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Full text of "Monatshefte; a journal devoted to the study of German language and literature"

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Monatshefte 

fur  deutsche   Sprache   und   Padagogik. 

(Friiher:    Pftdagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 


DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen   Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 

Herausgegeben  vom 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerseminar 

*u  MILWAUKEE,  WIS. 

Schriftleiter : 
Max   Gdebsch,    Seminardirektor. 


Leiter  der  Abteilung  fur  das  hohere  Schulwesen: 

Prof*  Dr*  E,  C*  Rocddcr, 

Staatsuniversitat  Wisconsin. 


JJrutttrr 

19DB. 


Verlag: 

National  German- American  Teachers'  Seminary, 

558  to  568  Broadway,  Milwaukee,  Wis. 


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Der  Jahrgang  der  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik  beginnt  im 
Januar  und  besteht  aus  xo  Heften,  welche  regelmassig  in  der  Mitte  eines 
Monats  (mit  Ausnahme  der  Ferienmonate  Juli  und  August)  zur  Ausgabe 
gelangen. 

Der  jahrliche  Bezugspreis  betragt  $1.50,  im  voraus  zahlbar. 

Abonnementsanmeldungen   wolle   man  gefalligst  an  den  Verlag:     Nat.   German- 
American  Teachers'  Seminary,  558-568  Broadway,  Milwaukee,  Wis.,  richten. 
Gel  dan  we  is  un  gen  sind  eben falls  auf  den  genannten  Verlag  auszustellen. 
Beitrage,  das  Universitats-  und  Hochschulwesen    betreffend,    sind    an    Prof. 
Edwin  C.  Roedder,  Ph.  D.,  412  Lake  St.,  Madison,  Wis.;  samtliche 
Korrespondenzen  und  Mitteilungen,  sowie  Beitrage,  die  allgemeine  Pada- 
gogik und  das  Volksschulwesen  betreffend,  und  zu  besprechende  Biicher 
sind  an  Max  Griebsch,  (Nat.  G.  A.  Teachers'  Seminary,  Milwaukee, 
Wis.)  zu  richten. 

Die  Beitrage  fiir  eine  bestimmte  Monatsnummer  miissen  spatestens  am  Schluss 
des  yorhergehenden  Monates  in  den  Handen  der  Eedaktion  sein. 


Monatshefte 

fiir  deutsche  Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:    Fiidagoifisclie  Mouatshpftc.  i 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen  Deutschamerikanischen   Lehrerbundes. 


IX*  lamiar  1908.  Reft  1 


Zum  neuen  Jahr. 


Den  Lesern  unserer  Zeitschrift  entbieten  wir  hiermit  unseren  auf- 
richtigen  Gliickwunsch  zum  Eintritt  in  das  neue  Jahr ! 

Alle,  denen  die  Forderung  der  deutschen  Bestrebungen  im  Dienste 
der  kulturellen  Entwicklung  unseres  Landes  am  Herzen  liegt,  haben 
Grand,  mit  Befriedigung  auf  das  Jahr  1907  zuriickzublicken ;  diirfen 
wir  doch  einen  Fortschritt  auf  der  ganzen  Lime  verzeichnen.  Wenn  auch 
die  Bedeutung  des  deutschen  Einnusses  auf  unsere  werdende  Nation  von 
Einsichtsvollen  im  Lande  von  jeher  anerkannt  wurde,  so  fehlte  es  doch 
bisher  gerade  im  Deutschamerikanertum  an  dem  stolzen  Bewusstsein  des 
eigenen  Wertes  und  an  dem  einmiitigen,  zielbewussten  und  geordneten 
Handeln.  Der  Deutschamerikanische  Nationalbund  hat  begonnen.  darin 
Wandel  zu  schaffen  -  -  freilich,  nur  erst  begonnen;  denn  noch  sind  die 
dem  Deutschen  eigenen  Nationalf ehler :  Sonderbiindelei,  Rechthaberei 
und  Missgunst  nicht  vollstandig  unterdriickt ;  noch  stehen  viele,  deren 
Mitarbeit  zum  Erfolge  beitragen  konnte,  abseits.  Aber  die  Stagnation 
hat  aufgehort;  das  Deutschamerikanertum  verteidigt  nicht  nur  seine 
Rechte,  sondern  riickt  zum  Angriff  vor.  Je  mehr  sich  die  Erkenntnis 
Bahn  bricht,  dass  doch  im  Grunde  genommen  die  bisherigen  Werte  auf 
alien  Gebieten  unserer  Kultur,  nicht  allein  auf  ethischem  und  erzieh- 
lichem,  sondern  auch  wirtschaftlichem  Gebiete,  ihre  Unzulanglichkeit 
offenbart  haben,  um  so  mehr  sucht  man  nach  neuen  Werten.  Deutsche 


2  Monatshcfte  fur  deutsclie  Spraclic  und  Padagogik. 

Kultur  vermag  sie  zu  liefern.  Am  Dcutschamerikanertum  ist  es,  sich  als 
wiirdiger  Trager  und  Verfechter  dersclben  zu  erweisen. 

Auf  dem  Gcbiete  des  deutschcn  Unterrichts  1st  gleich  falls  ein 
Schritt  vorwarts  getan  worden.  Der  Lehrertag  in  Cincinnati  ist  ein 
Markstein  in  der  Geschichte  des  Lehrerbundes.  Seincn  Mitgliedern  waren 
die  Bcgeisterung  und  die  Hingabe,  die  in  friiheren  Jahren  in  den  Reihen 
der  alten  Kampen  herrschtcn,  verloren  gegangen.  Docli  der  Funke,  der 
noch  unter  der  Asche  von  Gleichgiltigkeit  und  mechanisctier  Schulhal- 
terci  des  lieben  Broterwerbs  wegen  glomm,  ist  von  neuem  aufgenammt. 
Aucb  bier  berechtigt  das  Erreichte  zu  den  schpnsten  Hoffnungen  fiir  die 
Zukunft.  Den  Deutschen  zeiclmet  in  der  Regel  eine  grosse  Portion  von 
Ziihigkeit  aus,  mit  der  er  sein  Ziel  verfolgt,  sobald  er  es  als  erreichens- 
wert  erkannt  hat.  Diese  Zahigkeit  braucht  der  Lehrer  des  Deutschen  ini 
hochsten  Masse.  Es  gilt  zunachst,  auch  in  ihm  das  Bewusstsein  von  der 
liohen  Mission,  die  ihm  in  dcm  Ringen  nach  Geltendmachung  deutscher 
Xulturwertc  zufallt,  zu  wecken  oder  zu  starken.  Es  gilt  weiterhin,  ihn 
durch  seine  Vorbildung  auf  allgemein  padagogischem  Gebiete  sowohl  als 
auch  auf  dem  speziellen  des  deutschen  Sprachunterrichts  zu  einem  wirk- 
samcn  Riistzeug  auszustatten.  Es  gilt  cndlieh,  die  Hindernisse,  die  in 
dem  Unverstand  der  grosse  Masse  gegeniiber  der  Bedeutung  des  deut- 
schen Sprachunterrichts  im  Dienste  der  kulturellcn  Entwicklung  des 
Landes  liegen,  aus  dem  Wege  zu  riiumen.  Die  Aufgaben  erscheinen 
schier  unlosbar;  und  doch  sind  sie  zu  losen,  wenn  auch  bier  zielbewusst, 
cncrgisch  und  mit  der  Beharrlichkeit,  die  vor  keiner  Schwierigkeit  zu- 
riickschreckt,  vorangcgangen  wird,  und  wenn  sich  die  Einsichtsvollen 
unter  uns  zu  einem  gcschlosscnen  Ganzen  vcrcincn.  Der  deutschameri- 
kaniscbe  Lehrer  steht  heutzutage  nicht  mehr  allein.  Gcrade  die  Besten 
aus  unsercn  Kreiscn,  welchem  Stamme  sie  auch  angehoren,  sind  (MRS 
mit  uns  in  unserem  Streben.  Hierin  liegt  die  Gewahr  fiir  die  gliickliche 
Losung  der  vor  uns  liegenden  Aufgaben. 

Unsere  Zeitschrift  tritt  mit  der  vorliegendcn  Xummer  in  ihren 
neunten  Jahrgang.  Auch  uns  hat  das  Jahr  1907  nicht  vergcssen.  Der 
J^ehrertag  in  Cincinnati  sicherte  uns  durch  seine  liberale  Bewillignng 
wenigstens  auf  drei  Jahre  unsere  Existenz.  Wenn  wir  jedoch  in  der 
Folgczeit  durch  ein  Anwachsen  der  Leserzahl  in  den  Stand  gesetzt  wiir- 
den,  auf  diese  finanzielle  Unterstiitzung  zu  verzichten,  so  sind  wir  an- 
massend  gcnug  auszusprechen,  dass  dieser  Erfolg  dem  Ganzen  zugute 
kommen  wiirde;  denn  auch  wir  betrachten  uns  als  ein  Mittel,  deutschen 
Jvulturidealen  Ycrbreitung  und  Forderung  angedeihen  zu  lassen. 
TTnseren  Lesern  und  insonderhcit  unsercn  Mitarbeitern  danken  wir  herz- 
lich  fiir  ilire  treue  Gefolgschaft  und  ihre  IJntcrstutzung  und  bitten  sie, 
uns  diese  auch  weiterhin  zu  bewahren. 


The  Training  of  the  Teacher  of  German.  3 

Das  Jahr  1908  liegt  noch  verschleiert  vor  uns.  Die  Yerhaltnisse^  in 
denen  das  alte  Jahr  die  deutsche  Sache  zuriickgelassen  hat,  erwecken  in 
uns  die  Hoffnung,  dass  der  Schleier  noch  Schoneres  und  Besseres  fiir  sie 
birgt,  als  das  Jahr  1907  ihr  geboten.  Dass  diese  Hoffnung  zur  Wahrheit 
werde,  dazu  bedarf  es  unser  aller  Eingreifen  und  Mithulfe. 

M.  G. 


The  Training  of  the  Teacher  of  German. 


By  John  Eiselmeier,  Nat'l  German-American  Teachers'  Seminary,  Mihvaukee. 


There  has  been  a  marked  improvement  in  the  training  of  teachers  in 
this  country  during  the  last  25  years.  Wisconsin,  in  particular,  has  made 
ample  provision  for  its  future  teachers  in  establishing  a  number  of 
normal  schools  and  in  creating  a  department  of  pedagogy  at  the 
university. 

The  training  of  the  teacher  of  German  must  include  all  those 
studies  which  are  now  pursued  in  the  high  and  normal  schools  by  those 
who  desire  to  become  teachers.  But  it  must  also  include  the  German 
language.  The  teacher  of  German  must  have  a  perfect  command  of  this- 
language.  This  seems  so  self-evident  that  it  may  sound  absurd;  yet  I 
am  compelled  to  lay  great  stress  on  this. 

A  perfect  command  of  the  language  includes  (1)  a  thuro  training, 
theoretical  and  practical,  in  the  phonology  of  the  language.  The  teacher 
must  know  how  the  various  sounds  of  the  language  are  produced ;  pre- 
cisely which  organs  of  speech  are  active  in  their  production,  and  how 
the  most  common  errors  of  pronunciation  may  be  overcome.  He  must 
also  have  such  practical  training  in  speaking  the  language  that  his  pro- 
nunciation may  well  be  accepted  by  his  pupils  as  a  model.  It  seems  to 
me  that  this  branch  of  the  language  is  at  present  neglected.  It  is  not  an 
uncommon  thing  to  hear  teachers  who  do  not  distinguish  between  the 
German  and  English  sounds  represented  by  the  letter  "w7*,  as  in 
"Wasser"  and  "water";  or  "r",  as  in  "run"  und  "rennen";  or  "1",  as  in 
"live"  and  "leben".  The  Umlaute  a,  o,  ii  und  au  are  too  frequently 
poorly  pronounced,  as  in  "Liste"  for  "Liiste";  "Hefe"  for  "Hofe"; 
"Ehre"  for  "Ahre";  "Meise"  for  "Mause".  The  sounds  represented  by 
the  letters  "ch"  become  either  "k"  or  "sh",  and  the  pronoun  "ich"  then 
becomes  either  "ik"  or  "ish";  "z"  is  frequently  softened  down  to  "s",  as 
in  "seigen"  for  "zeigen". 


*  Paper  read  before  the  German  Conference  of  the  Wisconsin  Teachers' 
Association,  held  at  Milwaukee,  Nov.  8th,  1007. 


4  Monatshefte  fur  deutsche  Sin-ache  und  Padagogik. 

Of  course,  there  are  a  few  disputed  points  in  German  pronuncia- 
tion, as  for  instance,  the  final  "g".  But  if  you  ask,  whether  or  not  we 
have  a  standard  of  pronunciation  in  German,  I  reply  by  asking,  if  there 
is  one  in  every  instance  in  English.  The  Standard  Dictionary  contains 
a  list  of  words  headed  "disputed  pronunciations",  which  fills  21  pages. 
Surely  we  have  the  same  degree  of  uniformity  in  German.  One  of  the 
following  works  should  he  in  the  hands  of  every  teacher  and  its  contents 
should  be  mastered  :  Hempl,  German  Orthography  and  Phonology,  Ginn 
&  Company.  Grandgent,  German  and  English  Sounds,  Ginn  &  -Com- 
pany. Victor,  Phonetik  und  Orthoepie,  Heilbronn,  Henninger.  Michae- 
lis,  Abriss  der  deutschen  Lautkunde,  Txiipzig,  Haberland. 

A  perfect  command  of  the  language  includes  (2)  a  thuro  knowledge 
of  the  grammar.  Theory  is  not  sufficient.  A  teacher  may  be  able  to 
decline  every  noun  and  conjugate  every  verb;  he  may  be  able  to  give  all 
the  rules  concerning  the  use  of  the  prepositions,  yet  ho  may  be  unable  to 
use  the  correct  forms  in  speaking.  Grammar  is  a  science,  speaking  is  an 
art.  The  training  in  this  art  must  be  so  thuro  that  the  teacher  is  able 
to  speak  the  language  f  1  u  o  n  t  1  y.  He  must  be  able  to  conduct  his 
work  entirely  in  the  German  language.  I  would  go  so  far  as  to  say  that 
he  must  be  able  to  teach  other  subjects,  as  history  or  German  literature, 
in  the  German  language. 

Again,  the  German  of  the  teacher  must  be  free  from  Anglicisms,  in 
word  order  as  well  as  in  the  choice  of  idioms.  Here  certainly  is  a  field 
for  improvement.  Anglicisms  are  far  too  common.  "Fur  einige  Tage 
nach  Milwaukee  gehen"  for  "A  u  f  eiuige  Tage  nach  Milwaukee  gehen" ; 
"ich  wohne  m  i  t  rneinen  Eltern"  for  "ich  wohne  b  e  i  meinen  Eltern" ; 
"das  Buch  gehort  x  u  ihm"  for  "das  Buch  gehort  ihm" ;  "in  diesem 
\Vege  fand  er  soinen  Tod"  for  "so  fand  er  seinen  Tod";  "sie  f  ragte 
ihn  f  ii  r  Geld"  for  "sie  bat  ihn  u  m  Geld".  Since  the  correct  use  of 
the  prepositions  is  difficult,  special  attention  must  be  paid  to  that  part 
of  grammar. 

But  I  repeat  it,  theoretical  grammar  is  insufficient;  the  teacher  must 
prove  his  proficiency  in  it  by  speaking  a  correct  German,  so  that  he  may 
Conduct  his  work  entirely  in  the  German  language. 

The  question  may  be  asked,  is  it  possible  to  train  teachers,  so  that 
they  may  reach  this  degree  of  proficiency  in  the  language?  If  anywhere 
in  this  country,  it  must  be  possible  in  this  state.  With  a  course  in  Ger- 
man extending  thru  eight  years  in  the  common  schools,  many  pupils 
enter  the  high  schools  with  a  fair  knowledge  of  the  language.  If  these 
pupils  take  an  advanced  course  in  the  high  schools  and  continue  the 
subject  in  the  normal  schools,  they  surely  must  be  able  to  speak  the 
language  correctly,  if  German  has  been  the  medium  of  instruction,  not 
only  in  the  common  schools,  but  also  in  the  high  and  normal  school. 


The  Training  of  the  Teacher  of  German.  5 

But  there  is  the  rub!  Generally  speaking,  English  is  used  as  the 
medium  of  instruction  in  our  higli  schools  and  must,  of  course,  be  the 
language  of  instruction  in  the  normal  schools.  The  pupils  can  not,  under 
these  conditions,  obtain  the  necessary  degree  of  fluency  in  the  language 
they  are  to  teach.  The  reason  German  is  not  used  in  the  class  room  to  a 
greater  extent  is  the  fact  that  many  of  our  teachers  of  German  do  not 
Themselves  possess  a  speaking  knowledge  of  the  language.  I  should  be 
glad  if  this  statement  were  erroneous.  To  prove  it  so,  let  the  discussion 
which  is  to  follow  this  paper,  be  carried  on  in  German. 

The  teacher  must  be  able  to  write  a  German  composition  or  paper; 
his  German  is  to  be  free  from  Anglicisms  and  non-German  idioms. 

The  teacher  of  German  must  be  familiar  with  the  history  and 
geography  of  Germany.  In  the  study  of  history,  modern  history  naturally 
occupies  a  much  larger  share  of  attention  than  former  periods  do.  I 
believe  that  this  subject  should  be  studied  in  the  German  language.  No 
better  opportunity  can  be  given  in  speaking  the  language  than  is  given 
in  this  manner. 

What  would  be  the  training  of  the  teacher  of  German  without  a 
knowledge  of  the  literature  of  Germany?  I  believe  that  this  subject 
should  be  studied  in  the  German  language  for  the  same  reasons  as  those 
given  for  history.  But  the  study  of  literature  should  be  more  than  dates 
and  names  of  writers  and  their  works.  It  should  give  the  future  teacher 
an  opportunity  to  become  acquainted  with  the  writings  of  the  leading 
modern  writers.  While  I  do  not  wish  to  say  that  Schiller  and  Lessing 
and  the  other  poets  are  to  be  neglected,  I  do  most  emphatically  say  that 
the  teacher  should  know  one  or  more  works  of  writers  like  Keller,  Haupt- 
mann,  Frenssen,  Ilosegger  and  others.  I  believe  that  "Der  grime  Hein- 
rich",  "Hilligenlei"  and  "Die  Forsterbuben"  will  give  the  teacher  a 
better  idea  of  modern  German  than  "Gotz  von  Berlichingen"  or  "Miss 
Sara  Sampson".  Over  100  years  have  passed  since  the  classic  writers  of 
Germany  have  written  and  the  German  language  has  developed  since 
that  time.  But  eliminate  names,  dates  and  lists  of  works  as  much  as 
possible.  I  would  rather  have  the  teacher  read  one  book  each  of  ten 
writers  than  learn  the  names  of  50  with  a  list  of  their  works. 

The  teacher  of  German  must  know  something  about  the  methods  of 
teaching  modern  languages.  He  must  know  to  what  extent  the  move- 
ment started  by  Professor  Vietor  of  Marburg  has  borne  fruit  in  modify- 
ing the  teaching  of  modern  languages  in  Europe.  He  must  also  be 
aware  that  there  has  been  a  breaking  away  from  the  old  grammar 
methods  in  this  country.  The  teacher  should  be  familiar  with  some  text 
book  along  these  modern  lines,  so  that  he  can  form  his  own  opinion  as  to 
the  value  of  this  movement. 


0  Monatshefte  fur  foutsche  Spracke  utid  Padagogik. 

There  must  be  connected  with  each  normal  school  a  model  school  in 
which  the  future  teacher  may  show  his  teaching  ability;  some  of  his 
practice  teaching  to  be  entirely  in  the  German  language. 

But  valuable  and  indispensable  as  this  preparation  is,  it  is  by  no 
means  all  that  is  required  to  make  a  teacher  x>f  German.  The  things 
above  enumerated  are  necessary,  but  they  are  technical;  there  is  some- 
thing else  which  is  even  more  essential,  and  that  is  the  spirit.  There 
must  be  created  and  cultivated  in  the  future  teacher  of  German  in  the 
course  of  his  training  a  sympathetic  attitude  which  enables  hiift  to  ap- 
preciate the  valuable  cultural  elements  which  German  possesses.  Anta- 
gonistic and  critical  inclinations  toward  German  life  must  be  eliminated 
The  teacher  must  learn  that  by  teaching  the  German  language  he  is  not 
only  to  impart  to  his  pupils  a  new  language,  but  to  open  to  them  a  wide 
vista;  to  open  to  them  channels  thru  which  new  cultural  elements  may 
flow  into  their  being;  that  while  acquiring  a  knowledge  of  the  language, 
they  may  also  absorb  German  thuroness,  German  love  for  beauty  and 
order,  the  German  spirit  of  research  for  its  own  sake,  German  idealism, 
and  above  all  that  German  characteristic  "Gemiit",  for  which  we  have 
not  even  a  commonly  accepted  designation  in  the  English  language; 
and  that  by  absorbing  these  valuable  elements  they  may  enlarge  and  im- 
prove their  own  culture. 

Unless  the  teacher  has  himself  absorbed  and  acquired  this  apprecia- 
tive spirit  in  the  course  of  his  training,  be  will  be  unable  to  pass  it  on, 
for  this  spirit  can  not  be  obtained  from  books ;  it  must  come  from  per- 
sonal contact ;  it  must  emanate  from  the  teacher  as  heat  does  from  a 
luminous  body.  And  this  spirit  will  then,  when  once  kindled,  like  the 
sacred  fire  of  the  vestals,  never  cease  to  glow  and  illumine. 

The  following  theses  are  submitted: 

1.  The  training  of  the  teacher  of  German  must  include  all  the 
branches  pursued  by  teachers  generally. 

2.-    It  must  include  a  thuro  training  in  the  German  language. 

•.}.  This  training  must  include  phonology,  grammar,  the  arts  of 
speaking  and  writing  the  language,  history  and  geography  of 
Germany,  and  German  literature. 

4.  It  must  include  methods  of  teaching  modern  languages,  and  a 
sufficient  amount  of  practice  teaching. 

5.  It  must  also  include  that,  which  for  want  of  a  better  term,  I  will 
call  Germanization. 


Zur   Frage:     1st  die  Fertigkeit  im   mtindlichen  Gebrauch 

der  deutschen  Sprache  vom  Lehrer  des 

Deutschen  zu  fordern? 


Geehrter  Herr  Griebsch ! 

Sie  haben  giitigst  die  Spalten  Hires  geschiitzten  Blattes  fiir  einen 
Meinungsaustausch  iiber  die  obige  Frage  zur  Verfugung  gestellt.  Mit 
meiner  Meinung  will  ich  auch  nicht  zurlickhalten.  Ich  stelle  mich  mit 
Herrn  Eiselmeier,  auf  dessen  Vortrag  ich  sehr  gespannt  bin,  entschieden 
auf  die  Seite  derer,  die  diese  Frage  mit  ja  beantworten. 

Das  Deutsche  ist  eine  lebende  Kulturspraehe,  imd  cine  solche  darf 
niclit  mit  den  toten  Sprachen  in  einen  Tnpf  geworfen  werden.  Die 
sogenannten  klassischen  Sprachen,  Latein,  Griechisch,  vielleicht  auch 
Hebriiisch,  mogen  immerhin  mit  dem  Hintergedanken  gelehrt  werden, 
class  das  Eindringen  in  den  Geist  dieser  Sprachen  imd  die  Kenntnis  der 
Literatur  in  denselben  der  Hauptzweck  des  Unterrichts  in  ihnen  sei. 
Tatsachlich  ist  die  geistige  Disziplin,  die  aus  solchem  Studium  sich 
ergibt,  ja  doch  die  Hauptsache.  Das  Studiuin  des  Deutschen  aber  nach 
der  alteii  Schablone  des  Gymnasialunterrichts  im  Lateinischen  und 
Griechischen  zuzuschneiden,  halte  ich  fiir  unzweckmassig,  ja  geradezu 
fiir  falsch. 

Der  Lehrer  des  Deutschen.  welch er  das  Deutsche  nicht  fliessend 
spree-hen  kann,  wird  sicherlich  bei  seinen  Schiilern  die  Fertigkeit  im 
miindlichen  und  schriftlichen  Gedankenausdruck  in  dieser  Sprache  nicht 
mit  Erfolg  fordern  konnen.  Man  darf  ziemlich  sicher  sein,  dass  die 
Unterrichtsprache  hier  durchweg  die  englische  sein  wird.  Das  Resultat 
eines  solchen  Sprachunterrichts  wird  dann,  soweit  die  Sprachfertigkeit 
des  Schiilers  in  Betracht  kommt,  nur  die  Kenntnis  einiger  deutschen 
Phrasen  sein  -  -  ein  Eesultat  des  deutschen  Unterrichts,  welches  die 
Gegner  desselben  so  sehr  zu  beklagen  vorgeben.  Ob  die  Schiller  bei  sol- 
cher  Lehrmethode  besser  in  den  Geist  der  Sprache  eindringen  und  die 
Literatur  derselben  besser  verstehen  lernen,  als  wenn  die  Unterrichts- 
sprache  deutsch  ware,  lasse  ich  dahingestellt.  Es  soil  in  der  Klasse  Zeit 
gespart  werden;  viele  Schiiler  konnen  besonders  zu  Anfang  den  gelehrten 
Auseinandersetzungen  des  Lehrers  nicht  folgen,  wcnn  er  deutsch  spricht, 
so  wird  dann  flottweg  englisch  gesprochen. 

Ich  mochte  hier  nicht  so  verstanden  werden,  dass  ich  so  weit  gehe, 
vom  Lehrer  zu  verlangen,  dass  er  in  der  deutschen  Unterrichtsstunde 
kein  englisches  Wort  sprechen  soil;  dergleichen  Extravaganzen  waren 
vor  etwa  fiinfundzwanzig  Jahren  in  die  Mode  gekommen,  als  man  die 


8  Alonataheftc  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

sogenannte  natiirliche  Methode  einfuhrte,  wonach  deutsch  ohne  Gram- 
matik  und  Wb'rterbuch  gelehrt  werden  sollte.  In  unseren  hoheren  Schu- 
len  hat  die  Methode  des  miihelosen  Aufschnappens  einer  fremden  Spra- 
che keinen  berechtigten  Platz. 

Bei  dieser  Gelegenheit,  da  ich  cinmal  von  Zeitersparnis  in  der 
Schule  rede,  will  ich  auch  noch  das  Argument  der  Gegner  des  deutschen 
Unterrichts  in  unseren  offentlichen  Schulen  erwahnen.  nainlich  dass 
dureh  die  deutsche  Unterrichtsstunde  dem  Unterricht  ini  Englischen 
Abbruch  getan  wcrde.  Langjahrige  Erfahrung  hat  dies  langst  wider- 
legt,  das  Argument  scheint  aber  unsterblich  zu  sein. 

Wenn  wir  den  Gedanken  weiter  analysicren,  dass  der  Lehrer  des 
Deutschen  nicht  fertig  deutsch  zu  sprechen  braucht,  um  dennoch  erfolg- 
reich  unterrichten  zu  konnen,  so  kommen  wir  notgedrungeii  zu  dem 
Schluss,  dass  der  deutsche  Unterricht  vorwiegend  ein  theoretischer  wer- 
den soil. 

Theoretischer  Unterricht  in  einer  fremden  Sprache  hat  gewiss  sein 
(lutes,  er  befordert  das  Denkvermogen  der  Schiller,  gibt  ihm  die  Idee, 
dass  er  den  Geist  der  Sprache  erfasst  hat,  wenn  er  die  Klassiker  dersel- 
ben  iibersetzen  kann,  besonders  wenn  er  ausserdem  etwas  Gotisch,  Alt- 
und  Mittelhochdeutsch  studiert  hat,  kurz  manchc  niitzliche  Dinge  wciss, 
von  denen  sich  mancher  nichts  traumen  lasst,  der  ein  recht  gutes  Deutsch 
spricht  und  schreibt. 

Soldi  theoretischer  Unterricht  erinnert  mich  immer  an  einen 
Schwimmunterricht,  der  auf  trockenem  Lande  gegeben  wird.  Die  Be- 
wegungen  beim  Schwimmen  werden  mit  grosser  Genauigkeit  gelehrt;  ob 
aber  ein  soldier  Schwimmunterricht  dernjenigen  im  nassen  Elemente 
vorzuziehen  sei,  das  iiberlasse  ich  dem  geneigten  Leser  zur  Beurteilung. 

In  meiner  friiheren  Stellung  als  Supervisor  des  deutschen  Unter- 
richts habe  ich  viele  Applikationen  von  angehenden  Ijehrern  des  Deut- 
schen erhalten,  die  solchen  theoretischen  Unterricht  auf  sogenannten 
Universitaten  genossen  hat-ten.  Natiirlich  waren  alle  Applikationen  in 
englischer  Sprache  geschrieben  und  bezogen  sich  meistens  auf  Tjehrerstel- 
len  an  der  ,,High  School".  Jedesmal  ersuchte  ich  die  Betreffenden  mir 
in  einem  deutsch  geschriebcnen  Briefe  anzugeben,  was  ihr  Bildungsgang 
gewesen  sei  und  wclche  Vorbereitung  sie  fiir  das  Lehren  des  Deutschen 
gehabt  batten.  Ich  habe  mir  noch  eine  Anzahl  von  solchen  Brief  en,  die 
ich  als  Antwort  crhielt,  aufgehoben.  Es  ist  eine  wirkliche  Ilaritaten- 
sammlung.  Wenn  Schiller  des  achten  Grades  unserer  Schulen  einige 
dieser  Briefe  geschrieben  batten,  so  hatte  ich  die  Lehrer  derselben  zur 
Rede  gestellt. 

Achtungsvoll 

//.  Woldmann, 

Cleveland,  0. 


IJberselzen  im  deutschen  Sprachunterricht.  9 

Ein  Franzose  iiber  die  deutsche  Sprache.  Der  Franzose  Henry  Le- 
grand  schreibt  in  seinem  beriihmten  Werke  iiber  Sprachwissenschaft : 
.,Wenn  ich  die  deutsche  Sprache  als  die  reichste,  biegsamste  und  brauch- 
barste  der  Welt  preise  und  die  deutschen  Biicherschatze  als  die  reichsten 
und  edelsten,  rede  ich  nicht  wie  einer,  der  blindlings  lobt  oder  nichts 
anderes  kennt.  Ich  habe  in  zwei  Weltteilen  gelebt,  in  ftinf  Sprachen 
meine  akademischen  Studien  und  Priifungen  gemacht,  in  drei  Sprachen 
Biicher  und  Zeitungsaufsatze  verfasst.  Dabei  habe  ich  die  deutsche 
Sprache  bevorzugen  miissen.  Nur  das  wunderbare  Werkzeug  der  deut- 
schen Sprache  kann  uns  erklaren,  dass  Dorfpfarrer,  Handwerker,  Bau- 
ern  ungezahlte  der  schonsten  Kirchenlieder  hervorbringen  konnten.  Man 
lese  die  alten  Klassiker  in  deutschen  Ubersetzungen  und  sehe,  wie  ge- 
nau  jedes  Versmass,  jedes  Wortspiel,  jeder  schallnachahmende  Ton.  die 
ganze  Versmusik  der  griechischen  Dichter  wiedergegeben  ist." 


In  wie  weit  darf  man  sich  beim  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  des  llbersetzens  ins  Englische  bedienen? 


Von  Prof.  Dr.  M.  M.  Skinner,  Leland  Stanford  Jr.  Univ.,  Calif. 


Bci  einer  Untersuchung  wie  der  vorliegenden  ist  zuerst  festzustellen, 
was  wir  in  Amerika  durch  den  deutschen  Unterricht  erzielen  mochtenr 
und  was  fiir  Kesultate  wir  erwarten  diirfen.  Das  Endziel  des  deutschen 
Unterrichts,  wenigstens  an  alien  hoheren  Lehranstalten,  mochte  ich  als- 
die  Fahigkeit  bezeichnen,  die  Meisterwerke  der  deutschen  Literatur  zu 
Jesen  und  zu  gleicher  Zeit  zu  wiirdigen  und  zu  geniessen,  und  zwar  ohne 
alle  Vermittelung  des  Englischen.  Diese  Fahigkeit,  die  wir  den  Schii- 
]ern  beibringen  oder,  besser  gesagt.  in  ihnen  entwickeln  wollen,  beruht 
allerdings  auf  einer  sprachlichen  Unterlage,  aber  diese  Unterlage  ist  kei~ 
neswegs,  wie  man  leider  oft  annimmt,  eine  rein  sprachliche.  Sprache 
und  Literatur  lassen  sich  nicht  als  zwei  gesonderte  Faktoren  behandeln, 
will  man  ein  lebendiges  Sprachgef iihl  erwecken ;  und  gerade  auf  der 
Erweckung  dieses  Gefiihls  beruht  aller  fremdsprachliche  Unterricht. 
Soil  der  Unterricht  fruchtbringend  wirken,  so  muss  er  in  erster  und 
letzter  Instanz  darauf  eingerichtet  sein,  das  Gefiihl  fiir  die  intimsten 
Schattierungen  der  vorgelegten  Idee  zu  erwecken,  fiir  die  unabsehbaren 
jtfebenbedeutungen,  die  das  Wort  oder  das  Idiom  im  Laufe  der  Jahr- 
h  under te  angenommen  hat.  Wir  wollen  das  Interesse  des  Schulers  so 
erregen  und  wach  halten,  dass  er  sein  Deutsch  nicht  wie  eine  gluhende 


1  Vortrag,  gehalten  vor  dem  californischen  Vereitt  von  Lehrern  der  deutschen 
Sprache,  den  5.  Oktober  1907. 


10  Monatshefte  fur  deutuclie  8prache  und  Padagogik. 

Kohle  fallen  lassen  wird,  sobald  er  die  Hallen  der  Universitat  verlasst. 
Wir  mtissen  versuchen,  ihm  eine  solche  Liebe  zur  deutschen  Literatur,  zur 
deutschen  Kunst,  zu  deutschen  Idealen,  zu  deutscher  Kultur  iiberhaupt 
einzuflossen,  dass  er  seine  Begeisterung  mit  in  die  grosse  Welt  hinaus- 
tragen  und  Zeit  finden  wird,  aucli  mitten  unter  dem  geschiiftigsten 
Hchlendrian  der  taglichen  Arbeit  seinen  Goethe,  seinen  Schiller,  seinen 
Keller,  seinen  Spielhagen,  seinen  Frenssen  in  die  Hand  zu  nehmen,  um 
aus  diesen  lebendigen  Quellen  neue  Kraft  und  neue  Inspiration  zu 
schopfen.  Wenn  wir  uns  als  Lehrer  der  deutschen  Sprache  diese  Aufgabe 
stellen,  so  muss  unser  Losungswort  sein,  erstens :  ,,Lesen,  mehr  lesen,  und 
noch  mehr  lesen" ;  und  zweitens :  „  Auf  den  Inhalt  kommt  es  an !" 

Wie  aber  so  lien  wir  verfahren,  um  viel  zu  lesen  und  zugleich  das 
oben  gesteckte  Ziel  zu  erreichen?  Auf  diese  Frage,  die  ich  mir  oft  selbst 
gestellt  habe,  eine  Antwort  zu  geben,  ist  der  Zweck  dieses  Vortrages. 

Wir  miissen  nun  von  vornherein  zugeben,  dass  man  zweier  Sprachen 
nur  im  seltensten  Falle  gleich  machtig  werden  kann.  Auf  keine  andere 
Mutmassung  diirfen  wir  eine  Lehrmethode  griinden.  Wir  miissen  mit 
bescheidenen  Besultaten  zufrieden  sein.  Mit  der  Muttersprache  kann 
man  schon  selbstiindig  verfahren;  xum  Studium  einer  fremden  aber  sind 
alle  Hilfsmittel  zu  gebrauchen,  die  uns  zu  Gebote  stehen.  Wenn  wir  die 
Verhaltnisse  und  die  Tingebung  dcrjenigen,  die  in  Deutschland  ihr 
Deutsch  lernen,  nicht  reproduzieren  konnen,  so  diirfen  wir  nicht  dieselbe 
Methode  anwenden,  wie  der  Lehrer  dcs  Deutschen  in  Deutschland.  Wir 
miissen  vielmehr  diese  Methode  je  nach  den  Bediirfnissen  verandern  oder 
eine  andere  den  Verhaltnissen  besser  angepasste  an  ihre  Stelle  setzen. 

Bei  Amerikanern,  die  nicht  deutscher  Abkunft  sind  und  folglicli 
nicht  die  Gelegenheit  gchabt  liaben,  Deutsch  zu  Hause  von  Kindesbeinen 
an  zu  horen,  ist  kein  Sprachgefiihl  vorauszusetzen.  Es  muss  langsam 
<entwickelt  werden.  Man  darf  aber  dabci  nicht  verfahren  wie  bei  dem 
englischen  Unterricht.  Denn  erstens  hort  der  Schiller  Deutsch  im  bestcn 
Falle  nur  fiinf  Stunden  in  der  Woche,  wahrend  das  Kind  die  ganze  Zeit, 
in  der  es  wach  ist,  nichts  hort  als  Englisch ;  und  zweitens  sind  bei  jenem 
als  Erwachsenem  die  psychologischen  Bedingungen  ganz  anderer  Art  als 
bei  dem  Kinde.  Bei  dem  Manne  darf  man  vieles  voraussetzen ;  seine 
Erfahrung  lasst  ihn  den  Zusammenhang  einer  Sache  erraten,  der  dem 
Kinde  ein  undurchdringliches  Geheimnis  bleiben  muss.  Das  Kind  ver- 
schwendet  viel  Zeit  beim  Lesen.  Es  braucht  nicht  und  sammelt  auch 
nicht  das  schwierige  sprachliche  Material,  das  sich  der  Erwachsene  an- 
eignen  muss,  wenn  er  jemals  die  betreffende  Sprache  iiberhaupt  einiger- 
massen  gut  gebrauchen  und  verstehen  soil.  Warum  nicht  den  Erwach- 
senen  die  Methode  verfolgen  lassen,  die  ihm  erlaubt,  alles  angeeignete 
Wissen,  alle  gesammelten  Kenntnisse,  kurz,  alk  Hilfsmittel,  die  ihm  zur 
Verfiigurig  stehen,  zu  verwerten? 


IJbersetzen  im  deutschen  Sprachuntcrricht.  11 

Wonn  wir  uns  umsehen,  linden  wir  abcr  z\vei  Lehrmethoden,  denen 
oieses  Prinzip  zu  Grunde  zu  liegen  scheint.  Die  beiden  nenne  ich,  nach 
der  Bezeichnung  des  vom  Ausschusse  des  Neuphilologenvereins  von  Ame- 
rika  abgefassten  und  alien  Lehrern  der  neueren  Sprachen  sehr  zu  empfeb- 
lenden  Berichtes  vom  Jahre  18.98,  die  grammatische  und  die  Lese- 
methode. 2) 

Die  vom  Unterricbt  in  den  klassischen  Sprachen  ubernommene 
grammatische  Methode  im  neusprachlichen  Unterricht  ist  mit  Eecht  und 
hoffentlich  mit  grossem  Brfolg  besonders  in  den  letzten  dreissig  Jahren 
vielfach  bekampft  worden.  Sie  besteht  darin,  dass  man  am  Anfang  die 
Grammatik  zum  Ubelwerden  studiert,  Deklinationen  und  Konjugationen 
auswendig  lernt  und  sich  dann  erst  ans  Lesen  wagt.  Auch  beim  Lesen 
ist  die  wichtige  Anwendung  der  grammatischen  Eegeln  die  Hauptsache. 
Mit  anderen  Worten,  der  Text  ist  bloss  da,  um  tibungen  in  der  Gram- 
matik zu  liefern.  Auf  den  selbstandigen  Gebrauch  der  Sprache,  auf  das 
Studium  und  die  Wiirdigung  der  Literatur,  auf  das  Verstehen  der  im 
Texte  enthaltenen  Ideen  und  Gedanken  ist  es  fast  gar  nicht  abgesehen. 

Bei  dieser  Methode  brauche  ich  mich  wohl  nicht  langer  aufzuhalten. 
Sie  ist  ganz  verkehrt.  Sie  regt  das  Interesse  des  Schiilers  nicht  im  ge- 
rbigsten  an.  Sie  stellt  das  tote  Gerippe  der  Sprache  zur  Schau  anstatt 
•den  lebendigen  Korper,  der  in  den  Gedanken  zu  finden  ist  und  sich  in  die 
schonen  Formen  kleidet,  die  in  der  feinen  "Wahl,  Anwendung  und  Ver- 


2  Die  natiirliche,  die  psychologische  und  die  phonetische  Methode  (siehe  oben 
genannten  Bericht)  haben  alle,  besonders  die  zwei  letzteren,  ihre  Lichtseiten  und 
Vorziige  und  kb'nnen  in  den  Handen  tiichtiger,  wohlgeschulter  Lehrer  wohl  zu 
einem  schonen  Ziel  ftihren.  Das  erreichte  Ziel  ist  aber  eher  die  praktische  Herr- 
schaft  iiber  die  Sprache,  Gelaufigkeit  im  Sprechen,  Geschicklichkeit  im  schrift- 
lichen  Gebrauch  der  Sprache.  Es  wird  dabei  zu  wenig  Riicksicht  auf  das  Studium 
und  die  Wiirdigung  der  Literatur  genommen,  zu  wenig  Zeit  bleibt  bei  diesen  Me- 
thoden  iibrig,  sich  eingehend  mit  dem  Sinn  des  Gelesenen,  mit  der  asthetischen 
Schatzung  der  Literatur  zu  beschaftigen.  Die  phonetische  Methode  ist  bei  weitem 
die  beste  der  drei  oben  genannten,  und  verschiedene  Ztige  daran  konnte  man  sehr 
vorteilhaf t  bei  der  von  mir  in  diesem  Aufsatz  vorgeschlagenen  Methode  verwerten. 
Beim  Unterricht  in  der  Aussprache  konnte  man  den  Studenten  die  richtige  Stel- 
lung  der  Sprachwerkzeuge  beim  Hervorbringen  eines  Lautes  oder  Lautkomplexes 
erklaren.  Der  Gebrauch  von  Anschauungsmaterial  wurde  gewiss  viel  dazu  bei- 
tragen,  in  den  Schiilern  ein  Interesse  f iir  die  Sache  und  das  notige  Sprachgefiihl  zu 
erwecken.  Die  phonetische  Methode  passt  besser  fur  jiingere  Leute,  und  gerade 
bei  solchen  sind  schone  Erfolge,  namentlich  in  Deutschland,  auf  den  Sekundar- 
schulen  (besonders  den  Realschulen)  erzielt  worden.  Ich  spreche  in  diesem  Vor- 
trag  dagegen  in  erster  Linie  von  Studenten,  die  das  Studium  der  deutschen 
Sprache  erst  auf  der  Universitat  anfangen,  aber  auch  von  denen,  die  Deutsch 
schon  ein  paar  Jahre  auf  der  Sekundarschule  getrieben  haben  und  ihre  deutschen 
Studien  auf  der  Universitat  fortsetzen  wollen;  vom  Unterricht  also  auf  der  Uni- 
versitat  und  nicht  von  dem  auf  der  Sekundarschule. 


12  Monatshcfto  fur  dcutsche  Sprache  und  Padagogik. 

bindung  der  Worter,  also  im  Stil,  sich  offenbaren.  Gehen  wir  nicht  an 
den  Bucherschranken  dcr  alten  Klassiker  schnell  voriiber,  fast  mit  ver- 
'lialtenem  Atem,  aus  Angst  vor  dem  Rasseln  der  trockenen  Knochen  und 
dem  Gespenst  des  schweren,  ungeniessbaren  Studiums?  Das  ewige  Nach- 
sclilagcn  nn  Worterbuch  und  die  ewigen  Kegeln  mit  ihrem  iippigen  Ge- 
folge  von  Ausnahmen  schrecken  uns  vom  Lesen  sogar  der  schonsten  und 
geistreichsten  Werke  der  herrlichen  griechischen  und  lateinischen  Lite- 
ratur  ab. 

Aus  der  grammatischen  Methode  hat  sich  die  Lesemethode  ent- 
wiekell,  oder  die  Ubersctzungsmethode.  wie  sie  eigentlieh  riehtiger  zu 
nennen  ware,  wenn  wir  betrachten,  wie  sie  in  Amerika  gehandhabt  wird. 
Beide,  die  grammatische  und  die  Lesemethode,  gelreii  oft  so  ineinander 
iiber,  dass  es  schwer  wird  zii  sagcn,  wo  die  cine  anfangt  und  die  andere 
aufhort. 

Mit  dem  Ausdruck  tJbersetzungsmethode  bezeichne  ich  die  Methode, 
worin  das  Ubersetzen  des  deutschen  Textes  ins  Englische  als  die  Haupt- 
aufgabe  angesehen  wird  und  die  Grammatik  mir  als  Hilfsmittel  v.\\ 
dieseni  Ziele.  An  vielen  unserer  Hochschulen  linden  wir  dieses  Yerfah- 
ren  noch  in  vollem  (range.  So  gross  ist  die  Macht  der  Uberlieferung  und 
der  Gewohnheit,  von  der  Beqnemlichkeit  der  Sachc  zu  schweigen.  Es  ist 
freilich  viel  leichter,  so  7Ai  lehrcn,  wie  man  gelernt  hat,  und  was  die  A7or- 
bcreitung  des  Lehrers  auf  seine  Klassen  und  seine  gcistige  Anstrengung 
beim  Unterricht  bctrift't,  so  spart  or  sich  Zeit  und  Energie.  Aber  falsch 
ist  und  bleibt  das  Grundprinzip  dieser  Methode.  Demi  es  geht  von  dor 
Yoraussetzung  aus,  dass  man  die  Worte  einer  Sprache  in  cine  andere 
iibertragen  kann,  ohne  den -Sinn  zu  schadigen.  Das  ist  aber  eine  Umnog- 
lichkeit;  dabei  geht  schliesslich  der  Geist  der  Sprache  verloren.  Wir 
konnen  wohl  ein  Meisterstiick  der  englischen  Literatur  zustande  bringen, 
fiber  deutsch  ist  das  Werk  nicht  mehr.  Die  Worter  zweier  verschiedener 
Sprachen  decken  sich  gegenseitig  nicht.  Es  bleibt  immer  ein  mehr  oder 
weniger  grosser  Unterschied,  der  nicht  zu  iiberbriicken  ist.  Die  Worter 
einer  Sprache  sind  die  Triiger  der  Kultur,  und  die  geschichtliche  und 
soziale  Entwicklung  des  Landes,  wo  sie  einheimisch  sind,  haben  miichtig 
auf  sie  eingewirkt.  Die  deutschen  Worter  stellen  uns  cine  ganz  andere 
Situation  oder  Stimmung  dar  als  die  sogenannten  entsprechenden  eng- 
lischen. Ein  anderes  geistiges  Bild  geht  uns  beim  Lesen  derselben  auf. 
Die  einzelnen  Worter  und  Idiomc  haben  nicht  nur  an  und  fur  sich  Be- 
deutungsnuancen,  die  empfunden,  gefiihlt  werden  miissen,  niemals  aber 
in  einer  fremden  Spradie  wiedergegebcn  werden  konnen  (vgl.  Gemiit, 
(Jemiitlichkeit,  T^elx^nsfreude,  T^ebenslust),  sondern  sie  nehmen  auch  noch 
in  ihrem  Satzzusammenhange  Xebenl>edeutungen  an.  Fast  dtirfte  man 
behaupten,  dass  ein  Wort  mitunter  eine  uncndliche  Bedeutungsfahigkeit 
in  sich  tragt. 


\Jbersctzen  im  deutschcn  Sprachunte-rricht.  13 

Wird  nun  vollends  diese  Ubersetzungsmethode  auf  das  Gebiet  der 
Poesie  iibertragen,  so  wirkt  sie  geradezu  verderblich,  und  die  barbarische 
Zerstuckelung  des  herrlichen  Originals  wird  zur  Versiindigung  an  der 
Literatur,  an  der  Kunst.  Bei  der  Poesie  muss  man  die  ganze  Macht  des 
Rhythmus,  des  Reims  und  des  Wohlklanges  in  der  heimisclien  Sprache 
i'iihlen  und  empfinden,  um  von  dem  Sinne  und  der  Bedeutung  derselben 
ganz  durchdrungen  zu  werden  und  das  Gedicht  geniessen  und  wiirdigen 
zu  konnen.  In  einein  seiner  sogenannten  ,,kleinen  Roinane",  betitelt 
,,In  der  zwolften  Stunde"  (1860),  legt  Friedrich  Spiclhagen  dem  Helden 
des  Romans,  dem  Grafen  Sven  von  Tissow,  folgende  Worte  in  den  Mund : 
,,Freilich,  das  Gedicht  (The  Raven  of  Edgar  Allen  Poe)  ist  \vohl  uniiber- 
setzbar,  wie  im  Grunde  genommen  jedes  Gedicht.  Ich  scheue  mich  fast, 
nachdem  ich  Poe  so  sehr  gepriesen  habe,  ihn  jetzt  den  Damen  in  dem  ent- 
stellenden  Gewande  einer  Ubersetzung  vorzufiihren." 

Jawohl,  Gedichte  sind  uniibersetzbar,  aber  auch  die  besten  Tjber- 
tragungen,  seien  sie  auch  mustergiiltig  in  der  fremden  Sprache,  geben 
die  Stimmung  und  den  inneren  Sinn  des  Originals  nicht  wieder.  Folg- 
licli  sollten  Gedichte  niemals  vorgenommen  werden,  bis  der  Schiller  der 
deutschen  Sprache  ziemlich  miichtig  ist.  Ich  spreche  selbstverstandlich 
von  echter  Poesie,  von  Kunstwerken,,  nicht  von  den  kleinen  Erzahlungen 
in  Versen,  die  aber  auch  ebenso  gut  in  Prosa  batten  geschrieben  werden 
konnen.  Es  ist  besser,  weitaus  besser,  verstiindnisinnig  auch  nur  ein 
paar  Gedichte  in  der  Ursprache  zu  lesen  als  ein  paar  tausend  schablonen- 
haft  in  der  Klasse  zu  iibersetzen. 

Das  Endziel  muss  also  sein,  den  Inhalt  des  Buches  ohne  Vermitte- 
lung  des  Englischen  verstehen  zu  konnen.  Das  wird  aber  durch  das  ebon 
erklartc  Yerfahren  nur  in  den  allerwenigsten  Fallen  erreicht,  auch  wenn 
der  Lehrer  dieses  Ziel  als  das  richtige  anerkennt.  Denn  vom  Inhalt 
spricht  man  gewohnlich  erst  nach  der  Ubersetzung  oder  auch  gar  nicht. 

\Vir  brauchen  nur  die  Mitglieder  einer  Klasse,  wo  wir  die  tiber- 
^etzungsjnethode  verfolgt  baben,  zu  befragen,  um  uns  zu  iibcrzeugen.  dass 
sie  bloss  eine  gewisse  mechanische  Sicherheit  im  Ubersetzen  gewonnen 
habcn.  VTor  ein  paar  Jahren  stellte  ich  einige  Versuche  an,  um  zu  erfah- 
ren,  inwiefern  die  Schiller  den  Sinn  der  verschiedenen  aufgegebenen 
Stellen  erfassten,  mit  anderen  Worten,  inwieweit  sie  selbstandig  und  ver- 
standig  arbeiteten.  Ich  liess  sie  also  mehrere  Wochen  lang  immerfort 
iibersetzen,  ohne  dass  ich  ihnen  wahrend  der  Zeit  irgend  etwas  iiber  das 
Gelesene  sagte.  Am  Ende  der  Zeit  war  ich  nicht  wenig  verblufft  und 
enttauscht  zu  erfahren,  dass  die  allermeisten  Schiller  auch  nicht  das  ge- 
rmgste  wahre  Yerstiindnis  fiir  den  Sinn  der  taglichen  Arbeit  gehabt 
hatten  und  nur  die  allgemeinsten  Fragen  iiber  den  Fortgang  der  Erzah- 
hing  beantworten  konnten,  oft  auch  nicht  einmal  das.  Yon  selbstandigen 
Ideen  iiber  die  irn  Buche  enthaltenen  Gedanken,  iiber  den  Stil,  die  Yor- 


14  Moiiatsliefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

ziige  oder  Nachteile  des  Werkes  oder  liber  die  feineren  Details  der  Erzah- 
lung  fand  ich  bei  fast  alien  keine  Spur. 

Schiiler,  die  die  tfbersetzungsmethode  verfolgt  haben,  sind  cs  ge- 
wohnt,  ihre  dcutschcn  Texte  bloss  als  Ubersetzungsbiicher  zum  Ubersetzen 
anzusehen,  und  auf  diese  Aufgabe  verwenden  sie  ihre  ganze  Zeit,  Das 
Eesnltat  hiervon  ist,  dass  ihr  Interesse  fiir  die  deutsche  Sprache  so  ziem- 
]ich  erschlafft  oder  gar  eines  natiirliehen  Todes  stirbt.  Sie  sind  Sklaven 
des  WSrterbuches  geworden,  was  als  eine  der  schlimmsten  Folgen  dieser 
Methode  zu  bezeichncn  ist.  Die  Schiiler  werden  jedesmal  versueht,  so- 
gleich  zum  Worterbuch  zu  greifen  und  das  betreffende  Wort  nachzuschla- 
gen,  ehe  sie  auch  nur  einen  Augenblick  dariiber  nachgedacht  haben.  Oft 
nehmen  sie  das  Worterbuch  in  die  Hand,  ehe  sie  den  zu  iibersetzenden 
Text  aufschlagen  und  bei  der  ersten  geringsten  Schwierigkeit  machen  sie 
dasselbe  gleich  auf  und  wenden  die  Blatter  fieberhaft  urn,  um  die  Bedeu- 
tung  oder,  richtiger  gesagt,  die  Ubersetzung  (denn  an  Bedeutung  dcnkcn 
sie  wenig)  des  neuen  oder  gar  langst  gekannten  Wortes,  dessen  Sinn 
ihnen  aber  fiir  den  Augenblick  entf alien  ist,  zu  finden.  Oft  habe  ich 
Studenten  gefragt,  ob  das  bei  ihnen  der  Fall  sei,  und  jedesmal  dieselbe 
bejahende  Antwort  erhalten. 

Die  Ubersetzungsmethode  braucht  eine  Modification,  die  im  Grnnde 
genommen  so  radikal  ist,  dass  wir  es  eigentlich  mit  einer  neuen  Methode 
zu  tun  haben,  die  wir  wohl  ,,die  Inhaltsmethode"  bezeichnen  diirfen, 
\Vir  miissen  mehr  originelles  Denkcn  von  unseren  Schiilern  verlangenr 
weniger  mechanische,  autoinatische,  maschineninassige  Arbeit. 

(Fortsetzung  folgrt.) 


Das  Recht  der  linken  Hand.  Aus  Konigsbcrg,  der  Stadt  Kantsy 
konunt  die  Nachrieht,  dass  an  zwei  Biirgerschulen  Versuclie  mit  der  Er- 
zielmng  der  linken  Hand  in  Schreiben,  Zeichnen  und  anderen  Arbeiten 
gemacht  werden.  Die  Amerikaner  sind  uns,  wie  bekannt,  darin  voran- 
gegangen.  Unter  den  Deutschen  hat  vor  ctwa  einem  Jahrzehnt  Appe- 
lius  das  Recht  der  linken  Hand  auf  Ausbiidung  mit  ebensoviel  Umsicht 
wie  Einsicht  nachdriicklich  vcrfochten.  Der  Ruhm,  zuerst  die  Erhe- 
bung  der  linken  Hand  aus  ihrer  Gehilfen-  in  die  gleich wertige  Meister- 
stellung  mit  der  rechten  befiirwortet  zu  haben,  muss  dem  173G  zu  Darm- 
stadt geborenen  und  1769  zu  Bremen  verstorbcnen  geistvollen  Schrift- 
^teller  Helfrich  Peter  Sturz  zugesprochen  werden,  dessen  ,,Bittschrift 
der  linken  Hand  an  die  kiinftigen  Erzieher"  lautet : 

Wenn  euch  ein  Vater  des  A7olkes  einst  versammelt,  ihr  Freunde  der 
Jugcnd,  so  erwagt  auch  meine  Leiden  und  eifert  gcgen  das  Vonirteil, 
dessen  Opfer  ich  bin.  Ich  und  meine  Schwester  sind  Zwillingc  und  uns 
iiusserlich  so  ahnlich  wie  die  Blatter  eines  Baumes;  aber  eine  parteiische 


Pddagogischcr  Atuirchismus.  15 

Erziehung  hat  uns  zu  ganz  verschiedenen  Geschopfen  gemacht.  Mich 
Arme  gewohnte  man  friih,  meine  Schwester  als  eine  vornehme  Person 
zu  betrachten.  Sie  nahm  bei  jcder  Gelegenheit  den  Eang  iiber  mir.  Sie 
allein  wurde  belehrt  und  gebildet,  und  ich  wuchs  wie  eine  Bauerin  her- 
an.  Sie  wurde  irn  Schreiben,  Zeichnen  und  in  niitzlichen  Kenntnissen 
unterwiesen,  ich,  wie  eine  Magd  in  der  Familie,  nur  zu  verachtlichen. 
Arbeiten  geiibt;  und  wenn  ich  es  wagte,  die  Nadel  oder  Feder  zu  ergrei- 
fen,  so  waren  empfindliche  Sehimpfworter,  ja  nicht  selteii  die  Rule  mein 
Lohn.  1st  es  nicht  ungerecht,  alle  Zartlichkeit  an  einem  Kinde  zu  ver- 
schwenden,  anerschaffene  Fahigkeit  nicht  zu  entwickeln,  eine  Rangord- 
nung  unter  den  Geschwi stern  zu  dulden,  die  allcs  wechselseitige  Ver- 
trauen  aufhebt?  —  In  unserem  Hause  fiigte  es  sich  zum  Ungliick,  dass 
wir  beide  unsere  Briider  und  Schwestern  ernahren  miissen,  und  diese 
Sorge  fallt  grosstenteils  auf  meine  wohlerzogene  Schwester.  Man  setze 
den  Fall,  dass  sie  bettlagerig  wiirde  (und  sie  ist,  leider !  mit  Gichtfliis- 
sen  geplagt)  miisste  dann  nicht  Hunger  und  Elend  unser  unverrneidli- 
ches  Los  sein?  Denn  ich  bin  nicht  geschiekt  genug,  um  einen  Bettel- 
brief  zu  schreiben,  und  muss  mich  auch  zu  diesem  Aufsatze  fremder 
Hande  bedienen.  Sie  kann  sterben,  und  es  bleibt  unserer  verlassenen 
Familie  keine  Versorgerin  iibrig. 

0  gebieten  Sie  den  Eltern  gegen  ihre  Kinder  alle  eine  ungeteilfe, 
unparteiisclie  Liebe ! 

Ich  bin  Ihre 

demiitige  Dienerin 
die  linke  Hand. 
(Aus  ,,Deutscher  Friihling^'. ) 


Otto  Ernst  iiber  padogogischen  Anarchismus.  Otto  Ernst,  der 
Hamburger  Dichter,  der  Verfasser  des  ,,Flachsmann  als  Erzieher",  der 
Mann,  der  vor  einem  Jahrzehnt  noch  den  Religionsunterricht  durch  Mo- 
ralunterricht  und  Literatur  ersetzen  wollte,  der  gewiss  keiner  reaktionii- 
ren  Tendenzen  verdiichtig  ist,  er  hat  einen  Schrecken  bekommen  vor  den 
Geistern,  die  er  rufen  half,  und  lasst  sich  jetzt  kraf tiglich  so  aus :  ,,IIeu- 
tigen  Tages  kann  man  der  Wiedergeburt  der  Padagogik  nicht  besser  die- 
nen,  als  wenn  man  zunachst  jene  lieben  Leutchen  abschiittelt,  die  bei 
alien  solchen  Fragen  unverantwortlich  mitreden  und  immer  die  extrem- 
sten  Forderungen  erheben,  weil  sie  iiber  eine  extreme  Unkenntnis  der 
realen  Verhaltnisse  und  Moglichkeiten  verfiigen.  Es  ist  das  unvermeid- 
liche  Schicksal  neuer  und  guter  Gedanken,  dass  sie  bomierte  und  fana- 
tische  Anhanger  fmden,  die  sie  bis  zum  Unsinn  iibertreiben;  es  ist  die 
Tragik  grosser  Ideen,  dass  sie  in  den  kleinen  Kopfen  klein  werden  mils- 
sen.  ...  So  hat  sich  denn  auch  der  grosse  und  herrliche  Gedanke  einer 


36  Monatshcfte  fur  deutsche  Spraclie  und  Pddagogik. 

Renaissance  der  Padagogik  durch  Befreiung  der  Kindcssecle  von  einem 
enggeistigen  und  engherzigen  Zwange  in  gewissen  Kopfen  zu  einem  voll- 
standigen  padagogischenAnarchismu  s  ausgewachsen.  Man 
tut  nachgerade  so,  als  ware  jeder  Eingriff  in  die  kindliche  Freiheit,  auch 
der  notwendigste  und  verniinftigste,  ein  Ausfluss  bornierter  Herrsch- 
sucht  und  ein  Verbrechen  am  Allerheiligsten ;  man  sieht  das  Kind  nur 
noch  auf  einem  Gottesthronc  und  misst  den  Erwachsenen  nur  noch  die 
Berechtigung  zu,  ihm  ohne  Unterbrechung  Gold,  Weihrauch  und  Myrr- 
lien  darzubringen.  Ich  halte  Ideale,  auch  die  unerreichbaren  Ideale,  nicht 
nur  fiir  notwendig  und  schon,  sondern  bin  auch  der  Meinung,  dass  wir 
sie  bei  all  unserem  Tun  vor  Augen  und  im  Herzen  haben  sollen,  dass 
sie  all  unser  Streben  durch warmen  miissen,  \vie  die  Sonne  den  Acker. .  . 
Aber  ich  kann  auf  den  Tod  die  Leute  nicht  leiden,  die  immer  mit  zwei 
Schritten  beim  let/ten  Ideal  sind  und  so  tun,  als  wenn  die  Menschen  in 
drei  Tagen  das  Paradies  fertig  haben  konnten,  wenn  sie  nur  wollten. 
Ich  babe  von  Anarchisten  auf  die  Frage,  wie  sie  sich  unter  den  Menschen 
der  nachsten  Jahrtauscnde  ein  Leben  ohne  Zwang  diichten,  niemals  an- 
dere  als  torichte  oder  ausweichende  Antworten  bekommen.  . .  .  Ganz 
dasselbe  gilt  von  den  Erziehungsanarchisten.  Ob  das 
Kind  auch  dann  nicht  ,,gezwungen"  werden  soil,  wenn  es  die  Hand  ge- 
gen  seine  Mutter  erhebt,  und  ob  es  nicht  richtiger  ware,  es  schon  etwas 
eher  zu  ,,zwingen",  und  wo  die  Grenze  sei,  an  der  der  Zwang  beginnen 
diirfe,  darauf  haben  mir  die  Erziehungsanarchisten  entweder  gar  nicht 
oder  sehr  allgemein  geantwortet.  ,,Ungehinderte  Entwicklung  der  Indi- 
vidualitat"  ist  doch  auch  nur  cine  iible  Phrase  und  ein  hochst  gefiihrli- 
ches  Prinzip,  wenn  die  betreffende  Individualitat  zur  Verlumpimg 
neigt."  (Vergl.  Otto  Ernsts  neues  Schriftchen:  ,,Des  Kindes  Freiheit 
und  Freude."  Leipzig,  Haessel.) 


Lutherisch  oder  lutherisch?  Uber  die  Betonung  dieses  Wortes  le- 
sen  wir  in  einer  Brief kastennotiz  der  Zeitschrift  des  Allg.  D.  Sprach- 
vercins  folgendes :  Was  von  beiden  r  i  c  h  t  i  g  ist,  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen.  Die  Betonung  lutherisch  ist  fremden  Ursprungs,  vom  la- 
teinischen  Worte  luthericus  widersinnig  auf  das  Deutsche  iibertragen, 
wohl  unter  dem  Einflusse  der  haufigen  Nachbarschaft  von  ,,evangelisch", 
aber  auch  des  Gegensatzes  ,,kath61isch".  Wie  unnatiirlich  dieser  Ton- 
fall  bei  dem  deutschen  Worte  ist,  wird  man  erst  gewahr.  wenn  man  ihn 
auf  andere  Wb'rtcr  derselben  Bildung  anwendet,  also  z.  B.  malerisch,  wie 
es  gelegentlich  im  Scherze  geschieht.  Die  zahlreichen  gleichen  Eigen- 
schaftsworter  verhalten  sich  ebenso,  man  denke  nur  an  dichterischj 
schopferisch,  bau(e)risch,  rauberisch,  heuchlerisch,  Hignerisch,  redne- 
risch,  traumeriscl),  kriegeriscli,  schwa rmerisch.  So  ncnnt  das  Deutsche 


25.  Jahresversammlung  der  M.  L.  A.  17 

Worterbueh  6,135,  lutherisch  die  valte  richtige  Betonungu  und  belegt 
ihren  Gebrauch  durch  Verse  aus  J.  Ayrer  und  L.  Sandrub  fur  die  alte 
Zeit,  fiir  die  neueste  aus  Schillers  Wallenstein,  ferner  durch  die  von  Fle- 
ming und  Logau,  besonders  aber  von  Lessing  verwendeten  Kiirzungen 
(in  luthrisch  und  luthersch),  die  natiirlich  nur  rait  der  deutschen  Aus- 
sprache  vereinbar  sind;  die  lateinische  Betonungsweise  bezeichnet  das 
Worterbuch  ohne  weitere  Nachweise  als  in  Norddeutschland  ausgebildet. 


Die  Ansteckungsgefahr  bei  den  Kinderkrankheiten.  Die  Gefahr  der  ubertra- 
gung  ist  bei  den  verschiedenen  Infektions-Krankheiten  verschieden.  Bei  der 
Diphtheritis  (Briiune)  beginnt  die  Ansteckungsgefahr,  wie  Dr.  Griinhut  im  ,,Ge- 
sundheitslehrer"  darlegt,  mit  dem  Auftreten  des  Belages;  sie  endet  aber,  wie  sich 
gezeigt  hat,  noch  nicht  mit  dem  Verschwinden  des  Belages,  sondern  halt  vielmehr 
noch  einige  Tage  spater  an.  Die  Isolierung  nach  iiberstandener  Diphtheric  soil 
daher  noch  einige  Wochen  dauern.  Bei  den  Masern  ist  die  Ansteckungsmoglichkeit 
gerade  zu  Beginn,  noch  ehe  der  Hautausschlag  da  ist,  am  grossten,  weshalb  die 
Isolierung  meistens  zu  spat  kommt  und  zwecklos  ist;  nur  unter  besonderen,  vom 
Arzte  zu  beurteilenden  Umstiinden  oder  bei  ganz  kleinen  Kindern  hat  sie  einen 
»Sinn.  —  r.eim  heimttickischen  Scharlach  ist  im  Gegensatz  zu  den  Masern  die  An- 
steckungsgefahr im  Anfangsstadium  etwas  geringer  als  zur  Zeit  der  Abschuppung; 
der  Scharlachkeim  behiilt  ferner  lange  Zeit  seine  Wirksamkeit;  erst  mindestens 
sechs  Wochen  nach  Beginn  der  Erkrankung  darf  der  Verkehr  mit  dem  Kranken 
wieder  aufgenommen  werden.  Eine  friihzeitige  Isolierung  ist  beim  Scharlach 
meist  erfolgreich.  Das  Krankenzimmer  muss  hier  besonders  griindlich  desinfiziert 
werden,  da  der  Scharlachkeim  auch  noch  langer  als  sechs  Wochen,  ja  monatelang, 
sich  wirksam  erhillt.  uberhaupt  sollen  beim  Scharlach  Isolieruirg  und  Desiwfek- 
tion  aiifs  strengste  und  riicksichtsloseste  durchgefiihrt  werden.  --  Beim  Keuclv 
husten  haftet  der  Ansteckungskeim  nur  in  den  Auswurf steilen ;  er  wird  daher  ge- 
wohnlich  durch  Anhusten  von  Person  zu  Person  iibertragen,  kann  aber  auch  durch 
Ess-  und  Trinkgeschirr,  durch  Spielen  auf  mit  diesen  Keimen  verunreinigtem 
Boden,  im  Sand  u.  dgl.  verbreitet  werden.  Da  die  Ansteckungsgefahr  in  den  ersten 
Tagen  der  Erkrankung  noch  gering  ist,  hat  rechtzeitige  Isolierung  meist  den 
erwiinschten  Erfolg. 


Bench te  und  Notizen. 


Die  25.  Jahresversammlung  der  Modern  Language  Association 
of  America. 


Die  Modern  Language  Association  of  America,  die  mminehr  ihr  erstes 
Vierteljahrhundert  vollendet  hat,  hielt  vom  20.  bis  zum  28.  Dezember  1907  auf 
Eliiladung  der  Staatsuniversitiit  Ohio  in  Columbus  ihre  Jahresversammlung 
ab,  zu  der  sich  die  ostliche  wie  die  zentrale  Abteilung  gemelnschaftlich  ein- 
1'anden.  Der  Besuch  war  in  Anbetraeht  der  Lage  des  Versaiiimluiigsortes  sehr 
l>efriedigend ;  bis  zum  Mittng  des  27.  hatten  sich  eiuhnndertzebn  Teilnehmer 
in  dieListe  eingetragen.  Der  llauptanteil  fiel,  wie  zu  erwnrten  stand,  auf  den 


18  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

mittleren  Westen ;  der  Osten  war  erheblich  besser  vertreten  als  auf  der  letzten 
gemeinschaftlichen  Tagung  vor  vier  Jahren ;  verhaltnismassig  schwach  war 
der  Siiden  erschienen,  und  sebr  unliebsam  wurde  es  vermerkt,  dass  eine  grosse 
Anstalt  des  mittleren  Westens  weder  auf  dein  Programm  noch  auf  der  Besu- 
cherliste  zu  linden  war. 

Der  Begriissungsansprache  Dr.  W.  O.  Thompsons,  Prasidenten  der  Univer- 
sitiit,  folgten  die  Bericlite  des  Schriftff Hirers,  Professors  C.  II.  Grandgent,  und 
des  Kassenwarts  Dr.  W.  G.  Howard,  denen  die  erfreuliche  Tatsache  zu  ent- 
nehmen  war,  dass  der  Verband  iiber  IKK)  Mitglieder  ziihlt  —  eine  Zunahnie  von 
iiber  fiinfzig  Prozent  seit  1902  —  und  daran  denken  kann,  das  Verbandsorgan, 
die  Publication*,  betriichtlich  zu  erweitern,  vielleicht  gar  in  einiger  Zeit  jiihr- 
lich  zwei  Biinde  erscheinen  zu  lassen. 

Von  den  insgesamt  25  zur  Verlesung  konimenden  Vortragen  entflelen  dies- 
mal  nur  seehs,  von  den  fiinfzehn  nur  deui  Titel  nach  angesetzten  und  auf  dem 
Programm  auszugsweise  wiedergegebenen  Arbeiten  sieben  auf  das  Gebiet  der 
deutsehen  Sprache  und  Literatur.  Zur  ersten  Gruppe  gehorten  ,,Notes  on 
Luther's  Language"  von  Prof.  W.  W.  Florer,  Univ.  Michigan ;  ,,An  alleged 
Travesty  of  Ossian  and  other  Notes  OH  Heine"  von  Prof.  B.  J.  Vos,  Johns  Hop- 
kins Univ.;  ,.The  Schildburgcr"  von  Prof.  J.  Morris,  Univ.  Georgia;  ,Jtock- 
spiel  Martini  Luther*"  von  Prof.  E.  K.  J.  H.  Voss,  Univ.  Wisconsin;  ,,Doppel- 
und  Kreuzreime  im  Beowulf  und  im  Heliand"  von  Dr.  B.  Q.  Morgan,  Univ. 
Wisconsin  (statt  des  angekiindigten  ,,The  Poet  of  the  Nibelungenlied"),  und 
,,The  Sensationalism  of  Richard  Wagner"  von  Prof.  S.  P.  Capen,  Clarke  Col- 
lege. Eine  Diskussion  riefen  nur  die  beiden  letztgenannteii  hervor ;  uberhaupt 
kam  es  auf  dieser  Versammlung  zu  auffallend  weuigen  Erorterungen  nach  den 
Vortragen,  trotz  der  zahlreichen  Zuhorerschaft,  zum  Teil  wohl  deshalb,  weil 
die  meisten  durch  eine  Debatte  das  ohnehin  stark  besetzte  Programm  noch  zu 
verlangern  fiirchteten. 

Dem  Titel  nach  angezeigt  waren  ,,Soeial  Problems  in  Grillparzcr'n 
Dramas"  von  Dr.  P.  G.  A.  Busse,  Ohio  State  Univ. ;  ,,The  German  Romantic 
Mdrchcn"  von  Prof.  R.  H.  Fife,  Jr.,  Wesleyan  Univ.;  ,,Bericht  iiber  das  Stu- 
dium  der  deutsehen  RomantecJinik"  von  Prof.  C.  H.  Handschin,  Miami  Univ. ; 
,,Rabener's  Theory  of  Satire"  von  Prof.  G.  Lehmann,  Kentucky  Univ.;  ,.On  the 
Principles  of  Naturalism  in  Modern  German  Literature"  von  Prof.  O.  E.  Les- 
sing,  Univ.  Illinois;,,  Variation  in  the  Orthography  and  Inflection  of  English 
Loan-Words  in  German"  von  Prof.  R.  Tombo,  Jr.,  Columbia  Univ. ;  und 
,,Grabbe's  Relations  to  Byron"  von  Mr.  J.  Wiehr,  Univ.  Illinois. 

Weitaus  die  glanzendste  Leistung  bot  der  Vorsitzende  des  Verbandes, 
Prof.  F.  N.  Scott,  Univ.  Michigan,  mit  seinem  tiefgriindigen,  geistvollen  und 
fesselnden  Vortrage  iiber  ,,Die  Entstehung  der  Sprache",  am  Abend  des  ersten 
Tages.  Seinen  Ausfiihrungen,  in  denen  er  sich  mit  den  bekannten  Theorien 
eingehend  auseinandersetzte  und  eine  neue,  wegen  ihrer  Einfachheit  iiber- 
raschende  Hypothese  aufstellte,  vermochte  man  auf  dem  hier  zur  Verfiigung 
stehenden  Raume  in  keiner  Weise  gerecht  zu  werden,  und  darum  sei  schon 
jetzt  auf  das  Schlussheft  des  in  diesem  Jahre  ausgehenden  Bandes  der 
Publications  verwiesen. 

Kin  Ausschussbericht  iiber  die  Frage,  wie  weit  im  neusprachliohen  Unter- 
richt  Texte  mit  Vokabularien  zuliissig  seien,  kam  leider  wegen  Zeitmangels 
nicht  zur  Verlesung;  ohne  Zweifel  hiltte  sich  die  Debatte  dariiber  sehr  lebhaft 
gestaltet  Angenommen  wurde  von  der  Versammlung  ein  Antrag  von  Prof.  J. 
W.  Cunliffe  betreffs  der  Beschaffung,  Eintragung  und  Bekanntmachuug  photo- 


Korrespondenzen.  19 

graphischer  Nachbildungen  alter  Texte  und  Handschriften  (zunachst  furs 
Englische,  in  der  Folge  jedenfalls  auch  auf  Deutsch  und  Franzosiseh  auszu- 
dehnen)  fiir  amerikanische  Universitaten ;  desgleichen  ein  von  demselben  und 
Prof.  E.  0.  Roedder  gemeinschaftlich  eingebrachter  Antrag  betreffs  der  Ein- 
fuhrung  ernes  Planes,  die  Gefahr  der  Wiederholung  gleicher  Themata  fiir 
Doktorarbeiten  soweit  als  moglich  zu  verringern ;  der  Beschluss  wurde  dem 
Verbandsvertreter  fur  die  am  9.  Januar  d.  J.  in  Ann  Arbor,  Mich.,  abzuhal- 
tende  Versammlung  der  Association  of  American  (Tnircrxitleft  zur  Darlegung 
vor  dieser  Korperschaft  iiberwiesen. 

Piir  die  Unterlialtung  der  Gaste  war  unifassend  gesorgt.  Nach  der  Rede 
des  Vorsitzenden  am  ersten  Abend  fand  im  Hause  des  Priisidenten  ein  Emp- 
fang  statt;  Freitag  mittag  vereinigte  man  sich  zu  einem  Gabelfriihstiick  in 
einem  der  Universitatsgebaude,  nnd  am  Abend  zu  einem  ,,Smoker"  in  den 
Riiuinen  des  Columbus  Club,  die  fiir  die  Dauer  der  ganzen  Versammluug  wie 
tiucli  die  des  Ohio  Club  in  liebenswiirdigster  Weise  den  Mitgliedern  der 
M.  L.  A.  geoffnet  waren ;  die  Kneiprede  liielt  Prof.  J.  It.  Smith,  Ohio  State 
University. 

Als  Vorsitzende  der  beiden  Verbandsgruppen  auf  das  kommende  Jahr 
wurden  gewahlt  Prof.  F.  M.  Warren,  Yale  Univ.,  fiir  den  Osten,  Prof.  O.  F. 
Emerson,  Western  Reserve  Univ.,  fiir  das  Mittelland.  Die  ostliche  Abteilung 
wird  in  den  nachsten  Weihnachtsferien  in  Princeton,  N.  J.,  die  zentrale  auf 
P^inladung  der  Northwestern  University  in  deren  Gebiiuden  in  Chicago  zu- 
samrnenkommen. 

E.  C.  Roedder. 


II.     Korrespondenzen. 


Cincinnati.  In  der   S  i  t  •/.  \\  n  g  des  deutschen 

Der      deutschamerikanische  Oberr  leh  r  e  r  ve  r  ein  s     in     der     er- 

S  tad  tver  band    von    hier    entfaltet  J*en    Dezembenvoche   hielt   Herr    Karl 

unter  der  Leitung  seines  in  dieaem  Mo-  TI,errl1e       el"en       8edieSenen     Vortrag 

Leben     steht     der     Verband     auf     der  tragesdahin    dassaus  den   Kinder     e- 

Wacht,     auch     fiir    die    Erhaltung    und  f ne    PersSnlichkeiten     werden     aollten 

Verbreitung      deutschen       Geisteslebens  keme  Kopien  yon  hnvachsenen    Xn  c ho- 

tragt     er     Sorge.       Zu      letztgenanntem  fm   ^nd^    muftse  .  der    .^^"t"1^tru' 

Zwecke    hatte     er    den    Universitatspro-  ^  /\!n.  T'  -/TT-    rT          T^      iVo 

fessor   Julius    Gobel    eingeladen,    am    11.  Selbsttatigkeit    befnedigt    werden. -1  01 

Dezember  hier  einen   Vortrag  zu  halten  Jf  hrerverein    ist     IrL    Llsie  Weis.lede 

und   zwar   uber    ,,Fichtes   Reden   an    die  *™   e1!nen   ™™h™  Klaviervortrag  und 

deutsche   Nation."     Verfolgt   der   Stadt-  FrL  Rosa  K-  Meyers  fur  zwei  mit   vie- 

verband   seine   vorgesteckten   Ziele   auch  ler   Inmgkeit   gesungene    Sopransoli     zit 

fernerhin  in  gleicher  Weise,   so  ist  ihm  grossem   Danke   verpflichtet.     Dr.   II.   H. 

seine    innere    Berechtigung     und    damit  Fick  teilte  mit,  dass  er  nach  Weihnach- 

eine   massgebende  und   bedeutende   Stel-  ten  vor  den  voreinigten  deutschen  I^ese- 

lung  in  Cincinnati  gesichert.  zirkeln  drei   Vortrllge  halten  werile  und 


x'O  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

dass  jeder  Vortrag  fiir  einc  Lesestunde  schen  Nationalbund"  ausgehenden  Anre- 
/iihle.  Die  Vortrage  werden  in  der  Aula  gung,  die  Taten  und  Errungenschaften 
<ler  sechsten  Distriktschule  stattfinden  der  Deutschamerikaner  in  der  geschrie- 
und  zwar  iiber  folgende  Theinata:  8.  benen  Geschichte  der  Vereinigten  Staa- 
.Fanuar,  ,,Nibelungenlied";  12.  Februar,  ten  zur  Wiirdigung  z\i  bringen.  Die  Vor- 
..Meistersiinger";  4.  Miirz,  ..Deutsch-  tragenden,  Herr  Leo  Stern,  Superinten- 
amerikanisehe  Dichtung.  dent  des  dent  schen  Unterrichts,  und 

Kine  Feier,  womit  der  Verein  vor  drei  Heir  Carl  Purin,  empfahlen  beide  den 
.lahren  zuni  ersten  Male  wohlverdiente  Unterricht  in  der  ..Deutschamerikani- 
Ehre  eingelegt  hatte,  wird  heuer  wieder  schen  Geschichte"  als  das  beste  und 
stattfinden,  nilmlich  Washingtons  wirksamste  Mittel  bei  der  heranwach- 
Geburtstagsfeier.  Die  Festlich-  senden  deutschamerikanischen  Jugend 
keit  wurde  auf  den  21.  Februar  anbe-  und  durch  sie  bei  ihren  Eltern, 
raumt  und  der  Vorstand  des  Vereins  Nationalbewusstsein  und  -stolz  zu  he- 
init  <len  Vorbereitungen  betraut.  ben.  Indem  wir  die  Kinder  tiber  diegei- 

Die  Leitung  unseres  deutschen  stigen  Errungenschaften  ihrer  Vorvater 
Theaters  hier  hat  die  Scharte,  die  und  den  gewaltigen  Anteil,  den  sie  an 
sie  sieh  in  der  letzten  Saison  besonders  der  materiellen  und  kulturellen  Ent- 
durch  etliche  minderwertige  Krsifte  zu-  wicklung  unseres  Adopt iv  -  Vaterlandes 
gezogen,  in  diesem  Jahre  vollauf  ausge-  ovjioinmen,  belehren,  flossen  wir  ihnen 
wetzt.  Die  neugewonnenen  Kriifte  sind  Liebe  und  Achtung  vor  ihren  deutschen 
vortreftlich  und  auch  die  aufgefiihrten  \"orfahren  ein.  Dieser  Gescliichtsunter- 
Stticke  waren  soweit  sehr  gut  und  bo-  riolit  soil  nicht  als  besonderes  Fach  ge- 
ten  reiche  Abwechslung.  Wahrend  der  trieben  werden,  sondern  in  Verbindung 
Weihnachtswoche  wurde  unsre  liebe  mit  dein  Sprachunterricht,  u.  z.  durch 
deutsche  Schuljugend  wieder  mit  der  Krzahlung  geptlegt  werden.  Die  Vortra- 
ewig  schonen  Miirchen  -  Aufftthrung  ge  wurden  mit  grossein  Beifall  aufge- 
..Schneewittchen",  die  A'or  zwei  Jaliren  nounnen  und  sie  werden  ohne  Zweifel 
in  den  Kinderherzen  so  viel  Anklang  Friichte  tragen.  Die  aus  Lehrern  und 
fund,  erfreut.  Herr  Otto  Ernst  Schmidt,  Lehrerinnen  bestehende  Klasse  in  der 
der  wackere  Direktor  des  deutschen  Stilistik  hat  jetzt  schon  unter  Herrn 
Theaters,  verdient  dafiir  ganz  besondere  Sterns  Leitung  den  Anfang  gemacht, 
Anerkennung.  E.  K.  Aufsjitze  iiber  deutschamerikanische  Ge- 

schiehtshelden   und   Leiter  der   Industrie 
Milwaukee.  zn  sehreiben,    die   spiiter  im  Klassenun- 

Ein  Ereignis  von  besonderem  Inter-  terrieht  verwandt  werden  sollen. 
esse  fiir  die  Freunde  des  T^ehrer  seminars  Der  hierdurch  angestrebten  He  bung 
und  des  gesamten  Deutschtums  unserer  u'n  d  Krilftigung  des  deut- 
Stadt  war  der  am  5.  Dezember  im  Leh-  s  e  h  e  n  Unterrichts  an  unseren 
rerseminar  gehaltene  Vortrag  von  ofl'ent lichen  Schulen  wird  auch  von  un- 
Prof.  Julius  Goebel  iiber  ,,Jo-  serin  Schulrat  Vorschub  geleistet,  der 
hann  Gottlieb  Ficht  e".  Wie  ganz  im  Sinne  dieser  Bestrebung  eine 
schon  in  der  Umschau  der  letzten  Num-  Priifung  in  der  allgemeinen  Weltge- 
mer  der  ,,Monatshefte"  betont  wurde,  s  c  h  i  c  h  t  e  ,  der  amerikani- 
war  dieser  Vortrag  nicht  nur  wegen  sei-  schen  Geschichte  und  Verfas- 
ner  interessanten  historischcn  Rtick-  sungskunde  von  den  Kandidaten  fiir  die 
blicke  fiir  uns  bedeutsam,  sondern  be-  Speziallehrerstelle  fordert.  Ausserdem 
sonders  auch  wegen  seiner  auf  unsere  wird  von  diesen  Kandidaten  eine  d  r  e  i- 
Aufgabe  als  Deutschamerikaner  bezug-  j  a  h  r  i  g  e  E  r  f  a  h  r  u  n  g  im  Lehrer- 
nehmenden  Stellen.  Unsere  Aufgabe  als  fach  in  Zukunft  verlangt.  Durch  diese 
Deutschamerikaner,  unsere  Mutterspra-  beiden  Forderungen  ist  auch  eine  He- 
che hier  in  Amerika  xu  pflegen  und  zu  bung  des  deutschen  Lohrerstandes  vor- 
erhalten,  erlangt  durch  den  geschicht-  aus/usehen  und  an  Stelle  der  jetzigen 
lichen  Hinblick  auf  Fichte  und  seine  ,im  Rang  und  Gehalt  beinahe  gleichge- 
Zeit  eine  hohere  Bedeutung.  Von  der  stellten  Amter  des  Oberlehrers  und  des 
Erf  ill  hi  ng  oder  Vernachliissigung  dieser  Hiilfslehrers  des  Deutschen  wird  eine 
unserer  Pflicht  htingt,  nach  Prof.  Goe-  Sonderung  treten,  die  nur  zum  Heil 
bels  Ansicht,  die  Zukunft  der  amerika-  wirken  kann.  Wir  liofTen  nur,  dass  un- 
nischen  Nation  selbst  ab.  ser  Schulrat  auch  die  Besoldung  dem- 

Zwei  Vortrage,  die  in  der  De  z  e  m  -  entsnrechend  regeln  wird.  (Gegenwartig 
b  e  r  s  i  t  z  u  n  g  des  ..Vereins  erhiilt  mancher  sog.  Oberlehrer  $75  und 
d  e  u  t  s  c  h  e  r  L  e  h  r  e  r"  gehalten  der  an  derselben  Schule  tatige  Hilf sleh- 
wurden.  behandelten  dasselbe  Thema  im  ivr  ?>80  monatlichen  Gehalt.)  Doch  un- 
Sinnc  der  von  dem  ..Deiitschaincnkani-  spr  Schulrat  beabsichtigt  uoch  in  diesem 


Korrespondenzen. 


21 


Schuljahr  die  Gehalter  sJimtlicher  Lehr- 
krafte  von  neuein  zu  iindern  und,  wenn 
irgend  moglich,  zu  erhohen. 

Der  Versuch  seitens  unserer  Lehrer- 
schaft,  eine  Pension  skasse.  zu 
griinden,  ist  an  einem  der  stets  auftau- 
chenden  Einheitsbefehle  gescheitert. 
Wie  tiblich  handelt  es  sich  nur  um  ei- 
nen  k  lei  nen  Formfehler,  einer  ,,technic- 
ality",  wie  unsre  Advokaten  es  nennen. 
Nun  heisst  es,  in  die  Tasche  greifen,  um 
einen  erfahrenen  Rechtsgelehrten  bei  der 
Abfassung  eines  neuen  Gesetzes  anzu- 
stellen,  das  im  Jahre  1009  der  Legisla- 
tur  vorgelegt  werden  soil.  Die  zweihun- 
dert  Lehrer,  die  sich  bereit  erkliirt  ha- 
ben,  die  Pensionskasse  zu  griinden,  ha- 
ben  beschlossen,  die  Agitation  fortzu- 
setzen,  und  sich  eine  monatliche  Steuer 
von  50  Cents  pro  Mitglied  auferlegt. 

Um  den  Unterricht  in  der  G  e- 
ographie  und  der  Geschichte 
zeitgemasser  und  rationeller  zu  gestal- 
ten  hat  unser  Superintendent  Carroll  G. 
Pearse  monatliche  Zusanimenkiinfte  der 
Lehrer  des  7.  und  8.  Grades  anberaumt. 
in  welchen  je  ein  modernes  Werk  fiber 
diese  Filcher  gelesen  und  besprochen 
wird.  Dr.  J.  W.  Redways  "New  Basis 
of  Geography"  und  Prof.  Henry  E.Bour- 
nes  "The  Teaching  of  Civics  and  Histo- 
ry"  sind  die  beiden  Werke,  die  Herr 
Pearse  zu  diesem  Zwec.ke  gewilhlt  hat. 
tiber  den  ev.  Erfolg  dieser  Konferenzen 
Avollen  wir  uns  noch  nicht  unterfangen, 
ein  Urteil  abzugeben.  Aber  Herrn 
Pearses  Vorgehen  ist  jedenfalls  nachah- 
menswert,  und  wenn  die  Lehrer  nur  ei- 
nen  TIauch  von  dem  Geiste  dieser  Wer- 
ke  in  die  Schulstube  tragen,  so  ist  schon 
viel  gewonnen.  Die  Grundlichkeit  deut- 
scher  Padagogik  zeigt  sich  an  beiden 
Biichern  und  es  kann  unseren  Lehrern 
nur  niitzen,  mit  solchen  Werken  be- 
kannt  zu  werden,  die  fortwahrend  auf 
die  besten  Muster  deutscher  Erziehung 
und  auf  den  Fortschritt  deutscher  Ge- 
lehrten  hinweisen.  C.  B.  S. 

New  York. 

Der  Verein  deutscher  Leh- 
r  e  r  von  New  York  und  U  m  g  e  - 
gend  kielt  am  7.  Dez.  seine  monatliche 
Versammlung  ab.  Auf  der  Tagesord- 
mmg  stand  die  Wahl  eines  Abge- 
ordneten  zu  den  Vereinigten 
deutschen  Gesellschaften 
an  Stelle  des  Herrn  Dr.  Kern,  der  sich 
dieses  Amtes  enthoben  wiinschte^  da  er 
jvnderweitiger  Vcrpflichtungen  halber 
den  .Sitzungen  unseres  Vereins  nicht  re- 
gclmiisFig  anzuwohnen  imstande  sei. 
H  err  Prof.  K  a  r  1  H  e  r  z  o  g  wurde 
einstimmig  zu  seinem  Nachfolger  er- 


wiililt  und  als  dessen  Ersatzmann  Herr 
Dr.  H.  Zick. 

Der  von  mehreren  Mitgliedern  ge- 
machte  Vorsehlag,  durch  Subskription 
den  notigen  Betrag  aufzubringen,  um  im 
nachsten  Soininer  einige  Delegate  n 
z  u  m  n  a  t  i  o  n  a  1  e  n  L  e  h  r  e  r  - 
tag  zu  senden,  wurde  allgemein  an- 
genonunen.  Es  darf  demnach  als  sicher 
gelten,  dass  miser  Verein  beim  nachsten 
Lehrertage  entsprechend  vertreten  sein 
wird. 

D  e  r  g  u  t  e  H  u  m  o  r,  durch  dessen 
Pflege  sicli  der  Verein  vor  anderen  aus- 
zeichnet,  kam  diesmal  besonders  zur 
Geltung,  indent  Herr  Dr.  Wilhelm 
Braun  von  der  Columbia  Universitiit  in 
seinemVortrage,  Der  r  i  c  h  t  i  g  e  B  e  r- 
line  r,  Wissenschaftliches  und  Humo- 
ristisches  in  hochst  aiiziehender  Weise 
zu  verbinden  verstand. 

Wer  Berlin  zum  voraus  kannte,  bei 
dem  wurden  eine  Reihe  recht  angeneh- 
mer  Erinnerungen  wachgeruf  en  ;  wer 
diese  Weltstadt  noch  nicht  gesehen  hat- 
te,  der  bekam  ein  iiusserst  lebendiges 
Bild  von  dem  Leben  und  Treiben  in  un- 
serer  Hauptstadt.  Dass  dieselbe  an 
Schiinheit  ihrer  franzosischen  Rivalin 
nachsteht,  kann  nicht  geleugnet  wer- 
den.  Wenn  man  bedenkt,  dass  an  der 
Verschonerung  von  Paris  sehon  seit 
ilahrhunderten  gearbeitet  wird,  wahrend 
in  Berlin  der  Verschonerungsprozess  seit 
kaum  50  Jahren  vor  sich  geht,  so  findet 
man  das  selbstverstiindlich.  In  einem 
Punkte  aber  steht  Berlin  weit  voran: 
die  offentlicheReinlichkeit  wird  daselbst 
aufs  eifrigste  gepflegt,  in  Paris  dagegen 
raehr  und  raehr  vernachlassigt. 

Der  Berliner  Dialekt  ist  ein  beliebter 
Gegenstand  der  Unterhaltung.  Es  ist 
nur  zu  bedauern,  dass  er  bei  dem  riesi- 
gen  Anwachsen  der  Stadt  mehr  und 
mehr  in  den  Hintergrund  tritt.  Er  bil- 
<Jet  die  Zwischenstufe  zwischen  Hocli- 
»«<!  Plattdeutsch  und  ist  mit  zahlrei- 
<*"«»  fratizSsischen  Eleraenten  vcr- 
mengt.  8elbst  echte  deutsche  Worter  er- 
Jialten  oftcrs  franzosische  Endungen  und 
Aussprache.  Der  Redner  berfihrte  dann 
allerlei  Phasen  des  Berliner  Lebens,  und 
die  kostlichen  Witze,  mit  denen  er  seine 
AusfUhrungen  wiirzte,  hielten  die  I^ich- 
muskeln  der  Zuhorer  in  standiger  Ta- 
t  igkeit  . 

An  den  Vortrag  knupfte  sich  eine  leb- 
hafte  Debatte,  in  der  man  zu  der  An- 
sicht  neigte,  dass  der  Berliner  in  seiner 
Heimat  eine  recht  sympathische  Person  - 
lichkcit  sei,  ausserhalb  derselben  aber 
infolge  einos  ungewohnlich  stank  ansge- 
priigten  Selbstl>ewnsstsein8  sich  keiner 
l>esonderen  Beliebtheit  ei*freue.  L.  H. 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


Prag. 

V  e  r  e  i  n  F  r  e  i  e  Schule.  ,,K  u  1  - 
t  u  r  und  K  u  1 1 u  s".  In  den  un- 
aufhorlichen  nationalen  Konflikten, 
uus  denen  sich  das  politische  Le- 
ben  der  osterreichisehen  Monarchic 
xuKiiminensetzt,  ist  ein  kur/er  Waf- 
fenstillstand  eingetreten.  Kin  neuer 
Kanipf  hat  den  ewigen  Krieg  fur 
eine  Zeitlang  unterbrochen,  in  seinem 
Zeichen  sammeln  sich  die  heterogen- 
sten  Elemente  zu  einein  noch  me  gese- 
henen.  kaum  je  erhofFten  Parteien-Kon- 
glomerat.  Ja,  ..Politics  makes  strange 
bed-fellows!"  Welche  gewaltige  Gefahr 
muss  ausgebrochen  sein,  dass  die  gegen- 
siitzlichsten  Faktionen  nicht  allein  im 
Reichstag,  nein.  allenthalben  auf  den 
Hohen  \ind  in  den  Niederungen  eines 
fast  kastenartig  zerstiickten  Volksle- 
bens  sich  zusammenscharen  zu  e  i  n  i  - 
ger  Abvvehr!  Denn  in  der  Tat: 
Deutschnationale  und  Deutschfreiheitli- 
che  —  Agrarier  und  Spzialdemokraten— 
Antisemiten  und  Zionisten  —  ja.  man 
hore  und  staune,  Deutsclie  und  Tsche- 
chen !  —  haben  sich  wie  e  i  n  Mann  er- 
hoben  zur  Verteidigung  und  Wahrung 
des  gemeinmenschlichen  Rechts  auf 
Fortschritt  und  Kultur.  Jn  Gsterreich 
ist  ja,  wie  kaum  noch  in  irgend  einem 
anderen  Staate,  das  Prinzip  der  voraus- 
setzungslosen  Forschung  in  der  Theorie 
ein  fiir  allemal  gewilhrleistet.  ..Die  Wis- 
senschaft  und  ihre  Lebre  si  ml  frei",  so 
lautet  der  stolzeste  Sat/  im  Staats- 
grundrecht  der  Monarchie.  Allein  der 
Glaube  an  die  Unverbriichlichkeit  der 
konstitutionellen  Bestimmung  wird  voii 
Zeit  zu  Zeit  selbst  bei  jenen  Leuten  jiih- 
lings  ersclflittert,  die  nicht  mit  ge- 
schiirften  Sinnen  wahrzunehmen  vermo- 
gen,  wie  sich  Tag  f  iir  Tag  unter  der  em- 
sig  wiihlenden  Feindeshand  die  Steine 
jener  (Jrundfeste  lockern.  Diesen  Leuten 
hat  auf  dem  jiingsten  Katholikentag  der 
Ffihrer  der  chriatlich-sozialen  Partei, 
der  Wiener  Bin-germeister  Lueger 
(spr.  Lu-ehger)  den  Star  gestochen,  in- 
dem  er  den  ungeteilten  Besit/  der  Schu- 
le  als  ein  (lurch  die  cliristlich  -  soziale 
Partei  zu  verwirklichendes  Recht  der 
Geistlichkeit  hinstellte.  In  einer  Formel, 
so  scharf  priizisiert,  dass  kein  Selbstde- 
menti,  keine  Beschrmigung  und  keine  je- 
suitische  Spitzfindigkeit  nachher  einen 
Doppelsinn  in  sie  hineinzulegen  ver- 
mochten,  hat  Herr  Lueger  den  Stand - 
punkt  der  Klerikalen  und  ihre  Ansprii- 
che  verkiindet:  Die  Erziehung  gehort  in 
die  Hiinde  der  Geistlichkeit.  UnsereAuf- 
gabe  und  unsere  Sorge  ist  es,  sie  den 
ITanden  der  Unbefugten  abzunehmen. 
Die  Volksschule  haben  wir  schon  ganz, 
die  Mittelschule  erst  halb,  jetzt  miissen 


wir  halt  schauen,  dass  wir  die  Hoch- 
schulen,  uamentlich  die  gottlosen  Uni- 
versitiiten,  auch  erobern.  —  Die  ganze 
Kapuzinade  im  Wortlaut  wiederzugeben 
eriibrigt  sich,  nachdem  alle  Zeitungen 
der  zivilisierten  Welt,  also  wohl  auch 
unsere  amerikanischen,  sich  mit  der  Lu- 
ogerschen  Rede  eingehend  befasst  ha- 
ben. Das  Motiv  derselben  bleibt  eini- 
germassen  dunkel.  Glaubte  der  ,,schone 
Karl'',  der  Gotze  des  Wiener  Vorstadt- 
pol>els,  angesichts  der  erfreulichen  Fort- 
schritte,  welche  die  Klerikalisierung 
Niederosterreichs  in  den  letzten  Jahren 
gemacht,  die  Zeit  fiir  den  letzten,  ent- 
scheidenden  Vorstoss  gekommen?  Oder 
war  im  Beifallsrausch  des  Augenblioks 
sein  vollsaftiges  Wiener  Temperament 
mit  dem  wackern  Volksmann  durchge- 
gangen?  Fest  steht  das  Kine: 
Kaum  war  ihm  das  Wort  entfahren, 
Mocht  er's  im  Busen  gern  bewahren. 
Und  was  hatten  Herrn  Luegers  Partei- 
genossen  nicht  dafiir  gegeben,  den 
Selbstverrat  ungeschehen  zu  machen! 
Doch  Karlchen  hatte  eben  aus  der  Schu- 
le  geplaudert,  und  in  seiner  doppelten 
Eigenschaft  als  Kind  und  als  Narr  die 
unwiderrum'che  A\rahrheit  gesprochen. 

So  ist  er  denn  aufs  heftigste  ent- 
brannt,  der  Kanipf  um  die  Schu- 
1  e,  und  man  kann  nach  den  Ereignissen 
der  letzten  Tage  kaum  umlrin,  Herrn 
Lueger  fiir  seine  Oflfenheit  im  Namen 
aller  freiheitlich,  d.  h.  n  a  t  ii  r  1  i  c  h 
n  i  ch  t  a  n  t  i  r  c  1  i  g  i  o  s,  a  u  ch  n  i  ch  t 
irreligios,  gesinnten  Erzieher  und 
Freunde  der  Erziehung  ein  Dankesvo- 
tum  zu  zollen.*)  Denn  nie  war  die  Si- 


*)  Man  wird  auch  in  Amerika  iiber 
solcheDinge  unbefangen  referieren  dtir- 
fen.  Wiewohl  dem  Schreiber  obiger 
Zcilen  nichts  ferner  liegt  als  die  Ab- 
sicht,  dem  ,,freien  Gedanken"  in  der 
Schule  das  Wort  zu  reden,  geschweige 
der  Betiitigung  echt  religiosen  Geistes 
an  irgend  einer  Stelle  zu  opponieren, 
fiihlt  er  sich  angesichts  eines  den  Le- 
sern  der  ,,Monatshefte"  noch  erinner- 
lichen  gegen  das  Lehrerseminar,  dessen 
Organ  ja  diese  Zeitschrift  ist,  erhobe- 
nen  ganz  und  gar  u  n  b  e  g  r  ii  n  d  e- 
t  e  t  e  n  Vorwurf s  veranlasst  zu  ver- 
sichern,  dass  fiir  die  von  ihm  geausser- 
ten  An  sich  ten  weder  die  ,,Monatshefte" 
noch  das  D.  A.  Lehrerseminar  zur  Ver- 
antwortung  gezogen  werden  konnen. 
Er  rnacht  auch  kein  Hehl  aus  der  Tat- 
saclie,  dass  seine  uberzeugung  von  der 
notwendigen  Konfessionslosigkeit  der 
Schule  aller  Originalitat  entbehrt:  es 
ist  die  tiberzeugung  aller  Denkenden 
unter  den  fiihrenden  Geistern  der  mo- 
dernen  Welt,  und  das  nicht  erst  seit 
heut  und  gestern.  O.  H. 


Korrespondenzen. 


cherheit  vor  der  schwarzen  Gefahr  so 
gross  als  in  dem  Augenblick,  da  sie  in 
ihrer  ganzen  nackten  Grosse  sich  vor 
den  Augen  des  zwanzigsten  Jahrhun- 
derts  enthiillte. 

Die  Einhelligkeit  aller  nichtklerika- 
len  Ostreicher  in  dieser  wichtigsten  al- 
ler Kulturfragen  zeigt  dem  Ausland 
zum  erstenmal  seit  langer  Zeit  die  bes- 
sere  Seite  des  hiesigen  Parteitreibens. 
Man  gewinnt  eine  gewisse  Achtung  vor 
der  letzten  Ursache  der  fiirchterlichen 
Zersplittenmg  der  politischen  Krafte, 
wenn  man  lernt,  dass  es  Dinge  gibt,  die 
den  Volksboten  im  Reichsrat,  den  Ver- 
tretern  von  nahezu  einem  halben  hun- 
dert  verschiedener  Parteien,  ftir  keinen 
politischen  Brotgewinn  feil  sind.  Ge- 
wiss  ist  die  herrschende  grenzenlose 
Zerkliiftung  von  grosstem  Nachteil  fur 
die  ArbeitsfUhigkeit  des  Parlaments. 
Und  es  steht  ausser  Frage,  dass  ein 
Zweiparteien  -  System,  wie  unser  ame- 
rikanisches,  auf  schnellerem  Wege  sich 
den  praktischen  Zielen  der  Volksregie- 
rung  nahert.  Zudem  ist  gerade  an 
ftstreich  zum  unheilbaren  Schaden  des 
Landes  ersichtlich  geworden,  auf  welche 
Klippen  der  Eigenwille,  das  Vorurteil, 
der  nationale  und  religiose  Fanatismus 
bei  freier  Betiitigung  das  Schiff  des 
Staates  treiben.  Und  dennoch  ist,  kul- 
turell  betrachtet,  das  gefahrvolle  Rin- 
gen  menschlicher  Leidenschaften,  das  ja 
doch  am  Ende  grossenteils  I  d  e  a  1  e  n 
gilt,  sei's  echten,  sei's  falschen,  eine  er- 
freulichere  Erscheinung  als  der  ode,  ge- 
miitlose  Parteidienst,  dessen  Uniform 
die  Hypokritenseelen  unserer  amerika- 
nischen  Politiker  tragen  miissen. 

Seit  das  ruchlose  Wort  von  der  Ero- 
berung  der  Schule  iiber  das  Gehege  der 
biirgermeisterlichen  Ziiline  sprang,  hat 
sich  also  das  Bild  der  inneren  Politik 
Osterreiehs  wie  mit  einem  Zauberschlag 
verandert.  In  alien  ehrlichen  Herzen 
pocht  die  eine  Frage:  was  muss  ge- 
schehen,  um  die  Wissenschaft  geijen  die 
angedrohte  Knebelung  durch  Rom  zu  be- 
schiitzen?  Zugleich  aber  regt  sich  lauter 
denn  je  zuvor  der  Widerspruch  gegen 
die  geistliche  Vergewaltigung  der  Schu- 
len  niederer  und  mittlerer  Ordnung. 
Und  jene  Frage,  das  ist  gottseidank 
iiber  jeden  Zweifel  erhaben,  kann  nun 
nimmermehr  znm  Gegenstand  vonKom- 
promissen  und  politischen  Terminge- 
schaftchen  werden.  Dafiir  bringt  jede 
Stunde  neue  Beweise. 

So  hielt  vor  wenigen  Tagen  der  hie- 
sige  deutsche  Verein  ,,F  r  e  i  e  Schule" 
eine  Protestversammlung  anlasslich  der 
von  Lueger  angekilndigten  Gegenre- 


form.  Der  grosse  Saal  des  deutschen 
Vereinshauses  barg  ein  Gedrange  von 
Miinnern  und  Frauen  aller  Stande  und 
Berufe,  wie  man  sie  in  soldi  hunter  Mi - 
schung  in  unserem  angeblich  deinokrati- 
schenAmerika  niemals  beisammen  sieht, 
tiher  das  allgemeine  Theina  ,,Kulturund 
Kultus",  dessen  Rahrnen  weit  genug 
war,  um  mannigfaehen  Meinungsyer- 
schiedenheiten  in  der  Versaminlung 
Ausdruck  zu  verleihen,  und  anschliess- 
send  hieran  tiber  den  aktuellen  Punkt 
der  Frage  sprachen  der  Reichstagsabge- 
ordnete  P  e  r  n  e  r  s  t  o  r  f  e  r  ,  der  hie- 
sige  Philosophic  -  Professor  Christi- 
an F  r e  i  h  e  r r  von  E h  r  e  n  f  e  1  s 
und  der  Historiker  W  e  b  e  r.,  gleich- 
falls  Ordinarius  an  der  Prager  deutschen 
Universitat.  Pernerstorfer  ist  einer  der 
iiberzeugendsten,  achlagfertigsten  und 
rhetorisch  wirkungsvollsten  Redner,  die 
ich  in  meinem  Leben  geln'irt  habe.  Seine 
Rede  war  auch  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  Glanzleistung  in  Form  und  Inhalt. 
Xur  ein  paar  Siitze  mochte  ich  aus  der 
Erinnerung  wiedergeben.  ,,Wir  leben 
nicht  in  einer  Zeit  der  Kompromisse, 
wir  leben  in  einer  Zeit  des  Kampfes,  der 

scharfen   Gegens-itze    aller  Dinge " 

,,Wer  kampfen  will  oder  sich  zum 
Kampf  gezwungen  sieht,  der  will  seineu 
Feind  sehen,  er  will  ihn  auf  der  Biihne 
der  Aktion  ha  ben,  nicht  hinter  den  Ku- 
lissen...."  ,,Viele  haben  an  eine  kleri- 
kale  Gefahr  nicht  glauben  wollen.  Und 
so  ist  die  Offenbarung  des  uralten  Kle- 
rikalismus  auf  dem  Katholikentag  zu 
begriissen,  weil  sie  wieder  alien  vollige 
Klarheit  gebracht  hat.  ]\lir  ist  Lueger, 
der  Draufganger,  Jieber  als  mancher  sei- 
ner diplomatischen  Freunde;  er  hat  uiis 
einen  Dienst  erwiesen,  indetn  er  aus- 
plauderte,  was  die  Klerikalen  Avollen: 
die  Eroberung  der  Hochschule." 

Xach  dem  radikalen  Volksmann  Per- 
nerstorfer sprach  —  ein  griisserer  Ge- 
gensatz  ist  kaum  denkbar  —  das  Ober- 
haupt  eines  dem  osterreichischen  Uradel 
angehorigen  Geschlechts;  ein  die  Dinge 
objektiv  iiberschauender  Denker;  ein 
Mann,  dessen  tiefes,  subtiles  religioses 
Empfinden  in  seinem  Wesen  wie  in  je- 
dem  Worte,  das  er  sprach,  sich  Jlusser- 
te.  Und  dieser  hohe  Beanite  des  Staa- 
tes, der  die  Notwendigkeit  einer  meta- 
physischen  Religion  fur  alle  Menschen 
lebhaft  betonte,  stellteForderungen  aiif, 
welche  im  freien  Amerika  jeden  gelehr- 
ten  Waghals  um  den  zu  ihm  gehorigen 
amtlichen  Kopf  bringen  diirften.  Ich 
sage  d  ii  r  f  t  e  n,  denn  es  ist  das  eine  ex- 
perimentelle  Frage.  Niemand  riihrt  bei 
uns  an  derlei  Fragen,  —  eben  weil  riie- 


24 


Monntsliefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


mand    mutwilligerweise   zum     schwarzen 
Manne  wcrden  will.*) 

Prof,  von  Khrenfels  fordert  die  voll- 
standige  Ablosung  der  theologisehen  Fa- 
kultaten  von  den  Universitaten  oinfach 
aus  dem  Grunde,  weil  Religion  keine 
Wissenschaft  sei.  Dagegen  verlangt  er 
die  Errichtung  von  Lehrstiihlen  fiir  ver- 
gleichende  Religions-kimde.  Sclbstver- 
stiindlich  wiiren  diese  neuen  Lehrkan- 
zeln  kein  weiteres  Privilegium  derGeist- 
lichkeit,  denn  der  wiasenflchaftlichen 
Natnr  des  vorzutragenden  Gegenstandes 
gemilss  miissten  sie  ja  dnrch  Laien  be- 
setzt  werden.  Doch  Baron  Ehrenfels 
geht  noch  weiter.  Am  gefiihrlichsten 
fur  die  Kultur  erscheint  ihm  dor  Reli- 
gionsunterrieht,  so  wie  er  jetzt  von  Ka- 
techeten  an  den  Mittelschiilen,  d.  h.  den 
Gymnasien  und  Realschulen.  erteilt 
wird.  Daher  solle  dieser  Unterrirht  kur- 
zer  Hand  abgeschafft  werden.  Der  Red- 
ner  verkennt  nicht  den  veredelndenKern 
des  christlichen  Religionsunterrichts 
und  mochte  ihn  der  Jugend  nieht  vor- 
enthalten;  allein  dieser  Teil  der  Erzie- 
hung  bleibe  dem  elterlichen  Wunsch  und 
Willen  iiberlassen.  Die  Schule  aber  mo- 
ge  statt  des  bisherigen  einseitigen  Kon- 
fessionsunterrichts  dem  Schiller  beibrin- 
gen  nicht  nur  Avas  der  Katholik,  son- 
dern  auch  was  der  Protestant,  der  Jude, 
der  Moharnmedaner  glaubt,  damit  er 
aus  der  Vergleichung  die  gemeinsamen 
religiosen  Momente  herausfinde  und  auf 
diese  Weise  tolerant  denken  und  han- 
deln  lerne.  Neben  dem  vergleichenden 
Religionsunterricbt  mochte  Elirenfels 
den  Mittelschiilen  aus  dem  Kultnr- 
schatze  des  Cliristentums  noch  als  be- 
sonderes  Erbe  den  Sinn  fiir  die  kiinstle- 
rischen  Werte  der  christlichen  Kunst 
wahren.  Natiirlich  miisste  dieser  neue 
Unterrichtsstoff,  init  welchem  nach  Eh- 
renfels' Meinung  ein  reicher  Ersatz  ftir 
den  Ausfall  der  jetzigen  katechetischen 
Disziplin  gel>oten  wiirde,  ausschliesslich 
von  T^aien  l>ehandelt  werden.  Es  ist 
wahrscheinlich  den  Lesern  der  ,,Monats- 
hefte"  inzwischen  bereits  auf  andcrem 
Wege  bekannt  geworden.  dass  sich  die 
liberalen  Parteien  im  Reichsrat  u.  a. 
auch  dieser  Ideen  bemiichtigt  haben. 
Als  das  eigentliche  Oberhaupt  der  Be- 
wegung  zur  Entklerikalisierung  der 
Schule  ist  der  hervorragendste  tschechi- 
sche  Gelehrte  Prof.  Dr.  Masaryk 


*)  Ich  erwRhne  bloss  die  konstiiu- 
tionswidrige  Gepflogenheit  offentlicher 
Schulen.  die  Schiller  zum  Besuche  der 
ausgesprochen  protestantischen  Religi- 
onsiibungeD,  die  jeden  \rormittag  Ktatt- 
finden,  direkt  oder  moralisch  zu  notigen. 


zu  ehren,  ein  Mann,  der  sich  trotz  sei- 
ner regen  nationalistischen  TUtigkeit 
der  vollen  Achtung  aller  Deutschen  er- 
freut,  weil  er  nie  anders  als  ink  blan- 
ker WatVe  kumpft. 

Am  Sch hiss  der  Versammlung  ergritT 
als  Obmann  der  Versainmlung  Profes- 
sor Weber  das  Wort,  um  die  Stollung 
der  ,,Freien  Schule"  in  dem  bevorste- 
henden  Kulturkampf  kli])])  und  klar  zu 
manifestieren.  War  Baron  Ehrenfels  in- 
folge  seines  konsdlianten  Tones  und  der 
bezcigten  Ehrerbietung  fiir  altflberlie- 
ferte  Kulturwerte  der  Staatsreligion 
mit  den  uberzeugungen  vieler  seiner  Zu- 
hiirer  in  Widerspruch  geraVen,  so  riss 
Weber  mit  seiner  schneidig  Kiipackenden 
Art  das  Auditorium  zu  denionstrativer 
Begeisterung  hin,  obschori  sich  hinter 
seinen  schwungvollen  Worten  ei.irentlich 
viel  konservativere  Anschauunget)  ver- 
bargen  als  hinter  der  niildeu,  ruhevollen 
Rede  seines  Kollegen.  J")enn  wievvohl 
Weber  sich  im  Namen  des  Vereins  gegen 
jedes  Zurtickgreifen  auf  das  alte  Wort 
von  der  Notwendigkeit  der  Religion 
,.fiir  das  Volk"  aufs  entschiedenste  ver- 
wahrte,  so  schien  er  nichtsdestoweniger 
vor  der  logischen  Konsequenz  dieses 
Glaubenssatzes  zuriickzuscheuen.  ,,Die 
Religion  muss  nicht  wegen  der  Moral 
erhalten  bleiben.  Die  Moral  kommtohne 
Religion  eben  so  gut  fort'',  behauptete 
er.  (Ich  meine  aber,  gerade  ein  Tfistori- 
ker  sollte  eine  solche  Xusserung  nieht 
tun,  ohne  sic  gebiihrend  einznschran- 
ken.)  Aber:  ,,Daraus  folgt  nicht,  dass 
man  den  Religionsunterrieht  ab-rhaffen 
miisse.  Nur  ist  das  tJbergreifen  des  Re- 
ligionslehrers  auf  die  anderen  Diszipli- 
nen  unbedingt  nicht  zu  dulden." 

Die  Versammlung  fasste  am  Sehlus* 
die  folgende  Resolution:  ,,Die  heute  von 
zahlreichen  Freunden  der  ,,Freien  8chu- 
le"  besuchte  Versammlung  protestiert 
gegen  die  auf  dem  letzten  Katholiken- 
tag  angekiindigte  Knebehing  der  Frei- 
heit  des  Unterrichtes,  gegen  den  damit 
drohenden  Ersatz  von  Erziehung  durch 
mechanische  Abrichtung,  gegen  die  Ver- 
drangung  der  Heranbildung  zur  Kultur 
durch  Heranbildung  zum  Kultus." 

