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XiM^sao.i (2^. i^. f^7H--
J^arbarD (iToUege Library.
JAMES WALKER, D.D., LL.D.,
'■ Preference being given to worici in the
Intellectual and Moral Science»."
Monatshefte
der
Comenius- Gesellschaft.
Zweiter Band.
(1893.)
Leipzig,
R. Voigtländer's Verlag.
(In Commisaion.)
1893.
330.3
/
'i>J.
fj
(J
^.
), .yf^l! •
J
Inhalt des zweiten Bandes.
Seite
A. Abhandlungren.
Kdler, Ludw,, Die ComeniuB-Gesellschaft. Geschichtliches und Grund-
sätzliches 1
RaoerSj Jf. Ä. N., Ein Friedensspruch 27
Radlaehj 0., Der Aufenthalt des Gomenius in Lüneburg im August
1647 und die Wiederaufnahme seines Briefwechsels mit
Valentin Andreae 57
Heinzelmann, W., Goethes religiöse Entwickelung. Dargestellt von W. H. 105
Loterthy Johann, Die kirchliche Reformbewegung in England im
Xiy. Jahrhundert und ihre Aufnahme und Durchführung
in Böhmen 151
Richter, Mert, Zwei Bilderbücher für den Unterricht vor dem Orbis
pictus 167
Lettau (Königsberg i. Pr.), Johann Georg Hamann als Geistesver-
wandter des Gomenius 201
Baehring, Bernh., Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen .... 214
Lange, Friedrieh Albert, Geschichte und Bedeutung der Schulkomödie
vor und nach Gomenius 259
B. Quellen und Forsehungen.
Kvaesaia, Joh., Zur Lebensgeschichte des Gomenius, Autobiographisches
aus den Schriften des Gomenius zusammengestellt von
J, K. 39. 78. 137. 178. 226. 273
C. Kleinere Mitteilnngen.
KeUer^ Ludwig, Dr. S. J. Hingst t ^'^
Wittmer, Gustav, Anna von Mahrenholtz-Bülow f 48
Radlaeh, 0., Der Protest des Gomenius gegen den Vorwurf, er sei ein
Sektierer, beleuchtet aus den Beziehungen Andreaes zu
Nürnberg. Ein weiterer Beitrag zum Verständnis seines
Lüneburger Briefes • ^"^
Kemper, 0., Der Insebiame Gapharsalama in Joh. Val. Andreaes Schrift
^Reipublicae christianopolitanae descriptio" (1619) .... 186
Aus neueren Handschriften -Verzeichnissen (Briefe von und an Val.
Andreae in Wolfenbüttcl) 233
StOtzner, Paul, Ratichiana 283
rV Inhalt.
Seite
D. Litteratnrberichte.
Hartmann, G., Leibniz (MoUat), — Loserth, Anabaptismus in Tirol
CLoserth). — (ff. B.), Zur neuesten Comenius-Litteratur. —
Wül S. Monroe^ Amerikanische Comenius-Litteratur. — Neuere
Erscheinungen auf dem Forschungsgebiet der C.-G. ... 81
Anton Gindely über Comenius {W. B,) — Zoübek-Novdk, Leben des
Comenius. — Neueste Comenius-Litteratur 239
Loserth, Hubmaier (Detmer), — DOrpfeld, Beiträge. — Lange, Über
Apperception. — Hauff e, Pädagogik Schleiermachers. —
Spencer, Von der Freiheit zur Gebundenheit. — Dieeteu,
A. H. Niemeyer. — Lay, Psychologische Grundlage. —
Flügel, Über die Phantasie. — Ziller, AUg. Pädagogik {Hothegger) 291
E. Zur Bflcherkunde unseres Arbeitsgr^biets.
Hohlfeld, Paul, Von und über Krause 191
Brügel, G., Litteratur über Val. Andreae seit 100 Jahren 249
F. Nachriehten 50. 95. 144. 198. 254. 807
G. Eing^esandte Bttcher und Aufsätze 303
Personen- und Ortsregister 313
Für die Schriftleitung verantwortlich: Diakonus Jos. Müller in
Herrnhut i. S.
Zweiter Band.
Erstes und zweites Heft.
Januar — Februar 1893.
gjfTi I I * zugsprcis beträgt im Buclihandd und bei der Post jährlich
' 10 Mark. Einzelne Hefte kosten 1 M. 25 Pf.
Leipzig,
R. Voigtlftnder's Verlag.
t^rn^^ m ^V Hfl
Alle Bechte vorbehalten.
Inhalt
des ersten und zweiten Heftes 189 3.
A. Abhandlungren. seit«
Xilldw. KiÜIiWf Die Coinenius-Gesellschaft. Geschichtliches und Grundsätzliches . 1
M. A. V. BOTtrSy Ein Friedenssprnch 27
B. Quellen und ForBChungren.
Job. Xvaosala, Zur Lebensgeschichte des Comenius (Fortsetzung) 39
C. Kürzere Mitteilungren.
Ludw. Keller, Dr. S. J. Hingst f 47
Gustav Wlttmer, Anna von Mahrenholtz-Bülow f 48
D. Naehrioliten 50
Die Monfttlhtltt erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Angust und Sep-
tember). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav).
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaft, Archiv -Rat Dr. Keller
in Mfilieter I. W. oder an den Vorsitzenden des Bedaktions- Ausschusses, Diakonns
Joe. Miiller in Herrnhut i. 8. zu richten.
Für die Bedaktion verantwortlich: Diakonus Joe. Müller in Herrnhut I. 8.
Ja]ir«tlb«ltriir« (^gl- S. 4 des Umschlags), sowie nimnallge ZllweBdllllir«B
bitten wir an das
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der Comenlue-Geeellecbaft, Münster I. W., Wolbeckerstrafse 4«, Beiträge entgegen.
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Witwe ft Sobn , Wien V., Margarethenpl. 2. — Fr. Bivnaö, Buchhandlung, Praff,
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Garden, XiOndon. — Buchhandlung Ftoohbaoher, Paris, Rue de la Seine 83. —
Buchhandlung von JfAailllOS MUler, Amstordam, Singel 286. — Buchhandlung von
M«yor Jb ZoUar, Zttrloli, Bathausplatz. — C. E. Frltie's Hofbuchhandlung, Stock-
holm. — Cammo imay or*» Buchhandlung, Ohrlstlaiila
VaohdmCk unserer Nachrichten und Berichte nur mit Quellenangabe, gröfserer
Beiträge nur mit Einverständnis der Schriftleitung gestattet.
I
t y
Monatsliefte
der
Comenius-Gesellschaft.
II. Band, ^ 1893. — Heft 1 und 2,
Die Comenius-Gesellschaft
Gesehiehtliches und Grandsätzliches
von
Ladwlg KeUer.
Das Bedürfnis, den zurückgelegten Weg von Zeit zu Zeit
rückschauend zu überblicken, macht sich am Beginn eines neuen
Jahresabscbnittes stärker als sonst geltend. Es ist nicht nur der
Wunsch, sich selbst und anderen über das Erreichte Rechen-
schaft zu geben, der dabei mitwirkt; ebensosehr filllt der Um-
stand ins Gewicht, dafs die klare Erkenntnis der vergangenen
Entwicklung für die richtige Beurteilung der zukünftigen überaus
wertvoll ist: nur der, der weifs, woher er kommt, wird wissen,
wohin er geht.
Weiter als der Mehrzahl unserer Mitglieder und Freunde
bekannt sein wird, reichen die Entwürfe und Anfänge unsereir
Gesellschaft zurück. Allerdings mufs hier festgestellt werden,
dafs die Bestrebungen, welche zu Prag im Jahre 1870 behufs
Gründung eines „Comenius- Vereins" an das Licht traten, mit
unseren Plänen in keinerlei äufseren Zusammenhang standen.
Im genannten Jahre veröffentlichte Herrn, von Leonhardi, Pro-
fessor der Philosophie an der deutschen Universität Prag, einen
„Aufruf an Erzieher und Freunde der Erziehung zu recht-
zeitiger Jubelfeier dreier um Menschen- und Menschheitsbildung
IfoiiAtshefte der Comenias-Gesellscbaft. 1^3. 1
2 Keller, Heft 1 u. 2.
verdientester Männer, Comenius, Krause und FröbeP)",
Leonhardi fordert, dafs gemäfs der in dem „Weckruf" des
Comenius gegebenen Anleitung alle Menschenfreunde zur Be-
ratung gemeinsamer Angelegenheiten aller Orten Vereine bilden
und schlägt vor, sie Comenius -Vereine, Krause -Vereine oder
Fröbel -Vereine zu nennen. Diese Pläne, die dann zur Gründung
des allgemeinen Erziehungsvereins führten, waren uns zu der
Zeit, wo wir in die ersten Erwägungen über unser Unternehmen
eintraten, unbekannt.
Andere Umstände und andere äufsere Bedingungen, aber
doch verwandte Erwägungen waren es, die zur selbständigen
Wiederaufnahme des älteren Gedankens führten und die That-
sache, dafs die Bjreise, in welchen die gleichen Pläne reiften,
unabhängig voneinander waren, liefert den Beweis, dafs nahe-
liegende Interessen und Befürfhisse auf diesem Wege nach Be-
friedigung und äufserer Gestaltung rangen.
Der Anblick des unmenschlichen Bruderhasses, mit dem die
Nationen Österreich-Ungarns und insbesondere Böhmens sich
gegenüberstanden, hatten in dem Herzen Leonhardis den Wunsch
befördert, zur Beschwörung dieser Plage den Geist des Comenius
wachzurufen.
Als wir etwa fünfzehn Jahre später im Westen Deutschlands
die gleichen Wege einschlugen, da waren es die Folgen der
schweren religiösen Kämpfe, deren Wahrnehmung den Anstofs
für unser Vorgehen bildete. Die Gegensätze der christlichen
Konfessionen hatten unter der Wucht eines langen und schweren
Ringens eine Schärfe so bedrohlicher Art gewonnen, dafs man
sich in die Zeiten zurückversetzt glauben konnte, die dem grofsen
Religionskriege des 17. Jahrhunderts vorausgingen. Diese Gegen-
sätze durchdrangen und zersetzten alle Beziehungen des Lebens ;
fast so schroflF wie in Österreich-Ungarn die Nationalitäten standen
sich in einzelnen Teilen Deutschlands die Angehörigen derselben
Nation in Hafs und Mifstrauen einander gegenüber, und der Kampf
schien nur mit der völligen Niederwerfung des einen oder des an-
deren Gegners enden zu können. War es nicht naheliegend, zur
Beschwörung solcher Gefahren auch hier auf Comenius zurück-
zugreifen, der schon durch seine Schicksale ein warnendes Bei-
^) Wir haben den Aufruf im Auszug abgedruckt im Jahrgang 1892,
S. 217 der Monatshefte der C.-G.
1893. ^^^ Comenius-Gesellscbaft. 3
spiel war für die, welche leichten Herzens in den Religionshafs
des 17. Jahrhunderts wieder einlenkten — auf Comenius, dessen
Name nie in den Hader der Parteien hinabgezerrt war und den
selbst die strengsten Vertreter des curialen Systems mit Achtung
nannten^)?
Es war kein zufälliges Zusammentreffen, dafs unsere Pläne um
dieselbe Zeit festere Gestalt gewannen, wo Friedrich Fabri
seine Schrift: „Wie weiter? Kirchenpolitische Betrachtungen zum
Ende des Kulturkampfes^ (Gotha, Perthes) veröffentlichte, nämlich
im Jahre 1887. Wer diese Schrift liest, wird rasch erkennen,
dafs sie neben den Erörterungen über die damalige kirchen-
politische Lage eine Fülle wichtiger Grundsätze enthält, die
für alle Lagen und Verhältnisse ihre Gültigkeit bewahren, und
wer schärfer zusieht, dem kann es nicht entgehen, dsSs diese
Grundsätze auf dem Boden comenianischer Überzeugungen er-
wachsen sind.
Das Schwergewicht der Fabrischen Erörterungen lag nicht in
dem von ihm bereits im J. 1876 erhobenen Widerspruch gegen die
Kirchenpolitik der damals herrschenden Männer, den sog. Kultur-
kampf, sondern in den Prinzipien, auf Grund deren dieser Wider-
spruch erfolgte. „Die nachfolgenden Erörterungen," sagt Fabri,
sind ein Friedens wort, und wenn es auch unvermeidlich war,
da und dort mit einer etwas scharfen Kritik sich den Weg durch
^) Aloys Boleslas Balbinus, S. J., schreibt in seiner Bohemia docta:
„Comenius hat überaus viel herausgegeben, nichts aber, was gegen
den katholischen Glauben wäre, und so scheint es mir immer, wenn
ich seine Schriften lese, als wollte er keine Religion weder bevorzugen
noch verdammen.^ (Quam plurima edidit, nihil tarnen unquam, quod catho-
licae fidei adversaretur, ac mihi opera ejus legenti semper visus est ita
comparatus scripsisse, ut nullam notare aut damnare religionem vellet.)
Baibin empfiehlt die Werke des Comenius und sagt, sie seien in jeder
Beziehung aufäerordentlich lesenswerth. — Balbinus, geb. 1621, starb am
29. Nov. 1688 zu Prag. Näheres über ihn in der Bibliothöque de Compagnie
de Jesus. Nouv. Edit. par C. Sommervogel S. J. Bibliogr. Tom. I., Sp. 792 ff.
Die bekannteste Ausgabe der Bohemia docta ist zu Prag im Jahre 1780 er-
schienen. — In einem Bericht über das Religionsgespräch zu Thom (1644)
giebt ein ungenanntes Mitglied der Gesellschaft Jesu eine ungünstige Be-
schreibung der beteiligten protest. Abgeordneten; über Comenius bemerkt
er dagegen nur, er sei ein geistvoller (ingeniosus) Mann und in der £r-
ziehungslehre ausgezeichnet erfahren ; nur sei ihm unbewufst, ob Comenius
in der Theologie mehr verstehe wie andere. (Altes und Neues von theolog.
Sachen, 1746, S. 36 ff.)
1*
4 Keller, Heft 1 u. 2.
unser kirchenpolitisches Gestrüpp zu bahnen, so wird der un-
befangen und gerade denkende Leser , wie ich hoffe, doch den
Eindruck empfangen, dafs der Verfasser sich bestrebt, nach der
Regel: , Wahrheit in Ldebe' zu urteilen. Unter allen Umständen
wissen wir, dafs es auch noch höhere Dinge giebt als Kirchen-
politik und dafs die ultima ratio des Kirchenbegriffes fUr alle
Zeiten von dem, den wir als unseren einzigen Herrn und Meister
bekennen, mit den Worten ausgesprochen wurde : ,Wo zwei oder
drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter
ihnen^ In dieses innere Heiligtum kann glücklicherweise kein
Kulturkampf, selbst keine wirklich ,diokletiani8che Verfolgung^
störend eingreifen.*^
Diese Überzeugungen waren und sind in Deutschland weniger
als in Holland und England das Gemeingut weiterer Kreise, und
wir begegneten uns mit Fabri in dem Wunsche, ihnen auch
anderwärts allgemeinere Geltung zu geben. Diese Ideen besafsen
ihre Geschichte; es hatte Zeiten gegeben, wo sie hervorragende
geistige Vertreter gefunden hatten, Zeiten auch, wo sie von ent-
gegengesetzten Anschauungen zurückgedrängt waren. Um ihnen
in der Gegenwart eine kräftige Ausbreitung zu sichern, gab
es verschiedene Wege, einer war der, dafs man versuchte, sie
von neuem durch den Mund der grofsen Männer zu verkünden,
die sie einst erfolgreich vertreten hatten. Da wir von der
Macht, welche grofsen geschichtlichen Überlieferungen inne-
zu wohnen pflegt, überzeugt waren, |so schien uns dieser Weg
viele Vorzüge zu bieten, und wir hatten die Freude, darüber
alsbald ein Einverständnis mehrerer angesehener Männer zu er-
zielen; die wärmste Zustimmung kam zunächst aus Holland, wo
Chr. Sepp und Dr. S. J. Hingst, ersterer einer der an-
gesehensten Kirchenhistoriker und letzterer ein hochverdienter
Jurist dieses Landes, unsere Bestrebungen billigten.
Nachdem unter uns hierüber eine Einigung herbeigeführt
war, war es der Verfasser dieses Aufsatzes, welcher dem Ge-
danken dadurch festere Formen gab, dafs er im Jahre 1889
vorschlug, zur Lösung dieser Aufgabe eine Gesellschaft
zu gründen und durch diese zunächst das Andenken des Co-
menius zu neuem Leben zu erwecken; die bevorstehende
Jahrhundertfeier konnte — so war meine Erwägung — in er-
wünschter Weise die Möglichkeit zur Ausführung dieses Ge-
dankens bieten; gerade die Ideen und Schriften des Co-
1898. Die Comenius-Gksellschaft. 5
menius in Sachen der Volkserziehung schienen mir der
Erneuerung besonders wert und bedürftig; sie mufsten, wenn
dies gelang y einen heilsamen Einflufs auf eines der wichtigsten
Gebiete des Volkslebens, nämlich die Erziehung und Erziehungs-
lehre, üben und zugleich dieser Wissenschaft und ihren Vertretern
mehr und mehr diejenige Stellung im Kreise der übrigen Wissen-
schaften sichern, auf die sie ihrer Bedeutung nach einen be-
rechtigten Anspruch besafs.
Aber es waren doch nicht allein die Schriften des Coinenius,
deren Herausgabe uns vorschwebte: wir wollten den comenia-
nischen Geist und damit zugleich den Geist und die Ge-
sinnung aller ihm innerlich verwandten Männer wecken und in
diesem Geist die philosophischen, pädagogischen und wissen-
schaftlichen Fragen der Gegenwart betrachten und behandeln.
In dem ersten Entwurf der Satzungen unseres beabsichtigten
Unternehmens — er wurde im Frühjahr 1889 aufgestellt —
spiegeln sich die Ziele, die uns vorschwebten, ziemlich deutlich
wieder. Der § 1 dieses Entwurfs lautete ungefähr folgendermäfsen :
„Die Gesellschaft hat den Zweck, im Geiste des Co-
menius durch Förderung litterarischer Veröffentlichungen
für die Pflege des geistigen und sittlichen Lebens zu
wirken."
In einem mir vorliegenden Brief vom 26. Februar 1889
werden diese Sätze dahin erläutert, dafs es darauf ankomme,
durch die beabsichtigte Gesellschaft alle Wissenschaften, mit
Ausnahme von Politik und Dogmatik, zu pflegen, dafs
aber vor allem Philosophie, Erziehungslehre, Sitten-
lehre und Gesellschaftslehre in Betracht zu kommen
hätten. Um weiteren Kreisen anzudeuten, in welchem Sinne die
Gesellschaft ihre Aufgabe zu erfassen gedenke, wurde deshalb
noch im Frühjahr 1889 der Gedanke in Erwägung gezogen,
durch den Zusatz „Comenius-Gesellschaft für Wissenschaft
und Volkserziehung" die Thatsache zu betonen, dafs
unsere Gesellschaft sich nicht in der Weise der Shakespeare-
oder Wiclif-Gesellschaft auf Comenius beschränken und etwa
eine Kommission zur Herausgabe seiner Werke darstellen wolle.
Indessen überwog zuletzt die Erwägung, dafs die einfache
Bezeichnung Comenius-Gesellschaft die Idee, die uns vorschwebte,
deutlich genug anzeige und dafs der Name des Comenius ein
Programm bestimmter Art in sich schliefse.
6 Keller, Heft 1 u. 2.
Es war nicht blofs die seltene Vereinigung eines lebendigen
religiösen, wissenschaftlichen und erziehlichen
Interesses, die uns an Comenius vorbildlich erschien, auch nicht
allein die bahnbrechende Bedeutung, die er auf dem Gebiete
der Erziehungslehre gewonnen hat, sondern vor allem fiel für
uns die Thatsache ins Gewicht, dafs er einer der hervorragendsten
Vertreter einer Geistesrichtung war und ist, die in allen Jahr-
hunderten vorhanden gewesen ist und deren Festhaltung wir in
den Kämpfen der Gegenwart für eine Pflicht aller Freunde des
Vaterlandes wie der Menschheit hielten.
Es ist nicht ganz leicht, diese Geistesrichtung mit wenigen
Worten zu charakterisieren. Man kennzeichnet sie nicht richtig,
wenn man ihr wesentlichstes Merkmal in einer weit-
herzigen Toleranz sucht, auch nicht, wenn man sie undog-
matisch nennt, obwohl sie auch diese Kennzeichen besessen
hat. Aber es giebt eine Weitherzigkeit, die zugleich religiös
gleichgültig, einen Humanismus, welcher vom Christentum nicht
viel mehr als einige Sittenlehren übernommen hat, die auch Eigen-
tum irgend einer Philosophenschule sein können, die sonst zum
Christentum im Gegensatze steht. Was Comenius kennzeichnet,
ist vielmehr die glückliche Verbindung eines starken ethischen
Interesses, das mit Toleranz und Weitherzigkeit Hand in Hand
geht, und eines tief gewurzelten religiösen Bedürfnisses, das
im Christentum die Religion, nicht eine unter vielen, erkennt,
sowie zugleich die hohe Achtung vor der fremden Überzeugung,
die stets geneigt ist, mehr das Verbindende als das Trennende
zu betonen. Zweifelhaftes aber lieber zurückzustellen als zu be-
streiten.
Die Verbindung dieser Eigenschaften ist, so oft sie sich auch
in einzelnen hervorragenden Persönlichkeiten aller christlichen
Kirchen und Parteien vorfindet, doch keineswegs eine charak-
teristische Eigenschaft aller Konfessionen und Kirchen als solcher.
Bei den Schwierigkeiten, aufweiche hohe sittliche Forderungen
bei der Masse der Menschen zu stofsen pflegen, haben die Kirchen^
die auf die breiteren Schichten rechnen müssen, sich meist ge-
nötigt gesehen, in der Theorie oder in der Praxis das Interesse
des Gemüts oder des Verstands in den Vordergrund zu rücken,
und die Sittenlehre in ihrer vollen Strenge innerhalb engerer
Kreise zur Betonung zu bringen. Daher die Erscheinung, dafs
die altchristliche Ethik in dem Augenblick, wo die Kirche zur
1898« I^e ComeniaB-Gesellschaft 7
Weltkirche wurde, und den Bedürfnissen des Weltreichs, dessen
Erbschaft sie antrat, sich anpafste, in vielen Punkten von der
Strenge nachliefs, welche die Männer der alten Zeit sich zur
Pflicht gemacht hatten. Es ist ja nicht zu leugnen und soll nicht
geleugnet werden, dafs solche Forderungen der Gefahr des Mifs-
brauchs ausgesetzt sind und oft einen gesetzlichen und unter
Umständen einen verderblichen Charakter annehmen. Aber ab-
gesehen davon, dafs eine Zurückstellung der ethischen Seite,
selbst wenn sie auch nur in der Praxis gehandhabt wird, der
Oefahr des Mifsbrauchs nach anderen Seiten hin in gleichem
Mafse unterliegt, läfst sich doch nicht verkennen, dafs die ent-
schiedene Betonung der ethischen Interessen dem Charakter des
ältesten Christentums am meisten entsprach, vorausgesetzt natür-
lich, dafs man nicht Gebot auf Gebot häufte, ohne dem Gemüt
den Trost zu geben, welcher mit und durch Christus den Menschen
zu teil geworden war.
Es ist zu allen Zeiten die schwierigste Aufgabe für die
christlichen Bekenntnisse gewesen, die Klippen, die auf beiden
Seiten drohen, zu vermeiden. In besonders glücklicher Weise
aber ist die Aufgabe von derjenigen Geistesrichtung gelöst worden,
als deren Vertreter Comenius dasteht. Es ist das Kennzeichen
der besseren Geister dieser Richtung, dafs sie sowohl der Gefahr
einer toten Rechtgläubigkeit wie derjenigen eines öden
Moralismus entgangen sind.
Hieraus lassen sich leicht alle übrigen Eigenschaften erklären,
durch die sich Comenius und die religiösen Gemeinschaften, die
er vertritt — wir fassen sie unter dem Namen der altevan-
gelischen Gemeinden zusammen — von den übrigen Zeit-
richtungen trennten, und durch die sie ihre geschichtliche Bedeu-
tung gewonnen haben.
Man weifs, dafs die herrschenden Kirchen in geistiger und
religiöser Beziehung in erster Linie auf die übersinnlichen
Dinge gerichtet waren, und dafs sie ihre Anhänger gewöhnt
hatten, vornehmlich mit den Kräften des Gemüts und der Phan-
tasie ihre Glaubenswelt im jenseitigen Leben sich auszugestalten.
Die gläubige Hingabe an die Lehren der Kirche und die Er-
füllung der kirchlichen Pflichten, an welche die einstige Seligkeit
gebunden war, stand durchaus im Mittelpunkt aller Interessen.
Dadurch ergab sich von selbst, dafs die Teilnahme für die
diesseitige Welt, fUr die Beziehungen der Menschen zu den
8 Keller, Heft 1 u. 2.
Menschen und für die uns umgebende Natur eine Beeinträch-
tigung erlitt, die sich gerade in denjenigen Zeitabschnitten recht
deutlich gezeigt hat, wo die Eirchenlehre die Gemüter am meisten
und vollständigsten beherrschte.
Dieser Betonung des Jenseitigen und Übersinnlichen gegen-
über lebte in Nebenströmungen des kirchlichen Christentums
eine Überlieferung, welche die Überzeugung festhielt, dafs der
Stifter unserer Religion die Aufrichtung des Reicbes Gottes auf
Erden als Gegenstand seines Berufs bezeichnet und damit die
Neugestaltung der menschlichen Gesellschaft als
Zielgedanken Gottes hingestellt hatte. Die treibenden Kräfte in
diesem Gottesreich sollten die Liebe, der Glaube und die
Hoffnung sein, von welchen der Glaube aufhört im Schauen
und die Hoffnung in der Erfüllung, von denen aber die Liebe
ewig bleibt, und die somit das höchste unter allen Geboten ist.
Der Weltzweck Gottes, wie ihn Christus uns verkündet hat —
sagten sie — ist nicht blofs auf die jenseitige Welt, auch nicht
aiif eine Anstalt gerichtet, die das Heil durch äuDsere Mittel
darreicht; sondern auf die Sammlung eines Volks, das seinen
Willen thut und auf die Aufrichtung eines Reichs, in welchem
die Menschen in Frieden bei einander wohnen.
In der starken Betonung des Gottesreichs — der Begriff
tritt in wechselnden Formen und Namen auf und wird sehr oft
durch bildliche Redewendungen angedeutet — tritt das vor-
herrschende Interesse jener Kreise ganz unzweideutig zu Tage.
Hand in Hand mit dieser Idee des „Tempels des Weisheit"
geht die Ablehnung jenes rein transcendenten Gottesbegriffs, wie
er durch die herrschende Kirchenlehre ausgebildet worden war.
Die Betonung der Innerweltlichkeit Gottes ist ein ge-
meinsames Merkmal der Richtungen, von denen hier die Rede
ist und das sich auch bei Comenius wiederfindet *). Der Spruch,
dafs Gott „Anfang, Mitte und Ende aller Dinge sei*' ist ein
Grundgedanke aller altevangelischen Gemeinschaften und der
ihnen geistesverwandten Strömungen und Schulen. Ihr System
durchzieht der Gedanke, dafs eine grofse Harmonie das All um-
fafst, „da die Dinge in Gott sind wie im Urbild, in der Natur
wie im Abbild" (Plato).
') Vergl, den Artikel Hohlfelds, Comenius und Krause, Monatshefte
der C.-G. 1892, S. 7.
1893. ^^e Oomenins-Gesellschaft. 9
Mit diesen Ideen hängt nun die Betonung der Erziehung
und der Erziehungslehre und die eigenartigen Grundsätze,
welchen Comenius in dieser Wissenschaft im AnschluTs an die
Überlieferungen seiner Religionsgemeinschaft zuerst Bahn ge-
brochen hat, auf das engste zusammen. Auf ihnen beruht die Ach-
tung vor der Menschennatur und die Schätzung des Wertes,
den jede Menschenseele, wie zerrüttet auch immer sie sei, vor
OtoU besitzt, — auf ihnen der Begriff der Entwicklung und
aeine Übertragung auf die Erziehung, welche von so grofsen
Folgen gewesen ist, — auf ihnen die Wertschätzung aller Natur-
dinge und alles Naturgeschehens, durch die dem grofs-
artigen Ausbau der Wissenschaften von der Natur die Wege ge-
ebnet worden sind, — auf ihnen die Betonung des Grundsatzes
der Freiwilligkeit, — auf ihnen endlich jene weitherzigen,
aller toten Rechtgläubigkeit abholden Bestrebungen, die dem
Frieden der Völker, der Kirchen und derStände ge-
widmet sind.
Im Herbst 1890 waren wir soweit, dafs wir zur Abfassung
eines Aufrufes und zur Aufstellung der Grundzüge unserer Ge-
sellschaft schreiten konnten. Am 10. Oktober 1890 wurde ein
Entwurf im Druck an eine gi'öfsere Zahl von Vertrauensmännern
geschickt, und in kurzer Zeit hatte er eine stattliche Reihe von
Unterschriften gefunden. Es liefse sich vieles dafür sagen, dafs
dieser 10. Oktober 1890 als der eigentliche Stift ungstag
unserer Gesellschaft anzusehen ist; er ist wichtiger als der
10. Oktober 1891, wo die Gesellschaft ihre erste vertrauliche
Vorversammlung zu Berlin abhielt, und den ersten Entwicklungs-
abschnitt unseres Unternehmens zum Abschlufs brachte.
Diese erste Entwicklung hatte sich nicht auf die Weise voll-
zogen, wie wir sie uns anfänglich gedacht hatten. Die Zahl
unserer Mitglieder wuchs rasch, und es bewahrheitete sich die
Thatsache, dafs Comenius viele Freunde und Anhänger besafs;
aber je mehr die Zahl sich vergröfserte, um so weniger erwies
sich der engere Rahmen einer blofs wissenschaftlichen Ge-
sellschaft, den wir ursprünglich ins Auge gefafst hatten, als
angemessen; es galt, die Bedürfnisse aller unserer Mitglieder
thunlichst zu befriedigen und womöglich alle Kräfte zur Mitarbeit
in den für sie geeigneten Formen heranzuziehen.
In diesem Entwicklungsabschnitt nun wurden uns die Ent-
10 Keller, Heft 1 u. 2.
würfe bekannt 9 die aus Anlafs der Comeniusfeier des Jahres
1871 von einer Anzahl damaliger Comeniusfreunde aufgestellt
waren, und die in einem Aufsatz der Leipziger Illustrierten
Zeitung vom 15. August 1874 niedergelegt sind.
In diesem Aufsatz war der auch uns vorschwebende Gedanke
der Vereinsbildung bestimmt ausgesprochen, auch der Hoff-
nung Ausdruck gegeben, dafs dieser Verein bei der Feier des
300jährigen Geburtstags aller Orten sich in voller Wirksamkeit
befinde. Es war darin aber auch zugleich ein Gesichtspunkt betont,
der unseren Plänen gegenüber neu war, nämlich die Thatsache,
daüs Comenius selbst in seinem Allgemeinen Weckruf (der Pane-
gersie) zur Durchführung seiner Grundsätze die Bildung einer
Vereinigung gefordert hatte, welche die Vertreter aller Par-
teien, Konfessionen, Nationen und Stände umfassen
sollte.
Die Frage trat an uns heran, ob es nicht angänglich sei,
unser Unternehmen im Sinn und Geist des „Weckrufs** zu er-
weitern und wenigstens die Möglichkeit offen zu lassen, dafs sich
die Comenius-Gesellschaft, wenn Wind und Wetter ihr günstig
waren, zu einer Fortsetzung des Werks gestalte, dessen Bau
Comenius einst begonnen hatte, selbst wenn uns die Vereinigung
„aller Edlen aus allen Nationen", wie sie Comenius forderte,
ein unerreichbares Ideal blieb.
Es schienen in der That überwiegende Gründe dafür zu
sprechen, auch in dieser Beziehung thunlichst auf den Wegen zu
bleiben, die Comenius uns gezeigt hatte und so an alte und be-
währte Überlieferungen anzuknüpfen. Es ward demgemäfs ver-
abredet, die Pforten unserer Gesellschaft nicht blofs solchen
Männern zu erschliefsen , die durch wissenschaftliche Interessen
sich zu ihr hingezogen fühlten, sondern sie für alle offen zu
halten, die im Geiste des Comenius fUr das Wohl der Menschheit
wirken wollten. Es wurde beschlossen, neben den früher aus-
schliefslich ins Auge gefafsten Quellenwerken eine periodisch er-
scheinende Zeitschrift (die Monatshefte) und „Mitteilungen** der
Comenius-Gesellschaft herauszugeben und die Beitragssätze diesem J
Plan entsprechend herabzusetzen und mehrere Sätze für ver-
schiedene Klassen von Mitwirkenden einzuführen.
Auch ward die Bildung provinzieller und örtlicher Organi-
sationen ins Auge gefafst imd bestimmt, dafs denjenigen, die
sich solchen Abteilungen ohne Anspruch auf die Lieferung der
1893. I^ie Comenius-G^sellschaft. H
wissenschaftlichen Veröffentlichungen anzuschliefsen wünschen,
gegen Zahlung von 3 Mk. die „Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft^ zugänglich gemacht werden sollen. Endlich, und das war
das Wichtigste, wurden der Gesellschaft auch gemeinnützige
Ziele gesteckt und beschlossen, dafs sie sich auf dem Felde der
Volkserziehung und der freiwilligen Bildungspflege
bethätigen solle.
In gewissem Sinn kamen die Aufgaben, welche unsere Gesell-
schaft sich nunmehr im Anschlufs an Comenius' Weckruf ge-
stellt hatte, dadurch zu einem ftufseren Ausdruck, dafs sie
jenes Denkzeichen, das Comenius der Gesamtausgabe seiner
Schriften vorgesetzt hat und dessen wesentliche Stücke sich
auch in dem von ihm geführten Siegel wiederfinden^), zu dem
ihrigen machte.
In dem Weckruf heifst es, dafs die „Vereinigung aller Edlen **
auf einem dreifachen Weg gedacht werden müsse, auf dem
Weg der Einheit, dem Weg der Selbständigkeit und dem
Weg der Freiwilligkeit. „Die Einheit," filhrt Comenius
fort, „und die auf sie gegründete Vereinigung ist das Ebenbild
Gottes; detin Gott ist ein Wesen und doch alles, er ist alles
und doch eins; der Weg der Selbständigkeit ist der Weg
der Unabhängigkeit von der Aufsenwelt, welche verlangt, dafs
der Mensch das Geistesauge in sich habe und nicht geborgtes
Licht zurückstrahle; was die Freiwilligkeit betrifft, so ist
die Freiheit ein Theil des Wesens der Gottheit, welches Gott
seinem Ebenbilde eingedrückt hat; er erinnert den Menschen,
aber er zwingt ihn nicht, er mahnt ihn vom Bösen ab, aber er
hält ihn nicht gewaltsam zurück ; und wie er selbst der mensch-
lichen Natur keine Gewalt anthut, so ist es ihm zuwider, wenn
der Mensch vom Menschen Gewalt leidet"
Man erkennt hier die Zusammenfassung der wesentlichsten
Grundsätze, auf welchen die religiöse und sittliche Weltanschauung
des Comenius beruht und aus der sich seine Eigenart erklärt.
^) Das Siegel findet sich an einem Briefe des Comenius vom 25. Ok-
tober 1656, der im Staatsarchiv zu Posen aufbewahrt wird. Auf demselben
sind der Berg und die drei Bäume (Erde), sowie Sonne, Mond und Sterne
klar erkennbar; am oberen Rande steht: J. A. C. Ich verdanke diese
Kenntnis der Güte des Herrn Archivrats Dr. Prümers in Posen. Wir
haben das Siegel als Abzeichen für die „Mitteilungen^ un-
serer Gesellschaft in Gebrauch genommen und werden es auch
sonst als Denkzeichen der Gesellschaft für kleinere Drucksachen verwenden.
12 Keller, Heft 1 u. 2.
Diese Gedanken nun sind in dem erwähnten Denkzeichen sym-
bolisch zur Darstellung gebracht, und er hat sie damit gleichsam
zu seinem Wahlspruch gemacht.
Zwei ineinander liegende Kreise, ein äufserer und ein innerer,
umschlieben die bildliche Darstellung des Weltalls mit Erde,
Sonne, Mond und Sternen. Das Ganze versinnbildlicht die Gott-
heit, die Einheit und das All. Die Sonne, die Urheberin
und Erzeugerin des Lichts, ist Symbol der Unabhängigkeit.
Das Bild deutet an, wie die Strahlen der Sonne und ihres Lichts
die dunklen Wolken besiegen, die ihren Regen auf die f}rde
ergiefsen. Aus dem von drei Bäumen gekrönten Berg, hinter
welchem sieben Sterne und die leuchtende Sonne aufgehen, er^
giefst sich aus doppelt geöffiieter Höhle ein Quell, an dessen ge-
zacktem Uferrand sieben Lilien wachsen. Zwischen dem äufseren
und inneren Elreise steht der Spruch : „Omnia sponta fluant, absit
violentia rebus**, der den Grundsatz der Freiwilligkeit zum
Ausdruck bringt.
Es war für die Entwicklung unseres Unternehmens ein er-
freuliches Zeichen, dafs die Wahl dieser Losung allgemeiner Zu-
stimmung begegnete.
Während sich diese innere Entwicklung unserer Gesellschaffc
vollzog, hielt sie die Lösung der Aufgaben, die sie sich gesteckt
hatte, fest im Auge. Die erste und wichtigste bestand in der
Förderung der Jahrhundertfeier, die am 28. März 1892
bevorstand. Es war von vornherein ausdrücklich ausgesprochen,
dafs die Comenius-Gesellschaft das Andenken der grofsen Männer,
in deren Geist sie zu wirken wünschte, nicht blofs durch den Neu-
druck ihrer Schriften oder durch Lebensbilder, sondern auch durch
die Errichtung von Denkmälern und durch Gedenkfeste
pflegen wollte.
Der Rechenschaftsbericht über die Thätigkeit und die Er-
folge unserer Gesellschaft, dessen wesentliche Punkte ich in
dieser Form bekannt machen möchte, hat daher in erster Linie
die Schritte zu erwähnen, die zur Förderung der Feier geschehen
sind. In Rücksicht darauf, dafs unseren Lesern die erzielten
Ergebnisse durch die Tagespresse hinreichend bekannt geworden
sind, kann ich mich in. dieser Beziehung kurz fassen.
Bereits im Frühjahr 1891 war die Jahrhundertfeier an den-
jenigen Orten, welche mit der Geschichte des Comenius enger
1893. ^le Comenias-Gesellschaft. 13
▼erknüpft waren, gesichert; aber eine allgemeine Feier hielten
um diese Zeit selbst solche Männer, die dem Unternehmen sehr
wohlwollend gegenüberstanden, für undenkbar. Ihr könnt, sagte
man uns, weder die religiösen Empfindungen irgend einer der
bestehenden Kirchen noch (aufserhalb Mährens und Böhmens) die
nationalen Leidenschaften in Bewegung setzen, und wer wird
heute für einen Apostel des Friedens schwärmen, wo alles von
Hals und von Qegensätzen erftlllt ist?
Alle diese Vorhersagungen sind zu Schanden geworden: die
Jahrhundertfeier hat in der That einen einzigartigen Verlauf ge-
nommen, und unsere Gesellschaft kann mit diesem ersten Er-
gebnis ihres Auftretens zufrieden sein. Unter allen gebildeten
Völkern, bei Mitgliedern aller Bekenntnisse, Parteien und Stände
hat der Ruf, den wir ergehen liefsen, Wiederhall gefunden, und
in tausend und aber tausend Herzen hat sich das Bild des grofsen
Mannes eingeprägt.
Die Welt hast da geächtet einst durchmessen
Von Mährens Bergen zu des Nordens Reich,
Hent will die Welt an deinem Werke hauen,
Und Nord und Sud soll deine Siege schauen!
Was der Dichter voraussah, ist zur Wirklichkeit geworden :
Nord und Süd hat seine Siege geschaut und kein Mifston hat
sich in die Freude gemischt, mit der die geistige Auferstehung
dieses Propheten eines glücklicheren Weltalters weit und breit
begrüfst ward. So ist die alte Vorhersagung von Gottfried Wilhelm
Leibniz spät zwar, aber in ungeahntem Umfang wahr geworden :
Dich, Comening, wird, dein Thun, dein Ho£Pen, dein Wünschen
Ehren and preisen dereinst, wer zu den Guten sich zählt.
Nachdem das Ergebnis, das uns vorschwebte, erzielt worden
ist, kommt es wenig in Betracht, dafs viel Arbeit und viel Geld
dazu notwendig gewesen sind. Beides ist von den Freunden des
Unternehmens zur Verfügung gestellt worden, und man wird
über die Einzelheiten bei anderer Gelegenheit genügende Aus-
kunft finden.
Die bei dem Vorsitzenden eingegangenen Berichte über die
Feier bestätigen, dafs die Träger der Bewegung allerorten
gerade diejenigen Männer gewesen sind, die bereits im Jahre
1891 Mitglieder der Comenius- Gesellschaft geworden waren.
Die Zahl unserer Mitglieder betrug bereits am 1. Februar 1892
etwa 650 Personen und Körperschaften, und die Summe der
14 Keller, Heft 1 u. 2.
Beiträge, die allein im Jahre 1891 oder für 1891 eingegangen
sind, belief sich auf rund 6200 Mk. — ein Betrag, der zur Be-
streitung der Kosten der Jahrhundertfeier nicht ausreichte, son-
dern noch einen Zuschufs von etwa 2800 Mk. aus den Einnahmen
des Jahres 1892 notwendig machte. Ich glaube kaum, dafs die
Gesamtausgabe von 9000 Mk. , welche für die Jahrhundertfeier
von der Gesellschaft gemacht worden ist, angesichts der erzielten
Erfolge als zu hoch betrachtet werden wird.. Man kann sich ein
Bild von den Kosten und der Arbeit, die uns erwuchsen, machen,
wenn man erwägt, dafs etwa siebzig verschiedene Drucksachen
in mehr als 100000 Abzügen versandt worden sind.
Unter jenen 650 Mitgliedern waren Angehörige von 14 Na-
tionen vertreten. Die Regierungen der verschiedenen Staaten
hatten durch ihre obersten Schulbehörden in freundlichem Sinne
zu der Sache Stellung genommen. Aus dem Königl. Freufs.
Kultusministerium waren die Herren Wirkl. Geh. Oberregierungsrat
Dr. Schneider und Geh. Oberregierungsrat Dr. H ö p f n e r Vor-
standsmitglieder der Gesellschaft geworden ^) ; aus dem Erziehungs-
bureau der Vereinigten Staaten war dessen Chef, Herr Dr. W.
T. Harris, beigetreten; aus Österreich hatte der k. k. Ministerial-
rat Ritter v. JireCek in Wien, sowie der Vizepräsident des
Landesschulrats für Ungarn, Herr Prof. Dr. G. Heinrich in
Budapest den Anschlufs bewirkt, aus Italien hatte der Minister
des Unterrichts, Herr Dr. Pasquale Villari, seine Mitwirkung
in Aussicht gestellt, ebenso aus Schweden der vormalige Volks-
schuHnspektor Herr Dr. C. J. Meyerberg in Stockholm und
aus Norwegen der Departements-Chef im Kirchen- und Unterrichts-
ministerium, Herr D. F. Knudsen. Das Kaiserlich Russische
1) Der Deutsche Reichs-Anzeiger vom 18. März 1892 (Nr. 68)
brachte mit gesperrter Schrift folgende Notiz : „Auf den 28. März d. J. fällt
der 300jährige Geburtstag des Amos Comenius. DieVerdienste dieses
Mannes um das Schulwesen und insbesondere um die Volks-
schule sind so grofs und so allgemein anerkannt, dafs gerade
die Lehrerbildungsanstalten durch eine angemessene Fest-
feier sein Andenken zu ehren berufen sind. Der Minister der
geistlichen etc. Angelegenheiten hat den Königlichen Provinzial-Schul-
koUegien Abschrift einer von dem Königlichen Provinzial-SchulkoUegium
zu Breslau an die Seminardirektoren und Präparandenanstalts-Vorsteher der
Provinz Schlesien erlassenen Cirkularyerfugung vom 16. Februar d. J. über
die Feier des SOOjährigen Greburtstags des Amos Comenius zur Kenntnis-
nahme und mit der Veranlassung zugehen lassen, bei den ihnen unter-
stellten Lehrer- und Lehrerinnen-Bildungsanstalten etc. auf eine angemessene
Feier dieses Tages hinzuwirken."
1893. 1^16 Gomenius-Gresellschaft. 15
Ministerium der Volksaufklärung hat in dem von ihm heraus-
gegebenen Journal im Januar 1892 einen empfehlenden Aufsatz
über die Comenius-Gesellschaft abdrucken lassen. Diesem Beispiel
waren die übrigen deutschen Staaten zum gröfseren Teil ge-
folgt; namentlich hatten aus dem Königl. Sachs. Kultusministerium
Herr Geh. Rat Dr. Bornemann und aus Strafsburg der Präsi-
dent des Oberschulrats für Elsafs-Lothringen Herr Richter seine
Zustimmung zu erkennen gegeben, und die Oberschulbehörden
anderer Staaten (Würtemberg, Baden, S.-Altenburg
u. s. w.) hatten eine thätige Teilnahme an den Tag gelegt.
Um ihre finanzielle Mitwirkung für die Gesellschaft sind bis
heute die Staatsregierungen nicht ersucht worden ; zu den Kosten
der Jahrhundertfeier hat das Königl. Preufs. Kultusministerium
auf Antrag des Festausschusses eine Beihilfe von 500 M. bewilligt.
Es ist dagegen um so eher Hoffnung vorhanden, dafs bezügliche
Gesuche der Gesellschaft einer freundlichen Aufnahme begegnen
werden, je mehr wir auf wissenschaftliche oder gemeinnützige
Leistungen hinzuweisen imstande sind. Wie in den Jahren
1871 und 1872 die Comenius-Stiftung zu Leipzig durch die Regie-
rungen verschiedener Staaten unterstützt worden ist, so wird
in gleicher Weise gewifs auch unser Unternehmen die gleiche
Mitwirkung erfahren.
Auch eine Reihe von Städten, an ihrer Spitze Amsterdam,
Prag, Danzig, Elbing, Lissa und Prerau, bethätigten
vom ersten Augenblick an ihr Interesse durch finanzielle Mit-
wirkung; inzwischen sind weiter beigetreten: Fulnek in Mähren,
Kassel, Leipzig, Mühlhausen in Thüringen, Posen' und
Stettin. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs weitere Gesuche
weitere Beitritte zur Folge haben werden. Die Stadt Berlin hat
für die Jahrhundertfeier im März 1892 1000 Mk. bewilligt. Die
Städte Halle und Nürnberg haben den Beitritt abgelehnt.
Seit dem Februar 1892, wo, wie bemerkt, die Zahl unserer
Mitglieder 650 betrug, hat sich eine stetige und regelmäfsige
Zunahme vollzogen. Die Zahlen betrugen:
am 15. April 1892: 749 Mitglieder,
„ 8. Juni „ 796 „
„ 12. August „ 856 ,
, 2. Nov. „ 910
„ 31. Dez. „ 940 „
Unter diesen Mitgliedern befanden sich am Schlufs des
Jahres 1892 eine verhältnismäfsig grofse Zahl — etwa 215 —
16 Keller, Heft 1 u. 2.
körperschaftliche Mitglieder, was wir als günstiges Ana&eichen
deuten dürfen. Diese Zunahme erfolgte, obwohl natürlich gleich-
zeitig durch Tod, Ausscheiden u. s. w. der übliche Abgang sich
vollzog. Wir haben durch den Tod unter anderen folgende
Mitglieder verloren: Dr. Friedr. Fabri, Univ.-Prof. in Bonn;
Reg.- u. Schulrat Dr. Falkenheiner in Kassel; Dr. Fr ick,
Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle ; Dr. S. J. H i n g s t ,
Mitglied des obersten Gerichtshofs im Haag; Dr. J. Albert van
Kampen, Gymn.-Prof. in Gotha; Dekan F. Kübel in Efs-
lingen; Redacteur August Lammers in Bremen; Schuldirektor
Bruno Marquart in Dresden; Oberst a. D. Neuland, Berlin;
R. H. Quick, Redhill, England; Reinecke, Stadt- und Kreis-
Schulinspektor, Berlin; Dr. Ed. Robert, Rechtsanwalt, Mascara,
Algier; Pastor W. Teutschländer in Bukarest; Militärober-
pfarrer Dr. Tube in Danzig; Prof. Dr. Weinkauff in Köln;
Dr. jur. Ernst Emil Wendt in London.
Es waren zum Teil ausgezeichnete Männer, Namen von
bestem Klang und zum Teil gerade solche Männer, die den
ersten Anfängen unserer Gesellschaft besonders nahe gestanden
haben.
Die Summe der Einnahmen des Jahres 1892 läfst sich in
dem Augenblick, wo dieser Bericht abgeschlossen wird, noch nicht
genau übersehen. Bis zum 31. Dezember 1892 waren im ganzen
rund 5500 Mk. fUr 1892 eingegangen; da aber in unseren Rollen
noch eine Anzahl von Mitgliedern verzeichnet steht, deren
Beiträge noch ausstehen, so werden die Einnahmen unter Vor-
aussetzung eines vollständigen Eingangs sich noch um etwa
500 Mk. erhöhen. Von diesen Einnahmen sind, wie oben be-
merkt, etwa 2800 Mk. zur Förderung der Jahrhundertfeier ver-
wandt worden; der Rest ist für die Veröffentlichungen der Ge-
sellschaft und für Verwaltungszwecke verwandt worden. Ein
Kassenbericht, der die genaueren Zahlen giebt, soll im März
oder April der Öffentlichkeit übergeben werden.
Nachdem zu Ende März 1892 die erste und vornehmste Auf-
gabe der Gesellschaft mit dem Schlufs der Jahrhundertfeier gelöst
war, traten sofort wichtige weitere Aufgaben an uns heran,
nämlich vor allem der Ausbau unserer Organisation,
die Anknüpfung freundlicher Beziehungen zu ver-
1893. ^^ Coinenias-Gresellschaft. 17
wandten Bestrebungen und der Beginn unserer Ver-
öffentlichungen.
Wenn auch zu Beginn des Jahres 1892 die allgemeinen Ziel-
punkte und die Mittel, um sie zu erreichen, durch die mit dem
Aufruf versandten Vereinbarungen festlagen, so blieben
doch im einzelnen noch vielerlei nähere Bestimmungen notwendig.
Diese wurden in den Satzungen gegeben, die im März 1892 ent-
worfen und durch BeschluTs des Gesamtvorstands mit dem
1. April 1892 vorläufig in Kraft gesetzt wurden*). Von un-
mittelbar praktischer Bedeutung wurden von den neuen Anord-
nungen, die sie enthalten, zunächst diejenigen, welche über die
Zweiggesellschaften (Abteilungen) und über die Landes-
und Ortspflegschaften handelten (§§ 16—28). Wenige
Monate, nachdem die Satzungen in Kraft getreten waren, wurde
die erste Zweiggesellschaft zu Amsterdam unter dem Vorsitz
von Herrn Dr. Rogge, ordentlichem Professor der allgemeinen
Geschichte an der dortigen Universität, ins Leben gerufen und
ihr unter dem 6. November 1892 ein Gründungspatent verliehen.
Gleichzeitig wurden in Gemäfsheit der §§ 28 und 29 der
Satzungen in etwa fünfzig Städten Landes- und Ortspflegschaften
eingerichtet und Bevollmächtigte der Gesellschaft ernannt.
Die Namen der Herren werden wir durch die „Mitteilungen"
veröffentlichen. Die Geschäftsordnung, welche für die Bevoll-
mächtigten entworfen worden ist, hat im Oktober 1892 die Zu-
stinmiung des Gesamtvorstandes gefunden. Die wichtigsten Be-
stimmungen derselben sind diejenigen, welche auf die Ein-
richtung von Comenius- Kränzchen abzielen.
Einen besonders wichtigen Fortschritt unserer Organisation
bezeichnet die „Geschäftsordnung für den Gesamtvor-
stand der C.-G.", die im dritten Heft unserer Monatshefte vom
Jahre 1892 (Geschäftl. Teil, S. 63 ff.) veröffentlicht worden ist.
Durch die Bestimmungen derselben sind sowohl die wissen-
schaftlichen, wie die gemeinnützigen Ziele klarer umschrieben
worden. In letzterer Beziehung heilst es in § 4, Absatz 2:
„Zum Zweck gemeinnütziger Bethätigung kann der
Vorstand in gröfseren Orten unter Mitwirkung der hier-
^) Abgedruckt in den Monatsheften der C.-G., Heft 1, Geschäftl. Teil,
8. 11 ff.
Monatahefte der Comenius-OeseUschaft. 1808. 2
18 Keller, Heft 1 u. 2.
für geeigneten Gesellschaftsorgane Einrichtungen treffen,
welche solchen Personen die wissenschaftliche Weiter-
bildung erleichtern, die eine Hochschule nicht haben be-
suchen können oder die ihre akademischen Studien bereits
beendigt haben und auf diese Weise durch feste Vor-
trags-Cyklen für Bildungspflege und Volkserziehung
wirken. Nähere Bestimmungen bleiben vorbehalten."
Es wird eine der Aufgaben des Oesamtvorstandes sein, die
Schritte zu erwägen, die unter Mitwirkung der Herren Bevoll-
mächtigten und der Comenius-Kräuzchen in der angedeuteten
Richtung etwa geschehen könnten.
In Sachen der wissenschaftlichen Unternehmungen und ihrer
Lösung ist die Bildung von Sektionen, welche die Geschäfts-
ordnung ins Auge fafst, von Wichtigkeit (§ 22 ff.). Da diese
Sektionen selbständige Einnahmen haben und selbständige Aus-
gaben machen können, so ist die Möglichkeit geboten, dafs sie
bestimmte Forschungsgebiete — ich erinnere z. B. an die Ge-
schichte bestimmter Religionsgemeinschaften oder bestimmter
Persönlichkeiten — selbständig in Angriff nehmen, sofern gerade
für solche Gebiete bei Patronen und Gönnern unserer Gesellschaft
besonderes Interesse vorhanden ist und besondere Mittel flüssig
gemacht werden. Es sind einstweilen vier Sektionen ins Auge
gefafst :
A. eine philosophisch-historische Sektion,
B. eine theologisch-historische Sektion,
C. eine Sektion für Erziehungslehre und Schulgeschichte,
D. eine Sektion für Volkserziehung und Bildungspflege.
Die Sektion A umfafst auch die Geschichte der sog. exakten
Wissenschaften, der Staats- und Rechtsphilosophie und der Ge-
sellschaftslehre; die Sektion D auch die Volkssprachen.
Mit der Bildung der Sektionen soll im Herbst 1893 der An-
fang gemacht werden.
Der Aufruf zur Jahrhundertfeier und die Einladung zur
Teilnahme an unserer Gesellschaft war seit dem Juni 1891 ohne
Unterschied der Nation und Konfession an solche Körperschaften
und Personen gesandt worden, bei denen wir einiges Interesse
voraussetzen konnten. Es war natürlich, dafs unsere Pläne dort
lebhaftere, hier geringere und anderwärts gar keinen Wiederhall
1893. ^ie Comenins-Gresellschaft. 19
fianden und aus den Rückäufserungen, die in unsere Hände ge-
langten, liels sich über die betreffenden Kreise ein einigermafsen
sicheres Urteil gewinnen. Es muis dabei hervorgehoben werden,
dafs sich diese Kreise nicht in erster Linie nach der Kon-
fession, sondern nach dem Beruf schieden. Die Männer, die
durch ihre wissenschaftliche oder praktische Thätigkeit auf dem
Gebiet der Erziehung mit den Grundsätzen des Comenius be-
kannt geworden • waren , bethätigten bald und vielseitig ihre
Teilnahme, gleichviel ob sie katholisch oder evangelisch waren;
ebenso waren die österreichischen und besonders die böhmisch-
mährischen Landsleute des Comenius/ gleichviel, ob reformiert,
lutherisch, katholisch oderfreigeistig, warme und eifrige Parteigänger.
Auch die Vertreter aller gemeinnützigen Bestrebungen,
die in Comenius einen ihrer Vorkämpfer erkannten, wie die
Bildungsvereine, Schulvereine, Sprachvereine,
femer die zahlreichen und gut organisierten Anhänger Fr ob eis
und Herbarts, die Freunde Krauses, der Verein für
Knabenhandarbeit u. s. w. nahmen eine freundliche Stel-
lung zu unseren Bestrebungen ein und führten uns manche
Mitglieder zu. Besonders rührig zeigten sich die Lehrer-
vereine, von welchen gegenwärtig schon gegen 60 der Gesell-
schaft angehören.
Erfreulich mufste es auch für den Gesamtvorstand sein,
dafs eine gröfsere Zahl angesehener Geschichtsvereine in
richtiger Würdigung der wissenschaftlichen Bestrebungen unserer
Gesellschaft, zum Theil aus eigener Veranlassung, zum Teil auf
Anfrage sich in freundliche Beziehungen zu uns setzten.
Von den gröfseren Vereinen, mit welchen unsere Gesellschaft
schon jetzt in freundnachbarliche Beziehungen getreten ist, nenne
ich aufserdem dieGesellschaft für deutsche Erziehungs-
und Schulgeschichte, den „Verein für wissenschaft-
liche Pädagogik", die „Gesellschaft für Verbreitung
von Volksbildung", den „Verein für Volkserziehung*
in Augsburg; mit anderen Vereinen schweben Verhandlungen.
Der interkonfessionelle Charakter unseres Unternehmens trat darin
klar zu Tage, dafs keines von unseren 215 körperschaftlichen
Mitgliedern (mit einer einzigen Ausnahme) gefragt hat, ob und
eventuell welchen kirchlichen Charakter die Gesellschaft trage *).
- - f - n _m. M _ ■ ■
/
^) Man hat es unserer Gesellschaft zum Vorwurf gemacht, dafs auch
2*
20 Keller, Heft 1 u. 2-
Andererseits zeigte es sich allerdings bald, dafs Comenius
einer Religionsgemeinscliafl: angehört hatte, die, wie G. A. Lind-
ner in seiner Lebensbeschreibung sagt'), „nicht katholisch, nicht
protestantisch, nicht reformiert, sondern einfach christlich
war", und dafs es unter allenKonfessionen auch heute noch
Viele giebt, die fdr diesen Standpunkt Verständnis und Sym-
pathie besitzen.
Eine Art gemeinsamer Teilnahme von seiten bestimmter
Religionsgemeinschaften konnte der Natur der Sache nach nur
so weit zu Tage treten, als deren Überlieferungen sich in dem
einen oder andern Sinn mit denjenigen der böhmischen Brüder
und ihres letzten Bischofs berührten; dazu gehörten vor allem
die Reformierten, sofern sie nicht strenge Calvinisten waren,
und die Brüdergemeinde. Die Reste der böhmischen Brüder
hatten sich nach Auflösung der Unität zum gröfseren Teil den
Reformierten angeschlossen, denen sie sich von je innerlich am
verwandtesten gefühlt hatten, und die in vielen Ländern weit-
herzig genug waren, um den Brüdern in ihren Gemeinden auch
dann Aufnahme zu gewähren, wenn diese, die Anerkennung
streng calvinistischer Grundsätze ablehnten. Comenius selbst
hatte seine wissenschaftliche tmd theologische Ausbildung an den
reformierten Hochschulen Herbom und Heidelberg er-
worben und seine letzte Ruhestätte in einer reformierten Kirche
(zu Naarden) gefunden, und so war es ganz erklärlich, wenn manche
reformierte Geistliche sich berechtigt hielten, auch innerhalb
ihrer Kirche der Jahrhundertfei er für den Bischof der glaubens-
verwandten Brüder zu gedenken und den AnschluTs ihrer Gemein-
den an die Gesellschaft zu bewirken. Was bei den Reformierten
vielfach geschah, das wurde innerhalb der Brüdergemeinde aller-
orten vollzogen: ein lebhaftes Gefühl der Zusammengehörigkeit
mit den älteren böhmischen Brüdern brach sich Bahn, und eine
Grefe logen und Logen unter ihren Mitgliedern seien. Die That-
sache ist richtig; aber es ist nicht abzusehen, inwiefern daraus für die
Gesellschaft eine Benachteiligung erwachsen soll. Diese Befürchtung
fiiefst, wie es scheint, aus einer Beurteilung der Freimaurer, die
Comenius in einen Gegensatz zu diesen stellt. Wie weit ein solches
Urteil zutrifft, kann hier ununtersucht bleiben. Wir glauben nicht, dafs
der Anschlufs von Grofslogen und Logen erfolgt sein würde, wenn es richtig
wäre.
^) G. A. Lindner, Joh. Arnos Comenius, sein Leben und Wirken.
Neu herausgegeben von Bötticher. Wien 1892, Pichler. Vorwort.
1893. I>ie Gomenias-Qesellschaft 21
rege Teilnahme wurde von allen Gemeinden an dem Jubiläums-
tage in und aufserhalb der Kirchen bekundet, während allerdings
nur die Unität als solche, nicht aber einzelne Gemeinden, der
Comenius-GesellschafI; beitrat.
Auch darf nicht unerwähnt bleiben, daCs die deutschen Men-
no niten, die italienischen Waldenser und die hollän-
dischen Remonstranten sich der Thatsache erinnerten, dafs
in früheren Jahrhunderten engere Bande als in späteren Zeiten
zwischen den „Brüdern' in Böhmen und denjenigen in Italien,
der Schweiz und in Holland vorhanden gewesen waren, und da
unsere VereinbaAngen ausdrücklich versprachen, dafs die zu
gründende Gesellschaft auch die ältere und älteste Geschichte
pflegen wollte, war es natürlich, dafs von dieser Seite uns gleich-
falls Teilnahme bewiesen ward. Die Jährhundertfeier und das
Zusammenwirken in unserer Gesellschaft haben .in allen diesen,
durch ungünstige geschichtliche Entwicklungen getrennten Gemein-
schaften das Bewufstsein verwandten Ursprungs, ver-
wandter Grundsätze und verwandter Aufgaben offen-
bar gekräftigt, und vielleicht wird die gemeinsame Arbeit
diese Wirkungen noch verstärken und vertiefen.
Wenn wir nun schliefslich unseren Blick auf die Veröffent-
lichungen richten, welche von der GeseUschaft seit ihrem Be-
stehen veranlafst worden sind, so wäre es unbillig, wenn man
dazu nur die Monatshefte zählen wollte.
Wir lassen den Aufruf, der in 20 000 Exemplaren in
deutscher, französischer, englischer, tschechischer und unga-
rischer Sprache verbreitet worden ist, in dieser Beziehung auf
sich beruhen; aber die Rundschreiben, Protokolle und
Berichte, welche der Verwaltungsausschufs nach und nach
veröffentlicht hat, dürfen doch deshalb nicht übergangen werden,
weil sie keineswegs blofs geschäftliche, sondern zum Teil wichtige
grundsätzlich^ Fragen betrafen. Sie haben eine Reihe von Ver-
öffentlichungen mittelbar veranlafst, die auch insofern als
unsere Publikationen gelten dürfen, als sie von Mitgliedern
der Gesellschaft verfafst und zum Teil auf Kosten der Gesellschaft
in gröfserer Zahl verbreitet worden sind.
Hierher gehören eine Anzahl von Abhandlungen und Vor^
trägen über Comenius, die in der Litteraturübersicht von Heft 4
22 Keller, Heft 1 u. 2.
S. 295 ff. des Jahrg. 1892 unserer Monatshefte mit aufgeführt wor-
den sind. Hierher gehören femer die beiden Festspiele von
Paul Risch, Comenius in Lissa (Verlag von Q. W. Lüder, Ber-
lin, Prinzenstrafse 42) und von Georg vFritze (Frankfurt a./0.
in Komm, bei G. Hamecker & Co.), sowie die Festgedichte,
welche durch das Preisausschreiben unserer Gesellschaft
vom 14. Januar 1892 ins Leben gerufen worden sind.
Die wissenschaftlichen Publikationen der Gesellschaft wurden
dann im März 1892 mit dem ersten Jahrgang der „Monats-
hefte der Comenius-Gesellschaft^ eröfinet, und jetzt
liegt davon der erste Jahrgang als Band von 25 Bogen
(Lexikon-Oktav) vor. Wenn wir uns im Jahre des Jubiläums
vorwiegend mit der Person und den Werken des Comenius be-
schäftigt haben, so lag das in den Verhältnissen begründet; dafs
wir nicht populäre, sondern wissenschaftliche Aufsätze ge-
bracht haben, ist uns , wie mehrfache Zuschriften ergeben haben,
verdacht worden; wir werden in Zukunft das Arbeitsgebiet im
Sinne unseres Arbeitsplanes erweitern, aber unseren Monats-
heften den wissenschaftlichen Charakter bewahren und den Be-
dürfhissen weiterer Kreise durch die Herausgabe von Mit-
teilungen der Comenius-Gesellschaft entgegenkommen.
Der Beschlufs des Gesamtvorstandes vom 19. November,
welcher diese Erweiterung unserer Veröffentlichungen ermöglicht
hat, beweist, dafs wir in jeder Weise bemüht sind, den Anforde-
rungen zu entsprechen, welche biUigerweise gestellt werden
können. Wir bitten unsere Mitglieder, auch ihrerseits eine thätige
Mitarbeit eintreten zu lassen.
Die Urteile, welche in der Presse sowohl über die Gesell-
schaft wie über die Monatshefte laut geworden sind, waren bis-
her durchweg in freundlichem Sinne gehalten. Wir halten es
nicht für angemessen, durch Abdruck solcher Urteile unseren
Bemühungen einen Hintergrund zu geben.
Jedenfalls steht es fest, dafs auch solche Männer, die der
Gesellschaft einstweilen nicht angehören, wie z. B. Professor
O. Willmann in Prag, sich in sympathischer Weise über die bis-
herigen Veröffentlichungen der Gesellschaft geäufsert haben.
Bei Unternehmungen, wie das unsere es ist, hat die Gesell-
schaftsleitung vor allem die Pflicht, ihre ersten Schritte vorsichtig
zu setzen. Es kann nicht darauf ankommen, binnen zweier
Jahre blendende Erfolge zu erzielen, sondern das Bestreben muls
1893. ^16 Comenius-Gesellschaft. 23
dahin gehen, eine Grundlage zu schaffen, auf der allmählich
weitergebaut werden kann. Es ist leicht, gerade auf unserem
Arbeitsfeld, das mit religiös-philosophischen Fragen sich nahe be-
rührt, starke Leidenschaften zu wecken; aber es ist schwierig,
eine leistungsfilhige Organisation unterWahrung eines e i n m ü t i g e n
Handelns ins Leben zu rufen, zumal wenn der Kreis der Mit-
glieder rasch einen Umfang erreicht, wie es bei uns bereits der
Fall ist. Bisher ist es gelungen, die Auffrischung vergangener
und die Fortsetzung bestehender Gegensätze zu vermeiden, und
wir betrachten es als unsere wichtigste Aufgabe, auch ferner die
glückliche Stimmung der verflossenen Gesellschaftsjahre fort-
zusetzen und jede Störung des Einvernehmens hintanzuhalten.
Keiner Gesellschaft pflegen die Kinderkrankheiten erspart
zu bleiben, und wir rechnen gleichfalls auf solche. Aber es ist
für solche Fälle doch wichtig, wenn die Kinder mit einer guten
Konstitution zur Welt gekommen sind. Wenn Zwischenfälle ein-
treten, so wird an den Tag kommen, dafs wir seit 1890 nicht
ohne Vorbedacht einen grofsen Teil unserer verfügbaren Kräfte
auf die Organisationsfragen und deren Austragung verwandt
haben, und dafs die bisherige Einmütigkeit einen starken Rück-
halt gegenüber störenden Kräften darbietet. Dieser Erfolg ist
wichtiger als einige Bände von Publikationen, die wir in der
gleichen Zeit mit geringeren Opfern an Arbeit und Geldmitteln
hätten herstellen können.
Die Gesellschaft findet auf dem Gebiet, auf dem sie sich
gemäfs ihrem Arbeitsplan zunächst zu bethätigen beabsichtigt,
ein weites, wenig angebautes Feld vor. Comenius steht mit
Baco und Leibniz an der Schwelle des Zeitalters, mit welchem
die neuere Entwicklung der Wissenschaften begonnen
hat, jener. Entwicklung, die im Gegensatz zur mittelalterlichen
Weltanschauung mehr auf die Erkenntnis des Seienden als des
Übersinnlichen, mehr auf das Wesen der Natur als auf das Über-
natürliche gerichtet war.
Diese Geistesrichtung, die im eigentlichsten Sinne die Neu-
zeit eingeleitet hat, hat in manchen ihrer späteren Vertreter die
Neigung gezeigt, die Kräfte des Gemüts, wie sie sich in der
Religion bethätigen, zu unterschätzen und insbesondere die
christliche Religion nur nach den Lehren zu beurteilen, wie sie
in den Bekenntnissen der verschiedenen Kirchen formuliert worden
24 Keller, Heft 1 u. 2.
waren. Indem sie damit in eine ähnliche Einseitigkeit rerfielen,
wie sie die Träger der mittelalterlichen Weltanschauung gegen-
über dem Naturerkennen und den Erfahrungswissenschaften an
den Tag legten, haben sie viele und wichtige Elräfte des Menschen*
lebens in ihrer Wirkung unterschätzt und ihren Gegnern starke
Waffen in die Hand gegeben.
Es ist von der gröfsten Wichtigkeit, festzustellen, dafs die
Männer, auf die die neuere Geistesrichtung sich mit Recht als
ihre Bahnbrecher beruft, den späteren Nachfolgern hierin nicht
vorangegangen sind. Diese Männer wufsten wohl, dafs auch
solche Dinge , die sich mehr dem Gemüt des Menschen als dem
Verstände erschliefsen und sich als Forderungen des Gefllhls
aufdrängen, im Leben der Völker eine grofse Bedeutung gewinnen
und für den Einzelnen die gleiche Gewifsheit wie irgend welche
Sätze der Erfahrung erlangen können.
In dem Umfang, in dem es gelingt, das Andenken und den
Geist von Baco, Comenius und Leibniz wieder zu beleben, werden
die Errungenschaften der modernen Wissenschaften vor den Q^
fahren gesichert sein, welche ihnen von denjenigen Mächten
drohen, die den scholastischen Wissenschaftsbetrieb heute wie ehe-
mals als allein gültig ansehen, und deren Vertreter sich vor-
läufig nur als zurückgedrängt, aber nicht als überwunden be-
trachten.
Aber hiermit ist das Arbeitsgebiet der Gesellschaft nicht er-
schöpft : es erstreckt sich vielmehr auf alle verwandten geistigen
Strömungen, die seit vielen Jahrhunderten vorhanden waren, und die
bald in kirchlichen Nebenströmungen, bald in wissenschaftlichen
Schulen und Gesellschaften nach äufserer Gestaltung und Geltend-
machung rangen. An dem System, dessen Erforschung wir beab-
sichtigen, haben seit den altchristlichen Zeiten unzählige Geschlechter
gebaut und gearbeitet — die Einzelnen wie die Menschheit mit
ihren Plänen umspannend. Wie für jede Geistesrichtung hat es
auch für sie Zeiten der Blüte wie des Verfalls gegeben, aber nie-
mals ist sie gänzlich verschwunden, und trotz schwerer Kämpfe
haben ihre Ideen sich von Jahrhundert zu Jahrhundert mächtiger
und mächtiger entfaltet.
Wir haben die Männer, die wir zu den vornehmsten Trägem
dieser Strömungen zählen, in dem Rundschreiben des Verwaltungs-
ausschusses vom 28. Juli 1892 namhaft gemacht^) und können
») Abgedruckt in den Monatsheften der C.-G., Geschäft!. Teil S. 71 ff.
1893. ^1^ Comenias-G^ellschaft. 25
daher hier darauf verweisen. Dort sind auch die wesentlichen
Charakterzüge, die bei Allen wiederkehren, kurz geschildert
Sowohl die Vertreter der sogenannten älteren deutschen Mystik
wie Tauler und Eck hart und die sogenannten Neuplatoniker
des Humanismus, wie die sogenannten Naturphilosophen des
siebzehnten Jahrhunderts und der ältere Pietismus Arndts und
Speners, wie endlich die Vorkämpfer der sogen. Aufklärung
von Thomasius bis Schleiermacher sind beherrscht von
dem Streben, eine über dem Streit der Nationen und Kirchen
stehende christliche Denkweise auf der Grundlage echter Huma-
nität zur Geltung zu bringen, und sie sind einig in der Über-
zeugung, dafs dies Ziel vor allem durch die freie Bewegung der
Wissenschaft und auf dem Wege einer naturgemäfsen Volks -
erziehung erreicht werden müsse. Daher kehii: die Vorliebe
des Comenius für die Erziehungslehre bei allen gleichmäfsig
wieder ; aber auch seine Betonung der Mutterspracheais Mittel
zur Hebung der Volksbildung, seine Hinneigung zu den exak-
ten Wissenschaften und endlich der Grundsatz, dafs alles
Wissen auf das Leben zu beziehen sei, treten bei allen in
gleicher Bestimmtheit hervor. Daher sind in den Reihen dieser
Männer die Bahnbrecher der Erziehungslehre und die Begründer
der exakten Wissenschaften zu suchen, und wenn unsere Mathe-
matiker, Astronomen, Botaniker und Chemiker nach
den Männern forschen, die ihre Wissenschaften von den antiken
Überlieferungen und der scholastischen Methode befreit haben,
so begegnen sie eben den Richtungen, in deren Geist unsere
Gesellschaft ihre Aufgabe zu lösen entschlossen ist.
In einer Zeit, wo für die geistigen Errungenschaften jener
Männer von mehr als einer Seite ernste Gefahren heraufziehen,
schien es wünschenswert, diejenigen unter sich in Beziehung zu
setzen, die sich mit den geschilderten älteren Richtungen noch
heute eins wissen. Die Anregung, die wir in diesem Sinne ge-
geben haben, ist bisher auf fruchtbaren Boden gefallen.
Aber wenn wir imstande sein wollen, in die Entwicklung
des wissenschaftlichen und thätigen Lebens selbständig ein-
zugreifen, dürfen wir uns bei den bisherigen Erfolgen nicht be-
ruhigen. Wir haben, nachdem der allgemeine Rahmen für unser
Unternehmen nunmehr geschaffen ist, den Wunsch, den Ausbau
des Ganzen durch die Schaffung örtlicher Organisationen
zu vervollständigen. Wir bitten daher unsere Mitglieder wie
26 Keller, Die Gomenius-Gefiellschaft. Heft 1 u. 2.
uuBore Freunde, auf diesen Punkt ihre Thätigkeit zu richten.
Die Einrichtung der Abteilungsmitglieder, wie sie oben
geschildert ist, erleichtert den Anschlufs unter den bescheidensten
Opfern.
Wir waren und sind uns der Schwierigkeiten, auf die bei
dem vorhandenen Wettbewerb jede neue Gesellschaftsbildung
stofsen mufs, vollauf bewufst. Indessen finden wir die Berech-
tigung zu unserem Vorgehen darin, dafs wir ein Unternehmen
vertreten, das im Gegensatze zu den zahllosen Fachvereinen den
ganzen Menschen zu erfassen geeignet ist Unsere Gesell-
schaft kann, da sie von ihrer Thätigkeit und ihren Versammlungen
keine Wissenschaft und keine Kunst ausschlieist, die zur Bildung
des Geistes und des Charakters oder zur Pflege des Gemüts
dienen kann, gegen die Zersplitterung, an welcher unser
Vereinswesen krankt, ein Gegengewicht bilden. Wir wollen
und können weder mit den bestehenden wissenschaftlichen
und gemeinnützigen Vereinen, noch mit den Lehrer-
vereinen, Bildungs vereinen. Sc hui vereinen, Sprach-
vereinen u. s. w. in Wettbewerb treten, wohl aber kann unsere
Gesellschaft der Boden werden, auf welchem sich die Vertreter
der Fach vereine zu gemeinsamem Vorgehen berühren. Auch
werden die Vorteile des grofsen, viele Länder umfassenden
Zusammenhangd denjenigen bald zum Bewufstsein kommen, die
sich zum Beitritt entschliefsen.
Ein Friedensspruch.
Dargestellt von
Dr. M. A. N. Bovers (in Holland).
In seiner interessanten Abhandlung : Dieinterkonfessio-
nellen Friedensideale des Johann Arnos Comenius
(Monatshefte der C-Gt. 1892, Heft 2) benützt Karl Mämpel die
berühmte Schrift des Comenius „Unum necessarium''.
Im achten Kapitel derselben heifst es: ,,Summa concordiae
Christianorum lex est trina: servare in omnibus necessariis uni-
tatem, in minus necessariis libertatem, in omnibus erga omnes
caritatem.**
Woher dieser Wahlspruch? Lange hat man vergebens nach
seinem Urheber gesucht.
Im Jahre 1847 hielt der berühmte holländische Professor
der Remonstranten, des Amorie van der Hoeven, einen Vortrag,
der grofsen Beifall erregte. Aus demselben citiere ich folgende
Zeilen: „Einheit im Notwendigen, Freiheit im Zweifelhaften,
das sind die beiden Säulen, die am Eingange des Gottesgebäudes
stehen, dessen Grundstein Christus ist: das Gesims, welches beide
Pfeiler verbindet, ist die Liebe. In Allem die Liebe. Ein
Spruch, so inhaltsschwer, so ausdrucksvoll, der in wenig Worten
die Auflösung des grofsen Fragestückes giebt, wie der Friede in
der Kirche, die Vereinigung der geteilten Christenheit zu stände
konmien soll? — ein Spruch, wert in Marmor gemeifselt, oder
besser, in alle Christenherzen graviert zu werden, würde der
bei uns nicht die Sehnsucht erregen , den klaren Kopf und das
edele Herz desjenigen kennen zu lernen, aus welchen er hervor-
g^angen ist?"
Freilich, der Redner selbst war zu der traurigen Folgerung
28 Rovers, Heft 1 u. 2.
gekommen, dafs der Spruch ein Findling sei und bleibe. Trotz-
dem aber äufserte er den Wunsch, ein wisscQschaftlicher Verein
möge einen Preis ausschreiben für denjenigen, dem es gelingen
würde, den rechten Vater zu entdecken.
Lange meinten die Gelehrten, den Autor des hochgepriesenen
Wahlspruches müsse man im christlichen Altertum suchen.
Ziemlich allgemein erkannte man den Kirchenvater Augustinus
als den Urheber desselben an. Allein in dessen zahlreichen
Schriften suchte man vergebens danach ^). Auch wurde Augusti-
nus' jüngerer Zeitgenosse und Bekämpfer, Vincentius ron Leri-
mum, von dem der bekannte Spruch herrührt: „wir müssen
festhalten an dem, was überall, immer und von allen geglaubt
worden ist", genannt^). Aber auch diese Behauptung stellte sich
als unrichtig heraus®), gleichwie die Meinung derer, welche dem
Episcopius, dem ersten Professor am Seminar der Remonstranten
in Amsterdam, die Vaterschaft des Spruches zuschrieben, der die
geliebte Losung vieler Remonstranten geworden ist*).
Dem Dr. Friedrich Lücke, dem bekannten Theologen in
Deutschland, gebührt die Ehre, den Autor des Wahlspruches,
nach dem man so lange vergebens gesucht, entdeckt zu haben').
Nach ihm soll es Rupertus Meldenius sein, der sich um das Jahr
1625 in seiner „Mahnung zum Eirchenfrieden" an seine Mit^
bekenner der Augsburger Eonfession richtete"). Es wird uns
>) Vergl. Prof. Eist in „Kerkelijk Archief", X, S. 358.
') U. a. von Dr. H. Thiersch in „Vorlesungen über Katholicismus und
Protestantismus'', 1846, I, S. 176.
■) Vincentius* Commonitorium wurde von van der Hoeven wieder-
holt gelesen, aber nirgendwo hatte er den Spruch y,In neccssariis unitas''
gefunden (a. a. 0. S. 4 ff.).
*) Vergl. Joannes Tidemann in „De Remonstranten en het Re-
monstrantisme**. Auch wurde Georg Calixtus genannt Dafs der
Spruch in einem der Werke des irenischen Theologen Hermann Witsios,
der zuerst Professor in Franeker, nachher in Utrecht und Leiden war, vor-
kommen sollte, ist allerdings nicht unmöglich.
*) Über das Zeitalter, den Verfasser und die wahre Be-
deutung des kirchlichen Friedensspruches: „In necessariis unitas,
in dubiis libertas, in omnibus Caritas'', 1851. Seine Gründe waren für
Viele nicht überzeugend, u. a. nicht für Friedrich Böhringer, der noch im
Jahre 1878 den Spruch dem Augustinus zuschrieb. (Vergl. Aurelins
Augustinus, S. 420.) Oder hat er etwa die Schrift Lückes nicht gekannt?
*) Paraenesis votiva pro pace ecclesiae ad Theologos
Augustanae Confessionis.
X893. Ein Friedensspruch. 29
in diesem Büchlein eine nichts weniger als erquickliche Skizze
gegeben von den Lutheranern und ihren Theologen. Sie werden
aufgefordert^ nach „Liebe*^ zu streben, „verbunden mit frommer
Vorsicht und ungeheuchelter Demut". Wenn wir — so lautet
Meldenius^ Ansicht — im Notwendigen die Einheit, im Nicht-
notwendigen die Freiheit, in Allem die Liebe behaupteten, wie
viel besser würde es sich dann mit den Christen verhalten ! Jetzt
wird sogar der wegen seiner Frömmigkeit bekannte Johannes
Amd, der Autor der „Vier Bücher vom wahren Christentum",
verketzert ! Anstatt der Spur Christi folgen die Eetzerjäger dem
Wege Bileams! Lafst uns lieber die Zahl der für alle verbin-
liehen Glaubensartikel einschränken als auf die Differenzen in
den Kirchen zu achten! Nur im Notwendigen ist die Ein-
heit eine Forderung.
Aber was gehörte dazu? Nicht ohne Verwunderung lesen
wir, dafs unser friedlicher Theologe von jedermann fordert
als etwas Unentbehrliches fUr die Seligkeit: a) dasjenige, was
mit Sicherheit aus deutlichen Zeugnissen der heiligen Schrift ge-
folgert werden kann; b) diejenigen Dogmen, welche auf kirch-
lichen Concilien festgesetzt und in symbolische Bücher aufge-
nommen sind; c) die Lehrsätze, welche einstimmig von allen
rechtgläubigen Theologen anerkannt werden.
Unter das Nichtnotwendige oder Zweifelhafte zählt
Meldenius : a) dasjenige, was in der Schrift nicht deutlich gelehrt
wird; b) Dogmen, über welche ältere Theologen keine be-
stimmte Überzeugung ausgesprochen haben; c) das, was zur
Beförderung der Liebe, der Frömmigkeit und der Erbauung
nicht dienlich sein kann.
Ein jeder wird der Meinung sein, dafs die Klarheit in diesen
Sätzen zu wünschen übrig läfst. Wem z. B. ist es einleuchtend,
was in der Schrift deutlich und was darin undeutlich ge-
lehrt wird? Derjenige, welchem nach diesem der Ehrenname
eines orthodoxen Theologen gebührte, würde von jenem bisweilen
verketzert werden. Über alles, was zur Erbauung und Beför-
derung der Frömmigkeit gehört, hat laut der Geschichte schon
öfter Meinungsverschiedenheit bestanden. Und diejenigen, die
keine Fremden in der Eirchengeschichte sind, werden sich er-
innern, dals die eine Kirchenversammlung nicht selten abgehrochen,
was die andere aufgebaut hatte; dafs die Einstimmigkeit der
30 Rovers, Heft 1 u. 2.
symbolischen Bücher oft zu wünschen übrig liefs. Und welche
sind am Ende diese altern Theologen , deren Aussprüche als
Autoritäten anerkannt werden müssen? Gehören sie zu den drei,
vier oder flinf ersten Jahrhunderten? Oder kOnnen z. B. die-
jenigen aus dem achten Jahrhundert auch etwa mitgezählt
werden ?
Es ist klar: unter denjenigen, die früher oder später, sogar
noch in unserer Zeit, den Wahlspruch mit Freude begrüfsten,
haben die meisten nicht gewufst, was Meldenius unter den ne-
cessaria verstand. Würde sonst der obengenannte Professor
der Remonstranten geschrieben haben: „Die in unserm Spruch
empfohlene Toleranz ist eine Frucht eines höheren Geistes. Sie
wird durch die christliche Liebe gezogen, welche das ganze
Leben des Christen, sein Denken, Sprechen, Fühlen, Handeln
beseelen und veredeln soll. Der Spruch verurteilt nicht blols
allen Formelzwang, sondern überzeugt auch von der Überflüssig-
keit und Schädlichkeit aller Formeln oder festgesetzten Lehrsätze.
Aus der römischen Petruskirche und der protestantischen Paulus-
kirche wird sich die Evangelisch-katholische Johanniskirche ent-
wickeln. Sie wird mit der Überschrift geschmückt sein:
„Einheit im Notwendigen,
Freiheit im Zweifelhaften,
In Allem die Liebe !"^)
Seit dem 16. Jahrhundert bis auf unsere Zeit hat es nicht
an Versuchen gefehlt, Katholiken und Protestanten, Lutheraner
und Reformierte in einer Kirche zusammen zu bringen und zu
vereinigen. Es werden sich viele solcher friedfertigen Vorschläge
erinnern, wenn sie die Namen Gassander, Galixtus, Leibniz,
Bossuet, König Frie<irich Wilhelm HI. von Preufsen nennen
hören. Die Wahlsprüche aber, deren man sich bediente, waren
gerade so schwebend und unbestimmt, wie das Notwendige
und das Nicht-Notwendige. Ein paar Beispiele mögen ge-
nügen. Vor allem hiefs es, man müfste Abfall und Ab-
weichung von der ursprünglichen Lehre wohl unterscheiden,
letztere würde keine Veranlassung zur Trennung sein ! Funda-
mentale und nichtfundamentale Glaubensartikel dürften
ja nicht miteinander verwechselt werden. Wenn nur das W e s e n t -
>) a. a. 0. S. 23, 32, 40.
1893. Sin Friedensspruch. 31
liehe bewahrt bliebe, könne das Gleichgültige, das keinen
Einflofs aufs Leben ausübte, aufgegeben werden. Zwischen den
Beschlüssen den allgemeinen Kirchenversammlungen der fünf ersten
und jenen der folgenden Jahrhunderte liege eine groDse Kluft:
erstere seien bindend, während man den letsEteren keine Auto-
rität zuerkannte.
Aber genug hierüber. Diese und ähnliche Versuche, um zu
vereinigen, was getrennt war, wie gut die Absicht auch sein
mochte, mufsten wegen ihrer Halbheit scheitern. Doch kann
man die Urheber, die zur Versöhnung mahnten, mit Recht die
Wegbereiter einer besseren Zeit nennen, die das Wesen
der Religion in etwas Besserem erkannten als in irgend einem
Bekenntnis einer gemeinschaftlichen Lehre.
Einen Augenblick müssen wir die Aufmerksamkeit auf eine
Schrift richten, deren Verfasser J. v. DöUinger, der grofse Theo-
loge der katholischen Kirche, ist *). Wenn auch nach DöUinger
eine Verbindung zwischen der seit so vielen Jahrhunderten ge-
trennten Kirche des Ostens und des Westens infolge der Unfehl-
barkeitserklärung des Papstes eine Unmöglichkeit ist, so brauchen
wir deshalb die Hoffnung auf eine Union zwischen Katholiken
und einem Teile der Protestanten nicht aufzugeben. Einzelne
Zeichen der Zeit geben nach DöUinger das Recht zu dieser Er-
wartung. Der Unterschied in den Dogmen ist nicht so grofs,
wie man sich das so gewöhnlich denkt. Denn die Mutterkirche
erkennt alle diejenigen als ihre Mitglieder an, die das Sakrament
der Taufe empfangen haben, und wenn sie sich auch durch Un-
wissenheit oder Irrtum von ihrer sichtbaren Gemeinschaft ent-
fernt haben. Von beiden Seiten ist Annäherung unverkennbar.
Schon sind viele Protestanten, wo es sich um die Lehre der
Rechtfertigung blofs aus dem Glauben handelt, uns näher ge-
treten. Einige Theologen unter ihnen können sich mit der Lehre
der Läuterung nach dem Tode einverstanden erklären und em-
pfehlen das Gebet fUr die Toten auch mit Rücksicht auf die
Lebenden. In der anglikanischen Kirche wird der Wert der
Beichte immer mehr anerkannt. Die protestantischen Diako-
nissinnen sind den barmherzigen Schwestern der katholischen
Kirche ziemlich ähnlich; bei letzterer sind die Orden, welche die
— -■ - „-.-.- — - ^ — _
^) Über die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen,
1888.
32 Eovers, Heft 1 u. 2.
Krankenpflege und den Unterricht übernommen haben, wohl die
bedeutendsten. DöUinger und seine Geistesverwandten würden
keinen Anstofs daran nehmen, das Abendmahl unter beiden Ge-
stalten zu bedienen, wie es auch in der Eärche des Ostens ge-
schieht Der Cölibat der Priester braucht kein Hindernis für
eine Union zu sein, weil dieses, weit davon entfernt, ein gött-
liches Gesetz zu sein, immer als kirchliche Verordnung betrachtet
worden ist. Im £}inklang mit der Lehre der sichtbaren und un-
sichtbaren Kirche würden DöUinger und seine Freunde zu den
Gliedern der anderen Kirchen also sprechen mögen: „Seht, als
Getaufte sind wir alle hüben und drüben Brüder und Schwestern
in Christus, Glieder der allgemeinen Kirche. Lafst uns in diesem
grofsen Garten Gottes über die konfessionellen Zäune hinweg ein-
ander die Hände reichen, und reifsen wir diese Zäune nieder,
um vollends uns umarmen zu können. Diese Zäune sind die
Lehrunterschiede, bezüglich welche entweder wir irren, oder
ihr: solltet ihr die Irrenden sein, so machen wir euch daraus
keinen sittlichen Vorwurf, denn infolge eurer Erziehung und
Umgebung, eurer Kenntnisse und eures Bildungsstandes kann und
wird wohl das Festhalten an diese Lehren entschuldbar, selbst
gerechtfertigt sein. Lafst unä also gemeinsam prüfen, vergleichen,
suchen imd forschen; wir werden am Ende die köstliche Perle
des religiösen Friedens und der kirchlichen Eintracht finden und
dann mit vereinigten Händen und Kräften den jetzt noch mit Un-
kraut überwachsenen Garten des Herrn, die Kirche, reinigen
und bebauen.*' Aber die Zahl der Gegner einer solchen Union
— der Autor kann es nicht leugnen — ist Legion. Er rechnet
zu ihnen zuerst diejenigen, besonders in England und Amerika,
welche in dem Papst und dem Papsttum noch immer den prophe-
zeiten Antichrist und den darauf folgenden Abfall der Gläubigen
sehen, dann die Ultramontanen, die sich unter dem Banner der
Jesuiten zusammenfinden, endlich die liberalen Protestanten, die
sogar die Lehrsätze verwerfen, welche von allen christlichen
Kirchen angenommen sind. Dafs für letztere in der von DöUinger
mit heifser Sehnsucht verlangten Union kein Platz sein kann, ist
klar: sie soU ja nach ihm auf der Grundlage der heiligen Schrift
und des sogenannten apostolischen Glaubensbekenntnisses beruhen
— und letzteres nach der Lehre der alten Kirche vor ihrer
Trennung aufgefafst. Für die principiellen Unterschiede zwi-
schen Protestanten und Katholiken hat der gelehrte SchriftsteUer
J893. Ein Friedensspruch. 33
kein offenes Auge. Und wenn er die Zeit einmal erwartet, wo
im Kölner Dom Bekenner des Katholizismus und des Protestan-
tismus gemeinschafüich ein Tedeum anstimmen werden — so
können wir diese Hoffnung nicht teilen.
„Einheit im Notwendigen, Freiheit im Zweifelhaften, in bei-
den die Liebe" — wir kommen jetzt zu der Beantwortung der
Frage: Kann diese Losung die unsnge sein?
Dafs zwischen den Gliedern einer religiösen Gemeinschaft,
sie sei welche sie sei, einige Übereinstimmung bestehen mufs,
darüber werden wir alle einig sein. Mich dünkt, niemand unter
uns wird das Beispiel des „Freien religiösen Vereins'' in Boston
nachahmungswürdig nennen, dessen Vorstand nicht blofs aus
Unitariern, Quäkern und freisinnigen Juden besteht, sondern
auch Materialisten unter ihre Mitglieder ^ählt, also Männer,
welche die Religion eine Thorheit nennen. Oder müssen
wir hierin einen Beweis sehen der übergrofsen Toleranz
dieser Gemeinde? Wir haben es im Gegenteil mit einer Ver-
bindung der heterogensten Bestandteile zu thun. Ein religiöser
Verein, der weifs, was er will, ergiebt sich nicht der Führung
solcher Personen, von denen einige das Recht der Religion ver-
neinen. Wie würde man z. B. von einer Akademie der Wissen-
schaften denken, welche einen Präsidenten erwählt hätte, der jede
wissenschaftliche Untersuchung eine Thorheit schilt? Was von
einem Verein zur Enthaltung von geistigen Getränken, dessen
Sekretär dem Arbeiter gern täglich seinen Schnaps gönnte?
In den ersten Jahren der religiösen Richtung, die man (in
Holland) als die moderne bezeichnet, hörte man fortwährend auf
der Kanzel : „Nicht auf die L e h r e , sondern auf das Leben kommt
es an." Es war erklärlich, dafs Hafs gegen jede Lehrheiligkeit
diesen Gegensatz hervorrief. Allmählich aber begannen viele ein-
zusehen, dafs es zwischen beiden einen engeren Zusammenhang
giebt, als man im Anfang meinte — wenn auch das Leben
die erste Stelle einnehmen mufs. Oder hat die Religionsgeschichte
nicht etwa gelehrt, welchen grofsen Einflufs die religiösen Vor-
stellungen auf das Leben ausüben können! Kann es uns wunder
nehmen, dafs ein Plato, Griechenlands gröfster Philosoph, die
Erzählungen des Kindermörders Kronos, des Ehebrechers Zeus,
der wollüstigen Aphrodite für die Kinder gefilhrlich achtete?^).
') Im zweiten Buche seiner Politeia.
Monatsheft« der ComeninB Ge^felUchafl. 1S98. 3
34 Eovers, Heft 1 u. 2.
Wie viele Unsittlichkeiten wurden in Israel im Namen des
Naturgottes Jahwe verübt! Die erhabeneren Vorstellungen der
edelsten Propheten über Jahwe, den Heiligen, der Gefallen findet
an Barmherzigkeit; Wahrheit und Gerechtigkeit, der das Böse
hafst und das Gute liebt , haben auf das sittliche Leben des
Volkes einen günstigen Einflufs ausgeübt. Und Jesus' Predigt:
Gott ist Liebe, ist der Vater aller Menschen, auch der Niedrigsten,
der Verachtetsten, der am tiefsten Gesunkenen, wenn sie reue-
voll zu ihm kommen, hat sie nicht eine wohlthätige Wirkung
gehabt auf das gegenseitige Verhältnis in der Familie und der
Gesellschaft, wenn sie auch nur ganz allmählich eingedrungen ist?
Der Fehler der älteren Rechtgläubigkeit bestand nicht darin, dafs
sie den religiösen Vorstellungen Wert beilegte, sondern dafs sie
ihre Bedeutung überschätzte, oft zum Nachteil fär das Leben ;
dafs sie ihre Dogmen einem jeden aufdrängen wollte, ohne Rück-
sicht auf die Rechte, welche die Kinder einer späteren Zeit
haben, ihren Glauben zu bekennen, ebensogut als die Väter,
die in ihren Bekenntnisschriften dem ihrigen Ausdruck gegeben
hatten. Wir wissen, dafs alle unsere Vorstellungen von Gott
mangelhaft sind, wenn wir auch die einen den andern vorziehen;
unser Sprechen über Gott ist nur ein Staimmeln. Gott ist grofs,
und wir begreifen ihn nicht; unser Wissen ist Stückwerk —
diese Eonfession bleibt die unserige. Keinem Menschen ist es
vergönnt, das Wesen Gottes zu ergründen. Aber würden wir
deshalb nichts mehr über Gott bezeugen, als z. B. Faust in seiner
Antwort auf Gretchens Frage:
Wer darf sagen:
Ich glaub' an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
, Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub* ihn?
Wer empfinden
Und sich unterwinden
Zu sagen: ich glauV ihn nicht?
Oder werden wir auf die Stimme hören der Männer unserer
Zeit — sie nennen sich Agnostiker — , die ungefähr also sprechen:
Das Dasein Gottes steht fest, wissenschaftlich ist es nachweisbar.
Er ist die unbegreifliche und allgegenwärtige Krafl^ aus welcher
189S. ^üi Friedensspruch. 35
alles entstanden ist — aber uns bleibt es untersagt, etwas Sicheres
über ihn zu wissen. Wir können nicht sprechen von einem
Gotte, der Liebe ist, von des Menschen Gesinnung Ihm gegen-
über, von einem Streben, Ihn zu lieben. — Aber ich frage:
können wir mit heiliger Ehrfurcht zu einer Kraft hinaufblicken,
die uns ganz unbekannt ist? Uns ihr anvertrauen? Wird der
Glaube an das Dasein jener ewigen unendlichen Kraft unserem
Leben wohlthätig sein, wird er uns mit Mut und froher Hoffnung
fiir die Zukunft erftdlen? Uns ermuntern, uns einer heiligen
Lebensaufgabe zu widmen?
„Einheit im Notwendigen** — was heifst das? Schlagen wir
ein paar Schriften aus unserer Zeit auf — vielleicht geben sie
einiges Licht.
Vor einigen Jahren wurde in New- York ein Verein gestiftet
„Society for ethical Culture" von Felix Adler, der als Rabbiner
auferzogen, sich in der Synagoge nicht zurecht finden konnte.
An der Spitze einer Abteilung jenes Vereins zu Chicago steht
William Salter, dessen Name nicht unbekannt ist^). Mit den
freisinnigen Christen hielt er keinen Schritt, weil sie mit ihren
Reformationsplänen zu zögernd waren. Salter steht nicht auf der
Grundlage der Religion. Er wünscht auf die ewigen Gesetze
zu bauen, welche sich in der sittlichen Natur des Menschen offen-
baren.
Die „Society for ethical Culture** setzt sich das Ziel: „dem
Guten zu dienen, unabhängig von den religiösen Lehrsätzen
der Vergangenheit.** Sie will die Arbeit der sittlichen und gesell-
schaftlichen Reformation auf sich nehmen, welche die christlichen
und jüdischen Kirchen im Stich gelassen hätten. Jene Kirchen
zu bekämpfen , ist nicht ihr Zweck. Wer mit * ihr zu arbeiten
wünscht, mufs „in vollem Ernste denken und fühlen** wie die
Stifter, mufs ihren „Ideen und Absichten** völlig Glauben schenken.
Für diejenigen, welche ihnen in Religionsfragen nicht beipflichten
können, ist die Gelegenheit eröffifiet, sich ihnen auf dem Gebiete
der Wohlthätigkeit anzuschliefsen.
Wenn wir auch in mancher Hinsicht dem Streben dieses
Vereins unsere Sympathie nicht versagen wollen, so würden die
*) George v. Gizycki bearbeitete Saltere Vorlesungen und gab sie
heraus unter dem Titel: Religion der Moral.
86 Rovers, Heft 1 u. 2.
wenigsten unt^r uns sich ihr anschliefsen wollen. Können wir
das Bekenntnis ablegen: Wir denken und empfinden wie ihr?
Der Behauptung, dafs die alten Religionen nur noch bei Unge-
bildeten und wenig Entwickelten Sympathie erwecken, werden
viele nicht beistimmen. Ist der Wahlspruch : „wir wünschen dem
Guten zu dienen,^ nicht ziemlich unbestimmt? Unter den von
Salter sogenannten veralteten Kirchen und Religionen wird doch
wohl keine der Sache des Bösen zu dienen beabsichtigen.
In seinem letzten Werke') sagt Rauwenhoff, der leider zu
früh von uns hinweggerufen worden ist, dafs die religiöse Gemein-
schaft auf Übereinstimmung beruht, nicht blofs in allgemeiner
Geistesrichtung, sondern auch in der Betrachtung des Übersinn-
lichen. Sie kann unmöglich auf serhalb einer gemeinschaftlichen
Glaubensvorstellung bestehen. Eine religiöse Gemeinschaft kann
sich nicht blofs auf Gesinnung oder Gemütsbewegung gründen.
Freie Frömmigkeit kann zwar eine Zeitlang als Wahlspruch des
Vereins gelten — allein sie ist nur ein Nothafen, wo man auf die
Dauer nicht zusammenwohnen kann. Bei der Religion handelt
es sich nicht blofs um Gesinnung, sie ist immer mit einer ge-
wissen Vorstellung des Übersinnlichen verbunden. Keine religiöse
Gemeinschaft kann also bestehen, wo das Charakteristische der
Religion sich nicht behaupten kann. Eine religiöse Gemeinschaft
umfafst alles, was für ihre Glieder Religion bedeutet Das speci-
fisch Religiöse heifst nach Rauwenhoff die Verherrlichung der
sittlichen Ordnung als der höchsten Macht. Aber Übereinstim-
mung in der Denkweise über das Übersinnliche bedürfen die
Glieder einer religiösen Gemeinschaft fast noch mehr wie gleich-
artige Gesinnung im Gemütsleben.
Der Bremer Theologe Moritz Schwalb rechnet unter die
„notwendigen Dinge", welche allen Protestanten gemein sein
müssen: den Glauben an Gott; das Bewufstsein, dafs wir Gottes
Geboten folgen und uns nützlich machen müssen; Hafs gegen die
katholische Hierarchie, deren Aberglauben und Mifsbräuche ; Ver-
ehrung für den Menschen Jesus und seine wahren Vorgänger und
Nachfolger*).
„Einheit im Notwendigen" — das ist also der Aussage jener
1) Wijsbegeerte van den godsdienst, 1888. Dr. J. R. Hanne
gab eine deutsche Übersetzung heraus.
S) Kanzelreden, 1^8.
1893. £in Friedenasprucb. 37
Schriftsteller gemäfe etwas Notwendiges. Aber die Frage: Was
versteht man darunter? wird selbst von Geistesverwandten ver-
schieden beantwortet Und keine jener Antworten hat
uns vollkommen befriedigt Mancher wird z. B. den
Glauben an die sittliche Weltordnung nicht als das Wesen der
Religion betrachten. Er wird die Frage stellen: Ist die Ver-
ehrung einer übersinnlichen Macht, als Wesen dargestellt nicht
das Merkmal, das den Religionen gemein ist? Und wenn auch
unsere Vorliebe fhr die römische Hierarchie nicht grofs ist, bei
niemandem unter uns wird die Forderung, in dem Glaubens-
bekenntnis auch dem Hafs gegen diese Ausdruck zu geben,
Beifall finden.
„Freiheit im Zweifelhaften**. Unter den nicht notwendigen
Dingen — wir werden darüber alle einverstanden sein — ver-
steht man mehr, als man früher meinte. Den grofsen Konzilien
der ersten Jahrhunderte erkennen wir ebenso wenig eine, die
Gewissen bindende Autorität zu, als denen der folgenden Jahr-
hunderte. Das sogenannte apostolische und alle späteren
Glaubensbekenntnisse haben in unseren Augen nur eine histo-
rische Bedeutung.
Keine Religion ohne Gottesdienst — hat die Geschichte der
Religionen es nicht gelehrt? Würde der Kultus ohne Religion
einigen Wert haben ? Zum Kultus gehören das Gebet und das
Lied. Das Gebet hat man abwechselnd genannt: das Unterhalten
einer geistigen Gemeinschaft mit Gott; die Betrachtung der Liebens-
erfahrung vom höchsten Gesichtspunkte; die Ausdrücke einer
nachdenklichen und jubelnden Seele u. s. w. Aber das gemein-
schaftliche Gebet kann wohl nicht anders sein als das Aus-
sprechen eines Wunsches vor Gott Natürlich ist es kein Bitten
um allerlei eiteln Tand, um Befriedigung egoistischer Wünsche;
die Bitte ist ein Flehen um Frieden und Gemeinschaft mit ihm;
um das Beste was es giebt : Dein Reich komme ! Dein Wille ge-
schehe! Aber können wir in dieser Weise eine „unendliche Macht**
anreden, von der wir nichts wissen, ein „Ideal** anbeten oder das
„Gute** oder auch eine „höhere Welt**?
Es giebt Menschen, die das Gebet aus unseren Gottesdiensten
entfernen wollen. Die Haltung derselben verrät allerdings, daijs
sie keinen Anteil daran nehmen. Andere dagegen behaupten, das
38 Eovers, Ein Friedenssprach. Heft 1 u. 2,
Hauptgewicht des Gottesdienstes liege für sie mehr im Gebet als
in der Predigt, ihre Zahl wird aber wohl nicht grofs sein.
Wir kommen zu unserer Schlufsfolge. Man hat recht, er-
staunt zu sein über die Naivität derjenigen, welche noch in
unseren Tagen uns zur Rückkehr zu dem Wahlspruch auffordern :
Einheit im Notwendigen, Freiheit im Zweifelhaften! Dafs dies
eine Unmöglichkeit ist, davon sind wir jetzt hoffentlich überzeugt
LaÜBt uns unsere Principien schätzen und für sie ringen — wenn
nur mit ehrlichen Waffen 1 Aber vergessen wir ja das schöne
Dichterwort nicht: Verachte keine Form, womit ein
armes Herz emporringt von der Erde.
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschichte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
Zusammengestellt von
Prof. Dr. J. Kvacsala in Pressburg.
(Fortsetzung.)
VIII.
87.
Novum (in Synodo quidem sed non Synodale)
Visionum examen, et auid ibi statutum.
L Altero mox mense, Novembri, perierunt^ duo Reges quos
Ecclesiae oppressae Vindices fore spes erat; Gustavus Adol-
phüs Sueciae, qui in pugna ad Lützen occubuit 16. No-
vembris; et Fridericus Bohemiae, 25 eiusdem djsenteriä
exstinctus Moguntiae. —
2. Quae res incredibilem attulit non tantum multis moerorem,
sed et nobis qui eos ut Liberatores respectare coeperamus terro-
rem. Qui autem i nostris Visionum hostes erant, irridere nos,
tanquam spe nosträ delusos.
3. Accidit vero ut sequenti Vere (Anno 1633 mense Aprili)
Synodus celebraretur Ostrorogi : ubi duo Fratrum (alter Bohemus
alter Polonus,) in Synedrio de praeteritis illis vanis Visionibus,
controversiam movent, condemnarique (ne aliquando res haec,
vel apud posteritatem , omnibus nobis iam viventibus malam
inurat notam) petunt. Respondebant mitiores, semel esse de-
cretum silentium, refricari hoc non oportere. Uli
iterum: Decretum esse silentium, donec Dens ^t dies
quid statuendum esset, detegeret. Jam autem de-
texisse utrdque illo quem Revelationes istae nomi-
näranty i vivis sublatö. —
4. Hi rursum: Ita san6, tragaediam tarnen ipsam
nondum finitam. Posse Deo non deesse Organa, per
40 Kvacsala, Heft 1 u. 2.
quae decreta exsequatur sua: neque Vaticinia illa
ex toto vanitatis condemnari posse, nisi ex totofal-
sitatis convicta. Quod erit, si praesens Gentium
commotio sine primariis illis praedictis eventibus
(L Antichrist! eversione, 11. Turcarum ac Judaeorum
conversione, III. Evangeliique ad omnesGentes pro-
gressu ac triumpho) sedata fuerit. Nondum ullam
Ecclesiam, aut Consistorium, vel Academiam, novos
id genus Prophetias penitus reiecisse, aut condem-
nasse: nos cur primi esse vellemus? et quae id genus.
5. Uli denuo: Alios non aequ6 propfe haec tangere
atque nos. Et quoniam aliqui nostrüm haec approbare exteris-
que communicare (ah'is non approbantibus) fuissent ausi, hoc ipsuni
(non approbata haec fuisse omnibus) referendum esse in monü-
menta. Nob iterum ad totam provocare Synodum cuius
hic pars esset tantüm. Etc.
[6. N. B. Ut melius haec percipiantur, sciendum est, negotia
in Synodis nostris ita fuisse administrata , ut post constitutas
Propositiones (de quibus deliberandum erat) Antistites Eccle-
siae, Seniores cum Consenioribus peculiari loco
Sessiones suas, tanquam Ecclesiasticus Senatus,
haberent! reliqui autem Pastores omnes, Ecclesiam
repraesentantes, seorsim, communiter in Templo
suas agerent. Tandem ad formandas communes ex utrinque
deliberatis conclusiones omnes in unum conveniebant. Demumque
quod ita communibus calculis decretum fuit, Constitutionis vim
habuit Cum ergo bis haec nova de Visionibus condem-
nandis, in solo Sjnedrio mota agitari incipiret, provocaba-
mus nos ad totum Pastorum Caetum.]
7. Quod ne fieret (novi dissidii metu) medium ä pruden-
tioribus repertum fuit tale. Consignatio aliqua in Synodi
huius Actis ut fieret, absque condemnatione tarnen
cuiusquam; aut etiam ipsius rei, Deo adhuc com-
mittendae. Hoc tantüm fine, ut si quid aliquando
secus eveniat, memoria exstet non a tota Ecclesia
haec talia fuisse approbata. Cui moderato consilio nos
reliquos acauiescere pacis amore (et quia sie Deo et veritati
nihil praeiuaicari visum) aequum fuit. —
Hiflt. Revel. p. 131—132.
38.
De reliquo Christinae Poniatoviae Vitae cursu et obitu.
1. Sex illi e Bohemis et Moravis nüper ordinati Ministri
(de quibus LXI. 4) ut ne in otio essen t, pars eorum Polonicis
Ecclesiis ministrare jussi fuerunt, pars mittebantur ad disperses
visitandum: Vettero iam coniugato, nobiscumque habitaturo,
cessit Typographei Ecclesiastici (e Moravia huc translati)
1893. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 41
cura^ ad Libros bonos , pro tempore hoc necessarios, in lucem
promovendmn. Qaa in re industriosam ille se (sicut et Christina
in Familia alenda fidam illi adiutricem) praestitit.
2. Vixenintque Coniuges hi (placidissimis utrinque moribus)
summa concordia, aliis in exemplnm, annos duodecim, mensesque
duos. Neque thoro illorum divina defuit benedictio: natis ex eo
filiis duobus, Daniele et'Georgio, paternum avitumque re-
ferentibus nomen (Georgius enim Vetterus, herum Avus,
optime de Ecclesiis nostris [totaque Gente] meritus, inter alia
eruditionis pietatisque suae monumenta, Psalmos Davidicos, felicis-
sima parapnrasi et rhytmis, ad Gallicas melodias accommodatos,
reliquit): filiabusque tribus, Johanna, Sophia, Dorothea:
quos omnes ad mores bonoS; et Dei metum honestissime educare
non intermisit.
Hist. Revel. p. 133. 134.
39.
Hlud Poetae „Excitat auditor Studium, laudataque
Virtus crescit" si verum est, verificari etiam in me debuit:
nemne ut tot et tanti applausus (in re , med judiciö , non tant&)
ad aliquid majus et melius adderent calcar. Coepi erg6 cogitare,
an fortö si quid realioris Eruditionis, interiorisque Sapientiae (ad
similem aliquam harmoniae concinnitatem redactum) propinari tenta-
retur, aequfe placiturum esset? Enatumque inde liiit desiderium
conficiendi JANUAM HERUM, sive SAPIENTIAE PORTAM ; stu-
diosae Juventuti eö servituram, ut postquam ope Januae Lin-
gua r um Res externe discriminare didicissent, interiora dehinc
rerum inspeetare, et quid per essen tiam suam res quaeque sit
attendere, consuescerent. Quod Studium si per omnia (ad omnia
scitu et factu^ credituque et speratu necessaria, comprehendendum)
extenderetur , sperare coepi pulcherrimam quandam Encjclopae-
diolam, seu Pansophiolam, bono usu condi posse. Quo proposito
meo per studiosos quosdam Moravos, in Angliam delatos, cognito
Vir eximius, S. H. datis ad rae litteris, Delineationem aliquam
futuri Operis requisivit. Communicavi ergo, uti sequitur.
PANSOPHIAE PR AELUDIUM Quo sapientiae universalis ne-
cessitas, possibilitas, facilitasque (si ratione certä ineatur) breviter
ac dilucid^ demonstratur.
Op. Did. I. p. 403-404.
40.
Haec ita privatim amico in Angliam, privatam sub cen-
suram, communicata, redierunt ad me in Poloniam Oxonien-
sium typis descripta: cum apologia, salubri fine factam esse
publicationem hanc, ad praetentandum vadum, cognoscendaque
in re tam inusitati argumenti tanto plurium doctorum et sapien-
tum virorum judicia. Quae et subsequuta fuerunt agminatim,
variis e Regnis, pleraque praeter spem benigna: unum et
42 Kvacsala, Heft 1 u. 2.
alterum malignius. Erat qui scriberet: Majus beneficium
Dei Humano generi datum non esse, post Verbi
Divini lucem, atque hanc yerioris ac plenioris
lucis viam tarn clare ostensam: urgendum itaque
esse Comenium, Opus ut absolvat. Alii, Non solius
unius Comcnii humeris relinquendum esse tantum
Onus, quaerendos Collaboratores, constituenduni'
que Collegium Pansophicum, etc. Ego indignari amico,
quöd me objecisset multitudini , et non sivisset tacit^ meam de-
texere telam, sicuti cum priore opella, Januae Linguarum,
erat factum. Sentiebam enim me judiciorum varietate distrahi :
sed et lentescere, cum Collegii ransophici fieret spes, nee
med arbitratu jam fore procedendum, antequam scirem quid
pluribus illis, et me doctioribus, placiturum esset Non ergo
sum progressus, praeterquam in particularibus quibusdam: ut
eratPhysica ad lumen divinum reformanaa, opusculum
Lipsiae excusum et mox Parisiis et Amsterdami, recusum. Item-
que Astronomia ad lumen physicum reformanda et
luia nounulla. Erat et qui scriberet (ad Hartiibium, Johan-
Adolphus Tassius, apud Hamburgenses Mathematum Pro-
fessor): Fervet jam per omnes Europae angulos Pan-
sophicum, et melioris Didacticae, Studium. Quod
si nihil etiam plus praestiterit Comenius, qukm
quod tantam stimulorum segetem in omnium sparsit
animos, satis fecisse putandus est etc.
Haec inquam omnia me, nescio quomodo, k fervore primo
remissiorem fecerunt: cum plures illos exspectans, mihi soli non
esse sudandum putarem. Unum erat permolestum, qu6d reperti
fuerunt (et quidem domi apud nos in Polonia) qui valde suspectum
reddentes totum Pansophicum propositum, Divinorum cum
humanis, Theologiae cum Pnilosophia, Christianismi
cum Gentilismo, et sie Tenebrarum cum luce, peri-
culosam fore misturam, dictitarent. Pertraxerantque suam
in opinionem aliquot e Nobilitate, mihi publica dicam scribentes :
ut mihi non tantum in Sjnodo causa esset dicenda, sed et
scribenda,
Conatuum Pansophicorum.
DELÜCroATIO in gratiam Censorum facta.
Quae tandem ita satis fecit Ecclesiae, ut quod priüs in occulto,
et med veluti unius ausu, agere orsus eram jam Ecclesiae autho-
ritate munito mihi agendum esse viderem, bonis .coeptis ben^
apprecantibus omnibus bonis.
Op. Did. I. p. 453-456.
41.
