Monatshefte
fur deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Pftdagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
Herausgegeben vom
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerseminar
*u MILWAUKEE, WIS.
Schriftleiter :
Max Gdebsch, Seminardirektor.
Leiter der Abteilung fur das hohere Schulwesen:
Prof* Dr* E, C* Rocddcr,
Staatsuniversitat Wisconsin.
JJrutttrr
19DB.
Verlag:
National German- American Teachers' Seminary,
558 to 568 Broadway, Milwaukee, Wis.
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Der Jahrgang der Monatshefte fiir deutsche Sprache und Padagogik beginnt im
Januar und besteht aus xo Heften, welche regelmassig in der Mitte eines
Monats (mit Ausnahme der Ferienmonate Juli und August) zur Ausgabe
gelangen.
Der jahrliche Bezugspreis betragt $1.50, im voraus zahlbar.
Abonnementsanmeldungen wolle man gefalligst an den Verlag: Nat. German-
American Teachers' Seminary, 558-568 Broadway, Milwaukee, Wis., richten.
Gel dan we is un gen sind eben falls auf den genannten Verlag auszustellen.
Beitrage, das Universitats- und Hochschulwesen betreffend, sind an Prof.
Edwin C. Roedder, Ph. D., 412 Lake St., Madison, Wis.; samtliche
Korrespondenzen und Mitteilungen, sowie Beitrage, die allgemeine Pada-
gogik und das Volksschulwesen betreffend, und zu besprechende Biicher
sind an Max Griebsch, (Nat. G. A. Teachers' Seminary, Milwaukee,
Wis.) zu richten.
Die Beitrage fiir eine bestimmte Monatsnummer miissen spatestens am Schluss
des yorhergehenden Monates in den Handen der Eedaktion sein.
Monatshefte
fiir deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Fiidagoifisclie Mouatshpftc. i
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* lamiar 1908. Reft 1
Zum neuen Jahr.
Den Lesern unserer Zeitschrift entbieten wir hiermit unseren auf-
richtigen Gliickwunsch zum Eintritt in das neue Jahr !
Alle, denen die Forderung der deutschen Bestrebungen im Dienste
der kulturellen Entwicklung unseres Landes am Herzen liegt, haben
Grand, mit Befriedigung auf das Jahr 1907 zuriickzublicken ; diirfen
wir doch einen Fortschritt auf der ganzen Lime verzeichnen. Wenn auch
die Bedeutung des deutschen Einnusses auf unsere werdende Nation von
Einsichtsvollen im Lande von jeher anerkannt wurde, so fehlte es doch
bisher gerade im Deutschamerikanertum an dem stolzen Bewusstsein des
eigenen Wertes und an dem einmiitigen, zielbewussten und geordneten
Handeln. Der Deutschamerikanische Nationalbund hat begonnen. darin
Wandel zu schaffen - - freilich, nur erst begonnen; denn noch sind die
dem Deutschen eigenen Nationalf ehler : Sonderbiindelei, Rechthaberei
und Missgunst nicht vollstandig unterdriickt ; noch stehen viele, deren
Mitarbeit zum Erfolge beitragen konnte, abseits. Aber die Stagnation
hat aufgehort; das Deutschamerikanertum verteidigt nicht nur seine
Rechte, sondern riickt zum Angriff vor. Je mehr sich die Erkenntnis
Bahn bricht, dass doch im Grunde genommen die bisherigen Werte auf
alien Gebieten unserer Kultur, nicht allein auf ethischem und erzieh-
lichem, sondern auch wirtschaftlichem Gebiete, ihre Unzulanglichkeit
offenbart haben, um so mehr sucht man nach neuen Werten. Deutsche
2 Monatshcfte fur deutsclie Spraclic und Padagogik.
Kultur vermag sie zu liefern. Am Dcutschamerikanertum ist es, sich als
wiirdiger Trager und Verfechter dersclben zu erweisen.
Auf dem Gcbiete des deutschcn Unterrichts 1st gleich falls ein
Schritt vorwarts getan worden. Der Lehrertag in Cincinnati ist ein
Markstein in der Geschichte des Lehrerbundes. Seincn Mitgliedern waren
die Bcgeisterung und die Hingabe, die in friiheren Jahren in den Reihen
der alten Kampen herrschtcn, verloren gegangen. Docli der Funke, der
noch unter der Asche von Gleichgiltigkeit und mechanisctier Schulhal-
terci des lieben Broterwerbs wegen glomm, ist von neuem aufgenammt.
Aucb bier berechtigt das Erreichte zu den schpnsten Hoffnungen fiir die
Zukunft. Den Deutschen zeiclmet in der Regel eine grosse Portion von
Ziihigkeit aus, mit der er sein Ziel verfolgt, sobald er es als erreichens-
wert erkannt hat. Diese Zahigkeit braucht der Lehrer des Deutschen ini
hochsten Masse. Es gilt zunachst, auch in ihm das Bewusstsein von der
liohen Mission, die ihm in dcm Ringen nach Geltendmachung deutscher
Xulturwertc zufallt, zu wecken oder zu starken. Es gilt weiterhin, ihn
durch seine Vorbildung auf allgemein padagogischem Gebiete sowohl als
auch auf dem speziellen des deutschen Sprachunterrichts zu einem wirk-
samcn Riistzeug auszustatten. Es gilt cndlieh, die Hindernisse, die in
dem Unverstand der grosse Masse gegeniiber der Bedeutung des deut-
schen Sprachunterrichts im Dienste der kulturellcn Entwicklung des
Landes liegen, aus dem Wege zu riiumen. Die Aufgaben erscheinen
schier unlosbar; und doch sind sie zu losen, wenn auch bier zielbewusst,
cncrgisch und mit der Beharrlichkeit, die vor keiner Schwierigkeit zu-
riickschreckt, vorangcgangen wird, und wenn sich die Einsichtsvollen
unter uns zu einem gcschlosscnen Ganzen vcrcincn. Der deutschameri-
kaniscbe Lehrer steht heutzutage nicht mehr allein. Gcrade die Besten
aus unsercn Kreiscn, welchem Stamme sie auch angehoren, sind (MRS
mit uns in unserem Streben. Hierin liegt die Gewahr fiir die gliickliche
Losung der vor uns liegenden Aufgaben.
Unsere Zeitschrift tritt mit der vorliegendcn Xummer in ihren
neunten Jahrgang. Auch uns hat das Jahr 1907 nicht vergcssen. Der
J^ehrertag in Cincinnati sicherte uns durch seine liberale Bewillignng
wenigstens auf drei Jahre unsere Existenz. Wenn wir jedoch in der
Folgczeit durch ein Anwachsen der Leserzahl in den Stand gesetzt wiir-
den, auf diese finanzielle Unterstiitzung zu verzichten, so sind wir an-
massend gcnug auszusprechen, dass dieser Erfolg dem Ganzen zugute
kommen wiirde; denn auch wir betrachten uns als ein Mittel, deutschen
Jvulturidealen Ycrbreitung und Forderung angedeihen zu lassen.
TTnseren Lesern und insonderhcit unsercn Mitarbeitern danken wir herz-
lich fiir ilire treue Gefolgschaft und ihre IJntcrstutzung und bitten sie,
uns diese auch weiterhin zu bewahren.
The Training of the Teacher of German. 3
Das Jahr 1908 liegt noch verschleiert vor uns. Die Yerhaltnisse^ in
denen das alte Jahr die deutsche Sache zuriickgelassen hat, erwecken in
uns die Hoffnung, dass der Schleier noch Schoneres und Besseres fiir sie
birgt, als das Jahr 1907 ihr geboten. Dass diese Hoffnung zur Wahrheit
werde, dazu bedarf es unser aller Eingreifen und Mithulfe.
M. G.
The Training of the Teacher of German.
By John Eiselmeier, Nat'l German-American Teachers' Seminary, Mihvaukee.
There has been a marked improvement in the training of teachers in
this country during the last 25 years. Wisconsin, in particular, has made
ample provision for its future teachers in establishing a number of
normal schools and in creating a department of pedagogy at the
university.
The training of the teacher of German must include all those
studies which are now pursued in the high and normal schools by those
who desire to become teachers. But it must also include the German
language. The teacher of German must have a perfect command of this-
language. This seems so self-evident that it may sound absurd; yet I
am compelled to lay great stress on this.
A perfect command of the language includes (1) a thuro training,
theoretical and practical, in the phonology of the language. The teacher
must know how the various sounds of the language are produced ; pre-
cisely which organs of speech are active in their production, and how
the most common errors of pronunciation may be overcome. He must
also have such practical training in speaking the language that his pro-
nunciation may well be accepted by his pupils as a model. It seems to
me that this branch of the language is at present neglected. It is not an
uncommon thing to hear teachers who do not distinguish between the
German and English sounds represented by the letter "w7*, as in
"Wasser" and "water"; or "r", as in "run" und "rennen"; or "1", as in
"live" and "leben". The Umlaute a, o, ii und au are too frequently
poorly pronounced, as in "Liste" for "Liiste"; "Hefe" for "Hofe";
"Ehre" for "Ahre"; "Meise" for "Mause". The sounds represented by
the letters "ch" become either "k" or "sh", and the pronoun "ich" then
becomes either "ik" or "ish"; "z" is frequently softened down to "s", as
in "seigen" for "zeigen".
* Paper read before the German Conference of the Wisconsin Teachers'
Association, held at Milwaukee, Nov. 8th, 1007.
4 Monatshefte fur deutsche Sin-ache und Padagogik.
Of course, there are a few disputed points in German pronuncia-
tion, as for instance, the final "g". But if you ask, whether or not we
have a standard of pronunciation in German, I reply by asking, if there
is one in every instance in English. The Standard Dictionary contains
a list of words headed "disputed pronunciations", which fills 21 pages.
Surely we have the same degree of uniformity in German. One of the
following works should he in the hands of every teacher and its contents
should be mastered : Hempl, German Orthography and Phonology, Ginn
& Company. Grandgent, German and English Sounds, Ginn & -Com-
pany. Victor, Phonetik und Orthoepie, Heilbronn, Henninger. Michae-
lis, Abriss der deutschen Lautkunde, Txiipzig, Haberland.
A perfect command of the language includes (2) a thuro knowledge
of the grammar. Theory is not sufficient. A teacher may be able to
decline every noun and conjugate every verb; he may be able to give all
the rules concerning the use of the prepositions, yet ho may be unable to
use the correct forms in speaking. Grammar is a science, speaking is an
art. The training in this art must be so thuro that the teacher is able
to speak the language f 1 u o n t 1 y. He must be able to conduct his
work entirely in the German language. I would go so far as to say that
he must be able to teach other subjects, as history or German literature,
in the German language.
Again, the German of the teacher must be free from Anglicisms, in
word order as well as in the choice of idioms. Here certainly is a field
for improvement. Anglicisms are far too common. "Fur einige Tage
nach Milwaukee gehen" for "A u f eiuige Tage nach Milwaukee gehen" ;
"ich wohne m i t rneinen Eltern" for "ich wohne b e i meinen Eltern" ;
"das Buch gehort x u ihm" for "das Buch gehort ihm" ; "in diesem
\Vege fand er soinen Tod" for "so fand er seinen Tod"; "sie f ragte
ihn f ii r Geld" for "sie bat ihn u m Geld". Since the correct use of
the prepositions is difficult, special attention must be paid to that part
of grammar.
But I repeat it, theoretical grammar is insufficient; the teacher must
prove his proficiency in it by speaking a correct German, so that he may
Conduct his work entirely in the German language.
The question may be asked, is it possible to train teachers, so that
they may reach this degree of proficiency in the language? If anywhere
in this country, it must be possible in this state. With a course in Ger-
man extending thru eight years in the common schools, many pupils
enter the high schools with a fair knowledge of the language. If these
pupils take an advanced course in the high schools and continue the
subject in the normal schools, they surely must be able to speak the
language correctly, if German has been the medium of instruction, not
only in the common schools, but also in the high and normal school.
The Training of the Teacher of German. 5
But there is the rub! Generally speaking, English is used as the
medium of instruction in our higli schools and must, of course, be the
language of instruction in the normal schools. The pupils can not, under
these conditions, obtain the necessary degree of fluency in the language
they are to teach. The reason German is not used in the class room to a
greater extent is the fact that many of our teachers of German do not
Themselves possess a speaking knowledge of the language. I should be
glad if this statement were erroneous. To prove it so, let the discussion
which is to follow this paper, be carried on in German.
The teacher must be able to write a German composition or paper;
his German is to be free from Anglicisms and non-German idioms.
The teacher of German must be familiar with the history and
geography of Germany. In the study of history, modern history naturally
occupies a much larger share of attention than former periods do. I
believe that this subject should be studied in the German language. No
better opportunity can be given in speaking the language than is given
in this manner.
What would be the training of the teacher of German without a
knowledge of the literature of Germany? I believe that this subject
should be studied in the German language for the same reasons as those
given for history. But the study of literature should be more than dates
and names of writers and their works. It should give the future teacher
an opportunity to become acquainted with the writings of the leading
modern writers. While I do not wish to say that Schiller and Lessing
and the other poets are to be neglected, I do most emphatically say that
the teacher should know one or more works of writers like Keller, Haupt-
mann, Frenssen, Ilosegger and others. I believe that "Der grime Hein-
rich", "Hilligenlei" and "Die Forsterbuben" will give the teacher a
better idea of modern German than "Gotz von Berlichingen" or "Miss
Sara Sampson". Over 100 years have passed since the classic writers of
Germany have written and the German language has developed since
that time. But eliminate names, dates and lists of works as much as
possible. I would rather have the teacher read one book each of ten
writers than learn the names of 50 with a list of their works.
The teacher of German must know something about the methods of
teaching modern languages. He must know to what extent the move-
ment started by Professor Vietor of Marburg has borne fruit in modify-
ing the teaching of modern languages in Europe. He must also be
aware that there has been a breaking away from the old grammar
methods in this country. The teacher should be familiar with some text
book along these modern lines, so that he can form his own opinion as to
the value of this movement.
0 Monatshefte fur foutsche Spracke utid Padagogik.
There must be connected with each normal school a model school in
which the future teacher may show his teaching ability; some of his
practice teaching to be entirely in the German language.
But valuable and indispensable as this preparation is, it is by no
means all that is required to make a teacher x>f German. The things
above enumerated are necessary, but they are technical; there is some-
thing else which is even more essential, and that is the spirit. There
must be created and cultivated in the future teacher of German in the
course of his training a sympathetic attitude which enables hiift to ap-
preciate the valuable cultural elements which German possesses. Anta-
gonistic and critical inclinations toward German life must be eliminated
The teacher must learn that by teaching the German language he is not
only to impart to his pupils a new language, but to open to them a wide
vista; to open to them channels thru which new cultural elements may
flow into their being; that while acquiring a knowledge of the language,
they may also absorb German thuroness, German love for beauty and
order, the German spirit of research for its own sake, German idealism,
and above all that German characteristic "Gemiit", for which we have
not even a commonly accepted designation in the English language;
and that by absorbing these valuable elements they may enlarge and im-
prove their own culture.
Unless the teacher has himself absorbed and acquired this apprecia-
tive spirit in the course of his training, be will be unable to pass it on,
for this spirit can not be obtained from books ; it must come from per-
sonal contact ; it must emanate from the teacher as heat does from a
luminous body. And this spirit will then, when once kindled, like the
sacred fire of the vestals, never cease to glow and illumine.
The following theses are submitted:
1. The training of the teacher of German must include all the
branches pursued by teachers generally.
2.- It must include a thuro training in the German language.
•.}. This training must include phonology, grammar, the arts of
speaking and writing the language, history and geography of
Germany, and German literature.
4. It must include methods of teaching modern languages, and a
sufficient amount of practice teaching.
5. It must also include that, which for want of a better term, I will
call Germanization.
Zur Frage: 1st die Fertigkeit im mtindlichen Gebrauch
der deutschen Sprache vom Lehrer des
Deutschen zu fordern?
Geehrter Herr Griebsch !
Sie haben giitigst die Spalten Hires geschiitzten Blattes fiir einen
Meinungsaustausch iiber die obige Frage zur Verfugung gestellt. Mit
meiner Meinung will ich auch nicht zurlickhalten. Ich stelle mich mit
Herrn Eiselmeier, auf dessen Vortrag ich sehr gespannt bin, entschieden
auf die Seite derer, die diese Frage mit ja beantworten.
Das Deutsche ist eine lebende Kulturspraehe, imd cine solche darf
niclit mit den toten Sprachen in einen Tnpf geworfen werden. Die
sogenannten klassischen Sprachen, Latein, Griechisch, vielleicht auch
Hebriiisch, mogen immerhin mit dem Hintergedanken gelehrt werden,
class das Eindringen in den Geist dieser Sprachen imd die Kenntnis der
Literatur in denselben der Hauptzweck des Unterrichts in ihnen sei.
Tatsachlich ist die geistige Disziplin, die aus solchem Studium sich
ergibt, ja doch die Hauptsache. Das Studiuin des Deutschen aber nach
der alteii Schablone des Gymnasialunterrichts im Lateinischen und
Griechischen zuzuschneiden, halte ich fiir unzweckmassig, ja geradezu
fiir falsch.
Der Lehrer des Deutschen. welch er das Deutsche nicht fliessend
spree-hen kann, wird sicherlich bei seinen Schiilern die Fertigkeit im
miindlichen und schriftlichen Gedankenausdruck in dieser Sprache nicht
mit Erfolg fordern konnen. Man darf ziemlich sicher sein, dass die
Unterrichtsprache hier durchweg die englische sein wird. Das Resultat
eines solchen Sprachunterrichts wird dann, soweit die Sprachfertigkeit
des Schiilers in Betracht kommt, nur die Kenntnis einiger deutschen
Phrasen sein - - ein Eesultat des deutschen Unterrichts, welches die
Gegner desselben so sehr zu beklagen vorgeben. Ob die Schiller bei sol-
cher Lehrmethode besser in den Geist der Sprache eindringen und die
Literatur derselben besser verstehen lernen, als wenn die Unterrichts-
sprache deutsch ware, lasse ich dahingestellt. Es soil in der Klasse Zeit
gespart werden; viele Schiiler konnen besonders zu Anfang den gelehrten
Auseinandersetzungen des Lehrers nicht folgen, wcnn er deutsch spricht,
so wird dann flottweg englisch gesprochen.
Ich mochte hier nicht so verstanden werden, dass ich so weit gehe,
vom Lehrer zu verlangen, dass er in der deutschen Unterrichtsstunde
kein englisches Wort sprechen soil; dergleichen Extravaganzen waren
vor etwa fiinfundzwanzig Jahren in die Mode gekommen, als man die
8 Alonataheftc fur deutsche Sprache und Pddagogik.
sogenannte natiirliche Methode einfuhrte, wonach deutsch ohne Gram-
matik und Wb'rterbuch gelehrt werden sollte. In unseren hoheren Schu-
len hat die Methode des miihelosen Aufschnappens einer fremden Spra-
che keinen berechtigten Platz.
Bei dieser Gelegenheit, da ich cinmal von Zeitersparnis in der
Schule rede, will ich auch noch das Argument der Gegner des deutschen
Unterrichts in unseren offentlichen Schulen erwahnen. nainlich dass
dureh die deutsche Unterrichtsstunde dem Unterricht ini Englischen
Abbruch getan wcrde. Langjahrige Erfahrung hat dies langst wider-
legt, das Argument scheint aber unsterblich zu sein.
Wenn wir den Gedanken weiter analysicren, dass der Lehrer des
Deutschen nicht fertig deutsch zu sprechen braucht, um dennoch erfolg-
reich unterrichten zu konnen, so kommen wir notgedrungeii zu dem
Schluss, dass der deutsche Unterricht vorwiegend ein theoretischer wer-
den soil.
Theoretischer Unterricht in einer fremden Sprache hat gewiss sein
(lutes, er befordert das Denkvermogen der Schiller, gibt ihm die Idee,
dass er den Geist der Sprache erfasst hat, wenn er die Klassiker dersel-
ben iibersetzen kann, besonders wenn er ausserdem etwas Gotisch, Alt-
und Mittelhochdeutsch studiert hat, kurz manchc niitzliche Dinge wciss,
von denen sich mancher nichts traumen lasst, der ein recht gutes Deutsch
spricht und schreibt.
Soldi theoretischer Unterricht erinnert mich immer an einen
Schwimmunterricht, der auf trockenem Lande gegeben wird. Die Be-
wegungen beim Schwimmen werden mit grosser Genauigkeit gelehrt; ob
aber ein soldier Schwimmunterricht dernjenigen im nassen Elemente
vorzuziehen sei, das iiberlasse ich dem geneigten Leser zur Beurteilung.
In meiner friiheren Stellung als Supervisor des deutschen Unter-
richts habe ich viele Applikationen von angehenden Ijehrern des Deut-
schen erhalten, die solchen theoretischen Unterricht auf sogenannten
Universitaten genossen hat-ten. Natiirlich waren alle Applikationen in
englischer Sprache geschrieben und bezogen sich meistens auf Tjehrerstel-
len an der ,,High School". Jedesmal ersuchte ich die Betreffenden mir
in einem deutsch geschriebcnen Briefe anzugeben, was ihr Bildungsgang
gewesen sei und wclche Vorbereitung sie fiir das Lehren des Deutschen
gehabt batten. Ich habe mir noch eine Anzahl von solchen Brief en, die
ich als Antwort crhielt, aufgehoben. Es ist eine wirkliche Ilaritaten-
sammlung. Wenn Schiller des achten Grades unserer Schulen einige
dieser Briefe geschrieben batten, so hatte ich die Lehrer derselben zur
Rede gestellt.
Achtungsvoll
//. Woldmann,
Cleveland, 0.
IJberselzen im deutschen Sprachunterricht. 9
Ein Franzose iiber die deutsche Sprache. Der Franzose Henry Le-
grand schreibt in seinem beriihmten Werke iiber Sprachwissenschaft :
.,Wenn ich die deutsche Sprache als die reichste, biegsamste und brauch-
barste der Welt preise und die deutschen Biicherschatze als die reichsten
und edelsten, rede ich nicht wie einer, der blindlings lobt oder nichts
anderes kennt. Ich habe in zwei Weltteilen gelebt, in ftinf Sprachen
meine akademischen Studien und Priifungen gemacht, in drei Sprachen
Biicher und Zeitungsaufsatze verfasst. Dabei habe ich die deutsche
Sprache bevorzugen miissen. Nur das wunderbare Werkzeug der deut-
schen Sprache kann uns erklaren, dass Dorfpfarrer, Handwerker, Bau-
ern ungezahlte der schonsten Kirchenlieder hervorbringen konnten. Man
lese die alten Klassiker in deutschen Ubersetzungen und sehe, wie ge-
nau jedes Versmass, jedes Wortspiel, jeder schallnachahmende Ton. die
ganze Versmusik der griechischen Dichter wiedergegeben ist."
In wie weit darf man sich beim Unterricht in der deutschen
Sprache des llbersetzens ins Englische bedienen?
Von Prof. Dr. M. M. Skinner, Leland Stanford Jr. Univ., Calif.
Bci einer Untersuchung wie der vorliegenden ist zuerst festzustellen,
was wir in Amerika durch den deutschen Unterricht erzielen mochtenr
und was fiir Kesultate wir erwarten diirfen. Das Endziel des deutschen
Unterrichts, wenigstens an alien hoheren Lehranstalten, mochte ich als-
die Fahigkeit bezeichnen, die Meisterwerke der deutschen Literatur zu
Jesen und zu gleicher Zeit zu wiirdigen und zu geniessen, und zwar ohne
alle Vermittelung des Englischen. Diese Fahigkeit, die wir den Schii-
]ern beibringen oder, besser gesagt. in ihnen entwickeln wollen, beruht
allerdings auf einer sprachlichen Unterlage, aber diese Unterlage ist kei~
neswegs, wie man leider oft annimmt, eine rein sprachliche. Sprache
und Literatur lassen sich nicht als zwei gesonderte Faktoren behandeln,
will man ein lebendiges Sprachgef iihl erwecken ; und gerade auf der
Erweckung dieses Gefiihls beruht aller fremdsprachliche Unterricht.
Soil der Unterricht fruchtbringend wirken, so muss er in erster und
letzter Instanz darauf eingerichtet sein, das Gefiihl fiir die intimsten
Schattierungen der vorgelegten Idee zu erwecken, fiir die unabsehbaren
jtfebenbedeutungen, die das Wort oder das Idiom im Laufe der Jahr-
h under te angenommen hat. Wir wollen das Interesse des Schulers so
erregen und wach halten, dass er sein Deutsch nicht wie eine gluhende
1 Vortrag, gehalten vor dem californischen Vereitt von Lehrern der deutschen
Sprache, den 5. Oktober 1907.
10 Monatshefte fur deutuclie 8prache und Padagogik.
Kohle fallen lassen wird, sobald er die Hallen der Universitat verlasst.
Wir mtissen versuchen, ihm eine solche Liebe zur deutschen Literatur, zur
deutschen Kunst, zu deutschen Idealen, zu deutscher Kultur iiberhaupt
einzuflossen, dass er seine Begeisterung mit in die grosse Welt hinaus-
tragen und Zeit finden wird, aucli mitten unter dem geschiiftigsten
Hchlendrian der taglichen Arbeit seinen Goethe, seinen Schiller, seinen
Keller, seinen Spielhagen, seinen Frenssen in die Hand zu nehmen, um
aus diesen lebendigen Quellen neue Kraft und neue Inspiration zu
schopfen. Wenn wir uns als Lehrer der deutschen Sprache diese Aufgabe
stellen, so muss unser Losungswort sein, erstens : ,,Lesen, mehr lesen, und
noch mehr lesen" ; und zweitens : „ Auf den Inhalt kommt es an !"
Wie aber so lien wir verfahren, um viel zu lesen und zugleich das
oben gesteckte Ziel zu erreichen? Auf diese Frage, die ich mir oft selbst
gestellt habe, eine Antwort zu geben, ist der Zweck dieses Vortrages.
Wir miissen nun von vornherein zugeben, dass man zweier Sprachen
nur im seltensten Falle gleich machtig werden kann. Auf keine andere
Mutmassung diirfen wir eine Lehrmethode griinden. Wir miissen mit
bescheidenen Besultaten zufrieden sein. Mit der Muttersprache kann
man schon selbstiindig verfahren; xum Studium einer fremden aber sind
alle Hilfsmittel zu gebrauchen, die uns zu Gebote stehen. Wenn wir die
Verhaltnisse und die Tingebung dcrjenigen, die in Deutschland ihr
Deutsch lernen, nicht reproduzieren konnen, so diirfen wir nicht dieselbe
Methode anwenden, wie der Lehrer dcs Deutschen in Deutschland. Wir
miissen vielmehr diese Methode je nach den Bediirfnissen verandern oder
eine andere den Verhaltnissen besser angepasste an ihre Stelle setzen.
Bei Amerikanern, die nicht deutscher Abkunft sind und folglicli
nicht die Gelegenheit gchabt liaben, Deutsch zu Hause von Kindesbeinen
an zu horen, ist kein Sprachgefiihl vorauszusetzen. Es muss langsam
<entwickelt werden. Man darf aber dabci nicht verfahren wie bei dem
englischen Unterricht. Denn erstens hort der Schiller Deutsch im bestcn
Falle nur fiinf Stunden in der Woche, wahrend das Kind die ganze Zeit,
in der es wach ist, nichts hort als Englisch ; und zweitens sind bei jenem
als Erwachsenem die psychologischen Bedingungen ganz anderer Art als
bei dem Kinde. Bei dem Manne darf man vieles voraussetzen ; seine
Erfahrung lasst ihn den Zusammenhang einer Sache erraten, der dem
Kinde ein undurchdringliches Geheimnis bleiben muss. Das Kind ver-
schwendet viel Zeit beim Lesen. Es braucht nicht und sammelt auch
nicht das schwierige sprachliche Material, das sich der Erwachsene an-
eignen muss, wenn er jemals die betreffende Sprache iiberhaupt einiger-
massen gut gebrauchen und verstehen soil. Warum nicht den Erwach-
senen die Methode verfolgen lassen, die ihm erlaubt, alles angeeignete
Wissen, alle gesammelten Kenntnisse, kurz, alk Hilfsmittel, die ihm zur
Verfiigurig stehen, zu verwerten?
IJbersetzen im deutschen Sprachuntcrricht. 11
Wonn wir uns umsehen, linden wir abcr z\vei Lehrmethoden, denen
oieses Prinzip zu Grunde zu liegen scheint. Die beiden nenne ich, nach
der Bezeichnung des vom Ausschusse des Neuphilologenvereins von Ame-
rika abgefassten und alien Lehrern der neueren Sprachen sehr zu empfeb-
lenden Berichtes vom Jahre 18.98, die grammatische und die Lese-
methode. 2)
Die vom Unterricbt in den klassischen Sprachen ubernommene
grammatische Methode im neusprachlichen Unterricht ist mit Eecht und
hoffentlich mit grossem Brfolg besonders in den letzten dreissig Jahren
vielfach bekampft worden. Sie besteht darin, dass man am Anfang die
Grammatik zum Ubelwerden studiert, Deklinationen und Konjugationen
auswendig lernt und sich dann erst ans Lesen wagt. Auch beim Lesen
ist die wichtige Anwendung der grammatischen Eegeln die Hauptsache.
Mit anderen Worten, der Text ist bloss da, um tibungen in der Gram-
matik zu liefern. Auf den selbstandigen Gebrauch der Sprache, auf das
Studium und die Wiirdigung der Literatur, auf das Verstehen der im
Texte enthaltenen Ideen und Gedanken ist es fast gar nicht abgesehen.
Bei dieser Methode brauche ich mich wohl nicht langer aufzuhalten.
Sie ist ganz verkehrt. Sie regt das Interesse des Schiilers nicht im ge-
rbigsten an. Sie stellt das tote Gerippe der Sprache zur Schau anstatt
•den lebendigen Korper, der in den Gedanken zu finden ist und sich in die
schonen Formen kleidet, die in der feinen "Wahl, Anwendung und Ver-
2 Die natiirliche, die psychologische und die phonetische Methode (siehe oben
genannten Bericht) haben alle, besonders die zwei letzteren, ihre Lichtseiten und
Vorziige und kb'nnen in den Handen tiichtiger, wohlgeschulter Lehrer wohl zu
einem schonen Ziel ftihren. Das erreichte Ziel ist aber eher die praktische Herr-
schaft iiber die Sprache, Gelaufigkeit im Sprechen, Geschicklichkeit im schrift-
lichen Gebrauch der Sprache. Es wird dabei zu wenig Riicksicht auf das Studium
und die Wiirdigung der Literatur genommen, zu wenig Zeit bleibt bei diesen Me-
thoden iibrig, sich eingehend mit dem Sinn des Gelesenen, mit der asthetischen
Schatzung der Literatur zu beschaftigen. Die phonetische Methode ist bei weitem
die beste der drei oben genannten, und verschiedene Ztige daran konnte man sehr
vorteilhaf t bei der von mir in diesem Aufsatz vorgeschlagenen Methode verwerten.
Beim Unterricht in der Aussprache konnte man den Studenten die richtige Stel-
lung der Sprachwerkzeuge beim Hervorbringen eines Lautes oder Lautkomplexes
erklaren. Der Gebrauch von Anschauungsmaterial wurde gewiss viel dazu bei-
tragen, in den Schiilern ein Interesse f iir die Sache und das notige Sprachgefiihl zu
erwecken. Die phonetische Methode passt besser fur jiingere Leute, und gerade
bei solchen sind schone Erfolge, namentlich in Deutschland, auf den Sekundar-
schulen (besonders den Realschulen) erzielt worden. Ich spreche in diesem Vor-
trag dagegen in erster Linie von Studenten, die das Studium der deutschen
Sprache erst auf der Universitat anfangen, aber auch von denen, die Deutsch
schon ein paar Jahre auf der Sekundarschule getrieben haben und ihre deutschen
Studien auf der Universitat fortsetzen wollen; vom Unterricht also auf der Uni-
versitat und nicht von dem auf der Sekundarschule.
12 Monatshcfto fur dcutsche Sprache und Padagogik.
bindung der Worter, also im Stil, sich offenbaren. Gehen wir nicht an
den Bucherschranken dcr alten Klassiker schnell voriiber, fast mit ver-
'lialtenem Atem, aus Angst vor dem Rasseln der trockenen Knochen und
dem Gespenst des schweren, ungeniessbaren Studiums? Das ewige Nach-
sclilagcn nn Worterbuch und die ewigen Kegeln mit ihrem iippigen Ge-
folge von Ausnahmen schrecken uns vom Lesen sogar der schonsten und
geistreichsten Werke der herrlichen griechischen und lateinischen Lite-
ratur ab.
Aus der grammatischen Methode hat sich die Lesemethode ent-
wiekell, oder die Ubersctzungsmethode. wie sie eigentlieh riehtiger zu
nennen ware, wenn wir betrachten, wie sie in Amerika gehandhabt wird.
Beide, die grammatische und die Lesemethode, gelreii oft so ineinander
iiber, dass es schwer wird zii sagcn, wo die cine anfangt und die andere
aufhort.
Mit dem Ausdruck tJbersetzungsmethode bezeichne ich die Methode,
worin das Ubersetzen des deutschen Textes ins Englische als die Haupt-
aufgabe angesehen wird und die Grammatik mir als Hilfsmittel v.\\
dieseni Ziele. An vielen unserer Hochschulen linden wir dieses Yerfah-
ren noch in vollem (range. So gross ist die Macht der Uberlieferung und
der Gewohnheit, von der Beqnemlichkeit der Sachc zu schweigen. Es ist
freilich viel leichter, so 7Ai lehrcn, wie man gelernt hat, und was die A7or-
bcreitung des Lehrers auf seine Klassen und seine gcistige Anstrengung
beim Unterricht bctrift't, so spart or sich Zeit und Energie. Aber falsch
ist und bleibt das Grundprinzip dieser Methode. Demi es geht von dor
Yoraussetzung aus, dass man die Worte einer Sprache in cine andere
iibertragen kann, ohne den -Sinn zu schadigen. Das ist aber eine Umnog-
lichkeit; dabei geht schliesslich der Geist der Sprache verloren. Wir
konnen wohl ein Meisterstiick der englischen Literatur zustande bringen,
fiber deutsch ist das Werk nicht mehr. Die Worter zweier verschiedener
Sprachen decken sich gegenseitig nicht. Es bleibt immer ein mehr oder
weniger grosser Unterschied, der nicht zu iiberbriicken ist. Die Worter
einer Sprache sind die Triiger der Kultur, und die geschichtliche und
soziale Entwicklung des Landes, wo sie einheimisch sind, haben miichtig
auf sie eingewirkt. Die deutschen Worter stellen uns cine ganz andere
Situation oder Stimmung dar als die sogenannten entsprechenden eng-
lischen. Ein anderes geistiges Bild geht uns beim Lesen derselben auf.
Die einzelnen Worter und Idiomc haben nicht nur an und fur sich Be-
deutungsnuancen, die empfunden, gefiihlt werden miissen, niemals aber
in einer fremden Spradie wiedergegebcn werden konnen (vgl. Gemiit,
(Jemiitlichkeit, T^elx^nsfreude, T^ebenslust), sondern sie nehmen auch noch
in ihrem Satzzusammenhange Xebenl>edeutungen an. Fast dtirfte man
behaupten, dass ein Wort mitunter eine uncndliche Bedeutungsfahigkeit
in sich tragt.
\Jbersctzen im deutschcn Sprachunte-rricht. 13
Wird nun vollends diese Ubersetzungsmethode auf das Gebiet der
Poesie iibertragen, so wirkt sie geradezu verderblich, und die barbarische
Zerstuckelung des herrlichen Originals wird zur Versiindigung an der
Literatur, an der Kunst. Bei der Poesie muss man die ganze Macht des
Rhythmus, des Reims und des Wohlklanges in der heimisclien Sprache
i'iihlen und empfinden, um von dem Sinne und der Bedeutung derselben
ganz durchdrungen zu werden und das Gedicht geniessen und wiirdigen
zu konnen. In einein seiner sogenannten ,,kleinen Roinane", betitelt
,,In der zwolften Stunde" (1860), legt Friedrich Spiclhagen dem Helden
des Romans, dem Grafen Sven von Tissow, folgende Worte in den Mund :
,,Freilich, das Gedicht (The Raven of Edgar Allen Poe) ist \vohl uniiber-
setzbar, wie im Grunde genommen jedes Gedicht. Ich scheue mich fast,
nachdem ich Poe so sehr gepriesen habe, ihn jetzt den Damen in dem ent-
stellenden Gewande einer Ubersetzung vorzufiihren."
Jawohl, Gedichte sind uniibersetzbar, aber auch die besten Tjber-
tragungen, seien sie auch mustergiiltig in der fremden Sprache, geben
die Stimmung und den inneren Sinn des Originals nicht wieder. Folg-
licli sollten Gedichte niemals vorgenommen werden, bis der Schiller der
deutschen Sprache ziemlich miichtig ist. Ich spreche selbstverstandlich
von echter Poesie, von Kunstwerken,, nicht von den kleinen Erzahlungen
in Versen, die aber auch ebenso gut in Prosa batten geschrieben werden
konnen. Es ist besser, weitaus besser, verstiindnisinnig auch nur ein
paar Gedichte in der Ursprache zu lesen als ein paar tausend schablonen-
haft in der Klasse zu iibersetzen.
Das Endziel muss also sein, den Inhalt des Buches ohne Vermitte-
lung des Englischen verstehen zu konnen. Das wird aber durch das ebon
erklartc Yerfahren nur in den allerwenigsten Fallen erreicht, auch wenn
der Lehrer dieses Ziel als das richtige anerkennt. Denn vom Inhalt
spricht man gewohnlich erst nach der Ubersetzung oder auch gar nicht.
\Vir brauchen nur die Mitglieder einer Klasse, wo wir die tiber-
^etzungsjnethode verfolgt baben, zu befragen, um uns zu iibcrzeugen. dass
sie bloss eine gewisse mechanische Sicherheit im Ubersetzen gewonnen
habcn. VTor ein paar Jahren stellte ich einige Versuche an, um zu erfah-
ren, inwiefern die Schiller den Sinn der verschiedenen aufgegebenen
Stellen erfassten, mit anderen Worten, inwieweit sie selbstandig und ver-
standig arbeiteten. Ich liess sie also mehrere Wochen lang immerfort
iibersetzen, ohne dass ich ihnen wahrend der Zeit irgend etwas iiber das
Gelesene sagte. Am Ende der Zeit war ich nicht wenig verblufft und
enttauscht zu erfahren, dass die allermeisten Schiller auch nicht das ge-
rmgste wahre Yerstiindnis fiir den Sinn der taglichen Arbeit gehabt
hatten und nur die allgemeinsten Fragen iiber den Fortgang der Erzah-
hing beantworten konnten, oft auch nicht einmal das. Yon selbstandigen
Ideen iiber die irn Buche enthaltenen Gedanken, iiber den Stil, die Yor-
14 Moiiatsliefte fiir deutsche Sprache und Padagogik.
ziige oder Nachteile des Werkes oder liber die feineren Details der Erzah-
lung fand ich bei fast alien keine Spur.
Schiiler, die die tfbersetzungsmethode verfolgt haben, sind cs ge-
wohnt, ihre dcutschcn Texte bloss als Ubersetzungsbiicher zum Ubersetzen
anzusehen, und auf diese Aufgabe verwenden sie ihre ganze Zeit, Das
Eesnltat hiervon ist, dass ihr Interesse fiir die deutsche Sprache so ziem-
]ich erschlafft oder gar eines natiirliehen Todes stirbt. Sie sind Sklaven
des WSrterbuches geworden, was als eine der schlimmsten Folgen dieser
Methode zu bezeichncn ist. Die Schiiler werden jedesmal versueht, so-
gleich zum Worterbuch zu greifen und das betreffende Wort nachzuschla-
gen, ehe sie auch nur einen Augenblick dariiber nachgedacht haben. Oft
nehmen sie das Worterbuch in die Hand, ehe sie den zu iibersetzenden
Text aufschlagen und bei der ersten geringsten Schwierigkeit machen sie
dasselbe gleich auf und wenden die Blatter fieberhaft urn, um die Bedeu-
tung oder, richtiger gesagt, die Ubersetzung (denn an Bedeutung dcnkcn
sie wenig) des neuen oder gar langst gekannten Wortes, dessen Sinn
ihnen aber fiir den Augenblick entf alien ist, zu finden. Oft habe ich
Studenten gefragt, ob das bei ihnen der Fall sei, und jedesmal dieselbe
bejahende Antwort erhalten.
Die Ubersetzungsmethode braucht eine Modification, die im Grnnde
genommen so radikal ist, dass wir es eigentlich mit einer neuen Methode
zu tun haben, die wir wohl ,,die Inhaltsmethode" bezeichnen diirfen,
\Vir miissen mehr originelles Denkcn von unseren Schiilern verlangenr
weniger mechanische, autoinatische, maschineninassige Arbeit.
(Fortsetzung folgrt.)
Das Recht der linken Hand. Aus Konigsbcrg, der Stadt Kantsy
konunt die Nachrieht, dass an zwei Biirgerschulen Versuclie mit der Er-
zielmng der linken Hand in Schreiben, Zeichnen und anderen Arbeiten
gemacht werden. Die Amerikaner sind uns, wie bekannt, darin voran-
gegangen. Unter den Deutschen hat vor ctwa einem Jahrzehnt Appe-
lius das Recht der linken Hand auf Ausbiidung mit ebensoviel Umsicht
wie Einsicht nachdriicklich vcrfochten. Der Ruhm, zuerst die Erhe-
bung der linken Hand aus ihrer Gehilfen- in die gleich wertige Meister-
stellung mit der rechten befiirwortet zu haben, muss dem 173G zu Darm-
stadt geborenen und 1769 zu Bremen verstorbcnen geistvollen Schrift-
^teller Helfrich Peter Sturz zugesprochen werden, dessen ,,Bittschrift
der linken Hand an die kiinftigen Erzieher" lautet :
Wenn euch ein Vater des A7olkes einst versammelt, ihr Freunde der
Jugcnd, so erwagt auch meine Leiden und eifert gcgen das Vonirteil,
dessen Opfer ich bin. Ich und meine Schwester sind Zwillingc und uns
iiusserlich so ahnlich wie die Blatter eines Baumes; aber eine parteiische
Pddagogischcr Atuirchismus. 15
Erziehung hat uns zu ganz verschiedenen Geschopfen gemacht. Mich
Arme gewohnte man friih, meine Schwester als eine vornehme Person
zu betrachten. Sie nahm bei jcder Gelegenheit den Eang iiber mir. Sie
allein wurde belehrt und gebildet, und ich wuchs wie eine Bauerin her-
an. Sie wurde irn Schreiben, Zeichnen und in niitzlichen Kenntnissen
unterwiesen, ich, wie eine Magd in der Familie, nur zu verachtlichen.
Arbeiten geiibt; und wenn ich es wagte, die Nadel oder Feder zu ergrei-
fen, so waren empfindliche Sehimpfworter, ja nicht selteii die Rule mein
Lohn. 1st es nicht ungerecht, alle Zartlichkeit an einem Kinde zu ver-
schwenden, anerschaffene Fahigkeit nicht zu entwickeln, eine Rangord-
nung unter den Geschwi stern zu dulden, die allcs wechselseitige Ver-
trauen aufhebt? — In unserem Hause fiigte es sich zum Ungliick, dass
wir beide unsere Briider und Schwestern ernahren miissen, und diese
Sorge fallt grosstenteils auf meine wohlerzogene Schwester. Man setze
den Fall, dass sie bettlagerig wiirde (und sie ist, leider ! mit Gichtfliis-
sen geplagt) miisste dann nicht Hunger und Elend unser unverrneidli-
ches Los sein? Denn ich bin nicht geschiekt genug, um einen Bettel-
brief zu schreiben, und muss mich auch zu diesem Aufsatze fremder
Hande bedienen. Sie kann sterben, und es bleibt unserer verlassenen
Familie keine Versorgerin iibrig.
0 gebieten Sie den Eltern gegen ihre Kinder alle eine ungeteilfe,
unparteiisclie Liebe !
Ich bin Ihre
demiitige Dienerin
die linke Hand.
(Aus ,,Deutscher Friihling^'. )
Otto Ernst iiber padogogischen Anarchismus. Otto Ernst, der
Hamburger Dichter, der Verfasser des ,,Flachsmann als Erzieher", der
Mann, der vor einem Jahrzehnt noch den Religionsunterricht durch Mo-
ralunterricht und Literatur ersetzen wollte, der gewiss keiner reaktionii-
ren Tendenzen verdiichtig ist, er hat einen Schrecken bekommen vor den
Geistern, die er rufen half, und lasst sich jetzt kraf tiglich so aus : ,,IIeu-
tigen Tages kann man der Wiedergeburt der Padagogik nicht besser die-
nen, als wenn man zunachst jene lieben Leutchen abschiittelt, die bei
alien solchen Fragen unverantwortlich mitreden und immer die extrem-
sten Forderungen erheben, weil sie iiber eine extreme Unkenntnis der
realen Verhaltnisse und Moglichkeiten verfiigen. Es ist das unvermeid-
liche Schicksal neuer und guter Gedanken, dass sie bomierte und fana-
tische Anhanger fmden, die sie bis zum Unsinn iibertreiben; es ist die
Tragik grosser Ideen, dass sie in den kleinen Kopfen klein werden mils-
sen. ... So hat sich denn auch der grosse und herrliche Gedanke einer
36 Monatshcfte fur deutsche Spraclie und Pddagogik.
Renaissance der Padagogik durch Befreiung der Kindcssecle von einem
enggeistigen und engherzigen Zwange in gewissen Kopfen zu einem voll-
standigen padagogischenAnarchismu s ausgewachsen. Man
tut nachgerade so, als ware jeder Eingriff in die kindliche Freiheit, auch
der notwendigste und verniinftigste, ein Ausfluss bornierter Herrsch-
sucht und ein Verbrechen am Allerheiligsten ; man sieht das Kind nur
noch auf einem Gottesthronc und misst den Erwachsenen nur noch die
Berechtigung zu, ihm ohne Unterbrechung Gold, Weihrauch und Myrr-
lien darzubringen. Ich halte Ideale, auch die unerreichbaren Ideale, nicht
nur fiir notwendig und schon, sondern bin auch der Meinung, dass wir
sie bei all unserem Tun vor Augen und im Herzen haben sollen, dass
sie all unser Streben durch warmen miissen, \vie die Sonne den Acker. . .
Aber ich kann auf den Tod die Leute nicht leiden, die immer mit zwei
Schritten beim let/ten Ideal sind und so tun, als wenn die Menschen in
drei Tagen das Paradies fertig haben konnten, wenn sie nur wollten.
Ich babe von Anarchisten auf die Frage, wie sie sich unter den Menschen
der nachsten Jahrtauscnde ein Leben ohne Zwang diichten, niemals an-
dere als torichte oder ausweichende Antworten bekommen. . . . Ganz
dasselbe gilt von den Erziehungsanarchisten. Ob das
Kind auch dann nicht ,,gezwungen" werden soil, wenn es die Hand ge-
gen seine Mutter erhebt, und ob es nicht richtiger ware, es schon etwas
eher zu ,,zwingen", und wo die Grenze sei, an der der Zwang beginnen
diirfe, darauf haben mir die Erziehungsanarchisten entweder gar nicht
oder sehr allgemein geantwortet. ,,Ungehinderte Entwicklung der Indi-
vidualitat" ist doch auch nur cine iible Phrase und ein hochst gefiihrli-
ches Prinzip, wenn die betreffende Individualitat zur Verlumpimg
neigt." (Vergl. Otto Ernsts neues Schriftchen: ,,Des Kindes Freiheit
und Freude." Leipzig, Haessel.)
Lutherisch oder lutherisch? Uber die Betonung dieses Wortes le-
sen wir in einer Brief kastennotiz der Zeitschrift des Allg. D. Sprach-
vercins folgendes : Was von beiden r i c h t i g ist, kann keinem Zweifel
unterliegen. Die Betonung lutherisch ist fremden Ursprungs, vom la-
teinischen Worte luthericus widersinnig auf das Deutsche iibertragen,
wohl unter dem Einflusse der haufigen Nachbarschaft von ,,evangelisch",
aber auch des Gegensatzes ,,kath61isch". Wie unnatiirlich dieser Ton-
fall bei dem deutschen Worte ist, wird man erst gewahr. wenn man ihn
auf andere Wb'rtcr derselben Bildung anwendet, also z. B. malerisch, wie
es gelegentlich im Scherze geschieht. Die zahlreichen gleichen Eigen-
schaftsworter verhalten sich ebenso, man denke nur an dichterischj
schopferisch, bau(e)risch, rauberisch, heuchlerisch, Hignerisch, redne-
risch, traumeriscl), kriegeriscli, schwa rmerisch. So ncnnt das Deutsche
25. Jahresversammlung der M. L. A. 17
Worterbueh 6,135, lutherisch die valte richtige Betonungu und belegt
ihren Gebrauch durch Verse aus J. Ayrer und L. Sandrub fur die alte
Zeit, fiir die neueste aus Schillers Wallenstein, ferner durch die von Fle-
ming und Logau, besonders aber von Lessing verwendeten Kiirzungen
(in luthrisch und luthersch), die natiirlich nur rait der deutschen Aus-
sprache vereinbar sind; die lateinische Betonungsweise bezeichnet das
Worterbuch ohne weitere Nachweise als in Norddeutschland ausgebildet.
Die Ansteckungsgefahr bei den Kinderkrankheiten. Die Gefahr der ubertra-
gung ist bei den verschiedenen Infektions-Krankheiten verschieden. Bei der
Diphtheritis (Briiune) beginnt die Ansteckungsgefahr, wie Dr. Griinhut im ,,Ge-
sundheitslehrer" darlegt, mit dem Auftreten des Belages; sie endet aber, wie sich
gezeigt hat, noch nicht mit dem Verschwinden des Belages, sondern halt vielmehr
noch einige Tage spater an. Die Isolierung nach iiberstandener Diphtheric soil
daher noch einige Wochen dauern. Bei den Masern ist die Ansteckungsmoglichkeit
gerade zu Beginn, noch ehe der Hautausschlag da ist, am grossten, weshalb die
Isolierung meistens zu spat kommt und zwecklos ist; nur unter besonderen, vom
Arzte zu beurteilenden Umstiinden oder bei ganz kleinen Kindern hat sie einen
»Sinn. — r.eim heimttickischen Scharlach ist im Gegensatz zu den Masern die An-
steckungsgefahr im Anfangsstadium etwas geringer als zur Zeit der Abschuppung;
der Scharlachkeim behiilt ferner lange Zeit seine Wirksamkeit; erst mindestens
sechs Wochen nach Beginn der Erkrankung darf der Verkehr mit dem Kranken
wieder aufgenommen werden. Eine friihzeitige Isolierung ist beim Scharlach
meist erfolgreich. Das Krankenzimmer muss hier besonders griindlich desinfiziert
werden, da der Scharlachkeim auch noch langer als sechs Wochen, ja monatelang,
sich wirksam erhillt. uberhaupt sollen beim Scharlach Isolieruirg und Desiwfek-
tion aiifs strengste und riicksichtsloseste durchgefiihrt werden. -- Beim Keuclv
husten haftet der Ansteckungskeim nur in den Auswurf steilen ; er wird daher ge-
wohnlich durch Anhusten von Person zu Person iibertragen, kann aber auch durch
Ess- und Trinkgeschirr, durch Spielen auf mit diesen Keimen verunreinigtem
Boden, im Sand u. dgl. verbreitet werden. Da die Ansteckungsgefahr in den ersten
Tagen der Erkrankung noch gering ist, hat rechtzeitige Isolierung meist den
erwiinschten Erfolg.
Bench te und Notizen.
Die 25. Jahresversammlung der Modern Language Association
of America.
Die Modern Language Association of America, die mminehr ihr erstes
Vierteljahrhundert vollendet hat, hielt vom 20. bis zum 28. Dezember 1907 auf
Eliiladung der Staatsuniversitiit Ohio in Columbus ihre Jahresversammlung
ab, zu der sich die ostliche wie die zentrale Abteilung gemelnschaftlich ein-
1'anden. Der Besuch war in Anbetraeht der Lage des Versaiiimluiigsortes sehr
l>efriedigend ; bis zum Mittng des 27. hatten sich eiuhnndertzebn Teilnehmer
in dieListe eingetragen. Der llauptanteil fiel, wie zu erwnrten stand, auf den
18 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
mittleren Westen ; der Osten war erheblich besser vertreten als auf der letzten
gemeinschaftlichen Tagung vor vier Jahren ; verhaltnismassig schwach war
der Siiden erschienen, und sebr unliebsam wurde es vermerkt, dass eine grosse
Anstalt des mittleren Westens weder auf dein Programm noch auf der Besu-
cherliste zu linden war.
Der Begriissungsansprache Dr. W. O. Thompsons, Prasidenten der Univer-
sitiit, folgten die Bericlite des Schriftff Hirers, Professors C. II. Grandgent, und
des Kassenwarts Dr. W. G. Howard, denen die erfreuliche Tatsache zu ent-
nehmen war, dass der Verband iiber IKK) Mitglieder ziihlt — eine Zunahnie von
iiber fiinfzig Prozent seit 1902 — und daran denken kann, das Verbandsorgan,
die Publication*, betriichtlich zu erweitern, vielleicht gar in einiger Zeit jiihr-
lich zwei Biinde erscheinen zu lassen.
Von den insgesamt 25 zur Verlesung konimenden Vortragen entflelen dies-
mal nur seehs, von den fiinfzehn nur deui Titel nach angesetzten und auf dem
Programm auszugsweise wiedergegebenen Arbeiten sieben auf das Gebiet der
deutsehen Sprache und Literatur. Zur ersten Gruppe gehorten ,,Notes on
Luther's Language" von Prof. W. W. Florer, Univ. Michigan ; ,,An alleged
Travesty of Ossian and other Notes OH Heine" von Prof. B. J. Vos, Johns Hop-
kins Univ.; ,.The Schildburgcr" von Prof. J. Morris, Univ. Georgia; ,Jtock-
spiel Martini Luther*" von Prof. E. K. J. H. Voss, Univ. Wisconsin; ,,Doppel-
und Kreuzreime im Beowulf und im Heliand" von Dr. B. Q. Morgan, Univ.
Wisconsin (statt des angekiindigten ,,The Poet of the Nibelungenlied"), und
,,The Sensationalism of Richard Wagner" von Prof. S. P. Capen, Clarke Col-
lege. Eine Diskussion riefen nur die beiden letztgenannteii hervor ; uberhaupt
kam es auf dieser Versammlung zu auffallend weuigen Erorterungen nach den
Vortragen, trotz der zahlreichen Zuhorerschaft, zum Teil wohl deshalb, weil
die meisten durch eine Debatte das ohnehin stark besetzte Programm noch zu
verlangern fiirchteten.
Dem Titel nach angezeigt waren ,,Soeial Problems in Grillparzcr'n
Dramas" von Dr. P. G. A. Busse, Ohio State Univ. ; ,,The German Romantic
Mdrchcn" von Prof. R. H. Fife, Jr., Wesleyan Univ.; ,,Bericht iiber das Stu-
dium der deutsehen RomantecJinik" von Prof. C. H. Handschin, Miami Univ. ;
,,Rabener's Theory of Satire" von Prof. G. Lehmann, Kentucky Univ.; ,.On the
Principles of Naturalism in Modern German Literature" von Prof. O. E. Les-
sing, Univ. Illinois;,, Variation in the Orthography and Inflection of English
Loan-Words in German" von Prof. R. Tombo, Jr., Columbia Univ. ; und
,,Grabbe's Relations to Byron" von Mr. J. Wiehr, Univ. Illinois.
Weitaus die glanzendste Leistung bot der Vorsitzende des Verbandes,
Prof. F. N. Scott, Univ. Michigan, mit seinem tiefgriindigen, geistvollen und
fesselnden Vortrage iiber ,,Die Entstehung der Sprache", am Abend des ersten
Tages. Seinen Ausfiihrungen, in denen er sich mit den bekannten Theorien
eingehend auseinandersetzte und eine neue, wegen ihrer Einfachheit iiber-
raschende Hypothese aufstellte, vermochte man auf dem hier zur Verfiigung
stehenden Raume in keiner Weise gerecht zu werden, und darum sei schon
jetzt auf das Schlussheft des in diesem Jahre ausgehenden Bandes der
Publications verwiesen.
Kin Ausschussbericht iiber die Frage, wie weit im neusprachliohen Unter-
richt Texte mit Vokabularien zuliissig seien, kam leider wegen Zeitmangels
nicht zur Verlesung; ohne Zweifel hiltte sich die Debatte dariiber sehr lebhaft
gestaltet Angenommen wurde von der Versammlung ein Antrag von Prof. J.
W. Cunliffe betreffs der Beschaffung, Eintragung und Bekanntmachuug photo-
Korrespondenzen. 19
graphischer Nachbildungen alter Texte und Handschriften (zunachst furs
Englische, in der Folge jedenfalls auch auf Deutsch und Franzosiseh auszu-
dehnen) fiir amerikanische Universitaten ; desgleichen ein von demselben und
Prof. E. 0. Roedder gemeinschaftlich eingebrachter Antrag betreffs der Ein-
fuhrung ernes Planes, die Gefahr der Wiederholung gleicher Themata fiir
Doktorarbeiten soweit als moglich zu verringern ; der Beschluss wurde dem
Verbandsvertreter fur die am 9. Januar d. J. in Ann Arbor, Mich., abzuhal-
tende Versammlung der Association of American (Tnircrxitleft zur Darlegung
vor dieser Korperschaft iiberwiesen.
Piir die Unterlialtung der Gaste war unifassend gesorgt. Nach der Rede
des Vorsitzenden am ersten Abend fand im Hause des Priisidenten ein Emp-
fang statt; Freitag mittag vereinigte man sich zu einem Gabelfriihstiick in
einem der Universitatsgebaude, nnd am Abend zu einem ,,Smoker" in den
Riiuinen des Columbus Club, die fiir die Dauer der ganzen Versammluug wie
tiucli die des Ohio Club in liebenswiirdigster Weise den Mitgliedern der
M. L. A. geoffnet waren ; die Kneiprede liielt Prof. J. It. Smith, Ohio State
University.
Als Vorsitzende der beiden Verbandsgruppen auf das kommende Jahr
wurden gewahlt Prof. F. M. Warren, Yale Univ., fiir den Osten, Prof. O. F.
Emerson, Western Reserve Univ., fiir das Mittelland. Die ostliche Abteilung
wird in den nachsten Weihnachtsferien in Princeton, N. J., die zentrale auf
P^inladung der Northwestern University in deren Gebiiuden in Chicago zu-
samrnenkommen.
E. C. Roedder.
II. Korrespondenzen.
Cincinnati. In der S i t •/. \\ n g des deutschen
Der deutschamerikanische Oberr leh r e r ve r ein s in der er-
S tad tver band von hier entfaltet J*en Dezembenvoche hielt Herr Karl
unter der Leitung seines in dieaem Mo- TI,errl1e el"en 8edieSenen Vortrag
Leben steht der Verband auf der tragesdahin dassaus den Kinder e-
Wacht, auch fiir die Erhaltung und f ne PersSnlichkeiten werden aollten
Verbreitung deutschen Geisteslebens keme Kopien yon hnvachsenen Xn c ho-
tragt er Sorge. Zu letztgenanntem fm ^nd^ muftse . der .^^"t"1^tru'
Zwecke hatte er den Universitatspro- ^ /\!n. T' -/TT- rT T^ iVo
fessor Julius Gobel eingeladen, am 11. Selbsttatigkeit befnedigt werden. -1 01
Dezember hier einen Vortrag zu halten Jf hrerverein ist IrL Llsie Weis.lede
und zwar uber ,,Fichtes Reden an die *™ e1!nen ™™h™ Klaviervortrag und
deutsche Nation." Verfolgt der Stadt- FrL Rosa K- Meyers fur zwei mit vie-
verband seine vorgesteckten Ziele auch ler Inmgkeit gesungene Sopransoli zit
fernerhin in gleicher Weise, so ist ihm grossem Danke verpflichtet. Dr. II. H.
seine innere Berechtigung und damit Fick teilte mit, dass er nach Weihnach-
eine massgebende und bedeutende Stel- ten vor den voreinigten deutschen I^ese-
lung in Cincinnati gesichert. zirkeln drei Vortrllge halten werile und
x'O Monatshefte fiir deutsche Sprache und Padagogik.
dass jeder Vortrag fiir einc Lesestunde schen Nationalbund" ausgehenden Anre-
/iihle. Die Vortrage werden in der Aula gung, die Taten und Errungenschaften
<ler sechsten Distriktschule stattfinden der Deutschamerikaner in der geschrie-
und zwar iiber folgende Theinata: 8. benen Geschichte der Vereinigten Staa-
.Fanuar, ,,Nibelungenlied"; 12. Februar, ten zur Wiirdigung z\i bringen. Die Vor-
..Meistersiinger"; 4. Miirz, ..Deutsch- tragenden, Herr Leo Stern, Superinten-
amerikanisehe Dichtung. dent des dent schen Unterrichts, und
Kine Feier, womit der Verein vor drei Heir Carl Purin, empfahlen beide den
.lahren zuni ersten Male wohlverdiente Unterricht in der ..Deutschamerikani-
Ehre eingelegt hatte, wird heuer wieder schen Geschichte" als das beste und
stattfinden, nilmlich Washingtons wirksamste Mittel bei der heranwach-
Geburtstagsfeier. Die Festlich- senden deutschamerikanischen Jugend
keit wurde auf den 21. Februar anbe- und durch sie bei ihren Eltern,
raumt und der Vorstand des Vereins Nationalbewusstsein und -stolz zu he-
init <len Vorbereitungen betraut. ben. Indem wir die Kinder tiber diegei-
Die Leitung unseres deutschen stigen Errungenschaften ihrer Vorvater
Theaters hier hat die Scharte, die und den gewaltigen Anteil, den sie an
sie sieh in der letzten Saison besonders der materiellen und kulturellen Ent-
durch etliche minderwertige Krsifte zu- wicklung unseres Adopt iv - Vaterlandes
gezogen, in diesem Jahre vollauf ausge- ovjioinmen, belehren, flossen wir ihnen
wetzt. Die neugewonnenen Kriifte sind Liebe und Achtung vor ihren deutschen
vortreftlich und auch die aufgefiihrten \"orfahren ein. Dieser Gescliichtsunter-
Stticke waren soweit sehr gut und bo- riolit soil nicht als besonderes Fach ge-
ten reiche Abwechslung. Wahrend der trieben werden, sondern in Verbindung
Weihnachtswoche wurde unsre liebe mit dein Sprachunterricht, u. z. durch
deutsche Schuljugend wieder mit der Krzahlung geptlegt werden. Die Vortra-
ewig schonen Miirchen - Aufftthrung ge wurden mit grossein Beifall aufge-
..Schneewittchen", die A'or zwei Jaliren nounnen und sie werden ohne Zweifel
in den Kinderherzen so viel Anklang Friichte tragen. Die aus Lehrern und
fund, erfreut. Herr Otto Ernst Schmidt, Lehrerinnen bestehende Klasse in der
der wackere Direktor des deutschen Stilistik hat jetzt schon unter Herrn
Theaters, verdient dafiir ganz besondere Sterns Leitung den Anfang gemacht,
Anerkennung. E. K. Aufsjitze iiber deutschamerikanische Ge-
schiehtshelden und Leiter der Industrie
Milwaukee. zn sehreiben, die spiiter im Klassenun-
Ein Ereignis von besonderem Inter- terrieht verwandt werden sollen.
esse fiir die Freunde des T^ehrer seminars Der hierdurch angestrebten He bung
und des gesamten Deutschtums unserer u'n d Krilftigung des deut-
Stadt war der am 5. Dezember im Leh- s e h e n Unterrichts an unseren
rerseminar gehaltene Vortrag von ofl'ent lichen Schulen wird auch von un-
Prof. Julius Goebel iiber ,,Jo- serin Schulrat Vorschub geleistet, der
hann Gottlieb Ficht e". Wie ganz im Sinne dieser Bestrebung eine
schon in der Umschau der letzten Num- Priifung in der allgemeinen Weltge-
mer der ,,Monatshefte" betont wurde, s c h i c h t e , der amerikani-
war dieser Vortrag nicht nur wegen sei- schen Geschichte und Verfas-
ner interessanten historischcn Rtick- sungskunde von den Kandidaten fiir die
blicke fiir uns bedeutsam, sondern be- Speziallehrerstelle fordert. Ausserdem
sonders auch wegen seiner auf unsere wird von diesen Kandidaten eine d r e i-
Aufgabe als Deutschamerikaner bezug- j a h r i g e E r f a h r u n g im Lehrer-
nehmenden Stellen. Unsere Aufgabe als fach in Zukunft verlangt. Durch diese
Deutschamerikaner, unsere Mutterspra- beiden Forderungen ist auch eine He-
che hier in Amerika xu pflegen und zu bung des deutschen Lohrerstandes vor-
erhalten, erlangt durch den geschicht- aus/usehen und an Stelle der jetzigen
lichen Hinblick auf Fichte und seine ,im Rang und Gehalt beinahe gleichge-
Zeit eine hohere Bedeutung. Von der stellten Amter des Oberlehrers und des
Erf ill hi ng oder Vernachliissigung dieser Hiilfslehrers des Deutschen wird eine
unserer Pflicht htingt, nach Prof. Goe- Sonderung treten, die nur zum Heil
bels Ansicht, die Zukunft der amerika- wirken kann. Wir liofTen nur, dass un-
nischen Nation selbst ab. ser Schulrat auch die Besoldung dem-
Zwei Vortrage, die in der De z e m - entsnrechend regeln wird. (Gegenwartig
b e r s i t z u n g des ..Vereins erhiilt mancher sog. Oberlehrer $75 und
d e u t s c h e r L e h r e r" gehalten der an derselben Schule tatige Hilf sleh-
wurden. behandelten dasselbe Thema im ivr ?>80 monatlichen Gehalt.) Doch un-
Sinnc der von dem ..Deiitschaincnkani- spr Schulrat beabsichtigt uoch in diesem
Korrespondenzen.
21
Schuljahr die Gehalter sJimtlicher Lehr-
krafte von neuein zu iindern und, wenn
irgend moglich, zu erhohen.
Der Versuch seitens unserer Lehrer-
schaft, eine Pension skasse. zu
griinden, ist an einem der stets auftau-
chenden Einheitsbefehle gescheitert.
Wie tiblich handelt es sich nur um ei-
nen k lei nen Formfehler, einer ,,technic-
ality", wie unsre Advokaten es nennen.
Nun heisst es, in die Tasche greifen, um
einen erfahrenen Rechtsgelehrten bei der
Abfassung eines neuen Gesetzes anzu-
stellen, das im Jahre 1009 der Legisla-
tur vorgelegt werden soil. Die zweihun-
dert Lehrer, die sich bereit erkliirt ha-
ben, die Pensionskasse zu griinden, ha-
ben beschlossen, die Agitation fortzu-
setzen, und sich eine monatliche Steuer
von 50 Cents pro Mitglied auferlegt.
Um den Unterricht in der G e-
ographie und der Geschichte
zeitgemasser und rationeller zu gestal-
ten hat unser Superintendent Carroll G.
Pearse monatliche Zusanimenkiinfte der
Lehrer des 7. und 8. Grades anberaumt.
in welchen je ein modernes Werk fiber
diese Filcher gelesen und besprochen
wird. Dr. J. W. Redways "New Basis
of Geography" und Prof. Henry E.Bour-
nes "The Teaching of Civics and Histo-
ry" sind die beiden Werke, die Herr
Pearse zu diesem Zwec.ke gewilhlt hat.
tiber den ev. Erfolg dieser Konferenzen
Avollen wir uns noch nicht unterfangen,
ein Urteil abzugeben. Aber Herrn
Pearses Vorgehen ist jedenfalls nachah-
menswert, und wenn die Lehrer nur ei-
nen TIauch von dem Geiste dieser Wer-
ke in die Schulstube tragen, so ist schon
viel gewonnen. Die Grundlichkeit deut-
scher Padagogik zeigt sich an beiden
Biichern und es kann unseren Lehrern
nur niitzen, mit solchen Werken be-
kannt zu werden, die fortwahrend auf
die besten Muster deutscher Erziehung
und auf den Fortschritt deutscher Ge-
lehrten hinweisen. C. B. S.
New York.
Der Verein deutscher Leh-
r e r von New York und U m g e -
gend kielt am 7. Dez. seine monatliche
Versammlung ab. Auf der Tagesord-
mmg stand die Wahl eines Abge-
ordneten zu den Vereinigten
deutschen Gesellschaften
an Stelle des Herrn Dr. Kern, der sich
dieses Amtes enthoben wiinschte^ da er
jvnderweitiger Vcrpflichtungen halber
den .Sitzungen unseres Vereins nicht re-
gclmiisFig anzuwohnen imstande sei.
H err Prof. K a r 1 H e r z o g wurde
einstimmig zu seinem Nachfolger er-
wiililt und als dessen Ersatzmann Herr
Dr. H. Zick.
Der von mehreren Mitgliedern ge-
machte Vorsehlag, durch Subskription
den notigen Betrag aufzubringen, um im
nachsten Soininer einige Delegate n
z u m n a t i o n a 1 e n L e h r e r -
tag zu senden, wurde allgemein an-
genonunen. Es darf demnach als sicher
gelten, dass miser Verein beim nachsten
Lehrertage entsprechend vertreten sein
wird.
D e r g u t e H u m o r, durch dessen
Pflege sicli der Verein vor anderen aus-
zeichnet, kam diesmal besonders zur
Geltung, indent Herr Dr. Wilhelm
Braun von der Columbia Universitiit in
seinemVortrage, Der r i c h t i g e B e r-
line r, Wissenschaftliches und Humo-
ristisches in hochst aiiziehender Weise
zu verbinden verstand.
Wer Berlin zum voraus kannte, bei
dem wurden eine Reihe recht angeneh-
mer Erinnerungen wachgeruf en ; wer
diese Weltstadt noch nicht gesehen hat-
te, der bekam ein iiusserst lebendiges
Bild von dem Leben und Treiben in un-
serer Hauptstadt. Dass dieselbe an
Schiinheit ihrer franzosischen Rivalin
nachsteht, kann nicht geleugnet wer-
den. Wenn man bedenkt, dass an der
Verschonerung von Paris sehon seit
ilahrhunderten gearbeitet wird, wahrend
in Berlin der Verschonerungsprozess seit
kaum 50 Jahren vor sich geht, so findet
man das selbstverstiindlich. In einem
Punkte aber steht Berlin weit voran:
die offentlicheReinlichkeit wird daselbst
aufs eifrigste gepflegt, in Paris dagegen
raehr und raehr vernachlassigt.
Der Berliner Dialekt ist ein beliebter
Gegenstand der Unterhaltung. Es ist
nur zu bedauern, dass er bei dem riesi-
gen Anwachsen der Stadt mehr und
mehr in den Hintergrund tritt. Er bil-
<Jet die Zwischenstufe zwischen Hocli-
»«<! Plattdeutsch und ist mit zahlrei-
<*"«» fratizSsischen Eleraenten vcr-
mengt. 8elbst echte deutsche Worter er-
Jialten oftcrs franzosische Endungen und
Aussprache. Der Redner berfihrte dann
allerlei Phasen des Berliner Lebens, und
die kostlichen Witze, mit denen er seine
AusfUhrungen wiirzte, hielten die I^ich-
muskeln der Zuhorer in standiger Ta-
t igkeit .
An den Vortrag knupfte sich eine leb-
hafte Debatte, in der man zu der An-
sicht neigte, dass der Berliner in seiner
Heimat eine recht sympathische Person -
lichkcit sei, ausserhalb derselben aber
infolge einos ungewohnlich stank ansge-
priigten Selbstl>ewnsstsein8 sich keiner
l>esonderen Beliebtheit ei*freue. L. H.
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Prag.
V e r e i n F r e i e Schule. ,,K u 1 -
t u r und K u 1 1 u s". In den un-
aufhorlichen nationalen Konflikten,
uus denen sich das politische Le-
ben der osterreichisehen Monarchic
xuKiiminensetzt, ist ein kur/er Waf-
fenstillstand eingetreten. Kin neuer
Kanipf hat den ewigen Krieg fur
eine Zeitlang unterbrochen, in seinem
Zeichen sammeln sich die heterogen-
sten Elemente zu einein noch me gese-
henen. kaum je erhofFten Parteien-Kon-
glomerat. Ja, ..Politics makes strange
bed-fellows!" Welche gewaltige Gefahr
muss ausgebrochen sein, dass die gegen-
siitzlichsten Faktionen nicht allein im
Reichstag, nein. allenthalben auf den
Hohen \ind in den Niederungen eines
fast kastenartig zerstiickten Volksle-
bens sich zusammenscharen zu e i n i -
ger Abvvehr! Denn in der Tat:
Deutschnationale und Deutschfreiheitli-
che — Agrarier und Spzialdemokraten—
Antisemiten und Zionisten — ja. man
hore und staune, Deutsclie und Tsche-
chen ! — haben sich wie e i n Mann er-
hoben zur Verteidigung und Wahrung
des gemeinmenschlichen Rechts auf
Fortschritt und Kultur. Jn Gsterreich
ist ja, wie kaum noch in irgend einem
anderen Staate, das Prinzip der voraus-
setzungslosen Forschung in der Theorie
ein fiir allemal gewilhrleistet. ..Die Wis-
senschaft und ihre Lebre si ml frei", so
lautet der stolzeste Sat/ im Staats-
grundrecht der Monarchie. Allein der
Glaube an die Unverbriichlichkeit der
konstitutionellen Bestimmung wird voii
Zeit zu Zeit selbst bei jenen Leuten jiih-
lings ersclflittert, die nicht mit ge-
schiirften Sinnen wahrzunehmen vermo-
gen, wie sich Tag f iir Tag unter der em-
sig wiihlenden Feindeshand die Steine
jener (Jrundfeste lockern. Diesen Leuten
hat auf dem jiingsten Katholikentag der
Ffihrer der chriatlich-sozialen Partei,
der Wiener Bin-germeister Lueger
(spr. Lu-ehger) den Star gestochen, in-
dem er den ungeteilten Besit/ der Schu-
le als ein (lurch die cliristlich - soziale
Partei zu verwirklichendes Recht der
Geistlichkeit hinstellte. In einer Formel,
so scharf priizisiert, dass kein Selbstde-
menti, keine Beschrmigung und keine je-
suitische Spitzfindigkeit nachher einen
Doppelsinn in sie hineinzulegen ver-
mochten, hat Herr Lueger den Stand -
punkt der Klerikalen und ihre Ansprii-
che verkiindet: Die Erziehung gehort in
die Hiinde der Geistlichkeit. UnsereAuf-
gabe und unsere Sorge ist es, sie den
ITanden der Unbefugten abzunehmen.
Die Volksschule haben wir schon ganz,
die Mittelschule erst halb, jetzt miissen
wir halt schauen, dass wir die Hoch-
schulen, uamentlich die gottlosen Uni-
versitiiten, auch erobern. — Die ganze
Kapuzinade im Wortlaut wiederzugeben
eriibrigt sich, nachdem alle Zeitungen
der zivilisierten Welt, also wohl auch
unsere amerikanischen, sich mit der Lu-
ogerschen Rede eingehend befasst ha-
ben. Das Motiv derselben bleibt eini-
germassen dunkel. Glaubte der ,,schone
Karl'', der Gotze des Wiener Vorstadt-
pol>els, angesichts der erfreulichen Fort-
schritte, welche die Klerikalisierung
Niederosterreichs in den letzten Jahren
gemacht, die Zeit fiir den letzten, ent-
scheidenden Vorstoss gekommen? Oder
war im Beifallsrausch des Augenblioks
sein vollsaftiges Wiener Temperament
mit dem wackern Volksmann durchge-
gangen? Fest steht das Kine:
Kaum war ihm das Wort entfahren,
Mocht er's im Busen gern bewahren.
Und was hatten Herrn Luegers Partei-
genossen nicht dafiir gegeben, den
Selbstverrat ungeschehen zu machen!
Doch Karlchen hatte eben aus der Schu-
le geplaudert, und in seiner doppelten
Eigenschaft als Kind und als Narr die
unwiderrum'che A\rahrheit gesprochen.
So ist er denn aufs heftigste ent-
brannt, der Kanipf um die Schu-
1 e, und man kann nach den Ereignissen
der letzten Tage kaum umlrin, Herrn
Lueger fiir seine Oflfenheit im Namen
aller freiheitlich, d. h. n a t ii r 1 i c h
n i ch t a n t i r c 1 i g i o s, a u ch n i ch t
irreligios, gesinnten Erzieher und
Freunde der Erziehung ein Dankesvo-
tum zu zollen.*) Denn nie war die Si-
*) Man wird auch in Amerika iiber
solcheDinge unbefangen referieren dtir-
fen. Wiewohl dem Schreiber obiger
Zcilen nichts ferner liegt als die Ab-
sicht, dem ,,freien Gedanken" in der
Schule das Wort zu reden, geschweige
der Betiitigung echt religiosen Geistes
an irgend einer Stelle zu opponieren,
fiihlt er sich angesichts eines den Le-
sern der ,,Monatshefte" noch erinner-
lichen gegen das Lehrerseminar, dessen
Organ ja diese Zeitschrift ist, erhobe-
nen ganz und gar u n b e g r ii n d e-
t e t e n Vorwurf s veranlasst zu ver-
sichern, dass fiir die von ihm geausser-
ten An sich ten weder die ,,Monatshefte"
noch das D. A. Lehrerseminar zur Ver-
antwortung gezogen werden konnen.
Er rnacht auch kein Hehl aus der Tat-
saclie, dass seine uberzeugung von der
notwendigen Konfessionslosigkeit der
Schule aller Originalitat entbehrt: es
ist die tiberzeugung aller Denkenden
unter den fiihrenden Geistern der mo-
dernen Welt, und das nicht erst seit
heut und gestern. O. H.
Korrespondenzen.
cherheit vor der schwarzen Gefahr so
gross als in dem Augenblick, da sie in
ihrer ganzen nackten Grosse sich vor
den Augen des zwanzigsten Jahrhun-
derts enthiillte.
Die Einhelligkeit aller nichtklerika-
len Ostreicher in dieser wichtigsten al-
ler Kulturfragen zeigt dem Ausland
zum erstenmal seit langer Zeit die bes-
sere Seite des hiesigen Parteitreibens.
Man gewinnt eine gewisse Achtung vor
der letzten Ursache der fiirchterlichen
Zersplittenmg der politischen Krafte,
wenn man lernt, dass es Dinge gibt, die
den Volksboten im Reichsrat, den Ver-
tretern von nahezu einem halben hun-
dert verschiedener Parteien, ftir keinen
politischen Brotgewinn feil sind. Ge-
wiss ist die herrschende grenzenlose
Zerkliiftung von grosstem Nachteil fur
die ArbeitsfUhigkeit des Parlaments.
Und es steht ausser Frage, dass ein
Zweiparteien - System, wie unser ame-
rikanisches, auf schnellerem Wege sich
den praktischen Zielen der Volksregie-
rung nahert. Zudem ist gerade an
ftstreich zum unheilbaren Schaden des
Landes ersichtlich geworden, auf welche
Klippen der Eigenwille, das Vorurteil,
der nationale und religiose Fanatismus
bei freier Betiitigung das Schiff des
Staates treiben. Und dennoch ist, kul-
turell betrachtet, das gefahrvolle Rin-
gen menschlicher Leidenschaften, das ja
doch am Ende grossenteils I d e a 1 e n
gilt, sei's echten, sei's falschen, eine er-
freulichere Erscheinung als der ode, ge-
miitlose Parteidienst, dessen Uniform
die Hypokritenseelen unserer amerika-
nischen Politiker tragen miissen.
Seit das ruchlose Wort von der Ero-
berung der Schule iiber das Gehege der
biirgermeisterlichen Ziiline sprang, hat
sich also das Bild der inneren Politik
Osterreiehs wie mit einem Zauberschlag
verandert. In alien ehrlichen Herzen
pocht die eine Frage: was muss ge-
schehen, um die Wissenschaft geijen die
angedrohte Knebelung durch Rom zu be-
schiitzen? Zugleich aber regt sich lauter
denn je zuvor der Widerspruch gegen
die geistliche Vergewaltigung der Schu-
len niederer und mittlerer Ordnung.
Und jene Frage, das ist gottseidank
iiber jeden Zweifel erhaben, kann nun
nimmermehr znm Gegenstand vonKom-
promissen und politischen Terminge-
schaftchen werden. Dafiir bringt jede
Stunde neue Beweise.
So hielt vor wenigen Tagen der hie-
sige deutsche Verein ,,F r e i e Schule"
eine Protestversammlung anlasslich der
von Lueger angekilndigten Gegenre-
form. Der grosse Saal des deutschen
Vereinshauses barg ein Gedrange von
Miinnern und Frauen aller Stande und
Berufe, wie man sie in soldi hunter Mi -
schung in unserem angeblich deinokrati-
schenAmerika niemals beisammen sieht,
tiher das allgemeine Theina ,,Kulturund
Kultus", dessen Rahrnen weit genug
war, um mannigfaehen Meinungsyer-
schiedenheiten in der Versaminlung
Ausdruck zu verleihen, und anschliess-
send hieran tiber den aktuellen Punkt
der Frage sprachen der Reichstagsabge-
ordnete P e r n e r s t o r f e r , der hie-
sige Philosophic - Professor Christi-
an F r e i h e r r von E h r e n f e 1 s
und der Historiker W e b e r., gleich-
falls Ordinarius an der Prager deutschen
Universitat. Pernerstorfer ist einer der
iiberzeugendsten, achlagfertigsten und
rhetorisch wirkungsvollsten Redner, die
ich in meinem Leben geln'irt habe. Seine
Rede war auch bei dieser Gelegenheit
eine Glanzleistung in Form und Inhalt.
Xur ein paar Siitze mochte ich aus der
Erinnerung wiedergeben. ,,Wir leben
nicht in einer Zeit der Kompromisse,
wir leben in einer Zeit des Kampfes, der
scharfen Gegens-itze aller Dinge "
,,Wer kampfen will oder sich zum
Kampf gezwungen sieht, der will seineu
Feind sehen, er will ihn auf der Biihne
der Aktion ha ben, nicht hinter den Ku-
lissen...." ,,Viele haben an eine kleri-
kale Gefahr nicht glauben wollen. Und
so ist die Offenbarung des uralten Kle-
rikalismus auf dem Katholikentag zu
begriissen, weil sie wieder alien vollige
Klarheit gebracht hat. ]\lir ist Lueger,
der Draufganger, Jieber als mancher sei-
ner diplomatischen Freunde; er hat uiis
einen Dienst erwiesen, indetn er aus-
plauderte, was die Klerikalen Avollen:
die Eroberung der Hochschule."
Xach dem radikalen Volksmann Per-
nerstorfer sprach — ein griisserer Ge-
gensatz ist kaum denkbar — das Ober-
haupt eines dem osterreichischen Uradel
angehorigen Geschlechts; ein die Dinge
objektiv iiberschauender Denker; ein
Mann, dessen tiefes, subtiles religioses
Empfinden in seinem Wesen wie in je-
dem Worte, das er sprach, sich Jlusser-
te. Und dieser hohe Beanite des Staa-
tes, der die Notwendigkeit einer meta-
physischen Religion fur alle Menschen
lebhaft betonte, stellteForderungen aiif,
welche im freien Amerika jeden gelehr-
ten Waghals um den zu ihm gehorigen
amtlichen Kopf bringen diirften. Ich
sage d ii r f t e n, denn es ist das eine ex-
perimentelle Frage. Niemand riihrt bei
uns an derlei Fragen, — eben weil riie-
24
Monntsliefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
mand mutwilligerweise zum schwarzen
Manne wcrden will.*)
Prof, von Khrenfels fordert die voll-
standige Ablosung der theologisehen Fa-
kultaten von den Universitaten oinfach
aus dem Grunde, weil Religion keine
Wissenschaft sei. Dagegen verlangt er
die Errichtung von Lehrstiihlen fiir ver-
gleichende Religions-kimde. Sclbstver-
stiindlich wiiren diese neuen Lehrkan-
zeln kein weiteres Privilegium derGeist-
lichkeit, denn der wiasenflchaftlichen
Natnr des vorzutragenden Gegenstandes
gemilss miissten sie ja dnrch Laien be-
setzt werden. Doch Baron Ehrenfels
geht noch weiter. Am gefiihrlichsten
fur die Kultur erscheint ihm dor Reli-
gionsunterrieht, so wie er jetzt von Ka-
techeten an den Mittelschiilen, d. h. den
Gymnasien und Realschulen. erteilt
wird. Daher solle dieser Unterrirht kur-
zer Hand abgeschafft werden. Der Red-
ner verkennt nicht den veredelndenKern
des christlichen Religionsunterrichts
und mochte ihn der Jugend nieht vor-
enthalten; allein dieser Teil der Erzie-
hung bleibe dem elterlichen Wunsch und
Willen iiberlassen. Die Schule aber mo-
ge statt des bisherigen einseitigen Kon-
fessionsunterrichts dem Schiller beibrin-
gen nicht nur Avas der Katholik, son-
dern auch was der Protestant, der Jude,
der Moharnmedaner glaubt, damit er
aus der Vergleichung die gemeinsamen
religiosen Momente herausfinde und auf
diese Weise tolerant denken und han-
deln lerne. Neben dem vergleichenden
Religionsunterricbt mochte Elirenfels
den Mittelschiilen aus dem Kultnr-
schatze des Cliristentums noch als be-
sonderes Erbe den Sinn fiir die kiinstle-
rischen Werte der christlichen Kunst
wahren. Natiirlich miisste dieser neue
Unterrichtsstoff, init welchem nach Eh-
renfels' Meinung ein reicher Ersatz ftir
den Ausfall der jetzigen katechetischen
Disziplin gel>oten wiirde, ausschliesslich
von T^aien l>ehandelt werden. Es ist
wahrscheinlich den Lesern der ,,Monats-
hefte" inzwischen bereits auf andcrem
Wege bekannt geworden. dass sich die
liberalen Parteien im Reichsrat u. a.
auch dieser Ideen bemiichtigt haben.
Als das eigentliche Oberhaupt der Be-
wegung zur Entklerikalisierung der
Schule ist der hervorragendste tschechi-
sche Gelehrte Prof. Dr. Masaryk
*) Ich erwRhne bloss die konstiiu-
tionswidrige Gepflogenheit offentlicher
Schulen. die Schiller zum Besuche der
ausgesprochen protestantischen Religi-
onsiibungeD, die jeden \rormittag Ktatt-
finden, direkt oder moralisch zu notigen.
zu ehren, ein Mann, der sich trotz sei-
ner regen nationalistischen TUtigkeit
der vollen Achtung aller Deutschen er-
freut, weil er nie anders als ink blan-
ker WatVe kumpft.
Am Sch hiss der Versammlung ergritT
als Obmann der Versainmlung Profes-
sor Weber das Wort, um die Stollung
der ,,Freien Schule" in dem bevorste-
henden Kulturkampf kli])]) und klar zu
manifestieren. War Baron Ehrenfels in-
folge seines konsdlianten Tones und der
bezcigten Ehrerbietung fiir altflberlie-
ferte Kulturwerte der Staatsreligion
mit den uberzeugungen vieler seiner Zu-
hiirer in Widerspruch geraVen, so riss
Weber mit seiner schneidig Kiipackenden
Art das Auditorium zu denionstrativer
Begeisterung hin, obschori sich hinter
seinen schwungvollen Worten ei.irentlich
viel konservativere Anschauunget) ver-
bargen als hinter der niildeu, ruhevollen
Rede seines Kollegen. J")enn wievvohl
Weber sich im Namen des Vereins gegen
jedes Zurtickgreifen auf das alte Wort
von der Notwendigkeit der Religion
,.fiir das Volk" aufs entschiedenste ver-
wahrte, so schien er nichtsdestoweniger
vor der logischen Konsequenz dieses
Glaubenssatzes zuriickzuscheuen. ,,Die
Religion muss nicht wegen der Moral
erhalten bleiben. Die Moral kommtohne
Religion eben so gut fort'', behauptete
er. (Ich meine aber, gerade ein Tfistori-
ker sollte eine solche Xusserung nieht
tun, ohne sic gebiihrend einznschran-
ken.) Aber: ,,Daraus folgt nicht, dass
man den Religionsunterrieht ab-rhaffen
miisse. Nur ist das tJbergreifen des Re-
ligionslehrers auf die anderen Diszipli-
nen unbedingt nicht zu dulden."
Die Versammlung fasste am Sehlus*
die folgende Resolution: ,,Die heute von
zahlreichen Freunden der ,,Freien 8chu-
le" besuchte Versammlung protestiert
gegen die auf dem letzten Katholiken-
tag angekiindigte Knebehing der Frei-
heit des Unterrichtes, gegen den damit
drohenden Ersatz von Erziehung durch
mechanische Abrichtung, gegen die Ver-
drangung der Heranbildung zur Kultur
durch Heranbildung zum Kultus."
Die antiklerikale Bewegung zieht tag-
tilglich weitere Kreise. Als ihre Ftihrer
sind die University. ten zu betrachten :
Professoren und Studenten geben liber-
all korporativ den Entschluss kund, die
Errungenschaften der Wissenschaft und
das Recht auf die freie Forschung mit
dem Aufgelwt aller Kriifte -- viribus
unitis ! - - zu verteidigen. Am bemer-
kenswertesten ist es, dass hier in Prag,
als das Professorenkollegium der deut-
schen UniversitUt vor kurzem einen ge-
Korrespondenzen.
harnischten Protest in obigem Sinne er-
liess, auch die Professoren der theologi-
schen Fakultiit ihre Namen ausnahms-
los neben die ihrer weltlichen Kollegen
setzten. Es gibt also Gottseidank noch
Priester, die von dem Gefiihl ihrer aka-
demischen Manneswiirde hinlanglich
durchdrungen sind, um in diesem Kamp-
fe nicht auf der Seite des Unrechts und
des Riickschritts teilzunehmen. Sie
wissen: dieser Kampf geht nicht gegen
religiose Dinge, sondern gegen Zwang
und Knebelung unter dem falschen
Schein der Eeligion.
Prag. Otto Heller.
St. Paul.
Der Deutsche Padagogische
Verein von Minnesota. Im
Dezember des Jahres 1006 tagte die 44.
Konvention der ,.Mijnnesota Educational
Association" wahrend der Weihnachts-
ferien in Minneapolis. Zum erstenmal,
seit Griindung des Vereins, war eine
Aufforderung zur aktiven Beteiligung an
die deutschen Lehrer des Staates ergan-
gen, indem ein deutsches Departement
in der ,,College Section" Vertretung
fand. UniversitSitsprofessoren undHoch-
schullehrer hielten Vortriige (iber den
deutschen Unterricht, an die sich inter-
essante Diskussionen anschlossen. Nach
zweitagigem, harmonischem Zusammen-
wirken beschloss man -- mit edit pii-
dagogischem Enthusiasmus einen
,,D e u t s ch e n P ii d a g o g i s ch e n
Verein" ins Leben zu rufen. Ein Ko-
mitee wurde behufs Ausarbeitung einer
Konstitution ernannt, und am 5. Febr.
1907 wurde der ,,Deutsche PUdagogische
Verein von Minnesota" gegriindet. Der
Hauptzweck des Vereins ist die Pflege
der deutschen Sprache und deutscher
Padagogik, sowie die Forderung deut-
scher Ideale im allgemeinen. — Der An-
fang war ein gar bescheidener. Dank
dem freundlichen Entgegenkommen der
Universitatsregenten wurde dem Verein
ein Zimmer im Bibliotheksgebaude der
Staatsuniversitat angewiesen, in dem
die monatlichen Konferenzen stattfin-
den sollten.
Zu Ehren Goethes -- Deutsch-
lands grosstem heimgegangenen Dich-
ter — wurde am 22. MSlrz in der Aula
der Universitat eine Gedachtnis-
feier veranstaltet, zu welcher das
Deutschtum der Schwesterstadte Min-
neapolis -und St. Paul eingeladen wor-
den war. Die Festrede wurde von Hrn.
Pastor Paul gehalten, der Goethe als
grossten Genius Deutschlands, als Dich-
terfiirst verherrlichte, die bedeutendsten
Ziige in Goethes Dichterbild in lebendi-
ger Wiederspiegelung vorfiihrte, der
Sturm- und Drangperiode, der Geniezeit
lebhaft gedachte, Goethes ,,Faust" als
lehrreiches padagogisches Werk, als
psychologisches Drama pries.
Da Poesie, Geschichte und Padagogik
gewiss zusammen gehoren, wurden auch
einem anderen grossen Deutsche ehr-
furchtsvoll einige Gedenkblattchen ge-
widmet, dessen Geburtstag auf
den 22. Miirz fallt und der stets in der
Erinnerung eines dankbaren Volkes le-
ben wird — Ivaiser Wilhelm I.
Ausser einigen passenden Gedichten
und musikalischeu Vortriigen wurde der
piidagogische rFeil des Programing durch
einen Vortrag der Priisidentin des Ver-
eins, Frl. Amalie Nix, iiber ,,Erzie-
hungsziele" eingeleitet. ,,Als hochstes
Erziehungsziel sollte der gewissenhafte
Erzieher stets die Charakterbildung im
Auge behalten. Aus der Ethik wird
das Ziel der Erziehung abgeleitet. hi
den Kreisen des ethischen Lebens ist
jedem der Gedanken eine Aufgabe iiber-
tragen, dem Rrzieher wie dem Arzt. .Ie
Ijoher der Erzieher steht, desto gewis-
ser widmet er sich der Hilfsbedurftig-
keit des Kindes und dessen erwachsen-
dem Geistesleben. Das Ideal des Wis-
sens sollte dem Ideal der Gesinnung,
dem Ideal des Willens untergeordnet
Averden; der Wille bildet das eigentliche
Objekt aller ethischen Wertschat/ung.
Denn :
..Wir sind nicht, um zu sein;
Wir werden, um zu werden.
Die Strome rauschen fort,
Die Sonnen und die Erden
Sie gchen uach ewigen Gesetzen ihreu
Pfad.
Kein Wollen dort — sie sind.
Im Menscheu lebt ein Wille,
Er selbst ist sein Gesetz,
Ein Sohn der cigenen Fiille,
Er ist durch die Natur
Und lebt durch seine Tat."
Die Goethefeier wirkte stimmunos-
voll auf das Publikum.
J)er Deutsche Padagogische Verein be-
schloss zur F e i e r des 148. G e -
b u r t s t a g e s S ch i 1 1 e r s - - des
Lieblings-, des Freiheitsdichters des
deutschen Volkes — den Sch westers! lid -
ten ein iihnliches Fest zu veranstalten.
und zwar am Abend des 0. Nov. in Min-
neapolis, und am Nachmittage des 10.
Nov. in St. Paul. Der Turnverein St.
Paul hatte dem Piidagogischen Verein
zu diesem Zwecke seine Halle iiberlas-
sen.
Um dem pjidagogischen Teil des Pro-
gramms gerecht zu werden, hatte der
Monatahefle. fur deutsche Sprache und Piidagogik.
Verein Herrn Direktor <;rit'l>M-h, den
verdienstvollen Leiter des Natioiialen
Deutschainerikanischen Lehrer seminars
ersucht, das Deutschtum der Schwester-
sttidte mit einera Vortrag ,,Der deutsche
Unterricht in den amerikanischen Schu-
lon" zu beehren. Diesem Wunsche ent-
sprach Herr Griebsch in liebenswiirdiger
Weise. Der kerrliche, tiefdurchdachte
Vortrag wird den aufmerksamen, begei-
sterten Zuh5rern noch lange in unver-
gesslicher Erinnerung bleiben.
Vor der Schillerfeier in St. Paul wur-
<le am Sonntagvormittag ein kleiner
Ausflug nach dem Como - Park unter-
nommen, um Herrn Direktor Griebsch
das vor einigen Monaten enthtillte
Schillerdenkmal zu zeigen.
Uber diesen Ausflug lieferte eine St.
I'auler Zeitung einen stimmungsvollen
Bericht, aus dem wir folgendes entneh-
men:
,,Der kalte Nordwind fegt (iber die
Steppen. Leichte Schneeflocken fliegen
sanft auf die Erde hernieder. die ersten
Boten des Winters. Von Kirchttirmen
her ertonen die vielstimmigen Glocken ;
sie laden die Glaubigen in das Gottes-
haus zum Gebete ein. In hellen Scharen
wallen jung und alt dorthin, wo man
dem SchSpfer des Weltalls das Opfer
darbringt, ihm huldiget und danket.
Kin kleines Hauflein Avandert einsam in
dem seines Naturschmuckes mumielir
beraubten Como - Park der St&tte zu,
wo sich stolz ein Standbild erhebet, ein
Gedenkstein rum Andenken an einen der
hochsten und besten Idealisten, welche
die Weltgeschichte zu nennen vermag.
AndUchtig blicken diese Wenigen em-
por zu dem aufrechten Hauptes und
freien Schrittes auf niederem Posta-
mente dastehenden Manne. Es ist ihnen,
als schreite er, von dem all ihre Gedan-
ken erfUllt sind, auf sie zu, um ihnen
Dank dafiir zu sagen, dass sie gerade
heute mit bescheidener Verehrung und
Andacht seiner gedachten; dass sie ab-
seits von der grossen Heerstrasse ihm
ihre Huldigung darbraehten und sich bei
ihm neue Kraft f(ir weiteres. edles, ide-
ales Wirken suchten. Auch fiirderhin
wqllen sie mutig einstehen und kiim-
pfen fiir das Gute, Schi'me und Edle. -
Ks umschwebt sie des Lieblingsdichters
Geist — am Geburtstage Schillers."
Auch Direktor Griebsch wies in seiner
Rede darauf bin. dass das Deutschtum
der Stiidte Minneapolis und St. Paul
bewiesen habe, wessen es fahig sei. Sei-
nem vereinten Wirken sei es gelungen,
dern grossen Dichtenfiirsten ein herrli-
clies Denkmal zu setzen. 'Es spricht eine
beredte Sprache. Es ist ein Mahnzei-
clien, dass der Geist, der das Denkmal
schuf, nicht verloren gehe, sondern dass
er lebendig bleibe und wachse. Er findet
seineii Ausdruck in der deutschen
Sprache.
Die eigentliche Schillerfei-
e r wurde vom Studentenchor des Lu-
therseminars eingeleitet, worauf Frilu-
lein Helene Schirmer, die Schatzmeiste-
rin des PUdagogischen \rereins, einige
Strophen aus Wildenbruchs schonem
Prolog mit Warme vortrug. Hierauf
folgte die Festrede des Herrn Pastor
Paul, der ebenfalls hohe Anerkennung
gezollt wurde; auch fand der Vortrag
der Koiuposition des mit dem Kaiser-
preise gekronten Gedichtes ,,Das deut-
sche Volkslied" von Pastor Hildebrandt
durch den Studentenchor des Lutherse-
mi nars grossen Anklang.
Mr»ge eine derartige wiirdige Feier all-
jjihilich am Geburtstage des Dichters
veranstaltet werden; sie wird ^ik^erlich
nutzbringend auf das Deutschtum ein-
\\irken."
Am Abend des 23. Xov. hielt der Pa-
dagogische Verein eine weitere Ver-
^auimlung in seinem Vereinslokal ab.
F.s wurde beschlossen, dem Wunsche des
Turnvereins St. Paul — dass der Pada-
gogisohe Verein die Leitung einer
d e u t s ch e n S ch u 1 e iibernehme —
nachzukommen, und soil die Schule am
4. Jan. in der Turnhalle eroffnet wer-
den. Ausserdem folgte eine lebhafte
Disknssion iiber Prof. Grandgents lehr-
reichen Vortrag: ,,Is Modern Language
Teaching a Failure?"
Die niichste Versammlung des Ver-
eins wird in Verbindung mit der
,.M innesota Educational
A s s o c i a t i o n Convention"
stattfinden. Das Programm wreist fol-
gende Themata auf:
1. ,,Unser Padagogischer Verein."
2. ,,Unsere deutsche Muttersprache."
3. ,,Erziehungsziele beim Studium der
deutschen Sprache."
4. ,,Das Studium der deutschen Sprache
vom psychologischen -Standpunkt aus
betrachtet."
5. ..Das Studium der deutschen Sprache
vom piidagogischen Standpunkt aus
betrachtet. A. N.
III. Briefkasten.
Deutsche Lehrer in, Cincin-
c i n n a t i. Wie langweilig wiire doch
die Welt, wenn uns immer nach dem
Munde geredet und nach unserer Feder
geschrieben wiirde! Die Berichte Ihres
Korrespondenten zeichnen sich durch
eine Qffenheit und Frische aus, die auch
dort, \vo der Inhalt vielleicht Wider -
spruch hervorrufen mag, unterhaltend
und anregend wirken. Zudem aber liegt
in seinem Kampfe gegen die heut herr-
schende sogenannte Weiterbildung der
Lehrer und das damit verbundenen
Merit-System ein durchaus ge-
sunder Kern. Sollte es wirklich not-
wendig sein, erst durch die Aussicht auf
Meritenpunkte, wie sie Basedow in sei-
nem Philanthropin bei seinen Kindern
anwandte, die Lehrer dazu zu bringen,
f» ihrer Fortbildung zu arbeiten? Sie
werclen doch nicht ernsthaft glauben
wollen, dass <>iiH> derartige Arbeit als
Gradmesser fiir tHe Tiichtigkeit des
Lehrers und seine Beforder«»ig dienen
kann? In Cincinnati wird diese "Bwre-
gung noch in Schranken gehalten, aber
zu welchen Auswiichsen sie fiihren
kann, mogen Sie leicht in anderen
Stadten beobachten konnen, in denen
die Lehrer in der krankhaften Sucht
nach Weiterbildung vielleicht zur Er-
reichung eines hoheren Gehaltes ihre
Schularbeit vernachlassigen, oder sogar
7,u derselben un-fahig werden. Ein Leh-
rer, der es ernst mit seinem Amte
meint, wird zunachst versuchen, seine
Pflicht den ihm anvertrauten Kindern
gegeriiiber nach bestem Wissen und Ge-
wissen zu 'erfiillen. Dies tut er durch
eine griindliche Vorbereitung und Ver-
wendung seiner besten Kraft im Schul-
zimmer. Er wiirde aber trotzdem zum
schlechten Lehrer, wenn er nicht stetig
an seiner eigenen Weiterbildung arbei-
tete, auch ohne die Aussicht auf
,,Punkte". Ihr Korrespondent wiirde
voraussichtlich am ungliicklichsten sein,
wenn er die Cincinnatier Kollegen durch
seine Worte von einer gesunden Fort-
bildung abhielte. Wenn er aber gegen
den mechanischen Betrieb derselben, in
dem eft nicht auf Inhalt und Griindlich-
keit, sondern nur auf den Schein an-
kornmt, und gegen das System, das sol-
che Auswiichse zutage fordert, zu Felde
zieht, so konnen wir ihm nur Erfolg in
seinem Kampfe wiinschen.
Es 1st sonst nicht unsere Gewohnheit,
Briefe, die ohne Namennennung des
Schreibers an uns gelangen, zu beant-
worten, Wir sehen jedoch in Ihrem
Schreiben eine wohlmeinende Gesinnung
und deshalb machen wir in diesem Falle
eine Ausnahme.
Ehemaliger Seminarzog-
1 i n g. Die Berichte, die Sie in den
deutschen Tageszeitungen iiber das an
der Cincinnatier Universitiit gebildete
Lehrerseminar lasen, sind irre leitend.
Aus zuverlassiger Quelle erfuhren wir
folgendes. Wie an jeder Universitat
und an den meisten Lehrerbildungsan-
stalten besteht auch an dem ,,Teachers
College" der Universitat Cincinnati eine
deutsche Abteilung, deren Abiturienten
natiirlich die Berechtigung zur Anstel-
lung an den offentlichen Schulen, libri-
^?ens aber erst nach Ablegung einer Prii-
ftrnjj v&f der stadtischen Examinations-
behorde habwi, Um sie nicht ganz un-
vorbereitet fiir ihre spesieiie Berufsar-
beit als deutsche Lehrer ins Amt <re*i*»
zu lassen, erhalten die Zoglinge ein Jahr
lang wochentlich eine Vorlesung iiber
Sprachmethodik. Eine amerikanische
Universitat kann unmoglich ihren Zcig-
Hngen die dentsche Atmosphsire bieten,
die unser Lehrerseminar zu bieten ver-
mag, und so ist kaum anzunehmen,
dass die Abiturienten des ,.Teachers
College" zu Cincinnati trotz ihrer vier-
jahrigen Arbeit - - denn der Kursus
wiihrt vier Jahre — imstande sein wer-
den, die Zoglinge des Lehrerseminars,
dessen zweijahriger Kursus auf ihre
spezielle splitere Berufstatigkeit zuge-
schnitten ist, aus dem Felde zu schla-
gen. Im iibriffen wollen wir doch nicht
engherzig sein. Jedes ernstgemeinte
Bestreben, das dahin geht, die Berufs-
vorbildung der deutschen Lehrer des
Landes zu fordern, verdient unsere Un-
terstiitzung. Leider allerdings finden
wir genug Anstalten, die sich mit der
Erwecknng des Uusseren 8cheins im
ihrer Arbeit genug sein lassen.
28
Monatehtfte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
IV. LJmschau.
Lehrerseminar. Am 20. Dez.
des vertlossenen .Tahres wurdc im Leh-
rerseminar und in der Deutsch-Engli-
gchen Akademie das erste Tertial
abgeschlossen. Am Nachmitage dieses
Tages fa ml die gewohnte W e i h-
nachtsfeier der beiden Anstalten
statt, die einen ebenso schonen wie ge-
mtttlichen Verlaitf nahm. DetgrttBste
EnthuBiaBmiis wurde erweckt, als Herr
Adolf *inklen der PrasMent beider
vSchulen, «im Schlusse der teier die Er-
klarung machte dass iingenaimt blei-
bende Conner der Deutscb-Englischen
Akademie e i n e n Ion d s v o n
26,000 Dollars aufgebracht haben.
Diese Summe soil dazu dieiien einer-
seits die Schuldenlast zu tilgen vvel-
<rhe die Anstalt durcb den Ankauf des
Seminargebdudes des Nordamerikani-
sohen Turnerbundes auf sich genommen
hat andererseits die Schule fur eine
Reihe von Jahren finanziell sicher zu
stcllen. Die Opferfreudigkeit der Geber
kann mcht rfihmend genug hervorgeho-
Auch fiir das Lehrerseminar zeigt
sich em langsam zunehmendes Tnte-
resse, welches sieh freilich mcht in so
grossen Zahlen kundgibt. So bewilhgte
der Zweigverband ,,Chicago
des Deutschamerikanischen National-
bundes 200 Dollars als Stipendium fiir
einen Seminarstudenten, der von dort
aus hierher geschickt werden soil, wiih-
rend der Zweigverband ..J o h n s-
town" 25 Dollars fiir den Stipendien-
fonds beisteuerte.
Die Weihnachtsferien waren
diesmal reichlich bemessen, indem sie
vom 21. Dezember bis zum 0. .Tanuar
des neuen Jahres dauerten. Ani'letzt-
erwfthnten Datum riickten Lehrer und
SchUler mit gestiirkten Kraften an, um
das zweite, ganz ferienlose Drittel des
Schuljahres zu beginnen.
Sowohl in Milwaukee, als in anderen
Stadten des Landes, so vor allem in
Cincinnati, werden nun Schritte getrof-
fen, um einen Verein von ehe-
maligen Seminarstudenten
xu griinden. Ein von den Herren Vic-
tor Croneweg als Vorsitzenden und
Herrn Wilhelm von der Halben, Jr., als
Schriftfiihrer unterzeichnetes Send-
schreiben setzt in sachgemiisser und
hochst sympathischer Weise die
CrUnde fiir dieses Unternehmen aus-
einander. Von unserer Seite konnen
wir den geistigen Urhebern des Gedan-
kens mir alles (jliick wiinschen.
Schliesslich verdient die Anstalt, die
eine so stattliche Reihe vortrefflicher
Lehrer herausgebildet hat, aucb diese
Anerkennun.
einem auR Houston,
Tex von Prof> a Duvernov an (1ie
S(,hriftleitun der ,,Monatshefte" ge-
H(.hteten ScKreiben hervorgeht, wurden
t . der janresversammiun£ der Lehrer
T die ergten Sehri^te tan zlll.
B j , d u n e j n e 8 V e r e i n s von
LehrerS der modernen Spra-
, (Deutsch, Franzosiseh, Spa-
. , £ Vowitzenden wurde Prof!
Q ^ ^ Texag christ Uni /uni
Sekretar p^f> j H Mcdinnis von der
Southwestern University gewahlt. Dr.
^ de yom yorsitzenden l)eauf-
die im nachsten Dezember in
stattfindende Taguns deg Ver-
. ein Pro m auflU8tellen. Has
Deutsche wird%ie Herr Duvernoy ver-
-
den Sprachen jedenfalls den ersten
platz einnehmen. Das freundliche In-
teresse der Leiter des neuen Vereins er-
streckt sich aiich auf die ,,Monats-
hefte'^ fiir deren weitere Verbreitung
mm aud| in Texas etwag gesehohen
wjrd
National Education Ass o-
e i a t i o n. Der Vollzugsausschuss der
X. E. A. gibt nun bekannt, dass fiir die
niichste Konvention der N. E. A. Cleve-
land, Ohio, und als Zeit die Tage vom
29. Juni bis zum 3. Jiili ausersehen
Rind- ** wli:d dlf:s die fiinfzigs te Ver-
n.5 dlf f/stejand ,18°8 m
i, Ohio, statt Die Jahrcsver-
A
,n dw'4J?fl1JMSl ^ "n
2<- ^cbruar 1908 in Washington, D. C.,
K o e d u k a t i o n. Die Frage der
gemeinsamen Erziehung der Geschlech-
ter wird in Deutschland vielfach eror-
tert. Tin allgemeinen lilsst sich anfiih-
ren, dass sie dort Anhiinger zu gewin-
nen scheint, wiihrend hier, im Ideal-
lande der Koedukation, sich gewichtige
Stimmen mehr und mehr dagegen er-
kUlren. Professor Sachs von der
Columbia-Universitiit hat sich wieder-
holt als Gegner der gemeinsamen Er-
ziehung der CJeschlechter bekannt, weil
sie die Knuben zu sehr zwinge, sich
Umschau.
weiblichen Anschauungen und Ansprii-
chen anzuschmiegen. Die iiberschiissige
miinnliche Kraft vergeude sich daher
in einem iibertriebenen Kultus des
Sports. Andere angesehene Erzieher
behaupten, viele Knaben suchen neuer-
dings Lehranstalten ausschliesslich ftir
Knaben auf.. weil sie das fovtwjihrende
Zusammensein mit weiblichen Wesen
auf der Schule als liistige Verge walti-
gung milini lichen Empfindens betrach-
ten. Das Ewig-Weibliehe scheint hier
die entgegengesetzte Wirkung auszu-
iiben.
In Berlin besprach neulich Rektor
E. H e r t e 1 in dem Verein ffir Schul-
hygienie diese Frage. Nach kurzen
geschichtlichen und statistischen Be-
merkungen beleuchtete er die Frage der
Koedukation vom sittlichen, piidagogi-
schen und hygienischen Standpunkte.
In sittlicher Beziehung kann ein gegen-
seitiger veredelnder Einfluss nicht er-
hofft werden. da die Kinder der Gross-
stadte im allgemeinen viel aufgeklarter
und viel friilier geschlechtlich reif sind
als anderswo. In padagogischer Bezie-
hung ist zu bedenken, dass die beson-
dere seelisehe Eigenart der Knaben und
Mlidchen auch eine besondere Stoffaus-
wahl fiir die beiden Qeschlechter ver-
langt, vor allem aber eine besondere er-
zieherische Behandlung derselbeu. Ge-
gen die Koedukation sprechen aber vor
alien Dingen hygienische Bedenken.
Die Statistik lehrt, dass bei den Volks-
schiilerinnen die Pubertatsentwicklung
durchschnittlich zwei Jahre friiher ein-
tritt als bei Knaben. Der Wettstreit
mit diesen bei gemeinsamer Erziehung
wiirde bei den Schtilerinnen der Ober-
atufe die sehon jetzt vielfach beobach-
teten Krankheitserscheinungen kompli-
zieren. — Folgende Resolution fand ein-
stimmige Annahme: ,,Vom Stand-
punkte der berechtigten Eigenart in
seelischer und korperlicher Beziehung
ist da, wo die Verhaltnisse es zulassen,
ein getrennter Unterrieht ftir beide Ge-
schlechter von Grund auf zu fordern.
Wo die ortlichen Verhaltnisse fiir ge-
meinsame Erziehung sprechen, ist ge-
gen eine solche auf der Unterstufe
nichts einzuwenden; dagegen ist auf
der Mittelstufe eine Trennung wiin-
schenswert, auf der Oberstufe unbe-
dingt zu fordern."
Zu dem ,,Bericht iiber die Pru-
fungen in englischer Sprache
zur Aufnahme in Harvard
College", in dem 120 Worter ange-
geben sind, die von den um Aufnahme
Nachsuchenden am haufigsten unrichtig
geschrieben werden, aussert sich auch
Prof. Richard R. Kirk von der Staats-
universittit von Michigan. Er empfiehlt
den Rechtschreibelehrern, dem Schtiler
die richtige Schreibweise eines Wortes
dadurch beizubringen, dass sie ihm ein
Bild des Wortes in des Schtilers
eigener Handschrift geben.
Der Lehrer spricht das Wort richtig aus,
und der Schiller spricht es richtig nach.
So erhitlt letzterer das Lautbild. Dann
buchstabiert der Lehrer das Wort,
schreibt es gross und schon. ja nicht mit
Advokatenhand, an die Tafel, und der
Schiiler schreibt es mit eig-
n e r Hand n i e d e r. So erhalt der
Schiiler ein richtiges Gesichtsbild! Das
Niederschreiben mit eigner Hand ist das
Wichtigste an der Sache. Prof. Kirk
wendet sich dann gegen das allzufriihe
Aufsatzschreiben, — ehe das Kind einen
Schatz von Wortern gesammelt hat.
Die Lehrervereinigung des Staates
Illinois hat sich zugunsten der
vereinfachten Schreibweise
de|s Englischen ausgesprochen.
Die Historische Gesellschaft des Staa-
tes Illinois hat einen aus sechs Personen
bestehenden Ausschuss ernannt, dessen
Pflicht es sein soil, die richtige
A u s s p r a c h e des Wortes ,,1 1 1 i-
n o i s" festzustellen.
Der neuerwiihlte Biirgermeister Busse
in Chicago hat in einer Proklama-
tion, in der das Volk zur Entfernung
alien Schmutzes der Riesenstadt aufge-
fordert wird, unter andereni auch den
Vorschlag gemacht, die Schulprinzipale
und Schullehrer(innen! ) sollten die
man n lichen Schiiler hinaus auf die
leeren Bauplatze fiihren und das um-
herliegende und fliegende Papier aufle-
sen und sofort an Ort und Stelle ver-
brennen lassen. Einfach, praktisch,
wirksam, und auch billig, nicht wahr?!
Bekanntlich werden auch an ameri-
kanischen Schulen von Zeit zu Zeit
allerhand Abstimmungen vor-
genommen. Die iSchiiler werden aufge-
fordert, kurzerhand zu entscheiden, ob
Gothe oder Longfellow der grossere
Dichter ist. ob Roosevelt beruhmter
werden wird als Washington geworden
ist. Und so weiter. Jiingst veranstal-
tete Lewis Atherton unter den Schiilern
der Hochschulen (high schools) zu Osh-
kosh, Wis., eine Abstimmung dartiber,
welches das beliebteste Volkslied sei.
Da stimmten die SchUler fiir "The
Star-Spangled Banner"? O nein! Nun
dann gewiss fiir "America?" Wiederum
nein! Die Mehrzahl der Schiiler ent-
schied sich fiir — ,,Die Wacht ant
30
Monatshefte fur deuische Sprache und Pddagogik.
R h e i n" ! So geht's, wenn einer neu-
gierig ist.
Schulprasident Dr. Maxwell von
New York hat sich des langeren iiber
die notwendigsten Verbesse-
r u n g e n in den New Yorker
Volksschulen ausgesprochen. Da
die geriigten Mangel typisch sind in un-
sereni Lande, so geben wir im nachfol-
genden die wichtigsten Maxwellschen
Vorschliige wieder, ohne jedoch Raum-
mangels wegen imstande zu sein, jedes-
mal auch die ausfuhrliche Begriindung
anzufiihren. Dr. Maxwell sagt im we-
sentlichen :
Erst ens. Die Zahl der Schiller in
einer Klasse darf nicht grosser als vier-
zig sein, obgleich das noch nicht das
Ideal ist. Einer der schreiendsten
Mangel in unserem Volksschulsystem ist
der, dass der Lehrer nicht imstande ist,
dem einzelnen Schiller mehr Aufmerk-
samkeit zn schenken.
Zweitens. Das gegenwartige
Zwangs-Schulgesetz des Staates New
York ist mangelhaft. Es muss so ab-
geandert werden, dass nachlassijre El-
tern, und nicht, wie es in der Haupt-
sache jetzt geschieht, die Kinder wegen
Nichtbesuch der Schule bestraft werden.
Ferner sollte dnrch dasselbe Gesetz der
Anfang des schulpflichtigen Alters auf
das siebente Lebensjahr herabgesetzt
worden.
D r i 1 1 e n s. Um zu verhindern, dass,
wie bisher, so viele Schiller nach dem
Eintritt in die Volkshochschule (high
school) dieselbe bereits im 'ersten Jahre
wieder verlassen, muss es in Zukunft
eine der ersten Pflichten der Elementar-
lehrer und Schulprinzipale sein, ihre
•Schiller bei der Auswahl des geeignet-
sten Hochschulkursus zu leiten. Aus
demselben Grunde miissen in den IToch-
schulgebiiuden Raume geschaffen wer-
den, in denen der Schiller unter Aufsicht
nnd Anleitung des Lehrers seine Haus-
aufgaben anzufertigen hat.
Viertens. In jeder Elementar-
schule, in der sich noch keine Schreiner-
werkstiltte fiir Knaben und keine Kii-
chen- und Nahrjiume fiir Mlidchen be-
finden. sollten solche Raume so schnell
wie moglich geschaffen werden.
Ftinftens. Der Schulrat hat es
sich angelegen sein lassen. einige Klas-
sen fiir geistig Zuriickgebliebene einzu-
richten. Aber Blinde, Lahme, Taub-
stumme, Kriippel aller Art haben ein
viel grosseres Recht, in besonderen
Schulen unterrichtet zu werden, weil
korperliche Verkriippelungen den Kampf
ums Dasein erschweren. Es ist deshalb
die Pflicht der Schulbehorden, solche
Sender- Erziehungsanstalten einzurichten
und zu unterhalten.
Sec listen s. Von 78,401 im Jahre
190(5 auf ihren Gesundheitszustand hin
gepriiften Kindern litten an
Mangelhafter Erniihrung 4,921
Flerzkrankheiten 1,096
Lungenkrankheiten 757
riautkrankheiten 1,558
Rilckgratverkrtimmungen 424
Verbildeter Brust 261
Verbildeten Beinen 550
Augenkrankheiten 17,928
Ohrenkrankheiten 869
Nasenkrankheiten 11,314
Zahnkrankheiten 39,597
Mandelkrankheiten 18,306
Schwachsinnigkeit Iy857
Sich auf obiges Ergebnis stiitzend,
f ordert Dr. Maxwell die E i n r i c h-
t u n g v o|n S p e i s e r a u m e n , in de-
ncn nahrhafte Nahrungsmittel zum
Kostenpreise verabfolgt werden. Er
folgert ganz richtig, dass schlechte Er-
nahrung das GrundUbel der meisten
korperlichen Gebrechen ist.
Dann fordert er, dass Kindern, wenn
notig. f r e i e B r i 1 1 e n geliefert wer-
den. Es ist Unsinn, sagt er, freie Schul-
biicher zu liefern. Avenn der Schiller das,
wns im Buche oder an der Tafel steht,
nicht lesen kann. Das Kind, dessen
Sehkraft mangelhaft, ist hoffnungslos
im Xachteil. Die Ausgabe von ein paai;
Tausend Dollars fiir Brillen wiircle Tau-
senden von Schiilern die Moglichkeit an
die Hand geben, mit ihren Klassenge-
nossen gleichen Schritt zu halten. Auf
die Eltern ist in dieser Sache gar kein
Verlass. Von funfzig Fallen in einer
Schulschwanzer- Schule, in denen die El-
tern auf gef ordert wurden, die storenden
Krankheiten ihrer Knaben in namhaft
gemachten Hospitalern und Kliniken
kostenfrei behandeln zu lassen, sei
nur in einem einzigen Falle der gegebene
Rat befolgt worden. Man bestrafe die
Knaben wegen Schulschwanzens, ob-
gleich sie fiir das Vergehen nicht mora-
lisch verantwortlich gemacht werden
konnten.
Siebente ns fordert Dr. Maxwell
Geld, mehr Geld! Die jetzige Legislatur
des Staates New York hat sechs Mil-
lionen Dollars zur Erhohung der Gehal-
ter der Lehrer bewilligt. Trotzdem nun
die Zeit gekommen sei, dass die Gehal-
ter der Lehrer erhoht werden sollten, so
fordere jedoch das Wohl der Kinder,
dass nicht die ganze Summe in die Ta-
schen der Lehrer fliesst.
Umschau.
31
Statistisches. Dem ,,Handbuch
der Frauenbewegung" entnehmen wir
folgende Statistik des Prozentsatzes
Lehrer
ftsterreich 51,500
Ungarn 26,365
Schweiz 6.400
England und Wales 26,200
Schottland 4,000
Trland 6.000
Danemark 4,500
Sch wed en 4,922
Norwegen Stadt 683
Land 3,169
Finn land Stadt 210
Land 960
Ptussland 38,700
Frankreich 56,370
Italien 18,600
Portugal 2,300
Vereinigte Staaten 6,300
Diese tibersicht zeigt, dass diejenigen
Staaten, in welchen die romische Kirche
eine dominierende Stellung einnimmt,
der Verwendung weiblicher Lehrknifte
freundlich gegeniiberstehen. Das Glei-
che gilt von den Staaten, in welehen
die Erziehung von jeher <Sache der Fa-
milien, der Genossenschaften und Ver-
eine, iiberhaupt ein Gegen stand der
freien Bestimmung der Eltern war.
Auch in den nordamerikanischen Staa-
ten wirken mehr Lehrerinnen als Leh-
rer. Dieses Verhiiltnis hat dort wohl
in der eigentiimlichen Stellung des Wei-
bes seinen Grund. Die Gleichheit der
Geschlechter ist zwar aueh in Amerika
noch nicht theoretisch anerkannt, aber
F r e i 1 u f t s c h u le n in D e u t s c h-
1 a n d. tiber das System der Freiluft-
schulen in Deutschland schreibt der
Londoner ^Standard" wie folgt:
In Deutschland, wo die Erziehung
realer und verniinftiger ist als bei uns,
sind die Freihuftschulen keine Neuheit
mehr. An jedem Tag der dreizehn Wo-
chen des Sommertermins begibt sieh
eine ausgewjihlte Schar von anami-
schen. schwindsiichtigen und skrofulo-
sen Kindern rait der Strassenbahn oder
auf eigenen Ffissen nach den Tannen-
waldern in der Umgebung von Berlin.
Das Curriculum erscheint gefallig und
ist sozialistisch in der einwandfreisten
Weise. Die Kinder werden hier ebenso
korperlich wie geistig genahrt. Frei-
lich ist der Unabhangigkeitssinn und
der Wohlstand der arbeitenden Klasse
der milnnlichen und weiblichen Lehrer
in verschiedenen Staaten:
Lehrerinnen
20,000
5,986
3,600
66,300
7,000
7,000
1,800
2,649
1,216
1,138
580
920
22,400
49,400
31,800
22,000
76,348
Prozentsatz
der Lehrerinnen
28
18,5
36
71,5
63,6
53,8
28,6
35
69,3
26,4
73,4
49
36,6
46,7
63
88,2
92,3
irti iiffentlichen Leben geniessen die
Frauen dort eine Achtung, wie in kei-
nem anderen Lande. Dazu kommt, dass
dort der Lehratand von den Mannern
gewohnlieh nur als eine Durchgangs-
periode betrachtet wird, die weiter fiih-
ren soil, und die Statistik weist nach,
dass wenige mehr als 5 Dienstjahre
zahlen.
Das Deutsche Reich hat der Anstel-
lung miinnliclier Lelirkrafte stets den
Vorzug gegeben. Nach dem ,,Statisti-
schen Jahrbuch fiir das Deutsche Reich"
(1904) waren in demselben 124,027 Leh-
rer und 22,513 Lehrerinnen angestellt.
Der Prozentsatz der letzteren betrug
also 15.4.
in Deutschland gross genug, um fiir die
sechs Pence (.} Mark) pro Tag und
Kind betragenden Kosten aufzukom-
men. Tin Tagesprogramm wechseln
Unterricht und Erholung regelmiissig
ab. Ausserdem werden zwei Stunden
Schlaf als ebenso obligatorisch ange-
sehen wie ein Studium von mehr prosa-
ischer Xatur, und auch den Spielen
wird reichlich Zeitraum gewiihrt. So
wird die Zeit in der rationellsten Weise
ausgeniitzt; korperliches Wachstum
wird unterstutzt, wahrend der Geiste
seine Nahrung erhiilt, und als Resultat
zeigt sich ein wunderbarer Fortschritt
in der Gesundheit dieser Kinder, von
denen viele sich zu tiichtigen Biirgem
entwickeln, anstatt der physischen De-
generation zu unterliegen, welche die
Natur ihnen auferlegt hat.
Monatshe-fte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Eingesandte Biicher.
Z u m M o r a 1 - U n t e r r i c h t. Aus-
gewiihlte Kapitel aus englischen Lehr-
biichern, ins Deutsche ttbertragen und
mit einer Einleitung versehen von
Emily Altschul. Wien und Leip-
zig, A. Hartlebens Verlag, 1908. Preis
M. 2.
Das F r ii u 1 e i n von S c u d e r i.
Kr/ahlung aus dem Zeitlalter Ludwig
des Vierzehnten von E. F. A. Hoff-
in a n n. With introduction and notes
by Gustav Gruener, Professor in
Yale University. New York, Henry
Holt & Co., 1907. Preis 35 cts.
Burg Neideck von Wilhelm
H e i n r i c h R i e h 1. Edited with in-
troduction, notes, exercises and voca-
bulary by J. B. E. Jonas, Professor
in Brown University. Boston, D. C.
Heath & Co., 1907.
Die Harzreise von H e i n r i c h
Heine. Edited with introduction,
notes and vocabulary by B. J. V o s ,
Associate Professor of German in the
Johns Hopkins University. Boston, D.
C1. Heath & Co., 1907. Price 45 cts.
Der gesamte Lehrstoff des
naturkundlichen U n t e r -
r i c h t s. Eine Darstellung der Glie-
derung und Behandlung des gesamten
naturkundlichen Unterrichts in Ent-
wiirfen und Pliinen fiir einfache und
gegliederte Volksschulen von Dr. Ri-
chard Seyfert, Seminaroberlehrer
in Annaberg i. E. Vierte, vermehrte
Auflage. Leipzig, Ernst Wunderlich,
1908. Preis M. 3.60.
Die A u s b i 1 d u n g f U r den
Fortbildungs- und Gewerbe-
schuldienst. Umschau und Anre-
gungen fiir Behorden, Lehrer und Leh-
rerinnen. Im Auftrage des Siichsischen
Fortbildungsschulvereins bearbeitet v.on
Dr. R. Seyfert, Seminaroberlehrer,
Annaberg im Erzgebirge. Leipzig, Ernst
Wunderlich, 1908. Preis 80 Pf.
Fiihrer durch die Stromun-
gen auf dem Gebiete der Pa-
dagogik und ihrer Hilfswis-
senschaften ; zugleich ein Ratge-
ber fiir Lehrer und Schulbeamte bei der
Einrichtung von Bibliotheken. Heraus-
gegeben unter Mitwirkung von Gelehr-
ten und Schulmilnnern von H. S c h e-
r e r , Schulrat in Biidingen (Oberhes-
sen). 4. Heft: Geschichtsun-
t e r r i c h t. Ijeipzig, Ernst Wunder-
Natur ihnen auferlegt hat. 0. B.
(Offiziell.)
Nachtrag zur Mitgliederliste des Lehrerbundes.
Carl Herzog,
477 W. 140th St.,
New York.
Louis Hahn.
Monatshefte
fiir deutsche Sprache und Padagogik.
(Fniher: Padagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* . febniav 1908* Reft 2.
In wie weit darf man sich beim Unterricht in der deutschen
Sprache des llbersetzens ins Englische bedienen?1
Yon Prof. Dr. M. M. Skinner, Leland Stanford Jr. Univ., Calif.
(Schluss.)
Der Hauptnachdruck 1st auf den Inhalt, auf die Ideen und Gedanken
eines Buches zu legen. Der Lehrer darf es aber anfangs den ScMlern
nicht iiberlassen, dem Inhalt des Werkes nachzuforschen und ihn zu
erschliessen. Er muss ihnen zeigen, wie das am leichtesten und am
griindlichsten zu machen ist. Es wird Zeit brauchen, den Schiller ans
Ziel zu fiihren, aber das Ziel ist wenigstens auf diesem Wege erreichbar.
Wie ich schon oben gesagt habe, verwerfe ich das Ubersetzen nicht
ganz. Im Gegenteil bin ich der Meinung, dass bei amerikanischen Stu-
denten die tibersetzung ein wertvolles und unentbehrliches Hilfsmittel
zur Erlernung einer fremden Sprache und folglich bis zu einem gewissen
Grade beizubehalten ist. Wir miissen sie aber bloss als Hilfsmittel ge-
brauchen, keineswegs zur Hauptsache erheben oder ausschliesslich damit
verfahren. Der Student findet namentlich am Englischen einen Anhalt,
und das Deutsche wollen wir anfangs angekniipft wissen, um den Schii-
iern auf die Beine zu helfen. Wir miissen sogar alle Kenntnisse, die
irgendwie nutzbar sein konnten, heranziehen, um dieselben, sobald sie
ihre Dienste geleistet haben, eine nach der anderen zu entfernen. Die
34 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Kenntnisse der lateinischen, griechischen, franzosischen und englischen
Sprache sind aber zu Eate zu ziehen. Der Student muss auch ermuntert
werden, so viel zu erraten wie moglich. Das Ubersetzen 1st ihm aber zu
verbieten, bis er zuerst die ganze Aufgabe wenigstens einmal durchgelesen
und auch versucht hat, den Gang der Erzahlung zu verfolgen und die
Bedeutung der Worter ohne Heranziehen des Worterbuches heraus-
zufinden.
Wie die Sache nun steht, miissen wir es bei einer langsamen Ent-
wickelung bewenden lassen. Nach der Aneignung eines ziemlich guten
Wortschatzes ist der Sinn der Stelle dadurch zu erschliessen, dass man
die Studenten auf die darin vorkommenden, ihnen bekannten Vokabeln
aufmerksam macht und sie ermuntert, mit diesen zu operieren und soweit
wie moglich den Inhalt der Stelle wiederzugeben. Der Wortschatz ver-
mehrt sich bald, und die bekannten Worter deuten den Sinn der neben-
stehenden an.
Am Anfang muss man zufrieden sein, wenn die Schuler den Haupt-
inhalt, den Hauptfaden der Erzahlung herausziehen kb'nnen. Diese
tibung sollte zuerst auf Englisch gehalten und der Ubergang zum Deut-
schen so natiirlich und leicht wie moglich gemacht werden. Wir diirfen
die Schwierigkeiten nicht haufen, den Schiilern das Inhalterschliessen
und das Sichaufdeutschausdriicken zur selben Zeit beibringen zu wollen.
Sobald die Studenten die Methode ziemlich gut verstehen und mehr
Selbstvertrauen gewonnen haben, darf man mehr Details verlangen, ob-
gleich der Hauptgedanke auch dann zuerst klar gemacht werden muss.
Nach und nach kann der Lehrer anfangen, die Fragen auf Deutsch zu
stellen und den Inhalt der Stelle auf Deutsch kurz zusammenzufassen,
nachdem der Schuler denselben auf Englisch erzahlt hat. Spaterhin
sollte man die Studenten dazu anhalten, die wichtigsten deutschen Satze
oder Worter einer Stelle zusammenzufugen und auf diese einfache Weise
den Inhalt der Stelle wiederzugeben. Einfache Satze sind aber bei diesem
Stadium der Entwicklung zu verlangen. Die Hauptschwierigkeit ini
schnftlichen wie auch mundlichen Gebrauch der deutschen Sprache ent-
steht aus dem Streben, sich in langen, verwickelten Satzen auszudriicken.
Die Schiller miissen einfache Aussagesatze bilden und fliessend ausspre-
chen lernen, ehe sie zu schwierigen zusammengesetzten iibergehen.
Der Gebrauch des Englischen soil aber allmahlich abnehmen und der
des Deutschen zunehmen, bis endlich fast nichts als Deutsch in der
Klasse gehort wird. Auch dann wird es wohl hier und da oft fur notig
erfunden, eine sehr schwierige, sonst nicht leicht zu verstehende Stelle zu
iibersetzen, besonders wenn die betreffende Stelle philosophischen Inhalts
ist, abstrakte Ideen und Fachausdrucke enthalt oder sonst irgendwie iiber
den Verstand der Schiller hinausgeht. In solchem Falle aber sollte der
~Ubersetzen im deutschen Sprachunterricht. 35
Lehrer versuchen, den Inhalt vorher in einfachen deutschen Worten zu
geben, d. h. die Stelle zu umschreiben.
Unsere Studenten lesen zu wenig. In dem Zeitraum, der zwischen
den Vorlesungen liegt, wird der Gedankenzusammenhang schwach und
blass, der Faden der Erzahlung geht oft ganz aus den Handen verloren.
Wir miissen mehr lesen, immer grossere Quantitaten aufgeben. Schnelles
Lesen oder grosse Quantitaten lesen bedeutet nicht notwendigerweise
soviel wie Nachlassigkeit oder Oberflachlichkeit. Das alte Sprichwort
lautet ,,Non multa, sed multum." Unter Umstanden ist aber ,,multa"
ratsamer. Seien wir nicht ,,eines Buches Mann", sondern vieler, mit
ihren Verschiedenheiten im Stil, Wortschatz und Gesichtspunkte. Es ist
gerade wie im Leben. Je mehr man gereist, je mehr man erfahren, je
mehr man seinen Wirkungskreis erweitert hat, desto tiefer und inniger
wird das Yerstandnis fiir eine beschranktere Urngebung oder ein begrenz-
teres Wirkungsgebiet. Breite bedeutet nicht immer Oberflachlichkeit,
sondern auch Fortschritt. Stille Wasser sollen tief sein, aber sie kommen
nicht von der Stelle. Griindlichkeit ist ja eigentlich nicht die Eigen-
schaft einer Methode, sondern sie hangt schliesslich vom einzelnen
Lehrer ab.
Ich habe verschiedene Yersuche angestellt, um das oben gesteckte
Ziel zu erreichen, namlich die Studenten Deutsch schnell und mit Yer-
standnis lesen zu lassen, ohne die Yermittelung des Englischen. Yom
psychologischen Standpunkte schien es mir ganz klar, dass ein Ameri-
kaner, um die deutsche Sprache zu erlernen, die Wortfolge beibehalten
muss, die in dieser Sprache die herrschende ist; dass die Gehirnvorgange
bei ihm dieselben bleiben miissen, wie sie im Kopfe des Deutschen sind,
d. h. dass er nicht durch die Eigentiimlichkeit oder Fremdartigkeit der
Wortfolge gestort, abgeschreckt oder entmutigt werden darf. Die Worte
miissen durchs Ohr und Auge ins Gehirn dringen in gerade der Eeihen-
folge, wie sie dem Deutschen in den Kopf kommen und wie sie auf der
Druckseite stehen. Das ewige Suchen nach dem Subjekt, nach dem Yer-
bum, nach dem Objekt u. s. w. ist ganz verkehrt und dient nur dazu, den
Schiiler weiter vom Ziel abzufuhren. Mich auf diese Yoraussetzung stiit-
zend, verlangte ich von meinen Klassen ein wortliches tibersetzen, d. h.
ich Hess die Schiiler Wort fiir Wort in der deutschen Wortfolge ins Eng-
lische iibersetzen, nachdem sie das Deutsche einmal fiir sich durchgelesen
hatten. Anfangs fiel es den Studenten schwer, bei einer solchen teutoni-
eiert-englischen Ubersetzung sich eines Lachelns zu enthalten. Mit der
£eit aber gewohnten sie sich daran und sahen auch ein, dass dieses Yer-
fahren die Arbeit sehr erleichterte und die deutsche Wortfolge zu etwas
mehr natiirlichem machte. Eine Wiedergabe des Inhalts war aber jedes-
mal von vornherein die erste Bedingung; allmahlich wurde dann mit der
Zeit das tibersetzen eingestellt, und ich war nicht wenig erfreut, am Ende
36 Monatshefte fur deutsche Spraclie und Pddagogilc.
des Jahres die Erfahrung zu inachen, dass die meisten Studenten in der
Klasse in einer Stunde fiinfzehn Seiten eines nie vorher gesehenen deut-
schen Textes lesen und den Inhalt wiedererzahlen konnten, ohne dass sie
die Aufgabe zuerst muhsam iibersetzen mussten. Diese Klasse hatte erst
ein Jahr deutschen Studiums hinter sich.
Es kam mir aber mit der Zeit zu gewagt und gefahrlich vor, das
Deutsche auf Kosten des Englischen zu lehren, da ich gestehen muss,
dass ein sehr sonderbares Englisch bei einem solchen Verfahren zustande
kommt. Seitdem habe ich also nach Besprechung des Inhalts eine ziem-
lich grosse Anzahl Seiten am Anfang des Buches in gutes Englisch iiber-
setzen lassen. Mcht dass ich die Meinung teile, man treibe fremde Spra-
chen, um auch nur nebenbei sein Englisch zu vervollkommnen. Ich
glaube nicht, dass die Kenntnis des Englischen durch das viele tibersetzen
aus einer fremden Sprache sehr vermehrt oder der englische Wortschatz
bedeutend erweitert wird. Die Gefahr liegt vielmehr vor, dass der Lehrer
sich eine Ubersetzung in nur mittelmassigem oder gar schlechtem Eng-
lisch gefallen lassen wird, und dass fremdsprachliche Eigentiimlichkeiten
sich in die englische Muttersprache eindrangen. Dass die Nachlassigkeit
im Gebrauche des Englischen dadurch nur verstarkt wird, brauche ich
kaum zu erwahnen. Eine Ubersetzung, wie sie der Schiller gewohnlich
macht und der Lehrer gelten lasst, hat oft einen deutschen Anstrich, der
dem Schiiler mit der Zeit immer natiirlicher vorkommt und ihm schliess-
lich als echt englisch erscheint. Soil iibersetzt werden, so begniige man
sich mit den ersten Seiten eines Werkes, um die Studenten mit dem be-
sonderen Wortschatz und dem Stil des betreffenden Schriftstellers ver-
traut zu machen.
In einem zweistiindigen Kursus im vorigen Jahre lasen wir im ersten
Semester Eaabes ,,Hungerpastor" (397 Seiten) und im zweiten Spiel-
hagens ,,Problematische Naturen" (2 Bde., zusammen 837 Seiten). Das
Verfahren war wie folgt : Die ersten achtundvierzig Seiten vom ,,Hunger-
pastor" und die ersten vierundneunzig der ,,Problematische Naturen"
wurden von den Studenten zuerst gelesen und dann inhaltlich wieder-
gegeben; erst nachdem dies in jedem Falle geschehen, wurde eine Uber-
setzung ins Englische verlangt oder auch nur gestattet. Was die Uber-
setzung anbelangt, liess ich mir nur eine solche gefallen, die als sehr gutes
Englisch gelten konnte. Um das zu erreichen, sah ich mich gezwungen,
den Schiilern zu zeigen, wie sie die deutschen Satze zergliedern, Haupt-
satze in Nebensatze und umgekehrt verwandeln und iiberhaupt ganz an-
ders mit dem Texte verfahren mussten, als sie beim Ubersetzen gewohn-
lich getan hatten. Nachdem die Klasse sich in das betreffende Werk
hineingelesen hatte, warf ich alles Ubersetzen bei Seite und begniigte
mich mit dem blossen Lesen und Erklaren des Inhaltes. Ich scheute mich
nicht, spaterhin hier und da ein paar wichtige Seiten iibersetzen zu laasen.
~Ubersetzen im deutschen Sprachunterricht. 37
Die Vorziige und Nachteile des Werkes erklarte ich selbst, und dazu hielt
ich auch Vortrage iiber den deutschen Eoman. Ich verwendete ziemlich
viel Zeit darauf, den Schiilern zu zeigen, wie der Hauptinhalt, die wich-
tigsten Ideen aus dem Texte herauszufinden waren. Oft nahm ich eine
Seite oder ein Kapitel vor und machte ihnen deutlich, wie ein einziges
Wort manchmal den Schliissel zu dem Inhalt des Ganzen bieten kann,
wie aber allgemein genommen das Wort noch ofter unverstandlich bleibt,
dagegen vom Satzzusammenhang eine einleuchtende Bedeutung gewinnt;
ferner wie die Bedeutung des Satzes oft durch den Paragraphen, die des
Paragraphen durch die Seite, die der Seite durch das Kapitel mannigfach
beleuchtet und klargelegt wird. Als der Schiller sah, dass er den allge-
rneinen Inhalt einer Seite mit Hilfe bloss derjenigen Worter und Phra-
sen, die er schon kannte, erschliessen konnte, fiihlte er sich ermutigt.
Sein Selbstvertrauen wuchs, und das Spiel war gewonnen. Als Hausauf-
gabe verlangte ich anfangs drei Seiten und vermehrte das Pensum, bis
ich am Schlusse des zweiten Semesters fiinfzig Seiten auf einmal auf-
geben konnte, ohne dass sich die Schiller iiber die Lange der Aufgabe
beschwerten oder der Durchschnittsschiiler dieselbe nicht bewaltigen
konnte. Diese Schiller waren im dritten und vierten Jahre ihres Stu-
diums der deutschen Sprache. Am Anfang des Jahres aber konnten nur
die allerwenigsten derartig mit ein paar Seiten verfahren.
Man diirfte fragen, welche Gewahr haben wir, dass die Studenten zu
Hause nicht gleich zum Worterbuch greifen, um es sich, wie sie vielleicht
glauben, leicht zu machen ? Wir konnen natiirlich niemals in alien Fallen
mit Gewissheit erfahren, ob die Schiller gewissenhaft sind; aber wenn sie
es wissen, dass der Lehrer beim Examen das Hauptgewicht oder das
ganze Gewicht auf die Fahigkeit legen wird, mehrere Seiten eines deut-
schn Textes schnell zu lesen und den Sinn derselben herauszufinden, ohne
das Deutsche zu iibersetzen,, so werden sie es wohl fiir ratsam erachten,
sich im Laufe des Jahres darauf vorzubereiten.
Eine ganzliche Veranderung des Klassenunterrichts bedingt aller-
dings eine solche Methode. So dumm, so verkehrt, so geistestotend ist
kein Verfahren wie das, welches die ganze goldene Stunde zu einer Kepe-
tieriibung herabwiirdigt, wo der Lehrer bloss abhort, was der Schiller
gelernt hat. Die Wiederholung des in der vorigen Stunde oder zu Hause
Durchgegangenen ist womoglich immer zu vermeiden. Der Lehrer kann
wohl jedesmal den Inhalt des Vorhergehenden kurz erzahlen lassen und
sich durch ein paar geschickt abgefasste und zugleich umfassende Fragen
versichern, dass die Schiller ihre Pflicht tun. Das ist aber ganz was
anderes als das Wiederholen an und fiir sich zum Prinzip zu erheben!
Soil womoglich Griindlichkeit dadurch erzielt werden? Griindlichkeit
lasst sich ebenso gut dadurch erzielen, dassNman sich griindlich mit nie
vorher gesehenem Stoffe beschaftigt. Soil vielleicht der Wortschatz ge-
38 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
sichert werden ? Nun, derselbe wird ebenso gut und vielleicht noch besser
gesichert durch die Wiederkehr derselben Worter auf jeder neuen Seite
und zwar in verschiedenem Zusammenhange. Wenn man immer neuen
Stoff in der Klasse vornimmt, so wird der Verstand und der Spiirsinn
des Schiilers gescharft; er muss aufgeweckt bleiben, um iiberhaupt mit-
zukommen. Sein Interesse bleibt rege, weil er etwas ISTeues erfahrt, sei
es in der Erzahlung als solcher, sei es in den enthaltenen Ideen. Nur in
einem einzigen Falle wiirde ich das Wiederholen vorschlagen, namlich
nachdem man das Buch zu Ende gelesen hat. Dann ist ein schnelles
Wiederlesen oft sehr zu empfehlen.
Ein eingehendes Studium der Grammatik ist meines Erachtens bei
unseren amerikanischen Studenten nicht zu entbehren. Anfangs aber soil
man die Sache mehr induktiv treiben und nicht bloss den Schulern einige
tote Paradigmata einpauken wollen. Nachher aber ist ihnen ein systema-
tischer tiberblick der Grammatik zu geben. Sonst werden sie niemals
sicher sein, dass sie den genauen Sinn des Werkes erfasst haben. Das
Bewusste wird ja spater ins Unbewusste iibergehen, wahrend ein Gefiihl
fiir die feineren Schattierungen des sprachlichen Ausdruckes gewonnen
werden wird. Je griindlicher und umfangreicher die Kenntnis der Prin-
zipien der Wortbildung, der Etymologic, der Syntax, mit anderen Worten
je grosser die Kenntnis der Fakta in der Geschichte und Entwickelung
der Sprache, desto starker wird die Divinationsgabe, desto besser vor-
bereitet wird der Student fiir seine Arbeit in der Literatur sein.
Einen besonderen Vorzug hat diese Inhaltsmethode, namlich die,
dass der Schiiler aus seiner Schale herausgelockt wird. Er wird gezwun-
gen, nicht nur liber den Lesestoff nachzudenken (und dadurch ist schon
viel gewonnen, denn vom Denken bei amerikanischen Schulern konnen
wir selten sprechen), sondern er muss auch den Inhalt in seinen eigenen
Worten erzahlen. Seinen Gedanken muss er wirklich Ausdruck geben.
Er bleibt nicht mehr passiv und schweigsam wie das Grab, sondern nimmt
aktiven Teil oder den Hauptteil an dem Unterricht. Das kommt seiner
ganzen Geistesentwickelung zugute.
Vom Anfang an muss der Lehrer die Studenten auf den Stil des
betreffenden Schriftstellers aufmerksam machen, ihnen die Vorziige oder
Nachteile gewisser Worter oder Phrasen erklaren, die Nachlassigkeit oder
Sorgfaltigkeit dieses oder jenes Autors besprechen und iiber die Wahl
und Handhabung des Stoffes, iiber den Aufbau des Ganzen und das In-
einanderweben der verschiedenen Faden der Erzahlung ein gewichtiges
Wort zu sagen haben. Auch soil der Schiiler angespornt werden, ein
selbstandiges Urteil iiber das Buch zu fassen. Es ist iiberraschend, wie
oft der Student den Nagel auf den Kopf trifft, wenn er sich die Miihe
gibt und das Selbstvertrauen hat, iiber einen Gegenstand nachzudenken.
Ohne Ermunterung aber tut er es selten.
'Ubersetzen im deutschen Sprachunterricht. 39
Die Aussprache des Deutschen 1st keineswegs zu vernachlassigen.
Deutsch 1st eine lebende Sprache, und das muss der Schuler auch empfin-
den. Die Aussprache soil aber nach keinen Biicherregeln gelernt werden.
Der Lehrer muss besonders in den ersten Monaten viel vorlesen und die
Quantitat aller im Texte auftretenden Vokale wie auch den Wort- und
Satzakzent genau angeben. Erst wenn sich die Schuler daran gewohnen,
den deutschen Text mit richtiger Satz- und Wortbedeutung zu lesen, wo-
bei sie die richtigen Pausen eintreten lassen und auch auf die Quantitat
der Vokale genau acht geben, werden sie die Fahigkeit erlangen, Deutsch
einigermassen gut laut oder auch fiir sich verstandnisinnig zu lesen. Es
muss im ersten und zweiten Jahre iiberhaupt viel fiir das laute Lesen des
deutschen Textes gesorgt werden; spater wird der selbstandige Gebrauch
des Deutschen im Inhaltangeben und im Fragen und Antworten genii-
gende tibung bieten.
Ich komme jetzt zu der wichtigen Textfrage: Was fiir und welche
Biicher sollen wir zum Lesen verwenden? Diese Frage konnen die Stu-
denten oft besser beantworten als der Lehrer selbst, wenigstens im nega-
tiven Sinn. Weniger Kindermiirchen (wie die Grimmschen), Tierfabeln
und alberne oder allzu riihrende Erzahlungen. Solche sagen den ameri-
kanischen Jiinglingen gar nicht zu. Dass unsere Studenten nicht gegen
das Lesematerial protestieren, ist kein Beweis dafiir, dass sie dasselbe fiir
geeignet halten. Machen Sie einmal den Versuch, meine Damen und
Ilerren. Lassen Sie Ihre Schuler ein paar Kindermarchen und dann
einige Erzahlungen vom wirklichen Menschenleben lesen. Wenn sie dies
getan, befragen Sie dieselben iiber ihre Meinung. Ich bin iiberzeugt, dass
die Antwort in weitaus den meisten Fallen zugunsten der Erzahlungen
ausfallen wird. Dass aber das Interesse an der Sprache oft nicht zu
erwecken ist, wenn das Buch oder die Erzahlung nicht anspricht, weil es
deni Leser kindlich oder gar albern erscheint, dariiber lasst sich nicht
streiten. Studenten wollen als Erwachsene behandelt werden. Sie
wollen gute Literatur lesen, Werke, die sich der Miihe lohnen, die unge-
fiihr auf gleicher Stufe mit denen stehen, welche sie im Englischen lesen
und geniessen. Ihre Marchentage sind voriiber; sie werden wohl wieder
kommen, aber jetzt empfinden sie nur Yerachtung fiir das, was sie Kin-
dergeschichten nennen. Diese Abneigung ist zwar mehr bei der mann-
lichen Jugend vertreten als bei der weiblichen, abr bei dieser ist sie auch
mehr oder weniger zu finden. Der Gebrauch von Tierfabeln ist zu weit
getrieben worden. Der Esel mit der Salzlast oder der Wettlauf zwischen
dem Hasen und dem Igel hat nicht dasselbe Interesse fiir die Schuler wie
eine Geschichte von der grossen Welt, von Mannern und Frauen im
wirklichen Leben. Noch dazu ist die Zeit, welche der Student auf das
Studium der deutschen Literatur und Sprache zu verwenden hat, sehr
40 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
beschrankt. Er muss sparsam damit uingehen und so wenig wie moglich
auf unbedeutende Werke verschwenden.
Es 1st besser, einen schwierigen Text zu wahlen, der literarisch wert-
vollen Stoff liefert, als einen leichten, der bedeutungslos, kindisch oder
fade und albern ist. Am liebsten sind Novellen oder Eomane zu lesen,
deren Geschichte sich auf deutschem Boden abspielt, die mit deutschem
Gefiihl und deutschem Geist durchdrungen sind. Die deutsche Literatur
ist reich an hiibschen, kleinen Erzahlungen und Novellen, die sehr geeig-
net sind, das Interesse des Lesers zu fesseln und ihm Achtung vor einer
Sprache einzuflossen, deren Schriften ihn so ergreifen konnen. Fiir Vor-
geschrittene wiirde ich langere Romane mit spannender Entwickelung
wahlen. Langere Texte haben den Vorzug, dass man mit ziemlich grosser
Leichtigkeit fortfahren kann, nachdem man sich hineingelesen hat, wo
man sich dagegen bei kiirzeren Erzahlungen gezwungen sieht, sich an
einen neuen Stil und Wortschatz zu gewohnen, gerade wenn man ange-
1'angen, mit dem alten vertraut zu werden. Spielhagens Romane mit
ihrem leichten, einfachen Stil und ihrer packenden Erzahlung eignen
sich ausgezeichnet zu solcher tibung.
Grossere Reife ist erforderlich, wenn man sich mit Dramen beschaf-
tigen will. Wir haben bei Dramen die grosstmogliche Gedrangtheit, eine
Pragnanz des Ausdruckes, die bei einem Romane weder zu finden ist noch
moglich oder wiinschenswert ware. Mehr ist dem Horer oder Leser
iiberlassen, selbst herauszufmden, als beim Roman. Ein Drama muss in
ein paar Akte eine Welt von Ereignissen zusammendrangen. Der
dramatische Dialog wimmelt oft von schweren Redensarten, die der Um-
gangssprache entnommen sind. Wenn der Romanschreiber weitlaufig
erzahlt, so bedient er sich einer Sprache, die fast immer einfacher und
gemeinverstandlicher ist. Folglich werden unterrichtliche Fortschritte
beim Vornehmen von Dramen langsamer sein, und die dramatischen
Texte sind deshalb erst spater zu lesen. Gegen Ende des zweiten Jahres
konnte man schon mit einem einfachen Drama anfangen und im dritten
und vierten schwierigere lesen und besprechen. Dramen und Texte iiber-
haupt, die ziemlich viel Dialekt enthalten, sind zu vermeiden. Wie ich
oben gesagt habe, sind Gedichte (d. h. echte Poesie) erst zu lesen, wenn
die Studenten so weit vorgeschritten sind, dass sie dieselben lesen und
geniessen konnen, ohne sie zuerst ins Englische zu iibersetezn; also gegen
Ende des dritten und im vierten Jahre.
In den Kursen iiber die Liter aturgeschichte sollten die Studenten
an die Werke selbst gewiesen werden anstatt an die Geschichten der Lite-
ratur. Sie konnen unmoglich ihren Geschmack ausbilden und ein
selbstandiges Urteil erlangen, wenn sie nicht viel, ja sehr viel, lesen. Ein
Literaturkursus sollte bloss ein Lesekursus fur Vorgeschrittene sein, mit
dem Unterschied, dass viel mehr aufgegeben wird und die Werke vom
\5bersetzen im deutsclivn tiprachunterricht. 41
Standpunkte der Kritik in der Klasse behandelt werden. Die Vortrage
des Lehrers konnten den Studenten alles geben, was sie von den Haupt-
stromungen der Literaturgeschichte wie auch vom Leben des einzelnen
Schriftstellers zu wissen brauchten. Dann und wann ware es ratsam, den
Schiilern das Lesen eines besonders guten kritischen Werkes oder Essays
zu empfehlen, aber das Grundprinzip bleibe: ,,Zuriick auf die Werke
selbst."