Die  antiklerikale  Bewegung  zieht  tag- 
tilglich  weitere  Kreise.  Als  ihre  Ftihrer 
sind  die  University. ten  zu  betrachten : 
Professoren  und  Studenten  geben  liber- 
all  korporativ  den  Entschluss  kund,  die 
Errungenschaften  der  Wissenschaft  und 
das  Recht  auf  die  freie  Forschung  mit 
dem  Aufgelwt  aller  Kriifte  --  viribus 
unitis !  -  -  zu  verteidigen.  Am  bemer- 
kenswertesten  ist  es,  dass  hier  in  Prag, 
als  das  Professorenkollegium  der  deut- 
schen  UniversitUt  vor  kurzem  einen  ge- 


Korrespondenzen. 


harnischten  Protest  in  obigem  Sinne  er- 
liess,  auch  die  Professoren  der  theologi- 
schen  Fakultiit  ihre  Namen  ausnahms- 
los  neben  die  ihrer  weltlichen  Kollegen 
setzten.  Es  gibt  also  Gottseidank  noch 
Priester,  die  von  dem  Gefiihl  ihrer  aka- 
demischen  Manneswiirde  hinlanglich 
durchdrungen  sind,  um  in  diesem  Kamp- 
fe  nicht  auf  der  Seite  des  Unrechts  und 
des  Riickschritts  teilzunehmen.  Sie 
wissen:  dieser  Kampf  geht  nicht  gegen 
religiose  Dinge,  sondern  gegen  Zwang 
und  Knebelung  unter  dem  falschen 
Schein  der  Eeligion. 

Prag.  Otto  Heller. 

St.  Paul. 

Der  Deutsche  Padagogische 
Verein  von  Minnesota.  Im 
Dezember  des  Jahres  1006  tagte  die  44. 
Konvention  der  ,.Mijnnesota  Educational 
Association"  wahrend  der  Weihnachts- 
ferien  in  Minneapolis.  Zum  erstenmal, 
seit  Griindung  des  Vereins,  war  eine 
Aufforderung  zur  aktiven  Beteiligung  an 
die  deutschen  Lehrer  des  Staates  ergan- 
gen,  indem  ein  deutsches  Departement 
in  der  ,,College  Section"  Vertretung 
fand.  UniversitSitsprofessoren  undHoch- 
schullehrer  hielten  Vortriige  (iber  den 
deutschen  Unterricht,  an  die  sich  inter- 
essante  Diskussionen  anschlossen.  Nach 
zweitagigem,  harmonischem  Zusammen- 
wirken  beschloss  man  --  mit  edit  pii- 
dagogischem  Enthusiasmus  einen 

,,D  e  u  t  s  ch  e  n  P  ii  d  a  g  o  g  i  s  ch  e  n 
Verein"  ins  Leben  zu  rufen.  Ein  Ko- 
mitee  wurde  behufs  Ausarbeitung  einer 
Konstitution  ernannt,  und  am  5.  Febr. 
1907  wurde  der  ,,Deutsche  PUdagogische 
Verein  von  Minnesota"  gegriindet.  Der 
Hauptzweck  des  Vereins  ist  die  Pflege 
der  deutschen  Sprache  und  deutscher 
Padagogik,  sowie  die  Forderung  deut- 
scher Ideale  im  allgemeinen.  —  Der  An- 
fang  war  ein  gar  bescheidener.  Dank 
dem  freundlichen  Entgegenkommen  der 
Universitatsregenten  wurde  dem  Verein 
ein  Zimmer  im  Bibliotheksgebaude  der 
Staatsuniversitat  angewiesen,  in  dem 
die  monatlichen  Konferenzen  stattfin- 
den  sollten. 

Zu  Ehren  Goethes  --  Deutsch- 
lands  grosstem  heimgegangenen  Dich- 
ter  —  wurde  am  22.  MSlrz  in  der  Aula 
der  Universitat  eine  Gedachtnis- 
feier  veranstaltet,  zu  welcher  das 
Deutschtum  der  Schwesterstadte  Min- 
neapolis -und  St.  Paul  eingeladen  wor- 
den  war.  Die  Festrede  wurde  von  Hrn. 
Pastor  Paul  gehalten,  der  Goethe  als 
grossten  Genius  Deutschlands,  als  Dich- 
terfiirst  verherrlichte,  die  bedeutendsten 
Ziige  in  Goethes  Dichterbild  in  lebendi- 


ger  Wiederspiegelung  vorfiihrte,  der 
Sturm-  und  Drangperiode,  der  Geniezeit 
lebhaft  gedachte,  Goethes  ,,Faust"  als 
lehrreiches  padagogisches  Werk,  als 
psychologisches  Drama  pries. 

Da  Poesie,  Geschichte  und  Padagogik 
gewiss  zusammen  gehoren,  wurden  auch 
einem  anderen  grossen  Deutsche  ehr- 
furchtsvoll  einige  Gedenkblattchen  ge- 
widmet,  dessen  Geburtstag  auf 
den  22.  Miirz  fallt  und  der  stets  in  der 
Erinnerung  eines  dankbaren  Volkes  le- 
ben  wird — Ivaiser  Wilhelm  I. 

Ausser  einigen  passenden  Gedichten 
und  musikalischeu  Vortriigen  wurde  der 
piidagogische  rFeil  des  Programing  durch 
einen  Vortrag  der  Priisidentin  des  Ver- 
eins, Frl.  Amalie  Nix,  iiber  ,,Erzie- 
hungsziele"  eingeleitet.  ,,Als  hochstes 
Erziehungsziel  sollte  der  gewissenhafte 
Erzieher  stets  die  Charakterbildung  im 
Auge  behalten.  Aus  der  Ethik  wird 
das  Ziel  der  Erziehung  abgeleitet.  hi 
den  Kreisen  des  ethischen  Lebens  ist 
jedem  der  Gedanken  eine  Aufgabe  iiber- 
tragen,  dem  Rrzieher  wie  dem  Arzt.  .Ie 
Ijoher  der  Erzieher  steht,  desto  gewis- 
ser  widmet  er  sich  der  Hilfsbedurftig- 
keit  des  Kindes  und  dessen  erwachsen- 
dem  Geistesleben.  Das  Ideal  des  Wis- 
sens  sollte  dem  Ideal  der  Gesinnung, 
dem  Ideal  des  Willens  untergeordnet 
Averden;  der  Wille  bildet  das  eigentliche 
Objekt  aller  ethischen  Wertschat/ung. 

Denn : 

..Wir  sind  nicht,  um  zu  sein; 

Wir  werden,  um  zu  werden. 

Die  Strome  rauschen  fort, 

Die   Sonnen    und   die   Erden 

Sie   gchen    uach   ewigen   Gesetzen     ihreu 

Pfad. 

Kein  Wollen  dort — sie  sind. 
Im  Menscheu  lebt  ein  Wille, 
Er  selbst  ist  sein  Gesetz, 
Ein  Sohn  der  cigenen  Fiille, 
Er  ist  durch  die  Natur 
Und  lebt  durch   seine  Tat." 

Die  Goethefeier  wirkte  stimmunos- 
voll  auf  das  Publikum. 

J)er  Deutsche  Padagogische  Verein  be- 
schloss zur  F  e  i  e  r  des  148.  G  e  - 
b  u  r  t  s  t  a  g  e  s  S  ch  i  1  1  e  r  s  -  -  des 
Lieblings-,  des  Freiheitsdichters  des 
deutschen  Volkes  —  den  Sch westers!  lid - 
ten  ein  iihnliches  Fest  zu  veranstalten. 
und  zwar  am  Abend  des  0.  Nov.  in  Min- 
neapolis, und  am  Nachmittage  des  10. 
Nov.  in  St.  Paul.  Der  Turnverein  St. 
Paul  hatte  dem  Piidagogischen  Verein 
zu  diesem  Zwecke  seine  Halle  iiberlas- 
sen. 

Um  dem  pjidagogischen  Teil  des  Pro- 
gramms  gerecht  zu  werden,  hatte  der 


Monatahefle.  fur  deutsche  Sprache  und  Piidagogik. 


Verein  Herrn  Direktor  <;rit'l>M-h,  den 
verdienstvollen  Leiter  des  Natioiialen 
Deutschainerikanischen  Lehrer  seminars 
ersucht,  das  Deutschtum  der  Schwester- 
sttidte  mit  einera  Vortrag  ,,Der  deutsche 
Unterricht  in  den  amerikanischen  Schu- 
lon"  zu  beehren.  Diesem  Wunsche  ent- 
sprach  Herr  Griebsch  in  liebenswiirdiger 
Weise.  Der  kerrliche,  tiefdurchdachte 
Vortrag  wird  den  aufmerksamen,  begei- 
sterten  Zuh5rern  noch  lange  in  unver- 
gesslicher  Erinnerung  bleiben. 

Vor  der  Schillerfeier  in  St.  Paul  wur- 
<le  am  Sonntagvormittag  ein  kleiner 
Ausflug  nach  dem  Como  -  Park  unter- 
nommen,  um  Herrn  Direktor  Griebsch 
das  vor  einigen  Monaten  enthtillte 
Schillerdenkmal  zu  zeigen. 
Uber  diesen  Ausflug  lieferte  eine  St. 
I'auler  Zeitung  einen  stimmungsvollen 
Bericht,  aus  dem  wir  folgendes  entneh- 
men: 

,,Der  kalte  Nordwind  fegt  (iber  die 
Steppen.  Leichte  Schneeflocken  fliegen 
sanft  auf  die  Erde  hernieder.  die  ersten 
Boten  des  Winters.  Von  Kirchttirmen 
her  ertonen  die  vielstimmigen  Glocken ; 
sie  laden  die  Glaubigen  in  das  Gottes- 
haus  zum  Gebete  ein.  In  hellen  Scharen 
wallen  jung  und  alt  dorthin,  wo  man 
dem  SchSpfer  des  Weltalls  das  Opfer 
darbringt,  ihm  huldiget  und  danket. 
Kin  kleines  Hauflein  Avandert  einsam  in 
dem  seines  Naturschmuckes  mumielir 
beraubten  Como  -  Park  der  St&tte  zu, 
wo  sich  stolz  ein  Standbild  erhebet,  ein 
Gedenkstein  rum  Andenken  an  einen  der 
hochsten  und  besten  Idealisten,  welche 
die  Weltgeschichte  zu  nennen  vermag. 

AndUchtig  blicken  diese  Wenigen  em- 
por  zu  dem  aufrechten  Hauptes  und 
freien  Schrittes  auf  niederem  Posta- 
mente  dastehenden  Manne.  Es  ist  ihnen, 
als  schreite  er,  von  dem  all  ihre  Gedan- 
ken  erfUllt  sind,  auf  sie  zu,  um  ihnen 
Dank  dafiir  zu  sagen,  dass  sie  gerade 
heute  mit  bescheidener  Verehrung  und 
Andacht  seiner  gedachten;  dass  sie  ab- 
seits  von  der  grossen  Heerstrasse  ihm 
ihre  Huldigung  darbraehten  und  sich  bei 
ihm  neue  Kraft  f(ir  weiteres.  edles,  ide- 
ales  Wirken  suchten.  Auch  fiirderhin 
wqllen  sie  mutig  einstehen  und  kiim- 
pfen  fiir  das  Gute,  Schi'me  und  Edle.  - 
Ks  umschwebt  sie  des  Lieblingsdichters 
Geist  —  am  Geburtstage  Schillers." 

Auch  Direktor  Griebsch  wies  in  seiner 
Rede  darauf  bin.  dass  das  Deutschtum 
der  Stiidte  Minneapolis  und  St.  Paul 


bewiesen  habe,  wessen  es  fahig  sei.  Sei- 
nem  vereinten  Wirken  sei  es  gelungen, 
dern  grossen  Dichtenfiirsten  ein  herrli- 
clies  Denkmal  zu  setzen.  'Es  spricht  eine 
beredte  Sprache.  Es  ist  ein  Mahnzei- 
clien,  dass  der  Geist,  der  das  Denkmal 
schuf,  nicht  verloren  gehe,  sondern  dass 
er  lebendig  bleibe  und  wachse.  Er  findet 
seineii  Ausdruck  in  der  deutschen 
Sprache. 

Die  eigentliche  Schillerfei- 
e  r  wurde  vom  Studentenchor  des  Lu- 
therseminars  eingeleitet,  worauf  Frilu- 
lein  Helene  Schirmer,  die  Schatzmeiste- 
rin  des  PUdagogischen  \rereins,  einige 
Strophen  aus  Wildenbruchs  schonem 
Prolog  mit  Warme  vortrug.  Hierauf 
folgte  die  Festrede  des  Herrn  Pastor 
Paul,  der  ebenfalls  hohe  Anerkennung 
gezollt  wurde;  auch  fand  der  Vortrag 
der  Koiuposition  des  mit  dem  Kaiser- 
preise  gekronten  Gedichtes  ,,Das  deut- 
sche Volkslied"  von  Pastor  Hildebrandt 
durch  den  Studentenchor  des  Lutherse- 
mi nars  grossen  Anklang. 

Mr»ge  eine  derartige  wiirdige  Feier  all- 
jjihilich  am  Geburtstage  des  Dichters 
veranstaltet  werden;  sie  wird  ^ik^erlich 
nutzbringend  auf  das  Deutschtum  ein- 
\\irken." 

Am  Abend  des  23.  Xov.  hielt  der  Pa- 
dagogische  Verein  eine  weitere  Ver- 
^auimlung  in  seinem  Vereinslokal  ab. 
F.s  wurde  beschlossen,  dem  Wunsche  des 
Turnvereins  St.  Paul  —  dass  der  Pada- 
gogisohe  Verein  die  Leitung  einer 
d  e  u  t  s  ch  e  n  S  ch  u  1  e  iibernehme  — 
nachzukommen,  und  soil  die  Schule  am 
4.  Jan.  in  der  Turnhalle  eroffnet  wer- 
den. Ausserdem  folgte  eine  lebhafte 
Disknssion  iiber  Prof.  Grandgents  lehr- 
reichen  Vortrag:  ,,Is  Modern  Language 
Teaching  a  Failure?" 

Die  niichste  Versammlung  des  Ver- 
eins  wird  in  Verbindung  mit  der 
,.M  innesota  Educational 
A  s  s  o  c  i  a  t  i  o  n  Convention" 
stattfinden.  Das  Programm  wreist  fol- 
gende  Themata  auf: 

1.  ,,Unser   Padagogischer  Verein." 

2.  ,,Unsere   deutsche   Muttersprache." 

3.  ,,Erziehungsziele    beim    Studium    der 
deutschen  Sprache." 

4.  ,,Das  Studium  der  deutschen   Sprache 
vom   psychologischen  -Standpunkt  aus 
betrachtet." 

5.  ..Das   Studium  der  deutschen   Sprache 
vom    piidagogischen    Standpunkt    aus 
betrachtet.  A.  N. 


III.     Briefkasten. 


Deutsche  Lehrer in,  Cincin- 
c  i  n  n  a  t  i.  Wie  langweilig  wiire  doch 
die  Welt,  wenn  uns  immer  nach  dem 
Munde  geredet  und  nach  unserer  Feder 
geschrieben  wiirde!  Die  Berichte  Ihres 
Korrespondenten  zeichnen  sich  durch 
eine  Qffenheit  und  Frische  aus,  die  auch 
dort,  \vo  der  Inhalt  vielleicht  Wider  - 
spruch  hervorrufen  mag,  unterhaltend 
und  anregend  wirken.  Zudem  aber  liegt 
in  seinem  Kampfe  gegen  die  heut  herr- 
schende  sogenannte  Weiterbildung  der 
Lehrer  und  das  damit  verbundenen 
Merit-System  ein  durchaus  ge- 
sunder  Kern.  Sollte  es  wirklich  not- 
wendig  sein,  erst  durch  die  Aussicht  auf 
Meritenpunkte,  wie  sie  Basedow  in  sei- 
nem Philanthropin  bei  seinen  Kindern 
anwandte,  die  Lehrer  dazu  zu  bringen, 
f»  ihrer  Fortbildung  zu  arbeiten?  Sie 
werclen  doch  nicht  ernsthaft  glauben 
wollen,  dass  <>iiH>  derartige  Arbeit  als 
Gradmesser  fiir  tHe  Tiichtigkeit  des 
Lehrers  und  seine  Beforder«»ig  dienen 
kann?  In  Cincinnati  wird  diese  "Bwre- 
gung  noch  in  Schranken  gehalten,  aber 
zu  welchen  Auswiichsen  sie  fiihren 
kann,  mogen  Sie  leicht  in  anderen 
Stadten  beobachten  konnen,  in  denen 
die  Lehrer  in  der  krankhaften  Sucht 
nach  Weiterbildung  vielleicht  zur  Er- 
reichung  eines  hoheren  Gehaltes  ihre 
Schularbeit  vernachlassigen,  oder  sogar 
7,u  derselben  un-fahig  werden.  Ein  Leh- 
rer, der  es  ernst  mit  seinem  Amte 
meint,  wird  zunachst  versuchen,  seine 
Pflicht  den  ihm  anvertrauten  Kindern 
gegeriiiber  nach  bestem  Wissen  und  Ge- 
wissen  zu  'erfiillen.  Dies  tut  er  durch 
eine  griindliche  Vorbereitung  und  Ver- 
wendung  seiner  besten  Kraft  im  Schul- 
zimmer.  Er  wiirde  aber  trotzdem  zum 
schlechten  Lehrer,  wenn  er  nicht  stetig 
an  seiner  eigenen  Weiterbildung  arbei- 
tete,  auch  ohne  die  Aussicht  auf 
,,Punkte".  Ihr  Korrespondent  wiirde 
voraussichtlich  am  ungliicklichsten  sein, 
wenn  er  die  Cincinnatier  Kollegen  durch 
seine  Worte  von  einer  gesunden  Fort- 
bildung abhielte.  Wenn  er  aber  gegen 
den  mechanischen  Betrieb  derselben,  in 
dem  eft  nicht  auf  Inhalt  und  Griindlich- 
keit,  sondern  nur  auf  den  Schein  an- 


kornmt,  und  gegen  das  System,  das  sol- 
che  Auswiichse  zutage  fordert,  zu  Felde 
zieht,  so  konnen  wir  ihm  nur  Erfolg  in 
seinem  Kampfe  wiinschen. 

Es  1st  sonst  nicht  unsere  Gewohnheit, 
Briefe,  die  ohne  Namennennung  des 
Schreibers  an  uns  gelangen,  zu  beant- 
worten,  Wir  sehen  jedoch  in  Ihrem 
Schreiben  eine  wohlmeinende  Gesinnung 
und  deshalb  machen  wir  in  diesem  Falle 
eine  Ausnahme. 

Ehemaliger  Seminarzog- 

1  i  n  g.  Die  Berichte,  die  Sie  in  den 
deutschen  Tageszeitungen  iiber  das  an 
der  Cincinnatier  Universitiit  gebildete 
Lehrerseminar  lasen,  sind  irre  leitend. 
Aus  zuverlassiger  Quelle  erfuhren  wir 
folgendes.  Wie  an  jeder  Universitat 
und  an  den  meisten  Lehrerbildungsan- 
stalten  besteht  auch  an  dem  ,,Teachers 
College"  der  Universitat  Cincinnati  eine 
deutsche  Abteilung,  deren  Abiturienten 
natiirlich  die  Berechtigung  zur  Anstel- 
lung  an  den  offentlichen  Schulen,  libri- 
^?ens  aber  erst  nach  Ablegung  einer  Prii- 
ftrnjj  v&f  der  stadtischen  Examinations- 
behorde  habwi,  Um  sie  nicht  ganz  un- 
vorbereitet  fiir  ihre  spesieiie  Berufsar- 
beit  als  deutsche  Lehrer  ins  Amt  <re*i*» 
zu  lassen,  erhalten  die  Zoglinge  ein  Jahr 
lang  wochentlich  eine  Vorlesung  iiber 
Sprachmethodik.  Eine  amerikanische 
Universitat  kann  unmoglich  ihren  Zcig- 
Hngen  die  dentsche  Atmosphsire  bieten, 
die  unser  Lehrerseminar  zu  bieten  ver- 
mag,  und  so  ist  kaum  anzunehmen, 
dass  die  Abiturienten  des  ,.Teachers 
College"  zu  Cincinnati  trotz  ihrer  vier- 
jahrigen  Arbeit  -  -  denn  der  Kursus 
wiihrt  vier  Jahre  —  imstande  sein  wer- 
den, die  Zoglinge  des  Lehrerseminars, 
dessen  zweijahriger  Kursus  auf  ihre 
spezielle  splitere  Berufstatigkeit  zuge- 
schnitten  ist,  aus  dem  Felde  zu  schla- 
gen.  Im  iibriffen  wollen  wir  doch  nicht 
engherzig  sein.  Jedes  ernstgemeinte 
Bestreben,  das  dahin  geht,  die  Berufs- 
vorbildung  der  deutschen  Lehrer  des 
Landes  zu  fordern,  verdient  unsere  Un- 
terstiitzung.  Leider  allerdings  finden 
wir  genug  Anstalten,  die  sich  mit  der 
Erwecknng  des  Uusseren  8cheins  im 
ihrer  Arbeit  genug  sein  lassen. 


28 


Monatehtfte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


IV.     LJmschau. 


Lehrerseminar.  Am  20.  Dez. 
des  vertlossenen  .Tahres  wurdc  im  Leh- 
rerseminar  und  in  der  Deutsch-Engli- 
gchen  Akademie  das  erste  Tertial 
abgeschlossen.  Am  Nachmitage  dieses 
Tages  fa  ml  die  gewohnte  W  e  i  h- 
nachtsfeier  der  beiden  Anstalten 
statt,  die  einen  ebenso  schonen  wie  ge- 
mtttlichen  Verlaitf  nahm.  DetgrttBste 
EnthuBiaBmiis  wurde  erweckt,  als  Herr 
Adolf  *inklen  der  PrasMent  beider 
vSchulen,  «im  Schlusse  der  teier  die  Er- 
klarung  machte  dass  iingenaimt  blei- 
bende  Conner  der  Deutscb-Englischen 
Akademie  e  i  n  e  n  Ion  d  s  v  o  n 
26,000  Dollars  aufgebracht  haben. 
Diese  Summe  soil  dazu  dieiien  einer- 
seits  die  Schuldenlast  zu  tilgen  vvel- 
<rhe  die  Anstalt  durcb  den  Ankauf  des 
Seminargebdudes  des  Nordamerikani- 
sohen  Turnerbundes  auf  sich  genommen 
hat  andererseits  die  Schule  fur  eine 
Reihe  von  Jahren  finanziell  sicher  zu 
stcllen.  Die  Opferfreudigkeit  der  Geber 
kann  mcht  rfihmend  genug  hervorgeho- 

Auch  fiir  das  Lehrerseminar  zeigt 
sich  em  langsam  zunehmendes  Tnte- 
resse,  welches  sieh  freilich  mcht  in  so 
grossen  Zahlen  kundgibt.  So  bewilhgte 
der  Zweigverband  ,,Chicago 
des  Deutschamerikanischen  National- 
bundes  200  Dollars  als  Stipendium  fiir 
einen  Seminarstudenten,  der  von  dort 
aus  hierher  geschickt  werden  soil,  wiih- 
rend  der  Zweigverband  ..J  o  h  n  s- 
town"  25  Dollars  fiir  den  Stipendien- 
fonds  beisteuerte. 

Die  Weihnachtsferien  waren 
diesmal  reichlich  bemessen,  indem  sie 
vom  21.  Dezember  bis  zum  0.  .Tanuar 
des  neuen  Jahres  dauerten.  Ani'letzt- 
erwfthnten  Datum  riickten  Lehrer  und 
SchUler  mit  gestiirkten  Kraften  an,  um 
das  zweite,  ganz  ferienlose  Drittel  des 
Schuljahres  zu  beginnen. 

Sowohl  in  Milwaukee,  als  in  anderen 
Stadten  des  Landes,  so  vor  allem  in 
Cincinnati,  werden  nun  Schritte  getrof- 
fen,  um  einen  Verein  von  ehe- 
maligen  Seminarstudenten 
xu  griinden.  Ein  von  den  Herren  Vic- 
tor  Croneweg  als  Vorsitzenden  und 
Herrn  Wilhelm  von  der  Halben,  Jr.,  als 
Schriftfiihrer  unterzeichnetes  Send- 
schreiben  setzt  in  sachgemiisser  und 
hochst  sympathischer  Weise  die 
CrUnde  fiir  dieses  Unternehmen  aus- 
einander.  Von  unserer  Seite  konnen 


wir  den  geistigen  Urhebern  des  Gedan- 
kens  mir  alles  (jliick  wiinschen. 
Schliesslich  verdient  die  Anstalt,  die 
eine  so  stattliche  Reihe  vortrefflicher 
Lehrer  herausgebildet  hat,  aucb  diese 
Anerkennun. 


einem      auR     Houston, 
Tex  von  Prof>  a  Duvernov  an  (1ie 

S(,hriftleitun       der     ,,Monatshefte"     ge- 
H(.hteten    ScKreiben    hervorgeht,    wurden 
t    .    der   janresversammiun£  der   Lehrer 
T          die  ergten  Sehri^te       tan  zlll. 
B  j  ,  d  u  n         e  j  n  e  8      V  e  r  e  i  n  s      von 
LehrerS     der     modernen    Spra- 
,  (Deutsch,       Franzosiseh,      Spa- 

.    ,          £         Vowitzenden   wurde   Prof! 
Q    ^    ^         Texag   christ    Uni       /uni 

Sekretar  p^f>  j  H  Mcdinnis  von  der 
Southwestern  University  gewahlt.  Dr. 
^  de  yom  yorsitzenden  l)eauf- 

die  im  nachsten  Dezember  in 
stattfindende    Taguns    deg    Ver- 
.          ein    Pro          m    auflU8tellen.      Has 
Deutsche  wird%ie  Herr  Duvernoy  ver- 

- 


den  Sprachen  jedenfalls  den  ersten 
platz  einnehmen.  Das  freundliche  In- 
teresse  der  Leiter  des  neuen  Vereins  er- 
streckt  sich  aiich  auf  die  ,,Monats- 
hefte'^  fiir  deren  weitere  Verbreitung 
mm  aud|  in  Texas  etwag  gesehohen 
wjrd 

National  Education  Ass  o- 
e  i  a  t  i  o  n.  Der  Vollzugsausschuss  der 
X.  E.  A.  gibt  nun  bekannt,  dass  fiir  die 
niichste  Konvention  der  N.  E.  A.  Cleve- 
land,  Ohio,  und  als  Zeit  die  Tage  vom 
29.  Juni  bis  zum  3.  Jiili  ausersehen 
Rind-  **  wli:d  dlf:s  die  fiinfzigs  te  Ver- 

n.5    dlf  f/stejand  ,18°8   m 
i,  Ohio,   statt      Die  Jahrcsver- 


A 

,n    dw'4J?fl1JMSl  ^    "n 

2<-   ^cbruar   1908  in  Washington,  D.   C., 

K  o  e  d  u  k  a  t  i  o  n.  Die  Frage  der 
gemeinsamen  Erziehung  der  Geschlech- 
ter  wird  in  Deutschland  vielfach  eror- 
tert.  Tin  allgemeinen  lilsst  sich  anfiih- 
ren,  dass  sie  dort  Anhiinger  zu  gewin- 
nen  scheint,  wiihrend  hier,  im  Ideal- 
lande  der  Koedukation,  sich  gewichtige 
Stimmen  mehr  und  mehr  dagegen  er- 
kUlren.  Professor  Sachs  von  der 
Columbia-Universitiit  hat  sich  wieder- 
holt  als  Gegner  der  gemeinsamen  Er- 
ziehung  der  CJeschlechter  bekannt,  weil 
sie  die  Knuben  zu  sehr  zwinge,  sich 


Umschau. 


weiblichen  Anschauungen  und  Ansprii- 
chen  anzuschmiegen.  Die  iiberschiissige 
miinnliche  Kraft  vergeude  sich  daher 
in  einem  iibertriebenen  Kultus  des 
Sports.  Andere  angesehene  Erzieher 
behaupten,  viele  Knaben  suchen  neuer- 
dings  Lehranstalten  ausschliesslich  ftir 
Knaben  auf..  weil  sie  das  fovtwjihrende 
Zusammensein  mit  weiblichen  Wesen 
auf  der  Schule  als  liistige  Verge  walti- 
gung  milini lichen  Empfindens  betrach- 
ten.  Das  Ewig-Weibliehe  scheint  hier 
die  entgegengesetzte  Wirkung  auszu- 
iiben. 

In  Berlin  besprach  neulich  Rektor 
E.  H  e  r  t  e  1  in  dem  Verein  ffir  Schul- 
hygienie  diese  Frage.  Nach  kurzen 
geschichtlichen  und  statistischen  Be- 
merkungen  beleuchtete  er  die  Frage  der 
Koedukation  vom  sittlichen,  piidagogi- 
schen  und  hygienischen  Standpunkte. 
In  sittlicher  Beziehung  kann  ein  gegen- 
seitiger  veredelnder  Einfluss  nicht  er- 
hofft  werden.  da  die  Kinder  der  Gross- 
stadte  im  allgemeinen  viel  aufgeklarter 
und  viel  friilier  geschlechtlich  reif  sind 
als  anderswo.  In  padagogischer  Bezie- 
hung ist  zu  bedenken,  dass  die  beson- 
dere seelisehe  Eigenart  der  Knaben  und 
Mlidchen  auch  eine  besondere  Stoffaus- 
wahl  fiir  die  beiden  Qeschlechter  ver- 
langt,  vor  allem  aber  eine  besondere  er- 
zieherische  Behandlung  derselbeu.  Ge- 
gen  die  Koedukation  sprechen  aber  vor 
alien  Dingen  hygienische  Bedenken. 
Die  Statistik  lehrt,  dass  bei  den  Volks- 
schiilerinnen  die  Pubertatsentwicklung 
durchschnittlich  zwei  Jahre  friiher  ein- 
tritt  als  bei  Knaben.  Der  Wettstreit 
mit  diesen  bei  gemeinsamer  Erziehung 
wiirde  bei  den  Schtilerinnen  der  Ober- 
atufe  die  sehon  jetzt  vielfach  beobach- 
teten  Krankheitserscheinungen  kompli- 
zieren.  —  Folgende  Resolution  fand  ein- 
stimmige  Annahme:  ,,Vom  Stand- 
punkte der  berechtigten  Eigenart  in 
seelischer  und  korperlicher  Beziehung 
ist  da,  wo  die  Verhaltnisse  es  zulassen, 
ein  getrennter  Unterrieht  ftir  beide  Ge- 
schlechter  von  Grund  auf  zu  fordern. 
Wo  die  ortlichen  Verhaltnisse  fiir  ge- 
meinsame  Erziehung  sprechen,  ist  ge- 
gen  eine  solche  auf  der  Unterstufe 
nichts  einzuwenden;  dagegen  ist  auf 
der  Mittelstufe  eine  Trennung  wiin- 
schenswert,  auf  der  Oberstufe  unbe- 
dingt  zu  fordern." 

Zu  dem  ,,Bericht  iiber  die  Pru- 
fungen  in  englischer  Sprache 
zur  Aufnahme  in  Harvard 
College",  in  dem  120  Worter  ange- 
geben  sind,  die  von  den  um  Aufnahme 
Nachsuchenden  am  haufigsten  unrichtig 
geschrieben  werden,  aussert  sich  auch 


Prof.  Richard  R.  Kirk  von  der  Staats- 
universittit  von  Michigan.  Er  empfiehlt 
den  Rechtschreibelehrern,  dem  Schtiler 
die  richtige  Schreibweise  eines  Wortes 
dadurch  beizubringen,  dass  sie  ihm  ein 
Bild  des  Wortes  in  des  Schtilers 
eigener  Handschrift  geben. 
Der  Lehrer  spricht  das  Wort  richtig  aus, 
und  der  Schiller  spricht  es  richtig  nach. 
So  erhitlt  letzterer  das  Lautbild.  Dann 
buchstabiert  der  Lehrer  das  Wort, 
schreibt  es  gross  und  schon.  ja  nicht  mit 
Advokatenhand,  an  die  Tafel,  und  der 
Schiiler  schreibt  es  mit  eig- 
n  e  r  Hand  n  i  e  d  e  r.  So  erhalt  der 
Schiiler  ein  richtiges  Gesichtsbild!  Das 
Niederschreiben  mit  eigner  Hand  ist  das 
Wichtigste  an  der  Sache.  Prof.  Kirk 
wendet  sich  dann  gegen  das  allzufriihe 
Aufsatzschreiben,  —  ehe  das  Kind  einen 
Schatz  von  Wortern  gesammelt  hat. 

Die  Lehrervereinigung  des  Staates 
Illinois  hat  sich  zugunsten  der 
vereinfachten  Schreibweise 
de|s  Englischen  ausgesprochen. 

Die  Historische  Gesellschaft  des  Staa- 
tes Illinois  hat  einen  aus  sechs  Personen 
bestehenden  Ausschuss  ernannt,  dessen 
Pflicht  es  sein  soil,  die  richtige 
A  u  s  s  p  r  a  c  h  e  des  Wortes  ,,1 1 1  i- 
n  o  i  s"  festzustellen. 

Der  neuerwiihlte  Biirgermeister  Busse 
in  Chicago  hat  in  einer  Proklama- 
tion,  in  der  das  Volk  zur  Entfernung 
alien  Schmutzes  der  Riesenstadt  aufge- 
fordert  wird,  unter  andereni  auch  den 
Vorschlag  gemacht,  die  Schulprinzipale 
und  Schullehrer(innen! )  sollten  die 
man  n  lichen  Schiiler  hinaus  auf  die 
leeren  Bauplatze  fiihren  und  das  um- 
herliegende  und  fliegende  Papier  aufle- 
sen  und  sofort  an  Ort  und  Stelle  ver- 
brennen  lassen.  Einfach,  praktisch, 
wirksam,  und  auch  billig,  nicht  wahr?! 

Bekanntlich  werden  auch  an  ameri- 
kanischen  Schulen  von  Zeit  zu  Zeit 
allerhand  Abstimmungen  vor- 
genommen.  Die  iSchiiler  werden  aufge- 
fordert,  kurzerhand  zu  entscheiden,  ob 
Gothe  oder  Longfellow  der  grossere 
Dichter  ist.  ob  Roosevelt  beruhmter 
werden  wird  als  Washington  geworden 
ist.  Und  so  weiter.  Jiingst  veranstal- 
tete  Lewis  Atherton  unter  den  Schiilern 
der  Hochschulen  (high  schools)  zu  Osh- 
kosh,  Wis.,  eine  Abstimmung  dartiber, 
welches  das  beliebteste  Volkslied  sei. 
Da  stimmten  die  SchUler  fiir  "The 
Star-Spangled  Banner"?  O  nein!  Nun 
dann  gewiss  fiir  "America?"  Wiederum 
nein!  Die  Mehrzahl  der  Schiiler  ent- 
schied  sich  fiir  —  ,,Die  Wacht  ant 


30 


Monatshefte  fur  deuische  Sprache  und  Pddagogik. 


R  h  e  i  n" !      So   geht's,   wenn   einer   neu- 
gierig  ist. 

Schulprasident  Dr.  Maxwell  von 
New  York  hat  sich  des  langeren  iiber 
die  notwendigsten  Verbesse- 
r  u  n  g  e  n  in  den  New  Yorker 
Volksschulen  ausgesprochen.  Da 
die  geriigten  Mangel  typisch  sind  in  un- 
sereni  Lande,  so  geben  wir  im  nachfol- 
genden  die  wichtigsten  Maxwellschen 
Vorschliige  wieder,  ohne  jedoch  Raum- 
mangels  wegen  imstande  zu  sein,  jedes- 
mal  auch  die  ausfuhrliche  Begriindung 
anzufiihren.  Dr.  Maxwell  sagt  im  we- 
sentlichen : 

Erst  ens.  Die  Zahl  der  Schiller  in 
einer  Klasse  darf  nicht  grosser  als  vier- 
zig  sein,  obgleich  das  noch  nicht  das 
Ideal  ist.  Einer  der  schreiendsten 
Mangel  in  unserem  Volksschulsystem  ist 
der,  dass  der  Lehrer  nicht  imstande  ist, 
dem  einzelnen  Schiller  mehr  Aufmerk- 
samkeit  zn  schenken. 

Zweitens.  Das  gegenwartige 
Zwangs-Schulgesetz  des  Staates  New 
York  ist  mangelhaft.  Es  muss  so  ab- 
geandert  werden,  dass  nachlassijre  El- 
tern,  und  nicht,  wie  es  in  der  Haupt- 
sache  jetzt  geschieht,  die  Kinder  wegen 
Nichtbesuch  der  Schule  bestraft  werden. 
Ferner  sollte  dnrch  dasselbe  Gesetz  der 
Anfang  des  schulpflichtigen  Alters  auf 
das  siebente  Lebensjahr  herabgesetzt 
worden. 

D  r  i  1 1  e  n  s.  Um  zu  verhindern,  dass, 
wie  bisher,  so  viele  Schiller  nach  dem 
Eintritt  in  die  Volkshochschule  (high 
school)  dieselbe  bereits  im  'ersten  Jahre 
wieder  verlassen,  muss  es  in  Zukunft 
eine  der  ersten  Pflichten  der  Elementar- 
lehrer  und  Schulprinzipale  sein,  ihre 
•Schiller  bei  der  Auswahl  des  geeignet- 
sten  Hochschulkursus  zu  leiten.  Aus 
demselben  Grunde  miissen  in  den  IToch- 
schulgebiiuden  Raume  geschaffen  wer- 
den, in  denen  der  Schiller  unter  Aufsicht 
nnd  Anleitung  des  Lehrers  seine  Haus- 
aufgaben  anzufertigen  hat. 

Viertens.  In  jeder  Elementar- 
schule,  in  der  sich  noch  keine  Schreiner- 
werkstiltte  fiir  Knaben  und  keine  Kii- 
chen-  und  Nahrjiume  fiir  Mlidchen  be- 
finden.  sollten  solche  Raume  so  schnell 
wie  moglich  geschaffen  werden. 

Ftinftens.  Der  Schulrat  hat  es 
sich  angelegen  sein  lassen.  einige  Klas- 
sen  fiir  geistig  Zuriickgebliebene  einzu- 
richten.  Aber  Blinde,  Lahme,  Taub- 
stumme,  Kriippel  aller  Art  haben  ein 
viel  grosseres  Recht,  in  besonderen 
Schulen  unterrichtet  zu  werden,  weil 
korperliche  Verkriippelungen  den  Kampf 
ums  Dasein  erschweren.  Es  ist  deshalb 


die  Pflicht  der  Schulbehorden,  solche 
Sender-  Erziehungsanstalten  einzurichten 
und  zu  unterhalten. 

Sec  listen  s.  Von  78,401  im  Jahre 
190(5  auf  ihren  Gesundheitszustand  hin 
gepriiften  Kindern  litten  an 

Mangelhafter    Erniihrung    4,921 

Flerzkrankheiten    1,096 

Lungenkrankheiten    757 

riautkrankheiten    1,558 

Rilckgratverkrtimmungen    424 

Verbildeter   Brust 261 

Verbildeten  Beinen    550 

Augenkrankheiten     17,928 

Ohrenkrankheiten     869 

Nasenkrankheiten     11,314 

Zahnkrankheiten    39,597 

Mandelkrankheiten    18,306 

Schwachsinnigkeit     Iy857 

Sich  auf  obiges  Ergebnis  stiitzend, 
f  ordert  Dr.  Maxwell  die  E  i  n  r  i  c  h- 
t  u  n  g  v  o|n  S  p  e  i  s  e  r  a  u  m  e  n  ,  in  de- 
ncn  nahrhafte  Nahrungsmittel  zum 
Kostenpreise  verabfolgt  werden.  Er 
folgert  ganz  richtig,  dass  schlechte  Er- 
nahrung  das  GrundUbel  der  meisten 
korperlichen  Gebrechen  ist. 

Dann  fordert  er,  dass  Kindern,  wenn 
notig.  f  r  e  i  e  B  r  i  1 1  e  n  geliefert  wer- 
den. Es  ist  Unsinn,  sagt  er,  freie  Schul- 
biicher  zu  liefern.  Avenn  der  Schiller  das, 
wns  im  Buche  oder  an  der  Tafel  steht, 
nicht  lesen  kann.  Das  Kind,  dessen 
Sehkraft  mangelhaft,  ist  hoffnungslos 
im  Xachteil.  Die  Ausgabe  von  ein  paai; 
Tausend  Dollars  fiir  Brillen  wiircle  Tau- 
senden  von  Schiilern  die  Moglichkeit  an 
die  Hand  geben,  mit  ihren  Klassenge- 
nossen  gleichen  Schritt  zu  halten.  Auf 
die  Eltern  ist  in  dieser  Sache  gar  kein 
Verlass.  Von  funfzig  Fallen  in  einer 
Schulschwanzer- Schule,  in  denen  die  El- 
tern  auf gef ordert  wurden,  die  storenden 
Krankheiten  ihrer  Knaben  in  namhaft 
gemachten  Hospitalern  und  Kliniken 
kostenfrei  behandeln  zu  lassen,  sei 
nur  in  einem  einzigen  Falle  der  gegebene 
Rat  befolgt  worden.  Man  bestrafe  die 
Knaben  wegen  Schulschwanzens,  ob- 
gleich sie  fiir  das  Vergehen  nicht  mora- 
lisch  verantwortlich  gemacht  werden 
konnten. 

Siebente  ns  fordert  Dr.  Maxwell 
Geld,  mehr  Geld!  Die  jetzige  Legislatur 
des  Staates  New  York  hat  sechs  Mil- 
lionen  Dollars  zur  Erhohung  der  Gehal- 
ter  der  Lehrer  bewilligt.  Trotzdem  nun 
die  Zeit  gekommen  sei,  dass  die  Gehal- 
ter  der  Lehrer  erhoht  werden  sollten,  so 
fordere  jedoch  das  Wohl  der  Kinder, 
dass  nicht  die  ganze  Summe  in  die  Ta- 
schen  der  Lehrer  fliesst. 


Umschau. 


31 


Statistisches.  Dem  ,,Handbuch 
der  Frauenbewegung"  entnehmen  wir 
folgende  Statistik  des  Prozentsatzes 

Lehrer 

ftsterreich  51,500 

Ungarn  26,365 

Schweiz  6.400 

England  und  Wales  26,200 

Schottland  4,000 

Trland  6.000 

Danemark  4,500 

Sch  wed  en  4,922 

Norwegen    Stadt  683 

Land  3,169 

Finn  land  Stadt  210 

Land  960 

Ptussland  38,700 

Frankreich  56,370 

Italien  18,600 

Portugal  2,300 

Vereinigte   Staaten  6,300 

Diese  tibersicht  zeigt,  dass  diejenigen 
Staaten,  in  welchen  die  romische  Kirche 
eine  dominierende  Stellung  einnimmt, 
der  Verwendung  weiblicher  Lehrknifte 
freundlich  gegeniiberstehen.  Das  Glei- 
che  gilt  von  den  Staaten,  in  welehen 
die  Erziehung  von  jeher  <Sache  der  Fa- 
milien,  der  Genossenschaften  und  Ver- 
eine,  iiberhaupt  ein  Gegen  stand  der 
freien  Bestimmung  der  Eltern  war. 
Auch  in  den  nordamerikanischen  Staa- 
ten wirken  mehr  Lehrerinnen  als  Leh- 
rer. Dieses  Verhiiltnis  hat  dort  wohl 
in  der  eigentiimlichen  Stellung  des  Wei- 
bes  seinen  Grund.  Die  Gleichheit  der 
Geschlechter  ist  zwar  aueh  in  Amerika 
noch  nicht  theoretisch  anerkannt,  aber 

F  r  e  i  1  u  f  t  s  c  h  u  le  n  in  D  e  u  t  s  c  h- 
1  a  n  d.  tiber  das  System  der  Freiluft- 
schulen  in  Deutschland  schreibt  der 
Londoner  ^Standard"  wie  folgt: 

In  Deutschland,  wo  die  Erziehung 
realer  und  verniinftiger  ist  als  bei  uns, 
sind  die  Freihuftschulen  keine  Neuheit 
mehr.  An  jedem  Tag  der  dreizehn  Wo- 
chen  des  Sommertermins  begibt  sieh 
eine  ausgewjihlte  Schar  von  anami- 
schen.  schwindsiichtigen  und  skrofulo- 
sen  Kindern  rait  der  Strassenbahn  oder 
auf  eigenen  Ffissen  nach  den  Tannen- 
waldern  in  der  Umgebung  von  Berlin. 

Das  Curriculum  erscheint  gefallig  und 
ist  sozialistisch  in  der  einwandfreisten 
Weise.  Die  Kinder  werden  hier  ebenso 
korperlich  wie  geistig  genahrt.  Frei- 
lich  ist  der  Unabhangigkeitssinn  und 
der  Wohlstand  der  arbeitenden  Klasse 


der    milnnlichen    und    weiblichen    Lehrer 
in  verschiedenen  Staaten: 


Lehrerinnen 

20,000 

5,986 

3,600 

66,300 

7,000 

7,000 

1,800 

2,649 

1,216 

1,138 

580 

920 

22,400 

49,400 

31,800 

22,000 

76,348 


Prozentsatz 
der  Lehrerinnen 
28 
18,5 
36 
71,5 
63,6 
53,8 
28,6 
35 
69,3 
26,4 
73,4 
49 
36,6 
46,7 
63 
88,2 
92,3 


irti  iiffentlichen  Leben  geniessen  die 
Frauen  dort  eine  Achtung,  wie  in  kei- 
nem  anderen  Lande.  Dazu  kommt,  dass 
dort  der  Lehratand  von  den  Mannern 
gewohnlieh  nur  als  eine  Durchgangs- 
periode  betrachtet  wird,  die  weiter  fiih- 
ren  soil,  und  die  Statistik  weist  nach, 
dass  wenige  mehr  als  5  Dienstjahre 
zahlen. 

Das  Deutsche  Reich  hat  der  Anstel- 
lung  miinnliclier  Lelirkrafte  stets  den 
Vorzug  gegeben.  Nach  dem  ,,Statisti- 
schen  Jahrbuch  fiir  das  Deutsche  Reich" 
(1904)  waren  in  demselben  124,027  Leh- 
rer und  22,513  Lehrerinnen  angestellt. 
Der  Prozentsatz  der  letzteren  betrug 
also  15.4. 

in  Deutschland  gross  genug,  um  fiir  die 
sechs  Pence  (.}  Mark)  pro  Tag  und 
Kind  betragenden  Kosten  aufzukom- 
men.  Tin  Tagesprogramm  wechseln 
Unterricht  und  Erholung  regelmiissig 
ab.  Ausserdem  werden  zwei  Stunden 
Schlaf  als  ebenso  obligatorisch  ange- 
sehen  wie  ein  Studium  von  mehr  prosa- 
ischer  Xatur,  und  auch  den  Spielen 
wird  reichlich  Zeitraum  gewiihrt.  So 
wird  die  Zeit  in  der  rationellsten  Weise 
ausgeniitzt;  korperliches  Wachstum 
wird  unterstutzt,  wahrend  der  Geiste 
seine  Nahrung  erhiilt,  und  als  Resultat 
zeigt  sich  ein  wunderbarer  Fortschritt 
in  der  Gesundheit  dieser  Kinder,  von 
denen  viele  sich  zu  tiichtigen  Biirgem 
entwickeln,  anstatt  der  physischen  De- 
generation zu  unterliegen,  welche  die 
Natur  ihnen  auferlegt  hat. 


Monatshe-fte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


Eingesandte  Biicher. 


Z  u  m  M  o  r  a  1  -  U  n  t  e  r  r  i  c  h  t.  Aus- 
gewiihlte  Kapitel  aus  englischen  Lehr- 
biichern,  ins  Deutsche  ttbertragen  und 
mit  einer  Einleitung  versehen  von 
Emily  Altschul.  Wien  und  Leip- 
zig, A.  Hartlebens  Verlag,  1908.  Preis 
M.  2. 

Das  F  r  ii  u  1  e  i  n  von  S  c  u  d  e  r  i. 
Kr/ahlung  aus  dem  Zeitlalter  Ludwig 
des  Vierzehnten  von  E.  F.  A.  Hoff- 
in  a  n  n.  With  introduction  and  notes 
by  Gustav  Gruener,  Professor  in 
Yale  University.  New  York,  Henry 
Holt  &  Co.,  1907.  Preis  35  cts. 

Burg  Neideck  von  Wilhelm 
H  e  i  n  r  i  c  h  R  i  e  h  1.  Edited  with  in- 
troduction, notes,  exercises  and  voca- 
bulary by  J.  B.  E.  Jonas,  Professor 
in  Brown  University.  Boston,  D.  C. 
Heath  &  Co.,  1907. 

Die  Harzreise  von  H  e  i  n  r  i  c  h 
Heine.  Edited  with  introduction, 
notes  and  vocabulary  by  B.  J.  V  o  s  , 
Associate  Professor  of  German  in  the 
Johns  Hopkins  University.  Boston,  D. 
C1.  Heath  &  Co.,  1907.  Price  45  cts. 

Der  gesamte  Lehrstoff  des 
naturkundlichen  U  n  t  e  r  - 
r  i  c  h  t  s.  Eine  Darstellung  der  Glie- 


derung  und  Behandlung  des  gesamten 
naturkundlichen  Unterrichts  in  Ent- 
wiirfen  und  Pliinen  fiir  einfache  und 
gegliederte  Volksschulen  von  Dr.  Ri- 
chard Seyfert,  Seminaroberlehrer 
in  Annaberg  i.  E.  Vierte,  vermehrte 
Auflage.  Leipzig,  Ernst  Wunderlich, 
1908.  Preis  M.  3.60. 

Die  A  u  s  b  i  1  d  u  n  g  f  U  r  den 
Fortbildungs-  und  Gewerbe- 
schuldienst.  Umschau  und  Anre- 
gungen  fiir  Behorden,  Lehrer  und  Leh- 
rerinnen.  Im  Auftrage  des  Siichsischen 
Fortbildungsschulvereins  bearbeitet  v.on 
Dr.  R.  Seyfert,  Seminaroberlehrer, 
Annaberg  im  Erzgebirge.  Leipzig,  Ernst 
Wunderlich,  1908.  Preis  80  Pf. 

Fiihrer  durch  die  Stromun- 
gen  auf  dem  Gebiete  der  Pa- 
dagogik und  ihrer  Hilfswis- 
senschaften  ;  zugleich  ein  Ratge- 
ber  fiir  Lehrer  und  Schulbeamte  bei  der 
Einrichtung  von  Bibliotheken.  Heraus- 
gegeben  unter  Mitwirkung  von  Gelehr- 
ten  und  Schulmilnnern  von  H.  S  c  h  e- 
r  e  r ,  Schulrat  in  Biidingen  (Oberhes- 
sen).  4.  Heft:  Geschichtsun- 
t  e  r  r  i  c  h  t.  Ijeipzig,  Ernst  Wunder- 
Natur  ihnen  auferlegt  hat.  0.  B. 


(Offiziell.) 
Nachtrag  zur  Mitgliederliste  des  Lehrerbundes. 


Carl  Herzog, 


477   W.    140th   St., 


New     York. 
Louis  Hahn. 


Monatshefte 

fiir  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Fniher:    Padagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen   Deutschamerikanischen   Lehrerbundes. 


IX*  .     febniav  1908*  Reft  2. 


In  wie  weit  darf  man  sich  beim  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  des  llbersetzens  ins  Englische  bedienen?1 


Yon  Prof.  Dr.  M.  M.  Skinner,  Leland  Stanford  Jr.  Univ.,  Calif. 


(Schluss.) 

Der  Hauptnachdruck  1st  auf  den  Inhalt,  auf  die  Ideen  und  Gedanken 
eines  Buches  zu  legen.  Der  Lehrer  darf  es  aber  anfangs  den  ScMlern 
nicht  iiberlassen,  dem  Inhalt  des  Werkes  nachzuforschen  und  ihn  zu 
erschliessen.  Er  muss  ihnen  zeigen,  wie  das  am  leichtesten  und  am 
griindlichsten  zu  machen  ist.  Es  wird  Zeit  brauchen,  den  Schiller  ans 
Ziel  zu  fiihren,  aber  das  Ziel  ist  wenigstens  auf  diesem  Wege  erreichbar. 

Wie  ich  schon  oben  gesagt  habe,  verwerfe  ich  das  Ubersetzen  nicht 
ganz.  Im  Gegenteil  bin  ich  der  Meinung,  dass  bei  amerikanischen  Stu- 
denten  die  tibersetzung  ein  wertvolles  und  unentbehrliches  Hilfsmittel 
zur  Erlernung  einer  fremden  Sprache  und  folglich  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  beizubehalten  ist.  Wir  miissen  sie  aber  bloss  als  Hilfsmittel  ge- 
brauchen,  keineswegs  zur  Hauptsache  erheben  oder  ausschliesslich  damit 
verfahren.  Der  Student  findet  namentlich  am  Englischen  einen  Anhalt, 
und  das  Deutsche  wollen  wir  anfangs  angekniipft  wissen,  um  den  Schii- 
iern  auf  die  Beine  zu  helfen.  Wir  miissen  sogar  alle  Kenntnisse,  die 
irgendwie  nutzbar  sein  konnten,  heranziehen,  um  dieselben,  sobald  sie 
ihre  Dienste  geleistet  haben,  eine  nach  der  anderen  zu  entfernen.  Die 


34  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Kenntnisse  der  lateinischen,  griechischen,  franzosischen  und  englischen 
Sprache  sind  aber  zu  Eate  zu  ziehen.  Der  Student  muss  auch  ermuntert 
werden,  so  viel  zu  erraten  wie  moglich.  Das  Ubersetzen  1st  ihm  aber  zu 
verbieten,  bis  er  zuerst  die  ganze  Aufgabe  wenigstens  einmal  durchgelesen 
und  auch  versucht  hat,  den  Gang  der  Erzahlung  zu  verfolgen  und  die 
Bedeutung  der  Worter  ohne  Heranziehen  des  Worterbuches  heraus- 
zufinden. 

Wie  die  Sache  nun  steht,  miissen  wir  es  bei  einer  langsamen  Ent- 
wickelung  bewenden  lassen.  Nach  der  Aneignung  eines  ziemlich  guten 
Wortschatzes  ist  der  Sinn  der  Stelle  dadurch  zu  erschliessen,  dass  man 
die  Studenten  auf  die  darin  vorkommenden,  ihnen  bekannten  Vokabeln 
aufmerksam  macht  und  sie  ermuntert,  mit  diesen  zu  operieren  und  soweit 
wie  moglich  den  Inhalt  der  Stelle  wiederzugeben.  Der  Wortschatz  ver- 
mehrt  sich  bald,  und  die  bekannten  Worter  deuten  den  Sinn  der  neben- 
stehenden  an. 

Am  Anfang  muss  man  zufrieden  sein,  wenn  die  Schuler  den  Haupt- 
inhalt,  den  Hauptfaden  der  Erzahlung  herausziehen  kb'nnen.  Diese 
tibung  sollte  zuerst  auf  Englisch  gehalten  und  der  Ubergang  zum  Deut- 
schen  so  natiirlich  und  leicht  wie  moglich  gemacht  werden.  Wir  diirfen 
die  Schwierigkeiten  nicht  haufen,  den  Schiilern  das  Inhalterschliessen 
und  das  Sichaufdeutschausdriicken  zur  selben  Zeit  beibringen  zu  wollen. 
Sobald  die  Studenten  die  Methode  ziemlich  gut  verstehen  und  mehr 
Selbstvertrauen  gewonnen  haben,  darf  man  mehr  Details  verlangen,  ob- 
gleich  der  Hauptgedanke  auch  dann  zuerst  klar  gemacht  werden  muss. 
Nach  und  nach  kann  der  Lehrer  anfangen,  die  Fragen  auf  Deutsch  zu 
stellen  und  den  Inhalt  der  Stelle  auf  Deutsch  kurz  zusammenzufassen, 
nachdem  der  Schuler  denselben  auf  Englisch  erzahlt  hat.  Spaterhin 
sollte  man  die  Studenten  dazu  anhalten,  die  wichtigsten  deutschen  Satze 
oder  Worter  einer  Stelle  zusammenzufugen  und  auf  diese  einfache  Weise 
den  Inhalt  der  Stelle  wiederzugeben.  Einfache  Satze  sind  aber  bei  diesem 
Stadium  der  Entwicklung  zu  verlangen.  Die  Hauptschwierigkeit  ini 
schnftlichen  wie  auch  mundlichen  Gebrauch  der  deutschen  Sprache  ent- 
steht  aus  dem  Streben,  sich  in  langen,  verwickelten  Satzen  auszudriicken. 
Die  Schiller  miissen  einfache  Aussagesatze  bilden  und  fliessend  ausspre- 
chen  lernen,  ehe  sie  zu  schwierigen  zusammengesetzten  iibergehen. 

Der  Gebrauch  des  Englischen  soil  aber  allmahlich  abnehmen  und  der 
des  Deutschen  zunehmen,  bis  endlich  fast  nichts  als  Deutsch  in  der 
Klasse  gehort  wird.  Auch  dann  wird  es  wohl  hier  und  da  oft  fur  notig 
erfunden,  eine  sehr  schwierige,  sonst  nicht  leicht  zu  verstehende  Stelle  zu 
iibersetzen,  besonders  wenn  die  betreffende  Stelle  philosophischen  Inhalts 
ist,  abstrakte  Ideen  und  Fachausdrucke  enthalt  oder  sonst  irgendwie  iiber 
den  Verstand  der  Schiller  hinausgeht.  In  solchem  Falle  aber  sollte  der 


~Ubersetzen  im  deutschen  Sprachunterricht.  35 

Lehrer  versuchen,  den  Inhalt  vorher  in  einfachen  deutschen  Worten  zu 
geben,  d.  h.  die  Stelle  zu  umschreiben. 

Unsere  Studenten  lesen  zu  wenig.  In  dem  Zeitraum,  der  zwischen 
den  Vorlesungen  liegt,  wird  der  Gedankenzusammenhang  schwach  und 
blass,  der  Faden  der  Erzahlung  geht  oft  ganz  aus  den  Handen  verloren. 
Wir  miissen  mehr  lesen,  immer  grossere  Quantitaten  aufgeben.  Schnelles 
Lesen  oder  grosse  Quantitaten  lesen  bedeutet  nicht  notwendigerweise 
soviel  wie  Nachlassigkeit  oder  Oberflachlichkeit.  Das  alte  Sprichwort 
lautet  ,,Non  multa,  sed  multum."  Unter  Umstanden  ist  aber  ,,multa" 
ratsamer.  Seien  wir  nicht  ,,eines  Buches  Mann",  sondern  vieler,  mit 
ihren  Verschiedenheiten  im  Stil,  Wortschatz  und  Gesichtspunkte.  Es  ist 
gerade  wie  im  Leben.  Je  mehr  man  gereist,  je  mehr  man  erfahren,  je 
mehr  man  seinen  Wirkungskreis  erweitert  hat,  desto  tiefer  und  inniger 
wird  das  Yerstandnis  fiir  eine  beschranktere  Urngebung  oder  ein  begrenz- 
teres  Wirkungsgebiet.  Breite  bedeutet  nicht  immer  Oberflachlichkeit, 
sondern  auch  Fortschritt.  Stille  Wasser  sollen  tief  sein,  aber  sie  kommen 
nicht  von  der  Stelle.  Griindlichkeit  ist  ja  eigentlich  nicht  die  Eigen- 
schaft  einer  Methode,  sondern  sie  hangt  schliesslich  vom  einzelnen 
Lehrer  ab. 

Ich  habe  verschiedene  Yersuche  angestellt,  um  das  oben  gesteckte 
Ziel  zu  erreichen,  namlich  die  Studenten  Deutsch  schnell  und  mit  Yer- 
standnis lesen  zu  lassen,  ohne  die  Yermittelung  des  Englischen.  Yom 
psychologischen  Standpunkte  schien  es  mir  ganz  klar,  dass  ein  Ameri- 
kaner,  um  die  deutsche  Sprache  zu  erlernen,  die  Wortfolge  beibehalten 
muss,  die  in  dieser  Sprache  die  herrschende  ist;  dass  die  Gehirnvorgange 
bei  ihm  dieselben  bleiben  miissen,  wie  sie  im  Kopfe  des  Deutschen  sind, 
d.  h.  dass  er  nicht  durch  die  Eigentiimlichkeit  oder  Fremdartigkeit  der 
Wortfolge  gestort,  abgeschreckt  oder  entmutigt  werden  darf.  Die  Worte 
miissen  durchs  Ohr  und  Auge  ins  Gehirn  dringen  in  gerade  der  Eeihen- 
folge,  wie  sie  dem  Deutschen  in  den  Kopf  kommen  und  wie  sie  auf  der 
Druckseite  stehen.  Das  ewige  Suchen  nach  dem  Subjekt,  nach  dem  Yer- 
bum,  nach  dem  Objekt  u.  s.  w.  ist  ganz  verkehrt  und  dient  nur  dazu,  den 
Schiiler  weiter  vom  Ziel  abzufuhren.  Mich  auf  diese  Yoraussetzung  stiit- 
zend,  verlangte  ich  von  meinen  Klassen  ein  wortliches  tibersetzen,  d.  h. 
ich  Hess  die  Schiiler  Wort  fiir  Wort  in  der  deutschen  Wortfolge  ins  Eng- 
lische  iibersetzen,  nachdem  sie  das  Deutsche  einmal  fiir  sich  durchgelesen 
hatten.  Anfangs  fiel  es  den  Studenten  schwer,  bei  einer  solchen  teutoni- 
eiert-englischen  Ubersetzung  sich  eines  Lachelns  zu  enthalten.  Mit  der 
£eit  aber  gewohnten  sie  sich  daran  und  sahen  auch  ein,  dass  dieses  Yer- 
fahren  die  Arbeit  sehr  erleichterte  und  die  deutsche  Wortfolge  zu  etwas 
mehr  natiirlichem  machte.  Eine  Wiedergabe  des  Inhalts  war  aber  jedes- 
mal  von  vornherein  die  erste  Bedingung;  allmahlich  wurde  dann  mit  der 
Zeit  das  tibersetzen  eingestellt,  und  ich  war  nicht  wenig  erfreut,  am  Ende 


36  Monatshefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Pddagogilc. 

des  Jahres  die  Erfahrung  zu  inachen,  dass  die  meisten  Studenten  in  der 
Klasse  in  einer  Stunde  fiinfzehn  Seiten  eines  nie  vorher  gesehenen  deut- 
schen  Textes  lesen  und  den  Inhalt  wiedererzahlen  konnten,  ohne  dass  sie 
die  Aufgabe  zuerst  muhsam  iibersetzen  mussten.  Diese  Klasse  hatte  erst 
ein  Jahr  deutschen  Studiums  hinter  sich. 

Es  kam  mir  aber  mit  der  Zeit  zu  gewagt  und  gefahrlich  vor,  das 
Deutsche  auf  Kosten  des  Englischen  zu  lehren,  da  ich  gestehen  muss, 
dass  ein  sehr  sonderbares  Englisch  bei  einem  solchen  Verfahren  zustande 
kommt.  Seitdem  habe  ich  also  nach  Besprechung  des  Inhalts  eine  ziem- 
lich  grosse  Anzahl  Seiten  am  Anfang  des  Buches  in  gutes  Englisch  iiber- 
setzen lassen.  Mcht  dass  ich  die  Meinung  teile,  man  treibe  fremde  Spra- 
chen,  um  auch  nur  nebenbei  sein  Englisch  zu  vervollkommnen.  Ich 
glaube  nicht,  dass  die  Kenntnis  des  Englischen  durch  das  viele  tibersetzen 
aus  einer  fremden  Sprache  sehr  vermehrt  oder  der  englische  Wortschatz 
bedeutend  erweitert  wird.  Die  Gefahr  liegt  vielmehr  vor,  dass  der  Lehrer 
sich  eine  Ubersetzung  in  nur  mittelmassigem  oder  gar  schlechtem  Eng- 
lisch gefallen  lassen  wird,  und  dass  fremdsprachliche  Eigentiimlichkeiten 
sich  in  die  englische  Muttersprache  eindrangen.  Dass  die  Nachlassigkeit 
im  Gebrauche  des  Englischen  dadurch  nur  verstarkt  wird,  brauche  ich 
kaum  zu  erwahnen.  Eine  Ubersetzung,  wie  sie  der  Schiller  gewohnlich 
macht  und  der  Lehrer  gelten  lasst,  hat  oft  einen  deutschen  Anstrich,  der 
dem  Schiiler  mit  der  Zeit  immer  natiirlicher  vorkommt  und  ihm  schliess- 
lich  als  echt  englisch  erscheint.  Soil  iibersetzt  werden,  so  begniige  man 
sich  mit  den  ersten  Seiten  eines  Werkes,  um  die  Studenten  mit  dem  be- 
sonderen  Wortschatz  und  dem  Stil  des  betreffenden  Schriftstellers  ver- 
traut  zu  machen. 

In  einem  zweistiindigen  Kursus  im  vorigen  Jahre  lasen  wir  im  ersten 
Semester  Eaabes  ,,Hungerpastor"  (397  Seiten)  und  im  zweiten  Spiel- 
hagens  ,,Problematische  Naturen"  (2  Bde.,  zusammen  837  Seiten).  Das 
Verfahren  war  wie  folgt :  Die  ersten  achtundvierzig  Seiten  vom  ,,Hunger- 
pastor"  und  die  ersten  vierundneunzig  der  ,,Problematische  Naturen" 
wurden  von  den  Studenten  zuerst  gelesen  und  dann  inhaltlich  wieder- 
gegeben;  erst  nachdem  dies  in  jedem  Falle  geschehen,  wurde  eine  Uber- 
setzung ins  Englische  verlangt  oder  auch  nur  gestattet.  Was  die  Uber- 
setzung anbelangt,  liess  ich  mir  nur  eine  solche  gefallen,  die  als  sehr  gutes 
Englisch  gelten  konnte.  Um  das  zu  erreichen,  sah  ich  mich  gezwungen, 
den  Schiilern  zu  zeigen,  wie  sie  die  deutschen  Satze  zergliedern,  Haupt- 
satze  in  Nebensatze  und  umgekehrt  verwandeln  und  iiberhaupt  ganz  an- 
ders  mit  dem  Texte  verfahren  mussten,  als  sie  beim  Ubersetzen  gewohn- 
lich getan  hatten.  Nachdem  die  Klasse  sich  in  das  betreffende  Werk 
hineingelesen  hatte,  warf  ich  alles  Ubersetzen  bei  Seite  und  begniigte 
mich  mit  dem  blossen  Lesen  und  Erklaren  des  Inhaltes.  Ich  scheute  mich 
nicht,  spaterhin  hier  und  da  ein  paar  wichtige  Seiten  iibersetzen  zu  laasen. 


~Ubersetzen  im  deutschen  Sprachunterricht.  37 

Die  Vorziige  und  Nachteile  des  Werkes  erklarte  ich  selbst,  und  dazu  hielt 
ich  auch  Vortrage  iiber  den  deutschen  Eoman.  Ich  verwendete  ziemlich 
viel  Zeit  darauf,  den  Schiilern  zu  zeigen,  wie  der  Hauptinhalt,  die  wich- 
tigsten  Ideen  aus  dem  Texte  herauszufinden  waren.  Oft  nahm  ich  eine 
Seite  oder  ein  Kapitel  vor  und  machte  ihnen  deutlich,  wie  ein  einziges 
Wort  manchmal  den  Schliissel  zu  dem  Inhalt  des  Ganzen  bieten  kann, 
wie  aber  allgemein  genommen  das  Wort  noch  ofter  unverstandlich  bleibt, 
dagegen  vom  Satzzusammenhang  eine  einleuchtende  Bedeutung  gewinnt; 
ferner  wie  die  Bedeutung  des  Satzes  oft  durch  den  Paragraphen,  die  des 
Paragraphen  durch  die  Seite,  die  der  Seite  durch  das  Kapitel  mannigfach 
beleuchtet  und  klargelegt  wird.  Als  der  Schiller  sah,  dass  er  den  allge- 
rneinen  Inhalt  einer  Seite  mit  Hilfe  bloss  derjenigen  Worter  und  Phra- 
sen,  die  er  schon  kannte,  erschliessen  konnte,  fiihlte  er  sich  ermutigt. 
Sein  Selbstvertrauen  wuchs,  und  das  Spiel  war  gewonnen.  Als  Hausauf- 
gabe  verlangte  ich  anfangs  drei  Seiten  und  vermehrte  das  Pensum,  bis 
ich  am  Schlusse  des  zweiten  Semesters  fiinfzig  Seiten  auf  einmal  auf- 
geben  konnte,  ohne  dass  sich  die  Schiller  iiber  die  Lange  der  Aufgabe 
beschwerten  oder  der  Durchschnittsschiiler  dieselbe  nicht  bewaltigen 
konnte.  Diese  Schiller  waren  im  dritten  und  vierten  Jahre  ihres  Stu- 
diums  der  deutschen  Sprache.  Am  Anfang  des  Jahres  aber  konnten  nur 
die  allerwenigsten  derartig  mit  ein  paar  Seiten  verfahren. 

Man  diirfte  fragen,  welche  Gewahr  haben  wir,  dass  die  Studenten  zu 
Hause  nicht  gleich  zum  Worterbuch  greifen,  um  es  sich,  wie  sie  vielleicht 
glauben,  leicht  zu  machen  ?  Wir  konnen  natiirlich  niemals  in  alien  Fallen 
mit  Gewissheit  erfahren,  ob  die  Schiller  gewissenhaft  sind;  aber  wenn  sie 
es  wissen,  dass  der  Lehrer  beim  Examen  das  Hauptgewicht  oder  das 
ganze  Gewicht  auf  die  Fahigkeit  legen  wird,  mehrere  Seiten  eines  deut- 
schn  Textes  schnell  zu  lesen  und  den  Sinn  derselben  herauszufinden,  ohne 
das  Deutsche  zu  iibersetzen,,  so  werden  sie  es  wohl  fiir  ratsam  erachten, 
sich  im  Laufe  des  Jahres  darauf  vorzubereiten. 

Eine  ganzliche  Veranderung  des  Klassenunterrichts  bedingt  aller- 
dings  eine  solche  Methode.  So  dumm,  so  verkehrt,  so  geistestotend  ist 
kein  Verfahren  wie  das,  welches  die  ganze  goldene  Stunde  zu  einer  Kepe- 
tieriibung  herabwiirdigt,  wo  der  Lehrer  bloss  abhort,  was  der  Schiller 
gelernt  hat.  Die  Wiederholung  des  in  der  vorigen  Stunde  oder  zu  Hause 
Durchgegangenen  ist  womoglich  immer  zu  vermeiden.  Der  Lehrer  kann 
wohl  jedesmal  den  Inhalt  des  Vorhergehenden  kurz  erzahlen  lassen  und 
sich  durch  ein  paar  geschickt  abgefasste  und  zugleich  umfassende  Fragen 
versichern,  dass  die  Schiller  ihre  Pflicht  tun.  Das  ist  aber  ganz  was 
anderes  als  das  Wiederholen  an  und  fiir  sich  zum  Prinzip  zu  erheben! 
Soil  womoglich  Griindlichkeit  dadurch  erzielt  werden?  Griindlichkeit 
lasst  sich  ebenso  gut  dadurch  erzielen,  dassNman  sich  griindlich  mit  nie 
vorher  gesehenem  Stoffe  beschaftigt.  Soil  vielleicht  der  Wortschatz  ge- 


38  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

sichert  werden  ?  Nun,  derselbe  wird  ebenso  gut  und  vielleicht  noch  besser 
gesichert  durch  die  Wiederkehr  derselben  Worter  auf  jeder  neuen  Seite 
und  zwar  in  verschiedenem  Zusammenhange.  Wenn  man  immer  neuen 
Stoff  in  der  Klasse  vornimmt,  so  wird  der  Verstand  und  der  Spiirsinn 
des  Schiilers  gescharft;  er  muss  aufgeweckt  bleiben,  um  iiberhaupt  mit- 
zukommen.  Sein  Interesse  bleibt  rege,  weil  er  etwas  ISTeues  erfahrt,  sei 
es  in  der  Erzahlung  als  solcher,  sei  es  in  den  enthaltenen  Ideen.  Nur  in 
einem  einzigen  Falle  wiirde  ich  das  Wiederholen  vorschlagen,  namlich 
nachdem  man  das  Buch  zu  Ende  gelesen  hat.  Dann  ist  ein  schnelles 
Wiederlesen  oft  sehr  zu  empfehlen. 

Ein  eingehendes  Studium  der  Grammatik  ist  meines  Erachtens  bei 
unseren  amerikanischen  Studenten  nicht  zu  entbehren.  Anfangs  aber  soil 
man  die  Sache  mehr  induktiv  treiben  und  nicht  bloss  den  Schulern  einige 
tote  Paradigmata  einpauken  wollen.  Nachher  aber  ist  ihnen  ein  systema- 
tischer  tiberblick  der  Grammatik  zu  geben.  Sonst  werden  sie  niemals 
sicher  sein,  dass  sie  den  genauen  Sinn  des  Werkes  erfasst  haben.  Das 
Bewusste  wird  ja  spater  ins  Unbewusste  iibergehen,  wahrend  ein  Gefiihl 
fiir  die  feineren  Schattierungen  des  sprachlichen  Ausdruckes  gewonnen 
werden  wird.  Je  griindlicher  und  umfangreicher  die  Kenntnis  der  Prin- 
zipien  der  Wortbildung,  der  Etymologic,  der  Syntax,  mit  anderen  Worten 
je  grosser  die  Kenntnis  der  Fakta  in  der  Geschichte  und  Entwickelung 
der  Sprache,  desto  starker  wird  die  Divinationsgabe,  desto  besser  vor- 
bereitet  wird  der  Student  fiir  seine  Arbeit  in  der  Literatur  sein. 

Einen  besonderen  Vorzug  hat  diese  Inhaltsmethode,  namlich  die, 
dass  der  Schiiler  aus  seiner  Schale  herausgelockt  wird.  Er  wird  gezwun- 
gen,  nicht  nur  liber  den  Lesestoff  nachzudenken  (und  dadurch  ist  schon 
viel  gewonnen,  denn  vom  Denken  bei  amerikanischen  Schulern  konnen 
wir  selten  sprechen),  sondern  er  muss  auch  den  Inhalt  in  seinen  eigenen 
Worten  erzahlen.  Seinen  Gedanken  muss  er  wirklich  Ausdruck  geben. 
Er  bleibt  nicht  mehr  passiv  und  schweigsam  wie  das  Grab,  sondern  nimmt 
aktiven  Teil  oder  den  Hauptteil  an  dem  Unterricht.  Das  kommt  seiner 
ganzen  Geistesentwickelung  zugute. 

Vom  Anfang  an  muss  der  Lehrer  die  Studenten  auf  den  Stil  des 
betreffenden  Schriftstellers  aufmerksam  machen,  ihnen  die  Vorziige  oder 
Nachteile  gewisser  Worter  oder  Phrasen  erklaren,  die  Nachlassigkeit  oder 
Sorgfaltigkeit  dieses  oder  jenes  Autors  besprechen  und  iiber  die  Wahl 
und  Handhabung  des  Stoffes,  iiber  den  Aufbau  des  Ganzen  und  das  In- 
einanderweben  der  verschiedenen  Faden  der  Erzahlung  ein  gewichtiges 
Wort  zu  sagen  haben.  Auch  soil  der  Schiiler  angespornt  werden,  ein 
selbstandiges  Urteil  iiber  das  Buch  zu  fassen.  Es  ist  iiberraschend,  wie 
oft  der  Student  den  Nagel  auf  den  Kopf  trifft,  wenn  er  sich  die  Miihe 
gibt  und  das  Selbstvertrauen  hat,  iiber  einen  Gegenstand  nachzudenken. 
Ohne  Ermunterung  aber  tut  er  es  selten. 


'Ubersetzen  im  deutschen  Sprachunterricht.  39 

Die  Aussprache  des  Deutschen  1st  keineswegs  zu  vernachlassigen. 
Deutsch  1st  eine  lebende  Sprache,  und  das  muss  der  Schuler  auch  empfin- 
den.  Die  Aussprache  soil  aber  nach  keinen  Biicherregeln  gelernt  werden. 
Der  Lehrer  muss  besonders  in  den  ersten  Monaten  viel  vorlesen  und  die 
Quantitat  aller  im  Texte  auftretenden  Vokale  wie  auch  den  Wort-  und 
Satzakzent  genau  angeben.  Erst  wenn  sich  die  Schuler  daran  gewohnen, 
den  deutschen  Text  mit  richtiger  Satz-  und  Wortbedeutung  zu  lesen,  wo- 
bei  sie  die  richtigen  Pausen  eintreten  lassen  und  auch  auf  die  Quantitat 
der  Vokale  genau  acht  geben,  werden  sie  die  Fahigkeit  erlangen,  Deutsch 
einigermassen  gut  laut  oder  auch  fiir  sich  verstandnisinnig  zu  lesen.  Es 
muss  im  ersten  und  zweiten  Jahre  iiberhaupt  viel  fiir  das  laute  Lesen  des 
deutschen  Textes  gesorgt  werden;  spater  wird  der  selbstandige  Gebrauch 
des  Deutschen  im  Inhaltangeben  und  im  Fragen  und  Antworten  genii- 
gende  tibung  bieten. 

Ich  komme  jetzt  zu  der  wichtigen  Textfrage:  Was  fiir  und  welche 
Biicher  sollen  wir  zum  Lesen  verwenden?  Diese  Frage  konnen  die  Stu- 
denten oft  besser  beantworten  als  der  Lehrer  selbst,  wenigstens  im  nega- 
tiven  Sinn.  Weniger  Kindermiirchen  (wie  die  Grimmschen),  Tierfabeln 
und  alberne  oder  allzu  riihrende  Erzahlungen.  Solche  sagen  den  ameri- 
kanischen  Jiinglingen  gar  nicht  zu.  Dass  unsere  Studenten  nicht  gegen 
das  Lesematerial  protestieren,  ist  kein  Beweis  dafiir,  dass  sie  dasselbe  fiir 
geeignet  halten.  Machen  Sie  einmal  den  Versuch,  meine  Damen  und 
Ilerren.  Lassen  Sie  Ihre  Schuler  ein  paar  Kindermarchen  und  dann 
einige  Erzahlungen  vom  wirklichen  Menschenleben  lesen.  Wenn  sie  dies 
getan,  befragen  Sie  dieselben  iiber  ihre  Meinung.  Ich  bin  iiberzeugt,  dass 
die  Antwort  in  weitaus  den  meisten  Fallen  zugunsten  der  Erzahlungen 
ausfallen  wird.  Dass  aber  das  Interesse  an  der  Sprache  oft  nicht  zu 
erwecken  ist,  wenn  das  Buch  oder  die  Erzahlung  nicht  anspricht,  weil  es 
deni  Leser  kindlich  oder  gar  albern  erscheint,  dariiber  lasst  sich  nicht 
streiten.  Studenten  wollen  als  Erwachsene  behandelt  werden.  Sie 
wollen  gute  Literatur  lesen,  Werke,  die  sich  der  Miihe  lohnen,  die  unge- 
fiihr  auf  gleicher  Stufe  mit  denen  stehen,  welche  sie  im  Englischen  lesen 
und  geniessen.  Ihre  Marchentage  sind  voriiber;  sie  werden  wohl  wieder 
kommen,  aber  jetzt  empfinden  sie  nur  Yerachtung  fiir  das,  was  sie  Kin- 
dergeschichten  nennen.  Diese  Abneigung  ist  zwar  mehr  bei  der  mann- 
lichen  Jugend  vertreten  als  bei  der  weiblichen,  abr  bei  dieser  ist  sie  auch 
mehr  oder  weniger  zu  finden.  Der  Gebrauch  von  Tierfabeln  ist  zu  weit 
getrieben  worden.  Der  Esel  mit  der  Salzlast  oder  der  Wettlauf  zwischen 
dem  Hasen  und  dem  Igel  hat  nicht  dasselbe  Interesse  fiir  die  Schuler  wie 
eine  Geschichte  von  der  grossen  Welt,  von  Mannern  und  Frauen  im 
wirklichen  Leben.  Noch  dazu  ist  die  Zeit,  welche  der  Student  auf  das 
Studium  der  deutschen  Literatur  und  Sprache  zu  verwenden  hat,  sehr 


40  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

beschrankt.  Er  muss  sparsam  damit  uingehen  und  so  wenig  wie  moglich 
auf  unbedeutende  Werke  verschwenden. 

Es  1st  besser,  einen  schwierigen  Text  zu  wahlen,  der  literarisch  wert- 
vollen  Stoff  liefert,  als  einen  leichten,  der  bedeutungslos,  kindisch  oder 
fade  und  albern  ist.  Am  liebsten  sind  Novellen  oder  Eomane  zu  lesen, 
deren  Geschichte  sich  auf  deutschem  Boden  abspielt,  die  mit  deutschem 
Gefiihl  und  deutschem  Geist  durchdrungen  sind.  Die  deutsche  Literatur 
ist  reich  an  hiibschen,  kleinen  Erzahlungen  und  Novellen,  die  sehr  geeig- 
net  sind,  das  Interesse  des  Lesers  zu  fesseln  und  ihm  Achtung  vor  einer 
Sprache  einzuflossen,  deren  Schriften  ihn  so  ergreifen  konnen.  Fiir  Vor- 
geschrittene  wiirde  ich  langere  Romane  mit  spannender  Entwickelung 
wahlen.  Langere  Texte  haben  den  Vorzug,  dass  man  mit  ziemlich  grosser 
Leichtigkeit  fortfahren  kann,  nachdem  man  sich  hineingelesen  hat,  wo 
man  sich  dagegen  bei  kiirzeren  Erzahlungen  gezwungen  sieht,  sich  an 
einen  neuen  Stil  und  Wortschatz  zu  gewohnen,  gerade  wenn  man  ange- 
1'angen,  mit  dem  alten  vertraut  zu  werden.  Spielhagens  Romane  mit 
ihrem  leichten,  einfachen  Stil  und  ihrer  packenden  Erzahlung  eignen 
sich  ausgezeichnet  zu  solcher  tibung. 

Grossere  Reife  ist  erforderlich,  wenn  man  sich  mit  Dramen  beschaf- 
tigen  will.  Wir  haben  bei  Dramen  die  grosstmogliche  Gedrangtheit,  eine 
Pragnanz  des  Ausdruckes,  die  bei  einem  Romane  weder  zu  finden  ist  noch 
moglich  oder  wiinschenswert  ware.  Mehr  ist  dem  Horer  oder  Leser 
iiberlassen,  selbst  herauszufmden,  als  beim  Roman.  Ein  Drama  muss  in 
ein  paar  Akte  eine  Welt  von  Ereignissen  zusammendrangen.  Der 
dramatische  Dialog  wimmelt  oft  von  schweren  Redensarten,  die  der  Um- 
gangssprache  entnommen  sind.  Wenn  der  Romanschreiber  weitlaufig 
erzahlt,  so  bedient  er  sich  einer  Sprache,  die  fast  immer  einfacher  und 
gemeinverstandlicher  ist.  Folglich  werden  unterrichtliche  Fortschritte 
beim  Vornehmen  von  Dramen  langsamer  sein,  und  die  dramatischen 
Texte  sind  deshalb  erst  spater  zu  lesen.  Gegen  Ende  des  zweiten  Jahres 
konnte  man  schon  mit  einem  einfachen  Drama  anfangen  und  im  dritten 
und  vierten  schwierigere  lesen  und  besprechen.  Dramen  und  Texte  iiber- 
haupt,  die  ziemlich  viel  Dialekt  enthalten,  sind  zu  vermeiden.  Wie  ich 
oben  gesagt  habe,  sind  Gedichte  (d.  h.  echte  Poesie)  erst  zu  lesen,  wenn 
die  Studenten  so  weit  vorgeschritten  sind,  dass  sie  dieselben  lesen  und 
geniessen  konnen,  ohne  sie  zuerst  ins  Englische  zu  iibersetezn;  also  gegen 
Ende  des  dritten  und  im  vierten  Jahre. 

In  den  Kursen  iiber  die  Liter aturgeschichte  sollten  die  Studenten 
an  die  Werke  selbst  gewiesen  werden  anstatt  an  die  Geschichten  der  Lite- 
ratur. Sie  konnen  unmoglich  ihren  Geschmack  ausbilden  und  ein 
selbstandiges  Urteil  erlangen,  wenn  sie  nicht  viel,  ja  sehr  viel,  lesen.  Ein 
Literaturkursus  sollte  bloss  ein  Lesekursus  fur  Vorgeschrittene  sein,  mit 
dem  Unterschied,  dass  viel  mehr  aufgegeben  wird  und  die  Werke  vom 


\5bersetzen  im  deutsclivn  tiprachunterricht.  41 

Standpunkte  der  Kritik  in  der  Klasse  behandelt  werden.  Die  Vortrage 
des  Lehrers  konnten  den  Studenten  alles  geben,  was  sie  von  den  Haupt- 
stromungen  der  Literaturgeschichte  wie  auch  vom  Leben  des  einzelnen 
Schriftstellers  zu  wissen  brauchten.  Dann  und  wann  ware  es  ratsam,  den 
Schiilern  das  Lesen  eines  besonders  guten  kritischen  Werkes  oder  Essays 
zu  empfehlen,  aber  das  Grundprinzip  bleibe:  ,,Zuriick  auf  die  Werke 
selbst." 

Zum  Schluss  will  ich  die  in  meinem  Vortrag  beriihrten  Punkte  kurz 
zusammenstellen.  Erstens,  der  lebendige  Geist  muss  herrschen,  nicht  der 
tote  Buchstabe.  Weg  mit  dem  Fetisch  der  Ubersetzung  als  Endzweck! 
Auf  den  Sinn  des  Ganzen,  den  Inhalt,  den  Lauf  der  Erzahlung,  den 
Gedankengang  und  die  darin  enthaltenen  Ideen  komme  es  an!  Zweitens, 
wir  miissen  eingedenk  bleiben,  dass  wir  mit  amerikanischen  Studenten, 
bei  denen  kein  deutsches  Sprachgefiihl  vorauszusetzen  ist,  zu  tun  haben 
und  noch  dazu  mit  Erwachsenen,  nicht  mit  Kindern.  Die  Kenntnisse  in 
alien  Fachern,  besonders  in  den  Sprachen,  in  der  lateinischen,  griechi- 
schen,  franzosischen  und  in  erster  Linie  der  englischen,  die  der  Student 
schon  gesammelt  hat,  muss  man  beim  Studium  des  Deutschen  zu  ver- 
werten  suchen.  Von  der  ersten  Lektion  an  legen  wir  den  Hauptnach- 
druck  auf  das  Verstandnis  des  Gelesenen,  nicht  auf  die  Ubersetzung  des- 
selben.  Das  tibersetzen  ist  aber  am  Anfang  schwer  zu  vermeiden;  nur 
allmahlich  wird  es  moglich  sein,  es  abzuschaffen. 

Wir  miissen  immer  bemiiht  sein,  so  viel  wie  moglich  zu  lesen.  Nur 
dann  aber  diirfen  wir  wiederholen,  wenn  wir  den  Studenten  besonders 
hiibsche  oder  bedeutende  Stellen  einpragen  wollen.  Nachdem  die  Erzah- 
lung  oder  das  Buch  zu  Ende  gelesen,  ist  ein  nochmaliges  schnelles  Wie- 
derlesen  zu  empfehlen. 

Ich  wiinsche  ausdriicklich  zu  sagen,  dass  ich  iiberhaupt  lieber  das 
Englische  ganz  entbehren  wiirde,  wenn  die  Klasse  dazu  fahig  ware.  Die 
Mehrzahl  amerikanischer  Studenten  sind  das  aber  nicht,  und  das  vorge- 
schlagene  Yerfahren  ist  bloss  den  uns  begegnenden  Umstanden  ange- 
passt.  Die  Studenten,  die  es  kb'nnen,  sollen  sich  selbstverstandlich  so  bald 
wie  moglich  ganz  auf  Deutsch  ausdriicken.  Diejenigen,  die  Deutsch  als 
Hauptfach  treiben,  werden  wohl  mehr  als  einen  Kursus  in  einem  Jahre 
belegen  und  also  schneller  selbstandig  werden  und  die  Hilfe  des  Engli- 
schen  entbehren  konnen.  Man  erinnere  sich,  dass  das  Inhaltangeben  der 
Kern  dieser  Methode  ist.  Das  tibersetzen  ist  bloss  ein  Mittel  zum  Ziel 
und  also  Nebensache,  wenn  auch  ein  notwendiges  tibel.  Mit  der  Durch- 
schnittsklasse  amerikanischer  Studenten,  ich  spreche  nicht  von  Deutsch- 
amerikanern,  ist  es  aber  ein  wichtiger  Hilfsgenosse,  der  den  Studenten 
auf  den  sicheren  Weg  bringt  und  ihn  erst  verlasst,  wenn  seine  Dienste 
nicht  mehr  notig  sind. 


42  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Das  Eesultat  eines  solchen  Verf ahrens  wie  das  oben  beschriebene  1st, 
wie  ich  es  mir  vorstelle,  folgendes:  Die  Schiller  horen  auf,  Sklaven  des 
Worterbuches  zu  sein.  Sie  verlassen  sich  mehr  auf  sich ,  selbst,  auf  ihre 
eigenen  Kenntnisse.  Sie  gewinnen  ein  Interesse  fiir  die  deutsche  Sprache 
und  Literatur  und  haben  mehr  Freude  an  der  Arbeit.  Sie  gewohnen  sich 
daran,  sich  ihrer  Aufgabe  auf  verstandige,  reife  Weise  zu  nahern.  Sie 
lernen  denken  und  ihren  Gedanken  Ausdruck  geben;  sie  werden  mit- 
teilsam.  Sie  suchen  jedesmal  gleich  nach  dem  Kern  eines  Literatur- 
stiickes  und  erwerben  eine  gewisse  Fahigkeit,  Literaturwerke  zu  schatzen 
und  zu  wiirdigen.  Und  wir  konnen  auch  versichert  sein,  dass  sie  deutsche 
Werke  noch  weiter  lesen  werden,  nachdem  sie  sich  aus  unserer  Obhut 
begeben  haben. 


Deutscher  Sprachunterricht  und  bewusstes  Deutschtum. 


Von  Chas.  M.  Purin,  East  Division  High  School,  Milwaukee. 


Wenn  Menschen  aus  ihren  gewohnten  Lebensverhaltnissen  heraus- 
gerissen  und  in  eine  ihnen  mehr  oder  weniger  fremde  Umgebung  versetzt 
werden,  so  kommt  es  fast  ausschliesslich  auf  die  ihnen  innewohnenden 
Charaktereigenschaften  an,  ob  sie  das  fremde  Gemeinwesen  -  -  voraus- 
gesetzt,  dass  dieses  auf  gleicher  Stufe  der  kulturellen  Entwicklung  steht 
und  auch  numerisch  annahern  gleich  stark  ist  --  assimilieren  oder  von 
demselben  assimiliert  werden. 

Man  hat  versucht,  statistisch  nachzuweisen,  dass  die  deutschen  Ein- 
wanderer  in  Xordamerika  den  englischen  und  irischen  Ankommlingen  in 
alien  Dezennien  an  Zahl  fast  gleichkamen,  und  wenn  man  den  grossen 
Kindersegen  der  deutschen  Familien  in  Betracht  zieht,  so  diirfte  nach 
Prof.  Goebels  Berechnung  die  Halfte  der  heutigen  weissen  Bevolkerung 
der  Vereinigten  Staaten  deutsches  Blut  in  den  Adern  haben.  *  In  Anbe- 
tracht  dieser  Tatsache  drangt  sich  uns  unwillkiirlich  die  Frage  auf, 
wieso  ist  es  dann  gekommen,  dass  die  Deutschen  in  Nordamerika  nicht 
bedeutungsvoller  und  entschiedener  in  die  Geschichte  ihres  neuen  Hei- 
inatlandes  eingewirkt  haben. 

Die  Antwort  hierauf  ist  zum  grb'ssten  Teil,  wenn  nicht  ausschliess- 
lich, in  dem  Volkscharakter  der  Deutschen  sowie  der  sozial-poli- 
tischen  Entwickelung  ihres  Heimatlandes  zu  suchen.  ,,Ans  Eegiertwer- 
den  gewohnt,  gedriickt  und  geschunden  von  ihren  Fiirsten",  wie  konnte 
da  bei  den  Deutschen  in  jener  Zeit  der  Zersplitterung  ihres  Vaterlandes 


1  Dr.  Julius  Goebel:   Das  Deutschtum  in  den  Vereinigten  Staaten,  Miinch'en, 
1904.     S.  1—2. 


Deutscher  Sprachunterricht  und  bewusstes  DeutsMum.  43 

die  Gabe  einer  staatlichen  Organisation  sich  entwickeln?  Der  Deutsche 
besass  zwar  einen  unermiidlichen  Fleiss  und  die  grosste  Ausdauer.  wenn 
es  gait,  eine  Wildnis  in  fruchtbare  Felder  umzuwandeln,  aber  es  fehlte 
ihm  an  der  politischen  Schulung,  die  sein  Kivale,  der  Anglokelte,  aus  der 
alten  Heimat  mitbrachte  und  von  der  er  auf  der  neuen  Erde  einen  aus- 
giebigen  Gebrauch  machte.  Eine  tatkraftige  Unterstiitzung  seitens  ihres 
Heimatlandes  ist  den  deutschen  Kolonisten  in  Nordamerika  ebenfalls 
nicht  zuteil  geworden.  Ungleich  anderen  europaischen  Fiirsten  lebten 
die  deutschen  Potentaten  nur  ihren  Sonderinteressen.  Sie  waren  zu 
kurzsichtig,  um  den  Wert  dieser  iiberseeischen  Kolonien  zu  begreifen. 
Anstatt  den  Auswanderer  zu  heschiitzen  und  ihm  die  Ansiedelung  auf 
fremdem  Boden  zu  erleichtern,  wurde  das  Auswandern  selbst  vielfach 
erschwert  und  sogar  gesetzlich  verboten. 2  Ferner  verbanden  sich  andere 
Eegierungen  mit  Handels-  und  SchifTfahrtsgesellschaften  zum  Zwecke 
des  Erwerbes  und  der  Kolonisation ;  in  Deutschland  hingegen  hatte  man 
die  Macht  des  einst  stolzen  Hansabundes  gebrochen  und  lahmgelegt. 
Man  kann  es  dem  deutschen  Kolonisten  demnach  nicht  verdenken,  wenn 
er  dem  englischen  Konigshause  bereitwillig  den  Untertaneneid  leistete, 
denn  unter  dem  Schutze  desselben  konnte  er  hoffen,  sein  bescheidenes 
Dasein  unbehelligt  zu  fristen;  auch  muss  den  deutschen  Kolonisten  schon 
die  Idee,  einen  Staat  nach  dem  Muster  ihres  Heimatlandes  mit  seiner 
korrupten  Staatsmaschinerie  zu  griinden,  vernunftwidrig  erschienen  sein. 
Man  begreift  also,  wie  infolgedessen  der  deutsche  Auswanderer  —  die 
wenigen  Gebildeten  abgerechnet  —  sich  hierzulande  mehrere  Dezennien 
hindurch  wohl  als  Pfalzer,  Schwabe,  Hesse  etc.,  aber  nie  als  Deutscher 
zu  fiihlen  gelernt  hatte,  wogegen  bei  den  anderen  europaischen  Auswan- 
derern,  den  Franzosen  und  Englandern  beispielsweise,  das  nationale  Be- 
wusstsein  und  der  nationale.  Zusammenhalt  stets  lebendig  geblieben  ist. 
Ein  geistreicher  Amerikaner  soil  einmal  gesagt  haben,  dass  wenn  man  in 
den  entlegensten  Gegenden  Auslander  treffe  und  sie  nach  ihrer  Herkunft 
frage,  so  werfe  sich  der  erste  stolz  in  die  Brust  und  sage  mit  Nachdruck: 
,,Je  suis  Frangais,  M.";  der  zweite  richte  sich  stramm  empor  und  sage: 
"I  am  an  Englishman";  der  dritte  ziehe  honich  den  Hut  und  sage  be- 
scheiden:  Entschuldigen  Sie  gefalligst,  mein  Herr,  ich  bin  nur  ein 
Deutscher."  3 

,,Das  ist  kein  schoner  Z  ig  im  deutschen  Volkscharakter,  diese  Sucht, 
so  unheimlich  schnell  fremder  Sprache,  fremder  Sitte,  fremdem  Brauch 
sich  anzupassen  mit  volliger  Hintansetzung  der  eigenen  nationalen  Cha- 
rakterziige",  sagt  Prof.  Voss  in  seiner  in  Chicago  am  deutschen  Tag  ge- 


2  Anton  Eickhoff:    In  der  neuen  Heimat,  New  York,  1884.     S.  5,  6,  15. 

3  Cf.  Dr.  W.  Breitenbach:    tiber  das  Deutschtum  in  Brasilien.    Deutsche  Zeit- 
und  Streitfragen,  Bd.  16.     Hamburg,  1887. 


44  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

haltenen  Rede, 4  und  der  Tadel  1st  wohlverdient,  denn  wenn  auch  in  der 
Zeit  der  ersten  Ansiedlungen  das  Nationalgefiihl  bei  den  Deutschen,  wie 
wir  gesehen  haben,  sich  nicht  entwickeln  konnte,  so  sollte  man  doch 
annehmen,  dass  der  gegenwartige  grossartige  Aufschwung  Deutschlands 
auf  alien  Gebieten  in  den  Deutschen  einen  nationalen  Stolz  und  ein  reges 
Nationalbewusstsein  grossziehen  imisste.  Das  scheint  jedoch.  so  weit  der 
Deutschamerikaner  in  Betracht  kommt,  nur  in  geringem  Grade  der  Fall 
zu  sein.  Er  besitzt  noch  immer  ,,die  eigentiimliche  Befahigung,  aus  der 
eigenen  Haut  nicht  nur  heraus,  sondern  in  die  des  Auslanders  hineinzu- 
fahren."  Sobald  die  wirtschaftlichen  Verhaltnisse  und  Vorteile  es  erhei- 
schen,  gibt  der  Deutsche  nur  zu  leicht  seine  Nationalitat  sowie  das 
machtigste  Bindeglied,  welches  ihn  an  sein  Stammland  fesselt,  die 
deutsche  Sprache  ,auf.  Man  sagt  von  den  Deutschen  Nordamerikas : 
,,Die  erste  Generation  versteht  und  spricht  Deutsch;  die  zweite  Genera- 
tion versteht  Deutsch,  spricht  es  aber  nicht;  die  dritte  Generation  ver- 
steht es  nicht  und  spricht  es  nicht." 

Wenn  wir  nun  nach  den  Beweggriinden  forschen,  welche  die  Deu- 
tschen Nordamerikas  verleiten  und  verleitet  haben,  ihre  Eigenart,  sowie 
ihre  Sprache  und  somit  die  Gesamtheit  ihrer  Geistesbildung  preiszu- 
geben,  so  sind,  abgesehen  von  klimatischen  Verhaltnissen.  die  folgenden 
Hauptmotive  zu  nennen: 

Einerseits  ist  es  die  Bewunderung,  welche  der  Deutsche  fur  alles 
Fremdlandische  stets  an  den  Tag  gelegt  hat,  wenn  dasselbe  ihm  irgendwie 
zu  imponieren  verstand;  war  doch  das  gesamte  Geistesleben  Deutsch- 
lands  ein  voiles  Jahrhundert  von  franzosischer  Denkungsart  durchtrankt 
und  dem  franzosischen  &  onion  leibeigen.  Der  praktische,  scharf  ausge- 
pragte  Erwerbs-  und  Geschaftssinn  des  Nordamerikaners,  der  ihm  die 
Beiworter  shrewd,  smart  und  wide-awake  verschafft  hat,  sein  kiihner 
Unternehniungsgeist  und  die  im  ganzen  Lande  herrschende  Verherrli- 
chung,  ja  Anbetung  des  self-made  man  hat  den  traumerischen  und  mehr 
schwerfalligen  Sohn  Germanias  stets  mit  Bewunderung  erfiillt  und  zur 
Nachahmung  getrieben. 

Die  schier  unerschopflichen  Naturschatze  des  Landes,  sowie  die 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  andererseits  bieten  dem  Spekulationstalent  des 
rastlosen  Yankees  ein  unbegrenztes  Feld.  Wo  das  Land  noch  die  Mog- 
lichkeit  bietet  ,in  absehbarer,  womoglich  sehr  kurzer  Zeit,  wenn  nicht 
gerade  ein  Millionar,  so  doch  wohlhabend  zu  werden,  wer  wiirde  sich  da 
wohl  unniitzen  Traumereien  und  Reflexionen  hingeben?  Ist  es  zu  ver- 
wundern,  dass  diese  im  ganzen  Lande  herrschende  Erwerbslust,  ich 
mochte  fast  sagen  Erwerbsfieber,  auf  jeden  Ein  wanderer  ansteckend 
wirkt?  Auch  der  Deutsche  kann  ihr  nicht  widerstehen.  Erst  spottelt 


*  Prof.  E.  K.  Voss:  Pflichten  und  Rechte  der  Deutschamerikaner,  Monatshefte, 
Heft  9. 


Deutscher  Sprachunterricht  und  lewusstes  Deutschtum.  45 

er  zwar  dariiber,  aber  wie  lange  dauert  es,  und  auch  ihn  ergreift  die 
Manunonssucht.  Wenn  nicht  in  der  ersten,  so  doch  in  der  zweiten  Gene- 
ration  richtet  sich  sein  Sinn  mehr  und  mehr  auf  das  Praktische,  das 
Greif  bare.  Die  Liebe  fiir  die  i  d  e  a  1  e  n  Giiter  dieser  Erde  erstirbt  in 
seiner  Brust.  Kunst  und  Wissenschaft  sind  in  seinen  Augen  nur  noch 
Mittel  zum  schnelleren  und  erfolgreicheren  Broterwerb.  Bald  muss  auch 
die  deutsche  Sprache  der  englischen  weichen,  weil  diese,  wenn  auch  nicht 
so  schon,  so  doch  ,,kurz,  bequem,  kraftig  und  praktisch"  ist.  Ich  kann 
mich  nicht  enthalten,  Ihnen  den  trefflichen  Vergleich,  welchen  von  Wal- 
tershausen  —  wenn  auch  nicht  von  ihm  selbst  stammend  —  zwischen  der 
deutschen  und  der  englischen  Sprache  macht,  wb'rtlich  anzufiihren 5 : 
,,Ein  deutschamerikanischer  Kaufmann  wird,  wenn  er  seine  Mutter- 
sprache  auch  noch  so  liebt,  iiber  Geschaftssachen  lieber  englisch  als 
deutsch  sprechen,  ebenso  ein  Handwerker  iiber  sein  'Handwerk,  ein  Advo- 
kat  iiber  Eechtssachen  u.  s.  w."  >?Beim  Englischreden  braucht  man  den 
Mund  nur  halbsoweit  aufzumachen,  als  beim  Deutschsprechen,  weil  die 
Mehrzahl  aller  Worte  in  der  vorderen  Mundhohle  gebildet  wird  und  alle 
Sprachwerkzeuge  brauchen  weniger  angestrengt  zu  werden.  Ferner  sind 
alle  englischen  Ausdriicke  und  Redewendungen,  welche  nicht  der  Wissen- 
schaft und  Poesie  angehoren,  gleichsam  stereotypiert  oder  krystallisiert, 
so  dass  ihre  Anwendung  viel  weniger  Nachdenken  erfordert  als  bei  den 
deutschen.  Schliesslich  fehlt  ihr  der  Formenreichtum  unserer  Sprache, 
und  ihr  Bau  ist  ausserordentlich  einfach.  Der  gemeine  Mann  kommt 
recht  gut  mit  600  englischen  Worten  aus,  fiir  deren  Anwendung  im  Satze 
er  so  gut  wie  keine  Syntax  braucht,  wahrend  fiir  denselben  Zweck  wenig- 
stens  2000  deutsche  Worte  und  eine  gewisse  Routine  in  der  Satzkonstruk- 
tion  notig  sind."  Ausserdem,  fiihrt  von  Waltershausen  ferner  aus,  ist 
das  Amerikanisch,  einen  kleinen  Unterschied  in  der  Niiancierung  abge- 
rechnet,  eine  einheitliche  Sprache,  wogegen  das  Deutsch,  welches  von  der 
Arbeiterklasse  deutscher  Einwanderer  gesprochen  wird,  meistens  Dialekt 
ist,  welcher  gar  nicht  zur  Weiterverbreitung  geeignet  ist.  Dazu  kommt 
noch  der  Umstand,  dass  viele  Einwanderer  das  Englische  sehr  unvoll- 
kommen  lernen  und  sich  daher  einer  deutsch amerikanischen  Misch- 
sprache  bedienen  —  wie  z.  B.  die  Deutschen  in  Pennsylvanien — ,  welche 
von  dem  gebildeten  Deutschen  zugleich  aber  auch  von  dem  Amerikaner 
verhohnt  wird, 6  weshalb  die  Eltern  oft  bemuht  sind,  ihre  Kinder  nur  in 
der  englischen  Sprache  unterrichten  zu  lassen.  Mit  dem  Verlust  der 
Sprache  aber  setzt  die  Entnationalisierung  eines  Volkes  ein,  denn  ,,weder 


5  Sartorius   Freiherr  von   Waltershausen:     Die   Zukunft   des   Deutachtums   in 
Amerika.     Deutsche  Zeit-  und  Streitfragen. 

6  tiber  die  Existenzberechtigung  des   Pennsylvanien  Deutsche   siehe   die  Rede 
von  Prof.  Dr.  E.  K.  Voss.    Cf.  auch  Goebel,  a.  a.  0.,  S.  30. 


46  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Sitten  noch  Trachten  bestimmen  die  Nationalitat,  das  tut  einzig  und 
allein  die  Sprache.  Durch  sie  allein  wird  der  Mensch  zum  Angehorigen 
eines  Volkes.  Durch  die  Sprache  nimmt  das  Individuum  die  Anschau- 
ungsweise  des  Volkes  an,  das  diese  Sprache  gebildet  und  entwickelt  und 
ihr  die  geheimsten  Kegungen  seines  Gemutes,  die  feinsten  Besonderheiten 
seiner  Vorstellungswelt  anvertraut  und  organisch  eingefiigt  hat.  Die 
Sprache  ist  darum  bei  weitem  das  starkste  Band,  das  Menschen  iiberhaupt 
verkniipfen  kann."  7  Englander  und  Nordamerikaner,  trotz  der  Kriege, 
welche  sie  gegen  einander  gefuhrt  haben,  fiihlen  sich  dem  Nichtenglander 
gegeniiber  als  eins,  als  Sohne  Grossbritanniens.  Gleicherweise  fanden  die 
Buren  in  ihrem  Kampfe  gegen  die  Englander  die  warmste  Sympathie  bei 
den  Niederlandern,  trotzdem  jede  politische  Verbindung  zwischen  Hol- 
land und  den  Kapkolonien  seit  einem  Jahrhundert  aufgehort  hat.  Und 
so  konnte  man  noch  Dutzende  von  Beispielen  anfuhren,  die  alle  darauf 
hinweisen,  ein  wie  machtiges  Bindeglied  die  Sprachgenossenschaft  zwi- 
schen dem  Kolonisten  und  seinem  Stammlande  stets  gewesen  ist. 

Aus  dem  Gesagten  ist  es  ersichtlich,  dass  alle  diejenigen,  welche  der 
grossen  Bedeutung  deutscher  Geisteswelt  fiir  die  Weiterentwickelung 
ihres  neuen  Heimatlandes  bewusst  sind  —  und  das  sollten  doch  vor  allem 
die  Lehrer  des  Deutschen  sein  —  sich  zweierlei  Aufgaben  zu  widmen 
haben:  Erstens  der  Hebung  des  deutschen  Nationalbewusstseins,  und 
zweitens  der  Erhaltung  und  Weiterverbreitung  der  deutschen  Sprache. 

Um  zu  diesem  Endergebnis  zu  gelangen,  miissen  wir  den  Deutschen 
dieses  Landes,  der  jungen  Generation  insbesondere,  an  der  Hand  von 
geschichtlichen  Tatsachen  klarlegen,  dass  sie  auf  ihre  Abstammung  be- 
rechtigterweise  stolz  sein  diirfen  und  sollen;  hat  doch  das  deutsche  Ele- 
ment an  der  Gestaltung  der  amerikanischen  Geschichte  im  Krieg  und 
Frieden  fleissig  und  ehrenvoll  mitgearbeitet.  Bei  jeder  Gelegenheit  war 
der  Deutsche  seinem  angloamerikanischen  Mitbiirger  nicht  nur  gewach- 
sen,  sondern  oft  iiberlegen.  Nur  bei  der  Verteilung  der  Lorbeeren  ging 
er  so  gut  wie  leer  aus.  Seine  Taten  --  ungezahlte  glorreiche  Taten  — 
sind  von  dem  amerikanischen  Geschichtsschreiber,  der  die  Unsterblichkeit 
fiir  sich  pachten  wollte,  nur  so  nebenbei  erwahnt,  wenn  nicht  ganzlich 
totgeschwiegen  worden. 8 

7  Max  Nordau:    Paradoxe,  Chicago,  1885.     S.  283—284. 

8  Die   meisten    ftir    die   Volkschule    bestimmten    Geschichtsbiicher    erwahnen 
kaum    die    Namen     der     hervorragendsten    deutschamerikanischen    Helden    vom 
Schlage   Steubens,  Herckheimers,  de  Kalbs,  Miihlenbergs  etc.     Nach   der  Darstel- 
lung  von  Barnes  muss  die  amerikanische  Jugend  den   Eindruck  gewinnen,  als 
ob   die  Hessen   freiwillig  mit    den   Englandern    gegen    die   Kolonisten    gekampft 
haben.     Gegen  eine  derartige  Geschichtsfalschung  sollten  wir  Deutschamerikaner,. 
wie  das  unsere  schottisch-irischen  Mitbiirger  getan  haben,  einen  'energischen  Pro- 
test erheben. 

(Schluss  folgt.) 


Der  Humor  und  die  Schule.  47 

Der  Humor  und  die  Schule.  Ein  schones  Wort  gebe  es  in  der  deut- 
schen  Sprache,  sagte  bei  einer  Gelegenheit  der  President  Eoosevelt,  ein 
schones  Wort  fiir  eine  Eigenart  des  ganzen  Stammes:  Gemiitlichkeit. 
Keine  andere  Sprache  hatte  ein  ahnliches  Wort  aufzuweisen,  welches  so 
deutlich  das  Wesen  dieses  Charakterzuges  zum  Verstandnisse  brachte, 
vielleicht  auch  deshalb,  weil  keiner  anderen  Nation  die  Gemiitlichkeit  so 
eigen  ist  als  dem  deutschen  Volke.  In  der  Tat !  Mit  dem  Ernst  des  Deut- 
schen paart  sich  in  seinem  Leben,  in  seiner  Tatigkeit,  in  seiner  Kunst  und 
Wissenscbaft  allezeit  das  Heitere,  das  Gemiitliche,  welches,  gleich  der 
Sonne,  iiber  Schweres  und  Leichtes  seine  warmen,  hellen  Strahlen  legt. 
Dieser  Gemiitlichkeit  entstammt  jener  lustige  Geselle,  unser  aufrichtiger 
Troster,  unser  anspruchsloser  Begleiter,  unser  wohlmeinender  Preund 
durchs  ganze  Leben,  der  Humor.  Ihm  offne  man  alle  Tiiren ! 

In  verschiedener  Art  aussert  er  sich.  Einmal  ist  er  voll  "ffbernmt, 
dass  er  iiber  alles  hinweg  lustig  dahintanzelt,  das  andere  Mai  aber  merken 
wir,  wie  ihm  trotz  seiner  frohlichen  Miene  das  Herz  blutet  ob  der  Bitter- 
nisse  in  der  Welt.  Wacker  streitet  der  Humor  mit  gegen  alle  Widerwar- 
tigkeiten  des  Lebens  und  iiber  alle  Drangsale  erhebt  er  die  menschlichen 
Herzen. 

Charakteristisch  ist,  wie  schon  erwahnt  wurde,  der  deutsche  Humor. 
Wenn  ihn  auch  Schiller  in  seinen  Dichtungen  nicht  duldete,  so  war  er 
Goethe  ein  Liebling.  Manche  Szenen  aus  ?,Faust",  manche  schalkhaften 
Gedichte  beweisen  das.  Nach  Goethe  gab  es  noch  manche  standigen  Ver- 
treter  des  Humors.  Selbst  durch  Adalbert  Stifters  beste  Dichtung  weht 
ein  feiner  humoristischer  Hauch,  obgleich  so  zart  wie  die  Erzahlung 
selbst,  wie  die  vorgefiihrten  Menschengemiiter.  Zur  eigentlichen  Geltung 
kam  der  Humor  erst  im  neueren  Schrifttum  bei  Otto  Ludwig,  Anzen- 
gruber,  Eosegger,  Seidel,  Eaabe  u.  v.  a.  Alle  diese  haben  die  alte  Eegel 
Goethes  wahr  gemacht:  ,,Greift  nur  hinein  ins  voile  Menschenleben ! 
Und  wo  ihr's  packt,  da  ist  es  interessant !"  Vertiefen  wir  uns  in  die 
Werke  dieser  Manner,  so  werden  wir  finden,  dass  sie  nicht  bloss  erschiit- 
tern,  ergreifen  und  ruhren,  da  wird  auch  gelacht,  ja  herzlich  gelacht,  da 
gibt  es  neben  dem  Ernste  jederzeit  auch  den  Spass,  neben  dem  Tode 
keimt  um  so  iippiger  das  Leben.  Mancher,  der  korperlich  und  seelisch 
darniedergedriickt  war,  hatte  er  nicht  die  Werke  unserer  grossen  Humo- 
risten  oder  den  leichten  Humor  der  ,,Fliegenden"  oder  den  weltverach- 
tenden  eines  Wilhelm  Busch  genossen,  es  ware  ihm  vielleicht  elender 
ergangen.  Wie  sehr  mag  man  sich  nur  an  Wilhelm  Busch  schon  ergozt 
haben !  Er  ist  ja  auch  einer,  dem  es  auf  der  Welt  nicht  zum  besten  ging, 
der  aber  trotzdem  den  Vogel  preist,  der  gar  gut  weiss,  dass  ihn  im  nach- 
sten  Augenblicke  der  unten  lauernde  Kater  verschlucken  wird  und  sich 
deshalb  noch  schnell  ein  Liedel  singt.  Wenn  er  spater  mit  den  Yersen 
anf  angt : 


48  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

,,Enthaltsamkeit  1st  ein  Vergniigen 
An  Sachen,  welche  wir  nicht  kriegen", 

so  miissen  wir  keineswegs  daran  glauben;  denn  unser  Ideal  diirfen  wir 
dabei  nicht  einbiissen,  wir  miissen  es  treu  bewahren  wie  der  Steinklopfer- 
hans  bei  Anzengruber,  dessen  Ideal  noch  gestarkt  wird  und  der  in  Krank- 
heit  und  Verlassenheit  den  Trost  hat:  ,,Es  kann  dir  nix  g'scheh'n!" 

Es  ist  leicht  zu  erkennen,  welchen  Wert  der  Humor  besitzt.  Eine 
heitere  Lebensauffassung  predigen  unsere  Grossen,  die  naturlich  nicht 
ins  Kindische  oder  Ausgelassene  umschlagen  darf.  Frohgemute,  schalk- 
liaf  te  Leute  haben  keine  bosen  Gedanken.  Lustige  Kinder  sind  nicht  die 
schlechten.  Frohe  Menschen  sind  leichter  zufrieden  zu  stellen  und 
gliicklich  zu  preisen.  Dieses  moge  in  der  Erziehung  wohl  beachtet  wer- 
den, denn  sie  soil  die  Menschen  gut  und  gliicklich  machen.  Aber  wie 
gegenteilig  verhalt  es  sich  vielfach?  Zu  den  grossten  Peinen  mancher 
Kinder  gehort  immer  noch  der  Gedanke  an  die  Schule.  Allzu  streng  ist 
deren  Geist.  Kein  Lacheln,  kein  Spasschen,  immer  nur  die  unnachgie- 
bige  Miene  des  Lehrers,  dessen  furchtbarer  Ernst!  Da  gibt's  beinahe 
kein  freies,  ungezwungenes  Beobachten  eines  schonen  3ildes,  es  muss  pa- 
dagogisch  zergliedert  werden,  da  gibt's  kein  kindliches  Erfreuen  an 
einem  Geschichtchen,  einem  Marchen,  einem  Gedichte,  es  muss  alles  nach 
wohlgesetzten  Fragen  wiedergegeben  werden.  Wenn  jeder  Seitenblick  des 
Kindes  scharf  geriigt,  jedes  Lacheln  verboten,  jedes  unschuldige  Hiipfen 
z.  B.  auf  dem  Schulwege  bestraft  wird,  so  ist  solche  Strenge  gewiss  nicht 
geeignet,  im  Kinde  die  Freude  an  der  Schule  zu  erwecken.  Die  Buben 
und  Madchen  sind  eben  unverfalschte  Natur,  sie  haben  Blut  und  Leben 
ii\  sich,  sie  sind  keine  Automaten.  Ein  helles  Kinderlachen  von  Zeit  zu 
Zeit,  auch  wahrend  des  Unterrichtes,  schadet  gar  nicht,  im  Gegenteil,  das 
Verhaltnis  zwischen  Lehrer  und  Kindern  gestaltet  sich  nur  inniger,  es 
tragt  dazu  bei,  dass  im  Kinde  Liebe  und  Vertrauen  zum  Lehrer  entsteht. 
Mancher  widerspenstige  Junge,  an  dem  alle  ernsten  Reden  und  Straferi 
wirkungslos  abprallen,  ist  nicht  selten  durch  richtig  angewandten  Humor 
des  Lehrers,  durch  einige  satyrische  Bemerkungen  dahin  zu  bringen,  dass 
er  die  Waffen  streckt.  Dem  Braven  und  Fleissigen  ist  ein  Augenblick 
heiterer  Stimmung  doppelt  zu  gonnen,  um  so  lieber  kommt  er  dann  zur 
Schule. 

