^u — i
wird dieses System von fA Congruenzen in folgende Form gebracht:
-* -A (7A--AH.I — 7*-*)«o' *"^***w'* = 0 , mod. 2,
0 k
vom 1. Deeemher 1870. 869
woraus endlich, wenn h in h -{- k verwandelt wird, folgt
M-l M-l
-A (Va+i — y») w;"*- ^k^vr^ = 0 , mod. 2.
0 0
Nach der ohen gegebenen Congruenz (E.) ist aber
-A (7a+i — 7a) w^"* = — «'"'"V («0"') » mod. 2,
0
also hat man
M-l
(F.) \f/ (mj-') . :£;t jTjt«'"* = 0 > mod- 2,
0
als neue Bedingung für die Bestimmung der Exponenten x, Xi ...
^M- 1 9 während die nach der anderen Methode gefundene bei (D.)
aufgestellte
^f/ (w) . i'^arj^to"* ^ 0 , mod. 2,
0
war. Die schon oben hieraus abgeleitete nothwendige Bedingung
dafür, dafs nicht alle Exponenten x, Xi ... x^^j congruent Null
sein müssen, nach dem Modul 2, dafs also der zweite Faktor der
Klassenzahl durch 2 theilbar sein könne, nämlich dafs die voll-
ständige Norm von Nf^(t^) durch 2 theilbar sein mufs, läfst sich
aber auch so aussprechen, dafs die complexe Zahl 4^(w) einen
complexen (idealen) Primfaktor von 2 enthalten mufs. Die Ver-
gleichung der Congruenz (F.) mit der obigen (D.) ergiebt nun,
dafs die complexe Zahl \(/(u;~~^) denselben complexen Primfak«
tor von 2 enthalten mufs als 4^ (w). Also
„Wenn der zweite Faktor der Elassenzahl durch Zwei
„theilbar ist, so enthält die complexe Zahl >^(u;~^)
' '^ „nothwendig denselben complexen Primfaktor von
„Zwei, welchen 4^(w) enthält.
Es ist leicht zu erkennen, dafs die nothwendige Bedingung dieses
Satzes für die Werthe X = 29 und X == 113 nicht erfüllt ist, dafs
also der zweite Faktor der Klassenzahl für dieselben nicht durch
Zwei theilbar ist, was oben durch specielle Ausrechnungnachgewie-
sen worden ist.
870 Geiammtiitzung
Die Methode, nach welcher diese nothwendige Bedingoxig der
Theilbarkeit des sweiten Faktors der Klassenzahl darch 2 gefim-
den worden ist, läfst sich mit demselben Erfolge auch auf die
Theilbarkeit dieses zweiten Faktors der Elassenzahl durch irgeod
eine ungrade von X verschiedene Primzahl q anwenden. Es mofa
hier die Einheit
eine qte Potenz einer Einheit sein, ohne dafs die Elxponenteo
X, jTi .... i;^_i alle dnrch q theilbar sind, wenn einer derselben
gleich Nall genommen wird. Eine nothwendige Bedingung dafor,
dafs E(ft) eine ^te Potenz sei, ist aber
E(cty = ^(a«) , mod. q^;
denn setzt man E(ct) = >^(^)S so hat man bekanntlich
\|/ («)« ^ 4" (ö«) , mod. q
oder
und wenn man diese Gleichung auf beiden Seiten zur ^ten Potenz
erhebt und die Vielfachen von q^ wegl&fst, so hat man
%K«)«' = >Krt«)« , mod. q\
und wenn für n^C«)» sein Werth E(ct) und für \^(««)« ebenso E(tt^}
zurückgesetzt wird, so erhfilt man die aufgestellte Congruenz.
Um dieselbe anzuwenden, ist zunfichst die ^te Potenz von
e(«) =
nach dem Modul q* zu entwickeln. Erhebt man ce — a^^ zuraten
Potenz, so erh< man
(« — «"*)« EZ a« — «-« -H qip(a) , mod. q^ ,
wo
vom t Deeember 1870. 871
2
mod. <7,
and demnach
«W^ = — s :; /\ , inod.a*
^' «« — «-« + gif («) ' *'
^welchea man auch in folgende Form setzen kann:
e(«)« = e(««) (l 4- g/(«)) > mod. g^»,
-wo
Hieraus folgt ohne Schwierigkeit
E(c*y = £(««) (l + qF(ct)) , mod. g%
wo
F(a) = ar/(«) -I- a:,/(«^) H H J^m-i/C«^'*"') , mod. g,
und weil
E(ay = E(a9) , mod. gr»
sein soll, so folgt hieraus
F(a) ^ 0 , mod. q.
Die complexe Zahl F{a) hat die Eigenschaft, dafs sie nnverfindert
bleibt, wenn a in a~^ verwandelt wird, sie enthält daher nur die
zweigliedrigen Perioden und kann in die Form gesetzt werden:
Die Bedingung, dafs F(a) congruent Null sei, nach dem Modul q,
erfordert also, dafs die Coefßcienten C, Ci ... C^_i alle einzeln
congruent Null seien nach dem Modul q, Multiplicirt man F(a)
mit a^ + ct^'^ — 2 und nimmt die Summe in Beziehung auf alle
?. — 1 verschiedenen Wurzeln rr, so erhfilt man
[1870] 60
^72 Oeiammtsitzung
M ttltiplicirt man nun weiter mit w^^ wo to eine jede beliebige Wur-
zel der Gleichung w" = 1 bezeichnet, mit alleiniger Ausnahme
von to s= 1, and nimmt die Summe für A ==: o, 1, 8, ... jea — l, so
erhält man
2x%c^t€^ = 2/2:i(«y*4-«-y*) «7* !?■(«) .
0 0
Es ist aber
0 0
die bekannte Lagrangesche Resolrente der EreistheOnng, also
2 xij^Ci^w^ =s 2a (w , «) F(a) .
0
Setzt man nun den oben gegebenen Werth des FXf^, und in dem-
selben den Werth des /{(*) ein und bemerkt, dafs nach einer be-
kannten Eigenschaft der Lagrangeschen Resolrente der Kreis-
theilung
so erh< man:
0
Setzt man in der ersten dieser beiden Summen a statt a^ und in
der zweiten a statt a^ , wodurch nichts ge&ndert wird, weil alle
Wertbe des a genau dieselben sind, als alle Werthe des «^ oder
«^ , so wird:
2 X Zj^ 0* tu« a=» (1 — ti;) 2jk*» w*. 5« — -;—- •
Ich setze nun
l
vom L December 1870,
873
so ist, wenn für </> (»} der oben angegebene Werth eingesetzt wird
-^.*
0 1t «« — a~«
Um den einfachsten Ausdruck des ^(tü) zu finden, betrachte ich
die allgemeine Summe
S
-s 5^ —-_ ,
a« — a~<»
ich setze in derselben a statt a^ und bezeichne mit
positive Wurzel der Congruenz
b
a
die kleinste
so wird
Ä= 2.
ax z=z b , mod. \
(Ifi -Ifhrlil -lii)
« — a
— 1
und weil
a
a
a
Ai-,
|A|-i
a — a
,— 1
-4- «
-4- -4- «
-ifi+.
-!>»
a
so erhält man
S ^X
a
Ikli
— 1
\\-\i\-
tt
-»il-^lil^^
-+-«
i _ -^ -1 . -2. - LS- -1
-4- 4- a
-lil-lf-^'
Die in Beziehung ^uf alle Werthe des u zu nehmenden Summen
b
der einzelnen Theile, deren Anzahl gleich 2 — ist, werden, wenn
a
60»
874 GesammUitzung
der Exponent der Potenz von €t nicht durch X theilbar ist, gleich |
— 1, wenn aber dieser Exponent durch >. theilbar ist, so geben sie |
X — 1. Es wird aber einer der Exponenten in der ersten Zeile ^
und zugleich der entsprechende gleiche, aber negative Exponent l|
der zweiten Zeile nur in folgenden zwei F&llen durch X theilbar:
erstens wenn
a
•4-
e
a
grade ist und gröfser als X, zweitem
wenn
6
a
ungrade ist und gröfser als NulL Da der erste
Fall auch
— I — IX — I — I I ungrade und gröfser als Null aos-
gesprochen werden kann, oder was dasselbe ist, i — | — 1 —
ungrade und gröfser als Null, da ferner die eine der beiden Zahlen
- — — I stets grade, die andere aber ungrsd«
b
e
h
— .
und
—
a
a
a
ist, so erhält man folgenden Werth der Summe Si
5 = 2X« — 2
a
wo t =s 1 ist, wenn die ungrade der beiden Zahlen | — | — 1 — j
und
— c
positiv ist, und wo im entgegengesetzten Falle e
den Werth Null hat.
Um dieses Resultat auf den vorliegenden Ausdruck des ^(tr)
anzuwenden, nehme ich a = 9, 5 = ^ — 2t, c= 7% so wird
h
g — 2t
c
a
?
9
a
9
==- y*~f
wenn 9 == 7', mod. X ist. Es wird demnach
»-1
2 >.*(») ^\
0
9— a
^1)
und weil
q — 2 t
M-i
von h unabhängig und S^ to* = 0 ist, so fallt
0
vom L December iS70. 875
dieser Theil iveg und man hat, wenn der gemeinschaftliche Factor
2X weggehoben wird:
Ol t
Die Grofse b hat nur die beiden Werthe 1 und 0 und zwar ist,
wenn einfach durch v^ bezeichnet wird^ » = 1> wenn von
den beiden Zahlen p^ — yjk-e ^^^ p^ — y»-.f+»i> deren eine noth-
wendig grade, die andere ungrade ist, die ungrade zugleich positiv
ist, im entgegengesetzten Falle ist < = 0. Setzt man Vj^-f = n,
so wird h — ^ = indti, mod. X — 1, setzt man ferner y^-^^.^ = n',
so wird h — ^ -+- /* = indn', mod. X — 1, also indn' = indn, mod.jLt,
also wenn man von der in Beziehung auf h zu nehmenden Summe
nur diejenigen Glieder beibehfilt, für welche a nicht gleich 0, son
dem gleich 1 ist, so hat man:
welche Reihe, wenn i/| grade ist, bis zu dem Gliede io^°^o, und
wenn i%- ungrade ist, bis zum Gliede w^'^^^^^ fortzusetzen ist.
Die nothwendige Bedingung dafür, daCs die zusammengesetzte
Kreistheilungseinheit E(ce) eine qte Potenz einer Einheit sei, wel-
che oben darauf zurückgeführt ist, dafs die CoSf&cienten Cj^ alle
congruent Null, mod. j?, sein müssen, stellt sich demnach dar, als:
(H.) ^(tt^) • ^k ^k^^9 i"od. qj
0
welche CoDgruenz für jeden Werth der Wurzel w der Gleichung
to**"' -h u?"*"* -H •••• -H u> -H 1 = 0
Statt haben mufs. Es folgt hieraus, dafs wenn ^(to) keinen com-
plexen (idealen) Primfaktor des q enthfilt, also die vollstfindige
Norm iVi'(ti7) nicht durch q theilbar ist, nothwendig der andere
Faktor Xj^ Xf^ w'^ alle complexen Primfaktoren des q enthalten und
0
876 OaammUitzung
folglich darch q theilbar sein mafs, für jeden der m — 1 Wetthe
des tv. Die ans den Wurzeln w der Gleichung w""* -♦- »"""'h —
H- 147 + 1 = 0 gebildete complexe Zahl S|^ Xj^ w^y welche Termittelit
0
dieser Gleichung auf den ijl — 2ten Grad erniedrigt 'wird, kaim
aber nicht für alle Wurzeln w congruent Null sein, nach dem Mo-
dul 9, wenn nicht die fi — 1 CoefELcienten x — «^.i« ^i — '^-i»--
jr^_i — jr^_i einzeln congruent Null sind, oder, was dasselbe i^
wenn nicht die fi Exponenten dP, jTj, ... «^_i alle einer and der-
selben Zahl congruent sind, für welche man auch die Null nehmeo
kann, weil man einen beliebigen derselben gleich Null aetsen kann.
Also:
„Wenn die Einheit
„eine qit Potenz einer anderen, fundamoitaleren Ein-
„heit ist, so dafs die Exponenten XjXi ...x^^i der
(V.) „Ereistheilnngseinheiten nicht alle congruent Null sind,
„nach dem Modul g, wenn einer derselben = 0 ge-
„nommen wird, so mu£s die complexe Zahl f(te) einen
„complexen (idealen) Primfaktor von q enthalten und
„demgem&fs die Tollstfindige Norm von "fiw) durch q
„theilbar sein.
Hieraus folgt sodann unmittelbar der Satz:
„Eine ungrade Primzahl q kann nicht Theiler des zwei-
„ten Faktors der Klassenzahl sein, wenn nicht die
(VI.) „complexe Zahl '¥(w) einen comptexen Primfaktor ron
„q enthält, also die vollstfindige Norm von Y(io) durch
„g theilbar ist
Wenn die für die Theilbarkeit des zweiten Faktors der Klas-
senzahl durch die Primzahl q nothwendige, aber nicht hinreichende
Bedingung erfüllt ist, dafs ^'(u;) einen idealen Primfaktor von q
enthfilt, so kann der Fall eintreten, dafs dieser Primfaktor des q
in Y (w) nicht für die primitiven Wurzeln w der Gleichung w* := i
vorhanden ist, sondern für gewisse nicht primitive Wurzeln, wel-
che der Gleichung niederen Grades u/'^ = 1 angehören, wo n» ein
Factor von fA ist Es sei (x = mm! und die Norm von Y(io'), für
vom i. Deeember 1870. 877
»lle primitiven Wurzeln der Gleichung to'"* = l sei durch q theil-
bar, 80 zeigt die Congruenz
M-l
t (w) ,2Lj^Xj^tß* = 0 , mod. q^
' 0
dafs für alle diejenigen Werthe des U7, ffir welche Y(tü) keinen
complexen Primfaktor des q enthält, ^Lj^X/^w^ congruent Null sein
0
mufs, nach dem Modul q. Es sind dies die Werthe des tr, wel-
che der Gleichung «?"*"*' = 1 genügen, ohne der Gleichung to^ = 1
zu genügen, also die Werthe des u?, welche der Gleichung
1 — to'*
genügen. Hieraus schliefst man, dafs
i'jJCjkto* ^ (H-a?~-4- to*'»-+- ••••4- to^''*'-*>'")'^X«^)
sein mufs, wo F(w) nur bis zum Grade fit — 1 in tu aufsteigt
und hieraus folgert man weiter, dafs
*t = **+m == ^Jb+a»4 •••• ^ *it + (»i»-ijiH » mod. ^,
sein mufs. Man hat daher folgenden Satz:
„Wenn die complexe Zahl "i^iw) nicht für die primiti-
„ven Wurzeln w der Gleichung to* s= i, sondern für
„die primitiven Wurzeln der Gleichung w*»» == i, wo
^u = mm\ einen idealen Primfaktor von q enth<, so
(VII.) „kann die fundamentalere Einheit, deren qte Potenz
„sich als Produkt von Potenzen der Kreistheilungsein-
„heiten ausdrücken Ififst^ nur die m Perioden von je
„2 m' Gliedern der Wurzeln der Gleichung «^ =s i ent-
„halten.