Zum Schluss will ich die in meinem Vortrag beriihrten Punkte kurz
zusammenstellen. Erstens, der lebendige Geist muss herrschen, nicht der
tote Buchstabe. Weg mit dem Fetisch der Ubersetzung als Endzweck!
Auf den Sinn des Ganzen, den Inhalt, den Lauf der Erzahlung, den
Gedankengang und die darin enthaltenen Ideen komme es an! Zweitens,
wir miissen eingedenk bleiben, dass wir mit amerikanischen Studenten,
bei denen kein deutsches Sprachgefiihl vorauszusetzen ist, zu tun haben
und noch dazu mit Erwachsenen, nicht mit Kindern. Die Kenntnisse in
alien Fachern, besonders in den Sprachen, in der lateinischen, griechi-
schen, franzosischen und in erster Linie der englischen, die der Student
schon gesammelt hat, muss man beim Studium des Deutschen zu ver-
werten suchen. Von der ersten Lektion an legen wir den Hauptnach-
druck auf das Verstandnis des Gelesenen, nicht auf die Ubersetzung des-
selben. Das tibersetzen ist aber am Anfang schwer zu vermeiden; nur
allmahlich wird es moglich sein, es abzuschaffen.
Wir miissen immer bemiiht sein, so viel wie moglich zu lesen. Nur
dann aber diirfen wir wiederholen, wenn wir den Studenten besonders
hiibsche oder bedeutende Stellen einpragen wollen. Nachdem die Erzah-
lung oder das Buch zu Ende gelesen, ist ein nochmaliges schnelles Wie-
derlesen zu empfehlen.
Ich wiinsche ausdriicklich zu sagen, dass ich iiberhaupt lieber das
Englische ganz entbehren wiirde, wenn die Klasse dazu fahig ware. Die
Mehrzahl amerikanischer Studenten sind das aber nicht, und das vorge-
schlagene Yerfahren ist bloss den uns begegnenden Umstanden ange-
passt. Die Studenten, die es kb'nnen, sollen sich selbstverstandlich so bald
wie moglich ganz auf Deutsch ausdriicken. Diejenigen, die Deutsch als
Hauptfach treiben, werden wohl mehr als einen Kursus in einem Jahre
belegen und also schneller selbstandig werden und die Hilfe des Engli-
schen entbehren konnen. Man erinnere sich, dass das Inhaltangeben der
Kern dieser Methode ist. Das tibersetzen ist bloss ein Mittel zum Ziel
und also Nebensache, wenn auch ein notwendiges tibel. Mit der Durch-
schnittsklasse amerikanischer Studenten, ich spreche nicht von Deutsch-
amerikanern, ist es aber ein wichtiger Hilfsgenosse, der den Studenten
auf den sicheren Weg bringt und ihn erst verlasst, wenn seine Dienste
nicht mehr notig sind.
42 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Das Eesultat eines solchen Verf ahrens wie das oben beschriebene 1st,
wie ich es mir vorstelle, folgendes: Die Schiller horen auf, Sklaven des
Worterbuches zu sein. Sie verlassen sich mehr auf sich , selbst, auf ihre
eigenen Kenntnisse. Sie gewinnen ein Interesse fiir die deutsche Sprache
und Literatur und haben mehr Freude an der Arbeit. Sie gewohnen sich
daran, sich ihrer Aufgabe auf verstandige, reife Weise zu nahern. Sie
lernen denken und ihren Gedanken Ausdruck geben; sie werden mit-
teilsam. Sie suchen jedesmal gleich nach dem Kern eines Literatur-
stiickes und erwerben eine gewisse Fahigkeit, Literaturwerke zu schatzen
und zu wiirdigen. Und wir konnen auch versichert sein, dass sie deutsche
Werke noch weiter lesen werden, nachdem sie sich aus unserer Obhut
begeben haben.
Deutscher Sprachunterricht und bewusstes Deutschtum.
Von Chas. M. Purin, East Division High School, Milwaukee.
Wenn Menschen aus ihren gewohnten Lebensverhaltnissen heraus-
gerissen und in eine ihnen mehr oder weniger fremde Umgebung versetzt
werden, so kommt es fast ausschliesslich auf die ihnen innewohnenden
Charaktereigenschaften an, ob sie das fremde Gemeinwesen - - voraus-
gesetzt, dass dieses auf gleicher Stufe der kulturellen Entwicklung steht
und auch numerisch annahern gleich stark ist -- assimilieren oder von
demselben assimiliert werden.
Man hat versucht, statistisch nachzuweisen, dass die deutschen Ein-
wanderer in Xordamerika den englischen und irischen Ankommlingen in
alien Dezennien an Zahl fast gleichkamen, und wenn man den grossen
Kindersegen der deutschen Familien in Betracht zieht, so diirfte nach
Prof. Goebels Berechnung die Halfte der heutigen weissen Bevolkerung
der Vereinigten Staaten deutsches Blut in den Adern haben. * In Anbe-
tracht dieser Tatsache drangt sich uns unwillkiirlich die Frage auf,
wieso ist es dann gekommen, dass die Deutschen in Nordamerika nicht
bedeutungsvoller und entschiedener in die Geschichte ihres neuen Hei-
inatlandes eingewirkt haben.
Die Antwort hierauf ist zum grb'ssten Teil, wenn nicht ausschliess-
lich, in dem Volkscharakter der Deutschen sowie der sozial-poli-
tischen Entwickelung ihres Heimatlandes zu suchen. ,,Ans Eegiertwer-
den gewohnt, gedriickt und geschunden von ihren Fiirsten", wie konnte
da bei den Deutschen in jener Zeit der Zersplitterung ihres Vaterlandes
1 Dr. Julius Goebel: Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten, Miinch'en,
1904. S. 1—2.
Deutscher Sprachunterricht und bewusstes DeutsMum. 43
die Gabe einer staatlichen Organisation sich entwickeln? Der Deutsche
besass zwar einen unermiidlichen Fleiss und die grosste Ausdauer. wenn
es gait, eine Wildnis in fruchtbare Felder umzuwandeln, aber es fehlte
ihm an der politischen Schulung, die sein Kivale, der Anglokelte, aus der
alten Heimat mitbrachte und von der er auf der neuen Erde einen aus-
giebigen Gebrauch machte. Eine tatkraftige Unterstiitzung seitens ihres
Heimatlandes ist den deutschen Kolonisten in Nordamerika ebenfalls
nicht zuteil geworden. Ungleich anderen europaischen Fiirsten lebten
die deutschen Potentaten nur ihren Sonderinteressen. Sie waren zu
kurzsichtig, um den Wert dieser iiberseeischen Kolonien zu begreifen.
Anstatt den Auswanderer zu heschiitzen und ihm die Ansiedelung auf
fremdem Boden zu erleichtern, wurde das Auswandern selbst vielfach
erschwert und sogar gesetzlich verboten. 2 Ferner verbanden sich andere
Eegierungen mit Handels- und SchifTfahrtsgesellschaften zum Zwecke
des Erwerbes und der Kolonisation ; in Deutschland hingegen hatte man
die Macht des einst stolzen Hansabundes gebrochen und lahmgelegt.
Man kann es dem deutschen Kolonisten demnach nicht verdenken, wenn
er dem englischen Konigshause bereitwillig den Untertaneneid leistete,
denn unter dem Schutze desselben konnte er hoffen, sein bescheidenes
Dasein unbehelligt zu fristen; auch muss den deutschen Kolonisten schon
die Idee, einen Staat nach dem Muster ihres Heimatlandes mit seiner
korrupten Staatsmaschinerie zu griinden, vernunftwidrig erschienen sein.
Man begreift also, wie infolgedessen der deutsche Auswanderer — die
wenigen Gebildeten abgerechnet — sich hierzulande mehrere Dezennien
hindurch wohl als Pfalzer, Schwabe, Hesse etc., aber nie als Deutscher
zu fiihlen gelernt hatte, wogegen bei den anderen europaischen Auswan-
derern, den Franzosen und Englandern beispielsweise, das nationale Be-
wusstsein und der nationale. Zusammenhalt stets lebendig geblieben ist.
Ein geistreicher Amerikaner soil einmal gesagt haben, dass wenn man in
den entlegensten Gegenden Auslander treffe und sie nach ihrer Herkunft
frage, so werfe sich der erste stolz in die Brust und sage mit Nachdruck:
,,Je suis Frangais, M."; der zweite richte sich stramm empor und sage:
"I am an Englishman"; der dritte ziehe honich den Hut und sage be-
scheiden: Entschuldigen Sie gefalligst, mein Herr, ich bin nur ein
Deutscher." 3
,,Das ist kein schoner Z ig im deutschen Volkscharakter, diese Sucht,
so unheimlich schnell fremder Sprache, fremder Sitte, fremdem Brauch
sich anzupassen mit volliger Hintansetzung der eigenen nationalen Cha-
rakterziige", sagt Prof. Voss in seiner in Chicago am deutschen Tag ge-
2 Anton Eickhoff: In der neuen Heimat, New York, 1884. S. 5, 6, 15.
3 Cf. Dr. W. Breitenbach: tiber das Deutschtum in Brasilien. Deutsche Zeit-
und Streitfragen, Bd. 16. Hamburg, 1887.
44 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
haltenen Rede, 4 und der Tadel 1st wohlverdient, denn wenn auch in der
Zeit der ersten Ansiedlungen das Nationalgefiihl bei den Deutschen, wie
wir gesehen haben, sich nicht entwickeln konnte, so sollte man doch
annehmen, dass der gegenwartige grossartige Aufschwung Deutschlands
auf alien Gebieten in den Deutschen einen nationalen Stolz und ein reges
Nationalbewusstsein grossziehen imisste. Das scheint jedoch. so weit der
Deutschamerikaner in Betracht kommt, nur in geringem Grade der Fall
zu sein. Er besitzt noch immer ,,die eigentiimliche Befahigung, aus der
eigenen Haut nicht nur heraus, sondern in die des Auslanders hineinzu-
fahren." Sobald die wirtschaftlichen Verhaltnisse und Vorteile es erhei-
schen, gibt der Deutsche nur zu leicht seine Nationalitat sowie das
machtigste Bindeglied, welches ihn an sein Stammland fesselt, die
deutsche Sprache ,auf. Man sagt von den Deutschen Nordamerikas :
,,Die erste Generation versteht und spricht Deutsch; die zweite Genera-
tion versteht Deutsch, spricht es aber nicht; die dritte Generation ver-
steht es nicht und spricht es nicht."
Wenn wir nun nach den Beweggriinden forschen, welche die Deu-
tschen Nordamerikas verleiten und verleitet haben, ihre Eigenart, sowie
ihre Sprache und somit die Gesamtheit ihrer Geistesbildung preiszu-
geben, so sind, abgesehen von klimatischen Verhaltnissen. die folgenden
Hauptmotive zu nennen:
Einerseits ist es die Bewunderung, welche der Deutsche fur alles
Fremdlandische stets an den Tag gelegt hat, wenn dasselbe ihm irgendwie
zu imponieren verstand; war doch das gesamte Geistesleben Deutsch-
lands ein voiles Jahrhundert von franzosischer Denkungsart durchtrankt
und dem franzosischen & onion leibeigen. Der praktische, scharf ausge-
pragte Erwerbs- und Geschaftssinn des Nordamerikaners, der ihm die
Beiworter shrewd, smart und wide-awake verschafft hat, sein kiihner
Unternehniungsgeist und die im ganzen Lande herrschende Verherrli-
chung, ja Anbetung des self-made man hat den traumerischen und mehr
schwerfalligen Sohn Germanias stets mit Bewunderung erfiillt und zur
Nachahmung getrieben.
Die schier unerschopflichen Naturschatze des Landes, sowie die
Fruchtbarkeit des Bodens andererseits bieten dem Spekulationstalent des
rastlosen Yankees ein unbegrenztes Feld. Wo das Land noch die Mog-
lichkeit bietet ,in absehbarer, womoglich sehr kurzer Zeit, wenn nicht
gerade ein Millionar, so doch wohlhabend zu werden, wer wiirde sich da
wohl unniitzen Traumereien und Reflexionen hingeben? Ist es zu ver-
wundern, dass diese im ganzen Lande herrschende Erwerbslust, ich
mochte fast sagen Erwerbsfieber, auf jeden Ein wanderer ansteckend
wirkt? Auch der Deutsche kann ihr nicht widerstehen. Erst spottelt
* Prof. E. K. Voss: Pflichten und Rechte der Deutschamerikaner, Monatshefte,
Heft 9.
Deutscher Sprachunterricht und lewusstes Deutschtum. 45
er zwar dariiber, aber wie lange dauert es, und auch ihn ergreift die
Manunonssucht. Wenn nicht in der ersten, so doch in der zweiten Gene-
ration richtet sich sein Sinn mehr und mehr auf das Praktische, das
Greif bare. Die Liebe fiir die i d e a 1 e n Giiter dieser Erde erstirbt in
seiner Brust. Kunst und Wissenschaft sind in seinen Augen nur noch
Mittel zum schnelleren und erfolgreicheren Broterwerb. Bald muss auch
die deutsche Sprache der englischen weichen, weil diese, wenn auch nicht
so schon, so doch ,,kurz, bequem, kraftig und praktisch" ist. Ich kann
mich nicht enthalten, Ihnen den trefflichen Vergleich, welchen von Wal-
tershausen — wenn auch nicht von ihm selbst stammend — zwischen der
deutschen und der englischen Sprache macht, wb'rtlich anzufiihren 5 :
,,Ein deutschamerikanischer Kaufmann wird, wenn er seine Mutter-
sprache auch noch so liebt, iiber Geschaftssachen lieber englisch als
deutsch sprechen, ebenso ein Handwerker iiber sein 'Handwerk, ein Advo-
kat iiber Eechtssachen u. s. w." >?Beim Englischreden braucht man den
Mund nur halbsoweit aufzumachen, als beim Deutschsprechen, weil die
Mehrzahl aller Worte in der vorderen Mundhohle gebildet wird und alle
Sprachwerkzeuge brauchen weniger angestrengt zu werden. Ferner sind
alle englischen Ausdriicke und Redewendungen, welche nicht der Wissen-
schaft und Poesie angehoren, gleichsam stereotypiert oder krystallisiert,
so dass ihre Anwendung viel weniger Nachdenken erfordert als bei den
deutschen. Schliesslich fehlt ihr der Formenreichtum unserer Sprache,
und ihr Bau ist ausserordentlich einfach. Der gemeine Mann kommt
recht gut mit 600 englischen Worten aus, fiir deren Anwendung im Satze
er so gut wie keine Syntax braucht, wahrend fiir denselben Zweck wenig-
stens 2000 deutsche Worte und eine gewisse Routine in der Satzkonstruk-
tion notig sind." Ausserdem, fiihrt von Waltershausen ferner aus, ist
das Amerikanisch, einen kleinen Unterschied in der Niiancierung abge-
rechnet, eine einheitliche Sprache, wogegen das Deutsch, welches von der
Arbeiterklasse deutscher Einwanderer gesprochen wird, meistens Dialekt
ist, welcher gar nicht zur Weiterverbreitung geeignet ist. Dazu kommt
noch der Umstand, dass viele Einwanderer das Englische sehr unvoll-
kommen lernen und sich daher einer deutsch amerikanischen Misch-
sprache bedienen — wie z. B. die Deutschen in Pennsylvanien — , welche
von dem gebildeten Deutschen zugleich aber auch von dem Amerikaner
verhohnt wird, 6 weshalb die Eltern oft bemuht sind, ihre Kinder nur in
der englischen Sprache unterrichten zu lassen. Mit dem Verlust der
Sprache aber setzt die Entnationalisierung eines Volkes ein, denn ,,weder
5 Sartorius Freiherr von Waltershausen: Die Zukunft des Deutachtums in
Amerika. Deutsche Zeit- und Streitfragen.
6 tiber die Existenzberechtigung des Pennsylvanien Deutsche siehe die Rede
von Prof. Dr. E. K. Voss. Cf. auch Goebel, a. a. 0., S. 30.
46 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Sitten noch Trachten bestimmen die Nationalitat, das tut einzig und
allein die Sprache. Durch sie allein wird der Mensch zum Angehorigen
eines Volkes. Durch die Sprache nimmt das Individuum die Anschau-
ungsweise des Volkes an, das diese Sprache gebildet und entwickelt und
ihr die geheimsten Kegungen seines Gemutes, die feinsten Besonderheiten
seiner Vorstellungswelt anvertraut und organisch eingefiigt hat. Die
Sprache ist darum bei weitem das starkste Band, das Menschen iiberhaupt
verkniipfen kann." 7 Englander und Nordamerikaner, trotz der Kriege,
welche sie gegen einander gefuhrt haben, fiihlen sich dem Nichtenglander
gegeniiber als eins, als Sohne Grossbritanniens. Gleicherweise fanden die
Buren in ihrem Kampfe gegen die Englander die warmste Sympathie bei
den Niederlandern, trotzdem jede politische Verbindung zwischen Hol-
land und den Kapkolonien seit einem Jahrhundert aufgehort hat. Und
so konnte man noch Dutzende von Beispielen anfuhren, die alle darauf
hinweisen, ein wie machtiges Bindeglied die Sprachgenossenschaft zwi-
schen dem Kolonisten und seinem Stammlande stets gewesen ist.
Aus dem Gesagten ist es ersichtlich, dass alle diejenigen, welche der
grossen Bedeutung deutscher Geisteswelt fiir die Weiterentwickelung
ihres neuen Heimatlandes bewusst sind — und das sollten doch vor allem
die Lehrer des Deutschen sein — sich zweierlei Aufgaben zu widmen
haben: Erstens der Hebung des deutschen Nationalbewusstseins, und
zweitens der Erhaltung und Weiterverbreitung der deutschen Sprache.
Um zu diesem Endergebnis zu gelangen, miissen wir den Deutschen
dieses Landes, der jungen Generation insbesondere, an der Hand von
geschichtlichen Tatsachen klarlegen, dass sie auf ihre Abstammung be-
rechtigterweise stolz sein diirfen und sollen; hat doch das deutsche Ele-
ment an der Gestaltung der amerikanischen Geschichte im Krieg und
Frieden fleissig und ehrenvoll mitgearbeitet. Bei jeder Gelegenheit war
der Deutsche seinem angloamerikanischen Mitbiirger nicht nur gewach-
sen, sondern oft iiberlegen. Nur bei der Verteilung der Lorbeeren ging
er so gut wie leer aus. Seine Taten -- ungezahlte glorreiche Taten —
sind von dem amerikanischen Geschichtsschreiber, der die Unsterblichkeit
fiir sich pachten wollte, nur so nebenbei erwahnt, wenn nicht ganzlich
totgeschwiegen worden. 8
7 Max Nordau: Paradoxe, Chicago, 1885. S. 283—284.
8 Die meisten ftir die Volkschule bestimmten Geschichtsbiicher erwahnen
kaum die Namen der hervorragendsten deutschamerikanischen Helden vom
Schlage Steubens, Herckheimers, de Kalbs, Miihlenbergs etc. Nach der Darstel-
lung von Barnes muss die amerikanische Jugend den Eindruck gewinnen, als
ob die Hessen freiwillig mit den Englandern gegen die Kolonisten gekampft
haben. Gegen eine derartige Geschichtsfalschung sollten wir Deutschamerikaner,.
wie das unsere schottisch-irischen Mitbiirger getan haben, einen 'energischen Pro-
test erheben.
(Schluss folgt.)
Der Humor und die Schule. 47
Der Humor und die Schule. Ein schones Wort gebe es in der deut-
schen Sprache, sagte bei einer Gelegenheit der President Eoosevelt, ein
schones Wort fiir eine Eigenart des ganzen Stammes: Gemiitlichkeit.
Keine andere Sprache hatte ein ahnliches Wort aufzuweisen, welches so
deutlich das Wesen dieses Charakterzuges zum Verstandnisse brachte,
vielleicht auch deshalb, weil keiner anderen Nation die Gemiitlichkeit so
eigen ist als dem deutschen Volke. In der Tat ! Mit dem Ernst des Deut-
schen paart sich in seinem Leben, in seiner Tatigkeit, in seiner Kunst und
Wissenscbaft allezeit das Heitere, das Gemiitliche, welches, gleich der
Sonne, iiber Schweres und Leichtes seine warmen, hellen Strahlen legt.
Dieser Gemiitlichkeit entstammt jener lustige Geselle, unser aufrichtiger
Troster, unser anspruchsloser Begleiter, unser wohlmeinender Preund
durchs ganze Leben, der Humor. Ihm offne man alle Tiiren !
In verschiedener Art aussert er sich. Einmal ist er voll "ffbernmt,
dass er iiber alles hinweg lustig dahintanzelt, das andere Mai aber merken
wir, wie ihm trotz seiner frohlichen Miene das Herz blutet ob der Bitter-
nisse in der Welt. Wacker streitet der Humor mit gegen alle Widerwar-
tigkeiten des Lebens und iiber alle Drangsale erhebt er die menschlichen
Herzen.
Charakteristisch ist, wie schon erwahnt wurde, der deutsche Humor.
Wenn ihn auch Schiller in seinen Dichtungen nicht duldete, so war er
Goethe ein Liebling. Manche Szenen aus ?,Faust", manche schalkhaften
Gedichte beweisen das. Nach Goethe gab es noch manche standigen Ver-
treter des Humors. Selbst durch Adalbert Stifters beste Dichtung weht
ein feiner humoristischer Hauch, obgleich so zart wie die Erzahlung
selbst, wie die vorgefiihrten Menschengemiiter. Zur eigentlichen Geltung
kam der Humor erst im neueren Schrifttum bei Otto Ludwig, Anzen-
gruber, Eosegger, Seidel, Eaabe u. v. a. Alle diese haben die alte Eegel
Goethes wahr gemacht: ,,Greift nur hinein ins voile Menschenleben !
Und wo ihr's packt, da ist es interessant !" Vertiefen wir uns in die
Werke dieser Manner, so werden wir finden, dass sie nicht bloss erschiit-
tern, ergreifen und ruhren, da wird auch gelacht, ja herzlich gelacht, da
gibt es neben dem Ernste jederzeit auch den Spass, neben dem Tode
keimt um so iippiger das Leben. Mancher, der korperlich und seelisch
darniedergedriickt war, hatte er nicht die Werke unserer grossen Humo-
risten oder den leichten Humor der ,,Fliegenden" oder den weltverach-
tenden eines Wilhelm Busch genossen, es ware ihm vielleicht elender
ergangen. Wie sehr mag man sich nur an Wilhelm Busch schon ergozt
haben ! Er ist ja auch einer, dem es auf der Welt nicht zum besten ging,
der aber trotzdem den Vogel preist, der gar gut weiss, dass ihn im nach-
sten Augenblicke der unten lauernde Kater verschlucken wird und sich
deshalb noch schnell ein Liedel singt. Wenn er spater mit den Yersen
anf angt :
48 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
,,Enthaltsamkeit 1st ein Vergniigen
An Sachen, welche wir nicht kriegen",
so miissen wir keineswegs daran glauben; denn unser Ideal diirfen wir
dabei nicht einbiissen, wir miissen es treu bewahren wie der Steinklopfer-
hans bei Anzengruber, dessen Ideal noch gestarkt wird und der in Krank-
heit und Verlassenheit den Trost hat: ,,Es kann dir nix g'scheh'n!"
Es ist leicht zu erkennen, welchen Wert der Humor besitzt. Eine
heitere Lebensauffassung predigen unsere Grossen, die naturlich nicht
ins Kindische oder Ausgelassene umschlagen darf. Frohgemute, schalk-
liaf te Leute haben keine bosen Gedanken. Lustige Kinder sind nicht die
schlechten. Frohe Menschen sind leichter zufrieden zu stellen und
gliicklich zu preisen. Dieses moge in der Erziehung wohl beachtet wer-
den, denn sie soil die Menschen gut und gliicklich machen. Aber wie
gegenteilig verhalt es sich vielfach? Zu den grossten Peinen mancher
Kinder gehort immer noch der Gedanke an die Schule. Allzu streng ist
deren Geist. Kein Lacheln, kein Spasschen, immer nur die unnachgie-
bige Miene des Lehrers, dessen furchtbarer Ernst! Da gibt's beinahe
kein freies, ungezwungenes Beobachten eines schonen 3ildes, es muss pa-
dagogisch zergliedert werden, da gibt's kein kindliches Erfreuen an
einem Geschichtchen, einem Marchen, einem Gedichte, es muss alles nach
wohlgesetzten Fragen wiedergegeben werden. Wenn jeder Seitenblick des
Kindes scharf geriigt, jedes Lacheln verboten, jedes unschuldige Hiipfen
z. B. auf dem Schulwege bestraft wird, so ist solche Strenge gewiss nicht
geeignet, im Kinde die Freude an der Schule zu erwecken. Die Buben
und Madchen sind eben unverfalschte Natur, sie haben Blut und Leben
ii\ sich, sie sind keine Automaten. Ein helles Kinderlachen von Zeit zu
Zeit, auch wahrend des Unterrichtes, schadet gar nicht, im Gegenteil, das
Verhaltnis zwischen Lehrer und Kindern gestaltet sich nur inniger, es
tragt dazu bei, dass im Kinde Liebe und Vertrauen zum Lehrer entsteht.
Mancher widerspenstige Junge, an dem alle ernsten Reden und Straferi
wirkungslos abprallen, ist nicht selten durch richtig angewandten Humor
des Lehrers, durch einige satyrische Bemerkungen dahin zu bringen, dass
er die Waffen streckt. Dem Braven und Fleissigen ist ein Augenblick
heiterer Stimmung doppelt zu gonnen, um so lieber kommt er dann zur
Schule.
Die beste Pflege konnte dem Humor durch das Lesen zuteil werden.
Die guten Jugendbiicher, ernsten Inhaltes, mehren sich bereits in erfreu-
licher Weise, aber auch mit den humoristischen Sachen steht es schon
besser, namentlich mit solchen, wo Wort und Bild gemeinsam wirken.
Am meisten lacht das Kind wohl mit Wilhelm Busch. Muss man schon
fur die Schule von der Bubengeschichte ,,Max und Moritz" absehen, so
sollte ein Buch wie etwa ,,Hans Huckebein" jedem Kinde gereicht wer-
Wir wissen's nicht. 49
den, wenn man ihm rechte Freude bereiten will. Die genialen Zeichnun-
gen, bestehend aus einigen charakteristischen Strichen, lassen jedoch
trotzdem ganze Stosse der gewohnlichen Bilderbiicher hinter sich und die
urkraftigen Verse sind nicht allein imstande zu unterhalten, sie leiten
das Kind auch zum Beobachten jedes Einzelnen an, sie haben bildenden
Wert und lassen gewiss auch kraftige Moral vernehmen. Fur Kinder
der oberen Stufen gibt es bei Eosegger, Heinrich Seidel u. a. gar kost-
liche humoristische Sachen. Zum humoristischen Jugendlesestoffe ge-
horen gewiss auch viele jener wundersamen Erzahlungen, welche schon
tausend Jahre alt sind, die wir aber trotzdem, ob alt oder Jung, mit glei-
chem Eifer und yergniigen immer wieder lesen: die Marchen, jene
,,siissen Lugen". Eine grosse Abteilung fur Marchen sollte deshalb in
jeder Jugendbiicherei sein.
Der Aufenthaltsort der Jugend, das Schulhaus, die Schulstube sollte
stets heiteren Charakter aufweisen und nie sollten dem Kinde schmuck-
lose, kahle Wande entgegenstarren. Die Kunsterzieher sind ja fleissig an
der Arbeit, dass alle Gange und Lehrzirnmer angenehm geschmuckt und
somit auch der Sinn fur das Schoiie, fur die Kunst geweckt werde.
Wahre Kunst tragt aber sehr oft auch Gemiitlichkeit zur Schau, und so
erfiillen die Kunsterzieher gleichzeitig die Aufgabe, eine frohe Lebens-
auffassung im Kinde wachzurufen. Und das ist recht so ! Soil das Kind
Freude haben! Bald kommt ja auch eine Zeit der Sorgen, der schlaf-
losen Nachte ! Moge man deshalb schon in der Erziehung dahin trach-
ten, dass dann der Mensch unseren lustigen Gesellen, den Humor, richtig
erkennt, ihn aufsucht und in seiner Gesellschaft Lebenskraft findet!
(A. Feierfeil-Horschau. Aus der Freien Schulzeitung. )
,,\Vir wissen's nicht" in der Schule. Die mit diesen Worten iiber-
schriebene ,,Kundschaunotiz" des ,,Kunstwarts" bildet eine naturgemasse
Erganzung zu der Forderung, das Eecht der Kinder zu fragen zur unbe-
dingten Pflicht zu machen; denn oft genug wird es bei dieser Fragefrei-
heit sich ereignen, dass der Lehrer keine oder doch keine befriedigende
Antwort zu geben vermag. Angstliche werden nun glauben, es miisste
ihre Autoritat untergraben, wenn sie in solchen Fallen einf ach erklaren :
,,Ich weiss es nicht." Aber gerade das Gegenteil ist wahr. Es ist ein
treffliches Mittel, dem Schwinden der Autoritat entgegenzuwirken, wenn
der Lehrer of ter, als heutzutage geschieht — und grundsatzlich ! — ganz
pcrsonlich das ,,Tch weiss es nicht" ausspricht. Auch das gehort dazu,
den Schulgeist ehrlich zu machen. Wo die Kinder unbeschrankt fragen
diirfen, werden eben ihre Fragen oft genug Anlass geben; aber auch
sonst sollte der Lehrer (und der Vater) oft und immer wieder darauf
hinweisen : Was wir da sagen, bedarf der weiteren Erklarung ; aber ich
weiss sie nicht. Wer's wissen will, der muss den Fachgelehrten fragen.
50 Monatshefte filr deutsclie Sprache und Pddagogik.
Ohne solches Verhalten kann Einheitlichkeit und KLarheit des Geistes-
lebens schwer in den Kinderkopf kommen; ein Verstandnis fiir das
geistige Leben der Gesamtheit aber kann nur so angebahnt werden.
Das Angedeutete 1st nicht etwa nur eins unter den Augenblicks-
mitteln, die an der Schule von heute einzelnes bessem wollen. Nein, wir
glauben: als ein Grundsatz muss dieses: Lehrt, was ihr nicht wisst!
in jede verniinftige Geisteserziehung aufgenommen werden. Sucht nicht
das Hochste und Letzte, denn nur auf dieses bezieht sich der obige
Grurdsatz, zu erklaren, indem ihr's ,,verstandlich macht", sondern geht
den Weg bis ans Ende, wo die Krafte nicht mehr weiter tragen und ge-
pteht dann euere Ohnmacht ein. Dann wird die tJberwertung des Ver-
standesmassigen, die unserer Schule mit Recht vorgeworfen wird, schwer-
lich fortbestehen konnen, und die an solche Gedankengange Gewohnten
werden auch leichter als andere den Weg zu den ewigen Quellen finden,
aus denen Labung fur den ganzen Menschen fliesst.
(K. Aus der Freien Schulzeitung. )
Deutsches oder schwedisches Turn en. Lehrer F. Dehmlow in Gel-
senkirchen behandelt im Januarheft der ,,Padagogischen Warte" dieses
Thema in objektiver und eingehender Weise. Was er am Schluss seiner
Ausfiihrungen iiber die Erfolge beider Turnmethoden sagt, sollie auch
hierzulande manchen die Augen offnen, die immer noch mit dem schwe-
dischen Turnen liebaugeln und die Vorteile des deutschen Turnens zu
verkleinern suchen. Der Yerfasser schliesst mit folgenden Worten:
Bei seiner Informationsreise vernahm E. Fischer-Hamburg den
Ruf: ,,Wie langweilig!" und dieser Vorwurf der Einformigkeit und
Langeweile, der dem schwedischen Turnen gemacht wird, ist ein ganz
besonders schwerwiegender, da er eigenes Streben und selbstandiges Ar-
beiten verhindert" (Kessler). Daher kommt es auch, dass es in Schwe-
den trotz der rationellen Methode nicht vorwarts will. Ist die Schulzeit
beendet, so wird das Turnen nicht mehr gepflegt; in ganz Schweden gibt
es nur 35 Turnvereine mit 2200 Turnern, und diese benutzen oft zur
Forderung von Mut und Entschlossenheit Barren und Reck. Und nun
in Deutschland! Der Turnvater Jalm sagte: ,,Das Turnen, aus kleiner
Quelle entsprungen, wallt jetzt als freudiger Strom durch Deutschlands
Gauen. Es wird kiinftig eine verbindende See werden, ein gewaltiges
Meer, was schirmend die heilige Grenzmark des Vaterlandes umwogt"
und was der ,,Alte im Barte" mit prophetischem Auge erblickte, ist
erfiillt. Das deutsche Turnen ist zur Volkssache geworden; heute eilt
ein machtiger Strom, die deutsche Turnerschaft, durch die ganze Welt.
Sie zahlte am 1. Januar 1907 7787 (+ 249) Vereine mit (772,134)
808,525 Mitgliedern und noch 48 Voreine im Auslande, 1093 Vereine
haben Frauenabteilungen (39,765 Mitgliederinnen), 800 Vereine pflegen
Zur Psychologie der Prugelns. 51
das Turnen schulpflich tiger Kinder. Die deutsche Turnerschaft ist be-
strebt, mitzuhelfen, dass unsere deutsche Jugend zu gesunden, mutigen,
selbstandigen Jiinglingen und Jungfrauen erzogen wird. ,.,Kraft und
Mut sollen sie erwerben in ,,Herz und in Hand". ,,Das deutsche Turnen
muss ein Sauerteig flir die gesamte Schularbeit werden; das deutsche
Turnen muss die enterbte Leiblichkeit des Kindes in ihre verlorenen
Eechte wieder einsetzen; das deutsche Turnen muss bei der Erziehung
die richtige Reihenfolge wieder herstellen, erst der Leib und dann die
Seele!" (Adolf Diesterweg). Mb'chte daher jeder bedenken, was der
grosse Schlachtendenker 1870/71 sagte : ,,Nur in der eigenen Kraft ruht
das Schicksal der Nation/' Die deutsche Turnerschaft wird stets be-
strebt sein, das deutsche Turnen weiter zu fordern und zu pflegen und
dabei sich nach dem Grundsatze richten:
,,Priifet alles, aber das beste behaltet !"
Zur Psychologic des Prugelns. Im Marzheft der ,,Zeitschrift fiir
Kinder f or schung" veroffentlicht Dr. 0. Kief er- Stuttgart unter obigem
Titel einen hochst interessanten Artikel, der zunachst behauptet, dass
Naturvolker nicht priigeln, dieses Zuchtmittel vielmehr erst bei einer ge-
wissen Kulturhohe, die bestimmte Anforderungen der Geschicklichkeit und
Arbeitsleistung an den einzelnen stellen, zur Anwendung komme, um
dann in rascher Folge sowohl Erwachsenen als Kindern gegenuber die
entsetzlichsten Auswiichse zu zeitigen; sobald eine wirklich hb'here, edlere
Kultur beginne, trete naturgemass eine Eeaktion ein, die die Neigung
habe, bald radikal auch bei schweren sittlichen Verfehlungen die korper-
liche Ziichtigung zu verwerfen. Zum Schlusse aber heisst es — und um
dieser Schlusssatze willen nehmen wir von dem Artikel iiberhaupt Notiz:
,,,Die Stunde naht, der Sunder wird abgefiihrt, iibergelegt, geziichtigt.
In diesen Momenten wird der korperliche Schmerz alle anderen Empfin-
dungen unterdriicken. 'Manche behaupten, das Kind hasse seinen Zucht-
meister in diesen schmerzvollen Momenten; ich bestreite das unbedingt,
und aus den abwehrenden Handlungen, die temper amentvolle Kinder
wahrend der Ziichtigung vornehmen, folgt gar nicht s; denn das sind ein-
fache Eeflexbewegungen. Selbstverstandlich wird der Fall selten sein,
dass ein Kind freiwillig kommt und sagt: haue mich, lieber Vater, ich
hab's verdient; aber dass ein ,,Hass" zwischen Vater und Kind entsteht
durch ein Tracht Hiebe, halte ich fiir noch seltener und meist nur in Ro-
manen vorkommend. Wenn das Kind gerechterweise, auch noch so streng,
gestraft wird, wird es die Strafe leicht verwinden, und es werden bald
Augenblicke kommen, in denen es sich sagt: Mein Vater hat mich doch
noch lieb, denn er hat mich noch nie ungerecht bestraft. Darauf kommt
aber auch alles an. Jedes Kind ist von Natur aus geradezu ein Pedant der
52 Monatshefte fur deutsche Sprache und P'ddagogilc.
Gerechtigkeit, es vertragt viel leichter fortwahrende strenge, aber gerechte
Strafen als eine inilde Erziehung mit einer einzigen Ungerechtigkeit.
Solange mich mein Vater streng, aber nie parteiisch ziichtigte, liebte ich
ihn trotz allem innig. Als ich aber (begriindete oder unbegriindete)
Zweifel an seiner Gerechtigkeit bekam, war es mit der Liebe aus, obwohl
ich damals langst liber die Priigel hinaus war ! Ahnliches wird jedermann
aus seiner Kindheit bezeugen konnen. Das Kind nimmt im allgemeinen
Priigel nicht so tragisch, wie es moderne Padagogen (z. B. auch Ellen
Key) hinstellen. Es hat kein Mitleid im allgemeinen mit Kameraden, die
geziichtigt werden, im Gegenteil, es sagt sich: es geschieht dir recht, wa-
rum tatest du es ! Es bringt sich aber auch noch nicht urn, wenn es mal
selber gehauen wird, von Ausnahmen abgesehen, die nur zeigen, dass das
starke Mittel des Priigelns wie eine starke Arznei nicht fur jedermann
taugt." (Wir reproduzieren diese Satze natiirlich nicht, um zum Priigeln
zu ermutigen. Es ist aber vielleicht doch angebracht, bei der in unserem
Erziehungswesen einer iibergrossen Sentimentalitat zuneigenden Eichtung
auch einmal eine gegenteilige Ansicht laut werden zu lassen. D. K.)
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Californien. und achten Grade der Elementarschulen
er Neujahrswoche sta rustt ?em.^ck. Es wurde berichtet, dass
Normalschule von San Jose, aufgestellt d.a^ rec,ht befriedigende Resultate er-
Education" ausgefttllt. Hier werden die *en l}"e Versammlung am letzten Tage.
Vorpostengefechte der Erziehungsfra- Das Hauptthema war : What is de-
gen durchgekampft, und es wurden rnanded »* the High School? How can
manche Vorschlage zur Hebung des th« High School best meet that de-
Schulsystems erortert. Einer der wich- mand? Prasident David Starr Jordan
tigsten war, dass die Arbeit unserer von der Stanford Universitilt sollte die-
High Schools schon in dem siebenten ses Thema besprechen, konnte aber
Korrespondenzen. 53
nicht anwesend sein. Doch schickte er Staatshimmel. Welches Hagelweter vo'n
einen Vortrag, der verlesen wurde. Da- bosen Gesetzen -- mit guten werden
rin sprach er sich dafiir aus, dass im wir ja so selten begliickt — mag sich
allgemeinen praktischere Resultate in wieder fiber unseren unschuldigen
den Hochschulfachern erzielt werden Hauptern entladen? Welches Unheil
sollten und dass iiberall Handfertig- mogen unsere Legisla-Toren in der
keitsunterricht, Handelsunterricht und Staatshauptstadt wieder anstiften?
ahnliche Fiicher eingefiihrt werden Bangend und zagend richten wir Cin-
sollten. Er besprach die einzelnen Fa- cinnatier die angstlichen Blicke nach
cher und was darin geleistet werden Columbus, allwo jetzt vor alien Dingen
sollte. Im fremdsprachlichen Unterricht unselige Temperenz-, Schul- und andere
sollten die Schiller zum miindlichen und nichtsnutzige Gesetze geschmiedet wer-
schriftlichen Gebrauch derselben ange- den. Der hiesigen deutschen Lehrer-
leitet werden. Blosse ubersetzung habe schaft liegt besonders die Schulvorlage,
keinen Wert. tiber den Unterricht im womit die Abschaffung des gegenwarti-
Lateinischen sagte er : ,,There is no gen Schulrats beabsichtigt wird, schwer
other High School subject from which im Magen. Nicht ohne Grund erblicken
the students gain less than from the wir in dieser Absicht und in der Ein-
study of Latin." - Der Verein von setzung einer Schulkommission, aus
Lehrern der deutschen Spra- f iinf oder sieben Mitgliedern bestehend,
c h e hatte auch einen Platz auf dem eine drohende Gefahr f iir den deutschen
Programm unter dem Vorsitz von Prof. Unterricht in den offentlichen Schulen.
Cooper von der Stanford Universitat. Mit Recht fragt man: Wozu diese An-
Dr. Fritz Winther von der Staatsuni- derung, da sich doch unser Schulrat,
versitiit sprach iiber den fremdsprach- der sich aus Wardvertretern zusam-
lichen Unterricht an deutschen Mittel- mensetzt, in den letzten Jahren sehr
schulen und entwarf ein gutes Bild von gut bewiihrt hat? Warum handelt man
den Leistungen hierin. In der darauf- darin nicht nach dem schonen amerika-
folgenden Debatte wurde besonders be- nischen Grundsatz ,,let well enough be
tont, dass die Schiller zum Sprechen alone"? Allein nach Lichtwers Fabel
angeleitet werden miissen. Auch die vom Affen und der Uhr werden dFe
Frage, ob Latein oder eine moderne ,,weisen" Solons so lange an unserer
Sprache zuerst gelehrt werden sollte, Schulverwaltung herum - ,,monkeyen",
wurde erortert, und es wurde befiir- - wie sie es schon wiederholt versucht
wortet, dass aus padagogischen und haben - - bis dass die Uhr am Ende
praktischen Griinden die neueren Spra- stille steht. Zur Zeit, da diese Zeilen
chen den Vorrang haben sollten. Prof, geschrieben werden, ist zwar iiber die
Hempl von Stanford besprach die Schulvorlage noch nicht abgestimmt,
Schulausgaben von Texten und sprach aber der Korrespondent erwartet nichts
sich gegen zuviel Hilfeleistung fiir den Gutes; denn die Manner,, d. h. die Kan-
Schiiler aus. Eine wichtige Bewegung didaten fiir die Schulkommission, sind
wurde bei der Konvention in Gang ge- da, die Stellen miissen geschaffen wer-
setzt, namlich eine Verbindung von den den! Das ist des Pudels Kern. Wenn
Mannern, die an den High Schools tatig diese Kommission die Stadt jahrlich
sind. Dieselbe hat den Zweck, den dro- auch ungefahr 25,000 Dollars kostet,
henden Pviickgang von mannlichen wahrend der jetzige Schulrat unent-
Kraften an diesen Lehranstalten zu geltlich dient, was macht das aus? Die
verhindern. Der Gedanke wurde enthu- machthabenden Herren Politiker von
siastisch aufgenommen und ,,The High Hamilton County wollen's mal so ha-
School Men's Club oif California" wurde ben, und die ,,intelligenten" Landonkels
gegriindet. Ihr Korrespondent hat die in Columbus helfen getreulich mit. Da-
Ehre, Sekretar derselben zu sein. Es gegen fruchten die langsten Petitionen
wird erwartet, dass diese Verbindung Und die besten Argumente nichts, so
gute Friichte in der Entwicklung un- wenig wie in Temperenzfragen. Gegen
serer Mittelschulen zeitigen wird. Dummheit, Fanatismus und Korruption
V. B. ist eben schwer zu kampfen.
Der Vorsteher des englischen Schon-
Cincinnati. schreibeunterrichts hier hat zu Anfang
Unsere S t aa t s legi sla tur, des laufenden Schuljahres neue
mit der wir aber keinen Staat machen S c h r eibvorlagen herausgegeben,
konnen, ist seit Dezember wieder in nach denen seitdem im 'englischen De-
Sitzung, oder richtiger ausgedriickt, sie partement mit heissem Bemiihen geiibt
hangt wie eine unheilschwangere Ge- wird. Nach diesen Vorlagen, vielmehr
witterwolke an unserem politischen nach dem Wunsche ihres Autors, sollen
54
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
sich bereits die A-B-C-Schiitzen beim
Schreiben die sogenannte ,,Freie Arm-
Bewegung" aneignen, also noch ehe sie
die Form der Buchstaben richtig er-
fasst haben! Da werden nun im ersten
Schuljahre Ellipsen (d. h. solche Figu-
ren so Hen es sein) rechtsrum und
linksrum, sowie Auf- und Abstriche
freihandig hingeschmiert - - geschrie-
ben wollte ich sagen, — dass es nur so
eine Art hat, aber eine bose Art. Die
Schreiblehrerinnen und die Klassenleh-
rerinnen stb'hnen und seufzen dariiber,
und die Kinder wiirden am Ende des
Schuljahrs voraussichtlich noch nicht
einmal das Alphabet leserlich schreiben
konnen, wenn ihre Lehrerinnen nicht
heimlich das Schreiben nach guter al-
ter Methode lehren wiirden. Konnte
man doch — ware es auch nur zum ab-
schreckenden Beispiel -- einige dieser
freihandigen Schonschmier - Prb'bchen
hier abkonterf eien ! Hoffentlich wird
der Herr Autor sehr bald das nutz- und
zwecklose seines Bemiihens, vielmehr
seiner Lehrerinnen, einsehen und die
Zeit und Papier verschwendende Freie
Armbewegung aufgeben, oder sie we-
nigstens erst mit dem fiinften Schul-
jahre beginnen, wie es friiher der Fall
war. Schreibvorlagen herausgeben und
darnach unterrichten oder unterrichten
lassen, sind eben zwei verschiedene
Dinge, das sollte sich auch mancher
Verfasser von Schul- und Textbiichern
griindlich merken.
E. K.
Milwaukee.
Mit Stimmengleichheit, sieben gegen
sieben, hat unser Schulrat in seiner
letzten Sitzung eine A b anderung
der bestehenden Regel in betreff des
deutschen Unterrichts an den offentli-
chen Schulen abgelehnt. Die von
dem Statutenkomitee vorgeschlagene
Abandoning lautete, dass die Kinder
nicht eher in die deutsche Klasse auf-
genommen werden sollen, bis die El-
tern dies schriftlich verlangten. Der
bestehenden Regel gemass wird von
samtlichen Kindern angenommen, wenn
sie in die Klassen vom 1. bis zum 8.
Grad eintreten, dass sie sich am deut-
schen Unterricht beteiligen, falls die
Eltern n i ch t einen gegenteili-
gen Wunsch aussern.
Der Vorschlag zur Abandoning dieser
Regel wurde von samtlichen Freundeu
des deutschen Unterrichts als ein Ver-
such, denselben zu verkrtippeln, ange-
sehen, und fand daher, sowohl seitens
der Deutschamerikaner im Schulrat als
auch seitens der aufgeklarten, fort-
schrittlich denkenden Angloamerikaner
energische Abwehr.
Der Jahresbericht des
SuperintendentenCarrol
G. Pearse, der in der Februarsitzung
des Schulrats zur Verlesung gelangte,
enthalt einen uberblick der Fortschrit-
te und Veranderungen, die in dem ge-
samten offentlichen Schulwesen der
Stadt in den letzten drei Jahren ge-
inacht worden sind. Herr Pearse weist
darin auf folgende Einrichtungen, resp.
Veranderungen hin, die wahrend der
Dauer seiner Amtszeit getroffen worden
sind:
a) Die Einfiihrung eines griindliche-
ren Handelskursus in den Hochschulen,
b) Erleichterung des Pensums fur die
unteren Grade der Elementarschulen ;
c) ein freieres, biegsameres Versetz-
ungssystem und halbjahrliche Versetz-
ung;
d) Einfuhrung der ,,Nachhilfe" - Pe-
riode, wodurch den minderbegabten
Schulern mehr Aufmerksamkeit ge-
schenkt wird;
e) Die Schaffung von sog. "ungraded"
Schulzimmern;
f) Ein besserer Ausgleich der fiir je-
den Lehrer bestimmten Schtileranzahl;
g) Ausdehnung des Koch- und Hand-
f ertigkeitsunterrichts ;
h) Die Griindung von Ferienschulen
und die Wiedereinfuhrung der Abend-
schulen, und eines systematischen
Turnunterrichts unter kompetenter Lei-
lung;
i) Die Einfuhrung des Unterrichts
fiir Blinde;
j) Die Erhohung der Lehrergehalter,
die durchschnittlich fiir jeden Lehrer
$100 pro Jahr betragt und
k) eine Ersparnis fiir die Eltern an
der Auslagen fiir Textbiicher, die sich
auf $5000 bis $6000 pro Jahr belauft.
Ferner macht Herr Pearse folgende
Empf ehlungen :
I) Die Lehrergehalter sollen so bald
als moglich noch mehr erhoht werden;
II) Die Griindung einer Zwangserzie-
hungsanstalt fiir unheilbare Schul-
schwanzer und sonstige ,,Stttrenf riede" ;
III) sowie einer "Parental" - Schule
fiir verwahrloste Kinder, und
IV) besonderer Klassen fiir schwach-
befahigte Schiller.
Wie ein roter Faden lauft durch die-
sen Bericht das padagogische Diktum:
,,Wir miissen dem einzelnen Schiller
mehr Aufmerksamkeit widmen; wir
miissen jeden Zogling seinen individuel-
len Anlagen oder ererbten Schwachen
entsprechend erziehen."
Korrespondenzen.
55
Der Lehrerverband hat den Schulrat vom Mayor der Stadt zu ernennen sind.
In einer Petition ersucht, die Gehal- Newark hatte in den letzten Jahren
ter samtlicherLehrer um iible Erfahrungen mit dem ,,Grossen
$50 pro Jahr zu erhohen bis das Maxi- Schulrate" gemacht. Man sagte vielen
mum von $1000 erreicht ist; die Spezi- Schulkommissaren nach, dass sie bei
allehrer des Deutschen und die Vize- Ankaufen, Bewilligungen, Vergebung
frinzipale sollen ein Maximalgehalt von von Kontrakten u. s. w. mehr ihre ei-
1100 erhalten. Da aber die dem Schul- genen Interessen und die ihrer Freunde
rat zur Verfiigung stehenden Geldmit- und Vettern als die der Schulen und
tel kaum dazu ausreichen, so wird ein ihrer Mitbiirger im Auge gehabt hat-
Komitee desselben sich mit der Frage ten. Das ist nun gerade nichts Neues.
der Erhohung der fur Schulzwecke be- Klagt doch schon der babylonische
stimmten Spezialsteuer von 3% Mille Keilschriftlehrer Sadrach A. B. Dnego
beschaftigen. vor vielen 1000 Jahren auf einer seiner
ZweiVortrage iiber ,,das hinterlassenen von Fritz Treugold* auf -
Rheingebiet" und einer iiber gefundenen und entzifferten Flatten
,3 e r 1 i n und Umgegend", ge- f olgendermassen :
lialten im Monat Januar von Prof.
Goodnight unter den Auspizien des
Schulrats, zogen eine grosse Zuhorer-
schaft aus alien Stadtteilen nach der
21. Distriktschule No. 3.
Prof. Oskar Burckhardts Vortrage
iiber Literatur, deren er bis
jetzt drei in der Aula des Seminars ge-
halten hat, erfreuten sich seitens der
Lehrer einer starken Beteiligung und
begeisterten Aufnahme.
Jetzo kann man weit es bringen,
Wenn man 'einen Vetter hat,
So da sitzet stolz und gravi-
tatisch im Schulrat der Stadt.
Eines hat der schlimme Handel
Klar und deutlich mich gelehrt;
Namlich das: es ist ein Vetter
Hierzulande etwas wert.
Das liesse sich so ziemlich auch auf
»JV.Ci^J.O Li^JL V\_/AA J-ALAi J.J.C^J.AJJJ.t/. t*XJI VT VUJLA AW T /^ j-4 1 1 j«« j
Keller", ,,Das antike Theater" und d!\ "^O88ei! Schulrat u^erer S^6*
,Don Quijote" sind die von Hrn. Burck-
Stadt Newark anwenden. Darum hiess
hardt bis jetzt behandelten Themata, f : »Fort mit dem Grossen Schulrat!
die er durch seine gewohnte schone In. G™m kle}nfn Schulrate konnen un-
Sprache und schwungvolle Rednerweise 11?0^llch so viele Vettern sitzen, wie m
auf das interessanteste zu belebenver-
stand
Ein aus angesehenen Biirgern und
Lehrern bestehender L o k a 1 aus-
. ^
Schulrat" trug bei der Wahl den Sieg
Da man
der
- . .
schuss hat sich unter demVorsitz des lie 1.ausfllen,.. wiirde und man
wusste,
r .
ttirli.cl1 fur
w™deii
, so/.f n mu/fte, so
Wardkandidaten fur den
Herrn Leo Stern, Direktor des Deut-
schen, gebildet, um die nb'tigen Vorbe- _
reitunge\i fur den in diesem Sommer .Grossen Schulrat" auf gestellt und ge-
hier stattfindenden Lehrertag zu wahlt- ^^ d?8 ^u8Sa°£es der ..^ahl
treffen. Nun heisst es, wacker an die war , l^si™™twdlieh die Erwahlung
Arbeit, ihr Kollegen und Kolleginnen! der letzteren ungultig geworden So
Unterstiitzt den Ausschuss so viel als dacj*en ^mlich die Bttrger. Anders
in euren Kraften steht, um diesen Leh- ?achte.n die nei^ erwahlten Ward-Schul-
rertag zu dem e r f o 1 g r e i ch s t e n kommissare und mit ihnen einige ihrer
in der G e s ch i ch t I des Leh- al.teren Kollegen. Jetzt erst zeigte sich,
wie unrecht man ihnen fruher getan,
wenn man ihnen Pflichtvernachlassi-
gung und Gewissenlosigkeit vorgewor-
fen hatte. Sie weigerten sich, dem
vom Mayor ernannten ,,Kleinen Schul-
am 1. Januar Platz zu machen.
rerbunde
zu gestalten.
C. B. S.
Newark, N. J.
Endlich haben wir ihn! Namlich —
den ,,Kleinen Schulrat", nach wir sind von den Biirgern -erwahlt",
dem sich die Burger schon so lange ge- sa^-en sie und ,es ist unsere Pflicht,
sehnt. Die vorjahrige Staatslegislatur nijht von unserem Posten zu weichen."
erhess em Gesetz, das den Biirgern gie die keinen Zent Gehalt bezogen,
Newarks gestattete, darttber abzustim- ^a^en durchaus nicht geneigt, der
meiV ^b ^ ;Sch^.rat nach wie^vw aus stadt ihre wertvollen Dienste zu ent-
A. B. Dnego. Ein alt-
Keilschriftlehrer. Von
zwei Vertretern fiir jede der 16 Wards
— also zusammen aus 32 Mitgliedern—
Sadrach
bestehen und vom Volke erwahlt wer- babylonischer
den soil, oder ob er nur aus 9 Mitglie- Fritz Treugold. Verlag von Rob. Lutz,
>dern zusammengesetzt sein soil, die Stuttgart.
56 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
ziehen. Ihre Uneigennutzigkeit und am hauslichen Herde zu rauchen, als
Opferwilligkeit ging sogar so weit. die beschwerliche Reise nach der Me-
dass sie noch in die eigene Tasche grif- tropole anzutreten. Wer aber am 4.
fen und einen Anwalt beauftragten, Januar trotz Wind und Regen sich im
das neue Gesetz als unkonstitutionell Lokale des Deutschen Pressklubs ein-
anzufechten und einen Einhaltsbefehl gefunden hatte, bereute keineswegs die
gegen den ,,Kleinen Schulrat" zu erwir- geringe Unannehmlichkeit. Die Stim-
ken. Wie aber einstmals der kleine mung war eine recht gemiitliche und
David den Riesen Goliath besiegte, so der auf personlicher Erfahrung basie-
trug auch diesmal der Kleine gegen den rende, hochst lebendige Vortrag des
Grossen den Sieg davon. Der Grosse Herrn Dr. Hoelper iiber das
musste dem Kleinen den Schulratssaal ,,Deutschtum in Belgie n", der
raumen. Die Ernennung der 9 Mitglie- im Auszuge in diesen Spalten erscheint,
der des ,,Kleinen Schulrats" durch den wurde mit grossem Beifall aufgenom-
Mayor ist zur grossen Zufriedenheit men.
der Mehrzahl der Biirger ausgefallen. Dem Beispiele anderer deutscher Ver-
und man sieht nun der Weiterentwick- einigungen folgend, beschloss auch un-
lung unseres Schulwesens mit den serVerein, einMitglied des Deutsch-
besten Hoffnungen f iir die Zukunf t amerikanischen Schulver-
entgegen. eins der Stadt New York zu
Newark hat nun auch seinen werden und damit sein Scherflein zum
Zweigverein des ,,A 1 1 g e m e i- Gedeihen des Deutschtums hier im
nen deutschen Sprachver- Osten beizutragen.
eins." Die Herren Robert Mezger, Das Andenken des kiirzlich verstor-
Moritz Bamberger und Carl Kniep er- benen Dr. Grtinenthal, eines lang-
liessen im Oktober einen Aufruf behufs jahrigen Lehrers der deutschen Spracha
Griindung eines solchen, dem zahlreich an den offentlichen Schulen New Yorks
entsprochen wurde. Der Verein zahlt und eines eifrigen Forderers deutscher
jetzt bereits gegen 80 Mitglieder. Vor- Bestrebungen in der Metropole, wurde
trage wurden bis jetzt gehalten von durch Erheben von den Sitzen geehrt.
Herrn Jos. Winter aus New York iiber Auch wird seiner Familie ein Beileids-
Heinrich Heine mit besonderer Beriick- schreiben von seiten des Vereins iiber-
sichtigung seiner Stellung unter den sandt werden.
deutschen Dichtern und seiner Ver- Ferner wurde beschlossen, dem
dienste um die deutsche Sprache ; von Deutschen Pressklub, der un-
Herrn Peter Niclas von hier; von serem Vereine in den zwei letzten Jah-
Herrn Dr. Maximilian Grossmann aus ren seine Raume unentgeltlich zur Ver-
Plainfield, N. J., ttber die Gotterdamme- fiigung stellte, fur dieses so uneigen-
rung, und von Herrn Karl Kniep von niitzige Entgegenkommen ein wohlge-
hier iiber Fremdworter. Fiir den 29. meintes Dankschreiben zu iibermitteln.
Januar, Mittwoch Abend, haben der L. jj.
Zentralverein und der Sprachverein ge-
meinschaftlich ' eine Fichtefeier veran- Verein deutscher Spezial-
staltet, die in der offentlichen Biicherei lehrer in New York. In der Ende
abgehalten werden soil. Herr Dr. Ernst November abgehaltenen Sitzung unse-
Richard von der Columbia Universitat rer Vereinigung wurde auf Anregung
ist als Redner gewonnen worden. des Vereins deutscher Lehrer von New
Die jetzigen Beamten des Sprachver- York und Umgebung der Vorschlag ge-
eins sind: Robert Mezger, Prasident; macht und einstimmig angenommen,
Moritz Bamberger, Schriftfiihrer, und gemeinschaftlich mit dem letzteren ein
Karl Kniep, Schatzmeister. O(jer zwei Delegaten zu dem im nach-
H. G. sten Sommer stattzufindenden L e h -
New York. rertag in Milwaukee zu senden,
Wenn die drei letzten Versammlun- falls sich sonst keine Kollegen zu der
gen des Vereins deutscher Reise entschliessen sollten. Es wird
Lehrer von New York und dieser Plan von der Feststadt und dem
Umgebung nur massig besucht wa- Westen jedenfalls mit Freuden begriisst
ren, so lag die Schuld weniger an den werden.
Mitgliedern als an dem hasslichen Re- In der gleichen Versammlung wurde
genwetter, das sich regelmassig an den auch die Abhaltung einer W e i h-
Versammlungstagen einstellte und be- nachtsfeier beschlossen und die
senders die ausserhalb der Stadt woh- folgenden Mitglieder zum ausfiihrenden
nenden Herren dazu veranlasste, lieber Komitee 'ernannt: Herr B. Kuttner.
eine Havana im behaglichen Lehnstuhl Fraulein I. Knopfmacher, Herr F.
Umschau. 57
Maenner und Herr Prasident Scholl ex erheiternd waren die Tischreden der
officio. Herren Blume und Mussaeus. Fraulein
Da die monatliche Versammlung fur Constantini, die Vizeprasidentin des
den Dezember ausser dem Berichte tiber Vereins, zog es vor, in wenigen Worten
die Vorarbeiten fiir die oben genannte viel zu sagen. Grosse Heiterkeit erreg-
Feier nichts besonderes bot, so soil sie ten die Entschuldigungsschreiben, die
iibergangen und statt dessen der Ver- ein Spassvogel fiir einige abwesende
lauf des Weihnachtsfestes geschildert Mitglieder eingesandt hatte; unter an-
werden. derem entschuldigte sich ein Herr da-
Dasselbe fand am Abend des 27. De- durch, dass er noch schnell einige Hau-
zembers in den Raumen des Arion in ser zu verkaufen hatte; eine Dame,
New York statte, welche uns von der dass die zwei Sprachvereine, der sie an-
Gesellschaft in der freundlichstenWeise gehore, ihre Zeit voll und ganz in An-
zur Verfugung gestellt wurden. spruch nahmen, und ein anderer Herr
In der Metropole am Hudson scheint hatte last but not least den heiligen
die Luft fiir das Pflanzchen Kollegiali- <lrei Konigen noch eine Privatstunde zu
tat nicht besonders gut zu sein, denn geben. Ebenso interessant war die
es fiihrt ein ziemlich mageres Dasein, Verteilung der Gescbenke, die fur jeden
und so kam es denn auch trotz friih- Teilnehmer bestimmt waren. Fraulein
zeitiger Werbung, dass sich nur ein Knopfmacher hatte dieselben mit vieler
kleines Hauflein Getreuer zusammenge- Arbeit in verschiedene Hiillen verpackt,
funden hatte, das aber durch liebe, an- wovon jede mit einer anderen Adresse
hangliche Gaste gerade verdoppelt wur- versehen war, so dass jeder Gegenstand
de. Obgleich man voraussetzen . sollte, durch eine Anzahl Hande wanderte, bis
dass die Teilnahmslosigkeit so vieler er endlich seinen gliicklichen Besitzer
Mitglieder ein etwas gemischtes Gefiihl fand.
hatte erzeugen miissen, so herrschte Nach aufgehobener Tafel erfreuten
doch von Anfang an die frohlichste uns zwe* Damen, welche als Giiste an-
Stimmung, die selbst die etwas pessi- wesend waren, durch herrliche Violin-
mistisch gehaltene Eede des Vorsitzen- und Klaviervortrage.
den des Komitees, Herr Kuttner, nicht Erst nach schon etwas stark vorge-
zu verscheuchen vermochte. Die 'echt riickter Stunde trennten wir uns mit
humoristische Erwiderung derselben dem Bewusstsein, eine wirklich recht
durch den Vereinsprasidenten ver- vergniigte Weihnachtsfeier erlebt zu
scheuchte sofort jede Wolke; 'ebenso haben.
F. M.
II. Umschau.
Gustav E. Karsten. Gestor- der romanischen Sprachen. Weit iiber
ben am 28. Januar 1908. Pro- den Einflusskreis dieser Universitat
fessor Gustav E. Karsten starb am 28. hinaus machte er sich in der Gelehrten-
Januar nach kurzer Krankheit. Einem welt von Amerika und Europa eihen
in der ,,Sonntagsglocke" von Peoria Namen durch das von ihm gegriindete
veroffentlichten, hochst sympathisch und herausgegebene „ Journal of Eng-
gehaltenen Nachrufe seines ehemaligen lish and Germanic Philology". Seine
Schulers. O. P. Klopsch, entnehmen wir umfassende Bildung und seine Erfolg-e
fiber den Lebenslauf und die Tatigkeit als Lehrer schufen ihm eine Anzahl
des Verstorbenen u. a. folgendes: Neider, und die daraus entstandenen
Karsten wurde 1860 in der Nahe von Misshelligkeiten veranlassten ihn, 1903
Konigsberg geboren. Er absolvierte das seine Stelle niederzulegen. 1906 wurde
Gymnasium zu Marienwerder und be- er an die Staatsuniversitat von Illinois,
zog dann die Universitaten von Leip- IJrbana, berufen als Vorstand der ver-
zig, Konigsberg, Heidelberg und Frei- einigten Departements der modernen
burg, wo er 1883 zum Doktor promo- Sprachen. Leider war es ihm nur ver-
viert wurde. Nachdem er zu weiterer gonnt, drei Semester an dieser Anstalt
Ausbildung zwei Jahre in Paris und zu wirken. Eine plotzlich eingetretene
London verbracht hatte, wurde er 1885 Lungenentziindung machte seinem L'e-
Dozent der germanischen und romani- ben friihzeitig ein Ende. Ausser seiner
schen Philologie an der Universitat Familie und der Universitat trauern
Genf. 1886 folgte er einem Rufe an die um ihn Tausende seiner ehemaligen
Universitat von Indiana als Professor Schliler und alle Freunde des Deutsch-
58 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
turns, fiir welches der Verstorbeue in danken. ubersetzung ist bis zu einem
diesem Lande stets so mannhaft aut- gewissen Punkte besser als Aufsatz.
trat denn die Schwierigkeit flir die meisten
Studenten liegt darin, dass sie nicht in
Der Unterricht im Engli- gleicher Weise Gedanken wie Worte zu
schen. Lehrer an High Schools und Hefern imstande sind.
Colleges stimmen darin tiberein, dass (Chicago Tribune.)
der Unterricht im Englischen schlecht
ist. Nur darin gehen ihre Ansichten j)er Mangel an mannlichen
auseinander, wen die Schuld triflft. Die Lehrkraften. Der stets zunehmen-
Lehrer an den Colleges behaupten, der de Mangel an Mannern auf dem Felde
Unterricht in der Sekundarschule sei so der Erziehung scheint die Leute dieses
geringwertig, dass die Zeit der Klassen Landes nur in akademischer Weise zu
an Colleges mit elementarer Arbeit beunruhigen. Es ist ein geeigneter
vergeudet wird. Lehrer an den Hoch- stoff, um dariiber zu reden, gerade wie
schulen hinwiederum geben die Schuld man uber Evolution, Wetter und Pr&-
den Anforderungen, welche fiir die Zu- sident Roosevelt redet. In der Praxis
lassung zu Colleges gestellt werden. So aber geschieht nichts, um dem Lehrer-
viele Bticher seien mit Riicksicht auf berufe einen grosseren Zufluss kraf tiger
die bevorstehende Priifung zu lesen, Mannlichkeit zuzuftihren. Im Gegen-
dass fiir eine nutzbringende Beschafti- teil, sollte man nach der Behandlung
gung mit Aufsatz und Rhetorik keine urteilen, die manchem der besten Man-
Zeit iibrig bleibe, wahrend der Schiiler ner in diesem Felde zuteil wird, so ge-
durch die uberfiillung mit Stoff einen schieht das Ausserste, um junge, mit
Widerwillen gegen die Literatur fasse, Selbstachtung erfiillte Leute vom Leh-
die er sonst zu geniessen gelernt hatte. rerberufe abzuhalten.
Vielleicht haben beide recht. Es j)ie Bezahlung ist sicherlich keine
mag sein, dass die Arbeit in den Sekun- Anzielmngskraf t ; sie deckt im besten
darschulen minderwertig ist, und dass jraiie die notwendigsten Lebensbediirf-
die Aufnahmebedingungen fur die Col- nisse. In Ausnahmefallen, wie in den
leges die Schuld daran tragen. In der Superintendentenstellungen, mag es
Diskussion, die sich dariiber entspann, mo»lich sein ,etwas fiir die kommendeu
hat man darauf hingewiesen, dass eng- vRegentage" zuriickzulegen. Aber wie
lische Collegestudenten, welche keinen vielen ist es gewahrt, ihre nutzbaren
systematischen Unterricht im Engli- jahre im Erziehungsfelde auszudienen?
schen geniessen, besser schreiben als j)er Marktwert, den man der Erfahrung
die amerikanischen Studenten, welche gibt, scheint nicht iiber 45 hinauszu-
so strenge gedrillt werden. gehen. Die Pensionierung der Lehrer
In den englischen Schulen bildet die fst noch keine nationale Einrichtung.
Praxis, welche auf die sorgsame uber- gie wird es einmal sein, denn schliess-
setzung fremder Autoren sich erstreckt, ijch siegt doch die Gerechtigkeit. Aber
die beste tibung fiir den schriftlichen von dem ,,was sein kann ttnd sein wird"
Gebrauch der englischen Sprache. In ernahrt man keine Familie.
den amerikanischen Schulen werden Was nun den Ruhm betrifft — nun.
fremde Sprachen so studiert, als ob die ao jst mehr Ruhm daran, ein Jahr einer
-Sprache der Zweck in sich selbst ware, Loge von Elks vorzustehen, als die Er-
und der Wert des Lateinischen, Deut- ziehung einer ganzen Stadt von Kin-
schen oder Franzosischen, insofern er dern zu formen. Natiirlich bezieht sich
Stoff fiir das Studium des Englischen das nur auf den irdischen Ruhm, und
liefert, geht verloren. Wenn eine Per- njcht auf die Art, von welcher der Pra-
son von hoherem Intellekt und griind- sident, der Gouverneur und der Biirger-
licher Kenntnis der Fremdsprache ein meister sprechen, wenn sie sagen, dass
fremdes Meisterwerk liest, so tritt sie der Lehrberuf der ruhmvollste auf Er-
gewiss zu dem Autor in ein innigeres den ist.
Verhaltnis, wenn sie sich keiner be- \Venn die Leute wirklich dachten,
wussten ubersetzung in die eigene dass die Arbeit des Lehrers glorreicher
Sprache bedient. Andererseits ist die sej ajs irgend eine andere, wiirden sie
Fahigkeit, in der eigenen Sprache es 8O arg veriibeln, wenn den Lippen
Worte zu finden fiir die Gedanken eines des Schulmannes ein Wort entfallt,
fremden Schrifts tellers, nicht nur ein welches nicht Weihrauch ist fiir die
Priif stein fiir das eigene Verstandnis, Nasen seiner Mitbiirger; und wenn der
sondern auch eine viel bessere ubung Lehrer so geachtet wurde als er sollte,
in der Muttersprache als alle eigenen wiirde es jedem Toms und Heinz ge-
Aufsatze mit ihren gemeinplatzigen Ge- stattet, seine persSnliche Meinung ge-
Umschau.
59
gen die des erfahrenen Erziehers ins
Feld zu ftihren? Wahrlich, es ist oft
ein grosserer Ruhm, der Janitor als der
Prinzipal einer iSchule zu sein.
(The School Journal.)
tiber die Kindheit. Ich be-
streite auf das entschiedenste, dass
derjenige Mensch am besten auf den
ernsten Kampf des Lebens vorbereitet
ware, der schon als Kind in der Regel
seine voile Kraft habe hergeben miis-
sen. Ich behaupte vielmehr, dass der-
jenige Mensch der starkste ist, dessen
Herz sich in der Kindheit vollgesogen
hat von Lebensfreude und Lebensmut.
Eine selige Kindheit ist ein unerschopf-
liches Kraftreservoir, ist ein Kapital,
das bis in die Todesstunde Zinsen tragt
und von der Erinnerung taglich ver-
mehrt wird. Wenn der Glaube an den
Wert unseres Daseins nicht im Lande
der Kindheit wurzelt, so treibt er iiber-
haupt keine kraftigen Wurzeln mehr.
(0. Ernst, fc des Kindes Freiheit und
Freude.)
Neue Lehrplane fur die
o'sterreichischen Burger-
schulen. Die von dem osterreichi-
schen Unterrichtsministerium aufge-
stellten Normallehrplane fiir Knaben-
und Madchenbiirgerschulen liegen nun-
mehr im Detail vor. Das Stundenaus-
mass wird fiir Knabenschulen in der
ersten Klasse mit 29, in den iibrigen
Klassen mit 30, fiir Madchenschulen
mit 29 Unterrichtsstunden per Woche
bestimmt. Davon entfallen auf Reli-
gion 2, Unterrichtssprache in Verbih-
dung mit Geschaftsaufsatzen 5, Geogra-
phie und Geschichte 3, Naturgeschichte
2, Naturlehre 2, Rechnen in Verbindung
mit einfacher Buchfiihrung 4 (Madchen
3), Geometric und geometrisches Zeich-
nen 3 (Madchen 1), Freihandzeichnen 4
(Madchen 3), Schonschreiben 1, Gesang
1, Turnen 2 (letzte Knabenklasse 3)
Unterrichtsstunden per Woche, wozu
noch in den Madchenschulen 4, in der
letzten Klasse 5 Unterrichtsstunden in
den weiblichen Handarbeiten kommen.
Lehrziel und Lehrstoff sind vorerst nur
fiir die obligaten Gegenstande und die
Anstalten mit deutscher Unterrichts-
sprache angegeben, wahrend fiir die un-
obligaten Facher und die iibrigen Schu-
len eigene Normalplane folgen werden.
Die Reformaktion bezweckt, den Unter-
richt an Biirgerschulen den Zeitverhalt-
nissen anzupassen und eine modernere
Grundlage fiir die Wirksamkeit dieser
fiir die gewerbetreibende und landwirt-
schaftliche Bevolkerung wichtigen In-
stitution zu bieten. In den Lehrplanen
fiir Madchenbiirgerschulen ist insbeson-
dere auch auf die Forderung naeh spe-
zieller Beriicksichtigung der Bediirf-
nisse der weiblichen Berufe Bedacht ge-
nommen. So wird in der ersten Klasse
das Stricken, Nahen, Schlingen sowie
das Ausbessern schadhafter Wasche ge-
iibt, in der zweiten Klasse soil das
Zeichnen leichter Schnitte, Zuschneiden
von leichten Waschestiicken, Nahen
und Ausbessern der Wasche, Weiss-
stickerei, in der dritten Klasse dazu
noch das Maschinennahen erlernt wer-
den. Wenn es die Zeit erlaubt und ^en
ortlichen Verhaltnissen angepasst, kon-
nen auch Kunstarbeiten gelehrt wer-
den, wahrend Hinweise iiber Art und
Giite der zu verwendenden Materialien
den Unterricht in alien Klassen beglei-
ten. Auch der Unterricht in der Ma-
thematik hat auf die Berechnungen der
Haushaltung Riicksicht zu nehmen. Als
nicht obligates Fach soil auch Haus-
haltungskunde vorgetragen werden.
Das grosste Gewicht wird auf die tadel-
lose Beherrschung der Muttersprache in
Wort und Schrift gelegt. Die Kennt-
n is der im biirgerlichen Leben haufiger
vorkommenden Geschaftsaufsatze und
in Verbindung damit die Vertrautheit
mit den gangbarsten Formularien des
Post- und Eisenbahnverkehres soil er-
zielt werden. Auch in alien anderen
Fachern ist der Stoff unter bestandiger
Riicksichtnahme auf die Bediirfnisse
des praktischen Lebens zu wahlen. / So
sind in der Naturgeschichte Belehrun-
gen iiber den menschlichen Korper und
seine Pflege vorzunehmen, den Knaben
beim Rechenunterricht auch die Grund-
ziige der einfachen Buchhaltung zu ver-
mitteln. Ebenso sollen die Schiiler in
geeigneter, leicht verstandlicher Weise
in die Verwaltungs- und Verfassungs-
lehre eingefiihrt werden. Die neuen
Normalplane treten mit dem Schul-
jahre 1908/09 in Kraft.
Das Goethe - SchillerDenk-
mal in Weimar. Anlasslich des
Neubaus des Hoftheaters in Weimar
wurde es fiir notwendig gefunden, das
beriihmte Goethe - Schiller Denkmal,
welches Rietschel im Jahre 1857 vollen-
det hat, um etwa neun Meter zuriick-
zuschieben, damit es vor die neue Thea-
terfront zu stehen kame. Dieser Um-
stand erweckt die Erinnerung an die
Einweihung des Denkmals. Von den
zahlreichen Schriftstellern, welche bei
dieser anwesend waren, hat der Mar-
chendichter Hans Christian Andersen
die schonste Schilderung hinterlassen.
,,Als die Hiille fiel", schreibt er, ,,sah
60 Monalshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
ich einen von den poetischen Momenten sich niederlassen sollte — als Sinnbild
des Zufalls. Ein weisser Schmetterling der Unsterblichkeit. Nach kurzem
flog iiber Goethes und Schillers Haupi, Schwarmen erhob er sich in das klare
als ob er nicht wiisste, auf welcheni er Sonnenlicht und verschwand." 0. B.
III. Humor in der Schule.
Bei einer Revision in einer Lehrer : ,,Warum ging Hannibal iiber
elsassischenSchule fragt der die Alpen?" Schiller: ,,Weil der Tunnel
Revisor nach ausfiihrlicher Behandlung noch nicht fertig war."
eines I^sestiickes ein naturwiichsiges Lehrer: ,,Ein Betrug ist etwas sehr
Madchen warum denn eigenthch dieses Schlimmes; ich will euch das an einem
Lesestuck in dem Lesebuch tande. fi . -el klar machen H dein Va.
Antwort: Damit die Blatter vollwer- ter Pist Kaufmann, nicht wahr?" -
den! Schallender Heiterkeitsausbruch Hans; Ja «_Lehrer : ,,Nun, wenn dein
bei samtlichen Revisionsteilnehmern, Vater seinen Zucker mit gand ver.
inmitten dessen man irgend einen ,,er- mischt 8O wiirde er ,einen Bet b
wachsenen Mund ganz leise glaubte hen und Unrecht tun." - Hans* ,,Das
vor sich hm zitieren zu horen: ,,Was t Mutter auch im aber Vater
kern Verstand der Verstandigen sieht" meftint es merkt>s ja keiner «
u. s. w.
Einen netten Schulwitz f 6r-
Eigene Auffassung. Der derte die Priif ung in einer Dorf schule
Lehrer will bei der Erlauterung des des Schambachtales zutage. Lehrer:
Begriffes ,,Freundschaft" auch auf den Wie heisst die erste Vergangenheit von
der Kameradschaft hinweisen und fragt gedeihen? — Schiller: Gedieh. — Leh-
deshalb den Meyer: ,,Nun, wie nennt rer: Recht so. Sag mir nun einen Satz
man denn einen, der das Letzte mit ei- mit gedieh! — Schiller: Geht die dos
nem teilt, na? Ka Ka " Jetzt was o?
kommt ein Licht iiber Meyer: ,,Kamel, E n t s ch u 1 d i g u n g s s chr ei -
ben. Auf die schriftliche Anfrage ei-
Vor kurzem wurde in Hof a. S. ein nes Lehrers an die Mutter, warum ihr
neuer grosser Schulpalast Knabe die Schulstunde versaumt habe,
eroffnet, der neben anderen ,,Vorziigen" antwortete die aus Pribram gebiirtige
auch diesen besitzt, dass kleinere Kin- Frau Czibiczek ebenfalls schriftlich:
der in dem Gewirr von Gan<ren sich ,,Benedikte tern bum Christine Czibi-
leicht verirren. Dieser Tage nun trifft czek" Der Lehrer konnte sich diese
ein Lehrer auf einem dieser Gange ein Antwort nicht entratseln, obschon er
Madchen an, das bitterlich weint. Auf Latein verstand. Ein Freund klarte ihn
seine teilnehmende Frage nach der Ur- dariiber auf, dass die Frau nicht latei-
sache ihres Rummers teilt ihm die nisch geschrieben habe, sondern
Kleine unter erneutem Schluchzen mit, deutsch: ,,Benotigte den Buben. Griisst
dass sie ihr Schulzimmer nicht finde. Ihnen Czibiczek."
,,Nun," fragt da der Lehrer darauf, L a t e i n e r. Mens agitat molem
,,wie heisst denn dein Herr Lehrer?" steht in Aachen am neuen Fliigel des
Unter vermehrtem Schmerzensausbruch Polytechnikums. Zwei Biirger sitzen im
und schluchzend stb'sst die Xrmste her- Wirtshaus gegeniiber und besprechen
aus: ,,Wir ham ja — hu hu — gar kein' den Neubau. Der cine missbilligt:
Herrn Lehrer; wir ham ja nur a ,,Dat kiinnten se doch ooch deutsch
Madia!" Lachend begab sich der Leh- schriwe, dat mer et versteit!" — ,,0ch,"
rer auf die Suche nach dem ,,Madla", sagt der andere und driickt selbstzu-
und bald darauf konnte er der jungen frieden das Unterkinn heraus: ,,echben
Lehrerin X. ihren nunmehr getrosteten om Gymnasium gewes', ech verston et.
kleinen Schtitzling tibergeben. Et heisst Der Mensch agitiert mit's
Maul!"
Biicherschau.
I. Bucherbesprechungen.
Franz Grillparzer, Die A h n-
frau. Edited with introduction,
notes and vocabulary, by Frede-
rick W. J. Heuser, A.M. (Tu-
tor in the Germanic Languages and
Literatures, Columbia University),
and George H. Danton, Ph. D.
(Acting Assistant Professor of
German, Leland Stanford Jr. Uni-
versity). New York, Henry Holt
& Co., 1907. LIX + 257 pp. Cloth,
80 cents.
In publishing Grillparzer's tragedy,
"Die Ahnfrau/' as a school text, the
editors have placed at the disposal of
the American student a German drama
well worth reading, a drama which pre-
sents many qualities to recommend it
for class use. There is the treatment
of fate, the use of the Spanish trochaic
tetrameter verse, a masterful tech-
nique, and beauty of verse, that offer
a diverse field for study and criticism.
Nowadays, that the idea of reading
nineteenth century literature in high
schools and colleges has become so de-
servedly general, we need more editions
of Grillparzer, Hebbel, Ludwig, etc.,
and every addition ought to receive a
hearty welcome from the instructors of
German.
Such a play as "Die Ahnfrau" will
find a place, not only in the larger uni-
versities where specialization is possi-
ble, but also in the high schools and
small college. The work is not intended
for specialization, but as a text for
regular second and third year reading
courses. The drama is of a high lite-
rary order, good material for practice
in German grammar, if one wishes, and
a splendid basis for literary interpreta-
tion.
The introduction is a model preface
to a school text. We find here what
we ought to expect, — a detailed exposi-
tion of the author's life and works that
will not necessarily add to the know-
ledge of a specialist, but which is,
nevertheless, an adequate sketch that
serves as a general introduction for the
student to the author whose work has
been edited, carefully compiled and
presented in an interesting manner.
The editors have struck the happy
medium between the introduction that
is too brief and perfunctory, and the
introduction which is so overloaded
with knowledge that it frightens off
the student. The sketch of Grillparzer's
life is, to be sure, popular in tone, but
it evinces back of it the most careful
research. One reads the literary essay,
here presented, with pleasure and ac-
quires an excellent impression of the
man Grillparzer, and of his position in
the history of German literature.
The task of presenting, within a few
pages, adequate information upon the
principal works of the author has also
been happily solved by the editors. If
any objection were to be raised, it is
that the contents of the plays are not
given in sufficient detail to enable one
not acquainted with them to appreciate
fully the criticism offered. Here, how-
ever, as in the biography of Grillparzer,
the essay is exceedingly inspiring both
for the instructor and the student.
In the third part, "The Origin and
Sources of Die Ahnfrau," the develop-
ment of the material in Grillparzer's
hands is clearly portrayed, without
that show of scientific research that
often wearies all but the specialist.
The same may be said of the fourth
part, "The Fate Element in Die Ahn-
frau." These essays are based upon
scholarly research and presented with-
out pedantic bombast. The editors pur-
sue the correct method of criticism in
pointing to internal evidence to sup-
port their assertion that this drama,
however superior to the other so-called
"Fate Tragedies," is none the less a
member of that school. The external
earmarks of the fate genre are present,
— Grillparzer's repeated, disgruntled as-
sertion that his play is no Fate Tra-
gedy does not change the facts of the
case, — but the real essence of the Fate
tragedy is to be sought within. No
matter what the characters do to evade
or frustrate the implacable fate that
hangs over their house, this fate
strides over them relentlessly, and all
must finally succumb.
62
Monatshefte fur deutsche Sprache und PddagogiJc.
The bibliography that is appended,
pp. Hi — lix, attests the astounding wide
scope of the reading of the editors in
preparing this edition. It ,in itself, is
a helpful guide to a minute study of
Grillparzer's life and works.
The text is clearly and correctly
printed. In 1. 2116 there is an extra
"h" in "fiihrwahr." The notes are very
apt. The book does not suffer from
the lack of explanations, as is too
often the case in school texts, and yet
scarcely a helpful suggestion has been
overlooked, without being open to the
charge of prolixity. The translations
of difficult and obscure passages are
very correct and suggestive, aiming to
interpret rather than merely to trans-
late. The summaries at the close of
the acts are also a great improvement
over the prevailing method of placing
a resume" at the beginning of each act.
Thus the student is not robbed of the
pleasure and profit of his first impres-
sions, untainted by the views of the
editors and teacher.
Some of the notes are not as cor-
rectly stated as might be wished. The
note to 1. 562 is not explicitly stated,
and in its present form is misleading
and incorrect. L. 692, "auch" only is
to be supplied: the inversion stands
for the regular condition with "wenn."
LI. 1217-8 should be more explicitly
stated. The note to 1. 1555 comes rather
late, considering that the same con-
struction with "gleich" has occurred
frequently before, without being ex-
plained in the notes. LI. 2948-9, the
note explaining "selbst ein Morder" as
in apposition with "das" is a misun-
derstanding of the sentence. "Kerin-
test," 1. 3280, is not formed from the
infinitive, but, like the infinitive, is an
umlauted form written with "e" in-
stead of the umlauted "a". An inter-
pretative note on 1. 146 would be in
place, and "die", 1. 556, might be re-
ferred to its antecedent. Such omis-
sions are rare.
The vocabulary is very carefully and
correctly compiled. The following omis-
sions have been noted: 1. 254, "obge-
sieget", 1. 488, "langgehegter", 1. 170;
"Leichnam", 1. 833 (stage direction),
"umfassend", 1. 1218, "erspart", 1. 1244,
"Aussenwerken", 1. 1371, "daransetzen",
1. 1983, "Eid", and 1. 3109, "Ausseri-
welt."
The book, as a whole ,is a monument
of the most thorough scholarship and
painstaking care, and we owe Mr. Heu-
ser and Mr. Danton our deepest grati-
tude for a text of so high a standard.
John L. Kind.
University of Wisconsin.
I
Deutsche Schulerziehung
herausgegeben von W. Rein, Jena.
Erster und zweiter Band, @ $1.50.
Miinchen, J. F. Lehmanns Verlag.
1907.
Die Augen der gesamten gebildeten
Welt sind auf Deutschland und seine
Schulen gerichtet. Tausende von Leu-
ten aller Berufsklassen pilgern nach
dem ,,Vaterlande", das fiir so viele zum
Mekka geworden ist, wo sie wenigstens
einmal in ihrem Leben dem Geiste deut-
scher Kultur huldigen, sich in seinem
Lichte eine Weile sonnen wollen. Auch
von diesem Lande, von den Vereinigten
Staaten, ziehen sie hiniiber: vor alien
die, welche noch weiterer Bildung be-
diirftig sind, die sie in unseren entwe-
der mangelhaften oder auch viel zu
teuren Universitaten nicht finden kon-
nen. Denn immer noch steht die Schule
Deutschlands als ein Muster da, wenn
auch nicht ihrer Organisation wegen, so
doch in Hinsicht auf Methode und Re-
sultate. Und diese waren es haupt-
sachlich — und sie sind es noch — , die
nicht nur unsere Studenten locken, son-
dern auch die Manner und Frauen
Amerikas, welche auif dem Felde der
Erziehung und des Unterrichtes tatig
sind, also unsere Lehrer und Lehrerin-
nen. Gleich den Arzten, die es fiir un-
bedingt notwendig erachten, ihre hier-
zulande erworbene Ausbildung in Leip-
zig, oder Berlin, oder Wien zum Ab-
schluss zu bringen, so halt 'es auch <Jer
moderne Erzieher fiir unerlasslich, das
Schulwesen Deutschlands griindlich
kennen zu lernen, und zwar, wenn ir-
gendwie moglich, an Ort Und Stelle
selbst.
Leider steht dieser direkte Weg nur
wenigen offen. Auch in Amerika sind
Lehrer und Erzieher nicht auf Rosen
gebettet; das Einkommen dieser Leute,
die einer bekannten Phrase entspre-
chend die Zukunft in Handen haben,
ist gewohnlich sehr bescheiden, und
wenn dem Manne auch noch eine Fami-
lie beschieden ist und die Sorge um die
Zukunft der eigenen Kinder obliegt, so
bleibt fiir eine Studienreise nach Eu-
ropa herzlich wenig tibrig. Fiir diese
Leute nun, die sich auf ein Studium zu
Hause, auf die Lekttire beschrankt
sehen, ist das hier angezeigte Buch von
Dr. W. Rein eine wirklich unschatzbare
Gabe. Es bietet in jeglicher Hinsicht
eine wenn auch etwas gedrangte, so
Bucherbesprechungen. 63
doch griindliche Belehrung iiber das Er- len. Damit die Schiller das Banner
ziehungswesen im alten Vaterlande, nicht aus den Augen verlieren und ihr
bezw. das deutsche Schulwesen, denn Nationalbewusstsein stets frisch erhal-
sein Titel lautet ja ,,Deutsche Schuler- ten, weht das Banner jeden Tag — ja,
ziehung", und das gesamte Werk bleibt es wird auf den Schulgebauden man-
sich der in diesem Titel angedeuteten cher besonders national gesinnter
Tendenz treu. Stadte iiberhaupt nicht mehr entfernt
Ein neues Buch von Dr. W. Rein ist und weht also dort sogar bei — Nacht.
immer ein Ereignis auf dem padagogi- Wie wir sehen, so sitzen auch wir im
schen Biichermarkte. Mat hat sich in national en Glashause, und wollen
Deutschland nachgerade daran ge- deshalb die Steine, nach denen wir so-
wohnt, in alien wichtigen und 'entschei- eben gegriffen, lieber wieder einstecken.
denden Fragen das letzte Wort von ihm Halten wir uns an das Gute, das wirk-
zu horen. Die Lehrerschaft sieht in lich Vortreffliche dieser so eigenartigen
ihm ihren Fiihrer. Als vor ein paar Sammlung. Dr. Rein selbst definiert
Jahren in Wiirttemberg der Kampf um ihren Zweck auf Seite XIII der Einlei-
die Fachaufsicht gefiihrt wurde und die tung. Er sagt: Eltern und Lehrer sol-
Lehrer sich gegen jede weitere geist- len durch das Buch angeregt werden,
liche Bevormundung in Reih' und Glied immer tiefer in die deutsche Vergan-
stellten, berief man Dr. Rein nach genheit und deutsches Wesen hineinzu-
Stuttgart, um hier in einem offentli- blicken, Volkskunde und Volkskunst,
chen Vortrage seine Ansichten iiber Heldentum und Dichtung, Philosophie
diese hochwichtige Bewegung darzule- und Religion in ihrer Bedeutung fur
gen. Er kam und loste seine Aufgabe unsere Erziehung und fiir die Aufga-
in einer Weise, die auch den eifrigsten ben des Tages immer klarer erkennen
Anhangern des alten Regimes die hoch- und immer warmer erfassen zu lernen.
ste Achtung abnotigte. Dieser Aufg'abe wird denn auch das
In dem uns vorliegenden Werke Werk in schonster und vollkommenster
fanden wir ausser der sieben Sei- Weise gerecht. In 26 Abhandlungen
ten langen Einleitung nur die werden samtliche Phasen der deutschen
ersten 49 Seiten aus der Feder des Schulerziehung behandelt, so dass der
Herausgebers ; der iibrige Inhalt des Leser einen allumfassenden und griind-
Werkes (im ganzen etwa 600 Seiten) lichen Einblick in die fiir ihn so wich-
wurde auf eine stattliche Anzahl von tige Sache erhalt. Natiirlicherweise ist
Mitarbeitern verteilt, unter denen wir nicht jede Abhandlung fiir jeden Leser
jedoch wohlbekannte und mit Recht von derselben Wichtigkeit und demsel-
beriihmte Namen entdeckten — zu un- ben Werte. Was speziell uns Lehrer
serem aufrichtigen Vergniigen auch den des Deutschen betrifft, so diirften wohl
Redakteur dieser Zeitschrift, Herrn die Seiten 356 bis 410 fiir uns das
Seminardirektor Max Griebsch. Sein meiste Interesse bieten. Auf diesen
Beitrag ,,Nationale Erziehung in den Seiten finden wir die Abhandlungen
Vereinigten Staaten von Nord-Ameri- iiber den Unterricht in den Fremdspra-
ka" steht zwar am Ende des Buches, chen, und von Seite 377 in den ,,Neue-
also ,,last, but by no means least." ren Sprachen". Wir haben aus diesen
Er beweist nicht nur eine breite und Artikeln manches gelernt, was auch auf
tiefe Sachkenntnis, sondern auch jene unsere Verhaltnisse anwendbar ist, ob-
freie Unparteilichkeit, die ich in so wohl die Herren Verfasser bei ihren
manchen der anderen Artikel vermisste, Ansichten iiber Latelnisch und Grie-
in denen das nationale Prinzip — und chisch, Franzosisch und Englisch, und
immer wieder das nationale Prinzip bis iiber Zeit und Methode des Unterrichts
zur Ermiidung hervorgehoben und in den Fremdsprachen stets das deut-
breitgetreten wird. sche Gymnasium und die Realschule,
Und dies ist denn auch die einzige sowie auch die Universitaten im Aug"e
schwache Seite, die ich an dieser sonst haben, aber niemals die Elementarschu-
durchaus vortrefflichen Sammlung von len oder die alien zuganglichen Volks-
Abhandlungen bemerkt habe. Man schulen. — Die von Seite 517 an folgen-
kann eben alles zu weit treiben, auch den Abhandlungen iiber ,,National-Er-
das Gute. Gewiss ist das nationale ziehung bei anderen Volkern" bieten
Prinzip in jedem Lande und bei jedem eine sehr dankenswerte Zugabe; wu-
Volke von noher Wichtigkeit in der Er- rum aber in diesem Abschnitte des Bu-
ziehung. Wird es aber einseitig be- ches Frankreich einfach totgeschwiegen
tont, so weckt es die komische Erin- wird, ist uns nicht begreiflich. Oder
nerung an das Aufhissen des Stenren- ist der padagogischen Welt Deutsch-
banners auf unseren offentlichen Schu- lands nichts davon bekannt, was seit
64
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
dem letzten grossen Kriege westlich bald einen tiichtigen ubersetzer finden,
vom Rhein in nationaler Hinsicht fiir der es unseren englischen Kollegen und
die Schulerziehung geschehen ist? Kolleginnen verstandlich macht, denn
Wir wiinschen Dr. Reins Buch die gerade sie sind es, die am meisten da-
grosstmogliche Verbreitung und den raus lernen konnen.
schonsten Erfolg. Mage das Werk auch Pencil Vania.
II. Eingesandte Biicher.
Mein erstes Lesebuch.
Fibel fiir den ersten Deutsch - Unter-
richt. Von K. Zoller. Giessen, Emil
Roth, 1908.
Universitat und Schule.
Vortrage auf der Versammlung deut-
scher Philologen und Schulmanner am
25. September 1907 zu Basel, gehalten
von F. Klein, P. Wen dl and, Al.
Brand 1, Ad. Harnack. Mit ei-
nem Anhange: Vorschlage der Unter-
richtskommission der Gesellschaft deut-
scher Naturforsche'r und Arzte betref-
fend die wissenschaftliche Ausbildung
der Lehramtskandidaten der Mathema-
tik und Naturwissenschaften. B. G.
Teubner, Leipzig, 1907. Preis geb. M.
1.50.
Aus Natur und Geistes-
w e 1 t. Sammlung wissenschaftlich-
gemeinverstandlicher Darstellungen.
185. Bandchen: Shakespeare
und seine Zeit. Von Dr.
Ernst S i e p e r, a. o. Professor an
der Universitat Miinchen. Mit 3 Ta-
feln und 3 Textbildern. 190. Bandchen:
TechnischeHochschulenin
N o r d a m e r i k a. Von S i e g-
mundMtiller4 Professor an der
Kgl. Techn. Hochschule in Berlin. Mit
zahlreichen Textabbildungen, einer
Karte und einem Lageplan. Leipzig, B.
G. Teubner. Preis fiir das Bandchen
M. 1.25.
Sprachubungen (in sieben
Heften). Im Anschlusse an die Lese-
biicher der Serie Weick - Grebner. Be-
arbeitet fiir den deutschen Unterricht
in amerikanischen Volksschulen von
E m i 1 K r a m e r. Zweite Auflage.
Verlag von Gus. Muehler, Cincinnati,
0. Preis pro Heft 5 Cts.
Die beidenFreunde. Eine
Erziihlung von General - Feldmarschall
GrafHelmuth vonMoltke.
With introduction, notes, and vocabu-
lary, by Karl Detlev Jesse 11,
Ph. D. (Berlin). New York, Henry
Holt & Co., 1907. Price, 35 cts.
Monatshefte
fur deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Padagogische Monatshefte.)
• A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* JMarz 1908. f)cft
In Memoriam.
Professor Karsten. «j- Professor Dr. Gustaf Karsten, der uns am 28.
Januar so plb'tzlich durch den Tod entrissen wurde, gehorte zu den ersten
Philologen unseres Landes. Sein Tod bedeutet einen Verlust fiir deut-
sche Bildung und deutsche Ideale, den nur die in vollem Masse wiirdigen
konnen, die ihn naher kannten. Es wird folglich einem langjahrigen
Schiller und Freunde vergonnt sein., einiges iiber seine Verdienste her-
vorzuheben.
Professor Karsten bezog die Universitat Freiburg (in Baden) zur
Zeit als Hermann Paul seine epochemachenden Arbeiten auf dem Gebiete
der Germanistik veroifentlichte. Obwohl Karsten bis zu dieser Zeit ein
ganz anderes Ziel verfolgt hatte, fiihlte er sich jetzt sofort zu den Neu-
philologen hingezogen und widmete sich dem neuen Fache mit einer Hin-
gebung und Aufopferungsfreudigkeit, die wohl selten iibertroffen wor-
den 1st.
Zu seinen Lehrern in der neueren Philologie zahlte er unter anderen.
Paul, Braune, Sievers, Kluge, Neumann, Brugmann und Paris. Nach-
dem er in Freiburg promoviert hatte, hielt er sich langere Zeit in London,
Paris und Italien auf, um sich griindlicher in den neueren Sprachen zu
orientieren, und habilitierte sich dann als Privatdozent in Genf. Hier
66 Monatshefte filr deutsche Sprache und Pddagogik
wurde er mit Professor David Starr Jordan, zur Zeit Eektor der Indiana
University, bekannt, der ihn kurz darauf als Professor der romani-
schen Sprachen berief. Nach einigen Jahren iibernahm er, gegen den
Wunsch seiner romanischen Kollegen, die deutsche Professur, weil er
dadurch nachhaltiger deutsche Bestrebungen in dem Universitats- und
Schulwesen zu fordern hoffte.
In dieser Beziehung diirfte betont werden, dass Prof. Karsten stets
hohere Ziele verfolgte als sie dem Durchschnittsmenschen vorschweben.
Er bemiihte sich besonders, das deutsche Universitatsideal durchzusetzen
und auf dem Gebiete der Germanistik der Forschung im deutschen Sinne
Bahnen zu offnen. Um diesen Zweck zu fordern, begriindete er im Jahre
1897 das „ Journal of Germanic Philology". Was es bedeutete, in einem
kleinen College und in einer Umgebung, die fiir Philologie so gut wie gar
kein Verstandnis hatte, eine Zeitschrift fiir dieses Fach herauszugeben,
bedarf wohl keiner naheren Ausfiihrung. In diesen Jahren fand Dr.
Karsten in Indianapolis sehr erfreuliche Unterstiitzung. Die Herren
Franklin Vonnegut, Hermann Lieber, Albert Lieber, Heinrich Schniill,
John W. Schmidt, Louis Hollweg, Albert Metzger, Dr. Hugo 0. -Pantzer
und F. M. Bachmann ermoglichten das Erscheinen der ersten Bande.
Dr. Karsten ubernahm die gewagtesten Verpflichtungen und arbeitete
unermiidlich an dem Unternehmen.
Das Unerwartete blieb nicht aus. Man fing an zu munkeln, dass Dr.
Karsten der Zeitschrift zu viel Zeit widme und folglich seine nachsten
Pflichten an der Universitat vernachlassigen miisse. Mit der Zeit ent-
wickelten sich die Anfeindungen dermassen, dass er seine Professur nie-
derlegen musste. Er war zunachst ein Jahr an der Cornell University
tatig und ubernahm dann in Abwesenheit von Professor Hatfield dessen
Stelle an der Northwestern University. Durch die Vermittelung des
letzteren und Professor George Cunne trat Professor Edmund J. James,
Rektor der Illinois Staatsuniversitat, mit Dr. Karsten in Yerbindung und
berief ihn auf den Lehrstuhl fur die neueren Sprachen.
Die Wahl war eine iiberaus gliickliche, denn Professor James hatte
sich das Ziel gesetzt, besonders die sogenannte ,,Graduate School", die
eigentliche Universitat, zu fordern, und Dr. Karsten war wie kein zweiter
dazu geeignet, das Studium und die Forschung in den germanischen und
romanischen Sprachen zu leiten. Die drei Semester seiner segensreichen
Tatigkeit haben das Urteil von Professor James zur Geniige bestatigt.
Meine naheren Beziehungen zu Dr. Karsten diirften nicht ohne In-
teresse sein. Nachdem ich in den achtziger Jahren mit ihm fliichtig in
Beriihrung gekommen war, fiihrte mich der Zufall im Jahre 1894 in
seine Faustklasse. Diese Vorlesung zeugte von einem Scharfsinn und
einer Einsicht, wie sie mir noch nie erschienen waren, und ich entschloss
mich sofort, Germanistik zu studieren.
In Memoriam. 67
Die germanistischen Stunden, die ich spater unter ihm hatte, ge-
horen zu den schonsten meines Lebens. Wiederholt kam ich um acht
Uhr in eine Klasse, die erst um zwolf Uhr beschlossen wurde. Dann lud
er mich sogar oft zum Mittagessen ein und setzte die Lektion, unter ge-
linderen Bedingungen, bis spat nachmittags fort.
Seine Lehrtatigkeit war weniger systematise!!, dafiir aber im weite-
sten Sinne anregend. Anstatt direkt mitzuteilen, wies er dem Studenten
die Bahnen, die er zu befolgen habe, um auf einem Gebiete zur Erkennt-
nis zu gelangen. Durch dieses Verfahren scheiterte manehmal das
Interesse der auf ??Credits" spekulierenden Studenten; doch diejenigen,
die es ernst meinten,, ernteten um so reichlicher.
Er beurteilte seine Mitmenschen mit einem Scharfsinn, der oft in
Erstaunen setzte. Manehmal kam es einem vor, als wiirde er von einem
Schiller iiberlistet, und dann geschah es gewohnlich, dass man ganz zu-
fallig eine ausfiihrliche Klarlegung des ganzen Falles zu horen bekam.
Solche Ereignisse erklaren sich daraus, dass er sich selten mit einem
Studenten auseinander setzte Wer nicht arbeitete, zog einfach aus dem
Unterricht keinen Nutzen, aber unbeanstandet blieb sein Grundsatz:
?,Ehre wem Ehre gebiihret." Als eine Studentin ihn einmal um eine'
Empfehlung bat, wies er dieselbe mit diesen Worten ab: ,,Sie haben ja
einmal vor der Klasse gesagt, dass Sie das Franzosische nur um des
.Credits' willen studieren. Leute mit solchen Anschauungen kann ich
den Schulen nicht aufbiirden."
Als Lehrer scheint ihm das Ideal Goethes, wie es in Wilhelm Meister
geschildert wird, vorgeschwebt zu haben. Auch er blieb seinen Schulem
oft unerklarlich,, doch loste sich das Problem immer mehr mit der zuneh-
menden Reife des Schiilers. Bei der Fiille von Anregungen, die jede
TJnterrichtsstunde bot^ konnte man nicht immer alles gleich verarbeiten.
So blieben aber diese Stunden eine Anregung zur Weiterbildung ; die
Arbeit fing eigentlich erst mit dem Abschluss des Semesters an.
Als ich ihm zu seiner Ernennung an der Illinois Staatsuniversitat
gratuliert hatte, antwortete er mit Begeisterung, dass die Zukunft des
^Journal of English and German Philology" dadurch gesichert sei.
Moge denn dieser Wunsch in Erfiillung gehen und die von ihm begriin-
dete Zeitschrift ihm ein wiirdiges Denkmal werden.
University of Nebraska. Paul H. Grummann.
Eine Rechenstunde im deutschen Unterricht.
Von Prof. Paul 0. Kern, Universitat Chicago.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass fiir den Lehrer der neueren frem-
den Sprachen, welcher die zusammenhangende Eede in Wort und Schrift
zur Grundlage seines Unterrichts macht, die Betreibung eines methodi-
schen Unterrichtens weit schwieriger ist als fiir denjenigen, der in alter
Weise vom einzelnen Wort ausgeht. Die Griinde hierfiir sind nicht
schwer zu finden. Wie der Maurer bedachtig Ziegel auf Ziegel legt, reiht
auch der alte Sprachlehrer einfach nur Wort an Wort, in dem Wahne,
durch solch systematisches, konstruktives Verfahren ein festes Lehr-
gebaude im Geiste seiner Schiller zu errichten. Es ist natiirlich, dass fiir
seine mageren Eesultate — einzig und allein grammatische Kenntnisse,
sei es solche in der Theorie (Regeln), sei es solche in der Anwendung
(Ubersetzung) - - einfache und leicht zu handhabende Mittel geniigen,
zudem hat er die Tradition und' fiir seine Zwecke langst und gut aus-
gearbeitete Textbiicher fiir sich. Dem Lehrer der neueren Sprachen aber,
der sich zur ,,Reform" bekennt, setzt diese ein ganz anderes Lehrziel, er
soil seine Schiiler nicht nur mit der fremden Sprache bekannt machen,
d. h. dieselbe lesen, schreiben und sprechen lehren, sondern sie auch in
die fremde Literatur und in das gesamte Volkstum der anderen Nation
einfiihren. Es leuchtet ein, dass eine Unterrichtsweise, die solch ein
gewaltiges Ideal auch nur einigermassen verwirklichen will, von Anfang
an sich grosserer Vielseitigkeit befleissigen muss als die alte grammatische,
deduktive oder tibersetzungsmethode. Im Gegensatz zu dieser geht sie
vor allem direkt, d. h. aus der fremden Auffassung heraus (also nicht
auf dem Umwege der Ubersetzung) und induktiv vor, d. h. sie lasst den
Schiiler die Regel und was er sonst wissen soil, selber finden. Dieses ana-
lytische Verfahren wird erst dann zur Synthese, wenn es sich darum
handelt, das einzeln Gewonnene zu gruppieren und die verschiedenen
Gruppen nachhelfend und ausfiillend zu einem System zu vereinen.
Denn zu dauernder geistiger Aneignung muss der Schiiler nach wie vor
schliesslich ein Ganzes und nicht Teilstiicke desselben vor seinem geisti-
gen Auge haben.
Zur Durchfiihrung dieser zwar miihevollen, aber psychologisch rich-
tigen Methode fehlt es zur Zeit in Amerika leider noch derart an den
notigen Hilfsmitteln, dass man versucht sein kann zu sagen, ein jeder
Lehrer, der nach dieser Methode unterrichten will, muss sich sein eigenes
Lehrbuch schreiben. Der folgende kleine Beitrag zu solch einem Refonn-
lehrbuch des Deutschen wird zeigen, dass man im Sinne der ,,Reform"
Eine Rechenstunde im deutschen Unterricht. 69
und zugleich methodisch unterrichten kann. Das Zahlwort 1st gewahlt,
well dies mit keinem anderen Kapitel der Grammatik in direktem Zu-
sammenliang steht und ebensogut zu Anfang wie Ende des Elementar-
unterrichts durchgenommen werden kann.
Wie stets fangen wir mit einem leichten Lesestiick an; es enthalte
moglichst viele Zahlen, sei aber natiirlich geschrieben. Vielleicht mit
den ,,Verirrten" ('Henrietta K. Becker, Elements of German, Chicago,
Scott, Foresman and Co., 1903, p. 131 ff.) oder besser noch mit einem
solchen, das zugleich etwas iiber Deutschland erzahlt, wie dies z. B. ,,das
deutsche Gymnasium", Calvin Thomas, German Grammar, p. 86 ff. tut.
Yiele der alten Lehrbiicher liefern uns hier je nach dem Alter der Schii-
les passendes Material. Wie immer liest der Lehrer das Stuck zuerst
recht deutlich vor oder noch besser, er erzahlt es der Klasse. Er erzahle
es notigenfalls mehreremal und umschreibe und erlautere auf Deutsch,
was nicht klar ist, bis jedermann den Sinn versteht. Dann offnet die
Klasse das Buch und einige Schiller lesen die Geschichte laut vor oder
alle tun dies zusammen. .Nachdem der Inhalt noch mittelst Frage- und
Antwortiibungen vollig klar gelegt ist, schreitet der Lehrer zum eigent-
lichen Angriif auf die Zahlen. Er kniipft zuerst wieder an den Text an,
aber jetzt bilden die Zahlen den Mittelpunkt des Interesses. Das Mate-
rial des Lesestiickes wird zu einer griindlichen Einiibung aber nicht ge.-
niigen, so schreite er darauf zu einem anderen jedoch bekannten Voka-
bular, etwa zu den Korperteilen, z. B. :
Hat der Mensch 2 Augen?
Wieviel Augen hat der Mensch?
Hast du 1 oder 2 Augen?
Haben wir alle 2 Augen?
Habe ich 2 Augen und 2 Ohren?
Wieviel Hande und Fiisse hat ein Kind?
Hat die Hand 5 Finger?
Wieviel Finger haben wir?
Wieviel Nagel hat jede Hand? u. s. w.
Oder das Klassenzimmer liefert den Unterhaltungsstoff ,oder seine In-
sassen, oder das Pult der Lehrerin, oder die Verwandtschaftsnamen.
Zweierlei ist bei der Wahl dieses Vokabulars zu beachten: Man iibe den
neuen Lehrstoff nur mit altem Wortschatz und dieser selbst sei nicht
geistesverwirrend, sondern nach Moglichkeit systematisch. Die beste
Ausarbeitung systematischer Vokabulare liefert die Methode Gouin.
Solche tibungen brauchen somit nicht von links nach rechts ab-,
oder vom Hundertsten zum Tausendsten iiberzuspringen, sondern konnen
sehr wohl ein abgerundetes Ganze bilden. Ein Mederschreiben derselben
zu Hause liefert zugleich eine gute Aufsatziibung.
70 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Wie geschickt nun aber auch das urspriingliche Lesestiick gewahlt
sein mag, bleibt doch die Anzahl der sich in ihm findenden Beispieie
beschrankt und der Schiller soil am Ende alle Zahlen kennen und ihre
Anzahl ist unendlich! Hat ihn die Lektion die ersten 12 oder 20 und
einige Zehner gelehrt, so ergeben sich die Zahlen bis 100 sehr einfach.
Bei 100 mache der Lehrer vorlaufig Halt und lasse die ersten 100 Grund-
zahlen die Grundlage der zweiten Lektion in den Zahlen sein, vielleicht
folgendermassen :
1. Er zahlt auf warts; die Klasse tut dasselbe,
2. Er zahlt nick warts; die Klasse tut dasselbe,
3. Einzelne Schiller tun dasselbe,
4. Man gibt alle geraden Zahlen der Eeihe nach bis 20, spater
noch holier hinauf,
5. Man tut das Gleiche mit den ungraden Zahlen,
6. Man wiederholt denselben Prozess riickwarts,
7. Man sagt die Zehner auf warts her,
8. Man sagt dieselben riickwarts her,
9. Der Lehrer schreibt die Zahlen an die Tafel und die Klasse
liest sie,
10. Man vertauscht die Eollen in 9 oder der Lehrer spielt ganzlich
den Zuschauer,
11. Der Lehrer gibt die deutsche Zahl und ein Schuler schreibt die
Ziffern an die Tafel, oder umgekehrt,
12. Man schreitet zu den Vielfachen von 3, 4, 5 etc.
Wenn die Stunde um ist, wird die Klasse die ersten 100 Zahlen
durch diese lebhafte tibung so inne haben, dass sie dieselben im Notfalle
auch ohne Buch fiir den folgenden Tag zu Hause einiiben kann.
In der dritten Stunde beginnt das Eechnen auf Deutsch. Man
f ange mit der Addition an und zwar als einf aches Kopf rechnen :
1. Lehrer: 2 und 2? Schuler: 4.
2. Schuler: 3 und 5? Lehrer: 8.
3. Schuler : 4 und 6 ? Ein anderer : 10.
Darauf folgt die schriftliche Addition:
1. Der Lehrer schreibt und lost die Exempel an der Tafel, indem
er dabei auf Deutsch laut alles sagt, was er tut,
2. Der Lehrer schreibt das Exempel an, der Schuler lost es.
3. Der Schuler diktiert dem Lehrer das Exempel, ein zweiter Schu-
ler lost es,
und weitere Variationen.
Solche je nach Bediirfnis langere oder kiirzere tJbungen wirken zu-
weilen wie bei einem Eechenfehler erheiternd, nie aber einschlafernd.
Bei der mathematischen Klarheit des Gegenstandes kann man erstaunlich
viel Material in einer Stunde durcharbeiten und der Lehrer kann bei den
Deutsclier Sprachunterricht und bewusstes Deutschtum. 71
Zahlen besser als irgendwo anders den Schiller dazu zwingen, auf
Deutsch zu denken, indem er ihm bei den knappen Fragen zu einer
tJbersetzung nicht die Zeit lasst.
Auf gleiche Weise verfahrt man mit der Subtraktion.
Yor der schriftlichen Multiplikation ist das deutsche Einmaleins
griindlich zu iiben. Die einzelnen Reihen werden hergesagt, dann be-
ginnt das Abfragen ausser der Eeihe, bald fragt der Lehrer, bald fragt
der Schiiler, Lehrer oder Mitschiiler.
Wie die langere schriftliche Multiplikation die Addition, wiederholt
schliesslich die Division die Subtraktion.
(Schluss folgt.)
Deutscher Sprachunterricht und bewusstes Deutschtum.
Von Chas. M. Purin, East Division High School, Milwaukee.
(Fortsetzung.)
Werfen wir deshalb einen kurzen Blick auf die Tatigkeit der bedeu-
tendsten deutschen Manner sowie einige der wichtigsten Momente in der
Geschichte der Kolonisation und der kulturellen Entwickelung Nord-
amerikas.
Die Einwanderung der Deutschen nach Nordamerika lasst sich bis
ins erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts zuriickverfolgen. 9 Auf engli-
schen, hollandischen und schwedischen Schiffen kamen sie einzeln und in
kleineren Gruppen als Tagelohner und Handwerker, Fliichtlinge und
Abenteurer in der neuen Heimat an. Es ist dies die Zeit, wo Deutsche
und Hollander noch nicht scharf unterschieden, sondern mit dem gemein-
samen Namen ,,Dutch^ bezeichnet wurden, da sie ja meistens unter hol-
landischer Flagge dieses Land betraten. Auch hatten sich einige Deutsche
langere Zeit in Holland aufgehalten und dortselbst ihre Namen hollan-
disiert. 10
Die Manner, welche in der Entwickelung der hollandischen Ko-
lonie eine besonders wichtige Rolle gespielt haben, sind Peter Minuit, der
im Jahre 1626 zum General-Gouverneur von Neu-Mederland ernannt
wurde; Peter Stuyvesant, der letzte Statthalter desselben; Augustin Her-
mann, der Hauptfiihrer der Kolonisten in ihrem Kampfe gegen die An-
massungen der Direktoren der Westindischen Gesellschaft, 1X und Jacob
Leisler. Der Letztgenannte war ein Deutscher aus Frankfurt. Er war
3 Goebel, a. a. 0. S. 7.
10 Eickhoff : In der neuen Heimat, S. 43.
11 Die Griindung dieser Gesellschaft war von Wilhelm Usselink im Jahre 1624
angeregt worden.
72 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
im Dienste der West-Indischen Gtesellschaft nach Neu-Amsterdam ge-
kommen und hatte dort in krirzer Zeit sich einen Wohlstand erworben.
Als im Jahre 1689 der Prinz von Oranien den englischen Thron bestieg,
inszenierten die Kolonisten von New York einen Aufstand. Sie ver-
Jangten, wofiir sie schon seit langem gekampft batten, die Abschaffung
der willkiirlichen Besteuerung der Ansiedler ohne Volksvertretung.
Jacob Leisler (f 1691), der den Rang eines Kapitans der 'Miliz beklei-
dete, war der Fiihrer des demokratisch gesinnten Teiles der Bevolkerung
New Yorks. Er war ein kluger, weitsichtiger Staatsmann, dem schon zu
damaliger Zeit ein durch Volksvertretung regierter Bund aller Kolonien
vorschwebte. Als die Nachricht von dem Thronwechsel die Kolonien
erreichte und der Vizegouverneur Nicholson es nicht sofort proklamieren
Hess, riss Leisler die Wiirde des stellvertretenden Gouverneurs an sich
und berief sofort einen Kolonialrat, urn die Verhaltnisse der Ansiedlung
in echt demokratischer Weise zu regeln und zu schlichten. Als jedoch
nach einigen Monaten der neuernannte Gouverneur Sloughter in New
York anlangte, wurde Leisler auf Betreiben des aristokratisch gesinnten
Teiles der Kolonisten als Verrater uzm Tode verurteilt. Bei einem glan-
zenden Festmahle erzwangen die Feinde Leislers von dem total betrun-
kenen Gouverneur Sloughter die Bestatigung des Todesurteils, und ehe
Sloughter seinen Eausch ausgeschlafen hatte, waren Leisler und sein
Schwiegersohn Milborne dem Henkersbeil iiberliefert. Leisler starb als
Martyrer einer grossen, freiheitlichen Idee. Seine Taten wurden, wenn
auch erst nach Jahren, von der englischen Krone glanzend gerechtfertigt
und seinen Erben eine Entschadigung zugesprochen.
Die erste deutsche Ansiedlung im Staate New York fand erst im
Jahre 1708 statt. Sie bestand aus einer Anzahl Pfalzer, welche ihre erste
Niederlassung am Hudson griindeten und dieselbe Neuburg (Newburg)
nannten. Ilmen folgten, durch ungiinstige Verhaltnisse aus der Heimat
vertrieben, bald andere, 4 — 5000 an der Zahl. Aller Mittel bar, halbver-
hungert, aufs schlechteste verpflegt, starb ein grosser Prozentsatz dersel-
ben unterwegs. Die Ankommlinge wurden unter englischer Aufsicht in
den Fichtenwaldern am Hudson beschaftigt und dienten den Englandern
zu gleicher Zeit als Schutzwehr gegen die feindlichen Indianerstamme.
Von den Agenten betrogen und aufs schmahlichste behandelt, verliess ein
Teil derselben New York und wandte sich dem gastfreundlichen Pennsyl-
vanien zu; andere liessen sich in dem Mohawktale nieder.
In dem Kampfe der Pfalzer gegen englische Vergewaltigung spielten
zwei Manner eine besonders hervorragende Rolle: Johann Konrad Weiser
und sein Sohn Konrad Weiser. Der Letztere leistete als amtlicher Dol-
metscher zwischen Pennsylvanien und den sechs Indianerstammen, deren
Sprache er beherrschte, unschatzbare Dienste, indem er das gute Einver-
nehmen zwischen den Indianern und den Kolonisten zu fordern ver-
DeutscJier Spracliunterricht und bewusstes Deutschtum. 73
stand, so dass die friedliche Entwickelung der Kolonien ungehemmt vor
sich gehen konnte.
Grosse Masseneinwanderungen jedoch finden erst in der zweiten
Halfte des 17. Jahrhundert statt, als fremde Kegierungen* und landbe-
sitzende Gesellschaften in deutschen Gauen um Kolonisten warben. Und
ihre Propaganda land einen sehr giinstigen Boden. Die Lage des Bauers
war nach dem dreissigjahrigen Kriege eine iiber alle Massen traurige.
Hunger und Elend starrten ihm in der alien Heimat entgegen. Tau-
sende und aber Tausende sandten sehnsiichtige Blicke nach den fernen
Kiisten Nordamerikas. In diese Zeit fallt die Masseneinwanderung nach
Pennsylvanien und die Griindung der Stadt, welche noch heute als Ger-
mantown bekannt ist. Die vollstandige Beligionsfreiheit, welche alien
Ansiedlern in Pennsylvanien gesichert war, bewog viele deutsche religiose
Sekten, wie die Mennoniten, Mystiker, Dunker, Schwenkfelder, Herrn-
huter, Quaker etc. zur Auswanderung. Die Ansiedler, welche von Hause
aus Leineweber und Weinbauer waren, betrieben ihr Gewerbe auch in der
neuen Heimat. Sie legten den Grund zu den heutigen riesigen Leinwand-
und Tuchfabriken. Linum, vinum et textrinum, der Lein, der Wein, der
Webeschrein, war die Inschrift des Stadtsiegels von Germantown. Die
Kolonie vergrosserte sich mit geradezu phanomenaler Schnelligkeit, so
dass Gouverneur Keith im Jahre 1717 ernstlich eine Germanisierung der
Kolonie befiirchtete 12 und auf seine Empfehlung hin wurde kiinftighin
von jedem Ankommling der Treueid dem englischen Konigshause gefor-
dert. Sogar ein Staatsmann wie Benjamin Franklin teilte die Befiirch-
tung Keiths von der deutschen Gefahr. Im Jahre 1751 schreibt er wie
folgt: ,,Warum sollen wir leiden, dass die Pfalzer Bauernliimmel sich in
unsere Ansiedelungen drangen und, indem sie in Eudeln zusammenwoh-
nen, ihre Sprache und Sitten befestigen zum Verderben der unsrigen?
\Varum soil Pennsylvanien, das von Englischen begriindet wurde, eine
Kolonie von Fremdlingen werden, die bald so zahlreich sind, dass sie uns
germanisieren, anstatt dass wir sie anglisieren, imd die ja so wenig unsere
Sprache und Gebrauche annehmen, wie sie unsere Hautfarbe erlangen
kb'nnen?"
Wenn das Aufbliihen der deutschen Kolonie in Pennsylvanien haupt-
sachlich der dort herrschenden religiosen Toleranz zuzuschreiben war, so
verdankten die Deutschen, was die Organisation und Verwaltung der
inneren Angelegenheiten anbetraf, vieles ihrem energischen, umsichtigen
Landsinanne Franz Daniel Pastorius. Vielseitig wie seine Bildung, war
auch seine Tatigkeit unter den Ansiedlern ; bald als Friedensrichter, bald
als Bin-germeister, dann wieder als Lehrer, stets hatte er das Wohl der
Kolonie im Auge. Er verfasste eine grosse Anzahl Lehrbiicher sowie
12 Goebel, a. a. 0. S. 13. Eickhoff, S. 140.
74 Monatshefte fur deutsche Spraclie und Pcidagogik.
andersei tiger Schriften und gilt mit Eecht als der erste deutschamerika-
nisdie Schriftsteller. Von den Deutschen Pennsylvaniens ging auch der
erste Protest gegen die Negersklaverei aus, unterzeichnet von Pastorius
(|1719), Abraham Op den Groff, Gerret Hendericks und anderen ein-
flussreichen Mannern.
Yiel bat auch die deutsche Kirch e fur das geistige Leben unter den
AnsiedJern getan. Auf diesem Gebiete hat sich der deutsche Predigcr
Heinrich Melchior Miihlenberg besonders wichtige Yerdienste erworben.
Er war der eigentiiche Organisator der deiltsch-lutherischen Kirche
Ainorikas. 1m Jahre 1748 versammelte Miihlenberg die lutherischen
Pfarrer von Pcmsylvanien zur ersten deutschen Synode. Seine Tage-
biichcr und sonstigen Berichte sind ergiebige und zuverlassige Quellen
iiber die Zustande der Deutschen in Amerika wahrend des 18. Jahrhun-
derts. Was Miihlenberg fiir die lutherische, hat Michael Schlatter fiir
die reformierte Kirche getan und Graf Zinzendorf fiir die Herrnh liter zu
tun versucht.
Die Ehre, den Kolonien die Pressfreiheit erkampft zu haben, ge-
biihrt dent New Yorker Drucker Johann Peter Zengcr. Wegen des in
seinem Blatte veroffentlichten Angriffes auf den Gouverneur wurdo er
verhaftet. Ls folgte ein langwieriger Prozess, aus dem er aber als Sieger
hervorging. Damit war ein Prazedenzfall geschaffen, der noch spater fiir
die Pressfreiheit von grosser Tragweite war.
In dieser Yerbindung muss auch der Name des Buchdruckers Chris-
toph Sauer genaimt \venleu, der im Jahre 1759 die erste deutsche Zeitimg
sowie die erste Bibel in Amerika iiberhaupt herausgab.
Es wiirde zu weit fiihren, die Schicksale der deutschen Einwanderer
in den anderen Staaten -— wenn auch nur kurz -- hier zu erwahnen.
Was unseren eigenen Staat Wisconsin anbetrifft, so begann die eigentiiche
deutsche Einwanderung hierselbst erst urn das Jahr 1840, folglich unter
ganz anderen Yerlialtnissen. Im allgemeinen darf man getrost behaup-
ten, dass ^ie hauptsachlichste Kulturarbeit in der Kolonisationsperiode
bis zu (Ic/ii Unabhangigkeitskriege von Deutschen geleistet worden ist.
Sie kamei^ ity dieses Land nicht mit der Absicht, Staaten zu griinden —
dazu fehlt.K es ihnen, wie schon erwahnt wurde, an politischer Schulung,
- sondern jfeii^ich, um eine neue Heimat zu finden, wo sie ungestort
ihrer Besehaftigung nachgehen konnten, ungehindert in der Ausiibung
ihrer religiosen Bekenntnisse. Dem deutschen Bauer ist es zu verdan-
ken, dass Nordamerika sich zum grossten Agrikulturstaat der Neuzeit
entwickclt hat. Wahrend der Anglokelte in seinem Yerkehr mit den
Indianern stets eine Gewaltpolitik iibte, hat der Deutsche, mit wenigen
Ausnahmen, es verstanden, den Indianer sich zum Freund zu machen
und mit ihm in friedlicher und humaner Weise zu verhandeln. Durch
eiserne Ausdaner und unermiidlichen Fleiss schuf er aus der Wildnis
Deutscher S prachunterricht und bewusstes Deutschtum. 75
fruchtbare Felder. Wahrend die Schotten und die Iren in armseligen,
schmutzigen Hiitten wohnten und oft der Trunksucht und Sittenlosig-
keit ergeben waren, bauten die Deutschen sich saubere Hofe und befleis-
sigten sich einer einfachen, sittenreinen Lebensweise.
Dass der Deutsche sein neues Heimatland von ganzem Herzen liebte
und stets bereit war, fur dasselbe sein Leben in die Schanze zu schlagen,
beweist die rege Teilnahme der Deutschen an dem Unabhangigkeits-
kriege. Als Washington den Kuf zu den Waffen erliess, stromten
Deutsche aus alien Kolonien -- die wehrlosen Sekten ausgenommen -
freudig unter seine Fahnen. 13 Milizen wurden errichtet, auserlesene
Jagercorps formiert. Die Pennsylvanischen Eegimenter bestanden
grosstenteils aus Deutschen.
Mit welcher Begeisterung die Deutschen der Sache uer Freiheit
dienten, ist aus dem Folgendcn ersichtlich. In Reading hatte die jiin-
gere Bevolkerung drei Kompagnien Biirgergarden errichtet, die sich tag-
lich in Waffen iibten. Das liess den Graubarten keine Kuhe. Es bildete
sich eine vierte Kompagnie der ,,alten Manner". Sie bestand aus 80
Hochdeutschen von 40 Jahren und dariiber. Ihr Anfiihrer war 97 J'ahre
alt und war 40 Jahre im Kriegsdienst gewesen. Der Trommelschlager
war 84 Jahre alt. 14
Und welch prachtige Figur ist der Philaclelphier Backer Christoph
Ludwig! Als eine Geldsammlung zum Ankauf von Waffen veranstaltet
wurde und Zweifel ob des Erfolges dieses Unternehmens laut wurden,
trat Ludwig vor und sagte : ,,Herr President, ich bin zwar nur cm armer
Pfefferkuchenbacker, aber schreiben Sie niich auf mit 200 Pfund."
Als Generalbacker der Armee lieferte er fiir 100 Pfund Mehl nicht 100
Pfund Brot, wie seine Vorganger, sondern 135 Pfund. ,,Christoph Lud-
wig will durch den Krieg nicht reich werden", pflegte er zu sagen. Wie
anders haben die Armeelieferanten im spanisch-amerikanischen Kriege
gehandelt !
Wenden wir uns nun einigen Mannern zu, welche einen grossen
Einfluss auf den Gang der Verhaltnisse in dem Unabhangigkeitskriege
ausgeiibt haben. Da ist wohl an erster Stelle der General Baron von
Steuben zu nennen. Es darf getrost behauptet werden, dass der schliess-
liche Sieg der Amerikaner wohl nicht wenig dem Genie dieses grossen
Feldherrn zuzuschreiben ist. Wenn man bedenkt, wie verlottert, wie
zucht- und disziplinlos das amerikanische Heer und wie zerfahren die
amerikanische Kriegsverwaltung jener Zeit war, 15 so ist es sehr gewagt
anzunehmen, dass eine derartige Armee den getibten Truppen Englands
13 Auch in dem Biirgerkriege waren die Deutschen ganz heryorragend betei-
ligt; nahe 190,000 derselben kiimpften auf Seite der Union.
14 Eickhoff, S. 173.
15 Goebel, 35.
76 Monaisliefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
auf die Dauer Stand gehalten hatte. Steubens Energie und seinen in
der Schule Eriedrichs des Grossen erworbenen Kenntnissen gelang es,
Ordnung, Zucht und Disizplin in das amerikanische Heerwesen zu brin-
gen und die ganze Armee zu reorganisieren. Und doch, wahrend man
die Verdienste La Fayettes am Schluss des Krieges in jeder Tonart pries,
wurde diesem tiichtigen General die Anerkennung versagt. Seinem
Wunsche gemass wurde er auf seinem Landgute in New York begraben,
,,in seinen Soldatenmantel gehiillt, den Stern des Ordens de la fidelite"
auf der Brust".
(Schluss folgt.)'
The Training of the Teacher of German.
Dear Mr. Griebsch : —
It was with greatest interest that I read Mr. Eiselmeier's excellent
and suggestive paper on "The Training of the Teacher of German."
I firmly believe in every one of the five theses submitted, and I do not
think that in these he, in any way, asks for more than is perfectly just.
Merely in the case of the first thesis, which is slightly amplified in
the second paragraph of the paper, I should like to suggest a somewhat
different point of view and one with which I am sure Mr. Eiselmeier
will agree. Here it is claimed that "the training of the teacher of Ger-
man must include all those subjects which are now pursued in the high
and normal schools by those who desire to become teachers." No one
believes more fully in the necessity for breath as well as depth in the
training of teachers than I, but it would also seem to me that every pros-
pective teacher should put more emphasis upon such branches as are
closely related to his own chosen subject than upon those more distant.
To make myself perfectly clear, I should prefer to see the prospective
teacher of German devote more time to English and history than to the
sciences. Not that I undervalue training in the sciences — every man or
woman with any pretention to culture must have some knowledge of
science — but it would seem to me that for the teacher of German intimate
acquaintance with the language and literature of at least one other
modern people and a somewhat detailed knowledge of the development of
modern history were of major importance, knowledge of the sciences,
however, rather of minor importance.
Since hearing Mr. Eiselmeier's paper in November I have given the
general subject considerable thought. I remember that at the time I ob-
jected to the sentence "the teacher of German must have a perfect com-
mand of this language," and suggested at that time that the teacher of
German in America must also have a perfect command of English. Per-
haps in the heat of debate both Mr. Eiselmeier and I rather overshot the
The Training of the Teacher of German. 77
mark. In reading more calmly what he understands by and includes in
the term "perfect command" I find myself in accord with him in all par-
ticulars. Of course, perfect command even of one language is an im-
possibility, of two almost an absurdity. There is, however, perhaps a
grain of truth in my objection, as I have found among native born Ger-
mans and German-Americans rather a tendency to neglect the due cul-
tivation of their English. This is unfortunate for all, doubly so for the
high school teacher, as from my own school days I know that the Ameri-
can boy delights in nothing more than in poking fun at the teacher who
has in speech or dress anything of the foreigner about him. Then too,
there are far more essential handicaps which an imperfect command of
the pupiPs mother tongue imposes upon the foreign born teacher, but
these are so apparent that I need not dwell upon them.
A later paragraph, on the second page of Mr. Eiselmeier's paper,
beginning "a perfect command of the language includes (2) a thuro
knowledge of the grammar. Theory is not sufficient." — I should also
like to see expanded on somewhat different lines. I would add "neither
is practice alone." There is no doubt but that the teacher of German
should be able "to speak the language fluently." But more than this, he
must also be able to explain why certain forms and usages are correct,
why others are bad. That is, the teacher must also have a knowledge of
theoretical grammar. I quite realize that this sounds almost heretical in
the time when the cry is — "away with grammar !" But I sometimes
wonder if those same advocates of the "reform" methods realize that
teaching German to American pupils is a very different matter from
teaching French or English to German pupils ; that the German language
offers inflectional and syntactical difficulties far outnumbering those of
either French or English? Some of my most unpleasant experiences in
inspecting the work of teachers has been just along this line, the teacher,
in some instances a native born German and so having complete control
of the spoken language, being absolutely "stumped" by a perfectly simple
question as to why one usage was correct, but another, which the pupil
had used, quite wrong. And in most cases the answer would have been
so simple had the teacher known but the most elementary essentials of
theoretical grammar. Whatever value we may place on theoretical gram-
mar and whatever method we may adopt in our teaching, this knowledge
is for the teacher an indispensable factor in his success.
Mr. Eiselmeier's statement that "with the course in German extend-
ing thru eight years in the common schools, many pupils enter the high
school with a fair knowledge of the language" is not, I think, quite ac-
curate. This is true of Milwaukee and some of the larger cities which
are peculiarly fortunate in this respect, but it is not the case with the
great majority of schools in this state. I fear that an examination of the
78 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
courses of study in the graded schools, for this I take it is what Mr.
Eiselmeier intends by the term "common schools", would show that only
in a very small percentage of the total number of schools is any oppor-
tunity offered for beginning German or any other foreign language.
Even the great majority of the high schools in Wisconsin offer but a
two year course in German. That these two years coming toward the end
of the high school course, when 'the pupils are already passed the most
advantageous age for elementary language instruction, afford in any way
a sufficient background for further study at either normal school or uni-
versity, no one at all interested in language study would ever affirm.
Unfortunately, however, this is the present status in Wisconsin, and from
these pupils with but two years of high school training the majority of
our German teachers are developed. The improvement of this most un-
satisfactory condition, the introduction of a four year high school course
in German, and the introduction of German into the graded schools —
these are to my mind at present the most pressing problems facing the
teacher of German in Wisconsin.
With Mr. Eiselmeier's remarks upon what might be called the
"modernizing" of the reading course I fully agree, while the paragraph,
in which he discusses the spirit and attitude of the teacher toward his
subject, is most excellent. Given a wide awake, enthusiastic teacher,
thuroly imbued with a love for his subject, and I have no fear for his
success, even tho his training may be deficient in some details.
University of Wisconsin. M. B. Evans.
Die Besoldung der Lehrer und Lehrerinnen in den New Yorker
Schulen. Der Jahresbericht dcs Herrn Maxwell, des Leiters der stadti-
schen Schulen von New York, enthalt eine interessante Besprechung der
Lehrergehaltsfrage, einer Angelegenheit, die im Schuljahre 1906/7 die
bekannte Aufregung verursachte und schliesslich zu einer Gesetzvorlage
fiihrte, in der beantragt wurde, dass :
1. die bestehende Schulsteuer von 3 pro Mille auf 4 pro Mille er-
hoht werde ;
2. der Grundsatz : ,,Fiir gleiche Arbeit gleiche Bezahlung" gesetzlich
eingefiihrt werde, und
3. die als Schulvorstande und dergl. anderen Lehrern vorgesetzten
Angestellten und Lehrer hohere Gehalter ziehen sollten als ihre
Untergebenen.
Der Antrag wurde vom gesetzgebenden Korper zwar gutgeheissen,
dber schliesslich durch das Veto des Gouverneurs Hughes verworfen.
Der wichtigste Punkt der Vorlage war der Satz : ,,Fiir gleiche Arbeit
gleichen Lohn", d. h. die Lehrerinnen verlangten, den mannlichen Lehr-
kraften gehaltlich gleichgestellt zu werden. Zur Begriindung dieses
Besoldung der Lehrer u. Lehrerinnen in N. Y. Schulen. 79
Standpunktes wurde geltend gemacht, dass Lehrerinnen oft gerade so gut
nnd manchmal noch besser zu unterrichten verstanden als Manner, —
was ohne Zweifel richtig 1st, — und dass die Bezahlung von der Stellung,
nicht aber dem Geschlecht der Person abhangen mlisse.
So viel Wahrheit diese Argumente auch enthalten, und so plausibel
sie auch erscheinen mogen, vertreten sie jedoch keineswegs das Interesse
der Schiiler und Eltern, sondern einzig und allein den Standpunkt des
Lehrers. Auf der anderen Seite konnte die Verwirklichung des Prinzips :
,,Fiir gleiche Arbeit gleichen Lohn" nur auf zweierlei Art erfolgen : ent-
weder muss das Einkommen der Lehrer auf die Stufe der Lehrerinnen-
gehalter herabgesetzt oder das der Lehrerinnen auf die Basis der Lehrer-
gehalter erhoht werden.
Sollte nun aber eine Lohnverringerung der mannlichen Lehrkrafte
in der Tat eintreten, so ist ohne weiteres klar, dass tiichtige Lehrer sich
vom Unterrichtsfache wegwenden, ja, dass selbst die z. Zt. angestellten
sich nach eintraglicheren Erwerbsquellen umsehen wiirden. Xur mittel-
massige oder unbrauchbare Leute wiirden an der Schule bleiben.
Der zweite Ausweg, Erhohung der Lehrerinnengehalter, wlirde eine
unerschwingliche Steuer notig machen. Die Mehrausgabe fiir Schul-
zwecke wiirde zwischen acht und neun Millionen Dollars erfordern. Bei
den gegenwartigen finanziellen Verwickelungen und der alljahrlich sich
mehrenden Schiilerzahl, die neue Gebaude, Lehrmittel und Lehrkrafte
verlangt, ist an ein derartiges Ansinnen nicht zu denken.
Wenn nun die Gleichstellung der Lehrerinnen mit den Lehrorn
durch Erhohung ihrer Geh alter nicht moglich ist, weil die Mittel nicht
aufzutreiben sind, und eine Lohnverringerung der mannlichen Lehrer
dazu fiihren miisstc, Herren ganzlich aus dem Unterrichtswesen ver-
schwinden zu sehen, so drangt sich die Frage auf: ,,Worin liegt der Vor-
teil, dass man Manner als Klassenlehrer in Elementarschulen iiberhaupt
beibehalt?"
Die Erorterung dieser Frage fiihrt aber zur Untersuchung des rela-
tiven Wertes von Mannern und Frauen als Lehrer. Allein keines der be-
stehenden Priifungsverfahren vermag in dieser Hinsicht die Ergebnisse
des Fnterrichts festzustellen. ,,Wenn zwanzig von Lehrerinnen geleiteten
Klassen, fahrt Herr Maxwell fort, dieselben Priifungsfragen vorgelegt
werden wie zwanzig von mannlichen Lehrern unterrichteten Klassen, -
die Lehrkrafte in alien Fallen von guter Durchschnittsfahigkeit, — so
lehrt mich langjahrige Erfahrung, dass alle in Arithmetik, Grammatik
oder Geographic gleich gut bestehen. Die Entscheidung dieser Frage
muss deshalb wohl von anderen Gesichtspunkten ausgehen als von Schul-
priit'ungen."
Das Hauptziel der Erziehung ist nicht so sehr Erwerbung von Kennt-
nissen als Entwicklung des Charakters. Triift dies zu, dann erscheint die
80 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
neue Frage: 1st der Einfluss, den ein Lehrer durch Beispiel und natiir-
liche Eigenart auf die Charakterbildung seiner Zoglinge ausiibt, derselbe
wie der Einfluss der Lehrerin oder ein anderer?
Fast alle Psychologen und Gesellschaftsphilosophen halten an der
A»sicht fest, dass die charakteristischen Eigenarten des Verstandes und
des Gemiits bei Frauen und Mannern verschiedene seien. Herbert
Spencer hat diese Abweichungen in seinem Werk ,,Study of Sociology5'
eingehend beleuchtet; darnach, um nur die hauptsachlichsten Punkte
herauszugreifen,
werden Frauen leichter von Mitleid angesprochen, Manner dagegen
mehr von dem Sinn f iir Billigkeit ;
Frauen folgen mehr dem Zug des Edelmuts, Manner dem Zug der Ge-
rechtigkeit ;
das Gemiit der Frau ruht mehr auf dem Greifbaren, dem augenblick-
lich Nahen, den Mann zieht es nach dem Abstrakten, Entfernten;
Frauen erfassen rascher die einfachen, unmittelbaren Folgen einer
Handlung, der Mann neigt zur Betrachtung der verwickelten und in-
direkten Folgen;
das weibliche Geschlecht erkennt und wiirdigt das gegenwartige G%te
in der Gesellschaft, der Mann aber besitzt einen klareren Blick fur die
entfernten und fernen Ziele der menschlichen Gesellschaft;
die Frau ehrt und halt fest an Obrigkeit und Autoritat, wahrend der
Mann mehr zur Kritik neigt;
die Frau bewundert die Kraft, der Mann die Freiheit.
Sollte daraus nicht gefolgert werden konnen, dass die Kinder, Kna-
ben sowohl als Madchen, in ihrer Schularbeit den Einfluss des Mannes
sowohl als den der Frau erfahren sollten? Ja, es ware von der grossten
Wichtigkeit. Dann konnte jede neue Generation Manner, ohne den na-
tiirlichen Sinn fur Gerechtigkeit und Billigkeit zu verlieren, sich mehr
und mehr von den entschieden weiblichen Charakterziigen wie Edelmut
und Mitleid aneignen, und auf der anderen Seite wiirde sich das weibliche
Geschlecht, ohne die Vorziige des weiblichen -Charakters einzubiissen,
immer mehr von den eigentlich mannlichen Eigentiimlichkeiten, dem
Freiheitssinn und Einblick in das Verwickelte und Entfernte erwerben.
Von dem Standpunkt der Charakterbildung aus, und um dieselbe durch
Nachahmung zu fordern, muss also die Schule Lehrer sowohl als auch
Lehrerinnen haben.
Ausser dieser psychologischen Begriindung nach Herbert Spencer
spricht aber auch noch eine andere Tatsache aus dem Leben sehr zu
Gunsten der Beibehaltung der mannlichen Lehrkrafte. Sehr viele Kinder
kommen aus ganzlich ungebildeten Kreisen, oft ist der Vater nur der
Ernahrer der Familie, manchmal selbst ein Tyrann im Hause. Wenig
nur sehen die Kinder ihren Vater und kommen so zu der Ansicht, dass
Besoldung der Lehrer u. Lehrerinnen in N. Y. Schulen. 81
seine einzige Pflicht sei zu arbeiten, denn fiir die Annehmlichkeiten und
das Schone im Leben hat er wenig oder gar keinen Sinn. Wiirden die
Kinder dann auch in der Schule nur Frauen als Lehrerinnen finden, so
lage fiir sie, namentlich aber fiir die Knaben, der Schluss nahe, dass Bil-
dung und Schliff nur fiir die Madchen seien. Eine solche Anschauung
konnte aber nur schadliche Folgen haben, denn die Annahme, dass Bil-
dung und Kenntnisse fiir Frauen gut genug seien, sich aber fiir Manner
nicht geziemen, ware gleichbedeutend mit intellektuellem Eiickschritt.
Zu einer anderen Ansicht aber werden sich die Knaben bekehren,
wenn sie in den offentlichen Schulen Leute finden, die die Vorziige des
Weltmannes mit Gelehrsamkeit und Kenntnissen verbinden; und beson-
ders sollten sie derartige Manner linden, wenn sie in dem Alter angelangt
sind, in dem die Knaben ihren Gesichtskreis iiber die kindischen Vergnu-
gungen hin ausdehnen. Es ist somit im Interesse des Gemeinwohls und
der intellektuellen und moralischen Entwicklung des Volkes, Lehrer so-
wohl als auch Lehrerinnen zu verwenden. Fiir jiingere Kinder, Knaben
und Madchen, hat sich erfahrungsgemass die Lehrerin besser bewahrt als
der Mann.
Und in der Tat, ware es zu viel gesagt, wenn man behaupten wollte,
dass heute schon der iibergrosse Einfluss der Frau in der Schule sich
nachteilig geltend mache? Namentlich unter den weniger Gebildeten
treten diese oben als Vorziige des Mannes geriihmten Eigenschaften
weniger hervor als friiher. Wie anders ware die sich noch immer zei-
gende Verachtung nicht amerikanischer Bildung und Kultur zu erklaren,
die sich selbst in der Presse breit macht ? Weshalb erhalten im allgemei-
nen die Madchen eine bessere Erziehung als die Knaben ? Eben weil sich
der Junge sagt, er sei nur zum Geldverdienen da. Aus demselben Grunde
sind die Madchen in einer Klasse meistens bessere Schiiler als die Kna-
ben, weil sich letztere bereits damit abgefunden haben, dass die Madchen
eben mehr studieren mlissen.
Aber nicht allein der Jugend fehlt der weite Blick. Zeigt nicht der
heutige Stand der Theater hier im Lande, dass man nur in der Gegen-
wart lebt und fiir die Folgen einfach blind ist? Die Kritik wohlmeinen-
der Einwanderer, denen die Entwicklung des Landes am Herzen liegt,
nennt man Mangel an Patriotismus. Das Verstandnis fiir die Kritik,
die sich mannlich gegen Ungerechtigkeit auflehnt und sich nicht abftndet
mit den bestehenden Verderbtheiten, ist abhanden gekommen. An Stelle
des mannlichen Gerechtigkeitsdranges ist der sich in seine Lage schicken-
de, dem Frauengeschlecht eigene Hang am Bestehenden, der Autoritats-
glaube getreten. Auch der Sinn fiir Freiheit und Fiihrerschaft hat da-
runter gelitten, wie hatten sonst die Neuenglandstaaten, die doch in alien
Fortschritten Fiihrer sein wollen, so unter das Frauenregiment kommen
konnen ? Wohin endlich ist es mit des Mannes Wiirde, mit seinem Gefiihl
82 Monatsliefie fur deutsche Sprache und Padagogik.
fiir Gerechtigkeit und Billigkeit gekommen, wenn die Politik selbst in
die Schule hineinspielt ?
Folgt nun aus dem Vorhergehenden, dass man mannliche Lehrer
haben sollte, dann miissen eben auch die Behorden die notigen Mittel auf-
bringen, um ihnen Gehalter zu bezahlen, die es ihnen ermoglicht, im
Schulwesen zu bleiben. Besser bezahlende Facher gibt es uberall, und
wenn man bedenkt, dass gar zu haufig der Mann lediglich nach seinem
Einkommen in Dollars und Cents eingeschatzt wird, wer kann es da
einem Lehrer verargen, der vielleicht auch noch Familie hat, wenn er den
Lockungen des Geldes unterliegt? Von der Begeisterung allein kann er
sein Leben nicht fristen.
Am Schlusse seiner Abhandlung stellt Herr Maxwell die folgenden
Satze auf :
1. Aus zwei Griinden besteht die Mehrzahl der I\lassenlehrcr in
den Volksschulen aus Damen,
a) fiir jiingere Kinder, welche die Mehrzahl der Schiiler ausmachen,
sind Frauen bessere Lehrer;
b) Lehrerinnen sind fiir geringeres Entgeld erhaltlich als Manner.
2. Einige mannliche Lehrkrafte sollten in den oberen Klassen aus
drei Hauptgriinden Verwendung finden :
a) damit die Schiiler unter dem Einfluss der intellektuellen und
moralischen Eigenarten nicht allein der Frau, sondern auch des
Mannes kommen ;
1)) damit die Schiiler verstehen lernen, class Kenntnisse und Bil-
dung nicht ausschliesslich in das Gebiet dor Frau, sondern ebcn-
so sohr in das des Mannes gehoren;
c) damit die iilteren Knaben Fiihrung und Anleitung auf sport-
lichem Gebiet erhalten.
3. Um auch nur cine kleine Anzahl Manner im Schuldienste zu
behalten, wurde es fiir unerlasslich befundcn, ihnen betrachtlich hohere
Gehalter zu bewilligen als den weiblichen Lehrern.
4. Weder wirtschaftlichen Theorien, noch den in anderen Berufs-
zweigen iiblichen Methoden gemass kann es als weise Politik betrachtet
werden, die Gehalter der grossen Mehrheit des Lehrkorpers — der Frauen
— den Gehaltern einer geringeren Anzahl Beamten - - der Manner -
entsprechend festzusetzen, deren Anstellung aus besonderen Riicksichten
erfolgte, und nicht etwa, weil sie die gewohnlichen Facher durchschnitt-
lich besser lehren als Lehrerinnen.
Wenn endlich die Einkiinfte der mannlichcn Lehrer nicht als
Grundlage fiir die Bestimmung der Lehrer innengeh alter dienen konnen,
welches sind dann die leitenden Gesichtspunkte ?
Gegen die ubertriebene Weichheit im Unterricht. 83
1. Der Gehalt einer Lehrkraft soil derart sein, dass sie imstand^
1st, in guter Gesellschaft zu leben und sich auch weitere Bildung und
Erholung zu verschaffen.
2. Die Bezahlung soil derart sein, dass sie geeignet sei, die besten
Lehrkrafte des Landes nach New York zu ziehen.
G. J. Lenz, Lehrerseminar, Milwaukee.
Gegen die ubertriebene Weichheit im Unterricht. Die ,,Padagogi-
sche Zeitung" wendet sich mit einem ,,Mehr Eisen!" iiberschriebenen
Aufsatz dagegen, dass das Humanitatsprinzip im Schulleben in Schwa-
che und verderbliche Schonung ausarte. Dies zeigt sich im Strafrecht
tier Schule, dann in anderen Erscheinungen der Verweichlichung. ,,Aber
auch in der theoretischen Padagogik wie im Innenbetriebe der Schule 1st
etwas weniger Schonung haufig am Platze. Gcht man doch schon so
weit, einzelne Unterrichtsfacher und Sachgebiete mit der Begriindung
aus dem Schulplan herauszudebattieren, dass die Kinder dabei nicht im-
mer das gewiinschte Interesse zeigen. Man mag iiber Wert und Unwert
der Grammatik denken, wie. man will, ihr die Berechtigung und den
Platz abzustreiten, well ,,andere Stoffe die Kinder mehr interessieren",
geht nicht an. Sollte nur das betrieben werden, was den Kindern Freude
bereitet, so wiirde cine Revolution in Unterrichtszweigen und -stoffen
vor sich gehen., vor dor auch die Vater jenes Satzes erschrecken miissten.
Genau so ist es mit dem Memorieren. Das Gedachtnis ist im Menschen-
leben von ausserordentlicher Bedeutung. Wahrend Phantasie und Be-
griffsvermogen auch im praktischen Leben eine Selbstschulung erapfan-
gen, muss das Gedachtnis im Zeitalter der Presse und der iSTotizbucher
haufig genug leer ausgehen ; die Schule wircl nicht darauf verzichten
diirfen, die Kinder memorieren zu lassen, wenn auch der Wille des Kin-
des anderer Meinung ist. Um an einem dritten Beispiel den Geist der
iibertriebenen Schonung, der sich breit machen mochte, zu zeigen : auch
der Kechenunterricht muss Gebiete behandeln. die nicht immer das In-
teresse des Kindes erregen. Gewiss ist Ziel des Eechenunterrichts, die
Kinder zum Losen von Aufgaben des praktischen Lebens zu fiihren;
ohne weiteres aber das Kechnen mit unbenannten Zahlen, das abstrakte
l?echnen, als nur zur Vorbereitung fiir das Sachrechnen geeignet zu be-
zeichnen und es darum als minderwertig zu betrachten, ist eine Uber-
treibung. Auch die geistige Anstrengung an einem sproderen Stoffe ist
nicht ohne Wert. Das Leben verlangt ja so oft Betatigung in einem
Gebiete, das nicht gleich den Lohn in sich birgt. Warum ermatten da
so viele? Weil ihnen der Wille und das Verstandnis fehlen, eine Arbeit
um der Arbeit selber willen zu machen. Auch zu dieser Erkenntnis muss
die Schule ihre Schiiler fiihren; es heisst den Kindern diese Ausiibung
vorenthalten, wenn man ihnen jeden Stein aus dem Wege raumt."