Die  beste  Pflege  konnte  dem  Humor  durch  das  Lesen  zuteil  werden. 
Die  guten  Jugendbiicher,  ernsten  Inhaltes,  mehren  sich  bereits  in  erfreu- 
licher  Weise,  aber  auch  mit  den  humoristischen  Sachen  steht  es  schon 
besser,  namentlich  mit  solchen,  wo  Wort  und  Bild  gemeinsam  wirken. 
Am  meisten  lacht  das  Kind  wohl  mit  Wilhelm  Busch.  Muss  man  schon 
fur  die  Schule  von  der  Bubengeschichte  ,,Max  und  Moritz"  absehen,  so 
sollte  ein  Buch  wie  etwa  ,,Hans  Huckebein"  jedem  Kinde  gereicht  wer- 


Wir  wissen's  nicht.  49 

den,  wenn  man  ihm  rechte  Freude  bereiten  will.  Die  genialen  Zeichnun- 
gen,  bestehend  aus  einigen  charakteristischen  Strichen,  lassen  jedoch 
trotzdem  ganze  Stosse  der  gewohnlichen  Bilderbiicher  hinter  sich  und  die 
urkraftigen  Verse  sind  nicht  allein  imstande  zu  unterhalten,  sie  leiten 
das  Kind  auch  zum  Beobachten  jedes  Einzelnen  an,  sie  haben  bildenden 
Wert  und  lassen  gewiss  auch  kraftige  Moral  vernehmen.  Fur  Kinder 
der  oberen  Stufen  gibt  es  bei  Eosegger,  Heinrich  Seidel  u.  a.  gar  kost- 
liche  humoristische  Sachen.  Zum  humoristischen  Jugendlesestoffe  ge- 
horen  gewiss  auch  viele  jener  wundersamen  Erzahlungen,  welche  schon 
tausend  Jahre  alt  sind,  die  wir  aber  trotzdem,  ob  alt  oder  Jung,  mit  glei- 
chem  Eifer  und  yergniigen  immer  wieder  lesen:  die  Marchen,  jene 
,,siissen  Lugen".  Eine  grosse  Abteilung  fur  Marchen  sollte  deshalb  in 
jeder  Jugendbiicherei  sein. 

Der  Aufenthaltsort  der  Jugend,  das  Schulhaus,  die  Schulstube  sollte 
stets  heiteren  Charakter  aufweisen  und  nie  sollten  dem  Kinde  schmuck- 
lose,  kahle  Wande  entgegenstarren.  Die  Kunsterzieher  sind  ja  fleissig  an 
der  Arbeit,  dass  alle  Gange  und  Lehrzirnmer  angenehm  geschmuckt  und 
somit  auch  der  Sinn  fur  das  Schoiie,  fur  die  Kunst  geweckt  werde. 
Wahre  Kunst  tragt  aber  sehr  oft  auch  Gemiitlichkeit  zur  Schau,  und  so 
erfiillen  die  Kunsterzieher  gleichzeitig  die  Aufgabe,  eine  frohe  Lebens- 
auffassung  im  Kinde  wachzurufen.  Und  das  ist  recht  so !  Soil  das  Kind 
Freude  haben!  Bald  kommt  ja  auch  eine  Zeit  der  Sorgen,  der  schlaf- 
losen  Nachte !  Moge  man  deshalb  schon  in  der  Erziehung  dahin  trach- 
ten,  dass  dann  der  Mensch  unseren  lustigen  Gesellen,  den  Humor,  richtig 
erkennt,  ihn  aufsucht  und  in  seiner  Gesellschaft  Lebenskraft  findet! 
(A.  Feierfeil-Horschau.  Aus  der  Freien  Schulzeitung. ) 


,,\Vir  wissen's  nicht"  in  der  Schule.  Die  mit  diesen  Worten  iiber- 
schriebene  ,,Kundschaunotiz"  des  ,,Kunstwarts"  bildet  eine  naturgemasse 
Erganzung  zu  der  Forderung,  das  Eecht  der  Kinder  zu  fragen  zur  unbe- 
dingten  Pflicht  zu  machen;  denn  oft  genug  wird  es  bei  dieser  Fragefrei- 
heit  sich  ereignen,  dass  der  Lehrer  keine  oder  doch  keine  befriedigende 
Antwort  zu  geben  vermag.  Angstliche  werden  nun  glauben,  es  miisste 
ihre  Autoritat  untergraben,  wenn  sie  in  solchen  Fallen  einf ach  erklaren : 
,,Ich  weiss  es  nicht."  Aber  gerade  das  Gegenteil  ist  wahr.  Es  ist  ein 
treffliches  Mittel,  dem  Schwinden  der  Autoritat  entgegenzuwirken,  wenn 
der  Lehrer  of ter,  als  heutzutage  geschieht  —  und  grundsatzlich !  —  ganz 
pcrsonlich  das  ,,Tch  weiss  es  nicht"  ausspricht.  Auch  das  gehort  dazu, 
den  Schulgeist  ehrlich  zu  machen.  Wo  die  Kinder  unbeschrankt  fragen 
diirfen,  werden  eben  ihre  Fragen  oft  genug  Anlass  geben;  aber  auch 
sonst  sollte  der  Lehrer  (und  der  Vater)  oft  und  immer  wieder  darauf 
hinweisen :  Was  wir  da  sagen,  bedarf  der  weiteren  Erklarung ;  aber  ich 
weiss  sie  nicht.  Wer's  wissen  will,  der  muss  den  Fachgelehrten  fragen. 


50  Monatshefte  filr  deutsclie  Sprache  und  Pddagogik. 

Ohne  solches  Verhalten  kann  Einheitlichkeit  und  KLarheit  des  Geistes- 
lebens  schwer  in  den  Kinderkopf  kommen;  ein  Verstandnis  fiir  das 
geistige  Leben  der  Gesamtheit  aber  kann  nur  so  angebahnt  werden. 

Das  Angedeutete  1st  nicht  etwa  nur  eins  unter  den  Augenblicks- 
mitteln,  die  an  der  Schule  von  heute  einzelnes  bessem  wollen.  Nein,  wir 
glauben:  als  ein  Grundsatz  muss  dieses:  Lehrt,  was  ihr  nicht  wisst! 
in  jede  verniinftige  Geisteserziehung  aufgenommen  werden.  Sucht  nicht 
das  Hochste  und  Letzte,  denn  nur  auf  dieses  bezieht  sich  der  obige 
Grurdsatz,  zu  erklaren,  indem  ihr's  ,,verstandlich  macht",  sondern  geht 
den  Weg  bis  ans  Ende,  wo  die  Krafte  nicht  mehr  weiter  tragen  und  ge- 
pteht  dann  euere  Ohnmacht  ein.  Dann  wird  die  tJberwertung  des  Ver- 
standesmassigen,  die  unserer  Schule  mit  Recht  vorgeworfen  wird,  schwer- 
lich  fortbestehen  konnen,  und  die  an  solche  Gedankengange  Gewohnten 
werden  auch  leichter  als  andere  den  Weg  zu  den  ewigen  Quellen  finden, 
aus  denen  Labung  fur  den  ganzen  Menschen  fliesst. 

(K.     Aus  der  Freien  Schulzeitung. ) 


Deutsches  oder  schwedisches  Turn  en.  Lehrer  F.  Dehmlow  in  Gel- 
senkirchen  behandelt  im  Januarheft  der  ,,Padagogischen  Warte"  dieses 
Thema  in  objektiver  und  eingehender  Weise.  Was  er  am  Schluss  seiner 
Ausfiihrungen  iiber  die  Erfolge  beider  Turnmethoden  sagt,  sollie  auch 
hierzulande  manchen  die  Augen  offnen,  die  immer  noch  mit  dem  schwe- 
dischen  Turnen  liebaugeln  und  die  Vorteile  des  deutschen  Turnens  zu 
verkleinern  suchen.  Der  Yerfasser  schliesst  mit  folgenden  Worten: 

Bei  seiner  Informationsreise  vernahm  E.  Fischer-Hamburg  den 
Ruf:  ,,Wie  langweilig!"  und  dieser  Vorwurf  der  Einformigkeit  und 
Langeweile,  der  dem  schwedischen  Turnen  gemacht  wird,  ist  ein  ganz 
besonders  schwerwiegender,  da  er  eigenes  Streben  und  selbstandiges  Ar- 
beiten  verhindert"  (Kessler).  Daher  kommt  es  auch,  dass  es  in  Schwe- 
den  trotz  der  rationellen  Methode  nicht  vorwarts  will.  Ist  die  Schulzeit 
beendet,  so  wird  das  Turnen  nicht  mehr  gepflegt;  in  ganz  Schweden  gibt 
es  nur  35  Turnvereine  mit  2200  Turnern,  und  diese  benutzen  oft  zur 
Forderung  von  Mut  und  Entschlossenheit  Barren  und  Reck.  Und  nun 
in  Deutschland!  Der  Turnvater  Jalm  sagte:  ,,Das  Turnen,  aus  kleiner 
Quelle  entsprungen,  wallt  jetzt  als  freudiger  Strom  durch  Deutschlands 
Gauen.  Es  wird  kiinftig  eine  verbindende  See  werden,  ein  gewaltiges 
Meer,  was  schirmend  die  heilige  Grenzmark  des  Vaterlandes  umwogt" 
und  was  der  ,,Alte  im  Barte"  mit  prophetischem  Auge  erblickte,  ist 
erfiillt.  Das  deutsche  Turnen  ist  zur  Volkssache  geworden;  heute  eilt 
ein  machtiger  Strom,  die  deutsche  Turnerschaft,  durch  die  ganze  Welt. 
Sie  zahlte  am  1.  Januar  1907  7787  (+  249)  Vereine  mit  (772,134) 
808,525  Mitgliedern  und  noch  48  Voreine  im  Auslande,  1093  Vereine 
haben  Frauenabteilungen  (39,765  Mitgliederinnen),  800  Vereine  pflegen 


Zur  Psychologie  der  Prugelns.  51 

das  Turnen  schulpflich  tiger  Kinder.  Die  deutsche  Turnerschaft  ist  be- 
strebt,  mitzuhelfen,  dass  unsere  deutsche  Jugend  zu  gesunden,  mutigen, 
selbstandigen  Jiinglingen  und  Jungfrauen  erzogen  wird.  ,.,Kraft  und 
Mut  sollen  sie  erwerben  in  ,,Herz  und  in  Hand".  ,,Das  deutsche  Turnen 
muss  ein  Sauerteig  flir  die  gesamte  Schularbeit  werden;  das  deutsche 
Turnen  muss  die  enterbte  Leiblichkeit  des  Kindes  in  ihre  verlorenen 
Eechte  wieder  einsetzen;  das  deutsche  Turnen  muss  bei  der  Erziehung 
die  richtige  Reihenfolge  wieder  herstellen,  erst  der  Leib  und  dann  die 
Seele!"  (Adolf  Diesterweg).  Mb'chte  daher  jeder  bedenken,  was  der 
grosse  Schlachtendenker  1870/71  sagte :  ,,Nur  in  der  eigenen  Kraft  ruht 
das  Schicksal  der  Nation/'  Die  deutsche  Turnerschaft  wird  stets  be- 
strebt  sein,  das  deutsche  Turnen  weiter  zu  fordern  und  zu  pflegen  und 
dabei  sich  nach  dem  Grundsatze  richten: 

,,Priifet  alles,  aber  das  beste  behaltet !" 


Zur  Psychologic  des  Prugelns.  Im  Marzheft  der  ,,Zeitschrift  fiir 
Kinder f or schung"  veroffentlicht  Dr.  0.  Kief er- Stuttgart  unter  obigem 
Titel  einen  hochst  interessanten  Artikel,  der  zunachst  behauptet,  dass 
Naturvolker  nicht  priigeln,  dieses  Zuchtmittel  vielmehr  erst  bei  einer  ge- 
wissen  Kulturhohe,  die  bestimmte  Anforderungen  der  Geschicklichkeit  und 
Arbeitsleistung  an  den  einzelnen  stellen,  zur  Anwendung  komme,  um 
dann  in  rascher  Folge  sowohl  Erwachsenen  als  Kindern  gegenuber  die 
entsetzlichsten  Auswiichse  zu  zeitigen;  sobald  eine  wirklich  hb'here,  edlere 
Kultur  beginne,  trete  naturgemass  eine  Eeaktion  ein,  die  die  Neigung 
habe,  bald  radikal  auch  bei  schweren  sittlichen  Verfehlungen  die  korper- 
liche  Ziichtigung  zu  verwerfen.  Zum  Schlusse  aber  heisst  es  —  und  um 
dieser  Schlusssatze  willen  nehmen  wir  von  dem  Artikel  iiberhaupt  Notiz: 
,,,Die  Stunde  naht,  der  Sunder  wird  abgefiihrt,  iibergelegt,  geziichtigt. 
In  diesen  Momenten  wird  der  korperliche  Schmerz  alle  anderen  Empfin- 
dungen  unterdriicken.  'Manche  behaupten,  das  Kind  hasse  seinen  Zucht- 
meister  in  diesen  schmerzvollen  Momenten;  ich  bestreite  das  unbedingt, 
und  aus  den  abwehrenden  Handlungen,  die  temper amentvolle  Kinder 
wahrend  der  Ziichtigung  vornehmen,  folgt  gar  nicht s;  denn  das  sind  ein- 
fache  Eeflexbewegungen.  Selbstverstandlich  wird  der  Fall  selten  sein, 
dass  ein  Kind  freiwillig  kommt  und  sagt:  haue  mich,  lieber  Vater,  ich 
hab's  verdient;  aber  dass  ein  ,,Hass"  zwischen  Vater  und  Kind  entsteht 
durch  ein  Tracht  Hiebe,  halte  ich  fiir  noch  seltener  und  meist  nur  in  Ro- 
manen  vorkommend.  Wenn  das  Kind  gerechterweise,  auch  noch  so  streng, 
gestraft  wird,  wird  es  die  Strafe  leicht  verwinden,  und  es  werden  bald 
Augenblicke  kommen,  in  denen  es  sich  sagt:  Mein  Vater  hat  mich  doch 
noch  lieb,  denn  er  hat  mich  noch  nie  ungerecht  bestraft.  Darauf  kommt 
aber  auch  alles  an.  Jedes  Kind  ist  von  Natur  aus  geradezu  ein  Pedant  der 


52  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  P'ddagogilc. 

Gerechtigkeit,  es  vertragt  viel  leichter  fortwahrende  strenge,  aber  gerechte 
Strafen  als  eine  inilde  Erziehung  mit  einer  einzigen  Ungerechtigkeit. 
Solange  mich  mein  Vater  streng,  aber  nie  parteiisch  ziichtigte,  liebte  ich 
ihn  trotz  allem  innig.  Als  ich  aber  (begriindete  oder  unbegriindete) 
Zweifel  an  seiner  Gerechtigkeit  bekam,  war  es  mit  der  Liebe  aus,  obwohl 
ich  damals  langst  liber  die  Priigel  hinaus  war !  Ahnliches  wird  jedermann 
aus  seiner  Kindheit  bezeugen  konnen.  Das  Kind  nimmt  im  allgemeinen 
Priigel  nicht  so  tragisch,  wie  es  moderne  Padagogen  (z.  B.  auch  Ellen 
Key)  hinstellen.  Es  hat  kein  Mitleid  im  allgemeinen  mit  Kameraden,  die 
geziichtigt  werden,  im  Gegenteil,  es  sagt  sich:  es  geschieht  dir  recht,  wa- 
rum  tatest  du  es !  Es  bringt  sich  aber  auch  noch  nicht  urn,  wenn  es  mal 
selber  gehauen  wird,  von  Ausnahmen  abgesehen,  die  nur  zeigen,  dass  das 
starke  Mittel  des  Priigelns  wie  eine  starke  Arznei  nicht  fur  jedermann 
taugt."  (Wir  reproduzieren  diese  Satze  natiirlich  nicht,  um  zum  Priigeln 
zu  ermutigen.  Es  ist  aber  vielleicht  doch  angebracht,  bei  der  in  unserem 
Erziehungswesen  einer  iibergrossen  Sentimentalitat  zuneigenden  Eichtung 
auch  einmal  eine  gegenteilige  Ansicht  laut  werden  zu  lassen.  D.  K.) 


Berichte  und  Notizen. 


I.     Korrespondenzen. 


Californien.  und  achten  Grade  der  Elementarschulen 


er  Neujahrswoche        sta     rustt    ?em.^ck.     Es  wurde  berichtet,  dass 


Normalschule  von  San  Jose,   aufgestellt   d.a^   rec,ht    befriedigende   Resultate   er- 


Education"   ausgefttllt.   Hier  werden   die  *en  l}"e  Versammlung  am  letzten  Tage. 

Vorpostengefechte      der     Erziehungsfra-  Das    Hauptthema    war  :      What    is    de- 

gen     durchgekampft,    und     es     wurden  rnanded  »*  the  High  School?     How  can 

manche   Vorschlage     zur     Hebung     des  th«    High    School    best    meet     that     de- 

Schulsystems  erortert.     Einer  der  wich-  mand?      Prasident    David    Starr   Jordan 

tigsten    war,     dass     die    Arbeit    unserer  von  der  Stanford  Universitilt  sollte  die- 

High    Schools    schon    in    dem    siebenten  ses    Thema    besprechen,      konnte      aber 


Korrespondenzen.  53 

nicht  anwesend   sein.     Doch  schickte   er  Staatshimmel.   Welches   Hagelweter  vo'n 

einen  Vortrag,  der  verlesen  wurde.    Da-  bosen     Gesetzen   --   mit    guten    werden 

rin    sprach   er    sich   dafiir    aus,   dass   im  wir  ja   so   selten   begliickt  —  mag   sich 

allgemeinen     praktischere    Resultate    in  wieder       fiber       unseren       unschuldigen 

den     Hochschulfachern     erzielt      werden  Hauptern     entladen?       Welches     Unheil 

sollten     und     dass     iiberall    Handfertig-  mogen     unsere     Legisla-Toren     in     der 

keitsunterricht,    Handelsunterricht     und  Staatshauptstadt        wieder       anstiften? 

ahnliche      Fiicher       eingefiihrt       werden  Bangend    und    zagend    richten    wir    Cin- 

sollten.     Er  besprach  die   einzelnen   Fa-  cinnatier    die    angstlichen     Blicke     nach 

cher    und    was    darin    geleistet    werden  Columbus,  allwo  jetzt  vor  alien  Dingen 

sollte.   Im   fremdsprachlichen   Unterricht  unselige  Temperenz-,  Schul-  und  andere 

sollten  die  Schiller  zum  miindlichen  und  nichtsnutzige    Gesetze    geschmiedet   wer- 

schriftlichen    Gebrauch    derselben    ange-  den.      Der     hiesigen     deutschen    Lehrer- 

leitet   werden.   Blosse   ubersetzung   habe  schaft  liegt  besonders   die   Schulvorlage, 

keinen   Wert.     tiber   den   Unterricht   im  womit   die  Abschaffung  des   gegenwarti- 

Lateinischen    sagte    er :       ,,There    is    no  gen  Schulrats   beabsichtigt   wird,   schwer 

other   High    School    subject    from   which  im  Magen.    Nicht  ohne  Grund  erblicken 

the    students    gain    less    than    from    the  wir   in   dieser  Absicht   und   in   der   Ein- 

study  of  Latin."     -  Der  Verein  von  setzung     einer      Schulkommission,     aus 

Lehrern    der    deutschen    Spra-  f iinf  oder  sieben  Mitgliedern  bestehend, 

c  h  e    hatte    auch    einen    Platz    auf    dem  eine  drohende  Gefahr  f iir  den  deutschen 

Programm  unter  dem  Vorsitz  von  Prof.  Unterricht   in    den    offentlichen    Schulen. 

Cooper    von     der    Stanford    Universitat.  Mit  Recht  fragt  man:    Wozu  diese   An- 

Dr.    Fritz    Winther    von    der    Staatsuni-  derung,     da     sich    doch    unser    Schulrat, 

versitiit    sprach    iiber    den    fremdsprach-  der      sich      aus    Wardvertretern    zusam- 

lichen   Unterricht    an    deutschen    Mittel-  mensetzt,    in    den    letzten     Jahren     sehr 

schulen  und  entwarf  ein  gutes  Bild  von  gut  bewiihrt  hat?  Warum  handelt  man 

den   Leistungen   hierin.     In   der   darauf-  darin  nicht  nach  dem  schonen  amerika- 

folgenden  Debatte   wurde   besonders   be-  nischen   Grundsatz    ,,let   well   enough   be 

tont,    dass    die    Schiller     zum     Sprechen  alone"?      Allein    nach     Lichtwers    Fabel 

angeleitet    werden    miissen.      Auch    die  vom  Affen  und  der     Uhr     werden     dFe 

Frage,     ob    Latein      oder    eine    moderne  ,,weisen"    Solons    so    lange     an     unserer 

Sprache    zuerst    gelehrt     werden     sollte,  Schulverwaltung    herum    -    ,,monkeyen", 

wurde    erortert,    und    es    wurde    befiir-  -   wie  sie  es  schon  wiederholt  versucht 

wortet,      dass      aus    padagogischen    und  haben    -  -    bis    dass    die    Uhr    am    Ende 

praktischen   Griinden   die   neueren    Spra-  stille   steht.      Zur   Zeit,    da   diese   Zeilen 

chen  den  Vorrang  haben   sollten.     Prof,  geschrieben    werden,    ist    zwar    iiber    die 

Hempl      von      Stanford      besprach      die  Schulvorlage      noch     nicht     abgestimmt, 

Schulausgaben    von    Texten    und    sprach  aber  der  Korrespondent  erwartet  nichts 

sich  gegen  zuviel  Hilfeleistung  fiir   den  Gutes;   denn  die  Manner,,  d.  h.  die  Kan- 

Schiiler    aus.      Eine    wichtige    Bewegung  didaten    fiir    die    Schulkommission,    sind 

wurde  bei   der  Konvention  in  Gang  ge-  da,   die    Stellen   miissen   geschaffen  wer- 

setzt,  namlich  eine  Verbindung  von  den  den!      Das  ist  des  Pudels  Kern.     Wenn 

Mannern,  die  an  den  High  Schools  tatig  diese    Kommission     die     Stadt    jahrlich 

sind.     Dieselbe  hat  den  Zweck,  den  dro-  auch    ungefahr     25,000    Dollars     kostet, 

henden       Pviickgang      von       mannlichen  wahrend     der    jetzige     Schulrat    unent- 

Kraften     an    diesen    Lehranstalten     zu  geltlich  dient,  was  macht  das  aus?  Die 

verhindern.    Der  Gedanke  wurde  enthu-  machthabenden     Herren     Politiker     von 

siastisch   aufgenommen   und   ,,The   High  Hamilton    County    wollen's    mal    so   ha- 

School  Men's  Club  oif  California"  wurde  ben,  und  die  ,,intelligenten"  Landonkels 

gegriindet.     Ihr   Korrespondent   hat    die  in  Columbus  helfen  getreulich  mit.    Da- 

Ehre,    Sekretar    derselben    zu    sein.      Es  gegen   fruchten  die  langsten    Petitionen 

wird    erwartet,    dass    diese    Verbindung  Und    die   besten    Argumente    nichts,     so 

gute    Friichte    in    der    Entwicklung    un-  wenig  wie   in   Temperenzfragen.     Gegen 

serer   Mittelschulen   zeitigen   wird.  Dummheit,  Fanatismus  und  Korruption 

V.  B.  ist  eben  schwer  zu  kampfen. 

Der   Vorsteher   des    englischen    Schon- 

Cincinnati.  schreibeunterrichts   hier  hat   zu   Anfang 

Unsere          S  t  aa  t  s  legi  sla  tur,  des       laufenden        Schuljahres       neue 

mit  der  wir  aber  keinen  Staat  machen  S  c  h  r  eibvorlagen  herausgegeben, 

konnen,    ist    seit    Dezember    wieder    in  nach   denen   seitdem   im   'englischen   De- 

Sitzung,   oder  richtiger  ausgedriickt,  sie  partement  mit  heissem  Bemiihen  geiibt 

hangt    wie     eine    unheilschwangere    Ge-  wird.     Nach   diesen   Vorlagen,    vielmehr 

witterwolke      an      unserem      politischen  nach  dem  Wunsche  ihres  Autors,  sollen 


54 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


sich  bereits  die  A-B-C-Schiitzen  beim 
Schreiben  die  sogenannte  ,,Freie  Arm- 
Bewegung"  aneignen,  also  noch  ehe  sie 
die  Form  der  Buchstaben  richtig  er- 
fasst  haben!  Da  werden  nun  im  ersten 
Schuljahre  Ellipsen  (d.  h.  solche  Figu- 
ren  so  Hen  es  sein)  rechtsrum  und 
linksrum,  sowie  Auf-  und  Abstriche 
freihandig  hingeschmiert  -  -  geschrie- 
ben  wollte  ich  sagen,  —  dass  es  nur  so 
eine  Art  hat,  aber  eine  bose  Art.  Die 
Schreiblehrerinnen  und  die  Klassenleh- 
rerinnen  stb'hnen  und  seufzen  dariiber, 
und  die  Kinder  wiirden  am  Ende  des 
Schuljahrs  voraussichtlich  noch  nicht 
einmal  das  Alphabet  leserlich  schreiben 
konnen,  wenn  ihre  Lehrerinnen  nicht 
heimlich  das  Schreiben  nach  guter  al- 
ter Methode  lehren  wiirden.  Konnte 
man  doch  —  ware  es  auch  nur  zum  ab- 
schreckenden  Beispiel  --  einige  dieser 
freihandigen  Schonschmier  -  Prb'bchen 
hier  abkonterf  eien !  Hoffentlich  wird 
der  Herr  Autor  sehr  bald  das  nutz-  und 
zwecklose  seines  Bemiihens,  vielmehr 
seiner  Lehrerinnen,  einsehen  und  die 
Zeit  und  Papier  verschwendende  Freie 
Armbewegung  aufgeben,  oder  sie  we- 
nigstens  erst  mit  dem  fiinften  Schul- 
jahre beginnen,  wie  es  friiher  der  Fall 
war.  Schreibvorlagen  herausgeben  und 
darnach  unterrichten  oder  unterrichten 
lassen,  sind  eben  zwei  verschiedene 
Dinge,  das  sollte  sich  auch  mancher 
Verfasser  von  Schul-  und  Textbiichern 
griindlich  merken. 

E.  K. 

Milwaukee. 

Mit  Stimmengleichheit,  sieben  gegen 
sieben,  hat  unser  Schulrat  in  seiner 
letzten  Sitzung  eine  A  b  anderung 
der  bestehenden  Regel  in  betreff  des 
deutschen  Unterrichts  an  den  offentli- 
chen  Schulen  abgelehnt.  Die  von 
dem  Statutenkomitee  vorgeschlagene 
Abandoning  lautete,  dass  die  Kinder 
nicht  eher  in  die  deutsche  Klasse  auf- 
genommen  werden  sollen,  bis  die  El- 
tern  dies  schriftlich  verlangten.  Der 
bestehenden  Regel  gemass  wird  von 
samtlichen  Kindern  angenommen,  wenn 
sie  in  die  Klassen  vom  1.  bis  zum  8. 
Grad  eintreten,  dass  sie  sich  am  deut- 
schen Unterricht  beteiligen,  falls  die 
Eltern  n  i  ch  t  einen  gegenteili- 
gen  Wunsch  aussern. 

Der  Vorschlag  zur  Abandoning  dieser 
Regel  wurde  von  samtlichen  Freundeu 
des  deutschen  Unterrichts  als  ein  Ver- 
such,  denselben  zu  verkrtippeln,  ange- 
sehen,  und  fand  daher,  sowohl  seitens 
der  Deutschamerikaner  im  Schulrat  als 
auch  seitens  der  aufgeklarten,  fort- 


schrittlich     denkenden    Angloamerikaner 
energische   Abwehr. 

Der  Jahresbericht  des 
SuperintendentenCarrol 
G.  Pearse,  der  in  der  Februarsitzung 
des  Schulrats  zur  Verlesung  gelangte, 
enthalt  einen  uberblick  der  Fortschrit- 
te  und  Veranderungen,  die  in  dem  ge- 
samten  offentlichen  Schulwesen  der 
Stadt  in  den  letzten  drei  Jahren  ge- 
inacht  worden  sind.  Herr  Pearse  weist 
darin  auf  folgende  Einrichtungen,  resp. 
Veranderungen  hin,  die  wahrend  der 
Dauer  seiner  Amtszeit  getroffen  worden 
sind: 

a)  Die   Einfiihrung   eines    griindliche- 
ren  Handelskursus  in   den  Hochschulen, 

b)  Erleichterung  des  Pensums  fur  die 
unteren    Grade    der    Elementarschulen ; 

c)  ein    freieres,    biegsameres    Versetz- 
ungssystem   und    halbjahrliche   Versetz- 
ung; 

d)  Einfuhrung  der  ,,Nachhilfe"  -  Pe- 
riode,     wodurch     den      minderbegabten 
Schulern      mehr     Aufmerksamkeit      ge- 
schenkt  wird; 

e)  Die  Schaffung  von  sog.  "ungraded" 
Schulzimmern; 

f)  Ein  besserer  Ausgleich  der  fiir  je- 
den   Lehrer    bestimmten    Schtileranzahl; 

g)  Ausdehnung  des  Koch-  und  Hand- 
f  ertigkeitsunterrichts ; 

h)  Die  Griindung  von  Ferienschulen 
und  die  Wiedereinfuhrung  der  Abend- 
schulen,  und  eines  systematischen 
Turnunterrichts  unter  kompetenter  Lei- 
lung; 

i)  Die  Einfuhrung  des  Unterrichts 
fiir  Blinde; 

j)  Die  Erhohung  der  Lehrergehalter, 
die  durchschnittlich  fiir  jeden  Lehrer 
$100  pro  Jahr  betragt  und 

k)  eine  Ersparnis  fiir  die  Eltern  an 
der  Auslagen  fiir  Textbiicher,  die  sich 
auf  $5000  bis  $6000  pro  Jahr  belauft. 

Ferner  macht  Herr  Pearse  folgende 
Empf  ehlungen : 

I)  Die  Lehrergehalter   sollen  so  bald 
als   moglich  noch  mehr  erhoht  werden; 

II)  Die  Griindung  einer    Zwangserzie- 
hungsanstalt      fiir       unheilbare      Schul- 
schwanzer  und   sonstige   ,,Stttrenf riede" ; 

III)  sowie   einer  "Parental"   -    Schule 
fiir  verwahrloste  Kinder,  und 

IV)  besonderer  Klassen  fiir  schwach- 
befahigte   Schiller. 

Wie  ein  roter  Faden  lauft  durch  die- 
sen  Bericht  das  padagogische  Diktum: 
,,Wir  miissen  dem  einzelnen  Schiller 
mehr  Aufmerksamkeit  widmen;  wir 
miissen  jeden  Zogling  seinen  individuel- 
len  Anlagen  oder  ererbten  Schwachen 
entsprechend  erziehen." 


Korrespondenzen. 


55 


Der  Lehrerverband  hat  den  Schulrat  vom  Mayor  der  Stadt  zu  ernennen  sind. 
In  einer  Petition  ersucht,  die  Gehal-  Newark  hatte  in  den  letzten  Jahren 
ter  samtlicherLehrer  um  iible  Erfahrungen  mit  dem  ,,Grossen 
$50  pro  Jahr  zu  erhohen  bis  das  Maxi-  Schulrate"  gemacht.  Man  sagte  vielen 
mum  von  $1000  erreicht  ist;  die  Spezi-  Schulkommissaren  nach,  dass  sie  bei 
allehrer  des  Deutschen  und  die  Vize-  Ankaufen,  Bewilligungen,  Vergebung 

frinzipale  sollen  ein  Maximalgehalt  von  von  Kontrakten  u.  s.  w.  mehr  ihre  ei- 
1100  erhalten.  Da  aber  die  dem  Schul-  genen  Interessen  und  die  ihrer  Freunde 
rat  zur  Verfiigung  stehenden  Geldmit-  und  Vettern  als  die  der  Schulen  und 
tel  kaum  dazu  ausreichen,  so  wird  ein  ihrer  Mitbiirger  im  Auge  gehabt  hat- 
Komitee  desselben  sich  mit  der  Frage  ten.  Das  ist  nun  gerade  nichts  Neues. 
der  Erhohung  der  fur  Schulzwecke  be-  Klagt  doch  schon  der  babylonische 
stimmten  Spezialsteuer  von  3%  Mille  Keilschriftlehrer  Sadrach  A.  B.  Dnego 
beschaftigen.  vor  vielen  1000  Jahren  auf  einer  seiner 

ZweiVortrage  iiber  ,,das  hinterlassenen  von  Fritz  Treugold*  auf - 
Rheingebiet"  und  einer  iiber  gefundenen  und  entzifferten  Flatten 
,3  e  r  1  i  n  und  Umgegend",  ge-  f olgendermassen : 
lialten  im  Monat  Januar  von  Prof. 
Goodnight  unter  den  Auspizien  des 
Schulrats,  zogen  eine  grosse  Zuhorer- 
schaft  aus  alien  Stadtteilen  nach  der 
21.  Distriktschule  No.  3. 

Prof.  Oskar  Burckhardts  Vortrage 
iiber  Literatur,  deren  er  bis 
jetzt  drei  in  der  Aula  des  Seminars  ge- 
halten  hat,  erfreuten  sich  seitens  der 
Lehrer  einer  starken  Beteiligung  und 
begeisterten  Aufnahme. 


Jetzo  kann  man  weit  es  bringen, 
Wenn  man  'einen  Vetter  hat, 
So   da  sitzet   stolz  und  gravi- 
tatisch  im   Schulrat  der  Stadt. 

Eines   hat   der   schlimme   Handel 
Klar   und   deutlich   mich   gelehrt; 
Namlich  das:    es  ist  ein  Vetter 
Hierzulande   etwas  wert. 

Das   liesse  sich  so  ziemlich  auch  auf 


»JV.Ci^J.O  Li^JL   V\_/AA  J-ALAi  J.J.C^J.AJJJ.t/.  t*XJI  VT  VUJLA  AW  T  /^  j-4      1         1  j««  j 

Keller",      ,,Das     antike     Theater"     und   d!\  "^O88ei!    Schulrat      u^erer    S^6* 


,Don  Quijote"  sind  die  von  Hrn.  Burck- 


Stadt  Newark  anwenden.     Darum  hiess 


hardt  bis  jetzt  behandelten  Themata,  f  :  »Fort  mit  dem  Grossen  Schulrat! 
die  er  durch  seine  gewohnte  schone  In.  G™m  kle}nfn  Schulrate  konnen  un- 
Sprache  und  schwungvolle  Rednerweise  11?0^llch  so  viele  Vettern  sitzen,  wie  m 

auf   das   interessanteste   zu   belebenver- 
stand 

Ein   aus    angesehenen     Biirgern     und 
Lehrern     bestehender     L  o  k  a  1  aus- 


.  ^ 

Schulrat"   trug  bei   der  Wahl  den    Sieg 


Da  man 


der 


-       .       . 
schuss  hat  sich  unter  demVorsitz  des     lie     1.ausfllen,..  wiirde   und   man 


wusste, 


r         . 
ttirli.cl1  fur 
w™deii 


,  so/.f  n  mu/fte,  so 

Wardkandidaten    fur    den 


Herrn    Leo  Stern,     Direktor   des   Deut- 

schen,   gebildet,   um   die   nb'tigen  Vorbe-      _ 

reitunge\i     fur    den  in   diesem    Sommer   .Grossen  Schulrat"   auf gestellt   und   ge- 

hier  stattfindenden  Lehrertag  zu  wahlt-  ^^  d?8  ^u8Sa°£es  der ..^ahl 
treffen.  Nun  heisst  es,  wacker  an  die  war  ,  l^si™™twdlieh  die  Erwahlung 
Arbeit,  ihr  Kollegen  und  Kolleginnen!  der  letzteren  ungultig  geworden  So 
Unterstiitzt  den  Ausschuss  so  viel  als  dacj*en  ^mlich  die  Bttrger.  Anders 
in  euren  Kraften  steht,  um  diesen  Leh-  ?achte.n  die  nei^  erwahlten  Ward-Schul- 
rertag  zu  dem  e  r  f  o  1  g  r  e  i  ch  s  t  e  n  kommissare  und  mit  ihnen  einige  ihrer 
in  der  G  e  s  ch  i  ch  t  I  des  Leh-  al.teren  Kollegen.  Jetzt  erst  zeigte  sich, 

wie  unrecht  man  ihnen  fruher  getan, 
wenn  man  ihnen  Pflichtvernachlassi- 
gung  und  Gewissenlosigkeit  vorgewor- 
fen  hatte.  Sie  weigerten  sich,  dem 
vom  Mayor  ernannten  ,,Kleinen  Schul- 
am  1.  Januar  Platz  zu  machen. 


rerbunde 


zu  gestalten. 

C.  B.  S. 


Newark,  N.  J. 

Endlich    haben   wir   ihn!    Namlich    — 

den     ,,Kleinen     Schulrat",      nach  wir    sind    von    den    Biirgern   -erwahlt", 

dem  sich  die  Burger  schon  so  lange  ge-  sa^-en   sie      und  ,es   ist  unsere   Pflicht, 

sehnt.      Die    vorjahrige    Staatslegislatur  nijht  von  unserem  Posten  zu  weichen." 

erhess   em  Gesetz,     das     den     Biirgern  gie    die    keinen   Zent    Gehalt    bezogen, 

Newarks   gestattete,   darttber   abzustim-  ^a^en     durchaus     nicht     geneigt,     der 

meiV  ^b  ^  ;Sch^.rat  nach  wie^vw  aus  stadt   ihre   wertvollen   Dienste   zu   ent- 

A.   B.    Dnego.      Ein    alt- 
Keilschriftlehrer.       Von 


zwei  Vertretern  fiir  jede  der  16  Wards 
—  also  zusammen  aus  32  Mitgliedern— 


Sadrach 
bestehen  und  vom  Volke  erwahlt  wer-   babylonischer 


den  soil,  oder  ob  er  nur  aus  9  Mitglie-   Fritz  Treugold.     Verlag  von  Rob.  Lutz, 
>dern   zusammengesetzt    sein     soil,     die   Stuttgart. 


56  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

ziehen.  Ihre  Uneigennutzigkeit  und  am  hauslichen  Herde  zu  rauchen,  als 
Opferwilligkeit  ging  sogar  so  weit.  die  beschwerliche  Reise  nach  der  Me- 
dass  sie  noch  in  die  eigene  Tasche  grif-  tropole  anzutreten.  Wer  aber  am  4. 
fen  und  einen  Anwalt  beauftragten,  Januar  trotz  Wind  und  Regen  sich  im 
das  neue  Gesetz  als  unkonstitutionell  Lokale  des  Deutschen  Pressklubs  ein- 
anzufechten  und  einen  Einhaltsbefehl  gefunden  hatte,  bereute  keineswegs  die 
gegen  den  ,,Kleinen  Schulrat"  zu  erwir-  geringe  Unannehmlichkeit.  Die  Stim- 
ken.  Wie  aber  einstmals  der  kleine  mung  war  eine  recht  gemiitliche  und 
David  den  Riesen  Goliath  besiegte,  so  der  auf  personlicher  Erfahrung  basie- 
trug  auch  diesmal  der  Kleine  gegen  den  rende,  hochst  lebendige  Vortrag  des 
Grossen  den  Sieg  davon.  Der  Grosse  Herrn  Dr.  Hoelper  iiber  das 
musste  dem  Kleinen  den  Schulratssaal  ,,Deutschtum  in  Belgie n",  der 
raumen.  Die  Ernennung  der  9  Mitglie-  im  Auszuge  in  diesen  Spalten  erscheint, 
der  des  ,,Kleinen  Schulrats"  durch  den  wurde  mit  grossem  Beifall  aufgenom- 
Mayor  ist  zur  grossen  Zufriedenheit  men. 

der  Mehrzahl  der  Biirger  ausgefallen.  Dem  Beispiele  anderer  deutscher  Ver- 
und  man  sieht  nun  der  Weiterentwick-  einigungen  folgend,  beschloss  auch  un- 
lung  unseres  Schulwesens  mit  den  serVerein,  einMitglied  des  Deutsch- 
besten  Hoffnungen  f iir  die  Zukunf t  amerikanischen  Schulver- 
entgegen.  eins  der  Stadt  New  York  zu 

Newark  hat  nun  auch  seinen  werden  und  damit  sein  Scherflein  zum 
Zweigverein  des  ,,A  1 1  g  e  m  e  i-  Gedeihen  des  Deutschtums  hier  im 
nen  deutschen  Sprachver-  Osten  beizutragen. 

eins."  Die  Herren  Robert  Mezger,  Das  Andenken  des  kiirzlich  verstor- 
Moritz  Bamberger  und  Carl  Kniep  er-  benen  Dr.  Grtinenthal,  eines  lang- 
liessen  im  Oktober  einen  Aufruf  behufs  jahrigen  Lehrers  der  deutschen  Spracha 
Griindung  eines  solchen,  dem  zahlreich  an  den  offentlichen  Schulen  New  Yorks 
entsprochen  wurde.  Der  Verein  zahlt  und  eines  eifrigen  Forderers  deutscher 
jetzt  bereits  gegen  80  Mitglieder.  Vor-  Bestrebungen  in  der  Metropole,  wurde 
trage  wurden  bis  jetzt  gehalten  von  durch  Erheben  von  den  Sitzen  geehrt. 
Herrn  Jos.  Winter  aus  New  York  iiber  Auch  wird  seiner  Familie  ein  Beileids- 
Heinrich  Heine  mit  besonderer  Beriick-  schreiben  von  seiten  des  Vereins  iiber- 
sichtigung  seiner  Stellung  unter  den  sandt  werden. 

deutschen  Dichtern  und  seiner  Ver-  Ferner  wurde  beschlossen,  dem 
dienste  um  die  deutsche  Sprache ;  von  Deutschen  Pressklub,  der  un- 
Herrn  Peter  Niclas  von  hier;  von  serem  Vereine  in  den  zwei  letzten  Jah- 
Herrn  Dr.  Maximilian  Grossmann  aus  ren  seine  Raume  unentgeltlich  zur  Ver- 
Plainfield,  N.  J.,  ttber  die  Gotterdamme-  fiigung  stellte,  fur  dieses  so  uneigen- 
rung,  und  von  Herrn  Karl  Kniep  von  niitzige  Entgegenkommen  ein  wohlge- 
hier  iiber  Fremdworter.  Fiir  den  29.  meintes  Dankschreiben  zu  iibermitteln. 
Januar,  Mittwoch  Abend,  haben  der  L.  jj. 

Zentralverein   und   der    Sprachverein   ge- 

meinschaftlich  '  eine  Fichtefeier  veran-  Verein  deutscher  Spezial- 
staltet,  die  in  der  offentlichen  Biicherei  lehrer  in  New  York.  In  der  Ende 
abgehalten  werden  soil.  Herr  Dr.  Ernst  November  abgehaltenen  Sitzung  unse- 
Richard  von  der  Columbia  Universitat  rer  Vereinigung  wurde  auf  Anregung 
ist  als  Redner  gewonnen  worden.  des  Vereins  deutscher  Lehrer  von  New 

Die  jetzigen  Beamten  des  Sprachver-  York  und  Umgebung  der  Vorschlag  ge- 
eins  sind:  Robert  Mezger,  Prasident;  macht  und  einstimmig  angenommen, 
Moritz  Bamberger,  Schriftfiihrer,  und  gemeinschaftlich  mit  dem  letzteren  ein 
Karl  Kniep,  Schatzmeister.  O(jer  zwei  Delegaten  zu  dem  im  nach- 

H.  G.       sten     Sommer    stattzufindenden     L  e  h  - 
New  York.  rertag  in   Milwaukee   zu   senden, 

Wenn  die  drei  letzten  Versammlun-  falls  sich  sonst  keine  Kollegen  zu  der 
gen  des  Vereins  deutscher  Reise  entschliessen  sollten.  Es  wird 
Lehrer  von  New  York  und  dieser  Plan  von  der  Feststadt  und  dem 
Umgebung  nur  massig  besucht  wa-  Westen  jedenfalls  mit  Freuden  begriisst 
ren,  so  lag  die  Schuld  weniger  an  den  werden. 

Mitgliedern  als  an  dem  hasslichen  Re-  In  der  gleichen  Versammlung  wurde 
genwetter,  das  sich  regelmassig  an  den  auch  die  Abhaltung  einer  W  e  i  h- 
Versammlungstagen  einstellte  und  be-  nachtsfeier  beschlossen  und  die 
senders  die  ausserhalb  der  Stadt  woh-  folgenden  Mitglieder  zum  ausfiihrenden 
nenden  Herren  dazu  veranlasste,  lieber  Komitee  'ernannt:  Herr  B.  Kuttner. 
eine  Havana  im  behaglichen  Lehnstuhl  Fraulein  I.  Knopfmacher,  Herr  F. 


Umschau.  57 

Maenner  und  Herr  Prasident   Scholl  ex   erheiternd     waren     die    Tischreden     der 
officio.  Herren  Blume  und  Mussaeus.     Fraulein 

Da  die  monatliche  Versammlung  fur  Constantini,  die  Vizeprasidentin  des 
den  Dezember  ausser  dem  Berichte  tiber  Vereins,  zog  es  vor,  in  wenigen  Worten 
die  Vorarbeiten  fiir  die  oben  genannte  viel  zu  sagen.  Grosse  Heiterkeit  erreg- 
Feier  nichts  besonderes  bot,  so  soil  sie  ten  die  Entschuldigungsschreiben,  die 
iibergangen  und  statt  dessen  der  Ver-  ein  Spassvogel  fiir  einige  abwesende 
lauf  des  Weihnachtsfestes  geschildert  Mitglieder  eingesandt  hatte;  unter  an- 
werden.  derem  entschuldigte  sich  ein  Herr  da- 

Dasselbe  fand  am  Abend  des  27.  De-  durch,  dass  er  noch  schnell  einige  Hau- 
zembers  in  den  Raumen  des  Arion  in  ser  zu  verkaufen  hatte;  eine  Dame, 
New  York  statte,  welche  uns  von  der  dass  die  zwei  Sprachvereine,  der  sie  an- 
Gesellschaft  in  der  freundlichstenWeise  gehore,  ihre  Zeit  voll  und  ganz  in  An- 
zur  Verfugung  gestellt  wurden.  spruch  nahmen,  und  ein  anderer  Herr 

In  der  Metropole  am  Hudson  scheint  hatte  last  but  not  least  den  heiligen 
die  Luft  fiir  das  Pflanzchen  Kollegiali-  <lrei  Konigen  noch  eine  Privatstunde  zu 
tat  nicht  besonders  gut  zu  sein,  denn  geben.  Ebenso  interessant  war  die 
es  fiihrt  ein  ziemlich  mageres  Dasein,  Verteilung  der  Gescbenke,  die  fur  jeden 
und  so  kam  es  denn  auch  trotz  friih-  Teilnehmer  bestimmt  waren.  Fraulein 
zeitiger  Werbung,  dass  sich  nur  ein  Knopfmacher  hatte  dieselben  mit  vieler 
kleines  Hauflein  Getreuer  zusammenge-  Arbeit  in  verschiedene  Hiillen  verpackt, 
funden  hatte,  das  aber  durch  liebe,  an-  wovon  jede  mit  einer  anderen  Adresse 
hangliche  Gaste  gerade  verdoppelt  wur-  versehen  war,  so  dass  jeder  Gegenstand 
de.  Obgleich  man  voraussetzen .  sollte,  durch  eine  Anzahl  Hande  wanderte,  bis 
dass  die  Teilnahmslosigkeit  so  vieler  er  endlich  seinen  gliicklichen  Besitzer 
Mitglieder  ein  etwas  gemischtes  Gefiihl  fand. 

hatte  erzeugen  miissen,  so  herrschte  Nach  aufgehobener  Tafel  erfreuten 
doch  von  Anfang  an  die  frohlichste  uns  zwe*  Damen,  welche  als  Giiste  an- 
Stimmung,  die  selbst  die  etwas  pessi-  wesend  waren,  durch  herrliche  Violin- 
mistisch  gehaltene  Eede  des  Vorsitzen-  und  Klaviervortrage. 
den  des  Komitees,  Herr  Kuttner,  nicht  Erst  nach  schon  etwas  stark  vorge- 
zu  verscheuchen  vermochte.  Die  'echt  riickter  Stunde  trennten  wir  uns  mit 
humoristische  Erwiderung  derselben  dem  Bewusstsein,  eine  wirklich  recht 
durch  den  Vereinsprasidenten  ver-  vergniigte  Weihnachtsfeier  erlebt  zu 
scheuchte  sofort  jede  Wolke;  'ebenso  haben. 

F.  M. 


II.     Umschau. 


Gustav  E.  Karsten.  Gestor-  der  romanischen  Sprachen.  Weit  iiber 

ben  am  28.  Januar  1908.  Pro-  den  Einflusskreis  dieser  Universitat 

fessor  Gustav  E.  Karsten  starb  am  28.  hinaus  machte  er  sich  in  der  Gelehrten- 

Januar  nach  kurzer  Krankheit.  Einem  welt  von  Amerika  und  Europa  eihen 

in  der  ,,Sonntagsglocke"  von  Peoria  Namen  durch  das  von  ihm  gegriindete 

veroffentlichten,  hochst  sympathisch  und  herausgegebene  „ Journal  of  Eng- 

gehaltenen  Nachrufe  seines  ehemaligen  lish  and  Germanic  Philology".  Seine 

Schulers.  O.  P.  Klopsch,  entnehmen  wir  umfassende  Bildung  und  seine  Erfolg-e 

fiber  den  Lebenslauf  und  die  Tatigkeit  als  Lehrer  schufen  ihm  eine  Anzahl 

des  Verstorbenen  u.  a.  folgendes:  Neider,  und  die  daraus  entstandenen 

Karsten  wurde  1860  in  der  Nahe  von  Misshelligkeiten  veranlassten  ihn,  1903 

Konigsberg  geboren.  Er  absolvierte  das  seine  Stelle  niederzulegen.  1906  wurde 

Gymnasium  zu  Marienwerder  und  be-  er  an  die  Staatsuniversitat  von  Illinois, 

zog  dann  die  Universitaten  von  Leip-  IJrbana,  berufen  als  Vorstand  der  ver- 

zig,  Konigsberg,  Heidelberg  und  Frei-  einigten  Departements  der  modernen 

burg,  wo  er  1883  zum  Doktor  promo-  Sprachen.  Leider  war  es  ihm  nur  ver- 

viert  wurde.  Nachdem  er  zu  weiterer  gonnt,  drei  Semester  an  dieser  Anstalt 

Ausbildung  zwei  Jahre  in  Paris  und  zu  wirken.  Eine  plotzlich  eingetretene 

London  verbracht  hatte,  wurde  er  1885  Lungenentziindung  machte  seinem  L'e- 

Dozent  der  germanischen  und  romani-  ben  friihzeitig  ein  Ende.  Ausser  seiner 

schen  Philologie  an  der  Universitat  Familie  und  der  Universitat  trauern 

Genf.  1886  folgte  er  einem  Rufe  an  die  um  ihn  Tausende  seiner  ehemaligen 

Universitat  von  Indiana  als  Professor  Schliler  und  alle  Freunde  des  Deutsch- 


58  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

turns,  fiir  welches  der  Verstorbeue  in  danken.  ubersetzung  ist  bis  zu  einem 
diesem  Lande  stets  so  mannhaft  aut-  gewissen  Punkte  besser  als  Aufsatz. 
trat  denn  die  Schwierigkeit  flir  die  meisten 

Studenten  liegt  darin,  dass  sie  nicht  in 

Der     Unterricht     im     Engli-   gleicher  Weise  Gedanken  wie  Worte  zu 
schen.     Lehrer   an   High    Schools   und   Hefern  imstande  sind. 
Colleges    stimmen    darin    tiberein,     dass  (Chicago  Tribune.) 

der   Unterricht   im    Englischen    schlecht 

ist.  Nur  darin  gehen  ihre  Ansichten  j)er  Mangel  an  mannlichen 
auseinander,  wen  die  Schuld  triflft.  Die  Lehrkraften.  Der  stets  zunehmen- 
Lehrer  an  den  Colleges  behaupten,  der  de  Mangel  an  Mannern  auf  dem  Felde 
Unterricht  in  der  Sekundarschule  sei  so  der  Erziehung  scheint  die  Leute  dieses 
geringwertig,  dass  die  Zeit  der  Klassen  Landes  nur  in  akademischer  Weise  zu 
an  Colleges  mit  elementarer  Arbeit  beunruhigen.  Es  ist  ein  geeigneter 
vergeudet  wird.  Lehrer  an  den  Hoch-  stoff,  um  dariiber  zu  reden,  gerade  wie 
schulen  hinwiederum  geben  die  Schuld  man  uber  Evolution,  Wetter  und  Pr&- 
den  Anforderungen,  welche  fiir  die  Zu-  sident  Roosevelt  redet.  In  der  Praxis 
lassung  zu  Colleges  gestellt  werden.  So  aber  geschieht  nichts,  um  dem  Lehrer- 
viele  Bticher  seien  mit  Riicksicht  auf  berufe  einen  grosseren  Zufluss  kraf tiger 
die  bevorstehende  Priifung  zu  lesen,  Mannlichkeit  zuzuftihren.  Im  Gegen- 
dass  fiir  eine  nutzbringende  Beschafti-  teil,  sollte  man  nach  der  Behandlung 
gung  mit  Aufsatz  und  Rhetorik  keine  urteilen,  die  manchem  der  besten  Man- 
Zeit  iibrig  bleibe,  wahrend  der  Schiiler  ner  in  diesem  Felde  zuteil  wird,  so  ge- 
durch  die  uberfiillung  mit  Stoff  einen  schieht  das  Ausserste,  um  junge,  mit 
Widerwillen  gegen  die  Literatur  fasse,  Selbstachtung  erfiillte  Leute  vom  Leh- 
die  er  sonst  zu  geniessen  gelernt  hatte.  rerberufe  abzuhalten. 

Vielleicht  haben  beide  recht.  Es  j)ie  Bezahlung  ist  sicherlich  keine 
mag  sein,  dass  die  Arbeit  in  den  Sekun-  Anzielmngskraf t ;  sie  deckt  im  besten 
darschulen  minderwertig  ist,  und  dass  jraiie  die  notwendigsten  Lebensbediirf- 
die  Aufnahmebedingungen  fur  die  Col-  nisse.  In  Ausnahmefallen,  wie  in  den 
leges  die  Schuld  daran  tragen.  In  der  Superintendentenstellungen,  mag  es 
Diskussion,  die  sich  dariiber  entspann,  mo»lich  sein  ,etwas  fiir  die  kommendeu 
hat  man  darauf  hingewiesen,  dass  eng-  vRegentage"  zuriickzulegen.  Aber  wie 
lische  Collegestudenten,  welche  keinen  vielen  ist  es  gewahrt,  ihre  nutzbaren 
systematischen  Unterricht  im  Engli-  jahre  im  Erziehungsfelde  auszudienen? 
schen  geniessen,  besser  schreiben  als  j)er  Marktwert,  den  man  der  Erfahrung 
die  amerikanischen  Studenten,  welche  gibt,  scheint  nicht  iiber  45  hinauszu- 
so  strenge  gedrillt  werden.  gehen.  Die  Pensionierung  der  Lehrer 

In  den  englischen  Schulen  bildet  die  fst  noch  keine  nationale  Einrichtung. 
Praxis,  welche  auf  die  sorgsame  uber-  gie  wird  es  einmal  sein,  denn  schliess- 
setzung  fremder  Autoren  sich  erstreckt,  ijch  siegt  doch  die  Gerechtigkeit.  Aber 
die  beste  tibung  fiir  den  schriftlichen  von  dem  ,,was  sein  kann  ttnd  sein  wird" 
Gebrauch  der  englischen  Sprache.  In  ernahrt  man  keine  Familie. 
den  amerikanischen  Schulen  werden  Was  nun  den  Ruhm  betrifft  —  nun. 
fremde  Sprachen  so  studiert,  als  ob  die  ao  jst  mehr  Ruhm  daran,  ein  Jahr  einer 
-Sprache  der  Zweck  in  sich  selbst  ware,  Loge  von  Elks  vorzustehen,  als  die  Er- 
und  der  Wert  des  Lateinischen,  Deut-  ziehung  einer  ganzen  Stadt  von  Kin- 
schen  oder  Franzosischen,  insofern  er  dern  zu  formen.  Natiirlich  bezieht  sich 
Stoff  fiir  das  Studium  des  Englischen  das  nur  auf  den  irdischen  Ruhm,  und 
liefert,  geht  verloren.  Wenn  eine  Per-  njcht  auf  die  Art,  von  welcher  der  Pra- 
son  von  hoherem  Intellekt  und  griind-  sident,  der  Gouverneur  und  der  Biirger- 
licher  Kenntnis  der  Fremdsprache  ein  meister  sprechen,  wenn  sie  sagen,  dass 
fremdes  Meisterwerk  liest,  so  tritt  sie  der  Lehrberuf  der  ruhmvollste  auf  Er- 
gewiss  zu  dem  Autor  in  ein  innigeres  den  ist. 

Verhaltnis,  wenn  sie  sich  keiner  be-  \Venn  die  Leute  wirklich  dachten, 
wussten  ubersetzung  in  die  eigene  dass  die  Arbeit  des  Lehrers  glorreicher 
Sprache  bedient.  Andererseits  ist  die  sej  ajs  irgend  eine  andere,  wiirden  sie 
Fahigkeit,  in  der  eigenen  Sprache  es  8O  arg  veriibeln,  wenn  den  Lippen 
Worte  zu  finden  fiir  die  Gedanken  eines  des  Schulmannes  ein  Wort  entfallt, 
fremden  Schrifts tellers,  nicht  nur  ein  welches  nicht  Weihrauch  ist  fiir  die 
Priif stein  fiir  das  eigene  Verstandnis,  Nasen  seiner  Mitbiirger;  und  wenn  der 
sondern  auch  eine  viel  bessere  ubung  Lehrer  so  geachtet  wurde  als  er  sollte, 
in  der  Muttersprache  als  alle  eigenen  wiirde  es  jedem  Toms  und  Heinz  ge- 
Aufsatze  mit  ihren  gemeinplatzigen  Ge-  stattet,  seine  persSnliche  Meinung  ge- 


Umschau. 


59 


gen  die  des  erfahrenen  Erziehers  ins 
Feld  zu  ftihren?  Wahrlich,  es  ist  oft 
ein  grosserer  Ruhm,  der  Janitor  als  der 
Prinzipal  einer  iSchule  zu  sein. 

(The  School  Journal.) 

tiber  die  Kindheit.  Ich  be- 
streite  auf  das  entschiedenste,  dass 
derjenige  Mensch  am  besten  auf  den 
ernsten  Kampf  des  Lebens  vorbereitet 
ware,  der  schon  als  Kind  in  der  Regel 
seine  voile  Kraft  habe  hergeben  miis- 
sen.  Ich  behaupte  vielmehr,  dass  der- 
jenige Mensch  der  starkste  ist,  dessen 
Herz  sich  in  der  Kindheit  vollgesogen 
hat  von  Lebensfreude  und  Lebensmut. 
Eine  selige  Kindheit  ist  ein  unerschopf- 
liches  Kraftreservoir,  ist  ein  Kapital, 
das  bis  in  die  Todesstunde  Zinsen  tragt 
und  von  der  Erinnerung  taglich  ver- 
mehrt  wird.  Wenn  der  Glaube  an  den 
Wert  unseres  Daseins  nicht  im  Lande 
der  Kindheit  wurzelt,  so  treibt  er  iiber- 
haupt  keine  kraftigen  Wurzeln  mehr. 
(0.  Ernst,  fc  des  Kindes  Freiheit  und 
Freude.) 

Neue  Lehrplane  fur  die 
o'sterreichischen  Burger- 
schulen.  Die  von  dem  osterreichi- 
schen  Unterrichtsministerium  aufge- 
stellten  Normallehrplane  fiir  Knaben- 
und  Madchenbiirgerschulen  liegen  nun- 
mehr  im  Detail  vor.  Das  Stundenaus- 
mass  wird  fiir  Knabenschulen  in  der 
ersten  Klasse  mit  29,  in  den  iibrigen 
Klassen  mit  30,  fiir  Madchenschulen 
mit  29  Unterrichtsstunden  per  Woche 
bestimmt.  Davon  entfallen  auf  Reli- 
gion 2,  Unterrichtssprache  in  Verbih- 
dung  mit  Geschaftsaufsatzen  5,  Geogra- 
phie  und  Geschichte  3,  Naturgeschichte 
2,  Naturlehre  2,  Rechnen  in  Verbindung 
mit  einfacher  Buchfiihrung  4  (Madchen 
3),  Geometric  und  geometrisches  Zeich- 
nen  3  (Madchen  1),  Freihandzeichnen  4 
(Madchen  3),  Schonschreiben  1,  Gesang 
1,  Turnen  2  (letzte  Knabenklasse  3) 
Unterrichtsstunden  per  Woche,  wozu 
noch  in  den  Madchenschulen  4,  in  der 
letzten  Klasse  5  Unterrichtsstunden  in 
den  weiblichen  Handarbeiten  kommen. 
Lehrziel  und  Lehrstoff  sind  vorerst  nur 
fiir  die  obligaten  Gegenstande  und  die 
Anstalten  mit  deutscher  Unterrichts- 
sprache angegeben,  wahrend  fiir  die  un- 
obligaten  Facher  und  die  iibrigen  Schu- 
len  eigene  Normalplane  folgen  werden. 
Die  Reformaktion  bezweckt,  den  Unter- 
richt  an  Biirgerschulen  den  Zeitverhalt- 
nissen  anzupassen  und  eine  modernere 
Grundlage  fiir  die  Wirksamkeit  dieser 
fiir  die  gewerbetreibende  und  landwirt- 
schaftliche  Bevolkerung  wichtigen  In- 
stitution zu  bieten.  In  den  Lehrplanen 


fiir  Madchenbiirgerschulen  ist  insbeson- 
dere  auch  auf  die  Forderung  naeh  spe- 
zieller  Beriicksichtigung  der  Bediirf- 
nisse  der  weiblichen  Berufe  Bedacht  ge- 
nommen.  So  wird  in  der  ersten  Klasse 
das  Stricken,  Nahen,  Schlingen  sowie 
das  Ausbessern  schadhafter  Wasche  ge- 
iibt,  in  der  zweiten  Klasse  soil  das 
Zeichnen  leichter  Schnitte,  Zuschneiden 
von  leichten  Waschestiicken,  Nahen 
und  Ausbessern  der  Wasche,  Weiss- 
stickerei,  in  der  dritten  Klasse  dazu 
noch  das  Maschinennahen  erlernt  wer- 
den. Wenn  es  die  Zeit  erlaubt  und  ^en 
ortlichen  Verhaltnissen  angepasst,  kon- 
nen  auch  Kunstarbeiten  gelehrt  wer- 
den, wahrend  Hinweise  iiber  Art  und 
Giite  der  zu  verwendenden  Materialien 
den  Unterricht  in  alien  Klassen  beglei- 
ten.  Auch  der  Unterricht  in  der  Ma- 
thematik  hat  auf  die  Berechnungen  der 
Haushaltung  Riicksicht  zu  nehmen.  Als 
nicht  obligates  Fach  soil  auch  Haus- 
haltungskunde  vorgetragen  werden. 
Das  grosste  Gewicht  wird  auf  die  tadel- 
lose  Beherrschung  der  Muttersprache  in 
Wort  und  Schrift  gelegt.  Die  Kennt- 
n is  der  im  biirgerlichen  Leben  haufiger 
vorkommenden  Geschaftsaufsatze  und 
in  Verbindung  damit  die  Vertrautheit 
mit  den  gangbarsten  Formularien  des 
Post-  und  Eisenbahnverkehres  soil  er- 
zielt  werden.  Auch  in  alien  anderen 
Fachern  ist  der  Stoff  unter  bestandiger 
Riicksichtnahme  auf  die  Bediirfnisse 
des  praktischen  Lebens  zu  wahlen.  /  So 
sind  in  der  Naturgeschichte  Belehrun- 
gen  iiber  den  menschlichen  Korper  und 
seine  Pflege  vorzunehmen,  den  Knaben 
beim  Rechenunterricht  auch  die  Grund- 
ziige  der  einfachen  Buchhaltung  zu  ver- 
mitteln.  Ebenso  sollen  die  Schiiler  in 
geeigneter,  leicht  verstandlicher  Weise 
in  die  Verwaltungs-  und  Verfassungs- 
lehre  eingefiihrt  werden.  Die  neuen 
Normalplane  treten  mit  dem  Schul- 
jahre  1908/09  in  Kraft. 

Das  Goethe  -  SchillerDenk- 
mal  in  Weimar.  Anlasslich  des 
Neubaus  des  Hoftheaters  in  Weimar 
wurde  es  fiir  notwendig  gefunden,  das 
beriihmte  Goethe  -  Schiller  Denkmal, 
welches  Rietschel  im  Jahre  1857  vollen- 
det  hat,  um  etwa  neun  Meter  zuriick- 
zuschieben,  damit  es  vor  die  neue  Thea- 
terfront  zu  stehen  kame.  Dieser  Um- 
stand  erweckt  die  Erinnerung  an  die 
Einweihung  des  Denkmals.  Von  den 
zahlreichen  Schriftstellern,  welche  bei 
dieser  anwesend  waren,  hat  der  Mar- 
chendichter  Hans  Christian  Andersen 
die  schonste  Schilderung  hinterlassen. 
,,Als  die  Hiille  fiel",  schreibt  er,  ,,sah 


60  Monalshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

ich  einen  von  den  poetischen  Momenten  sich  niederlassen   sollte  —  als    Sinnbild 

des  Zufalls.     Ein  weisser  Schmetterling  der       Unsterblichkeit.       Nach      kurzem 

flog  iiber  Goethes   und   Schillers  Haupi,  Schwarmen   erhob   er   sich   in  das   klare 

als  ob  er  nicht  wiisste,  auf  welcheni  er  Sonnenlicht  und  verschwand."       0.  B. 


III.     Humor  in  der  Schule. 


Bei   einer   Revision   in    einer  Lehrer :    ,,Warum  ging  Hannibal  iiber 

elsassischenSchule  fragt  der  die  Alpen?"   Schiller:    ,,Weil  der  Tunnel 

Revisor    nach   ausfiihrlicher   Behandlung  noch  nicht  fertig  war." 

eines    I^sestiickes     ein      naturwiichsiges  Lehrer:    ,,Ein  Betrug    ist  etwas    sehr 

Madchen    warum  denn  eigenthch  dieses  Schlimmes;   ich  will  euch  das  an  einem 

Lesestuck    in     dem     Lesebuch       tande.  fi  .     -el   klar   machen      H          dein  Va. 

Antwort:     Damit  die  Blatter  vollwer-  ter  Pist     Kaufmann,     nicht    wahr?"   - 

den!         Schallender   Heiterkeitsausbruch  Hans;      Ja «_Lehrer :    ,,Nun,  wenn  dein 

bei     samtlichen       Revisionsteilnehmern,  Vater  seinen    Zucker     mit     gand     ver. 

inmitten   dessen  man   irgend   einen   ,,er-  mischt    8O  wiirde  er  ,einen  Bet         b 

wachsenen     Mund    ganz    leise     glaubte  hen  und  Unrecht  tun."  -  Hans*    ,,Das 

vor   sich   hm   zitieren   zu   horen:      ,,Was  t    Mutter    auch   im              aber   Vater 

kern   Verstand   der   Verstandigen   sieht"  meftint    es  merkt>s  ja  keiner « 
u.  s.  w. 

Einen    netten    Schulwitz    f 6r- 

Eigene     Auffassung.       Der  derte    die   Priif ung   in    einer    Dorf schule 

Lehrer  will  bei    der     Erlauterung     des  des     Schambachtales     zutage.      Lehrer: 

Begriffes   ,,Freundschaft"   auch   auf    den  Wie  heisst  die  erste  Vergangenheit  von 

der  Kameradschaft  hinweisen  und  fragt  gedeihen?   —   Schiller:    Gedieh.   —  Leh- 

deshalb   den  Meyer:      ,,Nun,   wie   nennt  rer:  Recht  so.     Sag  mir  nun  einen  Satz 

man  denn  einen,  der  das  Letzte  mit  ei-  mit    gedieh!    —   Schiller:    Geht    die    dos 

nem  teilt,  na?  Ka Ka "     Jetzt  was  o? 

kommt  ein  Licht  iiber  Meyer:    ,,Kamel,  E  n  t  s  ch  u  1  d  i  g  u  n  g  s  s  chr  ei - 

ben.     Auf  die  schriftliche  Anfrage  ei- 

Vor  kurzem  wurde  in  Hof  a.   S.  ein  nes   Lehrers  an   die  Mutter,  warum  ihr 

neuer       grosser      Schulpalast  Knabe   die    Schulstunde   versaumt   habe, 

eroffnet,  der  neben  anderen   ,,Vorziigen"  antwortete   die   aus    Pribram    gebiirtige 

auch   diesen  besitzt,   dass   kleinere   Kin-  Frau    Czibiczek      ebenfalls      schriftlich: 

der   in    dem    Gewirr    von     Gan<ren     sich  ,,Benedikte    tern   bum    Christine     Czibi- 

leicht  verirren.     Dieser  Tage  nun  trifft  czek"      Der   Lehrer   konnte    sich    diese 

ein  Lehrer  auf  einem  dieser  Gange  ein  Antwort    nicht   entratseln,    obschon     er 

Madchen  an,  das  bitterlich  weint.    Auf  Latein  verstand.  Ein  Freund  klarte  ihn 

seine  teilnehmende   Frage  nach  der  Ur-  dariiber  auf,  dass  die  Frau  nicht  latei- 

sache   ihres   Rummers     teilt     ihm     die  nisch        geschrieben        habe,        sondern 

Kleine   unter   erneutem   Schluchzen   mit,  deutsch:    ,,Benotigte  den   Buben.   Griisst 

dass    sie    ihr    Schulzimmer    nicht    finde.  Ihnen  Czibiczek." 

,,Nun,"      fragt      da    der    Lehrer    darauf,  L  a  t  e  i  n  e  r.     Mens  agitat  molem 

,,wie    heisst    denn    dein    Herr    Lehrer?"  steht   in   Aachen  am   neuen   Fliigel    des 

Unter    vermehrtem    Schmerzensausbruch  Polytechnikums.  Zwei  Biirger  sitzen  im 

und  schluchzend  stb'sst  die  Xrmste  her-  Wirtshaus    gegeniiber    und     besprechen 

aus:  ,,Wir  ham  ja  —  hu  hu  —  gar  kein'  den    Neubau.       Der     cine     missbilligt: 

Herrn  Lehrer;  wir  ham  ja nur  a  ,,Dat    kiinnten    se    doch     ooch     deutsch 

Madia!"     Lachend  begab  sich  der  Leh-  schriwe,   dat   mer   et   versteit!" — ,,0ch," 

rer   auf   die    Suche   nach   dem    ,,Madla",  sagt   der  andere   und    driickt     selbstzu- 

und  bald   darauf   konnte   er  der   jungen  frieden  das  Unterkinn  heraus:    ,,echben 

Lehrerin   X.   ihren   nunmehr   getrosteten  om   Gymnasium  gewes',  ech  verston  et. 

kleinen  Schtitzling  tibergeben.  Et     heisst     Der    Mensch   agitiert   mit's 

Maul!" 


Biicherschau. 


I.     Bucherbesprechungen. 


Franz  Grillparzer,  Die  A  h  n- 
frau.  Edited  with  introduction, 
notes  and  vocabulary,  by  Frede- 
rick W.  J.  Heuser,  A.M.  (Tu- 
tor in  the  Germanic  Languages  and 
Literatures,  Columbia  University), 
and  George  H.  Danton,  Ph.  D. 
(Acting  Assistant  Professor  of 
German,  Leland  Stanford  Jr.  Uni- 
versity). New  York,  Henry  Holt 
&  Co.,  1907.  LIX  +  257  pp.  Cloth, 
80  cents. 

In  publishing  Grillparzer's  tragedy, 
"Die  Ahnfrau/'  as  a  school  text,  the 
editors  have  placed  at  the  disposal  of 
the  American  student  a  German  drama 
well  worth  reading,  a  drama  which  pre- 
sents many  qualities  to  recommend  it 
for  class  use.  There  is  the  treatment 
of  fate,  the  use  of  the  Spanish  trochaic 
tetrameter  verse,  a  masterful  tech- 
nique, and  beauty  of  verse,  that  offer 
a  diverse  field  for  study  and  criticism. 
Nowadays,  that  the  idea  of  reading 
nineteenth  century  literature  in  high 
schools  and  colleges  has  become  so  de- 
servedly general,  we  need  more  editions 
of  Grillparzer,  Hebbel,  Ludwig,  etc., 
and  every  addition  ought  to  receive  a 
hearty  welcome  from  the  instructors  of 
German. 

Such  a  play  as  "Die  Ahnfrau"  will 
find  a  place,  not  only  in  the  larger  uni- 
versities where  specialization  is  possi- 
ble, but  also  in  the  high  schools  and 
small  college.  The  work  is  not  intended 
for  specialization,  but  as  a  text  for 
regular  second  and  third  year  reading 
courses.  The  drama  is  of  a  high  lite- 
rary order,  good  material  for  practice 
in  German  grammar,  if  one  wishes,  and 
a  splendid  basis  for  literary  interpreta- 
tion. 

The  introduction  is  a  model  preface 
to  a  school  text.  We  find  here  what 
we  ought  to  expect, — a  detailed  exposi- 
tion of  the  author's  life  and  works  that 
will  not  necessarily  add  to  the  know- 
ledge of  a  specialist,  but  which  is, 
nevertheless,  an  adequate  sketch  that 
serves  as  a  general  introduction  for  the 
student  to  the  author  whose  work  has 
been  edited,  carefully  compiled  and 


presented  in  an  interesting  manner. 
The  editors  have  struck  the  happy 
medium  between  the  introduction  that 
is  too  brief  and  perfunctory,  and  the 
introduction  which  is  so  overloaded 
with  knowledge  that  it  frightens  off 
the  student.  The  sketch  of  Grillparzer's 
life  is,  to  be  sure,  popular  in  tone,  but 
it  evinces  back  of  it  the  most  careful 
research.  One  reads  the  literary  essay, 
here  presented,  with  pleasure  and  ac- 
quires an  excellent  impression  of  the 
man  Grillparzer,  and  of  his  position  in 
the  history  of  German  literature. 

The  task  of  presenting,  within  a  few 
pages,  adequate  information  upon  the 
principal  works  of  the  author  has  also 
been  happily  solved  by  the  editors.  If 
any  objection  were  to  be  raised,  it  is 
that  the  contents  of  the  plays  are  not 
given  in  sufficient  detail  to  enable  one 
not  acquainted  with  them  to  appreciate 
fully  the  criticism  offered.  Here,  how- 
ever, as  in  the  biography  of  Grillparzer, 
the  essay  is  exceedingly  inspiring  both 
for  the  instructor  and  the  student. 

In  the  third  part,  "The  Origin  and 
Sources  of  Die  Ahnfrau,"  the  develop- 
ment of  the  material  in  Grillparzer's 
hands  is  clearly  portrayed,  without 
that  show  of  scientific  research  that 
often  wearies  all  but  the  specialist. 
The  same  may  be  said  of  the  fourth 
part,  "The  Fate  Element  in  Die  Ahn- 
frau." These  essays  are  based  upon 
scholarly  research  and  presented  with- 
out pedantic  bombast.  The  editors  pur- 
sue the  correct  method  of  criticism  in 
pointing  to  internal  evidence  to  sup- 
port their  assertion  that  this  drama, 
however  superior  to  the  other  so-called 
"Fate  Tragedies,"  is  none  the  less  a 
member  of  that  school.  The  external 
earmarks  of  the  fate  genre  are  present, 
— Grillparzer's  repeated,  disgruntled  as- 
sertion that  his  play  is  no  Fate  Tra- 
gedy does  not  change  the  facts  of  the 
case, — but  the  real  essence  of  the  Fate 
tragedy  is  to  be  sought  within.  No 
matter  what  the  characters  do  to  evade 
or  frustrate  the  implacable  fate  that 
hangs  over  their  house,  this  fate 
strides  over  them  relentlessly,  and  all 
must  finally  succumb. 


62 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  PddagogiJc. 


The  bibliography  that  is  appended, 
pp.  Hi — lix,  attests  the  astounding  wide 
scope  of  the  reading  of  the  editors  in 
preparing  this  edition.  It  ,in  itself,  is 
a  helpful  guide  to  a  minute  study  of 
Grillparzer's  life  and  works. 

The  text  is  clearly  and  correctly 
printed.  In  1.  2116  there  is  an  extra 
"h"  in  "fiihrwahr."  The  notes  are  very 
apt.  The  book  does  not  suffer  from 
the  lack  of  explanations,  as  is  too 
often  the  case  in  school  texts,  and  yet 
scarcely  a  helpful  suggestion  has  been 
overlooked,  without  being  open  to  the 
charge  of  prolixity.  The  translations 
of  difficult  and  obscure  passages  are 
very  correct  and  suggestive,  aiming  to 
interpret  rather  than  merely  to  trans- 
late. The  summaries  at  the  close  of 
the  acts  are  also  a  great  improvement 
over  the  prevailing  method  of  placing 
a  resume"  at  the  beginning  of  each  act. 
Thus  the  student  is  not  robbed  of  the 
pleasure  and  profit  of  his  first  impres- 
sions, untainted  by  the  views  of  the 
editors  and  teacher. 

Some  of  the  notes  are  not  as  cor- 
rectly stated  as  might  be  wished.  The 
note  to  1.  562  is  not  explicitly  stated, 
and  in  its  present  form  is  misleading 
and  incorrect.  L.  692,  "auch"  only  is 
to  be  supplied:  the  inversion  stands 
for  the  regular  condition  with  "wenn." 
LI.  1217-8  should  be  more  explicitly 
stated.  The  note  to  1.  1555  comes  rather 
late,  considering  that  the  same  con- 
struction with  "gleich"  has  occurred 
frequently  before,  without  being  ex- 
plained in  the  notes.  LI.  2948-9,  the 
note  explaining  "selbst  ein  Morder"  as 
in  apposition  with  "das"  is  a  misun- 
derstanding of  the  sentence.  "Kerin- 
test,"  1.  3280,  is  not  formed  from  the 
infinitive,  but,  like  the  infinitive,  is  an 
umlauted  form  written  with  "e"  in- 
stead of  the  umlauted  "a".  An  inter- 
pretative note  on  1.  146  would  be  in 
place,  and  "die",  1.  556,  might  be  re- 
ferred to  its  antecedent.  Such  omis- 
sions are  rare. 

The  vocabulary  is  very  carefully  and 
correctly  compiled.  The  following  omis- 
sions have  been  noted:  1.  254,  "obge- 
sieget",  1.  488,  "langgehegter",  1.  170; 
"Leichnam",  1.  833  (stage  direction), 
"umfassend",  1.  1218,  "erspart",  1.  1244, 
"Aussenwerken",  1.  1371,  "daransetzen", 
1.  1983,  "Eid",  and  1.  3109,  "Ausseri- 
welt." 

The  book,  as  a  whole  ,is  a  monument 
of  the  most  thorough  scholarship  and 
painstaking  care,  and  we  owe  Mr.  Heu- 


ser  and  Mr.   Danton  our  deepest  grati- 
tude for  a  text  of  so  high  a  standard. 
John  L.  Kind. 

University  of  Wisconsin. 

I 

Deutsche  Schulerziehung 
herausgegeben  von  W.  Rein,  Jena. 
Erster  und  zweiter  Band,  @  $1.50. 
Miinchen,  J.  F.  Lehmanns  Verlag. 
1907. 

Die  Augen  der  gesamten  gebildeten 
Welt  sind  auf  Deutschland  und  seine 
Schulen  gerichtet.  Tausende  von  Leu- 
ten  aller  Berufsklassen  pilgern  nach 
dem  ,,Vaterlande",  das  fiir  so  viele  zum 
Mekka  geworden  ist,  wo  sie  wenigstens 
einmal  in  ihrem  Leben  dem  Geiste  deut- 
scher  Kultur  huldigen,  sich  in  seinem 
Lichte  eine  Weile  sonnen  wollen.  Auch 
von  diesem  Lande,  von  den  Vereinigten 
Staaten,  ziehen  sie  hiniiber:  vor  alien 
die,  welche  noch  weiterer  Bildung  be- 
diirftig  sind,  die  sie  in  unseren  entwe- 
der  mangelhaften  oder  auch  viel  zu 
teuren  Universitaten  nicht  finden  kon- 
nen.  Denn  immer  noch  steht  die  Schule 
Deutschlands  als  ein  Muster  da,  wenn 
auch  nicht  ihrer  Organisation  wegen,  so 
doch  in  Hinsicht  auf  Methode  und  Re- 
sultate.  Und  diese  waren  es  haupt- 
sachlich  —  und  sie  sind  es  noch  — ,  die 
nicht  nur  unsere  Studenten  locken,  son- 
dern  auch  die  Manner  und  Frauen 
Amerikas,  welche  auif  dem  Felde  der 
Erziehung  und  des  Unterrichtes  tatig 
sind,  also  unsere  Lehrer  und  Lehrerin- 
nen.  Gleich  den  Arzten,  die  es  fiir  un- 
bedingt  notwendig  erachten,  ihre  hier- 
zulande  erworbene  Ausbildung  in  Leip- 
zig, oder  Berlin,  oder  Wien  zum  Ab- 
schluss  zu  bringen,  so  halt  'es  auch  <Jer 
moderne  Erzieher  fiir  unerlasslich,  das 
Schulwesen  Deutschlands  griindlich 
kennen  zu  lernen,  und  zwar,  wenn  ir- 
gendwie  moglich,  an  Ort  Und  Stelle 
selbst. 

Leider  steht  dieser  direkte  Weg  nur 
wenigen  offen.  Auch  in  Amerika  sind 
Lehrer  und  Erzieher  nicht  auf  Rosen 
gebettet;  das  Einkommen  dieser  Leute, 
die  einer  bekannten  Phrase  entspre- 
chend  die  Zukunft  in  Handen  haben, 
ist  gewohnlich  sehr  bescheiden,  und 
wenn  dem  Manne  auch  noch  eine  Fami- 
lie  beschieden  ist  und  die  Sorge  um  die 
Zukunft  der  eigenen  Kinder  obliegt,  so 
bleibt  fiir  eine  Studienreise  nach  Eu- 
ropa  herzlich  wenig  tibrig.  Fiir  diese 
Leute  nun,  die  sich  auf  ein  Studium  zu 
Hause,  auf  die  Lekttire  beschrankt 
sehen,  ist  das  hier  angezeigte  Buch  von 
Dr.  W.  Rein  eine  wirklich  unschatzbare 
Gabe.  Es  bietet  in  jeglicher  Hinsicht 
eine  wenn  auch  etwas  gedrangte,  so 


Bucherbesprechungen.  63 

doch  griindliche  Belehrung  iiber  das  Er-  len.  Damit  die  Schiller  das  Banner 
ziehungswesen  im  alten  Vaterlande,  nicht  aus  den  Augen  verlieren  und  ihr 
bezw.  das  deutsche  Schulwesen,  denn  Nationalbewusstsein  stets  frisch  erhal- 
sein  Titel  lautet  ja  ,,Deutsche  Schuler-  ten,  weht  das  Banner  jeden  Tag  —  ja, 
ziehung",  und  das  gesamte  Werk  bleibt  es  wird  auf  den  Schulgebauden  man- 
sich  der  in  diesem  Titel  angedeuteten  cher  besonders  national  gesinnter 
Tendenz  treu.  Stadte  iiberhaupt  nicht  mehr  entfernt 

Ein  neues  Buch  von  Dr.  W.  Rein  ist  und  weht  also  dort  sogar  bei  —  Nacht. 
immer  ein  Ereignis  auf  dem  padagogi-  Wie  wir  sehen,  so  sitzen  auch  wir  im 
schen  Biichermarkte.  Mat  hat  sich  in  national  en  Glashause,  und  wollen 
Deutschland  nachgerade  daran  ge-  deshalb  die  Steine,  nach  denen  wir  so- 
wohnt,  in  alien  wichtigen  und  'entschei-  eben  gegriffen,  lieber  wieder  einstecken. 
denden  Fragen  das  letzte  Wort  von  ihm  Halten  wir  uns  an  das  Gute,  das  wirk- 
zu  horen.  Die  Lehrerschaft  sieht  in  lich  Vortreffliche  dieser  so  eigenartigen 
ihm  ihren  Fiihrer.  Als  vor  ein  paar  Sammlung.  Dr.  Rein  selbst  definiert 
Jahren  in  Wiirttemberg  der  Kampf  um  ihren  Zweck  auf  Seite  XIII  der  Einlei- 
die  Fachaufsicht  gefiihrt  wurde  und  die  tung.  Er  sagt:  Eltern  und  Lehrer  sol- 
Lehrer  sich  gegen  jede  weitere  geist-  len  durch  das  Buch  angeregt  werden, 
liche  Bevormundung  in  Reih'  und  Glied  immer  tiefer  in  die  deutsche  Vergan- 
stellten,  berief  man  Dr.  Rein  nach  genheit  und  deutsches  Wesen  hineinzu- 
Stuttgart,  um  hier  in  einem  offentli-  blicken,  Volkskunde  und  Volkskunst, 
chen  Vortrage  seine  Ansichten  iiber  Heldentum  und  Dichtung,  Philosophie 
diese  hochwichtige  Bewegung  darzule-  und  Religion  in  ihrer  Bedeutung  fur 
gen.  Er  kam  und  loste  seine  Aufgabe  unsere  Erziehung  und  fiir  die  Aufga- 
in  einer  Weise,  die  auch  den  eifrigsten  ben  des  Tages  immer  klarer  erkennen 
Anhangern  des  alten  Regimes  die  hoch-  und  immer  warmer  erfassen  zu  lernen. 
ste  Achtung  abnotigte.  Dieser  Aufg'abe  wird  denn  auch  das 

In  dem  uns  vorliegenden  Werke  Werk  in  schonster  und  vollkommenster 
fanden  wir  ausser  der  sieben  Sei-  Weise  gerecht.  In  26  Abhandlungen 
ten  langen  Einleitung  nur  die  werden  samtliche  Phasen  der  deutschen 
ersten  49  Seiten  aus  der  Feder  des  Schulerziehung  behandelt,  so  dass  der 
Herausgebers ;  der  iibrige  Inhalt  des  Leser  einen  allumfassenden  und  griind- 
Werkes  (im  ganzen  etwa  600  Seiten)  lichen  Einblick  in  die  fiir  ihn  so  wich- 
wurde  auf  eine  stattliche  Anzahl  von  tige  Sache  erhalt.  Natiirlicherweise  ist 
Mitarbeitern  verteilt,  unter  denen  wir  nicht  jede  Abhandlung  fiir  jeden  Leser 
jedoch  wohlbekannte  und  mit  Recht  von  derselben  Wichtigkeit  und  demsel- 
beriihmte  Namen  entdeckten  —  zu  un-  ben  Werte.  Was  speziell  uns  Lehrer 
serem  aufrichtigen  Vergniigen  auch  den  des  Deutschen  betrifft,  so  diirften  wohl 
Redakteur  dieser  Zeitschrift,  Herrn  die  Seiten  356  bis  410  fiir  uns  das 
Seminardirektor  Max  Griebsch.  Sein  meiste  Interesse  bieten.  Auf  diesen 
Beitrag  ,,Nationale  Erziehung  in  den  Seiten  finden  wir  die  Abhandlungen 
Vereinigten  Staaten  von  Nord-Ameri-  iiber  den  Unterricht  in  den  Fremdspra- 
ka"  steht  zwar  am  Ende  des  Buches,  chen,  und  von  Seite  377  in  den  ,,Neue- 
also  ,,last,  but  by  no  means  least."  ren  Sprachen".  Wir  haben  aus  diesen 
Er  beweist  nicht  nur  eine  breite  und  Artikeln  manches  gelernt,  was  auch  auf 
tiefe  Sachkenntnis,  sondern  auch  jene  unsere  Verhaltnisse  anwendbar  ist,  ob- 
freie  Unparteilichkeit,  die  ich  in  so  wohl  die  Herren  Verfasser  bei  ihren 
manchen  der  anderen  Artikel  vermisste,  Ansichten  iiber  Latelnisch  und  Grie- 
in  denen  das  nationale  Prinzip  —  und  chisch,  Franzosisch  und  Englisch,  und 
immer  wieder  das  nationale  Prinzip  bis  iiber  Zeit  und  Methode  des  Unterrichts 
zur  Ermiidung  hervorgehoben  und  in  den  Fremdsprachen  stets  das  deut- 
breitgetreten  wird.  sche  Gymnasium  und  die  Realschule, 

Und  dies  ist  denn  auch  die  einzige  sowie  auch  die  Universitaten  im  Aug"e 
schwache  Seite,  die  ich  an  dieser  sonst  haben,  aber  niemals  die  Elementarschu- 
durchaus  vortrefflichen  Sammlung  von  len  oder  die  alien  zuganglichen  Volks- 
Abhandlungen  bemerkt  habe.  Man  schulen.  —  Die  von  Seite  517  an  folgen- 
kann  eben  alles  zu  weit  treiben,  auch  den  Abhandlungen  iiber  ,,National-Er- 
das  Gute.  Gewiss  ist  das  nationale  ziehung  bei  anderen  Volkern"  bieten 
Prinzip  in  jedem  Lande  und  bei  jedem  eine  sehr  dankenswerte  Zugabe;  wu- 
Volke  von  noher  Wichtigkeit  in  der  Er-  rum  aber  in  diesem  Abschnitte  des  Bu- 
ziehung.  Wird  es  aber  einseitig  be-  ches  Frankreich  einfach  totgeschwiegen 
tont,  so  weckt  es  die  komische  Erin-  wird,  ist  uns  nicht  begreiflich.  Oder 
nerung  an  das  Aufhissen  des  Stenren-  ist  der  padagogischen  Welt  Deutsch- 
banners  auf  unseren  offentlichen  Schu-  lands  nichts  davon  bekannt,  was  seit 


64 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


dem     letzten     grossen    Kriege    westlich  bald   einen   tiichtigen   ubersetzer   finden, 

vom   Rhein    in    nationaler    Hinsicht    fiir  der  es  unseren  englischen  Kollegen  und 

die   Schulerziehung  geschehen  ist?  Kolleginnen    verstandlich    macht,    denn 

Wir   wiinschen    Dr.    Reins     Buch    die  gerade  sie  sind  es,  die  am  meisten  da- 

grosstmogliche     Verbreitung     und     den  raus  lernen  konnen. 
schonsten  Erfolg.    Mage  das  Werk  auch  Pencil  Vania. 


II.     Eingesandte  Biicher. 


Mein  erstes  Lesebuch. 
Fibel  fiir  den  ersten  Deutsch  -  Unter- 
richt.  Von  K.  Zoller.  Giessen,  Emil 
Roth,  1908. 

Universitat  und  Schule. 
Vortrage  auf  der  Versammlung  deut- 
scher  Philologen  und  Schulmanner  am 
25.  September  1907  zu  Basel,  gehalten 
von  F.  Klein,  P.  Wen dl and,  Al. 
Brand  1,  Ad.  Harnack.  Mit  ei- 
nem  Anhange:  Vorschlage  der  Unter- 
richtskommission  der  Gesellschaft  deut- 
scher  Naturforsche'r  und  Arzte  betref- 
fend  die  wissenschaftliche  Ausbildung 
der  Lehramtskandidaten  der  Mathema- 
tik  und  Naturwissenschaften.  B.  G. 
Teubner,  Leipzig,  1907.  Preis  geb.  M. 
1.50. 

Aus  Natur  und  Geistes- 
w  e  1  t.  Sammlung  wissenschaftlich- 
gemeinverstandlicher  Darstellungen. 

185.  Bandchen:  Shakespeare 
und  seine  Zeit.  Von  Dr. 
Ernst  S  i  e  p  e  r,  a.  o.  Professor  an 
der  Universitat  Miinchen.  Mit  3  Ta- 


feln  und  3  Textbildern.  190.  Bandchen: 
TechnischeHochschulenin 
N  o  r  d  a  m  e  r  i  k  a.  Von  S  i  e  g- 
mundMtiller4  Professor  an  der 
Kgl.  Techn.  Hochschule  in  Berlin.  Mit 
zahlreichen  Textabbildungen,  einer 
Karte  und  einem  Lageplan.  Leipzig,  B. 
G.  Teubner.  Preis  fiir  das  Bandchen 
M.  1.25. 

Sprachubungen  (in  sieben 
Heften).  Im  Anschlusse  an  die  Lese- 
biicher  der  Serie  Weick  -  Grebner.  Be- 
arbeitet  fiir  den  deutschen  Unterricht 
in  amerikanischen  Volksschulen  von 
E  m  i  1  K  r  a  m  e  r.  Zweite  Auflage. 
Verlag  von  Gus.  Muehler,  Cincinnati, 
0.  Preis  pro  Heft  5  Cts. 

Die  beidenFreunde.  Eine 
Erziihlung  von  General  -  Feldmarschall 
GrafHelmuth  vonMoltke. 
With  introduction,  notes,  and  vocabu- 
lary, by  Karl  Detlev  Jesse  11, 
Ph.  D.  (Berlin).  New  York,  Henry 
Holt  &  Co.,  1907.  Price,  35  cts. 


Monatshefte 

fur  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:   Padagogische  Monatshefte.) 

•     A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 


IX*  JMarz  1908.  f)cft 


In  Memoriam. 


Professor  Karsten.  «j-    Professor  Dr.  Gustaf  Karsten,  der  uns  am  28. 

Januar  so  plb'tzlich  durch  den  Tod  entrissen  wurde,  gehorte  zu  den  ersten 
Philologen  unseres  Landes.  Sein  Tod  bedeutet  einen  Verlust  fiir  deut- 
sche Bildung  und  deutsche  Ideale,  den  nur  die  in  vollem  Masse  wiirdigen 
konnen,  die  ihn  naher  kannten.  Es  wird  folglich  einem  langjahrigen 
Schiller  und  Freunde  vergonnt  sein.,  einiges  iiber  seine  Verdienste  her- 
vorzuheben. 

Professor  Karsten  bezog  die  Universitat  Freiburg  (in  Baden)  zur 
Zeit  als  Hermann  Paul  seine  epochemachenden  Arbeiten  auf  dem  Gebiete 
der  Germanistik  veroifentlichte.  Obwohl  Karsten  bis  zu  dieser  Zeit  ein 
ganz  anderes  Ziel  verfolgt  hatte,  fiihlte  er  sich  jetzt  sofort  zu  den  Neu- 
philologen  hingezogen  und  widmete  sich  dem  neuen  Fache  mit  einer  Hin- 
gebung  und  Aufopferungsfreudigkeit,  die  wohl  selten  iibertroffen  wor- 
den  1st. 

Zu  seinen  Lehrern  in  der  neueren  Philologie  zahlte  er  unter  anderen. 
Paul,  Braune,  Sievers,  Kluge,  Neumann,  Brugmann  und  Paris.  Nach- 
dem  er  in  Freiburg  promoviert  hatte,  hielt  er  sich  langere  Zeit  in  London, 
Paris  und  Italien  auf,  um  sich  griindlicher  in  den  neueren  Sprachen  zu 
orientieren,  und  habilitierte  sich  dann  als  Privatdozent  in  Genf.  Hier 


66  Monatshefte  filr  deutsche  Sprache  und  Pddagogik 

wurde  er  mit  Professor  David  Starr  Jordan,  zur  Zeit  Eektor  der  Indiana 
University,  bekannt,  der  ihn  kurz  darauf  als  Professor  der  romani- 
schen  Sprachen  berief.  Nach  einigen  Jahren  iibernahm  er,  gegen  den 
Wunsch  seiner  romanischen  Kollegen,  die  deutsche  Professur,  weil  er 
dadurch  nachhaltiger  deutsche  Bestrebungen  in  dem  Universitats-  und 
Schulwesen  zu  fordern  hoffte. 

In  dieser  Beziehung  diirfte  betont  werden,  dass  Prof.  Karsten  stets 
hohere  Ziele  verfolgte  als  sie  dem  Durchschnittsmenschen  vorschweben. 
Er  bemiihte  sich  besonders,  das  deutsche  Universitatsideal  durchzusetzen 
und  auf  dem  Gebiete  der  Germanistik  der  Forschung  im  deutschen  Sinne 
Bahnen  zu  offnen.  Um  diesen  Zweck  zu  fordern,  begriindete  er  im  Jahre 
1897  das  „ Journal  of  Germanic  Philology".  Was  es  bedeutete,  in  einem 
kleinen  College  und  in  einer  Umgebung,  die  fiir  Philologie  so  gut  wie  gar 
kein  Verstandnis  hatte,  eine  Zeitschrift  fiir  dieses  Fach  herauszugeben, 
bedarf  wohl  keiner  naheren  Ausfiihrung.  In  diesen  Jahren  fand  Dr. 
Karsten  in  Indianapolis  sehr  erfreuliche  Unterstiitzung.  Die  Herren 
Franklin  Vonnegut,  Hermann  Lieber,  Albert  Lieber,  Heinrich  Schniill, 
John  W.  Schmidt,  Louis  Hollweg,  Albert  Metzger,  Dr.  Hugo  0.  -Pantzer 
und  F.  M.  Bachmann  ermoglichten  das  Erscheinen  der  ersten  Bande. 
Dr.  Karsten  ubernahm  die  gewagtesten  Verpflichtungen  und  arbeitete 
unermiidlich  an  dem  Unternehmen. 

Das  Unerwartete  blieb  nicht  aus.  Man  fing  an  zu  munkeln,  dass  Dr. 
Karsten  der  Zeitschrift  zu  viel  Zeit  widme  und  folglich  seine  nachsten 
Pflichten  an  der  Universitat  vernachlassigen  miisse.  Mit  der  Zeit  ent- 
wickelten  sich  die  Anfeindungen  dermassen,  dass  er  seine  Professur  nie- 
derlegen  musste.  Er  war  zunachst  ein  Jahr  an  der  Cornell  University 
tatig  und  ubernahm  dann  in  Abwesenheit  von  Professor  Hatfield  dessen 
Stelle  an  der  Northwestern  University.  Durch  die  Vermittelung  des 
letzteren  und  Professor  George  Cunne  trat  Professor  Edmund  J.  James, 
Rektor  der  Illinois  Staatsuniversitat,  mit  Dr.  Karsten  in  Yerbindung  und 
berief  ihn  auf  den  Lehrstuhl  fur  die  neueren  Sprachen. 

Die  Wahl  war  eine  iiberaus  gliickliche,  denn  Professor  James  hatte 
sich  das  Ziel  gesetzt,  besonders  die  sogenannte  ,,Graduate  School",  die 
eigentliche  Universitat,  zu  fordern,  und  Dr.  Karsten  war  wie  kein  zweiter 
dazu  geeignet,  das  Studium  und  die  Forschung  in  den  germanischen  und 
romanischen  Sprachen  zu  leiten.  Die  drei  Semester  seiner  segensreichen 
Tatigkeit  haben  das  Urteil  von  Professor  James  zur  Geniige  bestatigt. 

Meine  naheren  Beziehungen  zu  Dr.  Karsten  diirften  nicht  ohne  In- 
teresse  sein.  Nachdem  ich  in  den  achtziger  Jahren  mit  ihm  fliichtig  in 
Beriihrung  gekommen  war,  fiihrte  mich  der  Zufall  im  Jahre  1894  in 
seine  Faustklasse.  Diese  Vorlesung  zeugte  von  einem  Scharfsinn  und 
einer  Einsicht,  wie  sie  mir  noch  nie  erschienen  waren,  und  ich  entschloss 
mich  sofort,  Germanistik  zu  studieren. 


In  Memoriam.  67 

Die  germanistischen  Stunden,  die  ich  spater  unter  ihm  hatte,  ge- 
horen  zu  den  schonsten  meines  Lebens.  Wiederholt  kam  ich  um  acht 
Uhr  in  eine  Klasse,  die  erst  um  zwolf  Uhr  beschlossen  wurde.  Dann  lud 
er  mich  sogar  oft  zum  Mittagessen  ein  und  setzte  die  Lektion,  unter  ge- 
linderen  Bedingungen,  bis  spat  nachmittags  fort. 

Seine  Lehrtatigkeit  war  weniger  systematise!!,  dafiir  aber  im  weite- 
sten  Sinne  anregend.  Anstatt  direkt  mitzuteilen,  wies  er  dem  Studenten 
die  Bahnen,  die  er  zu  befolgen  habe,  um  auf  einem  Gebiete  zur  Erkennt- 
nis  zu  gelangen.  Durch  dieses  Verfahren  scheiterte  manehmal  das 
Interesse  der  auf  ??Credits"  spekulierenden  Studenten;  doch  diejenigen, 
die  es  ernst  meinten,,  ernteten  um  so  reichlicher. 

Er  beurteilte  seine  Mitmenschen  mit  einem  Scharfsinn,  der  oft  in 
Erstaunen  setzte.  Manehmal  kam  es  einem  vor,  als  wiirde  er  von  einem 
Schiller  iiberlistet,  und  dann  geschah  es  gewohnlich,  dass  man  ganz  zu- 
fallig  eine  ausfiihrliche  Klarlegung  des  ganzen  Falles  zu  horen  bekam. 
Solche  Ereignisse  erklaren  sich  daraus,  dass  er  sich  selten  mit  einem 
Studenten  auseinander setzte  Wer  nicht  arbeitete,  zog  einfach  aus  dem 
Unterricht  keinen  Nutzen,  aber  unbeanstandet  blieb  sein  Grundsatz: 
?,Ehre  wem  Ehre  gebiihret."  Als  eine  Studentin  ihn  einmal  um  eine' 
Empfehlung  bat,  wies  er  dieselbe  mit  diesen  Worten  ab:  ,,Sie  haben  ja 
einmal  vor  der  Klasse  gesagt,  dass  Sie  das  Franzosische  nur  um  des 
.Credits'  willen  studieren.  Leute  mit  solchen  Anschauungen  kann  ich 
den  Schulen  nicht  aufbiirden." 

Als  Lehrer  scheint  ihm  das  Ideal  Goethes,  wie  es  in  Wilhelm  Meister 
geschildert  wird,  vorgeschwebt  zu  haben.  Auch  er  blieb  seinen  Schulem 
oft  unerklarlich,,  doch  loste  sich  das  Problem  immer  mehr  mit  der  zuneh- 
menden  Reife  des  Schiilers.  Bei  der  Fiille  von  Anregungen,  die  jede 
TJnterrichtsstunde  bot^  konnte  man  nicht  immer  alles  gleich  verarbeiten. 
So  blieben  aber  diese  Stunden  eine  Anregung  zur  Weiterbildung ;  die 
Arbeit  fing  eigentlich  erst  mit  dem  Abschluss  des  Semesters  an. 

Als  ich  ihm  zu  seiner  Ernennung  an  der  Illinois  Staatsuniversitat 
gratuliert  hatte,  antwortete  er  mit  Begeisterung,  dass  die  Zukunft  des 
^Journal  of  English  and  German  Philology"  dadurch  gesichert  sei. 
Moge  denn  dieser  Wunsch  in  Erfiillung  gehen  und  die  von  ihm  begriin- 
dete  Zeitschrift  ihm  ein  wiirdiges  Denkmal  werden. 

University  of  Nebraska.  Paul  H.  Grummann. 


Eine  Rechenstunde  im  deutschen  Unterricht. 


Von  Prof.  Paul  0.  Kern,  Universitat  Chicago. 


Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  fiir  den  Lehrer  der  neueren  frem- 
den  Sprachen,  welcher  die  zusammenhangende  Eede  in  Wort  und  Schrift 
zur  Grundlage  seines  Unterrichts  macht,  die  Betreibung  eines  methodi- 
schen  Unterrichtens  weit  schwieriger  ist  als  fiir  denjenigen,  der  in  alter 
Weise  vom  einzelnen  Wort  ausgeht.  Die  Griinde  hierfiir  sind  nicht 
schwer  zu  finden.  Wie  der  Maurer  bedachtig  Ziegel  auf  Ziegel  legt,  reiht 
auch  der  alte  Sprachlehrer  einfach  nur  Wort  an  Wort,  in  dem  Wahne, 
durch  solch  systematisches,  konstruktives  Verfahren  ein  festes  Lehr- 
gebaude  im  Geiste  seiner  Schiller  zu  errichten.  Es  ist  natiirlich,  dass  fiir 
seine  mageren  Eesultate  —  einzig  und  allein  grammatische  Kenntnisse, 
sei  es  solche  in  der  Theorie  (Regeln),  sei  es  solche  in  der  Anwendung 
(Ubersetzung)  -  -  einfache  und  leicht  zu  handhabende  Mittel  geniigen, 
zudem  hat  er  die  Tradition  und'  fiir  seine  Zwecke  langst  und  gut  aus- 
gearbeitete  Textbiicher  fiir  sich.  Dem  Lehrer  der  neueren  Sprachen  aber, 
der  sich  zur  ,,Reform"  bekennt,  setzt  diese  ein  ganz  anderes  Lehrziel,  er 
soil  seine  Schiiler  nicht  nur  mit  der  fremden  Sprache  bekannt  machen, 
d.  h.  dieselbe  lesen,  schreiben  und  sprechen  lehren,  sondern  sie  auch  in 
die  fremde  Literatur  und  in  das  gesamte  Volkstum  der  anderen  Nation 
einfiihren.  Es  leuchtet  ein,  dass  eine  Unterrichtsweise,  die  solch  ein 
gewaltiges  Ideal  auch  nur  einigermassen  verwirklichen  will,  von  Anfang 
an  sich  grosserer  Vielseitigkeit  befleissigen  muss  als  die  alte  grammatische, 
deduktive  oder  tibersetzungsmethode.  Im  Gegensatz  zu  dieser  geht  sie 
vor  allem  direkt,  d.  h.  aus  der  fremden  Auffassung  heraus  (also  nicht 
auf  dem  Umwege  der  Ubersetzung)  und  induktiv  vor,  d.  h.  sie  lasst  den 
Schiiler  die  Regel  und  was  er  sonst  wissen  soil,  selber  finden.  Dieses  ana- 
lytische  Verfahren  wird  erst  dann  zur  Synthese,  wenn  es  sich  darum 
handelt,  das  einzeln  Gewonnene  zu  gruppieren  und  die  verschiedenen 
Gruppen  nachhelfend  und  ausfiillend  zu  einem  System  zu  vereinen. 
Denn  zu  dauernder  geistiger  Aneignung  muss  der  Schiiler  nach  wie  vor 
schliesslich  ein  Ganzes  und  nicht  Teilstiicke  desselben  vor  seinem  geisti- 
gen  Auge  haben. 

Zur  Durchfiihrung  dieser  zwar  miihevollen,  aber  psychologisch  rich- 
tigen  Methode  fehlt  es  zur  Zeit  in  Amerika  leider  noch  derart  an  den 
notigen  Hilfsmitteln,  dass  man  versucht  sein  kann  zu  sagen,  ein  jeder 
Lehrer,  der  nach  dieser  Methode  unterrichten  will,  muss  sich  sein  eigenes 
Lehrbuch  schreiben.  Der  folgende  kleine  Beitrag  zu  solch  einem  Refonn- 
lehrbuch  des  Deutschen  wird  zeigen,  dass  man  im  Sinne  der  ,,Reform" 


Eine  Rechenstunde  im  deutschen  Unterricht.  69 

und  zugleich  methodisch  unterrichten  kann.  Das  Zahlwort  1st  gewahlt, 
well  dies  mit  keinem  anderen  Kapitel  der  Grammatik  in  direktem  Zu- 
sammenliang  steht  und  ebensogut  zu  Anfang  wie  Ende  des  Elementar- 
unterrichts  durchgenommen  werden  kann. 

Wie  stets  fangen  wir  mit  einem  leichten  Lesestiick  an;  es  enthalte 
moglichst  viele  Zahlen,  sei  aber  natiirlich  geschrieben.  Vielleicht  mit 
den  ,,Verirrten"  ('Henrietta  K.  Becker,  Elements  of  German,  Chicago, 
Scott,  Foresman  and  Co.,  1903,  p.  131  ff.)  oder  besser  noch  mit  einem 
solchen,  das  zugleich  etwas  iiber  Deutschland  erzahlt,  wie  dies  z.  B.  ,,das 
deutsche  Gymnasium",  Calvin  Thomas,  German  Grammar,  p.  86  ff.  tut. 
Yiele  der  alten  Lehrbiicher  liefern  uns  hier  je  nach  dem  Alter  der  Schii- 
les  passendes  Material.  Wie  immer  liest  der  Lehrer  das  Stuck  zuerst 
recht  deutlich  vor  oder  noch  besser,  er  erzahlt  es  der  Klasse.  Er  erzahle 
es  notigenfalls  mehreremal  und  umschreibe  und  erlautere  auf  Deutsch, 
was  nicht  klar  ist,  bis  jedermann  den  Sinn  versteht.  Dann  offnet  die 
Klasse  das  Buch  und  einige  Schiller  lesen  die  Geschichte  laut  vor  oder 
alle  tun  dies  zusammen.  .Nachdem  der  Inhalt  noch  mittelst  Frage-  und 
Antwortiibungen  vollig  klar  gelegt  ist,  schreitet  der  Lehrer  zum  eigent- 
lichen  Angriif  auf  die  Zahlen.  Er  kniipft  zuerst  wieder  an  den  Text  an, 
aber  jetzt  bilden  die  Zahlen  den  Mittelpunkt  des  Interesses.  Das  Mate- 
rial des  Lesestiickes  wird  zu  einer  griindlichen  Einiibung  aber  nicht  ge.- 
niigen,  so  schreite  er  darauf  zu  einem  anderen  jedoch  bekannten  Voka- 
bular,  etwa  zu  den  Korperteilen,  z.  B. : 

Hat  der  Mensch  2  Augen? 

Wieviel  Augen  hat  der  Mensch? 

Hast  du  1  oder  2  Augen? 

Haben  wir  alle  2  Augen? 

Habe  ich  2  Augen  und  2  Ohren? 

Wieviel  Hande  und  Fiisse  hat  ein  Kind? 

Hat  die  Hand  5  Finger? 

Wieviel  Finger  haben  wir? 

Wieviel  Nagel  hat  jede  Hand?  u.  s.  w. 

Oder  das  Klassenzimmer  liefert  den  Unterhaltungsstoff  ,oder  seine  In- 
sassen,  oder  das  Pult  der  Lehrerin,  oder  die  Verwandtschaftsnamen. 
Zweierlei  ist  bei  der  Wahl  dieses  Vokabulars  zu  beachten:  Man  iibe  den 
neuen  Lehrstoff  nur  mit  altem  Wortschatz  und  dieser  selbst  sei  nicht 
geistesverwirrend,  sondern  nach  Moglichkeit  systematisch.  Die  beste 
Ausarbeitung  systematischer  Vokabulare  liefert  die  Methode  Gouin. 

Solche  tibungen  brauchen  somit  nicht  von  links  nach  rechts  ab-, 
oder  vom  Hundertsten  zum  Tausendsten  iiberzuspringen,  sondern  konnen 
sehr  wohl  ein  abgerundetes  Ganze  bilden.  Ein  Mederschreiben  derselben 
zu  Hause  liefert  zugleich  eine  gute  Aufsatziibung. 


70  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Wie  geschickt  nun  aber  auch  das  urspriingliche  Lesestiick  gewahlt 
sein  mag,  bleibt  doch  die  Anzahl  der  sich  in  ihm  findenden  Beispieie 
beschrankt  und  der  Schiller  soil  am  Ende  alle  Zahlen  kennen  und  ihre 
Anzahl  ist  unendlich!  Hat  ihn  die  Lektion  die  ersten  12  oder  20  und 
einige  Zehner  gelehrt,  so  ergeben  sich  die  Zahlen  bis  100  sehr  einfach. 
Bei  100  mache  der  Lehrer  vorlaufig  Halt  und  lasse  die  ersten  100  Grund- 
zahlen  die  Grundlage  der  zweiten  Lektion  in  den  Zahlen  sein,  vielleicht 
folgendermassen : 

1.  Er  zahlt  auf warts;  die  Klasse  tut  dasselbe, 

2.  Er  zahlt  nick  warts;  die  Klasse  tut  dasselbe, 

3.  Einzelne  Schiller  tun  dasselbe, 

4.  Man  gibt  alle  geraden  Zahlen  der  Eeihe  nach  bis  20,  spater 
noch  holier  hinauf, 

5.  Man  tut  das  Gleiche  mit  den  ungraden  Zahlen, 

6.  Man  wiederholt  denselben  Prozess  riickwarts, 

7.  Man  sagt  die  Zehner  auf  warts  her, 

8.  Man  sagt  dieselben  riickwarts  her, 

9.  Der  Lehrer  schreibt  die  Zahlen  an  die  Tafel  und  die  Klasse 
liest  sie, 

10.  Man  vertauscht  die  Eollen  in  9  oder  der  Lehrer  spielt  ganzlich 
den  Zuschauer, 

11.  Der  Lehrer  gibt  die  deutsche  Zahl  und  ein  Schuler  schreibt  die 
Ziffern  an  die  Tafel,  oder  umgekehrt, 

12.  Man  schreitet  zu  den  Vielfachen  von  3,  4,  5  etc. 

Wenn  die  Stunde  um  ist,  wird  die  Klasse  die  ersten  100  Zahlen 
durch  diese  lebhafte  tibung  so  inne  haben,  dass  sie  dieselben  im  Notfalle 
auch  ohne  Buch  fiir  den  folgenden  Tag  zu  Hause  einiiben  kann. 

In  der  dritten  Stunde  beginnt  das  Eechnen  auf  Deutsch.  Man 
f ange  mit  der  Addition  an  und  zwar  als  einf aches  Kopf rechnen : 

1.  Lehrer:   2  und  2?    Schuler:  4. 

2.  Schuler:   3  und  5?    Lehrer:  8. 

3.  Schuler :   4  und  6  ?    Ein  anderer :  10. 
Darauf  folgt  die  schriftliche  Addition: 

1.  Der  Lehrer  schreibt  und  lost  die  Exempel  an  der  Tafel,  indem 
er  dabei  auf  Deutsch  laut  alles  sagt,  was  er  tut, 

2.  Der  Lehrer  schreibt  das  Exempel  an,  der  Schuler  lost  es. 

3.  Der  Schuler  diktiert  dem  Lehrer  das  Exempel,  ein  zweiter  Schu- 
ler lost  es, 

und  weitere  Variationen. 

Solche  je  nach  Bediirfnis  langere  oder  kiirzere  tJbungen  wirken  zu- 
weilen  wie  bei  einem  Eechenfehler  erheiternd,  nie  aber  einschlafernd. 
Bei  der  mathematischen  Klarheit  des  Gegenstandes  kann  man  erstaunlich 
viel  Material  in  einer  Stunde  durcharbeiten  und  der  Lehrer  kann  bei  den 


Deutsclier  Sprachunterricht  und  bewusstes  Deutschtum.  71 

Zahlen  besser  als  irgendwo  anders  den  Schiller  dazu  zwingen,  auf 
Deutsch  zu  denken,  indem  er  ihm  bei  den  knappen  Fragen  zu  einer 
tJbersetzung  nicht  die  Zeit  lasst. 

Auf  gleiche  Weise  verfahrt  man  mit  der  Subtraktion. 

Yor  der  schriftlichen  Multiplikation  ist  das  deutsche  Einmaleins 
griindlich  zu  iiben.  Die  einzelnen  Reihen  werden  hergesagt,  dann  be- 
ginnt  das  Abfragen  ausser  der  Eeihe,  bald  fragt  der  Lehrer,  bald  fragt 
der  Schiiler,  Lehrer  oder  Mitschiiler. 

Wie  die  langere  schriftliche  Multiplikation  die  Addition,  wiederholt 
schliesslich  die  Division  die  Subtraktion. 

(Schluss  folgt.) 


Deutscher  Sprachunterricht  und  bewusstes  Deutschtum. 


Von  Chas.  M.  Purin,  East  Division  High  School,  Milwaukee. 


(Fortsetzung.) 


Werfen  wir  deshalb  einen  kurzen  Blick  auf  die  Tatigkeit  der  bedeu- 
tendsten  deutschen  Manner  sowie  einige  der  wichtigsten  Momente  in  der 
Geschichte  der  Kolonisation  und  der  kulturellen  Entwickelung  Nord- 
amerikas. 