Venerat anno 1635 e dispersis pro Evangelio Bohemis unus,
Daniel Stolcius, Medicus Constantinapoli usque ad nos Poloniam
exulatum perque menses aliquot nobiscum commoratus Dantiscum
1893. Z^^ Lebensgeschichte des Gomenius. 48
et Borussiam se transtulit. Ubi cum in nobilem Bohemum,
Ehrenfriedum Berbisterfium virum militarem ac strenuum ad
auperstitionem usque devotum et dogmate Pauli Felgenhaweri
iam infectum, ineidissety ab eodem ipse quoque iisdem mysteriis
imbutus fuit Is igitur novo hoc nectare inebriatus, aliisque id
{)ropinandum ratus, misit ad me, ceu inchoatae amicitiae pignus
ibellum Felgenhaveri Wahrheit und Weisheit: nihil nisi iudicium
anonymo authore exquirens. Legi expendi rescripsi, bona inesse
multa^ sed latere heterodoxias anguem in herba. Ad quod ille,
me ad haec indocilem videns, nihil reposuit. Sed quia firatrem
germanum^ quem secum habebat, meaicinae itidem studiosum
eodem venenato dogmate infecerat, ille tanquam novo musto
plenus uter illorum in blasphemias ebullientem spiritum continere
non potuit, quin antequam patrum suorum omniumque Christiano-
rum de Christo vero Hominis Filio et Homine ndem proterve
fugillans, nos stercoreum habere Christum et similia putida,
eructaret. Quae res utrumque illum apud orthodoxos Fratres
merito exosum reddebat, excedere Dantisco, et in oppidum Bisen-
bürg (Prabuly) secedere necessum haberet, me omnium istorum
eatenusr penissime ignaro, et tamen apud meos heterodoxiae quo-
que suspicionem incurrente. Nam quia Stolcius initam mecum
notitiam forte iactaret, epistolamque unam et alteram, ostentaret^
factum est, ut in complicitatis suspicionem nescio cuius credulitas
me^ traheret susurratumque id in Borussia ita fuit, ut e Lithvania
tandem ad Superattendentes Poloniae majoris scriptum fuerit, cur
hominem haereticum inter se tolerarent, aut illi non attendant
melius? Annon satis tristem statum per Socinianos experiatur
Ecclesia, iterumque per contrarium errorum turbae sint dandae?
Felgenhaverum misse Dantisci apud complices suos, evocatumque
ab Ulis Comenium etiam comparuisse, et Felgenhavero baptizasse
filiam. Egisse etiam patronos eorum, ut quod Felgenhawero
sperandum non erat, Comenio obtingeret, publicae Cathedrae
honor: sed offecisse magistratum, machinationemque illam fuisse
frustra. Consequens ergo istius conventiculi fuisse, ut Felgen-
haver in Qermaniam, Comenius in Poloniam rediret, et quae
praeterea nugacissimae nugae scribebantur. Venit ergo cum hac
epistula Supperattendens M. Orminius Lesznam, inquisitionem
ea de re habiturus . Habitaque est et reperta putidissima men-
dacis famae vanitas, postquam Comenium nunquam in vita (illum
usque in diem) Dantiscum vidisse omnium testimoniis constabat
Imposita tamen mihi fuit, tum confratrum voluntate ac mandato,
tum famam in Ecclesiae conspectu honestam tutandi desiderio,
necessitas, Stolcium denuo monendi, et ab haeretica curiositate
dehortandi. Factum, scripsi, absurdique dogmatis (in quod in-
cautus fuit prolapsus) enormitatem quam clare potui ostendi:
Stolcio nihil toto anno ad illa respondente. Vertonte demum
anno rescripsit, epistolam meam se in Saxoniam ad authorem
dogmatis, ut pro se responderet misisse, illum autem responsum
44 Kvacsala, Heft 1 u. 2.
hucusque distulisse, demumque sibi redditom ad me mitti, si ar-
gumenti Felgenhaveri nova haec solvi poterunt se ad veritati
sese reconciliandum ne fore difficilem. Factum ergo^ responso
illius responsum fuit Felgenhayerianaeque hallucinationes (priores
et posteriores) clare ostensae et nodi ita soluti fuerunt, ut quod
responderet Felgenhaver non reperiret: praetenso: sibi non datum
esse linquis loqui, nolle se hoc scriptorum genere certare, Stol-
cius tarnen ut agnita in yeritate persisteret. Sed Stolcius eum
haerere videns cum erroneo suo dogmate deseruit, sedemque in
Hungariam transtulit, inter antiquae fidei consortes antiquo suo
Christo d'eay&QCJTtip ad exitum usque vitae suae serviens Epe-
riesina in urbe: ubi relicta eius vidua adhue (nee enim aliter
scio) vivit
A deztris et sinistris p. 5^9.
IX.
42.
5. Quinquennio pöst *) prodiit Schefferi contra Virtutem Re-
surrectionis (jhristi tractatus, ad me quoque (liberales enim
sunt in suis communicandis, sine exemplo: magnis
inter se hoc fine institutis collectis, ut Libri excudi,
gratisque hinc inde spargi poßint) missus.
De Quaestione p. 61.
(Libellus Comenii) Scriptus fuit anno 1638, ad prohibendum
scandala quae Melchioris Schefferi Silesii (rec^ns ad
Socinismum conversi, fervideque Orthodoxiam oppugnare aggressi)
editus ea de quaestione libellus Ecclesiis nostris dabat. Et quidem
scriptus Superiorum jussu, idiomateque eCdem qud Scheffems
ediaerat Germanica Dedicatus deinque illi qui apud Antistites
meos potissimüm, ut Provincia haec demandaretur mihi, ursit,
D. Jon. Schlichtingio : qui eum mox (cum peculiari ad Meseri-
censes et Sverinenses quorum fk^clesias Schefferus imprimis tur-
babat) praelo subjici curavit.
De Quaestione etc. Dedicatio ad Wolzogenium.
43.
Reperi ergo schedas lusionis cujusdam Scholasticae, cum
ante annos circiter 20 Lesnensi in Schola (meo tunc sub regi-
mine) Scenica etiam vigere inciperent exercitia. . . . intra unius
anni spatium idem hie Diogenianus Ludus ter fuit in illustrium
hospitum, illustrem D. Comitem nostrum visitantium et haec
spectare expetentium, gratiam, ad repetendum flagitatus.
Praef. ad Diog. Gyn. ed. 1658.
44.
6. Trienniö circiter post venit ad nos ex ultima Russia
(per milliaria forte centum) D. Jonas Schlichtingius, Soci-
») post 1632, ergo 1637.
2893. Zur Lebensgescfaichte des Oomenius. 45
nianorum velut Patriarcha, iilium (adolescentem 18 annorum)
Scfaolae nostrae traditurus. Cujus inspectio suprema quia per id
tempus mihi demandata fuit, me ille convento calamitates sua^
et suorum (quod illis Racoviae Schola et Typographeum essent
ablata illique in dispersionem dati) questus tuit^ filiumque suum
ad institutioiiem nostram admitti petiit. Factum , cum consensu
quorum intererat, cautioneque interposita ne auid turbaret Ipse
Interim D. Jonas mihi Libros suos, quibus Academiae
Wittebergensis Refutatio Smalcii refutabatur (in
erecta Typogr. nescio ubi in Russia excusos) donavit, lectionem
eorum commendans. Respondi, Non vacare mihi, nee esse
volupe labyrinthis istis oberrare. Rogabat ergo saltem
Praefationem, qua dogmatis de Trinitate (Tertulliani aevo
nati) originem primam ostenderet, perlegere veUem; ut
Eostridie inter valedicendum meam audire posset sententiam.
«egi ergo: ut ne iterum conquerendi, Nos legere nolle, et
tamen condemnare, ansam haberet. Quia verö sub finem
praedictae praefationis ad Christianos, qui circa fidem
in Christum vel in excessu vel in defectu peccant,
exhortationem adjunxerat, ut ad se, tanquam mediam tenentes
viam, regrediantur : dixi, Nos teuere medium, qui utrum-
que de Christo, et Deum esse, et hominem esse,
juxta Scrip turas credimus. In excessu autem pec-
care illos, qui Deum tantum esse volunt, humani
raeter apparentiam in eo nihil agnoscentes, ut
arcionistae et Felgenhaver. In defectu autem
illos, qui divinitatem Christi negant, factitium tan-
tum et titularem Deum confitentes. Ille, Non se esse,
qui Christo debitum honorem detrahant, sed in
Transylvania quosdam qui adorandum esse negant,
nee adorant Quaesivi: Annon illi pars Vestri sunt?
Respondit: Exierunt de nobis, quia non fuerunt de
nobis. Ego iterum: Nonne hinc apparet, mi Domine,
uibus gradibus ä Fide recedatur? Ario nimium
uit Visum Christo parem cum Deo aeternitatem
concedere, amputavit ergo quicquid Mundum ante-
cessit: in principio illum ex nihilo, demumque alia
er ipsum, facta dictitans. Sed Photino, etSocino
estro, illud etiam nimium visum: amputärunt
iterum omnia usque adMariam, in hujus utero exor-
tum illi primum tribuentes, divinos tamen illi ho-
nores (propter donatam divinitatem) concedentes.
Ecce autem, Francisco Davidis, et qui illum e
Vestris sequuntur, etiam hoc nimium visum: negant
itaque illi adorationis honorem. Quod si sie semper
aliquid de honore Christi detrahere pergemus, non
Video quid remansurum sit, nisi purus putus Ma-
homedismus (nondum dicam Atheismus).
d'
?,
^
46 Kvaceala, Zur Lebenflgeschichte des Oomenius. Heft 1 u. 2.
Quippe Turcae etiam Jesum Mariae filium maio-
rem Mose credunt, Dei naturalem filium non credunt; Ad
quae D. Schlichting nihil, nisi Cavillationem esse, dixit
Ego tarnen quomodo haec cavillatio sit, et ex tali opinionum
de Christo semper in minus mutatione, quid nisi totah's tandem
abnegatio sequi possit, hunc usque in diem videre non possuuL
Ita tunc ab invicem discessimus; Quae Ter6 ab illius discessu
meditatus eram, illique submissum fuit, explicui edita nuper De
Vno Christianorum Deo, Patre, Filio, et Spiritu S. confessione mea.
De Quaestione etc. p. 61 — 63.
45.
7. Anno 1641 aggressus me fuisti Tu ipse, Generose Domine ^) :
inter alia multa etiam Quomodo articulus de Trinitate
(in OperePans.) tractandus esset, inquirendo. Respondi:
Juxta Scripturas. Tu iterum. An ergo juxta vulgares
hypotheses? Respondi cum Apostolo: Nihil possumus
aäversus Veritatem, sed pro Veritate. Ad quae Tu:
Non decet tantus error tantum Virum. Ego: Mi Do-
mine, In divinis nemo facilius decipitur, quam qui
sibi aut aliis eruditionis nomine placet. Tu contra
adeö importune instare, mihique erroris pertinaciam exprobrare:
ut commotior ego, Vobis (inquam) vere pervicacia tribui
debet, qui etiam convicti ceditis non tamen. Quaere-
bas: Vbi nam convicti? Respondi: Vel in nupero con-
tra Schefferum scripto tot falsitatum deprehensi
estis, nee tamen a Veritate oppugnanda desistitis.
Ibi Tu: Meo nomini parci: si autem refutari vellem,
fieri posse. Dixi, Fiat, fiat: nihil mihi parcite. Ecce
autem hucusque nihil , praeter illam erga me commiserationem
Vestram.
De Quaestione etc. p. 63 — 64.
') Wolzogen,
(Fortsetzung folgt.)
Kleinere Mitteilungen.
I.
Sybrand Jan Hingst.
Wir haben in dem Leitaufsatz dieses Heftes den Namen von
Dr. S. J. Hingst neben den Namen F ab ris und Christ. Sepps
an hervorragender Stelle nennen müssen. Da sein Name in
Deutschland weniger bekannt ist als wtlnschenswert wäre, wollen
wir hier eine kurze Skizze des merkwürdigen Mannes geben.
Sybrand Jan Hingst war im Jahre 1884 zu Amsterdam ge-
boren und stammte aus einer Weberfamilie alttäuferischen Ursprungs
in Friesland; er selbst pflegte gern gerade diese Abstammung zu
betonen, und es kann auch nicht bezweifelt werden, dafs sie für
seine ganze Geistesrichtung von Wichtigkeit geworden ist. H. war
Juris von Fach — er hatte im Jahre 1859 zu Leiden den Dr. juris
erworben — und durchlief die Stufen seiner Laufbahn rasch bis
zu dem höchsten Posten eines „Raadsheer in den Hoogen Raad** im
Haag, den er seit 1883 inne hatte. Die juristischen Fachzeit-
schriften Hollands besafsen in ihm einen hervorragenden Mit-
arbeiter, und Juristentage seiner Heimat pflegte er gern zu be-
suchen. Aber seine Interessen reichten weiter. Sein Geist um-
fafste frühzeitig das ganze Gebiet der Philosophie, und zwar
bezeichnete er sich selbst als Anhänger Kants, von dessen
Wiederbelebung er viel erhoffte; seit dem Beginn der achtziger
Jahre wandte er sich mit der rastlosen Thatkraft, die ihm eigen
war — er beherrschte die wichtigere Litteratur dreier Sprachen^
der deutschen, holländischen und französischen in ungewöhnlichem
Umfang — den religiösen und kirchenpolitischen Fragen
zu und betrieb dies Studium mit der Unparteilichkeit und Sorg-
falt, wie sie dem geschulten Juristen eigen zu sein pflegt; er
fühlte sich den kämpfenden Religionsparteien gegenüber gleich-
sam als Richter, nicht als Anwalt oder als Partei, und seine
reiche Lebenserfahrung befähigte ihn zu einem sachlicheren und
gerechteren Urteile, als es von den Studierzimmern philologisch
geschulter Dozenten aus gefkUt zu werden pflegt. Er wufste
48 KeUer: Sybrand Jan Hingst. Heft 1 u. 2.
das Richtige und Falsche der Prinzipien sehr klar von den
Mängeln der durch schwache Menschen versuchten Durchführung
zu unterscheiden und als Mann, der selbst im praktischen Leben
zu wirken gewohnt war — sein Lebensweg war durch Schicksale
aller Art ein schwerer für ihn gewesen — wufste er zu be-
urteilen, welchen Hindernissen die praktische Gestaltung auch
der lebensvollsten Ideen zu begegnen pflegt. Gleichzeitig aber
suchte er alles, was sein Fleifs aus der Litteratur erarbeitet hatte,
fär das thätige Leben nutzbar zu machen, und keinerlei Wissen
schien ihm Werth zu besitzen, wenn man es nicht zur Veredlung
der Menschen und ihres Daseins nutzbar machen könne. In dem
Nachruf, welchen der Generalstaatsanwalt ihm widmete, heifst es,
dafs Hingst neben seinen ausgezeichneten Gaben als Beamter
ein Mensch von edelster Gesinnung war, der trotz eignem Leid
immer darauf bedacht blieb, anderen zu helfen. In ihm lebte ein Stück
jenes alten Feuergeistes, der erleuchtet und erwärmt, ohne zu
zerstören, der hohen Opfermutes, aber keines Fanatismus fähig
ist — ein Stück comenianischen Geistes, wie er uns in
den grofsen Kämpfen früherer Zeiten auch gerade in seinem
Vaterland wohl begegnet, der heute aber immer seltener ge-
worden ist Als Hingst am 12. Januar 1890 die Augen schlofs,
fühlten seine Freunde weit und breit, wie viel sie an ihm ver-
loren hatten. Vieles, was seine stille, aber rastlose Hingabe ge-
schaffen hatte, trat allen noch einmal vor die Seele. Wir schätzen
es als eine glückliche Fügung, dafs zwei in ihrer Art so seltene
Männer wie Fabri und Hingst an der Wiege der Comenius-
Gesellschaft gestanden haben, fUr deren Grundgedanken sie mit
gleicher Wärme eingetreten sind. Es ist tief zu beklagen, dafs
sie der Durchfuhrung unserer gemeinsamen Pläne ihre starke
und erfahrene Hand nicht mehr haben leihen können. K.
n.
Bertha von Marenholtz geb. von BQIow.
Am 9. Januar dieses Jahres starb in Dresden nach längerem
Leiden und im fast vollendeten 82. Lebensjahre Freifrau von
Marenholtz-Bülow, Excellenz, deren Name mit dem An-
denken Friedrich Fröbels für alle Zeit innig verknüpft sein
wird. In Wort, Schrift und That hat die Verewigte ftlr den Ge-
danken einer neuen Erziehung zeitlebens rastlos gewirkt und
sich besonders um Erhaltung und Befestigung der Lehre
1898. Wittmer: Bertba von Marenholtz. 49
Fröbels im In- und Aasland hoch verdient gemacht Ihre zahl-
reichen Schriften geben Zeugnis von der hohen Einsicht, mit
welcher sie deren Bedeutung fUr unsere Zeit erkannte, und die
von ihr begründeten Erziehungsvereine, sowie die Fröbelstiftung
in Dresden, mit dem Seminar für Kindergärtnerinnen und der
Bildungsanstalt für Kinderpflegerinnen, zeigen, wie sehr sie es
verstand, ihre Gedanken auch praktisch zu verwirklichen. Auch
die Zeitschrift „Die Erziehung der Gegenwart" wurde von ihr
begründet Um zu beweisen, dafs der Fröbelsche Kindergarten
nidit etwa nur fUr die höheren Stände bestimmt, dafs er viel-
mehr auch berufen sei, eine Grundlage für die gesamte Volks-
bildung zu werden, rief Frau v. Marenholtz die sogenannten
Volkskindergärten ins Leben, deren erster im Jahre 1860 in
Berlin von ihr gegründet wurde und die später in zahlreichen
Städten zum Segen der ärmeren Bevölkerung Eingang fanden.
Überall aber war sie bemüht, die Lehre Fröbels vor der so
nahe liegenden und leider auch in der Mehrzahl der Kinder-
gärten eingetretenen Verflachung und Verkünstelung zu bewahren
und das ihr zu Grunde liegende tiefere pädagogische Prinzip zur
Geltung zu bringen.
Wohl haben viele gegenüber den religiösen, politischen und
sozialen Wirren der Zeit die Notwendigkeit einer neuen Er-
ziehung anerkannt und sind eifrig bemüht gewesen, eine solche
herbeizuführen, gewifs aber hat niemand mit mehr Hingabe und
B^eisterung sein ganzes Leben in den Dienst dieser Idee
gestellt, als es von Seiten dieser seltenen Frau geschah, deren
Name in der Geschichte deutscher Kultur einen Ehrenplatz ver-
dient. Ihr Herz schlug fUr ein Menschheitsideal, und so dürfen
wir in ihr auch die würdige Jüngerin eines Comenius erkennen,
dessen hohe Verdienste um das Erziehungswesen auch von ihr
in vollem Mafse gewürdigt wurden.
Möge das Andenken der Verstorbenen überall ein gesegnetes
seini G. Wittmer.
Monaisbefke der Comeniiis-G«selUchafk. 1893.
t < 4
Nachrichten.
Der Professor der Theologie an der Universität Tübingen, Lic. tkeoL
Alfred flegler hat yor kurzem eine Schrift über „Geist und Sckrift bei SebastiaB
Francfc^ (Freiburg, J. C. B. Mohr) veröffentlicht. Das Buch ist als eine
hervorragende wissenschaftliche Leistung zu bezeichnen. Der Verfasser
Tsreist mit Recht darauf hin, dafs Francks Gedanken und Anschaunngen
für die geschichtliche, die psychologische und die systematische Forschung
ein groüses und allgemeines Interesse darbieten. Für das Arbeitsgebiet
unserer Gesellschaft steigert sich dies Interesse noch dadurch, dafs sich bei
Franck und seinen nächsten Greistesverwandten, Denck, Bünderlin u. s. w.
eine Auseinandersetzung über die wichtigsten grundsätz-
lichen Fragen zwischen den Anschauungen Taulers, Eckharts, der
„deutschen Theologie^ und den ursprünglichen Gedanken Luthera (aus
denen Franck geschöpft hat) und der späteren protestantischen Dogmatik
vollzieht, wie sie in den reformat<M*ischen Staatskirchen seit 1530 Gestalt
gewonnen hat.
Wir beabsichtigen daher, in den Monatsheften eingehender auf Heglers
Schrift zurückzukommen. Heute wollen wir nur darauf hinweiseii , dafs
das Buch sich schon deshalb auch für weitere Kreise eignet, weO der
Verfasser seine Gedanken in so klarer und ansprechender Form vox^
trägt, wie es bei deutschen Gelehrten leider nicht alizuhäufig ist. — Wie
sehr die hier erörterten Fragen die wissenschaftliche Aufmerksamkeit heute
auch in anderen Ländern auf sich ziehen, beweist das im Jahre 1890 er-
schienene Werk von J. H. Maroni er (Rotterdam): flet inwendig Woord.
Eenige Bladziiden nit de G^schiedenis der Hervorming (Amsterdam, Hol-
kema), dessen Inhalt sich ebenfalls wesentlich auf Denck, Franck und Bünderlin
erstreckt Das Buch giebt einen vortrefflichen, sorgfältig gearbeiteten
Überblick über die in Frage kommenden Erscheinungen und wird im Zu-
sammenhang mit Hegler und den in der Contemporaxy Review (London, Isbister
u. Ck>.) im März 1891 und Dezember 1892 erschienenen Abhandlungen
von Richard Heath über Denck und den sog. Anabaptismus zu besprechen
sein. — Erwähnen wollen wir noch, dafs die Teylersche Gesellschaft im
Haag in Anerkennung der Wichtigkeit der Frage für die gesamte theo-
logische Entwicklung im Jahre 1887 eine Preisfrage über das „innere
Wort'' ausgeschrieben hat, dafs sie aber, als die eingelaufenen Arbeiten
1893. Nacbrichten. 51
ihten Ansprflclien nieht geniSgten, die Frage gegen ihre sonstige Gewohn-
heit nicht erneuert, sondern zurückgezogen hat.
Im Jahre 1679 erschien fzu Nürnberg bei Michael und Joh. Friedr.
Endter eine Ansgake des OrMs pictiu mit' folgendem Titel: Joh. Arnos
Ccttnenii | Orbis sen | süalium pictus | quadrilingnis , | Hoc est: | Omnium
fundamentalium in mundo rerum et in | yita actionum | Pictura et Nomen-
datura, ( Germanica, Latina, ' Italica | et Gallica. | Cum Titulomm jUxta,
atque Yocabulorum Indice. | (Folgt eine Titelvignette, welche das Weltall,
Sonne, Mond und Sterne, darstellt, aber von der Vignette der ersten drei
Ausgaben abweicht.) Cum gratia etPrivilegio SacCaes. Majestatis et Sereniss.
Electoris Sazonici. Noribergae etd.
Auf der Rückseite des Titelblattes steht folgendes Gedicht:
Ad
Nobtlem H Clm Dn, Auiorem
Nävi ego, Te per mülta pati, äiUcte Tepati pro vera Christi
rdigione tui,
Aüamen haee animum nan flrmgunt: prtmtius inde
procedit, tnagni grcuuie laboris Opus, «
Bähs d GäUus demirabuniur: in uno guod bona tot mentis
sitU cmmktta Viro
Amicae memoriae causa
Imque f,
Johm Michael Düherrua.
Hierauf folgt die Widmung der Übersetzung an den Rat der Stadt
Nürnberg in italienischer und französischer Sprache durch den Herausgeber
B. L. Teppaii. Aus der Widmung erhellt, dafs Teppati dem Rat zu Dank
verpflichtet war.
Da M. Dilherr bereits 1669 gestorben ist, so kann die Ausgabe von
1679 nur ein Neudruck einer älteren Ausgabe sein. Da bis jetzt über die
Person des B. L. Teppati, soviel ich habe feststellen können, Näheres nicht
bekannt ist, so wäre es erwünscht, wenn einer unserer Leser imstande
wäre, weiteres Licht über diesen Mann und seine Beziehungen zu Dilherr
zu verbreiten«
Über.Jaeob Bedinger, einen Anhänger des Comenius im 17. Jahrb.,
hat Regierungs- und Schulrat F. Sander in der Beilage zur Allg. Zeitung
vom 2. und 8. Sept. 1892 (Nr. 205 u. 206) zwei Artikel veröffentlicht, auf
die wir die Leser der Monatshefte aufmerksam machen wollen. Redinger
war Insher so gut wie unbekannt. Sander wurde dadurch auf ihn gefuhrt,
dafs er in den Büchereien der ihm in Bunzlau unterstellten Lehranstalten
eine deutsche Übersetzung des lateinischen Urtextes der Schola ludus des
Comeqius fand^ welche zu Frankenthal im Jahre 1659 gedruckt und der
berühmten Kurprinzessin Elisabeth Charlotte (Liselotte, später
Herzogin von Orleans) und dem Kurprinzen Karl von der Pfalz ge-
widmet war; Verfasser dieser und einiger gleichzeitig entdeckter Über-
jataungen war. Jacob Redinger. In der Widmung an die fürstlichen Ge-
schwister heifst es, dafs „kurerbliche Durchlaucht nicht nur glücklich an-
4*
52 Nachrichten. Heft 1 u. 2.
gefangen, die lateinische Sprache samt den Dingen nach des weltberühmten
Comenius kurzem und leichtem Lehrwege zu lernen, sondern auch mit
gnädigster Beiwohnung des ersten Spiels, so den siebenten Aprilen in Franken-
thal gehalten worden, ihre günstige Zuneigung zu dieser Spielschule** und
zu der gesamten neuen Lehrart „bezeuget". Sehr merkwürdig tritt in
diesen Übersetzungen die Begeisterung des Comenius und aller seiner
Schüler für die Mattersprache und ihre Pflege, hier also für dio
deutsche Sprache hervor. „Es ist eine Schande," sagt Redinger, „dafs
80 viel tausend gelehrte Männer in allen teutschen Landen sind, die ihre
edle uralte Sprach nicht besser und mehrer sammeln**. Im Nachwort der
„Spielschule** (Schola ludus) heifst es: „Günstige Leser. Ich hätte in Über-
setzung dieser Spielschule alles gern mit rechten eigentlichen teutschen
Wörtern gegeben. Wo selbiges nicht oder nicht wohl geschehen, so messet
die Schuld teils höchstem Eilen, teils meiner Unwissenheit und nicht unser
vollkommensten wortreichesten Sprache zu, von welcher der Hochweise und
Wohlgeübte Komenius im andern Teile seiner Lehrwerken am 45. Blatt
wohl sagt (Opera didactica Amst. 1657, II, 45 in der Novissima linguarum
methodus von 1648 Cap. lY § 26): >Die teutsche Sprach könnte ihrer un-
erschöpftei^ Reichtumen geniefsen, so sie dieselbige zu brauchen wüfste
wegen der Menge eingliedriger Stammwörtern und Glückhaftigkeit der
Wörterdoppelung, welche andern unbekannt; die mit ihr selbst vergnügt
und allzeit fertig ist, die allerdeutlichsten Namen jeden Dingen auf-
zugeben.' Aus dem lateinischen Wortlaut der Stelle geht deren Sinn deut-
licher hervor. Comenius sagt (a. a. 0.): Jam si quaestio sit, quaenam
lingua aliis omnibus praecellat, difficillima fueritresponsio . . . Germanica,
ob radicum monosjllabarum copiam, vocesque componendi ignotam aliis
feltcitatem, seipsa contenta et ad indenda quibusvis rebus significantissima
nomina semper prompta, inexhaustis suis frui posset divitiis, si
uti sciret.
Wir verweisen im übrigen in betreff der Bestrebungen wie der Person
des Redinger auf die erwähnten Aufsätze Sanders.
In der „Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz
Posen**, herausgegeben von Dr. Rodgero Prümers, 7. Jahrg., 2. u. 3.
Heft, April bisSept 1892 (Posen, J. Jolowicz) veröffentlicht Ernst L uck-
fiel einen Aufsatz über „Die Geschiclite des Socinianismus in Grofspolen".
Es war in Polen dem Lälius Socinus mit Hülfe dortiger Magnaten gelungen,
weite Ejreise für seine Auffassung der Lehre Christi zu gewinnen, und sein
Neffe Faustus Socinus hatte es verstanden, der Gemeinde eine feste Ver-
fassung zu geben. Der Arbeit ist eine Untersuchung der Quellen zur Ge-
schichte des Socianismus beigefügt. Wir machen hier auf diesen Aufsatz
auch deshalb aufinerksam, weil Comenius^ frühere freundliche Beziehungen zu
dieser Gemeinschaft und einigen ihrer Vertreter weit weniger Beachtung ge-
funden haben als die späteren, die sich zu einer entschiedenenGegner-
schaft gestalteten. Wir verweisen in Bezug auf die früheren Beziehungen,
welche freundschaftlicher Art waren, auf die Monatshefte 1892, S. 278 ff^
wo Comenius selbst darüber berichtet und unter anderem sagt, er habe
1893. Nachrichten. 53
die Institutionen des Ostorodins und das Neue Testament der Socinianer
^on sine vario tentationum assnltu, conscientiaeqne vacillatione, victoria
tarnen fidei t andern^ gelesen. Wäre Comenius der Versuchung erlegen,
so würde er in den Untergang jener Gemeinschaft, der sehr bald und nicht
ohne deren eigenes Verschulden, eintrat, verwickelt worden sein, und er
hfttte niemals die aniverselle Bedeutung gewinnen können, die er that-
s&chlich gewonnen hat. Eine Opposition, deren Widerspruch bei ein-
zelnen Lehrsätzen einsetzt und deren Wesen sich zum grölsten Teil
auf die Verneinung gewisser Dogmen zuspitzt, wird stets, so begründet
manchem die Bestreitung scheinen mag, der Gefahr ausgesetzt sein, ihre
Kräfte im Kampf um eben diese Sätze zu zersplittern und selbst einen
dogmatischen Charakter anzunehmen, der nur die Köpfe erhitzt, aber die
Herzen kalt läfst; sie wird aber auch, indem sie den Zusammenhang mit
der Überlieferung zerreifst, auf der Bahn der Verneinung leicht weiter ge*
fuhrt werden, als ihren Stiftern vorgeschwebt hat und als es angänglich
ist, wenn die gemeinschaftsbildende Kraft aufbauender Gedanken erhalten
bleiben soll. Eine Gemeinschaft kann ebenso durch die Betonung wie
durch die Bestreitung gewisser Lehrformeln den Charakter einer Be-
kenntnisgemeinschaft gewinnen und damit in der einen oder der an-
dern Beziehung eine Gefährdung der Bekenntnisft-eiheit herbeiführen. Nur
dort, wo der Charakter der Gesinnungsgemeinschaft grundsätzlich
in den Vordergrund gestellt und Lehr formein weder so noch so in den
Mittelpunkt gerückt . werden, kann Bekenntniszwang mit allen seinen
Folgen einigermafsen vermieden werden.
Pastor H. Stockmann in Borssum bei Emden teilt uns folgendes mit:
„Der ostfriesische Chronist Eggen nk Beninga schreibt: ,Anno Christi
MDXXn am avende Omnium sanctorum is Heimer (Häuptling) zu Borssum,
welke omtrent 68 jaer olt was, uth dussen jammerdal verscheden. Richtede
sick na dem olden und njen Testament, lange vor der tyd eer Mar-
tinns Luther begunde to schrjven, is dar oock bestandlic wente an
dat einde hj gebleven. Heeft van de insettinge des Pauwstes gantsch
nicht geholden.' Eggerink Beninga war Zeitgenosse des Helmer und später
durch seine Heirat mit der Erbtochter Besitzer von Borssum; er kannte
also den alten Helmer genau."
Die Bibelausgaben, die dieser Häuptling gelesen hat, sind höchst
wahrscheinlich nicht in lateinischer, sondern in deutscher Sprache ge-
schrieben gewesen. In diesem Zusammenhang mag darauf verwiesen sein,
dafs die Bibelübersetzung, die im Jahre 1562 zu Emden bei Nie. Biestkens
erschienen ist, sich in wichtigen Teilen nicht an die lutherische, sondern
an die vorlutherische deutsche Bibel anlehnt, die also um 1560 noch
in Emden bekannt war. Näheres bei Keller, Die Waldenser und die
deutschen Bibelübersetzungen. Leipzig 1886, S. 152 ff.
Li Nr. 222 u. 223 der Allgemeinen Zeitung vom 11. und 12. August
1892 (Beilage -Nummer 186 u. 187) hat Theodor Ritter von StefanoviC-
Vilovsky unter dem Titel „Studien cur Geschichte des BogOMilisMns"
54 Nabhrichteii. Heft 1 ü; 2.
zwei Aufs&tze veröffentlicht, die wir hier nicht unerw&hnt l&screii
dürfen. Der Verfasser schöpft zum Teil aus slawischen Quellen/ die in
der deutschen Litteratür noch keine genügende Beachtung gefunden haben.
Die Schrift Bogomill i Patareni von Dr. A. RaSki (Rad Ingo sla-
venske akademije zuanosti i unyetnosti. 1869, u Zagreba) habe ich
hier zum erstenmal erwähnt gefunden. Herr von StefanoviS zeigt sich in
seiner Beurteilung der Bogomilen von seinen Quellen, die fast durchweg
von gegnerischer Seite stammen, sehr abhängig; immerhin hat er die
Bedeutung dieser „Gottesfreunde'' -^ der Name Bogumil heifst Göttes-
freund — doch richtig erkannt, auch auf die Zusammenhänge mit Pa-
tarenern, Katharei^n, Waldensern, Taboriten und hShmisdieil
Brüdern richtig hingewiesen. „Die höchste Aufgabe des zukünftigen Ge-
schichtschreibers des Bogomilentums," sagt er am Sehlufs, „müfste darin
bestehen, den roten Faden zu finden, der sich durch die ersten Refor-
mationsversuche der paulicianischen und bogomilischen Lehre bis zur
neueren Reformation (des 16. * Jahrhunderts) hindurchzieht und dem Bogo-
milismus eine weitaus gröfsere Bedeutung verleiht, als sie bisher im all-
gemeinen vorausgesetzt werden konnte.'' Über diesen „roten Faden'' findet
sich Näheres bei Keller, Die Reformation und die'älterenRefbrmparteien.
Leipzig; S. Hirzel, 1885.
■ ■ ■ ■ . -
Der Yerwaltungsausschufs der Comenius- Gesellschaft hält es ffir
seine Pflicht, mit verwandten und befreundeten Unternehmungen in freund-
liche Beziehung zu treten. Die ersten Schritte sind in dieser Richtung da-
durch bereits geschehen, dafs der Vorsitzende durch Schreiben vom 18. Ok-
tober d. J. den historischen Vereinen nnd Gesellschaften Dentsehlands nnd
österreiclu von der Errichtung der Comenius- Gesellschaft Kenntnis ge-
geben und sich bereit erklärt hat, mit ihnen in Sehr iftenaus tausch
zu treten. Darauf haben verschiedene Vereine — wir werden das Ver-
zeichnis denmächst veröffentlichen — alsbald in entgegenkommendem Sinne
geantwortet, und es ist Aussicht vorhanden, dafs weitere Vereine dem- ge-
gebenen Beispiel folgen werden. In dem Schreiben vom 18. Oktober heilst
es unter anderm: „Die Gesellschaft, die gegenwärtig über 900 Mitglieder
zählt, hat sich, wie der im 1. Heft unserer Zeitschrift (Monathefte der C.-G.
1892) abgedruckte Arbeitsplan ergiebt, in erster Linie geschichtliche
Aufgaben gestellt, und ihre Ziele berühren sich daher in manchen wich-
tigen Punkten mit denjenigen der Geschichts- und Altertumsvereine. Es
wird nicht viele Landschaften und gröfsere Städte des Reiches geben, in deren
Geschichte nicht die Männer, deren Andenken die Gesellschaft vornehmlich
pflegen will, Spuren ihrer wissenschaftlichen oder praktischen Thätigkeit
hinterlassen haben. Insofern die Gesellschaft dem Wirken dieser Männer
nachzugehen beabsichtigt, kann sie auf diesem Gebiete der Provinzial-
und Stadtgeschichte ergänzend zur Seite treten und durch ihre Zeitschrift
zur Aufklärung mancher bisher weniger beachteten geschichtlichen Er-
scheinungen mitwirken."
1898. Nachrichten. 55
BeridLÜguig.
Wü: hatten Monatshefte 1892 S. 219 eine Übersicht über den Verlauf
der Jahrhundertfeier in den Zweigvereinen des Aüg. deutschen Sprach-
vereins gebracht und zu Braunschweig bemerlLt, dafs Herr Oberlehrer
K. Scheffler als Bedner au^etreten sei. Herr Scheffler bittet uns, mitzu-
teilen, dafs nicht er, sondern Herr Museumsdirektor Professor Dr.
Riegel des Comeniu» gedacht und einen Hinweis auf die Bedeutung
des Tages in einer kurzen Ansprache gegeben habe.
Pierer*iche Hofbuohdrueker«!. Stephan Geib«l A Co. in Altenburg.
Aus dem Inhalt des ersten Bandes (1892).
üaMr MthMMjflBn (S. Ul-Vm). Abhaadlug«»: P. Hohlfold, J. A.
Comenius und K. C. F. Krause. — K. MImpel, Die inteTkoDfessionellen Friedensideale
des J. A. Comenius. — A. Israel, Das Verhältniss der „Grossen Unterrichtslehre'' des
Comenius zu der Didaktik fiatkes. ^ Lvdw. KeNer, Joh. Valentin Andreae und
Comenius. — QlMlleil und Tarwohngk^^^a: los. MBlIsr, Zur Bficherkunde des Comenius.
— M. KviOSala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. — Kl«tai«r6 MttMfangWi:
E. PappsaMn, Die erste Ausgabe des Orbis pictus. — M. Toeppea, Zur Lebensgeschichte
des Comenius. — - 0. Radlach , Der Aufenthalt des Comenius in Thom im Herbst 1684.
Ed. BodSMaM, Ein Gedicht von Leibniz auf J. A. Comenius. — E. BodeaailB, Ein
Stammbuchblatt von Comenius. — Haggaeus redivivns von J. A. Comenius.
Wieder aufgefunden von Jos. MOtler in Hermhut. — Aus neueren Handschriften-
Verzeichnissen. Zur Geschichte der Waldenser u. s. w. — Jos. Miillor, Die Bilder des
Comenius. — I. Parmenttert Eobert Hebert Quick. — Ed.-Henrl Robert, Ed. L. Robert
— m t rato rJflOllto : Die Comenius-Litteratur seit 50 Jahren. ^ Die gedruckte
Litteratur zur Geschichte des Didaktikers Wolfgang Ratichius. Zusammengestellt von
Gideofl Vogt — Sxitikeii und B«q^r«oh[aBg«A. — STadhitohtan. ^ Q«MUflllA«r
T«il (darin die Satzungen der C. G., die Geschäftsordnung für den Gesamt-
vorstand u. B. w.).
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen^ welche der Gesell-
schaft als Patsrone, Stifter oder Teilnelinier beitreten, gegen Nach-
zahlung' der Jahresbeitrttge (s. unten) fllr 1892 bis auf weiteres unentgeltlich
geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Dem Redaktlons-AusBCllUBB der Gesellschaft gehören ausser dem
Vorsitzenden des Verwaltungs - Ausschusses und seinem Vertreter gegenwärtig
folgende Herren an: Diakonus JOB. Müller in Hermhnt (Vorsitzender)';
Direktor Dr. Buddenaleg*, Dresden ; Dr. L. H. Flacher, Stadt- und Kreis-
schulinspektor, Berlin ; Schulrat A. Israel, Zschopau ; Prediger ^W. J. Leen-
dertz , Amsterdam ; Pastor Lorenz , Berlin ] Univ. - Prof. Dr. Loserth,
Czemowitz.
Wegen greschäftllcher Anzeigren oder Beilagren litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig-Gohlis, Lange Str. 47^,
wenden.
Etwaige Orts- und TVohnnngrsi^eohsel wollen unsere Mitglieder der
Geschäftsstelle der Comenius -Gesellschaft, Münster i. W., Wol-
beckerstr. 4*, gefiüligst mitteilen.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Geßellschaft (C. G.) hat sich wissenschaftliclie und
g'emeinnütasig'e Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatshelte (M. H.), zur Förderung der letzteren die MitthellUIliren
(31. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Binzelschpirten bleibt vorbehalten.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom- Hitglieder, welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
fidtintUche Veröffentlichungen der C. G.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können in Zukunft an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als AbteUungS-Mltglleder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mitteilung-en der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Satzungen sowie sonstige zur Verbreitung bestimmte Drucksachen
der Gesellschaft werden auf Anfordern von der Geschäftsstelle der C. 6.;
Münster i. W., Wolbeckerstr. 4*, kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Monatshefte sind zur Pflege der ^Wissenschaften im Geist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Religion, Philosophie, Geschichte und Br-
zlehung'Slehre berücksichtigen und für die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter beträgt
bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Abschriften, Auszügen und Nach-
fichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder-Abzüg'e unberechnet; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreffende Heft unberechnet zur Verftlgung gestellt.
Die Gesellschaft behält sich vor, gröfsere Aufsätze der M. H. als
Sonderabdruok in eine Sammlung von Elnzelschrlften der Comenius-
Gesellschaft zu vereinigen und unter dem Titel „YortrSge nnd AnfsStze
ans der Comenlus-Gesellsehaft'^ durch den Buchhandel zu vertreiben.
Die M. H. wollen insbesondere auch Hilfsmittel darbieten, um ihre Leser
über den Fortgang der Wissenschaft auf ihrem Arbeitsgebiet zu unterrichten.
Wir bitten daher die Herren Verfasser und Verleg'Or, neu erschienene Werke
zur Geschichte der Religion, Philosophie und Erziehungslehre an die Ge-
schäftsstelle der C. G., Münster i. W., Wolbeckerstr. 4*, gefälligst ein-
zusenden.
Pierer'tche Hofbuchdnickerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
:!^
■A
Monatshe:
der
Comenius-Gesellschaft.
Zweiter Band.
Y§^.
Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt
des dritten Heftes 1893.
A. Abliaddlungren. ^"*
O. Radlach, Der Aufenthalt des Comenius in Lüneburg im August 1647 und die
Wiederaufnahme seines Briefwechsels mit Valentin Andreae 57
B. Quellen und Forsehung'en.
Joh. Kvaosalai Zur Lebensgeschichte des Comenius (Fortsetzung) 73
O« Zaltteratuxlierlollt. G. Hartmann, Leibniz (MoUat); Loserth, Der Anftbaptiamua in Tirol
(Unger). « Zur neuesten Comeniuslitteratur (W. B,). — Amerikanische Comeniuslltterator
(WtU. S. Monroe). ~ Neuere Erscheinungen 81—94
D. Saolirlollt^tt. Handschriftenfund. — Sammlung von Autographen und geschichtlichen
Dokumenten aus dem Besitz des Orafen L. v. Paar. — Amerikanische Gesellschaft für Kirchen-
geschichte. — Jean de Labadie und die Brüdergemeinden. — Lehrstoff für die ^Geschichte des
Christentums" an der Universität Born. — Programm der Teylerschen Theologischen Gesell-
schaft zu Haarlem für 1893. — Preufsische Jahrbücher. — Entgegnung von W. Kajser und
Antwort von A. Israel 05—103
Die Monatfhefte erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August und Sep-
tember). Die Ausgabe von DopfieUieflM bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav).
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaft, Archiv- Rat Dr. Keller
in MQnster L W. oder an den Vorsitzenden des Redaktions -Ausschusses, Diakonus
Jos. Müller in Hermhut I. S. zu richten.
Für die Redaktion verantwortlich: Diakonus Jos. Müller in Herrnhut i. S.
Postzeitungsliste Nr. 4296^.
Jahreibeltr&s^e (vgl. S. 4 des Umschlags), sowie elnmaUs^e Zuwendnasran
bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C, BurgstrasM,
zu senden.
Anmeldlins^eil zur Gesellschaft und Jahresbeiträge nehmen ferner an:
B. Volartländer's Verlag:, Leipzifl^-GoliUs, Langestrafse 47 b. _ a. Plohler'a
Witwe A Mohn, Wien V., Margarethenpl. 2. — Fr. &ivn&6, Buchhandlung, PragTi
Museumsgebäude. — WUliams and Vorträte, Buchhandlung, 14 Henrietta-Str., Covent
Garden, London. — Buchhandlung Fiaohbaolier, Paris, Rue de la Seine 33. —
Buchhandlung von J6iiannes Mtlller, Amsterdam, Singel 286. — Buchhandlung von
Keyer ft Z^er, Ztirioh, Rathausplatz. — C. E. Fritze's Hofbuchhandlung, Btook-
bolm. — Cammermeyer's Buchhandlung, Oliristtania.
Vaohdmok unserer Nachrichten und Berichte nur mit Quellenangabe, gröfserer
Beiträge nur mit Einverständnis der Schi^iftleitung gestattet.
•^^N'A^-^ Coi^^
Monatshefte v - ^
Comenius- Gesellschaft
II. Band. — 1893. — Heft 3.
Der Aufenthalt des Comenius in Lüneburg im August
1647 und die Wiederaufnalime seines Briefwecliseis mit
Valentin Andrea
von
O. Badlaoh, Pfarrer in Zethlingen (Altmark).
Der im Jahre 1872 als Professor in Marburg verstorbene
Kirchenhistoriker Ernst Ldw. Theod. Henke, welcher durch sein
kirchengeschichtliches Hauptwerk: „Georg Calixtus und seine
Zeit", 2 Bde., Halle 1853 — 60, sich als einer der vorzüglichsten
Kenner des siebenzehnten Jahrhunderts erwiesen hat, erwähnt
in der Vorrede zu dem von ihm schon im Jahre 1838 heraus-
gegebenen und der theologischen Fakultät zu Jena gewidmeten
Briefwechsel des Georg Calixtus, dafs der gelehrte Herzog August
von Braunschweig, der Gründer der Wolfenbütteischen Bibliothek,
eine besondere Liebhaberei hatte, Autographa berühmter Männer
zu sammeln. So seien die grofsen Sammlungen besonders von
Briefen gelehrter Zeitgenossen des Herzogs entstanden, welche
sich noch auf dieser Bibliothek befinden.
Es unterliegt keinem Zweifel, dafs aus diesen Briefsamm-
lungen noch manches Gold für die Comeniusforschung gewonnen
werden kann, befinden sich doch unter denselben neben zahl-
reichen Briefen von deutschen Staatsmännern jener Zeit, Ge-
lehrten verschiedener Art, Philologen, Ärzten, Polyhistoren und
Theologen, von denen wir z. B. nur Du raus nennen, über den
derselbe Henke den Artikel in Herzogs Realencyklopädie für
protestantische Theologie geliefert hat, ganz besonders zahlreiche
Monatahefte der ComeninB-Oeaellschaft. 1898. 5
58 Radlach, Heft 3.
Briefe Valentin Andreas, von dem von Criegern mit Recht sagt,
daUa für Valentin Andrea Herzog August von Braunschweig und
Lüneburg dasjenige bedeutete, was Lorenz und Ludwig von Geer
für Comenius waren.
Bei der Bedeutung, welche Valentin Andrea für Comenius
gehabt hat, kann der jetzige Stand der Comeniusforschung nicht
mehr mit Hofsbachs Bearbeitung sich zufrieden geben, sondern
mufs ein ähnliches Werk fordern, wie es Henke in seinem „Georg
Calixtus und seine Zeit" geschaffen hat, der in seinem (für die von
der Münchener historischen Kommission herausgegebene all-
gemeine deutsche Biographie I. S. 441 ff.) über Valentin Andreae
gelieferten Artikel, welcher eine der letzten Arbeiten aus Henkes
Feder ist, noch die Fundamente zu einer Neubearbeitung des
Mannes gelegt hat, den Comenius in Opp. did. I. S. 442 als
einen „virum fervidi et defaecatae mentis" bezeichnet, auf den
er öfter in seinen Werken zu sprechen kommt, so dafs man ihm,
um mit Eleinert zu reden, die Genugthuung anspürt, sich mit
diesem reformatorischen Geiste in fortwährender Verbindung und
inniger Geistesgemeinschaft zu wissen, und durch den, wie von
Criegern : „ Joh. Amos Comenius als Theolog" Cap. 7 in längerer
Ausführung trefflich nachzuweisen begonnen hat, Comenius nach
allen Richtungen seines Geisteslebens einen befruchtenden Einflufs
erfuhr.
Auffklligerweise ist die von Henke Seite XIV seiner Ein-
leitung zu dem Briefwechsel des Georg Calixtus gemachte Be-
merkung von der Comeniusforschung bis jetzt nicht beachtet
worden, in welcher Henke hervorhebt, dafs unter den von Herzog
August gesammelten Briefen sich auch ein Brief des Comenius
befindet. Dies läfst sich besonders auch daraus erklären, dafs
der Katalog der Wolfenbtittler Bibliothek unter den Werken,
welche dieselbe von Comenius besitzt, diesen Brief bis jetzt nicht
aufgezählt hat Wir haben die durch Henke gegebene Andeutung
als Fingerzeig benutzt und in dem Handschriftenbande Extravag. 54
der Wolfenbüttler Bibliothek, welcher die Überschrift trägt:
„Autographa et exempla epistolarum doctorum Virorum ad alios
eruditos ordine alphabetico digesta, in quarum numero etiam
Epistola autogr. Phil. Melanchtonis" am 28. Juli d. J. einen Brief
des Comenius gefunden, welchen er von Lüneburg aus am
22. August 1647 an Valentin Andrea geschrieben hat. Henke
scheint anzunehmen, dafs sämtliche Briefe Autographa sind.
1898. ^^ Aufenthalt des Comenius in Lünebarg etc. 59
Aus der Überschrift, welche der Sammler dem Bande gegeben
hat, geht aber schon hervor, dafs eine Anzahl Briefe nur Ab-
schriften sind. Während der Brief des Melanchthon, welcher
in dem citirten Sannnelband sich befindet, ohne Zweifel ein
Originalbrief ist, der auch sonst die Spuren von den Taschen
und Händen der Tabellarii trägt, die ihn befördert haben,
scheint der mit ihm vereinigte Brief des Comenius nur eine
Abschrift zu sein. Dieselbe ist nur an einigen Stellen weniger
deutlich, sonst aber sehr gut erhalten und macht den Eindruck,
als habe eine zweite Hand diejenigen Stellen sorgsam nach-
getragen, welche der erste Schreiber ledr gelassen hat, da er sie
vielleicht nicht lesen oder verstehen konnte. Durch gütige Mit-
hülfe des Herrn Bibliothekar Dr. Milchsack haben wir die Über-
einstimmung unserer Abschrift mit der Wolfenbüttler Handschrift
festgestellt. Der Text giebt überall einen guten Sinn. Wir haben
nichts fortgelassen und nichts hinzugesetzt. Nur der Schlufssatz
erscheint in der Handschrift unverständlich, denn er scheint zu
lauten: possim, suam, Velim. Wir haben das Komma hinter
suam fortgelassen und in dem dargebotenen Text des Briefes ftir
„suam*' „nedum" gesetzt. Auch scheint das Jahr der Absendung
„1644" zu lauten, was aber schon auf Grund der in dem Brief
angeführten Thatsachen, auf welche wir weiter unten hinweisen
werden, nicht angeht. Laut Patera, Briefwechsel des Comenius,
Prag 1892, S. 82, schreibt Comenius an Tobias Andrea aus Elbing am
16. August 1644: „herique reversus, jam rursum ad convocationem
Evangelicorum generalem Orlam Lithvaniae (sexaginta inde leucas
distantem locum) abeo." Die erwähnte Synode in Orla, auf
der Comenius anwesend war, wurde am 24. August 1644 ab-
gehalten. Er berichtet darüber an Hotton unterm 18./28. Sept 1644.
Wir lesen deshalb nicht „1644", sondern „1647".
Der Brief selbst bringt neues und bisher unbekanntes bio-
graphisches Material zu unserer Kenntnis und mufs schon durch
diese besonderen Angaben, wodurch er die bisherige Kenntnis von
dem Lebensgang des Comenius erweitert, allen Freunden und
Verehrern desselben willkonmien sein.
Nicht weniger wichtig sind die allgemeinen Bemerkungen,
welche Comenius in demselben abgiebt. Seine reciperationes,
wie er am Schlufs seines Schreibens die in seinem Briefe dar-
gelegten Qründe zu seiner Rechtfertigung nennt, lassen uns nicht
blofs klar erkennen, in welcher Ehrfurcht, in welcher Liebe und
5*
60 Radlach, Heft 3.
in welchem Vertrauen er dem Valentin Andrea stets zugethan
gewesen ist, sondern sie zeigen auch, wie Comenius bei allem
Streben fiir Einigung und Versöhnung, so dafs er als „membrum
ecclesiae illius, quae alios condemnare non didicit" darüber seufzt,
„quod satanae machinationes in distrahendis nobis plus possunt,
quam in coadunandis Spiritus Christi **, doch auch wieder mit be-
sonderem Nachdruck seinen konfessionellen Standpunkt als ein
Glied derjenigen Kirche betont „quae reformationem suam non
a Luthero aut Calvine, sed ab Husso centum ante Vestram annis
coepit".
Was die objektive Forschung im allgemeinen von Comenius
bis jetzt festgestellt hat, wird durch unsern Brief nur bestätigt,
und behält somit auch im Hinblick auf unsern Fund von Criegem
recht, wenn er S. 53 sagt: „E^ ist nicht anzunehmen, daüs zu
dem Bilde von Comenius neue Züge hinzukommen würden, wenn
wir noch mehr Schriften von ihm auffänden. Der Gedanken-
kreis, in welchem er sich bewegt, ist bekannt."
Als Comenius unsern Brief in Lüneburg schrieb, befand er
sich in einem körperlich angegriffenen Zustande. Der Ruf der
heilkräftigen Quelle zu Hornhausen, eines in dem früher Halber-
städtischen Gebiet gelegenen Fleckens, der etwa eine Stunde von
Oschersleben entfernt ist, war selbst bis an die sarmatischen Ge-
stade gedrungen und hatte manche Bekannte des Comenius ver-
anlaßt, dies Bad aufzusuchen. Es war ein Soolbad, das nach
mündlicher Überlieferung noch im Anfang unseres Jahrhunderts von
vielen Kranken besucht wurde. Nach der Sage sollen die Ge-
nesenen ganze Berge von Krücken zusammengetragen und daraus
ein Freudenfeuer angerichtet und ihre Loblieder dabei angestimmt
haben. Wahrscheinlich war Comenius von rheumatischen Affek-
tionen heimgesucht. Schon im März 1645 finden wir ihn auf
dem Krankenlager. Die bekannten Sorgen der zuletzt ver-
gangenen Zeit hatten ihn besonders angegriffen. Auf Zureden
einiger Freunde schliefst er sich einer Reisegesellschaft an, welche
in den ersten Augusttagen 1647 die Reise antritt, den etwa zwei-
bis dreitägigen Weg zu Schiff von Elbing nach Lübeck wählt,
aber bald sich genötigt sieht, in Lüneburg Halt zu machen, denn
hier treffen sie mishrere Reisende, welche schon von Hornhausen
zurückkehren, „sequiora quam pro spe nostra nobis enarrantes',
und Schlechteres erzählen als Comenius erwartete. Wir haben
den Herrn Archivrat Dr. Jacobs in Wernigerode a. H. um eine
Erklärung dieser Stelle gebeten. Derselbe schreibt uns: „Über
1893. ^^ Aufenthalt des Comenius in Lüneburg etc. gl
die Bedeutung von sequiora braucht man sich wohl nicht den
Kopf zu zerbrechen. Bad Homhausen war im Jahre 1646 auf-
gekommen und sofort zu gewaltigem Ansehn gelangt. Aber am
Ende des Jahres verschwanden die (20) Quellen sofort wieder, um
dann im Juni 1689 noch einmal hervorzubrechen. Die Einrich-
tungen in dem halbwüsten Dorfe waren sehr notdürftige. Allen
halfen die Quellen auch nicht, und so lauteten die Urteile über
Bad Hornhausen verschieden. Wunderbares berichtet davon Aug.
Hauptmann in seiner „Sedula gratiosarum fontium qui Homhusii
pervestigatio", Leipzig 1647. In der Bibliothek zu Wernigerode
befindet sich Pröhles Chronik von Homhausen. Genügendes mit
Abb. V. J. 1646 bei G. Schmidt, Kunstdenkm. der Prv. Sachsen.
Oschersleben 1891, S. 144—147." Aus dieser Erklärung geht
schon hervor, dafs unser Brief nicht 1644 geschrieben sein
kann.
Die unerwartete Unterbrechung seiner Badereise sollte aber
fiir Comenius nicht ohne Gewinn sein, da er in Lüneburg mit
einem vortreflFlichen Mann, Johann Stern mit Namen, bekannt
wurde, der sich mit seinem Bruder Heinrich um die Kirche Jesu
Christi „studiisque pietatis", d. h. und durch seine Bestrebungen
zur Hebung der Frömmigkeit verdient .gemacht hat und immer
noch, wie Comenius hinzufügt, verdient macht.
Das Zeugnis, welches Comenius den Gebrüdem Stern in
Lüneburg ausstellt, bestätigt voll und ganz schon ein Blick in
die Geschichte der asketischen Litteratur jener Zeit. Die Gebrüder
Stern sind nämlich Verlagsbuchhänder, welche fUr die asketische
Litteratur des 17. Jahrhunderts eine ähnliche Bedeutung haben,
wie für das Gebiet der poetischen Nationallitteratur David Müller
in Breslau, der durch seine rührigen und umsichtigen Verlags-
arbeiten den schlesischen Dichtern, besonders dem Martin Opitz
und dem Johann Heermann den Weg geebnet hat. Sagt doch
Job. Heermann in der diesem Perthes oder Cotta des 17. Jahr-
hunderts aufgerichteten Ehrenschrift, dafs „David Müller sich ein
unsterblich Lob zu Wege gebracht hat durch die Unkosten, so er
auf den Verlag vieler nützlicher Schriften verwendet und damit
nicht allein der löblichen Stadt Breslau, sondern auch dem ganzen
Lande und der christlichen Kirche gedient hat.*' Auch können
wir den Gebrüdem Hans und Heinrich Stern in Lüneburg die
Gebrüder Michael und Johann Friedrich Endter in Nürnberg
an die Seite stellen, von denen Michael Endter durch Comenius
das Zeugnis erhält, dafs er „durch eine korrekte und saubere
62 Radlach, Heft 3.
Ausgabe des orbis pictus und die dazu besorgten Figuren und
Bilder' gewissermafsen dem berühmten Schulbuch erst die Bahn
geebnet hat.
Dafs Comenius sich an Johann Stern so schnell anschliefst,
so dals er ihn dem Valentin Andreae gegenüber als den „communis
amicus et fautor'^ bezeichnet^ hat ohne Zweifel seinen Hauptgrund
darin, dafs er in Stern einen Mann gefunden hat, mit dem er
sich in der Hauptrichtung seines Geistes und seines Strebens bald
eins ftihlen mufste. Denn hatte Comenius nach der ersten in
Zürich 1629 erschienenen deutschen Übersetzung der „Übung
der Gottseligkeit** des englischen Bischofs Lewis Bayly dies Werk
1680 ins Tschechische übersetzt, so fand er hier in Lüneburg
eine andere der ersten geistlichen Schriften Englands, welche den
Weg nach dem Kontinent zurückgelegt haben, „das güldene
Kleinod' des Immanuel Sonthom, das nach den bedeutenden
Forschungen des jetzigen Würzburger Dekans H. Beck (vgl. dessen
Abrifs der religiösen Volkslitteratur Gotha 1891 S. 181) in Lüne-
burg 1620. 1630. 1632. 1634. 1653. 1679. 1680. 1683. 1696. 1703
aufgelegt wurde. Und wenn uns bald nach dem Fortgange des
Comenius aus Lüneburg, dort auch 1649 die erste Lüneburger
Ausgabe von Baylys Übung der Gottseligkeit begegnet, so haben
wir dies vielleicht' auf den Verkehr des Comenius mit Stern
zurückzuführen. Konnte mit Recht Kleinert (Studien und Kritiken
1878 S. 89) den Comenius als „Vorläufer der pietistischen Be-
wegung bezeichnen, die in so vielfacher Beziehung (auch in
didaktischer) an Comenius direkt angeschlossen hat**, so finden
wir eben in Stern einen Verlagsbuchhändler, der durch die
zahlreichen Artikel seines grofsen Verlags dem Pietismus die
Bahn hat brechen helfen und gewissermafsen die Hebeammen-
dienste bei der Geburt einer neuen Zeitrichtung geleistet
hat, die im Gegensatz zu der toten Orthodoxie unter Speners
Führung das Losungswort „des thätigen Christentums" auf ihre
Fahne schrieb. In Lüneburg freilich, das A. H. Francke als
seine geistliche Geburtsstadt bezeichnet hat, wo ein Jt^rzehnt nach
Franckes Fortgang Joh. Seb. Bach als Diskantist im Schülerchor
des Michaelisklosters sein Brot verdiente, sollten noch harte Kämpfe
zwischen diesen beiden Richtungen geftihrt werden. Sie gingen
so weit, dafs als der Superintendent Caspar H. Sandhagen, der
früher in Bielefeld mit Breckling und mit Labadie in innigem
Verkehr gestanden hatte, und unter dessen Amtsführung Joh.
Duraeus von Cassel aus seinen Friedensgedanken in Lüneburg
1893. ^^ Aufenthalt des Comenios in Lüneburg etc. 63
Bahn machen wollte, nach Schleswig als Generalsuperintendent
abgegangen war, sein Nachfolger, der Freund Speners, W. Pe-
tersen 1692 abgesetzt wurde, der mit einer Post 6000 Thaler
Missionsgelder nach Peunsylvanien sandte, die aber auf dem
stürmischen Meere verloren gingen, unter dessen Einflufs das
„Unum necessarium** des Comenius zum erstenmal in deutscher
Sprache 1690 in Lüneburg erschien, der aber in einen ähnlichen
Fehler wie Comenius verfiel, indem er den Weissagungen eines
Edelfräuleins von Asseburg Glauben schenkte, womit weder
Spener noch die orthodoxen Gegner einverstanden waren. Letz-
tere veröffentlichten sogar ihre Ansichten darüber in besonderen
Thesen.
Die Lüneburger Chronisten haben dem Stern keine beson-
dere Aufmerksamkeit geschenkt Nach Maneckes, des fleifsigen
Sammlers Lüneburgischer Nachrichten, Beschreibung und Ge-
schichte der Stadt Lüneburg 1816 S. 81, „waren seit Ende des
16. Jahrhunderts die Gebrüder Stern in Lüneburg konzessionierte
Buchhändler, begaben sich aber nachmals des Geschäfts, und in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fand sich dort der Buch-
händler Cubach, berühmt wegen eines edierten und vielmals auf-
gelegten Gebetbuches.** Allein wir haben in den Bauernhäusern
der Altmark noch Werke aus dem 18. Jahrhundert gefunden,
welche in Lüneburg bei Cornelius Johann Stern aufgelegt sind,
so z. B. aus dem Jahre 1727 die bekannte im 17. Jahrhundert
auch in Lüneburg öfter aufgelegte Praxis Evangeliorum Martin
Möllers, die bis nach Ungarn und nach Holland hin verbreitet
war. (Siehe das Vorwort zur Eisleber Ausgabe 1857 Band 11.)
Erzählte mir doch z. B. im Jahre 1888 ein Altester der grofsen
evangelischen Gemeinde Zauchtel bei Fulnek in Mähren, dafs
ihre Väter und Mütter die alten Erbauungsbücher „Molleres" ge-
nannt hätten, welche unter den Dielen der Wohnzimmer oder
in anderen Winkeln vor Erlafs des Toleranzedikts Joseph 11
verborgen gehalten wurden.
Es würde sehr lohnend sein, die Buchhändler Stern in
Lüneburg in einer Monographie zu behandeln. Leider ist das
Archiv der Druckerei in alle Winde zerstreut. Folgende wenige
Notizen, welche in der Lüneburger Druckerei aufbewahrt werden
und von dem weiland Direktor Dr. Volger herrühren, verdanken
wir der gütigen Mitteilung des Herrn Oberlehrer Th. Meyer in
Lüneburg: „N. N. Stern wird 1580 als Buchhändler und Buch-
binder genannt. Hans Stern legt 1602 einen Buchladen auf dem
64 Radlach, Heft 3.
Sande an. Dessen Söhne Johann und Heinrich gründen 1614
die Buchdruckerei. Bis dahin wurden ihre Verlagsartikel in
Goslar gedruckt. Erstes Privilegium von Herzog Christian 1625.
Eine andere Buchhandlung und Buchdruckerei (Michaelsen),
welche 1627 gegründet wurde, bestand nicht lange. Ein bedeu-
tendes Privilegium erhielten die Sterne 1634 und dieses ist mehr-
fach erneuert und selbst vom Kaiser bestätigt 1645. Spätere
Buchhandlungen und Druckereien bestanden nicht lange. Be-
sonders berühmt sind die Bibelausgaben (mehr als 12). 1650
wurde Johann Stern wegen seiner Verdienste um die Kunst
geadelt."
Während aber Comenius von dem Joh. Stern sagt, dafs er
ein Mann sei „optime de Ecclesia Jesu Christi studiisque pietatis
meritus et adhuc merens" erwähnt J. G. Bertram in seiner grofsen
Kirchengeschichte Lüneburgs Braunschweig 1719 den Buchhändler
Stern gar nicht. Nur im XI. Kap. : „Von des Superintendenten
D. Petri Rhebinders Leben, darin auch der Streit mit Christian
Hohburg enthalten" erwähnt er die Stemsche Buchdruckerei. In
dieser Druckerei war der wegen Irrlehre aus Ülzen vertriebene
und besonders durch seinen „Spiegel der Mifsbräuche beim
Predigtamt" (worin er im Gegensatz zu dem starren AmtsbegriflF
der Orthodoxen zu dem entgegengesetzten Fehler kam), durch
seine Postilla mystica und andere auch im 18. Jahrh. öfter auf-
gelegte Schriften bekannt gewordene Christian Hohburg seit
1640 als Korrektor angestellt. Die Verteidigung dieses Mannes,
der sich im Hause des Stern befand, als Comenius bei ihm war,
hat später Gottfried Arnold in seiner „Unpartheyischen Kirchen
und Ketzerhistorie" übernommen, der aber, wie schon Buddeus,
der Verehrer des Comenius, in der Sprache des Perückenstils
geurteilt hat, „sich zu sehr per affectum contrarium abriepieren
liefs und wie andere die Ketzer heruntermachen, er solche stets
excusire und den Damnantibus die Schuld beimesse und daher
die Wahrheit verfehlen müsse." Gewifs hätte Stern dem wegen
Irrlehre abgesetzten Hohburg keine Stelle als Korrektor in seiner
Buchdruckerei gegeben, wenn er ihm nicht in gewissem Sinne
zugeneigt gewesen wäre. Vermutet doch Bertram mit Recht,
dafs Hohburg als Korrektor der Stemschen Druckerei eine An-
zahl seiner Schriften drucken liefs, die er unter dem erdichteten
Namen eines Elias Prätorius (Schulze) ausstreute.
Es war aber noch ein anderer Umstand, der den Comenius
in Lüneburg gern Halt machen liefs. Als Exulant fand er hier
\
1893. I^cr Aufenthalt des Comenias in Lüneburg etc. g5
besonderes Verständnis und Mitgefühl vor und hoffte gewifs auch
manches Neue über die Zustände in Böhmen und in Mähren zu
erfahren. Denn Lüneburg war es, welches schon im Jahre 1622
den M. Georgius Cratzsch, welcher, nachdem er zu Hörn in
Nieder-Östreich 8 Jahre das Diakonat und 7 Jahre das Pastorat
treulich verwaltet und infolge kaiserlichen Befehls vom Febr.
1621 innerhalb 8 Wochen sein Amt aufgegeben und nach dem
5 Meilen von Hom entfernten Znaim in Mähren mit seiner Fa-
milie geflüchtet war, als Pastor an der Michaeliskirche angestellt
hatte. In Lüneburg hatte Sigismund Scherez, einer von den
vier letzten evangelischen Geistlichen, welche auf kaiserlichen
Befehl Prag räumen mufsten, nachdem am 24. Oktober 1622 die
beiden deutschen Kirchen Augsburgischer Konfession in Prag
eingezogen waren und darauf, wie der Bericht sagt, „die 4 evan-
gelisch teutsche Prediger zu Prag nach ihrer Beurlaubung sich
mit ihren lieben Zuhörern christlich und öffentlich auf freyem
Felde geseegnet^, zuerst als Pastor an der Lampertikirche, darauf
als Superintendent eine gesegnete Wirksamkeit gefunden. Mit
Recht hat H. Beck in seinem schon oben zitierten trefflichen
Werk dem Sigismund Scherez, dessen bedeutendste Arbeit: „Seelen
Arztney wider die Melancholey" zuerst Lüneburg 1630 erschien
und zuletzt Lüneburg 1715 wieder aufgelegt wurde, besonders
hervorgehoben. Die Buchhändler Stern waren es, welche für
die Verbreitung der Schriften des Scherez eintraten, der ähnlich
wie Comenius sein Vaterland und seine verlassene Gemeinde
nicht vergafs und von Lüneburg aus „2 christliche Sendschreiben an
die Evangelischen Präger etc." sandte und auch eine Schrift ver-
fafste: „Constantia Veritatis Evangelicae an die hinterlassenen
Evangelischen Präger", welche Stern 1628 in Lüneburg druckte
und gewifs dabei die meisten Kosten aus seiner Tasche hergab.
Als Comenius, wie er schreibt, mit Stern „.de selectioribus
dei organis ecclesiaeque luminibus reliquis" sprach und dabei des
wenige Jahre zuvor verstorbenen Scherez, des damals noch in
frischer Kraft in Hannover wirkenden Justus Gesenius, dessen
Bedeutung die in Göttingen 1883 erschienene gekrönte Preis-
schrift des jetzigen Bonner Professors E. Bratke uns in verdienst-
voller Weise an das Licht gestellt hat, des Calixt, des Meyfart,
des Saubert, des Lütkemann, des in dem nahen Zelle 1621 ver-
storbenen Generalsuperintendenten Joh. Arndt gedachte, dem im
Jahre 1619 Valentin Andreae seine Respublica. Christianopolitana
gewidmet hat, von dessen „Warem Christentum" Valentin Andreae
66 Radlach, Heft 3.
schon bald nach seinem Erscheinen einen Auszug herausgegeben
hat, auf den Comenius selbst in seiner Didactica magna cap. XXIV
N.24, ohne Arndts Namen zu nennen, hinweist, „incidit Tui quoque
mentio", wurde auch Valentin Andreae erwähnt. Als Stern von
Comenius hörte, dafs er dessen Schriften sehr schätze und dafs
er mit diesem selectum organon ecclesiae früher in brieflichem
Verkehr gestanden habe, holte er des Andreae letzte Briefe hervor,
welche den Comenius mit Trost und doch auch wieder mit Traurig-
keit erfüllten. Mit Trost, weil er daraus erfuhr, dafs Andreae
„zwar noch lebe und Gott lebe und das Werk Gottes beständig
treibe", mit Traurigkeit aber, weil die Briefe erzählten, dafs
Andreae aus den warmen Bädern ohne Hofihung auf Besserung
zurückgekehrt sei. Diese Angabe läfst uns wiederum darauf
schliefsen, dafs Comenius den Brief nicht 1644 geschrieben hat,
sondern erst 1647, denn in diesem Jahre kam Valentin Andrea
um seine Entlassung ein. Eine andere Zeitbestimmung für den
Brief finden wir aus der Veranlassung desselben.
Während Comenius im Hause des Stern in der evangelischen
Kirchenharmonie des Herzog August d. J. herumblättert ^), stöfst
er auf die „Studtgartiae die Lucae IS.Oct 1644" geschriebene Vor-
rede des Joh. Valentin Andreae.
«
Schon mehrere Jahre vorher hatte Valentin Andreae mit dem
Herzog August über die Evangelienharmonie korrespondiert. Wie
er sich dadurch den Weg zu einem näheren Verhältnis zum
Herzoge bahnte, zeigen für die Jahre 1639 — 42 die Mitteilungen
Henkes aus seinen Briefen in der deutschen Zeitschrift f. ehr. W.
1852. S. 263 ff., wo auch (S. 261) Proben aus der Kirchenharmonie
gegeben sind, die besonders deshalb so genannt wurde, weil bei
jeder evangelischen Perikope die Parallelstellen aus den übrigen
Evangelien herangezogen und eingemischt waren. Andreae hebt
in seiner Vorrede des Herzog August Verdienste hervor und sagt,
^) Evangelische Kirdien Hamionw | das ist: iler hoch-heüigen Skrift
unterschiedene Texte tmd \ Worte: \ welche van wnsem Gottseligen \ Vorfähm
aus den GeschicktsbOchem der Evangelisten \ und aus den Briefen der Aposteln
sowohl auch aus den Skrißen \ des aUen und ersten Bwndes oder Testa-
mentes vor vielen hundert Jahren her- \ ausgezogen u» s. w. Dies Werk
besteht aus zwei Teilen, welche 1646 vollendet wurden. „In der Fürstlichen
Hof Stadt zu Wolfenbüttel druckten und verlegten dieselbige Hans und
Heinrich die Sterne." Nach der schriftlichen Mitteilung des Herrn Ober-
bibliothekars Professor v. Heinemann in Wolfenbüttel ist die Buchhändler-
familie der Sterne in Wolfenbüttel dieselbe, die auch für Herzog August
in Wolfenbüttel Allerhand verlegt hat.
1893. I^or Aufenthalt des Comenias in Lüneburg etc. 67
nachdem er auf den trefflichen Druck und die schönen Kupfer,
welche das ganze Werk enthält, hingewiesen hat, von denen be-
sonders das Titelbild mit seiner Darstellung über Luc. 10, 41 u.
42 „Unum necessarium** beachtenswert ist, so dafs wir es verstehen,
weshalb der katholische Kaiser Ferdinand III. den Verleger Stern
wegen seiner Verdienste um die Kunst adelte: „Dum aliqui in
arenä potius magna vi brachia tollere hastasque vibrare; alii
ingenii aciem tricis, argutiisque ostentare; alii, infelix lolium
Scholasticae Pan-sophiae, in Lutheri despectum serere; alii ad po-
pulum phaleras projicere, et personare tintinnabulis, malunt, Sere-
nissimus Augustus noster, lactantem gregem Christi, ad laeta
pascua ducere; cytharam suam ovans, (ut ut etiam Michaiis ge-
nius rideat) pulsare et in atriis Domini, cum psallentibus stare,
supra magnalia Mundi , elegit, nobileque donarium Dominicae
Passionis, in Sanctuario Dei, deposuit." Als Comenius dies in
dem neu erschienenen Werke las, stand Stern neben ihm und
zeigte ihm die Stelle von dem „infelix lolium Scholasticae Pan-
sophiae^, d.h. dem unglücklichen Schwindelhafer der scholastischen
Pansophie, „illudque de nobis dici voluit", denn er war der Meinung,
diese Stelle beziehe sich auf die Pansophie des Comenius, „cum
de Pansophia a Petro Laurembergio edita intelligi non possit", da
sie auf die von dem bekannten Rostocker Professor der Poesie
Petrus Lauremberg herausgegebene Pansophia, sive paedia philo-
sophica sich nicht beziehen könne ; enthält doch des Petrus Laurem-
berg Pansophie, wie Comenius in seiner Dilucidatio sagt, „nichts
von dem Gegenstande wahrer Weisheit, nichts vom Quell der-
selben, von Christo, nichts vom zukünftigen Leben und dem
Wege dahin.** Comenius erstaunt darüber, liest selbst und liest
immer wieder und findet nicht, was er sagen soll oder wie er
diese Worte des Andreae verstehen soll. Den Schwindelhafer seiner
scholastischen Pansophie soll Comenius nach der vor aller Welt
ausgesprochenen Anklage des Andreae zur Verachtung Luthers aus-
säen ! O dafs sein lieber Valentin, der so eifrig für die rechte Zucht
eintritt, auch ihm gegenüber die gradus admonitionis beobachtet
hätte! Denn „Si quid exorbitasse quis videtur, monendus est in
occulto prius mandante Christo etc." Auf Matth. 18, 15 — 17, diesen
locus classicus der Schriftlehre über die Kirchenzucht weist Co-
menius seinen Valentin fast wie in zarter Ironie hin, wenn
überhaupt ein Mann wie Comenius ironisch werden konnte.
Aber heiliger Eifer und heiliges Feuer ergriff ihn, ein Feuer,
68 Radlacli, Heft 3.
welches wir bei den Propheten des alten Bundes und bei den
Aposteln, besonders bei Paulus, öfter lodern sehen. „Male-
dictus sit, qui in despectum cujusquam e minimis proximis
nedum tanti organi Dei tentaverit aliquid! Amen." Ver-
flucht sei, welcher zur Verachtung eines der leicht zu erreichen-
den kleinsten, geschweige eines so grofsen Rüstzeuges (wie
Luther war) etwas unternimmt, schreibt Comenius.
Stern bietet sich an, die Bestellung des Briefes an Andreae
zu besorgen und auch weitere Briefe zwischen Andreae und Co-
menius zu befördern, stand er doch mit Danzig in direktem Ver-
kehr, da er z.B. den von dem Diakonus an der Johanniskirche
in Danzig, Martin Statins, besorgten Auszug aus den Schriften
des Stephan Prätorius unter dem Titel: „Geistliche Schatzkammer
der Gläubigen" in Verlag genommen hatte, welche 1636 in Lüne-
burg bei Joh. u. Heinrich Stern (715 Seiten aufser den ver-
schiedenen Vorreden) zuerst erschien und 1642. 1644. 1652. 1687
bei ihm aufgelegt wurde und noch in unserem Jahrhundert meh-
rere Auflagen erlebte. Comenius benutzt diese gute Gelegenheit,
an Valentin Andreae zu schreiben, und dies um so mehr, als er
„von der ungeschminkten Frömmigkeit des Andreae tiberzeugt
ist und nur einem müfsigen Ohrenbläser es zuschreiben kann,
wenn Andreae über ihn eine falsche Meinung gewonnen hat."
Ehrfurcht, Liebe und Vertrauen zu Valentin Andreae sind es,
welche die Feder des Comenius führen. Venerabilissime Domine,
vir eminent jssime, quem patris loco pridem jam venerari coepi,
vir optime, vir Dei, vir clarissime, excellentissime vir, o mi Va-
lentine, dilecta deo anima, so redet er ihn an. Er erinnert ihn
an das Jahr 1634, an die traurigen Zeiten nach der Nördlinger
Schlacht, da auch Andreae wie einst Comenius in Fulnek sein
Hab und Gut und seine reiche Bibliothek verlor und auf unweg-
samen Bergeshöhen umherirrte, fortwährend den Feind auf den
Füfsen. Andreae hat selbst seine Leiden beschrieben unter dem
Titel: „Memoria virgae divinae urbi Calvae inflictae** und
„Threni Calvenses". Comenius scheint diese seiner Zeit weit
verbreitete Beschreibung gelesen zu haben. Denn wenn Andreae
beim Rückblick auf das Jahr 1634 sagt: „Ich aber gleichsam
triefend und voll Lebensüberdrufs ans Ufer geworfen, finde, indem
ich der mühevollen Lebensfahrt und der täglichen neuen Ge-
fahren mit Beklommenheit gedenke, nichts, was mich die Fort-
setzung des Lebens einem seligen Tode könnte vorziehen lassen,
als den göttlichen Willen, dem wir alle gehorsam sein müssen," und
1898. I^er Aufenthalt des Comenius in Lüneburg etc. 69
wenn Comenius, der erst drei Jahre zuvor gehört, dafs Andreae
noch lebe und „in altiore specula" auf einer höheren Warte,
nämlich der eines Hofpredigers in Stuttgart, sich befinde, der aber
in der Zeit nach 1634, wie er im Anfang seines Briefes betont,
der Meinung war, dafs Andreae an das sichere Ufer geworfen
und zu Strafsburg gestorben sei, so dafs für Comenius nichts
anderes übrig blieb, als im Gehorsam g^en den göttlichen Willen
Trost zu suchen, — ist nicht die ganze Einleitung des
Briefes, mit dem Comenius die Korrespondenz mit seinem
Valentin wieder aufnimmt, gleichsam ein Echo aus der Brust des
Freundes, der, wenn er dem Andreae gegenüber in unserem Briefe,
wie er auch an anderen Orten gethan hat (siehe Kleinert, Studien
und Kritiken 1878 S. 21 u. 87) die altehrwürdige kirchliche Zucht
der ßrüderkirche als ihr bestes Palladium hochhält und auf die
alle Kraft für den Ausbau des kirchlichen Lebens verzehrenden
dogmatischen Kämpfe der beiden evangelischen Hauptkonfessionen
hinweist, auch in dem Streben für die Aufrechterhaltung kirch-
licher Disziplin und in der Verurteilung der unfruchtbaren dog-
matischen Zänkereien sich eins weiTs?
„Salus nostra Christus", so lautet die Überschrift des Briefes.
Sie ist fiir einen avijQ TtolttgoTtogy wie Comenius war, „qui in
terris neminem adorat Magistrum **, da „unus ille in coelis sufficit
Matth. 28, 9 — 10, qui propriam salutem in timore et tremore ope-
rari satis habet" Philipp 2, 12 keine blofse Formel. Wie Paulus
die Kolosser 8,17 ermahnt: Alles, was ihr thut mit Worten oder
mit Werken, das thut alles in dem Namen des HErrn JEsu, wie
Luther öfter über seine Briefe das kleine Wörtlein „JEsus"
schrieb und Valentin Andreae die Buchstaben C. S. (Christus
Salus) an den Anfang vieler seiner Briefe setzte, so stellt Come-
nius auch diesen Freundschaftsbrief in das Licht dessen, „qui
omnia videt", der ihm zu seiner parrhesia (1 Joh. 3, 21) zur
freudigen Aussprache Kraft und Mut giebt, so dafs er nichts
zum Schein äufsem, noch irgend etwas übergehen kann, ge-
schweige will.
Der Brief hat folgenden Wortlaut:
fealus nostra Uhristus!
V enerabilissime Domine. Intermissum per tot
annos literarium commercium, reassumendi occasionem insperatö
mihi subministravit Divina Providentia.
70 Radlach, Heft 3.
Cum enim post iinmissam Patriae Vestrae horrendam illam
(Anno 1634) tempestatem , ego Te inprimis trepidus cogitarem,
et mox ejectum Te in tutum littus, ibi (Argentorati) ad meliorem
Vitam evocatum, audirem : acquiescendum fuit Divinae Voluntati.
Et qiianquam a triennio jam versari Te adhuc in terra viven-
tium, et constitutum in altiore specula, cognovissem, mihi tarnen
in Sarmatiä constituto nihil adeo, praeterque ut Tua causa Deum
laudarem, et Christum pro Te exorarem, erat reliquum. Nunc
cum salutiferi Homhusani fontis fama plures e nostris quoque
oris evocaret, suader^tque amicorum non nemo sibi mecomitem,
adjunxi me, firmioris quoque valetudinis, quam qua fruor, desi-
derio. Sed superato mari Baltico^ plures habuimus redeuntium
inde, quo nos festinabamus , obvios, sequiora qu&m pro spe
nostra nobis enarrantes : quo factum, ut hac in urbe gradum
steterimus, ad nostra redituri, aerumnäsque Vitae pro divini bene
placiti arbitrio toleraturi. Dum ego hie sum, incido in notitiam
Viri optimi, D. Johannis Sternii, optime de Ecclesia Jesu Christi
studiisque pietatis (una cum dilecto fratre suo) meriti et adhuc
merentis. Inter sermones de selectioribus dei organis ecclesiaeque
luminibus reliquis, incidit Tui quoque mentio: cujus scripta cum
esse mihi in pretio, adeöque aliquod epistolare nobis intercessisse
commercium, ille intellexisset : depromsit tuas ultimas, quae me
et solatio et maerore aflfecerunt: nempe cum vivere quidem, et
vivere Deo, et agere constanter opus Dei ; sed afflicta esse vale-
tudine, ^ thermisque nuper nuUä meliorationis spe rediisse
narrarent, Deum itaque, ut ipse opem ferret, Töqüe melioribus
adhuc servaret rebus, rogavi : atque id suspiriis meis ä miseratore
nostro requirere non desinam. Quam enim spem de Te semel
concepi, meisque jam tum expressi, eam non dimitto, selectum
Te esse organon Dei, et fore evidentius, si refrigerii tempora
reducat Dominus.
Sed veniam dabis, vir eminentissime, quem patris loco
pridem jam venerari coepi, si in sinum Tuum effudero, quid
simul acciderit. Inter versandum manibus Harmonicum Evan-
gelium opus Augustissimi Principis, reperta est Praefatio Tua, in
cujus medio ostendit mihi adstans amicus, de infelici lolio Scho-
lasticae Pansophiae, in Lutheri despectum sato, locum: illudque
de nobis dici voluit, cum de Pansophia ä Petro Laurembergio
edita intelligi non possit. Obstupui ad haec: legi et relegi ipsemet:
nee inveni, aut invenio, quid dicam, aut quomodo verba ista in-
1893. ^^ Aufenthalt des Comenius in Lüneburg etc. 71
telligam. Si de Pansophiola nostra, cujus Prodromum forsan
yidisti, intelligenda illa sunt: miror, nee mirandi iinem invenio^
quomodo Verba illa calamo Tuo alias tarn circumspecto excidere
potuerunty aut quomodo tanta suspicio incidere potuit in animum
tarn Dei amantem, tarn charitatis Christi observantem. Infelix
lolium nasci in agro nunquam adhuc viso quomodo dici potest?
Sed fuerint sane Scholastica illa lolium[: quod sequitur, in Lutheri
despectum, quid sibi vult obsecro? Maledictus sit, qui in de-
flpectum cujusquam e minimis proximis, nedum tanti organi Dei
tentaverit aliquid! Amen. Ego sane in terris neminem adoro
Magistrum : unus ille in coelis mihi sufficit. Nee tarnen propterea
despectui habeo quenquam, in quo vel minimum Christi sit.
Membrum Ecclesiae illius, quae alios condemnare non didieit,
propriam salutem in timore et tremore operari satis habens.
Ecclesiae inquam, quae reformationem suam non ä Luthero aut
Calvine, sed abHusso, centum anteVestram annis coepit; vobis-
cum autem eo tantum non plene coaluit, quia mox ab initio
scindi coepistis, non constituendae disciplinae, vitaeque vere
christianae et mansuetae introducendae, sed Disputationum fer-
vori intenti. Meminisse potes, Vir optime, ab initio statim me
protestatum, sectarium me non esse, Te unä sectas, ut satanae
opus, abominari. Nulli nomen dedi, nuUi bellum indixi;
ingemisco tantum, quod satanae machinationes in distrahendis
nobis plus possunt, quam in coadunandis spiritus Christi. Mise-
reatur nostri Dens, ut ä Vertigine nostra tandem aliquando
liberemur! Ignosce Vir dei parrhesiae meae! ignosce zelo! 8i
de me ista scripsisti, ita de tua sine fuco pietate persuasus sum,
ut non Tibi laesae charitatis culpam tribuere audeam, sed alicui
male feriato susurroni^ qui talia persuasit. Sed utinam absti-
nuisses tamen in publico! Labes haec est seculi nostri, nihil in
spiritu lenitatis cum invicem agere, sed tragic^. At verö utinam
saltem Viri tanti, quantus Tu in oculis Elcclesiae (spero et Dei)
maculam hanc eluere incipiant ! Si quid exorbitasse quis videtur,
monendus est in occulto prius,, mandante Christo : si non audiat,
ne plures quidem salutaria monentes, deferendus est ad Eccle-
siam, priusquam condemnetur. Si ergo privatim me monuisses,
Vir clarissime, qui me tibi velut in discipulum dederam (certe
«nim per Te, gratiä Dei, multum profeceram, ad meliora et
veriora cum videndum, tum desiderandum) osculatus fuissem
candorem Tuum. Nunc, si aliter factum, turbari me non mira-
72 Kadlach, Der Aufenthalt des ComeDios in Lünebnrg etc. Heft 3.
beris quippe cui k nemine, mortalium minus, quam a T6, tale et
tantum praejudicium exspectare venisset in mentem.
O mi Valentine, Vir Dei, utinam me et mea omnia tarn nude
videas, atque videt qui omnia videt! qukm longe alia videres,
quam metuit Tua illa pro veritate colesti (ne quid per ulla clan-
destina machinamenta detrimenti capiat) solicitudo! Videbis
autem, si me et Te aliquo adhuc tempore vivum volet Deus. Te
enim adhuc inter primarios mihi designo censores, si quando
opuscula mea videre debebunt lucem. Te inconscio et inconsulto
nihil (in majoribus) dabitur in publicum: si modo non aspemari
Te coeptam in Christo amicitiam cognovero. Facies ergo ut sit,
unde id certus esse queam ^).
Has meas ad Te curare promisit communis amicus et fautor, D.
Stemius: Tuas ad me, si rescribere, voles, curabit idem. Haec
cum jam inter nos communicandi reperta sit via, si placet Tibi
eä uti. Rogo autem ne displiceat: non qu6d mea adeo intersit,
amicitias ambire (fugio potius conversationes et ut vocant corre-
spondentias, qua datur: nee enim sufficio, rebus intentus: atque
id forsan est, quod quibusdam male suspicandi ansam dedit): sed
ne de nobis triumphet satan, si quos eodem spiritu agi videt,
divellat tamen. Ita tib nudavi animum meum, excellentissime
Vir, ut conceptas ex tam amici ante hacViri, tarn inimico simili
affectu reciperationes meas nud^ videas. Ita me natura iinxit, ita
Spiritus simplicitatis, qui Christi est, roboravit, ut simulare et dissi-
mulare nihil possim, nedum Velim.
Vale dilecta Deo anima et, si simplicitas
mea meretur,
redama
:R
Tae Tuae
constanter
observantissimum
Lunaeburgi, 22. Aug. 1647.
3-0
omenium.
^) Es ist wahracheinlicb, dafs Andreae dieser Bitte entsprochen and die
erbetene Aufklärung in einem Antwortschreiben gegeben hat. Wir bitten
unsere Leser, falls einer derselben Gelegenheit haben sollte, Nachforschungen
über diesen Punkt anzustellen, dies nicht zu unterlassen. Wir sind für
jeden Fingerzeig dankbar. Die Schrift leitung.
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschichte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
Zusammengestellt von
Prof. Dr. J. Kvacsala in Preasburg.
(Fortsetzung.)
ni. In England.
L
46.
Edito Pansophiae Prodromö, pSrque varia Europae Re^na
sparso, cum plerique Eruditorum Operis delineationem approba-
rent, absoivi vero illud ab homine uno desperarent, eoque Col-
legium Eruditorum HOC AGENTIÜM erigi suaderent,
operosus in ea re fuit qui Prodomum in lucem promoverat,
strenuus rerum qua datur sgyadianiTTig, D. S. H. ut quam plurima
excitatiora Ingenia huc alliceret. Factum ergo tandem, ut unum
et alterum nactus me quoque ad se, Anno 1641, magnis obtesta-
tionibus evocaret. In quam profectionem cum consensissent
mei, veni Londinum ipso Autumnalis aequinoctii die: ibique de-
mum me Parlamenti jussu fuisse vocatimi intellexi. Sed quia
Parlamentum, Rege in Scotiam digresso, ad trimestre fuit dimis-
sum, detentus eram ad ibidem hiemandum. amicis apparatum
Pansophicum (quam tenuis ille fuit) lustrantibus. Qua occasione
tractatus nobis sub manu fuit natus hoc titulo.
VIA LUCIS.
Hoc est, Rationabilis disquisitio, quomodo Intellec-
tualis animorum Lux, Sapientia, tandem sub Mundi
vesperam per omnes mentes et gentes feliciter
spargi possit
Nempe ad intelligenda melius illa Oraculi verba Zachariae
14. V. 7. Et erit, ut vespere fiat lux.
Monatshefte der Comenioe-OeeeUschaft. 1898. 6
74 Kvacsala, Heft 3.
Congregatum interim Parlamentum, praesentiaque nostra
cognita^ jassit nos exspectai*e, donec impetrato a negotiis otio^
aliquot e medio sui Viris doctis et sapientibus audiendi nos, fun-
damentaque consilii nostri cognoscendi dari posset commissio.
Communicant etiam in antecessum cogitationes suas de assignando
nobis coUegio aliquo cum reditibus, unde aliquot Viri docti ac
industrii, undecunque Gentium evocati, sustentari honeste possent :
sive in perpetuum. Sed et nominabatur Londini Sabaudeum;
extra Londinum vero Winthoniense; rursumque propius ürbem
Chelseum, cuius et redituum Inventaria nobis communicata fuere :
ut nihil certius videretur, quam processurum Magni Veru-
lamii^ de aperiendo ubiubi Gentium Universali
Collegio, de Scientiarum Augmentis unicä solicito,
consilium.
Op. Did. IL (De Novis . . . Occasionibus, p. 1).
47.
Londino 8./18. Octobr. Anno 1G41.
Primam navigationem non ex voto suecessisse, meque
ab ipsis Norwegiae littoribus per totum Baltieum mare^ mil-
liaribus prope centum, procellarum vi retractum fuisse, credo te
iam ante cognovisse. Cum verö Amicorum Gedanensiuin
(post communicatas et intime perpensas in utramque partem ra-
tiones) consiliis, propriaeque conscientiae stimulis adactus, denuö
me mari, et maris dominatori, seu deferendum quo vellet, seu mer-
gendum abysso, si ita liberet, credidissem, factum est, ut paucos
intra dies Insulae hujus portum attigerim, sospesque amicos
sospites, DEI benignitate repererim, Hartlibium, Duraeum,
Habnerum, Pelleum et Haakium. Cum quibus quanquam
pactum iniveram, ut meam praesentiam ne prooerent, solis nobis
ut vacare possemus, dies aliquot saltem : frustrii tamen id precau-
tum ibamus: quia res statim dimanavit ad plures, mihique et
salutatores admittendi et salutandos adeundi necessitas incubuit.
Vivo itaque jam hie, ut notus inter notos; quanquam (nee te
celem, ut sit, quod rideas) pauciores me salutant quam salutarent,
si aut me Anglich loqui posse crederent, aut suae latinitati
magis fiderent, aut denique me minus aestimarent. Sed dum me
nescio quem sublimem Philosoph um aut Oratorem sibi
fingunt conspectumque subire verentur, isto complurium errore,
aliorum verö interea absentia mihi cum amicis intimis saepiüs
conveniendi, consiliaque (ut interim datur) conferendi, otium non
deest. De redeundo ante hyemem omnis mihi spes praecisa est.
Quid interim autem hie, exacto propemodum jam mense
videre, audire, cognoscere, contigerit, strictim referam, publica
primum, postea quaedam nostra.
Angulus hie mundi multa habet prae aliis terris singularia
et admiranda. Me maximö afficiunt ea, quae gloriam Dfil,
florentemque Ecclesiae et Scholarum statum (aut jam praesentem
aut uti se omnia dant, certo futurum) concernunt. Speciatim si
1893. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 75
quaedam retulero, scio tibi (et amicis Dei) non ingi*atum
mturum. Haec sunto.
1. In freqventandis sacris, Diebus Dominicis, incredi-
bilis fervor. Centum et viginti templa parochialia
habet haec Urbs: in quibus omnibus Auditorum tantus est con-
cursus (san^ de Ulis, quae oculis vidi, rem compertam loquor) ut
locus non capiat.
2. Et pierique omnes (dicerem sine exceptione omnes, sed
vidi paucos quosdam excipiendos) Biblicum afferunt co-
dicem, Berrhoensium exemplo, omnia Evangelizantium
conferentes, cum Scriptura, nempe si quid majoris momenti
obveniat. Quare et Textum praelecturus Concionator bis in-
dieat librum, caput, versiculum; demumque cum omnes
invenerint legere pergit! Quod si brevior fuerit (saep^ enim
unicum versum sioi Concionator sumit) bis etiam relegitur.
Similiter si quid valde emphaticum, aut memorabile in media
concione occurrit, et inquirere quosdam videt Concionator,
subsistit paululum, dum inveniant: tum ostendere ad oculum, quod
instituit mysterium, aut loci alicujus ad praxin usum, pergit.
Ita Ministri Ecciesiarum non nisi elaboratissimas habere conciones
et Auditores valde attenti esse consuescunt.
3. luvenum et Virorum bona pars conciones calamo
excipiunt et quidem verbo tenus. Inventa enim hie est ante
annos 30. (sub Jacobo) et jam etiam inter Rusticos invaluit,
Tachygraphiae ars, quam illi Steganographiam vocant,
qua (non literarum sed characterum, voces integras significantium
beneiicio) lingvae celeritatem manu imitantur. Discunt autem illam
in urbibus propemodum omnes, simul atque vulgatam Scripturam
in schola didicerint, annum circiter addentes ad Steganogra-
phiam addiscendam.
4. A concionibus, pierique Patres familias cum suis
domesticis domi concionem habitam repetunt: quandoque duae
vel tres familiae in unum congressae.
5. Librorum in suä lingvä de omnibus argumentis ingentem
habent copiam: ut dubitem uUam gentem illis paria fa-
ce r e , praesertim si Theologicos respiciamus libros. rion plures
profecto nundinarum tempore Prancofurti patent officinae libra-
riae, quam hie quo tidie. Etiam Verulamij opera nuper Anglice
prodiere De scientiarum augmentis.
6. Verbi divini sitis adeo hic accenditur (nedum ut satietas
capiat aut fastidium) ut permulti ex Illustrium ordine Ci-
vesque et Matronae ipsae, quo e fontibus ipsis dulciüs et
tutiüs aquas vitae hauriant, Graecae et Hebraicae lingvae
dent opera m. Ne putes autem hujus rei exemplum exstare
duntaxat unum et alterum: multa sunt, indiesque latius sacra
haec contagio serpit.
7. Biblicum textum in lingvä suä, ut habeant quam accura-
tissimum fontibusque per omnia respondentem, et notis brevis-
6*
76 Kvacsala, Heft 3.
simis ad marginem illustratum, in eo nunc Viri aliquot selecti
et Parlament! autoritate, ad id designati, elaborant. Ubi
tarnen humani aliquid prudentiam politicam pati animadvertitur.
Terminum illis perbrevem mensium aliquot tantum ad rem tantam
conficiendam praefixerunt. Sed sperem prorogatum iri.
8. De retbrmandis in toto regno Scholis, consilia fervidÄ
agitant eodem fine, quo et nostra pridem desideria tendere non
ignoras. Nemp^ ut omnis Juventus informari, nuUa negligi possit
informatioque ipsa sie fiat: Ut Christianismi fundamenta
profundiüs solidiüsque in tenellis animis ponantur: quo ministerii
Ecclesiastici efHcacia ma]or posthac appareat.
9. Peculiarem item Scholam illustrem moliuntur (de
loco nondum convenit L o n d i n i , an extra) pro N o b i 1 i j u -
ventute seorsum ä plebeorum misturä instituendä.
10. Informatorium ad parentes de providä primae infantiae
curä et sapienti ad uberiorem eulturam praeparatione ex n)stro
Informatorio (von der Mutter Schul) antequam huc venissem,
jam paratum fuit: sed ad praelum nondum datum melioribus aut
cert^ plenioribus cogitationibus ansam dabit
11. Vir DoctissimusN. Harisson obtulit Parlamento
novam quandam inventionem suam, eamque miram, autores
omnes, quotquot alicujus pretij extant uUa in lingua, in unum
redigendi Inuicem, cujus beneficio, de quäcunque re incidat
necessitas, cujuscunque Mortalium (qui modo cogitationes suas
mundo communicärunt) cognosci sententia, et promt^ reperiri
possit. Delecti fuerunt k Parlamento Commissarii Viri
rerum gnari, qui plenius negotium hoc cognoscerent. Cumque
retulissent rem hanc bonis niti fundamentis, foreque inprimis
utilem, ad concinnandum Pansophicum opus (ita id express^
actum accepi) decretum est hoc opus adornandum permitti. Sed
soluto (ad 5ö usque Octob.) Ordinum conventu specialius nihil-
dum eä in re actum est. Ego ipsum con venire Harissonum,
remque plenius coräm cognoscere aveo, sed abesse cognovi ab
Urbe. Ubi rediisse audivero, convenire non intermittam. Audio
ipsum Autorum eviscerandorum catalog um jam habere,
quorum numerus ad sexaginta millia, (audita nunc refero,
nondum comperta) ascendit. Amici fore putant, ut ex utraque
Academiä btudiosi aliquammulti deligantur, qui distributos
inter se Autores Harissoni sub directione sie resolvant
12. Adest quoque nobis Vir in Orientalibus lingvis ad mira-
culum versatus, Germanus natione, qui annis superioribus h
Turciä et Tartariä redux, cum Judaeis illorum locorum hactenus
literario utitur commercio. Quicum sint Carraei k nostris
Pharisaicae sectae Judaeis plusquam ipsi Christiani, aut ulli
Oentiles odio habentur, eo quod Talmudum non recipiant.
Uli ab annis aliquammultis , refutationem Talmudi paratam
habentes, ut et notas quasdam pulchras super totam Scripturam,
adhuc scribunt ad hunc nostrum orantes et obsecrantes, ut sibi
1893. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 77
coiisilio non deesse velit: ubinam gentium ista imprimi possint:
Quandoquidem Pharisaei, ne id in Italia, Germania,
Polonia, fiat, summopere cavent. Res haec innotuit jam de-
putatis hic ^ Parlamento: qui adomare eum scriptum, quo
res haec Parlamento toti proponi possit, jusserunt. Speramus
fore, ut propter spem conversionis Judaeorum, ea quoque ratione
promovenda, negotium hoc promotionem inveniat.
Ita vides, Ordines Regni hujus negotia sua politica in con-
ventu hoc suo tam prolixo sie tractare, ut simul Pomoeriorum
Regni CHRISTI ampliandorum cura eosdem non destituat. DEUS
Ssis gratiä suä adsit, ne quid noxi^ k salutari scopo aberrent
lä in re. Sed hic trepiaare nonnullos anxiosque expectare
eventum, ex Ulis, quae adjiciam, agnosces.
13. Episcopale negotium multum facescit omnibus hic ne-
gotii: dimiquidamin suä dignitate integrä relinqui: alii in to-
tum removeri, nomen et rem; alii retinere nomen et offi-
cium pastorale, abscindi pompam mundanam, et reditus
tantos, et provenientem inde luxum et negotiorum politicorum tracta-
tionem, volunt. Maxima tarnen pars Procerum, Populus autem
fere universus, abolitionem universalem urgent. Tam exosos se, et
totum hunc Ordinem, vario dignitatis suae abusu, et super con-
scientias dominio, et contra publicam libertatem, (pro suä tantum
asserendä praeminentiä, ut ajunt) molitionibus redaiderunt. Ipse
noster Lincolniensis (inter Spiscopos Doctissimus, Poli-
tissimus et Politicissimus ab Arcni - Episcopo ante triennium
Episcopatu suo exutus et in Carcerem compactus, ä parla-
mento tamen anno superiore liberatus) mal^ eo nomine audire
incipit, suntque, qui illi male ominentur: non solüm scilicet de-
graaationem, unä cum caeteris, sed et novos forsan carceres.
Deprehensa enim sunt occulta quaedam, partim et aperta satis
contra Parlamentum molimina. Ego tamen meliora, et opto
Viro optimo et spero. Cum me nuper ad prandium et collo-
quium cum D. Duraeo et Hartlibio invitässet, nihil adeö
nisi modeste de illis rebus discurrentem audire fuit. Dixit
tantum nescire se, vivis an mortuis annumerandus nunc esset cum
Fratribus: Si mitiüs res caderent, nonnullam nobis et nostris
promotionem promittens. Hoc addendum etiam, Volitare hic et
quotidi^ ferme novos prodire de reformandä ecclesiä et amovendis
Episcopis Tractatus, tkm sacris qu&m politicis rationibus con-
stantes. Etiam unus est repertus, qui de causis irae divinae,
quae peste quoque certis locis immissa (etiam in Urbe hac cir-
citer aucentos hebdomatim sepeliunt; suburbia eniin infecta sunt
et quaedam in urbe plateae; ubi domus quidem infectae occlu-
duntur, necessaria tamen omnibus subministrantur) esse exserit,
disserens, inter alia Populi etMagnatum peccata hoc recenset,
avod abominationem illam in loco sacro, Episcopos seculariter
ominantes, gregem Domini dissipantes potiüs, qvam pascentes,
memorat, mmtumque äuget.
78 Kvacßala, Heft 3.
14. Archi-Episcopus Laudus carcere adhuc detinetur,
nuUäliberationis spe. Interim enim dum Parlamentum solutum
fuit, Commissarii ordinati sunt, qui in ejus acta melius etiam in-
quirant, querelasque et gravamina varia (quibus Parlamentum
vacare non poterat audiendis) cognoscant. Quod factum. Ajunt-
que obvenire talia, ut de salute ejus desperent.
15. Decretum Parlämenti ante dimissionem factum de
amoliendis e templo per Archiepiscopum introductis cere-
moniis, altaribus, crucibus, etc. jam fere ubique bis diebus ex-
secutioni mandatum est. In quodam hie Londini templo
fenestra fuit, in cujus religiosam et admodum artificiosam pic-
turam impensa fiiisse ajunt 4000 librarum h. e. 16000 Impe-
rial. Eas integr^ solvere promittebat Regis Hispaniae Le-
gatus hie residens; si habere fenestram eam integre posset.
Sed nescio quis super abundans populi Zelus, sprevit ob latam
{»ecuniam, fenestramque illam confregit, ex idolomanicis rebus
ucrum non esse captandum autumans.
Haec
Dn. Comenius ex Anglia:
ubi nunc vivit, ad Amicos Lesnae
in Polonia agentes.
Druckschrift der Leipziger Univ.-Bibl.
IV. In Schweden und Elbing.
IL
48.
Verumenimvero interveniens de Hibernia tumultuante, tru-
cidatisque nocte una plusquam ducenis Anglorum millibus,
rumor, subitaneusque Regis Londino discessus, et exarsuri iamiam
cruenti Belli plena indicia, consilia haec disturbaverunt, meque
ad meos reditum festinare coögerunt. Accidit tamen ut e Svecia
in Poloniam, et hinc in Angliam, ad me missae venirent literae:
quibus Magnanimus et Strenuus Vir, D. Ludovicus de Geer, me
ad se in Sveciam invitans, studia mea (et si quos mihi associare
vellem Vires doctos, unum et alterum) fovendi offerebat prompti-
tudinem. Consilio itaque cum amicis communicato abii : sed illis,
ut ad nihil praeterquam Pansophica me adhiberi paterer, obte-
stantibus.
Delatus in Sveciam (in Augusto Anni 1642) reperi novum
Maecenatem domi suae Nortcopingae : a quo benigne acceptus,
post dierum aliquot deliberationes Stokholmiam, ad lUustriss.
Regni Cancellarium, D. D. Oxenstiernium ; itemque Academiae Upsa-
liensis Cancellarium, J. U. D. Johannem Skyte, missus fui. Qui
me Quadriduanis exercuerunt colloquiis : maxime autem prior ille,
Aquilonaris Aquila, tam acriter in utriusque propositi (Didactici
et Pansophici) funaamenta inquirens, qualiter a nemine Erudi-
Ig93. Z^^ Lebensgeschichte des Comenius. 79
torum adhuc erat factum. Primo biduo Didactica examinabat,
tali tandem conclusione : Animadverti ego ab ineunte
aetate, violentum quiddam esse usitatam studiorum
Methodum: sed ubi res haereat, deprehendere non
poteram. Missus tandem a Rege meo, gloriosae me-
moriae, in Germaniam Legatus, variis cum doctis
Viris ea de re contuli. Cumque mihi Wolfgangum
Ratichium Methodi emendationem moliri esset rela-
tum, non erat animo meo quies, donec Viri prae-
sentia potirer: sed qui colloquii loco Volumen
mihi grande, in quarto, legendum obtulit Devoravi
ego illam molestiam: pervolutatöque to t6 Libro,
vidi eum Scholarum morbos non male detegere, re-
media tamen quae afferebat non sufficere vide-
bantur. Tua lirmioribus nituntur fundamentis:
perge etc.
Respondi^ Fecisse me in bis quod potui, ad alia iam esse
transeundum. Ille, Scio te maiora moliri: legi enim
Prodromum Pansophiae tuae. De quo cras agemus^
nunc publica me avocant
Postridie conatus Pansophicos, sed maiori severitate, exami-
natürüs ouaestionem praemisit, Potesne contradicentem
ferre? Possum, respondi: et ideo Prodromus ille (non
uidem a me sed ao amicis) praemissus fuit, ut iu-
icia et censuras experiri liceret. Quas si alias
undecunque admittimus, quidni a Viris adultae
sapientiae, et heroico judicio? Coepit ergo contra me-
lioris rerum Status, ex recte instituto Pansophiae studio conceptam
spem, dissertare: tum Politicas primum profundae considerationis
ODÜciens rationes ; deinde vero Scripturarum divinarum testimonia,
quae sub Mundi finem tenebras potius, et deteriora quaeque,
quam lucem et emendatum rerum statum, praenuntiare videntur.
Ad quae omnia data sie excepit responsa, ut bis concluderet
verbis: Nemini adhuc talia venisse puto in mentem.
Insiste his fundamentis: aut sie veniemus aliquando
in consensum, aut nihil superesse patebitviae. Con-
silium tamen meum est (addebat) ut Scholis prius grati-
ficari, Latinae linguaestudiaad majorem facilitatem
deducere, eoquemaioribusillis tanto explanatiorem
viam parare, pergas. Quod idem D. Cancellarius Aca-
demiae urgere non destitit: sicut et hoc, ut si cum familia
migrare nollem in Sveciam, propius tamen me admoverem, in
Borussiam concedendo, nominatim Elbingam. Quo utroque con-
silio cum Maecenas mens (ad quemNortcopingam fui reversus) ac-
quiescendum putaret, seriöque ne quid secus fieret, seu loci,
seu pensi primum absolvendi respectu, oraret, recepi tandem;
spe, intra unum et alterum annum tricarum fore finem.
Sed haec mea Svecis gratificandi facilitas Anglicanis amicis
3
80 Kvacsala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. Heft 3.
vehementer displicuit, retrahereque me conati sunt prolixä, ratio-
num praegnantissimä, epistolä: Specimen in Didagticis
datum esse sufficiens, plenius omnia rectificandi
patere iam satis viam: nondum in realibus. lila
rosse alios agere, exsurgereque iam passim aemu-
atione mutuä ad industriam sese provocantes Di-
dacticos: Pansophiae vero nequidem fundamenta
satis adhuc esse deteeta. Infinitoque plus utilitatis
in publicum ab explanatis sapientiae verae viis
redundaturum, quam a literulis Latinis: et quae prae-
terea. Addebat S. H. Quo moriture ruis? minoraque
viribus audes? Poätico hoc solaecismo inconsiderantiam mihi
exprobrans. Gavisus ego hac regiam in viam revocatione, com-
municavi epistolam hanc in Sveciam: sp^oue indubiä, rationibus
his accessuros, Pansophicis me totum readidi. Sive continüa-
turusy sive saltem (si me Scholasticis immorari vellent, et fort^
immori contingeret) ut Pansophiae fundamenta (quae nondum
satis deteeta querelas audivi) melius eruta exstarent, ignora-
rique amplius non possent. Venit autem h Svecia responsum:
qu6 in proposito Didactica prius absolvendi persistere jussus
sum: Potiora auidem potius, priora tamen prius,
agi oportere. Non per maiora iri ad minora, sed
contra etc. Parendum itaque fuit, et invito mihi in logo-
machiarum luto haerendum, octennio integre: postquam tamen
prius deteeta melius Pansophiae fundamenta (sub titulo Pan-
sophiae Diatyposis, Ichnographica et Orthogra-
phica) typis Dantiscanis luci exposui. Anno 1643: quae mox
Amsterodami et Parisiis recusa fu^re. —
Op. Did. IL De Novis Occasionibus p. 1.—^.
(Fortsetzung folgt.)
Litteraturbericht.
Hartmann, Gustav, Leibniz als Jurist und Rechtsphilosoph.
Tübingen 1892. H. Laupp. 8®. 1 Bl. und 121 S. Preis
2 Mk. — Inhalt: L Einleitung (8. 3—6). II. Früheste
juristische Jngendschriften (S. 6 — 16). DI. Die nova methodus
discendae docendaeque jurisprudentiae (S. 16 — 31). IV. Leib-
nizens legislative Projekte (S. 31 — 44). V. Vielseitigkeit der
späteren rechtswissenschaftlichen Einzelschriften von Leibniz
(8. 44 — 64). VI. Die Prinzipien des Rechts bei Leibniz (8. 64
— 105). Vn. Einflufs der Leibnizischen Jurisprudenz auf seine
Philosophie (8. 105--121).
In der vorliegenden 8chrift, dem 8onderabdruck aus der Fest-
gabe der Tübinger Juristenfakultät zum 50jährigen Doktorjubiläum
Rudolf V. Jherings, entwirft der hochverehrte Herr Verfasser
ein meisterhaftes Bild der glänzenden Thätigkeit Leibnizens auf
dem Felde der positiven und philosophischen Rechts- und 8taats-
lehre. Nur ein Kenner des in den vielbändigen Sammlungen von
Dutens^Erdmann^FoucherdeCareil, Gerhardt, Klopp
n. A. enthaltenen Quellenmaterials und der beträchtlichen ein-
schlägigen Litteratur, etwa von Guhrauers vortrefflicher Lebens-
beschreibung au (1846) bis auf die Arbeiten zeitgenössischer Ge-
lehrter, ist befähigt, die Gediegenheit und Gründlichkeit der Ab-
handlung Hartmanns in vollem Umfange zu würdigen. Frische
und kernige Dunstellung, edle Sprache, selbständige und zugleich
gesunde Auffassung, wohlerwogenes Urteil, Verbindung der speku-
lativen und empirischen Betrachtungsweise, scharfsinnige und licht-
volle Analyse gerade der schwierigsten und verwickeltaten Probleme,
feiner. Takt und pietätsvoller Sinn zeichnen das Buch in ungewöhn-
lichem Grade aus und sichern ihm seine Bedeutung auf Jahre
hinaus.
Bildet somit Hartmanns Studie den Schlufsstein der bis-
herigen und den Ausgangspunkt für jede weitere Untersuchung auf
dem fraglichen Gebiete, so darf dieselbe einen noch höheren Wert
in anderer Richtung beanspruchen : das Werk verdient als beredtes
82 Litteraturbericht. , Heft 3.
Zeugnis eines mutigen Kämpfers gegen den „fanatischen Historismus
und Positivismus" unserer Tage den Ehrennamen einer wissen-
schaftlichen That!
Schon vor 65 Jahren schrieb Sylvester Jordan in seinen
„Versuchen über allgemeines Staatsrecht" : „Die Geschichte würde
ohne Philosophie zur geistlosen Masse, und die Philosophie ohne
Geschichte zur praktisch unbrauchbaren Schwärmerin." Vgl. Mol-
lat, Lesebuch. Ergänzungsheft. 1893. S. 12.
Kassel. Georg Mo Hat,
J. Loserth, Der Anabaptismus in Tirol von seinen Anfängen bis
zu seinem Erlöschen. Aus den hinterlassenen Papieren des
Hofrates Dr. Jos. Ritter von Beck. Archiv f. öst. Gesch. Bd.
78, S. 427 ff., u, Bd. 79, S. 127 ff.
Als Land der Glaubenseinheit wird Tirol vielfach gepriesen.
Wer etwa vermeint, dafs dieser religiöse Zustand aus sich selbst
friedlich sich entwickelte, und dafs liebevolle Hut die Seelen im
alten Glauben bis auf unsere Tage erhielt, ist im gewaltigen L-r-
tum befangen. Ströme von Blut sind dahingeflossen und der Rauch
der Brandstätten hat das ganze Land überschattet. Tausende von
Menschen haben ihre Heimstätte und ihre Habe verloren und ob-
dachlos ins Elend hinauswandeni müssen. In gewissenhafter histo-
rischer Forschung entrollt uns der Verfasser auf dem Boden ehrlicher
archivalischer Arbeit ein Bild davon in gesättigten Farben.
Gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des sechzehnten Jahr-
hunderts gewinnt die Lehre Luthers in Tirol Eingang und Ver-
breitung. Die Stimme des gewaltigen Mannes fand erst damals
Wiederhall in den Felswänden des schönen Berglandes. Durch
Wanderlehrer und Sendboten haben wir uns den Einzug der
Lehre des neuen Evangeliums zu denken. Als einer der ersten
tritt ein gewisser Konrad von Schwaben uns in Tirol ent-
gegen. Er zieht 1520 bis 1521 in den Gegenden von Meran,
Brixen und Sterzing umher. In ähnlicher Weise wirkte im Inn-
thale Dr. Jacob Straufs zuerst in der Bergstadt Schwarz, später in
Hall. Auf Drängen des Bischofs von Brixen wird er von der Re-
gierung in Innsbruck ausgewiesen und zieht nach Sachsen. In die
Lücke tritt Dr. Urban Rhegius. Er ist ein Eiferer gegen Ablafs-
handel, Courtisanenwirtschaft, gegen die lateinische Sprache und den
Pomp in der Kirche, gegen den Marienkult u. s. w. Auch er wird
bald gezwungen, dem Lande Tirol den Rücken zu kehren.
In Innichen verbreitet der dortige Chorherr Messerschmidt luthe-
! rische Traktate, wofür er nach Brixen in Haft kam.