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Cincinnati. heren Jahren unser vollgeriitteltes Mass
Senator Espy, der Deutschenhasser, davon, aber heuer lauft's fiber. Keine
1st mit seinem Angriff auf den deut- Woche ohne ,,lecture" von irgend einer
schen Unterricht im Senat durchgedrun- Bertihmtheit, von einem Aus- oder Ein-
gen. Der Senat nahm mit 23 gegen 11 tausch-Professor, oder auch von einer
Stimmen die Espy'sche Vorlage an, einheimischen Grosse. Wenn man nur
welche die Schaffung eines aus nur sie- auch a^68 so schnell verdauen kb'nnte!
ben Mitgliedern bestehenden Schulrates In der ersten Woche dieses Monats
vorsieht. Die Vorlage bestimmt, dass hielt der Prasident der Clark Universi-
in alien Stadten, in welchen die Schul- tat> Professor Stanley Hall, vor der ge-
ratsniitglieder von mehr als 12 Distrik- samten hiesigen Lehrerschaft einen
ten erwahlt werden, die Behb'rde sich Vortrag iiber ,,Mangel im amerikani-
vor dem 18. Juni so reorganisieren schen Erziehungswesen". Was da Herr
muss, dass sie aus nur sieben Mitglie- Hall riigte inbezug auf mechanische
dern, einschliesslich der ,,at large" er- geistlose Drillerei, inbezug auf fads
wahlten Schulrate besteht. Sollte die oder padagogische Steckenpferde und
Vorlage auch im Hause zur Annahme andere Verirrungen, das waren bittere
gelangen, so wiirde der hiesige Schulrat Wahrheiten, wenn auch keine Neuig-
von siebenundzwanzig auf sieben Mit- keiten. In seinen Vergleichungen mit
glieder reduziert werden und da drei anderen Landern zollte er den deut-
Mitglieder ,,at large" erwahlt sind, so schen Lehr- und Erziehungsmethoden
wiirden aus der Zahl der (ibrigen 24 unbedingtes Lob. Wer aber hatte ge-
Mitglieder vier zu erwahlen sein, die glaubt, dass der Herr Professor vor
dann Mitglieder der neuen Behorde einer Versammlung, die zu sieben Ach-
werden wiirden. teln aus Lehrerinnen bestand, auch ge-
Der Korrespondent will aber nicht gen das ttberhandnehmen weiblicher
schon wieder eine politische Jeremiade Lehrkrafte seine warnende Stimme er-
anstimmen und darum lieber auf ein heben wurde? Kein Wunder, dass man-
anderes Thema iibergehen, das leider che Damen dem Vortrag keinen Ge-
ebenso unerquicklich und ebenso traurig schmack abgewinnen konnten, wenn
ist: Das entsetzliche Brand- der Redner erklarte, dass er in der Ver-
ungltick in einer Clevelander Vor- wendung weiblicher Lehrkrafte fur
stadt-Schule. Wie bekanntlich jedes obere Schuljahre und fiir unsere Hoch-
Ungliick, so hat auch diese furchtbare schulen, besonders wenn daselbst Ko-
Katastrophe etwas Gutes im Gefolge. edukation herrsche, eine Verweichli-
Allenthalben im grossen Yankeereiche, chung der heranwachsenden mannlichen
wohin die Trauerkunde gedrungen — Generation erblicke. Allerdings miiss-
und das ist sie wohl iiberall — trachtet ten aber auch die mannlichen Lehr-
man jetzt, einem solchen Unheil durch kriifte — betonte der Vortragende mit
geeignete Massregeln vorzubeugen. An Recht — wirkliche Manner sein, und
den hiesigen Schulhausern werden nun, keine Waschlappen!
wo 'es noch nicht geschehen, Feuerlei-. Vor den Professoren unserer Univer-
tern angebracht und samtliche Ttiren so sittit hielt Herr Hall am darauf f olgen-
gesetzt, dass sie nach aussen off nen ; den Tage einen Vortrag iiber g e w e r b-
iiberdies wird ein einheitlicher Feuer- liche Schulen in den Vereinigten
Drill eingeftihrt, der em* oder zweimal Staaten, die er mit ebensolchen Schulen
monatlich geiibt werden soil. Leider in Deutschland verglich. Auch dieser
werden, wie die Erfahrung lehrt, alle Vergleich fiel sehr zu Ungunsten un-
diese schonen Vorsichtsmassregeln gar serer Gewerbeschulen aus, die der Vor-
bald wieder verrosten, die Feuerleitern tragende im allgemeinen als unprak-
sowohl als der Feuerdrill. Um den letz- tisch bezeichnete. Es sei z. B. nutz-
teren ware es freilich nicht schade, und zwecklos, die Schiller in der Her-
denn Geistesgegenwart und Kaltbliitig- stellung von Gegenstanden zu unter-
keit seitens der Lehrer sind bei derarti- weisen, wie sie von skandinavischen
gen Katastrophen mehr wert als die Bauern verfertigt werden. Wir sagen
besten Feuerdrills. Ja und Amen zu dieser Kritik von be-
Wir stehen hier in diesem Schuljahre rufener Seite und wiinschen nur, dass
im Zeich'en der Vorlesungen. sie recht griindlich beherzigt werde.
Zwar bekamen wir auch schon in frti- E. K.
Korrespondenzen.
85
Milwaukee.
Ein origineller Bestand-
teil des im Julihier statt-
findenden Lehrertages, der
fiir die Besucher von dem hochsten In-
teresse zu werden verspricht, wird die
Ausstellung von Lehr-
biichern und Lehrmitteln des
modernen Sprachunter-
r i c h t s werden. Dieselbe soil alle
Textbiicher und sonstige Hilfsmittel
des modernen Sprachunterrichts um-
fassen, deren man sich in Europa, Ame-
rika und anderen Weltteilen bedient:
also ein Internationales p a d a-
gogisches Museum werden.
Das Lehrerseminar in Milwaukee ist
fiir die Sammlung, von der man eine
Hebung des deutschen Unterrichts und
eine Forderung der Bestrebungen des
Lehrerbundes erwartet, als dauernde
Statte bestimmt.
Die deutsch-lutherischen Lehrer Mil-
waukees haben in ihrer Generalkonfe-
renz beschlossen, sich an der Tagung
des Lehrerbundes im Juli hierselbst zu
beteiligen. Es ist dies das erste Mai
in der Geschichte des Bundes, dass un-
sere Kollegen an den Gemeindeschulen
ih re Beteiligung in corpore an dem Leh-
rertag durch Beschluss bestimmt haben.
Auf Anregung des Herrn Georg Wit-
tich, Direktors des Turnunterrichts an
unseren offentlichen Schulen, haben die
Prinzipale an verschiedenen Schulen
ihren Spielplatz in eine temporare
Schlittschuhbahn umgewandelt. Die
Einrichtung findet sowohl unter den
Schiilern der betr. Schulen als auch un-
ter den Kindern der Nachbarschaft viel
Anklang, da es ihnen hierdurch ermog-
licht ist, selbst in der Freistunde und
ohne alle Gefahr dem Sport zu huldi-
gen.
Herr Wittich sucht ebenfalls die
Prinzipale zu bewegen, Spielapparate,
wie Rundlauf, Rutschbahn, Schaukeln
u. dgl. anzuschaffen, die auf den Spiel-
platzen aufgestellt und von den Kin-
dern wahrend der Pausen benutzt wer-
den sollen. Einige Schulen haben auch
hiermit schon einen Anfang gemacht.
Wahrend des vernossenen Monats
hielten sich Prof. Tombo aus New
York und President Schurman
von der Cornell Universitat besuchs-
weise in unserer Stadt auf.
Auf Einladung des Wisconsiner Vor-
standes des Deutschamerikanischen Na-
tionalbundes wird H'err Professor
Learned aus Philadelphia jedenfalls
im Monat April einen Vortrag in eng-
lischer iSprache hier halten. Als Thema
hat der Vorstand "The German in
American Civilization" gewahlt.
Das Textbuchkomitee von
unserem Schulrat geht abermals mit
dem Plan um, gewisse Textbiicher, die
mehr oder weniger veraltet und untaug-
lich sind, durch neuere, passendere zu
ersetzen. Die Lehrer, die in diesem
Jahre wiederum urn ihr Urteil iiber die-
sen Gegenstand befragt wurden, haben
in grosserer Anzahl der Aufforderung
Folge geleistet als in vergangenen Jah-
ren.
Die viermalige Auffiihrung der Mar-
chenoperette ,,The House That
Jack Built" im Pabst Theater war
ein kiinstlerischer sowie finanzieller Er-
folg. Ungefahr zweihundert Schulkinder
nahmen an der Vorstellung teil, dereii
Reinertrag dem ,,Penny Lunch" Fonds
zufliesen wird. Das Stiick ist von
Frau Jesse L. Gaynor und Alice C. D.
Riley verfasst und ist besonders dem
Geschmack und Verstandnis der Kin-
derwelt angepasst.
Bange Besorgnis um die S i c h e r-
heit unserer Schulkinder hat
nach der fiirchterlichen Brandkata-
strophe in der Vorstadtschule von
Cleveland auch unsere Stadt ergriffen.
Gegenwartig wird mit alien Kraften
darauf hingearbeitet, die zu Tage tre-
tenden Mangel zu beseitigen und die
Schulgebaude in einen feuersicheren Zu-
stand zu bringen, soweit dies bei alten
Gebauden moglich ist.
C. B. S.
Prag.
Ein grosser Skandinavier — war's
Ibsen oder Bjornson? — tat einmal den
Ausspruch : ' ,,E i n e P r o f e s s u r
achiitzt vor Torheit nicht."
Er hatte aber noch viel weiter gehen
kb'nnen. Denn es blamieren sich auch
Menschen, die im Reich der Wissen-
schaft nicht bloss (u. z. sehr haufig
durch die Unvorsichtigkeit der zustan-
digen Behorde) voriibergehend einen
Ehrenposten, sondern durch geniale
Leistungen einen glanzvollen Namen
fur alle Zeiten erlangt haben. Den
neuesten Beleg fiir diese traurige Tat-
sache lieferte der auch in den Ver.
Staaten vor zwei Jahren hochgefeierte
Professor O s t w a 1 d , als er vor ^ we-
nigen Wochen in Wien sich in einem
Vortrag iiber die von. ihm erfundene
Unterrichtsreform verbreitete. Ost-
walds Ausserungen iiber die jetzt so
lebhaft erb'rterte Frage: in welcher
Weise soil der Gymnasialunterricht ab-
geandert werden? und die ,,padagogi-
schen" Ratschlage, in denen jene gipfel-
Monatshefte fur deutsclie Sprache und Padagogik.
ten, sind so unglaublich albern, dass bildung in den Naturwissenschaften
man sich weder hiiben noch driiben mit war. Kustos Dr. Frankfurter erstattete
ihnen zu beschaftigen brauchte, wenn sodann das Referat iiber den Vertrag
nicht leider angesichts der hohen wis- des Geheimen Rats Ostwald, beriihrte
senschaftlichen Stellung des Redners dessen Forderung der ,,Ausbildung der
ein gewichtiger Einfluss seiner Ansich- Kinseitigkeiten", seine Ablehnung der
ten auf die offentliche Meinung voraus- harmonischen Bildung, und legte einge-
zusehen ware. Wenn dies hier von hend Ostwalds Stellung zum Sprachun-
Schulmannern allgemein anerkannt terricht dar. Ostwald habe nicht etwa
vvird, so gilt es erst recht fur Amerika, bloss vor uberschatzung des Sprachun-
wo Ostwalds ausgezeichnete Tiitigkeit terrichtes und seinem tibergewicht vor
als ,,Austauschprofessor" noch in solch anderen Unterrichtsgegenstanden war-
gutem Andenken steht und wo er um nen wollen. Er habe vielmehr geradezu
seiner damaligen Mission willen vieler- erklart, die Sprache an sich sei ein
seits zwar falscher, doch ganz begreif- ubel, weil sie unlogisch sei, und daher
licherweise fiir einen offiziellen berufe- sei der Sprachunterricht nicht nur ohne
nen Vertreter lierrschender piidagogi- jeden positiven Bildungswert, sondern
scher Anschauungen gehalten wird. Wir wirke negativ. indem er die geistige
konnen wahrhaftig noch von Gliick re- Entwickelung hemme. Ostwald habe
den, dass Ostwald seine amerikanische dabei nicht den altklassischen TJnter-
Sendung nicht nebenher fiir seine er- richt und die Gymnasien allein treffen
zieherische Propaganda ausniitzte. Das v/ollen, sondern jeden Sprachunterricht
biitte schones Wasser gegeben auf die und, streng genommen, sogar den deut-
Miihle unserer Herren Reformpadago- schen Sprachunterricht. Es handle sich
gen! um den Versuch, ein von den besten
Allein, wie oben schon gesagt, fiihlt Geistern — Goethe, Helmholtz, Treitsch-
inan auch diesseits des atlantischen ke — anerkanntes Bildungsmittel zu
Meeres die Notwendigkeit, dem pada- entwerten.
gogiscben Wahnwitz des Geheimen Rats Als erster Redner nahm in der hier-
Prof. Dr. Ostwald zu steuern oder, bes- auf folgenden Diskussion Regierungsrat
ser gesagt, seinen Folgen rechtzeitig Prof, .lerusalem das Wort zu einer
vorzubeugen. Deshalb wurde wenige scharfen Stellungnahme gegen Ostwald.
Tage nach Ostwalds Vortrag eine Sit- Ostwald habe freilich recht, dass die
zung des Wiener „ Vereins der Freunde Sprache nicht ,,logisch" sei: sie sei
des humanistischen Gymnasiums" ein- eben psychologisch, und wir
berufen, um zu den Ostwaldschen Er- kit men erst durch ihre Erforschung auf
klarungen Stellung zu nehmen. Ich
Gesetze des richtigen, logischen
iibersende den ,,Monatsheften" nachste- Denkens. Sie habe die Logik ers.t mog-
hend ein wahrheitsgetreues Referat lich gemacht, wie iiberhaupt das ab-
iiber jene Versammlung nach dem strakte Denken und das Zusammenar-
durehaus vertrauenswiirdigen Berichte beiten der Menschen, wie auch jede
des hiesigen ,,Tagblatts", aus welchem AVissenschaft, natiirlich auch die Na-
der Inhalt der Ostwaldschen Auslas- turwissenschaften. Es sprachen noch
sungen und der Geist der von ihm be- Univ.-Professor Kretschmer und na-
fiirworteten Reform, die wohl an mens des Neuphilologischen Vereins
Feindseligkeit gegen die humanistische Prof. Duschinski. Unter grosser Auf-
Erziehungsreform alles bisher Dagewe- merksamkeit nahm sodann der Ob-
sene iiberbietet, zur Geniige hervorge- mann des Vereins fur Schul-
hen werden. reform, Prof. Dr. Hueppe (Prag)
Die Versammlung leitete als Vorsit- das Wort, um zu erkliiren, dass sich
zender der Vereinsprasident Geheimer der Verein mit den Anschauungen des
Rat Graf Stiirgkh. Der Rektor der Geh. Rates Ostwald nicht identi-
Wiener Universitat, Hofrat v. Ebner, f i z i e r e. Professor Hueppe erkennt
fiihrte nach der einleitenden Ansprache dann seinerseits den Wert des Sprach-
des Prasidenten, in welcher der Zweck unterrichtes an, und es ware wertvoll
der Versammlung auseinandergesetzt fiir die Reform der Mittelschule, wenn
wurde, aus, dass auch er, ein Vertreter man sich iiber die Methode des Unter-
der Naturwissenschaften, doch immer richts einigen wiirde. Nachdem noch
mit freudiger Pietiit an den Unterricht Prof. Dr. Herz und Prof. Dr. Martinak,
in den alten Sprachen im Gymnasium Lehrer der Padagogik an der Prager
zuriickdenke. Er konne noch heute mit Universitat, das Wort ergriffen hatten,
vollem Bewusstsein aussprechen, dass konstatierte Hofrat Prof. Toldt, dass
die sprachliche Bildung ein vortreffli- durch die zutage getretene
ches Hilfsmittel fiir seine spatere Aus- Einmiitigkeit so verschie-
Umschau. 87
denartiger Richtungen der strittene Prioritat des allerneuesten.
Zvveck der Versammlung erreicht er- durch und durch ,,sezessionistischen"
scheine. Er beantragte sodann eine ent- Reformgedankens, sondern hoffentlich
sprechende Resolution, nach deren An- auch der Stolz, in glanzvoller Isolie-
nahme der Vorsitzende Graf Stiirgkh rung den eines Don Quixote wiirdigen
die Versammlung schloss. Krieg gegen die Sprache als Schulge-
Dem Geheimen Rat Prof. Dr. Ost- genstand weiterzufiihren.
wald verbleibt nicht allein die unbe- Prag. Otto Heller.
II. Umschau.
Seminar - Nachrichten. von London eine Reise von 500 ameri-
H e r r John W. Suetterle ist zum kanischen Lehrern, die den Zweek hat,
Vorsitzenden des Komitees ernannt die .Schulen von Grossbritannien und
worden, welchem seinerzeit vom Irland zu besuchen. Die Hinreise kann
deutschamerikanischen Nationalbunde in den Monaten September 1908 bis Ja-
die Unterstiitzung des Lehrerseminars nuar 1909, die Riickreise vom Novem-
iiberwiesen wurde. Die Wahl ist eine ber 1908 bis zum 15. MSirz 1909 unter-
gltickliche. Herr Suetterle hat schon nommen werden. Sieben grosse eng-
manches in unserer Stadt zuweg ge- lische und amerikanische Schiffsgesell-
bracht, und so ist zu hoffen, dass er schaften haben fiir die Rundreise in der
auch im Interesse des Seminars eine zweiten Kajiite den ausserordentlich er-
erfolgreiche Tatigkeit entwickeln wird. massigten Preis von 5 Pfund Sterling
Herr Karl Schmidt, ein Alumnus des (25 Dollars) bewilligt. Fiinfzig der
Lehrerseminars, teilt in einem Brief an oben angegebenen Zahl dilrfen auch den
Herrn von der Halben mit, dass in europiiischen Kontinent besuchen, den
Newark, N. J.., ein Zweigverein der sie in Antwerpen betreten. Dieselben
Vereinigung von Alumnen des Lehrer- miissen jedoch eine geniigende Kenntnis
seminars gegrtindet wurde. Zum Vor- der deutschen oder der franzosischen
sitzenden wurde Herr H a u g von New Sprache besitzen.
York, zum Schriftfiihrer Herr Karl Die Zulassung von Lehrern und Leh-
Schmidt gewahlt. Vivat sequens! rerinnen geschieht auf die Empfehlung
Samstag d. 8. Februar fand in der der ,,School Boards", der ,,Board of
Singhalle der Deutsch-Englischen Aka- Trustees" oder anderer anerkannter
demie die erste Reunion des neugegriin- Autoritiiten; individuelle Anmeldungen
deten Vereins ehemaliger Seminaristen werden nicht beriicksichtigt. Die Aus-
statt. Gegen 60 Damen und Herren wahl beschriinkt sich auf solche Lehr-
waren anwesend. Unter dem Vorsitz krafte, die an Primiir- und Sekundiir-
der Herren Becher und Purin verlief der schulen, an industriellen und techni-
Abend in gemiitlicher und anregender schen Lehranstalten, oder an Lehrer-
Weise. Deklamationen, Reden, musika- seminarien tatig sind.
lische Einzelvortrage und lustige Kom- Fiir die Hinreise und die Riickreise
merslieder bildeten das Programm. Fiir wird dem Bewerber ein bestimmtes
das leibliche Wohl hatte ein umsichti- Schiff und ein bestimmtes Datum ange-
ges Damenkomitee Sorge getragen. Eine geben, wobei individuellen Wiinschen
baldige Wiederholung solcher Abe'nde nach Moglichkeit Rechnung getragen
diirfte wohl den Wiinschen aller Anwe- wird.
senden entsprechen. ,,Tages Arbeit, Alle Informationen betreffs des Em-
Abends Giiste; sauere Wochen, frohe pfanges in dem englischen oder dem
Feste" gilt auch fiir die neue Vereini- kontinentalen Hafen, die beilaufigen
gung, der wir fiir ihren weiteren Le- Kosten eines vier- bis sechswochentli-
bensweg alles Gliick Wiinschen. chen Aufenthaltes etc. werden bereit-
Ein Massenbesuch ameri- willig geliefert. Die Anmeldungen wer-
kanischer Lehrer in Europa. den am 1. Juni 1908 geschlossen. Alle
Die ,,National Civic Federation" veran- Korespondenzen sind zu richten an
staltet unter der Mitwirkung der ,,In- Roland P. Falkner, Executive Secre-
ternational Mercantile Marine Com- tary. 281 Fourth Avenue, New York,
pany" und des Herrn Alfred Molsley N. Y.
88
Monatsliefte fur deutsche Sprache und Pa
Rudolf Mossesche Erzie-
hungsanstalt in Wilmers-
dorf. Vor zwolf Jahren hat Herr Ru-
dolf Mosse, der Eigentiimer des ,,Ber-
liner Tageblatt", in Wilmersdorf bei
Berlin eine Erziehungsanstalt gegriin-
det, die einen ungemein humanitaren
Zweck hat und denselben von Jahr zu
Jahr in hoherem Masse erfiillt. Die An-
stalt ist dazu bestimmt, Kinder gebil-
deter Familien, die durch den Tod ihres
Ernahrers oder durch unverschuldete
ungiinstige Umstande in wirtschaf tliche
Not geraten sind, schon friihzeitig zu
selbstandigem Erwefb heranzubilden,
damit sie fur sich selbst sorgen und
auch ihren Familien eine Stiitze sein
konnen. Wie dem Berichte der Anstalt
iiber die beiden letzten Jahre zu ent-
nehmen ist, wurden von den daselbst
erzogenen Knaben 2 Beamte, 1 Lehrer,
1 Landwirt, 23 Kaufleute, 7 Handwer-
ker; von den Madchen 6 Lehrerinnen
und Erzieherinnen, zwei Kindergartner-
innen, 21 Buchhalterinnen u. s. w. Der
Etat der Anstalt betrug 1905/06 27,273
Mark und 1906/07 75,250 Mark.
Die deutschen Universita-
t e n zahlten im letzten Sommerseme-
ster 44,964 Studierende, worunter 211
immatrikulierte Frauen, ferner 2381 H6-
rer und 1274 Horerinnen, also im ganzen
48,619. Die Zunahme der Zahl der im-
matrikulierten Studenten betragt gegen
das letzte Semester (mit 42,390) 2574,
gegen das Sommersemester 1905 (mit
41,928) 3036. — Hinsichtlich der Besu-
cherzahl steht Berlin wieder an erster
Stelle mit 6569 Studierenden, dann folgt
Miinchen mit 5734, Leipzig mit 4147,
Bonn mit 3275, Freiburg mit 2350, Bres-
lau mit 1920, Marburg mit 1717, Tubin-
gen mit 1710, Miinster mit 1454, Strass-
burg mit 1418, Jena mit 1362, Wiirzburg
mit 1360, Kiel mit 1157, Giessen mit
1118, Konigsberg mit 1080, Erlangen
mit 1067, Greifswald mit 890 und zu-
letzt Rostock mit 691. — Evangelische
Theologie studieren 2329, katholische
1841, Rechts- und Staatswissenschaften
12,375, Medizin 6683, Philologie, Spra-
chen oder Geschichte 10, 832, Mathema-
tik oder Naturwissenschaften 6323, fer-
ner, soweit von den einzelnen Universi-
taten uberhaupt ausgeschieden, Staats-
wissenschaften 1801, Pharmazie 1767,
Zahnheilkunde 755, Forstwissenschaft
144 und Tierheilkunde (in Giessen) 114.
Fur alle Studienfacher ist mit Aus-
nahme der beiden letzteren eine Zu-
nahme zu verzeichnen. — In 30 Jahren
hat, wahrend die Bevolkerung Deutsch-
lands sicK in diesem Zeitraum nicht
ganz um die Halfte vermehrt hat, die
Zahl der Studierenden um das Zweiein-
halbfache zugenommen.
In den sachsischen Lehrer-
seminaren ist Latein obligatori-
scher Unterrichtsgegenstand. Seit lan-
gerer Zeit macht sich nun ein Streben
bemerkbar, statt des Lateinischen Fran-
zosich und Englisch obligatorisch zu
machen. Besonders ist die Leipziger
Lehranstalt warmer Vertreter dieser
Idee. Sie sagt sich, eine Sprache, die
die Gebildeten des Volkes, die Gelehr-
ten, die nicht einmal mehr die Altphilo-
logen unter sich reden, hat doch keiner-
lei Berechtigung mehr, eine solche Un-
summe von Zeit und Kraft in Anspruch
zu nehmen, wie leider gegenwartig das
Latein noch beansprucht. Zum Univer-
sitatsstudium ist Latein doch auch
nicht unbedingte Voraussetzung, wie
verschiedene lateinlose Anstalten, die
trotzdem zum Universitatsstudium vor-
bilden, beweisen. Im praktischen Leben
aber wird derjenige, der zwei moderne
Sprachen beherrscht, leichter weiter-
kommen als der Lateiner. Die Anhan-
ger des Lateinischen dagegen fiirchten,
das Ansehen des Standes konnte leiden,
wenn Latein fiele, und fur das Universi-
tatsstudium, das die Lehrer erstreben,
sei doch Latein die beste Vorbereitung.
Auf der kiirzlich stattgefundenen Dele-
giertenversammlung des Sachsichen
Lehrervereins kam die Angelegenheit
auch zur Sprache und die Versammlung
entschied sich mit alien gegen 50 Stim-
men dafiir, das Ministerium um Beibe-
haltung des Lateins und um Einfuhrung
'einer modernen Sprache in den Semina-
ren zu bitten. Dabei soil dem Franzo-
sischen der Vorzug gegeben werden.
Auch an den Volks- und Biirgerschu-
len in W i e n wurde im verflossenen
Schuljahre der ungeteilte Vor-
mittagsunterricht eingef tihrt,
und die damit gemachten Erfahrungen
lauten ebenso giinstig als an anderen
Orten.
Weibliche Universitats-
dozenten. In Wien erreignete sich
der bisher unerhorte Fall, dass eine
Dame zur Privatdozentur an der Wie-
ner Universitat zugelassen wurde. Es
ist dies Fraulein Doktor Elise Richter,
die Tochter eines vor langerer Zeit ver-
storbenen sehr geschatzten Arztes, wel-
che am akademischen Gymnasium in
Wien die Maturitatsprtifung abgelegt
Vmscliau.
hatte und mit ihrer Schwester zu den
ersten Damen gehorte, welche Vorlesun-
gen an der Wiener Universitat besuch-
ten. Ihr Spezialstudium war die roma-
nische Philologie. Der Ministerialerlass,
welcher die Zulassung des Fraulein
Doktor als Privatdozentin fiir romani-
sche Sprachen und Literatur ausspricht,
ist sehr vorsichtig abgefasst. Die Zu-
lassung von Frauen zum Assistenten-
dienste und zur Privatdozentur, und im
weiteren auch zur Professur und an-
derer akademischer Wtirden wird zwar
als eine Konsequenz jener Bestimmun-
gen dargestellt, durch die den Frauen
die Erlangung der erforderlichen wis-
senschaftlichen Vorbildung und insbe-
sondere des philosophischen und niedi-
zinischen Doktorgrades ermoglicht wur-
de. Die Frage aber, ob Frauen auch
der Zutritt zu alien offentlichen aka-
demischen Amtern gestattet werden
solle, diirfe um so weniger prajudiziert
werden, als der Eintritt in den offent-
lichen Dienst nicht nur an die sachliche
Befahigung, sondern noch an andere,
teils nominierte, teils herkommliche
Voraussetzungen gekniipft sei. Im gan-
zen handelt es sich also um Ausnahme-
falle, und die Furcht, dass die Universi-
taten mit weiblichen Hochschullehrern
iiberschwemmt werden wiirden, ist bis
jetzt noch nicht drohender Natur.
In der fortgesetzten Debatte iiber den
Kultusetat im ungarischen Abge-
ordnetenhause verlangte der Ab-
geordnete der Unabhangigkeitspartei,
Falery, die vollstandige Besei-
tigung des deutschen Sprach-
unterrichts aus dem Lehr-
plane der Schulen. Man miisse
jetzt bis zum aussersten chauvinistisch
sein. Ein anderer Abgeordneter be-
zeichnete die Schulen der Nationalitti-
ten als Brutnester der Vaterlandsver-
rater.
Die Schulverhaltnisse Belgiens
werden beleuchtet durch die Mitteilung,
dass 275 Gemeinden keine Schulen ha-
ben; 290,000 Kinder erhalten ungenii-
genden, 131,000 Kinder iiberhaupt kei-
nen Unterricht.
Norwegen. Im Storthing re-
gen sich die Schulleute. Eine Reihe von
Antragen liegen vor: Verlangerung der
Schulzeit von 27 — 30 auf 36 — 40 Schul-
wochen, Einfiihrung einer zweiten Leh-
rerprttfung (nach drei Dienstjahren
Priifung in Padagogik und zwei freige-
wahlten Fachern), Abschaffung des La-
teins in Gymnasien, Gleichstellung der
Landsmaal (Volkssprache) mit der
Reichssprache, Abschaffung der bischof-
lichen Visitater (Priifung in Religion)
in der Kirche, Wahl von Lehrern mit
wenigstens funf Dienstjahren an der
Volksschule zu Schuldirektoren. Im
weiteren ist die Rede von der Aufhe-
bung ernes oder mehrerer Lehrersemina-
rien und der Einfiihrung einer Fremd-
sprache im Seminarlehrplan und Auf-
hebung des Direktorpostens fiir das Ab-
normschulwesen (fiinf Anstalten ftir
Taubstumme, zwei fiir Blinde und drei
fiir Schwachsinnige).
Mr. Mawbey brachte in seiner Presi-
dential address an die Nottinghamer
Konf erenz des nationalen engli-
schen Hilfslehrervereins eine
Reihe beunruhigender Tatsachen vor.
So stellte er aus dem letzten Bande der
Statistik iiber die Elementarschulen
(1903-4-5), die die oberste Schulbehorde
herausgibt, fest, dass nur 46.5% der
Volksschullehrer zum Unterrichten qua-
lifiziert sind; die iibrigen 53.5% setzen
sich aus einer heterogenen Menge ver-
schiedenartig qualifizierter und unquali-
fizierter Praktiker zusammen. Jeder
Lehrer, sei er nun mit oder ohne Be-
statigung, ist im Klassenunterricht
durchschnittlich fiir 43.7 Schiiler ver-
antwortlich. Mr. Mawbey verurteilt
nicht nur die Behorde, die billige Ar-
beitskrafte sucht, sondern auch das
Volk, das solche Leute im Amte duldet.
,,In jeder Schule des Konigreichs ist ein
angemessenes Personal qualifizierter
Lehrer unbedingt erf orderlich : das ware
das Ideal. Aber wir kommen in dieser
Beziehung kaum vorwarts, wenn die
Zahl derer, denen eine Qualification
ganzlich fehlt, von 5,210 im Jahre 1890
auf 18,296 im Jahre 1904 gestiegen ist."
(The Educat. Times.)
Das Ergebnis der letzten Aufnahme-
priifungen fiir die englischen Seminare
zeigt, dass 82.3 v. H. aller Kandidaten
junge Madchen sind. Das Lehramt wird
also von den Mannern mehr und mehr
gemieden. Griinde: Gehalter und Pen-
sionen mehr als bescheiden und fortge-
setzte Beaufsichtigungen und Schere-
reien durch die Schulinspektoren und
Lokalbehorden.
Der Nobel-Preis des Die li-
ters Rudyard Kipling. tiber
den Eindruck, den die Verteilung des
Nobel-Preises an Rudyard Kipling her-
vorgerufen hat, schreibt der Londoner
Korrespondent des ,,Temps" seinem
Blatte folgendes: ,,So erfreut man da-
riiber ist, dass der Preis einem engli-
schen Dichter zugefallen ist, so wenig
90
Motiatshefte fur deuisclie Sprache und Pddagogik.
verhehlt man sich in literarischen Krei-
sen, dass die Wahl gerade Kiplings zu
Bedenken Anlass gibt. In neuester Zeit
hat sich in der Gesellschaft britischer
Autoren ein Komitee gebildet, desseri
Aufgabe es ist, alljahrlich der schwedi-
schen Akademie den Autor namhaft zu
machen, der seinen Kollegen des Nobel-
Preises am wiirdigsten erscheint. Pra-
sident dieses Komitees ist Lord Ave-
bury (Sir John Lubbock), und unter
seinen Mitgliedern befinden sich Arthur
Benson, Edmund Gosse, Haldane, Tho-
mas Hardy, George Meredith, Sir Do-
nald Mackenzie Wallace. Dieses Komi-
tee veranstaltet eine Art Abstimmung
imter den englischen Literaten, ehe es
seinen Vorschlag an die schwedische
Akademie schickt. In diesem Jahre
haben etwa hundert Schriftsteller an
der Abstimmung teilgenommen ; sie
waren beinahe einstimmig in der Wahl
des beriihmten Dichters 'Swinburne;
auf Rudyard Kipling entfielen alles in
allem drei Stimmen. Die schwedische
Akademie hat sich nicht an diesen Be-
richt gehalten, wie es denn ihr gutes
Recht ist, bei der Wahl selbstandig vor-
zugehen. Sie ist offenbar der Meinung,
dass die Beruhmtheit und Popularitat
Kiplings eine grossere ist als diejenige
Swinburnes. Gewiss nimmt fiir das
Ausland Kipling die erste Stelle unter
den englischen Schriftstellern ein, den
Englandern selbst ist George Meredith
oder Thomas Hardy lieber. Der Grund
ist nicht schwer zu erraten. Fiir den
Auslander ist Kipling der reprasenta-
tivste unter den angelsachsischen Dich-
tern von Genie. Der Imperialismus hat
in ihm seine Verkorperung und seinen
lebendigsten Ausdruck gefunden. Der
Auslander glaubt, England und die
Englander besser zu verstehen, wenn er
Kipling gelesen hat. In Wirklichkeit
beleuchtet Kipling aber nur eine Seite
des englischen Charakters, er ist ein
Apostel des Chamberlainismus, der jetzt
etwas aus der Mode gekommen ist."
0. B.
III. Vermischtes.
Amos Comenius an der Elbe. *)
Eine Burleske aus dem Jahre 1909.
Marcia funebre con burlesca. — Melodic:
Es geht bei gedampfter Trommel.
Im hohen Olymp war grosser Verdruss:
Erasmus, John Locke, Ratichius,
Stephani, Comenius, Frobel und
Strungk,
Die stritten sich iiber die Kunsterzie-
hung.
,,Ich stelle den Antrag," rief da Pesta-
luzz,
,,Comenius steigt nieder zum irdischen
Schmutz,
Er mag sich personlich 'erkundigen
Nach der Kunsterziehung da untigen!"
Ein Krach. — ^Da war es schon geschehn,
Comenius tat vor einer Schule stehn,
Die Kunstprobleme die schwierigen
Mit Fleiss dort zu studierigen.
* Zu Nutz und Frommen unserer Le-
ser aus der SRchsischen Schulzeitung
zum Abdruck gebracht. D. R.
Er stellt sich vor: ,,Sie kennen mich
doch?
Amos Comenius. — Padagog." —
,,Gewiss," sagt der Lehrer, ,,sehr ange-
nehm,
Hier wird Ihnen Horen und Seh'n ver-
gehn!"
Man reicht ihm die Hefte, gelb kariert,
Neuneck'ges Fasson, innen blau mar-
moriert,
Geschmuckt zu des Gasts padagogi-
schem Schmerz
Mit Zeichnungen vorn und hinterwarts.
,,Dass der Kunstsinn eine Ford'rung er-
fahrt" —
Wird dem erschrocknen Amos erkliirt —
,,Gibt's diese Form jetzt, selbige
let's Neueste an der Elbige!
Den Namen schreibt man nicht mehr
drauf,
Zur Kenntlichkeit malt aussen auf,
Den Kunstsinn zu betatigen,
Das Kind sein Selbstportratigen.
Biicherbesprechungen.
91
Die Kleckse bleiben samtlich stehn, Dann zeigt man ihm zwei Klumpen
Weil man kann Individualitat dran Ton:
sehn; ,,Die Eltern, modelliert vom Sohn!"
Die Hemmung der Betatigung Dem Gast wird heiss, im iibrigen
1st padagog'sche Schadigung. Hielt er das fur zwei Rubigen.
Aufsatzthemen gibt's jetzt nie,
Nur ,Reflexion vom Kindsgenie'.
Man lasst's frei sich betatigen,
Sonst geht's Genie schnell flotigen!" —
Dem Amos steht zu Berg das Haar,
Ihn schwitzt und friert ganz sonderbar,
Manchmal wird's ihm lacherlich
Und manchmal wieder brecherlich.
Die Zeichnungen reicht man ihm jetzt,
Vom Pinsel aufs Papier gesetzt.
Amos muss sich erkundigen,
Was oben ist, was untigen.
Ihn zieht's, ihn zieht's, doch nicht die
Kunst,
Vielmehr am Stiefel und auch sunst.
Fort war er unversehentlich,
Die Stiefel blieben stehentlich.
Die Sonne senkte sich hinab,
Da kam, ganz leise, schlapp, schlipp,
schlapp,
Da's im Olymp schon dammerte,
Comenius und jiimmerte:
Der Lehrer spricht :
sieht,
Ist's illustrierte Gudrunlied,
Gemalt von Siebenjahrigen,
Das soil den Inhalt klarigen!"
,,Die Erd' ist rund und muss sich drehn,
Doch so was! — Hatt' ich's nie gesehn!
,,Was man hier Xun lauf ich in Olympien
In Ewigkeit in Striimpien!"
Arthur Liebscher.
Biicherschau.
I. Biicherbesprechungen.
Katalog der Weinhold-Bi-
bliothek. Wie bekannt, wurde die
Bibliothek des grossen Germanisten
Karl Weinhold von Herrn John D.
Spreckels aus San Francisco angekauft
und der deutschen Abteilung der
Staatsuniversitat von Calif ornien zum
Geschenk gemacht. Die Bibliothek ist
'ein bleibendes Zeugnis von der Vielsei-
tigkeit der Interessen ihres Sammlers,
sowie von der Ausdehnung seines Wis-
sens und seinem feinen Geschmack in
der Kollektion seltener Bilcher. Sie
umfasst nach Ausscheidung der Dupli-
kate ungefahr 8500 Bande. Herrn W.
R. R. Finger, M. A., ist die Aufstelhmg
einer Liste von ersten Auflagen und an-
deren seltenen Biichern in dieser Samm-
lung zu verdanken. Sie ist soeben als
No. 16 des ,,Library Bulletin", versehen
mit einem Vorworte des Herrn Profes-
sor Hugo K. Schilling, welches allge-
meine Bemerkungen tiber die Zusam-
mensetzung der Bibliothek enthalt, im
Druck erschienen. Da die Sammlung
Forschern zum freien Gebrauch zur
Verfugung gestellt ist, so ist der vor-
liegende Katalog von grossem Werte
fiir alle, die Biicher aus der Bibliothek
entnehmen wollen.
M. G.
Die hb'here Madchenbildung.
Vortrage gehalten auf dem Kon-
gress zu Kassel am 11. und 12. Ok-
tober 1907 von Helen Lange,
Paula Schlodtmann, Lina
Hilger, Lydia Stocker,
Julie v. Kastner, Marianne
Weber, Dr. Gertrud Bau-
mer, Marie Martin. Geh.
M. 1.80, geb. M. 2.40. Verlag von
B. G. Teubner in Leipzig.
Bei dem immer steigenden Interesse,
das heute mit Recht in weiten Kreisen
der Sache der hoheren Madchenbildung
als einer bedeutsamen nationalen Frage
entgegengebracht wird, sind die hier
nebst den nach eingehender Diskussion
gefassten Resolutionen zur Veroffentli-
chung kommenden Referate, die den
Beratungen des Frauenbildungskongres-
ses zu Kassel am 11. und 12. Oktober
zugrunde gelegen haben, von ganz be-
sonderem Werte. Darf man doch sagen,
dass in ihnen eine zusammenfassende
Monatshefte fur deutsche Spraclie und Padagogik.
Meinungsausserung der deutschen Frau-
enwelt iiber die Frauenbildungsfrage
vorliegt, die in eigener Sache in erster
Linie gehort zu werden mit Recht be-
anspruchen darf. Denn es sind in Kas-
sel die hervorragendsten Vertreterinnen
der verschiedenen Richtungen iiber die
wichtigsten Seiten der grossenFrage zu
Wort gekommen, indem Helene Lange
liber die Hohere Madchenschule, Paula
Schlodtmann iiber die Vorbereitung zur
Hochsehule, Lina Hilger und Lydia
Stocker iiber die Frauenschule, Julie
von Kastner iiber die allgemeine Fort-
bildung, Marianne Weber iiber den ge-
meinsamen Unterricht von Knaben und
Madchen, Gertrud Baumer iiber den
Lehrkorper der hoheren Madchenschule
und Marie Martin iiber die Eingliede-
rung der hoheren Madchenschulen in
das gesamte Unterrichtswesen berichte-
ten. Die Ausfiihrungen der Verfasserin-
nen zeigen, dass die deutschen Frauen
es heute als ihre Pflicht empfinden, in
ernster geistiger Arbeit zur Klarheit
iiber die Probleme der Frauenbildung
zu gelangen. So ist die vorliegende
Veroffentlichung wohl geeignet, in den
weitesten Kreisen, vor allem bei den
Eltern und wieder insbesondere bei den
Miittern Interesse fur die so wichtige
Frage zu wecken, wie sie Beachtung bei
alien denen finden wird, die an der Neu-
ordnung der hoheren Madchenbildung
mitzuwirken in Staat und Gemeinde
berufen sind. X
Die Harzreise. Von Heinrich
Heine. Edited with introduction,
notes, and vocabulary by B. J.
V o s , Associate Professor of Ger-
man in the Johns Hopkins Uni-
versity. Boston, D. C. Heath & Co.
1907. 196 pp.
The reviewer has examined every de-
tail of this book with great care, and
he has found almost nothing to criticise,
but much to praise. The introduction
contains the best short sketch of
Heine's life that can be found any-
where. The editor seems to have ap-
proached Heine with a fair and unpre-
judiced mind. He defends him against
the charge of insincerity by stating
that Heine gave himself in his works
and by attributing the seeming insin-
cerity to a dualism in the poet's own
character.
In the Modern Language Notes for
January and February, 1908, Dr. Vos
has set forth six of the main points in
which his commentary differs from
the views hitherto accepted by most
writers. This material gives evidence
of much scholarly research. The sub-
jects involved are, Ossian, the identity
of the "Dichter" who sang of the love
of Use and the Ritter von Westerberg,
the Braunschweig fair, Prometheus and
Napoleon, the identity of the Theo-
phrastus who would classify flowers ac-
cording to their odors, and Heine's in-
debtedness to Gottschalck's book on
the Harz. Suffice it to say in this place
that the evidence and the arguments
presented in support of each point seem
convincing.
In the second note on page 96 the ac-
centuation of the word Privatdozenten
should be marked on the fourth syl-
lable as well as on the second. It is
correctly indicated in the Vocabulary.
The note on Ratcliff and Almansor on
page 113 repeats what has been said
about these tragedies in the introduc-
tion, page viii. This fuller statement
may perhaps be justified by pedagogical
reasons.
The Vocabulary is above the average
in accuracy and thoroughness. It has
stood several tests and cross-tests.
The book is worthy of high com-
mendation, and it will certainly con-
tribute its share toward a fuller appre-
ciation of Heine's work.
Charles Bundy Wilson.
The State University of Iowa.
Unser Deutsch. Einf iihrung in die
Muttersprache. Vortrage und Auf-
satze von Friedrich Kluge,
Professor an der Universitat Frei-
burg i. Br. (Wissenschaft und Bil-
dung. Einzeldarstellungen aus alien
Gebieten des Wissens. Herausgege-
ben von Privatdozent Dr. Paul
Herre. Band 1). 147 Seiten, 8°.
Leipzig, Quelle und Meyer, 1907.
Original-Leinenband, 1.25 Mark.
Der Sagenkreis der Nibelun-
g e. Von Georg Holz, Profes-
sor an der Universitat Leipzig.
(Dieselbe Sammlung, Band 6). 128
Seiten. ebd., 1907.
Diese neue Sammlung ist in der Aus-
stattung ein wiirdiges Gegenstiick zu
dem wohlbekannten, bereits iiber hun-
dert BRnde zahlenden Teubnerschen
Unternehmen ,,Aus Natur und Geistes-
welt" und verfolgt ahnliche Ziele, —
dem Laien die Ergebnisse gelehrter For-
schung belehrend und unterhaltend vor-
zufiihren, dem Fachmann eine bequeme
Zusammenfassung zu bieten. Sie hatte
sich kaum vorteilhafter einftihren kon-
nen als mit dem prachtigen Btichlein
Professor Kluges, des Meisters deut-
scher Wortforschung, dessen ,,Etymolo-
Biicherbesprechungen.
93
gisches Worterbuch der deutschen Spra-
che", schon in sechster Auflage vorlie-
gend, zum unentbehrlichen Riistzeug
des Germanisten gehort, und der durch
musterhaft klare sprachgeschichtliche
Aufsatze sowie durch seine Untersu-
chungen liber deutsche Studentenspra-
che und Rotwelsch sich weit iiber den
Kreis der Fachgelehrten hinaus bekannt
gemacht hat und uns jetzt mit einem
Worterbuch der deutschen Seemanns-
sprache beschenkt. Ein Gefiihl der
Wehmut und zugleich der Bewunderung
ergreift einen beim Lesen des liebens-
wiirdigen Buches: ist doch der Verfas-
ser seit mehreren Jahren an einem wie
es leider scheint unheilbaren Augenlei-
den so gut wie erblindet; — um so
grosseres Lob verdient die Darstellungs-
weise dieser Aufsatze, die mit umfas-
sender Beherrschung einer ungeahnten
Fiille von Stoff lichtvolle Klarheit und
Durchsichtigkeit verbinden, so dass
man unwillkiirlich an den Mathemati-
ker Euler erinnert wird, der ja auch
einige seiner Hauptwerke als Blinder
geschrieben hat. Auf den Inhalt der
einzelnen Aufsatze konnen wir hier
nicht eingehen; auch das Inhalts-
verzeichnis sei hier nicht wieder-
gegeben. Besonders ansprechend finde
ich die fiinf Aufsatze iiber Stan-
des-, Berufs- und Geheimsprachen,
in denen sich eine gewaltige
Fiille deutschen Lebens und deut-
scher Kulturentwicklung spiegelt; des-
gleichen den iiber das Christentum und
die deutsche Sprache. Den Mitgliedern
des Allgemeinen Deutschen Sprachver-
eins werden Nummer 2 und 3 die
grosste Freude machen. Doch es scheint
fast ungerecht, einzelnes als besonders
gelungen hervorheben zu wollen. Moge
das schone Werkchen in dieHande recht
vieler Berufsgenossen kommen, die sich
noch tiefer vertiefen wollen in den
Reichtum, in die Pracht unserer Mut-
tersprache; seine werbende, weckende,
warmende Kraft kann nur Segen stif-
ten!
Auch das Buch von Professor Holz ist
eine erfreuliche Gabe, wenn auch frei-
lich der sehr verwickelte Gegenstand
'eine fur den Laien gleich verstandliche
Behandlung wie in dem vorigen von
vornherein kaum erhoffen lasst. Dem
Fachgenossen bietet es recht viel
Neues; doch ist hier nicht der Ort, dies
Neue gebiihrend hervorzuheben. Holz
hat sich zur Aufgabe gemacht, die am
weitesten verbreitete deutsche Sage des
Mittelalters ihrer Entstehung und Wei-
terbildung nach zu schildem. Nach ei-
nem uberblick iiber die Qu'ellen gibt er
Form, Inhalt und Kritik der nordischen
und der deutschen tiberlieferung. In
der Behandlung der Grundlagen der
Sage stellt er sich tunlichst auf den
Standpunkt der geschichtlichen Erkla-
rungsweise und bringt fiir die Siegfried-
sage eine neue, interessante Hypothese
vor; leider ist die friiher so beliebte
mythologische Deutung auf S. 68 f.
nicht mit der notigen nachdriicklichen
•Scharfe zuriickgewiesen, so fern ihr of-
fenbar der Verfasser selber auch steht.
Die Wiedergabe des Inhaltes der einzel-
nen Sagen ist mit kritischen Bemerkun-
gen durchsetzt und liest sich deswegen
nicht immer sehr glatt, was aber kein
Vorwurf sein soil, da der Verfasser of-
fenbar mit Meistern der Nacherzahlung
wie Uhland und Vilmar nicht zu wett-
eifern gedenkt. Kapitel VI, Uberliefe-
rung und Textgeschichte des Liedes der
Nibelunge, ist nicht fiir einen grosse-
ren Leserkreis bestimmt, bietet aber
fiir die, an die es sich wendet, eine dan-
kenswerte Zusammenstellung unseres
heutigen Wissens; ein gleiches gilt von
Kapitel VIII, Erneuerung der Kenntnis
des alten Stoffes seit dem achtzehnten
Jahrhundert. Im letzten Abschnitt, Die
wichtigsten modernen Bearbeitungen
der Sage, ware fiir die einzelnen Teile
von Wagners Ring der Nibelungen eine
ausf iihrlichere Inhaltsangabe erwiinscht.
Der Anhang gibt eine kurze Zusammen-
stellung der wichtigsten Literatur. Eine
Kleinigkeit, die aber stort: der Text
und die Titelseite bieten die Pluralfor-
men Nibelunge, Decken- und Riicken-
titel des Einbandes jedoch Nibelungen.
Dafiir sind natiirlich Verlag und BucK-
binder, nicht Verfasser und Drucker
verantwortlich.
G. W. Horn, Hilfsbuch beim
Unterricht in der Liter a-
turgeschichte. Zum Gebrauch
in Praparanden-Anstalten und obe-
ren Klassen der Biirgerschule. Elfte
verbesserte Auflage. Langensalza,
Schulbuchhandlung von F. G. L.
Gressler, 1905. IX + 204 /Seiten, 8°.
Broschiert 1.20 Mark.
In was fiir Schulen in Amerika dieses
Buch mit Nutzen zu brauchen ware,
wiisste ich nicht zu sagen, — sicherlich
in keiner, die mir bekannt ist. Aber es
liegt seit 1882 zum elften Male vor,
muss also wohl einem Bediirfnis ent-
sprechen. Es mag besser sein als an-
dere seiner Art, aber die Art war mir
neu und hatte mir zeitlebens fremd
bleiben diirfen.
Der erste Teil enthalt 37 Biographien
auf 96 Seiten. Der bestimmende Grund-
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
satz ihrer Anordnung 1st mir nielit klar
geworden. Von der raschen Lektiire
her klingt mir noch die Haufigkeit des
Wortes ,,bieder" im Ohre nach; polite
das Zufall sein? Dann folgt auf 40
Seiten ein Abriss der deutschen Dicht-
kunst, dann auf 43 weiteren ein Grund-
riss der deutschen Literaturgeschichte,
und endlich noch ein Anhang mit 17
Gedichten, iiber dessen Daseinsberechti-
gung ich mir ebenfalls nicht klar bin.
Der Anforderung unbedingter Zuver-
liissigkeit, die man billigerweise an ein
solches Buch stellen darf, genugt das
Werkchen nicht. In der Anfiihrung auf
S. 113 unten in Z. 3 kann die Verwen-
dung einer falschen Type in dem Worte
,,Sie" ganzlich unrichtige Ansichten
tiber die Gesetze des Anreims verbrei-
ten; S. 122 und 140 wird als bestimmt
hingestellt, den Heliand habe ein Bauer
geschrieben, S. 126 Grimm ein Miirchen-
dichter genannt, S. 139 fur Ulfilas
die Daten 318 — 388 gegeben; auch in
der Darstellung der einzelnen Dich-
tungsarten finden sich Unrichtigkeiten.
Unzuverlassig sind die Zitate, z. T. in-
folge fliichigen Korrekturlesens ; S. 104
unten ,,Aus der Strome blauem Schiller
(!) lacht der unbewolkte Zeus"; iS. 109
ist als Herkunft der Zeile ,,Ach! aus
dieses Tales Griinden" das ,,Berglied"
statt der ,,Sehnsucht" gegeben. Auch
viele Druckfehler, die das Verzeichnis
langst nicht alle nennt, rechne ich hier-
her: S. 19 unten am Rande 1887 statt
1787; S. 78 am Rande: 7. Juni 1676, im
Texte: 7. Juni 1677; S. 170, Z. 3 v. u.
1725 statt 1825. Storend bezw. falsch
ist Satzbau und Wortwahl in folgenden
Beispielen: S. 18 unten ,,Sein sehnlich-
ster Wunsch sollte auch in Erfiillung
gehen; er starb in Syrakus am 5. De-
zember 1835"; S. 57 unten ,,den Sommer
iiber verlebte er"; 'S. 77 Mitte ,,Die Ge-
briider Grimm haben der Sprachfor-
schung die rechte Bahn verzeichnet" —
ein schones Lob!
Kraftiglich mochte ich dagegen Ver-
wahrung einlegen, wenn S. 29 unten
Heines Leistung als Hymnendichter ge-
priesen und sein ,,Frieden" (aus d^m
Nordsee-Zyklus) als Beispiel angefiihrt
wird; das betreffende Gedicht ist auch
richtig im Anhang abgedruckt, aber na-
tiirlich ohne die zweite Halfte mit dem
charakteristischen Eingang ,,Hattest du
doch dies Traumbild ersonnen, was ga-
best du nicht drum, Geliebtester ! " Mit
dieser zweiten Halfte wird eben die
,,Hymne" zur grauenhaften Blasphemie.
Ein Blick in eine Originalausgabe hatte
den Verfasser des Buches von seinem
Irrtum iiberzeugen mtissen; oder ist
seine Darstellung eine absichtliche lite-
rarhistorische Falschung? Mat hat mir
gesagt, dass auch hierzulande in theo-
logischen Seminaren die erste Halfte — •
mit geflissentlichem Totschweigen oder
wirklicher Unkenntnis der zweiten —
auswendig gelernt werde, als Zeugnis
dafiir, wie das Christentum selbst einen
Heine in seinen Bann gezwungen habe.
Edwin C. Roedder.
Univ. of Wis.
II erodes und Mariamne. Eine
Tragodie in fiinf Akten, von
Friedrich Hebbel (1850).
Edited with introduction and notes
by Edward Stockton
Meyer, Ph. D., Associate Pro-
fessor of German in the Western
Reserve University. New York,
Henry Holt and Company, 1905.
XXXVIII -f 192 pp. Cloth, 60 cts.
Altho this book has already been on
the market two and one-half years, per-
haps a few words of criticism, even at
this late date, may not be out of place.
Hebbel is known to our great American
reading public, broadly speaking, by
name only. None of his works has been
translated into English, this is the first
of his dramas to be edited in this
country with notes and, therefore,
merits a hearty welcome. The state-
ment, however, which the editor makes
in his preface, that the Germans "are
just beginning to recognize the genius"
of Hebbel, comes rather late in 1905,
and is hardly to be defended in the face
of the two appreciate biographies that
we already possessed, i. e. those by
Emil Kuh and R. M. Werner. Then
there are the two editions of Hebbel's
complete works by these two scholars,
not to mention the rather extensive
critical library on Hebbel the man and
dramatic genius, of which Prof. Meyer
himself cites many works.
The editor, further, makes the fol-
lowing broad statement: "Just as
Kleist and Grillparzer, however differ-
ent in many respects, were united in
their efforts to break away from the
almost overpowering traditions of
Goethe and Schiller, so Hebbel and Lud-
wig, however opposed on certain points,
were practically of one mind in formu-
lating the doctrines of modern German
realism." This assertion seems to call
for considerable modification and ex-
planation to make it tenable. The pre-
face goes on to say, "That both Haupt-
mann and Sudermann have been in-
fluenced by them directly and indirectly
there can be no doubt." There seems
Bucherbesprechungen.
95
to be no proof of such direct influence,
and one is tempted to ask the writer
to cite the evidence. Likewise, the
statement, p. XXI, that "Maria Mag-
dalena was the beginning of the modern
naturalistic drama," will need more
proof than is given, to make it accept-
able.
In his condensed resume of Hebbel's
life, after Prof. Werner's excellent
biography, Prof. Meyer has thruout
employed glaring expressions that dis-
tort the real facts of the case. For
example, when he gives to Hebbel's
mother a "very violent temper," and
speaks, further, of her "passionate
temper," p. V, we see a woman always
blue in the face with rage and con-
stantly engaged in wielding the birch
rod or club 011 her children, but nothing
of the loving, self-sacrificing parent
who often went hungry that her chil-
dren might have bread. Hebbel's father
at one time considered him fit for only
a "Bauer"; the word "farmer," em-
ployed on p. VII, brings with it an en-
tirely different suggestion.
The great influence upon Hebbel,
thru "close contact" with Mohr, does
not suggest the unkindly treatment
which made our poet the bed-fellow of
the coachman in a little, boarded-up
niche, under the stairs, which was hard-
ly large enough to contain the bed. On
p. XIV, "contempt" is not the word to
characterize the treatment which Heb-
bel and his talented wife received at
the hands of the theater director Laube
in Vienna. It is also badly put up to
say that Elise Lensing was at first
"furious" with Hebbel for his mar-
riage with Christine, p. XV.
Is the statement, p. XXII, that
Hebbel depicted Agnes Bernauer "for
exactly what she was, the tragic victim
of political necessity," faithful to the
facts of history?
The comparison, p. XXIII, of "Gyges
und sein Ring" with Ibsen's "Nora" had
already been drawn by Bornstein in his
essay, "Herodes und Mariamne," pp.
10—11, Leipzig, 1904; and the first
eleven lines on p. XXXV likewise sug-
gest what Bornstein says on pp. 16 —
17, ibid. Pp. XXX— XXXIII follow
Prof . Werner's introduction to "Herodes
und Mariamne" so closely that the in-
debtedness should readily be acknow-
ledged; the phrases "oriental egoism"
and "Christian altruism" are Werner's.
The same is true of the paragraph, p.
XXXVI, relating to the bearing that
the tragedy has upon Hebbel's relations
to Christine.
The statement, p. XXX, that Hebbel
found "to his surprise ... a tremendous
task in motivating the story" of Herod
and Miriam, as related by Flavius Jo-
sephus, is too heavy to be borne out by
Hebbel's own remarks on the subject.
The unqualified rejection, p. XXIV,
of Hebbel's "Nibelungen" as a "failure"
will not be accepted by many students
of Hebbel. The editor asserts, on the
same page, that Hagen represents the
old world, Dietrich von Bern the new,
whereas Brunhild, Kriemhild, Siegfried,
and Etzel stand "half in the old, half
in the new." What is there in Brun-
hild, for example, of the new code of
ethics, the Christian era?
The text is well printed, clear and
pleasing to the eye, as are all of Henry
Holt and Company's classics. Only a
very few misprints have been discov-
ered: "das" for "dasz"', 11. 335 and
1851; "Jaob" for "Joab", stage direc-
tion, p. 136; and "krummen" for
"krummem", 1. 1666. In the second line
of the second paragraph, p. 182, Alex-
andra and Sameas, not "Soemus," plot
the downfall of Herod.
The greatest fault of the edition will
be found by all, who atempt to use the
book in the class room, with the notes.
These are entirely too brief and per-
functory and utterly inadequate. We
have noted some fifty passages that
might Avell be elucidated in the notes,
and of these over twenty-five really re-
quire notes to make them intelligible
to the student in preparing his assign-
ments. To mention only a few: 11. 876
and 1971, the citation of Jonah as the
ancestor of Sameas; the reference to
Judith, 11. 955 and 1001, which might
also contain a remark on Hebbel's own
tragedy on the subject; the meaning of
"Edoms Schwert", 1. 985, and the rela-
tion of this province to Herod's family
a,nd the Maccabees. Further, we should
like to know whether there is any his-
torical significance to Cleopatra's ex-
perience with the snake in 11. 987 — 988.
and in the reference in 11. 2113 — 2115.
Who are meant by "Fliegen" in 1. 1174?
The battle at Actium is brought into
the foreground so often that a note ex-
plaining the issues at stake and the
circumstances of the struggle would be
very helpful in refreshing the memory.
The note on 1. 2157, drawing the paral-
lel between the situation here and that
in Ibsen's "Nora," is not at all apt, —
Nora has not had her eyes opened to
the fact that Helmer's "brutal egoism
has debased her ... to a mere thing,"
when she madly dances her tarantelle
before him.
96
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Obscure passages, as for example, 11.
1291—1295, 1. 2230, 3248— 3252, etc.,
etc., need interpretation for the student.
Further, there are many Hebbelesque
passages in this drama, as in all of
Hebbel's works, to which the student's
attention should be drawn, — they are
one of the most characteristic qualities
of Hebbel's art. All this, in face of the
fact that the editor has added notes to
many passages that are clear on the
surface.
Considerable space is devoted, in the
introduction, to the cardinal principles
of Hebbel's dramatic art, but when the
opportunity presents itself to cite defi-
nite examples of these principles in this
drama, as for example, 1. 2004 and the
fourth scene of Act IV, Prof. Meyer
fails to seize the opportunity. All the
citations, further, that his edition con-
tains of passages from Hebbel's own
utterances in his "Tagebticher" are
found in Werner's notes to the tragedy.
There are no further citations, even
where they might be aptly quoted.
The 'editor dwells upon only one rea-
son why Soemus revealed his commis-
sion to Miriam, "in order to save her
from herself." The deeper, psychological
reason, the sympathetic connection be-
tween Miriam and himself, both vic-
tims of Herod's ignoble treatment, is
mentioned in the citation, p. IV, from
Prof. Rotscher, to be sure, but, in com-
piling his notes, Prof. Meyer has over-
looked this psychological trait.
In conclusion, we will say that the
introduction, altho a compilation from
German critics, the work of Prof. Wer-
ner especially, is, nevertheless, with the
exception of the false color of certain
passages noted above, ample for a
school text. The notes, however, are
entirely too scanty and perfunctory for
a drama of such psychological depth,
despite the help given in the resum§ on
pp. 182 — 183. Another edition, with
adequate notes, would be very welcome.
John L. Kind.
University of Wisconsin.
II. Eingesandte Biicher.
Wortkunde fur die Volks-
s c h u 1 e. Eine Auswahl wortkundli-
cher Stoffe in stufenmassiger Anord-
nung fur das 3. bis 8. Schuljahr (auch
fur die entsprechenden Klassen hoherer
Lehranstalten). Von Richard Lau-
be. Leipzig, Friedrich Brandstetter,
1908. Preis M. 3.
Religio Moralis. Von Ober-
schulrat Rom pier in Plauen i. V.
Leipzig, Friedrich Brandstetter, 1906.
Preis M. 0.80.
The Vicar of Sesenheim. Ex-
tracts from books IX — XII of Goethe's
Dichtung und Wahrheit. With an in-
troduction, appendix, notes and vocabu-
lary by A. B. Nichols, Professor of
German in Simmons College. New York,
Henry Holt & Co., 1908. Price 35 cts.
German Composition. With'
notes and vocabulary by Paul R.
Pope, Ph. D., Assistant Professor of
German in Cornell University. Henry
Holt & Co., New York, 1908. Price
90 cts.
Monatshefte
fur deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Padagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* Hpril 1908* fieft 4.
(Offiziell.)
Nationaler Deutschamerikanischer Lehrerbund.
36. Jahresversammlung.
Milwaukee, Wis., 30. Juni bis 3. Juli 1908.
Aufruf.
Vom 3-0. Juni bis 3. Juli des Jahres wird die 36. Tagung
des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes abgehalten werden.
Milwaukee entbietet uns Gastfreundschaft und Willkommengruss. Es
ist nicht das erste Mai, dass Milwaukee unseren Versammlungen seine
Tore offnet; und wer Gelegenheit hatte. den friiheren Lehrertagen, die
dort stattfanden, beizuwohnen, wird heute noch des liebenswiirdigen
Empfanges seitens der Einwohnerschaft dieser Stadt gedenken.
Die Bedeutung der deutschamerikanischen Lehrertage wachst in
dem Masse, in dem Interesse und Begeisterung fur unseren Beruf zu-
nehmen. Diese stehen mit jenen in steter Wechselbeziehung, so dass der
Besuch der Lehrertage einen Priifstein fur das herrschende Berufsinte-
resse abgibt, dass aber gerade auch sie der Jungbrunnen sind, aus dem
wir wieder frische Kraft und neue Liebe zum Berufe schopfen.
Aus dem nachstehenden Programm mogen die Mitglieder selbst
ersehen, wie der Vorstand nach Kraften bemiiht gewesen ist, den Besu-
98 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
chern durch die gewonnenen Vortrage, sowie durch die Ausstellung von
Lehrmitteln und Lehrbiichern fiir den modern-sprachlichen Unterricht
neue Anregung zu bieten.
Die 36. Tagung soil eine ebenbiirtige Nachfolgerin der friiheren
Tagungen des Bundes werden. Die Unterzeichneten geben daher der
zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, dass die deutschamerikanische
Lehrerschaft und die mit ihr in gleichem Streben Verbundenen der Ein-
ladung zum Besuche des Milwaukeer Lehrertages in Scharen Folge
leisten werden.
Der Vollzugsausschuss :
Max Griebsch, President;
Frau Mathilde S. Grossart, Vizeprasident ;
Martin Schmidhofer, Schatzmeister ;
Emil Kramer,, Sekretar.
5. April 1908.
Milwaukee, 15. Marz 1908.
Als beim vorjahrigen Lehrertage Milwaukee als Platz fiir die 36.
Tagung des Deutschamerikanischen Lehrerbundes gewahlt und die
Xachricht von diesem Beschlusse in unserer Stadt bekannt wurde, da
machte sich sofort unter unserer deutschamerikanischen Bevolkerung der
Wunsch und das Bestreben geltend, den Besuchern des diesjahrigen Leh-
rertages in alter Weise herzliches Entgegenkommen und Willkommen
zu bieten.
Die Deutschamerikaner Milwaukees laden hiermit alle diejenigen —
Lehrer und Laien — , die fiir die Bestrebungen des Lehrerbundes Inte-
resse haben, ein, an der Tagung, die vom 30. Juni bis zum 3. Juli hier
stattfinden soil, teilzunehmen, und sie versprechen den Besuchern, alles
in ihren Kraften Stehende zu tun, ihnen den Aufenthalt in Milwaukee
so angenehm wie moglich zu machen.
Der Ortausschuss wird sich in Verbindung mit dem Vorstande be-
miihen, den 36. Lehrertag zu einem in beruflicher und geselliger Bezie-
hung erfolgreichen zu gestalten.
Der Ortsausschuss :
Leo Stern, Vorsitzer; John H. Puelicher, Schatzmeister;
Carl M. Purin, Sekretar;
Vic-tor L. Berger, ( Schrif tleiter des ,,Vorwarts") ; George Brumder,
(Germania Publ. Co.) ; John Eiselmeier, (Seminarlehrer) ; Adolph
Firikler, (Vorsitzer des Seminarvorstandes) ; Henry Hamischfeger,
(Mitglied des Seminarvorstandes) ; Dr. Chas. L. Kissling, (Mitglied des
Schulrats) ; Aug. 8. Lindemann, (President des Schulrats) ; Otto Lue-
dicke, ( Schrif tleiter des ,,Herold") ; Wm. Meyer, (Direktor der luth.
Nationaler Deutschamerikanischer Lehrerbund. 99
Hochschule) ; Col Oustav Pabst, (Pabst Brewing Co.) ; C. G. Pearse,
(Supt. der offentlichen Schulen) ; Wm. L. Pieplow, (Mitglied des Schul-
rats) ; Julius Rathmann, (Vorsitzer des Vereins deutscher Lehrer) ;
Emil von Schleinitz, (Schriftleiter der ,,Germania") ; Dr. Jos. Schnei-
der, (Mitglied des Seminarvorstandes) ; Jos. Uihlein, (Schlitz Brewing
Co.) ; Fred Vogel, Jr., (Pras. der Ersten Nationalbank und Vizeprasi-
dent des Seminarvorstandes) ; Leon Wachsner, (Direktor des Pabst-
theaters) .
Proejramm.
Dienstaq, 30. Juni.
Eroffnungsversammlung, 8 Uhr abends.
Mittwoch, I. Juli.
Erste Hauptversammlung, vormittags 9 Uhr.
1. Greschaftliches : Berichte der Bundesbeamten. Verhandlungen
iiber den vom Vorstande unterbreiteten Verfassungsentwurf .
2. Yortrag: Eeformbestrebungen — Dr. A. Hoelper, High School,
New York.
3. Vortrag: Die Volksschule einer modernen Eepublik, eine Bil-
dungsanstalt fiir praktische Idealisten — Prof. Ernst
VosSj Ph. D.} Staatsuniversitat von Wisconsin, Madison.
4. Vortrag: Unsere Lehrmittelausstellung — John Eiselmeier,
Lehrerseniinar, Milwaukee.
Donnerstag, 2. Juli.
Zweite Hauptversammlung, vormittags 9 Uhr.
1. Geschaftliches.
2. Vortrag : Vor- und Fortbildung des Lehrers - - Emil Kramer,
Public Schools, Cincinnati.
3. Seminar- Angelegenheiten.
4. Vortrag: Psychologische Grundlage fiir die Methoden des Un-
terrichts in den modernen Sprachen -- A. Werner-
Spanhoofd, Leiter der Abt. fiir moderne Sprachen,
High Schools, Washington, D. C.
Freitag, 3. Juli.
Dritte Hauptversammlung, vormittags 9 Uhr.
1. Geschaftliches.
2. Vortrag: Deutsche und angelsachsische Verhaltnisse in Ame-
rika — Prof. James Taft Hatfield, Ph. D., North-
western Univ., Evanston, 111.
4. Vortrag: Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht — Ernst
L. Wolf, High School, St. Louis.
100 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
5. Unerledigte Geschafte.
6. Beamtenwahl und Schlussverhandlungen.
Das Hauptquartier befindet sich im Schulgebaude des Lehrersemi-
nars, woselbst auch die Versammlungen abgehalten werden.
Eine Ausstellung von Lehrmitteln und Lehrbiichern fur den mo-
dern-sprachlichen Unterricht 1st fiir die Tagung geplant, die in iiber-
sichtlicher Weise einen Einblick in den gegenwartigen Stand dieses Un-
terrichtszweiges in Amerika, sowie in Deutschland und Frankreich
gewahren soil. Uber .150 Verlagshandlungen sind zur Teilnahme ein-
geladen worden. Die bis jetzt eingelaufenen Zusagen stellen den Erfolg
des Unternehmens bereits ausser allem Zweifel.
Das Unterhaltungsprogramm, sowie alle sonstigen Mitteilungen
beziiglich der Einquartierung etc. sollen im Maihefte dieser Zeitschrift
bekannt gegeben werden.
Eine Rechenstunde im deutschen Unterricht.
Von Prof. Paul 0. Kern, Universitat Chicago.
(Schluss.)
Die vier Spezies haben uns schon zu den Zahlen liber 100 gebracht,
die aber dank ihres logischen Aufbaus padagogisch keinerlei Schwierig-
keiten bieten. Fiir die nicht immer leichte Aussprache empfiehlt es sich,
die Zahlen mit ahnlicher aber nicht gleicher Aussprache zusammenzu-
stellen, wie 6, 16, 60, 66, 666, zur Einiibung der verschiedenen Aus-
sprache der Einer.
Weiteres tibungsmaterial zur Befestigung der Zahlen bietet die Ein-
teilung des biirgerlichen Jahres. Durch Frage und Antwort in der
Klasse kann man leicht folgenden hauslichen Aufsatz vorbereiten:
Das Jahr hat 4 Jahreszeiten, 12 Monate, 52 Wochen oder 365 Tage.
Ein Schaltjahr hat 366 Tage. 1906 war kein Schaltjahr. Die 4 Jahres-
zeiten heissen: Friihling, Sommer, Herbst und Winter. Die Namen der
Monate sind: Januar, Februar, Marz, April, Mai, Juni, Juli, August,
September, Oktober, November, Dezember. Jede Jahreszeit hat 3 Mo-
nate oder 13 Wochen. 7 Monate haben 31, 4 Monate haben 30 und nur
Eine Rechenstunde im deutschen Unterricht. 101
der Monat Februar hat 28 oder 29 Tage. Der Monat hat 4 Wochen und
die Woche 7 Tage, namlich Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Don-
nerstag, Freitag, Sonnabend. 24 Stunden bilden einen Tag. Die Stunde
hat 60 Minuten und die Minute wieder 60 Sekunden. Ein Tag hat also
24 x 60 x 60 Sekunden. Wieviel sind das?
Ein anderes hier zu besprechendes Kapitel konnte folgende tiber-
schrift haben: ,,Wieviel Uhr ist es, bitte!" Diktieren der folgenden
Mustersatez wird das Durchgenommene vor Vergessen bewahren:
1. Es ist 10 (Uhr) ;
2. Es ist 5 Minuten nach 10 (Uhr) ;
3. Es ist 1 Viertel (auf ) 11 (Uhr) [on, towards 11] ;
Es ist 1 Viertel nach 10 (Uhr) ;
4. Es ist halb 11 (Uhr).
5. Es ist 3 Viertel (auf) 11 (Uhr) ;
Es ist 1 Viertel vor 11 (Uhr) ;
6. Es ist 10 Minuten vor 11 (Uhr) ;
Es ist in 10 Minuten 11 (Uhr).
Morgens, Mittags, Vormittags, Nachmittags, Abends, Nachts. Es
ist Mitternacht.
Unterrichtsmittel : Ein grosses Zifferblatt mit beweglichen Zeigern,
das der Lehrer vom Katheder aus handhabt. Vgl. Werner-Spanhoofd,
Lehrbuch der deutschen Sprache, D. C. Heath & Co., p. 94, und Dr. Wil-
helm Bernhardt, Deutsches Sprach- und Lesebuch, Karl Schonhof,
Boston, p. 30 ff.
Auch das deutsche Geld kann bei den Zahlen passend herangezogen
und mit der amerikanischen Miinze verglichen werden. Besprechung der
deutschen Gold-, Silber-, Nickel- und Kupfermiinzen wie des Papiergel-
des ebenso wie Herumreichen deutscher Geldstiicke ist angebracht. Der
mit den Einzelheiten nicht vertraute Lehrer kann sich diese wie vieles
sonst Wissenswerte aus dem vortreffiichen Buche von R. Kron, German
Daily Life, Newson & Co., 15 East Seventeenth Street, New York, ver-
•schaffen. Zwei Gleichungen geniigen als Ausgangspunkte :
Eine Mark = 100 Pfennig (e) = 25c, und fiir die alte Miinze:
Ein Thaler = 30 ( Silber )groschen = 360 Pfennig (e) = 75c.
Dann iibertrage man fleissig deutsche Geldsummen in amerikanische
und umgekehrt.
Auf Seite 152 ff behandelt Kron das Mass- und Gewichtssystem
Deutschlands, das auf ahnliche Weise in den Unterricht gezogen werden
kann. Bei dem scheinbaren Singular in Ausdriicken wie 2 Pfund Thee,
3 Fuss Holz verweise man auf das englische a 10 pound note, a 3 foot
rule. Der Lehrer diktiere der Klasse Fragen zu hauslicher schriftlicher
Beantwortung oder lasse sie zu Hause Fragen fiir die nachste Lektion
niederschreiben. Wie bei den vorhergehenden Kapiteln fasse zum Schlusse
wieder ein kurzer Aufsatz das Ganze einheitlich zusammen.
102 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Bei vorgeschrittenen Schiilern kann man sich getrost in die Algebra
wagen. Einfache Gleichungen, die sie schon auf Englisch gehabt haben,
werden sie trotz des deutschen Gewandes als alte Bekannte begriissen und
sich mit Vergniigen an ihre Losung machen. Z. B. : Die Differenz zwi-
schen 2 Zahlen ist 7 und ihre Summe ist 63. Man suche die Zahlen.
Oder: Ein Bauer verkaufte ein Schaf, eine Kuh und ein Pferd fiir 864
Mark. Er erhielt fiir die Kuh 7 mal so viel wie fiir das Schaf und fiir
das Pferd 4 mal so viel als fiir die Kuh. Wieviel bekam er fiir jedes Tier?
Deutsche Eechenbiicher bieten Beispiele die Fiille. Droht die Vereini-
gung von Mathematik und Fremdsprache den Geist zu sehr anzuspannen^
so fiige man eine Scherzfrage aus einem der Katselschatze ein, etwa:
5 Gaste bekommen 5 Eier. Jeder sollte eins bekommen und doch sollte
eins in der Schiissel bleiben. Wie machten sie es?
Von den Grundzahlen werden einige weniger wichtige Zahlarten
abgeleitet, die der Vollstandigkeit halber hier erwahnt werden sollen,
deren Besprechung in der Klasse aber besser auf eine spatere passende
Gelegenheit verschoben wrd. Es sind:
1. Die Variativa, aus der flektierten Grundzahl und dem mittel-
hochdeutschen weiblichen Substantiv leie = Art und Weise (aus alt-
franzosischem ley und lateinischem legem) gebildet. ,,Einerlei" ist also
eigentlich ein alter Genitiv = von einer Art. Diese neuhochdeutsche
Neubildung ist nicht auf die Zahlen beschrankt, man verweise auf
vielerlei, allerlei, keinerlei, mancherlei, welcherlei, solcherlei etc.
2. Die Iterativa einmal, zweimal etc.; sie kamen schon bei der
Multiplikation vor.
3. Die Multiplikativa einfach, zweifach etc. (zuweilen auch ein-
faltig, zweifaltig) — one-ply, two-ply.
Die verschiedenen obigen Ubungen mogen ein paar weitere Stunden
in Anspruch genommen haben, aber unsere Schiiler wissen nun die
Grundzahlen und haben noch ein und das andere nebenher gelernt. Wir
konnen somit mit ruhigem Gewissen zu den Ordnungszahlen iibergehen.
Die Besprechung derselben erfolge im Anschluss an die Lektiire
wie bei den Grundzahlen. Da sie der Adjektivdeklination folgen, wie-
derhole man diese durch fleissiges Deklinieren: der erste Knabe, ein
erster Knabe, erster Knabe, der erste, ein erster. Im Folgenden einige
weitere Winke fiir systematische Einiibung:
1. Als Vokabular die Teile des Jahres. Man variiere folgende
Fragen :
Welches ist die crate Jahreszeit ?
Welches ist der erste Monat des Jahres?
Welches ist der erste Wintermonat?
Welches sind die zwei ersten Monate des Jahres ?
Eine Rechenstunde im deutschen Unterricht. 103
1st Sonnabend der letzte Tag der Woche?
Der wievielte Tag der Woche 1st Mittwoch?
Welches 1st die erste Tageszeit?
In welchem Jahrzehnt (oder Jahrhundert) leben wir?
2. Das Alphabet :
Welches 1st der erste Buchstabe des Alphabets?
1st a der erste Vokal des Alphabets ?
Der wievielte Konsonant ist z?
Der wievielte Diphthong ist an?
3. Die dentsche Klasse:
Wer ist der erste Schiller in der Klasse ?
Ist Hans der letzte Schiller auf dieser Bank?
Der wievielte ist Karl in dieser Reihe?
Ist Franz der zweite hinter Karl ?
Sitzt er am letzten Fenster?
Bist du der f iinfte ?
Oder:
Ist das die erste Schulstunde ?
Ist die dritte Stunde Bnglisch?
4. Das Lesebuch:
Lesen wir auf der siebenten Seite?
Haben wir gestern die zweite Geschichte gelesen?
Auf welcher Seite fangt unsere Geschichte an?
Wo hort sie auf?
Ist dies das dritte Kapitel?
Beginnen wir mit dem dritten Abschnitt?
Wo fangen wir morgen an?
Welches ist das erste Wort der zweiten Seite?
Welches ist das letzte Wort der fiinften Reihe?
Welches ist der erste Buchstabe des ersten Wortes der ersten
Seite?
Welches ist der erste Konsonant des Wortes Lesebuch?
5. Das Datum. Der Lehrer oder ein Schiller schreibe Variationen
der folgenden Ziffern an die Tafel :
4. VII. 1905.
Ein aufgerufener Schiller liest: Den (Am) vierten Juli neunzehn
hundert und fiinf. Oder man gebe das Datum auf Deutsch und lasse es
in Ziffern richtig niederschreiben. Man variiere folgende Fragen:
Der wievielte ist heute ?
Welches Datum hatten wir gestern?
Ist morgen der fiinf zejmte?
Wann ist Weihnachten?
Wann beginnt der Sommer?
104 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Wann 1st dein Geburtstag?
Wann war George Washington geboren?
Wann fangen die Sommerferien an?
Wann endet dieses Jahrhundert ?
6. Die Vornamen:
War Ludwig der Elfte ein Konig von Frankreich?
tiber welches Land herrscht Kaiser Wilhelm der Zweite?
Wer ist Konig von England?
Welches ist der Name des Papstes ?
7. Die Briiche. Man verfahre wie bei Einiibung der Gmndzahlen
und fiihre die Bruchrechnung gerade so weit wie es die Zeit gestattet. Die
gemischte Zahl und die sogenannten Demidiativa (anderthalb etc.) sind
rait einzuschliessen.
8. Die Ordinaladverbien erstens, zweitens etc.
Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass die Unterrichtssprache uberall
nach Moglichkeit die deutsche sei.
Deutscher Sprachunterricht und bewusstes Deutschtum,
Von Chas. M. Purin, East Division High School, Milwaukee.
(Schluss.)
Auch die zwei Prediger Gabriel Peter Miihlenberg und sein Bruder
Friedrich August haben sich um das Vaterland grosse Verdienste erwor-
ben, der erstere als Feldherr, der letztere als Kongressabgeordneter
Pennsylvaniens. Wie der Prediger Miihlenberg, spater Washingtons
Freund und Vertrauter, am Schlusse seiner Abschiedspredigt den Chor-
rock abstreifte und in voller Kriegsriistung vor seiner Gemeinde stand
und wie dieselbe mit Jubel und Enthusiasmus ihrem Fiihrer auf das
Schlachtfeld folgte, ist hinlanglich bekannt. Die Deutschen Pennsyl-
vaniens wahlten Jhn achtmal zu ihrem Prasidenten.
Nich minder bekannt sind die Taten des Kapitans Herckheimer, des
Helden und Siegers von Oriskany, wie er mit zerschmettertem Beine sich
gegen einen Baumstamm stiitzend seine Pfeife raucht und ohne eine
Muskel zu verziehen seine Befehle weitergibt. 16 Es ist ihm im Jahre
1886 ein Denkmal errichtet worden. Das schonste Denkmal jedoch setzt
ihm Washington in den folgenden Worten : ,,Er diente seinem Lande aus
reiner Liebe, nicht mit dem Wunsche nach einem hoheren militarischen
Kommando, geschweige denn um pekuniarer Vorteile willen."
18 Diese Tat des tapferen Herckheimers ist von dem deutschamerikanischen
Dichter Hermann von Wahlde in einem Gedicht verherrlicht worden. Ein County
und eine Stadt im Staate New York trftgt noch heute seinen Namen.
Deutscher Sprachunterricht und bewusstes Deutschtum. 105
Dass Jasper, der Held von Fort Moultrie, ebenfalls ein Deutscher
war und zwar ein ,,Sprosse vom Rheinhessenland", diirfte nicht vielen
bekannt sein. Die Tapferkeit dieses bescheidenen Unteroffiziers, sowie
der Wagemut der Soldatenfrau Moll Pitcher ist von Dr. Gustav Briihl
in zwei schonen Gedichten verewigt worden.
Wir sehen also, wie die Deutschen in den hochsten sowie den nied-
rigsten Stellungen sich stets tapfer und zuverlassig erwiesen haben.
Zuverlassigkeit der Deutschen, das war es, was Washington bewog. seine
Leibwache ausschliesslich aus Deutschen zu rekrutieren.
Wie vor der Revolution durch ihre kolonisatorische Arbeit und wah-
rend der Revolution durch ihre Tuchtigkeit, so haben die Deutschen auch
nach der Revolution, sei es auf dem Gebiete der Staatskunst, der In-
dustrie, des Erziehungswesens, oder in der Eroberung des Westens Vor-
ziigliches und Grosses geleistet.
Es sei einiger dieser Manner hier kurz erwahnt:
Bald nach den Freiheitskriegen kamen auch Gebildete in grosserer
Zahl in Amerika an. Es waren dies die Martyrer der politischen Frei-
heit, ,,Dichter, Gelehrte, Geistliche, Mediziner, Lehrer und Techniker",
welche die ganze Niedertrachtigkeit des Metternichschen Regimes aus-
gekostet hatten und ihre Freiheitsideen in dieses Land verpflanzten.
Karl Tollen, Karl Beck und Franz Lieber waren ,,die ersten Vermittler
deutscher Wissenschaft an amerikanischen Hochschulen". Der erste
erlangte eine Stelle als Lehrer des Deutschen an der Harvard Universitat
und griindete bald darauf eine Turnanstalt, die erste in Amerika. 17
Karl Beck erhielt eine Professur an der Harvard Universitat als
klassischer Philologe, und Franz Lieber unterzog sich der nicht geringen
Arbeit, das umfangreiche Brockhaussche Konversationslexikon zu iiber-
setzen. Ferner ist der Nationalokonom Friedrich List zu nennen, dessen
in Philadelphia im Jahre 1827 verb'ffentliches Werk "Ooutlines of a new
System of Political Economy" zuerst den Gedanken eines Schutzzolls
ausspricht.
Auf dem Felde der Literatur ist besonders Karl Postl, ein oster-
reichischer Monch, zu erwahnen, der unter dem Namen Charles Seals-
field eine Serie von ,,Lebensbildern aus der Westlichen Hemisphare"
verfasste.
Was das Gebiet des Ingenieurwesens anbetrifft, so haben sich Jo-
hann August Robling, der Erbauer der beruhmten Briicken liber den
Niagara, den Ohio und den East River zwischen New York und Brook-
lyn, sowie Adolph Sutro, der Hersteller des grossartigen Nevada-Tun-
nels, einen beneidenswerten Namen erworben.
Es ist mir nicht moglich, hier auf die Ziele und Bestrebungen
17 Goebel, S. 48.
106 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
der Achtundvierizger sowie die Tatigkeit vieler bedeutenden deutschen
Gelehrten, Dichter, Musiker und Staatsmanner der spateren Periode, ein-
schliesslich unseres unvergesslichen Mitbiirgers Karl Schurz naher ein-
zugehen. Ich habe in dieser kurz gedrangten Skizze zu zeigen versucht,
dass die Deutschen einzeln und in Gruppen zu jeder Zeit und in jeder
Stellung ihrem neuen Vaterlande vielfache und unschatzbare Dienste
geleistet haben, und das sder Einfluss des Deutschtums stets veredelnd
und bereichernd auf die Entwickelung der sozial-politischen Verhaltnisse
in Amerika eingewirkt hat.
Wenn das Deutschtum trotz alledem in diesem Lande nicht die ihm
gebiihrende Anerkennung gefunden hat, so liegt dies, wie ich es am An-
fange meiner Arbeit betont habe, vor allem daran, dass die Deutschen
ihre eigene Sprache geringschatzen und kein stark ausgepragtes National-
bewusstsein besitzen.
Es ist also an der Hebung des Nationalgefiihls und der Erhaltung
und Befestigung der deutschen Sprache. dass wir Lehrer des Deutschen
vor allem arbeiten miissen, und dazu gibt es kein besseres und wirk-
sameres Mittel, als dem empfanglichen Gemiite des Kindes die glorrei-
chen Taten seiner Vorvater vom Schlage eines Leislers, Herckheimers,
Miihlenbergs, Steubens etc. und das Leben und Wirken grosser Staats-
manner wie Karl Schurz zu schildern und einzupragen. Warum sollen
wir, wenn wir nach Helden suchen, in der griechischen und romischen
Vergangenheit graben, wenn die Geschichte unseres eigenen Landes die-
selben zahlreich aufuzweisen hat?
Der Anfang mit dem Unterricht in der vaterlandischen Geschichte
kann schon in den mittleren Graden der Volksschule gemacht werden;
das Hauptgewicht jedoch sollte auf die oberen Grade der Volksschule
und die Hochschulen gelegt werden. In Ermangelung eines fur diesen
Zweck sich eignenden Lesebuches wird der Lehrer das notige Material
selbst zusammenstellen miissen. Eine ganze Anzahl passender Lese-
stiicke enthalt das in unseren Volksschulen gebrauchliche vierte Lesebuch
von Weick und Grebner. Einige derselben behandeln Helden und Be-
gebenheiten aus der deutschamerikanischen Geschichte; andere konnen
als Anknupfungs- und Ubergangspunkt zu derseben dienen. Nehmen
wir das Lesestiick ,,George Washington" als Beispiel; es lassen sich eine
ganze Anzahl deutscher Helden aus dem Eevolutionskriege mit dem
Namen dieses grossen Amerikaners in Verbindung bringen; ich erwahne
nur den General Miihlenberg, dem Washington das Zeugnis ausstellt, dass
wenn auf niemand mehr ein Verlass sei, so konne man sich wenigstens
noch auf Miihlenberg und seine Deutschen verlassen; ferner den Baron
Steuben, den Vertrauten Washingtons und ,,seine rechte Hand". Mit
nicht geringerem Interesse werden die Kinder der Erzahlung von dem
schlichten, ehrlichen -Christopher Ludwig lauschen, den Washington als
seinen ,,ehrlichen Freund" zu bezeichnen pflegte.
Monatshefte fur deutsclie Sprache und Padagogik. 107
Bei der Lektiire von den Erforschungen De Sotos wird der Lehrer
such des tiichtigen deutschen Forschers Johann Lederer erwahnen, wel-
cher die damals wilden Landereien von Maryland bis Florida durch-
forschte, woriiber eine eingehende Beschreibung in London im Jahre
1672 verb'ffentlicht wurde. Gelegentlich liessen sich auch Gedichte
deutschamerikanischer Dichter auswendig lernen, wie
Hermann Wahldes: ,,Der Held von Oriskany."
Wilhelm Miillers: ,,Muhlenberg und sein Kegiment."
Gustav Briihls: ,,Der Held von Fort Moultrie."
C. Grebners: ?7Komm und hole mich."
H. Ficks: 7,Das Madchen von Fort Henry" etc.
Das noch fehlende Material konnte durch die Erganzungslekture
und den freien Yortrag des Lehrers, oder das Vorlesen dem Zweck ent-
eprechender Geschichtsabschnitte ersetzt werden.
Auch in der Hochschule lasst sich inbezug auf diesen Gegenstand
viel Erspriessliches leisten, indem der Lehrer die Errungenschaften der
Deutschamerikaner in den Lese- und Literaturunterricht hineinwebt.
Zu dem Opfermut Winkelrieds bildet die Todesverachtung Jaspers eine
geradezu wundervolle Parallele. Ferner bietet ,,die Jungfrau von Or-
leans" Gelegenheit, die Heldentaten Moll Pitchers, ,,der deutschen Sol-
datenfrau aus dem Neckarlande", sowie des deutschen Madchens Eliza-
beth Zahn zu erwahnen. ,,Hermann und Dorothea" bringt uns sogar in
direkte Verbindung mit der Auswanderung der Deutschen nach fremden
Gestaden. Die angefiihrten Beispiele diirften wohl geniigen, das Wie
des Unterrichts zu erlautern.
Gelingt es uns, das Intereses unserer Schiller fur diesen Teil ihrer
vaterlandischen Geschichte zu erwecken und durch weitere Lekture zu
fordern, so haben wir nicht wenig zur Hebung des deutschen National-
bewusstseins der deutschamerikanischen Jugend beigetragen. Dann
diirfen wir hoffen, dass der von uns ausgestreute Samen auf einen frucht-
baren Boden gefallen ist und dass das heranwachsende Geschlecht einst
mit uns sagen wird:
Als Deutschamerikaner sind wir ein Volk, welches eine glorreiche
Vergangenheit aufzuweisen hat und einer nicht minder glorreichen Zu-
kunft getrost entgegensehen darf; als Amerikaner hingegen sind wir
nichts als eine unbekannte Quantitat in dem grossen Volkergemisch
dieses Landes. Lasst uns deshalb mit vereinten Kraften fiir die Bewah-
rung und Erhaltung unseres Volkstums und seiner geistigen Errungen-
schaften mit alien uns zu Gebote stehenden Mitteln kampfen.
Der Preis ist gross
Und wiirdig ist das Ziel.
Liber Schillers Dramotik.
Von Prof. Starr Willard Cutting, Universitat Chicago.
Zu dem besten, was das Schillerjahr (1905) in Deutschland an
neuen Wiirdigungen des Dichters hervorgebracht hat, gehort unstreitig
Kiihnemanns * anregendes Buch, das ich schon anderwarts besprochen
habe. ** Was seiner Leistung ihre Eigenart verleiht, ist vornehmlich die
ausgesprochene folgerichtige Betonung der dramatischen Schopferkraft
des Dichters.
Wer Schillers vielseitige Tatigkeit als Schriftsteller aufmerksam
betrachtet, gewinnt leicht die Uberzeugung, dass er vor allem zum. Dra-
matiker geboren war. Seine ganze jugendliche Lyrik tragt unverkennbar
die Spuren der dramatischen Tendenz an sich. Uberall, wo sie sich iiber
das Niveau der Mittelmassigkeit erhebt, verdankt sie ihre Wirksamkeit
der Auflosung des Gedankenganges in Fragen und Antworten — in Dia-
log und Monolog. Wir gedenken solcher Gedichte wie Hektors A b-
s c h i e d , der ergreifenden Schilderung der Kindesmorderin und
der plastischen und packenden Skizze der Schlacht. Hier bewegt
sich der Dichter in seinem eignen Fahrwasser und leistet wirklich
Grosses, ja stellenweise geradezu Imponierendes. Sobald er aber zur
wirklichen Lyra greift und seine eigenen Liebesgefuhle zu besingen
strebt, klingt das Lied matt, gesucht und unnatiirlich. Das kommt zum
grossen Teil davon, dass er die inneren Vorgange und Zustande, die er
ausdriicken wollte, nicht selbst klar erschaut. Statt dessen griibelt er,
hascht nach grossartigen rhetorischen Analogiebildern und ergeht sich in
unreifen philosophischen Spekulationen. Der naive und zugleich kiinst-
lerisch vollendete Ausdruck seiner eigenen Gemiitsbewegungen ist ihm
nie recht gelungen. Der Philosoph in ihm hat dies spater auch einge-
sehen und in einem meisterhaften Brief an Goethe ausgesprochen.
Wer die Wurzeln seiner Macht als Biihnendichter entdecken will,
braucht drei Bliiteperioden seines dramatischen Konnens ins Auge zu
f assen : — Gleich in seinem ersten Versuche, den R a u b e r n , offenbart
sich das Eigentiimliche seiner jugendlichen Dramatik. Aus dem Kern
der Schubartschen Erzahlung von den beiden Sohnen des Landedel-
* Engen Kfihnemann. Schiller. Mfinchen, C. H. Becksche Verlagsbuch-
handhmg, 1905, pp. XII + 614.
** The Dial, Jan. 16, 1906. pp. 41—45.
iJber Schillers Dramatik. 109
mannes — von dem ,,liebenswurdig-genialen" Karl und dem ,,egoistisch-
korrekten" Wilhelm — gestaltet sich in Schillers Phantasie ein Konflikt
des Menschenwillens mit der moralischen Weltordnung: Schon durch
die hier in Mitleidenschaft gezogenen Gesellschaftsinteressen unterschei-
det sich Schillers Werk himmelweit von den Brudermordsdramen des
Jahres 1776 — von Klingers Zwillingen und Leisewitzens Julius
von Tarent, die man sonst wohl mit Eecht als Vorbild Schillers
betrachtet. Bei Schiller wie bei seinen Vorgangern bildet die Familie
den Ausgangspunkt der tragischen Geschichte. Die Heiligkeit und tiefe
gesellschaftliche Bedeutung der Familienbande ist die Grundvorausset-
zung des Dramas. Was sich tatsachlich vor unseren Augen vollzieht, ist
die ganzliche Zerreissung solcher Bande und die hohnische Verleugnung
ihrer verpflichtenden Macht. Aber der Kern des dramatischen Konflikts
bleibt durchaus nicht auf die Familienverhaltnisse beschrankt. Schiller
erblickt in Franz Moor einen herzlosen, kaltberechnenden Schleicher, in
dessen Handen sein schwacher, leichtglaubiger Vater zum Werkzeug
<3iner furchtbaren Eache an dem alteren, vom Vater bevorzugten Bruder
wird. Durch gefalschte Briefe lasst ihn der Dichter vorlaufig ans Ziel
seiner teuflischen Bestrebungen gelangen. In Karl Moor erkennt man
einen edelgesinnten, liebenswiirdigen, impulsivischen Idealisten, dessen
studentische Unbesonnenheiten und Torheiten dem schwachen Vater
schon viel Besorgnis und Kummer bereitet haben und dem schurkischen
Franz eine erwiinschte Handhabe bieten zur Ausfiihrung seines infamen
A^orhabens. Und der Hauptkonflikt ist dennoch nicht der zwischen
Franz und Karl. Der gefalschte Brief mit dem angeblich vaterlichen
Bescheid auf Karls reumiitige Bitte um Vergebung, dieser moge als Ent-
^rbter und Verstossener dem Vater nie wieder unter die Augen kommen,
bringt den alteren Sohn zur Verzweiflung. Er begeht den fiir eine reiz-
bare und heftige Natur naheliegenden und verhangnisvollen Fehler, den
Vater mit alien Vatern und alle Vater mit der Menschengesellschaft zu
rerwechseln. In der ihm soeben wider fahrenen unmenschlich grausamen
Behandlung wahnt er die Hand der Gesellschaft iiberhaupt zu erkennen.
Da richtet er sich stolz empor und gelobt, sich fiir die erlittene Unbill an
der Menschheit zu rachen. Der angeborene Adel seiner Natur verhindert
ihn aber, an andere Eache zu denken als eine ordentliche Abstrafung der
schlechten Elemente der Gesellschaft und eine griindliche Eeformation
der sozialen Ordnung. Karls Blindheit gegen die ungeheuren Dimen-
sionen dieses Programmes und sein iibermassiges Selbstvertrauen lassen
ihn die Hauptmannschaft einer Bauberbande ergreifen zur Ausfiihrung
des verzweifelten Unternehmens. Die moralische Weltordnung ist in
seinen Augen ausser Gelenk geraten. Er ist der Quixotische Mensch-
heitsritter, der sie wieder einrenken will. Er wirft sich selbst mit dem
tibermut der Jugend und Unerfahrenheit zum Weltrichter auf und gerat
110 Monatshefte fur deutsche Sprache und PddagogiJc.
somit in tragischen Konflikt mit der unabanderlichen Weltordnung, die
er zu vertreten wahnt.
Sein Bruder Franz, der Geist, der verneint, stellt in Abrede die ob-
jektive Existenz einer moralischen Weltordnung iiberhaupt — halt sie
fiir lauter Konventionen der herrschenden Klassen, urn den Pobel damit
in Schranken zu halten — und setzt sich unbedenklich dariiber hinwegr
um selbst herrschen und masslos geniessen zu konnen.
Die Bruder Moor sind also typische Verkorperungen des Menschen-
willens, der sich gegen Gott auflelmt. Der lieblose Pessimist und der
betrogene kurzsichtige Idealist geraten beide in tragischen Konflikt mit
der unverletzbaren Gesetzlichkeit der moralischen Welt. Wie Eugen
Kuhnemann sagt: ,,Gott, den Franz in seiner Frechheit leugnete, dem
Karl in seiner Vermessenheit vorgriff, hat gesiegt." Die R a u b e r sind
eben kein blosses Familiendrama, auch kein blosses Gesellschaftsdramay
sondern in erster Reihe ein Menschheitsdrama. Der Einfluss Rousseaus
liegt hier auf der Hand. Die Grossartigkeit der Anlage erhebt dieses
Drama aber iiber alle Erstlingsversuche in der Weltliteratur. Die Kraft-
und Saftlosigkeit des passiven alten Vaters, die Puppenhaftigkeit der
von beiden Briidern umworbenen Amalie, die Maschinenmassigkeit des
Bastards Hermann, die traumhafte Phantastik der Rauberwirtschaft im
Bohmerwalde, die Unglaubwurdigkeit der zahlreichen Verkleidungs-
szenen und viele andere Kruditaten vergisst man augenblicklich ange-
sichts des erschiitternden Kampfes wider die Gesetze des Menschen-
wesens, die zugleich Weltgesetze sind. Wir lassen uns eben vom grandio-
sen Schauspiel hinreissen, ohne anfangs die Liicken und Ungereimtheiten
des Bildes zu erkennen. Was dies bewirkt, ist charakteristisch fiir Schil-
lers jugendliche Dramatik. Die Handlung selbst bewegt sich mit soldi
vorwartsstromender Gewalt und iiberzeugender Lebensahnlichkeit, dass
man die Trager der Handlung erst spater auf deren Wirklichkeit und
psychologische Ijebensfahigkeit hin priift. Die bisherigen Beziehungen
des einundzwanzigjahrigen Dichters zu der grossen Menschenwelt waren
zu beschrankt, als dass er nicht oft beim Ausarbeiten psychologischer
Momente hatte fehlgreifen miissen. Dass es ihm trotzdem gelang, auf
den ersten Schlag eine so ergreifende Tragodie und ein so zugkraftiges
Biilinenstiick zu dichten, stempelt ihn unverkennbar zum grossen Dra-
matike?.
Schillers nachster dramatischer Versuch leidet an der ungliicklichen
Wahl des zu behandelnden Stoffes. Er kannte noch zu oberflachlich die
Geschichte der Verschworung des Fiesko de la Vagna, um einsehen zu
konnen, dass dessen ehrgeizige, selbstsiichtige Bestrebungen nichts He-
roisches an sich haben, und dass dessen Fall nach einer Reihe von schein-
bar gutgelungenen Intriguen den Zuscliauer kalt lasst und ihm gar kein
tragisches Mitleid einflosst. Schillers Fiesko bleibt also trotz aller tech-
Scliillers Dramatik. Ill
nischen Vorziige des Aufbaues, trotz des hier bewiesenen Fortschrittes
liber die R a u b e r in der Zeichnung weiblicher Charaktere und trotz der
meisterhaft erdachten und konsequent ausgefiihrten Gestalt des schlag-
fertigen, zu allem Bosen anstelligen Galgenstricks von Mohr, bloss ein
geniales Intriguenstiick.
Anders verhalt es sich aber mit dem dritten Wurf , der L u i s e
Millerin, die Iffland in K a b a 1 e und Liebe umtauf te. Auch
hier beginnt man mit der Familie. Eine Biirgerstochter liebt den Sohn
eines Adeligen und meint, das bedrohte Leben ihres Vaters durch Ver-
zichtleistung auf ihre Liebe retten zu miissen. Ein Konflikt also hier
zwischen den natiirlichen Eingebungen des Herzens und der kindlichen
Pflicht. Bald zeigt es sich aber, dass die Tragik der Situation noch tiefer
liegt. Denn Luise liebt Ferdinand, den Sohn des Prasidenten von
Walther, eines politischen Strebers von der schlimmsten Sorte. Der
President Walther hat namlich alles dran gesetzt, - - Geld, das Wohl
seiner Familie, seine Ehre, — hat sich sogar mit dem Mord seines Vor-
gangers besudelt, um die schwindlige Hohe zu erklimmen, wo er als tat-
sachlicher Herrscher des Landes dasteht. Der Fiirst, ein schoner, genuss-
liebender Schwachling, hat schon dem Emporkommling von Prasidenten
die Regierung abgetreten, um seine brillanten Eigenschaften als Gesell-
scliafter und feuriger Liebhaber glanzen lassen zu konnen. Der Prasi-
dent ist stets darauf bedacht, alles zu tun, was seinen Einfluss auf den
wetterwendischen Fiirsten befestigen und vermehren kann. Seine Durch-
laucht ist aber eben seiner bisherigen Matresse, der Lady Milford, iiber-
driissig geworden und mochte sie an irgend einen seiner Hoflinge abtre-
ten. Deshalb der Entschluss des Prasidenten, dem Fiirsten dadurch
einen Liebesdienst zu erweisen, dass er gerade seinen Sohn Ferdinand
zum Gemahl der verabschiedeten Matresse in Vorschlag bringt. Daraus
erklart sich vornehmlich des Prasidenten unerbittliche Opposition gegen
Ferdinands Liebe zu Luise Miller. Sie ist ihm nun einmal im Wege und
er ist gewohnt, alle Hindernisse, die sich der Ausfiihrung seiner egoisti-
schen Plane entgegenstellen, zu durchbrechen. Eine angebliche Liebe
zu seinem Sohne, Ferdinand, ist im Grunde nur Sorge um den kiinftigen
Glanz seines Hauses — also nur Selbstliebe. Der Konflikt entbrennt also
zwischen der Liebe Luisens und Ferdinands auf der einen Seite und den
ruchlosen Machinationen des politischen Strebertums auf der andern.
Denn der Prasident von Walther scheut vor keiner Niedertrachtigkeit
zuriick beim Versuch, seinen Willen hier durch zusetzen. Er schwarzt den
Charakter der Luise an, insultiert sie in Gegenwart seines Sohnes und
ihres Vaters und zwingt sie durch Gefangennahme und Bedrohung des
Lebens ihres Vaters, einen erlogenen, kompromittierenden Brief zu
schreiben, wodurch sie die Eifersucht und die Verachtung ihres Gelieb-
ten zu rechtfertigen scheint. Aber der wahre Konflikt liegt noch tiefer
112 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
als dies. Denn in den hier geschilderten Hofkreisen nimmt man keinen
Anstoss an den hinterlistigen Kniffen und Verbrechen, die ein Mensch
vom Gelichter des Prasidenten anwendet, um hinaufzukommen. Der
ganze Hof wird als morsch und faul dargestellt. Wer die verpestete Hof-
luft atmet, erliegt bald der Ansteckung und stumpft sich gegen jedes
Gefiihl der moralischen Pflicht ab. Dass eine solche nichtswiirdige Ge-
sellschaft Standesvorurteile gutheisst, ist selbstverstandlich ; denn Stan-
desvorurteile sind gerade die Sprossen der Leiter, die der politisch-gesell-
schaftliche Streber ersteigen will. Der Hauptkonflikt des Dramas ist
aber ein Kampf der natiirlichen Liebe nicht etwa gegen Standesvorur-
teile, wie man so oft irrigerweise behauptet, sondern gegen eine Men-
schengesellschaft, deren durchschnittliche Lebensfiihrung, Bestrebungen
und Belohnungen derart sind, wie sie sich uns hier offenbaren. Das
Drama ist also ein Protest gegen Auswiichse und Missbjauche der Gesell-
schaft. Hier wie in den II ii u b e r n bezieht Schiller die Einzel-
geschichte seiner Charaktere auf grosse Weltverhaltnisse. In diesem
dritten Versuch wird der schon von Karl Moor abgegeisselte Minister,
,,der sich aus dem Pobelstaub zum ersten Giinstling emporgeschmeichelt
hatte und dem der Fall seines Nachbars seiner Hoheit Schemel war",
zum Vertreter des Gegenspiels gemacht und als solcher gehb'rig an den
Pranger gestellt. Schiller charakterisiert ihn, sowie seine Werkzeuge,
den aalglatten, duckmauserigen Sekretar Wurm und den eiteln, abge-
schmackten alten Gecken, den Hofmarschall von Kalb, hinlanglich
scharf, so dass sie uns als wirkliche Menschen von Fleisch und Blut ent-
gegentreten. Dasselbe gilt auch von Vater Miller mit seiner Grundehr-
lichkeit und seinen kleinbiirgerlichen Ansichten iiber Anstand und sein
Vater- und Hausrecht. Die Liebenden spielen leider wahrend der ganzen
ersten Halfte der Tragodie eine passive Rolle, da der President hier alle
Hebel in Bewegung setzt, um seine Intriguen gegen sie geltend zu ma-
chen. Ferdinand und Luise kommen mit anderen Worten erst nach einer
Scheinexistenz wahrend mehrerer Szenen zur vollen Geltung als deutlich
individualisierte Menschen in der zweiten Halfte der Dichtung. Lui-
sens fast willenlose Eesignation in den ersten Auftritten des Dramas und
ihre Widerstandslosigkeit, wo sie sich den erlogenen Brief von Wurm in
die Feder diktieren lasst, stehen in grellem Widerspruch zu ihren beherz-
ten, einsichtsvollen und tiefsinnigen Ausserungen an Lady Milford, als
diese sie zur Verzichtleistung auf ihre Liebe zu bewegen sucht. Trotz
der Fortschritte in der Zeichnung weiblicher Charaktere, die man im
Fiesko an der Leonore und der Julia konstatieren muss, wollte diese
Kunst dem Dichter immer noch nicht recht gelingen. Dazu reichte seine
Erkenntnis der wirklichen Welt nicht aus. Franziska von Hohenheim,
die Matresse und spater die Frau des Herzogs Karl Eugen, von deren
segensreichem Einfluss auf den Herzog man viel Gutes sagt, war fast die
ti&er Schillers DramatiJc. 113
einzige Frau ausserhalb seiner eigenen Familie, die er damals einiger-
massen gut kannte. Mehrere Ziige der Lady Milford, deren beste Seite
ihr den Wunsch einflosst, sich mit Ferdinand zu vermahlen, um einem
ihr verhassten Leben zu entfliehen und sich in der Welt zu rehabilitieren,
sind ohne Zweifel der Franziska von Hohenheim abgelauscht. Sie iiber-
trifft auch an Lebenswahrheit die Luise. Ihre Funktion im Drama ist
doppelt: Durch ihre lange Unterredung mit Ferdinand steckt sie ihm
ein Licht auf iiber die ihm und seiner Geliebten drohende Gef ahr ; durch
ihre Verzweiflung symbolisiert sie fiir uns gleich vor der letzten Kata-
strophe den moralischen Sieg der scheinbar Unterliegenden.
Wie in den R a u b e r n , stellt uns Schiller auch hier gleich anfangs
mitten in die Handlung hinein. Die einleitenden Szenen sind ein
Meisterstiick der Exposition. Durch die denkbar sparsamste Verwen-
dung der Sprache orientiert uns der Dichter iiber die Voraussetzungen
des vorliegenden Konflikts und gewahrt uns gleichzeitig einen tiefen
Einblick in das Wesen des zu behandelnden Problems. Was die Sprache
und die Anordnung der Szenenreihe anbetrifft, ist bei K a b a 1 e und
L i e b e ein grosser Fortschritt iiber die R a u b e r zu konstatieren.
In diesem dritten Stuck wie in den R a u b e r n ist Schiller von der er-
greifenden Tragik des geschilderten Schicksals tief erschiittert, und er
weiss uns durch den Anblick des hier entrollten Bildes auch zu packen
und zu erschuttern. Trotz der inkonsequent gezeichneten Gestalt der
Luise, der nicht ganz befriedigend motivierten Gesinnungsanderung der
Lady Milford und der verbal tnismassig passiven Rollen der Liebenden
wahrend der ersten Halfte der Handlung, bleibt doch dieses Drama ein
schlagender Beweis von der beispiellosen Kraft des jungen Dichters als
Protestierender gegen die abgriindige Schlechtigkeit und die himmel-
schreiende Ungerechtigkeit der damaligen deutschen Gesellschaft.
In seinem Don Karlos bleibt der Dichter zwar immer noch Ver-
fechter einer leicht erkennbaren Tendenz : er tritt noch nicht mit kiinstle-
rischer Unbefangenheit undVorurteilslosigkeit an die Gegenstande seiner
Betrachtung heran. Er erblickt vielmehr hier wieder einen Zustand des
Menschenlebens, den er einmal dramatisch an den Pranger stellen will.
Er iibertrifft aber hier bei weitem sein friiheres Konnen in der Gestal-
tung seiner Menschen und in der Beherrschung der technischen Mittel
der tragischen Kunst.
Im ersten Entwurf blieb Schiller noch unter dem Einfluss seiner
franzosischen Vorlage und schilderte ganz einfach den Kampf zwischen
der Liebe des Prinzen zu seiner friiheren Braut — jetzt der Gemahlin
seines Vaters — und allem, was an Hofintriguen dieser Liebe entgegen-
steht. Er spricht zwar schon friih in einem Brief an Reinwald von sei-
nem Kampf gegen die Inquisition; aber die nebensachliche Rolle des
Marquis Posa beweist zur Geniige, dass dieser Kampf anfangs wenig be-
114 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
deutete. Spater verschiebt sich der Akzent auf eine ganz andere Silbe.
Die Liebe des Prinzen war anfangs das menschenwiirdige Moment, des-
sen Sieg iiber ungunstige Umstande und Hofintriguen man vergebens
erhofft und dessen Unstern man tief beklagt. Jetzt aber gesellt sich die
Liebe des Prinzen zu den Hofintriguen, der Verstocktheit des Konigs
und der grausamen Bigotterie und Herrsehgier der Kirche, als Hinder-
nisse im Wege der Einfiihrung eines menschenwiirdigen Lebenszustandes
in Flandern. Sie muss von den Freunden der Freiheit und der Humani-
tat bekampft und entweder vertilgt oder veredelt werden. Deshalb die
Verwandlung der bloss schonen, liebenswiirdigen und ungliicklichen K6-
nigin in einen feinfiihligen, edelgesinnten echt weiblichen Charakter.
Diese Kdnigin zeigt dem Prinzen kerne Gegenliebe, sondern weist ihn
mit edeln, begeisternden Worten auf seine Pflicht gegen die Yolker seines
Reiches bin. In ihr findet Posa nun eine starke Mitbelferin zur Aus-
fiihrung seiner Ideale einer gerechten und humanen Behandhmg der
Niederlande. Er verbindet sich namlich mit ihr zur Erziehung seines
Jugendfreundes Karlos zur Selbstbeherrschung und zur Liebe der hoch-
sten Giiter der Menscbheit. Denn in dem Prinzen, der doch bald Konig
sein wird, erblickt er den Retter und Befreier eines gequalten und arg
misshandelten Volkes. Posas eigene Bedeutung in der Okonomie des
Stiickes nimmt bei dieser Wandlung riesig zu. Begeisterte Liebe zu
seinem Jugendfreund und Hoffnung auf die Verwirklichung durch Kar-
los von seinen uneigenniitzigen Bestrebungen um das Wohl des Vater-
landes sind die Triebfedern seines Handelns. Er wird also fortan mit
der Ivonigin zum Vertreter der Ideale, die auch im Busen des jungen
Prinzen schlummern, die aber erst jetzt dem Konigssohn zum Leitprinzip
des Lebens werden. Ihr unablassiges Bemiihen durch den ganzen wei-
teren Yerlauf des Dramas geht dahin, diesem Leitprinzip den dauernden
Sieg zu verschaffen iibcr die anfangliche leidenschaftliche Liebe zur
Konigin.
Karlos erstarkt auch zusehends unter dem Einfluss seiner Freunde.
Er will nach Flandern und sich zu Ounsten des Landes an der Regierung
beteiligen. Er sucht und bekommt eine Audienz beim Konig, wobei er
ihm seine Wiinsche vortragt. Vom Konig wird er aber mit bitterem
Hohn zuriickgewiesen. Das schmerzt und wurmt ihn tief und bringt
ihn mit seinem soeben gefassten mannlichen Entschluss ins Wanken.
Dazu kommt die irrefiihrende Episode mit der Eboli, die ihm Hoffnung
auf einen gliicklichen Ausgang seiner Liebe zur Konigin eroffnet. Posa
entschliesst sich zum Opfertod, um durch den erschiitternden und zu-
gleich stahlenden Eindruck dieses Ereignisses Don Karlos auf immer fiir
die von beiden geliebten hohen Menschbeitsideale zu gewinnen.
Aus einem Familienintriguenstuck ist also eine wirklich grosse
sozial-politische Tragb'die geworden. Es erweitert und vertieft sich durch
~Uber Schillers Dramatik. 115
die veredelte Funktion der Liebe Karls zu seiner Mutter, der Konigin,.
durch die Momente seiner Erziehung zum Bewusstsein seiner niederlan-
dischen Mission und vor allem dnrch die ausschlaggebende Rolle des
Marquis Posa.
Mit ausserordentlicher Geschicklichkeit stellt Schiller eine vierfache
Tragik in den Dienst seiner beredten Anklage gegen die Unmenschlich-
keiten des spanischen Despotismus und der spanischen Inquisition. Der
starrsinnige, bigotte, absolutistisch gesinnte Konig Philipp steht einsam
und gefiirchtet da, mitten unter den Menschen seiner Umgebung. Unter
all seinen Hoflingen ist kein einziger, der ihin vertraut, kein einziger, auf
den er sich in der Xot verlassen konnte. Trotz seiner Eitelkeit und
seiner Selbstgeniigsamkeit sehnt er sich doch zuweilen unter solchen Um-
standen nach einem Freunde, der nicht zugleich Augendiener ware, bei
dem er sich Rats erholen konnte. Furchtbar und zugleich beklagenswert
erscheint er in seiner Isoliertheit. Da naht sich ihm Posa, der geist-
reiche, hochherzige, menschenfreundliche Idealist und appelliert an
seine zwar atrophierte aber gewiss noch entwicklungsfahige humanere
Seite — versucht ihn fur die Sache der Gewissensfreiheit zu gewinnen.
Der Konig kommt ihm etwas entgegen, fasst Vertrauen zu dem offenen,
gradsinnigen Menschen, an dem ef keine Spur von Stellenjager ent-
decken kann, und macht ihn zu seinem ersten Minister. Wie jeder rechte
Despot ist der Konig aber sehr argwohnisch und hat Posa und die von
ihm vertretenen Ansichten iiber Menschenfreiheit im Verdacht, als stiin-
den sie im Btindnis gegen die Fortdauer seiner Herrschaft. Ein aufge-
fangener Brief des Marquis an Oranien fiihrt ihn zur Ermordung seines
besten Freundes und zur Besudelung seiner Hande mit dem Blut seines
eigenen Sohnes. In diesem schlimmen Riickfall des Monarchen und
seiner schliesslichen blinden Unterwiirfigkeit unter die Kirche erblickt
man die Tragik seines Schicksals.
Don Karlos erscheint anfangs als das Opfer seiner eigenen leiden-
schaftlichen Liebe zu seiner gewesenen Braut, die ihm der Vater in an-
masslicher Weise entrissen und selber geheiratet hat. Er ist gar nicht
imstande. auf eigene Hand seiner Leidenschaft Herr zu werden. Wegen
der Hofetikette darf er auch nicht fiiehen. In seiner Not und Qual findet
er an der edeln Konigin und seinem Jugendfreund, dem Marquis Posa,
die Mittel, deren er bedarf, um die angeborene Mannlichkeit seiner Natur
die Oberhand gewinnen zu lassen. Seine Abneigung gegen den Despotis-
mus des Vaters vereinigt sich mit dem Groll wegen der geraubten Braut
und begeistert ihn fiir die freiheitlichen Bestrebungen und Hoffnungen
Posas und der Konigin. Vor unseren Augen entwickelt er sich vom
schwankenden, verzweifelnden Liebhaber zum wiirdigen Mithelfer des
Marquis und zu einem Thronfolger des Philipp, von dem man die Ab-
schaffung der Inquisition erhoffen darf. Unter dem zerschmetternden
116 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Einfluss des freiwilligen Opfertodes seines Freundes stellt er sich unab-
anderlich im bewussten Gegensatz zum Vater auf die Seite der Freiheit.
Dies kann ihm Philipp noch weniger verzeihen als seine ungliickliche
Liebe zur Konigin. Auf dem Wege seiner eigenen Veredelung ereilt ihn
also der Tod. Dies ist die ergreifende Tragik seines Konfliktes.
Marquis Posa tritt als ein starker, mannlicher Geist vor uns hin —
gewohnt, sich selbst zu beherrschen, und deshalb fahig, als markante Per-
sonlichkeit auch andere seinem Willen zu beugen. Ihm liegt alles daran,
einen Statthalter fur die Niederlande zu gewinnen, der der Inquisition
den Todesstoss und dem Volke Gewissensfreiheit geben wird. Deshalb
seine unablassigen Bemiihungen, Karlos zu dieser Aufgabe zu erziehen.
Deshalb auch sein kiihner Versuch, Kb'nig Philipp fiir seine Ideale zu
interessieren. Seine Einsicht, rastlose Energie und Schlagfertigkeit
wiirden ihm auch zum Sieg verholfen haben, wenn er sich nicht an einem
Punkte iiberstiirzt hatte. Statt sich genau iiber Don Karlos' Worte an
die Eboli zu informieren, als der Konigssohn Posas geheimnisvolles We-
sen augenblicklich missversteht und die Prinzessin Eboli leidenschaftlich
bestiirmt, sie moge ihm doch Zutritt bei der Konigin verschaffen, verhaf-
tet er sofort den Prinzen und schreibt den verhangnisvollen Brief an
Oranien. Nur durch seinen Opfertod meint er, den Prinzen in den Voll-
besitz seines Willens setzen zu konnen. Er geht also an einem Ubermass
von Selbstvertrauen zu Grunde.
Die hoheits voile, treue Gemahlin des Konigs leistet Posa wackeren
Bcistand bei seinen Bestrebungen, den Infanten Karlos an die Statthal-
terschaft der Xiederlande zu bringen. Der Edelmut und das Zartgefiihl
dieser stolzen Franzosin bekunden isch in ihrem tadellosen Lebenswandel
am spanischen Hofe. Der Prinz steht im Begriff, schon ausser Landes
zu gehen, da soil er sie noch ein einizges Mai vor der Abreise allein spre-
chen. Am Schluss des Dramas stehen also die Konigin und Karlos ein-
ander schuldlos gegeniiber, und werden doch beide zum Opfer des hofi-
schen Intriguenspiels und der grausamen Herrschgier der Kirche.
Also vier Menschen geraten beim redlichen Versuch, den Eingebun-
gen ihrer hoheren Natur Folge zu leisten, mit der leib- und geisttotenden
Macht der politischen Kabale und der fanatischen Kirche in tragischen
Konflikt. Und Schiller weiss uns dennoch die Uberzeugung einzuflossen,
dass der wirkliche Kampf des Dramas der Seelenkampf im Busen des
Prinzen sei, dessen gliicklicher Ausgang uns die ausserliche Tragik aus
der richtigen Perspektive betrachten lasst. Das Ganze endet also mit
einem blossen Scheinsieg des Bosen und mit dem wirklichen Sieg des
Guten.
Don Karlos bleibt, trotz gelegentlicher f alscher Zeichnung, die
wohl bei dem Grossinquisitor an die Karrikatur grenzen mag, trotz des
offenbar iibertriebenen Eifers der drei Freiheitsfreunde und aller sonsti-
S chillers DramatiJc. 117
gen Mangel des Tendenzstils dennoch eine gewaltige dramatische Lei-
stung und ein packendes Biihnenstuck bis auf den heutigen Tag.
Schiller sollte aber mit seinem Wallenstein und den darauf
folgenden Dramen noeh Schoneres und Grosseres leisten. Was Don
Karlos von diesen spateren Werken trennt, ist ein Unterschied nicht des
Grades, sondern der Art. Unter dem Einfluss seines . Jena-Weimarer
Lebens hat sich Schiller zu einem andersartigen Kiinstler ausgereift.
Seine historischen und philosophischen Studien, sein Verkehr mit Buch-
handlern, Verlegern und Berufsgenossen, sein gliickliches Leben im
Kreise seiner Freunde und seiner Familie haben dazu mitgewirkt, ihn die
Welt mit anderen Augen als fniher ansehen zu lassen. Vor allem darf
man aber Goethes bildenden Einfluss hier nicht ausser Acht lassen.
Goethe war von Natur kein grosser Dramatiker; er besass aber in hohem
Masse die Gabe, die Welt mit scharfem, ruhigem, unbefangenem Blick
anzuschauen und das also gewonnene Bild kiinstlerisch wiederzugeben.
Gerade diese Gabe hatte Schiller bisher zu wenig zu Gebote gestanden.
Hier ist er also jahrelang bei seinem Freunde in die Schule gegangen
und hat teils infolgedessen eine hohere und bessere Dramatik zustande
gebracht.
Am Wallenstein erkennen wir den neuen Typus. Charakte-
ristisch fiir die neue Technik ist die unparteiische Behandlung der guten
und der bosen Gestalten des Spiels. Schiller ist hier kein Prediger mehr.
Er ist nicht darauf aus, einen gewaltigen Protest gegen Missbrauche ein-
zulegen oder die Begehungs- und Unterlassungssiinden der Menschheit
abzustrafen. Er zieht sich selbst als Kiinstler ganz von der Blihne zuriick
und lasst die Charaktere der Tragoclie zu Worte kommen. Friiher hatte
er sie oft, z. B. in den E a u b e r n und Kabale und Liebe, unter-
brochen und seine Bemerkungen iiber ihre Lage fiir ihre eigenen natiir-
lichen Ausserungen substituiert. Keine Spur davon hier ! Er gestattet
sich auch keine Karrikaturen mehr, wie noch im Don Karlos, um
auf diese Weise eine Art Weltgericht im voraus gegen Bosewichter abzu-
halten. Mit anderen Worten, er strebt dieselbe Art Objektivitat an, die
man bei Goethe antrifft und bewundert.
Hier wie im Don Karlos gait es, ein weitschichtiges, vielver-
zweigtes historisches Thema einheitlich zu gestalten. Hier wie dort be-
wahrt sich auch Schillers gewaltiges Konnen in gerade dieser Hinsicht.
Die Aufgabe war aber beim Wallenstein ungleich schwerer als beim
Don Karlos. Denn bei einer solchen verwirrenden Menge von Tat-
sachen gait es eine geeignete Auswahl der bezeichnendsten zu treffen;
die verschiedenen eigenhandigen politischen Plane des Illo, Questenberg,
Oktavio, Piccolomini, Butler und anderer mussten gehorig ineinander-
greifen; und ein moralisch verdammenswertes Unternehmen politischen
Ehrgeizes musste uns imponierend und anziehend erscheinen, trotz des-
118 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
sen physischen Misslingens durch Wallensteins eigenes Ungeschick. Was
aber fur Schillers Kunst noch abschreckender erschien, war der kalte
Verstandesmensch, Wallenstein, und dessen unbeugsame, kiihl berech-
nende Natur. Alle bisherigen Tragodienhelden Schillers sind verschie-
deneArten von Idealisten: sein Wallenstein ist ein Realist, Vertreter einer
Menschenklasse, der die materielle Welt gehort. Er darf nie wirklichen
Seelenadel zeigen — nirgendwo wirklich gross oder wiirdig erscheinen.
Unter dem Drang der Not muss er versuchen, sich klug zu behaupten,
ohne sich jemals grossen Ideen aufopfern zu wollen. Uns durch einen
solchen Charakter zu erschiittern und uns tragisches 'Mitleid einzuflossen,
darin bestand die neue Aufgabe der Schillerschen Kunst.
Hier wollte der Dichter den Zufall, der noch im Don Karlos mit-
spielte, ganzlich ausscheiden. Deshalb seine Klage an Goethe vom 28.
November 1796, das Schicksal im rechten Sinn des Wortes habe noch zu
wenig und Wallensteins Fehler habe noch zu viel mit dessen Missgeschick
zu tun. Professor Eugen Kiihnemann hat in seiner Schillerbiographie
recht, indem er betont, Schiller meine damit, es ware notig, fiir die zu-
fallige Ungeschicklichkeit des Einzelmenschen die hohe, innere, unerbitt-
liche Notwendigkeit des von bestimmten Gesetzen beherrschten Lebens zu
substituieren. In diesem Drama will Schiller uns ein iiberzeugendes,
lebenstreues Bild der wirklichen Welt bieten. Seine Methode ist die des
Sophokles bei dessen Konig Odipus — d. h., er beschrankt die vor-
gefiihrte Handlung auf eine Entfaltung der Folgen voraufgegangener
Taten und Geschehnisse.
Im Lager haben wir scharf gegen einander abgegrenzte Gruppen
fideler, streitlustiger, hazardspielender, tanzender, liebelnder, zechender
Soldaten und Marketender, die alle in der ihnen naturgemass zukommen-
den Perspektive erscheinen. Ausserst geschickt ist die Wahl ihrer Auf-
einanderfolge, die uns die Wirklichkeit selbst vor Augen tauschen soil.
Dieses ganze bunte, vielsprachige Heer halt den noch unsichtbaren Ober-
feldherrn fiir Gottes Statthalter auf Erden. Gegen ihre Begeisterung fur
ihn vermag nicht einmal das fanatische Predigen der Diener der Kirche
irgend etwas auszurichten. Das Lager ist ein lebhaftes, realistisches
Genrebild, das sich den besten Leistungen der niederliindischen Meister
wiirdig an die Seite stellen lasst, und ist zugleich ein klarer Beweis fur
des Dichters neue Geschicklichkeit in objektiver Schilderung und in der
dramatischen Verwendung der Masse. Dieser Zug seigt sich schon
embryonal in den R a u b e r n und erreicht seinen Hohepunkt im W i 1-
helm Tell. Kein anderer Dramatiker hat je das Volk in seiner Mas-
senhaftigkeit mit so grossem Erfolg auf der Biihne erscheinen lassen.
In Schillers Augen gestaltet sich die Geschichte unter dem doppelten
Einfluss der geborenen Fiihrer und der grossen Masse. Er lasst also dem-
gemass in all seinen spateren historischen Dramen nicht nur die soge-
ijber 8 chillers Dramatik. 119
nannten Helden, sondern auch das Volk massgebende Rollen spielen.
In dieser Hinsicht iibertrifft er Shakespeare und alle Dramatiker des 19.
Jahrhunderts.
Auch finden wir in seinem Wallenstein eine besondere Beto-
nung der geschichtlichen Elemente, die den Menschen gemodelt haben.
Shakespeare hatte wohl sein Hauptaugenmerk auf das Damonische des
Wallensteinischen Geistes gerichtet — auf die Tragik seiner masslosen,
sich ubersturzenden Herrschgier. Die Menschen seiner Umgebung hatte
er nur beilaufig gezeichnet. Schiller dagegen flihrt uns symbolisch durch
die Standes- und Berufsgenossen des Feldherrn das historische Milieu vor
Augen, unter dessen Einfluss Wallensteins Temperament, Selbstvertrauen,
Ehrgeiz und Aberglaube der politischen Versuchung erliegen. Illo,
Isolani, Butler und Oktavio Piccolomini erscheinen, jeder scharf indivi-
dualisiert und jeder mit seiner eigenen Lebensanschauung ausgerlistet,
als die Hauptvertreter dieser Genossen. Jeder ist in gewissem Sinne das
Geschopf des Feldherrn — eine individuelle Verkorperung des damoni-
schen Wallenstein-Geistes. Der Titelheld ist also eine Art Kompositbild
all dieser Einzelrnenschen. Er ist ein integrierender Bestandteil samt-
licher von unveranderlichen Gesetzen beherrschter Beziehungen und Ein-
fliisse, die man Schicksal nennt. Sein astrologischer Aberglaube ist das
Symbol seiner Uberzeugung von der unerbittlichen Notwendigkeit der
Geschichte. Es ist aber zugleich ein bedenklicher Mangel seiner eigenen
Natur, der ihn gegen das alien anderen deutlich erkennbare drohende
Unheil blind macht. Hierin ahnelt er dem Sophokleischen O d i p u s.
Wahrend aber die Griechen das Schicksal fur eine iibermenschliche, un-
erforschliche Notwendigkeit hielten, der sich Gotter und Menschen beu-
gen mtissten, halt es Schiller fur die ewige Gesetzlichkeit der Welt inner-
halb und ausserhalb des Menschen.
Max und Thekla, die einzigen Idealisten im ganzen Drama, sind
durch Bande der Blutsverwandtschaft und der Liebe mit Wallenstein ver-
kniipft. Sie spiegeln sein Geinlitsleben etwa so wieder, wie die anderen
seinen Verstand und seinen Ehrgeiz. Durch ihre Unschuld und ihre Un-
eigenniitzigkeit symbolisieren sie das Schone im Menschenleben. Sie
sind auch ein Spiegel, in dem man die widerliche Selbstsucht und die
Treulosigkeit der anderen und das Bild der heranschreitenden Nemesis
erblickt. Die Verwandlung ihrer Idylle in ein Klagelied ist ein Teil der
tragischen Katastrophe, die Wallenstein zugrunde richtet. Aber Schillers
Idealismus bleibt auch hier noch, wie bis an sein Lebensende, unerschiit-
tert. Er will uns ja nicht zu verstehen geben, dass Max und Thekla in
die Welt der Wirklichkeit nicht hineingehorten, wie Professor Kiihne-
mann anzunehmen scheint. Was er aber ohne Zweifel andeutet, ist, dass
eine Welt von unerbittlichem Realismus und selbstischem Streben, wie die
des Wallenstein und seines Kreises, deren grausame Einseitigkeit die
120 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Idealisten und das Schone im Leben ausschliesst und zermalmt, notwen-
digerweise eine Welt tragischer Katastrophen 1st.
Im Wallenstein entf altet Schiller die Vollkraft seiner neuen
Dramatik. Er bewahrt hier in glanzender Weise all seine friihere Ge-
schicklichkeit lebhaften Anschauens, plastischen Schilderns und sachge-
massen Anordnens der dramatischen Momente. Er ist aber hier auch
entschieden liber sich hinausgewachsen. Seine Kunst wird nicht mehr in
den Dienst irgend eines Protestes gestellt. Der Dichter begniigt sich
vielmehr damit, die Outen und die Bosen, die Kleinen und die Grossen
mit unbefangener Objektivitat abzuschildern und es darauf ankommen
zu lassen. Diese stilistische Eigenschaft ist der kiinstlerische Ausdruck
seiner reiferen Weltanschauung. Sie erhebt alle seine spateren Dramen
— MariaStuart, die Jungfrau von Orleans, die
Braut von 'Messina, Wilhelm Tell und das Demetrius-
fragment hoch iiber das Niveau all seiner bisherigen Leistungen.
Bei dem schon Gesagten bin ich bestrebt gewesen, die dreistufige
Entwicklung der Schillerschen Dramatik zu betonen und klarzulegen.
Von seinem ersten vulkanischen Ausbruch der Entriistung in den R a u-
bern bis zu seiner wunderbar schonen Verherrlichung des Opfermuts
und der Einigkeit des Schweizerischen Volkes den Ubergrifferi und dem
Ubermut der Habsburger gegeniiber steigt Schiller zu einer immer hohe-
ren Auffassung seiner Aufgabe als dramatischer Kiinstler empor. Er
reifte sich zu einer immer bedeutenderen Personlichkeit aus. Er blieb
keinen Augenblick stillstehen und ruhte sich keinen Augenblick auf
schon erworbenen Lorbeeren aus, sondern stiirmte stets vorwarts, bis ihn
der Tod mitten in einem Entwurf abrief, der versprach, noch grossartiger
und befriedigender zu werden als alles, was er schon geleistet hatte.
Sein klarer Blick fur dramatische Konflikte, seine schopferische
Phantasie, welche ihm die Vergangenheit als Gegenwart vorzauberte,
seine ausserordentliche Gestaltungsfahigkeit, die das von ihm Erschaute
fiir sein Publikum deutlich sichtbar machte, erklaren zum Teil die
packende Kraft seiner Dramatik. Was ihn aber den grossten Dramati-
kern der Welt als ebenbiirtig an die Seite stellt, sind ausserdem noch sein
fester Glaube an den hohen Wert und die Entwicklungsfahigkeit des
Menschen, seine rastlose Energie und gespannte Begeisterung fiir die
hochsten Lebensideale und die Tatsache, dass er bis zum letzten Atem-
zuge ein Wachsender und Werdender geblieben ist.
Current Publications.
We offer in our universities, for example in Germanics, elementary
or structural courses: grammar, translation, composition; we offer inter-
mediate or cultural courses: Lessing, Goethe, Schiller, lyrics perhaps,
some historical grammar and some history of literature; we offer Teach-
ers' courses, as to best methods of instruction, text-books etc. ; and finally,
we offer graduate courses, in Gothic, Old Norse, Old High German etc.,
in which we refer students occasionally to articles on the subject in hand
(in such journals as American Journal of Philology, Paul und Braunes
Beitrage, Benzenbergers Beitrage, Zeitschrift fur deutsches Altertum,
Zeitschrift fur deutsche Philologie, Indogermanische Forschungen), in-
tending that they shall form the habit of consulting these journals also
after they leave our guidance.
We offer the above courses, but most of us at least do not teach our
students how to "keep abreast," that is, how to keep up with new publica-
tions in their line of work in general, say in the field of Germanics. And
so, many of our students go forth well enough "abreast" perhaps up to
the time of their graduation, tho with the helpless feeling that they must
return to us every now and then, to the fountainhead so to speak, to be
put in touch with important publications that have appeared and move-
ments that have taken place since their year of graduation. With the day
of graduation their fossilization begins. They are not wholly to blame,
for they have not been so taught to keep abreast that graduation means
for them only launching their bark in a current that carries it continu-
ously on, advancing it constantly farther away from the point of de-
parture. On the contrary, their boat, once launched, stays close to the
place of mooring, not venturing into the unknown ahead, for fear of
losing its bearings.
The present writer believes that we have no right to send forth as
teachers students who do not know how to keep abreast, to keep up with
the times, to keep up with the new, current publications. As an experi-
ment the writer offered a course in "Current Publications," for the first
time two years ago last September. 'Columbia University, of New York
City, following this lead, introduced into her catalogue last spring a
course entitled "Current Bibliography." The writer would like to explain
what she means by a course in "Current Publications." A year's work
was as follows :
122 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
1. The student made a card catalogue of all the journals or periodi-
cals dealing with Germanics in the library, giving data as to date of
origin, publisher or publishers, place of publication, how often published
(whether an annual, quarterly etc.), price, and aim. He was made con-
versant with the fact that all these journals have to do with Germanic
philology, and that philology means a study of both language and
literature.
2. The student was then referred to Pauls Grundriss, 2nd ed.,
1901, vol. I., p. 105-108, for further data in regard to these journals.
3. The student was required to work over thoroly all the issues of
the current year, from June to June, or May 15th to May 15th, of the
"Literarisches Zentralblatt" and the "Literaturblatt fur germanische und
romanische Philologie," making a card catalogue of all publications in
his line recommended in these two journals (with data as to year of
publication, edition, publisher, price, importance etc., and arranging the
cards alphabetically in two groups: the writers (as Goethe, Hebbel,
Heine, Klopstock, Schiller), and general topics (as America, Ballad,
Epic, German language, History, Literature, Lyrics, Romanticism etc.).
The teacher, here as elsewhere, assigns a certain number of periodicals
each week, and carefully compares notes with the students in class.
Much guidance from the teacher is needed, especially for a few weeks
at the start.
4. The student was referred to important articles in the leading
journals, having to do with various topics, and took notes from them.
For example, "Reform-Methoden" Victor, Die Neueren Sprachen, vol.
14, No. 3, 1906, p. 184 — 189. Tendencies in modern German grammar,
Journal of English and Germanic Philology, Jan. 1907, vol. 6, No. 2;
and in connection with pronunciation, Litbl. Jan. 1907, No. 1, col. 1 — 4;
in connection with foreign words, Indg. Forsch. 1902, vol. 13, Anz. p.
215; Zeitschrift fur den deutschen Unterricht 1905, p. 780 — 784, and
1906, p. 105—110; Lit. Zbl. Dec. 9, 1905, col. 1696, and Sept. 29, 1906,
col. 1368. Resume of Sievers' " Sprachmelodisches in der deutschen
Dichtung", Indg. Forsch., 1907, vol. 21, 5. Heft, Anz. p. 6 — 7. Ten-
dencies in modern German literature, Lit. Zbl., Beibl. 1906, Sept. 22,
col. 386; Journal Engl. & Gmnc. Phil. 1906, Oct., p. 165—170, and Jan.
1907, p. 324—340; Das literarische Echo 1908, Jan. 1, col. 489—491.
Most read books, as in Das lit. Echo, 1907, Dec. 15, col. 448—449.
5. The student was required to send for the latest catalogues of
leading American publishers (American Book Co., Ginn, Heath, Holt,
Macmillan), and of various German publishing houses (Gotta, Goschen,
Hempel, Hendel, Hesse, Reclam, Niemeyer, Triibner), and was directed
in the use of them.
Current Publications. 123
6. The student was required to read in various journals criticisms
of American and German publications; for example, Calvin Thomas'
"Anthology of German Lit.", Pt. I (in Mod. Lang. Notes, June 1907, p.
189 — 190) ; iCurme, "Grammar of the German Lang/' (Journal of Engl.
and Gmnc. Phil., Oct. 1906, p. 164); Bielschowsky, "Goethe"; Berger,
"Schiller"; Dilthey, "Erlebnis und Dichtung", in a number of journals.
7. Such books were bought by the student as the "Report of the
Committee of Twelve", Heath; "Methods of Teaching Mod. Languages",
Heath, 1904; "Wie studiert man neuere Philologie?" by Gassmeyer,
Leipizg 1903, Rossberg; "The Teaching of Modern Languages",
Bahlsen, Ginn, 1905; "'Chronology and Bibliography of Modern German
Literature", Nollen, Scott, Foresman & Co., 1903. Criticisms of the
books were read (for Gassmeyer, Lit. Zbl., March 5, 1904, col. 340;
Nollen, Mod. Lang. Notes, June, 1906, vol. 21, No. 6, col. 188—192).
Also criticisms for and against these as well as other publications were
compared. Recommendations as to texts were compared; for example,
those in Bahlsen's book with those in the report of the Committee of
Twelve.
8. The student prepared brief outlines of the indexed contents of
an Anzeiger in Indg. Forsch. ; of Goedeke's "Grundriss der deutschen
Dichtung"; Kiirschner's "Nationalliteratur" ; Paul's "Grundriss der ger-
manischen Philologie"; and handled the "Allgemeine deutsche Biogra-
phic", comparing for instance the space devoted to Klopstock, Lessing,
Wieland, Herder, Goethe, Schiller, Heine, and noting general method of
treatment of an author.
9. A list of "best books" was made out by a comparison of the
bibliography in the back of Heath's Mod. Lang. Catalogue; Hungerland,
"Das wissenschaftliche Studium der deutschen Sprache und Literatur";
Heidelberg, Ficker, 1906; Theod. Matthias, "Verzeichnis empfehlens-
werter Bucher", 2. Heft, Dresden 1904, Bleyl & 'Kaemmerer; Nollen, see
above; and the notes of the student and teacher.
10. Particular attention was devoted, amongst authors, to the
greatest German writers, and such articles worked over as Koster's in
Anzeiger fur deutsches Altertum 1902, vol. 34, p. 72, fol. "Faust", and
1903—04, vol. 47, p. 249—260, Goethe's novels; Goethes' lyrics, Zt. f.
d. Alt. 1906, vol. 48, p. 117— 122; Erich Schmidt, "Aus Schillers Werk-
statt", Deutsche Rundschau, 1905, vol. 123, p. 175 fol.; Koch's biblio-
graphy of the more recent Schiller literature in Studien zur vergleichen-
den Literaturgeschichte, 1905, vol. 5, supplement p. 364 — 413.
11. The student was required to keep a record, in an alphabetically
arranged booklet, of all periodicals read; thus, Lit. Zbl. 1907, No. 1, 2, 3.
The above method, it is believed, taught the student how to keep a
card catalogue, his own bibliography up to date, and how to keep him-
124
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
self abreast of the times, independently of a teacher. This article is sent
forth in the hope that it may find adherents, and criticism too, whether
adverse or favoring. The course outlined above, as will be seen, is differ-
ent from a so-called "Journalistic Club," tho it contains some elements
that every good Teachers' 'Course must comprise; rather, it contains ele-
ments of both, while accomplishing a different result.
Caroline T. Stewart.
Columbia, Missouri, March 12, 1908.
Berichte und Notizen.
I. Korres pond en/en.
Milwaukee.
Das geistige Programm f iir
den im Juli hier stattfindenden L e h-
rertag ist entworfen und fur die Un-
terhaltung und Bewirtung der Besu-
cher wird ein umsichtiges Komitee, das
jetzt schon an der Arbeit ist, alle
Sorge tragen. Der Ruhm der Gast-
freundlichkeit, den sich unsere Stadt
erworben hat, wird auch bei dieser Ge-
legenheit keine Einbusse erleiden. Es
ist f iir eine stattliche Anzahl
auswartiger Besucher des
Lehrertages vorgesehen und ihrer
aller wartet ein warmer Empfang und
einige hochst genussreiche Tage in un-
serer Mitte.
Das im letzten Jahre in Cincinnati
begonnene Werk der Grtindung eines
allgemeinen ,,Alumnen - Vereins"
des Lehrerseminars soil auf
diesem Lehrertag foregesetzt werden
und fiber Mittel und Wege beraten
werden, wie die Bestrebungen der
Alma mater durch ihre einstigen Schil-
ler am besten gefordert werden konnen.
* » *
Unter den Auspizien des Schulrats
hielt im Laufe des verflossenen Monats
der bekannte Redakteur des ,,New Eng-
land Journal of Education", H e r r A.
E. W i n s h i p von Boston, drei h8chst
zeitgemasse und belehrende Vortrage
iiber praktische Erziehungsprobleme,
besonders fiber das stets akuter sich
gestaltende Problem der Charakterbil-
dung unserer Knaben. Herr Winship,
dem eine Ftille von Erfahrungen zu Ge-
bote steht, die er als langjahriger Leh-
rer und Journalist geschopft hat, be-
zeichnete die jetzige Erziehung unserer
Knaben als eine in der Methode ver-
kehrte, in ihren Resultaten als unbe-
friedigende. ,,Vierzig Prozent der im
Alter von 12 bis 17 Jahren stehenden
mannlichen Jugend Amerikas zeigt
^anz bestimmte Symptome gehemmter
Entwickliing (arrested development)",
irklarte er in einem der Vortrage.
,,Die vielgepriesene, meistens als smart-
ness angesehene Schlagfertigkeit un-
serer Gassenjungen ist eine Erschei-
nung, die eher zu beklagen als zu loben
ist; denn sie stellt den hochsten Grad
der Geisteskraft und -scharfe dar, den
diese Knaben - - auch wenn sie 50
•lahre alt werden - - je erreichen wer-
den." ,,Wir miissen mit alien uns zur
Yerftigung stehenden Mitteln versuchen,
diese Knaben in der Volksschule zu be-
halten, bis sie dieselbe absolviert ha-
ben." ,,Unsere Aufgabe als Lehrer muss
es sein, bei einem jeden Knaben, beson-
ders bei den geistig und sittlich schwa-
clien Zoglingen — ahnlich wie ein Jokai
mit einem Rennpferd verfahrt — die in
u einem Geist und Gemiit empfindliche
Stelle zu finden, den Keim, der ent-
•-vicklungsfahig ist, zu entdecken und
ihn in der Richtung, nach welcher sein
Interesse strebt, auszubilden."
Herr Winship verwarf das vorherr-
«chende System der Versetzung den in
tlen verschiedenen Lehrfachem erwor-
benen Prozentsatzen gemass, als ein
falsches Erziehungsprinzip, das zur
Einseitigkeit und zugunsten der Mad-
rhen ftthre, wahrend die Knaben da-
durch zur Tragheit verleitet wtirden.
Am 30. MSrz schloss Prof. Oskar
Burckhardt seine Serie von Vortra-
gen tiber Literatur ab, mit einem durch
pi nf ache Schilderung und heiteren Hu-
tnor sich auszeichnenden Vortrag liber
..Die Waldheimat Peter Roseggers".
Der gesunde Humor und die im steier-
Korrespondenzen. 125
markischen Dialekt vorgelesenen Ge- schafte lauschten die Anwesenden mit
dichtsproben aus den Werken dieses ge- gespannter Aufmerksamkeit auf den
feierten Volksschriftstellers gaben dem interessanten Vortrag des Herrn Pro-
Vortrag die Wiirze. Herr Burckhardt fessor Remi iiber ,,Das Ghasel in der
beschaftigte sich vornehmlich mit der deutschen Literatur". Der Redner, der
friiheren Jugend Roseggers und seiner mit den orientalischen Sprachen einge-
schlichten und fur die Entwickhmg sei- hend vertraut ist, schickte seinem Ge-
nes Talentes so ungiinstigen Umge- genstand einige allgemeine Bemerkun-
bung. Einem reisenden Schustergesellen gen iiber die neupersische Sprache vor-
war es vorbehalten, das Dichtertalent aus. Dieselbe gehort zur iranischen
in diesem Schneiderlehrling, der als Gruppe der indogermanischen Sprache
Bauernsohn zum Bauer nicht taugte, und zeichnet sich durch Anmut und
und als Schneider kein Geschick zeigte, Geschmeidigkeit aus. Die Flexion ist,
zu entdecken. Nachdem der Mazen in ahnlich wie im Englischen, fast ganz-
der Gestalt des genannten Schusterge- lich verschwunden ; der Wortschatz ist
sellen ein Gedicht Roseggers an die durch zahlreiche arabische Elemente
,,Grazer Post" abgeschickt hatte, kam bereichert worden.
das bisher verborgene Talent endlich Das Wort Ghasel oder Ghasal ist
zur Geltung und seine Erzahlungen und arabischen Ursprungs und deckt sich
Gedichte wurden nach einander abge- seiner Bedeutung nach mit unserem
druckt, bis sie spater in viel weitere ,,Liebeslied". Seine Schonheit kommt
Kreise drangen. am besten zum Ausdruck, wenn es als
Die von einem Chicagoer eine Art Singsang vorgetragen wird.
,,L e c t u r e Bureau" ausgesandten Je zwei Verse bilden ihrem Inhalte
Vortragsredner, deren wir jetzt seit nach ein abgeschlossenes Ganze, und
vier Jahren alljahrlich sechs unter den diese Verspaare werden, oft ohne inne-
Auspizien des Lehrerverbandes Gele- ren Zusammenhang, lose aneinander ge-
genheit hatten zu horen, sind tatsach- reiht wie Perlen an einer Schnur. Der
lich von Jahr zu Jahr minderwertiger Endreim der zwei ersten Zeilen kehrt
geworden. Die besten und renommierte- in alien geraden Zeilen wieder, wahrend
sten ,,lecturers", wie Hubbard, Mabie, die ungeraden ungereimt bleiben. In
Bryan, Roberson u. a. gehen entweder der letzten Zeile findet sich regelmassig
nicht in einen Kontrakt mit einem sol- der Nom de plume des Dichters. Dem
chen Bureau ein, oder aber sie losen Versmass liegt die Quantitat der Sil-
ihre Verbindung mit denselben. Unsere ben, nicht deren Akzent zugrunde. Die-
diesbeztiglich'e Erfahrung lehrt uns, sere Umstand sowie die beliebte Hau-
dass wir fur die Summe von $25 bis $35 fung langer Silben machen die tiber-
einen weit gediegeneren Vortrag von tragung der Form in andere Sprachen
einem Universitatsprofessor zu^ horen nahezu unmb'glich.
bekommen, als von einem reisenden Als Ghaselendichter kommen vor al-
,,bureau lecturer", der $100 bis $150 iem gadi und Hans in Betracht. Der
kostet. erstere vertritt die mystisch-morali-
Anlasslich des Vortrags von Prof. Sche, der letztere die weltliche Rich-
Learned iiber ,,The German in Ame- tung der persischen Lyrik.
rican Civilization" hat unser Superin- jn Deutschland wurden diese Dich-
tendent Carroll G. Pearse die Mahnung ter, die dem 13. und 14. Jahrhundert
denselben anzuhoren an samtliche stad- angehoren, erst gegen das Ende des
tische Lehrer ergehen lassen. is. Jahrhunderts durch die ubersetzun-
C. B. S. gen Hammers und die Schriften des
Sir William Jones bekannt. Herder
New York. war der erate, der sich eingehend damit
-T. \T «. i „ A n \r « , bef asste und allgemeines Interesse f iir
Der Versammlung des Ver- ische Dichtu5gen erweckte. Indes
eins deuts cher Lehrer von P Kenntnis der persischen
-Sta l^\^SS&^*uk JSi ab -d er^o^^Oto
gliedern auch mehrere Gaste bei. Unter I?halt> mcht aber die *mrmto
letzteren befand sich Herr Peter Wil- ^eren. Da aber in der persischen Po«-
helm Moller, der am 18. d. M. sein sech- Bie Form und Geist .m,.mn^rpZu^(m;
zigstes Lehrer-Jubilaum begeht. Die menhang stehen und die erstere ncht
Mitglieder rechneten es sich zur beson- selten die Qumtessenz der Dichtung
deren Ehre an, den urn das Deutachtum ausmacht, so bekommen wir durch
so hoch verdienten Schulmann in ihrer Herder nur ein ausserst unvollkom
Mitte begriissen zu konnen. menes Bild persischer Lyrik. Ihm im-
Nach Erledigung der laufenden Ge- ponierte der Moralprediger Sadi weit
126
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogilc.
mehr als der weltlich angehauchte
Hafis, dem Goethe sein besonderes Au-
genmerk zuwandte. Sein WeatOstli-
cher Diwan 1st keine ubertragung, son-
dern eine freie Nachahmung der Ori-
ginale, leider auch ohne Rticksicht auf
die Form.
Riickert und Platen sind die Haupt-
vertreter deutscher Ghaselendichtung.
Sit haben sich grtindlich in den Geist
der persischen Dichtung vertieft und
ihre Originale nachgeftihlt und nachge-
dichtet, sowie auch die Form, insofern
es die deutsche Sprache zuliess, nach-
geahmt. Der Schweizer Heinrich Leut-
hold schrieb auch Ghaselen, die aber
wenig Anklang fanden. Heine behan-
delte persische Stoffe in hochst gelun-
gener Weise, ohne sich jedoch der
Ghaselenform zu bedienen.
Das Ghasel muss somit als eine exo-
tische Pflanze betrachtet werden, der
es nicht gelungen ist, in der deutschen
Poesie festen Fuss zu fassen.
L. H.
II. llmschau.
F. Louis Soldan. t Freitag den
27. Marz erlag der Superintendent der
offentlichen Schulen von St. Louis,
Herr F. Louis Soldan, einem Herz-
schlage. Mit ihm ist einer der bedeu-
tendsten Padagogen Amerikas aus dem
Leben geschieden. Soldan wurde am
20. Oktober 1842 in Frankfurt a. Main
geboren. Nachdem er sich in der Hei-
mat eine griindlich Schul- und Univer-
sitatsbildung erworben hatte, wanderte
er im Alter von 21 Jahren 1863 nach
Amerika aus. Bereits im folgenden
Jahre iibernahm er in St. Louis, wel-
ches seine zweite Heimat wurde, die
Leitung einer der grossten Privatschu-
len. In dieser Stellung verblieb er bis
1868, wo er als Lehrer der modernen
Sprachen an die St. Louiser Hoehschule
berufen wurde. In dieser, wie in alien
anderen Stellungen, entwickelte er eine
bedeutende Fahigkeit auf literarischem
und padagogischem Gebiete. 1870 wur-
de er zum Hilfssuperintendenten, im
folgenden Jahre zum Prinzipal der Nor-
malschule ernannt, die durch ihn zu
hoher Bliite gelangte. Acht Jahre
wirkte er an dieser Anstalt, bis er
1895 fur den Posten des Superintenden-
ten der offentlichen Schulen von St.