Die  Einwanderung  der  Deutschen  nach  Nordamerika  lasst  sich  bis 
ins  erste  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts  zuriickverfolgen. 9  Auf  engli- 
schen,  hollandischen  und  schwedischen  Schiffen  kamen  sie  einzeln  und  in 
kleineren  Gruppen  als  Tagelohner  und  Handwerker,  Fliichtlinge  und 
Abenteurer  in  der  neuen  Heimat  an.  Es  ist  dies  die  Zeit,  wo  Deutsche 
und  Hollander  noch  nicht  scharf  unterschieden,  sondern  mit  dem  gemein- 
samen  Namen  ,,Dutch^  bezeichnet  wurden,  da  sie  ja  meistens  unter  hol- 
landischer  Flagge  dieses  Land  betraten.  Auch  hatten  sich  einige  Deutsche 
langere  Zeit  in  Holland  aufgehalten  und  dortselbst  ihre  Namen  hollan- 
disiert. 10 

Die  Manner,  welche  in  der  Entwickelung  der  hollandischen  Ko- 
lonie  eine  besonders  wichtige  Rolle  gespielt  haben,  sind  Peter  Minuit,  der 
im  Jahre  1626  zum  General-Gouverneur  von  Neu-Mederland  ernannt 
wurde;  Peter  Stuyvesant,  der  letzte  Statthalter  desselben;  Augustin  Her- 
mann, der  Hauptfiihrer  der  Kolonisten  in  ihrem  Kampfe  gegen  die  An- 
massungen  der  Direktoren  der  Westindischen  Gesellschaft, 1X  und  Jacob 
Leisler.  Der  Letztgenannte  war  ein  Deutscher  aus  Frankfurt.  Er  war 

3  Goebel,  a.  a.  0.  S.  7. 

10  Eickhoff :    In  der  neuen  Heimat,  S.  43. 

11  Die  Griindung  dieser  Gesellschaft  war  von  Wilhelm  Usselink  im  Jahre  1624 
angeregt  worden. 


72  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

im  Dienste  der  West-Indischen  Gtesellschaft  nach  Neu-Amsterdam  ge- 
kommen  und  hatte  dort  in  krirzer  Zeit  sich  einen  Wohlstand  erworben. 
Als  im  Jahre  1689  der  Prinz  von  Oranien  den  englischen  Thron  bestieg, 
inszenierten  die  Kolonisten  von  New  York  einen  Aufstand.  Sie  ver- 
Jangten,  wofiir  sie  schon  seit  langem  gekampft  batten,  die  Abschaffung 
der  willkiirlichen  Besteuerung  der  Ansiedler  ohne  Volksvertretung. 
Jacob  Leisler  (f  1691),  der  den  Rang  eines  Kapitans  der  'Miliz  beklei- 
dete,  war  der  Fiihrer  des  demokratisch  gesinnten  Teiles  der  Bevolkerung 
New  Yorks.  Er  war  ein  kluger,  weitsichtiger  Staatsmann,  dem  schon  zu 
damaliger  Zeit  ein  durch  Volksvertretung  regierter  Bund  aller  Kolonien 
vorschwebte.  Als  die  Nachricht  von  dem  Thronwechsel  die  Kolonien 
erreichte  und  der  Vizegouverneur  Nicholson  es  nicht  sofort  proklamieren 
Hess,  riss  Leisler  die  Wiirde  des  stellvertretenden  Gouverneurs  an  sich 
und  berief  sofort  einen  Kolonialrat,  urn  die  Verhaltnisse  der  Ansiedlung 
in  echt  demokratischer  Weise  zu  regeln  und  zu  schlichten.  Als  jedoch 
nach  einigen  Monaten  der  neuernannte  Gouverneur  Sloughter  in  New 
York  anlangte,  wurde  Leisler  auf  Betreiben  des  aristokratisch  gesinnten 
Teiles  der  Kolonisten  als  Verrater  uzm  Tode  verurteilt.  Bei  einem  glan- 
zenden  Festmahle  erzwangen  die  Feinde  Leislers  von  dem  total  betrun- 
kenen  Gouverneur  Sloughter  die  Bestatigung  des  Todesurteils,  und  ehe 
Sloughter  seinen  Eausch  ausgeschlafen  hatte,  waren  Leisler  und  sein 
Schwiegersohn  Milborne  dem  Henkersbeil  iiberliefert.  Leisler  starb  als 
Martyrer  einer  grossen,  freiheitlichen  Idee.  Seine  Taten  wurden,  wenn 
auch  erst  nach  Jahren,  von  der  englischen  Krone  glanzend  gerechtfertigt 
und  seinen  Erben  eine  Entschadigung  zugesprochen. 

Die  erste  deutsche  Ansiedlung  im  Staate  New  York  fand  erst  im 
Jahre  1708  statt.  Sie  bestand  aus  einer  Anzahl  Pfalzer,  welche  ihre  erste 
Niederlassung  am  Hudson  griindeten  und  dieselbe  Neuburg  (Newburg) 
nannten.  Ilmen  folgten,  durch  ungiinstige  Verhaltnisse  aus  der  Heimat 
vertrieben,  bald  andere,  4 — 5000  an  der  Zahl.  Aller  Mittel  bar,  halbver- 
hungert,  aufs  schlechteste  verpflegt,  starb  ein  grosser  Prozentsatz  dersel- 
ben  unterwegs.  Die  Ankommlinge  wurden  unter  englischer  Aufsicht  in 
den  Fichtenwaldern  am  Hudson  beschaftigt  und  dienten  den  Englandern 
zu  gleicher  Zeit  als  Schutzwehr  gegen  die  feindlichen  Indianerstamme. 
Von  den  Agenten  betrogen  und  aufs  schmahlichste  behandelt,  verliess  ein 
Teil  derselben  New  York  und  wandte  sich  dem  gastfreundlichen  Pennsyl- 
vanien  zu;  andere  liessen  sich  in  dem  Mohawktale  nieder. 

In  dem  Kampfe  der  Pfalzer  gegen  englische  Vergewaltigung  spielten 
zwei  Manner  eine  besonders  hervorragende  Rolle:  Johann  Konrad  Weiser 
und  sein  Sohn  Konrad  Weiser.  Der  Letztere  leistete  als  amtlicher  Dol- 
metscher  zwischen  Pennsylvanien  und  den  sechs  Indianerstammen,  deren 
Sprache  er  beherrschte,  unschatzbare  Dienste,  indem  er  das  gute  Einver- 
nehmen  zwischen  den  Indianern  und  den  Kolonisten  zu  fordern  ver- 


DeutscJier  Spracliunterricht  und  bewusstes  Deutschtum.  73 

stand,  so  dass  die  friedliche  Entwickelung  der  Kolonien  ungehemmt  vor 
sich  gehen  konnte. 

Grosse  Masseneinwanderungen  jedoch  finden  erst  in  der  zweiten 
Halfte  des  17.  Jahrhundert  statt,  als  fremde  Kegierungen*  und  landbe- 
sitzende  Gesellschaften  in  deutschen  Gauen  um  Kolonisten  warben.  Und 
ihre  Propaganda  land  einen  sehr  giinstigen  Boden.  Die  Lage  des  Bauers 
war  nach  dem  dreissigjahrigen  Kriege  eine  iiber  alle  Massen  traurige. 
Hunger  und  Elend  starrten  ihm  in  der  alien  Heimat  entgegen.  Tau- 
sende  und  aber  Tausende  sandten  sehnsiichtige  Blicke  nach  den  fernen 
Kiisten  Nordamerikas.  In  diese  Zeit  fallt  die  Masseneinwanderung  nach 
Pennsylvanien  und  die  Griindung  der  Stadt,  welche  noch  heute  als  Ger- 
mantown  bekannt  ist.  Die  vollstandige  Beligionsfreiheit,  welche  alien 
Ansiedlern  in  Pennsylvanien  gesichert  war,  bewog  viele  deutsche  religiose 
Sekten,  wie  die  Mennoniten,  Mystiker,  Dunker,  Schwenkfelder,  Herrn- 
huter,  Quaker  etc.  zur  Auswanderung.  Die  Ansiedler,  welche  von  Hause 
aus  Leineweber  und  Weinbauer  waren,  betrieben  ihr  Gewerbe  auch  in  der 
neuen  Heimat.  Sie  legten  den  Grund  zu  den  heutigen  riesigen  Leinwand- 
und  Tuchfabriken.  Linum,  vinum  et  textrinum,  der  Lein,  der  Wein,  der 
Webeschrein,  war  die  Inschrift  des  Stadtsiegels  von  Germantown.  Die 
Kolonie  vergrosserte  sich  mit  geradezu  phanomenaler  Schnelligkeit,  so 
dass  Gouverneur  Keith  im  Jahre  1717  ernstlich  eine  Germanisierung  der 
Kolonie  befiirchtete  12  und  auf  seine  Empfehlung  hin  wurde  kiinftighin 
von  jedem  Ankommling  der  Treueid  dem  englischen  Konigshause  gefor- 
dert.  Sogar  ein  Staatsmann  wie  Benjamin  Franklin  teilte  die  Befiirch- 
tung  Keiths  von  der  deutschen  Gefahr.  Im  Jahre  1751  schreibt  er  wie 
folgt:  ,,Warum  sollen  wir  leiden,  dass  die  Pfalzer  Bauernliimmel  sich  in 
unsere  Ansiedelungen  drangen  und,  indem  sie  in  Eudeln  zusammenwoh- 
nen,  ihre  Sprache  und  Sitten  befestigen  zum  Verderben  der  unsrigen? 
\Varum  soil  Pennsylvanien,  das  von  Englischen  begriindet  wurde,  eine 
Kolonie  von  Fremdlingen  werden,  die  bald  so  zahlreich  sind,  dass  sie  uns 
germanisieren,  anstatt  dass  wir  sie  anglisieren,  imd  die  ja  so  wenig  unsere 
Sprache  und  Gebrauche  annehmen,  wie  sie  unsere  Hautfarbe  erlangen 
kb'nnen?" 

Wenn  das  Aufbliihen  der  deutschen  Kolonie  in  Pennsylvanien  haupt- 
sachlich  der  dort  herrschenden  religiosen  Toleranz  zuzuschreiben  war,  so 
verdankten  die  Deutschen,  was  die  Organisation  und  Verwaltung  der 
inneren  Angelegenheiten  anbetraf,  vieles  ihrem  energischen,  umsichtigen 
Landsinanne  Franz  Daniel  Pastorius.  Vielseitig  wie  seine  Bildung,  war 
auch  seine  Tatigkeit  unter  den  Ansiedlern ;  bald  als  Friedensrichter,  bald 
als  Bin-germeister,  dann  wieder  als  Lehrer,  stets  hatte  er  das  Wohl  der 
Kolonie  im  Auge.  Er  verfasste  eine  grosse  Anzahl  Lehrbiicher  sowie 


12  Goebel,  a.  a.  0.  S.  13.     Eickhoff,  S.  140. 


74  Monatshefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Pcidagogik. 

andersei tiger  Schriften  und  gilt  mit  Eecht  als  der  erste  deutschamerika- 
nisdie  Schriftsteller.  Von  den  Deutschen  Pennsylvaniens  ging  auch  der 
erste  Protest  gegen  die  Negersklaverei  aus,  unterzeichnet  von  Pastorius 
(|1719),  Abraham  Op  den  Groff,  Gerret  Hendericks  und  anderen  ein- 
flussreichen  Mannern. 

Yiel  bat  auch  die  deutsche  Kirch e  fur  das  geistige  Leben  unter  den 
AnsiedJern  getan.  Auf  diesem  Gebiete  hat  sich  der  deutsche  Predigcr 
Heinrich  Melchior  Miihlenberg  besonders  wichtige  Yerdienste  erworben. 
Er  war  der  eigentiiche  Organisator  der  deiltsch-lutherischen  Kirche 
Ainorikas.  1m  Jahre  1748  versammelte  Miihlenberg  die  lutherischen 
Pfarrer  von  Pcmsylvanien  zur  ersten  deutschen  Synode.  Seine  Tage- 
biichcr  und  sonstigen  Berichte  sind  ergiebige  und  zuverlassige  Quellen 
iiber  die  Zustande  der  Deutschen  in  Amerika  wahrend  des  18.  Jahrhun- 
derts.  Was  Miihlenberg  fiir  die  lutherische,  hat  Michael  Schlatter  fiir 
die  reformierte  Kirche  getan  und  Graf  Zinzendorf  fiir  die  Herrnh liter  zu 
tun  versucht. 

Die  Ehre,  den  Kolonien  die  Pressfreiheit  erkampft  zu  haben,  ge- 
biihrt  dent  New  Yorker  Drucker  Johann  Peter  Zengcr.  Wegen  des  in 
seinem  Blatte  veroffentlichten  Angriffes  auf  den  Gouverneur  wurdo  er 
verhaftet.  Ls  folgte  ein  langwieriger  Prozess,  aus  dem  er  aber  als  Sieger 
hervorging.  Damit  war  ein  Prazedenzfall  geschaffen,  der  noch  spater  fiir 
die  Pressfreiheit  von  grosser  Tragweite  war. 

In  dieser  Yerbindung  muss  auch  der  Name  des  Buchdruckers  Chris- 
toph  Sauer  genaimt  \venleu,  der  im  Jahre  1759  die  erste  deutsche  Zeitimg 
sowie  die  erste  Bibel  in  Amerika  iiberhaupt  herausgab. 

Es  wiirde  zu  weit  fiihren,  die  Schicksale  der  deutschen  Einwanderer 
in  den  anderen  Staaten  -—  wenn  auch  nur  kurz  --  hier  zu  erwahnen. 
Was  unseren  eigenen  Staat  Wisconsin  anbetrifft,  so  begann  die  eigentiiche 
deutsche  Einwanderung  hierselbst  erst  urn  das  Jahr  1840,  folglich  unter 
ganz  anderen  Yerlialtnissen.  Im  allgemeinen  darf  man  getrost  behaup- 
ten,  dass  ^ie  hauptsachlichste  Kulturarbeit  in  der  Kolonisationsperiode 
bis  zu  (Ic/ii  Unabhangigkeitskriege  von  Deutschen  geleistet  worden  ist. 
Sie  kamei^  ity  dieses  Land  nicht  mit  der  Absicht,  Staaten  zu  griinden  — 
dazu  fehlt.K  es  ihnen,  wie  schon  erwahnt  wurde,  an  politischer  Schulung, 
-  sondern  jfeii^ich,  um  eine  neue  Heimat  zu  finden,  wo  sie  ungestort 
ihrer  Besehaftigung  nachgehen  konnten,  ungehindert  in  der  Ausiibung 
ihrer  religiosen  Bekenntnisse.  Dem  deutschen  Bauer  ist  es  zu  verdan- 
ken,  dass  Nordamerika  sich  zum  grossten  Agrikulturstaat  der  Neuzeit 
entwickclt  hat.  Wahrend  der  Anglokelte  in  seinem  Yerkehr  mit  den 
Indianern  stets  eine  Gewaltpolitik  iibte,  hat  der  Deutsche,  mit  wenigen 
Ausnahmen,  es  verstanden,  den  Indianer  sich  zum  Freund  zu  machen 
und  mit  ihm  in  friedlicher  und  humaner  Weise  zu  verhandeln.  Durch 
eiserne  Ausdaner  und  unermiidlichen  Fleiss  schuf  er  aus  der  Wildnis 


Deutscher  S  prachunterricht  und  bewusstes  Deutschtum.  75 

fruchtbare  Felder.  Wahrend  die  Schotten  und  die  Iren  in  armseligen, 
schmutzigen  Hiitten  wohnten  und  oft  der  Trunksucht  und  Sittenlosig- 
keit  ergeben  waren,  bauten  die  Deutschen  sich  saubere  Hofe  und  befleis- 
sigten  sich  einer  einfachen,  sittenreinen  Lebensweise. 

Dass  der  Deutsche  sein  neues  Heimatland  von  ganzem  Herzen  liebte 
und  stets  bereit  war,  fur  dasselbe  sein  Leben  in  die  Schanze  zu  schlagen, 
beweist  die  rege  Teilnahme  der  Deutschen  an  dem  Unabhangigkeits- 
kriege.  Als  Washington  den  Kuf  zu  den  Waffen  erliess,  stromten 
Deutsche  aus  alien  Kolonien  --  die  wehrlosen  Sekten  ausgenommen  - 
freudig  unter  seine  Fahnen.  13  Milizen  wurden  errichtet,  auserlesene 
Jagercorps  formiert.  Die  Pennsylvanischen  Eegimenter  bestanden 
grosstenteils  aus  Deutschen. 

Mit  welcher  Begeisterung  die  Deutschen  der  Sache  uer  Freiheit 
dienten,  ist  aus  dem  Folgendcn  ersichtlich.  In  Reading  hatte  die  jiin- 
gere  Bevolkerung  drei  Kompagnien  Biirgergarden  errichtet,  die  sich  tag- 
lich  in  Waffen  iibten.  Das  liess  den  Graubarten  keine  Kuhe.  Es  bildete 
sich  eine  vierte  Kompagnie  der  ,,alten  Manner".  Sie  bestand  aus  80 
Hochdeutschen  von  40  Jahren  und  dariiber.  Ihr  Anfiihrer  war  97  J'ahre 
alt  und  war  40  Jahre  im  Kriegsdienst  gewesen.  Der  Trommelschlager 
war  84  Jahre  alt.  14 

Und  welch  prachtige  Figur  ist  der  Philaclelphier  Backer  Christoph 
Ludwig!  Als  eine  Geldsammlung  zum  Ankauf  von  Waffen  veranstaltet 
wurde  und  Zweifel  ob  des  Erfolges  dieses  Unternehmens  laut  wurden, 
trat  Ludwig  vor  und  sagte :  ,,Herr  President,  ich  bin  zwar  nur  cm  armer 
Pfefferkuchenbacker,  aber  schreiben  Sie  niich  auf  mit  200  Pfund." 
Als  Generalbacker  der  Armee  lieferte  er  fiir  100  Pfund  Mehl  nicht  100 
Pfund  Brot,  wie  seine  Vorganger,  sondern  135  Pfund.  ,,Christoph  Lud- 
wig will  durch  den  Krieg  nicht  reich  werden",  pflegte  er  zu  sagen.  Wie 
anders  haben  die  Armeelieferanten  im  spanisch-amerikanischen  Kriege 
gehandelt ! 

Wenden  wir  uns  nun  einigen  Mannern  zu,  welche  einen  grossen 
Einfluss  auf  den  Gang  der  Verhaltnisse  in  dem  Unabhangigkeitskriege 
ausgeiibt  haben.  Da  ist  wohl  an  erster  Stelle  der  General  Baron  von 
Steuben  zu  nennen.  Es  darf  getrost  behauptet  werden,  dass  der  schliess- 
liche  Sieg  der  Amerikaner  wohl  nicht  wenig  dem  Genie  dieses  grossen 
Feldherrn  zuzuschreiben  ist.  Wenn  man  bedenkt,  wie  verlottert,  wie 
zucht-  und  disziplinlos  das  amerikanische  Heer  und  wie  zerfahren  die 
amerikanische  Kriegsverwaltung  jener  Zeit  war, 15  so  ist  es  sehr  gewagt 
anzunehmen,  dass  eine  derartige  Armee  den  getibten  Truppen  Englands 


13  Auch  in  dem  Biirgerkriege  waren   die  Deutschen  ganz  heryorragend  betei- 
ligt;  nahe  190,000  derselben  kiimpften  auf  Seite  der  Union. 

14  Eickhoff,  S.  173. 

15  Goebel,  35. 


76  Monaisliefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

auf  die  Dauer  Stand  gehalten  hatte.  Steubens  Energie  und  seinen  in 
der  Schule  Eriedrichs  des  Grossen  erworbenen  Kenntnissen  gelang  es, 
Ordnung,  Zucht  und  Disizplin  in  das  amerikanische  Heerwesen  zu  brin- 
gen  und  die  ganze  Armee  zu  reorganisieren.  Und  doch,  wahrend  man 
die  Verdienste  La  Fayettes  am  Schluss  des  Krieges  in  jeder  Tonart  pries, 
wurde  diesem  tiichtigen  General  die  Anerkennung  versagt.  Seinem 
Wunsche  gemass  wurde  er  auf  seinem  Landgute  in  New  York  begraben, 
,,in  seinen  Soldatenmantel  gehiillt,  den  Stern  des  Ordens  de  la  fidelite" 
auf  der  Brust". 

(Schluss  folgt.)' 


The  Training  of  the  Teacher  of  German. 


Dear  Mr.  Griebsch : — 

It  was  with  greatest  interest  that  I  read  Mr.  Eiselmeier's  excellent 
and  suggestive  paper  on  "The  Training  of  the  Teacher  of  German." 
I  firmly  believe  in  every  one  of  the  five  theses  submitted,  and  I  do  not 
think  that  in  these  he,  in  any  way,  asks  for  more  than  is  perfectly  just. 

Merely  in  the  case  of  the  first  thesis,  which  is  slightly  amplified  in 
the  second  paragraph  of  the  paper,  I  should  like  to  suggest  a  somewhat 
different  point  of  view  and  one  with  which  I  am  sure  Mr.  Eiselmeier 
will  agree.  Here  it  is  claimed  that  "the  training  of  the  teacher  of  Ger- 
man must  include  all  those  subjects  which  are  now  pursued  in  the  high 
and  normal  schools  by  those  who  desire  to  become  teachers."  No  one 
believes  more  fully  in  the  necessity  for  breath  as  well  as  depth  in  the 
training  of  teachers  than  I,  but  it  would  also  seem  to  me  that  every  pros- 
pective teacher  should  put  more  emphasis  upon  such  branches  as  are 
closely  related  to  his  own  chosen  subject  than  upon  those  more  distant. 
To  make  myself  perfectly  clear,  I  should  prefer  to  see  the  prospective 
teacher  of  German  devote  more  time  to  English  and  history  than  to  the 
sciences.  Not  that  I  undervalue  training  in  the  sciences — every  man  or 
woman  with  any  pretention  to  culture  must  have  some  knowledge  of 
science — but  it  would  seem  to  me  that  for  the  teacher  of  German  intimate 
acquaintance  with  the  language  and  literature  of  at  least  one  other 
modern  people  and  a  somewhat  detailed  knowledge  of  the  development  of 
modern  history  were  of  major  importance,  knowledge  of  the  sciences, 
however,  rather  of  minor  importance. 

Since  hearing  Mr.  Eiselmeier's  paper  in  November  I  have  given  the 
general  subject  considerable  thought.  I  remember  that  at  the  time  I  ob- 
jected to  the  sentence  "the  teacher  of  German  must  have  a  perfect  com- 
mand of  this  language,"  and  suggested  at  that  time  that  the  teacher  of 
German  in  America  must  also  have  a  perfect  command  of  English.  Per- 
haps in  the  heat  of  debate  both  Mr.  Eiselmeier  and  I  rather  overshot  the 


The  Training  of  the  Teacher  of  German.  77 

mark.  In  reading  more  calmly  what  he  understands  by  and  includes  in 
the  term  "perfect  command"  I  find  myself  in  accord  with  him  in  all  par- 
ticulars. Of  course,  perfect  command  even  of  one  language  is  an  im- 
possibility, of  two  almost  an  absurdity.  There  is,  however,  perhaps  a 
grain  of  truth  in  my  objection,  as  I  have  found  among  native  born  Ger- 
mans and  German-Americans  rather  a  tendency  to  neglect  the  due  cul- 
tivation of  their  English.  This  is  unfortunate  for  all,  doubly  so  for  the 
high  school  teacher,  as  from  my  own  school  days  I  know  that  the  Ameri- 
can boy  delights  in  nothing  more  than  in  poking  fun  at  the  teacher  who 
has  in  speech  or  dress  anything  of  the  foreigner  about  him.  Then  too, 
there  are  far  more  essential  handicaps  which  an  imperfect  command  of 
the  pupiPs  mother  tongue  imposes  upon  the  foreign  born  teacher,  but 
these  are  so  apparent  that  I  need  not  dwell  upon  them. 

A  later  paragraph,  on  the  second  page  of  Mr.  Eiselmeier's  paper, 
beginning  "a  perfect  command  of  the  language  includes  (2)  a  thuro 
knowledge  of  the  grammar.  Theory  is  not  sufficient." — I  should  also 
like  to  see  expanded  on  somewhat  different  lines.  I  would  add  "neither 
is  practice  alone."  There  is  no  doubt  but  that  the  teacher  of  German 
should  be  able  "to  speak  the  language  fluently."  But  more  than  this,  he 
must  also  be  able  to  explain  why  certain  forms  and  usages  are  correct, 
why  others  are  bad.  That  is,  the  teacher  must  also  have  a  knowledge  of 
theoretical  grammar.  I  quite  realize  that  this  sounds  almost  heretical  in 
the  time  when  the  cry  is  —  "away  with  grammar !"  But  I  sometimes 
wonder  if  those  same  advocates  of  the  "reform"  methods  realize  that 
teaching  German  to  American  pupils  is  a  very  different  matter  from 
teaching  French  or  English  to  German  pupils ;  that  the  German  language 
offers  inflectional  and  syntactical  difficulties  far  outnumbering  those  of 
either  French  or  English?  Some  of  my  most  unpleasant  experiences  in 
inspecting  the  work  of  teachers  has  been  just  along  this  line,  the  teacher, 
in  some  instances  a  native  born  German  and  so  having  complete  control 
of  the  spoken  language,  being  absolutely  "stumped"  by  a  perfectly  simple 
question  as  to  why  one  usage  was  correct,  but  another,  which  the  pupil 
had  used,  quite  wrong.  And  in  most  cases  the  answer  would  have  been 
so  simple  had  the  teacher  known  but  the  most  elementary  essentials  of 
theoretical  grammar.  Whatever  value  we  may  place  on  theoretical  gram- 
mar and  whatever  method  we  may  adopt  in  our  teaching,  this  knowledge 
is  for  the  teacher  an  indispensable  factor  in  his  success. 

Mr.  Eiselmeier's  statement  that  "with  the  course  in  German  extend- 
ing thru  eight  years  in  the  common  schools,  many  pupils  enter  the  high 
school  with  a  fair  knowledge  of  the  language"  is  not,  I  think,  quite  ac- 
curate. This  is  true  of  Milwaukee  and  some  of  the  larger  cities  which 
are  peculiarly  fortunate  in  this  respect,  but  it  is  not  the  case  with  the 
great  majority  of  schools  in  this  state.  I  fear  that  an  examination  of  the 


78  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

courses  of  study  in  the  graded  schools,  for  this  I  take  it  is  what  Mr. 
Eiselmeier  intends  by  the  term  "common  schools",  would  show  that  only 
in  a  very  small  percentage  of  the  total  number  of  schools  is  any  oppor- 
tunity offered  for  beginning  German  or  any  other  foreign  language. 

Even  the  great  majority  of  the  high  schools  in  Wisconsin  offer  but  a 
two  year  course  in  German.  That  these  two  years  coming  toward  the  end 
of  the  high  school  course,  when  'the  pupils  are  already  passed  the  most 
advantageous  age  for  elementary  language  instruction,  afford  in  any  way 
a  sufficient  background  for  further  study  at  either  normal  school  or  uni- 
versity, no  one  at  all  interested  in  language  study  would  ever  affirm. 
Unfortunately,  however,  this  is  the  present  status  in  Wisconsin,  and  from 
these  pupils  with  but  two  years  of  high  school  training  the  majority  of 
our  German  teachers  are  developed.  The  improvement  of  this  most  un- 
satisfactory condition,  the  introduction  of  a  four  year  high  school  course 
in  German,  and  the  introduction  of  German  into  the  graded  schools — 
these  are  to  my  mind  at  present  the  most  pressing  problems  facing  the 
teacher  of  German  in  Wisconsin. 

With  Mr.  Eiselmeier's  remarks  upon  what  might  be  called  the 
"modernizing"  of  the  reading  course  I  fully  agree,  while  the  paragraph, 
in  which  he  discusses  the  spirit  and  attitude  of  the  teacher  toward  his 
subject,  is  most  excellent.  Given  a  wide  awake,  enthusiastic  teacher, 
thuroly  imbued  with  a  love  for  his  subject,  and  I  have  no  fear  for  his 
success,  even  tho  his  training  may  be  deficient  in  some  details. 

University  of  Wisconsin.  M.  B.  Evans. 


Die  Besoldung  der  Lehrer  und  Lehrerinnen  in  den  New  Yorker 
Schulen.  Der  Jahresbericht  dcs  Herrn  Maxwell,  des  Leiters  der  stadti- 
schen  Schulen  von  New  York,  enthalt  eine  interessante  Besprechung  der 
Lehrergehaltsfrage,  einer  Angelegenheit,  die  im  Schuljahre  1906/7  die 
bekannte  Aufregung  verursachte  und  schliesslich  zu  einer  Gesetzvorlage 
fiihrte,  in  der  beantragt  wurde,  dass : 

1.  die  bestehende  Schulsteuer  von  3  pro  Mille  auf  4  pro  Mille  er- 
hoht  werde ; 

2.  der  Grundsatz :  ,,Fiir  gleiche  Arbeit  gleiche  Bezahlung"  gesetzlich 
eingefiihrt  werde,  und 

3.  die  als  Schulvorstande  und  dergl.  anderen  Lehrern  vorgesetzten 
Angestellten  und  Lehrer  hohere  Gehalter  ziehen  sollten  als  ihre 
Untergebenen. 

Der  Antrag  wurde  vom  gesetzgebenden  Korper  zwar  gutgeheissen, 
dber  schliesslich  durch  das  Veto  des  Gouverneurs  Hughes  verworfen. 

Der  wichtigste  Punkt  der  Vorlage  war  der  Satz :  ,,Fiir  gleiche  Arbeit 
gleichen  Lohn",  d.  h.  die  Lehrerinnen  verlangten,  den  mannlichen  Lehr- 
kraften  gehaltlich  gleichgestellt  zu  werden.  Zur  Begriindung  dieses 


Besoldung  der  Lehrer  u.  Lehrerinnen  in  N.  Y.  Schulen.  79 

Standpunktes  wurde  geltend  gemacht,  dass  Lehrerinnen  oft  gerade  so  gut 
nnd  manchmal  noch  besser  zu  unterrichten  verstanden  als  Manner,  — 
was  ohne  Zweifel  richtig  1st,  —  und  dass  die  Bezahlung  von  der  Stellung, 
nicht  aber  dem  Geschlecht  der  Person  abhangen  mlisse. 

So  viel  Wahrheit  diese  Argumente  auch  enthalten,  und  so  plausibel 
sie  auch  erscheinen  mogen,  vertreten  sie  jedoch  keineswegs  das  Interesse 
der  Schiiler  und  Eltern,  sondern  einzig  und  allein  den  Standpunkt  des 
Lehrers.  Auf  der  anderen  Seite  konnte  die  Verwirklichung  des  Prinzips : 
,,Fiir  gleiche  Arbeit  gleichen  Lohn"  nur  auf  zweierlei  Art  erfolgen :  ent- 
weder  muss  das  Einkommen  der  Lehrer  auf  die  Stufe  der  Lehrerinnen- 
gehalter  herabgesetzt  oder  das  der  Lehrerinnen  auf  die  Basis  der  Lehrer- 
gehalter  erhoht  werden. 

Sollte  nun  aber  eine  Lohnverringerung  der  mannlichen  Lehrkrafte 
in  der  Tat  eintreten,  so  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  tiichtige  Lehrer  sich 
vom  Unterrichtsfache  wegwenden,  ja,  dass  selbst  die  z.  Zt.  angestellten 
sich  nach  eintraglicheren  Erwerbsquellen  umsehen  wiirden.  Xur  mittel- 
massige  oder  unbrauchbare  Leute  wiirden  an  der  Schule  bleiben. 

Der  zweite  Ausweg,  Erhohung  der  Lehrerinnengehalter,  wlirde  eine 
unerschwingliche  Steuer  notig  machen.  Die  Mehrausgabe  fiir  Schul- 
zwecke  wiirde  zwischen  acht  und  neun  Millionen  Dollars  erfordern.  Bei 
den  gegenwartigen  finanziellen  Verwickelungen  und  der  alljahrlich  sich 
mehrenden  Schiilerzahl,  die  neue  Gebaude,  Lehrmittel  und  Lehrkrafte 
verlangt,  ist  an  ein  derartiges  Ansinnen  nicht  zu  denken. 

Wenn  nun  die  Gleichstellung  der  Lehrerinnen  mit  den  Lehrorn 
durch  Erhohung  ihrer  Geh alter  nicht  moglich  ist,  weil  die  Mittel  nicht 
aufzutreiben  sind,  und  eine  Lohnverringerung  der  mannlichen  Lehrer 
dazu  fiihren  miisstc,  Herren  ganzlich  aus  dem  Unterrichtswesen  ver- 
schwinden  zu  sehen,  so  drangt  sich  die  Frage  auf:  ,,Worin  liegt  der  Vor- 
teil,  dass  man  Manner  als  Klassenlehrer  in  Elementarschulen  iiberhaupt 
beibehalt?" 

Die  Erorterung  dieser  Frage  fiihrt  aber  zur  Untersuchung  des  rela- 
tiven  Wertes  von  Mannern  und  Frauen  als  Lehrer.  Allein  keines  der  be- 
stehenden  Priifungsverfahren  vermag  in  dieser  Hinsicht  die  Ergebnisse 
des  Fnterrichts  festzustellen.  ,,Wenn  zwanzig  von  Lehrerinnen  geleiteten 
Klassen,  fahrt  Herr  Maxwell  fort,  dieselben  Priifungsfragen  vorgelegt 
werden  wie  zwanzig  von  mannlichen  Lehrern  unterrichteten  Klassen,  - 
die  Lehrkrafte  in  alien  Fallen  von  guter  Durchschnittsfahigkeit,  —  so 
lehrt  mich  langjahrige  Erfahrung,  dass  alle  in  Arithmetik,  Grammatik 
oder  Geographic  gleich  gut  bestehen.  Die  Entscheidung  dieser  Frage 
muss  deshalb  wohl  von  anderen  Gesichtspunkten  ausgehen  als  von  Schul- 
priit'ungen." 

Das  Hauptziel  der  Erziehung  ist  nicht  so  sehr  Erwerbung  von  Kennt- 
nissen  als  Entwicklung  des  Charakters.  Triift  dies  zu,  dann  erscheint  die 


80  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

neue  Frage:  1st  der  Einfluss,  den  ein  Lehrer  durch  Beispiel  und  natiir- 
liche  Eigenart  auf  die  Charakterbildung  seiner  Zoglinge  ausiibt,  derselbe 
wie  der  Einfluss  der  Lehrerin  oder  ein  anderer? 

Fast  alle  Psychologen  und  Gesellschaftsphilosophen  halten  an  der 
A»sicht  fest,  dass  die  charakteristischen  Eigenarten  des  Verstandes  und 
des  Gemiits  bei  Frauen  und  Mannern  verschiedene  seien.  Herbert 
Spencer  hat  diese  Abweichungen  in  seinem  Werk  ,,Study  of  Sociology5' 
eingehend  beleuchtet;  darnach,  um  nur  die  hauptsachlichsten  Punkte 
herauszugreifen, 

werden  Frauen  leichter  von  Mitleid    angesprochen,    Manner    dagegen 

mehr  von  dem  Sinn  f iir  Billigkeit ; 

Frauen  folgen  mehr  dem  Zug  des  Edelmuts,  Manner  dem  Zug  der  Ge- 

rechtigkeit ; 

das  Gemiit  der  Frau  ruht  mehr  auf  dem  Greifbaren,  dem  augenblick- 

lich  Nahen,  den  Mann  zieht  es  nach  dem  Abstrakten,  Entfernten; 

Frauen  erfassen  rascher  die    einfachen,    unmittelbaren    Folgen    einer 

Handlung,  der  Mann  neigt  zur  Betrachtung  der  verwickelten  und  in- 

direkten  Folgen; 

das  weibliche  Geschlecht  erkennt  und  wiirdigt  das  gegenwartige  G%te 

in  der  Gesellschaft,  der  Mann  aber  besitzt  einen  klareren  Blick  fur  die 

entfernten  und  fernen  Ziele  der  menschlichen  Gesellschaft; 

die  Frau  ehrt  und  halt  fest  an  Obrigkeit  und  Autoritat,  wahrend  der 

Mann  mehr  zur  Kritik  neigt; 

die  Frau  bewundert  die  Kraft,  der  Mann  die  Freiheit. 

Sollte  daraus  nicht  gefolgert  werden  konnen,  dass  die  Kinder,  Kna- 
ben  sowohl  als  Madchen,  in  ihrer  Schularbeit  den  Einfluss  des  Mannes 
sowohl  als  den  der  Frau  erfahren  sollten?  Ja,  es  ware  von  der  grossten 
Wichtigkeit.  Dann  konnte  jede  neue  Generation  Manner,  ohne  den  na- 
tiirlichen  Sinn  fur  Gerechtigkeit  und  Billigkeit  zu  verlieren,  sich  mehr 
und  mehr  von  den  entschieden  weiblichen  Charakterziigen  wie  Edelmut 
und  Mitleid  aneignen,  und  auf  der  anderen  Seite  wiirde  sich  das  weibliche 
Geschlecht,  ohne  die  Vorziige  des  weiblichen  -Charakters  einzubiissen, 
immer  mehr  von  den  eigentlich  mannlichen  Eigentiimlichkeiten,  dem 
Freiheitssinn  und  Einblick  in  das  Verwickelte  und  Entfernte  erwerben. 
Von  dem  Standpunkt  der  Charakterbildung  aus,  und  um  dieselbe  durch 
Nachahmung  zu  fordern,  muss  also  die  Schule  Lehrer  sowohl  als  auch 
Lehrerinnen  haben. 

Ausser  dieser  psychologischen  Begriindung  nach  Herbert  Spencer 
spricht  aber  auch  noch  eine  andere  Tatsache  aus  dem  Leben  sehr  zu 
Gunsten  der  Beibehaltung  der  mannlichen  Lehrkrafte.  Sehr  viele  Kinder 
kommen  aus  ganzlich  ungebildeten  Kreisen,  oft  ist  der  Vater  nur  der 
Ernahrer  der  Familie,  manchmal  selbst  ein  Tyrann  im  Hause.  Wenig 
nur  sehen  die  Kinder  ihren  Vater  und  kommen  so  zu  der  Ansicht,  dass 


Besoldung  der  Lehrer  u.  Lehrerinnen  in  N.  Y.  Schulen.  81 

seine  einzige  Pflicht  sei  zu  arbeiten,  denn  fiir  die  Annehmlichkeiten  und 
das  Schone  im  Leben  hat  er  wenig  oder  gar  keinen  Sinn.  Wiirden  die 
Kinder  dann  auch  in  der  Schule  nur  Frauen  als  Lehrerinnen  finden,  so 
lage  fiir  sie,  namentlich  aber  fiir  die  Knaben,  der  Schluss  nahe,  dass  Bil- 
dung  und  Schliff  nur  fiir  die  Madchen  seien.  Eine  solche  Anschauung 
konnte  aber  nur  schadliche  Folgen  haben,  denn  die  Annahme,  dass  Bil- 
dung  und  Kenntnisse  fiir  Frauen  gut  genug  seien,  sich  aber  fiir  Manner 
nicht  geziemen,  ware  gleichbedeutend  mit  intellektuellem  Eiickschritt. 

Zu  einer  anderen  Ansicht  aber  werden  sich  die  Knaben  bekehren, 
wenn  sie  in  den  offentlichen  Schulen  Leute  finden,  die  die  Vorziige  des 
Weltmannes  mit  Gelehrsamkeit  und  Kenntnissen  verbinden;  und  beson- 
ders  sollten  sie  derartige  Manner  linden,  wenn  sie  in  dem  Alter  angelangt 
sind,  in  dem  die  Knaben  ihren  Gesichtskreis  iiber  die  kindischen  Vergnu- 
gungen  hin  ausdehnen.  Es  ist  somit  im  Interesse  des  Gemeinwohls  und 
der  intellektuellen  und  moralischen  Entwicklung  des  Volkes,  Lehrer  so- 
wohl  als  auch  Lehrerinnen  zu  verwenden.  Fiir  jiingere  Kinder,  Knaben 
und  Madchen,  hat  sich  erfahrungsgemass  die  Lehrerin  besser  bewahrt  als 
der  Mann. 

Und  in  der  Tat,  ware  es  zu  viel  gesagt,  wenn  man  behaupten  wollte, 
dass  heute  schon  der  iibergrosse  Einfluss  der  Frau  in  der  Schule  sich 
nachteilig  geltend  mache?  Namentlich  unter  den  weniger  Gebildeten 
treten  diese  oben  als  Vorziige  des  Mannes  geriihmten  Eigenschaften 
weniger  hervor  als  friiher.  Wie  anders  ware  die  sich  noch  immer  zei- 
gende  Verachtung  nicht amerikanischer  Bildung  und  Kultur  zu  erklaren, 
die  sich  selbst  in  der  Presse  breit  macht  ?  Weshalb  erhalten  im  allgemei- 
nen  die  Madchen  eine  bessere  Erziehung  als  die  Knaben  ?  Eben  weil  sich 
der  Junge  sagt,  er  sei  nur  zum  Geldverdienen  da.  Aus  demselben  Grunde 
sind  die  Madchen  in  einer  Klasse  meistens  bessere  Schiiler  als  die  Kna- 
ben, weil  sich  letztere  bereits  damit  abgefunden  haben,  dass  die  Madchen 
eben  mehr  studieren  mlissen. 

Aber  nicht  allein  der  Jugend  fehlt  der  weite  Blick.  Zeigt  nicht  der 
heutige  Stand  der  Theater  hier  im  Lande,  dass  man  nur  in  der  Gegen- 
wart  lebt  und  fiir  die  Folgen  einfach  blind  ist?  Die  Kritik  wohlmeinen- 
der  Einwanderer,  denen  die  Entwicklung  des  Landes  am  Herzen  liegt, 
nennt  man  Mangel  an  Patriotismus.  Das  Verstandnis  fiir  die  Kritik, 
die  sich  mannlich  gegen  Ungerechtigkeit  auflehnt  und  sich  nicht  abftndet 
mit  den  bestehenden  Verderbtheiten,  ist  abhanden  gekommen.  An  Stelle 
des  mannlichen  Gerechtigkeitsdranges  ist  der  sich  in  seine  Lage  schicken- 
de,  dem  Frauengeschlecht  eigene  Hang  am  Bestehenden,  der  Autoritats- 
glaube  getreten.  Auch  der  Sinn  fiir  Freiheit  und  Fiihrerschaft  hat  da- 
runter  gelitten,  wie  hatten  sonst  die  Neuenglandstaaten,  die  doch  in  alien 
Fortschritten  Fiihrer  sein  wollen,  so  unter  das  Frauenregiment  kommen 
konnen  ?  Wohin  endlich  ist  es  mit  des  Mannes  Wiirde,  mit  seinem  Gefiihl 


82  Monatsliefie  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

fiir  Gerechtigkeit  und  Billigkeit  gekommen,  wenn  die  Politik  selbst  in 
die  Schule  hineinspielt  ? 

Folgt  nun  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  man  mannliche  Lehrer 
haben  sollte,  dann  miissen  eben  auch  die  Behorden  die  notigen  Mittel  auf- 
bringen,  um  ihnen  Gehalter  zu  bezahlen,  die  es  ihnen  ermoglicht,  im 
Schulwesen  zu  bleiben.  Besser  bezahlende  Facher  gibt  es  uberall,  und 
wenn  man  bedenkt,  dass  gar  zu  haufig  der  Mann  lediglich  nach  seinem 
Einkommen  in  Dollars  und  Cents  eingeschatzt  wird,  wer  kann  es  da 
einem  Lehrer  verargen,  der  vielleicht  auch  noch  Familie  hat,  wenn  er  den 
Lockungen  des  Geldes  unterliegt?  Von  der  Begeisterung  allein  kann  er 
sein  Leben  nicht  fristen. 

Am  Schlusse  seiner  Abhandlung  stellt  Herr  Maxwell  die  folgenden 
Satze  auf : 

1.  Aus  zwei   Griinden  besteht  die   Mehrzahl  der  I\lassenlehrcr  in 
den  Volksschulen  aus  Damen, 

a)  fiir  jiingere  Kinder,  welche  die  Mehrzahl  der  Schiiler  ausmachen, 
sind  Frauen  bessere  Lehrer; 

b)  Lehrerinnen  sind  fiir  geringeres  Entgeld  erhaltlich  als  Manner. 

2.  Einige  mannliche  Lehrkrafte  sollten  in  den  oberen  Klassen  aus 
drei  Hauptgriinden  Verwendung  finden : 

a)   damit  die   Schiiler  unter  dem  Einfluss   der   intellektuellen   und 

moralischen  Eigenarten  nicht  allein  der  Frau,  sondern  auch  des 

Mannes  kommen ; 
1))   damit  die   Schiiler  verstehen   lernen,   class   Kenntnisse  und   Bil- 

dung  nicht  ausschliesslich  in  das  Gebiet  dor  Frau,  sondern  ebcn- 

so  sohr  in  das  des  Mannes  gehoren; 

c)  damit  die  iilteren  Knaben    Fiihrung    und    Anleitung    auf    sport- 
lichem  Gebiet  erhalten. 

3.  Um  auch  nur  cine  kleine  Anzahl   Manner  im   Schuldienste  zu 
behalten,  wurde  es  fiir  unerlasslich  befundcn,  ihnen  betrachtlich  hohere 
Gehalter  zu  bewilligen  als  den  weiblichen  Lehrern. 

4.  Weder  wirtschaftlichen  Theorien,  noch  den  in  anderen  Berufs- 
zweigen  iiblichen  Methoden  gemass  kann  es  als  weise  Politik  betrachtet 
werden,  die  Gehalter  der  grossen  Mehrheit  des  Lehrkorpers  —  der  Frauen 
—  den  Gehaltern  einer  geringeren  Anzahl  Beamten  -  -  der  Manner  - 
entsprechend  festzusetzen,  deren  Anstellung  aus  besonderen  Riicksichten 
erfolgte,  und  nicht  etwa,  weil  sie  die  gewohnlichen  Facher  durchschnitt- 
lich  besser  lehren  als  Lehrerinnen. 

Wenn  endlich  die  Einkiinfte  der  mannlichcn  Lehrer  nicht  als 
Grundlage  fiir  die  Bestimmung  der  Lehrer innengeh alter  dienen  konnen, 
welches  sind  dann  die  leitenden  Gesichtspunkte  ? 


Gegen  die  ubertriebene  Weichheit  im   Unterricht.  83 

1.  Der  Gehalt  einer  Lehrkraft  soil  derart  sein,  dass  sie  imstand^ 
1st,  in  guter  Gesellschaft  zu  leben  und  sich  auch  weitere  Bildung  und 
Erholung  zu  verschaffen. 

2.  Die  Bezahlung  soil  derart  sein,  dass  sie  geeignet  sei,  die  besten 
Lehrkrafte  des  Landes  nach  New  York  zu  ziehen. 

G.  J.  Lenz,   Lehrerseminar,  Milwaukee. 


Gegen  die  ubertriebene  Weichheit  im  Unterricht.  Die  ,,Padagogi- 
sche  Zeitung"  wendet  sich  mit  einem  ,,Mehr  Eisen!"  iiberschriebenen 
Aufsatz  dagegen,  dass  das  Humanitatsprinzip  im  Schulleben  in  Schwa- 
che  und  verderbliche  Schonung  ausarte.  Dies  zeigt  sich  im  Strafrecht 
tier  Schule,  dann  in  anderen  Erscheinungen  der  Verweichlichung.  ,,Aber 
auch  in  der  theoretischen  Padagogik  wie  im  Innenbetriebe  der  Schule  1st 
etwas  weniger  Schonung  haufig  am  Platze.  Gcht  man  doch  schon  so 
weit,  einzelne  Unterrichtsfacher  und  Sachgebiete  mit  der  Begriindung 
aus  dem  Schulplan  herauszudebattieren,  dass  die  Kinder  dabei  nicht  im- 
mer  das  gewiinschte  Interesse  zeigen.  Man  mag  iiber  Wert  und  Unwert 
der  Grammatik  denken,  wie.  man  will,  ihr  die  Berechtigung  und  den 
Platz  abzustreiten,  well  ,,andere  Stoffe  die  Kinder  mehr  interessieren", 
geht  nicht  an.  Sollte  nur  das  betrieben  werden,  was  den  Kindern  Freude 
bereitet,  so  wiirde  cine  Revolution  in  Unterrichtszweigen  und  -stoffen 
vor  sich  gehen.,  vor  dor  auch  die  Vater  jenes  Satzes  erschrecken  miissten. 
Genau  so  ist  es  mit  dem  Memorieren.  Das  Gedachtnis  ist  im  Menschen- 
leben  von  ausserordentlicher  Bedeutung.  Wahrend  Phantasie  und  Be- 
griffsvermogen  auch  im  praktischen  Leben  eine  Selbstschulung  erapfan- 
gen,  muss  das  Gedachtnis  im  Zeitalter  der  Presse  und  der  iSTotizbucher 
haufig  genug  leer  ausgehen ;  die  Schule  wircl  nicht  darauf  verzichten 
diirfen,  die  Kinder  memorieren  zu  lassen,  wenn  auch  der  Wille  des  Kin- 
des  anderer  Meinung  ist.  Um  an  einem  dritten  Beispiel  den  Geist  der 
iibertriebenen  Schonung,  der  sich  breit  machen  mochte,  zu  zeigen :  auch 
der  Kechenunterricht  muss  Gebiete  behandeln.  die  nicht  immer  das  In- 
teresse des  Kindes  erregen.  Gewiss  ist  Ziel  des  Eechenunterrichts,  die 
Kinder  zum  Losen  von  Aufgaben  des  praktischen  Lebens  zu  fiihren; 
ohne  weiteres  aber  das  Kechnen  mit  unbenannten  Zahlen,  das  abstrakte 
l?echnen,  als  nur  zur  Vorbereitung  fiir  das  Sachrechnen  geeignet  zu  be- 
zeichnen  und  es  darum  als  minderwertig  zu  betrachten,  ist  eine  Uber- 
treibung.  Auch  die  geistige  Anstrengung  an  einem  sproderen  Stoffe  ist 
nicht  ohne  Wert.  Das  Leben  verlangt  ja  so  oft  Betatigung  in  einem 
Gebiete,  das  nicht  gleich  den  Lohn  in  sich  birgt.  Warum  ermatten  da 
so  viele?  Weil  ihnen  der  Wille  und  das  Verstandnis  fehlen,  eine  Arbeit 
um  der  Arbeit  selber  willen  zu  machen.  Auch  zu  dieser  Erkenntnis  muss 
die  Schule  ihre  Schiiler  fiihren;  es  heisst  den  Kindern  diese  Ausiibung 
vorenthalten,  wenn  man  ihnen  jeden  Stein  aus  dem  Wege  raumt." 


Berichte  und  Notizen. 

I.     Korrespondenzen. 


Cincinnati.  heren  Jahren  unser  vollgeriitteltes  Mass 

Senator    Espy,    der    Deutschenhasser,   davon,   aber  heuer   lauft's   fiber.     Keine 

1st    mit    seinem    Angriff   auf    den    deut-   Woche  ohne  ,,lecture"  von  irgend  einer 

schen  Unterricht  im  Senat  durchgedrun-   Bertihmtheit,  von  einem  Aus-  oder  Ein- 

gen.     Der  Senat  nahm  mit  23  gegen  11    tausch-Professor,     oder    auch    von    einer 

Stimmen     die     Espy'sche     Vorlage     an,   einheimischen    Grosse.     Wenn    man    nur 

welche  die  Schaffung  eines  aus  nur  sie-   auch   a^68   so  schnell  verdauen   kb'nnte! 

ben   Mitgliedern   bestehenden   Schulrates   In    der    ersten    Woche    dieses     Monats 

vorsieht.      Die    Vorlage    bestimmt,    dass   hielt  der  Prasident  der  Clark  Universi- 

in  alien  Stadten,  in  welchen  die  Schul-   tat>  Professor  Stanley  Hall,  vor  der  ge- 

ratsniitglieder  von  mehr  als  12  Distrik-   samten      hiesigen      Lehrerschaft       einen 

ten    erwahlt    werden,    die    Behb'rde    sich  Vortrag    iiber     ,,Mangel     im    amerikani- 

vor     dem     18.    Juni     so     reorganisieren   schen  Erziehungswesen".     Was  da  Herr 

muss,  dass   sie  aus  nur  sieben  Mitglie-   Hall    riigte    inbezug     auf     mechanische 

dern,   einschliesslich   der    ,,at   large"   er-   geistlose    Drillerei,     inbezug     auf     fads 

wahlten   Schulrate    besteht.      Sollte    die   oder     padagogische     Steckenpferde     und 

Vorlage    auch    im    Hause    zur   Annahme   andere    Verirrungen,    das    waren    bittere 

gelangen,  so  wiirde  der  hiesige  Schulrat  Wahrheiten,     wenn     auch    keine    Neuig- 

von    siebenundzwanzig    auf    sieben    Mit-   keiten.      In    seinen    Vergleichungen    mit 

glieder   reduziert   werden    und    da    drei   anderen    Landern    zollte     er     den     deut- 

Mitglieder    ,,at   large"    erwahlt    sind,   so   schen     Lehr-     und     Erziehungsmethoden 

wiirden    aus    der   Zahl    der   (ibrigen   24   unbedingtes    Lob.     Wer   aber   hatte   ge- 

Mitglieder    vier    zu    erwahlen    sein,    die  glaubt,    dass    der    Herr    Professor    vor 

dann     Mitglieder     der     neuen     Behorde   einer  Versammlung,  die  zu  sieben  Ach- 

werden  wiirden.  teln  aus  Lehrerinnen  bestand,  auch  ge- 

Der    Korrespondent     will     aber     nicht  gen     das      ttberhandnehmen     weiblicher 

schon   wieder    eine    politische   Jeremiade   Lehrkrafte    seine   warnende    Stimme   er- 

anstimmen    und    darum    lieber    auf    ein   heben  wurde?  Kein  Wunder,  dass  man- 

anderes    Thema    iibergehen,     das     leider  che    Damen    dem    Vortrag     keinen     Ge- 

ebenso  unerquicklich  und  ebenso  traurig  schmack     abgewinnen     konnten,     wenn 

ist:      Das     entsetzliche    Brand-   der  Redner  erklarte,  dass  er  in  der  Ver- 

ungltick     in     einer    Clevelander    Vor-   wendung       weiblicher      Lehrkrafte      fur 

stadt-Schule.       Wie     bekanntlich     jedes   obere   Schuljahre  und  fiir  unsere  Hoch- 

Ungliick,    so   hat   auch   diese   furchtbare    schulen,    besonders    wenn   daselbst   Ko- 

Katastrophe     etwas    Gutes    im    Gefolge.    edukation     herrsche,     eine     Verweichli- 

Allenthalben    im     grossen    Yankeereiche,  chung  der  heranwachsenden  mannlichen 

wohin    die     Trauerkunde     gedrungen    —  Generation    erblicke.      Allerdings    miiss- 

und  das  ist  sie  wohl  iiberall  —  trachtet  ten     aber     auch     die    mannlichen    Lehr- 

man  jetzt,   einem   solchen   Unheil   durch   kriifte  —  betonte   der  Vortragende   mit 

geeignete   Massregeln    vorzubeugen.     An   Recht    —    wirkliche    Manner    sein,    und 

den  hiesigen    Schulhausern  werden   nun,   keine  Waschlappen! 

wo  'es  noch  nicht  geschehen,  Feuerlei-.  Vor  den  Professoren  unserer  Univer- 
tern  angebracht  und  samtliche  Ttiren  so  sittit  hielt  Herr  Hall  am  darauf f olgen- 
gesetzt,  dass  sie  nach  aussen  off nen ;  den  Tage  einen  Vortrag  iiber  g  e  w  e  r  b- 
iiberdies  wird  ein  einheitlicher  Feuer-  liche  Schulen  in  den  Vereinigten 
Drill  eingeftihrt,  der  em*  oder  zweimal  Staaten,  die  er  mit  ebensolchen  Schulen 
monatlich  geiibt  werden  soil.  Leider  in  Deutschland  verglich.  Auch  dieser 
werden,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  alle  Vergleich  fiel  sehr  zu  Ungunsten  un- 
diese  schonen  Vorsichtsmassregeln  gar  serer  Gewerbeschulen  aus,  die  der  Vor- 
bald  wieder  verrosten,  die  Feuerleitern  tragende  im  allgemeinen  als  unprak- 
sowohl  als  der  Feuerdrill.  Um  den  letz-  tisch  bezeichnete.  Es  sei  z.  B.  nutz- 
teren  ware  es  freilich  nicht  schade,  und  zwecklos,  die  Schiller  in  der  Her- 
denn  Geistesgegenwart  und  Kaltbliitig-  stellung  von  Gegenstanden  zu  unter- 
keit  seitens  der  Lehrer  sind  bei  derarti-  weisen,  wie  sie  von  skandinavischen 
gen  Katastrophen  mehr  wert  als  die  Bauern  verfertigt  werden.  Wir  sagen 
besten  Feuerdrills.  Ja  und  Amen  zu  dieser  Kritik  von  be- 

Wir  stehen  hier  in  diesem  Schuljahre  rufener    Seite   und   wiinschen   nur,   dass 
im    Zeich'en     der    Vorlesungen.   sie  recht  griindlich   beherzigt  werde. 
Zwar  bekamen  wir  auch  schon  in  frti-  E.  K. 


Korrespondenzen. 


85 


Milwaukee. 

Ein  origineller  Bestand- 
teil  des  im  Julihier  statt- 
findenden  Lehrertages,  der 
fiir  die  Besucher  von  dem  hochsten  In- 
teresse  zu  werden  verspricht,  wird  die 
Ausstellung  von  Lehr- 
biichern  und  Lehrmitteln  des 
modernen  Sprachunter- 
r  i  c  h  t  s  werden.  Dieselbe  soil  alle 
Textbiicher  und  sonstige  Hilfsmittel 
des  modernen  Sprachunterrichts  um- 
fassen,  deren  man  sich  in  Europa,  Ame- 
rika  und  anderen  Weltteilen  bedient: 
also  ein  Internationales  p  a  d  a- 
gogisches  Museum  werden. 

Das  Lehrerseminar  in  Milwaukee  ist 
fiir  die  Sammlung,  von  der  man  eine 
Hebung  des  deutschen  Unterrichts  und 
eine  Forderung  der  Bestrebungen  des 
Lehrerbundes  erwartet,  als  dauernde 
Statte  bestimmt. 

Die  deutsch-lutherischen  Lehrer  Mil- 
waukees  haben  in  ihrer  Generalkonfe- 
renz  beschlossen,  sich  an  der  Tagung 
des  Lehrerbundes  im  Juli  hierselbst  zu 
beteiligen.  Es  ist  dies  das  erste  Mai 
in  der  Geschichte  des  Bundes,  dass  un- 
sere  Kollegen  an  den  Gemeindeschulen 
ih  re  Beteiligung  in  corpore  an  dem  Leh- 
rertag  durch  Beschluss  bestimmt  haben. 

Auf  Anregung  des  Herrn  Georg  Wit- 
tich,  Direktors  des  Turnunterrichts  an 
unseren  offentlichen  Schulen,  haben  die 
Prinzipale  an  verschiedenen  Schulen 
ihren  Spielplatz  in  eine  temporare 
Schlittschuhbahn  umgewandelt.  Die 
Einrichtung  findet  sowohl  unter  den 
Schiilern  der  betr.  Schulen  als  auch  un- 
ter den  Kindern  der  Nachbarschaft  viel 
Anklang,  da  es  ihnen  hierdurch  ermog- 
licht  ist,  selbst  in  der  Freistunde  und 
ohne  alle  Gefahr  dem  Sport  zu  huldi- 
gen. 

Herr  Wittich  sucht  ebenfalls  die 
Prinzipale  zu  bewegen,  Spielapparate, 
wie  Rundlauf,  Rutschbahn,  Schaukeln 
u.  dgl.  anzuschaffen,  die  auf  den  Spiel- 
platzen  aufgestellt  und  von  den  Kin- 
dern wahrend  der  Pausen  benutzt  wer- 
den sollen.  Einige  Schulen  haben  auch 
hiermit  schon  einen  Anfang  gemacht. 

Wahrend  des  vernossenen  Monats 
hielten  sich  Prof.  Tombo  aus  New 
York  und  President  Schurman 
von  der  Cornell  Universitat  besuchs- 
weise  in  unserer  Stadt  auf. 

Auf  Einladung  des  Wisconsiner  Vor- 
standes  des  Deutschamerikanischen  Na- 
tionalbundes  wird  H'err  Professor 
Learned  aus  Philadelphia  jedenfalls 
im  Monat  April  einen  Vortrag  in  eng- 
lischer  iSprache  hier  halten.  Als  Thema 


hat    der     Vorstand     "The     German     in 
American   Civilization"   gewahlt. 

Das  Textbuchkomitee  von 
unserem  Schulrat  geht  abermals  mit 
dem  Plan  um,  gewisse  Textbiicher,  die 
mehr  oder  weniger  veraltet  und  untaug- 
lich  sind,  durch  neuere,  passendere  zu 
ersetzen.  Die  Lehrer,  die  in  diesem 
Jahre  wiederum  urn  ihr  Urteil  iiber  die- 
sen  Gegenstand  befragt  wurden,  haben 
in  grosserer  Anzahl  der  Aufforderung 
Folge  geleistet  als  in  vergangenen  Jah- 
ren. 

Die  viermalige  Auffiihrung  der  Mar- 
chenoperette  ,,The  House  That 
Jack  Built"  im  Pabst  Theater  war 
ein  kiinstlerischer  sowie  finanzieller  Er- 
folg.  Ungefahr  zweihundert  Schulkinder 
nahmen  an  der  Vorstellung  teil,  dereii 
Reinertrag  dem  ,,Penny  Lunch"  Fonds 
zufliesen  wird.  Das  Stiick  ist  von 
Frau  Jesse  L.  Gaynor  und  Alice  C.  D. 
Riley  verfasst  und  ist  besonders  dem 
Geschmack  und  Verstandnis  der  Kin- 
derwelt  angepasst. 

Bange  Besorgnis  um  die  S  i  c  h  e  r- 
heit  unserer  Schulkinder  hat 
nach  der  fiirchterlichen  Brandkata- 
strophe  in  der  Vorstadtschule  von 
Cleveland  auch  unsere  Stadt  ergriffen. 
Gegenwartig  wird  mit  alien  Kraften 
darauf  hingearbeitet,  die  zu  Tage  tre- 
tenden  Mangel  zu  beseitigen  und  die 
Schulgebaude  in  einen  feuersicheren  Zu- 
stand  zu  bringen,  soweit  dies  bei  alten 
Gebauden  moglich  ist. 

C.  B.  S. 

Prag. 

Ein  grosser  Skandinavier  —  war's 
Ibsen  oder  Bjornson?  —  tat  einmal  den 
Ausspruch :  '  ,,E  i  n  e  P  r  o  f  e  s  s  u  r 
achiitzt  vor  Torheit  nicht." 
Er  hatte  aber  noch  viel  weiter  gehen 
kb'nnen.  Denn  es  blamieren  sich  auch 
Menschen,  die  im  Reich  der  Wissen- 
schaft  nicht  bloss  (u.  z.  sehr  haufig 
durch  die  Unvorsichtigkeit  der  zustan- 
digen  Behorde)  voriibergehend  einen 
Ehrenposten,  sondern  durch  geniale 
Leistungen  einen  glanzvollen  Namen 
fur  alle  Zeiten  erlangt  haben.  Den 
neuesten  Beleg  fiir  diese  traurige  Tat- 
sache  lieferte  der  auch  in  den  Ver. 
Staaten  vor  zwei  Jahren  hochgefeierte 
Professor  O  s  t  w  a  1  d ,  als  er  vor  ^  we- 
nigen  Wochen  in  Wien  sich  in  einem 
Vortrag  iiber  die  von.  ihm  erfundene 
Unterrichtsreform  verbreitete.  Ost- 
walds  Ausserungen  iiber  die  jetzt  so 
lebhaft  erb'rterte  Frage:  in  welcher 
Weise  soil  der  Gymnasialunterricht  ab- 
geandert  werden?  und  die  ,,padagogi- 
schen"  Ratschlage,  in  denen  jene  gipfel- 


Monatshefte  fur  deutsclie  Sprache  und  Padagogik. 


ten,  sind  so  unglaublich  albern,  dass  bildung  in  den  Naturwissenschaften 
man  sich  weder  hiiben  noch  driiben  mit  war.  Kustos  Dr.  Frankfurter  erstattete 
ihnen  zu  beschaftigen  brauchte,  wenn  sodann  das  Referat  iiber  den  Vertrag 
nicht  leider  angesichts  der  hohen  wis-  des  Geheimen  Rats  Ostwald,  beriihrte 
senschaftlichen  Stellung  des  Redners  dessen  Forderung  der  ,,Ausbildung  der 
ein  gewichtiger  Einfluss  seiner  Ansich-  Kinseitigkeiten",  seine  Ablehnung  der 
ten  auf  die  offentliche  Meinung  voraus-  harmonischen  Bildung,  und  legte  einge- 
zusehen  ware.  Wenn  dies  hier  von  hend  Ostwalds  Stellung  zum  Sprachun- 
Schulmannern  allgemein  anerkannt  terricht  dar.  Ostwald  habe  nicht  etwa 
vvird,  so  gilt  es  erst  recht  fur  Amerika,  bloss  vor  uberschatzung  des  Sprachun- 
wo  Ostwalds  ausgezeichnete  Tiitigkeit  terrichtes  und  seinem  tibergewicht  vor 
als  ,,Austauschprofessor"  noch  in  solch  anderen  Unterrichtsgegenstanden  war- 
gutem  Andenken  steht  und  wo  er  um  nen  wollen.  Er  habe  vielmehr  geradezu 
seiner  damaligen  Mission  willen  vieler-  erklart,  die  Sprache  an  sich  sei  ein 
seits  zwar  falscher,  doch  ganz  begreif-  ubel,  weil  sie  unlogisch  sei,  und  daher 
licherweise  fiir  einen  offiziellen  berufe-  sei  der  Sprachunterricht  nicht  nur  ohne 
nen  Vertreter  lierrschender  piidagogi-  jeden  positiven  Bildungswert,  sondern 
scher  Anschauungen  gehalten  wird.  Wir  wirke  negativ.  indem  er  die  geistige 
konnen  wahrhaftig  noch  von  Gliick  re-  Entwickelung  hemme.  Ostwald  habe 
den,  dass  Ostwald  seine  amerikanische  dabei  nicht  den  altklassischen  TJnter- 
Sendung  nicht  nebenher  fiir  seine  er-  richt  und  die  Gymnasien  allein  treffen 
zieherische  Propaganda  ausniitzte.  Das  v/ollen,  sondern  jeden  Sprachunterricht 
biitte  schones  Wasser  gegeben  auf  die  und,  streng  genommen,  sogar  den  deut- 
Miihle  unserer  Herren  Reformpadago-  schen  Sprachunterricht.  Es  handle  sich 
gen!  um  den  Versuch,  ein  von  den  besten 

Allein,  wie  oben  schon  gesagt,  fiihlt  Geistern — Goethe,  Helmholtz,  Treitsch- 
inan  auch  diesseits  des  atlantischen  ke  —  anerkanntes  Bildungsmittel  zu 
Meeres  die  Notwendigkeit,  dem  pada-  entwerten. 

gogiscben  Wahnwitz  des  Geheimen  Rats  Als  erster  Redner  nahm  in  der  hier- 
Prof.  Dr.  Ostwald  zu  steuern  oder,  bes-  auf  folgenden  Diskussion  Regierungsrat 
ser  gesagt,  seinen  Folgen  rechtzeitig  Prof,  .lerusalem  das  Wort  zu  einer 
vorzubeugen.  Deshalb  wurde  wenige  scharfen  Stellungnahme  gegen  Ostwald. 
Tage  nach  Ostwalds  Vortrag  eine  Sit-  Ostwald  habe  freilich  recht,  dass  die 
zung  des  Wiener  „  Vereins  der  Freunde  Sprache  nicht  ,,logisch"  sei:  sie  sei 
des  humanistischen  Gymnasiums"  ein-  eben  psychologisch,  und  wir 
berufen,  um  zu  den  Ostwaldschen  Er-  kit  men  erst  durch  ihre  Erforschung  auf 


klarungen     Stellung    zu     nehmen.       Ich 


Gesetze     des     richtigen,     logischen 


iibersende  den  ,,Monatsheften"  nachste-  Denkens.  Sie  habe  die  Logik  ers.t  mog- 
hend  ein  wahrheitsgetreues  Referat  lich  gemacht,  wie  iiberhaupt  das  ab- 
iiber  jene  Versammlung  nach  dem  strakte  Denken  und  das  Zusammenar- 
durehaus  vertrauenswiirdigen  Berichte  beiten  der  Menschen,  wie  auch  jede 
des  hiesigen  ,,Tagblatts",  aus  welchem  AVissenschaft,  natiirlich  auch  die  Na- 
der Inhalt  der  Ostwaldschen  Auslas-  turwissenschaften.  Es  sprachen  noch 
sungen  und  der  Geist  der  von  ihm  be-  Univ.-Professor  Kretschmer  und  na- 
fiirworteten  Reform,  die  wohl  an  mens  des  Neuphilologischen  Vereins 
Feindseligkeit  gegen  die  humanistische  Prof.  Duschinski.  Unter  grosser  Auf- 
Erziehungsreform  alles  bisher  Dagewe-  merksamkeit  nahm  sodann  der  Ob- 
sene  iiberbietet,  zur  Geniige  hervorge-  mann  des  Vereins  fur  Schul- 
hen  werden.  reform,  Prof.  Dr.  Hueppe  (Prag) 
Die  Versammlung  leitete  als  Vorsit-  das  Wort,  um  zu  erkliiren,  dass  sich 
zender  der  Vereinsprasident  Geheimer  der  Verein  mit  den  Anschauungen  des 
Rat  Graf  Stiirgkh.  Der  Rektor  der  Geh.  Rates  Ostwald  nicht  identi- 
Wiener  Universitat,  Hofrat  v.  Ebner,  f  i  z  i  e  r  e.  Professor  Hueppe  erkennt 
fiihrte  nach  der  einleitenden  Ansprache  dann  seinerseits  den  Wert  des  Sprach- 
des  Prasidenten,  in  welcher  der  Zweck  unterrichtes  an,  und  es  ware  wertvoll 
der  Versammlung  auseinandergesetzt  fiir  die  Reform  der  Mittelschule,  wenn 
wurde,  aus,  dass  auch  er,  ein  Vertreter  man  sich  iiber  die  Methode  des  Unter- 
der  Naturwissenschaften,  doch  immer  richts  einigen  wiirde.  Nachdem  noch 
mit  freudiger  Pietiit  an  den  Unterricht  Prof.  Dr.  Herz  und  Prof.  Dr.  Martinak, 
in  den  alten  Sprachen  im  Gymnasium  Lehrer  der  Padagogik  an  der  Prager 
zuriickdenke.  Er  konne  noch  heute  mit  Universitat,  das  Wort  ergriffen  hatten, 
vollem  Bewusstsein  aussprechen,  dass  konstatierte  Hofrat  Prof.  Toldt,  dass 
die  sprachliche  Bildung  ein  vortreffli-  durch  die  zutage  getretene 
ches  Hilfsmittel  fiir  seine  spatere  Aus-  Einmiitigkeit  so  verschie- 


Umschau.  87 

denartiger       Richtungen        der  strittene     Prioritat      des     allerneuesten. 

Zvveck     der    Versammlung     erreicht     er-  durch      und     durch     ,,sezessionistischen" 

scheine.  Er  beantragte  sodann  eine  ent-  Reformgedankens,      sondern     hoffentlich 

sprechende   Resolution,   nach    deren    An-  auch    der    Stolz,      in    glanzvoller    Isolie- 

nahme     der     Vorsitzende    Graf    Stiirgkh  rung   den    eines    Don    Quixote    wiirdigen 

die  Versammlung  schloss.  Krieg    gegen    die    Sprache    als    Schulge- 

Dem     Geheimen     Rat    Prof.    Dr.    Ost-  genstand   weiterzufiihren. 
wald    verbleibt    nicht     allein     die    unbe-        Prag.  Otto  Heller. 


II.     Umschau. 


Seminar   -    Nachrichten.  von   London   eine   Reise   von   500   ameri- 

H  e  r  r  John  W.   Suetterle  ist  zum  kanischen   Lehrern,   die   den    Zweek   hat, 

Vorsitzenden      des      Komitees      ernannt  die   .Schulen     von     Grossbritannien     und 

worden,        welchem        seinerzeit        vom  Irland  zu  besuchen.     Die  Hinreise   kann 

deutschamerikanischen        Nationalbunde  in  den  Monaten  September  1908  bis  Ja- 

die    Unterstiitzung     des     Lehrerseminars  nuar    1909,    die    Riickreise    vom    Novem- 

iiberwiesen    wurde.      Die    Wahl    ist    eine  ber   1908  bis  zum   15.  MSirz   1909   unter- 

gltickliche.      Herr    Suetterle     hat     schon  nommen     werden.      Sieben     grosse     eng- 

manches    in    unserer     Stadt    zuweg     ge-  lische    und    amerikanische    Schiffsgesell- 

bracht,    und    so    ist    zu    hoffen,    dass    er  schaften  haben  fiir  die  Rundreise  in  der 

auch    im    Interesse     des     Seminars    eine  zweiten  Kajiite  den  ausserordentlich  er- 

erfolgreiche    Tatigkeit    entwickeln    wird.  massigten    Preis    von    5    Pfund    Sterling 

Herr  Karl   Schmidt,   ein   Alumnus   des  (25    Dollars)      bewilligt.       Fiinfzig     der 

Lehrerseminars,  teilt  in  einem  Brief  an  oben  angegebenen  Zahl  dilrfen  auch  den 

Herrn   von   der  Halben     mit,     dass     in  europiiischen    Kontinent     besuchen,     den 

Newark,    N.   J..,   ein   Zweigverein   der  sie    in    Antwerpen    betreten.      Dieselben 

Vereinigung    von    Alumnen    des    Lehrer-  miissen  jedoch  eine  geniigende  Kenntnis 

seminars    gegrtindet    wurde.      Zum    Vor-  der     deutschen    oder    der     franzosischen 

sitzenden   wurde   Herr  H  a  u  g  von   New  Sprache  besitzen. 

York,    zum    Schriftfiihrer     Herr     Karl  Die   Zulassung  von   Lehrern   und  Leh- 

Schmidt   gewahlt.     Vivat   sequens!  rerinnen   geschieht    auf    die    Empfehlung 

Samstag    d.    8.    Februar    fand    in    der  der    ,,School    Boards",      der     ,,Board     of 

Singhalle    der    Deutsch-Englischen    Aka-  Trustees"      oder      anderer      anerkannter 

demie  die  erste  Reunion  des  neugegriin-  Autoritiiten;     individuelle    Anmeldungen 

deten    Vereins    ehemaliger    Seminaristen  werden   nicht   beriicksichtigt.      Die    Aus- 

statt.      Gegen    60    Damen    und    Herren  wahl    beschriinkt    sich   auf    solche    Lehr- 

waren     anwesend.      Unter     dem    Vorsitz  krafte,    die    an    Primiir-    und    Sekundiir- 

der  Herren  Becher  und  Purin  verlief  der  schulen,     an     industriellen     und    techni- 

Abend    in    gemiitlicher    und    anregender  schen    Lehranstalten,     oder     an     Lehrer- 

Weise.     Deklamationen,    Reden,    musika-  seminarien   tatig   sind. 

lische   Einzelvortrage   und   lustige  Kom-  Fiir    die    Hinreise    und    die    Riickreise 

merslieder  bildeten  das  Programm.    Fiir  wird     dem    Bewerber     ein     bestimmtes 

das    leibliche   Wohl   hatte    ein   umsichti-  Schiff  und  ein  bestimmtes  Datum  ange- 

ges  Damenkomitee   Sorge   getragen.   Eine  geben,      wobei     individuellen    Wiinschen 

baldige     Wiederholung     solcher     Abe'nde  nach    Moglichkeit      Rechnung     getragen 

diirfte  wohl  den  Wiinschen  aller  Anwe-  wird. 

senden  entsprechen.  ,,Tages  Arbeit,  Alle  Informationen  betreffs  des  Em- 
Abends  Giiste;  sauere  Wochen,  frohe  pfanges  in  dem  englischen  oder  dem 
Feste"  gilt  auch  fiir  die  neue  Vereini-  kontinentalen  Hafen,  die  beilaufigen 
gung,  der  wir  fiir  ihren  weiteren  Le-  Kosten  eines  vier-  bis  sechswochentli- 
bensweg  alles  Gliick  Wiinschen.  chen  Aufenthaltes  etc.  werden  bereit- 

Ein       Massenbesuch      ameri-  willig  geliefert.     Die  Anmeldungen  wer- 

kanischer    Lehrer    in     Europa.  den  am   1.  Juni   1908  geschlossen.     Alle 

Die    ,,National   Civic   Federation"   veran-  Korespondenzen  sind  zu  richten  an 

staltet   unter   der   Mitwirkung   der    ,,In-  Roland    P.    Falkner,    Executive    Secre- 

ternational     Mercantile     Marine     Com-  tary.    281    Fourth    Avenue,    New    York, 

pany"    und    des    Herrn    Alfred    Molsley  N.  Y. 


88 


Monatsliefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pa 


Rudolf  Mossesche  Erzie- 
hungsanstalt  in  Wilmers- 
dorf.  Vor  zwolf  Jahren  hat  Herr  Ru- 
dolf Mosse,  der  Eigentiimer  des  ,,Ber- 
liner  Tageblatt",  in  Wilmersdorf  bei 
Berlin  eine  Erziehungsanstalt  gegriin- 
det,  die  einen  ungemein  humanitaren 
Zweck  hat  und  denselben  von  Jahr  zu 
Jahr  in  hoherem  Masse  erfiillt.  Die  An- 
stalt  ist  dazu  bestimmt,  Kinder  gebil- 
deter  Familien,  die  durch  den  Tod  ihres 
Ernahrers  oder  durch  unverschuldete 
ungiinstige  Umstande  in  wirtschaf tliche 
Not  geraten  sind,  schon  friihzeitig  zu 
selbstandigem  Erwefb  heranzubilden, 
damit  sie  fur  sich  selbst  sorgen  und 
auch  ihren  Familien  eine  Stiitze  sein 
konnen.  Wie  dem  Berichte  der  Anstalt 
iiber  die  beiden  letzten  Jahre  zu  ent- 
nehmen  ist,  wurden  von  den  daselbst 
erzogenen  Knaben  2  Beamte,  1  Lehrer, 
1  Landwirt,  23  Kaufleute,  7  Handwer- 
ker;  von  den  Madchen  6  Lehrerinnen 
und  Erzieherinnen,  zwei  Kindergartner- 
innen,  21  Buchhalterinnen  u.  s.  w.  Der 
Etat  der  Anstalt  betrug  1905/06  27,273 
Mark  und  1906/07  75,250  Mark. 

Die  deutschen  Universita- 
t  e  n  zahlten  im  letzten  Sommerseme- 
ster  44,964  Studierende,  worunter  211 
immatrikulierte  Frauen,  ferner  2381 H6- 
rer  und  1274  Horerinnen,  also  im  ganzen 
48,619.  Die  Zunahme  der  Zahl  der  im- 
matrikulierten  Studenten  betragt  gegen 
das  letzte  Semester  (mit  42,390)  2574, 
gegen  das  Sommersemester  1905  (mit 
41,928)  3036.  —  Hinsichtlich  der  Besu- 
cherzahl  steht  Berlin  wieder  an  erster 
Stelle  mit  6569  Studierenden,  dann  folgt 
Miinchen  mit  5734,  Leipzig  mit  4147, 
Bonn  mit  3275,  Freiburg  mit  2350,  Bres- 
lau  mit  1920,  Marburg  mit  1717,  Tubin- 
gen mit  1710,  Miinster  mit  1454,  Strass- 
burg  mit  1418,  Jena  mit  1362,  Wiirzburg 
mit  1360,  Kiel  mit  1157,  Giessen  mit 
1118,  Konigsberg  mit  1080,  Erlangen 
mit  1067,  Greifswald  mit  890  und  zu- 
letzt  Rostock  mit  691.  —  Evangelische 
Theologie  studieren  2329,  katholische 
1841,  Rechts-  und  Staatswissenschaften 
12,375,  Medizin  6683,  Philologie,  Spra- 
chen  oder  Geschichte  10,  832,  Mathema- 
tik  oder  Naturwissenschaften  6323,  fer- 
ner, soweit  von  den  einzelnen  Universi- 
taten  uberhaupt  ausgeschieden,  Staats- 
wissenschaften 1801,  Pharmazie  1767, 
Zahnheilkunde  755,  Forstwissenschaft 
144  und  Tierheilkunde  (in  Giessen)  114. 
Fur  alle  Studienfacher  ist  mit  Aus- 
nahme  der  beiden  letzteren  eine  Zu- 
nahme zu  verzeichnen.  —  In  30  Jahren 
hat,  wahrend  die  Bevolkerung  Deutsch- 


lands  sicK  in  diesem  Zeitraum  nicht 
ganz  um  die  Halfte  vermehrt  hat,  die 
Zahl  der  Studierenden  um  das  Zweiein- 
halbfache  zugenommen. 

In  den  sachsischen  Lehrer- 
seminaren  ist  Latein  obligatori- 
scher  Unterrichtsgegenstand.  Seit  lan- 
gerer  Zeit  macht  sich  nun  ein  Streben 
bemerkbar,  statt  des  Lateinischen  Fran- 
zosich  und  Englisch  obligatorisch  zu 
machen.  Besonders  ist  die  Leipziger 
Lehranstalt  warmer  Vertreter  dieser 
Idee.  Sie  sagt  sich,  eine  Sprache,  die 
die  Gebildeten  des  Volkes,  die  Gelehr- 
ten,  die  nicht  einmal  mehr  die  Altphilo- 
logen  unter  sich  reden,  hat  doch  keiner- 
lei  Berechtigung  mehr,  eine  solche  Un- 
summe  von  Zeit  und  Kraft  in  Anspruch 
zu  nehmen,  wie  leider  gegenwartig  das 
Latein  noch  beansprucht.  Zum  Univer- 
sitatsstudium  ist  Latein  doch  auch 
nicht  unbedingte  Voraussetzung,  wie 
verschiedene  lateinlose  Anstalten,  die 
trotzdem  zum  Universitatsstudium  vor- 
bilden,  beweisen.  Im  praktischen  Leben 
aber  wird  derjenige,  der  zwei  moderne 
Sprachen  beherrscht,  leichter  weiter- 
kommen  als  der  Lateiner.  Die  Anhan- 
ger  des  Lateinischen  dagegen  fiirchten, 
das  Ansehen  des  Standes  konnte  leiden, 
wenn  Latein  fiele,  und  fur  das  Universi- 
tatsstudium, das  die  Lehrer  erstreben, 
sei  doch  Latein  die  beste  Vorbereitung. 
Auf  der  kiirzlich  stattgefundenen  Dele- 
giertenversammlung  des  Sachsichen 
Lehrervereins  kam  die  Angelegenheit 
auch  zur  Sprache  und  die  Versammlung 
entschied  sich  mit  alien  gegen  50  Stim- 
men  dafiir,  das  Ministerium  um  Beibe- 
haltung  des  Lateins  und  um  Einfuhrung 
'einer  modernen  Sprache  in  den  Semina- 
ren  zu  bitten.  Dabei  soil  dem  Franzo- 
sischen  der  Vorzug  gegeben  werden. 

Auch  an  den  Volks-  und  Biirgerschu- 
len  in  W  i  e  n  wurde  im  verflossenen 
Schuljahre  der  ungeteilte  Vor- 
mittagsunterricht  eingef  tihrt, 
und  die  damit  gemachten  Erfahrungen 
lauten  ebenso  giinstig  als  an  anderen 
Orten. 

Weibliche  Universitats- 
dozenten.  In  Wien  erreignete  sich 
der  bisher  unerhorte  Fall,  dass  eine 
Dame  zur  Privatdozentur  an  der  Wie- 
ner Universitat  zugelassen  wurde.  Es 
ist  dies  Fraulein  Doktor  Elise  Richter, 
die  Tochter  eines  vor  langerer  Zeit  ver- 
storbenen  sehr  geschatzten  Arztes,  wel- 
che  am  akademischen  Gymnasium  in 
Wien  die  Maturitatsprtifung  abgelegt 


Vmscliau. 


hatte  und  mit  ihrer  Schwester  zu  den 
ersten  Damen  gehorte,  welche  Vorlesun- 
gen  an  der  Wiener  Universitat  besuch- 
ten.  Ihr  Spezialstudium  war  die  roma- 
nische  Philologie.  Der  Ministerialerlass, 
welcher  die  Zulassung  des  Fraulein 
Doktor  als  Privatdozentin  fiir  romani- 
sche  Sprachen  und  Literatur  ausspricht, 
ist  sehr  vorsichtig  abgefasst.  Die  Zu- 
lassung von  Frauen  zum  Assistenten- 
dienste  und  zur  Privatdozentur,  und  im 
weiteren  auch  zur  Professur  und  an- 
derer  akademischer  Wtirden  wird  zwar 
als  eine  Konsequenz  jener  Bestimmun- 
gen  dargestellt,  durch  die  den  Frauen 
die  Erlangung  der  erforderlichen  wis- 
senschaftlichen  Vorbildung  und  insbe- 
sondere  des  philosophischen  und  niedi- 
zinischen  Doktorgrades  ermoglicht  wur- 
de.  Die  Frage  aber,  ob  Frauen  auch 
der  Zutritt  zu  alien  offentlichen  aka- 
demischen  Amtern  gestattet  werden 
solle,  diirfe  um  so  weniger  prajudiziert 
werden,  als  der  Eintritt  in  den  offent- 
lichen Dienst  nicht  nur  an  die  sachliche 
Befahigung,  sondern  noch  an  andere, 
teils  nominierte,  teils  herkommliche 
Voraussetzungen  gekniipft  sei.  Im  gan- 
zen  handelt  es  sich  also  um  Ausnahme- 
falle,  und  die  Furcht,  dass  die  Universi- 
taten  mit  weiblichen  Hochschullehrern 
iiberschwemmt  werden  wiirden,  ist  bis 
jetzt  noch  nicht  drohender  Natur. 

In  der  fortgesetzten  Debatte  iiber  den 
Kultusetat  im  ungarischen  Abge- 
ordnetenhause  verlangte  der  Ab- 
geordnete  der  Unabhangigkeitspartei, 
Falery,  die  vollstandige  Besei- 
tigung  des  deutschen  Sprach- 
unterrichts  aus  dem  Lehr- 
plane  der  Schulen.  Man  miisse 
jetzt  bis  zum  aussersten  chauvinistisch 
sein.  Ein  anderer  Abgeordneter  be- 
zeichnete  die  Schulen  der  Nationalitti- 
ten  als  Brutnester  der  Vaterlandsver- 
rater. 

Die  Schulverhaltnisse  Belgiens 
werden  beleuchtet  durch  die  Mitteilung, 
dass  275  Gemeinden  keine  Schulen  ha- 
ben;  290,000  Kinder  erhalten  ungenii- 
genden,  131,000  Kinder  iiberhaupt  kei- 
nen  Unterricht. 

Norwegen.  Im  Storthing  re- 
gen  sich  die  Schulleute.  Eine  Reihe  von 
Antragen  liegen  vor:  Verlangerung  der 
Schulzeit  von  27 — 30  auf  36 — 40  Schul- 
wochen,  Einfiihrung  einer  zweiten  Leh- 
rerprttfung  (nach  drei  Dienstjahren 
Priifung  in  Padagogik  und  zwei  freige- 
wahlten  Fachern),  Abschaffung  des  La- 
teins  in  Gymnasien,  Gleichstellung  der 
Landsmaal  (Volkssprache)  mit  der 


Reichssprache,  Abschaffung  der  bischof- 
lichen  Visitater  (Priifung  in  Religion) 
in  der  Kirche,  Wahl  von  Lehrern  mit 
wenigstens  funf  Dienstjahren  an  der 
Volksschule  zu  Schuldirektoren.  Im 
weiteren  ist  die  Rede  von  der  Aufhe- 
bung  ernes  oder  mehrerer  Lehrersemina- 
rien  und  der  Einfiihrung  einer  Fremd- 
sprache  im  Seminarlehrplan  und  Auf- 
hebung  des  Direktorpostens  fiir  das  Ab- 
normschulwesen  (fiinf  Anstalten  ftir 
Taubstumme,  zwei  fiir  Blinde  und  drei 
fiir  Schwachsinnige). 

Mr.  Mawbey  brachte  in  seiner  Presi- 
dential address  an  die  Nottinghamer 
Konf erenz  des  nationalen  engli- 
schen  Hilfslehrervereins  eine 
Reihe  beunruhigender  Tatsachen  vor. 
So  stellte  er  aus  dem  letzten  Bande  der 
Statistik  iiber  die  Elementarschulen 
(1903-4-5),  die  die  oberste  Schulbehorde 
herausgibt,  fest,  dass  nur  46.5%  der 
Volksschullehrer  zum  Unterrichten  qua- 
lifiziert  sind;  die  iibrigen  53.5%  setzen 
sich  aus  einer  heterogenen  Menge  ver- 
schiedenartig  qualifizierter  und  unquali- 
fizierter  Praktiker  zusammen.  Jeder 
Lehrer,  sei  er  nun  mit  oder  ohne  Be- 
statigung,  ist  im  Klassenunterricht 
durchschnittlich  fiir  43.7  Schiiler  ver- 
antwortlich.  Mr.  Mawbey  verurteilt 
nicht  nur  die  Behorde,  die  billige  Ar- 
beitskrafte  sucht,  sondern  auch  das 
Volk,  das  solche  Leute  im  Amte  duldet. 
,,In  jeder  Schule  des  Konigreichs  ist  ein 
angemessenes  Personal  qualifizierter 
Lehrer  unbedingt  erf orderlich :  das  ware 
das  Ideal.  Aber  wir  kommen  in  dieser 
Beziehung  kaum  vorwarts,  wenn  die 
Zahl  derer,  denen  eine  Qualification 
ganzlich  fehlt,  von  5,210  im  Jahre  1890 
auf  18,296  im  Jahre  1904  gestiegen  ist." 
(The  Educat.  Times.) 

Das  Ergebnis  der  letzten  Aufnahme- 
priifungen  fiir  die  englischen  Seminare 
zeigt,  dass  82.3  v.  H.  aller  Kandidaten 
junge  Madchen  sind.  Das  Lehramt  wird 
also  von  den  Mannern  mehr  und  mehr 
gemieden.  Griinde:  Gehalter  und  Pen- 
sionen  mehr  als  bescheiden  und  fortge- 
setzte  Beaufsichtigungen  und  Schere- 
reien  durch  die  Schulinspektoren  und 
Lokalbehorden. 

Der  Nobel-Preis  des  Die  li- 
ters Rudyard  Kipling.  tiber 
den  Eindruck,  den  die  Verteilung  des 
Nobel-Preises  an  Rudyard  Kipling  her- 
vorgerufen  hat,  schreibt  der  Londoner 
Korrespondent  des  ,,Temps"  seinem 
Blatte  folgendes:  ,,So  erfreut  man  da- 
riiber  ist,  dass  der  Preis  einem  engli- 
schen Dichter  zugefallen  ist,  so  wenig 


90 


Motiatshefte  fur  deuisclie  Sprache  und  Pddagogik. 


verhehlt  man  sich  in  literarischen  Krei- 
sen,  dass  die  Wahl  gerade  Kiplings  zu 
Bedenken  Anlass  gibt.  In  neuester  Zeit 
hat  sich  in  der  Gesellschaft  britischer 
Autoren  ein  Komitee  gebildet,  desseri 
Aufgabe  es  ist,  alljahrlich  der  schwedi- 
schen  Akademie  den  Autor  namhaft  zu 
machen,  der  seinen  Kollegen  des  Nobel- 
Preises  am  wiirdigsten  erscheint.  Pra- 
sident  dieses  Komitees  ist  Lord  Ave- 
bury  (Sir  John  Lubbock),  und  unter 
seinen  Mitgliedern  befinden  sich  Arthur 
Benson,  Edmund  Gosse,  Haldane,  Tho- 
mas Hardy,  George  Meredith,  Sir  Do- 
nald Mackenzie  Wallace.  Dieses  Komi- 
tee  veranstaltet  eine  Art  Abstimmung 
imter  den  englischen  Literaten,  ehe  es 
seinen  Vorschlag  an  die  schwedische 
Akademie  schickt.  In  diesem  Jahre 
haben  etwa  hundert  Schriftsteller  an 
der  Abstimmung  teilgenommen ;  sie 
waren  beinahe  einstimmig  in  der  Wahl 
des  beriihmten  Dichters  'Swinburne; 
auf  Rudyard  Kipling  entfielen  alles  in 
allem  drei  Stimmen.  Die  schwedische 


Akademie  hat  sich  nicht  an  diesen  Be- 
richt  gehalten,  wie  es  denn  ihr  gutes 
Recht  ist,  bei  der  Wahl  selbstandig  vor- 
zugehen.  Sie  ist  offenbar  der  Meinung, 
dass  die  Beruhmtheit  und  Popularitat 
Kiplings  eine  grossere  ist  als  diejenige 
Swinburnes.  Gewiss  nimmt  fiir  das 
Ausland  Kipling  die  erste  Stelle  unter 
den  englischen  Schriftstellern  ein,  den 
Englandern  selbst  ist  George  Meredith 
oder  Thomas  Hardy  lieber.  Der  Grund 
ist  nicht  schwer  zu  erraten.  Fiir  den 
Auslander  ist  Kipling  der  reprasenta- 
tivste  unter  den  angelsachsischen  Dich- 
tern  von  Genie.  Der  Imperialismus  hat 
in  ihm  seine  Verkorperung  und  seinen 
lebendigsten  Ausdruck  gefunden.  Der 
Auslander  glaubt,  England  und  die 
Englander  besser  zu  verstehen,  wenn  er 
Kipling  gelesen  hat.  In  Wirklichkeit 
beleuchtet  Kipling  aber  nur  eine  Seite 
des  englischen  Charakters,  er  ist  ein 
Apostel  des  Chamberlainismus,  der  jetzt 
etwas  aus  der  Mode  gekommen  ist." 

0.  B. 


III.     Vermischtes. 


Amos  Comenius  an  der  Elbe.  *) 

Eine  Burleske  aus  dem  Jahre   1909. 

Marcia   funebre   con   burlesca. — Melodic: 

Es  geht  bei  gedampfter  Trommel. 

Im  hohen  Olymp  war  grosser  Verdruss: 
Erasmus,  John  Locke,  Ratichius, 
Stephani,       Comenius,        Frobel        und 

Strungk, 
Die    stritten    sich    iiber    die    Kunsterzie- 

hung. 

,,Ich  stelle  den  Antrag,"  rief  da  Pesta- 

luzz, 
,,Comenius    steigt    nieder    zum    irdischen 

Schmutz, 

Er  mag  sich  personlich  'erkundigen 
Nach   der   Kunsterziehung  da   untigen!" 

Ein  Krach. — ^Da  war  es  schon  geschehn, 
Comenius  tat  vor  einer  Schule  stehn, 
Die  Kunstprobleme  die  schwierigen 
Mit  Fleiss  dort  zu  studierigen. 

*  Zu  Nutz  und  Frommen  unserer  Le- 
ser  aus  der  SRchsischen  Schulzeitung 
zum  Abdruck  gebracht.  D.  R. 


Er   stellt   sich  vor:    ,,Sie    kennen    mich 

doch? 

Amos  Comenius.  —  Padagog."  — 
,,Gewiss,"   sagt   der  Lehrer,   ,,sehr   ange- 

nehm, 
Hier  wird  Ihnen  Horen  und   Seh'n  ver- 

gehn!" 

Man  reicht  ihm  die  Hefte,  gelb  kariert, 
Neuneck'ges   Fasson,    innen    blau    mar- 

moriert, 
Geschmuckt     zu     des    Gasts    padagogi- 

schem  Schmerz 
Mit  Zeichnungen  vorn  und  hinterwarts. 

,,Dass  der  Kunstsinn  eine  Ford'rung  er- 

fahrt"  — 

Wird  dem  erschrocknen  Amos  erkliirt — 
,,Gibt's  diese  Form  jetzt,  selbige 
let's  Neueste  an  der  Elbige! 

Den    Namen    schreibt    man    nicht    mehr 

drauf, 

Zur  Kenntlichkeit  malt  aussen  auf, 
Den  Kunstsinn  zu  betatigen, 
Das  Kind  sein  Selbstportratigen. 


Biicherbesprechungen. 


91 


Die  Kleckse   bleiben   samtlich   stehn,  Dann     zeigt     man     ihm    zwei    Klumpen 
Weil    man     kann     Individualitat     dran  Ton: 

sehn;  ,,Die  Eltern,  modelliert  vom   Sohn!" 

Die  Hemmung  der  Betatigung  Dem  Gast  wird  heiss,  im  iibrigen 

1st  padagog'sche  Schadigung.  Hielt  er  das  fur  zwei  Rubigen. 


Aufsatzthemen  gibt's  jetzt  nie, 
Nur  ,Reflexion  vom  Kindsgenie'. 
Man  lasst's  frei  sich  betatigen, 
Sonst  geht's  Genie  schnell  flotigen!"  — 

Dem  Amos  steht  zu  Berg  das  Haar, 
Ihn  schwitzt  und  friert  ganz  sonderbar, 
Manchmal  wird's  ihm   lacherlich 
Und  manchmal  wieder  brecherlich. 

Die   Zeichnungen  reicht   man  ihm  jetzt, 
Vom  Pinsel  aufs  Papier  gesetzt. 
Amos  muss  sich  erkundigen, 
Was  oben  ist,  was  untigen. 


Ihn   zieht's,   ihn   zieht's,   doch  nicht   die 

Kunst, 

Vielmehr  am   Stiefel  und  auch   sunst. 
Fort  war  er  unversehentlich, 
Die  Stiefel  blieben  stehentlich. 


Die  Sonne  senkte  sich  hinab, 

Da    kam,    ganz    leise,     schlapp,     schlipp, 

schlapp, 

Da's   im  Olymp  schon  dammerte, 
Comenius  und  jiimmerte: 


Der   Lehrer    spricht : 

sieht, 

Ist's  illustrierte  Gudrunlied, 
Gemalt  von  Siebenjahrigen, 
Das  soil  den  Inhalt  klarigen!" 


,,Die  Erd'  ist  rund  und  muss  sich  drehn, 
Doch  so  was!  —  Hatt'  ich's  nie  gesehn! 
,,Was    man    hier   Xun  lauf  ich  in  Olympien 

In  Ewigkeit  in  Striimpien!" 


Arthur  Liebscher. 


Biicherschau. 


I.     Biicherbesprechungen. 


Katalog  der  Weinhold-Bi- 
bliothek.  Wie  bekannt,  wurde  die 
Bibliothek  des  grossen  Germanisten 
Karl  Weinhold  von  Herrn  John  D. 
Spreckels  aus  San  Francisco  angekauft 
und  der  deutschen  Abteilung  der 
Staatsuniversitat  von  Calif ornien  zum 
Geschenk  gemacht.  Die  Bibliothek  ist 
'ein  bleibendes  Zeugnis  von  der  Vielsei- 
tigkeit  der  Interessen  ihres  Sammlers, 
sowie  von  der  Ausdehnung  seines  Wis- 
sens  und  seinem  feinen  Geschmack  in 
der  Kollektion  seltener  Bilcher.  Sie 
umfasst  nach  Ausscheidung  der  Dupli- 
kate  ungefahr  8500  Bande.  Herrn  W. 
R.  R.  Finger,  M.  A.,  ist  die  Aufstelhmg 
einer  Liste  von  ersten  Auflagen  und  an- 
deren  seltenen  Biichern  in  dieser  Samm- 
lung  zu  verdanken.  Sie  ist  soeben  als 
No.  16  des  ,,Library  Bulletin",  versehen 
mit  einem  Vorworte  des  Herrn  Profes- 
sor Hugo  K.  Schilling,  welches  allge- 
meine  Bemerkungen  tiber  die  Zusam- 
mensetzung  der  Bibliothek  enthalt,  im 
Druck  erschienen.  Da  die  Sammlung 
Forschern  zum  freien  Gebrauch  zur 
Verfugung  gestellt  ist,  so  ist  der  vor- 
liegende  Katalog  von  grossem  Werte 


fiir  alle,  die  Biicher  aus  der  Bibliothek 
entnehmen  wollen. 

M.  G. 

Die  hb'here  Madchenbildung. 
Vortrage  gehalten  auf  dem  Kon- 
gress  zu  Kassel  am  11.  und  12.  Ok- 
tober  1907  von  Helen  Lange, 
Paula  Schlodtmann,  Lina 
Hilger,  Lydia  Stocker, 
Julie  v.  Kastner,  Marianne 
Weber,  Dr.  Gertrud  Bau- 
mer,  Marie  Martin.  Geh. 
M.  1.80,  geb.  M.  2.40.  Verlag  von 
B.  G.  Teubner  in  Leipzig. 

Bei  dem  immer  steigenden  Interesse, 
das  heute  mit  Recht  in  weiten  Kreisen 
der  Sache  der  hoheren  Madchenbildung 
als  einer  bedeutsamen  nationalen  Frage 
entgegengebracht  wird,  sind  die  hier 
nebst  den  nach  eingehender  Diskussion 
gefassten  Resolutionen  zur  Veroffentli- 
chung  kommenden  Referate,  die  den 
Beratungen  des  Frauenbildungskongres- 
ses  zu  Kassel  am  11.  und  12.  Oktober 
zugrunde  gelegen  haben,  von  ganz  be- 
sonderem  Werte.  Darf  man  doch  sagen, 
dass  in  ihnen  eine  zusammenfassende 


Monatshefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Padagogik. 


Meinungsausserung  der  deutschen  Frau- 
enwelt  iiber  die  Frauenbildungsfrage 
vorliegt,  die  in  eigener  Sache  in  erster 
Linie  gehort  zu  werden  mit  Recht  be- 
anspruchen  darf.  Denn  es  sind  in  Kas- 
sel  die  hervorragendsten  Vertreterinnen 
der  verschiedenen  Richtungen  iiber  die 
wichtigsten  Seiten  der  grossenFrage  zu 
Wort  gekommen,  indem  Helene  Lange 
liber  die  Hohere  Madchenschule,  Paula 
Schlodtmann  iiber  die  Vorbereitung  zur 
Hochsehule,  Lina  Hilger  und  Lydia 
Stocker  iiber  die  Frauenschule,  Julie 
von  Kastner  iiber  die  allgemeine  Fort- 
bildung,  Marianne  Weber  iiber  den  ge- 
meinsamen  Unterricht  von  Knaben  und 
Madchen,  Gertrud  Baumer  iiber  den 
Lehrkorper  der  hoheren  Madchenschule 
und  Marie  Martin  iiber  die  Eingliede- 
rung  der  hoheren  Madchenschulen  in 
das  gesamte  Unterrichtswesen  berichte- 
ten.  Die  Ausfiihrungen  der  Verfasserin- 
nen  zeigen,  dass  die  deutschen  Frauen 
es  heute  als  ihre  Pflicht  empfinden,  in 
ernster  geistiger  Arbeit  zur  Klarheit 
iiber  die  Probleme  der  Frauenbildung 
zu  gelangen.  So  ist  die  vorliegende 
Veroffentlichung  wohl  geeignet,  in  den 
weitesten  Kreisen,  vor  allem  bei  den 
Eltern  und  wieder  insbesondere  bei  den 
Miittern  Interesse  fur  die  so  wichtige 
Frage  zu  wecken,  wie  sie  Beachtung  bei 
alien  denen  finden  wird,  die  an  der  Neu- 
ordnung  der  hoheren  Madchenbildung 
mitzuwirken  in  Staat  und  Gemeinde 
berufen  sind.  X 

Die  Harzreise.  Von  Heinrich 
Heine.  Edited  with  introduction, 
notes,  and  vocabulary  by  B.  J. 
V  o  s  ,  Associate  Professor  of  Ger- 
man in  the  Johns  Hopkins  Uni- 
versity. Boston,  D.  C.  Heath  &  Co. 
1907.  196  pp. 

The  reviewer  has  examined  every  de- 
tail of  this  book  with  great  care,  and 
he  has  found  almost  nothing  to  criticise, 
but  much  to  praise.  The  introduction 
contains  the  best  short  sketch  of 
Heine's  life  that  can  be  found  any- 
where. The  editor  seems  to  have  ap- 
proached Heine  with  a  fair  and  unpre- 
judiced mind.  He  defends  him  against 
the  charge  of  insincerity  by  stating 
that  Heine  gave  himself  in  his  works 
and  by  attributing  the  seeming  insin- 
cerity to  a  dualism  in  the  poet's  own 
character. 

In  the  Modern  Language  Notes  for 
January  and  February,  1908,  Dr.  Vos 
has  set  forth  six  of  the  main  points  in 
which  his  commentary  differs  from 
the  views  hitherto  accepted  by  most 
writers.  This  material  gives  evidence 


of  much  scholarly  research.  The  sub- 
jects involved  are,  Ossian,  the  identity 
of  the  "Dichter"  who  sang  of  the  love 
of  Use  and  the  Ritter  von  Westerberg, 
the  Braunschweig  fair,  Prometheus  and 
Napoleon,  the  identity  of  the  Theo- 
phrastus  who  would  classify  flowers  ac- 
cording to  their  odors,  and  Heine's  in- 
debtedness to  Gottschalck's  book  on 
the  Harz.  Suffice  it  to  say  in  this  place 
that  the  evidence  and  the  arguments 
presented  in  support  of  each  point  seem 
convincing. 

In  the  second  note  on  page  96  the  ac- 
centuation of  the  word  Privatdozenten 
should  be  marked  on  the  fourth  syl- 
lable as  well  as  on  the  second.  It  is 
correctly  indicated  in  the  Vocabulary. 
The  note  on  Ratcliff  and  Almansor  on 
page  113  repeats  what  has  been  said 
about  these  tragedies  in  the  introduc- 
tion, page  viii.  This  fuller  statement 
may  perhaps  be  justified  by  pedagogical 
reasons. 

The  Vocabulary  is  above  the  average 
in  accuracy  and  thoroughness.  It  has 
stood  several  tests  and  cross-tests. 

The  book  is  worthy  of  high  com- 
mendation, and  it  will  certainly  con- 
tribute its  share  toward  a  fuller  appre- 
ciation of  Heine's  work. 

Charles  Bundy  Wilson. 

The  State  University  of  Iowa. 

Unser  Deutsch.  Einf iihrung  in  die 
Muttersprache.  Vortrage  und  Auf- 
satze  von  Friedrich  Kluge, 
Professor  an  der  Universitat  Frei- 
burg i.  Br.  (Wissenschaft  und  Bil- 
dung.  Einzeldarstellungen  aus  alien 
Gebieten  des  Wissens.  Herausgege- 
ben  von  Privatdozent  Dr.  Paul 
Herre.  Band  1).  147  Seiten,  8°. 
Leipzig,  Quelle  und  Meyer,  1907. 
Original-Leinenband,  1.25  Mark. 
Der  Sagenkreis  der  Nibelun- 
g e.  Von  Georg  Holz,  Profes- 
sor an  der  Universitat  Leipzig. 
(Dieselbe  Sammlung,  Band  6).  128 
Seiten.  ebd.,  1907. 

Diese  neue  Sammlung  ist  in  der  Aus- 
stattung  ein  wiirdiges  Gegenstiick  zu 
dem  wohlbekannten,  bereits  iiber  hun- 
dert  BRnde  zahlenden  Teubnerschen 
Unternehmen  ,,Aus  Natur  und  Geistes- 
welt"  und  verfolgt  ahnliche  Ziele,  — 
dem  Laien  die  Ergebnisse  gelehrter  For- 
schung  belehrend  und  unterhaltend  vor- 
zufiihren,  dem  Fachmann  eine  bequeme 
Zusammenfassung  zu  bieten.  Sie  hatte 
sich  kaum  vorteilhafter  einftihren  kon- 
nen  als  mit  dem  prachtigen  Btichlein 
Professor  Kluges,  des  Meisters  deut- 
scher  Wortforschung,  dessen  ,,Etymolo- 


Biicherbesprechungen. 


93 


gisches  Worterbuch  der  deutschen  Spra- 
che",  schon  in  sechster  Auflage  vorlie- 
gend,  zum  unentbehrlichen  Riistzeug 
des  Germanisten  gehort,  und  der  durch 
musterhaft  klare  sprachgeschichtliche 
Aufsatze  sowie  durch  seine  Untersu- 
chungen  liber  deutsche  Studentenspra- 
che  und  Rotwelsch  sich  weit  iiber  den 
Kreis  der  Fachgelehrten  hinaus  bekannt 
gemacht  hat  und  uns  jetzt  mit  einem 
Worterbuch  der  deutschen  Seemanns- 
sprache  beschenkt.  Ein  Gefiihl  der 
Wehmut  und  zugleich  der  Bewunderung 
ergreift  einen  beim  Lesen  des  liebens- 
wiirdigen  Buches:  ist  doch  der  Verfas- 
ser  seit  mehreren  Jahren  an  einem  wie 
es  leider  scheint  unheilbaren  Augenlei- 
den  so  gut  wie  erblindet;  —  um  so 
grosseres  Lob  verdient  die  Darstellungs- 
weise  dieser  Aufsatze,  die  mit  umfas- 
sender  Beherrschung  einer  ungeahnten 
Fiille  von  Stoff  lichtvolle  Klarheit  und 
Durchsichtigkeit  verbinden,  so  dass 
man  unwillkiirlich  an  den  Mathemati- 
ker  Euler  erinnert  wird,  der  ja  auch 
einige  seiner  Hauptwerke  als  Blinder 
geschrieben  hat.  Auf  den  Inhalt  der 
einzelnen  Aufsatze  konnen  wir  hier 
nicht  eingehen;  auch  das  Inhalts- 
verzeichnis  sei  hier  nicht  wieder- 
gegeben.  Besonders  ansprechend  finde 
ich  die  fiinf  Aufsatze  iiber  Stan- 
des-,  Berufs-  und  Geheimsprachen, 
in  denen  sich  eine  gewaltige 
Fiille  deutschen  Lebens  und  deut- 
scher  Kulturentwicklung  spiegelt;  des- 
gleichen  den  iiber  das  Christentum  und 
die  deutsche  Sprache.  Den  Mitgliedern 
des  Allgemeinen  Deutschen  Sprachver- 
eins  werden  Nummer  2  und  3  die 
grosste  Freude  machen.  Doch  es  scheint 
fast  ungerecht,  einzelnes  als  besonders 
gelungen  hervorheben  zu  wollen.  Moge 
das  schone  Werkchen  in  dieHande  recht 
vieler  Berufsgenossen  kommen,  die  sich 
noch  tiefer  vertiefen  wollen  in  den 
Reichtum,  in  die  Pracht  unserer  Mut- 
tersprache;  seine  werbende,  weckende, 
warmende  Kraft  kann  nur  Segen  stif- 
ten! 

Auch  das  Buch  von  Professor  Holz  ist 
eine  erfreuliche  Gabe,  wenn  auch  frei- 
lich  der  sehr  verwickelte  Gegenstand 
'eine  fur  den  Laien  gleich  verstandliche 
Behandlung  wie  in  dem  vorigen  von 
vornherein  kaum  erhoffen  lasst.  Dem 
Fachgenossen  bietet  es  recht  viel 
Neues;  doch  ist  hier  nicht  der  Ort,  dies 
Neue  gebiihrend  hervorzuheben.  Holz 
hat  sich  zur  Aufgabe  gemacht,  die  am 
weitesten  verbreitete  deutsche  Sage  des 
Mittelalters  ihrer  Entstehung  und  Wei- 
terbildung  nach  zu  schildem.  Nach  ei- 
nem uberblick  iiber  die  Qu'ellen  gibt  er 


Form,  Inhalt  und  Kritik  der  nordischen 
und  der  deutschen  tiberlieferung.  In 
der  Behandlung  der  Grundlagen  der 
Sage  stellt  er  sich  tunlichst  auf  den 
Standpunkt  der  geschichtlichen  Erkla- 
rungsweise  und  bringt  fiir  die  Siegfried- 
sage  eine  neue,  interessante  Hypothese 
vor;  leider  ist  die  friiher  so  beliebte 
mythologische  Deutung  auf  S.  68  f. 
nicht  mit  der  notigen  nachdriicklichen 
•Scharfe  zuriickgewiesen,  so  fern  ihr  of- 
fenbar  der  Verfasser  selber  auch  steht. 
Die  Wiedergabe  des  Inhaltes  der  einzel- 
nen Sagen  ist  mit  kritischen  Bemerkun- 
gen  durchsetzt  und  liest  sich  deswegen 
nicht  immer  sehr  glatt,  was  aber  kein 
Vorwurf  sein  soil,  da  der  Verfasser  of- 
fenbar  mit  Meistern  der  Nacherzahlung 
wie  Uhland  und  Vilmar  nicht  zu  wett- 
eifern  gedenkt.  Kapitel  VI,  Uberliefe- 
rung  und  Textgeschichte  des  Liedes  der 
Nibelunge,  ist  nicht  fiir  einen  grosse- 
ren  Leserkreis  bestimmt,  bietet  aber 
fiir  die,  an  die  es  sich  wendet,  eine  dan- 
kenswerte  Zusammenstellung  unseres 
heutigen  Wissens;  ein  gleiches  gilt  von 
Kapitel  VIII,  Erneuerung  der  Kenntnis 
des  alten  Stoffes  seit  dem  achtzehnten 
Jahrhundert.  Im  letzten  Abschnitt,  Die 
wichtigsten  modernen  Bearbeitungen 
der  Sage,  ware  fiir  die  einzelnen  Teile 
von  Wagners  Ring  der  Nibelungen  eine 
ausf  iihrlichere  Inhaltsangabe  erwiinscht. 
Der  Anhang  gibt  eine  kurze  Zusammen- 
stellung der  wichtigsten  Literatur.  Eine 
Kleinigkeit,  die  aber  stort:  der  Text 
und  die  Titelseite  bieten  die  Pluralfor- 
men  Nibelunge,  Decken-  und  Riicken- 
titel  des  Einbandes  jedoch  Nibelungen. 
Dafiir  sind  natiirlich  Verlag  und  BucK- 
binder,  nicht  Verfasser  und  Drucker 
verantwortlich. 

G.  W.  Horn,  Hilfsbuch  beim 
Unterricht  in  der  Liter a- 
turgeschichte.  Zum  Gebrauch 
in  Praparanden-Anstalten  und  obe- 
ren  Klassen  der  Biirgerschule.  Elfte 
verbesserte  Auflage.  Langensalza, 
Schulbuchhandlung  von  F.  G.  L. 
Gressler,  1905.  IX  +  204  /Seiten,  8°. 
Broschiert  1.20  Mark. 

In  was  fiir  Schulen  in  Amerika  dieses 
Buch  mit  Nutzen  zu  brauchen  ware, 
wiisste  ich  nicht  zu  sagen,  —  sicherlich 
in  keiner,  die  mir  bekannt  ist.  Aber  es 
liegt  seit  1882  zum  elften  Male  vor, 
muss  also  wohl  einem  Bediirfnis  ent- 
sprechen.  Es  mag  besser  sein  als  an- 
dere  seiner  Art,  aber  die  Art  war  mir 
neu  und  hatte  mir  zeitlebens  fremd 
bleiben  diirfen. 

Der  erste  Teil  enthalt  37  Biographien 
auf  96  Seiten.  Der  bestimmende  Grund- 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


satz  ihrer  Anordnung  1st  mir  nielit  klar 
geworden.  Von  der  raschen  Lektiire 
her  klingt  mir  noch  die  Haufigkeit  des 
Wortes  ,,bieder"  im  Ohre  nach;  polite 
das  Zufall  sein?  Dann  folgt  auf  40 
Seiten  ein  Abriss  der  deutschen  Dicht- 
kunst,  dann  auf  43  weiteren  ein  Grund- 
riss  der  deutschen  Literaturgeschichte, 
und  endlich  noch  ein  Anhang  mit  17 
Gedichten,  iiber  dessen  Daseinsberechti- 
gung  ich  mir  ebenfalls  nicht  klar  bin. 

Der  Anforderung  unbedingter  Zuver- 
liissigkeit,  die  man  billigerweise  an  ein 
solches  Buch  stellen  darf,  genugt  das 
Werkchen  nicht.  In  der  Anfiihrung  auf 
S.  113  unten  in  Z.  3  kann  die  Verwen- 
dung  einer  falschen  Type  in  dem  Worte 
,,Sie"  ganzlich  unrichtige  Ansichten 
tiber  die  Gesetze  des  Anreims  verbrei- 
ten;  S.  122  und  140  wird  als  bestimmt 
hingestellt,  den  Heliand  habe  ein  Bauer 
geschrieben,  S.  126  Grimm  ein  Miirchen- 
dichter  genannt,  S.  139  fur  Ulfilas 
die  Daten  318 — 388  gegeben;  auch  in 
der  Darstellung  der  einzelnen  Dich- 
tungsarten  finden  sich  Unrichtigkeiten. 
Unzuverlassig  sind  die  Zitate,  z.  T.  in- 
folge  fliichigen  Korrekturlesens ;  S.  104 
unten  ,,Aus  der  Strome  blauem  Schiller 
(!)  lacht  der  unbewolkte  Zeus";  iS.  109 
ist  als  Herkunft  der  Zeile  ,,Ach!  aus 
dieses  Tales  Griinden"  das  ,,Berglied" 
statt  der  ,,Sehnsucht"  gegeben.  Auch 
viele  Druckfehler,  die  das  Verzeichnis 
langst  nicht  alle  nennt,  rechne  ich  hier- 
her:  S.  19  unten  am  Rande  1887  statt 
1787;  S.  78  am  Rande:  7.  Juni  1676,  im 
Texte:  7.  Juni  1677;  S.  170,  Z.  3  v.  u. 
1725  statt  1825.  Storend  bezw.  falsch 
ist  Satzbau  und  Wortwahl  in  folgenden 
Beispielen:  S.  18  unten  ,,Sein  sehnlich- 
ster  Wunsch  sollte  auch  in  Erfiillung 
gehen;  er  starb  in  Syrakus  am  5.  De- 
zember  1835";  S.  57  unten  ,,den  Sommer 
iiber  verlebte  er";  'S.  77  Mitte  ,,Die  Ge- 
briider  Grimm  haben  der  Sprachfor- 
schung  die  rechte  Bahn  verzeichnet"  — 
ein  schones  Lob! 