Ein einfaches Beispiel für den Fall, wo der zweite Faktor
der Klassenzahl nicht gleich Eins ist, ist X = 229. Für diesen
Werth des X haben schon die aus den zwei Perioden von je 114
Gliedern gebildeten complexen Zahlen drei verschiedene Klassen,
880 GesammUitzung
gicbt Die nothwendige and zugleich auch hinreichende BediogBB|:
dafür, dafs für X &s 163 der zweite Faktor der Klaasenzahl dorct
2 theilbar sei, ist nan die, dafs die zasammengesetzte Kreistfad-
lungseinheit
gleich einem Quadrate einer Einheit sei, für irgend welche Wertk
der X,« 1,471, welche nur gleich 0 oder 1 za nehmen sind, l^
ist aber hier schon E selbst ein vollstfindiges Quadrat, denn mao
hat
— 63»j — 62»ii — 49»5, = (5 -4- »j,)* ,
wie vermittelst der Formeln für die Multiplikation der Penoden
leicht nachgewiesen wird.
Für >. s= 163 ist also der zweite Faktor der Klassenzahl durch
Zwei theilbar und man hat in diesem Falle die Einheiten 5 + ▼,
^ + );i9 ^ + >;99 welche fundamentaler sind, als die Kreistheilnn^-
einheiten.
Ein anderes Beispiel dieser Art, wo die kubische Form be-
wirkt, dafs der zweite Faktor der Klassenzahl durch Zwei theil*
bar ist, giebt X rss 937.
vom i. December 1870. 881
Hr. Kronecker knüpfte an den Vortrag des Hrn. Kummer
die folgende Auseinandersetzung einiger Eigenschaften
der Klassenanzahl idealer complexer Zahlen.
Eines der hauptsächlichsten theoretischen Resultate in der so-
eben vorgetragenen Abhandlung ist der Satz, daTs der zweite Fak-
tor der Klassenzahl idealer aus X ten Wurzeln der Einheit gebilde-
ter Zahlen nur dann durch 2hffei theilbar sein kann, wenn auch der
erste Faktor durch Zwei theilbar ist Als mir mein Freund Kum-
mer vor einiger Zeit diesen Satz mittheilte und die offenbare Ana-
logie desselben mit seinem filteren, die Theilbarkeit der beiden
Faktoren der Klassenzahl durch X betreffenden Satze hervorhob,
suchte ich mir nähere Aufklarung darüber zu verschaffen, warum
grade die Zahl Zwei in dem Kummerschen Satze eine Rolle spielt.
In diesem Sinne bemühte ich mich zuvorderst die in dem Satze
enthaltenen Eigenschaften der beiden Faktoren der Klassenzahl un-
mittelbar aus deren Definition herzuleiten, oder wenigstens ohne,
wie es in dem Kummerschen Beweise geschieht, die entwickelten
Ausdrücke der beiden Faktoren zu benutzen. Da der zweite Fak-
tor der Klassenzahl selbst als Klassenzahl der aus zweigliedrigen
Perioden gebildeten complexen Zahlen definirt werden kann, so ist
der erste Faktor als Quotient zweier Klassenzahlen bestimmt So-
bald es mir nun gelungen war auf diese Definition einen Beweis
des Kummerschen Satzes zu gründen, erkannte ich sogleich, dafe
die dabei angewendete Methode nicht auf zweigliedrige Perioden
beschränkt, sondern auf beliebige Perioden anwendbar ist, und dafs
alsdann in dem Kummerschen Satze an Stelle der Zahl Zwei die
Primfaktoren der Gliederzahl der Periode auftreten. Ich erkannte
femer, dafs der Satz in allgemeinerer Fassung nicht blos für com-
plexe aus Xten Wurzeln der Einheit gebildete Zahlen, sondern für
beliebige complexe Zahlen gilt, sobald nur hierfür der Begriff der
idealen Zahlen resp. der verschiedenen Klassen derselben festge-
stellt ist. Die Entwickelung dieser Begriffe bildet die Grundlage
eingehender und umfassender Untersuchungen, welche ich schon
vor langer Zeit, nämlich vor etwa dreizehn Jahren, über die Theo-
rie der allgemeinsten complexen Zahlen und der damit zusammen-
hängenden in Linearfaktoren zerlegbaren Formen angestellt und
deren Hauptresultate ich damals meinen mathematischen Freunden
mitgctheilt habe. Obgleich ich darüber bisher, durch andere Ar-
882 GesaakMUitzumg
beiten in Anspruch genommen, noch nichts reroffenüicht hahe^ tL
ich dennoch die Torliegende Frage fnr den Fall beliebiger eoc-
plexer Zahlen erörtern, weil bei dieser allgemeineren Behandloc;
die wesentlichen Oesichtsponkte klarer hervortreten.
§. 1.
In den Artikeln 305 nnd 306 der y^DigquUitiones ari^Km^titar
hat Ganfs eine Anordnung der verschiedenen £Jassen qnadratisd)^
Formen aaf die Theorie der Composition gegründet und Hr. Sehe-
ring hat neuerdings der weiteren Aosfuhmng dieses Gegenstandes
eine Arbeit gewidmet, welche im XIY. Bande der Abbandlangen
der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen Te^
öffentlicht ist und namentlich, wie es auch der Titel angiebt, eine
sachgemälse Aufstellung von , Fundamentalklassen* xom Zwecke h^t
Die überaus einfachen Prinzipien, auf denen die Gaufs'sche Me>
thode beruht, linden nicht blos an der bezeichneten Stelle, sondern
auch sonst vielfach und zwar schon in den elementarsten Theüen
der Zahlentheorie Anwendung. Dieser Umstand deutet darauf hiin
nnd es ist leicht sich davon zu überzeugen, dafo die erwähnten
Prinzipien einer allgemeineren, abstrakteren Ideeensphfire angehören.
Deshalb erscheint es angemessen die Entwickelung derselben vno
allen unwesentlichen Beschränkungen zu befreien, sodafs man als-
dann einer Wiederholung derselben Schlnfsweise in den verschie-
denen Fällen des Gebrauchs fiberhoben wird. Dieser Yortheil
kommt sogar schon bei der Entwickelung selbst zur Geltung und
die Darstellung gewinnt dadurch, wenn sie in der zuläfsig allge-
meinsten Weise gegeben wird, zugleich an Einfachheit nnd durch
das deutliche Hervortreten des allein Wesentlichen auch an Über-
sichtlichkeit.
Es seien V^ V'y 6"\ . . . Elemente in endlicher Anzahl und so
beschaffen, dafs sich aus je zweien derselben mittels eines bestimm-
ten Verfahrens ein drittes ableiten läfst. Demnach soll, wenn das
Resultat dieses Verfahrens durch f angedeutet wird, für zwei be>
liebige Elemente ff und 6", welche auch mit einander identisch
sein können, ein ('" existiren, welches gleich: ^{i^yV) ist. Über-
dies soll:
vom i. December 1870. 883
f («', 6") = f (r, ff)
f(fl', f(«",6"')) = ?(!(«',«").«'")
und aber, sobald 6" und V" von einander verschieden sind, aach:
f (6', 6") nicht identisch mit f (6', fl'")
sein. Dies vorausgesetzt, kann die mit f (£', 6") angedeutete Ope-
ration durch die Multiplikation der Elemente 6' 6" ersetzt werden,
wenn man dabei an Stelle der vollkommenen Gleichheit eine blofse
Äquivalenz einfuhrt.^) Macht man von dem üblichen Äquivalenz-
zeichen: (X) Gebrauch, so wird hiernach die Äquivalenz:
ff. 6" CO 6"'
durch die Gleichung:
f (6', 6") = 6"'
definirt. — Da die Anzahl der Elemente 9, welche mit n bezeich-
net 'werden möge, als endlich vorausgesetzt ist, so haben dieselben
folgende Eigenschaften:
I. Unter den verschiedenen Potenzen eines Elementes 8
giebt es stets solche, die der Einheit äquivalent sind.
Die Exponenten aller, dieser Potenzen sind ganze Viel-
fache eines derselben, zu welchem — wie ich mich aus-
drücken werde — das betreffende 6 gehört,
IL Gehort irgend ein 6 zum Exponenten i', so gehören
auch zu jedem Theiler von v gewisse Elemente 9.
III. Wenn die beiden Exponenten ^ und t, zu denen resp.
die Elemente (' und (" gehören^ relative Primzahlen
sind, so gehört das Produkt ff, ff' zum Exponenten ^ t.
lY. Ist fix die kleinste Zahl, welche die sfimmtlichen Ex-
ponenten als Theiler enthält, zu denen die n Elemente
6 gehören, so giebt es auch Elemente, welche zu nj
^) Anstatt der Multiplikation kann anch die Addition gebraucht wer-
den, welcher 6 aufs bei Einführung einer Symbolik tue die Composition der
quadratischen Formen aus leicht erkennbaren Grfinden den Vorzug gege-
ben hat.
884 Oe$ammt$iUung
selbst gehören. Denn, wenn Hi in seine PrimiaktoTG
serlegt gleich: p" g^ r^ ... ist, so giebt es nach E
Elemente f die za p^^ femer Elemente S^ die za q\
Elemente C" die xu r^ etc. gehören, und das Produkt:
9.V\V'\.n gehört alsdann nach III. za: p''.q^.f\,.
d« h. zn n|.
Der hier mit fii bezeichnete Exponent ist der grofste tod al-
len, za denen die verschiedenen Elemente 9 gehören; zugleich ist
fii ein ganzes Vielfache von jedem dieser Exponenten und es fin-
det demnadi für jedes beliebige i die Äquivalenz: (*i c\^ l sutt
Gehört f i zam Exponenten «i, so Ififst sich der B^riff der
Äquivalenz dahin erweitern, dafs zwei Elemente V und £^ ab ^iy-
ladv äquivalent^ angesehen werden, wenn für irgend eine ganzt
Zahl k:
6'. fi* CO 9"
ist Das Äqnivalenzzeichen co bleibt hier, wie im Folgenden, fat
den früheren engeren Begriff der Äquivalenz reservirt. Sonden
man nun aus sfimmtlichen Elementen 6 ein vollständiges Sjsten
solcher aus, die untereinander nicht relativ äquivalent sind, so ge-
nügt dasselbe den für das System sfimmtlicher Elemente 6 obes
aufgestellten Bedingungen und besitzt daher auch alle daraus abge-
leiteten Eigenschaften. Es existirt also namentlich eine der Zahl
fti entsprechende Zahl n^, welche so beschaffen ist, daCs die a.u
Potenz eines jeden 6 relativ äquivalent Eins ist, und es existir^n
ferner Elemente f^^, für welche keine niedrigere als die n^te Pc^
tenz der Einheit relativ äquivalent whrd. Da für jedes Elemes'.
6 die Äquivalenz: 0"i co 1 stattfindet und also a fortiori B*i wltxc^
relativ äquivalent iS7«n« ist, so mufs nach I. die Zahl nj ein Vi^I
faches von n^ sein. Ist nun
und erhebt man die Ausdrücke auf beiden Seiten zur Tötest
n k •.
-^ , so erhält man, wenn — =s m gesetzt wird, die Äquivalenz:
r"' CO 1 ,
vom i, Decemher 1870, 885
ms welcher, da 6^ zam Exponenten rii gehört, unmittelbar folgt,
lafs m ganz und also k ein Vielfaches von n^ sein mufs. Es
^ebt demnach ein Element 9), definirt durch die Äquivalenz:
lessen n^te Potenz nicht blos relativ, d. h. im weiteren Sinne,
sondern auch im engeren Sinne der Einheit Squivalent ist und
irelches (im zwiefachen Sinne des Wortes) zum Exponenten n^
gehört.
Indem man nunmehr je zwei Elemente 6^, (" als relativ äqui-
valent ansieht, für welche:
ist, gelangt man zu einem dem Elemente 9« entsprechenden 0^,
welches zum Exponenten n«, einem Theiler von fty, gehört u. s. f.
and man erhält auf diese Weise ein „Fuudamentalsystem^ von
Elementen: 9i,9t9^t»««*9 welches die Eigenschaft hat, dafs der
A^usdruck :
9i * 9j ' 83 •• • (A^ = 1, 2, 3, • • . n^
im Sinne der Äquivalenz sfimmtliche Elemente 6 und zwar jedes
nur ein Mal darstellt. Dabei sind die Zahlen ni,!!^,*!«,...,
EU denen resp. Si,^},^«,.., gehören, so beschaffen, dafs jede der-
selben durch jede folgende theilbar ist, das Produkt: nifi^n^ .>•
ist gleich der mit n bezeichneten Anzahl sfimmtlicher Elemente 6,
imd diese Zahl n enthält demnach keine anderen Primfaktoren als
[liejenigen, welche auch in fti enthalten sind.
Wenn man unter den Elementen 6 ein System von nicht äqui-
ralenten idealen Zahlen oder ein System von nicht äquivalenten
insammensetzbaren arithmetischen Formen versteht, so fällt die
bier entwickelte Darstellung sämmtlicher Elemente 0 durch ein
Produkt von Potenzen ausgewählter Elemente 0j,9i,ft9<«* voll-
ständig mit derjenigen zusammen, welche sich in der oben erwähn-
ten Abhandlung des Hm. Schering angegeben findet.
886 GesamnU9itzung
§.2.