Louis auserkoren wurde. Von dieser
Zeit an wurde er bis zu seinem Tode
jedesmal wiedergewahlt. Ein besonde-
res Verdienst erwarb sich Soldan durch
die Organisierung des ersten Institutes
fur Lehrer im Staate Sudkarolina. Aus
diesem ging die Universitat dieses
Staates hervor, welche im ganzen
Lande neuen Enthusiasmus fur die Ju-
genderziehung zu erwecken verstand.
Von ihr erhielt Soldan auch den Titel
eines Ehrendoktors. Unser Seminar
verliert in dem Verstorbenen einen
warmen Freund und Conner.
Hermann Lieber. t Hermann
Lieber. der erste Sprecher des nordame-
rikanischen Turnerbundes, wurde in
der Nacht vom 22. auf den 23. Marz
auf einer Erholungsreise, die er nach
Kalifornien machte, im Zuge vom Tode
ereilt. Seit 1900 war er ununterbrochen
erster Sprecher des nordamerikanischen
Turnerbundes, als der er sich bleibende
Verdienste erworben hat. Zeit seines
Lebens war er fur die Sache des deut-
sehen Turnertums mit ebenso viel Ge-
schick als Eifer eingetreten. Schon
seit Jahren schmiickte das Diplom fiir
fiinfzigjahrige Mitgliedschaft sein
Heim. Dem politischen Leben im all-
oemeinen feme stehend, hat er doch als
Burger seines Adoptivvaterlandes und
der Stadt Indianapolis eine rege Tatig-
keit entwickelt. Man darf ihn mit Fug
den Vater des Deutschen Hauses und
der Deutschenglischen Schule in India-
napolis nennen. Der Turnerbund und
das Deutschtum dieses Landes verlieren
in ihm einen ihrer wackersten Vor-
kampfer. Lieber wurde am 23. August
1832 in Dtisseldorf geboren. 1853 kam
er nach Amerika und liess sich in In-
dianapolis, seinem standigen Wohn-
sitze, nieder. Als Geschaftsmann war
er ebenso erfolgreich wie in seinen of-
fentlichen Stellungen. Seine geliebte
Gattin war ihm um zwei Jahre im
Tode vorausgegangen ; aus der Ehe mit
ihr entstammen drei Sohne und zwei
verheiratete Tochter. Als Mensch war
er einfach, durch und durch rechtlich
und von gewinnender Liebenswiirdig-
keit. Die feierliche Bestattung des Da-
hingeschiedenen fand am 28. Marz
statt. Professor Emmerich, ein lang-
jahriger Freund des Verstorbenen, hielt
die deutsche Trauerrede. Auch von un-
serer Anstalt, der er durch eine Zeit
Umschau. 127
lang als Verwaltungsrat angehorte, auf das bedeutende Werk bin welches
wird ihm ein sympathisches Andenken unsere Volksschulen verrichten aber
bewahrt werden. sie bieten nur Schulern, die im Kindes-
Professor Schonrich als alter stehen, eine Erziehung Es eibt
Jubilar. Professor C. O. Schonrich Hunderte von Primarklassen mit ein-
feierte im verflossenen Monat das Ju- zelnen 12 bis 14jahrigen Schulern, die
bilaum seiner vierzigjahrigen Lehrer- nur darum mit Kindern von 6 od'er 7
tatigkeit. 1847 in Stuttgart geboren, Jahren Bank an Bank gesetzt werden
kam er im Alter von 20 Jahren nach W®H gie der englischen Sprache noch
Amerika. Zuerst wirkte er als Lehrer nicht machtig sind.
an einer lutherischen Gemeindeschule, Der Verfasser des Artikels fand in
trat spater in den Dienst der offentli- einer Schule in der Stadt Washington
chen Schulen von Baltimore und wirkt einen Knaben und ein Madchen, die in
seit Jahren als Prinzipal daselbst. Mit Europa eine griindliche element'are Er-
besonderem Eifer widmete er sich auch ziehung erhalten hatten und die nun
den Abendschulen, um die Angehorigen gezwungen waren, auf Schulbanken zu
von 12 bis 15 verschiedenen National!- sitzen, die fiir kleine Kinder bestimmt
taten zu tiichtigen Biirgern der Verei- sind, und an deren kleinen Spielen und
nigten Staaten umzumodeln. Die Zahl sonstigen Betatigungen, die fiir ihr Al-
der Schiller, die unter den Augen des ter lacherlich erscheinen mussten, teil-
bewahrten Padagogen herangebildet zunehmen. Jane Adams hat Recht
wurden, zahlen bereits nach Legionen. wenn sie sagt: ,,Der Einwanderer fin-
Der Gedenktag wurde von gegenwarti- det nirgendwo in Amerika geniigendes
gen und ehemaligen Schulern, sowie Verstandnis." Rochester und einige
von den zahlreichen Freunden des Jubi- andere Stadte haben es sich angeleffen
lars festlich begangen. Bei seiner Rii- sein lassen, ein besseres Verstan^iis
stigkeit lasst sich erwarten, dass er fiir die Kinder der Einwanderer zu
auch das fiinfzigjahrige Jubilaum fei- entwickeln und ihnen die erzieherische
ern wird. Aufmerksamkeit zu schenken, deren sie
Ferienkurse in Jena. In der als Individuen bediirfen. Im allgemei-
Zeit vom 8.— bis 18. August finden in nen aber lassen es die Schulen des Lan-
Jena Ferienkurse statt, die sich auf des an solchen Bestrebungen noch feh-
Padagogik, Kolonialwissenschaft, len- Ein verheissendes Zeichen fiir das
Schulhygienie, Physiologic, Psychologic, erwachende Gewissen ist eine Resolu-
Weltgeschichte, Literatur, Nationalo- tlon> die , von der Versammlung der
konomie, Sozialwissenschaft, sowie auf 'Schulsuperintendenten in Washington
deutsche, franzosische und englische angenommen wurde: ,,Die Versamm-
Sprache erstrecken. Die Vorlesungen lung halt dafiir, dass in den grosseren
werden von Professoren der Jenenser Stadten eigene Klassen fiir die der eng-
und anderer Universitaten abgehalten. lischen Sprache noch unkundigen Kin-
Das Honorar betragt durchschnittlich der von Einwanderern eroffnet werden
fiir einen Kursus von 12 Stunden 10 sollen. Ist es nicht zu vermeiden, dass
Mark, fiir diejenigen, die in Instituten s°lche bereits geschulte Kinder in die
abgehalten werden, 15 Mark. Primargrade gesteckt werden, so soil
Programme sind kostenfrei durch das ihnen wenigstens Spezialunterricht in
Sekretariat, Frl. Clara Blomeyer, Jena, der englischen Sprache erteilt werden,
Gartenstr. 4, zu hab'en. der es ihnen ermoglicht, nach kurzer
Z'entralverband 7iir Be Zeit in die ihrem Alter und ihren Vor'
kampfung des Alkoholismus kenntnissen entsprechenden Grade auf-
(Berlin). In der Osterwoche findet in zusteigen- (School Journal.)
Berlin der fiinfte wissenschaftliche ZurNaturzuriick. Im letzten
Kursus zum Studium des Alkoholismus 'Sommer teilte Eli W. Weaver von der
statt. Manner der Wissenschaft teilen Knabenhochschule zu Brooklyn dem
hier ohne Voreingenommenheit die Er- Staatsdepartement fiir Ackerbau in
gebnisse griindlicher Untersuchungen New York mit, dass ein grosser Bruch-
und Erfahrungen mit. Die Besichtigung teil seiner Jungen wahrend der Ferien
sozial-hygienischer Einrichtungen in auf dem Lande Beschaftigung suche.
Gross -Berlin bilden den praktischen Das Schreiben wurde zu entsprechender
Hintergrund fiir das geschriebene Wort. Kenntnis genommen, und bald folgten
Der Fremdgeborene in un- 160 Arbeitsangebote Gross war die
serem Lande. Manches vielverspre- 1<reude der Knaben, die so ihre Ferien
chende Leben von Einwanderern wird auf dem Lande verbrmgen durften. Nun
alljahrlich auf dem Altar der Sparsam- hat sich eine Organisation gebildet,
keit geopfert. Wir weisen mit Stolz 2500 Mann stark, und zwar alle Schiiler
128 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
der offentlichen Schulen von New York, Departements der Superintendenten der
die sich als Arbeiter auf den Farmen National Educational Association bil-
verdingen wollen. Das Gefiihl ,,Zur dete der sogenannte Empfang beim
Natur zuriick" scheint doch tiefer in Prasidenten die einzige Unterbrechung
den Menschen zu nisten, als viele zu- in der Eintonigkeit des odesten Pro-
geben mochten. Es ist die Absicht des gramms, welches dem Departement seit
Herrn Weaver, diese Organisation auch Jahren geboten wurde. Den Lehrern
auf andere Stadte auszudehnen. Men- wurde bekannt gemacht, dass der Pra-
schenfreunde finden hier Gelegenheit sident sie um 2.30 im Weissen Hause
zu fruchtbringender Tatigkeit. Es ban- empfangen wiirde, und als gewissen-
delt sich nur darum, Gelder fur den hafte Schulmeister waren sie piinktlich
Transport der Knaben nach den mehr zur Stunde da. Sie wurden nicht durch
entlegenen Staaten aufzubringen. Der die Vordertiire eingelassen, sondern,
Westen bietet jedenfalls vollauf Gele- zwolfhundert an der Zahl, in einem
genheit fiir die Jungen, welche wahrend Korridor des Erdgeschosses wie in einer
des Sommers ein niitzliches ,,out-of- .Schafhiirde eingepfercht. Uniformierte
door life" fiihren mochten. Wachen mit den Manieren von ,,cow-
punchers" waren aufgestellt, um die
Professor Charles A. Beard von der Menge eingehegt zu halten. In dieser
Columbia Universitat hat ein wahres fiirchterlichen Enge, wo keiner sich zu
Wort ausgesprochen, wenn er sagt: riihren vermochte, waren sie von 2.30
,,Der grosste Fehler des ame- bis 3.20 eingeschlossen. Nach diesen
rikanischen Erziehungs- fiinfzig Minuten wurden sie endlich in
systems ist, dass es wohl den Mut den b'stlichen Raum zugelassen, das
hat, neue Dinge aufzunehmen, nicht heisst so viele, als der Raum fassen
aber den Mut, alte auszumerzen. Die konnte. President Roosevelt bestieg ein
tiberbiirdung des Curriculum kommt kleines Podium und hielt einen Speech
nicht so sehr von der Einfiihrung neuer von ungefahr zwanzig Minuten. Das
Facher her, als von der Hartnackigkeit, meiste, was er sagte, war richtig und
mit der veraltete Dinge beibehalten wohl gesprochen, wenn auch etwas
werden, deren Bewaltigung nur einen seicht. Gedruckt wiirde sich seine
Verlust an Zeit und Energie bezeichnet. Rede mit der Prominenz des personli-
Lehrer aller Gattungen kb'nnen daraus chen Fiirwortes wie ein Pfosten- und
eine Lehre ziehen. Bretterzaun ausnehmen, an welchem
die Bretter herausgeschlagen wurden.
Budget der Stadt New York. Sein ,,Ich will, dass ihr dies und ich
Die Stadt New York hat im letzten will, dass ihr das tut" entlockte den
Jahre 70,793,505 Dollars fiir Erziehungs- Einsichtigen ein Lacheln iiber die
zwecke ausgegeben. Von dieser Summe harmlos -naive Art und Weise des Pra-
wurden 47,000,000 fiir die Volksschule sidenten, den koniglichen Ton anzuneh-
verwandt, 8,500,000 fiir Sekundarschu- men. Nachdem der Speech zu Ende
len und 15,000,000 fiir Colleges. Die war, wurde die Menge hinaus spediert,
Salare der Lehrer betrugen 26,500,000 und wenn irgend jemand, Dame oder
Dollars, eine Zunahme von 1,500,000 ge- Herr, einen Augenblick stehen blieb,
gen das Vorjahr. um im Vorbeigehen ein schones Ge-
malde zu bewundern, so waren die Wa-
Ein Emfang bei Roosevelt, chen schnell bereit mit ihrem im Ton
Dem ,,Western Teacher" vom Marz ent- und Stil eines Cowboy gesprochenen:
nehmen wir folgenden drastischen Ar- Get in there, get in there (Hier hin-
tikel, der wohl aus der satirischen Fe- ein!), und so wurde die Menge wohl
der des Herausgebers, S. Y. Gillan, innerhalb der gespannten Seile gehal-
stammt : ten."
,,Bei der letzten Zusammenkunft des O. B.
Monatshefte
fiir deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Padagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
labrgang IX* Mat 1908* Reft 5*
(Offiziell.)
Nationaler Deutschamerikanischer Lehrerbund.
36. Jahresversammlung.
Milwaukee, Wis., 30. Juni bis 3. Juli I908.
Aufruf.
Vom 30. Juni bis 3. Juli des Jahres wird die 36. Tagung
des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes abgehalten werden.
Milwaukee entbietet uns Gastfreundschaft und Willkommengruss. Es
ist nicht das erste Mai, dass Milwaukee unseren Versammlungen seine
Tore offnet; und wer Gelegenheit hatte. den friiheren Lehrertagen, die
dort stattfanden, beizuwohnen, wird heute noch des liebenswiirdigen
Empfanges seitens der Einwohnerschaft dieser Stadt gedenken.
Die Bedeutung der deutschamerikanischen Lehrertage wachst in
dem Masse, in dem Interesse und Begeisterung fiir unseren Beruf zu-
nehmen. Diese stehen mit jenen in steter Wechselbeziehung, so dass der
Besuch der Lehrertage einen Prufstein fiir das herrschende Berufsinte-
resse abgibt, dass aber gerade auch sie der Jungbrunnen sind, aus dem
wir wieder frische Kraft und neue Liebe zum Beruf e schopfen.
Aus dem nachstehenden Programm mogen die Mitglieder selbst
ersehen, wie der Vorstand nach Kraften beimiht gewesen ist, den Besu-
130 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
chern durch die gewonnenen Vortrage, sowie durch die Ausstellung von
Lehrmitteln und Lehrbuchern fur den modern-sprachlichen Unterricht
neue Anregung zu bieten.
Die 36. Tagung soil eine ebenbiirtige Nachfolgerin der friiheren
Tagungen des Bundes werden. Die Unterzeichneten geben daher der
zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, dass die deutschamerikanische
Lehrerschaft und die mit ihr in gleichem Streben Verbundenen der Ein-
ladung zum Besuche des Milwaukee! Lehrertages in Scharen Folge
leisten werden.
Der Vollzugsausschuss :
Max Griebsch, Prasident;
Frau Mathilde S. Grossart, Vizeprasidentin ;
Martin Schmidhofer, Schatzmeister ;
Emil Kramer, Sekretar.
5. April 1908. Anna Holigrefe, 2. Sekretarin.
Milwaukee, 15. Marz 1908.
Als beim vorjahrigen Lehrertage Milwaukee als Platz fur die 36.
Tagung des Deutschamerikanischen Lehrerbundes gewahlt und die
Nachricht von diesem Beschlusse in unserer Stadt bekannt wurde, da
machte sich sofort unter unserer deutschamerikanischen Bevolkerung der
Wunsch und das Bestreben geltend, den Besuchern des diesjahrigen Leh-
rertages in alter Weise herzliches Entgegenkommen und Willkommen
zu bieten.
Die Deutschamerikaner Milwaukees laden hiermit alle diejenigen —
Lehrer und Laien — , die fiir die Bestrebungen des Lehrerbundes Inte-
resse haben, ein, an der Tagung, die vom 30. Juni bis zum 3. Juli hier
stattfinden soil, teilzunehmen, und sie versprechen den Besuchern, alles
in ihren Kraften Stehende zu tun, ihnen den Aufenthalt in Milwaukee
so angenehm wie moglich zu machen.
Der Ortausschuss wird sich in Verbindung mit dem Vorstande be-
miihen, den 36. Lehrertag zu einem in beruflicher und geselliger Bezie-
hung erfolgreichen zu gestalten.
Der Ortsausschuss :
Leo Stern, Vorsitzer; John H. Puelicher, Schatzmeister;
Carl M. Purin, Sekretar;
Victor L. Berger, (Schriftleiter des ,,Vorwarts") ; George Brumder,
(Germania Publ. Co.) ; John Eiselmeier, (Seminarlehrer) ; Adolph
Finkler, (Vorsitzer des Seminarvorstandes) ; Henry Harnischfeger,
(Mitglied des Seminarvorstandes); Dr. Chas. L. Kissling, (Mitglied des
Schulrats) ; Aug. 8. Lindemann, (Prasident des Schulrats) ; Otto L\ie-
dicke, (Schriftleiter des ,,HeroldJ>) ; Wm. Meyer, (Direktor der luth.
Hochschule) ; Col Gustav Pabst, (Pabst Brewing Co.) ; C. G. Pearse,
Rationale? Deutschamerikanischer Lehrerbund. 131
(Supt. der offentlichen Schulen) ; Wm. L. Pieplow, (Mitglied des Schul-
rats) ; Julius Raihmann, (Vorsitzer des Vereins deutscher Lehrer) ;
Emil von SM&initz, ( Schrif tleiter der ,,Germania") ; Dr. Jos. Schnei~
der, (Mitglied des Seminar vorstandes) ; Jos. Uihlein, (Schlitz Brewing
Co.) ; Fred Vogel, Jr., (Pras. der Ersten Nationalbank und Vizeprasi-
dent des Seminarvorstandes) ; Leon Wachsner, (Direktor des Pabst-
theaters).
Programm.
Dienstag, 30. Juni.
Abends 8 Uhr: Eroffnungsversammlung, Alhambra-Theater.
Begriissung durch den Vorsitzer des Ortsausschusses und durch Ver-
treter der Stadt- und Schulbehorden.
Ansprache von Dr. C. J. Hexamer, President des Deutschamerika-
nischen Nationalbundes.
Gesange eines Kinderchores.
Offizielle Eroffnung des Lehrertages durch den Bundesprasidenten.
Mittwoch, I. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Erste Hauptversammlung.
1. Geschaf tliches : Berichte der Bundesbeamten. Verhandlungen
iiber den vom Vorstande unterbreiteten Verfassungsentwurf .
2. Vortrag: Eeformbestrebungen — Dr. A. Hoelper, High School,
New York.
3. Vortrag: Die Volksschule einer modernen Republik, eine Bil-
dungsanstalt fur praktische Idealisten — Prof. Ernst
Voss, Ph. D., Staatsuniversitat von Wisconsin, Madison.
4. Vortrag: Unsere Lehrmittelausstellung — John Eiselmeier,
Lehrerseniinar, Milwaukee.
Nachmittags %\ Uhr: Festvorstellung im Pabsttheater.
Iphigenie auf Tauris, Schauspiel von Goethe.
Nach der Vorstellung Damenkaffee im Deutschen Club.
Abends 8 Uhr: Herrenkneipe.
Donnerstag, 2. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Zweite Hauptversammlung.
1. Geschaf tliches.
2. Vortrag: Vor- und Fortbildung des Lehrers — Emil Kramer,
Public Schools, Cincinnati.
132 Monatshefte fiir deutsclie Sprache und Pddagogik.
3. Seminar- Angelegenheiten.
4. Vortrag: Psyehologische Grundlage fiir die Methoden des Un-
terrichts in den modernen Sprachen — A. Werner-
Spanhoofd, Leiter der Abt. fiir moderne Sprachen,
High Schools, Washington, D. C.
Nachmittags 2 Uhr: Besiclitigung der Lehrmittelausstellung.
Abends 5 Uhr: Festessen mit darauffolgendem Sommernachtsfest.
Freitag, 3. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Dritte Hauptversammlung.
1. Geschaftliches.
2. Vortrag: Deutsche und angelsachsische Verhaltnisse in Ame-
rika -- Prof. James Taft Hatfield, Ph. D., North-
western Univ., Evanston, 111.
4. Vortrag: Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht — Ernst
L. Wolf, High School, St. Louis.
5. Unerledigte Geschafte.
6. Beamtenwahl und Schlussverhandlungen.
Nachmittags: Ausflug nach der Soldatenheimat.
Das Hauptquartier befindet sich im Schulgebaude des Lehrersemi-
nars, woselbst auch die Versammlungen abgehalten werden.
Eine Ausstellung von Lehrmittefn und Lehrbuchern fiir den mo-
dern-sprachlichen Interricht ist fiir die Tagung vorbereitet, die in iiber-
sichtlicher Weise einen Einblick in den gegenwartigen Stand dieses
Unterrichtszweiges in Amerika, sowie in Deutschland und Frankreich
bietet. tiber 1500 Objekte sind von den Verlagshandlungen fiir die Aus-
stellung eingesandt worden. Sie sind in einem gedruckten Kataloge
iibersichtlich geordnet, der den Besuchern frei zur Verfiigung gestellt
wird. Die Ausstellung steht unter Iveitung von Seminarlehrer John
Eiselmeier.
Der Besuch der Versammlungen ist fiir jedermann frei.
Der Zutritt zu den gebotenen Unterhaltungen hangt von der Er-
werbung der Bundesmitgliedschaft ab.
Die Mitgliedschaft des Bundes kann jeder Lehrer und Erziehungs-
freund durch Zahlung des Jahresbeitrages von $2.00 erwerben.
Alumnen des Lehrerseminars. 133
Hinsichtlich der Hotelraten hat der Empfangsausschuss von den
verschiedenen Hotels die folgenden Angebote fiir die Unterbringung der
Besucher erhalten. Die angegebenen Preise verstehen sich fiir Person
und Zimmer per Tag:
Hotel Blatz, $1.00 und aufwarts; $2.25 einschliesslich Mahlzeiten.
Republican House, $1.00 und aufwarts; $2.25 einschliesslich Mahl-
zeiten.
Hotel Gilpatrick, $1.00 und aufwarts.
Plankinton House, $1.00 und aufwarts, $3.00 einschliesslich Mahl-
zeiten.
Hotel St. Charles, $2.00 fiir zwei Personen; $2.25 einschliesslich
Mahlzeiten.
Hotel Globe, $0.75 und aufwarts.
Hotel Pfister, $2.00 und aufwarts.
Auch ist der Ausschuss bereit, falls es gewunscht wird, fiir Quartiere
in Privatfamilien zu sorgen. Es ergeht an alle diejenigen, welche dem
Lehrertage beizuwohnen gesonnen sind, die Bitte, den Unterzeichneten
bis zum 20. Juni betreffs ihrer Wiinsche in Kenntnis zu setzen.
Der Vorsitzer des Empfangsausschusses :
West Division High School Carl Engelmann.
Alumnen des Lehrerseminars.
Milwaukee, April 1908.
An die Alumnen des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerseminars.
Werte Kollegen und Kolleginnen!
Der diesjahrige in Milwaukee stattfindende Lehrertag verspricht an
Fiille der geistigen sowie leiblichen Genusse alle seine Vorganger zu
iibertreffen. Wir ersuchen deshalb alle friiheren Zoglinge des Lehrer-
seminars, die Gelegenheit, ihrer Alma Mater einen Besuch abzustatten
und in unserer Mitte einige vergniigte Stunden zu verleben, nicht vorbei-
gehen zu lassen.
IJm die notigen Vorkehrungen zeitig treffen zu konnen, bitten wir
die Alumnen, den Unterzeichneten spatestens bis zum 20. Juni von ihrer
Absicht, sich an dem Lehrertage zu beteiligen, in Kenntnis zu setzen.
Also auf ein frohes Wiederschauen !
Im Auftrage des Vorstandes des Alumnenvereins von Milwaukee
zeiclmet mit herzlichem Grusse
Chas. M. Purin, Sek.,
850 Second St.
Nationales Deutschamerikanisches Lehrerseminar.
Eroffnung des neuen Jahreskursus.
Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar eroffnet Mon-
tag, den 14. Sept. 1908, den neuen Jahreskursus, den 31. seit seiner
Griindung, und ladet alle, die sich dem Lehrerberuf widmen und sich ins-
besondere zu Lehrern des Deutschen ausbilden wollen, zum Eintritt ein.
Seiner hohen Aufgabe wird das Seminar durch folgende Unstande
gerecht :
1. Es ist die einzige Anstalt in diesem Lande, die sich die zielbe-
wusste Vorbereitung ihrer Zoglinge zu Lehrern des Deutschen
an offentlichen und privateu Schulen zur Aufgabe macht.
2. Die Zoglinge erhalten neben dem Unterricht in den deutschen
Fachern eine griindliche Bildung in der englischen Sprache, so-
wie in den wissenschaftlichen und padagogischen Disziplinen, so
dass sie befahigt werden, spaterhin auch als Klassenlehrer und
in hoheren Stellungen zu wirken.
3. Der Unterricht in der deutschen Sprache geht, wie anerkannt
worden ist, in mannigfacher Beziehung iiber das hinaus, was an-
dere Erziehungsanstalten in diesem Fache zu bieten vermogen.
Die deutsche Umgebung, der tagliche Gebrauch der Sprache
tragen in hohem Grade dazu bei, den Zoglingen mit der Sprache
das ungeheure Gebiet deutscher Kulturarbeit zu eroffnen.
4. Der im Seminar herrschende Geist findet weiterhin Nahrung in
dem ausgezeichneten deutschen Theater, sowie in den zahlreichen
Gesangs- und Turnvereinen Milwaukees. So zeitigt die Studien-
zeit in dieser Stadt Eesultate, Avie sie sonst nur durch einen
mehrjahrigen Aufenthalt in Deutschland erzielt werden.
5. Die padagogische Ausbildung ist in Theorie und Praxis gleich
griindlich und ruht auf den besten deutschen Erziehungsmetho-
den. In der Deutsch-Englischen Akademie steht dem Seminar
eine Musterschule zur Verfiigung. Ausserdem haben die Zog-
linge der zweiten Normalklasse noch Gelegenheit, wahrend eines
halben Jahres probeweise an den offentlichen Schulen Milwau-
kees zu wirken.
6. Lehrmittel aller Art, ein modern ausgeriistetes physikalisches
und chemisches Laboratorium u. a. m. stehen den Schiilern zur
Verfiigung.
Nationales Deutschamerikamsches Lehrerseminar. 135
Der eigentliche Seminar- oder Normalkursus umfasst zwei Jahre.
Eintrittsbedingungen sind: Beherrschung der deutschen und englischen
Sprache im miindlichen und schriftlichen Gebrauch; Absolvierung eines
vierjahrigen High School-Kursus oder eine dieser entsprechende Vor-
bildung.
Fiir Schiller, deren sprachliche oder wissenschaftliche Ausbildung
derartige Liicken aufweist, dass sie die Arbeit des Normalkursus nicht
mit Erfolg aufnehmen konnen, sind zwei Vorbereitungsklassen ein-
gerichtet.
Der Unterricht ist kostenfrei.
Mittellose aber begabte und wiirdige Zoglinge konnen aus der An-
staltskasse Stipendienvorschiisse beziehen, die sie nach Erhaltung einer
Anstellung zuriickzuerstatten haben.
Die Deutsche Gesellschaft von Pennsylvanien (Adolph Timm —
522 W. Lehigh Ave., Philadelphia — Sekretar), der Unabhangige Biir-
gerverein von Maryland (Hermann Badenhoop — 409 Gaither Estate
Bldg., Baltimore — Sekretar) und der Zweigverein des Deutschamerika-
nischen Nationalbundes von Chicago (Carl Haerting — 912 Schiller
Bldg., Chicago — Sekretar) haben je ein Jahresstipendium fur Seminar-
zoglinge bewilligt, das von diesen Vereinen nach Ablegung eines Konkur-
renzexamens vergeben wird. Bewerbungsgesuche um ein solches Stipen-
dium sollten sofort bei den oben angegebenen Vereinssekretaren einge-
reicht werden.
Da der Bedarf an beruflich vorgebildeten Lehrern des Deutschen
von Jahr zu Jahr wachst, so diirfen die Abiturienten des Lehrerseminars
auf Grund ihrer griindlichen Vorbildung sofort nach Verlassen desselben
auf Anstellung rechnen. Gegenwartig sind alle friiheren Zoglinge des
Seminars, soweit sie noch im Lehrerberufe tatig sind, mit Stellen
versehen.
Die Anstalt lasst es sich angelegen sein, die auswartigen Zoglinge
auf Wunsch in guten deutschen Familien unterzubringen.
Die Aufnahme der neuen Zoglinge fiir den nachsten Jahreskursus
erfolgt am Samstag, dem 12. September d. J., vormittags 9 Uhr.
Zu jeder weiteren Auskunft ist der Unterzeichnete gern erbotig.
Auch steht der Katalog des Seminars frei zur Verfiigung.
Max Griebscli,
558 — 568 Broadway, Seminardirektor.
Milwaukee, Wis.
Report on the Present Status of Instruction in German
in the High Schools of Ohio.
By A. Kiefer, High School, Piqua Ohio.
NOTE.— At its twelfth annual meeting, held at Chicago, Ills., March 29 and
30, 1907, the North Central Association of Colleges and Secondary Schools ap-
pointed a committee on the definition of German units, with Professor Laurence
Fossler, of Nebraska State University, as chairman. The undersigned was re-
quested to present a report for the high schools of the State of Ohio. The whole
of this report is not given here, but only the answers to the chairman's questions
numbered one, six, and nine, viz.:
1. Do the secondary schools in your state attempt to conform to the present
requirements, or are these merely theoretical and on paper — "pigeon-holed" as
it were?
6. What criticisms, if any, have come to you
(a) as to the amount of work required, especially in the first and second
year;
(b) as to the nature and character of that work?
9. What specific modifications of the present requirements for college en-
trance examinations do you desire made?
1.
As far as I am aware in most of the high schools of the larger
cities, with competent German teachers, the courses in German are more
or less shaped according to the Report of the Committee of Twelve. I
think in all the high schools of this class the modern language is on an
equal footing with the so-called classical language.
In a few of the smaller high schools the latter language is still con-
sidered somewhat "superior" to the modern language, so that, e. g., two
years of Latin might be considered an equivalent to three years of Ger-
man. The German course in these schools will then as a rule be found
not as strongly arranged as that in other branches, partly — to state it
frankly — because the German teachers seem to be not as competent in
their branch as the other teachers are in theirs.
In another class of high schools ( — fortunately very few — ) German
is also taught, but "fraget mich nicht wie." It would be better if it
were not in the course at all. Half a year of grammar, then Goethe's
"Faust" or Schiller's "Wallenstein". Indeed German must look very
easy to such schools in comparison with Latin and Greek. To jump —
I can use no other expression — as was done in a private preparatory
school, from "Gliickauf" as first book to "Maria Stuart" makes a farce
of the study of German.
Instruction in German in the High Schools of Ohio. 137
The competency of the German teacher will make German as a
high school study just as strong a branch as the best.
I speak here of German only as a regular branch in the high school
course, and not of the German that so very many of my countrymen
desire to be taught as their native tongue in elementary and also second-
ary schools.
6, a.
Amount of Work in the Second Year.
The requirement, in reading, of 150 — 200 pages seems to be too
much, considering the fact that, in the second year above all, the texts
should also serve to impress the grammatical forms and constructions.
The more thoroughly that is done in this year, the less work is required
later on, and the greater the enjoyment of reading. A requirement of
about 100 pages seems to be sufficient.
6, b.
Readdng Matter in High School.
In the Eeport of the Committee of Twelve the opinion is expressed
that "the first and greatest value of the study of modern languages must
be looked for in the introduction of the learner to the life and
literature of the two great peoples . . . . "
The texts later on mentioned for reading matter will doubtless in-
troduce the learner into the literature of the German people, but, I am
afraid, not so much into its life. For a correct picture of the life of the
German nation can not be formed from the study of its literary produc-
tions alone, not even of the so-called classical literature written in a
milieu and spirit entirely different from that of today.
For a long number of years the classical languages were overesti-
mated by the teaching profession with regard to their educational value;
might not the modern language teachers be accused somewhat of the
same today with regard to the educational value of the classical litera-
ture? Does not the educational value attributed to some of the works
merely exist in the mind of the inspired teacher?
Looking at the texts that the boys and girls study in high schools,
one might suppose they were intended to become philologists or professors
of German literature. The details that these pupils are sometimes ex-
pected to digest are enormous: When and where and why the writer
conceived the first idea of his work — how long he buried the idea in his
breast, till he talked it over with somebody else — when he first wrote it
down — how he put it then in his writing desk for many months — took it
out again — changed it — talked it over with somebody else again —
changed it another time — and so on. Of what benefit and interest can
all such things be to a pupil ? They might to the teacher, but are tedious
138 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
to the average pupils ; for at least half of the latter do not study German
for literary culture alone. If the pupils think that German has nothing
else to offer for study than literature in the strict sense, and that the
modern Germans are still only "das Volk der Dichter und Denker", who
seem to live on literature, they are not to blame. I do not overlook the
beneficial factor in literature, inherent in any art work, i. e., the inspira-
tion for the student, derived from exercising his creative imagination in
a wide range — but is human life only fed from this source? Is litera-
ture, after all, of such importance in the life of the individual as well of
a nation, as some are prone to believe?
Considering all this the demand seems to be justified that in
the reading course of high schools the "Idealien" should not occupy such
a prominent place, almost to the exclusion of the "Realien".
The texts available of the latter are very few in comparison with the
others. About the contents of such "Realien" textbooks, it might be
stated in a very general way that, beginning even in the elementary Ger-
man, the learner should become acquainted in easy, interestingly written
German, perhaps in dialogue form, with the modern life, customs, insti-
tutions of Germany. Gradually in later years the reading should com-
prise interestingly written descriptions of events in the life of the Ger-
man people, of the life and work of some of its prominent men, of
topics pertaining to the political and social atmosphere and civilization,
of some of the achievements in the industrial world and in art in general,
not only literature.
A condition sine qua non is that such books — written or selected —
should be as interesting as possible for the pupil, avoiding the dry didac-
tic tone in description ; otherwise they cannot compete with the tales, love
stories, comedies and dramas, in holding the interest of the pupils.
Among the few books obtainable in this line I may quote: "Will-
kommen in Deutschland" by Prof. Mosher (Heath). — "Echo of Spoken
Thiergen (Ginn). — "Hoffmanns Historische Erzahlungen" (Heath). —
Thiergen (Ginn). — "Hoffmanns' Historische Erzahlungen" (Heath). —
"German Daily Life" by Kron (Newson & 'Co.). The somewhat dry
descriptive tone in this otherwise very good book is apt to lessen the
reader's interest in the long run. — "Lesebuch" by Dr. Paszkowski (Weid-
mann, Berlin). An excellent book, but above the range of high school
reading; more appropriate for college work.
With regard to the texts quoted in the Report of the Committee of
Twelve, I would exclude from the high school course :
(1) All fairy stories and tales.
(2) All overdrawn, sentimental stories, including even "Immensee"
in the first years.
Roosevelts Ansprache an die Schulsuperintendenten. 139
(3) All stories that deal with the life of — for high school pupils —
too young boys and girls.
The number of good textbooks available in elementary German is
then considerably reduced.
In Intermediate German a much larger number of excellent text-
books is at the disposal of the teacher.
In Advanced German the classical literature, especially the drama,
has the first^ place — a place that it should share with modern prose, as
we find it used in the elegant, clear-cut writings of some modern novel
writers, whose works also contain plenty of food for thought. Unfor-
tunately the sexual undercurrent in some of the best works exclude them
from the school; and the real artist does not do us the favor of writing
for the moral education of boys and girls in school age.
9.
The Eeport of the 'Committee of Twelve says the advanced pupil
should be able to read after short inspection any German literature free
from unusual textual difficulties.
I think that some, especially Eastern, college entrance examination
papers are not free from this difficulty. It does not so much consist in
the German words and constructions as in the really difficult philoso-
phical thought, thoughts that pupils of high school age cannot even grasp
in their mother tongue, not to say anything of the fine shadings in Ger-
man philosophical writings; that pupils will easily fail in translating
such passages is certain. Should not that "spook" of the difficulty of
modern languages versus classical languages be responsible for the select-
ing of such difficult passages?
On the other hand the same colleges think that the elements of a
modern — spoken! — language can be acquired in 6 — 8 weeks, to try a
successful entrance examination, something that is surely not in accord-
ance with the pedagogical views expressed in the Eeport of the Committee
of Twelve.
President Roosevelts Ansprache an die Schulsuperintendenten.*
Meine Herren und Damen! Unter all den Korperschaften, die ich hier
im Weissen Hause empfangen habe, ist keine, die einen wichtigeren Platz
einnimmt als die Ihrige. Ja, ich mochte sagen, dass bisher keine hier
gewesen ist, deren Stellung der Nation gegeniiber gleich bedeutungsvoll
gewesen ware ; sind Sie doch Manner und Frauen, die sich mit der Erzie-
* Gelegentlich des Empfanges, der im Weissen Hause zu Ehren der Schul-
superintendenten des Landes abgehalten wurde, die im Februar des Jahres in
Washington als Zweig der N. E. A. tagten, hielt President Roosevelt eine An-
sprache, deren englischer Wortlaut in der ,,Washington Post" dieser ubersetzung
zu Grunde liegt. D. R.
140 Manatshefte fur deutschc Sprache und Padagogik.
hung befassen; sind Sie doch Vertreter der von der Often tlichkeit allge-
mein gebilligten grossen amerikanischen Politik, die die Erziehung aller
Kinder als erste Pflicht erkennt, und unterhalten Sie darum doch Bezie-
hungen zur Familie, Beziehungen zur Zukunft unseres ganzen Volkes,
wie sie keine andere gleiche Anzahl von Personen unterhalten kann. Ich
selbst besitze sechs Kinder, die Sie erziehen, und ich darf darum wohl
einigen von Ihnen meine aufrichtige Teilnahme ausdriicken.
Jedoch im Ernst, Freunde, es ist grundlos, wenn irgend jemand an
der Zukunft unseres Landes verzweifeln wollte, oder wenn er liber Gebuhr
beziiglich derselben alarmiert ware, sofern er nur mit Ihnen hier und mit
den Kraften, die Sie reprasentieren, in Beriihrung kommen wollte. Im
Grunde ist unser Land in moralischer Hinsicht nicht weniger gesund als
in physischer; und soweit das Familienleben sowohl, als die nach aussen
sich offenbarenden Handlungen des einzelnen in Betracht kommen, ist
das Land besser und nicht schlimmer als es^friiher war. Das soil nicht
zum Deckmantel dafiir dienen, wenn wir es unterlassen, gegen Verderbt-
heit und Korruption in den Streit zu ziehen oder mit Nachdruck die
Machte des Ubels zu bekainpfen ; - - und diejenigen, die meine Hand
davon abzuwenden versuchten, wiirden unniitz ihre Zeit vergeuden.
Xein, gerade weil wir das Vertrauen in den endlichen Sieg des Eechten
haben, ist es der Mtihe wert, das Unrecht zu strafen. Sie, die Sie die
nachste Generation erziehen, gestalten dieses Land, wie es ein oder zwei
Jahrzehnte von jetzt sein wird; und mag daher Ihre Arbeit an der Aus-
bildung des Verstandes auch gross sein, sie kommt an Bedeutung nicht
derjenigen gleich, die Sie an der Ausbildung des Charakters tun. Vor
allem mochte ich sehen, dass unsere offentlichen Schulen Knaben und
Madchen heraussenden, die als Manner und Frauen die Biirgertugenden
der Nation vermehren helfen. Es ist meines Amtes nicht, noch liegt es
innerhalb meines Vermogens, iiber padagogische Problemc zu sprechen.
Sie selbst sind besser imstande, dieselben zu besprechen. Doch lassen
Sie mich als Laien einige Gedanken iiber Ihre Arbeit aussern.
In erster Linie hoffe ich, miser Volk wird mehr und mehr dahin
arbeiten, dass die Schulen ihre Erziehungsarbeit in der Richtung nach
der Farm und Werkstatte zu, nicht von diesen sich entfernend ausfiihren.
Wir haben in diesem Lande bisher sehr viel iiber die Wiirde der Arbeit
gesprochen, wir haben aber nicht unseren Worten gemass gehandelt ; denn
in unserer Erziehung sind wir eher in der Annahme vorwarts gegangen,
dass der Gebildete von der Arbeit weg und nicht zu ihr hin erzogen wer-
den miisse. Die grossen Nationen des Mittelalters liessen uns solch
bewundernswerte Werke der Architektur und der Kunst zuriick, weil sie
Kopf und Hand des Handwerkers gleichmassig bildeten. Nunmehr ist
es an uns, dafiir zu sorgen, dass sich an uns nicht die Wahrheit des Ge-
setzes bekunde, nach welchem ein Volk, das seine physische Gewandtheit
Roosevelts Ansprache an die Schulsuperintendenten. 141
verliert, verkiimmert. Unser Volk muss zur Einsicht kommen, dass der
gute Tischler, der gute Schmied, der gute Handwerker, sowie der gute
Farmer in der Tat die wichtigste Stelle im Lande einnehmen, und dass
es sowohl fiir sie, wie fiir die Nation von Ubel sei, wenn ihre Sohne und
Tochter eine Tatigkeit aufgeben, die, wenn sie gut und erfolgreich aus-
gefuhrt wird, mehr als irgend eine andere fiir die Gesamtheit der Nation
bedeutet. Bins wollte ich von Ihnen Ihren Schulern eingepflanzt wis-
sen, namlich, dass es vollstandig bedeutungslos ist, ob Sie das erworbene
Geld Gehalt oder Lohn nennen, und dass, falls Sie durch schwere Arbeit
mit den Handen mehr verdienen, als durch solche mit dem Kopf allein,
es keine Entschadigung bietet, den geringeren Betrag Gehalt zu nennen.
Der Ausdruck ,,Wiirde der Arbeit" schliesst in sich, dass Handarbeit
ebenso wertvoll als geistige Arbeit ist, und wer wollte daran zweifeln?
In der Tat ist die am hochsten stehende Art von Arbeit die, welche die
Fahigkeiten von Kopf und Hand, von Herz, Verstand und Korper in
Anspruch nimmt. Mut und Gewandtheit des Korpers sind notwendig;
sie stehen in gleicher Linie mit dem Verstand, und nur unter dem Cha-
rakter. Lassen Sie uns beweisen, dass wir die Stellung ernes Mannes, der
mit seinen Handen arbeitet, stets und im Ernst fiir ebenso wichtig,
ehrenvoll und wert unserer Hochachtung halten als die eines Geschafts-
oder Fachmannes. Wir brauchen in diesem Lande eine Neuregelung der
Werte, die in erster Linie gerade nur durch Sie, die hier anwesenden
Manner und Frauen, und durch Ihre Berufsgenossen im ganzen Lande
vorgenommen werden kann.
Ich mochte nicht, dass Sie einem unmoglichen Ideal das Wort
reden; denn wenn Sie dies tun, tragen Sie nur dazu bei, in Ihren Schii-
lern den Gedanken zu wecken, als seien Ideale unerreichbar. Sie wiirden
Ihnen dadurch das schlimmste aller libel zufiigen: Sie wiirden sie lehren,
Lehre und Handeln zu trennen, und das Ideal, das sie in abstraktem
Sinne bewundern, von dem praktischen Guten, dem sie nachstreben, zu
scheiden. Lehren Sie Knaben und Madchen, dass es ihre erste Aufgabe
ist, sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu erwerben; dass der Knabe dazu
bestimmt ist, der Begriinder eines Heims zu sein; dass des Madchens
letzte Bestimmung die einer Hausfrau ist; dass durch die Arbeit des
Vaters das Brot der Familie erworben wird, und durch die der Mutter
das Erworbene zusammengehalten wird; dass ihre Arbeit bei weitem die
wichtigste im Lande ist; dass die Arbeit des Staatsmannes, des Schrift-
stellers, des Industriellen und all der anderen in erster Linie durch die
Arbeit bedingt wird, die ihren Ausdruck im Familienleben findet und
die der Familie den Unterhalt verschafft. Darum lehren Sie den Kna-
ben, dass von ihm erwartet wird, dass er sich seinen eigenen Lebensunter-
halt erwirbt, dass es ihm zu Schimpf und Schande gereicht, wenn er sich
nicht seine Unabhangigkeit bewahrt und nicht fahig ist, sich in der
142 Motiatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
rauhen Wirklichkeit des Lebens zu behaupten. Lehren Sie das Madchen,
dass so wenig es ihre Pflicht sein kann, jeglicher Arbeit aus dem Wege zu
gehen, sie vielmehr ihren Stolz darin suchen sollte, eine ebenso gute
Hausfrau zu werden, als ihre Mutter vor ihr gewesen ist.
Wir sollten uns bemiihen, jeden zu lehren, dass es die erste Aufgabe
eines jeden guten Burgers ist, seine Pflichten, die ihm am nachsten lie-
gen, zu erfiillen. Aber dies entschuldigt ihn natiirlich nicht davon, auch
den anderen Pflichten nachzukommen. Es kann als keine Entschuldi-
gung gelten, dass jemand, der seine Pflichten dem Vaterlande gegeniiber
vernachlassigt, sagt, er sei ein guter Gatte und Vater, aber noch weniger
darf er Korruption im politischen und geschaftlichen Leben damit ent-
schuldigen, dass sein Familienleben ohne Makel sei. Er sollte der Recht-
lichkeit im Familienkreise, Rechtlichkeit im politischen und im offent-
lichen Leben beifiigen. Meine Ansicht ist es also nicht, dass mit der
Erfiillung der Pflichten der Familie gegeniiber Geniige getan ware; aber
sie bildet eine notwendige Grundlage, auf welcher der Oberbau, der
der Verfolgung hoherer Lebensaufgaben errichtet werden kann. Unsere
Kinder sollten zuerst angehalten werden, ihren hauslichen Verpflichtun-
gen nachzukommen, und dann sollten sie ausserdem dazu erzogen werden,
dass wir gemeinsam und in der richtigen Weise an der Erfiillung der
grossen und verantwortungsvollen Aufgabe des Ausbaues des amerikani-
schen Staatswesens teilnehmen.
M. 0.
Statistische Untersuchungen liber die Art und den Grad des Inter-
esses bei Kindern der Volksschule. So lautet der Titel einer langeren
Abhandlung in der Zeitschrift ,,Xeue Bahnen" aus der Feder von Gustav
Wiederkehr, Mannheim. Angeregt durch die Untersuchungen von Max
Lobsien-Kiel (Kinderideale) und Dr. W. Stern (Untersuchungen iiber
die Beliebtheit und Unbeliebtheit der Facher) unternahm er es festzu-
stellen, welches Interesse seine Schiiler den einzelnen Unterrichtsfachern
entgegenbringen. 500 Knaben und 500 Madchen des vierten bis achten
Schuljahres erhielten die Fragen vorgelegt, welches der Facher ihnen das
allerliebste, und welches das allerunliebste sei. Aus der
Tabelle, in der er das Resultat dieser Untersuchungen zusammenstellt
und die Facher nach dem Grade des Interesses gruppiert, ersehen wir,
dass Knaben und Madchen am starksten Turnen, in zweiter Linie Auf-
satz bevorzugen, dass sie Geographic und Sprachlehre entschieden, Schon-
schreiben und Geometric weniger scharf ablehnen. Zeichnen, auch Ge-
schichte, Deutsch, Gesang und Rechnen erfreuen sich bei den einen
grosser Yorliebe, bei den anderen ebenso grosser Abneigung. Indifferent
verhalten sich die Schiiler Religion, Naturgeschichte, Naturlehre und
Diktat gegeniiber.
Statistische Untersucliungen. 143
Diese Zusammenstellung gibt dem Verfasser alsdann zu Betrachtun-
gen Veranlassung, aus denen hier einige Satze von allgemeinem Interesse
wiedergegeben werden mogen :
,,Die Bilanz ware damit gezogen, die Abrechnung mit dem heute
herrschenden Schulsystem gemacht.
,,Fiirwahr, keineswegs ein besonders erfreuliches Ergebnis, wenn im
gesamten unter 15 Fachern nur ein einziges als ausdriicklich bevorzugt
bezeichnet wird, wahrend jeweils vier Facher als abgelehnt und indiffe-
rent aufgefiihrt werden.
,,Wer hatte gedacht, dass unsere Schiller der Mehrzahl der Unter-
richtsgegenstande kein oder nur geringes Interesse entgegenbringen, dass
sie dem taglichen Unterricht zum grossten Teil mit Widerwillen folgen.
Das lasst doch gewiss tief blicken und gibt zu ernstem Nachdenken und
strenger Selbstpriifung immerhin reiche Veranlassung.
,,Liegt es am Stoff oder an der 'Methode, sind die Schiller oder gar
die Lehrer daran schuld, das sind die Fragen, die sich einem jeden un-
willkiirlich aufdrangen.
,,Demjenigen, der sich mitten in den Irrungen und Wirrungen des
unterrichtlichen Lebens einen freien Blick und einen offenen Sinn fiir
alles Bedeutsame, Grosse, dauernd Wertvolle erhalten hat, wird die Ant-
wort sicherlich nicht schwer fallen. Er sieht sich vor die Losung eines
Eechenexempels gestellt, das nicht einfacher und elementarer gedacht
werden kann.
,,Wer ein gewisses Produkt erhalten will, muss eine ganz bestimmte
Anzahl von Faktoren, die einen ganz bestimmten, wenn auch ungleichen
Wert besitzen, aufeinanderwirken lassen. Wird einer der Faktoren in
seiner Wirkung ausgeschaltet, so ist nicht daran zu denken, dass das Pro-
dukt zu dem beabsichtigten Werte heranwachst. Das ist nun im vorlie-
genden Falle nicht anders."
Seine Ausfiihrungen schliesst der Verfasser mit folgenden Satzen,
die in scharfer Weise die Ziele der modernen im Gegensatz zur alten
Schule definieren:
,,Wir sind zum Schlusse gekommen. Aus den Ausfiihrungen geht
klar hervor, dass der Unterricht, wenn er einen innerlich anfassenden
Eindruck, ein iiber die Lernzeit hinausreichendes Interesse erzielen will,
bei alien seinen Massnahmen sich in allererster Linie mit der Personlich-
keit des Kindes, mit seinen individuellen typischen Bediirfnissen abzu-
finden hat. Er darf unter keinen Umstanden vom Stoff ausgehen als
einer massgebenden Direktive, sondern muss das Kind als individuelles
Wesen zum Ausgangs-, Mittel- und Zielpunkt aller seiner Unternehmun-
gen machen.
,,In der entschiedenen Abkehr von dem unsere Schule bis jetzt ganz
beherrschenden, wissenschaftlichen Objektivismus sehe ich darum die
144 Monatshefte fur deutsche Spraclie und Padagogik.
einzige und sicherste Gewahr fiir die fortschrittliche Entwickelung un-
seres unterrichtlichen Lebens, und in der Hinkehr zu einem kiinstleri-
schen Subjektivismus, der, den Menschen in seiner Gesamtheit auffas-
send, die individuelle Personlichkeit allein zu ihrem Rechte kommen lasst
und ihr eine pradominierende Stellung im Lehr- und Erziehungsplane
anweist, erblicke ich die wahre Renaissance der padagogischen Kunst und
die endliche Wiedergenesung des unterrichtlichen Organismus.
,,Also Materie oder Personlichkeit, Stoff oder Interesse, wissenschaft-
licher Objektivismus oder kiinstlerischer Subjektivismus -- das bedeutet
die Markscheide, wo die Geister sich trennen, wo eine alte, welke Welt
mit alien ihren Vorurteilen und Irrtiimern hinter uns in Nacht und
Graus versinkt, und wo vor unseren Blicken eine neue, bessere Welt in
schonster Klarheit und reinster Harmonic sich uns auftut. Sie ist das
Reich unserer Traume, das Land unserer Hoffnung und unserer Sehn-
sucht, das feme, im unentdeckten Meere. Nach ihm heisse ich cure Segel
suchen — und suchcn !"
Zur Arbeit im ersten Schuljahre. B c 1 a s t u n g der Kinder
im erst en Schuljahre. In der ,,Padagog. Reform" tritt
ein Lehrer fiir Entlastung der Schiller im ersten Schuljahr ein. Auf
ersten Schulta.ge an gcfordert werdon, zu viel ; sie erscbeinen als eine
Versiindigung an der kindlichen Natur. Die Notwendigkeit auch, dass
der Mensch am p]nde seines siebenten Lebensjahres Lesen gelernt haben
miisse, sei durch nichts bewiesen. Schieben wir das Lesenlernen um ein
Jabr hinaus, so dass wir erst am Endc des zweiten Schuljahres soweit
waren, wie wir jetzt am Ende des ersten sein sollen, es ware fiir eine ge-
sunde geistige Entwickelung absolut nichts verloren ; manche versprechen
sich sogar einen Gewinn davon ; denn dann hatte man auch Zeit, das, was
die Kinder an Beobachtung und Erfahrung aus den vorschulpflichtigen
Jahren mitbringen, in verniinftiger Ruhe zu verarbeiten. -- Im Fibel-
j a h r kommen die Kinder in Gefabr, seelisch zu verhungern. Wir
opfern dem ]\Ioloch ,,Lesenkonnen" eine unendlich reicbe Kraft. Im
zweiten und dritten Schuljahr bleiben die Schaden des Raubbaus ziem-
lich verborgen. Denn da gonnt uns der Lehrplan grossmiitig eine Pause.
Aber dann ! Keine Lust mehr und kein Trieb. Was in der Fibel unge-
wolltes Mittel war. die Lesekunst als bequemen Weg zu alien Lehrzielen
in die Hand zu spielen, der stumpfe Drill, er muss nun weiter sanktio-
niert werden. Eine Bankerotterkla'rung des kraftbildenden Unterrichts
voll bitterster Ironie. (S. Riittgers, Neue Bahn. 12. Zu Gansbergs
Fibel.) -- Element arunterricht in der Stadt. 1. Das
herrschende Fach der Elementarklasse ist der Anschauungsunterricht.
Schreiblesen und Rechnen treten erst im zweiten Halbjahr auf. 2. Den
Goethe uber das schone Schreiben. 145
TJnterrichtsstoff bietet das Leben der Grossstadt. 3. Der Anschauungs-
unterricht soil die produktiven Krafte der Kinderseele in Anspruch neh-
men. 4. Die Darbietung des Stoffes erfolgt in zusammenhangender Dar-
stellung, erweitert durch Schiilerbeitrage, erganzt durch Zeichnen und
Handfertigkeitsiibungen. 5. Die Wiedergabe ist eine zusammenhangende,
individuelle Ziige enthaltende. (Frl. M. Meyer, Hamburg.)
Goethe uber das schone Schreiben. Scharrelmann sagt in seinem
sehr anregenden Buchlein ,,Im Eahmen des Alltages" unter anderem:
Haufig hab ich in den letzten zehn Minuten alle Kinder auf der Tafel
schnell noch etwas ,,von Gestern" aufschreiben lassen. Jedes Kind darf
vom gestrigen Tage aufschreiben, was ihm aufschreibenswert erscheint
und gerade ins Gedachtnis kommt. Es muss schnell und infolgedessen
auch schlecht geschrieben werden. Je unschoner die Form, desto besser
der Inhalt. Wenn nur das Kind sein Geschreibsel selbst wieder lesen
kann.
Auch sonst scheint er der Schrift kerne grosse Bedeutung beizu-
messen (ebenda S. 10). Gewiss ist der Inhalt des Geschriebenen wich-
tiger als das aussere Gewand. Allein die Erziehung zu einer sauberen,
gut lesbaren, schonen Schrift ist auch eine Sache, die man nicht gering
schatzen soil. Eiri Schreibunterricht, der richtig betrieben wird, hat
•einen nicht zu unterschatzenden erizehlichen Wert.
Goethe hat in Wahrheit und Dichtung (gegen Ende des 8. Buches)
<eine Bemerkung liber eine gute Handschrift gemacht, die zum Nacli-
•denken anregen kann. Er hatte seine Briefe aus der Leipziger Zeit
durchgesehen, und hierzu aussert er sich f olgendermassen :
,,Was mir zuerst an diesen Brief en auffiel, war das Aussere; ich
erschrak vor einer unglaublichen Vernachlassigung der Handschrift, die
sich vom Oktober 1765 bis in die Halfte des folgenden Januars erstreckte.
Dann erschien aber auf einmal in der Halfte des Marzes eine ganz ge-
fasste, geordnete Hand, wie ich sie sonst bei Preisbewerbungen anzuwen-
den pflegte. Meine Verwunderung dariiber loste sich in Dank gegen den
guten Gellert auf, welcher, wie ich mich nun wohl erinnerte, uns bei den
Aufsatzen, die wir ihm einreichten, mit seinem herzlichen Tone zur hei-
ligen Pflicht machte, unsere Hand so sehr, ja mehr als unseren Stil zu
iiben. Dieses wiederholte er so oft, als ihm eine kritzliche, nachlassige
Schrift zu Gesicht kam, wobei er mehrmals ausserte, dass er sehr gern
die schone Handschrift seiner Schiller zum Hauptzweck seines Unter-
richts machen mochte, um so mehr, weil er oft genug bemerkt habe, dass
eine gute Hand einen guten Stil nach sich ziehe."
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Baltimore.
Lehrerpensionen. — Balti-
more wird demnachst zu der noch sehr
beschrankten Zahl unserer Stftdte geho-
ren, die ihrer Lehrerschaft ein Ruhege-
halt gewahren. Soeben hat die Staats-
legislatur ein diesbeziigliches Gesetz er-
lassen. Die wesentlichen Punkte des-
selben sind folgende:
Zunachst ist eine stadtische Verwal-
tungsbehorde unter dem Namen ,,Board
of Trustees of the Teachers' Retirement
Fund of Baltimore City" geschaffen
worden. Sie besteht aus sieben, und
zwar dem City Comptroller (der bei der
alljahrlichen Feststellung der Steuerra-
te das leitende Wort hat), dem Schul-
superintendent, zwei Mitgliedern des
Schulrats und drei Mitgliedern der Leh-
rerschaft, welche drei von dieser selbst
durch Stimmzettel zu erwahlen sind.
Diese Behorde steht ganz unabhangig
vom Schulrat, sie hat alleinige Voll-
macht zur Ausfiihrung dieses Gesetzes,
Erlassung von Nebengesetzen und Ver-
ordnungen, Verwaltung der Gelder, An-
stellung von Beamten u. dergl.
Wer vierzig Jahre an den offentlichen
Schulen gelehrt hat, kann, bezw. soil
in den- lebenslanglichen Ruhestand ver-
setzt werden. Das Ruhegehalt soil die
Halfte des Durchschnittsgehalts der
vorangegangenen fiinf Jahre betragen,
doch nicht ttber $600, oder unter $360
das Jahr.
Wer nach zwanzigjahriger Berufsar-
beit dienstunfahig wird, erhalt eine
jahrliche Zuweisung von eben so vielen
Vierzigsteln des vorerwahnten Ruhege-
halts, als die Zahl der Dienstjahre be-
tragt.
In den Ruhestand Versetzte konnen,
wenn fahig, und ohne weitere Vergii-
tung, zu gelegentlichen Dienstleistungen
an den Schulen herangezogen werden,
doch nicht auf mehr als funfzehn Tage
wUhrend eines Schuljahrs.
Die Mitglieder des Lehrkb'rpers haben
folgende Umlagen zu entrichten: Bis
zum 10. Dienstjahr 1% des Gehalts
(doch nicht mehr als $14.40) ; bis zum
20. Dienstjahr \\% des Gehalts (aber
nicht iiber $21.60) ; nach dem 20.Dienst-
jahr 2%, aber nicht mehr als $28.80.
Diese Gelder werden in Zwolfteln jeden
Monat vom Gehalt abgezogen.
Wer nicht mindestens so viel einbe-
zahlt hat, als die Gehaltsumme fur das
erste Jahr des Ruhestandes betragt,soll
in den ersten fiinf Jahren je ein Ftinf-
tel des Unterschieds abgezogen bekom-
men. Weitere Gelder kommen von der
Stadtkasse, wie auch von gelegentlichen
Geschenken und Vermachtnissen.
Hinfort hat der Schulrat alle Bewer-
ber um Lehrstellen, als Bedingung zu
ihrer Anstellung, zu verpflichten, den
Bestimmungen dieses Gesetzes, sowie
etwaigen Umanderungen und ZusStzen,
nachzukommen. Wer bereits dem Lehr-
korper angehort, hat die Wahl, doch
mussen solche ihren Entscheid derVer-
waltungsbehorde in tunlichster Balde
mitteilen. Die Umlagen beginnen mit.
dem Jahre 1909, Versetzungen in den
Ruhestand mit dem darauf folgenden.
Wer dem Lehrerberuf entsagt, ehe er
von den Vorteilen dieses Gesetzes Ge-
brauch machen kann, ist zur Halfte der
eingezahlten Summe, ohne Zinsen, be-
rechtigt; im Sterbefalle geht die be-
treffende Summe an den Nachlass iiber.
Die Ruhegelder konnen in keiner Weise
veraussert oder gerichtlich angetastet
werden. Das Wort ,,Pension" ist in
dem Gesetzentwurf geflissentlich ver-
mieden worden, es wird durchweg eine
Form des Ausdrucks ,,Retirement" ge-
braucht.
Das Zustandekommen dieses Gesetzes
ist dem kraftigen Vorgehen eines Hauf-
leins aus unserem Lehrerverein, unter
der furchtlosen Fiihrung von dessen
Prasidenten Chas. J. Koch, zu verdan-
ken. Es war leider klar geworden, dass
der Schulrat unter seinem bisherigen
Prasidenten blutwenig Sympathie fiir
diesen Gedanken hatte, und da wurde
denn vor den jiingsten Stadtwahlen
vom Verein ein Ausschuss fiir Entwurf
und Durchfuhrung eines entsprechenden
Gesetzes ernannt. Und er hat seine
Schuldigkeit getan. Auch der neue
Schulratsprasident hatte noch Gelegen-
heit, uns dabei seine warme Sympathie
zu beweisen. Einen Abdruck des gan-
zen Gesetzes werde ich der Bibliothek
unseres Seminars zusenden.
Vierzig Jahre waren es im ver-
gangenen Marz, dass ich hier in den
Lehrberuf eintrat. Es ware das an die-
ser Stelle kaum erwiihnenswert, doch
Korrespondenzen.
147
sind unter den Auswartigen, die mir
wS-hrend des Monats ihre Gliickwiinsche
zusandten, solche, deren Adresse mir
unbekannt ist, und denen ich hiermit
meinen Dank ausdriicken mochte. Von
den Aufmerksamkeiten in hiesiger
Stadt war besonders stimmungsvoll ein
mir von Schiilern meiner ersten Klasse
— vom Jahr 1868 — gegebenes Bankett.
Es waren darunter ein Kongressmit-
glied, Arzte, Lehrer, Prediger, Advoka-
ten und Geschaftsleute. Ich brauchte
nur die Augen zu schliessen, um diese
Manner, jetzt Vater und manche Gross-
vater, wieder als Schulknaben, meine
ersten Versuchskaninchen, vor mir zu
sehen. Und seit jener Zeit habe ich iiber
30,000 unterrichtet. — Nie ist mir die
Flucht der Zeit so machtig zum Be-
wusstsein gekommen, wie an jenem
Abend. Der englischen Lokalpresse
schien es ganz besonders zu imponieren,
dass sich die Gastgeber u. a. mit Er-
gotzen der Hiebe erinnerten, die damals
ihr unerfahrener Lehrer mit jugend-
kraf tiger Frische u nter sie austeilte.
Es seien manchmal starke Dosen gewe-
sen, aber auch von guter und dauernder
Wirkung, eine viel bessere Methode, als
die heutige, meinten sie einmiitig.
C. 0. S.
Cincinnati.
Nun muss unser Schulrat, der sich
bisher aus Wardvertretern zusammen-
setzte, doch einer kleinen Schul-
kommission Platz machen. Da
half alles Petitionieren, Protestieren
und Entsenden von Delegationen nichts.
In der letzten Sitzung unserer verflosse-
nen reformwiitigen Staatslegislatur
wurde die betreffende Vorlage in der
iiblichen Weise durchgedriickt. ,,Es war
bestimmt in der Politiker Rat, dass un-
ser alter Schulrat musst' gehen, musst'
gehen" — mochte man melancholisch
knitteln, oder aber recht kraftig
schimpfen. Das andert jedoch die Sa-
che auch nicht mehr. Jetzt heisst es
eben, sich mit Grazie in die Umgestal-
tung schicken und vor alien Dingen da-
rauf bedacht sein, dass tiichtige, er-
probte Manner, die dem deutschen Un-
terricht gewogen sind, in die neue Kom-
mission gelangen. Nach der Bestim-
mung des Gesetzes wird diese Schul-
kommission aus sieben Mitgliedern be-
stehen, die von der Biirgerschaft zu er-
wahlen sind. In den Stadten Columbus
und Dayton werden infolge dieses
Staatsgesetzes ebenfalls kleinere Schul-
behorden geschaflfen werden.
Wir nahen uns dem Schulschluss und
da werden wiederum allerhand athle-
tische ubungen, sogar das
Base-Ballspiel recht sports-
massig in unseren Volksschulen ge-
pflegt, ja es will scheinen, beinahe et-
was zu viel. Gegen Korperiibungen und
Spiele im Freien seitens unserer Schul-
jugend ist sicherlich nichts einzuwen-
den, im Gegenteil. Allein, diese Spiele
sollten nicht zu Wettstreiten zwischen
den einzelnen Schulen ausarten, wozu
naturgemass die starksten Jungen (und
das sind nicht immer die fleissigsten
und besten) ausgewahlt werden, wah-
rend die korperlich Schwachlichen da-
von ausgeschlossen sind. Diese haben
aber die tibungen und Spiele gerade am
notigsten. Also etwas weniger sports-
massige Wettstreiterei und mehr allge-
meine Turnerei, an der stets die ganze
Klasse teilnehmen kann.
E. K.
Milwaukee.
Die verschiedenen Komitees, welche
die Vorbereitungen auf den nach-
sten Lehrertag zu treffen haben,
sind samtlich ernannt und manche da-
von schon emsig beschaftigt, ihren
Pflichten nachzuikommen. Ein aus den
Schiilern der deutschen Klassen sich re-
krutierender Kinderchor wird unter
der Leitung des Prasidenten des Leh-
rerbundes, Herrn Max Griebsch, bei der
Empfangsfeier mehrere deutsche Lieder
zu Gehor bringen. Derselbe Chor wird
auch spater bei der Enthullung des
durch die deutschen Vereine unserer
Stadt geschaffenen Goethe - Schil-
ler Denkmals im Washington Park
singen.
Am 10. April sprach Prof. M. D.
L earned von der Universitat Penn-
sylvaniens unter den Auspizien desWis-
consiner Verbandes des ,,Deutschameri-
kanischen Nationalbundes" vor einer
grossen Zuhorerschaft im hiesigen
Pabsttheater in begeisternder Weise
fiber den ,,Einfluss der Deutschen auf
die amerikanische Kultur".
Sein Vortrag bot in gedrungener
Form einen tiberblick iiber die gesamte
Geschichte des Deutschamerikanertiims
und besonders dessen Beriihrungspunkte
mit dem Angloamerikanertum. Prof.
Learned zeigte an der Hand geschicht-
licher Tatsachen, welch' gewaltigen
Einfluss der deutsche Bauer auf die
Entwicklung unseres Ackerbauwesens
durch sein leuchtendes Vorbild als flei-
ssiger, umsichtiger und kluger Arbeiter
ausgeiibt hat. Er wies auf die durch
die Hansa und andere deutsche Rheder
angebahnten Handelsbeziehungen hin,
die zur Griisse unseres Landes nicht we-
148
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
nig beigetragen haben. Er betonte be-
sonders stark, was der deutsche Schul-
meister durch seine Griindlichkeit und
der deutsche Gelehrte mit seinem For-
schungsgeist fiir das amerikanische
Schulwesen geleistet haben. Die Umge-
staltung unserer Colleges in Universita-
ten, die eine freie Forschung an Stelle
der mechanischen, auf Mitteilung be-
ruhende Lehrmethode gesetzt, hat Ame-
rika einzig und allein dem deutschen
Gelehrtengeist zu verdanken, der durch
Lieber u. a. hier eingefiihrt wurde. Vor
allem ist der Deutsche auf amerikani-
schem Boden stets ein Pionier gewesen,
wenn es gait, fiir menschliche Freiheit
und Kulturfortschritt zu kampfen.
* * *
Dass unsere Schulgebaude
nicht nur 30 Stunden wochentlich an
200 Schultagen im Jahr geoffnet sein
sollten, sondern auch fiir andere Zwecke
seitens der Burger an Abenden und
wahrend der Ferien benutzt werden
sollen, ist eine Forderung, die eine hie-
sige einflussreiche Vereinigung stellt
und die auch schon bei verschiedenen
Schulratsmitgliedern Billigung findet.
Es wird geltend gemacht, dass die Biir-
gerschaft ein voiles Recht darauf hat,
die durch ihr Geld erbauten Schulhauser
auch noch fiir andere Zwecke als die
Ausbildung der Jugend zu beniitzen,
statt dieselben geschlossen zu halten.
Wenn die Empfehlungen des Text-
buchkomitees von unserem Schul-
rat gutgeheissen werden, so werden eine
ganze Anzahl veraltete Textbiicher im
nachsten Jahre durch neue, von der
Mehrzahl der Lehrer selbst vorgeschla-
gene ersetzt werden. Insbesondere sind
es die von der weitverzweigten Ameri-
can Book Company verlegten Biicher,
die man abschaffen will.
Die Agitation fiir ein Lehrerpen-
sionsgesetz hat doch schon teil-
weise Friichte getragen. Wir haben
zwar noch kein solches Gesetz -- das
erste ist bekanntlich von den Gerichten
verworfen worden — aber unser Schul-
rat hat doch einen wesentlichen Be-
standteil dieses ersten Gesetzes nun-
mehr in ErwUgung gezogen, namlich:
dass alle stadtischen Lehrer nach vier-
jahriger Probezeit auf lebensliing-
lich angestellt werden sollen !
3000 Knaben aus den oberen Klassen
unserer Elementarschulen werden sich
ung, welche unbedingt zur Hebung der
korperlichen Erziehung beitragen wird,
die unsere stadtische Jugend sehr notig
hat.
Eine Ehrung wurde Herrn
Stern, unserem Direktor des deut-
schen Unterrichts, neulich zuteil durch
dessen Ernennung zum ,,special lec-
turer" iiber Lehrmethoden im deutschen
Sprachunterricht an unserer Staatsuni-
versitat. Die Vorlesungen werden da-
her von ihm vor den angehenden Leh-
rern der Seminarklassen gelesen wer-
den. Wir entbieten Herrn Stern un-
seren herzlichsten Gliickwunsch zu sei-
ner Auszeichnung!
C. B. S.
New York.
Vor dem Verein deutscher
Lehrer von New York und
Umgegeud hielt am 4. April Prof.
J. F. Coar vom Adelphi College einen
Vortrag iiber Das Prinzip der literari-
schen Kritik. Der Redner, obwohl ge-
borener Amerikaner, bediente sich der
deutschen Sprache mit seltener Gelau-
figkeit und verstand es, eine Fiille Licht
auf diesen dunklen Gegenstand zu wer-
fen.
Es ist eine beklagenswerte Tatsache,
dass wir iiber unsere zeitgenossische Li -
teratur kein bestimmtes Urteil haben.
Dasselbe Werk wird von den einen iiber-
schwenglich gepriesen, wahrend es yon
den andern in den Staub getreten wird,
eben weil es an einem festen Prinzip in
der Beurteilung fehlt.
tiberblicken wir das Gebiet der lite-
rarischen Kritik, so finden wir, dass bis
zur Zeit Lessings das diktatische Prin-
zip der Kritik, das auf Aristoteles ba-
siert, in Geltung war. Lessing verdan-
ken wir die Einfiihrung der philosophi-
schen Kritik. Bald darnach zeigen sich
auch die Anfange der historischen Kri-
tik, welche von einem bedeutenden
Werke einen nationalen Hintergrund
verlangt. Wo keine Nation ist, kann es
demnach auch keine Literatur geben.
Nach Herder soil diese der Ausdruck
des Zeit- und Volksgeistes sein. Diese
Richtung fand ihre Hauptvertreter in
Hettner, Freytag und Riehl.
Mit Wolf kam die philologische Me-
thode auf. Dieselbe befasst sich mit
der eingehenden Untersuchung der Quel-
len, auf denen das Werk beruht. Diese
Ubungen beteiligen, die Herr Georg Shakespeare - Untersuchungen ange-
Wittich, Leiter des Turmmterrichts an wandt wurde, zahlt viele Anhanger und
den offentlichen Schulen, arrangiert hat. fand in Scherer ihren hochsten Aus-
Das Turnen im Freien ist eine Neuer- druck.
Korrespondenzen.
149
Neben ihr steht die realistische Me-
thode, die sich fragt, ob eiii Werk mit
den bestehenden Verhaltnissen und den
Erscheinungen des Alltagslebens im
Einklang oder Widerspruch steht und
darnach seinen literarischen Wert be-
misst.
In den fiinfziger Jahren trat auch die
psychologische Methode in den Vorder-
grund. Sie verfolgte die Entwickelung
eines Werkes in der Seele des Dichters
und befasste sich eingehend mit seinen
besonderen Verhaltnissen. Da hier die
literarischen Erscheinungen vom Stand-
punkte des Dichters aus beurteilt wer-
den, so fiihrt diese Art der Kritik hau-
fig zu widersprechenden Resultaten;
denn billigerweise sollte das, was der
Dichter wirklich geschaffen hat und
nicht, was er schaffen wollte, den Aus-
schlag geben.
Nebenher lief die vergleichende Me-
thode, an deren Spitze Brandes steht.
Sie fragt sich: Wie wiirde diese Idee in
einem andern Lande behandelt worden
sein? Auch sie gibt uns keinen objekti-
ven Standpunkt.
Die wichtigste Frage ist, welchen
Massstab sollen wir an zeitgenossische
Dichter anlegen? Das Studium der Ge-
schichte zeigt uns, dass jede Nation, als
Ganzes betrachtet, bewusst oder unbe-
wusst, gewisse Ziele verfolgt oder nach
der Verwirklichung bestimmter Ideen
strebt. Wer nun diese ins Dunkel ge-
hullte Sehnsucht eines Volkes, den Geist
seiner Zeit, klar erfasst und ihn in sei-
nen Werken wiederspiegelt, der ist der
grosse Dichter.
Dieser Tatsache sind sich die neue-
sten Dichter seit Sudermann nur zu
wohl bewusst. Sie forschen eifrig nach
dem Geiste der Zeit, nach dem, was das
Volk wiinscht und erstrebt, und suchen
ihm in ihren Werken Ausdruck zu ver-
leihen. Dieses bewusste Vorgehen aber
gibt ihren Werken einen gekiinstelten
Anstrich. Hingegen wird der Dichter,
der durch das Band aufrichtiger Sympa-
thie mit seinem Volke innig verkniipft
ist, diese Klippe vermeiden. Aus ihm
wird die nach Verwirklichung ringende
Sehnsucht eines Volkes ungezwungen
gleich einem frischen Quell hervorstro-
men und seinen Werken den Stempel
des wahren Genies aufdriicken.
L. H.
Vereindeutscher Spezial-
lehrerinNewYork. Sei der
Reorganisation des neusprachlichen Un-
terrichtes in den offentlichen Schulen
New Yorks im Jahre 1903 waren die
Lehrer dieser Sprachen ohne einen ei-
gentlichen L e h r p 1 a n. Unser Ver-
ein liess einen solchen durch ein Komi-
tee herstellen und unterbreitete ihn den
massgebenden Behorden; er fand je-
doch keine Gnade. Das Verlangen nach
einem Studienplane wurde aber immer
lauter, und so wurde denn Herr Assis-
tenz- Superintendent Straubenmiiller be-
auftragt, ein Zehnerkomitee zu ernen-
nen und mit ihm ans Werk zu gehen,
und das Resultat war ein Syllabus,
der gerade noch zur rechten Zeit das
Tageslicht erblickte, um mit dem Be-
ginne des neuen Termines im Februar
in Anwendung zu kommen.
Wie vielleicht den meisten Lesern der
Monatshefte bekannt ist, erstreckt sich
der fremdsprachliche Unterricht in der
Metropolis am Hudson auf die obersten
Klassen, 8A und 8B; er gehb'rt somit
unter den verschiedenen Krautern des
Schulcurriculums zu den Einjahrigen.
Der Lehrplan lautet:
Aim: The aim of the course is the
acquisition of such practical knowledge
of the German language as may be of
profit to the many pupils whose educa-
tion ends with the grammar school.
8A.
Oral: During the first weeks, all in-
struction is necessarily oral, conversa-
tions alternating with careful phonetic
drill, preliminary to reading. Conver-
sational lessons should be continued
throughout the term, topics similar to
the following being used: School and
home; daily occupations; clothing;
dressmaking; workshop; food; facts of
daily life, etc.
Reading: In addition to the conver-
sational and grammatical exercises, at
least ten pages of simple continuous
German prose should be read.
Memorizing: A number of proverbs,
idioms, and at least one short poem
should be memorized.
Grammar: Inflection of articles and
simpler demonstratives; declension of
nouns begun; present and imperfect
tenses of haben and sein; present, im-
perfect, perfect and first future tense of
the indicative mood of weak verbs.
Translation: Sentences illustrative of
the grammatical lessons should be
translated both orally and in writing.
8B.
Oral: Conversation should be based
largely on the subject matter of the
reading lessons and on topics similar to
the following: Times and seasons;
arithmetic; buying and selling; geo-
graphy and traveling; city and country
history.
Conversational exercises should also
be made on the prose selections read,
150
Monatshefte filr deutsche Sprache und Padagogik.
narrative being specially chosen for this
purpose.
Reading: About twenty pages from
a graded reader.
Memorizing: Two or three short
poems or ,,Lieder" should be memor-
ized.
Grammar: Declension of pronouns;
comparison of adjectives; present, im-
perfect, perfect and first future tenses
of the indicative of some of the more
common strong verbs; prepositions.
Translation: As in 8 A.
Diesem Lehrplan sind Erlauterungen
iiber den phonetischen Unterricht, Kon-
versation, Lesen, Diktat, Grammatik
und tibersetzen beigefiigt, welche sich
an den ,,Report of Committee of Mod-
ern Languages" und an die Werke von
Sweet, Hempl und Jesperson anlehnen.
Eine Kritik tiber den Lehrplan will
ich einer berufeneren Feder iiberlassen.
-Dass die Lehrer und Lehrerinnen geteil-
ter Meinung sind, ist selbstverstand-
lich; wahrend eine Anzahl in ihm den
langst ersehnten Messias erblicken, hort
man wiederum ,,Stimmen aus der Wii-
ste", welche ganz anderer Meinung sind.
Die Kollegen und Kolleginnen, welche
mit Herrn Straubenmiiller das Ganze
ausarbeiteten, werden sich am besten
mit dem Sprichworte trosten: ,,Wer an
den Weg baut, hat viele Meister".
Ein Gutes wird dieser Syllabus jedoch
haben: wir wissen nun, wo wir daran
sind, und der deutsche Unterricht in den
hiesigen offentlichen Schulen wird ein
einheitlicherer werden.
Auf Wunsch des Herrn Straubenmiil-
ler sollen in unseren monatlichen Sitz-
ungen einzelne Teile des Lehrplanes be-
sprochen werden, und die Wirkung die-
ses Wunsches hat sich auch bereits in
einem starkeren Besuche derselben ge-
zeigt.
In der Versammlung ftir den Monat
Februar hielt Herr Kollege Htilshof ei-
nen Vortrag iiber den Unterricht
in der Phonetik. Er zeigte
hierin, wie er seinen Schiilern den Un-
terschied von Laut und Lautzeichen
(Buchstaben) klar mache und gingdann
auf den Laut a iiber. Von den verschie-
denen Lauten fiir denselben Buchstaben
in englischen Wb'rtern ausgehend, lehrt
er den deutschen Laut zuerst an einzel-
nen Wortern, und dann iibt er densel-
ben auch in Satzen, in welchen die ein-
zelnen Worte ein a enthalten; andere
Vokale werden hierin gemieden. Herr
Hiilshof weicht hiermit von der neueren
Richtung, welche vom Satze oder zu-
sammenhangenden Stiicke ausgeht, et-
was ab; doch lasst sich seine Methode
mit der letzteren leicht in Einklang
bringen. Leider konnte wegen der vor-
geschrittenen Zeit dem gut ausgearbei-
teten Vortrag keine Diskussion mehr
angeschlossen werden, obgleich man ei-
ner Anzahl von Teilnehmern ansehen
konnte, dass sie zu einer solchen nur zu
i?erne bereit waren.
F. M.
II. Briefkasten.
Lehrertagiana.
Den freundlichen Stimmen, die mir in
den letzten fiinf Monaten von da und
dort — eine von jenseits des Ozeans —
zugekommen sind, und die, wie mir
scheint, auch die Stimmung andererKol-
legen aus unsern Kreisen andeuten,
schliesslich doch einige Worte der Kla-
rung. Wenn die Freunde meine Zeilen
im Oktoberheft genau durchlesen, wer-
den sie finden, dass selbe eine ruhige
Darlegung von Tatsachen enthalten, die
wohl fiir die Betreffenden einen Mangel
an billig zu erwartender Rtieksichtnah-
nie rfigen, aber weiter nichts. Wenn
nun in der editoriellen Erwiderung doch
mehr herausgenommen und gar eine Ab-
wehr notig befunden wurde, so kann ich
diesen Umstand nur sehr bedauern, da-
bei aber nicht annehmen, dass hier das
uralte Sprichwort ,,Wer sich entschul-
digt, klagt sich an" zur Geltung gekom-
men ist.
Ahnlich, unangebracht muss mir die
darauf folgende Mahnung erscheinen,
die Einladung hiitte offiziell iibergeben
werden miissen. Jene Einladung, die
mir keineswegs ,,in der Tasche ver-
blieb", sondern ,,in meinen Handen
war", war den leitenden Beamten von
mir personlich zur Kenntnis gebracht,
und den Lesern der Monatshefte war sie
langst bekannt gemacht worden, Alle
wussten davon. So durfte ich doch an-
nelnnen, dass man mich unter alien Um-
standen zu Gehor ziehe. Die 67 verei-
nigten deutschen Gesellschaften von
Baltimore hatten mich nicht als Bitt-
^teller gesandt.
Die am Schlusse der Erwiderung aus-
gesprochene Erwartung, dass ich nun
eine grosse Anzahl zur Tagung im We-
Urns cli au.
151
sten ziehen konne, ist doch wohl nicht
berechtigt. Wir batten zwei Jahre lang
eine hiesige Tagung besprochen, durch
personliche Besuche hatte ich Manner
von Washington bis Boston dafiir ge-
wonnen, ein besonderer Verein war eben
gegriindet worden, Einzelquartiere fur
weibliche und Massenquartiere fiir
mannliche Gaste wurden vorgesehen, je
ein Tag fiir Washington und Annapolis
und ein Bankett auf einem deutschen
Dampfer waren schon im ' Programm
vorgemerkt worden, das notige Geld war
auch vorhanden — und all das, womit
wir unsere Gaste iiberraschen und die
Tagung besonders anziehend und fiir
Lehrerbund und Seminar erfolgreich
machen wollten, war nun vergeblich
eingeleitet. Und fiir die nicht unerheb-
lichen und opferwilligen Miiheleistungen
noch nicht die Hoflichkeitsform eines
Dankes. Da werde ich in meinen Krei-
sen mit Liebeswerberei eine Zeit lang
warten miissen.
Doch ich weiss den Unbedachtsamkei-
ten in der menschlichen NaturRechnung
zu tragen, wenn ich auch bisweilen
nicht saume, sie zu riigen. Und dann
ist das menschliche Leben zu kurz, die
gute Sache ist mir zu lieb, und meine
Kollegen 'sind mir allesamt zu wert, als
dass ich einer Verstimmung lange Raum
geben konnte. Nur selbstloses, einmii-
tiges Zusammenwirken kann uns zuEr-
rungenschaften fiihren, das miissen wir
alle mit bestem Willen betatigen. Der
mit dem neuen Verfassungsentwurf be-
traute Ausschuss wird das gewiss in je-
der Weise zu fordern verstehen.
Den Freunden wird nun meine Auffas-
sung klar sein. Und die New Yorker,
von denen mir schon vorletztes Jahr ge-
sagt wurde, wir haben ihnen durch die
angekiindigte Einladung den Wind aus
den Segeln genommen, haben jetzt Ge-
legenheit, eine solche ergehen zu lassen.
Die Bahn ist frei.*)
C. 0. Schonrich, Baltimore.
*) Freund Schonrich ist grausam, uns
den Mund durch Aufzahlung der Geniis-
se, die uns in Baltimore geboten werden
sollten, wasserig zu machen und sie uns
gleichzeitig in unerreichbare Ferae zu
riicken. Der einzige Trost ist, dass sein
Schreiben bereits soviel Verzeihung
atmet, dass wir auf baldige voile Ab-
solution hoffen diirfen. Im iibrigen sind
wir Milwaukeer nach den obigen Anfiih-
rungen nicht mehr die Angegriffe-
nen; vielmehr fallt der Vorwurf ftir die
Missachtung der Baltimorer Einladung
auf die letztjahrige Leitung des Lehrer-
tags, und wir iiberlassen es dieser sich
herauszubeissen. Doch wir legen es
Freund Schonrich nochmals ans Herz,
seinen weitgehenden Einfluss zu Gun-
sten des kommenden Milwauikeer Leh-
rertages aufzuwenden, und mit einer
grossen Delegation deut-
scherLehrer vonBaltimore
in Milwaukee anzutreten.
D. R.
III. Umschau.
Seminarnachrichten.
Der Schluss des Jahreskur-
s u s fiir das Lehrerseminar ist auf Frei-
tag den 26. Juni festgesetzt. Die
schriftlichen Priifungen beginnen am
18. Mai und nehmen rfiinf Tage in An-
spruch. Priif ungsgegenstande sind :
Deutscher und englischer Aufsatz,
deutsche Grammatik, englische Gram-
matik und Weltgeschichte. Die miind-
lichen Priifungen finden in den Tagen
vom 24.— 26. Juni statt. Die Deutsch-
Englische Akademie schliesst am 25.
Juni; als Besuchstage sind der 22. und
23. Juni bestimmt. Die regelmassige
Versammlung des Verwaltungsrates des
Lehrerseminars findet Montag den 29.
Juni, die Generalversammlung Dienstag
den 30. Juni 9 Uhr vormittags im Se-
minargebaude statt.
Von dem Vereine Unabhan-
giger Burger von Maryland
(Independent Citizens' Union of Mary-
land) wurde in der Versammlung vom
Januar der Beschluss gefasst, einen
jahrlichen Betrag von $250 zu bewilli-
gen, urn einem jungen Mann oder Mad-
chen aus Baltimore die Ausbildung im
Lehrerseminar zu ermoglichen. Die
Herren Ernst Schmeisser, John Hinrichs
und Frederick Gottlieb wurden als Ko-
mitee ernannt, um einen passenden
Schiiler auszusuchen. Es ist dies das
dritte Stipendium, welches in hochher-
ziger und nachahmungswurdiger Weise
bewilligt wurde, um dem Seminar pas-
sendes Schiilermaterial zuzufiihren.
Die Primarschulen in
Frankreich. Wie in f riiheren Jah-
ren, so wurde uns auch in diesem Jahre
152 Monatshefte fur deutsclie Sprache und Pddagogik.
von der Buchhandlung Armand Colin in sammlung der Social Education Con-
Paris das Jahrbuch fiir den Primarun- ference in Boston sprach Dr. Julius
terricht in Frankreich (Annuaire de Sachs iiber die ,,intellektuellen Riick-
Penseignement primaire, 1908) frev.fd- wirkungen der Koedukation". Er sagte
lichst zugesandt. Dasselbe enthalt ein unter anderem folgendes: ,,Im ganzen
reiches Material statistischer und ad- Erziehungsfelde hat man sich zu skla-
ministrativer Natur, sowie eine Reihe visch dem Lehrsatze unterworfen, dass
von Aufsatzen. Einer derselben betitelt das, was ftir Knaben und junge Manner
sich ,,Ein Buch, von dem man keinen passe ,auch fiir Madchen von Wert sein
Gebrauch macht." (Un livre dont on miisse; als ob es nicht weite Gebiete des
n'use gu£re). Es ist damit das Worter- sozialen Lebens gabe, wo Frauen, sei es
buch gemeint, welches zwar einen Platz in der Kunst und Wissenschaft des
in den franzosischen Schulen findet, Haushaltes oder in wissenschaftlicher
dessen Gebrauch aber, wenn auch nicht Philanthropic ihre intellektuellen Kraf-
verboten, so doch sehr eingeschrankt ist. te im Interesse des eigenen Geschlechtes
Der Verfasser, ein Schulinspektor, illus- betatigen konnen.
triert dieses Verhaltnis in drastischer Koedukation in den Mittelschulen
Weise. Er kommt in eine Schule, wo diimpft den Eifer der Knaben und ist
gerade Rechtschreiben abgehalten wird. der physischen Wohlfahrt vieler Mad-
Xach der Beendigung des Diktats sagt chen von Nachteil. Trotz aller Proteste
der Lehrer, wie gewohnlich, zu den ihrer Anhanger, wird die Koedukation
Schiilern: .,Ihr habt nun fiinf Minuten vom streng medizinischen Standpunkte
Zeit, das Geschriebene durchzulesen und verurteilt.
7.\\ verbessern." Auf den Pulten dor Es ware wiinschenswert, einmal mit
Kinder bemerkt der Inspektor franzo- der Ansicht zu brechen, dass alle aufge-
sische Worterbiicher. Er ist iiberrascht, weckten und ehrgeizigen Madchen Leh-
dass kein Schiiler von demselben Ge- rerinnen werden miissen. Frauenerzie-
brauch macht, um die zweifelhafte hung ware wahrhaftig eng begrenzt,
Schreibung eines Wortes festzustellen. wenn die beruflich ausgebildete Lehrerin
Er wendet sich an den Lehrer: ,,Sagen ihr einziges Produkt ist. Die zahlreichen
Sie mir einmal, lieber Herr: ich sehe, Gelegenheiten fiir soziale und okonomi-
dass eine grosse Zahl Ihrer Schiiler mit sche Wirksamkeit verlangen eine Reor-
Worterbdchern versehen ist; das ist ganisation in der Madchenerziehung mit
sehr schon; aber es scheint mir, dass dem bestjindigen Hinblick auf ihre na-
sie keinen Nutzen daraus ziehen; sie tiirlichen Vorziige und Gebrechen.
riihren dieselben ia gar nicht an." —
.,0 nein, Herr Inspektor." - ,,Und wa- , Dcit81?hl^?d* fli. Erzieher
rum?" - ,,Das ist ihnen |a verboten." df r Wei t. Robert J. Thompson, ame-
Verboten!" - ,,Gewiss sonst wiir- Fikan.ischer ^o.n^ul 1T1 Hannover, spricht
den sie ja keine Fehler machen." m seinem offiziellen Benchte die Ansicht
Tableau ans' einer (^er sichersten yBeweise fur die
'
liber den Rfickgang der franzosischen 171 , 1 ll
Sprache in Agvpten schreibt das Jahr- ( en ™tern der Erde sei die Nachfrage
buch folge.ules: Der Unterricht im de.9 Auslandes nach Werken ihrer Lite-
FranzosiBchen ist zwar in den agypti- rftllr' lh«?n technischen Studienwerken,
schen Schulen nicht abgeschafft, aber l1!^" wissenschaftlichen Forschungen,
wie sich erwarten liess, hat die engli- ^ht ^ezug dar auf fiihrt er die folgen-
sche Okkupation sein Fortschreiten ver- (le" statistischen Zahlen uber den deut-
hindert. Seit 1808 hat die Zahl der El- ?^n ExPortbuJ ^"^ «": Im Jahre
tern, die ihren Kindern englischen Un- ™°< w™len 12 731,000 Kilogramm an
terricht erteilen lassen, so zugenommen, ^ucher" <J kll° f= 2;2 Pfund) von
dass die franzosischen Abteilungen in Deutschland ausgefiihrt. 5,946,300 da-
den Primarschulen beinahe verschwun- von .^nf?en nach Osterreich, 1,755,200
den sind und in den Sekundarschulen liach (ler Schweiz, 1,055,700 nach dem
von Tag zu Tag abnehmen. Im ver- enropiiischen Russland, 1,007,900 nach
gangenen Jahre studierten in den ver- den Vereinigten Staaten, 639,600 nach
schiedenen Lyctes und Colleges (Mittel- Frankreich, 527,500 nach den Niederlan-
schulen) 90% das Englische und nur den, 384,100 nach England, 206,200 nach
3% das Franzosische. Wo ist die Zeit, Schweden, 171,400 nach Diinemark. Da-
da die agyptische Regierung ihre bes- zu kommen noch 50 Prozent des oben-
ten Lehrer nach Frankreich in die genannten Gewichtes, welche durch die
Schule von Saint Cloud entsendete? Post befordert wurden, so dass sich das
Eine amerikanische Stimme Gesamtgewicht auf 19,096,650 Kilos
iiber Koedukation. In einer Ver- (42,100,475 Pfund) erhoht. Der anna-
Umschau.
153
hernde Wert betragt 75,000,000 Mark
(nahezu 18,000,000 Dollars).
Koedukation in deutscher
Beleuchtung. tiber die Auf nahme
von Madchen in Knabengymnasien
bringt Dr. Gertrud Baumer im ,,Tag"
einen Artikel, dem wir folgende bemer-
kenswerten Stellen entnehmen:
,,Ein sehr viel gewichtigeres Beden-
ken gegen den gemeinsamen Unterricht
als das sittliche ist das psychologische.
Es ist keine Frage, dass der Rhythmus
der geistigen Entwicklung so gut wie
der korperlichen bei Knaben und Mad-
chen durchschnittlich verschieden ist:
das Madchen ist zu einer Zeit scho-
nungsbediirftig und weniger leistungs-
fahig, zu der der Knabe durchaus keiner
besonderen Scheming bedarf . Das, Mad-
chen entwickelt sich in einem Alter,
namlich etwa mit 15 und 16 Jahren,
sehr rasch, in dem der Knabe langsamer
reift. Nun liegt ja natiirlich diese Ver-
schiedenheit zum Teil mit an der Erzie-
hung. Das Madchen wird bei uns zu
einer Zeit schon als halbe Dame behan-
delt, wo der Knabe noch vollstandig
Junge ist, und es ware sehr wohl mog-
lich und recht gesund, wollte man un-
seren jungen Madchen die Kindlichkeit
noch etwas langer erhalten — selbst auf
Kosten von Grazie und gesittetem Be-
nehmen — und den hochst unsympathi-
schen Typus der innerlich kindischen
und unreifen, aber ausserlich fertigen
jungen Dame bekampfen, statt ihn
durch alle Mittel spezifisch ,,weiblicher"
Bildung zu kultivieren. Trotzdem aber
werden gewisse Unterschiede bleiben.
Bei geistig und korperlich kraftigen
Kindern wird es nichts ausmachen,
wenn im Unterricht auf diese Verschie-
denheit . keine Riicksicht genommen
wird. Kraftigen Madchen schadet es
gar nichts, wenn sie sich auch im Alter
von 12 bis 13 Jahren geistig ordentlich
anstrengen miissen."
,,Aber freilich wird es immer sowohl
Knaben als besonders Madchen, geben,
die sich fur den gemeinsamen Unter-
richt nicht gut eignen, und fur die bes-
ser eine getrennte Bildung eintritt.
Madchen, die schwachlich und vielleicht
angstlich und schuchtern sind, wird
man dem Experiment des gemeinsamen
Unterrichts nicht aussetzen, und es wird
deshalb, wie das ja auch die Erfahrun-
gen des Auslandes zeigen, daneben im-
mer noch ein Bediirfnis fur getrennte
Schulen bestehen bleiben. Wir in Preus-
sen wiirden im Augenblick ganz zufrie-
den sein, wenn die Knabenschulen den
Madchen unter den folgenden Bedingun-
gen geoffnet wiirden: 1. uberall da, wo
keine vollwertigen Madchenschulen,
bezw. Studienanstalten bestehen oder
gegrundet werden konnen; 2. unter der
Bedingung, dass Direktoren und Lehrer-
kollegium der betreffenden Knabenschu-
len zustimmen; 3. mit der Einschran-
kung, die man auch in Baden gemacht
hat und in Sachsen machen wollte: dass
namlich nur gut befahigte Madchen auf-
genommen werden, und dass der Direk-
tor die Berechtigung bekommt, diejeni-
gen Madchen von der Schule auszu-
schliessen, die das Klassenziel nicht in
normaler Weise in einem Jahr erreichen.
Denn unter alien Umstanden miissen
wir verhindern, dass unsere hoheren
Lehranstalten noch mehr als bisher mit
ungeeignetem Schiilermaterial belastet
und in ihrem Niveau herabgedriickt
werden."
Die Lehrernervositat und
ih re Ursachen. Privotdozent Dr.
W. Schuster-Berlin schreibt in seiuem
Buche ,,Das Nervensystem und die
Schadlichkeiten des taglichen Lebens"
(,,Wissenschaft und Bildung", Band 19,
Quelle und Meyer, Leipzig) : ,}Z\i den
ganz besonders gefahrdeten Berufen ge-
hort der Lehrer- und Lehrerinnenberuf.
Untersuchungen, welche ein Arzt, Dr.
Wichmann, vor einer Reihe von Jahren
angestellt hat, ergaben in dieser Bezie-
hung folgendes: Von 305 Lehrern zeig-
ten sich bei der Untersuchung 177 erb-
lich nervos belastet. Von diesen 177
blieben in der Folgezeit wahrend der
Ausiibung ihres Beruifes nur 25 gesund.
Schliesslich waren unter 259 kranken
Lehrern und 540 kranken Lehrerinnen
je 68 v. H. nervenkrank. Diese Zahlen
beweisen mehr als alles andere den au-
sserordentlich hohen Prozentsatz, wel-
chen die Lehrer und Lehrerinnen zu den
Nervenkranken stellen. Eine Klasse der
Lehrer ubertrifft nach meinen Erfahrun-
gen inbezug auf die Haufigkeit der ner-
vosen Erkrankungen dabei alle ande-
ren Klassen, namlich die der Musikleh-
rer und Musiklehrerinnen. Das kommt
vielleicht daher, weil die Musiklehren-
den viel mehr und viel haufiger als die
anderen Gattungen von Lehrern und
Lehrerinnen einem ganz besonderen Be-
gabungsmangel in ihrem Unterrichts -
fach bei ihren Schiilern gegeniiberste-
hen. Vielleicht riihrt es aber auch da-
her, dass sich unter den Musiklehrern,
wie unter alien kiinstlerisch besonders
veranlagten Menschen, 'ein besonders
grosser Prozentsatz nervos Pradestinier-
ter befindet. Als das alien Lehrberufen
gemeinsame schadigende geistige Mo-
ment ist wohl die standige und andau-
ernde Geduldserzwingung, welche unter
154
Monatshefte filr deutsclie Sprache und Padagogik.
Zurfickdammung des eigenen Tempera-
ments und Naturells geschehen muss,
anzusehen. Der Lehrer muss fortwah-
rend mit sich kampfen und muss bei
dem immer wieder vnd immer wieder
noti«r werdOTiden Verhepsern. die auf-
^eigendA TTnprp/?nld mit Verminftnrnn-
dAn und mit fjhprlejruTK? unterdnWen.
7wpifellos spiel^n aber in ^wissen
f ^»Tj|-}>rtri'"fpTi oiiph noph nndpre "^fom^nte
einp Poll?: Pek^^'Hre ^orp'pn. FqTr-'Hpn-
cnrrrrm. POW1P Schl^^pli^h allp <^ip TTn711-
tr?i<*liVhkpifpn. w^lphe dnrch dip Abh'rin-
jn^keit der Stellnng d«q T/phrers von
coino^- vorgesetzten Behorde gesreben
Rind."
ols
T>i<
den
T^-*>vo
T o"
dip cpThof so
^ V»of «i>»iorf»
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i*1qnn4. Vovlqnoron
IM pr coTKcf CT> p
foVf. Dip TTnltmr*
dn-
"Hip "RTindpr rn«««°n f^r dpi!
so sitzeri. di:i«s 'er iedes einzelne
in jedem Augenblick sieht. Jedenfalls
muss der Lehrer jeden Schiller mog-
lichst ganz, mindestens aber bis zum
Rockanfang unter dem Halse sehen, da-
mit er die Halsmuskeln betrachten
kann, die mit den Armen in Verbindung
stehen und jede Armbewegung verra-
ten Ware 'es da nicht besser, man
nehme, wie zur Zeit Friedrich Wilhelms
T. und des Alten Fritzen, ausgediente
Unteroffiziere als Volksschullehrer ?
Vom Volksschulwesen
in Holland. Aller offentliche Un-
terricht ist in den Niederlanden schon
seit 1801 allgemein christlich, aber
nicht konfessionell. In den vom Staate
und den Gemeinden errichteten Volks-
schulen ist daher Religion kein Lehr-
fach, der Religionsunterricht darf vom
Lehrer iiberhaupt nicht erteilt werden.
Diese Bestimmungen haben schon seit
langem die Veranlassung gegeben, dass
neben den offentlichen Schulen private
1 meist von Vereinen begriindet wurden.
1 Diese Privatschulen haben im Laufe
• der Zeit voile Gleichberechtigung mit
' den offentlichen Schulen erlangt, erhiel-
' ten sogar vom Staat regelmassige Zu-
1 schiisse. Dadurch wurde die Griindung
h von immer mehr konf essionellen Privat-
1 schulen sehr erleichtert. so dass heute
in sehr vielen kleinen Gemeinden schon
drei Volksschulen nebeneinander beste-
hen, eine offentliche, eine kathohsche
und eine protestantische.
Die Schulpflicht beginnt mit dem 7.
Lebensjahre und dauert 6 Jahre. Die
Volksschule ist der gemeinsame Unter-
bau fiir die hoheren Schulen. Oft ist
damit auch ein allgemeiner tFortbil-
duno-sunterricht verbunden, dessen J
such aber ein freiwilliger ist.
so
lpTi in 7i"nVh
a VAT, 400—1900
^7Piti<r wimle einp
T)ier.sti.
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17—00 10*0
21 ff. 1200
anfwstellt, die insofern um
ist. als pie zpi<rt. *»**
rl dnp Anfanorpaphalt der T^hrer i" Zflrwh
. hoher bemessen ist als in den Verier.
. ten Rta.fl.ten. Die Gehaltsskala laute'
.. wie folgt:
Oehalt-?
4000
41*0
4400
5000
Zulage
?00 Fr
300 "
370 "
595 "
600 "
9000 3*00 F
3000 3^00
3975 3^7*
4OOO
497*
3800 4400
0. B.
IV. Vermischtes.
Goethes Garten. Die deutschen Pfeil erreichte nur eine sehr massige
Vereine zur Erhaltung von Naturdenk- Mohe nnd senkte sich wieder zur Erde.
malern haben jetzt eine nicht imwich- ,,Noch einmal!" sagte Goethe. Er zielte
tige Aufgabe zu losen: Von Goethes jetzt in horizontaler Richtung den san-
Garten in Weimar ist ein Stuck ver- digen Gartenweg hinab. Der Pfeil hielt
kauft worden. Graf Henckel v. Donners- sich etwa dreissig Schritte ziemlich gut,
marck hat dem Grossherzog Karl Alex- dann senkte er sich und schwirrte am
ander des Dichters Gartenhaus, das in Boden hin. Der Freund gedachte der
der schonen Literatur einen Ehrenplatz Verse:
einnimmt, und das dazu gehori.sre Area! Lasst rnich das Alter im Stich?
gesehenkt und einen Teil der Bauman- Bin ich wieder ein Kind?
lagen behalten. Dieser ist an den Brauer Goethes Gartenhauschen steht seit
Deinhard fur 56rOOO Mark veraussert Jahren nicht mehr inmitten der Baume
worden. Die Ansicht, Ja die Hoffnung, Goethes. Das wachsende Weimar hat
dass der Herr Stadtbrauereibesitzer sich in diese Dichteridylle hineinge-
hier Bier ausschenken und den Garten drangt, und man sieht in nicht allzu
erhalten werde. ist eine vage und trii- Dosser Feme prosaische Hauser und
gerische; die Baume, welche Goethe ge- Villen, deren Bewohner zum Morgen-
pflanzt hat, 'sollen ausgerottet werden kaffee den Anblick des Heiligtums ge-
iind einer Villenanlage Platz machen. niessen. Nunmehr soil auch der Park
Der nicht allzugrosse Garten war mit zerstort werden. Die deutschen Vereine
Kunst und Sorgfalt angelegt; die be- zur Erhaltung von Naturdenkmalern
kannte Ansicht fiber eine grosse Wiese miissen sich beeilen, sonst wird es wohl
hin hatte den Charakter von Szenerien zu spat sein. Und es mitsste sich in
aus alten fiirstlichen Parks; man hatte aller Eile ein Verein zur Erhaltung von
den Eindruck, als ware man in der Nahe Literaturdenkmalern konstituieren, und
eines Waldes, der stundenweit reicht. Geld in die Hand nehmen, um diesen
,,Man fiihlt sich" - schreibt Ecker- griineii Rahmen zu einem Hauptstiick
mann — .,in den Frieden tiefer Natur- der deutschen Dichtung zu erhalten, zu
einsamkeit versetzt, denn die grosse retten. Es darf nicht der Winter ver-
Stille ist oft durch nichts unterbrochen gehen. ohne dass Goethes Wort von sei-
als durch die einsamen Tone der Amsel nem Garten sich erfiillt: ,,Ein warmer
oder durch den pausenweise abwechseln- Gewitterregen, wie der Abend es ver-
den Gesani? einer Walddrossel. . . ." Und spricht, und der Friihling wird in der
Goethe selbst lobte im Jahre 1824. wie ganzen Pracht und Fiille abermals wie-
sein alternder Faust, das Geschaffene; der da sein."
er habe die Baume vor vierzicr Jahren Der .erledigte S t o r ch. Wir
eigenhandis: gepflanzt; er habe die befanden uns so erzahlt ein Leser der
Freude aehabt, sie heranwachsen zu se- Frkf Ztg.«, mit unserem kleinen Mad-
hen, Tmd gemesse nun schon seit Derail- chen in e'inem Tiero-arten. ,,Nun", frag-
mer Zeit die Erquickung ^ ihres Schat- te id wag igt dag fiir ein Vo^el? der
tens. Er sitze hier ,im Schatten e dort mit dem , n Schnabel?«
r Baume an warmen Sommer- ^Tch weigg nicht« antwortete zogernd
nach Tische wo dann nuf diesen d-e Rleine Dag igt ein storch!« sagte
Wiesen und auf dem -anzen Park um- . } Ab pa eg ibt . keinen
her oft eine Stille herrsche, von der die g^orcbj«
Alten aesagt hatten, dass Pan schlafe. ' ^T
Eine der kostbaren und riihrenden Re- . ^ } \CT * f m, U "w'-f t J^
miniszenzen, von welchen Goethes Ban- l^ ein Monolog? - Fritzchen : Wenn
me rauschen und erzahlen, sei festgehal- «n^ mit sich allem spricht - Lehrer:
ten. Eine Baschkirenhauutling hatte Und ^ie nennt _man el"e Unterhaltung
ihm im Jahre 1814 einen Bogen verehrt. jwischen zwei Personen? -- Fritzchen:
Mit diesem ffihrte der Altmeister Ein Rendezvous.
Schiessiibun<?en aus. Sein Freund und Die r e i f e r e J u g e n d. Der Schul-
Privntsekretar berichtet: Goethe schob inspektor 'eines niederlandischen Kreises
die Kerbe des Pfeiles in die Sehne, auch empfing folgendes Schreiben: ,,In Ant-
fasste er den Bo^en rlchtig. Er stand wort auf Ihr Schreiben, in welchem Sie
da wie der A poll, mit unverwiistlicher mich auffordern, meine Tochter unver-
innerer Jugend, doch alt an Korper. Der ziiglich zur Schule zu senden, teile ich
seiner
156
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Ihnen mit, dass dieselbe innerhalb acht
Tagen in den Stand der heiligen Ehe
treten wird; ihr zukiinf tiger Gatte 1st
absolut nicht damit einverstanden, dass
sie nochmals zur Schule geht, da sie ta-
dellos Hollandisch, Deutsch, Franzosisch
und Englisch spricht, und auch musika-
lisch gebildet ist. Die Haushaltung
fiihrt sie gleichfalls vorziiglich. Ich, als
Vater, protestiere ebenfalls gegen den
Schulbesuch, obgleich sie bereits selb-
standig Beschliisse fassen kann, denn
sie ist langst miindig und eben ins 30.
Lebensjahr eingetreten." Die Schuld an
dieser komischen Auseinandersetzung
trug der kurzsichtige Gemeindesekretar,
der als Geburtsjahr der Dame 1897 an-
statt 1877 gelesen hatte.
Entweder — oder. Der kleine
Dick kleidet sich zum erstenmal allein
an und sollte dann mit seiner Mutter
einen Besuch machen. Als er sich Hut
und Mantel angezogen hatte, rief er zu
seiner Mutter hinunter: ,,Mutter, soil
ich mir nun die Hiinde waschen oder
Handschuhe anziehen ?"
Kathederbliiten. Zur Feier
des 75jahrigen Jubilaums eines Berlin |r
Realgymnasiums gab der Festausschuss
ein Heftchen ,,Schiilererinnerungen"
heraus, dem wir einige heitere Kathe-
derbliiten entnehmen: Die Sachsen
inussten alle ihre Hiiupter ausliefern,
und diese liess Karl der Grosse hinrich-
ten. — Alle diese Volker haben ihre
uberreste in Spanien zuriickgelassen,
und daraus entstand das Volk der Spa-
nier. — Friiher kannte man die Pensio-
nierung nicht. Alle Offiziere, die sich
unter Friedrich dem Grossen hatten tot-
schiessen lassen, bekamen keinen Pfen-
nig. — Wir nnden in dieser Periode ne-
ben den Seetieren schon Wassertiere. —
Um Tacitus' Sprache zu verstehen,
muss man zwischen den Zeilen lesen.
- Professor H. verzehrte zum Frtih-
stiick jeden Morgen eine sehr dick mit
Schinken belegte Schrippe. Eines Mor-
gens vertauschte sie ein Schiller gegen
seine trockene Schrippe. Professor H.
packt sie aus, schlagt mit der Faust
auf den Tisch und ruft: ,,Nu, is denn
meine Olle verrttckt jeworden?"
Der hofliche Herr Schulrat.
In einer nassauischen Dorfschule hielt
der Herr Schulrat Revision, wobei er
den Lehrer ermahnte, die Kinder mehr
zur Hoflichkeit zu erziehen. So sei es
geziemend und recht, dass sie den Ant-
worten die Schlussformel anftigten:
,,Herr Schulrat". Da nun der Schulrat
am folgenden Tage die Schule eines
Nachbardorfes besuchte, machte der ge-
tadelte Lehrer seinen Kollegen darauf
aufmerksam, er tue gut, vor Ankunft
des Schulrats seine Kinder entsprechend
zu instruieren. Das geschah. Der Schul-
rat kommt und revidiert, und prompt
erfolgt jedesmal als Refrain: ,,Herr
Schulrat". Da kommt die Geschichte
vom Siindenfall daran. Er fragt: ,,Mit
welchen Strafworten wandte sich Gott
an Adam?" Die Antwort folgt: ,,Die
Erde sei verflucht um deinetwillen,
Herr Schulrat." Um den nieder-
schmetternden Eindruck der Ant-
wort zu verwischen, fragt der Ge-
strenge flugs: ,,Was sprach Gott zur
Schlange?" ,,Auf deinem Bauche sollst
du kriechen, Herr Schulrat." Schnell
winkt der Schulrat ab und wendet sich
zu einem anderen Schiller, dass er . die
Strafworte vollende. Dieser antwortet:
,,Du sollst Staub fressen dein Leben
lang, Herr Schulrat." Dem Schulrat
grauste es ob solcher Hoflichkeit und
eiligst suchte er das Weite.
Folgenden Brief erhielt der
Rektor eines hannoverschenStadtchens:
An Ewigen hochwohlgebor Herrn Rek-
tor St. Hochgeertester Ewiger HerrRek-
tor! Hiermit muss ich Sie zu wissen
tun, dass mein Sohn August sich soil
nicht ausschnauben, sondern im Ta-
schentuch. Dises hat Herr Lehrer B. be-
fohlen, wo ich doch nich* in den Kraften
stehe das ich meinen Sohn daglich ei-
nen reinen Duch geben kann. Ich ging
zu Herr B. und kam ihn freudig entge-
gen da warf er mir die trepe herunter
ich sagte da konte ich alleine herunter
finden und niichtern ware ich auch. In
diesen bediirfnisvollen Zustande bitte
ich ihnen, Ewig Herr Rektor wohlge-
bohren, das Sie Herr B. mal Bescheid
sagen hochachtend E. G. Schuhmacher.
In einer bergischen Stadt
trug sich, wie uns geschrieben wird, an
der hoheren Madchenschule das Folgen-
de zu: In der ersten Klasse ist Ge-
schichtsstunde. Die franzosische Revolu-
tion wird besprochen. Der Direktor ver-
langt die verschiedenen Epochen zu ho-
ren. Als die Schiilerin nach ,,Konvent"
sich nicht auf ,,Direktorium" besinnen
kann, sagt der Direktor: ,,Sehen Sie
mich an." Darauf prompt die Schiile-
rin : ,,Schreckensherrschaf t".
In einer Schule ist P r ii f u n g. Bei
der Besprechung Amerikas wird auch
der Entdecker dieses Erdteils genannt.
Die Lehrerin fragt: ,,Wer war Colum-
bus?" Sofort meldete sich eines der
Madchen und erwidert freudig: ,, Co-
lumbus war ein Vogel." Nachdem das
Gelachter sich gelegt, erkliirt das Miid-
Bucherbesprechungen.
157
chen verschamt: ,,Ich habe im Lese-
buch meiner alteren Schwester eine
uberschrift gelesen, die heisst: ,,Das Ei
des Columbus"."
A u s d e r b i b 1 i s ch e n G e s chi ch-
t e erzahlt Lieschen ,,da reichte Re-
bekka ihm den Krug und sprach:
Trinkt, Herr, dann will ich die andern
Kamele auch tranken."
A u s K a r 1 ch e n M i e 'ss n i ck s
Aufsatzheft teilt die ,,Rhein.-
Westf. Ztg." folgende Abhandlung iiber
den Herbst mit : ,,Der Herbst is das Ge-
genteil von Frilling. Aber er kommt
immer erst spater. Im Herbst gibt es
Most, wofon man leicht einen Strichbe-
kommt und wodraus dann der Mostrich
entsteht, der aber nischt weiter wie
Sanf is. Mit -Sanf besanftigt man fiele
Speisen, zum Beispihl die Halmerstad-
ter un die Ragensborger. Die Blatter
werden im Herbst ser abfallig von den
Beumen un auf den Stoppelfaldern
fliecht Altweibersommer rum, was sei-
nen Namen davon hat, dass der Som-
mer vorbei is un es keine alten Weiber
sind, die rumfliechen, sondern nur klei-
ne Spinnen. Im Herbst sin die grohsen
Herbstmanover, da haulen alle Kochin-
nen un Dienstmadchen in der Stadt,
weil sie fortzihn, namlich die Soldaten,
wovon immer einer bei uns im Kttchen-
schranke steckt, der dan aber auch mit
mus, weshalb unsere Anna egal hault
als wenn se in einer Haulanstalt ware
oder in 'nen Weinkeller. Im Herbst geht
die Seesong wieder an, weil da dieLaute
von der See kommen, da gibt es auch
wieder naue Mohden, wodruff der Vater
so schimft, indem das nemlich meine
grohse Schwester so fihl Staht machte
und er dajfon pleite ginge, was man
Stahtsbankrot nent, wie mein Bruder
der Student sagt. Die Tage werden im
Herbst immer kiirzer, darum sind auch
die Michelisferien nur so klein. Im
Herbst is die Natuhr oft benebelt, aber
mannigmal auch nicht, dann han man
eine weite Sicht, wodrauf es aber nur
bei Wechseln ankommt, wie mein Bru-
der meint, der egal am Wechselfieber
leidet. Was ser schones is im Herbst,
das fiele Obst, das is mein Fall, beson-
ders das Fallobst, wo noch keine Maden
drin sind. Wer fil Obst ist wird leicht
obstinat, aber nur wenn er Wasser da-
zu trinkt, dann kriegt er ein koleeri-
sches Temperament un must Kolera-
troppen nehmen, die aber nicht gut
schmecken."
Biicherschau.
I. Biicherbesprechungen.
Encyklopadisches Hand-
buch der Padagogik von W.
Rein. Zweite Auflage. 5. Band,
erste und zweite Halfte. Langensalza,
Hermann Beyer & Sahne, 1906.
Je weiter das Werk Prof. Reins fort-
schreitet, einen um so tieferen Eindruck
erhalt man von diesem gewaltigen Un-
ternehmen. In dem vorliegenden 5.
Bande — erste und zweite Halfte — sind
127 Aufsatze enthalten, die keine mit
dem Erziehungswesen in Verbindung
stehende Frage unberiicksichtigt lassen.
Uriter den Bearbeitern der verschiede-
nen Artikel finden wir Namen vom be-
sten Klange in der padagogischen Welt.
Namentlich beweisen gerade die Namen
der MitarbeiterDr. Reins, wie vorur-
teilsfrei er in der Auswahl derselben
vorangegangen ist. — Wenn es sich da-
rum handelt, die richtige Person fur die
Behandlung einer Frage zu erhalten, 'so
scheut er sich nicht, auch in die Reihen
seiner padagogischen Gegner zu greifen.
Der 5. Band schliesst mit dem Artikel
iiber ,,Munterkeit". Dem Prospekte zu-
folge sind noch 4 weitere Bande zu er-
warten. Wir konnen nur immer von
neuem auf das Werk empfehlend hin-
weisen. In der Bibliothek eines Lehrers
gebiihrt ihm einer der allererstenPlatze.
Wolffs Poetischer Hau's-
schatz des DeutschenVpl-
k e s. Vollig erneut durch Dr.Hein-
richFrankel. Mit Geleitwort
von Geheimrat Professor
W i 1 h e 1 m M ii n ch. Einund-
dreissigste Auflage. 255. bis 260. Tau-
send. Erweiterte Ausgabe. Otto Wi-
gand, Leipzig.
Wolffs Poetischer Hausschatz gehb'rt
zu den Werken, die in der Bibliothek
des Gelehrten sowohl als in der des
Laien den eisernen Bestand bilden. Die
erste Ausgabe, welche von Professor
Wolff in Jena bearbeitet worden war,
158
Monatshefte fur deutsche tiprache und Pddagogik.
erschien im Jahre 1839. Bis zum Jahre
18G7 warden regelmassig Neubearbei-
tungen vorgenommeii, YOU da an jedoch
niciit mehr, so dass die neudeutsche Li-
teratur unberiicksichtigt blieb. Langst
bestand das Bediirfnis nach einer ganz-
lichen Umgestaltung des Hausschatzes,
weleher sich nunmehr der Schriftsteller
Dr. Heinrich Frankel in Halensee bei
Berlin unterzog. Die gesamte Tatig-
keit Dr. Frankels — er ist Schriftstel-
ler des Vereins ftir Massenverbreitung
guter Volksliteratur und hat sich auch
sonst im Interesse der Wohlfahrt der
breiten Volksmasse literarisch betatigt
— hat ihn in innige Beriihrung mit dem
Volke gebracht und machte ihn daher
auch zur Bearbeitung dieses Werkes ge-
eignet, wo es darauf ankommt, aus der
uiigeheuren Fiille der Erzeugnisse deut-
scher Poesie das Beste und fiir dasVolk
Ansprechendste zu sammeln. Dies ist
dem Verfasser gelungen. In chronologi-
scher Reihenfolge sind die poetischen
Erzeugnisse der deutschen Literatur
von den Gotterliedern der alteren Edda
an bis in die neueste Zeit — das letzte
Gedicht der Sammlung ist von Felix
Braun, geb. 1885 — aufgefiihrt; in den
mehr wie 2300 zahlenden Gedichten sind
500 Dichter vertreten; und wo man
auch das Buch aufschlagen mag, immer
wird man sich von dem Gebotenen an-
gezogen fiihlen. Es ware um die Pflege
der deutschen Sprache in unseren Fa-
milien besser bestellt, wenn dies Werk
auch bei ihnen zu einem Hausschatze
werden wtirde. Doch auch in der Hand
des Lehrers 'diirfte es bald von un-
schatzbarem Werte sein, sowohl zur
eigenen Belehrung und Erbauung, als
auch zum Gebrauch im Schulzimmer.
Deutsche E r d e. Zeitschrift fiir
Deutschkunde. Beitrage zur Kenntnis
deutschen Volkstums allerorten und
allerzeiten. Herausgegeben von Prof.
PaulLanghans. Gotha, Ju-
stus Perthes. Preis des Jahrganges M. 8.
Mit dem eben erschienenen 1. Hefte
hat die obige Zeitschrift ihren 7. Jahr-
gang eroffnet, und mit berechtigtem
Stolze stellt ihr Herausgeber Prof.Lang-
hans fest, dass ,,in 75,000 Exemplaren
bisher die griinen Hefte mit den Eichen-
blattern in alle Welt geflattert sind,
dass in iiber 200,000 Stuck die Karten
der ,Deutschen Erde' Kenntnis vom
Deutschtum, seiner Art und seinen
Kampfen in alien Erdteilen verbreitet
haben". Seit Erscheinen des ersten
Heftes dieser Zeitschrift hat Schreiber
dieser Zeilen deren Entwicklung ver-
folgt, immer bot ihr Inhalt Anregendes
namentlich fiir denjenigen, der dem
Ringen der deutschen Volksstamme in
der Diaspora Teilnahme entgegenbringt.
Der Inhalt des vorliegenden 1. Hettes
des neuen Jahrganges spiegelt die Viel-
seitigkeit der Zeitschrift wieder. Der
Stra»sburger Gernianist Ernst Martin
widmet seinein verstorbenen Bruder,
dem Deutsch-Chilenen Dr. Karl Martin
einen warmen Nachruf, Dr. Pfaundler
behandelt unter Beigabe einer grossen
Sprachenkarte die deutsch - romanische
JSprachgrenze in Tirol und Vorarlberg,
Prof. Dr. v. Wotawa bespricht die Er-
gebnisse des Wiener Schutzvereinstages,
uer bekannte Hausforscher Dr. Pessler
gliedert zum erstenmale im Zusainmen-
liange die Haustypengebiete im Deut-
schen Reiche. Weitere Beitrage behan-
deln die Namen der deutschen Siedelun-
gen in Rio Grande do Sul, das Deutsch-
tum in Ofenpest, den Volksgesang bei
den Siebenbiirger Sachsen, den deut-
schen Unterricht in den Vereinigten
Staaten. Zahlreich sind wie immer die
von ersten Fachleuten herriihrenden Be-
sprechungen einschlagiger Arbeiten, die
wertvollen Quellennachweise und die
sorgfaltig gewahlten Abbildungen. Wir
wtinschen der ,Deutschen Erde', der wis-
senschaftlichen Stoffsammlung fiir die
Arbeit aller deutschen Schutz- undWer-
bevereine, auch f ernerhin wachsende Be-
achtung aller Deutschen innerhalb und
ausserhalb des Reiches.
Schneiders Typen-Atlas.
Naturwissenschaftlich - geographi-
scher Handatlas fiir Schule und Haus,
unter kunstlerischer Mitwirkung von
W. Claudi u s, H. Leutemann,
G. Miitzel, C. F. Seidel. Heraus-
gegeben von Dr. O s k a r S ch n e i-
der, Dresden. Meinhold & Sohne. 5.
Aufl. 15 Tafeln und eine Erdkarte.
Pi-eis M2.40.
Dieses Werk ist dazu bestimmt, alle
solche Objekte aus der Menschen-, Tier-
und Pflanzenwelt im geographischen Un-
terricht zur Anschauung zu bringen, von
denen das Kind auf andere Weise keine
Vorstellung erhalten kann. Jede Tafel
enthalt eine Umrisskarte eines Lander-
gebietes und nebenbei die Bilder typi-
scher Erscheinungen der drei Gebiete
der Lebewelt des betreffenden Landes
oder Erdteiles. Durch Ziffern in der
Nebenkarte ist die Heimat und Verbrei-
tung der Pflanze usw. angedeutet. Der
Atlas ist fiir die Hand des Kindes be-
rechnet; daher sind die Bilder verhalt-
nismassig klein. Andererseits zeichnen
sie sich durch grosse Scharfe aus. Auch
soi»st ist die Ausstattung eine vorziig-
liehe, was von dem renommierten Ver-
lage der Herren Meinhold & Sohne fast
Eingesandte Biicher.
159
als selbstverstandlich zu erwarten 1st.
Der Atlas 1st ein wertvolles Anschau-
ungsmittel fur den geographischen Un-
terricht.
M. G.
Erns t Sieper, Shakespeare
und seine Zeit. ( Aus Natur und
Geisteswelt. 185. Bandchen.) Leipzig,
Teubner, 1907. IV+140 S., 8°. Olbd.,
M1.25.
Unter den zahlreichen Versuchen, die
einen weiteren Leserkreis mit Shake-
speares Leben und Schaffen und seiner
Umgebung vertraut machen wollen,
diirfte sich Prof. Siepers Werkchen in
kurzer Zeit eine geachtete Stellung si-
chern; gleich viel zu bieten diirfte auf
so beschranktem Raume schwer fallen.
Die fiinf einleitenden Kapitel (S. 1—50)
geben eine gedrangte aber iibersichtliche
Einfiihrung in das Zeitalter der Konigin
Elisabeth, das geistige Leben der Perio-
de, den Stand der verschiedenen Dich-
tungsarten bei Shakespeares erstem
Auftreten, und die englische Btthne zur
Zeit Shakespeares; dies letztgenannte
Kapitel ist durch mehrere Textbilder
angemessen erlautert. Die nachsten
sechs Kapitel befassen sich mit Shake-
speares Leben (zwei der dem Biichlein
beigegebenen Einsehaltbilder bringen
das Grafton- und das Droeshoutbildnis,
das dritte drei Unterschriften aus
Shakespeares Testament) und einer
Wiirdigung seiner dichterischen Per-
sonlichkeit, wobei der Verfasser der
chronologischen Ordnung der Dramen
besondere Sorgfalt zuwendet. Kapitel
XII behandelt die Hilfsmittel zum Stu-
dium Shakespeares, und ein Anhangvon
23 Seiten die Shakespeare-Bacon-Frage.
Von blinder Verhimmelung halt sich der
Verfasser ebensofern als von schneidend
kalter Kritik; nur wird der kurze Ver-
gleich auf Seite 106 zwischen Shake-
speare und Schiller unserem deutschen
Dichter nicht gerecht; dass die Vertre-
tung sozialer und politischer Interessen
in Schillers Dramen, das Bestreben sei-
ner Helden, Werke zu schaffen (wie es
Alfred Freiherr von Berger in seinem
schonen Aufsatze iiber Otto Ludwiga
Schillerkritik glucklich ausdriickt), iiber
Shakespeares Drama hinausgeht, musste
hier gesagt werden. Entsprechend dem
Ursprunge des Werkchens — es ist im
wesentlichen ein nur wenig veranderter
Abdruck einer Reihe von Vortragen vor
Volkshochschulvereinen — ist die Dar-
stellung fast durchweg klar und leben-
dig; stellenweise, so im z wolf ten Kapi-
tel, hatte eine kraftigere Umarbeitung
nichts geschadet. Dies gilt iibrigens von
mehreren andern Bandchen der Teub-
nerschen Sammlung, die ahnlichen An-
lassen ihre Entstehung verdanken, in
weit hoherem Grade als dem vorliegen-
den. Wahrhaft erfrischend und herz-
starkend wird die Darstellung, wo Sie-
per dem Baconrummel zu Lei be riickt,
der ja leider auch schon manchem sonst
ertraglich gescheiten Menschen zeitweise
den Kopf warm gemacht hat. Die hoch-
trabenden Angumente der Baconianer
erweisen sich in dieser erbarmungslos
scharfen Beleuchtung als lauter miss-
farbene Seifenblasen, und der Anhang
allein ware Besitz und Lekture des Bu-
ches reichlich wert.
Univ. of Wis. Edwin C. Roedder.
II. Eingesandte Bucher.
Our Children, our Schools,
and our Industries by An-
drew Sloan Draper, LL. D., Com-
missioner of Education, State of New
York. Syracuse, N. Y., C. W. Bardeen,
1908. Price 50 cts.
The Condition and Ten-
dencies ofTechnicalEduca-
tion in Germany by Arthur
Henry Chamberlain, Prof,
of Education and Principal of the Nor-
mal School of Manual Training, Art
and Domestic Economy, Throop Poly-
technic Institute, Pasadena, California.
Syracuse, C. W. Bardeen, 1908.
Deutsches Liederbuch fiir
ameri kanische Studenten.
Texte und Melodien nebst erklarenden
und biographischen Anmerkungen. Her-
ausgegeben im Auf trage der G e r m a -
nistischen Gesellschaft der
Staats-Universitiit von Wisconsin. Neu-
bearbeitete Ausgabe. Boston, D. C.
Heath & Co., 1908.
Ratsmadelgeschichten
von II e 1 e n e B a h 1 a u. Edited
with notes and vocabulary by Emma
Haeverni ck, head of M. L. Dep't,
Girls' High School, Philadelphia. D. C.
Heath & Co., Boston, 1908. Price, 40c.
100 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Thoughts and Experiences der, a. o. Prof. a. d. Univ. Leipzig,
I n and Out of School by John Herman Hirt, a. o. Prof. a. d.
B. P e a s 1 e e, LL.B., Ph.D., Ex-Super- Univ. Leipzig, Karl Kant, Privat-
intendent of the Public Schools of Cin- gelehrten in Leipzig. Herausgegeben
cinnati, Ohio. Accompanied by letters von Herman Hirt. Erste und
from Longfellow, Whittier, Holmes, and zweite Lieferung. Giessen, Alfred To-
other other American authors. Printed pelmann, 1907. Preis der Lieferung
for the author by Curts & Jennings, M. 1.60.
Cincinnati, Ohio, 1900. Peterli am Lift. Eine Erzahlung
Dr. Karl Krause's Deutsche f iir die Jugend und ihre Freunde von
Grammatik fur Auslander Nicklaus Bolt. Zurich, Art. In-
jeder Nationalist, mit besonderer stitut Orell Fiissli. Preis Fr. 2.50.
Rticksicht auf auslandische Institute Alltagliches. Ein Konversa-
in Deutschland und deutsche Institute tions- und Lesebuch. By M. B. Lam-
im Auslande, neu bearbeitet von Dr. b e r t , Boys' High School, Brooklyn,
Karl Nerger. Sechste verbesserte N. Y. Boston, D. C. Heath & Co., 1900.
Aufiage. ' J. U. Kern, Breslau. Preis Price 75 cts.
M. 3.60. Der Weg zum Gliick. Zwei Er-
L'E xpansion Allemande hors ziihlungen f iir die Jugend. Selected
d'Europe (Etats-Unis, Br6sil, Chan- and edited with exercises, notes and
toung, Afrique du Sud), par M. vocabulary by Dr. Wilhelm Bern-
Ernest Tonnelat. Un vol. in-18 hardt. " Boston,, D. C. Heath & Co.,
(Librairie Armand Colin, rue de Me- 1908. Price 40 cts.
zieres, 5, Paris), brochg. 3 fr. 50. Waldschule n. Von Dr. A.
Deutsch'es Worterbuch von Kraft, Schularzt in Ziirich. Art. In-
Fr. L. K. Weigand. Fiinfte Auflage. stitut Orell Fussli, Zurich, 1908. Preis
Nach des Verfassers Tode vollstandig 75 Pf.
neu bearbeitet von Karl von Bah-
Monatshefte
fur deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Pa'dagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX. 3um 1908. fieft 6.
(Offiziell.)
Nationaler Deutschamerikanischer Lehrerbund.
36. Jahresversammlung.
Milwaukee, Wis., 30. Juni bis 3. Juli 1908.
Aufruf.
Vom 30. Juni bis 3. Juli des Jahres wird die 36. Tagung
des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes abgehalten werden.
Milwaukee entbietet uns Gastfreundschaft und Willkommengruss. Es
ist nicht das erste Mai, dass Milwaukee unseren Versammlungen seine
Tore offnet; und wer Gelegenheit hatte. den friiheren Lehrertagen, die
dort stattfanden, beizuwohnen, wird heute noch des liebenswiirdigen
Empfanges seitens der Einwohnerschaft dieser Stadt gedenken.
Die Bedeutung der deutschamerikanischen Lehrertage wachst in
dem Masse, in dem Interesse und Begeisterung fiir unseren Beruf zu-
nehmen. Diese stehen mit jenen in steter Wechselbeziehung, so dass der
Besuch der Lehrertage einen Priifstein fiir das herrschende Berufsinte-
resse abgibt, dass aber gerade auch sie der Jungbrunnen sind, aus dem
wir wieder frische Kraft und neue Liebe zum Berufe schopfen.
Aus dem nachstehenden Programm mogen die Mitglieder selbst
ersehen, wie der Vorstand nach Kraften bemiiht gewesen ist, den Besu-
chern durch die gewonnenen Vortrage, sowie durch die Ausstellung von
162 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Lehrmitteln und Lehrbiichern fur den modern-sprachlichen Unterricht
neue Anregung zu bieten.
Die 36. Tagung soil eine ebenbiirtige Nachfolgerin der friiheren
Tagungen des Bundes werden. Die Unterzeichneten geben daher der
zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, dass die deutschamerikanische
Lehrerschaft und die mit ihr in gleichem Streben Verbundenen der Ein-
ladung zum Besuche des Milwaukeer Lehrertages in Scharen Folge
leisten werden.
Der Vollzugsausschuss :
Max Griebsch, Prasident;
Frau Mathilde 8. Grossart, Vizeprasidentin ;
Martin Schmidhofer, Schatzmeister;
Emil Kramer, Sekretar.
5. April 1908. Anna Hohgrefe, 2. Sekretarin.
Milwaukee, 15. Marz 1908.
Als beim vorjahrigen Lehrertage Milwaukee als Platz fiir die 36.
Tagung des Deutschamerikanischen Lehrerbundes gewahlt und die
Nachricht von diesem Beschlusse in unserer Stadt bekannt wurde, da
machte sich sofort unter unserer deutschamerikanischen Bevolkerung der
Wunsch und das Bestreben geltend, den Besuchern des diesjahrigen Leh-
rertages in alter Weise herzliches Entgegenkomnren und Willkommen
zu bieten.
Die Deutschamerikaner Milwaukees laden hiermit alle diejenigen —
Lehrer und Laien — , die fiir die Bestrebungen des Lehrerbundes Inte-
resse haben, ein, an der Tagung, die vom 30. Juni bis zum 3. Juli hier
stattfinden soil, teilzunehmen, und sie versprechen den Besuchern, alles
in ihren Kraften Stehende zu tun, ihnen den Aufenthalt in Milwaukee
so angenehm wie moglich zu machen.
Der Ortausschuss wird sich in Verbindung mit dem Vorstande be-
muhen, den 36. Lehrertag zu einem in beruflicher und geselliger Bezie-
hung erfolgreichen zu gestalten.
Der Ortsausschuss :
Leo Stern, Vorsitzer; John H. Puelicher, Schatzmeister;
Carl M. Purin, Sekretar;
Victor L. Berger, ( Schrif tleiter des ,,Vorwarts") ; George Brumder,
(Germania Publ. Co.); John Eiselmeier, (Seminarlehrer) ; Adolph
Firikler, (Vorsitzer des Seminarvorstandes) ; Henry Harnischfeger,
(Mitglied des Seminarvorstandes) ; Dr. Chas. L. Kissling, (Mitglied des
Schulrats) ; Aug. 8. Lindemann, (Prasident des Schulrats) ; Otto Lue-
dick.e, (Schrif tleiter des ,,Herold") ; Wm. Meyer, (Direktor der luth.
Hochschule) ; Col Gustav Pabst, (Pabst Brewing Co.) ; C. G. Pearse,
(Supt. der offentlichen Schulen) ; Wm. L. Pieplow, (Mitglied des Schul-
Nationaler Dentschamerikanischer Lehrerbund. 163
rats) ; Julius Rathmann, (Vorsitzer des Vereins deutscher Lehrer) ;
Emil von Schleinitz, (Schriftleiter der ,,Germania") ; Dr. Jos. Schnei-
der, (Mitglied des Seminarvorstandes) ; Jos. Uihlein, (Schlitz Brewing
Co.) ; Fred Vogel, Jr., (Pras. der Ersten Nationalbank und Vizeprasi-
dent des Seminarvorstandes) ; Leon Wachsner, (Direktor des Pabst-
theaters) .
Programm.
Dienstag, 30. Juni.
Abends 8 Uhr: Eroffnungsversammlung, Alhambra-Theater.
Begriissung durch den Vorsitzer des Ortsausschusses und durch Ver-
treter der Stadt- und Schulbehorden.
Ansprache von Dr. C. J. Hexamer, President des Deutschamerika-
nischen Nationalbundes.
Gesange eines Kinderchores.
Offizielle Eroffnting des Lehrertages durch den Bundesprasidenten.
Nach Schluss der Versammlung : Geselliges Beisammensein in der
Halle des Turnvereins Milwaukee.
Mittwoch, I. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Erste Hauptversammlung.
1. Geschaf tliches : Berichte der Bundesbeamten. Verhandlungen
iiber den vom Vorstande unterbreiteten Verfassungsentwurf.
2. Vortrag: Reformbestrebungen — Dr. A. Hoelper, High School,
New York.
3. Vortrag: Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht — Ernst
L. Wolf, High School, St. Louis.
4. Vortrag: Unsere Lehrmittelausstellung — John Eiselmeier,
Lehrerseminar, Milwaukee.
Nachmittags %\ Uhr: Festvorstellung im Pabsttheater.
Iphigenie auf Tauris, Schauspiel von Goethe.
Nach der Vorstellung Damerikaffee im Deutschen Club.
Abends 8 Uhr: Herrenkneipe.
Donnerstag, 2. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Zweite Hauptversammlung.
1. Geschaf tliches.
2. Vortrag: Vor- und Portbildung des Lehrers — Emil Kramer,
Public Schools, Cincinnati.
164 Monaishefte fur deutsche Sprache und Padagogik
3. Seminar- Angelegenhei ten.
4. Vortrag: Psychologische Grundlage fiir die Methoden des Un-
terrichts in den modernen Sprachen — A. Werner-
Sparihoofd, Leiter der Abt. fiir moderne Sprachen,
High Schools, Washington, D. C.
Nachmittags 2 Uhr: Besiclitigung der Lehrmittelausstellung.
Abends 5 Uhr: Festessen mit darauffolgendem Sommernachtsfest, ver-
anstaltet vom Musikverein von Milwaukee.
Freitag, 3. Juli.
Vormittags 9 Uhr: Dritte Hauptversammlung.
1. Geschaftliches.
2. Vortrag: Deutsche und angelsachsische Verhaltnisse in Ame-
rika - - Prof. James Taft Hatfield, Ph. D.f North-
western Univ., Evanston, 111.
3. Vortrag: Die Volksschule einer modernen Republik, eine Bil-
dungsanstalt fiir praktische Idealisten — Prof. Ernst
Voss, Ph. D., Staatsuniversitat von Wisconsin, Madison.
4. Unerledigte Geschafte.
5. Beamtenwahl und Schlussverhandlungen.
Nachmittags: Dampferfahrt auf dem Michigansee.
Das Hauptquartier befmdet sich im Schulgebaude des Lehrerseini-
nars, woselbst auch die Versammlungen abgehalten werden.
Eine Ausstellung von Lehrmitteln und Lehrbiichern fiir den mo-
dern-sprachlichen Unterricht ist fiir die Tagung vorbereitet, die in iiber-
sichtlicher Weise einen Einblick in den gegenwartigen Stand diesea
Unterrichtszweiges in Amerika, sowie in Deutschland und Frankreich
bietet. Uber 2000 Objekte sind von den Verlagshandlungen fiir die Aus-
stellung eingesandt worden. Sie sind in einem gedruckten Kataloge
iibersichtlich geordnet, der den Besuchern frei zur Verfiigung gestellt
wird. Die Ausstellung steht unter I^eitung von Seminarlehrer John
Eiselmeier.
Der Besuch der Versammlungen ist fiir jedermann frei.
Der Zutritt zu den gebotenen Unterhaltungen hangt von der Er-
werbung der Bundesmitgliedschaft ab.
Die Mitgliedschaft des Bundes kann jeder Lehrer und Erziehungs-
freund durch Zahlung des Jahresbeitrages von $2.00 erwerben.
Alumnen des Lehrerseminars. 165
Hinsichtlich der Hotelraten hat der Empfangsausschuss von den
verschiedenen Hotels die folgenden Angebote fiir die Unterbringung der
Besucher erhalten. Die angegebenen Preise verstehen sich fiir Person
und Zimmer per Tag :
Hotel Blatz, $1.00 und aufwarts; $2.25 einschliesslich Mahlzeiten.
Republican House, $1.00 und aufwarts; $2.25 einschlieeslich Mahl-
zeiten.
Hotel Gilpatrick, $1.00 und aufwarts.
Plankinton House, $1.00 und aufwarts, $3.00 einschliesslich Mahl-
zeiten.
Hotel St. Charles, $2.00 fiir zwei Personen; $2.25 einschliesslich
Mahlzeiten.
Hotel Globe, $0.75 und aufwarts.
Hotel Pfister, $2.00 und aufwarts.
Auch ist der Ausschuss bereit, falls es gewiinscht wird, fiir Quartiere
in Privatfamilien zu sorgen. Es ergeht an alle diejenigen, welche dem
Lehrertage beizuwohnen gesonnen sind, die Bitte, den Unterzeichneten
bis zum 20. Juni betreffs ihrer Wiinsche in Kenntnis zu setzen.
Der Vorsitzer des Empf angsausschusses :
West Division High School Carl Engelmann.
Alumnen des Lehrerseminars.
Milwaukee, April 1908.
An die Alumnen des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerseminars.
Werte Kollegen und Kolleginnen !
Der diesjahrige in Milwaukee stattfindende Lehrertag verspricht an
Fiille der geistigen sowie leiblichen Geniisse alle seine Vorganger zu
iibertreffen. Wir ersuchen deshalb alle friiheren Zoglinge des Lehrer-
seminars, die Gelegenheit, ihrer Alma Mater einen Besuch abzustatten
und in unserer Mitte einige vergniigte Stunden zu verleben, nicht vorbei-
gehen zu lassen.
Um die notigen Vorkehrungen zeitig treffen zu konnen, bitten wir
die Alumnen, den Unterzeichneten spatestens bis zum 20. Juni von ihrer
Absicht, sich an dem Lehrertage zu beteiligen, in Kenntnis zu setzen.
Also auf ein f rohes Wiederschauen !
Im Auftrage des Vorstandes des Alumnenvereins von Milwaukee
zeichnet mit herzlichem Grusse
Chas. M. Purin, Sek.,
850 Second St.
Nationales Deutschamerikanisches Lehrerseminar,
Erdffnung des neuen Jahreskursus.
Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar eroffnet Mon-
tag, den 14. Sept. 1908, den neuen Jahreskursus, den 31. seit seiner
Griindung, und ladet alle, die sich dem Lehrerberuf widmen und sich ins-
besondere zu Lehrern des Deutschen ausbilden wollen, zum Eintritt ein.
Seiner hohen Aufgabe wird das Seminar durch folgende TJnstande
gerecht :
1. Es ist die einzige Anstalt in diesem Lande, die sich die zielbe-
wusste Vorbereitung ihrer Zoglinge zu Lehrern des Deutschen
an offentlichen und privaten Schulen zur Aufgabe macht.
2. Die Zoglinge erhalten neben dem Unterricht in den deutschen
Fachern eine griindliche Bildung in der englischen Sprache, so-
wie in den wissenschaftlichen und padagogischen Disziplinen, so
dass sie befahigt werden, spaterhin auch als Klassenlehrer und
in hoheren Stellungen zu wirken.
3. Der Unterricht in der deutschen Sprache geht, wie anerkannt
worden ist, in mannigfacher Beziehung iiber das hinaus, was an-
dere Erziehungsanstalten in diesem Fache zu bieten vermogen.
Die deutsche Umgebung, der tagliche Gebrauch der Sprache
tragen in hohem Grade dazu bei, den Zoglingen mit der Sprache
das ungeheure Gebiet deutscher Kulturarbeit zu eroffnen.
4. Der im Seminar herrschende Geist findet weiterhin Nahrung in
dem ausgezeichneten deutschen Theater, sowie in den zahlreichen
Gesangs- und Turnvereinen Milwaukees. So zeitigt die Studien-
zeit in dieser Stadt Result ate, wie sie sonst nur durch einen
mehrjahrigen Aufenthalt in Deutschland erzielt werden.
5. Die padagogische Ausbildung ist in Theorie und Praxis gleich
griindlich und ruht auf den besten deutschen Erziehungsmetho-
den. In der Deutsch-Englischen Akademie steht dem Seminar
eine Musterschule zur Verfiigung. Ausserdem haben die Zog-
linge der zweiten Normalklasse noch Gelegenheit, wahrend eines
halben Jahres probeweise an den offentlichen Schulen Milwau-
kees zu wirken.
6. Lehrmittel aller Art, ein modern ausgeriistetes physikalisches
und chemisches Laboratorium u. a. m. stehen den Schiilern zur
Verfiigung.
Nationales Deutschamerikanisches Lehrerseminar. 167
Der eigentliche Seminar- oder Normalkursus umfasst zwei Jahre.
Eintrittsbedingungen sind: Beherrschung der deutschen und englischen
Sprache im miindlichen und schriftlichen Gebrauch; Absolvierung eines
vierjahrigen High School-Kursus oder eine dieser entsprechende Vor-
bildung.
Fiir Schiller, deren sprachliche oder wissenschaftliche Ausbildung
derartige Liicken aufweist, dass sie die Arbeit des Nonnalkursus nicht
mit Erfolg aufnehmen konnen, sind zwei Vorbereitungsklassen ein-
gerichtet.
Der Unterricht ist Tcostenfrei.
Mittellose aber begabte und wiirdige Zoglinge konnen aus der An-
staltskasse Stipendienvorschiisse beziehen, die sie nach Erhaltung einer
Anstellung zuruckzuerstatten haben.
Die Deutsche Gesellschaft von Pennsylvanien (Adolph Timm —
522 W. Lehigh Ave., Philadelphia — Vorsitzer des Schulkomitees), der
Unabhangige Biirgerverein von Maryland (Hermann Badenhoop — 409
Gaither Estate Bldg., Baltimore - - Sekretar) und der Zweigverein des
Deutschamerikanischen Nationalbundes von Chicago (Carl Haerting —
912 Schiller Bldg.? Chicago -- Sekretar) haben je ein Jahresstipendium
fiir Seminarzoglinge bewilligt, das von diesen Vereinen nach Ablegung
eines Konkurrenzexamens vergeben wird. Bewerbungsgesuche um ein
solches Stipendium sollten sofort bei den oben angegebenen Vereinssekre-
taren eingereicht werden.
Da der Bedarf an beruflich vorgebildeten Lehrern des Deutschen
von Jahr zu Jahr wachst, so dtirfen die Abiturienten des Lehrerseminars
auf Grund ihrer grlindlichen Vorbildung sofort nach Verlassen desselben
auf Anstellung rechnen. Gegenwartig sind alle friiheren Zoglinge des
Seminars, soweit sie noch im Lehrerberufe tatig sind, mit Stellen
versehen.
Die Anstalt lasst es sich angelegen sein, die auswartigen Zoglinge
auf Wunsch in guten deutschen Familien unterzubringen.
Die Aufnahme der neuen Zoglinge fiir den nachsten Jahreskursus
erfolgt am Samstag, dem 12. September d. J., vormittags 9 Uhr.
Zu jeder weiteren Auskunft ist der Unterzeichnete gern erbotig.
Auch steht der Katalog des Seminars frei zur Verfiigung.
Max Griebsch,
558 — 568 Broadway, Seminardirektor.
Milwaukee, Wis.
(Offiziell.)
Entwurf einer Verfassungsabdnderung des Nationalcn
Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
I. Zwecke.
§ 1. Der Nationale Deutschamerikanische Lehrerbund bezweckt:
a) die Erziehung wahrhaft freier amerikanischer Staatsbtirger ;
b) Propaganda zu machen fiir naturgemasse (entwickelnde) Erziehung in
Schule und Haus;
c) die Pflege der deutschen Sprache und Literatur neben der englischen, und
d) die Wahrung der Interessen der deutschen Lehrer in den Vereinigten
Staaten.
§ 2. Die Bundeszwecke werden angestrebt:
a) durch eine alljahrlich abzuhaltende Versammlung;
b) durch Ernennung und Unterstiitzung eines Bundesorganes ;
c) durch Griindung von Zweig- und Lokalvereinen ;
d) durch Teilnahme an der Verwaltung des Nationalcn Deutschamerikani-
schen Lehrerseminars.
II. Organisation des Bundes.
§3. Der Nationale Deutschamerikanische Lehrerbund ist eine Vereinigung
von Lokalvereinen deutschamerikanischer Lehrer und von Einzelmitgliedern.
§ 4. Die oberste Vollzugsbehorde des Lehrerbundes ist der Bundesvorstand.
Dieser besteht aus neun, von dem Bundeslehrertage zu wahlenden Mitgliedern und
bleibt bis zum Schlusse der nachsten regelmassigen Tagsatzung im Amte. Difc
Vorstandsmitglieder wahlen aus ihrer Mitte einen Prasidenten, einen Vizeprasi-
denten, einen ersten und einen zweiten Schriftftihrer und einen Schatzmeister.
§ 5. President, Vizeprasident, Schatzmeister, erster und zweiter Schriftftihrer
bilden den Vollzugsausschuss des Bundesvorstandes. Der Vollzugsausschuss be-
sorgt alle laufenden Geschafte nach den allgemeinen Anordnungen des Bundes-
vorstandes, er bewirkt nach Kriiften die Ausfuhrung der Beschltisse und Auftrftge
der Bundesversammlungen ; er hat das Recht, sich zu erganzen, und 'soil die
Hauptergebnisse seiner Beratungen im Bundesblatte bekannt machen. Dem Voll-
zugsausschusse Hegt die Agitation fiir die Bildung von Lokalvereinen ob. Er hat
mit Beriicksichtigung berechtigter Wiinsche der Lokalvereine und des Ortsaus-
schusses die Geschafts- und Tagesordnung ffir den Bundeslehrertag festzustellen
und sie mindestens zwei Monate vor der Konvention im Bundesorgane zu ver-
offentlichen. Er empfangt von den einzelnen Ausschtissen Berichte fiber deren
Tatigkeit, verwaltet das Bundeseigentum, veroffentlicht durch den Schriftftihrer
die Protokolle des Bundes. ftihrt die Mitgliederliste und sorgt ftir deren Abdmck
in der ersten dem Lehrertage folgenden Nummer des Bundesorgans ; er erstattet
dem Bunde am Bundeslehrertage Bericht und iibergibt am Ende der Tagung deni
neuerwahlten Bundesvorstande das Bundeseigentum.
§ 6. Zu den Bundeslehrertagen wird von den Lokalvereinen ftir je zwanzig
ihrer Mitglieder ein Delegat ervvahlt. Ein jeder Delegat ist zu einer Sthnme
berechtigt, er kann jedoch, wenn dazu beauftragt, auch mehrere oder samtliche
Stimmen eines Bezirkes vertreten.
Verfassungsabdnderung des Lehrerbundes. 169
III. Ausschiisse.
§ 7. Der Bundeslehrertag ernennt standige Ausschiisse ftir verschiedene
Zweige des Erziehungswesens und des Unterrichts, sowie fiir die deutschamerika-
nische Schulstatistik.
§ 8. Der Lehrerbund erwahlt alljahrlich ein Komitee zur Pflege des Deut-
schen, das aus fiinf Mitgliedern bestehen soil. In das Bereich der Tatigkeit dieses
Komitees sind alle solche Massnahmen zu ziehen, die zur Hebung und Forderung
des deutschen Unterrichts in den Schulen des Landes beitragen kSnnen. Es 'soil
sich besonders (iber den Stand dieses Unterrichts in den einzelnen Ortschaften
Kenntnis verschaffen und durch Vorschlage und Berichte etwaige Verbesserungen
herbeizufiihren suchen. Das Komitee hat der Jahresversammlung iiber seine
Tatigkeit ausfiihrlich Bericht zu erstatten. Zur Ausfiihrung seiner Arbeit wird
dem Komitee alljahrlich vom Lehrertage cine von diesem festzusetzende Summe
zur Verfiigung gestellt.
IV. Lehrerbund und Lehrerseminar.
§ 9. Die Teilnahme an der Verwaltung des Nationalen Deutschameri'kani-
schen Lehrerseminars ist folgendermassen geregelt:
a) Dem Verwaltungsrate des Lehrerseminars gehoren als standiges Seminar -
komitee sechs Mitglieder des Lehrerbundes mit dreijahriger Amtsdauer an, von
denen alljahrlich zwei ausscheiden. Der Lehrerbund oder, falls die Generalver-
sammlung des Seminarvereins vor dem Lehrertage stattfindet, der Bundesvor-
stand schlagt vier Mitglieder zu seinen Vertretern im Verwaltungsrate vor, von
denen der Seminarverein zwei erwahlt.
b) Der von dem Verwaltungsrate des Seminars aus diesen sechs Vertretern
des Lehrerbundes ernannte Lehrerausschuss bildet zugleich den Priifungsaus-
schuss. Derselbe hat dem Lehrertage iibcr die Arbeit des Seminars und (iber das
Ergebnis der Priifung Bericht zu erstatten.
c) Zur Bestreitung der Auslagen des Prufungsausschusses bezahlt die Bundes-
kasse dem Verwaltungsrate des Seminars alljahrlich die Summe von sechzig
Dollars.
V. Mitgliedschaft und Beitrage.
§ 10. Die Mitgliedschaft des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbun-
des konnen erwerben:
a) Lokalvereine deutscher Lehrer und Erziehungsfreunde, sowie deutsche Ge-
sellschaften, die verwandte Ziele verfolgen;
b) Lehrer und Erziehungsfreunde als Einzelmitglieder.
Einzelmitglieder zahlen einen regelmassigen Jahresbeitrag von zwei Dollars.
Die Zahlung dieser Summe berechtigt das Mitglied zur Abgabe einer Stimme.