Kraftiglich  mochte  ich  dagegen  Ver- 
wahrung  einlegen,  wenn  S.  29  unten 
Heines  Leistung  als  Hymnendichter  ge- 
priesen  und  sein  ,,Frieden"  (aus  d^m 
Nordsee-Zyklus)  als  Beispiel  angefiihrt 
wird;  das  betreffende  Gedicht  ist  auch 
richtig  im  Anhang  abgedruckt,  aber  na- 
tiirlich  ohne  die  zweite  Halfte  mit  dem 
charakteristischen  Eingang  ,,Hattest  du 
doch  dies  Traumbild  ersonnen,  was  ga- 
best  du  nicht  drum,  Geliebtester ! "  Mit 
dieser  zweiten  Halfte  wird  eben  die 
,,Hymne"  zur  grauenhaften  Blasphemie. 
Ein  Blick  in  eine  Originalausgabe  hatte 
den  Verfasser  des  Buches  von  seinem 
Irrtum  iiberzeugen  mtissen;  oder  ist 


seine  Darstellung  eine  absichtliche  lite- 
rarhistorische  Falschung?  Mat  hat  mir 
gesagt,  dass  auch  hierzulande  in  theo- 
logischen  Seminaren  die  erste  Halfte — • 
mit  geflissentlichem  Totschweigen  oder 
wirklicher  Unkenntnis  der  zweiten  — 
auswendig  gelernt  werde,  als  Zeugnis 
dafiir,  wie  das  Christentum  selbst  einen 
Heine  in  seinen  Bann  gezwungen  habe. 

Edwin  C.  Roedder. 
Univ.  of  Wis. 

II  erodes    und    Mariamne.     Eine 
Tragodie      in      fiinf      Akten,      von 
Friedrich  Hebbel    (1850). 
Edited  with  introduction  and  notes 
by       Edward       Stockton 
Meyer,    Ph.  D.,   Associate  Pro- 
fessor  of    German    in    the    Western 
Reserve     University.       New    York, 
Henry    Holt    and    Company,     1905. 
XXXVIII  -f  192   pp.     Cloth,  60   cts. 
Altho  this  book  has  already  been  on 
the  market  two  and  one-half  years,  per- 
haps a  few  words  of  criticism,  even  at 
this  late  date,  may  not  be  out  of  place. 
Hebbel  is  known  to  our  great  American 
reading    public,    broadly     speaking,     by 
name  only.    None  of  his  works  has  been 
translated  into  English,  this  is  the  first 
of    his    dramas    to    be    edited    in    this 
country     with     notes      and,     therefore, 
merits    a    hearty    welcome.      The    state- 
ment, however,  which  the  editor  makes 
in   his   preface,   that   the  Germans   "are 
just  beginning  to  recognize  the  genius" 
of    Hebbel,    comes    rather    late    in    1905, 
and  is  hardly  to  be  defended  in  the  face 
of   the   two  appreciate  biographies   that 
we    already    possessed,    i.    e.     those    by 
Emil    Kuh    and    R.    M.    Werner.      Then 
there  are  the  two  editions   of  Hebbel's 
complete  works  by  these  two   scholars, 
not    to    mention    the     rather     extensive 
critical  library  on  Hebbel  the  man  and 
dramatic  genius,  of  which   Prof.   Meyer 
himself  cites  many  works. 

The  editor,  further,  makes  the  fol- 
lowing broad  statement:  "Just  as 
Kleist  and  Grillparzer,  however  differ- 
ent in  many  respects,  were  united  in 
their  efforts  to  break  away  from  the 
almost  overpowering  traditions  of 
Goethe  and  Schiller,  so  Hebbel  and  Lud- 
wig,  however  opposed  on  certain  points, 
were  practically  of  one  mind  in  formu- 
lating the  doctrines  of  modern  German 
realism."  This  assertion  seems  to  call 
for  considerable  modification  and  ex- 
planation to  make  it  tenable.  The  pre- 
face goes  on  to  say,  "That  both  Haupt- 
mann  and  Sudermann  have  been  in- 
fluenced by  them  directly  and  indirectly 
there  can  be  no  doubt."  There  seems 


Bucherbesprechungen. 


95 


to  be  no  proof  of  such  direct  influence, 
and  one  is  tempted  to  ask  the  writer 
to  cite  the  evidence.  Likewise,  the 
statement,  p.  XXI,  that  "Maria  Mag- 
dalena  was  the  beginning  of  the  modern 
naturalistic  drama,"  will  need  more 
proof  than  is  given,  to  make  it  accept- 
able. 

In  his  condensed  resume  of  Hebbel's 
life,  after  Prof.  Werner's  excellent 
biography,  Prof.  Meyer  has  thruout 
employed  glaring  expressions  that  dis- 
tort the  real  facts  of  the  case.  For 
example,  when  he  gives  to  Hebbel's 
mother  a  "very  violent  temper,"  and 
speaks,  further,  of  her  "passionate 
temper,"  p.  V,  we  see  a  woman  always 
blue  in  the  face  with  rage  and  con- 
stantly engaged  in  wielding  the  birch 
rod  or  club  011  her  children,  but  nothing 
of  the  loving,  self-sacrificing  parent 
who  often  went  hungry  that  her  chil- 
dren might  have  bread.  Hebbel's  father 
at  one  time  considered  him  fit  for  only 
a  "Bauer";  the  word  "farmer,"  em- 
ployed on  p.  VII,  brings  with  it  an  en- 
tirely different  suggestion. 

The  great  influence  upon  Hebbel, 
thru  "close  contact"  with  Mohr,  does 
not  suggest  the  unkindly  treatment 
which  made  our  poet  the  bed-fellow  of 
the  coachman  in  a  little,  boarded-up 
niche,  under  the  stairs,  which  was  hard- 
ly large  enough  to  contain  the  bed.  On 
p.  XIV,  "contempt"  is  not  the  word  to 
characterize  the  treatment  which  Heb- 
bel and  his  talented  wife  received  at 
the  hands  of  the  theater  director  Laube 
in  Vienna.  It  is  also  badly  put  up  to 
say  that  Elise  Lensing  was  at  first 
"furious"  with  Hebbel  for  his  mar- 
riage with  Christine,  p.  XV. 

Is  the  statement,  p.  XXII,  that 
Hebbel  depicted  Agnes  Bernauer  "for 
exactly  what  she  was,  the  tragic  victim 
of  political  necessity,"  faithful  to  the 
facts  of  history? 

The  comparison,  p.  XXIII,  of  "Gyges 
und  sein  Ring"  with  Ibsen's  "Nora"  had 
already  been  drawn  by  Bornstein  in  his 
essay,  "Herodes  und  Mariamne,"  pp. 
10—11,  Leipzig,  1904;  and  the  first 
eleven  lines  on  p.  XXXV  likewise  sug- 
gest what  Bornstein  says  on  pp.  16 — 
17,  ibid.  Pp.  XXX— XXXIII  follow 
Prof .  Werner's  introduction  to  "Herodes 
und  Mariamne"  so  closely  that  the  in- 
debtedness should  readily  be  acknow- 
ledged; the  phrases  "oriental  egoism" 
and  "Christian  altruism"  are  Werner's. 
The  same  is  true  of  the  paragraph,  p. 
XXXVI,  relating  to  the  bearing  that 
the  tragedy  has  upon  Hebbel's  relations 
to  Christine. 


The  statement,  p.  XXX,  that  Hebbel 
found  "to  his  surprise  ...  a  tremendous 
task  in  motivating  the  story"  of  Herod 
and  Miriam,  as  related  by  Flavius  Jo- 
sephus,  is  too  heavy  to  be  borne  out  by 
Hebbel's  own  remarks  on  the  subject. 

The  unqualified  rejection,  p.  XXIV, 
of  Hebbel's  "Nibelungen"  as  a  "failure" 
will  not  be  accepted  by  many  students 
of  Hebbel.  The  editor  asserts,  on  the 
same  page,  that  Hagen  represents  the 
old  world,  Dietrich  von  Bern  the  new, 
whereas  Brunhild,  Kriemhild,  Siegfried, 
and  Etzel  stand  "half  in  the  old,  half 
in  the  new."  What  is  there  in  Brun- 
hild, for  example,  of  the  new  code  of 
ethics,  the  Christian  era? 

The  text  is  well  printed,  clear  and 
pleasing  to  the  eye,  as  are  all  of  Henry 
Holt  and  Company's  classics.  Only  a 
very  few  misprints  have  been  discov- 
ered: "das"  for  "dasz"',  11.  335  and 
1851;  "Jaob"  for  "Joab",  stage  direc- 
tion, p.  136;  and  "krummen"  for 
"krummem",  1.  1666.  In  the  second  line 
of  the  second  paragraph,  p.  182,  Alex- 
andra and  Sameas,  not  "Soemus,"  plot 
the  downfall  of  Herod. 

The  greatest  fault  of  the  edition  will 
be  found  by  all,  who  atempt  to  use  the 
book  in  the  class  room,  with  the  notes. 
These  are  entirely  too  brief  and  per- 
functory and  utterly  inadequate.  We 
have  noted  some  fifty  passages  that 
might  Avell  be  elucidated  in  the  notes, 
and  of  these  over  twenty-five  really  re- 
quire notes  to  make  them  intelligible 
to  the  student  in  preparing  his  assign- 
ments. To  mention  only  a  few:  11.  876 
and  1971,  the  citation  of  Jonah  as  the 
ancestor  of  Sameas;  the  reference  to 
Judith,  11.  955  and  1001,  which  might 
also  contain  a  remark  on  Hebbel's  own 
tragedy  on  the  subject;  the  meaning  of 
"Edoms  Schwert",  1.  985,  and  the  rela- 
tion of  this  province  to  Herod's  family 
a,nd  the  Maccabees.  Further,  we  should 
like  to  know  whether  there  is  any  his- 
torical significance  to  Cleopatra's  ex- 
perience with  the  snake  in  11.  987 — 988. 
and  in  the  reference  in  11.  2113 — 2115. 
Who  are  meant  by  "Fliegen"  in  1.  1174? 

The  battle  at  Actium  is  brought  into 
the  foreground  so  often  that  a  note  ex- 
plaining the  issues  at  stake  and  the 
circumstances  of  the  struggle  would  be 
very  helpful  in  refreshing  the  memory. 
The  note  on  1.  2157,  drawing  the  paral- 
lel between  the  situation  here  and  that 
in  Ibsen's  "Nora,"  is  not  at  all  apt, — 
Nora  has  not  had  her  eyes  opened  to 
the  fact  that  Helmer's  "brutal  egoism 
has  debased  her  ...  to  a  mere  thing," 
when  she  madly  dances  her  tarantelle 
before  him. 


96 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


Obscure  passages,  as  for  example,  11. 
1291—1295,  1.  2230,  3248— 3252,  etc., 
etc.,  need  interpretation  for  the  student. 
Further,  there  are  many  Hebbelesque 
passages  in  this  drama,  as  in  all  of 
Hebbel's  works,  to  which  the  student's 
attention  should  be  drawn,  —  they  are 
one  of  the  most  characteristic  qualities 
of  Hebbel's  art.  All  this,  in  face  of  the 
fact  that  the  editor  has  added  notes  to 
many  passages  that  are  clear  on  the 
surface. 

Considerable  space  is  devoted,  in  the 
introduction,  to  the  cardinal  principles 
of  Hebbel's  dramatic  art,  but  when  the 
opportunity  presents  itself  to  cite  defi- 
nite examples  of  these  principles  in  this 
drama,  as  for  example,  1.  2004  and  the 
fourth  scene  of  Act  IV,  Prof.  Meyer 
fails  to  seize  the  opportunity.  All  the 
citations,  further,  that  his  edition  con- 
tains of  passages  from  Hebbel's  own 
utterances  in  his  "Tagebticher"  are 
found  in  Werner's  notes  to  the  tragedy. 
There  are  no  further  citations,  even 
where  they  might  be  aptly  quoted. 


The  'editor  dwells  upon  only  one  rea- 
son why  Soemus  revealed  his  commis- 
sion to  Miriam,  "in  order  to  save  her 
from  herself."  The  deeper,  psychological 
reason,  the  sympathetic  connection  be- 
tween Miriam  and  himself,  both  vic- 
tims of  Herod's  ignoble  treatment,  is 
mentioned  in  the  citation,  p.  IV,  from 
Prof.  Rotscher,  to  be  sure,  but,  in  com- 
piling his  notes,  Prof.  Meyer  has  over- 
looked this  psychological  trait. 

In  conclusion,  we  will  say  that  the 
introduction,  altho  a  compilation  from 
German  critics,  the  work  of  Prof.  Wer- 
ner especially,  is,  nevertheless,  with  the 
exception  of  the  false  color  of  certain 
passages  noted  above,  ample  for  a 
school  text.  The  notes,  however,  are 
entirely  too  scanty  and  perfunctory  for 
a  drama  of  such  psychological  depth, 
despite  the  help  given  in  the  resum§  on 
pp.  182 — 183.  Another  edition,  with 
adequate  notes,  would  be  very  welcome. 
John  L.  Kind. 

University  of  Wisconsin. 


II.     Eingesandte  Biicher. 


Wortkunde  fur  die  Volks- 
s  c  h  u  1  e.  Eine  Auswahl  wortkundli- 
cher  Stoffe  in  stufenmassiger  Anord- 
nung  fur  das  3.  bis  8.  Schuljahr  (auch 
fur  die  entsprechenden  Klassen  hoherer 
Lehranstalten).  Von  Richard  Lau- 
be.  Leipzig,  Friedrich  Brandstetter, 
1908.  Preis  M.  3. 

Religio  Moralis.  Von  Ober- 
schulrat  Rom  pier  in  Plauen  i.  V. 
Leipzig,  Friedrich  Brandstetter,  1906. 
Preis  M.  0.80. 


The  Vicar  of  Sesenheim.  Ex- 
tracts from  books  IX — XII  of  Goethe's 
Dichtung  und  Wahrheit.  With  an  in- 
troduction, appendix,  notes  and  vocabu- 
lary by  A.  B.  Nichols,  Professor  of 
German  in  Simmons  College.  New  York, 
Henry  Holt  &  Co.,  1908.  Price  35  cts. 

German  Composition.  With' 
notes  and  vocabulary  by  Paul  R. 
Pope,  Ph.  D.,  Assistant  Professor  of 
German  in  Cornell  University.  Henry 
Holt  &  Co.,  New  York,  1908.  Price 
90  cts. 


Monatshefte 

fur  deutsche   Sprache   und    Padagogik. 

(Friiher:    Padagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen   Deutschamerikanischen   Lehrerbundes. 


IX*  Hpril  1908*  fieft  4. 


(Offiziell.) 

Nationaler  Deutschamerikanischer  Lehrerbund. 


36.  Jahresversammlung. 
Milwaukee,  Wis.,  30.  Juni  bis  3.  Juli  1908. 


Aufruf. 

Vom  3-0.  Juni  bis  3.  Juli  des  Jahres  wird  die  36.  Tagung 
des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  abgehalten  werden. 
Milwaukee  entbietet  uns  Gastfreundschaft  und  Willkommengruss.  Es 
ist  nicht  das  erste  Mai,  dass  Milwaukee  unseren  Versammlungen  seine 
Tore  offnet;  und  wer  Gelegenheit  hatte.  den  friiheren  Lehrertagen,  die 
dort  stattfanden,  beizuwohnen,  wird  heute  noch  des  liebenswiirdigen 
Empfanges  seitens  der  Einwohnerschaft  dieser  Stadt  gedenken. 

Die  Bedeutung  der  deutschamerikanischen  Lehrertage  wachst  in 
dem  Masse,  in  dem  Interesse  und  Begeisterung  fur  unseren  Beruf  zu- 
nehmen.  Diese  stehen  mit  jenen  in  steter  Wechselbeziehung,  so  dass  der 
Besuch  der  Lehrertage  einen  Priifstein  fur  das  herrschende  Berufsinte- 
resse  abgibt,  dass  aber  gerade  auch  sie  der  Jungbrunnen  sind,  aus  dem 
wir  wieder  frische  Kraft  und  neue  Liebe  zum  Berufe  schopfen. 

Aus  dem  nachstehenden  Programm  mogen  die  Mitglieder  selbst 
ersehen,  wie  der  Vorstand  nach  Kraften  bemiiht  gewesen  ist,  den  Besu- 


98  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

chern  durch  die  gewonnenen  Vortrage,  sowie  durch  die  Ausstellung  von 
Lehrmitteln  und  Lehrbiichern  fiir  den  modern-sprachlichen  Unterricht 
neue  Anregung  zu  bieten. 

Die  36.  Tagung  soil  eine  ebenbiirtige  Nachfolgerin  der  friiheren 
Tagungen  des  Bundes  werden.  Die  Unterzeichneten  geben  daher  der 
zuversichtlichen  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die  deutschamerikanische 
Lehrerschaft  und  die  mit  ihr  in  gleichem  Streben  Verbundenen  der  Ein- 
ladung  zum  Besuche  des  Milwaukeer  Lehrertages  in  Scharen  Folge 
leisten  werden. 

Der  Vollzugsausschuss : 

Max  Griebsch,  President; 

Frau  Mathilde  S.  Grossart,  Vizeprasident ; 

Martin  Schmidhofer,  Schatzmeister ; 

Emil  Kramer,,  Sekretar. 
5.  April  1908. 


Milwaukee,  15.  Marz  1908. 

Als  beim  vorjahrigen  Lehrertage  Milwaukee  als  Platz  fiir  die  36. 
Tagung  des  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  gewahlt  und  die 
Xachricht  von  diesem  Beschlusse  in  unserer  Stadt  bekannt  wurde,  da 
machte  sich  sofort  unter  unserer  deutschamerikanischen  Bevolkerung  der 
Wunsch  und  das  Bestreben  geltend,  den  Besuchern  des  diesjahrigen  Leh- 
rertages in  alter  Weise  herzliches  Entgegenkommen  und  Willkommen 
zu  bieten. 

Die  Deutschamerikaner  Milwaukees  laden  hiermit  alle  diejenigen  — 
Lehrer  und  Laien  — ,  die  fiir  die  Bestrebungen  des  Lehrerbundes  Inte- 
resse  haben,  ein,  an  der  Tagung,  die  vom  30.  Juni  bis  zum  3.  Juli  hier 
stattfinden  soil,  teilzunehmen,  und  sie  versprechen  den  Besuchern,  alles 
in  ihren  Kraften  Stehende  zu  tun,  ihnen  den  Aufenthalt  in  Milwaukee 
so  angenehm  wie  moglich  zu  machen. 

Der  Ortausschuss  wird  sich  in  Verbindung  mit  dem  Vorstande  be- 
miihen,  den  36.  Lehrertag  zu  einem  in  beruflicher  und  geselliger  Bezie- 
hung  erfolgreichen  zu  gestalten. 

Der  Ortsausschuss : 
Leo  Stern,  Vorsitzer;  John  H.  Puelicher,  Schatzmeister; 

Carl  M.  Purin,  Sekretar; 

Vic-tor  L.  Berger,  ( Schrif tleiter  des  ,,Vorwarts")  ;  George  Brumder, 
(Germania  Publ.  Co.) ;  John  Eiselmeier,  (Seminarlehrer) ;  Adolph 
Firikler,  (Vorsitzer  des  Seminarvorstandes) ;  Henry  Hamischfeger, 
(Mitglied  des  Seminarvorstandes) ;  Dr.  Chas.  L.  Kissling,  (Mitglied  des 
Schulrats) ;  Aug.  8.  Lindemann,  (President  des  Schulrats) ;  Otto  Lue- 
dicke,  ( Schrif  tleiter  des  ,,Herold") ;  Wm.  Meyer,  (Direktor  der  luth. 


Nationaler  Deutschamerikanischer  Lehrerbund.  99 

Hochschule) ;  Col  Oustav  Pabst,  (Pabst  Brewing  Co.) ;  C.  G.  Pearse, 
(Supt.  der  offentlichen  Schulen) ;  Wm.  L.  Pieplow,  (Mitglied  des  Schul- 
rats) ;  Julius  Rathmann,  (Vorsitzer  des  Vereins  deutscher  Lehrer) ; 
Emil  von  Schleinitz,  (Schriftleiter  der  ,,Germania") ;  Dr.  Jos.  Schnei- 
der, (Mitglied  des  Seminarvorstandes) ;  Jos.  Uihlein,  (Schlitz  Brewing 
Co.)  ;  Fred  Vogel,  Jr.,  (Pras.  der  Ersten  Nationalbank  und  Vizeprasi- 
dent  des  Seminarvorstandes) ;  Leon  Wachsner,  (Direktor  des  Pabst- 
theaters) . 

Proejramm. 

Dienstaq,  30.  Juni. 

Eroffnungsversammlung,  8  Uhr  abends. 

Mittwoch,  I.  Juli. 

Erste  Hauptversammlung,  vormittags  9  Uhr. 

1.  Greschaftliches :    Berichte    der    Bundesbeamten.     Verhandlungen 

iiber  den  vom  Vorstande  unterbreiteten  Verfassungsentwurf . 

2.  Yortrag:    Eeformbestrebungen  —  Dr.  A.  Hoelper,  High  School, 

New  York. 

3.  Vortrag:    Die  Volksschule  einer  modernen  Eepublik,  eine  Bil- 

dungsanstalt  fiir  praktische  Idealisten  —  Prof.  Ernst 
VosSj  Ph.  D.}  Staatsuniversitat  von  Wisconsin,  Madison. 

4.  Vortrag:    Unsere     Lehrmittelausstellung    —    John     Eiselmeier, 

Lehrerseniinar,  Milwaukee. 

Donnerstag,  2.  Juli. 

Zweite  Hauptversammlung,  vormittags  9  Uhr. 

1.  Geschaftliches. 

2.  Vortrag :    Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers  -  -  Emil  Kramer, 

Public  Schools,  Cincinnati. 

3.  Seminar- Angelegenheiten. 

4.  Vortrag:    Psychologische  Grundlage  fiir  die  Methoden  des  Un- 

terrichts  in  den  modernen  Sprachen  --  A.  Werner- 
Spanhoofd,  Leiter  der  Abt.  fiir  moderne  Sprachen, 
High  Schools,  Washington,  D.  C. 

Freitag,  3.  Juli. 

Dritte  Hauptversammlung,  vormittags  9  Uhr. 

1.  Geschaftliches. 

2.  Vortrag:    Deutsche    und    angelsachsische  Verhaltnisse  in  Ame- 

rika  —  Prof.  James  Taft  Hatfield,  Ph.  D.,  North- 
western Univ.,  Evanston,  111. 

4.    Vortrag:    Hilfsmittel  im   modernen    Sprachunterricht  —  Ernst 
L.  Wolf,  High  School,  St.  Louis. 


100  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

5.  Unerledigte  Geschafte. 

6.  Beamtenwahl  und  Schlussverhandlungen. 


Das  Hauptquartier    befindet  sich  im  Schulgebaude  des  Lehrersemi- 
nars,  woselbst  auch  die  Versammlungen  abgehalten  werden. 


Eine   Ausstellung   von   Lehrmitteln    und    Lehrbiichern   fur   den    mo- 

dern-sprachlichen  Unterricht  1st  fiir  die  Tagung  geplant,  die  in  iiber- 
sichtlicher  Weise  einen  Einblick  in  den  gegenwartigen  Stand  dieses  Un- 
terrichtszweiges  in  Amerika,  sowie  in  Deutschland  und  Frankreich 
gewahren  soil.  Uber  .150  Verlagshandlungen  sind  zur  Teilnahme  ein- 
geladen  worden.  Die  bis  jetzt  eingelaufenen  Zusagen  stellen  den  Erfolg 
des  Unternehmens  bereits  ausser  allem  Zweifel. 


Das  Unterhaltungsprogramm,  sowie  alle  sonstigen  Mitteilungen 
beziiglich  der  Einquartierung  etc.  sollen  im  Maihefte  dieser  Zeitschrift 
bekannt  gegeben  werden. 


Eine  Rechenstunde  im  deutschen  Unterricht. 


Von  Prof.  Paul  0.  Kern,  Universitat  Chicago. 


(Schluss.) 

Die  vier  Spezies  haben  uns  schon  zu  den  Zahlen  liber  100  gebracht, 
die  aber  dank  ihres  logischen  Aufbaus  padagogisch  keinerlei  Schwierig- 
keiten  bieten.  Fiir  die  nicht  immer  leichte  Aussprache  empfiehlt  es  sich, 
die  Zahlen  mit  ahnlicher  aber  nicht  gleicher  Aussprache  zusammenzu- 
stellen,  wie  6,  16,  60,  66,  666,  zur  Einiibung  der  verschiedenen  Aus- 
sprache der  Einer. 

Weiteres  tibungsmaterial  zur  Befestigung  der  Zahlen  bietet  die  Ein- 
teilung  des  biirgerlichen  Jahres.  Durch  Frage  und  Antwort  in  der 
Klasse  kann  man  leicht  folgenden  hauslichen  Aufsatz  vorbereiten: 

Das  Jahr  hat  4  Jahreszeiten,  12  Monate,  52  Wochen  oder  365  Tage. 
Ein  Schaltjahr  hat  366  Tage.  1906  war  kein  Schaltjahr.  Die  4  Jahres- 
zeiten heissen:  Friihling,  Sommer,  Herbst  und  Winter.  Die  Namen  der 
Monate  sind:  Januar,  Februar,  Marz,  April,  Mai,  Juni,  Juli,  August, 
September,  Oktober,  November,  Dezember.  Jede  Jahreszeit  hat  3  Mo- 
nate oder  13  Wochen.  7  Monate  haben  31,  4  Monate  haben  30  und  nur 


Eine  Rechenstunde  im  deutschen  Unterricht.  101 

der  Monat  Februar  hat  28  oder  29  Tage.  Der  Monat  hat  4  Wochen  und 
die  Woche  7  Tage,  namlich  Sonntag,  Montag,  Dienstag,  Mittwoch,  Don- 
nerstag,  Freitag,  Sonnabend.  24  Stunden  bilden  einen  Tag.  Die  Stunde 
hat  60  Minuten  und  die  Minute  wieder  60  Sekunden.  Ein  Tag  hat  also 
24  x  60  x  60  Sekunden.  Wieviel  sind  das? 

Ein  anderes  hier  zu  besprechendes  Kapitel  konnte  folgende  tiber- 
schrift  haben:  ,,Wieviel  Uhr  ist  es,  bitte!"  Diktieren  der  folgenden 
Mustersatez  wird  das  Durchgenommene  vor  Vergessen  bewahren: 

1.  Es  ist  10  (Uhr)  ; 

2.  Es  ist  5  Minuten  nach  10  (Uhr) ; 

3.  Es  ist  1  Viertel  (auf )  11  (Uhr)  [on,  towards  11]  ; 
Es  ist  1  Viertel  nach  10  (Uhr) ; 

4.  Es  ist  halb  11  (Uhr). 

5.  Es  ist  3  Viertel  (auf)  11  (Uhr) ; 
Es  ist  1  Viertel  vor  11  (Uhr) ; 

6.  Es  ist  10  Minuten  vor  11  (Uhr) ; 
Es  ist  in  10  Minuten  11  (Uhr). 

Morgens,  Mittags,  Vormittags,  Nachmittags,  Abends,  Nachts.  Es 
ist  Mitternacht. 

Unterrichtsmittel :  Ein  grosses  Zifferblatt  mit  beweglichen  Zeigern, 
das  der  Lehrer  vom  Katheder  aus  handhabt.  Vgl.  Werner-Spanhoofd, 
Lehrbuch  der  deutschen  Sprache,  D.  C.  Heath  &  Co.,  p.  94,  und  Dr.  Wil- 
helm  Bernhardt,  Deutsches  Sprach-  und  Lesebuch,  Karl  Schonhof, 
Boston,  p.  30  ff. 

Auch  das  deutsche  Geld  kann  bei  den  Zahlen  passend  herangezogen 
und  mit  der  amerikanischen  Miinze  verglichen  werden.  Besprechung  der 
deutschen  Gold-,  Silber-,  Nickel-  und  Kupfermiinzen  wie  des  Papiergel- 
des  ebenso  wie  Herumreichen  deutscher  Geldstiicke  ist  angebracht.  Der 
mit  den  Einzelheiten  nicht  vertraute  Lehrer  kann  sich  diese  wie  vieles 
sonst  Wissenswerte  aus  dem  vortreffiichen  Buche  von  R.  Kron,  German 
Daily  Life,  Newson  &  Co.,  15  East  Seventeenth  Street,  New  York,  ver- 
•schaffen.  Zwei  Gleichungen  geniigen  als  Ausgangspunkte : 

Eine  Mark  =  100  Pfennig  (e)  =  25c,  und  fiir  die  alte  Miinze: 

Ein  Thaler  =  30  ( Silber )groschen  =  360  Pfennig  (e)  =  75c. 

Dann  iibertrage  man  fleissig  deutsche  Geldsummen  in  amerikanische 
und  umgekehrt. 

Auf  Seite  152  ff  behandelt  Kron  das  Mass-  und  Gewichtssystem 
Deutschlands,  das  auf  ahnliche  Weise  in  den  Unterricht  gezogen  werden 
kann.  Bei  dem  scheinbaren  Singular  in  Ausdriicken  wie  2  Pfund  Thee, 
3  Fuss  Holz  verweise  man  auf  das  englische  a  10  pound  note,  a  3  foot 
rule.  Der  Lehrer  diktiere  der  Klasse  Fragen  zu  hauslicher  schriftlicher 
Beantwortung  oder  lasse  sie  zu  Hause  Fragen  fiir  die  nachste  Lektion 
niederschreiben.  Wie  bei  den  vorhergehenden  Kapiteln  fasse  zum  Schlusse 
wieder  ein  kurzer  Aufsatz  das  Ganze  einheitlich  zusammen. 


102  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Bei  vorgeschrittenen  Schiilern  kann  man  sich  getrost  in  die  Algebra 
wagen.  Einfache  Gleichungen,  die  sie  schon  auf  Englisch  gehabt  haben, 
werden  sie  trotz  des  deutschen  Gewandes  als  alte  Bekannte  begriissen  und 
sich  mit  Vergniigen  an  ihre  Losung  machen.  Z.  B. :  Die  Differenz  zwi- 
schen  2  Zahlen  ist  7  und  ihre  Summe  ist  63.  Man  suche  die  Zahlen. 
Oder:  Ein  Bauer  verkaufte  ein  Schaf,  eine  Kuh  und  ein  Pferd  fiir  864 
Mark.  Er  erhielt  fiir  die  Kuh  7  mal  so  viel  wie  fiir  das  Schaf  und  fiir 
das  Pferd  4  mal  so  viel  als  fiir  die  Kuh.  Wieviel  bekam  er  fiir  jedes  Tier? 
Deutsche  Eechenbiicher  bieten  Beispiele  die  Fiille.  Droht  die  Vereini- 
gung  von  Mathematik  und  Fremdsprache  den  Geist  zu  sehr  anzuspannen^ 
so  fiige  man  eine  Scherzfrage  aus  einem  der  Katselschatze  ein,  etwa: 
5  Gaste  bekommen  5  Eier.  Jeder  sollte  eins  bekommen  und  doch  sollte 
eins  in  der  Schiissel  bleiben.  Wie  machten  sie  es? 

Von  den  Grundzahlen  werden  einige  weniger  wichtige  Zahlarten 
abgeleitet,  die  der  Vollstandigkeit  halber  hier  erwahnt  werden  sollen, 
deren  Besprechung  in  der  Klasse  aber  besser  auf  eine  spatere  passende 
Gelegenheit  verschoben  wrd.  Es  sind: 

1.  Die  Variativa,  aus  der  flektierten  Grundzahl  und  dem  mittel- 
hochdeutschen  weiblichen  Substantiv  leie  =  Art  und  Weise   (aus  alt- 
franzosischem  ley  und  lateinischem  legem)  gebildet.     ,,Einerlei"  ist  also 
eigentlich  ein  alter  Genitiv  =  von  einer  Art.     Diese  neuhochdeutsche 
Neubildung  ist  nicht    auf    die  Zahlen    beschrankt,    man    verweise    auf 
vielerlei,  allerlei,  keinerlei,  mancherlei,  welcherlei,  solcherlei  etc. 

2.  Die   Iterativa  einmal,   zweimal  etc.;   sie   kamen   schon   bei   der 
Multiplikation  vor. 

3.  Die   Multiplikativa  einfach,   zweifach  etc.    (zuweilen  auch  ein- 
faltig,  zweifaltig)  —  one-ply,  two-ply. 

Die  verschiedenen  obigen  Ubungen  mogen  ein  paar  weitere  Stunden 
in  Anspruch  genommen  haben,  aber  unsere  Schiiler  wissen  nun  die 
Grundzahlen  und  haben  noch  ein  und  das  andere  nebenher  gelernt.  Wir 
konnen  somit  mit  ruhigem  Gewissen  zu  den  Ordnungszahlen  iibergehen. 
Die  Besprechung  derselben  erfolge  im  Anschluss  an  die  Lektiire 
wie  bei  den  Grundzahlen.  Da  sie  der  Adjektivdeklination  folgen,  wie- 
derhole  man  diese  durch  fleissiges  Deklinieren:  der  erste  Knabe,  ein 
erster  Knabe,  erster  Knabe,  der  erste,  ein  erster.  Im  Folgenden  einige 
weitere  Winke  fiir  systematische  Einiibung: 

1.  Als  Vokabular  die  Teile  des  Jahres.  Man  variiere  folgende 
Fragen : 

Welches  ist  die  crate  Jahreszeit  ? 

Welches  ist  der  erste  Monat  des  Jahres? 

Welches  ist  der  erste  Wintermonat? 

Welches  sind  die  zwei  ersten  Monate  des  Jahres  ? 


Eine  Rechenstunde  im  deutschen  Unterricht.  103 

1st  Sonnabend  der  letzte  Tag  der  Woche? 

Der  wievielte  Tag  der  Woche  1st  Mittwoch? 

Welches  1st  die  erste  Tageszeit? 

In  welchem  Jahrzehnt  (oder  Jahrhundert)  leben  wir? 

2.  Das  Alphabet : 

Welches  1st  der  erste  Buchstabe  des  Alphabets? 
1st  a  der  erste  Vokal  des  Alphabets  ? 
Der  wievielte  Konsonant  ist  z? 
Der  wievielte  Diphthong  ist  an? 

3.  Die  dentsche  Klasse: 

Wer  ist  der  erste  Schiller  in  der  Klasse  ? 
Ist  Hans  der  letzte  Schiller  auf  dieser  Bank? 
Der  wievielte  ist  Karl  in  dieser  Reihe? 
Ist  Franz  der  zweite  hinter  Karl  ? 
Sitzt  er  am  letzten  Fenster? 
Bist  du  der  f iinfte  ? 
Oder: 

Ist  das  die  erste  Schulstunde  ? 
Ist  die  dritte  Stunde  Bnglisch? 

4.  Das  Lesebuch: 

Lesen  wir  auf  der  siebenten  Seite? 

Haben  wir  gestern  die  zweite  Geschichte  gelesen? 

Auf  welcher  Seite  fangt  unsere  Geschichte  an? 

Wo  hort  sie  auf? 

Ist  dies  das  dritte  Kapitel? 

Beginnen  wir  mit  dem  dritten  Abschnitt? 

Wo  fangen  wir  morgen  an? 

Welches  ist  das  erste  Wort  der  zweiten  Seite? 

Welches  ist  das  letzte  Wort  der  fiinften  Reihe? 

Welches  ist  der  erste  Buchstabe  des  ersten  Wortes    der    ersten 

Seite? 
Welches  ist  der  erste  Konsonant  des  Wortes  Lesebuch? 

5.  Das  Datum.     Der  Lehrer  oder  ein  Schiller  schreibe  Variationen 
der  folgenden  Ziffern  an  die  Tafel : 

4.     VII.     1905. 

Ein  aufgerufener  Schiller  liest:  Den  (Am)  vierten  Juli  neunzehn 
hundert  und  fiinf.  Oder  man  gebe  das  Datum  auf  Deutsch  und  lasse  es 
in  Ziffern  richtig  niederschreiben.  Man  variiere  folgende  Fragen: 

Der  wievielte  ist  heute  ? 

Welches  Datum  hatten  wir  gestern? 

Ist  morgen  der  fiinf zejmte? 

Wann  ist  Weihnachten? 

Wann  beginnt  der  Sommer? 


104  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Wann  1st  dein  Geburtstag? 
Wann  war  George  Washington  geboren? 
Wann  fangen  die  Sommerferien  an? 
Wann  endet  dieses  Jahrhundert  ? 

6.  Die  Vornamen: 

War  Ludwig  der  Elfte  ein  Konig  von  Frankreich? 
tiber  welches  Land  herrscht  Kaiser  Wilhelm  der  Zweite? 
Wer  ist  Konig  von  England? 
Welches  ist  der  Name  des  Papstes  ? 

7.  Die  Briiche.     Man  verfahre  wie  bei  Einiibung  der  Gmndzahlen 
und  fiihre  die  Bruchrechnung  gerade  so  weit  wie  es  die  Zeit  gestattet.  Die 
gemischte  Zahl  und  die  sogenannten  Demidiativa  (anderthalb  etc.)  sind 
rait  einzuschliessen. 

8.  Die  Ordinaladverbien  erstens,  zweitens  etc. 

Zum  Schlusse  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Unterrichtssprache  uberall 
nach  Moglichkeit  die  deutsche  sei. 


Deutscher  Sprachunterricht   und  bewusstes  Deutschtum, 

Von  Chas.  M.  Purin,  East  Division  High  School,  Milwaukee. 


(Schluss.) 

Auch  die  zwei  Prediger  Gabriel  Peter  Miihlenberg  und  sein  Bruder 
Friedrich  August  haben  sich  um  das  Vaterland  grosse  Verdienste  erwor- 
ben,  der  erstere  als  Feldherr,  der  letztere  als  Kongressabgeordneter 
Pennsylvaniens.  Wie  der  Prediger  Miihlenberg,  spater  Washingtons 
Freund  und  Vertrauter,  am  Schlusse  seiner  Abschiedspredigt  den  Chor- 
rock  abstreifte  und  in  voller  Kriegsriistung  vor  seiner  Gemeinde  stand 
und  wie  dieselbe  mit  Jubel  und  Enthusiasmus  ihrem  Fiihrer  auf  das 
Schlachtfeld  folgte,  ist  hinlanglich  bekannt.  Die  Deutschen  Pennsyl- 
vaniens wahlten  Jhn  achtmal  zu  ihrem  Prasidenten. 

Nich  minder  bekannt  sind  die  Taten  des  Kapitans  Herckheimer,  des 
Helden  und  Siegers  von  Oriskany,  wie  er  mit  zerschmettertem  Beine  sich 
gegen  einen  Baumstamm  stiitzend  seine  Pfeife  raucht  und  ohne  eine 
Muskel  zu  verziehen  seine  Befehle  weitergibt. 16  Es  ist  ihm  im  Jahre 
1886  ein  Denkmal  errichtet  worden.  Das  schonste  Denkmal  jedoch  setzt 
ihm  Washington  in  den  folgenden  Worten :  ,,Er  diente  seinem  Lande  aus 
reiner  Liebe,  nicht  mit  dem  Wunsche  nach  einem  hoheren  militarischen 
Kommando,  geschweige  denn  um  pekuniarer  Vorteile  willen." 


18  Diese  Tat  des  tapferen  Herckheimers  ist  von  dem  deutschamerikanischen 
Dichter  Hermann  von  Wahlde  in  einem  Gedicht  verherrlicht  worden.  Ein  County 
und  eine  Stadt  im  Staate  New  York  trftgt  noch  heute  seinen  Namen. 


Deutscher  Sprachunterricht  und  bewusstes  Deutschtum.          105 

Dass  Jasper,  der  Held  von  Fort  Moultrie,  ebenfalls  ein  Deutscher 
war  und  zwar  ein  ,,Sprosse  vom  Rheinhessenland",  diirfte  nicht  vielen 
bekannt  sein.  Die  Tapferkeit  dieses  bescheidenen  Unteroffiziers,  sowie 
der  Wagemut  der  Soldatenfrau  Moll  Pitcher  ist  von  Dr.  Gustav  Briihl 
in  zwei  schonen  Gedichten  verewigt  worden. 

Wir  sehen  also,  wie  die  Deutschen  in  den  hochsten  sowie  den  nied- 
rigsten  Stellungen  sich  stets  tapfer  und  zuverlassig  erwiesen  haben. 
Zuverlassigkeit  der  Deutschen,  das  war  es,  was  Washington  bewog.  seine 
Leibwache  ausschliesslich  aus  Deutschen  zu  rekrutieren. 

Wie  vor  der  Revolution  durch  ihre  kolonisatorische  Arbeit  und  wah- 
rend  der  Revolution  durch  ihre  Tuchtigkeit,  so  haben  die  Deutschen  auch 
nach  der  Revolution,  sei  es  auf  dem  Gebiete  der  Staatskunst,  der  In- 
dustrie, des  Erziehungswesens,  oder  in  der  Eroberung  des  Westens  Vor- 
ziigliches  und  Grosses  geleistet. 

Es  sei  einiger  dieser  Manner  hier  kurz  erwahnt: 

Bald  nach  den  Freiheitskriegen  kamen  auch  Gebildete  in  grosserer 
Zahl  in  Amerika  an.  Es  waren  dies  die  Martyrer  der  politischen  Frei- 
heit,  ,,Dichter,  Gelehrte,  Geistliche,  Mediziner,  Lehrer  und  Techniker", 
welche  die  ganze  Niedertrachtigkeit  des  Metternichschen  Regimes  aus- 
gekostet  hatten  und  ihre  Freiheitsideen  in  dieses  Land  verpflanzten. 
Karl  Tollen,  Karl  Beck  und  Franz  Lieber  waren  ,,die  ersten  Vermittler 
deutscher  Wissenschaft  an  amerikanischen  Hochschulen".  Der  erste 
erlangte  eine  Stelle  als  Lehrer  des  Deutschen  an  der  Harvard  Universitat 
und  griindete  bald  darauf  eine  Turnanstalt,  die  erste  in  Amerika. 17 

Karl  Beck  erhielt  eine  Professur  an  der  Harvard  Universitat  als 
klassischer  Philologe,  und  Franz  Lieber  unterzog  sich  der  nicht  geringen 
Arbeit,  das  umfangreiche  Brockhaussche  Konversationslexikon  zu  iiber- 
setzen.  Ferner  ist  der  Nationalokonom  Friedrich  List  zu  nennen,  dessen 
in  Philadelphia  im  Jahre  1827  verb'ffentliches  Werk  "Ooutlines  of  a  new 
System  of  Political  Economy"  zuerst  den  Gedanken  eines  Schutzzolls 
ausspricht. 

Auf  dem  Felde  der  Literatur  ist  besonders  Karl  Postl,  ein  oster- 
reichischer  Monch,  zu  erwahnen,  der  unter  dem  Namen  Charles  Seals- 
field  eine  Serie  von  ,,Lebensbildern  aus  der  Westlichen  Hemisphare" 
verfasste. 

Was  das  Gebiet  des  Ingenieurwesens  anbetrifft,  so  haben  sich  Jo- 
hann  August  Robling,  der  Erbauer  der  beruhmten  Briicken  liber  den 
Niagara,  den  Ohio  und  den  East  River  zwischen  New  York  und  Brook- 
lyn, sowie  Adolph  Sutro,  der  Hersteller  des  grossartigen  Nevada-Tun- 
nels, einen  beneidenswerten  Namen  erworben. 

Es  ist  mir  nicht   moglich,    hier    auf   die    Ziele    und    Bestrebungen 


17  Goebel,  S.  48. 


106  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

der  Achtundvierizger  sowie  die  Tatigkeit  vieler  bedeutenden  deutschen 
Gelehrten,  Dichter,  Musiker  und  Staatsmanner  der  spateren  Periode,  ein- 
schliesslich  unseres  unvergesslichen  Mitbiirgers  Karl  Schurz  naher  ein- 
zugehen.  Ich  habe  in  dieser  kurz  gedrangten  Skizze  zu  zeigen  versucht, 
dass  die  Deutschen  einzeln  und  in  Gruppen  zu  jeder  Zeit  und  in  jeder 
Stellung  ihrem  neuen  Vaterlande  vielfache  und  unschatzbare  Dienste 
geleistet  haben,  und  das  sder  Einfluss  des  Deutschtums  stets  veredelnd 
und  bereichernd  auf  die  Entwickelung  der  sozial-politischen  Verhaltnisse 
in  Amerika  eingewirkt  hat. 

Wenn  das  Deutschtum  trotz  alledem  in  diesem  Lande  nicht  die  ihm 
gebiihrende  Anerkennung  gefunden  hat,  so  liegt  dies,  wie  ich  es  am  An- 
fange  meiner  Arbeit  betont  habe,  vor  allem  daran,  dass  die  Deutschen 
ihre  eigene  Sprache  geringschatzen  und  kein  stark  ausgepragtes  National- 
bewusstsein  besitzen. 

Es  ist  also  an  der  Hebung  des  Nationalgefiihls  und  der  Erhaltung 
und  Befestigung  der  deutschen  Sprache.  dass  wir  Lehrer  des  Deutschen 
vor  allem  arbeiten  miissen,  und  dazu  gibt  es  kein  besseres  und  wirk- 
sameres  Mittel,  als  dem  empfanglichen  Gemiite  des  Kindes  die  glorrei- 
chen  Taten  seiner  Vorvater  vom  Schlage  eines  Leislers,  Herckheimers, 
Miihlenbergs,  Steubens  etc.  und  das  Leben  und  Wirken  grosser  Staats- 
manner wie  Karl  Schurz  zu  schildern  und  einzupragen.  Warum  sollen 
wir,  wenn  wir  nach  Helden  suchen,  in  der  griechischen  und  romischen 
Vergangenheit  graben,  wenn  die  Geschichte  unseres  eigenen  Landes  die- 
selben  zahlreich  aufuzweisen  hat? 

Der  Anfang  mit  dem  Unterricht  in  der  vaterlandischen  Geschichte 
kann  schon  in  den  mittleren  Graden  der  Volksschule  gemacht  werden; 
das  Hauptgewicht  jedoch  sollte  auf  die  oberen  Grade  der  Volksschule 
und  die  Hochschulen  gelegt  werden.  In  Ermangelung  eines  fur  diesen 
Zweck  sich  eignenden  Lesebuches  wird  der  Lehrer  das  notige  Material 
selbst  zusammenstellen  miissen.  Eine  ganze  Anzahl  passender  Lese- 
stiicke  enthalt  das  in  unseren  Volksschulen  gebrauchliche  vierte  Lesebuch 
von  Weick  und  Grebner.  Einige  derselben  behandeln  Helden  und  Be- 
gebenheiten  aus  der  deutschamerikanischen  Geschichte;  andere  konnen 
als  Anknupfungs-  und  Ubergangspunkt  zu  derseben  dienen.  Nehmen 
wir  das  Lesestiick  ,,George  Washington"  als  Beispiel;  es  lassen  sich  eine 
ganze  Anzahl  deutscher  Helden  aus  dem  Eevolutionskriege  mit  dem 
Namen  dieses  grossen  Amerikaners  in  Verbindung  bringen;  ich  erwahne 
nur  den  General  Miihlenberg,  dem  Washington  das  Zeugnis  ausstellt,  dass 
wenn  auf  niemand  mehr  ein  Verlass  sei,  so  konne  man  sich  wenigstens 
noch  auf  Miihlenberg  und  seine  Deutschen  verlassen;  ferner  den  Baron 
Steuben,  den  Vertrauten  Washingtons  und  ,,seine  rechte  Hand".  Mit 
nicht  geringerem  Interesse  werden  die  Kinder  der  Erzahlung  von  dem 
schlichten,  ehrlichen  -Christopher  Ludwig  lauschen,  den  Washington  als 
seinen  ,,ehrlichen  Freund"  zu  bezeichnen  pflegte. 


Monatshefte  fur  deutsclie  Sprache  und  Padagogik.  107 

Bei  der  Lektiire  von  den  Erforschungen  De  Sotos  wird  der  Lehrer 
such  des  tiichtigen  deutschen  Forschers  Johann  Lederer  erwahnen,  wel- 
cher  die  damals  wilden  Landereien  von  Maryland  bis  Florida  durch- 
forschte,  woriiber  eine  eingehende  Beschreibung  in  London  im  Jahre 
1672  verb'ffentlicht  wurde.  Gelegentlich  liessen  sich  auch  Gedichte 
deutschamerikanischer  Dichter  auswendig  lernen,  wie 

Hermann  Wahldes:  ,,Der  Held  von  Oriskany." 
Wilhelm  Miillers:  ,,Muhlenberg  und  sein  Kegiment." 
Gustav  Briihls:  ,,Der  Held  von  Fort  Moultrie." 
C.  Grebners:  ?7Komm  und  hole  mich." 
H.  Ficks:  7,Das  Madchen  von  Fort  Henry"  etc. 

Das  noch  fehlende  Material  konnte  durch  die  Erganzungslekture 
und  den  freien  Yortrag  des  Lehrers,  oder  das  Vorlesen  dem  Zweck  ent- 
eprechender  Geschichtsabschnitte  ersetzt  werden. 

Auch  in  der  Hochschule  lasst  sich  inbezug  auf  diesen  Gegenstand 
viel  Erspriessliches  leisten,  indem  der  Lehrer  die  Errungenschaften  der 
Deutschamerikaner  in  den  Lese-  und  Literaturunterricht  hineinwebt. 
Zu  dem  Opfermut  Winkelrieds  bildet  die  Todesverachtung  Jaspers  eine 
geradezu  wundervolle  Parallele.  Ferner  bietet  ,,die  Jungfrau  von  Or- 
leans" Gelegenheit,  die  Heldentaten  Moll  Pitchers,  ,,der  deutschen  Sol- 
datenfrau  aus  dem  Neckarlande",  sowie  des  deutschen  Madchens  Eliza- 
beth Zahn  zu  erwahnen.  ,,Hermann  und  Dorothea"  bringt  uns  sogar  in 
direkte  Verbindung  mit  der  Auswanderung  der  Deutschen  nach  fremden 
Gestaden.  Die  angefiihrten  Beispiele  diirften  wohl  geniigen,  das  Wie 
des  Unterrichts  zu  erlautern. 

Gelingt  es  uns,  das  Intereses  unserer  Schiller  fur  diesen  Teil  ihrer 
vaterlandischen  Geschichte  zu  erwecken  und  durch  weitere  Lekture  zu 
fordern,  so  haben  wir  nicht  wenig  zur  Hebung  des  deutschen  National- 
bewusstseins  der  deutschamerikanischen  Jugend  beigetragen.  Dann 
diirfen  wir  hoffen,  dass  der  von  uns  ausgestreute  Samen  auf  einen  frucht- 
baren  Boden  gefallen  ist  und  dass  das  heranwachsende  Geschlecht  einst 
mit  uns  sagen  wird: 

Als  Deutschamerikaner  sind  wir  ein  Volk,  welches  eine  glorreiche 
Vergangenheit  aufzuweisen  hat  und  einer  nicht  minder  glorreichen  Zu- 
kunft  getrost  entgegensehen  darf;  als  Amerikaner  hingegen  sind  wir 
nichts  als  eine  unbekannte  Quantitat  in  dem  grossen  Volkergemisch 
dieses  Landes.  Lasst  uns  deshalb  mit  vereinten  Kraften  fiir  die  Bewah- 
rung  und  Erhaltung  unseres  Volkstums  und  seiner  geistigen  Errungen- 
schaften  mit  alien  uns  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  kampfen. 

Der  Preis  ist  gross 
Und  wiirdig  ist  das  Ziel. 


Liber  Schillers  Dramotik. 

Von  Prof.  Starr  Willard  Cutting,  Universitat  Chicago. 


Zu  dem  besten,  was  das  Schillerjahr  (1905)  in  Deutschland  an 
neuen  Wiirdigungen  des  Dichters  hervorgebracht  hat,  gehort  unstreitig 
Kiihnemanns  *  anregendes  Buch,  das  ich  schon  anderwarts  besprochen 
habe.  **  Was  seiner  Leistung  ihre  Eigenart  verleiht,  ist  vornehmlich  die 
ausgesprochene  folgerichtige  Betonung  der  dramatischen  Schopferkraft 
des  Dichters. 

Wer  Schillers  vielseitige  Tatigkeit  als  Schriftsteller  aufmerksam 
betrachtet,  gewinnt  leicht  die  Uberzeugung,  dass  er  vor  allem  zum.  Dra- 
matiker  geboren  war.  Seine  ganze  jugendliche  Lyrik  tragt  unverkennbar 
die  Spuren  der  dramatischen  Tendenz  an  sich.  Uberall,  wo  sie  sich  iiber 
das  Niveau  der  Mittelmassigkeit  erhebt,  verdankt  sie  ihre  Wirksamkeit 
der  Auflosung  des  Gedankenganges  in  Fragen  und  Antworten  —  in  Dia- 
log und  Monolog.  Wir  gedenken  solcher  Gedichte  wie  Hektors  A  b- 
s  c  h  i  e  d  ,  der  ergreifenden  Schilderung  der  Kindesmorderin  und 
der  plastischen  und  packenden  Skizze  der  Schlacht.  Hier  bewegt 
sich  der  Dichter  in  seinem  eignen  Fahrwasser  und  leistet  wirklich 
Grosses,  ja  stellenweise  geradezu  Imponierendes.  Sobald  er  aber  zur 
wirklichen  Lyra  greift  und  seine  eigenen  Liebesgefuhle  zu  besingen 
strebt,  klingt  das  Lied  matt,  gesucht  und  unnatiirlich.  Das  kommt  zum 
grossen  Teil  davon,  dass  er  die  inneren  Vorgange  und  Zustande,  die  er 
ausdriicken  wollte,  nicht  selbst  klar  erschaut.  Statt  dessen  griibelt  er, 
hascht  nach  grossartigen  rhetorischen  Analogiebildern  und  ergeht  sich  in 
unreifen  philosophischen  Spekulationen.  Der  naive  und  zugleich  kiinst- 
lerisch  vollendete  Ausdruck  seiner  eigenen  Gemiitsbewegungen  ist  ihm 
nie  recht  gelungen.  Der  Philosoph  in  ihm  hat  dies  spater  auch  einge- 
sehen  und  in  einem  meisterhaften  Brief  an  Goethe  ausgesprochen. 

Wer  die  Wurzeln  seiner  Macht  als  Biihnendichter  entdecken  will, 
braucht  drei  Bliiteperioden  seines  dramatischen  Konnens  ins  Auge  zu 
f assen :  —  Gleich  in  seinem  ersten  Versuche,  den  R  a  u  b  e  r  n  ,  offenbart 
sich  das  Eigentiimliche  seiner  jugendlichen  Dramatik.  Aus  dem  Kern 
der  Schubartschen  Erzahlung  von  den  beiden  Sohnen  des  Landedel- 


*   Engen   Kfihnemann.     Schiller.     Mfinchen,     C.     H.     Becksche     Verlagsbuch- 
handhmg,  1905,  pp.  XII  +  614. 

**  The  Dial,  Jan.  16,  1906.     pp.  41—45. 


iJber  Schillers  Dramatik.  109 

mannes  —  von  dem  ,,liebenswurdig-genialen"  Karl  und  dem  ,,egoistisch- 
korrekten"  Wilhelm  —  gestaltet  sich  in  Schillers  Phantasie  ein  Konflikt 
des  Menschenwillens  mit  der  moralischen  Weltordnung:  Schon  durch 
die  hier  in  Mitleidenschaft  gezogenen  Gesellschaftsinteressen  unterschei- 
det  sich  Schillers  Werk  himmelweit  von  den  Brudermordsdramen  des 
Jahres  1776  —  von  Klingers  Zwillingen  und  Leisewitzens  Julius 
von  Tarent,  die  man  sonst  wohl  mit  Eecht  als  Vorbild  Schillers 
betrachtet.  Bei  Schiller  wie  bei  seinen  Vorgangern  bildet  die  Familie 
den  Ausgangspunkt  der  tragischen  Geschichte.  Die  Heiligkeit  und  tiefe 
gesellschaftliche  Bedeutung  der  Familienbande  ist  die  Grundvorausset- 
zung  des  Dramas.  Was  sich  tatsachlich  vor  unseren  Augen  vollzieht,  ist 
die  ganzliche  Zerreissung  solcher  Bande  und  die  hohnische  Verleugnung 
ihrer  verpflichtenden  Macht.  Aber  der  Kern  des  dramatischen  Konflikts 
bleibt  durchaus  nicht  auf  die  Familienverhaltnisse  beschrankt.  Schiller 
erblickt  in  Franz  Moor  einen  herzlosen,  kaltberechnenden  Schleicher,  in 
dessen  Handen  sein  schwacher,  leichtglaubiger  Vater  zum  Werkzeug 
<3iner  furchtbaren  Eache  an  dem  alteren,  vom  Vater  bevorzugten  Bruder 
wird.  Durch  gefalschte  Briefe  lasst  ihn  der  Dichter  vorlaufig  ans  Ziel 
seiner  teuflischen  Bestrebungen  gelangen.  In  Karl  Moor  erkennt  man 
einen  edelgesinnten,  liebenswiirdigen,  impulsivischen  Idealisten,  dessen 
studentische  Unbesonnenheiten  und  Torheiten  dem  schwachen  Vater 
schon  viel  Besorgnis  und  Kummer  bereitet  haben  und  dem  schurkischen 
Franz  eine  erwiinschte  Handhabe  bieten  zur  Ausfiihrung  seines  infamen 
A^orhabens.  Und  der  Hauptkonflikt  ist  dennoch  nicht  der  zwischen 
Franz  und  Karl.  Der  gefalschte  Brief  mit  dem  angeblich  vaterlichen 
Bescheid  auf  Karls  reumiitige  Bitte  um  Vergebung,  dieser  moge  als  Ent- 
^rbter  und  Verstossener  dem  Vater  nie  wieder  unter  die  Augen  kommen, 
bringt  den  alteren  Sohn  zur  Verzweiflung.  Er  begeht  den  fiir  eine  reiz- 
bare  und  heftige  Natur  naheliegenden  und  verhangnisvollen  Fehler,  den 
Vater  mit  alien  Vatern  und  alle  Vater  mit  der  Menschengesellschaft  zu 
rerwechseln.  In  der  ihm  soeben  wider fahrenen  unmenschlich  grausamen 
Behandlung  wahnt  er  die  Hand  der  Gesellschaft  iiberhaupt  zu  erkennen. 
Da  richtet  er  sich  stolz  empor  und  gelobt,  sich  fiir  die  erlittene  Unbill  an 
der  Menschheit  zu  rachen.  Der  angeborene  Adel  seiner  Natur  verhindert 
ihn  aber,  an  andere  Eache  zu  denken  als  eine  ordentliche  Abstrafung  der 
schlechten  Elemente  der  Gesellschaft  und  eine  griindliche  Eeformation 
der  sozialen  Ordnung.  Karls  Blindheit  gegen  die  ungeheuren  Dimen- 
sionen  dieses  Programmes  und  sein  iibermassiges  Selbstvertrauen  lassen 
ihn  die  Hauptmannschaft  einer  Bauberbande  ergreifen  zur  Ausfiihrung 
des  verzweifelten  Unternehmens.  Die  moralische  Weltordnung  ist  in 
seinen  Augen  ausser  Gelenk  geraten.  Er  ist  der  Quixotische  Mensch- 
heitsritter,  der  sie  wieder  einrenken  will.  Er  wirft  sich  selbst  mit  dem 
tibermut  der  Jugend  und  Unerfahrenheit  zum  Weltrichter  auf  und  gerat 


110  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  PddagogiJc. 

somit  in  tragischen  Konflikt  mit  der  unabanderlichen  Weltordnung,  die 
er  zu  vertreten  wahnt. 

Sein  Bruder  Franz,  der  Geist,  der  verneint,  stellt  in  Abrede  die  ob- 
jektive  Existenz  einer  moralischen  Weltordnung  iiberhaupt  —  halt  sie 
fiir  lauter  Konventionen  der  herrschenden  Klassen,  urn  den  Pobel  damit 
in  Schranken  zu  halten  —  und  setzt  sich  unbedenklich  dariiber  hinwegr 
um  selbst  herrschen  und  masslos  geniessen  zu  konnen. 

Die  Bruder  Moor  sind  also  typische  Verkorperungen  des  Menschen- 
willens,  der  sich  gegen  Gott  auflelmt.  Der  lieblose  Pessimist  und  der 
betrogene  kurzsichtige  Idealist  geraten  beide  in  tragischen  Konflikt  mit 
der  unverletzbaren  Gesetzlichkeit  der  moralischen  Welt.  Wie  Eugen 
Kuhnemann  sagt:  ,,Gott,  den  Franz  in  seiner  Frechheit  leugnete,  dem 
Karl  in  seiner  Vermessenheit  vorgriff,  hat  gesiegt."  Die  R  a  u  b  e  r  sind 
eben  kein  blosses  Familiendrama,  auch  kein  blosses  Gesellschaftsdramay 
sondern  in  erster  Reihe  ein  Menschheitsdrama.  Der  Einfluss  Rousseaus 
liegt  hier  auf  der  Hand.  Die  Grossartigkeit  der  Anlage  erhebt  dieses 
Drama  aber  iiber  alle  Erstlingsversuche  in  der  Weltliteratur.  Die  Kraft- 
und  Saftlosigkeit  des  passiven  alten  Vaters,  die  Puppenhaftigkeit  der 
von  beiden  Briidern  umworbenen  Amalie,  die  Maschinenmassigkeit  des 
Bastards  Hermann,  die  traumhafte  Phantastik  der  Rauberwirtschaft  im 
Bohmerwalde,  die  Unglaubwurdigkeit  der  zahlreichen  Verkleidungs- 
szenen  und  viele  andere  Kruditaten  vergisst  man  augenblicklich  ange- 
sichts  des  erschiitternden  Kampfes  wider  die  Gesetze  des  Menschen- 
wesens,  die  zugleich  Weltgesetze  sind.  Wir  lassen  uns  eben  vom  grandio- 
sen  Schauspiel  hinreissen,  ohne  anfangs  die  Liicken  und  Ungereimtheiten 
des  Bildes  zu  erkennen.  Was  dies  bewirkt,  ist  charakteristisch  fiir  Schil- 
lers  jugendliche  Dramatik.  Die  Handlung  selbst  bewegt  sich  mit  soldi 
vorwartsstromender  Gewalt  und  iiberzeugender  Lebensahnlichkeit,  dass 
man  die  Trager  der  Handlung  erst  spater  auf  deren  Wirklichkeit  und 
psychologische  Ijebensfahigkeit  hin  priift.  Die  bisherigen  Beziehungen 
des  einundzwanzigjahrigen  Dichters  zu  der  grossen  Menschenwelt  waren 
zu  beschrankt,  als  dass  er  nicht  oft  beim  Ausarbeiten  psychologischer 
Momente  hatte  fehlgreifen  miissen.  Dass  es  ihm  trotzdem  gelang,  auf 
den  ersten  Schlag  eine  so  ergreifende  Tragodie  und  ein  so  zugkraftiges 
Biilinenstiick  zu  dichten,  stempelt  ihn  unverkennbar  zum  grossen  Dra- 
matike?. 

Schillers  nachster  dramatischer  Versuch  leidet  an  der  ungliicklichen 
Wahl  des  zu  behandelnden  Stoffes.  Er  kannte  noch  zu  oberflachlich  die 
Geschichte  der  Verschworung  des  Fiesko  de  la  Vagna,  um  einsehen  zu 
konnen,  dass  dessen  ehrgeizige,  selbstsiichtige  Bestrebungen  nichts  He- 
roisches  an  sich  haben,  und  dass  dessen  Fall  nach  einer  Reihe  von  schein- 
bar  gutgelungenen  Intriguen  den  Zuscliauer  kalt  lasst  und  ihm  gar  kein 
tragisches  Mitleid  einflosst.  Schillers  Fiesko  bleibt  also  trotz  aller  tech- 


Scliillers  Dramatik.  Ill 

nischen  Vorziige  des  Aufbaues,  trotz  des  hier  bewiesenen  Fortschrittes 
liber  die  R  a  u  b  e  r  in  der  Zeichnung  weiblicher  Charaktere  und  trotz  der 
meisterhaft  erdachten  und  konsequent  ausgefiihrten  Gestalt  des  schlag- 
fertigen,  zu  allem  Bosen  anstelligen  Galgenstricks  von  Mohr,  bloss  ein 
geniales  Intriguenstiick. 

Anders  verhalt  es  sich  aber  mit  dem  dritten  Wurf ,  der  L  u  i  s  e 
Millerin,  die  Iffland  in  K  a  b  a  1  e  und  Liebe  umtauf te.  Auch 
hier  beginnt  man  mit  der  Familie.  Eine  Biirgerstochter  liebt  den  Sohn 
eines  Adeligen  und  meint,  das  bedrohte  Leben  ihres  Vaters  durch  Ver- 
zichtleistung  auf  ihre  Liebe  retten  zu  miissen.  Ein  Konflikt  also  hier 
zwischen  den  natiirlichen  Eingebungen  des  Herzens  und  der  kindlichen 
Pflicht.  Bald  zeigt  es  sich  aber,  dass  die  Tragik  der  Situation  noch  tiefer 
liegt.  Denn  Luise  liebt  Ferdinand,  den  Sohn  des  Prasidenten  von 
Walther,  eines  politischen  Strebers  von  der  schlimmsten  Sorte.  Der 
President  Walther  hat  namlich  alles  dran  gesetzt,  -  -  Geld,  das  Wohl 
seiner  Familie,  seine  Ehre,  —  hat  sich  sogar  mit  dem  Mord  seines  Vor- 
gangers  besudelt,  um  die  schwindlige  Hohe  zu  erklimmen,  wo  er  als  tat- 
sachlicher  Herrscher  des  Landes  dasteht.  Der  Fiirst,  ein  schoner,  genuss- 
liebender  Schwachling,  hat  schon  dem  Emporkommling  von  Prasidenten 
die  Regierung  abgetreten,  um  seine  brillanten  Eigenschaften  als  Gesell- 
scliafter  und  feuriger  Liebhaber  glanzen  lassen  zu  konnen.  Der  Prasi- 
dent  ist  stets  darauf  bedacht,  alles  zu  tun,  was  seinen  Einfluss  auf  den 
wetterwendischen  Fiirsten  befestigen  und  vermehren  kann.  Seine  Durch- 
laucht  ist  aber  eben  seiner  bisherigen  Matresse,  der  Lady  Milford,  iiber- 
driissig  geworden  und  mochte  sie  an  irgend  einen  seiner  Hoflinge  abtre- 
ten.  Deshalb  der  Entschluss  des  Prasidenten,  dem  Fiirsten  dadurch 
einen  Liebesdienst  zu  erweisen,  dass  er  gerade  seinen  Sohn  Ferdinand 
zum  Gemahl  der  verabschiedeten  Matresse  in  Vorschlag  bringt.  Daraus 
erklart  sich  vornehmlich  des  Prasidenten  unerbittliche  Opposition  gegen 
Ferdinands  Liebe  zu  Luise  Miller.  Sie  ist  ihm  nun  einmal  im  Wege  und 
er  ist  gewohnt,  alle  Hindernisse,  die  sich  der  Ausfiihrung  seiner  egoisti- 
schen  Plane  entgegenstellen,  zu  durchbrechen.  Eine  angebliche  Liebe 
zu  seinem  Sohne,  Ferdinand,  ist  im  Grunde  nur  Sorge  um  den  kiinftigen 
Glanz  seines  Hauses  —  also  nur  Selbstliebe.  Der  Konflikt  entbrennt  also 
zwischen  der  Liebe  Luisens  und  Ferdinands  auf  der  einen  Seite  und  den 
ruchlosen  Machinationen  des  politischen  Strebertums  auf  der  andern. 
Denn  der  Prasident  von  Walther  scheut  vor  keiner  Niedertrachtigkeit 
zuriick  beim  Versuch,  seinen  Willen  hier  durch zusetzen.  Er  schwarzt  den 
Charakter  der  Luise  an,  insultiert  sie  in  Gegenwart  seines  Sohnes  und 
ihres  Vaters  und  zwingt  sie  durch  Gefangennahme  und  Bedrohung  des 
Lebens  ihres  Vaters,  einen  erlogenen,  kompromittierenden  Brief  zu 
schreiben,  wodurch  sie  die  Eifersucht  und  die  Verachtung  ihres  Gelieb- 
ten  zu  rechtfertigen  scheint.  Aber  der  wahre  Konflikt  liegt  noch  tiefer 


112  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

als  dies.  Denn  in  den  hier  geschilderten  Hofkreisen  nimmt  man  keinen 
Anstoss  an  den  hinterlistigen  Kniffen  und  Verbrechen,  die  ein  Mensch 
vom  Gelichter  des  Prasidenten  anwendet,  um  hinaufzukommen.  Der 
ganze  Hof  wird  als  morsch  und  faul  dargestellt.  Wer  die  verpestete  Hof- 
luft  atmet,  erliegt  bald  der  Ansteckung  und  stumpft  sich  gegen  jedes 
Gefiihl  der  moralischen  Pflicht  ab.  Dass  eine  solche  nichtswiirdige  Ge- 
sellschaft  Standesvorurteile  gutheisst,  ist  selbstverstandlich ;  denn  Stan- 
desvorurteile  sind  gerade  die  Sprossen  der  Leiter,  die  der  politisch-gesell- 
schaftliche  Streber  ersteigen  will.  Der  Hauptkonflikt  des  Dramas  ist 
aber  ein  Kampf  der  natiirlichen  Liebe  nicht  etwa  gegen  Standesvorur- 
teile, wie  man  so  oft  irrigerweise  behauptet,  sondern  gegen  eine  Men- 
schengesellschaft,  deren  durchschnittliche  Lebensfiihrung,  Bestrebungen 
und  Belohnungen  derart  sind,  wie  sie  sich  uns  hier  offenbaren.  Das 
Drama  ist  also  ein  Protest  gegen  Auswiichse  und  Missbjauche  der  Gesell- 
schaft.  Hier  wie  in  den  II  ii  u  b  e  r  n  bezieht  Schiller  die  Einzel- 
geschichte  seiner  Charaktere  auf  grosse  Weltverhaltnisse.  In  diesem 
dritten  Versuch  wird  der  schon  von  Karl  Moor  abgegeisselte  Minister, 
,,der  sich  aus  dem  Pobelstaub  zum  ersten  Giinstling  emporgeschmeichelt 
hatte  und  dem  der  Fall  seines  Nachbars  seiner  Hoheit  Schemel  war", 
zum  Vertreter  des  Gegenspiels  gemacht  und  als  solcher  gehb'rig  an  den 
Pranger  gestellt.  Schiller  charakterisiert  ihn,  sowie  seine  Werkzeuge, 
den  aalglatten,  duckmauserigen  Sekretar  Wurm  und  den  eiteln,  abge- 
schmackten  alten  Gecken,  den  Hofmarschall  von  Kalb,  hinlanglich 
scharf,  so  dass  sie  uns  als  wirkliche  Menschen  von  Fleisch  und  Blut  ent- 
gegentreten.  Dasselbe  gilt  auch  von  Vater  Miller  mit  seiner  Grundehr- 
lichkeit  und  seinen  kleinbiirgerlichen  Ansichten  iiber  Anstand  und  sein 
Vater-  und  Hausrecht.  Die  Liebenden  spielen  leider  wahrend  der  ganzen 
ersten  Halfte  der  Tragodie  eine  passive  Rolle,  da  der  President  hier  alle 
Hebel  in  Bewegung  setzt,  um  seine  Intriguen  gegen  sie  geltend  zu  ma- 
chen.  Ferdinand  und  Luise  kommen  mit  anderen  Worten  erst  nach  einer 
Scheinexistenz  wahrend  mehrerer  Szenen  zur  vollen  Geltung  als  deutlich 
individualisierte  Menschen  in  der  zweiten  Halfte  der  Dichtung.  Lui- 
sens  fast  willenlose  Eesignation  in  den  ersten  Auftritten  des  Dramas  und 
ihre  Widerstandslosigkeit,  wo  sie  sich  den  erlogenen  Brief  von  Wurm  in 
die  Feder  diktieren  lasst,  stehen  in  grellem  Widerspruch  zu  ihren  beherz- 
ten,  einsichtsvollen  und  tiefsinnigen  Ausserungen  an  Lady  Milford,  als 
diese  sie  zur  Verzichtleistung  auf  ihre  Liebe  zu  bewegen  sucht.  Trotz 
der  Fortschritte  in  der  Zeichnung  weiblicher  Charaktere,  die  man  im 
Fiesko  an  der  Leonore  und  der  Julia  konstatieren  muss,  wollte  diese 
Kunst  dem  Dichter  immer  noch  nicht  recht  gelingen.  Dazu  reichte  seine 
Erkenntnis  der  wirklichen  Welt  nicht  aus.  Franziska  von  Hohenheim, 
die  Matresse  und  spater  die  Frau  des  Herzogs  Karl  Eugen,  von  deren 
segensreichem  Einfluss  auf  den  Herzog  man  viel  Gutes  sagt,  war  fast  die 


ti&er  Schillers  DramatiJc.  113 

einzige  Frau  ausserhalb  seiner  eigenen  Familie,  die  er  damals  einiger- 
massen  gut  kannte.  Mehrere  Ziige  der  Lady  Milford,  deren  beste  Seite 
ihr  den  Wunsch  einflosst,  sich  mit  Ferdinand  zu  vermahlen,  um  einem 
ihr  verhassten  Leben  zu  entfliehen  und  sich  in  der  Welt  zu  rehabilitieren, 
sind  ohne  Zweifel  der  Franziska  von  Hohenheim  abgelauscht.  Sie  iiber- 
trifft  auch  an  Lebenswahrheit  die  Luise.  Ihre  Funktion  im  Drama  ist 
doppelt:  Durch  ihre  lange  Unterredung  mit  Ferdinand  steckt  sie  ihm 
ein  Licht  auf  iiber  die  ihm  und  seiner  Geliebten  drohende  Gef ahr ;  durch 
ihre  Verzweiflung  symbolisiert  sie  fiir  uns  gleich  vor  der  letzten  Kata- 
strophe  den  moralischen  Sieg  der  scheinbar  Unterliegenden. 

Wie  in  den  R  a  u  b  e  r  n  ,  stellt  uns  Schiller  auch  hier  gleich  anfangs 
mitten  in  die  Handlung  hinein.  Die  einleitenden  Szenen  sind  ein 
Meisterstiick  der  Exposition.  Durch  die  denkbar  sparsamste  Verwen- 
dung  der  Sprache  orientiert  uns  der  Dichter  iiber  die  Voraussetzungen 
des  vorliegenden  Konflikts  und  gewahrt  uns  gleichzeitig  einen  tiefen 
Einblick  in  das  Wesen  des  zu  behandelnden  Problems.  Was  die  Sprache 
und  die  Anordnung  der  Szenenreihe  anbetrifft,  ist  bei  K  a  b  a  1  e  und 
L  i  e  b  e  ein  grosser  Fortschritt  iiber  die  R  a  u  b  e  r  zu  konstatieren. 
In  diesem  dritten  Stuck  wie  in  den  R  a  u  b  e  r  n  ist  Schiller  von  der  er- 
greifenden  Tragik  des  geschilderten  Schicksals  tief  erschiittert,  und  er 
weiss  uns  durch  den  Anblick  des  hier  entrollten  Bildes  auch  zu  packen 
und  zu  erschuttern.  Trotz  der  inkonsequent  gezeichneten  Gestalt  der 
Luise,  der  nicht  ganz  befriedigend  motivierten  Gesinnungsanderung  der 
Lady  Milford  und  der  verbal tnismassig  passiven  Rollen  der  Liebenden 
wahrend  der  ersten  Halfte  der  Handlung,  bleibt  doch  dieses  Drama  ein 
schlagender  Beweis  von  der  beispiellosen  Kraft  des  jungen  Dichters  als 
Protestierender  gegen  die  abgriindige  Schlechtigkeit  und  die  himmel- 
schreiende  Ungerechtigkeit  der  damaligen  deutschen  Gesellschaft. 

In  seinem  Don  Karlos  bleibt  der  Dichter  zwar  immer  noch  Ver- 
fechter  einer  leicht  erkennbaren  Tendenz :  er  tritt  noch  nicht  mit  kiinstle- 
rischer  Unbefangenheit  undVorurteilslosigkeit  an  die  Gegenstande  seiner 
Betrachtung  heran.  Er  erblickt  vielmehr  hier  wieder  einen  Zustand  des 
Menschenlebens,  den  er  einmal  dramatisch  an  den  Pranger  stellen  will. 
Er  iibertrifft  aber  hier  bei  weitem  sein  friiheres  Konnen  in  der  Gestal- 
tung  seiner  Menschen  und  in  der  Beherrschung  der  technischen  Mittel 
der  tragischen  Kunst. 

Im  ersten  Entwurf  blieb  Schiller  noch  unter  dem  Einfluss  seiner 
franzosischen  Vorlage  und  schilderte  ganz  einfach  den  Kampf  zwischen 
der  Liebe  des  Prinzen  zu  seiner  friiheren  Braut  —  jetzt  der  Gemahlin 
seines  Vaters  —  und  allem,  was  an  Hofintriguen  dieser  Liebe  entgegen- 
steht.  Er  spricht  zwar  schon  friih  in  einem  Brief  an  Reinwald  von  sei- 
nem Kampf  gegen  die  Inquisition;  aber  die  nebensachliche  Rolle  des 
Marquis  Posa  beweist  zur  Geniige,  dass  dieser  Kampf  anfangs  wenig  be- 


114  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

deutete.  Spater  verschiebt  sich  der  Akzent  auf  eine  ganz  andere  Silbe. 
Die  Liebe  des  Prinzen  war  anfangs  das  menschenwiirdige  Moment,  des- 
sen  Sieg  iiber  ungunstige  Umstande  und  Hofintriguen  man  vergebens 
erhofft  und  dessen  Unstern  man  tief  beklagt.  Jetzt  aber  gesellt  sich  die 
Liebe  des  Prinzen  zu  den  Hofintriguen,  der  Verstocktheit  des  Konigs 
und  der  grausamen  Bigotterie  und  Herrsehgier  der  Kirche,  als  Hinder- 
nisse  im  Wege  der  Einfiihrung  eines  menschenwiirdigen  Lebenszustandes 
in  Flandern.  Sie  muss  von  den  Freunden  der  Freiheit  und  der  Humani- 
tat  bekampft  und  entweder  vertilgt  oder  veredelt  werden.  Deshalb  die 
Verwandlung  der  bloss  schonen,  liebenswiirdigen  und  ungliicklichen  K6- 
nigin  in  einen  feinfiihligen,  edelgesinnten  echt  weiblichen  Charakter. 
Diese  Kdnigin  zeigt  dem  Prinzen  kerne  Gegenliebe,  sondern  weist  ihn 
mit  edeln,  begeisternden  Worten  auf  seine  Pflicht  gegen  die  Yolker  seines 
Reiches  bin.  In  ihr  findet  Posa  nun  eine  starke  Mitbelferin  zur  Aus- 
fiihrung  seiner  Ideale  einer  gerechten  und  humanen  Behandhmg  der 
Niederlande.  Er  verbindet  sich  namlich  mit  ihr  zur  Erziehung  seines 
Jugendfreundes  Karlos  zur  Selbstbeherrschung  und  zur  Liebe  der  hoch- 
sten  Giiter  der  Menscbheit.  Denn  in  dem  Prinzen,  der  doch  bald  Konig 
sein  wird,  erblickt  er  den  Retter  und  Befreier  eines  gequalten  und  arg 
misshandelten  Volkes.  Posas  eigene  Bedeutung  in  der  Okonomie  des 
Stiickes  nimmt  bei  dieser  Wandlung  riesig  zu.  Begeisterte  Liebe  zu 
seinem  Jugendfreund  und  Hoffnung  auf  die  Verwirklichung  durch  Kar- 
los von  seinen  uneigenniitzigen  Bestrebungen  um  das  Wohl  des  Vater- 
landes  sind  die  Triebfedern  seines  Handelns.  Er  wird  also  fortan  mit 
der  Ivonigin  zum  Vertreter  der  Ideale,  die  auch  im  Busen  des  jungen 
Prinzen  schlummern,  die  aber  erst  jetzt  dem  Konigssohn  zum  Leitprinzip 
des  Lebens  werden.  Ihr  unablassiges  Bemiihen  durch  den  ganzen  wei- 
teren  Yerlauf  des  Dramas  geht  dahin,  diesem  Leitprinzip  den  dauernden 
Sieg  zu  verschaffen  iibcr  die  anfangliche  leidenschaftliche  Liebe  zur 
Konigin. 

Karlos  erstarkt  auch  zusehends  unter  dem  Einfluss  seiner  Freunde. 
Er  will  nach  Flandern  und  sich  zu  Ounsten  des  Landes  an  der  Regierung 
beteiligen.  Er  sucht  und  bekommt  eine  Audienz  beim  Konig,  wobei  er 
ihm  seine  Wiinsche  vortragt.  Vom  Konig  wird  er  aber  mit  bitterem 
Hohn  zuriickgewiesen.  Das  schmerzt  und  wurmt  ihn  tief  und  bringt 
ihn  mit  seinem  soeben  gefassten  mannlichen  Entschluss  ins  Wanken. 
Dazu  kommt  die  irrefiihrende  Episode  mit  der  Eboli,  die  ihm  Hoffnung 
auf  einen  gliicklichen  Ausgang  seiner  Liebe  zur  Konigin  eroffnet.  Posa 
entschliesst  sich  zum  Opfertod,  um  durch  den  erschiitternden  und  zu- 
gleich  stahlenden  Eindruck  dieses  Ereignisses  Don  Karlos  auf  immer  fiir 
die  von  beiden  geliebten  hohen  Menschbeitsideale  zu  gewinnen. 

Aus  einem  Familienintriguenstuck  ist  also  eine  wirklich  grosse 
sozial-politische  Tragb'die  geworden.  Es  erweitert  und  vertieft  sich  durch 


~Uber  Schillers  Dramatik.  115 

die  veredelte  Funktion  der  Liebe  Karls  zu  seiner  Mutter,  der  Konigin,. 
durch  die  Momente  seiner  Erziehung  zum  Bewusstsein  seiner  niederlan- 
dischen  Mission  und  vor  allem  dnrch  die  ausschlaggebende  Rolle  des 
Marquis  Posa. 

Mit  ausserordentlicher  Geschicklichkeit  stellt  Schiller  eine  vierfache 
Tragik  in  den  Dienst  seiner  beredten  Anklage  gegen  die  Unmenschlich- 
keiten  des  spanischen  Despotismus  und  der  spanischen  Inquisition.  Der 
starrsinnige,  bigotte,  absolutistisch  gesinnte  Konig  Philipp  steht  einsam 
und  gefiirchtet  da,  mitten  unter  den  Menschen  seiner  Umgebung.  Unter 
all  seinen  Hoflingen  ist  kein  einziger,  der  ihin  vertraut,  kein  einziger,  auf 
den  er  sich  in  der  Xot  verlassen  konnte.  Trotz  seiner  Eitelkeit  und 
seiner  Selbstgeniigsamkeit  sehnt  er  sich  doch  zuweilen  unter  solchen  Um- 
standen  nach  einem  Freunde,  der  nicht  zugleich  Augendiener  ware,  bei 
dem  er  sich  Rats  erholen  konnte.  Furchtbar  und  zugleich  beklagenswert 
erscheint  er  in  seiner  Isoliertheit.  Da  naht  sich  ihm  Posa,  der  geist- 
reiche,  hochherzige,  menschenfreundliche  Idealist  und  appelliert  an 
seine  zwar  atrophierte  aber  gewiss  noch  entwicklungsfahige  humanere 
Seite  —  versucht  ihn  fur  die  Sache  der  Gewissensfreiheit  zu  gewinnen. 
Der  Konig  kommt  ihm  etwas  entgegen,  fasst  Vertrauen  zu  dem  offenen, 
gradsinnigen  Menschen,  an  dem  ef  keine  Spur  von  Stellenjager  ent- 
decken  kann,  und  macht  ihn  zu  seinem  ersten  Minister.  Wie  jeder  rechte 
Despot  ist  der  Konig  aber  sehr  argwohnisch  und  hat  Posa  und  die  von 
ihm  vertretenen  Ansichten  iiber  Menschenfreiheit  im  Verdacht,  als  stiin- 
den  sie  im  Btindnis  gegen  die  Fortdauer  seiner  Herrschaft.  Ein  aufge- 
fangener  Brief  des  Marquis  an  Oranien  fiihrt  ihn  zur  Ermordung  seines 
besten  Freundes  und  zur  Besudelung  seiner  Hande  mit  dem  Blut  seines 
eigenen  Sohnes.  In  diesem  schlimmen  Riickfall  des  Monarchen  und 
seiner  schliesslichen  blinden  Unterwiirfigkeit  unter  die  Kirche  erblickt 
man  die  Tragik  seines  Schicksals. 

Don  Karlos  erscheint  anfangs  als  das  Opfer  seiner  eigenen  leiden- 
schaftlichen  Liebe  zu  seiner  gewesenen  Braut,  die  ihm  der  Vater  in  an- 
masslicher  Weise  entrissen  und  selber  geheiratet  hat.  Er  ist  gar  nicht 
imstande.  auf  eigene  Hand  seiner  Leidenschaft  Herr  zu  werden.  Wegen 
der  Hofetikette  darf  er  auch  nicht  fiiehen.  In  seiner  Not  und  Qual  findet 
er  an  der  edeln  Konigin  und  seinem  Jugendfreund,  dem  Marquis  Posa, 
die  Mittel,  deren  er  bedarf,  um  die  angeborene  Mannlichkeit  seiner  Natur 
die  Oberhand  gewinnen  zu  lassen.  Seine  Abneigung  gegen  den  Despotis- 
mus des  Vaters  vereinigt  sich  mit  dem  Groll  wegen  der  geraubten  Braut 
und  begeistert  ihn  fiir  die  freiheitlichen  Bestrebungen  und  Hoffnungen 
Posas  und  der  Konigin.  Vor  unseren  Augen  entwickelt  er  sich  vom 
schwankenden,  verzweifelnden  Liebhaber  zum  wiirdigen  Mithelfer  des 
Marquis  und  zu  einem  Thronfolger  des  Philipp,  von  dem  man  die  Ab- 
schaffung  der  Inquisition  erhoffen  darf.  Unter  dem  zerschmetternden 


116  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Einfluss  des  freiwilligen  Opfertodes  seines  Freundes  stellt  er  sich  unab- 
anderlich  im  bewussten  Gegensatz  zum  Vater  auf  die  Seite  der  Freiheit. 
Dies  kann  ihm  Philipp  noch  weniger  verzeihen  als  seine  ungliickliche 
Liebe  zur  Konigin.  Auf  dem  Wege  seiner  eigenen  Veredelung  ereilt  ihn 
also  der  Tod.  Dies  ist  die  ergreifende  Tragik  seines  Konfliktes. 

Marquis  Posa  tritt  als  ein  starker,  mannlicher  Geist  vor  uns  hin  — 
gewohnt,  sich  selbst  zu  beherrschen,  und  deshalb  fahig,  als  markante  Per- 
sonlichkeit  auch  andere  seinem  Willen  zu  beugen.  Ihm  liegt  alles  daran, 
einen  Statthalter  fur  die  Niederlande  zu  gewinnen,  der  der  Inquisition 
den  Todesstoss  und  dem  Volke  Gewissensfreiheit  geben  wird.  Deshalb 
seine  unablassigen  Bemiihungen,  Karlos  zu  dieser  Aufgabe  zu  erziehen. 
Deshalb  auch  sein  kiihner  Versuch,  Kb'nig  Philipp  fiir  seine  Ideale  zu 
interessieren.  Seine  Einsicht,  rastlose  Energie  und  Schlagfertigkeit 
wiirden  ihm  auch  zum  Sieg  verholfen  haben,  wenn  er  sich  nicht  an  einem 
Punkte  iiberstiirzt  hatte.  Statt  sich  genau  iiber  Don  Karlos'  Worte  an 
die  Eboli  zu  informieren,  als  der  Konigssohn  Posas  geheimnisvolles  We- 
sen  augenblicklich  missversteht  und  die  Prinzessin  Eboli  leidenschaftlich 
bestiirmt,  sie  moge  ihm  doch  Zutritt  bei  der  Konigin  verschaffen,  verhaf- 
tet  er  sofort  den  Prinzen  und  schreibt  den  verhangnisvollen  Brief  an 
Oranien.  Nur  durch  seinen  Opfertod  meint  er,  den  Prinzen  in  den  Voll- 
besitz  seines  Willens  setzen  zu  konnen.  Er  geht  also  an  einem  Ubermass 
von  Selbstvertrauen  zu  Grunde. 

Die  hoheits voile,  treue  Gemahlin  des  Konigs  leistet  Posa  wackeren 
Bcistand  bei  seinen  Bestrebungen,  den  Infanten  Karlos  an  die  Statthal- 
terschaft  der  Xiederlande  zu  bringen.  Der  Edelmut  und  das  Zartgefiihl 
dieser  stolzen  Franzosin  bekunden  isch  in  ihrem  tadellosen  Lebenswandel 
am  spanischen  Hofe.  Der  Prinz  steht  im  Begriff,  schon  ausser  Landes 
zu  gehen,  da  soil  er  sie  noch  ein  einizges  Mai  vor  der  Abreise  allein  spre- 
chen.  Am  Schluss  des  Dramas  stehen  also  die  Konigin  und  Karlos  ein- 
ander  schuldlos  gegeniiber,  und  werden  doch  beide  zum  Opfer  des  hofi- 
schen  Intriguenspiels  und  der  grausamen  Herrschgier  der  Kirche. 

Also  vier  Menschen  geraten  beim  redlichen  Versuch,  den  Eingebun- 
gen  ihrer  hoheren  Natur  Folge  zu  leisten,  mit  der  leib-  und  geisttotenden 
Macht  der  politischen  Kabale  und  der  fanatischen  Kirche  in  tragischen 
Konflikt.  Und  Schiller  weiss  uns  dennoch  die  Uberzeugung  einzuflossen, 
dass  der  wirkliche  Kampf  des  Dramas  der  Seelenkampf  im  Busen  des 
Prinzen  sei,  dessen  gliicklicher  Ausgang  uns  die  ausserliche  Tragik  aus 
der  richtigen  Perspektive  betrachten  lasst.  Das  Ganze  endet  also  mit 
einem  blossen  Scheinsieg  des  Bosen  und  mit  dem  wirklichen  Sieg  des 
Guten. 

Don  Karlos  bleibt,  trotz  gelegentlicher  f alscher  Zeichnung,  die 
wohl  bei  dem  Grossinquisitor  an  die  Karrikatur  grenzen  mag,  trotz  des 
offenbar  iibertriebenen  Eifers  der  drei  Freiheitsfreunde  und  aller  sonsti- 


S chillers  DramatiJc.  117 

gen  Mangel  des  Tendenzstils  dennoch  eine  gewaltige  dramatische   Lei- 
stung  und  ein  packendes  Biihnenstuck  bis  auf  den  heutigen  Tag. 

Schiller  sollte  aber  mit  seinem  Wallenstein  und  den  darauf 
folgenden  Dramen  noeh  Schoneres  und  Grosseres  leisten.  Was  Don 
Karlos  von  diesen  spateren  Werken  trennt,  ist  ein  Unterschied  nicht  des 
Grades,  sondern  der  Art.  Unter  dem  Einfluss  seines  .  Jena-Weimarer 
Lebens  hat  sich  Schiller  zu  einem  andersartigen  Kiinstler  ausgereift. 
Seine  historischen  und  philosophischen  Studien,  sein  Verkehr  mit  Buch- 
handlern,  Verlegern  und  Berufsgenossen,  sein  gliickliches  Leben  im 
Kreise  seiner  Freunde  und  seiner  Familie  haben  dazu  mitgewirkt,  ihn  die 
Welt  mit  anderen  Augen  als  fniher  ansehen  zu  lassen.  Vor  allem  darf 
man  aber  Goethes  bildenden  Einfluss  hier  nicht  ausser  Acht  lassen. 
Goethe  war  von  Natur  kein  grosser  Dramatiker;  er  besass  aber  in  hohem 
Masse  die  Gabe,  die  Welt  mit  scharfem,  ruhigem,  unbefangenem  Blick 
anzuschauen  und  das  also  gewonnene  Bild  kiinstlerisch  wiederzugeben. 
Gerade  diese  Gabe  hatte  Schiller  bisher  zu  wenig  zu  Gebote  gestanden. 
Hier  ist  er  also  jahrelang  bei  seinem  Freunde  in  die  Schule  gegangen 
und  hat  teils  infolgedessen  eine  hohere  und  bessere  Dramatik  zustande 
gebracht. 

Am  Wallenstein  erkennen  wir  den  neuen  Typus.  Charakte- 
ristisch  fiir  die  neue  Technik  ist  die  unparteiische  Behandlung  der  guten 
und  der  bosen  Gestalten  des  Spiels.  Schiller  ist  hier  kein  Prediger  mehr. 
Er  ist  nicht  darauf  aus,  einen  gewaltigen  Protest  gegen  Missbrauche  ein- 
zulegen  oder  die  Begehungs-  und  Unterlassungssiinden  der  Menschheit 
abzustrafen.  Er  zieht  sich  selbst  als  Kiinstler  ganz  von  der  Blihne  zuriick 
und  lasst  die  Charaktere  der  Tragoclie  zu  Worte  kommen.  Friiher  hatte 
er  sie  oft,  z.  B.  in  den  E  a  u  b  e  r  n  und  Kabale  und  Liebe,  unter- 
brochen  und  seine  Bemerkungen  iiber  ihre  Lage  fiir  ihre  eigenen  natiir- 
lichen  Ausserungen  substituiert.  Keine  Spur  davon  hier !  Er  gestattet 
sich  auch  keine  Karrikaturen  mehr,  wie  noch  im  Don  Karlos,  um 
auf  diese  Weise  eine  Art  Weltgericht  im  voraus  gegen  Bosewichter  abzu- 
halten.  Mit  anderen  Worten,  er  strebt  dieselbe  Art  Objektivitat  an,  die 
man  bei  Goethe  antrifft  und  bewundert. 

Hier  wie  im  Don  Karlos  gait  es,  ein  weitschichtiges,  vielver- 
zweigtes  historisches  Thema  einheitlich  zu  gestalten.  Hier  wie  dort  be- 
wahrt  sich  auch  Schillers  gewaltiges  Konnen  in  gerade  dieser  Hinsicht. 
Die  Aufgabe  war  aber  beim  Wallenstein  ungleich  schwerer  als  beim 
Don  Karlos.  Denn  bei  einer  solchen  verwirrenden  Menge  von  Tat- 
sachen  gait  es  eine  geeignete  Auswahl  der  bezeichnendsten  zu  treffen; 
die  verschiedenen  eigenhandigen  politischen  Plane  des  Illo,  Questenberg, 
Oktavio,  Piccolomini,  Butler  und  anderer  mussten  gehorig  ineinander- 
greifen;  und  ein  moralisch  verdammenswertes  Unternehmen  politischen 
Ehrgeizes  musste  uns  imponierend  und  anziehend  erscheinen,  trotz  des- 


118  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

sen  physischen  Misslingens  durch  Wallensteins  eigenes  Ungeschick.  Was 
aber  fur  Schillers  Kunst  noch  abschreckender  erschien,  war  der  kalte 
Verstandesmensch,  Wallenstein,  und  dessen  unbeugsame,  kiihl  berech- 
nende  Natur.  Alle  bisherigen  Tragodienhelden  Schillers  sind  verschie- 
deneArten  von  Idealisten:  sein  Wallenstein  ist  ein  Realist,  Vertreter  einer 
Menschenklasse,  der  die  materielle  Welt  gehort.  Er  darf  nie  wirklichen 
Seelenadel  zeigen  —  nirgendwo  wirklich  gross  oder  wiirdig  erscheinen. 
Unter  dem  Drang  der  Not  muss  er  versuchen,  sich  klug  zu  behaupten, 
ohne  sich  jemals  grossen  Ideen  aufopfern  zu  wollen.  Uns  durch  einen 
solchen  Charakter  zu  erschiittern  und  uns  tragisches  'Mitleid  einzuflossen, 
darin  bestand  die  neue  Aufgabe  der  Schillerschen  Kunst. 

Hier  wollte  der  Dichter  den  Zufall,  der  noch  im  Don  Karlos  mit- 
spielte,  ganzlich  ausscheiden.  Deshalb  seine  Klage  an  Goethe  vom  28. 
November  1796,  das  Schicksal  im  rechten  Sinn  des  Wortes  habe  noch  zu 
wenig  und  Wallensteins  Fehler  habe  noch  zu  viel  mit  dessen  Missgeschick 
zu  tun.  Professor  Eugen  Kiihnemann  hat  in  seiner  Schillerbiographie 
recht,  indem  er  betont,  Schiller  meine  damit,  es  ware  notig,  fiir  die  zu- 
fallige  Ungeschicklichkeit  des  Einzelmenschen  die  hohe,  innere,  unerbitt- 
liche  Notwendigkeit  des  von  bestimmten  Gesetzen  beherrschten  Lebens  zu 
substituieren.  In  diesem  Drama  will  Schiller  uns  ein  iiberzeugendes, 
lebenstreues  Bild  der  wirklichen  Welt  bieten.  Seine  Methode  ist  die  des 
Sophokles  bei  dessen  Konig  Odipus  —  d.  h.,  er  beschrankt  die  vor- 
gefiihrte  Handlung  auf  eine  Entfaltung  der  Folgen  voraufgegangener 
Taten  und  Geschehnisse. 

Im  Lager  haben  wir  scharf  gegen  einander  abgegrenzte  Gruppen 
fideler,  streitlustiger,  hazardspielender,  tanzender,  liebelnder,  zechender 
Soldaten  und  Marketender,  die  alle  in  der  ihnen  naturgemass  zukommen- 
den  Perspektive  erscheinen.  Ausserst  geschickt  ist  die  Wahl  ihrer  Auf- 
einanderfolge,  die  uns  die  Wirklichkeit  selbst  vor  Augen  tauschen  soil. 
Dieses  ganze  bunte,  vielsprachige  Heer  halt  den  noch  unsichtbaren  Ober- 
feldherrn  fiir  Gottes  Statthalter  auf  Erden.  Gegen  ihre  Begeisterung  fur 
ihn  vermag  nicht  einmal  das  fanatische  Predigen  der  Diener  der  Kirche 
irgend  etwas  auszurichten.  Das  Lager  ist  ein  lebhaftes,  realistisches 
Genrebild,  das  sich  den  besten  Leistungen  der  niederliindischen  Meister 
wiirdig  an  die  Seite  stellen  lasst,  und  ist  zugleich  ein  klarer  Beweis  fur 
des  Dichters  neue  Geschicklichkeit  in  objektiver  Schilderung  und  in  der 
dramatischen  Verwendung  der  Masse.  Dieser  Zug  seigt  sich  schon 
embryonal  in  den  R  a  u  b  e  r  n  und  erreicht  seinen  Hohepunkt  im  W  i  1- 
helm  Tell.  Kein  anderer  Dramatiker  hat  je  das  Volk  in  seiner  Mas- 
senhaftigkeit  mit  so  grossem  Erfolg  auf  der  Biihne  erscheinen  lassen. 

In  Schillers  Augen  gestaltet  sich  die  Geschichte  unter  dem  doppelten 
Einfluss  der  geborenen  Fiihrer  und  der  grossen  Masse.  Er  lasst  also  dem- 
gemass  in  all  seinen  spateren  historischen  Dramen  nicht  nur  die  soge- 


ijber  8 chillers  Dramatik.  119 

nannten  Helden,  sondern  auch  das  Volk  massgebende  Rollen  spielen. 
In  dieser  Hinsicht  iibertrifft  er  Shakespeare  und  alle  Dramatiker  des  19. 
Jahrhunderts. 

Auch  finden  wir  in  seinem  Wallenstein  eine  besondere  Beto- 
nung  der  geschichtlichen  Elemente,  die  den  Menschen  gemodelt  haben. 
Shakespeare  hatte  wohl  sein  Hauptaugenmerk  auf  das  Damonische  des 
Wallensteinischen  Geistes  gerichtet  —  auf  die  Tragik  seiner  masslosen, 
sich  ubersturzenden  Herrschgier.  Die  Menschen  seiner  Umgebung  hatte 
er  nur  beilaufig  gezeichnet.  Schiller  dagegen  flihrt  uns  symbolisch  durch 
die  Standes-  und  Berufsgenossen  des  Feldherrn  das  historische  Milieu  vor 
Augen,  unter  dessen  Einfluss  Wallensteins  Temperament,  Selbstvertrauen, 
Ehrgeiz  und  Aberglaube  der  politischen  Versuchung  erliegen.  Illo, 
Isolani,  Butler  und  Oktavio  Piccolomini  erscheinen,  jeder  scharf  indivi- 
dualisiert  und  jeder  mit  seiner  eigenen  Lebensanschauung  ausgerlistet, 
als  die  Hauptvertreter  dieser  Genossen.  Jeder  ist  in  gewissem  Sinne  das 
Geschopf  des  Feldherrn  —  eine  individuelle  Verkorperung  des  damoni- 
schen  Wallenstein-Geistes.  Der  Titelheld  ist  also  eine  Art  Kompositbild 
all  dieser  Einzelrnenschen.  Er  ist  ein  integrierender  Bestandteil  samt- 
licher  von  unveranderlichen  Gesetzen  beherrschter  Beziehungen  und  Ein- 
fliisse,  die  man  Schicksal  nennt.  Sein  astrologischer  Aberglaube  ist  das 
Symbol  seiner  Uberzeugung  von  der  unerbittlichen  Notwendigkeit  der 
Geschichte.  Es  ist  aber  zugleich  ein  bedenklicher  Mangel  seiner  eigenen 
Natur,  der  ihn  gegen  das  alien  anderen  deutlich  erkennbare  drohende 
Unheil  blind  macht.  Hierin  ahnelt  er  dem  Sophokleischen  O  d  i  p  u  s. 
Wahrend  aber  die  Griechen  das  Schicksal  fur  eine  iibermenschliche,  un- 
erforschliche  Notwendigkeit  hielten,  der  sich  Gotter  und  Menschen  beu- 
gen  mtissten,  halt  es  Schiller  fur  die  ewige  Gesetzlichkeit  der  Welt  inner- 
halb  und  ausserhalb  des  Menschen. 

Max  und  Thekla,  die  einzigen  Idealisten  im  ganzen  Drama,  sind 
durch  Bande  der  Blutsverwandtschaft  und  der  Liebe  mit  Wallenstein  ver- 
kniipft.  Sie  spiegeln  sein  Geinlitsleben  etwa  so  wieder,  wie  die  anderen 
seinen  Verstand  und  seinen  Ehrgeiz.  Durch  ihre  Unschuld  und  ihre  Un- 
eigenniitzigkeit  symbolisieren  sie  das  Schone  im  Menschenleben.  Sie 
sind  auch  ein  Spiegel,  in  dem  man  die  widerliche  Selbstsucht  und  die 
Treulosigkeit  der  anderen  und  das  Bild  der  heranschreitenden  Nemesis 
erblickt.  Die  Verwandlung  ihrer  Idylle  in  ein  Klagelied  ist  ein  Teil  der 
tragischen  Katastrophe,  die  Wallenstein  zugrunde  richtet.  Aber  Schillers 
Idealismus  bleibt  auch  hier  noch,  wie  bis  an  sein  Lebensende,  unerschiit- 
tert.  Er  will  uns  ja  nicht  zu  verstehen  geben,  dass  Max  und  Thekla  in 
die  Welt  der  Wirklichkeit  nicht  hineingehorten,  wie  Professor  Kiihne- 
mann  anzunehmen  scheint.  Was  er  aber  ohne  Zweifel  andeutet,  ist,  dass 
eine  Welt  von  unerbittlichem  Realismus  und  selbstischem  Streben,  wie  die 
des  Wallenstein  und  seines  Kreises,  deren  grausame  Einseitigkeit  die 


120  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Idealisten  und  das  Schone  im  Leben  ausschliesst  und  zermalmt,  notwen- 
digerweise  eine  Welt  tragischer  Katastrophen  1st. 

Im  Wallenstein  entf altet  Schiller  die  Vollkraft  seiner  neuen 
Dramatik.  Er  bewahrt  hier  in  glanzender  Weise  all  seine  friihere  Ge- 
schicklichkeit  lebhaften  Anschauens,  plastischen  Schilderns  und  sachge- 
massen  Anordnens  der  dramatischen  Momente.  Er  ist  aber  hier  auch 
entschieden  liber  sich  hinausgewachsen.  Seine  Kunst  wird  nicht  mehr  in 
den  Dienst  irgend  eines  Protestes  gestellt.  Der  Dichter  begniigt  sich 
vielmehr  damit,  die  Outen  und  die  Bosen,  die  Kleinen  und  die  Grossen 
mit  unbefangener  Objektivitat  abzuschildern  und  es  darauf  ankommen 
zu  lassen.  Diese  stilistische  Eigenschaft  ist  der  kiinstlerische  Ausdruck 
seiner  reiferen  Weltanschauung.  Sie  erhebt  alle  seine  spateren  Dramen 
—  MariaStuart,  die  Jungfrau  von  Orleans,  die 
Braut  von  'Messina,  Wilhelm  Tell  und  das  Demetrius- 
fragment  hoch  iiber  das  Niveau  all  seiner  bisherigen  Leistungen. 

Bei  dem  schon  Gesagten  bin  ich  bestrebt  gewesen,  die  dreistufige 
Entwicklung  der  Schillerschen  Dramatik  zu  betonen  und  klarzulegen. 
Von  seinem  ersten  vulkanischen  Ausbruch  der  Entriistung  in  den  R  a  u- 
bern  bis  zu  seiner  wunderbar  schonen  Verherrlichung  des  Opfermuts 
und  der  Einigkeit  des  Schweizerischen  Volkes  den  Ubergrifferi  und  dem 
Ubermut  der  Habsburger  gegeniiber  steigt  Schiller  zu  einer  immer  hohe- 
ren  Auffassung  seiner  Aufgabe  als  dramatischer  Kiinstler  empor.  Er 
reifte  sich  zu  einer  immer  bedeutenderen  Personlichkeit  aus.  Er  blieb 
keinen  Augenblick  stillstehen  und  ruhte  sich  keinen  Augenblick  auf 
schon  erworbenen  Lorbeeren  aus,  sondern  stiirmte  stets  vorwarts,  bis  ihn 
der  Tod  mitten  in  einem  Entwurf  abrief,  der  versprach,  noch  grossartiger 
und  befriedigender  zu  werden  als  alles,  was  er  schon  geleistet  hatte. 

Sein  klarer  Blick  fur  dramatische  Konflikte,  seine  schopferische 
Phantasie,  welche  ihm  die  Vergangenheit  als  Gegenwart  vorzauberte, 
seine  ausserordentliche  Gestaltungsfahigkeit,  die  das  von  ihm  Erschaute 
fiir  sein  Publikum  deutlich  sichtbar  machte,  erklaren  zum  Teil  die 
packende  Kraft  seiner  Dramatik.  Was  ihn  aber  den  grossten  Dramati- 
kern  der  Welt  als  ebenbiirtig  an  die  Seite  stellt,  sind  ausserdem  noch  sein 
fester  Glaube  an  den  hohen  Wert  und  die  Entwicklungsfahigkeit  des 
Menschen,  seine  rastlose  Energie  und  gespannte  Begeisterung  fiir  die 
hochsten  Lebensideale  und  die  Tatsache,  dass  er  bis  zum  letzten  Atem- 
zuge  ein  Wachsender  und  Werdender  geblieben  ist. 


Current  Publications. 


We  offer  in  our  universities,  for  example  in  Germanics,  elementary 
or  structural  courses:  grammar,  translation,  composition;  we  offer  inter- 
mediate or  cultural  courses:  Lessing,  Goethe,  Schiller,  lyrics  perhaps, 
some  historical  grammar  and  some  history  of  literature;  we  offer  Teach- 
ers' courses,  as  to  best  methods  of  instruction,  text-books  etc. ;  and  finally, 
we  offer  graduate  courses,  in  Gothic,  Old  Norse,  Old  High  German  etc., 
in  which  we  refer  students  occasionally  to  articles  on  the  subject  in  hand 
(in  such  journals  as  American  Journal  of  Philology,  Paul  und  Braunes 
Beitrage,  Benzenbergers  Beitrage,  Zeitschrift  fur  deutsches  Altertum, 
Zeitschrift  fur  deutsche  Philologie,  Indogermanische  Forschungen),  in- 
tending that  they  shall  form  the  habit  of  consulting  these  journals  also 
after  they  leave  our  guidance. 

We  offer  the  above  courses,  but  most  of  us  at  least  do  not  teach  our 
students  how  to  "keep  abreast,"  that  is,  how  to  keep  up  with  new  publica- 
tions in  their  line  of  work  in  general,  say  in  the  field  of  Germanics.  And 
so,  many  of  our  students  go  forth  well  enough  "abreast"  perhaps  up  to 
the  time  of  their  graduation,  tho  with  the  helpless  feeling  that  they  must 
return  to  us  every  now  and  then,  to  the  fountainhead  so  to  speak,  to  be 
put  in  touch  with  important  publications  that  have  appeared  and  move- 
ments that  have  taken  place  since  their  year  of  graduation.  With  the  day 
of  graduation  their  fossilization  begins.  They  are  not  wholly  to  blame, 
for  they  have  not  been  so  taught  to  keep  abreast  that  graduation  means 
for  them  only  launching  their  bark  in  a  current  that  carries  it  continu- 
ously on,  advancing  it  constantly  farther  away  from  the  point  of  de- 
parture. On  the  contrary,  their  boat,  once  launched,  stays  close  to  the 
place  of  mooring,  not  venturing  into  the  unknown  ahead,  for  fear  of 
losing  its  bearings. 

The  present  writer  believes  that  we  have  no  right  to  send  forth  as 
teachers  students  who  do  not  know  how  to  keep  abreast,  to  keep  up  with 
the  times,  to  keep  up  with  the  new,  current  publications.  As  an  experi- 
ment the  writer  offered  a  course  in  "Current  Publications,"  for  the  first 
time  two  years  ago  last  September.  'Columbia  University,  of  New  York 
City,  following  this  lead,  introduced  into  her  catalogue  last  spring  a 
course  entitled  "Current  Bibliography."  The  writer  would  like  to  explain 
what  she  means  by  a  course  in  "Current  Publications."  A  year's  work 
was  as  follows : 


122  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

1.  The  student  made  a  card  catalogue  of  all  the  journals  or  periodi- 
cals dealing  with  Germanics  in  the  library,  giving   data   as   to   date   of 
origin,  publisher  or  publishers,  place  of  publication,  how  often  published 
(whether  an  annual,  quarterly  etc.),  price,  and  aim.     He  was  made  con- 
versant with  the  fact  that  all  these  journals  have  to  do  with  Germanic 
philology,  and  that   philology    means    a    study    of   both    language    and 
literature. 

2.  The  student  was  then  referred    to  Pauls  Grundriss,    2nd    ed., 
1901,  vol.  I.,  p.  105-108,  for  further  data  in  regard  to  these  journals. 

3.  The  student  was  required  to  work  over  thoroly  all  the  issues  of 
the  current  year,  from  June  to  June,  or  May  15th  to  May  15th,  of  the 
"Literarisches  Zentralblatt"  and  the  "Literaturblatt  fur  germanische  und 
romanische  Philologie,"  making  a  card  catalogue  of  all  publications  in 
his  line  recommended   in   these   two    journals  (with  data  as  to  year  of 
publication,  edition,  publisher,  price,  importance  etc.,  and  arranging  the 
cards  alphabetically   in   two   groups:    the    writers    (as    Goethe,    Hebbel, 
Heine,  Klopstock,  Schiller),  and    general    topics   (as  America,    Ballad, 
Epic,  German  language,  History,  Literature,  Lyrics,  Romanticism  etc.). 
The  teacher,  here  as  elsewhere,  assigns  a  certain  number  of  periodicals 
each  week,  and  carefully  compares    notes    with    the    students    in    class. 
Much  guidance  from  the  teacher  is  needed,  especially  for  a  few  weeks 
at  the  start. 

4.  The  student  was  referred  to  important  articles  in  the  leading 
journals,  having  to  do  with  various  topics,  and  took  notes  from  them. 
For  example,  "Reform-Methoden"  Victor,  Die  Neueren  Sprachen,  vol. 
14,  No.  3,  1906,  p.  184 — 189.     Tendencies  in  modern  German  grammar, 
Journal  of  English  and  Germanic  Philology,  Jan.  1907,  vol.  6,  No.  2; 
and  in  connection  with  pronunciation,  Litbl.  Jan.  1907,  No.  1,  col.  1 — 4; 
in  connection  with  foreign  words,  Indg.  Forsch.  1902,  vol.  13,  Anz.  p. 
215;  Zeitschrift  fur  den  deutschen  Unterricht  1905,  p.  780 — 784,  and 

1906,  p.  105—110;  Lit.  Zbl.  Dec.  9,  1905,  col.  1696,  and  Sept.  29,  1906, 
col.  1368.     Resume   of    Sievers'    " Sprachmelodisches   in    der   deutschen 
Dichtung",  Indg.  Forsch.,  1907,  vol.  21,  5.  Heft,  Anz.  p.  6 — 7.     Ten- 
dencies in  modern  German  literature,    Lit.  Zbl.,  Beibl.  1906,    Sept.  22, 
col.  386;  Journal  Engl.  &  Gmnc.  Phil.  1906,  Oct.,  p.  165—170,  and  Jan. 

1907,  p.  324—340;  Das  literarische  Echo  1908,  Jan.  1,  col.  489—491. 
Most  read  books,  as  in  Das  lit.  Echo,  1907,  Dec.  15,  col.  448—449. 

5.  The  student  was  required  to  send  for  the  latest  catalogues  of 
leading  American  publishers   (American  Book  Co.,  Ginn,  Heath,  Holt, 
Macmillan),  and  of  various  German  publishing  houses  (Gotta,  Goschen, 
Hempel,  Hendel,  Hesse,  Reclam,  Niemeyer,  Triibner),  and  was  directed 
in  the  use  of  them. 


Current  Publications.  123 

6.  The  student  was  required  to  read  in  various  journals  criticisms 
of  American  and  German  publications;    for    example,    Calvin  Thomas' 
"Anthology  of  German  Lit.",  Pt.  I  (in  Mod.  Lang.  Notes,  June  1907,  p. 
189 — 190)  ;  iCurme,  "Grammar  of  the  German  Lang/'  (Journal  of  Engl. 
and  Gmnc.  Phil.,  Oct.  1906,  p.  164);  Bielschowsky,  "Goethe";  Berger, 
"Schiller";  Dilthey,  "Erlebnis  und  Dichtung",  in  a  number  of  journals. 

7.  Such  books  were  bought  by  the  student  as  the  "Report  of  the 
Committee  of  Twelve",  Heath;  "Methods  of  Teaching  Mod.  Languages", 
Heath,  1904;    "Wie    studiert    man  neuere    Philologie?"    by    Gassmeyer, 
Leipizg     1903,    Rossberg;     "The    Teaching    of    Modern     Languages", 
Bahlsen,  Ginn,  1905;  "'Chronology  and  Bibliography  of  Modern  German 
Literature",  Nollen,   Scott,  Foresman  &   Co.,  1903.     Criticisms  of  the 
books   were    read  (for  Gassmeyer,  Lit.  Zbl.,  March    5,  1904,    col.  340; 
Nollen,  Mod.  Lang.  Notes,  June,  1906,  vol.  21,  No.  6,  col.  188—192). 
Also  criticisms  for  and  against  these  as  well  as  other  publications  were 
compared.     Recommendations  as  to  texts  were  compared;  for  example, 
those  in  Bahlsen's  book  with  those  in  the  report  of  the  Committee  of 
Twelve. 

8.  The  student  prepared  brief  outlines  of  the  indexed  contents  of 
an  Anzeiger  in  Indg.  Forsch. ;  of  Goedeke's  "Grundriss  der  deutschen 
Dichtung";  Kiirschner's  "Nationalliteratur" ;  Paul's  "Grundriss  der  ger- 
manischen  Philologie";  and  handled  the  "Allgemeine  deutsche  Biogra- 
phic", comparing  for  instance  the  space  devoted  to  Klopstock,  Lessing, 
Wieland,  Herder,  Goethe,  Schiller,  Heine,  and  noting  general  method  of 
treatment  of  an  author. 

9.  A  list  of  "best  books"  was  made  out  by  a  comparison  of  the 
bibliography  in  the  back  of  Heath's  Mod.  Lang.  Catalogue;  Hungerland, 
"Das  wissenschaftliche  Studium  der  deutschen  Sprache  und  Literatur"; 
Heidelberg,  Ficker,  1906;    Theod.  Matthias,    "Verzeichnis    empfehlens- 
werter  Bucher",  2.  Heft,  Dresden  1904,  Bleyl  &  'Kaemmerer;  Nollen,  see 
above;  and  the  notes  of  the  student  and  teacher. 

10.  Particular    attention    was    devoted,    amongst    authors,    to    the 
greatest  German  writers,  and  such  articles  worked  over  as  Koster's  in 
Anzeiger  fur  deutsches  Altertum  1902,  vol.  34,  p.  72,  fol.  "Faust",  and 
1903—04,  vol.  47,  p.  249—260,  Goethe's  novels;  Goethes'  lyrics,  Zt.  f. 
d.  Alt.  1906,  vol.  48,  p.  117— 122;  Erich  Schmidt,  "Aus  Schillers  Werk- 
statt",  Deutsche  Rundschau,  1905,  vol.  123,  p.  175  fol.;  Koch's  biblio- 
graphy of  the  more  recent  Schiller  literature  in  Studien  zur  vergleichen- 
den  Literaturgeschichte,  1905,  vol.  5,  supplement  p.  364 — 413. 