Wenn $(4?) «= o und «(x) = 0 irreduktible ganszahUge Glei-
chnngen der Grade m und |ii bedeuten, Ton denen die erstere un-
ter Adjanction einer Warzel der letzteren redaktibel wird, so las-
sen sich die m Wurzeln der Gleichung ^(j?) = 0 in /a Grappes
sondern, deren jede einer der m Wurzeln ron ^ (x) s= 0 entspriebt
Bezeichnet man demgem&fs (m == fAm gesetzt) mit;
^h.k (Ä = 1,2, ...fi; A; » 1, 2, ... aO
die /bim Wurzeln von g(x) ss 0 und mit:
gk (Ä = 1, 2, ...fi)
die Wurzeln von #(x) = 0, so ist, insofern der Coefficient von x"^
in S(x) und der Coefficient von x** in #(x) gleich Eins vorausge-
setzt wird:
nn(x-a;^,^) = g(x) , n(x — f^) = *(x)
und ferner:
wo die CoSfficienten der mit F bezeichneten ganzen Function ntes
Grades von x rationale Functionen von ^ ^ sind, und die Bucbsta-
ben h k wie überall im Folgenden resp. die Werthe: 1, 2, ... ^
und 1 , 2 , . . . m annehmen. Femer ist g^ eine rationale Function
von u^^]^ und zwar so, dafs eine und dieselbe Gleichung:
gk = !(««*,*)
für alle Werthe von k besteht. Dies vorausgeschickt läfst siel
eine Theorie ganzer complexer in w rationaler Zahlen /(et ) sLuf-
stellen, unter welchen auch die in g und also auch in tu rationak:
CoSfficienten von F(x) enthalten sind. Alsdann sind auch ^''.
Partialnormen :
n/K*)
ganze complexe Zahlen /(<v), und man kann demgem&fs aas ir^^d
einem System nicht ftquivalenter idealer Zahlen /(w) diejenigri:
vom 1. Decemher 1870. 887
aussondern, welche Partialnormen der bezeichneten Art äquivalent
sind. Diese mögen, da die Partialnormen wirklicher Zahlen f(x)
rational in ^ sind, mit </>(^) und die nach den Bestimmungen des
§. 1 ausgewählten fundamentalen mit:
«^iC?) » ^»(f)» 03 (f) > ...
bezeichnet werden; auch möge in dem dort erläuterten Sinne des
Wortes <pi zum Exponenten i'i , (/>s zum Exponenten v^ u. s. f.
gehören.
Erweitert man den Begriff der Äquivalenz für die idealen
Zahlen in w dahin, dafs /'(w) und /"(*•) als y^relativ äquivalent^
angesehen werden, wenn im engeren Sinne die Äquivalenz:
stattfindet, so existirt nach dem Inhalte des §. 1 auch ein System
fundamentaler idealer Zahlen:
/i W » A W j /j W » ..• 1
welche im Sinne der relativen Äquivalenz resp. zu den Exponen-
ten ni , fis , fis, ... geboren. Hiernach sind die sämmtlichen im
ar sprünglichen engeren Sinne des Wortes unter einander nicht
äquivalenten Zahlen /((^ ) in dem Ausdrucke :
enthalten, wenn man darin den Exponenten a, a der Reihe nach
die Werthe:
«, = 1, 2, ... 1^1 ; «3 == 1, 2, ... i'j ; etc.
a, = 1, 2, ... «1 ; Oj = 1, 2, ... n, ; etc.
beilegt. Die Klassenzahl für die coniplexen Zahlen /((«j) ist also,
wenn :
n s=: ni . nj . na ... , »/ =s i», . i', . i'a ...
gesetzt wird, genau gleich n.f, und jeder dieser beiden Faktoren
n und V hat auch für sich die Bedeutung einer Klassenzahl.
[1870] 61
888 Gesammtsitzung
Nach der obigen Definition der Zahlen 4* (f) ist jede der^-
ben der Partialnorm einer Zahl /(») Squivalenl', und es sei dem*
gemafs:
</>! Qk) CSD n/('Jt,,k) '
Auf Grund der festgesetzten Bedeutung von n, mufs andren«eits
eine ideale Zahl tpQ) existiren, für welche
ist und also, wenn auf beiden Seiten die Partialnorm gebildet wird:
Ist nun T der gröfste gemeinsame Tbeiler von m und i^i and er-
hebt man die Ausdrucke auf beiden Seiten der Äquivalenz zar
Potenz: — , so wird die rechte Seite der Einheit äquivalent;, weil
der Exponent: ein ganzes Vielfache von i', ist. £s muf::
für
T
demnach auch die linke Seite der Einheit äquivalent abo auch:
— — ein Vielfaches von i'j d. h.
fi, durch r theilbar
sein. Da ferner nach Inhalt des §. 1 die Zahl v keine andern
Primfaktoren enth< als i'i, so mufs die Zahl n, und folglich
auch die durch n, theilbare Zahl n jeden Primfaktor enthalten«
welcher den beiden Zahlen m und v gemeinsam ist. Die hiermit
erlangten Sätze lassen sich folgendermafsen aussprechen:
Es sei OD Wurzel einer irreduktibeln Gleichung mien
Grades, deren Coefßcienten ganze complexc Zahlen tf>{z)
sind, wobei der Ausdruck „irredukUbeP also im Sinne
eben dieser complexen Zahlen zu verstehen ist. Als-
dann ist die Klassenzahl für complexe Zahlen /(:»}.
welche die Zahlen '/> Q) mit in sich begreifen, ein Pro-
dukt zweier Faktoren, von denen der eine die Klassen-
zahl für die Zahlen tp{f) bedeutet. Jeder in diesem
Faktor enthaltene Primtheiler von m ist auch in dem
andern Faktor enthalten. Wenn es ferner ideale (nicht
vom 1. Decemher 1870. 889
wirkliche) Zahlen tp{^) giebt, deren mte Potenz wirk-
lich ist, 8o giebt es auch nnter denjenigen idealen Zahr
len /(w), welche keiner Zahl <p{f) äquivalent sind, sol-
che, deren tnte Potenz einer Klasse der Zahlen ip{^)
angehört. Ist endlich d irgend ein Divisor von m,
für welchen eine ideale Zahl (/>(o} zur ^ten Potenz er-
hoben wirklich wird, ohne daTs dies schon für eine nie-
drigere Potenz der Fall wfire, so giebt es auch ideale
Zahlen /(^), die so bescha£fen' sind, dafs die dte Po-
tenz derselben, aber keine niedrigere, einer der idealen
Zahlen (/>(^) äquivalent wird.
Die angegebenen Sätze lassen sich unmittelbar auf die aus
Wurzeln der Einheit gebildeten complexen Zahlen anwenden, wenn
man far oo eine primitive Wurzel der Gleichung x^ ^^ \ und für
^ eine der Perioden nimmt, welche aus den Wurzeln dieser Glei-
chung gebildet werden können. Die Gliederzahl der Perioden ist
alsdann gleich dem oben mit m bezeichneten Grade einer irreduk-
tibeln Gleichung, deren Wurzeln gewisse Potenzen von du, deren
CoSfficienten aber rationale Functionen einer Periode ^ sind, und
der Fall des im Eingang erwähnten Kummerschen Satzes tritt ein,
^venn far >, eine Primzahl und m = 2 angenommen wird.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Jahrbuch der K, K. Geologischen Reichsamtalt, Jahrg. 1870. 20. Bd.
Wien 1870. 8.
Berichi über die Thdtigkeit der St. Oalliechen natvrtüissenschaftiichen Ge-
sellschaft während des Vereinsjahrts 1868S9. St, Gallen 1869. 8.
C. O. Homeyer, Die Haus- ttnd Ho/marken, Berlin 1870. 8.
Colnet d'Hnart, Memoire sur la thiorie mathimatique de la ehaleur et
de la lumiere. Luxembourg 1870. 4.
Colding, Extrait dun Memoire sur les lois des courants. (Copenhague
1870.) 4.
Memorie del reale Istituto reneto. XV, 1. Vfenezia 1870. 4.
61»
890 GesammUitiwng vom 8, Deceaher 1870.
Atti dd reale iMitMio reaeio DUp. 7—9. Venezi« 1869—70. 8.
JoMrmai aad Proceedimge af tie Amatic Society af Bem^oL Cakvtta, )b
— Jone 1870. 8.
Trantactiome of tie Edinburgh Geologieal Society. Vol. I, 3.
1870. 8.
Sillimaii, Journal of wdenee. no. 147. New Haven 1870. 8.
S.December. Sitzung der physikalisch -mathemati*
sehen Klasse.
Hr. Reichert las eine Fortsetzung seiner am 4. Aognst g^
lesenen Abhandlung über das Skelett der Wirbelthiere, namentlkL
über MyxinoideUy Leptocephaliden, knorpliche Ganoiden, Protopte-
ras angniUiformis und über Chimären.
8. üeceinber, Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Droysen las über die Lage der Politik im Anfange dt^
ersten schlesischen Krieges.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
vorgelegt:
Ferd« Römer, Geologie von Oberechleeien. Mit AtUs. Breslaa 187«v
8. Mit Begleitschreiben des Verfassers v. 30. Not. 1870.
Atti della accademia delle ecienze di ^orino, YoL 5. Toriao 1869. $.
Publications de la eeciion hietorique de V Institut de Luxemhourg. Vol. f.^.
Laxembourg 1870. 4.
BuUetino meteorologico ed aetronomico deW univereita di Torino. Axik»
IV. Tonne 1869. 4.
Gesammtsitzung vom 15. December 1870, 891
15, December. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Roth las über die Lehre vom Metamorphismus und die
Kntstehung der krystallinischen Schiefer.
Hr. Kummer trag folgende von den Hm. Dr. Felix Klein
in Dusseldorf und Dr. Sophus Lie in Christiania ihm zugegan-
gene Mittheiiung vor:
Über die Haupttangenten-Cnrven der Kummerschen
Fläche vierten Grades mit 16 Knotenpunkten.
Die Kummersche Fläche vierten Grades mit 16 Knotenpunk-
ten ist bekanntlich ' ) für einfach unendlich viele Complexe des
zweiten Grades Sigularitätenfläche, d. h. diejenige Fläche, welche
der geometrische Ort ist für solche Punkte, deren Complexkegel
in zwei Ebenen zerfallen ist, oder, was auf dasselbe hinauskommt,
die umhüllt wird von solchen Ebenen, deren Complex-Curve sich
in zwei Punkte aufgelöst hat. Die Betrachtung dieser Complexe
zweiten Grades fuhrt fast unmittelbar zu der Bestimmung der
llaupttangenten-Curven der Fläche, wie im Nachstehenden gezeigt
VT erden soll.
1. Aus der einfach unendlichen Zahl der zu* der Fläche ge-
hörigen Complexe zweiten Grades heben wir einen heraus.
Die demselben innerhalb einer Tangentialebene der Fläche
entsprechende Complex-Curve hat sich in zwei Punkte aufgelöst.
Diese beiden Punkte sind diejenigen, in denen die in der Tangen-
tialebene enthaltene Durchschnitts-Curve vierter Ordnung mit der
Fläche von einer bestimmten, durch den Berührungspunkt gehen-
den Geraden, die dessen zugeordnete singulare Linie genannt wird,
noch aufser in diesem Berührungspunkte geschnitten wird.
'} cf. Pluecker: Neue Geometrie des Raumes, gegründet auf die Be-
trachtung der geraden Linie als Raumelement. (B. G. Teubner 1868, 69.)
n. 310 ff. Yergl. auch, hier und im Folgenden, Klein: Zar Theorie der
Complexe des ersten und zweiten Grades. Math. Ann. II, 2.
892 GtsammUUzung
Man kann nnn nach denjenigen Punkten der FlSche fragest
deren xugeordnete singulfire Linie eine Haupttangente der Fläebe
18t. Die übrigen Tangenten der Fläche in einem solchen Fankte
gehören offenbar auch dem Complexe an. Andererseits sind dies«
Complexgeraden die einzigen, welche die Fläche berühren, ohne
sugleich singulare Linien des Complexes cu sein. Betrachten wir
nun in einer beliebigen Ebene den Complex-Kegelschnitt and die
Durchschnitts-Curve vierter Ordnung mit der Fläche. Dieselben
berühren sich in vier Punkten, und die Tangenten in diesen Punk-
ten sind die in der Ebene gelegenen singulären Linien.'} Aufser
diesen doppelt zu zählenden Tangenten haben die beiden Carreo,
als bez. von der 2ten und der 12ten Classe, noch 16 Tangenten
gemein. Die Berührungspunkte derselben mit der Durchschnitts-
Curve vierter Ordnung sind Punkte der gesuchten Beschaffenheit.
Die Punkte der Kummerschen Fläche, deren xuge-
ordnete singulare Linien Haupttangenten der Fläche
sind, bilden also eine Curve der 16ten Ordnung.
2. Die so bestimmte Curve ist nun eine Haupttan-
genten Curve der Fläche.
Zum Beweise bemerken wir zunächst, dafs zwischen den durch
eine Complexlinie, — welche nur keine singulare Linie sein darf, —
hindurchgelegten Ebenen und den Berührungspunkten der in den-
selben enthaltenen Complex-Curven mit der Linie projectivisches
Entsprechen Statt findet. Hieraus schliefst man^ dafs einer unend-
lich kleinen Verschiebung des Punktes auf der Linie eine Drehung
der Ebene entspricht, deren Grofse von derselben Ordnung des
Unendlich-Kleinen ist.
Nun ist .die Verbindungslinie zweier consecutiver Punkte der
eben bestimmten Curve eine Complexlinie, ohne zugleich singulare
Linie desselben zu sein. Die beiden Tangentialebenen in den bei-
den Punkten enthalten dem Complexe angehörige Strahlbüschel,
deren Scheitel diese Punkte sind. Die beiden Tangentialebenen
sind also zwei Ebenen, deren Complex-Curven die angenommene
Tangente in zwei consecutiven Punkten berühren. Hieraus folgt,
nach der vorstehenden Bemerkung, dafs, wenn man auf der Curre
^} Pluecker: Neue Creometrie. n. 318.
vom 15, December 1870, 893
Tortschreitet, die Tangentialebene der Fläche sich um die Tangente
der Curve dreht.
Das aber ist die cbaracteristische Eigenschaft der Haopttan-
genten-Cnrven einer Fläche; unsere Behauptung ist also erwiesen.
Da der Begriff der Haupttangenten-Curre, sowie der des Com*
plexes, sich selbst dualistisch ist, folgt, dafs die dualistisch entge«>
genstehenden Singularitäten der Curve einander gleich sind. Ins*
besondere ist ihre Classe gleich ihrer Ordnung, also
gleich 16.
Da ferner die Curve sich selbst dualistisch in einziger Weise
durch den Complez bestimmt ist, geht sie, wie dieser, durch ein
System linearer, sowie rcciproker Transformationen in sich über.')
Man schliefst hieraus eine Reihe von Eigenschaften derselben, die
^ir hier nicht weiter verfolgen können.
3. Auf die auseinandergesetzte Weise erhalten wir einem je-
den der einfach unendlich vielen Complcxe zweiten Grades, die
zu derselben Eummer'schen Flache, gehören, entsprechend eine
Haupttangenten-Curve. Hiermit hat man aber alle Haupttangen-
ten-Curven, wofern nicht etwa UmhüUnngs-Curven derselben exi-
stiren, da man für jeden Punkt der Fläche einen der Compleze
angeben kann, der die eine oder die andere der beiden Haupttan-
genten in demselben zur singulären Linie hat.