Bezirks- oder Lokalvereine zahlen fiir je zwanzig Mitglieder einen Jahresbeitrag
von zwei Dollars und sind dadurch zur Abgabe von einer Stimme fiir je zwanzig
Mitglieder berechtigt. Die Lokalvereine sind fiir piinktliche und regelmassige
Entrichtung der Vereinsbeitrage verantwortlich.
c) Jeder Teilnehmer am Lehrertage ist zur Zahlung von zwei Dollars ver-
pflichtet und erhalt dadurch die Rechte eines Einzrelmitgliedes.
VI. Vermogensverwaltung.
§ 11. Die Bundeskasse wird von dem Schatzmeister verwaltet. Der Voll-
zugsausschuss setzt die Hohe der Biirgschaft des Schatzmeisters fest und hat das
Recht, fiir ausserordentliche Zwecke bis zu funfzig Dollars innerhalb eines Jahres
zu verwenden.
170 JAonatsliefie fiir deutsch$ Sprathe wnd Padagogik.
VII. Abstimmungen.
§ 12. a) Allgemeine Abstimmungen bei der Tagsatzung des Lehrerbundes
sollen durch einfache MajoritRt dor anwesenden Mitglieder entschieden werden.
Zur Bewilligung von Geldern und bei Yorschlagen zur Abandoning der Statuten
ist eine zweidrittel Mehrheit der Stiramen aller anwesenden Mitglieder erfor-
ilerlich.
b) Die Wahl des Bundesvorstnndes geschieht durch Stimmcettel; alle anderen
Abutimmungen in Versammhmgen finden viva voce statt, doch muss auf Verlan-
gen eine Teilung vorgenommen werden.
VIII. Statutenanderung.
§ 13. Ein Antrag auf AbUndemng der Statuten kann in irgend einer Sitzung
des Bundeslehrertages, ausser der Schlusssitzung, gestellt werden, darf aber erst
in der nachsten Sitzung derselben Tagung zur Debatte und Abstimmung gebracht
werden.
IX. Nebengesetze.
§ 14. Nebengesetze k6nne;i voni Bunde jcderzeit den Statuten hinEUgefugt
werden, falls sie nicht den oben niedergelegten Bestimmungen zuwiderlaufen.
Dera. 30. N. D. A. Lehrertage unterbreitet von dem Vollzugsausschuese des
N. D. A. L,
Max Griebsch, Priisident.
M. S. Grossart, Vizeprasidentin.
M. Schmidhofer, Schatzmeister.
Emil Kramer, Cincinnati, 1. Schriftftihrer.
Anna Hohgrefe, 2. Schriftfiihrerin.
Ellen Key. Ein durchaus objektives Urteil iiber die durch ihre
Schriften beriihmt gewordene padagogische Reformatorin linden wir in
der ,,Schlesischen Schulzeitung" aus der Feder von M. Bartseh. Er sagt
folgendes : Ellen Key ist eine geistreiche Schriftstellerin, eine bedeutende
Fran. Mit f einer Satire bekampft sie die konventionelle Unmoral, mit
geschliffenen Satzen streitet sie fiir Eeformen, mit edler Begeisterung
ficht sie fiir ihre Jdeale. So kann sie wohl mit Becht eine Priesterin des
,,Ewig-Weiblichen" genannt werden.
Was wir an ihr vermissen, ist das ,,Ewig-Mannliche", die strenge
Beweisfiihrung, die iiberzeugende Logik.
Beim Lesen und beim Anhoren ihrer Gedanken tritt alle Augenblicke
der kleine Jakobiner ,,Warum ?" vor die Seele.
Warum diese Forderungen und nicht andere? Woher nimmt Ellen
Key die Kraft zu ihren Vorschlagen? Aus welchen Quellen schopft sie?
Sie hat eine tiefe Quelle in ihrer eigenen Brust: ihr Gefiihl. Das
begeistert sie und wirkt begeisternd auf andere. Ein grosses Empfinden
ist eine herrliehe Sache, aber es reicht nicht aus, um einen Reformator zu
schaffen, dessen Einfluss iiber Generationen hinausgeht. Wir habett Bei-
spiele fiir solche Bewegungen. Man denke an die ,,Ethische Kultu-r", die
,,Egydi-Bewegung".
Ellen Key. 171
Welches sind die ewigen Ideen, die Ellen Key zu ihrem Streitruf
begeistern, die ihr uniiberwindliche Kraft und unzerstorbaren Einfluss
sichern ?
Im letzten Grunde steht und fallt Ellen Key mit dem evolutionisti-
eehen Gedanken. Der Glauben an die Entwicklung der Menschheit und
an schier unbegrenzte Entwicklungsmoglichkeiten ist ihr Ideal.
Dieses Ideal diktiert ihr den Satz: ,,Bevor nicht Vater und Mutter
ihre Stirne vor der Hoheit des Kindes in den Staub beugen; bevor sie
nicht einsehen, dass das Wort Kind nur ein anderer Ausdruck fur den
Begriff Majestat ist; bevor sie nicht fiihlen, dass es die Zukunft ist,( die
in Gestalt des Kindes in ihren Armen schlummert, die Geschichte, die zu
ihren Fiissen spielt — werden sie auch nicht begreifen, dass sie ebenso
wenig die Macht oder das Recht haben, diesem neuen Wesen Gesetze vor-
zuschreiben, wie sie die Macht oder das Recht besitzen, sie den Bahnen
der Sterne aufzuerlegen."
Geniigt der blosse Evolutionsgedanke zur Fundierung himmelstiir-
mender Forderungen?
Die Mutter, die eigene Kinder verstandig beobachtet und erzogen
hat, wird die interessante Entdeckung gemacht haben, dass die kindlichen
Charaktere grundverschieden voneinander sind. Sie gleichen meist weder
den Eltern noch ihren Geschwistern. Eine Vererbung der elterlichen An-
lagen und Eigentumlichkeiten hat gewohnlich nur in begrenztem Masse
ptattgefunden. Die Kinder sind keineswegs aus den Eltern etwa in der
Weise hervorgegangen wie eine junge Pflanze durch Ableger aus der alten
geziichtet wurde. Die Eltern verrnindern sich weder korperlich noch
geistig. Das Kind hat einen eigenen Grund seines Lebens neben Vater
und Mutter. Es scheinen in den Kindern Wesensenergien ins I^eben zu
treten, deren Ursprung man jenseits der Grenzen der Erfahrung such en
muss, in jenem unbekannten Mutterboden, wo auch die Individualitaten
der Eltern wurzeln.
Wird die Entwicklungstheorie nach dieser Richtung vertieft, dann
gelangt man zu einer anderen Bewertung des Verhaltnisses zwischen El-
tern und Kindern. Die Heiligkeit desselben bleibt unangetastet, aber
Vater und Mutter brauchen nicht ,,ihre Stirn vor der Hoheit des Kindes
in den Staub beugen". Metaphysisch betrachtet sind die Eltern den
Kindern gleichwertig. Empirisch angesehen sind Vater und Mutter ihuen
iibergeordnet ; denn sie haben die persb'nlichen Erfahrungen einiger Jahr-
zehnte und die Kultur einiger Jahrtausende bewusst und unbewusst in
sich aufgenommen. Und vor diesen Grossen hat das Kind sich zu beugen
und Gehorsam zu leisten. Danrft wird noch lange nicht dcssen person-
liche Eigenart zerstort, selbst wenn sein Eigensinn gebroclien werden
sollte.
172 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Es geniigt nicht, die Kinder nur deshalb hochzuschatzen, weil sie
die Zukunft und vielleicht ein hoheres Stadium der Entwicklung sind.
Dann miisste unsere heisseste Liebe den Fernsten gehb'ren, denn sie wer-
den die Hochstentwickelten, die Grossten sein.
Schade nur, dass die Natur selbst diesen letzten Menschen so wenig
Achtung entgegen bringen wird. Sie wird sie begraben unter dem Schnee
und Eise der erkalteten Erde. 1st es nicht toricht, seine Begeisterung
einem Gedanken darzubringen, dessen endgiiltige Realisierung das kalte
Nichts bedeutet?
Wozu die ganze Kulturarbeit ? Warum die Miihen und Plagen?
Wozu der aufwartsfiihrende Pfad der Generationen ?
Nein, damit kommen wir nicht aus. Wollen wir die Entwicklungs-
tatsache zur Grundlage allgemein giiltiger Erziehungstheorien macben,
dann miissen wir sie wesentlich vertiefen, weit hinein ins Psychologische.
Dann allerdings kommen wir mehrfach zu anderen Ansichten als Ellen
Key.
Dann betrachten wir als Ziel der Menschenbildung die geistig-sitt-
licbe Personlichkeit, gerade wie die .,alte" Moral. Dann werden wir im
Kinde aucb nicht die Raubtierinstinkte grossziehen. Kinder sind samtlich
grosse Egoisten. Eine besondere Ausbildung dieses Selbstbejahungs-
triebes ist ganz unnotig. Um dessen Vernachlassigung braucht niemand
Sorge zu tragen, der sorgt fur sich selbst. Aber die sozialen Instinkte,
Riicksicht auf andere, Erbarmen dem Schwacheren, Drangabe seines
Selbst fiir die Menschheit, Opfersinn und Opferfahigkeit, worin sich die
grossten Menschen ausgez^eichnet haben. das sind Eigenschaften, die sehr
schwer zu zilch ten sind. Auf sie muss der Padagoge seine Aufmerksam-
keit richten und zwar von Anfang an. Gerade in den ersten Lebensjahren
werden die richtunggebenden Grundlagen der Menschenbildung geformt.
Warum lassen sich denn Kinder, die keine Geschwister haben, so
schwer erziehen?
Weil sie nicht zu teilen, keine Riicksicht zu nehmen brauchen. Sie
konnen ihr Selbst ,,16'wenartig" betatigen, ihren Eigenwillen durchsetzen
gegen schwachliche Elternliebe. Darum werden diese Kinder oft kalte
Egoisten und anspruchsvolle Schmarotzer. Man hat sie nicht an Zucht,
Gehorsam, Selbstbeherrschung gewohnt.
Dann denken ^ir auch anders liber Autorit&t und Gehorsam, iiber
Vernunft und Unvernunft, iiber Lohn und Strafe, iiber korperliche Ziich-
tigung und iiber das Geschlechtsleben.
Das Geschlechtsleben spielt bei Ellen Key eine grosse Rolle. Wel-
chem Gedankengange verdankt es wohl die grosse Bedeutung? Vielleicht
diesem :
Die im Menschen schlummernden Kriifte miissen zur Entfaltung
gebracht werden. Das geschieht durch die Evolution unseres Geschlechts.
Ellen Key. 173
Evolution 1st aber nur moglich durch Betatigung der Sinnlichkeit Die-
ser miissen darum verniinftige freie Formen geschaffen werden; denn das
Streben nach Mutterschaft 1st heilig.
Niichterne Beobachter urteilen dariiber etwas anders. Nicht die
Sehnsucht nach Mutterschaft lasst breite Kreise der Gesellschaft, beson-
ders unter der Jugend, fiir freie Liebe schwarmen, sondern das Bediirfnis
nach Befriedigung sinnlicher Neigungen. Wenn fiir die Evolution nur
der Trieb nach Mutterschaft das entscheidende Moment ware, wiirde die
Menschheit an Zahl rasch riickwarts gehen und dem Aussterben nahege-
bracht werden. Die meisten Familien wiirden wohl das Einkindsystem
einfiihren.
Die Natur ist da viel weitsichtiger als unsere Ansichten iiber sie es
sind. Sie gab den Wesen die Sinnlichkeit. Mit dieser Peitsche jagt sie
die Individuen durch den Kreislauf der Generationen hindurch, ob sie
wollen oder nicht. Die Leidenschaft presst sie ins Joch des Lebens, bis
— ja, bis wann?
Wer diese Frage beantworten konnte ! - - Oder ob es wahr ist, was
grosse Geister gepredigt? — Werden wir den Gipfel der Vollendung erst
dann erklommen haben, wenn die Sklaverei der Sinnlichkeit voriiber ist,
wenn wir Eros, die Begierde, ,,die Schlange" iiberwunden und zertreten
haben? —
Fur unsere Betrachtung ergibt sich jedenfalls folgendes:
Die Entwicklung kann nicht Selbstzweck sein, sonst ware sie eine
unsinnige Tragikomodie. Sie ist Mittel fiir einen hoheren Zweck, also
von sekundarer Bedeutung. Die Sinnlichkeit hinwiederum ist ein Mittel
zur Evolution. Sie hat also nur eine Bedeutung dritten Grades. Eine
Beherrschung derselben ist darum ganz sicher keine Todsunde. Ja, sie
ist vielleicht ein Anfang zu einer geistigen Evolution des Individuums,
die dem unbekannten Lebenszwecke dient.
Jedenfalls gait nach der ,,alten" Moral das Sichselbstbesiegen als der
grosste Sieg. Und wenn die Selbstbeherrschung bis zur Selbstentausse-
rung fiihrt, preisen wir sie als hochste Tugend. Der Mann, der sein
Leben nicht achtet und ins brennende Haus hineinstiirzt, um das Hilfe
rufende Kind der jammernden Mutter in die ausgebreiteten Arme zu
werfen, der Mann hat unsere ungeschm^lerte Hochachtung. Und kommt
er dabei urns Leben, so wird sein Andenken vom Hauche einer besonderen
Weihe umwoben.
Ja warum denn? Er hat eine ewig-menschliche Tugend geiibt, die
ihn hoch liber seine Tierheit hinaushebt.
Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint also die Selbsbeherrschung,
auch die Askese, in einem anderen Lichte. Selbstverstandlich reden wir
nicht einem falschen Asketentum das Wort. Wo infolge der Selbstbe-
herrschung der Strom der Sinnlichkeit aus den Ufern tritt und schmut-
174 Monaishefie fur deutsche Sprache und Padagogik.
zige Pfiitzen bildet, da ist der Mensch fiir jene Stufe des Lebens noch
nicht reif. Fiir ihn ist eine vernimftige Betatigung der Sinnlichkeit
geboten.
In dem kleinen Artikel konnen wir diese grossen Probleme nur an-
deutungsweise behandeln. Jedenfalls aber ist es nicht notig, dass wir un-
sere Erziehungsideale aus Riicksicht auf den Entwicklungsgedanken um-
gestalten. Die Entwicklung und Verei-bung sind obendrein so wunder-
lich. Von grossen Mannern haben wir selten grosse Sohne erlialten. Und
sehr grosse lister verkorperten sich mitunter in kleinen, schwachlichen
Korpern. Man denke an Newton und Kant, ja selbst an iiberragende Tat-
menschen wie Friedrich den Grossen und Napoleon I.
Nein, die ganze Materie ist noch viel zu wenig durchsichtig, als dass
wir unsere alten Erziehungsideale ihr zuliebe aufgeben miissten. Das
soil uns aber nicht abhalten, auf diese geistigen Stromungen acht zu ge-
ben, das in ihnen vorhandene Gute uns nutzbar zu machen und uns vor
ihren tibertreibungen zu hliten.
Die deutsche Literatur im franzosischen Staatsexamen. Einem in
der ,,Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung" veroffentlichten Schreibeii
von Professor H. Loiseau in Toulouse, einem Mitgliede des Pariser Prii-
fungsrates fiir das franzosische Staatsexamen, die sogenannte ,,Agrega-
tion", * entnehmen wir die Priifungen, denen sich die Kandidaten bei
dem im letzten Jahre abgehaltenen Examen zu unterwerfen hatten.
Die schriftliche Priifung bestand in folgenden Klausurarbeiten —
ohne jedes Hilfsmittel:
1. Eine Ubersetzung aus dem Franzosischen ins Deutsche (4 Stun-
den).
2. Desgl. aus dem Deutschen ins Franzosiche (4 Stunden). Das
vorgeschlagene Stiick war diesmal ein wunderschones Gedicht von G.
Falke.
3. Eine deutsche schriftliche Arbeit (7 Stunden). Thema: Die
Kunstanschauungen der Nazarener.
4. Eine franzosische Arbeit iiber deutsche Literatur. Das Thema
lautete ungefahr: ,,Man erklare das Wort des Gregorovius iiber den ,Wil-
helm Meister': ,Wilhelm Meister ist das hohe Lied der Arbeit'."
* Eingehende Aufklftrung fiber diese Prfifung und fiber die durch Ablegung
derselben erworbene Berechtigung enthfilt der in den Heften 1 und 2 des Jahr-
ganges 1907 unserer Zeitschrift erschienene Aufsatz von Professor Ernest
Tonnelat in Caen fiber den ,,f remdsprachlichen Unterricht in Frankreich". Wir
nehmen Gelegenheit, auf diesen Artikel hinzuweisen, besonders auch deshalb, weil
er dartut, wie grfindlich die Sprachlehrer der Schulen Frankreichs vorgebildet
werden und wie fortschrittlich die Methode des fremdsprachlichen Unterrichts
daselbst ist. D. R.
Lasst die Kinder sprechen. 175
Xachdem von den 96 Kandidaten 72 ausgeschieden worden waren,
wurden die iibrigen einer miindlichen Priifung unterzogen, die folgende
Aufgaben enthielt:
1. Eine sehr schwierige Stelle aus einem zeitgenossischen franzosi-
schen Schriftsteller vom Blatte weg ins Deutsche iibersetzen.
2. Eine Stelle aus dem Mittelhochdeutschen (dem Eckenlied) ins
Xeuhochdeutsche iibertragen und philosophisch erklaren.
3. Eine Stelle aus einem deutschen modernen prosaiischen Schrift-
stelier ins Franzosische iibersetzen und grammatikalisch und literarisoh
erkLaren.
4. Desgl. aus einem Dichter.
5. Einen deutschen Vortrag halten, nach funfstundiger Vorberei-
tung, iiber ein gegebenes Thema.
6. Einen franzosischen Vortrag iiber ein Thema aus der deutschen
Literatnr- und Kulturgeschichte.
Lasst die Kinder sprechen. Die Schwierigkeit, ein gutes Nacherzah-
len zu erzielen, liegt meistens nicht beim Kinde. Wenn unsere Lern-
anfanger zur Schule kommen, so vermogen sie sich iiber alle Ereignisse
des taglichen hauslichen Lebens zu unterhalten. Nun miisste man glau-
ben. dass sie mit zuneh mender Sprechfertigkeit, mit einem grosseren
Wortschatz auch anderes gelaufiger erziihlen konnten. Das trifft aber
nur fur den Spielplatz zu; ini Unterricht merkt man erhebliche Fort-
schritte darin nicht. Woher diese Erscheinung? Vielleicht reden wir
Lehrer zu viel in der Klasse, so dass die Schiiler weniger dazu kommen;
vielleicht fehlt manchem die Gabe einer guten Erzahlkunst, die Gabe, mit
den Kindern zu sprechen. Wie bahnen wir eine gute miindliche Wieder-
gabe der Unterrichtsergebnisse der Schiiler an? Lassen wir zunachst die
Kleinen einmal frei reden. Wohl in jedem Lehrplan findet sich fiir die
ersten vier bis sechs Schulwochen kein Stoff verzeichnet. Da haben wir
fur unseren Zweck Zeit genug! Lassen wir die Kleinen reden; sie wer-
den uns schon von ihren kleinen Leiden und Freuden erzahlen, und da-
durch werden sie iiberhaupt Mut bekommen, in der Schule munter zu
reden. Dadurch tauen die Kinder in der ihnen fremden Umgebung erst
auf. Hier darf die rechte Lehrkunst aber nichts Aufkeimendes durch
wiederholtes Dazwischenfahren zerstoren; bei der Besprechung eines
Bildes werden die Kinder gern erzahlen, was sie gesehen haben. Auf die
Erzahlung der Kinder wirkt das Vorerzahlen von Marchen ganz beson-
ders. Gerne werden das die kleinen Schiiler wieder erzahlen. Lasst sie
nur reden! Sind die Schiiler alter geworden, dann lasst sie erst recht
reden.
176 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Wie soil aber Fehlern begegnet werden? Die Hauptsacbe bei der
miindlichen Wiedergabe 1st die Sache. der sachliche Inhalt des Ausge-
sprochenen. Durch klares Aussprechen der Unterrichtsergebnisse wird
der rechte Erfolg der unterrichtlichen Tatigkeit gezeigt. Das Sprach-
liche kommt daher erst in zweiter Linie. Der alte Satz: Jede Stunde
cine Sprachstunde, hat trotzdem Berechtigung ; freilich darf die Sprach-
stunde nicht mit Grammatikstunde verwechselt werden. Kleine Ilneben-
heiten im miindlichen Vortrage des Schiilers wird man daher durchgehen
lassen; die Sprache des taglichen Lebens klingt auch anders, als die
Schulsprache. Wenn nun Fehler kommen, wann korrgieren wir? In
sachlicher Beziehung wird meist sof ort korrigiert, da sich sonst ' f alsche
Vorstellungen bilden wiirden. Die Korrektur besteht aber nicht in einem
blossen Richtigstellen seitens des Lehrers, sondern es wird der vortra-
gende Schiller auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht. Findet er den
Fehler nicht, so sucht man ihm durch eine Frage zu helfen; hilft das
auch nicht, so wendet man sich an die anderen Schiller. 1st die Sache
der Mehrzahl der Schiller unklar geblieben, so muss eine nochmalige Ent-
wicklung des Lehrers eintreten. Es empfiehlt sich, dass die iibrigen
Schiller bei einem sachlichen Fehler des Vortragenden sich sof ort zur
Richtigstellung melden.
Begeisterung ist alles ! Gib einem Menschen alle Gaben der Erde
und nimm ihm die Fahigkeit der Begeisterung und du verdammst ihn
zum ewigen Tod. — Ad. Wilbrandt.
Stoffe fur den Anschauungsunterricht.*
Aus der Praxis.
Yon Uhlenkruger.
Ich bin jahrelang auf der Suche gewesen nach Stoffen, die sich na-
mentlich fiir den Unterricht im ersten Schuljahr eigneten. Lange fand
ich nichts, denn ich war nicht mit allem moglichen zufrieden, das am
Wege lag. Es sollten wirklich zweckmassige, wo nicht mustergiltige
Stoffe sein. Ich wollte die Kinder nicht an den Haaren herbeiziehen ;
* Die unter dieser tfberschrift in der Zeitschrift ,,Deutsche Schulpraxis"
enthaltenen Lehrbeispiele sind auch fiir unsere Arbeit gleich verwertbar.
Wenn wir auch hinsichtlieh des Stoffes und des Lehrzieles auf Grund der
geringeren Sprachfertigkeit unserer Schtiler inancherlei Einschr^nkungen wer-
den vornehmen miissen, so'dlirfte sich doch die Behandlung kaum wesentlich
anders gestalten ; namentlich sollte es auch unser erstes Bestreben sein, den
Schtiler zum eigenen Denken und Sprechen anzuregen. D. R.
Anschauungsunterricht. Der Hund. 177
die Lernlust sollte sich freiwillig einstellen. Ich wollte keine Satze ein-
pauken, die Zungen sollten von selbst platschern. Manches von den tibli-
chen Stoffen lag mir selbst fern, und so fehlte auch den Kindern die
nb'tige Teilnahme. Die Aufmerksamkeit blieb eine gezwungene, unnatiir-
liche. Andere Sachen waren den Kindern trocken, mager, langweilig.
Endlich fand ich, was ich suchte : Stoffe, die die Kinder lernlustig,
den Lehrer lehrfreudig machten; denn das ist die Hauptsache. Nie darf
die innere Fruchtbarkeit und Triebkraft fehlen. Mit diesen Stoffen wa-
ren die Kinder verwachsen, sie hatten sie erfahren, erlebt, erschaut : es war
etwas Selbstgewachsenes. Dazu etwas Lebendiges. Wer Kinder kennt,
weiss, wie sie am Lebendigen hangen und wie sie allem, was da lebt und
webt, fleugt und kreucht, ihre Liebe schenken. So bin ich auf den Hund
gekommen, und vom Hund auf die Katze und die Ivuh und hinterher
noch auf manche andere lebendige Kreatur. Diese Stoffe waren den Kin-
dern durch jahrelange, tagliche Beobachtungen, halb bewusste, halb unbe-
wusste — vertraut. Sie durften nicht miihsam herausgezogen, noch
schwerfallig ,,herangebracht" werden: es war alles da. Der Stoff lebte
bereits in den Kindern ; er durf te nur gesammelt, gesichtet, geordnet wer-
den. Die Schiller trugen die Bausteine herzu; sie waren die Oeissigen
Handlanger, der Lehrer der Baumeister.
I.
Der Hund.
Ein Un terrich t sg esprdch .
L. JVir wollen uns heute etwas von einem Tier erzahlen, das ihr
alle gewiss gern leiden mogt. Es lebt mit euch in der Stube, oder es lauft
auch im Hofe herum. Und wenn ihr von der Schule nach Hause koinmt,
da freut sich wohl gar das gute Tier. Nun? K. Das ist der Hund. L.
Wie machts denn der Hund, wenn er sich freut? K. Er koinmt uns ent-
gegen und lauft um uns rum. 2. K. Er springt an uns rauf und leckt
uns die Hand. 3. K. Er schwanzelt und sieht uns so freundlich an und
lacht. L. Er lacht? So, wer hat denn schon Hunde lachen horen? K.
Ich nicht, ich nichi .... 2. K. Ja er lacht doch ; dann sind alle Zahne
zu sehen. TJnser Hund kann doch lachen. L. Na, dann will ichs glau-
ben und heute nachmittag doch gleich mal zusehen, ob mein Hund auch
lachen kann. Nun sagt noch einmal, wies der Hund macht, wenn er sich
freut !
L. Ihr seht also, was ftir em lustiges Tier der Hund ist. Grad so
lustig wie ihr. Ihr tanzt und springt doch auch gern. Wann ist der
Hund denn sonst noch lustig? K. Wenn wir aufs Feld gehen und er
mitkommen darf. L. Wie macht ers denn? Er bellt und lauft vornweg
und kommt wieder zuriick nnd springt. L. Aber ihr habt ihn gewiss
auch schon traurig gesehen. Wann denn? K. Wenn er zu Hause blei-
178 Monatshefte fiir deutsche Sprache und Padagogik.
ben muss. L. Wie macht ers dann ? K. Er setzt sich bin und bebt den
Kopf auf und heult. Wir sagen dann: er weint. 2. K. Unser Hund
macht es anders. L. Wie denn? K. Der geht dann ganz krumm und
lasst die Ohren hangen und klemmt den Scbwanz zwiscben die Beine und
guckt so schief. L. Ja, warum nehmt ihr ihn denn auch nicht mit! Ihi-
wisst wohl, wie eucb ist, wenn ihr zu Hause bleiben mtisst und gingt gern
mit. K. Ja, er macht Dummheiten, er macht sich hintef die Haseii. 2.
K. Oder die grossen Hunde beissen ihn.
L. Habt ihr ihn sonst noch traurig gesehen? K. Ja, wenn er Prii-
gel kriegt. L. Wie macht ers denn? Er duckt sich und lauft weg.
2. K. Er legt sich auf den Riicken und halt die Beine hoch. 3. K. Un-
serer schleicht und lasst die Ohren hangen. L. Aber warum hat er denn
Priigel verdient? K. Er konnte nicht horen. L. Nicht horen? Hat
er denn keine Ohren? K. Ja, aber er wollte nicht horen. 2. K. Er
meint, er wollte nicht gehorchen. L. Wann denn nicht? K. Er machte
sich hinter die Hiihner und biss .sie tiichtig und wollte nicht ran kommen.
2. K. Er biss den Brief trager. L. Wer sagt mir nun noch einmal
hiibsch hintereinander, wann der Hund traurig ist?
Ij. Ihr geht nun schon viele Tage zur Schule und ihr versteht schon
recht viele Dinge, nicht wahr? Was denn alles? — Aber nun der Hund,
das ist auch ein Tausendktinstler. Was versteht denn euer Hund alles?
1C. Unser Hund muss die Kiihe hiiten. L. Wie macht er denn das? K.
Er passt auf, wenn sie ins Korn gehen ; dann lauft er bin und treibt sie
raus 2. K. Wir haben einen Hiihnerhund, der muss die Hiihner aus
dem Garten treiben. Und wenn die Tauben ins Korn fliegen, dann jagt
er sie auch weg. 3. K. Wir haben einen Jagdhund. L. Was hat denn
der zu tun ? K. Der muss die Hasen und Hiihner auf jagen. Und wenn
mein Vater welche geschossen hat, dann nimmt er sie ins Maul und bringt
sie. Manchmal springt er auch in den Teich und treibt die wilden Enten
aus dem Rohr. 4. K. Wir haben einen grossen Hofhund, der liegt immer
an der Kette. L. Was soil er da? K. Er bellt, wenn ein Fremder auf
den Hof kommt. Am Abend machen wir ihn los. (Knabe weitererzah-
lendr) Einmal war mein kleiner Bruder in die Hiitte gekrochen und
konnte nicht wieder zuriick und schrie, und der Hund stand dabei und
schwanzelte, bis meine Mutter kam und den Bruder rauszog. L. Da hast
du ja etwas sehr Drolliges gesehen.
Ihr sent, wie vielerlei so ein Hund kann und was der alles fiir Arbei-
ten hat. Aber ihr kennt auch gewiss manche, dies besser haben. K.
Schosshund, im Pensier usw.
Aber nun sollt ihr mir doch noch genauer sagen, was der Hund alles
tut, wenn ein Fremder kommt! K. Er bellt und beisst. L. Ja, aber
Anschauungsunterricht. Der Hund. 179
nicht gleich ! K. Er knurrt. L. Wie sieht er denn aus ? K. Him
stehen die Haare hoch und der Schwanz auch. 2. K. Er zeigt die Zahne.
L. Warum macht ers wohl so ? K. Der Fremde soil Angst kriegen. L.
Er will sagen : Mache, dass du raus kommst, ich kann auch sehr bose sein.
Er mochte wohl am liebsten keinen Fremden in die Stube lassen. Seht,
darum nennen wir den Hund einen treuen Wa'chter. (Nacht -- Dieb).
Aber manchmal knurrt er garnicht ! K. Er kommt heimlich ange-
sehlichen und beisst. L. Wie sind denn die Zahne ? K. Weiss und spitz.
L. Aber er kann nicht immer wachen! K. Er schlaft auch gern. L.
Wie denn? K. Er kugelt sich zusammen. 2. K. Er liegt manchmal
ganz lang in der Sonne. L. Er liegt gern, wos weich ist? Unser Hund
steigt gern aufs Sofa.
Nun, noch einmal, was der Hund tut, wenn ein Fremder kommt !
Jetzt wollen wir uns noch weiter besinnen, was der Hund alles kann.
Denkt einmal an seine Nase ! K. Er kann gut riechen. L. Wann habt
ihr denn das bemerkt? K. Wenn ein Fremder kommt, den beriecht er.
2. K. Er kann riechen, wo ein Hase gelaufen hat. 3. K. Er kann rie-
chen, welchen Weg der Vater gegangen ist. L. Der Hund kann auch
gut horen. Was denn? K. Wenn ein Fremder vorbeigeht. 2. K.
Wenn eine Maus raschelt ; er geht dann hin und passt auf. L. Wie macht
ers, wenn er gut horen will? K. Er hebt die Ohren hoch. L. Was er
noch kann ! Denkt ans Wasser ! K. Er kann schwimmen. L. Wie
macht er das? (Der L. lasst sich immer genau angeben, was die Kinder
gut und deutlich beobachtet haben!) L. Wenn er aus dem Wasser steigt!
K. Er schiittelt sich das Wasser aus den Haaren und lauft schnell und
walzt sich im Sande. Dann legt er sich in die Sonne und leckt sich. L.
Kann der Hund auch klettern? K. ja — nein! 2. K. Unser Hund kann
bisschen klettern, auf einen schiefen Apfelbaum, wenn er sich mit der
Katze zankt. 3. K. Unser Hund kann auf die Leiter steigen. L. Warum
kann wohl der Hund nicht so gut klettern wie die Katze? K. Er hat es
nicht gelernt. (!) 2. K. Er hat kerne spitzen Nagel.
ISTun erzahlt mir noch einmal, was der Hund gut kann! Denkt an
seine Nase, an die Ohren, ans Wasser!
(Fortsetzung folgt.)
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Cincinanti. ragender Linguist und Professor am
Ausgeknobelte Schulrate hiesigen Hebrew Union College, der
haben wir jetzo in Cincinnati, im Staate erst letzten Herbst in den Schulrat ge-
Ohio, d. h. wenn auch nicht gerade mit wahlt wurde. Zu wiinschen ware nur,
dem Wiirfelbecher ausgeknobelt, so dass Herr Deutsch in sein neues ver-
doch mittels Zettel ausgelost. Mit antwortungsvolles Amt auch gleich die
Streichholzchen oder Strohhalmen notige Erfahrung mitbrachte, die in
war's auch gegangen; oder man hatte einer solchen Behorde ebenso wichtig
die Herren auch ,,ausraffeln" konnen! ist al* der gu<* Wille. Die zwei ,,at
In Wirklichkeit ist es ja dasselbe, so- large" gewahlten Kollegen Dr. Louis
fern nur der blinde blodsinnige Zufall Schwab und Emil Pollak, beide deut-
dabei entscheidet. In der letzten Mai- scher Abstammung, werden dem Herrn
woche war unser bisheriger Schulrat, Professor in semem Schutzengel-Amte
der aus 24 Wardvertretern und drei ,,at jedenfalls hil/freich zur Seite stehen.
large" gewiihlten Mitgliedern bestand, Hoffen wir also das Beste!
zum letztenmal in Sitzung, und am Das Gesetz, das den ,,kleinen" Schul-
Schluss derselben wurden aus den rat schuf, soil iibrigens inbezug auf
Wardvertretern vier Herren durch das seine Konstitutionalitat in den Gerich-
Los bestimmt, die nun zusammen mit ten angefochten werden, da es als Klas-
den drei von der ganzen Stadt gewahl- sengesetzgebung, die eigentlich nur die
ten Mitgliedern den neuen, oder den so- Stadt Cincinnati betraf, betrachtet
genannten ,,kleinen" Schulrat bilden. wird. Allein bei der gegenwilrtigen po-
Laut dem von unserer Staatslegislatur litischen Konstellation in Ohio wird
angenommenen Gesetze hatten die drei wohl kaum eine Umstossung des Ge-
,,at large" Mitglieder auch nach bestem setzes zu erwarten sein. Wir mtissen
Gutdllnken die vier Herren aus den 24 uns wohl oder iibel ins Unvermeidliche
Wardvertretern auswahlen konnen; al- fiigen. Der kratzbiirstige Korrespon-
lein da mussten sie zwanzig ihrer bis- dent kann aber nicht umhin, zum
herigen lieben Kollegen vor den Kopf Schluss dieses Themas an die piiichtige
stossen, und um dies zu vermeiden, ent- Ansprache zu erinnern, die President
schied man sich fiir die Auslosung. Bei Roosevelt im Februar d. J. an die
diesem Blindekuh- oder Zufallsspiel, Schulsuperintendenten gerichtet hat,
wobei man aus einem Hute, den der die in der letzten Nummer der ,,Mo-
Schulratsclerk iiber seinem Haupte natshefte" zum Abdruck kam. Nach
hielt. mit dem Worte ,, chosen" beschrie- den Worten unseres Bundesoberhauptes
bene oder leere Zettelchen gezogen wur- ist der Lehrstand der wichtigste, denn
den, gingen die Herren Dr. W. W. Bar- auf ihm, auf der Erziehung und Heran-
ber, Robt. E. Coghill, Geo. W. Harper bildung der Jugend, beruhe das Wohl
und Dr. G. Deutsch als Sieger oder Ge- und die Zukunft der Nation. Ahnliche
winner hervor. Leider, und zwar sehr Versicherungen bekommen die Lehrer
leider, zogen in diesem nichtswtirdigen jedes Jahr bei Empfiingen und Konven-
Lotteriespiel zwei der besten Freunde itionen seitens hoher Stadt- oder Staats-
des deutschen Unterrichts Nieten, nam- beamten zu horen. Und hier wurde die
lich Herr John Schwaab, der seit vier- Behorde, in deren Hiinden die ganze
zehn Jahren das deutsche Departement Hussere Schulverwaltung, sogar die An-
in unseren offentlichen Schulen furcht- stellung oder Absetzung des Schulsu-
los und treu und auch erfolgreich ver- perintendenten liegt, diese wichtige Be-
treten hat; ferner Herr John B. Peas- horde wurde hier zu zweidrittel — aus-
lee, unser friiherer Schulsuperinten- nreknobelt, pardon ausgelost! Da
dent, ein enthusiastischer Befiirworter sag' nu eener. wat 'ne Sache ist! Die
des zweisprachigen Unterrichts und ein nene Beh<">rdp tritt mit dem Monat Juni
warmer Freund des Deutschtums. in Kraft und bleibt bis zum Jahre 1910.
In der neuen sieben-kopfigen Schul- teilweise bis 1012 im Amte, d. h. wenn
behorde verbleibt uns als Schutzengel sie nicht in der Zwischenzeit gesetzlich
nur noch Dr. Deutsch, ein hervor- abgemurkst wird.
Korrespondenzen.
181
In der Mai-Versammlung des Deut-
schen Oberlehrervereins wur-
den die samtlichen Beamten durch erne
Wiederwahl geehrt: namlich Heir Max
Weis President, Herr Wm. Jiihling
Vizeprasident, Herr Karl Herrle,
Schriftfuhrer und Herr W. G. Cramer
Schatzmeister. Unter der Fiihrung die-
ser Herren, besonders mit Freund Weis
am Steuer, wird das Vereinsschifflein
auch wahrend des nachsten Schuljahres
wiederum im ruhigeri Wasser dahingon-
deln. Dr. H. H. Fick, der Leiter des
deutschen Unterrichts, dankte den
Oberlehrern ftir ihre treue und er-
spriessliche Mitarbeit im Interesse des
deutschen Departements und wies als-
dann auf den bevorstehenden Lehrertag
bin, dessen Besuch er angelegentlich
empfahl.
Auch im Lehrerinnenverein Har-
monic, der am 23. Mai eine htibsche
und wohlgeleitete Richard Wagner -
Feier abhielt, gab sich grosses Interesse
ftir die Jahresversammlung des Leh-
rerbundes kund, so dass ein Ausschuss
zur Vorbereitung der Exkursion nach
Milwaukee ernannt wurde. Die An-
ziehung einer damit verbundenen Fe-
rienreise im kiihlen Nordwesten wird
ein ubriges tun, dem Lehrertage eine
stattliche Beteiligung zu sichern.
E. K.
Milwaukee.
Der Lokalausschuss, der die V o r b e-
reitungen fur den 36. Lehrer-
t a g zu treffen hat, hat nunmehr nach
monatelanger Tatigkeit alle notigen
Arrangements getroffen. Nun kann's
losgehen! Wir brauchen nur noch die
erwartete Anzahl Besucher — deren wir
in unserem beruhmten gastfreundlichen
Deutsch-Athen unziihlige auifzunehmen
imstande sind — und der Erfolg wird
nicht ausbleiben.
Das aufgestellte Unterhaltungspro-
gramm ist ein so reichhaltiges, dass
selbst dem Anspruchvollsten die Zeit
nicht lang werden wird.
Noch in der letzten Stunde hat der
Lokalausschuss eine D a m p f e r -
f a h r t auf dem Michigansee und einen
geselligen Abend nach der offi-
ziellen Empfangsfeier arrangiert.
Als offizielles Abzeichen
ist ein Knopf gewiihlt worden, der auf
weissem Grund einen grunen Eichen-
kranz nebst brauner Eichel, mit passen-
der Umschrift, darstellt.
SUmtliche Alumnen des Leh-
rorseminars werden sich am 2. Juli
nachmittags an der Banketttafel im St.
Charles Hotel versammeln und ihre Or-
ganisation vervollstandigen.
Die Lehrmittelausstellung.
die vom Lehrerseminar veranstaltet und
besonders durch das eifrige Bemtihen
des Seminarlehrers Jlerrn John Eisel-
meier zusammengestellt worden ist, bie-
tet eine Fulle und Mannigfaltigkeit des
Stoffes, der fur den Sprachlehrer jed-
weder Gattung, vom Volksschullearer
bis zum Universitatsprofessor, anre-
gend und erspriesslich sein durfte. Die
aus mehr als 2OOO Objekten bestehende
Ausstellung umfasst nahezu alles, was
in den letzten Jahren auf dem Gebiet
des modernen Spraclmnterrichts er-
schienen ist, und tragt im vollen Sinne
des Wortes einen Internationa-
len Charakter. 26 Sprachen sind in
derselben vertreten, darunter fiinf afri-
kanische und fiinf asiatische. Die Aus-
stellung wird den Besuchern des Leh-
rertages zur Durchsicht offen stehen
und dieses Privilegium allein schon ist
den Besuch des Lehrertages seitens aller
auswartigen Lehrer wert.
Ein ubersichtlicher Katalog wird ge-
druckt und jedem Besucher des Lehrer-
tages frei zugestellt werden.
Die Ausstellung selbst verbleibt im
Lehrerseminar. Wir hoffen, dass man
sie zu einer progressiven macht,
indem man von Zeit zu Zeit neu er-
scheinende Werke hinzufugt.
Unsere nachste Staatsle-
gislatur wird entscheiden, ob der
Wahlerschaft Wisconsins ein Vorschlag
zur Urabstimmung unterbreitet werden
soil oder nicht, der besagt, dass das Mi-
nimalschulalter von 4 auf 6 Jahre er-
hoht wird. Um das durchzusetzen, be-
darf es eines Zusatzes zur Staatsver-
fassung. Der Vorschlag, der von den
Vertretern der Landdistrikte ausgeht.
stosst bei den Lehrerinnen und Freun-
den des Kindergartens auf heftige Op-
position.
Man befiirchtet namlich — und nicht
ohne Grund, — dass dann der Kinder-
garten entweder ganz eingehen oder be-
deutend gelahmt wird; denn Kinder,
die das sechste Lebensjahr iiberschrit-
ten haben, schicken die Eltern in der
Hegel nicht in den Kindergarten.
Seitens des Verbandes der Kindergart-
nerinnen macht man alle Anstrengung
auf dem Wege der Petitionierung, das
vorgeschlagene Amendement niederzu-
stimmen, oder aber einen Kompromiss
herbeizufiihren .
C. B. S.
New York.
Der Vortragende im Verein deut-
scher Lehrer von New York
und U m g e g e n d war in der Maiver-
sammlung der Prasident des Vereins,
182
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Herr Prof. Rudolf Tombo, Sr., und sein
Thema: Orthographierefor-
m e n. Der an und fiir sich trockene
Gegenstand wurde durch die Art und
Weise, in der er behandelt wurde,
liBehst anziehend und belehrend.
Die deutsche Orthographic entspricht,
trotz aller Verbesserungen, noch keines-
wegs alien berechtigten Anf orderungen ;
besonders berticksichtigt sie den Stand-
punkt des Kindes in der Schule noch zu
wenig. Die Folge davon ist, dass man
in den Briefen von Personen, die ihre
Erziehung mit der Volksschule obschlos-
sen, gewohnlich zahlreichen und groben
Verstossen gegen die Orthographic be-
gegnet. Diese Leute suchen eben die
Laute, so wie sie dieselben sprechen,
wiederzugeben, d. h. phonetisch zu
schreiben. Das phonetische Prinzip soll-
te eigentlich auch das Ideal einer
Schrift sein. Denn wiirden wir heute
anfangen, unsere Sprache zum ersten
Male niederzuschreiben, so wiirden wir
naturgemass einem bestimmten Laute
nur ein Zeichen geben. So hielt man es
im Althochdeutschen und Mittelhoch-
deutschen, wo man noch kein etymolo-
gisches oder historisches Prinzip kannte.
Die Manusfcripte weisen nur scheinbare
Widerspriiche gcgen diese Regel auf.
Mit dem Verfall der Literatur im 14.
Jahrhundert verfiel auch die Recht-
schreibung; es machten sich viele Un-
arten gel tend, vor allem eine gewaltige
Anhaufung von Konsonanten, um kurze
Vokale anzudeuten. Die Schreiber wur-
den nach Zeilen be/ahlt. weshalb sie die
Manuskripte moglichst in die Lange zu
/iehen suchten. Grosse Anfangsbuch-
staben fiir Hauptworter waren damals
noch nicht iiblich, ausser wo es sich um
die Bezeichnung der Gottheit handelte.
Luther prkannte die bestehenden
Mangel und war bestrebt. sie zu ver-
bessern. jedoch ohne besonderen Erfolg.
Er verwarf die Doppelkonsonanten am
Ende der Worter und von anderen Kon-
sonanten und verwandte sie nur selten
als Dehnungszeichen. Tndes zeigen sich
cros^e Schwankungen in seinen Ausga-
ben.
Die Drucker hatten eben ihre eigene
Orthographic und kehrten sich meistens
nur wenig an die Manuskripte. Aua
diesem Grunde ist es toricht. bei Re-
formbestrebunsren die Orthographic un-
sorer klassischen Schriftstcller so pie-
tH troll zu berficksichtigen.
Tm 16. Jahrhundert erschienen die
orsten deutschen Grammatiken, untcr
denen Fabian Frangk's Orthographia
(1531) den ersten Rang cinnimmt, Er
stellt darin die Regel auf: .,Schreibe,
wie du sprichst." Seine Bemiihungcn
aber hatten keinen grossen Erfolg,
ebensowenig wie die des Grammatikers
J. G. Schottel, der um die Mitte des 17.
.Tahrhunderts wirkte und das etymolo-
gische Prinzip zur Geltung zu bringen
suchte.
Als den Urheber der modernen deut-
scheii Orthographic betrachtet man ge-
wohnlich Gottsched, dessen Deutsche
Sprachkunst (1748) allgemein aner-
kannt wurde. Er behalt die von Frangk
auf gest elite Regel bei, lasst aber auch
das etymologische Prinzip zu seiiiem
Rechte kommen. Ihm verdanken wir
iiberdies die Regel, alle Hauptworter
mit grossen Anfangsbuchstaben zu
schreiben.
Im Auftrage Friedrichs des Grossen
verfasste J. C. Adelung im Jahre 1781
seine Deutsche Sprachlehre ftir die
preussischen Schulen. Dieses Werk ba-
siert auf Gottsched, nur sind die darin
niedergelegten Regeln eingehender und
bestimmter. Es bildet die Grundlage
fiir die zwei bekanntesten Grammatiken
des letzten Jahrhunderts, namlich die
von Heyse und Carl Becker.
Jakob Grimm suchte fiir die Recht-
schreibung das historische Prinzip auf-
zustellen. Darnach waren die Worter
so zu schreiben, wie sie sich den von
ihm aufgestellten Lautgesetzen gemass
hatten entwickeln sollen. Die Folge da-
von war, dass die bestehende Verwir-
rung nur noch grosser wurde, und dass
die verschiedenen Regierungen sich ge-
n()tigt sahen, Ordnung in das Chaos zu
bringen.
Die Massregeln, die nach dieser Rich-
tung hin seit dem Jahre 1870 ergriffen
wiirden. sind zu wohl bekannt, um hier
einer naheren Beleuchtung zu bediirfen.
Ihnen verdanken wir die seit 1902 fest-
gest'elltc neue deutsche Orthographic.
Wcnn dieselbe auch keineswej^ voll-
komnien ist, so diirfen wir uns doch
gliicklich schatzen, dass wir mit einer
vercinten Nation auch eine 'einformige
Orthographic baben.
Der geistige Fortschritt wird indes
iinaufhaltsam wciter gehen und un's mit
dor Zeit eine Rechtschreibung bringen,
die alien verniinftigen Anfordcrungen
gerecht wird. L. H.
Zuschrift.
An die Redaktion der ,,Monatshefte"
fiir deutsche Sprache und Pada-
gogik".
Werte Redaktion:
Die Leitung des letztjahngen Leh-
rertages verwahrt sich auf das Ent-
schiedenste gegen den ,,Vorwurf fiir did
Umschau.
183
Missachtung der Baltimorer Einla- rertages nicht das Mindeste zu schaf-
dung". Wie iiblich, war es Sache des fen. Der Bericht des Komitees, Mil-
Nominationsausschusses, Vorschlage waukee als Ort der Tagung empfehlend,
betreffs des zu erwahlenden Versamm- wurde von der Versammlung gutge-
lungsortes zu machen. Mit den Bera- heissen. Das sollte die Angelegenheit
tungen und der Entscheidung dieses ge- beenden. Hochachtungsvoll
wiss in unparteiischer Weise ernannten H. H. Pick,
AusechusseB hatte die Leitung des Leh- Vorsitzer des 35sten D. A. Lehrertageg.
II. Umschau.
Soil die Handhabung von
Schiesswaffen in den offent-
lichen Schulen gelehrt wer-
den. Die Gesellschaft der Friedens-
freunde in Philadelphia hat eine Bro-
chure herausgegeben, in welcher sie den
Plan bekampft, Schiessubungen in den
b'ffentlichen Schulen abzuhalten. Ein
dahin zielender Vorschlag ist mit sol-
ehem P^rnste und von so einflussreicher
Seite gestellt worden, dass die Auf-
merksamkeit aller, die an dem Fort-
schritt und der Wohlfahrt unserer Schu-
len Interesse haben, auf diese Frage
gelenkt worden ist.
Die Befiirworter solcher ubungen be-
tonen, dass die Heranbildung von geiib-
ten Schtitzen eine wertvolle Vorberei-
tung fur den Krieg sei. Sie gehen von
der Ansicht aus, dass es von grosserer
Wichtigkeit sei, eine Nation flir den
Krieg als fiir die Kiinste des Friedens
vorzubereiten, und iibersehen ganzlich
die padagogische und praktische Seite
eines solchen Planes.
Eine Reihe hervorragender Manner
und Frauen wurden um ihre Ansicht
befragt, und ihre Antworten. die in
der Brochure veroffentlicht sind, liefern
die schlagendsten Argumente gegen die
an Zahl leider sehr grosse Partei, wel-
che im ,,.dicken Kniippel" das sicherste
Mittel, friedfertige Nationen im Zaune
zu halten, und im ,,Mann hinter der
Kanone" den wiirdigsten Kulturtrager
unserer Zeit sehen.
Aus der Reihe der Antworten wollen
wir einige in ihren markantesten
Satzen hier wiedergeben.
a) Charles E. Hughes, Governor des
Staates New York und eventueller
Prasidentschaftskandidat.
,,Die Zeit ist vortiber, wo wir den
Krieg als einen Bildungsfaktor des na-
tionalen und individuellen Charakters
betrachten dlirfen. Die Heldentaten des
Schlachtfeldes werden jetzt ersetzt
durch mathematische Berechnungen.
Wenn der Krieg je etwas anderes war,
KO ist er sicherlich in unseror Zeit ein
Schauspicl erbarmungslosen Schreckens.
indcm er nur auf die scharfsinnige Er-
findung von Mitteln der Vernichtung
hinauslauft. In den Kontroversen des
Friedens, in den unblutigen Kampfen
fiir Freiheit und Recht miissen wir die
Arena suchen, auf welcher der nationale
Charakter grossere Aufgaben findet, als
sie das Schlachtfeld je geboten hat.
Isaac Sharpless, Prasident
des Haverford College.
Ich wurde die Einfiihrung von
Schiessubungen oder irgend eines Un-
terrichtes, der in den offentlichen Schu-
len den Geist des Militarismus er-
wecken konnte, aufs tiefste bedauern.
Die Bestrebungen des Zeitalters zielen
auf kommerziellen und internationalen
Frieden, und jedeHemmung dieses Stre-
bens ist eine Bedrohung der Wohlfahrt
und der Kulturhb'he des Landes.
Professor John Dewey,
Columbia University.
Es ware ein gewaltiger Ruckschritt
in den Traditionen des amerikanischen
Volkes und der amerikanischen Erzie-
hung, wollten wir solche ubungen in
unseren Schulen einfiihren. Zivilisation.
Menschlichkeit und Fortschritt erheben
ihre Stimme dagejren; aber auch vom
•Standpunkt der Schulverwaltung und
der Schulerziehung sind sie zu verwer-
fen. Es wiirde eiuen neuen ablenken-
den Faktor im Erziehungswesen einf (ih-
ren. wo unsere Hochschuljungen, beson-
ders in den Stadten, schon zur Geniige
abgelenkt und aufgereizt sind. Die
Idee ist undemokratisch, barbarisch und
vom Standpunkte der Schule ganz un-
verniinftig.
Lucia Ames Mead,
Boston.
So weit ich berichtet bin. hat noch
keine Nation die Steuern des Volkes
dazu verwendet, die Schuljungen in der
Kunst des Totens heranzubilden. Der
Unterricht hatte keinen padagogischen
Wert. Er wiirde nur Geld kosten, wel-
ches viel besser angebracht ware, den
Gebrauch der Waffen des Gewerbe-
fleisses zu lehren, und das heranwach-
sonde Geschlecht fiir den Kampf gegen
Verarmung, Krankheit und Verbrechen
184
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
auszustatten. Schiessiibtingen in den
Schulen wiirden auf eine nationale Ge-
fahr hindeuten, die als Grund diente.
Eine solche Gefahr existiert nur in den
Kopfen von gelben Zeitungsschreibern
und von einzelnen Militarprofessoren.
In 119 Jahren waren wir nur 5 Jahre
im Krieg mit anderen Nationen, und
wurden nur im Jahre 1812 in unserem
Lande angegriflfen. Wir fiirchten Eng-
land nicht langer, denn wir lassen un-
sere Nordgrenze ungeschtitzt. Wir sind
mit keiner Nation im Streit, und unsere
wirklichen Feinde sind im eigenen
Lande. Neutralisiert die Philippinen
und wir brauchen keine Kanonen, urn
unsere Westkiiste zu verteidigen; er-
richtet Friedensbudgets, und durch die
weise Verwendung von je einem Dollar
fur Versb'hnung auf je tausend Dollars,
die ftir Kriegszwecke ausgegeben wer-
den, konnen wir Methoden schaffen,
Freunde zu gewinnen, statt der Metho-
den, vermeintliche Feinde zu vernich-
ten. » • •
Der Raum erlaubt uns nicht, noch
weiter auf diese interessanten Zuschrif-
ten einzugehen. Sie sprechen eine be-
redte <Sprache, wenn auch nur die des
Predigers in der Wiiste.
Phonographische Auffnahi-
me deutscher Mundarten.
Das Phonogrammarchiv der Akademie
der Wissenschaften hat in der letzten
Zeit eine sehr interessante und fur die
Sprachforschung bedeutungsvolle Be-
reicherung erfahren. Wahrend bisher
der Hauptstock der Phonogrammar-
chive aus Einzelaufnahmen hervorra-
gender Personlichkeiten, sowie Aus-
sprach- und Gesangproben exotischer
Volkerschaften bestand, soil nun in
systematischer Weise eine Sammlung
aller deutschen Mundarten angefflgt
werden. Es ist vorauszusehen, dass in
absehbarer Zeit die slavischen und ro-
manischen Forscher diesem Beispiel fol-
gen diirften, so dass schliesslich die so
mannigfache sprachJiche Mischung
Oesterreichs im Phonogrammarchiv der
Akademie mit alien ihren Nuancen und
Abstufungen festgehalten sein wird.
Allerdings handelt es sich da um eine
Arbeit von Jahren, die grosse Aufopfe-
rung erfordert. Die Aufnahme der
deutschen Mundarten leitet der Profes-
sor der Wiener Universitat Dr. Josef
Seemtiller. Nicht unerwahnt sei, dass
in der gleichen Richtung die bekannten
Ssterreichischen Sprachforscher Profes-
sor Josef Schatz in Lemberg und Pro-
fessor P. Lessiak, derzeit an der Frei-
burger Universitat tatig, in verdienst-
voller Weise gewirkt haben. Professor
Seemiiller hat ftir die von ihm gemachr
ten Aufnahmen durchwegs Studenten
des Wiener germanistischen Seminars
gewahlt, die von Kind auf die Mundart
sprachen, auch wahrend der Studien-
jahre ihren Gebrauch sich lebendig er-
halten und durch wiederkehrenden Auf-
enthalt in der Heimat aufgefrischt ba-
ben. Frtihere Aufnahmen nttmlich, zu
denen unmittelbar Personen des Volkes.
die ausschliessh'ch Mundart sprachen,
herangezogen wurden, begegneten sehr
haufig den grossten Schwierigkeiten
und boten selten vollen Erfolg. Es ge-
lang kaum, die Leute zu einem zusam-
menhangenden, abgemessene Starke
zeigenden Hineinsprechen in den Appa-
rat zu bringen, der ihnen alle Unbefan-
genheit raubte. Den Inhalt des Ge-
sprochenen musste man ihnen zudem
fast ausnahmslos iiberlassen. Diese
Schwierigkeiten fielen bei den Studen-
ten natiirlich fast ganz weg. Und es
konnte ein Ziel erreicht werden, das im
Interesse des Zusammenhanges unserer
Dialektforschung mit der reichsdeut-
schen lebhaft zu begriissen ist, indem
es moglich wurde, die 40 Satze des be-
ruhmten Wenkerschen Sprachatlas
auch bei uns aufzunehmen. Sie wur-
den vorher vom Sprecher in mundart-
licher Form aufgezeichnet, Dauer, Zeit-
mass, Starke des Vortrages vorbereitet,
und wann ihr Lautbild vertraut gewor-
den war, in den Apparat hineingelesen.
Um den Sprachstoff zu vermehren und
freiere Bewegung des mundartlichen
Ausdruckes zu 'ermoglichen, als die enge
Grenze des einzelnen Wenkerschen
Satzes gestattet, wurde ausserdem von
jedem Sprecher Freierfundenes gespro-
chen. fiir das als einzige Vorschrift
moglichste mundartliche Echtheit in
Stoff und Darstellung gait. Eine
ausserst wertvolle Erganzung finden
diese phonographischen Aufnahmen da-
durch. dass die Texte in phonetischer
Aufzeichnung in den Berichten der
Akademie zur Veroffentlichung gelan-
gen sollen. Die Deutlichkeit des Pho-
nogramms erfahrt infolge der noch den
Apparaten anhaftenden Mangel und je-
ner Abschwachung, die das von Profes-
sor Siegmund Exner geistvoll ersonnene
Verfahren zur Herstellung dauerhafter
Platten herbeiftihrt, eine Beeintrftchti-
gung, die erheblich verringert wird,
wenn man in der Lage ist, vor dem Ab-
horen der Platte oder wahrend dessel-
ben ihren Inhalt auch zu lesen. Zur
Anwendung gelangte die Technik der
Umschreibung und das Alphabet, deren
sich heute die meisten Grammatiker
unter den Dialektforschern bedienen.
111. Vermischtes.
Selbsterkenntnis.
Liess'st du beim Photographen schon
Dein Bild anfert'gen je, mein Sohn,
Und zwar, damit er nichts verpfusche,
Ganz ohne jegliche Retouche? —
Dan n weisst du auch, wie der er-
schrickt,,
Der solcherart sein Bild erblickt.
Ein Grau'n — zumal wenn er bejahrt —
Durchschiittelt ihn, ganz eigner Art,
Er starrt und wendet sich voll Graus:
Mein Gott! Sah' wirklich so ich aus!
Genau so wurd' es uns ergehen,
Konnt' man sein geistig Bild besehen,
Naturgetreu aufs Papier gebannt,
Unretouchiert von Schmeichlerhand !
Nur wen'ge wiirden sich ,,getroffen"
nennen.
Die meisten aber — gar nicht sich er-
kennen.
Georg Botticher.
tibersetzungen lateinischer
C i t a t e. Culpam majorum posteri
luunt. Curt. Die Schulden der Majore
biissen die Nachkommen. - - Venit 'et
intravit dubitati tecta parentis. Ovid.
Er kam und trat seinem verzweifelten
Vater das Dach ein. — Dos est magna
parentum virtus. Hor. Das Einge-
brachte ist 'eine grosse Tugend der El-
tern. — Tanta ejus fuit gratia. Corn.
Seine Tante war eine Grazie. — Cicero
a multis scriptoribus tractatus est.
Cicero ward von vielen Schreibern trak-
tiert. — Est modus in rebus. Hor. Die
Rebusse sind in der Mode.
Die verhangnisvolle Rippe.
Eine Mutter hatte ihrem Jungen die Ge-
schichte von Adam und Eva erzahlt,
und wie Eva aus einer Rippe Adams
entstanden sei. — Nicht lange darauf
kommt einmal der Kleine weinend nach
Hause und klagt: ,,Mama, ich habe ei-
nen schrecklichen Schmerz in der Seite;
ich glaube, ich kriege eine Frau."
Vom Eierlegen. Karl: Du, Ma-
ma, wer legt denn eigentlich die Eier?"
— Mutter: ,,Die Htihner, mein Junge."
—Karl: ,,Der Hahn nicht?" — Mutter:
,,Nein, Karl, der Hahn legt keine Eier."
— Karl: ,,So, will er nicht, oder kann
er nicht?"
ImmerFachmann. Der sechs-
jjjhrige Franz ist der Sohn ernes Ober-
forsters. Er nimmt nattirlich an dem
Familienleben in den verschiedenenHiit-
ten von ,,Waldmann", ,,Diana" usw. den
lebhaftesten Anteil und ist in der Hun-
dezucht schon sehr bewandert. Da tritt
in der Familie des Oberforsters ein freu-
diges Ereignis ein, Franz bekommtBrii-
derlein, und zwar gleich drei an der
Zahl. Andern Tags darf Franz sich die
neuen Bruderlein ansehen, die eintrach-
tig nebeneinander ruhen. Statt aber in
Freudenjubel auszubrechen, bleibt Franz
stumm und sinnend. Erst nach gerau-
merWeile, riachdem er sie genau gemu-
stert hat, gibt er beim Verlassen des
Zimmers sein Urteil mit der Miene des
Fachmanns dahin ab: „ Vater, den in
der Mitt' ziehn mer uff (auf)."
GeteilteAndacht. ,,Mama,
ich will dich 'mal 'was fragen." — ,,Jetzt
nicht, mein Junge. Sprich erst Dein Ge-
bet und leg Dich dann hin." — ,,Aber,
Mama, ich will ja " — ,,Hast Du
nicht gehort?" — ,,Ach, Mamachen,
kannst Du....?" -- ,,Willst Du gleich
folgen, Du ungezogener Schlingel?" -
,,Ich bin klein,
Mein Herz ist rein,
Soil niemand d'rin wohnen
Als Jesus allein — - Mama, kannst
Du mit den Ohren Avackeln?"
Aus dem Aufsatz einer h8he-
r e n T o ch t e r. Die gehetzte Gemse
sprang von Klippe zu Klippe. Endlich
konnte sie nicht mehr weiter. Vor ihr
gahnte der Abgrund und hinter ihr der
Verfolger.
Die Schiiler bilden Satze
iiberPrapositionen. Einer
schrieb unter anderem: Die Hose des
Schtilers ist tmweit. — Mittels des Arz-
tes stirbt der Kranke. — Der faule Schil-
ler ist dem Lehrer langst zufolge trotz
zuwider.
Entschuldigungszettel
aus Dresdner Volksschu-
1 e n. ,,Meine Tochter konnte nicht in
der Schule kommen, weil sie sich vor
Sie fiirchten tut. u. da bekommi sie alle
Morgen den Schiddelfrost. Ich bitte
Ihnen recht humahn mit ihr zu sein u.
nicht viel aufgeben. Meine Tochter ist
nicht faul, aber etwas trage...." — Lie-
ber Herr Lehrer! Ernst muss einige
Tage zu Hause bleiben, da er heftige
Thieraho hat, einen Arzt nehme ich
riicht, sondern gebe ihm alle Tage ein
paar Mal Hafergrtitz Kliesttire, die hel-
fen. Ein ganz gutes Hausmittel, Sie
diirfens nur probieren. Entschuldigen
Sie hochergebenst Friedr. N."
A Bibliography of English Translations of German Novels.
By Professor Charles H. Handsrhin, Miami University, Oxford, O.
In compiling this bibliography of English translations of German novels,
published from the year 1800 to date, and which is intended as a guide for
American readers, it was thought best to include only the best German writers,
although others have often found a ready sale in America. There are no trans-
lations of Anzengruber, Brentano, Bitzius, Fontane, Gutzkow, Immermann, Postel.
All of the standard catalogues, such as the Catalogue of the British Museum,
the American Catalogue, the United States Catalogue, the Publishers Weekly,
and others, have been carefully excerpted. All available data have been added.
I shall be thankful for any additions.
» * »
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(To be continued.)
Zeitschriftenschau.
Von Prof. E. C. Roedder, Ph. D., Univ. Wisconsin.
American Education (Albany, N. Y., cd. George C. Rowell), vol. XI, No. 6
(February, 1908), pp. 292 — 294: C. E. Arnoux, The Relation of Latin to the
Study of Modern Languages.
Leugnet den Wert des Lateinischen f tir das Studium lebender Sprachen :
1) stehe die Ausspraehe des Lateinisehen nicht fest; 2) schade der griindli
chen Auffassung und Aneignung dieser Spraehe durch den Schiiler das Fehlen
des Artikels ini Lateinisehen, sowie 3) die Trennung der Adjektiva von den
Substantiven und des Verbums voni Subjekt, desgleicheu 4) die hier unge-
nauere Angabe der Beziehungen durch Kasusendungen gegeniiber den bestimm-
ten prapositionellen Beziehungen in den lebenden Fremdsprachen, feriier
5) das Fehlen des Aorists und endlich 0) die Existenz des Gerundiums, Gerun-
divums uud Supinums, mit denen der Schiiler niehts anzufangen wisse. Jede
neuere Sprache ware zur Erlernung anderer Fremdsprachen zweckdienlicher
als das Lateinische. Auch niachten ,,die unsagbaren Laster, die unwiirdige
Vollerei und die entsetzlichen Ausschweit'ungen des alten Rom" das Lateini-
sche zuni Studium in den Mittelschulen uugeeignet (der Verfasser denkt offen-
bar an die Kaiserzeit, denn die Schulschriftsteller Casar, Cicero und Vergil
trifft dieser Vorwurf nicht), insonderheit da wir sonst derartiges unsereu
Kindern im Sekundarschulalter ilngstlich fernzuhalten beinuht sind. (1st
aber auch das Schlimmste, was dem Schiiler in diesein Alter von lateinischer
Literatur in die Hand fallen diirt'te, nicht noch hannlos gegeniiber einigen
unserer anierikanischen Tagesblatter gelber Schattierung?) — Wahrend sich
iiber die These des Verfassers sehr wohl reden und viel zu ihrer Begrlindung
beibringen lasst, so ist sie mit semen diesmaligen Ausftihrungen keineswegs be-
wiesen; es liesse sich sogar sagen, dass einige der charakteristischen Ziige des
lateinischen Sprachbaus, gegen die Arnoux seine An griff e richtet, eben wegen
ihres disziplinarischen Wertes eine ausgezeichnete Grundlage fiir jeden wei-
teren Sprachunterricht abgeben. Womit aber nicht etwa gesagt sein soil, dass,
wo nur eine Fremdsprache erlernt werden kann, der moderuen nicht der Vor-
zug vor dem Lateinischen einzuraumen ware. Dies iwt eine Frage fiir sich.
Gegen Arnoux richtet sich
- No. 9 (May, 1908} , pp. 433—434: W. Harry Allen, Latin and
Modern Languages.
Die Wortstellung des Lateinischen habe den grossen Vorteil, dass sie
durch ihre augenfalligen Unterschiede, entgegen den modernen Sprachen, den
Schiiler nicht auf die Vermutung fiihre, wesentliche Unterschiede bestiinden
iiberhaupt nicht. Seine nnhe Verwandtschaft rnit den romanischen Sprachen
mache es zur geeigneteren Grundlage des Studium dieser, als das Deutsche es
sein konne. Ferner sei das Lateinische wertvoll bei der Bestiminung des
Genus in den modernen Sprachen, auch im Deutschen. (Die Beispiele fiir
dieses sind zwar gut gewHhlt, beweisen aber gar niehts; wenn auch die Hand
zu manus, der Fuss zu pes stimmt, wie verhalt es sich mit das Fenster zu
fenestra, das Buck zu liber, das Auge zu oculus, das Ohr zu auris, der Mund
zu 0.9, der Arm zu brachium, u. s. f. ad inflnitumf Ich sehe in der Anwendung
dieses Prinzips auf den deutschen Unterricht geradezu eine Gefahr, die Wahr-
scheinlichkeit heillosester Verwirrung.) Auch die tibertragung deutscher Zu-
190 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
sainmeusetzuugen wie auttdriicken. hcrleiten, verwerfen, Abscheu, Mitleid, UH-
ttreitbar, Umstand, unterordnen ins Lateinische gewShre tlem inlt dieser
Sprache leidlich bekannten Schiller beim Studlum des Deutschen mannlgfache
Vorteile.
Educational Review (Rahway, A7. ./., and New Yorfc, ed. Nicholas Murray
Butler), vol. 35, No. 4 (April, 1908), pp. 325—330: Harry Thurston Peck, The
Simplification of Language Teaching.
Unter deiu etwas anspruchsvollen Titel verelnigen sich Empfehlungen
zweier Biicher, des Vocubulary of High School Latin by Gonzalez Lodge (New
York, 1907) — deii Wortschatz des Galllschen Krleges, einer Anzahl der Reden
Ciceros und der ersten ftinf Bticher der Aeneis umfassend und die 2000 hUu-
figsten ini Druck hervorhebend — und des First Latin Book by William
Gardner Hale (Chicago and Boston, 1908), Vorschlage zur Xnderung der
college entrance requirements in Latin — gewtinscht wird besondere Vertraut-
heit mit den erwahnten 2000 Wortern — und endlich der den Neusprachlern
erteilt gute Rat, es ebenso zu machen. So wiinschenswert es nun auch fur den
Lehrer der neueren Sprache w&re, auf einer bestimmten Stufe des Unterrichts
bei seinen Schiilern den Besitz eines einheitlichen Wortschatzes von 2 — 3000
Wortern voraussetzen zu diirfeu, so wenig ware cine Einigung bei der Wahl
einer beschrankten Anzahl von Texten aus dem im Vergleich zum Lateinischen
so unlibersehbar reicheren und vielgestaltigeren modernen Schrifttum zu erzie-
len, wahrend die Lateinlehrer sich aus zvvingenden Griinden auf Cftser, Cicero
und Vergil beschranken. Ich glaube nicht weit irre zu gehen, wenn ich be-
haupte, dass iin Lager der Neusprachler Professor Pecks gutgemeinter Rat
einstimmig zuriickgewiesen wtirde.
The Pedagogical Seminary (Worcester, Mass.; ed. G. Stanley Hall), vol.
XV, No. 1 (March, 1908), pp. 63—74: Florence Mateer, The Vocabulary of a
Four Year Old Boy.
Sehr interessante Arbeit die dazu beitragen sollte, die landlflunge Ansicht
von der lacherlich geringeu Anzahl Worter, mit denen man im tagliehen Ge-
brauch auskommen konne, in die Rumpelkammer zu verweisen. Das aus
Listen und Tabellen hervorgehende Ergebnis ist, dass der beobachtete Knabe
insgesamt 1020 Worter (578 Substantiva, 211 Verba, 125 Adjektiva, 51 Adver-
bia, 21 Pronomina, 18 PrS,positionen, 12 Interjektionen und 4 Konjunktionen)
gebrauchte. Ein anderthalb Jahre alterer Junge brachte es auf 1528 (in der
gleichen Reihenfolge der grammatischen Kategorien folgendermassen verteilt:
883 — 321 — 236 — 40 — 22 — 5 — 20 — 1).
The School Review (University of Chicago Press), vol. 16, No. 2 (Feb-
ruary, 1908), pp. 102 — 109: G. A. Fritsche, The Study of the Systematic
Vocabulary.
Diese und die folgenden Arbeiten aus dem gleichen Hefte sind Vortrftge
oder Ausztige aus solchen, die vor der deutschen Abteilung der Twentieth Edu-
cational Conference of Academies and High Schools in Relations with the
University of Chicago fiber das allgemeine Thema "The Acquisition of a Voca-
bulary in a Modern Language" gehalten wurden. Fritsche empfiehlt ftir den
Zweck die Methode Gouins * und zwar die teilweise darauf aufgebauten Werke
* NUheres fiber die Amvendung dieses Yerfahrens und sonstige wertvolle
Winke ffir den Anfangsunterricht enthait Professor Handschins Flugschrlft
"How do you teach elementary German?" (The Miami Bulletin, Series 6,
Number 9, January, 1908; Miami University, Oxford, Ohio).
Zetischrifienschau. 191
Kron's "German Daily Life" (New York, Newson and Co.), und Dr. Gustav
Kriiger's "Systematic German-English Vocabulary'1 (Dresden und Leipzig,
1893).
ibid., pp. 109—112: Paul O. Kern, TJie Study of Cognates as
an Aid in the Acquisition of a Vocabulary.
Nur der erste Teil des Vortrages, die lautlich verwandten Worter mit be-
sonderer Itiicksicht auf die zweite Lautverschiebung behandelnd und auf Dr.
Oscar Weineck's "Third German Reader" (New York, F. W. Christern) ver-
weiseud, ist abgedruckt. Die Bedeutungsentwicklung verwandter WSrter
wurde besprochen auf Grund von Albert Waags ,,Bedeutungsentwicklung un-
sercs Wortschatzes" (Lahr, klirzlich in zweiter Auflage erschienen) und
Michel Breal's "Essai de s&mantique" (Paris 1897).
ibid., pp. 112 — 115: Gertrude E. Krause, The Study of the
Vocabulary in Modern Language Teaching as Outlined by the Reformers.
1) Ein Wort darf nie fur sich, sondern nur im Zusammenhange, beim
Lesen oder beim Gesprach, gelernt werden. 2) Es empflehlt sich die Ein-
reihung des Einzelwortes in eine Gruppe, wie aufstehen, an die Tafel gehen,
das Buch aufschlagen, Haus, Zimmer, Mobel, Familie, Garten, Wald und
Busch, Spaziergang, BesucJi, Geburtstagsfeier u. dgl. 3) Beim Lesen sind neue
Worter durch Frage und Antwort zu erlautern. 4) Jedes neue Wort ist zu-
nftchst durch wiederholtes Sprechen, also durch das Gehor einzupriigen. ehe es
an die Tafel geschrieben wird. 5) Es ist als Glied einer Wortgruppe zu erler-
nen, z. B. nicht einfach to strike, sondern to strike a blow. 6) Von Zeit zu
Zeit sind die erlernten Worter nach Kategorien zu ordnen (Kleidung, Nah-
rung, Krieg und Frieden, Jahreszeiten). 7) Endlich sind sie auch nach Ety-
mologic und Wortbildung zusammenzustellen. -- Die Verfasserin beruft sich
besonders auf Walter, ,,Englisch nach dem Frankfurter Reformplan", Marburg
1900, und Karl Breul, "The Teaching of Modern Foreign Languages and the
Training of Teachers", 3d ed., Cambridge, 1906. Auch auf Walters Vortrag,
der im Juniheft dieser Zeitschrift 1907 (Band VIII, S. 192) auszugsweise
wiedergegeben ist, darf hier verwiesen werden.
ibid., pp. 115 — 118: Edith Furnas, The Study of Synonyms as
an Aid in the Acquisition of a Vocabulary.
Die Definition der Synonyma — deren wir zur Klarheit und Schonheit des
Stils nicht entraten konnen, sobald wir iiber die allt&glichen materiellen Be-
dtirfnisse hinausgehen — sollte in der frernden Sprache geschehen; als Mu-
ster ffirs Deutsche kann Eberhardt-Lyons bekanntes Werk dienen. Der Un-
terschied zwischen Demut und Bescheidenheit pragt sich auf solche Weise
besser ein als durch die tibersetzung in englisches humility und modesty, und
die ohne Zweifel grosse Schwierigkeit dieses Verfahrens wird durch das selten
erlahmende Interesse des Schiilers gehoben.
F. W. Schacht, The Study of Derivatives and Composites as
an Aid in the Acquisition of a Vocabulary.
Der Verfasser hat 90 zusammengesetzte Worter gesammelt, die eine Form
oder eine Ableitung von ziehen als ersten Komponenten enthalten, und 171, die
mit einer solchen und untrennbarem PrUfix oder einer der gebrRuchlichsteu
PrU,positionen zusammengesetzt sind; insgesamt also 261, die sich nach seiner
Schatzung leicht auf 4 — 500 vermehren liessen. Er schlUgt vor, die Schiller
aus den Spezialworterbiichern der Schultexte ahnliche Zusamrnenstellungen
machen zu lassen. — Willkurlich und wissenschaftlich unhaltbar ist des Ver-
fassers Unterscheidung zwischen ,,echter" und ,,unechter" Zusamniensetzung,
192 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
je nachdem der erste Teil unflektiert oder flektiert 1st; denn Oottesham,
Konigssohn, Herrenzimmcr, lleamtenvcrein, Odnsefuss und Hiihnerhof z. B.
sind durchaus echte Zusammensetzungen. Wenn ein Unterschied gemacht
werden soil, so muss vor alleiii der Akzent berticksichtigt werden.
- No. 4 (April, 1908), pp. 258—264: Walter H. Young, Is Modern
Language Teaching a Failure?
Der Artikel wendet sich gegen Professor Grandgents Ausfiihrimgen, -
die vvir an dieser Stelle im Dezemberhefte vorigen Jahres (Band VIII, S. 334
ff.) auszugsweise mitgeteilt haben, — wie die Gleichheit des Titels besagt, und
beantwortet die Frage mit einem entschiedenen Nein. Auf Grund der Ergeb-
nisse der Priifungen, die der Priifungsausschuss fiir den Eintritt ins College,
dessen Anforderungen so ziemlich von jedem College im Lande anerkannt wer-
den, veroffentlicht hat, macht Young Aufstellungen, aus denen unwiderleglich
hervorgebt, dass Deutsch an erster Stelle stebt, was den Prozeutsatz der er-
folgreichen Priiflinge anbelangt; Him folgt Griechisch, dann Franzosiscb und
an letzter Stelle erst Lateinisch. Die besten Priifungsarbeiten, mit Zensuren
zwischen 90 — ]00, liefern die Studenten des Griecbischen * ; fiir die auderen
Spracben ist die Reibenfolge Deutscb, Latein, Franzosiscb. Neben den zahlen-
inassigen Beweisen dieser Sterblichkeitstabellen, wie wir sie nennen wollen,
sind noch andere, nicht minder wichtige Umstande in Recbnung zu zieben.
Das ueusprachliche Eintrittsexamen ist schwerer als das in den klassiscben
Sprachen; in diesen wird dem Priifling zur tibersetzung ein Text vorgelegt,
den er in weitaus den meisten Fallen von der Scbule ber schon kennt; in den
neueren Sprachen in 99 Fallen aus 100 ein ihm noch vollig unbekannter Text.
Auch die zu bewaltigende Arbeitsmenge ist in den neueren Sprachen weit
grosser; so werden im dritten Jahre des Lateinunterrichtes durchschnittlich
150, im Franzosischen 4 — 600 Seiten gelesen. Desgleicben muss der Schtiler
im neusprachlichen Unterricht die fremde Sprache sprechen, Fragen auf
Deutsch oder Franzosisch beantworten, ganz in der Fremdsprache gefiihrten
Unterrichtsstunden beiwohnen. Im Examen muss er darauf gefasst sein, eine
Stelle aus einem modernen englischen Schriftsteller in die Fremdsprache iiber-
setzen (welcher Unverstand!) oder einen Brief uber das Erdbeben in San
Francisco in der Fremdsprache schreiben zu miissen; alles das wird dem Stu-
denten der klassischen Sprachen nicht zugemutet. — Seinen besonderen diszi-
plinarischen Wert erhalte der klassische Lehrgang durch straffere Einheitlich-
keit in Stoff und Lehrverfahren : und solche Einheitlichkeit sei auch in dem
neusprachlichen Unterrichte anzustreben. Meine Ansicht hieriiber habe ich
schon oben bei der Besprechung von Professor Pecks Aufsatz dargelegt.
University of Wisconsin. Edwin C. Roedder.
* Dies bestarkt mich in meiner a. a. O. S. 335 ausgesprochenen Vermutung,
dass die glanzenden Leistungen der Studenten des Griechischen weniger der
Tfichtigkeit des Unterrichtes als dem Umstande zuzuschreiben sind, dasa der
Gegenstand als schwierig gilt und von vornherein nur begabtere Schtiler
anzleht.
' Monatshefte
fiir deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: FMagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX. September— Ofctobcr 1908. ficft 7—8,
Beim Schulanfang.
Aus alien Sagen tonet uns die Kunde
Vom heilgen Gral und seiner seltnen Kraft,
Dass, wer an Leib und Seele sei erschlafft
Und ihn erschaue, \\ainderbar gesimde.
Es fliehe Gram und Unmut ihn zur Stunde,
Bezahmt sei jede niedre Leidenschaf t ;
Ihm fliesse neuverjiingt der Lebenssaft,
Und schnell vernarbe jede Erdenwunde.
Dem Grale gleich acht' ich den regen Geist,
Der uns zu segensreichem Wirken fiihrt
Und uns zum Kulte alles Edlen weist.
0, werd' sein Walten lieut auf s neu verspiirt,,
Die Kette treuer Arbeit fest geschweisst
Und der Begeist'rung Feuer wohl geschiirt.
Dr. II. II. Fick, Cincinnati.
Protokoll
Der 36. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen
Lehrerbundes.
Milwaukee, Wis., 30. Juni bis 3. Juli 1908.
(Offiziell.)
Eroffnungsfeier.
Es war eine schone und eindrucksvolle Feier^ womit am Abend des 30. Juni
der 36. Lehrertag im Alhambra Theater eroffnet wurde. Wie bei friiheren Tagun-
gen in Cincinnati, so machten auch in Milwaukee bei dieser Gelegenheit die Lieder-
vortrage des Kindermassenchors auf die Festteilnehmer den nachhaltigsten Ein-
druck. Bekannte deutsche Volksweisen von hellen klaren Kinderstimmen unter
kundiger Leitung gesungen, verfehlen niemals ihre Wirkung. Herr Leo Stern,
Vorsteher des deutschen Unterrichts in den offntlichen Schulen Milwaukees, eroff-
nete die Feier mit einer kurzen Ansprache, worin er auf die Ziele und Aufgabe des
Lehrerbundes hinwies. Der Milwaukee!1 Miinnerchor trug hierauf unter Leitung
seines Dirigenten Albert C. Kramer drei Lieder mit solcher Warme und Prazision
vor, dass er sich zu einer Zugabe bequemen musste. Besonders erntete die Sanger-
schar mit der Ballade ,,Gothentreue" stiirmischen Applaus. Der President der
Milwaukee Schulbehorde, Herr August S. Lindemann, sowie Schulsuperintendent
Pearse hiessen die deutschamerikanische Lehrerschaft in kurzen Ansprachen herz-
Hch willkommen. Herr Pearse wies dabei auf den Wert der Kenntnis der deut-
schen Sprache hin ftir die Erziehung der Kinder nicht allein deutschen, sondern
auch anglo-amerikanischen Ursprungs, denen dadurch der grosse Schatz deutscher
Diehter und deutscher Wissenschaft erschlossen wiirde.
Herr Max Griebsch, Direktor des Deutschamerikanischen Lehrerseminars, un-
ter dessen bewahrten Leitung der Kinderchor sechs prachtige Lieder so herzer-
freuend zu Gehor brachte, hiess als President des Lehrerbundes die Anwesenden
ebenfalls aufs herzlichste willkommen. Er 'schloss seine mit grossem Beifall auf-
genommene Begriissungs-Ansprache mit den Worten: ,,Ich kann Ihnen keinen
schoneren und herzlicheren Gruss entbieten, als den, der Ihnen aus den vielen hun-
dert Kinderkehlen entgeggnschallt, auf die ich mit Stolz hinweisen kann, denn es
sind ja deutsche Klange und deutsche Worte, die die Kinder singen, und ich kann
mir keinen schoneren Genuss vorstellen, als deutsches Lied aus deutschen Herzen.
Denn, wenngleich meine Sftngershcar patriotische Amerikaner sind, so haben sie
doch noch, dank ihrer deutschen Schulerziehung, Sinn fiir deutsche Sprache und
deutschen Geist."
Damit kam die Empfangsfeier im Theater zum Abschluss. Die auswartigen
Giiste und die Milwaukeer deutsche Lehrerschaft begaben sich hierauf zum gemtit-
lichen Beisammensein nach der Westseite Turnhalle, wobei sie nochmals durch
in'ehrere Gesiinge des MUnnerchors erfreut wurden.
Proiokoll des 36. Lehrertages. 195
Erste Hauptversammlung.
Mittwoch, den 1. Juli 1908.
In Abwesenheit des Bundesprasidenten, der am Vormittage in wichtiger An-
gelegenheit nach Chicago reisen musste, eroffnete der Schriftfiihrer um viertel
nach neun Uhr die Sitzung. Der geraiimige und luftige Tunrsaal des Lehrersemi-
nars, der sehr hiibsch mit Blattpflanzen und Flaggentuch geschmiickt war, diente
dieser Tagung als Versammlungslokal. Zum stellvertretenden Vorsitzer wurde
Dr. H. H. Fick von Cincinnati vorgeschlagen und einstimmig erwahlt. Es erfolgte
alsdaim die iibliche Erganzung des Vorstandes durch die Wahl von Herrn G. J.
Lenz von Milwaukee und Frl. Louise Beck von Dayton, O., als stellvertretende
Schriftfiihrer und Herrn Carl Engelmann von Milwaukee als temporarer Schatz-
meister. Die Verlesung des Berichtes des Prasidenteii sowie des Schatzmeisters
wurde auf die Donnerstag- Sitzung verschoben. Beschlossen, den Verfassungs-Ent-
wurf einem Funfer-Komitee zur Durchberatung zu iibergeben, das in der nachsten
Sitzung als erstes Geschaft dariiber berichten soil. Der Vorsitzer ernannte fiir
dieses Komitee die Herren Leo Stern von Milwaukee, C. E. Baumann von Daven-
port, F. L. Riemer von Carlstadt, N. J., und Frl. Marie Duerst von Dayton, Ohio.
Auf Antrag von Herrn Stern wurde noch Herr Fick diesem Ausschuss hinzuge-
fiigt.
Von Frau Mathilda S. Grossart, Cleveland, Vizeprasidentin des Lehrerbundes,
war ein Telegramm eingelaufen, worin sie erfolgreiche Tagung wiinscht und be-
dauert, nicht anwesend sein zu konnen; ferner ein Gliickwunsch- Telegramm von
Dr. C. J. Hexamer, dem Prasidenten des Deutschamerikanischen Nationalbundes .
Beide Depeschen wurden verlesen und dankend entgegengenommen. Ein liebens-
wiirdiges Begrtissungsschreiben vom Deutschen Pressklub von Milwaukee soil
durch den Schriftfiihrer dankend beantwortet werden. Der Sekretar wurde auch
beauftragt, der Tagsatzung des Nordamerikanischen Turnerbundes in Chicago
Gruss und Gliickwunsqh des Lehrertages telegraphisch zu iibermitteln.
Als erster Vortragender dieser Tagung erhielt nun Dr. A. Hoelper von New
York das Wort, der das Thema ,,Reformbestrebungen" behandelte.*) Dem Vor-
trage folgte eine recht lebhafte Diskussion, an der sich hauptsachlich die Herren
Stern, Trost, Schonrich, Dorflinger, der Referent, sowie Frl. Marie Duerst betei-
ligten. Herr Stern erkliirte, dass er sich freue, wieder einen Vertreter aus dem
Osten, besonders aus New York, beim Lehrertag zu sehen, und er hoffe, dass 'sich
die Beziehungen zwischen Osten und Westen starken und neu beleben werden. —
Kollege Trost war der Ansicht, dass sich die Schulverhaltnisse Amerikas in den
letzten Jahren bedeutend gebessert hatten. Er mahne zur Vorsicht bei Einfiih-
rung umfassender Reformen; allmahlich nur und stufenweise diirfen dieselben
kommen. An den Hochschulen seien die meisten Reformen notig, da dort die
Schiiler und Schiilerinnen zu friih als Herren und Damen behandelt wiirden. Das
grosste Hindernis und ein wahres Ungliick fiir die offentlichen, hauptsachlicK die
Hochschulen seien indessen die Privatinstitute, wo die jungen Herrschaften zu ge-
sellschaftlichen ,,Helden und Heldinnen" ausgebildet wurden.
Nach der viertelstundigen Pause gab der Vorsitzer folgende AusschUsse be-
kannt :
Fttr Nominationen : C. O. Schonrich, Baltimore; 'John Eiselmeier, Mil-
waukee; Erich Bergmann, Cincinnati; Frl. Neeb, Dayton, O.
*) Samtliche Vortrage dieses Lehrertages— auch die nicht verlesenen— sind
in dieser Doppelnummer der ,,Monatshefte" abgedruckt.
196 Monatshefte fiir deutsche Sprache und Pddagogik
Fiir Beschliisse: Dr. A. Hoelper, New York; Fritsch, Evansville, Ind.;
W. Becker, Cincinnati, O.; Scliildknecht, New Holstein, Wis., undFrL
Christensen, Wheeling, W. V.
Herr Ernst L. Wolf von St. Louis hielt hierauf seinen Vortrag tiber ,,Hilfs-
mittel im modernen Sprachunterricht".
Ehe man zur Diskussion dieses Vortrages iiberging, erhielt Herr Watrous,.
President der Milwaukee Citizens Business League, Gelegenheit, die Anwesenden
im Namen seiner Liga zu begriissen und sie in der Stadt Milwaukee willkommen
zu heissen.
Bei der nun folgenden Debatte fiber Herrn Wolfs Vortrag wollte Herr Perkins
wissen, wo die zumeist sehr kostspieligen Lehrmittel zu erlangen seien; wahrend
Herr Schonrich die Frage stellte, wie in St. Louis das Naturhistorische Museum
entstanden sei und wie es unterhalten und geleitet werde, da er in Baltimore auf
die Schaffung eines solchen Museums hinarbeiten mochte.
Der Vortrag von Herrn John Eiselmeier, Milwaukee, iiber ,,Unsere Lehrmit-
telausstellung" musste wegen Mangel an Zeit auf den folgenden Tag verschoben
werden..
Xachdem der Vorsitzer die Tagesordnung fiir die Donnerstag-Sitzung bekannt
gegeben hatte, erfolgte Vertagung.
Die Lehrmittelausstellung, die in einem grossen Zimmer des Semi-
nars, sachkundig geordnet, untergebracht war, bildete einen sehr wesentlichen
Teil des diesjahrigen Lehrertages. Sie war von Seminardirektor Griebsch ins
Leben gerufen, von amerikanischen sowie deutschen und osterreichischen Verlags-
buchhandlungen reichlich beschickt und von Herrn Eiselmeier systematisch ge-
ordnet worden. Dem Ortsausschuss von Milwaukee, der die Kosten der Ausstel-
lung deckte, gebiihrt dafiir die Anerkennung des Lehrerbundes. Wahrend der ver-
schiedenen Pausen, sowie auch an einem Nachmittage wurde die Ausstellung un-
ter Fiihrung des allezeit dienstbereiten Arrangeurs, der auch den recht (ibersicht-
lichen Katalog dazu angefertigt hatte, von den Lehrertagsbesuchern grlindlich in
Augenschein genommen.
Mittwochnachmittag f and zu Ehren der Gaste eine Festvorstellung
im Pabst-Theater statt, wobei Goethes ,,Iphigenie auf Tauris" in mustergiltiger
Weise aufgefiihrt wurde. Nach der Vorstellung war Damen-KafFee im Deutscheu
Klub und abends Herrenkneipe.
Zweite Hauptversammlung.
Donnerstag, den 2. Juli 1908.
Der Priisident, Herr Max Griebsch, eroffnete um £10 Uhr die Sitzung und ver-
las sofort seinen Jahresbericht wie folgt:
An die 36. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrer-
bundes.
Geehrte Versammlung!
Bei dem RUckblick auf das verflossene Vereinsjahr geziemt es sich zunachst
derjenigen zu gedenken, die nicht mehr in unserer Mitte weilen. In der Nacht
vom 8. bis 9. August wurde das langjiihrige Mitglied unseres Bundes, Seminarleh-
rer Paul Gerisch, wiihrend er in scheinbarer Gesundheit die wohlverdiente Ferien-
rast im abgelegenen Dorfchen Fish Creek genoss, plotzlich vom Tode dahinge-
rafft. In ihm verier das Lehrerseminar einen fleissigen, fahigen und treuen Ar-
beiter, wir alle einen lieben aufrichtigen Kollegen, der von der Aufgabe unseres
Bundes erfiillt war und an ihrer L6sung mit alien Kraften wirkte.
Protokoll des 36. Lehrertages. 197
Weit iiber die Grenzen unseres Bundes war der Name Louis Soldans, des rer-
dienstvollen Supt. der offentlichen Schulen St. Louis', bekannt und geehrt. Auch
er wurde mitten in seiner Amtstatigkeit plotzlich durch den Tod abgerufen. Louis
Soldan gehorte mit zu den Griindern unseres Bundes und war durch lange Jahre
dessen treuester Anhanger und Forderer. Auch zu der Zeit, wo er dem Bunde
fern stand, bezeugte er durch seine Wirksamkeit, dass unsere Prinzipien die sei-
nen waren und in ihni hatten deutsche Erziehungsideale einen eifrigen Vertreter
auf dem amerikanischen Schulboden. Das Andenken beider Toten wird von uns
in Ehren gehalten werden.
Die Tatigkeit Ihres Vorstandes wahrend des verflossenen Vereinsjahres war
darauf gerichtet, erst die ihm vom vorigen Lehrertage gewordenen Auftrage zu
erfiillen und die nunmehr begonnene Tagung so vorzubereiten, dass sie zu einer
nioglichst erspriesslichen sich gestalte. Der Vorstand unterbreitet Ihnen hiermit
den Entwurf zur Ablinderung der Bundesverfassung. Bei Feststellung desselben
waren wir entsprechend Ihrer Weisung darauf bedacht, die in dem Sternschen
Vortrage der letzten Tagung enthaltenen Vorschlage zu beriicksichtigen. In dem
Programm liessen wir es uns angelegen sein, sowohl den engeren Interessen des
deutschen Sprachlehrers, als auch den allgemeinen des Erziehers gerecht zu wer-
den.
Mit besonderer Genugtuung weisen wir auf die gebotene Ausstellung von
Lehrmitteln fiir den modern -sprachlichen Unterricht, und zwar sagen wir in glei-
cher Weise Dank den Verlagsbuchhandlungen fiir ihr freundliches Entgegenkom-
men und dem Ortsausschuss unserer Stadt, der in bereitwilliger Weise unsere An-
regung aufnahm und die nicht unbedeutenden Kosten des Unternehmens aus sei-
nen Mitteln bestritt. Die Interessen unseres Bundes finden eine zielbewusste
Forderung in dem hiesigen Lehrerseniinar. Audi das Seminar darf auf ein Jahr
zuriickblicken, das dazu beitrug seine Wirksamkeit zu erweitern und zu vertie-
fen. Der bisher dreijahrige Kursus wurde zu einem vierjahrigen erweitert. In
dem Deutschamerikanischen Nationalbunde hat das 'Seminar einen Boden gefun-
den, auf dem es fester stehen und sich weiter ausbreiten kann. Die Konvention
des Nationalbundes, welche in den Oktobertagen vorigen Jahres in New York ab-
gehalten wurde, zeigte dadurch reges Interesse an dem Gedeihen der Anstalt, dass
sie beschloss, durch Gewlihrung von Stipendien aus den einzelnen Zweigvereinen
des Bundes dem Seminar Schiller zuzufiihren und Mittel und Wege zu finden, die
notwendige Vergrossenmg des Stammkapitals der Anstalt zu erreichen.
Die finanzielle Lage unseres Bundesorgans war durch die in unserer letzten
Tagung zu Cincinnati beschlossene Bewilligtmg eines auf drei Jahre laufenden
Zuschusses von $250 pro Jahr eine zufriedenstelleiide. Allerdings ware es zuwiin-
schen, dass der Leserkreis der ,,Monatshefte fur deutsche Sprache und Padago-
gik" sich so vermehre, dass die Bewilligung von Zuschiissen sich eriibrigte. Es
sollte ein Leichtes sein, bei der grossen Anzahl von deutschen Lehrern an den
Schulen des Landes die Abonnentenzahl des Bundesorganes zu verdoppeln. Dies
wiirde uns in den Stand setzen durch Erweiterung des Lesestoffes manche Man-
gel zu beseitigen, was wir gegenwtirtig auch beim besten Willen nicht zu tun ver-
mogen.
Der Nationale Deutschamerikanische Lehrerbund blickt auf eine 33jahrige
Tatigkeit zuriick. Was er fiir die Entwickelung des Schulwesens in unserem
Lande bisher getan hat, wird sicherlich von vorurteilslos denkenden Freunden an-
erkannt werden. Auch ist seine Wirksamkeit noch nicht erschopft. Solange in
dem Erziehungswesen unseres Landes dem zweisprachigen Unterricht noch nicht
die voile Berechtigung zuerkannt wird; solange der deutsche Sprachunterricht
198 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
selbst nur in mechanischer Weise betrieben wird; solange der gesamte Unterricht
in unseren Schulen noch in Mechanismus und didaktischen Materialismus versun-
ken ist, oder unverantwortlichen Weltverbesserern als Spielball (iberliefert
bleibt; solange ist es die Pflicht unseres Bundes fest und stark bei seinen Grund-
satzen zu stehen und deren Befolgung zu verfechten. Es muss das Ziel unserer
Bestrebungen sein, den deutschen Sprachunterricht zu einem integrierenden Be-
standteile des Lehrplanes der Volksschule zu machen. Der deutsche Lehrstoft
unserer High Schools und Universitiiten sollte in organischer Verbindung mit dem
der Volksschule stehen. Nicht nur deutsches Lesen und Schreiben, Grammatik
und tibersetzen sollten unsere Ziele sein, sondern unsere Schiller sollten mit der
Kenntnis der deutschen Sprache auch deutschen Geist und deutsche Denkungsweise
in sich aufnehmen und verstehen lernen. Das Panier deutscher Erziehungs- und
Unterrichtsprinzipien, die auf wahre Bildung hinarbeiten, sollte von unserem
Bunde unentwegt hochgehalten werden. Dann wurde der Nationale Deutschame-
rikanische Lehrerbund nicht nur in dem gegenwartigen Kulturkampfe des Deutsch-
tums in unserem Lande, das sich endlich seiner Bedeutung fiir unsere werdende
Nation bewusst wird, der wichtigste Faktor sein, sondern er wiirde auch unserem
gesamten Schulwesen eine Forderung gewiihren, deren Segnungen sich noch in
ferner Zukunft fiihlbar machen wiirden.
Max Griebsch, President.
Dieser Bericht wurde angenommeii. Herr Martin Schmidhofer von Chicago,
der einige Tage vor der Konvention nach Europa gereiat war, hatte seinen Schatz-
meister-Bericht iiber das verflossene Vereinsjahr eingeschickt. Nach diesem Fi-
nanzausweis betrug am 20. Juni 1908 der Kassenbestand des Lehrerbundes $278.80.
Der Bericht wurde, wie iiblich, an ein Revisions-Komitee von Dreien, das der Prtl-
sident ernennen soil, verwiesen. Eine Dank- und Gliickwunsch-Depesche von der
Tagsatzung des Nordamerikanischen Turnerbundes wurde verlesen und ange-
nommen.
Hierauf kam das Verlesen des Verfassungsentwurfes an die Reihe. Hr. Stern,
der Vorsitzer des Spezialkomitees, an welches clieser Entwurf zur Durchberatung
verwiesen wurde, schickte voraus, dass das Komitee den vom Vollzugsausschuss
unterbreiteten Entwurf zur Annahme empfehle bis auf einige Abanderungen. Die
wichtigste davon enthalte der Paragraph 9, der lauten solle: ,,Jedes Migtlied ist
solange zur Zahlung des Jahresbeitrages von zwei Dollars verpflichtet, bis es sei-
nen Austritt schriftlich beim Schatzmeister anzeigt."
Dr. Fick von Cincinnati begriisste diesen Vorschlag, der einstimmig angenom-
men wurde, mit Freuden und meinte, dass dies das einzige Mittel sei, aus dem
Lehrerbunde ein festes Gefiige zu machen und die Mitglieder zusammenzuhalten,
wiihrend unter dem bisherigen System niemand wiisste, wieviel Mitglieder der
Bund eigentlich ziihle. Manche kiimmerten sich jahrelang nicht um den Verband
und so kam es, dass derselbe in einem Jahre 30, im andern 300 Minglieder stark
war.
Eine zweite Abanderung der Statuten bezieht sich auf die Form der Mit-
gliedschaft. Wahrend bisher Zweig- und Lokalverbande der deutschamerikani-
schen Lehrerschaft als solche dem nationalen Lehrerbund angehoren durften, sol-
len von jetzt an nur Einzelmitglieder dem Bunde angehoren konnen.
Schliesslich wurde noch vorgeschlagen, die bestehende Prtifungskommission
des Lehrerseminars in Milwaukee aufzugeben und mit ihren Pflichten den Lehr-
ausschuss zu betrauen, der aus den sechs im Seminarvorstande befindlichen Mit-
gliedern des Lehrerbundes gewilhlt wird. Zur Bestreitung der Auslagen des Prti-
ProtoTcoll des 36. Lehrertages. 199
fungsausschusses bezahlt die Bundeskasse dem Verwaltungsrate des Seminars all-
jahrlich die Summe von sechzig Dollars.
Die von dein Spezial-Komitee vorgeschlagenen Abanderungen, sowie die ganze
Verfassung wurde, nachdem sie paragraphenweise verlesen war, einstimmig ange-
nommen.*)
Nach der Erfrischungspause hielt Emil Kramer von Cincinnati seinen Vor-
trag iiber ,,Vor- und Fortbildung des Lehrers". Die Debatte dariiber wiirde bte
zur Freitag-Versammlung verschoben.
Dr. Fick verlas hierauf den Bericht der Priifungskommission des Lehrersemi-
nars fur das vergangene Jahr, der wie folgt lautete:
An den Priisidenten und die Mitglieder des Nat. D. A. Lehrerbundes.
Die wahrend der letzten Tagung des N. D. A. L. ernannte Priifungskommis-
sion erlaubt sich folgenden Bericht zu unterbreiten :
Wahrend des Jahres hat Herr Leo Stern, Milwaukee, dem Seminar seine be-
sondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Bei der Schlusspriifung war ausser
ihm noch H. H. Fick, Cincinnati, anwesend, wilhrend das dritte Mitglied der Kom-
mission, Herr H. Woldmann, Cleveland, nicht zugegen war.
Das Seminar zahlte am Schlusse des Jahres 5 Zoglinge in der ersten Vorbe-
reitungsklasse, 3 in der zweiten, 8 in der ersten und 10 in der zweiten Normal-
klasse, im ganzen 26 Schiiler, wo von nur zwei mannlichen Geschlechtes. Es ist
unbegreiflich und in hohem Grade beklagenswert, dass immer noch so wenige sich'
der ausserordentlich giinstigen Gelegenheit bedienen, eine au'sgiebige fachliche
Vorbildung fiir den Erzieherberuf zu erlangen, und besonders, dass so wenige junge
Manner sich dazu melden. Die Hilfsmittel des Seminars sind in jungster Zeit
bedeutend vermehrt worden und iibertreffen die der meisten Anslalten ahnlicher
Art, wodurch die Leistungsfahigkeit auf eine hohe Stufe gebracht worden ist.
Der Nationalbund und andere Korperschaften habeii es sich angelegen sein las-
sen, namhafte Summen als Stipendien fiir von ihnen zu bestimmende Zoglinge
zu bewilligen. Das gute Werk sollte fortgesetzt und erweitert werden. Immer
kin muss aber in allererster Reihe Sorge getragen werden, der Anstalt Schiiler
zuzufiihren.
Die schriftlichen Priifungsarbeiten der zweiten Normalklasse, deutschen und
englischen Aufsatz, deutsche und englische Grammatik, sowie Weltgeschichte um-
fassend, sind von samtlichen Mitgliedern der Priifungskommission einer genauen
Durchsicht unterzogen worden. Sie verdieneii nach Form und Inhalt durchweg
voiles Lob. Miindlich wurden die zweite Normalklasse in der deutschen tind in
der englischen Literatur, der Erziehungsgeschichte und in der Piidagogik gepriift,
wie auch statutengemiiss die iibrigen Seminar klassen ein Examen in den wahrend
des Jahres zum Abschluss gelangten Wissensfiichern ablegten. Von den Unter-
richtsproben, welche die Abiturienten in den Klassen der D. E. Akademie vornah-
men, waren sechs in deutscher und vier in englischer Sprache. Die Leistungen
waren durchweg befriedigend und bekundeten die Befahlgung der Lehramtsbewer-
ber, sicher auftretend vor Schulern zu erscheinen und wohlvorbereitete Lektionen
geschickt und erfolgreich durchzufiihren. Auf Grund des Priifungsbefundes und
im Einklang mit dem Urteil des Lehrerkollegiums wurde das Diplom des Semi-
nars erteilt dem Herrn Theodor Charly und den Fraulein Mathilde Bilger, Agnes
Caspar, Alida Degeler, Irma Desebrock, Anna Erlwein, Viola Hall, Clara Ische,
Elsa Kahlo und Edith Roller.
*) Die neue Verfassung des Lehrerbundes ist an anderer Stelle der ,,Mo*
natshefte" abgedruckt.
200 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Unter den jungen Damen befindet sich eine von nichtdeutscher Abstammung,
deren Beherrschung der zweiten Sprache mustergiiltig genannt werden muss. Im
Hinblick auf die stets wachsende Schwierigkeit, in geniigender Zahl geeignete
Lehrkrafte fiir den deutschen Unterricht zu beschaffen, sollte die erwahnte Tat-
sache ein Fingerzeig fiir begabte nichtdeutsche Lehramtsaspiranten sein.
Die Jahrespriifungen im Seminar finden nach einem vorgeschriebenen Plane
statt. Sie sind ausgedehnt und ermudend und stellen Anforderungen an dieKan-
didaten und Kandidatinnen, welche diese physisch in hohem Masse in Leidenschaft
ziehen. Es mochte sich empfehlen, die umfassende miindliche Priifung durch den
Klassenlehrer von der Kommission zu vereinfachen, abzukiirzen oder durch ein
anderes Verfahren zu ersetzen.
An manchen Orten des Landes bilden sich strebsame und tiichtige junge Leute
privatim auf den Lehrerberuf vor, bestehen die vorgeschriebenen Priifungen und
beginnen dann die Schularbeit, ohne die Vorteile praktischer tibungen im Klas-
senzimmer genossen zu haben. Die Priifungskommission mochte der Seminarver-
waltung nahe legen, auf Mittel und Wege zu sinnen, 'einen kurzen Sommerkursus
fiir Lehramtskandidaten einzurichten.
Der Leitung und dem Lehrkorper des Seminars gebiihrt der Dank fiir die
Miihe und den Eifer, der schweren Aufgabe der Anstalt in immer hb'herem Grade
gereclit zu werden. Achtungsvoll unterbreitet,
H. H. Fick, Cincinnati.
Leo Stern, Milwaukee.
Milwaukee, am 27. Juni 1908.
Nach Annahme dieses Berichtes richtete Herr Stern die dringende Bitte an
die Lehrerschaft, in ihren Kreisen darauf hinzuwirken, dass sich mehr junge Leute
dem Lehrerberufe widmen. Wahrend Lehrer und Lehrerinnen des englischen
Sprachunterrichts oft monate- und jahrelang auf Anstellung warten miissen, seien
Lehrer der deutschen Sprache stets gesucht. Besonders sollten dem Lehrersemi-
nar mb'glichst viele Zoglinge zugefiihrt werden; das ware noch notiger als Geld,
obzwar auch dieses willkommen sei. Von Herrn Griebsch wurde dieser Appell
aufs wiirmste unterstiitzt.
Die Herren Purin und Stern ermahnten sodann die Alumnen des Lehrersemi-
nars, die Begeisterung filr ihren erst letztes Jahr gegriindeten Verband nicht so
schnell erkalten zu lassen, worauf Herr Straube ankiindigte, dass die beim Leh-
rertag anwesenden Alumnen am Freitag vor der Hauptsitzung zusammenkommem
wiirden, um ihren Verein neu zu beleben.
Ein Schreiben der 23. Tagsatzung des X. A. Turnerbundes beziiglich Ertei-
lung des Turnunterrichts im Seminar wurde verlesen.
Vom Seminardirektor Griebsch wurde die Angelegenheit eingehend erortert,
worauf Dr. Pfister seine Ansicht iiber den Fall aussprach. Auf Antrag von E.
Kramer wurde das Schreiben auf den Tisch gelegt, da die Angelegenheit nur den
Verwaltungsrat des Lehrerseminars angehe. Der Antrag solle darum nicht als
eine Missachtung des Turnerbundes angesehen werden.
Als Vorsitzer des Nominationsausschusses unterbreitete Herr Schonrich fol-
genden Bericht:
Der Nominationsausschuss 'empfiehlt der 36. Tagsatzung des Nat. D. A. Leh-
rerbundes f olgende Mitglieder als Bundesvorstan d: Carl Engel-
mann, Milwaukee; Dr. H. H. Fick, Cincinnati; Max Griebsch, Milwaukee;
Dr. A. Hoelper, New York; Anna Hohgrefe, Milwaukee; Emil Kramer,
Cincinnati; Matilda Neeb, Dayton; C. 0. Schonrich, Baltimore; Ernst
ProtoTcoll des 36. Lehrertages. 201
Wolf, St. Louis. Als Komitee zur Pflege des D e u t s eh e n:
Dr. H. H. Fick, Cincinnati; Leo Stern, Milwaukee; Mathilda Neeb, Day-
ton, O.; Mathilda Grossart, Cleveland, O.; Carl Herzog, New York.
Als Ort fur die nachste Tagsatzung empfehlen wir die Stadt New
York.
Ehe zur Beschlussfassung iiber diesen Bericht geschritten wurde, unterstiitzte
Dr. Hoelper die Empfehlung des Nominationsausschusses, den nachsten Lehrer -
tag wieder im Osten und zwar in New York abzuhalten, in beredter und herzli-
cher Weise. Er versicherte, dass die Besucher sich ganz gewiss auch in der Me-
tropole am Hudson vortrefflich amiisieren wurden; dabei erinnerte er noch da-
ran, dass daselbst auch gleichzeitig das silberne Jubilaum des ,,Vereins derDeut-
schen Lehrer von New York und Umgegend" gefeiert wurde.
Der Bericht des Nominationskomitees sowie auch die Einladung des Herrn
Dr. Hoelper wurde durch Erheben von den Sitzen angenommen.
Der Vortrag von Herrn Eiselmeier sowie auch die Verlesung des Spanhoofd-
schen Vortrages, die beide noch fur diese Sitzung auf der Tagesordnung standen,
raussten wegen Zeitmangel ausfallen, denn es war bereits halb ein Uhr, als Ver-
tagung eintrat.
Am N a ch m i 1 1 a g wurde zunachst unter Fuhrung von Herrn Eiselmeier
die Lehrmittelausstellung besichtigt, und gegen Abend begaben sich samtliche De-
legaten des Lehrertages zum Festessen nach Whitefish Bay, das vom Milwaukee!*
Musikverein veranstaltet worden war. Das geplante Sommernachtsfest, das dem
Bankett folgen sollte, musste der nasskalten Witterung wegen ausfallen. Im
Pavilion wurden indessen die Festteilnehmer durch Musikvortrage der gastieren-
den Truppen des Resorts, sowie besonders durch die schonen Lieder des Musik-
vereins reichlich entschadigt.
Schlussversammlung.
Freitag, den 3. Juli 1908.
Der stellvertretende Vorsitzer, Dr. Fick, eroffnete kurz nach neun Uhr die
Schlusssitzung, worauf der Schriftfiihrer das Protokoll iiber die Verhandlungen
des vorhergehenden Tages verlas, das angenommen wurde. An den Kollegen The-
odor Meyder von Cincinnati, eines der altesten Mitglieder des Bundes und regel-
iniissigen Besuchers der Lehrertage, wurde aus Anlass seiner schweren Erkran-
kung eine Kondolenz-Depesche abgeschickt, worin ihm baldige Genesung ge-
wiinscht wird.
Bei der Debatte iiber den Vortrag von Herrn Kramer erklarte sich Herr
Rathmann von Milwaukee vollig einverstanden mit den in dem Vortrag niederge-
legten Ansichten iiber die Fortbildung der Lehrer. Herr Stern sagte, dass in
Milwaukee der Versuch mit den Lehrer-Fortbildimgsklassen sich sehr gut be-
wahrt habe. Die Literaturklassen seien dabei am besten besucht gewesen.
Als hierauf einige geschaftliche Angelegenheiten erledigt wurden, richtete
Frau Charlotte Neeb von Cincinnati an den Seminardirektor die Frage, ob auch
Farbige als Schiller in seiner Anstalt aufgenommen wurden. Herr Griebsch gab
zur Antwort: ,,Wir kennen in unserem Seminar weder Religions- noch Rassen-
unterschiede. Jeder, der die deutsche Sprache erlernen und sich in derselben ver-
vollkommnen will, ist herzlich willkomraen."
Frau Neeb dankte Herrn Griebsch und meinte, dass sich ihre farbige Schiile-
rin, Margaret Davis, herzlich freuen werde, wenn sie die Nachricht erhielte, dass
sie im Milwaukeer Seminar aufgenommen wird.
202 Monatshefte fur deutsche Sprache und P'ddagoglk.
Auf Antrag von Herrn Kramer wurde beschlossen, dass der Verlag der ,,Mo-
natshefte" eine geniigende Anzahl Separatbeziige der neuen Konstitution her-
stelle.
Professor James Taft Hatfield von der North Western Universitat, Evans-
ton, 111., hielt sodann einen Vortrag iiber ,,Deutsche und angelsiichsische Verhalt-
nisse in Amerika". Nach der Pause wurde die Diskussion dieses Vortrags aufge-
nommen, wobei Dr. Hoelper meinte: ,,Als Begriindung der Meinungsverschieden-
heit zwischen Deutsch- und Angloamerikanern wird bedauerlicherweise immer
wieder die Alkoholfrage in den Vordergrund gedrangt. Dies entspricht nicht den
wahren Tatsachen. Es sind vielmehr nur die Umtriebe der englischen Kirche,
die das Deutschtum und vor allem die personliche Freiheit angreifen. DieseHer-
ren sollten von der Kanzel herab die wahre Religion predigen, aber nicht Politik
treiben und hetzen."
Als letzter Vortragender erhielt hierauf Professor Ernst Voss von der Wis-
consin Staatsuniversitat das Wort, der sich das Thema gewahlt hatte: ,,Die
Volksschule einer modernen Republik, eine Bildungsanstalt moderner Idealisten". *
Bei der diesein Vortrage folgenden Debatte dankte Frau Marie Diirst von Day-
ton, O., eine geborene Schweizerin, Herrn Voss fiir die ihrer Heimat gezollte An-
erkennung mit den Worten: ,,Dass unsere Jugend in der Schweiz bei weitem
fortgeschrittener und gebildeter, daher enverbstiichtiger ist als die amerikaniache,
ist auf einige ganz natiirliche Erscheinungen zuriickzufiihren. Zuniichst wird in
unseren Schulen von den Schiilern mehr verlangt, ferner ist der Respekt, den die
Zoglinge vor dem Lehrerstande haben, em bei weitem grosserer als hierzulaude,
wo meist von Respekt iiberhaupt gar keine Rede ist. Last not least — beschiiftigt
sich der 15 oder IGjiihrige Junge in der Schweiz in seiner freien Zeit mit Schul-
arbeiten oder sonstiger Fortbildung und liiuft nicht — wie sein amerikanischer Al-
tersgenosse — mit jungen Madchen ins Theater oder gehort soundsovielen Klubs
und geheimen Verbindungen an. Und trotzdem sind unsere Schweizer Kinder
keine Mucker, sondern ein lustiges, frohliches Volkchen."
Das vom Prasidenten ernannte Revisionskomitee, G. J. Lenz von Milwaukee,
Hermann Schrader von Cincinnati und Frl. Anna Nahstoll von Jeffersonville, Ind.,
berichtete, dass es sowohl den Finanzausweis des Schatzmeisters M. Schmidhofer
als auch die Rechnungsablage des stellvertretenden Schatzmeisters Carl Engel-
mann mit den Belegen und dem vorhandenen Kassenbestand in ubereinstimmung
gefunden habe. Darnach waren wiihrend der Tagung an Mitgliedsbeitriigen
$430.00 eingelaufen und vom Milwaukeer Lehrerverein $8.40 Kopfsteuer, also zu-
sammen $438.40.
Der friihere Schatzmeister, Herr Louis Hahn von Cincinnati, hatte kurz vor
dieser Tagung seine Schatzmeisterbiicher nebst Schlussbericht eingeschickt. Zu-
f olge dieses Berichtes, der in der Sitzung verlesen wurde, schuldet Herr Hahn dem
Lehrerbunde noch einen Restbetrag von $8.96, der zum Teil erst nach der letzt-
jahrigen Tagung eingegangen ist. Dem Berichte war noch folgende Nachschrift
zugefugt: ,,Da nun das Amt des Schatzmeisters die meiste Zeit wahrend des
Jahres und bei dem Lehrertags in Anspruch nimmt, so glaube ich, dass ich zu
einer Vergiitung berechtigt bin. Vierzehn Jahre habe ich mein Amt verwaltet
und ich erlaube mir 25 Cents per Woche zu berechnen. Der Lehrerbund hat seine
* Leider sind wir nicht imstande, den Vortrag des Herrn Prof. Voss in diesem
Hefte zum Abdruck zu bringen, da er uns vor seiner Abreise nach Europa das
Manuskript nicht zurtickgelassen hatte. Wir hoffen jedoch bis zum Novemberhefte
im Besitz des Vortrages zu sein. D. R.
Proiokoll des 36. Lehrertages. 203
JBeamten immer sehr liberal bezahlt, und ich glaube, dass mein Verl&ngen berech-
tigt 1st."
Der erste Schriftfiihrer wurde angewiesen, Herrn Halm schriftlich aufzufor-
dern, den Restbetrag unverziiglich dem jetzigen Schatzmeister einzuschicken. Be-
ziiglich der Vergiitung, im Gesamtbetrage von $182.00, solle er Herrn Hahn mit-
teilen, dass sich der Lehrerbund durchaus nicht veranlasst sehe, dem Verlangen
zu entsprechen, da samtliche Amter des Bundesvorstandes stets als Ehrenstellen
betrachtet worden seien.
Wahrend 'einer kurzen Pause organisierten sich die in den Bundesvorstand
gewahlten Mitglieder wie folgt:
Prasident: C. O. Schonrich, Baltimore.
Vizeprasident: Dr. A. Hoelper, New York.
Schatzmeister: Carl Engelmann, Milwaukee.
1. S ch r i f t f u h r e r : Emil Kramer, Cincinnati.
2. Schriftfiihrerin: Anna Hohgrefe, Milwaukee.
Der Bericht des Ausschusses fur Beschliisse wurde wie verlesen angenommen.
Derselbe lautet wie folgt:
Es wird empfohlen, Allen, die zum Erfolg des deutschen Lehrertages ihr mog-
lichstes beigetragen haben und den Gasten eine so gemiitlich deutsche
Aufnahme zuteil werden liessen, den Dank der Versammlung auszuspre-
chen. Besonders wird der deutschen Presse von Milwaukee, dem Mil-
waukee Mannerchor und dem Musikverein herzlichst gedankt.
Dem Komitee zur Pflege des Deutschen eine Summe bis zu 50 Dollars zu be-
willigen.
Den vom Verein deutscher Lehrer von New York und Umgegend einge-
brachten Antrag bezuglich der Presse gutzuheissen.
Dieser Antrag lautet:
An die Herausgeber und Mitarbeiter der deutschen Zeitungen in Amerika.
Sehr machtige Faktoren sind es vor allem, die zur Erhaltung und Pflege der
deutschen Sprache unerlasslich sind:
Die Familie, die Schule, die Kirche, die Vereine, die Biihne und die Presse.
Familie und Schule beschaftigen sch eigentlich nur mit dem heranwachsenden
Geschlechte und legen die Grundlage fur jene deutschen Bestrebungen, die
in der Kirche und im Vereine ihren Ausdruck finden.
Der Beruf und die Pflicht der Presse ist 'es aber, das deutsche Gefiihl der Fa-
milie zu starken, die deutsche Gesinnung der Kirche zu unterstiitzen, die
Bestrebungen der deutschen Vereine zu fordern und die Ziele der deut-
'schen Biihne und Schule zu heben.
Der deutschen Familie, vor allem der heranwachsenden deutschen Jugend, soil
die deutsche Zeitung einen Lesestoff bieten, der sich nicht nur durch rich-
tiges, einf aches und klares, von Fremdwortern und insbesondere soge-
nannten Amerikanismen moglichst freies Deutsch auszeichnet, sondern
auch frei von alien jenen Berichten ist, die der verderblichen Grossmanns-
sucht und dem widerlichen Protzentum Vorschub leisten.
Die deutsche Presse soil der Familie einen gesunden Lesestoff bieten, 'soil es
sich angelegen sein lassen, der deutschamerikanischen Jugend die ge-
schichtliche Bedeutung des Deutschtums im rechten Lichte und in richti-
ger Darstellung klarzumachen. Die deutsche Presse soil nicht auf die
nahezu auf den Nullpunkt gesunkene deutsche Einwanderung warten, um
ihren Leserkreis zu vermehren oder wenigstens zu erhalten, sondern sie
204 Monutsliefte fur deutsclie Spraclie und Padagogilc.
soil die Jugend 'erobern und auch in amerikanische Kreise dringen, um
hier neue Leser und Anhanger zu finden. Wir erwarten, dass die deut-
schen Zeitungen, nachdem jetzt die neue deutsche Rechtschreibung tiber
fiinf Jahre im Gebrauch ist, endlich auch ihre Setzer veranlassen, sich
jener Rechtschreibung zu bequemen, die bereits uberall, soweit die deut-
sche Zunge klingt, eingebiirgert ist, nur nicht — mit wenigen Ausnahmen —
bei den deutschen Setzern der deutschen Zeitungen in Amerika.
Der 36. deutschamerikanische Lehrertag hofft, dass die deutsche Presse des
Landes diese Beschliisse erwagen, wohlwollend berticksichtigen und all-
mahlich durchfiihren werde: Zum eigenen Nutzen der deutschen Zeitun-
gen, zum Wohle ihrer Leser und zum Heile unseres glorreichen Volkes.
Die Beschliisse wurden einstimmig gutgeheissen, ebenso der folgende schrift-
Hch eingereichte Antrag von Herrn Stern:
,,Der N. D. A. Lehrerbund verdammt auf das starkste die Verwendung vom
Kindern zu Zwecken, die mit der Agitation zur Beschrankung der per-
sonlichen Freiheit in Verbindung stehen. Ein derartiges Vorgehen ist
weder vom moralischen noch vom padagogischen Standpunkte aus zubil-
ligen."
Herr Prasident Griebsch erklarte hierauf mit einigen wohlgesetzten Worten
den 36. Lehrertag, den er als einen der erfolgreichsten bezeichnete, fur vertagt.
Fiir den Nachmittag war eine Dampf erf ahrt auf dem Michigansee vor-
gesehen; allein wegen des Regens musste auch diese Vergniigungsnummer in letz-
ter Stunde noch abgeandert werden. Dafiir hatte das Unterhaltungskomitee im
Seminargebaude ein solennes Kaffeekranzchen arrangiert, wobei die Teilnehmer
unter Tanz und Frohsinn den Lehrertag zum schonen Abschluss brachten.
Emil Kramer, Schriftfiihrer.
Jahresversammlung des Allgemeinen Alumnen-Vereins des N. D. A. Lehrer-
seminars. Der vor eiriem Jahre in Cincinnati gegriindete Verein ehemaliger Zog-
linge des Lehrerseminars wurde wahrend der Tagung des Lehrerbundes in Milwau-
kee durch Schaffung einer permanenten Organisation und durch Annahme der im
Vorschlag gebrachten Konstitution auf eine f este und sichere Basis gebracht. Die
Versammlung fand am Vormittag des 3. Juli im Seminargebaude statt und zeich-
jiete sich durch einen starken Besuch und lebhafte Begeisterung aus. Folgende
Beschliisse wurden einstimmig gefasst:
(a) Einen jahrlichen Beitrag von 25 Cents pro Mitglied zu erheben;
(b) Einen jiihrlichen Beitrag von $1.50 pro Mitglied zu erheben, der dem Sti-
pendienfonds des Lehrerseminars zufliessen soil;
(c) Die nachste Jahresversamnilung wahrend der Dauer des Lehrertages ii
der Stadt New York abz;ihalten.
Zu Ehren des Andenkens des vielgeliebten und leider zu friih verstorbenen
Seminarlehrers Herrn Paul Gerisch erhoben sich die Anwesenden von ihren Sitzen.
Dem scheidenden Seminarlehrer Prof. Oskar Burckhardt zollten die AlumneM
ihre Anerkennung durch Stiftung eines Geschenkes.
Folgende Beamten wurden fiir das Jahre 1908—09 gewahlt:
Prasident: Herr Bernhard Riemer, Carlstadt, N. J.
Vize-Prasident: Herr C. B. Straube, Milwaukee, Wis.
Schatzmeisterin : Frl. Emilie Rieger, Milwaukee.
Sekretar: Herr W. von der Halben, Cincinnati, 0.
Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Padagogik. &05
Alle ehemaligen Studenten des Lehrerseminars werden hiermit aufgefordert,
sich dem Verein anzuschliessen und gebeten, sich behufs Anmeldung an den Sekre-
tar W. von der Halben, 3135 Bishop St., Cincinnati, 0., zu wenden.
In dieser aus jungen, fur die Sache der deutschen Erziehung und deutscher
Sprache begeisterten Lehrkraften bestehenden Vereinigung erblicken wir eine zu-
kunftige Stiitze und treue Gefolgschaft des Lehrerbundes. Sie bilden den Nach-
wuchs des Bundes und werden, so hoffen wir, die alten Kampen einst ersetzen und
die Fahne hochhalten, die diese aus der erschlafften Hand miissen fallen lassen.
Schon die Tatsache, dass die Organisation auf einem Lehrertag ins L'eben
gerufen wurde und die Jahresversammlungen gleichzeitig mit dem Lehrertag
stattfinden, biirgt dafiir, dass die Alumnen sich fiir die Bestrebungen des Lehrer-
bundes stets interessieren werden.
Der Besuch des Lehrertages wird nunmehr seitens der friiheren Zoglinge des
Lehrerseminars ein starkerer sein, als es bisher der Fall war; denn es kann schon
vorher rege Propaganda in den einzelnen Stadten dafiir gemacht werden.
Und somit durfen wir wohl in dieser neuen Organisation einen weiteren Fak-
tor erblicken, der bei der Verbreitung deutscher Erzielumgsmethoden und der
Erhaltung der deutschen Sprache in diesem Lande gewaltig mithelf en wird.
Im Auftrage C. B. Straube.
Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Padagogik,
Von Dr. A. Hoelper, New York.
,,Ewig wechset der Wille den Zweck und die Kegel, in ewig
Wiederholter Gestalt walzen die Taten sich um.
Aber jugendlich inimer, in immer veranderter Schone
Ehrst du, f romem Natur, ziichtig das alte Gesetz !
Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Handen dem Manne,
Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jiingling vertraut,
Nahrest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;
Unter demselben Blau, iiber dem namlichen Griin
Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Gesclilechter,
Und die Sonne Homers, siehe ! sie lachelt auch uns."
Diese herrlichen Worte des grossten Lehrers unseres Volkes, unseres
Lieblingsdichters Schiller, mahnen uns daran, dass es in der Padagogik
eigentlich keine Keformbestrebungen gibt; denn die Natur hat uns so
klar und deutlich den einzuschlagenden Weg gewiesen, dass nur ein
Stumper oder ein tibelwollender von diesem Pfade abweichen kann. —
Doch ist die Erziehung nicht so leicht und einfach und der gebahnte Weg
des Unterrichts, die Methode, nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass
jeder Mensch ein Individuum, und jeder Lehrgegenstand ein endloses
Wissensgebiet darstellt. Diesen Menschen harmonisch zu entwickeln,
diese einzelnen Lehrgegenstande griindlich zu beherrschen, das muss das
Ziel aller padagogischen Eeformbestrebungen sein.
206 Monatsliefte fur deutsche Spraclie und Pddagogilc.
Vom grauen Altertum bis auf den heutigen Tag hat es hervorra-
gcnde Manner gegeben, die sich mit der Auffindung der besten Erzie-
hungsform beschaftigten. Alle sind sich darin einig, dass das Schicksal
oines Volkes, seine Bliite, wie sein Verfall, von der Erziehung abhangt,
die der Jugend zuteil wird. ,,Der Mensch kann nur Mensch werden durch
die Erziehung; er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht", wie
der grosse Konigsberger Philosoph sagt. Wenn man von dem hohen Be-
rufe eines wahren Yolkserziehers durchdrungen ist, versteht man auch den
begeisterten Ausruf eines Plato: ,,Es gibt nichts Gottlicheres — als die
Erziehung \"
Ich will mich nicht weiter in Zitate verlieren und gelehrte Abhand-
lungen iiber philosophische oder psychologische Fragen in der Padagogik
vorbringen, — dadurch wiirde ich nur Bekanntes nachbeten — , sondern
ich beginne mit meinen Vorschlagen auf dem Gebiete der Erziehung und
des Unterrichts in unseren Schulen und werde dabei 6'fter einen Vergleich
mit dem Erziehungswesen in Deutschland ziehen.
Unsere Volksschule soil das Fundament bilden, auf dem alle anderen
Schularten weiterbauen konnen. Wenn auch die Privatschulen das Beste
leisten konnen, muss uns der gemeinsame Unterricht der Volksschule, an
dem die Kinder aller Stande teilnehmen, als hochstes Ziel vorschweben.
Die nach deutschem Muster eingefuhrte achtjahrige Schulzeit halte ich
fiir eine richtige Massnahme.
Wahrend man in Deutschland dartiber klagt, dass von der Volks-
schule bis zum Gymnasium der nationalen Erziehung zu wenig Beachtung
geschenkt werde, ist man hier in sehr vielen Schulen in den entgegenge-
setzten Fehler verf alien, indem man die Jugend zu einem hysterischen
Patriotismus erzieht, der sich dann spater in einer masslosen Verachtung
fremder Volker und ihrer Geschichte aussert und als Mr. Jingo den Mon-
sieur Chauvin weit in den Schatten stellt. Die so erzogenen Yankees
mochten dann am liebsten eine chinesische Mauer um Amerika ziehen,
wie sich dieses schon in der Einftihrung des Schutzzolles gegen die Ein-
fuhr von fremden Waren, ferner in dem eigenen Gewichtssystem, in den
oigenen Lange- und Hohlmassen und seinem eigenen hohen Geldfuss zeigt.
Dort, wo in den deutschen Schulen von einer patriotischen Erzie-
hung wirklich die Rede sein kann, erscheint es mir, dass der Partikularis-
mus noch immer in voller Bliite steht, dass das Unkraut der Standezwie-
tracht — das propter invidiam - - heute ebenso wuchert, wie zu Zeiten
Hermanns, des Cheruskerfiirsten, wahrend hier bei der patriotischen Er-
ziehung, abgesehen von den erwahnten schadlichen Auswiichsen, selbst der
Gegensatz zwischen Nord und Siid fast ganzlich wegfallt. Der mit dem
roten Adlerorden und dem Exzellenz-Titel ausgezeichnete deutsche Ge-
lehrte konnte, was patriotische Erziehung betrifft, von der jiingsten School
Ma'am im entferntesten westlichen Dorfe noch vieles lernen.
Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Pddagogik. 207
Auch in Betreff der Behandlung der Kinder glaube ich? dass die
iibertriebene Strenge des deutschen Schul- und Zuchtmeisters im Ver-
gleiche zur liebevollen Behandlung der amerikanischen Lehrer zu unseren
Gunsten spricht. Unsere Nachsicht darf jedoch nicht so weit gehen, dass
die Schiller anmassend werden; es muss unbedingt vermieden werden,
dass die Kinder zuviel in den Vordergrund geschoben werden ; das scha-
det dem Ansehen des Lehrerstandes, abgesehen davon, dass sich der Schil-
ler dann, wie dies hier b'fter geschieht, als eine Art Mittelpunkt betrachtet,
um den sich alles dreht. Und diese verderbliche Sucht zur Selbstandig-
keit hat uns und unserem Lande den Vorwurf Heines eingetragen, das
Land des Freiheits- und Gleichheitsflegel zu sein.
Ich bin durchaus nicht fiir die schliesslich in Grossenwahn ausar-
tende Uberhebung des Lehrers, aber ich verlange von ihm einen ausge-
sprochenen Berufsstolz; er ist berechtigt, zu zeigen, dass er es ist, der den
Menschen zum brauchbaren Mitgliede der mensclilichen Gesellschaft er-
zieht — das Spriichlein vom armen, demtitigen Schulmeisterlein muss ein
fiir allemal in das Meer der .Vergangenheit versenkt werden.
Dass in unseren Schulen noch zu viel Drill ist, miissen wir zuge-
stehen, und was die Anschaulichkeit des Unterrichts betrifft, ganz beson-
ders die richtige Fragestellung und ununterbrochene Anregung zum
stelbstandigen Denken, da liesse sich noch recht viel reformieren. Es
scheint, das Volk lasst die Politiker fiir sich wahlen, die Zeitungen kauen
den Massen alles Wissenswerte vor, und die Lehrer oder vielmehr die Leh-
rerinnen denken fiir ihre Schiiler. Dass Eltern, Schulbehorde und Lehrer
es den Kindern hier zu leicht machen,, ist wohl am besten dadurch bewie-
sen, dass man hier von einer so tiefen, grundlichen Gelehrsamkeit, wie in
den meisten europaischen Kulturstaaten, noch wenig verspiirt.
Ob das englische spelling, dieses, wie Max Miiller sagt, furchtbare
Nationalungliick der Englander, die ITrquelle des englisch-amerikani-
schen Schuldrills ist, will ich nicht vollinhaltlich bestatigen, aber auch
nicht widerlegen.
In Betreff der Lehrgegenstande sollte allgemeine Geschichte, Gram-
matik und Formenlehre mehr Beachtung finden. Der Handfertigkeits-
unterricht muss auf das richtige Mass beschrankt werden ; in vielen Schu-
len wird die Zeit fiir diesen Lehrgegenstand mit Kinkerlitzchen vergeu-
det. Die Frage, ob die Kinder der untersten Klassen ebenso voile fiinf
Stunden Unterricht haben sollten, wie die der obersten Stufen ; ferner, ob
nicht eine Zwischenstunde von 12 bis 1 IThr zur geistigen Erholung zu.
wenig ist, ob statt des freien Sonnabends zwei freie Nachmittage empfeh-
lenswerter seien, ob der Schreibunterricht nicht ausschliesslich nach der
Lautiermethode erteilt werden und ob nicht eine Einschrankung des Un-
terrichts in der vaterlandischen Geschichte, wenigstens auf den unteren
Stufen, zu wiinschen ware, das sind Fragen, die seit Jahrzehnten die
208 Monatshefte fur deutscJic Sprache und Padagogik.
Lehrcrkreise beschaftigen. Wie im naturgeschichtlichen Unterricht ein
auffallender Fortschritt zu verzeichnen 1st, so wird auch in den erwahnten
Fachern das Gute sicherlich dem Besseren weichen miissen.
Dort. wo eine Trenmmg der Geschlechter moglich 1st, besonders vom
Beginn der Pubertat an, sollte dieselbe, meiner Ansicht nach, durchge-
fiihrt werden. Es mag ja sein, dass die Schwester den wilden Bruder
veredelt, und der wilde Bruder die schiichterne Schwester selbstandiger
macht; ob aber die Wechselbeziehungen der Geschlechter auch in der
Schule als ununterbrochener elektrischer Strom in erzieherischer Hinsicht
sich erweisen, mochte ich sehr bezweifeln. Fiir mich besteht noch immer
des grossen Dichters ernster Mahnruf :
,,Nach Freiheit strebt der Mann,
Das Weib nach Sitte — "
und ich mache mich keiner Ubertreibung schuldig, wenn ich behaupte,
dass die Sittlichkeit unsercr Frauen und Madchcn durch die Freiheiten,
die sich Jungamerika ihnen gcgeniiber herausnimmt, nicht gefordert
werde; dabei denke ich nicht einmal an die beriihmten Botanisierausfluge
der Knaben und Madchen jener wcstlichen Hochschule, allwo die Dirn-
lein und Biiblein statt zu botanisieren bei Champagner und ,,Sandwiches"
verbotene Friichte vom Baume der Erkenntnis pfliickten.
An den Universitaten last sich selbstverstandlich eine Trennung der
Geschlechter nicht durchfiihren, cs ist iibrigens auch nicht notwendig, da
die Studierenden auf dieser Stufe nur zu wohl wissen, dass sie des Studie-
rens halber in den Horsaal kommen.
Der Mangel an hoheren Gewerbc- und Handclsschulen nach deut-
schem Muster macht sich immer noch merklich flihlbar. Ich spreche
nicht von den sogenannten ,,business schools", wo die typewriter girls"
Stenographistinnen, Buchhalterinnen und andere weisse Skavinnen aus-
gebriitet, auf die harmlose — manchmal auch nicht so ganz harmlose —
Geschaftswelt losgelassen werden, sondern ich spreche von den wirklichen
gewerblichen Fach- und Handelsschulen. Dieser Mangel aber wird wohl
in absehbarer Zeit verschwinden, da die selbst in padagogischer Beziehung
bis vor Kurzem riickstandigste Stadt — die Hudson Metropole — bereits
einen guten Anfang macht und neben den Handels- und Gewerbeschulen
(Commercial und Manual Training High Schools) jetzt auch gewerbliche
Fachschulen eroffnen will.
Um meinen Standpunkt in der Frauenfrage klarzustellen, will ich
hier gleich bemerken, dass ich unsere weiblichen Berufsgenossinnen nicht
nur nicht in meine vielleicht sarkastischen Bemerkungen einbeziehe, son-
dern ihnen meine riickhaltsloseste Anerkennung und vollste Bewunderung
dafiir ausspreche, dass sie seit Jahr und Tag den Grundsatz verfechten:
,,Fiir die gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung"; und dass ich ihnen Erfolg
wiinsche, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen.
Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Padagogik. 209
Wenn einmal das Bediirfnis fiir gewerblich vorgebildete Leute da 1st,
dann wird auch jeder Arbeiter, der vorwarts kommen und nicht sein Le-
ben lang ein Lohnsklave bleiben will, diese Fachschulen besuchen, dann
wird aber auch der Import von deutschen, franzosischen, belgischen und
anderen Ingenieuren, Chemikern, Webereileitern u. s. w. aufhoren und
unsere heimische Industrie wird in den Handen unverfalschter Ameri-
kaner ruhen.
Der hier allgemein durchgefiihrte vierjahrige Kursus (vier Jahre
Elementary, vier Jahre Grammer, vier Jahre High School und vier Jahre
College) hat entschieden vieles fiir sich, und ich weiss wirklich keine
padagogischen Bedenken, die gegen diese Einrichtung sprachen.
Auch die halbjahrigen Versetzungen kann ich nur vom giinstigen
Liche aus betrachten.
Die sogenannten padagogischen Schaustellungen, als da sind:
Wb'chentliche Versammlung in der ,,Assembly" der Volksschule mit obli-
gaten Deklamationen, Musik u. s. w. und endlosen Eeden der Prinzipale
(die Anwesenden natiirlich ausgenommen), der Drill fur gewisse Feier-
tage, die Graduationsfestlichkeiten mit ihren zur Eitelkeit und Ver-
schwendungssucht geradezu herausforderndem Schaugeprange, die „ Com-
mencements" und .,'Classdays" u. s. w. haben ja manches fiir sich, aber
padagogisch gehoren sie ebenso in die Rumpelkammer, wie der Stock oder
der Fleisszettel. Auch die Reliquie des Bill-Langsaster'schen Erziehungs-
systems, die Monitors oder Klassenaufseher, werden und miissen aus den
amerikanischen Schulen weichen.
Was den deutschen Unterricht in unseren Schulen betrifft, so bin ich
selbstverstandlich dafur und iiberhaupt fiir eine Bevorzugung der neueren
gegeniiber den klassischen Sprachen, ohne den grossen kulturellen Wert
der letzteren zu verkennen.
Von modernen Sprachen kommen hier nur die deutsche und franzo-
sische in Betracht, denn ich glaube iiberzeugt zu sein, class unsere spani-
schen Anhangsel, denn Kolonien und Provinzen darf man ja nicht sagen.
viel friiher amerikanisiert sein werden, als die Amerikaner das Spanische
erlernen.
Die Lehrer der deutschen und franzosischen Sprache sollen, wenn
auch hier geboren, in Wort und Schrift der betreffenden Sprache voll-
standig machtig sein. Das Ziel des fremdsprachlichen Unterrichts soil
nicht die Aneignung eines Sammelsuriums von regelmassigen und un-
regelmassigen Haupt- und Zeitwortern sein, soil nicht auf den altausge-
tretenen Geleisen der geistreichen Ubersetzungen sich bewegen:
,,Haben Sie das Haus des Generals gesehen?"
,,Das Schloss des Konigs ist sehr schon/'
,,Die Tochter unseres Tanzlehrers haben mit dem Sohne unseres
Gartners gesprochen" u. s. w.
210 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Wenn Sie noch einige dieser geistig anregenden und erzieherisch
wirksamen Proben wiinschen, dann schlagen Sie bitte irgend eines der in
der Lehrmittelausstellung aufliegenden Textbiicher — die der anwesen-
den Verfasser ausgenommen -r- nur nach.
Der moderne Sprachunterricht soil anregend und fruchtbringend
sein, d. h. die Schiiler sollen mit den fiir daheim und fiir die Feme aller-
nb'tigsten Phrasen bekannt gemacht und gleichzeitig soil ihnen der
Schliissel zu den unerschopflichen Schatzen der betreffenden Literatur in
die Hand gegeben werden.
Ich halte es fiir ausserst vorteilhaft, dass der Schiiler, der z. B. La-
tein gewahlt hat und findet, dass er im Latein nicht gut vorwarts kommt.
oder fiir die Erlernung der Sprache des Horaz nur sehr wenig Talent
besitzt, dass er statt des Lateinischen einen anderen Gegenstand wahlen
darf, aber wahrend des Semesters sollte ein Wechsel aus padagogischen
und disziplinaren Griinden nicht stattfinden. Wer freiwillig schlecht ge-
wahlt hat, soil unfreiwillig biissen, abgesehen davon, dass der Schiiler
vielleicht doch noch im Laufe der weiteren Unterrichtsstunden Lust und
Liebe fiir den anfangs verhassten Gegenstand gewinnt. Unbedingt ver-
werflich ist es, wenn das Deutsche als Lehrgegenstand aufgenommen
Avurde, bei der Versetzung jedoch nicht zahlt. Dass die Schiiler, beson-
ders amerikanische Kinder, auf einen solchen Lehrgegenstand Imsten
und auf den Lehrer pfeifen, brauche ich nicht naher zu begriinden.
Die zahllosen Priifungen, die man hier unseren Schiilern zumutet,
haben sich allmahlich zu einem Unfuge entwickelt. Wenn einer die High
School absolviert hat, sollte er mit seinem „ Certificate" ebenso unbe-
schrankt im College Aufnahme finden, wie ein deutscher Abiturient mit
seinem Keifezeugnisse an jeder Universitat zum Studium zugelassen wird.
Dabei setze ich voraus, dass die ersten beiden Jahre (Freshman und
Sophomor) der Sekunda und Prima des deutschen Gymnasiums im
Grossen und Ganzen entsprechen. Wenn ein Trust von Colleges noch be-
sondere Aufnahmepriifungen verlangt, so hat wohl die Priifungstaxe mit
dieser Forderung etwas zu tun ;ist es nicht der Fall, so nehme ich gerne
meinen Vorwurf zuriick. Natiirlich setze ich voraus, dass einheitliche
Lehrplane fiir die einzelnen Hauptgegenstande im ganzen Lande aufge-
stellt werden.
Seit einem Menschenalter wird Klage dariiber gefiihrt, dass die
Schulerziehung die Frage der Korperpflege vernachlassige, und die Zahl
der Schriften iiber diesen Gegenstand ist bereits Legion. Hier sollte der
Staat durch Anstellung von Schularzten Abhilfe schaffen. Die arztlichen
Untersuchungen sollen sich jedoch nicht nur mit dem Aufspiiren von
Augen- und Zahnleiden beschaftigen, sondern diese Arzte sollen in Ge-
meinschaft mit den Schulvorstehern und den dem Biirgerstande entnom-
mcnone Sehullvommissaren auch auf die Ernahrung und korperliche Ent-
Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Padagogik.
wicklung der Schiller ihr Augenmerk richten. Wenn dieses gewissenhaft
geschieht, dann werden solche widerlichen und zur eigenen Beweihrauche-
rung in die Welt gesetzten Schauergeschichten einer New Yorker Schul-
superintendentin (eine Feindin des deutschen Unterrichts trotz ihres
deutschen Namens), dass die Kinder ihres Schulbezirks dem Hunger tode
nahe seien, vermieden.
Zur korperlichen Ausbildung miisste schon in jeder Yolksschule der
Turnunterricht nach deutschem Muster eingefiihrt werden. Dass in sehr
vielen hoheren Schulen der athletischen Ausbildung mehr Beachtung ge-
schenkt wird, wie dem ernsten Studium, ist in jiingster Zeit von hervor-
ragenden amerikanischen Gelehrten, besonders von dem wiirdigen Prasi-
denten von Harvard, wiederholt betont worden. Auch hier heisst es:
Masshalten! Ich kann nicht umhin, einen mir bekannten, besonders
drastischen Fall zu erwahnen. In einer Hochschule im Osten hat ein
Lehrer in seiner Klasse fast lauter in der Athletik vollkommene Schiller;
da er selbst zu einem der Klubs der Schiller gehort, hat sich in seiner
Klasse eine Vertraulichkeit zwischen Mirer und Lernenden gebildet, die
geradezu an Respektwidrigkeit grenzt. Gelegentlich des Besuches eines
Berufsgenossen musste dieser Musterlehrer mehrere Male die Burschen
ermahnen, doch nicht zu schlafen; die von ihm in fast unterwiirfigem
Tone gestellte Bitte an einen herkulisch gebauten Schiller: ,, Don't sleep.
Jimmy., go on!" ist bezeichnend fiir die Lotterwirtschaft in manchen
Schulen, in denen der Sport eine zu grosse Bedeutung gewinnt. Von
derselben ,,High School" war in dem Wochenmagazin der Anstalt ein
riihrender Artikel von einem eingewanderten Juden. In diesem Aufsatze
beklagt sich der junge Student, dass man aus jedem Baseball- oder Foot-
ball-Spieler, der sich das Schien- oder Nasenbein verletzt hat, einen Mar-
tyrer macht, wahrend iiber einen armen, schlecht genahrten Jungen, der
sich durch iibereifriges Studium den Tod geholt hat, einfach zur Tages-
ordnung iibergegangen wird.
Gegen diese Auswiichse des Sports in den Schulen gibt es nur ein
Heilmittel : Turnunterricht nach deutschem System.
Ich halte es fiir einen grossen Vorzug des amerikanischen Schul-
wesens, dass die Freiziigigkeit der Schiller auch insofern anerkannt ist,
dass z. B. ein Seminarist, oder Lehramtskandidat zum Anwalts-, Arzte-
oder Geistlichenberufe iibergehen kann, wenn er hierzu mehr Lust und
Fahigkeit besitzt, als fiir die Schulmeisterei und vice versa. Mancher
deutsche Geistesriese ist schon in der Tretmiihle des Alltagslebens ver-
kiimmert, weil ihm ein Maturitatszeugnis oder ein Doktorexamen gefehlt
haben.
Zur Frage der Schulverwaltung und Lehrerbildung habe ich folgen-
des zu bemerken: Der Schulvorsteher, ob er nun ein College-Prasident
212 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
oder ein ,,Prinzipal" 1st, sollte sich weniger als Oberaufseher iiber seine
Lehrer betrachten, sondern daran denken, dass er nur der primus inter
pares ist. Der Amtszopf — red tape — auch Vielschreiberei genannt,
sollte mehr in den Hintergrund treten, damit die ,,Flachsmanner" nicht
als Verzieher ihr Unwesen treiben. Dass ich fur eine lebenslangliche
Anstellung, fiir Besoldung nach Dienstalter und Fahigkeit und fiir ein
angemessenes Ruhegehalt nach mindestens 20 Dienstjahren (bei Un-
glucksfallen sofort) bin, ist selbstverstandlich. Ein weiterer Vorschlag
von mir ware, keine Lehrperson langer als 40 Jahre dienen zu lassen; die
Altersgrenze sollte nicht nur fiir die Anstellung, sondern auch fiir die
Pensionierung gelten.
Die beste und griindlichste Vorbildung der Lehrer halte ich fur eine
unbedingte Notwendigkeit, denn wahre Bildung macht uns nicht nur frei,
und tiefes Wissen verleiht uns eine hohe Macht, sondern auch unsere amt-
liche und gesellschaftliche Stellung wird immer mehr gefestigt, je gebil-
deter und tiichtiger wir sind.
Ein grosser Zug zur Beformierung unserer padagogischen Bestre-
bungen kennzeichnet unsere Zeit, hiiben und driiben. Schon hat der
Bund in den einzelnen Staaten in ihren Verwaltungskorpern Schulkom-
missare und ahnliche Schulbehorden vorgesehen. Es fehlt nur noch hier
der wichtige Schritt, dass in Washington, wie in den Staatshauptstadten
selbstandige Sekretariate fiir Erziehung und Unterricht geschaffen, und
dass in die Erziehungsbehorden (board of education) der Stadte, Bezirke
und Staaten auch Fachmanner mit beratender und beschliessender Stimme
gewahlt oder ernannt werden.
Die Macht der Schule und der Einfluss der Lehrer miissen von Tag
zu Tag wachsen, wenn jene sich frei iiber die Parteien erhebt und diese in
der Ausiibung ihres schwierigen Amtes die einzige und hochste Berufs-
pflicht erblicken. Die Schule soil ununterbrochen dem Geiste der Men-
schenentwicklung und Menschenbildung dienstbar sein, und als Priester
dieser hoheren Volksreligion sollen sich die Lehrer betrachten. Die
Schule ist die wahre Kirche, in der der Geist des Fortschritts auf flam-
menden Altaren leuchtet, und die Lehrer sind die Priester, welche dieses
ewige Feuer nahren miissen. Halte sich keiner von uns zu gering, an
diesem Werke mitzuarbeiten und trage jeder sein Scherflein dazu bei, um
den Tempel der Menschheit zu einem gwaltigen Dome der wahren Huma-
nitat und echten Bildung auszubauen:
,,Damit das Gute wirke, wachse, fromme,
Damit der Tag dem Edeln endliche komme."
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht.
Von Ernst Wolf, Leiter des deutschen Unterrichts in der McKinley H. S.
St. Louis, Mo.
1. Geschichtlicher Riickblick, Humanismus und Realismus.
2. Die neue Zeit und ihr Ideal, der Realismus.
3. Die Notwendigkeit neuer Hilfsmittel zu seiner Erreichung; die
Schwierigkeiten des Sprachunterrichts.
4. Die neuen Hilfsmittel :
A. Lehrbiicher.
B. Jugendschriften.
C. Modelle.
D. Bilder; a) fiir die Aussprache; b) fiir den Realien-Un-
terricht; c) in Yerbindung mit der Lektiire — geogra-
phisch und historisch.
E. Landkarten.
5. Schlussbemerkungen.
Wenn wir den vor mehr als 40 Jahren*) aufs heftigste entbrannten
Kampf um die Methode noch weiter bis in seine ersten Anfange, die
Jahrhunderte zuriickliegen, verfolgen und nach seinen ersten Ursachen
forschen, werden wir uns wohl kaum der Erkenntnis verschliessen kon-
nen, dass er in seinen Ursachen auf verschiedenen, einander entgegenge-
setzten, einander aufhebenden Weltanschauungen beruht. Der Kampf
um die Methode des Sprachunterrichts ist historisch wie sachlich zuriick-
zufiihren auf die alte Kontro verse des Humanismus und des Realismus.
Das Wiederaufleben der alten griechischen und romischen Literatur
und Wissenschaft, also der Humanismus, kann fiir die kulturelle Ent-
wickelung der Menschheit gewiss nicht iiberschatzt werden, und es
ware ein torichtes Unterfangen, seine Verdienste verkleinern zu wollen.
Doch wenn man so weit ging, die Beschaftigung mit den Klassikern als
einzige Grundlage fiir alle und jede Bildung anzusehen, wenn man sie
schlankweg das einzige Bildungsmittel fiir die Jugend genannt hat,
so muss hierin doch ein verhangnisvoller Irrtum erblickt werden.
Ein kurzer Riickblick auf die padagogisehc Geschichte des 16. und
17. Jahrhunderts ist zum Verstandnis der Bestrebungen unseres Zeital-
ters eine Notwendigkeit.
*) ,,Die neusprachliche Reform -Literatur" von Hermann Breymann nennt als
erstes Werk ,,Klotzsch, die Grundztige der frz. Gr. etc. 1876".
214 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Auf die Periode des Aufbliihens der humanistischen Studien folgte
eine Periode des Verfalls, in welcher auf das Eingehen auf den Gedan-
keninhalt der heidnischen Schriftsteller verzichtet wurde, und ihre
Werke nach grammatischen und stilistischen Gesichtspunkten durchge-
arbeitet wurden ;die einzig wichtige Frage war und blieb eben auf lange
die der Rechtglaubigkeit, die durch die Beschaftigung mit der Gedanken-
welt der ,,Heiden" nicht gefordert werden konnte.
Aber in dieser Epoche des Niedergangs keimte anderswo neues Le-
ben auf; und diese Epoche ist eine Zeit gewaltigen Fortschritts auf dem
Gebiete der Naturforschung geworden. Bislang hatte man aus den
Schriften der Alten alle naturwissenschaftlichen Kenntnisse geschopft,
jetzt richtete man die Augen von den toten Buchstaben weg auf die
D i n g e, auf die umgebende N" a t u r selbst, und lauschte ihr die wun-
derbaren Geheimnisse ab, deren Entdeckung die Namen eines Koperni-
kus, Galilei, Kepler und Newton unsterblich gemacht hat. — Eine neue
Weltanschauung ist uns aus ihren Werken erwachsen.