11.  The  student  was  required  to  keep  a  record,  in  an  alphabetically 
arranged  booklet,  of  all  periodicals  read;  thus,  Lit.  Zbl.  1907,  No.  1,  2,  3. 

The  above  method,  it  is  believed,  taught  the  student  how  to  keep  a 
card  catalogue,  his  own  bibliography  up  to  date,  and  how  to  keep  him- 


124 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


self  abreast  of  the  times,  independently  of  a  teacher.  This  article  is  sent 
forth  in  the  hope  that  it  may  find  adherents,  and  criticism  too,  whether 
adverse  or  favoring.  The  course  outlined  above,  as  will  be  seen,  is  differ- 
ent from  a  so-called  "Journalistic  Club,"  tho  it  contains  some  elements 
that  every  good  Teachers'  'Course  must  comprise;  rather,  it  contains  ele- 
ments of  both,  while  accomplishing  a  different  result. 

Caroline  T.  Stewart. 
Columbia,  Missouri,  March  12,  1908. 


Berichte  und  Notizen. 


I.      Korres  pond  en/en. 


Milwaukee. 

Das  geistige  Programm  f  iir 
den  im  Juli  hier  stattfindenden  L  e  h- 
rertag  ist  entworfen  und  fur  die  Un- 
terhaltung  und  Bewirtung  der  Besu- 
cher  wird  ein  umsichtiges  Komitee,  das 
jetzt  schon  an  der  Arbeit  ist,  alle 
Sorge  tragen.  Der  Ruhm  der  Gast- 
freundlichkeit,  den  sich  unsere  Stadt 
erworben  hat,  wird  auch  bei  dieser  Ge- 
legenheit  keine  Einbusse  erleiden.  Es 
ist  f iir  eine  stattliche  Anzahl 
auswartiger  Besucher  des 
Lehrertages  vorgesehen  und  ihrer 
aller  wartet  ein  warmer  Empfang  und 
einige  hochst  genussreiche  Tage  in  un- 
serer  Mitte. 

Das  im  letzten  Jahre  in  Cincinnati 
begonnene  Werk  der  Grtindung  eines 
allgemeinen  ,,Alumnen  -  Vereins" 
des  Lehrerseminars  soil  auf 
diesem  Lehrertag  foregesetzt  werden 
und  fiber  Mittel  und  Wege  beraten 
werden,  wie  die  Bestrebungen  der 
Alma  mater  durch  ihre  einstigen  Schil- 
ler am  besten  gefordert  werden  konnen. 
*  »  * 

Unter  den  Auspizien  des  Schulrats 
hielt  im  Laufe  des  verflossenen  Monats 
der  bekannte  Redakteur  des  ,,New  Eng- 
land Journal  of  Education",  H  e  r  r  A. 
E.  W  i  n  s  h  i  p  von  Boston,  drei  h8chst 
zeitgemasse  und  belehrende  Vortrage 
iiber  praktische  Erziehungsprobleme, 
besonders  fiber  das  stets  akuter  sich 
gestaltende  Problem  der  Charakterbil- 
dung  unserer  Knaben.  Herr  Winship, 
dem  eine  Ftille  von  Erfahrungen  zu  Ge- 
bote  steht,  die  er  als  langjahriger  Leh- 
rer  und  Journalist  geschopft  hat,  be- 
zeichnete  die  jetzige  Erziehung  unserer 
Knaben  als  eine  in  der  Methode  ver- 
kehrte,  in  ihren  Resultaten  als  unbe- 


friedigende.  ,,Vierzig  Prozent  der  im 
Alter  von  12  bis  17  Jahren  stehenden 
mannlichen  Jugend  Amerikas  zeigt 
^anz  bestimmte  Symptome  gehemmter 
Entwickliing  (arrested  development)", 
irklarte  er  in  einem  der  Vortrage. 
,,Die  vielgepriesene,  meistens  als  smart- 
ness angesehene  Schlagfertigkeit  un- 
serer Gassenjungen  ist  eine  Erschei- 
nung,  die  eher  zu  beklagen  als  zu  loben 
ist;  denn  sie  stellt  den  hochsten  Grad 
der  Geisteskraft  und  -scharfe  dar,  den 
diese  Knaben  -  -  auch  wenn  sie  50 
•lahre  alt  werden  -  -  je  erreichen  wer- 
den." ,,Wir  miissen  mit  alien  uns  zur 
Yerftigung  stehenden  Mitteln  versuchen, 
diese  Knaben  in  der  Volksschule  zu  be- 
halten,  bis  sie  dieselbe  absolviert  ha- 
ben."  ,,Unsere  Aufgabe  als  Lehrer  muss 
es  sein,  bei  einem  jeden  Knaben,  beson- 
ders bei  den  geistig  und  sittlich  schwa- 
clien  Zoglingen  —  ahnlich  wie  ein  Jokai 
mit  einem  Rennpferd  verfahrt  —  die  in 
u  einem  Geist  und  Gemiit  empfindliche 
Stelle  zu  finden,  den  Keim,  der  ent- 
•-vicklungsfahig  ist,  zu  entdecken  und 
ihn  in  der  Richtung,  nach  welcher  sein 
Interesse  strebt,  auszubilden." 

Herr  Winship  verwarf  das  vorherr- 
«chende  System  der  Versetzung  den  in 
tlen  verschiedenen  Lehrfachem  erwor- 
benen  Prozentsatzen  gemass,  als  ein 
falsches  Erziehungsprinzip,  das  zur 
Einseitigkeit  und  zugunsten  der  Mad- 
rhen  ftthre,  wahrend  die  Knaben  da- 
durch  zur  Tragheit  verleitet  wtirden. 

Am  30.  MSrz  schloss  Prof.  Oskar 
Burckhardt  seine  Serie  von  Vortra- 
gen  tiber  Literatur  ab,  mit  einem  durch 
pi nf ache  Schilderung  und  heiteren  Hu- 
tnor  sich  auszeichnenden  Vortrag  liber 
..Die  Waldheimat  Peter  Roseggers". 
Der  gesunde  Humor  und  die  im  steier- 


Korrespondenzen.  125 

markischen  Dialekt  vorgelesenen  Ge-  schafte  lauschten  die  Anwesenden  mit 
dichtsproben  aus  den  Werken  dieses  ge-  gespannter  Aufmerksamkeit  auf  den 
feierten  Volksschriftstellers  gaben  dem  interessanten  Vortrag  des  Herrn  Pro- 
Vortrag  die  Wiirze.  Herr  Burckhardt  fessor  Remi  iiber  ,,Das  Ghasel  in  der 
beschaftigte  sich  vornehmlich  mit  der  deutschen  Literatur".  Der  Redner,  der 
friiheren  Jugend  Roseggers  und  seiner  mit  den  orientalischen  Sprachen  einge- 
schlichten  und  fur  die  Entwickhmg  sei-  hend  vertraut  ist,  schickte  seinem  Ge- 
nes Talentes  so  ungiinstigen  Umge-  genstand  einige  allgemeine  Bemerkun- 
bung.  Einem  reisenden  Schustergesellen  gen  iiber  die  neupersische  Sprache  vor- 
war  es  vorbehalten,  das  Dichtertalent  aus.  Dieselbe  gehort  zur  iranischen 
in  diesem  Schneiderlehrling,  der  als  Gruppe  der  indogermanischen  Sprache 
Bauernsohn  zum  Bauer  nicht  taugte,  und  zeichnet  sich  durch  Anmut  und 
und  als  Schneider  kein  Geschick  zeigte,  Geschmeidigkeit  aus.  Die  Flexion  ist, 
zu  entdecken.  Nachdem  der  Mazen  in  ahnlich  wie  im  Englischen,  fast  ganz- 
der  Gestalt  des  genannten  Schusterge-  lich  verschwunden ;  der  Wortschatz  ist 
sellen  ein  Gedicht  Roseggers  an  die  durch  zahlreiche  arabische  Elemente 
,,Grazer  Post"  abgeschickt  hatte,  kam  bereichert  worden. 

das  bisher  verborgene  Talent  endlich  Das  Wort  Ghasel  oder  Ghasal  ist 
zur  Geltung  und  seine  Erzahlungen  und  arabischen  Ursprungs  und  deckt  sich 
Gedichte  wurden  nach  einander  abge-  seiner  Bedeutung  nach  mit  unserem 
druckt,  bis  sie  spater  in  viel  weitere  ,,Liebeslied".  Seine  Schonheit  kommt 
Kreise  drangen.  am  besten  zum  Ausdruck,  wenn  es  als 

Die  von  einem  Chicagoer  eine  Art  Singsang  vorgetragen  wird. 
,,L  e  c  t  u  r  e  Bureau"  ausgesandten  Je  zwei  Verse  bilden  ihrem  Inhalte 
Vortragsredner,  deren  wir  jetzt  seit  nach  ein  abgeschlossenes  Ganze,  und 
vier  Jahren  alljahrlich  sechs  unter  den  diese  Verspaare  werden,  oft  ohne  inne- 
Auspizien  des  Lehrerverbandes  Gele-  ren  Zusammenhang,  lose  aneinander  ge- 
genheit  hatten  zu  horen,  sind  tatsach-  reiht  wie  Perlen  an  einer  Schnur.  Der 
lich  von  Jahr  zu  Jahr  minderwertiger  Endreim  der  zwei  ersten  Zeilen  kehrt 
geworden.  Die  besten  und  renommierte-  in  alien  geraden  Zeilen  wieder,  wahrend 
sten  ,,lecturers",  wie  Hubbard,  Mabie,  die  ungeraden  ungereimt  bleiben.  In 
Bryan,  Roberson  u.  a.  gehen  entweder  der  letzten  Zeile  findet  sich  regelmassig 
nicht  in  einen  Kontrakt  mit  einem  sol-  der  Nom  de  plume  des  Dichters.  Dem 
chen  Bureau  ein,  oder  aber  sie  losen  Versmass  liegt  die  Quantitat  der  Sil- 
ihre  Verbindung  mit  denselben.  Unsere  ben,  nicht  deren  Akzent  zugrunde.  Die- 
diesbeztiglich'e  Erfahrung  lehrt  uns,  sere  Umstand  sowie  die  beliebte  Hau- 
dass  wir  fur  die  Summe  von  $25  bis  $35  fung  langer  Silben  machen  die  tiber- 
einen  weit  gediegeneren  Vortrag  von  tragung  der  Form  in  andere  Sprachen 
einem  Universitatsprofessor  zu^  horen  nahezu  unmb'glich. 

bekommen,  als  von  einem  reisenden  Als  Ghaselendichter  kommen  vor  al- 
,,bureau  lecturer",  der  $100  bis  $150  iem  gadi  und  Hans  in  Betracht.  Der 
kostet.  erstere  vertritt  die  mystisch-morali- 

Anlasslich  des  Vortrags  von  Prof.  Sche,  der  letztere  die  weltliche  Rich- 
Learned  iiber  ,,The  German  in  Ame-  tung  der  persischen  Lyrik. 
rican  Civilization"  hat  unser  Superin-  jn  Deutschland  wurden  diese  Dich- 
tendent  Carroll  G.  Pearse  die  Mahnung  ter,  die  dem  13.  und  14.  Jahrhundert 
denselben  anzuhoren  an  samtliche  stad-  angehoren,  erst  gegen  das  Ende  des 
tische  Lehrer  ergehen  lassen.  is.  Jahrhunderts  durch  die  ubersetzun- 

C.  B.  S.       gen    Hammers    und     die     Schriften    des 
Sir     William     Jones     bekannt.      Herder 

New  York.  war  der  erate,  der  sich  eingehend  damit 

-T.       \T  «.  i  „  A  n        \r « ,      bef asste    und   allgemeines    Interesse    f  iir 

Der    Versammlung     des     Ver-  ische    Dichtu5gen    erweckte.      Indes 

eins      deuts  cher     Lehrer      von   P  Kenntnis    der    persischen 

-Sta    l^\^SS&^*uk   JSi    ab     -d    er^o^^Oto 

gliedern  auch  mehrere  Gaste  bei.  Unter   I?halt>    mcht    aber    die    *mrmto 

letzteren   befand    sich   Herr    Peter   Wil-    ^eren.     Da  aber  in  der  persischen  Po«- 

helm  Moller,  der  am  18.  d.  M.  sein  sech-    Bie  Form  und  Geist  .m,.mn^rpZu^(m; 

zigstes    Lehrer-Jubilaum     begeht.      Die   menhang   stehen   und    die    erstere   ncht 

Mitglieder  rechneten  es  sich  zur  beson-    selten     die    Qumtessenz     der     Dichtung 

deren  Ehre  an,  den  urn  das  Deutachtum   ausmacht,      so      bekommen     wir     durch 

so  hoch  verdienten   Schulmann  in  ihrer   Herder     nur    ein    ausserst    unvollkom 

Mitte  begriissen  zu  konnen.  menes   Bild  persischer  Lyrik.     Ihm  im- 

Nach    Erledigung    der    laufenden    Ge-    ponierte    der    Moralprediger     Sadi     weit 


126 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogilc. 


mehr  als  der  weltlich  angehauchte 
Hafis,  dem  Goethe  sein  besonderes  Au- 
genmerk  zuwandte.  Sein  WeatOstli- 
cher  Diwan  1st  keine  ubertragung,  son- 
dern  eine  freie  Nachahmung  der  Ori- 
ginale,  leider  auch  ohne  Rticksicht  auf 
die  Form. 

Riickert  und  Platen  sind  die  Haupt- 
vertreter  deutscher  Ghaselendichtung. 
Sit  haben  sich  grtindlich  in  den  Geist 
der  persischen  Dichtung  vertieft  und 
ihre  Originale  nachgeftihlt  und  nachge- 
dichtet,  sowie  auch  die  Form,  insofern 


es  die  deutsche  Sprache  zuliess,  nach- 
geahmt.  Der  Schweizer  Heinrich  Leut- 
hold  schrieb  auch  Ghaselen,  die  aber 
wenig  Anklang  fanden.  Heine  behan- 
delte  persische  Stoffe  in  hochst  gelun- 
gener  Weise,  ohne  sich  jedoch  der 
Ghaselenform  zu  bedienen. 

Das  Ghasel  muss  somit  als  eine  exo- 
tische  Pflanze  betrachtet  werden,  der 
es  nicht  gelungen  ist,  in  der  deutschen 
Poesie  festen  Fuss  zu  fassen. 

L.  H. 


II.     llmschau. 


F.  Louis  Soldan.  t  Freitag  den 
27.  Marz  erlag  der  Superintendent  der 
offentlichen  Schulen  von  St.  Louis, 
Herr  F.  Louis  Soldan,  einem  Herz- 
schlage.  Mit  ihm  ist  einer  der  bedeu- 
tendsten  Padagogen  Amerikas  aus  dem 
Leben  geschieden.  Soldan  wurde  am 
20.  Oktober  1842  in  Frankfurt  a.  Main 
geboren.  Nachdem  er  sich  in  der  Hei- 
mat  eine  griindlich  Schul-  und  Univer- 
sitatsbildung  erworben  hatte,  wanderte 
er  im  Alter  von  21  Jahren  1863  nach 
Amerika  aus.  Bereits  im  folgenden 
Jahre  iibernahm  er  in  St.  Louis,  wel- 
ches seine  zweite  Heimat  wurde,  die 
Leitung  einer  der  grossten  Privatschu- 
len.  In  dieser  Stellung  verblieb  er  bis 
1868,  wo  er  als  Lehrer  der  modernen 
Sprachen  an  die  St.  Louiser  Hoehschule 
berufen  wurde.  In  dieser,  wie  in  alien 
anderen  Stellungen,  entwickelte  er  eine 
bedeutende  Fahigkeit  auf  literarischem 
und  padagogischem  Gebiete.  1870  wur- 
de er  zum  Hilfssuperintendenten,  im 
folgenden  Jahre  zum  Prinzipal  der  Nor- 
malschule  ernannt,  die  durch  ihn  zu 
hoher  Bliite  gelangte.  Acht  Jahre 
wirkte  er  an  dieser  Anstalt,  bis  er 
1895  fur  den  Posten  des  Superintenden- 
ten  der  offentlichen  Schulen  von  St. 
Louis  auserkoren  wurde.  Von  dieser 
Zeit  an  wurde  er  bis  zu  seinem  Tode 
jedesmal  wiedergewahlt.  Ein  besonde- 
res Verdienst  erwarb  sich  Soldan  durch 
die  Organisierung  des  ersten  Institutes 
fur  Lehrer  im  Staate  Sudkarolina.  Aus 
diesem  ging  die  Universitat  dieses 
Staates  hervor,  welche  im  ganzen 
Lande  neuen  Enthusiasmus  fur  die  Ju- 
genderziehung  zu  erwecken  verstand. 
Von  ihr  erhielt  Soldan  auch  den  Titel 
eines  Ehrendoktors.  Unser  Seminar 
verliert  in  dem  Verstorbenen  einen 
warmen  Freund  und  Conner. 


Hermann  Lieber.  t  Hermann 
Lieber.  der  erste  Sprecher  des  nordame- 
rikanischen  Turnerbundes,  wurde  in 
der  Nacht  vom  22.  auf  den  23.  Marz 
auf  einer  Erholungsreise,  die  er  nach 
Kalifornien  machte,  im  Zuge  vom  Tode 
ereilt.  Seit  1900  war  er  ununterbrochen 
erster  Sprecher  des  nordamerikanischen 
Turnerbundes,  als  der  er  sich  bleibende 
Verdienste  erworben  hat.  Zeit  seines 
Lebens  war  er  fur  die  Sache  des  deut- 
sehen  Turnertums  mit  ebenso  viel  Ge- 
schick  als  Eifer  eingetreten.  Schon 
seit  Jahren  schmiickte  das  Diplom  fiir 
fiinfzigjahrige  Mitgliedschaft  sein 
Heim.  Dem  politischen  Leben  im  all- 
oemeinen  feme  stehend,  hat  er  doch  als 
Burger  seines  Adoptivvaterlandes  und 
der  Stadt  Indianapolis  eine  rege  Tatig- 
keit  entwickelt.  Man  darf  ihn  mit  Fug 
den  Vater  des  Deutschen  Hauses  und 
der  Deutschenglischen  Schule  in  India- 
napolis nennen.  Der  Turnerbund  und 
das  Deutschtum  dieses  Landes  verlieren 
in  ihm  einen  ihrer  wackersten  Vor- 
kampfer.  Lieber  wurde  am  23.  August 
1832  in  Dtisseldorf  geboren.  1853  kam 
er  nach  Amerika  und  liess  sich  in  In- 
dianapolis, seinem  standigen  Wohn- 
sitze,  nieder.  Als  Geschaftsmann  war 
er  ebenso  erfolgreich  wie  in  seinen  of- 
fentlichen Stellungen.  Seine  geliebte 
Gattin  war  ihm  um  zwei  Jahre  im 
Tode  vorausgegangen ;  aus  der  Ehe  mit 
ihr  entstammen  drei  Sohne  und  zwei 
verheiratete  Tochter.  Als  Mensch  war 
er  einfach,  durch  und  durch  rechtlich 
und  von  gewinnender  Liebenswiirdig- 
keit.  Die  feierliche  Bestattung  des  Da- 
hingeschiedenen  fand  am  28.  Marz 
statt.  Professor  Emmerich,  ein  lang- 
jahriger  Freund  des  Verstorbenen,  hielt 
die  deutsche  Trauerrede.  Auch  von  un- 
serer  Anstalt,  der  er  durch  eine  Zeit 


Umschau.  127 

lang      als      Verwaltungsrat      angehorte,  auf   das   bedeutende  Werk  bin    welches 

wird   ihm   ein   sympathisches   Andenken  unsere     Volksschulen     verrichten       aber 

bewahrt  werden.  sie  bieten  nur  Schulern,  die  im  Kindes- 

Professor       Schonrich       als  alter    stehen,    eine    Erziehung      Es   eibt 

Jubilar.      Professor    C.    O.    Schonrich  Hunderte    von    Primarklassen     mit    ein- 

feierte   im   verflossenen   Monat   das   Ju-  zelnen    12    bis    14jahrigen    Schulern,    die 

bilaum     seiner    vierzigjahrigen    Lehrer-  nur   darum   mit   Kindern   von   6   od'er   7 

tatigkeit.      1847    in    Stuttgart    geboren,  Jahren   Bank   an   Bank   gesetzt   werden 

kam   er   im   Alter   von   20   Jahren   nach  W®H    gie    der   englischen     Sprache     noch 

Amerika.     Zuerst  wirkte  er  als   Lehrer  nicht  machtig  sind. 

an  einer  lutherischen  Gemeindeschule,  Der  Verfasser  des  Artikels  fand  in 
trat  spater  in  den  Dienst  der  offentli-  einer  Schule  in  der  Stadt  Washington 
chen  Schulen  von  Baltimore  und  wirkt  einen  Knaben  und  ein  Madchen,  die  in 
seit  Jahren  als  Prinzipal  daselbst.  Mit  Europa  eine  griindliche  element'are  Er- 
besonderem  Eifer  widmete  er  sich  auch  ziehung  erhalten  hatten  und  die  nun 
den  Abendschulen,  um  die  Angehorigen  gezwungen  waren,  auf  Schulbanken  zu 
von  12  bis  15  verschiedenen  National!-  sitzen,  die  fiir  kleine  Kinder  bestimmt 
taten  zu  tiichtigen  Biirgern  der  Verei-  sind,  und  an  deren  kleinen  Spielen  und 
nigten  Staaten  umzumodeln.  Die  Zahl  sonstigen  Betatigungen,  die  fiir  ihr  Al- 
der Schiller,  die  unter  den  Augen  des  ter  lacherlich  erscheinen  mussten,  teil- 
bewahrten  Padagogen  herangebildet  zunehmen.  Jane  Adams  hat  Recht 
wurden,  zahlen  bereits  nach  Legionen.  wenn  sie  sagt:  ,,Der  Einwanderer  fin- 
Der  Gedenktag  wurde  von  gegenwarti-  det  nirgendwo  in  Amerika  geniigendes 
gen  und  ehemaligen  Schulern,  sowie  Verstandnis."  Rochester  und  einige 
von  den  zahlreichen  Freunden  des  Jubi-  andere  Stadte  haben  es  sich  angeleffen 
lars  festlich  begangen.  Bei  seiner  Rii-  sein  lassen,  ein  besseres  Verstan^iis 
stigkeit  lasst  sich  erwarten,  dass  er  fiir  die  Kinder  der  Einwanderer  zu 
auch  das  fiinfzigjahrige  Jubilaum  fei-  entwickeln  und  ihnen  die  erzieherische 
ern  wird.  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  deren  sie 

Ferienkurse  in  Jena.  In  der  als  Individuen  bediirfen.  Im  allgemei- 
Zeit  vom  8.— bis  18.  August  finden  in  nen  aber  lassen  es  die  Schulen  des  Lan- 
Jena  Ferienkurse  statt,  die  sich  auf  des  an  solchen  Bestrebungen  noch  feh- 
Padagogik,  Kolonialwissenschaft,  len-  Ein  verheissendes  Zeichen  fiir  das 
Schulhygienie,  Physiologic,  Psychologic,  erwachende  Gewissen  ist  eine  Resolu- 
Weltgeschichte,  Literatur,  Nationalo-  tlon>  die  ,  von  der  Versammlung  der 
konomie,  Sozialwissenschaft,  sowie  auf  'Schulsuperintendenten  in  Washington 
deutsche,  franzosische  und  englische  angenommen  wurde:  ,,Die  Versamm- 
Sprache  erstrecken.  Die  Vorlesungen  lung  halt  dafiir,  dass  in  den  grosseren 
werden  von  Professoren  der  Jenenser  Stadten  eigene  Klassen  fiir  die  der  eng- 
und  anderer  Universitaten  abgehalten.  lischen  Sprache  noch  unkundigen  Kin- 
Das  Honorar  betragt  durchschnittlich  der  von  Einwanderern  eroffnet  werden 
fiir  einen  Kursus  von  12  Stunden  10  sollen.  Ist  es  nicht  zu  vermeiden,  dass 
Mark,  fiir  diejenigen,  die  in  Instituten  s°lche  bereits  geschulte  Kinder  in  die 
abgehalten  werden,  15  Mark.  Primargrade  gesteckt  werden,  so  soil 

Programme  sind  kostenfrei  durch  das  ihnen    wenigstens     Spezialunterricht    in 

Sekretariat,  Frl.   Clara  Blomeyer,  Jena,  der    englischen    Sprache    erteilt    werden, 

Gartenstr.  4,  zu  hab'en.  der    es    ihnen    ermoglicht,    nach    kurzer 

Z'entralverband          7iir        Be  Zeit  in  die  ihrem  Alter  und  ihren  Vor' 

kampfung     des    Alkoholismus  kenntnissen    entsprechenden    Grade   auf- 

(Berlin).     In   der  Osterwoche   findet   in  zusteigen-                      (School  Journal.) 

Berlin      der      fiinfte     wissenschaftliche  ZurNaturzuriick.     Im   letzten 

Kursus  zum  Studium  des  Alkoholismus  'Sommer  teilte  Eli  W.  Weaver  von  der 

statt.     Manner  der  Wissenschaft  teilen  Knabenhochschule     zu     Brooklyn     dem 

hier   ohne   Voreingenommenheit   die   Er-  Staatsdepartement      fiir     Ackerbau     in 

gebnisse      griindlicher      Untersuchungen  New  York  mit,  dass  ein  grosser  Bruch- 

und  Erfahrungen  mit.  Die  Besichtigung  teil   seiner   Jungen  wahrend   der   Ferien 

sozial-hygienischer       Einrichtungen       in  auf     dem    Lande     Beschaftigung    suche. 

Gross -Berlin     bilden      den     praktischen  Das  Schreiben  wurde  zu  entsprechender 

Hintergrund  fiir  das  geschriebene  Wort.  Kenntnis    genommen,    und    bald    folgten 

Der    Fremdgeborene    in     un-  160     Arbeitsangebote      Gross    war    die 

serem   Lande.     Manches   vielverspre-  1<reude  der  Knaben,  die   so  ihre  Ferien 

chende  Leben    von    Einwanderern    wird  auf  dem  Lande  verbrmgen  durften.  Nun 

alljahrlich  auf  dem  Altar  der  Sparsam-  hat     sich     eine    Organisation    gebildet, 

keit    geopfert.      Wir    weisen    mit    Stolz  2500  Mann  stark,  und  zwar  alle  Schiiler 


128  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

der  offentlichen  Schulen  von  New  York,  Departements  der  Superintendenten  der 

die  sich  als  Arbeiter  auf  den  Farmen  National  Educational  Association  bil- 

verdingen  wollen.  Das  Gefiihl  ,,Zur  dete  der  sogenannte  Empfang  beim 

Natur  zuriick"  scheint  doch  tiefer  in  Prasidenten  die  einzige  Unterbrechung 

den  Menschen  zu  nisten,  als  viele  zu-  in  der  Eintonigkeit  des  odesten  Pro- 

geben  mochten.  Es  ist  die  Absicht  des  gramms,  welches  dem  Departement  seit 

Herrn  Weaver,  diese  Organisation  auch  Jahren  geboten  wurde.  Den  Lehrern 

auf  andere  Stadte  auszudehnen.  Men-  wurde  bekannt  gemacht,  dass  der  Pra- 

schenfreunde  finden  hier  Gelegenheit  sident  sie  um  2.30  im  Weissen  Hause 

zu  fruchtbringender  Tatigkeit.  Es  ban-  empfangen  wiirde,  und  als  gewissen- 

delt  sich  nur  darum,  Gelder  fur  den  hafte  Schulmeister  waren  sie  piinktlich 

Transport  der  Knaben  nach  den  mehr  zur  Stunde  da.  Sie  wurden  nicht  durch 

entlegenen  Staaten  aufzubringen.  Der  die  Vordertiire  eingelassen,  sondern, 

Westen  bietet  jedenfalls  vollauf  Gele-  zwolfhundert  an  der  Zahl,  in  einem 

genheit  fiir  die  Jungen,  welche  wahrend  Korridor  des  Erdgeschosses  wie  in  einer 

des  Sommers  ein  niitzliches  ,,out-of-  .Schafhiirde  eingepfercht.  Uniformierte 

door  life"  fiihren  mochten.  Wachen  mit  den  Manieren  von  ,,cow- 

punchers"  waren  aufgestellt,  um  die 

Professor  Charles  A.  Beard  von  der  Menge  eingehegt  zu  halten.  In  dieser 

Columbia  Universitat  hat  ein  wahres  fiirchterlichen  Enge,  wo  keiner  sich  zu 

Wort  ausgesprochen,  wenn  er  sagt:  riihren  vermochte,  waren  sie  von  2.30 

,,Der  grosste  Fehler  des  ame-  bis  3.20  eingeschlossen.  Nach  diesen 

rikanischen  Erziehungs-  fiinfzig  Minuten  wurden  sie  endlich  in 

systems  ist,  dass  es  wohl  den  Mut  den  b'stlichen  Raum  zugelassen,  das 

hat,  neue  Dinge  aufzunehmen,  nicht  heisst  so  viele,  als  der  Raum  fassen 

aber  den  Mut,  alte  auszumerzen.  Die  konnte.  President  Roosevelt  bestieg  ein 

tiberbiirdung  des  Curriculum  kommt  kleines  Podium  und  hielt  einen  Speech 

nicht  so  sehr  von  der  Einfiihrung  neuer  von  ungefahr  zwanzig  Minuten.  Das 

Facher  her,  als  von  der  Hartnackigkeit,  meiste,  was  er  sagte,  war  richtig  und 

mit  der  veraltete  Dinge  beibehalten  wohl  gesprochen,  wenn  auch  etwas 

werden,  deren  Bewaltigung  nur  einen  seicht.  Gedruckt  wiirde  sich  seine 

Verlust  an  Zeit  und  Energie  bezeichnet.  Rede  mit  der  Prominenz  des  personli- 

Lehrer  aller  Gattungen  kb'nnen  daraus  chen  Fiirwortes  wie  ein  Pfosten-  und 

eine  Lehre  ziehen.  Bretterzaun  ausnehmen,  an  welchem 

die  Bretter  herausgeschlagen  wurden. 

Budget  der  Stadt  New  York.  Sein  ,,Ich  will,  dass  ihr  dies  und  ich 

Die  Stadt  New  York  hat  im  letzten  will,  dass  ihr  das  tut"  entlockte  den 

Jahre  70,793,505  Dollars  fiir  Erziehungs-  Einsichtigen  ein  Lacheln  iiber  die 

zwecke  ausgegeben.  Von  dieser  Summe  harmlos -naive  Art  und  Weise  des  Pra- 

wurden  47,000,000  fiir  die  Volksschule  sidenten,  den  koniglichen  Ton  anzuneh- 

verwandt,  8,500,000  fiir  Sekundarschu-  men.  Nachdem  der  Speech  zu  Ende 

len  und  15,000,000  fiir  Colleges.  Die  war,  wurde  die  Menge  hinaus  spediert, 

Salare  der  Lehrer  betrugen  26,500,000  und  wenn  irgend  jemand,  Dame  oder 

Dollars,  eine  Zunahme  von  1,500,000  ge-  Herr,  einen  Augenblick  stehen  blieb, 

gen  das  Vorjahr.  um  im  Vorbeigehen  ein  schones  Ge- 

malde  zu  bewundern,  so  waren  die  Wa- 

Ein  Emfang  bei  Roosevelt,  chen  schnell  bereit  mit  ihrem  im  Ton 

Dem  ,,Western  Teacher"  vom  Marz  ent-  und  Stil  eines  Cowboy  gesprochenen: 

nehmen  wir  folgenden  drastischen  Ar-  Get  in  there,  get  in  there  (Hier  hin- 

tikel,  der  wohl  aus  der  satirischen  Fe-  ein!),  und  so  wurde  die  Menge  wohl 

der  des  Herausgebers,  S.  Y.  Gillan,  innerhalb  der  gespannten  Seile  gehal- 

stammt :  ten." 

,,Bei   der   letzten   Zusammenkunft   des  O.  B. 


Monatshefte 

fiir  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:    Padagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen   Deutschamerikanischen   Lehrerbundes. 


labrgang  IX*  Mat  1908*  Reft  5* 

(Offiziell.) 

Nationaler  Deutschamerikanischer  Lehrerbund. 


36.  Jahresversammlung. 
Milwaukee,  Wis.,  30.  Juni  bis  3.  Juli  I908. 


Aufruf. 

Vom  30.  Juni  bis  3.  Juli  des  Jahres  wird  die  36.  Tagung 
des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  abgehalten  werden. 
Milwaukee  entbietet  uns  Gastfreundschaft  und  Willkommengruss.  Es 
ist  nicht  das  erste  Mai,  dass  Milwaukee  unseren  Versammlungen  seine 
Tore  offnet;  und  wer  Gelegenheit  hatte.  den  friiheren  Lehrertagen,  die 
dort  stattfanden,  beizuwohnen,  wird  heute  noch  des  liebenswiirdigen 
Empfanges  seitens  der  Einwohnerschaft  dieser  Stadt  gedenken. 

Die  Bedeutung  der  deutschamerikanischen  Lehrertage  wachst  in 
dem  Masse,  in  dem  Interesse  und  Begeisterung  fiir  unseren  Beruf  zu- 
nehmen.  Diese  stehen  mit  jenen  in  steter  Wechselbeziehung,  so  dass  der 
Besuch  der  Lehrertage  einen  Prufstein  fiir  das  herrschende  Berufsinte- 
resse  abgibt,  dass  aber  gerade  auch  sie  der  Jungbrunnen  sind,  aus  dem 
wir  wieder  frische  Kraft  und  neue  Liebe  zum  Beruf e  schopfen. 

Aus  dem  nachstehenden  Programm  mogen  die  Mitglieder  selbst 
ersehen,  wie  der  Vorstand  nach  Kraften  beimiht  gewesen  ist,  den  Besu- 


130  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

chern  durch  die  gewonnenen  Vortrage,  sowie  durch  die  Ausstellung  von 
Lehrmitteln  und  Lehrbuchern  fur  den  modern-sprachlichen  Unterricht 
neue  Anregung  zu  bieten. 

Die  36.  Tagung  soil  eine  ebenbiirtige  Nachfolgerin  der  friiheren 
Tagungen  des  Bundes  werden.  Die  Unterzeichneten  geben  daher  der 
zuversichtlichen  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die  deutschamerikanische 
Lehrerschaft  und  die  mit  ihr  in  gleichem  Streben  Verbundenen  der  Ein- 
ladung  zum  Besuche  des  Milwaukee!  Lehrertages  in  Scharen  Folge 
leisten  werden. 

Der  Vollzugsausschuss : 

Max  Griebsch,  Prasident; 

Frau  Mathilde  S.  Grossart,  Vizeprasidentin ; 

Martin  Schmidhofer,  Schatzmeister ; 

Emil  Kramer,  Sekretar. 
5.  April  1908.  Anna  Holigrefe,  2.  Sekretarin. 


Milwaukee,  15.  Marz  1908. 

Als  beim  vorjahrigen  Lehrertage  Milwaukee  als  Platz  fur  die  36. 
Tagung  des  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  gewahlt  und  die 
Nachricht  von  diesem  Beschlusse  in  unserer  Stadt  bekannt  wurde,  da 
machte  sich  sofort  unter  unserer  deutschamerikanischen  Bevolkerung  der 
Wunsch  und  das  Bestreben  geltend,  den  Besuchern  des  diesjahrigen  Leh- 
rertages in  alter  Weise  herzliches  Entgegenkommen  und  Willkommen 
zu  bieten. 

Die  Deutschamerikaner  Milwaukees  laden  hiermit  alle  diejenigen  — 
Lehrer  und  Laien  — ,  die  fiir  die  Bestrebungen  des  Lehrerbundes  Inte- 
resse  haben,  ein,  an  der  Tagung,  die  vom  30.  Juni  bis  zum  3.  Juli  hier 
stattfinden  soil,  teilzunehmen,  und  sie  versprechen  den  Besuchern,  alles 
in  ihren  Kraften  Stehende  zu  tun,  ihnen  den  Aufenthalt  in  Milwaukee 
so  angenehm  wie  moglich  zu  machen. 

Der  Ortausschuss  wird  sich  in  Verbindung  mit  dem  Vorstande  be- 
miihen,  den  36.  Lehrertag  zu  einem  in  beruflicher  und  geselliger  Bezie- 
hung  erfolgreichen  zu  gestalten. 

Der  Ortsausschuss : 
Leo  Stern,  Vorsitzer;  John  H.  Puelicher,  Schatzmeister; 

Carl  M.  Purin,  Sekretar; 

Victor  L.  Berger,  (Schriftleiter  des  ,,Vorwarts") ;  George  Brumder, 
(Germania  Publ.  Co.) ;  John  Eiselmeier,  (Seminarlehrer) ;  Adolph 
Finkler,  (Vorsitzer  des  Seminarvorstandes) ;  Henry  Harnischfeger, 
(Mitglied  des  Seminarvorstandes);  Dr.  Chas.  L.  Kissling,  (Mitglied  des 
Schulrats) ;  Aug.  8.  Lindemann,  (Prasident  des  Schulrats) ;  Otto  L\ie- 
dicke,  (Schriftleiter  des  ,,HeroldJ>) ;  Wm.  Meyer,  (Direktor  der  luth. 
Hochschule) ;  Col  Gustav  Pabst,  (Pabst  Brewing  Co.) ;  C.  G.  Pearse, 


Rationale?  Deutschamerikanischer  Lehrerbund.  131 

(Supt.  der  offentlichen  Schulen) ;  Wm.  L.  Pieplow,  (Mitglied  des  Schul- 
rats) ;  Julius  Raihmann,  (Vorsitzer  des  Vereins  deutscher  Lehrer) ; 
Emil  von  SM&initz,  ( Schrif tleiter  der  ,,Germania")  ;  Dr.  Jos.  Schnei~ 
der,  (Mitglied  des  Seminar vorstandes) ;  Jos.  Uihlein,  (Schlitz  Brewing 
Co.) ;  Fred  Vogel,  Jr.,  (Pras.  der  Ersten  Nationalbank  und  Vizeprasi- 
dent  des  Seminarvorstandes) ;  Leon  Wachsner,  (Direktor  des  Pabst- 
theaters). 

Programm. 

Dienstag,  30.  Juni. 

Abends  8  Uhr:  Eroffnungsversammlung,  Alhambra-Theater. 

Begriissung  durch  den  Vorsitzer  des  Ortsausschusses  und  durch  Ver- 

treter  der  Stadt-  und  Schulbehorden. 
Ansprache  von  Dr.  C.  J.  Hexamer,  President  des  Deutschamerika- 

nischen  Nationalbundes. 
Gesange  eines  Kinderchores. 
Offizielle  Eroffnung  des  Lehrertages  durch  den  Bundesprasidenten. 


Mittwoch,  I.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:   Erste  Hauptversammlung. 

1.  Geschaf tliches :    Berichte    der    Bundesbeamten.     Verhandlungen 

iiber  den  vom  Vorstande  unterbreiteten  Verfassungsentwurf . 

2.  Vortrag:    Eeformbestrebungen  —  Dr.  A.  Hoelper,  High  School, 

New  York. 

3.  Vortrag:    Die  Volksschule  einer  modernen  Republik,  eine  Bil- 

dungsanstalt  fur  praktische  Idealisten  —  Prof.  Ernst 
Voss,  Ph.  D.,  Staatsuniversitat  von  Wisconsin,  Madison. 

4.  Vortrag:    Unsere     Lehrmittelausstellung    —    John     Eiselmeier, 

Lehrerseniinar,  Milwaukee. 


Nachmittags  %\  Uhr:   Festvorstellung  im  Pabsttheater. 
Iphigenie  auf  Tauris,    Schauspiel  von  Goethe. 


Nach  der  Vorstellung  Damenkaffee  im  Deutschen  Club. 
Abends  8  Uhr:   Herrenkneipe. 


Donnerstag,  2.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:  Zweite  Hauptversammlung. 

1.  Geschaf  tliches. 

2.  Vortrag:    Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers  —  Emil  Kramer, 

Public  Schools,  Cincinnati. 


132  Monatshefte  fiir  deutsclie  Sprache  und  Pddagogik. 

3.  Seminar- Angelegenheiten. 

4.  Vortrag:    Psyehologische  Grundlage  fiir  die  Methoden  des  Un- 

terrichts  in  den  modernen  Sprachen  —  A.  Werner- 
Spanhoofd,  Leiter  der  Abt.  fiir  moderne  Sprachen, 
High  Schools,  Washington,  D.  C. 


Nachmittags  2  Uhr:   Besiclitigung  der  Lehrmittelausstellung. 


Abends  5  Uhr:   Festessen  mit  darauffolgendem  Sommernachtsfest. 


Freitag,  3.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:  Dritte  Hauptversammlung. 

1.  Geschaftliches. 

2.  Vortrag:    Deutsche    und    angelsachsische  Verhaltnisse  in  Ame- 

rika  --  Prof.  James    Taft   Hatfield,   Ph.  D.,    North- 
western Univ.,  Evanston,  111. 

4.  Vortrag:    Hilfsmittel  im    modernen    Sprachunterricht  —  Ernst 

L.  Wolf,  High  School,  St.  Louis. 

5.  Unerledigte  Geschafte. 

6.  Beamtenwahl  und  Schlussverhandlungen. 


Nachmittags:   Ausflug  nach  der  Soldatenheimat. 


Das  Hauptquartier    befindet  sich  im  Schulgebaude  des  Lehrersemi- 
nars,  woselbst  auch  die  Versammlungen  abgehalten  werden. 


Eine   Ausstellung   von    Lehrmittefn    und    Lehrbuchern   fiir   den    mo- 

dern-sprachlichen  Interricht  ist  fiir  die  Tagung  vorbereitet,  die  in  iiber- 
sichtlicher  Weise  einen  Einblick  in  den  gegenwartigen  Stand  dieses 
Unterrichtszweiges  in  Amerika,  sowie  in  Deutschland  und  Frankreich 
bietet.  tiber  1500  Objekte  sind  von  den  Verlagshandlungen  fiir  die  Aus- 
stellung eingesandt  worden.  Sie  sind  in  einem  gedruckten  Kataloge 
iibersichtlich  geordnet,  der  den  Besuchern  frei  zur  Verfiigung  gestellt 
wird.  Die  Ausstellung  steht  unter  Iveitung  von  Seminarlehrer  John 
Eiselmeier. 


Der  Besuch  der  Versammlungen  ist  fiir  jedermann  frei. 
Der  Zutritt  zu  den  gebotenen   Unterhaltungen    hangt  von  der  Er- 
werbung  der  Bundesmitgliedschaft  ab. 


Die  Mitgliedschaft  des  Bundes  kann  jeder  Lehrer  und  Erziehungs- 
freund  durch  Zahlung  des  Jahresbeitrages  von  $2.00  erwerben. 


Alumnen  des  Lehrerseminars.  133 

Hinsichtlich  der  Hotelraten  hat  der  Empfangsausschuss  von  den 
verschiedenen  Hotels  die  folgenden  Angebote  fiir  die  Unterbringung  der 
Besucher  erhalten.  Die  angegebenen  Preise  verstehen  sich  fiir  Person 
und  Zimmer  per  Tag: 

Hotel  Blatz,  $1.00  und  aufwarts;  $2.25  einschliesslich  Mahlzeiten. 

Republican  House,  $1.00  und  aufwarts;  $2.25  einschliesslich  Mahl- 
zeiten. 

Hotel  Gilpatrick,  $1.00  und  aufwarts. 

Plankinton  House,  $1.00  und  aufwarts,  $3.00  einschliesslich  Mahl- 
zeiten. 

Hotel  St.  Charles,  $2.00  fiir  zwei  Personen;  $2.25  einschliesslich 
Mahlzeiten. 

Hotel  Globe,  $0.75  und  aufwarts. 

Hotel  Pfister,  $2.00  und  aufwarts. 

Auch  ist  der  Ausschuss  bereit,  falls  es  gewunscht  wird,  fiir  Quartiere 
in  Privatfamilien  zu  sorgen.  Es  ergeht  an  alle  diejenigen,  welche  dem 
Lehrertage  beizuwohnen  gesonnen  sind,  die  Bitte,  den  Unterzeichneten 
bis  zum  20.  Juni  betreffs  ihrer  Wiinsche  in  Kenntnis  zu  setzen. 

Der  Vorsitzer  des  Empfangsausschusses : 
West  Division  High  School  Carl  Engelmann. 


Alumnen  des  Lehrerseminars. 


Milwaukee,  April  1908. 

An  die  Alumnen  des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerseminars. 
Werte  Kollegen  und  Kolleginnen! 

Der  diesjahrige  in  Milwaukee  stattfindende  Lehrertag  verspricht  an 
Fiille  der  geistigen  sowie  leiblichen  Genusse  alle  seine  Vorganger  zu 
iibertreffen.  Wir  ersuchen  deshalb  alle  friiheren  Zoglinge  des  Lehrer- 
seminars, die  Gelegenheit,  ihrer  Alma  Mater  einen  Besuch  abzustatten 
und  in  unserer  Mitte  einige  vergniigte  Stunden  zu  verleben,  nicht  vorbei- 
gehen  zu  lassen. 

IJm  die  notigen  Vorkehrungen  zeitig  treffen  zu  konnen,  bitten  wir 
die  Alumnen,  den  Unterzeichneten  spatestens  bis  zum  20.  Juni  von  ihrer 
Absicht,  sich  an  dem  Lehrertage  zu  beteiligen,  in  Kenntnis  zu  setzen. 
Also  auf  ein  frohes  Wiederschauen ! 

Im  Auftrage  des  Vorstandes  des  Alumnenvereins  von  Milwaukee 
zeiclmet  mit  herzlichem  Grusse 

Chas.  M.  Purin,  Sek., 

850  Second  St. 


Nationales  Deutschamerikanisches  Lehrerseminar. 

Eroffnung  des  neuen  Jahreskursus. 


Das  Nationale  Deutschamerikanische  Lehrerseminar  eroffnet  Mon- 
tag,  den  14.  Sept.  1908,  den  neuen  Jahreskursus,  den  31.  seit  seiner 
Griindung,  und  ladet  alle,  die  sich  dem  Lehrerberuf  widmen  und  sich  ins- 
besondere  zu  Lehrern  des  Deutschen  ausbilden  wollen,  zum  Eintritt  ein. 

Seiner  hohen  Aufgabe  wird  das  Seminar  durch  folgende  Unstande 
gerecht : 

1.  Es  ist  die  einzige  Anstalt  in  diesem  Lande,  die  sich  die  zielbe- 
wusste  Vorbereitung  ihrer  Zoglinge  zu  Lehrern  des  Deutschen 
an  offentlichen  und  privateu  Schulen  zur  Aufgabe  macht. 

2.  Die  Zoglinge  erhalten  neben  dem  Unterricht  in  den  deutschen 
Fachern  eine  griindliche  Bildung  in  der  englischen  Sprache,  so- 
wie  in  den  wissenschaftlichen  und  padagogischen  Disziplinen,  so 
dass  sie  befahigt  werden,  spaterhin  auch  als  Klassenlehrer  und 
in  hoheren  Stellungen  zu  wirken. 

3.  Der  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache  geht,  wie  anerkannt 
worden  ist,  in  mannigfacher  Beziehung  iiber  das  hinaus,  was  an- 
dere  Erziehungsanstalten  in  diesem  Fache  zu  bieten  vermogen. 
Die  deutsche  Umgebung,    der    tagliche    Gebrauch    der    Sprache 
tragen  in  hohem  Grade  dazu  bei,  den  Zoglingen  mit  der  Sprache 
das  ungeheure  Gebiet  deutscher  Kulturarbeit  zu  eroffnen. 

4.  Der  im  Seminar  herrschende  Geist  findet  weiterhin  Nahrung  in 
dem  ausgezeichneten  deutschen  Theater,  sowie  in  den  zahlreichen 
Gesangs-  und  Turnvereinen  Milwaukees.     So  zeitigt  die  Studien- 
zeit  in  dieser  Stadt  Eesultate,    Avie    sie    sonst    nur  durch  einen 
mehrjahrigen  Aufenthalt  in  Deutschland  erzielt  werden. 

5.  Die  padagogische  Ausbildung  ist  in  Theorie  und  Praxis  gleich 
griindlich  und  ruht  auf  den  besten  deutschen  Erziehungsmetho- 
den.     In  der  Deutsch-Englischen  Akademie  steht  dem  Seminar 
eine  Musterschule  zur  Verfiigung.     Ausserdem  haben  die  Zog- 
linge der  zweiten  Normalklasse  noch  Gelegenheit,  wahrend  eines 
halben  Jahres  probeweise  an  den  offentlichen  Schulen  Milwau- 
kees zu  wirken. 

6.  Lehrmittel  aller  Art,    ein    modern    ausgeriistetes  physikalisches 
und  chemisches  Laboratorium  u.  a.  m.  stehen  den  Schiilern  zur 
Verfiigung. 


Nationales  Deutschamerikamsches  Lehrerseminar.  135 

Der  eigentliche  Seminar-  oder  Normalkursus  umfasst  zwei  Jahre. 
Eintrittsbedingungen  sind:  Beherrschung  der  deutschen  und  englischen 
Sprache  im  miindlichen  und  schriftlichen  Gebrauch;  Absolvierung  eines 
vierjahrigen  High  School-Kursus  oder  eine  dieser  entsprechende  Vor- 
bildung. 

Fiir  Schiller,  deren  sprachliche  oder  wissenschaftliche  Ausbildung 
derartige  Liicken  aufweist,  dass  sie  die  Arbeit  des  Normalkursus  nicht 
mit  Erfolg  aufnehmen  konnen,  sind  zwei  Vorbereitungsklassen  ein- 
gerichtet. 

Der  Unterricht  ist  kostenfrei. 

Mittellose  aber  begabte  und  wiirdige  Zoglinge  konnen  aus  der  An- 
staltskasse  Stipendienvorschiisse  beziehen,  die  sie  nach  Erhaltung  einer 
Anstellung  zuriickzuerstatten  haben. 

Die  Deutsche  Gesellschaft  von  Pennsylvanien  (Adolph  Timm  — 
522  W.  Lehigh  Ave.,  Philadelphia  —  Sekretar),  der  Unabhangige  Biir- 
gerverein  von  Maryland  (Hermann  Badenhoop  —  409  Gaither  Estate 
Bldg.,  Baltimore  —  Sekretar)  und  der  Zweigverein  des  Deutschamerika- 
nischen  Nationalbundes  von  Chicago  (Carl  Haerting  —  912  Schiller 
Bldg.,  Chicago  —  Sekretar)  haben  je  ein  Jahresstipendium  fur  Seminar- 
zoglinge  bewilligt,  das  von  diesen  Vereinen  nach  Ablegung  eines  Konkur- 
renzexamens  vergeben  wird.  Bewerbungsgesuche  um  ein  solches  Stipen- 
dium  sollten  sofort  bei  den  oben  angegebenen  Vereinssekretaren  einge- 
reicht  werden. 

Da  der  Bedarf  an  beruflich  vorgebildeten  Lehrern  des  Deutschen 
von  Jahr  zu  Jahr  wachst,  so  diirfen  die  Abiturienten  des  Lehrerseminars 
auf  Grund  ihrer  griindlichen  Vorbildung  sofort  nach  Verlassen  desselben 
auf  Anstellung  rechnen.  Gegenwartig  sind  alle  friiheren  Zoglinge  des 
Seminars,  soweit  sie  noch  im  Lehrerberufe  tatig  sind,  mit  Stellen 
versehen. 

Die  Anstalt  lasst  es  sich  angelegen  sein,  die  auswartigen  Zoglinge 
auf  Wunsch  in  guten  deutschen  Familien  unterzubringen. 

Die  Aufnahme  der  neuen  Zoglinge  fiir  den  nachsten  Jahreskursus 
erfolgt  am  Samstag,  dem  12.  September  d.  J.,  vormittags  9  Uhr. 

Zu  jeder  weiteren  Auskunft  ist  der  Unterzeichnete  gern  erbotig. 
Auch  steht  der  Katalog  des  Seminars  frei  zur  Verfiigung. 

Max  Griebscli, 

558 — 568  Broadway,  Seminardirektor. 

Milwaukee,  Wis. 


Report  on  the  Present  Status  of  Instruction  in  German 
in  the  High  Schools  of  Ohio. 


By  A.  Kiefer,  High  School,  Piqua  Ohio. 


NOTE.— At  its  twelfth  annual  meeting,  held  at  Chicago,  Ills.,  March  29  and 
30,  1907,  the  North  Central  Association  of  Colleges  and  Secondary  Schools  ap- 
pointed a  committee  on  the  definition  of  German  units,  with  Professor  Laurence 
Fossler,  of  Nebraska  State  University,  as  chairman.  The  undersigned  was  re- 
quested to  present  a  report  for  the  high  schools  of  the  State  of  Ohio.  The  whole 
of  this  report  is  not  given  here,  but  only  the  answers  to  the  chairman's  questions 
numbered  one,  six,  and  nine,  viz.: 

1.  Do  the  secondary  schools  in  your  state  attempt  to  conform  to  the  present 
requirements,  or  are  these  merely  theoretical  and  on  paper — "pigeon-holed"  as 
it  were? 

6.     What  criticisms,  if  any,  have  come  to  you 

(a)  as  to  the  amount  of  work  required,  especially  in  the  first  and  second 
year; 

(b)  as  to  the  nature  and  character  of  that  work? 

9.  What  specific  modifications  of  the  present  requirements  for  college  en- 
trance examinations  do  you  desire  made? 


1. 

As  far  as  I  am  aware  in  most  of  the  high  schools  of  the  larger 
cities,  with  competent  German  teachers,  the  courses  in  German  are  more 
or  less  shaped  according  to  the  Report  of  the  Committee  of  Twelve.  I 
think  in  all  the  high  schools  of  this  class  the  modern  language  is  on  an 
equal  footing  with  the  so-called  classical  language. 

In  a  few  of  the  smaller  high  schools  the  latter  language  is  still  con- 
sidered somewhat  "superior"  to  the  modern  language,  so  that,  e.  g.,  two 
years  of  Latin  might  be  considered  an  equivalent  to  three  years  of  Ger- 
man. The  German  course  in  these  schools  will  then  as  a  rule  be  found 
not  as  strongly  arranged  as  that  in  other  branches,  partly — to  state  it 
frankly — because  the  German  teachers  seem  to  be  not  as  competent  in 
their  branch  as  the  other  teachers  are  in  theirs. 

In  another  class  of  high  schools  ( — fortunately  very  few — )  German 
is  also  taught,  but  "fraget  mich  nicht  wie."  It  would  be  better  if  it 
were  not  in  the  course  at  all.  Half  a  year  of  grammar,  then  Goethe's 
"Faust"  or  Schiller's  "Wallenstein".  Indeed  German  must  look  very 
easy  to  such  schools  in  comparison  with  Latin  and  Greek.  To  jump — 
I  can  use  no  other  expression — as  was  done  in  a  private  preparatory 
school,  from  "Gliickauf"  as  first  book  to  "Maria  Stuart"  makes  a  farce 
of  the  study  of  German. 


Instruction  in  German  in  the  High  Schools  of  Ohio.  137 

The  competency  of  the  German  teacher  will  make  German  as  a 
high  school  study  just  as  strong  a  branch  as  the  best. 

I  speak  here  of  German  only  as  a  regular  branch  in  the  high  school 
course,  and  not  of  the  German  that  so  very  many  of  my  countrymen 
desire  to  be  taught  as  their  native  tongue  in  elementary  and  also  second- 
ary schools. 

6,  a. 

Amount  of  Work  in  the  Second  Year. 

The  requirement,  in  reading,  of  150 — 200  pages  seems  to  be  too 
much,  considering  the  fact  that,  in  the  second  year  above  all,  the  texts 
should  also  serve  to  impress  the  grammatical  forms  and  constructions. 
The  more  thoroughly  that  is  done  in  this  year,  the  less  work  is  required 
later  on,  and  the  greater  the  enjoyment  of  reading.  A  requirement  of 
about  100  pages  seems  to  be  sufficient. 

6,  b. 
Readdng  Matter  in  High  School. 

In  the  Eeport  of  the  Committee  of  Twelve  the  opinion  is  expressed 
that  "the  first  and  greatest  value  of  the  study  of  modern  languages  must 
be  looked  for  in  the  introduction  of  the  learner  to  the  life  and 
literature  of  the  two  great  peoples .  . .  . " 

The  texts  later  on  mentioned  for  reading  matter  will  doubtless  in- 
troduce the  learner  into  the  literature  of  the  German  people,  but,  I  am 
afraid,  not  so  much  into  its  life.  For  a  correct  picture  of  the  life  of  the 
German  nation  can  not  be  formed  from  the  study  of  its  literary  produc- 
tions alone,  not  even  of  the  so-called  classical  literature  written  in  a 
milieu  and  spirit  entirely  different  from  that  of  today. 

For  a  long  number  of  years  the  classical  languages  were  overesti- 
mated by  the  teaching  profession  with  regard  to  their  educational  value; 
might  not  the  modern  language  teachers  be  accused  somewhat  of  the 
same  today  with  regard  to  the  educational  value  of  the  classical  litera- 
ture? Does  not  the  educational  value  attributed  to  some  of  the  works 
merely  exist  in  the  mind  of  the  inspired  teacher? 

Looking  at  the  texts  that  the  boys  and  girls  study  in  high  schools, 
one  might  suppose  they  were  intended  to  become  philologists  or  professors 
of  German  literature.  The  details  that  these  pupils  are  sometimes  ex- 
pected to  digest  are  enormous:  When  and  where  and  why  the  writer 
conceived  the  first  idea  of  his  work — how  long  he  buried  the  idea  in  his 
breast,  till  he  talked  it  over  with  somebody  else — when  he  first  wrote  it 
down — how  he  put  it  then  in  his  writing  desk  for  many  months — took  it 
out  again — changed  it — talked  it  over  with  somebody  else  again  — 
changed  it  another  time — and  so  on.  Of  what  benefit  and  interest  can 
all  such  things  be  to  a  pupil  ?  They  might  to  the  teacher,  but  are  tedious 


138  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

to  the  average  pupils ;  for  at  least  half  of  the  latter  do  not  study  German 
for  literary  culture  alone.  If  the  pupils  think  that  German  has  nothing 
else  to  offer  for  study  than  literature  in  the  strict  sense,  and  that  the 
modern  Germans  are  still  only  "das  Volk  der  Dichter  und  Denker",  who 
seem  to  live  on  literature,  they  are  not  to  blame.  I  do  not  overlook  the 
beneficial  factor  in  literature,  inherent  in  any  art  work,  i.  e.,  the  inspira- 
tion for  the  student,  derived  from  exercising  his  creative  imagination  in 
a  wide  range — but  is  human  life  only  fed  from  this  source?  Is  litera- 
ture, after  all,  of  such  importance  in  the  life  of  the  individual  as  well  of 
a  nation,  as  some  are  prone  to  believe? 

Considering  all  this  the  demand  seems  to  be  justified  that  in 
the  reading  course  of  high  schools  the  "Idealien"  should  not  occupy  such 
a  prominent  place,  almost  to  the  exclusion  of  the  "Realien". 

The  texts  available  of  the  latter  are  very  few  in  comparison  with  the 
others.  About  the  contents  of  such  "Realien"  textbooks,  it  might  be 
stated  in  a  very  general  way  that,  beginning  even  in  the  elementary  Ger- 
man, the  learner  should  become  acquainted  in  easy,  interestingly  written 
German,  perhaps  in  dialogue  form,  with  the  modern  life,  customs,  insti- 
tutions of  Germany.  Gradually  in  later  years  the  reading  should  com- 
prise interestingly  written  descriptions  of  events  in  the  life  of  the  Ger- 
man people,  of  the  life  and  work  of  some  of  its  prominent  men,  of 
topics  pertaining  to  the  political  and  social  atmosphere  and  civilization, 
of  some  of  the  achievements  in  the  industrial  world  and  in  art  in  general, 
not  only  literature. 

A  condition  sine  qua  non  is  that  such  books — written  or  selected — 
should  be  as  interesting  as  possible  for  the  pupil,  avoiding  the  dry  didac- 
tic tone  in  description ;  otherwise  they  cannot  compete  with  the  tales,  love 
stories,  comedies  and  dramas,  in  holding  the  interest  of  the  pupils. 

Among  the  few  books  obtainable  in  this  line  I  may  quote:  "Will- 
kommen  in  Deutschland"  by  Prof.  Mosher  (Heath). — "Echo  of  Spoken 
Thiergen  (Ginn). — "Hoffmanns  Historische  Erzahlungen"  (Heath). — 
Thiergen  (Ginn). — "Hoffmanns'  Historische  Erzahlungen"  (Heath). — 
"German  Daily  Life"  by  Kron  (Newson  &  'Co.).  The  somewhat  dry 
descriptive  tone  in  this  otherwise  very  good  book  is  apt  to  lessen  the 
reader's  interest  in  the  long  run. — "Lesebuch"  by  Dr.  Paszkowski  (Weid- 
mann,  Berlin).  An  excellent  book,  but  above  the  range  of  high  school 
reading;  more  appropriate  for  college  work. 

With  regard  to  the  texts  quoted  in  the  Report  of  the  Committee  of 
Twelve,  I  would  exclude  from  the  high  school  course : 

(1)  All  fairy  stories  and  tales. 

(2)  All  overdrawn,  sentimental  stories,  including  even  "Immensee" 
in  the  first  years. 


Roosevelts  Ansprache  an  die  Schulsuperintendenten.  139 

(3)  All  stories  that  deal  with  the  life  of — for  high  school  pupils — 
too  young  boys  and  girls. 

The  number  of  good  textbooks  available  in  elementary  German  is 
then  considerably  reduced. 

In  Intermediate  German  a  much  larger  number  of  excellent  text- 
books is  at  the  disposal  of  the  teacher. 

In  Advanced  German  the  classical  literature,  especially  the  drama, 
has  the  first^  place — a  place  that  it  should  share  with  modern  prose,  as 
we  find  it  used  in  the  elegant,  clear-cut  writings  of  some  modern  novel 
writers,  whose  works  also  contain  plenty  of  food  for  thought.  Unfor- 
tunately the  sexual  undercurrent  in  some  of  the  best  works  exclude  them 
from  the  school;  and  the  real  artist  does  not  do  us  the  favor  of  writing 
for  the  moral  education  of  boys  and  girls  in  school  age. 

9. 

The  Eeport  of  the  'Committee  of  Twelve  says  the  advanced  pupil 
should  be  able  to  read  after  short  inspection  any  German  literature  free 
from  unusual  textual  difficulties. 

I  think  that  some,  especially  Eastern,  college  entrance  examination 
papers  are  not  free  from  this  difficulty.  It  does  not  so  much  consist  in 
the  German  words  and  constructions  as  in  the  really  difficult  philoso- 
phical thought,  thoughts  that  pupils  of  high  school  age  cannot  even  grasp 
in  their  mother  tongue,  not  to  say  anything  of  the  fine  shadings  in  Ger- 
man philosophical  writings;  that  pupils  will  easily  fail  in  translating 
such  passages  is  certain.  Should  not  that  "spook"  of  the  difficulty  of 
modern  languages  versus  classical  languages  be  responsible  for  the  select- 
ing of  such  difficult  passages? 

On  the  other  hand  the  same  colleges  think  that  the  elements  of  a 
modern — spoken! — language  can  be  acquired  in  6 — 8  weeks,  to  try  a 
successful  entrance  examination,  something  that  is  surely  not  in  accord- 
ance with  the  pedagogical  views  expressed  in  the  Eeport  of  the  Committee 
of  Twelve. 


President    Roosevelts    Ansprache    an    die    Schulsuperintendenten.* 

Meine  Herren  und  Damen!  Unter  all  den  Korperschaften,  die  ich  hier 
im  Weissen  Hause  empfangen  habe,  ist  keine,  die  einen  wichtigeren  Platz 
einnimmt  als  die  Ihrige.  Ja,  ich  mochte  sagen,  dass  bisher  keine  hier 
gewesen  ist,  deren  Stellung  der  Nation  gegeniiber  gleich  bedeutungsvoll 
gewesen  ware ;  sind  Sie  doch  Manner  und  Frauen,  die  sich  mit  der  Erzie- 


*  Gelegentlich  des  Empfanges,  der  im  Weissen  Hause  zu  Ehren  der  Schul- 
superintendenten des  Landes  abgehalten  wurde,  die  im  Februar  des  Jahres  in 
Washington  als  Zweig  der  N.  E.  A.  tagten,  hielt  President  Roosevelt  eine  An- 
sprache, deren  englischer  Wortlaut  in  der  ,,Washington  Post"  dieser  ubersetzung 
zu  Grunde  liegt.  D.  R. 


140  Manatshefte  fur  deutschc  Sprache  und  Padagogik. 

hung  befassen;  sind  Sie  doch  Vertreter  der  von  der  Often tlichkeit  allge- 
mein  gebilligten  grossen  amerikanischen  Politik,  die  die  Erziehung  aller 
Kinder  als  erste  Pflicht  erkennt,  und  unterhalten  Sie  darum  doch  Bezie- 
hungen  zur  Familie,  Beziehungen  zur  Zukunft  unseres  ganzen  Volkes, 
wie  sie  keine  andere  gleiche  Anzahl  von  Personen  unterhalten  kann.  Ich 
selbst  besitze  sechs  Kinder,  die  Sie  erziehen,  und  ich  darf  darum  wohl 
einigen  von  Ihnen  meine  aufrichtige  Teilnahme  ausdriicken. 

Jedoch  im  Ernst,  Freunde,  es  ist  grundlos,  wenn  irgend  jemand  an 
der  Zukunft  unseres  Landes  verzweifeln  wollte,  oder  wenn  er  liber  Gebuhr 
beziiglich  derselben  alarmiert  ware,  sofern  er  nur  mit  Ihnen  hier  und  mit 
den  Kraften,  die  Sie  reprasentieren,  in  Beriihrung  kommen  wollte.  Im 
Grunde  ist  unser  Land  in  moralischer  Hinsicht  nicht  weniger  gesund  als 
in  physischer;  und  soweit  das  Familienleben  sowohl,  als  die  nach  aussen 
sich  offenbarenden  Handlungen  des  einzelnen  in  Betracht  kommen,  ist 
das  Land  besser  und  nicht  schlimmer  als  es^friiher  war.  Das  soil  nicht 
zum  Deckmantel  dafiir  dienen,  wenn  wir  es  unterlassen,  gegen  Verderbt- 
heit  und  Korruption  in  den  Streit  zu  ziehen  oder  mit  Nachdruck  die 
Machte  des  Ubels  zu  bekainpfen ;  -  -  und  diejenigen,  die  meine  Hand 
davon  abzuwenden  versuchten,  wiirden  unniitz  ihre  Zeit  vergeuden. 
Xein,  gerade  weil  wir  das  Vertrauen  in  den  endlichen  Sieg  des  Eechten 
haben,  ist  es  der  Mtihe  wert,  das  Unrecht  zu  strafen.  Sie,  die  Sie  die 
nachste  Generation  erziehen,  gestalten  dieses  Land,  wie  es  ein  oder  zwei 
Jahrzehnte  von  jetzt  sein  wird;  und  mag  daher  Ihre  Arbeit  an  der  Aus- 
bildung  des  Verstandes  auch  gross  sein,  sie  kommt  an  Bedeutung  nicht 
derjenigen  gleich,  die  Sie  an  der  Ausbildung  des  Charakters  tun.  Vor 
allem  mochte  ich  sehen,  dass  unsere  offentlichen  Schulen  Knaben  und 
Madchen  heraussenden,  die  als  Manner  und  Frauen  die  Biirgertugenden 
der  Nation  vermehren  helfen.  Es  ist  meines  Amtes  nicht,  noch  liegt  es 
innerhalb  meines  Vermogens,  iiber  padagogische  Problemc  zu  sprechen. 
Sie  selbst  sind  besser  imstande,  dieselben  zu  besprechen.  Doch  lassen 
Sie  mich  als  Laien  einige  Gedanken  iiber  Ihre  Arbeit  aussern. 

In  erster  Linie  hoffe  ich,  miser  Volk  wird  mehr  und  mehr  dahin 
arbeiten,  dass  die  Schulen  ihre  Erziehungsarbeit  in  der  Richtung  nach 
der  Farm  und  Werkstatte  zu,  nicht  von  diesen  sich  entfernend  ausfiihren. 
Wir  haben  in  diesem  Lande  bisher  sehr  viel  iiber  die  Wiirde  der  Arbeit 
gesprochen,  wir  haben  aber  nicht  unseren  Worten  gemass  gehandelt ;  denn 
in  unserer  Erziehung  sind  wir  eher  in  der  Annahme  vorwarts  gegangen, 
dass  der  Gebildete  von  der  Arbeit  weg  und  nicht  zu  ihr  hin  erzogen  wer- 
den  miisse.  Die  grossen  Nationen  des  Mittelalters  liessen  uns  solch 
bewundernswerte  Werke  der  Architektur  und  der  Kunst  zuriick,  weil  sie 
Kopf  und  Hand  des  Handwerkers  gleichmassig  bildeten.  Nunmehr  ist 
es  an  uns,  dafiir  zu  sorgen,  dass  sich  an  uns  nicht  die  Wahrheit  des  Ge- 
setzes  bekunde,  nach  welchem  ein  Volk,  das  seine  physische  Gewandtheit 


Roosevelts  Ansprache  an  die  Schulsuperintendenten.  141 

verliert,  verkiimmert.  Unser  Volk  muss  zur  Einsicht  kommen,  dass  der 
gute  Tischler,  der  gute  Schmied,  der  gute  Handwerker,  sowie  der  gute 
Farmer  in  der  Tat  die  wichtigste  Stelle  im  Lande  einnehmen,  und  dass 
es  sowohl  fiir  sie,  wie  fiir  die  Nation  von  Ubel  sei,  wenn  ihre  Sohne  und 
Tochter  eine  Tatigkeit  aufgeben,  die,  wenn  sie  gut  und  erfolgreich  aus- 
gefuhrt  wird,  mehr  als  irgend  eine  andere  fiir  die  Gesamtheit  der  Nation 
bedeutet.  Bins  wollte  ich  von  Ihnen  Ihren  Schulern  eingepflanzt  wis- 
sen,  namlich,  dass  es  vollstandig  bedeutungslos  ist,  ob  Sie  das  erworbene 
Geld  Gehalt  oder  Lohn  nennen,  und  dass,  falls  Sie  durch  schwere  Arbeit 
mit  den  Handen  mehr  verdienen,  als  durch  solche  mit  dem  Kopf  allein, 
es  keine  Entschadigung  bietet,  den  geringeren  Betrag  Gehalt  zu  nennen. 

Der  Ausdruck  ,,Wiirde  der  Arbeit"  schliesst  in  sich,  dass  Handarbeit 
ebenso  wertvoll  als  geistige  Arbeit  ist,  und  wer  wollte  daran  zweifeln? 
In  der  Tat  ist  die  am  hochsten  stehende  Art  von  Arbeit  die,  welche  die 
Fahigkeiten  von  Kopf  und  Hand,  von  Herz,  Verstand  und  Korper  in 
Anspruch  nimmt.  Mut  und  Gewandtheit  des  Korpers  sind  notwendig; 
sie  stehen  in  gleicher  Linie  mit  dem  Verstand,  und  nur  unter  dem  Cha- 
rakter.  Lassen  Sie  uns  beweisen,  dass  wir  die  Stellung  ernes  Mannes,  der 
mit  seinen  Handen  arbeitet,  stets  und  im  Ernst  fiir  ebenso  wichtig, 
ehrenvoll  und  wert  unserer  Hochachtung  halten  als  die  eines  Geschafts- 
oder  Fachmannes.  Wir  brauchen  in  diesem  Lande  eine  Neuregelung  der 
Werte,  die  in  erster  Linie  gerade  nur  durch  Sie,  die  hier  anwesenden 
Manner  und  Frauen,  und  durch  Ihre  Berufsgenossen  im  ganzen  Lande 
vorgenommen  werden  kann. 

Ich  mochte  nicht,  dass  Sie  einem  unmoglichen  Ideal  das  Wort 
reden;  denn  wenn  Sie  dies  tun,  tragen  Sie  nur  dazu  bei,  in  Ihren  Schii- 
lern  den  Gedanken  zu  wecken,  als  seien  Ideale  unerreichbar.  Sie  wiirden 
Ihnen  dadurch  das  schlimmste  aller  libel  zufiigen:  Sie  wiirden  sie  lehren, 
Lehre  und  Handeln  zu  trennen,  und  das  Ideal,  das  sie  in  abstraktem 
Sinne  bewundern,  von  dem  praktischen  Guten,  dem  sie  nachstreben,  zu 
scheiden.  Lehren  Sie  Knaben  und  Madchen,  dass  es  ihre  erste  Aufgabe 
ist,  sich  ihren  eigenen  Lebensunterhalt  zu  erwerben;  dass  der  Knabe  dazu 
bestimmt  ist,  der  Begriinder  eines  Heims  zu  sein;  dass  des  Madchens 
letzte  Bestimmung  die  einer  Hausfrau  ist;  dass  durch  die  Arbeit  des 
Vaters  das  Brot  der  Familie  erworben  wird,  und  durch  die  der  Mutter 
das  Erworbene  zusammengehalten  wird;  dass  ihre  Arbeit  bei  weitem  die 
wichtigste  im  Lande  ist;  dass  die  Arbeit  des  Staatsmannes,  des  Schrift- 
stellers,  des  Industriellen  und  all  der  anderen  in  erster  Linie  durch  die 
Arbeit  bedingt  wird,  die  ihren  Ausdruck  im  Familienleben  findet  und 
die  der  Familie  den  Unterhalt  verschafft.  Darum  lehren  Sie  den  Kna- 
ben, dass  von  ihm  erwartet  wird,  dass  er  sich  seinen  eigenen  Lebensunter- 
halt erwirbt,  dass  es  ihm  zu  Schimpf  und  Schande  gereicht,  wenn  er  sich 
nicht  seine  Unabhangigkeit  bewahrt  und  nicht  fahig  ist,  sich  in  der 


142  Motiatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

rauhen  Wirklichkeit  des  Lebens  zu  behaupten.  Lehren  Sie  das  Madchen, 
dass  so  wenig  es  ihre  Pflicht  sein  kann,  jeglicher  Arbeit  aus  dem  Wege  zu 
gehen,  sie  vielmehr  ihren  Stolz  darin  suchen  sollte,  eine  ebenso  gute 
Hausfrau  zu  werden,  als  ihre  Mutter  vor  ihr  gewesen  ist. 

Wir  sollten  uns  bemiihen,  jeden  zu  lehren,  dass  es  die  erste  Aufgabe 
eines  jeden  guten  Burgers  ist,  seine  Pflichten,  die  ihm  am  nachsten  lie- 
gen,  zu  erfiillen.  Aber  dies  entschuldigt  ihn  natiirlich  nicht  davon,  auch 
den  anderen  Pflichten  nachzukommen.  Es  kann  als  keine  Entschuldi- 
gung  gelten,  dass  jemand,  der  seine  Pflichten  dem  Vaterlande  gegeniiber 
vernachlassigt,  sagt,  er  sei  ein  guter  Gatte  und  Vater,  aber  noch  weniger 
darf  er  Korruption  im  politischen  und  geschaftlichen  Leben  damit  ent- 
schuldigen,  dass  sein  Familienleben  ohne  Makel  sei.  Er  sollte  der  Recht- 
lichkeit  im  Familienkreise,  Rechtlichkeit  im  politischen  und  im  offent- 
lichen  Leben  beifiigen.  Meine  Ansicht  ist  es  also  nicht,  dass  mit  der 
Erfiillung  der  Pflichten  der  Familie  gegeniiber  Geniige  getan  ware;  aber 
sie  bildet  eine  notwendige  Grundlage,  auf  welcher  der  Oberbau,  der 
der  Verfolgung  hoherer  Lebensaufgaben  errichtet  werden  kann.  Unsere 
Kinder  sollten  zuerst  angehalten  werden,  ihren  hauslichen  Verpflichtun- 
gen  nachzukommen,  und  dann  sollten  sie  ausserdem  dazu  erzogen  werden, 
dass  wir  gemeinsam  und  in  der  richtigen  Weise  an  der  Erfiillung  der 
grossen  und  verantwortungsvollen  Aufgabe  des  Ausbaues  des  amerikani- 
schen  Staatswesens  teilnehmen. 

M.  0. 


Statistische  Untersuchungen  liber  die  Art  und  den  Grad  des  Inter- 
esses  bei  Kindern  der  Volksschule.  So  lautet  der  Titel  einer  langeren 
Abhandlung  in  der  Zeitschrift  ,,Xeue  Bahnen"  aus  der  Feder  von  Gustav 
Wiederkehr,  Mannheim.  Angeregt  durch  die  Untersuchungen  von  Max 
Lobsien-Kiel  (Kinderideale)  und  Dr.  W.  Stern  (Untersuchungen  iiber 
die  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Facher)  unternahm  er  es  festzu- 
stellen,  welches  Interesse  seine  Schiiler  den  einzelnen  Unterrichtsfachern 
entgegenbringen.  500  Knaben  und  500  Madchen  des  vierten  bis  achten 
Schuljahres  erhielten  die  Fragen  vorgelegt,  welches  der  Facher  ihnen  das 
allerliebste,  und  welches  das  allerunliebste  sei.  Aus  der 
Tabelle,  in  der  er  das  Resultat  dieser  Untersuchungen  zusammenstellt 
und  die  Facher  nach  dem  Grade  des  Interesses  gruppiert,  ersehen  wir, 
dass  Knaben  und  Madchen  am  starksten  Turnen,  in  zweiter  Linie  Auf- 
satz  bevorzugen,  dass  sie  Geographic  und  Sprachlehre  entschieden,  Schon- 
schreiben  und  Geometric  weniger  scharf  ablehnen.  Zeichnen,  auch  Ge- 
schichte,  Deutsch,  Gesang  und  Rechnen  erfreuen  sich  bei  den  einen 
grosser  Yorliebe,  bei  den  anderen  ebenso  grosser  Abneigung.  Indifferent 
verhalten  sich  die  Schiiler  Religion,  Naturgeschichte,  Naturlehre  und 
Diktat  gegeniiber. 


Statistische  Untersucliungen.  143 

Diese  Zusammenstellung  gibt  dem  Verfasser  alsdann  zu  Betrachtun- 
gen  Veranlassung,  aus  denen  hier  einige  Satze  von  allgemeinem  Interesse 
wiedergegeben  werden  mogen : 

,,Die  Bilanz  ware  damit  gezogen,  die  Abrechnung  mit  dem  heute 
herrschenden  Schulsystem  gemacht. 

,,Fiirwahr,  keineswegs  ein  besonders  erfreuliches  Ergebnis,  wenn  im 
gesamten  unter  15  Fachern  nur  ein  einziges  als  ausdriicklich  bevorzugt 
bezeichnet  wird,  wahrend  jeweils  vier  Facher  als  abgelehnt  und  indiffe- 
rent aufgefiihrt  werden. 

,,Wer  hatte  gedacht,  dass  unsere  Schiller  der  Mehrzahl  der  Unter- 
richtsgegenstande  kein  oder  nur  geringes  Interesse  entgegenbringen,  dass 
sie  dem  taglichen  Unterricht  zum  grossten  Teil  mit  Widerwillen  folgen. 
Das  lasst  doch  gewiss  tief  blicken  und  gibt  zu  ernstem  Nachdenken  und 
strenger  Selbstpriifung  immerhin  reiche  Veranlassung. 

,,Liegt  es  am  Stoff  oder  an  der  'Methode,  sind  die  Schiller  oder  gar 
die  Lehrer  daran  schuld,  das  sind  die  Fragen,  die  sich  einem  jeden  un- 
willkiirlich  aufdrangen. 

,,Demjenigen,  der  sich  mitten  in  den  Irrungen  und  Wirrungen  des 
unterrichtlichen  Lebens  einen  freien  Blick  und  einen  offenen  Sinn  fiir 
alles  Bedeutsame,  Grosse,  dauernd  Wertvolle  erhalten  hat,  wird  die  Ant- 
wort  sicherlich  nicht  schwer  fallen.  Er  sieht  sich  vor  die  Losung  eines 
Eechenexempels  gestellt,  das  nicht  einfacher  und  elementarer  gedacht 
werden  kann. 

,,Wer  ein  gewisses  Produkt  erhalten  will,  muss  eine  ganz  bestimmte 
Anzahl  von  Faktoren,  die  einen  ganz  bestimmten,  wenn  auch  ungleichen 
Wert  besitzen,  aufeinanderwirken  lassen.  Wird  einer  der  Faktoren  in 
seiner  Wirkung  ausgeschaltet,  so  ist  nicht  daran  zu  denken,  dass  das  Pro- 
dukt zu  dem  beabsichtigten  Werte  heranwachst.  Das  ist  nun  im  vorlie- 
genden  Falle  nicht  anders." 

Seine  Ausfiihrungen  schliesst  der  Verfasser  mit  folgenden  Satzen, 
die  in  scharfer  Weise  die  Ziele  der  modernen  im  Gegensatz  zur  alten 
Schule  definieren: 

,,Wir  sind  zum  Schlusse  gekommen.  Aus  den  Ausfiihrungen  geht 
klar  hervor,  dass  der  Unterricht,  wenn  er  einen  innerlich  anfassenden 
Eindruck,  ein  iiber  die  Lernzeit  hinausreichendes  Interesse  erzielen  will, 
bei  alien  seinen  Massnahmen  sich  in  allererster  Linie  mit  der  Personlich- 
keit  des  Kindes,  mit  seinen  individuellen  typischen  Bediirfnissen  abzu- 
finden  hat.  Er  darf  unter  keinen  Umstanden  vom  Stoff  ausgehen  als 
einer  massgebenden  Direktive,  sondern  muss  das  Kind  als  individuelles 
Wesen  zum  Ausgangs-,  Mittel-  und  Zielpunkt  aller  seiner  Unternehmun- 
gen  machen. 

,,In  der  entschiedenen  Abkehr  von  dem  unsere  Schule  bis  jetzt  ganz 
beherrschenden,  wissenschaftlichen  Objektivismus  sehe  ich  darum  die 


144  Monatshefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Padagogik. 

einzige  und  sicherste  Gewahr  fiir  die  fortschrittliche  Entwickelung  un- 
seres  unterrichtlichen  Lebens,  und  in  der  Hinkehr  zu  einem  kiinstleri- 
schen  Subjektivismus,  der,  den  Menschen  in  seiner  Gesamtheit  auffas- 
send,  die  individuelle  Personlichkeit  allein  zu  ihrem  Rechte  kommen  lasst 
und  ihr  eine  pradominierende  Stellung  im  Lehr-  und  Erziehungsplane 
anweist,  erblicke  ich  die  wahre  Renaissance  der  padagogischen  Kunst  und 
die  endliche  Wiedergenesung  des  unterrichtlichen  Organismus. 

,,Also  Materie  oder  Personlichkeit,  Stoff  oder  Interesse,  wissenschaft- 
licher  Objektivismus  oder  kiinstlerischer  Subjektivismus  --  das  bedeutet 
die  Markscheide,  wo  die  Geister  sich  trennen,  wo  eine  alte,  welke  Welt 
mit  alien  ihren  Vorurteilen  und  Irrtiimern  hinter  uns  in  Nacht  und 
Graus  versinkt,  und  wo  vor  unseren  Blicken  eine  neue,  bessere  Welt  in 
schonster  Klarheit  und  reinster  Harmonic  sich  uns  auftut.  Sie  ist  das 
Reich  unserer  Traume,  das  Land  unserer  Hoffnung  und  unserer  Sehn- 
sucht,  das  feme,  im  unentdeckten  Meere.  Nach  ihm  heisse  ich  cure  Segel 
suchen  —  und  suchcn !" 


Zur  Arbeit  im  ersten  Schuljahre.  B  c  1  a  s  t  u  n  g  der  Kinder 
im  erst  en  Schuljahre.  In  der  ,,Padagog.  Reform"  tritt 
ein  Lehrer  fiir  Entlastung  der  Schiller  im  ersten  Schuljahr  ein.  Auf 
ersten  Schulta.ge  an  gcfordert  werdon,  zu  viel ;  sie  erscbeinen  als  eine 
Versiindigung  an  der  kindlichen  Natur.  Die  Notwendigkeit  auch,  dass 
der  Mensch  am  p]nde  seines  siebenten  Lebensjahres  Lesen  gelernt  haben 
miisse,  sei  durch  nichts  bewiesen.  Schieben  wir  das  Lesenlernen  um  ein 
Jabr  hinaus,  so  dass  wir  erst  am  Endc  des  zweiten  Schuljahres  soweit 
waren,  wie  wir  jetzt  am  Ende  des  ersten  sein  sollen,  es  ware  fiir  eine  ge- 
sunde  geistige  Entwickelung  absolut  nichts  verloren ;  manche  versprechen 
sich  sogar  einen  Gewinn  davon ;  denn  dann  hatte  man  auch  Zeit,  das,  was 
die  Kinder  an  Beobachtung  und  Erfahrung  aus  den  vorschulpflichtigen 
Jahren  mitbringen,  in  verniinftiger  Ruhe  zu  verarbeiten.  --  Im  Fibel- 
j  a  h  r  kommen  die  Kinder  in  Gefabr,  seelisch  zu  verhungern.  Wir 
opfern  dem  ]\Ioloch  ,,Lesenkonnen"  eine  unendlich  reicbe  Kraft.  Im 
zweiten  und  dritten  Schuljahr  bleiben  die  Schaden  des  Raubbaus  ziem- 
lich  verborgen.  Denn  da  gonnt  uns  der  Lehrplan  grossmiitig  eine  Pause. 
Aber  dann !  Keine  Lust  mehr  und  kein  Trieb.  Was  in  der  Fibel  unge- 
wolltes  Mittel  war.  die  Lesekunst  als  bequemen  Weg  zu  alien  Lehrzielen 
in  die  Hand  zu  spielen,  der  stumpfe  Drill,  er  muss  nun  weiter  sanktio- 
niert  werden.  Eine  Bankerotterkla'rung  des  kraftbildenden  Unterrichts 
voll  bitterster  Ironie.  (S.  Riittgers,  Neue  Bahn.  12.  Zu  Gansbergs 
Fibel.)  --  Element  arunterricht  in  der  Stadt.  1.  Das 
herrschende  Fach  der  Elementarklasse  ist  der  Anschauungsunterricht. 
Schreiblesen  und  Rechnen  treten  erst  im  zweiten  Halbjahr  auf.  2.  Den 


Goethe  uber  das  schone  Schreiben.  145 

TJnterrichtsstoff  bietet  das  Leben  der  Grossstadt.  3.  Der  Anschauungs- 
unterricht  soil  die  produktiven  Krafte  der  Kinderseele  in  Anspruch  neh- 
men.  4.  Die  Darbietung  des  Stoffes  erfolgt  in  zusammenhangender  Dar- 
stellung,  erweitert  durch  Schiilerbeitrage,  erganzt  durch  Zeichnen  und 
Handfertigkeitsiibungen.  5.  Die  Wiedergabe  ist  eine  zusammenhangende, 
individuelle  Ziige  enthaltende.  (Frl.  M.  Meyer,  Hamburg.) 


Goethe  uber  das  schone  Schreiben.  Scharrelmann  sagt  in  seinem 
sehr  anregenden  Buchlein  ,,Im  Eahmen  des  Alltages"  unter  anderem: 
Haufig  hab  ich  in  den  letzten  zehn  Minuten  alle  Kinder  auf  der  Tafel 
schnell  noch  etwas  ,,von  Gestern"  aufschreiben  lassen.  Jedes  Kind  darf 
vom  gestrigen  Tage  aufschreiben,  was  ihm  aufschreibenswert  erscheint 
und  gerade  ins  Gedachtnis  kommt.  Es  muss  schnell  und  infolgedessen 
auch  schlecht  geschrieben  werden.  Je  unschoner  die  Form,  desto  besser 
der  Inhalt.  Wenn  nur  das  Kind  sein  Geschreibsel  selbst  wieder  lesen 
kann. 

Auch  sonst  scheint  er  der  Schrift  kerne  grosse  Bedeutung  beizu- 
messen  (ebenda  S.  10).  Gewiss  ist  der  Inhalt  des  Geschriebenen  wich- 
tiger  als  das  aussere  Gewand.  Allein  die  Erziehung  zu  einer  sauberen, 
gut  lesbaren,  schonen  Schrift  ist  auch  eine  Sache,  die  man  nicht  gering 
schatzen  soil.  Eiri  Schreibunterricht,  der  richtig  betrieben  wird,  hat 
•einen  nicht  zu  unterschatzenden  erizehlichen  Wert. 

Goethe  hat  in  Wahrheit  und  Dichtung  (gegen  Ende  des  8.  Buches) 
<eine  Bemerkung  liber  eine  gute  Handschrift  gemacht,  die  zum  Nacli- 
•denken  anregen  kann.  Er  hatte  seine  Briefe  aus  der  Leipziger  Zeit 
durchgesehen,  und  hierzu  aussert  er  sich  f olgendermassen : 

,,Was  mir  zuerst  an  diesen  Brief  en  auffiel,  war  das  Aussere;  ich 
erschrak  vor  einer  unglaublichen  Vernachlassigung  der  Handschrift,  die 
sich  vom  Oktober  1765  bis  in  die  Halfte  des  folgenden  Januars  erstreckte. 
Dann  erschien  aber  auf  einmal  in  der  Halfte  des  Marzes  eine  ganz  ge- 
fasste,  geordnete  Hand,  wie  ich  sie  sonst  bei  Preisbewerbungen  anzuwen- 
den  pflegte.  Meine  Verwunderung  dariiber  loste  sich  in  Dank  gegen  den 
guten  Gellert  auf,  welcher,  wie  ich  mich  nun  wohl  erinnerte,  uns  bei  den 
Aufsatzen,  die  wir  ihm  einreichten,  mit  seinem  herzlichen  Tone  zur  hei- 
ligen  Pflicht  machte,  unsere  Hand  so  sehr,  ja  mehr  als  unseren  Stil  zu 
iiben.  Dieses  wiederholte  er  so  oft,  als  ihm  eine  kritzliche,  nachlassige 
Schrift  zu  Gesicht  kam,  wobei  er  mehrmals  ausserte,  dass  er  sehr  gern 
die  schone  Handschrift  seiner  Schiller  zum  Hauptzweck  seines  Unter- 
richts  machen  mochte,  um  so  mehr,  weil  er  oft  genug  bemerkt  habe,  dass 
eine  gute  Hand  einen  guten  Stil  nach  sich  ziehe." 


Berichte  und  Notizen. 


I.     Korrespondenzen. 


Baltimore. 

Lehrerpensionen.  —  Balti- 
more wird  demnachst  zu  der  noch  sehr 
beschrankten  Zahl  unserer  Stftdte  geho- 
ren,  die  ihrer  Lehrerschaft  ein  Ruhege- 
halt  gewahren.  Soeben  hat  die  Staats- 
legislatur  ein  diesbeziigliches  Gesetz  er- 
lassen.  Die  wesentlichen  Punkte  des- 
selben  sind  folgende: 

Zunachst  ist  eine  stadtische  Verwal- 
tungsbehorde  unter  dem  Namen  ,,Board 
of  Trustees  of  the  Teachers'  Retirement 
Fund  of  Baltimore  City"  geschaffen 
worden.  Sie  besteht  aus  sieben,  und 
zwar  dem  City  Comptroller  (der  bei  der 
alljahrlichen  Feststellung  der  Steuerra- 
te  das  leitende  Wort  hat),  dem  Schul- 
superintendent,  zwei  Mitgliedern  des 
Schulrats  und  drei  Mitgliedern  der  Leh- 
rerschaft, welche  drei  von  dieser  selbst 
durch  Stimmzettel  zu  erwahlen  sind. 

Diese  Behorde  steht  ganz  unabhangig 
vom  Schulrat,  sie  hat  alleinige  Voll- 
macht  zur  Ausfiihrung  dieses  Gesetzes, 
Erlassung  von  Nebengesetzen  und  Ver- 
ordnungen,  Verwaltung  der  Gelder,  An- 
stellung  von  Beamten  u.  dergl. 

Wer  vierzig  Jahre  an  den  offentlichen 
Schulen  gelehrt  hat,  kann,  bezw.  soil 
in  den-  lebenslanglichen  Ruhestand  ver- 
setzt  werden.  Das  Ruhegehalt  soil  die 
Halfte  des  Durchschnittsgehalts  der 
vorangegangenen  fiinf  Jahre  betragen, 
doch  nicht  ttber  $600,  oder  unter  $360 
das  Jahr. 

Wer  nach  zwanzigjahriger  Berufsar- 
beit  dienstunfahig  wird,  erhalt  eine 
jahrliche  Zuweisung  von  eben  so  vielen 
Vierzigsteln  des  vorerwahnten  Ruhege- 
halts,  als  die  Zahl  der  Dienstjahre  be- 
tragt. 

In  den  Ruhestand  Versetzte  konnen, 
wenn  fahig,  und  ohne  weitere  Vergii- 
tung,  zu  gelegentlichen  Dienstleistungen 
an  den  Schulen  herangezogen  werden, 
doch  nicht  auf  mehr  als  funfzehn  Tage 
wUhrend  eines  Schuljahrs. 

Die  Mitglieder  des  Lehrkb'rpers  haben 
folgende  Umlagen  zu  entrichten:  Bis 
zum  10.  Dienstjahr  1%  des  Gehalts 
(doch  nicht  mehr  als  $14.40) ;  bis  zum 
20.  Dienstjahr  \\%  des  Gehalts  (aber 
nicht  iiber  $21.60) ;  nach  dem  20.Dienst- 
jahr  2%,  aber  nicht  mehr  als  $28.80. 
Diese  Gelder  werden  in  Zwolfteln  jeden 
Monat  vom  Gehalt  abgezogen. 


Wer  nicht  mindestens  so  viel  einbe- 
zahlt  hat,  als  die  Gehaltsumme  fur  das 
erste  Jahr  des  Ruhestandes  betragt,soll 
in  den  ersten  fiinf  Jahren  je  ein  Ftinf- 
tel  des  Unterschieds  abgezogen  bekom- 
men.  Weitere  Gelder  kommen  von  der 
Stadtkasse,  wie  auch  von  gelegentlichen 
Geschenken  und  Vermachtnissen. 

Hinfort  hat  der  Schulrat  alle  Bewer- 
ber  um  Lehrstellen,  als  Bedingung  zu 
ihrer  Anstellung,  zu  verpflichten,  den 
Bestimmungen  dieses  Gesetzes,  sowie 
etwaigen  Umanderungen  und  ZusStzen, 
nachzukommen.  Wer  bereits  dem  Lehr- 
korper  angehort,  hat  die  Wahl,  doch 
mussen  solche  ihren  Entscheid  derVer- 
waltungsbehorde  in  tunlichster  Balde 
mitteilen.  Die  Umlagen  beginnen  mit. 
dem  Jahre  1909,  Versetzungen  in  den 
Ruhestand  mit  dem  darauf  folgenden. 

Wer  dem  Lehrerberuf  entsagt,  ehe  er 
von  den  Vorteilen  dieses  Gesetzes  Ge- 
brauch  machen  kann,  ist  zur  Halfte  der 
eingezahlten  Summe,  ohne  Zinsen,  be- 
rechtigt;  im  Sterbefalle  geht  die  be- 
treffende  Summe  an  den  Nachlass  iiber. 
Die  Ruhegelder  konnen  in  keiner  Weise 
veraussert  oder  gerichtlich  angetastet 
werden.  Das  Wort  ,,Pension"  ist  in 
dem  Gesetzentwurf  geflissentlich  ver- 
mieden  worden,  es  wird  durchweg  eine 
Form  des  Ausdrucks  ,,Retirement"  ge- 
braucht. 

Das  Zustandekommen  dieses  Gesetzes 
ist  dem  kraftigen  Vorgehen  eines  Hauf- 
leins  aus  unserem  Lehrerverein,  unter 
der  furchtlosen  Fiihrung  von  dessen 
Prasidenten  Chas.  J.  Koch,  zu  verdan- 
ken.  Es  war  leider  klar  geworden,  dass 
der  Schulrat  unter  seinem  bisherigen 
Prasidenten  blutwenig  Sympathie  fiir 
diesen  Gedanken  hatte,  und  da  wurde 
denn  vor  den  jiingsten  Stadtwahlen 
vom  Verein  ein  Ausschuss  fiir  Entwurf 
und  Durchfuhrung  eines  entsprechenden 
Gesetzes  ernannt.  Und  er  hat  seine 
Schuldigkeit  getan.  Auch  der  neue 
Schulratsprasident  hatte  noch  Gelegen- 
heit,  uns  dabei  seine  warme  Sympathie 
zu  beweisen.  Einen  Abdruck  des  gan- 
zen  Gesetzes  werde  ich  der  Bibliothek 
unseres  Seminars  zusenden. 

Vierzig  Jahre  waren  es  im  ver- 
gangenen  Marz,  dass  ich  hier  in  den 
Lehrberuf  eintrat.  Es  ware  das  an  die- 
ser Stelle  kaum  erwiihnenswert,  doch 


Korrespondenzen. 


147 


sind  unter  den  Auswartigen,  die  mir 
wS-hrend  des  Monats  ihre  Gliickwiinsche 
zusandten,  solche,  deren  Adresse  mir 
unbekannt  ist,  und  denen  ich  hiermit 
meinen  Dank  ausdriicken  mochte.  Von 
den  Aufmerksamkeiten  in  hiesiger 
Stadt  war  besonders  stimmungsvoll  ein 
mir  von  Schiilern  meiner  ersten  Klasse 
— vom  Jahr  1868  —  gegebenes  Bankett. 
Es  waren  darunter  ein  Kongressmit- 
glied,  Arzte,  Lehrer,  Prediger,  Advoka- 
ten  und  Geschaftsleute.  Ich  brauchte 
nur  die  Augen  zu  schliessen,  um  diese 
Manner,  jetzt  Vater  und  manche  Gross- 
vater,  wieder  als  Schulknaben,  meine 
ersten  Versuchskaninchen,  vor  mir  zu 
sehen.  Und  seit  jener  Zeit  habe  ich  iiber 
30,000  unterrichtet.  —  Nie  ist  mir  die 
Flucht  der  Zeit  so  machtig  zum  Be- 
wusstsein  gekommen,  wie  an  jenem 
Abend.  Der  englischen  Lokalpresse 
schien  es  ganz  besonders  zu  imponieren, 
dass  sich  die  Gastgeber  u.  a.  mit  Er- 
gotzen  der  Hiebe  erinnerten,  die  damals 
ihr  unerfahrener  Lehrer  mit  jugend- 
kraf tiger  Frische  u  nter  sie  austeilte. 
Es  seien  manchmal  starke  Dosen  gewe- 
sen,  aber  auch  von  guter  und  dauernder 
Wirkung,  eine  viel  bessere  Methode,  als 
die  heutige,  meinten  sie  einmiitig. 

C.  0.  S. 

Cincinnati. 

Nun  muss  unser  Schulrat,  der  sich 
bisher  aus  Wardvertretern  zusammen- 
setzte,  doch  einer  kleinen  Schul- 
kommission  Platz  machen.  Da 
half  alles  Petitionieren,  Protestieren 
und  Entsenden  von  Delegationen  nichts. 
In  der  letzten  Sitzung  unserer  verflosse- 
nen  reformwiitigen  Staatslegislatur 
wurde  die  betreffende  Vorlage  in  der 
iiblichen  Weise  durchgedriickt.  ,,Es  war 
bestimmt  in  der  Politiker  Rat,  dass  un- 
ser  alter  Schulrat  musst'  gehen,  musst' 
gehen"  —  mochte  man  melancholisch 
knitteln,  oder  aber  recht  kraftig 
schimpfen.  Das  andert  jedoch  die  Sa- 
che  auch  nicht  mehr.  Jetzt  heisst  es 
eben,  sich  mit  Grazie  in  die  Umgestal- 
tung  schicken  und  vor  alien  Dingen  da- 
rauf  bedacht  sein,  dass  tiichtige,  er- 
probte  Manner,  die  dem  deutschen  Un- 
terricht  gewogen  sind,  in  die  neue  Kom- 
mission  gelangen.  Nach  der  Bestim- 
mung  des  Gesetzes  wird  diese  Schul- 
kommission  aus  sieben  Mitgliedern  be- 
stehen,  die  von  der  Biirgerschaft  zu  er- 
wahlen  sind.  In  den  Stadten  Columbus 
und  Dayton  werden  infolge  dieses 
Staatsgesetzes  ebenfalls  kleinere  Schul- 
behorden  geschaflfen  werden. 

Wir  nahen  uns  dem  Schulschluss  und 
da  werden  wiederum  allerhand  athle- 


tische  ubungen,  sogar  das 
Base-Ballspiel  recht  sports- 
massig  in  unseren  Volksschulen  ge- 
pflegt,  ja  es  will  scheinen,  beinahe  et- 
was  zu  viel.  Gegen  Korperiibungen  und 
Spiele  im  Freien  seitens  unserer  Schul- 
jugend  ist  sicherlich  nichts  einzuwen- 
den,  im  Gegenteil.  Allein,  diese  Spiele 
sollten  nicht  zu  Wettstreiten  zwischen 
den  einzelnen  Schulen  ausarten,  wozu 
naturgemass  die  starksten  Jungen  (und 
das  sind  nicht  immer  die  fleissigsten 
und  besten)  ausgewahlt  werden,  wah- 
rend  die  korperlich  Schwachlichen  da- 
von  ausgeschlossen  sind.  Diese  haben 
aber  die  tibungen  und  Spiele  gerade  am 
notigsten.  Also  etwas  weniger  sports- 
massige  Wettstreiterei  und  mehr  allge- 
meine  Turnerei,  an  der  stets  die  ganze 
Klasse  teilnehmen  kann. 

E.  K. 

Milwaukee. 

Die  verschiedenen  Komitees,  welche 
die  Vorbereitungen  auf  den  nach- 
sten  Lehrertag  zu  treffen  haben, 
sind  samtlich  ernannt  und  manche  da- 
von  schon  emsig  beschaftigt,  ihren 
Pflichten  nachzuikommen.  Ein  aus  den 
Schiilern  der  deutschen  Klassen  sich  re- 
krutierender  Kinderchor  wird  unter 
der  Leitung  des  Prasidenten  des  Leh- 
rerbundes,  Herrn  Max  Griebsch,  bei  der 
Empfangsfeier  mehrere  deutsche  Lieder 
zu  Gehor  bringen.  Derselbe  Chor  wird 
auch  spater  bei  der  Enthullung  des 
durch  die  deutschen  Vereine  unserer 
Stadt  geschaffenen  Goethe  -  Schil- 
ler Denkmals  im  Washington  Park 
singen. 

Am  10.  April  sprach  Prof.  M.  D. 
L earned  von  der  Universitat  Penn- 
sylvaniens  unter  den  Auspizien  desWis- 
consiner  Verbandes  des  ,,Deutschameri- 
kanischen  Nationalbundes"  vor  einer 
grossen  Zuhorerschaft  im  hiesigen 
Pabsttheater  in  begeisternder  Weise 
fiber  den  ,,Einfluss  der  Deutschen  auf 
die  amerikanische  Kultur". 

Sein  Vortrag  bot  in  gedrungener 
Form  einen  tiberblick  iiber  die  gesamte 
Geschichte  des  Deutschamerikanertiims 
und  besonders  dessen  Beriihrungspunkte 
mit  dem  Angloamerikanertum.  Prof. 
Learned  zeigte  an  der  Hand  geschicht- 
licher  Tatsachen,  welch'  gewaltigen 
Einfluss  der  deutsche  Bauer  auf  die 
Entwicklung  unseres  Ackerbauwesens 
durch  sein  leuchtendes  Vorbild  als  flei- 
ssiger,  umsichtiger  und  kluger  Arbeiter 
ausgeiibt  hat.  Er  wies  auf  die  durch 
die  Hansa  und  andere  deutsche  Rheder 
angebahnten  Handelsbeziehungen  hin, 
die  zur  Griisse  unseres  Landes  nicht  we- 


148 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


nig  beigetragen  haben.  Er  betonte  be- 
sonders  stark,  was  der  deutsche  Schul- 
meister  durch  seine  Griindlichkeit  und 
der  deutsche  Gelehrte  mit  seinem  For- 
schungsgeist  fiir  das  amerikanische 
Schulwesen  geleistet  haben.  Die  Umge- 
staltung  unserer  Colleges  in  Universita- 
ten,  die  eine  freie  Forschung  an  Stelle 
der  mechanischen,  auf  Mitteilung  be- 
ruhende  Lehrmethode  gesetzt,  hat  Ame- 
rika  einzig  und  allein  dem  deutschen 
Gelehrtengeist  zu  verdanken,  der  durch 
Lieber  u.  a.  hier  eingefiihrt  wurde.  Vor 
allem  ist  der  Deutsche  auf  amerikani- 
schem  Boden  stets  ein  Pionier  gewesen, 
wenn  es  gait,  fiir  menschliche  Freiheit 
und  Kulturfortschritt  zu  kampfen. 
*  *  * 

Dass  unsere  Schulgebaude 
nicht  nur  30  Stunden  wochentlich  an 
200  Schultagen  im  Jahr  geoffnet  sein 
sollten,  sondern  auch  fiir  andere  Zwecke 
seitens  der  Burger  an  Abenden  und 
wahrend  der  Ferien  benutzt  werden 
sollen,  ist  eine  Forderung,  die  eine  hie- 
sige  einflussreiche  Vereinigung  stellt 
und  die  auch  schon  bei  verschiedenen 
Schulratsmitgliedern  Billigung  findet. 
Es  wird  geltend  gemacht,  dass  die  Biir- 
gerschaft  ein  voiles  Recht  darauf  hat, 
die  durch  ihr  Geld  erbauten  Schulhauser 
auch  noch  fiir  andere  Zwecke  als  die 
Ausbildung  der  Jugend  zu  beniitzen, 
statt  dieselben  geschlossen  zu  halten. 

Wenn  die  Empfehlungen  des  Text- 
buchkomitees  von  unserem  Schul- 
rat  gutgeheissen  werden,  so  werden  eine 
ganze  Anzahl  veraltete  Textbiicher  im 
nachsten  Jahre  durch  neue,  von  der 
Mehrzahl  der  Lehrer  selbst  vorgeschla- 
gene  ersetzt  werden.  Insbesondere  sind 
es  die  von  der  weitverzweigten  Ameri- 
can Book  Company  verlegten  Biicher, 
die  man  abschaffen  will. 

Die  Agitation  fiir  ein  Lehrerpen- 
sionsgesetz  hat  doch  schon  teil- 
weise  Friichte  getragen.  Wir  haben 
zwar  noch  kein  solches  Gesetz  --  das 
erste  ist  bekanntlich  von  den  Gerichten 
verworfen  worden  —  aber  unser  Schul- 
rat  hat  doch  einen  wesentlichen  Be- 
standteil  dieses  ersten  Gesetzes  nun- 
mehr  in  ErwUgung  gezogen,  namlich: 
dass  alle  stadtischen  Lehrer  nach  vier- 
jahriger  Probezeit  auf  lebensliing- 
lich  angestellt  werden  sollen ! 

3000  Knaben  aus  den  oberen  Klassen 
unserer  Elementarschulen  werden  sich 


ung,  welche  unbedingt  zur  Hebung  der 
korperlichen  Erziehung  beitragen  wird, 
die  unsere  stadtische  Jugend  sehr  notig 
hat. 

Eine  Ehrung  wurde  Herrn 
Stern,  unserem  Direktor  des  deut- 
schen Unterrichts,  neulich  zuteil  durch 
dessen  Ernennung  zum  ,,special  lec- 
turer" iiber  Lehrmethoden  im  deutschen 
Sprachunterricht  an  unserer  Staatsuni- 
versitat.  Die  Vorlesungen  werden  da- 
her  von  ihm  vor  den  angehenden  Leh- 
rern  der  Seminarklassen  gelesen  wer- 
den. Wir  entbieten  Herrn  Stern  un- 
seren  herzlichsten  Gliickwunsch  zu  sei- 
ner Auszeichnung! 

C.  B.  S. 

New  York. 

Vor  dem  Verein  deutscher 
Lehrer  von  New  York  und 
Umgegeud  hielt  am  4.  April  Prof. 
J.  F.  Coar  vom  Adelphi  College  einen 
Vortrag  iiber  Das  Prinzip  der  literari- 
schen  Kritik.  Der  Redner,  obwohl  ge- 
borener  Amerikaner,  bediente  sich  der 
deutschen  Sprache  mit  seltener  Gelau- 
figkeit  und  verstand  es,  eine  Fiille  Licht 
auf  diesen  dunklen  Gegenstand  zu  wer- 
fen. 

Es  ist  eine  beklagenswerte  Tatsache, 
dass  wir  iiber  unsere  zeitgenossische  Li  - 
teratur  kein  bestimmtes  Urteil  haben. 
Dasselbe  Werk  wird  von  den  einen  iiber- 
schwenglich  gepriesen,  wahrend  es  yon 
den  andern  in  den  Staub  getreten  wird, 
eben  weil  es  an  einem  festen  Prinzip  in 
der  Beurteilung  fehlt. 

tiberblicken  wir  das  Gebiet  der  lite- 
rarischen  Kritik,  so  finden  wir,  dass  bis 
zur  Zeit  Lessings  das  diktatische  Prin- 
zip der  Kritik,  das  auf  Aristoteles  ba- 
siert,  in  Geltung  war.  Lessing  verdan- 
ken wir  die  Einfiihrung  der  philosophi- 
schen  Kritik.  Bald  darnach  zeigen  sich 
auch  die  Anfange  der  historischen  Kri- 
tik, welche  von  einem  bedeutenden 
Werke  einen  nationalen  Hintergrund 
verlangt.  Wo  keine  Nation  ist,  kann  es 
demnach  auch  keine  Literatur  geben. 
Nach  Herder  soil  diese  der  Ausdruck 
des  Zeit-  und  Volksgeistes  sein.  Diese 
Richtung  fand  ihre  Hauptvertreter  in 
Hettner,  Freytag  und  Riehl. 

Mit  Wolf  kam  die  philologische  Me- 
thode  auf.  Dieselbe  befasst  sich  mit 
der  eingehenden  Untersuchung  der  Quel- 
len,  auf  denen  das  Werk  beruht.  Diese 


Ubungen    beteiligen,    die    Herr    Georg  Shakespeare    -    Untersuchungen       ange- 

Wittich,  Leiter  des   Turmmterrichts   an  wandt  wurde,  zahlt  viele  Anhanger  und 

den  offentlichen  Schulen,  arrangiert  hat.  fand  in  Scherer    ihren     hochsten     Aus- 

Das  Turnen  im  Freien  ist  eine  Neuer-  druck. 


Korrespondenzen. 


149 


Neben  ihr  steht  die  realistische  Me- 
thode,  die  sich  fragt,  ob  eiii  Werk  mit 
den  bestehenden  Verhaltnissen  und  den 
Erscheinungen  des  Alltagslebens  im 
Einklang  oder  Widerspruch  steht  und 
darnach  seinen  literarischen  Wert  be- 
misst. 

In  den  fiinfziger  Jahren  trat  auch  die 
psychologische  Methode  in  den  Vorder- 
grund.  Sie  verfolgte  die  Entwickelung 
eines  Werkes  in  der  Seele  des  Dichters 
und  befasste  sich  eingehend  mit  seinen 
besonderen  Verhaltnissen.  Da  hier  die 
literarischen  Erscheinungen  vom  Stand- 
punkte  des  Dichters  aus  beurteilt  wer- 
den,  so  fiihrt  diese  Art  der  Kritik  hau- 
fig  zu  widersprechenden  Resultaten; 
denn  billigerweise  sollte  das,  was  der 
Dichter  wirklich  geschaffen  hat  und 
nicht,  was  er  schaffen  wollte,  den  Aus- 
schlag  geben. 

Nebenher  lief  die  vergleichende  Me- 
thode, an  deren  Spitze  Brandes  steht. 
Sie  fragt  sich:  Wie  wiirde  diese  Idee  in 
einem  andern  Lande  behandelt  worden 
sein?  Auch  sie  gibt  uns  keinen  objekti- 
ven  Standpunkt. 

Die  wichtigste  Frage  ist,  welchen 
Massstab  sollen  wir  an  zeitgenossische 
Dichter  anlegen?  Das  Studium  der  Ge- 
schichte  zeigt  uns,  dass  jede  Nation,  als 
Ganzes  betrachtet,  bewusst  oder  unbe- 
wusst,  gewisse  Ziele  verfolgt  oder  nach 
der  Verwirklichung  bestimmter  Ideen 
strebt.  Wer  nun  diese  ins  Dunkel  ge- 
hullte  Sehnsucht  eines  Volkes,  den  Geist 
seiner  Zeit,  klar  erfasst  und  ihn  in  sei- 
nen Werken  wiederspiegelt,  der  ist  der 
grosse  Dichter. 

Dieser  Tatsache  sind  sich  die  neue- 
sten  Dichter  seit  Sudermann  nur  zu 
wohl  bewusst.  Sie  forschen  eifrig  nach 
dem  Geiste  der  Zeit,  nach  dem,  was  das 
Volk  wiinscht  und  erstrebt,  und  suchen 
ihm  in  ihren  Werken  Ausdruck  zu  ver- 
leihen.  Dieses  bewusste  Vorgehen  aber 
gibt  ihren  Werken  einen  gekiinstelten 
Anstrich.  Hingegen  wird  der  Dichter, 
der  durch  das  Band  aufrichtiger  Sympa- 
thie  mit  seinem  Volke  innig  verkniipft 
ist,  diese  Klippe  vermeiden.  Aus  ihm 
wird  die  nach  Verwirklichung  ringende 
Sehnsucht  eines  Volkes  ungezwungen 
gleich  einem  frischen  Quell  hervorstro- 
men  und  seinen  Werken  den  Stempel 
des  wahren  Genies  aufdriicken. 

L.  H. 

Vereindeutscher  Spezial- 
lehrerinNewYork.  Sei  der 
Reorganisation  des  neusprachlichen  Un- 
terrichtes  in  den  offentlichen  Schulen 
New  Yorks  im  Jahre  1903  waren  die 
Lehrer  dieser  Sprachen  ohne  einen  ei- 
gentlichen  L  e  h  r  p  1  a  n.  Unser  Ver- 


ein  liess  einen  solchen  durch  ein  Komi- 
tee  herstellen  und  unterbreitete  ihn  den 
massgebenden  Behorden;  er  fand  je- 
doch  keine  Gnade.  Das  Verlangen  nach 
einem  Studienplane  wurde  aber  immer 
lauter,  und  so  wurde  denn  Herr  Assis- 
tenz- Superintendent  Straubenmiiller  be- 
auftragt,  ein  Zehnerkomitee  zu  ernen- 
nen  und  mit  ihm  ans  Werk  zu  gehen, 
und  das  Resultat  war  ein  Syllabus, 
der  gerade  noch  zur  rechten  Zeit  das 
Tageslicht  erblickte,  um  mit  dem  Be- 
ginne  des  neuen  Termines  im  Februar 
in  Anwendung  zu  kommen. 

Wie  vielleicht  den  meisten  Lesern  der 
Monatshefte  bekannt  ist,  erstreckt  sich 
der  fremdsprachliche  Unterricht  in  der 
Metropolis  am  Hudson  auf  die  obersten 
Klassen,  8A  und  8B;  er  gehb'rt  somit 
unter  den  verschiedenen  Krautern  des 
Schulcurriculums  zu  den  Einjahrigen. 

Der  Lehrplan  lautet: 

Aim:  The  aim  of  the  course  is  the 
acquisition  of  such  practical  knowledge 
of  the  German  language  as  may  be  of 
profit  to  the  many  pupils  whose  educa- 
tion ends  with  the  grammar  school. 
8A. 

Oral:  During  the  first  weeks,  all  in- 
struction is  necessarily  oral,  conversa- 
tions alternating  with  careful  phonetic 
drill,  preliminary  to  reading.  Conver- 
sational lessons  should  be  continued 
throughout  the  term,  topics  similar  to 
the  following  being  used:  School  and 
home;  daily  occupations;  clothing; 
dressmaking;  workshop;  food;  facts  of 
daily  life,  etc. 

Reading:  In  addition  to  the  conver- 
sational and  grammatical  exercises,  at 
least  ten  pages  of  simple  continuous 
German  prose  should  be  read. 

Memorizing:  A  number  of  proverbs, 
idioms,  and  at  least  one  short  poem 
should  be  memorized. 

Grammar:  Inflection  of  articles  and 
simpler  demonstratives;  declension  of 
nouns  begun;  present  and  imperfect 
tenses  of  haben  and  sein;  present,  im- 
perfect, perfect  and  first  future  tense  of 
the  indicative  mood  of  weak  verbs. 

Translation:    Sentences  illustrative  of 
the     grammatical     lessons      should     be 
translated  both  orally  and  in  writing. 
8B. 

Oral:  Conversation  should  be  based 
largely  on  the  subject  matter  of  the 
reading  lessons  and  on  topics  similar  to 
the  following:  Times  and  seasons; 
arithmetic;  buying  and  selling;  geo- 
graphy and  traveling;  city  and  country 
history. 

Conversational  exercises  should  also 
be  made  on  the  prose  selections  read, 


150 


Monatshefte  filr  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


narrative  being  specially  chosen  for  this 
purpose. 

Reading:  About  twenty  pages  from 
a  graded  reader. 

Memorizing:  Two  or  three  short 
poems  or  ,,Lieder"  should  be  memor- 
ized. 

Grammar:  Declension  of  pronouns; 
comparison  of  adjectives;  present,  im- 
perfect, perfect  and  first  future  tenses 
of  the  indicative  of  some  of  the  more 
common  strong  verbs;  prepositions. 