Unter den zu der Fläche gehörigen Coroplexen zweiten 6ra*
des befinden sich sechs, doppelt zu zählende, lineare Complexe.
Als die singulären Linien derselben sind die Doppeltangenten der
Fläche anzusehen, so zwar, dafs jedem der sechs Complexe eines
der sechs von den Doppeltangenten gebildeten Systeme angehört.
Entsprechend diesen Complexen gibt es sechs ausge-
zeichnete Haupttangenten-Curven. Dieselben sind, wie sich
durch dieselben Betrachtungen ergibt, durch die wir Ordnung und
Classe der allgemeinen Curve bestimmt haben, nur noch von der
Sten Ordnung und der 8tcn Classe.
3, Wir gehen jetzt dazu über, die Singularitäten der Haupt-
tangcnten-Curven zu bestimmen. Hierzu gelangen wir, indem wir
der allgemeinen Theorie solcher Curven die folgenden Sätze ent-
lehnen.
') cf. die bereits citirte Abhandlung: Zur Theorie etc. n. 13.
894 GeMmmtsitzung
Die Haapltangenten-Carven einer beliebigen Fläche haben ia
den Knotenpunkten derselben Spitzen.
Überhaupt haben sie Spitien in den Pankten der parabal»chen
Carve, Torausgesetzt, daTs diese nicht selbst HaoptUingenteii'-CorTe
ist. In dem letzteren Falle ist sie Umhüllungs^Corve für die übri-
gen Haapttangenten«Carven. Dies gilt besonders, *weon die para-
bolische Curve aas ebenen Beruhrangs-Curven besteht.
Femer haben die Uaupttangenten-Gurven in den Darchsduiitt»-
punkten mit der Gurre vierpunktig^r Berührung stationfire Tangen-
ten, wofern die Curve vierpunktiger Berührung nicht zugleich pa-
rabolische Curve ist, was eine besondere Betrachtung verachiedeDer
Fälle verlangt, die wir liier nicht nothig haben.
Endlich können die Haupttangenten*Curven aufser in den an-
gegebenen F&llen keine Spitzen und keine stationären Tangenten
haben.
In unserem Falle hat man 16 Knotenpunkte, in denen also
die Ilaupttangenten-Curvcn Spitzen haben.
Die parabolische Curve, welche von der 32ten Ordnung sein
muTs, besteht aus den 16 Beruhrungskegelschnitten in den 16 Dop-
peltangentialebenen der Fläche. Sie ist also UmhüIIungs-Carve der
Haupttangenten-Curvcn. Die 16 Ebenen sind dabei stationäre Ebe-
nen dieser Curven, wie dies überhaupt die Ebenen ebener Beräh-
rungs-Cnrven sind.
Man überzeugt sich nun leicht, dafs die Hanpttangenten-Cor-
ven in jedem Knotenpunkte nur eine Spitze haben und nur je ein-
mal die Doppel tangentialebenen stationär berühren. Die Curre
kann nämlich mit der Doppel tangentialebene nur 16 Punkte ge-
mein haben; 4 davon kommen auf die stationäre Berührung, und
12 auf die 6 Spitzen in den 6 in der Ebene liegenden Knoten«
punkten.
Die Haupttangenten-Curven haben hiernach 16 (in
die Knotenpunkte der Fläche fallende) Spitzen und 16
(mit den Doppeltangentialebenen derselben identische)
stationäre Ebenen.
Die Curve vierpunktiger Berührung besteht in unserem Falle
einmal aus den 16 Berubrungs-Kegelschnitten, die hier nicht wei-
ter in Betracht kommen, da sie schon erledigt sind. Andererseits
besteht sie aus den sechs ausgezeichneten Haupt tangenten-Carven
8ter Ordnung, die den 6 linearen Coroplexen angehören. Es gebt
vom 15. Decemher iS70. 895
dies daraus hervor, daXs die singalären Linien dieser Complexe,
^vie schon angefahrt, Doppeltangenten der Fläche sind. TV eitere
Corven nmfafst die Carve vierpanktiger Berührung nicht, da die
aufgezählten zusammen die richtige Ordnung, 80, besitzen.
Wir müssen jetzt die Zahl der Durch schnittspnnkte einer
Haopttangenten-Curve mit den 6 ausgezeichneten bestimmen.
Diese Durchschnittspnnkte sind dadurch characterisirt, dafs
die Tierpunktig berührende Haupttangente eine Linie des Com-
plexes zweiten Grades ist, dem die gegebene Haupttangenten-Curve
zugehört. Die in den Punkten einer der 6 Curven vierpunktig
berührenden Haupttangenten bilden aber eine Linienfläche von der
8ten Ordnung, da der vollständige Durchschnitt derselben mit der
Knromerschen Fläche aus der gewählten Curve besteht, welche
vierfach zählt. Mit einer solchen Fläche hat aber der Complex
zweiten Grades 16 Linien gemein. Man erhält also, jeder der 6
Curven entsprechend, 16 Durchschnittspunkte. Wir haben somit
den Satz:
Die Haupttangenten-Curven haben 6.16 = 96 statio-
näre Tangenten.
Fugen wir noch hinzu, dafs die Haupttangenten-Curven kei-
nen wirklichen Doppelpunkt und also auch keine wirkliche Dop-
pel-Osculationsebene besitzen können, da in keinem Punkte der
Eummer'schen Fläche, der nicht auf der parabolischen Curve liegt,
die beiden Haupttangenten demselben Complexe als singulare Li-
nien angehören, so können wir die sämmtlichen Singularitäten der-
selben, von denen die dualistisch entgegenstehenden gleich sind,
ohne Weiteres bestimmen. Insbesondere finden wir: den Rang
= 48, die Zahl der scheinbaren Doppelpunkte = 72, die Ordnung
der Doppelcurve der Developpable = 952, da« Geschlecht = 17.
5. Für die 6 ausgezeichneten Haupttangenten-Curven wird
die Zahl der Spitzen und stationären Osculations - Ebenen gleich
Null. Eine solche Curve geht nämlich durch jeden der Doppel-
punkte einfach hindurch und hat in ihm eine der 6 ihn enthalten-
den Doppeltangentialebenen zur Osculationsebene. Man hat sich
den stetigen Übergang zwischen den allgemeinen Curven und die-
sen besonderen so vorzustellen, dafs die letzteren doppelt zählen
und aus der Vereinigung je zweier in einer Spitze zusammen-
stofsender Zweige der übrigen entstanden sind. Darum sinkt
Ordnung und Classe auf die Hälfte. Hiernach müfste auch
896 Gesammtsitzung
der Rang halb so grofs sein, wie der der anderen, also gleidb 24.
Das aber findet man auch, wenn man die Zahl der stationarea
Tangenten berechnet. Für dieselbe kommt nämlich jetst 40, ia*
dem die Curve jede der anderen nicht mehr IG mal, aondem, woi
sie 2 mal zählt, nur 8 mal sehneidet, und das nicht 6 mal, aoodm
nur 5 mal geschieht
Wir finden weiter: die Zahl der scheinbaren I>oppelpiinki::
gleich 16, die Ordnung der Doppelcurve der Developpable gIdcL
200, das Geschlecht gleich 5.
6. Wie man sich die Auf-
einanderfolge der Haupttangen-
teuyCurven zu denken hat, ist
in der nebenstehenden Zeichnung
für den Fall, dafs die 6 zuge-
hörigen linearen Complexe reell
sind, schematisch dargestellt.
In diesem Falle haben näm-
lich die Theile der Fläche, für
welche die Haupttangenten reell
werden, die Gestalt eines von
zwei Kegelschnittstucken begränz-
ten Segmentes, das sich von ei-
nem Knotenpunkte nach einem
anderen hinzieht. Die beiden be-
gräiizenden Curvenstucke gehö-
ren den Berührungskegelschnit«
ten in denjenigen beiden Doppel-
tangentialebenen der Fläche an^
welche beide Knotenpunkte zu-
gleich enthalten.
Innerhalb eines solchen Segmentes verlaufen nnn snnachst
zwei der sechs ausgezeichneten Haupttangenten-Cnrven. Dieselbec
gehören denjenigen zwei der sechs linearen Complexe an, deoea
in den zwei Knotenpunkten, zwischen denen sich das Segment irr-
streckt, die beiden dasselbe begränzenden Doppeltangentialebeoro
entsprechen. Die betreffenden Curven sind in der Figur stärker
ausgezogen. Dieselben haben eine S formige Gestalt. Sie xiehec
sich von dem einen Knotenpunkte zu dem anderen hin, indem sk
in jedem eine der beiden Begränzungs-Curven berühren. Aofi^T
vom 15. December 1870. 897
in den beiden Knotenpunkten schneiden sich dieselben in einem
beiden gemeinsamen Wendepunkte, der den Mittelpunkt der Zeich-
nung bildet. — Übrigens setzen sich diese Ciirven über die beiden
Knotenpunkte hinaus auf weitere, ähnlich gestaltete Segmente der
Fläche fort
Von den übrigen Haupttangenien-Curven, deren drei gezeich-
net sind, weifs man, dafs sie in den Knotenpunkten eine Spitze
haben, dafs sie jeden der beiden begräuzenden Kegelschnitte ein-
mal berühren, und dafs sie dort, wo sie, aufser in den beiden
Knotenpunkten, die beiden ausgezeichneten Curven treffen, einen
Wendepunkt besitzen. Hiemach wird es leicht sein, ihrem Yer-
laufe in der Figur zu folgen.
7. Die im Vorstehenden gegebene Bestimmung der Haupt-
tangenten-Curven der Kummer'schen Fläche, welche wir an die
Betrachtung der zugehörigen Gomplexe zweiten Grades geknüpft
haben, kann noch unter einem anderen Gesichtspunkte gefafst wer-
den, indem man von einem der sechs unter denselben befindlichen
linearen Gomplexe ausgeht Die Fläche ist nämlich Brennfläche
eines diesem Gomplexe angehörigen Strahlensystems: des einen
Systems ihrer Doppeltangenten. Wir wollen nun zeigen, dafs
das Problem: die Haupttangenten-Gurven auf der Brenn-
fläche eines einem linearen Gomplexe angehörigen
Strahlensystems zu bestimmen, identisch ist mit dem
anderen: die Krümmungs-Gurven einer gewissen Flä-
che zu finden. In unserem Falle wird diese Fläche die Fläche
vierter Ordnung, welche den unendlich weit entfernten imaginären
Kreis doppelt enthält; und da man deren Krummungs-Gurven kennt,
so erhält mau eine Bestimmung der Haupttangenten-Gurven der
Kummer'schcn Fläche, die naturlich mit der oben gegebenen über-
einstimmt.
Man beziehe nämlich die Linien des gegebenen linearen Gom-
plexes eindeutig auf die Punkte des Raumes, indem man, vermöge
der gegebenen linearen Gleichung und der zwischen den Linien-
Coordinaten bestehenden Identität zwei der sechs Linien-Goordina-
ien, die sich auf zwei sich schneidende Kanten des Tetraeders be-
898 GesammUf'izung
sieheiiy al8 Faactionen der vier fibrigen anlTafot und diese letzit-
reo als Punkt-Coordinaten interpretirt. ' }
Man findet, dafs dann allen Linien des Complexes, weldk
durch einen Punkt hindurchgeben, die Punkte einer geraden Liok
entsprechen, und dafs diese gerade Linie einen festen Kegelschnlu
schneidet, der für die Abbildung fundamental ist. Das Strablec-
system, welches dem linearen Complexe mit einem Complexe nm
Grades gemein ist, bildet sich ab als Fl&cbe 2nten Grades, wel-
che den Kegelschnitt nfach enthält. Insbesondere ist das Bild
einer geraden Linie, d. h. der dieselbe schneidenden Complexlinien,
eine Fläche zweiten Grades, die durch den Kegelschnitt gebt.
Wir wollen fortan für den fundamentalen Kegelschnitt deo
unendlich weit entfernten imaginären Kreis wählen, so dafis also
das Bild einer geraden Linie eine Kugel wird.
Sei jetzt eine beliebige Fläche gegeben und auf derselben eiDt
Krümmungs-Curve. Die Fläche ist das Bild eines dem lineaivn
Complexe angehörigen Strahlensystems, die Curve das Bild einer
in demselben enthaltenen geradlinigen Fläche. Wir behanpteo,
dafs diese geradlinige Fläche die Brennfläcbe des Strab-
lensystems nach einer Hanpttangenten-Oarve bernbrt.
Zum Beweise bemerken wir zunächst, dafs, rückwärts, d&5
Bild dieser Brennfläche dasjenige Strahlensystem ist, dessen Linien
gleichzeitig die gegebene Fläche berühren und den unendlich weit
entfernten imaginären Kreis schneiden. Einer jeden geraden Linie,
welche die Brennfläche berührt, entspricht hiemacb eine die gege-
bene Fläche berührende Kugel. Insbesondere entspricht einer
Haupttangente eine stationär berührende Kugel.
Eine der beiden in einem beliebigen Punkte der Krununangs-
Cur VC stationär berfihrenden Kugeln enthält aber drei consecntive
Punkte der Krümmungs-Curve. Also schneidet eine der beiden
Haupttangonten der Brennfläche in einem Berührungspunkte mi:
der umgeschriebenen Linienfläche drei consecutive Erzeugende der-
selben, mit anderen Worten, ist eine Haupttangente auch der letz-
teren.
*) Dieses Abbildungsverfahren ist bereits gelegentlich von Hrn. Köthe
angegeben worden: Znr Theorie der algebraischen Functionen mehrerer cüü
plexer Veränderliehen. Gott. Nachrichten 1S69.
vom iö. December 1870. 899
Man hat aber allgemein den Satz: Wenn zwei Flächen sicli
nach einer Curve berühren und in jedem Punkte dieser Cnrve ist
ihnen eine Haupttangente gemeinsam, so ist die Curve eine Haupt-
tangenten-Curve.
Damit ist unsere Behauptung erwiesen.