Das Gangelband der Alten wurde abgeworfen und auch fiir die Pa-
dagogik bliihte neues Leben auf, als Baco von Yerulam in England,
Montaign in Frankreich, Ratichius und -Comenius in Deutschland das
Banner des Realismus entf alteten, und namentlich der letztgenannte
die Realien als den Kern wissenschaftlicher Bildung der Kenntnis der
alten Sprachen voranstellte. Er fand den Unterricht erstarrt in dem
trockenen Formelwesen der Scholastik und, sich stutzend auf die Leh-
ren Bacons, wollte er die gesamte Unterweisung auf die Anschauung der
natiirlichen Welt begriinden, und man kann wohl sagen, dass seine Werke
alle spateren Errungenschaften der Padagogik schon im Keime enthal-
ten; so ist er auch der Begriinder des Parellelismus von Sach- und
Sprachunterricht und hiermit der Begriinder der modernen Reformbe-
strebungen geworden. Durch seine Lehre ist er der Vater des Realis-
mus geworden, der die Padagogik dazu leitete, nicht mehr bloss aus Bii-
chern, sondern ,,aus dem Himmel, der Erde, den Eichen und Buchen"
zu lernen durch unmittelbare Anschauung auf dem Wege der Induktion.
So wechseln auch die Erziehungsideale, wie alle anderen Kulturide-
ale. Eine neue Zeit verwirft, was die vorhergehende als allein wiin-
schenswert, als allein moglich und denkbar in den Himmel hob. Wir ma-
chen diese Beobachtung uberall, wo noch Leben herrscht, von der Klei-
dermode an bis zu den Hohen der Kunst, der Wissenschaft und der Tech-
nik, und wir machen sie ebenso bei den sittlichen und gesellschaftlichen
Anschauungen ; was gestern noch verpont war, heute ist's erlaubt — und
wohl auch umgekehrt ;wir zucken die Achseln und riimpfen die Nase
iiber mancherlei Sitten und Gebrauche und moralische Anschauungen
einer vergangenen Epoche, und die Wenigen, die noch aus derselben un-
ter uns weilen, sprechen von ,,den guten alten Zeiten^, wie ja auch die
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht. 215
Volker iiber die Verderbnis der anderen Volker die Hiinde liber dem
Kopfe zusammenschlagen und ausrufen: ,,So etwas kann bei uns nicht
vorkommen."
Alles fliesst, und es ware ein vergebliches, ja sogar ein kulturfeind-
liches Bemiihen, wenn wir uns gegen den Kulturstrom stemmen wollten.
Niemand lebt, der den Mut besasse zu gestehen, das er dies wolle; im
Gegenteil, wir wollen dem, was wir in dem Neuen als gut und gesund,
und darum als erstrebenswert anerkennen, den Weg ebnen helfen. Wir
wollen mit unserer Erzieherarbeit nicht immer alte, ausgetretene Geleise
wandern, wir wollen unsere Arbeit bef ruchten lassen von den neuen Ideeii
einer neuen Zeit.
Und die neue Zeit steht unter dem Zeichen des Realismus, der
vielleicht in froher Kampfeslust und sicherem Siegesbewusstsein zu Zei-
ten den Kopf zu stolz erhebt. Moge zum Heile der Menschheit die eine
Richtung — der Humanismus — so lange durch die andere — den Rea-
lismus — korrigiert werden, bis sie sich zu einer harmonischen Einheit
werden verschmolzen haben.
Die neue Zeit fordert nicht allein Schongeister, sondern auch Man-
ner, die mit klarem Auge und mit sicherem Blicke die grossen wirtschaft-
lichen Bewegungen im Gesamtverkehr der Kulturvolker, sowie die Fort-
schritte auf den technischen und merkantilen Gebieten zu verfolgen und
gedeihlich zu beeinflussen imstande sind, denn in der menschlichen Ent-
wickelung sind stets die wirtschaftlichen Tnteressen im letzten Grande
entscheidend gewesen. Und zur Losung dieser Fragen ist eine Bildung,
die auf den Naturwissenschaften und den modernen Sprachen aufgebaut
ist, von ungleich hoherer Bedeutung als die Beschaftigung mit den
Alten.
Wir, wir leben! Unser sind die Stunden,
Und der Lebende hat Recht.
Und wir lassen uns auch nicht irre machen, wenn man uns des
Mangels an Idealismus bezichtet. Unser Idealismus ist nur anderer
Art. Victor, der Rufer im Streit, sagt: ,,Der Neuphilologe ist mehr
als ein Sprachmeister. Er ist im Grossen und Kleinen der Dolmetscher
des fremden Wesens daheim und eigener Art im Auslande, ein interna-
tionaler Friedens- und Freundschaftsstifter. Nicht Zwei- oder Dreibund
— unser Ziel ist der Weltbund der Kulturvolker auf Grand gegensei-
tigen Sichverstehens." Dieser Idealismus ist allerdings anders, und ich
darf wohl sagen, hoher geartet, als das siissliche Gesausel und Geschwar-
me, das man in der Vergangenheit damit bezeichnete, so dass man sich
fast schamen musste, das Wort Idealismus iiberhaupt noch in den Mund
zu nehmen. ,,Idealismus ist gerade die derbste, handfesteste Sache, ist
schweres Hausbackenbrot, nicht Konfekt fur Leckermauler ; bei jedem
316 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
wahren Idealismus geht es auf Leben und Tod", schreibt ein wackrer
deutscher Schulmeister, selbstverstandlich ein ,,Moderner".
Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen dem Gesagten und
meinem Thema?
Das neue, realistische Ideal hat uns ein neues Ziel gesteckt, zu des-
sen Erreichung wir anderer, neuer Hilfsmittel benotigen. Das alte Ideal
hatte sich in bewunderns- oder bedauernswerter Geniigsamkeit mit der
alten einfachen Dreiheit Grammatik, Lesestoff und Worterbuch zufrie-
den gegeben.
Heute ist es anders geworden ! Ich gestehe Ihnen off en, dass ich
es schon lange aufgegeben habe, die angebotenen Lehrmittel, deren Zahl
ins Ungeheure gestiegen ist, alle zu kennen -- von Priifen kann schon
erst recht keine Rede sein, und oft habe ich mich gefragt: ist das Zeug
denn wirklich auch alles notwendig?
Nun, die Schwierigkeiten, die wir zu bewaltigen haben, sind wirk-
lich ungeheure, und der gute Wille, der uns hierzu neue Hilfsmittel an-
bietet, verdient dankbar anerkannt zu werden, selbst wenn sie bei nahe-
rem Zuschauen oft als unzulanglich verworfen werden miissen. Schwie-
rigkeiten! Da ist die Allmacht der Muttersprache, die Gewohnheit, in
ihr zu denken, ihr bestandiger Gebrauch in der Schule, in der Familie,
im Freundeskreise, in der Kirche, im Theater, beim Spiel, bei der Zei-
tungs- und Unterhaltungslektiire u. s. w. Unseren Kollegen, den Ma-
thematikern ist auch nicht das angenehmste Los zuteil geworden — aber
ihnen ist doch wenigstens die M u 1 1 e r sp r a ch e eine Hilfe, die sie in
ihren Dienst stellen konnen. Und gerade die Muttersprache ist es, die
WIR als unsere gefahrlichste Feindin ansehen miissen. Kame uns beim
fremdsprachlichen Unterricht noch die den englischen Unterricht stiit-
zende standige Reproduktion der Sprachgebilde zu statten, so mochte es
noch gehen, so aber hemmen und verdrangen die englischen Worte be-
standig die miihsam erworbenen deutschen Laute und Vorstellungen.
Aber das ist nicht die einzige Schwierigkeit, die sich uns in den
Weg stellt, wenn sie auch wohl die entmutigendste ist. Hierzu kommt
das nationale Vorurteil gegen Auslandisches, die ungeheure Schwierig-
keit, sich in eine fremdlandische Umwelt zu denken, in ein anderes Zeit-
alter, in einen anderen Kulturzustand, in andere politische und ethische
Anschauungen.
Die Schwierigkeit, den wirklichen Gedankeninhalt eines einzigen
Wortes zu erfassen, ist enorm, gibt es ja doch wohl kaum ein Wort, das
in der englischen Sprache denselben Gedankeninhalt hat wie in der deut-
schen.
Die' Zahl der Laut- und Schriftzeichen, die wir zu iibermitteln ha-
ben, ist unabsehbar, und wie schwer bleiben sie haften, und wie leicht
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht. 217
werden sie bei der Jugend durch andere, ihr mehr Interesse einflossende
Eindriicke verdrangt.
,,In der Jugend 1st ihm ein froher Gefahrte der Leichtsinn."
Die Schwierigkeiten, die Gedankenarbeit eines fremden Volkes, so
verschieden durch die nationalen Eigentiimlichkeiten von der vaterlan-
dischen, dem widerstrebenden Schiilerhirn zum Verstandnis zu bringen,
sind in der Tat enorm, und in dankbarer Freude mlissen wir jedes
brauchbare Hilfsmittel willkommen heissen; wir diirfen uns kaum wun-
dern, dass eine Zeit, die sie nicht kannte, wenig befriedigende Erfolge
aufzuweisen hatte.
Es ist nun unmoglich, nalier auf mein Thema einzugehen und dabei
die Methodenfrage ausser Acht zu lassen, da ja natiirlich der Lehrer seine
Hilfsmittel auswahlen wird in Ubereinstimmung mit der Methode, die
er anwendet. Von einer Darlegung meiner eigenen Ansichten iiber Me-
thodik sehe ich ab, da ich mich hiermit auf ein Feld begeben wiirde, das,
heute wenigstens, einem anderen und Wiirdigeren gehort. Ich will mich
begniigen mit der Andeutung, dass ich auf der Seite der Reform ein be-
scheidenes Platzcheii unter den Radikalen, ziemlich weit links, einnehme.
Die Auswahl der Hilfsmittel, die ich gebrauche und empfehle, wird
also von diesem Standpunkte aus zu bewerten sein.
Weit davon entfernt, die Biicher verwerfen zu wollen - - wie bose
Menschen behaupten — machen die Reformer einen weit ausgiebigeren
Gebrauch davon als man dies friiher tat, und ich beginne denn also mit
diesem Hilfsmittel. Zu der Grammatik, die wir dem Schiller bei sei-
nem Eintritt ins neunte Schuljahr als treue Begleiterin durchs ganze
Schulleben in die Arme driickten, griindlich, vollstandig, wissenschaft-
lich, wie sie natiirlich sein miisste, gesellen sich nun Elementargram-
matiken, Grammatiken fur die mittlere und fur die obere Stufe, in deut-
scher oder englischer Sprache geschrieben, induktiv oder deduktiv, ganz
nach Wunsch ; Paralellgrammatiken f iir a 1 1 e Sprachen nach einheit-
lichem Plane bearbeitet. Konversationsgrammatiken gehb'ren auch wohl
hierher; zur tibung in der Aussprache hat man Texte in phonetischer
Umschrift geschaffen.
Lesebiicher fiir Anf anger- und die anderen Stufen; Sight Transla-
tions; Lesebiicher zur Einfiihrung in die fremde Kultur- und in die
Landeskunde, sog. Realienlesebiicher, solche fiir Handelsschulen, solche
enthaltend naturwissenschaftliche Stoffe, Chrestomathien, Schriftsteller-
texte aus alien moglichen Spharen, in jeder moglichen Zubereitung, Ab-
rundung, Ausstattung, Erlauterung; Fragehefte hierzu; Ubungsbiicher
zum tibersetzen aus dem Englischen ins Deutsche fiir die verschiedenen
Stufen; Anleitungen zu freien schriftlichen Arbeiten, Brief schulen und
Aufsatzmodellbiicher (meistens aus Deutschland bezogen und, nach mei-
ner Erfahrung, wenig brauchbar fiir unsere Zwecke) ; Gesprachsbiicher,
218 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Bilderbiicher zur Ubung im miindlichen und schriftlichen Gebrauch der
Sprache, Lehrbiicher nach der Gouinmethode, Beschreibungen zu Bil-
dern, dichterische Anthologien verschiedener Art, solche bestehend aus
lyrischen Gedichten, andere aus Balladen, wieder andere aus beiden Dich-
tungsgattungen ;noch andere ausschliesslich zum Auswendiglernen.
Liederbiicher, Vokabularien und Phraseologien — die mir bekannten sind
alle in England und Frankreich erschienen — hieran schliessen sich:
Worterbiicher, grosse und kleine. Vielleicht ist iiber Nacht noch etwas
hinzugekommen, vielleicht ist mir noch einiges entgangen, was in der
Wechselrede, die meinem Vortrag folgen wird, aus Tageslicht gebracht
werden wird.
Die methodischen Hilfsbiicher fiir den ausschliesslichen Gebrauch
des Lehrers mussten hierbei vollstandig unberiicksichtigt bleiben.
Auch kann ich die f iir die Schiilerbibliotheken brauchba-
ren Biicher nur im Voriibergehen beriicksichtigen ; und verweise auf die
Listen der aus Lehrern bestehenden deutschen Priifungs-Ausschusse fiir
Jugendschriften. Die von diesen Ausschlissen aufgestellte Fordenmg,
dass eine Jugendschrift frei sein miisse von Tendenzen, die ausserhalb
des kiinstlerischen Zweckes liegen, ist besonders vertrauenerweckend.
Fiir uns hierzulande bietet die Auswahl geeigneter Jugendschriften noch
ganz besondere Schwierigkeiten. Die weitaus meisten Jugendschriften
sind irgend einer an sich guten Absicht zu Liebe entstanden; die Ge-
schichten sollen entweder belehren oder moralisch bessern oder auch re-
ligios oder patriotisch anregen, und meist soil die lobenswerte Tendenz
zugleich das Manko des dichterischen Gehalts verdecken. Eine so kiinst-
lich aufgepropfte, agitatorisch wirkende Tendenz muss natiirlich eine
unkiinstlerische Wirkung haben, und Biicher dieses 'Charakters sind von
den Ausschiissen daher verworfen worden. Nun diirfen wir bei der Aus-
wahl der Lektiire auch nicht vergessen, dass sich die amerikanischen An-
sichten iiber ethische Fragen nicht immer genau mit den deutschen An-
sichten decken; die Geschichte lehrt es uns ja? dass die Vorstellungen
von Gute und Bose in jeder Gesellschaftsordnung, in jeder Phase der
menschlichen Entwickelung anders sein m ii s s e n. Alle schonen Ke-
densarten helfen uns nicht dariiber weg, dass diese Vorstellungen von
Gut und Bose nichts anders sind als die ideologische Verklarung der je-
weiligen materiellen Interessen der betreffenden Gesellschaftsordnung,
die eben das gut nennt, was ihr niitzt, und das schlecht, was ihr scha-
det. Was den Siidstaaten z. B. als Ausdruck hochster und reinster Va-
terlandsliebe erschien, darin erblickten die Kordstaaten nichts anders als
verbrecherischen Verrat. — Also Vorsicht bei der Auswahl! Ich wiirde
vor dieser Gefahr nicht warnen, hatte ich noch keine iiblen Erfahrungen
gemacht. Die Listen der Ausschiisse sind bei den hohen Anforderun-
gen keineswegs gross, und die Zahl der fiir unsere Bediirfnisse in Beriick-
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht. 219
sichtigung kommenden wird auch noch betrachtlich verkleinert dadurch,
dass das fiir unsere Schiller sprachlich Angemessene inhaltlich ihrem
Alter und ihrer geistigen Entwickelung nicht entspricht, und das, was
d i e s e n Anf orderungen entspricht, in den meisten Fallen zu schwer
sein diirfte.
Ich wende mich zu der nachsten Klasse der Hilfsmittel, die haupt-
sachlich dem Anschauungsunterricht dienen.
Nun sollte dieser Teil von Eechts wegen eingeleitet werden durch
eine Abhandlung ,,tiber die Verbindung des Sprach- und Sach-TJnter-
richts", dessen Berechtigung in den Elementarklassen wohl heute nicht
mehr beanstandet wird; seine Anwendung beim Unterricht in unseren
Mittelschulen bricht sich langsam Bahn; noch vor wenigen Jahren hat
man ihn ,,einen wertlosen Zeitvertreib, ein verderbliches Spielen, em
blosses Lockmittel fiir die leicht zerstreute Jugend" genannt. Yiele ha-
ben es nachgebriillt, Schlagworter regieren ja in der Welt.
Zur Erklarung und tibung der Aussprache verzeiclmen die Lehrmit-
telkataloge allein wohl ein halbes Dutzend verschiedene Serien von Ta-
feln, mit und ohne phonetische Umschrift, Abbildungen der Sprachor-
gane, Bilder, worauf die Stellung der Sprachorgane zur Hervorbringung
der verschiedenen Laute photographisch dargestellt sind. Hierzu kom-
men noch plastische Modelle der Sprachwerkzeuge.
ISTatiirlich gibt es auch hier wieder solche, die nichts von der ISTeu-
erung wissen wollen, die jegliche phonetische Unterweisung verwerfen.
,,Haben die Lehrer," sagt Koerting, ,,eifrig Lautphysiologie und theore-
tische Phonetik getrieben, so sind sie fiir die Praxis meist vollends ver-
dorben, denn sie haben sich dann eine buchmassig korrekte Aussprache
angequalt, welche zu der natiirlichen sich etwa so verhalt, wie die Bewe-
gungen einer Gliederpuppe zu denen des lebendigen Leibes, u. s. w."
Als Hilfsmittel fiir den Anschauungsunterricht auf der Elementar-
stuf e kommen zuerst die Gegenstande selbst, oder, falls diese
nicht erreichbar sind, ihre Modelle, und, wenn solche nicht vorhan-
den sind, Bilder in Betracht.
Gerade auf dem Gebiete der Modelle sind ganz neue Leistungen zu
verzeichnen : Modelle von Ackerbaugeriiten, Wohnungen und Gebau-
den, den verschiedenen Raumlichkeiten und ihren Geraten; von Beforde-
rungsmitteln, Kirchengeraten, Werkzeugen, Spielsachen, Pflanzen,
Friichten, von Schmucksachen, Musikinstrumenten, Waffen, Gefassen
und Farben. Die vollstoendige Sammlung in 8 Glaskasten kostet M100.
Einzelkasten von M12 — 14. Anschauungsuhren in verschiedener Aus-
fiihrung gehoren ebenfalls hierher; ich halte diese Uhren fiir unentbehr-
lich zur Bestimmung der Zeit; ausserdem hat Friedrich Rausch Modelle
zur Veranschaulichung der vaterlandischen Kulturgeschichte verferiigt.
220 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Vom Steinkeil und der Pfahlbauhiitte bis zum Orden des goldenen
Vliesses, dem Rosenkranz, Gutenbergs Buchdruckpresse bis zur Allonge-
perriicke, und der Tonpfeife mit Fidibus — alles ist zu sehr massigen
Preisen zu haben.
Der Schwarze Adler-Orden ist heute, unter der glorreichen Regie-
rung Wilhelm II., nicht mehr so schwer zu erhalten wie friiher, in dieser
Modellsammlung kostet er ,,mit Stern" nur M2.00.
Dass in jedem deutschen Schulzimmer eine Wandkarte des deutschen
Reiches und seiner Nachbarlander, also des g a n z e n Deutschlands im
ethnographischen, nicht nur im politischen Sinne, hangen muss, ist
selbstverstandlich.
Die Realien-Frage glaube ich meinem, in den Monatsheften ver-
b'ffentlichten Erier Vortrage — den ich allerdings ,,by proxy" gehalten
habe — geniigend beleuchtet zu haben; ich habe seitdem meinen Stand-
punkt nicht geandert, sondern finde fast taglich neue Griinde fiir die
Unentbehrlichkeit des Realien-Unterrichts. Goethe sagte einmal zu einem
Englander: ,,Sie haben wohlgetan, dass Sie, um Deutsch zu lernen, zu
uns heriiber gekommen sind, wo Sie nicht allein die Sprache leicht und
schnell gewinnen, sondern auch die Elemente, worauf sie ruht, unseren
Boden, Klima, Lebensart, gesellschaftlichen Verkehr, Verfassung und
dergleichen mit nach England im Geiste hinubernehmen." Besser hatte
es kein Schulmeister sagen konnen.
Eine gute, klare, sich auf das Typische und Wichtige beschrankende
Wandkarte wird hierzu wohl das wesentlichste Hilfsmittel sein. Eine
Kenntnis des deutschen Landes, die sich natiirlich nicht auf das Auswen-
diglernen von Fliisse-, Gebirgs-, Staaten- und Stadtenamen beschranken
darf, ist eine notwendige Voraussetzung zum Verstandnis der Geschichte
und der Kultur. Nur e i n Beispiel ! Die zentrale, offene Lage ist die
Erklarung fiir die deutsche Geschichte. Wie oft ist jene dieser verhang-
nisvoll geworden.
Vom Osten her, der Donaustrasse folgend, brachen verwiistend die
Hunnen herein, durch deren Yorstoss fast alle deutschen Stamme in Be-
wegung gesetzt wurden. Durch dasselbe Tor drangen spater wiederholt
die Magyaren, bis Heinrich I. und Otto I. ihren rauberischen Goliisten
ein Ziel setzten.
Ebenfalls vom Osten her kamen liber die offene Grenze die Slaven,
das Land bis zur Elbe fiillend, nachdem die friiher hier sesshaften deut-
schen Stamme, vom Strudel der Volkerwanderung erfasst, westwarts ge-
zogen waren.
Durch die offene Westgrenze sind die Franzosen im SOjahrigen
Kriege eingedrungen und trugen als Beute das Elsass davon. Dann folg-
ten die Kriege Ludwigs 14., deren zweiter Lothringen an Frankreich
brachte, und deren dritter die Pfalz verwiistete.
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht. 221
Kaum 100 Jahre spater sind die Franzosen, am siebenjahrigen Kriege
teilnehmend, wieder mitten in Deutschland. Dann folgen die Kevolu-
tionskriege, im Anschluss daran die Gewaltherrschaft Napoleons; die
franzosische Grenze wurde iiber Hamburg und Liibeck bis an die Ostsee
verlegt. Durch die offene Westgrenze herein und durch die offene Ost-
grenze hinaus walzte sich dann die ungeheure Armee, die Napoleon gegen
Kussland ins Feld fiihrte. Und als dann sein Stern zu erloschen begann,
da wurden all die Schlachten, in denen das Schicksal ganz Europas zur
Entscheidung kam, naturgemass in Deutschland, dem Mittelpunkt des
Erdteils, ausgefochten. Im Nor den hatten sich seit dem SOjahrigen Krieg
die Schweden festgesetzt ;selbst das kleine Danemark versuchte eine Zeit
lang in einem deutschen Lande wie in seinem Eigentum zu schalten.
Dazu kommt, dass selbst fremde Nationen viele ihrer Kriege unter-
einander zum Teil auf deutschem Boden ausfochten, ohne dass es sich
dabei um deutsche Interessen handelte. (Der schwedisch-polnische Thron-
streit 1655-60, der spanische Erbfolgekrieg 1701-14, der nordische Krieg
1700-21, der polnische Thronstreit 1701-14, der nordische Krieg 1700-21,
der polnische Thronstreit von 1733-35, der osterreichische Erbfolgekrieg
von 1740-40.)
Wir sehen : Deutschland ist infolge seiner zentralen Lage und seiner
offenen Grenze durch Jahrhunderte der Kriegsschauplatz fur ganz Eu-
ropa gewesen. Es hat denn auch kein Land so viele Schlachtorter als
Deutschland.
All das muss ein Lehrer des Deutschen wissen, um seinen Schiilern
einige der .augenscheinlichsten Erscheinungen des deutschen Lebens der
Gegenwart zu erklaren. Wie schimpft fast die ganze zivilisierte Welt
iiber den deutschen Militarismus, wie leicht ist die Unkenntnis — oder
ist es boser Wille? — geneigt, das deutsche Heer als eine bestandige Be-
drohung des Weltfriedens anzusehen, wahrend in Wirklichkeit die Ge-
schichte lehrt, dass Deutschland gezwungen ist, zum eigenen Schutz diese
enormen Opfer zur Erhaltung seiner Selbstandigkeit und Unabhangigkeit
zu leisten.
Das Militarwesen greift so tief in das personliche Leben des Indivi-
duums ein ,es ist im Auslande so schauderhaft missverstanden, dass unsere
Schiller nicht allein dariiber, sondern auch iiber die Griinde seiner Ent-
stehung und seines fortgesetzten Bestehens unterrichtet sein miissen.
Ahnliche Griinde liessen sich noch viele anfiihren, ware es heutzutage
iiberhaupt noch notig, den Eealienunterricht zu begriinden.
Der moderne Sprachlehrer ist also auch Geschichts- und Geographic-,
ja sogar Mathematiklehrer. (Man lese dariiber noch Prof. Kerns Auf-
satze in No. 3 und 4 des laufenden Jahrganges der Monatshefte.) Ohne
ausgiebigen Gebrauch der in Hiille und Fiille angebotenen Hilfsmittel ist
es ihm aber kaum moglich.
222 Monatshefte fur deutsche Spraclie und Padagogik.
tiber ,,Bilder" im allgemeinen als Hilfsmittel wird wohl in einem
spateren Vortrage viel Interessantes mitgeteilt werden. Ich beschranke
mich darauf, einiges iiber Bilder als Hilfsmittel in Verbindung mit der
Lektiire zu sagen, und zwar habe ich hierzu die Behandlung des ?,Tell"
— eines zwar nicht neuen, abber immer interessanten und alien gegen-
wartigen Themas — ausgewahlt.
Wie toricht ware es z. B.? von Schulern, die zwischen den Alleghanies
und dem Felsengebirge geboren und gross geworden sind, zu verlangen,
den Tell zu verstehen, ohne ihre Phantasie durcli gate Darstellungen der
raumlichen und zeitlichen Verhaltnisse, aus denen die Handlung heraus-
wachst, zu unterstiitzen. Man iiberlege nur, was es eigentlicli heisst,
amerikanischen Kindern zuzumuten, sich in ein fremdes Land, 4000
Meilen weit entfernt, zu versetzen ;nun kommt dazu, dass die Topogra-
phic der Schweiz so grundversehieden ist von der unseres Landes, es
kommt dazu, dass die Handlung sich in einem Zeitalter vollzieht, dessen
Eigentiimlichkeiten zu verstehen so iiber alle Massen schwer sein muss.
TTnsere Schiiler konnen sich keine Gebirgslandschaft natiirlich
vorstellen, wenn sie cine solche bisher weder in der Natur noch im Bildo
geschaut haben. Das eigenartige Naturpanorama, welches die Gletscher
der Alpen dem Auge darbieten, kann ihrer Vorstellung nicht nahe ge-
bracht werden, wenn wir ihnen diese Erscheinung nicht im Bilde vor-
fiihren. Zur Belebung der Vorstellungstatigkeit miissen wir also den
Schulern wie im erdkundlichen so im fremdsprachlichen Unterricht auch
naturgetreue bildliche Darstellungen, besonders Landschaftsbilder, zeigen.
Diese iibe nauf das jugendliche Auge eine grosse Wirkung aus. Mag der
vorliegende Text eine Landschaft noch so schon und anschaulich schil-
dern, es wirken die gedruckten Worte auf das Vorstellen der Schiiler nicht
so ein wie eine bildliche Darstellung. Wenn ich die erste Szene des 2.
Aktes im Tell erreiche und an die Stelle komme, wo der alte Attinghausen
zu Rudenz spricht :
— Das Fraulein ists,
Bertha von Bruneck, die zur Herrenburg
Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst,
Das Ritterfraulein willst du dir erwerben
Mit deinem Abf all von dem Land — Betriig dich nicht !
Dich anzulocken, zeigt man dir die Braut;
so entfalte ich vor den Augen meiner Schiiler das Lehmann'sche Bild ,,Im
Eittersaale". Hier sehen wir eine Szene dargestellt, die der von Rudenzens
Werbung um Berthas Han din vielen Stiicken ahnlich ist.
Vom strengen Standpunkt der Realien-Enthusiasten lasst sich ja
manches gegen solchen Gebrauch einwenden, dem Kiinstler hat sicherlich
nicht Gessler, Bertha und Rudenz vorgeschwebt, und den Schulern gegen-
Die Hilfsmittel im modernen Sprachunterricht. 223
iiber darf man nicht unterlassen, dies klar zu stellen, aber die Punkte der
Ahnlichkeit sind doch viel zahlreicher als die Punkte der Unahnlichkeit,
und es ist gewiss keine unberechtigte Forderung, wenn man von den
Schiilern verlangt, ihre Einbildungskraft ein ganz klein wenig anzu-
strengen, nachdem man ihr ein so grosses Stuck entgegengekommen ist.
Oder nehmen wir eines der vielen Landschaftsbilder von der Schweiz.
das Hoelzelsche ,,das Berner Oberland", oder die von Benteli Stucki, oder
die von Geistbeck und Engleder, so wird es nicht schwer fallen, ihnen zu
zeigen, wie das Zuriickgehen des Naturlebens durch die stetige Abiiahme
der Warme mit der Hohe des Gebirges bewirtk wird. Die Zone des Baum-
wuchses, die Zone des Graswuchses, die Schneeregion kann beobachtet
werden, und Melchtals wundervoller Bericht:
,,Durch der Surennen furchtbares Gebirg.
Auf weit verbreitet oden Eisesfeldern"
gewinnt eine Bedeutung.
Und spater :
,,Denn bis an diese letzte Grenze selbst
Belebter Schopfung, wo der starre Boden
Aufhort zu geben, raubt der Vogte Geiz."
Diese Stellen wie hunderte von anderen horen auf tonende Worte zu sein,
mit denen sich keine Vorstellung verbindet.
Die Art und Weise, wie Viehzucht betrieben wird, wie sie vollstiindig
durch die bestehenden Yerhaltnisse bedingt ist, warum der Hirt, der
Senne, wahrend der ganzen Weidezeit mit der Herde dort oben verbleiben
muss, da die Kiihe unmoglich den weiten Weg aus dem Tal nach der Alp,
der hochgelegenen Bergwiese, taglich hin und zuriick machen kann, son-
dern erst wenn der Schnee geschmolzen ist und die Wiesenmatten sich in
junges frisches Griin kleiden, und warum der Hirte singt:
,,Ihr Matten lebt wohl !
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
Der Sommer ist hin.
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
Wenn die Briinnlein fliessen im lieblichen Mai/'
Und ebenso Gertruds Worte:
„ — und der Kinder Scharen,
Der glatten Pferde wohlgenahrte Zucht,
Ist von den Bergen gliicklich heimgebracht
Zur Winterun gin den bequemen Stall en."
224 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
— all das muss und kann dem nach Konkretem diirstenden Verstande des
Schiilers veranschulicht werden.
Einen nicht hoch genug einzuschatzenden Vorteil bieten diese Bilder
noch dadurch, dass die Schiller sofort beim Betreten des deutschen Klas-
senzimmers in die Umwelt des Tell versetzt werden, und dass hierdurch
die notige Stimmung erzeugt wird. Unsere Schiller kommen viel-
leicht aus einer Geschichtsstunde, der Kollege hat sie durch seine eigene
Begeisterungsfahigkeit in die Welt der Puritaner versetzt, die dadurch
erzeugte Stimmung klingt in ihren empfanglichen Herzen noch nach;
was konnte in hoherem Masse geeignet sein, diese Stimmung durch eine
andere, fiir unsere Zwecke allein brauchbare, zu ersetzen als solche Bilder.
Diese Hilfsmittel setzen uns ausserdem in den Stand, die Mutter- '
sprache fast ganz zuriicktreten zu lassen, den Unterricht in deutschen
Fragen, auf welche deutsche Antworten folgen, zu erteilen, sie im Ge-
brauch der Sprache zu iiben und so das bisherige tote Wissen in lebendiges
Konnen umzusetzen. Das Eindringen in die fremde Sprache geht doch
cinigermassen ahnlich v6r sich wie das des Kindes in die Muttersprache,
und das Verfahren kennzeichnet sich damit als ein naturgemasses und
psychologisch richtiges. Der sprachliche Ausdruck verbindet sich so eng
init der geschauten Sache, dass er dem Schiller in Fleisch und Blut iiber-
geht, der Wunsch sich auszudriicken wird reger, vollere Gemeinsamkeit
aller Schiller bei der Arbeit erhoht den Lerneifer; ein erster Schritt zur
Entwicklung des Sprachgefiihls folgt. Der ausschliesslich miindliche, aus
Fragen und Antworten bestehende Betrieb notigt zur Aufmerksamkeit,
der Schiller kann sich nicht in sein Buch vergraben und eigenen Gedan-
ken und Traumereien nachhangen, wozu das Ubersetzen so leicht verleitet,
sein Blick haftet am Munde des Lehrers, der ganze Unterricht gewinnt
einen frischen und lebendigen Karakter.
,,Wird nicht Auge und Ohr, Fassungskraft, tiberlegimg, Tatkraft,
Selbsttatigkeit, Selbstbeherrschung, vor allem aber Liebe und Lust. Feuer
und Eifer des Schiilers in ganz anderer, weit kraftigerer Art angefacht,
wenn ihm die lebendige Sprache auch viva voce entgegentritt, wenn statt
des papierenen Lehrers dem Schiller der wirkliche Lehrer, Leben gebend
und Leben weekend, zu fesseln weiss ?"
Die Moglichkeit ist dazu geboten, wenn wir nur ernstlich w o 1 1 e n.
An Hilfsmitteln, die von Tag zu Tag sich mehr und mehr dem tadellosen
und vollkommenen Ideal nahern, fehlt es wahrhaftig nicht mehr. Ein
Blick auf die Lehrmittel-Ausstellung, durch welche sich die Herren Kol-
legen vom Lehrerseminar ein unschatzbares Verdienst erworben haben,
geniigt, uns ein Bild von der nimmer rastenden Arbeitsliebe unserer Zeit-
und Berufsgenossen zu entwerfen. — Aber prachtig, wie sie ist, das letzte
Wort ist damit auch noch nicht gesprochen. Wir stehen auch hier vor
keinem Abschluss. Wir ruhen nicht, zufrieden mit dem Erreichten, auf
Unsere LeJirmittelausstellung. 225
unseren Lorbeeren; wir wissen, die nach uns kommen, werden auf man-
ches, auf dessen Erreichung wir mit Stolz blicken, mitleidig herabschauen.
Darum werden wir fortfahren miissen, zu suchen und zu forschen, mit
Ernst, mit Begeisterung, vor allem mit Wahrheitsliebe, mit Stolz auf
unseren hehren Beruf , denn ,,W ir bekennen uns zu dem G e-
schlechte, das aus dem Dunkeln ins Helle streb t."
Unsere Lehrmittelausstellung.
Von John Eiselmeier, Lehrerseminar, Milwaukee.
Die Lehrmittelausstellung spricht fur sich selber, und somit kann es
hier nur_meine Aufgabe sein, auf manches, das dem Besucher bei der
Kiirze der Zeit nicht auffallt, hinzuweisen.
Die deutschen Buchhandlungen, welche dem modernsprachlichen
Unterricht grossere Aufmerksamkeit schenken, stellten eine bedeutend
grossere Anzahl Biicher aus, als unsere amerikanischen. Obwohl die
deutschen Buchandlungen sich nicht alle beteiligt haben, wahrend die
meisten amerikanischen auf der Ausstellung vertreten sind, ist die Zahl
der aus Deutschland kommenden Biicher bedeutend hoher.
Unter der 1. Gruppe, Padagogik, ist das encyklopadische Handbuch
der Padagogik von Dr. Wilhelm Eein aus Jena besonders hervorzuheben.
Das Werk steht einzig in seiner Art da, denn es gab zu keiner Zeit ein
Werk, das mit diesem Monumentalwerk verglichen werden kann. Bis
jetzt sind von der zweiten Auflage 8 Bande erschienen, welche auf etwa
8000 Seiten das ganze Gebiet der Erziehung und des Unterrichts behan-
deln. Da in der neuen Auflage auch das ausserdeutsche Schul-
wesen beriicksichtigt wird, so sollte das Werk auch bei uns in keiner
grosseren Bibliothek fehlen. Besonders hervorzuheben ist der Umstand,
dass die Artikel iiber das ausserdeutsche Schulwesen nicht von Deutschen
geschrieben sind, sondern dass es Dr. Rein gelungen ist, in jedem Falle
einen Schulmann des betreffenden Landes zu finden. Das sichert dem
Werke das Urteil von Mannern, welche die Verhaltnisse aus eigener An-
schauung griindlich kennen. tiberhaupt sind fiir dieses Werk Gelehrte
aller Richtungen zur Mithilfe herangezogen worden.
In der Gruppe Kulturgeschichte sind weit mehr Biicher ausgestellt,
als unter Geschichte. Das scheint anzudeuten, dass man der Kultur-
geschichte einen grosseren Wert beilegt als friiher. Hier mochte ich be-
sonders auf drei Werke hinweisen: ,,Diedrichs Deutsches Leben der Ver-
gangenheit in Bildern"; Reiche, ,,der Gelehrte" und besonders das Werk
von Reiche: ,,Der Lehrer."
226 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
In dieser Verbindung mochte ich auch auf die Wandbilder zur
deutscher Gotter- und Sagenwelt aufmerksam machen. Diese herrlichen
Bilder miissen dazu beitragen, das Interesse der Kinder an der Vergan-
genheit unserer Ahnen machtig anzuregen. Zu gleicher Zeit sind die Bil-
der der schb'nste Wandschmuck. Aus Bildern wie ,,Walkiiren auf dem
Schlachtfeld" oder ,,Walhalls Wonnen" gewinnen sogar wir Erwachsene
klarere Vorstellungen von der Anschauungsweise unserer Ahnen.
Unter der Gruppe Geographic sind es besonders die Wandkarten, auf
welche ich Sie aufmerksam machen will. Dieselben sind von Schulman-
nern und Geographen entworfen; deshalb sind auch nur die wichtigsten
physikalischen Merkmale zu sehen; diese aber auch so deutlich, dass die
Karten auch dem entfernt Sitzenden alles bieten. Ich kenne keine Kar-
ten, die in diesem Punkte die hier ausgestellten von Holzel oder Flem-
ming iibertreffen, oder ihnen auch nur nahe kommen.
Auch die vorziiglichen geographischen Bilder von Holzel verdienen
hier besondere Erwahnung. Die Anschauung ist das Fundament
aller Erkenntnis. Wie aber kann man den Kindern klare und sichere
Vorstellungen in der Geographic vermitteln, wenn die notwendigen An-
schauungsmittel fehlen? Die Bilder, welche Gebirgspartien darstellen,
sind besonders fur den Anfangsunterricht in der Geographic geeignct.
Wo die konkreten Anschauungen fehlen, wie das in unserem flachen
Westen inbezug auf Gebirge der Fall ist, konnen nur die besten Hilfs-
mittel sie ersetzen.
Die 5. Gruppe, deutsche Sprache, ist die wichtigste und grosste.
Unter der Abteilung Methodik haben wir cine grosse Anzahl neuerer
deutscher Werke; ein Beweis, dass die deutschen Padagogen der Methodik
des Sprachunterrichtes noch immer grosses Interesse entgegenbringen.
Ein einziges englisches Werk in dieser Abteilung ist eine tibersetzung:
,,Bahlsen, The Teaching of modern Languages."
In der Behandlung poetischer Stoffe ist in den letzten Jahren ein
ganz neuer Grundsatz zur Geltung gekommen; der Grundsatz, das Ge-
dicht als Kunstwerk aufzufassen und zu ubermitteln. Ich mache Sie be-
sonders auf Lamey, ,,Das kiinstlerisch gestaltete Lesestiick"; Linke,
,,Poesiestunden" und Lomberg, ,,Praparationen zu deutschen Gedichten"
aufmerksam.
Der Grundsatz, dass die Anschauung das Fundament aller Erkennt-
nis ist, wird driiben viel mehr gewiirdigt als hier; das beweist die grosse
Anzahl der theoretischen Abhandlungen liber den Anschauungsunterricht,
besonders aber die vielen vorziiglichen Bilder fiir denselben. Ich empfehle
Ihnen die Bilder zur genauesten Besichtigung, besonders die von Holzel
und Meinhold.
Dann kommt die Fibel: ein kleines, aber nicht unwichtiges Buch.
Den beiden Methoden, die seit Jahren das Feld behaupteten, hat sich in
Unsere Lehrmittelausstellung. 227
den letzten Jahren eine neue, die phonetische, zugesellt. Zwei Fibeln
sind nach diesen Grundsatzen bearbeitet: ,,Erste Fibel nach den Grund-
satzen der Lautlehre und Eechtschreibung bearbeitet von W. Brink-
mann", und ,,Fibel nach den Grundsatzen der Phonetik von W. Bangert."
Auch das farbige Bild ist in den letzten Jahren, angeregt durch die Be-
strebungen der Kunstfreunde, in die Fibel eingedrungen. Diese beiden
Fibeln beweisen, dass man in neuerer Zeit der Phonetik iiberhaupt viel
mehr Aufmerksamkeit schenkt, als das friiher der Fall war. Das bewei-
sen auch die Schriften unter der Abteilung Phonetik. Es sind deren acht.
Kein Lehrer des Deutschen kann diesen Zweig des Sprachunterrichts
iibersehen; er wird sich mit demselben befassen miissen. Es seien als
erste Werke besonders die Schriften von Vietor genannt : ,,Die Aussprache
des Schriftdeutschen", und ,,Kleine Phonetik". Nicht nur im Deutschen,
sondern auch im Franzosischen und Englischen finden wir eine Anzahl
von neueren Werken iiber die Aussprache.
Eine grosse Anzahl mehrbandiger Serien deutscher Lesebiicher liegen
vor. Dieselben sind alle neueren Datums und beriicksichtigen die neueren
Schriftsteller, wie sie auch die neuesten methodischen Forderungen nicht
ausser Acht lassen. Unsere amerikanischen Serien haben den einen Punkt
voraus: sie sind viel alter. Ich empfehle die deutschen Lesebiicher den
Volksschullehrern einer genauen Durchsicht. Vielleicht konnen neue
Gesichtspunkte fur die Neubearbeitung der einen oder der anderen Serie
gewonnen werden.
Unter den zahlreichen Lehrbuchern zur Erlernung der deutschen
Sprache sind natiirlich die amerikanischen Buchhandlungen am starksten
vertreten. Hier ist die Zahl derjenigen Biicher, welche die zu lehrende
Sprache zur Unterrichts sprache macht, heute bedeutend grosser
als vor etwa 15 Jahren. Dasselbe lasst sich auch iiber die Lehrbiicher in
der englischen und franzosischen Abteilung sagen.
Die Gruppe Grammatik enthalt nicht nur die besonders hier in
Amerika erschienenen Grammatiken der deutschen Sprache, welche in der
Eegel in der englischen Sprache abgefasst sind, sondern auch eine
Anzahl von Werken fur deutsche Schulen; wir begegnen hier manchem
alten Freunde in modernem Gewande, wie z. B. der Sprachschule von
Baron, Junghans und Schindler.
Im Aufsatzunterricht ist schon vor Jahren eine Eeform eingeleitet
worden; unter den Werken iiber den Aufsatz finden wir natiirlich auch
solche, welche die neue Eichtung vertreten. Ob man sich nun mit der
Eeform einverstanden erklart oder nicht, so soil man sich doch wenig-
stens mit derselben bekannt machen. Besonders empfehlenswert erschei-
nen rnir die Werke ,,Bargmann, Anleitung zum Aufsatzbilden" und
,,Scharrelmann, Im Eahmen des Alltags". Das letzte Werk ist erst in
228 Monatsliefte fur deutsche Spraclie und Padagogik.
diesem Jahre erschienen und enthalt die Gesichtspunkte der neuen Rich-
tung am klarsten ausgefiihrt.
Die grosste Abteilung ist die Abteilung ,,Deutsche Klassiker". Unter
den Dichtern ist Schiller am starksten vertreten, und unter seinen Wer-
ken Tell 14 mal.
Auf keinem Gebiete ist wohl eine grossere Umwalzung zu verzeich-
nen, als auf dem Gebiete der Jugendlektiire. Die 96 Biicher in dieser
Abteilung sind von Ausschiissen zur Priifung von Jugendschriften begut-
achtet worden. Besonders empfehlenswert sind zwei Serien. Die Serie
des Lehrerhausvereins von Linz, Oberosterreich, und die Serie von Ger-
lach und Wiedling in Wien.
tiber die iibrigen Biicher kann ich ja schnell hinweggehen. Die
beiden Gruppen Franzosisch und Englisch beweisen, dass man besonders
in Deutschland diesen beiden Sprachen sehr grosse Aufmerksamkeit
schenkt. Nicht weniger als 475 in Deutschland erschienene Biicher sind
in diesen beiden Sprachen ausgestellt.
Schliesslich mache ich Sie noch auf die vorziiglichen Bilder der
Photographischen Gesellschaft in Berlin aufmerksam. Diese eignen sich
besonders zur Ausschmiickung der Schulzimmer. Wer die Bewegung in
Deutschland verfolgt hat, der weiss, wie viel die deutschen Volksschul-
lehrer dazu beigetragen haben, dass die Schulzimmer endlich mit wirklich
schonen Bildern geschmiickt werden konnen.
Als letzten Gegenstand haben wir unsere Lehrmittelsammlung aus
dem Seminar und der Akademie vorgefiihrt.
Zum Schlusse spreche ich noch den Wunsch aus, die Ausstellung
moge sich zu einem Museum oder wenigstens einer bleibenden Bibliothek
entwickeln. Die Kosten waren gering, und die Verwaltung wird das
Seminar gerne iibernehmen.
Vor- und Fortbildung des Lehrers.
Von Emil Kramer, Cincinnati, O.
,,Alles Grosse und Bedeutungsvolle wird nur lebendig imd wirksam
im Volke, wenn es von Seele zu Seele, von Person zu Person iiberspringt.
Was im Gemiite der Jugend keimen soil, das muss in der Seele des Leh-
rers als .ein Stuck seines Innenlebens Wurzel gefasst haben, dort gewach-
sen und erstarkt sein." Mit diesen Worten leitet Professor Wilhelm Rein
im ersten Band seiner ,,Padagogik" das Kapitel iiber Lehrerbildung ein.
Damit weist der Leiter des Padagogiums in Jena und einer der hervor-
ragendsten Schulmanner der Gegenwart auf die Wichtigkeit der Vor- und
Fortbildung des Lehrers hni. Wir alle sind wohl von der Walirheit dieser
Worte iiberzeugt.
Vor- und Fortbildung des Lehrers. 229
Damit stossen wir aber auch sof ort auf die Frage : ,,Was 1st Bil-
dung?" Die Antwort darauf ist ebenso schwer zu geben, wie auf die ewig
denkwiirdige Frage, die einst Pilatus an den grossen Nazarener richtete:
,,Was ist Wahrheit?" Der Begriff ,,Bildung" wird gar verschieden auf-
gefasst und definiert. Die einen erblicken sie in der harmonischen Ent-
wicklung der drei Seelenvermogen, so dass ein klarer Verstand, ein fiir
alles Edle empf angliches Gef iihl und ein fester Wille ihre Merkmale sind ;
wahrend andere diese drei Merkmale des Begriffes ,,Bildung" nur dann
anerkennen, wenn das notige „ Wissen" damit verbunden ist. Ohne mich
hier auf eine gelehrte Auseinandersetzung einzulassen, wie viel Wissen zur
Bildung gehort, und ob z. B. Sokrates und die samtlichen Weisen des
Altertums gebildete Menschen waren oder nicht, will ich zunachst auf die
Allgemeinbildung des Lehrers und zwar des Volksschullehrers — den ich
in meinen Ausfiihrungen hauptsachlich im Auge habe — ubergehen.
Dass der Volksschullehrer eine gediegene Allgemeinbildung
haben muss, wenn er sich nicht dem Vorwurf der Halbbildung oder der
einseitigen Fachbildung aussetzen will, ist heute selbstverstandlich. Die
Zeiten des alten Fritz, als man ausgediente IJnteroffiziere als Lehrer an-
stellte, sind langst voriiber. Das Mass der Allgemeinbildung, ihre Tiefe
und Weite wird bestimmt durch die Forderung, ein tragfahiges Funda-
ment fiir die berufliche oder Fachbildung zu sein. Dies wird dadurch her-
gestellt, dass mittels eindringender Beschaftigung mit dem sprachlich-
historischen wie mit dem naturwissenschaftlich-mathematischen Lehrgut
nicht nur ein Schatz positiven Wissens erobert, sondern auch ein Kreis
von Interessen gepflanzt wird, die als ethische und intellektuelle Trieb-
krafte den Fortgang des innerpersonlichen Bildungsprozesses verbiirgen.
Der wahre Gewinn der allgemeinen Bildung soil nicht sowohl in einem
Wissen von diesem und jenem, als in der Formung und Yeredlung der
Personlichkeit gesucht werden, wiewohl damit der Wert des positiven
Wissens keineswegs unterschatzt werden soil. Denn erst muss die voile
Beherrschung des Stories vorhanden sein, ehe an eine kiinstlerische Ver-
arbeitung im Dienste der Jugend gedacht werden kann. Ein liicken-
haftes und oberflachliches Wissen vermag dem Lehrer nicht die Sicherheit
und die stolze freie Beweglichkeit innerhalb der Materie zu verleihen, die
er fiir den erziehenden Unterricht notig hat. Mit anderen Worten, was
man selbst nicht griindlich kennt, kann man auch nicht griindlich unter-
richten! Denn halbgebildeten Lehrern werden die besten Textbiicher
und Leitfaden nicht viel niitzen.
Die erste Aufgabe, die in dem griindlichen Erwerb einer tiichtigen
Allgemeinbildung besteht, hat der Lehrerstand mit anderen hoheren Be-
rufsstanden gemeinsam. Aber sie muss bei ihm im vollen Masse erfiillt
sein, ehe die zweite Aufgabe, die sich auf die Berufs- oder Fachbildung
bezieht, in Angriff genommen werden kann. Welche Wissenschaften und
230 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
welches Quantum davon sowohl f iir die Allgemeinbildung des Lehrers als
fiir seine Fachbildung in den Lehrerseminarien oder in den hiesigen Nor-
malschulen gelehrt werden sollen, das festzustellen, kann nicht meine
Aufgabe sein; denn ich will mir nicht anmassen, hier einen Lehrkursus
oder einen Studienplan fur die genannten Lehranstalten zu unterbreiten.
Jedenfalls muss bei einem graduierten Seminaristen die Allgemeinbil-
dung oder sein Wissen soweit gehen, dass er spater imstande ist, sich auf
Grund dieses Wissens weiter zu bilden. Erschopfend kann ja in den we-
nigen Seminar jahren keine Wissenschaft behandelt werden.
Die beste Allgemeinbildung, das allergrosste Wissen wiirde schliess-
lich aber dem angehenden Lehrer wenig niitzen, wenn nicht das Konnen
hinzukame, das den Seminarzoglingen durch die eigentliche Fach- -oder
Berufsbildung beigebracht werden soil. Diese philosophisch-padagogische
Bildung, die sich bekanntlich auf die Facher Physiologie, Ethik, Metho-
dik und Padagogik im engeren Sinne, und insbesonderes auf die Praxis
in der Ubungs- oder Musterschule erstreckt, diese Fachbildung ist sicher-
lich ebenso wichtig und unerlasslich fiir den Lehrer als die Allgemein-
bildung. Das grosste und griindlichste Wissen ist fur einen Lehrer zweck-
los, wenn ihm nicht die natiirliche oder die angelernte Gabe, das Kon-
nen zu Gebote steht, sein Wissen den Schiilern mitzuteilen. Diese Be-
hauptung wird wohl niemand bezweifeln wollen. Mancher der hier An-
wesenden, der in Deutschland sein Gymnasium besucht hat, erinnert sich
gewiss an verschiedene Professoren, an die sogenannten ,,gelehrten Hau-
ser", die bei all ihrer 'Gelehrtheit ihren Schiilern herzlich wenig beizu-
bringen vermochten. Nur die voile Beherrschung ihres Faches half da zu-
weilen iiber manche Unzulanglichkeit im Lehrgeschick hinweg -- ,aber
nur zuweilen.
Die harmonische Ausbildung des Volksschullehrers, d. h. seine ge-
diegene Allgemeinbildung, verbunden mit griindlicher Fachbildung, ist
selbst im alten Vaterlande noch neueren Datums. Noch vor wenigen
Jahrzehnten wurde ,,driiben" die allgemeine Bildung bei den Volksschul-
lehrern sehr vernachlassigt, dafiir aber die padagogische Seite betont und
ausgebildet. Fur die Lehrer an den mittleren und hoheren Schulen da-
gegen wurde wohl hinsichtlich der humanistischen oder der naturwissen-
schaftlichen Studien gut gesorgt, aber die erzieherische Aufgabe bis vor
ungefahr zwanzig Jahren ganzlich vernachlassigt. Professor Rein nennt
in treffender Weise die eine Bildung einen Bau ohne Fundament, die an-
dere einen Bau ohne Dach — in beiden Fallen eine Halbheit. Dies kam
daher, das man sich nicht klar gemacht hatte, was es heisst Lehrer - Per-
sonlichkeiten auszubilden; nicht Lehrer nur, die Unterricht geben, son-
dern ganze voile, echte Personlichkeiten.
Die besten Lehrerinstitute der Neuzeit mogen nun ausgezeichnete
I^ehrkrafte heranbilden, die den hochsten Anforderungen inbezug auf all-
For- und Fortbildung des Lehrers. 231
gemeine Bildung und Fachbildung entsprechen ; ob solchermassen Aus-
gebildete spater ideale Lehrer werden, das 1st eine andere Frage. Erzie-
hungskiinstler heranzubilden, das kann kein Seminar und kein Padago-
gium garantieren. ,,Handwerker," sagt Eein, Classen sich bilden, Kiinst-
ler nur bis zu einem gewissen Grade. Das Beste muss bei ihnen aus tie-
feren Quellen, nicht von aussen, sondern von innen her hinzukommen.
So auch bei dem Erziehungskiinstler. Er muss ein sittlicher Charakter
sein. Dieser ist nicht denkbar ohne Gemut. Je reicher das Gemiitsle-
ben, umso gottbegnadeter der Erzieher. Aber das Gemiit lasst sich nicht
von aussen her durch den Willen eines anderen einpflanzen." Kurz, der
Erziehungskiinstler wird, wie jeder andere Kiinstler, geboren und nicht
erzogen. Die Lehrerseminarien konnen und sollen also wohl gute,
brauchbare Lehrer ausbilden, aber mehr konnen sie nicht, sowenig als
eine Universitat Dichter oder Koryphaen der Wissenschaften erzeugen
kann.
Ehe ich nun zum zweiten Teil meines Themas, zur Fort- oder Wei-
terbildung des Lehrers iibergehe, mochte ich zuvor die amerikanischen
Lehrerseminarien oder, wie sie hier genannt werden, die Normal Schools
und die Teachers' Colleges ein wenig unter die Lupe nehmen. Es wird
den Erziehern hier von hohen Staatsbeamten so oft gesagt, das der Leh-
rerberuf der hochste und wichtigste von alien sei; denn von seiner Wirk-
samkeit hange die Zukunft der Nation ab. Entsprechen nun die hiesigen
Institute, woselbst die Jugenderzieher ausgebildet werden, den hohen An-
forderungen, die man an den Lehrerberuf stellt? Ein allgemeines Urteil
dariiber zu fallen, ist ausserordentlich schwierig. Wie Sie, meine Da-
men und Herren, wohl selbst wissen, hat hierzulande nicht allein jeder
Staat, sondern sogar jede Stadt und jedes 'County eine eigene Normal-
schule oder Teachers' College, oder wenigstens eine Lehrer-Priifungsbe-
horde. Ein offizieller Ausweis oder gar eine vergleichende Zusammenstel-
lung iiber die Einrichtung und Tatigkeit dieser Lehrerbildungsanstalten
gibt es hier nicht. JSTach den Prospekten zu urteilen, die diese Institute
alljahrlich ausschicken, um Zoglinge zu kodern, das ware zumeist sehr
irrefuhrend. Um sich ein Gesamturteil iiber die Leistungsfahigkeit die-
ser Anstalten zu bilden, miisste man sie eben alle personlich besuchen und
untersuchen — das kann man aber nicht. Professor Barandun von Pitts-
burg, Pa., lasst sich in einem diesbeziiglichen Artikel sehr bitter aus iiber
die Berufsbildung des Lehrers, soweit sie seinen Heimatsstaat betrifft. Er
schreibt: ,,Die Berichte der meisten hiesigen Normalschulen zeigen nur
zu klar, wie wenig sie ihrem Zwecke entsprechen. Schon die Anordnung
eines solchen Berichtes kommt dem kritischen Auge etwas verdachtig
vor, insofern sie einen Schluss auf das erlaubt, was den Leitern einer sol-
chen Schule von der grossten Wichtigkeit zu sein scheint. Da werden z.
B. die Gebaude und Einrichtungen beschrieben und photographiert, na-
232 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
tiirlich mit einigen hiibschen Madchen im Vordergrunde, die ausserst zu-
friedene Gesichter zeigen, um zu beweisen, das ihnen nichts abgeht. Die
schone Umgebung, die Aussichtspunkte werden ebenfalls im Bilde vor-
gefiihrt" u. s. w. Nun, man kennt ja solche hiibsch ausgestatteten Re-
klame-Prospekte und Jahresberichte zur Geniige. In diesen Berichten
werden zwar auch alle die Facher aufgezahlt, die unterrichtet werden,
und mit besonderem Stolze wird darauf hingewiesen, dass die Anstalt
auch eine Musterschule besitzt. Aber wie, besonders wie griindlich, in
dieser Anstalt unterrichtet wird, ob die angehenden Padagogen wirklich
ein klares Bewusstsein dessen haben, was sie in der Musterschule tun,
oder ob sie bloss dem gedankenlosen Schlendrian folgen, dariiber gibt der
Bericht natiirlich keinen Aufschluss. Professor Barandun behauptet,
dass die Normalschulen seines Staates zum Teil ganz and ere Ziele ver fol-
gen, als tuchtige Lehrkrafte heranzubilden ; dass sich die Graduierten
dieser Schulen nach wenigen Jahren einem anderen Berufe widmeten,
dass sie Arzte oder Advokaten wiirden. Wie weit dieses herbe Urteil Ba-
randuns auch auf andere Staaten und Stadte zutrifft, kann ich nicht
entscheiden.
Mit giinstigeren Augen betrachtet Professor Krug von Cleveland die
amerikanische Lehrerausbildung und unsere Normalschulen. In seinem
Vortrage ,,Die Fortbildung des Lehrers im Amte", den er vor nunmehr
acht Jahren in Philadelphia hielt, finden sich folgende Satze : ,,Unsere
Volksschullehrer (Lehrer und Lehrerinnen) sind fast alle Graduierte
einer Normalschule oder irgend einer anderen hoheren Anstalt von der-
selben, vielleicht auch einer hoheren Rangordnung. Diese Schulen er-
fordern einen Vorbildungskurs von 12 Jahren, namlich 8 Jahre in den
Elementar- und Mittelschulen und 4 Jahre Hochschule. Da die Nor-
malschule einen Kurs von zwei bis vier Jahren umfasst, so ergibt sich
eine Gesamt-Bildungsdauer von 14 bis 16 Jahren. Die Lehrerbildungs-
anstalt priift jeden Aufnahmswerber und scheidet unfahige Elemente
immer aus, und sie tut beides in viel strengerer Weise als die Universi-
taten."
Mit diesem hohen Bildungsgrad des amerikanischen Volksschulleh-
rers mag es nun seine Richtigkeit haben. Bei uns in Cincinnati miissen
die Graduierten der Hochschule, wenn sie nur simple Elementarlehrer
werden wollen, voile vier Jahre die dortige Universitat besuchen und
nachdem diese absolviert ist, noch ein ganzes Jahr als Lehramtskandida-
ten hospitieren, ehe sie endgiiltig in den stadtischen Volksschulen ange-
stellt werden konnen. Mir diinkt, dass da fur einen Elementarlehrer etwas
zu viel Wissenschaft und Gelehrsamkeit verlangt wird. Bewiesen wird da-
mit noch lange nicht, dass die solchermassen ausgebildeten sich in der
Praxis auch als gute Lehrer bewahren. Die Erfahrung hat schon wie-
derholt das Gegenteil gezeigt. Wundern wird man sich dariiber um so
Vor- und Fortbildung des Lehrers. 233
weniger, wenn man erfahrt, dass mit dem Cincinnatier Teachers' College
der Universitat keine Muster- oder Ubungsschule verbunden 1st. Man
wird also wohl behaupten diirfen, dass in Amerika die Ausbildung des
Volksschullehrers vorlaufig noch weit vom Ideal entfernt ist, indem in-
bezug auf seine Allgemeinbildung libers Ziel geschossen, seine Fachbil-
dung aber imnier noch sehr vernachlassigt wird. Wissen zu viel, Kon-
nen zu wenig.
Doch der Amerikaner ist ja in der Erwerbung der Kiinste und Wis-
senschaften vom besten Willen beseelt; besonders die Vervollkommnung
seiner Schulen steht ihm obenan — niemand wird das ernstlich bestrei-
ten wollen. Was ihm also in der richtigen Vor- und Ausbildung seiner
Volksschule hier noch mangelt im Vergleich mit den alten Kulturlan-
dern, das wird er sicherlich in absehbarer Zeit nachholen. Am guten
Willen fehlt es darin, wie gesagt, dem Amerikaner nicht.
Im Anschluss an dieses Kapitel iiber die Vorbildung des Lehrers
mochte ich noch erwahnen, dass ich von samtlichen Lehrerbildungsan-
stalten hier, so weit ich sie kenne, das Deutschamerikanische Lehrersemi-
nar in Milwaukee fur eine der besten halte. Diese Anstalt mit ihrer Mu-
sterschule kommt den deutschen Lehrerseminarien inbezug auf Leistungs-
fahigkeit jedenfalls am nachsten. Die bisherigen Eesultate haben dies
bewiesen.
Ein Lehrer mag nun hier oder draussen seine Ausbildung genossen
haben, und diese Vorbildung mag noch so sorgfaltig und gediegen gewe-
sen sein — eines hat jeder notig: die Fortbildung. Ich bin der An-
sicht, dass ein Lehrer die Fort- oder Weiterbildung sogar notiger hat als
irgend eine andere Berufsklasse. Wenn sich z. B. ein Arzt mit den Fort-
schritten auf medizinischem Gebiet nicht auf dem Laufenden halt, so
schadet er sich vielleicht nur selbst, indem er als riickstandiger Quack-
salber alsbald seine Praxis verliert; ein Lehrer aber, der sich in seiner
Allgemeinbildung und in seiner Fachbildung nicht weiterentwickelt, der
schadet seiner Schule und damit dem Gemeinwesen. Die Kultur kennt
keinen Stillstand, sie ist in einem fortwahrenden Fortschreiten begriffen.,
und kein Lehrer kann seinem Berufe entsprechen, der sich diesem Fort-
schritte verschliesst. Denn dem Volksschullehrer fallt die schwere Auf-
gabe zu, der grossen Masse des Volkes jene allgemeine Bildung zu iiber-
mitteln, welche der Staat, die Nation, ja die gesamte zivilisierte Mensch-
heit an sie stellen. Ich werde wohl kaum die Notwendigkeit unserer
Fortbildung naher zu begriinden brauchen. Ein Lehrer, der diese Not-
wendigkeit nicht einsehen kann, der aus Selbstgeniigsamkeit oder aus
Selbstiiberhebung, oder aber aus Tragheit sich nicht fortbildet, der sollte
in den Ruhestand versetzt werden, wenn er das Pensionsalter hat, und
wenn er von dieser Grenze noch weit entfernt ist, sollte er zur Resignation
gezwungen werden.
234: Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Es taucht nun die Frage auf, wie soil sich der Lehrer weiterbilden,
welches sind die Mittel zu seiner Fortbildung? Als solche mochte ich
fiinf empfehlen: Lekture, Fortbildungskurse, Schulbesuche, padagogi-
sches Vereinsleben und Keisen.
Jeder Lehrer sollte wenigstens eine padagogische Zeitschrift lesen
(hierzulande eigentlich zwei, namlich eine in deutscher und eine in eng-
lischer Sprache). Altmeister Diesterweg lasst sich iiber diesen Gegen-
stand folgendermassen aus : ,,Ich halte es fur einen Lehrer nicht nur
fur eine Schande, wenn er keine padagogischen Blatter liest, sondern ich
spreche ihm auch alien Standessinn ab, wenn er diejenigen seines Stan-
des, die vorzugsweise fur denselben arbeiten, nicht unterstlitzt. Kann er
es durch druckwiirdige Beitrage, desto besser; kann er es nicht, so halte
er ihre Blatter !" Ferner sollen wir uns mit den Werken der alteren und
neueren padagogischen Schriftsteller vertraut machen. Dies gilt beson-
ders fiir die jiingeren Lehrer, die wahrend der wenigen Seminar j ah re we-
der die notige Zeit hatten, eingehend diese Werke zu studieren, noch auch
die Geistesreife sie vollig zu verstehen. In der spateren Praxis geht das
viel leichter. Ein sich fortbildender Lehrer darf natiirlich auch nicht
die Liter atur der Klassiker vergessen, und wir Lehrer des Deutschen sol-
len auch mit der neueren und neuesten Literatur einigermassen vertraut
sein. Dass endlich ein Lehrer eine Tages- oder eine Wochenzeitung liest,
um in der Zeitgeschichte, in den sogenannten current events, auf dem
Laufenden zu bleiben, ist wohl selbstverstandlich. Ob man die Fach-
schriften und die Liter aturwerke nun privatim liest oder in Lesezirkeln
(Round Tables), das ist wohl gleichgiiltig. Allerdings diirfte man einem
gut geleiteten Lesezirkel den Vorzug geben, weil daselbst durch gegensei-
tiges Fragen und Besprechen manches klargestelt werden kann, was bei
der Privatlektiire vielleicht nur halb begriffen wird. Bei verniinf tiger
Einteilung seiner freien Stunden wird man schon die Zeit zur Bewalti-
gung dieser Lektiire finden, und dabei auch noch die notigen Erholungs-
stunden iibrig haben. Woher soil aber ein Lehrer, besonders ein Anfan-
ger im Amte, das Geld nehmen, sich all diese Biicher und Zeitschriften.
speziell die kostspieligen Fachwerke zu beschaffen? Diese Frage ist frei-
lich schwer zu beantworten. Die Kollegen in einer Stadt konnen durch
gemeinsames Anschaffen solcher Werke und durch gemeinsames Abon-
nieren auf Fach- und Zeitschriften dem Geldiibel leicht begegnen; eine
Lehrerbibliothek kann daselbst ebenfalls leicht gegriindet und erhalten
werden. Was soil aber in dieser Beziehung der einsame Kollege mit ge-
ringem Gehalte in einem kleinen Stadtchen oder in einem Dorfe tun?
Ein in neuerer Zeit sehr beliebtes Mittel zur Weiterbildung des Leh-
rers sind die sogenannten Fortbildungskurse, wozu die University Ex-
tensions und die Teachers' Institutes gehoren. Biicherstudium allein er-
For- und Fortbildung des Lehrers. 235
scheint in vielen Fallen nicht ausreichend ; es bedarf der Demonstratio-
nen und der anschaulichen Beispiele, urn besser vorwarts kommen zu
konnen. Dazu dienen draussen die Lehrer-Fortbildungsschulen oder wie
sie dort genannt werden, die Padagogien. Beriihmt ist das Padagogium
in Wien, dasjenige in Jena unter Professor Rein und die Viktoria-Fort-
bildungsschule fiir Lehrerinnen zu Berlin. Diese Padagogien, sowie auch
die hiesigen Universitats-Fortbildungskurse bieten den Lehrern die Ge-
legenheit, sich weiter auszubilden und sich vielleicht auf ein hoheres Exa-
men vorzubereiten. Hier verfolgen die Teachers' Institutes oder die
Normal Weeks (Worte, die sich schwer verdeutschen lassen), sowie die
padagogischen Vortragskurse im Laufe des Schuljahres dieselben Ziele.
Beide halte ich indessen fiir unzulanglich und wenig zweckdienlich. Die
Vortrage, die in der Eroffnungswoche des Schuljahres, in der sogenann-
ten Normalwoche zumeist von auswartigen Instruktoren abgelagert wer-
den, sind inhaltlich zu allgemein gehalten. Die Zuhorerschaft ist ge-
wohnlich zu gross und zu ungleich vorgebildet, weil da Elementarlehrer
und Hochschullehrer beisammen sind. Von direkter oder individueller
Anregung kann da kaum die Rede sein. tiberdies wird auch in kurzer
Zeit zu viel geboten — taglich fiinf, sechs Vortrage hinter einander ge-
niessen und zwar eine ganze Woche lang, das kann der beste padagogische
Magen nichi verdauen. Die Vortragsserien wahrend des Schuljahres lei-
den ungefahr an denselben Mangeln, sie haben aber den Vorzug, dass
diese Vortrage auf einen grosseren Zeitraum verteilt sind.
Ehe ich nun zu einem weiteren Fortbildungsmittel iibergehe, mochte
ich inbezug auf die zwei bereits besprochenen, Lektiire und Fortbildungs-
kurse, vor dem verderblichen 77Zu viel" warnen. Der Amerikaner neigt
bekanntlich, seinem impulsiven Charakter gemass, zur Ubertreibung, und
er reitet auch gerne Steckenpferde, besonders im Erziehungswesen. Als
in den letzten Jahren hier von leitenden Padagogen und Schulsuperin-
tendenten die Parole ausgegeben wurde, die Lehrer miissen sich mittels
Lektiire und Fortbildungskurse weiterbilden, da schossen die Reading
Circles oder die Round Tables und die University Extensions uberall wie
Pilze aus der Erde. Die Lehrer und Lehrerinnen liefen nun sofort nach
dem Unterricht ein- oder zweimal wahrend der Woche in einen ,,Lese-
zirkel", woselbst besonders Psychologic misshandelt wurde, und obendrein
besuchten sie noch einen Universitatskursus, um Vortrage iiber Ethik,
Methodik und Padagogik zu horen. Zuhause vertieften sie sich noch-
mals in die gelehrten Biicher, um iiber das Gehorte nachzulesen und
schriftliche Arbeiten dariiber abzufassen. Das, meine Damen und Her-
ren, ist nach meiner Ansicht des Guten zu viel, das ist Ubertreibung. Wo
bleibt bei solchem Parforce-Studium die geistige Spannkraft fiir die Ar-
beit in der Schule ? Direkt nach dem Unterricht sollten iiberhaupt keine
gemeinsame Lesestunden oder Vortrage stattnnden, weil alsdann der ge-
236 Monatshefte fur deutscke Sprache und Pddagogik.
wissenhafte Lehrer zu abgespannt 1st. Ein Spaziergang im Freien (oder
aber fiir die Herren ein Stiindchen am Stammtisch) 1st viel gesiinder
und erspriesslicher. Die Universitatskurse sollten auf einen Abend oder
auf den freien Samstag verlegt werden, oder noch besser auf die Ferien.
Sie werden mit mir auch ubereinstimmen, wenn ich behaupte, dass nur
die jiingeren Lehrkrafte sich mit Lesezirkeln und Fortbildungskursen be-
fassen sollten. Ein alterer Lehrer sollte damit verschont bleiben; die
Privatlektiire sollte fiir ihn geniigen.
Das Besuchen anderer Schulen, sei es nun in demselben Berufsort
oder in anderen, oder sogar in anderen Landern, wie es in allerneuester
Zeit Mode wird, ist ganz gewiss auch ein gates Fortbildungsmittel. Man
kann da vergleichende Beobachtungen anstellen, man kann sehen, wie
andere die padagogische Kunst betreiben, man kann vielleicht auch ler-
nen, wie man's nicht machen soil. Auf alle Falle sincl solche Schulbe-
suche fiir jeden Erzieher, ob alt oder Jung, belehrend.
Ich komme schliesslich zu den beiden letzten Fortbildungsmitteln,
zum padagogischen Vereinsleben und zum lieisen. Der Nutzen und die
Notwendigkeit von Lehrervereinigungen, der Besuch ihrer Versammlun-
gen und ihrer Jahreskonvente ist Ihnen schon so oft und dringlich ans
Herz gelegt worden, dass ich hier nicht naher darauf einzugehen brauche.
Wir deutschen Lehrer haben die Vereinigung unter uns doppelt notig,
namlich nicht allein zur Fortbildung, sondern auch zur Abwehr von An-
griffen auf den deutschen Unterricht. Leider sieht man dies noch im-
mer nicht genug ein, trotzdem die Erfahrung zeigt, dass in den Stadten,
wo die deutschen Lehrer nicht organisiert sind und darum auch keine
regelmassige Versammlungen mit belehrenden Vortragen haben, dass es
in diesen Stadten mit dem deutschen Unterricht schwach bestellt ist, der
friiher oder spater eingeht.
Die angenehmste Art der Fortbildung ist jedenfalls das Reisen; man
darf jedoch dieses Mittel durchaus nicht als gering betrachten. Reisen
bildet bekanntlich; Land und Leute aus personlicher Anschauung kennen
lernen, ist unzweifelhaft viel besser als sie nur aus Biichern zu studieren.
Nicht mit Unrecht dringen darum viele Schulleiter darauf, dass ihre Leh-
rer alljahrlich eine grossere oder kleinere Ferienreise machen. Wenn der
Geldbeutel dies erlaubt, so ist das gewiss gut und schon, und doppelt so,
wenn man damit gleichzeitig den Besuch einer Lehrerkonvention verbin-
den kann. Lehrer und Lehrer innen, die nie aus ihren vier Pfahlen her-
auskommen — leider gibt es solche — die kann man nur bemitleiden,
denn nach den Worten ,,im engen Kreis verengert sich der Sinn", wer-
den solche allmahlich geistig verknochern und vertrocknen.
Jegliche Fortbildung aber — das mochte ich zum Schluss ganz be-
sonders betonen — muss aus freiem Antriebe erfolgen, aus der Liebe zum
Berufe. Ein Lehrer, der sich nur darum weiterbildet, nur deshalb an
Methoden des Unterrichts in modernen Sprachen. 237
Lesezirkeln teilnimmt und Universitatskurse besucht, damit er so und so
viele Punkte oder Credits dafiir bekommt, die ihm zur Gehaltsaufbesse-
rung oder zur Beforderung niitzen sollen, ein solcher Lehrer 1st nur ein
Taglohner im Weinberge des Herrn. Das sogenannte Meriten-System in
der Fortbildung, das sich nur auf die Utilitat stiitzt, ist des Lehrerstan-
des unwiirdig.
Ein Lehrer, der naeh obigen Andeutungen richtig vorgebildet ist und
der sich aus eigenem Antriebe stets weiterbildet, der wird gewiss seinem
Berufe gerecht werden. Er erf iillt die Forderung, die Diesterweg an den
Erzieher stellt: ,,Der kiinftige Lehrer soil weit iiber den Gegenstanden
stehen, die er zu lehren hat. 1st dieses nicht der Fall, so rennt er sich
in Formen fest, sieht seinen kleinen Lebenskreis fiir die Welt an, ist
selbst ungebildet, kann daher auch nicht bilden, halt das kleine Gebiet,
in dem er zuhause ist, fur das Universum, bleibt ein beschrankter Mensch
und wird unausbleiblich ein anmassender, selbstzufriedener Pedant. Das
Wissen blaht nicht auf, sondern das Halbwissen und das Nichtwissen."
Psychologische Grundlage fiir die Methoden des Unter-
richts in den modernen Sprachen.
Von Prof. A. Werner Spanhoofd, High Schools, Washington, I). C.
Da ich in einem kurzen Vortrage iiber die psychologische Grundlage
fiir die Methode des Sprachunterrichts nur einige der wichtigsten Punkte
beriihren kann und Detailfragen unerortert lassen muss, so trete ich
gleich in die Sache ein und beginne mit einer kleinen Begebenheit aus
der Vergangenheit des Darmstadter Gymnasiums, die uns Ferdinand
Dieffenbach erhalten hat.
,,Setz? Dich, Liebig! Du bist ein Schafskopf."
Der so sprach, war Herr Johann Justus Storck, Conrector am Gym-
nasium zu Darmstadt, ein gefiirchteter Schulmonarch, der sich durch
seine Ausgaben der Fabeln des Phaedrus und des Cornelius Nepos auch
eine gewisse Unsterblichkeit von kurzer Dauer im Kreise der hessischen
Schuljugend erworben hat.
Der mit dem Titel ,,Schafskopf" Beehrte war Justus Liebig, der
vierzehnjahrige Sohn des Materialisten Georg Liebig zu Darmstadt. Lie-
big sass mit noch zwei Ungliicksgefahrten untenan, auf dem Platzchen,
auf dem man in der Schule nicht minder grosse Qualen aussteht, als sie
238 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
wohl jemals ein armer Teufel auf der Armsiinderbank, dem man vor sei-
nen Augen das Stabchen zerbrach, erdulden musste.
Der Conrector hatte gerade einen schlechten Tag, denn ebenso un-
befriedigt schied er von dem unter Liebig sitzenden Jungen, Georg Ger-
vinus, dem dreizehnjahrigen Sohne des Darmstadter Gerbers Gervinus.
Nun drohte sich das Unheil iiber dem Haupte desjenigen, der zu al-
lerunters sass, dem eigentlichen Ultimus, dem vierzehnjahrigen Johann
Jakob Kaup, gleichfalls einem Darmstadter Biirgersohn, zu entladen.
Allein der Gestrenge zog es vor, statt diesen auf die Folter zu spannen,
wieder zu dem jungen Liebig zuriickzukehren.
,,Was willst Du werden, Liebig?"
,,Chemiker."
,,Dummkopf — was ist denn das?" entgegnete Herr Storck mit ver-
achtlichem Achselzucken. ,,Seht Ihr," fuhr er fort, ,,Ihr drei seid un-
wiirdig in die Hallen der Wissenschaft einzutreten. Kb'pfe habt Ihr
zwar grosser und dicker wie alle anderen, aber der Spiritus fehlt darin.
Spart Euch die Miihe und Euren Eltern das schb'ne Geld! Liebig, Dein
Latein reicht gerade aus zum Apotheker ; Du Gervinus, kannst weder La-
tein noch Deutsch, und Du, Kaup, kannst iiberhaupt gar nichts."
In der Tat wurde Liebig — es war im Jahre 1814 — bald darauf zu
einem obskuren Apotheker in Heppenheim in die Lehre getan, und Ger-
vinus wurde Lehrling in dem in Darmstadt noch bestehenden Ellenwaa-
rengeschafte von G. Schwab. Einige Jahre langer hielt es Kaup aus,
wiewohl auch er die Anstalt nicht absolvierte.
Alle drei sind in der Folge hochberiihmt geworden, dem Conrector
Storck aber bleibt der Ruhm, die drei grossten Manner, welche iiberhaupt
noch auf den Banken des Darmstadter Gymnasiums sassen, fur Dumm-
kopfe erklart zu haben.
Aus diesen Mitteilungen iiber die Schulzeit der drei grossen, deut-
schen Gelehrten konnen wir uns ein paar sehr niitzliche Lehren ziehen.
Dass der Conrector Storck einen Fehler begangen hat, leuchtet sofort
ein ; denn geben wir auch zu, dass eine offentliche Schule eigentlich nicht
fiir das Genie eines Liebig, sondern vielmehr fur die grosse Menge der
Durchschnittsknaben berechnet ist, so kann ihm das doch keineswegs zur
Entschuldigung dienen, wenn er seine Schiller verkennt und ihre geisti-
gen Anlagen groblich unterschatzt. Man darf aber schon etwas Nachsicht
iiben, zumal ein solches Versehen auch heutzutage sicher nicht zu den
Seltenheiten gehort, in etwas milderer Form sogar sehr oft vorkommt.
Diese Beobachtung lasst sich nicht bloss an unerfahrenen Lehrern ma-
chen, sondern grade an Leuten wie der Conrector Storck mit vorziiglicher
Vorbildung zu ihrem Berufe, die vor allem dazu neigen, sich selbst und
ihrem Lehrstoffe eine viel zu hohe Bedeutung beizumessen, und dann
Methoden des Unterrichts in modernen 8prachen. 239
wohl in eine vb'llig einseitige, meist nur iiberlieferte, buehstabenglaubige
Lehrmethode verfallen, die den Bediirfnissen und der geistigen Entwick-
lung unserer Kinder nicht Kechnung tragt. Zeigt nun ein Schiller kein
Interesse an dem Lehrstoff, so heisst es wohl, er sei faul; vermag er den
Erklarungen des Lehrers nicht zu folgen, so ist er eben ein .Dummkopf.
Die Schuld wird immer den Kindern in die Schuhe geschoben.
Wenn wir uns doch stets erinnern wollten, dass der Schiller im Un-
terrichte immer die Hauptperson ist, wahrend der Lehrer, den der be-
gabte Schiller zuzeiten auch wohl entbehren kann, mit all seiner Weisheit
einen verhaltnismassig untergeordneten, bloss vermittelnden Posten ein-
nimmt. Die Kunst einer solchen Vermittlung, das Unterrichten, kann
niemand an sich selber erlernen, noch anderen Lehrern abgucken. Wer
sich diese Kunst nicht durch eingehendes, eifriges Studium der mannig-
f altigen Probleme der Kindesseele und vor allem durch auf merksame Be-
obachtung der ihm anvertrauten Kinder erwirbt, der mag es in seinem
Berufe vielleicht zu einem Schuldespoten, einem schablonenmassigen
Driller bringen, aber nie zu einem Erzieher der Jugend.
Dass in dieser Hinsicht arg gegen die Natur gesiindigt wird, brauche
ich kaum zu erwahnen. Es gibt ja an unseren Hochschulen noch Tau-
sende von Lehrern, die in ihren Klassen mit dreizehnjahrigen Kindern
dieselbe Lehrmethode benutzen, wonach sie ihr eigenes Deutsch am Col-
lege gelernt haben. Von Originalitat keine Spur, alles ist gedanken-
loser Abklatsch des am College Erschauten. Gegen College-Methoden an
sich habe ich natiirlich nichts einzuwenden. An einigen unserer Colleges
und Staatsuniversitaten wird Vorziigliches geleistet, was mich schon hin-
reichend iiberzeugt, dass auch die Art und Weise des Unterrichts ihrem
Zwecke vollkommen entsprechen muss. Das liefert uns aber sicher noch
nicht den Beweis, dass wir nun alle Schiller, einerlei welchen Alters, iiber
denselben Kamm scheren miissen. Bleibe doch jeder Schuster bei sei-
nem Leisten ! Wenn einige Professoren sich mehr um ihre eigenen An-
gelegenheiten bekiimmerten, oder wenigstens mit ihren unpraktischen
Vorschriften und haprigen Hypothesen zu Hause blieben, wenn die
Hochschullehrer ihren fiinf Sinnen etwas mehr zutrauten, ihre Schiller
aufmerksam beobachteten und sich die Erfahrungen, die sie im eigenen
Klassenzimmer wohl am besten sammeln konnen, zu Nutze zogen, statt
sich eitel darin zu gef alien, einem Universitatsprofessor nachzuaffen und
Elementarlehrer zu kritisieren, es wiirde darum sicher nicht schlechter
stehen um den deutschen Unterricht.
Es liegt mir fern, zu behaupten, dass die Lehrer der verschiedenen
Abteilungen unseres Schulsystems sich nicht mitteilen sollten. Im Ge-
genteil, ich finde es sogar hochst bedauerlich, dass dies nicht mehr ge-
schieht. In Deutschland arbeiten die Lehrer der unteren Klassen mit
240 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
denen der oberen taglich als Freunde und Kollegen unter demselben Da-
che. Hier bei uns herrscht nicht selten Entfremdung, kleinliche Eifer-
sucht, stockfinstere Unwissenlieit unter Lehrern einer Abteilung von den
Funktionen und Zielen der Lehrer anderer Abteilungen. Ja, wir konn-
ten schon sehr viel von einander lernen, wenn wir uns bloss das mitteil-
ten, was wir konnen und wissen. Mit dem Kritisieren und Vorschriften-
machen hat's aber vorlaufig noch keine Eile.
Zum Kritisieren gehort vor allem, dass man die Sache auch selbst
versteht. Da horte ich nun kiirzlich einen Hochschullehrer alien Ern-
stes behaupten, dass der fremdsprachliche Unterricht an der Elementar-
schule nur Zeitverschwendung sei. Und welchen Grund fuhrte er ins
Feld? — weil den Kindern an der Elementarschule nicht mehr deutsche
Grammatik beigebracht wiirde, als sie auf der Hochschule in zwei Mona-
ten lernen konnten. Da haben Sie's, meine Damen und Herren, von der
Elementarschule! Zu Ihrer Beruhigung will ich aber hinzufiigen, dass
der deutsche Unterricht auf der Hochschule nun auch bloss Zeitvergeu-
dung ware, weil wir unseren Schiilern keine Kenntnis der Literatur und
Philologie mit aufs College geben konnen. Man hat uns Hochschulleh-
rern auch schon allerlei Wunderdinge zugemutet, doch kleine, unschul-
dige Kinder mit abstrakten grammatischen Eegeln abzuqualen - - nein,
da lehre man doch lieber Literatur und germanische Philologie auf der
Hochschule. Sollen die Kinder nun einmal geschunden werden, so sei's
auf der Hochschule, denn dort stehen sie wenigstens unter keinem Schul-
zwang, und konnen zu Hause bleiben, wenn ihnen die Schinderei zu gross
wird.
Wenn die verschrobene Meinung von der Unzweckmassigkeit des
fremdsprachlichen Unterrichts an der Elementarschule nicht gerade un-
ter den Hochschullehrern so weit verbreitet ware, so brauchte ich hier
kein Wort dariiber zu verlieren. Diese Ansicht griindet sich namlich
auch nicht auf psychologische Tatsachen -- Psychologen allerorts behaup-
ten, die Spracherlernung beruhe zum weitaus grossten Teile auf Nach-
ahmung und Gedachtnis, und nriisse darum unternommen werden, wenn
das mechanische Gedachtnis am stiirksten und der Geist fiir Aneignung
fremder Sprachformen am empfanglichsten sei, also etwa vom sechsten
bis zum zwolften Lebensjahre — nein, sie wird dem Ausschuss der Zwolfe
nachgebetet, der in seinem Berichte folgendes sagt: "It is not worth
while, as a rule, that the study of a foreign language be taken up in the
primary grades unless the beginner has at least a prospect and an inten-
tion of going on through the secondary school. The reason for this
opinion is that what can be acquired of a modern language in the primary
grades, even with the best of teaching and under the most favorable con-
ditions, is good for nothing except as a foundation. For while it is true
Methoden des Unterrichts in modernen Sprachen.
that children learn quickly and easily the 'rudiments of "conversation" in
a foreign tongue, it is also true that they forget them no less quickly and
easily". — Wer also seine Studien nicht in der Hochschule fortsetzen
kann, oder wer das in der Schule Gelernte vergisst, der fange lieber gar
nicht an, denn sonst hatte die Sache ja keinen Wert. Nun, ich kenne
meine Pappenheimer von der Hochschule auch ganz gut; wenigstens 90
Prozent der Schiller, die unsere Hochschulen verlassen, werf en ihre deut-
schen Bucher auf Mmmerwiedersehen in die Ecke, und haben das
Deutsch, das wir ihnen einst beibrachten, in fiinf oder sechs Jahren total
vergessen, trotz des zaheren Gedachtnisses, das man ihnen in obiger Be-
griindung nachriihmt. Die College-Studenten lassen sich in dieser Hin-
sicht auch nicht lumpen.
Also ein Kind lernt die Anfangsgriinde der Konversation schnell
und leicht. Es freut mich, dass man den Kindern das noch lasst. Wei-
ter wird ihnen aber auch nichts nachgeriihmt, und das Wort Conversa-
tion" sorgfaltig auf Gansefiisschen gesetzt, was wahrscheinlich auf Ganse-
f utter anspielen soil. Nun bin ich ja fest iiberzeugt, dass es uns auf
der Hochschule und dem College nie vornehmlich auf das Sprechen an-
kommen darf, nicht weil das Sprachkonnen etwa minderwertiger ware
als das blosse Sprachwissen, sondern weil wir unsere Schiller ohne Hilfe
der Elementarschule mit dem besten Willen nie iiber ein Kadebrechen
hinausbringen, ohne andere Werte zu vernachlassigen, die sich fiir ihr
Alter besser eignen. Was die Kinder in der Elementarschule lernen kon-
nen, lasst sich nich durch die paar Worte ,,rudiments of conversation"
abtun. Sie erwerben sich dort mancherlei, was wir sie iiberhaupt gar
nicht mehr lehren konnen, wie eine gute Aussprache, die unbewusste.
richtige Anwendung grammatischer Formen und Eegeln, den idiomati-
schen Gebrauch der Fremdsprache, kurz, ein lebendiges, gesprochenes
Deutsch, statt des toten, papierenen unserer Schiller, dem man auf
Schritt und Tritt anmerkt, dass es wortlich aus dem Englischen iibersetzt
ist. Dass die Kinder im deutschen Unterricht der Elementarschule nicht
nur deutsche Worter lernen — fiir ein Kind gibt's nur Begriffe, kerne
Worter, — sondern iiber alle moglichen Dinge aufgeklart werden, dass
sie sich ausserdem eine griindlichere Kenntnis der englischen Sprache
aneignen, will ich nur nebenbei bemerken.
Xun ja, die Kinder vergessen viel. Das hangt aber nicht allein von
der Eigentiimlichkeit ihres Gedachtnisses ab, sondern auch noch von der
Art der Einpragung und dem Interesse, das sie einer Sache entgegen-
bringen. Professor Gordy bemerkt in seinem Buche ,,New Psychology"
ganz richtig : "Talk to an old man about his past life, and you will find
that the events of the last year he but dimly remembers; but when he
speaks of his boyhood, the incidents of the time crowd themselves upon
242 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
him as though they had happened but yesterday. In that far-off happy
time, when his heart was light and his mind was free from care, the most
trivial events received a degree of attention sufficient to stamp them on
his memory forever". Um also das Vergessen moglichst zu verhiiten.
sollte der Lehrer vorerst in Erfahrung bringen, was iiberhaupt Eindruck
auf die Kinderseele macht, durch welche Mittel es sich im Gedachtnis
des Kindes befestigen lasst, und darnach den Unterricht zu regeln.
Ubrigens vermindert es den Wert eines guten Unterrichts durch aus
nicht, wenn das Kind etwas vergisst. Beim Lernen kommt es in der
Schule ja nicht auf das Was an, sondern aufs Wie. Es muss naturge-
mass und zielbewusst gelehrt werden, dann bleibt es sich fur die geistige
Entwickelung eines Kindes vollig gleichgiiltig, ob es nun Englisch,
Deutsch, Franzosich, Latein oder -Chinesisch lernt. Dass da irgend ein
TJnterrichtsfach besondere Vorrechte gepachtet habe, darf man dem En-
thusiasmus der Lehrer gutschreiben, wird aber durch die Psychologic
nicht begriindet. Von Wichtigkeit ist nur, dass man den Karren nicht
vor den Gaul spannt, und zum Beispiel die kleinen Kinder der Elemen-
tarschule mit Arithmetik und Algebra krank fiittert, wo von sie ja doch
kaum die Halfte begreifen, wahrend man den fremdsprachlichen Unter-
richt, der gar nicht zu fruhzeitig unternommen werden kann, auf ein
Lebensalter verschiebt, wenn, wie auch President Eliot sagt, die beste
Zeit eine Sprache zu erlernen schon vorbei ist. Dann kommt der Lehr-
stoff nur noch seines etwaigen praktischen Wertes wegen in Betracht. Aus
diesem Grund allein gebiihrt der englischen Sprache hierzulande unter
alien Lehrgegenstanden der erste Rang, ihr folgt unmittelbar die deut-
sche Sprache, nicht bloss wegen ihrer Weltstellung in Literatur, Wissen-
schaft, Industrie und Handel, sondern schon, weil sie die zweite Landes-
sprache der Vereinigten Staaten ist.
Wird nun der Unterricht von der Elementarschule bis zur Univer-
sitat in einer naturgemassen, der Kindesseele stets angepassten Weise er-
teilt, so ergibt sich der stufenweise fortschreitende Gang desselben ganz
von selbst, und die Tatsache, dass uns so viele Schiller verlassen miisscn,
ehe sie etwas Tiichtiges gelernt haben, ist dann zwar immer noch bedau-
erlich, kann aber dem Werte unserer Lehrtatigkeit in keiner Weise Ab-
bruch tun. Was Professor Laurie vom Lateinunterricht sagt, das gilt
auch fur uns, iiberhaupt fur jeden Lehrer: "That our method be such
as to give to every pupil the full benefit of the training and discipline
which the language is presumed to afford and which the pupil's age ad-
mits of, at whatever point he may cease to study it. Herein lies one of
the claims which all method permanently makes on the teacher — that
it assures this admirable result. Each day's lesson justifies itself".
Wie ich mir nun den fremdsprachlichen Unterricht in den verschie-
denen Abteilungen unseres Schulwesens vorstelle, was nach meiner Mei-
Deutsche und angelsdchsische Verhdltmsse in America. 243
nung auf jeder Stufe betont, was unterlassen werden miisste, welcher Mit-
tel man sich bedienen konnte, urn moglichst gute Eesultate zu erzielen,
die praktische Durchfiihrung also der hier nur in groben Umrissen kurz
angedeuteten Methode, die werde ich, wenn Ihnen meine heutigen Worte
gefallen hatten, in einer der naehsten Nummern unserer Monatshefte
mitteilen.
Deutsche und angelsachsische Verhaltnisse in Amerika,
Von Prof. James Taft Hatfield, Ph. D., Northwestern Uni., Evanston, 111.
Mein zweikopfiges Thema soil nicht darauf hindeuten, dass wir hier
als feindliche Elemente auf einander stossen: alle sind wir gleichberech-
tigte Amerikaner, stolz auf unser gemeinsames Vaterland, gleich bestrebt,
auf unser Geschlecht und die kommenden Geschlechter ethisch einzuwir-
ken. Ich komme mit keinem Tropfen Blut in meinen Adern, der nicht
englisch-puritanischen Ursprungs ware, aber ich komme als freier
Mensch, nicht als Vertreter irgend einer Sekte oder Partei. Noch weni-
ger masse ich mir an, hier als Gesetzgeber oder Prophet aufzutreten.
Nur zwei Dinge verspreche ich Ihnen redlich: erstens, don Mut meiner
tlberzeugungen ; zweitens, die Ehrlichkeit, eine halbstiindige Eede nicht
liber 30 Minuten hinauszudehnen. In letzterer Hinsicht ist mancher
sogenannter Biedermann ein gewissenloser Frevler.
Professor Burgess hat vor kurzem mit meisterhaftem Weitblick die
Summe der Griinde gezogen, durch welche die deutsehen und angelsach-
sischen Stamme heute die Weltherrschaft iiber den romanischen, kelti-
schen und asiatischen Rassen f iihren : der magische Schliissel liege in dem
einen ethischen Begriff, Pflichtgefiihl. Mit dieser Eigenschaft
verbunden oder aus derselben hervorwachsend findet er auch bei den bei-
den Volkern in hervorragendem Grade praktische Tiichtigkeit, politische
Fahigkeit, Selbstbeherrschung, Unternehmungsgeist, Urkraft und (last,
but not least) einen hohen, echt-poetischen Idealismus.
Es ist zwecklos, die Tatsache zu verkennen, dass die Fundamente
unserer amerikanischen Zivilisation vorziiglich von den neuenglischen
Puritanern gelegt worden sind. Dem deutsehen Naturel! waren just
diese Staatsgriinder nicht ganz unsympatisch ; man denke an den ,,festen,
strammen, geradezu eisernen, altdeutschen lutherischen lowenherzigen
Vater Klopstocks", wie ihn Erich Schmidt in ciceronianischer Reihen-
folge beschreibt. Beide Schillerschen Eltern, wie auch Goethes Vater,
gehorten in dieselbe Klassc zum Vorteil ihrer beriihmten Sohne.
244 Monatsliefie fur deutsclie Sprache und Padagogik.
Lange vor ihrer Flucht nach Holland mid Amerika hatten die Puri-
taner mit Hintansetzung von Gut und Leben, dem festen Vorsatz der
machtigsten Konigin der Neuzeit, die Selbstandigkeit des freien Men-
schen zu beugen, getrotzt. Ihr Kampf war fur die Freiheit, ihr Einfluss
ist eine unschatzbare Erbschaft des ganzen amerikanischen Volkes. Hire
Ethik war eine alltagliche, hausbackene; sie hatten einen tiefliegenden
Abscheu vor Unehrlichkeit und Unsittlichkeit, sie waren arbeitsam, tiich-
tig, sparsam, durch viele Priifungen abgehartet. Sie betonten die Staats-
und Gemeindepflichten imd gingen nie den schweren Lasten eines guten
Burgers aus dem Wege. Wie fest legten sie die Fundamente einer freien
Selbstregierung ! Der von ihnen in der Kajiite der ,,Mayflower" unter-
schriebene Vertrag gilt mit Recht als die demokratischste Staatsver-
fassung, die die Welt bis dahin gekannt. Obwohl das Mittelalter noch
seinen Schatten iiber ihren Verstand warf, waren sie doch Manner des
Gedankens, geradezu die damaligen Idealisten Englands. Unter den
neuenglandischen Pilgern war eine A.nzahl "county gentlemen", die an
die Wiirde, die Autoritat ihrer Klasse gewohnt waren ; es fehlte bei ihnen
nicht an ritterlichem Geiste, an Hoflichkeit und Zartgefiihl, an die man
eher in Verbindung mit den englischen Kavalieren denkt. Dass es bei
ihnen nach der Seite des frischen Frohsinns hin gemangelt hat, ist wahr.
Sie verbannten verschiedene lebenskraftige Taten und Ausserungen
plastischer Krafte und Triebe im Menschen; aber sie retteten die dama-
lige englische Gesellschaft aus dem schweren Banne des Materialismus.
Sie beschamten fiir alle Zeitalter die Empiriker, die nur das schatzen,
was sie sinnlich verbessert. Im ungeheuren Kampfe zwischen der Befrie-
digung des Gliickseligkeitstriebes und der Erfiillung moralischer Gesetze
stellten sie sich unentwegt auf die Seite des Geistes.
Ich mochte vor allem weitherzig und ohne alle gesellschaftlichen,
konventionellen und sittlichen Vorurteile sprechen. Ich habe den geist-
reichen Vortragen Frau Eegina Watsons gelauscht, worin die Eiickkehr
des attischen Hellenismus in Bausch und Bogen verlangt wird; ich rede
mit aller gehorigen Furcht vor Herrn Georg Sylvester Viereck und den-
noch halte ich es mit den Deutschen Schiller und Kant : ,,Die moralische
Zweckmassigkeit bleibt das Palladium unserer Freiheit." Eineni deut-
schen Publikum brauchc ich nicht zu sagen, dass die Puritaner die Moral
weder entdeckt noch erfunden haben, aber Neu England diente als eine
fruchtbare Pflanzschule sehr holier Begriffe, die dem amerikanischen
Volke und der ganzen Welt zu gute gekommeii sind. Um es mit e i n e m
groben Wort klar auszusprechen, verdanken wir den Puritanern die
iiberzeugende Verwerfung (nicht durch das Wort, sondern durch das
Leben) des alten festsitzenden Wahnes, dass sexuelle Funktionen zum
blosson Zeitvertreibe dienen diirfen. P]s gibt Stimmen genug, welche die
Deutsche und angelsachsische Verhaltm$se in Amerika. 245
urgermanische Anschauung als ,,engherzig" verschreien. Man hort selir
viel, besonders in Paris und Neapel, von einer ,,gesunden Sinnlichkeit"
und ihren unbedingten Rechten, aber die tropische Erotik ist im grunde
asiatisch und romanisch, nicht germanisch. Zu bedauern ist es hierzu-
lande, dass so oft ,,German tendencey" vor dem amerikanischen Publi-
kum als gleichbedeutend mit ,,Simplicissiniuss" und Wedekind
vorgestellt wird. In den grossen Katastrophen der Weltpolitik mag bald
ein Tag konimen, .an dem wir Deutsche und Angelsachsen unsere hoch-
sten Giiter bewahren miissen.
Zuweilen iiberf allt uns wohl ein lahmender Skepticismus : sollen wir
Amerikaner die Fiihrer der gesamten Zivilisation werden, da wir noch
gewissermassen kaum selbst ein Kulturvolk sind? Wo Umstande in un-
sern grossten Stadten vorwalten, die die Tiirkei entwiirdigen und ein
montenegrinisches Bergdorf beschamen miissten? Der greuliche Schinutz
und Unrat, den man neulich in Chicago zur Zeit des republikanischen
Konvents mittelst Zaunen aus Leinwand verdecken musste, ist allzu ty-
pisch f tir den Barbarismus, der in vielen Schichten unseres privaten und
offentlichen Lebens vorherrscht. Und ach! der liebe Reiz des alten
Europa, Landes der Ordnung und des geregelten Lebens, ein Reiz, der
uns so oft mit Sehnsucht erfiillt und mich fur meine Person unrettbar
jeder Ausstellung beweglicher Bilder, deren Films aus dem Atelier Pathe
Freres in Paris stammen, in die Arme treibt.
Fur die unseligen Missverstandnisse von heute biete ich kein Uni-
versalheilmittel an. Das Problem ist und bleibt schwierig; es sind hohe
sittliche Werte, die in Konflikt mit einander geraten, und dabei empfin-
det man die herzzerreissende Verschwendung moralischer Energie. Oft
sind es auch die elendsten Kleinigkeiten, die die peinlichste Regung der
Gremiiter hervorrufen. Die typischsten Vertreter der beiden Elemente
werden recht oft in den Hintergrund verwiesen, indem sich die laut-
schreiende Mittelmassigkeit breit, sehr breit macht. Wir leben in einer
Demokratie, wo man mit Massen zu tun hat, und dem oberflachlichen
Geschmack sind diese Massen oft recht unsympatisch und gar nicht po-
etisch oder anziehend. So stehen oft die zwei grossten und tiichtigstcn
Gruppen unserer Bevolkerung verfeindet und verbittert da, oft scheint
es sogar unmoglich, die Meinungsverschiedenheiten ohne beleidigendeu
Anstoss einmal zu erwahnen. Der erste Schritt zum Versohnen aber
ist die Lage der Dinge zu formulieren. Ich will also lieber versuchen,
einige Fragen klar zu stellen als sie zu losen.
Vielleicht ist der abstechendste Unterschied zwischen beiden Ele-
menten die Jenseitigkeit des Angelsachsen. Die eiserne Konse-
quenz des Englanders findet eine Hauptanwendung in seiner Religion,
und er empfindet eine moralische Befriedigung in dieser ausgefiihrten
Logik. Er ist im grunde von der Alleinherrschaft der christlichen Re-
246 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
ligion und von der Allmacht der kanonischen Schriften iiberzeugt (nota
bene, mit gewissen sehr frei ausgearbeiteten praktischen Ausnahmen, z.
B. Zinsen fur ausgeliehenes Geld, gegen alle biblischen Vorschriften)
und nach diesem Vordersatz fahrt er fort, so gut es nur geht, sein irdi-
sches Leben auf himmlischem Fusse hinzubringen. Wo Sie Deutsche
ein Vergniigen finden, Volkslieder in frohlichem Chor anzustimmen,
sucht sich der angelsachsische Amerikaner (resp. die Amerikanerin)
durch die Gebetstunde, die Lagerversammlung, den -Christian Endeavor
Convent, die Y. M. C. A. Konferenz eine Erleichterung der Prosa unse-
rer irdischen Existenz zu verschaffen. Die Erweckungsposaune eines
Billy Sunday ruft ihn demiitig vor den Altar, und auf den Befehl die-
ses Ersten unter den heutigen Aposteln lasst er mitten in der Woche das
Geschaft einer ganzen Stadt stocken. Millionen auf Millionen fliessen
alljahrlich in die Koffer der Missionsgesellschaften, die die ganze Welt
(inklusive das dunkelste Deutschland) mit ihren Aposteln erfiillen. Im
Dienste dieses religiosen Ideals widmet mein Stammesgenosse den Sonn-
tag ganz und gar der stillen Andacht und Beschaulichkeit. (Das glau-
ben Sie nicht, aber er tut's doch!)
Was die Zukunft der amerikanischen Eeligion sein wird, lasst sich
kaum ahnen. tiberlebte Konfessionen und konfessioneller Zwang sind
heute kaum im Absterben begriffen. Viele Interessierten beuten diese
Religiositat der Andachtigen schlau und unbarmherzig aus, aber das
Herz unsers Volkes ist ernst, fromm und aufrichtig. Die Deutschen ste-
hen mehr fiir eine lebensfreudige Diesseitsreligion ein (wenn man lo-
gisch von einer Diesseitsreligion reden kann). Nun, wenn sich der armo
Mensch in seinem dunklen Drange einen gelegentlichen Rausch, sei es
durch Wein und Bier, sei es durch Erweckungsbegeisterung erlaubt,
brauchen wir nicht zu sehr liber ihn zu triumphieren. Und wenn er
jetzt auch nur verworren dient, mag wohl der grosse Herr droben ihn
bald doch in die Klarheit fiihren. Vorlaufig Respekt vor dem guten
Willen, der Selbstaufopferung, der Treue, die sich in dieser oft fanati-
schen Hingabe offenbaren!
Bei weitem auffallender ist die Reibung entgegengesetzter Meinun-
gen in der Frage alkoholischer Getranke. Seien Sie ausser aller Sorgc.
Geliebte in dem Herrn, dass ich jetzt eine sogenannte Temperenzrede
loslasse. Mutig wie ich bin, und selbst wenn ich Prohibitionist ware,
besitze ich nicht die Kuhnheit, hier an Ort und Stelle die Fundamente
dieser imposanten Frage zu durchwiihlen. Die geduldigen Deutschen,
die ihre eigenen Gewohnheiten kennen und pflegen, sind es endlich herz-
lich satt, sich darum als grundschlechte Menschen und Trunkenbolde
verschrieen zu horen — und aucli gewisse andere Leute finden es keines-
wegs angenehm, sich durchweg als Duckmauser, Mucker, Scheinheilige
und Wassersimpel abfertigen zu lassen.
Deutsche und angelsdchsische Verhdltnisse in Amerika. 247
Bei der unmassigen, man diirfte sagen ausschweifenden und lieder-
lichen Bekampfung des Alkoholismus seitens heisskopfiger Fanatiker
muss man den fatalen Missgriff bedauern, dass die gute poetische Sache
der gesellschaftlichen Eeform mit den diistern Zwecken der Prohibition
identifiziert wird. Auch widerspricht es dem gesunden moralischen Ge-
fiihl, dass der Staat ohne weiteres das gestrige legitime Gut des Brauers
auf einen Schlag einstreicht. Wenn man ohne Umstande den Stab iiber
dem ,,Saloon" bricht, lasst man der Sache keine Gerechtigkeit widerfah-
ren, da doch dies Institut (in der Meinung solcher ersten Autoritaten
wie Jane Addams) auf eine legitime Weise den gesellschaftlichen Be-
diirfnissen des armen Mannes entgegenkommt. Der „ Saloon" 1st nicht
hauptsachlich um des Saufens willen da: es sind nicht bloss die verwor-
f ensten Leute, die da verkehren : es handelt sich mehr um Gemiitlichkeit,
Zeitungen, Spiele, menschlichen Verkehr. Der Wirt hat oft ein warmes
briiderliches Herz, eine hilfreiche Hand.
Schliesslich ist die W. C. T. U.-Ethik eine Knechten- und Sklaven-
moral und nicht eine fiir die Kinder des Hauses. Man miisste schliessen,
die Gesetzgebung sei bloss um der Verkommenen, der Schwachlinge wil-
len da. W i r haben die Entarteten nicht geschaffen und wir verzichten
auf die plenare Verantwortlichkeit fiir ihre Perversitaten.
Das Wichtigste auf diesem gef ahrlichen Gebiete ist zweif elsohne der
Bericht des New Yorker "Committee of Fifty of the Sociological Group",
das das Alkoholproblem untersuchen sollte, ein Komitee, das aus den
besten Mannern zusammengesetzt war, die unsere Zeit aufzuweisen hat
und dessen unparteiische strengwissenschaftliche Schliisse alle Achtung
verlangen, wie es auch in den gediegenen Schriften der U. S. Brewers'
Association (die ich Herrn Fox verdanke) anerkannt wird. Unter die-
sen Mitgliedern waren Pras. Eliot, Seth Low, Felix Adler, Charles Dud-
ley Warner, Secretary Bonaparte, Carroll D. Wright, Pras. Gilman und
General Francis A. Walker, der von der Universitat Halle als ,,der Griin-
der der wissenschaftlichen Statistik" gekront wurde.
Jeder denkende Mensch gibt freiwillig zu, das es keines Berichtes
bedarf, um festzustellen, dass das existierende amerikanische Saloon-Ge-
schaft seine Schattenseiten habe. ,,Ich habs fur sieben iaren gewist,
das huifnegel eisen sind." Der Bericht gibt Einzelheiten : Die kon-
servativste Statistik lasse 25% der unverbesserlichen Armut aus dieser
Quelle fliessen; von verwahrlosten Kindern sei 45% in Elend aus die-
sem Grunde geraten; von Kriminalf alien komme 31% direkt von der-
selben Ursache.
Bei aller gerechten Verdammung wasserscheuer Fanatiker muss
man doch Eiicksicht auf solche herzzerreissende Tragodien nehmen, die
in fast alle Familienkreise eingreifen konnen.
248 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Nichts 1st mir mehr aufgef alien bei meinem kiirzlichen einjahrigen
Aufenthalt in Deutschland als das Eingreifen deutscher Gemeinden (ge-
wiss weder Kopf hanger noch Duckmauser) gegen die Trunksucht. In
vielen Ratshausern (z. B. im intelligenten Weimar) hangt man physio-
logische Warnungen aus, die die grasslichen Konsequenzen des alkoholi-
schen Missbrauchs anschaulich darstellen. Eine bezeichnende Eigentiim-
lichkeit des grossen National-Parteitages der sozialdemokratischen Partei
Deutschlands, Sept. 1905 in Jena abgehalten, wo Bebel, Singer, Rosa
Luxemburg, Diederichs u. a. eine Hauptrolle spielten, war eine umfang-
reiche systematische Ausstellung zur Bekampfung des Alkohols, wo in
all ihrer bunten Farbenpraeht die erschreckenden Tafeln hingen, die di-
rekt von meiner ehemaligen lieben Freundin Frances E. Willard stam-
men!
,,Weniger Gebrauch geistiger Getranke bedeutet anstandigeres Be-
tragen und mehr Frieden in der Gemeinde", sagt der erwahnte Bericht
(der entschieden gegen Prohibitionsgesetze eintritt) und ich schatze we-
nig den Kopf oder das Herz des Menschen, der keinen Pulsschlag der
Entriistung gegen das existierende tibel empfindet, der keine Stimmc
und keine Tatigkeit in Bewegung setzt, um demselben zu steuern. (Der
recht verspatete und sehr motivierte Eifer der Brauer in ihrer funkel-
nagelneuen Kampagne gegen die Verbrecher mag flir so viel gelten als
er wert ist.)
Nur auf diese Weise konimen wir zum Verstandnis des schwarme-
rischen Eifers der Prohibitionisten, die das erhabene, an und fiir sich
sehr zu schatzende Ideal pflegen, einem schrecklichen Ubel, dem ,,Fluch
aller Fliiche" durch einen heroischen Schlag ein unbestrittenes Ende zu
machen. Ihre Stimmung ist heldenhaft, ihre Logik unter aller Kanone.
Diese asketische Stimmung herrscht vor allem in den grossen amerika-
nischen Kirchen. Will man die dort gepflegten Anschauungen naher
kennen lernen, so hore man ein paar kostliche Worte aus der Rede der
gesamten Bischofe der Methodist Episcopal Church, wie sie im vorletz-
ten Monat vor der Baltimorer General-Konferenz ausgesprochen wur-
den: ,,Dieses schleichende gesetzzertretende morderische Geschaft. Es
beansprucht weder Schonung noch Menschenliebe. Es gibt kein Gesetz,
das es willens ist zu respektieren, keinen Eid, den es heilig halt, kein
Kind, das es nicht unrein zu machen, kein Weib, das es nicht zu er-
niedrigen, keinen Mann, den es nicht zu entehren sucht. Es frisst sich
satt von unehrlichem Betragen und von der Schande des Bordells. Es
facht alle Rachsucht an und lasst den Morder auf der Leiche des Erschla-
genen tanzen. Kein Geld in den Taschen der Arbeitsgeber, keine Steu-
ern im Schatze des Staates wiegt die finanziellen Verluste der Nation
durch dieses Geschaft auf. Kein Gewinn, noch so ungeheuer und reell,
ersetzt die Korruption unserer Politik, das Elend des verodeten Hcims,
Deutsche und angelsdchsische Verhdltnisse in AmeriJca. 249
die Uberfullung der Gefangnisse und der Graber. Erhebet euch jetzt
und schworet unablassige Fehde gegen diesen Feind der Menschen und
Gottes!"
Nun, ich kenne alle diese eifrigen Bischofe sehr gut und versichere
Sie, dass es Leute von mehr als durchschnittlicher Intelligenz sind. Einer
von diesen ist mein Schwager, ein liebenswiirdiger und charaktervoller
Mensch, der nebenbei National-Prasident der Amer. Anti-Saloon Liga
ist. Auf besagten feurigen Aufruf bin sprang die ganze Konferenz auf
die Fiisse und rief hundertmal Hoch aus voller Kehle. ,,Amerika" wurdo
angestimmt und der ganze Saal schallte von dem begeisterten Gesang,
worauf ,,Glory, Glory, Hallelujah, Our God is Marcbing On!" folgte.
,,Schrecklich", sagt Schiller, ,,ist der falsche Idealismus. Er ver-
lasst den f esten Boden der Natur ganz und gar" aber in unserem
trockenen geschaftsergebenen Lande verehre ich doch den Namen des
Idealismus, auch in dem gesudelsten Konterfei; es sollte Ihre Aufgabe
sein, meine teuren Deutschen, diesen Idealismus eher zu retten als ver-
achtlich zu finden. Fein und begeistert war der Appell des heiligen
Bernhard an den rb'mischen Kaiser deutscher Nation im Dome zu Frank-
furt, sich doch auf den Weg des Kreuzes zu begeben, wie imselig auch
dieser Kreuzzug ausgelaufen ist.
Zum Schlusse mochte ich die Anmerkung hinzufiigen: Die ganze
alkoholische Frage ist im Grunde eine wissenschaftliche und kei-
neswegs eine bloss historische, religiose, romantische oder subjektive.
Weder die angenehme Warme, die sich iiber das ganze System verbrei-
tet, noch das schnellere Schlagen des Herzens, noch die zufriedenen Ge-
danken, die das Gehirn fiillen, wodurch alles als Freude und Licht und
Leben vorkommt, alles inwendig und auswendig in Kosenfarben schim-
mert — weder diese subjektiven Erfahrungen haben darein zu reden
noch die vermeintliche Autoritat der althebraischen Schriften, richtig
oder unter Zwang gedeutet. Der jetzige Fehlschlag der Prohibition
schliesst wissenschaftlich nicht aus, dass doch die Menschheit bei mehr
Licht freiwillig und riicksichtsvoll auf Alkohol verzichte. Prinzipiell mo-
gen die Deutschen vielleicht zur einstigen Anschauung der alten
Schwaben zuruckkehren, die es, wie Julius Casar berichtet, verboten, den
Wein iiberhaupt bei sich einzufiihren, .,da sie meinten, dadurch wiirdon
die Manner verweichlicht und so verzartelt, das sie nicht mehr zum Er-
tragen barter Arbeit taugten."
Und da diese Frage eine rein wissenschaftliche ist, so sind begrenzte
und massige Experimente willkommen. In Evanston z. B. hat man auf
jungfraulichem Boden, der an die Regierung aus den Handen der Indi-
aner kam., solchen Versuch gemacht, und kein Mensch unter seinen 20,-
000 Einwohnern, welcher Basse oder Ansicht er auch sei, mochte dort
die Bierwirtschaft heute einfiihren, und doch war der Einfluss. der
250 Monatshefte fur deuische Sprache und PddagogiJc.
Brauer immer auf der Seite der kiihnen Einbrecher, die diesen Versuch
eitel machen wollten. Es scheint mir die Pflicht aller weitherzigen
Menschen, die Privilegien eines unabhangigen Gemeinwesens zu achten
und Einfluss gegen das riicksichtslose Eindringen und Niederreissen
seiner Anstalten auszuiiben. Hier gilt das freimiitige Gedicht, Uhlands
Hausrecht :
Tritt ein zu dieser Schwelle!
Willkommen hier zu Land!
Leg' ab den Mantel, stelle
Den Stab an diese Wand!
Sitz obenan zu Tische!
Die Ehre ziemt dem Gast.
Was ich vermag, erfrische
Dich nach des Tages Last!
Wenn ungerechte Rache
Dich aus der Heimat trieb,
Nimm unter meinem Dache
Als teurer Freund vorlieb!
Nur eins ist, was ich bitte:
Lass du mir ungeschwacht
Der Vater fromme Sitte,
Des Hauses heilig Reeht!
Das im Trinkgeschaft ausgelegte Kapital betrug 1896 etwa $957,-
000,000 und ungefahr 2,000,000 Personen sollen sich von diesem Er-
werb ernahren. Diese grossen Interessen sind keineswegs notwendig
auf der Seite der Unmassigkeit, aber sie wirken ungeheuer stark, durch
Geld und Einfluss, gegen jede Einschrankung ihrer bedenklichen Macht.
Wohl dem unabhangigen patriotischen Burger, der den Mut hat, es auch
mit dieser mehr als kaiserlichen Herrschaft, wenn's die Pflicht verlangt,
auf zunehmen ! Ich weiss, man hat gut reden, wo einen kein dummes
Gesetzchen driickt, ich weiss auch sehr gut, dass ich vor kurzer Zeit, als
ich einige Tage in Wisconsin zuzubringen hatte, sogleich nach Zigaret-
ten verlangt, und dieselben, die auf dunklem Wege gekommen sind, in-
stinktiv ohne weiteres Bedenken geraucht habe, — aber es interessiert
uns alle, die Gesetze als solche hochzuhalten, soil nicht Amerika als Fein-
din der Ordnung gelten.
Neulich wurde ein Evanstoner verhaftet, weil er sein Automobil
ruchlos durch die kinderreichen Strassen unserer idyllischen Vorstadt
gehetzt hatte. Als er ins Polizeiamt gefiihrt wurde, schlug er mit Bit-
Deutsche und angelsachsische Verhaltnisse in Amerika. 251
terkeit auf das dort aufgehangte Nationalbanner mit dem Atisruf:
,,Pfui iiber eine Flagge, die keine Freiheit schiitzt!" Ich lobe ihn nicht:
die Fahne und die Gesetze meines Vaterlandes sind mir teurer als eine
unbedingte, selbstische Lizenz.
Aus allem Vorhergehenden leuchtet es ein, dass die Beiberei und
die Meinungsverschiedenheiten in dieser Sache sehr, sehr weit auseinan-
der fiihren. Auch ist es klar wie der Tag, dass hier die extremsten An-
sichten nicht miteinander zu versohnen sind: entweder ist die Lb'sung
ein erbitterter Kampf heisser Partisanen oder ein verniinftiger Ausgleich
durch freundliche Annaherung derjenigen, die einen goldenen Mittelweg
einschlagen wollen. Mogen sich in diesem Sinne die besten Deutschen
und Angelsachsen die Hande zum Versohnungsversuch und im Interesse
der reinen Wahrheit reichen!
Eine sich iiberhebende Unkenntnis bewahrter angelsachsischer Werte
seitens der Deutschen wirkt immer entziindlicli auf das angelsachsische
Gemiit. Um das Allerwinzigste zu erwahnen, die Deutschen, die in
der englischen Schrift die grossen Buchstaben I und J nicht unterschei-
den, und daher solche Worte wie ,,Importers", ,,Interlaken", kaltblii-
tig mit einem Anfangs-J drucken, sind verantwortlich fiir eine intensive
Verachtung des deutschen Intellekts. Auch eine ignorante Absprechung
bedeutender Verdienste der Angelsachsen in der Gelehrsamkeit, der
Kunst, dem Fortschritte der Menschen macht boses Blut. Wenn Pro-
fessor Knortz in seiner Abschatzung gelehrter Leistungen in Amerika
die Werte dann und wann verkehrt; wenn die ausgezeichnete Edna Fern
vom Prasidenten der Harvard-Universitat als von ,,James Elliot"
schreibt, so empfindet der Neu-Englander dasselbe Grauen, das Sie iiber-
laufen wiirde, wenn Sie in einem gelehrten englischen Buche gewisse Gei-
steshelden Deutschlands unter den Namen ,,Ulysses S. Goethe", ,,Theo-
dore E. Luther" fanden. Wer das amerikanische Publikum zu hoheren
Idealen fiihren will, darf nicht eine mehr als eulenhafte Blindheit ge-
geniiber unseren besten Leistungen an den Tag legen.
Unter alien Volkern aber
Sind's die Deutschen, die am meisten
Uns damit zu schaffen machen.
Ich weiss mir zwei brillante Ausnahmen auf diesem Gebiet: Kuno
Francke und Frau Amalie von Ende. Auch Schiller und Goethe mach-
ten recht bedauerliche Missgriffe in ihrer Schatzung englischer Werte.
Wer eine Kritik iiber amerikanische geistige Errungenschaften ausiibt,
soil nie seine geistige Nacktheit Emerson, Lowell, St. Gaudens, Whit-
ney, Holmes, Child, Sargent, Richardson gegeniiber entblossen. Solange
252 Monatshefte fur deutsche Sprachc und Padagogik.
Deutsche und Angelsachsen sich gegenseitig als unmiindig ansehen, so
lange bleiben sie getrennt. Lassen wir lieber das Bestrittene mit mehr
gegenseitiger Achtung gewahren und wenden wir uns zum positiven Wir-
ken. Das Beste wird dann das Fehlerhafte verdrangen.
Der nachste Weg zu einer erfolgreichen Yereinigung scheint mir in
der Bekampf ung der Nichtachtung des Schonen in Amerika zu
liegen. Wie ich im Anfang gesagt habe, und ich hoffe in keinem eng-
herzigen Sinne, muss das Einzige, was uns beide begeistern kann, ein
ethischer Zweck sein. Aber ich glaube fest mit Schiller, dass der Aus-
gleich streitender Ansichten auf dem Wege der asthetischen Be-
trachtung stattfinden miisse : der hochste Begriff der Kunst sei ein mora-
lischer. ,,Wie oft ist diese hohe gottliche Thalia eine Spassmacheriii
des Pobels, oder Staubleckerin an sehr kleinen Thronen?" Bei alien ho-
heren Unternehmungen diirften die Deutschen mehr als leitendes Ele-
ment hervortreten. Ein Unternehmen nach dem anderen scheitert an
Mangel an Interesse. ,,Die Glocke Glocke tont nicht mehr!" Moge es
dem tapferen ,?Vorkampfer" besser ergehen!
Haben die Deutschen im allgemeinen die brennende Entrustung.
die saeva indignatio gegen die Vulgaritaten der amerikanischen Stadt-
politik ausgesprochen, wie es sich gebiihrt? Ich kann nicht finden, dass
der erquickende Zug einer hohen Begeisterung durch solche Kampagnen
geweht ist, oder dass sie uns zu dem Tage viel naher gebracht, an dem
man mit der Schrift sagen kann, ,,und ich will machen, dass deine Vor-
steher Frieden lehren sollen, und deine Pfleger Gerechtigkeit predigen."
Also, ich habe genug (vielleicht viel mehr als genug) gesagt, um
den Zusammenstoss der Meinungen hervorzuheben. Durch Gewalt sind
diese nicht wegzuraumen, sondern durch die reine und praktische Ver-
nunft beider verniinftigen und gediegenen Volker. Also, kein Zwang,
kein Terrorismus, kein Ducken vorm Gelde, vor der offentlichen Meinung
oder vor Pf affenautoritat ; der Mut — ja, wo's Not tut, der Zorn — der
freien Rede; gegenseitige Achtung, offener Sinn — so schreiten wir ge-
wiss erfolgreich weiter und wir ken ethisch auf unser eignes Geschlecht
und auf die kommenden Geschlechter ein!
(Offlziell.)
Verfassung des Nationalen Deutschamerikanischen
Lehrerbundes.
Angenommen vom 36. Lehrertag in Milwaukee 1908.
/. Zwecke.
§ 1. Der Rationale Deutschamerikanische Lehrerbund bezweckt:
a) die Erziehung wahrhaft freier amerikanischer Staatsbiirger ;
b) Propaganda zu machen fur naturgemasse (entwickelnde) Erzie-
hung in Schule und Haus;
c) die Pflege der deutschen Sprache und Liter atur neben der engli-
schen, und
d) die Wahrung der Interessen der deutschen Lehrer in den Verei-
nigten Staaten.
§ 2. Die Bundeszwecke werden angestrebt :
a) durch eine alljahrlich abzuhaltende Versammlung ;
b) durch Ernennung und Unterstiitzung eines Bundesorgans ;
c) durch Teilnahme an der Verwaltung des Nationalen Deutsch-
amerikanischen Lehrerseminars.
II. Organisation des Bundes.
§ 3. Die oberste Vollzugsbehorde des Lehrerbundes ist der Bundes-
vorstand, Dieser besteht aus neun, von dem Bundeslehrertage zu wah-
lenden Mitgliedern und bleibt bis zum Schlusse der nachsten regelmassi-
gen Tagsatzung im Amte. Die Vorstandsmitglieder wahlen aus ihrer
Mitte einen Prasidenten, einen Vizeprasidenten, einen ersten und einen
zweiten Schriftfiihrer und einen Schatzmeister.
§ 4. President, Yizeprasident, Schatzmeister, erster und zweiter
Schriftfiihrer bilden den Vollzugsausschuss des Bundes vorstandes. Der
Vollzugsausschuss besorgt alle laoifenden Geschafte nach den allgemeinen
Anordnungen des Bundesvorstandes, er bewirkt nach Kraften die Aus-
fiihrung der Beschliisse und Auftrage der Bundesversammlungen ; er hat
das Recht, sich zu erganzen, und soil die Hauptergebnisse seiner Beratun-
gen im Bundesblatte bekannt machen. Dem Vollzugsausschusse liegt die
254 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Agitation fiir die Bildung von Lokalvereinen ob. Er hat mit Beriick-
sichtigung berechtigter Wiinsche der Lokalvereine und des Ortsausschus-
ses die Geschafts- und Tagesordmmg fiir den Bundeslehrertag festzustel-
len und sie mindestens zwei Monate vor der Konvention im Bundesor-
gane zu veroffentlichen. Er empfangt von den einzelnen Ausschiissen
Berichte iiber deren Tatigkeit, verwaltet das Bundeseigentum, veroffent-
licht durch den Schriftfuhrer die Protokolle des Bundes, fiihrt die Mit-
gliederliste und sorgt fiir deren Abdruck in der ersten dem Lehrertage
folgenden Nummer des Bundesorgans ; er erstattet dem Bunde am Bun-
deslehrertage Bericht und iibergibt am Ende der Tagung dem neuerwahl-
ten Bundesvorstande das Bundeseigentum.
III. Ausschusse.
§ 6. Der Bundeslehrertag ernennt standige Ausschusse fiir verschie-
dene Zweige des Erziehungswesens und des Unterrichts, sowie fiir die
deutschamerikanische Schulstatistik.
§ 7. Der Lehrerbund erwahlt alljahrlich ein Komitee zur Pflege des
Deutschen, das aus fiinf Mitgliedern bestehen soil. In das Bereich der
Tatigkeit dieses Komitees sind alle solche Massnahmen zu ziehen, die zur
Hebung und Forderung des deutschen Unterrichts in den Schulen des
Landes beitragen konnen. Es soil sich besonders iiber den Stand dieses
Unterrichts in den einzelnen Ortschaften Kenntnis verschaffen und durch
Vorschlage und Berichte etwaige Verbesserungen herbeizufiihren suchen.
Das Komitee hat der Jahresversammlung iiber seine Tatigkeit aus-
fiihrlich Bericht zu erstatten. Zur Ausfuhrung seiner Arbeit wird
dem Komitee alljahrlich vom Lehrertage eine von diesem festzusetzende
Summe zur Verfiigung gestellt.
IV. Lehrerbund und Lehrer seminar.
§ 8. Die Teilnahme an der Verwaltung des Nationalen Deutschame-
rikanischen Lehrerseminars ist folgendermassen geregelt:
a) Dem Verwaltungsrate des Lehrerseminars gehoren als standiges
Seminar komi tee sechs Mitglieder des Lehrerbundes mit dreijahriger Amts-
dauer an, von denen alljahrlich zwei ausscheiden. Der Lehrerbund oder,
falls die General versammlung des Seminarvereins vor dem Lehrertage
stattfmdet, der Bundesvorstand schlagt vier Mitglieder zu seinen Vertre-
tern im Verwaltungsrate vor, von denen der Seminarverein zwei erwahlt.
b) Der von dem Verwaltungsrate des Seminars aus diesen sechs Ver-
tretern des Lehrerbundes ernannte Lehrerausschuss bildet zugleich den
Priifungsausschuss. Derselbe hat dem Lehrertage iiber die Arbeit des
Seminars und iiber das Ergebnis der Priifung Bericht zu erstatten.
Verfassung des Lehrerbundes. 255
c) Zur Beistreitung der Auslagen des Priifungsausschusses bezahlt die
Bundeskasse dem Verwaltungsrate des Seminars alljahrlich die Summe
von sechzig Dollars.
V. Mitgliedschaft und Beitrdge.
§ 9. Die Mitgliedschaft des Nationalen Deutschamerikanischen
Lehrerbundes konnen erwerben:
Lehrer und Erziehungsfreunde.
Die Mitglieder zahlen einen regelmassigen Jahresbeitrag von zwei
Dollars.
Jedes Mitglied ist so lange zur Zahlung des Beitrages verpflichtet, bis
es seinen Austritt schriftlich beim Schatzmeister anzeigt.
VI. Vermogensverwaltung.
§ 10. Die Bundeskasse wird von dem Schatzmeister verwaltet. Der
Vollzugsausschuss setzt die Hb'he der Biirgschaft des Schatzmeisters fest
und hat das Eecht, fiir ausserordentliche Zwecke bis zu fiinfzig Dollars
innerhalb eines Jahres zu verwenden. Der Bericht des Schatzmeisters soil
mit dem Tage vor der Jahresversammlung abschliessen.
VII. Abstimmungen.
§ 11. a) Allgemeine Abstimmungen bei der Tagsatzung des Lehrer-
bundes sollen durch einfache Majoritat der anwesenden Mitglieder ent-
schieden werden. Zur Bewilligung von Geldern und bei Vorschlagen zur
Abanderung der Statuten ist eine zweidrittel Mehrheit der Stimmen aller
anwesenden Mitglieder erforderlich.
b) Die Wahl des Bundesvorstandes geschieht durch Stimmzettel ; alle
anderen Abstimmungen in Versammlungen finden viva voce statt, doch
muss auf Veranlassung eine Teilung vorgenommen werden.
VIII. Statutendnderung.
§ 12-. Ein Antrag auf Abanderung der Statuten kann in irgend einer
Sitzung des Bundeslehrertages, ausser der Schlusssitzung, gestellt werden,
darf aber erst in der nachsten Sitzung derselben Tagung zur Debatte und
Abstimmung gebracht werden.
IX. Nebengesetze.
§ 13. Nebengesetze konnen vom Bunde jederzeit den Statuten hin-
zugefiigt werden, falls sie nicht den oben niedergelegten Bestimmungen
zuwiderlaufen.
(Offiziell.)
Schreiben des BundesprlKsidenten.
An die Mitglieder
des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
Es war mir nicht vergonnt, bei der Schlusssitzung des jiingsten Leh-
rertages nach erfolgter Prasidentenwahl einige entsprechende Worte an
Sie richten zu konnen, da ich schon am Abend zuvor das schone Milwau-
kee hatte verlassen miissen, um noch rechtzeitig an der Seekiiste einzu-
treffen. Die erste Kenntnis von der Wahl kam mir auf der Eiickreise
durch eine Drahtnachricht in der Tagespresse zu, und bald darauf erhielt
ich von unserem Yizeprasidenten Dr. Hoelper eine briefliche Mitteilung
nebst Zeitungsausschnitten, die mich iiber die Verhandlungen und Yor-
gange am letzten Sitzungstag belehrten, sowie auch eine Zuschrift unseres
Schatzmeisters €. Engelmann, worin er mir anzeigte, dass bis dahin 214
Mitglieder ihre Beitrage fiir das laufende Jahre einbezahlt hatten und
dass nach Abzug aller von ihm berichtigten Rechnungen und Anweisungen
7Air Zeit $415.51 in der Bundeskasse seien, welche Summe er in dem Bank-
liause von Marshall & Ilsley in Milwaukee niedergelegt habe. Beiden
Herren hiermit meine dankende Anerkennung.
Ich nehme nun die erste Gelegenheit wahr, Ihnen, werte Kollegen
und Kolleginnen, fiir das ehrende Yertrauen, das Sie mir durch die Wahl
zum Prasidenten des Lehrerbundes bezeigten, meinen warmsten Dank zu
ubermitteln. Es ist der Ausdruck des ein berufsfreudiges deutsches Leh-
rerherz belebenden Gefiihls, desselben Grefiihls, das uns alle zusammen-
gebracht hat und vereinigt — und was so vom Herzen kommt, mag auch
jedem zum Herzen gehen.
Lassen Sie uns nun hoffnungsfreudig in die Zukunft schauen und ein
jedes nach Kraften wirken, um sie unseren hohen Zielen entsprechend zu
gestalten. Unter giinstigen Umstanden sind wir in das neue Yereinsjahr
eingetreten. Auf einem ungemein anregenden Lehrertag hat unser Bund
durch Annahme einer geeigneten Yerfassung eine festere Gestaltung
erfahren, wir haben eine fiir unsere Yerhaltnisse ansehnliche Summe in
der Bundeskasse, unser Seminar ist besser ausgestattet als je, die Univer-
sitaten begiinstigen mehr und mehr unsere Ziele, und die notigen Schritte
zu einer engeren Yerbindung von Westen und Osten, die unser Wirken
verstarken und erweitern soil und muss, sind eingeleitet worden.
Um nun in unseren Bestrebungen erfolgreich zu sein, muss ein jedes
einzelne Mitglied in seinem Kreise und nach besten Kraften zielbewusst
wirken, und das ohne Yerzug. Zunachst mochte ich jedem raten, die in
Schreiben des Bundesprusidenten-. 257
diesem Hefte enthaltenen Yortriige und Beschliisse vom jiingsten Lehrer-
tag mit Musse zu durchlesen, um sicli in die geeignete Stimmung zu brin-
gen oder sie zu vertiefen. Daiin wirkeii Sie fiir kraftige Unterstiitzung
unseres Bundesorgans, und das nicht lediglich durch Sammeln von Abon-
nenten, sondern vielmehr dadurch, dass haufig Berichte aus Ihrer Stadt
oder Gegend darin erscheinen; das ermuntert, halt uns mehr zusammen
und zieht Leser an. Nehmen Sie sich in diescr Beziehung unseren ge-
treuen Berichterstatter in Cincinnati zum Yorbild. \Verden. Sie auch
nicht miide, mit Kollegen und Schulfreunden in Ihren Kreisen zu bespre-
chen, wie von dort die Interessen unseres Seminars am bcsten gefordert
werden konnen, und womoglich die notigen Schritte dafiir zu treffen.
Und dann mochte ich Ihnen ans Herz legen, fiir die Erweiterung und
Festigung des Nationalbundes, dem wir ja als Kb'rpcrschaft schon ange-
horen, in Ihren Kreisen unentwegt zu arbeiten. Wenn wir bei unseren
Schulbestrebungen da und dort Fusstritte erfahren haben, so miissen wir
uns das doch selbst zuschreiben, weil wdr uns eben, allzu bescheiden, ans
Schwanzende gestellt batten; mit den im Nation albund vereinigten
deutschen Genossenschaften konnen wir uns durch einmiitigcs, selbstbe-
wusstes Vorgehen auf politischem Gebiet ans Kopfende stellen. Das ist
bereits an einigen Orten mit bedeutendem Erfolg geschehen. Und dabei
haben die Damen, wenn sie das Stimmrecht auch nicht besitzen, ,,mit
sanft iiberredender Bitte" wacker mitgeholfen.
Ferner kann ich nicht umhin, meine auf dem jiingsten Lehrertaj^
eri'olgte Befiirwortung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins hier zu
betonen. Die Sache wird voraussichtlich bei der nachsten Tagung wieder
aufgebracht werden, und es ist ratsam, dass alle, die desscn Wesen nicht
naher kennen, sich inzwischen damit vertraut machcn. Unser Kollege
Dr. Hoelper ist Sekretar des bliihenden New Yorker Zwoigcs, er wird sehr
gerne jede gewlinschte Auskunft erteilen.
Gedenken Sie auch unseres Ausschusses fiir die Pflcge des Deutschen,
wenn und wo Sie etwas Einschlagiges beobachten konnen. Die betreff en-
den Mitglieder werden Ihnen fiir jedwede Mitteilung schr dankbar sein.
Zur Abhaltung des nachsten Lehrertages sind wir nach New York
eingeladen worden. Die Kollegen und Schulfreunde dort werden gewiss
alles aufbieten, um ihn zu einem erfolgreichen und angenehmen zu gestal-
ten. Die Reise vom Westen ist nun etwas kostspielig, und da darf ich
vielleicht den dortigen Freunden den Gedanken nahe bringen, von jetzt
an jeden Monat eine gewisse Summe daftir zuriickzulegen. Wer einmal
nach dem Osten kommt, mochte gewiss auch etwas langer da verweilen,
und es werden den Besuchern Platze empfohlen werden, wo sie nach
Schluss des Lehrertages zu Piaten kaum hoher als in heimischen Sommer-
iVisclicn, etwa $8 die Woche, verweilen konnen. An der schonen Chesa-
peake Bai, nahe Annapolis, sind solche schon von $6 an zu finden.
258 Monatshefte fiir deutsche Sprache und Padagogik.
Sollten Sie irgend welche Katschlage oder Wiinsche inbezug auf die
nachste Tagung haben, dann werden Sie mich zu Dank verpflichten, wenn
Sic micli davon in Kenntnis setzen wollen.
Gestatten Sie mir schliesslich noch einige personliche Worte. Es
haben sicli viele gewundert, dass ich mir in diesem Jahre die Tropenwelt
zur Sommerfrische auswahlte. Nun ware ich ja freilich liebcr im Winter
hieher gekommen, da mir das aber meine Berufsarbeiten unmoglich
machen und ich mich sehnte, meinen Sohn. der seinen Posten als Berater
des Gouverneurs der provisorischen Regierung von Cuba nicht verlassen
kann, wieder einmal zu sehen, liess ich mich bestimmen, der Einladung zu
folgen. Ich finde die Temperatur ganz und gar nicht so lastig, als ich
mir vorstellen liess, sic stieg so weit nicht liber 3(H Grad Celsius (87 Grad
Fahrenheit) und wird stets durch frische Seewinde gemildert. Ich habe
die Insel bis ans karaibische Meer, und der Lange nach auf einige hundert
Meilen bereist, meistens im Automobil, und iiberaU die Temperatur ganz
ertraglich gefunden; eine Hitze, wie ich sie schon in New York, Chicago
und anderen amerikanischen Stadten erlitten habe, sclieint hier undenk-
bar zu sein. Dabei sind auch Wohming, Kleidung und Lel^ensweise dem
Klima entsprechend, iiberall sind den kiihlenden Seewinden Tiir und Tor
offen, Glasfenster gibt es nicht, und in der Stadt Havana gibt es weder
Fliegen noch Moskitos. Diese Stadt mit ihren geradezu uubeschreiblichen
Naturschonlieiten ware in der Tat ein idealer Platz fiir einen Lehrertag.
Und nun wiinsche ich Ihnen alien ein recht angenehmes und erfolg-
reiches Berufsjahr.
Mit kollegialischem Gruss
Carl Otto Schoenrich.
Havana, Cuba, im August 1908.
Stimmen /um 36. Lehrertage.
Einen Kommentar zum 36. Lehrertage soil ich liefern? Das diirfte
ein Ijeichtes sein; denn die Eindriicke waren so lebhaft und giinstig, dass
sie meinen Daytoner Kolleginnen und mir noch ganz frisch im Gedacht-
nis sind.
Auf die Vortrage einzugehen, ware zwecklos, da dieselben in dieser
Nummer erscheinen. Jeder aufmerksanie Leser wird zugeben, dass es
lauter vorziigliche, gediegene Leistungen sind, packend und praktisch.
Man fiihlte sich gehoben beim Anhoren dieser Vortrage; das Berufsge-
fiihl wurde geweckt; man war stolz mit solchen Lehrkraften fur eine ge-
meinsame Sache arbeiten zu dtirfen; dankbar fiir gute Winke, mit fri-
schem Mut, mit neuer Begeisterung fiir unsern hehren Beruf ging man
von dannen.
Stimmen zum 36. Lehrertage. 259
Aber — die Beteiligung war bei weitem nicht so stark, wie man es
(und zwar mit Recht) erwarten durfte und erwartet hatte. Die Reihen
der Alten lichten sich; die jungen Lehrer blieben weg vom Lehrertage,
wo sie das Niitzliche mit dem Schonen, Prof essionelles mit Erholung ver-
binden konnten.
Was Milwaukee uns an Unterhaltungen geboten, war geradezu ein
Hochgenuss. Ich mochte besonders den Gesang des gutgeschulten Kin-
derchors bei der Eroffnungsversammlung hervorheben. Das Herz ging
einem auf beim Anblick dieser frohen Kinderschar, die unter der sichern
Leitung von Herrn Griebsch die sinnigsten deutschen Volkslieder so schon
vortrugen.
Und erst die Festvorstellung im Pabsttheater ! Die Auffiihmng von
Goethes klassisch schonem Schauspiel Iphigenie auf Tauris mit vorziig-
licher Rollenbesetzung und herrlicher Biihnenausstattung ist ein Genuss,
der einem nicht jeden Tag geboten wird. Man war denn auch vollig im
Bann gehalten und konnte nicht recht zu sich selber kommen, als man
so urplotzlich von Dianens Hain auf die Oneida-Strasse versetzt wurde.
Freundlichen Dank dem Ortsausschuss flir die schone Zugabe.
Dass die Konstitution dahin abgeandert wurde, dass keine Kopf-
steuer mehr an den Lehrerbund zu entrichten ist, und dass die Liste der
Mitglieder ganz definitiv aus denjenigen Personen bestehen soil, die den
jahrlichen Beitrag von $2.00 entrichten, wird allgemein begriisst werden.
Marie Durst, Dayton, 0.
Er hat so sehr recht gehabt, der brave, alte Simon Dach, als er dich-
tete:
,,Die Red' ist uns gegeben,
Damit wir nicht allein
Fiir uns nur sollen leben
Und fern von Leuten sein ;
Wir sollen uns befragen
Und sehn auf guten Rat:
Das Leid einander klagen,
So uns betroffen hat."
Das Gefiihl der Richtigkeit dieses Ausspruches gab den Anstoss zur
Griindung des Lehrerbundes. Im Osten und Westen, im Nordeii und im
Siiden haben seit 1870 die Jahresversammlungen stattgefunden, sind
deutschamerikanische Lehrer und Lehrerinnen zu fruchtbringendem Aus-
tausch von Ansichten und Erfahrungen zusammengekommen. Was die
Tagungen vor allem wertvoll und nutzbringend macht, zeigte sich auch
dieses Mai wieder in Milwaukee: echte Kollegialitat und Begeisterung
fur die gute Sache. Die Stunden der Vorarbeiten fiir die Versammlung.
2()0 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagoyik.
doch in hoherem Masse diese selbst, bei dcr die Beteiligten aus der Eou-
tine und dem Einerlei des engen Wirkungskreises und der tagfichen Ar-
beit herausgerissen werden, sind wohl noch mehr zu schatzen als die treff-
lichsten Eeden und eingehendsten Erb'rterungen. Aber auch iiber den
gebotenen Zerstreuungen und Vergniigungen, welche fiir den 3 6 ten Leh-
rertag vorgesehen waren, und deren Genuss das ungiinstigste Wetter
kaum beeintriichtigte, gelangte der Ernst des Programmes zu seinem
Eecht. Die Vortrage gewahrten Anregung in Hiille und Fiille. Am
schwerwiegendsten fiir Wohl und Wehe des Lehrerbundes wird sich ge-
wiss der Beschluss erweisen, welcher die Mitgliedschaft zu einer dauern-
den und nicht zu einer vom zufalligen Besuch des Lehrertages abhangi-
gen macht. Hierdurch wird eigentlich erst ein Bund geschaffen, der auf
eine bestimmte Zahl von Zugehb'rigen rcclmen kann. Und gerade in die-
ser Beziehung mochte ich wiederholen, was ich vor Jahren einmal den
Mitgliedern des Lehrerbundes zurief: ,,Lehrer und Schulfreunde, deut-
sche Erzieher, steht fest zusammen, achtet die Grundsatze, welche wie
dereinst noch heute ein ehrendes Zeugnis eurer Anschauung und tiber-
zeugung sind, erlahmt nicht in eurer Apostelschaft der Vollmenschlich-
keit und seid vereint im Streben fiir wahre Bildung, fiir deutsche Sitte
und Sprache, fiir alles Wahre, fiir alles Gute und fiir alles Schone."
Cincinnati, 0. Dr. H. H. Pick.
Geehrter II err Griebsch!
Es ist Ihr Wunsch, in der Lehrertagsnummer der Monatshefte auch
einen Laien unter den Besuchern mit einem kurzen Eesume tiber den
Lehrertag in Milwaukee zu Worte kommen zu lassen; und ich will die-
sem Wunsche gerne willfahren.
Die 36te Jahresversammlung des N^ationalen Deutschamerikanischen
Lehrerbundes, welche in den Tagen vom 30. Juni bis 3. Juli dieses Jah-
res in Milwaukee, Wisconsin, stattfand, war hauptsachlich aus den mitt-
leren Weststaaten beschickt. Sie war nicht so zahlreich wie ich vermutet
hatte, einige Stadte wie Chicago, Indianapolis, St. Louis waren augen-
scheinlich durch wenige Lehrer und Lehrerinnen vertreten. Nur St.
T^ouis hatte einen wiirdigen Reprasentanten in der Person des Herrn
Ernst T^. Wolf gesandt, welcher tiber ,,Hilfsmittel im modernen Spraoli-
luiterrj'cht" einen interessanten Yortrag hielt.
Es ist wirklich schade, dass so viele vermisst wurdcn, welche hatten
da sein sollen, dcnn es war in der Tat in Milwaukee vieles zu sehen und
manches zu lernen. Die deutschen Vereine und Einwohner taten ilir
Besies, um es den Giisten angenehm zu machen.
Der Empfang am Abend des 30. Juni mit Eeden und Gesang, be-
sondcrs der grosse Kinderchor unter der Leitung von Pi-ofcssor Max
Umschau. 261
Griebsch, war herzerquickend, danach das frohliche Zusammensein von
Einheimischen und Gasten in der Halle des Turnvereins stellte scbnell
unter alien ein freundschaftliches Verbal tnis her.
Bei den Sitzungen, welehe im Saale des Deutschamerikanischen Leh-
rerseminars stattfanden, wurden interessante Vortrage gebalten, die oft
zu lebhaften Diskussionen flihrten.
Die Lehrmittelausstellung, welche sich in den oberen Raumen des
Seminars be f and, war eine fleissig zusammengetragene Sammlung von
L-ebr- und Kinder-Biichern, die ohne Zweifel Lehrern und Lehrerinnen
viele Fingerzeige gab.
Die Vergniigungen, welche der Deutsche Lehrer- und Seminarverein
fiir die Gaste arrangiert hatte, batten nicbt schoner sein konnen, denn
keiner der Besucher wird so leicht die Festvorstellung von ,,Iphigenie auf
Tauris" im Pabsttheater, am 1. Juli nachmittags, vergessen. Dass das
Wetter bei dem Ausflug nach Whitefish Bay nicbt schoner war, dafiir
konnten die Milwaukeer nichts. tibrigens ging es bei dem glanzenden
Male sehr vergniigt zu und es kehrte sich niernand an den Wettermann.
Die Milwaukeer Lehrertage waren im ganzen genommen frohliche,
nutzbringende Tage, und die sich daran beteiligten, werden sie sicher
nicht so bald vergessen.
Evansville, Ind., Sept. 25, '08. Dr. W. A. Fritsch.
Umschau.
Vom Lehrerseminar. Der Oscar Burckhardt, der dem
neue Jahreskursus des Seminars Lehrkorper des Seminars 17 Jahre ange-
wurde am 14. September eroffnet. Am hort hatte, reichte kurz vor Schluss des
Samstage vorher hatte die Aufnahme- Schuljahres sein Entlassungsgesuch ein.
priifung stattgefunden, und es wurden Nur mit Widerstreben nahm der Voll-
18 neue Zoglinge aufgenommen. Da am zugsausschuss dasselbe an. Herr Burck-
Schluss des Vorjahres 10 Abiturienten hardt hatte den verantwortlichen Posten
mit dem Zeugnis der Reife entlassen eines Lehrers der deutschen Sprache
worden waren, so bedeutet die Anzahl und Literatur in den Oberklassen des
der neuaufgenommenen Schiller einen Seminars inne. Mit aussergewohnlich
Zuwachs von 8 gegen die Gesamtschiiler- grossem Wissen verband er eine bis ins
zahl des Vorjahres. Erfreulich ist es, kleinste sich zeigende Gewissenhaftig-
dass unter den Schiilern 6 junge Manner keit und bedeutende Arbeitskraft. Die
sich befinden. besten Wiinsche seiner zahlreichen
Die Schlusspriifung des Semi- Freunde und Schiiler begleiten ihn bei
nars fand vom 24. bis 26. Juni statt und seiner Ruckkehr in' seine Vater'stadt
wurde von den Herren Dr. H. H. Fick Wien, wo er sich vorlaufig niederzulas-
und Leo Stern geleitet. Der Bericht sen beabsichtigt.
dieses Ausschusses iiber die abgehaltene In die durch den Weggang von Herrn
Priifung befindet sich in den Verhand- Burckhardt vakante Stelle wurde Semi-
lungen des Lehrertages. — Es ist erwah- narlehrer Georg J. Lenz, der bereits
nenswert, dass die Abiturienten im letzten Schuljahre dem Lehrkorper
des Seminars bereits am Be- des Seminars angehort hatte, gewahlt.
ginn dieses Schuljahres mit Durch seine Beforderung wurde die
Stellungen versehen waren, Stelle eines Lehrers der Naturwissen-
ein Umstand, der andere junge Leute be- schaften vakant und Otto Victor
wegen sollte, ins Seminar einzutreten. Thiele aus Milwaukee, ein Graduier-
262
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
ter der Staats-Xormalschule von Mil-
waukee und der Staatsuniversitat von
Wisconsin, wurde fur diesen Posten ge-
wonnen.
In der Deutsch - Englisch'en
Akademie, der Muster schule des Se-
minars, fand gleichfalls bei Beginn die-
ses Sclmljahres ein Lehrerweehsel statt,
indem R. W. Adams, der den Handfer-
tigkeits- und den naturwissenschaftli-
chen Unterricht in der Akademie leitete,
ausschied und H. G. McComb an seine
Stelle trat.
A u s Cleveland kommt erf reu-
liche Xachricht. Wie unseren Lesern
bekannt ist, wurde durch Beschluss der
dortigen Schulbehorde im August des
Jahres 1906 der deutsche Sprach-
unterricht vom Lehrplan der un-
teren vier Grade gestrichen. Mit Recht
rief diese Massnahme allgemeine Ent-
riistung unter den Freunden dieses Un-
terrichtszweiges hervor; sie fiihrte zur
Grundung des deutschen Schulvereins,
der es sich zur Aufgabe machte, das ver-
lorene Gebiet zuriickzuerobern. Schon
damals wurde durch den Superintenden-
ten und die Schulbehorde die Versicher-
ung gegeben, dass es nicht ihre Absicht
sei, den deutschen Sprachunterricht zu
schiidigen, sondern dass sie es sich wiir-
den angelegen sein lassen, dessen Wirk-
samkeit zu erhohen. Die Erfahrungen
der letzten beiden Jahre miissen wohl
doch Zweifel an der Zweckmassigkeit
der Hinausschiebung des Unterrichts im
Deutschen bei den zustandigen Behorden
wach gerufen haben; vielleicht trug
auch die Wachsamkeit des Schulvereins
das ihrige dazu bei — kurz, Herr Su-
perintendent Elson empfahl seiner Be-
horde unterm 17. August d. J. d i e
Wi edereinfiihrung des Deut-
schen in den vierten Grad, und
seine Empfehlung wurde prompt gutge-
heissen. Dieselbe lautet im Wortlaut
wie folgt:
Cleveland, 17. August 1908.
An den Schulrat.
Hirer Aufforderung nachkommend,
fibergebe ich Ihnen hiermit meinen
Bericht iiber den deutschen Unterricht
in den Elementarschulen.
Vor zwei Jahren wurde infolge der
Unzulanglichkeit des Erfolges im
deutschen Departement das Studium
des Deutschen in den unteren vier
Graden abgeschafft und erst im ftlnf-
ten Grade begonnen. Diese Anderung
erforderte eine Revision des Studien-
plancs und einige Modifikationen der
Arbeit im allgemeinen. Der Unter-
richt wurde in der Folge intensiver
gestaltet, mehr Nachdruck auf
Sprachiibungen gelegt und dieselben
Priifungen in diesem Unterrichts -
zweige vorgenonimen, wie in den an-
deren. Der Supervisor hat einen voll-
stiindig neuen Studienplan entworfen
und hiiufig init den Lehrerinnen Kon-
ferenzen gepflogen. Es herrscht jetzt
ein lebhaftes Interesse ftir den Unter-
richt, und zweifellos wird der Unter-
richt griindlich und in it entschiedenen
Resultaten erteilt.