] Überall ist offenkundige Hinneigung zu Neuerungen zu be-
merken, so im Zillerthal, zu Brixen, Bruneck, Taufers, Kufstein,
Kitzbüchel, Sterzing, Meran u. a. 0. — Die Regierung läfst ein-
schreiten mit Bezug auf das Edikt von Worms und die Nürnberger
Reichstagabschiede von 1523 und 1524. Zu Ende des folgenden Jahres
ii
1893. Litteraturbericht. 83
aber hatte Erzherzog Ferdinand zu klagen, dafs die ^lutherische
Sekte" von Tag zu Tag in Tirol mehr um sich greife. Mit der
fortschreitenden Befriedung des Landes nach dem Bauernkrieg wur-
den die Zuzüge fremder Prädikanten immer seltener. Die neue
Lehre, auf enge Kreise beschränkt, verlor ihren Halt im Lande und
zählte allmählich nur noch in den gröfseren Städten, in einzelnen
Edelhöfen und Schmelzhütten heimliche Anhänger. Offen trat sie
nirgends auf. An ihre Stelle trat leise und allmählich der sog.
Anabaptismus. Die ersten AnfUnge desselben fallen in das Jahr
1527; er scheint aus der Schweiz eingedrungen zu sein und machte
seinen Weg im Innthale. Mit den Evangelischen auf gemeinsamem
Boden stehend, kämpften dessen Anhänger gegen die leichte Sittenlehre.
Sie duldeten kein Laster; gegen ihre Feinde haben sie nur Worte
des Friedens. Mit den im Mai und August 1527 erflossenen Man-
daten meinte die Regierung die Bewegung einzudämmen. Im nächsten
Jahre erfolgt die erste Hinrichtung. Niemand durfte die Täufer „hausen,
herbergen, atzen oder tränken^. Ihre Versammlungsstätten wurden
niedergebrannt. Von da an fHngt der Zug nach Mähren an, um
sich wieder rückzustauen, wieder zu ergiefsen und so fort. Stetige
Flutungen sind bis zum Erlöschen der Täuferei von einem in
das andere Land wahrnehmbar. So grofse Strenge * auch das „Regi-
ment" in Innsbruck walten liefs, so breitet sich doch die neue Lehre
südlich und nördlich des Brenners im Lande aus. Sterzing, Hall
und Kitzbüchel sind die Mittelpunkte. Mit grofsem Nachdruck be-
trieb man ihre Bekämpfung, denn ihre Anhänger sah die Regierung
nicht allein als Ketzer, sondern auch als Rebellen und Aufrührer
gegen die staatliche Ordnung an. Mit dem Jahre 1529 sah man
das Blut der „Märtyrer" allenthalben fliefsen und die Scheiterhaufen
gegen den Himmel lohen. Es war keines Bleibens mehr im Lande. Der
gröfste Teil zog nach Mähren (Austerlitz), ein Teil nach Südtirol
(Trient) und ins Venetianische. Mit gröfster Strenge folgt man allen
Spuren; nicht allein „das Volk", sondern auch Leute höherer socialer
Stellung fühlen ihren Druck. Güterbeschlagnahmen sind an der
Tagesordnung. Missionspredigten werden allenthalben veranstaltet,
Beichtzwang wird strenge gehandhabt 1530 kann die Regierung an
König Ferdinand mit Genugthuung berichten: „Mer ob 700 Manns
und Weibspersonen sind in dieser Grafschaft Tirol an mer orten zu
Tod gericht, theils des Landes verwisen und noch mehr in das Elend
flüchtig worden, die ire gueter, eines teils auch ihre Kinder waislos
verlassen."
Aber trotz alledem glimmt es fort im Etsch- und Eisackland,
auch im Pusterthale lassen sich die Täufer wahrnehmen. 1532 wird
eine streifende Rotte von 400 Mann aufgestellt, die im ganzen Lande
alle verdächtigen Leute aufzuheben hat.
Das traurigste Kapitel bildet in der Geschichte der Täufer-
bewegung der Münsterische Aufstand und sind die Folgen des Vor-
gehens jener Schwärmer und Unholde entsetzlich. Er gab allen den
84
Litteraturbericht.
Heft 3.
Täufern feindlich gesinnten Mächten die schneidigste Waffe in die
Hand. An allen Orten erklärte man: es w^e nun deutlich ge-
sehen, wie das fromme, heilige Wesen der Täufer nichts sei als
Scheinheiligkeit, ihre Furcht vor dem Schwert nur eitle Spiegel-
fechterei.
1536 gelang es der Kegierung, eines hervorragenden Täufers
Namens Jacob Hutter, habhaft zu werden; er wird zu Innsbruck,
nachdem er alle Grade der Tortur überstanden hatte, durch das
Schwert hingerichtet. Nach dessen Tode übernimmt Onophrius
Griesinger, den man aus Mähren herbeigerufen hatte, die führende
Bolle. 1538 rollt sein Kopf in den Sand. Zwischen 1548—62
steht Hans Mändl an der Spitze der Bewegung, nach diesem Hans
Kräl. Endlich nach vielen vergeblichen Versuchen gelingt es der
Kegierung im Anfange des 17. Jahrhunderts, der Täuferei Herr zu
werden. Im Jahre 1604 wurde von Brixen aus eine letzte scharfe
Untersuchung einzelner in Keligionssachen verdächtiger Personen
angeordnet.
Die nächsten Jahre bieten nur wenige Materialien, die über das
Vorkommen und die Verbreitung der Wiedertäufer in Tirol Auskunft
geben. Grofs wird diese Verbreitung in keinem Falle mehr gewesen
sein. Wie es scheint, war nahezu alles, was mit dem Täufertum
noch irgendwie in Zusammenhang stand, hinweggezogen.
The od. ünger.
Zur neuesten Comenius-Litteratur.
Man begegnet wohl der Meinung, es sei das Comenius-Jubiläum
nur künstlich durch den Eifer weniger Comenius-Schwärmer ins Werk
gesetzt worden; der Gefeierte sei mit seinen Gedanken und Bestre-
bungen von unserer Zeit längst überholt und vermOge sie nichts
mehr zu lehren. Die so denken, sollten einmal die lange Reihe
von Schriften überblicken, welche über C. aus Anlafs der Jubelfeier
erschienen sind ; das Verzeichnis derselben fllllt ganze Seiten dieser
Hefte. Sie sollten, was noch besser wäre, beliebige dieser Schriften
lesen, in allen würden sie den Gredanken wiederfinden, da(s die
Menschen unserer Tage nichts Besseres thun könnten, als sich die
Gesinnung aneignen, welche den C. beseelte, und dafs viele seiner
Lehren noch heute höchst beachtenswert seien.
Ich greife aus der grofsen Zahl der Bücher ein kleines Schrift-
chen heraus von einem württembergischen Pfarrer, Lic. theol. F r i e d r.
Hummel, der ein anziehendes Lebensbild des G. entwirft
(Verlag von Hugo Klein in Barmen, 32 Seiten). Er bekennt
gleich im Vorwort, welcher innige Wunsch ihm die Feder in die
Hand gedrückt hat: „Die edlen Züge der altehrwürdigen Leidens-
gestalt dürfen uns nicht verlöschen ; sie müssen deutlich hervor-
I
1893. Litteraturbericht. 85
treten, damit auch heute alle Bekenntnisse und alle Stände erkennen,
woher Feindschaft und Streit kommen und in welcher Tiefe sie tiber-
wunden werden sollen.**
Ich nehme ein anderes Lebensbild, gleich jenem eine Volks-
schrift, aber ausftihrlicher (65 S.), von anmutiger, leichter Darstel-
lung, • verfafst von Rudolf Stähelin (Basel, Verlag von R. Reich,
1893). Wie urteilt er über die pädagogischen Forderungen und
Grundsätze des C? „Sie waren für das Schulwesen jener Zeit der
Anbruch eines neuen Tages, dessen Licht auch für unsere Gegen-
wart noch nicht erloschen, vielleicht gerade mit seinen besten Strahlen
noch nicht einmal zum Durchbruch gekommen ist** (8. 35). Von
höchster Bedeutung aber für unsere Zeit scheint ihm dies, dafs sich
um das Andenken des C. zu friedlichem Gedankenaustausch eine
Gemeinde sammelt, an der die verschiedensten Geister und Rich-
tungen, die Männer der Aufklärung, wie die Herrnhuter, die Slawen
wie die Deutschen, Recht und Anteil zu haben sich bewufst sind
(vergl. S. 65).
£ine mehr für gelehrte Kreise bestimmte Arbeit ist die von
F. Grund ig, Rektor der Mittelschule in Erfurt: Joh. Amos
Comenius nach seinem Leben und Wirken, eine Jubi-
läumsgabe zu seiner 300jähr. Geburtstagsfeier (Gotha, C. F. Thie-
mann, 1892, 90 S.). Der Verfasser vertieft sich gründlich in die
Gedanken des C, giebt kurze, klare Übersichten über den Inhalt
seiner bedeutenderen Werke, erörtert im Anschlufs daran päda-
gogische Zeit- und Fnndamentalfragen und kommt zu dem Schlufs,
dafs ein allgemeineres Zurückgehen auf die wohlbegründeten An-
schauungen des C. für eine einheitliche Entwickelung unserer Päda-
gogik nur von Segen sein könnte, da die pädagogischen Haupt^agen
der Gegenwart bei ihm bereits mehr oder minder eingehende Be-
achtung gefunden haben.**
Denselben Gedanken findet man in knapper Darstellung aus-
geführt in einem Aufsatz der englischen Monatsschrift Education
(Dezember 1892), herausgegeben von Frank H. Kasson und Frank
H. Palmer, Boston, 50 Bromfield Street, London: Edward Arnold,
18 Warwick Square, Paternoster Row. Der Verfasser, Will. S.
Monroe, zeigt an der Hand der Didactica Magna, der Janua, des
Orbis Pictus und der Schola Infantiae, dafs C. der Evangelist der
modernen Pädagogik genannt zu werden verdient. Der Aufsatz ist
auch im Sonderabdruck erschienen : Comenius, The Evangelist
of Modern Pedagogy.
Ich nehme eine andere Abhandlung: „Das pädagogische
System des Comenius** von R Rifsmann, Rektor in Berlin,
8. Heft im 5. Bande der Sammlung pädagogischer Vorträge, hrsg. von
Wilh. Meyer- Markau, Bielefeld, Verlag von A. Helmichs Buchhandlung.
Der Verfasser entwickelt aus der Didactica Magna das pädagogische
System des C, er unterwirft es einer scharfen Kritik, aber er mufs
anerkennen, dafs die Didactica Magna in den meisten ihrer Einzel-
heiten selbst heute noch keineswegs als überlebt angesehen werden
86 Litteraturbericht. Heft 3.
darP , „dafs sieb zu beinabe allen pädagogischen Streitfragen un-
serer Zeit, bis auf die modernsten, aus ihr Belfige heranziehen
lassen. ** Doch scheint mir seine Kritik unserem C. manchmal Un-
recht zu thun. So behauptet er (S. 25), dafs C. die Sittlichkeit im
wesentlichen als etwas mehr Äufserliches auffasse, als das Vermögen,
wie er selbst schreibe, klüglich Bewegungen und Handli\ngen,
äufsere und innere, eigne und fremde zu lenken. Wenn auch die
inneren Bewegungen zu ihr gehören, wie kann sie eine äufserliche
sein? Er tadelt „den Utilitarismus des Comenianischen Bildungs-
prinzips** (S. 30). Allein eine Prüfung aller einschlägigen Stellen
dürfte dem Verfasser ergeben, dafs das Comenianische Nützlichkeits-
prinzip durchaus ethischer Art ist. Nur was dazu nützt, den
Menschen weise, für das Leben weise und tugendhaft und fromm
zu machen, soll in den Unterrichtsstoff aufgenommen werden. Sein
Nützlichkeitsprinzip liegt in dem Lebensideal, dem C. selbst in den
schwersten Anfechtungen treu geblieben ist, in dem Lebensideal, das
noch heute so viele Herzen für ihn entzündet. Die Comeniusfeier
war nur die Gelegenheit, dafs vieler Herzen Gredanken über C.
offenbar wurden.
Da bekannte der eine in schlichtem, einfachem Wort, dafs er zu
C. als zu einem Vorbilde aufschaue : Wir lesen es in dem G- e d ä c h t -
nisblatt, das W. Latt, Lehrer in Herzkamp, seinem Andenken
widmet (Heft 4 der pädagog. Abhandlungen in Helmichs Verlag, Biele-
feld). Da drängte es einen anderen, seinen Mitbürgern zu zeigen, wie
gerade sie allen Grund hätten, „die Lichtgestalt des C. nicht zu
vergessen." W. P e i p e r , Kgl. Sem. -Direktor in Koschmin, schilderte
mit warmen Worten C, den grofsen Schulmann Posens, im
Frühling seiner Jugendzeit, in der Arbeit des Mannes, in der Ernte
seines Alters (Verlag von R. Tränkner, Koschmin, 1891).
Da bezeugte ein dritter, dafs von C. jenes Lob, welches einst dem
Hauptmann von Capemaum nachgesagt wurde, in erweitertem Sinne
gelte: „Er hat sein Volk und alles Volk lieb gehabt^ und die
Schule hat er uns geistigerweise miterbaut. Es ist Dr. G. Schu-
mann in seiner Broschüre zur 800jähr. Jubelfeier des C. (Heusers
Verlag, Neuwied und Leipzig, 1892, 40 S.). Er will uns gerade
das vor Augen malen, worin sich des C. „Leben und Leiden als
Mensch und Christ und sein Streben als Erzieher besonders aus-
prägt," damit „wir in den wirren Fragen der Gegenwart uns seinen
feurigen Glauben, seine feurige Liebe und seine getroste Hoffnung
bewahren".
,Doch nicht blofs seine Gesinnung, sondern auch eine grofse
Summe seiner Vorschläge zur Besserung kann uns zur Richtschnur
dienen. In dieser Überzeugung entwirft Dr. J. Wafsner, Ober-
lehrer am Gymnasium in Rendsburg, in der Generalversammlung
des Vereins von höheren Unterrichtsanstalten Schleswig-Holsteins ein
fesselndes Bild von der geistigen Entwickelung des grofsen Schul-
mannes und christlichen Theologen, und versichert, dafs auch die
Gymnasiallehrer noch aus jeder Seite der Werke des C. ftir ihre
1893. Litteraturbericht. 87
Kunst lernen können , und erhebt im Blick auf unsere kirchlichen
Verhältnisse die leider berechtigte Frage : „ W o ist die ökume-
nische Richtung, die, ohne zu verflachen, unablässig
an der Verwirklichung der christlichen Idee des
grofsen Gottesreiches arbeitet? Wo namentlich bei
uns Protestanten der Zug jener weiten, tiefen Liebe,
die über das Trennende hinüber nur auf das Einigende
schaut? Wo jenes lebendige Gemeinschaftsgefühl, das den Ge-
ringsten wie den Höchsten gleichmäfsig umspannt ?'^ Wer diesen
Vortrag des Dr. Wafsner (Bnchdruckerei des Hall eschen Waisen-
hauses) gelesen hat, wird der Generalversammlung jenes Vereins
Schleswig-Holsteinischer Lehrer Dank wissen, dafs sie seinen Sonder-
abdruck aus den „Lehrproben und Lehrgängen von Fries u. Meier"
beschlofs.
Auch Dr. E. Lentz, Oberlehrer in Bartenstein, ist der Über-
zeugung, dafs das Studium des C. für die Gymnasiallehrer höchst
heilsam wäre. Dann würde man nicht über so viele pädagogische
Mifsgri£fe aus den ersten Amtsjahren zu klagen haben. Er spricht
dies aus in seinem Vortrage in der Generalversammlung
des Vereins von Lehrern höherer Unterrichtsanstalten
Ost- und Westpreulsens, in welchem er den Schulplan und
die Methode des C. entwickelt (vorrätig bei Gustav Fock, Leipzig,
Magazingasse 4).
Das Studium des 0. ist für unsere Zeit notwendig. Das ist der
Grundton einer vortrefflichen Festrede , welche Dr. W i 1 h. R o h -
med er, Sektor der Handelsschule und Stadt-Schulrat zu München
gehalten hat (Verlag von A. Helmich, Bielefeld). Er zeigt in ihm
„das Verhältnis des C. zu den wichtigsten Schul- und Ensiehungs-
fragen der Gegenwart*' und kommt zu dem Ergebnis, dafs C. „für
die vielen noch ungelösten Erziehungsfragen der Gegenwart als Weg-
weiser dienen kann*'.
Ich schliefse diesen vielstimmigen Chor von Comenius-Kennern
mit dem schönen, umfassenden Grundgedanken der Festrede von
F. Sander (Beilage der fortgesetzten Nachrichten der Königlichen
Waisen- und Schulanstalt zu Bunzlau über das Schuljahr 1891/92).
Sander stellt C. dar nicht blofs als einen edlen Typus seines Jahr-
hunderts, sondern auch als einen Propheten für die folgenden
Jahrhunderte, zumeist fllr das unsrige, als einen Propheten des
modernen Erziehungs- und Schulwesens sowohl wie der christlichen
Humanität. Wer sich mit C. beschäftigt, dem wird es aus def Seele
gesprochen sein, was Sander sagt: „Je tiefer man in dieses
Mannes Schriften eintaucht, desto mehr wächst die ehr-
furchtsvolle Bewunderung vor seinem ahnenden, vor-
ausschauenden Seherblick. ** Und wer die Schwere der Auf-
gaben empfindet, welche die Glaubensspaltung in unserem Volke
uns stellt, d^r wird Sander von Herzen beistimmen, wenn er am
Schlüsse seiner Rede sagt : „Sollen wirdieseAufgaben lösen,
so müssen wir uns an Männer halten wie den edlen
88
Litteraturbericht
Hefts.
Brüderbischof, der innig und verständig, fromm und
weise für den wahren Frieden der Völker und der
Kirchen den Weg wies." W. B.
Die neueste amerikanlsclie Comenins-Lltteratur.
(Zusammengestellt von Will 8. Monroe in Falo Alto, 'Califomien.)
Bardeen, C. W., The Tezt-Books of Comenius. Educational Beview, New-
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1892.
'
EÜi
I
11
I
Neuere Erscheinungen.
Zusammengestellt mit besonderer Rücksicht auf das
Forschungsgebiet unserer Gesellschaft^.
Die mit * bezeichneten haben der Schriftleitung vorgelegen.
Die Verfasser, deren Namen mit einem f bezeichnet sind, waren oder sind
Mitglieder der Comenius-Gesellschaft.
Die eingehende Besprechung einzelner Erscheinungen bleibt vorbehalten.
^fBaehring, Bernhard, Christian Karl Josias Freih. von Bunsen. Lebens-
bild eines deutsch-christlichen Staatsmannes. Dem deutschen Volke
dargeboten. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1692.
Bamnaiin, Volksschulen, höhere Schulen und Universitäten. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1892.
*Beard, Charles, Die Reformation des 16. Jahrhunderts in ihrem Verhältnis
zum modernen Denken und Wissen. Zwölf Hibbert- Vorlesungen.
Übersetzt von Fr. Haiverscheid. Berlin, G. Reimer. Mk. 6. — .
^fBenrath, K., Bemardino Ochino von Siena. Ein Beitrag zur Geschichte
der Reformation. Mit Orig.-Dokumenten, Portr. u. Schriftprobe. 2. Aufl.
Braunschweig, Schwetschke & Sohn. 1892. (Xu, 323 S., gr. 8.)
Mk. 7.—.
Bibliothek, philosophische, od. Sammlung der Hauptwerke der Philosophie
alter und neuer Zeit. Begründet von J. H. v. Kirchmann. 180. u.
181. Heft (41. Bd.) gr. 8«. Berlin, Philos.-histor. Verl., Dr. R. Salinger.
Preis Mk. 1.—.
Ren^ Descartes Prinzipien der Philosophie, 1. u. 2. Teil. In geometr.
Weise begründet durch Benedict Spinoza. Mit einem Anhang: Meta-
physische Gledanken des Letzteren, in welchem sowohl die in dem
allgemeinen wie in dem besonderen Teile der Metaphysik vorkommen-
den schwierigen Fragen kurz erklärt werden. Übersetzt u. erläutert
von J. H. V. Kirchmann. 2. Aufl. (XXVI, 158 S.)
1 Es ist hier die Litteratur seit 1890 berücksichtigt, einige wenige
ältere Erscheinungen ausgenommen. Die Comenius-Litt^tur und Ver-
wandtes, was wir schon früher erwähnt und besprochen haben, ist hier nicht
noch einmal aufgeführt. Fortsetzung und Ergänzungen folgen in
den nächsten Heften.
Monatshefte der Comenins-Gesellflchaft. 1893. 7
90 Neuere Erscheinungen. Heft 3.
Bibliothek der katholischen Pädagogik. Bd. 4: a) Joh. Mich. Sailers
pädagogisches Erstlingswerk, ein Vorläufer seiner Erziehungslehre.
Neu herausgeg. u. m. einer Einleitung u. Anmerkungen versehen von
Dr. L. Kellner, b) Franz von Fürstenberg. Sein Leben und seine
Schriften. Herausgeg. von J. Esch. Freiburg, Herder. 1892.
Bock, Geh. Reg.-R. Ed., Stimmen hervorr. Schulmänner dieses Jahrhunderts,
zur Beachtung f. Lehrer u. Laien bei der Erziehung u. dem Unterrichte
der Jugend gesammelt u. hrsg. gr. 8 ® (VIII, 160 S.). Leipzig, Akadem.
Buchh. (W. Faber). Mk. 3.—.
^Brecht, Th., Kirche und Sklaverei. Ein Beitrag zur Lösung des Problems
der Freiheit Barmen, H. Klein. 1890.
Bruno, G., Dialoge v. Unendlichen, dem All und den Welten (dell' infinito,
universo e mondi), übers, u. m. Anmerkung, versehen v. Ludw. Kuh 1 en-
beck. Berlin, Lüstenöder. 1893. Mk. 6.—.
^tBoBsy, de, J. J. Wijsgeerige Wetenschap en persoonlijke Overtuiging.
Rede, uitgesproken den 30. September 1892 etc. Amsterdam 1892.
Dillmann, Ed., Eine neue Darstellung der Leibniz*schen Monadenlehre auf
Grund der Quellen. Leipzig, 0. R. Reisland. 1892.
*Döllinger, Ign. v., Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters. 2 Bde.
München, C. H. Becksche Buchhandlung. 1890.
DöUinger, Ign. v.. Das Papsttum. Neubearbeitung von Janus, „Der
Papst und das ConciP, im Auftrag des inzwischen heimgegangenen
Verfassers von J. Friedrich. München, C. H. Becksche Verlagsbuch-
handlung. 1892.
•fDörpfeld, F. W., Beiträge zur pädagogischen Psychologie in mono-
graphischer Form. Erstes Heft. Denken und Gedächtnis. Gütersloh,
Bertelsmann. 1891.
*tl>reyer, Otto, Undogmatisches Christentum. 4. Aufl. 1890. Braunschweig,
Schwetschke & Sohn. Mk. 2. — .
fEhlers, Kons.-Rat, Pfr. D. R., Der Menschen Sohn, Christus, Gk>ttes Sohn.
Vortrag. 8^ 16 S. Frankfurt a. M., Kesselring. 1892. Mk. -.30.
^fEUisaen, 0. A., Friedrich Albert Lange. Eine Lebensbeschreibung. Mit
Porträt F. A. Langes. Leipzig, Jul. Baedecker. 1891.
Soler, Encyklopäd. Handbuch des gesamten Tumwesens. 1. Lfg. Wien,
Pichlers Wwe. & Sohn. 1893.
Sicher, K., Geschichte des deutschen VolksschuUehrerstandes. 2. Bd.
Hannover, C. Meyer (G. Prior). 1892.
*tFlügel, 0., A. Ritschis philosophische u. theolog. Ansichten. 2. Aufl.
Langensalza, Beyer & Söhne. 1892. (III, 156 S. 8<>.) Mk. 2.—.
*t^rederioh8, Jul., Robert le Bougre. Premier InquisiteurGr^n^ral en France.
Gand 1892. 32 S. 8».
Feith, P. R., Levensbericht van S. J. Hingst. (Sonderabdruck aus den
Veröffentlichungen der Maatschappy der Nederlandsche Letterkundc
1889/90.) Leiden 1892.
Franoke, August Hermann, Kurzer und einfaltiger Unterricht. Mit einer
Einleitung herausgeg. von AlbertRichter. Leipzig, Rieh. Richt«r.
1892. Nr. X der Neudrucke Pädagog. Schriften. Mk. —.80.
1893. Neuere firscheinungeu. 91
^fFrederioq, Dr. Paul, Inquisitio haereticaepravitatis Neerlandica. Geschie-
denis der Inquisitie in de Niederlanden tot aan hare herrinrichting
onder K. Karl V. (1025—1520). 1. Deel. Gent, J. Vuylsteke. 1892.
XVI, lU S. 8«. Fr. 3.-.
^Freriohs, G. £., Op het vierde eeuwfeest van Menno Simons geboorte.
Sonderabdruck aus d. Zondagsbode 1892. Meppael, Kuiper en Taconis.
fFriok, weil. Dir. D. Dr. 0., Pädagogische und didaktische Abhandlungen.
Hrsg. V. Dr. Georg Frick. 1. Bd. gr. 8». (VII, 580 S. m. 2 Tab.)
Halle a. S., Buchh. d. Waisenhauses. 1892. Mk. 9.—.
Graae, D. G. H., Die selbständige Stellung der Sittlichkeit zur Religion.
(Aus „Jahrb. f. Protestant TheoL") gr. 8 ® (VI, 219 S.X Braunschweig,
C. A. Schwetschke & Sohn. Mk. 5. — .
Grünberg» Pfr. Lic. Paul, Phil. Jac. Spener. 1. Bd. VIII, 531 S. Göt-
tingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 1893. Mk. 10.—.
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristi. Litteratur. Hrsg«
von Osk. V. Gebhardt und Adf. Hamaok. 9. Bd., 2. Heft. gr. 8^.
Leipzig, J. C. Hinrichs Verlag.
IX, 2. Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus
von Adf. Hamaok. (III, 78 S.) Mk. 2.—.
fHartf eider, Das Ideal einer Humanistenschule. (Die Schule Colets zu
St. Paul in London.) Vortrag. 4^ 16 S. Leipzig, Teubner.
Hase, Karl v., Kirchengeschichte auf der Grundlage akademischer Vor-
lesungen. 3. Teil. Hrsg. v. Prof. Dr. G. Krüger, gr. 8^ Leipzig,
Breitkopf & Härtel.
Hatoh, K, Griechentum und Christentum. 12 Hibbertvorlesungen über den
Einflufs griech. Ideen und Gebräuche auf die christl. Kirche. Deutsch
von E. Preuschen. Mit Beilagen von A. Hamack und dem Über-
setzer. Rechtmäfsige Übersetzung, gr. 8® (XVII, 274 S.). Frei-
burg i. B., J. C. B. Mohr (Paul Siebeck> Mk. 6.—.
Harunrath, Arnold v.Brescia. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1892. Mk.3.— .
^fHeath, Richard, Hans Denck, the Anabaptist. Contemporary Review.
London, Isbister and Co. 1892, Dezember. S. 880—894.
^fHeath, Richard, The Anabaptists and their|English Descendents. Contem-
porary Review. London, Isbister and Co. 1891. March. S. 389—406.
Herbart, Job. Frdr., Sämtlich« Werke. Hrsg. von G. Hartenstein.
2. Abdr. 12. (Schluf8-)Bd. Historisch-krit. Schriften, gr. 8® (XXVI,
796 S.). Hamburg, L. Voss, ä Mk. 4.50.
In chronologischer Folge hrsg. von Karl Kehrbach. 7. Bd. gr. 8^
(X, 354 S.). Langensalza, H. Beyer & Söhne. Mk. 5. — .
'^fHizigst, S. J., Wat verstaat men onder eed? Sonderabdruck aus Rechts-
geleerde Bijdragen Jahrg. II. Amsterdam 1887.
^Henner, C, Beiträge zur Organisation und Kompetenz der päpstlichen
Ketzergerichte. Leipzig, Duncker & Humblot. 1890.
^fHoohegger, Rud., Über die Kulturaufgabe des Lehrers und die Notwendig«
keit eines freien Lehrerstandes. (Sammlung pädag. Vorträge, hrsg. v.
Wilh. Mejer-Markau.) Bielefeld, A. Helmich. 1892.
f HoltBmaxm, 0., Jesus Christus und das Gemeinschaftsleben der Menschen.
Freiburg i. B., J. C. B. Mohr. 1892. (VIII, 88 S.), 8<>. Mk. 1.-.
7*
92
Neuere Erscheinungen.
Heft 8.
.
'^
t\
\
Hübsch, G., Die Reformen und Refonnbestrebungen auf dem Grebiete der
Volksschule im ehemaligen Hochstift Bamberg 1757—1795. IX, 209 S.
Bamberg, Buchners Verlag. 1891. Mk. 3. — .
fHammel, F., Die Bedeutung der Schrift von Carl Schwarz über das
Wesen der Religion für die Zeit ihrer Entstehung und die Gegenwart.
Gekrönte Preisschrift. Braunschweig, Schwetschke A Sohn. 1890.
Jahrbuch, Pädagogisches, 1892. (Der pädagog. Jahrbücher 15. Bd.) Hrsg.
V. d. Wiener pädagog. Gesellschaft. Red. von Ferd. Franck. gr. 8®
(X, 228 S. m. 1 Bildnis). Wien, Manz. Mk. 3.—.
Jahrbuch des höheren Unterrichtswesens in Österreich m. Einschlufs der
gewerblichen Fachschulen u. der bedeutendsten Erziehungsanstalten.
Bearb. v. Realsch.-Prof. Joh. Neubauer u. Realsch.-Dir. Dr. Jos. DiviS
6. Jahrg. 1893. gr. 8« (X, 280 S.). Prag, F. Tempsky.
Jahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrage der Historischen
Gesellschaft^zu Berlin, hrsg. v. J. Jastrow. 14. Jahrg. 1891. Berlin,
Gaertners Verlag. (Lex. S^.) Mk. 30.—.
Kants Reflexionen zur kritischen Philosophie. Aus Kants handschriftlichen
Aufzeichnungen herausg. von Benno Erdmann. 2 Bde. Leipzig,
0. R. Reisland. 1892.
*tKieferndorf, Ph., Der Eid. Vortrag, geh. zu Ludwigshafen a./Rh. am
17. Nov. 1891. Wonns, Komm, bei R. Reis. 1892. (II, 74 8.X S^.
*B[rauBe, Karl Christian Friedrich, Abrifs der Greschichte der griechischen
Philosophie. Aus d. handschriftl. Nachlasse des Verf. hrsg. v. Dr. Paul
Hohlfeld u. Dr. August Wünsche. Mit einem Anhange: Die
Philosophie der Kirchenväter und des Mittelalters. Leipzig, Otto
Schulze. 1893.
Krause, Karl Christ. Frdr. , Anschauungen od. Lehren u. Entwürfe zur
Höherbildung des Menschheitslebens. Aus dem hdschr. Nachlafs des
Verf. hrsg. v. Dr. Paul Hohlfeld u. Dr. Aug. Wünsche. 3. Bd.
1892. gr. 8«. 320 S. L. B. E. Felber. Mk. 6.—.
*Kuenen, A., Volksreligion und Weltreligion. Fünf Hibbertvorlesungen.
Berlin, G. Reimer. Mk. 5. — .
Jüangin, Th., Die Sprache des jungen Herder im Verh. z. Schriftsprache.
Freiburg. Diss. Leipzig, Fock. 109 S. Mk. 1.50.
^Lagarde, Paul de, Deutsche Schriften für nationales Leben. Heraus-
gegeben von Eugen Wolf f. 2. Reihe, Heft 4. Kiel und Leipzig,
Lipsius & Tischer. 1892.
^fliea, Henry Charles, A Formulary of thePapal Penitentiarj in the thirteenth
Century. Philadelphia, Lea Brothers and Co. 1892.
^Iiindner, Th., Der angebliche Ursprung der Vemegerichte aus der Inqui-
sition. Eine Antwort an Prof. von Thudichum. Paderborn 1890.
* — , Veme und Inquisition. Programm über die Preisverteilung. Halle
1898.
^fliOesohe, Analecta Lutherana et Melanchthoniana. Tischreden Luthers u«
Aussprüche Melanchthons , hauptsächlich nach Aufzeichnungen von
Johannes Matthesius. (rotha, F. A. Perthes. 1892.
^fLoserth, J., Doktor Balthasar Hubmaier u. die Anfänge der Wiedertaufe
PI
1893. Neuere Erscheinungen. 98
in Mfihren. Aus gleichzeitigen Quellen und mit Benutzung des wisa«
Nachlasses des Hofrats Dr. Josef Ritter von Beck. Bonn 1893. Ver*
lag der hbt-statist. Sektion.
MügairiTi, pädagogisches, Abhandlungen vom Gebiete der Pädagogik und
ihrer Hülfswissenschaften. Hrsg. v. Friedr. Mann. 14. — 19. Heft,
gr. 8®. Langensalza, H. Beyer & Söhne.
14. Die Überfullung der gelehrten Berufszweige. Von Dr. Alb.
Witt stock. (37 S.) Mk. — .50. — 15. Comenius u. Pestalozzi. Fest-
rede, geh. V.Prof. 0. Hunziker. (31 S.) Mk. —.40. — 16. Das Recht
der Volksaufsicht. Nach den Verhandign. d. Württemberg. Kammer
im Mai 1891 v. Dr. E. v. Sal Iwfirk. (23 S.) Mk. —.25. — 17. Histo-
rische Richtigkeit u. Volkstümlichkeit im Geschichtsunterricht. Vor-
trag von Dr. F. Rossbach. (32 S.) Mk. —.40. — 18. Lehrplan der
sechsstufigen Volksschule zu Halle a. S. für den Unterricht in Ge-
schichte, Geographie, Naturlehre, Raumlehre, Deutsch. Aufgestellt v.
Rekt Dr. Wohlrabe. (32 S.) Mk. —.40. — 19. Die Bedeutung des
Unbewufsten^im menschlichen Seelenleben. Von H. Roth er. (23 S.)
Mk. —.30.
MaslUB, Herm., Bunte Blätter. Altes und Neues. Halle a. S. 1892. V,
384 S. 8®. Mk. 6.40. — Darin u. a. : Die Einwirkung d. deutsch. Huma-
nismus auf d. deutsch. Gelehrtenschulen. — Ulrich Zwingli, insbeson-
dere als Humanist und Pädagog. — Erasmus als Sittenlehrer.
^fMollat, Georg, Mitteilungen aus Leibnizens ungedruckten Schriften.
Neue Bearbeitung. Leipzig, H. Haessel. 1893.
fPaolBen, Einleitung in d. Philosophie. ^Berlin, Hertz. 1892. Mk. 4.50.
fPfleiderer, Otto, Die Entwicklung der protest. Theologie in Deutschland
seit Kant und in Grofsbrittanien seit 1825. Freiburg, Mohr. 1891.
Christoph, Karl, Wolfgang Ratkes (Ratichius) pädagogisches Verdienst.
Diss. 8^ 52 S. Leipzig, C. F. Fleischers Sortiment. Mk. 1.—.
fBein, W., Am Ende der Schulreform? Betrachtungen, gr. S^ (UI, 92 S.).
Langensalza, H. Beyer & Söhne. Mk. 1.50.
fBein, Prof. Dr. W., Sem.-Lehr. A.Fiokei u. E. Soheller, Theorie u. Praxis
des Volksschulunterrichts nach Herbartschen Grundsätzen. I. gr. 8^
Leipzig, H. Bredt. — I. Das erste Schuljahr. Ein theoretisch-prakt. Lehr-
gang für Lehrer u. Lehrerinnen, sowie zum Gebrauch in Seminaren.
5. Aufl. (X, 280 S.) Mk. 3.—.
-f-Beinhardt, Die Umgestaltung des höheren Schulwesens. Vortrag. Frank-
furt, Diesterweg. 1892.
^Boain, Harkort, Der Tribun der preuss. Volksschule. Dortmund, Ruhfus.
Mk. 1.—.
Bühl, F., Kant über den ewigen Frieden. Rede. Königsberg, Leupold.
1892. 15 S.
-|fkuider. F., Briefwechsel Friedr. Lückes mit den Brüdern Jacob u. Wilh.
Grimm. Hannover-Linden, Manz & Lange. 1891. Mk. 5. — .
Bohaarsohmidt, Dr. Emil, Die Unsterblichkeit der Menschenseele. Leip-
zig, Max Spohr. 1892. (34 S.) Mk. —.60.
Sohleiermaoher, Fr., Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter
ihren Verächtern. 7. Aufl. Berlin, G. Reimer. Mk. 2.—.
94
Neuere Erscheinungen.
Hefts.
f
l
*8ohinoller, 0., Die Lehre vom Reiche Gottes in den Schriften des Neuen
TestÄments. Bearbeitung einer v. der Haager Gesellschaft zur Ver-
teidigung d. christl. Religion gestellten Aufgabe. Leiden, E. J. Brill. 189L
Bervet, M., Wiederherstellung des Christentums. 1. Bd. Zum erstenmal
übersetzt von Dr. Beruh. Spiefs. 323 S. Wiesbaden 1892. Mk. 5.—.
Theologie, deutsche, d. i. ein edles Büchlein v. rechten Verstände, was
Adam und Christus sei und wie Adam in uns sterben und Christas
erstehen soll. Mit den Vorreden Dr. Martin Luthers und Job. Amds.
2. Aufl. gr. 160. 179 S. Stuttgart, J. F. Steinkopf. 1892. Mk. 1.60.
*tThadicham, F., Femgericht und Inquisition. Giefsen 1869.
*t— Das heilige Femgericht. Histor. Zeitschrift, hrsg. v. H. v. Sybel
und M. Lehmann. 1892. 68. Bd. S. 1—57.
Stange, Karl, Die christliche Ethik im Verhältnis zur modernen Ethik:
Paulsen, Wundt, Hartmann. Preisgekrönt von der theol. Fakultät zu
Göttingen am 1. Juni 1892. gr. 4». VI, 99 S. Göttingen, Dieterichs
Verlag. 1892. M. 2.—.
tStötaner, Paul, Beiträge zur Würdigung v. Job. Baltb. Schupps lehrreichen
Schriften. HI, 95 S. Leipzig, R. Richter. Mk. 1.80.
Träger, J., Die Familienrechte an der öffentl. Erziehung. Ein Wort der
Verständigung im scbulpolit. Kampfe. 2. Aufl. Mit einem Vorwort
von W. Rein. gr. 8^ IX, 104 S. Langensalza, Beyer & Söhne.
1892.
tUhUg, Dr. G., Gymn.- Direkt., Die Einheitsschule mit lateinlosem Unterbau.
XXIV, 104 S. gr. 8«. Heidelberg, Winter. 1892. Mk. 2.—.
^Volkabibliothek, religiöse, hrsg. vom Bibliograph. Bureau zu Berlin unter
Redaction von C. Werckshagen. I. 5. 8^ Berlin, Bibliogr. Bureau.
5. Schleiermacher. Eine Auswahl aus seinen Predigten, Reden und
Briefen. Zusammengestellt und eingeleitet von Pred. Kurt Stage.
(IV, 95 S.)
Walther, Die deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters. Braunschweig.
1890—1892.
^fZiegler, Th., Geschichte^der christl. Ethik. Zweite, durch ein Sachreg.
vermehrte Ausgabe. 8^ XVI, 607 S. Strafsburg i. E., Verlag von
K. J. Trübner. Mk. 9.—.
fZiegler, Theob., Sittl. Sein u. sittl. Werden. 1891 od. 92.
fZiegler, Theob., Religion und Religionen. Fünf Vorträge.'] Stuttgart,
Cotta. 1893. Mk. 2.—.
*2EiIler, Tuiskon, Allgemeine Pädagogik. Dritte, neubearbeitete und mit
Anmerkungen versehene Auflage der Vorlesungen über allgemeine
i I Pädagogik, hrsg. von Dr. Karl Just. Leipzig, Heinr. Matthes. 1892.
Zittel, Karl, Der Sonntagabend. [Religiöse Betrachtungen für denkende
Christen, hrsg. von D. Emil Zittel, Dekan in Karlsruhe. 1. Bd. Berlin,
G. Reimer. Mk. 4. — .
I
l
f.
i
f
ijt
Nachrichten.
über einen interessanten Handschriftenfnnd berichtet Herr
Lehrer Ed. Peck in Holeschan (Mähren) in der Beilage zu Nr. 5 der
tschechischen Zeitschrift „Komensky*'. Herr Prof. Spohrer, ehemals
£rzieher beim Grafen von Vrben, jetzt in Holeschau privatisierend,
zeigte dem Berichterstatter mehrere alte Handschriften meist in böhm.
Sprache, die er in Ung^n erworben hatte und bat ihn, da er selbst
der böhm. Sprache nicht mächtig ist, um nähere Auskunft über die-
selben. Die Sammlung enthält folgende Stücke:
1. Zehn Briefe des Comenius an Nik. Dräbik aus den Jahren 1664
— 1670, viele derselben tragen aufser dem Datum des Comenius
Unterschrift und Siegel.
2. Die Schrift des Comenius: „Theatrum univemtatis rerum, L j.
Divadlo sveta a vSecknech vhidy predivnych veci jehoy kterä na
ndn, na zemi, pod eemi^ u vodäch, v povetri a kdekoli v sveU
jsou and) se dejt a diÜ hudou od poddtku svita ai da skondnf
jeho a ai na vekyvek&v,^ [Theatr. univers, rerum, d. i. Schau-
platz der Welt und aller ihrer grofsen Wunder, die am Himmel,
auf Erden, unter der Erde, im Wasser, in der Luft und wo
immer sonst in der Welt » sind oder geschehen und geschehen
werden von Anfang der Welt bis zu ihrem Ende und bis in
Ewigkeit.] Handschrift 110 S. in 4^. Vgl. meine Bücherkunde
des Comenius Jahrg. 1892, I. Monatsheft S. 20 Nr. 2.
3. Eine tschech. Übersetzung diet Admonüio fraUma des Comenius.
Vergl. meine Bücherkunde a. a. 0. S. 47 Nr. 111.
4. Viele Briefe von verschiedenen Personen (Junius, Muratus, Fabri-
cius, Medfiansk^, Veterinus u. a.) an Drabik,
5. Briefe Draibiks an verschiedene Personen (Comenius, Rotal,
de Geer u. a.).
6. Tagebuch Drabiks von 1652—1668.
7. Zeugnis des Bürgermeisters und Kates der Stadt Mese ritsch
über Drabiks ehrenhafte Gebart.
8. Ein amtliches Protokoll mit Drabik in Prefsburg, worin an-
gegeben ist, dafs Comenius ^ex pago komnia*^ stamme (latein.).
9. Verschiedene Briefe der 'Herren von Zerotin, Georg Bafamdes^
96
Nachrichten.
Heft 3.
Laureniius de Geer (engl.) und der Grafen PenibroJc und Moni-
gomery (engl.).
10. „McmuducHo in revekttionum Nicolai Drabicii considerationem
quadripartitam per quaestiones succincta,"^
11. Ein Erlafs des Herrn Georg Bakoczi an die Exulanten aus
Mähren,* unter welchen Bedingungen sie sich auf seinem Grund
ansiedeln dtlrfen.
12. Sjuodalpredigten, gehalten bei der Weihe und Ordination von
Kirchendienern der Brttderunität.
13. Register der Eibenschützer Brtldergemeinde 1600.
14. y^Kr>th.) spis o zlatSm a hudownm jii nastdvajicim veku, sepsantj
läa 1584 od W.(ütma) B,(udovce) z B.iudova*"). [Kurze Schrift
von dem goldenen und zukünftigen, bereits anbrechenden Zeit-
alter, geschrieben im Jahre 1584 von Wilhelm Budovec von
Budova.]
15. Ein gröfserer Band enthält folgende Handschriften :
a. „0 püvodu jednoty bratrskd a rddu v n/." [Von dem Ur-
sprung der Brüderunität und der Ordnung in ihr.]
b. j^Sepsdni hr, Jana Blahoslava o roedüe jednoty hratrskd od
luteryamkd,^ [Schrift des Br. Job. Blahoslav von dem Unter-
schied zwischen der Brüderunität und den Lutheranern.]
c. ^Zprdva o nauöeni tech, ktert od nekterych WcUdenshmi
naeyväni hyvaji , , , od jich StarSich uünena leta 1496 J^
[Nachricht von der Lehre derer, die von einigen Waldenser
genannt werden . . . von ihren Ältesten verfafst im Jahre
1496.]
d. „0 mrzwtem hrfchu opHstvf atd."^ [Von der häfslichen Sünde
der Trunksucht etc.] 1560.
Die übrigen 5 Schriften finden sich auch unter den Hand-
schriften der Unitätsbibliothek in Hermhut.
Aufser diesen Handschriften werden noch 2 Druckschriften ge-
nannt:
Orbis sensiuüium pictus trüinyuis aus dem Jahre 1708 und
die von Comenius veranstaltete Übersetzung der Offenbarungen
KoUers ins Tschechische. S. meine Bücherkunde des Comenius
a. a. 0. S. 23 Nr. 18.
Nach neueren Nachrichten hat das böhm. Museum in Prag
diese ganze Sammlung von Hand- und Druckschriften für 600 fl.
erworben und wird demnächst im Gasopis cesk^ho Musea eine ein-
gehendere Beschreibung derselben veröffentlichen. J. M.
Hl
I
il
lii.
Die Sammlnng von Autographen und historisehen Dokumenten aus dem
Besitz des Grafen Ludwig von Paar, die am 20. — 25. März 1893 durch das
Antiquariat von Albert Gohn in Berlin (W. Mohrenstr. 53) versteigert
worden ist, gehört zu den merkwürdigsten, die je in den Handel ge-
konmien sein mögen. Sie enthält auch in Bezug auf das Forschungs-
gebiet unserer Gesellschaft so wichtige Stücke, dafs wir unsere Leser
auf den vorzüglichen Katalog, den das genannte Antiquariat kürzlich
IH
1893. Nachrichten. 97
venandt hat, hinweisen wollen. Unter Nr. 976 und 977 finden sich
zwei Stücke von ConeiÜBS Hand, ein lateinischer Brief an Nigrinus vom
19. September 1668, worin unter anderem von der Heise Hesenthalers
(s. Monatshefte 1892, Heft 4, S. 287 ff.) nach England und Amsterdam die Rede
ist, und ein Stammbuchblatt vom 20. Mai 1651 für Matthias Zimmermann.
Unter Nr. 917 findet sich ein Brief Luthers an Pirkheimer vom 20. Febr.
1519, also aus sehr früher Zeit, wo Luthers Besiehungen zu den Hum»-
nisten und deren Societäten noch sehr freundschaftlicher Art waren. L.
schreibt: ,Den in Basel erfolgten Nachdruck meiner Schriften wirst Du
gelesen haben. Sie sind so gut herausgegeben, dafs sie mir selbst gefallen.
So haben diese vorzüglichen Alchymisten verstanden, aus Kupfer Gold zu
machen. Den Sylvester nennen sie sehr drollig den Magirum Pallacii
statt Magistrum Pallacii" u« s. w. Femer sind aus der Zeit der Reformation
vertreten: Melanchthon, Graf Herm. v. Neuenahr, Peutinger,
Pirkheimer, Reuchlin, Eobanus Hessus, Savonarola, Stau-
pitz, Zwingli, Erasmus u. s. w. Aus dem 17. Jahrhundert seien Ca-
lixtus, Descartes, Aug. Herm. Francke, Kepler, Leibniz, Sau-
bert und Spener genannt; daran schliefsen sich aus unserem Arbeits-
gebiet Thomasius und Zinzendorf, auch Basedow, Joachim
H. Campe und Joh. Gottl. Fichte. Besondere Erw&hnung verdient ein
sehr seltenes Stück, das im Katalog auch teilweise facsimiliert ist, von
SebastianFranck. Es ist ein Brief aus dem Jahre 1538 an den Bürger-
meister von Ulm, worin er bittet, ihm das Seifensieder-Handwerk zu ge-
statten; er wolle, was er von Gk)tt habe, nicht vergraben, sondern schrift-
lich dem Volk Gottes mitteilen; in diesen gefährlichen Zeiten könne er das
nicht, wenn er mit einem Amt „verstrickt^ sei u. s. w. Endlich machen
wir auf die Stücke Nr. 1285—1247, welche Herder betreffen, noch besonders
aufmerksam; es sind darunter Briefe an Lavater und Fr. H. Jacobi von hohem
persönlichen und sachlichen Interesse. So schreibt er an Jacobi am
29. Mai 1783: „Wollen Sie, lieber Jacobi, so schicken Sie mir Ihre Zeich-
nung von Hemsterhuis gezeichnet; sie soll über Lessings Büste in meinem
Zimmer hangen, in dem nichts ist als Luther, Hamann, Lessing, der Graf
und die Gräfin von Bückeburg und die regierende Herzog! n'^ .... Diese
Proben werden zur Charakteristik der wichtigen Sammlung vom Stand-
punkt unserer Gesellschaft aus genügen.
Aiierikaiiisehe Geseilseliaft für Kireheiigesehiehte. Ein eigen-, ja viel-
leicht einzigartiger Verein ist die amerikanische Gesellschaft für Kirchen-
geschichte, die nicht auf dem Boden eines bestimmten Bekenntnisses steht,
sondern Glieder aller in Amerika vertretenen kirchlichen Gemeinschaften
umfafst. Diese Gesellschaft wurde vor vier Jahren gegründet und z&hlt
jetzt 140 Mitglieder. Die letzte Jahresversammlung wurde am 29. und
30. Dezember 1891 in der Columbischen Universität zu Washington abge-
halten. Unter den zur Verlesung gekommenen Abhandlungen waren
folgende von besonderin lutereiaise: „Die religiösen Motive des Christoph
Columbus'' von W. K. Gillet, Professor an der Universität Newyork.
Sehr eigenartig war der Vortrag des Professors Th. Davidson, eben-
falls aus Newyork, über „Christliche Einigkeit und das Himmelreich".
98 Nachrichten. Heft 8.
„Die Verteilung Amerikas durch päpstliche Bullen" behandelte Pro-
fessor J. Gordon vom theologischen Seminar zu Omaha, Nebraska. Er
zeigte, wie der Papst die einzelnen Teile Amerikas willkürlich an Könige
und Fürsten verteilte, und dafs in frühem Zeiten das ßesitzrecht oft auf
diese päpstlichen Verwilligungen gestützt wurde.
Der in der lutherischen Kirche bekannte Verfasser der Geschichte des
"Ministeriums von Newyork, Pastor Nicura, veranlafste durch einen ge-
schichtlichen Überblick über die Lehrentwicklung der evangelisch-lutheri-
schen Kirche in Amerika eine lebhafte Besprechung.
Mit grofsem Interesse lauschte man auch den Worten von Barr
Ferren aus Newyork, dessen Vortrag den „christlichen Gedanken in der
Baukunst" behandelte.
Am zweiten Tage der Versammlung fand nach einem Empfang bei
Präsident Harrison im Kapitol die Aufnahme neuer Glieder statt, darunter
die beiden Professoren der Kirchengeschichte an der neuen katholischen
Universität zu Washington, und des Herrn H. K. Carroll, des Spezial-
agenten der Regierung zur Sammlung der kirchlichen Statistik.
Die wichtigste Handlung der Gesellschaft war der Beschlufs, eine
Geschichte aller religiösen Gemeinschaften Amerikas herauszugeben. Als
Publikations-Komite wurden ernannt Dr. Ph. S chaff, die Bischöfe
Hurstund Potter, Professor Fischer, Dr. Wolf und die Pastoren
H. C. Vetter und S. M. Jackson. Diese haben die Aufgabe, geeignete
Persönlichkeiten zur Abfassung von Monographien aus den verschiedenen
Kirchenkörpern zu wählen und die Herausgabe des ganzen Werkes zu be-
aufsichtigen. Diese Kirchengeschichte ist auf mindestens zehn Bände zu
je etwa 500 Seiten berechnet. Der Geschichte der gröfsem Kirchen (Bap-
tisten, Kongegrationalisten, Lutheraner, Methodisten, Presbyterianer, Episko-
palen und römischen Katholiken) wird je ein Band gewidmet, zwei oder
mehr Bände den kleineren Kirchen und, wenn thunlich, ein Band einer
gedrängten Geschichte der christlichen Kirche in Amerika, worin nament-
lich auch die Beziehungen zu Europa, die charakteristischen Merkmale des
amerikanischen Kirchen wesens, das Verhältnis der Kirche zum Staat be-
handelt werden sollen. Eine Reihe anerkannt tüchtiger kirchlicher Schrift-
steller hat bereits ihre Mitwirkung zu dem Werke zugesagt. Wir nennen:
für die lutherische Kirche Professor H. E. Jakobs, die römisch-katholische
Kirche Professor Th. O'Gorman, die deutsch -reformierte Professor
J. H. Dubbs. (Chronik d. christl. Welt.)
Die „Theologischen Studien .und Kritiken", Jahrg. 1893, Heft 1,
S. 125 ff. bringen einen Artikel über J ean de Labadie und die Brüder-
gemeinde, den wir der Beachtung unserer Leser empfehlen. Der Ver-
fasser — Max Bajorath — hat die Geschichte der Labadieschen Gemeinde-
stiftung und der Gemeinde Zinzendorfs genau studiert, und der mit grofser
Unbefangenheit durchgeführte Vergleich beider Gründungen bietet inter-^
essante Punkte genug dar. Labadie, geb. 1610, gehörte einer vornehmen
französischen Adelsfamilie an, war im Jesuitenkolleg zu Bordeaux erzogen
und blieb Mitglied des Ordens bis zum Jahre 1640; im Jahre 1650 trat
er in Montauban zu den Reformierten über. Die Schicksale Zinzendorfs
1893, Nachrichten. 99
sind bekannt ; merkwürdig ist, dafs er seit seinem Pariser Aufenthalt (1719
bis 1721) mit eben den Kreisen in naher Fühlung stand, mit denen einst
auch Labadie befreundet gewesen war. Wir können hier auf die Ergeb-
nbse des Vergleichs, der zu Gunsten der Brüdergemeinde ausfällt, nicht
näher eingehen. Nur eins wollen wir hervorheben. In den heute üblichen
Darstellungen dieser „Schwärmer" wird deren „Weltflucht** und ihr Gregensatz
gegen das reformatorische Lebensideal betont. Bajorath ist auf Grund
seiner sorgfältigen Untersuchungen zu anderen Ergebnissen gelangt. Bei
aller Betonung sittlicher Lebensführung blieben beide Gemeinschaften den
Geschäften des Tags und dem „geselligen Leben" zugewandt. „Sowohl
die Labadisten wie besonders die Herrnhuter sehen wir als tüchtige Ar-
beiter, brauchbare und gewissenhafte Handwerker, ernsthafte Lehrer, Ärzte
und Beamte geachtet und geschätzt". Und in Zinzendorf erkennt der Ver-
fasser (S. 166) thatsächlich einen Nachfolger der Reformatoren, „der in der
Gemeinde wieder religiöses Interesse' und aufrichtige Bethätigung warmer
Herzensfrömmigkeit weckte."
Ein Lehrstuhl für ,.6e8eliiclit6 des Christ^ntniis*' ist an der Universität
Rom neu geschaffen und durch einen Erlafs des Unterrichtsministers Martini
zum erstenmale definitiv besetzt worden. Berufen wurde Prof. B. L abanca ,
seither Lehrer der' Moralphilosophie au der Universität Pisa. Ein Teil
der italienischen Presse begrüfst diese Thatsache freudig und spricht die
Hoffnung aus, das Studium der Geschichte des christlichens Glaubens und
Lebens werde den Gebildeten die Fragen der Religion wieder näher bringen.
Programi der Tejlersehen Theologisehen Gesellschaft zvl Haarlem,
fbr das Jahr 1893. — Die Direktoren der Teylerschen Stiftung und die
Mitglieder der Tejlersehen Theologischen Gesellschaft haben in ihrer
Sitzung vom 21. October 1892 ihr Urteil abgegeben über die vier bei ihnen
eingegangenen Abhandlungen zur Beantwortung der zwei ausgeschriebenen
Preisfragen. Sie hatten verlangt eine: „Geschichte der niederlän-
dischen Bibelübersetzung vor der Staatenbibel," und erhielten
darauf eine Antwort in holländischer Sprache mit einem aus Jerem. XXIII,
29 entlehnten Motto.
Wurde auch des Autors Fleifs und Ausdauer gern anerkannt und ge-
lobt, so konnte doch das Endurteil nicht anders als ungünstig ausfallen
und ihm der Preis nicht zuerkannt werden.
Die drei anderen Abhandlungen behandelten die Frage: „Welches
ist nach christlichen Principien das wünschenswerteste
Verhältnis zwischen Philanthropie und Staatssorge?"
Auch diesen Abhandlungen konnten die Direktoren einen Preis nicht
zuerkennen.
Darauf beschlofs man, als Freisanfgabe zu stellen:
„Eine Geschichte der niederländischen Bibelüber-
setzung bis zur Herausgabe der Übersetzung nach
Luther im Jahre 1523",
und den Ablieferungstermin auf zwei Jahre hinauszuschieben, so dafs die
Arbeiten vor dem 1. Januar 1895 erwartet werden.
100 NachrichteD. Heft 3.
Als nene Preisfrage, worauf die Antworten vor dem 1. Januar 1894
eingesandt werden müssen^ wird angeboten:
„Ziemlich allgemein wird angenommen, dafs mehrere
bei den Juden nach dem Exil vorkommende Vorstellun-
gen, namentlich betreffend die Eschatologie, die An-
gelologie und die Demonologie, dem Einflufs des Pär-
sismus zuzuschreiben sind.
Inwiefern ist diese Hypothese hinreichend begrün-
det, oder ist es möglich, die genannten Vorstellungen
ganz oder teilweise aus der inneren Entwickelung der
Israelitischen Religion befriedigend zu erklären?"
Der Preis besteht in einer goldenen Medaille von fr. 400 an innerem
Wert
Man kann sich bei der Beantwortung des Holländischen, Lateinischen,
Französischen, Englischen oder Deutschen (nur mit Lateinischer Schrift)
bedienen. Auch müssen die Antworten vollständig eingesandt werden,
da keine unvollständigen zur Preisbewerbung zugelassen werden. Alle ein-
geschickten Antworten fallen der Gesellschaft als Eigentum anheim, welche
die gekrönte, mit oder ohne Übersetzung, in ihre Werke aufnimmt, sodafs
die VerfEtöser sie nicht ohne Erlaubnis der Stiftung herausgeben dürfen.
Auch behält die Gesellschaft sich vor, von den nicht preiswürdigen nach
Gutfinden Gebrauch zu machen, mit Verschweigung oder Meldung des
Namens der Verfasser, doch im letzten Falle nicht ohne ihre Bewilligung.
Auch können die Einsender nicht anders Abschriften ihrer Antworten be-
kommen als auf ihre Kosten. Die Antworten müssen nebst einem ver-
siegelten Namenszettel, mit einem Denkspruch versehen, eingesandt werden
an die Adresse: Fundatiehuis van wijlen den Heer P. Teyler van der
Hülst, te Haarlem.
Die PreafsiseheD Jahrbücher sind mit Beginn ihres 36. Jahrg. (1893)
aus dem Verlag von Georg Reimer in den von Walther in Berlin über-
gegangen. Mit diesem Wechsel hat sich zugleich eine Änderung des Pro-
gramms vollzogen. Während die Jahrbücher früher nur Originalaufsätze
brachten, wollen sie in Zukunft auch aus den Fachzeitschriften solche
„Schätze der Wissenschaft heben, deren künstlerische Form sie geeignet
macht, nicht nur dem Fachmann, vielmehr der Nation Licht zu spenden**.
In Ausführung dieses Vorhabens bringt das Januarheft den Wieder-
abdruck einer Abhandlung, welche Ad. Harnack in den Sitzungs-
berichten der Berliner Akademie über die neuentdeckten Bruchstücke
des Evangeliums und der Apokalypse desPetrus hatte erscheinen
lassen. Der Umfang der Jahrbücher wird vergröfsert und der Preis von
18 auf 20 Mk. erhöht. Die Schriftleitung führt wie bisher Prof. H. Del-
brück. Heft 1 enthält aufser dem genannten Wiederabdruck Aufsätze
von Delbrück, Rud. Hildebrand, Will. Scharling, Alex. Tille und Rud. Wach ;
letzterer handelt über die Beschimpfung von Religionsgesellschaften.
1893. Nachrichten. 101
Entgegnung.
In dem Aufsatze „Das Verhältnis der Didactica magna des Comenius
zur Didaktik Ratkes" (Monatshefte der Comenius-Gesellschaft III, S. 176
gedenkt der Verfasser — Herr A. Israel — der Arbeit des Unterzeichneten
über Comenius in einer Weise, die ein Schweigen unmöglich macht. Ich
habe auf S. 89 meines Buches von einer ^Schrift^ Ratkes (De studiorum
rectificanda methodo consilium) gesprochen und zwar lediglich deshalb, um
Comenius' eigene Angabe (Opp. did. I, 3) hervorzuheben. Ob die Worte
De studiorum etc. Bruchteil gewesen sind oder nicht, ist gleichgültig; sie
decken sich mit dem Inhalte dessen, was Comenius in Herbom von Ratke
gelernt hat, und das ist die Hauptsache. Herr Israel behauptet nun, ich
hätte wahrscheinlich die Bezeichnung „Schrift Ratkes** von Dr. G. A. Lindner
entlehnt: diese Annahme trifft nicht zu, da ich das in Frage kommende
Buch Lindners nur dem Titel nach kenne. Die Herrn Israel anstöfsige
Benennung ist aber schon vor Lindner gebraucht und üblich gewesen, wie
ein Blick in die Schrift Eugen Pappenheims „Amos Comenius, der Be-
gründer der neuen Pädagogik", Berlin 1871 (S. 3) beweist. Ganz dieselbe
Bezeichnung wählt auch Dr. Th. Lion in dem ip. Bande der Bibliothek
pädagogischer Klassiker (Langensalza, H. Beyer, 1875) S. 10. Seit dieser
Zeit ist der bequeme Ausdruck „Schrift Ratkes** in Anwendung gekommen.
Da Comenius schon vor Ablauf des Jahres 1612 Herbom verliefs, so kann
unter der „Schrift Ratkes" nur dessen Memorial an den Reichstag ver-
standen werden, denn die Berichte der Jenenser und Giefsener Akademieen
erschienen zu einer Zeit, da sich Comenius schon in Heidelberg aufhielt.
Die als wahrscheinlich bezeichnete Anlehnung an Lindner glaubt Herr
Israel auch in der Anführung der 9 Artikel, auf welchen Ratkes Lehr-
kunst beruht, entdeckt zu haben. Lindner hat dieselben angeblich aus
Raumers Geschichte der Pädagogik geschöpft. Herr Israel hätte das auch
bei mir annehmen können. Nach Raumers Vorgange (Bd. II, S. 30—36,
Stuttgart 1843) ist die Annahme von 9 Punkten geläufig geworden. Hätte
ich ein weitschichtiges Werk über Comenius schreiben wollen, so würde
ich nicht ermangelt haben, sämtliche Artikel aufzufuhren. Die Schrift
Schumanns „Die echte Methode Ratkes** ist in Hannover erschienen. Ich
hatte nur diejenigen Punkte ins Auge zu fassen, die zu einer Parallele
zwischen Ratke und Comenius geeignet erschienen. Aus diesem Grunde
schlofs ich ausdrücklich zwei der angeführten Punkte aus, was Herr Israel
verschweigt. Schumann führt in seiner Geschichte der Pädagogik 10
Punkte an: ich nahm jedoch Abstand, Ratkes Grundsatz: „Alles mit vor-
hergehendem Gebet** in einer Arbeit über Comenius zu erwähnen; man
hat schon vor Ratke die Schule mit Gebet angefangen. —
Den Schlufs des Vergleichs bilden folgende Sätze, die zwar nicht mit
„Anlehnung an Lindner** bezeichnet sind, aber dafür auch desto weniger
Gnade in den Augen des Herrn Recensenten fanden: „Ratke ward bei
seinen pädagogischen Bestrebungen vom Glücke nicht so begünstigt wie
sein jüngerer Zeitgenosse; er mufste es noch erleben, dafs die Comenia-
nischen Schriften, besonders die grofse Unterrichtslehre und „die geöffiiete
Sprachenthür** seine Erfolge nicht nur in den Schatten stellten, sondern
bald in das Meer der Vergessenheit gelangen liefsen. Da ich nun selbst
102 Nachrichten. Heft 3.
S. 89 anführte, dafs Ratke 1635 starb, die grofse Unterrichtslehre aber erat
1657 im Druck erschien, da femer die Janua erst 4 Jahre vor Ratkes Tod
vollendet wurde, so war damit für Herrn Israel der Beweis der Urteils-
losigkeit des Verfassers vorhanden ! Ich erlaube mir, folgenden Gedanken-
gang, der jene beanstandeten Sätze hervorrief, darzulegen.
Die grofse Unterrichtslehre ward schon in den Jahren 1627 — 1628
vollendet, und Comenius war kein Geheimniskrämer, wie Ratke, der aus
allerhand Gründen sich auf keinerlei Mitteilung einliefs. Comenius stand
vielmehr in engem Verkehr mit der gelehrten Welt; ihm war der Ge-
dankenaustausch geradezu ein Bedürfnis. Männer, wie Georg und David
Vechner, J. Ravius in Gera, L. Schneider in Leipzig, S. Evenius in
Weimar, J. Mockinger in Danzig, J. Docem in Hamburg und Samuel
Hartlieb in London waren über die Bestrebungen und Erfolge des Co-
menius auf das genaueste unterrichtet und sorgten in ihren Kreisen für
die weitere Ausbreitung der Comenianischen Ideen. Hartlieb war von dem
schliefslichen Erfolge der Comenianischen Bestrebungen so sehr überzeugt,
dafs er den Plan fafste, eine Art Gelehrtenkollegium nach den Ideen des
Baco von Verulam zu gründen, das aus den hervorragendsten Gelehrten
Europas zusammengeset^ werden und Comenius zum Leiter haben sollte.
Comenius war femer seit 1614 im Dienste der Schule thätig und unab-
lässig bemüht, das Schulwesen der Brüderunität zu heben. Dafs dabei die
Geistlichen und Lehrer derselben in den Ideengang des Comenius ein-
geweiht wurden, mithin auch Kenntnis von dem Inhalte der Didaktik und
Janua erhielten, versteht sich von selbst. Hierdurch wurde die Kenntnis
der Schriften des Meisters ungleich mehr gefordert, als durch eine Druck-
legung derselben in damaliger Zeit geschehen konnte. Nur so ist es zu
verstehen, dafs die Janua in kurzer Zeit eine so beispiellose Verbreitung
finden konnte. Schon im Jahre 1642, also 7 Jahre nach Ratkes Tode, be-
richtet der Orientalist J. Galius in Leyden dem Comenius, dafs die Janua
in das Arabische übersetzt sei und den Mohammedanern so sehr gefiele, dafs
Übersetzungen in das Türkische, Persische und Mongolische in Aussicht
stünden. Man kann also doch wohl sagen, dafs die Janua bereits 1635
Ratkes Erfolge habe in den Schatten stellen können.
Schliefslich sei noch erwähnt, dafs Comenius vergeblich versuchte,
einen Briefwechsel mit Ratke anzuknüpfen (1629). Liegt die Annahme so
fern, dafs Comenius, um einen Gedankenaustausch anzuregen, die Resultate
seiner jahrelangen, mühsamen Arbeit dem Ratke mitteilte ? Ratke war nach
dem bösen Ausgange des Unternehmens in Köthen in seinem Ansehen
schwer geschädigt; die Blicke der um das Wohl der Schule besorgten
M&nner wandten sich einem neuen Sterne zu, vor dessen Glänze das Licht,
das Ratke angezündet hatte, schnell erblafste — dem Comenius.
Ich weifs sehr wohl, dafs meine Arbeit über Comenius nicht ohne
Mängel ist, und bin wohlwollenden Beurteilem gegenüber sehr dankbar
gewesen, unberechtigte Ausstellungen dagegen werden mich zur Abwehr
allzeit bereit finden.
Hannover, 14. Februar 1893. W. Kajser.
Auf die vorstehende Entgegnung habe ich folgendes zu erwidern:
1. In seinem Buche schreibt Herr Kayser: „Ratkes Schrift: De
1893. Nachrichteil. 103
studiorum rectificanda metbodo consiliuin (Ratschläge, die VerbeBserung des
Lehrverfahrens betreffend), welche von den Giefsener Professoren Helwig
und Jung, sowie von den Jenaischen Gelehrten Grawer, Brendel, Walter
und Wolf gunstig beurteilt worden war, lernte Comenius . . 1612 kennen.^
In seiner Entgegnung lesen wir: „Seit dieser Zeit ist der bequeme Aus-
druck „Schrift Ratkes" in Anwendung gekommen. Da Comenius schon
vor Ablauf des Jahres 1612 Herbom verliefs, so kann unter der „Schrift
Ratkes** nur dessen Memorial an den Reichstag verstanden werden, denn
die Berichte der Jenenser und Giefsener Akademieen erschienen zu einer
Zeit, da sich Comenius schon in Heidelberg befand. '^ Herr Kayser scheint
gar nicht zu bemerken, dafe seine neuerliche Auslassung der ftuheren
vollkommen widerspricht. Ich kann nach wie vor nicht unterlassen,
ihn und natürlich auch alle anderen, auf die er sich beruft, in dem Ge-
brauche des bequemen Ausdruckes „Schrift Ratkes" zu stören. Hätte er
„Vogts Quellen zur Geschichte des Didaktikers V Ratichius^ zu Rate ge-
zogen oder hätte er in einer Bibliothek nachgefragt, so hätte er erfahren,
dafs es eine Schrift Ratkes De studiorum etc. nicht giebt.
Übrigens ist es selbstverständlich, dafs es auch nicht erlaubt ist, unter
diesem Titel Ratkes Memorial zu verstehen, das gar kein Buch ist und
dem Titel De studiorum gar nicht entspricht.
2. Es ist mir nicht sehr wahrscheinlich, dafs Herr Kajser die auch
von mir angezogene Schrift Schumanns benutzt hat, denn es könnte ihm
dann nicht entgangen sein, dafs Schumann die Ausgabe der Methodus
quadruples von 1617 vor sich hatte, während Raumer nur die von 1626
kannte, und es bleibt mir völlig unerfindlich, warum er, da er doch seinen
Abschnitt „Comenius-Quellen^ überschrieben hat, diese wirkliche
und fast einzige Quelle, aus der Comenius seine Kenntnis
der Lehrkunst Ratkes geschöpft hat, nicht angezogen hat.
Seine Aufzählung der „neun Punkte^ deckt sich bis auf geringfügige
sprachliche Abweichungen genau mit der Aufzählung bei Raumer und
Lindner.
Wenn daher Herr Kayser oben schreibt: „Aus diesem Grunde schlols
ich ausdrücklich zwei der angeführten Punkte aus, was Herr Israel ver-
schweigt", so ist das ganz unverständlich : weder hat Herr Kayser weniger
Punkte aufgezählt als Raumer und Lindner, noch hatte ich etwas zu ver-
schweigen !
3. Die Didactica magna ist allerdings 1628 vollendet worden, aber be-
kanntlich in böhmischer Sprache! Die Übersetzung ins Lateinische
erfolgte drei Jahre nach Ratkes Tode, der Druck 22 Jahre später. Ob
meine Ausstellungen an den Kayserschen ^Quellenangaben" demnach „un-
berechtigt" waren, mufs ich dem Urteil der Leser anheimstellen.
Zschopau, 10. März 1898. Israel.
Pierer'sohe Hofbuohdruoker«!. Stephan Geibel A Co. in Altenburg.
Aus dem Inhalt des ersten Bandes (1892).
üüMT AilMM^^lMi (8. III— ym). AbkU«lu«M: P. Hohlfeld, J. A.
Comenius und K. C. Fr. Krause. — K. Mäapel, Die interkonfessionellen Friedensideale
des J. A. Comenius. — A. Israel, Das Verhältnis der „Grossen Unterrichtslehre" des
Comenius zu der Didaktik Batkes. — Lidw. KaHtr, Joh. Valentin Andreae und
Comenius. — Q«eiU«ii imA Fofsdliiuif «n: Jos. Miller, Zur Bücherkunde des Comenius.
— Job. Kvaeeala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. — Bl«lB«r6 HttMloiiCfen:
L Pappeahela, Die erste Ausgabe des Orbis pictus. — M. Toeppen, Zur Lebensgeschichte
des Comenius. — 0. Rad lach. Der Aufenthalt des Comenius in Thom im Herbst 1634. —
Ed. Bodeaaan, Ein Gedicht von Leibniz auf J. A. Comenius. — Ed. Bodenann, Ein
Stammbuchblatt von Comenius. — Haggaeus redivivus von J. A. Comenius.
Wieder aufgefunden von Joe. Möller in Hermhut. — Aus neueren Handschriften-
Verzeichnissen. Zur Geschichte der Waldenser u. s. w. — Joe. Miller, Die Bilder des
Comenius. — J. Parmentler, Bobert Hebert Quick. -^ Ed.-HenrI Robert, Ed. L. Bobert.
— Uttwratiu^Barldllte : Die Comenius-Litteratur seit 50 Jahren. — Die gedruckte
Litteratur zur Geschichte des Didaktikers Wolfgang Batichius. Zusammengestellt von
fiideoB Vogt. — KitttkMi und BMpi«oliwiir«ft. — Vadurtohtoii. — OMOhäfOlohar
ToU (darin die Satzungen der C. G., die Geschäftsordnung für den Gresamt-
vorstand u. s. w.).
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen, welche der Gesell-
schaft als Patrone, Stifter oder Teilnehmer beitreten, gegen Nach-
zahlungr der Jahresbeiträge (s. unten) für 1892 bis auf weiteres unentgeltlich
geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Der zweiten oder dritten Nummer jedes Jahrgangs wird ein Zahlungs-
formular behufe Berichtigung des JalUTtttbeitrag^ beigefügt. Falls bis zum
1. Juli die Zahlung nicht erfolgt ist, wird angenommen^ dafs die Mitglieder
mit der Erhebung durch Postauftrag einverstanden sind.
Mitglieder, welche einen Teil der Veröffentlichungen des jeweilig laufenden
Jahres in Empfang genommen haben, können ihre Abmeldung erst zum
1. Januar des nächstfolgenden Jahres bewirken.
Dem Hedaktions -Ausschurs der Gesellschaft gehören ausser dem
Vorsitzenden des Verwaltungs - Ausschusses und seinem Vertreter gegenwärtig
folgende Herren an: Diakonus Jos. Müller in Hermhut (Vorsitzender);
Direktor Dr. Buddensiegr, Dresden ; Dr. L. H. Fischer, Stadt- und Ereis-
schulinspektor, Berlin; Schulrat A. Israel, Zschopau; Prediger W. J- Leen-
dertz , Amsterdam ; Pastor Lorenz , Berlin ; Univ. - Prof. Dr. Loserth,
Czemowitz.
Wegen geschftftlicher Anzeigen oder Beilagen litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig-Gohlis, Lange Str. 47^,
wenden. Anzeigen 15 Pf. die gespaltene Petitzeile; Beilagen nach Vereinbarung.
Etwaige Orts- und V^ohnungswechsel wollen unsere Mitglieder der
Oeschäftsstelle der Comenius - Gesellschaft , Münster i. W., Wol-
beckerstr. 4*, gefälligst mitteilen.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Gesellschaft (C. G.) hat sich wissenschamiclie und
g'eineliinüt2dg'e Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatsliefte (M. H.), zur Förderung der letzteren die Mlttellungfen
(M. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Einzel Schriften bleibt vorbehalten.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom -Mitglieder, welche mindestens 5 M, entrichten, erhalten
8SmtllcIie Veröffentlichungen der C. G.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können in Zukunft an Körperschaften nur ausnahmsi^eise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen VeröflFent-
lichungen verzichten, können sich als AbteilangS-Mitglieder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mitteilung'en der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pflegre der "Wissenschatten im Geist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Religion, Philosophie, Geschichte und Er-
ziehungfslehre berücksichtigen und für die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Hitteilungen sind zur Förderung der gremeinnützigren Aufgaben
bestimmt, welche sich die C. 6. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten: 1. Kürzere Leltaufsfttze aus dem Gebiete der Bildungspflege,
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte.
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 8. Gedanken, Aussprüche und Bemerkungen. 4. Gesell-
schafts -Angeleirenheiten. 5. Bücher und Zeltschriften.
Durch die „YortrSge und AufsBtze aus der Comenius-^esellscliaft"
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen, die wir als Sonderabdrücke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
VortrÄg^e veröffentlicht werden, die von Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlung^en, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Grebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Comenius zu fördern.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder- Abzüge unberechnet; Mehrbedarf nach Über*
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreflPende Heft unberechnet zur Verfiigung gestellt.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
Der Bezngapreie beträgt im Buchhandel und bei der Pojit jäbrlich
10 Mark. Einzelne Hefte kosten 1 M, 25 Pf.
'' Leipzig,
R. Voigtlander's Verlag.
(la Kommission.)
1893.
Alle Becbte vorbehalten.
Inhalt
des vierten und fünften Heftes 1893.
A. Abhandlungen. ^^"®
W. Heinseliyi*nii, Goethes religiöse Entwicklung. Dargestellt von Prof. Dr. W. H. 105
B. Kleinere Mlttellungfen.
O. BadlAOh, Der Protest des Comenius gegen den Vorwurf, er sei ein Sektierer,
beleuchtet aus den Beziehungen Andreaes zu Nürnberg. Ein weiterer Beitrag
zum Verständnis seines Lüneburger Briefs 127
C. Quellen und Forschungen.
Joh. KvAOSalA, Zur Leben ^geschichte des Comenius (Fortsetzung) 187
]>. Vaolirtobt«!!. Ernst Reuans Entwicklungsgang. — Preisaufgabe der Fürstlich Jablonowski-
schen Gesellschaft in Leipzig. — Der Geschichtsunterricht als Vorbereitung zur Teilnahme
am öffentlichen Leben. — Zur Bücherkunde des Comenius. — Ein neues Werk über den
Ursprung der „mährischen*^ Brüder. — „Das Glück" von Th. Arndt. — Bibliographie der
Pädagogik. — Berichtigung.
Die XonAtlhefte erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August und Sep-
tember). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav). Postzeitungsliste Nr. 4296 »>.
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaft, Archiv -Rat Dr. Keller
in Munster i. W. oder an den Vorsitzenden des Redaktions -Ausschusses, Diakonus
Joe. Möller in Herrnhut i. S. zu richten.
Für die Redaktion verantwortlich: Diakouus Jo8. Müller in Herrnhut I. S.
Jahresbeitr&ffe (vgl. S. 4 des Umschlags), sowie einmalige ZawendiuiffttDi
bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C, Burgstrasse,
zu senden.
Anmeldangen zur Gesellschaft und Jahresbeltr&s^e nehmen ferner an:
B. Voigtläiider's Verlag, Iielpzig-Oohlis, Laugestrafse 47 b. _ a. PioUer's
Witwe Sa Sohn , Wien V., Margarethenpl. 2. — Fr. lUvn&ö, Buchhandlung, Prmg,
Muscumsgebäude. — Williains and Vorgate, Buchhandlung, 14 Henrietta-Str., Covent
Garden, Iiondon. — Buchhandlung Fisohbaoher, Paris, Rue de la Seine 38. —
Buchhandlung von Johanne« Mfiller, Amsterdam, Singel 286. — Buchhandlung ron
Meyer ft Z^er, Zürich, Bathausplatz. — C. E. Fritze's Hofbuchhandlung, Stoek-
hdlm. — Cammermeyer*« Buchhandlung, Ohriatiania.
Haehdraok unserer Nachrichten und Berichte nur mit Quellenangabe, gröfserer
Beiträge nur mit Einverständnis der Schriftleitung gestattet.
Comenius - Gesellschaft.
II. Band. — 1893, — Heft 4 u. 5.
Goethes religiöse Entwiciciung.
Dargestellt von
Prof. Dr. W. HeinBelmanii in Erfurt.
Wenn es die Aufgabe der Comenius-Qesellschaft ist, für alle
diejenigen Bestrebungen wissenscbafdicher und praktischer Art
einen zusammenfassenden Mittelpunkt zu bilden, welche auf die
Pflege und Förderung einer den Anforderungen und Bedürfnissen
der Neuzeit entsprechenden, zugleich echt menschlichen und echt
christlichen Volkserziehung und -Bildung im weitesten und
tiefsten Sinne des Wortes gerichtet sind, wenn sie zu diesem
Behufe ihre Aufinerksamkeit besonders den bedeutenden Männern
der Vergangenheit zuwendet, welche im Sinne und Geiste des
Comenius das Ziel allgemein menschlicher Bildung auf dem
Grunde einer ebenso weitherzigen, über dem Streite der Parteien
und Konfessionen erhabenen, als sittlich fruchtbaren christlichen
Denkweise zu erreichen suchten und in dieser Richtung bahn-
brechend und erziehend auf Mit- und Nachwelt eingewirkt haben,
80 dürfen neben den im Programme der C.-G. verzeichneten
Männern unsere drei grofsen klassischen Dichter Lessing, Schiller
und Goethe einen wohlbegründeten Anspruch darauf erheben,
auch ihrerseits in diesen Blättern berücksichtigt zu werden.
Vor allem steht hier wohl unser grOfster deutscher Dichter
als Begründer einer Welüitteratur in seiner ganzen religiösen
und sittlichen Denkweise dem auf ein Völker und Zeiten um-
XoB«tabttfto der Comenins-Oeflellselutft. 1883. 8
106 Heinzelmann, Heft 4 u. 5.
spannendes Christentum der That abzweckenden, echt welt-
bürgerlichen Gesinnung des Comenius am nächsten. Es ist be-
kannt, wie Goethe selbst im kleinen Kreise sich oft und gern
als Erzieher versuchte, wie sein Geist sich stets mit besonderer
Teilnahme pädagogischen und didaktischen Fragen zuwandte^)«
Aber weit höher als diese im engeren Sinne erziehende und
erziehungswissenschaftliche Thätigkeit sind die bedeutenden er-
ziehlichen Einwirkungen anzuschlagen, die noch jetzt fort und
fort von ihm durch Vermittelung seiner poetischen und prosaischen
Meisterwerke auf die weiten Kreise der Gebildeten unseres Volkes,
sowie aller Kulturvölker ausgehen. Und nicht gering dürfen wir
diejenigen Nachwirkungen anschlagen, welche sich auf dem be-
deutsamsten und umfassendsten, für das sittliche Handeln über-
haupt, wie insbesondere für das Werk der Erziehung im engeren
Sinne mafsgebenden Gebiete des religiösen Lebens bewegen.
Es ist wahr, Goethes Stellung zu den höchsten Fragen des
Lebens ist in den drei Perioden, die man in seinem Dichten und
Denken unterscheidet, eine verschiedene, und wer ihn nach
einzelnen mündlichen oder brieflichen Äufserungen, nach einzel-
nen, vorübergehende Stimmungen und zeitweilige Anschauungen
widerspiegelnden poetischen Ergüssen beurteilen wollte, würde
einen geteilten, ja nicht selten befremdenden Eindruck em-
pfangen. Die widersprechendsten Urteile von rechts und von
links hat der Dichter daher über sich ergehen lassen müssen,
sobald es sich um seine Stellung zum Christentum handelte.
Aber es ist eben verfehlt und unstatthaft, den Genius mit der
EUe^ eines, ob auch noch so schulgerechten dogmatischen oder
kritischen Alltagsverstandes messen zu wollen. Je tiefer eine
Persönlichkeit angelegt ist, je gewaltigere Gegensätze in ihr ver-
einigt sind, desto mehr darf sie fordern, lediglich nach sich selbst
beurteilt zu werden, und nur dem echt geschichtlichen Sinne,
der es gelernt hat, sich liebend in fremde Eigentümlichkeiten
zu versenken, und der es versteht, mit philosophischem Blick
die einzelnen, sich scheinbar widersprechenden Momente der
Entwicklung im grofsen Zusammenhange des Ganzen zu schauen,
erschliefsen sich die Geheimnisse des persönlichen Lebens.
Von diesem Gesichtspunkte rein geschichtlicher Be-
1) Vergl. die beiden Monographien von Langguth: Groethes Päda-
gogik, Halle 1886; Goethe als Pädagog, Halle 1887.
}893. Gk>ethes religiöse Entwicklung. 107
trachtung versuchen wir es, die religiöse Entwicklung
Goethes nach ihren Hauptmomenten darzulegen. Wir dürfen
uns dabei auf die in religiös -sittlicher Hinsicht wichtigsten
Perioden seines Lebens und Dichtens, auf die erste und auf die
dritte, beschränken. Unsere Hauptquellen fUr die Darstellung
sind in Bezug auf die erste, die Jugendperiode, Goethes Selbst-
biographie, „Wahrheit und Dichtung", welche ergänzt wird durch
die gleichzeitigen Briefe und die wichtigsten odenartigen Gedichte,
die er während der ersten zehn Übergangsjahre in Weimar ab-
gefafst hat. Für die Darlegung der religiösen und sittlichen
Weltanschauung des Dichters in der dritten Periode, der sog.
Periode der Vollendung, benutzen wir die vortreffliche Monographie
von 0. Harnack*).
Goethe sagt am Schlufs von „Wahrheit und Dichtung** :
„Man hat im Verlaufe dieses biographischen Vortrages umständ-
lich gesehen, wie das Kind, der Knabe, der Jüngling sich auf
verschiedenen Wegen dem Übersinnlichen zu nähern gesucht;
erst mit Neigung nach einer natürlichen Religion hingeblickt;
dann mit Liebe sich an eine positive festgeschlossen ; femer durch
Zusammenziehung in sich selbst seine eigenen Kräfte versucht
und sich endlich dem allgemeinen Glauben freudig hingegeben.**
Die „natürliche Religion**, von welcher der Dichter hier redet,
ist der Deismus der Aufklärungszeit, die „positive** Religion, der
er sich sodann zuwendet, ist das Christentum in der Form der
Brüdergemeinde. Unter der „Zusammenziehung in sich selbst**
versteht er die Bildung eines eigenen, von dem kirchlichen
Christentum abweichenden Standpunktes. Endlich unter dem
„allgemeinen Glauben** ist jedenfalls nicht die bereits früher von
ihm überwundene abstrakte Denkweise des vulgären Rationalismus
zu verstehen, der mit der natürlichen Religion des Deismus zu-
sammentrifft, sondern die mehr dem Pantheismus verwandte
religiöse Weltanschauung, wie sie der Dichter allmählich an der
Hand des Philosophen Spinoza und auf Grund anderer Einflüsse
gewinnt.
Goethes Jugend fällt in die Zeit der beginnenden Herrschaft
') Otto Harnack, Goethe in der Epoche seiner Vollendung (1805 —
1832). Versuch einer Darstellung seiner Denkweise und Weltbetrachtung.
Leipzig, 1887.
8*
108 Heinzelmann, Hefk 4 u. 5»
des vulgären Rationalismus, der von den drei Artikeln
des apostolischen Glaubensbekenntnisses nur den mit den Juden
und den Muhammedanem uns gemeinsamen ersten Artikel fest-
hielt, aber häufig nicht einmal im Sinne einer lebendigen alt-
testamentlichen Frömmigkeit , d. h. des Theismus, sondern im
Sinne des Deismus, jener abstrakten und unlebendigen Vor-
stellung, nach welcher Qt) tt zwar von der Welt unterschieden,
aber zugleich ohne lebendige, persönliche Beziehung zu derselben
gedacht wird. Man hielt nur den verblafsten Qedanken einer
Vorsehung und eine Fortdauer der menschlichen Seele nach dem
Tode fest ; aber eine geschichtliche Offenbarung Gottes zum Heile
der Menschheit ward geleugnet, weil der Mensch, wie man
meinte, an sich und von Natur gut, einer Erlösung nicht be-
dürftig war. Die Bibel ward in der willkürlichsten Weise
behandelt und durch eine platt verständige, zum Teil aber-
witzige Auslegung ihres prophetischen und poetischen Gehaltes
entkleidet, die Gesangbuchslieder entstellt und verwässert und
ihres erbaulichen, wie dichterischen Wertes beraubt. An Stelle
der Religion trat mehr und mehr eine dürre und geistlose
Moral. „Tugend und Weisheit" war die Losung in Kirche und
Schule; etwas Besseres und Höheres kannte man nicht. Diese
von England und BVankreich eingefiihrte Lehre ward damals
vielfach auch von lutherischen Geistlichen in Anbequemung an
den Zeitgeist von Elanzeln und Kathedern verkündigt Der in
Welt und Kirche herrschende Geist trieb viele Glieder der
Kirche in den Separatismus hinein. Die „Stillen im Lande** —
so nannte man sie — sonderten sich ab von der Kirche und
thaten sich zusammen zu kleinen Privatgemeinden. Seit der
Mitte des 17. Jahrhunderts, als die kirchliche Rechtgläubigkeit
in Deutschland infolge der theologischen Zänkereien immer mehr
erstarrte, hatte bereits der sog. Pietismus eines Spener und
A. H. Francke in diesem Sinne, doch innerhalb der Schranken
der kirchlichen Ordnungen, zur Belebung der Kirche gewirkt
Vergebens. Der rationalistische Geist drang immer mehr ein in
die Kirche; Zinzendorf wählte den Weg einer eigenen Q^mein-
schaftsbildung und pflegte in seiner Brüdergemeinde eine von dem
öffentlichen Bekenntnis der Kirche vielfach abweichende, aber
lebendige evangelische Frömmigkeit. Wie stand es in Frank-
furt a. M., dem Geburtsort Goethes?
Frankfurt galt damals noch als Hort lutherischer Recht-
1893. Goethes religiöse Entwicklung. 109
gläubigkeit; aber diese war fast völlig zu toter Orthodoxie er-
starrty und gleichzeitig drang der Deismus ein, der seine Lehren
unter dem Deckmantel der kirchlichen Autorität um so besser
verbreiten konnte. Kein Wunder, dafs sich der junge Goethe
von dieser Art von Religion abgestofsen fUhlte. Eine Zeit lang
bewährte sich noch der EinfluTs der häuslichen Sitte. Der Knabe
ward durch den ernsten, streng kirchlichen Vater und durch die
gemütvolle heitere Mutter fromm erzogen. Er erzählt, wie er
sein kindliches Morgengebet knieend und mit gefalteten Händen
verrichtet habe. Aber frühe erwachten Zweifel in seiner Seele.
Als die entsetzlichen Nachrichten von dem Erdbeben von Lissabon
an sein Ohr drangen, da geriet sein Glaube an die Güte Gottes
gegen alle Menschen ins Wanken ; auch konnte ihm niemand auf
seine kindlichen Fragen eine befriedigende Antwort geben. Da
beschlielst eines Tages der 7jährige Knabe, sich auf seine Weise
„dem grofsen Gotte in der Natur** zu nähern und bringt ihm
auf dem schönen, pyramidalischen, mit allerhand Naturprodukten
ausgestatteten, von Räucherkerzen gekrönten Musikpulte seines
Vaters bei Sonnenaufgang jenes bekannte, rührende Morgen-
opfer dar.
Bald wird er mit der Bibel näher bekannt Sein früh
erwachter, reger Forschungstrieb wirft sich zunächst auf das alte
Testament. Er liest im hebräischen Grundtexte die Geschichte
der Erzväter, und das Leben Josephs reizt ihn zum ersten
dichterischen Versuch. Ja, der 14jährige Knabe überrascht bald
nach seiner Konfirmation den erstaunten Vater mit einer umfang-
reichen Sammlung selbstgedichteter geistlicher Oden und Lieder«
Denn schon Klopstocks „Messias ** hat seine Phantasie erfüllt und
begeistert ihn zu dem ersten bedeutenderen poetischen Versuch,
•der die Überschrift trägt: „Die Höllenfahrt Christi". Li diesem
Gedichte wird der Erlöser mit Klopstockschem Pathos, aber in
•einer nicht ungewandten Sprache, als majestätischer Beherrscher
des Höllenreiches dargestellt.
Die durch Klopstock empfangenen religiösen Eindrücke
christlicher Art hätten auf der Universität Leipzig, die der
kaum 16jährige Knabe bezieht, durch den frommen Geliert
vertieft imd ergänzt werden können. Aber die im Sinne der
Aufklärungszeit moralisch -verständige, dabei etwas weichlich-
sentimentale Weise dieses persönlich hochachtbaren, in jener
2eit sehr einflufsreichen , doch nicht durchweg geschmackvollen
110 Heinzelmann, Heft 4 U. 5.
Vertreters des kirchlichen Christentums wirkte befremdend auf
den gesunden Sinn des jungen Goethe. Gleichzeitig verleidete
ihm nun sein sarkastischer Freund Behrisch durch herben Spott
die ungelenke Odenpoesie eines Ramler und verwandter Dichter
der Zopfzeit. Kurz, Goethe wandte sich von Geliert ab und
brach so zugleich mit dem gesamten religiösen wie ästhetischen
Ideal der Aufklärung , welche den Zweck des Dichtens in das
spiefsbürgerliche Horazianische „Ergötzen und Nützen** setzte.
Es war das, sachlich angesehen, ein Vorteil für den künftigen
Dichter, aber im Augenblick persönlich ein sittlicher Schaden
für den Menschen Goethe. Denn indem er mit der gefeiertsten
Autorität jener Zeit brach, schwand ihm allmählich, wie er sagt,
alle Autorität, und er begann selbst an den gröfsten und besten
Männern zu zweifeln, ja zu verzweifeln.
Damit trat der Dichter ein in die Periode innerer Gärung,
aus der sich sein eigener Standpunkt entwickeln sollte. Die
innere Aufregung in Verbindung mit seinen zerrissenen Studien
und seiner unregelmäfsigen Diät stürzte ihn in eine gefährliche
Krankheit. Da wurde er durch seinen Freund Langer, den
späteren Nachfolger Lessings in Wolfenbüttel, auf eine eingehende
und zusammenhängende Beschäftigung mit der Bib el hingewiesen,
als das nächst dem Studium der Alten wichtigste Mittel höherer
Bildung. Kaum genesen, folgte der Dichter diesem Rate. „Mit
Geflihl und Enthusiasmus" las er, wie er sagt, das Neue Testament
Da lernte er die Bibel zuerst als ein göttliches Buch verehren, als
ein Ganzes göttlicher Offenbarungen schätzen und liebgewinnen;
das Gespenst der Aufklärung lag hinter ihm. Die Kritik des
Rationalismus konnte ihm vor der Hand nichts mehr anhaben;
er durchschaute ihre wissenschaftlichen Mängel und — ihre
Unwahrheit. Diese Vorliebe für die heilige Schrift ist ihm
zeitlebens geblieben, sie ist ihm in seinem Leben wie in seinem
Dichten trefflich zu statten gekommen. Er würdigt in „Wahrheit
und Dichtung" die hohe Bedeutung der Bibel für seine gesamte
höhere Bildung folgendermafsen : „Ich für meine Person hatte
sie lieb und wert; denn fast ihr allein war ich meine sittliche
Bildung schuldig, und die Begebenheiten, die Lehren, die
Symbole, die Gleichnisse, alles hatte sich tief bei mir ein-
gedrückt und war auf die eine oder andere Weise wirksam
gewesen. Mir mifsfielen daher die ungerechten, spöttischen und
verdrehenden Angriffe."
1898. Goethes religiöse Entwicklung. m
Was Langer in Leipzig begonnen hatte, das war eine
Freundin der Mutter Goethes berufen fortzusetzen. Als der
junge Goethe im Jahre 1768 krank und mifsmutig, mit
der Liebe zur Bibel im Herzen und mit viel ungelösten
Zweifeln im Kopfe, nach Frankfurt zurtlckkehrte, trat er dem
oben erwähnten Kreise der in Frankfurt seit Speners Wirken
in dieser Stadt nicht ausgestorbenen ,,Stillen im Lande"
näher, welche, durch die dürre Moral des Rationalismus aus der
öffentlichen Kirche getrieben, christliche Gemeinschaft pflegten
auf Grund eines lebendigen, persönlichen Glaubens an Christum,
den Heiland. Goethe äufsert sich über sie: „Sie suchten sich
der Gottheit besonders durch Christum mehr zu nähern, als es
ihnen unter der Form der öffentlichen Religion möglich zu sein
schien. Die mehr oder weniger Abgesonderten — auch einige
Geistliche der Stadt neigten sich zu ihnen — waren immer die
Minderzahl; aber ihre Sinnesweise zog ^n durch Originalität,
Herzlichkeit, Beharren und Selbständigkeit'' Besonders im
Handwerkerstande hatte diese Richtung Freunde, aber auch der
berühmte Jurist Friedrich Karl v. Moser, seit 1751 in Frankfurt,
ein Freund Hamanns, sowie der Legationsrat Moritz und andere
angesehene Männer der Stadt gehörten zu diesen „verbundenen
Christen".
Den Mittelpunkt dieses Kreises bildete Fräulein von
Klettenberg. Sie war durch schwere Lebensschicksale zum
lebendigen Glauben an den Heiland geführt. Von Hause aus
ein flatterhaftes Weltkind ohne Ruhe und ohne Halt, hatte sie
den Frieden der Seele in der christlichen Religion gefunden.
Der Friede Gottes, der in dieser schönen Seele wohnte, wirkte
wie ein stiller, aber unwiderstehlicher Zauber auf ihre Um-
gebung. Auch auf Goethe verfehlte er seine Wirkung nicht.
Die Freundschaft mit Fräulein v. Klettenberg giebt dem unruhig
suchenden Jüngling in den nun beginnenden Jahren des Sturmes
und Dranges einen innem, gemütlichen Halt. Sie verbreitet
ihren stillen Glanz über die Jahre 1768-— 1773. Es ist die Zeit
der gröfsten Annäherung des Dichters an das positive Christen-
tum. Fräulein v. Klettenberg hatte den Gegenstand ihrer Für-
sorge an dem unruhig Zweifelnden gefunden und sagte ihm offen,
seine Unruhe komme daher, dafs er noch ,,keinen versöhnten
Gott habe". Von Hause aus tief religiös angelegt und in seinem
leidenden Zustande doppelt empfänglich, hoffte Goethe in der
112 fleinzelmann, Heft 4 iL 5.
Brüdergemeinde zu finden, was ihm die Earche und das
Leben, auch das elterliche Haus nicht bot. Er besuchte die
geschlossenen Andachten mit dem Legationsrat Moritz in der
Frankfurt benachbarten Kolonie Marienbom und ward von leb-
hafter Zuneigung ergriffen. Denn einmal war es eine Reihe
trefflicher Männer, die er hier kennen lernte, sodann fesselte ihn
der poetische Zauber der Geschichte der Brüdergemeinde und
ihr Zurückgreifen auf die Zustände der Urkirche. Vor allem
aber gefiel ihm die herrschende Pflege des Religiösen in der
Form des Gefühls, der warmen Empfindung des Herzens im
Gegensatze zu der trockenen moralisch-verständigen Behandlung
religiöser Dinge in der Kirche.
Das Herz des Dichters war gewonnen, aber das Gewissen
war nicht getroffen. Ihm widerstand, bei seiner durch die
herrschende Zeitrichtung begünstigten Ansicht von der an-
geborenen Güte der menschlichen Natur, die augustinische Lehre
von dem natürlichen Verderben des Menschen durch die Sünde,
zu der sich auch die Brüdergemeinde bekannte. Goethe konnte
und mochte nicht glauben, dafs es mit der menschlichen Natur
so schlimm bestellt sei. Mit anerkennenswerter Offenheit spricht
er sich über diesen wichtigen Gegenstand selbst im S. Buche
von „Wahrheit und Dichtung" aus. Er hielt sich zwar nicht
für fehlerfrei, aber im ganzen doch für gut und meinte daher,
für seine Person zur Not auch ohne einen Erlöser und Versöhner
vor Gott und Menschen bestehen zu können. Da ihm mithin
das auf die Erkenntnis der Sünde gegründete Bedürfnis eines
Heilandes fehlte, so können wir uns nicht wundem, dafs er den
entscheidenden Schritt der unbedingten persönlichen Hingabe an
Christus als an den alleinigen Heiland der Welt und auch
seinen Heiland nicht gethan hat.
Doch lag es in der Natur der Sache, dafs ein so gewaltiger,
reich begabter und zugleich religiös so angeregter Geist, wie
Goethe es war, das lebhafte Bedürfnis empfand, dem Gegenstande
seines Glaubens auf dem Wege des Wissens näher zu kommen.
Er benutzte dabei alle Hilfsmittel, die ihm geboten wurden. Sein
Blick fällt auf Arnolds „Kirchen- imd Ketzergeschichte". Als
Freund des Besonderen und Charakteristischen — und dieser
damals sehr ausgeprägte, echt romantische Zug seiner Natur
wirkte wohl auch bei seiner Hinneigung zu den Herrnhutem
mit — gewinnt er nunmehr ein lebhaftes Interesse an den von
1898. Gbethes religiöse Entwicklung. HS
der Eürche vemirteilten Gnostikern, jenen Lehrern des
2. Jahrhunderts, welche das Christentum in ein religions-
philosophisches System zu bringen suchten, in dem orientalische
und griechische Ideen mit christlichen Vorstellungen verquickt
sind. Er liest und liest und baut sich selbst an der Hand der
Onostiker ein religionsphilosophisches System auf, das er uns
am Ende des 8. Buches in seinen Grundzügen mitgeteilt hat. In
diesem System spielt Lucifer eine ziemlich hervorragende, Christus
dagegen nur eine untei*geordnete Rolle. Der Gnosticismus hat
einen geheimen Zug zum Pantheismus. Diese Studien in
Verbindung mit gleichzeitiger Lesung alchymistischer Btkcher,
wozu ein durch ein Geheimmittel gehobener Krankheitsanfall
die Veranlassung gab, rufen eine neue Revolution in seinem
Kopfe hervor und geben zugleich den ersten Anstofs zu seinem
„Faust''. Die dürre Steppe des Deismus der Aufklärung hat er
verlassen. Nunmehr gerät er in das Fahrwasser des Pantheismus,
des mächtigsten Faktors der modernen Bildung.
Körperlich leidlich hergestellt, im Herzen hermhutisch, mit
pantheistischen Ideen im Kopfe, bezieht er im Herbste 1770 die
Universität Strafsburg. Er ist durch Fräulein v. Klettenberg
an deren dortige Freunde empfohlen. Es waren Männer hallischer
Richtung, die mehr die sittliche Seite des Christentums, Bufse
und Heiligung, betonten, während Zinzendorf in der Brüder-
gemeinde mehr den Glauben an die in Christus geoffenbarte
Liebe Gottes hervorkehrte. Bis in den Sommer hinein ver-
nehmen wir Nachklänge des Frankfurter Lebens aus den Briefen
an seine Freundin; er geht regelmäfsig zum Abendmahl und
pflegt Gemeinschaft mit den dortigen Kreisen der „Stillen im
Lande'. Aber bald machten sich andere Einflüsse geltend: er
lernte die Schriften Rousseaus kennen. Rousseau war ebenso
wenig wie Voltaire Atheist, er wollte sogar Theist sein; er pries
die Schönheiten der Bibel, wenigstens einiger Abschnitte des
Neuen Testaments, und setzte das Wesen der Frömmigkeit in
das Gefühl; aber er erklärte sich entschieden gegen die Erb-
sünde, feierte die ursprüngliche Güte der menschlichen Natur
im Gegensatze zu der verderbten Gesellschaft jener Zeit und
setzte sich dadurch zugleich in Widerspruch mit dem kirchlichen
Dogma. Und gerade das gefiel dem jungen Goethe. Er glaubte
nunmehr gegen den Pantheismus geschützt und doch zugleich
in seiner Hinneiguung zur Brüdergemeinde nicht beeinträchtigt
114 Heinzelmann, Heft 4 u. 5.
zu sein. Später hat er der Rousseauschen Weltanschauung in
seinem „Werther" ein bleibendes Denkmal gesetzt, aber ihr
zugleich nach ihrer sittlichen Seite in dem Schicksale dieses
liebenswürdigen Schwächlings den vollgültigsten Totenschein aus-
gestellt.
Wichtiger indes noch als diese Einwirkung Rousseaus wurde
für den jungen Goethe der Mann, welcher dem ungestümen
Sturm und Drang des durch die erhebenden Strafsburger Ein-
drücke mächtig angeregten, für alles Grofse und Schöne so warm
empfindenden Dichters erst die rechte Richtung geben und ihn
auch in religiöser Hinsicht weiter führen sollte. Herder (der
damals zum Zwecke einer Augenkur in Strafsburg weilte) hat
das Verdienst, eine zugleich wissenschaftliche und geistvolle
Betrachtung der heiligen Schrift angebahnt zu haben, in der
sich das religiöse Interesse mit dem litterarischen und poetischen
berührt, indem er den Inhalt der einzelnen biblischen Schriften
mehr als es bisher geschah aus dem Standpunkte und Geiste
des Altertums heraus entwickelte und einer Auffassung Bahn
brach, welche der persönlichen und schriftstellerischen Eigenart
der einzelnen Verfasser der biblischen Bücher mehr gerecht
wird. Mit dem Blick auf das Ganze verband er den auf das
Individuelle. Von dieser Seite aus lehrte er den jungen Goethe
die heilige Schrift würdigen und gab dadurch dem bereits durch
Shakespeare in ihm geweckten Sinne für das Charakteristische
die Richtung auf den höchsten Gegenstand. Besonders machte
er ihn auf die hohen poetischen Schönheiten des alten Testa-
mentes aufimierksam. Endlich wies er ihn auf die Schriften des
tiefsinnigen Hamann hin, dem Herder selbst die fruchtbarste
Anregung fUr seine Ansichten über die Bibel und über die
Volkspoesie zu verdanken hatte.
Die eingehende Beschäftigung mit diesem durch und durch
positiven, auf die Erkenntnis des Realen und geschichtlich Be-
stimmten in der göttlichen Heilsoffenbarung gerichteten Geistes
vollendete Goethes Abneigung gegen die geistlose Kritik des
Rationalismus. Ernstlich prüfte er nunmehr die einzelnen Bücher
der heiligen Schrift nach ihrer Wirkung auf sein Inneres, sein
Gemüt; durch diesen Begriff ward ihm, wie er sagt, die Bibel
erst recht zugänglich. Wollte sie ihm auch noch nicht als ein
Ganzes entgegentreten, so nahm er doch an den verschiedenen
Charakteren der einzelnen Bücher keinen Anstofs mehr.
1893. Goethes religiöse Entwicklung. 115
Nach Frankfurt zurückgekehrt legte er nun seine religiösen
Anschauungen in den von ihm mit seinem Schwager Schlosser
gegründeten „BVankfurter Gelehrtenanzeigen'' und der theo-
logischen Abhandlung „Brief des Pastors N. N. an den Pastor
N. N." dar. Dort charakterisieiie er seinen subjektiv-
religiösen Gefühlsstandpunkt gegenüber dem positiv-
evangelischen Bekenntnis und der Aufklärung. Hier setzt er
der heuchlerischen Toleranz der religiösen Gleichgültigkeit die
wahre Toleranz gegenüber, die aus dem christlichen Glauben
stammt. „Dieser Glaube, ** sagt er, „ist das Empfinden der
göttlichen Liebe, die vor so viel hundert Jahren unter dem
Namen Jesus Christus eine kleine Zeit als Mensch herumzog,
die sich in das Elend der Welt mischte und auch elend ward,
damit das Elend mit ihr herrlich gemacht werde. ** Dem Zweifel
an der künftigen Seligkeit der Heiden sucht er durch die Lehre
von der dereinstigen Wiederbringung Aller, d. h. von der
endlichen Seligkeit aller Menschen zu begegnen. Der letzte
Gedanke, übrigens auch von Zinzendorf und dem Fräulein
V. SLlettenberg wie auch von Klopstock, aber auf dem Grunde
eines christlichen Optimismus vertreten, war bei Goethe zugleich
die notwendige Folge einer religiösen Weltbetrachtung, in welcher
das ästhetische Element das ethische beherrscht, die Rücksicht
auf das Gefühl die auf die sittliche Selbstbestimmung und
Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Menschen überwiegt, und
wirft ein helles Schlaglicht auf den Sehlufs des „Faust**, von
dem der Dichter, wie er kurz vor seinem Tode erklärt, bereits
den Plan um diese Zeit festgestellt hat.
Als gärender Faust ging Goethe nach Wetzlar, mit dem
Gedanken an Lotte und Maximiliane kehrte er wieder zurück.
Kestner, Lottes Mann, schreibt: „Er strebt nach Wahrheit, hält
jedoch mehr vom Gefühl derselben als von ihrer Demonstration.**
Im Frühjahr 1773 brach Goethe mit dem klettenbergschen Kreise.
Den Anstofs gab dazu ein Gespräch über die Sünde und den
Gegensatz von Natur und Gnade. Nun erst erkannte er die
Kluft, die ihn von diesem Kreise trennte. Ihm war, wie er sagt,
die Natur auch im Gegensatz zur Gnade „in ihrer Herrlichkeit
erschienen** ; in dem klassischen Gedichte „Der Wanderer** hatte
er ihr soeben ein Denkmal gesetzt Er löste das Band. Nur
Fräulein von Klettenberg selbst hörte nicht auf zu hoffen, und
als Goethe sich scherzhaft ihr gegenüber als Heide bezeichnete,
116 Heinzelmann, Heft 4 U. 5-
sah sie das lieber, vreil mehr Wahrheit darin sei, als in seiner
Anbequemung an die christliche Ausdrucksweise, welcher die
innere Überzeugung fehle. In gleichmäfsiger Freundlichkeit und
Milde begegnete sie ihm und schien nicht im mindesten um sein
Seelenheil besorgt zu sein. Im Dezember 1774 entschlief sie
sanft. Goethe widmete ihr in „Werthers Leiden" einen Nach-
ruf: „Ach, dafs die Freundin meiner Jugend dahin ist!" — Iftfst
er den Werther klagen — »Ach, dafs ich sie gekannt habe. Nie
werde ich sie vergessen, nie ihren festen Sinn und ihre göttliche
Duldung." In „Wilhelm Meisters Lehrjahren" setzte er ihr später
ein bleibendes Denkmal in den „Bekenntnissen einer schönen
Seele".
Mit der Lösung dieses Freundschaftsbandes durch den Tod
hatte das nähere persönliche Verhältnis Goethes zu diesem Kreise
seine Endschaft erreicht. Wie tief es ihn damals angegangen
sein mufs, erkennen wir aus einer Äufserung an Eckermann
kurz vor seinem Tode, in der er sein Bedauern ausspricht, die
Beziehungen zu diesem Kreise nicht mehr gepflegt zu haben, da
sie ihm doch eine Zeit lang die Ruhe seiner Seele gegeben hätten.
An die Stelle jener Einwirkungen trat nunmehr der Philosoph
Spinoza. Von da an datiert seine bestimmtere Hinneigung
zum Pantheismus. Scheidet der Deismus Gott streng von
der Welt und die Welt von Gott, so begeht der Pantheismus
den entgegengesetzten Fehler, indem er Gott und Welt ineinander-
wirrt und die Persönlichkeit Gottes sowie die Willensfreiheit
des Menschen leugnet Alles Einzelne ist nichts als eine Er-
scheinungsform des Allgemeinen, des Alllebens, eine verschwindende
Welle im Meer. Goethe hat nie daran gedacht, sich als M en s ch ,
als sittliche Persönlichkeit, zum Pantheismus zu bekennen, als
solcher ist er durchaus T h e i s t ; aber auf seine Naturforschung
hat diese Denkweise einen bedeutenden Einflufs ausgeübt und
von da aus zu Zeiten, namentlich in der 2. Periode seines Denkens
und Dichtens, der klassisch-realistischen (1786 — 1805), auch seine
sittlichen und ästhetischen Anschauungen beherrscht. In der
3. Periode (1805 — 1832) entwindet er sich mehr und mehr den
Umstrickungen des gefährlichen Feindes. Wenn er sich aber
als Dichter und Denker pantheistisch äufsert, so liegt dieser
Äufserung meist eine gewisse Berechtigung durch den bewu&ten
Gegensatz zu der unlebendigen, abstrakten und mechanischen
Weltbetrachtung des Deismus zu Grunde, welche ebenso dem
1898. Goethes religiöse Entwicklung. 117
universeUen Denken wie dem persönlichen Empfinden des Dichters
widersprach.
Dem widerspruchsvollen Deismus, dem die Gottheit müfsig
im Himmel thront und in epikureischer Selbstgenügsamkeit nicht
thätig und liebend in den Weltprozefs eingreifen kann oder will,
nicht dem echten, lebendigen Theismus, nach welchem Gott
tlber die Welt schlechthin erhaben in persönlicher Selbständigkeit
dieselbe nicht nur geschaffen hat, sondern sie auch lebendig all-
wirksam durchdringt und sie nach seinen Liebeszwecken leitet,
gilt das Gedicht „Prometheus"; nicht der wahre und lebendige
Gott des Theismus, nur der eingebildete Gott des Deismus wird
von dem Hohn und Spott des Titanen getroffen. Und bekennen
wir Christen uns zu einem Gotte, der sich allüberall in Natur
und Menschenwelt offenbart und wirksam erweist mit seiner
„ewigen Kraft und Gottheit** und dabei doch ewig klar bewuTst
in sich selbst ruht als persönlicher Quell alles Lebens, so können
wir es Goethe nur danken, wenn er energisch protestiert gegen
die unlebendige, mechanische Naturbetrachtung des Deismus mit
den bekannten herrlichen Worten:
Was w&r* ein GU>tt, der nur von aufsen stiefse,
Im Kreis das All am Finger laufen liefsel
Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So dafs, was in Ihm lebt und webt und ist.
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermifst.
Wir können es ihm nur herzlich danken, wenn er femer
in so köstlicher Weise im Famulus Wagner die dürren Moralisten
auf Kanzel und Katheder gegeifselt hat:
Ja, eure Red^n, die so blinkend sind.
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt.
Sind unerquicklich, wie der Morgenwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt.
Wir wollen es uns immer aufs neue merken:
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet*s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt —
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
Goethen war es heiliger Ernst mit seinem Dichten ; er schrieb
seine Werke mit seinem Herzblut, er beichtete auch die Schuld
seines Lebens, die aus der Überfülle seines liebebedürftigen
118 Heinzelmann, Heft 4 U. 5.
Herzens hervorging, deren Grund er uns unverhüllt, wie z. B,
im „Werther" und „Tasso" in einem zeitweiligen Mangel an sitt*
licher Selbstbeherrschung angiebt und deren verderbliche Folgen
er uns nicht verschweigt In der Überftllle des Gefühls
verkennt er zu Zeiten die heilige Grenze, den festen Unterschied
zwischen Gott und Mensch, Gut und Böse und wirrt Sinnliches
und Geistiges durcheinander, wie in d^m bekannten pan-
theistischen Glaubensbekenntnisse des Faust an
Gretchen :
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub ihn.
Wer empfinden
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub ihn nicht?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Fafst und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst? —
Erfüll davon dein Herz, so grofs es ist,
. Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
Gewifs, das ist alles recht schöh und gut, wie Gretchen sagt,
Wenn man's so hört, möcht^s leidlich scheinen.
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
„Geftlhl ist alles." Wohl; das Gefühl besagt mehr als
der Verstand fassen kann, und fromme Gefühle sind etwas
Köstliches. Aber, müssen wir entgegnen, nicht alle Gefühle sind
fromm; es ist ein grofser Unterschied zwischen sinnlichen und
sittlichen Gefühlen. Aus dem Herzen kommen gewifs sehr schöne,
reine, fromme Gefühle, nämlich wenn das Herz darnach ist,
fromm und rein; aber aus dem Herzen kommen bekanntlich
auch unreine Gefühle und arge Gedanken. Und welches Unheil
diese Gefühle und Gedanken in der Welt anrichten, nun, das
lernen wir am besten an Faust selbst.
So verbessert der Dichter Goethe nicht selten den Denker
Goethe; indem er uns das Gute wie das Böse an seinen Wir-
1893. Gk>ethe8 religiöse Entwicklung. 119
kungen zeigt, wird er uns ein Führer zur wahren Selbsterkenntnis
und damit ein Führer zur Wahrheit aus Gott, Aber weder in
die Tiefen noch auf die Höhen des menschlichen Herzens konnte
er uns so als Dichter fuhren, wenn er sie nicht als Mensch
erlebt^ erfahren hätte. Goethe selbst hatte ein gut Stück von
Faust und Werther in sich; er wandelte nicht selten an Abgründen,
und Lavater hatte Grund, an Herder zu schreiben: ^^Rette mir
Goethe, den Unvergleichlichen; doch Du kennst ihn, den furcht-
bar Erhabenen — Einzigen."