Wenn man nun insbesondere für die gegebene Fläche eine
Fläche vierter Ordnung nimmt, die den unendlich weit entfernten
imaginären Kreis doppelt enthält, — eine solche ist das Bild eines
dem linearen Complexe angehörigen Strahlensjstems zweiter Ord-
nung und Classe, — so erhält man auf diesem Wege die Haupt-
tangenten-Curven der Kummer'schen Fläche, welche die Brennfläche
eines solchen Strahlensystems ist
Die in der letzten Nummer enthaltenen Betrachtungen sind es
gewesen, durch die der Eine von uns (Lie)^) zuerst zu der Be-
merkung geführt wurde, dafs die Haupttangen ten-Curven der Kum-
merschen Fläche algebraische Curven der 16ten Ordnung sind;
hierauf fand der Andere (Klein) die Beziehung dieser Curven zu
den Complexen zweiten Grades, die zu der Kummerschen Fläche
gehören, und bestimmte, wie im Vorstehenden auseinandergesetzt
ist, ihre Singularitäten.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
J. Moir, Original 'Sanskrit 'Texte. Vol. 1. 3. 4. 5. London 1S63 —
1870. 8.
1) vergl. Lie: Über eine Classe geometrischer Transformationen. Be-
richte der Akademie zu Christtania. IS 70.
900 Geiammtaiizung
19.Decemb. Sitzung der philosophisch-historischen
Klasse.
Hr. Trendelenbnrg las: Zur Geschichte philosopbisck
Termini. Zweiter Beitrag: Moralische Gewifsheit.
22. Deceinber. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bonitz las: Bemerkungen über PlatODS Charmides.
Hr. W. Peters legte eine riionographische Übersici
der Chiropterengattungen Nycteris und Atalapha vor.
I. NrcTEB/s Geoffroy.
1803. NycterisQeottrof, Desmarest A^otiv. dicU cthist not, XV. p. 501
1809. Nyciere GeoffrojSt. Hilaire, Descr. de Vigypte, Hut. NcU. 3/ßjii
firet, Planche 1.
1811. Nycteris Qeoitrojf IUI ger Sgit^mamm, et avium, p. 119.
1813. Njfcieri» GeoffroySt. Hilaire, Descr. Meunmif, en Eggpte. p. 113;
du Mua, XX. p. 1 1.
1838. NycteriB et Petedia Gray, Magazine of Zoology and Botcuty, II. p. i
1866. NgcteriSf Ngcterope et Pelatia O t t^y , Proc. Zooi. Soc. Lond, p. 83.
Die Organisation der hierher gehörigen Arten ist sehr ubers
stimmend, die Verbind angshaut der Ohren immer vorhanden, nur w
oder minder deutlich, und kann daher aus dem Fehlen oderVorfaanii
sein derselben ebensowenig wie aas der blofsen Lfinge der Ofai
vom 25. Decnnher 1870. 901
ein Character zur Unterscheidung mehrerer Gattungen entnommen
werden, wie dieses von Hrn. Dr. J. E. Gray versucht worden
ist. Es sind viel mehr Arten aufgestellt worden, als in der Natur
vorhanden sind und die sehr verwickelte Synonjmie zu entwirren
würde mir ohne Untersuchung der meisten Originalexemplare nicht
roöslich gewesen sein. Gebifs stets lil -1 i. 1 iii. Die verschie-
o o 8.2 16 1 2«3
dene Entwickelung des zweiten unteren Praemolarzahns bietet ein
beachtenswerthes Merkmal zur Unterscheidung der Arten dar.
a. Ohren so lang oder kaum länger als der Kopf,
obere Schneidezähne dreilappig.
1. NycteHs hispida. (Taf. Fig. 1,2.)
1759. Campagnol-rolantf Dftu benton, Mem. de r Acad, liojf, des
Sctene. Parit. p. 388.
1 763. No. DCDIX. Autre chaure-sourie, Daubenton, Bujfon Biet
. fia/.X.p.88. Taf.20.F]g.l.2.
1775. Vespertilio hispidue Schreber, Säugeihiere. I. p. 169. 190.
Taf. LVI (cop. Danbenton).
1788. Vesperfilio hispidus Gmelin, LinneSyst, nat, ed. XIII. L
p. 4S.
1813. Ntfderie DaubenionH, Geoffroy St. Hilaire, Descr, df
Mammi/, E^ypte. p. 113 ; Ann. Mus. XX. p. 19.
1 820. Nycteris Dauhentonii, Desmarest, Mammaiogie. p. 1 28.
I 1843. Bkinolophue Martini Fräser, Proceed. Zoolog. Soc. Lond.
p. 25.
1843. Nycteris Poensie Qray, Cat. Mamm. Brit. Mus. p. 24 (nor-
men!}.
1866. Nycterops pilosa Gray, Proceed. Zool. Soc. Lond. 1866.
^ p. 83. (nomen!)
Diese zuerst durch Adanson von dem Senegal nach Europa
ebrachte Art ist später von Fräser aus Fernando Po, von der
^ , 'ürttembergischen Mission aus Guinea, durch Hrn. J. Ungar aus
.ccra (Guinea) nach Europa gebracht und durch den vernnglück-
r. «n Hrn. Wilcke in Dongola, sowie durch Hrn. Dr. Schwein-
p'irth in Port Rek (Sudan) gesammelt worden. Die Art, obgleich der
aubentonschen Abbildung und Beschreibung nach wohl zu erken-
*n, ist vermuthlich deshalb verkannt worden, weil sich in der
'/o tomischen Sammlung des Jardin desplantesein Schädel einer
, 'ycteris als „iV. hispida^ bezeichnet befindet, welcher einer andern
1 c»
902 GeBammUitzung
Art, wahrscheinlich der N. thebaica^ angehört, Tielleicht a«ch mit
dem von Daubenton 1. c. p. 91 unter No. DCDXI. erwähutti)
identisch ist, w&hrend das Originalexeniplar von N, ki^pida sich
nicht wieder auffinden IfiCst. Auch Desmarest hatte sich nach
Yergleichung von N. thebaiea mit den Originalexemplaren zu den Be-
schreibungen von No. DCDX und DCDXI (Buffon 1. c p. 91) be-
reits für die Übereinstimmung dieser Exemplare ausgesprochen.
Ohrklappe am vordem Rande concav.
Das m&nnliche Exemplar, welches unsere Sammlung ans Ät-
cra besitzt und dessen Abbildung ich hier vorzulegen mir erlaube,
ist kaum ein wenig kleiner als die Exemplare aus dem Sudan,
sein Gebifs aber ganz mit ihnen übereinstimmend.
Mafse eines ausgewachsenen Exemplars aus Port Rek:
Mei«r
Totallänge o,iio
Kopf o,oH
Ohrhöhe o,o3o
Ohrbreite o,ois
Ohrklappe o,oo4s
Schwanz o,o4&
Oberarm o,oi7
Torderarm o,04i
L. 1 . F. Mh. 0,0053 ; 1 Gl. 0,0047; 2G1. o,oo39 0,011
L. 2. F. - 0,0365 ; - 0,0. o.ovs
L. 3. F. - 0,0335; - 0,0223; - 0,021»; Kpl. 0,003»
L. 4. F. - 0,034; - 0,0125; - 0,0087; - 0,001
L. 5. F. - 0,035; - 0,0125 ^ - 0,0098; - 0,0018
Oberschenkel 0,017
Unterschenkel o,oi>
Fufs 0,011
Sporn 0,017
2. Nycteri8viUo8aFtT3. (Fig. 3.)
1852. Nt/cteris viliosaT eters f Reite nach Mo^mbique^ Säuge-
thiere. p.48. Taf.xi.
Diese Art ist äufserst nahe verwandt mit der vorhergehenden,
unterscheidet sich aber, abgesehen von einigen geringeren Merkma>
len, durch die stfirkere und weiter ausgedehnte Behaarong der
vom 22. December 1870. 903
Flughfiute nnd merklichere Orofse des zweiten nntem fklschen
Backzahns.
Das bisher noch immer einzige Exemplar von meiner Samm-
lang {Mus. ZooL Berol. Mammalia. No.394) stammt, wie ich angege-
ben habe, ans Inhambane, in Südostafrika.
b. Ohren auffallend länger als der Kopf, obere
Schneidezähne zweispitzig.
A, Der zweite untere Praemolarzahn sehr klein und ganz
nach innen gedrängt.
3. Nycteris thebaica Geoff roy. (Fig. 4.)
1809. Nyctere de la Th^baide, Geoffroy St. Hilaire, Descript
de Vtgifpte, Mammi/eres. PI. 1. Fig. 2, PI. 4. Fig. 1, 1', 1".
1813. Nycteris thebaicue Geoff roy St. Hilaire, Deacript. de
l*Egjfpte. Bist, Not. Mammtf. p. 119 ; Mem, du Museum. XX.
p. 20.
1 820. Nycteris Geoffroyi Desmarest, Mammalogie. p. 1 27.
1839. Nycteris hispidaTSiXtkinyWlty OstSoyrapkie. Taf. vn.
1 840. Nycteris thebaica et albiventer Wag n e r , Schreber Säugeth f>-
re. Suppl. I. p. 439.
1855. Nycteris thebaica (G e o f f r o y) Wa g n e r, Säugethiere. p. 645.
1861. Nycteris iabiata H e u g 1 i n , Beitr, zur Fauna der Säugethiere
Nordost- Africas. p.5. (Acad. Leop. Carol. Vol. XXIX.}
Aegypten, Abyssinien (Kören).
4. Nycteris angolensis n. sp. (Fig. 5.)
Durch die Gute des Hm. Barboza du Bocage habe ich
verschiedene £xemplare einer Nycteris zur Untersuchung erhalten,
welche ich für identisch mit N. fuliginosa aus Mo^ambiqi^ gehal-
ten habe.') Eine genauere Untersuchung hat mir aber gezeigt,
dafs, obgleich sie in der Färbung mehr mit dieser letztem über*
einstimmt, sie durch die Entwicklung des kleinen zweiten untern
falschen Backzahns und aueh durch eine etwas geringere Länge
des Sporns der N. thebaica näher steh^ und dafs sie von dieser
nur durch eine etwas stärkere Entwickelung dieses äufserst kleinen
*) cf. Jomal de Sciencias mathem, phys, e nat, Acad, /?. Scienc, Lisboa.
1870. No. X. p. 123.
[1870] 62
904 Gesammtiitzung
Zahnes von ihr verschieden ist Der Tragus zerfallt, wie gewolm-
lieh, in zwei Abtheilungen und die obere abgerundete Abtheiloog
hat, wie bei iV. thebaica und eapensiSy den vordem Rand con?ei.
Totallange Mi3
Kopf o,öi.'>
Ohrhöhe 0^
Ohrbreite o,a»
Ohrklappe 0,005
Schwanz 0,««
Oberarm 0^
Vorderarm o.ou
L. I.F.* Mh. 0,0058; 1 Gl.o,oo>; 2 Gl. 0,002s 0,01}
L. 2. F. - o,o4o; - 0,001s o^m
L. 3. F. - 0,0368; - 0,026; - o,om; Kpl. 0,005
L. 4. F. - 0,038; - 0,015; - 0,0115; - 0,0019
L. 5. F. - 0,038; - 0,0145; - 0,0125; - 0,0095
Oberschenkel 0,033
Unterschenkel o,on
Fufs 0,01s
Sporn 0,017
Diese Art ist in Gaconda, Biballa und Rio Coroca von
Hm. Anchieta gefunden worden.
ß. Der zweite antere Praemolarzahn klein und in der Zahn-
reihe zwischen dem ersten and dem ersten Molarzahn zo-
sammengedrückt, mehr entwickelt an der inneren al5 an
der aufseren Seite der Zahnreihe.
5. Nycieris capensis Smith. (Fig. 6.)
1829. Nycteri» captntia et ctffinis Smith, The zooioffical Journal,
IV. p. 434.
1840. Nycteria discolorVi^AgneTf Schreber Sdugethiere, Snppl. I.
p. 440.
Die geringen Farbenunterschiede ebenso wie die geringere oder
grofsere Lfinge des letzten Schwanzgliedes und die Verschiedenheit der
Ohrengrofse innerhalb der angegebenen Grenze, sowie endlich der leicht
bei der Präparation der zarten Zwischenkiefer entstehende Zwischen-
raum zwischen den obern Schneidezahnpaaren bilden durchaus keine
vom 22. December 1870. 905
unterscheidenden Merkmale und das Gebifs ist Tollkommen überein-
stimmend. Dafs auch die Exemplare aus der Ecklon'schen Samm-
lung, nach denen Wagner seine N. discolor aufstellte, durchaus
nicht hiervon verschieden sind, davon habe ich mich durch directe
Vergleichnng derselben überzeugt
Im Innern. Südafrikas (Kafferland) und in Port Natal.
6. Nycteris damarensis n. sp. (Fig. 7.)
Aus dem Damaralande haben das Berliner, das Stockholmer
und das British Museum Exemplare einer Nycteris erhalten, wel-
che der capensia Smith äufserst nahe steht, durch die ganz
schneeweifse Unterseite, ohne bräunliche Schattirung an der Seite
der Brust vor der Schulter, auffällt und sich durch eine etwas stär-
kere Entwickelung des kleinen zweiten untern falschen Backzahns
auszeichnet. Ich lasse dieser Art den Namen, unter welchem sie
im British Museum und in dem Gatalogue of Mammalia von 1843
[p. 24) aufgeführt, ist, obgleich sie niemals beschrieben wurde.
Meter
lotallfinge o,ii8
Kopf 0,0232
Ohrlänge 0,035
Ohrbreite 0,023
Tragus 0,009
Schwanz o,056
Oberarm 0,022
Vorderarm 0,047
ü*. 1. F. Mb. 0,005; 1 Gl. 0,005; 2 Gl. 0,0025 0,013
Li. 2. F. - 0,040 ; - 0,0 0,040
[i. 3. F. - 0,0872; - 0,0265; - 0,025; Kpl. 0,005
u. 4. F. - 0,040«; - 0,014; - 0,0117; - 0,0015
'a.5.Y. - 0,0408; - 0,0137; - 0,0117; - 0,002
Oberschenkel .* ■-. - . . . . . 0,0235
Jnterschenkel 0,023
?ufß 0,012 — 0,013
Jporn 0,017
Wir haben diese Art durch Hrn. Hahn aus Otjimbingue.
62^
90G GeBammUitzung
7. Nyteris/uliginosaFiTS. (Fig,8.)
1 SÖ2. Nycieri9ful%g%no9a P e t e r 8 1. c. p. 46. Taf. x.
Diese Art schliefst sich ebenfalls znnficbst an N, copaim Smith
an, hat aber die Obrklappe schmäler und den zweiten untern ti-
schen Backzahn grofser. Sie ist spater von Dr. Kirk am Zam-
beze in Shupanga und von dem Baron C. von der Decken
an der Küste von Zanzibar wieder gefunden worden.
y. Der zweite untere Backzahn wohl entwickelt
8. Nycteris grandis Ptrs.
1865. Nycteris grtmdis Peters, Monatsb, BerL Akad, d. Wissen-
9chaß, p. 358 ; ibid. 1866. p. 672.