Diese neue Ordnung der Dinge regte
die Frage an, w a n n der Unterricht
in einer fremden Sprache zu beginnen
liabe. Die Padagogen stimmen so
xiemlich in dem Glauben iiberein, dass
das Kind zuerst eine gute Grundlage
im Englischen haben solle, ehe es eine
zweite Sprache dazu nehme; ferner.
dass das Studium einer fremden Spra-
che nicht zu spilt beginnen solle, d. h.
das Studium soil beginnen, ehe die
Sprachorgane ihre Geschmeidigkeit
verloren haben. Eine sorgfaltige Be-
obachtung wahrend der letzten zwei
Jahre hat mich zu dem Schluss ge-
fiihrt, dass noch bessere Resultate er-
/ielt Averden wiirden, wenn der Unter-
richt schon im vierten Grade beganne,
statt erst im ftinften. Damit stimmt
Supervisor Krug uberein. Im folgen-
den sind einige Griinde dafiir angege-
ben:
Im fiinften Grade ist der Unterricht
mehr formeller Natur; die Lehrerin
unterrichtet unter Zugrundelegung
von Lehrbiichern, wahrend im vierten
Grade der Unterricht noch meisten-
teils mundlich ist. Deshalb beginni
man im fiinften Grade mit neuen
Lehrbiichern sowohl in Arithmetik,
wie in Geographic, wie im Deutschen.
Dies vergrossert die Schwierigkeiten
und biirdet dem Kinde neue Lasten
auf zu einer Zeit, wo es unabhangig
ans Studium gehen soil und wo zum
ersten Male von ihm verlangt wird,
aus Biichern Kenntnisse zu gewinnen.
Dazu ist die miindliche Kontrolle der
Sprache am wichtigsten und der
miindliche Unterricht des vierten
Grades ist fiir den Beginn des Unter-
richts besonders geeignet.
Durch den Beginn des deutschen
Unterrichts im vierten Grade wiirden
die Schiller eine gute Grundlage der
Sprache sich aneignen, ehe sie in die
kritische Periode des fiinften Grades
eintreten, und der Fortschritt wurde
sehr vereinfacht werden. Dies ist in
Buffalo der Fall, wo das Deutsche
auch vom vierten Grade an gelehrt
wird. Fiir den vierten Grad ware ein
Umschau.
263
einfacher Kursus im Lesen mit leich-
ten Konversationsiibungen als Vorbe-
reitung fiir die ernsthaftere Arbeit
des fimften Grades zu empfehlen.
Da viele Lehrerinnen des Deu.tscb.en
keinen voll besetzten Stundenplan ha-
ben, so wiirden die Mehrkosten sehr
gering sein. Es wiirden vielmehr die
bisher nicht voll beschaftigten Lehrer-
innen etatsmassige Stellen erhalten.
Nur seKr wenige neue Stellen brauch-
ten geschaffen werden.
Aus diesen Griinden empfehle ich,
dass das Studium des Deutschen in
den Elementarschulen in ubereinstim-
nmng mit dem oben angefuhrten ein-
facheu Lehrplan im vierten Grade wie-
der eingefulirt werde. In dieser Ver-
bindung mochte ich noch meiner fe-
sten uberzeugung von der Bichtigkeit
des oben angegebenen padagogischen
Prinzips Ausdruok geben, dass nam-
lich die Kinder erst eine gute Grund-
lage im Englischen erhalten sollten,
ehe sie mit dem Studium des Deut-
schen beginnen.
Achtungsvoll unterbreitet,
(gez.) W. H. Elson.
Zu dem obigen mochten wir nur noch
bemerken, dass wir nicht einsehen kon-
nen, warum ausgerechnet der vierte
Grad in Erwagung der von Herrn Elson
angefuhrten Griinde der geeignetste
zum Beginn des deutschen Sprachunter-
richts sein sollte. Diese Griinde spre-
chen eben dafiir, dass man mit dem Un-
terricht moglichst friih beginne. Dass
das Englische nicht darunter leidet, auch
wenn die Kinder schon im ersten Grade,
ja im Kindergarten einen padagogisch
verniinftigen deutschen Unterricht er-
halten, hat die Erfahrung zur Geniige
gelehrt.
Mit Bedauern horen wir, dass der
Vorsteher des deutschen Unterrichts an
den Schulen Clevelands, H e r r Jo-
seph Krug, sich wahrend der Ferien
einer schwierigen Magenoperation unter-
ziehen musste, von der er sich nur lang-
sam erholt. Die Schulbehorde hat ihn
infolgedessen bis zum 31. Dezember be-
urlaubt. Die herzlichsten Wiinsche sei-
ner Freunde fiir seine baldige Wieder-
herstellung seien ihm hiermit ausgespro-
chen.
Das Cannstadter Volksfest
des Schwabenvereins von
Chicago fand in diesem Jahre am 23.
urid 24. August statt. Es war die ein-
unddreissigste Wiederkehr dieses Festes,
das sich in der Tat zu einem Volksfeste,
in dem wahre Gemiitlichkeit und iiber-
sprudelnder Humor in gleichem Masse
zu ihrem Recht gelangen, ausgebildet
hat. Vor uns liegt die Festschrift, die
auch diesmal dem Feste als Vorbote vor-
ausgesandt wurde. Aus ihr erhalten
wir ein vortreffliches Bild von dem vor-
nehmen Charakter des Vereins. Es
wiirde hier zu weit fiihren, auf den In-
halt der Festschrift einzugehen. Wir
beschranken uns darauf, einige der Mit-
arbeiter an derselben zu nennen: Frau-
lein Isolde Kurz, Edna Fern, die Herren
Giegold, Minuth, Drescher, Hartig, Rohr.
Biirkle u. a.
Professor Eugen Kiihne-
mann von der Universitat Breslau, der
bereits zweimal die deutsche Austausch-
professur fiir Harvard bekleidete,- und
der durch seine Schriften und Vortrage
weit iiber die Grenzen der Universitat
heraus sich Freunde und Verehrer zu er-
werben imstande gewesen ist, wird auch
in diesem Schuljahre in Hai-vard tatig
sein, und zAvar ist ihm die Vertretung
des auf em Jahr beuiiaubten Professors
Kuno Francke iibertragen worden. Wenn
er darum wohl durch seine akademische
Tatigkeit diesmal enger gebunden sein
wird, so hoffen wir doch, dass seine An-
wesenheit auf dieser Seite des Ozeans
auch diesmal zur Forderung der Aufga-
ben des Deutschamerikanertums beitra-
gen wird.
Eine wohlverdiente Beforderung wur-
de dem Pr aside n ten des Leh-
r e r b u n d e s, C. 0. S c h o n r i c h durch
die E r w a h 1 u n g zum Professor
der deutschen Sprache und Literatur an
dem Baltimore City College zuteil. Diese
Stelle wurde durch die infolge Erkran-
kung vorgenommene Pensionierung ihres
bisherigen Inhabers Professor Raddatz
vakaiit. Es bewarben sich, wie wir ei-
nem Schreiben Kollegen Schonrichs ent-
nelimen, 15 Kandidaten, meist Doktoren
der Philosophie, um den Posten, wah-
rend er selbst in dem Palaste von Ha-
vana in der Familie seines hochbegabten
Sohnes, der trotz seines jugendlichen
Alters bereits eine bedeutende Vertrau-
ensstellung in der amerikanischen Re-
gierungskommission auf Cuba einnimmt,
die Ferienruhe genoss. Trotzdem wurde
seine Anwartschaft in Betracht gezo-
gen und ihm die Stellung bei seiner
Ruckkehr angeboten, die er denn auch
annahm. Ahnliche Stellungen ausser-
halb der Stadt waren ihm zu wiederhol-
ten Malen angeboten worden; er wollte
jedoch seiner Familie wegen seinen alten
Ankergi-und nicht verlassen.
In St. Paul, Minn., starb im be-
sten Mannesalter der bewilhrte und aucli
264 Mon&tshefte filr deutsche Sprache und Padagogik.
in weiteren Kreisen bekannte P r o f e s- tauschdienst bestiinmten Amerikaner :
s o r G e o r g Rink, Superintendent William A. Averill, Monmouth, 111. ;
des deutschen Unterrichts in den offent- John Franklin Brown, Laramie, Wyo. ;
lichen Schulen der Stadt. Er erreichte James Andrew Campbell, Lawrence,
ein Alter von 58 Jaliren, von denen er Kans.; Howard Wadsworth Church,
dreissig in unserem Lande verlebte. Er New Haven, Conn.; F. E. Emmons,
war zuerst in New York und spater in Clean, N. Y.; John Lewis Gillin, Iowa
Milwaukee (an der Deutsch-Englischen City, Iowa; Frederick D. Green, Detroit,
Akademie) als Lehrer tatig, bis er vor Mich.; Stephen B. Harvey, Hillsdale,
24 Jahren nach St. Paul iibersiedelte, Mich.; Herman Charles Henderson, Mil-
wo er sich in verschiedenen Lehrerstel- waukee, Wis.; Frederick W. Oswald,
len und zuletzt als Superintendent des Madison, Wis.; Harry Bradley Smith,
deutschen Unterrichts um das Schulwe- Waterloo, N. Y.; Lyman G. Smith, Cam-
sen und die deutsche Sprache grosse bridge, Mass. Ihre Hauptarbeit wird
Verdienste erwarb. darin bestehen, eine Reihe von Konver-
Fin dentsohe Verein sohii sationskursen zu geben, in welclien den
le ist ^Boston h1sVLbengelCeten. deutschen SchulernGelegenheit geboten
Bisher wurde nur in einzelnen Jrosseren wird» slc.h .m «n« »^eF SPrache "ber
Vereinen deutscher Sprachunterricht er- amenkanische Verhaltmsse zu nnter-
teilt, jedoch war der Erfolg ein geringer, r
teils weil es den Schulen an System Stiftung eines Pensions-
mangelte, teils weil die geeigneten f o n d s. Die Altersversorgung der Leh-
Raumlichkeiten sowie die Geldmittel rer der Stadt Harrisburg in Pennsylva-
fehlten. Nun aber gelang es dem Zu- nien, seit einem Jahre vom gesetzgeben-
sammenwirken der Bostoner deutschen den Korper beschlossen, ist jetzt organi-
Vereine zu erwirken, dass der neuen siert worden. Als Leiter fungieren der
Vereinsschule am Sonnabend jeder Wo- Stadtschulvorstaml und zwei Schulrats-
che ein Volksschulgebaude in Jamaica mitglieder, denen ausserdem zwei Lehrer
Plain zur Beniitzung tiberlassen wird. ziir Seite stehen. Ferner sollen die je-
Als Leiter der Schule wurde der be- weiligen Schriftfiihrer und Schatzmei-
kannte Herr C. M. Ackermann, ein ttich- &ter der Schulbehorde der Pensionsver-
tiger Schulmann, angestellt; der grosse waltung in gleicher Eigenschaft dienen.
Andrang von Schiilern machte es jedoch Die jHlirliche Beisteuer der Lehrer be-
notig, dass jetzt schon zwei Hilfslehrer, tragt zwei Prozent ihres Gehaltes, so-
Herr Dr. Waldemar Kloss und Fran Se- lange sie weniger als zehn Jahre ini Amt
lina E. Berthold angenommen wurden, sind. dagegen drei Prozent, wenn die
und weitere zwei Lehrkrafte werden Amtszeit zehn Jahre iibersteigt. Kein
noch angeworben. Der Unterricht ist Lehrer darf jedoch mehr als $50 in ei-
kostenfrei, und die Lehrmittel werden nem Jahre einbezahlen. Die Schulbe-
zum Selbstkostenpreis verabfolgt. Die horde selbst ist ermachtigt, am Ende
Schiilerzahl soil sich bereits auf 275 be- eines jeden Schuljahres eine Beisteuer
laufen. Dieses neue Unternehmen ist zum Pensionsfonds in gleicher Hiihe wie
umso freudiger zu begrtissen, als gerade der Gesamtbeitrag der Lehrerschaft zu
in Boston deutsche Bestrebungen irgend entrichten. Freiwillige Zuschiisse von
welcher Art bislang auf Schwierigkeiten Seiten Privater sind stets willkommen.
stiessen, wie sie keine andere Stadt Voile Pension erhalten Lohrer, die das
kennt, und eben aus diesem Grunde sechzigste Lebensjahr erreicht und min-
sollte ihm jedmogliche Unterstiitzung zu destens dreissig Jahre unterrichtet ha-
teil werden. ben; von diesen dreissig Jahren miissen
scher Lehrer wird bereits im September *st ,^e!^h de7 Halfte ** " Ze^ dea
begonnen werden. Von Deutschland R«cktrittea bezogenen Gehaltes bemes-
werden 12 Lehrer cntsendet, und die *en- Der Mmdestbetrag der .]Rhrlichen
gleiche Anzahl Amerikaner werden an Rente ist vorlaufig auf $300, der Hochst-
deutschen Mittelschulen tatig sein. Wir ketrag auf $800 festgesetzt worden.
geben hier die Namen der fiir den Aus- G. L.
Vermischtes.
Jean Paul als Richard Wag- sind, und um derentwillen so viele, viele
n e r - P r o p h e t. Es 1st vielleicht in Menschen im Kerker schmachten. Vie-
diesen Tagen, die dem Andenken Rich- len wird dieser Gedanke als ein Scherz,
ard Wagners geweiht sind, an der Zeit, als paradox, erscheinen, tatsachlich
an eine Bemerkung Jean Pauls zu erin- aber ist er die einfachste, unzweifel-
nern, deren Zufalligkeit retrospektiv hafte Wahrheit. Tatsachlich wtirde
die Bedeutung einer Prophezeiung ge- nichts mich so vollkommen befriedigen.
winnt. E. T. A. Hoffmann, einer der mir eine solche Freude bereiten: in ein
Hauptvertreter der literarischen und gutes, echtes Gefangnis miisste man
auch der musikalischeri Romantik, die mich setzen, ein stinkendes, kaltes und
Richard Wagner spiiter zur hochsten hungriges. Sie haben klar ausgedruckt.
Vollendung ftihrte, veroffentlichte im was ich nur dunkel und unbestimmt ge-
zweiten Dezennium des vorigen Jahr- wiinscht habe. In der letzten Zeit
hunderts seine beriihmten ,,Phantasie- ftihle ich" mich so gliicklich, denke so
stiicke in Callots Manier", und Jean oft dariiber, ob es irgend etwas gibt,
Paul erklarte sich bereit, zu diesem das ich wtinschte, und kann es nicht
Werke ein Vorwort zu schreiben. Ge- finden. Jetzt kann ich mich nicht ent-
gen Ende desselben bemerkt er, er habe halten, von ganzer Seele zu wtinschen,
von Freunden Hoffmanns gehort, dass dass Ihr Vorschlag nicht als ein Scherz.
dieser ausser seinen literarischen Fahig- sondern als eine Massregel akzeptiert
keiten auch ein grosses Talent zum wtirde, die alle diejenigen beruhigen
Tonkiinstler besitze. Nun ftigt Jean konnte, denen meine Schriften und ihre
Paul hinzu: .^Desto besser und desto Verbreitung unangenehm sind, und die
seltener! Denn bisher warf immer der mir andererseits in meinen alten Ta-
Sonnengott die Dichtgabe mit der Rech- gen, kurz vor meinem Tode, eine auf-
ten und die Tongabe mit der Linken richtige Freude und Genugtuung berei-
zwei so weit auseinanderstehenden tete, mich gleichzeitig von der ganzen
Menschen zu, dass wir noch bis zu die- schweren Last des bevorstehenden Ju-
sem Augenblicke auf den Mann harren, bilaums befreiend. Freundschaftlich
der eine echte Oper zugleich dichtet und drticke ich Jhnen die Hand. 13. (26.)
setzt". Datiert ist dieses Vorwort: Marz 1908. Leo Tolstoi."
,,Bayreuth, 24. November 1813", also
im Geburtsjahre Richard Wagners und Aufrichtigkeiten.
von dem Orte, an welchem dem von Von Oskar Blumenthal.
vom
Tier nicht durch die \ernunft unter-
Ein Brief Leo Tolstois, scheidet, sondern nur durch den Miss-
Wahrend die literarische Welt daruber branch der Vermmft.
ratschlagt, wie man den 80. Geburtstag
des grossen russischen Dichters am Auch die Dummkopfe beginnen unter
wiirdigsten feiern solle, hat Tolstoi dem Fluch des Epigonentums zu leiden,
selbst erklart, der beste Modus der und jeder Narr ist nur der Plagiator
Feier ware — ihn in ein russisches Ge- eines andern Narren.
fangnis zu setzen. Er hat an A. M.
Bodianski in Charkow, der wegen Ver- Perlen bedeuten Tranen? . . . Das
breitung Tolstoischer Schriften zu sechs wird auch dadurch bestatigt, dass es
Monaten Gefangnis verurteilt worden ebenso viel unechte Tranen wie unechte
1st, nachstehenden Brief gerichtet: Perlen gibt.
,,Teurer Alexander Michailowitsch !
Ich habe Ihren Brief an Gussew gele- Beriihmte Nam en werden oft ebenso
sen, in dem Sie so schon zum Ausdruck rasch von der Vergessenheit bedeckt,
bringen, welches die einzige und beste wie Schriftzeichen, die in eines Baumes
Art der Feier meines Jubilaums ware, Rinde eingekerbt sind, vom Moos tiber-
eine Art der Feier, die mir wirklich an- wachsen werden.
genehm sein und mich vollstandig be-
friedigen wtirde: mich fiir die Abfas- Schriftsteller, die vorzeitig den Ruhm
sung jener Werke ins Gefangnis zu der Originalit&t erlangen, werden allzu-
werfen, ftir deren Verbreitung Sie zu bald die Nacliahmer ihrer selbst.
sechs Monaten Gefanornis vorurteilt
266
Monatvhefle far deutsclic tijtnii-hc. and Padagogik.
Wer schon viel iind iiber Vielerlei ge-
schrieben hat, steht schliesslich vor der
heikelsten stilistischen Aufgabe: sich
selbst auszuweichen.
* * #
Viele Menschen entlehnen iiicht bloss
ihre Worte, sondern auch ihre Empfin-
dungen aus dem Zitatenschatz. Sie
ftihlen nur, was ihnen andere vorge-
fUhlt haben. Sie lieben und hassen
mit Anfiihrungszeichen.
* # #
Selbst das Lob, das uns gespendet
wird, duftet bisweilen nach Neid und
Missgunst. Es gibt auch ein iibelrie-
chendes Wohlwollen.
Ein Schulstreit.
Herr Lichtfreund und Herr Dunkel-
mann,
Die huben jtingst zu streiten an,
Ob's recht sei, dass das Volk man bilde,
Dariiber stritten sie wie Wilde;
Der Wortkampf branute lichterloh.
Da sprach Herr Lichtfreund endlich so:
Wir beide zanken nutzlos, mein ich,
Denn um ein Haar sind wir doch einig,
Und unser Streit, der handelt sich
Ini Grunde nur um einen Strich.
Fort-Bildungsschulen! fordern wir.
Fort, Bildungsschulen ! fordert ihr.
(Sachs. Schlztg)
Eingesandte Biic her.
Der S c h w i e g e r s o h n. Eine
Schneidergeschichte von Rudolf
Baumbach. With notes, vocabulary
and illustrative exercises by Otto
Heller, Ph. D., Professor of the Ger-
man Language and Literature in Wash-
ington University, St. Louis. New York,
Henry Holt & Co., 1908.
Experimentelle Padagogik
mit besonderer Rucksicht auf die Erzie-
hung durch die Tat von Dr. W. A. Lay.
224. Bandchen der Sammlung wissen-
schaftlich-gemeinverstandlicher Darsfel-
lungen : Aus Natur und Gei'stes-
welt. B. G. Teubner, Leipzig, 1908.
Preis M. 1.25.
A First German Book by
George M. Howe, Ph. D., Professor
of German in Colorado College. New
York, Henry Holt & Co., 1908.
Neid von Ernst von W i 1 d e n-
bruch. Edited with introduction,
notes and vocabulary by C. William
Prettymann, Ph. D., Professor of
German in Dickinson College. Boston,
D. C. Heath & Co., 1908. Price 35 cts.
Deutsche Schulausgaben.
Goethe, Iphigenie auf Tauris.
Fur Schulgebrauch und Selbstunterricht
herausgegeben von Dr. G. F r i c k.
Preis 70 Pf. — Goethe, Dichtung
und Wahrheit. Fur Schulgebrauch
und Selbstunterricht herausgegeben von
Dr. 0. Kastner, Direktor der Hohe-
ren Madchenschule zu Landsberg a. W.
Preis M. 1.50. — Kleist, Prinz
Friedrich von Homburg. Fiir
Schulgebrauch und Selbstunterricht her-
ausgegeben von Dr. H. G a u d i g. B.
G. Teubner, Leipzig, 1908.
En France. Guide a travers la
langue et le pays des Francjais. Mit
deutselier ubersetzung, einem granima-
tischen Anliange und einem phonetischen
Worterverzeiclmisse von Paul Mar-
tin, Paris, und D r. O. T h i e r g e n ,
Dresden. E. Haberland, Leipzig-R.
German Inflections. Arranged
in parallels by H. C. B i e r w i r t h , Ph.
D., Ass't. Professor of German in Har-
vard College. Henry Holt & Co., New
York, 1908. Price 40 cts.
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1 1 i a s. Dem deutschen Volke und
seiner Jugend erzahlt von Paul L e li-
ma n n - Schiller (Dr. F. W. Paul
Lehmann), Direktor des Schiller-Real -
gymnasiums in Stettin. Mit 8 Zeich-
nungen von A. Kolb. B. G. Teubner.
Leipzig und Berlin, 1908. Preis M. 2.40.
Ein F u h r e r d u rchs Lese-
huch. Erlauterimgen poetischer und
prosaischer Lesestucke aus deutschen
Volksschul-Lesebuchern von Frie-
drich Polack, Kgl. Schulrat und
Kreis-Schulinspektor a. D., und D r.
Paul Polack, Kgl. Seminar-Direk-
tor. Zweiter Teil. Fiinfte vermehrte
Auflage. B. G. Teubner, Leipzig, 1907.
Preis M. 6.
Aus Natur und Geisteswelt.
Drei Bandchen. Deutsche Volks-
feste und Volkssitten von
Her in S. Rehm in Berlin. — Deut-
sche Kunst im taglichen Le-
b e n bis zum Schlusse des 18. Jahrhun-
derts von Berthold Haend'kc. —
Das deutsche Volkslied. tiber
Wesen und Werden des deutschen
Volksgesanges von J. W. B r u i n i e r.
B. G. Teubner, Leipzig. Preis des BKnd-
chens M. 1.
Kurzgefasste Methodik des
Unterrichts in der deutschen
Eingesandte Bucher. 267
Sprache zum Gebrauche in Lehrer- lage. Leipzig, Ernst Wunderlich, 1908.
seminaren und zur Vorbereitung auf die Preis M. 2.80.
zweite Lehrerprufung von OskarKo- Beitrage zur Theorie und
b e 1 , Koniglichem Praparandenanstalts- Praxis des deutschen Sprach-
vorsteher. 2. verbesserte und vermehrte unterrichts. Bine Sammlung von
Auflage. Breslau, Max Woywood, 1907. Aufsatzen iiber alle Zweige dieses
Preis M. 3. Lehrgegenstandes von Ernst Liitt-
Praparationen fiir den geo- ge. 2./3. durchgesehene und erweiterte
graphischen Unterricht an Auflage. Leipzig, Ernst Wunderlich,
Vplksschulen. Fiinf Teile. IV. 1908. Preis M. 2.
Die Lander Europas. Ein me- Menschenkunde und Ge-
thodischer Beitrag zum erziehenden Un- sundheitslehre. Praparationen
terricht. Von Julius Tischen- von Dr. Richard S e y f e r t. Vierte
d o r f, Direktor der stadtischen Schulen verbesserte Auflage. Leipzig, Ernst
in Netzschkau i. V. 19. verbesserte Auf- Wunderlich, 1908. Preis M. 2.50.
Hiermit diene zur gefalligen Kenntnisnahme, class noeh eine bo
schrankte Anzahl von Exemplaren des Kataloges der
vorhanden 1st, die, soweit der Vorrat reicht, gegen Einsenduug des Be-
trages von 25 cts. fiir das Stuck abgegeben werden.
Die ausgestellten Gegenstande werden auch nach auswarts auf
begrenzte Zeit leihweise versandt, unter der Bedingung, dass deren Eiick-
gabe schriftlich gewahrleistet wird. Fiir verloren gegangene oder beschii-
digte Gegenstande ist ihr Kostenpreis und das Porto fiir den Neuankauf
zu entrichten.
Wegen Bezug des Kataloges und des Leihens von Ausstellungsgegen-
standen wende man sich an Seminarlehrer John Eiselmeier, 558 — 568
Broadway, Milwaukee, Wis.
Der Vollzugsausscbuss des Lehrerseminars.
Mitgliederliste
des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
1908-1909.
Name.
Andrae, Hilda J.,
Andressohn, John C.,
Bechmann, Albertina.
Becker, Joh. Walter,
Bergmann, E. F.,
Bergmann, E. F., Fran,
Brach, Emma,,
Broetzler, Adolf,
Broetzler, Adolf, Fran,
Baumann, C. C.,
Beck, Louise P.,
Beck, Mathilde,
Bernhard, Adolph,
Bach, Marie,
Bauer, Emily C., ,
Bauer, Marie,
Becher, Max A.,
Bensel, Martha,
Bergmann, Emma M.,
Bergschmidt, Clara,
Best, Augusta,
Bird, Selena,
Braun, Adolf R.,
Breckow, Anna,
Bunsen, Sophia,
Burckhard, Oscar,
Buss, Flora E.,
Becker, Ida,
Christensen, Dorothea,
Diebel, Amelia,
Duerst, Marie,
Duerst, Ursula,
Dreger, Alvin, Frau,
Dallmer, Eberhard,
Dallwig, Olga,
Dapprich, Emma,
Doerflinger, C. H.,
Dudenbostel, Louise,
Durow, Martha,
Eichner, Marie,
EinWaldt, Anna,
Wohnort.
Milwaukee, Wis
Milwaukee, Wis
Cincinnati, 0.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, 0.
Cincinnati, O.
Davenport, la.
Dayton, O.
Dayton, O.
Green Bay, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wig.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Springfield, O.
Wheeling, W. Va.
Cincinnati, O.
Dayton, O.
Dayton, O.
Mayville, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Cincinnati, 0.
Milwaukee. Wis.
Schule.
23rd Dist. Sch. No. 2.
2nd Dist. Sell. No. 1.
Jackson School.
Vine Street School.
16th Dist. School.
212 Calhoun St.
308 Harrison St.
Steele High School.
41 Cambridge Ave.
West High School.
19th Dist. Sch. No. 3.
10th Dist, Sch. No. 4.
781 Jackson St.
South D. High Sch.
7th Dist. School.
8th Dist. Sch. No. 2.
17th Dist. Sch. No. 1.
16th Dist. Sch. No. 2.
17th Dist. Sch. No. 1.
North D. High Sch.
10th Dist. Sch. No. 3.
Germ. English Academy.
Nat. Germ. Am. T. Sem.
22nd Dist. Sch. No. 1.
189 Yellow Spring St.
4tb Ward Sch.
Garfield Sch.
Steele High Sch.
152 Eagle St.
8th Dist. Sch. No. 1.
90 Knapp St.
8th Dist. Sch. No. 1.
254— 9th St.
6th Dist, Sch. No. 2.
6th Dist. Sch. No. 1.
23d Dist. Sch.
Dist. No. 2, Town Milwau-
kee.
Mitgliederliste des Lehrerbundes.
269
Name.
Eiselmeier, John,
Engelmann, Carl,
Engelmann, C., Frau,
Epstein, Tillie,
Fick, H .H. Dr.,
Frahm, Alma K.,
Fritsch, W. A. Dr.,
Fritsch, Laura,
Fahsel, Agnes,
Fuchs, Theresa,
Geige, Emma,
Glaser, Amanda,
Gerber, Lina M.,
Grebel, Johanna,
Greubel, Otto W.,
Griebsch, Max,
Gummersheimer, Hilda,
Herrle, Henry,
Herrle, Karl,
Hottendorf, Elizabeth,
Hutzler, Emma,
Heinz, Flora H.,
Heeger, Elenora,
Haack, Paula J,,
Haessler, Henrietta,
Hamann, Friedrich,
Hamann, Fr. Frau,
Henkel, Almira,
Hillenkamp, Carl,
Hillenkamp, C. Frau,
Hoerig, Gertrud,
Hohgrefe, Anna,
Hohgrefe, Elise,
Herzog, Carl,
Hoelper, Alois, Dr.,
Ische, Alvina, L.,
Jonas, Minnie W.,
Judell, Anna,
Knoebel, Eugenia L.
Kramer, Emil,
Kramer, Emil, Frau,
Kleinhans, Sophie D.,
Kehr, Clara,
Kahl, Henry,
Keller, Marie V.,
Kenkel, J. I.,
Kessler, Doris H.,
Klingeberger, Marie,
Koenig, Ella,
Krahnstover, Augusta,
Wohnort.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Cincinnati, O.
DaA^enport, la.
Evansville, Ind.
Evansville, Ind.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Dayton, O.
Dayton, 0.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, 0.
Davenport, la.
Evansville, Ind.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
New York City.
New York City.
Milwaukee, Wis.
Berlin, Wis.
Milwaukee, Wis.
Belleville, 111.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Crawfordsville, Ind.
Evansville, Ind.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Schule.
N. G. A. Teachers' Sem.
West D. High Sch.
409— 24th St.
10th Dist. Sch. No. 1.
1828 Fairfax Ave.
709 East 15th St.
621 Third Ave.
21st Dist. Sch. No. 1.
10th Dist. Sch. No. 1.
51 High St.
Emerson School.
16th Dist. Sch. No. 2.
20th Dist. Sch. No. 2.
114 Knapp St.
Nat. Germ. Am. T. Sem.
6th Dist. Sch. No. 2.
Whittier Sch.
Oyler Sch.
801 Richmond St.
10th Dist. Sch.
Woodbine Normal Sch.
Carpenter Sch.
4th Dist. Sch.
20th Dist. Sch. No. 1.
North D. High Sch.
13th Dist. Sch. No. ].
2nd Dist. Sch. No. L
1136 Island Ave.
409— 24th St.
6th Dist. Sch. No. 1.
976— 10th St.
477 W. 140th St.
Freie Deutsche Schule.
22nd District Sch.
DeKalb Township II. S.,111.
19th Dist, Sch. No. 2.
15 E. E. St.
14th Dist. Sch.
1334 Broadway.
High School.
Columbia Sch.
21st Dist. Sch. No. 2.
1st Dist. Sch.
55— 15th St.
15th Dist, Sch. No. 2.
1st Dist. Sch.
2nd Dist, Sch. No. 2.
99 North Ave.
270
Monatsheftc filr deuische SpracJie und Padagogik.
Name.
Krauslach, Emma,
Krauslach, Kate,
Krieger, Frida,
Kroetz, Millie E.,
Krug, Richard E.,
Krug, R. E., Frau,
Krull, Lilla C.,
Kerwer, Philippine.
Linane, P. M.,
Linane, Emma, Frau,
Lad wig, Valesca,
Lenz, G. J.,
Lenz, G. J., Frau,
Liebig, Elsa,
Lienhard, Henry,
Loewe, Arthur P.,
Lucas, Ph.,
Lucas, Ph., Frau,
Luebke, Ottilie E.,
Lueders, Victoria,
Limbocker, A.,
Maier, Wilhelmine,
Muhleisen, Hannah,
Malachowitz, Emma,
Kleiners, Anna,
Meiners, Louise,
Meinicke, Emily,
Merkt, Fannie M.,
Mitchell, Margaret E.,
Mueller, Alma E.,
Mueller, Amelia,
Mueller, Corinne C.,
Mueller, Hermann,
Mueller, Sofie, Frau,
Mueller, Wilhelm, Frau,
Mutterer Frederick,
Xahstoll, Anna, C.,
Neeb, Charlotte, E.,
Neeb, Gilcher E.,
Xeeb, Lewis S.,
Xeeb, Katherine,
Neeb, Mathilda A.,
Xiehus, Stella,
Xienow, Emily A.,
Ochs, Luise,
Perkins, Agnes S.,
Papenhagen, Martha M.,
Partenfelder, Martha H.,
Piepenbrink, Louise,
Purin, Chas. M.,
Wohnort.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Youngs town, O.
Chicago, 111.
Chicago, 111.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Springfield, O.
Cincinnati, 0.
Crawfordsville, Ind.
Milwaukee, Wis
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Terre Haute, Ind.
Cincinnati, O.
Cincinnati, 0.
Cincinnati, 0.
Cincinnati, O.
Dayton, O.
Dayton, O.
Dayton, O.
Milwaukee, Wia.
Dayton, 0.
Delaware, 0.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis
Milwaukee, Wis.
Schule.
13th Dist. Sch. No. 1.
21st Dist. Sch. No. 3.
8th Dist. Sch. No. 3.
17th Dist. Sch. No. 2.
North Div. H. Sch.
4th Dist. Sch.
Ray en High Sch.
1800 Barry Ave.
10th Dist. Sch. No. 2.
Germ. Am. Teachers' Sem.
llth Dist. Sch. No. 2.
12th Dist. Sch. No. 1.
2nd Dist. Sch. No. 2.
School Board, City Hall.
10th Dist. Sch. No. 1.
10th Dist. Sch. No. 3.
431 Shillito St.
High School.
20th Dist. Sell. No. 1.
llth Dist. Sch. No. 2.
9th Dist. Sch. No. 2.
13th Dist. Sch. No. 3.
9th Dist. Sch. No. 2.
10th Dist. Sch. No. 1.
14th Dist. Sch. No. 2.
Germ. English Academy.
800 Van Buren St.
2821 Clarke St.
420 Vliet St.
112 Juneau Ave.
Ind. State Normal School.
3rd Int. School.
1705 Sycamore St.
1705 Sycamore St.
419 Hickory St.
419 Hickory St.
Ruskin School.
10th Dist. Sch. No. 1.
Hoffmann School.
High School.
10th Dist. Sch. No. 4.
20th Dist. Sch. No. 2.
llth Dist. Sch. No. 2.
East Div. High Sch.
Mitgliederliste des Lehrerbundes.
271
Name.
Paarlberg, Mary,
Phelps, A. W.,
Ruedy, P. J., Ffau,
Riemer, Bernhard,
Roessler, Hanna M.,
Rieman, Bertha L.,
Roessler, Elsie E.,
Rahm, Selma,
Rieder, Rudolph,
Rader, Minnie Ev
Rathmann, Julius.
Rathmann, Lina,
Renz, Emilie,
Rieger, Emily M.,
Ruebhausen, Ella E.,
Ruemelin, Emily,
Ruschhaupt, Anna,
Roessler, J. E.,
Roemer, Emma Marie,
Schoenrich, C. O.,
Springe, Malvine,
Schrader, Marie,
Schrader, Herm. H.,
Suptus, Emily,
Schmidt, Christine,
Salomon, Elsa,
Sarnow, Emily,
Schaffrath, Wm.,
Schapekahm, Florence,
Schauermann, Carl,
Schauermann, Alice,
Schoon, William,
Schroeder, Ella,
Schroeder, Elizabeth,
Schroeder, Martha,
Schuerbrock, Josephine,
Senti, B. L.,
Sidler, Agnes,
Spangenberg, Clara B.,
Spangenberg, Thekla H.
Spies, Elizabeth,
Spies, George,
Stern, Leo,
Stern, Clara, Frau,
Stern, Julia,
Straube, C. B.,
Stuckert, John T.,
Schildknecht, Th.,
Wohnort.
Oakglen, 111.
Reading, Pa.
Bangor, Wis.
Carlstadt, N. J.
Chicago, 111.
Cincinnati, 0.
Cumberland, Wis.
Evansville, Ind.
Madison, Wis.
Milwaukee, Wis .
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Valparaiso, Ind.
Waukesha, Wis.
Baltimore, Md.
Chicago, 111.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Cincinnati, 0.
Cincinnati, 0.
Milwaukee, Wis,
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Madison, Wis.
New Holstein, Wis.
Schle.
Thornton Township H. S.
Boys' High School.
Public School No. 1.
LaSalle School.
18th Dist. Sch.
1542 Oakdale Ave., Chicago,
111.
Chestnut School.
University.
13th Dist. Sch. No. 3.
22nd Dist. Sch. No. 1.
Layton Park Sch., Milwau-
kee County.
21st Dist. Sch. No. 3.
7th Dist. Sch.
East Div. High Sch.
763 Weil St.
267— 26th St.
University.
High School.
Baltimore City College.
Schley School.
1st Dist, School.
Lincoln School.
3224 Glendora Ave.
1700 Sycamore St.
17th Dist, Sch. No. 1.
15th Dist. Sch. No. 1.
South Div. High Sch.
llth Dist, Sch. No. 2.
21st Dist. Sch. No. 2.
1333— 6th St.
5th Dist. Sch. No. 1.
10th Dist. Sch. No. 1.
22nd Dist. Sch. No. 2.
774— 6th St.
Germ. English Academy.
10th Dist. Sch. No. 2.
Germ. English Academy.
12th Dist. Sch. No. 2.
16th Dist. Sch. No. 1.
1st. Dist. Sch.
20th Dist. Sch. No. 1.
City Hall.
106 Garfield Ave.
West Div. High Sch.
21st Dist. Sch. No. 3.
University.
272
Monatehefte fur deuischc Spraclie und Padagogik.
Name.
Stedinger, Ferd.,
ter Jung, Augusta,
Ulrich John,
Vogel, Thekla,
von der Halben, Wilh.,
von Cotzhausen, Laura,
von Gumpert, Emmy,
Werneburg, Pauline,
Walsh, Ella A.,
Wegelin, Christian,
Wolf, Christine M.,
Wolf, Louise, M.,
Wagner, Frieda,
Warnecke, Aug.,
Wedekind, Edward,
Wedekind, Martha,
Weihe, Herm. J.,
Weltzien, Lina,
Wirth, Lillie,
Wissbeck, L.,
Wuerst, Frances, A.
Wolf, Ernst L.,
Welch, A. J.} Frau,
Zahl, Else,
Zahn, Nettie,
Wohnort.
Rockford, 111.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Chicago, 111.
jr., Cincinnati, O.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Chicago, 111.
Cincinnati, 0.
Cincinnati, O.
Cincinnati, O.
Fort Wayne, Ind.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, W7is.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
St. Louis, Mo.
Wauwatosa, Wis.
Milwaukee, Wis.
Milwaukee, Wis.
Schule.
High School.
19th Dist, Sch. No. 1.
6th Dist. Sch. No. 3.
Jas. Madison Sch.
Horace Mann Sch.
North Div. High Sch.
Germ. English Academy.
Lake High Sch.
Jackson School.
N. E. Court.
Winton Place School.
623 Canal St.
22nd Dist. Sch. No. 2.
9th Dist. Sch. No. 1.
2nd Dist. Sch. No. 1.
23rd Dist. Sch.
19th Dist. Sch. No. 1.
14th Dist. Sch. No. 2.
Germ. English Academy.
385— 13th St.
9th Dist. Sch. No. 1.
William McKinley High S.
13th Dist, Sch. No. 1.
19th Dist. Sch. No. 2.
Monatshefte
f(ir deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Padagogische Monatshefte.)
: A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* November 1908, Reft 9*
Deutsche Vereinsschulen. Das September-Oktoberheft dieses Jahr-
ganges berichtete in seiner Umschau liber die in Boston ins Leben geru-
fene deutsche Yereinss'chule. Einige der grosseren deutschen Vereine
unterhielten wohl dort auch schon friiher Schulen, in denen deutscher
Unterricht erteilt wurde. Aber es mangelte an System, da die geringe
Schiilerzahl und die beschrankten Mittel gewohnlich nur die Anstellung
eines einzigen Lehrers erlaubten, der alle Klassen gleichzeitig unterrich-
ten musste. Nunmehr aber haben sich die deutschen Vereine der Stadt
Boston zusammengetan und haben eine gemeinsame Schule gegriindet,
deren Besuch den Kindern ihrer Mitglieder frei steht. Welche Vorteile
diese Einrichtung ftir den Erfolg des Unterrichts einschliesst, ist fur
jeden, der mit der Schularbeit vertraut ist, klar auf der Hand. Dass sich
die deutsche Bevolkerung Bostons gleichfalls dieser Vorteile bewusst ist,
beweist. der Umstand, dass es im Laufe dieses Schuljahres, mit dessen
Beginn die Vereinsschule gegriindet wurde, infolge der rapiden Zunahme
der Schiilerzahl notig wurde, das Lehrer personal von einem auf sieben zu
erhohen. Ein Umstand verdient noch besondere Erwahnung: die Ver-
einsschule, in der jeden Sonnabend unterrichtet wird, befindet sich in
einem der offentlichen Schulgebaude, welches die Schulbehorde fur dieses
Unternehmen zur Verfiigung gestellt hat.
Das Vorgehen der Deutschen Bostons verdient riickhaltloseste Aner-
kennung. Wir begriissen es als eines der wichtigsten Zeichen, wenn nicht
274 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
das wichtigste, ernes neuerwachten deutschen Lebens. Was Grosseres und
Besseres gabe es wohl fiir uns zu tun, als der deutschamerikanischen Ju-
gend wieder mit der deutschen Sprache deutschen Geist und deutsche
Gesinnung einzuflossen, und in ihr den Stolz auf die deutsche Abstam-
mung zu wecken! Den Zweigen des Deutschamerikanischen National-
bundes liegt es ob, die Fiihrung in dieser Bewegung zu ubernehmen.
Hier bietet sich ihnen das Feld zu einer Betatigung, die ihren Kraften
entspricht, deren Erfolge ihnen selbst zugute kommen und ihrem
Bestehen eine hohere Berechtigung sichern. Auf die Einzelheiten der
Eiiirichtung solcher Schulen einzugehen, wiirde hier nicht moglich sein.
Diese miisste den lokalen Verhaltnissen und dem Schulermaterial gemass
getroffen werden. Nur das sei hier ausdriicklich gesagt: diese Vereins-
schulen sollten nicht bloss in solchen Stadten gegriindet werden, in denen
kein deutscher Unterricht in den Volksschulen erteilt wird, — auch in
den Stadten, in denen der deutsche Unterricht besteht, diirfte eine solche
Vereinsschule von Segen sein. Nur die Unterrichtsziele miissten ver-
schieden sein. Wahrend im ersten Falle es zunachst die Aufgabe der
Vereinsschule sein miisste, den Schiilern die elementaren Kenntnisse der
deutschen Sprache zu vermitteln, so konnte im anderen Falle eine solche
Schule sich hohere Ziele setzen und solchen Unterricht erteilen, der in
dem Lehrplan unserer offentlichen Schulen nicht vorgesehen ist. Wir
erwahnen nur Weltgeschichte. Bin wirksameres Mittel, die Jugend von
der hohen Bedeutung des deutschen Stammes im Kulturleben der Volker
zu iiberzeugen, als dieses Fach gibt es nicht, ganz abgesehen davon, dass
diese Schule auch der geeignete Platz ist, der Stellung des Deutschameri-
kanertums in unserem Lande gerecht zu werden. Gelingt es einer solchen
Schule noch, in den Kindern auch die Liebe zur deutschen Literatur und
zum deutschen Liede wachzurufen, so diirfte der Erfolg jeden Aufwand
von Miihe und Kosten lohnen. Aber griindliche und ernste Arbeit ist
notwendig. Sie ist leichter moglich, wenn die einzelnen Vereine nicht
ihre Krafte zersplittern, sondern, dem Beispiele Bostons folgend, gemein-
sam an ihr Werk gehen. M. G.
Die Schule der Zukunft. In der Lehrerkonferenz Nordenglands zu
Bradford hielt Mr. Sykes, der President des englischen Lehrerbundes
(60,000 Mitglieder), einen Vortrag iiber Reform in der Volksbildung,
dem wir folgendes entnehmen:
Es gibt keine Reformen in der Volksschule, die nicht Geld kosten,
sagte Mr. Sykes. Wenn wir nicht bereit sind, fiir die Volksschule oder
in der Volksschule mehr Geld auszugeben, so sind alle Diskussionen iiber
Reformen unniitz. Unter den jetzigen Verhaltnissen ist der Lehrer der
Die Schule der Zukunft. 275
Volksschule am Ende seines Witzes angekommen ; er hat nichts mehr zu
lernen.
Aber iibergebt einem ernsten, tiichtigen Lehrer ein Dutzend Kinder,
sagt ihm, dass sie mit vierzehn Jahren in die Welt hinaus miissen, um
ihr Brot zu verdienen, heisst ihn, deren Fahigkeiten zu entwickeln, dass
sie daraus den grossten Nutzen ziehen, ihre moralische und geistige Ein-
sicht zu starken, gebt ihm freie Hand, wie er seine Arbeit einzurichten
hat, und ihr stellt die schwierigste Aufgabe, die ein Mann unternehmen
kann.
Ein Dutzend Kinder, nicht fiinf Dutzend. Ich kann mir das Zim-
mer vorstellen, das er notig hat. Es ware draussen, wo Luft und Sonnen-
schein ist, in Feld und Blumen. Manche der jetzigen (englischen) Schul-
gebaude konnten zur Aufzucht von pramiertem Vieh, Schweinen und
Gefliigel vermietet werden, mit dem unausweichlichen Erfolg, dass sie
nie mehr einen Preis erhielten. Die Grosse der Schule fiir die zwolf Kin-
der wiirde bequem Sitzplatze fiir hundert Leute bieten. Ausriistung und
Apparate, Bilder-, Marchen- und Geschichtenbiicher, wenn es gute gibt,
werden angeschafft. Schulkiiche, Speisezimmer und Schulbad fehlen
nicht. Der Lehrer wird auch das Schulkleid verlangen, dass die Schiller
bequem und warm gekleidet sind. Mantel und tiberschuhe bleiben im
Garderoberaum. Gummischuhe geben einen leichten Schritt; ein gut
genahrter Korper und regelmassige korperliche tibung erzeugen eine
Leichtigkeit der Einsicht, die iiberrascht.
Ich setze die Klasse auf zwolf an, weil die Erziehungsaufgabe um so
schwieriger wird, je weiter abwarts wir in der sozialen Skala gehen. Der
junge Sprossling koniglichen Blutes hat einen Professor, oder mehr als
einen, ganz fiir sich allein. Das Kind eines Millionars kommt mit fiinf
anderen zusammen zu einer Klasse von einem halben Dutzend. In der
Volksschule verliert ein Kind seine Personlichkeit vollstandig; es taucht
in der ,,durchschnittlichen Anwesenheit" von sechzig unter; einzig, weil
unser Land noch nicht erkannt hat, dass es der Miihe wert ist, das Kind
des Arbeiters zu erziehen. Ich schlage zwolf Kinder vor, damit der Leh-
rer mit den Eltern in personlichen Kontakt kommt. Der erste Erfolg
ware, dass sich die Eltern um das kiimmerten, was in der Schule ge-
schieht. Dann ware kein Kampf um die Schulsteuer. Sie wiirden immer
dem Kandidaten stimmen, der ihrem Freund, dem Lehrer, gibt, was er
braucht. Wer sagt, es ware das Geld nicht wert? Das ware die beste
Anlage der offentlichen Gelder; denn der Reichtum einer Nation liegt in
ihren Kindern. ,,Die Nation wird leben durch den Atem ihrer Kinder."
Jiingst sprach Professor Armstrong von einer Morrison Pille, die alle
tibel der Volksschule heilen wiirde. Sendet zwei oder drei Inspektoren,
um den Lehrern zu zeigen, wie sie unterrichten miissen. Wieder der alte
276 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Ruf : Hier 1st ein Lehrer, zeigt ihm, wie er lehren soil und setzt ihm einen
Inspektor, um nachzusehen, dass er nichts Ubles tue. Als einer derer, mit
denen Professor Armstrong experimentieren will, sage ich: Gut, kommen
Sie. Stellen Sie sich in der dumpfen Atmosphare einer Slum-Schule vor
eine Klasse von sechzig Knaben, fur sechs Monate einmal, sagen wir vom
Oktober bis April, keinen Tag weniger, Tag fiir Tag, mit dem schabigen
Mobiliar, den diirftigen Mitteln, die eine sparsame Schulkommission ge-
wahrt, und kein Lehrer des Landes ware, der sich nicht freute, alles zu
lernen, was Sie ihn in dieser Zeit lehren konnten.
Wir brauchen nicht mehr Inspektion, nicht mehr Verwalter. Aber
bessere Arbeitsbedingungen miissen wir haben. Alles kommt darauf hin-
aus : Ist's der Muhe wert ? Die Leute unseres Landes sagen Nein. Wenn
sie ihren Irrtum einsehen, so sagen sie Ja, und wir konnen unsere Eeform
ins Werk setzen.
Stellt den tiichtigen Lehrer unter richtige Verhaltnisse, und er wird
nicht anders, als lehren konnen, wie ein Kiinstler nicht anders, als zeich-
nen kann, wenn er sich in einer schonen Landschaft befindet; denn der
wahre Lehrer ist ein Kiinstler. Er kann nicht nach Mass arbeiten, noch
nach zahlreichen Vorschriften, mogen sie noch so geschickt abgefasst sein.
Sein vollendetes Ziel ist ein gesundes, starkes Kind. Dieses sollte das
verwendete Geld wert sein. Mit einer Klasse von zwolf ware die Arbeit
noch schwierig genug. Mit einer Klasse von sechzig ist sie unmoglich;
der Lehrer kann dabei seinen Blick nicht auf die wirkliche Aufgabe rich-
ten. Ich plaidiere fiir Freiheit fiir den Lehrer, Freiheit zu versuchen,
Freiheit selbst Fehler zu machen; je mehr der Staat dem Lehrer Freiheit
gibt, um so mehr an Wert wird der Lehrer dem Staat zuriickgeben.
(Schweizerische Schulzeitung.)
Modern Languages Taught as Living Languages,
By Marie Duerst, High School, Dayton, 111.
It is with some diffidence that I offer to read a paper before this Asso-
ciation. What induces me to do it is the hope that it may elicit a discus-
sion by which I may be benefited and so, perchance, benefit others.
There is every reason to believe that this is a time of transition and
reform, of growth and development in the teaching of modern languages.
Their value has been recognized in nearly all our schools and colleges by
the increased facilities provided for the study of these languages, as com-
pared with those of former years.
* Paper read before the 17th annual convention of the Modern Language Asso-
ciation of Ohio, Springfield, O.
Modern Languages Taught as Living Languages. 277
But the conditions of work in modern language teaching still vary
more than perhaps those of any other subject. Would it then not be well
for us to hold counsel with each other, to compare notes, to see how we
can supply to the best of our power the bright young minds that come to
us for instruction with that which will most help them to fill their future
place in the world?
Surely this assembly must be rich in experience and ideas, being com-
posed of such various elements. I think I see before me some staid, con-
servative teachers of the old school, clinging tenaciously to technicalities;
some energetic reformers, perhaps a little too radical, employing exclusive-
ly the so-called natural method; then, again some, who are eclectic, and,
seeing much that is commendable in each of these methods; they choose
what is good from all and endeavor to apply it to the best of their ability.
To this creed I confess myself, believing that its adherents are pursuing
the right course to teach the modern languages as living languages.
I beg my hearers to bear in mind, that I do not presume to present
any new ideas, still less would I attempt to teach here, where I came to
learn much. Allow me also to state, that in my remarks I have reference
to French and German.
While books and methods are of vital importance and should be well
and judiciously chosen, the all important factor is the instructor. To
teach the modern languages as living languages he must be not only con-
versant with the language to be taught, but must possess a thorough com-
mand of it. His vocabulary must be an inexhaustible treasure, from
which he may draw what the given occasion demands. He must have at
his beck and call a wealth of linguistic information, of idiomatic expres-
sions, sayings, proverbs etc. which he uses discriminately and with
ingenuity.
He must also be well versed in the vernacular of his pupils, to use it,
if need be, in the class room, to compare it with the language they are
studying; to correct mistakes they may, and in fact do make in their own
tongue. Moreover, it is my firm belief that the pupil's esteem and respect
for their teacher of foreign languages is in proportion to the knowledge
he shows of the use of their mother tongue.
Last but not least, the teacher must have love and enthusiasm for the
languages he is to impart. He must be convinced, that his is the widest
opportunity for the enlargement of the mental horizon, for the exercise of
the higher activities of the mind, for shaping character and giving broad
culture. To him is assigned a noble part in the great work of education.
What a power for the mental and moral good is put into his hands !
Happy, if he wields it well, and with it succeeds in imparting his own
intellectual life to his pupils. Let us now consider how we can best meet
the demands made on the instructors of modern languages.
278 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Some of our students come to us with a purely utilitarian object in
view, knowing that when seeking employment they have an advantage if
able to speak some German; some wish to learn French or German as an
accomplishment; some mainly for an acquaintance with the literature;
some because their parents intend to go abroad with them as soon as they
shall have finished the High School course; others study it in order to
meet a requirement of the college they wish to attend; still others do it
with a view to scientific pursuits, which they cannot follow, unless they
are able to read the best professional works, which are often written in
French or German.
We cannot have regard for special purposes and circumstances; not
as long as we have large, mixed classes. The question for us to consider
is, how to use the very limited time to the best advantage, so that we may
take the student to the farthest possible point on the road, toward a
mastery of the tongue we profess to teach. We must seek to offer such
instruction as will do the greatest good to the greatest number.
Wherein shall this consist?
To my mind in an efficient correlation of conversation, grammar,
reading, translation and composition.
The living language to be taught must be spoken by the teacher, so
that the student learns French or German, not merely facts about those
languages.
Not that English need be proscribed; it must not be, cannot be, if
progress is to be made, but it should be used as little as possible, and only
when repeated attempts to make intelligible an explanation in French or
German have failed.
The writer believes that on the very first day a beginner should hear
the sound of the language he desires to learn, and that he should be taught
in that language as far as possible. The ear must be habituated, the
understanding developed, and pronunciation learned by imitation.
With some ingenuity, alertness and pleasing gestures on the part of
the teacher the pupils will readily understand and quickly pick up the
ordinary expressions and phrases used in the work of the class room. They
are delighted to be addressed in the foreign tongue. It is an inspiration
to have some 25 pairs of bright eyes looking at one while intently listening
to what you tell them, trying to understand the new foreign tongue, seek-
ing to imitate and to reply as best they can.
The more pupils are accustomed from the very beginning to the
thought that French or German is to be learned less from the book than
from the mouth of the teacher, the more quickly will intercourse between
teacher and pupil in the foreign language be attainable, and the pupil's
shyness of expressing himself in the foreign tongue disappear.
Modern Languages Taught as Living Languages. 279
I make it a daily practice with all my pupils on their entering the
class room to spend a few minutes in exchanging some remarks in German
or French on what ever presents itself most readily and naturally. — The
lesson of the day, the weather, a new period in the school calendar, a holi-
day in store, current events, the reason of some one's absence on the pre-
vious day, something seen on the way to school, something heard in a
general assembly on that morning, a newspaper article of general in-
terest etc.
My object in doing so is to familiarize their ear again, and to prepare
their organs of speech for what is to be done in the foreign tongue, of
which they have not heard a sound since they left my class room. I do it
also that a few words may be added to the vocabulary; an acquisition
which I then ask them to put to use.
If German or French is distinctly and correctly spoken in the class
room, every sentence — whether spoken or read — will be a drill in the noun
and adjective declensions, in the conjugation, in the government of pre-
position and in the elementary rules for arrangement. The constant use
of the language in the class room may largely take the place of special
exercises in grammar, of which I mean to speak next.
Though we may have a religious regard for the spirit rather than the
letter of the language, we cannot teach it without the use of grammar,
else our pupils will play a parrot-like part ; they will be the proud posses-
sors of a number of phrases and idioms they have heard or learned, but
without the ability to form new sentences in a grammatically correct way,
since they are destitute of the principles and rules of the language.
Grammar deals with the facts and the laws of the language, so we cannot
dispense with it ; nor can we afford to teach it but incidentally.
Let us reduce it to a minimum; let us teach only the essentials, and
do this rationally, but thoroughly. True, the pupil finds it hard work.
What of it? He is supposed to be preparing in school for life, and when
he gets out of school he will be reminded at every turn that valuable
acquisitions have to be worked for. There is no royal road to languages
and French and German are not to constitute a part of the so-called "soft
electives."
Our task is arduous too, especially when it comes to correcting
manuscripts of large classes, in some of which we are disappointed, be-
cause we see the pupils did not grasp the point we meant to make clear.
There is many an evening when I feel that my pupils have taught me
more on that day than I was able to teach them, and that they have
pointed out to me a way to make myself better understood the next day.
How true what Carlisle says: "Thou that teachest another, teachest thou
not thyself?" And this not only in grammar.
280 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
And then, the difficulties the learning of a foreign language presents
can be largely reduced, if not obviated, by the teacher's skilfull diversify-
ing the grammatical exercises, of which an endless variety may be given.
How interestingly, for instance, the tense, mode, number and person of
the verb may be practiced by transposing at sight a pleasing anecdote or
fable that has just been read and is thoroughly understood from one per-
son to another, from one tense to another.
Translation, reading, dictation, reproducing of a short story, memor-
izing an exquisite poem, paraphrasing a little ballad, writing a description
of the season, giving a synopsis of a bright scene of a play read in a class
— all these can be made very interesting and useful, and are conducive,
each in its own way, to familiarize the student with the language he is
learning.
Some weeks ago one of my colleagues had been asked by a pupil to
excuse her 15 minutes before the close of the recitation in order to attend
a class in cooking, to which she had taken, a great liking. The request had
been granted — but the signal for dismissal rang before that pupil had
even thought of looking at the clock. I call this making a language lesson
intensely interesting.
I mentioned translation. Some teachers claim to do entirely without
it. I fain would have them tell me how, especially with beginners. Trans-
lation, clear, accurate, simple, adequate, yet idiomatic is the best, in fact
often the only test of the knowledge of both idioms.
It is doubtless well to make from the very beginning systematic
efforts to induce the student to connect the new words with the things
themselves and not with the words of his native language; but on the
other hand there is no economy of time or strength in persistently reject-
ing the help, which the student's native language offers, when we wish to
make clear to him the meaning of a new word or idiom.
Let the translation be made mostly into the language the student is
seeking to acquire ; but let him also translate into the mother tongue fine
valuable passages which we fear he does not adequately appreciate. But
let us see to it that it be translation, not transliteration.
As a pleasing exercise for my older pupils and to guard them against
the tendency toward literal translation we sometimes compare the proverbs
and idioms of one language with the other. Thus we find that the Eng-
lishman "falls out of the frying pan into the fire;" the German "kommt
aus dem Kegen in die Traufe," and the elegant French "tombe de
Charybde en Scylla." Every one has his hobby; Jedem Narren gefallt
seine Kappe; Chacun a sa marotte. One must not have too many irons
in the fire; Wer zwei Hasen auf einmal jagt, bekommt keinen; Qui trop
Modern Languages Taught as Living Languages. 281
embrasse, mal etreint. He makes mountains of mole hills ; Er macht aus
jeder Miicke einen Elephanten; Faire (Tune mouche un elephant. Speak
of angels and you hear the rustling of their wings; Wenn man vom
Schelm spricht, kommt er; Quand on parle du loup, on en voit la queue.
As to reading, the longer I teach the more I am convinced that we
cannot do too much of it. It is reading that will furnish the student with
a varied and useful vocabulary, and make him acquainted with turns of
expression, with forms of phrase, with syntactical constructions and idio-
matic combinations. It is -the best means of rendering the pupil, through
practice, familiar with the material of the language and with the laws
governing its use.
Literature is the one great treasure house which must be opened to
the student, and there is a wealth of information, culture, delight, beauty,
power and inspiration in the French and German literatures, both classical
and modern. There are so many good reading texts offered us that often
one is at a loss which to choose.
Of all the exercises in language teaching it is reading that can be
made most pleasing. After a good drama, or a little comedy has been
read and understood, the members of the class are delighted to take the
individual roles and they acquaint themselves very creditably. And when
allowed to cast the play, it is remarkable how judiciously they assign the
various parts to those who can best perform them.
One of the conditions I most regret is that we may not, cannot expect
our pupils to read much outside of school. With four or five studies to
prepare, lessons in music, painting, dancing, domestic science, attendance
at the gymnasium, there is very little, if any, time left for outside reading.
So all we can do is to introduce them to the best literature of the
language they are learning and create in them a thirst for more. The
mortifying consciousness that we do not, cannot accomplish as much as
we should like to is surely not peculiar to the teachers of foreign
languages, and need not discourage us. We learn every day how to im-
prove our instruction, how to better adapt it to the needs of our pupils,
and by efforts, daily renewed, by earnest work and sincere devotion to our
profession we give them the best that is in us, and though it be not a
visible amount in just so much of French or German, it is, I hope, some-
thing that may serve them well in after life. So, notwithstanding the
difficulties we have to overcome, the failings and disappointments we ex-
perience, I think it a delightful calling to teach modern languages as
living languages.
Stoffe fur den Anschauungsunterricht
Aus der Praxis.
You Uhlenkruger.
Der Hund. (Fortsetzung.)
L. Der Hund kann und tut noch mehr ! Denkt einmal, wenn er auf
dem Felde 1st und er da nichts welter zu tun hat ! 1. K. Er macht sich
hinter die Hasen. 2. K. Er schnappt Fliegen. 3. K. Er jagt die
Krahen weg. L. Alles richtig; aber ich denke noch an was anders. ( — !)
Auf dem Felde laufen manchmal noch andre kleine Tierchen herum ! K.
Die Mause ! er greif t sich Mause. L. Ja, aber wie macht er das ? Die
kriegt er doch nicht immer gleich ! K. Er kratzt mit seinen Pfoten tiefe
Locher; manchmal guckt bloss noch der Schwanz raus. Und die Erde
fliegt immer so, und mit einmal hat er sie. 2. K. Manchmal kratzt er
auch ein ganzes Mausnest raus.
Nun wollen wir uns mal besinnen, wie der Hund isst und trinkt und
was er sehr gern fressen mag. K. Er mag gern Knochen, die zerbeisst
er. 2. K. Manchmal verwahrt er sich auch einen. L. Wie macht er
das? K. Er kratzt ein kleines Loch mit einer Pfote, und dann legt er
den Knochen daran und dann macht er das Loch mit der Schnauze zu.
Das sieht schnurrig aus. L. Warum macht er das wohl? K. Damit er
hernach auch was hat. L. Er machts also grad so wie ihr, wenn ihr euch
einen schonen Apfel irgendwo im Stroh versteckt, nicht wahr? 2. K. Ich
hab gesehen, wenn er einen Knochen hat und knabbert, dann darf ihm
keiner in die Nahe kommen. Dann beisst er gleich. L. Aber wenn der
Hund trinkt, wie macht er das ? K. Er lappt das Wasser mit der Zunge.
L. Ja, die ist recht lang. Das ist gleichsam sein Loffel. Aber manch-
mal lasst er diesen Zungenloffel recht weit raushangen. Wer hat das schon
gesehen? K. Ich, wenn er sehr gelaufen hat, dann gischt er. 2. K. Ich
weiss noch anders : Wenn es sehr heiss ist, dann schwitzt ihm.
Ihr habt nun doch auch gewiss den Hund mit der Katze zusammen
gesehen. Was machen denn die beiden. K. Unsere konnen sich gut ver-
tragen; manchmal spielen sie zusammen. Aber manchmal hackt sie ihn
auch mit den Krallen. Dann beisst er sie. 2. K. Unser Hund liegt mit
der Katze dicht zusammen. Aber wenn der Hund spielt, dann macht er
sich so fein. L. Wie denn? K. Er macht dann solchen krummen
Riicken und lauft so flink, immer hin und her. Und manchmal springt
8 toff e fur den Anschauungsunterricht. 283
er im Satz iiber die Katze riiber. L. Seht, wie fein ihr die Augen aufge-
macht habt ! Ihr habt aber alles schon gesehen. Da kann ich noch wohl
gar von euch lernen. Nun mocht ich noch gern wissen, ob ihr wohl noch
sonst etwas am Hunde gesehen habt. Ernst, hast du nicht mal zu deinem
Bruder Karl gesagt : Du, Kadel, kik eis, wat hei nu meckt unwo datt lett !
Ja, schmunzelt der Ernst. 1. K. Ich hab gesehen, dass er manchmal auf
drei Beinen lauft. 2. K. Manchmal kratzt er sich die Haare, wenn ihm
was beisst. „ 3. K. Wenn er unter der Ofenbank liegt und schlaft, dann
traumt ihm was; dann winselt er ein bisschen. 4. K. Wenn die Mutter
in der Kiiche mit den Tellern klappert, dann springt er hoch. Dann weiss
er, dass es Mittag gibt. 5. K. Wenn der Vater sich die Stiefel anzieht,
dann kommt unser Hund angelauf en und springt ; dann weiss er, dass der
Vater weggeht, dann will er mit. 6. K. Ich weiss noch etwas anderes :
Wenn unser Hund geschlafen hat und er wacht auf, dann macht er sich
ganz lang und reckt sich und reisst das Maul auf und macht die Zunge
krumm. Der Riicken wird ganz hohl. 7. K. Unser Hund kann sich
hiibsch machen und die Pfote geben. Wenn wir einen Kniippel wegwer-
fen, dann lauft er hin und holt ihn wieder. L. Nun will ich euch noch
mal nachdenken helfen. Wer hat an den Augen des Hundes schon mal
was merkwiirdiges gesehen, wenn er im Dunkeln sitzt. K. Ich, dann
glanzen sie so, als wenn da ein Licht drin ist. L. Gut, ich hab mich mal
davor sehr gefiirchtet, als ich so klein war wie ihr und als ich mit einmal
unterm Bett zwei solche kleinen, griinen Lichter sah. Aber nun denkt
einmal an seine Haare ! Wisst ihr da noch was ? K. Die Haare gehen
ihm manchmal aus. Dann sagt meine Mutter : Du, lass den Hund gehen,
er haart und macht dir die Kleider voll.
So, ich freue mich sehr, wie klug ihr seid. Und ich muss mich sehr
wundern, wie gut ihr Bescheid wisst mit dem Hunde. Er ist aber auch
ein guter Kamerad, der die Kinder gern mag und gern ein bisschen mit
ihnen spielt und der gern mit ihnen spazieren geht. Aber nun habt mir
diesen guten Kameraden auch recht lieb und neckt und stosst und schlagt
ihn nicht. Was meint ihr, gefallt euch das wohl, wenn euch immer einer
stosst und qualt? Wie wirst du nun fur deinen Hund recht sorgen? K.
Ich werde ihm ein schones, weiches Nest machen. 2. K. Ich werde ihm
die Knochen geben. 'L. Yergesst auch nicht, dass er ofter Durst hat.
L. Also noch einmal: Ihn nicht qualen und schlagen! Der Hund ist
unser Freund. Dariiber werde ich euch nachstens, wenn ihr fleissig ge-
wesen seid, noch schone Geschichten erzahlen.
Aufgaben zur Wiederholung.
1. Was der Hund alles hat. a) am Kopf, b) am Leibe.
2. Wozu er das alles hat.
3. Was der Hund alles muss.
284 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
4. Was er noch alles kann.
5. Wenn ein Fremder kommt.
6. Wenn er mitkommen darf.
7. Wenn er zu Hause bleiben muss.
8. Wenn er schlaft und wenn er aufwacht.
9. Wenn er spielt.
10. Wenn er bose 1st.
11. Wenn er Junge hat.
12. Wie er mal recht klug gewesen 1st.
13. Als wir unsern Hund bekamen.
14. Als wir ihn verkauften.
15. Wir wollen einen Hund malen.
Seht, so den Hundekopf.
16. Wer denkt sich mal eine Geschichte vom Hunde aus und erzahlt
sie mir.
* * *
Somit ware denn ja wohl der Hund fur diese Stufe gehorig ausbeutet
— fast bis auf die Eingeweide — wenn nicht gar erschopft. Und wieder
aufs neue ist mir klar geworden, was doch ein Hund fiir ein reiches Leben
hat. Man vergleiche all seine Kiinste und Ausserungen mit andern Tie-
ren! Goethe mag recht haben: Dem Hunde, ist er gut gezogen, wird
selbst ein weiser Mann gewogen — obwohl er sonst, wie erzahlt wird, keine
Hunde leiden konnte. Aber nun die Kinder. Wie genau und scharf und
ins einzelne gehend haben sie beobachtet ! Und wie weicht die Scheu und
wie leicht fliesst ihnen das Wort vom Munde, wenn auch in ihrer Sprache
und Art.
II. Die Katze.
(Ein Entwurf.)
Ein anderes Tier im Hause und auf dem Hofe ist die Katze. Die
lauf t da auch nicht zum Spass herum ; denn auch sie hat ihre Arbeit. Aber
sie versteht doch lange nicht so viel wie der Hund, obwohl sie in manchen
Dingen auch ganz geschickt ist. Ihre Arbeit ist das Mausefangen; denn
das Ungeziefer richtet manche Dummheit an. Bald ist das Brot ausge-
hb'hlt, dann ist die Wurst angefressen, und da ist gar eine in die Milch-
schiissel gefallen und ist da in lauter Siissigkeit ertrunken. Da ist die
Mutter aber bose geworden und hat ein ,,ekliges Gesicht" gemacht und
hat schnell die Milch ausgegossen und dann nach der Katze gerufen. Die
sollte endlich mal aufraumen unter dem kecken Gesindel.
Die ist gern gekommen und hat ganz still in der warmen Kiiche ge-
sessen, ganz dicht am Kodhherd ; denn sie mag gern sein, wos recht warm
Stoffe fur den Anschauungsunterricht. 285
1st. Da hat sie gesessen und war beinahe eingeschlaf en ; die Augen f ielen
ihr schon zu, und sie schnurrte so ganz gemiitlich. Aber da mit einmal
raschelt da etwas hinterm Brotspind, und gleich fangt was an zu knab-
bern. Die Katze spitzt die Ohren, springt schnell herunter, schleicht ganz,
ganz leise ans Spind; denn das versteht sie besonders gut. Und nun sitzt
sie ganz muckmauschenstille, die Augen funkeln. Da plotzlich wippt die
naschhafte Maus heraus aus der Ecke und will untern Tisch. Sieh da!
wie die Katze zuspringt, und zwischen ihren scharfen Krallen zappelt die
Maus. Was nun?
Die Katze frisst sie nicht etwa gleich auf. Nein, so dumm ist sie
nicht, und Hunger hat sie auch nicht. Erst ein bisschen spielen. Sent,
wie krass sie mit der Maus im Maul aus der Kiiche lauft ! Der Mause-
schwanz hangt nach unten. Und nun geht auf dem Hofe das Spielen los.
Das habt ihr natiirlich schon oft gesehen. Wie macht sies doch? Zuerst
lasst sie das arme Mauschen los, dass es freudig fortlauft und denkt:
Mein Leben ist noch einmal gerettet. Aber gleich ist der Mausejager wie-
der hinter her, und es sitzt schon wieder zwischen den Krallen. Nun
laufts wieder und wieder wirds gefangen. Zuletzt ist es schon so miide;
es sitzt zitternd da und mag und kann garnicht mehr laufen. Seht, wie
die grossen Ohrmuscheln wehen. Nun schiebt die grausame Katze die
Maus mit der Pfote fort, damit sie sie noch einmal fangen kann; so
grossen Spass macht ihr das Spielen. Aber endlich ist es ihr auch leid
geworden; ein tiich tiger Biss, und das Tierchen ist tot. Nun wirds auf-
gefressen, mit dem Kopf zuerst, noch hangt der Schwanz aus dem Maule.
Horcht, wie es knirscht ! Muss die Katze aber scharfe Zahne haben !
Aber nicht bloss im Hause hat die Katze zu tun. Auch in den Stal-
len, in der Scheune, auf den Boden macht sie Jagd. Manchmal geht sie
auch aufs Feld und sitzt und wartet dort lange vor dem Mauseloch. Da-
bei kommt es garnicht drauf an, auch mal ein andres Tier zu fangen.
Bekommt sie einen Vogel, so nimmt sie ihn. Manche Leute wollen sogar
gesehen haben, wie sie die kleinen Vogelkinder aus dem Nest zwischen
dem Korn auffrisst, und die Mutter dazu. Doch das kann ich ihr gar-
nicht zutrauen, solche Schandtaten. Aber wie sie mit einem ganz jungen
Hasen vom Felde gekommen ist, das habe ich doch ofter als einmal ge-
sehen. Auch hab ich bemerkt, dass sie ofter einen Spatzen wegfing,,der
vor der Scheune sass und sich Kornlein suchte. Ja, einmal sah ich, wie sie
eine arme, kleine Meise, die sich Brosamen vom Fensterbrett holte, griff
und sie sofort totbiss. Da bin ich aber wirklich sehr bose auf den Vogel-
rauber gewesen; denn da hort doch die Gemiitlichkeit auf. Mause und
Eatten will ich ihr gern gonnen; aber weiter nichts.
Gar zu gern mag sie auch siisse Milch. Und wenn die Mutter den
Milcheimer nimmt und nach dem Kuh stall geht, um zu melken, dann
286 Monatshefte fur deutsche Sprache und PddagogiJc.
passt sie ganz genau auf . Dicht lauft sie hinterher und dicht setzt sie sich
an die Mutter und schnurrt und spinnt und mochte am liebsten in den
Eimer steigen, wenn die warme Milch aus dem runden Euter ,,strullt".
Jetzt steht die Mutter auf, da fangt die Katze an zu miauen und halt den
Schwanz kerzengerade. Nun bekommt sie ihren Teller voll. Seht, wie
zierlich sie die Milch mit dem kleinen, roten Zungenlloffel auslappt.
Selbst an den Schnurrhaaren sitzen kleine Tropfchen.
So, nun ist sie satt. Nun schlafen, irgendwo in der Sonne, wos recht
warm ist. Doch nein, erst putzen und waschen. Sie setzt sich aufs Fen-
sterbrett und dann gehts los. Wie macht sies nun? Zuerst leckt sie sich
die Vorderpfote, dann streicht sie sich damit libers Gesicht, iiber die
Augen; dann macht sie mit der Zunge wie mit einem Kamm die Haare
auf dem Eiicken rein und fein. Und manch ein Schmutzfink unter euch
kann von dem reinlichen Waschkatzchen lernen. Ist sie satt, dann schla-
fen: zusammengerollt oder langgestreckt ; manchmal viele Stunden hin-
tereinander. Dann lasst sie Maus Maus sein ; auch wenn die Mause rings-
um im Stroh rascheln. Sie schlaft. Da hah ich schon oft gedacht: Na,
du bist mir auch ein schoner Mausejager ! Schamst du dich nicht ? Aber
vielleicht ist sie ja in der Nacht so ,,arg wiist" hinterher gewesen, wahrend
wir schliefen.
'Manchmal schlaft sie nicht so fest. Dann richtet sie sich von Zeit zu
Zeit auf, macht einen hohen Buckel, reckt sich und streckt sich, reisst das
Maulchen weit auf, macht sich wieder dicht zusammen ; die runden Augen
werden wieder ganz eng und schmal, so dass es aussieht, als habe einer
mit einem scharfen Taschenmesser zwei Knopflocher in das weiche
Katzenfell geschnitten. Nun schlaft sie wieder. Aber manchmal kommt
auch der Storenfried, der Hund. Der springt auf sie los und treibt.sie
weg. Seht, wie sie lauft und springt, mit langen Satzen. Nun klettert
sie auf den Apfelbaum; aber nicht allzuhoch. Da sitzt sie nun und sieht
den Hund scharf an und lasst ihn bellen, bis er immer argerlicher wird;
sie riihrt sich nicht. Aber nicht immer lauft sie weg. Wenn sie grade
mutig ist, dann reicht sie dem Hund mit ihrer Pfote ein paar rechts und
links, dass die Blutstropfen an der Nase sitzen. Da ist ihm die Lust
vergangen. Aber zuweilen spielen sie auch miteinander, und das sieht
sehr drollig aus. Sie kb'nnen ihre Leiber dann wunderhiibsch bewegen.
Aber immer betragt sie sich auch nicht so, wies recht ist. Ihr wisst,
warum man sie Naschkatze nennt und wie sie gleich auf dem Tisch sitzt,
wenn mal die Tiir often steht und niemand drin ist. Und die Katzen-
musik am Abend habt ihr auch wohl schon gehb'rt. Aber wenn Kinder
gut zu ihr sind, das mag sie doch sehr gern; dann schnurrt sie wie ein
Spinnrad und buckelt sich und macht den Schwanz steil. Tut ihr kein
Unrecht.
Eduard Mortice. 287
Aufgaben.
1. Was die Katze alles hat.
2. Was sie damit alles kann.
3. Wenn sie Mause fangen will.
4. Wie sie'spielt.
5. WTie sie mit dem Hunde zankt.
6. Wie sie sich putzt.
7. Warum sie fein und rein aussieht.
Auch dieser Stoff ist durch die Arbeit der Kinder zusammengetra-
gen und vom Lehrer geordnet und dargestellt worden.
Eduard Morike.
It is strange that the German lyric poet whom a good many Germans
would honor next to Goethe is so little accessible to American students.
But if an edition of Goethe's poems, or those of Heine, who is popular
in this country, will not pay, as publishers have assured me, it might safely
be assumed that an edition of Morike's lyrics would meet the same fate. So
much the greater pity since there is practically no (rfhex, way of approaching
Morike than through his lyrics — if one excepts the wBtstory Mozart auf der
Reise nach Prag, which has been published in an American edition. Our
students know Goethe in Hermann und Dorothea, Faust and in a number of
dramas, Heine they know in the Harzreise, and they know both of these writers
in numerous lyric poems that have been taken into current collections of
German verse. In the same way they become acquainted with Uhland. But
Morike is unfortunately excluded. It may occasion less surprise that none of
his poems are to be found in Klenze's Deutsche Gedichte compiled before 1895,
than that only one is to be found in Hatfield's German Lyrics and Ballads,
which came out in 1906. For there is no doubt that in these ten years Morike's
fame grew rapidly and steadily. In 1905, when he had been dead thirty years,
and his works became free to all publishers, an edition that had cost $5.00 in
one weekjcould be bought in the next for $1.50. In the 36th edition of Echter-
meyer's Auswahl Deutscher Gedichte (Halle 1907) Morike has found honorable
recognition, there being taken from him beside gems like Das verlassene Magd-
lein, Um Mitternacht and Denk' es o Seele, the longer and much beloved Der
alte Turmhahn.
Accustomed to think of Heine as indisputably the first lyric poet of the
19th century in Germany, I was surprised to hear Professor Witkowski say in
a lecture some years ago that Morike was the poet whom he would like to
place next to Goethe. By this he may have meant either in general significance
or in similarity of nature, which of course may be entirely different things.
He perhaps meant the latter, as it is certainly true, and the former statement
would imply an idle comparison. Morike's friends began early to compare him
with Goethe. Hermann Kurz laughingly threatened to accuse him of having
found a number of Goethe's lost lyrics and published them under his own name.
There are not many men that could find such poems as Goethe would be likely
to lose, no doubt. In his monograph Morike und Goethe Ilgenstein begins with
these words: ,,Liest man in den einschlagigen literarhistorischen Werken die
288 Monatshefte filr deutsche Sprache und PddagogiJc.
oft sehr karg bemessenen Stellen tiber den Schwaben Eduard Morike nach, so
wird fast liberal 1 in kurzer, aber beinahe iibereinstimmender Weise auf eine
Verwandtschaft dieses Dichters mit Goethe hiugewiesen." So Harry Maync,
the best biographer of Morike, declares the relation between him and Goethe
to be of the most intimate nature, not a matter of parallel passages and hindred
motives. Adolf Bartels in his lampoon on Heine, which he has strangely called
a DenJcmal, thinks the place next to Goethe has been finally assumed by Morike
(page 281). Many have applied directly or indirectly to the Swabian poet the
well known words in Dichtung und WaJirhcit : ,,Die wahre Poesie kiindet sich
dadurch an, dass sie als ein weltliches Evangelium durch innere Heiterkeit,
durch ausseres Behagen, uns von den irdischen Lasten zu befreien weiss, die
auf uns driicken." And indeed they are eminently true of Morike — heiter was
a favorite word with Goethe, as it represents an essential trait of his nature ;
it may be affirmed likewise of Morike. Lack of declamation, cheerfulness,
chiseled certainty of expression, clearness of imagery are as characteristic of
him as of Goethe. A glimpse into his life shows him to be, as an eminent
painter remarked, poet all day long, and not merely at his desk.
It is true, Morike is very German, yes even Swabian, and this may seem
to hinder bis entrance among us, though it should not if we wish to understand
German culture. Moreover he is surely universal, as all poetry is universal if
it is poetry at all. If we are to give our students only what "appeals" to them
we are defeating our chief aim. If an edition of Morike "won't sell," or even
of Goethe and Heine, it is time to ask whether we are not neglecting that most
German of all forms of German poetry — the lyric. Nor can the publishers be
blamed. They must publish what they can sell, a principle to which no one
objects as long as the right motive be openly assigned, namely bread and meat.
For this must be assigned — and it is all right — not any great enthusiasm for
the promotion of Germanics in America. This is not their business. But it is
the business of teachers in high school and college. Morike can be made
"interesting," as those who have conscientiously tried will attest. Back of
worit sell is always won't buy, and it is for those who won't buy to think of
their reasons for refusing. The question has to do with others than Morike —
it concerns Hebbel and Grillparzer and all the rest. Fortunately German edi-
tions, Reclam for example, are open to those of us whose needs are not met
fully by the American texts.
Certainly, if a Morike edition is still out of the question we might expect
more of his poems to be taken into some good selection of German lyrics.
Lynchburg, Va., May 23, 1908. T. M. Campbell.
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Milwaukee. von Ferullos Musikkapelle sowie denje-
nigen des hiesigen Mannerchors zu lau-
Dank den Bemuhungen des Staatsver- gcnen Den Qlanzpunkt des Abends bil-
bandes des D.-A. N. B. wurde die dete jedoch die gehaltvolle, sinnreiche
Feier des Deutschen Tages umi wohldurchdachte Festrede des Hrn.
hierselbst festlich vollzogen. Ein zahl- prof. A. R. Hohlfeld von der Staatsuni-
reiches Publikum hatte sich eingefun- versitat. Die folgenden Punkte wurden
den, um den mustergtiltigen Vortragen vom Redner besonders hervorgehoben.
Korrespondenzen.
289
(Der hier folgende Abschnitt ist wegge-
lassen, da die Umschau dieses Heftes,
die bereits im Satz war, als wir diesen
Bericht erhielten, gleichfalls die Grund-
gedanken von Prof. Hohlfelds ernstem
Appell an das Deutschamerikanertum
wiedergibt. D. E.)
Der zweite Redner des Abends, Staats-
senator Fairchild, schilderte in meister-
hafter Weise den wichtigen Einfluss,
welchen das deutsche Element auf die
sozialpolitische Entwickelung des Lan-
des stets ausgeiibt habe und noch jetzt
ausiibe. Beide Reden wurden mit gro-
ssem Beifall aufgenommen, und die An-
wesenden verliessen die Halle mit dem
Gefiihl, einer gediegenen, echt deutschen
Feier beigewohnt zu haben.
Die erste diesjahrige Versammlung
des Milwaukeer Verbandes deut-
s ch e r L e h r e r fand am 28. September
statt. Die Sitzung wurde von dem
Supt. des deutschen Unterrichts, Herrn
Leo 'Stern, eroffnet. In einem kurzen
Ruckblick auf die vorjahrige Tatigkeit
wurde besonders des erfolgreich verlau-
fenen deutschen Lehrertages Erwahnung
getan. Der erzielte uberschuss wurd'e
der Kasse des Deutschen Lehrervereins
iiberwiesen. Weiter erorterte Herr Stern
die Stellung des deutschen Unterrichts
an unseren offentlichen Schulen. Die-
selbe sei 'eine befestigtere als je zuvor.
Um aber dem deutschen Unterricht stets
weitere Grenzen und eine grossere Be-
deutung zu verschaffen, miisse jeder ein-
zelne Lehrer ziel- und selbstbewusst
wirken und auftreten und alien etwai-
gen Versuchen, die dem deutschen Un-
terricht zugemessene Zeit zu beschran-
ken, energisch die Front bieten. Recht
so! Aufrecht gehe der Mensch, denn
das allein unterscheidet ihn etc, und das
Kriechen hat von jeher Tyrannen ge-
schaffen. Nach Verlesung des Jahresbe-
richtes wurde der folgende neue Vor-
stand erwahlt: Pras., Chas. M. Purin;
Vizepras., Frau Emma Dapprich; prot.
Sekretar, Henry Lienhard, und korresp.
Sekretarin und Schatzmeisterin, Frl.
Ella Schroeder.
Unser eifriger und tatkraftiger Supt.
des Deutschen, Herr Stern, wird auch in
diesem Schuljahr einen Vortrags-
kursus fiir Lehrer abhalten, und
zwar wird derselbe auf die neuere deut-
sche Literatur Bezug haben. Es wird
von den Teilnehmern Arbeit erwartet,
wie sie etwa in den Seminarklassen der
Universitaten ttblich ist.
Der Bericht des Komitees fiir Regeln,
wonach eine 15 bis 20 Prozent betra-
gende Erhohung der Gehalter
der Lehrer, Prinzipale, Supervisoren und
Hilfssuperintendenten erfolgen soil, ist
bis zur nachsten Sitzung des Schulrats
zuruckgelegt worden. Hoffentlich er-
weist sich die geplante Erhohung nicht
als ein Lehrerwahn.
Wie es amtlicherseits verlautet, ist
die diesjahrige Teilnahme an dem
deutschen Unterricht in den of-
fentlichen Schulen eine ausserst rege;
dieselbe betragt in den Graden I bis VIII
iiber 90 Prozent, in den Hochschulen 'et-
wa 55 Proz. der Gesamtzahl der Schul-
kinder.
Mit elf gegen zwei Stimmen wurde die
Empfehlung des Komitees fiir Priifun-
gen und Ernennungen, den acht von der
Nat. Civic Federation ausgewahlten Leh-
rern der Milwaukeer Schulen, zwecks ei-
ner Studienreise nach Europa einen mo-
riatlichen Urlaub bei vollem Ge-
halt zu erteilen, von unserem Schulrat
gutgeheissen.
Unter den fiir die Wintersaison von
der Schulverwaltung veranstaltet'en
freien Vorlesungen sind be-
sonders zu erwahnen:
Eine Serie von 6 Vortragen iiber an-
steckende Krankheiten, ihre Ursachen
und Verhiitungsmittel, von Prof. W. D.
Frost, Madison.
Gleiche Anzahl von Vortragen iiber
Wetterkunde gibt W. C. Devereux von
der hiesigen meteorologischen Station.
Prof. S. W. Gilman, Madison, spricht
an sechs Abenden iiber Buchf iihrung und
Probleme im Handelsleben.
In der am 12. Okt. abgehaltenen Ver-
sammlung der Hochschullehrer empfahl
unser Supt. Herr Pearse die E i n f ii h -
rung einer Nachhilfestunde,
in der die minderbegabten Schiiler ihre
Lehrer um Rat und Beistand angehen
konnten. Es wurde ferner erwahnt, dass
die Gesamtzahl der Schiiler in den Hoch-
schulen in den letzten vier Jahren eine
Zunahme von 50 Prozent zu verzeichnen
habe.
Die sogenannten Fraternities
und Sororites der hiesigen Hoch-
schiiler haben unserem Schulrat schon
viel Schweiss und manche kummervolle
Stunde bereitet. Ob die Herren Direk-
toren es wirklich wagen werden, die
Schiilervereine abzuschaffen und somit
dem Unwesen ein Ende zu machen, steht
zu bezweifeln. (Laut Beschluss der
Schulbehorde vom 3. Nov. sind alle ge-
heimen Schiilervereinigungen von diesem
Tage an aufgehoben. D. R.)
Der Unterri cht an denAbend-
s ch u 1 e n ist seit dem 20. Oktober in
vollem Gange. Schon am ersten Abend
hatten sich 2221 Schiiler gemeldet. Die-
selben verteilen sich wie folgt: Elemen-
290
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
tarschulen 1520, Kochschulen 483 und
Hochschulen 218.
Auf Anregung des Prof. Hohlfeld von
der Staatsuniversitat wurde am 23. Okt.
hierselbst eine neue Vereinigung ins Le-
ben geruf en — die deutsche lite-
rarischeGes'ellschaft. Etwa
zwanzig Personen — Lehrer, Schauspie-
ler, Kaufleute, darunter auch eine An-
zahl Damen, haben sich am ersten Abend
zur Mitgliedschaft gemeldet. Das fiir
die nachste Zusaminenkunft festgesetzte
Programm bringt eine kurze Bespre-
chung von Otto Ludwigs ,,Heiteretei"
von Dr. Baer und einen Vortrag von
Herrn Karl Schauermann iiber den Ly-
riker Gustav Falke. Wir wiinschen dem
zeitgemassen Unternehmen den besten
Erfolg. C. M. P.
Newark, N. J.
Dr. Wilhelm Julius Eckoff.f
Rasch tritt der Tod den Menschen an.
Diese alte Wahrheit mussten kiirzlich
die Freunde und Kollegen von Dr. Wil-
heim Julius EckoflF wieder auf neue er-
fahren, als sie die Kunde von dessen
plotzlichem Dahinscheiden vernahmen.
Am Freitag, den 25. September, versah
er sein Amt als Prinzipal der Oliver St.
ofFentlichen Schule noch wie gewohnlich,
ohne dass er iiber irgend welches Un-
wohlsein geklagt hatte. Am Abend stell-
ten sich innerliche Schmerzen bei ihm
ein, und schon am Sonnabend Vormittag
musste er sich wegen Blinddarmentziin-
dung im deutschen Hospitale einer Ope-
ration unterwerfen. Die Operation selbst
nahm zwar einen giinstigen Verlauf,
aber am nachsten Tage stellten sich be-
denkliche Symptome ein. Der Patient
wurde zusehends schwacher und erlag
am Dienstagmorgen dem Allbezwinger
Tod.
Der Verstorbene war, obwohl kinder -
los, gliicklich verheiratet. Er vermahlte
sich im Jahre 1892 mit Miss Alice M.
Lockwood, Lehrerin an der Hochschule
in Jersey City und Tochter eines Metho-
disten-Geistlichen.
Dr. Eckoff wurde im Jahre 1853 in
Hamburg geboren. Im dortigen Semi-
nare bildete er sich zum Elementarleh-
rer aus und kam etwa urns Jahr 1875
nach Amerika. Nachdem er einige Zeit
an dem Sachs'schen Institut in New
York und an der Hobokener Akademie
unterrichtet hatte, erhielt er 1877 An-
stellung an der hiesigen d. e. Greenstr.-
Schule. Im Herbst 1880 tibernahm er
die offentliche Schule in Woodridge bei
Carlstadt, N. J. Dort blieb er nur 'ein
Jahr, um dann nach New York iiberzu-
siedeln, wo er sehr lohnende Beschafti-
gung als Privatlehrer fand und nebenbei
literarisch tatig war. Im Jahre 1883
folgte er einem Rufe der Regierung der
Republik Nicaragua, um dort die Lei-
tung und Reorganisation des gesamten
Schulwesens zu iibernehmen. Nach Jah-
resfrist kehrte er jedoch nach den Ver-
einigten Staaten zuriick und erhielt An-
stellung als Lehrer fiir den deutschen
Unterricht an der Hochschule in Jersey
City. Hier widmete er sich neben sei-
ner Schularbeit padagogischen und phi-
losophischen Studien und erwarb sich
1891 von der Universitat von New York
die padagogische, und etwas spater von
der Columbia Universitat die philoso-
phische Doktorwiirde. Im Jahre 1893
iibernahm Dr. Eckoff eine Professur fiir
Philosophic in Colorado und 1894 eine
solche fiir Padagogik in Illinois. Doch
zog es seine Frau wieder nach dem
Osten. Er griindete 1895 in Suffern, N.
Y., ein Privatinstitut, die sogenannte
Herbart Preparatory School. Da das
,von ihm gemietete Schulgebiiude im
Jahre 1902 in andern Besitz iiberging,
verlegte er sein Institut unter dem Na-
men Woodcliff School nach 'South Or-
ange bei Newark, N. J. Die Schiiler-
zahl war nicht gross. Er erhielt aber
von den Pensionaren, den Sohnen sehr
vermogender Eltern, ansehnliches Schul-
und Kostgeld, so dass er sich finanziell
sehr gut stand. Wegen Herzleidens sei-
ner Frau, der die Fiihrung des Haushal-
tes oblag, gab er 1905 die Schule auf
und iibernahm eine Prinzipalstelle in
Newark, und zwar an der Siid-16. Str.
Ein Jahr spater wurde er als Prinzipal
an die Oliver St. Schule versetzt. Er-ver-
waltete sein Amt mit der grossten Ge-
wissenhaftigkeit und viel Geschick.
Dr. Eckoff beteiligte sich wahrend sei-
nes friiheren Aufenthaltes in Newark
mit Begeisterung an den Bestrebungen
des Nat. D. A. Lehrerbundes ; er war
President des 11. Lehrertages in New-
ark im Jahre 1880 und fleissiger Mitar-
beiter der ,,Erziehungsblatter". Zur Zeit
seines Wirkens in Jersey City war er
ein eifriges Mitglied des ,,Vereins der
deutschen Lehrer Newarks und der Um-
gegend". Er hielt wiederholt gediegene
Vortrage und beteiligte sich stets leb-
haft an den Debatten. Im Jahre 1903
schloss er sich dem Vereine, der jetzt
den Namen ,,Verein deutscher Lehrer
New Yorks und der Umgegend" fiihrt,
zum zweiten Male an. Doch schickte 'er
vor 2^2 Jahren seine Resignation ein,
da, wie er sagte, seine Zeit anderweitig
zu sehr in Anspruch genommen sei.
Der Verstorbene war ein Mann von
beneidenswerten Geistesgaben und be-
Korrespondenzen.
291
sass ein ausserordentlich.es Lchrge-
schick. Er hatte ein fabelliaftcs Ge-
dachtnis und eine seltene Rednergabe.
Er sprach fliessend, und wenn er sich an
Debatten beteiligte, so nahmen seine
Ausfiihrungen gewohnlich die Gestalt
eines zweiten Vortrages an. Die Besu-
cher des 26. Lehrertages in Buffalo im
Jahre 1896 werden sich noch erinnern,
wie Dr. Eckoff bei der Debatte iiber den
Vortrag des jetzigen Seminardirektors
Herrn Max Griebsch ,,Die Gegner des
Herbartschen Erziehungs- und Unter-
richtssystems" sich mit dem Vortragen-
den vollstandig einverstanden erklarte
und im Anschluss an diese Erklarung
aus dem Stegreif einen brillanten Vor-
trag hielt, worin er seiner Begeisterung
f iir die Herbartsche Philosophic und Pa-
dagogik Ausdruck verlieh.
Fur fremde Sprachen besass Dr. Eck-
off besonderes Talent und grossen Eifer.
Die englische Sprache beherrschte er
nach kurzem Hiersein in hohem Grade.
Infolge seiner Berufung nach Nicara-
gua studierte er eifrig Spanisch und
lernte es in kurzer Zeit. Lateinische und
griechische Schriftsteller studierte er im
Originaltext. Er las franzosische, itali-
enische, hebraische und hollandische
Werke. Den Landaufenthalt wahrend
seiner Ferien benutzte er gewohnlich da-
zu, um ungestort zu studieren. Bei sei-
nem letzten Ferienaufenthalte in Hali-
fax begann er ein Buch iiber die Philo-
sophic des Aristoteles zu schreiben. Er
wollte es zuhause vollenden, aber der
jiihe Tod machte leider einen Strich
durch die Rechnung.
Dr. Eckoff war ein durchaus ehren-
werter Charakter. Wer ihn in Ruhe
liess, den liess er auch in Ruh. Er zeigte
sich zuweilen als Sonderling, besonders
wenn seine hochgewabhsene Gestalt er-
hobenen Hauptes, die Augen in unbe-
stimmte Feme gerichtet, niemanden be-
achtend, wie ein Autokrat durch die
•Strassen schritt. Manchmal schien er
ganz unzuganglich, mitunter aber war
er der unterhaltendste Mensch von der
Welt, vornehmlich, wenn er mit alten
vertrauten Bekannten in Beruhrung
kam. Dann riss der Faden der Unter-
haltung nie ab. Er war ein scharfer Be-
obachter und wusste die Personen, mit
denen er in Beruhrung kam, nach kur-
zer Zeit richtig abzuschatzen.
Am Donnerstag, den 24. September,
besuchte er den Einsender dieses Nekro-
loges zum letzten Male. Es war einen
Tag vor dem Auftreten der todbringen-
den Krankheit. Die Unterhaltung mit
ihm von nachmittags 4 Uhr bis abends
9 Uhr war mir ein Genuss wie immer.
Er erfreute sich der besten Gesundheit.
Da, am Dienstag, ohne dass ich von der
Krankheit erfahren, brachte die Nach-
mittagszeitung die Nachricht von sei-
nem Tode!
Die sehr einfache Leichenfeier fand
am nachsten <Donnerstagnachmittag 2
Uhr im Trauerhause statt. Unmittel-
bar darauf wurden die sterblichen tiber-
reste des Dahingeschiedenen nach dem
Roseland Friedhofe ubergefiihrt, um
dort im Krematorium in Asche verwan-
delt zu werden. H. G.
New York.
Die Versammlung des Ver-
eins deutscher Lehrer von
New York und Umgegend am 3.
Oktober in den Raumen des Deutschen
Pressklubs war gut besucht. Die Erle-
digung der Vereinsgeschafte nahm den
grosseren Teil der Zeit in Anspruch.
Neu aufgenommen wurden die Herren:
Dr. M. Grossmann, Plainfield, N. J.;
Theodor Stefani, Kurt E. Richter und
Paul Kammerling, New York; J.Frahm,
Newark, N. J., und Otto Hoch, Carl-
stadt, N. J.
Samtliche Beamten des Vereins hat-
ten im vergangenen Jahre ihres Amtes
so trefflich gewaltet, dass sie auf allge-
meinen AVunsch wiedergewahlt wurden,
und zwar Herr Dr. Tombo als Vorsitzen-
der, Herr Hugo Geppert als Vizeprasi-
dent, Dr. Alois Hoelper als Sekretar und
Dr. Hahner als Berichterstatter. Herrn
Dr. Tombo 1st der Verein fur die Wei-
terfiihrung seines Amtes zu besonderem
Danke verpflichtet. Nur seinem unei-
genniitzigem Interesse am Wohle des
Vereins ist 'es zuzuschreiben, dass er eine
Wiederwahl nicht energisch ablehnte.
Trotzdem sein Gesundheitszustand oft
vieles zu wiinschen ubrig liess und er
anderweitig mit Geschaften uberhauft
war, fand er doch immer Zeit, die Ver-
einssitzungen in meisterhaf ter Weise zu
leiten und tuchtige Krafte fiir die Vor-
trage zu gewinnen. Sein ruhiges We-
sen, sein feiner Takt und seine ausge-
dehnte Erfahrung auf dem Gebiete der
Padagogik werden dem Verein auch im
neuen Jahre sehr gut zustatten kom-
meu.
Dem vor kurzem verstorbenen fruhe-
ren Mitgliede des Vereins, Herrn Dr.
Eckoff von Newark, widmeten die Her-
ren Von der Heide, Hugo Geppert und
Dr. Monteser warme Worte der Aner-
kennung seiner Verdienste. Alle Anwe-
senden erhoben sich zum ehrenden An-
denken an den Verstorbenen von ihren
Sitzen.
292
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Darauf erstattete Dr. Hoelper kurzen
Bericht iiber die Verhandlungen desLeh-
rertages und sprach sich hochst aner-
kennend iiber den gelungenen Verlauf
desselben und speziell iiber die gedie-
gene Gastfreundschaft der Stadt Mil-
waukee aus.
Die Nachricht, dass der Lehrerbund
ira kommenden Sommer in New York
tagen werde, wurde mit ungemischter
Freude begriisst. Sofort schritt man
zur Ernennung eines Komitees, dessen
Aufgabe es sein wird, einen angemesse-
nen Festplan zu entwerfen und die iibri-
gen deutschen Vereine der Stadt zur
Teilnahme an der Feier heranzuziehen.
Die Herren des Komitees werden es sich
angelegen sein lassen, dass den Teilneh-
mern am nachsten Lehrertage das Best-
mogliche in jeder Hinsicht geboten
werde. L. H.
II. Umschau.
Die Feier des deutschen T a -
g e s. Auch in diesem Jahre ist der deut-
sche Tag iiberall in den VereinigtenStaa-
ten, wo Deutsche wohnen, in festlicher
Weise begangen worden. Besonders fei-
frlich war wohl der Tag in Germantown
selbst, wie wir aus einem langeren Be-
richt der New Yorker Staatszeitung ent-
nehmen. Gelegentlich der zweihundert-
undfiinfundzwanzigsten Wiederkehr des
Tages der Landung von Franz Daniel
Pastorius wurde in Germantown, der er-
sten deutschen Pflanzstatte auf ameri-
kanischem Boden, der Grundstein zu ei-
nem Pastoriusdenkmal gelegt. Ferner
wird zur Erinnerung an den Tag der
Grundsteinlegung ein Buch mit dem Ti-
tel: „ Buch der Deutschen" herausgege-
ben. Aus der ganzen Union waren Ver-
treter erschienen. Die Redner des Ta-
ges waren Pastor von Bosse, der deut-
sche Geschaftstrager Graf Hatzfeld-
Wildenburg, der den Gruss des Kaisers
tiberbrachte, Dr. C. J. Hexamer, Prasi-
dent des Deutschamerikanischen Natio-
nalbundes, Hermann Ridder aus New
York, Gouverneur H. Stuart von Penn-
sylvanien u. a.
Aus Houston, Texas, ging uns cine 32
Seiten starkeFestausgabe der deutschen
Zeitung zu, deren Inhalt — es befinden
sich darunter gediegene deutschamerika-
nische Gedichte und Novellen, — bered-
tes Zeugnis von der Begeisterung ab-
legt, welche die Bestrebungen des Nati-
onalbundes sogar in den fernen Stadten
der Union getragen haben.
Die Feier in Milwaukee war auch in
diesem Jahre eine wtirdige und das In-
teresse an der Sache vielleicht lebendi-
ger als je zuvor. Vor 'einer dichtge-
drangten Zuhorerscharft hielt Herr Pro-
fessor Hohlfeld von der Staatsuniversi-
tat zu Madison im Hippodrom die Fest-
rede, in welcher er in ernster, iiberzeu-
gender Weise den Deutschamerikanern
ihre Pflichten vor Augen ftihrte.
Leider konnen wir von dieser herrli-
chen Rede nur einige der wichtigsten
Punkte hervorheben:
Als gute Deutsche miissen wir uns
ruckhaltlos zu der tiberzeugung beken-
nen, dass auch das Deutschamerikaner-
tum wahrhaft kulturelle Erfolge von
bleibendem Werte und werbender Kraft
nur dann erzielen kann, wenn sie der
Ausfluss einer wahrhaft wiirdigeu
deutschamerikanischen Gesinnung sind.
Bei all den Ruhmestaten, auf die wir
zuriickblicken, ist es noch nicht gelun-
gen, ein wirklich bodenwiichsiges
Deutschamerikanertum zu schaffen;
dies zu erzielen wird eine unsrer vor-
nehmsten Aufgaben sein. Stolz auf sein
amerikanisches Biirgertum, wie auf
seine deutsche Abkunft, soil desDeutsch-
amerikaner mit gleicher Liebe am alten
und am neuen Vaterlande hangen. Statt
des schwachenden Gefiihls der Heimat-
losigkeit muss er es lernen, das Wohl
und Wehe eines verdoppelten Heimats-
sinnes als Starkung zu empfinden. Nicht
nur in zwei Sprachen muss er zu Hause
sein, sondern in gewissem Sinne in zwei
Kulturwelten. Zum mindesten soil er
bestrebt sein, aus beiden das Beste sich
anzueignen und das Unzulangliche ab-
zustossen. Im Mittelpunkt all unsrer
Bestrebungen steht das Bemiihen um die
Erhaltung der deutschen Sprache, denn
ohne sie konnen wir die Rolle deutscher
Kulturvermittlung gewiss nicht spielen.
Soviel nun auch schon geleistet sein
mag, so muss zu dem BestehendenNeues
treten, das noch feb.lt. Professor Hohl-
feld empfahl sodann als im Interesse al-
ler deutschamerikanischen Bestrebun-
gen:
Grtindung einer Vereinigung einfluss-
reicher Biirger, die sich ahnlich wie die
germanistische Gesellschaft in NewYork
kultureller Veranstaltungen aus eigener
Initiative annehmen kann.
Vmschau.
293
Schaffung einer deutschen literari-
schen Gesellschaft, die den Besten, wel-
che sich fiir Literatur interessieren, als
Sammelpunkt dienen konne.
In Stadten mit starker deutscher Be-
volkerung die Bestande der Bibliotheken
an deutscher und deutschamerikanischer
Geschichte und Literatur nach Kraften
zu vermehren.
Milwaukee sollte ein tiichtiges Mu-
seum fiir deutsche Kunst besitzen.
Die deutsch-geschichtliche Forschung
des Staates Wisconsin mus neu belebt
werden durch Errichtung einer geeigne-
ten Gesellschaft fiir die Geschichte der
Deutschen Wisconsins.
An der Staatsuniversitat zu Madison
sollte eine Professur fiir deutschameri-
kanische Geschichte und Literatur ge-
griindet werden.
Die zu Ehren von Karl Schurz an der
Staatsuniversitat gestiftete rotierende
Professur fiir deutsche Gelehrte ist nach
Kraften mit Geldmitteln zu unter-
stiitzen.
Vor allem aber ist es Pflicht Milwau-
kees und Wisconsins, voranzugehen im
weiteren finanziellen Ausbau des in ih-
ren Grenzen gelegenen Nationalen
Deutschamerikanischen Lehrersemi-
nars, das seine Daseinsberechtigung un-
ter den driickendsten Verhaltnissen im-
mer aufs neue bewahrt hat. Denn nur
bei ausgedehnter weiterer Unterstiitz-
ung kann es zu dem werden, wozu 'es be-
rufen ist.
Friedrich Paulsen.f Der in der
ganzen gelehrten Welt riihmlich bekann-
te Dr. Friedrich Paulsen, Professor der
Philosophic an der TJniversitat Berlin,
ist am 14. August im Alter von 62 Jah-
ren an einem unheilbaren inneren Lei-
den gestorben. Nicht allein die Fach-
wissenschaft, auch weitere Kreise Ge-
bildeter beklagen sein Hinscheiden, denn
er war einer der hervorragendsten Gei-
ster auf dem Gebiete der Philosophie
und Padagogik. Als Lehrer hatte er au-
sserordentlichen Erfolg; zwar nicht
durch den Glanz seiner Rede, 'aondern
mehr durch sein ausgezeichnetes pada-
gogisches Geschick. Die Scharfe seiner
Auffassung spiegelte sich wider in der
Klarheit, mit welcher er den Stoff ent-
wickelte. Diesem Vorzuge verdanken
seine Werke ,,Einleitung in die Philoso-
phie", ,,Ethik", ,,Geschichte des gelehr-
ten Unterrichts", ,,Das deutsche Bil-
dungswesen in seiner geschichtlichen
Entwicklung" ihre grosse Wirkung. Zu
all den mannigfachen padagogischen
Fragen der Gegenwart hat er in seiner
massvollen, jedoch entschiedenen Weise
Stellung genommen. Obgleich Idealist
und Optimist, hatte er jedoch keine
Nachsicht fiir die Verirrungen zeitge-
nossischer Oberflachlichkeit, und noch
kurz vor seinem Tode sprach er mit bei-
nahe ungeduldigem Tadel von dem neu-
en philosophischen Spielzeug, dem soge-
nannten Pragmatismus.
Paulsens Interesse beschrankte sich
indessen nicht auf sein deutsches Vater-
land, auch hier in Amerika nahm er leb-
haften Anteil an der Entwicklung der
Wissenschaft. Als die philosophische
und piidagogische Abteilung der Colum-
bia Universitat ins Leben trat, gab er
bereitwilligst Ratschlage und Anregun-
gen und freute sich herzlich iiber den
Erfolg des Unternehmens. In gleicher
Weise ist ihm das Teachers' College in
New York verpflichtet.
Aus seinem Lebenslauf erwahnen wir
nur, dass Friedrich Paulsen als Sohn
einfacher Bauersleute zu Langenhorn in
Schleswig aufwuchs. Zu Altona be-
suchte er das Gymnasium und studierte
in Erlangen, Bonn und Berlin, erst kurze
Zeit Theologie, dann Philosophie. 1875
trat 'er als Privatdozent in den Lehrkor-
per der Universitat Berlin, woselbst er
1878 ausserordentlicher und 1893 ordent-
licher Professor wurde.
Ein Englander iiber die Ko-
edukation in den Vereinig-
ten Staaten. Ein ungenannter Ver-
fasser veroffentlicht einen Artikel in
der Londoner Times iiber ,, Co-Education
and Secular Education in the United
States", der in der ,,Educational Re-
view" abgedruckt ist.
In wohlwollender und zugleich ver-
standnisvoller Weise bespricht der Ver-
fasser die Verhaltnisse an den amerika-
nischen Schulen. Wir wollen bloss die
hauptsachlichsten Ziige heraus greifen.
Was in Amerika immer wieder ver-
gessen wird, ist die Tatsache, dass der
Erziehungsprozess nicht in einem me-
chanischen Zusammentreffen von Text-
buch oder Idee mit dem Verstande be-
steht, sondern in dem Verkehr lebender
Wesen unter einander. Deshalb ist auch
des Lehrers Personlichkeit ein bei wei-
tem wichtigerer Faktor als das Text-
buch. Wenn nun auch in Amerika der
Lehrerstand sich immer grb'ssere Opfer
auferlegt, um seine berufliche Vorberei-
tung in jeder Weise auszudehnen und zu
vervollkommnen, so ist das Einkommen
diesen Opfern und Anstrengungen
durchaus nicht angemessen. Ein verein-
tes Vorgehen nach dem Beispiel der
,,Labor Unions", um hohere Geh alter zu
ertrotzen, wurde zwar angeregt, aber
294
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
als verwerflich und dem Lehrerstande
unwiirdig aufgegeben.
Wohl infolge des karglichen Einkom-
mens sind die mannlichen Lehrer merk-
lich hinter den weiblichen zuriickgeblie-
ben, so dass heute unter zehn Lehrkraf-
ten etwa 8 Damen sind. Deshalb kaun
es vorkommen, dass im Gesprach mit
Schuljungen unter 18 Jahren ein Herr
mit ,,M'am" angeredet wird, besonders
wenn der betreffende Herr ein Lehrer
ist. In Elementarschulen mag dieses
tiberwiegende weibliche Element gute
Dienste leisten; vielleicht dass auch die
amerikanische Denkweise richtig ist, die
einen Mann gering achtet, der willens
ist, seine Zeit und Kraft dem verwickel-
ten Getriebe des Elementarunterrichts
zu widmen, wo doch die Geduld, Sym-
pathie und Einsicht der Frau besser be-
greift und die unsteten Gemiiter besser
zu behandeln weiss. Aber in den ,,High
Schools" sogar kommt es vor, dass Kiia-
ben im Alter von 18 Jahren, deren phy-
sische Entwicklung besondere Sorgfalt
erheischt, von Damen unterrichtet wer-
den, die oft kaum wenige Jahre alter
sind als ihre Schiller. Viele Manner ge-
stehen heute offen, dass sie in jener kri-
tischen Periode, die keinem Jiingling er-
spart bleibt, infolge dieses Systems
empfindlichen Schaden genommen hat-
ten. Es gibt jetzt schon zahlreiche Leh-
rer und Lehrerinnen, die es als einen
Nachteil beklagen, dass in den Mittel-
schulen und den Oberklassen der Ele-
mentarschulen Damen in der uberzahl
sind.
Diese Verhiiltnisse miissen wir in
Verbindung mit dem System der Koedu-
kation betrachten. Die Mehrzahl der
amerikanischen Lehrer ist der Ansicht,
dass dieses System mehr als ein ande-
res geeignet sei, geschlechtlichen Fehl-
tritten und leidenschaftlicher Spannung
vorzubeugen. Andere Ergebnisse aber,
weniger ausgezeichnet und weniger in
die Augen springend, verdienen gleich-
falls Beachtung. Ihre tiefgehendste und
bleibendste Wirkung iibt die Koeduka-
tion auf Knaben wahrend der Reifeperi-
ode aus. Madchen kommen viel rascher
dariiber hinweg; schon im Alter von 14
Jahren, beim Eintritt in die Mittelschule
ist das Madchen zwei bis drei Jahre dem
Knaben voraus. In Zielbewusstsein,
ausdauerndem Fleiss und weiblichen In-
stinkten ist sie schon Weib; des Kna-
ben Geist und Korper jedoch befmden
sich noch zwei bis drei Jahre lang in ei-
nem Zustand der Garung; kein Wunder
also, dass tiberall, wo Sammlung, Kon-
zentration erf order lich ist, das Madchen
den Knaben hinter sich lasst. Da in
den meisten ,,High Schools" die Mad-
chen zahlreicher sind, gestalteten sich
naturgemass die Schulkurse selbst so,
dass sie mehr den Fahigkeiten der Mad-
chen als denen der Knaben entsprechen.
Dazu kommt noch, dass in Klassen, wo
Jungen mit Madchen zusammen von Da-
men unterrichtet werden in Fachern, die
wiederum den Madchen besser angepasst
sind, als den Knaben, letztere bei der
Lehrerin nicht das Verstandnis finden,
das ihnen eben nur ein Mann entgegen
bringen konnte. Der einmal nicht zu un-
terdriiokende Drang zur Nachahmung
macht dann aus den Knaben eine Art
minderwertige Madchen, d. h. sie nehmen
die Zartheit und Empfindsamkeit der
letzteren an, ohne aber weder die weib-
lichen noch die mannlichen Charakter-
vorziige zu besitzen. Diese Knaben er-
reichen weder die Frau noch das Mad-
chen, und wenn sie schliesslich in den
Besitz aller ihrer Krafte gelangt sind,
miissen sie bemerken, wie sehr ihre
mannliche Wiirde geschiidigt ist, sie ha-
ben das Selbstvertrauen verloren, und
dies ist der grosste Verlust, den ein
Mann erleiden kann, denn ein Charakter
ohne Selbstvertrauen ist undenkbar.
In richtigem Verstandnis dieser Um-
stiinde hat ein Chicagoer Schulvorstand
damit begonnen, Knaben und Madchen
wahrend dieser kritischen Periode zu
trennen, um sie daran zu gewohnen,
diese charakteristischen Abweichungen
zu zeitigen, und dieser Schritt kann nur
gelobt werden. Dieselbe Erscheinung
kann Stilrke im Mann und Schwache bei
der Frau bedeuten, und was bei der Frau
gut erscheint, diirfte im mannlichen Cha-
rakter verhangnisvoll werden. Nach der
Tugend, welche christlich und ge-
schlechtslos sein mag, kommt noch eine
andere Tugend, die eben die beiden Ge-
schlechter charakterisiert. Diese tiefer
liegende mannliche Tugend muss der
Amerikaner zu erhalten suchen; denn
ein Mann, eine Nation, eine Zeit, die
weibisch wird, muss notwendigerweise in
ihrem Werte sinken. Und in der Tat
scheint gerade im Falle Amerikas keine
andere Frage so nachaltig mit der natio-
nalen Grosse zusammen zu hangen als
eben die der nationalen Mannhaftigkeit.
Betrachten wir die politische Verderbt-
heit, ist sie nicht ein direkter Angriff
auf die Grundfesten der Demokratie?
Wenn auch der eine oder andere sich da-
rtiber ereifert und das Einschreiten der
gesetzgebenden Korperschaft verlangt,
so geschieht doch nichts, obwohl diese
Politiker einen verschwindenden Bruch-
teil der Bevolkerung ausmachen. Zu ei-
nem entscheidenden Schritt fehlt der
Umschau.
295
moralische Mut, und wenn wir auch an
dem Sinn fur Rechtlichkeit nicht zwei-
feln, so ist doch iiberall die gleiche Tat-
sache f estzustellen : sie finden sich mit
den Verhaltnissen ab und tun gar nichts,
weil die Reform vielleicht mit Schwie-
rigkeiten verkniipft ware. Gerade so
macht es der Schiller in der "High
School", der von zwei Kursen den leich-
teren wahlt, wenn er auch zu nichts
fiihrt.
' Einer der letzten Artikel des verstor-
benen Prof. Friedrich Paulsen in der
Berliner Internationalen Wochenschrift
betitelt sich : ,,Eineneuedeutsche
Universitat im Oste n". Die
Schrift enthalt den ernstgemeinten Auf-
ruf, die gegenwartige Akademie zu Po-
sen in eine vollgiltige Universitat umzu-
wandeln. Paulsen beklagt die Entwick-
lung solcher Riesenuniversitaten wie
Berlin, Miinchen und Leipzig und hofft,
dass eine neue Hochschule zu Posen be-
sonders Berlin etwas entlasten wiirde.
Er ist iiberzeugt, dass eine solche Uni-
versitat fur die deutsche Kultur in Po-
sen dieselbe Friichte zeitigen miisse, wie
dies Strassburg seit 1870 in Elsass-Loth-
ringen getan. Da seit dem deutsch-fran-
zosischen Kriege nur eine einzige neue
Universitat gegriindet wurde trotz der
inzwischen um 70 Prozent gesteigerten
Bevolkerungszahl, ware es die hochste
Zeit, eine Anzahl neuer deutscher Uni-
versitaten ins Leben treten zu lassen.
Aus den statistischen Berichten ii b e r
deutsche Kolonisation entneh-
men wir, dass im ganzen Jahre 1907
nicht mehr als 37 Personen nach Afrika
auswanderten. So gewahrt Deutschland
das eigenttimliche Bild eines nach iiber-
seeischen Provinzen trachtenden Staates,
dessen Bevolkerung jedoch mit ausseror-
dentlicher Zahigkeit am Vaterlande fest-
halt. Die Einwanderung nach den Ver-
einigten Staaten ist ebenf alls schon seit
den letzten zehn Jahren bedeutend ge-
sunken; selbst die letzten Jahre ausser-
ordentlicher Wohlfahrt in der Union ha-
ben die deutsche Auswanderung nicht
steigern konnen. Aber auch Brasilien,
dessen deutsche Bevolkerung sich auf
iiber eine halbe Million belaufen soil, er-
halt so zu sagen gar keine deutschen
Auswanderer mehr; dort sind jahrlich
noch 1890 durchschnittlich 5000 Deutsche
eingewandert, 1902 zahlte man nur 807,
1907 bloss noch 167. Ebensowenig emp-
fangt Argentinien mit seinen gtinstigen
Lebens- und Ansiedelungsbedingungen
deutsche Einwanderung. Wenn man an
deutsche Verhaltnisse die Auswande-
rungszahl als Massstab anlegen kann ftir
die Zufriedenheit des Volkes, so kommen
wir zu dem Schluss, dass zur Zeit eine
ungewohnlich gleichmassige Befriedigung
daselbst herrschen muss. In den Jahren
1902 bis 1907 hat die jahrliche Auswan-
derung durchschnittlich 31,000 nicht
iiberschritten. Mit einer Bevolkerungs-
ziffer von liber 60 Millionen, die auf ei-
nem Fllichenraum, kleiner als der des
Staates Texas, zusammengedrangt sind,
gewinnt Deutschland tatsachlich mehr
durch Einwanderung, als es durch Aus-
wanderung verliert.
,,DieErl6serinnen der deut-
schen Volksschul en" nennt Lud-
wig Gurlitt in einem Artikel (Zukunft
No. 42) die Lehrerinnen, indem er
schreibt: "In den Vereinigten Staaten
liegt jetzt die Schulerziehung auch der
mannlichen Jugend fast ganz in den
Hand en von Frauen und Miidchen. Nach
den Zeugnissen all derer, die sich darii-
ber offentlich geaussert haben, ist der
Erfolg durchaus erfreulich. Die sonst
so trotzige amerikanische Jugend beugt
sich mit einem friih erwachenden Gefiihl
von Ritterlichkeit der weiblichen Auto-
ritat. Unter der milderen Zucht erwach-
sen starke, harte Manner. Die deutschen
Volksschullehrerinnen leiden noch zu
sehr unter der Abrichterei in den Semi-
naren, die sie zu Lern- und Lehrautoma-
ten macht; sie leiden auch noch unter
anerzogenem Mangel an Selbstvertrauen.
Wenn sie erst die Hochachtung vor dem
mannlichen Vorbild verlernt haben, dann
ist gerade von ihnen eine Erlosung un-
serer Volksschulen aus allem Elend zu
erhoffen."
In demselben Artikel kiindigt Herr
Gurlitt ein grosseres padagogisches
Werk an, so dass sich die Leipziger Leh-
rerzeitung der Bemerkung nicht enthal-
ten kann: ,,HofFentlich beschrankt sich
der Verfasser dabei auf das, was er ver-
steht — wenn seine geistige Sehkrakt
nicht iiberhaupt Schaden gelitten hat —
auf den Unterricht an Gymnasien und
die Erziehung im Hause."
Der deutsche Un t e rr i ch^ in
England. The Educational Times
berichtet, dass Prof. Kirkpatrick, wel-
cher in den Edinburger Ferienkursen
sprach, auf das Studium des Deutschen
hingewiesen und sein Bedauern dartiber
ausgesprochen habe, dass dieser Gegen-
stand in England so vernachlassigt
werde.
In Russland und Frankreich und vie-
len anderen Landern ware Deutsch eines
der Hauptfacher der Erziehung, und alle
wtissten, dass Deutsch absolut unerlasa-
lich ftir den akademischen Schiller, den
296
Monatshefte fur deutsclie Sprache und Padagogik.
Mann der Wissenschaft, den Mann der
Literatur, den Geschaftsmann ware.
Man hatte es oft sagen horen, dass diese
,,schrecklichen Deutschen" sie sowohl
auf dem Gebiete der Wissenschaft als
auch auf dem des Geschaftes ausstachen.
Der Grund dafiir ware einfach, dass die
Deutschen betriebsamer und ausdauern-
der seien; und anstatt feindliche Tarife
in diesem Lande zu errichten, um ,,diese
schrecklichen Deutschen" auszusperren,
wiirde es unendlich viel besser sein.
wenn die britische Jugend die deutsche
Sprache lernte. Er konnte nicht verste-
hen, warum die Autoritaten auf dem Ge-
biete der Erziehung in ihren Schulen
nicht auf dem Unterricht des Franzosi-
schen und Deutschen bestiinden. Es
schiene ihm, als wenn ihre Schulen und
ihre Erziehungs-Autoritaten das Deut-
sche getotet hatten, was doch eines der
Dinge sei, dessen sie am meisten bediirf-
ten. Auch die ,,Educational Times" be-
merkt dazu: ,,Wo die Schuld auch im-
mer liegen mag, es kann kein Zweifel
sein, dass Prof. Kirkpatricks Behaup-
tung von der Notwendigkeit des
Deutschunterrichts richtig ist."
Deutsch als Weltsprache
der Wissenschaft. Vom 15. Orien-
talistentage zu Kopenhagen teilt die
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen
Sprachvereins mit, dass 'etwa 450 Ge-
lehrte aus alien Enden der Welt vertre-
ten waren, darunter 26 amtliche Vertre-
ter deutscher Staaten, Universitaten und
wissenschaftlicher Anstalten, ausserdem
noch etwa 75 deutsche Gelehrte, im gan-
zen iiber 100 Deutsche, also etwa ein
Viertel aller Teilnehmer. Von den 82
im Bericht angefiihrten Vortragen und
Berichten wurden nicht weniger als 43,
also iiber die Halfte, in deutscher Spra-
che abgehalten, in englischer Sprache
nur 23, trotzdem ungefahr 90 Gelehrte
aus englisch sprechenden Landern ver-
sammelt waren. Deutsche Vortriige aber
wurden nicht nur von Reichsdeutschen
und Deutschosterreichern, sondern auch
von Russen, Ungarn, Polen, Hollandern,
Amerikanern, Griechen, Schweden und
Danen gehalten. Wieder ein Beweis da-
fiir, dass Deutsch immer mehr zur Welt-
sprache der Gelehrten wird.
Ein Erfolg der Frauenrecht-
lerinnen ist die Neuordnung der ho-
heren Madchenbildung in Preussen. Nie-
mals vorher hat die preussische Unter-
richtsverwaltung modernen Anschauun-
gen so viel Zugestandnisse gemacht, als
es hier geschehen ist. Die Grundsatze
und Bestimmungen, auf denen die Mad-
chenschulbildung aufgebaut war, datie-
ren von 1894, sind also nur 14 Jahre in
Geltung gewesen; sie sind aufgehoben
worden, weil sie nicht mehr den fortge-
schrittenen Anforderungen der Zeit ge-
niigen und die der Madchenbildung an-
haftenden Mangel nicht ausreichend zu
iiberwinden vermocht haben. Die neuen
Bestimmungen sind ein Schulbeispiel da-
fiir, wie inoderne Ideen und Anschauun-
gen ihren Siegeszug im Sturmschritt
vollenden, sobald sie auf realem Boden
stehen. Den realen Boden stellen die 1^
Millionen Angehorigen des weiblichen
Geschlechtes dar, die nicht heiraten kon-
nen, weil es an Mannern fehlt. Die
Mangel des heutigen Madchenschulwe-
sens sind gut erfasst, wenn es heisst:
,,Es ist zu verhiiten, dass die asthetische
und die Gefiihlsbildung zu sehr iiberwie-
gen, dass hauptsachlich die Phantasie
angeregt und das Gedachtnis in An-
spruch genommen wird, wahrend die
Verstandesbildung sowie die Erziehung
zu selbsttatiger und selbstiindiger Beur-
teilung der Wirklichkeit zuriicktreten."
Das richtige Gegengewicht gegen die ein-
seitige Gefiihlsbildung ist mit der Ein-
fiigung der Mathematik in den Lehrplan
und in der grosseren Betonung des na-
turwissenschaftlichen Unterrichts er-
fasst, nur mutet es eigentiimlich an,
wenn ,,Religion und Deutsch nach wie
vor im Mittelpunkt der Madchen- und
Frauenbildung stehen" sollen; es sollten
vielmehr Deutsch und Naturwissenschaf-
ten im Mittelpunkte stehen. Die Neu-
ordnung der hoheren Madchenbildung
macht den Frauen die Bahn frei bis hin-
auf zur Universitat, trotz einiger Ein-
schrankungen fiir In- und besonders
Auslanderinnen. Auch die Volksschule
wird indirekt beriihrt. Den Volksschul-
lehrerinnen wird die Berechtigung zur
Ablegung des Mittelschulexamens ver-
liehen, und da man ihnen nach abgeleg-
ter Mittelschulprtifung die Zulassung
zur Rektoratspriifung schwerlich wird
versagen konnen, so diirfte es nicht
lange mehr dauern, bis die ,,Frau Rek-
torin" in preussischen Stadten das Scep-
ter schwingt. Die Folgen der Neuord-
nung werden zweifellos in 'einem wach-
senden weiblichen Einfluss auf alien Ge-
bieten der Kultur bestehen. Ob dieser
Einfluss erwiinscht ist, muss die Zu-
kunft lehren.
Quousque tandem. In Norwegen
kampfen die Lehrer um Gleichberechti-
gung mit den Lehrerinnen. Der Lehrer-
verein in Christiania fasste jiingst fol-
gende Entschliessung: Christiania larer-
forening findet das bestehende Verhalt-
nis von Lehrern und Lehrerinnen unbe-
Vermischtes.
297
friedigend aus padagogischen und sozia-
len Griinden; bei Stellenbesetzung sollte
dahin gearbeitet werden, dass den Leh-
rern ebensoviel Platz in der Schule ein-
geraumt werde wie den Lehrerinnen. In
Knabenabteilungen sollte gewohnlich
von der 3. Klasse an ein Lehrer eintre-
ten. Das Prinzip, dass kein Kind die
Schule verlasst, ohne von Lehrer und
Lehrerin unterrichtet zu sein, das jetzt
fur die Knabenschule gilt, sollte auch
in der Madchenabteilung durchgefiihrt
werden. (Allg. Deutsche Lehrerzeitung.)
Osterreichisch'e M a d-
chenlyceen. Unterrichtsminister
Dr. Marchet hat eine neue Priifungs-
ordnung fur Madchenlyceen herausge-
geben, die schon in diesem Schuljahre
in Kraft tritt. Ihre Grundsatze stim-
men mit jenen der Priifungsvorschrift
fiir die Gymnasien und Realschulen
iiberein. Die schriftliche Priifung be-
steht aus einem Aufsatz in der Unter-
richtssprache mit freier Wahl aus drei
verschiedenartigen Themen, aus einem
franzosischen Aufsatz erzahlenden, be-
schreibenden oder schildernden Charak-
ters oder einer Uebersetzung aus dem
Deutschen ins Franzosische, sowie 'einer
Uebersetzung aus dem Englischen ins
Deutsche. Als Hilfsmittel ist fiir die
fremdsprachigen Arbeiten ein Schul-
worterbuch gestattet. Die miindliche
Priifung 'erstreckt sich auf die Unter-
richtssprache, ein zweites Sprachfach
(Franzosisch oder Englisch), Geschichte
und Geographie (beschrankt auf die
Vaterlandskunde) und Naturlehre.
Mathematik bildet keinen Priifungsge-
genstand. Priifungsdispens aus einzel-
nen Gegenstanden findet nicht statt.
Das Hauptgewicht ist nicht auf die
Einzelkenntnisse, sondern vielmehr auf
die erreichte, der Aufgabe der Mad-
chenlyceen entsprechende Gesamtbil-
dung zu legen. Una das Abfragen ge-
dachtnismassig angeeigneten Lerhstof-
fes zu verhiiten, kann die Priifung mehr
die Form eines freien Kolloquiums an-
nehmen. Die Reise wird entweder mit
Stimmenmehrheit oder Stimmeneinhel-
ligkeit ausgesprochen. Fiir die Zuer-
kennung der Reise mit Auszeichnung
geniigt die einfache Mehrheit, bei Stim-
mengleichheit entscheidet die Stimme
des Vorsitzenden. Eine Kandidatin
kann fiir reif 'erklart werden, auch
wenn sie in einem Gegenstande nicht
vollig entsprochen, im allgemeinen aber
nach dem Urteile der Priifungskommis-
sion den Beweis der Bildungsreife er-
bracht hat. Wiederholungspriifungen
aus einem Gegenstande finden nicht
raehr statt. Das Reifezeugnis wird
keine Einzelnoten enthalten. Die Re-
probation erfolgt auf ein halbes oder
ein ganzes Jahr. Im ersteren Falle be-
halten die bei der friiheren schriftlichen
Priifung erlangten giinstigen Noten ihre
Giltigkeit.
G. L.
III. Vermischtes.
Schiilerbeurteilung durch
Schiiler. Nichts ist so wichtig fiir
einen gedeihlichen Unterricht, als dass
der Lehrer seine Schiiler richtig beur-
teile, nichts aber wiederum so haufig,
als die Tatsache, dass die Schiiler von
ihren Lehrern falsch beurteilt werden.
Bekanntlich ist dies meistens das Los
derjenigen gewesen, die es spater zu
Grosse und Beriihnitheit brachten. So
wurde der junge Schiller als Zogling
der Solitude von seinen Lehrern als
durchaus mittelmassig bezeichnet, und
einer derselben schrieb von diesem be-
riihmtesten Zogling der Schule und ei-
nigen seiner Mitschiiler : ,,Der grosste
Teil der Menschen ist in Ansehung des
Genies in eine gewisse Grenze einge-
schlossen, welche gegenwartig noch kei-
ner von diesen zu durchbrechen scheint,
zufrieden, wenn sie bis an den Grad
kommen, der ihre Einsicht begrenzt."
Ganz anders lauten dagegen die Cha-
rakteristiken, die auf des Herzogs Be-
fehl die Schiiler iibereinander und also
auch iiber Schiller geben mussten. So
schreibt z. B. einer: ,,Schiller ist ein
sehr lebhafter und aufgeweckter Geist.
Ein jeder seiner Gedanken ist voll na-
tiirlichen Witz. Noch nie habe ich ihn
traurig gesehen. In guten Tagen ist er
nicht allzu erhaben und im Ungliick
nicht niedergeschlagen. Gott fiirchten
halt er fiir seine erste und vornehmste
Pflicht. Seine sehr guten Gaben wen-
det er zur Erlernung der schonen Wia-
senschaften an, und er scheint zur
Poesie Genie zu haben" usw.
Sollte es sich nicht empfehlen, in un-
seren Schulen, insbesondere den hohe-
ren, von Zeit zu Zeit einmal solche
Schiilerbeurteilungen iibereinander an-
298 Monatshefte fur deutsche SpracUe und Padagogik.
fertigen zu lassen? Natiirlich wird sie gramm ausschliesslich auf praktische
der Lehrer immer kritisch aufzunehmen und produktive Reformen, auf eine sehr
haben. Aber ein Mittel mehr, zur Per- ausgedehnte Erweiterung des Stimm-
sonlichkeit seiner Schiller hindurchzu- rechtes, eine Regulierung der Stellung
dringen und sich vor allzu groben Irr- der Frau, die Befreiung des Volksschul-
tiimern zu bewahren, sind sie jeden- unterrichts von allerhand mittelalter-
falls; und ihre Beriicksichtigung wird lichem Kram u. s. *w. gerichtet ware."
es vielleicht manchem Lehrer ersparen, Heute besitzt Norwegen das allgemeine,
in der spateren Biographic eines seiner gleiche Stimmrecht fiir die Manner, ja
beriihmt gewordenen Schiller eine allzu auch fiir alle jene Frauen, die entweder
klagliche Rolle zu spielen. selbst Steuer zahlen oder mit Steuer-
Allg. Deutsche Lehrerzeitung. tragern verheiratet sind; sein Volks-
schulunterricht zahlt jetzt zu den be-
Ibsen und die Volksschule. sten in Europa. Dort haben sich die
Im Nachlasse Ibsens findet sich ein Ideen des Dichters zum grossen Teil be-
Brief Ibsens an Bjornson (aus Annalfi. reits verwirklicht.
12. Juli 1879) aus der Zeit, wo das
,,Puppenheim" vollendet wurde. Ibsen D i e N u 1 1. Auch Satanas hat sei-
schreibt da: ,,Wir haben bei uns nur nen Teil an der Schopfung der Welt. Er
eine einzige Sache, die ich eines Kam- schuf zwar nicht viel, aber das Ding
pfes fiir wert halte, und das ist die zieht lang hin wie ein Faden, der kein
Einfiihrung eines zeitgemassen Volks- Ende nimmt. Er machte namlich die
schulunterrichts . . . Ich habe ver- Zahlen, und deshalb ist alles, was mit
sucht, mich mit unserem Unterrichts- diesen zu tun hat, der Holle verfallen.
wesen, den Schulplanen, Stundentabel- Das haben wir gefiihlt, als wir in der
len, Unterrichtsstoffen vertraut zu Schule vor unseremRechenlehrer sassen,
machen. Es ist emporend, zu sehen, und dass die Kassierer und Bankiers
wie die Unterrichtszeit namentlich in schliesslich der Gottseibeiuns holt, das
den niedrigeren Volksschulen auf die kann man jeden Tag in der Zeitung
altjiidische Mythologie und Sagenge- lesen.
scliichte und auf die mittelalterlichen Der Bose machte sich damals seine
Verballhornungen einer Morallehre Arbeit recht bequem. Er schuf der Zah-
draufgeht, die in ihrer urspriinglichen ien neun, gab jeder ein besonderes Kleid
Gestalt zweifellos die reinste war, die und gebot ihnen dann, zu langen Rei-
jemals verkiindet worden ist. Hier ist hen zusammenzutreten und so Gottes
das Feld, wo alle wie ein Mann verlan- Welt brav zu verwirren.
gen sollten, dass uns die ,,neue Flagge" Ais er nun aile ausstaffiert hatte,
gezeigt wird. Befreit die Geister vom giaubte er fertig zu sein; aber da horte
Monchtumsmal, entfernt das Zeichen er ejne feine, diinne Stimme: ,,Ich habe
der Vorurteile und der Kurzsichtigkeit ja noc}l gar ^ein Kleid."
und der Blodsichtigkeit und der Un- Satanas verwunderte sich und fragte:
selbstandigkeit und des grundlosen ))Wer bist du denn? Ich Be^e ft^ ja
Autoritatsglaubens, so dass der ein- gar nicnt."
zelne in den Stand gesetzt wird, unter ? Und doch bin ich die wichtiggte von
eigener Flagge zu segeln." Im ,,Volfo3- allen« lautete die AntwOrt, ,,ohne mich1
femd" entwickelt dann neben Dr. k6nnen die anderen nichts Rechtes be-
Stockmann dessen Tochter die .lunge ^nnen Gib mir auch mein Gewand —
Volksschullehrerin Petra, diese Ideen -^ bjn dje j^uu «
fiber Volksschulreform Petra die } h H ^^^ wie nur er zu
hellste weibhche Idealgestalt Ibsens l fc rf versteht und er meinte: j
das Madchen, das selbst arbeiten selbst ^ Haken sind yert;n!'
SS^^^^bSi^fSSS D«* wart' einmal! Du bist zwar das
^fer bringt, nie a™ iTSSfuSbSSS Nichts aber^ du sollst aussehen wie ein
gung zum Opfer bringt. Ein schon Ian- voller Sack.
Jer bekannter Brief Ibsens an Bjorn- Und nun gab 'er ihr em Kleid, das
son aus Rom, 28. Marz 1884, der sehr hatte weder Ecken noch Kanten, so dass
scharfe Urteile fiber die Bauern, ins- sich kein Mensch daran stossen oder
besondere die ultramontane Bauernbe- ritzen konnte; es war uberall rund und
volkerung in Tirol enthalt, fiihrt aus: wich aus, wenn einer sie greifen oder
,.Ginge es nach mir, so miissten bei uns packen wollte. So trug sie ein wohlge-
alle die Unprivilegierten sich zusam- nahrtes Gemiit zur Schau, und es war
mentun und eine starke, resolute Partei nichts darin oder daran, was sich als
von Draufgangern grlinden, deren Pro- Schwarzseherei bezeichnen liess.
Vermischtes.
299
In solcher Gestalt trat darauf die
Null in die Welt, und bald bedeutete sie
rnehr als alle die anderen. Sie war
zwar nichts, und doch wohnte in ihrein
seltsamer Zauber. Sie war klug genug,
niemals voranzumarschieren ; ganz
sacht trat sie hinter die Eins und ihre
Gesellen, und diese gewannen dadurch
zehnfach an Kraft und Wert. Das
merkten die Menschen bald; es schien
ihnen ausserordentlich zu sein, und nun
stellten sie die Null tiberall bin, um
Wunder zu tun. Vor allem ward sie
dazu berufen, die Volker zu leiten und
zu regieren. Man offnete ihr die Pfor-
ten der Schlosser und der Ministerien,
sie bekam Zutritt zu den Kathedernder
Universitat und sogar zu der Rednertri-
biine der Parlamente. Sie hat Heerean-
gefiihrt, und wenn sie geschlagen ward,
so bekam die Eins die Schuld; aber bei
den Erfolgen der Eins erntete sie mit
Vergniigen Ruhm und Ehre ein. Kurz
und gut, es geht ihr wohl, und sie bleibt
immer satt und rund. Welch einen ver-
hungerten Eindruck pflegt dagegen ge-
wohnlich eine Eins zu machen! Man
wende nicht ein, dass sie den Vorzug
geniesst, manchmal ein Denkmal zu er-
halten. Ein Vorzug? Ach, nichts in der
Welt wird ofters in Marmor ausgehau-
en oder in Erz gegossen, als die Null!
Nun dtirfte uns auch klar geworden
sein, weshalb die Null so oft oben ein
scheinbar iiberfliissiges Anhangsel hat,
jenen Bogen oder Haken, der so selbst-
bewusst und aufrecht in die Welt
'schaut. Sie muss doch etwas haben, wo-
ran sich gewisse Dinge auf- und aus-
hangen lassen. Und es ist wirklich sehr
notig; denn nur selten gelingt es einem
Orden oder einem Titel, an einer Null
vorbeizukommen.
(Georg Ruseler, in ,,Die Hilfe".)
Struwelpeter in ver-
schiedener Beleuchtuag. —
Auf einem Ballfeste der ,,bosen Buben"
in Berlin gab 'es als literarische Fest-
gabe ein Bilderbuch, das der Kunst im
Leben des Kindes gewidmet ist. Die
,,bosen Buben" hatten im vollen Be-
wusstsein ihrer ethischen Pflichten Mit-
arbeiter von bedeutendem Rufe — wir
nennen nur Gerhart Hauptmann, Gabri-
ele d'Annunzio, Maxim Gorki — gewon-
nen, die den — Struwelpeter so umge-
dichtet hatten, dass er auf die Psyche
des Kindes veredelnd wirken musste. —
Einige Beispiele mogen zeigen, in wel-
cher Art das hohe Ziel erreicht wurde.
Wir greifen den Anfang der Geschichte
vom Daumenlutscher heraus, die in ih-
rer stilwidrigen Hilflosigkeit also lau-
tet:
Konrad, sprach die Frau Mama,
Ich geh' aus, und du bleibst da.
Sei htibsch ordentlich und fromm,
Bis nach Haus ich wieder komm*.
Und vor allem, Konrad, hor'!
Lutsche nicht am Daumen mehr;
Denn der Schneider mit der Scher'
Kommt sonst ganz geschwind daher,
Und die Daumen schneidet er
Ab, als ob Papier es war'!
Gabriele d'Annunzio hat diesen Vers
in folgender Weise umgearbeitet :
,,O Konrad!" Wie die Abendluft ent-
stromte
Der schone Name ihrem Muttermunde,
Der eingerahmt von edlen Lippen war,
Als hatte Settignano sie gemeisselt,
Als hatte Gherlandajo sie geschwungen,
Als waren sie ein Werk des Sansovino,
,,Lutsch' nicht an deinem Daumen, des-
sen Nagel
Von jenem Rot sind, das wir gern be-
wundern
An den Madonnen Pintoricchios,
Von jener Zartheit, wie nur ein del
Sarto,
Ein Maccaroni oder ein Risotto
Sie meisterlich zu bilden hat verstan-
den" usw. usw.
Gerhart Hauptmann sendet folgende
Umarbeitung:
,,Kunradla!" hot de Mutta g'flucht,
"Kunradla! Perschla! Ei verpucht!
Kummt's asu, oder kummt's asu.
Wer weess ok wie's kummt! — Derheeme
bleibst du.
Ich gah zu de Hulzmandla
Oder zu's Rutandla,
Un steckste den Daum'n ins Maul und
die Zenne,
Dann : Schiff sko j enne ! "
Maxim Gorki lasst sich so verneh-
men:
,, Konrad owitsch," sagte Mutter Paw-
lowna, ,,siehst du, ich muss jetzt fort
ins Zuchthaus. Die verdammten Rei-
chen sperren mich ein, weil ich ihnen
etwas von ihrem iibernussigen Gelde
weggenommen habe. Konradowitsch, du
wirst jetzt allein sein, denn dein Vater
Michailowitsch ist in Sibirien auf
Zwangsarbeit, dein Bruder Pepel iat in
einer Korrektionsanstalt, dein Onkel
Konstantinowitsch in einem Nachtasyl
und deine Schwester Nadja in einem
bffentlichen Hause. Hat nichts zu sa-
gen, siehst du, hat nichts zu sagen. Lut-
sche nur nicht an deinem Daumen.
Denn besser als an seinem Daumen ist
es, am Bonbon zu lutschen, und wenn
du's dem reichen Nachbarsohne stehlen
miisstest. — Ach, was ist das fur ein
Leben, das wir ftihren!"
A Bibliography of English Translations of German Novels.*
By Professor Charles H. Handschin, Miami University, Oxford, 0.
(Concluded.)
Hauff. Lichtenstein, tr. and adapted by Weedon. Heath, '01. 75cj also
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The Caravan, Sheik and Inn, tr. Mendel. Mac Millan. $1.
The Caravan, tr. Mendel. Mac Millan. 30c.
Arabian Days Entertainments. Houghton. $1.50.
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Constant Lover, tr. J. Nisbet. London 1833. Unwin.
Inn in the Spessart, tr. S. Mendel. London, 1894. Bell.
Marie von Lichtenstein, tr. R. F. Craig. London, Bigby, 1897.
Caliph Stork, tr. E. J. Cunningham. Sonnenschein. London, 1905.
Heine. Works, tr. C. G. Leland, Brooksbank and Armour (12 vols). Button
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Crosscup.
H e y k i n g. Letters which never reached him. Button, '04. $1.50.
H e y s e. Larabbiata, tr. Florer. Wahr. '02. 35c.
The same and other Tales, tr. Wilson. Low, '67. 2 sh.
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Incurable, tr. W. H. Eve. Nutt. '90. 6 sh.
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The Bead Lake and other Tales from the German, tr.? Low, '70. 2 sh.
The Bivided Heart, tr. Copeland. Brentanos. 35c.
In Paradise. Appleton. $1.50
The Children of the World (3 vols.). Chapman, '82. 31 sh. 6 d.
The same. Holt & Co. $1.25.
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The Monk of St. Gall (dramatic adaptation of Ekkehard), tr. Ross. Bell
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Moni, the Goat-boy, and other Stories, tr. E. F. Kunz. Ginn, '06.
Rico and Wiseli, tr. L. Brooks. De Wolfe, '85. $1.50.
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Swiss Stories, tr. Wheelock. Lothrop. $1.
Uncle Titus, tr. Wheelock. Lothrop. $1.
Veronica, tr. Brooks. De Wolfe. $1.50.
S t i f t e r. Abdias, the Jew. tr. ? Bentley, '51. 3 sh. 6 d.
Castle Crazy and Marosheley Stories, tr.? Bentley, '51. 3 sh. 6 d.
My Great Grandfather's Note Book, tr.? Bentley, '51. 3 sh. 6 d.
Pictures of Life; Tales, tr. M. Howitt. Hodgson, '52. 1 sh.
Bucherbesprechungen. 303
Rural Life in Austria, tr.? (3 v.) Bentley, '50. 31 sh. 6 d.
Heathervillage, tr. C. C. Mackley. Marlborough, '68. 1 sh. 6 d.
Storm. Immensee, tr. Ann Heath. Mosher, '02. 75c.
Same, tr. B. Schimmelpfennig. Crowell, '04. 30c, 50c.
Same, tr. ? Hinds, '04. 50c.
Stormy Wedding, tr. Mrs. Bryan. Street & S. 1906.
Sudermann. The undying Past, tr. B. Marshall. Harper, 1901.
Regina, or the Sins of the Fathers (Katzensteg) , tr. Marshall. Lane, 4th
ed., '05. 75c.
Same, tr.? Hill. 25c.
The Wish, tr. Lily Henckel. Unwin, '91. 6 sh.
The same, tr. Lily Henokel. Appleton, $1.
Dame Care, tr.? Osgood, '91. 2 sh. 6 d.
The same, tr.? Harper. $1.
S u 1 1 n e r. Lay down your Arms ! tr. Holmes. Longmans, '06. 75c.
Ground Arms! A Romance of European War, tr. A. Abbott. Me Clurg,
'06. 7th Ed. $1.50.
Tieck. Fair haired Eckbert; Trusty Eckhart; Runenberg; The Elves; The
Goblet in Vol. 2 of German Romance, tr. Carlyle. Scribners and Bohn.
The Elves, tr. Hedge (in Prose Writers of Germany). N. Y., '55.
Stories (in Beauties of German Literature). Warne. $1.
V o s s , R. The new God, tr. ? Harper. $1.25.
Sigurd Eckdal's Bride, tr. M. J. Safford. Little. $1.
Amata, tr. Boutell. Neale. $1.
Mother of the Catos, tr.? Neely. $1.25.
Nubia of Saracenesco, tr. H. E. Miller. Saalfield. 50c.
Zschokke. Tales, tr.? Winston. 50c, 75c; also Putnam. $1.
Same. Coates. 75c.
The Poor Vicar, tr. Hedge (in Prose Writers of Germany). N. Y. '55.
Sylvester Night's Adventure, tr. M. B. W. Clarke. 75c.
Dead Guest, tr.? Appleton. 50c.
The Galley Slave, tr.? Truth Seeker Co. 50c.
Selections (in Beauties of German Lit.). Warne. $1.
Alamontade, the Galley Slave. Truth Seeker Co. 50c.
Christmas Stories, er.? Coates. 75c.
Biicherschau.
I. Bucherbesprechungen.
Oto Ernst, tiberwunden. kes anzuweisen und sich dabei von 'sei-
Edited with introduction and notes by ner Sympathie, wie sie der Herausgeber
James Taft Hatfield, Prof es- fur den Verfasser f iihlt, doch nicht zum
sor in Northwestern University. New tiberschwang verleiten zu lassen, ist in
York, Henry Holt & Co., 1908. X+66 der Tat eine bedeutsame Leistung. Dass
pp. Cloth, 30 cents. freilich der Herausgeber mit der Wahl
Man wird unter unsern Schultextbii- gerade dieses Textes, der stellenweise
chern lange suchen dtirfen, bis man wie- geradezu physisch peinigenden Geschich-
der einer so feinsinnigen Einleitung be- te von dem zuerst so jahzornigen und
gegnet wie der zu diesem Werkchen. Es verzweif elnden, schliesslich der Schwind-
ware ihm darum auch weiteste Verbrei- sucht erliegenden Schulmeister, einen
tung zu wtinschen. Einem noch lebenden besonders glticklichen Griff getan habe,
Schriftsteller mit soldier Treffsicherheit mochte ich nicht so bestimmt bejahen;
seine Stellung im Schrifttum seines Vol- gewisse Teile der Erzahlung den Schtt-
304
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
lern geniessbar zu machen diirfte ein
ganz besonderes Feingefiihl des Lehrers
erfordern, wahrend es Professor Hatfield
— ich ftirchte, etwas allzu optimistisch
— beim Durchschnittspadagogen vor-
auszusetzen scheint. — Der Schwierig-
keit wegen wird der Gebrauch des Bu-
ches kaum vor dem letzten Jahre eines
vierjfihrigen Sekundarschullehrgangs
oder der entsprechendon Stufe im Col-
lege anzuraten sein. Auf die Textge-
stalt ist ungemeine Sorgfalt verwendet;
nur S. 14, Z. 19/20 ist hniaus in hinaus
zu verbessern, und S. 15, Z. 19, 20 und
28; S. 16, Z. 26 und S. 17, Z. 18 ist, der
Vorlage entsprechend, das Wort p e r e
jeweils ohne Akzent zu schreiben, da es
einen Fehler im Schulerheft vorstellt.
Die Anmerkung iiber Stradivarius (S.
6, Z. 10) hatte dahin erganzt werden sol-
len, dass der Gebrauch, in billige Nach-
ahmungen der Modelle der alten Geigen-
bauer deren Namen einzukleben, hiiben
wie driiben weit verbreitet ist. — Das
Franzosisch von S. 10, Z. 15 ware wohl
besser mit "That's all" wiederzugeben.
— In der Anm. zu S. 23, Z. 20 sollten
,,Die Piccolomini" aus padagogischen
Griinden als zweiter Teil des ,,Wallen-
stein" genannt werden. — Der Hinweis
auf Curme's Grammar unter diesem ab-
gekiirzten Titel scheint mir — leider! —
deshalb anfechtbar, weil dieses treffliche
Werk langst nicht nach Gebiihr bekannt
ist und gebraucht wird. — Zu der Anm.
zu S. 45, Z. 5 mochte ich wenigstens ein
Fragezeichen setzen.
August Sauer, Literatur-
geschichte und Volkskunde.
Rektoratsrede, gehalten in der Aula
der K. K. deutschen Karl-Ferdinands-
Universitat in Prag am 18. November
1907. Prag, Selbstverlag der K. K.
deutschen Karl - Ferdinands - Univer-
sitat, 1907. 42 S. 80.
In dieser schonen und gehaltvollen
Rede verlangt der verdiente Prager Li-
terarhistoriker, der Herausgeber des
,,Euphorion", eine innigere Verbindung
der Literaturforschung mit der immer
mehr erstarkenden wissenschaftlichen
Volkskunde und zeichnet fur gegenseiti-
ge Durchdringung und Befruchtung die
Wege vor. Er fordert eingehendere Ver-
wertung der Familiengeschichte und
Aufstellung verlasslicher Stammbaume
fur alle bedeutenderen Dichter, stamm-
heitliche oder landschaftliche Provinzial-
literaturgeschichten neben der allgemei-
nen deutschen Literaturgeschichte und
grb'ssere Berucksichtigung der Ergeb-
nisse der volkskundlichen Forschung,
die ihrerseits ihre Hauptaufgabe in der
Charakteristik des deutschen Volkes
nach Stammen und Landschaften sehen
miisse; auch sei ,,der Versuch zu ma-
chen, einen Abriss der deutschen Litera-
turgeschichte in der Weise zu liefern,
dass dabei von den volkstiimlichen
Grundlagen nach stammheitlicher und
landschaftlicher Gliederung ausgegangen
werde, dass die Landschaften und Stam-
me in ihrer Eigenart und Wechselwir-
kung darin mehr als bisher zur Geltung
kommen und dass bei jedem Dichter, je-
der Dichtergruppe und jedem Dicht-
werke f estgestellt werde, wie tief sie im
deutschen Vblkstume wurzeln oder wie
weit sie sich etwa davon entfernen."
Anhangsweise gibt Professor Sauer 'eine
sehr wertvolle Bibliographic zu seinen
Ausfuhrungen. — Zu bedauern ist, dass
in den Anmerkungen die Hinweise auf
die Seiten der Abhandlung nicht stim-
men, sondern die Zahl jeweils um 16
vermindert werden muss (so dass also z.
B. S. 20, Z. 5ff. eigentlich fur S. 4, Z.
5ff. steht); der Rede, die als besonders
paginierter Abdruck vorliegt, wenn auch
nicht auf dem Titelblatt als solcher ge-
kennzeichnet, ging beim ersten Druck
offenbar ein anderer Artikel des ge-
nannten Umfangs voraus. Es ware des-
halb dringend zu wiinschen, dass Son-
derabziige aus Zeitschriften und Sam-
melwerken unter alien Umstanden die
urspriingliche Seitenzahl aufweisen
mochten und nur diese, — jede andere
Seitenbezeichnung fiihrt in der Halfte
aller Falle zu Verwirrungen und Miss-
verstandnissen.
En France. Guide a travers la langue
et le pays des Frangais. (In Frank-
reich. Ein Fuhrer durch die Sprache
und das Land der Franzosen.) Mit
deutscher ubersetzung, einem gram-
matischen Anhange und einem pho-
netischen Wb'rterverzeichnisse von
Paul Martin, Paris, und D r. O.