Aber er drang aus der Tiefe immer wieder siegreich in die
Höhe, wie als Denker, so als Mensch, damit er als Genius
imstande wäre, die Geheimnisse des Menschenherzens uns zu
deuten, des trotzigen und verzagten Herzens ebensowohl wie
der nach dem lebendigen Gott dürstenden, nach Gott geschaffenen
Seele. So erfährt er's in Weimar bald, nachdem er einige Wochen
in Saus und Braus unter Eitel- und Lustbarkeiten hingebracht
hat, dafs alle weltliche Lust nichts als glänzendes Elend ist und
wahrer Friede nur von oben kommt. Seine Gott entstammte
Seele seufzt in „Wanderers Nachtlied" :
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest.
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all 'der Schmerz und Lust?
Süfser Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
So schreibt er unterm 12. Februar 1776 vom Hang des
Ettersberges an Frau von Stein. Und auf der Rückseite lesen
wir, von anderer Hand geschrieben, die Antwort auf diesen
Gebetsseufzer, von der frommen Mutter der EVau von Stein —
das Ja und Amen auf des Menschen Goethe tiefstes Sehnen, das
der Dichter ausspricht: „Den Frieden lasse ich euch, meinen
Frieden gebe ich euch, nicht gebe ich, wie die Welt giebt Euer
Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht" Joh. 14, 27.
Gewifs, der Friedefürst hielt seine schützende Hand über
diesem wunderbaren Menschen, auch wo er an Abgründen wandelte,
und sandte ihm zur rechten Zeit, wie eine Fräulein von Eletten-
berg, so jetzt eine Frau von Stein. Sie gab dem unruhig
suchenden Herzen des pantheistisch angehauchten Stürmers und
Drängers eine Zeit lang Ruhe. Das Wertherfieber, der Faustes-
120 Heinzelmann, Heft 4 u. 5.
drang, der Prometheustrotz lag hinter ihm. E^ wird stille über
den Wassern, und „in dem See weiden ihr Antlitz alle Gestirne*.
Erhabene, echt religiöse Stimmungen kommen tlber
ihn, als er zwei Jahre später mitten im Winter auf dem Brocken
ist — die Kuppe des Berges frei, von der Sonne beschienen,
hoch thronend über der in Wolken gehüllten Welt, wie ein Altar
des Herrn, einladend zum Preise des Schöpfers, da schreibt er
in sein Tagebuch: „Was ist der Mensch, dafs Du sein gedenkest!
— Was soll ich vom Herrn sagen mit Federspulen, was für ein
Lied soll ich von ihm singen, im Augenblick, wo mir alle Prosa
zur Poesie und alle Poesie zur Prosa wird?" Und nun stimmt
er seine Leier, greift voll in die Saiten und singt ein Lied zum
Preise des Herrn, jene Ode, die ihresgleichen nicht hat, „Harz-
reise im Winter". Das „Edel sei der Mensch, hilfreich und
gut" — er hat's bewährt aufs neue, wie sonst oft, durch Wohl-
thun in der Stille, indem er dem unglücklichen Plessing in
Wernigerode, dem Menschenfeind, Trost zusprach. Wie empfindet
er doch die Not dieses Unglücklichen wie seine eigene Not!
Ach, wer heilet die Schmerzen
Des, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhafs
Aus der Fülle der Liebe trank?
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ungenügender Selbstsucht«
Er betet für ihn:
Ist auf deinem Psalter,
Vater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Öffiie den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste.
Er denkt an die Gefahren seiner Winterreise, an die gnädige
Bewahrung, an den Dank, den er dem Schöpfer opfern durfte
auf dem Brockenaltar, und preist die schützende Nähe des Vaters
der Liebe, der ihn sicher leitete:
Mit der dämmernden Fackel
Leuchtest du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
J893. Goethes religiöse Entwicklung. 121
Über grundlose Wege
Auf öden Gefilden;
Mit dem tausendfarbigen Morgen
Lachst du ins Herz ihm;
Mit dem beizenden Sturm
Trägst du ihn hoch empor;
Winterströme stfirzen vom Felsen
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Wird ihm des geforchteten Gipfels
Schneebehangener Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.
Das ist der wahre Goethe, der hier zu uns redet, der
mit dem tiefmitfühlenden, frommen, deutschen und von Natur
doch christlichen Herzen — das ist unser Goethe; nicht
der herzlose Zweifler Faust, der allem Heiligen flucht und den
Frieden der Unschuld untei^gräbt. Das ist der wahre Goethe,
nicht der Titan Prometheus, der der Götter spottet im Bewufst-
sein eigener Kraft, sondernder, welcher in der Ode „Grenzen
der Menschheit^ sich im demütigen Bewufstsein der eigenen
Schranken ehrfurchtsvoll vor der Gottheit beugt und anbetet in
frommer Scheu:
Wenn der uralte
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken ,
Segnende Blitze
Über die Erde s&%
KÜSS* ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
Treu in der Brust.
Denn mit Gröttem
Soll sich nicht messen
Irgend ein Mensch.
Das ist der wahre Goethe, nicht der naturtrunkene Pantheist,
der über der Herrlichkeit des Lenzes den Meister aller Schöne
vergifst, sondern der fromme Theist, der sich durch des
Lenzes Pracht aufwärts an das Herz des Vaters im Hinmiel
ziehen läfst:
Hinauf I hinauf strebt's.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
K<mml«li«fle der CooMmni-Gesallsdiaft. 1996. 9
122 Heinzelmann, Heft 4 U. &•
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! mir
In eurem SchoTse
Aufwärts !
Umfangend umüangen!
Aufwärts an deinen Busen,
Allliebender Vatert
Und das ist endlich auch der wahre Goethe, der aufrichtig
gegen sich selbst über den inneren sittlichen Zwiespalt
der Sünde im Herzen sich nicht durch Rousseau oder sonst
wen hinwegtäuschen läfst, noch sich selbst hinwegtäuscht, sondern
der in demütiger Beschämung bekennt:
Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslast,
Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
Doch wer kann sie ausreden, die Herrlichkeit der Goethe-
schen Poesie, die lockende Stimme des Genius aus dem oberen
Heiligtum, der im Bunde, wenn auch im geheimen und unbewufeten,
mit dem christlichen Glauben, ahnend die Wahrheit aus Gott
bekennt, die ihm von oben ins offene Herz sich senkt, und den
Denker Goethe selbst zu Zeiten staunen macht!
Aber auch der Denker verharrt nicht immer im Irren, durch
manch bangen Zweifel dringt er zur Wahrheit. Die dritte
Periode der Entwicklung seines Lebens, die Periode der
Vollendung, in welcher an die Stelle Spinozas die Einwirkung
eines Kant und Leibnitz tritt, zeigt uns den Dichter auf der
Höhe seiner sittlich gereiften Weltanschauung, und hier
nimmt auch die Religion eine bedeutende Stellung ein. Davon
zum Schlufs noch einige Andeutungen.
„Fruchtbare Thätigkeit," die der „Entfaltung der Eigenart*
ebensowohl wie dem „Nächsten in Liebe dient", und den Menschen
also „wahrhaft frei macht" — das ist des Lebens Ziel. So
hören wir's in den „Wanderjahren":
Und dein Streben, sei's in Liebe,
Und dein Leben sei die ThatI
Thu deine Pflicht in deinem Beruf! Pflicht aber ist keine
äufsere sittliche Nötigung zur rechten That, sondern: Pflicht ist,
wo man liebt, was man sich selbst befiehlt. Nun reden zwar
4893. Goethes religidse Entwicklung. 123
zwei Stimmen in unserer Brost; der Hang zur Sünde zieht uns
nach unten; aber es giebt nicht blofs eine Erbsünde, es giebt
auch eine Erbtugend. Davon zeugt das Gewissen in uns:
Sofort nun wende dich nach innen!
Das Gentrum findest du da drinnen,
Woran kein Edler zweifeln mag;
Wirst keine Regel da vermissen,
Denn das selbständige Gewissen
Ist Sonne deinem Sittentag.
Auf diese Stimme gilt's zu lauschen im Kampf des Lebens
und ihr unentwegt in dem beharrlichen Streben eines festen
Charakters zu folgen. Und wie gelangt man dahin, ein solcher
Charakter zu werden ? Durch die Religion. DieFrömmigkeit
ist Führer zur Sittlichkeit, Mittel, um durch die reinste Gemüts-
ruhe zur höchsten Kultur zu gelangen. Der Trieb zur Religion,
das Bedürfnis gläubiger, völliger, dankbarer Hingabe ist tief ein-
gegraben in des Menschen Herz:
In unsres Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Hohem, Reinem, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträtselnd sich den ewig Ungenannten;
Wir heifsen^s fromm sein.
Wesen der Frömmigkeit ist dankbare Hingabe des Herzens,
tiefe Ehrfurcht vor den Offenbarungen Gottes über
uns, neben uns, in uns und unter uns. Denn die Welt ist ein
Spiegel der Herrlichkeit des Schöpfers, wenn auch alles Ver-
gängliche nur ein Gleichnis des wahren, ewigen Seins ist ; Natur
und Menschengeist sind ein Abglanz des Urlichtes. Mit Ehrfurcht
sollen wir daher jedem einzelnen Menschen begegnen, denn er
trägt Gottes Bild; mit Ehrfurcht vor allen den grofsen Genien,
den schöpferischen Geistern, denn ihre Gaben stammen von Gott.
Aber höher als das Talent steht die Sittlichkeit. Die göttliche
Offenbarung des höchsten Prinzips der Sittlichkeit verehrte Goethe
in der Person Christi: „Die Hoheit der Person Christi ist
so göttlicher Art, wie das Göttliche nur je auf Erden erschienen
ist*' Die christliche Religion ist nach Goethe „ein mäch-
tiges Wesen für sich, woran sich die gesunkene und leidende
Menschheit von Zeit zu Zeit immer wieder emporgearbeitet hat!*
Sie ist erhaben über alle Philosophie und bedarf von ihr keiner
Stütze. Wie hoch er die Bibel stellt, wissen wir. Sie ist ihm
nicht nur ein Volksbuch, sondern das Buch der Völker, das
9«
124 Heinzelmann, Heft 4 u. 5»
wichtigste Mittel zur Erziehung der Menschheit
Ihr gegenüber soll man keine Kritik tlben, sondern aus ihr sich
aneignen, was man für seine sittliche Kultur und Stärkung ge-
brauchen kann. Sie wird allen Fortschritt menschlicher Kultur
überdauern. Die Evangelien sind ihm durchaus echt: denn
in ihnen schimmere und leuchte die sittliche Kultur des Christen-
tums; in ihnen sei „der Abglanz einer Hoheit göttlicher Art
wirksam, welcher von der Person Christi ausging." Die gröfste
und segensreichste That Gottes im Verlauf der Geschichte der
Menschheit ist nächst dem Eintritt des Christentums in die Welt
die Reformation. Sie ist eine im höchsten Sinne befreiende
und kulturfbrdernde That, so recht eine That des deutschen
Volkes, dessen Wesen ist die persönliche Freiheit
Die Zukunft der Menschheit, ihr letztes Ziel, ist ein
allumfassender sittlicher Weltbund, in welchem die Ehrfurcht vor
dem Göttlichen, Glaube und thatkräftige Liebe ihre volle Ver-
wirklichung gefunden hat
Zuletzt wird es dahin kommen, dafs alles nur eins ist Denn
„sobald man die reine Lehre und Liebe Christi, wie sie
ist, wird begriffen und in sich eingelebt haben, wird man sich
als Mensch grofs und frei fühlen." „Auch werden wir alle nach
und nach aus einem Christentum des Glaubens und des Wortes
zu einem Christentum der Gesinnung und der That
kommen.«
Ziehn wir einst im Engelchor,
Geht's nach einer Weisel
Dahin führt Goethe zuletzt seinen Faust ein — und der
Chor der Engel singt:
Gerettet ist das edle Glied
Der Gkisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen;
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die sePge Schar
Mit herzlichem Willkommen.
„In diesen Versen," sagt Goethe am 6. Juni 1831 zu Ecker-
mann, „ist der Schlüssel zu Fausts Rettung enthalten: In Faust
selber eine immer höhere und reinere Thätigkeit bis ans Ende,
und von oben die ihm zu Hülfe kommende ewige Liebe. Es
steht dieses mit unserer religiösen Vorstellung durchaus in Har-
1893. Gk>ethe8 religiöse Entwicklang. 125
monie^ nach welcher wir nicht blolb durch eigene Ejraft selig
werden, sondern durch die hinzu kommende göttliche Gnade."
Blicken wir von hier aus zurück auf den im Vorstehenden
dargelegten Gang der religiösen Entwicklung Goethes und auf
die scUiefslichen Ergebnisse seines Denkens und Forschens auf
dem religiös - sittlichen Gebiete, so dürfte zunächst soviel ein-
leuchten, dafs diejenigen, welche den grofsen Dichter zum klassi-
schen Vertreter einer religionslosen Sittlichkeit, einer auf die
•eigene Ej'aft des Menschen gestellten Humanität stempeln
möchten, im Unrechte sind. Was er selbst in einem seiner letzten
<}espräche mit Eckermann ausdrücklich betont, dafs er daä
Reinmenschliche nie im Sinne einer vom Übersinnlichen
losgelösten Sittlichkeit aufgefafst und verstanden habe, das wird
nicht blofs durch die erhabensten Erzeugnisse seines dichterischen
Genius — und wir erinnern noch besonders an den tief-religiösen
Oehalt der von uns hier absichtlich unberücksichtigt gelassenen
„Iphigenie", seines klassischen Epos „Hermann und Dorothea'
und jener wundervollen Erzählung aus seinen letzten Lebensjahren,
welche die Überschrift „Novelle" trägt — vollauf bestätigt, sondern
es wird auch durch eine unbefangene und zugleich umfassende
Betrachtung seines gesamten Lebens und Denkens aufser Frage
gestellt. Denn wer, wie Goethe, als Dichter dem religiösen
Element einen so breiten Spielraum in seinen Werken anweist,
und als Mensch den religiösen Fragen trotz aller Kämpfe,
Zweifel und Irrtümer mit so reger Teilnahme bis an sein Lebens-
ende zugewandt bleibt, der beweist damit zugleich, dais ihm die
Religion nicht ein im Grunde überflüssiger und störender An-
hängsel des Lebens, nicht blofs ein Gegenstand rein wissenschaft-
lichen, kritischen Interesses oder auch ein nicht ganz wertloser,
nun einmal nicht zu entbehrender Schmuck des Lebens, nicht
Uofs ein kräftiges Reizmittel zur Sittlichkeit ist; ihm ist die
Religion in Wahrheit Herzenssache, persönliche Ange-
legenheit des Innern Lebens, der erkennt in der Religion
•ein selbständiges Lebenselement der menschlichen Natur, ja die
höchste Angelegenheit der Menschheit und hat damit
trotz aller begrifflichen Schwankungen den unzureichenden Stand-
punkt eines mehr intellektuell, ästhetisch oder ethisch gefärbten
Hationalismus grundsätzlich verlassen.
Aber wir müssen noch einen Schritt weitergehen. Die in
126 HeinzelmanD, Goethes religiöse Entwicklung. Heft 4 U. 5.
den Grundzügen dargelegte theistische Weltanschauung,
welche sich der Dichter in seiner dritten, ethisch -praktischen
Lebensperiode, der Periode der Vollendung, im Gegensatze zu
dem von ihm erfolgreich bekämpften Deismus, wie zu dem von
ihm sittlich immermehr überwundenen Fantheismas an der Hand
von Kant und Leibniz herausgearbeitet hat, trägt auf Schritt
und Tritt so unverkennbar die Einwirkungen des christlichen
Geistes an sich und tritt zuletzt so warm filr das Christentum
selbst als die gewaltigste Eulturmacht imd das höchste Prinzip
der Sittlichkeit in die Schranken, dafs wir ihr das Prädikat
einer echt christlichen Denkweise nun und nimmermehr
versagen können. Und wenn wir auch gern zugestehen wollen,
dafs seine religiös -sittliche Weltanschauung schwerlich in den
engen Rahmen irgend eines besonderen kirchlichen Bekenntnisses
passen möchte, so müssen wir doch einerseits dem Dichter selbst
ein volles Recht zugestehen, denen gegenüber, welche ihn emen
Heiden nannten, sich offen als einen Christen zu bekennen,
und dürfen andererseits mit Genugthuung daraufhinweisen, dafs
das von ihm als letztes und höchstes Ziel der Menschheit
bezeichnete und angestrebte „Christentum der Gesinnung und
der That**, das universelle und weitherzige Reichgottes-
Christentum der Bibel, d. h. das praktische Christentum
des Glaubens, der sich in der weltiunfassenden Liebe kräftig
und wirksam erweist, wie zur Hebung und Linderung des Welt-
elends, so auch zur Förderung aller echt menschlichen Interessen,
zum Wachstum des Guten, Wahren, Schönen, alles Edlen und
Grofsen in der Welt, — verstehen wir recht — kein anderes
ist, als das, welches der ihm geistesverwandte und schon durch
das langjährige Interesse des Dichters fiir die Brüdergemeinde
und ihr praktisches Christentum so nahestehende Comenius
zu pflegen und zu verbreiten sich zur Aufgabe gemacht hat.
Kleinere Mitteilungen.
Der Protest des Comenius gegen den Vorwurf,
er sei ein Selctlerer, beleuchtet aus den Beziehungen
Andreas zu Nürnberg.
Ein weiterer Beitrag mii YerstündDis seines Lttnebnrger Briefs
Ton
O. Radlftoh^ Pfarrer in Zethlingen (Altmark).
Neben Ernst Ludwig Theodor Henke ist der grofse Theologe
und Polyhistor A. Tholuck derjenige, welcher unter den Theo-
logen dieses Jahrhunderts sich am tiefsten in die Zeit des 17. Jahr-
hunderts versenkt hat, indem er lange Zeit hindurch seine
historischen Studien auf den Ursprung einerseits des Pietismus,
andererseits der Aufklärung und scmiefslich des Rationalismus
richtete. Selbstverständlich hat Tholuck auch tlber Valentin Andrea
sein wohlbegründetes Urteil abgegeben. Er sagt (Lebenszeugen
der luth. Kirche, 1859, S. 332): „Andrea ist lutherisch-orthodox
— seiner Verwandtschaftepietät nach würde er schon als Enkel
eines Jakob Andrea nicht anders gekonnt haben." Der im Jahre
1890 verstorbene Göttinger Eirchenhistoriker Wagenmann stimmt
Tholucks Urteil zu, wenn er in Herzogs Realencyklop., 2. Aufl.,
L, S. 394 noch hinzufügt: Andrea ist voll Antipathie gegen den
Calvinismus. Auch von Criegem hebt an mehreren Stellen hervor,
dafs Andrea mit vollem theologischen Bewufstsein der rechten
lutherischen Lehre zugethan gewesen ist ^). Dies Urteil erscheint,
wenn wir das Abhängigkeitsverhältnis des Comenius von Andrea
^) Von neuesten DarstellimKen des Lebensjeanges V. Andre&s, welche
der dOOj&luige Greburtstag desselben hervorgerußn bat, ist aufser Glöcklers
Arbeit zu nennen : A. Landenberger : J. V. Andrea, ein schwäbischer Gottes-
gelehrter, Barmen 1886, und P. Wurm: J. V. Andrea, ein Glaubenszeuge
aus der Zeit des dOj&hrieen Krieges, Cidw 1887. Wir berücksichtigen diese
Arbeiten hier nicht, weu sie die historische Forschung über HossBach und
Tholuck nicht hinausgeführt haben.
128 Radlach, Heft 4 u. 5.
ins Auge fassen, zunächst auffilllig. Wir möchten den Valentin
Andreft, wenn wir zum erstenmal von Criegems Urteil hören,
,,dafs Comenius in allen Richtungen seines Geisteslebens von
Andrea einen befruchtenden Einflufs erfuhr", denjenigen
Lutheranern beigesellt denken, welche der milderen Melanch-
thonischen Richtung ergeben waren und mit den strengeren
Lutheranern im Streit lagen. Allein wenn wir Andrea in seinem
Lebenslauf rühmen hören, wie viel ihm der tägliche Umgang mit
dem Professor D, Hafenreffer, der auch seines Vaters und Grofs-
vaters Freund gewesen, in den Jahren 1612 und 13 in Tübingen
für Geist und Herz ausgetragen hat, müssen wir uns schon voraer
sagen, dalüs Andrea sich auch an Hafenreffer angeschlossen hat,
von dem Thomas Lansius in der Gedächtnisrede rühmt ^), „daCs
er all sein Denken und Thun auf die Ausbreitung des reinen
orthodoxen Glaubens und auf das Heil und Wachstum des christ-
lichen Staats richtete, dafs er sehr oft das schreckliche Unheil^
welches über Deutschland kommen würde, mit Trauer und tiefen
Seufzern vorhersagte" und der vergeblich, wie wir hinzufügen,
vor Ausbruch des SOjährigen Krieges in der Schrift: „Friedbott
— oder ernstliche Erinnerung aufs Gottes Wort — dafs wir
Christen friedlich und einig miteinander leben — und keiner den
andern mit Worten und Waffen freventlich verletzen solle, Frank-
furt 1613, Stettin 1615 und 1630 in 4^" seine Stimme erhob.
Wir müssen diese Bemerkungen vorausschicken, weil gerade
aus den Beziehungen Valentin Ajadreäs zu Nürnberg, aus seiner
inneren Anteilnahme an den Kämpfen, welche sein Freund Johann
Saubert mit den „Sektierern** in Nürnberg einerseits, mit den
, Philippisten** andererseits zu bestehen hatte ^), hervorgeht, dafs
TholucK und Wagenmann und von Criegern Recht haben, wenn
sie sagen : Andrea ist lutherisch-orthodox. Aus den Beziehungen
Valentin Andreas zu den Strafsburger Theologen, mit denen er
der Eonkordienformel anhing, kann dies noch greifbarer bewiesen
werden. Wichtiger für uns ist die Frage, welche Auffassung
hatte Comenius über die Stellung des Andrea zu den kirchlichen
und religiösen Fragen seiner Zeit? Ist er etwa in seiner Auf-
fassung, um in der Weise seines Lüneburger Briefe zu reden,
einem müfsigen Ohrenbläser gefolgt, wie er solches von Andrea
annehmen mufste, wenn dieser ihn vrirklich für einen „Sectarius**
halten sollte? Nein, Comenius kannte Andreas Stellung genau,
deshalb weist er mit besonderer Entrüstung den ihm untere
geschobenen Angriff auf Luther ab. Deshalb erinnert er den
Andrea an die Streitigkeiten innerhalb der lutherischen und der
*) Witten: Memor. theolog., Frankfurt a. M. 1674, S. 151.
') Siehe Hossbach, Yal. Andrea, S. 129. Andreas Selbstbiographie,
heransg. von Rheinwald, S. 221: ^ Sauberti mei luctam cum Philippophilis,
Apap satellitibus, qui nunquam Luthero fidi, nunquam a cuniculis abstinentes,
inter molesta numeraverim."
1893. ^er Protest des Oomenius etc. 129
Teformierten Scholastik, welche mehr für die Reinheit der Lehre,
als für die Reinheit des Lebens kämpfte, deshalb bezeichnet er
sich in seinem Briefe als einen Christen, der keinen irdischen
Lehrer anbetet, der aber dabei zugleich ein treues Glied der-
jenigen Kirche ist, welche ihre Gestalt 100 Jahre vor Luther und
Calvin, von Hufs erhalten hat und stellt sich gleichsam mit diesem
Bekenntnis dem Bekenntnis des Andrea: „Christianus mihi nomen^
Lutheranus cognomen** an die Seite.
Wie aber Comenius über seinen lieben Valentin, den er wie
einen Vater verehrte, nicht im Unklaren war, so mufste auch
Andrea den Bischof der böhmischen Brüder kennen. Und bei
welcher Gelegenheit sollte Comenius dem Andrea gegenüber, wie
er aus Lünebui*g schreibt, gegen den Vorwurf protestiert haben,
dafs er ein Sektierer sei? Nach unserer Auffassung weist diese
Stelle des Lüneburger Briefs nicht blofs auf einen früheren, ver-
loren gegangenen Brief des Comenius hin, sondern sie wird auch
verständlich aus den Nürnberger Streitigkeiten, die während der
Amtszeit Sauberts stattfanden, an welchen Andrea mit seinen
Freunden inneren Anteil nahmen. „Du verabscheust die Sekten
als Satans Werk*', schreibt Comenius. Andrea hatte sich gewifs
dieses Ausdrucks in einem Briefe an Comenius bedient, schreibt
er doch z. B. an J. Schmidt in Strafsburg : „Längst wäre Nürn-
berg in einem Sektenchaos , ja im calvinistischen Kothe unter-
gegangen, hätte nicht der Eifer der geistlichen Oberhirten es
noch erhalten *).**
Mit welcher Teilnahme Valentin Andrea das Amtsleben seines
Freundes Joh. Saubert in Nürnberg, seine fortgesetzten ELämpfe
ftar die Reinheit lutherischer Lehre sowohl als für die Reinheit
lutherischen Lebens, seine Korrespondenzen mit gleichgesinnten
Freunden wie: Gerhard, Höe, Höppfner in Leipzig, Mejfart,
Daniel Dilger in Danzig, Kefsler in Schweinfurt, J. Schmid in
Strafsburg, Schleupner in Hof, Walther in Celle, Hirsch in Eis-
leben, Meisner in Wittenberg, Lälius in Ansbach und Joh. Schröder
in Rostock verfolgte, ist schon aus der von Valentin Andrea nach
Sauberts Tode verfafsten Schrift: Umbra Sauberti, 1647, zu er-
kennen und mufs besonders aus Ep. ad Saubertum cod. ms.
Hamb. weiter erforscht werden.
Aus den Visitationsakten von 1669 in der Nürnberger Stadt-
bibliothek ist zu ersehen, welcher Art die „Sectarii" in Nürnberg
waren. Saubert bezeichnet sie als Weigelianer. Tholuck sagt:
„Es sind Separatisten aus redlichem Mifsmut über die Verderbnis
der Kirche, andere mit latudinarischen Ansichten über Abend-
mahl, Beichte und andere Dogmen." Sie waren nicht plötz-
lich aufgetreten. Theophrastus Paracelsus und Lautensack,
ersterer noch ein Zeitgenosse Luthers, besonders aber Valentin Weigel
^) £p. ad J. Schmid, 11., cod. ms. Hmb., citiert bei Tholuck.
130 Badlach, Heft 4 u. 5.
gehörten zu ihren geistlichen Vätern^). In der Halleschen Uni-
versitätsbibliothek befindet sich in zwei Bänden eine Sammlung
nürnbergischer kirchlicher Dokumente von dem Nürnberger Senior
Joh. Fabricius zusammengetragen. Aus diesen Dokumenten ist
zu ersehen, dafs allem Anschein nach auch Mennoniten aus Holland
in Nürnberg sich befanden, welche in der deutschen Kaufmanns-
Stadt ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten. Auch gegen diese
richtete sich der Streit Sauberts. Die Anschauung, welche sie
vertreten, ist aus der Erklärung eines gewissen Van der Houven
zu ersehen. Dieser erklärte bei einer Vorladung vor dem
Ministerium: Er habe mit der Augustana nichts zu thun, da sie
nur verdamme, er aber niemanden verdanmie. Den Katechismus
habe er schon vor 40 Jahren auswendig gelernt, könne aber sein
Christentum darauf nicht genugsam gründen ; im Neuen Testament
finde er einen weit gröfseren Schatz, daraus er sich erbaue.
Andrea in der Umbra Sauberti bezeichnet diese Gegner folgender-
malsen: „In his facile familiam ducunt qui a Wigelio nomen
habent, monstrosae ac plane Chymicae sive fumivendae sectae
asseclae: Ex Photinianis, Flaccianis, Puritanis, Swenckfeldianis,
Catabaptistis aliisque hujus farinae faecibus congestae, Lutheranis
potissimum infestae.**
Die andere Seite des Kampfes war gegen die mildere luthe-
rische Richtung, die sogenannte philippistische, gerichtet Diese
Richtung repräsentierte schon im Reformationsjahrhundert den
eigentlicnen Charakter der Nürnberger Kirche. Der oben ge-
nannte Senior Johann Fabricius gehörte zu derselben Familie,
deren Vorfahren schon durch vier Generationen der gemäfsigt
melanchthonischen Richtung gedient hatten und deren Stammvater
Joh. Fabricius mit Philipp Melanchthon befreundet gewesen war *).
Als die Nürnberger im Jahre 1624 dem Georg Calixt eine
Professur in Altdorf antrugen, konnten sie deshalb mit Recht
schreiben: „fk^clesiae Ditionis Reipublicae Norib. neque Calvini
doctrinam neq[ue Formulae concoraiae placita nonnuUis in locis
cum scriptis JD. M. Lutheri et Phil. Melanthonis p. m. minus
convenientia hactenus amplexae sunt^)/
Wenn nun aber Andrea seinen Freund Saubert auch in dem
ELampfe nach dieser Seite hin unterstützt und z. B. an J. Schmid
schreibt: „In Nürnberg herrschte einst Philippus, und Luther
wurde ausgeschlossen. Nach heftigen Kämpfen ist Luther endlich
angenommen, obwohl bei den Mächtigen sich Philippus noch
inmier im Hintergrunde versteckt hält. Ich bitte Euch, kommt
dem bedrängten Luther, an den sich die philippistischen Mäuse
machen, zu Hülfe, richtet wenigstens den Mut unseres Saubert
auf;" wenn er ferner den Pfarrer an der Sebalduskirche in Nüm-
^) Dorner: Geschichte der protest. Theologie, München 1867, S. 601.
«) Herzogs Realen^klop., 2. Aufl., IV., S. 482.
*) Georg Caliztus' Briefwechsel, herausgegeben von Henke, Halle
1833, S. 13.
1893. I^er Protest des Comenius etc. 181
berg, mit dem ihn die engsten Familienbande umschlossen, da
sein Sohn Oottlieb Sauberts Tochter Barbara geheiratet hatte^
in der Umbra Sauberti als ein exemplum doctrinae Orthodoxae
rühmend hinstellt, kann da noch ein Zweifel übrig bleiben,
welcher kirchlichen Richtung Valentin Andrea angehörte?
Andrea war lutherisch-orthodox im eminenten Sinne. Und
wenn von Crfegern den Andrea und den Comenius als niystisch-
Eraktisch bezeichnet, so hat Andrea sich gegenüber der Vemach-
Issigung des Gemüts, welche eine Folge des ausgeurägten Forma-
lismus imd des Ausschlusses des subjektiven Faktors bei dem
Ausbau der späteren lutherischen Theologie war und ihr die
Wärme und Lebendigkeit nahm, mit Bewufstsein zu Luthers
Standpunkt zurückgewendet, dessen mystischer und theosophischer
Zug bei seinen Epigonen verloren gegangen war^).
Nicht auf dogmatischem Gebiet ist die Übereinstimmung des
Andrea und des Comenius zu suchen, denn deutlicher kann sich
Comenius darüber nicht aussprechen, als er es in dem Ltlne-
burger Brief gethan hat, sondern auf dem ethischen. Wenn
Eleinert von dem Pädagogen Comenius sagt, dafs der ethische
Standpunkt für ihn der dominierende ist') und dies ebenso von
dem Pädagogen Andrea gilt, dann müssen wir diesen Standpunkt
auch bei den Theologen Andrea imd Comenius als den dominie-
renden bezeichnen. Die Theologie beider ist auf die Weltaufgabe
>) Ans einer Stelle in Valentin Andreas Theophilas 1649, p^. 5,
7, 38, welche zugleich beweist, dafs Comenius dem Andrea in seinem Lüne-
hurger Brief nicht etwas Neues schrieb, wenn er ihn an die Streitigkeiten
über die rechte Lehre und an die mangelnde Sorge für das rechte Leben
erinnerte, sondern nur bekannte Thatsachen andeutete, über welche Andrea
dieselben Ansichten wie Comenius hatte, geht dies besonders hervor.
Andrea in seinem Theophilus klagt und warnt: „Religio exspirare genitus
videtur .... Multa sunt, quae possint ad Lutheri meutern mstitutionem-
que revocari, quae temporum vitio paulatim obsolescunt. Duo omnium
maxime renorata vel repetita exoptarem. Unum, ut ad verbi diyini regulam
et conscientiae nonnam vel leges vel rationes politicae magis adoptarentur,
majorque harmonia divini humani(}ue instituti conspiceretur . . . Alterum,
ut non tantum de publica verbi divini annunciatione, verum etiam privata
sin^orum institutione recte curanda major esset soUcitudo, quae et praedi-
cationi aptiores et fidei certiores omninoque Christianae religionis ma^s
eruditos redderet . . . Dolendum, id semper agere Satanam, ut ubi vita
lucet, doctrina caliget, ubi doctrina pura, vita Bordeat . . . Christiana dis-
cipüna, cui serio omnes omnis ordinis nomines animum addicere et incumbere
ei quoquo studio et cura decet Fieri hoc posse ausim sperare, si idem
zelus emendationis vitae, qui consensus olim et concordiae inter Evangelicos
sanciendae ecclesiae proceres accenderet.*^ Andere Citate aus dem Theo-
philus siehe bei von Cnegem^ S. 342, wo von Crie^em den wichtigen Zu-
satz macht: Andrea katechisiert aus seinem Eusebius alle Lehrsätze der
lutherischen Dogmatik heraus in einer den Freund der lutherischen Kirche
ftLSt peinlich berührenden Weise, denn man nimmt gar zu sehr die Absicht-
lichkeit wahr. Es soll eben eine Verwahrung gegen jede Heterodoxie sein.
In ähnlicher Weise hat auch Comenius sich wegen seiner pansophischen
Bestrebungen seiner Kirche gegenüber rechtfertigen mossen.
*) Herzogs Realencyklop., 2. Aufl., Band JJL
132 Hadlach, Heft 4 u. 5.
des Christentums gerichtet, wie die Ethik sie verzeichnet. Der
Theologie des Andrea und des Comenius ist die Pädagogik der-
selben entsprossen wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus
in voller Rüstung und mit einem Speere bewaffnet hervorging.
Ein weiteres Licht zur Erklärung der Beziehungen des
Andrea zu Comenius, zum Verständnis der Liebe, mit welcher
beide einander zugethan waren, so dafs das Herz des Comenius,
des Hirten der vertriebenen mährischen Brüder, mit dem Herzen
des Andrea, des schwäbischen Hofpredigers, zusammenschlug wie
das des bethlehemitischen Hirten David und das des Königs-
Sohnes Jonathan, giebt uns ein Blick auf die österreichischen
Exulanten in Nürnberg. Dafs Andrea mit Nürnberg in Be-
ziehung trat, mufs uns um so weniger auftäUig sein, als Nürnberg,
wie Andrea in der Umbra Sauberti sag^t, in damaliger Zeit die
Wonne des deutschen Reichs und das Auge unter den bedeuten-
deren Städten war*). „Nürnberg war nicht blofs ein Handels-
Slatz ersten Ranges, neben dem Wohnsitz des Mercur Wohnsitz
er Pallas und schon seit einer langen Reihe von Jahren der
Sammelplatz hervorragender Männer, sondern es war auch ein
Asyl und eine vornehme und willkommene Herberge fUr die,
welche um ihres Glaubens willen verbannt worden waren." Wie
für viele alte Städte Deutschlands, wie z. B. Ulm, wo nach W.
Oröfslers Angabe das dortige Münsterarchiv die noch nicht aus-
geschöpften Quellen verborgen hält, so hat für das kirchliche
und ftir das bürgerliche Leben Nürnbergs die Au&ahme der aus
den österreichischen Staaten um ihres Glaubens willen Verbannten
den gröfsten Segen gebracht ^). Eine ähnliche Bedeutung, welche
die in der zweiten Half te des 17. Jahrhunderts um ihres Glaubens
willen vertriebenen Franzosen für Berlin hatten, hatten in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts, in der Zeit wirtschaftlichen
Niedergangs, für Nürnberg die Bekenner des evangelisch-lutheri-
schen Glaubens, welche aus den habsburgischen Erblanden,
namentlich Steiermark, unter Ferdinand H. im Jahre 1629 in
Nürnberg ein Asyl fanden. Während man im allgemeinen in
damaliger Zeit auf protestantischer Seite nicht toleranter war als
auf katholischer Seite , so hatten doch auch in Nürnberg vier-
hundert evangelisch - reformierte Christen ihre Herberge auf-
schlagen dürfen. Auf ihren ausgedehnten Handelsreisen hatten
die Nürnberger lutherischen Kaufherren auch andere Bekennt-
nisse verstehen und dulden gelernt. Was Amsterdam damals im
^) Illustris Noribersa, orbis Germani deliciae et insigniorum urbiam
ocellus . . . Est enim illustris Noriberga non tarn primae notae emporiom
et Mercnrii iuxta Palladisque sedes, quam Heroum jam a lon^a annorum
Serie atriam, sed et Christi Ezulum asylum et hospitium nobuissimum et
percommodum.
*) In dem „Anzeiger für Runde der deutschen Vorzeit^, 1855, befindet
sich ein beachtenswerter Aufsatz, welchen auch Tholuck citiert hat, „über
die österreichischen Exulanten in Nürnberg".
1893» ^er Protest des Comenins etc. 133
vollen Sinne schon übte, das bahnte sich in Nürnberg an; der
Gedanke der Toleranz , die Bejahung der von dem Itostocker
Professor Job. Tamow im Jahre 1619 aufgeworfenen Frage: An
in republica christiana a magistratu politico salva conscientia
plures q[uam una tolerari queant religiones.
und in welchem äufserlichen Zustande haben wir uns die
Nürnberger Exulanten vorzustellen? Es waren nicht blols Pastoren^
welche mit Kindern und Büchern Nürnberg aufgesucht hatten
und zwar in solcher Zahl, dafs z. B. bei einer Beerdigung einer
gewissen Elisabeth Kraus 39 exilierte Geistliche der Leiche
folgten, auch viele von dem hohen Adel Österreichs hatten ihrem
Vaterlande den Rücken gekehrt Während die Angehörigen der
tschechischen Nation sich mehr den Ländern polnischer Zunge
zuwandten und zum Teil auf den Besitzungen des edlen Grafen-
hauses der Leszcynski und besonders auf deren Hauptsitz Lissa
sich niederliefsen, wo der Wohlstand sich so hob, dafs 1637 im
Juni der Grundstein zum Bau eines grofsen Rathauses gelegt'
werden konnte, sehen wir einen grofsen Teil von den tapferen
und glaubensstarken Nachkommen der Männer, welchen LuÜier
einst eine seiner Hauptschriften gewidmet hatte : „An den christ-
lichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besse-
rung**, sich nach Nürnberg wenden. Folgende Namen vertriebener
österreichischer Adelsfamilien , welche in Nürnberg sich nieder-
gelassen hatten, werden von Tholuck genannt: von Dachsberg^
Dietrichstein , Heberstein , Hostelsberg , Jörger , EJievenhüller,
Leiningen, Liechtenberg, Frank, Praunfalk, Rauchenberg, Rägk-
nitz, Stubenberg, Teuffenbach, Welz, Windischgrätz, Zinzendorf.
Valentin Andrea nennt 65 verschiedene Familiennamen und be*
weist dadurch, wie genau er den Kreis der Nürnberger Exilierten
kannte. Die Angehörigen des österreichischen Adels hatten längere
Zeit ihr endliches Schicksal vorausgesehen, ihre Güter veräu&ert
tmd ihre Gelder nach Nürnberg mitgebracht, wo sie ansehnliche
Gebäude und Güter erwarben und bedeutende Schutzgelder
zahlten. So gab z. B. Graf Heinrich von Zinzendorf fUr ein
Halbjahr 500 Goldgulden, Freiherr von Windischgrätz für die-
selbe Zeit 600 Reichsthaler.
Was Lissa in Polen, das zu einem Haupthandelsplatz dXr
den Verkehr nach Preufsen und den Ostseeprovinzen sicn heraus-
bildete, auf der einen Seite der Länder war, in welchen Ferdinand H.,
der Sohn der Jesuiten, seinen Scepter führte, das war auf der
anderen Seite in Mittelfranken Nürnberg. Zwischen beiden
Städten war nicht blofs äufserer Handelsverkehr, es fand auch
ein reger Austausch der litterarischen Erzeugnisse statt. Liefsen
doch z. B. die Hinterbliebenen des in Lissa verstorbenen Dichters
Johann Heermann alle ungedruckten Werke, welche dieser Poly-
histor hinterlassen hatte, und es sind deren nicht wenige, bei den
Gebrüdem Endter in Nürnberg erscheinen. Und wenn wir bei
Job. Heermann: „Sechserlei Sonntagsandachten, Lissa bei Funke
184 Radlach, Heft 4-u. 5.
1642^ einem reichen berühmten Kaufmann Thomas Brun aus
Frankfurt a. M. begegnen, der auf seiner Reise öfter bei Joh.
Heermann in Lissa einkehrt, ihn tröstet und bedeutende Gaben
zum Bau der Kreuzkirche für die vertriebenen Schlesier nach
Lissa bringt, sollte dieser Kaufmann bei seinen Reisen von Frank-
furt a. M. nach Lissa durch Nürnberg gekommen sein, ohne auch
hier auf die köstlichste aller Perlen hinzuweisen, welche die Ver-
bannten nicht blofs nach Nürnberg, sondern auch nach Lissa
mitgebracht hatten?
Bei seinem Aufenthalt in Nürnberg lernte Andrea den Kreis
der Exulanten kennen, trat zu ihnen in nähere Beziehungen und
gewann zweifelsohne auch aus ihren Schilderungen ein Ver-
ständnis für die Lage des Comenius und der Brüderkirche. In
der „Umbra Sauberti** hebt Andrea die Beziehungen Sauberts
zu dem österreichischen Baron von Rägknitz hervor, den er be-
sonders rühmt* Dies war allem Anschein nach für Tholuck die
Veranlassung, auch den Baron Gallus von Rägknitz unter seine
.Lebenszeugen der lutherischen Kirche vor und während des
dreifsigjährigen Krieges" aufzunehmen. Auf Grund einer Leichen-
rede und der Nachrichten, welche in dem sta.ndesherrlichen Archiv
des Grafen von Giech in Thurnau sich befinden, weist Tholuck
in dem Lebensbilde des steyrischen Exulanten Gallus von Rägknitz,
der ein sehr wohlhabender Mann und Besitzer eines ansehnlichen
Hauses und Gartens in Nürnberg war, darauf hin, dafs zwischen
diesem Exulanten und Andrea ein besonders nahes und inniges
Verhältnis bestand. Die Söhne des Barons statteten Andrea auch
in Stuttgart Besuche ab.
Zu diesem Exulantenkreise gehörte auch ein Altersgenosse
der Söhne des eben genannten Gallus von Rägknitz, Justinianus
von Weltz, der Vorkämpfer der lutherischen Heidenmission,
welcher im Anschlufs an die Schriften Andreas : Invitatio fraterni-
tatis Christi ad sacri amoris candidatos. Argen torati 1626, und
Invitationis ad fraternitatem Christi pars altera, Argentorati 1628,
seinen „Vorschlag zu einer Christerbaulichen Jesusgesellschaft^
behandelnd die Besserung des Christentums und Bekehrung des
Heidentums" schrieb*).
Es wird einem anderen Kapitel angehören, darzulegen, wie
bei Comenius die MissionsgedanKen, sein Verlangen, das Licht
des Evangeliums in die Heidenwelt hinauszutragen, hindurch-
klingt und auch an nicht wenigen Orten deutlich ausgesprochen
wird. Wie das Schiff, welches den ersten Missionar der Heiden-
welt an die Gestade der heidnischen Hauptstadt des alten Römer-
reichs trug, das Panier der Zwillinge, den Castor und PoUux,
hatte (Apostelgeschichte 28, 11), so sind im Lichte der neueren
Missionsgeschichte Andrea und Comenius das Panier des Schifiis,
« » — ^.^_^.^_^^___^_^.^__^^^____^.^.^_^.^__^^_^_^_^^^^^^^__^^— ^^^— — ^^^^-^^— ^-^— ^-^— ^-^— —
1) Siebe W. Grössel: Justinian von Weltz, Leipzig 1891, S. 34 und
S. 184.
1893. ^^ Protest des Comenius etc. 185
zu dessen Ausrüstung Georg Calixt, als er am 19. Mai 1629,
wenige Tage nach dem Frieden zu Lübeck, das Prorektorat der
Universitä Helmstädt zum erstenmal übernahm, durch seine Antritts-
rede „über die Bekehrung der NichtChristen*' das Signal gab,
in welches Justinian von Weltz als Steuermann eintrat, der in
Holland den Breckling, der sich an Taulers, Luthers und Valentin
Andreas Schriften genährt hatte, in seine „Jesusgesellschaft'' auf-
nahm, welcher wieder Aug. Herm. Francke, den grofsen Pädagogen
und Begründer der ostindischen Mission, zum Einsteigen und
Mitfahren einlud. Fbenso müssen die Missionsbestrebungen
Petersens in Lüneburg, welche wir in unserer ersten Abhandlung
angedeutet haben, in diesen Elreis eingeschlossen werden. Und
als nun der £nkel des Comenius, der Mitbegründer der Akademie
der Wissenschaften in Berlin, Daniel Ernst Jablonsky gemeinsam
mit Leibnitz in den Stiftungsbrief dieser Akademie die Missions-
aufgabe, Math. 28, 19—20, mit aufnahm, sollten nicht die Missions-
gedanken des Freiherrn von Leibnitz auf die Befruchtung durch
Comenius hinweisen, der, angeregt durch Andrea und den Fufs-
stapfen desselben folgend, auch in diesem Punkte Andrea gegen-
über gegen den Vorwurf protestieren konnte) dafs er ein Sek-
tierer sei*)?
Gerade die heifse Liebe und unverbrüchliche Treue des der
Herde bestellten Hirten, der einige Jahre später in dem „Testa-
ment der sterbenden Mutter **, als die Gemeinde in Lissa den
Katholiken ihre Kirche aushändigen mufste, die Weisung giebt,
sich den bestehenden evangelischen kirchlichen Gemeinschaften
mit willigem Dienst anzuschliefsen und „der Stadt Bestes zu
suchen** ; die Weite des Blicks, der bei Comenius und bei Andrea
die Fermentierung der Menschheit durch das Christentum all-
seitig fordert; das Bestreben, die persönliche Frömmigkeit nicht
zu etwas Isoliertem werden zu lassen und des ethischen Geistes
voll, der allein aus dem Glauben geboren wird, als treuer Sohn
seiner Kirche die sittlichen Aufgaben derselben zu erfüllen, das
Kulturleben zu reinigen und innerlich zu weihen, der Humanität
die Bahnen zu öffnen, ist der Grund, dafs Comenius von sich
Bagen durfte, er sei kein Sektierer*).
') Das Hauptthema der Korrespondenz zwischen Aug. H. Francke und
Leibnitz in den Jahren 1697 — 1714 bildet die Heidenmission. Siehe:
Guhrauer, Freiherr von Leibnitz, Berlin 1846. Plath: Die Missions-
fedanken des Freiherm von Leibnitz, Berlin 1869. Über die Abhängig-
eit des Leibnitz von Comenius nach einer anderen Richtung. Sienet
2>. P. Kleinert, Zur christlichen Kultus- und Kulturgeschichte, Berlin
1889, s. aoi.
^) Über die Stichworte „cultura und humanitas" bei Comenius siehe:
D. P. Kleinert s Abhandlung in den „Studien undKritiken^ 1878, S. 88.
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschicbte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
ZnBammengestellt von
Prof. Dr. J. Eyacsala in Preasborg.
(Fortsetzung.)
IV. Die Zeit in Elbing.
1.
Anno 1642 contigit me peregre esse, et per dies aliquot
cum Nobilibus Polonis quinque conversari. Quorum cum tres
Euangelici essent (Adam Suchodolski et duo Reczicii) duo So-
ciniani (Lubienietski et Wiszowaty) variorum discursuum occasio
fuit. Tandem Uli de migrando in minorem Poloniam mecum
agere, ingentibus promissis allicere, fidemaue suam (de annuo
lautissimo stipendio) chirographi cautione ooligare: maxime hie
occupato Wiszowaty. Quod ut frustra esse vidit, manui meae
inter valedicandum chartulam inseruit, cui Lucianicum quiddam,
et in religionem Christianam valde ludibriosum inscriptum ftiit^
hoc sensu.
Vulgaris Theologiae hypoiheses.
Deus condiio primiius Homini praescripsit legem servatu
ifnpossibilem. Quam cum iransgressus esset ^ adeo implacabiliter
iJlt fuit üratus, fä eum aeternis cruciatibus addiceret, Reversus
tarnen ad se^ ut reo iUi parcere possei^ in proprium Filium de-
saeviity ob alienam eulpam iUum ad mortem usque contundens:
eo fine , ut quisquis crederet ita esse actum, poneae relaxaätionem
acciperet Haec annon cogitatu dbsurda, impia et in Deum phs-
hema sint, etiam atque etiam videndum, Schedulam hanc multis
ostendi, satanica in salutis mjsterium odia mecum mirantibus.
De Quaestione etc. p. 64. 65.
1893. Z^' Lebensgeschichte des Gomeniiis. 137
1^ Cum Ter6 aliis quoque communicare vellet ^), retractus est
peculiari Visione I Julii: ed qu6d nondum tempus esset illa vul-
gandi (Rev. XIV. V. I, 2, 3). Deo judicia sua adhuc exercente
acriter (V. 4 ad 8). Mittenda tarnen illa esse ad J. A. C. confe-
renda cum aliis ab ore Dei profectis &c. &c. (V. 9. &c): cum
novis matldatis dePopuIo poenitentiae seri6 admonendo (V. 14. &c.):
Scripturisque ab omnibus diligenter hoc tempore (& quare id,
V. 20) legendi«. Eev. XIV.
2. Degebam ego tunc Elbingae Borussorum (k Puchovia cen*
tum circiter miliaribus) omnium quae ibi fierent ignarissimus.
Fratres eiigo melius de bis persuasi (nominatim Paulus Hladik
Oonsenior, Vir dmoris Dei plenus) parendum Oraculo ratj Re-
velationes eatenus factas (numero XIV) transcribi curanty & ad
me mittunt, meum quoque requirentes Judicium & consilium,
(NB. Quomodo scbedae illae in alienas manus in Polonia inci-
dissent, servataeque tarnen sint, monui annotatiunculä ad Rev.
xvm.)
3. Ego istis cognitis expavi, novarum turbarum metu. Priora
enim iUa, Cotteriana et Poniatoviana, altfi jam apud nos sepulta
erant silentiö : ut k novo böc emergente non post et non concuti
animus. Orabam tamen Deum ut nos ne desereret: relegendoque
missa jam^ quid facto videretur opus cogitabam, ne vel ingrati
reperiremur si Dei hoc esset opus^ vel expositi ludibriis si secus.
4. Reacripsi deinde Fratribus, illorum circa examen hujus
rei tam acre prudentiam laudans, utque porr6 etiam saluti suae
invigilarent oraj;is. Quantum ad publicas pi*eces, paenitentiaeque
exercitia, cum illa per se placeant Deo semper, praesentique hu-
miliationis nostra statui imprimis conveniant, posse tantd dili*
gentiüs institui : ut si divinitus horum admoneamur, ne reperiamur
immorigeri. Sed et si fort& ab aliquo deceptionis spiritu ista ve-
nianty tantö magis fervidis orationibus esse opus, ut ne inducamur
in tfintationem.
5. Enim ver6 nihil factum est, quantum ad publicas istas
{>reces & jejunia : praevalente iUorum consilid , qui opus hoc si*
enti6 tegendum, & sie si posset exstinguendum, putabant
Lux e ten. HI. p. 28.
3.
Relatum mihi fuit, Christinam Visiones suas revocare, op-
probrioque ducere, si quis in memoriam revocet. Ego veritatis
cognoscendae causa seorsum eam (etiam marito arbitro remoto,
ut liberius confitentem habere possem) alloquutus, exquisivi dili-
^) sciL Drabidus.
JfonaUliefte der Comeniii«-G«selUchftft. 1896. 10
188 Kvacsala, Heft 4 u. 5.
genter. Respondit, Mirari se, si talibus susarris fidem adhibeam:
aliter autem esse de me persuasum. Verum esse quibusdam se
respondisse silentio, cum sciat ludibrii causa quaestiunculas mo-
veri etc. etc. Animadverti ergo illum immerito inconstantiae ar-
gui: quod magis etiam ex marito eius cognoscere fuit, qui qualia
inter se colloquia de spe Israelis instituere soleant, retulit
Lux e ten. IL p. 128.
4.
6. Ad historiam revertendo placuit Deo Christinam ad aeter-
nas, dudum adamotas nuptias, tandem evocare. Postquam enim
toto matrimonii tempore bona fuisset usa valetudine, caepit (mense
Junio anni 1644) catarrhis et tussi molestari, quae invitis etiam
Medicis in occultam febrim (hecticam vocant) degeneravit, illi-
que 6 Decemb: beatam analysin attulit.
Lux e tea IL p. 128.
5.
Mihi testis est ille, qui omnia nostra contuetur, me cum pri-
mum accepissem Librum Tuum lectionisque facto initio quantas
res negotium hoc concemat, et quanta fiducia tu rem geras, imo
et quam multa pulchre, solide, pie, moyeas, (multa enim habes
valae bona) viderem: nie (horrore quodam correptum) lectionem
continuare non ausum, nisi postquam me cum eodem libro Tue
humi coram Deo prostrassem, caecitatem deprecatus. Rogavi enim
humilime Deum, si Te mihi cum nova Veritatis luce submitteret,
ut aperire dignaretur oculos meos : sin, ut me conservaret in veri-
tate sua. Multo minus scribere ad eundem librum Tuum, ha^
quae legis, induci animum, nisi iterum iterumque exinanitis onmi-
bus sensibus meis, Deoque resignato regendi me, et flectendi quo
Teilet, mentem, voluntatem, calamum, arbitrio. Et adhuc eo sum
animo, ut si errare, (sive ex parte, sive ex toto) deprehensus
fiiero, gloriam dem Deo. Hunc mihi animum conserva, qui eum
dedisti, o Deus.
Judicium de regula fidei ed. 1658. p. 86.
6.
Ego membrum illius Ecclesiae sum, quae tertio iam seculo
(a temporibuB Hussi) Deo suo in spiritu et veritate servire con-
tenta, de Veritatis praerogativa cum aliis contendere non quae-
sivit: aliena litigia tacite spectans, utque Deus ipse Lucem suam
tenebras, Veritatemque, errores tandem eluctari taceret suspirans.
Polemicum ergo aliquid in publicum scribere mihi nunquam ve-
nerat in mentem: nisi cum editos Valeriani Magni de Christianae
Fidei REGULA libros examinandi ac cepsendi mihi esset im-
posita necessitas. Cum autem consignatum de iis Judicium pu-
blico exponere juberer, non aliter quam avwvvfAwg volui : eo quod
mens a rolemicis abhorreret genius. Respondebatur, Non pole-
micum esse hoc scriptum, acerbum et odiosum, sed placidum et
X893. Z^^ Lebensgeschichte ies Comenius. 139
?
4imicabile: tandem si nollem meo, posse alio quocunqae nomh^e.
Placuit ergo Holdrici Neafeldii nomen, meo Cabalistice respon-
•denfl: editumque sie fuit. Sed rescivit authorem Valerianus, illi-
lue propterea nihil offensus non solum respondit satis placide
nihil praeterqoam aUegationiun incuriam taxans) sed etiam salu-
tari ahquoties curavit amice. Quin etiam alii Romano - Catholici
moderatum hoc scriptum coUaudarunt, interque alios Cujaviensis
EpiscopuSy Regni Senator iUustris etiam sapiens: qui cum Gedani
w sesquiennium residentiam haberet^ legenaaque ilii ]^CHO nostra
offeretur, legit etiam perlegit totam, iudiciumque benigne ttdit iis
Terbis : Absit a me, ut haereseod condenmare velim virum docere
•et doceri paratum. *
Jujl. de reg. fidei ed. 1658* Prae&tio.
y. Der zweite Aufenthalt In Lissa. Comenius in Ungarn.
7.
Anno 1649, Martinus Ruarus, suos in Maj. PoloDia visitatum
« Borussia veniens, etiam me salutare dignatus, demum in coUo-
quio nomen suum (nee enim noveram de facie) prodidit. Sed post-
quam me ab amicitia sua vidit alieniorem, discessit: litteris me
^e via resalutanSy ad quas nihil respondi.
De Quaestione etc, p. 65.
8.
De Atrio Latinitatis.
Cum edidonem huius iam iam moliremur, intervenit Vocatio
In Hungariam, eamque intercepit. Differamus itaque in sequentia.
Judicia, novaeque Disquisitiones. Duo solum triave attin-
^am, tanquam publicos iterum novae industriae stdmulos.
I. niustrissimus Posnaniae Palatinus, D. D. Christophorus Opa-
linsky de Bnin, magnanimus et sapiens heros, composuerat (lingua
patria) SatTnu^im fibrös X. corruptissimos patriae mores g^apfice
aepingens, et nescio quid publici mali praesagiens (patuit revera
hoc tali tanti Viri scnpto, Omnem bonum Politicum prophetam
esse). Cumque hos typis exscribendos Lesnam misisset, famulus
nobilis et literatus Didactica nostra sub prelo sudare videns, Do-
mino id retulit. Quae occasio fuit literis me compellandi, tum et
accersendi ad se, et de studiorum ratione conferendi. Summa
fuit: Imbutum se puerum fuisse literis methodo Jesuitarum, quam
tamen Vir factus probare (dispendiose compendiosam illorum do-
«cendi rationem appellans) non posset Constituisse proinde, pro
filiis et agnatis suis, Nobilique iuventute, in oppidx) Sirakoviae
Gymnasiolum, tribus Classibus instructum fundare, eoque fine
Oracoviensi ex Academia evocare Vires tres doctos. Quum autem
lecta LiDguarum Methodo novissima nostra non posset non pro-
bare consilia, volle se futurum illum Scholae suae Rectorem ad
me mittere, quomodo editi Latino Germanice libelli (Vestibulum
10»
1^ Kvacsal«, Heft 4 u. 5.
et JaAtia L. L.) Latino-Polonice adomari queant, deliberatofitL
Factum: renit ille^ ratio inita, approbanteque niustrissifiio Maece-
nate, et impensas subministrante , Libelli editi, Sehola iBchoata,
floruitque usaue dum inopinata Suecorum (Anno 165&) irruptione^
cruentoqae illam sequato bello. dissiparetur. Qua de re sciiptaa
ad me Qlustrissimi Viri epistolas (K numero vel XI) nisi eius^
dem furiosi belli absumsissent flammae (LesneDsi excidio) pateret
Viri summi ad omnia exquisita summus ardor, et ad expen^ndum
iadiciüm acre, cum eloquentiae purissima suaritate. Sed perie*
runt illae, periisseque doleo.
n. Aliam reperio (servatam inter illa quae tumultaarie, nuUa
vero delectu, in terram coniecta fuere) a Regii in Borussia Fisci
praefecto datam ad me Dantisco L Febr. 1650, cuius partem hie
exscribi patior. Ita ordiebatur:
Contigit mihi nuper videre aliquot philuras Lexici tui, quod
iam sub prelo fervet. Utinain ^uantocyas prödeat integrum l
Passim enim expetitur summis desideriis, prout omnia tua: ita ut
nuper in Aula Regia Magnus quidam Vir, et Secretarius Regius,
quamvis Religioni Romanae addictissimus, mentione tui iniecta im-
pense me rogarit, ut quaecunque a te ederentur sedulo conqui-
rerem^ et ad se transmitterem. Se enim Tua omnia magni facere,
Nepotesque suos non nisi Comeniana methodo institui velle. Hoc
yero est rectae rationis robur apud omnes, ut captivet, vincat et
constringat nolentes, volentes ducaty alliciat et voluptatibus per-
fundat. Ego sane id pro tenuitate mea praevideo, hoc ipsum
Lexicon, validam fore machinam evertendae logomachiae, quae
hactenus plus satis inquinavit triticum Dominik cuius radix igno-
rantia, altrix humana authoritas, quam nonnuUis verae Eruditioni^
aut Divinae rationi, postponere piaculum est. Sed forte non con-
temnendus erit usus Tuorum Scriptorum in evellendis hisce Zi-
zaniis: quod praestet Aeternä illa Veritas, ut tandem aliquando-
possimus et recta sentire , et recte loqui. Erupit hie haud ita
pridem nonnuUorum speciosus conatus, docendi per artificium me-
moriae localis, invenitque quosdam ex Magistratu praecipuos fau-
tores : sed postquam Tua Didactica lecta est, visa est facuior haec
via, per iteratos actus doctrinam inculcandi, quam tot reflexioni-
bus operosis memoriam confundendi. Cumque sermo mihi esset
cum primario, et vere docto Viro, ordinis Senatorii, de Didactica
seu Methodo Tua Linguarum, isque in laudes eins erumperet,
quaesivi ex illo, An contradicant isti Artifices? aut quid de ea
iudicent? Respondit, Contradicant? Impossibile est: hie enim
Vir quicquid loquitur, loqui tur cum ratione, omnemque contra-
dicendi ansam praecidit, dum naturam et sanam rationem, et se-
quitur ipse, et monstrat aliis, iudicioque Orbis exponit omnia etc.
TIT . Accidit sub idem tempus, ut cum Pax Imperii biennio
ante Monasterii conclusa, demumque sub ingressum huius anni
(1650) Noribergae ad plenum firmata, esset, inter publici gaudii
varie a variis erecta, aut erigi tentata, monumenta, prodiret etiank
1893. Zu' Lebensgeschichte des Comenins. 141
lipsiensi Catalogo Libroram (icter proximis nundinis prodituros)
scriptum quoddam tali titulo:
Petri ColboYii von Gadebusch aufs Mecbelnburg Sende-
Schreiben an den Wol Erwürdigen . . . Herrn Johannem Amosum
Comenium u. s. w.
Mirabar id scribi, cum ego epistolam talem vidissem nuUam^
venit tarnen post, non in epistolae, sed libri forma. Rescripsi,
editionem dissuadens, antequam recoctis consiliis fluidius quiddam
constitueretur. Coepimusque permutatis inter nos epistolis agitare
consilia, quomodo quam optime constitui possent omnia. Sed
ärofectio mea in Hungariam interrupit haec, meliorum desiderio:
um erigendae ibi Pansophicae Scbolae constanter amici facerent
spem^ qua plenus animus minora haec tanto fervore agi non per-
mitteret Hie igitnr de istis tum temporis occasionibus loqui
desisto.
Op. Did. n. 459. 460.
9.
1. Fortuita hominum respectu occulta Providentiae vidisponi,
non ignorant qui voces Dei in Scripturis non Ignorant „cursuique
operum Dei pie attendunt: qualia nis ipsis in rebus, de quibus
loquimur, innumera observare est; hoc etiam quod nunc memo-
randum venit.
2. Pace Monasterii & Osnabrugae sexennio agitatae, tandem-
que terminatae, ultima publicatio incidit in Januarium anni
1650. Qua Bohemiae Regno^ cum incorporatis provinciis, haere-
ditatis nomine Austriacae Domni relictis, dispersi propter Even-
gelium k spe reditüs aeternum exclusi, quid iam agendum esset
deliberare coeperunt: superstites nempe Ecclesiarum Superatten-
dentes cum reiiquis Auditorum suorum, ex Baronali et Equestri
ordine. Petebant erg6 in Polonia exulantes ab exulantibus alibi,
in primis Hungaria, ut h medio sui aliquot prudentiores (ex or-
dine Politieo & Ecclesiastieo) mense Martio mitterent, ad certi
aliquid concludendum. Comparuerunt alii^ ex Hungaria nemo:
Senium & morbos eorum, qui maxim^ idonei huc essent, causati.
Addebant: adfuisse se Fratrum in Polonia Sjnodis per hos exilii
annos aliquoties, justum esse quoque aliquando se in Hungaria
visitari. Nominatim ad se Confratrem suum Comenium mitti
postulabant: quippe Moravum, et Moravorum causa Antistitem
ordinatum: sibi ver6 per annos jam 25 non conspectum. Cujus
absentiam tolerari potuisse vivo ÖoUegs^ Laurentio Justine ; nunc
illo evoeato requiri omnin6, ut gregem suum intervisat, st non ad
cohabitandum, ordinis tamen stabiliendi causa etc.
3. Huic Fratrum Moravorum postulato mox assensum dabant
Bohemi, & qui aderant Poloni : eundumque esse, & de actis hujus
Convocationis ibi quoque deliberandum , concluserunt. Maxime
postquam eo ipso temporis puncto k Sigismundo Racoci venirent
Comenium ad coUoquia, et de Scholarum suarum reformatione
consultationem, evocantes literae.
142 Kvacsala, Heft 4 u. 5.
4. Ab his igitur vocationem, ab Ulis missionem nactus, com-
mendavi me Deo, perque Silesiam & Moraviam festinans, Ska-
licium (primam Hunganae liberam urbem) pridie Paschatos attigi,
& cum dispersorum populo (praesentibus aliquot Baronibus & &
Nobilitate, Pastoribusque) festi solemnitatem peregi: iis quorum
in primis causa veneram in ultimum reservatis. Ubi consiliujn
non fuit aliud (sicut & nobis in Polonia, & alibi) nisi ut.ab ho-
minibus in Universum derelicti, uni Deo tant6 firmius adhaereamus,
illius nos voluntati plenissimi resignantes, ad vitam et ad mor-
tem etc.
5. Alter similis conventus (sed major, Pastorum circiter vi-
ginti) erat octiduö post in ditione Viduae Racocianae, PuchoYÜ :
ubi per dies sex vari^ de conclamato undique flatu nostro ser-
monibus, mutuisque ad poenitentiam, patientem, spemque in Deo
(etiamsi nos occidat) exhortationibus habitis: valedicturus ego
illis signiiicavi, Mihi quidem propositum ftusse ad Principem
Sigismundum (& quo vocatorias näherem) divertendi, sed itineris
longinquitate absterreri, & negotiis verö meis revocari. Constituisse
itaque negotiö per literas expeditö, festinare domum. Ulis ut pro-
fidie ad communes preces, nosque invicem spiritui gratiae com-
mendandum^ redire liberet.
6. Instant illi, perseverandum esse in absolvendo suspecti
itineris proposito : literam esse mutam, non tanti fieri atque prae-
sentiam vivam: se principis matris indigere ^atiä, ampliandum
potius quam minuenaum favorem , et quae id genus plura. Re-
spondi: me ergo adhuc deliberaturum, quomodo ultimum formati
possit consilium. Ita quietae noctis voto valedixi, apud cognatos
pemoctaturus meos.
7. Ecce autem exeuntem me illorum unus, Nicolaus Drabicius,
comitatur, impense ut propositum ne mutem orans. Quaesivi,
quid praecaeteris sua interesset, ut praecaeteris tam instaret?
Kespondit, ouia te in Sigismundi Racoci notitiam venire opto.
Quare id? Ille, ceu invitus & effari verecundans, tandem: quia
ille Rex erit Ego consistens^ illumque intuitus : Quid mi Frater
audio? nondum tu & somniis tuis evigilasti? (Nihil enim ampliüs
de bis materiis voce aut scripto cum illo egeram^ nee eorum plus
quam ad me missum fuit primitus videram, vanitatis illa apud
me aequo ut caeteri condemnans, eo qu6d propheticam styli gravi-
tatem, vel qualis Cottero & Ghristinae in est, non attingere even-
tusque multö etiam minus responderet, viderentur.) Dixi ergo:
Patri prius Coronam offerebas: eä spe delusus ad filium jam ibis?
Vide per Deum quid agas, ludificareque te et alios desiste.
8. Eruperant Viro lacrymae: oculisque & manibus sublatis,
Bis me lacrymis meis abluere possem, inquit, quantum earum
jam efFusum est, ut misero mihi parceret Dens : sed impetrare
non possum. An ergo adhuc ista pateris? Respondit: Ultra
annum est quod nihil patior, scio tarnen nondum esse finem.
Quaero unde id sciat? Ille, Dominus dixit, consignataque in ad-
1893. Zur Lebensgeschichte des Gomenius. 143
Tentum tuum (adductorum enim Te in hanc terram) servari, et
tibi tradiy juBsit En trado! Offertque Chartas illas, posteriores
Visiones continentes, plaresque promittentes, rogans legere vellem.
Annon haec fingis obsecro? oixi. Hie Deum testem invocat
Qoaero, quando id de adventu hac meo auditum? Die, Aim6
abhinc tertio, mox & Principis morte, quam ludibriorum in-
Kttientiä exurere ista vellem, Dominus vero prohibebat: Invenies
i scriptum.
9. Attonitus erg6 Chartas illas recipio, vespertinis^ue horis
inter amicorum coUoquia consumtis, mane demiun inspicio, lego,
ruminor, interque suspiria & ut Deus vias meas dirigeret vota &
preces, animum mutari sentio : offerentibus se pro suscipiendo ad
JPrincipem itinere tot causis, quas priüs non observäram. Quae
cogitata mea cum Fratribus adf preces congregatis communicarem,
gratulabantur, laetisque iter meum prosequebantur TOtis.
10. Ingressus ignotas vias, decimä die residentiam Princi-
pissae, Patakum, Deo duce attigi: sie k Principibus (Matre &
Filio) Theologisque, & aliis Viris doctis & bonis, octiduo toto ha-
bitus, ut ad conabitandum illis aliquandiu (instabant enim) re-
ditum non recusare promitterem, si per rerum apud nos statum,
assensumque illorum quorum pars sum, licebit Ad illos itaque
literis me instructum dimittunt, deinde ver6 per Cursores festi-
nationem ita urgent, ut non redire non possem: detentus apud
eos (Scholasticis in laboribus) quadriennium.
Lux e ten. IIL p. 40 £
(Fortsetsung folgt)
Nachrichten.
Im Januar -Heft der „Deutschen Rundschau** veröflfentlicht Prof.
Dr. Otto Pfleiderer in Berlin eine Charakterzeichnung des kürzlich ver-
storbenen Erast Renan, auf die wir unsere Leser au&nerksam machen. Der
geistige Entwicklungsgang Renans hat etwas Typisches. Im Priester-
Seminar zu St Sulpice erzogen, war er von früh auf mit einem streng
katholischen Eifer erfüllt. Als er, beseelt von dem Streben nach Wahr-
heit, zu erkennen glaubte, dafs sein bisheriger Standpunkt unhaltbar sei,
warf er, wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, alles über Bord, was
seine geistlichen Lehrer ihn gelehrt hatten. Aber in zwei Punkten zeigt
sich doch der Unterschied dieses hervorragenden Geistes von der gewöhn-
lichen Freigeisterei, in die der Regel nach ein solcher Entwicklungsgang
auszulaufen pflegt. Er sah nämlich ganz richtig ein, dafs eine Philosophie,
wie sie sich der Vernunft erschliefst, selten starke Antriebe zu einer opfer-
fähigen Gesinnung bietet und zur Yolkserziehung mithin unbrauchbar ist,
und femer hat er doch, alles in allem genommen, ein gutes Stück des
Christentums in seine neuen Oberzeugungen mit hinübergenommen, mehr
jedenfalls als die Mehrzahl derer meint, die sich auf einzelne seiner Äusse-
rungen stützen, um alles zu verneinen. Man lese nur den Schlufs des „Lebens
Jesu% wo er geradezusagt, dafs „die Gründung der wahren Religio n**
/also nicht blols die Gründung einer Religion) Jesu Werk sei. Besonders
wichtig ist es unter diesen Umständen, dafs wir aus seinen „Jugend*
erinnerungen*' erfahren, wer die Männer waren, die nach der Abstofsung
seiner Jugendansichten ihm die Führer zu der neuen Lebensanschauung
(wenigstens theilweise) wurden. „Herder^, sagt er, „war der deutsche Schrift-
steller, den ich am besten kannte. Seine weiten Blicke entzückten mich,
und ich sagte mir oft mit lebhaftem Bedauern: ach, dafs ich nicht wie ein
Herder denken und zugleich christlicher Prediger bleiben kann ! . . . . Ich
möchte um alles Christ sein, aber orthodox kann ich nicht sein. Wenn
ich Denker, so frei und kühn wie Herder, Kant und Flehte, sich
Christen nennen sehe, so hätte ich Lust, ein Christ von dieser Art zu sein.
.... Ich gestehe , dafs ich in einigen deutschen Schriftstellern die wahre,
für uns passende Form des Christentums gefunden zu haben glaube.
Könnte ich den Tag erleben, wo dieses Christentum eine alle Bedürfhisse
1893. Nachrichten. 145
unserer Zeit befriedigende Gestalt gewänne! Könnte ich selbst zu diesem
grofsen Werke mitwirken!"
Die historisch-nationalökonomische Sektion der Fürstlich Jablonows-
kisehen Gesellschaft in Leipzig hat für die Jahre 1898 — 1896 folgende
Preisavfgaben gestellt:
1. Ffir das Jahr 1898. — Die allmähliche Einfühmng der deutschen
Sprache in öffentlichen und privaten Urkunden bis um die Mitte
des 14. Jahrhunderts.
2. Für das Jahr 1894. — Darstellung der Entwicklung, welche der
Gewerbfleifs in Polen seit dem Aufhören der polnischen Nationäl-
selbstäodigkeit gehabt hat.
8. Ffir das Jahr 1895. — Darstellung des griechischen Genossen-
schafts- und Vereinswesens auf Grund der schriftstellerischen und
besonders der inschriftlichen Quellen, welche ebenso sehr die Arten
und die Organisation der Genossenschaften, wie ihre zeitliche und
räumliche Entwicklung berücksichtigt.
4. Für das Jahr 1896. — Eingehende Untersuchung der wirtschaft-
lichen, sozialen und politischen Bewegung in irgend einer gröfseren
deutschen Stadt des ausgehenden Mittelalters mit besonderer
Rücksicht auf die Wirkungen des seit Ende des 14. Jahrhunderts
aufkommenden kapitalistischen Individualismus.
Die anonym einzureichenden Bewerbungsschriften sind, wo nicht die
Gresellschaft im besonderen Falle ausdrücklich den Gebrauch einer anderen
Sprache gestattet, in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache zu
verfassen, müssen deutlich geschrieben und paginiert, femer mit einem
Motto versehen und von einem versiegelten Umschlag begleitet sein, welcher
auf der Aufsenseite das Motto der Arbeit trägt, inwendig den Namen und
Wohnort des Verfassers angiebt. Jede Bewerbungsschrift mufs auf dem
Titelblatte die Angabe einer Adresse enthalten, an welche die Arbeit für den
Fall, dafs sie nicht preiswürdig befunden würde, zurückzusenden ist. Die
Zeit der Einsendung endet mit dem 30. November des angegebenen Jahres,
und die Zusendung ist an den Sekretär der Gesellschaft (für das Jahr 1893
Professor Dr. W. Röscher, An der I. Bürgerschule 4) zu richten. Die Re*
sultate der Prüfung der eingegangenen Schriften werden durch die Leip-
ziger Zeitung im März oder April des folgenden Jahres bekannt gemacht.
Die gekrönten Bewerbungsschriften werden Eigentum der Gesellschaft.
Der Gesehiebtsniitemeht als Vorbereitnng zur Teilnahme am Qffent-
lifheB Leben. Die durch den kaiserlichen Erlafs an das prenfsische Staats*
ministerium vom 1. Mai 1889 und durch die Berliner Schulkonferenz zur öffent-
lichen Diskussion gestellte Frage, ob bezw. inwieweit die Schule politisch
vorbilden und sozialpolitisch beeinflussen soll, beschäftigte die für den
5. April nach München einberufene Versammlung von Historikern. Aus
den bezüglichen Thesen veröffentlichen wir die folgenden. Direktor Mar-
tens nimmt fast die gleiche Stellung ein, die im Erlasse des Kaisers zum
Ausdrucke kam. „Der kulturgeschichtliche Unterricht," so lautet die betr.
These, „berücksichtigt bezüglich der sozialpolitischen Entwicke-
146 Nachrichten. Heft 4 u. 5.
lang, indem er die einschlägigen Thatsachen aus der alten, mittleren und
neueren Geschichte bewufst unter den sozialpolitischen Gesichts-
punkt stellt, die wirtschaftlichen Verhältnisse vornehmlich des deutschen
Volkes, so dafs nicht nur das Verständnis für die soziale Frage der
Gegenwart geweckt, sondern auch die Mittel und Wege zur Be-
kämpfung der heutigen Sozialdemokratie auf dem Grunde des
verantwortungsvollen Staatsbewufstseins gezeigt werden. '^ Demgegenüber
stellt Prof. Dove folgende These auf: „Beim Vortrage der neuesten, für
die oberste Schulstufe bestimmten Geschichte ist eine kundige, jedoch
durchaus objektive, von aller Tendenz freie Erläuterung der
gegenwärtig in Staat, Kirche, Becht, Volkswirtschaft u. s. w. bestehenden
Ordnungen und Verhältnisse von Seiten des Lehrers angebracht und er-
wünscht. Dieselbe wird indessen nur dann sichern Nutzen stiften, wenn
Studiengang und amtliche Prüfung der künftigen Lehrer der neueren
Historie ausdrücklich auch auf das Gebiet der Staatswissenschaften
erstreckt werden.*^ Prof. Kaufmann formuliert daneben noch folgende
Sätze : „Bei der Greschichte der neuesten Zeit ist schon auf der Mittelstufe
Kenntnis zu geben von der Verfassung des Reiches und des Landes. Auf
der Oberstufe ist diese Kenntnis zu vertiefen und durch Vergleichung
mit den politischen Ordnungen anderer modemer Staaten einerseits und
des Mittelalters und Altertums andererseits zu erläutern.'^ „Die an sich
wünschenswerte Einführung in mancherlei Formen und Pflichten des
öffentlichen Lebens ist nicht Sache des Geschichtsunterrichts."
„Erkennt man das Bedürfnis an, so ist zu erwägen, ob nicht nach dem
Muster anderer Staaten auf der Mittelstufe eine Stunde für bürgerliche
G^chäftsaufsätze und Gesetzeskunde einzuführen sei.** Schärfer noch als
Prof.Dove protestiert endlichProf. Kaufmann gegen jede kirchliche
und politische Tendenz im Geschichtsunterricht. Er erklärt
sich gegen jeden Versuch, die Jugend zu bestimmten Ansichten über
politische, kirchliche und soziale Fragen nndParteien zu er-
ziehen und verlangt volle Unabhängigkeit für den Lehrer und
gemeinsamen Geschichtsunterricht für die verschiedenen Konfessionen.
Schliefslich wurde folgender Antrag des Professors Stieve mit grofser Majorität
angenommen: Der Geschichtsunterricht kann und soll nicht in der Weise
als Vorbereitung zur Teilqahme an den Aufgaben des öffentlichen Lebens
dienen, dafs er in systematischer oder auf eine bestimmte Gesinnung hin-
zielender Weise für dasselbe vorbereitet; er hat vielmehr zu dem frag-
lichen Zwecke lediglich diejenigen geschichtlichen Kenntnisse zu über-
mitteln, welche zur späteren Teilnahme am öffentlichen Leben befähigen,
und die Neigung zu dieser Teilnahme entwickeln." Der Schlufspassus :
„insbesondere hat er (der Geschichtsunterricht) auch die Liebe zum Vater-
lande und ein strenges Pflichtbewufstsein gegen den Staat zu erwecken'
wurde auf Antrag des Professors Quidde-München abgelehnt.
Herr Lehrer Riehard Aren in Berlin 0. 34 besitzt eine wertvolle
Sammlung von Ausgaben comenianischer Schriften. Wir teilen im nach-
folgenden eine Auswahl daraus mit:
Comenius, J. A., Auffgeschlossene Güldene Sprachen -Thür u. s. w«
1893. Nachrichten. 147
Ansgef. von Zacharias Schneider. Die 7. Ausfertig. Leipzig, 1699.
— , Janua ling^ae Grraecae, Secnndum methodum k Dn. Comenio inventam
constmcta atque reserata k L. Z. Schneidere, Leipzig 1642. — , Janua lingua-
mm reserata. Cum Graeca versione Theodori Simonii Holsati, Secunda
hac editione recognita et innumeris in locis emendata et Gallica nova Steph.
Cnrcellaei. Amstelodami 1648. — , Janua aurea quinque ling^arum reserata.
Nath. Dhuez et Theod. Simon. Francof, 1644. — , Latinae Linguae Janua
reserata. Berum & Linguae Structuram ezhibens ordine nativo. Ex mente
Autoris ad leges methodi Janualis proponenda, in Schola Olsnensi Siles.
Olsnae, 1647. —, Janua aurea reserata. Sive compendiosa Methodus Lati-
nam, Gallicam etc. etc. Gtoevae, 1663. — , Janua iinguarum reserata
aurea Coloniae Agrippinae, 1662. — , Janua Linguarum reserata. Pro
compendiose Lingua Latina cum Rebus docenda. Belgicft versione k Joh.
Seidelio omata. Amsterdam, 1691. — , Janua linguarum reserata aurea.
Editio postrema. Cöln, 1692. — , Pansophiae prodromus, et Conatuum
Pansophicomm DUucidatio. Lugduni Batay., 1644. — , Orbis Sensualium
Pictus. Latino-Gallico-Grermanico-Polonice. Bregae Silesiorum, Tjpis
Tschomianis, Impensis Caspari Müllen Bibliopolae Wratislar., 1667.
— , Orbis sensualium pictus quadrilinguis. Noribergae, 1679. — , Orbis
sensualium pictus. Noribergae, 1708. — , Orbis sensualium pict. Nori-
bergae, 1740—45. — , Orbis sens. pictus. Noribergae, 1777. — , Orbis pictus
in Hungaricum et Germanicum translatus. Die Welt in Bildern. In die
ungarische und deutsche Sprache übersetzt und hin und wieder verbessert.
Po* sonjban, 1831. — , Neuer Orbis pictus für die Jugend oder Schauplatz
der Natur, der Kunst und des Menschenlebens in 322 lithogr. Abbildungen etc.
nach der früheren Anlage des Comenius bearbeitet von J. E. Gailer.
3. Aufl. Beutlingen, 1835. — , Neuer Orbis pictus für unser philosophisches
und aufgeklärtes Jahrhundert Eaklogallinien, 1790. — , Die Welt in
Bildern. Ein lehrreiches und angenehmes Geschenk für Kinder gebildeter
Eltern. Enth. 121 sauber kolor. Kupfer. Berlin, 1832. — , Versuch eines
Elementarbuches für Kinder durch Abbildung der merkwürdigsten Dinge
und derselben deutschen, lateinischen, französischen und italiänischen Be-
nennungen. Nürnberg, 1770. 6000 Holzschnitte. — , Januae in linguam
Graecam Vestibulum ad Dn. Comenii methodum adomatum kZ. Schnei-
dero. Lipsiae, 1640. — , Portael der Saecken en Spraecken -Vestibulum
rerum et Linguarum — Die Vortühre der Sachen u. Sprachen. Amstelod,
1673. — , Vorpforte der Schul -Unterweisung. Nach den Gesetzen der
neuesten Lehrart u. mit vielen Kupffer-Bildnissen erklaert von Jacob
Bedinger. Noribergae, Chr. Gerhardt, 1678. », Sententiae Vestibuli J.
A. 0. Multo emendatiores, quam hactenus alibi, excusae, cum vocabulis,
6 regione appositis, in usum juventntis scholasticae. Wemigerodae, 1738.
— , Unum necessarium Editio quarta. Jenae, 1713. — , Das Einige Noth-
wendige. Leipzig, 1725. — , Das Einige Nothwendige. Frankfurt-Leipzig
1755. — , Kurz gefafste Kirchen-Historie der Böhmischen Brüder, wie
solche J. A. C. lateinisch beschrieben. Schwabach, 1738. — , Joh. Theoph.
Eisner, Martyrologium-Bohemicum oder die Böhmische Verfolgungs- Ge-
schichte von 894—1632 etc. Berlin, 1766. — , Labirynt. Sweta a Rag
Srdce. Berline, 1757. — , Comenii philosophisch-satyrische Reisen durch
148 Nachrichten. Heft 4 u. 5.
alle Stände der menschlichen Handlungen. Berlin o. Potsdam, 1787. — ,
Das wiedergefundene Paradies oder Uebergang aus der Welt ins Herz. 1760.
— , Das Labyrinth der Welt und des Herzens Paradies. Aus böhmischer
in deutsche Sprache übertragen von J. Nowotny. Spremberg, 1871. -— ,
Kssafft Ymjragjcy Matky Gednoty Bratrske. Berlin 1757, --, Höchst-
verwundersame Ofienbahrungen. Welche Einer Böhmischen £del-Jungfer
Nahmens Christina Poniatovia In denen Jahrgängen 1627, 1628, 1629 ge-
schehen u. s. w. Nebst beygefÜgter Historischer Erzählung u. Erläuterung
dess berühmten Mit-Gliedes der Böhmischen Brüderschafft Johann Arnos
Comenius. 1711. — Zwey wunder Tractätlein | deren das Erste begreiffet
Englische Erscheinungen und Reden Christoph Kötten u. s. w. Das Ander
Himmlische Offenbarungen und Gesichte einer G^ttsförchtigen Jungfrawen
aus Böhmen (Chr. Poritowsken) u. s w. Im Jahr 1632.
Für eine Büeherkunde der Janua, des Orbis pictus und anderer
Schriften , die uns noch fehlt , sind hier Fingerzeige gegeben , die sich
vielleicht aus anderen Privat- oder öffentlichen Sammlungen ergänzen lassen.
Es ist der Zweck dieser Zeilen, zur Aufstellung einer Bücherkunde der
Janua und des Orbis pictus anzuregen.
Wir haben bereits früher (M. H. 1892 S. 224) auf die freundlichen Be-
ziehungen hingewiesen, in welchen Comenius zu den sog. Hutterischen
Brüdern in seiner mährischen Heimat stand, die er, wie er selbst bezeugt,
wohl kannte. Ton um so gröfseren Interesse ist für uns das Buch über die An-
fange dieser „mährischen*^ Brüder, welches Prof. Dr. Johann Loserth soeben
veröffentlicht hat; es fuhrt den Titel: Doetor Balthasar HMbmaier und die
Anfänge der Wiedertaufe in Mähren. Aus gleichzeitigen Quellen und mit
Benützung des wissenschaftlichen Nachlasses des Hofrates Dr. Josef
Ritter von Beck von Dr. J. L. Herausgegeben von der historlBch-statis-
tischen Sektion der k. k. mährischen Gesellschaft zur Beförderung der
Landwirtschaft, der Natur- und Landeskunde. Brunn, Verlag der hist-
statist. Sektion 1893. Das Buch ist auf Grund eines reichen, bisher unbe-
nutzten Materials bearbeitet und ist ein wichtiger Beitrag zur BeformatiooB-
geschichte überhaupt. Wir werden eingehender darauf zurückkommen.
Dr. Theodor Arodt, Prediger an St.-Petri in Berlin, hat im Verlag von
Georg Beimer unter dem Titel : „Das Olflek, Ein Wort für die ideale Welt-
anschauung*', eine kleine Schrift erscheinen lassen, auf die wir die Auf-
merksamkeit unserer Leser lenken möchten. Es ist im wesentlichen die
Wiedergabe eines Vortrags, den Arndt am 20. Januar 1893 im Berliner
Unions- Verein gehalten hat. Der Verf. beabsichtigte durch seine Schrift
in einigen Punkten eine Ergänzung zu der Arbeit zu geben, die er im
vorigen Jahr unter dem Titel „Die Beligion der Sozialdemokratie'' (Ev.-
soz. Zeitfragen 11, 6. Lfg., F. W. Grunow) hat erscheinen lassen. Er will
versuchen : 1. Das Problem des Glückes selbst klar zu stellen, 2. die Wege
zu beschreiben, auf denen man seine Lösung versucht hat, und 8. anzu-
deuten, auf welchem Wege wir als evangelische Christen die Lösung finden
werden. Besonders lesenswert ist der zweite Abschnitt, der in kurzen
Zügen eine Reihe von Versuchen schildert, die gemacht worden sind, um
/
1893. Nachrichten. 149
Aof dem Wege der NaturwiBsenechaft oder der philosophischen Speku-
lation die Wege zu ergründen, die zum Glücke hinfuhren.
Die russische Zeitschrift „Gimnasija*^ (Journal für Philologie und Pä-
dagogik, Reval) enthält in der Oktober-Nummer 1892 die Fortsetzung der
von Meschoff bearbeiteten „Bibliographie der Pädagogik^, welche eine
Übersicht über die russischen Erscheinungen in den letzten beiden Jahr-
zehnten bietet. In Deutschland existiert, soviel uns bekannt ist, eine
ähnliche bibliographische Übersicht nicht; gleichwohl wäre es erwünscht,
wenn allmählich wenigstens für die Volksschule oder die Gymnasien oder
die Universitäten oder die Geschichte der Erziehungslehre von Zeit zu
Zeit bibliographische Übersichten veröffentlicht werden könnten.
Beriehtigang.
Wir hatten (Monatshefte der C.-G. 1892 S. 282) die Vermutung aus-
gesprochen, dafs die Abhandlung Carl Hüllemanns über Valentin Andreae
als Pädagog, welche im J. 1884 zu Leipzig erschien, auf die Anregung
des Criegemschen Buchs über Comenius zurückgehe. Bessugnehmend auf
diese Äusserung teilt uns Herr Dr. Hüllemann unter dem 18. März 1893 mit,
dafs er genötigt sei, zu erklären, dafs ihm nicht Herr Lic. Dr. von Criegem,
sondern Herr Geh« Hofirat Prof. Dr. Masius die Anregung zu seiner Arbeit
jgegeben habe. Die Schriftleitung.
Pi«r«r*aoh« Hof buohdruokerei. Stephan Oeib«! A Co. in Altonburg.
Aus dem Inhalt des ersten Bandes (1892).
Unstr Arb«ltsplu (S. III- VUI). Abliandliiii«:«!: P. Hobifeld, J. A.
Comenius und K. C. Fr. Krause. — K. Mämpel, Die interkonfessionellen Friedensideale
des J. A. Comenius. — A. Israel, Das Verhältnis der „Grossen Unterrichtslehre" des
Comenius zu der Didaktik Ratkes. — Ludw. KeHer, Joh. Valentin Andreae und
Comenius. ^ Qa^en und Forsohimipeii: Jos. MOHsr, Zur Bucherkunde des Comenius.
— Joh. Kvacsala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. — Kleinere MitteUimfl^eii:
E. Pappenhelniy Die erste Ausgabe des Orbis pictus. — M. Toeppen, Zar Lebensgeschichte
des Comenius. — 0. Radlach, Der Aufenthalt des Comenius in Thorn im Herbst. 1634. —
Ed. Bodemann, Ein Gedicht von Leibniz auf J. A. Comenius. — Ed. Bodemana, Ein
Stammbuchblatt von Comenius. — Haggaeus redivivus von J. A. Comenius.
Wieder aufgefunden von J08. Müller in Hermhut. — Aus neueren Handschriften-
Verzeichnissen. Zur Geschichte der Waldenser u. s. w. — Jos. Müller, Die Bilder des
Comenius. — J. Parmentier, Robert Hebert Quick. — Ed.-HenrI Rohert, Ed. L. Robert.
— Utteratar-Bertohte: Die Comenius-Litteratur seit 50 Jahren. — Die gedruckte
Litteratur zur Geschichte des Didaktikers Wolfgang Ratichius. Zusammengestellt von
Gideon Vogt — Kritiken und BeepreehimgeB. — Vaobrlohten. — Oesoh&ftUoher
Teil (darin die Satzungen der C. G., die Geschäftsordnung für den Gesamt-
vorstand u. s. w.).
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen, welche der Gesell-
schaft als Patrone, Stifter oder Teilnehmer beitreten, gegen Naeh-
zahlungr der Jahresbeiträge (s. die folgende Seite) für 1892 bis auf weiteres
unentgeltlich geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Der zweiten oder dritten Nummer jedes Jahrgangs wird ein Zahlungs-
formular behufs Berichtigung des JahrBSboitrftgS beigefllgt. Falls bis zum
1. Juli die Zahlung nicht erfolgt ist, wird angenommen^ dafs die Mitglieder
mit der Erhebung durch Postauftrag einverstanden sind.
Mitglieder, welche einen Teil der Veröffentlichungen des jeweilig laufenden
Jahres in Empfang genommen haben, können ihre Abmeldung erst zum
1. Januar des nächstfolgenden Jahres bewirken.
Dem Redaktions - Ausschufs der Gesellschaft gehören aufser dem
Vorsitzenden des Verwaltungs - Ausschusses und seinem Vertreter gegenwärtig
folgende Herren an: Diakonus JOS, MtLiler in Herrnhut (Vorsitzender);
Direktor Dr. Buddensieg:, Dresden ; Dr. L. H, Fischer, Stadt- und Kreis-
schulinspektor, Berlin ; Schulrat A. Israel, Zschopau ; Prediger 'W. J, Leen-
dertz , Amsterdam ; Pastor Lorenz , Berlin ; Univ. - Prof. Dr. Loserth,
Czemowitz.
Wegen greschäftlieher Anzeigren oder Beilagren litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig-Gohlis, Lange Str. 47**,
wenden. Anzeigen 15 Pf. die gespaltene Petitzeile; Beilagen nach Vereinbarung.
Etwaige Orts- und AVobBungs Wechsel wollen unsere Mitglieder der
GescliAftsstelle der Comenius -Gesellschaa, Münster i. W., Wol-
beckerstr. 4*, gefälligst mitteilen«
Comenius - Gesellschaft*
Die Comeniiis - Gesellschaft (C. G.) hat sich wlssenseliaftllelie imd
gremelnnützlgre Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatshefte (M. H.), zur Förderung der letzteren die Mitteilungen
(M. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Einzel Sdirlften hat begonnen.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom - Mitglieder, welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
Slimtllehc Veröffentlichungen der C. Gr.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrcchte
können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als Abteilungs-Mitglieder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mltteilungren der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pflege der W^lssenschaften im Geist
des Comenlus und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Rellgrlon, Philosophie, Geschichte und Er-
zlehung'Slehre berücksichtigen mid fllr die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Mitteilungen sind zur Förderung der gremelnnützlgen Aufgaben
bestimmt, welche sich die C. G. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten : 1. Kürzere Leltaufsätze aus dem Gebiete der Bilduugspflege,
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte.
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 3. Gedanken, Aussprüche und Bemerkung-en. 4. Gesell-
schafts-Angrelegrenhelten. 5, Bücher und Zeltschriften.
Durch die „Vorträge nnd Aufsätze aus der Comenius-ßesellsehaft^'
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen, die wir als Sonderabdrticke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
Vorträgre veröffentlicht werden, die von Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlung^en, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Gebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Com en ins zu fördern.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen IG Sonder- Abzügfe unberechnet ; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreffende Heft unberechnet zur Veritigung gestellt
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt
des sechsten und siebenten Heftes 1893.
A, Abhandlungren. ^**^
Johann XiOtorth, Die kirchliche Reformbe%veguDg in England im XIV. Jahr-
hundert und ihre Aufnahme und Durchfuhrung in Böhmen 151
Albert Blohtery Zwei Bilderbücher für den Unterricht vor dem Orbis pictus . 167
B. Quellen und Forschungren.
Joh. Kvaotala, Zur Lebensgeschichte des Comenius (Fortsetzung) 17S
C. Kleinere Mittellungren.
O. KempaTy Der Inselname Capharsalama in Joh. Yal. Andreaes Schrift ,Rei-
publicae christianopolitanae descriptio* (1619) 1S6
D. Zur Büeherkunde.
Fanl Hohlfeld, Von und über Krause 191
S. Maehrl^t^a. «Über des Johann Arnos Comeniua Leben und Wirksamkeit*' von Anton
Oindely. — Kvacsala, Briefe von und an Comenius. — Der Briefwechsel zwischen O. W.
Leibniz und L. A. Muratori. — Johann BQnderlin und die Anf&nge des T&ufertums in Ober-
Osterreich. — Descartes fiber Comenius. — Katalog 19S des Antiquariats von Heinrich Kerler
in Ulm. — _^_^_^^^^__
Diesem Hefte ist das Personen- und Orts-Register des I. Bandes beigegeben.
Die Monatidielte erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August und Sep-
tember). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav). Postzeitungsliste Nr. 4296»».
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaft, Archiv* Rat Dr. Keiler
in Münster I. W. oder an den Vorsitzenden des Redaktions- Ausschusses , Diakomis
Joe. Muller in Hermhut I. S. zu richten.
Für die Redaktion verantwortlich: Diakonus Joe. Müller in Hermhut I. S.
Jahreaheitrilge (vgl. 8. 4 des Umschlags), sowie einmalige Znwendiuiir^B
bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C, Burgstrasse,
zu senden.
Anmeldlinflren zur Gesellschaft und Jahresheltril^ nehmen femer an:
B. Voiffüäncler's Verla«, Iiolpzlflr-Oohlüi, Lange Str. 47 b. ^ a. Fiohler'a
Witwe ft 8<dmy Wien V., Margarethenpl. 2. — Fr. BivnM, Buchhandlung, Pra«,
Museumsgebäude. — Williams and Vorgate» Buchhandlung, 14 Henrietta-Str., Ck>vent
Garden, London. — Buchhandlung Fisohhacher, Parle, Rue de la Seine 38. —
Buchhandlung von Johannes Mttller, Amsterdam, Singel 286. — Buchhandlung von
Meyer ft Zeller, Zttrioh, Rathausplatz. — C. E. Fritse's Hofbuchhandlung, Stoek-
holm. — Cammermeyer's Buchhandlung, Ohrlstiania.
Vaehdmok unserer Nachrichten und Berichte nur mit Quellenangabe, grofserer
Beiträge nur mit Einverständnis der Schriftleitung gestattet.
^v^f^ > COil
Comenius - Gesellschaft.
IL Band. — 1893. — Heft 6 u. 7.
Die kirchliche Reformbewegung in Engiand im XIY. Jahr-
hundert und ihre Aufnahme und Durchführung in Böhmen.
Akademische Antrittsrede, gehalten am 2. Mai 1893 von
Dr. Johann Iioserth,
o. 0. Professor der ftllgemeinen Gesohichte an der k. k. Karl-Franzens-Universit&t
in Graz.
Indem ich das mir übertragene Lehramt der allgemeinen
Geschichte an der hiesigen Universität antrete, darf ich wohl
ftir den heutigen Vortrag ein allgemeineres Thema wählen, als
es dem Gegenstande dieser Vorlesungen entspricht. Man wird
es begreiflich finden, dafs ich es jenen Studien entnehme, die ich
seit mehr als zehn Jahren gepflegt habe : der kirchlichen Reform-
bewegung in England im letzten Drittel des XIV. Jahrhunderts
und ihrer Aufnahme und Durchführung in Böhmen.
Mit Recht wird es als eine der wichtigsten Aufgaben ge-
schichtlicher Forschung bezeichnet, die Einwirkungen darzulegen,
die ein Volk in Bezug auf seine politische und kulturelle Ent-
wickelung von anderen höher stehenden Völkern erfahren. Diese
Aufgaben sind freilich nicht immer leicht zu lösen. Man weifs
heute, in welcher Weise sich semitische Einflüsse in Griechen-
land, griechische in Rom, römische bei den germanischen Völker-
schaften Geltung verschafft haben. Wenn man auf den phöni-
zischen Ursprung der griechischen Bezeichnungen fUr einzelne
Metalle, Pflanzen und Thiere oder {\Xr jene Dinge hinweist, die
auf Gewerbe und Handel, Münze, Mafs und Gewicht Bezug
Monatshefte der Comenias-Gesellsckaft. 18d3. 11
152 Loserth, Heft 6 u. 7.
nehmen, oder wenn man' deutsche Lehenwörter, wie z. B. Ziegel,
Mauer u. s. w. auf ihren lateinischen Ursprung zurückführt, so
weifs man zugleich, welcher Art diese Beeinflussung gewesen, und
findet sie begreiflich, denn diese Völker wohnten entweder als
Nachbarn nebeneinander oder kamen doch sonst miteinander in
mannigfachen Verkehr. Seltener sind die Einwirkungen von Völkern
aufeinander, die durch grofse Räume voneinander getrennt sind
und zwischen denen es auch sonst wenig Berührungspunkte giebt
Ziemlich vereinzelt ist wohl der Fall, dafs Ideen und Rich-
tungen, die aus einem fremden, durch grofse Länderstrecken und
Meere getrennten Lande stammen, so mächtig und nachhaltig
auf ein Volk einwirken, dafs es in kürzester Zeit, man könnte
fast sagen, seine frühere Eigenart grofsenteils preisgiebt.
Das trifft beim Wiclifismus zu, der von bestimmten Personen
aus England nach Böhmen verpflanzt, hier als Husitismus er-
scheint und als solcher das böhmische Volk in eine von der
bisherigen durchaus verschiedene Richtung drängt.
Unter den Reichen der abendländischen Christenheit bot das
böhmische dem Oberhaupte der Kirche bis an die Wende des
XrV. Jahrhunderts geringen Grund zu Beschwerden. Ja die
Zeit Karls rV. wird geradezu die goldene Zeit der böhmischen
Kirche genannt. Hier gab es eine feste hierarchische Ordnung;
hier zählte man eine solche Menge kirchliche Körperschaften,
wie in keinem anderen Lande der Nachbarschaft. Die Kirchen
und Klöster besafsen einen schier unermefslichen Reichtum; denn
alle die Jahrhunderte hindurch hatte sich der fromme Sinn der
Fürsten und Herren des Landes an der Gründung neuer und
der Bereicherung älterer Klöster bethätigt. Hier hörte man wenig
von oppositionellen Strömungen, und wo sich eine solche kund-
gab, galt sie der verfallenden Kirchenzucht, nicht dem Bestände
der gesamten kirchlichen Ordnung.
Eine Wendung, jäh und unvermittelt, trat am Ende des
XIV. Jahrhunderts ein. Noch zum Jahre 1392 meldet das Zeit-
. buch der Prager Hochschule: „Und dazumal wurde auch der
Magister Hus durch die Ablafspredigten betrogen. Er beichtete
auf dem Wischehrad und reichte dem Beichtvater die letzten
4 Groschen, so dafs ihm nichts als trockenes Brot zur Nahrung
blieb»).«
') Für das folgende verweise ich auf mein Buch : Hus und Wiclif, und
namentlich auf die Einleitungen zu meinen Ausgaben von Wiclifs Buch
von der Kirche, den Predigten, De Eucharistia und Opus Evangelicum.
1893. I^ie kirchliche Reformbewegung in England etc. 153
Wenige Jahre später kamen die ersten reformatoriscben
Schriften Wiclifs ins Land. Wie im Fluge eroberten die neuen
Ideen alle Gemüter und erzeugten jene tiefe Bewegung, die alles
mit fortrifs: Alt und jung, arm und reich, hoch und niedrig
schlofs sich an; politische und kirchliche, sociale und wissen-
schafdiche und nicht zuletzt auch nationale Beweggründe wirkten
zusammen. Der Name des englischen Magisters befand sich in
Aller Mund. Seine Lehren vernahm man in den Sälen der
Fürsten, in den Kollegien und von den Kathedern der Priester,
in den Schulen der Studenten, unter den Haufen des gemeinen
Volkes, ja selbst in den der Ruhe geweihten Räumen der Mönche.
Von seiner Gelehrsamkeit, seiner scharfen Dialektik wurden
Wunderdinge erzählt, vornehmlich aber von seinem Eifer für
das Gesetz Christi. „Mich zieht, sagt Hus, zu ihm der Ruf, den
er bei den guten Priestern hat." „Mich locken seine Schriften
an, durch die er die Menschen zu Christi Gesetz zurückzuführen
sucht, und besonders die Geistlichen, auf dafs sie irdischer Herr-
schaft entsagen und gleich den Aposteln nach dem Leben Christi
leben. Es zieht mich an seine Liebe zu dem Gesetze Christi,
und dafs er behauptet, dafs dieses auch nicht in dem geringsten
Punkte falsch sein könne."
Die Lehren des Engländers auszubreiten, dazu war nun Hus
der geeignete Mann. Von der beherrschenden Stellung, die er
in Böhmen einnahm, zeugt sein stolzer Ausspruch vor dem ver-
sammelten Konzil: „Frei bin ich hieher gekommen, und wenn
ich nicht hätte hieher kommen wollen , nicht jener König dort
(Wenzel) und auch nicht dieser da (Sigismund) hätte mich .
zwingen können, denn gar zahlreich und mächtig sind die böh-
mischen Herren, die mich lieben. Auf ihren Schlössern hätte
ich mich leicht schützen mögen." Diese Liebe war freilich nicht
ganz uneigennützig; denn wenn die Enteignung der böhmischen
Kirche von ihrem gewaltigen Länderbesitze erfolgte, so mufste
er, wie es auch geschah, an die Herren des Landes fallen.
Husens Ideen in Bezug auf die Reformation der Kirche,
nahmen einen inmier kühneren Flug: über den Boden seiner
engeren Heimat hinweg wollte er die ganze abendländische Kirche
in die Reform einbeziehen. Dafs diese aber keine andere war
und keine andere sein sollte als der reine und unverfälschte
Wiclifismus, das werden die folgenden Ausführungen ergeben.
Als Hus im Herbste des Jahres 1414 nach Konstanz zog,
11*
154 Loserth, Heft 6 u. 7.
war sein Vorhaben nicht so sehr darauf gerichtet , sich selbst
bezüglich seiner Lehre vor den versammelten Vätern zu recht-
fertigen, als vielmehr die ganze Versammlung für diese zu ge-
winnen. Zu dem Zwecke bereitete er drei Reden vor, die er
auf dem Konzil zu halten gedachte : die eine will die Mittel an-
geben, den Frieden zu gewinnen, dessen die christliche Welt so
notwendig bedurfte; die zweite giebt Rechenschaft über seinen
Glauben, und die dritte, die wichtigste von allen, behandelt die
Frage, ob das Gesetz Christi, d. h. die hl. Schrift, genüge, die
christliche Welt zu regieren. Indem er die Frage bejaht, betont
er mit Nachdruck, dafs es unmöglich sei, die Einheit in der
Kirche herzustellen, Reiche und Länder zu regieren, Völker zu
beglücken und einzelne Personen zu befriedigen, wenn dies nicht
durch das Gesetz Christi geschehe. Ihm darf nichts hinzugefügt,
nichts weggenommen werden; die sonstigen Gesetze dürfen nur
Geltung besitzen, wenn sie mit der hl. Schrift in Übereinstimmung
sind. Die Folge ist, dafs alles andere abgeschafft und ausgetilgt
werden müsse.
Auf diesem Grunde bauen die Taboriten weiter: das evan-
gelische Gesetz, lehren sie, ist an sich völlig genügend zur Re-
gierung der streitenden Kirche. Es bedarf nicht der Ceremonieen,
die aus dem alten Bunde stammen, nicht der Bräuche, die später
hinzukamen, die aufreizend sind, das Gesetz Christi mindern
und hindern und mehr Schaden anrichten als nützen. Was in
Gottes Gesetz nicht enthalten ist, muDs abgeschafft werden, so
der Prunk bei den gottesdienstlichen Handlungen u. dgl. Auf
der Versammlung zu Konopischt erklären die taboritischen
Priester: Wir sind nicht zusammengekommen, um wegen der
Bücher einzelner Doktoren zu streiten, sondern um die hl. Schrift
bezüglich der streitigen Punkte zu vergleichen, denn wir wissen,
dafs auch die Pseudopropheten ihre irrigen Lehren auf die Worte
der Apostel begründen: „Den hl. Doktoren aber glauben wir
nur insoweit, als ihre Lehre in der hl. Schrift begründet ist,
denn auch sie können betrogen werden und betrügen. Dem
göttlichen Gesetze beugen wir unseren Nacken, allen Menschen-
tand aber, der in der Schrift nicht begründet ist, wollen wir
abthun."
Woher hat Hus, woher haben die Taboriten diese Lehre ge-
nommen? An hundert und noch mehr Stellen sagt Wiclif : Gottes
Gesetz, d. i. die Bibel, reicht aus zur Regierung dieser Weli
Wäre irgend ein Mensch so weise wie Salomon, so hochbetagt
1893. ^^^ kirchliche Refonnbewegung in England etc. 155
wie Methusalem, er müfste erkennen , dafs auch nur ein kleiner
Teil des Evangeliums ausreicht, um das, was er will, zu erlernen.
Besser als durch Traditionen, die menschlicher Fürwitz erdacht
hat, wird die christliche Welt durch Christi Gesetz regiert; die
anderen Gesetze haben nur insoweit Geltung, als sie mit Gottes
Gesetz übereinstimmen. In der Kirche soll es keine weltliche
Satzung geben. Die beste Regierung hier auf Erden war zur
Zeit der Apostel, denn sie und ihre Jünger kannten kein anderes
Gesetz als das Evangelium. Wenn man nichts anderes
von Gottes Gesetz besäfse, als allein die Berg-
predigt: sie könnte genügen, um ganz ohne
menschlichen Zusatz die Pilgrime auf Erden zu
lenken. Jede Wahrheit sowie jedes Irrtums Vernichtung ist
aus dem Evangelium zu entnehmen. Das soll jeden Gläubigen
aufmuntern, das Evangelium kennen zu lernen. Ohne die
Kenntnis des Evangeliums gleichen die Menschen den Tieren:
„Du magst nun ein päpstlicher Gesetzgeber, ein kaiserlicher, könig-
licher oder ein Landesgesetzgeber sein, wenn Dein Gesetz etwas
gelten soll, so mufs es da ausdrücklich gelehrt werden.** Giebt's
eine gröfsere Gotteslästeiomg als zu sagen, Gottes Gesetz reiche
nicht aus zur Regierung der christlichen Welt? Es reicht voll-
ständig hin, da es alle und jede einzelne Wahrheit enthält, die
Gesetze des Papstes aber lenken von der Kenntnis des göttlichen
Gesetzes ab. Da gebe es Leute, wie die Bettelmönche, die
lehren, Gottes Gesetz sei falsch und zur Regierung der christ-
lichen Welt erst dann hinreichend, wenn es durch sie selbst und
ihre Leitung unterstützt wird. Diese Leute verachten Christi
Gesetz, das nun in England verbreitet wird — eine Anspielung
auf seine Bibelübersetzimg ; dafür erheben sie die Satzungen des
Antichrists, die ja auch sonst viele Gönner haben. Das gnaden-
reiche Wort des Herrn, wie es in der Bibel enthalten ist, wird
verschmäht und menschliche Erdichtung an seine Stelle gesetzt.
Christi Gesetz allein ist kurz, leicht zu fassen, nutzbringend, die
Söhne der Kirche nicht belastend; da braucht man keine dick-
leibigen Folianten, keine in der Weltlichkeit aufgehenden Diener,
nur solche, die Gottes Gesetz verstehen, prüfen und jedes andere
abweisen. Nur der Mensch, der die reine Absicht auf Christi
Gesetz hat und den Vorsatz, hierin bis ans Ende zu verharren,
darf hoffen, zur Seligkeit zu gelangen. Wenn jemand, und sei
es auch ein Engel vom Himmel, dem Gesetze Gottes Satzungen
hinzufügt, die im Evangelium weder explicite noch implicite ent-
156 Loserth, Heft 6 u. 7.
halten sind, der müht sich ab um schlechte Gesetze, So ge*
nügen denn die vier Evangelien vollständig zur Leitung dieser
Kirche.
In diesem Sinne finden sich in allen Werken Wiclifs aus
dessen letzten Jahren zahlreiche kräftige Stellen ; besonders häufig
kommt er in seinen Predigten auf den Satz zurück, dafs Christi
Gesetz völlig genügt zur Regierung dieser Welt und dafs die
menschlichen Satzungen nur dann einen Wert haben, wenn
sie auf der Schrift begründet sind. Das ist der Gedanke, der
in zahlreichen Abänderungen inmier wiederkehrt und zu dessen
Erläuterung er noch im letzten Jahre seines Lebens selbst ein
„dickleibiges*' Buch, das Opus Evangelicum, geschrieben hat
Diese Lehrei^ und dieses Buch waren es, aus dem Hus, und
mehr noch als dieser, die taboritischen Lehrer, geschöpft haben.
Aus diesem Buche hat Hus die Anregung zu seiner Rede: De
Bufficiencia legis Christi ad regendam ^clesiam erhalten, und
wenn ihn die auf dem Konzil versammelten Väter hätten anhören
wollen, so würden sie Wiclifs Worte vernommen haben. Denn
jeder einzelne Hauptsatz in dieser Rede stimmt nicht nur sinn-
gemäfs, sondern auch wortgetreu mit Wiclifs Sätzen zusammen.
Die ganze Reform des taboritischen Gottesdienstes, bei dem
nun zunächst abgethan wurde, was aus „Gottes Gesetz" nicht
zu erweisen war, geht, wie man sieht, auf die Anregungen des
englischen Meisters zurück. Freilich mufsten schon die tabori-
tischen Vorstände erkennen, wie gefährlich es sei, wenn jeder
einzelne Priester das Evangelium als Richtschnur in der Hand
hält. Wie viel aber warfen sie nun selbst zu Boden, was die
Jahrhunderte hindurch in ganz Böhmen mit besonderer Inbrunst
verehrt worden war. Denn was sagte die Bibel von dem „eitlen"
Prunk, der nun in der Kirche entfaltet wurde, von den grofs-
artigen Tempelbauten, die nicht zur Frömmigkeit einladen, son-
dern zerstreuen, die nicht die Demut, sondern die unerträgliche
HofFart des Klerus beweisen? Sieht man nicht an dem Turmbau
zu Babel, dafs Gott diese Bauten verschmäht? oder wo haben
die Apostel zugelassen, dafs solche Bauwerke aufgeführt werden,
die in der Schrift keine Begründung haben ? Haben nicht, lehrt
Wiclif, die Märtyrer im Kerker gebetet? Hat sich nicht Johannes
der Täufer in der Einsamkeit der Wüste zu erbauen vermocht,
haben nicht die Väter des alten und neuen Bundes ihre Gebete
imter freiem Himmel verrichtet? Oder war etwa Christus, wenn
er die Nacht im Gebete verbrachte, in einem Tempel eingesperrt?
1893. I^ie kirchliche Reformbewegung in England etc. 157
In allen diesen Dingen schufen die Taboriten, den Lehren ihres
englischen Meisters folgend, gründlichen Wandel. Nunmehr
wurde die Messe weder an diesen Prunkstätten, noch in den von
Gold strotzenden Gewändern und in den bisher üblichen Formen
gehalten. All das mufste fallen : ,,quod olim in primitiva ecclesia
sancti messando conficiebant communiter sine vestibus iam ad
hoc consuetis'', weil die Apostel weder vom Introitus, noch vom
Kyrie eleison, von den Präfationen, Kollekten u. s. w. etwas
wufsten und sich einzig und allein mit dem Vaterunser begnügten.
Wozu braucht man diese Orden, lehrte Wiclif, als er in
seinen letzten Lebensjahren mit immer steigender Schärfe die
Bettelmönche bekämpfte, in denen er nichts anderes als die ge-
fügigen Werkzeuge des römischen Absolutismus erblickte. Eine
jede Pflanzung, die nicht der himmlische Vater gepflanzt hat,
mufs ausgerottet werden. Solche Pflanzungen sind die Orden,
erdacht, die Einheit der Kirche zu zerstören. Die Mönche be-
lasten die Kirche, sie verhindern, dafs das Evangelium frei wie
in der alten Kirche gepredigt werde, sie haben ihren Ursprung
in arge Lügen verhüllt, sie ziehen ihre Sekten — so nennt
Wiclif stets die Orden — der allgemeinen evangelischen Lehre
vor. Statt in Armut zu leben, bauen sie prächtige Paläste.
Brecht den Verkehr mit ihnen ab, ruft er den Seinigen zu,
nehmt ihnen die Temporalien weg, vernichtet sie, denn sie sind
ein Hindernis der kirchlichen Einheit; und so lehrt Wiclif fast
in allen seinen zahlreichen Büchern und Flugschriften aus den
Jahren 1378 — 1384, erstens, dafs die Orden überflüssig seien,
zweitens dem Gesetze Christi widersprechen, drittens verderb-
lichen Lastern frönen, den einzelnen Mitmenschen, der Kirche
und dem Staate zur Last fallen und daher vernichtet werden
müssen ^) — alles Lehren, welche die Taboriten leider nur allzu
wörtlich befolgt haben. „Item, lautet einer ihrer Artikel, man
mufs die Klöster der Ketzer zerstören und ebenso die über-
flüssigen Kirchen und Altäre, die Bilder, die man offen oder
insgeheim aufbewahrt, die goldenen und silbernen Kelche, die
') Über diese Punkte verbreitet sich ausführlicher mein Aufsatz : Der
Kirchen- und Klostersturm der Husiten und sein Ursprung. Zeitschr. für
Gesch. u. Politik 1888, 4. Heft. Vgl. dazu noch die Stelle Serm. IV, 4:
Nunquam erit secura pax in ecclesia militante, antequam isti fratres
apostste fundamentaliter heretici et blasphemi a sancta matre ecclesia sint
proscripti.