Der zweite untere falsche Backzahn erreicht nur ein Drittel
der Grofse des ersten bei dieser riesigen Art, von welcher mir bis
jetzt nur zwei Exemplare, ein trocknes im Leidener and ein Wein-
geistexemplar im British Museum, beide aus Guinea, bekannt
sind.
9. Nycteris javanica Geoffroy. (Fig. 9.)
1813. Nycteri$ javanicuB Geoffroy St Hilaire, Ann, du JA-
•^m. XX. p. 20.
1828. PetaiiajavanicaCrTtky, Mag, ZooL^Bot II. p.494.
1866. Pelatiajavanica Gray, Proc, ZooL Soc. Lond, p. 83.
Bei dieser Art, dem einzigen bisher bekannten ReprSsentantei
der Gattung im indischen Archipel, welche auch nur auf Jars
gefunden wurde, erreicht der zweite untere Backzahn zwei Drittel
der Grofse des ersten und die Ohrklappe ist am vordem Rande
nicht convex, sondern grade abgestutzt. Eine bogenförmige quer:,
die Basis der Ohren verbindende Haut ist aber bei ihr ebensowol.
vorhanden wie bei den afrikanischen Arten und eine generiscb^
Abtrennung von denselben scheint mir durchaus bicht begruod'^
zu sein.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1 — Ic Nycteris hispida Sehr eh er. AusAccra. NatQrl. Grofse.
, 2. Unterkieferzahne von Nycteris hispida Schreber. Aus Port R e k.
„ 3. Dieselben von Nycteris vilhsa Ptrs.
vom 22. December 1870. 907
Fig. 4. Dieselben von Nycteris thehaica Geoffroy.
„ 5. Dieselben von NycterU angoiensis Ptrs.
^ 6. Dieselben von Nycieria capenais Smith.
„ 7. Dieselben von Nycteris dctmarensia^t TB,
„ 8. Dieselben von Nycteri$ /uliginosa Ptrs.
^ 9. Dieselben von Nycteris jävanica Geoffroy,
Fig. 2 bis 9 viermal vergröfsert
II. Atalafua Rafinesque.
1814. Atalapha Rafinesqae, Precis des decouvertes et tracaux »omiologiquea
p. 12.
1820. Atalapha Desmarest, Mammalogie. p. 146.^)
1838. ScotophiluS'Lanurua-Atalapha Raf. Gray, Mag. Zool. Bot, TL, p.498.
1841. Nycticejus T emminckf Monogr. MammcU, IL p. I54(exp.).
1854. Atalapha Gervais, Hiat, not, Mammi/. I. p.214.
1856. Atalapha Gervais, Docwn, zooL Cheiropt, Sud-AnUric. p. 72.
1857. Lasiurua Tomes, Proc, ZooL Soc, Lond, p. 34.
1864. Lanurus Allen, Monogrc^h o/ihe Bata qf North-America, p. 14.
Die Synonymie der hierher gehörigen Arten zu entwirren, ist
äufserst schwierig und würde nur möglich sein durch eine directe
Vergleichung der Originalexemplare, die kaum ausfuhrbar sein
dürfte. Anstatt, wie ich hoffte, die Zahl der aufgestellten Arten
zu yermlndem, bin ich genöthigt, dieselbe noch zu vermehren.
^) Desmarest und nach ihm Temminck, Gervais n. A. citiren
eine Abhandlung „Prodrom, de Somiologie* von Rafinesque, die gar nicht
existirt, indem derselbe wohl eine Schrift „Principea fondamentaux de Somio-
io^ie'^, Palerme 1814. veröffentlicht hat, worin aber der Name Atalapha gar
nicht vorkommt. Überhaupt behalte ich den Namen Atalapha nur defshalb
bei, weil Rafinesque ausdrficklich den V, novaeboracenaia als hierher gehörig
anfuhrt, da die von ihm angeführten Merkmale (Mangel der Schneidezahne
etc.) falsch sind und weil Desmarest zuerst seine Gattung unter demselben
JKamen näher begründet hat. Das Rafinesqnesche Werk „Nature^, welches
Hr. Graj f&r den Namen Laaiwrua citirt, habe ich nicht zu Gesicht bekom-
men können, da es der KönigL Bibliothek fehlt.
908 Gesammtsitzung
a. Schenkelflughant ganz oder bis auf den hinterstem
Rand behaart; Backzähne: 1^ — 1^. Atalapka s, s.
1. Ätalapha novaeboracensis.
1777. Vespertilio novaeboraceims Erziehen, Sj^ refm, wdm,
p. 155.
1788. Vespertilio novaeboracensis et lasiuruM Gmelin, /.um. Syt
not. p. 50.
1792. VesperHHo /otfturufS ehre her, Säugeihiere. IV. p.636. Txl
Lxn.B.
1796. Vespertilio rubelius Palisot deBeauvois, CaL Prtlv'i
Mus. (fide Allen).
1814. Ätalapha (xmericana'RtL f Ines (luty L Cm
1817. Vespertilio monachus et tessellatusB. afinesqnCy Am. M%Mtkl.
Mag. IV. p. 445 (fide Allen).
1843. Lasiurus nt/üs Gray, CaJt, Mammal, BriL Mus, {».33 'fiele
Tomes).
1854. Ätalapha novaeboracensis et lasiurus GerTaia, Bist. %il
Mammif. p. 214.
1857. Lasiurus novaeboracensis Tomes, Proc. zooL Soc. p.34.
1 864. Lasiurus novaeboracensis Allen, 1. c p. 15.
Über ganz Nordamerica verbreitet Das Berliner Mnseam
besitzt zwei Exemplare durch Evers mann von den Aleaten und
nach Geoffroy und Temminck soll die Art auch in Cajenne
und Surinam vorkommen.
2. Ätalapha Pfeffferi Gundlach.
1861. Ätalapha P/eifferi Gundlach, Monatsb. BerL Akad. p. 1 '^2,
Guba.
3. Ätalapha Frantzii n. sp.
Diese Art ist der Ä. novaeboracensis sehr ähnlich; aber abgtr*
sehen von geringeren Unterschieden in der Färbung sind die Ohreo
etwas kleiner, die Ohrklappe kurzer und mehr zugespitzt, der Rand
der Schenkelflughaut kahl und die Behaarung an der Bauchseite längs
dem Vorderarm sehr kurz und sparsam. Auch ist der Kopf klei-
ner und die Extremitäten sind mehr gestreckt. Die Flaghäate ge-
hen bis an die Zehenwurzel, so dafs diese Art auch nicht zu A,
Grayi Tomes geboren kann, bei der die Flughäute nur bis zar
Mitte der Fufswnrzel reichen.
vom 22. December 1870. 909
Ob V. bonartensis Lesson zu dieser oder, wie andere Auto*
ren behaupten, zu F. novaeboracensis geliort, darüber kann ich nicht
urtheilen, da das Original exemplar verloren gegangen zu sein
scheint und die Abbildung und Beschreibung zu einem genauem
Vergleich zu ungenügend sind.
Unser Museum verdankt zwei Exemplare dem Hm. Dr. v.
Frantzius, welche in Costa Rica gesammelt sind, und besitzt
aufserdem ein Exemplar aus Brasilien von einem nicht genauer
bestimmten Fundorte.
Meter
Totallänge o,iio
Kopf 0,015
Ohrhohe o,oi8
Vorderer Ohrrand o,oo8
Ohrbreite o,oo8
Ohrklappe o,oo7
Schwanz o,057
Oberarm 0,027
Vorderarm 0,039
Li. 1. F. Mh. 0,003; 161. 0,00s; 2 61. 0,0025 0,010
L«. 2. F. - 0,044; - 0,006 0,050
L«. 3. F. - 0,0448; - 0,0173; - 0,0175; Kpl. 0,0045
L«. 4. F. - 0,040 ; - 0,012; - o^oii; - 0,003
L«. 5. F. - 0,0363; - 0,0082; - 0,008; - 0,0018
Oberschenkel 0,0195
Unterschenkel 0,0195
Fufs 0,008
Sporn 0,015
Abstand der obern Eckzahnspitzen 0,0037
4. Ätalapha varxa,
1S35. Nycticejus varius POppig, Reisen in Chile ^ Peru etc. I.
p.451.
Ich habe schon früher {MonaUber, Berl. Akad. 1861 p.l53) auf
die Eigenthumlichkeit dieser Art aufmerksam gemacht. Wir be-
sitzen dieselbe aus Peru und Chile. Äufserlich ist sie leicht dadurch
zu unterscheiden von den verwandten N. novaeboracensis u. a. dersel-
ben Orofse, dafs sämmtliche Flughäute gleichf5rmig schwarz sind.
Wir haben sie mit einem Exemplar aus der Leipziger Sammlung,
9 1 0 Gesammtsitzung
welches von Poppig selber bestimmt ist, darch die Gate des Hn.
Prof. Dr. Leackart vergleichen können.
5. Ätalapha Grayu
1857. Lasiurus Grayi T o m e 8 , Proc. Zool, Soc, Lomd. p. 40.
Diese von mir nicht untersuchte Art steht nach Hm. Tomet
zwischen A, novaeboracensis und A. pruinosa (cinerea) nnd hat dk
Flughäute nur bis «ur Mitte der FuTswurzel herabsteig^id. Sie
soll nicht allein in Chile, sondern nach Hrn. Oraj (iVoc. Z. S.
ZfOnd» 1862. p. 143) auch auf den Sandwichsinselnl und in
Nordamerica (bei Nisqually, Juan da Fuca) vorkommen.
6. Ätalapha cinerea*
1796. Vespertilio cinereus Palisot de BeanTois, Catal, Peclft
MuB, (fide Allen).
1823. Vespertilio pntinosus S a j, Long' s Exped. Rocky MommL p. €T.
1 842. Vespertilio pruinoeus D e k a y, NaL Bist. New York, ZooU gy.
p.7.Taf.2.Fig.2.
1857. Lasiurus pruinosue Tomes, Proc, Zool. Soc Lomd. p.37.
1864. Lasiurua cinereus Allen, Monogr. Bote N.Aml p.Sl.
Von dieser ausgezeichneten und lange bekannten Art besitzt
die Berliner Sammlung zwei südamericanische Exemplare ans Men-
doza und durch Hm. Dr. Hensel eins aus Montevideo, wel-
che mir keinen Unterschied von den nordamericanischen zeigen.
7. Ätalapha pallescens n. sp.
Diese der vorhergehenden sehr nahe verwandte Art fallt gleich
durch ihre sehr viel hellere Farbe, nicht allein der Behaarung, son-
dem auch der nackten Korpertheile, als verschieden auf, indem auch
der Ohrrand und Schnauzenrand nicht schwarz, sondern gelbbrana
gefärbt sind. Die Ohren sind bei sonst gleicher Korpergrüüs«
etwas kleiner, schwächer behaart, der vordere Theil der Helix we-
niger entwickelt, nicht mit seinem vordem untern Ende nach hin-
ten spitz vorspringend. Die Behaarung der Schulterflughant, der
Lendenflaghaut und der Schenkelflughaut ist nicht so reichlich,
auch sind die Haarflecke der Rückseite auf der Mittelhand des
Daumens, auf der Basis des fünften Fingers und über dem Ellbo-
gen an der Aufsen- und Innenseite der Vorderarmes weniger stark
und die Mittelhand des fünften Fingers ist länger als bei A.
cinerea.
voni 22. December 1870. 911
Die Haare des Rückens sind an der Basis dankel rostbraun,
haben dann einen breit gelben, dann einen schmalen rostrothen Ring
und hellgelbe Spitzen; die der Schenkelflugbaut sind rostroth mit
blafsgelben Spitzen, die Haarflecke auf dem Daumen, dem 5. Fin-
ger und auf dem Vorderarm blafsgelb. Die kürzeren Haare der
Bauchmitte sind ähnlicb gefärbt, wie die der Rückseite, die der
Bauchseiten, der Lenden- und Schenkelflugbaut gelbbraun. Die quere
hellgelbe Keblbinde ist, wie bei A. cinerea^ nach hinten scharf ab-
gegrenzt.
Mafse eines ausgewacbsenen Weibchens:
Meter
Totallänge o,i50
Kopf 0,020
Ohrböhe o,oift
Vorderer Ohrrand bis zur Mitte des abgerundeten Winkels . o,oo9
Ohrbreite o,oi3
Ohrklappe o,oo8S
Schwanz o,o6o
Oberarm o,036
Vorderarm 0,0535
L. 1. F. Mb. 0,005; 1 Gl. 0,007; 2 Gl. 0,003 o,ou
L. 2. F. - 0,059; - 0,006 0,065
L. 3. F. - 0,060; - 0,020; - 0,024; Epl. 0,005
L. 4. F. - 0,054; - 0,012; - 0,014; - 0,0015
L. 5. F. - 0,048; - 0,008; - 0,009; - 0,002
Oberschenkel 0,023
Unterschenkel 0,023
Fufs mit Erallen 0,011
Sporn 0,020
Distanz der obern Eckzahnspitzen o,oos5
Fundort: Paramo de la Culata, Andes de Merida (Re-
gion frigida), Venezuela; durcb Hrn. Earsten.
Ich war Anfangs geneigt, diese Art nur für eine Farbenvarie
tat von der vorgehenden zu balten, zumal da die Exemplare aus
den LaPlata-Staaten, also aus viel südlicheren Gegenden, die
gar keine Verscbiedenbeit von der Ätalapha cinerea aus den nord-
americaniscben Staaten zeigen, das Vorkommen einer verschiede-
nen Art in den dazwischen liegenden Gegenden sehr auffallend er-
\
912 Gesammtsitzung
scheinen liefsen. Indessen ist zugleich zu beachten, dafs die h^
faen Gebirgsgegenden anderer Länder auch oft Arten liefern, die
von denen der Ebene verschieden sind.
b. Die Ruckseite der Schenkelfinghaut ist nur bis lar
Mitte oder etwas über zwei Drittel behaart; Backzähne:
^*- — i^; subgen. Dasjfpterus.
«. Nar das letzte Drittel der Schenkelflnghant anbehaart.
8. Äialapka intermedia,
1862. LoMunts itttermediti$ Allen, Proceed, Acctd, Nai, Sc. Phi-
ladelphick, p. 46 ; Monogr, BaU AV Am. p. 25.
Mexico (Matamoras).
9. Ätalapha egregia n. sp.