Translation:     As  in  8  A. 

Diesem  Lehrplan  sind  Erlauterungen 
iiber  den  phonetischen  Unterricht,  Kon- 
versation,  Lesen,  Diktat,  Grammatik 
und  tibersetzen  beigefiigt,  welche  sich 
an  den  ,,Report  of  Committee  of  Mod- 
ern Languages"  und  an  die  Werke  von 
Sweet,  Hempl  und  Jesperson  anlehnen. 

Eine  Kritik  tiber  den  Lehrplan  will 
ich  einer  berufeneren  Feder  iiberlassen. 
-Dass  die  Lehrer  und  Lehrerinnen  geteil- 
ter  Meinung  sind,  ist  selbstverstand- 
lich;  wahrend  eine  Anzahl  in  ihm  den 
langst  ersehnten  Messias  erblicken,  hort 
man  wiederum  ,,Stimmen  aus  der  Wii- 
ste",  welche  ganz  anderer  Meinung  sind. 

Die  Kollegen  und  Kolleginnen,  welche 
mit  Herrn  Straubenmiiller  das  Ganze 
ausarbeiteten,  werden  sich  am  besten 
mit  dem  Sprichworte  trosten:  ,,Wer  an 
den  Weg  baut,  hat  viele  Meister". 

Ein  Gutes  wird  dieser  Syllabus  jedoch 
haben:  wir  wissen  nun,  wo  wir  daran 
sind,  und  der  deutsche  Unterricht  in  den 


hiesigen  offentlichen   Schulen    wird     ein 
einheitlicherer  werden. 

Auf  Wunsch  des  Herrn  Straubenmiil- 
ler  sollen  in  unseren  monatlichen  Sitz- 
ungen  einzelne  Teile  des  Lehrplanes  be- 
sprochen  werden,  und  die  Wirkung  die- 
ses Wunsches  hat  sich  auch  bereits  in 
einem  starkeren  Besuche  derselben  ge- 
zeigt. 

In  der  Versammlung  ftir  den  Monat 
Februar  hielt  Herr  Kollege  Htilshof  ei- 
nen  Vortrag  iiber  den  Unterricht 
in  der  Phonetik.  Er  zeigte 
hierin,  wie  er  seinen  Schiilern  den  Un- 
terschied  von  Laut  und  Lautzeichen 
(Buchstaben)  klar  mache  und  gingdann 
auf  den  Laut  a  iiber.  Von  den  verschie- 
denen  Lauten  fiir  denselben  Buchstaben 
in  englischen  Wb'rtern  ausgehend,  lehrt 
er  den  deutschen  Laut  zuerst  an  einzel- 
nen  Wortern,  und  dann  iibt  er  densel- 
ben auch  in  Satzen,  in  welchen  die  ein- 
zelnen  Worte  ein  a  enthalten;  andere 
Vokale  werden  hierin  gemieden.  Herr 
Hiilshof  weicht  hiermit  von  der  neueren 
Richtung,  welche  vom  Satze  oder  zu- 
sammenhangenden  Stiicke  ausgeht,  et- 
was  ab;  doch  lasst  sich  seine  Methode 
mit  der  letzteren  leicht  in  Einklang 
bringen.  Leider  konnte  wegen  der  vor- 
geschrittenen  Zeit  dem  gut  ausgearbei- 
teten  Vortrag  keine  Diskussion  mehr 
angeschlossen  werden,  obgleich  man  ei- 
ner Anzahl  von  Teilnehmern  ansehen 
konnte,  dass  sie  zu  einer  solchen  nur  zu 
i?erne  bereit  waren. 

F.  M. 


II.     Briefkasten. 


Lehrertagiana. 

Den  freundlichen  Stimmen,  die  mir  in 
den  letzten  fiinf  Monaten  von  da  und 
dort  —  eine  von  jenseits  des  Ozeans  — 
zugekommen  sind,  und  die,  wie  mir 
scheint,  auch  die  Stimmung  andererKol- 
legen  aus  unsern  Kreisen  andeuten, 
schliesslich  doch  einige  Worte  der  Kla- 
rung.  Wenn  die  Freunde  meine  Zeilen 
im  Oktoberheft  genau  durchlesen,  wer- 
den sie  finden,  dass  selbe  eine  ruhige 
Darlegung  von  Tatsachen  enthalten,  die 
wohl  fiir  die  Betreffenden  einen  Mangel 
an  billig  zu  erwartender  Rtieksichtnah- 
nie  rfigen,  aber  weiter  nichts.  Wenn 
nun  in  der  editoriellen  Erwiderung  doch 
mehr  herausgenommen  und  gar  eine  Ab- 
wehr  notig  befunden  wurde,  so  kann  ich 
diesen  Umstand  nur  sehr  bedauern,  da- 
bei  aber  nicht  annehmen,  dass  hier  das 
uralte  Sprichwort  ,,Wer  sich  entschul- 


digt,  klagt  sich  an"  zur  Geltung  gekom- 
men  ist. 

Ahnlich,  unangebracht  muss  mir  die 
darauf  folgende  Mahnung  erscheinen, 
die  Einladung  hiitte  offiziell  iibergeben 
werden  miissen.  Jene  Einladung,  die 
mir  keineswegs  ,,in  der  Tasche  ver- 
blieb",  sondern  ,,in  meinen  Handen 
war",  war  den  leitenden  Beamten  von 
mir  personlich  zur  Kenntnis  gebracht, 
und  den  Lesern  der  Monatshefte  war  sie 
langst  bekannt  gemacht  worden,  Alle 
wussten  davon.  So  durfte  ich  doch  an- 
nelnnen,  dass  man  mich  unter  alien  Um- 
standen  zu  Gehor  ziehe.  Die  67  verei- 
nigten  deutschen  Gesellschaften  von 
Baltimore  hatten  mich  nicht  als  Bitt- 
^teller  gesandt. 

Die  am  Schlusse  der  Erwiderung  aus- 
gesprochene  Erwartung,  dass  ich  nun 
eine  grosse  Anzahl  zur  Tagung  im  We- 


Urns  cli  au. 


151 


sten  ziehen  konne,  ist  doch  wohl  nicht 
berechtigt.  Wir  batten  zwei  Jahre  lang 
eine  hiesige  Tagung  besprochen,  durch 
personliche  Besuche  hatte  ich  Manner 
von  Washington  bis  Boston  dafiir  ge- 
wonnen,  ein  besonderer  Verein  war  eben 
gegriindet  worden,  Einzelquartiere  fur 
weibliche  und  Massenquartiere  fiir 
mannliche  Gaste  wurden  vorgesehen,  je 
ein  Tag  fiir  Washington  und  Annapolis 
und  ein  Bankett  auf  einem  deutschen 
Dampfer  waren  schon  im  '  Programm 
vorgemerkt  worden,  das  notige  Geld  war 
auch  vorhanden  —  und  all  das,  womit 
wir  unsere  Gaste  iiberraschen  und  die 
Tagung  besonders  anziehend  und  fiir 
Lehrerbund  und  Seminar  erfolgreich 
machen  wollten,  war  nun  vergeblich 
eingeleitet.  Und  fiir  die  nicht  unerheb- 
lichen  und  opferwilligen  Miiheleistungen 
noch  nicht  die  Hoflichkeitsform  eines 
Dankes.  Da  werde  ich  in  meinen  Krei- 
sen  mit  Liebeswerberei  eine  Zeit  lang 
warten  miissen. 

Doch  ich  weiss  den  Unbedachtsamkei- 
ten  in  der  menschlichen  NaturRechnung 
zu  tragen,  wenn  ich  auch  bisweilen 
nicht  saume,  sie  zu  riigen.  Und  dann 
ist  das  menschliche  Leben  zu  kurz,  die 
gute  Sache  ist  mir  zu  lieb,  und  meine 
Kollegen  'sind  mir  allesamt  zu  wert,  als 
dass  ich  einer  Verstimmung  lange  Raum 
geben  konnte.  Nur  selbstloses,  einmii- 
tiges  Zusammenwirken  kann  uns  zuEr- 
rungenschaften  fiihren,  das  miissen  wir 
alle  mit  bestem  Willen  betatigen.  Der 
mit  dem  neuen  Verfassungsentwurf  be- 


traute  Ausschuss  wird  das  gewiss  in  je- 
der  Weise  zu  fordern  verstehen. 

Den  Freunden  wird  nun  meine  Auffas- 
sung  klar  sein.  Und  die  New  Yorker, 
von  denen  mir  schon  vorletztes  Jahr  ge- 
sagt  wurde,  wir  haben  ihnen  durch  die 
angekiindigte  Einladung  den  Wind  aus 
den  Segeln  genommen,  haben  jetzt  Ge- 
legenheit,  eine  solche  ergehen  zu  lassen. 
Die  Bahn  ist  frei.*) 

C.  0.  Schonrich,  Baltimore. 


*)  Freund  Schonrich  ist  grausam,  uns 
den  Mund  durch  Aufzahlung  der  Geniis- 
se,  die  uns  in  Baltimore  geboten  werden 
sollten,  wasserig  zu  machen  und  sie  uns 
gleichzeitig  in  unerreichbare  Ferae  zu 
riicken.  Der  einzige  Trost  ist,  dass  sein 
Schreiben  bereits  soviel  Verzeihung 
atmet,  dass  wir  auf  baldige  voile  Ab- 
solution hoffen  diirfen.  Im  iibrigen  sind 
wir  Milwaukeer  nach  den  obigen  Anfiih- 
rungen  nicht  mehr  die  Angegriffe- 
nen;  vielmehr  fallt  der  Vorwurf  ftir  die 
Missachtung  der  Baltimorer  Einladung 
auf  die  letztjahrige  Leitung  des  Lehrer- 
tags,  und  wir  iiberlassen  es  dieser  sich 
herauszubeissen.  Doch  wir  legen  es 
Freund  Schonrich  nochmals  ans  Herz, 
seinen  weitgehenden  Einfluss  zu  Gun- 
sten  des  kommenden  Milwauikeer  Leh- 
rertages  aufzuwenden,  und  mit  einer 
grossen  Delegation  deut- 
scherLehrer  vonBaltimore 
in  Milwaukee  anzutreten. 
D.  R. 


III.     Umschau. 


Seminarnachrichten. 
Der  Schluss  des  Jahreskur- 
s  u  s  fiir  das  Lehrerseminar  ist  auf  Frei- 
tag  den  26.  Juni  festgesetzt.  Die 
schriftlichen  Priifungen  beginnen  am 
18.  Mai  und  nehmen  rfiinf  Tage  in  An- 
spruch.  Priif  ungsgegenstande  sind : 
Deutscher  und  englischer  Aufsatz, 
deutsche  Grammatik,  englische  Gram- 
matik  und  Weltgeschichte.  Die  miind- 
lichen  Priifungen  finden  in  den  Tagen 
vom  24.— 26.  Juni  statt.  Die  Deutsch- 
Englische  Akademie  schliesst  am  25. 
Juni;  als  Besuchstage  sind  der  22.  und 
23.  Juni  bestimmt.  Die  regelmassige 
Versammlung  des  Verwaltungsrates  des 
Lehrerseminars  findet  Montag  den  29. 
Juni,  die  Generalversammlung  Dienstag 
den  30.  Juni  9  Uhr  vormittags  im  Se- 
minargebaude  statt. 


Von  dem  Vereine  Unabhan- 
giger  Burger  von  Maryland 
(Independent  Citizens'  Union  of  Mary- 
land) wurde  in  der  Versammlung  vom 
Januar  der  Beschluss  gefasst,  einen 
jahrlichen  Betrag  von  $250  zu  bewilli- 
gen,  urn  einem  jungen  Mann  oder  Mad- 
chen  aus  Baltimore  die  Ausbildung  im 
Lehrerseminar  zu  ermoglichen.  Die 
Herren  Ernst  Schmeisser,  John  Hinrichs 
und  Frederick  Gottlieb  wurden  als  Ko- 
mitee  ernannt,  um  einen  passenden 
Schiiler  auszusuchen.  Es  ist  dies  das 
dritte  Stipendium,  welches  in  hochher- 
ziger  und  nachahmungswurdiger  Weise 
bewilligt  wurde,  um  dem  Seminar  pas- 
sendes  Schiilermaterial  zuzufiihren. 

Die  Primarschulen  in 
Frankreich.  Wie  in  f riiheren  Jah- 
ren,  so  wurde  uns  auch  in  diesem  Jahre 


152               Monatshefte  fur  deutsclie  Sprache  und  Pddagogik. 

von  der  Buchhandlung  Armand  Colin  in  sammlung    der    Social    Education    Con- 

Paris   das   Jahrbuch   fiir  den   Primarun-  ference     in    Boston     sprach     Dr.    Julius 

terricht     in     Frankreich     (Annuaire     de  Sachs    iiber    die    ,,intellektuellen    Riick- 

Penseignement    primaire,     1908)    frev.fd-  wirkungen  der  Koedukation".     Er  sagte 

lichst   zugesandt.     Dasselbe   enthalt   ein  unter   anderem  folgendes:      ,,Im   ganzen 

reiches   Material    statistischer    und    ad-  Erziehungsfelde   hat   man   sich   zu   skla- 

ministrativer    Natur,    sowie    eine    Reihe  visch   dem   Lehrsatze   unterworfen,   dass 

von   Aufsatzen.   Einer  derselben   betitelt  das,  was  ftir  Knaben  und  junge  Manner 

sich    ,,Ein    Buch,   von    dem    man   keinen  passe  ,auch  fiir  Madchen  von  Wert  sein 

Gebrauch    macht."     (Un    livre    dont    on  miisse;  als  ob  es  nicht  weite  Gebiete  des 

n'use  gu£re).     Es  ist  damit  das  Worter-  sozialen  Lebens  gabe,  wo  Frauen,  sei  es 

buch  gemeint,  welches  zwar  einen  Platz  in      der      Kunst    und   Wissenschaft    des 

in      den      franzosischen    Schulen    findet,  Haushaltes     oder    in    wissenschaftlicher 

dessen  Gebrauch  aber,  wenn  auch  nicht  Philanthropic   ihre   intellektuellen   Kraf- 

verboten,  so  doch  sehr  eingeschrankt  ist.  te  im  Interesse  des  eigenen  Geschlechtes 

Der  Verfasser,  ein  Schulinspektor,  illus-  betatigen  konnen. 

triert   dieses   Verhaltnis     in    drastischer  Koedukation      in      den      Mittelschulen 

Weise.      Er    kommt   in   eine    Schule,   wo  diimpft   den    Eifer   der   Knaben   und   ist 

gerade   Rechtschreiben   abgehalten    wird.  der    physischen    Wohlfahrt    vieler    Mad- 

Xach   der   Beendigung   des   Diktats   sagt  chen  von  Nachteil.     Trotz  aller  Proteste 

der    Lehrer,     wie     gewohnlich,     zu   den  ihrer   Anhanger,   wird    die   Koedukation 

Schiilern:    .,Ihr  habt   nun   fiinf  Minuten  vom    streng    medizinischen    Standpunkte 

Zeit,  das  Geschriebene  durchzulesen  und  verurteilt. 

7.\\   verbessern."      Auf    den     Pulten     dor  Es    ware    wiinschenswert,    einmal    mit 

Kinder    bemerkt    der    Inspektor    franzo-  der  Ansicht  zu  brechen,  dass  alle  aufge- 

sische  Worterbiicher.    Er  ist  iiberrascht,  weckten   und   ehrgeizigen   Madchen  Leh- 

dass    kein    Schiiler    von    demselben    Ge-  rerinnen    werden    miissen.      Frauenerzie- 

brauch     macht,     um      die     zweifelhafte  hung    ware    wahrhaftig    eng     begrenzt, 

Schreibung    eines    Wortes   festzustellen.  wenn  die  beruflich  ausgebildete  Lehrerin 

Er  wendet  sich  an  den  Lehrer:    ,,Sagen  ihr  einziges  Produkt  ist.  Die  zahlreichen 

Sie   mir   einmal,    lieber   Herr:    ich    sehe,  Gelegenheiten   fiir   soziale  und   okonomi- 

dass  eine  grosse  Zahl  Ihrer  Schiiler  mit  sche   Wirksamkeit  verlangen   eine  Reor- 

Worterbdchern    versehen    ist;      das    ist  ganisation  in  der  Madchenerziehung  mit 

sehr    schon;    aber    es    scheint    mir,    dass  dem   bestjindigen   Hinblick   auf  ihre   na- 

sie    keinen    Nutzen    daraus    ziehen;    sie  tiirlichen  Vorziige  und  Gebrechen. 
riihren    dieselben    ia    gar    nicht    an."    — 

.,0  nein,  Herr  Inspektor."  -     ,,Und  wa-  ,  Dcit81?hl^?d*  fli.     Erzieher 

rum?"  -  ,,Das   ist   ihnen   |a  verboten."  df  r  Wei  t.    Robert  J.  Thompson,  ame- 

Verboten!"      -    ,,Gewiss     sonst    wiir-  Fikan.ischer  ^o.n^ul  1T1  Hannover,  spricht 

den      sie      ja      keine      Fehler     machen."  m  seinem  offiziellen  Benchte  die  Ansicht 

Tableau  ans'  einer  (^er  sichersten  yBeweise  fur  die 

' 


liber  den  Rfickgang  der  franzosischen     171  ,  1  ll 

Sprache  in  Agvpten  schreibt  das  Jahr-  (  en  ™tern  der  Erde  sei  die  Nachfrage 
buch  folge.ules:  Der  Unterricht  im  de.9  Auslandes  nach  Werken  ihrer  Lite- 
FranzosiBchen  ist  zwar  in  den  agypti-  rftllr'  lh«?n  technischen  Studienwerken, 
schen  Schulen  nicht  abgeschafft,  aber  l1!^"  wissenschaftlichen  Forschungen, 
wie  sich  erwarten  liess,  hat  die  engli-  ^ht  ^ezug  dar  auf  fiihrt  er  die  folgen- 
sche  Okkupation  sein  Fortschreiten  ver-  (le"  statistischen  Zahlen  uber  den  deut- 
hindert.  Seit  1808  hat  die  Zahl  der  El-  ?^n  ExPortbuJ  ^"^  «":  Im  Jahre 
tern,  die  ihren  Kindern  englischen  Un-  ™°<  w™len  12  731,000  Kilogramm  an 
terricht  erteilen  lassen,  so  zugenommen,  ^ucher"  <J  kll°  f=  2;2  Pfund)  von 
dass  die  franzosischen  Abteilungen  in  Deutschland  ausgefiihrt.  5,946,300  da- 
den  Primarschulen  beinahe  verschwun-  von  .^nf?en  nach  Osterreich,  1,755,200 
den  sind  und  in  den  Sekundarschulen  liach  (ler  Schweiz,  1,055,700  nach  dem 
von  Tag  zu  Tag  abnehmen.  Im  ver-  enropiiischen  Russland,  1,007,900  nach 
gangenen  Jahre  studierten  in  den  ver-  den  Vereinigten  Staaten,  639,600  nach 
schiedenen  Lyctes  und  Colleges  (Mittel-  Frankreich,  527,500  nach  den  Niederlan- 
schulen)  90%  das  Englische  und  nur  den,  384,100  nach  England,  206,200  nach 
3%  das  Franzosische.  Wo  ist  die  Zeit,  Schweden,  171,400  nach  Diinemark.  Da- 
da  die  agyptische  Regierung  ihre  bes-  zu  kommen  noch  50  Prozent  des  oben- 
ten  Lehrer  nach  Frankreich  in  die  genannten  Gewichtes,  welche  durch  die 
Schule  von  Saint  Cloud  entsendete?  Post  befordert  wurden,  so  dass  sich  das 

Eine  amerikanische  Stimme    Gesamtgewicht      auf      19,096,650     Kilos 
iiber  Koedukation.     In  einer  Ver-    (42,100,475    Pfund)    erhoht.      Der    anna- 


Umschau. 


153 


hernde   Wert    betragt    75,000,000    Mark 
(nahezu  18,000,000  Dollars). 

Koedukation  in  deutscher 
Beleuchtung.  tiber  die  Auf nahme 
von  Madchen  in  Knabengymnasien 
bringt  Dr.  Gertrud  Baumer  im  ,,Tag" 
einen  Artikel,  dem  wir  folgende  bemer- 
kenswerten  Stellen  entnehmen: 

,,Ein  sehr  viel  gewichtigeres  Beden- 
ken  gegen  den  gemeinsamen  Unterricht 
als  das  sittliche  ist  das  psychologische. 
Es  ist  keine  Frage,  dass  der  Rhythmus 
der  geistigen  Entwicklung  so  gut  wie 
der  korperlichen  bei  Knaben  und  Mad- 
chen durchschnittlich  verschieden  ist: 
das  Madchen  ist  zu  einer  Zeit  scho- 
nungsbediirftig  und  weniger  leistungs- 
fahig,  zu  der  der  Knabe  durchaus  keiner 
besonderen  Scheming  bedarf .  Das,  Mad- 
chen entwickelt  sich  in  einem  Alter, 
namlich  etwa  mit  15  und  16  Jahren, 
sehr  rasch,  in  dem  der  Knabe  langsamer 
reift.  Nun  liegt  ja  natiirlich  diese  Ver- 
schiedenheit  zum  Teil  mit  an  der  Erzie- 
hung.  Das  Madchen  wird  bei  uns  zu 
einer  Zeit  schon  als  halbe  Dame  behan- 
delt,  wo  der  Knabe  noch  vollstandig 
Junge  ist,  und  es  ware  sehr  wohl  mog- 
lich  und  recht  gesund,  wollte  man  un- 
seren  jungen  Madchen  die  Kindlichkeit 
noch  etwas  langer  erhalten  —  selbst  auf 
Kosten  von  Grazie  und  gesittetem  Be- 
nehmen  —  und  den  hochst  unsympathi- 
schen  Typus  der  innerlich  kindischen 
und  unreifen,  aber  ausserlich  fertigen 
jungen  Dame  bekampfen,  statt  ihn 
durch  alle  Mittel  spezifisch  ,,weiblicher" 
Bildung  zu  kultivieren.  Trotzdem  aber 
werden  gewisse  Unterschiede  bleiben. 
Bei  geistig  und  korperlich  kraftigen 
Kindern  wird  es  nichts  ausmachen, 
wenn  im  Unterricht  auf  diese  Verschie- 
denheit  .  keine  Riicksicht  genommen 
wird.  Kraftigen  Madchen  schadet  es 
gar  nichts,  wenn  sie  sich  auch  im  Alter 
von  12  bis  13  Jahren  geistig  ordentlich 
anstrengen  miissen." 

,,Aber  freilich  wird  es  immer  sowohl 
Knaben  als  besonders  Madchen,  geben, 
die  sich  fur  den  gemeinsamen  Unter- 
richt nicht  gut  eignen,  und  fur  die  bes- 
ser  eine  getrennte  Bildung  eintritt. 
Madchen,  die  schwachlich  und  vielleicht 
angstlich  und  schuchtern  sind,  wird 
man  dem  Experiment  des  gemeinsamen 
Unterrichts  nicht  aussetzen,  und  es  wird 
deshalb,  wie  das  ja  auch  die  Erfahrun- 
gen  des  Auslandes  zeigen,  daneben  im- 
mer noch  ein  Bediirfnis  fur  getrennte 
Schulen  bestehen  bleiben.  Wir  in  Preus- 
sen  wiirden  im  Augenblick  ganz  zufrie- 
den  sein,  wenn  die  Knabenschulen  den 
Madchen  unter  den  folgenden  Bedingun- 
gen  geoffnet  wiirden:  1.  uberall  da,  wo 


keine  vollwertigen  Madchenschulen, 
bezw.  Studienanstalten  bestehen  oder 
gegrundet  werden  konnen;  2.  unter  der 
Bedingung,  dass  Direktoren  und  Lehrer- 
kollegium  der  betreffenden  Knabenschu- 
len zustimmen;  3.  mit  der  Einschran- 
kung,  die  man  auch  in  Baden  gemacht 
hat  und  in  Sachsen  machen  wollte:  dass 
namlich  nur  gut  befahigte  Madchen  auf- 
genommen  werden,  und  dass  der  Direk- 
tor  die  Berechtigung  bekommt,  diejeni- 
gen  Madchen  von  der  Schule  auszu- 
schliessen,  die  das  Klassenziel  nicht  in 
normaler  Weise  in  einem  Jahr  erreichen. 
Denn  unter  alien  Umstanden  miissen 
wir  verhindern,  dass  unsere  hoheren 
Lehranstalten  noch  mehr  als  bisher  mit 
ungeeignetem  Schiilermaterial  belastet 
und  in  ihrem  Niveau  herabgedriickt 
werden." 

Die  Lehrernervositat  und 
ih re  Ursachen.  Privotdozent  Dr. 
W.  Schuster-Berlin  schreibt  in  seiuem 
Buche  ,,Das  Nervensystem  und  die 
Schadlichkeiten  des  taglichen  Lebens" 
(,,Wissenschaft  und  Bildung",  Band  19, 
Quelle  und  Meyer,  Leipzig) :  ,}Z\i  den 
ganz  besonders  gefahrdeten  Berufen  ge- 
hort  der  Lehrer-  und  Lehrerinnenberuf. 
Untersuchungen,  welche  ein  Arzt,  Dr. 
Wichmann,  vor  einer  Reihe  von  Jahren 
angestellt  hat,  ergaben  in  dieser  Bezie- 
hung  folgendes:  Von  305  Lehrern  zeig- 
ten  sich  bei  der  Untersuchung  177  erb- 
lich  nervos  belastet.  Von  diesen  177 
blieben  in  der  Folgezeit  wahrend  der 
Ausiibung  ihres  Beruifes  nur  25  gesund. 
Schliesslich  waren  unter  259  kranken 
Lehrern  und  540  kranken  Lehrerinnen 
je  68  v.  H.  nervenkrank.  Diese  Zahlen 
beweisen  mehr  als  alles  andere  den  au- 
sserordentlich  hohen  Prozentsatz,  wel- 
chen  die  Lehrer  und  Lehrerinnen  zu  den 
Nervenkranken  stellen.  Eine  Klasse  der 
Lehrer  ubertrifft  nach  meinen  Erfahrun- 
gen  inbezug  auf  die  Haufigkeit  der  ner- 
vosen  Erkrankungen  dabei  alle  ande- 
ren  Klassen,  namlich  die  der  Musikleh- 
rer  und  Musiklehrerinnen.  Das  kommt 
vielleicht  daher,  weil  die  Musiklehren- 
den  viel  mehr  und  viel  haufiger  als  die 
anderen  Gattungen  von  Lehrern  und 
Lehrerinnen  einem  ganz  besonderen  Be- 
gabungsmangel  in  ihrem  Unterrichts - 
fach  bei  ihren  Schiilern  gegeniiberste- 
hen.  Vielleicht  riihrt  es  aber  auch  da- 
her, dass  sich  unter  den  Musiklehrern, 
wie  unter  alien  kiinstlerisch  besonders 
veranlagten  Menschen,  'ein  besonders 
grosser  Prozentsatz  nervos  Pradestinier- 
ter  befindet.  Als  das  alien  Lehrberufen 
gemeinsame  schadigende  geistige  Mo- 
ment ist  wohl  die  standige  und  andau- 
ernde  Geduldserzwingung,  welche  unter 


154 


Monatshefte  filr  deutsclie  Sprache  und  Padagogik. 


Zurfickdammung  des  eigenen  Tempera- 
ments und  Naturells  geschehen  muss, 
anzusehen.  Der  Lehrer  muss  fortwah- 
rend  mit  sich  kampfen  und  muss  bei 
dem  immer  wieder  vnd  immer  wieder 
noti«r  werdOTiden  Verhepsern.  die  auf- 
^eigendA  TTnprp/?nld  mit  Verminftnrnn- 
dAn  und  mit  fjhprlejruTK?  unterdnWen. 
7wpifellos  spiel^n  aber  in  ^wissen 
f ^»Tj|-}>rtri'"fpTi  oiiph  noph  nndpre  "^fom^nte 
einp  Poll?:  Pek^^'Hre  ^orp'pn.  FqTr-'Hpn- 

cnrrrrm.     POW1P    Schl^^pli^h    allp    <^ip    TTn711- 

tr?i<*liVhkpifpn.  w^lphe  dnrch   dip   Abh'rin- 

jn^keit    der    Stellnng  d«q     T/phrers     von 

coino^-  vorgesetzten  Behorde  gesreben 
Rind." 


ols 


T>i< 


den 
T^-*>vo 

T  o" 


dip    cpThof    so 
^     V»of  «i>»iorf» 


nlle 


i*1qnn4.        Vovlqnoron 

IM    pr    coTKcf    CT>    p 
foVf.       Dip      TTnltmr* 


dn- 


"Hip  "RTindpr  rn«««°n   f^r  dpi! 
so  sitzeri.  di:i«s  'er  iedes  einzelne 


in  jedem  Augenblick  sieht.  Jedenfalls 
muss  der  Lehrer  jeden  Schiller  mog- 
lichst  ganz,  mindestens  aber  bis  zum 
Rockanfang  unter  dem  Halse  sehen,  da- 
mit  er  die  Halsmuskeln  betrachten 
kann,  die  mit  den  Armen  in  Verbindung 
stehen  und  jede  Armbewegung  verra- 

ten   Ware  'es  da  nicht  besser,  man 

nehme,  wie  zur  Zeit  Friedrich  Wilhelms 
T.  und  des  Alten  Fritzen,  ausgediente 
Unteroffiziere  als  Volksschullehrer  ? 

Vom      Volksschulwesen 
in   Holland.    Aller  offentliche  Un- 
terricht   ist   in    den   Niederlanden   schon 
seit     1801     allgemein     christlich,     aber 
nicht  konfessionell.     In  den  vom  Staate 
und    den    Gemeinden    errichteten   Volks- 
schulen    ist    daher    Religion    kein    Lehr- 
fach,   der   Religionsunterricht   darf   vom 
Lehrer   iiberhaupt  nicht    erteilt   werden. 
Diese    Bestimmungen    haben    schon    seit 
langem   die  Veranlassung  gegeben,   dass 
neben   den    offentlichen    Schulen   private 
1    meist   von   Vereinen   begriindet   wurden. 
1    Diese    Privatschulen     haben     im    Laufe 
•    der    Zeit   voile     Gleichberechtigung    mit 
'    den  offentlichen  Schulen  erlangt,  erhiel- 
'    ten   sogar  vom    Staat   regelmassige   Zu- 
1    schiisse.     Dadurch  wurde  die  Griindung 
h   von  immer  mehr  konf essionellen  Privat- 
1    schulen   sehr   erleichtert.   so   dass   heute 
in  sehr  vielen  kleinen  Gemeinden  schon 
drei   Volksschulen    nebeneinander   beste- 
hen,     eine    offentliche,    eine    kathohsche 
und  eine  protestantische. 

Die  Schulpflicht  beginnt  mit  dem  7. 
Lebensjahre  und  dauert  6  Jahre.  Die 
Volksschule  ist  der  gemeinsame  Unter- 
bau  fiir  die  hoheren  Schulen.  Oft  ist 
damit  auch  ein  allgemeiner  tFortbil- 
duno-sunterricht  verbunden,  dessen  J 
such  aber  ein  freiwilliger  ist. 


so 


lpTi    in    7i"nVh 

a     VAT,     400—1900 

^7Piti<r   wimle    einp 

T)ier.sti. 


0—10  7*0 

•n_i«  ooo 

17—00  10*0 

21  ff.  1200 


anfwstellt,    die    insofern    um 
ist.  als  pie  zpi<rt.  *»** 

rl    dnp  Anfanorpaphalt  der  T^hrer  i"   Zflrwh 

.    hoher  bemessen  ist  als  in  den  Verier. 

.    ten     Rta.fl.ten.     Die   Gehaltsskala    laute' 

..    wie  folgt: 


Oehalt-? 


4000 


41*0 

4400 


5000 


Zulage 

?00  Fr 
300  " 
370  " 

595  " 
600  " 


9000          3*00    F 
3000          3^00 
3975          3^7* 
4OOO 

497* 
3800         4400 


0.  B. 


IV.     Vermischtes. 


Goethes  Garten.  Die  deutschen  Pfeil  erreichte  nur  eine  sehr  massige 
Vereine  zur  Erhaltung  von  Naturdenk-  Mohe  nnd  senkte  sich  wieder  zur  Erde. 
malern  haben  jetzt  eine  nicht  imwich-  ,,Noch  einmal!"  sagte  Goethe.  Er  zielte 
tige  Aufgabe  zu  losen:  Von  Goethes  jetzt  in  horizontaler  Richtung  den  san- 
Garten  in  Weimar  ist  ein  Stuck  ver-  digen  Gartenweg  hinab.  Der  Pfeil  hielt 
kauft  worden.  Graf  Henckel  v.  Donners-  sich  etwa  dreissig  Schritte  ziemlich  gut, 
marck  hat  dem  Grossherzog  Karl  Alex-  dann  senkte  er  sich  und  schwirrte  am 
ander  des  Dichters  Gartenhaus,  das  in  Boden  hin.  Der  Freund  gedachte  der 
der  schonen  Literatur  einen  Ehrenplatz  Verse: 

einnimmt,  und  das  dazu  gehori.sre  Area!  Lasst  rnich  das  Alter  im  Stich? 

gesehenkt  und  einen  Teil  der  Bauman-  Bin  ich  wieder  ein  Kind? 

lagen  behalten.  Dieser  ist  an  den  Brauer  Goethes  Gartenhauschen  steht  seit 
Deinhard  fur  56rOOO  Mark  veraussert  Jahren  nicht  mehr  inmitten  der  Baume 
worden.  Die  Ansicht,  Ja  die  Hoffnung,  Goethes.  Das  wachsende  Weimar  hat 
dass  der  Herr  Stadtbrauereibesitzer  sich  in  diese  Dichteridylle  hineinge- 
hier  Bier  ausschenken  und  den  Garten  drangt,  und  man  sieht  in  nicht  allzu 
erhalten  werde.  ist  eine  vage  und  trii-  Dosser  Feme  prosaische  Hauser  und 
gerische;  die  Baume,  welche  Goethe  ge-  Villen,  deren  Bewohner  zum  Morgen- 
pflanzt  hat,  'sollen  ausgerottet  werden  kaffee  den  Anblick  des  Heiligtums  ge- 
iind  einer  Villenanlage  Platz  machen.  niessen.  Nunmehr  soil  auch  der  Park 
Der  nicht  allzugrosse  Garten  war  mit  zerstort  werden.  Die  deutschen  Vereine 
Kunst  und  Sorgfalt  angelegt;  die  be-  zur  Erhaltung  von  Naturdenkmalern 
kannte  Ansicht  fiber  eine  grosse  Wiese  miissen  sich  beeilen,  sonst  wird  es  wohl 
hin  hatte  den  Charakter  von  Szenerien  zu  spat  sein.  Und  es  mitsste  sich  in 
aus  alten  fiirstlichen  Parks;  man  hatte  aller  Eile  ein  Verein  zur  Erhaltung  von 
den  Eindruck,  als  ware  man  in  der  Nahe  Literaturdenkmalern  konstituieren,  und 
eines  Waldes,  der  stundenweit  reicht.  Geld  in  die  Hand  nehmen,  um  diesen 
,,Man  fiihlt  sich"  -  schreibt  Ecker-  griineii  Rahmen  zu  einem  Hauptstiick 
mann  —  .,in  den  Frieden  tiefer  Natur-  der  deutschen  Dichtung  zu  erhalten,  zu 
einsamkeit  versetzt,  denn  die  grosse  retten.  Es  darf  nicht  der  Winter  ver- 
Stille  ist  oft  durch  nichts  unterbrochen  gehen.  ohne  dass  Goethes  Wort  von  sei- 
als  durch  die  einsamen  Tone  der  Amsel  nem  Garten  sich  erfiillt:  ,,Ein  warmer 
oder  durch  den  pausenweise  abwechseln-  Gewitterregen,  wie  der  Abend  es  ver- 
den  Gesani?  einer  Walddrossel.  .  .  ."  Und  spricht,  und  der  Friihling  wird  in  der 
Goethe  selbst  lobte  im  Jahre  1824.  wie  ganzen  Pracht  und  Fiille  abermals  wie- 
sein  alternder  Faust,  das  Geschaffene;  der  da  sein." 

er  habe  die  Baume  vor  vierzicr  Jahren  Der  .erledigte  S  t  o  r  ch.  Wir 
eigenhandis:  gepflanzt;  er  habe  die  befanden  uns  so  erzahlt  ein  Leser  der 
Freude  aehabt,  sie  heranwachsen  zu  se-  Frkf  Ztg.«,  mit  unserem  kleinen  Mad- 
hen,  Tmd  gemesse  nun  schon  seit  Derail-  chen  in  e'inem  Tiero-arten.  ,,Nun",  frag- 
mer  Zeit  die  Erquickung  ^  ihres  Schat-  te  id  wag  igt  dag  fiir  ein  Vo^el?  der 
tens.  Er  sitze  hier  ,im  Schatten  e  dort  mit  dem  ,  n  Schnabel?« 

r    Baume     an    warmen    Sommer-    ^Tch   weigg   nicht«      antwortete   zogernd 
nach  Tische    wo  dann  nuf  diesen    d-e  Rleine       Dag  igt  ein  storch!«  sagte 
Wiesen  und  auf   dem   -anzen  Park  um-    .  }         Ab       pa        eg     ibt  .  keinen 

her  oft  eine  Stille  herrsche,  von  der  die    g^orcbj« 

Alten    aesagt  hatten,   dass   Pan   schlafe.    '  ^T 

Eine   der  kostbaren   und   riihrenden   Re-    .    ^  }  \CT  *  f  m,  U  "w'-f   t  J^ 

miniszenzen,  von  welchen  Goethes  Ban-  l^  ein  Monolog?  -  Fritzchen  :  Wenn 
me  rauschen  und  erzahlen,  sei  festgehal-  «n^  mit  sich  allem  spricht  -  Lehrer: 
ten.  Eine  Baschkirenhauutling  hatte  Und  ^ie  nennt  _man  el"e  Unterhaltung 
ihm  im  Jahre  1814  einen  Bogen  verehrt.  jwischen  zwei  Personen?  --  Fritzchen: 
Mit  diesem  ffihrte  der  Altmeister  Ein  Rendezvous. 

Schiessiibun<?en  aus.  Sein  Freund  und  Die  r  e  i  f  e  r  e  J  u  g  e  n  d.  Der  Schul- 
Privntsekretar  berichtet:  Goethe  schob  inspektor  'eines  niederlandischen  Kreises 
die  Kerbe  des  Pfeiles  in  die  Sehne,  auch  empfing  folgendes  Schreiben:  ,,In  Ant- 
fasste  er  den  Bo^en  rlchtig.  Er  stand  wort  auf  Ihr  Schreiben,  in  welchem  Sie 
da  wie  der  A  poll,  mit  unverwiistlicher  mich  auffordern,  meine  Tochter  unver- 
innerer  Jugend,  doch  alt  an  Korper.  Der  ziiglich  zur  Schule  zu  senden,  teile  ich 


seiner 


156 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


Ihnen  mit,  dass  dieselbe  innerhalb  acht 
Tagen  in  den  Stand  der  heiligen  Ehe 
treten  wird;  ihr  zukiinf  tiger  Gatte  1st 
absolut  nicht  damit  einverstanden,  dass 
sie  nochmals  zur  Schule  geht,  da  sie  ta- 
dellos  Hollandisch,  Deutsch,  Franzosisch 
und  Englisch  spricht,  und  auch  musika- 
lisch  gebildet  ist.  Die  Haushaltung 
fiihrt  sie  gleichfalls  vorziiglich.  Ich,  als 
Vater,  protestiere  ebenfalls  gegen  den 
Schulbesuch,  obgleich  sie  bereits  selb- 
standig  Beschliisse  fassen  kann,  denn 
sie  ist  langst  miindig  und  eben  ins  30. 
Lebensjahr  eingetreten."  Die  Schuld  an 
dieser  komischen  Auseinandersetzung 
trug  der  kurzsichtige  Gemeindesekretar, 
der  als  Geburtsjahr  der  Dame  1897  an- 
statt  1877  gelesen  hatte. 

Entweder  —  oder.  Der  kleine 
Dick  kleidet  sich  zum  erstenmal  allein 
an  und  sollte  dann  mit  seiner  Mutter 
einen  Besuch  machen.  Als  er  sich  Hut 
und  Mantel  angezogen  hatte,  rief  er  zu 
seiner  Mutter  hinunter:  ,,Mutter,  soil 
ich  mir  nun  die  Hiinde  waschen  oder 
Handschuhe  anziehen  ?" 

Kathederbliiten.  Zur  Feier 
des  75jahrigen  Jubilaums  eines  Berlin  |r 
Realgymnasiums  gab  der  Festausschuss 
ein  Heftchen  ,,Schiilererinnerungen" 
heraus,  dem  wir  einige  heitere  Kathe- 
derbliiten entnehmen:  Die  Sachsen 
inussten  alle  ihre  Hiiupter  ausliefern, 
und  diese  liess  Karl  der  Grosse  hinrich- 
ten.  —  Alle  diese  Volker  haben  ihre 
uberreste  in  Spanien  zuriickgelassen, 
und  daraus  entstand  das  Volk  der  Spa- 
nier.  —  Friiher  kannte  man  die  Pensio- 
nierung  nicht.  Alle  Offiziere,  die  sich 
unter  Friedrich  dem  Grossen  hatten  tot- 
schiessen  lassen,  bekamen  keinen  Pfen- 
nig. —  Wir  nnden  in  dieser  Periode  ne- 
ben  den  Seetieren  schon  Wassertiere. — 
Um  Tacitus'  Sprache  zu  verstehen, 
muss  man  zwischen  den  Zeilen  lesen. 
-  Professor  H.  verzehrte  zum  Frtih- 
stiick  jeden  Morgen  eine  sehr  dick  mit 
Schinken  belegte  Schrippe.  Eines  Mor- 
gens  vertauschte  sie  ein  Schiller  gegen 
seine  trockene  Schrippe.  Professor  H. 
packt  sie  aus,  schlagt  mit  der  Faust 
auf  den  Tisch  und  ruft:  ,,Nu,  is  denn 
meine  Olle  verrttckt  jeworden?" 

Der  hofliche  Herr  Schulrat. 
In  einer  nassauischen  Dorfschule  hielt 
der  Herr  Schulrat  Revision,  wobei  er 
den  Lehrer  ermahnte,  die  Kinder  mehr 
zur  Hoflichkeit  zu  erziehen.  So  sei  es 
geziemend  und  recht,  dass  sie  den  Ant- 
worten  die  Schlussformel  anftigten: 
,,Herr  Schulrat".  Da  nun  der  Schulrat 
am  folgenden  Tage  die  Schule  eines 
Nachbardorfes  besuchte,  machte  der  ge- 


tadelte  Lehrer  seinen  Kollegen  darauf 
aufmerksam,  er  tue  gut,  vor  Ankunft 
des  Schulrats  seine  Kinder  entsprechend 
zu  instruieren.  Das  geschah.  Der  Schul- 
rat kommt  und  revidiert,  und  prompt 
erfolgt  jedesmal  als  Refrain:  ,,Herr 
Schulrat".  Da  kommt  die  Geschichte 
vom  Siindenfall  daran.  Er  fragt:  ,,Mit 
welchen  Strafworten  wandte  sich  Gott 
an  Adam?"  Die  Antwort  folgt:  ,,Die 
Erde  sei  verflucht  um  deinetwillen, 
Herr  Schulrat."  Um  den  nieder- 
schmetternden  Eindruck  der  Ant- 
wort  zu  verwischen,  fragt  der  Ge- 
strenge  flugs:  ,,Was  sprach  Gott  zur 
Schlange?"  ,,Auf  deinem  Bauche  sollst 
du  kriechen,  Herr  Schulrat."  Schnell 
winkt  der  Schulrat  ab  und  wendet  sich 
zu  einem  anderen  Schiller,  dass  er .  die 
Strafworte  vollende.  Dieser  antwortet: 
,,Du  sollst  Staub  fressen  dein  Leben 
lang,  Herr  Schulrat."  Dem  Schulrat 
grauste  es  ob  solcher  Hoflichkeit  und 
eiligst  suchte  er  das  Weite. 

Folgenden  Brief  erhielt  der 
Rektor  eines  hannoverschenStadtchens: 
An  Ewigen  hochwohlgebor  Herrn  Rek- 
tor St.  Hochgeertester  Ewiger  HerrRek- 
tor!  Hiermit  muss  ich  Sie  zu  wissen 
tun,  dass  mein  Sohn  August  sich  soil 
nicht  ausschnauben,  sondern  im  Ta- 
schentuch.  Dises  hat  Herr  Lehrer  B.  be- 
fohlen,  wo  ich  doch  nich*  in  den  Kraften 
stehe  das  ich  meinen  Sohn  daglich  ei- 
nen reinen  Duch  geben  kann.  Ich  ging 
zu  Herr  B.  und  kam  ihn  freudig  entge- 
gen  da  warf  er  mir  die  trepe  herunter 
ich  sagte  da  konte  ich  alleine  herunter 
finden  und  niichtern  ware  ich  auch.  In 
diesen  bediirfnisvollen  Zustande  bitte 
ich  ihnen,  Ewig  Herr  Rektor  wohlge- 
bohren,  das  Sie  Herr  B.  mal  Bescheid 
sagen  hochachtend  E.  G.  Schuhmacher. 

In  einer  bergischen  Stadt 
trug  sich,  wie  uns  geschrieben  wird,  an 
der  hoheren  Madchenschule  das  Folgen- 
de  zu:  In  der  ersten  Klasse  ist  Ge- 
schichtsstunde.  Die  franzosische  Revolu- 
tion wird  besprochen.  Der  Direktor  ver- 
langt  die  verschiedenen  Epochen  zu  ho- 
ren.  Als  die  Schiilerin  nach  ,,Konvent" 
sich  nicht  auf  ,,Direktorium"  besinnen 
kann,  sagt  der  Direktor:  ,,Sehen  Sie 
mich  an."  Darauf  prompt  die  Schiile- 
rin :  ,,Schreckensherrschaf t". 

In  einer  Schule  ist  P  r  ii  f  u  n  g.  Bei 
der  Besprechung  Amerikas  wird  auch 
der  Entdecker  dieses  Erdteils  genannt. 
Die  Lehrerin  fragt:  ,,Wer  war  Colum- 
bus?" Sofort  meldete  sich  eines  der 
Madchen  und  erwidert  freudig:  ,, Co- 
lumbus war  ein  Vogel."  Nachdem  das 
Gelachter  sich  gelegt,  erkliirt  das  Miid- 


Bucherbesprechungen. 


157 


chen  verschamt:      ,,Ich  habe    im   Lese- 

buch     meiner     alteren  Schwester     eine 

uberschrift  gelesen,  die  heisst:  ,,Das  Ei 
des  Columbus"." 

A  u  s    d  e  r   b  i  b  1  i  s  ch  e  n   G  e  s  chi  ch- 

t  e   erzahlt   Lieschen ,,da   reichte   Re- 

bekka  ihm  den  Krug  und  sprach: 
Trinkt,  Herr,  dann  will  ich  die  andern 
Kamele  auch  tranken." 

A  u  s  K  a  r  1  ch  e  n  M  i  e  'ss  n  i  ck  s 
Aufsatzheft  teilt  die  ,,Rhein.- 
Westf.  Ztg."  folgende  Abhandlung  iiber 
den  Herbst  mit :  ,,Der  Herbst  is  das  Ge- 
genteil  von  Frilling.  Aber  er  kommt 
immer  erst  spater.  Im  Herbst  gibt  es 
Most,  wofon  man  leicht  einen  Strichbe- 
kommt  und  wodraus  dann  der  Mostrich 
entsteht,  der  aber  nischt  weiter  wie 
Sanf  is.  Mit  -Sanf  besanftigt  man  fiele 
Speisen,  zum  Beispihl  die  Halmerstad- 
ter  un  die  Ragensborger.  Die  Blatter 
werden  im  Herbst  ser  abfallig  von  den 
Beumen  un  auf  den  Stoppelfaldern 
fliecht  Altweibersommer  rum,  was  sei- 
nen  Namen  davon  hat,  dass  der  Som- 
mer  vorbei  is  un  es  keine  alten  Weiber 
sind,  die  rumfliechen,  sondern  nur  klei- 
ne  Spinnen.  Im  Herbst  sin  die  grohsen 
Herbstmanover,  da  haulen  alle  Kochin- 
nen  un  Dienstmadchen  in  der  Stadt, 


weil  sie  fortzihn,  namlich  die  Soldaten, 
wovon  immer  einer  bei  uns  im  Kttchen- 
schranke  steckt,  der  dan  aber  auch  mit 
mus,  weshalb  unsere  Anna  egal  hault 
als  wenn  se  in  einer  Haulanstalt  ware 
oder  in  'nen  Weinkeller.  Im  Herbst  geht 
die  Seesong  wieder  an,  weil  da  dieLaute 
von  der  See  kommen,  da  gibt  es  auch 
wieder  naue  Mohden,  wodruff  der  Vater 
so  schimft,  indem  das  nemlich  meine 
grohse  Schwester  so  fihl  Staht  machte 
und  er  dajfon  pleite  ginge,  was  man 
Stahtsbankrot  nent,  wie  mein  Bruder 
der  Student  sagt.  Die  Tage  werden  im 
Herbst  immer  kiirzer,  darum  sind  auch 
die  Michelisferien  nur  so  klein.  Im 
Herbst  is  die  Natuhr  oft  benebelt,  aber 
mannigmal  auch  nicht,  dann  han  man 
eine  weite  Sicht,  wodrauf  es  aber  nur 
bei  Wechseln  ankommt,  wie  mein  Bru- 
der meint,  der  egal  am  Wechselfieber 
leidet.  Was  ser  schones  is  im  Herbst, 
das  fiele  Obst,  das  is  mein  Fall,  beson- 
ders  das  Fallobst,  wo  noch  keine  Maden 
drin  sind.  Wer  fil  Obst  ist  wird  leicht 
obstinat,  aber  nur  wenn  er  Wasser  da- 
zu  trinkt,  dann  kriegt  er  ein  koleeri- 
sches  Temperament  un  must  Kolera- 
troppen  nehmen,  die  aber  nicht  gut 
schmecken." 


Biicherschau. 


I.     Biicherbesprechungen. 


Encyklopadisches    Hand- 
buch     der    Padagogik    von  W. 
Rein.      Zweite  Auflage.      5.  Band, 
erste  und  zweite  Halfte.  Langensalza, 
Hermann  Beyer  &  Sahne,  1906. 
Je  weiter  das  Werk  Prof.  Reins  fort- 
schreitet,  einen  um  so  tieferen  Eindruck 
erhalt  man  von  diesem  gewaltigen  Un- 
ternehmen.      In     dem     vorliegenden     5. 
Bande  —  erste  und  zweite  Halfte — sind 
127   Aufsatze   enthalten,   die   keine    mit 
dem     Erziehungswesen     in    Verbindung 
stehende   Frage   unberiicksichtigt  lassen. 
Uriter  den   Bearbeitern    der    verschiede- 
nen  Artikel  finden  wir  Namen  vom  be- 
sten  Klange  in  der  padagogischen  Welt. 
Namentlich  beweisen  gerade  die  Namen 
der  MitarbeiterDr.    Reins,     wie     vorur- 
teilsfrei   er  in   der    Auswahl     derselben 
vorangegangen  ist.  —  Wenn  es  sich  da- 
rum handelt,  die  richtige  Person  fur  die 
Behandlung  einer  Frage  zu  erhalten,  'so 
scheut  er  sich  nicht,  auch  in  die  Reihen 


seiner  padagogischen  Gegner  zu  greifen. 

Der  5.  Band  schliesst  mit  dem  Artikel 

iiber  ,,Munterkeit".     Dem  Prospekte  zu- 

folge  sind  noch  4  weitere  Bande  zu  er- 

warten.       Wir    konnen  nur  immer  von 

neuem   auf  das   Werk    empfehlend  hin- 

weisen.     In  der  Bibliothek  eines  Lehrers 

gebiihrt  ihm  einer  der  allererstenPlatze. 

Wolffs    Poetischer    Hau's- 

schatz    des    DeutschenVpl- 

k  e  s.    Vollig  erneut  durch  Dr.Hein- 

richFrankel.     Mit  Geleitwort 

von  Geheimrat    Professor 

W  i  1  h  e  1  m    M  ii  n  ch.      Einund- 

dreissigste  Auflage.  255.  bis  260.  Tau- 

send.     Erweiterte  Ausgabe.    Otto  Wi- 

gand,  Leipzig. 

Wolffs  Poetischer  Hausschatz  gehb'rt 
zu  den  Werken,  die  in  der  Bibliothek 
des  Gelehrten  sowohl  als  in  der  des 
Laien  den  eisernen  Bestand  bilden.  Die 
erste  Ausgabe,  welche  von  Professor 
Wolff  in  Jena  bearbeitet  worden  war, 


158 


Monatshefte  fur  deutsche  tiprache  und  Pddagogik. 


erschien  im  Jahre  1839.  Bis  zum  Jahre 
18G7  warden  regelmassig  Neubearbei- 
tungen  vorgenommeii,  YOU  da  an  jedoch 
niciit  mehr,  so  dass  die  neudeutsche  Li- 
teratur  unberiicksichtigt  blieb.  Langst 
bestand  das  Bediirfnis  nach  einer  ganz- 
lichen  Umgestaltung  des  Hausschatzes, 
weleher  sich  nunmehr  der  Schriftsteller 
Dr.  Heinrich  Frankel  in  Halensee  bei 
Berlin  unterzog.  Die  gesamte  Tatig- 
keit  Dr.  Frankels  —  er  ist  Schriftstel- 
ler des  Vereins  ftir  Massenverbreitung 
guter  Volksliteratur  und  hat  sich  auch 
sonst  im  Interesse  der  Wohlfahrt  der 
breiten  Volksmasse  literarisch  betatigt 
— hat  ihn  in  innige  Beriihrung  mit  dem 
Volke  gebracht  und  machte  ihn  daher 
auch  zur  Bearbeitung  dieses  Werkes  ge- 
eignet,  wo  es  darauf  ankommt,  aus  der 
uiigeheuren  Fiille  der  Erzeugnisse  deut- 
scher  Poesie  das  Beste  und  fiir  dasVolk 
Ansprechendste  zu  sammeln.  Dies  ist 
dem  Verfasser  gelungen.  In  chronologi- 
scher  Reihenfolge  sind  die  poetischen 
Erzeugnisse  der  deutschen  Literatur 
von  den  Gotterliedern  der  alteren  Edda 
an  bis  in  die  neueste  Zeit  —  das  letzte 
Gedicht  der  Sammlung  ist  von  Felix 
Braun,  geb.  1885  —  aufgefiihrt;  in  den 
mehr  wie  2300  zahlenden  Gedichten  sind 
500  Dichter  vertreten;  und  wo  man 
auch  das  Buch  aufschlagen  mag,  immer 
wird  man  sich  von  dem  Gebotenen  an- 
gezogen  fiihlen.  Es  ware  um  die  Pflege 
der  deutschen  Sprache  in  unseren  Fa- 
milien  besser  bestellt,  wenn  dies  Werk 
auch  bei  ihnen  zu  einem  Hausschatze 
werden  wtirde.  Doch  auch  in  der  Hand 
des  Lehrers  'diirfte  es  bald  von  un- 
schatzbarem  Werte  sein,  sowohl  zur 
eigenen  Belehrung  und  Erbauung,  als 
auch  zum  Gebrauch  im  Schulzimmer. 

Deutsche     E  r  d  e.      Zeitschrift    fiir 
Deutschkunde.   Beitrage  zur  Kenntnis 
deutschen    Volkstums    allerorten    und 
allerzeiten.    Herausgegeben    von  Prof. 
PaulLanghans.     Gotha,  Ju- 
stus Perthes.  Preis  des  Jahrganges  M.  8. 
Mit   dem   eben   erschienenen    1.   Hefte 
hat  die  obige  Zeitschrift  ihren  7.  Jahr- 
gang     eroffnet,    und     mit     berechtigtem 
Stolze  stellt  ihr  Herausgeber  Prof.Lang- 
hans   fest,    dass   ,,in   75,000   Exemplaren 
bisher  die  griinen  Hefte  mit  den  Eichen- 
blattern  in    alle  Welt     geflattert     sind, 
dass  in   iiber  200,000   Stuck  die  Karten 
der     ,Deutschen     Erde'     Kenntnis     vom 
Deutschtum,     seiner      Art     und     seinen 
Kampfen     in    alien  Erdteilen  verbreitet 
haben".      Seit     Erscheinen     des     ersten 
Heftes  dieser  Zeitschrift     hat  Schreiber 
dieser  Zeilen    deren     Entwicklung     ver- 
folgt,  immer  bot  ihr  Inhalt  Anregendes 
namentlich     fiir     denjenigen,     der     dem 


Ringen  der  deutschen  Volksstamme  in 
der  Diaspora  Teilnahme  entgegenbringt. 
Der  Inhalt  des  vorliegenden  1.  Hettes 
des  neuen  Jahrganges  spiegelt  die  Viel- 
seitigkeit  der  Zeitschrift  wieder.  Der 
Stra»sburger  Gernianist  Ernst  Martin 
widmet  seinein  verstorbenen  Bruder, 
dem  Deutsch-Chilenen  Dr.  Karl  Martin 
einen  warmen  Nachruf,  Dr.  Pfaundler 
behandelt  unter  Beigabe  einer  grossen 
Sprachenkarte  die  deutsch  -  romanische 
JSprachgrenze  in  Tirol  und  Vorarlberg, 
Prof.  Dr.  v.  Wotawa  bespricht  die  Er- 
gebnisse  des  Wiener  Schutzvereinstages, 
uer  bekannte  Hausforscher  Dr.  Pessler 
gliedert  zum  erstenmale  im  Zusainmen- 
liange  die  Haustypengebiete  im  Deut- 
schen Reiche.  Weitere  Beitrage  behan- 
deln  die  Namen  der  deutschen  Siedelun- 
gen  in  Rio  Grande  do  Sul,  das  Deutsch- 
tum in  Ofenpest,  den  Volksgesang  bei 
den  Siebenbiirger  Sachsen,  den  deut- 
schen Unterricht  in  den  Vereinigten 
Staaten.  Zahlreich  sind  wie  immer  die 
von  ersten  Fachleuten  herriihrenden  Be- 
sprechungen  einschlagiger  Arbeiten,  die 
wertvollen  Quellennachweise  und  die 
sorgfaltig  gewahlten  Abbildungen.  Wir 
wtinschen  der  ,Deutschen  Erde',  der  wis- 
senschaftlichen  Stoffsammlung  fiir  die 
Arbeit  aller  deutschen  Schutz-  undWer- 
bevereine,  auch  f ernerhin  wachsende  Be- 
achtung  aller  Deutschen  innerhalb  und 
ausserhalb  des  Reiches. 

Schneiders  Typen-Atlas. 
Naturwissenschaftlich  -  geographi- 
scher  Handatlas  fiir  Schule  und  Haus, 
unter  kunstlerischer  Mitwirkung  von 
W.  Claudi  u  s,  H.  Leutemann, 
G.  Miitzel,  C.  F.  Seidel.  Heraus- 
gegeben  von  Dr.  O  s  k  a  r  S ch n  e  i- 
der,  Dresden.  Meinhold  &  Sohne.  5. 
Aufl.  15  Tafeln  und  eine  Erdkarte. 
Pi-eis  M2.40. 

Dieses  Werk  ist  dazu  bestimmt,  alle 
solche  Objekte  aus  der  Menschen-,  Tier- 
und  Pflanzenwelt  im  geographischen  Un- 
terricht zur  Anschauung  zu  bringen,  von 
denen  das  Kind  auf  andere  Weise  keine 
Vorstellung  erhalten  kann.  Jede  Tafel 
enthalt  eine  Umrisskarte  eines  Lander- 
gebietes  und  nebenbei  die  Bilder  typi- 
scher  Erscheinungen  der  drei  Gebiete 
der  Lebewelt  des  betreffenden  Landes 
oder  Erdteiles.  Durch  Ziffern  in  der 
Nebenkarte  ist  die  Heimat  und  Verbrei- 
tung  der  Pflanze  usw.  angedeutet.  Der 
Atlas  ist  fiir  die  Hand  des  Kindes  be- 
rechnet;  daher  sind  die  Bilder  verhalt- 
nismassig  klein.  Andererseits  zeichnen 
sie  sich  durch  grosse  Scharfe  aus.  Auch 
soi»st  ist  die  Ausstattung  eine  vorziig- 
liehe,  was  von  dem  renommierten  Ver- 
lage  der  Herren  Meinhold  &  Sohne  fast 


Eingesandte  Biicher. 


159 


als  selbstverstandlich  zu  erwarten  1st. 
Der  Atlas  1st  ein  wertvolles  Anschau- 
ungsmittel  fur  den  geographischen  Un- 
terricht. 

M.  G. 

Erns  t  Sieper,  Shakespeare 
und  seine  Zeit.  ( Aus  Natur  und 
Geisteswelt.  185.  Bandchen.)  Leipzig, 
Teubner,  1907.  IV+140  S.,  8°.  Olbd., 
M1.25. 

Unter  den  zahlreichen  Versuchen,  die 
einen  weiteren  Leserkreis  mit  Shake- 
speares Leben  und  Schaffen  und  seiner 
Umgebung  vertraut  machen  wollen, 
diirfte  sich  Prof.  Siepers  Werkchen  in 
kurzer  Zeit  eine  geachtete  Stellung  si- 
chern;  gleich  viel  zu  bieten  diirfte  auf 
so  beschranktem  Raume  schwer  fallen. 
Die  fiinf  einleitenden  Kapitel  (S.  1—50) 
geben  eine  gedrangte  aber  iibersichtliche 
Einfiihrung  in  das  Zeitalter  der  Konigin 
Elisabeth,  das  geistige  Leben  der  Perio- 
de,  den  Stand  der  verschiedenen  Dich- 
tungsarten  bei  Shakespeares  erstem 
Auftreten,  und  die  englische  Btthne  zur 
Zeit  Shakespeares;  dies  letztgenannte 
Kapitel  ist  durch  mehrere  Textbilder 
angemessen  erlautert.  Die  nachsten 
sechs  Kapitel  befassen  sich  mit  Shake- 
speares Leben  (zwei  der  dem  Biichlein 
beigegebenen  Einsehaltbilder  bringen 
das  Grafton-  und  das  Droeshoutbildnis, 
das  dritte  drei  Unterschriften  aus 
Shakespeares  Testament)  und  einer 
Wiirdigung  seiner  dichterischen  Per- 
sonlichkeit,  wobei  der  Verfasser  der 
chronologischen  Ordnung  der  Dramen 
besondere  Sorgfalt  zuwendet.  Kapitel 
XII  behandelt  die  Hilfsmittel  zum  Stu- 
dium  Shakespeares,  und  ein  Anhangvon 


23   Seiten   die   Shakespeare-Bacon-Frage. 
Von  blinder  Verhimmelung  halt  sich  der 
Verfasser  ebensofern  als  von  schneidend 
kalter  Kritik;   nur  wird  der  kurze  Ver- 
gleich   auf   Seite   106     zwischen    Shake- 
speare und  Schiller     unserem  deutschen 
Dichter  nicht  gerecht;   dass  die  Vertre- 
tung  sozialer  und  politischer  Interessen 
in  Schillers  Dramen,  das  Bestreben  sei- 
ner Helden,  Werke  zu  schaffen    (wie  es 
Alfred  Freiherr   von  Berger    in    seinem 
schonen   Aufsatze    iiber     Otto    Ludwiga 
Schillerkritik   glucklich   ausdriickt),  iiber 
Shakespeares  Drama  hinausgeht,  musste 
hier  gesagt  werden.     Entsprechend    dem 
Ursprunge  des  Werkchens  —  es    ist  im 
wesentlichen  ein  nur  wenig  veranderter 
Abdruck  einer  Reihe  von  Vortragen  vor 
Volkshochschulvereinen  —  ist   die  Dar- 
stellung  fast  durchweg  klar  und  leben- 
dig;   stellenweise,  so  im  z  wolf  ten  Kapi- 
tel,  hatte   eine    kraftigere    Umarbeitung 
nichts  geschadet.  Dies  gilt  iibrigens  von 
mehreren  andern  Bandchen    der     Teub- 
nerschen  Sammlung,  die  ahnlichen    An- 
lassen   ihre   Entstehung    verdanken,     in 
weit  hoherem  Grade  als  dem  vorliegen- 
den.       Wahrhaft    erfrischend  und  herz- 
starkend  wird  die  Darstellung,  wo  Sie- 
per  dem   Baconrummel   zu  Lei  be   riickt, 
der  ja  leider  auch  schon  manchem  sonst 
ertraglich  gescheiten  Menschen  zeitweise 
den  Kopf  warm  gemacht  hat.  Die  hoch- 
trabenden    Angumente     der    Baconianer 
erweisen  sich  in    dieser     erbarmungslos 
scharfen  Beleuchtung  als    lauter     miss- 
farbene    Seifenblasen,     und  der   Anhang 
allein  ware  Besitz  und  Lekture  des  Bu- 
ches  reichlich  wert. 

Univ.  of  Wis.        Edwin  C.  Roedder. 


II.     Eingesandte  Bucher. 


Our  Children,  our  Schools, 
and  our  Industries  by  An- 
drew Sloan  Draper,  LL.  D.,  Com- 
missioner of  Education,  State  of  New 
York.  Syracuse,  N.  Y.,  C.  W.  Bardeen, 
1908.  Price  50  cts. 

The  Condition  and  Ten- 
dencies ofTechnicalEduca- 
tion  in  Germany  by  Arthur 
Henry  Chamberlain,  Prof, 
of  Education  and  Principal  of  the  Nor- 
mal School  of  Manual  Training,  Art 
and  Domestic  Economy,  Throop  Poly- 
technic Institute,  Pasadena,  California. 
Syracuse,  C.  W.  Bardeen,  1908. 


Deutsches  Liederbuch  fiir 
ameri  kanische  Studenten. 
Texte  und  Melodien  nebst  erklarenden 
und  biographischen  Anmerkungen.  Her- 
ausgegeben  im  Auf  trage  der  G  e  r  m  a  - 
nistischen  Gesellschaft  der 
Staats-Universitiit  von  Wisconsin.  Neu- 
bearbeitete  Ausgabe.  Boston,  D.  C. 
Heath  &  Co.,  1908. 

Ratsmadelgeschichten 
von  II  e  1  e  n  e  B  a  h  1  a  u.  Edited 
with  notes  and  vocabulary  by  Emma 
Haeverni  ck,  head  of  M.  L.  Dep't, 
Girls'  High  School,  Philadelphia.  D.  C. 
Heath  &  Co.,  Boston,  1908.  Price,  40c. 


100  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Thoughts  and  Experiences  der,  a.  o.  Prof.  a.  d.  Univ.  Leipzig, 
I  n  and  Out  of  School  by  John  Herman  Hirt,  a.  o.  Prof.  a.  d. 
B.  P  e  a  s  1  e  e,  LL.B.,  Ph.D.,  Ex-Super-  Univ.  Leipzig,  Karl  Kant,  Privat- 
intendent  of  the  Public  Schools  of  Cin-  gelehrten  in  Leipzig.  Herausgegeben 
cinnati,  Ohio.  Accompanied  by  letters  von  Herman  Hirt.  Erste  und 
from  Longfellow,  Whittier,  Holmes,  and  zweite  Lieferung.  Giessen,  Alfred  To- 
other other  American  authors.  Printed  pelmann,  1907.  Preis  der  Lieferung 
for  the  author  by  Curts  &  Jennings,  M.  1.60. 
Cincinnati,  Ohio,  1900.  Peterli  am  Lift.  Eine  Erzahlung 

Dr.    Karl    Krause's    Deutsche  f iir   die    Jugend   und   ihre   Freunde   von 

Grammatik       fur       Auslander  Nicklaus    Bolt.      Zurich,     Art.    In- 

jeder      Nationalist,       mit       besonderer  stitut   Orell   Fiissli.     Preis   Fr.   2.50. 

Rticksicht     auf     auslandische     Institute  Alltagliches.        Ein       Konversa- 

in    Deutschland    und    deutsche   Institute  tions-  und  Lesebuch.     By  M.  B.  Lam- 

im    Auslande,    neu    bearbeitet    von    Dr.  b  e  r  t ,     Boys'    High    School,     Brooklyn, 

Karl    Nerger.      Sechste    verbesserte  N.  Y.    Boston,  D.  C.  Heath  &  Co.,  1900. 

Aufiage.  '  J.    U.    Kern,    Breslau.      Preis  Price  75  cts. 

M.  3.60.  Der  Weg  zum  Gliick.     Zwei  Er- 

L'E  xpansion  Allemande  hors  ziihlungen  f  iir  die  Jugend.  Selected 
d'Europe  (Etats-Unis,  Br6sil,  Chan-  and  edited  with  exercises,  notes  and 
toung,  Afrique  du  Sud),  par  M.  vocabulary  by  Dr.  Wilhelm  Bern- 
Ernest  Tonnelat.  Un  vol.  in-18  hardt.  " Boston,,  D.  C.  Heath  &  Co., 
(Librairie  Armand  Colin,  rue  de  Me-  1908.  Price  40  cts. 
zieres,  5,  Paris),  brochg.  3  fr.  50.  Waldschule  n.  Von  Dr.  A. 

Deutsch'es     Worterbuch     von  Kraft,  Schularzt  in  Ziirich.     Art.  In- 

Fr.  L.  K.  Weigand.    Fiinfte  Auflage.  stitut  Orell  Fussli,  Zurich,   1908.     Preis 

Nach    des    Verfassers    Tode    vollstandig  75  Pf. 
neu   bearbeitet    von    Karl    von    Bah- 


Monatshefte 

fur  deutsche   Sprache   und    Padagogik. 

(Friiher:    Pa'dagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 


IX.  3um  1908.  fieft  6. 

(Offiziell.) 

Nationaler  Deutschamerikanischer  Lehrerbund. 


36.  Jahresversammlung. 
Milwaukee,  Wis.,  30.  Juni  bis  3.  Juli  1908. 


Aufruf. 

Vom  30.  Juni  bis  3.  Juli  des  Jahres  wird  die  36.  Tagung 
des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  abgehalten  werden. 
Milwaukee  entbietet  uns  Gastfreundschaft  und  Willkommengruss.  Es 
ist  nicht  das  erste  Mai,  dass  Milwaukee  unseren  Versammlungen  seine 
Tore  offnet;  und  wer  Gelegenheit  hatte.  den  friiheren  Lehrertagen,  die 
dort  stattfanden,  beizuwohnen,  wird  heute  noch  des  liebenswiirdigen 
Empfanges  seitens  der  Einwohnerschaft  dieser  Stadt  gedenken. 

Die  Bedeutung  der  deutschamerikanischen  Lehrertage  wachst  in 
dem  Masse,  in  dem  Interesse  und  Begeisterung  fiir  unseren  Beruf  zu- 
nehmen.  Diese  stehen  mit  jenen  in  steter  Wechselbeziehung,  so  dass  der 
Besuch  der  Lehrertage  einen  Priifstein  fiir  das  herrschende  Berufsinte- 
resse  abgibt,  dass  aber  gerade  auch  sie  der  Jungbrunnen  sind,  aus  dem 
wir  wieder  frische  Kraft  und  neue  Liebe  zum  Berufe  schopfen. 

Aus  dem  nachstehenden  Programm  mogen  die  Mitglieder  selbst 
ersehen,  wie  der  Vorstand  nach  Kraften  bemiiht  gewesen  ist,  den  Besu- 
chern  durch  die  gewonnenen  Vortrage,  sowie  durch  die  Ausstellung  von 


162  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Lehrmitteln  und  Lehrbiichern  fur  den  modern-sprachlichen  Unterricht 
neue  Anregung  zu  bieten. 

Die  36.  Tagung  soil  eine  ebenbiirtige  Nachfolgerin  der  friiheren 
Tagungen  des  Bundes  werden.  Die  Unterzeichneten  geben  daher  der 
zuversichtlichen  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die  deutschamerikanische 
Lehrerschaft  und  die  mit  ihr  in  gleichem  Streben  Verbundenen  der  Ein- 
ladung  zum  Besuche  des  Milwaukeer  Lehrertages  in  Scharen  Folge 
leisten  werden. 

Der  Vollzugsausschuss : 

Max  Griebsch,  Prasident; 
Frau  Mathilde  8.  Grossart,  Vizeprasidentin ; 
Martin  Schmidhofer,  Schatzmeister; 
Emil  Kramer,  Sekretar. 
5.  April  1908.  Anna  Hohgrefe,  2.  Sekretarin. 


Milwaukee,  15.  Marz  1908. 

Als  beim  vorjahrigen  Lehrertage  Milwaukee  als  Platz  fiir  die  36. 
Tagung  des  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes  gewahlt  und  die 
Nachricht  von  diesem  Beschlusse  in  unserer  Stadt  bekannt  wurde,  da 
machte  sich  sofort  unter  unserer  deutschamerikanischen  Bevolkerung  der 
Wunsch  und  das  Bestreben  geltend,  den  Besuchern  des  diesjahrigen  Leh- 
rertages in  alter  Weise  herzliches  Entgegenkomnren  und  Willkommen 
zu  bieten. 

Die  Deutschamerikaner  Milwaukees  laden  hiermit  alle  diejenigen  — 
Lehrer  und  Laien  — ,  die  fiir  die  Bestrebungen  des  Lehrerbundes  Inte- 
resse  haben,  ein,  an  der  Tagung,  die  vom  30.  Juni  bis  zum  3.  Juli  hier 
stattfinden  soil,  teilzunehmen,  und  sie  versprechen  den  Besuchern,  alles 
in  ihren  Kraften  Stehende  zu  tun,  ihnen  den  Aufenthalt  in  Milwaukee 
so  angenehm  wie  moglich  zu  machen. 

Der  Ortausschuss  wird  sich  in  Verbindung  mit  dem  Vorstande  be- 
muhen,  den  36.  Lehrertag  zu  einem  in  beruflicher  und  geselliger  Bezie- 
hung  erfolgreichen  zu  gestalten. 

Der  Ortsausschuss : 
Leo  Stern,  Vorsitzer;  John  H.  Puelicher,  Schatzmeister; 

Carl  M.  Purin,  Sekretar; 

Victor  L.  Berger,  ( Schrif tleiter  des  ,,Vorwarts")  ;  George  Brumder, 
(Germania  Publ.  Co.);  John  Eiselmeier,  (Seminarlehrer) ;  Adolph 
Firikler,  (Vorsitzer  des  Seminarvorstandes) ;  Henry  Harnischfeger, 
(Mitglied  des  Seminarvorstandes) ;  Dr.  Chas.  L.  Kissling,  (Mitglied  des 
Schulrats) ;  Aug.  8.  Lindemann,  (Prasident  des  Schulrats) ;  Otto  Lue- 
dick.e,  (Schrif tleiter  des  ,,Herold") ;  Wm.  Meyer,  (Direktor  der  luth. 
Hochschule)  ;  Col  Gustav  Pabst,  (Pabst  Brewing  Co.) ;  C.  G.  Pearse, 
(Supt.  der  offentlichen  Schulen) ;  Wm.  L.  Pieplow,  (Mitglied  des  Schul- 


Nationaler  Dentschamerikanischer  Lehrerbund.  163 

rats) ;  Julius  Rathmann,  (Vorsitzer  des  Vereins  deutscher  Lehrer) ; 
Emil  von  Schleinitz,  (Schriftleiter  der  ,,Germania")  ;  Dr.  Jos.  Schnei- 
der, (Mitglied  des  Seminarvorstandes) ;  Jos.  Uihlein,  (Schlitz  Brewing 
Co.)  ;  Fred  Vogel,  Jr.,  (Pras.  der  Ersten  Nationalbank  und  Vizeprasi- 
dent  des  Seminarvorstandes) ;  Leon  Wachsner,  (Direktor  des  Pabst- 
theaters) . 


Programm. 


Dienstag,  30.  Juni. 

Abends  8  Uhr:   Eroffnungsversammlung,  Alhambra-Theater. 

Begriissung  durch  den  Vorsitzer  des  Ortsausschusses  und  durch  Ver- 

treter  der  Stadt-  und  Schulbehorden. 
Ansprache  von  Dr.  C.  J.  Hexamer,  President  des  Deutschamerika- 

nischen  Nationalbundes. 
Gesange  eines  Kinderchores. 
Offizielle  Eroffnting  des  Lehrertages  durch  den  Bundesprasidenten. 

Nach  Schluss  der  Versammlung :    Geselliges  Beisammensein  in  der 
Halle  des  Turnvereins  Milwaukee. 


Mittwoch,  I.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:   Erste  Hauptversammlung. 

1.  Geschaf tliches :    Berichte    der    Bundesbeamten.     Verhandlungen 

iiber  den  vom  Vorstande  unterbreiteten  Verfassungsentwurf. 

2.  Vortrag:    Reformbestrebungen  —  Dr.  A.  Hoelper,  High  School, 

New  York. 

3.  Vortrag:    Hilfsmittel  im  modernen   Sprachunterricht  —  Ernst 

L.  Wolf,  High  School,  St.  Louis. 

4.  Vortrag:    Unsere     Lehrmittelausstellung    —    John     Eiselmeier, 

Lehrerseminar,  Milwaukee. 


Nachmittags  %\  Uhr:   Festvorstellung  im  Pabsttheater. 
Iphigenie  auf  Tauris,    Schauspiel  von  Goethe. 

Nach  der  Vorstellung  Damerikaffee  im  Deutschen  Club. 
Abends  8  Uhr:   Herrenkneipe. 


Donnerstag,  2.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:  Zweite  Hauptversammlung. 

1.  Geschaf  tliches. 

2.  Vortrag:    Vor-  und  Portbildung  des  Lehrers  —  Emil  Kramer, 

Public  Schools,  Cincinnati. 


164  Monaishefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik 

3.  Seminar- Angelegenhei  ten. 

4.  Vortrag:    Psychologische  Grundlage  fiir  die  Methoden  des  Un- 

terrichts  in  den  modernen  Sprachen  —  A.  Werner- 
Sparihoofd,  Leiter  der  Abt.  fiir  moderne  Sprachen, 
High  Schools,  Washington,  D.  C. 

Nachmittags  2  Uhr:   Besiclitigung  der  Lehrmittelausstellung. 

Abends  5  Uhr:    Festessen  mit  darauffolgendem  Sommernachtsfest,  ver- 
anstaltet  vom  Musikverein  von  Milwaukee. 


Freitag,  3.  Juli. 

Vormittags  9  Uhr:  Dritte  Hauptversammlung. 

1.  Geschaftliches. 

2.  Vortrag:    Deutsche    und    angelsachsische  Verhaltnisse  in  Ame- 

rika  -  -  Prof.  James    Taft   Hatfield,    Ph.  D.f    North- 
western Univ.,  Evanston,  111. 

3.  Vortrag:    Die  Volksschule  einer  modernen  Republik,  eine  Bil- 

dungsanstalt  fiir  praktische  Idealisten  —  Prof.  Ernst 
Voss,  Ph.  D.,  Staatsuniversitat  von  Wisconsin,  Madison. 

4.  Unerledigte  Geschafte. 

5.  Beamtenwahl  und  Schlussverhandlungen. 


Nachmittags:   Dampferfahrt  auf  dem  Michigansee. 


Das  Hauptquartier  befmdet  sich  im  Schulgebaude  des  Lehrerseini- 
nars,  woselbst  auch  die  Versammlungen  abgehalten  werden. 

Eine  Ausstellung  von  Lehrmitteln  und  Lehrbiichern  fiir  den  mo- 
dern-sprachlichen  Unterricht  ist  fiir  die  Tagung  vorbereitet,  die  in  iiber- 
sichtlicher  Weise  einen  Einblick  in  den  gegenwartigen  Stand  diesea 
Unterrichtszweiges  in  Amerika,  sowie  in  Deutschland  und  Frankreich 
bietet.  Uber  2000  Objekte  sind  von  den  Verlagshandlungen  fiir  die  Aus- 
stellung eingesandt  worden.  Sie  sind  in  einem  gedruckten  Kataloge 
iibersichtlich  geordnet,  der  den  Besuchern  frei  zur  Verfiigung  gestellt 
wird.  Die  Ausstellung  steht  unter  I^eitung  von  Seminarlehrer  John 
Eiselmeier. 


Der  Besuch  der  Versammlungen  ist  fiir  jedermann  frei. 
Der  Zutritt  zu  den  gebotenen    Unterhaltungen    hangt  von  der  Er- 
werbung  der  Bundesmitgliedschaft  ab. 


Die  Mitgliedschaft  des  Bundes  kann  jeder  Lehrer  und  Erziehungs- 
freund  durch  Zahlung  des  Jahresbeitrages  von  $2.00  erwerben. 


Alumnen  des  Lehrerseminars.  165 

Hinsichtlich  der  Hotelraten  hat  der  Empfangsausschuss  von  den 
verschiedenen  Hotels  die  folgenden  Angebote  fiir  die  Unterbringung  der 
Besucher  erhalten.  Die  angegebenen  Preise  verstehen  sich  fiir  Person 
und  Zimmer  per  Tag : 

Hotel  Blatz,  $1.00  und  aufwarts;  $2.25  einschliesslich  Mahlzeiten. 

Republican  House,  $1.00  und  aufwarts;  $2.25  einschlieeslich  Mahl- 
zeiten. 

Hotel  Gilpatrick,  $1.00  und  aufwarts. 

Plankinton  House,  $1.00  und  aufwarts,  $3.00  einschliesslich  Mahl- 
zeiten. 

Hotel  St.  Charles,  $2.00  fiir  zwei  Personen;  $2.25  einschliesslich 
Mahlzeiten. 

Hotel  Globe,  $0.75  und  aufwarts. 

Hotel  Pfister,  $2.00  und  aufwarts. 

Auch  ist  der  Ausschuss  bereit,  falls  es  gewiinscht  wird,  fiir  Quartiere 
in  Privatfamilien  zu  sorgen.  Es  ergeht  an  alle  diejenigen,  welche  dem 
Lehrertage  beizuwohnen  gesonnen  sind,  die  Bitte,  den  Unterzeichneten 
bis  zum  20.  Juni  betreffs  ihrer  Wiinsche  in  Kenntnis  zu  setzen. 

Der  Vorsitzer  des  Empf angsausschusses : 
West  Division  High  School  Carl  Engelmann. 


Alumnen  des  Lehrerseminars. 


Milwaukee,  April  1908. 

An  die  Alumnen  des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerseminars. 
Werte  Kollegen  und  Kolleginnen ! 

Der  diesjahrige  in  Milwaukee  stattfindende  Lehrertag  verspricht  an 
Fiille  der  geistigen  sowie  leiblichen  Geniisse  alle  seine  Vorganger  zu 
iibertreffen.  Wir  ersuchen  deshalb  alle  friiheren  Zoglinge  des  Lehrer- 
seminars, die  Gelegenheit,  ihrer  Alma  Mater  einen  Besuch  abzustatten 
und  in  unserer  Mitte  einige  vergniigte  Stunden  zu  verleben,  nicht  vorbei- 
gehen  zu  lassen. 

Um  die  notigen  Vorkehrungen  zeitig  treffen  zu  konnen,  bitten  wir 
die  Alumnen,  den  Unterzeichneten  spatestens  bis  zum  20.  Juni  von  ihrer 
Absicht,  sich  an  dem  Lehrertage  zu  beteiligen,  in  Kenntnis  zu  setzen. 
Also  auf  ein  f rohes  Wiederschauen ! 

Im  Auftrage  des  Vorstandes  des  Alumnenvereins  von  Milwaukee 
zeichnet  mit  herzlichem  Grusse 

Chas.  M.  Purin,  Sek., 

850  Second  St. 


Nationales  Deutschamerikanisches  Lehrerseminar, 


Erdffnung  des  neuen  Jahreskursus. 


Das  Nationale  Deutschamerikanische  Lehrerseminar  eroffnet  Mon- 
tag,  den  14.  Sept.  1908,  den  neuen  Jahreskursus,  den  31.  seit  seiner 
Griindung,  und  ladet  alle,  die  sich  dem  Lehrerberuf  widmen  und  sich  ins- 
besondere  zu  Lehrern  des  Deutschen  ausbilden  wollen,  zum  Eintritt  ein. 

Seiner  hohen  Aufgabe  wird  das  Seminar  durch  folgende  TJnstande 
gerecht : 

1.  Es  ist  die  einzige  Anstalt  in  diesem  Lande,  die  sich  die  zielbe- 
wusste  Vorbereitung  ihrer  Zoglinge  zu  Lehrern  des  Deutschen 
an  offentlichen  und  privaten  Schulen  zur  Aufgabe  macht. 

2.  Die  Zoglinge  erhalten  neben  dem  Unterricht  in  den  deutschen 
Fachern  eine  griindliche  Bildung  in  der  englischen  Sprache,  so- 
wie  in  den  wissenschaftlichen  und  padagogischen  Disziplinen,  so 
dass  sie  befahigt  werden,  spaterhin  auch  als  Klassenlehrer  und 
in  hoheren  Stellungen  zu  wirken. 

3.  Der  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache  geht,  wie  anerkannt 
worden  ist,  in  mannigfacher  Beziehung  iiber  das  hinaus,  was  an- 
dere  Erziehungsanstalten  in  diesem  Fache  zu  bieten  vermogen. 
Die  deutsche  Umgebung,    der    tagliche    Gebrauch    der    Sprache 
tragen  in  hohem  Grade  dazu  bei,  den  Zoglingen  mit  der  Sprache 
das  ungeheure  Gebiet  deutscher  Kulturarbeit  zu  eroffnen. 

4.  Der  im  Seminar  herrschende  Geist  findet  weiterhin  Nahrung  in 
dem  ausgezeichneten  deutschen  Theater,  sowie  in  den  zahlreichen 
Gesangs-  und  Turnvereinen  Milwaukees.     So  zeitigt  die  Studien- 
zeit  in  dieser  Stadt  Result  ate,    wie    sie    sonst    nur  durch  einen 
mehrjahrigen  Aufenthalt  in  Deutschland  erzielt  werden. 

5.  Die  padagogische  Ausbildung  ist  in  Theorie  und  Praxis  gleich 
griindlich  und  ruht  auf  den  besten  deutschen  Erziehungsmetho- 
den.     In  der  Deutsch-Englischen  Akademie  steht  dem  Seminar 
eine  Musterschule  zur  Verfiigung.     Ausserdem  haben  die  Zog- 
linge der  zweiten  Normalklasse  noch  Gelegenheit,  wahrend  eines 
halben  Jahres  probeweise  an  den  offentlichen  Schulen  Milwau- 
kees zu  wirken. 

6.  Lehrmittel  aller  Art,    ein    modern    ausgeriistetes  physikalisches 
und  chemisches  Laboratorium  u.  a.  m.  stehen  den  Schiilern  zur 
Verfiigung. 


Nationales  Deutschamerikanisches  Lehrerseminar.  167 

Der  eigentliche  Seminar-  oder  Normalkursus  umfasst  zwei  Jahre. 
Eintrittsbedingungen  sind:  Beherrschung  der  deutschen  und  englischen 
Sprache  im  miindlichen  und  schriftlichen  Gebrauch;  Absolvierung  eines 
vierjahrigen  High  School-Kursus  oder  eine  dieser  entsprechende  Vor- 
bildung. 

Fiir  Schiller,  deren  sprachliche  oder  wissenschaftliche  Ausbildung 
derartige  Liicken  aufweist,  dass  sie  die  Arbeit  des  Nonnalkursus  nicht 
mit  Erfolg  aufnehmen  konnen,  sind  zwei  Vorbereitungsklassen  ein- 
gerichtet. 

Der  Unterricht  ist  Tcostenfrei. 

Mittellose  aber  begabte  und  wiirdige  Zoglinge  konnen  aus  der  An- 
staltskasse  Stipendienvorschiisse  beziehen,  die  sie  nach  Erhaltung  einer 
Anstellung  zuruckzuerstatten  haben. 

Die  Deutsche  Gesellschaft  von  Pennsylvanien  (Adolph  Timm  — 
522  W.  Lehigh  Ave.,  Philadelphia  —  Vorsitzer  des  Schulkomitees),  der 
Unabhangige  Biirgerverein  von  Maryland  (Hermann  Badenhoop  —  409 
Gaither  Estate  Bldg.,  Baltimore  -  -  Sekretar)  und  der  Zweigverein  des 
Deutschamerikanischen  Nationalbundes  von  Chicago  (Carl  Haerting  — 
912  Schiller  Bldg.?  Chicago  --  Sekretar)  haben  je  ein  Jahresstipendium 
fiir  Seminarzoglinge  bewilligt,  das  von  diesen  Vereinen  nach  Ablegung 
eines  Konkurrenzexamens  vergeben  wird.  Bewerbungsgesuche  um  ein 
solches  Stipendium  sollten  sofort  bei  den  oben  angegebenen  Vereinssekre- 
taren  eingereicht  werden. 

Da  der  Bedarf  an  beruflich  vorgebildeten  Lehrern  des  Deutschen 
von  Jahr  zu  Jahr  wachst,  so  dtirfen  die  Abiturienten  des  Lehrerseminars 
auf  Grund  ihrer  grlindlichen  Vorbildung  sofort  nach  Verlassen  desselben 
auf  Anstellung  rechnen.  Gegenwartig  sind  alle  friiheren  Zoglinge  des 
Seminars,  soweit  sie  noch  im  Lehrerberufe  tatig  sind,  mit  Stellen 
versehen. 

Die  Anstalt  lasst  es  sich  angelegen  sein,  die  auswartigen  Zoglinge 
auf  Wunsch  in  guten  deutschen  Familien  unterzubringen. 

Die  Aufnahme  der  neuen  Zoglinge  fiir  den  nachsten  Jahreskursus 
erfolgt  am  Samstag,  dem  12.  September  d.  J.,  vormittags  9  Uhr. 

Zu  jeder  weiteren  Auskunft  ist  der  Unterzeichnete  gern  erbotig. 
Auch  steht  der  Katalog  des  Seminars  frei  zur  Verfiigung. 

Max  Griebsch, 

558 — 568  Broadway,  Seminardirektor. 

Milwaukee,  Wis. 


(Offiziell.) 

Entwurf  einer  Verfassungsabdnderung  des  Nationalcn 
Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 


I.    Zwecke. 

§  1.     Der  Nationale  Deutschamerikanische  Lehrerbund  bezweckt: 

a)  die  Erziehung  wahrhaft  freier  amerikanischer  Staatsbtirger ; 

b)  Propaganda    zu    machen    fiir    naturgemasse    (entwickelnde)    Erziehung    in 
Schule  und  Haus; 

c)  die  Pflege  der  deutschen  Sprache  und  Literatur  neben  der  englischen,  und 

d)  die  Wahrung   der  Interessen    der   deutschen    Lehrer    in    den   Vereinigten 
Staaten. 

§  2.     Die  Bundeszwecke  werden  angestrebt: 

a)  durch  eine  alljahrlich  abzuhaltende  Versammlung; 

b)  durch  Ernennung  und  Unterstiitzung  eines  Bundesorganes ; 

c)  durch  Griindung  von  Zweig-  und  Lokalvereinen ; 

d)  durch   Teilnahme    an   der   Verwaltung    des    Nationalcn    Deutschamerikani- 
schen Lehrerseminars. 

II.    Organisation  des  Bundes. 

§3.  Der  Nationale  Deutschamerikanische  Lehrerbund  ist  eine  Vereinigung 
von  Lokalvereinen  deutschamerikanischer  Lehrer  und  von  Einzelmitgliedern. 

§  4.  Die  oberste  Vollzugsbehorde  des  Lehrerbundes  ist  der  Bundesvorstand. 
Dieser  besteht  aus  neun,  von  dem  Bundeslehrertage  zu  wahlenden  Mitgliedern  und 
bleibt  bis  zum  Schlusse  der  nachsten  regelmassigen  Tagsatzung  im  Amte.  Difc 
Vorstandsmitglieder  wahlen  aus  ihrer  Mitte  einen  Prasidenten,  einen  Vizeprasi- 
denten,  einen  ersten  und  einen  zweiten  Schriftftihrer  und  einen  Schatzmeister. 

§  5.  President,  Vizeprasident,  Schatzmeister,  erster  und  zweiter  Schriftftihrer 
bilden  den  Vollzugsausschuss  des  Bundesvorstandes.  Der  Vollzugsausschuss  be- 
sorgt  alle  laufenden  Geschafte  nach  den  allgemeinen  Anordnungen  des  Bundes- 
vorstandes, er  bewirkt  nach  Kriiften  die  Ausfuhrung  der  Beschltisse  und  Auftrftge 
der  Bundesversammlungen ;  er  hat  das  Recht,  sich  zu  erganzen,  und  'soil  die 
Hauptergebnisse  seiner  Beratungen  im  Bundesblatte  bekannt  machen.  Dem  Voll- 
zugsausschusse  Hegt  die  Agitation  fiir  die  Bildung  von  Lokalvereinen  ob.  Er  hat 
mit  Beriicksichtigung  berechtigter  Wiinsche  der  Lokalvereine  und  des  Ortsaus- 
schusses  die  Geschafts-  und  Tagesordnung  ffir  den  Bundeslehrertag  festzustellen 
und  sie  mindestens  zwei  Monate  vor  der  Konvention  im  Bundesorgane  zu  ver- 
offentlichen.  Er  empfangt  von  den  einzelnen  Ausschtissen  Berichte  fiber  deren 
Tatigkeit,  verwaltet  das  Bundeseigentum,  veroffentlicht  durch  den  Schriftftihrer 
die  Protokolle  des  Bundes.  ftihrt  die  Mitgliederliste  und  sorgt  ftir  deren  Abdmck 
in  der  ersten  dem  Lehrertage  folgenden  Nummer  des  Bundesorgans ;  er  erstattet 
dem  Bunde  am  Bundeslehrertage  Bericht  und  iibergibt  am  Ende  der  Tagung  deni 
neuerwahlten  Bundesvorstande  das  Bundeseigentum. 

§  6.  Zu  den  Bundeslehrertagen  wird  von  den  Lokalvereinen  ftir  je  zwanzig 
ihrer  Mitglieder  ein  Delegat  ervvahlt.  Ein  jeder  Delegat  ist  zu  einer  Sthnme 
berechtigt,  er  kann  jedoch,  wenn  dazu  beauftragt,  auch  mehrere  oder  samtliche 
Stimmen  eines  Bezirkes  vertreten. 


Verfassungsabdnderung  des  Lehrerbundes.  169 

III.     Ausschiisse. 

§  7.  Der  Bundeslehrertag  ernennt  standige  Ausschiisse  ftir  verschiedene 
Zweige  des  Erziehungswesens  und  des  Unterrichts,  sowie  fiir  die  deutschamerika- 
nische  Schulstatistik. 

§  8.  Der  Lehrerbund  erwahlt  alljahrlich  ein  Komitee  zur  Pflege  des  Deut- 
schen,  das  aus  fiinf  Mitgliedern  bestehen  soil.  In  das  Bereich  der  Tatigkeit  dieses 
Komitees  sind  alle  solche  Massnahmen  zu  ziehen,  die  zur  Hebung  und  Forderung 
des  deutschen  Unterrichts  in  den  Schulen  des  Landes  beitragen  kSnnen.  Es  'soil 
sich  besonders  (iber  den  Stand  dieses  Unterrichts  in  den  einzelnen  Ortschaften 
Kenntnis  verschaffen  und  durch  Vorschlage  und  Berichte  etwaige  Verbesserungen 
herbeizufiihren  suchen.  Das  Komitee  hat  der  Jahresversammlung  iiber  seine 
Tatigkeit  ausfiihrlich  Bericht  zu  erstatten.  Zur  Ausfiihrung  seiner  Arbeit  wird 
dem  Komitee  alljahrlich  vom  Lehrertage  cine  von  diesem  festzusetzende  Summe 
zur  Verfiigung  gestellt. 

IV.    Lehrerbund  und  Lehrerseminar. 

§  9.  Die  Teilnahme  an  der  Verwaltung  des  Nationalen  Deutschameri'kani- 
schen  Lehrerseminars  ist  folgendermassen  geregelt: 

a)  Dem  Verwaltungsrate  des  Lehrerseminars  gehoren  als  standiges  Seminar - 
komitee  sechs  Mitglieder  des  Lehrerbundes   mit   dreijahriger  Amtsdauer   an,  von 
denen  alljahrlich   zwei   ausscheiden.     Der   Lehrerbund   oder,  falls   die   Generalver- 
sammlung   des    Seminarvereins    vor   dem    Lehrertage    stattfindet,    der    Bundesvor- 
stand  schlagt  vier  Mitglieder  zu  seinen  Vertretern  im  Verwaltungsrate  vor,  von 
denen  der  Seminarverein  zwei  erwahlt. 

b)  Der  von  dem   Verwaltungsrate  des   Seminars  aus  diesen   sechs  Vertretern 
des   Lehrerbundes    ernannte   Lehrerausschuss    bildet    zugleich    den    Priifungsaus- 
schuss.     Derselbe  hat  dem  Lehrertage  iibcr  die  Arbeit  des  Seminars  und  (iber  das 
Ergebnis  der  Priifung  Bericht  zu  erstatten. 

c)  Zur  Bestreitung  der  Auslagen  des  Prufungsausschusses  bezahlt  die  Bundes- 
kasse  dem   Verwaltungsrate   des    Seminars    alljahrlich    die    Summe    von    sechzig 
Dollars. 

V.    Mitgliedschaft  und  Beitrage. 

§  10.  Die  Mitgliedschaft  des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbun- 
des  konnen  erwerben: 

a)  Lokalvereine  deutscher  Lehrer  und  Erziehungsfreunde,  sowie  deutsche  Ge- 
sellschaften,  die  verwandte  Ziele  verfolgen; 

b)  Lehrer  und  Erziehungsfreunde  als  Einzelmitglieder. 

Einzelmitglieder  zahlen  einen  regelmassigen  Jahresbeitrag  von  zwei  Dollars. 
Die  Zahlung  dieser  Summe  berechtigt  das  Mitglied  zur  Abgabe  einer  Stimme. 
Bezirks-  oder  Lokalvereine  zahlen  fiir  je  zwanzig  Mitglieder  einen  Jahresbeitrag 
von  zwei  Dollars  und  sind  dadurch  zur  Abgabe  von  einer  Stimme  fiir  je  zwanzig 
Mitglieder  berechtigt.  Die  Lokalvereine  sind  fiir  piinktliche  und  regelmassige 
Entrichtung  der  Vereinsbeitrage  verantwortlich. 

c)  Jeder  Teilnehmer  am   Lehrertage  ist  zur  Zahlung  von  zwei  Dollars  ver- 
pflichtet  und  erhalt  dadurch  die  Rechte  eines  Einzrelmitgliedes. 

VI.    Vermogensverwaltung. 

§  11.  Die  Bundeskasse  wird  von  dem  Schatzmeister  verwaltet.  Der  Voll- 
zugsausschuss  setzt  die  Hohe  der  Biirgschaft  des  Schatzmeisters  fest  und  hat  das 
Recht,  fiir  ausserordentliche  Zwecke  bis  zu  funfzig  Dollars  innerhalb  eines  Jahres 
zu  verwenden. 


170  JAonatsliefie  fiir  deutsch$  Sprathe  wnd  Padagogik. 

VII.       Abstimmungen. 

§  12.  a)  Allgemeine  Abstimmungen  bei  der  Tagsatzung  des  Lehrerbundes 
sollen  durch  einfache  MajoritRt  dor  anwesenden  Mitglieder  entschieden  werden. 
Zur  Bewilligung  von  Geldern  und  bei  Yorschlagen  zur  Abandoning  der  Statuten 
ist  eine  zweidrittel  Mehrheit  der  Stiramen  aller  anwesenden  Mitglieder  erfor- 
ilerlich. 

b)  Die  Wahl  des  Bundesvorstnndes  geschieht  durch  Stimmcettel;  alle  anderen 
Abutimmungen  in  Versammhmgen  finden  viva  voce  statt,  doch  muss  auf  Verlan- 
gen  eine  Teilung  vorgenommen  werden. 

VIII.    Statutenanderung. 

§  13.  Ein  Antrag  auf  AbUndemng  der  Statuten  kann  in  irgend  einer  Sitzung 
des  Bundeslehrertages,  ausser  der  Schlusssitzung,  gestellt  werden,  darf  aber  erst 
in  der  nachsten  Sitzung  derselben  Tagung  zur  Debatte  und  Abstimmung  gebracht 
werden. 

IX.    Nebengesetze. 

§  14.  Nebengesetze  k6nne;i  voni  Bunde  jcderzeit  den  Statuten  hinEUgefugt 
werden,  falls  sie  nicht  den  oben  niedergelegten  Bestimmungen  zuwiderlaufen. 


Dera.  30.  N.  D.  A.   Lehrertage   unterbreitet   von   dem  Vollzugsausschuese   des 
N.  D.  A.  L, 

Max  Griebsch,  Priisident. 

M.  S.  Grossart,  Vizeprasidentin. 

M.  Schmidhofer,  Schatzmeister. 

Emil   Kramer,   Cincinnati,    1.   Schriftftihrer. 

Anna  Hohgrefe,  2.   Schriftfiihrerin. 


Ellen  Key.  Ein  durchaus  objektives  Urteil  iiber  die  durch  ihre 
Schriften  beriihmt  gewordene  padagogische  Reformatorin  linden  wir  in 
der  ,,Schlesischen  Schulzeitung"  aus  der  Feder  von  M.  Bartseh.  Er  sagt 
folgendes :  Ellen  Key  ist  eine  geistreiche  Schriftstellerin,  eine  bedeutende 
Fran.  Mit  f einer  Satire  bekampft  sie  die  konventionelle  Unmoral,  mit 
geschliffenen  Satzen  streitet  sie  fiir  Eeformen,  mit  edler  Begeisterung 
ficht  sie  fiir  ihre  Jdeale.  So  kann  sie  wohl  mit  Becht  eine  Priesterin  des 
,,Ewig-Weiblichen"  genannt  werden. 

Was  wir  an  ihr  vermissen,  ist  das  ,,Ewig-Mannliche",  die  strenge 
Beweisfiihrung,  die  iiberzeugende  Logik. 

Beim  Lesen  und  beim  Anhoren  ihrer  Gedanken  tritt  alle  Augenblicke 
der  kleine  Jakobiner  ,,Warum  ?"  vor  die  Seele. 

Warum  diese  Forderungen  und  nicht  andere?  Woher  nimmt  Ellen 
Key  die  Kraft  zu  ihren  Vorschlagen?  Aus  welchen  Quellen  schopft  sie? 

Sie  hat  eine  tiefe  Quelle  in  ihrer  eigenen  Brust:  ihr  Gefiihl.  Das 
begeistert  sie  und  wirkt  begeisternd  auf  andere.  Ein  grosses  Empfinden 
ist  eine  herrliehe  Sache,  aber  es  reicht  nicht  aus,  um  einen  Reformator  zu 
schaffen,  dessen  Einfluss  iiber  Generationen  hinausgeht.  Wir  habett  Bei- 
spiele  fiir  solche  Bewegungen.  Man  denke  an  die  ,,Ethische  Kultu-r",  die 
,,Egydi-Bewegung". 


Ellen  Key.  171 

Welches  sind  die  ewigen  Ideen,  die  Ellen  Key  zu  ihrem  Streitruf 
begeistern,  die  ihr  uniiberwindliche  Kraft  und  unzerstorbaren  Einfluss 
sichern  ? 

Im  letzten  Grunde  steht  und  fallt  Ellen  Key  mit  dem  evolutionisti- 
eehen  Gedanken.  Der  Glauben  an  die  Entwicklung  der  Menschheit  und 
an  schier  unbegrenzte  Entwicklungsmoglichkeiten  ist  ihr  Ideal. 

Dieses  Ideal  diktiert  ihr  den  Satz:  ,,Bevor  nicht  Vater  und  Mutter 
ihre  Stirne  vor  der  Hoheit  des  Kindes  in  den  Staub  beugen;  bevor  sie 
nicht  einsehen,  dass  das  Wort  Kind  nur  ein  anderer  Ausdruck  fur  den 
Begriff  Majestat  ist;  bevor  sie  nicht  fiihlen,  dass  es  die  Zukunft  ist,(  die 
in  Gestalt  des  Kindes  in  ihren  Armen  schlummert,  die  Geschichte,  die  zu 
ihren  Fiissen  spielt  —  werden  sie  auch  nicht  begreifen,  dass  sie  ebenso 
wenig  die  Macht  oder  das  Recht  haben,  diesem  neuen  Wesen  Gesetze  vor- 
zuschreiben,  wie  sie  die  Macht  oder  das  Recht  besitzen,  sie  den  Bahnen 
der  Sterne  aufzuerlegen." 

Geniigt  der  blosse  Evolutionsgedanke  zur  Fundierung  himmelstiir- 
mender  Forderungen? 

Die  Mutter,  die  eigene  Kinder  verstandig  beobachtet  und  erzogen 
hat,  wird  die  interessante  Entdeckung  gemacht  haben,  dass  die  kindlichen 
Charaktere  grundverschieden  voneinander  sind.  Sie  gleichen  meist  weder 
den  Eltern  noch  ihren  Geschwistern.  Eine  Vererbung  der  elterlichen  An- 
lagen  und  Eigentumlichkeiten  hat  gewohnlich  nur  in  begrenztem  Masse 
ptattgefunden.  Die  Kinder  sind  keineswegs  aus  den  Eltern  etwa  in  der 
Weise  hervorgegangen  wie  eine  junge  Pflanze  durch  Ableger  aus  der  alten 
geziichtet  wurde.  Die  Eltern  verrnindern  sich  weder  korperlich  noch 
geistig.  Das  Kind  hat  einen  eigenen  Grund  seines  Lebens  neben  Vater 
und  Mutter.  Es  scheinen  in  den  Kindern  Wesensenergien  ins  I^eben  zu 
treten,  deren  Ursprung  man  jenseits  der  Grenzen  der  Erfahrung  such  en 
muss,  in  jenem  unbekannten  Mutterboden,  wo  auch  die  Individualitaten 
der  Eltern  wurzeln. 

Wird  die  Entwicklungstheorie  nach  dieser  Richtung  vertieft,  dann 
gelangt  man  zu  einer  anderen  Bewertung  des  Verhaltnisses  zwischen  El- 
tern und  Kindern.  Die  Heiligkeit  desselben  bleibt  unangetastet,  aber 
Vater  und  Mutter  brauchen  nicht  ,,ihre  Stirn  vor  der  Hoheit  des  Kindes 
in  den  Staub  beugen".  Metaphysisch  betrachtet  sind  die  Eltern  den 
Kindern  gleichwertig.  Empirisch  angesehen  sind  Vater  und  Mutter  ihuen 
iibergeordnet ;  denn  sie  haben  die  persb'nlichen  Erfahrungen  einiger  Jahr- 
zehnte  und  die  Kultur  einiger  Jahrtausende  bewusst  und  unbewusst  in 
sich  aufgenommen.  Und  vor  diesen  Grossen  hat  das  Kind  sich  zu  beugen 
und  Gehorsam  zu  leisten.  Danrft  wird  noch  lange  nicht  dcssen  person- 
liche  Eigenart  zerstort,  selbst  wenn  sein  Eigensinn  gebroclien  werden 
sollte. 


172  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Es  geniigt  nicht,  die  Kinder  nur  deshalb  hochzuschatzen,  weil  sie 
die  Zukunft  und  vielleicht  ein  hoheres  Stadium  der  Entwicklung  sind. 
Dann  miisste  unsere  heisseste  Liebe  den  Fernsten  gehb'ren,  denn  sie  wer- 
den  die  Hochstentwickelten,  die  Grossten  sein. 

Schade  nur,  dass  die  Natur  selbst  diesen  letzten  Menschen  so  wenig 
Achtung  entgegen  bringen  wird.  Sie  wird  sie  begraben  unter  dem  Schnee 
und  Eise  der  erkalteten  Erde.  1st  es  nicht  toricht,  seine  Begeisterung 
einem  Gedanken  darzubringen,  dessen  endgiiltige  Realisierung  das  kalte 
Nichts  bedeutet? 

Wozu  die  ganze  Kulturarbeit  ?  Warum  die  Miihen  und  Plagen? 
Wozu  der  aufwartsfiihrende  Pfad  der  Generationen  ? 

Nein,  damit  kommen  wir  nicht  aus.  Wollen  wir  die  Entwicklungs- 
tatsache  zur  Grundlage  allgemein  giiltiger  Erziehungstheorien  macben, 
dann  miissen  wir  sie  wesentlich  vertiefen,  weit  hinein  ins  Psychologische. 
Dann  allerdings  kommen  wir  mehrfach  zu  anderen  Ansichten  als  Ellen 
Key. 

Dann  betrachten  wir  als  Ziel  der  Menschenbildung  die  geistig-sitt- 
licbe  Personlichkeit,  gerade  wie  die  .,alte"  Moral.  Dann  werden  wir  im 
Kinde  aucb  nicht  die  Raubtierinstinkte  grossziehen.  Kinder  sind  samtlich 
grosse  Egoisten.  Eine  besondere  Ausbildung  dieses  Selbstbejahungs- 
triebes  ist  ganz  unnotig.  Um  dessen  Vernachlassigung  braucht  niemand 
Sorge  zu  tragen,  der  sorgt  fur  sich  selbst.  Aber  die  sozialen  Instinkte, 
Riicksicht  auf  andere,  Erbarmen  dem  Schwacheren,  Drangabe  seines 
Selbst  fiir  die  Menschheit,  Opfersinn  und  Opferfahigkeit,  worin  sich  die 
grossten  Menschen  ausgez^eichnet  haben.  das  sind  Eigenschaften,  die  sehr 
schwer  zu  zilch  ten  sind.  Auf  sie  muss  der  Padagoge  seine  Aufmerksam- 
keit  richten  und  zwar  von  Anfang  an.  Gerade  in  den  ersten  Lebensjahren 
werden  die  richtunggebenden  Grundlagen  der  Menschenbildung  geformt. 

Warum  lassen  sich  denn  Kinder,  die  keine  Geschwister  haben,  so 
schwer  erziehen? 

Weil  sie  nicht  zu  teilen,  keine  Riicksicht  zu  nehmen  brauchen.  Sie 
konnen  ihr  Selbst  ,,16'wenartig"  betatigen,  ihren  Eigenwillen  durchsetzen 
gegen  schwachliche  Elternliebe.  Darum  werden  diese  Kinder  oft  kalte 
Egoisten  und  anspruchsvolle  Schmarotzer.  Man  hat  sie  nicht  an  Zucht, 
Gehorsam,  Selbstbeherrschung  gewohnt. 

Dann  denken  ^ir  auch  anders  liber  Autorit&t  und  Gehorsam,  iiber 
Vernunft  und  Unvernunft,  iiber  Lohn  und  Strafe,  iiber  korperliche  Ziich- 
tigung  und  iiber  das  Geschlechtsleben. 

Das  Geschlechtsleben  spielt  bei  Ellen  Key  eine  grosse  Rolle.  Wel- 
chem  Gedankengange  verdankt  es  wohl  die  grosse  Bedeutung?  Vielleicht 
diesem : 

Die  im  Menschen  schlummernden  Kriifte  miissen  zur  Entfaltung 
gebracht  werden.  Das  geschieht  durch  die  Evolution  unseres  Geschlechts. 


Ellen  Key.  173 

Evolution  1st  aber  nur  moglich  durch  Betatigung  der  Sinnlichkeit  Die- 
ser  miissen  darum  verniinftige  freie  Formen  geschaffen  werden;  denn  das 
Streben  nach  Mutterschaft  1st  heilig. 

Niichterne  Beobachter  urteilen  dariiber  etwas  anders.  Nicht  die 
Sehnsucht  nach  Mutterschaft  lasst  breite  Kreise  der  Gesellschaft,  beson- 
ders  unter  der  Jugend,  fiir  freie  Liebe  schwarmen,  sondern  das  Bediirfnis 
nach  Befriedigung  sinnlicher  Neigungen.  Wenn  fiir  die  Evolution  nur 
der  Trieb  nach  Mutterschaft  das  entscheidende  Moment  ware,  wiirde  die 
Menschheit  an  Zahl  rasch  riickwarts  gehen  und  dem  Aussterben  nahege- 
bracht  werden.  Die  meisten  Familien  wiirden  wohl  das  Einkindsystem 
einfiihren. 

Die  Natur  ist  da  viel  weitsichtiger  als  unsere  Ansichten  iiber  sie  es 
sind.  Sie  gab  den  Wesen  die  Sinnlichkeit.  Mit  dieser  Peitsche  jagt  sie 
die  Individuen  durch  den  Kreislauf  der  Generationen  hindurch,  ob  sie 
wollen  oder  nicht.  Die  Leidenschaft  presst  sie  ins  Joch  des  Lebens,  bis 
—  ja,  bis  wann? 

Wer  diese  Frage  beantworten  konnte !  -  -  Oder  ob  es  wahr  ist,  was 
grosse  Geister  gepredigt?  —  Werden  wir  den  Gipfel  der  Vollendung  erst 
dann  erklommen  haben,  wenn  die  Sklaverei  der  Sinnlichkeit  voriiber  ist, 
wenn  wir  Eros,  die  Begierde,  ,,die  Schlange"  iiberwunden  und  zertreten 
haben?  — 

Fur  unsere  Betrachtung  ergibt  sich  jedenfalls  folgendes: 

Die  Entwicklung  kann  nicht  Selbstzweck  sein,  sonst  ware  sie  eine 
unsinnige  Tragikomodie.  Sie  ist  Mittel  fiir  einen  hoheren  Zweck,  also 
von  sekundarer  Bedeutung.  Die  Sinnlichkeit  hinwiederum  ist  ein  Mittel 
zur  Evolution.  Sie  hat  also  nur  eine  Bedeutung  dritten  Grades.  Eine 
Beherrschung  derselben  ist  darum  ganz  sicher  keine  Todsunde.  Ja,  sie 
ist  vielleicht  ein  Anfang  zu  einer  geistigen  Evolution  des  Individuums, 
die  dem  unbekannten  Lebenszwecke  dient. 

Jedenfalls  gait  nach  der  ,,alten"  Moral  das  Sichselbstbesiegen  als  der 
grosste  Sieg.  Und  wenn  die  Selbstbeherrschung  bis  zur  Selbstentausse- 
rung  fiihrt,  preisen  wir  sie  als  hochste  Tugend.  Der  Mann,  der  sein 
Leben  nicht  achtet  und  ins  brennende  Haus  hineinstiirzt,  um  das  Hilfe 
rufende  Kind  der  jammernden  Mutter  in  die  ausgebreiteten  Arme  zu 
werfen,  der  Mann  hat  unsere  ungeschm^lerte  Hochachtung.  Und  kommt 
er  dabei  urns  Leben,  so  wird  sein  Andenken  vom  Hauche  einer  besonderen 
Weihe  umwoben. 

Ja  warum  denn?  Er  hat  eine  ewig-menschliche  Tugend  geiibt,  die 
ihn  hoch  liber  seine  Tierheit  hinaushebt. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  erscheint  also  die  Selbsbeherrschung, 
auch  die  Askese,  in  einem  anderen  Lichte.  Selbstverstandlich  reden  wir 
nicht  einem  falschen  Asketentum  das  Wort.  Wo  infolge  der  Selbstbe- 
herrschung der  Strom  der  Sinnlichkeit  aus  den  Ufern  tritt  und  schmut- 


174  Monaishefie  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

zige  Pfiitzen  bildet,  da  ist  der  Mensch  fiir  jene  Stufe  des  Lebens  noch 
nicht  reif.  Fiir  ihn  ist  eine  vernimftige  Betatigung  der  Sinnlichkeit 
geboten. 

In  dem  kleinen  Artikel  konnen  wir  diese  grossen  Probleme  nur  an- 
deutungsweise  behandeln.  Jedenfalls  aber  ist  es  nicht  notig,  dass  wir  un- 
sere  Erziehungsideale  aus  Riicksicht  auf  den  Entwicklungsgedanken  um- 
gestalten.  Die  Entwicklung  und  Verei-bung  sind  obendrein  so  wunder- 
lich.  Von  grossen  Mannern  haben  wir  selten  grosse  Sohne  erlialten.  Und 
sehr  grosse  lister  verkorperten  sich  mitunter  in  kleinen,  schwachlichen 
Korpern.  Man  denke  an  Newton  und  Kant,  ja  selbst  an  iiberragende  Tat- 
menschen  wie  Friedrich  den  Grossen  und  Napoleon  I. 

Nein,  die  ganze  Materie  ist  noch  viel  zu  wenig  durchsichtig,  als  dass 
wir  unsere  alten  Erziehungsideale  ihr  zuliebe  aufgeben  miissten.  Das 
soil  uns  aber  nicht  abhalten,  auf  diese  geistigen  Stromungen  acht  zu  ge- 
ben,  das  in  ihnen  vorhandene  Gute  uns  nutzbar  zu  machen  und  uns  vor 
ihren  tibertreibungen  zu  hliten. 


Die  deutsche  Literatur  im  franzosischen  Staatsexamen.  Einem  in 
der  ,,Allgemeinen  Deutschen  Lehrerzeitung"  veroffentlichten  Schreibeii 
von  Professor  H.  Loiseau  in  Toulouse,  einem  Mitgliede  des  Pariser  Prii- 
fungsrates  fiir  das  franzosische  Staatsexamen,  die  sogenannte  ,,Agrega- 
tion",  *  entnehmen  wir  die  Priifungen,  denen  sich  die  Kandidaten  bei 
dem  im  letzten  Jahre  abgehaltenen  Examen  zu  unterwerfen  hatten. 