158 Loserth, Heft 6 u. 7.
stolzen Ornate und diese ganze Brutstätte des Antichrist und
die Simonis tische Schlechtigkeit , die ja nicht von dem himm-
lischen Vater herrührt."
So fiel nun, was sich an Ellosterstiftungen im Lande vor-
fand, der neuen Richtung zum Opfer. Alle die zahlreichen Orden
verschwanden: Johanniter, der deutsche Ritterorden, die Kreuz-
herren, Prämonstratenser, Augustiner, Benediktiner, Cistercienser,
Dominikaner, Minoriten, Karthäuser, Elarmeliter, Cölestiner u. a.
Sie alle wurden ausgetilgt „Und alle Klöster, sagt eine gleich-
zeitige Quelle mit einiger Übertreibung, wurden zerstört, mit
Ausnahme von dreien, nämlich zwei Minoritenklöstern und dem
Augustinerkloster in Wittingau.
Der ganze reiche Besitz fiel in Laienhand, wie es der dritte
von den bekannten vier Prager Artikeln voraussetzt: Dem Klerus
mufs aller weltlicher Besitz, den er gegen Christi Befehl seinem
Amte zum Schaden und zum Nachteil des weltlichen Arms in
Händen hat, genommen werden ; die Geistlichkeit mufs zur evan-
gelischen Regel und jenem apostolischen Leben zurttckgefbhrt
werden, das Christus und seine Apostel gewandelt."
Anregung zu dieser Lehre und deren Begründung haben die
Husiten gleichfalls den Schriften Wiclifs entnommen. Es giebt
kaum eine Schrift aus seinen letzten Jahren, in der er nicht
mit allem Nachdruck für die Sekularisierung des gesamten
Kirchengutes eingetreten wäre. In den mannigfaltigsten Wen-
dungen spricht er von dem Verderben der Kirche seit den Tagen
der Konstantinischen Schenkung, von dem Gift, das der Kirche
damals eingeflöfst wurde. „Der Teufel hat den Kaiser Konstantin
verführt, dafs er die Kirche mit irdischen Gütern belastete."
Jetzt vergifst der Klerus, in weltliches Treiben versenkt, seine
Pflicht, als evangelische Lehrer zu wirken. Alles Übel in der
Kirche stammt von dieser „Verkaiserung", d. h. von der Be-
lastung mit irdischen Gütern her. Das mufs ein Ende haben.
Der gesamte Klerus darf kein Eigentum haben ^), er mufs ein
armes Leben führen; der weltliche Besitz des Klerus ist ein
^) Omnis clericus debet vivere vitam pauperem et vel nihil possidere
in proprio sicut Christus, vel si possideat, elemosinam capere de illis, et
paupere et parce ut egenus, et residuum prudenter ministrare panperibaa.
Unde sub colore dotacionis introducta fuit carybdis diaboli, in qua sunt
multi clerici ad nimium dampnum ecclesie devorati. Serm. I, 315 ; II, 65, 298.
Pol. Works 95. 295. 703. 714. De Eucharistia 319. 10.
1893. l^ie kirchliche Beformbewegnng in England etc. 159
Raub an den Armen, denn diesen, nicht den Klerikern, gehören
die Güter der Kirche. Alles Gut, das in der toten Hand liegt, darf
zur Verteidigung des Reiches, wenn es notthut, verwendet
werden. Die Dotation der Kirche steht im Widerspruche zur
Lehre und dem Beispiel Christi und der Kirche in der ersten
Zeit ihres Bestehens. Würde der Klerus leben in evangelischer
Armut, wie zur Zeit der Apostel, so würden alle Streitigkeiten
unter den Völkern aufhören. Während Christus und die Apostel
ein armes Leben der weltlichen Herrschaft vorzogen, stolziert
unsere Geistlichkeit einher, hoch zu Rofs, mit reisigem Gefolge,
Königen gleich. Jede weltliche Gewalt, lehrt er an anderer
Stelle, ist ihr untersagt, denn sie ist das Gift, an dem sie zu
Grunde geht. Weder die Notwendigkeit, dafs der Kaiser seine
Krone aus den Händen des Papstes empfange, noch dessen An-
spruch auf die Weltherrschaft ist in der hl. Schrift begründet.
Die weltliche Herrschaft der Päpste rührt nicht von Gott, son-
dern vom Kaiser her. In Bezug auf weltliche Dinge steht die
weltliche Macht über dem E^erus; die geistliche Gewalt hat
andere Grundlagen und verfolgt ganz verschiedene Zwecke.
Ich will hier, sagt Wiclif an einer Stelle, die Grenzen beider
Mächte nicht näher berühren, aber das sage ich kühn, dafs
weder das Geschrei unseres Klerus noch die hl. Schrift uns be-
wegen zu glauben, dafs der Papst gröfser sei als der Kaiser, sei
es in irdischen, ja selbst in göttlichen Dingen. Die Civilgewalt
des Königs über den Klerus hat Wiclif in mehreren gelehrten
Schriften ausfiihrlich dargelegt. Diese Gewalt des Königs ist
ein Ausflufs der königlichen Macht überhaupt. Der König wäre
nicht Herr von ganz England, wenn mehr als der vierte Teil
des Landes, welcher der toten Hand gehört, seiner Gewalt ent-
zogen würde. Dem Klerus sind die Privilegien und Temporalien
nur bedingungsweise gegeben; erfüllt er die Bedingungen nicht,
so verfällt er der Strafe, und diese besteht in der Einziehung
der Güter der toten Hand. Solcher Einziehungen kenne die
englische Geschichte gar viele: Wiclif erinnert an die Vorgänge
unter Wilhelm dem Eroberer, Eduard HI., ja an die unter
Richard H.
Nicht die weltliche Herrschaft, sondern die Predigt des
Evangeliums ist die des Priesters würdige Aufgabe. Und wie
ernst es Wiclif mit dem Predigtamte nahm, zeigt das Institut
der armen Priester oder Wanderprediger, das er ins Leben rief.
160 Loserth, Heft 6 u. 7.
wofern er nicht vielleicht, woran ich übrigens zweifle, an wal-
densische Übung anknüpft. Alle Segnungen und Weihungen des
Wachses und Brotes, der Palmen und Kerzen, der Stäbe und
Taschen sind kein notwendiger Bestandteil des Glaubens, wich-
tiger als alles das ist die Predigt. Die Pseudoprälaten aber
wissen, warum sie das Evangelium links liegen lassen, denn es
lehrt die Nachfolge Christi, die ihnen nicht zusagt. Diese Pflicht
erfüllten Wiclifs arme Prieper, ein Verein, dessen Mitglieder
keine Weihe und kein Gelübde band.
Barfufs, gekleidet in einen langen groben Tuchmantel von
dunkelroter Farbe, dem Zeichen harter Arbeit und der Armut,
einen langen Stab in der Hand, der ihren Hirtenberuf andeutete,
wanderten sie von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf und pre-
digten in Kirchen, Kapellen und Mefshäusern von der Herrlich-
keit des Gesetzes Gottes.
Aber nicht blofs Priester, auch Laien wurden zum Predigt-
amte berufen — und auch in dieser Beziehung waren die Tabo-
riten Wiclifs gelehrige Schüler: wir hören von üngelehrten,
selbst Frauen, die sich bei den Taboriten das Predigtamt an-
mafsten und Priester ausweihten. Lehrte doch ihr Meister, dafs
zu einem Dienst in der Kirche die göttliche Berufung und Voll-
macht vollkommen ausreichend sei. Es gebe eine Einsetzung
durch Gott selbst, auch wenn der Bischof dem Prediger die
Handauflegung nicht erteilt hat.
Damit kommen wir zu dem Satze, dafs Wiclif sowohl als
seine böhmischen Schüler von der gesamten bestehenden Hier-
archie nichts wissen wollen. Wie sagt doch Wiclif an einer
bezeichnenden Stelle: „Vom Papste und den Kardinälen, von
den Mönchen, den begüterten sowohl als den Bettelbrüdem,
erinnere ich mich nicht, gelesen zu haben, dafs die hl. Schrift
ihrer gedenkt."
Die hierarchische Gliederung der bestehenden ELirche verwirft
Wiclif grundsätzlich. Der Primat ist ihm begründet auf einem
frivolen Irrtum des Antichrist; so nennt er den Papst Man
mufs, lehrt er, diesen Irrtum aufgeben und sich an die Schrift
halten. Den bekannten Satz von der Schlüsselgewalt des Papstes
nennt er einen locus a simiali similitudine ; mit dem römischen
Bischof habe das nichts zu thun. Er spottet über die Wahl
eines solchen Oberhauptes durch die Kardinäle. Woher haben
denn diese ihre Berechtigung? Als sich Judas erhängt hatte
1893. ^6 kirchliche Reformbewegung in England etc. 161
und die Apostel einen Nachfolger wählten, geschah das nach
eifrigem Gebete durch das Los, das über die zwei Würdigsten
geworfen wurde. Alle Priester sind vollständig gleich. Eine
Über- und Unterordnung giebt es nach Gottes Gesetz nur in der
Laien weit. Nicht so in der Kirche. Alle Apostel, Priester und
Presbyter sind Genossen und dürfen nicht um höheres Ansehen
oder höheren Vorrang streiten. Der Primat rührt vom Kaiser
Konstantin her; der Christ mufs sich an das Gesetz Christi
halten, das er im Briefe an die Galater im 2. Kapitel ausgedrückt
findet. Es soll in der Kirche nur Priester und Diakonen geben.
Einstens wurden in der Kirche alle Priester Bischöfe genannt.
Priester und Diakone haben die besondere £Irlaubnis von Gott,
das Evangelium zu predigen.
Ja, wie verhielt sich nun zu diesen Lehren die Kirche?
Die Kirche. Was ist denn die Kirche? Wenn die Leute heut-
zutage, sagt Wiclif, von der Kirche reden, so verstehen sie unter
ihr Prälaten und Priester, besitzende Mönche, Stifbsherren und
Bettelbrüder und alle, die eine Tonsur tragen, mag auch ihr
Wandel noch so ruchlos sein und dem Worte des Herrn zuwider-
laufen. Dagegen nennt man die weltlichen Leute nicht Männer
der Kirche, mögen sie auch noch so treu nach Gottes Gesetz
leben und in vollkommener Nächstenliebe sterben. Aber nichts-
destoweniger sind doch alle die, so einstens im Himmel selig
sein werden, Glieder der hl. Kirche und sonst niemand mehr^).
In diesen und ähnlichen Worten wendet er sich in verschiedenen
Schriften gegen die landläufige Vorstellung, als ob man unter
der Kirche nur die sichtbare katholische Kirche zu verstehen
habe, d. h. die hierarchisch gegliederte Gemeinschaft derselben,
oder als ob Kirche und Geistlichkeit gleichbedeutend wären, also
nur die Mitglieder der Geistlichkeit der Kirche angehören würden,
die Laien aber von ihr ausgeschlossen wären. Diese falsche
Auffassung, lehrt Wiclif, haben auch Männer, die innerhalb der
Elirche einen hohen Rang einnehmen, und doch liege es zu Tage,
dafs so viele Irrtümer, in welche die Christen verfallen, lediglich
eine Folge dieser Auffassung seien. Und gerade in diesen Tagen,
fährt er fort, ist es notwendig zu sagen, was denn eigentlich die
1) Aus meiner Einleitung zu Wiclifs Buch De Ecclesia. Deutsch im
24. fiande der Mitteilungen d. Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen.
4. Heft.
162 Loserth, Heft 6 u. 7.
Kirche sei^ und ein richtigeres Verständnis von dem, was die
Kirche ist, anzubahnen, das Volk im Glauben an die Kirche zu
unterweisen und alle wider sie erhobenen Angriffe abzuwehren.
Um diese Ausführungen zu würdigen, muTs man sich erinnern,
dafs Wiclif sich in den Jahren 1377 und 1378 den empfindlichsten
Angriffen der gesamten Hierarchie — damals sagte man also:
der Kirche — ausgesetzt sah. Die Hierarchie ist aber nicht die
Kirche. Und den Unterschied zwischen dem, was Kirche ist,
und was die grofse Menge unter Kirche versteht, darzulegen,
ist der Zweck seiner Darstellung im Buch von der Kirche, jenem
berühmten Werke, das die längste Zeit hindurch nur durch das
matte Plagiat des Magisters Johannes Hus bekannt war, und fbr
dessen Inhalt dieser vornehmlich den Feuertod erlitten hat.
Nur wenige Punkte aus dieser Schrift mögen hier angeführt
werden, und nur, um zu zeigen, wie ihr Inhalt in Böhmen in
die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Die Kirche, so beginnt
Wiclif, ist die Gesamtheit aller jener, die von Ewigkeit her zur
Seligkeit bestimmt (prädestiniert) sind. Sie enthält drei Teile:
Die triumphierende, schlafende und streitende Kirche, die Seligen
im Himmel, die Seelen im Fegefeuer und die im Kampfe niit
der Welt begriffenen Christen.
Kein von Ewigkeit her Verworfener (prescitus) hat Teil an
dieser Kirche. Es ist nicht dasselbe: „von der Kirche sein"
und „in der Kirche sein": Nicht jeder, der in der Kirche ist,
ist auch von der Kirche, sondern umgekehrt; denn wie im
menschlichen Körper manches ist, Auswurf und Ähnliches, was
kein Bestandteil des Körpers ist, so können auch in der Kirche
Verworfene sein, die dereinst vom Leibe der Kirche entfernt
werden müssen.
Kein Ort und keine menschliche Wahl macht jemanden zum
Gliede der hl. allgemeinen Kirche, sondern allein die göttliche
Prädestination.
Es giebt nicht mehrere, sondern nur eine einzige allgemeine
(katholische) Kirche und aufser dieser kein Heil. Haupt der
Kirche ist Jesus Christus.
Kein Papst darf behaupten, dafs er das Haupt der Kirche
sei; denn er weifs nicht einmal, ob er prädestiniert, also über-
haupt auch nur Mitglied der Kirche sei. Wäre irgend ein Christ
mit Christus Haupt der Kirche, so wäre diese ein Monstrum,
1893. l^e kirchliche Beformbewegung in England etc. 163
da sie zwei Häupter besäüse. Daher haben die Apostel in ein-
mütiger Weise sich nur Diener dieses Hauptes und der Kirche
genannt, und nie hat einer von ihnen die Behauptung gewagt,
dafs er das Haupt oder der Verlobte der Kirche sei. Kein
Christ kann, sei es durch eine Wahl oder irgend eine Satzung
bestimmen, dafs der Papst das Haupt oder auch nur ein Mitglied
der Kirche sei, denn die Mitgliedschaft beruht auf der Prä-
destination und Gnade Gottes. In diesem Tone und auf Grund-
lage dieser Vorb^griffe geht es weiter.
Kein zweites Buch seines englischen Lehrmeisters — vielleicht
die Predigten ausgenommen, hat Hus in dem Mafse angezogen,
als das Buch von der Kirche. Welchen überwältigenden Eindruck
es auf ihn gemacht, sieht man daraus, dafs er in der gleichen
Absicht wie Wiclif ein Buch „von der Kirche" geschrieben, das
genau wie das seines Lehrers 23 Kapitel enthält und fast Wort
für Wort diesem entlehnt ist. Mit Ausnahme weniger polemi-
scher Stellen gegen seine böhmischen Widersacher ist alles das
geistige Eigentum des Engländers.
Dieses Buch ist das Hauptlehrbuch der husitisch-taboritischen
Parteien geworden. An dem Wiclifschen Begriff von der Eärche
zerschellten die Versuche, die der König Wenzel zu Anfang des
Jahres 1413 machte, um den kirchlichen Frieden wieder-
herzustellen. In dem Buch von der Kirche fanden sich jene
Grundsätze, die, wenn sie durchgeführt wurden, der bisherigen
Stellung des Klerus im Lande ein Ende bereiten mufsten. Dafs
dieses Ende ein Ende mit Schrecken war, dafär haben die hef-
tigen Angriffe Wiclifs auf die Bettelmönche gesorgt, die sich in
seinen Predigten fanden. Diese Predigten Wiclifs aber wurden
nach dem Feuertode des Hus als dessen eigene Lehren im Volke
verbreitet.
Indem man diese Lehren Wiclifs in Böhmen in die Wirk-
lichkeit übersetzte, zerfiel die kirchliche Ordnung, wie sie bisher
bestanden. Die Welt erschrak vor der Wucht, mit der die
vernichtenden Schläge auf das bisherige Regiment geführt wurden,
und der Wut, mit der man selbst an das ehrwürdigste Dogma
der Kirche griff — an die Abendmahlslehre«
Gegen diese Lehre, nach welcher kraft der Weihe Brot und
Wein in den Leib und das Blut Christi derart verwandelt werden,
dafs nur noch die sinnlich wahrnehmbaren Eigensphaften von
Brot und Wein — die Accidenzien ohne Subjekt — zurück-
164 Loserth, Heft 6 u. 7.
bleiben ; trat Wiclif in einen mit den Jahren sich immer mehr
zuspitzenden Widerspruch. Brot und Wein, lehrt er, seien nach
wie vor den Segensworten des Priesters vorhanden. Woher
stammt der Widerspruch Wiclifs, was bezweckt er mit ihm,
und wie wurde seine Lehre in Böhmen aufgenonmien ?
Mit dem Kampf gegen die herrschende Lehre meinte Wiclif
die Stellung der Hierarchie seiner Zeit in ihren Grundfesten zu
erschüttern. Er will der „heidnischen" Meinung entgegentreten,
als sei jeder Priester imstande, den Leib Christi zu „machen",
eine Meinung, die damals allgemein geteilt und von den Priestern,
wie Wiclif sagt, in gewinnsüchtiger Weise verwertet wurda
Der Gedanke, dafs ein Priester Gott „machen" (conficere) könne,
erscheint ihm als ein schauerlicher; denn hierdurch wird erstens
dem Priester eine überschwengliche Vollmacht zuerkannt, als
sei er imstande, er, ein Geschöpf, seinem Schöpfer, ein sündiger
Mensch der Gottheit das Dasein zu geben; zweitens werde Gott
hierdurch erniedrigt, wenn man sage, er, der Ewige, könne Tag
für Tag neu geschaffen werden. Man bete, klagt er, die Hostie
an, statt des Schöpfers die Kreatur; das sei schlimmer als selbst
der Fetischdienst der Heiden. Nachdem er einmal mit der
kirchlichen Lehre von der Wandlung gebrochen, behandelte er
diesen Gegenstand mit nie ermüdendem Eifer in wissenschaft-
lichen und populären Werken, am gründlichsten in seinem Buch
vom Abendmahl, das auch in Böhmen zu grofsem Ansehen ge-
langte. Man gestatte mir einige Worte aus dieser Abhandlung
anzuführen: Bei diesem Sakramente, lehrt er, sind drei Dinge
zu scheiden, 1. das blofse Sakrament, d. i. die geweihte Hostie,
2. das Sakrament und dessen Inhalt, d. i. der Leib und das Blut
des Herrn, und 3. die Sache des Sakraments und nicht das
Sakrament, d. i. die Einigung Christi mit seinem mystischen
Körper, der Kirche. Erst wer diese Vorbegriffe kennt, wird die
Behauptungen jener Leute würdigen, die da sagen, ein Hund
oder eine Maus könne unsem Herrgott verzehren, weil sie die
Hostie fressen, d. h. Christi Leib, also Gott. Wir antworten,
sagt Wiclif, diesen Leuten, dafs solche Tiere nur die geweihte
Hostie fressen, das* Sakrament, nicht den Leib Christi. Denn
so wie der Löwe, wenn er des Menschen Leib verzehrt, nicht
auch dessen Seele verspeist, wiewohl sie in jedem Teil seines
Körpers ist,, so hat man es auch vom Leib des Herrn im Sa-
krament des Altars zu verstehen; denn dieser ist auch — aber
1893. öie kirchliche Reformbeweguüg in England etc. 165
in sakramentaler, spiritualer und virtueller Weise in jedem Punkte
der Hostie vorhanden. So brechen wir also die Hostie, nicht
den Leib des Herrn, so wie wir den Sonnenstrahl nicht brechen,
wenn wir ein Krystallgefäfs zerschlagen. Das Sakrament wird
gebrochen, nicht der Leib des Herrn. Wie es ein doppeltes
Sehen giebt, ein körperliches und ein geistiges, so giebt es auch
ein doppeltes Essen. So sehen wir im Sakrament nicht mit
leiblichen Augen den Leib des Herrn, sondern im Glauben —
durch einen Spiegel — im Gleichnisse. Und so wie ein Bild
vollständig in jedem Punkte des Spiegels ist, so ist es auch mit
dem Leib des Herrn in der geweihten Hostie: Wir berühren
und fassen ihn nicht, wir nehmen ihn nicht körperlich, sondern
geistig, aber vollständig unversehrt zu uns. In diesem Sinne
geht es weiter. Freilich, lehrt Wiclif, sagt man, das priester-
liche Ansehen werde leiden, wenn der Priester nicht mehr die
Befugnis hätte, den Leib Christi zu „machen"*. Wer würde
dann noch eine Messe hören, wer die Mefsstecher um teures Geld
mieten oder gar das Sakrament nach dem Brauche der Kirche
nehmen wollen? Aber giebt es wohl etwas Schrecklicheres, als
dafs jeder Priester bei der Messe den Leib des Herrn macht:
Unser Gott ist ja kein neuer Gott, sein Leib nicht neuerlich zu
machen. Was wir Priester machen, das ist nur die Weihung der
Hostie, die aber nicht der Leib des Herrn, sondern dessen wirk-
sames Zeichen ist.
Dieser Lehre war auch Hus, wie wir aus mehrfachen Zeugnissen
wissen, lange Zeit zugethan, aber er schreckte doch davor zurück,
sie vor dem Konzil zu bekennen. Dort hat er sie preisgegeben,
und ihm folgte die gemäfsigte Partei der Husiten. Nicht so die
Taboriten. Das sind nun die wahren Schüler des englischen
Keformators; wie an allen anderen Lehren: von der Gemeinschäd-
lichkeit der geistlichen Orden und der Notwendigkeit ihrer Ver-
nichtung, dem Prinzip, dafs alles zu verwerfen sei, was in der
Schrift keine Begründung findet, an der Lehre vom Priestertum und
der Hierarchie, von der Bilderverehrung, vom Zehent, der an
die Geistlichkeit zu zahlen ist, vom Reichtum der Kirche, der
Verwerfung des Mefsopfers, so haben sie namentlich an der
Wiclifschen Abendmahlslehre festgehalten, und gerade in dieser
liegt der Grund, der die Taboriten von den Calixtinem schied,
denn nicht um etwas rein Äufserliches , wie um den Kelch, ist
es jenen zu thun.
166 Loserth, Die kirchliche Reformbewegung etc. Heft 6 U. 7.
Doch wir halten ein, so verlockend es auch ist, noch auf
weitere Punkte, namentlich auf die sociale Seite der Lehre Wiclifs
und ihre Aufnahme in Böhmen näher einzugehen. Nur auf
ein Moment möchte ich noch hinweisen, und nur um zu zeigen,
wie abhängig der Husitismus selbst in äufserlichen Dingen von
Wiclifs Lehren ist. Man weifs, welchen Eindruck es weit über
die Grenzen Böhmens hinaus machte, als 1412 während des
Ablafsstreites in Prag ein Volkshaufe, geführt von Wok von
Waldstein, demselben, den wir jüngst als einen Freund des be-
rühmten Wiclifiten Lord Cobham erwiesen haben, die päpstlichen
Bullen verbrannte, ein Beispiel, das später kein Geringerer als
Luther nachgeahmt hat. Nun — auch die Anregung zu der
Verbrennung der päpstlichen Bullen fanden die Freunde des
Hus in Wiclifschen Schriften. Li seinem Opus Evangelicum
lesen wir im zweiten Buche (Kap. 87): Was aber immer dieser
Antichrist, d. i. der Papst, reden mag: Nur die evangelischen
Werke führen zur Seligkeit, diese nackten Bullen aber mit den
kalten Bildern von St. Peter und Paul höchstens zur Hölle, und
so kommt es, dafs gläubige Menschen, wenn sie sehen, dafs das
Leben solcher Leute, die der Papst als Geldeintreiber in die
Welt schickt, dem Leben Christi widerspricht, diese Bullen
dem Feuertod preisgeben. Mag dann immer die Straiformel in
den Bullen lauten: Nulli hominum liceat paginam istam infringere,
solche Verbrenner der Bullen lachen darüber.
Wer nun etwa die Lage der Dinge in Böhmen beim Tode
Sigismunds mit jener beim Tode seines Vaters verglich, welch
ergreifenden Unterschied nahm er wahr. Wo war nun die einst
so mächtige Hierarchie, wo waren die stattlichen, in den Himmel
ragenden Klöster, wo der unermefsliche Reichtum des Klerus?
Li Wahrheit war hier alles von unten nach oben gekehrt, so
dafs ein Mann wie Enea Silvio in lebhafte Ellagen ausbricht
Und zu alledem hatte der kurze Zeitraum von kaum einem
Menschenalter gentigt. Ob freilich dies Ergebnis im Sinne des
Meisters gewesen, dessen Lehren hier aus der Welt der Gedanken
in die Wirklichkeit umgesetzt wurden? Wir möchten es billig
bezweifeln. Sahen sich doch schon Wiclifs Enkel, die böh-
mischen Brüder, genötigt, den radikalen Standpunkt der
Taboriten in einzelnen Punkten aufzugeben.
Zwei Bilderbücher für den Unterricht
vor dem Orbis pictus.
Von
Albert Bichter.
In dem Artikel „Bilderbuch" in Schmids Encyklopädie des
ges. Erz.- und Unterrichtswesens I', S. 696, schreibt Strebel:
„Der erste, der die Bilder eigentlich in die Schule einführte und
für deren Zweck benutzte, war Arnos Comenius." Dieser Hin-
weis auf den Orbis pictus beruht aber, wie der Verfasser des
Artikels eigentlich hätte wissen müssen, auf ganz falschen Voraus-
setzungen *).
Wir wollen gar nicht reden von den Schulen des Altertums,
in denen z. B. Relieftafeln in Gebrauch waren, die bei der Lek-
türe Homers zur Veranschaulichung gebraucht wurden (vgl. die
Tabula Iliaca in Seemanns Kulturhistorischem Bilderatlas, I. Abt.
Altertum, hsgb. von Dr. Theod, Schreiber). Für das deutsche
Mittelalter wäre zu erinnern an die vielverbreitete Biblia pauperum,
die ebenso in Schulen wie in Familien gebraucht wurde, wenn
man Kindern die biblischen Geschichten erzählte. Aus dem
Mittelalter wird auch berichtet von einzelnen Bildern auf Papier,
die „dutzendweise, in rohen Umrissen und vermittelst der Patronen
^) Übrigens beruffc sich Comenius (O. D. IL 79) selbst auf Eilhard
Liubinus (f 1621), der, um das Lateinsprechen zu fördern, den Rat erteilt
habe, ein Buch herzustellen, in welchem die Bilder aller Dinge abgemalt
seien, mit ebensoviel hinzugefügten Sätzen, bis alle Wörter und Sätze der
ganzen Sprache erschöpft seien.
Monatshefte der Comeniot-Gesellichaft. 1S98. 12
168 Richter, Heft 6 u. 7.
mit Farben überstrichen, verfertigt wurden", selbst den Ärmsten
zugänglich waren, an die Wände oder Thüren geklebt oder in
Bücher gelegt wurden. Der Schulmeister Joh. Buchstab in Winter-
thur schreibt in seiner Schrift „Von bekleidung der priester"
(1527. Bl. D*): „Die bilder werden gemacht zu einer under-
weisung der ungeschickten menschen, so die geschrifften nit lesen
können, den selbigen menschen werden die bilder für die büecher
angezögt und fürgemacht, defs ich selbst kundschaft gibe, mich
von meiner ungelernten mutter die xij stück des Christenlichen
glaubens mit sampt den x hotten Gottes ufs zweien gemalten
briefen (an der wand klebent) gelernt haben/ Sotzmanns Auf-
satz „Gutenberg und seine Mitbewerber" in Raumers historischem
Taschenbuche (Jahrg. 1841) bietet dazu weiteres Material.
Mit Bildern waren zahlreiche Bücher des Mittelalters, die
der religiösen Unterweisung dienten, ausgestattet, z. B. eine Aus-
gabe von „der Sele Trost" vom Jahre 1478. Weitere Beispiele
bietet: „Geffcken, der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts"
S. 49 — 52. Auch Bücher aus anderen Wissensgebieten weisen
schon im Mittelalter Bilder auf, so ein im 15. Jahrhundert aufser-
ordentlich oft aufgelegtes Geschichtswerk: Fasciculus temporum
von Werner Rolevinck ( — merkwürdig ist, dafs die Porträts,
Belagerungsbilder etc. dieses Buches immer nach etlichen Bogen
wiederkehren, so dafs der gleiche Holzschnitt neben verschiedenen
Lebensbeschreibungen, Belagerungen etc. steht — ), so femer die
verbreitetste deutsche Naturgeschichte des Mittelalters, das „Buch
der Natur" von Konrad von Megenberg.
Auch dem Leseunterrichte wurden schon im Mittelalter Bilder
dienstbar gemacht. Johannes Müller beschreibt in seinen „Quellen-
schriften zur Geschichte des deutschsprachlichen Unterrichts"
(S. 329) eine von dem deutschen Schulmeister Christoph Huber
aus Landshut in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ge-
schriebene Handschrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek,
in der sich neben einem „Modus legendi", der zur Übung im
Lesen der mannigfachsten Zusammensetzungen von Vokalen und
Konsonanten bestimmt ist, auch kleine Bilder mit darüber ge-
schriebenen Buchstaben finden, bestimmt zur besseren Einprägung
der Laute. Mit dem Alphabet im Orbis pictus verglichen, ent-
sprechen diese Huberschen Bilder den Bildern in heutigen Bilder-
fibeln mehr als die Bilder bei Comenius. Während im Orbis
pictus ein Gegenstand dargestellt wird, der den betreffenden Laut
1893, Zwei Bilderbücher für den Unterricht etc. 169
hervorbringt ( — die Krähe krächzet a^ die Maus pfipffert i — ),
beginnt bei Huber der Name des Gegenstandes mit dem be-
treffenden Laute ( — das a steht über einem Eichenzweige mit
zwei Eicheln y bayrisch „achehi", das i über einem Igel, das d
über einem Tintenfafs etc. — ).
Über den Wert von Bildern zur besseren Einprägung biUi-
scher Geschichten spricht sich auch Luther aus. 1522 hatte er
veröffentlicht: „Eyn bettbuchlin. Der czehen gepot Des glaw-
bens. Des vater vnsers. Des Aue Marien. Etliche verdeutschte
Psalmen. Die Epistell sanct Pauls tzu Tito, ejn Christlich leben
tzu vnterrichten.'' Das BUchlein ist in zahlreichen Auflagen er-
schienen; der von 1529 fügte Luther einen Kalender, ein Passional
Christi und 52 Holzschnitte hinzu. Über die Bestimmung der
letzteren aber spricht er in der Vorrede der Ausgabe von 1545:
„Ich habs für gut angesehen, das alte Passionalbüchlein zu dem
Betbüchlein zu thun, allermeist umb der Kinder und Einfältigen
willen, welche durch Bildnifs und Gleichnifs besser bewegt werden,
die göttlichen Geschieht zu behalten, denn durch blofse Wort
oder Lehr . . . Und was sollts schaden, ob jemand alle fümehm-
liche Geschichte der ganzen biblia liefs nach einander malen in
ein Büchlein, dafs solch Büchlein ein Lainbibel wäre und hiefse."
Man möchte glauben, die Herausgeber der beiden Bücher,
von denen hier die Rede sein soll, hätten sich geradezu nach
Luthers hier angeführten Worten gerichtet, denn es handelt sich
in der That um zwei Büchlein, die den Namen Laienbibel ver-
dienen.
Der von Herzog Ernst dem Frommen 1034 als Schulrat nach
Weimar berufene Sigismund Evenius (1613 Rektor in Halle,
1622 in Magdeburg, rettet sich bei der Eroberung Magdeburgs
1631 mit Mühe nach Esthland, wird Rektor des von Gustav
Adolf gestifteten Gymnasiums zu Riga , 1633 Rektor in Regens-
burg), ein Ratichianer, entwarf den Plan zu dem eben so grofs-
artig ausgeführten wie angelegten Weimarischen Bibelwerke und
machte Verbesserungsvorschläge für den Religions-, insbesondere
den Katechismusunterricht. Für letzteren schrieb er die 1636
in Erfurt erschienene „Christlich-gottselige Katechismusschule, d. i.
einfkltliche, verständliche Erklärung des heiligen Katechismi
Dr. Lutheri".
Neben der grolsen, für die Erwachsenen bestimmten Bilder-
bibel, die bei Endter in Nürnberg erschien, plante aber Evenius
12*
170 Richter, Heft 6 !L 7.
auch ein biblisches Bilderbüchlein für die Jugend. Einer vom
Herzogin! Juni 1634 nach Jena berufenen Konferenz legte Evenius
seine Ideen vor, wie der Jugend und insbesondere schon den
kleinen Kindern, die noch nicht lesen konnten, das religiöse
Wissensgebiet durch Bilder veranschaulicht und dadurch um so
schneller und um so sicherer eingeprägt werden sollte. Die
Jenenser Theologen waren der Meinung, dafs eine solche Idee
„nicht zu improbieren" sei. Gleichwohl ist der Plan des Evenius
unter lebhafter Anteilnahme des Herzogs verwirklicht worden in
einem Büchlein, das 1636 zu Jena erschien unter dem Titel:
„Christliche Gottselige Bilderschule, das ist, Anführung der
Ersten Jugend zur Gottseligkeit in und durch Biblische Bilder,
aus und nach den Historien, Sprüchen der Schrift, Einstimmung
des Catechismi und nützlichen Gebrauch erklärt, förderst zu
Gottes Ehren und dann zu der christlichen Jugend frühzeitiger
Erbauung in der Gottesfurcht: Nach Ordnung und Weise, wie
es bisher in öffentlicher Übung der zarten Jugend gut, heilsam
und nützlich befunden. Auf Gutachten fürnehmer Theologen,
allen Christlichen Schulen und häuslichen Unterweisungen zum
Besten im Druck ausgefertigt. Jena im Jahr 1636."
Noch im Jahre des Erscheinens dieses Büchleins fanden zu
Weimar unter Beteiligung Herzog Ernsts weitere Verhandlungen
über die Gestaltung des Religionsunterrichtes statt. Wie Johannes
Müller („Herzog Ernsts Special- und sonderbahrer Bericht*',
Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften, X, 125)
nachweist, wünschte der Herzog damals Einrichtungen, die als
Vorläufer der heutigen Kindergärten und Kleinkinderschulen be-
zeichnet werden könnten, und in ihnen sollte der Verwilderung
der Jugend vorgebeugt werden durch einen schon im dritten oder
vierten Lebensjahre beginnenden Unterricht unter Zugrundelegung
der „Bilderschule". Durch „anmutige Bilder" sollte „den Kindern
gleichsam unwissend die Wissenschaft in etwas beigebracht werden",
Sprüche von der Sünde, dem Verdienste Christi, das Vaterunser
u. s. w. sollten gelehrt werden.
Zur Verwirklichung dieses Planes ist es nicht gekommen;
wohl aber wird berichtet, dafs bei einer Prüfung, die der Herzog
am 9. August 1645 mit seinen eigenen Kindern, dem vierjährigen
Prinzen Johann Ernst und der fiinf jährigen Prinzessin Elisabeth
Dorothea, vornehmen Hefs, beide Kinder „wegen des einen oder
1893. Zwei Bilderbücher für den Unterricht etc. 171
anderen Bildes aus der Bilderschule gute Rechenschaft und Be-
richt geben" konnten. (Gelbke, Herzog Ernst L, Bd. III, 81.)
Ausführlicheres über diesen an Bilder angeschlossenen Unter-
richt teilt Dr. W. Boehne „Die pädagogischen Bestrebungen
Ernst des Frommen*' (S. 295 f.) mit. Es heifst da : „Der damalige
alumnus gymnasii Joachim Meyer, der auch später noch vielfach
als Lehrer der fürstlichen Elinder verwendet wurde, mufste den
Prinzen Johann Ernst und die Prinzessin Elisabeth vormittags
von 10 — ^lall Uhr unterrichten. Hierzu waren drei Hauptthemata
nebst entsprechenden Bildern gegeben, nämlich „1. von des Men-
schen Verderbung, 2. von seiner Erlösung, 3. von den Mitteln
dazu**. Die Bilder wurden den Kleinen vorgelegt und ihnen
durch wiederholtes Vorsagen einige passende Sprüche eingelernt
Dann erst wurden die Bilder eingehend erklärt nach Angabe der
(genau wie im Orbis pictus) beigedruckten Zahlen. Dadurch
sollte der „Verstand** der Bilder erzielt werden. An jedem Sonn-
abend aber waren solche Bilder vorzunehmen, welche sich auf
das Evangelium des nächsten Sonntags bezogen. Dadurch hoffte
man die Kleinen besser auf den Gottesdienst vorzubereiten, dem
sie von frühester Kindheit an regelmäfsig beiwohnen mufsten.
Doch blieb dieser erste Anschauungsunterricht keineswegs auf
das religiöse Gebiet beschränkt. Vielmehr hatte man auch welt-
liche Bilder, namentlich aus der Geschichte und Naturkunde, zu
denen den Kindern „feine, nützliche und kurze Historien ein-
feltig, kürzlich und deutlich** vorerzählt wurden. Bisweilen sollten
sie sich allein mit denselben beschäftigen und darüber von dem
Lehrer nachmals examiniert werden . . . Übrigens bediente man
sich dabei nicht nur gemalter, sondern auch geschnitzter Bilder
und selbst natürlicher Gegenstände.**
Es mufs auffallen, dafs hier, wenn von Erklärung der „Bilder-
schule** die Rede ist, die biblischen Geschichten nicht erwähnt
werden, deren Erwähnung man doch vor allem erwartet. (Ein
Exemplar der Bilderschule ist uns nicht zugänglich.) Vielleicht,
dafs gerade deshalb ein mit den Gothaischen Reformbestrebungen
auf dem Gebiete des Religionsunterrichtes genau vertrauter Mann
ein anderes Bilderwerk schuf, das vorzugsweise der biblischen
Geschichte diente und das von ihm ganz ausdrücklich als Vor-
stufe für das in der Vorrede seines Büchleins warm empfohlene
.Weimarische Bilderbüchlein** bezeichnet wird.
172 Richter, Heft 6 u. 7.
Der Verfasser des in Rede stehenden Büchelchens ist Johann
S a u b e r t , Pfarrer zu St. Sebald in Nflrnberg, der von Herzog Ernst
dem Frommen mit der Revision des Druckes der bei Endter in
Nürnberg hergestellten Weimarischen Bilderbibel betraut war^
Johann Saubert war geboren 26. Februar 1592 zu Altorf, studierte
daselbst Theologie, ward 1610 Magister, studierte dann in Tübingen,
Qiefsen und Jena, ward 1617 Katechet und Inspektor zu Altorf,
1618 Diakonus und Professor der Theologie am Gymnasium da-
selbst, 1622 Diakonus zu Nürnberg an der St. Ägidienkirche
und Pastor an der Marienkirche, 1637 Pastor zu St. Sebald, und
starb am 2. November 1646.
Saubert ist Verfasser einer Anzahl von Erbauungsschriften,
unter denen besonders gerühmt werden die „Schola Crucis,
Christliche Kreuzesschule, gesprächsweise gestellt . . . Nürnbeig
1619" und „Currus Simeonis, der Wagen Simeonis sampt einem
Geistlichen apparat und vorrath, Nürnberg o. J." (Widmung von
1627). Im geistlichen Apparat und Vorrat sind Lieder, Gebete,
Aussprüche der Kirchenväter u. a. m. bunt durcheinander ge-
worfen. Femer werden noch von Saubert genannt: „Icones pre-
cantium, Nürnberg 1629, 1638." „Geburtsschule, Nürnberg 1630"
und „Cyclopädia christiana, wie man sich aus den sechs Haupt-
stücken des Katechismus wider die Anfechtung verwahren könne,
Nürnberg 1634." (Vgl. H. Beck, die religiöse Volkslitteratur, S. 1 10.)
Nicht erwähnt wird von Beck die hier in Rede stehende
Schrift, deren Kupfertitel lautet: „Lese Büchlein aus H. Schrifft»
der lieben Jugend zum besten gedruckt durch Wolffgang Endter
in Nürnberg 1639." Ausführlicher ist der gedruckte Titel : „Lese-
büchlein I Für die kleine Kinder | Welche allbereit | aufs
dem gemeinen Namen- | büchlein in dem Buchstabiren genug-
sam I geübt worden, und nunmehr im Lesen | einen Anfang
machen sollen | Nürnberg | In Verlegung Wolffgang Endters
MDCXXXIX." Der Verfasser nennt sich nur unter der auf der
Rückseite des Titels befindlichen Widmung an ^^Herrn Gustav"
und „Fräulein Sophia", die „Hertzgeliebten Ehepflänzlein" des
Herrn Gallus, Freiherm von Räcknitz, Herrn auf Perneck u. s. w.
Das Büchelchen stellt sich zunächst in den Dienst des Lese-
unterrichts, will aber wie damals jeder Leseunterricht ssugleich
religiöse Bildung vermitteln , denn es ' enthält nur biblischen
Lesestoff.
1893. Zwei Bilderbücher für den Unterricht etc. 173
Die alten „ABC"- oder „Namen - Büchlein" enthielten oft
nichts als ein paar Alphabete, denen nur zuweilen ein paar Seiten
mit einzelnen Syllabierübungen folgten, und dann den Katechismus,
etliche Gebete und Bibelsprüche. Zur Erleichterung des Lesen-
lemens muTste es oft genügen, wenn dem vollständigen Abdrucke
des lutherischen Katechismus die zehn Gebote, der Glaube und
das Vaterunser ohne Luthers Erklärungen in der Weise vorauf-
gingen, dafs die einzelnen Silben durch Zwischenräume von ein-
ander getrennt waren.
Noch A. H. Francke schreibt in seiner Schulordnung für
die deutschen Schulen des Waisenhauses: „Das Lesen wird aus
dem Catechismo geübet, den die Kinder ohne dem lernen müssen
und also schon durchs Lesen selbst ihnen den Catechismum ein
wenig bekannt machen. Jedoch sollen sich die Kinder erst daran
exercieren, was in das ABC-Buch aus dem Catechismo gebracht
ist; hernach mögen sie auch im Catechismo selbst das Lesen
üben, da die Syllaben nicht so deutlich voneinander unter-
schieden sind."
Als man begann, mehr Sorgfalt auf die Ausarbeitung der
ABC -Bücher zu verwenden, als man z. B. in dem „ABC- und
Syllaben-Büchlein für die Kinder im Fürstentumb Gotha. Geruckt
im Jahr 1641", bogenlang einzelne Silben zur Leseübung darbot
und dieselben so ordnete, dafs unter anderen aufeinander folgten:
„zweibuchstabliche, darinnen der Erste ein coosona, der andere
ein vocalis, und andere, darinnen der erste ein vocalis und der
andere ein consona ist", femer: „Syllaben von drei Buchstaben,
darinnen der erste und letzte sind consonantes, der mittlere aber
ein vocalis", sowie „drey- und mehrbuchstäbliche, in welchen der
erste ein vocalis und zwey, drey oder mehr Buchstaben als lauter
consonantes darauff folgen" — da erst lieüs man auf das ABC-
Buch noch ein besonderes Lesebuch folgen, dessen Inhalt aber
immer noch ein religiöser war.
Für die Schulen des Herzogtums Gotha liels Herzog Ernst
der Fromme drucken: „Teutsches Lesebüchlein für die Schulen
im Fürstentumb Gotha. 1642." Es enthält auf 104 Seiten: „erst-
lich den Catechismum Lutheri, nemlichen die Sechs Hauptstück
Christlicher Lehre, Morgen- und Abends-Gebet, item Tischgebet,
die Fragstüoke und die Haufs-Tafel, zum andern die vomembste
Sprüche der Heiligen Schrifft über jedwedem Glaubens -Articul,
das Nicänische und des H. Athanasii Glaubens - Bekäntnifs und
174 Richter, Heft 6 u. 7.
etliche Gebetlein.** Die aufgenommenen Bibelsprüche, 160 an der
Zahl, füllen zwei Drittel des Buches.
Drei Jahre vor diesem Lesebuche war bereits das Saubert-
sche erschienen. Es enthält ebenfalls nur religiösen Lesestoff,
aber in der Hauptsache biblische Geschichte, und vor allem stellt
es mit seinen hübschen Kupferstichen das Bild in den Dienst des
Unterrichts. Was der Verfasser mit seinem Büchlein wollte, sagt
er in der „Kurtzen Vorrede an Gottselige Schulmeister und Schul-
meisterin^. Es heilst da: „Was Nutzbarkeit das gemeine Namen-
büchlein mit seinen, wiewol kindischen Figuren bey den kleinen
Schulkindern bifsher mit sich gebracht, und wie fleissig sie jhre
Lection darbey pflegen zu merken, das hat die Erfahrung bezeugt
und benebens zu diesen Gedanken Ursach gegeben, ob nicht
rathsam sey, ein Lesebüchlein aufs heiliger Schrifft zu formiren,
welches jhnen, nach d,em sie im erwehnten Namenbüchlein mit
Buchstabiren das jhrige gethan, alsdann zum Lesen dienlich
seyn könte?
Es ist ja unter den recht Gottliebenden Christen unzweiffelich
waar, dafs der Kinder ewiges Heil und Seligkeit vor allen Dingen
und nach aller Möglichkeit zu befördern, massen Christus noch
jetzo in seinem Predigampt rufft: Lasset die Kindlein zu mir
kommen und wehret jhnen nicht u. s. w. Marci 10, v. 14.
Dahero nicht allein, wann sie auff diese Welt gebom werden,
die heilige Tauff, als das Bad der Widergeburt und Emewerung
defs Heiligen Geistes, Tit. 3. vers. 5., jhnen billich ertheilt wird^
sondern es erforderts auch die höchste Nothdurfft, so bald sie be-
ginnen das Böse zu fassen, mit dem Guten unverzüglich jhnen
zu begegnen, und das Wort GOttes auff allerley Weifs und W^e
bey zubringen, ja gleichsam mit der Muttermilch einzuflössen, damit
sie, wie dort der junge Timotheus (2. Tim. 3. v. 15.) von Kind-
heit auff GOttes Wort hören und allgemach daraufs lernen Gott
erkennen, fürchten, lieben, ehren, anruffen, jhm für alle Wolthat
dancken, sich als fronmie Kinder desselben erzeigen, jhme zu
allem Gefallen leben, und vor Sünden sich mit Eifer und
Ernst hüten.
Nun kan zu solcher Übung der Gottseligkeit auch auf diese
vorgeschriebene Weifs ein sonderbarer Vortheil an die Hand ge-
geben werden.
1893. Zwei Bilderbücher für den Unterricht etc. 175
Erstlich, alldieweil die kleine Kinder unter dem Lesen zu-
gleich (neben den Worten der heiligen Schrifft) die Sach selbst
ergreiffen.
Fürs ander, weil sie die beygefiigte Figuren jhnen steiff in
das Qedächtnüfs bilden.
Drittens, weil Gottselige Lehrmeister hiebey Anlafs haben,
einem Kind, da es einen Text durchgelesen, in der Figur die
abgebildete Historiam zu zeigen und zu sagen (zum Exempel)
Nun hast du so weit gelesen, wie Gott den Menschen geschaffen
oder wie Eva den verbotenen Apffel von der Schlangen ge-
nommen, oder wie Cain seinen Bruder erschlagen, oder wie der
Engel Adam und Evam aufs dem Paradeifs getrieben u. s. w.
Zum vierdten, weil !die Kinder hierdurch Lust bekommen,
von jhren frommen Eltern und Ver^^andten zu Haufs ferneren
Bericht einzuholen, welche alsdann recht in das Werck setzen
ktonen, was S. Paulus befohlen : Ziehet ewre Kinder auff in der
Zucht und Vermahnung zum HErrn u. s. w. Ephes. 6. v. 4.
Dafs aber solch Wercklein für difsmal was eng zusamm
gezogen worden, ist darumb geschehen, damit auch die Arme zu
desto ringem Kauff gelangen können.
Und mögen alsdann, wann es die Kinder jhnen bekand ge-
macht, die Fest- und Sontags-Evangelienbtlchlein, Catechismi und
andere dergleichen, sonderlich das schöne Weimarische Bilder-
büchlein, gebraucht werden.
Schliefslichen wtlnsche ich hiezu allen Gottseligen Schul-
meistern und Schulmeisterin und jhrer untergebenen lieben Jugend,
das Göttliche Gedeien, Geist, Gnad und Segen in Jesu Christi
Namen. Amen ! Geschrieben am dritten Tag Januarii Anno 1639.''
Das Buch selbst enthält auf vortrefflichem Papier und in
musterhaft sauberem, grofsem Druck 22 Abschnitte, die der Lese-
übung halber in verschiedenen Alphabeten gedruckt sind und
deren Inhalt für die ersten 11 dem Alten, für die übrigen dem
Neuen Testamente entlehnt ist Man könnte das Büchelchen einen
Vorläufer der „biblischen Historienbücher" nennen, wenn nicht
auch manche andere biblische Abschnitte darin aufgenommen
wären, wie sie in biblischen Geschichtsbüchern sich nicht finden,
Stücke aus den neutestamentlichen Briefen und aus der Offen-
barung Johannis, und wenn der Verfasser die von ihm berück-
sichtigten biblischen Geschichten vollständig gegeben hätte. Von
Moses wird z. B. die Geschichte seiner Auffindung durch Pharaos
176 Richter, Heft 6 u, 7.
Tochter ausführlich erzählt ; daran schliefst sich mit den Worten
fortfahrend : „Der Herr sprach zu Mose : Recke deine Hand aus
u. s. w.**, unmittelbar die Erzählung von dem Zuge durch das
rote Meer, und darauf folgt wieder unmittelbar die Gesetzgebung
auf Sinai mit den Worten: „Und da der Herr aufsgeredet hatte
mit Mose auff dem Berge Sinai, gab Er jhme zwo Tafeln defs
Zeugnüfs, die waren steinern und geschrieben mit dem Finger
Gk)ttes/ Von Josef erzählt das Büchlein nur in sechs Zeilen,
wie er verkauft wird, und in zwölf Zeilen, wie er sich seinen
Brüdern zu erkennen giebt. Aus der Geschichte der ersten drei
israelitischen Könige enthält das Büchlein nur Absoloms Tod und
Salomos Gebet bei der Einweihung des Tempels. Die Geburts-
und die Leidensgeschichte Jesu sind ziemlich ausführlich erzählt.
Die Auferstehung und die Himmelfahrt sind nicht berücksichtigt
Von den Gleichnissen Jesu finden sich nur die in Luc. 15 er-
zählten und die vom Unkraut unter dem Weizen und von den
anvertrauten Zentnern. Die beiden letzteren sind im 21. Ab-
schnitte mit Jesu Rede von seiner Wiederkunft zum Gericht und
mit Sprüchen aus dem 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes
zu einem Ganzen verbunden. Der an der Spitze dieses 21. Ab-
schnittes stehende Kupferstich stellt das Weltgericht dar. Auf
der oberen Hälfte des Bildes sieht man den Heiland auf Wolken
thronend, umgeben von Scharen singender und musizierender
Seligen, die untere Hälfte zeigt die Qualen der Verdammten, die
von lodernden Flammen umgeben sind. Der 22. Abschnitt ent-
hält Stellen aus der Offenbarung Johannis, und der dazu gehörige
Kupferstich zeigt ein Bild des neuen Jerusalem.
Den künstlerischen Gewohnheiten des 17. Jahrhunderts ent-
sprechend finden sich auf einem und demselben Kupferstiche oft
mehrere Geschichten zugleich bildlich dargestellt. So enthält
gleich der erste Kupferstich eine Darstellung des Sündenfalles,
der Vertreibung aus dem Paradiese und des ersten Brudermordes.
Auf dem zweiten Kupferstiche sind dargestellt Isaaks Opferung,
Jakobs Traum von der Himmelsleiter, Joseph wird von seinen
Brüdern verkauft und Joseph giebt sich seinen Brüdern zu er-
kennen ^). Der dritte enthält die Auffindung Mosis , den Zug
^) Eine Nachbildung des zweiten Kupfers hat Referent gegeben in
seinem 1886 erschienenen Schriftchen: „Aus alten Schulbüchern", S. 83,
wo er zum erstenmale auf das Saubertsche Lesebüchlein aufmerksam ge-
macht hat.
1898. Zwei Bilderbücher für den Unterricht etc. 177
durchs rote Meer und die Gesetzgebung auf Sinai. Der vierte
stellt dar, wie Simson die Philister mit einem Eselskinnbacken
erschlägt und wie ihm von seinem Weibe die Haare abgeschnitten
werden.
Der Text in seiner fragmentarischen Gestalt will nur der
Deutung der Bilder dienen , er will, wie dies auch der Heraus-
geber in der Vorrede ausdrtlcklich ausspricht, nur das Interesse
der Rinder wecken, damit sie ,,von jhren frommen Eltern und
Verwandten zu Hauüs ferneren Bericht einholen **.
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschichte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
Zusammengestellt yon
Prof. Dr. J. Evacsala in Pressburg.
(Fortsetzung.)
10.
(De Vocatione in Hungariam brevis narratiuncula.)
Rebus in Didactico studio hücusque deductis quiescere, par-
ergisque istis Vale dicto ad magis seria redire, statueram: cum
ecce ex Hungaria, täm k Theologis, quam ä Celsissimo D. D.
Sigismundo Kakoci (su8 & Serenissimae Matris, Transylvaniae
Principis, Viduae, nomine scriptae) literae ! quibus ad colioquium,
& communicanda de Scholarum Reformatione consilia, amanter
evocabar, Abu, meis consentientibus, im6 mandantibus, & me
mittentibus: eö inprimis quod cum tot coäxules nostri, Moravi,
per Serenissimae Principis Oppida dispersi, benign^ gratiosae
Geis, suae protegerentur umbrä, indignum videbatur non iterum
fratitudinem contestari, si quibus daretur modis. Veni igitur
atakum mense Maio, Anni 1650, ind&que cum suis Celsitudinibus
Tokajum. Ubi, post aliquot dierum colloquia, scriptd aliquid a
mö consignari postulatum est. Quomodo provincialis Patakina
Schola ad Pansophiae leges (vist^ enim illis erant et lecta^ eatenus
edita) quam optime constitui posset? Exhibui ergo sequentem
consignatiunculam.
(Com. Op. Did. HL p. S.)
11.
Haec sie Principibus exhibita non displicuerunt: requisitusque
sum, ut ad consiliorum tam salutarium exsequutionem mauere
vollem: non repudiatä, quam Celsissima Princeps (Su8 & Ulustris-
1893. Kvacsala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. 179
«imorum Filiorum nomine) solemniter oblatura esset, Vocatione.
Obtendi multa, non in speciem, sed ex veritate. Cum autem
variis urgerent rationibus, Scholaeque Pansophicae hie feliciter
aperiendae fieret spes, exhiboi Celsissimo Dn. Sigismundo quod
sequitur.
(Op. D. m. p. 4.)
12.
Promissa omnia, tametsi postea (in iis quae primariae inten-
tionis erant) nihil adeö consequutum, fatis obstantibus. Quum
enim nonnisi autumnali tempore sistere me possem, Prineipibus
in Transylvaniam (ad hiemandum ibi) parantibus abitum, postu-
latum denuö fiiit expressiüs omnia dehneari: ut quid sibi Pan-
Bophica Schola vellet planissim^ patere, omniumque huc requisi-
torum ratio iniri, posset
Conscriptum itaque fuit, ouod sequitur, dedicatumque illu-
Btrissimo Heroi, fervido horum Promotori : quem tanquam rec^ns
orientem fulgidum Solem adorare (respectare dico; coeperant
domestici & exteri, nihil non summum ao illo exspectantes, lega-
tionibusque suis illum Reges & Prineipes (tanquam Regalium iam
Seeptrorum, & Affinitatum , candidatum) dignati fuere. Qui Sol
tametsi brevi postea nobis exstinetus, eoeptis hisee caliginem
rursimi induxit: quae tamen ibi tuuc velut in occulto consiliis
agitari coepta, ea nunc luci exponi, quid vetat? ut si tanti desi-
derii tunc non assequuti fuimus scopum, hoc tamen vel inter
meliora exstet vota, vel porrö etiam simile quid tentandi oceasio-
nem ferat. Fiat!
(Com. Op. Did. 11. p. 5.)
13.
Anno 1651.
Videns ad Adjunctum mittitur.
Ultimi Visione anni hujus (6. Dec.) mandatum fuit Drabicio
ad Sigismundum proficisci, ad illi volimtatem Dei notam redden-
dum. Quod cum per literas significasset mihi, Prineipes ver6
(mater cum Filio) in Transylvania hicmarent, concredidi rem
hanc Locum tenenti, auem Praefectum vocant, Andreae Klobu-
cicio. Qui consilium dabat ut tecto nomine veniret, ceu filium
ad me studiorum causa deducturus : se interim de ulteriore itinere
(tantundem adhuc a nobis distabant Prineipes, milliaribus 40) de-
liberaturum, animumque Principis cogniturum.
2. Perscripsi haec Drabicio: ille vero denu6 ä Revelatore
monitus, 5 Januarii (anni 1641) viae se dans, 15 ejusdem ad me
pervenit: superatis cum profunda nive (alicubi & aquis a lutö)
aifficilibus luctis. Beneficii Dei fuit, qu6d altera mox ab egressu
die in tres robustos Viros, pedestre iter eädöm habentes, incidit:
cumque ut se viae ignarum in comitatum admitteret, lentioreque
gressu utentem non desererent, rogaret, officiosos habuit. Kam
non deseruerunt, donec in mea domo sisterent: piis boni senis
180 Kvacsala, Heft 6 u. 7.
coUoquiis toto itinere oblectati: ut mihi gratias sibi agenti refe-
rebant, Drabicioque pro tot bonis monitis (me praesente) gratias
agebant.
8. Ultima illis pemoctatio sesquimilliari k me fuit, in exigua
rusticelli casa. Ubi Dominus cur eum huc mitteret significavit:
ut nempe dudum sibi mandata exsequi (cum illo quem sibi
auxilio misisset) inciperet, clangendo ad Gentes k Domino ad
Serdendum Bestiam electas, ad exsequendum dexterae Dei prae-
ecreta subito etc. Quam ille Visionem (No quinquagesimam)
mox eadem die & narravit mihi (ad haec pavescenti) & retulit in
scriptum.
4. Cognito illius adventu Praefeotus convenit nos, amanter-
que (utpote pridem sibi notum) salutavit, consilium dans post
exantlatum tantum iter respirandi. Scripsisse enim se jam, &
scripturum denu6, illius jam significando praesentiam.
5. Quod responsum cum tale venisset, ut ex eo nihil nisi
metus & tergiversatio posset concipi: (petebat enim demüm sibi
verbotenus omnia in Latinum transferri, ut de rectä perceptis
deliberare posset) colloquebamur nos duo soli (mensulae adstando
Musei mei) quid faciendum esset Ecce autem ille, ceu re qua-
piam perculsus. componit manus. Quaero quid sit? Die: Non
audisti Vocem? Nihil, respondi. Die: Caenä abstinere jubeor.
Quid? inquam ego: Semp^me Revelationi jejunium praemittitur?
Kegat ille hoc semper fieri. Interim coena infertur, ille accubitu
abstinere & exire parat. Rogo ut assideat saltem, propter ser-
mones. Assedit, nihil tamen de cibo aut potu gustans.
6. Sperabamus erg6 eä nocte ipsius L>ei , quid facto esset
opus, informationem : sed nihil t&m mit; postridie demüm. Ubi
illi (quibusdam de Sigismundo praemissis) domum redire man-
datum: sed ita ut Ore suo deinceps etiam opus fore sciret
Rev. LI.
7. Adii Praefectum, & illi hoc significavi : qui consilium nro-
bavit, Drabiciumque ultima Januarii dimisit Ego ver6 per illam
continuorum 16 dierum Drabicio conversationem (quod nunquam
anti contigerat) familiarius Virum nosse didici. Nempe hominem
esse, non Angelum: sed hominem Dei timentem, potiiis qukm
hominum observantem: coram Deo humilem, adversus homines
satis animosum: linguä, et factäs liberiorem, personas parum re-
spectantem. Verbö, peccatorem ut omnes sumus, non tamen
hypocritam ut plerique: Concionatoremque fervidum, quem sine
motu bono vix audias: caetera omnia mediocriter.
(Lux e ten III. p. 58—60.)
14.
Videns ad Principem Matrem mittitur, illamque urgere ju-
betur: et quae ibi acta, frustra fere.
Revelatione CXXXIX alloquutus eum Doiüinus dixit: Etiam
tua spes vacillat, de rerum per te annuntiatarum pleno eventu?
1893. Zui' Lebensgeschichte des Comenius. 181
O seauere mihi, para te, ut in nomine meo illuc eas unde post-
ridie literas accipies : accepit autem Patak6. Et Rev. CXLII. V. 4.
Non aliter evenient omnia atque decretum est consilio meö, contra
spem omnium hominum. 5 Silentium esse ajunt undique? sed tu
brevi audies aliud, tacitumus tant&m esto, et patiens, sermones-
que humani nihil te turbent Rev. CXLIV (die 31. Aug.) Cum
rrincipissa ipsemet loouere, me Racoeianae Domini denuntiare
tum benedictionem, si fac^re volent jussa mea; tum intermina-
tiones; si non andient voces meas: nam in manu mea utrumque
istud est etc.
2. E^gressus ergo 2 Sept venit eö U Sept. Ubi quid sit actum,
explicatum est Revel. CXIV, & annexis ei. Addam tamen hie,
quod ibi non consignatum in schedis reperio. Cum Examinatores
ilH de notis vere divinae Prophetiae inter se convenissent (ut
Annotatione ad Rev. CXIV posui : nempe I Humilitate personae,
2 Puritate doctrinae, 3 Veritateque eventuum) dixi ego, Plura
observari posse, quae divinitatis ostendant vestigia. Quaerebant
quae illa? Consignavi erg6 sequentia.
3. Primo, tergiversationem Videntis nostri ad haec, tum
credenda, tum propaland^: nisi toties iteratis monitionibus,
increpationibus, poenarumque interminationibus, non ab initio
tantum, sed adhuc. Toties enim illum adhuc cum Jeremia cla-
mare, Vae mihi mater mea; & cum Elia mortem sibi optare,
testis sum.
4 (2) Nee in his admittendis praecipitis fuisse illos, quibus ea
fuerunt detecta: trepidantes potius, tentationesque diabolicas et
metuentes et deprecantes. Impossibile videri eos, qui pro nomine
Dei afflicti, & pro veritate Verbi ejus extrema passi, alio abduci
nuUö modd voiuerunt, & hucusque, ludificationibus satanae sie a
Deo exponi.
5. Tertium argumentum posueram Revelatoris constantiam,
ut qui neque personam mutat, neque revelationis modum, neque
res revelatas: exceptö quod hujus suae scenae personas mutari
patitur, prouti faciunt aut non faciunt quae jubet. Diabolum esse
vertümnum, ipsä levitate se prodere, ut m Genevensi puero patuit.
6 (4) Sanctitatem hie rerum, et scopi, convenientissimam esse
zelo Dei Zebaoth, et Christi ejus: inconvenientissimam (imo im-
poBsibilem) Diabolo, ad eversionem regni sui (abominationum
^bylonicarum) consilia nunquam subministraturo.
7(5) Effectum in corde Videntis, illuminationem semper ma-
jorem, charitatisque erga Deum ardorem semper äammantiorem.
8 (6) Sbrlum (quicquid sit) non humanum. Scire me per Dei
gratiam, quid hac m re humanum possit ingenium, & quam Dra-
bicius fdiis minus possit, nisi k dictante in calamum revelatore
adjutus fuisset: ut Rev. CVII. 22 & alibi. Scire denique me
quiim imitari haec talia nequeat tenebrarum pater Diabolus, a
quo lucidi nihil prodire possit. &c.
182 Kvacsala, Heft 6 u. 7.
9(7) Revelatorem hunc saep& ad Videntis cogitata respon-
dere: ut Rev. IV. 3. & XLV. 2, 12, 13, & alias saepfe. Seimus
autem Deum sibi hoc tribuere soli, quod cordium scrutator sit:
Diabolo proinde honorem illum non concedendum.
10 (8j Theologos inter suspecta pon^re, si quis spiritum re-
velatorem ad omnia quaesita nimis facilem, semperque respon-
dentem, habeat: Deum enim pro maiestate sua ea solum revelare
quae vult, quando vult, quomodo vult. Hunc autem Revelatorem
quaestionibus se £a,tigari non ferre, ä curiositate dehortari: ut
Rev. CXXIX. 2, 3.
11(9) Ad suspicionem, Non ä Deo venire haec, quid ali-
quoties responderit observatione dignum esse: ut Rev. IV. 4, &
17 — & 28. Rev. V. per totum: & Rev. VI. 1—6. & Rev.
CXLV. 5. &c.
12. Petebant tandem catalogum aliquem contexi, eorum quae
eminüs praedicta, reveraque impleta fuissent: quem & dedi, hic
autem non pono, quia auctiorem dandi occasio redibit infra. lUi
autem omnious his ita actitatis nihil nisi animi pendere per-
rexerunt.
(Lux e ten. III. 134—137.)
15.
(De Studii Pansophici Impedimentis.)
Hactenus quid circa tres primas et imas Pansophicae Scholae
Classes moliti simus, explicatum est.
Patuit verö matur^, nos desiderii nostri fastigium non asse-
quuturos ; propter causas, quas involvi silentiä .praestat. Videbam
universali studio vix esse locum ibi, ubi frustillata sapiunt, quae-
runt, agunt, tantüm non omnes : et impatientia regnat, consilia non
ematurari, sed praecipitari, urgens: Zelusque se admiscet eorum,
qui quam proni sunt adorare Jovem et Mercurium idola, tam parati,
lapidare Paulum et Bamabam, quam primum homines esse, non
idola, animadvertunt. Et denique difficile esse moliri Turrim
praecelsam, ubi vix etiam pro fundamentis iuste ponendis neces-
saria suppetunt requisita.
2. Veniendum ergo tandem fuit eö, ut summa intendentibus
consistendum esset circa media, et acquiescendum Scholä Triclassi.
Sed et ibi luctandum fuit varife cum difficultatibus. Inter quas
prima fuit consuetus mortalium morbus, Consueta melioribus
praeferendi, & antiquä ubique chordä oberrandi, amor. Quorum
causa Methodi verae Encomia conscribillanda, publice recitanda,
fuerunt
3. Ciim verö iterum Janualem rerum historiam fastidire vide-
rentur (Ad quid nobis plena rerum Komenclatura? dictitantes,
Non erimus nos Philosopni &c) incogitantiae huic obviam eundo,
recitavimus De accuratae Rerum Nomenclaturae Utilitatibus ora-
tiunculum.
4. Dumque Atrialibus etiam studiis inepti quidam obmunnu-
rarent, elegantiasque L. L. ante perceptum etiam gustum nau-
1893. Z^' Lebensgeschichte des Comenius. |88
searent (iterum. Ad quid nobis Elegantia? non erimus non Cice-
rones, blaterando) causa fuit data de eleganti Elegantiarum studio
perorandi.
5. Torpor denique ingeniorum, in quibusdam intolerabilis,
occasionem dedit aureum Joachimi Fortii Kingelbergii de ratione
studü libellum publicandi^ omnibusque literarum studiosis (dedi-
catione ad ipsos directa) commendandi. Cumque illius editionis
exiguus appareret fructus, Fortium Redivirum, sive de pellenda
Scholis Ignavia, conscribendi.
6. Concinnata quoque fuerunt (dum omni ratione prodesse
quaerimus) Morum nonestorum praecepta. Itemque Scholae bene
ordinatae Leges.
7. Utque omni possibili ratione pubem literariam ad studiorum
amorem, in illis perseverandi lubentiam, excitaremus, concepimus
Vestibuli Januae Lucidarium: h. e. Nomenclataram rerum ad
ocularem demonstrationem deductam. Itemque Januae Linguarum
praxin Comicam, suavem, amaenam vivis repraesentationibus om-
nia Demonstrantem etc.
8. Quae omnia sicut ibi, bon6 usu typis publicata sunt (ex-
ceptis Scholae Legibus) ita hie ponenter ordine.
(Op. Di(L m. p. 735.)
16.
Bisterfeldius (Principi Trans, ab intimis consiliis) evocatur ad
Judicium de bis revelatis ferendum, et auale id fuerit.
Occasio mihi ad Job. Bisterf. scrioendi data fuit 14 Junii,
per bominem Belgam in Aula Principis quaedam requirentem.
Cui epistolae inserueram schedulam bis verbis. üegi xtiv OQa-
fiattavy cum ingratam esse raateriam inteUigam, nihil addo, nee
addam. Vos videritis. Feci qubd debui, et cujus gratis, huc
missus fui: jamque tacere jubeor. Finis ostendet cuius toni.
Doleo tamen, Te consultöre (scio enim Te unum audiri) naec tam
pertinaci praejudicio premi, ut ne cognoscere quidem a funda-
mento rem libeat. Mini facillimum est, adeoque gratissimum (con-
scientiam testor) silere: sed! Vale, et res eä prudentiä moderare,
ut exitus acta probet. Deum oro, ut Te spiritü suö regat.
2. Cum vero ad Principissae matris Consiliarium, Klobucicium,
rei bujus postea fieret mentio, ill^que hoc referret Principissae,
factum fuit, ut Bisterfeldius hac etiam de causa (k Transylvania
in Hungariam) evocaretur, recognitioque totius negotii penitior Uli
demandaretur.
S. Venit ille scriptaque illa sibi exhiberi petiit: ut privatim^
aut noctu evolrendo (erat enim somni parcissimus, interdiu autem
negotiis Aulicis distractissimus) ruminare posset. Factum: per-
volutavit ille Eotterum, Poniatoviam, Drabicium. Quanquam in
boc non long^ progressus, ob nauseam (ut dicebat) ex eo, qu6d
omnia viderentur ä conditionibus quibusdam suspensa.
4. ludieium ergo tale tulit, Kotterina verfe videri prophetica,
futurorum praenuntia. Sicut et Poniatoviana : quae non tantum
Monatshefte der Comenias-GeaellschAft. 1893. 13
184 Kvacsala, Heft 6 u. 7.
rerbis, sed et iis quae passa est prophetasse dici possit: prae-
sertim cum tot miraculosis coneurrentibus res firmata sit De
Drabicio verö dixit : Etiamsi Jesaias, Jeremias, Daniel, omnesque
israälitici Prophetae resurgerent, et talia sibi loquerentur, se Ulis
non habitürum Hdem.
5*. Interrogatus quäre? Respondit: Quia indignum est Deum
ä conditione humanae voluntätis suspendi. Fiet hoc, si hie aut
ille hoc vel illud faciet: secüs non fiet. Ego: Atqui haec est
praxis Dei, per Mosen O omnes Prophetas bona promittentis sub
conditione o Doedientiae ; mala denuntiantis sub conditione im-
Joenitentiae. AUegabamque tacitae conditionis exemplum in
ona, Ninivitis eversionem praedicente. Respondit: Non prae-
dictio fiiit, sed praedicatio. Ego : Im6 non praedicatio, sed prae-
dictio. Non enim dixit, Resipiscite si perire non vultis : sed cate-
goricö, Adhuc quadraginta dies, O Ninive subvertetur. (Jon. 3. 4.)
6. Cumque ille hypothesi suae insisteret, Se conditionatos
Prophetas ninili facere, eoque in Cottero et Christina spiritum
propheticum agnosci posse, non item in tertio: respondi, Non de
voce Prophetae (cui titulus ille competat vel non competat) liti-
gandum esse, seid quid faciendum quando extraordinariis modis
voluntätis suae Deus (addilis promissionibus aut minis) faciat in-
dicium? sive Prophetä praedicit sive praedicat Praeterea, si Cot-
terus & Poniatovia non praedicabant , sed tantum praedicebant,
Drabicius contra : cogitari posse, illos ad praedicandum missionem
non habuisse, sicuti hie &c. &c.
7. Tandem ille eo delapsus ut diceret, Apud Principem tali-
bus prophetiis nihil esse opus, scire Principem quid istis in rebus
agendum sit, si Deus occasiones subministraverit. Addebat: In
manu meä Principem habeo. Si hodie dicam, Tempus est, cras
Srodibit. Obstupui ad haec, testor Omnificium. Nee aliud quod
icerem habui, nisi haec duo: Vide ne tibi nimium tribuas!
(Nempe id quod Scriptura Deo tribuit, Prov. 21. L) Vide ne
tantä häc authoritate abutaris! Ita ab invicem discessimus.
(Hist Eevel. p. 174 ff.)
17.
Honoratissimi D. D. Scholarchae.
Molitos iam ante complures annos fuisse nos Studiorum
pueril ium compendia quaedam, & oblectamenta, non ignotum est:
& benign^ id aeceptum, cum alibi, tum apud vos, in quorum
Scholas Janua Linguae Latinae recepta fuit. Superaddere coepit
ante triennium non inelegans Januae illius exercitium Vir eximius,
D. Sebastianus Macer, Scholae in Polonia Lesnensis Rector: sub
titulo, Januae L. L. Comenianae Praxis Comica. Cujus praxis
partem primam, Mundum rerum naturalium repraesentantemi, cum
sub ingressum Anni huius in Scenam produci, & in conspectu
vestro ludi, curassem : adeo placuit actio illa vobis, & spectantibus
Omnibus, ut approbato publica hoc exercitii genere, totum Rerum
ambitum, seu iJiscendorum Encyclopaediam, in talem autopsian,
1898. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 185
autopraxiaD, deduci optaretis^ k m^que peteretis. Quo ego stimu-
latus, sicut et insperato Nobilis Vestrae Juventutis ad haec talia
ardore, tametsi laDoribus circa magis seria aetatique & vocationi
meae convenientiora, occupatus sim : & ad stationem meam redire
k meis (qui me huc ad tempus miserunt) orgeor: cohibere me
tarnen non potui, quin und et altera Mense huc dato, omnes
Rerum materias pertransire, omniaque in Dialogos tales, Res
Veras simulachris jucundis repraesentantes, reducere proposuerim.
Nempe quia D. Macer paralyseos morbo praeventus (dolendum!)
Opus coeptum absolvere non potuit: & quia praxin hanc ab illo
inchoatam ad majorem simplicitatem , evidentioresque Juventutis
usus, deduci posse sperare coepi. Quod quid & quäle sit ex-
Eonere, & de hujus Exercitii Utilitate, adeoque illud in Scholam
anc (& alias) introducendi necessitate, dissertare idiquid non abs
re fuerit
(Op. Did. in. 832.)
18.
Peractis cum applausu hisce Ludis (confluebant enim eminus
etiam Nobiles & Pastores, postremo autem ipsamet Celsissima
Princeps cum Aula sua, & praesentium Magnatum Corona, interesse
dignata est, eamque in Arcis area peragi voluit) abeundum mihi
erat, quo revocabar, in Poloniam, valedicendumque Hungariae in
eorunaem hospitum frequentia. Ad quod me nonnullorum Voces,
k discessu meo exercitia haec obsoletum iri metuentium, incita-
bant: non tantum ut sermone valedictoriö eos animarem, sed &
Sermunculum illum typis mox exscriptum stimulo relinquerem.
Quod & factum, hunc in modum.
(Op. Did. m. 1042.)
(Fortsetzung folgt.)
13
Kleinere Mitteilungen.
Der Inselname Capharsalama in Joh. Val. Andreaes Schrift
yReipublicae christianopolitanae descriptio' (1619).
Von
cand. min. O. Eemper in Münster i. W.
Bei dem Interesse, welches die Forschung gegenwärtig in
steigendem Mafse der schriftstellerischen Wirksamkeit des Joh.
Val. Andreae und deren Einflufs insbesondere auf die Entwicklung
der Ideen des Comenius zuzuwenden scheint, dürfte eine kurze
Erörterung einer zugehörigen litterarischen Einzelfrage, die Fest-
stellung der Quelle und Bedeutung des manchem unerklärlichen
Inselnamens Capharsalama wohl erwünscht sein. Veranlassung
dazu gab eine Bemerkung Dr. Ludw. Kellers in seiner Abhand-
lung ,, Johann Valentin Andreae und Comenius" (Monatshefte der
C.-G. Bd. I, 1892, S. 229 ff.). Aus A. Pateras Ausgabe der
Korrespondenz des Comenius findet sich dort (S. 240) ein Brief
des letzteren an Magnus Hesenthaler *) vom 1. September 1656
abgedruckt, in welchem der damals in Amsterdam weilende Co-
menius den Freund bittet, für Ankauf und Zusendung wennmög-
lich aller vorhandenen Schriften Andreaes um jeden Preis Sorge
zu tragen, die er zum Teil bereits früher besessen und studiert, dann
— wohl bei dem Brande in Lissa (1656) — verloren und in
Stettin, Hamburg und Amsterdam vergeblich aufzutreiben ver-
sucht habe, die ihm aber wegen vielfacher Bezugnahme unent-
behrlich seien. Als Titel einer derselben wird unter Nr. 4 dort
angegeben : De republica Christiana (Cataphar Salama). Zu den
in Parenthese gesetzten Worten bemerkt Keller in einer An-
merkung: „Es ist kein Grund anzunehmen, dafs Patera diese
1) NSJieres über denselben bei Dr. E. Huellemann, Valentin Andreae
als Pädagoge 11. Teil (Abhandlung zu dem Jahresberichte des Thomaa-
^ymnasiums), Leipzig 1893, S. 8, Anm. 16. -— s. auch Dr. Kracsala, Joh.
AmoB Comenius, sein Leben und seine Schriften, Leipzig 1892, S. 880.
1898. Kemper, Der Inselname Capharsalama etc. X87
Worte unrichtig gelesen habe; eine Erklärung des Sinnes giebt
P. nicht, und ich bin gleichfalls nicht imstande , eine solche zu
geben.**
Die Kenntnis der korrekten Schreibart: Capharsalama oder
Caphar Salama und einige Bekanntschaft mit der hebräischen
Sprache führten zur Lösung des Rätsels. Auf den Weg der Er-
klärung der dunklen Worte aus dem Hebräischen wiesen aufser
dem Anklingen des Wortes Salama an das hebräische Substantiv
Salom [= Heil, Wohlbefinden, Glück, Friede, vergl. das ent-
sprechende aramäische Substantiv S^lam, def. Salama] einige auf
die Wahl der Namen bei Andreae bezügliche Bemerkungen Huelle-
manns^) und Gussmanns*).
Die Schreibweise des Wortes, wie sie in der lateinischen
Originalausgabe der „Descriptio** (erschienen Argentorati Sump-
tibus haeredum Lazari Zetzneri, Anno MDCXIX) vorliegt, konnte
ich nicht feststellen, da mir dieselbe nicht zugänglich war. Sie
findet sich aber auf dem Titel der vonHuellemann®) angeführten
vollständigen Übersetzung jener Schrift: „D.(octoris) V.(alentini)
A.(ndreae) Reise nach der Insul Capharsalama, Und Beschrei-
bung der darauf gelegenen Repubhc Christiansburg, Nebst einer
Zugabe Von Moralischen Gedancken in gebundener und un-
febundener Rede, Herausgegeben von D.(aniel) S.(amuel) G.(eorgi).
Ifslingen 1741. Veriegts Friedrich Christian Schall, Buch-
händler." 8**, die (als neue Titelausgabe) mit unverändertem
Text zum zweitenmal erschien unter dem Titel : D. Val. Andreae,
Prof. Theol. Tubing. *) Sonderbare Reise nach dem Lande der
Ruhe*) und vortrefflichen Insul Capharsalama..., heraus-
gegeben von einem Anonymo. Stuttgart, 1754. bey Johann Dier-
lamm, Buchbinder." —
Zur sprachlichen Erläuterung des Namens Capharsalama
bietet J. Fürsts Hebräisches und Chaldäisches Handwörterbuch
1) A. a. O. S. 5 beim Nachweis des Einflasses, „den neben der Civitas
Solis des Dominikanermönchs Campanella die Utopia des Thomas Morua
auf die AndreaescheDarstellungderChristenstadt geübt hat: Hier wie dort
sind zur Benennung von Orten und Personen bezeichnende Namen
aus der griechischen und hebr&ischen Sprache gewählt^.
^ jfe eipublicae Christianopolitanae Descriptio^ in der Zeitschrift für
kirchl. Wissenschaft und kirchl. Leben, VII. Jahrg., 1886, S. 382, Anm. 1:
„Die meisten der von Andreae gewählten Namen sind biblischen Ur-
sprungs: Abialdon, wahrscheinlich ein Druckfehler för Albialbon, 2.Sam.23, 1,
Achban, 1, Chron., 2, 29 u. s. w."
«) a. a. 0. S. 4 f.
*) Über diese irrtümliche Bezeichnung s. Huellemann a. a. O. S. 5,
Anm. 9.
^) Vergl. die von Gufsmann (a. a. 0. S. 466) angeführte Schrift des
Konst. Wahrenberg ^Die glückseligste Insul auf der fi;antzen Welt, oder
das Land der Zufriedenheit. Gedruckt in Königsberg 1728^ in wel-
cher eine Anzahl von Berührungspunkten mit der „Descriptio^ nachzu-
weisen sei, die aber ohne Zweifel als Anklänge zufälliger Art zu betrachten
und zu erkl&ren seien.
188 Kemper, Heft 6 u. 7.
über das Alte Testament, 3. Aufl. bearb. von Dr. Victor Ryssel,
Leipzig 1876, Bd. I, S. 662a, Näheres in folgendem Artikel:
„^DS = Gehöfte, eigentlich Häuserverbindung, d. h. Dorf. —
Sehr stark wird dieses Wort [ähnlich wie n;n = eig. das um-
hegte Lager, feste Niederlassung, jede Ortschaft ohne Mauer,
Dorf, offener Flecken, zur Bildung geographischer Ortsnamen
gebraucht, wie deutsch Hof (ebenda S. 481a)] ^) in späterer Zeit
in Zusammensetzungen zur Benennung kleinerer Ort-
schaften verwendet, wie bereits Jos. 18, 24 ein Beispiel vor-
kommt und wie das Wort sowohl im Arabischen als im Syrischen
ebenfalls in Ortsnamen angetroffen wird. In der talm. Zeit
werden Ortschaften Palästinas, Phoenikiens, Syriens mit '^ zu-
sammengesetzt angeführt, als D*inK it^ (j. Sanh. 11) . . . u. a. m.;
— vergl. im N. T. und in den Apokryphen KarteQvaovfi d. h.
Din: ncs (Mt 4, la), Xaq)aQaaXa^d d. h. N»b® ncs (1. Mak.7,8i),
was talm. (j. 'Aboda-Sara 44) ob« '3 heifst u. a. m."
Als Quelle, der Andreae das Wort Capharsalama entnommen
hat, stellt sich hiemach eine Stelle aus dem ursprünglich in
hebräischer oder aramäischer Sprache abgefafsten, uns in grie-
chischem Text vorliegenden l.Makkabäerbuche heraus, einer apo-
kryphischen Schrift, welche die Periode der Kämpfe des jüdischen
Voltes gegen die syrische Oberherrschaft von 175 — 135 v. Chr.
schildert und als wertvolle Geschichtsquelle betrachtet wird.
Die Stelle 1. Makkab. 7, si lautet nach Tischendorf, Vetus
Testamentum graece iuxta LXX interpretes (ed. U, Lips. 1856,
tom. n, p. 524): xal eyvo) NixdvwQ ort art&MxXvfp^ 1^ ßovkfj
aitov, nai i^X&Bv eig awdvrriaiv liy *Iovda iv noXifop xa%a
Xaq>aQaaXafid, Vulgata: Et cognouit Nicauor quoniam de-
nudatum est consilium eins: et exiuit obuiam Judae in pugnam
iuxta Capharsalama. Luther: Und da Nikanor merkte,
dafs sein Vornehmen war offenbar geworden, zog er wider Juda,
und that eine Schlacht mit ihm bei Caphar Salama.
Wahl, Clavis libror. Vet. Test apocryph. philol., Lips. 1853,
p. 497 s. V. erklärt : Xaq>aQadlaf4a, Uhapharsalama, urbs palaesti-
nensis, proelio nobilis, quo Nicanorem vicit Judas Maccabaeus
1. Makk. 7, si.
Grimm, KurzgefaTstes exeg. Handbuch zu den Apokryphen
des A.Test., 3. Liefrg., Leipz. 1853, S. 114, erläutert den Namen :
„von Josephus als xwfitj Tig bezeichnet (in Gem. Hieros. Avoda-
Zara fol. 44 col. 4 als obo nsD erwähnt^) scheint südlich von
Jerusalem im Gebirge gelegen zu haben, da Nikanor nach
dem Verlust des Treffens erst nach Jerusalem , dann von da
nördlich nach Bethoron zieht (Mich.). Mit dem in der Geschichte
^) S. auch W. Gesenius, Hebr&isches und Ghaldäisches Handwörter-
buch über das Alte Testament, 9. Aufl., bearb. von Muehlau und Volck,
Leipz. 188d, S. 285.
*) Keil, Kommentar über die Bücher der Makkabäer, Leipz. 1874,
S. 182, verweist noch auf Reland, PaL lUustr. p. 690.
1893. ^6' Inselnamc Capharsalama. IgQ
einer grofsen Pilgerfahrt im J. 1065 erwähnten Carvasalim kann
es nicht identisch sein, da dieses in der Nähe von Ramleh nord-
westlich bei Jerusalem lag; s. Robinson U. S. 225/
Als Bedeutung des durch Zusammensetzung aus n^^ == Dorf
und KBb^ = Friede gebildeten Ortsnamens Capharsalama ergiebt
sich demnach : „Friedensdorf ^).
Nimmt man hinzu den Zusammenhang dieses Namens mit
Salem, der älteren Bezeichnung der „Friedensstadt" Jerusalem"),
so erhellt das Motiv, welches Andreae, „den Apostel des Gottes-
staates'', zur Wahl gerade dieser Benennung für die Insel im
Meere, auf welcher er das Ideal eines christlichen Staates sich
verwirklicht denkt, veranlafst hat. Das deutet Andreae auch
selbst an in der Widmung der „Descriptio** an den von ihm hoch
geschätzten Joh. Amd, wenn er schreibt^): Haec nova civitas
nostra te agnoscit et respicit, nam cum ex magna illa Hiero-
so Ijma, quam ingenti spiritu, invitis sophistis, extruxisti, mi-
nuta colonia deducta sit, non potest, non omnia ad te referre,
et pro institutis legibusque gratias agere, simul etiam orare, ut,
quae supplenda emendandave ei sint, pro benevolentia communi-
care non dedigneris.
Diese Stelle lautet nach Olöklers^) Übersetzung: „Diese
meine neue Stadt verdankt Dir ihr Dasein und blickt auf Dich
hin. Denn da sie aus jenem grofsen Jerusalem, welches
Du mit erhabenem Geiste gegen den Willen klügelnder Sophisten
erbaut hast, als eine kleine Kolonie ausgeführt ist, so kann
sie nicht anders als alles auf Dich beziehen und für ihre Ein-
richtungen und Gesetze Dir ihren Dank sagen. **
Keinen sinnreicheren und treffenderen, zu Inhalt und Ten-
denz der Schrift passenderen Namen hätte Andreae für die Insel
als Stätte der Cnristianopolis wählen können, die GuTsmann')
mit den Worten charakterisiert: „Sie ist ein Haus des Frie-
dens, der Sitz des Wahren und Guten, ein christliches Gemein-
wesen, dessen Glaube mit dem der Apostel, dessen Gesetze mit
Gottes Gesetz übereinstimmen/ —
^) Diese Übersetzung findet sich, wie ich nachträglich sehe, bereits in
6. Büchners bibl. Real- und Yerbal-Handkonkordanz, herausg. v. Dr. H.
L. Heubner. 18. Aufl. Braunschw. 1888. S. 219. — vrgL Schenkels Bibel-
lexikon I. S. 507 (Lpzg. 1869) und Winer, Bibl. Realwörterbuch I. S. 223
(3. Aufl. Lpzg. 1847).
*) Ge8enius,a.a. O. S.8468.V.: »DblD, f. nrbläAdj.: 5)Nom.prop. s.v. a.
das vollst&ndige sb'Oin') Jerusalem Ps. 76, 3. Josephus (Archaeol. 1, 10, 2):
Tfiv fiivToi JSolv/ja voTfQov ixdXcaav * ItQoacfXvfia. Auch Gn. 14, 18 wird
unter Qbti Jerusalem zu verstehen sein."
') Das Citat bei Gufsmann a. a. 0. S. 438.
^) Johann Valentin Andreae. Ein Lebensbild zur Erinnerung an seinen
dreihundertsten Geburtstag, entworfen von Johann Philipp Glökler, Pro-
fessor in Stuttgart. Mit einem Bildnis Andreaes. Stuttgart 1886, S. 66 f.
i^) a. a. O. S 539.
190 Kemper, Der Inselname Capharsalama. Heft 6 u. 7.
Es erübrigt noch eine Beantwortung der Frage, wie die
eigenartige Titelangabe : De republica Christiana (CatapharSalama)
in dem oben angeführten Briefe des Comenius an Hesenthaler
vom 1. September 1656 sich erklären lasse. Huellemann^) macht
zunächst darauf aufmerksam, „dafs A.(ndreae) sowohl in seiner Vita
als in seinem Verzeichnis für längere Titel seiner Schriften kürzere
Bezeichnungen wählt/ Reipublicae christianopolitanae descripto
und Christianopolis „sind Titel ein und derselben im Jahre 1619
erschienenen Schrift", nicht verschiedene Schriften, wie irrtümlich
angenommen (Sonntag und v. Criegem).
Sodann findet Gufsmann*) in der Stelle aus einem Briefe*)
des Andreae an Comenius, datiert 16. Cal. Oct. (= 16. Sept.) 1629:
Itaque tabulas naufragii nostri vobis legendas, ac si
lubet sarciendas tradimus: satis beati, si non omnino magnis
ausis exciderimus. Hoc se solati sunt, qui novas terras erronbus
suis aperuerunt seauuturis feliciore navigatione „eine ftlr An-
dreaes „sinnreiche Manier^ . . . ziemlich deutliche Anspielung auf
die jDescriptio***.
Erwägt man nun die bei Andreae selbst vorkommende schwan-
kende Betitelung der eigenen Schriften^) und zieht man femer
in Betracht, dafs seit dem ersten Studium und Excerpierung der-
selben seitens des Comenius ^) nach Mafsgabe der beiden Briefdaten
eine Reihe von Jahren verflossen ist, so ergiebt sich, daüs Co-
menius den Titel „De republica Christiana^, falls er nicht etwa
bei Andreae oder sonstwo bereits vorkam, selbst frei nach dem
Gedächtnis gebildet, da ihm der genaue Titel nicht mehr erinner-
lich war, und dafs er Cataphar [irrtümliche Schreibung statt des
richtigen : Caphar] Salama in Parenthese hinzugefügt hat, um die
gewünschte Schrift deutlich als diejenige zu bezeichnen, in welcher
Andreae das Bild seines auf der Insel im Weltmeere gelegenen
Musterstaates entworfen.
1) a. a. 0. S. 8 f.
«) a. a. O. S. 471 f.
*) In deutscher Übersetzung citiert von Keller in der erwähnten Ab-
handlung S. 235 f.
*) Vergl. Verl Christianismi solidae^ue Philosophiae Libertas etc. =
Verl Ohristiani libertas = libertas christiana = veri Christianismi libertas.
») Vergl. Kvacsala a. a. O. S. 38.
Zur Bücherkunde.
Von und über Krause.
Krauses handschriftlicher Nachlafs und seine
Herausgabe bis 1898.
Von
Paul Hohlfeld in Dresden.
Am 24. Juli 1822 schrieb Krause (vergl. Anschauungen III,
1892; S. 235) : „Ich weifs es zwar nicht, ob es Gott gefallen wird,
meine noch ungedruckten Handschriften durch mich oder andere,
durch meine Kinder, Bekannte oder noch Unbekannte zu Kettung
und Wesenbelebigung — zum Heile — der Menschheit mitwirksam
zu machen*): aber ich bin verpflichtet, 'so damit zu verfahren, als
ob dieses einst dennoch geschehe, — also diese Handschriften so
▼ollkommen, so berichtigt, so übersichtlich als möglich zu machen.
Dazu dient eine wissenschaftliche Inhaltangabe (raisonnierendes Be-
pertorium) und Würdigung derselben ') , und ein gemeinsames Sach-
verzeichnis *) (ein gleichförmiger Index) dazu. Das wird dem künf-
tigen Bearbeiter Licht und Erleichterung geben/
Im Jahre 1822 hatten Krauses Handschriften die stattliche
Zahl von 60 Bänden erreicht (s. Anschauungen IH, S. 213), und
^enn auch bis zu seinem Tode (1832) ein Werk nach dem andern
gedruckt worden war, so erschien doch das Gedruckte dem Umfang
nach unerheblich gegen das Übrigbleibende. Das blofse Abschreiben
des Nachlasses würde ein Menschenalter erfordert haben!
Der Inhalt der Handschriften erstreckte sich auf das Gesamtgebiet
der Wissenschaft, der Erkenntnisquelle nach auf die reine Vernunft-
1) Ähnlich auch Anschauungen III, S. 29 u. 212 f.
'i Der Vorsatz, dies beides auszuarbeiten, ist von Krause leider nicht
ausgenihrt worden.
>) Dasselbe bildet einen wichtifi^en Teil des Nachlasses, einmal von
Krauses Hand, dann noch in einer Abschrift von anderer Hand.
192 Hohlfeld, Heft 6 u. 7.
Wissenschaft (Philosophie und Mathematik), auf die Erfahrungs-
wissenschaft und die Durchdringung beider, die angewandte Philo-
sophie der Geschichte.
Krause beklagt und verwirft die eingewurzelte Trennung von
Mathematik und Philosophie. Er hat auf das eingehendste auch
Mathematik getrieben, namentlich die Kombinationslehre ^) ausgebildet,
die allgemeine Auflösung der Gleichungen ^) versucht und eine ganz
neue Betrachtung der krummen Linien, rein nach den Begriffen der
Länge, der Richtung und dem wechselseitigen Verhältnisse beider,
gefunden. Der aufserordentlich umfangreiche mathematische Nach-
lafs Krauses ist fast noch gar nicht durchgesehen, benutzt und ge-
würdigt, geschweige bearbeitet und herausgegeben worden. Eine
Programm abhandlung ttber Krause als Mathematiker, welche nicht
blofs die gedruckten, sondern auch die handschriftlichen mathe-
matischen Arbeiten Krauses berttcksichtigt, von H. Htlniger in
Eisenberg (S.-A.), dem Geburtsorte Elrauses, steht in naher Aussicht.
Die Anerkennung Krauses als Begründers und Ausbildners der
Mathematik im Sinne einer allgemeinen Wesenheitlehre, welche
neben der Lehre von der Gröfse und Grofsheit und von der Ganz-
heit bez. Unendlichkeit auch die Lehre von der Selbständigkeit
oder Selbheit und vom Verhältnis oder von der Verhaltheit im
weitesten Sinne umfafst, ist erst von der Zukunft zu erwarten.
Erschwert wird das Verständnis der Krauseschen Mathematik
durch eine Reihe ueuerfundener Zeichen. Der allenthalben schöpfe-
rische Denker hat sich uämlich auch mit dem berühmten Problem
einer Pasigraphie oder, wie er selbst sagt, Wesengestaltsprache ernst-
lich und mit Erfolg beschäftigt Es handelt sich um eine Bezeich-
nung der Gedanken lediglich durch Raumzeichen, unabhängig von
aller Lautspracke. Krauses tiefe Kenntnis der Raumlehre^) tritt
also hier in den Dienst der Bezeichnungskunst. Die vielen Werken
Krauses beigegebenen Figurentafeln sind Anfüge und Beispiele
seiner Wesengestaltsprache.
Daneben suchte er auch eine Wesenlautsprache ^) zu schaffen,
d. h. eine künstliche, dem Urbilde der Sprache überhaupt und der
Wissenschaftsprache '^) insbesondere entsprechende Lautsprache, un-
abhängig von und im Gegensatze zu den bisherigen natürlichen Laut-
sprachen der einzelnen Völker bez. Sprachgenossenschafteu.
Die vielen auffallenden, zum grofsen Teil recht umfänglichen
Benennungen der strengen deutschen Wissenschaftsprache*) Krauses
^) Ver^l. Anschauungen II, S. 226; Lehrbuch der Combinationlehre
und der Anthmetik 1812.
*) Vergl. Anschauungen III, S. 20, 43.
') Vergl. Anschauungen III, S. 151 f.
*) Vergl. Anschauungen II, S. 157, 170.
*) Vergl. Anschauungen II, S. 175. Von der Würde der deutschen
Sprache und von der höneren Ausbildung derselben überhaupt, und ah
Wissenschaftsprache insbesondere, Dresden 1816.
•) Vergl. Anschauungen II, S. 153, 175, 190, 193.
1893. Von und über Krause. 193
sind anzusehen und zu begreifen als ein wesentliches Mittelglied
zwischen dem gewöhnlichen Deutsch und der Wesen lau tsprache,
oder als ein anschauliches und unterrichtendes Beispiel der Fort-
bildung einer Volkslautsprache ^) nach den Gesetzen und dem Muster
der Wesenlautsprache, in erster Linie im Dienste der Wissenschaft.
Krause unterscheidet selbst in seinen eigenen Schriften zehn
verschiedene Weisen oder Stufen der Darstellung in deutscher Sprache
nach ihrer steigenden Wissenschaftlichkeit. Übrigens war es seine
Absicht keineswegs, die gewöhnlichen kurzen Wörter der Volks-
sprache für zusammengesetzte Begriffe, z. B. Recht, ganz abzuschaffen.
Nur wollte er daneben für die strengwissenschaftliche Behandlung
und zur bequemen Wiederholung die langen, wesengemäfsen Be-
zeichnungen einführen.
Die deutsche Sprache hat Krause auf das gründlichste durch-
forscht. Es gelang ihm, seinen Wissenschaftgliedbau (= System)
in reinem Deutsch darzustellen, und den bisherigen gelehrten
lateinisch - griechischen Mischmasch') als Wissenschaftsprache der
reinen Vemunftwissenschaft (als Terminologie der Philosophie) ent-
behrlich zu machen. Er beabsichtigte, nach ganz neuen, eigen-
tümlichen, wohldurchdachten Grundsätzen ein deutsches Wörterbuch
zu schreiben: ein Urworttum der deutschen Sprache. Die beiden
Ankündigungen desselben sind noch heute beachtenswert und werden
hoffentlich in Zukunft dazu beitragen, die Wortkunde (Lexikographie)
auf eine höhere Entwicklungsstufe zu bringen.
Nachdem die Hälfte der Vorarbeiten zum Urworttum fertig
war, blieb die Ausführung wegen Mangel an genügender Beteiligung
liegen.
Die umfangreichen Vorarbeiten zum Urworttum sind der am
wenigsten wertvolle Teil des Nachlasses.
Damit verbinden wir gleich das andere Werturteil, dafs die
Wesengestaltsprache Krauses uns weit bedeutender und zukunfts-
reicher scheint, als seine Wesenlautsprache.
Der Wissenschaftgliedbau Krauses umfafst auch die gesamte
Erfahrungswissenschaft, z. B. Geschichte der Wissenschaft überhaupt
und der einzelnen Wissenschaften, der Philosophie, der Mathematik,
der Religions- und der Rechtswissenschaft, Auszüge aus den Schriften
gottinniger Menschen (der Mystiker), Nebenstellen (Parallelstellen)
zu den einzelnen Sätzen des eigenen Systems aus den Werken
früherer und gleichzeitiger Denker u. s. w.. Schätze, welche zum
greisen Teile immer noch nicht gehoben sind.
Eine Haupteigentümlichkeit und ein Hauptvorzug der „Wesen-
lehre^, wie Krause mit Vorliebe sein System nennt (Wesen Gott),
weil alles einzelne in Gott, im Lichte des Gottesgedankens betrachtet
wird, ist die Forderung eines harmonischen oder syiitlietisclien Teiles
t — — — —
>) Vergl. Anschauungen III, S. 84.
') Vergl. Anschauungen 11, S. 314.
194 Hohlfcld, Heft 6 u. 7.
der Wissenschaft, einer gesetzmäfsigen Vereinigung der reinen Ver-
nunft- und der Erfahrungserkenntnis.
Krause bestreitet auf das entschiedenste, dafs die reine Ge-
schichtswissenschaft, wie so oft behauptet wird, „die Lehrerin", d. h.
die Hauptlehrerin, der Menschheit sei, höchstens sei sie eine „Unter-
lehrerin". Hauptlehrerin sei vielmehr die (auf die erfahrungs-
mäfsige Oeschichtswissenschafl) angewandte Philosophie der Ge-
schichte.
Durch gesetzmflfsige Verbindung der reinen Urbegriffe und
der Geschichtsbegriffe entstehen nun die Musterbegriffe, die ange-
wandten Ideen, so wie durch die Verbindung der Urbilder und
der Geschichtsbilder die Musterbilder oder angewandten Ideale.
Diese bieten, was die Lebenskunst erheischt, die hinreichende Be-
stimmtheit und die erforderliche Unbestimmtheit, welche nach den
sich stetig ändernden Umständen vollends durchzustimmen ist, worauf
dann das vollständig bestimmte innere Bild stufenweis in die äuCsere
zeitliche Wirklichkeit übertragen werden kann.
Vor allem sind es die Urbilder „der Menschheit, des Menschheit-
lebens und des Menschheitbundes ^, welche Krause am Herzen liegen.
„Urbild der Menschheit" ist der Titel eines der früheren und
zugleich der schönsten, ansprechendsten und verständlichsten Werke
Krauses.
Ende März 1808^) erfafste Krause den Gredanken des Mensch-
heitbundes mit voller Klarheit. Seine menschheitbundlichen Schriften ^)
stellte er noch über seine wissenschaftlichen Werke, wenn sich jene
auch als einen Teil, und zwar als den innersten und erstwesent-
lichen Teil seiner wissenschaftlichen Leistungen, ') ansehen lassen. ^)
Um dem Urbegriffe und dem Urbilde des Menschheitbundes
schliefslich den Musterbegriff und das Musterbild^) desselben zur Seite
stellen zu können, erforschte Krause aufs sorgfältigste die Geschichte
der Menschheit behufs Entdeckung der Vorahnungen des Menschheit-
bundgedankens und der Keime seiner geselligen Darlebung. In
diesem Sinne würdigte Krause den pythagoreischen Bund, den
Staatsgedanken bei Piaton, den christlichen Gedanken des allum-
fassenden Himmelreiches auf Erden, welcher nach seiner Ansicht in
der Ausführung sich freilich zu einem blofsen Keligionsvereine, der
christlichen Kirche, verengte, die Bestrebungen ^) eines Andrea, Come-
nius u. a., sowie der Freimaurerbrüderschaft. Krause glaubte 1817
die Entdeckung gemacht zu haben, ^) dafs die Stifter der Neu-
*) Vergl. Anschauungen II, S. 37; 24.
s) Vergl. Anschauungen II, S. 321 : III, S. 212, 269, 274.
>) Vergl. Anschauungen I, S. 196, II, fc$. 228.
*) Vergl. Anschauungen III, S 41.
^) Vergl. Anschauungen I, S. 205.
*) Vergl. Anschauungen II, S. 225: „Die menschheitbundlichen Ahn-
versuche sind stets von Wissenschaftforscnem und durch Wissenschaft be-
geisterten Gottinnigen ausgegangen.^
■'j Vergl. Anschauungen II, S. 163; Kunsturkunden IV, 1821, 3—36.
1893. Von und über Krause. 195
englischen Grofsloge (1717), Anderson und Desaguliers *) ihre Grund-
gedanken wörtlich aus Comenius entlehnt hätten.
Das glänzendste Ehrenzeugnis aber giebt er diesem in den
Worten (Anschauungen 11, S. 221) : „Comenius' Plan eines Wissen-
schaftgliedbanes verhält sich zu meinem Plane des Wissenschaftbaues
ähnlich, wie Comenius' Plan eines allgemein menschlichen Vereines
zu meinem Plane des Menschheitbundes. (S. dessen Panegersia.)"
Der handschriftliche Nachlafs Krauses nebst den mit Bemer-
kungen und Nachträgen des Verfassers versehenen Handexemplaren
der gedruckten Werke und den an ihn gerichteten Briefen wurde
in sechs mittelgrofsen Schränken aufbewahrt. Die Gefahr, dafs
derselbe in alle Winde zerstreut würde, oder unbeachtet zu Grunde
ginge, hat Krauses eifrigster Schtller, Hermann von Leonhardi,
glücklich abgewendet.
Der Nachlafs kam nach langwierigen Verhandlungen in die
Wohnung und unter die Aufsicht Leonhardis, des Schwiegersohnes
Krauses, während das Eigentumsrecht an demselben der Familie
Krause vorbehalten blieb, und wanderte mit Leonhardi von München,
wo der edle Dulder endlich von seinen unsäglichen Leiden Erlösung
gefunden hatte, nach Heidelberg und Prag.
H. von Leonhardi hat aus dem Nachlasse folgende Werke zum
Drucke befördert:
1) die vollkommen druckfertige, nur infolge äufserer Gründe
liegen gebliebene Religionsphilosophie'): 1834 Band I, 1836 das
Sachverzeichnis, 1843 die beiden Abteilungen von Band H.
2) 1836 die Lehre vom Erkennen und von der Erkenntnis
(eine Nachschrift von Vorlesungen an der Göttinger Hochschule).
3) 1843 die Lebenlehre oder Geist der Geschichte der Menschheit.
Femer veröffentlichte er kleinere Abhandlungen Krauses in
der von ihm herausgegebenen Zeitschrift: Neue Zeit (1869 — 1875,
11 Hefte), so die Menschheitgebote in Heft 5, den Glauben an die
Menschheit in Heft 6, den Entwurf eines europäischen Staaten-
bundes in Heft 7. Endlich veranstaltete er 1868 eine zweite, durch
die Verbesserungen und Zusätze des Verfassers bereicherte Auflage
der ersten Hälfte der „Grundwahrheiten" (1829) unter dem Titel:
„Erneute Vernunftkritik** und der ersten Hälfte der Vorlesungen
über das System der Philosophie (1828) unter dem Titel: „Empor-
leitender Teil**.
Eine zweite, unveränderte Auflage des längst vergriffenen „Ur-
bildes der Menschheit** (1811) hatte gerade 40 Jahre später (1851)
der älteste Sohn des Verfassers, Karl Krause, besorgt. 1835 gab
*) Vergl. Anschauungen II, S. 217.
*) „Die absolute ReRgionsphilosojphie in ihrem Verhältnisse zu dem
gefuhlglaubigen Theismus und nach aer in ihr gegebenen endlichen Yer-
mittluns des Supematnralismus und Rationalismus. Dargestellt in einer
philosopnischen Prüfung und Würdigung von Fr. Bouterwek's Schrift: die
Keli^on der Vernunft, und von Fr. Schleiermacher's Einleitung zu dessen
Schrift: Der christliche Glaube."
19G Hohlfeld, Heft 6 u. 7.
H. Schröder in München die völlig druckfertige Kurvenlehre Elrauses
heraus (Novae theoriae linearum curvarum specimina V): dieselbe
war einst in derselben Stadt von Schelling als Präsidenten der
Akademie der Wissenschaften als unbrauchbar, ohne Umschlag durch
den Akademiediener dem Verfasser zurückgeschickt worden.
1837 veröffentlichte Leutbecher den gleichfalls völlig druck-
fertigen Abrifs der Ästhetik, und im folgenden Jahre (1838)
V. Straufs (später von Straufs und Torney) die Anfangsgründe der
Theorie der Musik, die er mit sinnigen Versen einleitete.
Verdienstvoll war, dafs Lindemann 1839 das Leben und die
Wissenschaftlehre Krauses aus des letzteren Handschriften zusammen-
stellte und herausgab.
1848 erschienen Krauses Vorlesungen über psychische Anthro-
pologie in der eilfertigen Bearbeitung und angeblichen stilistischen
Verbesserung von H Ahrens, womit Leouhardi ganz unzufrieden
war. Wider des letzteren Willen wurden Krauses Vorlesungen
über Rechtsphilosophie 1874 von Röder herausgegeben, der wert-
volle Bemerkungen beifügte.
Nachdem Leonhardi 1875 in Smichow bei Prag gestorben war,
kam Krauses Nachlafs infolge Verabredung der von Leonhardi zur
Fortführung seines Werkes ausersehenen und darum zu Erben er-
nannten Männer 1877 in die Verwahrung P. Hohlfelds in Dresden.
Sein gesamtes beträchtliches Vermögen hatte Leonhardi laut Testa-
ment in erster Linie zum Drucke des handschriftlichen Nachlasses
seines Meisters bestimmt, und das Smichower Bezirksgericht hat in
Gemeinschaft mit einem vom Gericht ernannten Kurator der Leon-
hard Ischen Verlassenschaft darüber zu wachen, dafs die Erben die
im Testamente getroffenen Bestimmungen des Erblassers genau be-
obachten.
P. Hohlfeld und A. Wünsche, beide in Dresden, vereinten sich,
nachdem ihr Versuch, die „Neue Zeit^ fortzuführen, und auch der
Plan des letzteren, eine streng wissenschaftliche Zeitschrift als Organ
der Krauseschen Philosophie herauszugeben, an dem Widerspruche
des Gerichts gescheitert war, zur Veröffentlichung von Krauses
Handschriften.
Es erschienen nunmehr in rascher Folge : 1882 die Vorlesungen
über Ästhetik (eine gröfsere Lücke in der von Ejrause durchgesehenen
Handschrift konnte nach dem Ankauf der vollständigen Niederschrift
Edmunds von Hagen, welcher Krauses Vortrag mittelst der Horstig-
sehen Stenographie nachgeschrieben hatte, glücklicherweise ergänzt
werden) und das System der Ästhetik, welchen Hohlfeld erklärende
und vervollständigende Anmerkungen beifügte; 1883 die Dresdner
Gemäldegalerie, die Landverschönerkunst , welche Baurat Vorherr
in München herausgeben wollte, und die bereits 1832 als erschienen
buchhändlerisch angekündigt, aber in Wahrheit noch gamicht ge-
druckt war, und die Keisekunststudien ; 1884 die Methode des
akademischen Studiums, die Vorlesungen über synthetische Logik,
welche trotz der aufserordentlichen Schwierigkeit des Verständnisses
1893. Von und über Krause. 197
nnerwartet reichen Absatz fanden, und die Einleitung in die Wissen-
Bchaftslehre (von Krause früher : Einleitung in die Litteraturgeschichte
genannt); 1885 die angewandte Philosophie der Geschichte und der
analytisch - induktive Teil; 1886 die reine allgemeine Vernunft-
wissenschaft und der Abrifs des Systemes (einschliefslich der zweiten
Abteilung, des absteigenden Teiles, welche in der 1825 bezw. 1828
vom Verfasser selbst besorgten Ausgabe gefehlt hatte); 1887 die
Geschichte der Philosophie; 1888 die Sittenlehre (1810) in zweiter,
sehr stark vermehrter Ausgabe; 1889 die neueren philosophischen
Systeme (Kants, Fichtes und Schellings), der Grundrifs der Philo-
sophie der Geschichte, Philosophische Abhandlungen (darin die drei
lateinischen Habilitationsschriften Krauses fllr Jena 1802, Berlin 1814
und Göttingen 1824, die erste und die dritte zugleich in deutscher
Übertragung des Verfassers, und drei Abhandlungen über Mathe-
matik) und der sehr vermehrte ableitende Teil der Vorlesungen
über das System der Philosophie (1828); 1890 das Eigentümliche
der Wesenlehre, worin Krause selbst die Haupteigentümlichkeiten
seiner Lehre kennzeichnet und dieselbe streng sachlich, wie die
Leistung eines anderen, beurteilt; 1890—1892 drei Bände An-
schauungen (teils Beiträge zur Lebensgeschichte des Verfassers,
teils Einzelsätze aus den verschiedensten Wissenschaften , die er
nicht sofort an der gehörigen Stelle des Wissenschaftglicdbaues
eintragen konnte) ; 1892 aufserdem die Anfangsgründe der Erkenntnis-
lehre; 1893 das Werk „Zur Keligionsphilosophie und spekulativen
Theologie**, der Abrifs der Geschichte der griechischen Philosophie
und Aphorismen zur Sittenlehre.
Mittlerweile hatte Wünsche allein 1891 die Sprachphilosophie
herausgegeben; desgl. Dr. jur. Mollat 1890 das Naturrecht (die 2. Ab-
teilung zum erstenmal, während die 1. Abteilung bereits 1803 für
sich erschienen war) und 1893 Krauses Bemerkungen und Erläute-
rungen zu Fichtes Grundlage des Naturrechts. 1891 fertigte Trömel
ein Verzeichnis zu dem emporleitenden (1868) und dem ableitenden
Teile der Vorlesungen über das System der Philosophie, nebst
Nachträgen (1889).
Damit ist aber der handschriftliche Nachlafs Krauses noch lange
nicht erschöpft. Die bisherigen Herausgeber Mollat, Hohlfeld und
Wünsche gedenken mit Gottes Hülfe rüstig weiter zu arbeiten, und
als neue Mitarbeiter sind Oberlehrer R. Vetter in Dresden und
Professor Mucke in Dorpat gewonnen. Vielleicht tragen auch diese
Mitteilungen dazu bei, neue Kräfte uns zuzuführen!
Nachrichten.
Die Eigenart der Persönlichkeit und ihrer Bedeutung brachte es mit
sich, dafs Comenius" Thätigkeit bisher in erster Linie von Männern be-
trachtet und gewürdigt worden ist, die von Beruf Philosophen, Grottes-
gelehrte oder Vertreter der Erziehungslehre waren. Indessen darf darüber
nicht vergessen werden, dafs der erste, der das Andenken des C. in un-
serem Jahrhundert wirksam erneuerte, von Beruf ein Creschichtschreiber
im engeren Sinn, d. h. ein Vertreter der politischen Greschichte, gewesen
ist — Anton Gindelj. Da ist es denn nun von Wichtigkeit, dafs auch
jetzt, bei Gelegenheit der Jahrhundertfeier, Gindely abermals zur Feder ge-
griffen hat, um eine zweite Auflage seiner Arbeit : „Über des Johann Arnos
Comenius Leben und Wirksamkeit in der Fremde" zu veranstalten. Sein in-
zwischen eingetretener Tod (f am 24. Okt. 1892, s. M.H. der CG. 1892, S. 322)
hat die Ausgabe verzögert; jetzt ist die Schrift erschienen (Znaim, Foumier
& Haberler, Preis 2 Mk.) und wir werden in Kürze an anderer Stelle
darauf zurückkommen. Die Bedeutung dieser Veröffentlichung liegt,
wie bemerkt, abgesehen von ihrem Inhalt, zugleich in der Person und
der Stellung des Verfassers. Angesichts des Umstandes, dafs die politischen
Historiker die Bearbeitung der Lebensgeschichte von Päpsten, Kardinälen
und Bischöfen oder auch der Geschichte der Reformatoren und der He-
formation als zu ihren Aufgaben gehörig betrachten, darf angenommen
werden, dafs nach Gindelys Vorgang auch noch andere Geschichtsforscher
im engeren Sinn sich dieser oder verwandten Aufgaben unserer Gesellschaft
zuwenden werden. In der That sind denn auch eine Reihe bekannter Ver-
treter der politischen Geschichtschreibung — wir nennen unter anderen
die Herren von Below (Münster), von Bezold (ErlangenX Caro (Bres-
lau), K lu ck h o hn (GöttingenX Los er th (Graz), O n c ke n (Giefsen), Watten -
bach (Berlin) — Mitglieder unserer Gesellschaft geworden.