Ohren höher als breit, am vordem Rande stark, am hintern
Rande flach convex, mit vier Qaerfalten; ein Kiel rother Haare
nahe der unteren Hfilfte des inneren Randes und die Mitte der in-
nern Oberseite nach oben hin mit feinen rothen Haaren sparsamer
bekleidet; der Antitragus nur durch einen flachen Ausschnitt tod
dem hintern Ohrrande abgesetzt; Ohrklappe ziemlich spitz, nur mit
der Spitze nach vom gekrümmt NasenöfTnungen vorspringend.
Der untere erste falsche Backzahn reichlich halb so grofs wie der
zweite; Cingulum dieser letzteren an der äufsern Seite deutlich
zweilappig. Flughäute bis an die Zehenwurzel gehend. Die Be-
haarung der Rfickseite der Schenkelflugbaut lafst ungefähr da»
letzte Drittel frei; an der Bauchseite erstreckt sich die Behaarung
nur auf das Basalviertel. Auf dem Rücken ist die Basis des Dao-
mens und die Aufsenseite des Ellbogens mit rothen Haaren beklei-
det An der Bauchseite finden sich sparsam l&ngere rotbe Haan.
zwischen der Basis des 4. und 5. Fingers, zu beiden Seiten dca
Vorderarms und zwischen der Endhälfte des Oberarms und dem
Knie, während die Gegend zwischen der Grundhälfte des Ober-
arms und dem Oberschenkel sowohl auf der Rücken- wie auf der
Bauchseite dichter mit langen Haaren bekleidet ist.
Die Haare des Oberkopfes und des Nackens sind an der Ba-
sis schieferfarbig, dann breit hellgelb und an der Spitze schon roth;
diese rothen Spitzen werden an den Rückenhaaren nach hinten bin
immer länger und unterdrücken allmählig die gelbe ZwiscbenfarW
vom 22. Decemher 1870. 913
und die Haare der Schenkelfloghaut sowie der Hinterextremitäten
sind einfarbig roth. Kehle und Unterkinn nebst dem Yorderkopf
haben hellgelbe Haare mit rothen Spitzen. Die Haare der Brust
und des Bauches sind an der Basis schieferfarbig und an der Spitze
rostroth, die des Hinterbauchs und der Schenkelflughaut einfarbig
rostroth. Die Flughäute sind schwarz, mit Ausnahme der Schen-
kelflughaut, des an den Vorderarm grenzendon Theils der Schul-
terflughaut und der Fingerflughäute zwischen Daumen, Zeigefinger
und Mittelfinger, welche von brauner Farbe sind.
Meter
Totallänge o,i3o
Kopf 0,0205
Ohrhohe o,oi9
Vorderer Ohrrand 0,015
Ohrbreite 0,013
Okrklappe 0,0095
Schwanz o,o6o
Oberarm 0,034
Vorderarm 0,047
L. 1. F. Mh. 0,0042; 1 Gl. 0,0058; 2 61. 0,0035 0,013
L. 2. F. - 0,055; - 0,0065 0,0615
L. 3. F. - 0,0573; - 0,0203; - 0,0225; Kpl. 0,0055
L. 4. F, - 0,051; - 0,0121; - 0,0137; - 0,0023
L. 5. F. - 0,043; - 0,0092; - 0,009; - 0,0012
Oberschenkel 0,0225
Unterschenkel 0,0225
Fufs 0,010
Sporn 0,020
Distanz der oberen Eckzahnspitzen 0,005
Aus Sta. Catharina in Brasilien.
Diese Art ist sehr nahe verwandt mit Ä, intermedia Alien <,
welche aber, abgesehen von der ganz verschiedenen Färbung, un-
ter anderem durch spitzere, am hinteren Rande etwas ausgerandete
Ohren, den höheren, abgerundeten und durch einen viel tieferen
Ausschnitt von dem hinteren Ohrrande abgesetzten Antitragus, den
stumpferen, weniger zugespitzten Tragus, den verhältnifsmäfsig klei*
neren ersten unteren falschen Backzahn und die ungelappte Beschaf-
fenheit des Cingulunis an der äufseren Seite des zweiten unteren
914 Gesammtsitzung
falschen Backsahns ausgezeichnet ist. Anch ist diese Art grölkf
und unter anderem die erste Phalanx des 4. Fingers TerhSltoiL-
inäfsig Ifinger (Vorderarm 0?053; Schwanz 0»068; 1 Gl. des S.Fb-
gers 0?021, des 4. Fingers 0?0155, des 5. Fingers 0?009).
ß. Die Behaarung der Schenkelflnghaat reicht norbis znrMitt?.
10. Ätalapha Ega,
1856. NjftHctJHM Ega Ger Tals, Doettm. zool, Ok^ropt. Sttd-Amtr.
p.72.
1857. LtuiurusAga Tom es, Proc. ZooL Soe, Land, p.43.
Brasilien, woher auch die Berliner Sammlung ein getrockne-
tes Exemplar durch Sello besitzt.
11. Ätalapha caudata.
1857. Lcmurut ccatdattts Tomes 1. c. p.42.
Diese Art ist mir aus eigner Anschauung nicht bekannt und
scheint mir die Verschiedenheit derselben von der vorhergeheudcD
noch nicht ganz ausgemacht zu sein, da der Hauptunterschied in
der bedeutenderen Länge des Schwanzes liegen soll und bei der Ver-
gleichung nur ein einziger Balg von N. ega zu Grunde gelegen bat
Die von Hrn. Tom es zu dieser Art gerechneten beiden Exem-
plare stammen aus Pernambuco und Chile.
Hr. Mommsen legte die von den Hm. Henzen und Hab-
ner erstatteten Berichte fiber den Fortgang der Arbeiten am Cor-
pus inscriptionum Latinarum während des Arbeitsjahrs 1. Nov. 1869
-^ 31. Oct. 1870 nebst seinem eigenen Berichte vor. Auch io
diesem bewegten Jahr hat die Arbeit und der Druck, wenn nicht
ohne Störungen, doch im Ganzen ununterbrochen fortgeführt wer*
den können.
\-7. \vmristepida.;nAill»s:r4S.lhpbir;i,,t V™eoliTiN]s.liX.iape]ws./.\.iLinurf!i'js
v<m 22. December 1870. 915
Hr. Henzen und Hr. Bor mann haben die Drucklegung der
stadtrömischen Inschriften (Bd. VI) begonnen und bis p. 112
gefuhrt, wobei theils wfihrend Hrn. Bormanns Abwesenheit im
Felde der in dieser Zeit in Berlin anwesende Hr. Henzen den
Druck leitete, theils nach dessen Rückkehr nach Rom Hr. Bor-
mann, der inzwischen von seiner bei Mars-la-Tour am 16. Aug.
d. J. empfangenen Wnnde wieder einigermafsen hergestellt und
nach Berlin zurückgekehrt war. Die sacrae sind damit zum grös-
seren Theil abgeschlossen. Die Eaiserinschriften sind zum Druck
fertig. — Hr. Hübner hat vor Kurzem mit dem Druck der In-
schriften von Britannien (Bd. YII) den Anfang gemacht — Die
von Hrn. Zangemeister bearbeiteten Wand- und Griffel inschrif-
ten von Pompeii (Bd. IV) sind ausgedruckt und gelangen demn&chst
zur Versendung. — Der Druck der von Hrn. Mommsen bear-
beiteten Bände ist in Band III von S. 640 bis S. 800 vorgeschrit-
ten, womit dieser Theil bis auf die allerdings umfangreichen An-
hange und die Indices abgeschlossen ist; in Bd. Y von S. 168 bis
S. 328, welche die östliche Hälfte Oberitaliens bis Verona um*
fassen. — Die finanzielle Lage des Unternehmens ist befriedigend,
die Förderung des Druckes, wenn nicht allen Wünschen ent«
sprechend, doch merklich und erfreulich.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden
vorgelegt:
Corretpondenzhlatt de» Naturforscher -Verein» zu Riga. IS. Jahrg. Riga
1870. 8.
Denkschrift de» Natur/or»cher- Verein» zu Riga, herauegeg. in Anla/» der
Feier »eine» 25 jähr. Bestehen». Riga 1870. 4.
W. V. Gutzeit, Zur Oeechichte der Forschungen über die Phosphorite de»
mittleren Ru/»land». Riga 1870. 4.
Siehenundzwanzigster Jahreebericht der »chie»i»chen Qe»ell»cheft für vater-
ländi»che Ouitur. Breslan 1870. 8.
Abhandlungen der Schles. Gesellsch, f. vaterl, Cultur. Abth, /. Naturw. u,
Medidn. 1869 | 70. Philo».'hi»t. Abth. 1870. Breslau 1870. 8.
l
916 Gesammtiitzung vom 22. December 1870.
V. Rofe, Atteedota Oraeca et GraeeoloHna, 2. Heft Berlin 1870. S.
Mit Begleiticbreiben cL Veil cL d. 30. Dec. 1870.
VierUljakrt9»chr^ der AetronowL OeeelUchqft, 5. Jahig. 4. Heft Lei^
1870. 8.
Schriftem der ünivereitat tu KieL 16. Bd. Kiel 1870. 4.
Mainardi, Auezuge aus dem Atti dei Noovi Lineei, (Roma 1870.) 4.
Ahnual Report of the Commieeioner of patente for 1867. Yol. 1—4. Wi-
8hiDgton 1868. 8.
Verbesserungen und Druckfehler.
S. 657 Zeile 5 statt crenata lies crenulata,
jf — in der Note Zeile 2 statt Saude lies Sande.
^ 658 letzter Absatz Zeile 2 statt Mendoni lies Mandoni.
ji 659 Zeile 1 statt Dominica lies St. Domingo.
„ 689 Zeile 6 statt angustifolia lies tenuifolia,
n 704 Zeile 7 von unten statt Fig. 3 lies Fig. 2.
n 747 No. 45 Zeile 1 statt S. Dominique lies St Domingo.
^ 748 Zeile 5 statt No. 46 lies 47. Die folgenden Nummern 47
bis 53 sind sämmtlich um 1 zu erhohen.
Namen - Register.
(Die mit einem * bezeichueten Vortrage sind im Monatsbericht nicht
aufgefahrt.)
Baxt, N., Neue Versuche fiber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Rei-
zung in den motorischen Kerven der Menschen, 184.
Bekker, Bemerkungen zum Homer, 810.
Blau, Otto, Dritter Bericht über römische Alterthfimer in Bosnien, 619.
du Bois-Reymond, Jahresbericht der Humboldtstiftung, 44. — Nachtrag
zur Abhandlung Ober die aperiodische Bewegung gedämpfter Magnete,
537. — *Über die Krause-Kühne*sche Theorie der Muskelzusammenzie-
hung, 807. — Über Leibnizische Gedanken in der neuem Naturwissen-
schaft, 835.
Bonitz, *Zur Erklärung des Phaidon, 797. — ^Bemerkungen fiber Platon's
Charmides, 900.
Borchardt, *Über ein die Pyramiden betreffendes Problem des Maximus,
812.
Braun, Neuere Untersuchungen fiber die Gattungen MarsUia und Pilularia,
653. — Mittheilungen fiber die Reise des Dr. Schweinfurth, 833.
Buschmann, ^Zusätze zur sonorischen Grammatik, 183.
Curtius, Über griechische Personennamen, 159. — Über die Mfinzen der
griechischen Colonien in ihren Beziehungen zum Mutterlande, 803.
Dove, Alfred, Über die Handschriften von Arborea, 90.
DoYe, *Über die Compensation der in Europa im Januar 1870 beobachte-'
ten Kälte durch eine ungewöhnliche Erhöhung der Temperatur in Ame-
rika, 126. *Über die Wärmevertheilung im Polarmeer, 182. •— Über die
Temperaturvertheilung im Winter 18f{, 209. — Über die Zurfickffihrung
[1870] 63
920 Namen-Register.
der jährlichen Temperatorcurve auf die ihr zum Gmnde lic^genden Be-
dingungen, 365. — Über die Yertheilong des Regens in der jährlkk'^
Periode im mittleren Europa, 813.
Droysen, *Über die Lage der Politik im Anfange des ersten scUesurbes
Krieges, 890.
Ehrenberg, Über die Bacillarienbänke im Hochlande Califomiens, 12€w —
Über die wachsende Kenntnifs des ansichtbaren Lebens ala USiASHeak
Bacillarien in Califomien, 259.
Ewald, *Über einige die Geologie der Anden betreffenden Fragen, S2€.
Gerhardt, Zur Geschichte der Algebra in Deutschland. Zweiter TbeiJ, 141.
Groth, Über Beziehungen zwischen Krystallform und chemischer CoBftits-
tion bei einigen organischen Verbindungen, 247.
Haupt, *Über die Perser des Aeschylos, 247. — Bericht fiber die Hand-
schriften Ton Arborea, 64.
Hofmann, Nachträgliche Bemerkungen über die Entschwcfelungsprodaktr
des Diphenylsulfocarbamids, 171. — Über substituirte Mekimine, 191. —
Über die Darstellung der Athylamine im Grolsen, 154. — Über die Iso-
meren der Cjanursänre-Äther, 198. — Weitere Beobachtungen über das
Methylaldehyd, 525. — Über die aromatischen Cyanate, 576. — Über
die Einwirkung des Cyans auf das Anilin, 597. — Einwirkung d«s
Cyans auf das Triphenyl-Guanadin, 597. — Über eine neue Klasse rt«
Cyansäureäthem, 599. — Über Bildnngsweise der laonitrile, 600l —
Reaction auf Cyanursäure, 601. — Reaction auf Chloroform, 602. —
Diagnose primärer, secundärer und tertiärer Amine, 603. — Zur Kennt-
nifs des Phenylzanthogenamids, 606. — Über die Einwirkung der Es-
sigsäure auf das PhenylsenfSl, 611. -^ Zar Geschichte der AthjlcBba-
sen, 612. — Zur Kenntnifs des Aldehydgruns, 618. — Über die Ho-
leculargröfse des Cbinons, 616.
Homeyer, Über Hausmarken, 175.
Jaffe, Über die Handschriften Ton Arborea, 74.
Ketteier, Über den Einflufs der ponderablen Moleküle auf die Disperaon
des Lichtes und über die Bedeutung der Constanten der Disperstonsfor-
meln, 132.
Kirch hoff. Über eine jüngst publicirte vermuthlich lakonische Urkunde, 5 t.
*- Über die Tributlisten der Jahre Ol. 85,« — 87, f ,^ 575.
Klein, Felix und Sophus Lie, Über die Haupttangenten-Corren der Kub-
mer^schen Fläche vierten Grades mit 16 Knotenpunkten, 691.
Kny, Über die Morphologie von Chondriopsis coemlescens Cronan, und di«
dieser Alge eigenen optischen Erscheinungen, 425.