Thiergen, Dresden. Leipzig-R.,
E. Haberland, o. J. 219 S. 8°, mit
6 Planen. Gebunden 3 Mark.
Eine ganz vorzugliche Leistung! Dass
das Buch nicht, wie das Vorwort
meint, ,,infolge seines geringen Umfan-
ges leicht in der Tasche getragen werden
kann", ist eher ein Vorzug als 'ein Nach-
teil; denn es sollte zu Hause griindlichst
studiert werden, ehe man die Reise ins
schone Frankreich antritt, — und wenn
man die Reise nur auf Fliigeln der
Phantasie machen kann, so lasst sich
keine prachtigere, liebenswiirdigere Be-
gleitung denken, — im Handkoffer mag
man zu gelegentlicher Auffrischung der
Bekanntschaft mit Sache und Ausdruck
Bucherbesprechungen.
305
den Fiihrer immerhin mitnehmen. Der
Stoff, der einen schier unerschopflichen
Schatz an Wendungen und Redensarten
bietet, zerfallt in vier Teile: Die Reise
(eines Ziirichers und seiner Frau), Paris,
Das Alltagsleben, Die Umgebung von
Paris; wir 'erfahren alles Wissenswerte
aus Gesprachen und Briefen, denen in
der rechten Spalte eine gute deutsche
Ubersetzung beigefiigt ist, die nur bis-
weilen etwas knapper gefasst sein diirfte
und ein paarmal auch einen nicht ganz
deutschen Ausdruck durchschliipfen
lasst. Die Reichhaltigkeit des Inhaltes
auch nur annahernd erraten zu lassen,
miisste ich einen Teil des Inhaltsver-
verzeichnisses ausschreiben, wozu hier
der Raum fehlt. Es sei indes wenigstens
auf die Fahrplane, die Muster von Brie-
fen und Billets, Firmenschildern und An-
noncen yerwiesen. Der Anhang (46 Sei-
ten) bringt in klarer Darstellung das
Wichtigste der franzosischen Gramma-
tik. Das Worterverzeichnis, alphabetisch
nach Stichwortern geordnet, gibt zu je-
der Eintragung die Umschrift nach dem
System der Association phongtique. Das
Buch ist jedem Lehrer des Deutschen
hierzulande, der Franzosisch im Neben-
amte oder zum Vergniigen betreibt, aufs
warmste zu empfehlen.
(1) Dichtung und Wahrheit.
Von Wolfgang von Goeth'e.
Fiir Schulgebrauch und Selbstunter-
richt herausgegeben von D r. O.
K a s t n e r , Direktor der hoheren
Madchenschule zu Landsberg a. W.
Leipzig und Berlin, B. G. Teubner,
1907. 219 S. 8°. Geheftet M. 1.20;
geb. in Leinwand M. 1.50.
(2) Iphigenie auf Tauris. Ein
Schauspiel von Wolfgang von
Goethe. Fiir Schulgebrauch und
Selbstunterricht herausgegeben von
D r. G. F r i c k. ebd. 1908. 75 S. 8°.
Geheftet 50 Pfennig; geb. 70 Pf.
(3) Prinz Friedrich von Horn-
bur g. Ein Schauspiel von H e in-
rich von Kleist. Fiir Schulge-
brauch und Selbstunterricht heraus-
gegeben von Dr. H. G a u d i g. ebd.
1908. VI + 127 S. 8°. (Ohne Preis-
angabe; geh. etwa 70 Pf., geb. etwa
1 Mark.) Alle drei Bandchen aus
der Sammlung: Deutsche Schulaus-
gaben, herausgegeben von Dir. Dr.
H. Gaudig und Dr. G. Frick.
Wer Teubners deutsche Schulausgaben
zum ersten Male in die Hand nimmt,
dem wird das schmucke Gewand und die
vorziigliche Ausstattung angenehm auf-
f alien; Papier und Druck (klare Schwa-
bacher Korpuslettern, massig weit ge-
setzt, Durchschuss Achtelpetit) entspre-
chen den weitgehendsten Anforderungen
der Schulhygiene. — Bei (1) und (2) be-
schrankt sich der angehangte editorielle
Apparat auf 13 bezw. 7 Seiten; kiirzere
Bemerkungen sind hie und da in Fusa-
noten untergebracht. Beide Nummern
geben in diesem Anhang zunachst eine
Zeittafel zu Goethes Leben und Wer-
ken, sodann einen Durchblick und end-
lich einen Riickblick auf den Roman
bezw. das Drama, die sprachlich an ame-
rikanische Studierende zuweilen zu hohe
Anforderungen stellen. Willkommen
werden alle drei Heftchen da sein, wo
der ganze Unterricht von einem tiichti-
gen Lehrer in deutscher Sprache geleitet
wird: wo diese Voraussetzungen nicht
zutreffen, zumal beim Selbstunterricht,
wird man wohl hierzulande besser zu
den bewahrten amerikanischen Ausga-
ben, wie der von Prof. v. Jagemann
(Goethes Dichtung und Wahrheit, Selec-
tions from Books I — XI, Henry Holt and
Co.) und der von Prof. Winkler (Iphige-
nie, ebd.) greifen. Weder der Durch-
schnittslehrer noch der Schiller in Ame-
rika ist imstande, sich ohne ausfiihrli-
chere Erlauterungen zurechtzufinden.
Wahrend ich jedoch (1) und (2) nur be-
dingungsweise fiir unsere Verhaltnisse
empfehlen kann, stehe ich nicht an, Gau-
digs Ausgabe des Prinzen von Homburg
schlechtweg fiir ein Meisterwerk zu er-
klaren, das zum mindesten neben jeder
anderen Ausgabe seinen Platz finden
sollte. Der Herausgeber entwickelt in
der Einleitung (4 Seiten) und im An-
hang (43 Seiten), wie der aufmerksame
Leser, ohne weitere Voraussetzungen
mitzubringen als die Absicht, das Kunst-
werk als Gesamterscheinung zu genies-
sen, das Ganze in alien Einzelheiten mit-
erlebend nachschaffen kann; ein glan-
zendes Beispiel asthetischer Einfiihrung
und Leitung fiir Schule und Selbstunter-
richt. Der geschichtliche Rohstoff, mit
dem ja Kleist vollig frei geschaltet hat,
und dessen Kenntnis man zum Genusse
des Dramas ganz entbehren kann, ist auf
den letzten drei Seiten des Anhangs ent-
sprechend kurz behandelt.
Univ. of. Wis. E. C. Roedder.
Der We g zum G 1 u ck. Zwei Erzah-
lungen fiir die Jugend. Selected and
edited, with Exercises, Notes and
Vocubulary, by Dr. W i 1 h e 1 m
Bernhardt. Boston. D. C. Heath
& Co. 1908.
Ein leichter Text mit vollstandigem
Apparat, der sich also zum Gebrauch in
den Elementarklassen der High Schools
empfiehlt.
306
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogilc.
Dass die deutsche Literatur aus lauter
klassischen Dramen und sentimentalen
Liebesgeschichten bestehe, ist eine Mei-
nung, die man leider oft genug bei den
Schtilern der High Schools antrifft. Ei-
ner solchen Meinung lassen sich diese
beiden Erzahlungen von den bekannten
Jugendschriftstellern Viktor Bliithgen
und Julius Lohmeyer hiibsch entgegen-
halten.
,,Der Riigenfahrer" ist die heitere Be-
schreibung des Ferienausflugs eines 14-
jahrigen Gymnasiasten, wobei dessen
niirrischer alter Onkel, ein reicher
Deutschamerikaner aus Milwaukee, ihn
unerkannt begleitet und auf die Probe
stellt. Aus Pauls Briefen an seine Mut-
ter, worm seine Schulweisheit glanzend
zur Gcltung kommt, und aus denen uns
eine begeisterte Naturliebe entgegenla-
chelt, erfahren wir, was geschah, und
wie er die Probe bestand.
,,Tot oder lebendig" ist dlisterer und
streift das Tragische. Hier wird uns
der sorglose Apothekerssohn Otto vorge-
fiihrt, der durch seine Unachtsamkeit
um ein Haar seinen liebsten Freund ver-
giftet hiitte. Als ein anderer Mensch,
reifer und besonnener, geht er aus die-
sem schrecklichen Erlebnis hervor.
Der Grundgedanke beider Erzahlun-
gen, der in der Einleitung durch ein Zi-
tat vom Prasidenten Roosevelt zum ker-
nigen Ausdruck gebracht wird, lautet:
Fleiss und Gewissenhaftigkeit bahnen
den ,,Weg zum Gltick". Eine gesunde
und zugleich interessante Jugendlektiire,
die namentlich die Knaben anziehen
wird. Dass keine von beiden Erzahlun-
gen hohen literarischen Wert bean-
sprucht, schadet nichts.
Anerkennenswert ist das gute Voka-
bular, welches ausser den tiblichen An-
gaben auch die Langen, die Betonung
und etwaige Eigentiimlichkeiten der
Aussprache anmerkt. Das Biichlein
scheint tibrigens ausserordentlich fehler-
frei zu sein. Nur ein kleines Versehen
(,,Kinderparadise", iv, letzte Zeile), ist
mir bei der Durchsicht aufgefallen.
Die beiden Freund e. Eine Erzah-
lung von Genera.l-Feldmar-
schall Graf Helmuth von
Moltke. With Introduction, Notes
and Vocabulary, by Karl Detlev
Jessen, Ph. D. (Berlin). New
York, Henry Holt and Company,
1907.
Ein Erstlingsversuch des Autors, der
zwar von technischen Unebenheiten nicht
ganzlich frei geblieben ist, aber wegen
der patriotischen und abenteuerlichen
Elemente eine htibsche Lektiire fur etwa
die hoheren Klassen in der High School
bietet. Leider aber stimmt der edito-
rielle Apparat schlecht zu diesem Zweck.
Die Einleitung — abgesehen von dem
langeren Zitat aus Graf Schlieffens Rede
— ist schwerfalligen Stils und enthalt
manchen Germanismus und sonstigen
Verstoss gegen englischen Sprachge-
brauch ("his early deceased beloved
wife"; "one is safe to say"; "deals of
Moltke" u. s. w.) Statt der an dieser
Stelle sehr entbehrlichen Vergleiche von
Moltkes Stil mit dem von Julius Casar,
Xenophon, Tacitus, Goethe und Bis-
marck, und statt der Konstatierung der
literarischen Einfliisse, wobei die Namen
von Eichendorff, von Kleist, Tieck, Kor-
ner und Friederike Lohmann Erwah-
nung finden, ware eine kurz gehaltene
sachliche Darstellung des geschichtlichen
Hintergrundes der Erzahlung — des sie-
benjahrigen Krieges — viel zweckdien-
licher gewesen. Dieses fiir das voile
Verstandnis der Erzahlung so wichtige
Thema wird in zwei kurzen Anmerkun-
gen (zu 3, 1 und 41, 20), im ganzen 8
Zeilen, abgetan.
Die Anmerkungen selber sind Sehr
knapp gehalten und lassen manches zu
wiinschen iibrig. ,,Der heilige Nepomuk",
z. B., der bereits 6, 20 erwahnt ist, steht
gar nicht im Vokabular und wird erst in
der Anmerkung zu 63, 6 erklart, wah-
rend ,,der heilige Calvarius" nirgendwo
als im Texte Erwahnung findet. Falsche
Seiten- und Zeilenzahlen erschweren fer-
ner den Gebrauch der Anmerkungen; z.
B. auf S. 87: (Z. 8) 20, 22 = 17, 22; (Z.
11) 19, 19 = 19, 6; (Z. 15) 37, 24 = 37,
23, u. s. w. Auch mit der iiblichen gram-
matischen Terminologie scheint der Her-
ausgeber im Streite zu liegen: "the in-
finite part of the verb" (S. 85); "sub-
junc. of irreality" (S. 86) ; "The first ad-
jective is endingless" (S. 90).
Das Vokabular soil scheinbar nur beim
ubersetzen als Hiilfsmittel dienen, denn
es sind keine Genitivformen, keine Be-
zeichnung der Langen und Kilrzen, nur
ein paar Akzente und einige Pluralfor-
men vorhanden. Die beiden letzteren
sind durchaus nicht konsequent, sondern
scheinbar nur in willktirlich gewahlten
Fallen angewendet. (S. 124: "Ring, m.,
-e. Ritt, m., -e. Ritter, m. Rohr, n.,
Ross, n.").
S. H. Goodnight.
Univ. of Wis.
Die Erste Oberosterreichische Lehr-
und Lernmittel-Anstalt des Lehrerhaus-
Vereins fiir Oberosterreich in Linz, Leh-
rerhaus, versendet eben 'einen n e u e n
Lehrmittelkatalog, der zufolge
Bucherbesprechungen.
307
seiner Ausstattung und Reichhaltigkeit
einen wertvollen Wegweiser auf dem Ge-
biete des Lehrmittelwesens darstellt. Es
sind in demselben alle Unterrichtsge-
biete behandelt und die besten und neue-
sten Lehrmittel, sowohl Bilderwerke als
Apparate, aufgefiihrt. Dem kiinstleri-
schen Wandschmuck ist ein besonderer
Abschnitt gewidmet. Im Anhange fin-
den sich zwei ziemlich umfangreiche
Verzeichnisse, von denen das eine em-
pfehlenswerte Jugendschriften, das an-
dere geeignete Biicher ftir Lehrerbiblio-
theken enthalt.
Zweifellos wird durch diesen neuen
Katalog der gute Ruf, den die junge,
aufstrebende Anstalt in weiten Kreisen
geniesst, nur noch fester begrtindet.
Der Lehrmittelkatalog wird an alle
Lehrpersonen, die denselben mittels ei-
ner Korrespondenzkarte verlangen, um-
sonst zugesendet.
Preisausschreiben fiir K ii li-
st 1 e r - Modellierbogen. Um die
hausliche Beschaftigung unserer Knaben
bildend zu gestalten, hat die Firma
B. G. Teubner in Leipzig ein Preisaus-
schreiben erlassen, um eine ktinstlerisch
einwandfreie Serie von Ktinstlermodel-
lierbogen der sehaffenslustigen Jugend
bieten zu konnen. Aus den weit tiber
100 Entwiirfen, viele von anerkannten
Kunstmalern und Architekten stam-
mend, ergaben sich folgende Gegen-
stande zur Weiterfiihrung des Unter-
nehmens: Die Kogelburg bei
Volkmarsen (von Merseburg und
Westphal in Dresden) als typisches Bei-
spiel einer mittelalterlichen Schutz- und
Trutzstatte ; eine niedersachsi-
sche Dorfkirche (von Geschwister
Hamens in Bremen) nebst dem dazu ge-
horigen Bauernhaus als Beispiel fiir
echte Volkskunst ; ein r u m an i s c h e s
Bauerngehoft (von Schaale in Pa-
sing), das die EigentUmlichkeit eines
fremdlandischen Lebens recht plastisch
vor Augen ftihrt. Ausser den genannten
wurden folgende vSllig neuartigen Mo-
dellierbogen fiir die Kleineren preisge-
kront: ein zu humoristischer Betatigung
einladendes Schattentheater, ein
lebensvoller Kramraarkt (beide von
Geigenberger in Miinchen), sowie ein
Bild aus Hansel und Gretel (von
Th. Hermann in Hamburg), das echten
Marchenzauber atmet. Ausser den pra-
miierten Gegenstanden werden noch aus-
gefuhrt eine Pfahlbauansiedlung zur Be-
friedigung des archaologischen Interes-
ses, ein volkskundlich interessanter alt-
wendischer Bauernhof, sowie endlich ein
im Landhausstil gehaltenen Stationsge-
baude einer Kleinbahn, das den Sinn fiir
moderne Heimatkunst zu beleben im-
stande ist. Aus all dem erhellt sicher,
dass mittels des Preisausschreibens die
gute Sache um ein Betrachtliches gefor-
dert worden ist und auch weiterhin auf
freundliches Interesse aller beteiligten
Kreise rechnen darf. Auch die neue Se-
rie wird in tadelloser Ausfiihrung auf
starkem, holzfreiem Karton erscheinen
und sich dadurch vorteilhaft von vielen
ahnlich gearteten Unternehmen abheben.
So wird wie durch die padagogische und
kfinstlerische Durchfuhrung auch durch
die Giite des Materials Sorge getragen,
dass die kleinen Baumeister Freude an
ihrer Hande Arbeit haben.
Dies und Das. Ein Buch fiir die
Kleinen. Zusammengestellt von H.
H. F i c k , Supervisor of German,
Cincinnati Public Schools. American
Book Co.
Wer da weiss, wie wichtig es ist, dass
unsere jungen Schiiler vom ersten Tage
an, an dem sie in die Geheimnisse des
deutschen Lesens eingefiihrt werden, mit
Interesse an die Arbeit gehen, der wird
diese neue Gabe mit Freuden begriissen.
Sie ist dazu bestimmt, Erganzungsstoff
fiir den ersten Leseunterricht zu bieten,
und zwar solchen, den die Schiller mit
Vergniigen lesen werden. Er ist ihrem
Anschauungskreise entnommen; er er-
zahlt ihnen kleine Geschichten von den
Personen, Tieren und Gegenstanden aus
ihrer Umgebung; er nimmt Teil an ihren
Spielen und ihrer Arbeit — alles das in
einer der Auffassungskraft der Schiiler
angemessenen Form. Das ganze Buch
verrat von neuem den feinfiihligen Dich-
ter und Schriftsteller, sowie den 'erprob-
ten Schulmann. Es sei hiermit aufs an-
gelegentlichste empfohlen.
Sprachiibungen (in sieben Hef-
ten). Im Anschluss an die Lesebii-
cher der Serie Weick-Grebner. Be-
arbeitet fiir den deutschen Unter-
richt in amerikanischen Volksschu-
len von Emil Kramer. Zweite
Auflage. Verlag von Gus. Muehler,
Cincinnati, O. Preis fiir das Heft
5 cts.
Im 6. Jahrgange (Marzheft) dieser
Zeitschrift wiesen wir in einer lUngeren
Besprechung auf das vorziigliche Werk-
chen hin, das, aus der Praxis entstanden,
so recht fiir den praktischen Gebrauch
berechnet ist. Die Tatsache, dass nach
verhaltnismassig kurzer Zeit die 'erste
Auflage erschopft war und die Heraus-
gabe einer zweiten notig wurde, spricht
308 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
tleichfalls ftir die Vortrefflichkeit dieser tikalischen Unterricht zu erleichtern, zu-
prachiibungen. Wir haben keinen Zwei- gleich aber auch erfolgreicher und nutz-
fel, dass auch diese Auflage gleichen An- bringender zu gestalten. Doch auch da,
klang nnden wird. tiberall da, wo die wo andere Lesebiicher im Gebrauch sind,
Lesebuchserie von Weick-Grebner in der werden die Sprachiibungen manch wert-
Volkssehule gebraucht ist, wird das vollen Fingerzeig fiir den Unterricht in
Werkchen dazu beitragen, den gramma- der Grammatik geben. M. G.
II. Eingesandte Biicher.
Dies und Das. Ein Buch fur die Encyklopiidisches Hand-
Kleinen. Zusammengestellt von H. H. buch der Padagogik. Von W.
Pick, Supervisor of German, Cincin- Rein. Zweite Auflage. 6. Band, erste
nati Public Schools. American Book Co. und zweite Halfte. Langensalza. Her-
mann Beyer & Sohne, 1907.
Hiermit diene zur gefalligen Kenntnisnahme, dass noch eine be-
schrankte Anzahl von Exemplaren des Kataloges der
vorhanden ist, die, soweit der Vorrat reicht, gegen Einsendung des Be-
trages von 25 cts. fiir das Stuck abgegeben werden.
Die ausgestellten Gegenstande werden auch nach auswarts auf
begrenzte Zeit leihweise versandt, unter der Bedingung, dass deren Riick-
gabe schriftlich gewahrleistet wird. Fiir verloren gegangene oder bescha-
digte Gegenstande ist ihr Kostenpreis und das Porto fiir den Neuankauf
zu entrichten.
Wegen Bezug des Kataloges und des Leihens von Ausstellungsgegen-
standen wende man sich an Seminarlehrer John Eiselmeier, 558 — 568
Broadway. Milwaukee, Wis.
Der Vollzugsausschuss des Lehrerseminars.
Monatshefte
fur deutsche Sprache und Padagogik.
(Friiher: Padagogische Monatshefte.)
A MONTHLY
DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.
Organ des
Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.
IX* De-ember 1908. Reft 10.
Weihnachtslied.
Vom Himmel in die tief sten Kliifte
Ein milder Stern herniederlacht ;
Vom Tannenwalde steigen Diifte
Und hauchen durch die Winterliifte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit.
Ich hb're feme Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In marchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber halt mich wieder,
Anbetend, staunend muss ich steh'n:
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich ftlhrs, ein Wunder ist gescheh'n.
(Theo. Storm.)
The Use of Phonetics in Language Teaching.
By John L. Hulshof, Public Schools, 42 Bronx, New York.
The study of phonetics is recognized by authorities as the initial step
in the mastery of a foreign language. The teacher should therefore con-
cern himself during the first few lessons with the imparting of the
knowledge of the vowel and consonant sounds preparatory to the subse-
quent study of the language itself.
Now, there is perhaps no subject in language-teaching upon which
opinions are more at variance than that of phonetics. Some language
teachers are enthusiastic for it, whilst others discourage the systematic
teaching of phonetics altogether. Perhaps the reason for this difference
of opinion may be found in the fact, that the strongest opponents of the
system are either ignorant of phonetics, or else they never had a chance to
observe the practical application of phonetics teaching in a language.
Another potent factor lies no doubt in this, that in English, a
language with some 45 arbitrary vowels, diphthongs, thriphthongs and
aphthongs, not to mention digraphs and trigraphs, it is well-nigh im-
possible to apply a system of phonetics that can be made practical and
helpful in the schools. Hence the lack of interest in this essential re-
quisite in language teaching. And right here, I admit that the teaching
of phonetics is a more or less arduous task, particularly when the classes
are large and the time allowed for the study of the foreign language has
to be economized.
However, the benefits derived from the teaching of phonetics will be
apparent from the following reasons :
1. The pupils will thereby better understand the elements of speech,
both in English and German.
2. They will acquire greater accuracy in the ennunciation of their
own mother tongue, as well as in that of the foreign language they are
to study.
3. The pupils will quickly grasp the idea of what is meant by
articulation and pronunciation, instead of blindly imitating whatever they
hear from their teacher. This is particularly the case with older pupils
and with those whose power of linguistic imitation is poorly developed.
The Method itself.
The teacher may begin by explaining in a practical way that a word
consists of sounds and that a letter is simply the sign of some elementary
sound of the human voice.
Explain what you mean by a sign.
The Use of Phonetics in Language Teaching. 311
?, !, & are signs, but these signs do not represent any sound. —
5, 8, $, R> are also signs, but entirely different from the first. (Use B. B.)
This has aroused the interest of the pupils, and here is your psychological
moment to make them understand what a letter really is. Show the
pupils that in the so-called alphabet the letters are arranged in certain
groups, the vowels being distributed at regular intervals throughout.
Thus for instance there are three consonants between the vowels a and e,
five between the vowels i and o etc. This little scheme will bring the
vowels into greater prominence and these primary sounds will appear to
the pupils in a new light. To further impress upon the pupils the real
meaning of a letter, i. e. a sign of some elementary sound of the human
voice, ask them what they would say if at this moment a pretty white
pigeon should alight right before them on the chair railing, so that they
could caress it. They will answer with a spontaneous accord — a — .
Now write this letter on the B. B. and say : here is the sign or letter
that represents that sound in German. (Do not take any more letters at
that time, or you will confuse them.)
The letter a is really the simplest and most common sound in the
language and presents no difficulty to the pupil, and hence requires no
demonstration as to how this sound is produced by the vocal organs.
Now combine this vowel a with consonants, such as: da, am, kam,
hat, war, alt, kalt, etc. Let the pupils read the words thus formed in
concert, read singly, then form such short sentences as: Karl war da.
Anna hat das Band. Karl kam am Samstag, etc. etc. The pupils may
also copy these short sentences from the B. B. on slips of paper. Care
must be taken that no other vowel sound appears in the words except
that of plain a. In conclusion, let the teacher show this on the B. B. :
far
fall
fat
ask
made
da
kam
war
krank
hat
Let the teacher read both columns, the English words as well as the
German. Let the pupils read in the same manner. Call the attention of
the pupils to the variations of the letter a in the English language, and to
the uniform sound of that same letter in German. This is very important,
because the pupils will now see and understand that in German the same
letter always represents the same sound, no matter what position the let-
ter may occupy in a word. This is quite sufficient for one lesson.
Before beginning with the next vowel sound it is necessary to review
the previous lesson almost step by step, then proceed with the next vowel
sound.
312 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Class, attention! This letter represents the sound of — e — . Class
repeat, again, once more, noch einmal, recht so. The teacher may now
write on the B. B. such words as: rede, lebe, bete, hebe, dem, den, der;
also such words as: rate, bade, sage, habe etc. Now form sentences like
the following :
Wer war da? Emma war da.
Was hat der Knabe? Er hat den Besen.
Der Garten hat lange Beete, etc. etc.
The five plain vowels a, e, i, o, u may thus be taught and incidentally
a small stock of vocabulary be acquired. The first modified sound or a
may then be taken up. This sound presents no difficulty to the English
speaking pupils, because the identical sound, though not the identical
vowel is found in the English language; for it must be remembered that
the German word "Bar" and the English word b ear do not appeal to the
child in exactly the same manner. From a psychological standpoint these
contrasts are very interesting and from a pedagogical point of view, very
useful. (The absolutely new does not gain our interest in the same way
as the comparatively old.)
The modified 6 and ii require much practice and patience, because
these sounds are absolutely foreign to the English language. With some
ingenuity and tact these strange sounds can, however, be easily mastered,
and we now proceed to the
Diphthongs.
Strange as it may seem, it is nevertheless a fact that the great ma-
jority of our pupils, even in the upper grades, are woefully ignorant as to
the combination of two or more vowel sounds in one syllable, which form
diphthongs and triphthongs. A very simple test like the following will
convince you of this. Write on the B. B. something like this :
beat
toil
boat
new
beau
buoy
brief
round
beauty
quoit
fair
crowd
Oall on some bright pupil to read the words, and then call on other
pupils to cross off. the letter in the word that is not pronounced, and you
will soon find how little definite knowledge your pupils have regarding
diphthongs and triphthongs. Needless to say that a lesson on such an
essential part of their own grammar, if given with precision, will clear
away many of the prejudices your pupils may have when confronted with
similar combinations in a foreign tongue.
The question now naturally comes: has the German language any
diphthongs or triphthongs?
The Use of Phonetics in Language Teaching. 313
Yes, the German language has diphthongs but no triphthongs.
The teacher now proceeds with au, and forms such words as: aus,
blau, laut, laufen, kaufen, rauben, etc. etc., after which he forms short
sentences, such as :
Der Baum hat griines Laub.
Das Kind hat blaue Augen.
1st Frau Braun zu Hause? etc. etc.
* * *
Ich schreibe zwei Seiten.
Das Buch hat drei Teile.
Ich habe keine Zeit. etc. etc.
* * *
Der Freund ist mir treu.
Eugen ist immer freundlich.
Deutschland ist in Europa. etc. etc.
* * *
Wir spielen auf der Wiese.
Der Diener bringt die Stiefel.
Ich liebe dieses schone Spiel, etc. etc.
Care should be taken not to take more than one new vowel or diph-
thong in any one lesson; but the previous lesson or lessons should always
be reviewed before any new sound or combination of sounds is presented
to the pupils. This is most essential.
The work here outlined requires about four weeks of the time allotted
for the teaching of the German language in the New York public schools,
and if the teacher has been judicious in his choice of a vocabulary and has
made use of proper material at hand, the pupils in his class will now be
familiar with the names of objects in the class-room, the parts of the
human body, and clothing, as well as with such expressions : Karl ist ein
Schiller. Wo ist die Kreide? Gehe an die Tafel, Karl. Schreibe das
Wort an die Taf el. Das ist richtig. Wer f ehlt heute ? Wo ist die Thiir?
Emil, offne die Thiir. Was ist das? Da sist ein Buch, eine Feder, ein
Bild. etc. etc.
All this and much more can be taught along with phonetics. In fact,
it must not be supposed that any one lesson should be devoted to the teach-
ing of phonetics exclusively. The experienced teacher will find his own
way to intersperse a practical drill in sounds with colloquial forms in a
variety of ways. To some the time thus spent in the teaching of phonetics
may seem slow and tedious, nevertheless it is the most essential prepara-
tion we can give our pupils for the final aim, and that is — comprehensive
reading of the foreign language, which in turn will create a taste and due
appreciation of the literature of that language.
"Still all that we can remember of our studies in the end,
is what we have been able to find practical use for/' Goethe.
Vom Lesen von Buchern,
Yon Friedrich Naumann.
Die meisten von uns haben dreierlei verschiedenen Lesestoff zu be-
waltigen, namlich die notwendige, die nutzliche und die tmterhaltende
Lektiire. Der Zweck der notwendigen Lektiire ist die Ausiibung des Be-
rufes, der Zweck der niitzlichen die Vermehrung der allgemeinen Bildung
und die Veredlung des Charakters, der Zweck aber der unterhaltenden
Lektiire ist die Sattigung der Einbildungskraft mit wechselnden Vorstel-
lungen und Formen.
Ein und dasselbe Buch kann von verschiedenen Menschen zu ver-
schiedenen Gruppen gerechnet werden. Beispielsweise liest der Geschichts-
lehrer viele Dinge als notwendig, die uns anderen nur als niitzlich er-
scheinen. Schillers Dramen oder Eankes Geschichtsdarstellungen konnen
in alien drei Gruppen vorkommen, auch Eeisebeschreibungen.
Die unterhaltende Lektiire kann auf die Dauer nicht entbehrt werden,
weil ohne sie die freie Elastizitat der Einbildungskraft verkummert.
Wenn sich in den Jahren der erwachsenden Jugend ein Heisshunger nach
Unterhaltungslektiire einstellt, so soil man zwar Vorsicht in der Auswahl
der geistigen Speisen walten lassen, aber nicht den Hunger selbst als Un-
recht verdammen. Grosse Feldherren und Philosophen haben mitten in
ihren schweren Arbeiten ein Bediirfnis nach leichterem Lesestoff gehabt.
Man soil sich nicht scheuen, ein gutes Buch zweimal zu lesen. Oft
findet man erst beim zweiten Lesen die inneren Zartheiten der Begriffe
oder Gestalten und gewinnt ein Ohr fur die besondere Musik der Sprache.
Sieh dir deine Biicher darauf an, welche von ihnen du ein zweites Mai
lesen mochtest! Das Verzeichnis dieser Biicher wird eine Art Lebens-
beschreibung von dir selbst sein.
Wer eine fremde Sprache gelernt hat, soil nie ganz aufhoren, in dieser
Sprache zu lesen, und zwar keineswegs bloss deshalb, um die Kenntnis der
f remden Sprache zu bewahren, sondern vielmehr noch deshalb, weil wir an
der Fremdsprache sorgfaltiger und feiner lesen lernen, als es uns vielfach
bei der eigenen Sprache gelingt. Das Gefiihl fur die Form der Sprache
wachst leichter, wenn die Form uns zunachst einige Schwierigkeiten
macht.
Es ist nicht notig, dass wir immer das lesen, was alle Welt liest. Oft
sind die Biicher, von denen heute jedermann spricht, schon im nachsten
Jahre vollig vergessen. Es ist aber gut, von Zeit zu Zeit sich ein ganz
altes Buch hervorzuholen, weil mit ihm eine gang andere Zeit und Denk-
Vom Lesen von Buchern. 315
weise emportaucht. Etwas von Luther selbst gelesen zu haben 1st besser,
als vieles iiber ihn. Frage dich, welche Biicher dein Grossvater lieb gehabt
hat ! Vielleicht sind sie gerade wieder einmal voll neuen Saftes fur dich.
Biicher, denen man anmerkt, dass sie langsam geschrieben wurden,
wollen auch langsam gelesen sein, weil sonst von vornherein ein Unter-
schied im Ehythmus zwischen dem Schriftsteller und dem Leser vorhan-
den ist.
Man soil sich von Zeit zu Zeit zwingen, ein schweres und ernsthaftes
Buch zu lesen, weil nur dadurch die geistigen Muskeln straff gemacht
werden. Es ist ein Zeichen von weichlicher Selbstschonung, dass die
Deutschen ihre starksten Denker und Redner so wenig lesen: Lessing,
Kant, Fichte, Schopenhauer, Bismarck, Lasalle!
In jiingeren Jahren soil man von einigen Buchern sich Ausziige her-
stellen, um ihren Aufbau nachzuerleben. Auch spater ist es gut, auf dem
letzten Blatte des Buches sich neben dem gedruckten Inhaltsverzeichnis
noch ein personliches anzulegen, um das leicht wiederzufmden, was beson-
deren Eindruck gemacht hat. Auch Bleistiftstriche innerhalb des Buches
sind nicht zu verbieten, obwohl sie die Schonheit der Blatter beeintrachti-
gen. Deine Kinder werden vielleicht spater einmal an deinen Bleistift-
strichen sehen, was dir wertvoll oder zweifelhaft gewesen ist.
Gehe, wenn du in die Grossstadt kommst, in den Lesesaal der offent-
lichen Bibliothek und wandere recht still und behaglich an den Biicher-
standen bin, damit du eine Ahnung bekommst, was iiberhaupt vorhanden
ist! Es macht einen grossen Unterschied, ob man ein Buch jemals ge-
sehen hat oder nur aus anderen Buchern weiss, dass es existiert.
Es sollte in den Schulen mehr vorgelesen werden, damit Lesen und
Vorlesen gelernt wird. Als ich Gymnasiast war, las uns unser Geschichts-
lehrer lange Stiicke aus Archenholz, Mebuhr, Mommsen und Treitschke
vor, damit wir den ersten Schreck vor solchen Werken iiberwinden sollten.
Er konnte freilich vorlesen, weil er sich erst selbst ganz hineingelesen
hatte. Erst beim Vorlesen merkt man, ob der Schriftsteller die Sprache
beherrscht.
Solange ich ein Buch lese, muss ich Achtung vor seinem Verfasser
haben, denn er redet selber mit mir. Der Mann, dessen Worte ich in mich
aufsauge, darf mir kein Gleichgiiltiger bleiben, es sei denn, dass es sich
um blosse ausserliche Zusammenstellung handelt. Finde ich in einem
Buche keine lebendige Person, dann stelle ich es in das Regal, ehe ich es
fertig gelesen habe. Ich suche seinen Verstand oder seinen -Charakter
oder seine Art, die Welt anzusehen, oder seine Laune oder seine Art, sich
geistig zu geben. Davon, dass wir ihn suchen, braucht er aber selbst beim
Schreiben gar nichts zu wissen. (Aus Nr. 38 der ,,Hilfe".)
316 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Unbegrenztes Fragerecht. Das, was in einer ,,neuen Schule" ganz in
den Vordergmnd trate, ja, was das einzige ware, was den Lehrplan er-
setzen sollte, das ware das unbegrenzte Fragerecht des Kindes.
Heute fragt nur ganz selten ein Kind den Lehrer im Unterrichte.
Vielleicht geschieht es dann und wann am Ende eines Abschnittes, wenn
der Lehrer sich vorher erkundigt hat, ob alle es verstanden haben. Sind
nach dessen Frage dann wirklich noch Kinder da, die zu fragen wagen,
denn die meisten getrauen sich's nicht, weil ihnen bei gar zu naiven und
leichten Sachen oft Unaufmerksamkeit vorgeworfen wird, so ist's dem
Lehrer schliesslich gar nicht recht, wenn sich jemand meldet, da er
glaubte, alles so vorziiglich erklart zu haben, dass alle es hatten verstehen
miissen. Und nun doch wieder welche. Er ist enttauscht von seinem
Erfolge. Und doch, er hat's so gut gemacht. ,,Du hast nicht ordentlich
aufgepasst ! Also, hor nochmals drauf !" ,,So I" ,,Hast du's
nun verstanden?" Und die Antwort lautet selbstverstandlich : ,,Ja!" —
Dass die Kinder, die noch fragen, es oft am meisten verstanden haben,
oft am aufmerksamsten gewesen sind, wird kaum bedacht. Sie haben sich
in die Materie wohl eingelebt, aber sie sind kritisch, und machen's nicht
so, wie die anderen, die alles iiber sich ergehen lassen und auf Wunsch so
wiedergeben, wie der Lehrer es haben will, ohne dass sie etwa zum Stoff ein
inneres Verhaltnis gewonnen haben, ohne dass er fur sie zum inneren Er-
lebnis geworden ist. Wie sollte er auch. Er lag ja ihrem Gedankenkreise
so fern trotz aller Vorbereitung. Sie wissen ja gar nicht, dass sie's nicht
verstanden haben. Warum sollten sie fragen? Sie wollen ja gar nicht
mehr wissen. Es ist genug, was sie zu merken haben. Sollten sie sich
diese Last noch vergrossern?
Aber anders mochten sie fragen. Sie mochten wissen, wie die Elek-
trische geht und der Kinematograph, wo die kleinen Katzchen hergekom-
men sind und wie Blatter wachsen, warum es hagelt und woher die Wolkeh
kommen, und so viel, so unendlich viel. Aber ach, davon haben sie nicht
gesprochen. Der Lehrer hat auch keine Zeit, das zu erklaren, denn schon
muss etwas anderes drangenommen werden.
Das kann so unmoglich weitergehen! Nimmermehr! Unbegrenztes
Fragerecht. Was die Kinder wissen wollen, das muss der Lehrer ihnen —
natiirlich stets in einer fiir das betreffende Alter angemessenen Form —
erklaren. Aber nicht bloss selbst. Er kann's von andern, die's wissen,
erklaren lassen. Wie stolz fiihlte sich neulich ein kleiner Siebenjahriger,
als er den andern mitteilen konnte, warum der Riese Goliath einen eiser-
nen Panzer angezogen hatte. Und die andern lauschten.
Was doch die Kinder alles wissen wollen. Es ist wirklich wahr, was
das Sprichwort sagt: Ein Kind fragt mehr, als zehn Weise beantworten
Unbegrenztes Fragerecht. 317
konnen. 1st ja auch nicht notwendig, dass alles beantwortet wird, aber
manches, vieles. Einiges kaim verschoben und aufgehoben werden.
Aber, dann 1st es doch leicht moglich, dass der Lehrer einmal die
Frage eines Kindes nicht beantworten kann. Muss dann nicht seine Au-
toritat leiden und werden ihn die Schiiler dann nicht mit schiefen Augen
ansehen? Auf diesen Einwurf bin ich gefasst.
Sagt mir nur : Soil denn der Lehrer Autoritat sein ? Muss das Kind
von ihm glauben, er wiisste alles, und alles, was er sagt, sei richtig? Wer
das verlangt, der stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus, er bekennt offen
dadnrch seine geistige Unreife.
Miissen wir uns aber dann wundern, wenn die Menschen so autorita-
tenglaubig werden, sobald der Lehrer solchen Glauben ziichtet.
Wer kann heute alles wissen ?
Es wird niemanden in den Augen seiner Schiiler heruntersetzen,
wenn er ihnen sagt : ,,Das weiss ich nicht, ich will aber mal nachsehen
und euch dann dariiber Aufschluss geben", oder ,,Das habe ich vergessen !"
Wenn die Kinder aber fragen diirfen, so fragen sie mehr und immer
mehr, und es wird sich dabei erst herausstellen, wofiir sie alles Interesse
haben. Und das wird nicht zu wenig sein. Alsbald wird frisches froh-
liches Leben einziehen. Es wird auch bei gegenseitigen Erklarungen
durcheinandergehen. Aber was schadet's ? Die Erfolge konnen nicht aus-
bleiben.
,,Meinst du?" werde ich lachelnd gefragt, ,,was soil das nur fiir eine
Bildung geben, die so regel- und planlos sich vollzieht? Nichts Geschlos-
senes, nichts Ganzes, nur Bruchstiicke !"
Nein. Die Bildung wird trotz aller Lehrplanlosigkeit so geschlossen
sein, wie sie bisher noch nicht war. Sie wird, das gebe ich zu, nicht ge-
schlossen sein nach schulmeisterlich getrennten Sachgebieten — aber was
ist oft nicht fiir ein Widersinn in dieser Trennung — aber sicher wird sie
einheitlich sein nach dem Gedankenkreise und Fassungsvermogen des
Kindes. Es wird erreicht sein, was bei der Trennung in Sachgebiete und
dem Gang nach Lehrplanen nur vergeblich angestrebt werden kann, den
Unterricht zu begriinden auf die psychologischen Qualitaten des Kindes.
Hier aber werden diese massgebend sein, und zwar ganz allein. Es wird
eine Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Gedankenkreises die notwen-
dige Folge sein, und die Bildung wird beim Austritte aus der Schule so
abgeschlossen sein, wie sie das in einem solchen Alter iiberhaupt sein kann.
Dazu kann uns das unbegrenzte Fragerecht der Kinder verhelfen.
(Walter Kluge, Leutzsch-Leipizg. Sachsische Schulzeitung.)
318 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
liber Verbalismus und Materialismus in unserem Schulbericht urteilt
Professor W. Eein-Jena (Heft 50 der ,,Woche", 1906, S. 2188) also:
,,An zwei Grundfehlern krankt unser gegenwartiger Schulbetrieb : am
Verbalismus und am didaktischen Materialismus. Beide Fehler hangen
innerlich zusammen. Weil die Lehrplane iiberfiillt sind (didaktischer
Materialismus), muss der Lehrer sich mit Worten (Verbalismus) begnii-
gen. Er hat nicht die Zeit zu griindlicher, verweilender Anschauung; er
muss eilen, um sein Pensum zu erfiillen und der Schulinspektion gerecht
zu werden, selbst da, wo die Moglichkeit unmittelbarer Anschauung sich
von selbst darbietet, wo die Schule in eine Umgebung hineingestellt ist,
die von einer Fiille natiirlichen Anschauungsmaterials geradezu strotzt.
Es miissen nur die Sinne hierfiir geweckt und eingestellt werden. Aber
gerade hierfiir scheint keine Zeit zu sein; fur das Notwendige, das Fun-
damentale fehlen Verstandnis und guter Wille. Dafiir hallen die Schul-
raume wider von dem Gerausch der Worte, wahrend die Schulschranke
sich mit Akten fiillen, beides zum Ergotzen des Schulregiments, das
hochst befriedigt ist, wenn die Schiller die notigen Worte bereit und die
Lehrer die betreffenden Nummern ordnungsmassig ausgefiillt haben. —
Je weiter die Schule sich von dem Prinzip der Anschauung entfernt, um
so mehr verflacht sie, und um so mehr bringt sie sich selbst um ihre beste
Wirkung. Worte gehen rasch verloren, aber sinnliche Eindriicke unmit-
telbarer Art bleiben. Was der Schiller z. B. auf einer Schulreise selbst
erlebt, ist ihm fur sein Leben unvergessen, wahrend vieles, das er durch
das Medium der Worte nachempfinden soil, verschwindet, ohne bleibende
Spuren in seinem Geistesleben zu hinterlassen. Zeichnen und Modellie-
ren sind deshalb so iiberaus wichtige Gegenstande, weil sie den Zogling
notigen, scharf zuzusehen. Darum spricht Goethe so begeistert von sei-
nem ,,bisschen Zeichnen", das ihm das Tor auch in das Bereich allgemei-
ner Begriffe und hoherer Anschauungen geoffnet habe."
Lehrerpersonlichkeit. Die Jugend hat ungeheuer feine Instinkte.
Der Lehrer kann sie wohl inbezug auf das Wissen, das er ihr beibringt,
mit faustdicken Liigen traktieren, aber iiber seine personlichen Qualita-
ten kann er sie weder durch Tyrannengebarden noch Hanswursteleien
hingewtauschen. Der unbandigste Junge unterwirft sich ohne weiteres
der starken Personlichkeit, dem reinen Willen, der noblen Gesinnung,
deren Ausfluss Gerechtigkeit ist, wohingegen ein stumpfer, beschrankter
Geist, dem es an Schwungkraft der Seele fehlt, der sich durch norgelnde
Pedanterie oder polternde Strenge ein Ansehen zu geben versucht, sofort
durchschaut wird. Dazu kommt noch der bei den meisten gut veranlag-
ten Kindern vorhandene Scharfblick fiir das Lacherliche im ausseren Ge-
bahren. Einem guten Lehrer, und ein solcher ist jeder, den die Jugend
Zur Vorbereitung im AufsatzunterriM. 319
als eine freie, starke Personlichkeit emjrandet, wird es ungemein leicht,
seine Schiiler fur den Gegenstand, den er lehrt, zu begeistern, und er wird
in den raschen Fortschritten, die sie maehen, und in der stiirmischen An-
hanglichkeit fiir seine Person eine Befriedigung finden, wie sie so schon
und stetig wohl keinem anderen Berufe beschieden ist; denn die Ver-
ehrung fiir einen geliebten Lehrer dauert gerade bei feineren und reiche-
ren Naturen weit iiber die Schuljahre hinaus, manchmal ein ganzes Leben.
hindurch an. Der arme Schacher von Lehrer aber, der jahraus, jahrein
seine Weisheit trocken und schwunglos wieder vorbringt, nur darauf be-
dacht, seiner vorgesetzten Behorde zu geniigen und sich die nichtsnutzigen
Jungens vom Halse zu halten, um in seiner Philisterbehaglichkeit nicht
gestort zu werden, der wird nie seine Saat herrlich aufgehen sehen, nie
das Hochstgefuhl kennen lernen, den Werdenden ein verehrter Freund zu
heissen. (Ernst v. Wolzogen: Deutscher Friihling. Heft 1.)
Zur Vorbereitung im Aufsatzunterrichte. (Yon Fritz Zill.) Das
Thema war gegeben und zwar so, dass das Interesse aufloderte. — Wie
steht es nun mit der Vorbereitung im Aufsatzunterrichte? Sie muss da-
rauf hinzielen, das Interesse noch zu erhohen. Es sind Scheite, die der
Lehrer ins Feuer zu legen hat, damit es desto mehr aufflackert. Wie
geschieht das? Nicht durch Aufstellung von Dispositionen, dass somit
das ganze freudige Ereignis des Kindes — Geburtstagsfeier, Ausflug —
in ein bestimmtes Schema gezwangt wird, oder gar, dass einige Satze, die
vom Lehrer, wenn auch mit Hilfe der Kinder aufgestellt worden sind, an
die Tafel geschrieben, eingelernt werden. Die eigenen GTedanken, die
Ansichten des Kindes, die in der Seele aufsteigen wollten, werden da-
durch nur zuriickgedrangt. Was das Kind selbst erlebt, gefiihlt oder sich
durch lebhafte Phantasie ausgemalt hat, kommt nicht zur Geltung; es
wird sich alles scheu in einem Winkel der Seele verbergen. Geangstigt
wird sich das Kind aber f ragen : Hast doch nichts vergessen ? Hast du auch
die vorgeschriebene Ordnung genau eingehalten? Und dabei wird die
eigene Schaffensfreude, die Arbeitslust, die Selbsttatigkeit verloren gehen.
Wir leben im ,,Jahrhundert des Kindes" nach dem Ausspruche einer
geistreichen Frau. Es gilt, die Krafte, die dem Kinde innewohnen, her-
auszulocken und sie frei entfalten zu lassen, der personlichen Eigenart
des Kindes gerecht zu werden. Das Kind — ein Kiinstler und hier im
besonderen : das Kind — ein Schriftsteller. Du wirst gewiss manches in
der Seele des Kindes schlummernd finden, versuche es nur, von einem
sprachlich schwerfalligen Kinde ausser dem schriftlichen Aufsatz auch
noch den gemalten Aufsatz anfertigen zu lassen — und du wirst es besta-
tigen : das Kind — ein Kiinstler. Freilich musst du ablassen von einem
320 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
strengen Urteil, von einer wegwerfenden Kritik. Das kindliche Produkt
will mit Liebe beurteilt sein, sonst wird in Zukunft das Kind scheu zu-
riicktreten. Ja, was denn da? — wirst du fragen. 1st der oben verwor-
fene Weg in der Praxis nicht immer iiblich gewesen? Soil ich mich von
dem gewb'hnlichen Wege wegwenden, und wie soil sich die Vorbereitung
dann gestalten ? — Ein Beispiel : Es war im November, der erste Schnee
war gefallen. Wir batten im 4. Schuljahre vom Sperlinge gesprochen
und ihn als den Gassenjungen hingestellt. Das Gedicht ,,Zilp und Schirp"
war gelesen worden. Die Deutschstunde nahte. Das Thema lautete:
,,Was sich die Spatzen erzahlten, als der erste Schnee fiel." Einige
Schiiler standen vorn und erzahlten, als wenn sie selbst Spatzen waren.
Sie redeten von der Kalte, die nun kame, von der Futternot, die nun ein-
trate, von dem Fenster, das jeden Morgen aufginge, wie Heinrich ihnen
imnier Futter streue. Was war denn das? Ein Zischeln, Lacheln —
einige standen und lachten seelenvergniigt iiber die Spatzen, die doch
keine Fliigel hatten. Es bedurfte nun weiter keiner grossen Aufforderung
zur Niederschrift des Spatzengespraches. Ein jeder griff schnell zum
Federhalter, ein jeder wollte das beste liefern. — Was soil dadurch gezeigt
werden? Intensivste Anschaulichkeit des zu beschreibenden Stoffes (im
angefiihrten Beispiele durch Gesten, Gebarden, Handbewegungen) ist
notwendig, um die freudige Anteilnahme zu starken und die individuelle
Auffassung zu bewirken. Noch ein zweites hat die Vorbereitung zu be-
achten. ,,Frei von der Leber weg" soil das Kind reden und auch schrift-
lich niederschreiben. Wiirde man nun dem Kinde freien Lauf lassen, so
konnte die Folge sein, dass gerade dann der Aufsatz missgliickt. Hier
gilt es auch wiederum, Ziigel anzulegen, die Zucht walten zu lassen, jedoch
dermassen, dass sich das Kind nicht beengt und beeintrachtigt fiihlt.
Durch das Vorbild des Lehrers sollen die kindlichen Krafte in die rechten
Bahnen gelenkt werden, und das geschieht auch zugleich durch den
Musteraufsatz, den der Lehrer bietet. Dem Kinde wird es manchmal
schwer fallen, den gedachten Aufsatz schriftlich wiederzugeben. tiber
diese Klippe soil der Musteraufsatz hinweghelfen. Er soil nun bei weitem
nicht zur Nachahmung dienen. Nur wenige werden sich an diesen klam-
mern, fiir den grosseren Teil soil er anregend wirken, so dass sich die
Kinder veranlasst fiihlen, auch so etwas niederzuschreiben. Das klingt
doch schon, das ist ja wirklich so gewesen, wie ich es erlebt habe ; und das
und das hat sich auch noch zugetragen. Hat die Vorbereitung in dieser
Weise — namlich durch intensivste Anschaulichkeit und durch einen dar-
gebotenen Musteraufsatz — fur die Erhohung des Interesses Sorge getra-
gen, so wird das Kind das Bediirfnis empfinden, etwas niederzuschreiben,
und der Aufsatz wird dann in seiner Eigenart, nach seinen charakteristi-
schen Ziigen ein kleines Kunstwerk sein, der Aufsatzunterricht selbst ein
Mittel der Kunstbildung werden.
Tiber die mundUche Klassenkorrektur. 321
IJber die miindliche Klassenkorrektur fiihrte J. Schink auf der letz-
ten Schles. Provinzial-Lehrerv. folgendes aus: Die einzige Korrektur, die
wirklich etwas leistet, ist die miindliche Klassenkorrektur. Dabei werden
einzelne Aufsatze vorgelesen und zur Kritik der ganzen Klasse gestellt.
Die grammatischen, logischen, stilistischen und asthetischen Fehler, Feh-
ler der Auslassung, Ubertreibung, Verbindung u. s. w., die die Schuler
selbst finden konnen, lasst man sie finden, die iibrigen berichtigt der Leh-
rer, und sofort werden an besonders hervorstechende oder schwierige Falle
miindlich einige tibungen angeschlossen, die die Wiederkehr des Fehlers
verhindern sollen. Nach solchen Stunden, in denen die Klasse ungemein
regsam ist, haben die Schuler das bestimmte Gefiihl, dass sie sprachlich
und stilistisch ein Stuck gewachsen sind. Ob die Schuler, deren Aufsatze
vorgelesen worden sind, nachher noch eine schriftliche Fehlerverbesserung
machen oder nicht, ist vollig belanglos. Die Fehler sind durch die ge-
meinschaftliche Klassenkritik erkannt und das Sprachbewusstsein ist
durch die neuen Falle gescharft worden. Damit hat die Korrektur alles
geleistet, was man von ihr verlangen kann. Einen positiven Einfluss auf
die schriftliche Darstellungskraft des Schiilers hat die Korrektur nicht.
Sie wirkt nachtraglich lauternd und klarend. Das ist auch wichtig, aber
es ist nicht alles.
Dagegen habe ich die hausliche Korrektur in dem bosen Verdacht,
dass sie die Hauptschuld an den Misserfolgen im Aufsatzunterricht tragt,
deshalb namlich, weil der Abscheu vor ihr vielfach eine so genaue Yor-
bereitung des Aufsatzes verschuldet, dass der Schuler zu einer selbstandi-
gen Arbeit nicht mehr kommen kann. Schlimmeres kann aber dem Auf-
satzunterricht nicht wiederf ahren, als wenn die Selbsttatigkeit der Schuler
unterbunden wird
Johann Balhorn. Seit der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts steht
bekanntlich der Liibecker Buchdrucker Johann Balhorn, weniger genau
,,Ballhorn" geschrieben, dessen Drucke bis 1528 zuriickgehen, in dem
Geruche eines Verschlimmbesserers. Wohl mit Recht machte man ihm
den Vorwurf, er habe in einem 1571 bei ihm herausgekommenen Neu-
drucke von Eivii Epitome sich mit zugesetzten Stellen aus Cicero und
anderen Autoren breit gemacht. Vor allem aber gab man ihm schuld, in
einer bei ihm herausgekommenen Fibel zweifelhafte Verbesserungen an-
gebracht zu haben. Erst um 1800 tritt die Behauptung auf, er habe in
seiner Fibel den Hahn, der den Kindern als Vorbild eines Friihaufstehers
abgebildet zu werden pflegte, ohne Sporen dargestellt, dagegen einige Eier
beigefugt und deshalb sein Buch stolz als ,,verbessert durch Johann Ball-
horn" bezeichnet. Nun ist aber tatsachlich bis jetzt keine bei Balhorn
322 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogilc.
gedruckte Fibel aufgefunden worden, und dann macht Arthur Kopp, der
kiirzlich ein Schriftchen iiber B. bei Gebr. Borchers in Liibeck, den jetzi-
gen Inhabern der Balhornschen Druckerei, erscheinen liess, darauf auf-
merksam, dass dieser Vorwurf seinen Ursprung vermutlich dem Witze
Karl Arnold Kortiims verdanke; denn, wie den Lesern der ,,Jobsiade"
erinnerlich sein wird, veranstaltet Hieronymus Jobs eine ,,nagelneue Edi-
tion" des ABC-Buches, worin er das fit, das sch und sp als neue Buch-
staben und den ungespornten Hahn nebst Ei einfiihrt; diesen bildet
Kortiim auch getreulich ab. Da er auf diese Weise aber seinen Jobs die
Eolle Balhorns spielen lasst, so macht er sich noch den besonderen Spass,
den alten Liibecker in den Stand der Unschuld zu versetzen, indem er die
,,Ballhornschen Ausgaben" als die bisher gebrauchten, von Jobs aber nun-
mehr verbesserten bezeichnet. Zu bemerken ist schliesslich noch, dass
Balhorn — oder richtiger die beiden Balhorne, die von 1528 — 1597 druck-
ten, wahrend die Firma noch bis 1603 bestand — eine achtbare Tatigkeit
entfalteten und sich namentlich durch den Druck zahlreicher Biicher in
plattdeutscher Sprache urn diese verdient machten.
Kauderwelsch auf Speisekarten. Trotz dem leuchtenden Vorbilde
des deutschen Kaisers, der rein deutsche Tafelkarten fiihrt, spielen die
franzosischen Speiseausdriicke bei uns noch immer eine grosse Rolle —
leider aber auch oft eine klagliche Rolle. Denn die Meister der Kiiche
sind gewohnlich keine Meister der Sprache. Von den unglaublichen
Schreibfehlern und Wortverdrehungen, die auf unseren Speisekarten vor-
kommen, gibt das von dem Deutschen Sprachverein herausgegebene Ver-
deutschungsbuch ,,Die deutsche Speisekarte" in der Einleitung einige
ergotzliche Proben. Beefsteak erscheint mit Vorliebe als Befsteak, ja
auch als Beufsteack, Bouillon als Boullion, das Schaumgeback Baiser als
Baisser, auch Sahnenpesai und sogar Sahnenpissee, pommes frittes (ge-
backene Kartoffeln) als pommes de fruits. Durch falsche Schreibung
verwandelt sich ein F i s c h salat (Mayonnaise de poisson) in einen
Gift salat (Mayonnaise de poison) . Zuweilen sehen sich selbst Kenner
geradezu vor ein Ratsel gestellt. Was bedeutet Din de fasse, das
stolz auf einer deutschen ( !) Speisekarte prangte? Es soil eine gefiillte
Truthenne bezeichnen, Dinde farcie. Was ist ein Kalbskopf a la Wiener
Greth? Diese Wiener Grethe ist nichts anderes als eine kiihne Umdeu-
tung des franzosischen a la vinaigrette, das heisst saure Sosse. Auf einer
Speisekarte war Entrecote, Zwischenrippe, Mittelrippenstiick, verwandelt
worden in Antokot. Am schonsten aber sind zwei Formen, die sich
in zwei siiddeutschen Gasthofen auf dem Speisezettel fanden, Puleori
und Hemetex. Hier gehort geradezu Scharfsinn dazu, um diese Wort-
Trotzdem; wie — als. 323
gebilde zu entratseln. Puleori 1st nicht etwa italienisch, wie man nach
dem Wortbilde vermuten konnte, sondern es 1st, wie die meisten Kiichen-
ausdriicke, franzosischen Ursprungs, freilich nicht ganz richtig geschrie-
ben. Es bedeutet junges H u h n mit Eeis, poulet au riz. TJnd
Hemetex? Auch dies ist nicht, wie man nach der fremdartigen Form
denken sollte, eine neue, aus weiter Feme eingefiihrte Speisebezeichmmg.
Es ist nichts weiter als Schinken und E i e r , freilich nicht in
deutscher Sprache — das konnten die guten Deutschen nicht verstehen — ,
sondern auf Englisch, namlich ham and eggs. Man lacht iiber solche
Sprachfehler. Aber gerade die sprachlich Gebildeten tragen durch ihre
Vorliebe fiir Fremdworter die Mitschuld an solchem Unwesen. Denn
gewiss wiirde es keinem Koch, keinem Gastwirt einfallen, Ausdriicke einer
fremden, ihm nicht gelaufigen Sprache zu gebrauchen, wenn ihn nicht die
Kiicksicht auf seine Gaste dazu notigte. Darum fort mit dem leidigen
Kiichenwelsch ! Deutsch, wie wir selbst reden, sei auch die Sprache der
Speisekarte !
Trotzdem; wie — als. Aus einer Brief kastennotiz der Zeitschrift des
Allg. Deutschen Sprachvereins entnehmen wir die folgenden Erlauterun-
gen iiber den Gebrauch der vorstehenden Bindeworter. ,,Trotzdem" fiir
-,,trotzdem dass" als Bindewort vor einem Nebensatze zu gebrauchen, hal-
ten wir fiir ganz unbedenklich, weil es sich vollig in den Bahnen einer
regelrechten Sprachentwicklung bewegt. Es steht auf derselben Stufe, die
,,indem" und ,,nachdem" schon langst eingenommen haben, ebenso das
freilich seltenere ,,wahrenddem", wofiir gewohnlich mit noch weitergehen-
der Kiirzung ,,wahrend" gesagt wird (,,wahrend er wartete"). Gewiss ist
diese Verwendung von ,,trotzdem" j linger, aber doch haufig genug gewor-
den, so dass auch von seiten des Sprachgebrauches nichts mehr dagegen
einzuwenden ist. Auch Matthias (Sprachleben Par. 287) und Heintze
(Sprachhort u. d. W.) erkennen den Gebrauch an. Das nebensatzliche
,,trotzdem" darf nicht nur fiir richtig, sondern sogar fiir eine Bereiche-
rung des Sprachschatzes erklart werden, weil es eine gewisse nachdriick-
liche Kraft vor P,obwohl, obgleich" voraus hat. — »Wie" fiir ,,als" nach
der zweiten Steigerungsstufe (Komparativ) und nach ,,anders" ist vollig
zu verwerfen. Es muss heissen: ,,grosser als sein Bruder", ,,anders als
er"; richtig dagegen bei Gleichsetzung : ,,ebenso wie, ebenso gross wie".
Zwar nndet sich das falsche ,,wie" vereinzelt auch bei klassischen oder
doch sprachtiichtigen Schriftstellern, so bei Klopstock (,,schoner noch wie
die Sommernacht"), Freytag (,,arger wie am Markttag"), Greif (,,flinker
wie ein Vogel") u. a. ; und heute nimmt der Gebrauch in der Sprache des
Umgangs, der Briefe, Zeitungen und Biicher einen beangstigenden Um-
324 Monaisliefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
fang an, so dass man an der Mb'glichkeit einer erfolgreichen Bekampfung
zweifeln konnte. Trotzdem 1st es die Pflicht aller Sprachfreunde und
-lehrer, den Missbrauch aufs nachdriicklichste zu bekampfen und damit
die reinliche Unterscheidung zwischen dem ,,als" der Ungleichheit und
dem ,,wie" der Gleichheit zu schiitzen.
Tagung des Nationalen Erziehungsvereins zu Cleveland, 0.
Vem 29. Juni bis zum 3. Juli 1908.
Die grosse Tagung. des Nationalen Erziehungsvereins liegt, an der
Schnelllebigkeit unserer Zeit gemessen, schon weit hinter uns. Die
mannigfachen Eindrucke, die man aufgenommen, verniichtigen sich mehr
und mehr, und die Taten, die auf eine Verwirklichung der angeregten
Ideale hinzielen, sind zu vereinzelt, sowohl zeitlich wie brtlich, um eben
so augenfallig zu werden, dass sie rasch und sicher auf die Arbeiten der
Tagung zuriickbezogen werden konnen. Es ist aber wahr, das Geleistete
entbehrte weder der Wucht noch des Ernstes, es fehlte weder der weite
Blick noch die warme Hingabe an das Einzelne und Kleine. Die mannig-
faltigen Darbietungen beriihrten alle Interessensgebiete des weitschichti-
gen Erziehungswesens. Der Humanismus, der Eealismus, der individuelle
und der soziale Standpunkt, die Erziehung zur geschickten Einsicht und
die Erziehung zur einsichtigen Fertigkeit, der Schiller und der Lehrer,
Erziehungsarbeit und Erziehungsorganisation, Kunst und Handwerk —
alle batten ihre Zungen und predigten vor vielkopfigen Versammlungen.
Sie hatten Worte und Klang, sie hatten Geist und Kraft, und das hallen-
fiillende Amen der Horer verkiindete die Empfanglichkeit und Spontani-
tat des grossen seelengefiigten Eesonanzbodens.
Bei alle dem denke man aber durchaus nicht an einen jahrmarkt-
massigen Wirrwarr. Es hatte vielmehr die Oberleitung alle Ereignisse,
Arbeiten und Erholungen in die Beschrankung der Zeit und des Ortes
planvoll hineingeordnet. Nur dem indifferenten und ungeweckten Teil-
nehmer konnte das ^embarras de richesse" die Brust einengen und ihr
den Verzweiflungsschrei des ,,quo me vertam?" entringen. Der Intellekt
hatte die Stoffmasse gestaltend durchdrungen und die nutzbringende Teil-
nahme wesentlich ermoglicht und erleichtert.
Die Stadt selber, unsere parkumschlungene Waldstadt Cleveland, hat
durch ihr Entgegenkommen, durch ihre Gastlichkeit, durch ihre Veran-
staltungen, durch ihren Schmuck und ihre rege Besorgtheit um die Gaste
sich selber und der grossen Sache eine gewisse Wiirde gegeben und einen
ausseren Glanz verliehen. Das alles ist um der Sache selbst willen des
grossten Dankes wert.
Tagung des Nationalen Erziehung svereins. 325
Die Masse der Gierigen, derer, die da Hunger batten nach Weisheit
und Wissen, nach Belehrung und Anregung, nach Sympathie und Ermuti-
gung, nach Klarheit und Licht — diese Masse war kleiner, als wie die Er-
wartung sie gesetzt. Doch sollte man nie vergessen, dass die Zahl eben
nicht das Mass aller Dinge sein kann, und so wage man auch, und die
Schatzung wird richtiger und gerechter. Gewogen und gezahlt — so war
die Beteiligung immer noch eine sehr gute, und selbst in den Teilversamm-
lungen. soweit das Auge eines Einzelnen sie iiberschauen konnte, machte
sieh nirgends eine Leere breit.
Der allgemeine Eindruck, den die Versammlung hinterliess, war ein
guter, die gelieferte Arbeit eine ernste. Die Fiille aber verringerte die
Nachhaltigkeit der Eindriicke. Die werden eben durch die Veroffent-
lichung der Vortrage und der Yerhandlungen aufgefrischt und vorteil-
bringend gemacht werden miissen. Erst auf diese Veroffentlichung bin
wird sich dann eine eingehende Wiirdigung der Leistungen griinden
lassen.
Sollen jetzt noch die einzelnen Leuchten, die Fiihrer, die Vorkampfer
und Yerteidiger allgemeiner oder besonderer Erziehungsprinzipien oder
Erziehungstheorien vorgefuhrt werden? Nicht jetzt. Sie einmal gesehen
oder gehort zu haben, fiihrt noch lange nicht sicher zu passendem Urteil.
Es ist ja wahr, dass man echte Begeisterung, griindliche Kenntnis, tiefes
und warmes Empfinden, aufrichtige Hingabe an die beruflichen Aufgaben
oft der Erscheinung, dem Auftreten, dem Worte entnehmen kann, doch
der objektiven Beurteilung geniigt nimmer des Augenblickes kurze Dauer
noch des Augenblickes doch nur zu oft noch triigerischer Glanz. Auch
der momentane Erfolg misst nicht voll, er fullt nur Vergehendes. Hier
aber auf dem Felde der Erziehung muss die Maxime gelten: Was Wert
hat, wachst, das Wachsende nur bleibt. Lassen wir also, wie es auch beim
Drama und seinem Schopfer der Fall ist, die Person hinter das Werk zu-
riicktreten. Es wurden gewichtige Worte gesprochen, mogen viele Augen
sie vielen Seelen zufuhren! Dass die eigentliche Lehrerschaft mehr in
den Vordergrund getreten ware, das ware der ganzen Erziehungssache
wegen schon sehr wiinschenswert gewesen.
Die Lehrerfrage aber schon an und fur sich drangt immer deutlicher
auf eine gerechte Losung bin. Man wird doch hoffentlich bald allgemein
einsehen, dass es sich beim Erziehen sowohl wie beim Unterricht um
Seelen und Herzen handelt und nicht bloss um einen starren Mechanis-
mus. Das Bewusstsein, dass besondere Krafte, besonders vorbereitet, fur
besondere Funktionen besonders notwendig sind, scheint mehr und mehr
zu erstarken. Und wenn sich dieses Bewusstsein einmal zu Klarung von
Wehrstand, Nahrstand und Lehrstand emporgearbeitet hat, dann wird
schon viel gewonnen sein. Man adelt die Erziehung schon, wenn man die
Erzieher nicht zu Sklaven macht.
326
Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Von den einzelnen Abteilungen der Tagung nur ein Wort, und das
natiirlich soil der Abteilung fiir Fremdsprachen gelten. Hier erhob die
Beform und zwar die gemassigte Eeform ihre Stimme und forderte Gehor.
Es ist das die Bichtung, die sich vor der Tatsache des Bestehenden beugt :
so ist die Sprache, und so muss sie gelernt werden ! Es ist die Bichtung,
die Kennen und Konnen betont. Diese Bichtung appelliert nicht allein
an den Intellekt; auch das Gefuhl, auch die Sinne miissen mitverarbeiten.
Sie hat mehr und mehr mannigfaltigere Mittel fiir den Lehr- und Lern-
betrieb verfiigbar gemacht, als wie das friiher der Fall war. Dieser For-
derin des Guten ein f reudiges vivat, crescat, floreat !
Biickblickend sei noch einmal hervorgehoben, dass die Tagung eine
wirklich grosse war. Grosse Fragen wurden in fahiger Weise behandelt,
fahige Vertreter verliehen ihr ein Ansehen, das weit iiber die Grenzen
unserer Staaten hinausreicht. Hoffentlich wird sie auch Taten setzen
helfen, die der Grosse und Grossmut der Nation einmal voll wiirdig sind.
Berichte und Notizen.
I. Korrespondenzen.
Cincinnati. *
Die Wahlschlacht ist ge-
schlagen, der Pulverrauch hat sich
verzogen, und wir gedenken der Toten,
der Toten. Auf der Wahlstatt blieben
manche Gefallene, die man aber hier
gar nicht sehr betrauert; so z. B. unser
Staats-Oberhaupt, ein ganz ehrenwerter
alter Herr, der nur hundert Jahre zu
spat auf die Welt kam. Der gute Mann
wurde mit seinen riickstandigen Tem-
perenz-Schrullen am 3. November griind-
lich begraben, und darob freut sich na-
tiirlich die gesamte liberale Bevolke-
rung Ohios im allgemeinen und unser
deutschamerikanischer Staatsverband
im besonderen. In einer ,,Stump"-Rede
zahlte namlich der Herr Gouverneur den
Verband zu den ,,Machten des Bosen"
(wau!) — dieser Schimpf musste ,,ge-
rochen" werden. Der furor teutonicus
entflammte — was leider hierzulande
nur zu selten geschieht — und bereitete
dem Kandidaten eine Niederlage, die
sich hoffentlich unsere mit den Prohibi-
tion&fanatikern so gerne liebaugelnden
Politiker ad notam nehmen werden.
Doch die Qual der Wahl ist gliicklicher-
weise voriiber, und der Korrespondent
hatte wahrlich alle Ursache, nunmehr
unpolitische Themata zu besprechen.
Allein das Resultat der Volksentschei-
dung, soweit sie wenigstens Ohio be-
traf, war ein solch erfreulich.es, dass die
nachtragliche kurze Abschweifung auf
politisches Gebiet wohl entschuldbar er-
scheinen mag. Und da wir gerade dabei
sind, soil des weiteren noch erwahnt
werden, dass bei dieser Wahl auch un-
sere Staatslegislatur, die letztes Friih-
jahr den hiesigen grossen Schulrat abge-
murkst, oder vielmehr von 27 Mitglie-
dern auf sieben Mitglieder reduziert hat.
verdientermassen selbst abgemurkst
wurde. Auch dariiber frohlockt das
Cincinnatier Deutschtum.
Am 21. November waren es just sech-
zig Jahre, dass die Cincinnati 'er
Turngemeinde als erster deut-
scher Turnverein in den Vereinigten
Staaten gegriindet wurde. Die Mutter-
gemeinde der deutschamerikanischen
Turnerei, die die Grundsatze des N. A.
Turnerbundes stets treu und ehrlich be-
* Der erste Teil dieser Korrespondenz war fttr das Xovemberheft bestimmt,
kam aber ftir dieses zu spat. D. R.
Eorrespondenzen.
327
folgt hat, beging diesen Ehrentag, ihr
60. Stiftungsfest, wiirdig und eindrucks-
voll. Als Vorkampferin und Verfech-
terin vernunftgemasser Erziehungprinzi-
pien hat sich die alte Turngemeinde je-
denfalls die Achtung und Anerkennung
der hiesigen Biirgerschaft erworben, und
mit Stolz kann sie auf ihre Vergangen-
heit zuriickblicken.
Im Monat Februar kommenden Jahres
wird hier, wie wohl iiberall in den Ver-
einigten Staaten, Lincolns 100.
Geburtstag in denkwiirdiger Weise
gefeiert werden. Unser „ Schoolmasters'
Club", der diese Zentenarfeier zuerst
anregte, hat bereits samtliche deutsche
und englische Vereine und Korperschaf-
ten, vielmehr deren Delegaten, zu den
vorbereitenden Komitee-Sitzungen ein-
geladen. Der Klub beabsichtigt, den 12.
Februar zu einem grossen nationalen
Geburtstagsfeste zu gestalten, an dem
'sich die ganze Stadt beteiligt.
Wahrend der vergangenen Wochen
wurden hier die Grundsteine fur unsere
zwei neuen palastartigen Hochschulge-
baude gelegt, wobei besonders die Feier
fiir die Woodward Hochschule eine
massige Beteiligung auf die Beine
brachte. Der neugewahlte Prasident
hielt dabei am Tage nach der Wahl die
Hauptrede — und ein neugebackenes
Landesoberhaupt sofort nach seiner Er-
wahlung von Angesicht zu Angesicht
sehen zu konnen — das zieht doch.
In den letzten Jahren wurden in un-
seren b'ffentlichen Schulen eine Reihe
neuer und eigenartiger A m-
t e r geschaffen, von denen man vordem
keine Ahnung hatte. Ganz abgesehen
von den Vorstehern fur die verschiede-
nen Departements wie: Singen, Zeich-
nen, Schreiben, Turnen, deutschen Un-
terricht und neuerdings auch fur Ko-
chen und Handfertigkeitsunterricht —
haben wir jetzt hier auch einen Custo-
dian, einen Ober - Truant - Of-
ficer (diese Amter lassen 'sich schwer
verdeutschen) , einen Ober - Inge-
n i e u r , einen Ober - Janitor,
einen Geschafts - Direktor, ei-
nen Ober - Gesundheitsbeam-
t e n mit einem Stab von einem Dut-
zend Arzten, sogar einen Ober- Kri-
t i k e r und ditto Kritikerin, and
what not!
Der Custodian (sollen wir's mit Buch-
hiiter oder Buchwachter oder Aufseher
iibersetzen?) hat mit seinen Gehilfen
und hubschen Gehilfinnen die Verteilung
der freien Schulbucher und des tibrigen
Unterrichtmaterials zu iiberwachen ;
ier Truant -Beamte muss mit seinen
beiden Assistenten hinter den Schul-
schwanzern her sein; der Ober-Ingenieur
ist wahrend des Winters fiir die rich-
tige, zumeist aber fiir die unrichtige
Heizung der Schulhauser verantwort-
lich — in den Sommermonaten verdient
er sein Gehalt wahrscheinlich als
Schneeschaufler in den Schulhof en ; der
Ober-Janitor hat darauf zu achten, dass
die Hausmeister die Weisheitstempel
peinlich reinlich halten, damit sich ja
kein Staubchen hinter Bildern und Bu-
cherschranken ansammle; zu den Oblie-
genheiten des neugebackenen Geschafts-
direktors und seiner Unterbeamten ge-
hort die Besorgung der Einkaufe fiir die
Schulen und des Unterrichtsmaterials.
auf dass der arme Custodian oder Ober-
Aufseher damit nicht iiberbiirdet wird
— dies ware unverzeihlich. Der Gesund-
heitsbeamte, dessen medizinische Gehil-
fen zweimal die Woche samtliche Schu-
len zu besuchen haben, ist fiir die Ge-
sundheit unserer lieben Schuljugend
verantwortlich ; er hat da Epidemien
vorzubeugen, auch einer gewissen iiber-
tragbaren Krankheit des Kopfes.
Seit letztem Schuljahre sind wir auch
noch mit einem padagogischen Kritiker
nebst Kritikerin begliickt. Der Herr
Kritikus, der nebenbei Professor der
Padagogik an der hiesigen Universitat
ist, sowie seine Kollegin haben die neu-
angestellten Lehrkrafte, sowie auch die
substituierenden Lehramtskandidaten
und Kandidatinnen in ihrer erzieheri-
schen Tatigkeit zu beobachten und da-
riiber an den Schulsuperintendenten zu
berichten. Von deren Bericht hangt als-
dann hauptsachlich die Beibehaltung be-
ziehungsweise die Anstellung der beob-
achteten Lehrbeflissenen ab. Man er-
zahlt, dass die Kritiken gegen die ar-
men Opferlammer in der Regel sehr
entmutigend, ja geradezu verletzend
ausfallen. Ob die kritischen Personlich-
keiten in jedem Falle die schwierigste
aller Kiinste, die Erziehungskunst, wohl
besser ausiiben konnten?! Die Beweise
haben sie bisher noch nicht erbracht.
Wie leicht ist bekanntlich das Kritisie-
ren! Vordem war das padagogische
Richteramt den Schulprinzipalen iiber-
tragen, ebenso wie die Aufsicht tiber
die Hausmeister — und beides lag da
zumeist in guten Handen. Warum also
die Anderung und die SchafFung neuer
Amter? Da hatte ich beinahe verges-
sen zu erwahnen, dass auch unserem
Gebaude-Superintendenten ein weiterer
Beamter als Stiitze zur Seite gegeben
wurde, namlich ein Ober-Architekt, der
die Plane fiir die neuen Schulpalaste zu
begutachten hat. In frtiheren Korres-
328
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
pondenzen 1st schon iiber die luxuriose
Ausstattung der neuen Schulbauten be-
richtet worden; da mag dieses Mai nur
noch hinzugefiigt werden, dass kiirzlich
das Fronttor einer neuen Distrikts-
schule mit bemaltem Porzellan einge-
legt wurde, das allein 750 Dollars koste-
te. Wenn der Steuersackel das alles auf
die Dauer aushalt, soil's dem Korres-
pondenten ja so recht sein.
In die erste Woche dieses Monats fiel
die Versammlung des Oberlehrer-
v e r e i n s und des Lehrervereins.
Vor den deutschen Oberlehrern hielt
Kollege W. G. Cramer einen Vortrag
tiber ,,Englische Schauspieler in
Deutschland im 16. Jahrhundert" und
im Lehrerverein sprach Dr. Morgenstern
tiber das heikle Thema der E volutions -
theorie und iiber die Abstammung des
Menschen. Beide Themata waren von
den genannten Herren sorgfaltig und
mit Sachkenntnis ausgearbeitet ; allein
wir sind der Ansicht, dass diese Vor-
trage fur Lehrerkreise nicht recht am
Platze waren. Auf padagogischem so-
wohl wie auf literarischem Gebiete
gibt es sicherlich noch Fragen und The-
mata genug, die einer Besprechung
wert sind und dankbaren Stoff fur einen
Vortrag liefern; allerdings ist es nicht
so leicht, den passenden Referenten da-
fur zu finden. Die armen Vorstands-
mitglieder konnen in dieser Beziehung
gewiss ein Liedchen singen.
E. K.
Milwaukee.
Das Hauptereignis des Schuljahres,
der 56. Konvent der Wiscon-
siner Lehrer, brachte eine bedeu-
tende Anzahl Erzieher — man sprach
von etwa 5000 Besuchern — in unsere
Stadt. Erzieherische Massregeln der
mannigfachsten Art gelangten zur Be-
sprechung. Besondere Erwahnung ver-
dient die Frage beziiglich der Umarbei-
tung des Lehrplans in der Volksschule.
Ein Ausschuss, bestehend aus erfahre-
nen Erziehern in alien Teilen des Staa-
tes, wird sich der Aufgabe widmen, den
gegenwartigen Lehrplan einer sorgfalti-
gen Priifung zu unterwerfen, um die
Spreu vom Weizen zu sondern und so
der uberbttrdung des Schtilers zu steu-
ern.
Sehr lebhaft und anregend war die
Debatte inbezug auf das Verhaltnis
zwischen der Hochschule und
der Univer'sitat. Den Grundton
bildete der Satz: Los von der Universi-
tat! Die Hochschule hat ihre eigene,
den Erfordernissen des Lebens ange-
messene Sendung zu erftillen, ist also
nicht als Vorbereitungsschule fur die
Universitat oder das College zu betrach-
ten, weshalb auch der jetzige Lehrplan
eine durchgreifende Anderung erfahren
sollte.
Die National New Educa-
tional League scheint mehr und
mehr an Boden zu gewinnen. Dieselbe
bef iirwortet unter anderem die Annahme
der Stephensonschen Vorlage, wonach
ein besonderes Erziehungsministerium
geschaffen werden sollte. Dass die
Forderuug eine angebrachte ist und die
Gewahrung derselben einen wesentlichen
Fortschritt fur das gesamte Erziehungs-
wesen bedeuten wiirde, steht nicht zu
bezweifeln.
Auch die ewig alte und stets neue
Frage der Lehrerpension kam
wieder aufs Tapet. Es wurde darauf
hingewiesen, dass die Anzahl der mann-
lichen Lehrer im Staate Wisconsin bin-
nen eines Jahres von 2000 auf 1700 zu-
sammengeschrumpft ist. Grund: Nie-
drige Gehalter, hauptsachlich aber das
Fehlen einer von staatswegen festge-
setzten Pension.
Von besonderem Interesse fiir die
Lehrer der modernen Spra-
ch en war die Sitzung am Freitag, dem
13. Nov. Eine permanente Organisation,
unter dem Namen ,,Wisconsin Modern
Language Teachers' Association", wurde
ins Leben gerufen. Die erwahlten Be-
amten sind:
Pras.t Leo Stern, Hilfssupt., Mil-
waukee ;
Vizepras.: B. Mack Dresden, Nor-
malschule, Oshkosh.
•Sekr. und Schatzmeister : Georg
Lenz, Lehrerseminar, Milwaukee.
Das Exekutivkomitee besteht aus:
Prof. A. R. Hohlfeld, Staatsuniversi-
tat, Madison;
Frl. Elizabeth Waters, Fond du Lac;
Fir. Wilke, Monroe, und
Prof. F. 0. Reed, Staatsuniversitat,
Madison.
Die folgenden Vortrage wurden ver-
lesen :
1. The Two-Year Course in German.
Are the Scope and Results Satis-
factory? Supt. W. H. Schultz,
Eau Claire.
Discussion — A. D. Tarnutzer, Prin-
cipal High School, Sheboygan.
2. The Middle Ground in the Method
of Teaching a Modern Language.
Prof B. Mack Dresden, State
Normal, Oshkosh.
Discussion — Prof. Dr. M. B. Evans,
U. of Wis., Madison.
Korrespondenzen.
329
3. The Claim of French for a More
General Introduction into Wiscon-
sin High Schools. Prof. F. 0.
Reed, Univ. of Wis., Madison.
Redner traten fur die Ausdehnung des
zweijahrigen Kursus auf vier Jahre 'ein,
sowie fur die Anwendung des ,,Middle
Ground" Prinzips beim modernen Sprach-
unterricht, wobei mehr Gewicht auf die
Konversation und weniger auf den
grammatikalischen Teil des Unterrichts
zu legen sei. Belehrend fur uns und zu-
gleich besch amend fur Wisconsin sind
die von Prof. Reed gesammelten, den
fremdsprachlichen Unterricht betreffen-
den statistischen Zahlen. Dieselben 'sind
dem Bericht des Erziehungskommissars
fur das Jahr 1906 entnommen und ent-
halten die folgenden Tabellen:
Name des Staates
Anzahl der Schiller, welche sich dem
fremdsprachlichen Unterricht widmen
Anzahl der
Schiller
per 1000,
welche
fremde
Sprache
studieren.
Franzosisch
Deutsch
Latein
Massachusetts
20,638
12,821
2,448
2,527
1,417
1,253
1
8,776
30,580
14,110
11,310
7,726
6,247
7,064
19,000
41,636
27,246
23,652
11,778
11,555
5,394
17
12
7
8
8
11
6
New York
Pennsylvania
Illinois
Michigan
Minnesota
Wisconsin
Somit hatte der deutscheste Staat der
Union eigentlich wenig Anspruch auf
diesen stolzen Namen!
Am 21. November hielten die A 1 u m-
nen des Lehrerseminars ihre
erste diesjahrige Versammlung ab. Die
folgenden Beamten wurden wiederge-
gewahlt :
Pras.t William 0. Becher;
Kor. Sek.: Chas. M. Purin;
Schatzmeister : William Schaffrath.
Neuerwahlt wurden:
Vizeprasidentin : Agnes Sidler;
Prot. Sekretar: Carl Schauermann.
Es steht zu hoffen, dass die Alumnen
es sich zur Aufgabe machen werden, das
jeweilige Arrangementskomitee auch in
diesem Jahre nach Kraften zu unter-
stiitzen. C. M. P.
New York.
Der Verein deutscher Leh-
rer von New York und Una ge-
gend. Unter dem Vorsitz des Herrn
Dr. Rudolf Tombo sen. fand am 7. No-
vember im Deutschen Pressklub eine
gut besuchte Versammlung des Vereins
statt. Bei der Erledigung der laufen-
den Geschafte wurde beschlossen, auch
fiir das Jahr 1909 dem Deutsch-
amerikanischen Schulverein
den iiblichen Beitrag zu iibersenden. Die
Einladung des Deutschen
Vereins an der Cornell Uni-
versitat, am 16. November im
Neuen Deutschen Theater der Vorstel-
lung von „ Alt -Heidelberg" durch ameri-
kanische Studenten belzuwohnen, wurde
angenommen; eine stattliche Anzahl
Mitglieder wird auch den der Theater -
vorstelhmg folgenden Kommers mitma-
chen. Herr Dr. Tombo berichtete, dass
der Ausschuss fiir die Vorbe-
reitung des nachstjahrigen
Lehrertages (29. Juni bis 2.
Juli) tiichtig an der Arbeit ist, und je
drei Vertreter des Vereins der Hoch-
chullehrer, der Speziallehrer und der
deutschen Lehrerinnen zu seinen Bera-
tungen zugezogen hat. Herr Josef Win-
ter wurde als Einzel-Komitee erwahlt,
um Vorschlage entgegen zu nehmen, wie
die Finanzierung am besten zu gesche-
hen habe. Hiernach hielt der zweite
Vorsitzer, Herr Hugo Geppert aus Ne-
wark, einen hochinteressanten Vor-
trag iiber dieGriindung und
Entwicklung des Vereins.
Der Verein wurde im Sommer 1884
ins Leben gerufen. Die Grunder waren
die folgenden Lehrer in Newark: G.
Earth, G. Fischer, H. Geppert, J. Groh-
mann, C. Heller, E. Hochadel, E. Kayser,
A. Voget, H. von der Heide, H. Walter
und G. Zollner, sowie die Lehrer R. Gep-
pert und J. Monch in Carlstadt und J.
Range in Orange. Der urspriingliche
Name war daher: ,,Verein der deutschen
Lehrer Newarks und der Umgegend."
Nach und nach schlossen sich Kollegen
aus Jersey City, Jersey City Heights,
Hoboken, Passaic und New York dem
Vereine an. Die New Yorker Mitglieder,
deren Zahl schliesslich recht ansehnlich
wurde, nahmen aber bald Anstoss an
dem bisherigen Namen des Vereins. Sie
konnten sich nicht darein finden, dass
New York zur Umgegend Newarks ge-
horen sollte. Ihrem Lokal-Patriotismus
330 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
wurde denn auch im Jahre 1898 dadurch Der nachste Lehrertag.
Rechnung getragen, dass der ursprung-
liche Name in ,,Verein deutscher Lehrer Grossartige Vorbereitun-
New Yorks und der Umgegend" umge- gen zur Feier des 37. Nation a-
andert wurde. Der Schwerpunkt des jen Deutschamerikanischen
Vereins lag in der Tat wahrend des letz- T , • XT xr i A
ten Jahrzehnts in New York, da in die- Lehrertages in New York. Am
ser Zeit die meisten Versammlungen in 28. November hielt der Ortsausschuss
der Metropole abgehalten wurden. Seit fiir die 37. Jahresversammlung des Nat.
mehreren Jahren tagt der Verein in den D A Lehrerbundes unter dem Vorsitze
welTeT fo^^— Ir^S - Herrn Dr. Kudo.f Tombo sen. im
fiir die monatlichen Sitzungen einen der Deutschen Pressklub erne Versammlung
Sale zur Verfiigung stellte. In friiheren ab, welcher auch der Bundesprasident
Jahren war der Verein vorwiegend ein professOr C. 0. Schonrich aus Baltimore
Wanderverein, indem er die monatlichen . . . .. ... . „,..,. , .,
Versammlungen bald in New York, bald beiwohnte. Der unermudhchen Tatigkeit
in den Orten der Umgegend abhielt. des als Geschaftsfuhrer erwahlten Kol-
Die Organisation des Vereins war an- legen Joseph Winter ist es gelungen,
fanglich eine sehr lockere. Die Mitglie- vier hervorragende Vertreter des New
der ubernahmen in alphabetischer Rei- yorker Deutschtums fur die Festbehorde
henfolge abwechselnd den Vorsitz bei .
den monatlichen Versammlungen. Der zu gewmnen. Es smd dies die Herren
einladende Sekretar, zugleich Finanzse- Hermann Bidder, der Herausgeber der
kretlir und Schatzmeister, war der ein- New Yorker Staatszeitung, Emil L.
zige erwahlte Bearnte des Vereins. Erst B d Generalvertreter der Ham-
im Herbste 1901 wurde zur festeren Or-
ganisation geschritten. Seit der Zeit burg-Amerika Lime, Richter Herman C.
werden jahrlich ein President, ein Vize- Kudlich, ein Sohn des bekannten Frei-
Prasident, ein Finanzsekretar und ein heitshelden Kudlich, und Theodor Sutro,
Dto ^^ot des Staatsverbandes und der
amten sind: Dr. Rudolf Tombo sen., Vereinigten Deutschen Gesellschaften
Prasident; Hugo Geppert, Vize-Prasi- von New York. Der Ehrenprasident die-
dent; Dr. A. Hoelper, Finanz- und kor- ser Festbehorde, Herr Hermann Ridder,
nTBt^rsta^^Vr^Zwe^de; -chte das wahrhaft fUrstHche Ange-
Vereins besteht darin, Lehrer des Deut- bot, den Delegaten des Lehrertages ein
schen aller Grade, sowohl der niederen Festbankett im Prunksaale des Deut-
wie hoheren Schulen mit einander in schen Liederkranzes zu geben; Herr
S^^l-8 nSntT^^ «mU L. Boas wird die De.egaten auf
Kollegialitat pflegen konnen. Ein Vor- emem Luxusdampfer seiner Gesellschaft
trag, meistens aus dem Gebiete der Pa- zu einem Kommers einladen. Es ist fer-
dagogik oder der Literatur, bildet ge- ner eine Hudsonfahrt geplant, und wenn
S±^-« jSTenPtSTtZ:r J dL°t «• Kollegen und KoUeglnnen auch nocn
mit der sich daran anschliessenden De- freie Unterkunft erhalten, wird das Ver-
batte zu gegenseitiger geistiger Anre- sprechen Dr. A. Hoelpers, den 37. Leh-
gung und Belehrung. rertag zu einem glanzenden zu gestalten,
Im Jahre 1895 schloss sich der Verein . ° , ?. T7 .. . ,
als Zweigverein dem Nat. Deutschame- emgelost. Fur die Vortrage smd laut
rikanischen Lehrerbunde an, dessen In- Mitteilung des Bundesprasidenten her-
teressen er nach Kraften zu fordern vorragende Redner gewonnen. Das
suchte. Ebenso ist er Mitglied der Deutschtum New Yorks nimmt durch
,,Vereimgten Deutschen Gesellschaften TT . .
von New York" und des New Yorker Emzelpersonen und Verein jetzt schon
Schulvereins. an den Vorbereitungen zum Lehrertage
Die nachste Versammlung findet am grosses Interesse und auf allgemeine
5. Dezember, 4 Uhr nachmittags, im Unterstiltzung kann gerechnet werden.
Press Club 21 aty Hall Place start. Die nScnste Versammlung des Ortsaus-
Herr Dr. Rudolf Tombo sen. wird emen
Vortrag ttber Theodor Fontane halten. schusses findet am 9. Januar 1 '9 statt.
Dr. H. A. H.
Umschau.
331
Briefkasten. wir beim Korrekturlesen den Fehler
iibersahen. Der betreffende Satz soil
H. G. Newark. An der Umwandlung aiso folgendermassen lauten: Er zeigte
des Wortes ,,Automat", wie es in Ihrem sich zuweilen als Sonderling, besonders
Manuskript des Nekrologes fiir Dr. Wm. wenn seine hochgewachsene Gestalt er-
J. Eckoff (siehe Novemberheft, Seite hobenen Hauptes, die Augen in unbe-
291) lautete, in ,,Autokrat" ist nur der stimmte Ferne gerichtet, niemanden be-
Setzer schuld. Wir mtissen uns aller- achtend, wie em Automat durch die
dings insofern schuldig bekennen, als Strassen schritt.
II. Umschau.
Vom Lehrerseminar. Mit dem
Abschluss der Schularbeit des laufenden
Jahres, am 22. Dezember, schliesst auch
das erste Tertial des Schuljahres.
Die vorgeschriebenen Klassenaufsatze in
der deutschen und der englischen Spra-
che wurden am 7. und 8. d. M. angefer-
tigt. Die Zensuren tiber ihre Leistungen
werden den Schiilern am letzten Schul-
tage iibergeben.
Die Weihnachtsfeier der
Deutsch-Englischen Akademie, der Mu-
sterschule des Seminars, soil in der iib-
lichen Weise am Nachmittage des 22.
Dezembers abgehalten werden.
Wie in friiheren Jahren so haben auch
in diesem Jahre die wackeren
Schwab en der Stadt Chicago
dem Lehrerseminar eine Zuwendung von
$100 aus dem Ertrage des Cannstatter
Volksfestes gemacht. Wie bereits brief-
lich, so sei hiermit auch offentlich dem
Verein fur sein der Anstalt erwiesenes
Wohlwollen herzlich gedankt.
Eine friihere Seminaristin
an der Universitat Ztirich.
Fraulein Valeska S. Razall, die im Jahre
1906 sich das Diplom unseres Seminars
erwarb, wurde an der Ziiricher Universi-
tat als vollgiltige Studentin immatriku-
liert. Sie diirfte damit die einzige Ame-
rikanerin sein, die mit deutschen und
schweizerischen Abiturienten Gleichbe-
rechtigung an Hochschulen geniesst. Ge-
wohnlich werden Amerikaner nur als
Horer zugelassen; allein Fraulein Razall
strebte hoher und mit einigen Nachhilfe-
stunden erreichte sie es, eine regelrechte
Matura zu bestehen.
In der-Freude ihres Herzens tiber die-
sen Erfolg richtete sie ein Dankschrei-
ben an den Direktor der Anstalt, worin
sie unumwunden eingesteht, dass sie nur
der griindlichen Vorbereitung im Semi-
nar und seinen ttichtigen Lehrern die
Erreichung ihres Zieles zu verdanken
habe. Und in der Tat darf das Lehrer-
seminar auf eine solche Leistung stolz
sein.
Professor Felix Adlers An-
trittsrede. Der diesjahrige Aus-
tauschprofessor Felix Adler von der Co-
lumbia-Universitat eroffnete seine Ta-
tigkeit an der Universitat Berlin mit
einem Vortrag iiber die Grundlagen des
freundschaftlichen Verhaltnisses zwi-
schen Deutschland und Auierika. Wir
geben im folgenden die Hauptziige die-
ser Rede.
Die freundschaftlichen Beziehungen
beruhen vor allem darauf, dass viele
Deutsche in Amerika eine neue Heimat
gefunden haben. Da aber die beiden
Lander in einem elterlichen Verhalt-
nisse zu diesen Biirgern stehen, indem
Deutschland die Mutter und Amerika
den Vater vorstellt, so wird kunftig kein
streitendes Suchen nach der rechten
Mutter mehr notig sein.
Die Amerikaner, namentlich die An-
gloamerikaner zeigen eine ausgesproche-
ne Hinneigung zur deutschen Wissen-
schaft, Musik und Literatur, was ohne
Zweifel auf eine geistige Verwandt-
schaft der beiden Volker schliessen lasst.
Drittens sind beide Nationen jugend-
liche Volker; das jugendliche Deutsch-
land besteht erst seit 1870, seit der na-
tionalen Einigung; die nationale Per-
sonlichkeit und innerliche Einheit Ame-
rikas wurde erst in den 60er Jahren
durch den Burgerkrieg geschaffen.
Ein weiteres Band ist in der gemejn-
samen Kulturaufgabe zu erkennen. Wie
es heute einen Weltmarkt, eine Welt-
politik gibt, so bildet sich im Geiste der
Besten die erhabene Idee einer Weltkul-
tur, an der sich alle Volker nach Mass-
gabe ihrer Befahigung beteilig-en mtis-
sen. Sollen aber Volker gemeinsam wir-
ken und sich gegenseitig erganzen, so ist
erste Bedingung gegenseitige Wtirdigung
und gegenseitiges Verstandnis. Und
dieses Verstandnis zu fordern ist Zweck
und Aufgabe der Austauschprofessuren.
Man hat oft der Neigung nachgege-
ben, in irgend einer Eigenart der Natur
332 Monatshefte fiir deutsche Sprache und Padagogik.
des Landes ein Sinnbild der geistigen Die National Educational
Beschaffenheit seiner Bevolkerung zu Association hat beschlossen, ihre
sehen, und hat das amerikanische Leben nachste Konvention in den Tagen vom
mit dem Niagarafall verglichen. Einen 5. bis 9. Juli 1909 in Denver, Colorado,
besseren Vergleich wtirde indes der abzuhalten.
Grand Canon in Arizona gewahren, des-
sen Felsengewirr von dem Coloradofluss Riickkehr zur korperlichen
tief ausgewiihlt in alien Farben er- Zuchtigung in New York. Im
strahlt, dessen ganze Anlage durch Anschluss an den New Yorker Kinder-
seine Riesenhaftigkeit ttberwaltigt. gerichtshof ist jetzt auch der erste
Wenn man dort von dem fiinftausend ,,Prugelsaal" eingeweiht worden, jener
Fuss hohen Rand hinab sieht auf den Saal der Schmerzen und Tranen, in dem
sich schlangelnden Fluss, hat man ein die jugendlichen Sunder leichte Vergehen
Bild des geistigen Stromes, der in dei abbiissen. Der erste, der die erzieheri-
Volksseele Amerikas fliesst, der untei schen Segnungen des Gemaches erfuhr,
der fast erdriickenden Last der mate- war der kleine Abie Epstein, der von ei-
riellen Beschaftigungen zum Teil schon nem Wachmann ergriffen worden war,
jetzt die geistige Freiheit errungen hat, als er im Volksgedrange den Taschen ei-
zum Teil in noch weiterem Masse sie zu niger Passanten allzu nahe kam. ,,Wol-
erringen bestimmt ist. len Sie den Jungen gehorig bestrafen:
wenn ich ihn laufen lasse?" fragte der
Die Kenntnis dieser Krafte und Mach- Richter die herbei gerufene Mutter nach
te weiteren Kreisen der studierenden dem Verhor. ,,Jawohl, hochst ehrenwer-
Jugend zuganglich zu machen ist des- ter Richter, das will ich; zwei Stunden
halb der Zweck meiner Wirksamkeit in lang soil er ganz ruhig auf einem Stuhle
Berlin; das Ideal des amerikanischen sitzen miissen." ,,Es ware besser, wenn
Volkes darzulegen; das Ideal der Beja- Sie sich auf den Stuhl setzten und den
hung des Willens zum Leben, zum dies- kleinen Abie auf fiinf Minuten tiber
seitigen wie zum ewigen, wie es die Vor- Hire Knie nehmen wollten. Wollen Sie
geschichte der Union, namentlich in das gleich tun, oder sollen wir ihn ver-
Neu-England, beherrscht hat; das Ideal urteilen? Jetzt plotzlich ist die Mutter
der Behauptung der erworbenen Rechte, bereit. Man bringt den Sunder in den
welches das treibende Motiv abgab in Priigelsaal. Blass und nichts Gutes ah-
dem Unabhangigkeitskrieg mit Eng- nend, lasst es alles mit sich geschehen.
land; das Ideal der Gesetzmassigkeit ; Ein Beamter legt den ubeltater freund-
das Ideal innerer nationaler Einheit; lich iiber seine Knie. Dann iiberreicht
das Ideal der personlichen und politi- man der Mutter ein schmiegsames
schen Freiheit in ihrer gegenseitigen Be- Stockchen. Und mit einem Schlage ent-
dingtheit, wie es von den Amerikanern weicht alle miitterliche Zartlichkeit.
verstanden wird. Ich werde die Friichte Wie ein Flammenschwert fiihrt sie den
dieses Freiheitsbegriffes andeuten, die Stock, und Abie erhalt eine voile Tracht.
guten und die schlimmen. Schliesslich Als der Richter ihn spater fragt, wa-
soll noch ein Ausblick auf die zu erhof- rum er bestraft worden sei, sagt er ganz
fende weitere Entwicklung des Frei- zerknirscht: ,,Weil ich das tat, was der
heitsideals gewagt werden, wie es unse- Detektiv erzahlt hat."
rem Lande zum Segen gereichen diirfte.
Die Verbreitung des Espe-
Ein jedes Volk hat aber auf der Bahn r a n t o. Bei dem grossen Interesse, das
vorwarts zu schreiten, die ihm seine ge- sich jetzt liberall fiir die Weltsprache
schichtliche t)berlieferung und die Be- zeigt, dtirfte es interessieren, etwas tiber
sonderheit seines Wesens vorzeichnen. die Verbreitung derselben zu horen. Der
Aber ich mochte erklaren und die Nebel Verfasser ist bekanntlich der russische
unfertiger Urteile und Vorurteile uber Arzt Dr. L. L. Samenhof in Warschau,
Amerika zerstreuen helfen. Ein Glied der seine Weltsprache 1887 der Offent-
m6chte ich liefern, wenn auch noch so lichkeit tibergab. Lange Jahre machte
klein, zur goldenen Kette gegenseitiger Esperanto nur sehr kleine Fortschritte.
Anerkennung zwischen den zwei mach- Im Januar 1904 gab es erst 116 Espe-
tigen Nationen Deutschland und den rantovereine, heute gibt es deren bereits
Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1057, worunter 207 in Frankreich, 163 in
damit sie urn so mehr bef ahigt sein mo- Amerika, 158 in England, denen Deutsch-
gen, gemeinsam Hand anzulegen an die land mit 87 erst in weitem Abstand
Aufgabe der Volker der Erde, die Auf- folgt. In Deutschland wird seit der
gabe reichster, mannigfaltigster Ent- grossartigen Propaganda in Amerika
wicklung und Veredelung menschlicher durch Prof. Ostwald die Esperantospra-
Art und Wesens. che sehr energisch zu verbreiten gesucht,
Umschau.
333
und Kaiser Wilhelm hat sicher zu den
letzten Erfolgen des Esperanto mit da-
durch beigetragen, dass er sagte, er habe
sich davon iiberzeugt, dass die Einfuh-
rung des Esperanto bei alien Volkern
der Erde kerne Phantasterei mehr sei,
sondern sich verwirklichen lasse.
Fra uenstudium an deut-
schen Universitaten. An den
suddeutschen Universitaten waren im
Sommersemester 137 Frauen reehtmas-
sig als Studentinnen immatrikuliert, 49
in Heidelberg, 44 in Miinchen, 34 in Frei-
burg, je 4 in Erlangen und Tubingen, 2
in Wiirzburg; 75 von ihnen studieren
Medizin, 37 Philosophic, 20 Mathematik
oder Naturwissenschaften, 2 Staatswis-
senschaften, endlich je 1 evangelische
Theologie, Jurisprudenz und Zahnheil-
kunde. Ausserdem waren an samtlichen
deutschen Universitaten (ausser Konigs-
berg, fiir das keine Angaben vorliegen)
1011 Frauen als Hospitantinnen einge-
schrieben, und zwar 365 in Berlin, 108 in
Bonn, 87 in Breslau, 72 in Leipzig, 71 in
Gottingen, je 44 in Heidelberg und
Strassburg, 42 in Freiburg, 39 in Jena,
30 in Halle, 27 in Miinchen, 19 in Kiel,
18 in Marburg, 15 in Giessen, 13 in Tu-
bingen, 10 in Rostock, 6 in Wiirzburg
und 1 in Erlangen. In Greifswald und
in Miinster sind keine Frauen einge-
schrieben. Insgesamt studieren also zur
Zeit 1138 Frauen an deutschen Hoch-
schulen. tiber die naheren Fachstudien
der als Hospitantinnen eingeschriebenen
Frauen fehlen leider fast iiberall nahere
Angaben.
Die akademische Lehrfrei-
h e i t. Der Hochschullehrertag in Jena
hat hinsichtlich der Lehrfreiheit des
akademischen Lehrers den folgenden Be-
schluss gefasst, der vielen anderen Lan-
dern, darunter namentlich auch Ame-
rika, als nachahmungswert empfohlen
werden darf: Die wissenschaftliche For-
schung und die Mitteilung ihrer Ergeb-
nisse miissen gemass ihrem Zweck un-
abhangig sein von jeder Riicksicht, die
nicht in der wisenschaftlichen Methode
selbst liegt, — demnach unabhangig
insbesondere von Traditionen und Vor-
urteilen der Massen, unabhangig von
Autoritaten und gesellschaftlichen Grup-
pen, unabhangig von jeder politischen
tiberzeugung, unabhangig von Interes-
senten. Auch aus der amtlichen Stellung
eines Forschers oder Lehrers kann keine
Beschrankung seiner Forschungs- oder
Lehrfreiheit abgeleitet werden, weder
unmittelbar aus seiner Stellung noch
mittelbar auf irgend eine andere Weise.
Ausnahmen von obigen Satzen sind auch
fiir die akademischen Lehrer der Theolo-
gie nicht anzuerkennen.
DerKampfgegendie Schund-
literatur. Einen neuen Plan, um
das Interesse fur gute Literatur in den
unteren Volksklassen zu heben, bringen
jetzt Volksfreunde in Magdeburg zur
Ausfiihrung. Mittels Rundschreiben wird
der Plan und die Kosten den Familien
vorgelegt, worauf ein Bote das erste
Buch iiberbringt. Letzteres enthalt je-
desmal einen fesselnden Roman, der da-
rauf berechnet ist, Aufmerksamkeit und
Lust zum Lesen zu erwecken. Gegen
eine kleine Gebiihr von 10 Pfennigen
kann man das Buch eine Woche behal-
ten. In der folgenden Woche wird es
dann abgeholt und umgetauscht gegen
ein anderes, dessen Charakter etwas bes-
ser ist; und so hofft man durch allmah-
liche Steigerung der Giite des Lesestoffes
die Leser nach und nach zu einem besse-
ren Geschmack zu erziehen, bis sie
schliesslich gar kein Verlangen mehr
nach Schundgeschichten empfinden.
Die Notwendigkeit, gegen die Schund-
literatur einzuschreiten, macht sich auch
in vielen anderen Orten geltend, und auf
mancherlei Weise sucht man ihr Grenzen
zu setzen. So glaubt man durch kiinst-
lerische Illustrationen gute Biicher an-
ziehender zu machen, und so hat es die
Deutsche Dichter-Gedachtnis-Stiftung in
Hamburg-Grossborstel mit staatlicher
Hilfe unternommen, eine Reihe guter
Volksbiicher, Romane etc. mit Titel- und
Textillustrationen neu heraus zu geben
und zugleich den Verkaufspreis so viel
als moglich zu verbilligen.
Deutsche Sprach' — eine
schwereSprach'! Die Zeitschrif t
des Allgemeinen Deutschen Sprachver-
eins enthalt ein Eingesandt aus der Fe-
der von Dr. T., das wir hier, weil es uns
besonders angeht, im Wortlaut wieder-
geben :
Als deutsches Mitglied des soeben be-
endeten ,,Internationalen Kongresses zur
Bekampfung der Tuberkulose" muss ich
dagegen protestieren, dass dessen Pro-
gramm in einer Weise verdeutscht wur-
de, die geradezu beleidigend fiir die deut-
schen Teilnehmer des Kongresses ge-
nannt werden muss. Wahrend die fran-
zosische und spanische Wiedergabe des
englischen Originals nur unbedeutende
Fehler aufweist, zeigen nachstehende
Proben aus der angeblich deutschen
tibersetzung, dass sie anscheinend von
einem Schuljungen, der sich nur unvoll-
kommen der Hilfe eines englisch-deut-
schen Worterbuches zu bedienen ver-
mochte, elend zusammengestoppelt wur-
334
Monatshefte fur deutsche Sprache uncl Pddagogik.
de. Das sollte mit dem Deutschen, das
mit Recht als zweite Landessprache gilt
und von alien Gebildeten verstanden
werden sollte, nicht verbrochen werden.
Beachten Sie gef. nur nachstehende Pro-
ben:
,,Der sechste international Tuberkel
Kongress wird in Washington, D. C..
von September 21 bis October 12, 1908
versammeln.
,,Die allgemeine Sitzen werden am
Montag begegnen.
,,Die Associat-mitgliede bezahlen zwei
Thaler. Sie erhalten nicht die driicken
Anzeigen des Kongress ... sie erhalten
aber .... die driickene Anzugen die man
giebt wiihrend des Kongress.
,,Man bittet jeder Sprecher einen kur-
ze Kamf endium einrichten.
,,Jeder Sprecher muss seine Ansprache
schreiben und sie zum Sektion- Sekretar
eher als das ende des Versammlungs ge-
ben, um sie zu driicken.
,,Der Preis des Geschafts wird $15..
sein.
Am schonsten ist der Schluss:
,,Der Sekretar jeder Sektion schreibt
die Noten und Geschafte der Sektion
und giebt ein Erzahlung dem President
der Sektion der giebt die Beide dem Se-
kretiir-General, so wie als die ansprache
der Sektion to present — einreichen."
Ist das nicht kostlich? Ist ohne eng-
lischen Text garnicht zu verstehen.
Hier ist er:
"The Secretary of each Section is to
record the minutes and transactions of
the Sections and furnish a report to the
President of the Section, who is respons-
ible for the presentation of the proceed-
ings to the Secretary-General, including
the papers and discussions of the Sec-
tion." G. L.
III. Vermischtes.
Ein altmodischer Schul-
mann. Der Rektor einer grossen eng-
lischen Schule fasste einmal das Ge-
heimnis seiner Erfolge als Erzieher in
die folgenden Satze zusammen: Sei
freundlich gegen den Jungen — und er
wird dich verachten; setze ihm den Fuss
auf den Xacken — und er wird dich ver-
ehren. Ein Lehrer, der kein sehr star-
ker Charakter und kein grosser Gelehr-
ter ist, soil sich einmal bemiihen, des
Jungen Freund zu sein; er soil freund-
lich mit ihm reden, nach seiner Gesund-
heit fragen, ihm Strafarbeiten erlassen.
die Rute sparen und ihn zur Menschen-
liebe ermahnen — der Junge wird ohne
Zweifel darauf eingehen, aber in seiner
Weise. Er wird sich merkwiirdig schnell
ein Urteil iiber den Lehrer bilden, er
wird ihm einen Spitznamen geben, in
dem ein Fiinkchen Wahrheit liegt, er
wird verfangliche Fragen tun, um des
Lehrers Unwissenheit blosszustellen ; er
wird seine Wohltaten mit Verachtung
von sich weisen; er wird ihm das Leben
sauer machen und ihn auch noch nach
der Schulzeit verachten.
Lass hingegen einem Lehrer von
mannlichem Charakter und offenbarer
Tiichtigkeit sich's zur Aufgabe machen.
Buben zu beherrschen und zu schulen;
er soil keine unnotigen Gesprache mit
ihnen fiihren, soil sie zur Arbeit treiben.
soweit ihre Kraft reicht, und durchset-
zen, dass die Arbeit auch geschieht; er
soil sich nicht scheuen, sie streng zu be-
strafen und gelegentlich ttichtig zu
schelten, soil alle gleich behandeln, ohne
Gunst und Parteilichkeit, selten aber
feurig loben, sich jedoch hiiten, in ha-
mischer Weise zu spotten. Ein solcher
Lehrer wird seinen Dank bekommen. Die
Jungen werden zwar auf dem Spielplatz
und beim Heimgehen iiber ihn schimp-
fen, aber dabei immer seine Herrscher-
gabe schatzen; sie werden mit Freude
daran zuriickdenken, wo er Angeber ent-
larvte und Gecken mit Strenge bestraf-
te; sie werden einen passenden Spitz-
namen erfinden und dem folgenden Ge-
schlecht iiberliefern; sie werden ihm voll
Bewunderung auf der Strasse nachlau-
fen, und die Bewunderung wird um so
grosser sein, je mehr sie mit Furcht ge-
mischt ist. Selbst die Priigel von einem
solchen Manne sind es wert, dass man
sie bekommt, und in spateren Jahren
riihmt man sich ihrer. (Aus Jan Mac-
laun: ,,Eine Schule in der guten alten
Zeit.")
Eine Petition. Vor etwa 150
Jahren lebte im Schulhauschen zu Pe-
tersberg im Altenburgischen ein Lehrer,
der zum Sterben zu viel, zum L«ben zu
wenig hatte. Nach unermiidlichen Ver-
suchen, auf dem Instanzwege sein irdi-
sches Los zu verbessern, fasste er end-
lich den Entschluss, sich direkt an den
Fiirsten zu wenden, und entwarf zu die-
sem Zwecke ein untertanigstes Gesuch,
das seine ganze Lebens- und Leidensge-
schichte bis ins kleinste enthielt, wan-
derte mit seinem Dreimaster nach Al-
tenburg und legte sein Opus zu des
Vermischtes.
335
Herrschers Fiissen. Als die Voluminosi-
tat desselben bemerkt wurde, erhielt er
die Weisung, sein Gesuch kurz und biin-
dig zu fassen. Umgehend sendet der re-
signierte Bittsteller folgendes Schreiben
an die hochste Stelle: ,,Mich hungert's,
friert's und diirstet's."
Zeitgedanken. Von Ludwig Klarmann.
Manche ^Reformer" schelten die alte
Schule ein Handwerk und versuchen es
darum mit dem Mundwerk.
Was einer berechtigten Neubewegung
noch immer geschadet hat, war der
Hochmut minderbefahigter Parteiganger.
Padagogischer Hochmut, gerade wie
christlicher Hochmut: die schonste con-
tradictio in adjecto.
Weshalb sich die ,,Alten und Jungen"
so oft nicht kennen und begreifen? Weil
sie mit dem Riicken gegen einander ste-
hen, die einen dem Sein, die anderen dem
Werden zugekehrt. Es ware gut, sie
wendeten manchmal um.
Padagogischer Larm wird von man-
chen als padagogisches Leben ausgege-
ben.
Massenbewegung ist notwendig zur
Verbreitung neuer Gedanken, setzt aber
keine Neuerung wahrhaft durch. Deren
Wirklichkeit ist an die stille, versuchen-
de, innerste Arbeit des einzelnen gebun-
den.
Es ist immer schlimm., wenn ein Vor-
gesetzter seine Stellung dem Berufe vor-
setzt.
Der Lehrberuf braucht Geist und Frei-
heit. Neben dem Druck von oben scha-
det ihm nichts mehr als die subalterne
Lehrernatur.
Heute gibt es so viel padagogische
Hennen. Man erkennt sie an ihrem so-
fortigen Gegacker, wenn sie ein kleines
Ei gelegt haben.
Wir leben in einer hastigen Zeit. Da-
runter leiden auch die Ideen. So viele
werden nicht mehr reif.
Idee und Ausfiihrung sind wie Auge
und Fuss. Der Blick ist den Schritten
immer weit voraus.
In der Padagogik auf einen Namen,
ein System schworen, ist eigentlich ein
klein wenig Beschranktheit. Die Praxis
erfordert durchaus Eklektiker.
Das ist des Alters schone Tugend,
wenn sie den ehrlich suchenden und red-
lich wollenden Feuergeist der Jugend
ehrt, mag er auch einmal irre laufen.
Wo nur echte Warme ist, da werden si-
cherlich Keime geboren und entwickelt.
(Frankfurter Schulzeitung. )
Lehrer: ,,Welches Verbrechen haben
die Sohne Jakobs begangen?" — Schtt-
ler: ,,Sie haben ihren Bruder Jakob ver-
kauft." — Lehrer: ,,Und fur wieviel?"—
Schiller: ,,Fur zwanzig Silberlinge." —
Lehrer (Im Hinblick auf die schnode
Lage der Missetater) : ,,Und was machte
ihre Tat noch verdammenswerter ?" —
Schiller: ,,Dass sie ihn so billig verkauft
haben."
An die Esperantisten.
(Gelegentlich des Esperantisten-Kon-
gresses zu Dresden im August d. J.
wurde Goethes ,,Iphigenie" in der Espe-
ranto-Sprache zur Auffiihrung gebracht.
D. R.)
Als niitzlich hab' ich Euch bisher ge-
schiitzt.
Doch dem, der Goethe frevelnd iiber-
setzt,
Dem mocht' ich meine Meinung mit Be-
hagen
Auf gut deutsch — nicht auf Esperanto
- sagen! Bim.
Vorsicht. Ein Geistlicher in Elber-
feld, der durch seine Leutseligkeit und
Menschenliebe sich allgemeinster Ach-
tung erfreute, schritt einst liber die
Strasse dahin. Vor einem Hause sah er
einen Knaben stehen, der sehnsiichtig
nach der Schelle blickte, die fiir ihn un-
erreichbar war. Der Geistliche trat her-
zu und fragte ihn, was er wolle. Der
Knirps erwiderte, dass er gern schellen
mochte, aber die Klingel nicht erreichen
konne. Der Pfarrer sprach: ,,Lieb, Kind,
ich will dich heben, damit du schellen
kannst!" Das geschah. Aber kaum
hatte der kleine Schelm kraftig gezogen,
als er dem Pfarrer angstlich zuriefr
,,Nun ist es aber Zeit, dass wir uns beide
fortmachen, denn sonst bekommen wir
beide Priigel!"
Das folgende wahre Ge-
schichtchen erzahlt die Deutsche
Zeitung: Dem Schulausschusse zu Grau-
stadtel liegt das Gesuch des Realschul-
lehrers Dr. phil. Pendel ,,Die Anschaf-
fung eines Schrittzahlers fiir das physi-
kalische Kabinett der Realschule betref-
fend" zur Genehmigung vor. Nach lan-
gerer Debatte ,,fiir und wider" wird das
Gesuch infolge der kraftigen Gegen-
sprache der Herren Stadtverordneten
Backerobermeister Miiller und Gasthof-
besitzer Schulze mit grosser Mehrheit
abgelehnt, mit der Begriindung, dass an-
gesichts wichtigerer Ausgaben die An-
schaffung eines Schrittzahlers fttr voll-
standig unnotig erachtet werden miisse."
Schon in der nachsten Sitzung desselben
Ausschusses hat Herr Dr. Pendel wieder
ein Anliegen. Diesmal handelt es sich
um die Bewilligung eines Pedometers,
eines Instrumentes, das wegen seiner
einfachen und dabei feinsinnigen Kon-
336 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
struktion jedem Menschen bekannt sein nik und Wissenschaften geradezu an In-
miisse, der Anspruch auf Bildung erhe- teresselosigkeit grenze, ein so wichtiges
ben wolle. Anfangs meldet sich niemand Instrument, wie der ,,Pedometer" sei,
zur Sache. Endlich fragt Herr Stadt- noch, 1™%*T en.tb^ren. z? mussen- A So
jerordneter Scnulze, Wie es denn komme ™* ^^^^^^ *£
dass em so wichtiges Instrument mcht |timming der Ankauf eines ,,Pedome-
schon lange unter die Lehrmittel aufge- ters" beschlossen, nachdem man sechs
nommen worden sei, worauf Herr Ober- Wochen vorher einen ,,Schrittzahler"
meister Muller darauf hinweist, dass es fur ein vollig iiberfliissiges Spielzeug er-
bei den raschen Fortschritten der Tech- achtet hatte. G. L.
Zeitschriftenschau.
Von Prof. E. C. Roedder, Ph. D., Univ. Wisconsin.
(Vergl. Juniheft, S. 189).
Die Neueren Sprachen (Marburg, Elwert; ed. Wilhelm Victor), Band XV,
Heft 7 (November 1907), S. 396—410; Heft 8 (Dezember), 8. 470—486; Heft 9
(Januar 1908), 8. 537—550: Heft 10 (Februar), 8. 577—593; Band XVI, Heft
1 (April), 8. 13—30: H. Biittner—Elberfeld. Die Muttersprache im fremd-
sprachlichen Unterricht.
Die neu hinzukommenden Kapitel (vgl. unsere Zeitschriftenschau vom
Dezember vorigen Jahres) behandeln : III. Die Lektiire (ubersetzen in die
Muttersprache und einsprachiger Betrieb), nebst Anhang zu I — III: Das
Sprechen der fremden Sprache als Unterrichtsmittel und Unterrichtsziel ; IV.
Die Vokabelfrage (1. Worm sie besteht; 2. Einsprachige Worterbiicher ; 3. Die
Rossbergsche Reformbibliothek ; 4. Das muttersprachliche Wort als Bedeu-
tungsvermittler ; 5. Forderung der muttersprachlichen Wortkenntnis durch den
fremdsprachlichen Unterricht; 6. Neue Schulausgaben ; 7. Die fremdsprach-
liche Worterklarung beim miindlichen Verfahren ; 8. Das Vokabellernen im
Anfangsunterricht). Seine Ausfiihrungen fasst Buttner am Schlusse in fol-
gende Thesen zusammen, die wir gekiirzt wiedergeben : 1. Hauptmittel der
Sprachaneignung ist das Sprechen der zu erlernenden Sprache; in diesem
Sinne ist also der freie, d. h. nicht auf tibersetzung beruhende mundliche Ge-
brauch der Fremdsprache zu pflegen — nicht im Hinblick auf eine als selb-
standige Zielleistung zu erstrebende Sprechfertigkeit, fur deren spatere Er-
werbung der Unterricht vielmehr nur moglichst giinstige Bedingungen zu
schaffen hat. 2. Als Unterrichtssprache tritt die Fremdsprache allmahlich iu
dem Masse an Stelle der Muttersprache, als das voile Verstandnis fur den
Unterricht dabei gesichert erscheint. 3. Auf alien Gebieten des Sprachwissens
(Grammatik, Stilistik, Wortkenntnis, Phraseologie, Synonymik) und auf alien
Stufen des Unterrichts konnen zur Herbeifuhrung des Verstandnisses einer
sprachlichen Erscheinung die fremde und die Muttersprache einander gegen-
ubergestellt werden. Dagegen muss das ubersetzen in die fremde Sprache auf
der untersten Stufe des Unterrichts durchaus unterbleiben, da es hier die
Sprachaneignung vielmehr stort als fordert. 4. Das ubersetzen in die Mutter-
sprache, das im Anfang zur Vermittelung des Verstandnisses nicht zu entbeh-
ren ist, unterbleibt mehr und mehr da, wo das Verstandnis des Textes auch
ohne dasselbe verbiirgt erscheint, bezw. auf einsprachigem Wege sicher ver-
mittelt werden kann. Dagegen ist von Zeit zu Zeit Musteriibersetzungen in
die Muttersprache eine Stunde zu widmen. 5. Der Lektureunterricht hat die
Schiiler dahin zu bringen, dass sie fremden Text verstehend lesen, d. h. ohne
Z eitschriftenschau. 337
tibersetzung verstehen. Weiterhin client die Lektiire auf der (Unter- und)
Mittelstufe des Unterrichts vorwiegend der eigentlichen Spracherlernung, wah-
rend auf der Oberstufe literarisch-asthetische Interessen, die Einfuhrung in
die Kultur der fremden Volker und die allgeineinen Aufgaben des Unterrichts
mehr in den Vordergrund treten. 6. Der Erwerbung eines reichen und gesi-
cherten Besitzes an Vokabeln und Ausdriicken, als der Grundlage aller Sprach-
erlernung, 1st grosse Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Einpragung zwei-
sprachiger Wortgleichungen aber widerstrebt der Richtung des Unterrichts
auf freien Gebrauch der Sprache und auf verstehendes Lesen und 1st deshalb
nach Moglichkeit zu vermeiden.
Band XVI, Heft 1 (April 1908), pp. 1—12: P. Pfeffer-Karlsruhe,
Seid einig! Elne zeitgemasse Erorterung methodischer Fragen.
Ziel am Ende des neusprachlichen Lehrgangs auf dem Gymnasium mtisse
sein: 1. eine richtige Aussprache; 2. einige tibung im miindlichen und schrift-
lichen Gebrauch der Fremdsprache ; 3. die Fahigkeit, einen nicht allzu schweren
franzosischen (englischen) Originalschriftsteller lesend zu verstehen; 4. eine
genaue Kenntnis der Grammatik, d. h. ,,vollige Beherrschung des Gewohn-
lichen" ; 5. Kenntnis einiger der wichtigeren Werke der klassischen und neueren
fremdsprachlichen Literatur; 6. ein Einblick in die literatur- und kulturhisto-
rische Entwicklung des fremden Volkes vom klassischen Zeitalter bis auf un-
sere Tage. Als vorziigliches Unterrichtsmittel fiir das Franzosische empfiehlt
der Verfasser das ,,Lehrbuch der franzosischen Sprache" von Metzger und
Ganzmann. Als Beitrag zur Herbeifiihrung der in der tiberschrift gewunschten
Einigkeit der deutschen Neusprachler in der Lehrweise ist der Artikel von
wenig Belang.
eld., pp. 30 — 36: Konrad Weichberger-Bremen, Schulausgaben.
Verwirft die gewohnlichen Textausgaben mit ihrem den jugendlichen
Schiiler abstossenden editoriellen Apparat und empfiehlt an deren Stelle die
Einfuhrung illustrierter Originalausgaben des betreffenden Landes, so furs
Franzosische die Nouvelle Collection illustree des Verlags Calman-L6vy. Der
Gedanke an sich ist vortrefflich und ist ja auch schon langst da und dort aus-
gefuhrt worden, wenn auch kaum in dem Umfange und so systematisch, wie es
der Verfasser zu wiinschen scheint. Einer riicksichtslosen Durchfuhrung stiin-
den ohnehin uniiberwindbare Hindernisse im Wege ; z. B. sind viele der hierzu-
lande im Unterricht verwendeten Erzahlungen nicht einzeln im Handel zu
haben; und welche illustrierten Ausgaben wiirde man uns fiir die klassischen
Dichtungen empfehlen konnen? Ich mochte iibrigens die Gelegenheit nicht vor-
iibergehen lassen, ohne auf zwei eigenartig schon ausgestattete Biicher des
Diisseldorfer Verlags Fischer und Franke aufmerksam zu machen: ,,Deutscher
Balladenborn fiir Jung und alt. Herausgegeben vom Hildesheimer Priifungsaus-
schuss fiir Jugendschriften. Mit Bildern von Franz Stassen, Hans von Volk-
mann, Ernst Liebermann u. a. und volkstiimlichen Singweisen zu zehn balladen-
artigen Volksliedern" ; ausserdem die ,,Lieder und Bilder fiir jung und alt.
Herausgegeben vom Kb'lner Jugendschriften-Ausschuss." Beide Biicher kosten
in charakteristischem Originalleinenband je nur zwei Mark und konnen manch
eine Unterrichtsstunde zur reinen Freude fiir Schiiler und Lehrer machen.
Auch die Sammlung deutscher Volkslieder aus alter und neuer Zeit, ,,Neues
Wunderhorn", mit Bildern und Singweisen, zusammengestellt und herausgege-
ben von K. Henniger, im selben Verlag erschienen, ist fiir vorgeriickte Klassen
aufs warmste zu empfehlen. Desgleichen wiirde sich mit einzelnen Heften des
,,deutschen Spielmanns" (Miinchen, G. D. W. Callwey, das Heft zu einer Mark)
ein Versuch reichlich lohnen.
338 Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
ebd., p. 61: Ludwig Geyer, Internationaler Schuleraustausch.
Kurzer Bericht tiber dies 1903 von Professor Willemin in Epinal ins Leben
gerufene Unternehmen, das sich, wenn auch noch in den Anfangen (nach den
Berichten sind noch nicht ganz dreissig Schiller zwischen Deutschland und
Fraukreich ausgetauscht worden), ausgezeichnet anzulassen scheint. Der Ge-
danke ist die logische Fortsetzung des internationalen Schiilerbriefwechsels,
aus dem er auch meines Wissens erwachsen ist.
Heft 2 (Mai), pp. Ill — 113: Ludwig Geyer, Besprechung von
Anton Stangl, Die Verbesserung der schriftlichen Arbeiten aus Franzoslsch
und Englisch.
Zu Nutz und Frommen und zum Troste der Leidensgenossen seien einige
Satze des Heftchens angefiihrt: ,,Das iibermass der schriftlichen Arbeiten ist
fur den Unterricht nutzlos, fur den Lehrer schadigend .... Je genauer der
Lehrer verbessert, desto mehr leidet sein Auge, sein Nervensystem, seine Spann-
kraft und sein eigenes Wissen .... Das Sprachgefiihl bedarf der Entwicklung
durch Lesen, Lesen und wieder Lesen. Sogar der Lehrer des Deutschen, der
doch aus dem unerschopflichen Schatz der Muttersprache Tag fur Tag schopft,
kann des Lesens zu diesem Zwecke nicht entraten, nun der Lehrer einer frem-
den Sprache! Zuna mindesten sollte er ebensoviel Zeit dafiir verwenden als
fur die Hefte, daher muss fur das Lesen erst Raum geschaffen werden!"
- Heft 3 (Juni), pp. 129 — 144: Max Fdrster-Wiirzburg, Der Bil-
dungswert der neueren Sprachen im Mittelschulunterricht.
Von der richtigen Erwagung ausgehend, dass es wenig helfen kann, sich
fiber den Weg zu streiten, solange man sich nicht vollig klar ist, wohin man
gehen will, will der Verfasser bei der Beantwortung der Frage: ,,Wie soil sich
der neusprachliche Unterricht der Vielseitigkeit des neusprachlichen Lehrstoffs
gegenuber verhalten?" zunachst das Unterrichtszier festgestellt wissen. Mittel-
punkt des gesamten neusprachlichen Unterrichts miisse die Lektiire der Klassi-
ker sein, der ebensowohl von der verstandesmassigen wie von der phantasie-
vollen Seite beizukommen sei. Erfolgreicher Betrieb der Lektiire auf der
Oberstufe setze moglichst sichere Aneignung des Sprachmaterials auf Unter-
und Mittelstufe voraus. Die Sprechiibungen sollen zur Verstandigungsfahig-
keit fiihren. Fiir die Lektiire seien nur Werke zu wahlen, die nach Inhalt und
Form einen Platz in der Literaturgeschichte beanspruchen dtirfen. Zu ver-
langen waren dazu Schulausgaben mit griindlichem Sachkommentar, statt der
heute iiblichen kargen Wortubersetzungsnoten. Nicht nur sicheres Wortver-
standnis, sondern allseitige Ausschopf ung und Durchdringung des Gedanken-
inhaltes sei anzustreben. Dabei durfe weder der rein asthetische noch der
psychologische noch der eigentlich literarhistorische, sondern nur der kultur-
geschichtliche Gesichtspunkt ausschlaggebend sein. Kultur durfe aber nicht
gleichgesetzt werden mit den Realien, den ausseren Dingen, deren Kenntnis an
sich natiirlich nicht verachtet werden, aber doch nur ein Nebenergebnis des
Unterrichts sein sollte. Die Mittelschule miisse allgemeinbildende Unterrichts-
anstalt bleiben; erzahle der Lehrer gelegentlich seine Reiseerlebnisse in zwang-
loser Form, so sei das fruchtbringender als die Lektiire von Realientexten.
Auch Literatur und Kultur seien nicht dasselbe ; manch ein grosses Dichtwerk
liefere nur ein unzulangliches oder selbst fehlerhaftes Bild der Kultur seiner
Zeit, indem es politische, soziale und religiose Stromungen dieser Zeit nicht
beachte oder schief auffasse. Kultur sei die Gesamtheit aller geistigen und
materiellen Errungenschaften eines Volkes. (Ware es aber nicht ratsam, hier
nach der von Houston Stewart Chamberlain eingefiihrten und von Karl Lamp-
Zeitschriftenschau. 339
recht angenommenen Terminologie scharfer zwischen diesen beiden Gruppen
als Kultur und Zivilisation zu scheiden?) Der Schiller miisse das gelesene
Werk als Teilerscheinung der Kultur seines Volkes und seiner Zeit auffassen
lernen. Einleuchtend und mustergiiltig fiihrt uns der Verfasser dies am Bei-
spiel Shakespeares vor, den er als Renaissanceinenschen, Englander und Ger-
manen charakterisiert. Solche Dinge liessen sich dem Verstandnis der bes-
seren Schiller erschliessen, wenn auch von deni frei Vorgetragenen manches
Samenkorn auf steinichten Grund fallen wiirde. Zur geschichtlichen Auffas-
sung der fremden Kultur miisse die Lektiire deshalb fiihren, well Sinn fiir
geschichtliches Werden das Hauptcharakteristikum fiir den gebildeten Men-
schen 1st. Die Schule solle das junge Geschlecht erziehen, frei von lebensmii-
dem Pessimismus, kraftelahmenden Dogmatismus und aufzehrenden Radikalis-
mus dem Ausland gegeniiberzutreten in ruhigem nationalen Selbstbewusstsein
und feinfiihlendem Verstandnis fiir das Fremde.
ebd., pp. 166 — 169: Caroline T. Stewart, Current Publications.
Wortlich derselbe Artikel, den wir unter gleichem Titel im Aprilheft d. J.
brachten. Schon der Zeit des Erscheinens nach kann er kein Abdruck aus den
Monatsheften sein. Offenbar hat die Verfasserin ihr Manuskript zugleich an
die Leitung beider Zeitschriften eingesandt.
- Heft 4 (Juli), pp. 225—221: Paul Foulon- Cognac (France),
Histoire et de'veloppement de la metUode directe en France. I.
Die ,,direkte Methode" wurde 1902 auf Anordnung des Unterrichtsministers
fiir den neusprachlichen Unterricht in alien Schulen Frankreichs obligatorisch
eingefiihrt. Soweit sich aus diesem ersten Teil der Arbeit ersehen lasst, sind
die Ergebnisse ausgezeichnet. Besonders interessant ist das, was Foulon iiber
die Ausstattung des neusprachlichen Lehrzimmers sagt: Karten, Bilder und
Plakate jeder Art, charakteristische Nippsachen u. dgl. versetzen den Schiller
sofort in eine vollig fremde Umgebung, reizen seine Neugier und rufen die zur
Spracherlernung notwendige empfangliche Stimmung hervor.
- Hen 6 (October), pp. 321 — 331: B. Uhlemayr-N urnber g, Wie ist
der fremdsprachliche Unterricht naturgemdss umzugestalten? (Vortrag, ge-
halten auf der 5. Hauptversammlung des Bayerischen Neuphilologenverbandes
in Wurzburg, 12. — 14. April 1908.)
Die natiirliche Spracherlernung konne nicht auf die Schule iibertragen
werden. Der Lehrer konne froh sein, dass der Lernende seine Muttersprache
besitze, und solle sich ihrer bedienen. Die kiinstliche miisse 1. dem Zwecke der
Schule, an der die Spracherlernung geschieht, 2. der Natur der Sprache, 3. der
Natur der jugendlichen Schiller gerecht werden. Die Bedeutung fremder Spra-
chen fur die Bildung erschopfe sich vollig mit der Kenntnis und dem Verstehen
derselben. Das Lehrziel des neusprachlichen Unterrichts an einer Erziehungs-
schule, an der er, wie an der Oberrealschule und am Realgymnasium, iiber eine
entsprechende Anzahl von Stunden verfiigt, sei verstehendes Lesen der ge-
samten Kultursprache, verstehendes Horen der Alltagssprache und aktiver Ge-
brauch der Alltagssprache in dem von Felix Franke geforderten Umfang von
etwa 3000 Wortern. Als naturgemasse und darum beste Methode der kiinst-
lichen Erlernung einer Fremdsprache erscheine die auditive Methode (mit
jeweils nachfolgenden visuellen ubungen), die vom schulhygienischen Stand-
punkt betrachtet das Auge nach Moglichkeit entlaste und kulturell genommen
dem Ohre wieder einen Teil der Arbeit auferlege und sichere, die es vor der
Erfindung des Buchdrucks und speziell vor unserem papierenen Zeitalter
leistete. Zu beginnen sei mit der Alltagssprache. Die methodische Grundlage
340 Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
des fremdsprachlichen Unterrichts bilde ein Horkurs, der in drei Jahren bei
durchschnittlich vier Wochenstunden taglich etwa sieben neue Worter einzu-
pragen und den oben geforderten aktiven Wortschatz zu schaffen und zu festi-
gen habe. Der im vierten Jahre einsetzende Lesekursus habe dann die Kultur-
sprache im engeren Sinne, die Buchsprache, rezeptiv zu vermitteln. Elne
aktive Beherrschung der gesamten Fremdsprache sei unmoglich; der Bildungs-
wert dieser liege aber obnehin in ihrer passiven Beherrschung.
American Educational Review (Publisher: American Educational Co.,
Chicago, III.), vol. XXIX, No. 7 (April, 1908), p. 303 f.: A New School for
Women in Germany.
Gemeint ist das vor kurzem von Frl. Paula Hofer ins Leben gerufene
Amerikanische Institut fur Lehrer der deutschen Sprache und Literatur in
Berlin, das sich den Zweck setzt, amerikanische Studentinnen in der Wahl
ihrer akadeinischen Kollegien zu leiten, sie mit deutschem Leben und deutschem
Wesen inniger vertraut zu machen, als dies auf sich selbst angewiesenen Aus-
landerinnen moglich ware, und durch Vortrage iiber deutsche Sprache, Litera-
tur und Kunst, sowie Besuch der Theater, Opern, Galerien und Museen, durch
Ausfluge u. dgl. im Gebrauche der deutschen Sprache zu fordern. Die Vor-
steherin, die in Deutschland und Italien ausgezeichnete Vorbereitung genossen
und uberdies vier Jahre in Mount Holyoke College, Mass., unterrichtet hat,
wird von Andrew White und Francis S. Peabody stark empfohlen.
Eingesandte Bucher.
Aus dem Verlage von Ernst Wunder- <5sterreichische Dicht'er.
lich, Leipzig: Ausgewahlt, mit biographischen Notizen
Die Praxis der Lesebuch- und Anmerkungen versehen von Adolf
behandlung als Anleitung zur M a g e r , k. k. Professor an der Staats-
Selbstbildung durch Lektiire. Von Oberrealschule im II. Bezirk in Wien.
Ernst Liittge. Preis M. 4.60. 1908. 4. bis 6. Tausend. B. G. Teubner, Leip-
Der Deutschunterricht. Ent- zig. Preis M. 1.50.
wiirf e und ausgef iihrte Lehrproben f iir German Exercise Book. By
einf ache und gegliederte Volksschulen. M. Blakemore Evans and E d-
Von Gustav Rudolph (Dr. Rudolph ward P r o k o s c h. Ginn & Co.
Schubert). I. Abteilung: Unter- und Jugendblatter. Gegriindet von
Mittelstufe. 4. und 5. Auflge. Preis Isabella Braun. Schrif tleitung :
M. 2.50. 1908. Lothar Meilinger, Oberlehrer in
Freie Kinderaufsatze aus Miinchen. Preis des Jahrganges von 12
dem dritten, vierten, ftinften und sie- Heften M. 4.20, des Heftes 35 Pf. Ver-
benten Schuljahre. Gesammelt und her- law der Jugendbibliothek, Miinchen II.
ausgegeben von Alfred Wolf. Preis The vision of Sir Launfal
M- 2- and Other Poems by James Rus-
Lotti, die Uhrmacherin von sell Lowell. Edited with an intro-
Marie von Ebner-Eschenbach. duction and notes by Julian W.
Edited with introduction and notes by A b e r n e t h y , P h. D., Principal of the
George Henry Needier, Asso- Berkeley Institute , Brooklyn, N. Y.
ciate Professor of German in University New York, Charles E. Merrill Co.
College, Toronto. Henry Holt & Co., Roun d Abo ut England, Scot-
New York, 1908. Price 35 cts. land,andlreland. Edited with ex-
Otto Schroeder. Vom papier- planatory notes by Prof. Dr. J.
nen Stil. Siebente durchgesehene Klapperich. With 18 illustrations
Auflage. B. G. Teubner, Leipzig, 1908. and 11 maps. Berlin und Glogau, Carl
Preis 3 M. Flemming, 1908.
Inhaltsverzeichnis.
Offizielles. in the High Schools of Ohio 136
Alumnen des Lehrerseminars . . .133, 165 Kramer, Vor- und Fortbildung des
Aufruf zum 36. Lehrertage. .97, 129, 161 Lehrers 228
Entwurf einer Verfassungsabande- Lenz, die Besoldung der Lehrer und
rung des Nationalen Deutschame- Lehrerinnen in den New Yorker
rikanischen Lehrerbundes 168 Schulen 78
Nationaler Deutschamerikanischer M. G., Deutsche Vereinsschulen . . . . 2T3
Lehrerbund 97, 129, 161 M- G-> Prasident Roosevelts Anspra-
Neuer Jahreskursus des Lehrersemi- che an die Schulsuperintendenten . 139
nars 134, 165 M- &» zum neuen Jahr 1
Programm des 36. Lehrertages Naumann, vom Lesen von Buchern. 314
.99 131 163 Purin, deutscher Sprachunterricht
Protokoll des 36. Lehrertages! ....'. 194 und bewusstes Deutschtum . 42, 71, 104
Schreiben des Bundesprasidenten. . . 256 'Skinner, inwieweit darf man sich
Verfassung des Nationalen Deutsch- beim Unterricht in der deutschen
amerikanischen Lehrerbundes .... 253 Sprache des ubersetzens ins Eng-
lische bedienen? 9, 33
Aufsatze. Spanhoofd, psychologische Grund-
Bartsch, Ellen Key 170 lage fur die Methoden des Unter-
Campbell, Eduard Morike 287 richts in den modernen Sprachen 237
Cutting, iiber Schillers Drama tik... 108 Stewart, Current Publications 121
Durst, zum 36. Lehrertage 259 Uhlenkriiger, Stoffe fur den An-
Diirst, Modern Languages Taught schauungsunterricht : der Hund,
as Living Languages 276 die Katze 176, 282
Eiselmeier, The Training of the Woldmann, zur Frage: 1st die Fa-
Teacher of German 3 higkeit im mundlichen Gebrauch
Eiselmeier, unsere Lehrmittelaus- der deutschen Sprache vom Lehrer
stellung 225 des Deutschen zu f ordern ? 7
Evans, the Training of the Teacher Wolf, die Hilfsmittel im modernen
of German 76 Sprachunterricht 213
Feierfeil, der Humor in der Schule. 47 Deutsch - Sprachliches.
Fick, zum 36. Lehrertage 259 Deutsch als Weltsprache der Wis-
Fritsch, zum 36. Lehrertage 260 senschaft 296
Grummann, Prof. Karsten t 65 Deutsche Literatur im franzosischen
Hatfield, deutsche und angelsachsi- Staatsexamen 174
sche Verhaltnisse in Amerika 243 Ein Franzose tiber die deutsche
Hoelper, Reformbestrebungen auf Sprache 9
dem Gebiete der Padagogik 205 Johann Balhorn 321
Htilshof, the Use of Phonetics in Kauderwelsch auf Speisekarten 322
Language Teaching 310 Lutherisch oder lutherisch? 16
Kern, eine Rechenstunde im deut- Phonographische Aufnahme deut-
schen Unterricht 68, 100 scher Mundarten 184
Kief ert, Report on the Present Trotzdem 323
Status of Instruction in German Wie — als 323
IV
Monatshefte fur deutsche Sprache und Padagogik.
Allgemein - Padagogisches.
Deutsches und schwedisches Turnen 50
Einpragung des Wortbildes (Prof.
Kirk) 29
Gegen die libertriebene Weichheit
im Unterricht 83
Lasst die Kinder sprechen 175
Lehrerpersonlichkeit (v. Wolzogen) 318
Padagogischer Anarchismus 15
Recht der linken Hand 14
Schttlerbeurteihmg durch Schiller... 297
Statistische Untersuchungen iiber
die Art und den Grad des Inte-
resses bei Kindern der Volks-
uber die miindliche Klassenkorrek-
tur (Schink) 321
Unbegrenztes Fragerecht (Kluge) . . 316
Verbalismus und Materialismus
(Rein) 318
schule 142
Wir wissen's nicht 49
Zur Arbeit im ersten Schuljahre 144
Zur Psychologic des Prtigelns 57
Zur Vorbereitung im Aufsatzunter-
richt (Zill) 319
Vermischtes.
Altmodischer Schulmann 334
Aussprache des Wortes Illinois 29
Ansteckungsgefahr bei Kinder-
krankheiten 17
Blumenthal, Aufrichtigkeiten 265
Brief Leo Tolstois 265
Die Null 298
Goethes Garten 155
Goethe iiber das schone Schreiben . . 145
Ibsen und die Volksschule 298
Jean Paul als Richard Wagner-
Prophet 265
Lehrernervositat und ihre Ursachen 153
tiber die Kindheit 59
Zeitgedanken (Klarmann) 335
Berichte.
Die Schule der Zukunf t 274
Englander iiber die Koedukation in
den Ver. St 293
Roedder, 25. Jahresversammlung der
M. L. A. of A 171
Tagung der N. E. A. zu Cleveland, O. 324
Briefkasten.
An H. G. Newark 331
Lehrertagiana (C. O. SchBnrich) 150
,,Merit"- System 27
Seminarangelegenheit 27
Korrespondenzen.
Baltimore (C. O. S.) 146
California (V. B.) 52
Cincinnati (E. K.) 19, 53, 84,
147, 180, 326
Cincinnati (H. H. Fick) 182
Milwaukee (C. B. S.) . . . .20, 54, 85, 124,
147, 181
Milwaukee (C. M. P.) 288, 328
Newark (H. G.) 55, 299
New York (L. H.) 21, 56, 125, 148,
181, 291, 329
New York, zum Lehrertag 330
New York (F. M.) 56, 149
Prag (Otto Heller) 22, 85
St. Paul (A. N.) 25
Umschau.
A m e r i k a.
Baltimore, Schonrichs Amtsjubi-
laum 127
Boston, neue deutsche Vereins-
schule 264
Chicago, Cannstatter Volksfest
des Schwbenvereins 263
Chicago, Entf ernung des Schmutzes 29
Cleveland, Fortschritt im deut-
schen Unterricht 262
Cleveland, Krugs Erkrankung 263
Deutsch-Englische Akademie.
Lehrerwechsel 262
Unterstiitzungsfonds 28
Weihnachtsfeier 28
Deutsche Sprach' — schwer Sprach' 333
Deutscher Tag 292
Fehler des amerikanischen Erzie-
hungssystems 128
Fremdgebornene in unserem Lande 127
Handhabung der Schiesswaff en . . . 183
Houston, Tex., Lehrerverein fiir
moderne Sprachen 28
Karsten, Gustav E. f 57
Koedukation, amerikanische Stim-
me 152
Koedukation, Prof. Sachs 28
Kiihnemann in Harvard 263
Lehreraustausch 264
Lehrerseminar.
Alumnenverein von Milwaukee 28, 87
Alumnenverein von Newark 87
Irihaltsverzeichnis.
Austritt Oscar Burckhardt 261
Erfolg einer fruheren Schiilerin 331
Geschenk des Schwabenvereins . 331
Neuanstellungen von Lehrern. . 261
Neuer Jahreskursus 261
Schluss des Jahreskursus 157
Schlusspruf ung 261
Stipendium von Chicago 28
Stipendium des Unabhangigen
Bttrgervereins von Maryland. 157
Suetterle, Vorsitzer des Semi-
narkomitees 87
Weihnachtsferien 28
Lieber, Hermann f 126
Mangel an mannlichen Lehrkraf-
ten 58
Mannliche und weibliche Lehr-
krafte 31
Massenbesuch amerikanischer L'eh-
rer in Europa 87
National Education Association..
28, 332
New York, Riickkehr zur korper-
lichen Ziichtigung 332
New York, Schulbudget 128
New York, Maxwells Vorschlage
zu Verbesserungen im Schul-
system 30
Oslikosh, eine Abstimmung 29
Resultate im Buchstabieren 29
Rink, Paul f 263
Schonrichs Bef orderung 263
Soldan, F. Louis f 126
Stif tung eines Pensionsf onds 264
Unterricht im Englischen 58
Verbreitung des Esperanto 332
Vereinfachte englische Schreib-
weise 29
Washington, Empfang des Super-
indenten im Weissen Hause .... 128
Zur Natur zuriick 127
B e 1 g i e n.
Gemeinden ohne Schulen 89
Deutschland.
Adlers Antrittsrede als Aus-
tauschprofessor 331
Akademische Lehrfreiheit 333
Berlin, Zentralverband gegen den
Alkoholismus 127
Deutsche Kolonisation 295
Deutschland als Erzieher derWelt 152
Erfolg der Frauenrechtlerinnen. . . 296
Erloserinnen der deutschen Volks-
'schulen 295
Flachsmann als Erzieher 154
Frauenstudium an deutschen Uni-
rersitaten 333
Freiluftschulen 31
Frequenz der deutschen Universi-
taten 88
Jena, Ferienkurse 127
Kampf gegen die Schundliteratur 333
Koedukation in deutscher Be-
leuchtung 153
Koedukation (Prof. Hertel) 29
Latein in den saehsischen Lehrer-
seminaren 88
Mannliche und weibliche Lehr-
krafte 31
Neue deutsche Universitat im
Osten 295
Neuordnung der hoheren Mad-
chenschulen 296
Paulsen t 293
Weimar, Goethe -Schiller Denkmal 59
Wilmersdorf, Mossesche Erzie-
hungsanstalt 88
England.
Deutscher Unterricht in England 295
Nobel-Preis fur Kipling 89
tiberhandnahme der Madchen in
den Lehrerseminaren 89
uberfiillung der Schulklassen 89
Frankreich.
Deutsche Literatur im franzosi-
schen Staatsexamen 174
Primarschulbericht 151
Holland.
Volksschulwesen in Holland 154
N o r w e g e n.
Kampf um Gleichberechtigung . . . 296
Schulverhandlungen im Storting.. 89
5sterreich-Ungarn.
Beseitigung des deutschen Sprach-
unterrichts 89
Madchenlyceen 297
Neue LehrplUne ftir die Btirger-
schulen 59
Wien, ungeteilter Unterricht 88
Wien, weibliche Universitatsdo-
zenten 88
S c h w e i z.
Lehrerbesoldung in der Schweiz.. 154
vi Monatshefte fur deutsche Sprache und Pddagogik.
Gedichte. Biicherbesprechungen.
BBtticher, Sett»terkenntni8 ........ 185 Bernhardt der w zum Glttck (&
Bin Schulstreit ................... 266 H Goodnight) 305
Kck, beim Schulanfang ....... 193 ^ ^^ ; ..... | 307
L,ebschen, Amos Comemus an der
storm, wdhn^htsued'v::::.:::::: 309 . <* a *<« .•-••.•;•.•-- *»
Gaudig, Kleists Prinz Fnedrich von
Humoristisches. Homburg (E. C. Raedder) ........ 305
An die Esperantisten ....... ...... 335 HatfieM> t)berwunden von otto
Antwort im Geschichtsuntemcht . . . 156
Aus dem Aufsatz einer hoheren Heu8er ^ D
Tochter ....................... 185 (J. L. Kind) . 61
Aus Karlchen Miessnicks Aufsatz-
Holz, der Sagenkreis der Nibelungen
•• 92
,
Der erledigte Storch .............. 155 Ho/n>
Der hofliche Herr Schulrat ......... 156 der ^teraturgeschichte (E. C.
Die reifere Jugend ............... 155 Roedder> ................... 93
Die verhangnisvolle Rippe ......... 185Jessen, die beiden Freunde von
Eigene AuSassung . . ........... 60 Moltke (& H. Goodnight) ........ 306
Eine Petition .................... 334 Kastner, Goethes Dichtung und
Eines Vater Brief ................ 156 Wahrheit (E. C. Roedder) ....... 305
Entschuldigungsschreiben ........ 60 Kl^6. ™™*r Deutsch (E. C. Roed-
Entschuldigungszettel ............ 185 der) .......................... 92
Entweder — oder ................ 156 Kramer, Sprachtibungen (M. G.) . . . 307
Geteilte Andacht .................. 185 Lange u. a., die hohere Madchenbil-
Immer Fachmann ................. 185 dung (x) ....................... 91
Kathederbliiten .................. 156 Langhans, Deutsche Erde (M. G.) . . 158
Kindermund ..................... 155 Lehrmittelkatalog des Lehrerhaus-
Lateiner ........................ 60 Vereins zu Linz (M. G.) ......... 306
Netter Schulwitz ................. 60 Martin und Thierge, en France (E.
Priifung ......................... 156 C. Roedder) .................... 304
Revision in einer elsassischen Schule 60 Meyer, Herodes und Marianne von
Satze mit Prapositionen .......... 185 Hebbel (J. L. Kind) ............. 94
Schrittzahler — Pedometer ........ 335 Rein, deutsche Schulerziehung
Struwelpeter in verschiedenen Fas- (Pencil Vania ) ................. 62
sungen ........................ 299 Rein, encyklopadisches Handbuch
tibersetzungen lateinischer Zitate.. 185 der Padagogik (M. G.) ........... 157
Verbrechen der Briider Jakobs ..... 335 ,Sauer, Literaturgeschichte und
Verirrung im Schulpalast ......... 60 Volkskunde (E. C. Roedder) ..... 304
Vom Eierlegen .......... , ........ 185 Schneider, Typen-Atlas (M. G.) . . . 158
Vorsicht ........................ 335 Sieper, Shakespeare und seine Zeit
Wahre Geschichte ................ 335 (E. C. Roedder) ................ 159
Warum ging Hannibal tiber die Al- Teubners Ktinstler - Modellierbogen
pen? .......................... 60 (M. G.) ........................ 307
Vos, die Harzreise von Heine (C.
Biicherschau. B.Wilson) ..................... 92
Handschin, Bibliography of English Wolff tischer Hausschatz (M.G.) 157
Translations of German Novels..
186, 300
Katalog der Weinhold-Bibliothek. . . 91 Eingesandte Biicher ...... 32, 64, 96, 159,
Roedder, Zeitschriftenschau ....189, 336 266, 308, 340
PF
3003
M6
v.9
Monatshefte
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