Herr Professor Dr. Kvacsala in Prefsburg — D.M. der CG. — ist von
der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Prag beauftragt worden, die Briefe
von nnd an Comenins, soweit sie an aufserösterreichischen Fundorten noch
zu ermitteln sind, behufs Herausgabe zu sammeln. Herr Kvacsala wird sich
zu diesem Zweck noch im Laufe des Sommers nach Paris, London nnd
1893. Nachrichten. I99
Stockholm begeben. Die Königl. Akademie hätte den bezüglichen Auf-
trag in keine geeigneteren Hände legen können. Herr Kvacsala ist, wie
sein ßuch beweist, gegenwärtig der genaueste Kenner des gesamten
Quellenmaterials zur Geschichte des Comenius. Seine Kenntnis der deutschen,
slavischen, ungarischen und französischen{Sprache wird ihm bei seinen Ar-
beiten ein ausgezeichnetes Förderungsmittel sein. Der Briefwechsel des C,
den Patera im Jahre 1892 herausgegeben hat, umfafst kaum die Hälfte des
schon heute bekannten Stoffes. Durch Kvacsalas Reisen dürfte noch weit
mehr an das Licht kommen. Wir bitten unsere Mitglieder, zumal
die ausländischen, ihn kräftig zu unterstützen.
Dafs die beiden gröfsten Gelehrten Deutschlands und Italiens im
vorigen Jahrhundert, 6. W. Leibniz und L. A. Muratori, im Briefwechsel
mit einander gestanden haben, war schon längst bekannt. A. y. Reumont
hatte in der Kieler Monatsschrift 1854 Mitteilungen über ihn gemacht,
nachdem zuvor der Marchese Giuseppe Campori gelegentlich der Enthüllung
des Denkmals für Muratori in Modena darüber gehandelt hatte. Jetzt liegt
uns die vollständige Korrespondenz des alternden Leibniz mit dem viel
jüngeren italienischen Gelehrten aus den Jahren 1708 bis 1716 mit einigen
dazugehörigen Briefen anderer Personen in einer ausgezeichneten Ausgabe
vor, welche Herr Matteo Campori zuerst in den Atti e Memorie della
R. Deputazione di Storia patria delle Provincie Modenesi. Ser. IV. T. III.
1892 hat abdrucken lassen, dann aber auch unter dem Titel: Corrispon-
denza tra L. A. Muratori e G. G. Leibniz conservata nella R.
Biblioteca di Hannover ed in altri istituti. Modena 1892 XLIH u.
335 S. in gr. 8® besonders herausgegeben hat.
Centralbl. f. Bibliothekswesen.
In nächster Zeit erscheint im Verlage von Herm. Heyfelder in Berlin
(R. Gaertners Verlagsbuchhandlung) ein Buch: Johann Bfinderlin und die
Anfange des Täufertums in Oberösterreich von Dr. Alezander Nicola-
doni, Hof- und Gerichtsadvokat in Linz a. Donau. Johann Bünderlin ist
jener originelle Vorläufer Sebastian Francks, der im 16. Jahrhundert das
„geistige Christentum^ am wärmsten zum Ausdruck gebracht hat und dem
Schellhom, Hagen, Gerbert und in neuester Zeit A. Hegler in „Geist und
Schrift bei Sebastian Franck^ Beachtung geschenkt haben. Dr. Alex. Nico-
ladoni bringt eine Reihe bisher unbekannter biographischer Daten, weitere
ausführliche Auszüge aus bereits bekannten und nicht bekannten Schriften
Bünderlins. Nicoladonis Buch enthält endlich interessante Nachrichten über
den Gang der Reformation und der Täuferbewegung in Oberösterreich, einen
der Herde der letzteren, in den Jahren 1526 — 1531 und belegt dieselben
mit zahlreichen, bisher noch nicht veröffentlichten Urkunden. Wir werden
nach dem Erscheinen des Werkes eingehender darauf zurückkommen.
Descartes über Comenins. Comenius war, wie den Kennern seiner
Philosophie bekannt ist, nicht in allen Auffassungen mit Descartes ein-
verstanden. Insbesondere fafste C. das Verhältnis zwischen Philosophie
und Theologie anders auf als Descartes. Um so interessanter ist folgendes
MonatBhefte der Comenins-Oesellschaft. 1893. 14
200 Nachrichten. Heft 6 u. 7.
Urteil des Descartes über des C. Pansophie, wie ee sich bei Kvacsala,
Ciomenius, Belege upd Erklärungen S. 67 findet. Es ist den für die Gre-
schichte nnseres Forschungsgebietes reichen Sloane-Mss. des Britischen
Museums entnommen und lautet:
Judicium de Opere Fansophico. Quemadmodum Deus est unua et creatjü
NcUuram unam simplicem, continuam ubique stbi eohcurentem et respondentem,
paucissimis canstcmtem Principiis dementisque, ex quÜMB infinitis propemodum
res, sed in tria regna Min., Veget. et Änimcde certo inter se ardine gradibusque
disHncta perduxit; Ha et haarum rerum cognitionem oportet ad simüitudinem
unius Creaioris et ünius Naturae universam, simpUcem^ continuam, non inter-
ruptam, paucis constantem principiis {imo unico Principio principali) vnde
caetera omnia ad speddliitsima usque individuo nexu et sapientissimo ordine
deducta permanent, ut Ha nostra de rebus universis et singuUs contemplatio
simiUs Sit Pictwrae vel speado, üniversi et Singülarum ^usdem Partium imor
ginem exactissime repraesentanti. De modo autem speeulum eiusmodi con-
ficiendif naturae maxime consentaneus iUe videtwr (quem et Comenius hoc de re
libros mundi utriusque Majoris nimirum et Minorts cum libro Scripturae ut
audio potissimum consulentem sibi digere oonjicio) qui Vestigia Creatoris in
prodwxndis rdms accwraiissime öbservet, ita ut ex rationis lumine primo
pröbdur; necessario concedendum esse rerum conditorem et Deum, deinde Crea-
twrae eo pertractentur modo, quo Moses eas in Genesi sua procreatas lucuUnter
descripsit: quarum gubemationem libri profani, praecipue vero sacri ad finem
usque saeculorum continuandam expUcant, denique ad Deum^ tamquam ad
Punctum vd Centrum unde progressus omnia educamus. Sie uti ex uno per et
aä uwum swnt omnia^ ita et horum Ex, per et ad unum Contemplatio utüissima
juxta atque jucundissima est futwra.'^
Der soeben zur Versendung gelangte Katalog 198 des Antiquariats von
Heinrich Kerler in Ulm, enthaltend Philosophie (Religionsphilosophief
Naturphilosophie und Ästhetik), giebt ein Verzeichnis wertvoller älterer und
neuerer Schriften, die das Forschungsgebiet unserer Gesellschaft berühren.
Insbesondere sind die im Arbeitsplan unserer G-esellschaft unter B auf-
geführten sog. Naturphilosophen des 16. und 17. Jahrhunderts und der sog.
Aufklärung des 18. Jahrhunderts stark vertreten. Wir verweisen z. B. auf
Nr.l56— 166(vonundüberBacoXNr.283(Rob.BoyleXNr.812— 815(BrunoX
Nr.419(Coornhert), Nr. 660—735 (J. G. Fichte), Nr.895— 899 (GrotiuaX
Nr. 1096— 1118 (Her bartX Nr. 1804— 1418 (Kant), Nr. 1588— 1616 (Leib niz),
Nr. 1657—1666 (Locke), Nr. 2507—2580 (Schleiermacher) u. s. w.
Pierer'sohe Uofbuchdruokerei. Stephan Oeibel A Co. in Altenburg.
Aus dem Inhalt des ersten Bandes (1892).
ÜAMT ArbcMsplaa (S. III-VIII). Abluuidliuiff«a: P. Hohlfeld, J. A.
Coraenius nnd K. C. Fr. Krause. — K. Mtapel, Die interkonfessioDellen Friedensideale
des J. A. Comenius. — A. Israel, Das Verhältois der „Grossen Unterrichtslehre^ des
Comenius zu der Didaktik Ratkes. — Llidw. KeNer, Joh. Valentin Andreae und
Comenius. — QiuUtn und TOT96htakgmk: Joe. Miller, Zur Bücherkunde des Comenius.
— M. Kvaceaia, Zur Lebensgeschichte des Comenius. — Kltlaer« Mltttilwnrm ■
E. Pappenhetay Die erste Ausgabe des Orbis pictus. — M. Toeppe«, Zur Lebensgeschichte
des Comenius. — 0. Radlachy Der Aufenthalt des Comenius in Thorn im Herbst 16d4. —
Ed. Bodemaae, Ein Gedicht von Leibniz auf J. A. Comenius. — Ed. Bodenann, Ein
Stammbnchblatt von Comenius. — Hageaeus redivivus von J. A. Comenius.
Wieder aufgefunden von Joe. MQIIer in Bermhut. — Aus neueren Handschriften-
Verzeichnissen. Zur Geschichte der Waldenser ü. s. w. — Joe. Müller, Die Bilder des
Comenius. — J. Parnentler, Itobert Hebert Quick. — Ed.4leBrl Robert, Ed. L. Robert.
— mtwatop a w i e ll ta : Die Comenius- Litteratur seit 50 Jahren. — Die gedruckte
Litteratur zur Geschichte des Didaktikers Wolfgang Ratichius. Zusammengestellt von
Gideon Vogt. — KrlMkaii und B#mrMlimi|rBB- — MmtHaM^n. — Qmmäfää6h&r
Tail (darin die Satzungen der C. G., die Geschäftsordnung für den Gesamt-
Torstand u. s. w.).
Inhalt der Mittheilungen, Nr. 6 und 7 1893.
Volknlioohflohvlail. Von Lndwig Keller.
HB1iftni>ll>W ■ I>or ■ogenannte Frankfurter LehrpUn. ^ Der Berliner Fröbelverein. — Mitteilungen
de« Vereins der Freunde Herbartischer Pädagogik in Thüringen. — Die Wiener Volktbibliotheken.
— Madchengymnasien in Deutschland — Kundgebungen des deutsch-Österreichischen Lehrerbundes
in Angelegenheiten der Schulfrage. — Gründung des Lehrervereins Comenius in TuUn (Nieder-
österreich). — Vom englischen Lehrerbund. — Oesellsohafk für Verbreitung von Volksbildung. —
Statten von Volksunterhaltungsabenden. — Neueinteilung und Einrichtung der Kirchengemeinden
in Altenburg (Sachsen) nach dem Gemeindeprinzip von D. SuUe. — Von den sieben Abteilungen
des internationalen Kongresses für Gemeinnützigkeit. — Historisch-statistische Schriften über das
deutsche Schulwesen. — Heilkunde. — Die Gesamtausgabe der Werke Grisanowskis. — Lagarde-
Sttftnng.
fltWlliOlmffhi AH|rftl^ff<>Wh<^tfm ' Die Comenius-Zweiggesellsobaft (C.Z.G.) Amsterdam. -
£. Hiltys ^Glück". — Julius Beeger. — Original - Abbildungen aus dem Leben des Comenius. — Be-
sprechung der C. G. durch die österreichische Volkszeitung. — Das Leibnizhaus in Hannover. — Prof.
Dr. Phil. Schaff.
Pttrsöallohefl.
Erste Boiläcr*. ^^^ ^^' 6 u. 7 : Übersicht über den Verlauf der Jahrhundertfeier für
Comenius (Fortsetzung).
Zuretto Bellafl^e zu Nr. 6 u. 7: Ge8chäft.<)ordnung für die Hauptversammlungen und
Kongresse.
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen, welche der Gesell-
schaft als Patrone, Stifter oder Teilnehmer beitreten, gegen Nach-
zahlung' der Jahresbeiträge (s. die folgende Seite) ftlr 1892 bis auf weiteres
unentgeltlich geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Der zweiten oder dritten Nummer jedes Jahrgangs wird ein Zahlungs-
formular behnfs Berichtigung des Jahr68b6itrftg^ beigefügt. Falls bis zum
1. Juli die Zahlung nicht erfolgt ist^ wird angenommen, dafs die Mitglieder
mit der Erhebung durch Postauftrag einverstanden sind.
Mitglieder, welche einen Teil der Veröffentlichungen des jeweilig laufenden
Jahres in Empfang genommen haben , können ihre Abmeldung erst zum
1. Januar des nächstfolgenden Jahres bewirken.
Wegen greschäftlichep Anzeigren oder Beilagren litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig-Gohlis, Lange Str. 47 '\
wenden. Anzeigen 15 Pf. die gespaltene Petitzeile; Beilagen nach Vereinbarung.
Etwaijpe Orts- und AVohnungfsweehsel wollen unsere Mitglieder der
Geschäftsstelle der Comenius- Gesellschaft, Munster i. W., Woi
beckerstr. 4*, gefllUigst mitteilen.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Gesellschaft (C. €r.) hat sieb wissenschaftliclie und
gr6melnnützlg'e Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatshefte (M. H.), zur Förderung der letzteren die Mitteilungen
(H. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Elnzelschriften hat begonnen.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom * Mitglieder, welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
sXmtliehe Yeröifentlichungen der C. 6.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als Abteilungs-Mitglieder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mitteilungren der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pflegre der AVissenschalten im Geist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Reilgrion, Philosophie, Geschicllte und Er-
ziehungfslehre berücksichtigen und für die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Mitteilungen sind zur Förderung der gremeinnützigren Aufgaben
bestimmt, welche sich die C. 6. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten: 1. Kürzere Leitauf'sätze aus dem Gebiete der Bildungspflege,
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte.
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 8. Gedanken, Aussprüche und Bemerkungren. 4. Gesell-
schafts -Angrelegrenheiten. 5. Bücher und Zeitschriften.
Durch die „YortrBge und Aufsitze aus der Comenias-Oesellsehaft^^
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen, die wir als Sonderabd rücke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
Vorträgre veröffentlicht werden, die von Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlungfen, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Gebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Comenius zu fördern.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 80, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder-AbzÜg^e unberechnet; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreffende Heft unberechnet zur Verfügung gestellt.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Gcibel & Co. in Altenburg.
Alle Bechte vorbehalten.
Inhalt
des achten und neunten Heftes 1893.
A. Abhandlungren. ^'^^
Lettan (Königsberg i. Pr.X Johann Georg Hamann als Greistesverwandter des
Comenius 201
Baehzln^, Beruh., Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen 214
B. Quellen und Forscliungren.
Xvaosalai Job., Zur Lebensgeschichte des Comenius (Fortsetzung) 226
C. Kleinere Mittellungren.
Aus neueren Handschriften -Verzeichnissen (Briefe von und an Val. Andreae in
Wolfenbüttel) 23:3
D. Lltteraturberlcht.
Anton Gindely über Comenius 23^
Zoubek-Nov&k, Leben des Comenius 24:^
Neueste Comenius-Litteratur 246
E. Zur Bücherkunde.
Brunei, Q.f Litteratur über Joh. Val. Andreae aus den letzten hundert Jahren. 249
F. Vaohrloht^B. Besprechungen und Berichte Über die Comenius-Oesellschaft und ihre Zeit»
Schriften. — Gedenkfeier der Beformation in Schweden. — Das pädagogische Wörterbuch
der böhmischen Lehrervereine. ^ Histor. Kommission in Mtinehen. — Gesellschaft f. deutsche
Er7.iehungs> und Schulgeschichte. — Goethe>Oesellschaft. — Ungarische Übersetzung ron
Kvacsalas Leben des Comenius. — Die böhmischen Brflder und die Beformierten. — Geschäft«
liehe Nachrichten 2>4
Die Monatlhefte erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August und Sop-
tomber). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav). Postzeitungsliste Nr. 4296 *>.
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaft, Archiv* Rat Dr. Keiler
in Münster I. W. oder an den Vorsitzenden des Redaktions- Ausschusses , Diakonu.«
Jos. Müller in Herrnhut I. S. zu richten. Für die Redaktion verantwortlich: Diakon u$
Jos. Müller in Herrnhut I. S.
Jahresbeitrftffe (vgl. S. 4 des Umschlags), sowie wtnmaUge Zuwendnnsreii
bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C, Burgstrasse,
zu senden.
Anmeldwiffen zur Gesellschaft und Jahresbeiträge nehmen femer an:
B. Voifirüänder's Verlag, Letpstg-Gohlis, Lange Str. 47b. -. A. pfohiers
Witwe ft Sohn , Wien V., Margarethenpl. 2. — Fr. BitmM, Buchhandlung, Prag,
Museumsgebäude. — Williams ft Norgate, Buchhandlung, l4 Henrietta-Str., Covent
Garden, London. — Buchhandlung Fisohbaoher, Paria, Bue de la Seine 33. —
Buchhandlung von Johanne« Mttlleri Amsterdam, Singel 286. — Buchhandlung von
Meyer ft Zeller, Zttrioh, Rathausplatz. — O. E. Fritse's Hofbuchhandlung, Btook-
holm. — Oammermeyer's Buchhandlung, Ohrisüania.
Naohdrnok unserer Nachrichten und Berichte ist nur mit Quellenangabe^ d«'r
gröfseren Beiträge nur mit Einverständnis der Schriftlcitung gestattet.
der
Comenius - Gesellschaf t.
II. Band. — 1893. — Heft 8 u. 9.
Johann Georg Hamann als Geistesverwandter
des Comenius.
Von
Lettau, Königsberg i. Preaben.
Vßi^ebens habe ich bis jetzt darauf gewartet, dafs von
anderer Seite auf eine Lücke in der Reihe derer, die der Arbeits-
plan unserer Gesellschaft als Geistesverwandte des Comenius
nennt, hingewiesen und somit gewissermafsen ein begangenes Un-
recht gut gemacht werden möchte. Neuerdings haben mich aber
einerseits der Hinblick auf die sich stetig mehrenden bedroh-
lichen Zeichen der Zeit, andererseits auch Verpflichtungen be-
sonderer Dankbarkeit wiederholt aufs lebhafteste gemahnt, mit
der obigen Klage nicht länger zurückzuhalten und auf eine
Persönlichkeit aufmerksam zu machen, die in ihrem äufsem und
innem Leben, in ihrem Wollen und Wirken unserm Comenius
näher als sehr viele andere steht — auf eine Persönlichkeit, die
diesem insbesondere darin verwandt ist, dafs sie emstlichst be-
strebt gewesen, „eine über den Streit der Parteien und
Kirchen erhabene christliche Denkweise auf der
Grundlage echter Humanität zur Geltung zu brin-
gen** (s. „Arbeitsplan").
Dafs hiermit von dem in der Überschrift dieses Aufsatzes
genannten Johann Georg Hamann nicht zu viel gesagt wor-
den ist, möge an dieser Stelle vorerst in kürzerer Ausführung
und — wenn es wünschenswert erscheinen sollte — später ein-
gehender, vollständiger dargelegt werden.
Monatshefte der Comenius-Gesallschaft. 1S93. 15
202 < Lettau, Heft 8 u. 9.
Eine auffallende Ähnlichkeit zwischen Comenius und
Hamann zeigt sich, wie oben bereits angedeutet, zunächst
schon in ihrem äufsern Lebensgange: Sie wachsen beide in
engen Verhältnissen auf, müssen schon beim ersten Schulunter-
richt die Mängel der zu ihrer Zeit meist üblichen Lehrweise an
sich selbst und an den ihnen Nahestehenden schmerzlich er-
fahren; sie werden im spätem Leben meist dornenvolle Wege
geführt, „mit rauher Hand aus einem Gefäfs ins andere ge-
schüttet".
Wir finden sie bald im Osten, bald im Westen oder in der
Mitte unseres Kontinents; folgenreiche Anregungen erhalten sie
in England, obwohl sie dem ursprünglichen Zwecke ihrer Reise
dorthin nicht gerecht werden konnten. Die zwei gewaltigen
Kriege ihrer Zeit — der 30jährige und der 7jährige — zeigen
ihnen eindringlichst, dafs „die Sünde", insbesondere Intoleranz,
Eroberungs- und Herrschsucht, „der Leute Verderben ist". Als
ihnen sodann nach vielen Jahren voll schwerer, aber doch „köst-
licher Mühen" (Ps. 90, 10) der Osten, dem sie entstammten,
keine ruhige Heim- und Schaffensstätte mehr gewähren wollte,
folgten sie endlich dem Rufe jugendlicher Freunde und b^eisterter
Verehrer nach dem Westen, wo sie die noch übrige Zeit
ihres Lebens in erwünschtem Frieden wirken und die letzte
Ruhestätte finden sollten.
Eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen beiden zeigt
sich auch darin, dafs sie von den edelsten und erleuchtetsten
ihrer Zeitgenossen viel gepriesen und bewundert, ja angestaunt
wurden, und dafs dessen ungeachtet doch bald nach ihrem Tode
„die Mehrheit des Volkes diese Wurzelmänner" — um es mit
einem trefflichen Ausdruck Sailers zu sagen — „vergessen,
ja als Schwärmer und Mystiker verspottet und Gras und Laub
andächtig auf ihre Altäre gestellt hat". Nun aber treibt die
Not der Zeit, insbesondere der Zwiespalt unter den Völkern,
der Hader unter den politischen und konfessionellen Parteien,
die lange Vergessenen und Verkannten wieder auf den Schild
zu erheben als Vorbilder und Führer, denen es von Gott ge-
geben ist, das die Völker Einigende, Läuternde und dadurch
wahrhaft Beglückende und Erhöhende zu erfassen und ein-
dringlichst zu zeigen.
Dafs im nachfolgenden vorwiegend von Hamann die Rede
sein und das Verwandte aus dem Leben und Schaffen des Co-
1893. Hamann als Geistesverwandter des Gomenius. 203
meniuB als bekannt Torausgesetzt wird^ bedarf wohl kaum der
Entschuldigung.
Der erste Unterricht, den Hamann erhielt, war, wie bereits
angedeutet, teils ein mangelhafter, t^ ein gänzlich verfehlter.
„Konrektor Röhl,*^ so hören wir Hamann selber klagen (s,
Schriften, von Roth herausgegeben, I, S. 155 £P.), „in dessen
Schule ich die Vorbereitung für eine der obem Gjmnasialklassen
erhalten sollte, schmeichelte mir und sich selbst, einen grofseh
Lateiner und Griechen erzogen zu haben; sein Sohn brachte
mich weit in der Rechenkunst; aber es geht das alles verloren,
wenn das Urteil nicht entwickelt wird. Ich fand mich mit einer
Menge von Wörtern und Sachen auf einmal überschüttet, deren
Verstand, Grund, Zusammenhang und rechten Gebrauch ich
nicht kannte. Während ich mich in einigen Dingen weiter be-
fand, als ich es bedurfte, so war ich dafür in weit nützlichem
und nötigern ganz zurückgelassen — weder Historie, noch
Geographie, noch die geringsten Begriffe von der Schreibart
und Dichtkunst — .** Erst auf der Universität (Königsberg) fand
er ähnlich wie Gomenius in seinem Aisted u. a. Lehrer,
die es besser verstanden, ihn allseitig anzuregen und zu fördern.
Er erwähnt zunächst mit besonderer Anerkennung den „berühm-
ten Kuntze", dessen Schüler in allen Teilen der Philosophie
und Mathematik er gewesen. Mehr noch rühmt er einen zweiten
Universitätslehrer, Professor Rappold, als einen Mann, „der
einen besondern Scharfsinn besafs, natürliche Dinge zu beur-
teilen mit der Andacht, Einfalt und Bescheidenheit eines christ-
lichen Weltweisen, und eine ungemeine Stärke, den Geist der
römischen Schriftsteller in ihrer Sprache nachzuahmen**. „In
einem kleinen Bezirk der Welt nützlich, war er zii einem gröfsern
geschickt, ihr unbekannt und verborgen, der aber sich, die
Natur und den Schöpfer desto besser kannte, sich selbst ver-
leugnete, der Natur bescheiden und unermüdlich nachging und
den Schöpfer in kindlicher Einfalt verehrte.** — Wer erkennt
nicht in Rappold eine Persönlichkeit, die in mehr als einer
Hinsicht Val. Andreae und dessen Einflufs auf Gomenius
in Parallele zu stellen wäre?
Die bei seiner Vorbildung erfahrenen lebhaften Eindrücke,
die allerdings einerseits trübe und hemmende, andererseits aber
erfreuliche und fbrdersame waren, haben wesentlich dazu bei-
getragen, dafs Hamann, ebenso wie Gomenius, besondern
15*
204 Lettau, Heft S.u. 9.
FleiTs und Eifer auf die Lösung „des gröfsten und wichtigsten
Problems der Menschheit, der Erziehung des heranwachsenden
Geschlechts" (Kant), verwendet hat.
Mit grofser Freudigkeit beginnt Hamann schon frtthe,
in seinem 22. Lebensjahre, seine Lehrwirksamkeit, und zwar
als Erzieher der beiden Kinder einer verwitweten Baronin v. B.
in Kurland. Ek* bezeichnet den Anfang, den er hier in der Er-
zieherpraxis gemacht, als einen schweren, „da er sich selbst,
seine Unmündigen und eine unschlachtige, rohe und unwissende
Mutter zu ziehen gehabt**. Wie gewissenhaft er es aber dort
in seinem Berufe nahm, ersieht man aus einem Briefe, den er
mit rückhaltloser Wahrheitsliebe bescheiden mahnend an die
Baronin geschrieben hat« „Ich nehme mir die Freiheit," heilst
es darin unter anderm, „Euer Gnaden um einige Hülfe in der
Arbeit anzusprechen. Gewissenhafte Eltern erinnern sich ja der
Rechenschaft, die sie von der Erziehung ihrer Kinder Gott und
der Welt einmal ablegen müssen. Dieselben in Puppen, Affen,
Papageien oder sonst etwas Derartiges zu verwandeln, haben
wir kein Recht. Sie werden dem Hofmeister ihrer Kinder nicht
zuviel thun, wenn sie ihn als einen Menschen beurteilen, der
seine Pflicht mehr liebt, als zu gefallen sucht etc." Nachdem
die eitle Mutter, durch dieses Schreiben verletzt, Hamann
verabschiedet hatte, wurde derselbe Hofineister der beiden Söhne
des Generals v. Witten auf Grünhof (Kurland). Herr von
Witten erkannte gar bald die Tüchtigkeit Hamanns. „Die
Fortschritte meiner Zöglinge," so schreibt Hamann erfreut an
seine Eltern, „machen den Vater glücklich und gegen mich er-
kenntlich; er redet bisweilen mit nassen Augen von uns gegen*
andere, und giebt mir auf alle Weise zu verstehen, wieviel er
von mir hält."
Im übrigen urteilt er aber sehr bescheiden von seiner Er-
zieherthätigkeit: „Gott gab mir viel Geduld, Klugheit und Glück
(bemerkter in seinem „Lebenslauf"), das wohl hauptsächlich eine
Wirkung des Gebetes meiner frommen Eltern und eine Nach-
sicht göttlicher Gnade und Langmut gewesen ist," Die prak-
tischen Lehrversuche Hefsen ihn die Wichtigkeit des Erzieher-
berufes immer inniger erfassen und mehrten seine Einsicht in
denselben. Darum hat er (ebenso wie Comenius) im spätem
mühe- und unruhvollen Leben jede Gelegenheit freudig wahr-
genommen, um sowohl Kinder und Jünglinge selber zu untei^
richten, als auch andern, namentlich seinem Brüder und seinen
1893. Hamann als Greistesverwandter des Comenius. 205
Freunden, Rektor Lindner und Herder, didaktische Wei-
sungen zu erteilen.
„Sie wissen," schreibt er an Lindner in den „5 Hirten-
briefen über das Schuldrama" (s. Schriften Bd. H, S. 421),
,,wie gern ich von solchen Dingen plaudere, die Kinder und
den gemeinen Mann angehen; denn der wahre Menschenfreund
buhlt um die Stimme des Volks, und das Lob der Unmündigen
ist die Stärke seines Nachruhms." — Wiederholt bezeugt er
nachdrücklichst; dafs ihm der Erzieher-(Lehrer-)Beruf als der
höchste gilt »Der Wert einer Menschenseele," heifst es in den
„Briefen über das Schuldrama " (Schriften II, S. 413 ff.),
„kann nicht durch den Gewinn dieser ganzen Welt ersetzt
werden. Wie wenig kennt diesen Wert der Andriantoglyph des
Emil (Rousseau), blinder als jener Knabe des Propheten (2. Kön. 6).
Jede Schule ist ein Berg Gottes, wie Dothan, voll feuriger Rosse
und Wagen um Elisa her. Lafst uns also die Augen aufthun
und zusehen, dafs wir nicht jemand von diesen Kleinen verachten,
denn solcher ist das Himmelreich, und ihre Engel sehen allezeit
das Angesicht des Vaters im Himmel."
In ähnlichem Sinne schreibt er an Kant, der ihn aufge-
fordert hatte, eine „Kinderphysik" mit ihm zu bearbeiten (s.
Schriften II, S. 443 ff.): „Wenn Sie ein Lehrer der Kinder sein
wollen, so müssen Sie ein väterlich Herz gegen dieselben haben,
und dann werden Sie, ohne rot zu werden, sich auf das hölzerne
Pferd der mosaischen Märe zu setzen wissen (Schöpfungsge-
schichte nach I. Mos.) ; was Ihnen als hölzernes Pferd vorkommt,
ist vielleicht ein geflügeltes. — Die blinden Heiden haben vor
den Kindern Ehrerbietung, und ein getaufter Philosoph wird
glauben, dafs mehr dazu gehört, als ein Fontenellischer Witz
und eine buhlerische Schreibart Was schöne Geister fesselt
und schönen Marmor begeistert, dadurch würde man die Ma->
j es tat ihrer Unschuld beleidigen. Ein philosophisches Buch
für Kinder würde daher so ein<ig, thöricht und abgeschmackt
aussehen, wie ein göttliches Buch, für Menschen geschrieben.
— Das gröfste Gesetz der Methode für Kinder besteht eben
darin, sich zu ihrer Schwäche herunterzulassen, ihr Diener zu
werden, wenn man ihr Meister sein will, ihnen zu folgen, wenn
man sie regieren will, ihre Seele und Sprache zu erlernen, wenn
man sie bewegen will, die unsrige nachzuahmen. — Nun prüfen
Sie sich, ob Sie soviel Herz haben, der Verfasser einer einfäl-
tigen, thörichten und abgeschmackten Naturlehre zu sein. Haben
206 Lettau, Heft 8 u. 9.
Sie solch ein Herz, so sind Sie auch ein Philosoph fUr die
Kinder. Sie sind in Wahrheit ein Meister in Israel, wenn Sie
es für eine Kleinigkeit halten, sich in ein Kind zu verwandeln
trotz ihrer Gelehrtheit." — „Es ist nichts daran gelegen," filgt er
im weitem noch hinzu, „was, noch wieviel Kinder und wir
altern Menschen überhaupt wissen, sondern alles wie! Wir
säen nicht ganze Gewächse, auch nicht ganze Früchte, sondern
nichts mehr als das Kleinste davon, den Samen, und dieser
selbst ist zu überflüssig, so dafs er verfaulen mufs, ehe er auf-
gehen kann. Er geht aber nicht auf, wenn der Boden nicht
zubereitet und die Jahreszeit in acht genommen
wird. Von diesen Bedingungen hängt also das Ge-
deihen des Samens mehr ab, als von dessen Natur
selber. Die Mittel, Kinder zu unterrichten, können
daher nicht einfach genug sein. So einfach sie sind,
ist noch immer viel Überflüssiges, Verlornes und Vergängliches
an denselben. Sie müssen aber reich an Wirkungen
sein, eine Mannigfaltigkeit und Fruchtbarkeit zur Anwendung
und Ausübung in sich schliefsen."
Ähnlich auch noch an Lindner („Hirtenbriefe über das
Schuldrama"): „Der Unterricht in Schulen scheint recht dazu
ausgesonnen zu sein, um das Lernen zu verekeln und zu ver-
eiteln. Alle unsere Erkenntnisse hängen von der
sinnlichen Aufmerksamkeit ab; diese wiederum beruht
auf der Lust des Gemüts an den Gegenständen selbst Ein
Knabe, der alacritatem ingenii äufsert bei einem Zeitvertreib
(Schuldrama!), gewinnt immer mehr als ein anderer, dem über
dem Cornelius Nepos Hören und Sehen vergeht, der sich stumpf
memoriert und schläfrig exponiert."
Mit besonders innigen, eindringlichen Worten weist Hamann
-immer und immer wieder auf das Urbild und das höchste Ziel
aller Erziehung hin. So schon in seinem „Lebenslauf"
(Schriften I, p. 87 ff.): „Wen der Sohn Gottes frei macht, der
ist recht frei, und wenn die Seele erst in ihm ihren Mittelpunkt
findet, so bleibt sie ihm, wie die Erde der Sonne, getreu, und
alle übrigen Neigungen richten sich wie Monde nach diesem ur-
sprünglichen und eigentümlichen Eindruck des Schwunges und
ihres Laufes. Jesus Christus ist das Haupt unserer Natur und
aller unserer Kräfte und die Quelle aller der Bewegung, die so
wenig in einem Christen still stehen kann, als der Puls im
lebendigen Menschen; und wenn wir alles vergessen, so vertritt
1893. Hamann als Geistesverwandter des Comenius. 207
er, der Gekreuzigte, alle Weisheit und alle Ejraft, alle Vernunft
und alle Sinne." — „Diesem Könige (s. Schriften VII, S. 121),
dessen Name, wie sein Ruhm, grofs und unbekannt ist, ergofs
sich der kleine Bach meiner Autorschaft, verachtet, wie das
Wasser zu Siloah, das stille geht. Kunstrichterlicher Ernst
verfolgte den dürren Halm und jedes Blatt meiner Muse, weil
der dürre Halm mit den Kindlein, die am Markte sitzen, spielend
pfiff (Matth. 11, 16. 17), und das fliegende Blatt taumelte und
schwindelte vom Ideal eines Königs, der mit der gröfsten Sanft-
mut und Demut von sich rühmen konnte: hier ist mehr denn
Salomo." —
Diese Citate dürften genügen, um erkennen zu lassen, wie
Hamann in seinen Grundanschauungen über Erziehung und
Unterricht mit Comenius übereinstimmt. Dafs er auch mit
den Schriften dieses seines Vorläufers wohl vertraut gewesen
ist, ersieht man aus mehreren Bemerkungen in seinen Briefen
und Aufsätzen. So schreibt er seinem Freunde Lindner auf
dessen Bitte um Zusendung anregender Schriften (Schriften I,
S. 504): „Ihrem Wunsche bin ich nachgekommen, und schicke
unter anderm zwei Programme von M. Hahn über „Subtilität
und Schulsachen**. Einige Citate aus Comenius, die er an-
führt, sind besonders merkwürdig." — Er freut sich (s. Schrif-
ten III, S. 209), dafs er auf einer Bücherauktion die Werke
des Comenius erstanden und somit „einen wertvollen Zu-
wachs zu seiner Bibliothek erworben habe". In seiner „Aes-
thetika in nuce" (Schriften H, S. 270 ff.) bemerkter, indem
er den einfältigen Kinderglauben preist, unter anderm: „Sie
werden es wohl ohne Beweis glauben, dafs des berühmten Schul-
meisters und Philologen A. Comenius „Orbis pictus" und des
Muzelii „Exercitia" für Kinder, die sich noch im blofsen Buch-
stabieren üben, viel zu gelehrte Bücher sind". „Wenn Sie jetzt
merken (Schriften II, S. 435, „Briefe über das Schuldrama"), war-
um eine Absonderung von den besten Anmerkungen über das
Schuldrama unumgänglich ist, damit der Ruhm iv aXXoTQiip
Tiavovi elg ta yroifia (II. Cor. 10, 16) aufhöre, so bleibt uns
noch übrig, das zu erfüllen, was A. Comenius „convertere
ludicra in seria" nennt, weil wir Schulhandlungen als ein
aufserordentlich bequemes und vorteilhaftes Werkzeug voraus-
gesetzt haben, um die dramatische Poesie in ihre Kindheit
zurückzuftihren, sie zu verjüngen und zu erneuern."
Dieselben Gaben und Vorzüge, die einen Comenius be-
208 Lettau, Heft 8 u. 9.
fähigten, ein Lehrer und Prophet nicht nur seinen Zeitgenossen,
sondern auch den nachfolgenden Geschlechtem zu werden^ finden
wir auch in hohem Mafse bei Hamann. Einerseits war es
auch bei ihm die universelle Richtung seines Geistes, verbunden
mit einem unermüdlichen Lerneifer (daher die Fülle und Ge-
diegenheit seines Wissens !), andererseits der demutvolle, beschei-
dene Kindersinn und die herzliche Liebe, die ihren Ursprung
in der ewigen Gottesliebe hat, und die in Bezug auf den Nächsten
alles hofft, glaubt und duldet, sich nie erbittern läfst und nimmer
aufhört (1. Cor. 13).
„Hamann," so rühmt J. Paul, „war ein Heros und ein
Kind zugleich.** Ahnlich Goethe: „Hamann war der hellste
Kopf seiner Zeit; er wufste wohl, was er wollte** (so in einem
Gespräch mit dem Kanzler Müller, Dezember 1824); desgl.
an Moser: „Ich besitze noch zwei Schreiben Hamanns, die
von der wunderbaren Grofsheit und Innigkeit ihres Verfassers
Zeugnis ablegen.** — Fr. Jacoby, der Hamann besonders nahe
stand, bezeugt von ihm: „Die ganze. Art und Manier seines
Geistes hat eine auffallende Verwandtschaft mit Lessings Wesen
und Eigentümlichkeit. Diese Ähnlichkeit kommt daher, daCs
Witz und Tiefsinn, Scharfsinn und Gelehrsamkeit in den Schriften
beider innigst vereint und gemischt sind. Der Geist und die
gerade Kraft, mit der Lessing nach der Wahrheit strebt, sind
bewundernswert, indessen ist er weit vom Ziele geblieben.
Darin steht Hamann über ihm, wie er denn überhaupt ihn an
metaphysischem Tiefsinn übertrifft. Selbst Kant darf ihm hierin
nicht gleichgestellt werden. Überhaupt zeigt sich der wahre
und volle Charakter des Philosophen deutlicher an solchen, die
zunächst nur die Wahrheit selbst und ihre eigene Befriedigung
im Auge haben, daher auch sich mehr rhapsodisch mitteilen,
als eigentliche Systeme aufzustellen pflegen.** Auch Lessing
bewundert an Hamann die Vielseitigkeit seines Wissens: „Seine
Schriften,** bemerkt er in einem Briefe an Herder, „scheinen
als Prüfungen der Herren aufgesetzt zu sein, die sich für Poly-
histors ausgeben; denn es gehört ein wenig Panhistorie dazu.**
— Herder erkennt in mehreren seiner Briefe die geistige
Überlegenheit Hamanns an; und selbst ein Hegel, der sonst
abfällig über Hamann urteilt, bezeugt, dafs dieser seinem
Freunde Herder an Scharfsinn und Tiefe bedeutend überlegen
gewesen sei. Er bemerkt z. B. bei Erwähnung der gegen
1893. Hamann als Geistesverwandter des Comenius. 209
Kant gerichteten Abhandlung Hamanns „Metakritik ttber
den Purismus der reinen Vernunft": „Man hat diesen
Aufsatz ans Licht gezogen, um darin die Quelle aufzuweisen,
aus welcher Herder seine mk grofsem Dünkel aufgetretene
und mit gerechter Herabwürdigung aufgenommene, nun längst
vergessene „Metakritik'^ geschöpft hat" — Niebuhr schliefst
seine Charakteristik Hamanns mit dem Zeugnis: „Hamann
ist einer der tiefsten und gewaltigsten Geister gewesen, die
Deutschland hervorgebracht hat; die originale Richtung seines
Geistes war die eines Starken, der aus einem untergegangenen
Geschlechte in ein ganz verändertes Weltall hineinlebte."
Wahrhaft erstaunlich ist die Allseitigkeit des Wissens, die
Fülle der Gelehrsamkeit Hamanns. In den sechs Jahren des
„Stilllebens im Vaterhause" (von 1759—65) machte er mit be-
wundernswerter Beharrlichkeit die umfassendsten Studien. In
jener Zeit hat er sämtliche bedeutende griechische und römische
Dichter, Philosophen und Historiker aufs genaueste studiert.
Ein vorzügliches Gedächtnis kam ihm dabei zu statten, so dafs
er' mit den aus den Alten entnommenen Bildungselementen wie
mit einem ihm vollständig eigen gewordenen Momente schaltete.
Um den Geist der heiligen Schrift noch besser zu erfassen, stu-
dierte er orientalische Sprachen , besonders Hebräisch und Ara-
bisch. Dazu kam, dafs er nicht nur in der modernen Litteratur,
namendich in der englischen, französischen und italienischen,
ungemein bewandert war — die genannten Sprachen waren ihm
vollständig geläufig — , sondern auch mit dem ihm eigenen Eifer
sich in die Systeme der neuem Philosophen, namentlich Car-
te sius, Wolf, Leibniz und Hume, vertiefte. Häufige
Citate in seinen Schriften liefern den Beweis, wie genau er mit
den sämtlichen hervorragenden Schriftstellern älterer und neuerer
Zeit vertraut war.
Grofs war bei Hamann, wie bei Comenius, „der Herois-
mus im Dulden". Auch in den drückendsten Verhältnissen
verlor er nie das kindliche, fröhliche Gottvertrauen und „wufste
sich", wie Goethe es bewundernd anerkennt, „die Hoheit des
Geistes und der Gesinnung stets zu erhalten". „Wenn Sie alles
haben, was mir fehlt," so schreibt Hamann an seinen Freund
Lindner im Jahre 1761, „so tausche ich meinen Mangel nicht
mit Ihrem Überflufs. — Dafs mich Gott in ein Feld getrieben
hat, das Domen und Disteln trägt, erkenne ich mit Freude und
210 Lettau, Heft 8 u. 9.
Dank." — „Was sind sämtliche Leiden des jungen Werther,"
so schreibt er in seinen „Hierophantischen Briefen",
„gegen den Druck, unter dem ich schon sieben Jahre in meinem
Vaterlande wie ein Palmbaum getrieben habe."
Der kindlich grofse Sinn Hamanns, seine mafsvoUe Be-
scheidenheit, die Lauterkeit und natürliche Offenheit, die herz-
liche, aufrichtige Freude an allem Guten, wo er es auch fand,
bewirkten , ebenso wie bei C o m e n i u s , dafs er alle , die ihm
nahe kamen, gar bald gewann und fesselte, dafs er in fröhlich-
ster Unbefangenheit mit den heterogensten Naturen verkehren
konnte. Entschiedene Lutheraner und Katholiken gehören zu
seinen Hausfreunden. Ein katholischer Gutsherr befreit ihn von
Nahrungssorgen und nimmt ihn in sein Haus auf; eine katho-
lische Fürstin (Gallitzin) pflegt ihn, den Sterbenskranken, müt-
terlich und weint heifse Thränen über dem Toten ; ein berühmter
Theolog und Philosoph katholischer Eonfession (Hemsterhuid)
setzt ihm die Grabschrift nach dem Vulgatatexte : „Viro Chris-
tiane — den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Thoi>
heit" (I. Cor. 1, 23), und ein protestantischer König (Friedrich
Wilhelm IV.) kommt, von Liebe und Ehrfurcht getrieben, zu
seinem einsamen Grabe, läfst die Gebeine herausheben, sie
feierlich in geweihter Erde bestatten und ihm ein neues schönes
Denkmal setzen.
Mit Comenius hatte Hamann das ernste Streben gemein,
„sich zu der Einfachheit der Anschauungen, in der die Gegen-
sätze zusammenfallen, zu erheben" (coincidentia oppositorumi).
„Moses und Johannes," so schreibt er an Jacob i — „Christen-
tum und Judentum, die Lebendigen und die Toten zu vereinigen,
— die durch den Turmbau sich verwildern in gesellschaftlicher
Zerstreuung, durch die Taubeneinfalt des Geistes gleichgesinnt,
und aus gemeinschaftlichen Sündern übereinstimmende Brüder
des Sinnes zu machen, — das ist die Aufgabe!"
Am vollkommensten findet er, ebenso wie Comenius,
diese Coincidentia oppositorum in der Gottesidee: „Die Einheit
des Weltenurhebers (s. Schriften H, S. 276) spiegelt sich bis
in dem Dialekte seiner Werke; in allen ein Ton von uner-
mefslicher Höhe und Tiefe. Ein Beweis der herrlichsten
Majestät und leersten Entäufserung ! Ein Wunder von solcher
unendlichen Ruhe, die Gott dem Nichts gleich macht, dafs man
sein Dasein aus Gewissen leugnen oder ein Vieh (Ps. 73,
1 893. Hamann als Geistesverwandter des Comenius. 211
21. 22) sein mufs; aber zugleich von solcher unendlichen Kraft,
die alles in allem erfüllt, dafs man sich vor seiner innig-
sten Zuthätigkeit nicht retten kann!" und ähnlich: „Es
werde! — Erstes und letztes Wort des dreieinigen Schöpfers I
Es ward Licht! Es ward Fleisch! Es werde Feuer!
Siehe ein neuer Himmel und eine neue Erde — ohne Meer und
eine neue Kreatur! Das Alte ist vergangen; siehe! es ist alles
neu geworden. Siehe, ich mache alles neu! Herr, wo
da? * — Wo ein Aas ist, da ist Er!"
Nicht ganz ohne Grund wird geklagt, dafs der Stil Ha-
manns dunkel ist, „dafs er sich nicht selten in Rfttsel verhüllt".
Indessen darf nicht übersehen werden, dafs diese von vielen,
namentlich von G e r v i n u s , gerügte Dunkelheit Hamanns
öfter eine beabsichtigte ist. „Ein Schriftsteller," erklärt
Hamann einmal, „der eilt, heute und morgen verstanden zu
werden, läuft Gefahr, übermorgen vergessen zu sein. Quod cito
fit, cito perit! Meine Welt möchte die Nachwelt sein, deren
Kräfte die Kinder dieses Säkuli nicht zu schmecken imstande
sind. — Man überwindet leicht das Herzeleid, von seinen Zeit-
genossen nicht verstanden und dafür mifs handelt zu werden,
durch den Geschmack an den Kräften einer bessern Nachwelt."
Zum Teil scherzend sagt er ein andermal: „Ich meide das Licht,
vielleicht mehr aus Feigheit als Niederträchtigkeit. 1) Aus
Furcht vor meinen Lesern, da ich feierlich dem grofsen Haufen
resigniert habe (odi vulgus profanum et arceo!). 2) Aus Furcht
vor solchen Kunstrichtem, die nicht so viel Spleen und Lange-
weile zu verlieren haben, wie ich — Zeilen zu pflanzen, deren
Wachstum von Samen, Boden und Wetter abhängt." — „Wäh-
rend andere" — so Dr. W i n e r über Hamanns Stil — „entweder
nur ein Wort gaben, weil nichts zeugend in ihre Seele fällt,
oder leere Worte, angelernt und angeflogen wie Spreu aus den
Lüften, ist bei ihm, was er lebte und erlebte, im Wort zu hellen
Blüten emporgedrungen oder in herben, bittem Tropfen er-
quollen". — „Welche Schriften müssen am meisten auf die
Wahl und den Reichtum der Sprache bedacht sein?" so fragt
Hamann einmal; er antwortet: „Die leersten, die abgeschmack-
testen, die sündlichsten ! Daher gehört es mit zu der Güte eines
•vorzüglichen Werkes, alles Unnütze so viel als möglich auszu-
scheiden, die Gedanken in den wenigsten Worten und die
stärksten in den einfältigsten zu sagen. Daher ist die Kürze
212 I-ettau, Heft 8 u. 9.
der Charakter eines Genius selbst unter menschlichen Hervor-
bringungen, und alle Menge, aller Überfluüs eine gelehrte Sünde.
Ist die Sünde nicht selbst die Mutter der verschiedenartigen
Sprachen gewesen, wie die Kleidung eine Wirkung unserer
Blöfse?"
Hamann ist, wie Comenius, gewissermafsen in sich selber
eine coincidentia oppositorum, eine geweihte Persönlichkeit, die
da, wo andere nur Dunkel und Irrtum, Verhüllung und Sterb-
lichkeit sahen, allezeit das durchscheinende göttliche Licht und
Leben mit prophetischem Tiefblick erkannte und in Eindes-
einfalt erfalste, somit von Tage zu Tage mehr in die „herrliche
Freiheit der Kinder Gottes hineinreifte und dem Ziele näher
kam, da das Verworrene, Friedlose, Wandelbare vergangen und
Himmel und Erde, Menschliches und Göttliches innig eins sein
werden". „Omnia divina, humana omnia" — einer seiner Lieb-
lingssprüche! Darum gehört er zu den Erwählten, die Gtott
gesandt, „den Geist der Nationen mit den Urgedanken
des Christentums zu durchdringen** und den Frieden
unter den Völkern auszubreiten.
Von Tage zu Tage mehren sich nun die Zeichen, dafs das
Verlangen nach einem Völkerfrieden immer mächtiger wird, so-
wie der Eifer, alle Hemmnisse seines Kommens, seien sie äufser-
lieber oder innerlicher Art, aus dem Wege zu räumen: Die
völkertrennenden Schranken werden mehr und mehr beseitigt,
Landengen von grofsen Kanälen durchschnitten, gewaltige Ge-
birge zu Tunnelanlagen durchbohrt und die ganze Erde von
Eisenbahn-, Dampfer-, Telegraphen- und Kabellinien umzogen.
Geht man doch allen Ernstes daran, bei Gelegenheit der neuesten
grofsen Weltausstellung in einem „ersten Religions-
parlament*' die Basis „einer vollkommenen Religion aus den
Elementen der sämtlichen historischen Religionen festzustellen
und somit den Schwerpunkt für die künftige Einigung
aller Religionen der Menschheit zu gewinnen".
Freilich wohl trachtet die grofse Menge nach einem Frieden,
nach einer Völkerverbrüderung, die wesentlich auf materialisti-
scher Grundlage ruht, die alle von Gott gegebenen Völker-
eigenheiten verwischen, vernichten und ein irdisches Para-
dies herstellen soll. Das ist allerdings das Reich „des
falschen Friedens" (I, Thess. 5, 3), von dem der Seher
des neuen Bundes zeugt (s. Off. Joh. 11, 7 ff. und entsprechend
1893. , Hamann als Geistesverwandter des Comenius. 218
n. Thess. 2)y dafs es nicht lange Bestand haben kann und soll,
weil es sich von dem Urgründe alles Lebens, der ewigen
Liebe des lebendigen Gottes und seiner Oerechtigkeit
und Wahrheit losgerissen hat
Um so mehr gilt es nun, nachdrücklichst auf die Gott-
erwählten hinzuweisen, die Herolde und Säulen des wahrhaftigen,
göttlichen und darum ewigen Friedensreiches sind; ja fürwahr,
ihr Zeugnis hervorzuziehen, neu zu verkündigen und auszu-
breiten, das gilt es, das ist heilige Pflicht! Dafs auch Ha-
mann zu diesen Gottgesandten gehört, das möge schliefslich
noch durch die Zeugnisse zweier besonders gewichtiger und zu-
ständiger Gewährsmänner bestätigt werden.
Der berühmte Kirchenbistoriker Neander bezeugt: n^iv
m
wollen uns der Hofinung hingeben, dafs unser Deutschland, wie
zur Zeit der Reformation, die Geburtsstätte der neuen, herrlichen,
christlichen Epoche, von welcher aus sich dieselbe in alle Länder
verbreiten soll, werden wird. Männer, wie Hamann, sollen
uns Propheten einer Zukunft, die nicht ausbleiben
wird, sein. Die Stürme des Winters, während der Same im
Schofse der Erde geborgen wird, müssen dem schöpferischen
Frühlinge Bahn bereiten. Wo Himmelskräfte herabkommen
sollen, da regen sich Mächte der Hölle. ^
Dem entsprechend Goethe (s. Goethes Schriften Band
XXVm, S. 28): „Es ist gar schön, wenn ein Volk solch
einen Ältervater besitzt, wie das italienische in seinem J. B. Vico.
Bei einem flüchtigen Überblick seiner Schriften, die mir als ein
Heiligtum mitgeteilt wurden, wollte es mir scheinen, hier seien
sibyllinische Vorahnungen des Guten und Rechten, das einst
kommen soll oder sollte, gegründet auf ernste Betrachtimgen
des Überlieferten und des Lebens. Den Deutschen wird
einst Hamann ein ähnlicher Codex werden.^
Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen.
Von
B. Baehring, Pfai*rer in Minfeld (Pfialz).
Einer der edelsten Genüsse, welchen die Kulturgeschichte
der Menschheit bereitet, ist die Erkenntnis, dafs durch das La-
byrinth der menschlichen Ansichten, Bestrebungen und Streitig-
keiten sich ein goldener Faden hindurchzieht, der zu immer
hellerem Lichte und befriedigenderer Einsicht in die erziehende
Weisheit und Liebe des himmlischen Vaters emporleitet. Freilich
giebt es immer viele, die diesen goldenen Faden nicht finden,
oder, wenn er ihnen gezeigt wird, ihm nicht folgen. Einseitige
Verstandesmenschen halten sich lieber an die konkreten Erschei-
nungen, als dafs sie ihre Hoffnung auf die Zukunft setzen.
Verbinden sie mit dieser Vorliebe für das Sichtbare Genufssucht,
so tritt infolge der häufigen Täuschungen sehr oft Mifsmut und
Unzufriedenheit ein. Die Weltanschauung des Pessimismus, der
gegenwärtig so viele ergeben sind, ist nichts, als der Versuch,
diesen inneren Zerfall mit Gott und Welt vor dem Verstände
zu rechtfertigen.
Wenn einer Ursache gehabt hätte, sich der pessimistischen
Weltanschauung zu ergeben, so war es Amos Comenius. Die
Zustände Europas waren zu seiner Zeit die denkbar traurigsten.
Auch seine eigenen Lebenserfahrungen waren so betrübend,
dafs sie ihn öfters zur Verzweiflung hätten bringen können.
Doch schrieb er, bald nachdem das Elend des dreifsigjährigen
1893. Chr. Carl Josias Freiherr von Bunsen. 215
Religionskrieges begonnen hatte, nicht nur seine „Betrachtungen
über die christliche Vollkommenheit" (1622), sondern im fol-
genden Jahre auch das für alle Christen- und Menschenfreunde
immer noch lehrreiche Buch: „Labyrinth der Welt und Paradies
des Herzens. Die erste deutliche Abbildung davon, wie in dieser
Welt und allen ihren Dingen nichts ist als Verwirrung und
Zerrüttung, Marter und Plage, Falschheit und Betrug, Angst
und Elend imd zuletzt Überdrufs an allem und Verzweiflung;
dab aber der allein, welcher in das Heim des Herzens einkehrt
und sich da nur mit seinem Gott und Herrn einschliefst, zur
wahren und vollkommenen Ruhe und Freude des Gemütes
gelangt."
Er hatte den goldenen Faden, der aus diesem Labyrinthe
und seinen gefährlichen Irrgängen zum hellen Lichte heraus-
führt, gefunden, war ihm gefolgt und hatte dadurch die unver-
wüstliche Freudigkeit zu seinem refoi*matorischen Wirken in
der Erziehung und dem Unterricht der Jugend gewonnen. Es
war ihm zur Gewifsheit geworden, dafs nur durch diese Reform
der Kirche und der Menschheit ein bleibender Segen gebracht
werden könne. Verbesserung der politischen und kirchlichen
Gesetze, Fortschritte in der wissenschaftlichen Erkenntnis und
in den technischen Einrichtungen sind nur Mittel, die Un-
zufriedenheit der Menschen zu vergröfsern, so lange nicht durch
die Erziehung und Bildung Geist und Herz von Jugend auf in
das richtige Verhältnis zu Gott, zur Natur und zur Menschheit
gebracht werden.
Moriz Carrifere nennt in seinem Werk: »Die Kunst im
Zusammenhange der Kulturentwickelung und der Ideale der
Menschheit" (fünfter Band, S. 617), den Comenius „einen
Mann von weltgeschichtlicher Bedeutung" nicht blofs deshalb,
weil er einer der genialsten und fruchtbarsten Schriftsteller
seines Volkes war, sondern auch, weil er seine Nation in einen
lebendigen Geistesverkehr mit der germanischen und durch sie
mit allen christlichen Kulturvölkern gebracht hat. Er war
durchdrungen von der Idee, dafs die Menschheit trotz aller
scheinbaren Zerrissenheit nach ihrem Grund und Wesen ein or-
ganisches Ganze bilde, und durch Erziehung zu dem Bewufstsein,
ein solches bilden zu sollen, erhoben werden müsse. Diese
Grundidee seines ganzen bewegten Lebens und vielseitigen
Strebens hatte er aber ebenso aus der Bibel wie aus seinem
216 Baehring, Heft 8 u. 9.
eigenen vernünftigen Nachdenken gewonnen. Daher kommt er
auch auf seiner Wanderung durch das „Labyrinth der Welt*
in der genannten Schrift zuletzt zu Christus und zeigt an der
Gemeinde innerlicher Christen, die das doppelte Licht der Ver-
nunft und des Glaubens erleuchtet und durch das Band der
Liebe und des Friedens vereinigt ist, das Ziel aller Kultur-
entwicklung.
Eine Gesellschaft, die in Wahrheit im Geiste des Comenius
wirkt und arbeitet, kann in der That bedeutungsvoll genug
werden. Sie wird nicht blofs das Schulwesen fördern, nicht
blofs den kirchlichen Konfessionen die Idee ihrer Zusammen-
gehörigkeit zu der Einen, Heiligen, Allgemeinen Kirche zum Be-
wufstsein bringen, sondern auch unter den Nationen den Geist
des Friedens durch die Erkenntnis fördern, dafs sie alle auf-
einander angewiesen sind und nur dadurch zu voller Blüte ge-
langen, wenn sie gegenseitig als Glieder am grofsen Leibe der
Menschheit sich unterstützen und voneinander lernen.
Die nationale Idee ist, wie ein slavischer Schriftsteller, Pypin,
gesagt hat, zweischneidig, fort- und rückschrittlich zugleich. Sie
ist in hohem Grade wohlthätig, wenn sie sich regt zum Schutze
des Rechtes und der Menschenwürde, aber äufserst schädlich,
wenn sie sieb in Eigendünkel, Ausschliefslichkeit und Unduld-
samkeit verkehrt. Sie geht dann in Ungerechtigkeit und Streit-
sucht über und ruft dadurch Widerstand und Feindschaft auf
der andern Seite hervor. Mit einem Worte: sie ist wohlthätig
und schädlich, je nachdem sie als herrschenden Gedanken die Idee
der Humanität und Bildung in sich aufgenommen hat, oder sich
von dem rohen Stammestrieb beherrschen und leiten läfst.
Die Idee der wahren Haimanität, kraft welcher die einzelnen
Persönlichkeiten, wie die ganzen Nationen sich als Glieder des
grofsen Ganzen der Menschheit erkennen und sich verpflichtet
fühlen, durch Werke des Friedens Bildung und Wohlstand nach
innen und aufsen zu heben, gedeiht aber nur auf dem Boden
des wahren Christentums. So schrecklich diese Religion auch
schon zu Bruderkriegen mifsbraucht worden ist und gerade zur
Zeit des Comenius mifsbraucht wurde, so bleibt sie doch, wenn
sie richtig nach dem Willen ihres Stifters verstanden wird, das
einzige Heilmittel gegen diesen Mifsbrauch, und darin zeigt sich die
Gröfse dieses edlen Menschenfreundes Comenius, dafs er trotz aller
bitteren Erfahrungen nie an der segensreichen Kraft dieser Re-
1893. Chr. Carl Josias Freiherr von Bungen. 217
ligion verzweifelte und nicht nur für sich selbst als seinen höchsten
Trost an ihr festhielt, sondern ihn auch unermüdlich der Welt
als einziges Rettungsmittel aus ihren Nöten anpries. All seine
Werke und seine Kunst, besonders auch seine pädagogische,
stellte er in den Dienst Jesu Christi, und bewies durch sein
Leben, dafs der Mensch nur zum Frieden gelangt, wenn Glaube
und Vernunft in ihm harmonisch zur Ehre Gottes und zum
Wohle der Menschheit zusammenwirken.
Sein Nachfolger Friedrich Froebel konnte mit gleichem
Rechte wie er bezeugen, dafs sein Hauptbestreben sei, das
Christentum zur Wahrheit zu machen. Diese wird es erst, wenn
es als „das Licht der Welt** verstanden und in alle Lebensver-
hältnisse der Menschen durch wahrhaft geistige Behandlung
hineingeleitet wird.
Zu diesen Lebensverhältnissen aber gehört notwendig auch
das Staatsleben. Dieses im christlichen Geiste zu ordnen
und zu führen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart.
Politik lernt man, wegen der Mannigfaltigkeit der mensch-
lichen Verhältnisse und des steten Wechsels, der in denselben vor
sich geht, weniger aus Büchern als durch die Anwendung und Übung.
Einen klaren Einblick in ihr Wesen gewinnt man daher hauptsächlich
durch die Betrachtung ausgezeichneter Staatsmänner, ihres Lebens
und Wirkens. Dafs dieses unterlassen worden, ist ein empfind-
licher Mangel an der im übrigen sehr beachtenswerten Schrift
von A. Skopnik: „Politik und Christentum" (Berlin W., Ver-
lag von Conrad Skopnik. 1892.) Philosophisch - theologische
Erörterungen überzeugen weit weniger als die Thatsache, dafs
es wirklich Männer gegeben hat, die das Christentum in
geistig-lebendiger Auflassung, ohne die Befangenheit einer kirch-
lichen Partei oder Confession, mit einer weitreichenden politischen
Thätigkeit zu verbinden gewufst und dadurch wohlthätige An-
regungen nach allen Seiten hin gegeben haben. Ein solcher
Staatsmann war der zu seinen Lebzeiten viel gepriesene, nach
seinem Tode aber durch seine Gegner auf Links und Rechts
ähnlich wie Comenius in das Dunkel der Vergessenheit geflissent-
lich zurückgedrängte Freiherr Christian Carl Josias von
Bunsen.
Der Schreiber dieses hatte das Glück, mit Bunsen in
den letzten Jahren seines Lebens mehrmals persönlich zu ver-
Mouatshefte der ComenlnahGesellscbaft. 1893. 16
218 Baehring, Heft 8 u. 9.
kehren und von ihm selbst in seine wissenschaftlichen und
politischen Ansichten eingeführt zu werden. Es waren ihm
Stunden voll höchsten geistigen Genusses^ die er in den Jahren
1857 bis 1860 bei ihm zubringen durfte. Persönliche Verehrung
und Dankbarkeit hat den Unterzeichneten ermutigt, im Jahre
seines hundertjährigen Geburtstages (1892), ein kurzes Lebens-
bild dieses „deutsch -christlichen Staatsmannes** dem deutschen
Volke darzubieten *) in der Hoffnung, dadurch etwas zur Klärung
unserer politischen, kirchlichen und socialen Wirren beizutragen.
Denn nach diesen drei Seiten hin hat Bunsen sehr beachtens-
werte Lehren durch Wort und That gegeben. Allen freilich
konnte er nicht zu Dank arbeiten, besonders denen nicht, welche
durch Bunsens universelles Streben ihre Parteiinteressen gefährdet
sahen. Aber er hatte die hohe Freude, dafs sowohl Se. Majestät
der Kii;iser Wilhelm IL, als Se. Königliche Hoheit, Prinzregent
Luitpold von Bayern dem Verfasser den huldvollsten Dank für
diese Arbeit aussprechen liefsen und dafs Se. Durchlaucht Fürst
Bismarck sie in einer besonderen Zuschrift an den Verfasser
freundlich willkommen geheifsen hat
Lehrreich ist das Leben und Wirken Bunsens, wie gesagt,
nach wichtigen Seiten hin. Seine einfache, fromme, naturgemäfse
Erziehung im elterlichen Hause beweist, wie wohlthätig eine
solche für die Entwicklung des Kindes ist. Gottesfurcht, d. h.
kindliche Ehrfurcht vor dem Höchsten, gepaart mit dem auf-
richtigsten Bestreben , dem Allgegenwärtigen wohlzugefallen,
wurde dadurch der Grund zug seines Denkens und Thuns in
allen Lebensverhältnissen bis zum Tode. Die frische Bewegung
in der Natur, die Mithilfe bei den ländlichen Arbeiten, der offene
Sinn für die einfachen, Leib und Seele stärkenden Genüsse,
welche Feld und Wald darbieten, gaben ihm eine Ausdauer in
seinen wissenschaftlichen Studien und eine Freudigkeit bei allen
sonstigen Entbehrungen, die seinen Umgang aufserordentlich
f anziehend machte. Die ungeschwächte Pietät gegen die ein-
' fachen Eltern erhöhten die Achtung, die er sich mit der Zeit
f in allen Lebensstellungen zu erwerben wufste. Musterhaft war
sein Leben und Streben auf der Universität. Bei aller Froh-
lichkeit und dem vielseitigsten Umgang blieb er doch frei von
M Chr. Carl Josias Freiherr von Bunsen. Lebensbild eines deutsch-
! christlichen Mannes. Dem deutschen Volke dargeboten von Bernhard
r Baehring. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1892. 210 S.
I
1
11
1898. Chr. Carl Josias Freiherr von Bunsen. 219
den Thorheiten, durch welche so mancher Musensohn sich schon
an Leib und Seele zu Grunde gerichtet hat. Die Wissenschaft
betrieb er stets mit dem Hinblick auf das sittliche Bedürfnis
des praktischen Lebens , besonders auch des deutschen Vater-
landes. Seinen eigenen Lebensgang betrachtete er stets als
eine göttliche Gnadenfbhrung, die ihn zur demütigsten Dank-
barkeit verpflichtete. Sein Grundgedanke blieb unter allen
Würden und Auszeichnungen, die auf ihn gehäuft wurden, dafs,
wer Gott nicht erkannt hat in dem eigenen Lebensgang, ihn auch
überhaupt nicht erkennt, weder aus der Natur, noch aus der
Geschichte, noch aus der Bibel und Kirche. Diese innere Zu-
versicht leitete ihn bei seinen immer weiter sich ausdehnenden
Forschungen. Als er in Rom die Stufe betrat^ von der ihn sein
Lebensgang zu immer höheren Ehren und Würden aufwärts
führte, schrieb er in sein Tagebuch: „Ewiger, unendlicher Gott !
erleuchte du mich mit deinem heiligen Geist und erfülle mich
mit deiner himmlischen Klarheit! Was ich in der Kindheit
geahnt und in den Jahren der Jugend heller und heller vor
meiner Seele gesehen habe, will ich jetzt wagen festzuhalten,
durchzuforschen, darzulegen. Deine Offenbarungen in der Menschen
Treiben und Streben, deinen festen Gang in dem Strome der
Jahrtausende möchte ich erkennen, soweit es mir vergönnt ist
in diesem irdischen Leibe; der Menschheit freudigen Lobgesang
zu dir in den fernen und nahen Zeiten, ihre Schmerzen und
Klagen und ihren Trost an dir möchte ich klar und unbefangen
vernehmen. Sende du mir deinen Geist der Wahrheit, dafs ich
die irdischen Dinge sehe, wie sie sind, ohne Hehl und Fehl,
und dafs ich in der stillen ruhigen Wahrheit dich erkenne und
fühle. Lafs mich nicht wanken und weichen von dem grofsen
Ziele deiner Erkenntnis, lafs der Welt Freuden und Ehren
meinen Geist nicht schwächen und verdunkeln, lafs mich immer
fühlen, dafs ich nur erkenne, insofern ich bin, und nur bin,
insofern ich in dir l6be und sterbe."
Dieses Gebet offenbart seine innerste Geistesrichtung, seinen
wahrhaft fronmien, vom Geiste des Christentums durchdrungenen
Charakter, dadurch aber auch seine Geistesverwandtschaft mit
Comenius.
Es kann nicht nachgewiesen werden, dafs er den Schriften
dieses Bischofs der mährischen Brüdergemeinde besondere Studien
zugewendet habe. Seine Lebensstellung führte ihn auf andere
16*
220 Baehring, Heft 8 u. 9.
Gebiete der Weltlitteratur aus der älteren und neueren Zeit.
Aber durch die Abfassung eines „Allgemeinen evangelischen
Gesang- und Gebetbuches zum Kirchen- und Hausgebrauch*,
wozu er sich in Rom als preufsischer Gesandter bei vier Päpsten
und im Hinblick auf die dort zu begründende evangelische Ge-
meinde veranlafst fühlte, hat er bewiesen, welchen Wert er auf
den Liederschatz jener Märtyrerkirche, der Comenius als letzter
Bischof vorgestanden, gelegt hat. Es ist sein Verdienst, viele
Lieder dieser Gemeinden auch in Deutschland dem kirchlichen
Gebrauch zugänglich gemacht zu haben.
Bunsen war wie Comenius frei von jedem Pessimismus.
So viele bittere Anfeindungen er auch wegen seiner universellen
Geistesrichtung und seines Drängens, dem deutschen Volk die
ihm gebührende konstitutionelle Verfetssung nicht länger vorzu-
enthalten, von Seiten der Partikularisten und Absolutisten zu
erfahren hatte, so hat er doch nie daran gezweifelt, dafs endlich
das Wahre und Gute zum Siege gelangen werde. Er hat seinen
Gegnern nie Gleiches mit Gleichem vergolten, und es gereicht
seinen jetzigen Gegnern, die sein Andenken vernichten möchten,
nicht zur Ehre, dafs sie fortfahren, durch gehässige Entstellung
unser Volk an diesem seinem Freunde und Fürsprecher irre zu
machen. Möchten sie doch bedenken, dafs sie durch nichts
mehr die Krankheit des Pessimismus fbrdem, als wenn sie dem
Volke den Glauben nehmen, dafs wahres Christentum mit der
zeitgemäfsen Fortbildung der Vernunft- und Gemeinderechte ver-
einbar sei.
Bunsen studierte in Göttingen mit Arthur Schopenhauer und
befreundete sich mit ihm so, dafs er mit ihm im Jahre 1811
eine Reise nach Weimar und Jena zu dessen Mutter machte.
Später gingen ihre Wege weit auseinander. Bunsen trat in den
Dienst des preufsischen Staates als Gesandter in Rom, in der
Schweiz und in England und suchte in diesen hohen, einflufs-
reichen Stellungen eine Friedenspolitik nach den Grundsätzen
des wahren Christentimis zur Geltung zu bringen, wodurch er
mit den spezifisch kirchlichen Politikern auf der katholischen
wie der protestantischen Seite in den schärfsten Gegensatz geriet
Arthur Schopenhauer dagegen betrat die Bahn der philosophischen
Forschung und arbeitete mit grofsem Scharfsinn und in an-
ziehender Darstellung ein System aus, welches den Boden des
Christentums mit dem des Buddhismus vertauschte, und die be*
1893. Cüir. Carl Josias Freiherr von Bunsen. 221
stehende Welt als ein durchaus verfehltes Gebilde, das der Weise
soviel als möglich verlassen müsse, schilderte. Als Bunsen im
Herbst 1857 auf seiner Rückreise von Berlin seinen ehemaligen
Studiengenossen in Frankfurt a. M. besuchte, fiel die Unterhaltung
während des Mittagsmahles nicht erfreulich aus. Die pessimi-
stische Weltanschauung, so scharfsinnig und anregend sie auch von
Schopenhauer ausgeführt worden ist, stand mit seiner Qeistes-
richtung und seiner christlichen Hofi^nung in ebenso entschiedenem
Widerspruch, wie der katholische und protestantische Jesuitismus.
In seinem Werk: „Gott in der Geschichte**, oder der „Fort-
schritt des Glaubens an eine sittliche Weltordnung**, sowie in
dem einige Jahre zuvor verfafsten Werke: „Hippolytus und
seine Zeit. Anfänge und Aussichten des Christentums und der
Menschheit** und zuletzt in seinem „Bibelwerk für die Gemeinde''
hat Bunsen seine christliche Weltanschauung freilich mehr in ab-
gebrochener als in systematischer Ausgestaltung ausgesprochen.
Wir glauben, dafs er in drei wichtigen Punkten als Fortbildner
des Comenius zu betrachten ist
Erstens hat er als Aufgabe für jeden einzelnen Menschen
wie für jede Nation das bewufste und freiwillige Eintreten in
die sittliche Weltordnung nachgewiesen. Diese ist die von G^tt
bestimmte Ordnung, innerhalb welcher sich die menschliche
Freiheit zu bethätigen hat, wenn die Menschheit ihre Bestimmung,
die Erde mit ihren Kräften und Gaben sich unterthan zu machen,
erfüllen soll. „Die Weltgeschichte ist das grofse Sonnenjahr der
Menschheit. Die Philosophie der Weltgeschichte sucht die
Formel für die Sonnenbahn, das Gesetz des Fortschrittes in der
Bewegung. Der Menschengeist ist in diesen Umschwung gesetzt,
damit er den ewigen Gedanken der Gottheit offenbare und be-
wufst verwirkliche in der Zeit, wie die äufsere Schöpfung ihn
unbewufst verwirklicht im Baum . . . Der natürliche und geistige
Kosmos verwirklichen denselben göttlichen Gedanken. Wie der
Erde und allen Sternen ein ewiger Gedanke innewohnt, welcher
sie lenkt und zugleich zu Teilen eines organischen Ganzen
macht ; so lebt in dem Menschen eine Ahnung von seiner Stellung
zur Menschheit und von der Stellung seines Geschlechtes als
einer Einheit in dem Weltall und zu dessen erster Ursache . . .
Die Erde vollbringt ihren Umlauf um die Sonne, indem sie sich
selbst umschwingt, und sie kennt keinen Fortschritt, als durch
diesen Umschwung. Sie wird aber doch mit allen übrigen Pia-
222 Baehring, Heft 8 u. 9.
neten in die grofse fortschreitende Bewegung des Sonnensystems,
welches nach einem geheimen, aber sicheren Mittelpunkte hin-
zieht, fortbewegt. In gleicher Weise dringt die Menschheit
vorwärts, indem Licht und Schatten wie Tag und Nacht in
ihren Teilen wechseln. Der Einzelne stirbt, die Völker vergehen;
aber aus dem Tode der Einzelnen, wie dem Untergange der
Völker spriefst neues Leben hervor. Kein Leben anders als
aus dem Tode und zum Tode, aber aller Tod zum höheren
Leben nach der sittlichen Weltordnung, welche der Qedanke
der ewigen Liebe ist" u. s. w.
Um aber mit Bewufstsein und Freiheit in diese ihm be-
kannte Welt- und Lebensordnung einzutreten und in ihr das
Grundgebot der Gottes- und Menschenliebe zu erfüllen, dazu
bedarf der Mensch vor allem der Kenntnis der Natur und der
praktischen Einführung in ihre Ordnung. Nicht blofs Anschauung
der Natur, nicht blofs Kenntnis ihrer Erscheinungen und Kräfte
genügen, um in der sittlichen Weltordnung heimisch zu werden.
Der Mensch mufs von Jugend auf auch nach Leib und Seele
naturgemäfs erzogen werden. Er mufs seine Kenntnis der Natur
auch bethätigen durch verständige Arbeit in und an derselben.
Er mufs Freude daran gewinnen, durch Bauen und Pflanzen
selbständig auf die Natur einzuwirken und sie sich dienstbar zu
machen. Auf diese erziehende Bedeutung geordneter Arbeit in
und &n der Natur hat unter den Pädagogen besonders Fröbel
hingewiesen. Auch Bunsen setzt solche Arbeit voraus als Grund-
bedingung gesunden Menschenwesens, wenn er auch nicht Gre-
legenheit genommen, diese erste Stufe der Menschenerziehung
eingehender zu behandeln. Er hat dabei grofses Interesse der
Bodenkultur zugewendet, die er auch selbst in der Jugend mit
geübt hat. Zur Bewahrung vor socialistischen Verirrungen
dient nichts mehr als Verständnis der Natur und ein ihrer
Ordnung entsprechendes Leben. Der Kommunismus ist eine
Ausgeburt des naturwidrigen Denkens und Lebens , das in der
modernen Welt so viele Verbreitung gefunden hat Die
Naturordnung zeigt, dafs jedes Ding seinen bestimmten Raum
einnimmt, dafs keiner imstande ist, über die ihm gesetzten
Grenzen sich auszudehnen, dafs eines dem andern dienen mufs
und alle in einem organischen Zusammenhange miteinander stehen.
Wer sich selbst als Glied dieses grofsen Organismus der Welt,
an dem keine menschliche Kraft etwas ändern kann , erkannt
1893. Chr. Carl Josias Freiherr von Bunsen. 223
hat, fühlt sich notwendig auch verpflichtet, an seinem sittlichen
Verhalten gegen seine Nebenmenschen die Schranken zu be-
obachten, die ein friedliches Zusammenwirken mit ihnen zur
Pflicht macht.
Hierdurch entsteht das wahrhaft religiöse Leben. Reh'gion
ist Gottesbewufstsein , d. h. das Wissen, dafs Gott ist und dafs
die Welt durch ihn ist, von ihm erhalten und regiert wird.
Wie der Mensch von Natur ein Bewufstsein von sich selbst hat,
sich selbst als ein Wesen flthlt und betrachtet, das ein eigenes
Leben besitzt, so hat er auch ein Bewufstsein von dem Dasein
und der Wirklichkeit der Welt, in der er lebt Sie ist
ihm keineswegs eine blofse Vorstellung. Beides aber einigt sich
in dem Gottesbewufatsein , durch welche» der Mensch allein das
nötige Licht über sich selbst aus der Aufsenwelt findet. Religion
ist daher nicht blofs Innerliches, Subjektives; sie ist erst wahr-
haft, was sie sein soll, entfaltet erst dann ihr wahres Wesen,
wenn sie sich durch ein der göttlichen Weltordnung entsprechendes
Leben bethätigt.
„Ihr könnt nicht Religion haben ohne Glauben an eine
sittliche Weltordnung!" sagt Bunsen. „Ihr könnt diesen Glauben
nicht erhalten, ohne ihn zu verwirklichen. Kein Volk glaubt
wirklich an eine göttliche Ordnung, wenn sie sich ihm nicht
verkörpert im Gesamtleben. Der reinste Glaube verkümmert
oder wird zu einem fressenden Gifte, wenn die Wirklichkeit im
Staate und im Leben mit diesem Bewufstsein im grellen Wider-
spruch steht, wenn unrecht sich auf den Stuhl des Rechtes
setzt und Lüge auf den Thron der Wahrheit Das Evangelium
vernichtet jede unsittliche Regierungsform und Verfassung.
Sittlich ist aber nur die auf Anerkennung des Gemeinsamen
gegründete.
Die Bibel, welche diese Bedeutung der Religion flir das
menschliche Leben nach allen seinen Beziehungen hin aufschliefst,
ist darum das wichtigste und heiligste Buch, welches die Mensch-
heit besitzt, „allerdings ein Buch in einfacher Rede, aber in
Worten, die nicht vergehen, weil jedes Menschenherz ihnen
Zeugnis giebt; ein Buch der Weisen, und doch jedem Kinde
verständlich, wie Gottes Natur, ein Buch, verfafst in toten
Sprachen und doch lebend in den Zungen der Völker."
Dieses heilige Buch auch unserem Volke nach seiner welt-
geschichtlichen Bedeutung und seiner Unentbehrlichkeit fUr die
224 Baehring, Heft 8 u. 9.
Volkserziehung immer mehr aufzuschliefsen und zugänglich zu
machen, hat Bunsen sein grofses Bibelwerk unternommen. Man
hat noch wenig davon Gebrauch gemacht, ja alles gethan, um
seinen Eingang in die Gemeinden zu hindern. Aber es läfst
sich wohl erwarten, dafs der Stand der Volkslehrer ihm, wie
Diesterweg bereits gethan, das Interesse bewahrt und für seine
Verbreitung auch geeignete Sorge trägt. Man redet jetzt öfters
wieder von Schulbibeln. Diese haben wir bereits in den bib-
lischen Geschichten. Die Bibel selbst aber sollte als heilige
Urkundensammlung der christlichen Religion in keiner Weise
verändert, sondern nur nach ihrer ursprünglichen Gestalt wieder
hergestellt werden. Das hat Bunsen in seinem Bibelwerk, soweit
es durch die wissenschaftlichen Forschungen der Gegenwart
möglich, mit Sorgfalt und Umsicht gethan oder durch seine
Mitarbeiter thun lassen, während die kirchlichen Übersetzungen
aus Mangel an Kritik in dieser Hinsicht manche Änderungen
sich erlaubt haben, die dem Verständnis der Bibel nicht förder-
lich waren.
Comenius ist öfters wegen seiner chiliastischen Hoffnungen als
religiöser Schwärmer bezeichnet worden. Er hat sich aber an
die Bildersprache der Bibel gehalten. Seine Zeit war auch noch
nicht reif dazu, den vernünftigen Sinn dieser Sprache zu ent-
hüllen. Bunsen thut dieses in den Schlufssätzen seines „Gott
in der Geschichte**. „Der Glaube an ein bevorstehendes Ende
der Welt", sagt er, „ist zu betrachten als ein fortschreitendes Gefühl
von einer kommenden Weltkrise und eines drohenden socialen,
politischen und religiösen Zusammenbruchs. Diese wird wie alle
vorhergehenden ein Weltgericht sein und eine herrlichere Entfaltung
des Gottesreichs zur Folge haben. Die Wiederbringung aller
Dinge, also der Sieg des Guten auf der Erde, ist das Ziel der
Geschichte. Der Geist ist unsterblich und sein Fortschritt un-
endlich, denn er ist ursprünglich eins mit dem ewigen, bewufsten
Gedanken des Weltalls und soll diesen Gedanken auf der Erde
verwirklichen in schrankenloser Zukunft."
„So gehe denn glaubensmutig und in Gott selig durch die
Jahrtausende, du zerrissene Menschheit, du zertretenes Volk
Gottes! Du bist doch eine gröfsere Verherrlichung des Ewigen
als alle Sonnen und Sterne, denn es strahlt aus dir der bewufete
Geist, nach welchem die ganze Natur sich sehnt und in dir allein
offenbart sich die göttliche Liebe, welche den Gedanken der
1893. CIhr. Carl Josias Freiherr von Bunsen. 225
Schöpfung gedacht und sich in diese Wirklichkeit versenkt hat.
Und du, gottbewufstes Geschlecht der nächsten und einer fernen
Zukunft, erschrick und verzage nicht, wenn das Weltgericht an-
bricht Was stürzt, sinkt getroffen vom rächenden Blitze des
Himmels und was in Trümmer fkUt, macht nur Platz dem neuen
Leben, welches im stillen Laufe von Jahrhunderten, unbeachtet
und deshalb ungestört unter ihm aufgesprofst ist. Es wird alles
reifen zu schönerer Frucht.
Wem Zeit ist eine Ewigkeit
Und Ewigkeit eine Zeit,
Der ist befreit
Von allem Streit."
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschichte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
Zusammengestellt von
Prof. Dr. J. Eyacsala in Preasburg.
(Fortsetzung.)
VI. Dritter Aufenthalt in Lissa.
19.
Calumnia HI.
68. Grandis calumnia est, et capitale crimen intentans, quod
Panegyricus mens, Rogi JSueciae scnptus, Lesnensis excidii eos,
incendiique taeda fuit. Hanc diabolen recitata ex vero facti
historia ailuet: recitabo itaque sancta fide. Tu mens obtrectator
attende, et ad Veritatis tribunal pudefieri disce.
69. Postquam se tota lam utraque Polonia, sicut et Lithuania
Regi Sueciae subdiderat, ad ipsum usque Regni caput Cracoviam,
reversus inde D. Joh. Schlichting, ürbis et Comitatus Lesnensis
Administrator, accersivit ad se in arcem Superattendentem £c-
clesiarum nostrarum, D. Gertichium [avunculum Tuum] et me:
narrans nobis de heroicis Sueciae Regis virtutibus multa, et
quomodo sibi tantum Regem gratulari habeat Polonia brevique
celebranda esse Regni commitia, ad Regis coronationem pera-
gendam. Referens etiam Catholicos ipsos in laudem Regis gratu-
latoria scribere Carmina, ut Canonicum quendam Gnesnensem, et
Samuelem Twardovium Virum nobilem, nobilemque Poetam ipsum
quoque pontificium, Latine et Polonice typis iam exscriptos,
applausus etc. Indecorum fore si Euangelici prorsus taceant
Respondebamus non aeque tutum nobis eo descendere: instabat
tamen aliquoties me in primis eo folicitans argumentumque scrip-
tioni suggerens. Concepi ergo tandem quiddam: quod ille per-
1893. Kvacsala, Zur Lebensgeschichte des Comenius. 227
fectum ita excepit, ut diceret; Nihil unquam sapientius scripsisti.
Habebunt cur tibi gratias agant Catnolici et Euangelici etc.
Cum ^huc tergiversarer , vocavit me iterum (post dies aliquot)
Consulemque urbis iturum esse Vratislaviam (Silesiorum ubi tum
illustrissimus Comes Dominus noster, Begni Archithesaurarius^ a
rerum in patria tumultu secedens residebat) seque scriptum illud
ad censuram illi missurum significavit: cuius si accesseri): cal-
culus nihil fore quod metuerem. Respondi, Maculaturas mitti
non posse. Ille Describi ergo cura, Consulem ad crastinum ma-
uere jubebo, Quid multis? factum. Illustrissimus autem Mox,
mox, mox typis exscribi mandavit
70. Habes cuius iussu, et qua spe, Panegyricus ille scriptus
editusque fuerit. Atque utinam monita fuissent secuti utriusque ! ad
illas extremitates numquam fuissent ventum. Sperabant autem
magni illi Politici, alter Euangelicus: alter Catholicus. Si spei
non respondit eventus. quid tum? Viles animae consilia ex
eventu aestimant: quibus Te accedere indecorum, ansam vero
tarn atrocis inde calumniae arripere inpium. Quid enim? prop-
terea ego, qUod superiorum voluntati parui : quod Regem Sueciae
reverenter fortunam habere docui, quod omnes in tanto rerum
tumultu prudentis modestiae admonui, propterea inquam ego
Lesnae tuae incendiarius audire debeo? quis tales consequentias
nectere docuit? Nihilne viderunt qui ante te Panegyricum hunc
viderunt, saluberrimaque inesse Theologica et Politica monita
iudicarunt? Eoque illum eundem (ut plurium subiret oculos)
suis typis exscripserunt. Noribergae, Frankofurti, Londini, et ut
audio Parisiis quam tamen editionem non vidi. Omnes seil, hi
delirarunt, solus Franekeranus Professor, configendis cornicum
oculis natus, sapit
71. Quod magis, Calumniarium te ipsa adversariorum (qui
Lessnam exusserunt) confessione convincam: ex qua patebit I
Pontificios Panegyricum hunc ab aliquo Lesnae hospite fuisse
scriptum, non solum ante Lesnam eversam (ut inde coacitari po-
tuissent) sed et post ignorasse; et forsan adhuc ignorare, nisi
id ex te buccinatore iam discant. IL Scripte illo non fuisse
irritatos, quippe quod ipsi etiam, quantum ad substantialia, lau-
darunt: excepto quod iura et libertates ad omnes in commune
etiam haereticos (suo sensu) extendi, aegre tulerunt. Faciam
utriusque fidem.
72. Sesquiennio post eversam Lesnam recepta fuit a Polonis
Cracovia, ibique paulo post excusus tractatus tali titulo:
Apologeticus contra Panegyricum Carole Gustave Magno,
Suecorum, Gothorum Vandalorumque Regi Dedicatum ad
religionis, Regis Legisque Polonae Defensionem productus.
In cujus mox ingressu authorem Panegyrici se ignorare osten-
dunt, his verbis „Quisquis est (Polonum autem et haereticum te
coniicio) qui Panegyricum Regi Suecorum nuper dedicatum in
228 Kvacsala, Heft 8 u. 9,
lucem edisti etc. Et paulo post: Subtraxisti tarn personae quam
nominis tui copiam etc. Ecce, ecce, ipsi adversarii Te, ob pa-
negyricum Lesnae .scriptum in Lesnam eos fuisse coficitatos
testantem, mendacia loqui testantur.
73. Neque Panegjricum hunc tam absurde ab illis fuisse
acceptum, ut propterea furere vellent, fatentur eodem scripto sub-
inde,' Exsignabo quaedam vel saltem ex ultimo bifolio ipsorum-
met verbis. Ne quid inusitatae infelicitatis, magnae se intermisceret
felicitati, ut timeret monuisti Gustavum, optume fecisti. Nescit
enim pennata Dea ac brevi evolatura, stabiles semper continuae
felicitatis gressus figere. Et mox: Benevolentiam quia commen>
dasti Gustavo erga Polonos, laudo animum, sine ula enim nee
retineri possunt imperia, nee manceps populi fieri spiritus, etc.
Et post unam et alteram periodum denuo: Partes defensoris in
tuendis Polonae Nobilitatis libertatibus apud Gustavum, quod sus-
ceperis multas eadem Nobilitas et habet et aget tibi gratias. Li-
bertatis enim amorem tenacissime, vel te ipso fatente retinent
mori paratiores quam illa privari. Quod autem non aliquos Po-
lonae gentis liberos esse debere, sed omnes et singulos in Uni-
versum, Proceres regni, Nobilitatem inferiorem, Civitates et
Oppida plebemque ipsam rusticanam suo modo et gradu, cen-
suisti, nee etiam deviasti. Et penes enim excelsam Abietem
humilis humi libere serpit viola etc. lUud autem quod nugaris,
ut manus libere in coelum attolantur etiam diverse de Deo sen-
tientium, dum modo Deum colant non blasphement etc. ostendit
ex caenosa lutulenti Lutheri te prodiisse hara non in Romanae
Ecclesiae Ministrum esse ara. Non enim sola irreligiositas , aut
blasphemiae interdicta esse debent, ut ais tu : sed et diversae Re-
ligionis ritus colendi Deum etc. Mox iterum : Quod in praeceptis
dederis, ut se Augustum semper, prudeutem, strenuum, magna-
nimum, iustum, liberalem, pacificum, pium, dementem, tuus Rex
Eraestaret, dignus es quem posteri etiam suis concelebrent laudi-
US. Hae virtutes enim optimorum regum propriae sunt. Reli-
gione dissidentibus civibus tolerantiam retinendam cum suasisti,
denuo Romanae Ecclesiae, Ortbodoxaeque Fidei bestem te
ostendisti. An ignoras advenam haeresin venerandae Matrifamilias,
Fidei Catholicae in Repub. Folona, sine gravi iniuria aequari
non posse etc. Tandem addit: In reliquo orationis tuae cursu
vela contraho. Digna enim tuo Regi suasisti : votisque salutaribus,
si illis morem gessisset prosequutus es.
74. Si Apologeticus ille (Cracoviae typis excusus) ad manum
tibi est, inspice, ista sie verbotenus scripta reperies. Quid autem
ex Omnibus istis ad verbis tuis fidem faciendam (Polonos Pane-
gyrico isto irritatos, de Euangelicis extirpandis, Lesnaque ever-
tenda, consilia coepisse) elicies, obsecro? Annon omnia haec te
vanum, sed virulentum, Calumniatorem esse ostendunt? cuius verba
similia sagittis, comparanda juniperorum prunis (Psal. 120. 4).
Vere prunis candentibus aut potius facibus ardentibus, quibus
1898. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 229
pyram (cui me ceu publicum incendi arium imposuisti) sub me
accendis. Ut tua causa mihi cum Davide clamandum sit:
Hei mihi quod peregrinor tam diu, habito inter osores pacis.
Ego enim pacem diligo , aut cum loquor (etiam certe isto rane-
gyrico meo nihil nisi pacem loquutus fui) illi ad bellum concla-
mant (v. 5, 6, 7).
75. Quod magis, Apologeticus ille Polonorum mihi adversus
f)rae8entem columniam tuam apologiae loco est Quippe ubi illi
atentur 1. Me tolerantiam suasisse. 2. Tolerantiam tamen concedi
non posse propter principium suum, Religionem nisi unam uno in
Regno tolerari non debere. 3. Qui contrarium suadeat, hostem
esse Romanae Ecclesiae, Fideique Ortbodoxae. Videsne quis eos
adversus Euangelicos, illorumque in Polonia ceu metropoiin Les-
nam, concitaverit? Si nibilominus meum scriptum, Tollerantiam
optans et orans occasionem dedisse dixeris : perinde feceris atque
Olim Christiani fecissent, si Justinum Martyrem, Tatianum, Atne-
nagorum, incusare voluissent, quod suis pro se intercessionibus
Ethnicis ad Persequutiones movendas, aut continuandas , occasi-
onem dedissent. At quis illorum tam perversus, ut id faceret,
fuit? quem admodum tu faciendo te esse ostendis.
76. Nam ut te non calumniandi causa hoc adversus me scrip-
sisse, sed vere sie opinari (hac via hostilem accensum fuisse fu-
rorem) credam, adduci non possum: quia te tam puerum imagi-
när! non possum, qui Veritatis hostium indolem ignores : ut tam-
etsi illi expresse hac de causa id fieri dicerent non causa tamen
esset, sed ngoatpaaig et color? Impossibile te inter legend um
Codicem Dei et Historiam Ecclesiasticam, et Martyrologia non id
observasse. [Nisi forte sicut in prato bos gramen, apis mel, ci-
conia lacertas quaerit, ita Disputationum Magister nihil in Omni-
bus libris nisi syllogismos, illationumque, exceptionum, et limi-
tationum formulas? Quod si etiam non causas ut causas expresse
allegantibus hostibus credendum non est [auia apud illos semper
Agnus lupo aquam turbat] quomodo alicui tratrum accusatori tale,
quid fingenti credemus? Deo et Ecclesiae te judicandum trado.
77. Antequam tamen ab hac recedo Calumnia, revoco tibi in
mentem Legem Dei, Deut. 19 v. 16 etc. quam et Erasmus trac-
tatu De Lingua allegat his verbis: Quin et Gentium leges
Calumniatorem ad talionis poenam vocant, non solum lex
Mosaica. Sceleratior est qui crimen falsum intendit proximo,
quam mendax testis: nam et hunc ille subornat. Et tamen
in Deutoronomio Deus Testem calumniae convictum iubet
eodem affici supplicio quo afficiendus erat is qui delatus erat,
si convinci potuisset: Non miseraberis eins [inquit Deus]
sed animam pro anima, oculum pro oculo, dentem pro dente,
manum pro manu, pedem pro pede, exiges. Qua lege si standum
hic esset, quid fieret? Quia nempe Incediariis supplicium ignis
L
230 Kvacsala, Heft 8 u. 9.
leges irrogant: si ego ut Incendiarias Civitatis tuae eonvinci
possam, flammis tradendus sum : si tu criminis falsi eonvinci, tu.
Ego tarnen contentus ero, si ad iustitiae tribunal illa tarn bonis
perniciosa credulitas tua, et quibus eam illivisti mendaces chartae,
tetrum denique illud in me conceptum odium tuum, tamquam
infernalis vere flamma, igne charitatis Dei exurantur.
(Vindicatio famae et conscientiae etc. p. 32 — 38.)
20.
Calumnia IV.
«
78. Cum te nuper privatis ad te liberis tot iniuriarum (qui-
bus me inconsiderata illa in Anti-Bibellum tuum praefatione affe-
cisti) conimonefacerem, Tu respondendo aliam addidisti, alio co-
lore tinctam calumniam, his verbis: Lesna, Lesna inquam, habet
quod de vobis conqueratur aeternum. Tam altas enim radices
apud vos egerant istae prophetiae, ut injurlus in Dei providentiam
videretur, Alis qui non crederet. Multi illorum reculis suis con-
vasatis asylo aliquo sibi prospexisssent nisi conatus illi per haec
talia fuissent sufflaminati. Hoc autem quid est? Nugari pro-
fecto et tamen simul fortiter calumniari. Nam.
79. Totine Lesnensium Civitati prophetiae hae innotuerant?
oninesne illis fidem habende dementari se, et a quaerendo asylo
sufdaminari, passi? At qui paucissimi de illis aliquid scibant
(non millesima certe Lesnensium pars): pauciores etiam credebant;
adeoque praeter unum et alterum (uti solet) nemo. Tu tamen
credulitate deceptos pronuntias: et quidem tanta confidentia,
ut aeternas super nos devoces querelas. Si hoc non est
calumniari (tam pathece in aliquem odia concitare) quid ca-
lumnia sit nescire me fatebor. Certe si qui credulitate peccasse
dici posset id, Bohemi mei essent, soli harum (quamquam quota-
cumque iterum illorum pars?) conscii: sed neque hi possunt,
conscientiae alias suae iiiaturi vim. Nam cum alii agminatim
bona sua in vicinam Silesiam eveherent nostros autem quodam
idem imitari volentes exemplo meo (qui nihil emittebam, retrahi
audirem, monendos publice putavi, Providentiae divinae fiduciam
non excludere humanam prudentiam, sed includere. Die itaque
jejunii ac (toti Civitati a Magistratu in singulos menses induc-
tarium) sumpto ex Geneseos capite 32 v. I ad. 12 textu, quid ho-
mini Christiane in angustiis constituto faciendum sit Jacobi Pa-
triarchae exemplo docui. Nempe 1. Utendum omnibus humanae
prudentiae mediis (in specie ursi, quomodo illa omnia sua in
duas turmas diviserit, ratione addita. Si altera hostili percussa
furore esset, altera, ut servaretur, v. 7, 8) 2. Orandum, 3. Deoque
fidendum qui et Angelorum satis habeat ad suos tutandum (v. 1.2)
et corda hostium ad misericordiam flectere sit potens (cap. 33. 4).
80. Privatim ad quosdam meorum dicebam (non diffiteor)
Non eandem nobis atque Gennanis et Polonis esse rationem.
1893. ^^^ Lebensgeschichte des Comenius. 281
Istos enim in Silesiam profugere tamquam in patriam, ubi non
tantnm lingnae consortes, sed et notos atque cognatos habentes
facilius Bive aperte degere, sive latere posse. Nos esse a Caesare
patria haereditariisque provineiis proscriptos: si vel captivemor,
vel bona nostra diripiantur, neminem fore, qui nostram suscioiat
causam. In angostiis itaque nos prae aliis esse, tutissimum viaeri
nos committere manibus Dei, sive ad vitam sive ad mortem. Hoc
totum est in quo mihi non quasiti alibi asyli culpa tribui possit:
sed a meis et me ipso, non autem ab omnibus Lesnensibus, qui
consilia mea nee requisiverunt nee audiverunt. Fuitque culna
[si fuit] humanae imprudentiae , non autem atrocis alicuius od-
S^uam aeterna provocanda sint lamenta [ut tu pessime declamator
acis] malitiae.
81. Pudendum autem profecto hominem Theologum de di-
vinis iudiciis propter publica peccata publicis poenis regna et
populos involventibus, tarn frigidum, imo perversum, ferre iudicium,
ut attractarum poenarum culpam in unum aliquem, vel paucos,
coniiciat, remque tam tragice exaggeret Dens tibi ignoscat, sive
crassa ignorantia, sive destinata malitia sie peccas. quam aliud
erat gravissimi Theologi Superattendentis Vestri [patrui tui et
CoUegae mei] de bis iudicium. Qui Lesnam augeri vicorum
amplitudine, maeniis, pompa, opibus, sed et simul crescere fastu,
luxu, dissolutis moribus, enormibusque peccatis, eoque maturescere
ad poenaSy seu quam saepe privatim et publice [pro suggestu] cum
lacrymis etiam quaestus fuit: post eversionem vero factam non
vanum se fuisse vatem agnovit, aivina iustificans iudicia. Tu autem
si absque uno aliquo bostium irritatore fuisset, Lesnam tuam in
aeterno futuram fuisse flore autumas? Plebeium et puerile iu-
dicium, ne dicam insanum, et contra Deum et proviaentiam re-
belle. Ex Propheticis enim oraculis, quae terribilium Dei
iudiciosum soleant esse causae, et cur a Domo sua inchoare illa
gaudeat Dens discere debebas Theologe. Nempe nihil venire
mali, nisi praecipiente Domino: nee esse cur murmuret vivens
homo, nisi adversus peccata sua. Scrutandas esse potius vias
nostras ut revertamur ad Jehovam [Thren. 3. 37 etc.], rasserculum
etiam unum in terram non cadere sine voluntate coelestis Patris,
docuit Christus [Math. 10. 291. Tibi autem hominum millia, inte-
graequae Urbes, in gratiam alicuius inprudenter aliquid sentientis,
aut facientis, pereunt? quis Theologiam hanc docuit? Publica
peccata, et publice plagae? annon correlata sunt? essentialis
nempe causa cum essen tiali cohaerens eflfectu suo? Nonne Theo-
logus cogitationes tales, Verbo Dei et sanctorum praxi, conformes,
fovere easdemque in popularibus et confratribus suis excitare de-
bebat? potius quam impoenitentis , castigationisoue suae culpam
in alios reicientis populi pessimos, et verbo Dei aamnatos, imitari
mores ! Lno cogitare debebas, annon tua quoque iuventutis pec-
cata incendii Lesnensis aggregare iuverint fomenta ! orareque cum
Davide, delicta iuventutis meae, ne memineris Domine [Psal. 25. 7].
232 Kvacsala, Zur Lebensgeschichte des Comßnius. Heft 8 u. 9.
82. Quin tu potius cum profeta, et nobiscum benignitatem
Dei quam in media ira sua erga Lesna exteruit celebras?
Dicendo, Misericordia Domini est, quod non Bumus con-
sumpti, quia non defecerunt miserationes eius (Thren. 3. 22).
Nunquid enim juxta plagam percutientis se percuBsit eam? aut
sicut interficiuntur interfectores , ita occissi manus? (Jef. 27. 7).
(Vindicatio famae et consc p. 38—42.)
(Schlufs folgt.)
Kleinere Mitteilungen.
Aus neueren Handschriften-Verzeichnissen').
Die hier gegebenen Nach Weisungen sollen Beiträge zur Quellenkunde
liefern; es wird beabsichtigt, solche Handschriften zusammenzustellen,
welche das Forschungsgebiet der Comenius-Gesellschaft berühren. Die
Beiträge werden fortgesetzt werden.
Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbflttel.
Nach He ine mann, O. v., Die Handschriften der Herzog-
lichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Wolfenbüttel 1884 ff.
Znr Geschichte Valentin Andreaes.
Helnemann, a. O. Vol. IV Nr. 2085.
7 . 4. Aug. fol. Fap, verschiedenen Formats^ das gröfste 34 V2 X
J21^l2 cm. 602 Bl. 17. Jahrh. von verschiedenen Händen.
Lltterae dlTersoruiii ad D. Johannem Yalentlnem Andreae
exaratae et transmlssae de anno 1636 usque ad an-
nam 1652.
Schreiber sind: Jac. Abel (f. 445 — 445'). Gottlieb Andreae,
Johannis Valentin! filius (f. 520—522, 526—574). Paul An-
dreae (f. 428—428'). Christ. Bab (f. 441). Paulus Biber-
stein (f. 324). Job. Albert Birger ab Ayb (f. 597—597',
600—600'). Wendelin Bftlzinger abbas (f. 307-312). Petrus
Cludi (f. 602). Nie. Curaeus (f, 448—450). Joh. Deckinger
Regiomontanus (f. 409—414). Conrad Döselius (f. 407).
Michael Döselius (f. 401—406). Tobias Domcrailius (f. 277
—279'). Henricus EfFem (f. 317—319). Simon Elsaesser
(f. 426-427). Erasmus Esenwein (f. 502—503). Joh.
Georg Esenwein (f. 344 — 348). Joh. Mars. Eysengrein
(f. 455), Joh. Matth. Faber (f. 492). Georg Fauler (f. 525).
1) Vergl. MH. der C.-G., Jahrg. 1892, S. 1-Sl ff.
Monatshefte der Comenius-Oesellschaft. 1893. 17
234 Aus neueren Handschriften- Verzeichnissen. Heft 8 u. 9.
Theodor Flemming (f. 354—399). Petrus Frison (f. 602).
Joh. Adam Geinbach (f. 497). Samuel Gerlachius .(f. 447
— 447'). Matt. Hafenreffer (f. 446). Joh. Jac. Hainlin abbas
(f. 281—306). Joh. Hellwag (f. 325—327). Joh. Christoph
Hopff, praeceptor Göppingensis (f. 442 — 443). Joh. Kaiser
(f. 439—439'). Georg Henricus Keller (f. 498). Joh. Eber-
hard KnoU (f. 499—501'). Wilh. Koch (f. 408, hebräisch).
Eberhard Kopp (f. 508). Mart. Komnauer (f. 461). Job.
Christoph Krafft (f. 438). Balthasar Kretzmaier (f. 575—
576). Leonhard Laurentius (Lorenz) (f. 470—491). Georg
Linde (f. 510—511. 579). Joh. Cornelius Marci (f. 494—
494'). Jacobus Missicz (f. 598—598'). Abraham Nethe
(f. 452—453'). Tobias Pfister (f. 340—343). Joh. Puecher
(f. 496). Balthasar Raith (f. 321). Jeremias Rebstock abbas
(f. 313-314). Valentin IWther (f. 495). Tobias Schaudili
(f. 440). Joh. Ernst Schmieden (f. 465). Joh. Henr. Schor-
chius (f. 456—458). Joh. Schubelius (f. 328—339). Otto
Frieder. Schütz (f. 466—469). Jean Adam Sefried de Nord-
lingen (f. 464). Thomas Silemannus (f. 463). Joh. Martinus
Speidel (f. 816—316'). Elias Sprengel (f. 315). Joh. Jac.
Strölin (f. 349—350', 429—437). Levin Sutor (f. 416-425).
Vitus Trexelius (f. 444— 444'). Matthaeus Varenbfller (f. 506
—507). Johannes Vetter (f. 493—493'). Tobias Wagner (f. 1—
274). J. Walderode (f. 577—578'). Joh. Georg Weber (f.
482). Jacobus Wehrn (f. 509). Marcus Widemann (f. 513
—519). Joh. Lud. Wider (f. 415). Georg Zappler (f. 459
—460). Christophorus Zeller (f. 504—504'. 524—524.).
Aufserdem : 1) Ein hebräischer Brief (f. 351—353). 2) Pro-
gramma funebre D. Jacobi Andreae (f. 580 — 584). 3) Rec-
toris et Senatus Tubingensis edictum (f. 586—588'). 4) Rec-
toris et Senatus Witebergensis testimonium pro Josephe
Adiuto ex Oriente ultimo orthodoxae fidei confessore (f. 594
—595).
Lose liegen vom noch in dem Bande Leichencarmina auf Joh.
Val. Andreae von Johannes Angelin (2), Henr. EfFem (1),
Joh. Georg Esenwein (1), Theodor Flemming (1), Eberhard
KnoU (1), Eberhard Kopp (1) und Gottlieb Andreae.
Frov» t#. Gesch.: Gehörte früher Joh. Val. Andreae.
JEbd*: Pergamentband mit grünen Bindebändem.
Heinemann, a. O. Vol. IV (1890), Nr. 2086;
7. 5. Aug. fol. Pap. verschiedenen Formats, das gröfste 35 X
20^12 cm. 503 m. 17. Jahrh, von verschiedenen Händen.
Enthalt:
1) f. 1—39: Carmlna gratalatoria neenon dedlcatoria B.
Johann! Yalentino Andreae a propinquls et amiels
transmissa.
1893. -^us neueren Handschriften-Verzeichnissen. 235
2) f. 40—503: Lltterae dlTersoram ad eandem scriptae et
transinissae de anno 1634 nsqne ad annum 1649. Vergl.
2106 (10).
Schreiber sind: Jacob Abel (f. 366). Bernhardus Albertus (f.
323). Paulus Andreae (f. 314). Andreas Berchtold (f. 450).
Wendelin Bilffinger (f. 223—234). Frieder. Ohesnel (f. 345).
Nicolaus Cunaeus (f. 154—157. 319). Joh. Jac. Dannenritter
(f. 453). Josephus Demmeler (f. 206—210). J. DÄrtenbach
(f. 443). Melchior Sylvester Eckhardus (f. 253—261). Hen-
ricus Efferen (f. 265-291. 439-441). M. G. E. (f. 262—
263). Joh. Elermejer (f. 479). Matthaeus Faber (f. 351).
Josua Faeschius (f. 140—151. 158—161. 167 -1720. F. Gast-
purus (f. 137. 175 ). Stephan Gerlach (f. 331—332. 335—
338, 341—342). GWckberg (f. 464). Joh. Conr. Gobelinus
(f. 356). Matthias HafenreflFer (f. 152—153. 315-318).
Nicolaus Hagelmeier (f. 480). J. J. Hainlin (f. 51—129).
Christophorus Harpprechtus (f. 339—340. 343—344). Joh.
HeUwag (f. 376—384). Josua Henrich (f. 487—489). Magnus
Hesenthaler (f. 333). Joh. Conr. Hiemer (f. 442). Joh.
Phil. Hillerus (f. 346—349). Joh. Honold (f. 481—483).
Joh. Keyser (f. 474—476). Joh. Kies (f. 162). Joh. Kircher
(f. 350). Joh. Samson Kornbeckh (f. 394—395'). Joh.
Petrus Krflger (f. 420). Joh. Wendelin Langius (f. 227).
Leonhard Laurentius (Lorenz) (f. 292—313', 424—438';.
Christoph Lutz (f. 387). Erhard Machtolphus (f. 41-50).
Georg Conr. Maicterus (f. 211 — 222). Heinricus Möglingus
(f. 354). Joh. Lud. Möglingus (f. 370-871'). Georg Mflrdel
(f. 419). Georgius Naschold (f. 451). Daniel Oslander (f.
491). J. B. Osiander (f. 264). Lucas Oslander (f. 412—
415. 492—494). Joh. Wilh. PfafF (f. 385). Albertus Pfitz
(f. 396—399). Joh. Ulric. Pregitzer (f. 369). Georgius Raab
(f. 352). Balthasar Raith (f. 372—375). Philippus Raumajer
(f. 163— 166. 177— 178). Jeremias Rebstock (f.465— 478). Jac.
Roth (f. 411). R.Roth (f. 421). Jac. Rothweiler (f. 484). Wilh.
Schabhart ({. 463). Tobias Schaudeli (f. 446). Joh. Schlatter
(f. 133—135). Jos. Schletterberch (f. 180—131). Joh.Cunr.
Schfltz (f. 496-503). Georg Schwegler (f. 364—365).
Fridericus Söhner (f. 324. 326-330). Joh. Spalth (f. 320
—325). Joh. Mart. Speidell (f. 201—205). Elias Sprenger
(f. 132). Stellanus (f. 422). Joh. Jac. Strälin (Strölin) (f.
400—410). Levinus Sutor (f. 454—461). Jos. Henr. VieiUot
(f. 490). Joh. Georg Volmar (f. 478). Joh. Bernhard
Wagner (f. 235—252). Jax5. Wehrn (f. 388—391). Joh.
Georg Weigenmeier (f. 448). Joh. Weiss (f. 392 —393').
Joh. Werner (f. 138). Georg Beruh. Wibel (f. 321). Theo-
philus Wibel (f. 322). Samuel Widmann (f. 367-368).
Gallus Zeaemann (f. 178—174). Christophorus Zeller (f. 179
17*
236 -^^8 neueren Handschriften-Verzeichnissen. Heft 8 u. 9.
—200). Joh. Zeller (f. 413— 414. 416— 417). Joh.Zuuisler
(f. 449).
Frov. u, Gesch.: Gehörte früher Joh. Väl. Andreae,
Ebd. : Pergamentband mit grünen Bmdebär^dem.
Heinemann, a. O. Vol. IV (1890) Nr. 2106.
8. 7. Aug. fd. Papier verschiedenen Formats^ das gröfste 33X
21 cm. 554 Bll. 16. u. i7. Jahrh. Von verschiedenen Händen.
Enthält:
1) f. 1 — 2: Testimonium Ph. Melanchthonis autographum datum
Henrico Effrehen, 1554, die Matthiae (Febr. 24). Deest in
editione Corporis Reformatorum.
2) f. 3—4: Epistola ignoti ad Andream Museal um.
3) f. 5: Jacobus Andreae lectori pio, d. d. Bebenhusii, 1585.
Dec. 30.
4) f. 6—7: Ejusdem epistola ad Christophorum ducem Wirtem-
bergicum.
5) f. 8 — 9 : Ejusdem epistola ad Job. Marpacbium, d. d. Ljpsiae,
1578. Juli 15.
6) f. 10: Epistola Jobannis Andreae ad Job. Langium 1588.
Sept 15.
7) f. 11 — 12: Epistola M. Buceri ad Hectorem Poemer Nurem-
bergensem, d. d. Argentorati, Nov. 28.
8) f. 13: Epistola M. Viti Tbeodori Nurinberg. ad eundem.
9) f. 14: Epistola M. Erasmi Grieninger ad fratrem suum
Josuam Grieninger, 1590. Jan. 31.
10) f. 15—554: Litterae diyersornm ad Johannem Yaien-
tinum Andreae exaratae et transmlssae de anno 1620
nsqne ad annnm 1649. Vergl. 2085 und 2086 (2).
Scbreiber sind: Georgius Albertus (f. 35—43). Jac. Bruno (f.
473). Georg Calixtus (f. 88—89. 92'— 93). Job. Conr. Dam-
bauer (f. 84—87), Conradus Dietericus (f. 376—377). Job.
Dilgerus (f. 90). Nathan Dilgerus (f. 353. 361. 363—364.
366-375'). Job. Georg Dorscbeus (f. 80— 83). Job.Duraeus
(f. 91). Job. Eberken (f. 409-410'). Georg Erbardt (f. 474).
Henricus Faber (f. 415—423). Jac. Fabricius (f. 92).
Fulanus (f. 354-360. 365). Baltbasar Gockelius (f. 378—
402). Job. Conr. Goebelius (f. 15 — 34). Job. Haspelmacher
(f. 94). Jac. Henoldus (f. 403—408). Jac. HermsdorflF (f.
431). Mich. Laminit (f. 432). Job. Latermannus (f. 97-97').
Justus Jac. Leibnitz (f. 486). Mattbius Lftther (f. 414).
Cbristoph Mack (f. 495—506') Job. Mair (f. 475-585).
Cbristopb Meelfubrer (f. 292-352). Mentzer (f. 96). Mel-
chior Nicolai (f. 520—553). Heinricus Omeis (f. 487—493).
Joh. Petrus (f. 433). Job. Saubertus (f. 98—291). Job.
Adam Schäflfer (f. 507—511). Job. Schmidt (f. 44—79).
Conr. SchragmfiUer (f. 494). J. J. Schneie (f. 515—519).
Joh. Conr. Stalpius (f. 434). Jac. Vischer (f. 436—441).
1893. Aus neueren Handschriften-Verzeichnissen. 237
Bembardus Waldschmidt (f. 413). Conr. Weiniger (f. 442
—455'). Erhardus Weinmann (f. 512-514). Michael Wen-
ceUus (f. 435). Georg Wibel (f. 456—472). Daniel Wülffer
(f. 411—412). Georg Zflrlin (f. 424).
Vorn eingeklebt: 1) Fama Posthuma Incomparabilis ac Orna-
tifisimi Theologorum Johan - Valentini Andreae etc. auctore
6. A. 2) Ele^iae in memoriam J. V. Andreae, auctore
Johanne Schflbelio diacono Stutgard.
-Prov. u, Gesch.: Wohl früher im Besitee von J. V. Andreae.
JSbd.: Pergamentband mit grünen Bindebändern.
Heinemanu, a. O. Vol. IV Nr. 2116.
10^ 5. Aug. foL Pap. verschiedenen Formates, das grö/ste
34X33 cm. 638 Bl 16. und 17. Jahrh. Von verschiedenen
Händen.
Enthält :
1) f. 131—198': Dlrersoram Tlrorum eraditorum isaeculi
reformatlonls epistolae ad Hlchaelem Cellarlum, Mi-
chaelem Haestlinam et allos. Scriptores sunt: Abbates
cenobiorum ducatus Wirtembergensis (t. 131 — 134). Besoldus
(f. 158). Bullingerus (f. 147— 147'). Bucerus (f. 142— 145).
Georgius Calixtus (f. 194—197). Canito (f. 136—137). Jac.
Cappelbeck (f. 156). Laurentius Coaemanus (f. 181). Ana-
stasius Demeler (f. 157). Pomponius EUema (f. 176—176').
Thomas Finck (f. 180). Stephanus Gerlach (f. 155). Samuel
Haylandt (f. 182—185'). Tobias Hess (£ 163). Bartholo-
maeus Huberus (f. 177 — 178). laaax. Kgizodovlog (f. 159 —
— 159'). Polycarpus Leyser (f. 152 — 153). Michael Maest-
linus (f. 186-187). Joh. Mathesius (f. 146—146'). Georgius
Mederus (f. 171—175). M. Meinhard (f. 169—170'). W. Mus-
culus (f. 138 — 141). Thomas Naogeorgius (f. 149). L. Osiander
(f. 161). Georgius Rollenhagen (f. 167— 167'). M. Schaeferus
(f. 188—188'). Hieronymus Wolfius (f. 164—166). — £ 150:
Epistola Caroli Comitis Palatini Rheni ad rectores et pro-
fessores academiae Heidelbergensis d. d. 1580. Oct. 13. —
f. 135 : Folium manu Ph. Melanchthonis exaratum.