Köhler, Ulrich, Über zwei Inschriften aus dem äufiroren Kerameikoe tob
Athen, 272.
Nainen-Beghter. 921
Kostka, Über die Anffindang der ellipsoidischen Gleichgewichtsflguren einer
homogenen um eine feste Axe rotirenden Flfissigkeitsmasse, 116.
Kronecker, Hugo, Über die Gesetze der Moskelermüdang, 629.
Kronecker, *Über die pharakteristischen Eigenschaften des Potentials, 801.
— Einige Eigenschaften der Klassenanzabl idealer complezer Zahlen,
88].
Kammer, ^Festrede, 183. — Über die einfachste Darstellung der aus Ein-
beitswurzeln gebildeten complezen Zahlen, welche durch Mnltiplication
mit Einheiten bewirkt werden kann, 409. — Bericht fiber Preisfragen,
571. — *Über die algebraische Strahlensysteme dritter Ordnung, 584 —
Über die aus Slten Wurzeln der Einheit gebildeten complexen Zahlen,
755. — Über eine Eigenschaft der Einheiten der ans den Wurzeln der
Gleichung a^ sss i gebildeten complezen Zahlen tind über den zweiten
Faktor der Klassenzahl, 855.
licpsius, *Über die altägyptischen Jahreszeiten und Monate, 105.
Mommsen, *Bei Assuan aufgefundene römische Inschriften, I. — Jahres-
berichte fiber das Inschriften -Werk, 13. 914. — *Über das römische
Consnlartribunat, 617. — *Über die Siebenbfirgischen Wachsfafeln, 795.
Müllen hoff, ^Beiträge zur Geographie der Alten, 183. — ^Über die vor*
ptolomäischen Diathesen des östlichen Europa, 807. •
Olshansen, Otto, Über die Isomeren der Cyanursäure-Ä&er, 198, t .
Olshansen, Beiträge zur Kritik des überlieferten Textes im Buche. Gene-
sis, 380. — *Über den gegenwärtigen Znstand der alttestamehtUchen
Textkritik, 380.
F a r t h e 7 , *Über Horapollo*s Hieroglyphica, 583.
Pertz, Sammlung von Schrifttafeln zum Gebrauche bei diplomatischen Vor
lesungen, 139. — Über das im Hause Brannschweig -Lüneburg gesetz-
liche Alter der Mündigkeit, 809.
Petermann, *Über die Eroberung von Jerusalem durch Saladin, 139. 182.
Peters, Über den Ductus pneumaticus des Unterkiefers bei den Crocodilen,
15. — Über die afrikanischen Wameidechsen und ihre geographische
Verbreitung, 106. — Beitrag zur Kenntnifs der herpetologischen Fauna
von Südaftika, 110. — Über die Verwandtschaft der Ctenodactyli mit
den Chinchillen, 207. — Über Platemys tuberosa, eine neue Schildkrö-
tenart aus British-Guiana, 311. — Über Propithecus Deckenii, eine neue
Art von Halbaffen aus Madagaskar, 421. — Über neue Arten von Spitz«
mausen aus Ceylon, Malacca, Borneo, China, Luzon. und Ostafrika, 584.
— Über neue Amphibien des Königl. zoologischen Museums, 641. -^
Monographische Übersicht der Chiroptercngattungen Kycteris und Ata«
lapha, 900.
Foggendorff, Über eine neue Influenzmaschine, 245. — Über einige neue
63»
922 Namen-BegUter,
merkwfirdtge Eigenachallen der diametrslmi Condnction an der Eledm-
mMohine, 875.
Rammelsberg, Über die Stellung des ThalUnms ia der Reihe der Br-
mente, 837. ^ Über die Zosammensetznng der Meteorite Ton SluSki
and TOD Hainh<^, 314. — Beitrige zar Kenntnife der Meteoriten, 44(1
Ranke, ^Literarische ErGrtenmgen betreffend den Urspnuig dea siebenjalm-
gen Kriegs, 619.
Reichert, *Über das Skelet der Wirbdtbiere, 619. 890.
Riefs, Theorie der neusten E^ektrophormaschtne and der fibersShligea Con-
dnktoren, 1.
Rödiger, Über einige lam Theil fragmentaiische ph5nikisehe laadirii)«
ans Cjpem 864. — Über die arabische Redaktion der TorjnstiniaaischMi
Kaisergesetxe und deren Yerhiltnifs zum syrischen Texte, 808.
Rose, Über den Zusammenhang zwischen hemüdrischer Krystallfonn «sd
thermoelektrischem Verhalten heim Eisenkies und Kobahglanx, 327. —
Über einen angeblichen Meteoritenlall tou Morznk in Fessan, 804.
Roth, Über die Lehre rom Metamorphismas and die Eotatehoag der Inr-
staUiaischen Sehiefer, 899.
Schott, Über eine deutsche Übenetzong asongoHscber Mabrdiea, 797.
Tob 1er, Über die Handschriften tou Arborea, 80.
Trendelenbnrg, ^nr Geschichte des Wortes Person, 88. — Aas Frie>
drichs des OrofiMn politischen Yermichtnissen, 23. — *Zar Geschieht?
pliilosophlscher TenninL Zweiter Beitrag, 900.
Weber, *Über das Ramayai^a, 184. — Über das zweite Bach der Athar^a-
Samhita, 463.
Weierstrafs, *Über die Safiich periodischen Funktionen, 139. — *Bemer-
kangen über das sogenannte Dirichlet'sche Prineip, 575.
Sach- Register.
Äthylamine, Darstellang im Grofsen, 154.
Äthylenbasen, 612.
Aldehydgrfin, 613.
Algebra, Geschichte, 141.
Amine, Diagnose primärer, secundärer und tertiärer, 603.
Amphibien, 15. 106. 110. 311. 641.
Arborea, Fälschnngen, 64.
Arthroleptis dispar Ptrs., 649.
Atalapba Raf. (Übersicht der Gattung), 907.
Atalapha Frantsii Ptrs., 908.
Atharvan-Samhita, 462.
Bacillarien, 126. 259.
Boppstiftong, 571.
Bosnien, römische Alterthumer, 619.
Botanik, Morphologie von Chondriopsis coerulescens Crouan, 425. — Un-
tersuchungen Aber die Gattungen Marsilia und Pilalaria, 653.
Californien, 126. 259.
Cercosanra glabella Ptrs., 641.
Chemie, Darstellung der Äthylamine im Grolsen, 154. — Entschwefelnngs-
producte des Diphenylsulfocarbamids, 171. — Isomeren der Cjanursaure-
Äther, 198. — Stellung des Thalliums in der Reihe der Elemente, 837.
— Beziehungen zwischen Krystallform und chemischer Constitution, 247.
— Znsammensetzung der Meteorite von Shalka und von Hafnholz, 314«
— Beiträge zur Kenntnifs der Meteoriten, 440. — Weitere Betrachtun-
gen Aber den Methylaldehyd, 525. — Über die aromatischen Cyanate,
576. — Beobachtungen vermischten Inhalts, 596.
Chiropteren, 900.
Chloroform, 602.
Chondriopsis coerulescens Crouan, 425.
924 Sach'Segister.
Chondrodactylufl angniifer Ptrs., 111.
CompUxe Zahlen, 409. 755. 855.
Condnctoren, diametrale, 276. — Übenablige, 9.
Cophomantis panctillata Ptrs., 651.
Crocidnra ceylanica Ptn., 591. — Doriae Ptra., 587. — froetidi
Ptrs., 586. — fuscipes Ptrs., 594. — gracilipes Ptrs., 590. — In-
zoniensis Ptrs., 595. — media Ptrs., 592. — microtis Ptrs., 589.
— monticola Ptrs., 588. — retasaPtrs., 585. — sumatrana Ptrs^
593. — Waldemarii Ptrs., 590.
Crocodile, 15.
Ctenodactjli, Verwandschaft derselben, 207.
Cyan, seine Einwirkung auf das Anilin and Triphenjlgoanidin, 597.
Cyanate, aromatische, 576.
Cyans&nreither, 599.
Cyannrsftnre, 601.
Cyannrs&ureäther, 198.
Cystignathns diplolistris Ptrs., 648.
Dispersion des Lichtes, 132.
Doppelmasohine, neue, 295.
Dnctns pneumaticns, 15.
Eisenkies! 327.
Eieotroniasehine, 1. 275.
Entomoglossns pnstnlatas Ptrs., 647.*
Rntschwefelungsproducte des Diphenylsulfocarbamids, 171.
Essigs &are, ihre Einwirkung auf das PhenjlsenfSl, 611.
Festreden, 23. 571. 835.
Genesis, Beiträge zur Kritik des Textes, 880.
Geophis annulatus Ptrs., 643.
Geschichtspreis, 44.
Gleichgewichtsfiguren, 116.
Griechische Münzen, 803.
Griechische Personennamen, 159.
Hausmarken, 175.
Hemidactylus mnriceus Ptrs., 641.
Homerisches,
(11. A 557. 555. X 35), 810.
(Od. 0 343), 812.
Hoplocephalus frenatus Ptrs., 646.
Humboldtstiftung, 54. 833.
Hjlodes Henselii Ptrs., 648. — rugulosus Ptrs., 648.
Influenzmaschine, neue, 245.
Sach'Begister. 925
Inschriften,
gefälschte sardinische, 100.
griechische,
ans dem Kerameikos, 272.
lakonische von Tegea, 51.
phönicische aus CTpem, 264.
romische
Corpus inscriptionnm Latinarum, 13. 915.
ans Bosnien, G26.
Isonitrile, 600.
Kobaltglanz, 327.
Krystallform und chemische Constitution, 247. — hemiSdrische, ihr
Zusammenhang mit thermo-elektrischem Verhalten, 327.
Lakonische Sprachformen, 60.
Leibnizische Gedanken in der neueren Naturwissenschaft, 835.
Magnete, aperiodische Bewegung gedämpfter, 537.
Marsilia, 653.
Mathematik, Ober die Auffindung der ellipsoidischen Gleichgewichtsfiguren
einer homogenen, um eine feste Axe rotirenden Flfissigkettsmasse, 116.
— Zur Geschichte der Algebra in Deutschland, 141. — Über die ein-
fachste Darstellung der aus Einheitswnrzehi gebildeten complexen Zahlen,
welche durch Multiplikation mit Einheiten bewirkt werden kann, 409.
— Über die aus den 31ten Wurzeln gebildeten complexen Zahlen, 755.
— Über eine Eigenschaft der Einheiten der ans den Wurzeln der Glei-
chung a^ = 1 gebildeten complexen Zahlen und über den zweiten Fak-
tor der Klassenzahl, 855. — Auseinandersetzung einiger. Eigenschaften
der Klassenanzahl idealer complexer Zahlen, 881. — Über die Haupt-
tangenten-Curven der Kummerschen Fläche vierten Grades mit 16 Kno-
tenpunkten, 891.
Meteoriten fall, angeblicher, von Murzuk in Fessan, 804.
Meteorite, 314. 440.
Methylaldehyd, 525.
Mineralogie, Beziehungen zwischen Krystallform und chemischer Consti-
tation, 247. — Zusammeüsetzung der Meteorite von Shalka und von
Hainholz, 314. — Über den Zusammenhang zwischen hemiSdrischer
Krystallform und thermoelektrischen Verhalten beim Eisenkies und Ko-
baltglanz, 327. — Beiträge zur Kenntnifs der Meteoriten, 440.
MoleculargrÖfse des Chinons, 615.
Mongolische Märchen, 797.
Monitores, 106.
Münzen, griechische, 803.
026 Saeh'JRegister.
MatkeUrmfidang, 629.
Namen, griechische, 159.
Nerven, motoriflche, 184.
Nycterif Oeotroy (Obenicht der Gattung)« 900.
Nycterit angolensis Ptrs., 903. -^ damareneis Ptn., 905.
Optische Erscheinnogen an Chondriopsis coeruleseens, 435.
Phenylanthegenamid, 606.
Phenylcyanat, 676.
Phyllobates Terrncnlatns Ptrs., 650.
Physik, Theorie der neuesten Elektrophonnaschine, 1. — Einflnls der poa
derablen Moleküle auf die Dispersion des Lichtes, 132. — Temperttv
▼ertheilnng im Winter 18f{, 209. — Nene Inflaenrmaschine, 245. -
Über einige neue merkwürdige Eigenschaften der diametralen CoDciDkh
ren an der Elektromaschine, 275. — Znrfickfuhmng der jähriicheDTe«
peratnr^nrve auf die ihr snm Gmnde liegenden Bedingungen, 365. -
Aperiodische Bewegung gedämpfter Magnete, 537. — Vertheilang d^
Regens in der jährlichen Periode im mittleren Europa, 813.
Physiologie, Fortpflansungsgeschwindigkeit der Beizung in den motonscba
Nerven der Menschen, 184. — Gesetze der Muskelermudnng, 629.
Pilularift, 653.
Platemys tuberosa Ptrs., 311.
Preisfragen, 571.
Propithecus Deckenii Ptrs., 421.
Rana longirostris Ptrs., 646.
Regenvertheilung im mittleren Europa, 813.
Säugethiere, 207. 421. 584. 900.
Sardinische Fälschungen 64.
Geschichte, 90.
Scaphiophis albopunctatns Ptrs., 645.
Sitzungen, öffentliche, 23. 183. 535.
Spitzmäuse, neue Arten, 584.
Sfidafrika, 110.
Temperaturcurve, 365.
Temperatnrvertheilung im Winter 18f), 209.
Thallium, seine Stellung in der Reihe der Elemente, 237.
Tropidolepisma striolatum Ptrs., 642.
Uriechis lineatns Ptrs., 643.
Warneidechsen, 106.
Zoologie, Ductus pneumaticns des Unterkiefers bei den Crocodilen, 15. "
über die afrikanischen Wanicidcchsen und ihre geographische Vertr-
tung, 106. — Beitrag zur Kenntnifs der herpetologischen Fauna »
Sach-Begister. 927
Südafrika, 110. — Die wachsende Kenntnifs des unsichtbaren Lebens
als felsbildende BaciUarien in Californlen, 259, — Yerwandschaft der
Ctenodactyli mit den Chinchillen und anderen Gruppen der Nager, 207.
Platemys tuberosa, eine neue Art von Schildkröten aus British-Guiana,
311. — Propithecus Deckenü, eine neue Art von Halbaffen aus Mada-
ga^kar, 421. — Neue Arten von Spitzmäusen, 584. — Nene Amphibien,
641. — Monographische Übersicht der Chiropterengattungen Njcteris
und Atalapha, 900.
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