2) f. 1—130'. 199—465. 489—535: Varll ordlnis epistolae
Johannls Yalentlnl Andreae et ad eundem de annis
1649 — 1652. Nomina scriptorum sunt haec: Joh. Val.
Andreae (f. 332—341. 362). Crafto Assum (f. 382—388').
Joh. C. Assum (f. 380—381 . 389). Joh. Heinr. Boeclerus
(f. 452—454). Conrad Breuning (f. 285). Joh. Conr. Brot-
beckh (f. 419—424. 540). Abraham Calerius (f. 206). Wolfg.
Georgius comes Castelli (f. 1). Fritz von Cram (Kramm)
(f. 5 —6). Hartmannus Creidius (f. 330). J. Cronegk (Cro-
neccius, Kronegk) (f. 2—3). Nathanael Dilgerus (f. 253 —
259). Johan Michael Dilherus (f. 227—228). Joh. Georg
Dorscherus (f. 222—226). Elias Ehinger (f. 455-461).
238 A.U8 neueren Handschriften-Verzeichniseen. Heft 8 u. 9.
Joh. Henr. Faber (f. 295-303). Joh. Frischmann (f. 395—
396). Joh. Geilfufs (f. 501). M. Stephanus Gerlachius
(f. 5<B-517', 539—539'). Balthasar Gockelius (f. 282—2830.
Martinas Gosky (f. 407—412). Hieronymus Hainhofer (f. 91
—94). Georg Philippus Harsdörfer (f. 95-99). Joh. Haspel-
macher (f. 210). Polycarpus Heiland (f. 391— 392'). Johannes
Henisius (f. 415-417). Magnus Hesenthaler (f. 518-532).
Hieronymus im Hoff (f. 7 — 76). Jacob Honoldus (f. 286 —
294). ThomsÄ Hopfer (f. 308-310'. 319). Joh. Hulsemann
(f. 202—205). Kram s. Gram. — Joh. Conr. Ereidemann
(f. 343—361'. 363—379). Kronegk s. Cronegk. — Thomas
Lansius (f. 397—398). Anthonius Laynarius (f. 321). Con-
rad Leschenbrandt (f. 284). Christoph Mack (f. 311—315).
Joh. Mair (f. 304—307'). Ludewicus de May (f. 77—90,
auch Briefe an die Herzogin Sophie Elisabeth von Braun-
schweig und deren Tochter). Ünristophorus Mehlführer (f.
260—281). Petrus Mendelius (f. 489—494). HectorMicho-
bius (f. 231). J. M. Moscherosch (f. 399—404). H. Neuw
(f. 394-394'). Melchior Nicolai (f. 234-237). Geoi^
Oehlerus (f. 535). Heinricus Omeis (f. 316—318). Christophor.
Godefredus Pfintzing (f. 101 — 122). Jeremias Rebstock (f.
329). Jean Jacques Reusch (Reisch) (f. 124—129). Mar-
tinus Reuschern (f. 487—500'). Eberhardus Schafelitzkius (f.
123). Joh. Conr. Saxe (f. 500a). Samuel Schallesius f. (533
—534). H. Schmidius (f. 322). Joh. Schmidt (f. 211—220'),
Joh. Conr. SchragmtiUer (f. 229). J. F. Selbingerus (f. 324).
Joachim StoUius (f. 325—328). J. G. Styrzel (f. 427—451).
Wendelin Sybelist (f. 413—414'). E. Theobaldus (f. 199).
Johann Otto Tuber (f. 390). Joh. Henr. Ursinus (f. 323—
323 ). Joh. Jac. Wagnerus (£ 405—406'. 423). Bernhardus
Waldschmidt (f. 320). J. Weinlin (f. 418). Martinus ZeU-
lerus (f. 180). Chr. Zeller (f. 239—252'). Georgius Zier-
linus (f. 283). Vergl. 2085, 2086 (2), 2106 (10)
7) f. 537—556, 561—638: Carmlna maximam ad partem in
honorem Jacobl Yalentinl Andreae, auctoribus Julio
Andreae. J. V. Andreae, Joh. Conr. Brotbeckh, Marco Dol-
metscher, Elia Ehinger, Georgio Esenwein, Theodore Flem-
ming, Martino Gosky, Georg. Philippo Harsdörffer, Tobia
Pfister, J. M. Reuschero, Tobia Schaudelio, Henrico Schmidio,
Johanne Schübelio, Levino Sutor aliisque. VergL 2086 (1),
8) f. 557—560: EzecUas rex Juda e lethall morbo ad
Titam rerocatus.
Haec Deo Sospitatori canit Soteria. Manu E. Ehingero.
Prov. u. Gesch.: Wie 2085 und 2086.
Ebd.: Wie 2085 und 2086,
Litteraturbericht.
Anton Gindely über Comenius.
Wenn Gindely über Comenius urteilt , so wird es niemand
wagen, ohne gi-ündliche Untersuchung ihm zu widersprechen. Er
wird es selbst dann nicht thun, wenn jener etwas an der Hand-
lungsweise des C. zu tadeln hat.
Dr. Anton Gindely (vgl. Monatshefte I 4, S. 322) gehörte zu
den ersten, welche das Leben des C. zum Gegenstande einer gründ-
lichen Forschung machten. Seine Abhandlung über des C. Leben
und Wirksamkeit in der Fremde, 1855 veröffentlicht in den Sitzungs-
berichten der philosophisch-historischen Klasse der k. k. Akademie
der Wissenschaften in Wien, wurde für alle späteren Arbeiten über
C. von mafsgebender Bedeutung. Als dann das Jahr 1890 der
Comeniusforschung einen neuen Aufschwung gab ; als Kvacsala, Pro-
fessor am evangelischen Lyceum in Prefsburg, sein grofses Werk
über das Leben des C. verfafste und dabei aus bisher nicht be-
kannten Quellen wie z. B. der im Heichsarchiv in Budapest auf-
bewahrten Korrespondenz des C. schöpfte, da nahm auch Gindely
seine Forschung über ihn wieder auf, durchsuchte die im böhmischen
Museum aufbewahrte handschriftliche Korrespondenz und verbesserte
und ergänzte seine Abhandlung, in welcher er in wesentlichen
Punkten von Kvacsala abweicht.
Dafs diese Abhandlung jedem, der sich über die neuesten das
Leben des C. betreffenden Forschungsergebnisse in Kürze unter-
richten will, leicht zugänglich geworden ist, das verdanken wir der
Verlagshandlung von Fournier & Haberler in Znaim. Sie hat
durch die von ihr seit 1892 veröffentlichten „Comeniusstudien"
schon viel zur Verbreitung seines Namens beigetragen. Als sechste
Nummer dieser Comeniusstudien erschien der Aufsatz von Dr. Anton
Gindely über des C. Leben und Wirksamkeit in zweiter, neu be-
arbeiteter Auflage. Der eigentlichen Abhandlung sind hier noch
acht Beilagen angeschlossen, eine von C. aufgestellte Rechnung über
Geld Sammlungen , welche in England für die böhmischen Brüder
veranstaltet waren, und sieben Briefe des C.
240 Litteraturbericht. Heft 8 u. 9.
Gindely schildert uns in seinem Büchlein nicht blofs den Päda-
gogen, den Bischof, den Dulder; er eröffnet uns auch einen Einblick
in seine Seele, in seine Gemütsart. Und immer geschieht dies sine
studio et ira, wie man es von einem rechten Geschichtsschreiber
erwartet, was bei dem Gegensatz seines Bekenntnisses zu dem des
C. um so höher anzuschlagen ist. Doch möchte man fast meinen,
dafs in einem Punkte die Ansicht Gindelys durch diesen Gegensatz
beeinflulst sei, wenn nicht auch evangelische Gelehrte bereits die-
selbe Ansicht ausgesprochen hätten. Man liest nämlich in fast allen
Lebensbeschreibungen, dafs C. Weltentsagung gepredigt habe, und
auch in Gindelys Abhandlung lesen wir dies (S. 11). Dieses Urteil
gründet sich auf die Erbauungsschriften, die C. in jüngeren Jahren
verfafste, besonders auf die Schrift „das Labyrinth der Welt und
das Paradies des Herzens". Aber es steht im Widerspruch schon
mit den Gedanken, die er im „Faber fortunae" darlegt, es steht im
Widerspruch mit der warmen Teilnahme, die er in seinen pädago-
gischen Schriften für alle Verhältnisse des Menschenlebens an den
Tag legt; es steht im Widerspruch mit seinem pädagogischen Grund-
gedanken, dafs die Schule für das Leben vorbereiten solle, am
meisten aber widerspricht jenes Urteil seinem eigenen Leben und
Wirken. C. war durchaus nicht der Meinung, dafs man alles in
frommer Ergebung Über sich ergehen lassen solle. Er ist unaus-
gesetzt bemüht, seiner Gemeinde die Eückkehr ins Vaterland zu
erwirken. Unermüdlich arbeitet er an der Verbesserung des Schul-
wesens. Niemals verzweifelt er an der Verbesserung der Welt, und
alle seine Kräfte stellt er in den Dienst der Menschheit. Darum
ist Weltentsagung nicht das rechte Wort für das Verhältnis des C.
zur Welt. Treffender würde es geistige Weltüberwindung genannt.
So urteilt auch Kvacsala. Er sagt im Vorwort (S. IV) : „Man nannte
den C. einen frommen Dulder, man behauptete, der Grundsatz seiner
Ethik sei der Quietismus, Ergebung in Gottes Willen ; dies fand ich
nur insofern richtig, als er im Dulden fromm war, und wo mensch-
liche Hilfe nicht ausreicht, sich in Gottes Willen ergab. Aber eine
rastlose , fast über Menschenkräfte hinausgehende Thätigkeit , un-
ermüdeter, wenn auch mit dem Endziele des Friedens geführter
Kampf für die hehren Ideale des Glaubens, des Vaterlandes und
des Humanismus auf allen Gebieten, sogar auf politischem, das er-
schien als die richtige Kennzeichnung seiner Lebensbahn."
Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkte die Thätigkeit, zu
welcher sich C. durch die Weissagungen Drabiks veranlafst fühlte,
so wird man dem herben Urteil Gindelys über dieselbe nicht bei-
stimmen können. Drabik, ein Geistlicher der böhmischen Brüder,
weissagte aus Visionen, die ihm zu teil geworden seien, dafs Gott
das Haus Habsburg, den mächtigsten Feind des Evangeliums, stürzen
werde; dafs sein Sturz nahe bevorstehe; dafs sich der Norden und
der Osten verbinden würden, um dieses Gottesgericht zu vollstrecken.
Er forderte als ein von Gott Gesandter den Fürsten von Sieben-
bürgen auf, im Verein mit Schweden gegen Osterreich zu Felde zu
1893. Litteraturbericht. 241
ziehen, die ungarische Königskrone würde der Siegespreis sein.
Viele erklärten Drabik für einen Betrüger, C. und andere glaubten
ihm ; er hatte es ja mit einem furchtbaren Eide, den die zur Prüfung
eingesetzte geistliche Kommission ihm auferlegte, feierlich beschworen,
dafs ihm seine Offenbarungen von 6ott gegeben seien. Drabiks
Gegner wiesen C. hin auf den schlechten Lebenswandel des Mannes :
Drabik war dem Trunk ergeben. Auch sonst stand er in üblem
Rufe. Aber C. entgegnete allen Ernstes, auch Bileam sei kein Ge-
rechter gewesen, und doch habe er die Wahrheit verkündigt. „So
blieb C.,^ sagt Gindely, „förmlich blind und taub gegen vernünftige
Vorstellungen. ** Aber was ihn verblendete, das war nicht etwa
Eigensinn, das war vielmehr der religiöse Glaube oder besser Aber-
glaube seiner Zeit, die dadurch verursachte unfreie, sich jedes eige-
nen Urteils begebende Stellung zur heiligen Schrift und die mangel-
hafte Einsicht in das Wesen und die Bedingungen der Prophetie.
Genug, G. glaubte jenen Offenbarungen. Mufste er es unter
diesen Umständen nicht als eine heilige Pflicht ansehen, den noch
zaudernden König zur Erfüllung des prophetischen Wortes anzu-
feuern? Und als sich der Fürst nun wirklich zum Kriege rüstete;
als er wirklich einen Bevollmächtigten nach Schweden sandte; als
dieser den C. in Lissa auf des Fürsten Befehl um Rat und Wei-
sungen ersuchte, durfte C. seine Mitwirkung versagen! Mufste er
* nicht auch weiterhin alles thnn, was in seinen Kräften stand, um
das Bündnis herbeizuführen? Hiefs es nicht, Gott versuchen, wenn
er jetzt die Hände in den Schofs legen und zusehen wollte, ob er
auch ohne ihn sein Wort erfüllen werde ? Konnte er das vor seinen
verbannten Brüdern verantworten, in denen jene Weissagungen wieder
die Hoffnung auf baldige Rückkehr ins Vaterland angefacht hatten?
Und es war nicht blofs Gehorsam gegen eine vermeintliche Offen-
barung, was ihn zum Handeln trieb. Es waren durch sie auch in
seinem Herzen Sehnsucht und Hoffnung wieder mächtig erwacht.
Ach wie gern hätte er die Erhörung so hei fser Gebete noch erlebt!
Gindely nennt die zu einem Kriege gegen Osterreich treibenden
Bemühungen des C. Aufhetzungen. Wer sich in die Seele des C.
versetzt, wird unmöglich so urteilen können.
Der König von Schweden eröffnete wirklich den Krieg, doch
nicht gegen Osterreich, sondern gegen Polen. C. war froh, dafs der
Krieg überhaupt begann; er zweifelte nicht, dafs auch bald Oster-
reich würde mit hineingezogen werden. Dann erfüllte sich die
Weissagung. Aber einen Krieg gegen Polen hatte er nicht ge-
wollt, auch nicht angeraten. Wir dürfen also den C. von dem Vor-
wurfe freisprechen, den Gindely gegen ihn erhebt, wenn er sagt:
„C. hatte auf diese Weise durch seine Aufhetzungen — — erreicht,
was er wünschte : der Krieg zwischen Polen und Schweden war ent-
brannt." Wohl aber werden wir Gindely zugeben müssen , dafs C.
unklug und unvorsichtig handelte, als er an den siegreichen Schweden -
könig ein Beglückwünschungsschreiben richtete, welches veröffentlicht
wurde. Freilich die Veröffentlichung hatte er nicht gewollt, wie
242 Litteraturbericht Heft 8 u. 9.
Kvacsala S. 869 ausdrücklich hervorhebt. £r hatte es nur nicht
über sich vermocht, dem Stadtoberhaupt von Lissa seine Bitte um
ein BeglUckwünschungsschreiben an den König entschieden abzu-
schlagen. Es scheint C. überhaupt schwer geworden zu sein,
dringende Bitten abzulehnen. Diese Schwäche tritt ganz auffallend
hervor in der Zeit, als man ihn zur Teilnahme an dem Beligions-
gesprftch in Thom bewegen wollte. Als ein Teil der Brüder nicht
abliefs, ihn zu bestürmen, bat er den Herrn von Geer, ihn nach
Schweden zu berufen, damit er einen genügenden Vorwand fUr seine
Nichtbeteiligung besitze. Herr von Geer berief ihn wirklich nach
Schweden. Aber bereits hatte er sich doch wieder zur Reise nach
Thom überreden lassen (S. 47).
Diese Schwäche des C. war jedoch nur das Übermafs einer
Tugend, sie war übertriebene Sanftmut. Es gab keine bedeutende
Erscheinung, keine bedeutende Persönlichkeit, die nicht auf C.'s
Herz sofort tiefen Eindruck machte und es eine Zeitlang ganz in
ihrem Zauberkreise hielt, bis er die empfangenen Eindrücke in
stillem, abwägendem Nachdenken in sich verarbeitet hatte. Gindely
erzählt davon sehr auffallende Beispiele. Ein angesehener Kapuziner
Namens Valerian, ein Mann von grofser Schlagfertigkeit und diploma-
tischem Geschick, hatte eine Polemik gegen den evangelischen
Glauben geschrieben; er hatte sogar in einer dadurch veranlafsten
öffentlichen Disputation mit einem evangelischen Geistlichen den'
Sieg davongetragen, so dafs dieser zum katholischen Glauben über-
trat. Wieviel hatte C. bereits über den Gegenstand der beiden Be-
kenntnisse nachgedacht! Wie klar war er sich darüber! Und doch
vermochte die Schrift des Valerian noch einen tiefen Eindruck auf
ihn zu machen, so dafs es ihn trieb, noch einmal zji vergleichen,
noch einmal ohne Voreingenommenheit, ohne Selbstüberhebung zu
prüfen. Er bekennt dies auch offen seinem Gegner in einem seine
Widerlegungsschrift begleitenden Briefe, und Kvacsala wie Gindely
finden dieses Bekenntnis so bezeichnend, dafs sie es uns in Über-
setzung mitteilen (Kv. S. 280, G. S. 43): „Als ich dein Buch zum
erstenmal erhielt, sah ich, welch grofse Dinge dasselbe behandelt,
mit welchem Selbstvertrauen du die Sache führst; wie vieles du
schön, gediegen und fromm bewegst, denn vieles hast du, was sehr
schön ist. Da wagte ich nicht, das Buch weiter zu lesen, nur nach-
dem ich mich mit deinem Buche vor Gott auf die Erde warf, um
Blindheit flehend. Denn ich bat Gott so recht demütig, wenn er
mir dich mit einem Licht der Wahrheit zugesandt hat, er möge die
Gnade haben^ meine Augen zu eröffnen. Um so weniger hatte ich
vor, dies Werk auf das deine als Antwort zu geben, erst nachdem
ich mich immer wieder aller meiner Sinne entäufserte und meine
Seele Gott übergab, er möge meinen Geist, Willen und meine Feder
lenken, wohin er will*)."
^) Der Leser wird wohl selbst das Gefühl haben, dafs diese Über-
setzung der BerichtigUDg bedarf. Schon der Anfang erregt Zweifel. Sollte
nicht am Anfang Quam primum stehen? Das wäre mit ^sobald als'' zu
übersetzen.
1893. Litteraturbericht 243
Ganz derselbe war C. in seinem Verhalten gegen die Socinianer.
Gindely erzählt (S. 15), wie beharrlich sich diese bemühten, ihn
für sich zu gewinnen. Soviel erreichten sie von ihm, dals er sich
in die Lekttlre der von ihnen empfohlenen Glaubensschriften vertiefte,
und C. bekennt, dafs sie ihn doch in seinem Glauben einigermafsen
wankend gemacht hätten. Aber er eroberte ihn sich wieder, und
später erzählt er, dafs der Socinianismus auf ihn keinen Eindruck
mehr machen könne.
Wer wollte dieses Verhalten des C. als Schwäche auslegen!
Es ist vielmehr das einzig richtige, wo es sich um einen so reichen,
so geheimnisvollen Schatz handelt, wie der christliche Glaube ist.
Man lernt ihn nur kennen, indem man ihn immer wieder durch-
mustert. Es ist das einzig wahre Verhalten , wenn man femer be-
denkt, dafs wir solchen Schatz nur in schwachen, unvollkommenen
Gefäfsen bergen. Da setzt sich leicht allerlei Staub an, und das
Gold verblafst. Da ist es notwendig, ihn von Zeit zu Zeit hervor-
zuholen und vom Staube zu reinigen. Das aber war des C. Stärke,
dafs er sich seiner menschlichen Schwäche in der begrifflichen Er-
fassung seines Glaubens stets bewufst blieb. W. B.
Zivot JanaAmosaKomensk^ho. Na oslavu trfsetlet^ pamdtky
jeho narozenf napsal Fr. J. Z o u b e k. Vyd4no z pozästalosti
spisovatelovy p6cf „Besedy uSitelsk^ Budike" na Smfchove. K
tisku upravil Dr. Jan V. Nov4k. V Praze 1892. N4kl. J. Otty.
Lex. 8® Str. 294. Cena 2 zl. 40 kr.^)
Zve^ncly Zoubek, tento pravy „apoStol Komenskeho** v CechÄch,
poprv6 vydal i^ivotopis Komensk^ho vr. 1871 o 128 str. lex. 8®,
jeni z4hy vy§el tak6 ve zpracovÄnf nemeck^m a stal se pramenem
a zÄkladem pro vSechny t^mei* ndsledujfcf iivotopisy Komenskäho a
teprve v r. 1892 byl predstiien dilem Kvacsalovym, zejm^na ve
pHcine, vylfCenf veSkerych stykÄ Komensk^ho a oceneni veSkere
spisovatelsk^ 6innosti Amosovy.
Prve vyd4n{ zivotopisu Zoubkova opfralo se sice o predchozf
^) Das Leben des Johann Amos Comenius zur Gedächtnisfeier seines
dreihundertjährigen Geburtstages verfafst von Fr. J. Zoubek, aus des Ver-
fassers Nachlafs herausgegeben von der ^Beseda uCitelskÄ BudeC'^ in
Smichow, zum Druck zubereitet von Dr. J. V. Nov4k. — Prag 1892. Verlag
von J. Otto. Lex. 8^ 294 S. — Preis 2 fl. 40 kr.
Der verewigte Zoubek, dieser „Apostel des Comenius'' in Böhmen, hat
zum erstenmal im Jahre 1871 eine Lebensbeschreibung des Comenius her-
ausgegeben (Lex. 8^. 128 S.), die bald auch in deutscher Bearbeitung er-
schien und Quelle und Grundlage für fast alle nachfolgenden Lebens-
beschreibungen des Comenius wurde. Erst 1892 ist sie durch das Werk
Kvacsalas überholt worden, namentlich was die Darstellung der gesamten
Beziehungen des Comenius und die Würdigung seiner gesamten schrift-
stellerischen Thätigkeit betri£ft. Die erste Ausgabe der Zoubekschen
Lebensbeschreibung stützte sich zwar auf die vorangegangenen Arbeiten,
244 Litteraturbericht. Heft 8 u. 9.
prÄce hlavne Palack^ho a Gindelyho, tak6 vSak o vlastnf Stadium
spis& sam^ho Komensk^ho a prisluSn^ literatury. Zoubek jii v r.
1871 nepfestal na vypsÄnf vnejsfch udalostf pohnut^ho iivota Komeu-
sk6ho, nei pokusil se — pokud prameny tehdäz na snade jsoucf
dovolovaly — vylfßiti Amosa jako syna 8v6 doby, vypsati pomery
prostoru a osob, jez ho obklopovaly, pomery politicke a spole6ensk^,
kterym podl^hal a jez zase k vyvoji jeho ducha a k azrdv4n{ a
tffbenf jeho zdmyslfi pfispfvaly, zvl4§t^ zevrubne pak ocenil velikou
prÄci jeho a to hlavnü v oboru didaktiky. K tomuto zivotopisu
pfidrulil Zoubek v letech sednidesatych a osmdesdtych vzorn4 <*eskÄ
ztlumoöenf nejdälei^itejäfch iatinskych spisä Komensk^ho a rovnei
dfikladn6 jako duchapln^. monografie o räznych str4nk&ch jeho
öinnosti, zejm^na Studie o ndbozenskych , poetickych a nirodohos-
podÄrskych spisech a idedch Komensk^ho, kter^. Zoubkovi v litera-
tufe cesk6 na vzdy zabezpe^ujf jedno z nejpfednejSfch mfst a cennym
obsahem, ryzfm jazykem a slohem stejne jasnym jako lahodnym
budou trvati klassickymi. I zabfral se Zoubek st41e hloubeji ve
studia spisä Romensk^ho a veSker^ literatury pffslusn^, pfi 6emz
napof^d sn4§el opravy, doplnky a novy material k nov6mu vyddnf
zivotopisu Komensk^ho, jeho2 vyddnf prv6 bylo po(:Ätkem let osmde-
sÄtych rozebrÄno.
hauptsächlich auf die eines Palacky und Gindely, doch auch auf selbständiges
Studium der Schriften des Comenius und der einschlägigen Litteratur;
Zoubek begnügte sich schon 1871 nicht damit, das bewegte Leben des Co-
menius in seinem äufseren Verlauf zu beschreiben, sondern versuchte, soweit
das die damals zugänglichen Quellen erlaubten, Amos als einen Sohn seiner
Zeit zu. schildern und die Zustände von Land und Leuten, die ihn umgaben, zu
beschreiben, sowie die politischen und socialen Verhältnisse, denen er unter-
lag, die' aber andererseits zur Entwicklung seines Geistes und zur Aus-
reifem^ und Klärung seiner Ideen beitrugen. Besonders eingehend ^vürdigte
Zoubek seine grofse Arbeit auf didaktischem Gebiet. — Aufserdem über-
trug Zoubek in den siebziger und achtziger Jahren die wichtigsten latei-
nischen Schriften des Comenius in musterhafter Weise ins Böhmische und
verfafste ebenso gründliche wie geistvolle Mono^aphien über verschiedene
Seiten seiner Thäti^keit, so besonders Studien über die religiösen, dichte-
rischen und volkswirtschaftlichen Schriften und Gedanken des Comenius,
Arbeiten, durch welche sich Zoubek für alle Zeit einen hervorragenden
Platz in der bömischen Litteratur gesichert hat, und die wegen ihres wert-
vollen Inhalts, ihrer fiiefsenden Sprache und ihres ebenso klaren wie an-
mutigen Stils einen dauernden klassischen Wert haben. Daneben versenkte
sich Zoubek immer tiefer in das Studium der Schriften des Comenius und
der gesamten dazu gehörigen Litteratur und gewann dadurch nach und
nach Verbesserungen, Ergänzungen und neues Material zu einer neuen
Ausgabe der Lebensbeschreibung des Comenius, deren erste Ausgabe zn
Anfang der achiziger Jahre vergriffen war.
Aber der Tod rifs Zoubek mitten aus seiner Arbeit, und in seinem
schriftstellerischen Nachlafs fand sich das Manuskript zu einer neuen Aus-
gabe der Lebensbeschreibung, aber nur bis zum Jahr 1643 fortgeführt und
auch das noch nicht völlig gleichmäfsig ausgearbeitet ; für das übrige war
sein Handexemplar der ersten Ausgabe mit seinen Anmerkungen, Nach-
trägen und Verbesserungen vorhanden. Dieses Material wurde auf Ver-
anlassung des Smichover Lehrervereins Prof. J. V. Noväk übergeben, um
es zum Druck vorzubereiten. Das konnte auf zweierlei Weise geschehen :
entweder ohne alle Zusätze, Verbesserungen und Veränderungen, also wie
1893. Litteraturbericht. 245
AvSak smrt zas^hla Zoubka v prostfed jeho pr^ce, a v literarnf
poz&stalosti jeho nalezl se rukopis nov^ho zivotopisii Komensk^ho,
dovedeny jen po rok 1643 a to jeSte ne ve v§em urovnany a sou-
merny, k ostatnfmu pak proloJeny exemplaf vyddnf prv^ho, pozn^m-
kami, pHpisky a opravami dolozeny. Tento material pfieinenfm
8mfchoysk6 jednoty a5itelske byl odevzd&n prof. J. V. Nov&kovi,
aby ho upravil k vyaÄzif tiskem, kter^z mohlo se stdti zp&sobem
dvojfm: bnd beze vSech doplüköv^ oprav a zmen, tedy jako
pramen historicky — a takovym by nejspfSe za vdek vzali komenio-
filov^, chtejfcf zvcdeti, jakdaleko v poznAnf Komensk^ho dospel tak
prosluly znatel a nadSeny ctitel Amosfiv, jakym byl Zonbek — bud
upraviti kusy rukopis Zoubk&v tak, aby byl f etbou i pro 8ir§f obe-
censtvo; byl zvolen tento druhy zp&sob vydÄnf, Cfmi se stalo, ie
mkme pfed sebon nikoli jen prÄci Zoubkovu, nybrz — a to zejm^na
od Str. 151 — prÄci Zoubkovu a NovÄkovu.
Jako prv6 tak tak^ pfitomn^ druh^ vydÄnf zivotopisu Komen-
sk^ho jest osnovÄno zp&sobem^ ktery dnes väbec jest obHben : Podrobne
lf6f se vnej^f beb s^ivota Komensk^ho v sedmi statfch (die hlavnfch
mfst jeho pobytu: domov, Cechy, Lesno, Anglie, Le§no podruhe,
Uhry, LeSno potretf, Amsterodam), pfi 6emz soucasne vypisujf, se
podnety, vzuik, hiavnf obsah, hodnota jednotlivych spisfiv anebo zdroj,
povaha a tendence jeho zÄmysluv a ßinü, na^ez ve stati 08m6 nasle-
dujf naskrze vecn6 a stHzliv6 ZÄverecn6 üvahy a konecne ve stati
devat6 Seznam spisä J. A. Komensk^ho o 138 cf siech (proti 110
^*fsl&m vydÄnf z r. 1871); hiavnf stati tyto rozcleneny zase nejvice
die vynikÄjfcfch spisuv Amosovych, kter6 vylozeny mnohem zevrub-
neji a üplneji nez ve vydAnf prv^m a to i spisy didakticke, i ndbo-
2ensk6, i filosofick^; prof. NovAk hlavne v tomto smeru, s patmou
eine Geschichtsquelle — und so wäre es den Comeniusfreunden am liebsten
gewesen, die zu erfahren wünschen, wie weit ein so berühmter Kenner
und begeisterter Verehrer wie Zoubek in der Kenntnis des Comenius vor-
gedrungen sei — oder es galt, die fragmentarische Handschrift Zoubeks so
zuzuricnten, dafs etwas auch für einen weiteren Kreis Lesbares daraus würde.
Das letztere Verfahren wurde eingeschlagen, und so ist es gekommen, dafs
wir keineswegs auschliefslich eine Arbeit Zoubeks, sondern — namentlich
von S. 151 an — eine Arbeit Zoubeks und NovÄks vor uns haben.
Wie bei der ersten Ausecabe der Lebensbeschreibung, so ist auch bei
dieser zweiten die äufsere Aniage die heut allgemein beliebte: Der äufsere
Lebenslauf des Comenius wird ausführlich in sieben Abschnitten erzählt
(nach seinen hauptsächlichen Schauplätzen: die Heimat, Böhmen, Lissa,
England, zum zweitenmal Lissa, Ungarn, zum drittenmal Lissa, Amster-
dam), wobei die gleichzeitigen Unternehmungen, Ursprung, Hauptinhalt
und Wert der einzelnen Schriften, oder Quelle, Bedeutung und Richtung
seiner Gedanken und Leistungen geschildert werden. Im achten Abschnitt
folgt eine durchaus sachliche und nüchterne Schlufsbetrachtung und end-
lich im neunten Abschnitt ein Verzeichnis der Schriften des J. A. Comenius
mit 138 Nummern (gegen HO Nummern der ersten Ausgabe von 1871).
Diese Hauptabschnitte gliedern sich wieder hauptsächlich nach den hervor-
ragenden Schriften des Comenius, die viel ausführlicher und vollständiger
als in der ersten Ausgabe besprochen werden, und zwar sowohl die didak-
tischen als auch die theologischen, als auch die philosophischen Schriften.
246 Litteratutbericht. Heft 8 u. 9.
pilf a svMomitostf ujal se doplnSnf textu Zoubkova. Sloh dfla jest
jasny, jazyk ryzf. Hojn6 poznÄmky bistonck^ a literamf pffpadn^
dojasiiujf blavni text a poukazujf k pramen&m, spolu jsoace toho
dokladem, jak nesmfmS vzrostla literatura Komensk^ho od r. 1871
a jak dokonale Zoubek ji oyl4dal i jak NovÄk — poknd se tyce
doby nejnovÖj§f — j{ vyuiiti se snazil.
Velmi vkusna jest vyprava vnÖj§f, tisk velmi zrßtelny, az nad-
bytnö V odstavce dßleny a cfslovany; litujeme jen, ie k dÜu tak
obs^bl^mu a däle£it6inu nebyl pfidÄn ani jmenny ani v^cny rejstrfk
abecednf. VhodnS spis dopliiujf podobizny Komensk^bo (die obrazu
Süssnappova) a Zoubkova (die fotografie), snimek zÄblavf z Opera
didactica omnia a Milbauerova mapa: Cesty Komensk^bo.
Jos. Klika.
Prof. NovAk bat uamentlicb in dieser Richtung mit Krofsem Fleifs und
Gewissenhaftigkeit den Text Zoubeks wesentlicb vervollständigt. Der Stil '
des Werkes ist klar, die Spracbe fliefsend. Zablreiche geschichtlicbe und
litterarische Anmerkungen erläutern den Text und weisen auf die Quellen
hin; sie zeigen zugleich, wie bedeutend die Comeniuslitteratur seit 1871
angewachsen ist, wie vollkommen Zoubek sie beherrschte und wie voll-
ständig sie Noväk — was die neuesten Zeiten anbelangt — zu verwerten
bestreot war.
Die äufsere Ausstattung ist recht geschmackvoll, der Druck deutlich,
der Absätze und Paragraphen sind fast zu viele; wir bedauern nur, dafs
diesem so inhaltreichen und wertvollen Werk kein Namen- und Sachregister
beigegeben worden ist. Das Buch ist in passender Weise geschmückt mit
den Bildern des Comenius (nach Süfsnappj und Zoubeks (nach einer Photo-
graphie), mit einer Nachbildung des Titelkupfers aus den Opera didactica
omnia und mit Milbauers Karte: Die Reisen des Comenius.
Neueste Comenius-Litteratur.
Seit unserem letzten Bericht vom März 1893 (s. M.-H. der
C. G. 1893, Heft 3, S. 84 fr.) sind eine Reibe weiterer Arbeiten
über Comenius erschienen , die wir hier einstweilen nur dem Titel
nach zur Kenntnis unserer Leser bringen können. Wir behalten
uns näheres Eingehen auf die wichtigeren Arbeiten vor. Sollten in
dieser Übersicht einige inzwischen erschienene Aufsätze fehlen, so
bitten wir unsere Leser und Mitarbeiter um Zusendung derselben;
es wird dann die Nachtragung erfolgen.
A. Deutsche Lltteratur.
Andreae, Dr. Karl. Zwei pädagogische Festreden (Beigabe zum
Jahresberichte der Königl. Lehrerbildungsanstalt Kaiserslautern
1892 — 93), darin: I. Gesprochen zur Feier des 300jäbrigen Ge-
1893. Litteraturbericht. 247
burtetags den J. A. Comenius, veranstaltet von eämtlicben Unter-
richtsanstalten am 28. März 1892.
Dittes, Fr. Über den Geburtsort des Gomenius. Im Pädagogium.
September 1892.
Fecbtner, E. Jobann Amos Comenius. In der österreichisch-
ungarischen Revue XIQ, 385 — 348.
Feuerbach; A. Amos Comenius und die Volksschule. Gedächtnis-
rede auf Comenius, gehalten in der Hauptversammlung des hes-
sischen Landes - Lehrervereins. Abgedruckt im Schulboten für
Hessen. 1892, No. 21 und 22 (1. und 15. November).
Gindely, Anton. Über des Johann Amos Comenius Leben und
Wirksamkeit 2. neu bearbeitete Auflage der im Jahre 1855 ver-
öffentlichten Abhandlung. Mit 4 Abbildungen. Znaim, Foumier &
Haberler (Karl Bomemann). Preis 2 Mk. (s. oben S. 239 ff.).
Grillenberger, G. Comenius, seine Quellen, seine eigene Arbeit
und sein Einflufs. Konferenzvortrag. Ftlrth, G. Rosenberg. 1893.
48 S. 8^
Herold, H. Welche Bedeutung hat Comenius flir die Entwicklung
der Unterrichtsmethode. In der katholischen Lehrerzeitung, heraus-
gegeben von W. DUrken. 1892. No. 8 und 9.
Hunziker, 0. Comenius und Pestalozzi. Festrede, gehalten zu
Zürich am 13. März 1893. Zürich, Druck von Grell Füssli.
Kvacsala, Johann. Des Comenius Aufenthalt in Lissa. In der
Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen.
Bd. Vm (1893), S. 1—46.
Tamms, August. Johann Amos Comenius, sein Leben und seine
Bedeutung für die Volksschule. In der mecklenburgischen Schul-
zeitung, XXin. Jahrgang, No. 47 — 51.
Job. Böhm, Geschichte der Pädagogik mit Charakterbildern her-
vorragender Pädagogen und Zeiten. Als Kommentar zu seiner
kurzgefafsten Geschichte der Pädagogik bearbeitet von Job. Böhm.
Mit 103 Abbildungen. Zweite, verbesserte und vermehrte Auf-
lage. 2 Hefte. Die Geschichte der Pädagogik von Montaigne
bis zur Gegenwart. Nürnberg, Verlag von Friedr. Korn. 1893.
Diese neue Auflage ist in Bezug auf Comenius unter Berück-
sichtigung aller neueren Forschungen bearbeitet.
B. NorweglBcIie Lltteratur.
Zusammengestellt von C. Anderssen.
Hovedpunkteme i Skolens Udvikling efter Reformationen of Matias
Skard, Vorstander for Vonheims Folkehöiskole, Christiania 1884.
Paedagogikens Historie of N. Hertzberg 1890.
Johann Amos Comenius et trehundredeaars Jubilaeum af N. Hertz-
berg. Norsk Skoletidende 1892.
Comenius som Brodremenighedens Biskop. Foredrag ved Comenius-
festen i Christiania 15. Nov. 1892 (Norsk Skoletidende 1892).
248 Litteraturbericht. Heft 8 u. 9.
Anderssen, Otto (Skolbestyrer). Johan Arnos Comenius , Den
moderne opdragelses videnskaps Grundlaegger. Foredrag ved minde-
feesten i Kristiania 15« Nov. 1892. Chris tiania, Alb. Cammer-
meyers Forlag, 1898.
C. Englische Lltteratnr.
Foster Watson, M. A, On the development of John Arnos Co-
menius. The Educational Review. London, Office of the Ed.
Review 2 Creed Lane, Ladgate Hill, E. C. 1892 Mai.
Foster Watson. Translations from Comenius. The Educational
Review. 1892 July and August.
D. Italienische Litteratnr.
n testamento di Comenio. L* Italia Evangelica. Firenze 1898 Anno
Xin N« 12 (25. März 1893).
Zur Bücherkunde.
Litteratur über Johann Valentin Andreae aus den
letzten hundert Jahren.
Zusammengestellt von
Dr. J. Brügel, Semiuarrektor in Nagold.
1782 Petersen, Leben Andreaes im WUrttembergischen Reper-
torium der Litteratur. Stück II, S. 274—365.
1786 (Carl Sonntag, Generalsuperintcndont zu Riga. Der Name
des Vf. ist im Buch selbst nicht genannt.)
J. V. Andreaes Dichtungen zur Beherzigung unseres Zeit-
alters. Mit einer Vorrede von J. 6. Herder. Leipzig,
G. J. Göschen. LXIV, 181. Enthält in der Einleitung einen
Lebensabrifs A.'8, ist im übrigen keine Übersetzung, sondern
eine freie Bearbeitung ausgewählter Stücke aus der Mytho-
logia christiana. S. auch Werke Herders von Suplian, Band
XVI, S. 591—600.
1793 Herder, J. G., Zerstreute Blätter. Gotha bei Carl Wilhelm
Ettinger. Sämtl. Werke hrsg. von Suphan. Berlin, Weidmann.
1888. Band XVI, 131 — 191. Übersetzungsproben aus der
Mythologie und Menippus. S. 232 — 241 über J. V. Andreae
als Dichter mit Proben aus der Geistlichen Kurtzweil.
1799 Seybold, ordentlicher Professor der klassischen Litteratur
in Tübingen, Selbstbiographien berühmter Männer. Ein Pen-
dant zu J. G. Müllers Selbstbekenntnissen. Gesammelt von
Prof. S. 2. Band. J. V, Andreae nebst Beilagen. Winterthur
in der Steinerischen Buchhandlung. XVU, 392 S.
1808 (Stäudlin, J. Fr.) Dissertatio de tlohannis Valentini Andreae
Theologi olim Virtembergensis consilio et doctrina morali.
Osterprogramm. Göttingen. 4*^. 17 S.
1817 Immanuel Friedrich Gamm, Dr. der Theologie und Philo-
sophie, Aschenfuuken aus der Bannbulleverbrennung
Luthers, zur Nachfeyer des dritten Sekularfestes , glimmend
erhalten durch das Andenken an den zweiten (Wtirttembergischen)
Luther, Dr. Valentin Andrea, vormaligem zweiten Hofgeist-
Monfttahefte der Comenias-GefleUflcluift. 1893. 18
250 Brügel, Heft 8 u. 9.
liehen, von seinem Amtsnachfolger nach einem Ablauf von
179 Jahren. Ad Boreum poli 50 gr. elevati. Den 31. De-
zember 1817. 8". 225 S. (Enthält u. a. Übersetzungsproben
aus Menippus u. Mythologia christiana.)
1819 Wilhelm Hofsbach, Prediger an der K. Kadettenanstalt zu
Berlin, Joh. Val. Andreae und sein Zeitalter. Berlin, gedruckt
und verlegt bei G. Reimer. 8®. 295 S. — Im Text einge-
schaltet und im Anhang beigefllgt sind Proben besonders aiLs
dem Menippus, einige auch aus der Mythologia christiana.
I 1821 H. Chr. Fr. Krause, Die drei ältesten Urkunden der Frei-
maurerbrllderschaft. Dresden. Band II, Abt. 2. S. 88 ff.
1827 Pabst, Carl Theodor, ord. Mitglied der hist.-theol. Gesell-
schaft zu Leipzig, Joh. Val. Andreaes Entlarvter Apap (Papa)
und Hahnenruf. Eine Stimme der Warnung an das deutsche
Volk nebst Beiträgen zur Kirchengeschichte des 16. und 17.
Jahrhunderts aus den Schriften des J. V. Andreae. Leipzig
bei G. Kayser. Vorr. XII. Leben J. V. A.'s 52 S. Über-
setzung des Apap proditus 53 — 78. Des Gallicinum (Hahnen-
ruf) S. 80 — 92. Übersetzung von Bruchstücken aus Fama
Andreana reflorescens S. 100 — 145.
1836 Carl Grüneisen, Joh. Val. Andreae, die Christenburg.
Allegorisch-epische Dichtung. Nach einer gleichzeitigen Hand-
schrift herausgegeben. Zeitschrift fttr historische Theologie
von lUgen. VL Bd. 1836. S. 231-— 312. — Auch als Sonder-
abdruck erschienen. Leipzig 1836.
1845 M hl , Robert, Die Staatsromane. Ein Beitrag zur Litte-
raturgeschichte der Staatswissenschaften. Zeitschrift fUr die ge-
samte Staatswissenschafb. Tübingen. Band 2. S. 24 — 74.
— Die Kämpfe des christlichen Herkules von Joh. Val, Andreae.
— Ein altes Buch für die neue *- Zeit aus dem Lateinischen
übersetzt und herausgegeben von einem seiner Nachkommen.
Frankfurt a. M. Verlag von Heinrich Zimmer. Einl. XXXII.
Vorrede des Herausgebers Dr jur. Victor Andreae, S. V — XTV.
Vorerinnerung desselben XV — XXXH. 144 S, Mit Bildnis
und Facsimile.
1848 C.Römer, Diaconas zu Sindelfingen (Württemberg). Kirch-
liche Geschichte Württembergs. Ein Versuch. Stuttgart.
Verlag der evang. Buch er Stiftung. Andr. 294 ff.
1849 F. H. Rheinwald, Dr., Joannis Valentini Andreae Theologi
Q. Württembergensis Vita ab ipso conscripta. Ex autographo
in Bibl. Guelferbytano Recondito, adsumtis codd. Stuttgartianis,
Schorndorfiensi, Tübingens! Nimc primum edidit cum icone et
chirographo Andreano. F. H. Rheinwald. Berolini apud
Herm. Schultzium. IV, 284 S. 2 Seiten Facsimile. Die in
dem Buch bezeichneten Anmerkungen sind merkwürdigerweise
nie im Druck erschienen.
1851 Carl Grün eisen, Joh. Val. Andreae. Evangel. Kalender.
Jahrbuch für 1851. S. 323 ff.
1893. Littcratur über J. V. Andreae. 251
1815 F, L. Steinmeyer, Andreaes Lebensabrifs in Pipers evan-
gelischem Jahrbuch S. 220 — 230 (Gesamtausgabe der ^^Zeugen
evangelischer Wahrheit". Leipzig. 4. Band. 1875. S. 258— 267).
— Gustav Schwab, Lebensbild von Andreaes Mutter Maria in
Pipers evang. Jahrbuch (Gesamtausgabe der „Zeugen evan-
gelischer Wahrheit. 4. Band. Leipzig 1875. S. 267—270).
1852 G. E. G u h r a u e r , Der erste deutsche Staatsroman. Deutsches
Museum. Zeitschrift ftlr Litteratur u. s. f. von Robert Prutz.
Leipzig. Band 2. S. 734—754.
— Derselbe, Klritische Bemerkungen über den Verfasser und
den ursprtlnglichen Sinn und Zweck der Fama Fratemitatis
des Ordens der Rosenkreuzer in Niedners Zeitschrift f. histo-
rische Theologie. Hamburg u. Gotha. Bd. 22. S. 298—315.
— Henke, Mitteilungen aus denf Verkehr Andreaes mit Herzog
August, in der deutscheu Zeitschrift flir christliche Wissen-
schaft. 1852. S. 260—354.
1855 Mo hl, Robert, Die Geschichte und Litteratur der Staats-
wissenschaften. Erlangen. Bd. I. S. 127 ff.
— Palm er. Pädagogische Betrachtungen und Phantasie en eines
wUrttembergischen Theologen aus dem siebzehnten Jahrhundert,
im Süddeutschen Schulboten, herausgegeben von Völter.
Nr. 15—17.
1857 Gafs, ord. Prof. der Theol. in Greifswald, Geschichte der
protestantischen Dogmatik in ihrem Zusammenhang mit der
Theologie überhaupt. Darstellung der Theologie Andreaes in
Bd. 2, S. 54—67. Berlin, G. Reimer.
1859 Tholuk, Lebenszeugen der lutherischen Kirche. Berlin.
S. 314—339.
1863 Hartmann, Julius, Dekan in Tuttlingen, J oh. Val. Andreaes
Leben und Auswahl seiner Schriften. In der Evangelischen
Volksbibliothek, herausgegeben von D. Klaiber, Garnisons-
prediger in Ludwigsburg. 2. Band. Stuttgart, Ad. Bechers
Verlag (Gustav Hoffmann). S. 571 — 641.
— K. W. Hochhuth, ref . Pfarrer zu Frankenberg in Kurhessen,
Mitteilungen aus der protestantischen Sektengeschichte in der
hessischen Kirche. 1. Teil. Im Zeitalter der Reformation.
IV. Abt. Die Weigelianer und Rosenkreuzer. Illgens Zeit-
schrift für historische Theologie, 33. Bd., giebt S. 253—262
und im folgenden Jahrgang
1864 ebeudort S. 801 — 315 ein Verzeichnis der bedeutendsten rosen-
kreuzerischen Schriften (190 an der Zahl).
1872 Dr. Carl Grüneisen, Job. Val. Andreae, Vortrag am
24. Jan. 1872 in der Stuttgarter Liederhalle gehalten. Deutsch-
land, eine periodische Zeitschrift zur Beleuchtung des deutschen
Lebens u. s. w. Herausgeg. von W. Iloffmann, Dr. d. Theo!,
und Oberhofprediger in Berlin. Wiesbjiden, Julius Niedner,
Verlagsbuchhandlung. S. 168—190.
18*
252 Brügel, Heft 8 u. 9.
1875 Henke, Artikel J. V. Andreae in der Allgemeinen deutschen
Biographie, Leipzig. I, 441 — 447.
1876 Ch. Palm er, Artikel „Andreae" in Schmid'fl Pädagogischer
Realencyklopädie. Zweite verbesserte Anfl. I, 110 — 113.
Gt)tha, Verlag von Rudolf Besser.
1877 T h o 1 u k (W agenmann), Artikel „Andreae** in Herzogs theo-
logischer Realencyklopädie. 2. A. I, 388 — 395.
1878 J. V. Andreiie, der christliche Bürger. Herausgegeben von
V. F. Öhler, Heilbronn.
— J. V. Andreae, Theophilus. Heransgeg. von V. F. Ö h 1 e r.
Heilbronn 1878.
1881 H. F. von Criegern, Jobann Amos Comenius als Theolog.
Leipzig u. Heidelberg. Winter. Über Andreae S. 334 ff.
1883 Erich Schmidt, Zur ^Vorgeschichte des Goetheseben
Faust. Goethejahrbuch, herausgegeben von Ludwig Geiger.
4. Band. Frankfurt a. M., Litterarische Anstalt Rütten u. Löning.
5. 127—140. (Betrachtet Andreaes Turbo als Vorläufer des
Faust.)
1884 W. Baur, Dr. th., General Superintendent der Rheinprovinz,
Das deutsch-evangelische Pfarrhaus. Seine Grün-
dung, seine Entfaltung und sein Bestand. 3. vermehrte Aufl.
Bremen, Verlag von C. Ed. Müller. S. 172—186.
— C. Hülle mann, Val. Andreae als Pädagog. 1. Theil.
Inauguraldissertation. Leipzig. 22 S.
1885 Robert Kübel, Drei Väter der evang. Kirche Württembergs
Brenz, Andreae und Bengel in V. Fr. Öhlers Zeitschrift ftir
Pastoraltheologie „Halte, was du hast**. 8. Jahrgang. Andreae
S. 252—268.
1886 Gafs, Geschichte der christlichen Ethik. H, 1. Sech-
zehntes und siebzehntes Jahrhundert. Die vorherrschend
kirchliche Ethik. Berlin, Druck u. Verlag v. G. Reimer.
Andreae S. 161—167.
— Job. Phil. Glöckler, Job. Val. Andreae, ein Lebensbild zur
Erinnerung an seinen dreihundertsten Geburtstag entworfen.
182 S. Mit einem Bildnis Andreaes. Stuttgart, Emil Hänsel-
manns Verlag.
— Wilh. Gufsmann, Pfarrer in Pf äffingen (Württemberg), Rei-
publicae christianopolitanae descripto. Fünf Artikel in der
Luthardtschen Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft u. kirchl.
Leben, S. 326 ff.
— Alb. Landenberger, J. V. A., ein schwäbischer Gottes-
gelehrter des siebzehnten Jahrhunderts. Eine Geschichts-
erzählung. Zur Erinnerung an die 300jährige Geburtstagsfeier.
Barmen, Hugo Klein. Mit Bildnis.
— Richard Weitbrecht, Job. Val. Andreae. Ein Gedenkblatt
zu seinem dreihundertsten Geburtstag. 17. Aug. 1586. In
Beyschlags „Deutsch-evangelische Blätter**, Zeitschrift ftlr den
gesamten Bereich des deutschen Protestantismus. 11. Jahr-
1893. Litteratur über J. V. Andreae. 253
gang. Halle a. S. In Kommission bei Engen Strien in Halle.
S. 577-602.
1887 Paul Wurm, Job. Val. Andreae. Ein Glaubenszeuge aus
der Zeit des dreifsigjäbrigen Krieges mit Auszügen aus seinen
Schriften u. Bildnis. Calw u. Stuttgart. Verlag der Vereins-
buchhandlung. (Calwer Familienbibliothek, 6. Bd.) 239 S.
1887 Dr. Hermann Bender, Rektor des K. Gymnasiums zu Ulm.
Gymnasial reden nebst Beiträgen zur Geschichte des Humanismus
und der Pädagogik. Tübingen 1887. Verl. der H. Lauppschen
Buchhandlung. Essay über J. V. Andreae S. 256 — 275.
1889 Christoph Ö ig wart. Kleine Schriften. Zweite Ausgabe.
Freiburg im Breisgau. Erste Reihe. S. 173 ff.
— - Chamloth, Joh. Val. Andreae redivivus. Eine Pastoralthedlogie
in Versen. S. 150. Braunschweig, Wollermann.
1891 Theologisches Handwörterbuch (Calwer Kirchenlexi-
kon I), redigirt unter Mitwirkung einer Reihe von Theologen
von Lic. Th. Paul Zell er und herausgegeben vom Calwer
Verlagsverein. 1. Band. Calw und Stuttgart, Verlag der
Vereinsbuchhandlung. Andreae S. 74 f.
1 892 Geschichte der Erziehung vom Anfang bis auf unsere
Zeit, bearbeitet in Gemeinschaft mit einer Anzahl von Gelehrten
und Schulmännern von Dr. K. A. Schmid, weil. Prälat u.
Gymnasialrektor, fortgeführt von Georg Schmid, Dr. phil.
3. Band. 2. Abtheilung. Stuttgart, Verlag der J. G. Cottaschen
Buchhandlung Nachfolger. Joh. Val. Andreae als Pädagog,
bearbeitet von Dr. Julias Brttgel, Seminarrektor in Nagold
(Württembei-g).
— Lic. Hummel in Schwaigern (Württemberg): Von wem
ComeniuB die „Fackel^^ erhielt und wem Comenius sie reichte.
Ein Beitrag zum Commeniusjubiläum aus Württemberg. Neue
Blätter aus Süddeutschland für Erziehung und Unterricht,
herausg. von Dr. Burk u. Dr. E. Guudert 1892. S. 112—135.
1898 Württembergische Kirchengeschichte, herausgegeben
vom Calwer Verlagsverein. J. V. Andreae S. 437 ff. (Prof.
Jul. Hartmanu).
— Dr. C. Hüllemann, Valentin Andreae als Pädagog. IL Teil.
Abhandlung zu dem Jahresbericht des Thomasgymnasiums.
Leipzig, (s. 1884.)
Anm. Diese Zusammenstellung macht keiuen Anspruch auf Voll-
ständigkeit.
Nachrichten.
Es sind im Laufe der letzten Monate eine Reihe von Berichten und
Bespreehangen über die C.-G. und ihre Schriften erschienen, auf die wir
hier im einzelnen nicht eingehen können. Nur auf einige derselben wollen
wir die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken. In der Revue critique
vom 17. April 1893, S. 305 f. hat Ch. Seignobos eine sehr freundliche An-
zeige veröffentlicht; in No. 41 des Litterarischen Centralblattos
vom J. 1892 handelt D. Brandes über die ersten beiden Hefte unserer
wiss. Zeitschrift in empfehlendem Sinn. In der Zeitschrift für prakt.
Theologie (hrsg. von Baumgarten- Jena, Kirmss-Berlin und Teichmann-
Frankfiirt a. M.) hat Prof. Bassermann eine Besprechung veröffentlicht
(Jahrg. XV, Heft 1, S. 89 f.). Sehr freundlich spricht sich G. Müller im
Theolog. Litteraturblatt aus und ebenso Dr. Landwehr in No. 263
der Neuen Preuss. Zeitung in einem längeren Artikel. Ganz neuer-
dings hat sich der Theologische Jahresbericht, hrsg. von H. Hol tz-
mann, Bd. XII, S. 347, sehr freundlich geäussert; Lic. Kohlschmidt hat
unserer Gesellschaft einen Platz in dem Abschnitt über die Brüdergemeinde
gegeben und sagt unter anderem: „Die Besprechung der reichhaltigen und
wissenschaftlich wertvollen Monatshefte der Comenius-Gesellschaft an der
Spitze dieser Rubrik bedarf keiner Rechtfertigung.^ Wir möchten, um
Mifsverständnissen vorzubeugen, doch hervorheben, dafs unsere Gesell-
schaft nicht das Organ irgend einer bestehenden Kirche ist und
grundsätzlich nicht sein kann. Das vornehmste Absehen der C.-G. ist da-
hin gerichtet, einen Boden zu schaffen, auf welchem sich die verschiedenen
Bekenntnisse zu gemeinsamem Wirken berühren können. Vielleicht ist
für Herrn Lic. Kohlschmidt der Umstand ins Gewicht gefallen, dafs Herr
Diakonus Jos. Müller in Hermhut Mitredakteur der M. -H. ist; Herr
Müller selbst aber hat die M.-H. nie als Organ seiner Gemeinschaft be-
trachtet. — Wie sich die verschiedenen theologischen Richtungen in
einer überwiegend freundlichen Beurteilung begegnen, so ist es erfreu-
licherweise im grofsen und ganzen auch bei den verschiedenen pädago-
gischen Strömungen und ihren Organen der Fall: wir nennen hier nur die
Anzeigen und Besprechungen in No. 2 des „Gymnasiums" von 1893,
die „Deutsche Schulpraxis" vom 12. März d. J., die „Pädagogische
1 893. Nachrichten. 255
Revue" vom 20. Dez. 1892, die „Zeitschrift für die österreichi-
schen Gymnasien", Jahrg. 1893, S. 364 u. s. w. Von den zahlreichen
Anzeigen in den Lehrer-Zeitungen und Tagesblättem können wir hier
faglich absehen ; nur sei noch auf die Besprechung in Heft 191, Bd. LXIV
von Nord und Süd und auf den in rum&nischer Sprache erschienenen
Aufsatz Meissners in dem Archiva, Organul etc., Jassy 1892, S. 515 hin-
gewiesen. — Schliefslich machen wir noch aufmerksam auf das freundliche
Urtheil E. Hannacks in seinem Vortrag über Comenius (abgedruckt im
Pädag. Jahrbuch, 1892, Wien, Manz) und auf den Artikel des M ey er-
sehen Kon v er sations-Lexi kons unter dem Stichwort „Comenius-Gesell-
schaft"
Schweden begeht im J. 1893 eine Gedenkfeier, die wir um so
weniger unerwähnt lassen dürfen, als nur durch die Wendung, die durch
das gefeierte Ereignis — es ist das Jubiläum von Upsala möte, d. h. jener
Versammlung zu Upsala im Jahre 1593, durch die die Annahme der
Reformation dauernd gesichert wurde — die Wirksamkeit des Comenius
in Schweden möglich geworden ist. In Upsala selbst wird die Jubelfeier
erst im September stattfinden. Zu Stockholm und im übrigen Lande hat
sie sich bereits am 4. April vollzogen, und zwar sind neben den Haupt-
gottesdiensten mehr oder weniger reich ausgestattete Vespergottesdienste
gehalten worden, wofür Schulinspektor R. Nor^n das Formular einer „Re-
formationsvesper** entworfen hat. In Stockholm ward die Festpredigt in
der Grofskirche von Pastor primarius Pchp, Präses des Stadt-Consistoriums
— Herr Fehr ist Diplom-Mitglied der Comenius-Gesellschaft und gilt als
einer der ersten Redner des Königreichs — gehalten, und es wird unsere
Leser interessieren, den Schlufs derselben kennen zu lernen.
„Wenn wir uns," sagte der Redner, „als die geistlichen Erben der
Reformation dankbar erweisen, haben wir doch weder Anlafs noch Recht,
auf den schon gewonnenen Lorbeeren auszuruhen. Eine grofse und um-
fassende Arbeit liegt vor uns. Wir haben auf dem gelegten Grunde
weiter zu bauen. Wir müssen Massen von Steinen und allerlei Zierrat
wegräumen, die den Eintritt ins Heiligtum nicht nur unnötigerweise er-
schweren, sondern manchen geradezu hindern. Denn — was nimmer ver-
gessen werden darf — die Reformation trat nicht mit einmal fertig und
erwachsen aus dem Schofs der mittelalterlichen Kirche hervor. Die bahn-
brechenden Gedanken wurden wohl von Luther besonders während der
ersten Zeit seines reformatorischen Wirkens ausgesprochen. Ein kräftiger
Wiederhall dieser hellen, vielversprechenden Frühlingstöne ward in un-
sern Gegenden vernommen, so weit als Olavus Petris Stimme drang. —
Aber bald trat eine Zurückbewegung in mancher Hinsicht ein. Die Durch-
führung der Reformation zeigt viele Ärmlichkeiten, hinter denen etliche
von ihren ursprünglichen Zügen verdunkelt, ja ausgetilgt wurden. Viel
vom katholischen Sauerteige ward in die neuen Kirchen hineingenoinmen
und ist noch da zu finden. Wie manche unter uns wissen es wohl noch
kaum besser, als dafs christlicher Glaube sei gleichbedeutend mit Recht-
gläubigkeit und christliches Leben mit der Ausübung der Werkheiligkeit?
Doch vieles, wenn nicht alles davon hat seinen Ursprung wohl in den
256 Nachrichten. Heft 8 u, 9.
Schwierigkeiten, womit alles Grofse behaftet ist, das in der Menschheit
seinen Weg machen soll. Wir dürfen nicht verzweifeln. Was bedeuten
300 Jahre in einer grofsen religiösen Bewegung!... Zwischen Augustinus
und dem Vatikanum liegen etwa anderthalb Jahrtausende ....
Reform mufs immer noch die Losung sein in der Kirche der Refor-
mation, Beform auf der Grundlage des von der Reformation ans Licht
gezogenen Evangeliums Christi. Der Papst in Rom mag sich für unfehl-
bar ausgeben; unsere evangelische Kirche will von keiner Unfehlbarkeit
wissen. Thut sie das, so befindet sie sich auf einem Wege, der nach
Rom führt. Dann giebt sie auch die Treue gegen das reformatorische
Evangelium auf. Wir aber, die wir heute Reformationsfest feiern, wir
wollen uns unsers evangelischen Glaubens und der christlichen Freiheit,
zu der Christus uns frei gemacht hat, nicht berauben lassen. Wenn wir
aber die Reformation feiern, lafst uns nicht vergessen, dafs jede wirkliche
Reform, die etwas wert ist, von neuem beginnt .... So wollen wir hier
zuletzt uns der ersten der 95 Thesen erinnern, die Luther in der Morgen-
dämmerung der Reformation wie einen Weckruf in die Welt hinausgehen
liefs: Da unser Herr und Meister Jesus Christus sprach: Thut Bufse u. s. w.,
wollte er, dafs das ganze Leben der Gläubigen eine beständige Bufse sei.**
In Prag erscheint seit einiger Zeit lieferungsweise im Verlag der
litterarischen und pädagogischen Abteilung des Central verband es der
böhmischen Lehrervereine ein „Knrzgefafstes pädagogisches Wörter-
buch^ (struCn;^ slovnik paedagogick^), das in Heft 19 — 22 einen sehr
eingehenden Artikel über Comenius bringt. Wie das Vorwort zum 2. Band
hervorhebt, ist diesem Artikel das Comeniusjubiläum mit den dadurch her-
vorgerufenen zahlreichen Veröffentlichungen und Ausstellungen wesent-
lich zu gute gekommen. Es wird uns hier eine gute und gründliche Zu-
sammenfassung dessen geboten, was- wir gegenwärtig über Comenius und
seine verschiedenen Thätigkeitsgebiete wissen. Der Artikel zerfällt in
folgende Abschnitte : 1. Das Leben des Comenius (von J. Noväk). — 2. Co-
menius als Theolog. — 3. Comenius als Philosoph. — 4. Comenius als
Pädagog. Diesem naturgemäfs ausfuhrlichsten Abschnitt (S. 627 - 656) von
J. Klika ist auch ein Verzeichnis der nach Comenius sich nennenden Ver-
eine und Gesellschaften beigefügt. — 5. Comenius als Schriftsteller. —
6. Die Schriften des Comenius (nicht nur ein Verzeichnis sämtlicher 143
Originalausgaben von J. Kvacsala, sondern auch ein solches der neueren
böhmischen Ausgaben. — 7. Die Bilder des Comenius (31 Nummern^ —
8. Urteile von hervorragenden Böhmen und Ausländem über Comenius. —
9. Schlufsurteil.
Bei jedem einzelnen der von verschiedenen Verfassern herrührenden
Abschnitte ist die Litteratur mit grofser Vollständigkeit angegeben. Der
erste Abschnitt ist mit den bekannten verschiedenen Abbildungen des
Comenius geschmückt, sowie mit einer von Milbauer gearbeiteten Karte
der verschiedenen Reisen des Comenius.
Der Sekretär der „historischen Kommission '^ bei der kgl. bayrischen
Akademie der Wbsenschaften, Herr Professor Dr. C. A. Cornelius, ver*
1893. Nachrichten. 257
sendet den Bericht über die yieranddreifsigste Plenarversammlung, die am
25. und 26. Mai in München stattgefunden hat. Hervorgehoben sei aus
diesem, dafs seit der letzten Plenarversammlung im Juni 1892 folgende
Publikationen durch die Rommission erfolgt sind:
1. Allgemeine deutsche Biographie, Bd. XXXIV u. XXXV.
2. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, Bd. XXII : Dr. August
Hirsch, Geschichte der medizinischen Wissenschaften in Deutschland.
Auf die Fülle der in erfreulichem Fortgang begriffenen Arbeiten, von
denen berichtet wird, und die zum Teil in nächster Zeit der Öffentlich-
keit übergeben werden, können wit hier nicht näher eingehen und müssen
auf den Bericht selbst verweisen.
Der Jahresbericht der ,,Ge8ell8ehaJft für deatsehe Erziehnngs- and
Schalgesehiehte'* für 1892 stellt fest (s. Mitteilungen der Gesellschaft, Jahr-
gang m, Heft 2, S. 1), dafs im Hinblick auf die Leistungen, die sich die
Gesellschaft für ihre Mitglieder auferlegt hatte, selbstverständlich „sich am
Jahresschlufs ein Minus (dessen Höhe nicht mitgeteilt ist) ergeben mufste."
Indessen ist Hoffnung vorhanden, dafs angesichts der inzwischen gestiege-
nen Mitgliederzahl (sie betrug am 4. April 1893 516) die Bedenken, welche,
wie der Bericht sagt, „ein rechter Zweifler an der Lebensfähigkeit der
Gesellschaft früher haben mochte," sich nicht bewahrheiten werden. Die
erfreuliche Wendung, die durch die Steigerung der Mitgliederzahl
herbeigeführt ist — die Jahresbeiträge werden für 1893 auf 2580 Mk. ver-
anschlagt — ist besonders der inzwischen erfolgten Organisation der
Gruppen zu verdanken. Die höchste Mitgliederzahl hat die Gruppe
Westfalen erreicht (58), deren Leitung in der Hand des Herrn Privat-
dozenten Dr. Kappes in Münster liegt und dessen Bemühungen es gelungen
ist, viele katholische Lehranstalten und Geistliche der Gesellschaft zuzu-
führen; dann folgen die Gruppen Württemberg (36 Mitglieder), Schweiz
(36), Anhalt (29), Hessen (26) u. s. w. An der Spitze der Gesellschaft
stehen auch für 1893 die Herren Geh. Oberregierungsrat Dr. Höpfner
(der inzwischen infolge von Krankheit aus dem Staatsdienst ausgeschieden
ist) als erster und Herr J. Jahnel, Propst und füratbischöf lieber Delegat
in Berlin als zweiter Vorsitzender.
Am 25. Mai d. J. hat in Weimar die diesjährige Generalversammlung
der Goethe -Gesellsebaft stattgefunden. Der Versammlung, in welcher der
Geh. Hofrat Dr. Ruland den Vorsitz führte, wohnten Ihre Königl. Hoheiten
der Grofsherzog und die Grofsherzogin , sowie zahlreiche Mitglieder der
Goethe-Gesellschaft bei Prof. Lorenz -Jena hielt den Festvortrag über
Goethes Lehrjahre und charakterisierte in geistvoller Weise Goethes
Verhältnis zu dem Grofsherzog Karl August in politischen Dingen. Der
Direktor des Goethe- und Schiller - Archivs Prof. Dr. Suphan machte
über die Xenien viele interessante Aufschlüsse und teilte die Auffindung
neuer Xenien mit. In der nächsten Schrift der Gesellschaft soll das ganze
Material veröffentlicht werden. Nach Erledigung des geschäftlichen Teils
wurde die Versammlung geschlossen.
18
*♦
258 Nachrichten. Heft 8 u. 9.
Die ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest hat Herrn
Professor Dr. Kyacsala in Prefsburg. den Auftrag orteilt, das Leben des
Gomenius im Anschlufs an sein bekanntes Werk in ungarischer Sprache
zu bearbeiten und herauszugeben. Die Akademie wünscht, dafs der Ver-
fasser dabei der Thätigkeit des Comenius in Ungarn besondere Aufmerk-
samkeit schenke. Es ist erfreulich und vom Standpunkt unserer Gresell-
Schaft nur warm zu begrüfsen, dafs die ungarische Akademie durch diese
Unterstützung dem Beispiel folgt, das die Königl. Akademie der Wissen-
schaften in Prag bereits seit längerer Zeit gegeben hat (vgl. M.-H. der C.-G.
1893, S. 198).
In No. 2 bis 5 der Evangelisch-reformierten Blätter von 1893 (heraus-
gegeben von J. Gr. A. Szaiatnay in Kuttelberg, Österr. - Schlesien) bringt
Lic. theol. Pfr. Sebesta eine Artikeireihe über „die Beziehungen der
alten Brüderunität zu der reformierten Kirche". Längst vor
der Zeit, wo Comenius die ref. Hochschulen zu Herbom und Heidelberg
besuchte, pflegten die jüngeren Theologen der Brüder ihre Bildung dort
zu vervollständigen, zumal seit der Zeit, wo die schroffe lutherische Becht-
gläubigkeit den Melanchthonianismus in Wittenberg verdrängt hatte. Sebesta
weist vielfache Beziehungen und Berührungspunkte der beiden Gemein-
schaften nach und schliefst mit dem Hinweis auf die Thatsache, dafs an
den späteren Hauptsitzen der Brüder in Polen die letzteren und die Re-
formierten alle Leiden gemeinsam trugen. Gleichwohl wäre es erwünscht,
wenn wir noch genauere Nachrichten und besonders genauere Quellen-
nachweise erhielten, als sie l^ebesta giebt; der Gegenstand wäre für eine
monographische Arbeit ein dankenswerter Vorwurf.
GesehSftliehes.
Der nftehste Kon^refs der C.-G. wird am 22. und 23. Oktober d. J.
zu Lissa (Posen) abgehalten werden. Das Nähere ersehen unsere Mitglieder
aus der Einladung und dem Programm, das wir gleichzeitig bekannt geben.
In der Juni -Juli -Nummer der „Mitteilungen der C.-G.** ist die „Ge-
schäftsordnung für die Hauptversammlungen und Kongresse
der C.-G.**, wie sie nach den Beschlüssen vom April 1893 zu stände ge-
kommen ist, veröffentlicht worden. Sie ist nach § 16 mit dem 1. Juli 1893
vorläufig in Kraft getreten und hat nur so lange Giltigkeit, bis der
Vorstand oder ein von diesem bevollmächtigter Ausschufs sie geändert, ge-
bessert oder genehmigt hat. — Wir bringen dies hierdurch mit dem Be-
merken zur Kenntnis der Mitglieder der C.-G., dafs Abzüge dieser Ge-
schäftsordnung auf Anfordern kostenlos zu ihrer Verfügung stehen.
Pierer'sohe llofbuohdruckerei. Stephan Geibel k Co. in Alienburjr.
Inhalt der Mittheilungen, Nr. 8 und 9 1893.
L«ltgedaiik0B.
Hftxd«r| O.y Comenius und die heutigen Fortbildungsschulen für Frauen und Mädchen.
8. in M., Karl Märker f.
Bu4s«han: Der deutsche Historikertag über den Uoterricbt in der Oesellschaftakunde. — Dar-
stellnngen des deutschen Unterrichtawesens. — Herkunft der Studierenden in Deutschland. —
Königl. Akademie gemeinnütziger Wisaensch. in Erfurt. — Zuwendungen und Schenkungen in
Preufsen. — Statistisches. — Geburtshaus von Job. Huss. — Die württembergischen Waldenser. —
Versammlung des ref. Bundes. — Oesellschaft für Tolkswohl, Dep. Emden. — Gesellschaft für
Verbreitung von Volksbildung. — Allg. Kindergärtnerinnen-Verein. — Rhein. Prov.-Verein für
höhere Hidchensohulen. — Orabmal Job. K. Fr. Mansos.
Clc«0ll«obaftfl>AB|r«l«ff«Bli«itMi: Kongress in Lissa am 22. und 23. Oktober. — Finanz- Abschlub
der CG. für 1892. — Einmalige und aufserordentliche Ausgaben der G.G. in den Jahren 1891
und 1802. — Geltung der Geschlftsordnungen etc. — Pflegschaften und Bevollmächtigte der
CG, — Rednerliste der CG. ~ Zweiggesellschaften und Gomenius-Krinzchen.
PersönliohM.
Bellafl^e zu Nr. 8 und 9: Übersicht über den Verlauf der Jahrhundertfeier für Comenius
(Fortsetzung).
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen, welche der Gesell-
schaft als Patrone, Stifter oder Tellnelimer beitreten, gegen Nacta.-
zahllUlg' der Jahresbeiträge (s. die folgende Seite) für 1892 bis auf weiteres
unentgeltlich geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Der zweiten oder dritten Nummer jedes Jahrgangs wird ein Zahlungs-
formnlar behufs Berichtigung des JahrOSbeitragpi beigefügt. Falls bis zum
1. Juli die Zahlung nicht erfolgt ist, wird angenommen ^ dafs die Mitglieder
mit der Erhebung durch Postauftrag einverstanden sind.
Mitglieder, welche einen Teil der Veröffentlichungen des jeweilig laufenden
Jahres in Empfang genommen haben, können ihre Abmeldung erst zum
1. Januar des nächstfolgenden Jahres bewirken.
Wegen gfesclläftllclier Anzeigren oder Bellagren litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig-Gohlis, Lange Str. 47^,
wenden. Anzeigen 15 Pf. die gespaltene Petitzeile; Beilagen nach Vereinbarung,
Etwaige Orts- und WohnungSW^echsel wollen unsere Mitglieder der
Qescliäftsstelle der Comenius -Gesellschaft, Münster i. W., Wol-
beckerstr. 4*, gefälligst mitteilen.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Gesellschaft (C. 6.) hat sich wlssenscliaftliclie und
gfemeinnützl^e Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatsliefte (M. H.), zur Förderung der letzferen die Mitteilungen
(H. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Eiinzelsolirifteil hat begonnen.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom - Mitglieder^ welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
sBmtUehe Veröffentlichungen der C. 6.
Die Tellnehnier (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können an Körperschaften nur ausnaluns^weise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als Abteilungs-Mitglieder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mlttellungfen der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pflegre der "Wissensohaften im Qeist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Religrion, Philosophie , Geschichte und Er-
ziehungfSlehre bertlcksichtigen und fllr die Gleichberechtigung der letzteren
mit den Übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Mitteilungen sind zur Förderung der gremelnnützlg'en Aufgaben
bestimmt, welche sich die C. G. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten: 1. Ktlrzere Leitaufsätze aus dem Gebiete der Bildungspflege,
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte,
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 3. Gedanken, Aussprüche und Bemerkungren. 4. Oesell-
schafts-Ansrelesrenheiten. 5. Bücher und Zeltschriften.
Durch die „YortrSgc Und Aufsätze aus der Comenins-CFesellsehaft^'
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen , die wir als Sonderabdrücke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
VorträfiTC veröffentlicht werden, die von * Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlungfen, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Gebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Comenius zu fordern.
Der niedrigste Satz des Honorars fUr die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder-Abzügfe unberechnet; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreffende Heft unberechnet zur Verfügung gestellt
Piercr'tche Hofbuchdruckerei. Stephan Gcibel & Co. in Altenburg.
Monatsh^ÄQ
der \ , -
Comenius-Gesells()fiäff.
Zweiter Band.
Zehntes Heft.
Dezember 1893.
Der Beiagspreis betragt im
10 Haifc. Einzeli
R. Voigt!
Alle Rechte vorbehalteo.
'
Inhalt
des zehnten Heftes 1893.
A, AbliandluBsren. ®*'<*
XiABSr^y Filedr. Alberty Geschichte und Bedeutung der Schulkomödie vor und
nach Comenius 2)9
B. Quellen und Forsohunifen.
KvaCMJa, Joll.| Zur Lehensgeschichte des Comenius (Schlufs) 278
C. Kleinere Mittellungren.
Stötzner, P., Ratichiana 283
D, Lltteratupbepleht.
Loserth, Balth. Hubmaier (Detmer), — Dörpfeld, Beiträge. — Hauffe, Pädagogik
Schleiermachers. — Lange, Über Apperception. — Spencer, Von der Freiheit
zur Gebundenheit. — Dicescu, August H. Niemeyer. — Lay, Psychologische
Grundlagen. — Flügel, Über die Phantasie. — Ziller, AUg. Pädagogik (Hoch-
egger) 2K7
B, Zup Bücherkunde 297
P, Eingregrangfene ScliPlften 303
O. Vaohri^t^au Unterstatzung geschichtlicher Forschungen seitens des Reichs. — Verein
^Comenium" in Prag. — Comenios bei Überweg>Heinze. — Dilthey über B*co und Comenius.
— Zur Gesch. des sog. Anabaptismus am Niederrhein. — Joh. Bünderlin von Linz. — Felix
Wyfo Ober Oomenius. — Zur Bücherkunde Val. Andreaes. — Zur Geschichte der Waldenser. 3i)'
H. Zur Naehpieht 3ii
Für den dritten Jahrgang (1894) der Monatshefte sind unter anderen
folgende Aufsätze teils eingegangen, teils zugesagt:
Aroily H. (BerlinX Comenius im Urteil seiner Zeitgenossen.
Ba^hrlngr, Bamh. (Minfeld), Zur Erinnerung an Jac Frohschammer.
Becker, Bemh. (Gnadenfeld), Schleiermacher und die Brüdergemeine.
Be^T^nann, WUh. (Rostock), Über den Gebrauch und die Bedeutung des
Wortes „Pansophie".
EUlfleen, Oeorg^ (£inbeck\ Friedrich Albert Lange als Philosoph und Pfidagog.
Foenrter, Wend. (Bonn), Über die Verhandlungen der Waldenser mit Oeco-
lampad und Butzer i. J. 1538.
Kaokenberir (HottenbachX F. W. Dörpfelds letztes Werk.
Keller, Ludwig (Münster), Das Universitätsprojekt des grossen Kurfürsten
im J. 1667.
Loeertli, J. (GrazX Schulwesen der mährischen Brüder (Wiedertäufer in MährenV
Vatorp, Paul (Marburg), Über Condorcet.
Belnhardt, Karl (Frankfurt a. M.), Die Reform des Gymnasialunterrichts im
Lichte comenianischer Grundsätze.
Monatshefte
der
Comenius - Gesellschafte
n. Band. — 1893. ^ Heft 10.
Geschichte und Bedeutung der SchulkomSdie
vor und nach Comenius.
Von
Friedrioh Albert Lange ^).
Die merkwürdige Erscheinung der deutschen Schulkomödie,
wie sie besonders im 16. und 17. Jahrhundert blühte, fällt ge-
mäfs der Natur der Sache unter einen doppelten Gesichtspunkt.
Wir haben es einmal mit einer viel verbreiteten und einflufs-
reichen Form des Dramas zu thun, und insofern ist die Schul-
komödie ein wichtiges Glied in der Entwicklungsgeschichte der
dramatischen Litteratur und der Bühnenkunst. Anderseits haben
wir hier eine eigentümliche Erscheinung des deutschen Schul-
lebens, die in dieser Hinsicht wieder mit der Gesamtheit der
pädagogischen und didaktischen Grundsätze und Einrichtungen jener
Zeiten in engster Wechselwirkung steht und sich in dieser Wechsel-
wirkung entwickelt und bethätigt
Es ist auffallend, und ein Beweis davon, wie sehr eine or-
ganische Betrachtung des Schul- und Erziehungswesens, ins-
>) Wir veröflFentlichen hier aus dem Nachlafs F. A. Langes einen
wertvollen Aufsatz zum erstenmal. Die Zeit der Abfassung läfst sich nicht
genau bestimmen; doch gehört er offenbar der Periode seiner nieder-
rheinischen Lehrthätigkeit in Köln oder Duisburg an. Es ist unser Wunsch,
hiermit zugleich die Aufmerksamkeit auf diese eigentümliche Erscheinung
des deutschen Schullebens zu lenken; eine Untersuchung über die Bedeutung
des Comenius als Verfasser von Schuldramen und für die Entwicklung der
Schulkomödie würde den Aufsatz Langes vortrefflich ergänzen.
Monatshefte der Comeniug-GeselUchaft. 1S93. 19
260 Lange, Heft 10.
besondere auch nach seiner geschichtlichen Entwicklung hin, in
den Anfängen liegt, wenn man sieht, wie verschieden die Wür-
digung ist, welche die Schulkomödie nach diesen verschiedenen
Beziehungen bisher gefunden hat. Während die litterarhistorische
Seite dieser Erscheinung mit dem gröfsten Eifer angebaut wurde,
so dafs von da aus selbst die anerkennenswertesten Streiflichter
auf die pädagogische Bedeutung des Gegenstandes fielen, ist diese
letztere an sich so wenig beachtet, dafs nicht nur der Versuch,
sie als pädagogisches Problem eingehend zu betrachten, unter-
blieben ist, sondern dafs man sie sogar in der Greschichte der
Pädagogik kaum erwähnt findet und jedenfalls nur da, wo der
Zusammenhang ein völliges Übergehen unmöglich machte.
Wie tief aber die scenischen Darstellungen in den Gesamt-
organismus des Schullebens eingreifen mufsten, davon kann man
sich schon bei der oberflächlichsten Betrachtung leicht einen Be-
griff machen, wenn man bedenkt, welche Zeit und Mühe dazu
gehören mufste, wie viel Einübung, lirklärung, Anleitung,
Proben, endlich Ausrüstung der Bühne und Verschaffung des
Materials, bis eine Schar von 20 — 50 oder gar hundert zum
grofsen Teil noch unerwachsenen Schülern ein Drama und gar
ein lateinisches vor den Spitzen der Einwohnerschaft so auf-
führte, dafs der Schulmeister, der in der Regel selbst dirigierte.
Ehr und Ansehen gewann. Selbst wo solche Aufführungen nur
einmal jährlich stattfanden, nahmen sie ein Verhältnis zum Kursus des
Jahres ein, das mit dem unsrer Redeakte und öffentlichen Prüfungen
gar nicht zu vergleichen ist; nun aber finden. wir sie nicht nur
aufserdem bei allen möglichen Gelegenheiten, sondern an vielen
Anstalten auch zweimal, mehrmals, selbst wöchentlich. Nicht weniger
aber ist zu bemerken, wie die wichtigsten Eigentümlichkeiten des
Schulwesens, das sittliche Leben der Schüler, Art und Methode
des Unterrichtes, Gebrauch der lateinischen Sprache, Stellung
der Lehrer zu den Schülern und zu der Stadt gerade mit dieser
Erscheinung im engsten Zusammenhang stehen und sich gewisser-
mafsen mit der ganzen Tendenz und Organisation des Unterrichts-
wesens in ihr wiederspiegeln.
Gerade bei dieser tiefgehenden Bedeutung der Schulkomödie
ist es natürlich, dafs sie in den mannigfachsten Gestalten auftritt
und dafs ihre Grenzen schwer zu bestimmen sind. Denn wie
einerseits die Geschichte der dramatischen Litteratur zwischen der
Schulkomödie und der Volkskomödie die mannigfachsten Ver-
1893. Geschichte und Bedeutung der Schulkomodie. 261
bindungen und alle Stufen allmählichen Übergangs von der einen
zur andern nachweist, so sind auch tausendfache Verbindungen
und Übergänge sichtbar von der AufRihrung eines vollständigen
Dramas durch die Schüler bis zu dem einfachsten Redeakt, wie
er noch heutzutage üblich ist.
Um nun diese Begrenzung der Schulkomödie mit einiger
Sicherheit zu ziehen, bietet sich als das einzig stichhaltige Kri-
terium das des Zwecks, des Prinzips der Aufführungen dar.
Denn nicht nur finden wir vielfach Schulkomödien in Stadt-
lokalen, Volkskomödien in Schullokalen, diese an Schulfesten,
jene zur Fastnacht, diese von Schulmeistern, jene von Volks-
männern oder schulfremden Gelehrten gedichtet, sondern selbst
die Aufführung durch Schüler und Lehrer allein findet sich viel-
fach beim Volksdrama, während hinwiederum auch beim eigent-
lichen Schuldrama nicht selten fremde Elemente mitwirken. Hin-
sichtlich des Zweckes der Schulkomödien könnte es scheinen, als
walte dieselbe Vieldeutigkeit ob; denn in der That schlug
mancher Rektor gern 2 — 3 Fliegen mit einer Klappe, wenn er
durch seine Aufführungen das Volk belustigen, die Schüler üben
und sich selbst etwa neben dem Dichterruhm noch eine Erkennt-
lichkeit in klingender Münze vom Hof oder Magistrat gewinnen
konnte. Dennoch wird es sich, wo unser Material einigermafsen
ausreicht, in der Regel mit Leichtigkeit entscheiden lassen, ob
der Schulzweck das eigentliche Lebensprinzip der Erscheinung
war oder nicht.
Betrachten wir z. B. das in neuerer Zeit wieder mehrfach
ans Licht gezogene und besprochene „geistliche Spiel von den
10 Jungfrauen", wie es im Jahre 1322 von den Geistlichen und
Schülern zu Eisenach aufgeführt wurde, so sehen wir hier in
allen Zügen eines der uralten kirchlichen Dramen, wie sie ur-
sprünglich zur Verdrängung heidnischer Ergötzlichkeiten, zur
Popularisierung des Christentums, zur Bethätigung des frommen
Glaubensdranges in einer über Liturgie und Messe hinausgehen-
den festlichen Darstellung christlicher Stoffe allenthalben durch
Deutschland, Frankreich, England, Italien, Spanien von der Geist-
lichkeit selbst begünstigt und gepflegt wurden. Dafs jenes
thüringische Spiel noch eine speziellere theologische Parteitendenz
hatte, ist wahrscheinlich, während sich dagegen von einer päda-
gogischen Absicht bei der Aufführung durch die Schüler keine
Spur findet. Am wenigsten konnte dieser Zweck in Bezug auf
19*
262 I^ange, Heft 10.
die Schüler ein didaktischer sein, da schon der Grebrauch der
deutschen Sprache im Dialog die Absicht einer Wirkung auf die
Massen des Volkes verrät, womit die Gelegenheit, grofses Ablafs-
fest und Jahrmarkt beim Beginn des Frühlings, vollkommen über-
einstimmt. Und wenn der Chronist die clerici et scholares als
die Aufführenden nennt, ist leicht anzunehmen, dafs in einem
Stück von so grofsartiger Wirkung die Schüler, wenigstens die
jüngeren Knaben, wohl nur Nebenrollen zu spielen hatten. —
Ahnlich verhält es sich aber mit allen Misterien und Volksspielen
des 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, auch wo
die Schüler die wichtigsten Rollen spielen. Bedenkt man, da(s
in jener Zeit noch das gelehrte Studium an sich schon selbst
den Anfänger gleichsam adelte, ihm ein höheres Selbstbewufst-
sein gab, dafs dagegen der Bürgerstand im allgemeinen noch
nicht so vielfach angeregt und durch die wandernden Elemente
durchsäuert sich zeigte, wie späterhin, so versteht man die vor-
zugsweise Beteiligung der Schuljugend richtig, indem man die-
selbe, dem ungelehrten Volke gegenüber, selbst wieder als ein
lehrendes Element betrachtet. So wirken bei den Misterien die
Schüler selbst wieder in Gemeinschaft mit ihren Lehrern oder
als Stellvertreter derselben auf die Schüler der Schule, auf das
im grofsen Ganzen zu schulende Volk. Dieser pädagogische
Zug des Mittelalters, der sich in grofsen Umrissen allenthalben
in jenen Jahrhunderten bethätigt, ist es nicht der die specifische
Schulkomödie geschaffen hat. Es ist dies vielmehr die grofse
Bewegung der neueren Zeit, vor allem eins der wichtigsten ihrer
Fermente, der Humanismus. Das Studium der Alten, das bisher
nur als Mittel gegolten hatte, gewann selbständige Bedeutung.
Die Welt der alten Römer schien in Italien aufs neue erwachen
zu wollen, und mächtige Wellen von dieser Bewegung schlugen
nach Deutschland herüber. Junge aufstrebende Geister wollten
die Schmach nicht länger dulden, von den übermütigen Italienern
als Barbaren angesehen zu werden ; pflegte doch auch das deutsche
Vaterland Kunst und Wissenschaft, waren ja auch hier Leute,
die zu reden und zu schreiben wufsten. Freilich wenige. Wenn
auch Reuchlin und Agricola sich den Italienern ebenbürtig
zeigen konnten, die grofse Masse der gelehrten und gebildeten
Welt sprach und schrieb nie Latein, das aufs äufserste ver-
kommen war. Dem mufste abgeholfen werden; die römische
Sprache, denn an eine Ausbildung der Muttersprache war ja
1898. Geschichte und Bedeutung der Schulkoraödie. 263
nicht zu denken, mufste so gepflegt werden, als gelte es, die
Städte und Gaue des Vaterlandes dem alten Latium einzuver-
leiben. Der Gedankengang, den die neuen Bestrebungen be-
folgten, war ein sehr natürlicher und konsequenter. Ohne
Sprache, ohne Beredsamkeit stand man auf jedem Gebiete zu-
rück; verspottet bei kirchlichen und politischen Unterhandlungen,
ausgeschlossen von der Aristokratie der geistigen Bestrebungen
aller gebildeten Völker, ohne Witz, ohne Poesie, ohne wahre
Wissenschaft befand sich ein grofser Teil gerade der Männer,
die das Volk zu allen geistigen Gütern heranbilden sollten. So
betraten die Humanisten Deutschlands den einzigen Weg, der
offen schien, um sich Ebenbürtigkeit mit Italien, mit Frankreich
zu erringen. Die Sprache Ciceros mufste zur Muttersprache
werden in ihrer ganzen Reinheit. Wie natürlich, dafs keiner
daran dachte, welche Zukunft der eigenen Muttersprache be-
schieden sei; ging es doch den Italienern mit ihrer verachteten
Vulgärsprache nicht anders. Das Extrem des Ciceronianismus
war somit nur die Übertreibung eines an sich gesunden Ge-
dankens. Wollte man sich das Gut der Alten wahrhaft neu er-
arbeiten, so gab es in der That für die Nation keinen andern
Weg als den Durchgang durch die voUkommne Beherrschung
der Sprache. Die Autoren, welche die wahre Fundgrube fllr die
echte alte Sprache abgaben, an denen man sich vorzüglich in
jeder Weise bildete, waren Cicero, Virgil, Terenz. Während
Cicero das Muster des prosaischen, Virgil Muster des poetischen
Stils war, blieb für Terenz eine dritte Rolle, vielleicht die wich-
tigste: von Terenz lernte man sprechen.
Der Terenz ist daher unter allen alten Autoren im 16. Jahr-
hundert am meisten in Schulen gelesen, behandelt, auswendig,
gelernt. Wenn der angehende Dichter immer wieder zu Virgil
zurückkehrte, um des Hexameters und der poetischen Diktion
völlig Herr zu werden, wenn der Redner und Berichterstatter
unermüdlich sich an Cicero mafs und stärkte, so war dagegen
Terenz so recht eigentlich die Milch des Schülers an fast allen
deutschen Gymnasien. Wo man seinen zu frühen Gebrauch ver-
mied, waren die Gründe teils sittlicher, teils sprachlicher Natur.
Dafs die Bedenken ersterer Art niemals ganz verschwanden, so
sehr sie auch zu mancher Zeit zurückzutreten scheinen, liegt in
der Natur der Sache. Ludw. Vives sagt im 3. Buch seiner
Schrift „De tradendis disciplinis" : nCajus Caesar nennt den
264 Lauge, Heft 10.
Terentius einen Verehrer der reinen Sprache. Weit weniger
Reinheit findet sich bei Plautus. Denn der ist ein Liebhaber
des Altertümlichen und erlaubt sich viel Freiheit in den Rollen
der Sklaven, indem er das Lachen und die Heiterkeit der Zu-
schauer und dadurch den Beifall der Menge sogar durch Ver-
kehrtheit des Sprechens zu haschen sucht. Aber auch im Sinn
ist er nicht allzu lauter. Ich wünschte, dafs aus beiden das aus-
geschnitten wäre, was die jungen Gemüter mit den Lastern be-
flecken könnte, zu denen wir gleichsam durch einen gewissen
Wink der Natur geneigt sind." Vives, ein Mann, der in päda-
gogischer Hinsicht von höchster Wichtigkeit ist, da aus ihm
gleichzeitig Jesuiten und Protestanten einen guten Teil der Ge-
danken geschöpft haben, die sie nachher mit so grofsem Erfolg
in der Erziehung zur Anwendung brachten, schrieb, um wenigstens
die ersten Anfilnger von allen Unlauterkeiten der Komiker frei
zu halten, seine CoUoquia, die an vielen Schulen eingeführt waren;
diese dienten dem Zweck, diese Unlauterkeiten wenigstens vom zar-
testen Knabenalter fernzuhalten. Die unsittlichen CoUoquia des
Erasmus dagegen wurden nur ihrer trefflichen Sprache wegen,
gleichsam als Ergänzung zum Terenz, verwendet. Sturm hat
selbst für seine Schule Dialoge geschrieben, Neanisci genannt,
die mir unbekannt sind; sie scheinen jedoch in dem Sinne des
Vives gehalten zu sein. Das grofse Gewicht, welches die Ge-
lehrten und Schulmänner jener Zeiten auf das Lateinsprechen und
-schreiben, auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des ersteren,
die Korrektheit und Eleganz in beiden legten, ist keines-
wegs so gering anzuschlagen, wie dies von Raumer thut; es
hat nicht nur für die Vergangenheit als Festhaltung der Tra-
dition seine Bedeutung gehabt, sondern auch für die ganze Zu-
kunft der Wissenschaften in Europa. Der Geist der Alten war
eben trotz aller Tradition so fremd geworden, dafs es einer Ver-
tiefung in alle Denkmäler jener Zeit bedurfte, die notwendig
zum Bedürfnis der Nachahmung, der Reproduktion fuhren muTste.
Unsere heutige Wissenschaft, auch die Philologie, kann jene Re-
produktion ab Nebensache betrachten; in der That aber war sie
Thür und Thor, durch welche der Geist der Alten in seiner be-
lebenden Macht unter uns einziehen mufste; ja, wie auch im
einzelnen manche Klage über verlorene Kraft begründet sein
mag (wie man sie bei Raumer und Gervinus so häufig findet),
im ganzen hat jene Vertiefung in das Latein wohl selbst die
1893, Geschichte und Bedeutung der Schulkomödie. 265
Kultur unserer Muttersprache mehr gehoben als gehemmt und
der ganze neuere Geist der Forschung, der seit Baco v. Verulam
so gern in Opposition gegen die Alten auftritt, verdankt den
Ciceronianern selbst mittelbar seine stärksten Triebfedern. —
War somit im allgemeinen die gewaltige Kultur der lateinischen
Sprache gerechtfertigt, so liefse sich wohl auch das Extrem einer
notwendigen Schulpedanterie im Ciceronischen Puritanismus
in ein besseres Licht stellen als in dem es gewöhnlich be-
trachtet wird, doch würde das zu weit vom Gegenstände abführen.
Auf diesem Boden der Kultur der lateinischen Sprache ist nun
auch die deutsche Schulkomödie erwachsen. Was half es zu
lesen? Es mufste gesprochen werden, um sprechen zu lernen.
Dafs dazu das Lateinsprechen beim Unterricht nicht ausreicht,
liegt auf der Hand. Wie bald sind nicht die wichtigsten Phrasen
des Schulgebrauchs gelernt ! Wie wenig ist damit gewonnen flir
das tägliche Leben, fUr den Gebrauch zu Hause, im freundlichen
Gespräch im Verkehr und Geschäft jeder Art! Das war aber
das Ideal Sturms, dafs die Knaben auch bei Spiel und Spazier-
gang Latein sprächen, sein gröfster Kummer, dafs sie zu Hause
bei Eltern und Hausgenossen Deutsch hörten. Ja Trotzendorf
scheint es wirklich in seinem kleinen Latium durchgesetzt zu
haben, dafs seine Schüler fast kein deutsches Wort mehr hörten.
— Die Komödie, wie sie nach der Meinung jener Zeiten im
Verse der Prosa so nahe stand, bewegte sich am meisten in den
Gegenständen des täglichen Lebens und gab recht eigentlich das
Material zu solchem lateinischen Verkehr. — Die ersten
Terenzischen Komödien liefsen Reuchlin und Celtes aufführen.
Insbesondere wird ersterer als der Begründer der deutschen
Schulkomödie gefeiert, da es ihm zuerst gelang, in Terenzischer
Form und Sprache einen modernen StoiF selbständig zu be-
handeln. Reuchlins Henno, der im Jahre 1497 aufgeführt wurde,
verdient daher in mancher Beziehung Beachtung. Der Stoff
dieses Dramas ist im wesentlichen dem alten französischen Lust-
spiel vom Advokaten Pathelin entnommen, jedoch vielfach ver-
verändert und durchaus selbständig behandelt. So hat z. B.
Reuchlin die berühmten Hammel des französischen Stückes weg-
gelassen und dafür einen echt deutschen Zug eingeführt: der
liederliche Landmann Henno hat Geld entdeckt, welches sein
sparsames Weib Elsa zusammengeknickert und vergraben. Mit
diesem Gelde schickt er seinen Knecht, Dromo, zum Tuchhändler
266 Lange, Heft 10.
in der Stadt. Dieser Knecht, Dromo, ist nun der Schalk des
Stückes, der die Worte des Herrn, dafs er das Geld ja keinem
andern geben soll, als ein rechter Eulenspiegel zu wörtlich ver-
steht, den Tuchhändler zugleich um das Tuch bringt und sich
nachher vor Qericht durch das bekannte „ble*' statt aller Ant-
wort auf Bat eines Advokaten herauszieht. E^ versteht sich,
dafs nachher der Advokat in seine eigne Grube fällt und mit
demselben „ble*' um seine Bezahlung geprellt wird, ganz wie in
dem französischen Stück« Nun aber kommt ein eigner Schlufs,
in dem die poetische Gerechtigkeit vielleicht die derbsten Faust-
schläge erhält, die sie je besehen. Henno und Dromo kehren
nach Hause zurück, ersterer durch den Spruch der weisen
Obrigkeit wirklich belehrt, dafs Dromo unschuldig sei, hält den
Krämer in der Stadt flir den einzigen Betrüger. Durch Ver-
mittlung Elsas und einer Nachbarin erhält Dromo sogar die
Tochter Hennos zur Frau, bekennt sodann seinen Schelmenstreich
und giebt die 8 Goldstücke zur Mitgift Hier also wieder ein
uralter, echt deutscher Zug der Gemütlichkeit. Er und sie
müssen sich kriegen, es mag biegen oder brechen; sonst ist keine
Befriedigung. Das Original schliefst, offenbar ungleich wirk-
samer, mit dem „ble** »ble*' des Schäfers und dem geprellten
Pathelin. — Die Rücksicht auf die Schüler hat übrigens Reuchlin
bewogen, das Ganze teils bedeutend abzukürzen, wodurch nament-
lich die effektvolle Gerichtsszene viel verlieren mufste, teils das
Stück möglichst von allen Unsauberkeiten des Originals zu be-
freien. Wenn darauf gestützt der Drucker vom Jahre 1498 in
seiner Vorrede an Dalberg sagt, dafs die Fabel „nihil obscenum
aut impurum*' enthalte, so ist das in demselben Sinne zu ver
stehen, in dem man auch hundertmal die völlige Reinheit des
Terenz dem Plautus gegenüber hervorhob. Es bezieht sich auf
die Worte und Ausdrücke, deren Roheit das Ohr der Huma-
nisten weniger ertrug, während die UnsitÜichkeit der dargestellten
und besprochenen Verhältnisse gar nicht vor Gericht gefordert
wurde; eine Ansicht der Dinge, die sich im Laufe des 17. Jahr-
hunderts in die entgegengesetzte verwandelt.
Dafs um dieselbe Zeit, gegen Ende des 15. Jahrhunderts,
zugleich mit den AufPUhrungen, Bearbeitungen, Ausgaben und
Nachahmungen des Terenz auch, die ersten Übersetzungen er-
schienen, zeigt, wie lebendig der Sinn für die Muttersprache und
ihre Ausbildung sich damals schon bethätigte. Dafs die Ge-
1893. Geschichte und Bedeutung der Schulkomödie. 267
lehrten dies nicht sahen, nicht anerkannten, jedenfalls es gering
schätzten, ist eine ganz natürliche Erscheinung, wenn man be-
denkt, mit welchem Aufwand von Kräften sie sich in die alte
Litteratur hineingeworfen hatten, wie viel sie in derselben fanden
von Bildung, Eleganz, Schönheit, Qeschmack, das sich in unsere
deutsche Sprache damals und noch auf lange Zeit hinaus absolut
nicht schien hineinbringen zu lassen, am wenigsten in der Poesie.
Man darf deshalb jene Männer des Lateins nicht als reaktionäre
Geister betrachten. — Wo die deutschen Bearbeitungen des Terenz
oder anderer Nachahmungen öffentlich aufgeführt werden, ge-
schieht es in dieser Zeit noch keineswegs im Interesse der Schule.
Die lateinische Komödie blieb durch das ganze 16. Jahr-
hundert die eigentliche Schulkomödie, und Doppelaufführungen,
wie wir sie bei Frischlins Stücken finden, sind stets so zu er-
klären, dafs die erste, die lateinische, allein eine eigentliche Schul-
sache ist; die deutsche, als Volksbelustigung, ist in der Regel
eine Privatuntemehmung eines Lehrers. Wie nun solche Unter-
nehmungen überhaupt möglich waren, wie es geschehen konnte,
dafs Schüler als öffentliche Schauspieler in den verfänglichsten
Stücken auftreten konnten, das ist wieder im Zusammenhang mit
allgemeinen Erscheinungen zu betrachten.
Von dem allgemeinen sittlichen Charakter jener Zeit im Ver-
hältnis zur unsrigen zu reden, würde überflüssig sein. Die Ent-
wicklung des Schul- und Erziehungswesens zeigt vom Mittelalter
an bis auf unsere Tage eine allmähliche und stetige Veränderung
hinsichtlich des Rechts der Schule an ihre Zöglinge und hin-
sichtlich ihrer eigentümlichen Stellung zu Stadt und Staat. Der
Charakter dieser Veränderung ist unleugbar der, dafs die Schule
sowohl an den Staat als an die Familie und an die Willkür der
Einzelnen ein Recht um das andere verliert, dafs sie immer mehr
von der Erziehungsanstalt zur blofsen Unterrichtsanstalt herab-
sinkt, dafs sie mehr und mehr auf die Bearbeitung einer einge-
schränkten Aufgabe in ihrem ganzen Einflüsse beschränkt wird,
dafs das Verhältnis der Eltern selbst zu der. öffentlichen Anstalt
mehr und mehr zu dem eines allzeit kündbaren Kontraktes über
bestimmte und eng begrenzte Leistungen herabsinkt. Zu gleicher
Zeit und parallel mit dieser Veränderung ging eine zweite: die
nämlich, dafs mehr und mehr dem Schüler die rohe Freiheit
seines Lebens aufser der Schule entzogen, dafs er mehr und
mehr der Familie auch in dieser Hinsicht wieder untergeordnet
268 Lange, Heft 10.
wurde. Während daher jetzt der Quartaner Fritz als gehorsamer
Sohn seines Vaters täglich zur Schule geht, um daselbst fleifsig
zu lernen, was die Eltern flir dienlich halten, wurde im 16. Jahr-
hundert noch der Knabe, indem er Schüler wurde, in Bezug auf
das elterliche Haus emanzipiert, während er in Bezug auf die
Schule, so weit deren Anordnungen sich zu erstrecken beliebten,
in ein strenges, durchgreifendes Dienstverhältnis trat Der
Rektor der Schule ward des Knaben Obrigkeit; er gleichsam
dessen Eigentum.
Bedenkt man nun, dafs bei der geringen Anzahl höherer
Schulen und bei dem auf dem Lande und in kleinen Städten
allenthalben grassierenden Studieneifer die Mehrzahl der Schüler
stets ortsfremd war, ein Verhältnis, das ja auch jetzt noch
den Gymnasiasten zur moralischen Frühreife zu bringen pflegt,
so ermifst man leicht, wie sehr die damalige Schülergeneration
von jeder heutigen verschieden sein mufste. Wie es auf den
Universitäten aussah, ist hinlänglich bekannt, und der Unterschied
zwischen Universität und Gymnasium war in mancher Beziehung
noch schwankend. Dazu die Verschiedenheit des Alters; end-
lich die abenteuerlichen Fahrten der wandernden Schützen und
Bacchanten — alles das machte bald Männer aus den Schülern,
die vom Leben in seiner Vielseitigkeit mehr gesehen und ge-
kostet hatten, als heutzutage manchem Gelehrten seiner Lebtage
begegnet. — In Strafsburg war bekanntlich in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts das berühmteste Schultheater. Es war eben an
der Schule des hochverdienten Johannes Sturm, desselben, der
gern die deutsche Sprache zu gunsten der lateinischen ausgerottet
hätte, der den Cicero beneidete, dafs er in der Jugend schon
nichts als Latein gehört habe, dem die Imitation der Alten in
Schrift und Rede über alles ging. In Sturms Schulgesetzen aus
dem Jahre 1565, also noch 2 Jahre vor Erhebung des Gymna-
siums zur Akademie, steht an der Spitze der Abschnitt De
gladiatoribus et vestibus. Wir erfahren aus derselben, dafs die
Schüler der Anstalt sich eifrig duellierten und mehr Fleifs auf
die Fechtstunden als auf die Lektionen verwendeten. Würfel-
spiel und Trinkgelage werden gerügt, sodann der Kleiderluxus,
soldatische Gewänder und geschlitzte Stiefel, die sich besser für
Henker passen, als flir ehrbare Männer. — „Deshalb," heilst es
zum Schlufs, „wollen wir, dafs das alte Gesetz über die Kleider,
und über Messer und Dolche etc. mit diesem neuen Gesetze au-
1893. Geschichte und Bedeutung der Schulkomödie. 269
gleich wiederholt und erneuert und befestigt sei." — Diese Kerle,
die in martialischer Kleidung mit Dolchen und Schlägern durch
die Kneipen herumrenommierten, mochten freilich wenig durch
die Komödien der Alten zu verderben sein, wohl aber konnten
sie vielleicht trefflich agieren, wurden von manchem Schlimmeren
dadurch abgezogen und hatten eine treffliche Übung im Latein.
Dafs mit der Erhebung der Strafsburger Schule zur Akademie
die Sitten trotz der neuen Schulgesetze noch freier wurden, liegt
in der Natur der Sache. Jene Zeit der Akademie ist aber gerade
die Blütezeit des Strafsburger Theaters. Der scharfe Tadel
-von ßaumers mufs daher wohl zum grofsen Teil als ungerecht
erscheinen. Er hat Sturm mit dem Mafsstabe unserer Zeit ge-
messen, statt ihm den Mafsstab seiner eigenen Zeit zu ver-
gönnen. Er hat Ubelstände in Sturms Erziehungsmaximen ge-
sucht, die in einem grofsen Zusammenhang mit anderweitigen
Zeitelementen in ihren bedenklichen Teilen unschädlicher, in
ihren förderlichen notwendiger waren, als sie zu irgend einer
späteren Zeit sein konnten. Wie gern übrigens Sturm alles zum
Akt, zum Drama, zum Dialog machte, sieht man auch aus dem
im Jahre 1578 abgehaltenen grofsen Examen, bei dem alle Fragen
dialogisch von Schülern an Schüler ergingen. Die theatralischen
Aufführungen fanden in der Regel wöchentlich statt. In den
oben erwähnten Schulgesetzen heifst es darüber: „Komödien und
Tragödien sollen nicht viele von den Lehrern im Gymnasium
erklärt werden, damit nicht anderes, was notwendig ist, liegen
bleibe. Es sollen aber viele von den jungen Leuten aufgeführt
und aus dem Gedächtnisse hergesagt werden. Diese Fähigkeit
werden sie erlangen, wenn jeder Klasse je ein Schauspiel vor-
gelegt wird; und die Darstellung der Personen, welche wenig
sprechen, ist leicht, mehr Arbeit haben die Darsteller der Haupt-
rollen nötig. Was von diesen aufzuführen ist, kann auf 2 oder 3
verteilt werden, damit das Gedächtnis bei mehreren angebahnt,
bei allen begründet werde. Damit die Dinge durch die täglichen
oder häufigen Aufführungen in den Geist der Jünglinge unmerk-
lich eindringen, nicht aber durch ihre Last ihn ermüden oder zu
Boden drücken mögen; in wenigen Monaten wird auf diese
Weise ein grofser Teil der Dramen in die Schulen eingeführt
werden können; ohne Erklärung der Lehrer und ohne An-
strengung und Überdrufs der Schüler. Denn was dunkel zu sein
scheint, wenn man es für sich liest, das wird entweder durch
270 Lange, Heft 10.
Aufführung und Gewöhnung, oder durch eine kurze Erklärung
des Lehrers, oder durch Unterredung und gegenseitiges Fragen
der Schuler aufgeklärt.
Es ist jedoch Pflicht der Lehrer, sich mit denjenigen Dramen
sorgfältig bekannt zu machen , welche die Schtller aufführen
werden, und beim Erklären der Schriftsteller und beim Geschicht-
lichen aus diesen Dramen Stellen anzuführen, in denen irgend
etwas ist, entweder dunkel oder fehlerhaft, oder scharfsinnig und
gelehrt, oder unähnlich oder ähnlich. Denn es ist schwer zu
glauben, aber dennoch wahr: es ist wunderbar, durch eine wie
geringe Hülfe eines gelehrten und thätigen Lehrers der Schüler
eine grofse Menge wichtiger Dinge sich aneignen kann." —
In die siebziger und achtziger Jahre dieses Jahrhunderts fällt
auch Frischlins dramatische Thätigkeit. Von dem Leben und
den Schriften dieses Mannes hat David Straufs ein so lebendiges
Gemälde geliefert, dafs man beim Lesen glaubt, den alten Dichter
in Fleisch und Blut wieder vor sich einherwandeln zu sehen.
Hier haben wir zum Unterschied eine eigentliche Dichtematur,
einen selbständig produktiven und nebenbei beträchtlich unruhigen
Kopf, dessen Werke daher stets über den Schulzweck hinaus-
griffen. Dennoch sehen wir Frischlin allenthalben sich wenigstens
als lateinischen Dichter gebärden. An den deutschen Bearbeitungen
war ihm wenig gelegen.
Im Jahre 1592 liefs ßoUenhagen in Magdeburg die sämt-
lichen Stücke des Terenz zugleich aufführen. Diese Herrschaft
des Terenz in Verbindung mit der lateinischen Schulkomödie
dauerte in ungeschwächtem Glänze bis an die Zeiten des SOjäh-
rigen Krieges. In Ratichs pädagogischen Schriften sehen wir
den Terenz als Schulbuch noch einmal auf seiner vollen Höhe.
Von da an geht es abwärts mit seinem Einflufs, wie mit dem
Einflufs der lateinischen Sprache überhaupt. Die mannigfaltigsten
Gründe vereinten sich, dies zu bewirken.
Die deutsche Philologie, die sich in einem Agricola, Reuchlin,
Melanchthon, Camerarius und vielen andern der italienischen
schon ebenbürtig gefühlt hatte, mufste ihre besten Kräfte mehr
und mehr in theologische Streitigkeiten einschiefsen ; Frankreich
und die Niederlande überflügelten sie weit So sank im all-
gemeinen der hohe Flug humanistischer Begeisterung mehr und
mehr. Heroen des Schulwesens wie Sturm, Trotzendorf, Neander,
wurden immer seltener. Die Verheerungen des Krieges er-
1893. Geschichte uud Bedeutung der Schulkomödie. 271
schlitterten bald auch das Schulwesen in seinen Fundamenten
Durch die so allenthalben entstandenen Breschen stürmten neue
Elemente herein. Die im Volk seit der Reformation gepflegte
Muttersprache voran ; die Realien mit dem ganzen Heer der An-
forderungen des Lebens folgten unaufhaltsam. Die allent-
halben verbreiteten Grundsätze des Comenius gaben
dem ganzen Zielpunkt des Schullebens eine neue
Richtung. Endlich das Auftreten der schlesischen Dichter-
schule, der ersten, die den Mut hatte, als ebenbürtig neben jeder
klassischen Litteratur aufzutreten.
Katholischerseits hatte man schon früher an den heidnischen
Komödien Anstofs genommen, und hier gingen insbesondere die
Jesuiten mit Ersetzung derselben durch christliche fleifsig voran.
Eine klassische Periode erlebten diese Aufführungen auf den
Schulen der katholischen Niederlande, insbesondere in Löwen
und Mecheln gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts. Charakte-
ristisch ist hier zugleich, dafs nicht, wie in Deutschland, die
Komödie in den Vordergrund tritt, sondern die Tragödie, dafs
somit nicht Terenz, sondern Seneca Vorbild ist, wie es sich ähn-
lich auch in Frankreich und in England um diese Zeit zeigt.
In den Niederlanden hatten schon die Philologen von jeher ein
gröfseres Interesse für Seneca gezeigt, als in Deutschland.
Lipsius, später Heinsius, haben ihm beträchtliche Sorgfalt zuge-
wendet. Hugo Grotius hat den Stil und insbesondere die Metrik
des Seneca so vollständig studiert, dafs in dieser Beziehung sein
Christus patiens wohl die vollkommenste Nachahmung ist. Nicht
nur dieselben Pointen und Antithesen, dieselben rhetorischen
Fragen und Exklamationen, derselbe Flug bombastischer Worte,
sondern auch dieselben Regeln im Trimeter, im Anapäst, bis auf
Wortcäsuren und alle Feinheiten des Wortaccentes im Verhältnis
zum Versaccent — wie sie den Senecaschen Vers so vollkommen
von allen anderen lateinischen und griechischen unterscheiden
und bestinmien. Grotius besafs auch ein so feines Ohr für diese
Metrik, dafs er an einer anonym erschienenen Tragödie, die mir
leider unbekannt geblieben ist, den Heinsius scheint erkannt zu
haben. Die unter Heinsius' Gedichten stehenden Verse sind
übrigens bei weitem minder exakt als die des Grotius, vielleicht
absichtlich wegen des Gegensatzes.
In diesem Stile sind nun auch die Tragödien des Vernuläus
(Löwen) sowie die der Palaestra scholae Mechliniensis gehalten
272 Lange, Gesch. u. Bedeut. d. Schulkomödie. Heft 10.
und, obwohl häufige Verstöfse unterlaufen , so ist doch die for-
melle Nachahmung weit vollkommener als die des Terenz in
Deutschland. Die Ökonomie der Stücke leidet durch den Schul-
zweck mannigfache Veränderungen, namentlich £[äufung der
Personen. Erstere wurden zu Löwen, letztere zu Mecheln, wie
sich aus den Vorreden ergiebt, öffentlich aufgeführt. Ahnliche
Aufführungen scheinen an £a,8t allen katholischen Schulen unseres
Niederrheins stattgefunden zu haben. Hier erhielt sich dann
auch die lateinische Sprache im Dialog bis ins 18. Jahrhundert
hinein, während deutsche Gesänge eingelegt wurden. Zugleich
zeigen jedoch diese Stücke, namentlich in den letzten Ausläufern
aus dem 18. Jahrhundert, einen immer gröfseren Verfall des
Geschmacks und namentlich den ganzen Opernspuk, wie er zu
jener Zeit auch auf den öffentlichen Bühnen herrschte.
Aber auch in anderen Teilen Deutschlands reichte die
Schulkomödie bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. — Der Cha-
rakter der neuen Periode war der des Nutzens, des Guten etc.,
gegenüber dem Schönen des Humanismus. Der Zweck der Komödie
wurde, zu belehren, zu warnen, zur Tugend zu ermuntern ; endlich
besonders (unter Einflufs Frankreichs) ein anständiges, sicheres
Benehmen zu geben (Christian Weise). In der immer gröfseren
Verflachung des Nützlichkeitsprinzips ging die Schulkomödie
unter.
Quellen und Forschungen.
Zur Lebensgeschichte des Comenius.
Autobiographisches aus den Schriften des
Comenius.
Zusammengestellt von
Prof. Dr. J. Kvacsala in Pressburg.
(Schiufa.)
VII. Comenius in Amsterdam.
21.
3. Ex horum, varios Vitae euripos experientium numero,
en me quoque unum! tot difficultatum fluctibus toto Vitae meae
tempore jactatum, ut revera cum Jacobo dicere habeam : Pauci et
mali fuerunt dies peregrinationis meae. Etiam postremi, cum ex
Hungaria in Poloniam (exilii mei sedem) reversus, ad quietem
me jamjam componerem. Novus enim me, et is quidem terribilis,
excepit grrus, venientis ab Aouilonari plaga insperatae tempe-
statis turbo, qui atrocissimo oello involvens Poloniam totam,
vastavit totam : etiam Urbecula nostra sie eversa, ut ejus praeter
rudera exstet nihil. Et quidem tam subita oppressione, ut prae-
terquam vitam eripere liceret nihil. Ibi enim tota mea quoque
mihi periit substantia, domuncula, supellex, bibliotheca: omnes
nimirum thesauri mei collectarum per annos amplius quadraginta
lucubrationum, praeter pauca illa, quae iam edita erant, aut opere
tumultuario in scrobem conjecta, et terra obruta, fuere.
4. Amisi ergo omnia, praeterquam illum solum qui solus est
omnia: et qui, ut se fidelem suis ostendat, castigationem suam,
utcunque duram, in bonum aliquem disponit eventum. Qualiter
mihi quoque factum agnosco, & nomen ejus laudo: dum me eo
deduxit, ubi respirare datum est; et excitavit qui me favore dig-
nati suo, secum esse, ingratique otii taedia honesta aliqua occu-
patione lenire, voluerunt. Praesertim, si mentem recoUigere,
274 Kvacsala, Heft 10.
operaque pridem inchoata et affecta, necdum effecta, absolvere
possem. Merito id, prohibente Apostolo, ne quis panem alienum
gratis edat (2. Thess. 3. 8).
5. Deus ergo est, Deus^ qui nobis haec otia fecit! tanquam
exsertam erga me Dei manum osculor eos, qui me hoc literato
otio frui jusserunt. Ad quidnam vero adhibendo otio? Si meae
Ser omnia spontis fuissem, alia hoc anno (quem iam Amstero-
ami Deo favente exegi) egissem: sed reperi hie etiam gyros,
äui me versarunt et ad paulo alia, quam consilio destinaram, de-
ectere coSgerunt. Quod paucis attingam.
6. Dolorum ego plenus de iactura eorum, quae pretiosissima
habebam, Pansophica, (perierunt enim mihi non tantum primariae
aliquot, ad mundum iam descriptae, Operis illius partes, sed et
ipsa tota materiarum Pansophicarum oylva, Definitionum seil,
omnium rerum, et Axiomatum, supra 20 annos magna diligentia
congestatus thesaurus) considere denuo, rerumque venas per-
sequendo harmonici illius Operis si non plenum iam systema,
pleniorem tarnen quam hactenus delineationem , constituere de-
creveram. Ecce autem denuo ad puerilia illa, utut mihi toties
nauseata, Latinitatis studia retrahor! idque occasione insperata
non una.
7. Primum, quia Januae nostrae linguarum praxeos comicae,
sub titulo Schola Ludus in Hungaria institutae, postque meum
inde discessum typis descriptae, exemplar in Belgium allatum
recudi postulabatur. Ego autem infinitis id scatere mendis videns,
quin totum percurrendo redderem castigatius, temperare mihi non
potui: quae res temporis abstulit aliquid.
8. Mox Linguae Latinae radices in sententiolas redigendi, et
sub titulo Auctarium Vestibuli edendi, incidit occasio: quam ad-
iuncta praefatiuncula expressi.
9. Venerunt item ex Germania et Borussia literae amicorum,
in Opuscula nostra Didactica varie inquiri significantium , utque
Volumine uno omnia edantur suadentium. Addebant caiculum
suum hie in Belgio Viri doctissimi, suis quoque ducti rationibus.
Quibus ego (quem ita finxit natura, ut aliorum fere plus tribuam
judiciis ; nee usquam deesse velim, ubi mea quoque opella aliquid
in commune conferri possit) cessi: spe ductus, realium studio id
nihil incommodaturum, si haec parata iam recudantur. Sed quae
spes fefellit, temporisque moras, et principalis negotii varias re-
moras, attulit.
10. Accessit primorum quorundam Virorum, ex ipso etiam
Amplissimo Senatu, de edendo in aliquot Adolescentulis methodi
nostrae specimine, postulatum. Quod et ipsum, cum se literati
duo Viri-Juvenes experimentum facturi offerrent^ recusari honesta
non potuit: factumque est, tametsi me nonnihil ob invidiae me-
tum tergiversante : et quia non datis Methodi hujus requisitis
Omnibus, successum satis ex voto sperare non poteram.
1893. 2^' Lebensgeschichte des Comenius. 275
11. Postquam vero non effugimus invidiam, repertusque est,
qui ut propositum turbaret libellos nostros illepidae Latin! tatis
convincere attentaret (alibique similia mussitari amicus scriberet)
occasio data fuit temere obiecta diluendi, Apologiaeque nomine
publicandi.
12. Unde factum, ut nonnulli excitatiores facti acrius in Me-
thodi nostrae fundamenta inquirere animum inducerent: amicis-
que, proditura esse omnia Didactica nostra Volumine pleno dicti-
tantibus, Prolixa non solere Viris publice occupatis legi,
responderent. Requisita itaque a nobis Moliminum nostrorum
summa aliqua epitome fiiit. Quod scribendi Novissimae L. L. Me-
thodi synopsin occasionem dedit, ad cito amabiles ejus Fines et
exquisita ad fines media, facilemque et iucundam Praxin, variosque
et solides ad alia quoque Usus, pervidendum. Quod scriptum publi-
catum quidem est, hie tamen id recudi non visum : quia epitome
tantum fuit superiorum, et meliores mox superuenerunt cogita-
tiones, quas potius attendi volo.
18. Nempe omnia nostra retractandi, et a melioribus inventis
minus utilia separandi, propositum. Quod sub titulo Ventilabrum
Sapientiae hie suo loco sequetur.
14. Quia vero mihi Seni merito iam omnes nudae delibe-
rationes, tanquam ad placltum discursus, displicere coeperunt, nee
aliquid labore dignum existimo nisi practicum, quod ad praesentes
mox usus faciat, venit cogitare Quonam modo omnium hactenus
actorum fructus reipsa exhiberi possit, constructa Optimi Scho-
lamm Status idea, quantum posset perfecta: quam intuendo, quis-
quis vellet amethodiae labyrinthos pervidere, et declinare, sibique
commissos ad Eruditionis scopum per viam planam ducere, posset.
(Op. Did. IV. p. 5 ff.)
22.
10. Ultimus mihi tentator nuper denuo fuit larvatus quidam
Apostolus, animarum his in locis anceps: qui aliam mentibus
Religionem aliquoties me convenit, desiderium veri simulans;
donec apertius laqueos explicare incipientem a me abegi. Parcam
illius nomini, quia sibi parci vult: haec tamen ipsius etiam causa
scribo, ut si evigilare potest evigilet. Is nempe ipse est ad quem
Tu Domine Baro epistolam illam Tuam, cum anuda ad me salu-
tatione exarasti, Vestram de me spem adhuc perstare significans.
Repeto igitur haec, ut Vos vana spe laetare desinatis. Major mihi
divinae misericordia fiducia est, quam ut me humiliter sibi ad-
haerentem ita deserat, ut Vobis et Satanae ludibrium fieri per-
mittat. Ecce quo impatientiae me importunitate Vestra adegistis !
Recitare tamen haec volui, ut omnem Vestram circa me panurgiam
fuisse, esse et fore vanam, semel faudem intellecto, me missum
faciatis: alii v. ut exemplo moniti meo cavere a Vobis discant.
Nexuit mihi et aliis quiaam ille Vester his diebus Nodum Gor-
dium, quem tanquam aeternum insolubilem (Thresonica prorsus
Monatshefte der Comenins-Gesellschaft. 1893. 20
276 Kvaceala, Heft 10.
jactantia omnes provocans) publico exposuit Cum igitur omnium
illorum quos provocat ego sim unus, mihiaue etiam libellus ille
tertiam per manum submissus sit; et Tu forsan (hujus non ig-
narus) ibi quoque spei adhuc de me Tuae hasiu fundas: ecce
propono in Dei nomine Fortalicium illud Vestrum aggredi, ulti-
mamque illam Vestram oppugnandae et expugnandae Divinitatis
Christi raachinam , dissolvendi : ut vel sie tandem tum de me
evertendoy tum de aliis ad votum fatigandis, spem deponatis. Adsis
Jesu Christel Tua agitur gloria.
Clausula Tua, Domine adhuc mihi amicitiam et officiorum
promptitudinem offert. Quid dicam? Hoc unum. Periculosum
est a Vobis amari, periculosum salutari, periculorimi unumscuHs
affici. Plus hie est quam timeo Danaos et dona ferentes.
Et tamen quia serio forte me et nos, amas, festucam nobis
oculo eximere paratus, amor autem esse debet reciprocus, serio
Tibi Christianae charitatis officio respondeam necesse est. Im-
pendam ergo aliquid porro etiam temporis eximendae oculo Tuo
(si prosperaverit Christus) trabi, ultima illa mea (de qua modo
dixi) scriptiuncula : oblati mempe nobis Irenici Irenicorum Vestri
examine.
Vale Domine! Cui non amplius dicerem Ave (Apostolo pro-
hibente) nisi adhuc Tui ad Apostolicam doctrinam reditus mihi
esset spes : quam ratam esse jube tu qui potes , Jesu Christe,
virtute Spiritus tui Sancti. Amen.
(De Quaestione etc. p. 65 ff.)
23.
Conveniebas me in hanc urbem delatum (exulem exul, ut di-
cebas) saepius: de religione tua nihil unquam aliud, quam te
Fratribus Moravicis (Anabaptistis communionem bonorum pro-
fessis, eque Moravia per Hungariam dispersis) dedisse nomen, ob
Sietatis studia missumque nuc ad reconciliandum dissentes
[ennonitas, si posset. Non improbavi: successum potius appre-
catus sum, ut tanto minus dissidiorum et sectarum in orbe Cnris-
tiano esset. Demum post menses aliquot, e sermonibus quibus
dam Socinismi te suspectum habere, et ob occultatam vulpem
conversatione tua minus delectari, coepi: quod notare poteras.
Cum enim bis terue ad soliloquium me (foras ut prodiremus, ali-
quot foliola habere te ad communicandum) invitares, renui. Ve-
nisti ergo tandem ad me, mysteria tua tecum ferens, praelectio-
nemque offerens, si audire vollem. Permisi, languidus tunc, et
decumbens. Legisti ergo: me vel ad ipsum Irenici tui titulimi,
conditionemque illius (de abnegando Christo, qualem adoramus)
obstupefacto. Requirebas vero ad singulas periodos iudicium
meum: ferro nolui, audire me dicens volle totum, ut iudicare
possem de toto. Toto perlecto, instabas: nolui, ruminaturum me
haec dicens, sicut et cum postea urgeres. Causa vero non fuit
(ut falso suspicabaris, et iam propalas) quod argumentis tuis con-
1893. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 277
victus deliberandi spatia quaererem, eoque sie iam docilitatem
promisterem : sed quod Pansophica meditanti nuUis disputationem
tricis implicare me, vel alios, constitueram : cogitare potius, quo-
modo Catholica rerom veritas, ita in illo Universali Opere con-
nexa exstaret, ut errorum naevi suapte patescere tacitaque lucis
et veritatis vi dissolvi possent.
(De iterato irenico irenicorum. p. 36.)
24.
Pagina 5 mendacium impigis mihi, quod Exemplar Irenici
tui per tertiam mihi manum fuisse missum scripsissem, quum
tarnen id mihi coram tradidisses. Verum est utrumque. Nam
amicus cui primum dederas, ad me aecurrens illud exhibuit,
promissum a te afferens, quam primum urbem rediissem
etiam mihi esse dandum. Respondi : Ecee redii , mittat igitur.
Simulque Librum lectitare incipimus, conspectoque in praefactione
tua de aliis nescio quibus, me etiam , iam convictis, vanissimo
triumpho, exardescens ego, Veni mecum, (inquiebam) ut cum ho-
mine male sano de stultitia et iniquitate (omnia praecipitante) te
teste expostulem. Ivimus ergo: petii (ex promisso) exemplar:
dedisti. Legi (te andiente) praefationem, et quinam illi devicti
essent, cuius verba allegebas (simile scriptum se nondum vidisse
fassos) quaesivi. Tu subridens: Memineris forsam verborum
tuorum. £go: Memini; sed meministine .tu <^uid addiderim? Ita
mihi scriptum hoc videri comparatum, ut Socinismo valide promo-
yendo serviturum sit, si refutari non poterit; aut subruendo, si
poterit? Respondebas: Sed ego praesuppono refutari non posse.
Ego: Cur autem non exspectasti, an aliquis, et quomoao re-
futurus esset? Aut cur non totum posuisti dilemna meum? Plus
in te iudicii requisivissem. D. Zwickere. Inique adyersus me
egisti; clam de me, et falso, triumphans. Atque te non nominavi.
Sed ostendisti digito, et nominabis ad alios, uti vobis mos est,
Orthodoxis etiam viris moderatius vobiscum agentibus, affricare
maculam. Tandem dixi: Quia hac in me publice ausus es, ta-
cere non potero, et conscientiae meae et famae habenda mihi est
ratio , ne de me seu vivo seu mortuo triumphet satan. Ita a te
cum amico discessi, nee ex eo tempore te oculus vidit mens.
(De iterato iren. iren. p. 42.)
25.
De ultimo Drabicii aeerrimo Examine.
Cum a Prineipis Raeocii morte (cui Drabicius Victorias
et Regnum promisisse visus est: ille autem non iussa, sed pro-
hibita faciens in conflictu cum Turcis occubuit, anno 1660) vati-
cinia Drabicii tanto magis suspecta reddi inciperent confratresque
illiusy omnia per Hungariam turbari videntes, sibi prae aliis me-
tuerent; atque ut ne propter unum pati necesse haberent omnes
proyidendum putarent, consilium iniverunt amovendi a se sus-
20*
278 Kvacsala, Heft 10.
f){cionem complicitatis. Primarius itaque inter illos, Johannes Fe-
ines, Pastor ruchoviensium Exulum conscripsit, idiomate Latino
tractatum, sub titulo Ignis Fatuus Nicol. Drabicius. Quo demon-
strare annisus est, Omnes Drabicii Revelationes aut mera illius
Cerebri figmenta esse, aut mere Satanicas illusiones. Quem trac-
tatum non per Hungariam tantum sparsit et plerisque quod voluit
persuasit: sed in Silesiam, Poloniam HoUandiam misit, Ecclesiis-
que Belgicis dedicatum typis describi voluit. Uli tarnen, a quibus
hoc officii requirebat, inconsultum id rati assensum negarunt:
tum maioris incendii metu, tum quia irreverentius agere visus est
causam, quae trepidatione potius & suspiriis, ac gemitu, quam
supercilio et ludibriis, agi digna videbatur. Praesertim cum T)ra-
bicianae Visiones idem lUi denuntiarent, quod Jeremias contra di-
centi sibi Hananiae, mortem eodem anno, quia adversus Dominum
loquutus esset (cap. 28. 16) quae et insequuta fuit utrobique: ibi
mense septimo, hie autem a denuntiatione prima (anno 1660, oct. 16
facta) mense decimo septimo: anno niminmi 1662 Aprilis 6.
2. Casu hoc non exterritus unus ex eiusdem Ecciesiae Seni-
oribus, Paulus Veterinus (primarius Feiini et aliorum adversus
Drabicium instigator) causam cui Pastor immortuus fuit continu-
andam suscepit: diversisque ad diverses scriptis et missis epistolis
(vemacule iam) criminationes amarulenter iteravit, editionemque
Ignis Fatui admodum ursit, assumpto in auxilium (alibi habitante)
Medice, Josephe Securio.
3. Quae res cum novas adee daret turbas, ut nevorum dissi-
diorum, odierum schismatum, eoque scandalorum prae oculis es-
sent initia : imo ipsi etiam nos (de ßevelatienibus istis melius per-
svasi, nonnihil nütare, Drabicioque, Nebis, Ecciesiae, metuere
inciperemus communicatis ergo inter invicem censiliis decrevimus,
Ad Deum esse tandem pleno humilitatis aiFectu deferendam cau-
sam hanc. Et quidem primum indicto nebis, dispersique populi
reliquiis, ieiunio ac precibus (quo solo armorum genere Dae-
monia in Christi nomine eiici. Dominus docuit Matth. 17. 21).
Deinde adhibito ad controversiis finem inpenendum divinitus
Ordinate medio, Juramento (Heb. 6. 16).
5. Et quia per eosdem dies redibat iuniorum fratrum unus
in Hungariam, a nebis missus Sam. Junius, data iUi fuit in-
structio talis. (Primo.) Infermabit fratres (ubiubi congregatos)
de moderne Controversiae statu, et quid nebis factu opus videa-
tur: cum requisitione fratemae cooperationis ad scandala toUen-
dum. 2. Controversiae statum in eo versari, ütrum Fr. Nico-
laus Dr. divinitus aliquid patiatur revera, an vero proterve ac
impie Revelationes fingat? Nennulli pii sperant prius : Paulus V.
affirmat posterius. Videndum igitur, quibus fundamentis nitantur,
hie et ilii. (3). Priorum argumenta petissima sunt quatuor.
(a) Fingi talia non posse, tanta rerum et styli sublimitate, ut haec
non hominem sonare videantur: nee ullum exemplum exstare
simile. (b) Aut si haec ab aliquo forsan extraordinarie ingeniöse
1893. Zur Lebensgeschichte des Comenius. 279
fingi possent, a Drabicio tamen non posse, ostendunt alia eius
(ex gr. epistolae^ aut si quid novorum scribere tentat:) tarn ab
Ulis quae Oraculi nomine proferuntur diversa, ut plumbum est,
aut lutum ab auro. (c) Si Visiones fingere sciret Drabicius,
sciret etiam defendere (haec enim eiusdem sunt artis) : nescit au-
tem, nisi aut impatientia et fletu, aut murmure et convitiis, in
convitiatores suos regeatis. (d) Si fingere posset tarn concinne
res et verba, posset longe tacilius Vitam, ad sanctitatem simu«
latam pseudoprophetis propriam. Nescit autem; ad scandalum
usque quod inde sumunt eius osores, eum hoc nomine infamantes.
Et forte haec ideo sie fieri Divina permittit Providentia, ut argu-
mento sit Simulatorem non esse, (e) Si denique fingere posset
praedicta, non tamen praedictis dare posset yeritatem et eventum :
praesertim in rebus tantis, commotionem gentium, nova bella, in-
teritus tot personarum et familiarum etc. (4) Argumenta, quae
in Contrarium P. V. habet duo sunt, (a) Multa non impleri: id
quod non veracis Dei, sed mendacis hominis, esse vestigium.
(b) Ipsum Drabicium ista non credere, nee pro Divinis habere:
si enim crederet, viveret secundum ista. Sed respondent, qui
ultra corticem rem expendunt (tametsi ingemiscant ita fieri) ad
primum argumentum, Minutiora esse, quae non impleri ducuntur,
respectu eorum quae nimis implentur: de accensa nimirum sie
flamma irae, Dei adversus Mundi peccata, ut non exstingvenda
sit donec alii post alios consumantur populi etc. Item de horri-
biliter castigandis immorigeris, nominatim Racociana Domo: de
Turca venture, si Christiani abominationes abolere nolint & alia
immunera. Non impleri ea potissimum quae sub conditione pro-
missa fuerunt : ubi culpa non in promittentem, sed in conditiones
non praestantem, cadit Si quid secus videtur, fortassis mysteria
subesse, deteganda suo tempore. Quicquid circa instrumenta
Providentiae sit, scopum tamen persistere immote, et ad illum
Sroprius semper veniri (per alia licet atque alia media) in evi-
enti esse.
(5.) Quantum ad Vitam Drabicii: respondent illum se non
facere Angelum, cum sciant esse hominem. SufiBcere, quod quae
illi obiiciuntur naevi sint, non scelera. Quanquam jDeum ne
propter flagitium quidem (humana infirmitate admissa, et per
poenitentiam rursum elüta) alienare prorsus Spiritum suum a pro-
phetis, Davidis ostendit exemplum : qui adulter licet et homicida,
reconciliatus tamen per poenitentiam Deo, Dei esse organon non
desiit Drabicium dudum novimus vehementis esse naturae, pro-
nae ad excessum in virtutibus et vitiis. Et quid tandem, si hie
etiam subsit mysterium? Ut ad annutiandum Mundo ultimae
gratiae tempora, ubi Dens plenissimam reconciliationem promittens
(delere propter semet ipsum omnes defectiones populi sui, et non
recordari peccaturum eius, Jes. 43, 24 etc. et 59, 12 etc., Jer. 31, 34,
Ezech. 36, 19. 20 etc.) tamen huc delegerit personam, cui peccati
reliquias adhaerere et nihilominus tamen gratiae dona huc effundi,
280 Kvacsala, Heft 10.
omnes videndo, in philanthropiae Dei admirationem et adorationem
tanto magis abripiantur?
(0.) Ne tarnen scientes volentes ad indebita conniveamus, eon-
tentionibusque ac factionibusque, vel profanitati, fomenta reliqua-
mas> aut tand«m incerti semper circa haec fluctuemus, decretom
esse Deo Vindici solvendum committere nodum hunc : invocando
iunctim^ ardentissimoque tandem cordis affectu, et unanimi oris
clamore Deum, ut causam hanc velut inter Eliam et Baalitas
olim igne Zeli dignoscere dignetur. Cui fini precandi formulam,
solis verbis divinis conceptam^ ad eos (ut et ahos dispersos) mitti.
Efiutidant igitur coram Deo animas suas, utque Pater misericor-
diam diutius nobisilludi ne patiatur, propter Christum orent, omnes.
(7.) Veniendum dehinc erit ad examen, quäle nondum fuit:
per institutum divinitus controversias terminandi medium, Jura^
mentum (Heb. 6. 16). Quod quia in re tarn extraordinaria extra-
ordinariunl esse necessum est, praescriptam esse illius formulam,
e divinis Scripturis ad rem praesentem spectantibus. Cuius mit-
titur Exemplar: Fr. Drabicio ita ut est offerendum. Quod si
admittet, et secundum illam formam Jusiurandum praestabit, eoque
modo Conscientiae suae Testem ac Vindicem Aetemum illum in
coelis habitantem sistet, ofGcii nostri erit Deo id honoris habere,
ut ipsi iudicium et vindictam permittamus, cui soIi eam deberi
ipse testatus est Deut. 32. 85. Ultra id si quid P. V. requirere,
Deoque ipso sapientior videri Tolet, videat, ne ipsius Dei (gla-
dium ultionis manu illius extorquere quaerens) iustam in se pro-
vocet vindictam.
(8.) Contra vero si Fr. Dr. iuramentum hoc praestare et se iusto
ludicii Deo submittere recusaverit: debet ad nos refferri, ut aliud
quaeratur consilium. (9.) Si denique idem Fr. in se descendens
aliquid de suo fuisse additum (seu parum seu multum) recordari
poterit et fateri volet, debebit lUi offerri conditio, quam Dens
rrophetae suo Jeremiae fictionum itidem suspecto, obtmit: nempe
ut separet pretiosum a vili, triticum a palea si quasi os Dei esse
velit (Jer. 15, 19: et 28. 28). Nam ex Capitibus Jeremiae 15 et
17 et 48, satis evidens est Jeremiam, tametsi a plerisque propheta.
Dei haberetur, non nullis tarnen et in non nuUis suspectum fuisse,
quasi de suo aut in gratiam aliorum aliquid aflingeret : exprobra-
tumque illi fuisse Non omnia impleri (Jer. 5, 13 et 17, 15)
Contra quod ille Deum testem invocabat, nihil se loquutum nisi
verba Dei (Cap. 15, 16 et 17, 16). Deus nihilo minus videre
suadet, annon pretioso admiscuerit vile aliauid, atque si factum
est separare illud: reliqua autem commenaare sibi, cui rationes
suae satis constant, cur aliquando aliter quam loquutus fuit faciat:
Cap. 18. St ergo secundum hanc normam Fr. Drabrdus incedens,
erratum aliquod circa dicta et scripta sua (in eo quod non omnia pro-
terve finxerit, testem in Ooelis nobis sistens) fateri volet, iilud
etiam aperte ad nos referri debet
6. Addita epistola ad Pastores et Seniores Ecclesiae utrius-
que, Puchoviensis et Lednicensis.
1893. ^^^ Lebensf^eschicfate des Comenius. 281
8. Responsum ministrorum V D. cum Senioribus Ecciesiae
Puch. et Lednicensis, ad Superattendentem suum tale fuit
Obedientiam filialem^ cum voto protectionis dmnae in tantiB
undique calamitatum plenis temporibus £}ct. Dilecte in Christo P.
literae Tuae ad nos iunctim datae^ subscriptionibusque R. R. Pa-
trum I. B. et N. G. et D. V. firmatae : redditae nobis sunt manu
dilecti &atris S. J. feliciter ad nos 8Julii appellentis. E quibus
intellecta voluntate Vestra, Patres Venerandi, fecimus quod a nobis
requisitum fuit, iuxta instructionem datam. De cuius totius actus
processu ecce Vos informamus sinceri, puraque conscientia, sie
prorsus ut res actae sunt.
1. Primum ego Puchoviensium Pastor mox ea die, qua vestras
accepi, accersitis Ecciesiae meae Senioribus, et Symmista, illis
praesentibus literas ad nos coniunctim spectantes resignavi, per-
ceptisque contentis postridie mane F. F. Lednicenses scripsi, ve-
nisseque ad nos missum Confratrem, smgularia ad omnes nos
afferentem mandata, docui utque se ad nos sistere vellent oravi.
Factum, venerunt eadem 9 Julii, ad vesperam: ubi ego ad Fr.
Drabicium spectantes eidem in manum tradidi, et ad mecum per-
noctandum invitavi: reliquos quid negotii sit cras percepturos
esse dicens.
2. Die Julii 10 peractis in Coetu sacro precibus publicis,
ingressi sumus in meam, Pastoris, Domum: ubi peracta cum Fr.
Drabicio consalutatione (quia in templo commode fieri non potuit)
dixi: Arduum nos prae manibus habere, negotium, denuo itaque
ab invocatione misericordiae Dei, ad impetrandam Spiritus S.
gratiam inchoaturos. Ubi Fr. Drabicius, Orate vos hie, ego in
cubiculum secedam, et meas quoque preces peragam: exiitque.
3. Nos ergo praemisso Cantu, Veni sancte Spiritus, pro-
cubuimus in genua omnes, gemitusque nostros (Oratione huc desti-
nata) ad Dominum fndimus.
4. Peracta suplicatione consedimus, Pastorque loci, gratiis
actis quod rogati comparuissent, quid agendum esset docuit. Tum
lecta est communis illa epistola: dehinc Juramentum Drabicio
praescriptum (a cuius horrore perterriti plerique obstupuimus).
Demum Fr. Samuel legendam dabat Instructionem suam.
5. Deliberatione siiper his rebus interposita accersitus est
BV. Drabicius: perque rastorem loci interrogatus, An literas a
R. R. Superattendenttbus ad Consessum hunc datas audire , con-
tentaque percipere vellet? Annuit: addito, non ignorabam ego
ab aliquot iam septimanis quid mecum futurum sit. Dominus
enim indicavit mihi, si prascissem, mecum sumpsissem ut videretis.
Ego: sit illud suo loco.
6. Praelegebatur itaque illi, primum epistola communis, dehinc
Juramenti formula. (Antequam tamen haec legeretur, monebam
et rogabam, ut omnia attente expenderet! Inesse enim terribilia
(agique hie de animae salute). Demum Instructio Samueli J.
data. Ad quae omnia quum ille nihil prorsus responderet, denuo
fuit, interrogatus, An vellet secundum praescripta hie secum
agi? Respondit directe, Ita volo.
282 Kvacsala, Zur LebenBgeschichte des Comenius. Heft 10.
7. Quo audito tertia fuit proposita quaestio, An ergo Reve-
lationes suas omnes pro divinis haberet et haberi vellet? Asse
yeretne adhue, omnia illa iussu Omnipotentis Dei Jehovae, qui
non tantum misericors sed et iustus est, sibi dicta et scripta esse,
sine ullis additamentis ? Respondit : Assevero. Quin imo recipio in
animam meam, nihil a me additum esse: neque nequidquam
lucri causa y aut in alicuius gratiam vel odium, esse loquutum.
8. Progressi ulterius interrogavimus , An id iuramento tali,
quäle praescriptum est, firmare vellet? Denuo autem eum ad-
nortati sumus, ne se praecipitaret, deliberate ageret, imo et de-
liberandi spatium sumeret, indulturos esse nos. Respondit: Nihil
deliberatione opus. Assurgensque , et manum utramque coelum
versus attoUens ita loquutus est. Recipio in animam meam, quic*
quid Revelationibus a me scriptis inest, non a me ipso, excogitatum,
nee de meo auidquam additum esse, sed ea sola, quae Dominator
Dominus scribi iussit. * Credoque firmiter, sanctam benedictam
Trinitatem omnia ista pro suis agnituram, utpote quae ab ipsa
aetema Sapientia scribi iussa sunt.
9. Progressus inde ad mensam, sumtaque Juramenti formula
in manum, pronuntiavit ordine, clare, distincte omnia (nihil
omittens, potius hinc inde nonnulla, vehementioris asseverationis
causa superaddens) tanto Zelo, ut nos praesentes videndo et audi-
endo haec attoniti staremus: aliqui etiam nostrum tremerent et
plorarent. In medio vero illius iuramenti prospexit e fenestra
(quae aperta fuit) Coelum versus, Videtis ne Amici! videtis ne?
clamans: nos vero quid vidisset non interrogavimus. Cum ad
ultima venisset verba, de Adversario suo, ibi flebat: cum priora
omnia, de se, magna fiducia et animositate pronuntiasset
10. Finito iuramento consedit, vultumque in mensa ponens
chartam illam (unde iuramentum recitaverat) ter osculatum faciei
supposuit. Tum vero (nobis omnibus attonitis, et silentibus)
surripuit se, et Psalmum 123 incinuit (Ad te levavi oculos qui
habitas in coelis. Sicut oculi servorum ad manus Dominorum
suorum, ita oculi nostri ad Dominum Deum nostrum, donec ipise-
reatur nostri. Miserere nostri Domine, miserere nostri ! quia mul-
tum repleti sumus despectione. Multum saturata est anima nostra
sannis et opprobriis, et contemtu Superborum.) Quem quum nos omnes
concineremus, finitusque esset, ille procidens in genua (et nos cum
illo) ardentissimas ad Deum fudit preces, ut Deus ab approbriis
liberaret nomen suum cet.
Quae omnia ita esse acta, conscientia manuque testamur om-
nes nos subscripti, 16. Julii (1663) Puchoviae
Lucas Calesius, Paulus Laurinus p. t. Pastor
Eccl. Lednic. Pastor, Eccles. Puchoviensis Conf. Helv.
Tobias Jeffon V D. M. Ezeohiel Alfeus
Wenzel Gottfried Bielsky Paulus Vetterin
de Karissow Nicolaus Pilsina
Samuel Junius Paulus Horatschek.
(Lux e ten. HI, 478 ff.)
Kleinere Mitteilungen.
Ratichiana.
Von Dr. P. Stötaner in Zwickau i. 8.
Es sei mir gestattet, im Nachfolgenden einige Ergänzungen
beziehentlich Berichtigungen zu dem trefflichen Litteraturbericht
zu geben, den Gideon Vogt im ersten Bande dieser Monats-
hefte S. 148 ff. veröffentlicht hat
Unter Nr. 14 führt Vogt einen Jenaer Bericht an, der ohne
Orts- und Zeitangabe erschienen sei, 47 Seiten in 12^ habe und
in Zwickau (auf der Ratschulbibliothek) aufbewahrt werde. Ich
habe nun bereits in meiner Ausgabe des Giefsener und Jenaer
Berichtes (Ratichianisehe Schriften I, Leipzig 1892) von diesem
Druck bemerkt, dafs er in Magdeburg 1614 erschienen sei, ohne
jedoch dort näher auf diesen Punkt einzugehen. Das sei nun
an dieser Stelle nachgeholt.
In seiner ersten Ausgabe der „Quellen- und Hülfsschriften
zur Geschichte des Didaktikers Wolfgang Ratichius" (Programm
des Kasseler Gvmnasiums 1882) gedenkt Vogt des Zwickauer
Exemplares noch nicht, wohl aber führt er daselbst unter Nr. 15
einen Druck an, der mit jenem vielfach übereinstimmt. Es heifst
dort von diesem so: „[Reiche xylogr. Titelverzierung: Oben das
Bild eines Jagdhorns, unten das Bild einer Stadt.] Bericht von
der Didactica, | Oder | Lehr Kunst WOLFGANGI | Ratichij,
darinnen er Anlei- | tung gibt, wie die Sprachen | gar leicht vnd
geschwinde | können ohne sonderlichen | Zwang vnd Verdrufs
der I Jugend fortgepflan- | tzet werden." Wenn Vogt, wie ich
annehme, ganz genau beschreibt, so weicht diese Ausgabe von
der obengenannten Zwickauer, die ich als einen Magdeburger
Druck bezeichnete, in folgendem ab. Zunächst in Bezug auf die
Abteilung der Worte auf dem Titelblatt; in dem mir vorliegenden
Exemplar der Zwickauer Bibliothek ist so eingeteilt: „Bericht | Von
der Didactica, | Oder | Lehr Kunst | WOLFGANGI | Ratichij, |
darinnen er Anlei- | ** u. s. w., der Rest stimmt mit Vogts Angabe
genau überein. Dann aber trägt das Oval des reichverzierten
284 Stötzner, Heft 10.
Titelblattes (oben ein Hörn, unten eine Stadt) noch folgende Um-
schrift: OFFICINA- AD INSIGNE- | AVRES CORNV- 1 CON-
CORDIA • RES • I PARV-ä; • CRESCVNT •
Diese Umschrift samt dem Bilde des Homes darüber verrät
nun auch den Druckort des Büchelchens. Nämlich auf dem
letzten Blatt des „angehenckten kurtzen Berichtes etlicher Herrn
Professoren der löblichen Vniversität Giessen von derselben Ma-
teria '^ sehen wir das nämliche ^ von einem Kranze umrahmte
Hom in etwas vergröfserter Gestalt; darunter aber stehen die
Worte: „Zu Magdeburgk, bey | Levin Braunfs, Buchhänd | lers
Im Jahr | 1614." Die Buchdruckerei zum „goldenen Hom"
ist aber die Braunfssche in Magdeburg gewesen, und das Jahr
1614 gilt natürlich auch für den Jenaer Bericht, als dessen An-
hang nach den eben angeführten Worten der Giefsener anzu-
sehen ist.
Also: 1. Nr. 14 in Vogts Bericht ist 1614 in Magdeburg
erschienen, und zwar im Verein mit Nr. 6, dem Giefsener Be-
richt, der demnach nicht als eine selbständige Ausgabe, sondern
als Anhang zu Nr. 14 zu betrachten ist. 2. Der in Vogts
älterem Verzeichnis (Kassel 1882) unter Nr. 15 beschriebene
Druck des Jenaer Berichtes ist, wie durch das Hörn bewiesen
wird, auch in Magdeburg bei Levin Braunfs gedruckt, scheint
aber mit dem Exemplare der Zwickauer Bibliothek nicht völlig
übereinzustimmen, so dafs vermutlich zwei Ausgaben des Be-
richtes aus Magdeburg kommen — abgesehen natürlich von dem
im Jahre 1621 bei Wendelin Pohl erschienenen.
Unter Nr. 88 erwähnt Vogt „M. Joh. Wem. Krausens Anti-
quitates et Memorabilia Historiae Franconicae. Hildburghausen.
1753. 4®.** Der Titel ist nicht vollständig angegeben, und doch
wäre das nötig gewesen, da unter demselben Haupttitel noch ein
zweiter Band 1755 erschienen ist. Es heifst nämlich nach den
von Vogt angeführten Worten „Antiquitates .... Franconicae^
weiter: „Darinnen | Insonderheit der Ursprung, Einrichtung und
Merkwürdigkeiten | der Stadt | Eifsfeld | Von denen ältesten bifs
auf die ietzige Zeiten aus bewährten Urkunden | abgehandelt
worden I von \ Johann Werner Eraufs. | Hildburghausen, | Ver-
legt b. Johann Gottfried Hanisch, Herzogl. Sachs, privilegirter {
Hof-Buchhändler 1753.** Den Inhalt, soweit er für die Geschichte
des Ratichianismus von Belang ist, hat Vogt in dem mehrerwähnten
Programm S. 28 in kurzen Worten angedeutet. Ich will hier
nur eine Stelle daraus (S. 255 f.) anführen , die auf die Thätig-
keit Ernst des Frommen und seiner Mitarbeiter ein helles Licht
wirft: „So war Herzog Ernst genöthiget, sich nach solchen
Männern umzusehen, die dem Ratichio seine Kunst-Griffe ab-
gelemet, auch in praxi sattsam geübet hatten. Was er gesucht,
das hat er an vorgenannten Evenio, Brunchorst und Reyher
glücklich gefunden. Im Hauptwerck, was die Schul-Sachen be-
trifft, hatten sie einen Zweck, alles nach des Ratichii Lehrart
1893. Ratichiana. 285
einzurichten: Ein jeder aber hatte sein besonders Geschäfi^y
Evenius arbeitete so zu reden mit dem Herzog im Cabinet, und
entwurff die verschiedenen Schul- Methoden ^ Instructiones und
Verordnungen, die im Nahmen höchstbesagten Herzogs zum Vor-
schein kommen, und praeparirte dameben etliche Candidaten zum
Schulwesen; Reyher hatte seine volle Arbeit in der Schul mit
dociren, ausser der Schule mit Verfertigung der Schulbücher
nach dem Sinn des Ratichii, davon hernach soll geredet werden :
der Hof-Prediger Brunchorst aber hatte nebst seinem Predigt- Amt
vornehmlich mit Besuchung der Schulen zu thun, obs darinnen
recht zugieng nach der neuen Lehrart. Wenn der Herzog im
Land herum reisete, wie Seine löbliche Gewohnheit war, so
mufste der Hof-Prediger stets dabey seyn, und auf alles acht
geben, was in Kirchen und Schielen jedes Orts passirete und
etwa einer Besserung bedurfFte.** — Aber auch aer 1755 er-
schienene Band der Antiquitates .... Franconicae ist für die
Geschichte des Katichiantsmus nicht ohne jede Beziehung. Der
Titel ist auch in seinem deutschen Teile dem bereits angeführten
des ersten Bandes gleich, nur heifst es nach den Worten „der
Stadt*' hier weiter: „und Dioeces | Königsberg, Sonnenfeld, Beh-
ringen | und Schalckau | von denen .... Hildburghausen, 1755. |
Zu finden in der privilegirten Hof-Buchhandlung. ** Königsberg
in Franken ist aber auch eine von den Stätten gewesen, wo der
Ratichianismus eine Heimstätte fand. Zum Beweise dafUr dient
ein Briefwechsel, der in naher Beziehung zu diesem Bande der
Ant. Franc, steht Derselbe wird auch von Vogt a. a. O. er-
wähnt; es heifst dort: Das Hauptsächlichste aus diesem Brief-
wechsel ist ohne Zweifel noch erhalten in Krausens „Nachricht
von dem Ratichisnismo zu Königsberg, extrahiert aus dessen
Königsberger Historie in MSto." in der Bibliothek zu Weimar. —
Nebenbei bemerkt, ist dies Citat Vogts nicht ganz genau und
auch die Angabe über die Herkunft dieser Handschrift ist es
nicht Das Original von „M. Johann Werner Krausens weil.
Diaconi zu Königsberg in Franken, Nachricht von dem Ratichia-
nismo daselbst, als Königsberg noch unter Weimarische Landes-
hoheit gehörte, extrahiert aus dessen Königsbergischer Historie
in Msto." liegt vielmdir im Goethe- Archiv zu Weimar. Die
Handschrift der Weimarer Bibliothek enthält nur eine Abschrift
davon, besorgt durch „Th. Kräuter, im Oktbr. 1845**.
Doch ich wollte darthun, dafs auch der zweite Band der
Ant Franc, nicht ohne Belang für den Ratichianismus sei. Er
ist es in sofern, als man aus ihm hinreichende Belehrung em-
pfingt über einige Persönlichkeiten, die zu jenem Briefwechsel
und zu den Ant Franc, in Beziehung stehen. Der im Ooethe-
Archiv im Auszug .erhaltene Briefwechsel fand nämlich statt
zwischen dem weimarischen Generalsuperintendenten Abraham
Lang und seinem Schwiegersohn Mag. Gre^'*-**'" ^wald,
der von 1613 bis 1641 Superintendent zu Könir Teuer
286 Stötzner, Ratichiana. Heft 10.
ist einer der erbittertsten Gegner des Ratichius gewesen, der
vielleicht das Umsichgreifen der Lehren des Didacticus im Weima-
rischen erfofgreich gehindert haben würde, wenn ihn nicht schon
1615 ein plötzlicher Tod hinweggerafft hätte; dieser war ein
nicht minaer eifriger Anhänger der neuen Lehre. Aus dem
zweiten Band der Ant. Franc, ist nun ersichtlich, dafs der Enkel
dieses Magister Ewald ein Mag. Johann Werner Krause war, der
1732 als Diakonus zu Königsberg starb. Es werden von ihm
folgende historische Arbeiten aufgezählt, die sämtlich nicht ge-
druckt worden sind:
I. Königsbergische Annales, 2 Folianten.
11. Lebensbeschreibungen der Beamten u. s. w. in der Stadt
und Amt Königsberg.
lU. Beschreibung des Amts, der Cent, der Stadt Königs-
berg u. s. w.
IV. Genealogica derer vom Adel, die im Amt Königsberg
Unterthanen haben.
Der Verfasser der Ant Franc, schliefst dann die Lebens-
beschreibung des Mag. J. W. Krause mit den Worten: „Und
diese gegenwärtige Königsbergische Kirchen- und Schul-Historie
ist meistentheils seine Arbeit." Dieser Verfasser nennt sich aber
auch Mag. J. W. Krause, und der Zeit nach ist es wohl des
1742 verstorbenen Diakonus Krause Sohn, der im ersten Bande
der Ant. Franc, als derzeit (1753) lebender Superintendent zu
Eifsfeld bezeichnet wird. Daher erklärt sich, daCs er jenen Brief-
wechsel Ewalds, als seines Urgrofsvaters, besafs.
Die Sache liegt nun demnach kurz so: Die Antiquitates et
mem. hist. Franconicae sind verfafst von dem J. W. Krause, der
1753 Superintendent zu Eifsfeld war; die Königsbergische Ge-
schichte in Msto, aus der Goethe einen Auszug besafs, hat zum
Verfasser den Vater dieses Superintendenten, den 1732 zu
Königsberg verstorbenen Diakonus Krause. Diese Königsbergische
Geschichte aber ist jedenfalls dasselbe Werk, welches oben als
Königsbergische Annales bezeichnet worden ist Ob dies und
die anderen handschriftlich hinterlassenen Werke des altehr-
würdigen Chronisten seines Heimatlandes noch vorhanden sind,
ist unbekannt Sind sie aber verloren, so ist doch ihr wesent-
licher Inhalt erhalten, einesteils in dem zweiten Bande der Ant
Franc, andernteils in dem Manuscript des Goethe-Archivs und
dessen Abschrift auf der Weimarischen Bibliothek.
Endlich will ich noch bemerken, dafs zu der neuesten Litte-
ratur über Ratichius im vergangenen Jahre noch eine Leipziger
Dissertation von Carl Christoph hinzugekommen ist, die den Titel
führt: „Wolfgang Ka&es päaagogisches Verdienst**.
Litteraturbericht.
Loserthy J. : Dr. Balthasar Hubmaier und die Anfänge der
Wiedertaufe in Mähren. Brtinn 1893. Vin, 217 S. 8®.
Vorliegende Schrift will einige Bausteine zusammentragen zu
einer unparteiischen Darstellung der Geschichte der Wiedertäufer,
die vollständig erst dann geliefert werden kann, wenn die Forschung
sich nicht weiter nur beschränkt auf die Schriften der Gegner des
Anabaptismus, sondern sich ausdehnt auch auf die zahlreichen, zum
guten Teile noch gänzlich unbekannten Schriften der Taufgesinnten
selbst. Mit gründlicher Beherrschung der einschlägigen gedruckten
Quellen und Litteratur und mit Verwertung reichen ungedruckten
Aktenstoffes giebt der Verfasser hier ein Bild von dem Leben und den
Anschauungen B. Hubmaiers, einer der hervorragendsten Persönlich-
keiten unter den Führern der sog. Wiedertäufer, und verbreitet
sich dabei eingehend über die anabaptistischen Bewegungen in den
österreichischen Vorlanden und in Mähren, den Hauptschauplätzen der
Wirksamkeit Hubmaiers. Dabei ist der reiche litterarische NachlaTs
des verstorbenen « Kitters von Beck ausgiebig benutzt worden, eine
umfangreiche Sammlung von Materialien zu einer Geschichte der
Wiedertäufer in den einzelnen Provinzen Österreichs.
Das Buch zerfällt in zwei Teile. Es behandelt im ersten die
Wirksamkeit Hubmaiers in Waldshut. Der Verfasser wiederholt
hier zum guten Teile das, was er in seinem Aufsatze „Die Stadt
Waldshut und die vorderösterreichische Regierung in den Jahren
1523—1526* (Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 77 (1891)
S. 1 — 149) niedergelegt hat, holt aber zugleich nach, was er dort
versprach, die biographischen Angaben über Hubmaier und eine
kritische Betrachtung seiner Lehren und Schriften. Die Anfänge
der Reformation in Waldshut, ihr Fortschritt, die langen, erfolglosen
Verhandlungen zwischen der Stadt und der vorderösterreichischen
Regierung, endlich die Einnahme und Bestrafung von Waldshut,
alles das ist fast unverändert aufs neue wieder zum Abdruck ge-
langt, aber überall da mit bemerkenswerten Zusätzen vemlehrt, wo
Hubmaier besonders thätig oder ratend eintritt. Gleich im ersten
Kapitel ist Hubmaiers früherer Lebensgang, seine Wirksamkeit als
288 Litteraturbericht. Heft 10.
Domprediger in Hegensburg, sein heftiges, fast fanatisches Auftreten
daselbst gegen die Juden, eingehender berücksichtigt worden. Ge-
nauer wird verfolgt, wie er zunächst während seines ersten Aufent-
halts zu Waldshut (1521) noch völlig die hergebrachten Grebräuche
der Kirche beobachtet, wie er aber allmählich durch die Lektüre
der Paulinischen Briefe, der Schriften Luthers und durch persön-
liche Beziehungen zu Männern wie Busch, Erasmus u. a. schon
während seines zweiten Aufenthalts in Regensburg (1523) sich der
neuen Lehre zugeneigt zeigte, ^n der er sich dann in eifrigem Terkehr
mit Zwingli mehr und mehr befestigte, so dafs er im Religionsgespräch
zu Zürich (Okt. 1528) scharf gegen die Bilderverehrung und den Opfer-
charakter der Messe auftrat, sich aber immer noch gemäfsigt verhielt und
vor allzu raschen Reformschritten warnte. Im zweiten Kapitel werden
die 18 sogenannten Schlufsreden hinzugefügt, das christliche Leben
betreffende Sätze, über die Hubmaier noch im Jahre 1528 mit der
Waldshuter Geistlichkeit disputieren wollte. Sie sind ganz im
Zwinglischen Geiste gehalten; und auf ihrer Grundlage ftlhrte nun
Hubmaier die kirchlichen Neuerungen in Waldshut im Sinne der
Schweizer Reformatoren durch, um so erfolgreicher, da er in allen
seinen Bestrebungen wirksamen Rückhalt an Zwingli und nach-
drückliche Unterstützung seitens Zürichs gewann. Auch weitere
26 Schlufsreden werden aufgeführt, die im November 1523 erschienen
und an Eck gerichtet waren und die Frage behandelten, wer in
Glaubeussachen Richter sein solle. Mit keinem Worte war bisher
der Kindertaufe gedacht. Entscheidend aber für die Geschicke
Hubmaie rs und Waldshuts wurde es, als Hubmaier sich Ende 1524
nach persönlicher Bekanntschaft mit Münzer und im Anschlufs an
Männer wie Grebel, Manz, Röublin, den Wortführern des sog. Anabap*
tismus anschlofs und damit sich und der Stadt jede Sympathie und
jede Unterstützung der Partei Zwingiis entzog, so wenig er auch
zu den Fanatikern der Wiedeiiiaufe gerechnet werden darf. Dafür
giebt den besten Beweis das fünfte Kapitel des ersten Buches, sowie
das zweite des zweiten der vorliegenden Arbeit, in denen der Ver-
fasser eine dankenswerte Übersicht über den Inhalt der meist schwer
zugänglichen Streitschriften darbietet, die über die Taufe zwischen
Hubmaier und Zwingli gewechselt worden sind. Der Teilnahme
Hubmai ers am Bauernkriege ist auch hier ein besonderes Kapitel
gewidmet, in dem der Verfasser ebenso wie in seinem früheren
Aufsatze zu dem Ergebnis gelangt, dafs die Gegner Hubmaiers
diesem manches zur Last legten, woran er in Wirklichkeit unschuldig
war, dafs Hubmaier nicht als der Verfasser des Artikelbriefes und
der zwölf Artikel der Bauern zu betrachten ist, wenn er sich auch,
zumal unter dem £influfs Münzers, den Lihalt derselben zu eigen
gemacht hat. Der Anschlufs Hubmaiers au den Anabaptismus zu-
sammen mit der Niederlage der Bauern bei Griefsen am 4. No-
vember 1525 beschleunigten den Fall des nun völlig isolierten
Waldshut. Schon am 5. Dezember war die Stadt in den Händen
der vorderösterreichischen Regierung. Hubmaier entkam mit genauer
1898. Litteraturbericht. 289
Not nach Zürich, molste dort einen erzwungenen Widerruf seiner
über die Taufe gehegten Ansichten leisten und wandte sich dann
über Konstanz und Augsburg nach Mähren. Im Juli 1526 traf er
in Nikolsburg ein.
Der Wirksamkeit Hubmaiers in dieser Stadt ist der zweite Teil
der vorliegenden Schrift gewidmet. Hubmaiers Person steht im
Mittelpunkt der Darstellung, die aber auch sonst noch erwünschte
Beiträge zur Geschichte der kirchlichen Neuerungen in Mähren
giebt, wo, wie besonders in Nikolsburg, schon seit 1524 umfang-
reiche evangelische Gemeinden bestanden. Der Verfasser fügt bio-
graphische Skizzen über Martin Göschl, Hans Hut u. a. bei. Vor
allen Dingen aber sind die Aufschlüsse wichtig, die wir hier über
die Stellung erhalten, die Hubmaier zu den radikalen Richtungen
innerhalb der Taufgesinnten einnahm. Denn so grofs am Anfang
der Zudrang zu ihm war, so erstanden ihm doch auch bald unter
den Wiedertäufern selbst zahlreiche und heftige Gegner, da er ent-
schieden gegen die chiliastischen Schwärmereien, gegen die Mifs-
achtung der weltlichen Obrigkeit, gegen die Verweigerung des
Kriegdienstes und des Steuerzahlens zu Kriegszwecken auftrat und
sich damit in scharfen Gegensatz zu der radikalen Partei unter
Hans Huts Führung setzte. Der Verfasser läfst hier Hubmaier
selbst recht ausgiebig das Wort und giebt eine vollständige Über-
sicht über dessen litterarische Wirksamkeit. In der kurzen Zeit
seines Aufenthalts in Nikolsburg hat Hubmaier nicht weniger als
18 Schriften veröffentlicht. Sie sind sehr verschiedener Art. Zu-
nächst setzte er seine Verfechtung der Spättaufe — er lehnt den
Namen Wiedertaufe ausdrücklich ab, denn die Kindertaufe sei keine
Taufe — gegen Zwingli und dessen Anhang in mehreren Abhand-
lungen fort, falst auch in den „zwölf Artikeln des christlichen
Glaubens^ nach Art des apostolischen Symbolums sein Glaubens-
bekenntnis zusammen und gab in seiner „kurzen Entschuldigung
eine Widerlegung aller seit Jahren gegen ihn erhobenen Anklagen
und Verleumdungen. Erbaulichen Inhalts ist sein „kurzes Vater-
unser". Lehrhaften Zweck verfolgt sein „Unterricht auf die Worte:
Das ist der Leib mein", in dem Hubmaier 15 verschiedene Mei-
nungen über die Lehre vom Abendmahl bespricht. Die „Form zu
taufen" und die „Form des Nachtmahls" schildern die Art und den
Sinn, in denen zu Nikolsburg und anderswo von Hubmaier und
seinen Anhängern Taufe und Abendmahl gehalten wurden. Die
Pflicht der christlichen Nächstenliebe wird in den Schriften von der
„brüderlichen Strafe" und von dem „christlichen Bann" erörtert;
die Freiheit des Willens und die ünerläfslichkeit der guten Werke
neben dem Glauben gegen deren Bekämpfer in zwei Traktaten
energisch verteidigt und endlich verficht das Buch „von dem
Schwert" die Berechtigung resp. die Notwendigkeit für den Christen,
das Schwert zu ftlhren, und eine ordentliche, gerechte und fromme
Obrigkeit zu achten. Von all diesen mehr oder minder umfang-
reichen Werken wird der Inhalt kurz charakterisiert mit Beibringung
290 Litteraturbericht. Heft 10.
der hauptsächlich hervorstechenden Stellen. Wir erkennen da in
Hubmaier einen beredten und überzengungsvollen Anhänger der
Spttttaufe^ sonst aber einen Mann, der im Gregensatz zu radikalen
Bestrebungen gern und bestimmt in gemäfsigte Bahnen einlenkt.
Hubmaiers Wirksamkeit in Mähren war nur von der kurzen
Dauer eines Jahres. Schon im Juli 1527 safs er in Wien als Ge-
fangener. In seiner letzten erhaltenen Schrift ^Rechenschaft an
den König" giebt er im Januar 1528 noch einmal bündig sein
Glaubensbekenntnis in 27 Artikeln. In allem will er sich ganz an
die alte Kirche anschliefsen , nur die Artikel von der Taufe und
dem Abendmahl will er einem allgemeinen Konzil vorbehalten
wissen. Dem festen Entschlufs König Ferdinands, die Wiedertäufer
in seinen Landen auszurotten^ ist er zum Opfer gefallen. Seine
Waldshuter Vergangenheit und seine hartnäckige Verweigerung eines
Widerrufs in Sachen der Taufe und des Abendmahls beschleunigten
seine Verurteilung. Am 10. März 1528 erlitt er standhaft den Tod
auf dem Scheiterhaufen.
Dem verdienstvollen Buche , das am Schlufs noch Nachrichten
über die energische Verfolgung der mährischen Wiedertäufer seitens
der österreichischen Regierung giebt, sind 15 Beilagen beigeftlgt,
die für die Geschichte Hubmaiers wichtige Akten aus Schweizer,
deutschen und österreichischen Archiven enthalten. Bemerkt sei
noch, dafs der Verfasser eine ausftihrliche Geschichte der Wieder-
täufer in Österreich überhaupt zu liefern verspricht, woftlr ihm auch
die reiche Materialiensammlung des verstorbenen Ritters v. Beck
zur Verfügung steht.
Münster i.W. Dr. H. Detmer.
Dörpfeld, F. W. , Beiträge zur pädagogischen Psychologie in
monographischer Form. Erstes Heft: Denken und Gedächtnis.
4. Auflage. Gütersloh, Druck und Verlag von C. Bertelsmann.
1891. XXVIII, 179 S. 8^
Die bekannte Monographie Dörpfelds liegt in neuer Auflage
vor, ein Zeichen, dafs dieselbe einem wirklichen Bedürfnis der
Lehrerwelt entspricht. Wenn auch der Referent den Standpunkt
Dörpfelds nicht teilt — derselbe ist nämlich der Herbarts — aner-
kennt er doch gerne, dafs der Verfasser durch vorliegende Mono-
graphie einen wertvollen Beitrag zur pädagogischen Psychologie
geliefert hat. Die zum Schlüsse seiner Monographie gezogene kurze
Summe der Lehre vom Denken und Gedächtnis: „Wer im Unter-
richt das Memorieren vernachlässigt, ist ein Thor; — wer aber
das Denken vernachlässigt, ist ein zweifacher Thor, und wenn er
dazu beim Repetieren die judiciösen Memoriermittel nicht be-
nutzt, ein dreifacher", ist wohl unanfechtbar. Man darf dem Ver-
fasser nur Dank daftir wissen, dafs er so erfolgreich gegen den
didaktischen und insbesondere den Memorier-Materialismus zu Felde
gezogen ist.
Czernowitz. Hochegge r.
1893. Litteraturbericht. 291
Hau ff e, Gustav, Das Verhältnis der Pädagogik Schleiermacher* s
zu den Prinzipien Pestalozzi* s. Soest, Wilh. Tappen. 1892.
182 S. 8^
Während Pestalozzis Schriften und Lehren verhältnismäfsig tief
in das Volk und die Lehrpraxis eingedrungen sind, läfst sich das
gleiche von Schleiermachers pädagogischem System nicht behaupten.
Bei dem tief sittlichen und religiösen Gehalt der Schleiermacherschen
Anschauungen ist dies sehr zu bedauern. Gleich Pestalozzi war
auch er erfüllt von einer unerschöpflichen Liebe zum Volke, von
glühender Begeisterung für seinen Beruf und erkannte in der
Familie, besonders in der Mutter, die Bedingung für alle erspriefs-
liche Erziehung. Beide Denker stellen auch die erzieherische
Thätigkeit unter den Gesichtspunkt eines künstlerischen Wirkens.
Die meisten Forderungen Schleiermachers, welche er als Zweck und
Endziel der Erziehung hinstellt, treffen oft überraschend mit denen
Pestalozzis zusammen. Nur zeigt sich Schleiermacher im Aufbau
des Systems überlegen, besonders auch dadurch, dafs er gleich grofs
in der Theorie wie in der Praxis war, was sich von Pestalozzi nicht
behaupten läfst. Die Schleiermachersche Theorie ist, so spekulativ
sie dargestellt ist, doch auch ausftihrbar. Sie kommt demnach einer
Beschreibung der vernünftigen Praxis gleich.
Hauffe giebt bezüglich der wichtigsten Fragen aus der Theorie
der Erziehung eine vergleichende Darstellung der Ansichten beider
Denker. Seine Zusammenstellung ist meist recht geeignet, die
Eigenart derselben hervortreten zu lassen.
Czemowitz. Hochegge r.
Lange, Karl. Über Apperception. Eine psychologisch - pädago-
gische Monographie. Vierte, verbesserte Auflage. Plauen, Druck
und Verlag von G. E. Neupert. 1891. IV, 242 S. 8 ^
Selten hat eine Monographie eine Reihe von Auflagen erlebt.
Es ist ein erfreuliches Zeichen dafür, wie sehr das psychologische
Interesse in pädagogischen Kreisen gewachsen, dafs eine Schrift, wie
die vorliegende, so zahlreiche Abnehmer fand. Sie verdient aber
auch höchste Beachtung, man könnte sie geradezu als klassisches
Muster einer mit gründlicher Sachkenntnis gearbeiteten Monographie
hinstellen. Aus ihr kann nicht blofs der Pädagog, sondern ebenso
der Psycholog vom Fach lernen. Wie wünschenswert wäre es, dafs
wir auch ftlr andere Teile der Psychologie und insbesondere auch
der psychologisch - pädagogischen Theorie ähnliche Einzel Unter-
suchungen hätten ! Der Verfasser giebt zunächst eine treffliche
Analyse des Wesens und der Arten der Apperception, die er als
diejenige seelische Thätigkeit bezeichnet, durch welche einzelne
Wahrnehmungen, Vorstellungen oder Vorstellungs verbände zu ver-
wandten Produkten unseres bisherigen Vorstellungs- und Gemüts-
lebens in Beziehung gesetzt, ihnen eingefügt und so zu gröfserer
Klarheit, Regsamkeit und Bedeutung erhoben werden. Sodann be-
Monatshefte der Comenlus-Oeaellschaft. I89S. 21
292 Litteratuibericht. Heft 10.
spricht er die Bedingungen der Apperception und zeigt, welche Be-
deutung überhaupt die ganze Geistes- und Gemütsverfassung för
den Verlauf der geistigen Aneignung hat, wie femer neben den
psychischen Bedingungen auch physische Vorgänge nicht übersehen
werden dürfen. Ihre eigentliche Motivirung findet die Monographie
durch den Abschnitt, welcher die Bedeutung der Apperception für
die geistige Entwicklung des Menschen bespricht. Lange zeigt, dafs
die Apperception auf allen Stufen der Geistesentwicklung wirksam
ist. Sie leistet uns wesentliche Dienste bei der Erwerbung neuer
Anschauungen, wie auch bei der Verarbeitung und Durchbildung
des erworbenen Seeleninhaltes. Mit Hülfe der Apperception erheben
wir uns erst von seelischer Unfreiheit zu geistiger, sittlicher
Freiheit, so dafs nur durch sie wahre Bildung ermöglicht wird.
Daraus ergiebt sich, dafs alles Lernen der Hauptsache nach ein
Appercipieren ist und die Hauptaufgabe des Lehrers darin besteht,
den Vorgang desselben regelmäfsig und sicher im Schüler einzu-
leiten und zu Ende zu führen. In dem Kapitel „Die Apperceptions-
theorie in ihrer Anwendung auf die Pädagogik" zeigt Lange, dafs
die Forderung, den Apperceptions Vorgang möglichst zu fördern, auf
alle Gebiete des Unterrichts sich erstreckt und die meisten und
wichtigsten didaktischen Grundsätze in sich schliefst, somit als ein
oberster Grundsatz gelten kann. „Jene allgemeinen Imperative z. B.,
in welche eine Kichtung der neueren Pädagogik ihre Theorie zu-
sammenzufassen pflegt, jene Sätze, wie: „Vom Bekannten zum Un-
bekannten!'' „Vom Nahen zum Entfernten !** „Vom Leichten zum
Schweren !" lassen sich, soweit sie Wahres enthalten, zumeist zurück-
ftlhren auf die Forderung: Sorge fllr leichte und gründliche Apper-
ception! und es kommt ihnen nur in dem Grade Gültigkeit zu, als
sie diesem Grundsatze entsprechen. '^
Ein geschichtlicher Abrifs, welcher die Entwicklung des Apper-
ceptionsbegri£Pes von Leibniz bis auf Wundt darstellt, bildet eine
willkommene Ergänzung des systematischen Teils der Abhandlung.
Die neueste Auflage kann insofern als eine verbesserte be-
zeichnet werden, als sie die Ergebnisse der physiologischen Psycho-
logie unter den Bedingungen der Apperception eingehender würdigt,
femer bei der Theorie der Kulturstufen eine teilweise Umarbeitung
erhielt und endlich di^ Grenzen genauer abzustecken bemüht ist,
innerhalb deren dem Verfasser die Bearbeitung eines Lehrstoffes nach
den formalen Stufen allein zulässig erscheint.
Czemowitz. Hoch egger.
Spencer, Herbert, Von der Freiheit zur Gebundenheit Vom
Verfasser genehmigte Übersetzung durch Dr. Wilhelm Bode. Berlin,
Leonhard Simion. 1891. 30 Pf.
Der englische Philosoph weist auf eine auffällige Erscheinung
hin: die Klage über die Schlechtigkeit der Dinge nimmt um so
mehr zu, je mehr diese Dinge sich gebessert haben. Solange die
Frau noch das Lasttier des Mannes und vollständig unterdrückt war.
1893. Litteraturbericht. 2^3
klagte man nicht über die nnfreie Stellung derselben ; solche Ellagen
¥nirden erst rege in der Gegenwart, wo die KUcksicht gegen die
Frau obenan steht. Ähnliches beobachten wir auf dem Gebiete des
Erziehnngs- und Unterrichtswesens. In der Gegenwart, da man die
weitgehendsten Vorkehrungen für eine erspriefsliche Erziehung ge-
troffen, klagt man über die mangelhaften Mafsregeln auf diesem
Gebiete. Niemals hat man auf dem Gebiete des Volksschulwesens
so viel geleistet, wie in unserer Zeit ; in Kulturstaaten werden sämt-
liche Mitglieder in die elementaren Grundlagen der Bildung ein-
geführt — da entstand der Ruf, dafs das Volk aus Mangel an
Bildung verkomme. So verhält es sich im allgemeinen mit den ge-
sellschaftlichen Zuständen. Die Unzufriedenheit mit dem Zustande
der gesellschaftlichen Ordnung läfst die Frage offen, ob die gegen-
wärtigen Mifsstände nicht geringer sind als diejenigen, welche wir
in einer anderen gesellschaftlichen Ordnung zu tragen hätten. In
der That würde die Verwirklichung der socialistischen Idee einen
Rückschritt von der Freiheit zur Gebundenheit bedeuten. Es ist
zwar in den gesellschaftlichen Einrichtungen eine Umwandlung un-
vermeidlich und wünschenswert, aber diese Umkehrung kann sich
nur als langsamer Entwicklungsprozefs vollziehen. Plötzliche Um-
stürze gefllhrdeu die Gesellschaft und die daraus hervorgehenden
Einrichtungen haben auch keinen Bestand. Wie die Geschichte
lehrt, verwandeln sie sich langsam öder schnell in das Gegenteil, in
das, was eben durch den jeweiligen Entwicklungszustand der Ge-
sellschaft bestimmt ist. Möchten dies auch diejenigen vor Augen
haben, welche unser Unterrichts- und Erziehungswesen mit Ver-
kennung und Mifsacbtung der historischen Entwicklungsgesetze aller
gesellschaftlichen Verhältnisse auf vollständig neue Grundlagen zu
stellen beabsichtigen ! Auch im Erziehungswesen taugen solche Ver-
suche nichts und können nur zu bedenklichen Hemmungen der Ent-
wicklung, dem dasselbe unterworfen ist, führen.
Czernowitz. Hochegge r.
Dicescu, Toma. August Hermann Niemeyers Verdienste um das
Schulwesen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktor-
würde der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. Leip-
zig, Verlag von Gustav Fock. 1891. 178 S. 8^
Die gediegene Abhandlung berührt zunächst die Geschichte von
dem Ursprünge und dem Stifter der Franckeschen Schulen in Halle,
kennzeichnet die Einrichtung derselben, die in ihr herrschende Zucht
und Lehrart und wendet sich dann Aug. Herm. Niemeyer zu, welcher
die Frankeschen Stiftungen zu neuer Blüte brachte. Eine quellen-
mäfsige Geschichte des Lebens und der Entwicklung des hervor-
ragenden Pädagogen legt uns dar, wie Niemeyer das ward, was er
war. Wir lernen letzteren auf dem Boden seiner Thätigkeit als
Theologen kennen, in seinem Bestreben, die Bildung des Predigers
wie des Religionslehrers zu veredeln, femer als Reformator der
Halleschen Stiftungen. Dicescu hebt die Eigenart der Anschauungen
21*
294 Litteraturbericht. Heft 10.
Niemeyers gegenüber seinen zeitgenössischen Pädagogen (Rousseau
und Pestalozzi) hervor, besonders auch seine Verdienste auf dem
Gebiete der nationalen Bildung und der allgemeinen Didaktik,
ferner bespricht er seine Wirksamkeit als Kanzler und Rektor der
Universität Halle ; im Schlufsabschnitt werden uns einige Kernpunkte
aus seinem pädagogischen Vermächtnis, „Grundsätze der Erziehung
und des Unterrichts **, vorgeführt und gezeigt, dafs der pädagogische
Standpunkt Niemeyers dem eines auf den Boden der Erfahrung sich
stutzenden Eklektizismus gleichkommt.
Dicescus Dissertation kann als wertvoller Beitrag zur Geschichte
der Pädagogik bestens empfohlen werden.
Czemo witz. Hochegge r.
Lay, W. A. Psychologische Grundlagen des erziehenden Unter-
richts und ihre Anwendung auf die Umgestaltung des Unterrichts
in der Naturgeschichte. Eine Festgabe zur Comeniusfeier 1892.
Btthl (Baden), Verlag der Aktiengesellschaft Konkordia. 1892.
XI, 112 S.
Die Pädagogik darf sich nicht verschliefsen der allgemeinen
wissenschaftlichen Bewegung und den Fortschritten derselben, ins-
besondere soll sie mit der Philosophie in engem Zusammenhang
stehen. Nur dann werden Erziehung und Unterricht kulturgemäfs
sein. Gerade bezüglich dieser Forderung kann uns, so bemerkt
Lay, Comenius ein leuchtendes Vorbild sein. „Comenius suchte das
Wohlergehen seines Volkes und das der Menschheit zu begründen
durch den Unterricht der Jugend, und zwar durch einen Unterricht,
der den Fortschritten der Philosophie und der Naturwissenschaften
seiner Zeit entsprach, der nach Lehrverfahren und nach Lehrstoff
kulturgemäfs gestaltet war.^ Zwei Gebiete sind es, welchen in der
Gegenwart grofse Pflege zu teil wurde und die sehr aufgeblüht sind :
die Biologie und physiologische Psychologie. Beide haben für die
Pädagogik grofse Bedeutung. Der Biologie wendet die Methodik
seit einigen Jahren ihre Aufmerksamkeit zu, während die Ergebnisse
der physiologischen Psychologie noch nicht gehörige Berücksichtigung
für die Theorie der Pädagogik gefunden haben. Lay meint, dafs
man durch die physiologische Psychologie auch ein tieferes Ver-
ständnis für das Hauptwerk von Comenius, ^r die Didactica magna
erreichen werde. Die physiologische Psychologie besitzt nämlich
gröfste Bedeutung für die Erkenntnislehre. Das Erkenntnisproblem,
welches in der Gegenwart für alle Wissenschaften grundlegend ge-
worden ist, hat seinen Ausgang in den Ideen des Comenius und
seiner Zeitgenossen. ,^Die heutige Erkenntnistheorie gleicht einem
vielgegliederten Baum, den Comenius blofs als das von der Samen-
schale eingeschlossene Keimpflänzchen kannte. Erst wenn wir die
einzelnen Teile dieses Baumes und ihre Funktionen kennen, sind
wir imstande zu beurteilen, wie weit Comenius die noch unent-
wickelten Teile und ihre Funktionen richtig erkannt habe. Wir
sind dann aber auch imstande, alles, was er gedeutet hat, besser
1893. Littpraturbericht. 295
zu erklären, bestimmter zu erfassen und erfolgreicher zu pflegen.*'
Wir werden nur im Sinne des Comenius handeln, wenn wir den
Zusammenhang mit der Psychologie und Erkenntnistheorie be-
wahren. In diesem Sinne will nun Laj durch vorliegende Arbeit
eine Anregung geben. Der Verfasser benutzt die Ergebnisse der
physiologischen Psychologie, um die Entwicklung der Anschauung,
des Verstandes, des Gemütes, und zwar des sittlichen, ästhetischen
und religiösen Interesses darzustellen. Von diesen Grundlagen aus
erschliefst er, wie der Stoff und das Lehrverfahren beschaffen sein
mufs, damit der naturgeschichtliche Unterricht alle jene Seiten des
Bewufstseins allseitig und intensiv erfasse und entwickle. Lay zeigt
sich in seinen psychologischen Anschauungen vorwiegend durch
A. Riehl und W. Wundt beeinflufst. Neben dem mannigfache An-
regung gewährenden Abschnitte, welcher di^ psychologische Grund-
legung und die methodischen Grundsätze entwickelt, bespricht die
Abhandlung auch die Mängel und Gefahren der heutigen Beform-
bestrebungen. Die Reformlitteratur unserer Tage steht nach des
Verfassers Ansicht nicht entschieden genug auf dem psychologisch-
ethischen Standpunkt. Der Schlufsabschnitt bringt die methodische
Behandlung eines speziellen naturgeschichtlichen Themas.
Lays Abhandlung ist als eine wertvolle Bereicherung der
pädagogischen Litteratur zu bezeichnen.
Czernowitz. Hoch egge r.
Flügel, 0. Über die Phantasie. Ein Vortrag. Langensalza,
Herm. Beyer & Söhne. 1892. [Pädagogisches Magazin. Ab-
handlungen vom Gebiete der Pädagogik und ihrer Hilfswissen-
schaften. Heransgeg. von Friedrich Mann. 10. Heft.] 24 S. 8^.
Der bekannte philosophische Schriftsteller der Herbartschen
Schule schildert uns in recht anregender Form die Erscheinungen
des Phantasielebens und weist auf die Bedeutung desselben ftlr die
Geistesentwicklung und Beschaffenheit hin. Die Phantasie scheint
ihm gleich bedeutsam für die intellektuelle, wie für die GefÜhls-
und Willensseite. Die Phantasie sei die Vorschule zu allem Wahren,
Schönen, Guten. Besonders bemerkenswert ftXr die Pädagogik und
Didaktik ist die Beeinflussung der Apperceptionsthätigkeit durch die
Phantasie. Die Auffassung der Dinge vollzieht sich in der Weise,
dafs wir die neuen Vorstellungen mit Hülfe der alten in uns bereits
vorhandenen annehmen. Hierbei finden Ergänzungen und Deutungen
des Wahrgenommenen durch Hinzugedachtes statt, und zwar ganz
unwillkürlich oder auch infolge eines besonderen Willens. Nament-
lich die unwillkürliche Phantasiethätigkeit bestimmt die Form der
appercipierten Vorstellungen in überraschender Weise. Flügel bringt
hierfür reichlich Belege. Die Abhandlung sei der pädagogischen
Welt bestens empfohlen.
Czernowitz. Hochegge r.
296 Littcraturbericht. Heft 10.
Ziller^ Tuiskon. Allgemeine Ftfdagogik. Dritte Auflage der Vor-
lesungen über allgemeine Pädagogik. Herausgeg. von Dr. Karl
Just, Direktor der städtischen Schulen zu Altenburg. Leipzig.
1892. Verlag von Heinrich Matthes [W. H. Voigt]. XVI,
430 8. 8«.
Zillers klassisches Werk, das 1876 zuerst ausgegeben wurde,
erschien nun in neuer Auflage unter Justs trefflicher Leitung.
Die dritte Auflage bringt noch etliche Zusätze aus Zillers NachlaTs,
die bei der zweiten Auflage übersehen worden waren, femer findet
darin die seither erschienene Litteratur fleifsige Berücksichtigung;
freilich ist dabei jiur auf diejenige Litteratur Rücksicht genommen,
welche entweder der Zillerschen Kichtnng angehört oder ihr ver-
wandt ist In diesem Sinne zog der Herausgeber vor allem die
Arbeiten im Jahrbucbe des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik,
das noch immer als Mittelpunkt der Zillerschen Bestrebungen gelten
kann, zur Benutzung heran.
Möge auch die neue Auflage gleich anregend wirken, wie es
sonder Zweifel die älteren gethan haben.
Czemowitz. Hochegge r.
Zur Bücherkunde.
Neuere Litteratur Über den Humanismus.
Zusammeiigeetellt von Dr. A. Bdmer.
Im Folgenden sind Erscheinungen von 1890 bis Ende 1892 verzeichnet.
— Eine vollständige Bücherkunde ist hier nicht beabsichtigt. Vielmehr
sind aufser allg. Schriften, Lebensbeschreibungen u. s. w. nur solche Werke
und Aufsätze berücksichtig^, die auf die religiöse, philosophische, pädagogische
und naturwissenschaftliche Thätigkeit der Humanisten Bezug haben.
1) Allgemeines. — Sammelwerke. — Mehrere Humanisten.
Abel, E., Litterarbistorische Denkmäler. Bd. 2. Herausgegeben
von der Ungarifichen Akademie. Budapest 1890. XY, 881 S.
8^. 6 Mk. [Apologetische Werke italienischer Hnmanisten.]
B a r r i 1 i , Anton Giulio , II rinovamente letterario italiano : lezioni
universitarie. Genova, A. Donath. 1890.
Carriere, M., Zur Philosophie der Renaissance. (Zeitschrift für ver-
gleichende Litteraturgeschichte und Renaissancelitteratur. Neue
Folge in. Berlin 1890. S. 236—241.)
GalloiS; Les g^graphes allemands de la Renaissance. Paris,
Leroux 1890. XX, 270 8.
Geiger, L. , Vorträge und Versuche. Beiträge zur Litteratur-
geschichte. Dresden, Ehlermann 1890. XVI, 818 S. S^. [Darin:
Erasmus in Italien. — Ulrich von Hütten. — Humanismus an
der Universität Heidelberg.]
— Zur Creschichte des Studiums der hebräischen Sprache in
Deutschland während des 16. Jahrhunderts. [Viele für die Ge-
schichte des Humanismus wichtige Andeutungen.] (Zeitschrift fib:
die Geschichte der Juden in Deutschland. IV. 1890. S. 111
—126.)
298 Bömer, Heft 10.
Hartfelder^ Karl, Konrad Celtis und Sixtus Tucher. (Zeitschrift
fUr vergleichende Litteraturgeschichte und Renaissancelitteratur.
N. F. m. 1890. S. 331—349.)
— Das Ideal einer Humanistenschule. (Die Schule Colets zu
St. Paul in London.) Vortrag gehalten zu München am 22. Mai
1891 in der pädagogischen Sektion der 41. Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner. (Verhandlungen der
41. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner. Leip-
zig, Teubner 1891. 16 S. 4".)
— Zur Gelehrtengeschichte Heidelbergs am Ende des Mittelalters.
(Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F. VI. Frei-
burg i. B. 1891. S. 141—171.)
Hipler, Fr., Beiträge zur Geschichte des Humanismus, aus dem
Briefwechsel des Johannes Dantiscus. Braunsberg 190. 104 S.
(Auch in Zeitschrift ftlr die Geschichte und Altertumskunde
Ermlands. 1890. S. 471—572.)
Hueblin, E., Picus Mirandula und Angelus Politianus. (Archiv
für Stenographie. 1890. November Nr. 1, 2 und Dezember
Nr. 1, 2.) '
Kallenbach, J. , Les humanistes polonais. Indices lectionum
1891/92. Freiburg i. S., Libr. de Puniversit^ (P. Friesenhahn).
Klette, Th., Beiträge zur Geschichte und Litteratur der italienischen
Gelehrtenrenaissance. Bd. III. Die griechischen Briefe des
Franciskus Philelphus. Nach den Handschriften zu Mailand
(Trivulziana) und Wolfenbtittel. Mit Notizen zur Biographie
Philelphs und der Gräcisten seiner Zeit. Greifswald, Abel 1890.
VI, 180 S. 8^
Lateinische Litteraturdenkmäler des 15. u. 16. Jahrhunderts.
Herausgegeben von Max Hermann und Siegfried Szamatölski.
Berlin, Speyer u. Peters. 1891 ff.
1) Guil. Gnapheus, Acolastus. Herausg. von Joh. Bolte. 1891.
2) Eckius dedolatus. Herausg. von Siegfr. Szamatölski. 1891.
3) Thomas Naogeorgus, Pammachius. Herausg. von Joh Bolte
und Erich Schmidt. 1891.
4) Phil. Melanchthon, Declamationes. Herausgeg. von K. Hart-
felder. 1891.
5) Euricius Cordus, Epigrammata. Herausgeg. v. Karl Krause
1892.
6) Jac. Wimphelingius, Stylpho. Herausgeg. von Hugo Hol-
stein. 1892.
Loesche, G. , Die Bibliothek der Lateinschule in Joachimsthal.
Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und der Schule in
Böhmen. ' (Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs-
und Schulgeschichtc. H. 1892. S. 207—246.)
Masius, Herm., Bunte Blätter. Altes und Neues. Halle a. S.
1892. Vn. 384 S. 8^. [Darin: Die Einwirkung des deutschen
Humanismus auf die deutschen Gelehrtenschulen. — Ulrich
1893. Neuere Litteratur über den Humanismus. 299
Zwingli, insbesondere als Humanist und Pädagog. — Erasmus
als Sittenlehrer.]
N e V e, F., La renaissance des lettre» et Tessor de T^rudition ancienne
en Belgique. Louvain, Charles Peters ; Berlin, Mayer & Müller ;
Paris, Leroux. 1890. 439 S. gr. 8«.
O e h 1 e r , Die Bedeutung des Humanismus für die Reformation und
den Protestantismus. (Protestantische Kirchenzeitung fUr das
evangelische Deutschland 1891, Nr. 7.)
Pardo de Barzan, Emilia, Los pedagogos del renacimiento :
Erasme, Rabelais, Montaigne. Conferenzia. Madrid, Fortanet
1891. 44 S. 4^
Bein de 11, Wilh., Luther, Crotus und Hütten. Eine quellenmälsige
Darstellung des Verhältnisses Luthers zum Humanismus. Mar-
burg, Ehrhardt 1890. 134 S. 8«.
Schaff, Ph., The Renaissance. The revival of leaming and art
in the 14 and 15 centuries. New- York, Putnams Sons. 1891.
Voigt, G., II risorgimento dell'antichit^ classica. Trad. diD. Val-
busa, con aggiunte e correzione inedite delPautore. Vol. 2.
(ultimo). Firenze, Sansoni. 1890. 502 S. 8^
Werner, J. , Der christlich-sociale Agitator Johann Eberlin von
Günzburg im Kampfe mit den freisinnigen Humanisten und
revolutionären Bauern. (Kirchliche Monatsschrift. X. 1891.
Nr. 7.)
2) Einzelne Humanisten.
Hartfelder, Karl, Unedierte Briefe von Rudolf A g r i c ö 1 a. (Aus-
zug.) Heidelberg 1890.
Sudhoff, K., Benedict Are t ins. (Zeitschrift fUr vergleichende
Litteraturgeschichte und Renaissancelitteratur. N. F. IH. 1890.
S. 143—145.)
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K. von Reinhardstöttner und K. Trautmann. X. Bamberg,
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„Pappa puerorum". (Germania 35. N. R. 23. 1890. S. 400
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einem Neudrucke herausgegeben von A. Bömer. Münster,
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Desselben Opusculum de discipulorum officiis, quod Enchiridion
scholasticorum inscribitur. In einem Neudrucke heraus-
gegeben von A. Bömer, ebendas. 1892. 67 S. 8®.
1893. Neuere Litteratiir ober den Humanismus. 301
Mure tu 8, institntio pnerili» ad M. Anton ium fratris filium, contra-
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Der Briefwechsel des Oonradus M a t i a n u s , gesammelt und bearbeitet
von weil. Gymn.-Lehrer Dr. Karl G 111 e r t. Herausg. von der
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O. Hendel. 1890. (Auch unter dem Titel: Geschichtsquellen
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Francesco Pico. Edit with notes by J. M. Ri gg. London,
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Geiger, L., Zur Biographie des Pomp on ins Lae tu s. (Zeitschrift
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Hartfelder, Karl, Der Karthäuserprior Gregor Reisch, Ver-
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Distel, Th. , Eine Reu chl in Übersetzung aus dem Jahre 1495.
Lucian XII. Todtengespräch, auch Nachrichten über die Ver-
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gleichende Litteraturgeschichte und Renaissancelitteratur. N. F.
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gleichende Litteraturgeschichte und Renaissancelitteratur. N. F.
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Czihak, E. von. Die Beziehungen des Markgrafen Ernst Friedrich
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Erichson, A. , Ein neues Dokument über Beatus Rhenanus.
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Jakob Wimphelings pädagogische Schriften übersetzt , erläutert
und mit einer Einleitung versehen von Joseph Freundgen.
(Sammlung der bedeutendsten pädagogischen Schriften aus alter
und neuer Zeit. Mit Biographieen , Erläuterungen und er-
klärenden Anmerkungen herausgeg. von J. Gänsen, A. Keller,
Beruh. Schulz. Bd. XHI.) Paderborn, Ferd. Schöningh. 1892.
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Holstein , Hugo, Eine unbekannte Schrift Wimphelings. (Central-
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in Freiburg. 1890 u. 1891.
Eingegangene Schriften.
Die an anderer Stelle dieser Hefte besprochenen, oder erwähnten Schriften
sind hier nicht noch einmal aufgeführt^).
(Vgl. Monatshefte 1893, S. 89 ff.)
Die Schriftleitung behält sich vor, über einzelne Werke noch besondere
Besprechungen zu bringen.
Bodnär, Sigmund, Das Gesetz unseres geistigen Fortschritts. Aus dem
Ungarischen übersetzt von Julius Lechner von der Lech. Leipzig,
Alfr. Janssen. 1898.
Cieaf, Ferd., Na Poplach! Käzanf die Soudcu 16, 20, je2 R 29. Valn
shuczi moravskä poboSni jednoty Gustav-Adolfskeho Üstavu V LystÄli
dne 1. Cervna 1898 vykonal. 1898.
Clifford, John, The origin and growth of English Baptists. (From a
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Clifford, John, The Coming theology or the primitive Christian faith etc.
London, Clarke and Co.
Dechent, Dr. H., Cassiodorus Reinius, Gründer der Frankfurter Nieder-
ländischen Gemeinde Augsburger Konfession (f 15. März 1594). Zur
Erinnerung an seinen 800jährigen Todestag. (Frankf. Ev^-lutherischer
Kirchenkalender auf das Jahr Christi 1894. Hrsg. v. ev.-lutherischen
Prediger-Konsistorium. VI. Jahrg.)
Flügel, 0., Die Sittenlehre Jesu. 8. Aufl. Langensalza, Hermann Beyer
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Q-lökler, Joh. Phil., Johann Valentin Andreae. Ein Lebensbild zur Er-
innerung an seinen 800. Geburtstag. Mit einem BUdnis Andreaes.
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Heinzelmann , Prof. Dr., Über den deutschen Volkscharakter. Vortrag,
gehalten am 26. Jan. 1892 in der öffentl. Sitzung der Kgl. Akademie
gemeinnütziger Wissenschaften zur Vorfeier des Geburtstages Sr. Maj.
des Kaisers. Erfurt, Karl Villaret. 1898.
^) Das Verzeichnis der zur Besprechung in den „M itteilungen der
C.-G." eingesandten Schriften s. am Schlufs der Mitteilungen Nr. 10.
304 Eingegangene Schriften. Heft 10.
Hilty, Prof. Dr. C, Über die Grundgedanken der schweizerischen Er-
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Eidgenossenschaft. (Jahrg. 1893.)
Hodermann, Richard, Bilder aus dem deutschen Leben des 17. Jahr-
hunderts. I. Eine vornehme Gesellschaft. (Nach Harsdörffers Gre-
sprächspielen). Mit einem Neudruck der Schutzschrift für die Teutsche
Spracharbeit. Paderborn, Ferd. Schöningh. 1890.
Horsoh, John, The Mennonites, their History, Faith and Practise. Men-
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Charakteristik u. dem Bildnis des Verf. Braunschweig, C. A. Schwetschke
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Geschichtsblätter des deutschen Hagenotten- Vereins. Erstes Zehnt 1891.
Magdeburg, Heinrichshofen.
Heft 1. Vereins-Statuten. Einleitung zu den Geschichtsblättem.
Die Hugenotten in Magdeburg. Von Prediger Dr. Henri Tollin.
Heft 2. Die französi8ch(walloni8ch)-reformierte Kirche in Emden
von Pastor J. N. Pleines.
Heft 8. Die Waldenser und ihre Kolonie Walldorf von Konsist.-
Rat Robert in Frankfurt a. M. und Pfarrer W. Dittmar in Walldorf.
Heft 4. Die französische Kolonie in Berlin von Prediger Lic theol.
Dr. med. Tollin und Amtsrichter Dr. jur. B^ringuier.
Heft 5. Geschichte der wallonisch-reformierten Kirchengemeinde
zu Magdeburg von Bode, Prediger a. D.
Heft 6. Die französisch-reformierte Kirchengemeinde in Erlangen
von Pfarrer Joh. Stursberg. Mitglieder- Verzeichnis des deutschen
Hugenotten- Vereins.
Heft 7. 1) Die wallonische Gemeinde zu Otterberg von J. Knecht,
protest. Pfarrer zu Otterberg. 2) Die Statuten des deutschen Huge-
notten-Vereins.
Heft 8. Die wallonisch-französische Fremdengemeinde in Bremen
von Pastor J. Fr. Iken.
Heft 9. Die französische Kolonie in Karlshafen von Pfarrer
Rudolf Franke.
Heft 10. 1) Die hugenottische Kirchenordnung oder La discipline des
^glises reform^es de France, deutsch v. Dr. H. Tollin. 2) Register zum
I. Zehnt der Hugenottischen Geschichtsblätter.
Geschichtsblätter des deutschen Hugenotten- Vereins. Zweites Zehnt. 1893.
Magdeburg, Heinrichshofen.
Heft 1. Geschichte der wallonisch-reformierten Gemeinde zu
Annweiler von Pastor Lic. Fr. W. Cuno.
Heft 2. Die wallonisch-französische Fremdengemeinde in St Lam-
brecht-Grevenhausen von Pfarrer Th. Gümbel.
Heft 3. Geschichte, der französischen Kolonie von Halberstadt
von Lic. theol. Pastor H. Tollin.
Heft 4. Geschichte der wallonisch-ref. Gemeinde zu Heidelberg
von Pastor Lic. Fr. W. Cuno.
1893. Eingegangene Schriften. 305
Heft 5. Die französisch-reform. Gemeinde zu Grofs- und Klein-
Ziethen in der Mark Brandenburg von Pfarrer Devaranne, Angermünde.
Heft 6. Die wallonische Gemeinde in Stade von Oberlehrer
Dr. C. H. Wilh. Sillem, Hamburg.
Tlieologifloter Jahresberioht. Unter Mitwirkung von Baur, Böhringer
u. s. w. hrsg. V. H. Holtzmann. Bd. XII. 1892. Histor. Theologie.
Interkonfessiones, bearbeitet v. Lic. Odk. Kohlschmidt, Pfarrer in Den-
stedt bei Weimar. Braunschweig, C. A. Schwetzschke u. Sohn. 1893.
(Sonder- Abdruck.)
Kipper, Dr. Paul, Pastor, Abbruch und Aufbau. Beiträge zur kommen-
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(X u. 162 S.) Berlin, Richard Wilhelmi.
Koeber, Raphael von, Leo Tolstoi und sein unkirchliches Christentum.
Hrsg. mit einer Nachschrift: Die Flucht aus dem brennenden Cirkus von
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schriftlichen Nachlasse des Verf. hrsg. v. Dr. P. Hohlfeld u. Dr. Aug.
Wünsche. Leipzig, Otto Schulze. 1893.
B^rause, Karl Christ. Friedr., Der Erdrechtsbund an sich selbst und in
seinem Verhältnis zum Ganzen und zu allen Einzelteilen des Mensch-
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v. Dr. Georg Mollat. Leipzig, Otto Schulze. 1893.
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Eine kritische Beleuchtung der einklassigen Volksschule nach ihrem
Wesen und den Bedingungen ihres Gredeihens nebst einer praktischen
Darstellung des gesamten Volksschul-Unterrichts unter Zugrundl^^ung
eines einheitlichen Lehrplansystems. Erster Teil: Die theoretische
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Wohlwill, Emil, Joachim Jungius. Festrede zur Feier seines 300. Ge-
burtstags am 22. Okt. 1887 im Auftrage der Hamburger Oberschul-
behörde gehalten von Dr. E. W. Mit Beiträgen zu Jungius' Bio-
graphie und zur Kenntnis seines handschriftlichen Nachlasses. Ham«
bürg und Leipzig, L. Vofs. 1888.
Nachrichten.
Im Vorworte zum 3. Bande seiner Geschichte Karls V. entwickelt
Herrn. Bavmgartei den Gedanken, dafs es nötig sei, für die Erschliefsung
der Quellen der anderthalb Jahrhunderte von Maximilian I. bis zum West-
fälischen Frieden endlich in grofsem Mafsstabe Fürsorge zu treffen. Da die
zunächst berufene Wiener Akademie diese besonders för Karls Y. Zeit drin-
gende Aufgabe nicht scheine übernehmen zu wollen, falle es dem Deutschen
Bei che zu, in diese Lücke zwischen den Monumenta Germaniae und neueren
preuTsischen Unternehmungen einzutreten. Es wäre dagegen nun vielleicht
einzuwenden, dafs doch wenigstens ein erheblicher Teil dieses Gebietes
das besondere Arbeitsfeld der Münchener historischen Kommission in ihren
Reichsakten und Witteisbacher Korrespondenzen bildet, und dafs ein
anderer Teil sich vortrefflich zu provinzialen und lokalen Publikationen
eignet Immerhin aber bleibt ein bedeutender reichsgeschichtlicher Stoff be-
sonders in auswärtigen Archiven zu heben, und in diesem Zusammenhang
regt Baumgarten noch einen anderen Gedanken an, der gewifs sorgsamste
Beachtung verdient. Ähnlich wie schon seit langer Zeit England und
Belgien, neuerdings auch Holland und Frankreich, Arbeiter aussenden, um
alles, was sich in den Archiven und Bibliotheken Europas für ihre Gre-
schichte findet, verzeichnen zu lassen, so solle es auch seitens Deutsch-
lands für unsere neuere Geschichte geschehen, und der nächste Schritt
dazu würde sein, dafs man den grofsen Botschaften in London,
Paris und Madrid historische Kräfte beigäbe, gleichsam histo-
rische Attaches neben den militärischen und technischen, welche den Auf-
trag erhielten, die Anfragen deutscher Forscher zu beantworten und die
von ihnen gewünschten Abschriften oder Auszüge zu erleichtem. In Rom
ist dafür ja schon von Staats wegen gesorgt durch das preufsische historische
Institut. Ahnliche Einrichtungen in erheblich geringerem Umfange und
ohne* die in Rom vorherrschenden direkten Publikationsabsichten würden
ohne Zweifel in Paris, London und Madrid der deutschen Geschichts-
wissenschaft die allerwichtigsten Dienste leisten können.
(Deutsche Ztg. f. Geschichtswissensch.)
Der rührige Verein „Comeninm*' in Prag hat zwei weitere stattliche
Bände (VI und VII) publiziert: J. A. Komensk;^s j,Ecclesiae slavonicae ab
ipsis apostolis fundatae, ab Hieronymo, Cyrillo, Methodio, propagatae,
Monatsheft« der Comenins-Gesellschaft. 1893. 22
308 Nachrichten. Heft 10.
bohema in gente potissimum radicatae, et in unitate Fratrum Bohemorum
fastigatae, brevis historiola", ins Böhmische übertragen von Jaroslav Bidlo,
und J. A. Komen8k;^8 „Haggaeus Redivivus" nach den Manuskripten heraus-
gegeben vom Historiographen Josef Müller in Hermhut. Wir werden auf
die Schriften des Vereins demnächst im Zusammenhang zurückkommen«
In den früheren Auflagen des bekannten Handbuchs von Oberweg-
Heinze, „Grundrifs der Geschichte der Philosophie^, war der Name des
Comenius nur gelegentlich bei Aufführung der Schrift von Franz L. Kvet,
Leibniz und Comenius (Aus den Abhh, d. K. Böhm. Ges. d. Wissensch.)
Prag 1857 erwähnt. In die neueste Auflage (Berlin 1888) ist ein Abschnitt
über Comenius als Philosoph aufgenommen (HI, 164). Es ist indessen zu
hoffen, dafs bei der nächsten Auflage dieser Abschnitt eingehender aus-
fällt. Wir wollen hier nur hinweisen auf die Ausführungen von Walter
Müller, Comenius, ein Systematiker der Pädagogik, Dresden 1887,
H. Hahn er, Natur und Naturgemäfsheit bei Comenius und Pestalozzi,
Chemnitz 1890 (Leipz. Diss.) und K. A. Schmid, (beschichte der Erziehung
u. s. w. III, 2 S. 218.
Wilhelm Tilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Bd. I, Leip-
zig 1883, S. 28, bemerkt über die Bedeutung des Bacon und Comenius
für die Gliederung der Wissenschaften Folgendes : „Versuche . . . , die Ge-
samtgliederung der Wissenschaften zu entdecken, welche die geschichtlich-
gesellschaftliche Wirklichkeit zum Gegenstande haben, sind von der Philo-
sophie ausgegangen. Sofern sie von metaphysischen Prinzipien her diesen
Zusammenhang abzuleiten versuchten, sind sie dem Schicksal aller Meta-
physik anheimgefallen. Einer besseren Methode bediente sich schon Bacon,
indem er mit dem Problem einer Erkenntnis der Wirklichkeit durch Er-
fahrung die vorhandenen Wissenschaften des Geistes in Beziehung setzte
und ihre Leistungen wie ihre Mängel an der Aufgabe mafs. Comenius
beabsichtigte in seiner Pansophia^) aus dem Verhältnis der inneren Ab-
hängigkeit der Wahrheiten voneinander die Stufenfolge, in welcher sie im
Unterricht auftreten müssen, abzuleiten, und wie er so im Gegensatz gegen
den falschen Begriff der formalen Bildung den Grundgedanken eines künf-
tigen Unterrichtswesens (das leider auch heute noch Zukunft ist) entdeckte,
hat er durch das Prinzip der Abhängigkeit der Wahrheiten voneinander
eine angemessene Gliederung der Wissenschaften vorbereitet Indem
Comte die Beziehung zwischen diesem logischen Verhältnis von Ab-
hängigkeit, in welchem die Wahrheiten zueinander stehen, und dem ge-
1) Vgl. M.-H. d. C.-G., IL Bd., S. 200. — In der „Zeitschrift für Kirchenge-
schichte" Bd. Xn, 2. Heft, Gotha 1890, S. 362—380 hat Dr. Eduard Bodemann
„Briefe Leibniz ens und oftizielle Aktenstücke zur Geschichte der Antoinette
Bourignon" (1616—1682) nebst einleitenden Bemerkungen über ihr Leben und
ihre Lehre veröffentlicht, aus denen wir hervorheben : „Dort (in Amsterdam)
entsagte sie dem katholischen Kultus, verkehrte viel mit den Labadisten,
Comenius und anderen Chiliasten, auch mit Cartesianern, konnte aber, da
sie selbst^ ,die Mutter der Gläubigen* und Stifterin einer eigenen neuen
Kirche sein wollte, mit keiner Sekte sich einigen."
1 893. Nachrichten. 809
schichtlichen Verhältnis der Abfolge, in welchem sie auftreten, der Unter-
snchnng unterwarf: schuf er die Grundlage für eine wahre Philosophie der
Wissenschaften Mill, Littr^, Herbert Spencer haben das Problem
des Zusammenhangs der geschichtlich -gesellschaftlichen Wissen$«chaften
aufgenommen." O. Kemper.
Man hat bisher wenig darauf geachtet, dafs Beziehungen der
böhmischen Brüder in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den
Reformierten am Niederrhein vorhanden gewesen sind und noch weniger
ist es allgemein bekannt, uafs die religiöse Bewegung am Niederrhein bis
zum Jahre 1585 (vor dem Eindringen des Calvinismus) ebenso wie in Hol-
land sich wesentlich in der Form jener Brüdergemeinden vollzog, die
von ihren Gegnern Täufer oder Wiedertäufer genannt wurden und deren
innere Verwandtschaft mit den böhmischen Brüdern schon daraus erhellt,
dafs auch die letzteren bis zum Jahr 1535 die Taufe auf den Glauben
(Spättaufe) übten. Es ist vor kurzem eine kleine Schrift erschienen, die
wichtige neue Beiträge zur Geschichte der Täuferbewegung am Nieder-
rhein enthält, nämlich die Münsterschc Dissertation von Karl ßenbert, Die
Wiedertäufer im Herzogthum Jülich, Kapitel II und III. Münster,
Buchdruckerei von Joh. Bredt 1893. Man sieht schon aus dem Titel, dafs
Herr Dr. Rembert zum Zweck der Promotion nur einen Teil (das 2. und
3. Kapitel) einer von ihm fertig gestellten Arbeit zum Druck gegeben hat;
das nicht gedruckte 1. und 4. Kapitel behandeln die wichtige Vorgeschichte
bezw. die Geschichte der Jülicher Täufer von 1550—1705. Es liegt auf der
Hand, dafs die jetzt vorliegenden Kapitel erst im Zusammenhang der ganzen
Arbeit in das rechte Licht treten werden und dafs eine Kritik, die sich
lediglich auf das gedruckte Stück erstreckt, dem Verfasser nur schwer ge-
recht werden kann. Bei der geschichtlichen Bedeutung, die der sog. Ana-
baptismus für die Eeformation überhaupt, besonders aber für die nieder-
rheinische besitzt, bleibt die Drucklegung der ganzen Arbeit wünschens-
wert. Wir hoffen auf die Sache zurückzukommen und wollen einstweilen
hier nur die Aufmerksamkeit auf die kleine Schrift lenken. Der Teil der
Rembertschen Arbeit, der gedruckt vorliegt, läfst in Bezug auf Sorgfalt
der Ausführung und Schärfe des Urteils auch für den Rest des Ganzen
das Beste erwarten.
Das (bereits früher angekündigte) Buch von Dr. Alexander Nico-
ladoni, Johannes Bünderlin von Linz und die oberösterreichischen Täufer-
gemeinden in den Jahren 1525 — 1531 ist nunmehr erschienen. (Berlin SW.,
R. Gärtners Verlagsbuchhandlung 1893, VI u. 314 S. 8«). Die Bedeutung
der Schrift liegt darin, dafs durch dieselbe abermals eine bisher wenig be-
kannte, aber sehr merkwürdige Persönlichkeit aus der grofsen Bewegung,
die man unter dem Namen des Anabaptismus zusammenzufassen pflegt, in
helles und zum Teil ganz neues Licht gesetzt wird. Man hatte sich ge-
wöhnt, die Führer jener Bewegung bisher in Bausch und Bogen zu be-
trachten und aufser ihren Namen kannte die allgemeine Geschichte wenig
von ihnen. Seit zehn Jahren sind zunächst Ochino (Benrath) und Denk
22*
310 Nachrichten. Heft 10.
(Keller), dann Seb. Castellio (Buisson), Seb. Franck (Hegler), Balth.
H u b m a i e r (Loserth) und jetzt auch Bünderlin zum Gegenstand besonderer
monographischer Arbeiten gemacht worden und es stehen weitere bezüg-
liche Arbeiten in Aussicht. Wir kommen auf Nicoladonis Buch zurück.
0. Hnnziker weist in seinem zu Zürich am 13. März 1892 gehalte-
nen Vortrag über Comenius und Pestalozzi auf ein merkwürdiges Urteil
eines schweizerischen Zeitgenossen über Comenius hin. Der zürcherische
Pfarrer Felix Wyss (1596—1666) verfafste im iahre 1661 einige Distichen
zu der Ausgabe der Janua und des Atrium, die Wilhelm Frey damals ver-
anstaltete. In einem dieser Verse heifst es
Magno Comenio debentur magna
— gewifs ein seltenes Urteil über einen noch lebenden Gelehrten. — Wir
bemerken bei dieser Gelegenheit, dafs wir Comenius gern gelegentlich
im Urteil seiner Zeitgenossen, seiner Freunde wie seiner Gegner, schildern
möchten; eine Zusammenstellung solcher Urteile aus der ganzen Welt
würde gewifs viel Interessantes bieten.
Litteratur über Joh. Valentin Andreae aus den letzten hundert Jahren.
Ein Nachtrag zu dem Artikel Bd. II der M.-H., S. 249—253.
1) 1784. J. V. Andreae, Abrifs eines rechtschaffenen und thätigen Christen-
tums. 2. Aufl. Tübingen 1784.
2) 1864. J. Val. Andreae, Das gute Leben eines rechtschaffenen Dieners
Gottes. Neu herausgeg. von J. C. M. Laurent. Stuttgart 1864. Be-
sonderer Abdruck aus Vilmars pastoraltheolog. Blättern.
3) 1873. J. Val. Andreae, Mahnruf an die Diener der evangel. Kirche,
Herausgeg. von Pfarrer Ohler. Stuttgart 1873.
Rad lach, Pfarrer in Zethlingen.
Professor Dr. E. Coniba in Florenz hat in diesem Jahre eine Ge-
schichte der Waldenser in italienischer Sprache erscheinen lassen, die
Ende dieses Jahres in deutscher Übersetzung vorliegen wird. In der
^L'Italia Evangelica" ist eine Art Vorrede des Verfassers veröffentlicht wor-
den, aus der wir einige Stellen in deutscher Übersetzung folgen lassen:
„Wir sagen hier das, dafs, nachdem die Waldensergeschichte von hun-
dert Schriftstellern geschrieben worden ist, es sich hier zum erstenmal
darum handelt, dieselbe vollständig und auf Grund einer geduldigen Quellen-
sammlung zu erzählen." „Diese Versicherung möge weder zu kühn noch
paradox klingen. Es ist eine sehr einfache Thatsache. Unter den vielen
Geschichtsschreibern, die an» die sogenannten „undenkliche" Zeit fest ge-
glaubt haben und gern von ihr sprechen, giebt es nicht einen, der sie
eigentlich schildert. So sagte noch vor vierzig Jahren ein Mann, der die
Waldenser sehr liebte und Waldenser unter seinen Schülern hatte, als er
der Kollege Vinets zu Lausanne war, und sich für ihre Mission interes-
sierte und über die Waldensergeschichte schrieb und seine Schriften von
1893. Nachrichten. 311
manchem in Italien, vonViktor Emanuel angefaug(Mi*), verehrt sah^
der Professor J. J. Herzog: «Sicher ist, dafs die alte Geschichte der Wal-
denser noch zu schreiben ist.* Wenn sie nicht geschrieben wurde, wurde
sie doch studiert. Der gegenwärtige Versuch, diesen Teil der allgemeinen
Waldensergeschichte zu erzählen ist eine Frucht, man verstehe wohl, der
vergleichenden Prüfung der bis jetzt angestellten Nachforschungen. . . ."
„Ferner war auch die Epoche der Reformation sehr unvollkommen ge-
schildert, und auch da benutzten wir die von den Spezialgelehrten erziel-
ten Kesultate. Bezüglich der Zeiten, welche die Reformation von der
französischen Revolution trennen und dieser folgen bis zum Jahre der Ver-
fassung und der Waldenseremancipation gab es nicht viel Neues zu sagen.
Muston, Monastier und Bert haben sich wahrhaftig hinreichend informiert
gezeigt. Nichtsdestoweniger handelte es sich auch hier darum, einige
Schlufsfolgerungen zu werten und die Erzählung da und dort klarzustellen
and zu vervollständigen. Endlich stellten die bedeutsame Epoche der Ver
Kündigung unserer Freiheiten, die Anbahnung der Waldensermission, ihre
Pflanzung, die entstandenen Spaltungen und die Diskussion, die darüber
^ entstand, ein sehr bedeutendes Moment für eine aufmerksame Prüfung dar.
Diese Prüfung lieferte den Stoff zu einer neuen Seite, wenigstens für die
jungen Leser." Gerber, Pfarrer.
Zur Nachricht.
Auf Grund des § 17 der Geschäftsordnung für den Gesamtvorstand
der C.-G. übernimmt der unterzeichnete Vorsitzende vom 1. Januar 1894
an die Herausgabe der Monatshefte unter Mitwirkung des Redaktions-
ausschusses und eventuell eines stellvertretenden Schriftleiters.
Es werden vom genannten Zeitpunkt an einige wichtige Andeiningen
eintreten:
1. Gröfsere Quellenstttcke, die wir bisher in der Abteilung „Quellen
und Forschungen" gebracht haben, werden in Zukunft den Einzelschriften
der C.-G. zugewiesen werden. Kleinere Quellenstücke (Briefe u. s. w.)
werden unter den „Kürzeren Mitteilungen" erscheinen.
2. Der dadurch gewonnene Raum wird der Abteilung Abhandlung
und Aufsätze zu gute kommen.
*) Im September d. J. weilte König Humbert I. in den Waldenser-
thälem und wurde hier von den Waldensern mit Herzlichkeit begrüfst.
Humbert verkehrte mit den köni^streuen Waidensem mit grofser Leutselig-
keit und nannte sie „primissimi" d. i. die allerersten unter seinen Unter-
thanen. In Torre Pelfice betrat der König die „Casa Valdese", zu deren
Bau er beigetragen hatte und in der u. a. zahlreiche Denkwürdigkeiten
aus der Verfolgungszeit ausgestellt sind.
312 Nachrichten. Heft 10.
3. In der Abteilung Lltteratnrberieht, die gegen früher eine Erweite-
rung erfahren wird, soll über die gesamte litterarische Thätigkeit, die auf
dem Forschungsgebiet unserer Gesellschaft herrscht, thunlichst genau Buch
geführt werden; die Begutachtung wird in die Hände angesehener Fach-
männer übergehen.
4. Die Schriftleitung wird denjenigen Teilen unseres Arbeitsgebiets
die für die Historiker^ die Philosophen und die Pttdagogen in gleicher
Weise von Bedeutung sind, ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden.
Zu den Fragen, die auf den genannten Gebieten heute die Wissenschaft be-
wegen, werden wir auf Grund der comenianischen Weltanschauung, die
für unsere Gesellschaft das einende Band bildet, klar und bestimmt Stellung
zu nehmen suchen.
5. Die Ausgabe der Hefte wird regelraäfsig zum Beginn des Monats
erfolgen. Die Ausgabe von Doppelheften bleibt einstweilen beibehalten.
Münster, am 20. November 1893.
Archivrat Dr. Keller,
Vorsitzender der Comenius-Gesellschaft.
Pierer'soh» Hofbuohdruokerei. Stephan Geibel t Co. iif Altenburg.
Inhalt der Mitteilungen, Nr. 10 1893.
Mb 5if)Nitll€li«i Bibliotheken DentMlüaiids.
BwUUiehan: Zur Geaohiohte dM Turnunterricht«. — Kopernikus- Jubiläum. — Hermann Macius f. —
Verband Ton Lehrern und Freunden der Fortbiidungtschule. — Lehrgang in Volka- und Jugend-
spielen. — Berichtigung.
0«saIlS0hafla-Aac«l«e«n^#it«B: Bericht über den ersten Kongreas der G.G. Abgehalten inLissa
am 22. und 23. Oktober 1808. — Kassenbericht de« Schatzmeisters bis cum 31. Dezbr. 1892. —
Jahresbeitrige.
PendiiUolies. ^
Erste BelUere: EingegaDgene Schriften.
Zweite BeÜAffe: Übersicht über den Verlauf der Jahrhundertfeier f&r Comenius (1892).
Schlufi).
Die Moaatehelto erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August und Sep-
tember). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gesamtumfang beträgt
20—25 Bogen (Lexikon-Oktav). Postzeitungsliste Nr. 4296 b.
Einsendungen sind an den Vorsitzenden der Gesellschaf t « Archiv -Rat Dr. Keller
in Monster 1. W. oder an den Vorsitzenden des Redaktions- Ausschusses , Diakonus
Jo«. Müller in Hermhut 1. S. zu richten. Für die Eedaktion verantwortlich: Diakonus
Jos. Mailsr in Hsrrnbut I. S.
Jahreebeltrftge (vgl. S. 4 des Umschlags), sowie einmalige Zuwe&dmigen
bitten wir an das
Bankhaue Molenaar & Co., Berlin C, Burgetrasee,
zu senden.
Vaolidniok unserer Nachrichten und Berichte ist nur mit Quellenangabc, der
grofseren Beiträge nur mit Einverständnis der Schriftleitung gestattet.
Der erste Band der Monatshefte wird denjenigen, welche der Gesell-
schaft als Patrone, Stifter oder Teilnehmer beitreten, gegen Nach-
zahlung;' der Jahresbeiträge (s. die folgende Seite) für 1892 bis auf weiteres
unentgeltlich geliefert. — Im Buchhandel kostet der Band 10 Mark.
Der zweiten oder dritten Nummer jedes Jahrgangs wird ein Zahlungs-
formular behufs Berichtigung des JfthrOBboitrftgB beigefügt. Falls bis zum
1. Juli die Zahlung nicht erfolgt ist, wird angenommen^ dafs die Mitglieder
mit der ErheWing durch Postauftrag einverstanden sind.
Mitglieder, welche einen Teil der Veröffentlichungen des jeweilig laufenden
Jahres, in Empfang genommen haben, können ihre Abmeldung erst zum
1. Januar des nächstfolgenden Jahres bewirken.
Wegen greschäftllcher Anzeigren oder Beilagren litterarischer Art
wolle man sich an R. Voigtländer's Verlag, Leipzig- Gohlis, Lange Str. 47 ^'j
wenden. Anzeigen 15 Pf. die gespaltene Petitzeile; Beilagen nach Vereinbarung.
Etwaige Orts- und Wohnungfswechsel wollen unsere Mitglieder der
Geschäftsstelle der Comenius -Gesellschaft, Münster i. W., Wol-
beckerstr. 4*, gefälligst mitteilen.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Gesellschaft (C 6.) hat sich wissenscliaftliclie und
gfemLeinntLtzig'e Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatshefte (M. H.), zur Förderung der letzteren die Mitteilungen
(H. M.) bestimmt. Die Ausgabe von Binzelschriften hat begonnen.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom - Mitglieder, welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
sBmtllehe Veröffentlichungen der C. Gr.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als AhteilnngS-Mitglleder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mitteilung'en der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pflege der AVissenschaften im Geist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Religrion, Philosophie, Geschichte und Ep-
ziehungrslehre berücksichtigen und für die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Hltteilnngen sind zur Förderung der gremeinnützlgren Aufgaben
bestimmt y welche sich die C. G. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten: 1. Kürzere Leitaufsätze aus dem Gebiete der Bildungspflege,
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte.
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 8. Gedanken y Aussprüche und Bemerkungren. 4. Gesell-
sehafts-Angrelegrenheiten. 5. Bücher und Zeitschriften.
Durch die „YortrBge und Aufsätze aus der Comenias-Gesellschaft^^
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen , die wir als SonderabdrUcke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
Vorträgre veröffentlicht werden, die von Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlungren, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Gebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Comenius zu fördern.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder- Abzüg^e unberechnet; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungen
wird auf Wunsch das betreifende Heft unberechnet zur Verfügung gestellt.
Pierer*«che Hofbuchdruckerei. Stephan Gejbel & Co. in Altenburg.
Comenius - Gesellschaft.
Die Comenius - Gesellscliaft (C. G.) hat sich wissenschaftliclie und
gfenielnilützigfe Aufgaben zum Ziel gesetzt. Zur Lösung der ersteren sind
die Monatshefte (H. H.), zur Förderung der letzteren die Mitteilungen
(H. M.) bestimmt. Die Ausgabe von EinzelSChriften hat begonnen.
Die Patrone (Jahresbeitrag M. 100), Stifter (M. 10), sowie die-
jenigen Diplom -Mitglieder, welche mindestens 5 M. entrichten, erhalten
sBmtllehe Veröffentlichungen der C. G.
Die Teilnehmer (M. 5) erhalten nur die Monatshefte. Teilnehmerrechte
können an Körperschaften nur ausnahm S^weise verliehen werden.
Diejenigen, welche auf die Lieferung der wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen verzichten, können sich als AhteilnngS-Mitglieder (M. 3) eintragen
lassen ; sie erhalten die Mitteilung^en der C. G. unentgeltlich zugesandt.
Die Monatshefte sind zur Pfleire der "Wissenschaften im Geist
des Comenius und der ihm innerlich verwandten Richtungen bestimmt. Sie
wollen insbesondere die Religion, Philosophie, Geschichte und Ep-
ziehungrslehre berücksichtigen und für die Gleichberechtigung der letzteren
mit den übrigen Wissenschaften eintreten.
Die Hitteilungen sind zur Förderung der gremeinnützigren Aufgaben
bestimmt, welche sich die C. G. gesteckt hat. Sie werden vornehmlich ent-
halten: 1. Kürzere LeitaufsÄtze aus dem Gebiete der Bildungspflege«
der Muttersprache oder gemeinnütziger Bestrebungen und ihrer Geschichte,
2. Rundschau auf dem Gebiete verwandter Bestrebungen älterer und neuerer
Zeit. 3. Gedanken, Aussprüche und Bemerkungren. 4. Gesell-
sehafts-Anffelegenheiten. 5. Bücher und Zeitschriften.
Durch die „YortrBge und Aufsätze ans der Comenias-Gesellschaft^^
sollen aufser wichtigeren Aufsätzen, die wir als Sonderabdrücke aus den
Monatsheften durch den Buchhandel zu verbreiten beabsichtigen, namentlich solche
Vorträgre veröffentlicht werden, die von Mitgliedern gehalten worden sind.
Auch Abhandlungren, welche sich an gröfsere Kreise wenden, können Auf-
nahme finden. Dem Inhalt nach ist von dieser Sammlung kein Gebiet der
Wissenschaft, der Kunst oder des thätigen Lebens ausgeschlossen, dessen Be-
handlung geeignet ist, die Bildung des Geistes oder des Charakters im Sinne
des Comenius zu fördern.
Der niedrigste Satz des Honorars für die Herren Mitarbeiter an den
Gesellschafts-Schriften beträgt bei Abhandlungen und Aufsätzen M. 30, bei Ab-
schriften, Auszügen und Nachrichten M. 20 für den Bogen.
Die Herren Mitarbeiter erhalten, auch ohne besonderes Verlangen, bei
gröfseren Beiträgen lO Sonder- Abzügfe unberechnet ; Mehrbedarf nach Über-
einkunft mit der Verlagshandlung. Den Herren Einsendern kleinerer Mitteilungeo
wird auf Wunsch das betreffende Heft unberechnet zur Verfügung gestellt
Pieror'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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by retaining it beyond tiie specified
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