Die  schriftliche  Priifung  bestand  in  folgenden  Klausurarbeiten  — 
ohne  jedes  Hilfsmittel: 

1.  Eine  Ubersetzung  aus  dem  Franzosischen  ins  Deutsche  (4  Stun- 
den). 

2.  Desgl.  aus  dem  Deutschen  ins  Franzosiche   (4  Stunden).     Das 
vorgeschlagene   Stiick   war  diesmal  ein   wunderschones   Gedicht   von   G. 
Falke. 

3.  Eine  deutsche  schriftliche  Arbeit    (7   Stunden).     Thema:    Die 
Kunstanschauungen  der  Nazarener. 

4.  Eine  franzosische  Arbeit  iiber  deutsche  Literatur.     Das  Thema 
lautete  ungefahr:  ,,Man  erklare  das  Wort  des  Gregorovius  iiber  den  ,Wil- 
helm  Meister':   ,Wilhelm  Meister  ist  das  hohe  Lied  der  Arbeit'." 


*  Eingehende  Aufklftrung  fiber  diese  Prfifung  und  fiber  die  durch  Ablegung 
derselben  erworbene  Berechtigung  enthfilt  der  in  den  Heften  1  und  2  des  Jahr- 
ganges  1907  unserer  Zeitschrift  erschienene  Aufsatz  von  Professor  Ernest 
Tonnelat  in  Caen  fiber  den  ,,f remdsprachlichen  Unterricht  in  Frankreich".  Wir 
nehmen  Gelegenheit,  auf  diesen  Artikel  hinzuweisen,  besonders  auch  deshalb,  weil 
er  dartut,  wie  grfindlich  die  Sprachlehrer  der  Schulen  Frankreichs  vorgebildet 
werden  und  wie  fortschrittlich  die  Methode  des  fremdsprachlichen  Unterrichts 
daselbst  ist.  D.  R. 


Lasst  die  Kinder  sprechen.  175 

Xachdem  von  den  96  Kandidaten  72  ausgeschieden  worden  waren, 
wurden  die  iibrigen  einer  miindlichen  Priifung  unterzogen,  die  folgende 
Aufgaben  enthielt: 

1.  Eine  sehr  schwierige  Stelle  aus  einem  zeitgenossischen  franzosi- 
schen  Schriftsteller  vom  Blatte  weg  ins  Deutsche  iibersetzen. 

2.  Eine  Stelle  aus  dem  Mittelhochdeutschen   (dem  Eckenlied)   ins 
Xeuhochdeutsche  iibertragen  und  philosophisch  erklaren. 

3.  Eine  Stelle  aus  einem  deutschen  modernen  prosaiischen  Schrift- 
stelier  ins  Franzosische  iibersetzen  und  grammatikalisch  und  literarisoh 
erkLaren. 

4.  Desgl.  aus  einem  Dichter. 

5.  Einen  deutschen  Vortrag  halten,  nach  funfstundiger  Vorberei- 
tung,  iiber  ein  gegebenes  Thema. 

6.  Einen  franzosischen  Vortrag  iiber  ein  Thema  aus  der  deutschen 
Literatnr-  und  Kulturgeschichte. 


Lasst  die  Kinder  sprechen.  Die  Schwierigkeit,  ein  gutes  Nacherzah- 
len  zu  erzielen,  liegt  meistens  nicht  beim  Kinde.  Wenn  unsere  Lern- 
anfanger  zur  Schule  kommen,  so  vermogen  sie  sich  iiber  alle  Ereignisse 
des  taglichen  hauslichen  Lebens  zu  unterhalten.  Nun  miisste  man  glau- 
ben.  dass  sie  mit  zuneh  mender  Sprechfertigkeit,  mit  einem  grosseren 
Wortschatz  auch  anderes  gelaufiger  erziihlen  konnten.  Das  trifft  aber 
nur  fur  den  Spielplatz  zu;  ini  Unterricht  merkt  man  erhebliche  Fort- 
schritte  darin  nicht.  Woher  diese  Erscheinung?  Vielleicht  reden  wir 
Lehrer  zu  viel  in  der  Klasse,  so  dass  die  Schiiler  weniger  dazu  kommen; 
vielleicht  fehlt  manchem  die  Gabe  einer  guten  Erzahlkunst,  die  Gabe,  mit 
den  Kindern  zu  sprechen.  Wie  bahnen  wir  eine  gute  miindliche  Wieder- 
gabe  der  Unterrichtsergebnisse  der  Schiiler  an?  Lassen  wir  zunachst  die 
Kleinen  einmal  frei  reden.  Wohl  in  jedem  Lehrplan  findet  sich  fiir  die 
ersten  vier  bis  sechs  Schulwochen  kein  Stoff  verzeichnet.  Da  haben  wir 
fur  unseren  Zweck  Zeit  genug!  Lassen  wir  die  Kleinen  reden;  sie  wer- 
den  uns  schon  von  ihren  kleinen  Leiden  und  Freuden  erzahlen,  und  da- 
durch  werden  sie  iiberhaupt  Mut  bekommen,  in  der  Schule  munter  zu 
reden.  Dadurch  tauen  die  Kinder  in  der  ihnen  fremden  Umgebung  erst 
auf.  Hier  darf  die  rechte  Lehrkunst  aber  nichts  Aufkeimendes  durch 
wiederholtes  Dazwischenfahren  zerstoren;  bei  der  Besprechung  eines 
Bildes  werden  die  Kinder  gern  erzahlen,  was  sie  gesehen  haben.  Auf  die 
Erzahlung  der  Kinder  wirkt  das  Vorerzahlen  von  Marchen  ganz  beson- 
ders.  Gerne  werden  das  die  kleinen  Schiiler  wieder  erzahlen.  Lasst  sie 
nur  reden!  Sind  die  Schiiler  alter  geworden,  dann  lasst  sie  erst  recht 
reden. 


176  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Wie  soil  aber  Fehlern  begegnet  werden?  Die  Hauptsacbe  bei  der 
miindlichen  Wiedergabe  1st  die  Sache.  der  sachliche  Inhalt  des  Ausge- 
sprochenen.  Durch  klares  Aussprechen  der  Unterrichtsergebnisse  wird 
der  rechte  Erfolg  der  unterrichtlichen  Tatigkeit  gezeigt.  Das  Sprach- 
liche  kommt  daher  erst  in  zweiter  Linie.  Der  alte  Satz:  Jede  Stunde 
cine  Sprachstunde,  hat  trotzdem  Berechtigung ;  freilich  darf  die  Sprach- 
stunde  nicht  mit  Grammatikstunde  verwechselt  werden.  Kleine  Ilneben- 
heiten  im  miindlichen  Vortrage  des  Schiilers  wird  man  daher  durchgehen 
lassen;  die  Sprache  des  taglichen  Lebens  klingt  auch  anders,  als  die 
Schulsprache.  Wenn  nun  Fehler  kommen,  wann  korrgieren  wir?  In 
sachlicher  Beziehung  wird  meist  sof ort  korrigiert,  da  sich  sonst '  f  alsche 
Vorstellungen  bilden  wiirden.  Die  Korrektur  besteht  aber  nicht  in  einem 
blossen  Richtigstellen  seitens  des  Lehrers,  sondern  es  wird  der  vortra- 
gende  Schiller  auf  seinen  Irrtum  aufmerksam  gemacht.  Findet  er  den 
Fehler  nicht,  so  sucht  man  ihm  durch  eine  Frage  zu  helfen;  hilft  das 
auch  nicht,  so  wendet  man  sich  an  die  anderen  Schiller.  1st  die  Sache 
der  Mehrzahl  der  Schiller  unklar  geblieben,  so  muss  eine  nochmalige  Ent- 
wicklung  des  Lehrers  eintreten.  Es  empfiehlt  sich,  dass  die  iibrigen 
Schiller  bei  einem  sachlichen  Fehler  des  Vortragenden  sich  sof  ort  zur 
Richtigstellung  melden. 


Begeisterung  ist  alles !  Gib  einem  Menschen  alle  Gaben  der  Erde 
und  nimm  ihm  die  Fahigkeit  der  Begeisterung  und  du  verdammst  ihn 
zum  ewigen  Tod.  —  Ad.  Wilbrandt. 


Stoffe  fur  den  Anschauungsunterricht.* 


Aus  der  Praxis. 


Yon  Uhlenkruger. 

Ich  bin  jahrelang  auf  der  Suche  gewesen  nach  Stoffen,  die  sich  na- 
mentlich  fiir  den  Unterricht  im  ersten  Schuljahr  eigneten.  Lange  fand 
ich  nichts,  denn  ich  war  nicht  mit  allem  moglichen  zufrieden,  das  am 
Wege  lag.  Es  sollten  wirklich  zweckmassige,  wo  nicht  mustergiltige 
Stoffe  sein.  Ich  wollte  die  Kinder  nicht  an  den  Haaren  herbeiziehen ; 


*  Die  unter  dieser  tfberschrift  in  der  Zeitschrift  ,,Deutsche  Schulpraxis" 
enthaltenen  Lehrbeispiele  sind  auch  fiir  unsere  Arbeit  gleich  verwertbar. 
Wenn  wir  auch  hinsichtlieh  des  Stoffes  und  des  Lehrzieles  auf  Grund  der 
geringeren  Sprachfertigkeit  unserer  Schtiler  inancherlei  Einschr^nkungen  wer- 
den vornehmen  miissen,  so'dlirfte  sich  doch  die  Behandlung  kaum  wesentlich 
anders  gestalten ;  namentlich  sollte  es  auch  unser  erstes  Bestreben  sein,  den 
Schtiler  zum  eigenen  Denken  und  Sprechen  anzuregen.  D.  R. 


Anschauungsunterricht.    Der  Hund.  177 

die  Lernlust  sollte  sich  freiwillig  einstellen.  Ich  wollte  keine  Satze  ein- 
pauken,  die  Zungen  sollten  von  selbst  platschern.  Manches  von  den  tibli- 
chen  Stoffen  lag  mir  selbst  fern,  und  so  fehlte  auch  den  Kindern  die 
nb'tige  Teilnahme.  Die  Aufmerksamkeit  blieb  eine  gezwungene,  unnatiir- 
liche.  Andere  Sachen  waren  den  Kindern  trocken,  mager,  langweilig. 

Endlich  fand  ich,  was  ich  suchte :  Stoffe,  die  die  Kinder  lernlustig, 
den  Lehrer  lehrfreudig  machten;  denn  das  ist  die  Hauptsache.  Nie  darf 
die  innere  Fruchtbarkeit  und  Triebkraft  fehlen.  Mit  diesen  Stoffen  wa- 
ren die  Kinder  verwachsen,  sie  hatten  sie  erfahren,  erlebt,  erschaut :  es  war 
etwas  Selbstgewachsenes.  Dazu  etwas  Lebendiges.  Wer  Kinder  kennt, 
weiss,  wie  sie  am  Lebendigen  hangen  und  wie  sie  allem,  was  da  lebt  und 
webt,  fleugt  und  kreucht,  ihre  Liebe  schenken.  So  bin  ich  auf  den  Hund 
gekommen,  und  vom  Hund  auf  die  Katze  und  die  Ivuh  und  hinterher 
noch  auf  manche  andere  lebendige  Kreatur.  Diese  Stoffe  waren  den  Kin- 
dern durch  jahrelange,  tagliche  Beobachtungen,  halb  bewusste,  halb  unbe- 
wusste  —  vertraut.  Sie  durften  nicht  miihsam  herausgezogen,  noch 
schwerfallig  ,,herangebracht"  werden:  es  war  alles  da.  Der  Stoff  lebte 
bereits  in  den  Kindern ;  er  durf te  nur  gesammelt,  gesichtet,  geordnet  wer- 
den. Die  Schiller  trugen  die  Bausteine  herzu;  sie  waren  die  Oeissigen 
Handlanger,  der  Lehrer  der  Baumeister. 

I. 
Der  Hund. 

Ein  Un  terrich  t  sg  esprdch . 

L.  JVir  wollen  uns  heute  etwas  von  einem  Tier  erzahlen,  das  ihr 
alle  gewiss  gern  leiden  mogt.  Es  lebt  mit  euch  in  der  Stube,  oder  es  lauft 
auch  im  Hofe  herum.  Und  wenn  ihr  von  der  Schule  nach  Hause  koinmt, 
da  freut  sich  wohl  gar  das  gute  Tier.  Nun?  K.  Das  ist  der  Hund.  L. 
Wie  machts  denn  der  Hund,  wenn  er  sich  freut?  K.  Er  koinmt  uns  ent- 
gegen  und  lauft  um  uns  rum.  2.  K.  Er  springt  an  uns  rauf  und  leckt 
uns  die  Hand.  3.  K.  Er  schwanzelt  und  sieht  uns  so  freundlich  an  und 
lacht.  L.  Er  lacht?  So,  wer  hat  denn  schon  Hunde  lachen  horen?  K. 
Ich  nicht,  ich  nichi ....  2.  K.  Ja  er  lacht  doch ;  dann  sind  alle  Zahne 
zu  sehen.  TJnser  Hund  kann  doch  lachen.  L.  Na,  dann  will  ichs  glau- 
ben  und  heute  nachmittag  doch  gleich  mal  zusehen,  ob  mein  Hund  auch 
lachen  kann.  Nun  sagt  noch  einmal,  wies  der  Hund  macht,  wenn  er  sich 
freut ! 

L.  Ihr  seht  also,  was  ftir  em  lustiges  Tier  der  Hund  ist.  Grad  so 
lustig  wie  ihr.  Ihr  tanzt  und  springt  doch  auch  gern.  Wann  ist  der 
Hund  denn  sonst  noch  lustig?  K.  Wenn  wir  aufs  Feld  gehen  und  er 
mitkommen  darf.  L.  Wie  macht  ers  denn?  Er  bellt  und  lauft  vornweg 
und  kommt  wieder  zuriick  nnd  springt.  L.  Aber  ihr  habt  ihn  gewiss 
auch  schon  traurig  gesehen.  Wann  denn?  K.  Wenn  er  zu  Hause  blei- 


178  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

ben  muss.  L.  Wie  macht  ers  dann  ?  K.  Er  setzt  sich  bin  und  bebt  den 
Kopf  auf  und  heult.  Wir  sagen  dann:  er  weint.  2.  K.  Unser  Hund 
macht  es  anders.  L.  Wie  denn?  K.  Der  geht  dann  ganz  krumm  und 
lasst  die  Ohren  hangen  und  klemmt  den  Scbwanz  zwiscben  die  Beine  und 
guckt  so  schief.  L.  Ja,  warum  nehmt  ihr  ihn  denn  auch  nicht  mit!  Ihi- 
wisst  wohl,  wie  eucb  ist,  wenn  ihr  zu  Hause  bleiben  mtisst  und  gingt  gern 
mit.  K.  Ja,  er  macht  Dummheiten,  er  macht  sich  hintef  die  Haseii.  2. 
K.  Oder  die  grossen  Hunde  beissen  ihn. 

L.  Habt  ihr  ihn  sonst  noch  traurig  gesehen?  K.  Ja,  wenn  er  Prii- 
gel  kriegt.  L.  Wie  macht  ers  denn?  Er  duckt  sich  und  lauft  weg. 
2.  K.  Er  legt  sich  auf  den  Riicken  und  halt  die  Beine  hoch.  3.  K.  Un- 
serer  schleicht  und  lasst  die  Ohren  hangen.  L.  Aber  warum  hat  er  denn 
Priigel  verdient?  K.  Er  konnte  nicht  horen.  L.  Nicht  horen?  Hat 
er  denn  keine  Ohren?  K.  Ja,  aber  er  wollte  nicht  horen.  2.  K.  Er 
meint,  er  wollte  nicht  gehorchen.  L.  Wann  denn  nicht?  K.  Er  machte 
sich  hinter  die  Hiihner  und  biss  .sie  tiichtig  und  wollte  nicht  ran  kommen. 
2.  K.  Er  biss  den  Brief  trager.  L.  Wer  sagt  mir  nun  noch  einmal 
hiibsch  hintereinander,  wann  der  Hund  traurig  ist? 

Ij.  Ihr  geht  nun  schon  viele  Tage  zur  Schule  und  ihr  versteht  schon 
recht  viele  Dinge,  nicht  wahr?  Was  denn  alles?  —  Aber  nun  der  Hund, 
das  ist  auch  ein  Tausendktinstler.  Was  versteht  denn  euer  Hund  alles? 
1C.  Unser  Hund  muss  die  Kiihe  hiiten.  L.  Wie  macht  er  denn  das?  K. 
Er  passt  auf,  wenn  sie  ins  Korn  gehen ;  dann  lauft  er  bin  und  treibt  sie 
raus  2.  K.  Wir  haben  einen  Hiihnerhund,  der  muss  die  Hiihner  aus 
dem  Garten  treiben.  Und  wenn  die  Tauben  ins  Korn  fliegen,  dann  jagt 
er  sie  auch  weg.  3.  K.  Wir  haben  einen  Jagdhund.  L.  Was  hat  denn 
der  zu  tun  ?  K.  Der  muss  die  Hasen  und  Hiihner  auf  jagen.  Und  wenn 
mein  Vater  welche  geschossen  hat,  dann  nimmt  er  sie  ins  Maul  und  bringt 
sie.  Manchmal  springt  er  auch  in  den  Teich  und  treibt  die  wilden  Enten 
aus  dem  Rohr.  4.  K.  Wir  haben  einen  grossen  Hofhund,  der  liegt  immer 
an  der  Kette.  L.  Was  soil  er  da?  K.  Er  bellt,  wenn  ein  Fremder  auf 
den  Hof  kommt.  Am  Abend  machen  wir  ihn  los.  (Knabe  weitererzah- 
lendr)  Einmal  war  mein  kleiner  Bruder  in  die  Hiitte  gekrochen  und 
konnte  nicht  wieder  zuriick  und  schrie,  und  der  Hund  stand  dabei  und 
schwanzelte,  bis  meine  Mutter  kam  und  den  Bruder  rauszog.  L.  Da  hast 
du  ja  etwas  sehr  Drolliges  gesehen. 

Ihr  sent,  wie  vielerlei  so  ein  Hund  kann  und  was  der  alles  fiir  Arbei- 
ten  hat.  Aber  ihr  kennt  auch  gewiss  manche,  dies  besser  haben.  K. 
Schosshund,  im  Pensier  usw. 

Aber  nun  sollt  ihr  mir  doch  noch  genauer  sagen,  was  der  Hund  alles 
tut,  wenn  ein  Fremder  kommt!  K.  Er  bellt  und  beisst.  L.  Ja,  aber 


Anschauungsunterricht.     Der  Hund.  179 

nicht  gleich !  K.  Er  knurrt.  L.  Wie  sieht  er  denn  aus  ?  K.  Him 
stehen  die  Haare  hoch  und  der  Schwanz  auch.  2.  K.  Er  zeigt  die  Zahne. 
L.  Warum  macht  ers  wohl  so  ?  K.  Der  Fremde  soil  Angst  kriegen.  L. 
Er  will  sagen :  Mache,  dass  du  raus  kommst,  ich  kann  auch  sehr  bose  sein. 
Er  mochte  wohl  am  liebsten  keinen  Fremden  in  die  Stube  lassen.  Seht, 
darum  nennen  wir  den  Hund  einen  treuen  Wa'chter.  (Nacht  --  Dieb). 
Aber  manchmal  knurrt  er  garnicht !  K.  Er  kommt  heimlich  ange- 
sehlichen  und  beisst.  L.  Wie  sind  denn  die  Zahne  ?  K.  Weiss  und  spitz. 
L.  Aber  er  kann  nicht  immer  wachen!  K.  Er  schlaft  auch  gern.  L. 
Wie  denn?  K.  Er  kugelt  sich  zusammen.  2.  K.  Er  liegt  manchmal 
ganz  lang  in  der  Sonne.  L.  Er  liegt  gern,  wos  weich  ist?  Unser  Hund 
steigt  gern  aufs  Sofa. 

Nun,  noch  einmal,  was  der  Hund  tut,  wenn  ein  Fremder  kommt ! 

Jetzt  wollen  wir  uns  noch  weiter  besinnen,  was  der  Hund  alles  kann. 
Denkt  einmal  an  seine  Nase !  K.  Er  kann  gut  riechen.  L.  Wann  habt 
ihr  denn  das  bemerkt?  K.  Wenn  ein  Fremder  kommt,  den  beriecht  er. 
2.  K.  Er  kann  riechen,  wo  ein  Hase  gelaufen  hat.  3.  K.  Er  kann  rie- 
chen, welchen  Weg  der  Vater  gegangen  ist.  L.  Der  Hund  kann  auch 
gut  horen.  Was  denn?  K.  Wenn  ein  Fremder  vorbeigeht.  2.  K. 
Wenn  eine  Maus  raschelt ;  er  geht  dann  hin  und  passt  auf.  L.  Wie  macht 
ers,  wenn  er  gut  horen  will?  K.  Er  hebt  die  Ohren  hoch.  L.  Was  er 
noch  kann !  Denkt  ans  Wasser !  K.  Er  kann  schwimmen.  L.  Wie 
macht  er  das?  (Der  L.  lasst  sich  immer  genau  angeben,  was  die  Kinder 
gut  und  deutlich  beobachtet  haben!)  L.  Wenn  er  aus  dem  Wasser  steigt! 
K.  Er  schiittelt  sich  das  Wasser  aus  den  Haaren  und  lauft  schnell  und 
walzt  sich  im  Sande.  Dann  legt  er  sich  in  die  Sonne  und  leckt  sich.  L. 
Kann  der  Hund  auch  klettern?  K.  ja  —  nein!  2.  K.  Unser  Hund  kann 
bisschen  klettern,  auf  einen  schiefen  Apfelbaum,  wenn  er  sich  mit  der 
Katze  zankt.  3.  K.  Unser  Hund  kann  auf  die  Leiter  steigen.  L.  Warum 
kann  wohl  der  Hund  nicht  so  gut  klettern  wie  die  Katze?  K.  Er  hat  es 
nicht  gelernt.  (!)  2.  K.  Er  hat  kerne  spitzen  Nagel. 

ISTun  erzahlt  mir  noch  einmal,  was  der  Hund  gut  kann!  Denkt  an 
seine  Nase,  an  die  Ohren,  ans  Wasser! 

(Fortsetzung  folgt.) 


Berichte  und  Notizen. 


I.     Korrespondenzen. 


Cincinanti.  ragender    Linguist    und     Professor     am 

Ausgeknobelte         Schulrate  hiesigen     Hebrew     Union     College,      der 

haben  wir  jetzo  in  Cincinnati,  im  Staate  erst  letzten  Herbst  in  den  Schulrat  ge- 

Ohio,  d.  h.  wenn  auch  nicht  gerade  mit  wahlt   wurde.     Zu  wiinschen   ware   nur, 

dem      Wiirfelbecher      ausgeknobelt,      so  dass    Herr   Deutsch    in    sein    neues    ver- 

doch      mittels     Zettel     ausgelost.       Mit  antwortungsvolles   Amt   auch   gleich   die 

Streichholzchen         oder         Strohhalmen  notige     Erfahrung     mitbrachte,     die     in 

war's    auch    gegangen;    oder   man   hatte  einer    solchen    Behorde     ebenso    wichtig 

die    Herren    auch    ,,ausraffeln"    konnen!  ist    al*    der  gu<*   Wille.     Die   zwei   ,,at 

In   Wirklichkeit   ist   es   ja   dasselbe,   so-  large"    gewahlten     Kollegen    Dr.     Louis 

fern    nur   der   blinde    blodsinnige    Zufall  Schwab    und    Emil    Pollak,    beide    deut- 

dabei   entscheidet.     In   der  letzten   Mai-  scher   Abstammung,   werden   dem   Herrn 

woche    war    unser    bisheriger    Schulrat,  Professor    in    semem    Schutzengel-Amte 

der  aus  24  Wardvertretern  und  drei  ,,at  jedenfalls    hil/freich    zur     Seite     stehen. 

large"    gewiihlten    Mitgliedern    bestand,  Hoffen  wir  also  das  Beste! 

zum    letztenmal    in    Sitzung,     und     am  Das  Gesetz,  das  den   ,,kleinen"   Schul- 

Schluss      derselben      wurden      aus      den  rat    schuf,    soil    iibrigens     inbezug     auf 

Wardvertretern    vier   Herren    durch    das  seine    Konstitutionalitat   in   den   Gerich- 

Los    bestimmt,    die    nun    zusammen    mit  ten  angefochten  werden,  da  es  als  Klas- 

den   drei  von  der  ganzen  Stadt  gewahl-  sengesetzgebung,   die    eigentlich    nur   die 

ten  Mitgliedern  den  neuen,  oder  den  so-  Stadt      Cincinnati      betraf,      betrachtet 

genannten      ,,kleinen"      Schulrat    bilden.  wird.     Allein  bei  der  gegenwilrtigen  po- 

Laut   dem   von    unserer   Staatslegislatur  litischen    Konstellation     in     Ohio     wird 

angenommenen   Gesetze   hatten   die   drei  wohl    kaum    eine    Umstossung    des    Ge- 

,,at  large"  Mitglieder  auch  nach  bestem  setzes    zu    erwarten    sein.      Wir    mtissen 

Gutdllnken   die  vier  Herren  aus  den  24  uns   wohl   oder  iibel   ins   Unvermeidliche 

Wardvertretern    auswahlen    konnen;    al-  fiigen.      Der     kratzbiirstige    Korrespon- 

lein   da   mussten   sie   zwanzig  ihrer  bis-  dent     kann     aber     nicht     umhin,     zum 

herigen    lieben    Kollegen    vor    den    Kopf  Schluss  dieses  Themas  an  die  piiichtige 

stossen,  und  um  dies  zu  vermeiden,  ent-  Ansprache    zu    erinnern,     die    President 

schied  man  sich  fiir  die  Auslosung.    Bei  Roosevelt   im   Februar     d.     J.     an     die 

diesem      Blindekuh-      oder     Zufallsspiel,  Schulsuperintendenten       gerichtet       hat, 

wobei    man   aus   einem   Hute,    den    der  die    in    der    letzten    Nummer    der    ,,Mo- 

Schulratsclerk      iiber       seinem      Haupte  natshefte"     zum     Abdruck    kam.      Nach 

hielt.  mit  dem  Worte  ,, chosen"  beschrie-  den   Worten   unseres   Bundesoberhauptes 

bene  oder  leere  Zettelchen  gezogen  wur-  ist   der   Lehrstand   der   wichtigste,   denn 

den,  gingen  die  Herren  Dr.  W.  W.  Bar-  auf  ihm,  auf  der  Erziehung  und  Heran- 

ber,   Robt.    E.    Coghill,   Geo.   W.    Harper  bildung    der    Jugend,    beruhe    das    Wohl 

und  Dr.  G.  Deutsch  als  Sieger  oder  Ge-  und  die  Zukunft  der  Nation.     Ahnliche 

winner   hervor.     Leider,   und   zwar   sehr  Versicherungen   bekommen     die     Lehrer 

leider,    zogen    in   diesem    nichtswtirdigen  jedes  Jahr  bei  Empfiingen  und  Konven- 

Lotteriespiel   zwei    der    besten   Freunde  itionen  seitens  hoher  Stadt-  oder  Staats- 

des  deutschen  Unterrichts  Nieten,  nam-  beamten  zu  horen.     Und  hier  wurde  die 

lich   Herr  John   Schwaab,   der  seit  vier-  Behorde,      in    deren    Hiinden    die    ganze 

zehn  Jahren   das   deutsche   Departement  Hussere  Schulverwaltung,  sogar  die  An- 

in   unseren   offentlichen    Schulen   furcht-  stellung    oder    Absetzung     des    Schulsu- 

los   und   treu  und  auch   erfolgreich  ver-  perintendenten   liegt,  diese  wichtige  Be- 

treten   hat;    ferner  Herr  John   B.   Peas-  horde  wurde  hier  zu  zweidrittel  —  aus- 

lee,     unser      friiherer      Schulsuperinten-  nreknobelt,    pardon             ausgelost!      Da 

dent,    ein    enthusiastischer    Befiirworter  sag'  nu   eener.  wat  'ne  Sache  ist!     Die 

des   zweisprachigen   Unterrichts   und   ein  nene  Beh<">rdp  tritt  mit  dem  Monat  Juni 

warmer   Freund    des    Deutschtums.  in  Kraft  und  bleibt  bis  zum  Jahre  1910. 

In    der    neuen    sieben-kopfigen    Schul-  teilweise  bis  1012  im  Amte,  d.  h.  wenn 

behorde    verbleibt    uns    als    Schutzengel  sie  nicht  in  der  Zwischenzeit  gesetzlich 

nur   noch   Dr.    Deutsch,    ein    hervor-  abgemurkst   wird. 


Korrespondenzen. 


181 


In  der  Mai-Versammlung  des  Deut- 
schen  Oberlehrervereins  wur- 
den  die  samtlichen  Beamten  durch  erne 
Wiederwahl  geehrt:  namlich  Heir  Max 
Weis  President,  Herr  Wm.  Jiihling 
Vizeprasident,  Herr  Karl  Herrle, 
Schriftfuhrer  und  Herr  W.  G.  Cramer 
Schatzmeister.  Unter  der  Fiihrung  die- 
ser  Herren,  besonders  mit  Freund  Weis 
am  Steuer,  wird  das  Vereinsschifflein 
auch  wahrend  des  nachsten  Schuljahres 
wiederum  im  ruhigeri  Wasser  dahingon- 
deln.  Dr.  H.  H.  Fick,  der  Leiter  des 
deutschen  Unterrichts,  dankte  den 
Oberlehrern  ftir  ihre  treue  und  er- 
spriessliche  Mitarbeit  im  Interesse  des 
deutschen  Departements  und  wies  als- 
dann  auf  den  bevorstehenden  Lehrertag 
bin,  dessen  Besuch  er  angelegentlich 
empfahl. 

Auch  im  Lehrerinnenverein  Har- 
monic, der  am  23.  Mai  eine  htibsche 
und  wohlgeleitete  Richard  Wagner  - 
Feier  abhielt,  gab  sich  grosses  Interesse 
ftir  die  Jahresversammlung  des  Leh- 
rerbundes  kund,  so  dass  ein  Ausschuss 
zur  Vorbereitung  der  Exkursion  nach 
Milwaukee  ernannt  wurde.  Die  An- 
ziehung  einer  damit  verbundenen  Fe- 
rienreise  im  kiihlen  Nordwesten  wird 
ein  ubriges  tun,  dem  Lehrertage  eine 
stattliche  Beteiligung  zu  sichern. 

E.  K. 

Milwaukee. 

Der  Lokalausschuss,  der  die  V  o  r  b  e- 
reitungen  fur  den  36.  Lehrer- 
t  a  g  zu  treffen  hat,  hat  nunmehr  nach 
monatelanger  Tatigkeit  alle  notigen 
Arrangements  getroffen.  Nun  kann's 
losgehen!  Wir  brauchen  nur  noch  die 
erwartete  Anzahl  Besucher  —  deren  wir 
in  unserem  beruhmten  gastfreundlichen 
Deutsch-Athen  unziihlige  auifzunehmen 
imstande  sind  —  und  der  Erfolg  wird 
nicht  ausbleiben. 

Das  aufgestellte  Unterhaltungspro- 
gramm  ist  ein  so  reichhaltiges,  dass 
selbst  dem  Anspruchvollsten  die  Zeit 
nicht  lang  werden  wird. 

Noch  in  der  letzten  Stunde  hat  der 
Lokalausschuss  eine  D  a  m  p  f  e  r  - 
f  a  h  r  t  auf  dem  Michigansee  und  einen 
geselligen  Abend  nach  der  offi- 
ziellen  Empfangsfeier  arrangiert. 

Als  offizielles  Abzeichen 
ist  ein  Knopf  gewiihlt  worden,  der  auf 
weissem  Grund  einen  grunen  Eichen- 
kranz  nebst  brauner  Eichel,  mit  passen- 
der  Umschrift,  darstellt. 

SUmtliche  Alumnen  des  Leh- 
rorseminars  werden  sich  am  2.  Juli 
nachmittags  an  der  Banketttafel  im  St. 
Charles  Hotel  versammeln  und  ihre  Or- 
ganisation vervollstandigen. 


Die  Lehrmittelausstellung. 
die  vom  Lehrerseminar  veranstaltet  und 
besonders  durch  das  eifrige  Bemtihen 
des  Seminarlehrers  Jlerrn  John  Eisel- 
meier  zusammengestellt  worden  ist,  bie- 
tet  eine  Fulle  und  Mannigfaltigkeit  des 
Stoffes,  der  fur  den  Sprachlehrer  jed- 
weder  Gattung,  vom  Volksschullearer 
bis  zum  Universitatsprofessor,  anre- 
gend  und  erspriesslich  sein  durfte.  Die 
aus  mehr  als  2OOO  Objekten  bestehende 
Ausstellung  umfasst  nahezu  alles,  was 
in  den  letzten  Jahren  auf  dem  Gebiet 
des  modernen  Spraclmnterrichts  er- 
schienen  ist,  und  tragt  im  vollen  Sinne 
des  Wortes  einen  Internationa- 
len  Charakter.  26  Sprachen  sind  in 
derselben  vertreten,  darunter  fiinf  afri- 
kanische  und  fiinf  asiatische.  Die  Aus- 
stellung wird  den  Besuchern  des  Leh- 
rertages  zur  Durchsicht  offen  stehen 
und  dieses  Privilegium  allein  schon  ist 
den  Besuch  des  Lehrertages  seitens  aller 
auswartigen  Lehrer  wert. 

Ein  ubersichtlicher  Katalog  wird  ge- 
druckt  und  jedem  Besucher  des  Lehrer- 
tages frei  zugestellt  werden. 

Die  Ausstellung  selbst  verbleibt  im 
Lehrerseminar.  Wir  hoffen,  dass  man 
sie  zu  einer  progressiven  macht, 
indem  man  von  Zeit  zu  Zeit  neu  er- 
scheinende  Werke  hinzufugt. 

Unsere  nachste  Staatsle- 
gislatur  wird  entscheiden,  ob  der 
Wahlerschaft  Wisconsins  ein  Vorschlag 
zur  Urabstimmung  unterbreitet  werden 
soil  oder  nicht,  der  besagt,  dass  das  Mi- 
nimalschulalter  von  4  auf  6  Jahre  er- 
hoht  wird.  Um  das  durchzusetzen,  be- 
darf  es  eines  Zusatzes  zur  Staatsver- 
fassung.  Der  Vorschlag,  der  von  den 
Vertretern  der  Landdistrikte  ausgeht. 
stosst  bei  den  Lehrerinnen  und  Freun- 
den  des  Kindergartens  auf  heftige  Op- 
position. 

Man  befiirchtet  namlich  —  und  nicht 
ohne  Grund,  —  dass  dann  der  Kinder- 
garten entweder  ganz  eingehen  oder  be- 
deutend  gelahmt  wird;  denn  Kinder, 
die  das  sechste  Lebensjahr  iiberschrit- 
ten  haben,  schicken  die  Eltern  in  der 
Hegel  nicht  in  den  Kindergarten. 
Seitens  des  Verbandes  der  Kindergart- 
nerinnen  macht  man  alle  Anstrengung 
auf  dem  Wege  der  Petitionierung,  das 
vorgeschlagene  Amendement  niederzu- 
stimmen,  oder  aber  einen  Kompromiss 
herbeizufiihren  . 

C.  B.  S. 

New  York. 

Der  Vortragende  im  Verein  deut- 
scher  Lehrer  von  New  York 
und  U  m  g  e  g  e  n  d  war  in  der  Maiver- 
sammlung  der  Prasident  des  Vereins, 


182 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


Herr  Prof.  Rudolf  Tombo,  Sr.,  und  sein 
Thema:  Orthographierefor- 
m  e  n.  Der  an  und  fiir  sich  trockene 
Gegenstand  wurde  durch  die  Art  und 
Weise,  in  der  er  behandelt  wurde, 
liBehst  anziehend  und  belehrend. 

Die  deutsche  Orthographic  entspricht, 
trotz  aller  Verbesserungen,  noch  keines- 
wegs  alien  berechtigten  Anf orderungen ; 
besonders  berticksichtigt  sie  den  Stand- 
punkt  des  Kindes  in  der  Schule  noch  zu 
wenig.  Die  Folge  davon  ist,  dass  man 
in  den  Briefen  von  Personen,  die  ihre 
Erziehung  mit  der  Volksschule  obschlos- 
sen,  gewohnlich  zahlreichen  und  groben 
Verstossen  gegen  die  Orthographic  be- 
gegnet.  Diese  Leute  suchen  eben  die 
Laute,  so  wie  sie  dieselben  sprechen, 
wiederzugeben,  d.  h.  phonetisch  zu 
schreiben.  Das  phonetische  Prinzip  soll- 
te  eigentlich  auch  das  Ideal  einer 
Schrift  sein.  Denn  wiirden  wir  heute 
anfangen,  unsere  Sprache  zum  ersten 
Male  niederzuschreiben,  so  wiirden  wir 
naturgemass  einem  bestimmten  Laute 
nur  ein  Zeichen  geben.  So  hielt  man  es 
im  Althochdeutschen  und  Mittelhoch- 
deutschen,  wo  man  noch  kein  etymolo- 
gisches  oder  historisches  Prinzip  kannte. 
Die  Manusfcripte  weisen  nur  scheinbare 
Widerspriiche  gcgen  diese  Regel  auf. 

Mit  dem  Verfall  der  Literatur  im  14. 
Jahrhundert  verfiel  auch  die  Recht- 
schreibung;  es  machten  sich  viele  Un- 
arten  gel  tend,  vor  allem  eine  gewaltige 
Anhaufung  von  Konsonanten,  um  kurze 
Vokale  anzudeuten.  Die  Schreiber  wur- 
den  nach  Zeilen  be/ahlt.  weshalb  sie  die 
Manuskripte  moglichst  in  die  Lange  zu 
/iehen  suchten.  Grosse  Anfangsbuch- 
staben  fiir  Hauptworter  waren  damals 
noch  nicht  iiblich,  ausser  wo  es  sich  um 
die  Bezeichnung  der  Gottheit  handelte. 

Luther  prkannte  die  bestehenden 
Mangel  und  war  bestrebt.  sie  zu  ver- 
bessern.  jedoch  ohne  besonderen  Erfolg. 
Er  verwarf  die  Doppelkonsonanten  am 
Ende  der  Worter  und  von  anderen  Kon- 
sonanten und  verwandte  sie  nur  selten 
als  Dehnungszeichen.  Tndes  zeigen  sich 
cros^e  Schwankungen  in  seinen  Ausga- 
ben. 

Die  Drucker  hatten  eben  ihre  eigene 
Orthographic  und  kehrten  sich  meistens 
nur  wenig  an  die  Manuskripte.  Aua 
diesem  Grunde  ist  es  toricht.  bei  Re- 
formbestrebunsren  die  Orthographic  un- 
sorer  klassischen  Schriftstcller  so  pie- 
tH troll  zu  berficksichtigen. 

Tm  16.  Jahrhundert  erschienen  die 
orsten  deutschen  Grammatiken,  untcr 
denen  Fabian  Frangk's  Orthographia 
(1531)  den  ersten  Rang  cinnimmt,  Er 
stellt  darin  die  Regel  auf:  .,Schreibe, 


wie  du  sprichst."  Seine  Bemiihungcn 
aber  hatten  keinen  grossen  Erfolg, 
ebensowenig  wie  die  des  Grammatikers 
J.  G.  Schottel,  der  um  die  Mitte  des  17. 
.Tahrhunderts  wirkte  und  das  etymolo- 
gische  Prinzip  zur  Geltung  zu  bringen 
suchte. 

Als  den  Urheber  der  modernen  deut- 
scheii  Orthographic  betrachtet  man  ge- 
wohnlich Gottsched,  dessen  Deutsche 
Sprachkunst  (1748)  allgemein  aner- 
kannt  wurde.  Er  behalt  die  von  Frangk 
auf gest elite  Regel  bei,  lasst  aber  auch 
das  etymologische  Prinzip  zu  seiiiem 
Rechte  kommen.  Ihm  verdanken  wir 
iiberdies  die  Regel,  alle  Hauptworter 
mit  grossen  Anfangsbuchstaben  zu 
schreiben. 

Im  Auftrage  Friedrichs  des  Grossen 
verfasste  J.  C.  Adelung  im  Jahre  1781 
seine  Deutsche  Sprachlehre  ftir  die 
preussischen  Schulen.  Dieses  Werk  ba- 
siert  auf  Gottsched,  nur  sind  die  darin 
niedergelegten  Regeln  eingehender  und 
bestimmter.  Es  bildet  die  Grundlage 
fiir  die  zwei  bekanntesten  Grammatiken 
des  letzten  Jahrhunderts,  namlich  die 
von  Heyse  und  Carl  Becker. 

Jakob  Grimm  suchte  fiir  die  Recht- 
schreibung  das  historische  Prinzip  auf- 
zustellen.  Darnach  waren  die  Worter 
so  zu  schreiben,  wie  sie  sich  den  von 
ihm  aufgestellten  Lautgesetzen  gemass 
hatten  entwickeln  sollen.  Die  Folge  da- 
von war,  dass  die  bestehende  Verwir- 
rung  nur  noch  grosser  wurde,  und  dass 
die  verschiedenen  Regierungen  sich  ge- 
n()tigt  sahen,  Ordnung  in  das  Chaos  zu 
bringen. 

Die  Massregeln,  die  nach  dieser  Rich- 
tung  hin  seit  dem  Jahre  1870  ergriffen 
wiirden.  sind  zu  wohl  bekannt,  um  hier 
einer  naheren  Beleuchtung  zu  bediirfen. 
Ihnen  verdanken  wir  die  seit  1902  fest- 
gest'elltc  neue  deutsche  Orthographic. 
Wcnn  dieselbe  auch  keineswej^  voll- 
komnien  ist,  so  diirfen  wir  uns  doch 
gliicklich  schatzen,  dass  wir  mit  einer 
vercinten  Nation  auch  eine  'einformige 
Orthographic  baben. 

Der  geistige  Fortschritt  wird  indes 
iinaufhaltsam  wciter  gehen  und  un's  mit 
dor  Zeit  eine  Rechtschreibung  bringen, 
die  alien  verniinftigen  Anfordcrungen 
gerecht  wird.  L.  H. 

Zuschrift. 

An    die    Redaktion     der     ,,Monatshefte" 
fiir    deutsche     Sprache    und     Pada- 
gogik". 
Werte  Redaktion: 

Die  Leitung  des  letztjahngen  Leh- 
rertages  verwahrt  sich  auf  das  Ent- 
schiedenste  gegen  den  ,,Vorwurf  fiir  did 


Umschau. 


183 


Missachtung      der      Baltimorer      Einla-  rertages    nicht    das    Mindeste   zu    schaf- 

dung".     Wie   iiblich,   war   es   Sache   des  fen.      Der    Bericht    des    Komitees,    Mil- 

Nominationsausschusses,  Vorschlage  waukee  als  Ort  der  Tagung  empfehlend, 

betreffs   des   zu   erwahlenden    Versamm-  wurde      von     der    Versammlung   gutge- 

lungsortes   zu    machen.     Mit   den   Bera-  heissen.      Das    sollte    die    Angelegenheit 

tungen  und  der  Entscheidung  dieses  ge-  beenden.      Hochachtungsvoll 
wiss  in  unparteiischer  Weise  ernannten  H.  H.  Pick, 

AusechusseB  hatte  die  Leitung  des  Leh-  Vorsitzer  des  35sten  D.  A.  Lehrertageg. 


II.     Umschau. 


Soil  die  Handhabung  von 
Schiesswaffen  in  den  offent- 
lichen  Schulen  gelehrt  wer- 
den.  Die  Gesellschaft  der  Friedens- 
freunde  in  Philadelphia  hat  eine  Bro- 
chure herausgegeben,  in  welcher  sie  den 
Plan  bekampft,  Schiessubungen  in  den 
b'ffentlichen  Schulen  abzuhalten.  Ein 
dahin  zielender  Vorschlag  ist  mit  sol- 
ehem  P^rnste  und  von  so  einflussreicher 
Seite  gestellt  worden,  dass  die  Auf- 
merksamkeit  aller,  die  an  dem  Fort- 
schritt  und  der  Wohlfahrt  unserer  Schu- 
len Interesse  haben,  auf  diese  Frage 
gelenkt  worden  ist. 

Die  Befiirworter  solcher  ubungen  be- 
tonen,  dass  die  Heranbildung  von  geiib- 
ten  Schtitzen  eine  wertvolle  Vorberei- 
tung  fur  den  Krieg  sei.  Sie  gehen  von 
der  Ansicht  aus,  dass  es  von  grosserer 
Wichtigkeit  sei,  eine  Nation  flir  den 
Krieg  als  fiir  die  Kiinste  des  Friedens 
vorzubereiten,  und  iibersehen  ganzlich 
die  padagogische  und  praktische  Seite 
eines  solchen  Planes. 

Eine  Reihe  hervorragender  Manner 
und  Frauen  wurden  um  ihre  Ansicht 
befragt,  und  ihre  Antworten.  die  in 
der  Brochure  veroffentlicht  sind,  liefern 
die  schlagendsten  Argumente  gegen  die 
an  Zahl  leider  sehr  grosse  Partei,  wel- 
che  im  ,,.dicken  Kniippel"  das  sicherste 
Mittel,  friedfertige  Nationen  im  Zaune 
zu  halten,  und  im  ,,Mann  hinter  der 
Kanone"  den  wiirdigsten  Kulturtrager 
unserer  Zeit  sehen. 

Aus  der  Reihe  der  Antworten  wollen 
wir  einige  in  ihren  markantesten 
Satzen  hier  wiedergeben. 

a)  Charles  E.  Hughes,  Governor  des 
Staates  New  York  und  eventueller 
Prasidentschaftskandidat. 

,,Die  Zeit  ist  vortiber,  wo  wir  den 
Krieg  als  einen  Bildungsfaktor  des  na- 
tionalen  und  individuellen  Charakters 
betrachten  dlirfen.  Die  Heldentaten  des 
Schlachtfeldes  werden  jetzt  ersetzt 
durch  mathematische  Berechnungen. 
Wenn  der  Krieg  je  etwas  anderes  war, 
KO  ist  er  sicherlich  in  unseror  Zeit  ein 
Schauspicl  erbarmungslosen  Schreckens. 
indcm  er  nur  auf  die  scharfsinnige  Er- 


findung  von  Mitteln  der  Vernichtung 
hinauslauft.  In  den  Kontroversen  des 
Friedens,  in  den  unblutigen  Kampfen 
fiir  Freiheit  und  Recht  miissen  wir  die 
Arena  suchen,  auf  welcher  der  nationale 
Charakter  grossere  Aufgaben  findet,  als 
sie  das  Schlachtfeld  je  geboten  hat. 
Isaac  Sharpless,  Prasident 

des  Haverford  College. 

Ich  wurde  die  Einfiihrung  von 
Schiessubungen  oder  irgend  eines  Un- 
terrichtes,  der  in  den  offentlichen  Schu- 
len den  Geist  des  Militarismus  er- 
wecken  konnte,  aufs  tiefste  bedauern. 
Die  Bestrebungen  des  Zeitalters  zielen 
auf  kommerziellen  und  internationalen 
Frieden,  und  jedeHemmung  dieses  Stre- 
bens  ist  eine  Bedrohung  der  Wohlfahrt 
und  der  Kulturhb'he  des  Landes. 
Professor  John  Dewey, 

Columbia  University. 

Es  ware  ein  gewaltiger  Ruckschritt 
in  den  Traditionen  des  amerikanischen 
Volkes  und  der  amerikanischen  Erzie- 
hung,  wollten  wir  solche  ubungen  in 
unseren  Schulen  einfiihren.  Zivilisation. 
Menschlichkeit  und  Fortschritt  erheben 
ihre  Stimme  dagejren;  aber  auch  vom 
•Standpunkt  der  Schulverwaltung  und 
der  Schulerziehung  sind  sie  zu  verwer- 
fen.  Es  wiirde  eiuen  neuen  ablenken- 
den  Faktor  im  Erziehungswesen  einf (ih- 
ren. wo  unsere  Hochschuljungen,  beson- 
ders  in  den  Stadten,  schon  zur  Geniige 
abgelenkt  und  aufgereizt  sind.  Die 
Idee  ist  undemokratisch,  barbarisch  und 
vom  Standpunkte  der  Schule  ganz  un- 
verniinftig. 

Lucia  Ames  Mead, 

Boston. 

So  weit  ich  berichtet  bin.  hat  noch 
keine  Nation  die  Steuern  des  Volkes 
dazu  verwendet,  die  Schuljungen  in  der 
Kunst  des  Totens  heranzubilden.  Der 
Unterricht  hatte  keinen  padagogischen 
Wert.  Er  wiirde  nur  Geld  kosten,  wel- 
ches viel  besser  angebracht  ware,  den 
Gebrauch  der  Waffen  des  Gewerbe- 
fleisses  zu  lehren,  und  das  heranwach- 
sonde  Geschlecht  fiir  den  Kampf  gegen 
Verarmung,  Krankheit  und  Verbrechen 


184 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


auszustatten.  Schiessiibtingen  in  den 
Schulen  wiirden  auf  eine  nationale  Ge- 
fahr  hindeuten,  die  als  Grund  diente. 
Eine  solche  Gefahr  existiert  nur  in  den 
Kopfen  von  gelben  Zeitungsschreibern 
und  von  einzelnen  Militarprofessoren. 
In  119  Jahren  waren  wir  nur  5  Jahre 
im  Krieg  mit  anderen  Nationen,  und 
wurden  nur  im  Jahre  1812  in  unserem 
Lande  angegriflfen.  Wir  fiirchten  Eng- 
land nicht  langer,  denn  wir  lassen  un- 
sere  Nordgrenze  ungeschtitzt.  Wir  sind 
mit  keiner  Nation  im  Streit,  und  unsere 
wirklichen  Feinde  sind  im  eigenen 
Lande.  Neutralisiert  die  Philippinen 
und  wir  brauchen  keine  Kanonen,  urn 
unsere  Westkiiste  zu  verteidigen;  er- 
richtet  Friedensbudgets,  und  durch  die 
weise  Verwendung  von  je  einem  Dollar 
fur  Versb'hnung  auf  je  tausend  Dollars, 
die  ftir  Kriegszwecke  ausgegeben  wer- 
den, konnen  wir  Methoden  schaffen, 
Freunde  zu  gewinnen,  statt  der  Metho- 
den, vermeintliche  Feinde  zu  vernich- 
ten.  »  •  • 

Der  Raum  erlaubt  uns  nicht,  noch 
weiter  auf  diese  interessanten  Zuschrif- 
ten  einzugehen.  Sie  sprechen  eine  be- 
redte  <Sprache,  wenn  auch  nur  die  des 
Predigers  in  der  Wiiste. 

Phonographische  Auffnahi- 
me  deutscher  Mundarten. 
Das  Phonogrammarchiv  der  Akademie 
der  Wissenschaften  hat  in  der  letzten 
Zeit  eine  sehr  interessante  und  fur  die 
Sprachforschung  bedeutungsvolle  Be- 
reicherung  erfahren.  Wahrend  bisher 
der  Hauptstock  der  Phonogrammar- 
chive  aus  Einzelaufnahmen  hervorra- 
gender  Personlichkeiten,  sowie  Aus- 
sprach-  und  Gesangproben  exotischer 
Volkerschaften  bestand,  soil  nun  in 
systematischer  Weise  eine  Sammlung 
aller  deutschen  Mundarten  angefflgt 
werden.  Es  ist  vorauszusehen,  dass  in 
absehbarer  Zeit  die  slavischen  und  ro- 
manischen  Forscher  diesem  Beispiel  fol- 
gen  diirften,  so  dass  schliesslich  die  so 
mannigfache  sprachJiche  Mischung 
Oesterreichs  im  Phonogrammarchiv  der 
Akademie  mit  alien  ihren  Nuancen  und 
Abstufungen  festgehalten  sein  wird. 
Allerdings  handelt  es  sich  da  um  eine 
Arbeit  von  Jahren,  die  grosse  Aufopfe- 
rung  erfordert.  Die  Aufnahme  der 
deutschen  Mundarten  leitet  der  Profes- 
sor der  Wiener  Universitat  Dr.  Josef 
Seemtiller.  Nicht  unerwahnt  sei,  dass 
in  der  gleichen  Richtung  die  bekannten 
Ssterreichischen  Sprachforscher  Profes- 
sor Josef  Schatz  in  Lemberg  und  Pro- 
fessor P.  Lessiak,  derzeit  an  der  Frei- 
burger  Universitat  tatig,  in  verdienst- 
voller  Weise  gewirkt  haben.  Professor 


Seemiiller  hat  ftir  die  von  ihm  gemachr 
ten  Aufnahmen  durchwegs  Studenten 
des  Wiener  germanistischen  Seminars 
gewahlt,  die  von  Kind  auf  die  Mundart 
sprachen,  auch  wahrend  der  Studien- 
jahre  ihren  Gebrauch  sich  lebendig  er- 
halten  und  durch  wiederkehrenden  Auf- 
enthalt  in  der  Heimat  aufgefrischt  ba- 
ben.  Frtihere  Aufnahmen  nttmlich,  zu 
denen  unmittelbar  Personen  des  Volkes. 
die  ausschliessh'ch  Mundart  sprachen, 
herangezogen  wurden,  begegneten  sehr 
haufig  den  grossten  Schwierigkeiten 
und  boten  selten  vollen  Erfolg.  Es  ge- 
lang  kaum,  die  Leute  zu  einem  zusam- 
menhangenden,  abgemessene  Starke 
zeigenden  Hineinsprechen  in  den  Appa- 
rat  zu  bringen,  der  ihnen  alle  Unbefan- 
genheit  raubte.  Den  Inhalt  des  Ge- 
sprochenen  musste  man  ihnen  zudem 
fast  ausnahmslos  iiberlassen.  Diese 
Schwierigkeiten  fielen  bei  den  Studen- 
ten natiirlich  fast  ganz  weg.  Und  es 
konnte  ein  Ziel  erreicht  werden,  das  im 
Interesse  des  Zusammenhanges  unserer 
Dialektforschung  mit  der  reichsdeut- 
schen  lebhaft  zu  begriissen  ist,  indem 
es  moglich  wurde,  die  40  Satze  des  be- 
ruhmten  Wenkerschen  Sprachatlas 
auch  bei  uns  aufzunehmen.  Sie  wur- 
den vorher  vom  Sprecher  in  mundart- 
licher  Form  aufgezeichnet,  Dauer,  Zeit- 
mass,  Starke  des  Vortrages  vorbereitet, 
und  wann  ihr  Lautbild  vertraut  gewor- 
den  war,  in  den  Apparat  hineingelesen. 
Um  den  Sprachstoff  zu  vermehren  und 
freiere  Bewegung  des  mundartlichen 
Ausdruckes  zu  'ermoglichen,  als  die  enge 
Grenze  des  einzelnen  Wenkerschen 
Satzes  gestattet,  wurde  ausserdem  von 
jedem  Sprecher  Freierfundenes  gespro- 
chen.  fiir  das  als  einzige  Vorschrift 
moglichste  mundartliche  Echtheit  in 
Stoff  und  Darstellung  gait.  Eine 
ausserst  wertvolle  Erganzung  finden 
diese  phonographischen  Aufnahmen  da- 
durch.  dass  die  Texte  in  phonetischer 
Aufzeichnung  in  den  Berichten  der 
Akademie  zur  Veroffentlichung  gelan- 
gen  sollen.  Die  Deutlichkeit  des  Pho- 
nogramms  erfahrt  infolge  der  noch  den 
Apparaten  anhaftenden  Mangel  und  je- 
ner  Abschwachung,  die  das  von  Profes- 
sor Siegmund  Exner  geistvoll  ersonnene 
Verfahren  zur  Herstellung  dauerhafter 
Platten  herbeiftihrt,  eine  Beeintrftchti- 
gung,  die  erheblich  verringert  wird, 
wenn  man  in  der  Lage  ist,  vor  dem  Ab- 
horen  der  Platte  oder  wahrend  dessel- 
ben  ihren  Inhalt  auch  zu  lesen.  Zur 
Anwendung  gelangte  die  Technik  der 
Umschreibung  und  das  Alphabet,  deren 
sich  heute  die  meisten  Grammatiker 
unter  den  Dialektforschern  bedienen. 


111.    Vermischtes. 


Selbsterkenntnis. 

Liess'st  du  beim  Photographen   schon 
Dein  Bild  anfert'gen  je,  mein  Sohn, 
Und  zwar,   damit   er   nichts   verpfusche, 
Ganz  ohne  jegliche  Retouche?  — 
Dan  n     weisst     du     auch,     wie     der     er- 

schrickt,, 

Der  solcherart  sein  Bild  erblickt. 
Ein  Grau'n  —  zumal  wenn  er  bejahrt — 
Durchschiittelt  ihn,  ganz  eigner  Art, 
Er  starrt  und  wendet  sich  voll  Graus: 
Mein  Gott!      Sah'  wirklich  so  ich  aus! 

Genau  so  wurd'  es  uns  ergehen, 
Konnt'   man    sein   geistig   Bild   besehen, 
Naturgetreu   aufs   Papier  gebannt, 
Unretouchiert   von   Schmeichlerhand ! 
Nur    wen'ge     wiirden     sich     ,,getroffen" 

nennen. 
Die  meisten  aber  —  gar  nicht   sich  er- 

kennen. 
Georg  Botticher. 

tibersetzungen  lateinischer 
C  i  t  a  t  e.  Culpam  majorum  posteri 
luunt.  Curt.  Die  Schulden  der  Majore 
biissen  die  Nachkommen.  -  -  Venit  'et 
intravit  dubitati  tecta  parentis.  Ovid. 
Er  kam  und  trat  seinem  verzweifelten 
Vater  das  Dach  ein.  —  Dos  est  magna 
parentum  virtus.  Hor.  Das  Einge- 
brachte  ist  'eine  grosse  Tugend  der  El- 
tern.  —  Tanta  ejus  fuit  gratia.  Corn. 
Seine  Tante  war  eine  Grazie.  —  Cicero 
a  multis  scriptoribus  tractatus  est. 
Cicero  ward  von  vielen  Schreibern  trak- 
tiert.  —  Est  modus  in  rebus.  Hor.  Die 
Rebusse  sind  in  der  Mode. 

Die  verhangnisvolle  Rippe. 
Eine  Mutter  hatte  ihrem  Jungen  die  Ge- 
schichte  von  Adam  und  Eva  erzahlt, 
und  wie  Eva  aus  einer  Rippe  Adams 
entstanden  sei.  —  Nicht  lange  darauf 
kommt  einmal  der  Kleine  weinend  nach 
Hause  und  klagt:  ,,Mama,  ich  habe  ei- 
nen  schrecklichen  Schmerz  in  der  Seite; 
ich  glaube,  ich  kriege  eine  Frau." 

Vom  Eierlegen.  Karl:  Du,  Ma- 
ma, wer  legt  denn  eigentlich  die  Eier?" 

—  Mutter:    ,,Die  Htihner,  mein  Junge." 
—Karl:    ,,Der  Hahn  nicht?"  —  Mutter: 
,,Nein,  Karl,  der  Hahn  legt  keine  Eier." 

—  Karl:    ,,So,  will  er  nicht,  oder  kann 
er  nicht?" 

ImmerFachmann.  Der  sechs- 
jjjhrige  Franz  ist  der  Sohn  ernes  Ober- 
forsters.  Er  nimmt  nattirlich  an  dem 
Familienleben  in  den  verschiedenenHiit- 
ten  von  ,,Waldmann",  ,,Diana"  usw.  den 


lebhaftesten  Anteil  und  ist  in  der  Hun- 
dezucht  schon  sehr  bewandert.  Da  tritt 
in  der  Familie  des  Oberforsters  ein  freu- 
diges  Ereignis  ein,  Franz  bekommtBrii- 
derlein,  und  zwar  gleich  drei  an  der 
Zahl.  Andern  Tags  darf  Franz  sich  die 
neuen  Bruderlein  ansehen,  die  eintrach- 
tig  nebeneinander  ruhen.  Statt  aber  in 
Freudenjubel  auszubrechen,  bleibt  Franz 
stumm  und  sinnend.  Erst  nach  gerau- 
merWeile,  riachdem  er  sie  genau  gemu- 
stert  hat,  gibt  er  beim  Verlassen  des 
Zimmers  sein  Urteil  mit  der  Miene  des 
Fachmanns  dahin  ab:  „ Vater,  den  in 
der  Mitt'  ziehn  mer  uff  (auf)." 

GeteilteAndacht.  ,,Mama, 
ich  will  dich  'mal  'was  fragen." — ,,Jetzt 
nicht,  mein  Junge.  Sprich  erst  Dein  Ge- 
bet  und  leg  Dich  dann  hin."  —  ,,Aber, 

Mama,     ich    will  ja "  —  ,,Hast    Du 

nicht     gehort?"    —    ,,Ach,     Mamachen, 

kannst   Du....?"   --   ,,Willst  Du   gleich 

folgen,  Du    ungezogener    Schlingel?"   - 

,,Ich  bin  klein, 

Mein  Herz  ist  rein, 

Soil  niemand  d'rin  wohnen 

Als  Jesus  allein  —  -  Mama,  kannst 

Du  mit  den  Ohren  Avackeln?" 

Aus  dem  Aufsatz  einer  h8he- 
r  e  n  T  o  ch  t  e  r.  Die  gehetzte  Gemse 
sprang  von  Klippe  zu  Klippe.  Endlich 
konnte  sie  nicht  mehr  weiter.  Vor  ihr 
gahnte  der  Abgrund  und  hinter  ihr  der 
Verfolger. 

Die  Schiiler  bilden  Satze 
iiberPrapositionen.  Einer 
schrieb  unter  anderem:  Die  Hose  des 
Schtilers  ist  tmweit.  —  Mittels  des  Arz- 
tes  stirbt  der  Kranke. — Der  faule  Schil- 
ler ist  dem  Lehrer  langst  zufolge  trotz 
zuwider. 

Entschuldigungszettel 
aus  Dresdner  Volksschu- 
1  e  n.  ,,Meine  Tochter  konnte  nicht  in 
der  Schule  kommen,  weil  sie  sich  vor 
Sie  fiirchten  tut.  u.  da  bekommi  sie  alle 
Morgen  den  Schiddelfrost.  Ich  bitte 
Ihnen  recht  humahn  mit  ihr  zu  sein  u. 
nicht  viel  aufgeben.  Meine  Tochter  ist 
nicht  faul,  aber  etwas  trage...." — Lie- 
ber  Herr  Lehrer!  Ernst  muss  einige 
Tage  zu  Hause  bleiben,  da  er  heftige 
Thieraho  hat,  einen  Arzt  nehme  ich 
riicht,  sondern  gebe  ihm  alle  Tage  ein 
paar  Mal  Hafergrtitz  Kliesttire,  die  hel- 
fen.  Ein  ganz  gutes  Hausmittel,  Sie 
diirfens  nur  probieren.  Entschuldigen 
Sie  hochergebenst  Friedr.  N." 


A  Bibliography  of  English  Translations  of  German  Novels. 


By    Professor  Charles  H.  Handsrhin,   Miami  University,  Oxford,  O. 


In  compiling  this  bibliography  of  English  translations  of  German  novels, 
published  from  the  year  1800  to  date,  and  which  is  intended  as  a  guide  for 
American  readers,  it  was  thought  best  to  include  only  the  best  German  writers, 
although  others  have  often  found  a  ready  sale  in  America.  There  are  no  trans- 
lations of  Anzengruber,  Brentano,  Bitzius,  Fontane,  Gutzkow,  Immermann,  Postel. 

All  of  the  standard  catalogues,  such  as  the  Catalogue  of  the  British  Museum, 
the  American  Catalogue,  the  United  States  Catalogue,  the  Publishers  Weekly, 
and  others,  have  been  carefully  excerpted.  All  available  data  have  been  added. 

I  shall  be  thankful  for  any  additions. 

»  *  » 

Auerbach.    Brigitta,  tr.  Mac  Brayer.    R.  H.  Carathers;  also  J.  A.  Mac  Brayer, 

Lawrenceburg,  Ky.    25c. 
The  same,  tr.  C.  Bell.     London,  '80.     2  sh. 

Tales,  tr.  A.  H.  Fox,  Longmans,  1890;  also  Strangways,  1  sh.  6  d. 
The  Professor's  Wife,  a  Tale  of  the  Black-Forest  Life.     Tr.?     Drane,  '03. 
The  same.     Parker  &  Son,  '50. 
On  the  Heights,  tr.  Stern.     Published  by  Burt;  Caldwell,  75c;  also  Holt  & 

Co.;  Coates;  Rand  '91;  Winston  '02.     75c. 
The  same,  tr.  F.  E.  Bunnet.     (3  vols.)     Low  '67.    4  sh.  6  d. 
Village  Tales  from  the  Black  Forest,  tr.?     Bogue,  '46.     6  sh. 
Stories  of   the  Black   Forest,  tr.?     Longman's    (in    Episodes   from   German 

authors).     45c. 

Villa  on  the  Rhine,  tr.?     Holt  &  Co.     $2. 

The  Country  House  on  the  Rhine   (3  vols.),  tr.?     Bentley,  '70.     31  sh.  6  d. 
Lorley  and  Reinhard,  tr.  C.  T.  Brooks.     Dulan,  '77.     4  sh. 
Edelweiss,  tr.  Frothingham.     Low,  '60.     3  sh.  6  d. 
German  Tales,  tr.  C.  C.  Schackford.    Low,  '69.     3  sh.  6  d. 
Master  Bieland  and  his  Workmen,  tr.  E.  Hancock.     New  York,  '83.     5  sh. 
Spinoza,  tr.  E.  Nicholson.    Holt  &  Co.;  Low,  '82.    4  sh. 
Two  Stories.     Sonnenschein,  '82.     3  sh.  6  d. 
Barefooted  Maiden,  tr.?     Low,  '57.     6  sh. 
Little   Barefoot,   or   Strive   and   Trust    (70   illustrations).     Routledge,    72. 

7  sh.  6  d. 

Christian  Gellert  and  other  sketches,  tr.?     Low,  '58.     10  sh.  6  d. 
Ivo,  a  Village  Tale,  tr.?    Bogue,  '47. 

Joseph  in  the  Snow,  tr.  Lady  Wallace.     Saunders  &  O.,  '61.     31  sh.  6  d. 
Narrative  of  Events  in  Vienna,  tr.?     Bogue,  '49.    3  sh.  6  d. 
Convicts  and  their  Children.     Two  Village  Tales,  tr.?     Dulan,  77.     4  sh. 
The  Good  Hour,  or  the  Evening  Holiday,  tr.  H.  W.  Dulcken.     Routledge, 

75.    7  sh.  6  d. 

Baumbach.    Wonderful  Wonderland  Tales,  tr.  H.  Dole.  Simmons,  '03.    30c,  40c. 
The  same.     Stradling,  '03.    25c. 
Tales,  tr.?    Crowell.    40c,  50c,  75c,  $2. 
Summer  Legends,  tr.?     Crowell.     $1. 
The  Forgotten  Well,  tr.  White.    Lord,  '01.    25c. 


English  Translation  of  German  Novels.  187 

C ha, mis  so.      Peter    Schlemihl,    tr.    Hedge    (in     Prose     Writers     of     Germany). 
N.  Y.,  '55. 

The  same,  tr.  Carove.    Putnam;  also  Page;  Altemus;  Cassell;  Setliffe  &  Co. 
Dahn.     Captive   of   the   Roman   Eagles    (Bissula),  tr.   M.   J.    Safford.     McClurg, 
'02.    75c. 

Felicitas,  tr.  M.  J.  Safford.     McClurg,  '03.     $1.50;  also  Peck.  90c. 

Same',  tr.  M.  G.  Lansdale.     Neale,  '03.    $1. 

Same.     Industrial  Pub.  Co,,  '03. 

Same.     Longmans   (only  parts  of),  '90.    2  sh. 

Same.    MacMillan,  '93.    4  sh.  6  d. 

The  Scarlet  Banner,  tr.  M.  J.  Safford.    McClurg,  '03.     75c. 

A  Struggle  for  Rome,  tr.  Wolff sohn.    Bentley,  78.     31  sh.  6  d. 

Saga  of  Halfred,  the  Sigskald.     A  northern  Tale,  tr.  Veitch.     Gardner,  '86. 
6  sh. 

Fall  of  the  Vandal  Dragon,  tr.?    McClurg. 
Ebner-Eschenbach.     Beyond   Atonement,  tr. ?     Bonner.       50c,  $1. 

Same,  tr.?    Hurst.     35c. 

The  Child  of  the  Parish,  tr.?     Bonner.    25c,  50c,  $1. 
Eichendorff.     The  Happy  go  lucky,  or  leaves  from  the  life  of  a  good  for 

nothing,  tr.  A.  L.  F.  Wister.     Lippincott,  '06.     $2.50  and  $9. 
Fouque".     Undine,    tr.?     London,  MacMillan,  '97.       $2.00,  illustrated. 

Undine,   The   Two   Captains;    Aslanga's    Knight;     Sintram    and    his    Com- 
panions, tr.  F.  E.  Bunnett.     Burt  &  Co.     75c,  $1.00. 

Aslaugha's  Knight,  tr.  Carlyle   (in  German  Romance).     Bohn. 

Sintram  and  his  Companions,  tr.  Richards.     Lippincott,  '01.    $1.25. 

Same  and  Undine.     Young.     $1.50. 

Same  and  Aslauga's  Knight,  tr.?     MacMillan,  '00.       50c,  80c. 

The  Two  Captains  and  Undine.     Cassell.     lOc,  20c. 

Undine,     tr.?     Altemus.     40c,    50c;    also    Caldwell,  '05.      50c,    75c,    $1.25; 
Houghton.  25c. 

The  same,  tr.?     111.  by  Gordon  Browne.     E.  Young.    $1.50. 

The  same,  tr.  Edmund  Gosse.     McClurg.     $1.50. 

The  same,  tr.?     Mershon.  75c;  also  Page.  50c,  75c;  also  Donahue.  25c. 

The  same,  tr.  A.  L.  Alger.    Ginn  &  Co.    30c. 

The  same  and  Aslauga's  Knight.     Scribner's,  '01.    $'l.20   (Caxton  ser.) 

The  same  and  Sintram,  tr.?     Putnam.     50c,  $1.00. 

The  same  and  Sintram,    tr.?     Bay  View  Publ.  Co.     50c,  $1. 

The  same  and  Sintram,   tr.  ?    Houghton.     75c,  40c. 

The  same  with  Sintram  and  other  tales.     Houghton.      $1. 

The  same  and  Two  Captains,    tr.?    Cassell.     lOc,  20c. 

The  same  with  St.  Pierre's  Paul  and  Virginia.    Houghton.     75c,  40c. 

Undine   (Heath's  Home  and  School  Classics).     Heath,  '02.     35c. 

The  same.    Crowell.  (Astor  Lib.).  60c.     (Waldorf  Lib.)  75c. 

The  same.    Putnam,  '04.     75c. 

The  same  and  Sintram.    Hurst.     35c,  50c,  60c. 
Freytag.    The  Lost  Manuscript  (2  vols.),  tr.?     Open  Court,  '04,  $4,  $1  and  60c. 

The  same.  (3  vols.)     Chapman  &  H.,  '65.    31  sh.  6  d. 

The  same.    Appleton.     50c. 

Debit  and  Credit,  tr.  L.  C.  C.     Harper,  '58.    60c. 

The  same,  tr.?    Ward  &  L.,  1876.    2  sh. 

The  same,  tr.  N.  J.  Stewart.     Blackwood,  '57.     2  sh. 


188  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Pictures  of  German  Life  in   the    15th,   16th   and   17th   Centuries,    tr.   Mrs. 

Malcolm.     Chapman  &  H.,  '02.     21  sh. 
Pictures  of  German  Life  in  the  18th  and  19th  Centuries,    tr.  Mrs.  Malcolm. 

Chapman  &  H.,  1863.    21  sh. 
Our  Forefathers,  a  Novel,  tr.  Mrs.  Malcolm.     Asher,  73.     21  sh. 

Frennsen.    Jorn  Uhl.    tr.  Delmar.     Dana,  Estes  &  Co.,  '05. 
Holyland,  tr.  M.  Agnes.     Estes,  '06. 
The  Three  Comrades.     London.     Constable.     1907. 

Gerstftcker.     Germelshause,  tr.  C.  M.  Lathrop.     Crowell,  '06. 
Travels,    tr.?     Harper.     $1.50. 

Strange  Village  (Germelshausen),  tr.  ?     Kilner.    40c. 
Adventures  in  the  Tropics,  tr.?     Allison,  '08.    $1.00. 

Goethe.    Wilhelm  Meister,   tr.  Carlyle.   (Ed.  de  luxe).     Niccols,  '02. 
Same  with  Travels   (3  vols.).     Sribner,  '03.     $1.25. 
Wilhelm   Meister's   Travels    and    Recreations    of    German     Emigrants,    tr. 

Carlyle.     (Ed.  de  luxe.)     Niccols,  '02. 
Wilhelm     Meister    and    Recreations     of     German     Immigrants,      tr.     Dole. 

Niccols,  '02. 

Wilhelm  Meister.     Coates.  50c,  7f>c;   also  Caldwell    (2  v.)    $2.50,  $4.     1901. 
Same.    2  vols.     Estes.    $3.       1901. 

Same.     tr.  T.  Carlyle.  Hough  ton.     2  vol.     $3;    also  Burt.  $1.25,  $2;   Bohn. 
Same.     tr.  T.  Carlyle.     Scribner.     3  v.,  40c  each.     2  v.,  $1.25  each;    Same 

Me  Clurg,  $2.00. 

Same.     tr.  R.  D.  Boylan.    Mac  Millan,  $1.     Same  2  vols.  Hurst. 
Works,     tr.  J.  0.  Oxenford.     London,  1891.     (8  vols.),  $1.  each. 
Works.     (14  vols.),  each  $1.     Mac  Millan. 
Same    (5  vols.)    (subscription),  ^4   mor.  $50,  mor.  $60.     10  vols.  mor.  $100, 

lev.  $125;  Barrie. 

Same,  with  autobiography.     10  vols.  $10;  hf.  lea.  $15;  hf.  calf  $20.     Coryell. 
Same,  5  vols.,  $6,  $12.50.     Caldwell. 

Same  (new  lib.  ed.),  5  vols.  $5;  hf.  calf  $10.     Estes,  '01. 
Same,  selections  and  life  by  Lewes.     6  vols.  $10.     Houghton. 
Selections  from  Works.     Lathrop.     75c. 
Selections  from  Works.     Lippin.     $1. 
Poetry   and   Truth    (Autobiography).     2    vols.     Mac    Millan.      Each    $1.00. 

Same,  Estes,  $1.00. 

Boyhood.   (Part  1  of  Autobiography).     Mac  Millan.     50c. 
Boyhood  and  Youth  (11  books  of  Autobiography).    2  vols.,  ea.  50c.  Putnam. 
Tale  and  favorite  poems.    Houghton.     40c.  75c. 
Sorrows  of  Werther.     Page.     lOc  to  $1 ;  also  Cassell.     lOc,  20. 
The  same.     Educational  Pub.  Co.     lOc.     1902;  also  Page,  50c,  75c. 
The  same,   tr.  Boylan.    Niccols,  '02;  also  Caldwell,  '05.     40c,  50c,  75c,  $1.25. 
Truth  and  Fiction  relative  to  my  Life,    tr.  Oxenford.     Niccols,  '02. 
Elective  Affinities,    tr.  Boylan.     Mac  Millan.     $1. 
Hardenberg.     Henry  of  Ofterdingen,  a  romance  from  the  German  of  Novalia. 

Cambridge,  Mass.,  1842. 
The  same.    New  York,  '53. 

(To  be  continued.) 


Zeitschriftenschau. 


Von  Prof.  E.  C.  Roedder,  Ph.  D.,  Univ.  Wisconsin. 


American  Education  (Albany,  N.  Y.,  cd.  George  C.  Rowell),  vol.  XI,  No.  6 
(February,  1908),  pp.  292 — 294:  C.  E.  Arnoux,  The  Relation  of  Latin  to  the 
Study  of  Modern  Languages. 

Leugnet  den  Wert  des  Lateinischen  f  tir  das  Studium  lebender  Sprachen : 
1)  stehe  die  Ausspraehe  des  Lateinisehen  nicht  fest;  2)  schade  der  griindli 
chen  Auffassung  und  Aneignung  dieser  Spraehe  durch  den  Schiiler  das  Fehlen 
des  Artikels  ini  Lateinisehen,  sowie  3)  die  Trennung  der  Adjektiva  von  den 
Substantiven  und  des  Verbums  voni  Subjekt,  desgleicheu  4)  die  hier  unge- 
nauere  Angabe  der  Beziehungen  durch  Kasusendungen  gegeniiber  den  bestimm- 
ten  prapositionellen  Beziehungen  in  den  lebenden  Fremdsprachen,  feriier 
5)  das  Fehlen  des  Aorists  und  endlich  0)  die  Existenz  des  Gerundiums,  Gerun- 
divums  uud  Supinums,  mit  denen  der  Schiiler  niehts  anzufangen  wisse.  Jede 
neuere  Sprache  ware  zur  Erlernung  anderer  Fremdsprachen  zweckdienlicher 
als  das  Lateinische.  Auch  niachten  ,,die  unsagbaren  Laster,  die  unwiirdige 
Vollerei  und  die  entsetzlichen  Ausschweit'ungen  des  alten  Rom"  das  Lateini- 
sche zuni  Studium  in  den  Mittelschulen  uugeeignet  (der  Verfasser  denkt  offen- 
bar  an  die  Kaiserzeit,  denn  die  Schulschriftsteller  Casar,  Cicero  und  Vergil 
trifft  dieser  Vorwurf  nicht),  insonderheit  da  wir  sonst  derartiges  unsereu 
Kindern  im  Sekundarschulalter  ilngstlich  fernzuhalten  beinuht  sind.  (1st 
aber  auch  das  Schlimmste,  was  dem  Schiiler  in  diesein  Alter  von  lateinischer 
Literatur  in  die  Hand  fallen  diirt'te,  nicht  noch  hannlos  gegeniiber  einigen 
unserer  anierikanischen  Tagesblatter  gelber  Schattierung?)  —  Wahrend  sich 
iiber  die  These  des  Verfassers  sehr  wohl  reden  und  viel  zu  ihrer  Begrlindung 
beibringen  lasst,  so  ist  sie  mit  semen  diesmaligen  Ausftihrungen  keineswegs  be- 
wiesen;  es  liesse  sich  sogar  sagen,  dass  einige  der  charakteristischen  Ziige  des 
lateinischen  Sprachbaus,  gegen  die  Arnoux  seine  An  griff  e  richtet,  eben  wegen 
ihres  disziplinarischen  Wertes  eine  ausgezeichnete  Grundlage  fiir  jeden  wei- 
teren  Sprachunterricht  abgeben.  Womit  aber  nicht  etwa  gesagt  sein  soil,  dass, 
wo  nur  eine  Fremdsprache  erlernt  werden  kann,  der  moderuen  nicht  der  Vor- 
zug  vor  dem  Lateinischen  einzuraumen  ware.  Dies  iwt  eine  Frage  fiir  sich. 
Gegen  Arnoux  richtet  sich 

-  No.  9   (May,  1908} ,    pp.  433—434:    W.    Harry    Allen,    Latin    and 
Modern  Languages. 

Die  Wortstellung  des  Lateinischen  habe  den  grossen  Vorteil,  dass  sie 
durch  ihre  augenfalligen  Unterschiede,  entgegen  den  modernen  Sprachen,  den 
Schiiler  nicht  auf  die  Vermutung  fiihre,  wesentliche  Unterschiede  bestiinden 
iiberhaupt  nicht.  Seine  nnhe  Verwandtschaft  rnit  den  romanischen  Sprachen 
mache  es  zur  geeigneteren  Grundlage  des  Studium  dieser,  als  das  Deutsche  es 
sein  konne.  Ferner  sei  das  Lateinische  wertvoll  bei  der  Bestiminung  des 
Genus  in  den  modernen  Sprachen,  auch  im  Deutschen.  (Die  Beispiele  fiir 
dieses  sind  zwar  gut  gewHhlt,  beweisen  aber  gar  niehts;  wenn  auch  die  Hand 
zu  manus,  der  Fuss  zu  pes  stimmt,  wie  verhalt  es  sich  mit  das  Fenster  zu 
fenestra,  das  Buck  zu  liber,  das  Auge  zu  oculus,  das  Ohr  zu  auris,  der  Mund 
zu  0.9,  der  Arm  zu  brachium,  u.  s.  f.  ad  inflnitumf  Ich  sehe  in  der  Anwendung 
dieses  Prinzips  auf  den  deutschen  Unterricht  geradezu  eine  Gefahr,  die  Wahr- 
scheinlichkeit  heillosester  Verwirrung.)  Auch  die  tibertragung  deutscher  Zu- 


190  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

sainmeusetzuugen  wie  auttdriicken.  hcrleiten,  verwerfen,  Abscheu,  Mitleid,  UH- 
ttreitbar,  Umstand,  unterordnen  ins  Lateinische  gewShre  tlem  inlt  dieser 
Sprache  leidlich  bekannten  Schiller  beim  Studlum  des  Deutschen  mannlgfache 
Vorteile. 

Educational  Review  (Rahway,  A7.  ./.,  and  New  Yorfc,  ed.  Nicholas  Murray 
Butler),  vol.  35,  No.  4  (April,  1908),  pp.  325—330:  Harry  Thurston  Peck,  The 
Simplification  of  Language  Teaching. 

Unter  deiu  etwas  anspruchsvollen  Titel  verelnigen  sich  Empfehlungen 
zweier  Biicher,  des  Vocubulary  of  High  School  Latin  by  Gonzalez  Lodge  (New 
York,  1907)  —  deii  Wortschatz  des  Galllschen  Krleges,  einer  Anzahl  der  Reden 
Ciceros  und  der  ersten  ftinf  Bticher  der  Aeneis  umfassend  und  die  2000  hUu- 
figsten  ini  Druck  hervorhebend  —  und  des  First  Latin  Book  by  William 
Gardner  Hale  (Chicago  and  Boston,  1908),  Vorschlage  zur  Xnderung  der 
college  entrance  requirements  in  Latin  —  gewtinscht  wird  besondere  Vertraut- 
heit  mit  den  erwahnten  2000  Wortern  —  und  endlich  der  den  Neusprachlern 
erteilt  gute  Rat,  es  ebenso  zu  machen.  So  wiinschenswert  es  nun  auch  fur  den 
Lehrer  der  neueren  Sprache  w&re,  auf  einer  bestimmten  Stufe  des  Unterrichts 
bei  seinen  Schiilern  den  Besitz  eines  einheitlichen  Wortschatzes  von  2 — 3000 
Wortern  voraussetzen  zu  diirfeu,  so  wenig  ware  cine  Einigung  bei  der  Wahl 
einer  beschrankten  Anzahl  von  Texten  aus  dem  im  Vergleich  zum  Lateinischen 
so  unlibersehbar  reicheren  und  vielgestaltigeren  modernen  Schrifttum  zu  erzie- 
len,  wahrend  die  Lateinlehrer  sich  aus  zvvingenden  Griinden  auf  Cftser,  Cicero 
und  Vergil  beschranken.  Ich  glaube  nicht  weit  irre  zu  gehen,  wenn  ich  be- 
haupte,  dass  iin  Lager  der  Neusprachler  Professor  Pecks  gutgemeinter  Rat 
einstimmig  zuriickgewiesen  wtirde. 

The  Pedagogical  Seminary  (Worcester,  Mass.;  ed.  G.  Stanley  Hall),  vol. 
XV,  No.  1  (March,  1908),  pp.  63—74:  Florence  Mateer,  The  Vocabulary  of  a 
Four  Year  Old  Boy. 

Sehr  interessante  Arbeit  die  dazu  beitragen  sollte,  die  landlflunge  Ansicht 
von  der  lacherlich  geringeu  Anzahl  Worter,  mit  denen  man  im  tagliehen  Ge- 
brauch  auskommen  konne,  in  die  Rumpelkammer  zu  verweisen.  Das  aus 
Listen  und  Tabellen  hervorgehende  Ergebnis  ist,  dass  der  beobachtete  Knabe 
insgesamt  1020  Worter  (578  Substantiva,  211  Verba,  125  Adjektiva,  51  Adver- 
bia,  21  Pronomina,  18  PrS,positionen,  12  Interjektionen  und  4  Konjunktionen) 
gebrauchte.  Ein  anderthalb  Jahre  alterer  Junge  brachte  es  auf  1528  (in  der 
gleichen  Reihenfolge  der  grammatischen  Kategorien  folgendermassen  verteilt: 
883  —  321  —  236  —  40  —  22  —  5  —  20  —  1). 

The  School  Review  (University  of  Chicago  Press),  vol.  16,  No.  2  (Feb- 
ruary, 1908),  pp.  102 — 109:  G.  A.  Fritsche,  The  Study  of  the  Systematic 
Vocabulary. 

Diese  und  die  folgenden  Arbeiten  aus  dem  gleichen  Hefte  sind  Vortrftge 
oder  Ausztige  aus  solchen,  die  vor  der  deutschen  Abteilung  der  Twentieth  Edu- 
cational Conference  of  Academies  and  High  Schools  in  Relations  with  the 
University  of  Chicago  fiber  das  allgemeine  Thema  "The  Acquisition  of  a  Voca- 
bulary in  a  Modern  Language"  gehalten  wurden.  Fritsche  empfiehlt  ftir  den 
Zweck  die  Methode  Gouins  *  und  zwar  die  teilweise  darauf  aufgebauten  Werke 


*  NUheres  fiber  die  Amvendung  dieses  Yerfahrens  und  sonstige  wertvolle 
Winke  ffir  den  Anfangsunterricht  enthait  Professor  Handschins  Flugschrlft 
"How  do  you  teach  elementary  German?"  (The  Miami  Bulletin,  Series  6, 
Number  9,  January,  1908;  Miami  University,  Oxford,  Ohio). 


Zetischrifienschau.  191 

Kron's  "German  Daily  Life"  (New  York,  Newson  and  Co.),  und  Dr.  Gustav 
Kriiger's  "Systematic  German-English  Vocabulary'1  (Dresden  und  Leipzig, 
1893). 

ibid.,  pp.  109—112:   Paul  O.  Kern,  TJie  Study  of  Cognates  as 

an  Aid  in  the  Acquisition  of  a  Vocabulary. 

Nur  der  erste  Teil  des  Vortrages,  die  lautlich  verwandten  Worter  mit  be- 
sonderer  Itiicksicht  auf  die  zweite  Lautverschiebung  behandelnd  und  auf  Dr. 
Oscar  Weineck's  "Third  German  Reader"  (New  York,  F.  W.  Christern)  ver- 
weiseud,  ist  abgedruckt.  Die  Bedeutungsentwicklung  verwandter  WSrter 
wurde  besprochen  auf  Grund  von  Albert  Waags  ,,Bedeutungsentwicklung  un- 
sercs  Wortschatzes"  (Lahr,  klirzlich  in  zweiter  Auflage  erschienen)  und 
Michel  Breal's  "Essai  de  s&mantique"  (Paris  1897). 

ibid.,  pp.  112 — 115:   Gertrude   E.  Krause,    The   Study   of    the 

Vocabulary  in  Modern  Language  Teaching  as  Outlined  by  the  Reformers. 

1)  Ein  Wort  darf  nie  fur  sich,  sondern  nur  im  Zusammenhange,  beim 
Lesen  oder  beim  Gesprach,  gelernt  werden.  2)  Es  empflehlt  sich  die  Ein- 
reihung  des  Einzelwortes  in  eine  Gruppe,  wie  aufstehen,  an  die  Tafel  gehen, 
das  Buch  aufschlagen,  Haus,  Zimmer,  Mobel,  Familie,  Garten,  Wald  und 
Busch,  Spaziergang,  BesucJi,  Geburtstagsfeier  u.  dgl.  3)  Beim  Lesen  sind  neue 
Worter  durch  Frage  und  Antwort  zu  erlautern.  4)  Jedes  neue  Wort  ist  zu- 
nftchst  durch  wiederholtes  Sprechen,  also  durch  das  Gehor  einzupriigen.  ehe  es 
an  die  Tafel  geschrieben  wird.  5)  Es  ist  als  Glied  einer  Wortgruppe  zu  erler- 
nen,  z.  B.  nicht  einfach  to  strike,  sondern  to  strike  a  blow.  6)  Von  Zeit  zu 
Zeit  sind  die  erlernten  Worter  nach  Kategorien  zu  ordnen  (Kleidung,  Nah- 
rung,  Krieg  und  Frieden,  Jahreszeiten).  7)  Endlich  sind  sie  auch  nach  Ety- 
mologic und  Wortbildung  zusammenzustellen.  --  Die  Verfasserin  beruft  sich 
besonders  auf  Walter,  ,,Englisch  nach  dem  Frankfurter  Reformplan",  Marburg 
1900,  und  Karl  Breul,  "The  Teaching  of  Modern  Foreign  Languages  and  the 
Training  of  Teachers",  3d  ed.,  Cambridge,  1906.  Auch  auf  Walters  Vortrag, 
der  im  Juniheft  dieser  Zeitschrift  1907  (Band  VIII,  S.  192)  auszugsweise 
wiedergegeben  ist,  darf  hier  verwiesen  werden. 

ibid.,  pp.  115 — 118:   Edith  Furnas,  The  Study  of  Synonyms  as 

an  Aid  in  the  Acquisition  of  a  Vocabulary. 

Die  Definition  der  Synonyma  —  deren  wir  zur  Klarheit  und  Schonheit  des 
Stils  nicht  entraten  konnen,  sobald  wir  iiber  die  allt&glichen  materiellen  Be- 
dtirfnisse  hinausgehen  —  sollte  in  der  frernden  Sprache  geschehen;  als  Mu- 
ster ffirs  Deutsche  kann  Eberhardt-Lyons  bekanntes  Werk  dienen.  Der  Un- 
terschied  zwischen  Demut  und  Bescheidenheit  pragt  sich  auf  solche  Weise 
besser  ein  als  durch  die  tibersetzung  in  englisches  humility  und  modesty,  und 
die  ohne  Zweifel  grosse  Schwierigkeit  dieses  Verfahrens  wird  durch  das  selten 
erlahmende  Interesse  des  Schiilers  gehoben. 

F.  W.  Schacht,  The  Study  of  Derivatives  and  Composites  as 

an  Aid  in  the  Acquisition  of  a  Vocabulary. 

Der  Verfasser  hat  90  zusammengesetzte  Worter  gesammelt,  die  eine  Form 
oder  eine  Ableitung  von  ziehen  als  ersten  Komponenten  enthalten,  und  171,  die 
mit  einer  solchen  und  untrennbarem  PrUfix  oder  einer  der  gebrRuchlichsteu 
PrU,positionen  zusammengesetzt  sind;  insgesamt  also  261,  die  sich  nach  seiner 
Schatzung  leicht  auf  4 — 500  vermehren  liessen.  Er  schlUgt  vor,  die  Schiller 
aus  den  Spezialworterbiichern  der  Schultexte  ahnliche  Zusamrnenstellungen 
machen  zu  lassen.  —  Willkurlich  und  wissenschaftlich  unhaltbar  ist  des  Ver- 
fassers  Unterscheidung  zwischen  ,,echter"  und  ,,unechter"  Zusamniensetzung, 


192  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

je  nachdem  der  erste  Teil  unflektiert  oder  flektiert  1st;  denn  Oottesham, 
Konigssohn,  Herrenzimmcr,  lleamtenvcrein,  Odnsefuss  und  Hiihnerhof  z.  B. 
sind  durchaus  echte  Zusammensetzungen.  Wenn  ein  Unterschied  gemacht 
werden  soil,  so  muss  vor  alleiii  der  Akzent  berticksichtigt  werden. 

-  No.  4  (April,  1908),  pp.  258—264:    Walter  H.  Young,    Is  Modern 
Language  Teaching  a  Failure? 

Der  Artikel  wendet  sich  gegen  Professor  Grandgents  Ausfiihrimgen,  - 
die  vvir  an  dieser  Stelle  im  Dezemberhefte  vorigen  Jahres  (Band  VIII,  S.  334 
ff.)  auszugsweise  mitgeteilt  haben,  —  wie  die  Gleichheit  des  Titels  besagt,  und 
beantwortet  die  Frage  mit  einem  entschiedenen  Nein.  Auf  Grund  der  Ergeb- 
nisse  der  Priifungen,  die  der  Priifungsausschuss  fiir  den  Eintritt  ins  College, 
dessen  Anforderungen  so  ziemlich  von  jedem  College  im  Lande  anerkannt  wer- 
den, veroffentlicht  hat,  macht  Young  Aufstellungen,  aus  denen  unwiderleglich 
hervorgebt,  dass  Deutsch  an  erster  Stelle  stebt,  was  den  Prozeutsatz  der  er- 
folgreichen  Priiflinge  anbelangt;  Him  folgt  Griechisch,  dann  Franzosiscb  und 
an  letzter  Stelle  erst  Lateinisch.  Die  besten  Priifungsarbeiten,  mit  Zensuren 
zwischen  90 — ]00,  liefern  die  Studenten  des  Griecbischen  * ;  fiir  die  auderen 
Spracben  ist  die  Reibenfolge  Deutscb,  Latein,  Franzosiscb.  Neben  den  zahlen- 
inassigen  Beweisen  dieser  Sterblichkeitstabellen,  wie  wir  sie  nennen  wollen, 
sind  noch  andere,  nicht  minder  wichtige  Umstande  in  Recbnung  zu  zieben. 
Das  ueusprachliche  Eintrittsexamen  ist  schwerer  als  das  in  den  klassiscben 
Sprachen;  in  diesen  wird  dem  Priifling  zur  tibersetzung  ein  Text  vorgelegt, 
den  er  in  weitaus  den  meisten  Fallen  von  der  Scbule  ber  schon  kennt;  in  den 
neueren  Sprachen  in  99  Fallen  aus  100  ein  ihm  noch  vollig  unbekannter  Text. 
Auch  die  zu  bewaltigende  Arbeitsmenge  ist  in  den  neueren  Sprachen  weit 
grosser;  so  werden  im  dritten  Jahre  des  Lateinunterrichtes  durchschnittlich 
150,  im  Franzosischen  4 — 600  Seiten  gelesen.  Desgleicben  muss  der  Schtiler 
im  neusprachlichen  Unterricht  die  fremde  Sprache  sprechen,  Fragen  auf 
Deutsch  oder  Franzosisch  beantworten,  ganz  in  der  Fremdsprache  gefiihrten 
Unterrichtsstunden  beiwohnen.  Im  Examen  muss  er  darauf  gefasst  sein,  eine 
Stelle  aus  einem  modernen  englischen  Schriftsteller  in  die  Fremdsprache  iiber- 
setzen  (welcher  Unverstand!)  oder  einen  Brief  uber  das  Erdbeben  in  San 
Francisco  in  der  Fremdsprache  schreiben  zu  miissen;  alles  das  wird  dem  Stu- 
denten der  klassischen  Sprachen  nicht  zugemutet.  —  Seinen  besonderen  diszi- 
plinarischen  Wert  erhalte  der  klassische  Lehrgang  durch  straffere  Einheitlich- 
keit  in  Stoff  und  Lehrverfahren :  und  solche  Einheitlichkeit  sei  auch  in  dem 
neusprachlichen  Unterrichte  anzustreben.  Meine  Ansicht  hieriiber  habe  ich 
schon  oben  bei  der  Besprechung  von  Professor  Pecks  Aufsatz  dargelegt. 

University  of  Wisconsin.  Edwin  C.  Roedder. 


*  Dies  bestarkt  mich  in  meiner  a.  a.  O.  S.  335  ausgesprochenen  Vermutung, 
dass  die  glanzenden  Leistungen  der  Studenten  des  Griechischen  weniger  der 
Tfichtigkeit  des  Unterrichtes  als  dem  Umstande  zuzuschreiben  sind,  dasa  der 
Gegenstand  als  schwierig  gilt  und  von  vornherein  nur  begabtere  Schtiler 
anzleht. 


'  Monatshefte 

fiir  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:    FMagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 


IX.  September— Ofctobcr  1908.  ficft  7—8, 


Beim  Schulanfang. 


Aus  alien  Sagen  tonet  uns  die  Kunde 

Vom  heilgen  Gral  und  seiner  seltnen  Kraft, 
Dass,  wer  an  Leib  und  Seele  sei  erschlafft 

Und  ihn  erschaue,  \\ainderbar  gesimde. 

Es  fliehe  Gram  und  Unmut  ihn  zur  Stunde, 
Bezahmt  sei  jede  niedre  Leidenschaf t ; 
Ihm  fliesse  neuverjiingt  der  Lebenssaft, 

Und  schnell  vernarbe  jede  Erdenwunde. 

Dem  Grale  gleich  acht'  ich  den  regen  Geist, 

Der  uns  zu  segensreichem  Wirken  fiihrt 
Und  uns  zum  Kulte  alles  Edlen  weist. 

0,  werd'  sein  Walten  lieut  auf s  neu  verspiirt,, 
Die  Kette  treuer  Arbeit  fest  geschweisst 
Und  der  Begeist'rung  Feuer  wohl  geschiirt. 

Dr.  II.  II.  Fick,  Cincinnati. 


Protokoll 

Der  36.  Jahresversammlung  des  Nationalen   Deutschamerikanischen 

Lehrerbundes. 


Milwaukee,  Wis.,  30.  Juni  bis  3.  Juli  1908. 


(Offiziell.) 


Eroffnungsfeier. 

Es  war  eine  schone  und  eindrucksvolle  Feier^  womit  am  Abend  des  30.  Juni 
der  36.  Lehrertag  im  Alhambra  Theater  eroffnet  wurde.  Wie  bei  friiheren  Tagun- 
gen  in  Cincinnati,  so  machten  auch  in  Milwaukee  bei  dieser  Gelegenheit  die  Lieder- 
vortrage  des  Kindermassenchors  auf  die  Festteilnehmer  den  nachhaltigsten  Ein- 
druck.  Bekannte  deutsche  Volksweisen  von  hellen  klaren  Kinderstimmen  unter 
kundiger  Leitung  gesungen,  verfehlen  niemals  ihre  Wirkung.  Herr  Leo  Stern, 
Vorsteher  des  deutschen  Unterrichts  in  den  offntlichen  Schulen  Milwaukees,  eroff- 
nete  die  Feier  mit  einer  kurzen  Ansprache,  worin  er  auf  die  Ziele  und  Aufgabe  des 
Lehrerbundes  hinwies.  Der  Milwaukee!1  Miinnerchor  trug  hierauf  unter  Leitung 
seines  Dirigenten  Albert  C.  Kramer  drei  Lieder  mit  solcher  Warme  und  Prazision 
vor,  dass  er  sich  zu  einer  Zugabe  bequemen  musste.  Besonders  erntete  die  Sanger- 
schar  mit  der  Ballade  ,,Gothentreue"  stiirmischen  Applaus.  Der  President  der 
Milwaukee  Schulbehorde,  Herr  August  S.  Lindemann,  sowie  Schulsuperintendent 
Pearse  hiessen  die  deutschamerikanische  Lehrerschaft  in  kurzen  Ansprachen  herz- 
Hch  willkommen.  Herr  Pearse  wies  dabei  auf  den  Wert  der  Kenntnis  der  deut- 
schen Sprache  hin  ftir  die  Erziehung  der  Kinder  nicht  allein  deutschen,  sondern 
auch  anglo-amerikanischen  Ursprungs,  denen  dadurch  der  grosse  Schatz  deutscher 
Diehter  und  deutscher  Wissenschaft  erschlossen  wiirde. 

Herr  Max  Griebsch,  Direktor  des  Deutschamerikanischen  Lehrerseminars,  un- 
ter  dessen  bewahrten  Leitung  der  Kinderchor  sechs  prachtige  Lieder  so  herzer- 
freuend  zu  Gehor  brachte,  hiess  als  President  des  Lehrerbundes  die  Anwesenden 
ebenfalls  aufs  herzlichste  willkommen.  Er  'schloss  seine  mit  grossem  Beifall  auf- 
genommene  Begriissungs-Ansprache  mit  den  Worten:  ,,Ich  kann  Ihnen  keinen 
schoneren  und  herzlicheren  Gruss  entbieten,  als  den,  der  Ihnen  aus  den  vielen  hun- 
dert  Kinderkehlen  entgeggnschallt,  auf  die  ich  mit  Stolz  hinweisen  kann,  denn  es 
sind  ja  deutsche  Klange  und  deutsche  Worte,  die  die  Kinder  singen,  und  ich  kann 
mir  keinen  schoneren  Genuss  vorstellen,  als  deutsches  Lied  aus  deutschen  Herzen. 
Denn,  wenngleich  meine  Sftngershcar  patriotische  Amerikaner  sind,  so  haben  sie 
doch  noch,  dank  ihrer  deutschen  Schulerziehung,  Sinn  fiir  deutsche  Sprache  und 
deutschen  Geist." 

Damit  kam  die  Empfangsfeier  im  Theater  zum  Abschluss.  Die  auswartigen 
Giiste  und  die  Milwaukeer  deutsche  Lehrerschaft  begaben  sich  hierauf  zum  gemtit- 
lichen  Beisammensein  nach  der  Westseite  Turnhalle,  wobei  sie  nochmals  durch 
in'ehrere  Gesiinge  des  MUnnerchors  erfreut  wurden. 


Proiokoll  des  36.  Lehrertages.  195 

Erste  Hauptversammlung. 

Mittwoch,  den  1.  Juli  1908. 

In  Abwesenheit  des  Bundesprasidenten,  der  am  Vormittage  in  wichtiger  An- 
gelegenheit  nach  Chicago  reisen  musste,  eroffnete  der  Schriftfiihrer  um  viertel 
nach  neun  Uhr  die  Sitzung.  Der  geraiimige  und  luftige  Tunrsaal  des  Lehrersemi- 
nars,  der  sehr  hiibsch  mit  Blattpflanzen  und  Flaggentuch  geschmiickt  war,  diente 
dieser  Tagung  als  Versammlungslokal.  Zum  stellvertretenden  Vorsitzer  wurde 
Dr.  H.  H.  Fick  von  Cincinnati  vorgeschlagen  und  einstimmig  erwahlt.  Es  erfolgte 
alsdaim  die  iibliche  Erganzung  des  Vorstandes  durch  die  Wahl  von  Herrn  G.  J. 
Lenz  von  Milwaukee  und  Frl.  Louise  Beck  von  Dayton,  O.,  als  stellvertretende 
Schriftfiihrer  und  Herrn  Carl  Engelmann  von  Milwaukee  als  temporarer  Schatz- 
meister.  Die  Verlesung  des  Berichtes  des  Prasidenteii  sowie  des  Schatzmeisters 
wurde  auf  die  Donnerstag- Sitzung  verschoben.  Beschlossen,  den  Verfassungs-Ent- 
wurf  einem  Funfer-Komitee  zur  Durchberatung  zu  iibergeben,  das  in  der  nachsten 
Sitzung  als  erstes  Geschaft  dariiber  berichten  soil.  Der  Vorsitzer  ernannte  fiir 
dieses  Komitee  die  Herren  Leo  Stern  von  Milwaukee,  C.  E.  Baumann  von  Daven- 
port, F.  L.  Riemer  von  Carlstadt,  N.  J.,  und  Frl.  Marie  Duerst  von  Dayton,  Ohio. 
Auf  Antrag  von  Herrn  Stern  wurde  noch  Herr  Fick  diesem  Ausschuss  hinzuge- 
fiigt. 

Von  Frau  Mathilda  S.  Grossart,  Cleveland,  Vizeprasidentin  des  Lehrerbundes, 
war  ein  Telegramm  eingelaufen,  worin  sie  erfolgreiche  Tagung  wiinscht  und  be- 
dauert,  nicht  anwesend  sein  zu  konnen;  ferner  ein  Gliickwunsch- Telegramm  von 
Dr.  C.  J.  Hexamer,  dem  Prasidenten  des  Deutschamerikanischen  Nationalbundes . 
Beide  Depeschen  wurden  verlesen  und  dankend  entgegengenommen.  Ein  liebens- 
wiirdiges  Begrtissungsschreiben  vom  Deutschen  Pressklub  von  Milwaukee  soil 
durch  den  Schriftfiihrer  dankend  beantwortet  werden.  Der  Sekretar  wurde  auch 
beauftragt,  der  Tagsatzung  des  Nordamerikanischen  Turnerbundes  in  Chicago 
Gruss  und  Gliickwunsqh  des  Lehrertages  telegraphisch  zu  iibermitteln. 

Als  erster  Vortragender  dieser  Tagung  erhielt  nun  Dr.  A.  Hoelper  von  New 
York  das  Wort,  der  das  Thema  ,,Reformbestrebungen"  behandelte.*)  Dem  Vor- 
trage  folgte  eine  recht  lebhafte  Diskussion,  an  der  sich  hauptsachlich  die  Herren 
Stern,  Trost,  Schonrich,  Dorflinger,  der  Referent,  sowie  Frl.  Marie  Duerst  betei- 
ligten.  Herr  Stern  erkliirte,  dass  er  sich  freue,  wieder  einen  Vertreter  aus  dem 
Osten,  besonders  aus  New  York,  beim  Lehrertag  zu  sehen,  und  er  hoffe,  dass  'sich 
die  Beziehungen  zwischen  Osten  und  Westen  starken  und  neu  beleben  werden. — 
Kollege  Trost  war  der  Ansicht,  dass  sich  die  Schulverhaltnisse  Amerikas  in  den 
letzten  Jahren  bedeutend  gebessert  hatten.  Er  mahne  zur  Vorsicht  bei  Einfiih- 
rung  umfassender  Reformen;  allmahlich  nur  und  stufenweise  diirfen  dieselben 
kommen.  An  den  Hochschulen  seien  die  meisten  Reformen  notig,  da  dort  die 
Schiiler  und  Schiilerinnen  zu  friih  als  Herren  und  Damen  behandelt  wiirden.  Das 
grosste  Hindernis  und  ein  wahres  Ungliick  fiir  die  offentlichen,  hauptsachlicK  die 
Hochschulen  seien  indessen  die  Privatinstitute,  wo  die  jungen  Herrschaften  zu  ge- 
sellschaftlichen  ,,Helden  und  Heldinnen"  ausgebildet  wurden. 

Nach  der  viertelstundigen  Pause  gab  der  Vorsitzer  folgende  AusschUsse  be- 
kannt : 

Fttr  Nominationen :     C.  O.  Schonrich,    Baltimore;  'John  Eiselmeier,    Mil- 
waukee; Erich  Bergmann,  Cincinnati;  Frl.  Neeb,  Dayton,  O. 


*)     Samtliche  Vortrage  dieses  Lehrertages— auch  die  nicht  verlesenen— sind 
in  dieser  Doppelnummer  der  ,,Monatshefte"  abgedruckt. 


196  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Pddagogik 

Fiir  Beschliisse:  Dr.  A.  Hoelper,  New  York;  Fritsch,  Evansville,  Ind.; 
W.  Becker,  Cincinnati,  O.;  Scliildknecht,  New  Holstein,  Wis.,  undFrL 
Christensen,  Wheeling,  W.  V. 

Herr  Ernst  L.  Wolf  von  St.  Louis  hielt  hierauf  seinen  Vortrag  tiber  ,,Hilfs- 
mittel  im  modernen  Sprachunterricht". 

Ehe  man  zur  Diskussion  dieses  Vortrages  iiberging,  erhielt  Herr  Watrous,. 
President  der  Milwaukee  Citizens  Business  League,  Gelegenheit,  die  Anwesenden 
im  Namen  seiner  Liga  zu  begriissen  und  sie  in  der  Stadt  Milwaukee  willkommen 
zu  heissen. 

Bei  der  nun  folgenden  Debatte  fiber  Herrn  Wolfs  Vortrag  wollte  Herr  Perkins 
wissen,  wo  die  zumeist  sehr  kostspieligen  Lehrmittel  zu  erlangen  seien;  wahrend 
Herr  Schonrich  die  Frage  stellte,  wie  in  St.  Louis  das  Naturhistorische  Museum 
entstanden  sei  und  wie  es  unterhalten  und  geleitet  werde,  da  er  in  Baltimore  auf 
die  Schaffung  eines  solchen  Museums  hinarbeiten  mochte. 

Der  Vortrag  von  Herrn  John  Eiselmeier,  Milwaukee,  iiber  ,,Unsere  Lehrmit- 
telausstellung"  musste  wegen  Mangel  an  Zeit  auf  den  folgenden  Tag  verschoben 
werden.. 

Xachdem  der  Vorsitzer  die  Tagesordnung  fiir  die  Donnerstag-Sitzung  bekannt 
gegeben  hatte,  erfolgte  Vertagung. 

Die  Lehrmittelausstellung,  die  in  einem  grossen  Zimmer  des  Semi- 
nars, sachkundig  geordnet,  untergebracht  war,  bildete  einen  sehr  wesentlichen 
Teil  des  diesjahrigen  Lehrertages.  Sie  war  von  Seminardirektor  Griebsch  ins 
Leben  gerufen,  von  amerikanischen  sowie  deutschen  und  osterreichischen  Verlags- 
buchhandlungen  reichlich  beschickt  und  von  Herrn  Eiselmeier  systematisch  ge- 
ordnet worden.  Dem  Ortsausschuss  von  Milwaukee,  der  die  Kosten  der  Ausstel- 
lung  deckte,  gebiihrt  dafiir  die  Anerkennung  des  Lehrerbundes.  Wahrend  der  ver- 
schiedenen  Pausen,  sowie  auch  an  einem  Nachmittage  wurde  die  Ausstellung  un- 
ter  Fiihrung  des  allezeit  dienstbereiten  Arrangeurs,  der  auch  den  recht  (ibersicht- 
lichen  Katalog  dazu  angefertigt  hatte,  von  den  Lehrertagsbesuchern  grlindlich  in 
Augenschein  genommen. 

Mittwochnachmittag  f and  zu  Ehren  der  Gaste  eine  Festvorstellung 
im  Pabst-Theater  statt,  wobei  Goethes  ,,Iphigenie  auf  Tauris"  in  mustergiltiger 
Weise  aufgefiihrt  wurde.  Nach  der  Vorstellung  war  Damen-KafFee  im  Deutscheu 
Klub  und  abends  Herrenkneipe. 


Zweite  Hauptversammlung. 

Donnerstag,  den  2.  Juli  1908. 

Der  Priisident,  Herr  Max  Griebsch,  eroffnete  um  £10  Uhr  die  Sitzung  und  ver- 
las  sofort  seinen  Jahresbericht  wie  folgt: 

An  die  36.  Jahresversammlung    des    Nationalen    Deutschamerikanischen    Lehrer- 
bundes. 
Geehrte  Versammlung! 

Bei  dem  RUckblick  auf  das  verflossene  Vereinsjahr  geziemt  es  sich  zunachst 
derjenigen  zu  gedenken,  die  nicht  mehr  in  unserer  Mitte  weilen.  In  der  Nacht 
vom  8.  bis  9.  August  wurde  das  langjiihrige  Mitglied  unseres  Bundes,  Seminarleh- 
rer  Paul  Gerisch,  wiihrend  er  in  scheinbarer  Gesundheit  die  wohlverdiente  Ferien- 
rast  im  abgelegenen  Dorfchen  Fish  Creek  genoss,  plotzlich  vom  Tode  dahinge- 
rafft.  In  ihm  verier  das  Lehrerseminar  einen  fleissigen,  fahigen  und  treuen  Ar- 
beiter,  wir  alle  einen  lieben  aufrichtigen  Kollegen,  der  von  der  Aufgabe  unseres 
Bundes  erfiillt  war  und  an  ihrer  L6sung  mit  alien  Kraften  wirkte. 


Protokoll  des  36.  Lehrertages.  197 

Weit  iiber  die  Grenzen  unseres  Bundes  war  der  Name  Louis  Soldans,  des  rer- 
dienstvollen  Supt.  der  offentlichen  Schulen  St.  Louis',  bekannt  und  geehrt.  Auch 
er  wurde  mitten  in  seiner  Amtstatigkeit  plotzlich  durch  den  Tod  abgerufen.  Louis 
Soldan  gehorte  mit  zu  den  Griindern  unseres  Bundes  und  war  durch  lange  Jahre 
dessen  treuester  Anhanger  und  Forderer.  Auch  zu  der  Zeit,  wo  er  dem  Bunde 
fern  stand,  bezeugte  er  durch  seine  Wirksamkeit,  dass  unsere  Prinzipien  die  sei- 
nen  waren  und  in  ihni  hatten  deutsche  Erziehungsideale  einen  eifrigen  Vertreter 
auf  dem  amerikanischen  Schulboden.  Das  Andenken  beider  Toten  wird  von  uns 
in  Ehren  gehalten  werden. 

Die  Tatigkeit  Ihres  Vorstandes  wahrend  des  verflossenen  Vereinsjahres  war 
darauf  gerichtet,  erst  die  ihm  vom  vorigen  Lehrertage  gewordenen  Auftrage  zu 
erfiillen  und  die  nunmehr  begonnene  Tagung  so  vorzubereiten,  dass  sie  zu  einer 
nioglichst  erspriesslichen  sich  gestalte.  Der  Vorstand  unterbreitet  Ihnen  hiermit 
den  Entwurf  zur  Ablinderung  der  Bundesverfassung.  Bei  Feststellung  desselben 
waren  wir  entsprechend  Ihrer  Weisung  darauf  bedacht,  die  in  dem  Sternschen 
Vortrage  der  letzten  Tagung  enthaltenen  Vorschlage  zu  beriicksichtigen.  In  dem 
Programm  liessen  wir  es  uns  angelegen  sein,  sowohl  den  engeren  Interessen  des 
deutschen  Sprachlehrers,  als  auch  den  allgemeinen  des  Erziehers  gerecht  zu  wer- 
den. 

Mit  besonderer  Genugtuung  weisen  wir  auf  die  gebotene  Ausstellung  von 
Lehrmitteln  fiir  den  modern -sprachlichen  Unterricht,  und  zwar  sagen  wir  in  glei- 
cher  Weise  Dank  den  Verlagsbuchhandlungen  fiir  ihr  freundliches  Entgegenkom- 
men  und  dem  Ortsausschuss  unserer  Stadt,  der  in  bereitwilliger  Weise  unsere  An- 
regung  aufnahm  und  die  nicht  unbedeutenden  Kosten  des  Unternehmens  aus  sei- 
nen  Mitteln  bestritt.  Die  Interessen  unseres  Bundes  finden  eine  zielbewusste 
Forderung  in  dem  hiesigen  Lehrerseniinar.  Audi  das  Seminar  darf  auf  ein  Jahr 
zuriickblicken,  das  dazu  beitrug  seine  Wirksamkeit  zu  erweitern  und  zu  vertie- 
fen.  Der  bisher  dreijahrige  Kursus  wurde  zu  einem  vierjahrigen  erweitert.  In 
dem  Deutschamerikanischen  Nationalbunde  hat  das  'Seminar  einen  Boden  gefun- 
den,  auf  dem  es  fester  stehen  und  sich  weiter  ausbreiten  kann.  Die  Konvention 
des  Nationalbundes,  welche  in  den  Oktobertagen  vorigen  Jahres  in  New  York  ab- 
gehalten  wurde,  zeigte  dadurch  reges  Interesse  an  dem  Gedeihen  der  Anstalt,  dass 
sie  beschloss,  durch  Gewlihrung  von  Stipendien  aus  den  einzelnen  Zweigvereinen 
des  Bundes  dem  Seminar  Schiller  zuzufiihren  und  Mittel  und  Wege  zu  finden,  die 
notwendige  Vergrossenmg  des  Stammkapitals  der  Anstalt  zu  erreichen. 

Die  finanzielle  Lage  unseres  Bundesorgans  war  durch  die  in  unserer  letzten 
Tagung  zu  Cincinnati  beschlossene  Bewilligtmg  eines  auf  drei  Jahre  laufenden 
Zuschusses  von  $250  pro  Jahr  eine  zufriedenstelleiide.  Allerdings  ware  es  zuwiin- 
schen,  dass  der  Leserkreis  der  ,,Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padago- 
gik"  sich  so  vermehre,  dass  die  Bewilligung  von  Zuschiissen  sich  eriibrigte.  Es 
sollte  ein  Leichtes  sein,  bei  der  grossen  Anzahl  von  deutschen  Lehrern  an  den 
Schulen  des  Landes  die  Abonnentenzahl  des  Bundesorganes  zu  verdoppeln.  Dies 
wiirde  uns  in  den  Stand  setzen  durch  Erweiterung  des  Lesestoffes  manche  Man- 
gel zu  beseitigen,  was  wir  gegenwtirtig  auch  beim  besten  Willen  nicht  zu  tun  ver- 
mogen. 

Der  Nationale  Deutschamerikanische  Lehrerbund  blickt  auf  eine  33jahrige 
Tatigkeit  zuriick.  Was  er  fiir  die  Entwickelung  des  Schulwesens  in  unserem 
Lande  bisher  getan  hat,  wird  sicherlich  von  vorurteilslos  denkenden  Freunden  an- 
erkannt  werden.  Auch  ist  seine  Wirksamkeit  noch  nicht  erschopft.  Solange  in 
dem  Erziehungswesen  unseres  Landes  dem  zweisprachigen  Unterricht  noch  nicht 
die  voile  Berechtigung  zuerkannt  wird;  solange  der  deutsche  Sprachunterricht 


198  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

selbst  nur  in  mechanischer  Weise  betrieben  wird;  solange  der  gesamte  Unterricht 
in  unseren  Schulen  noch  in  Mechanismus  und  didaktischen  Materialismus  versun- 
ken  ist,  oder  unverantwortlichen  Weltverbesserern  als  Spielball  (iberliefert 
bleibt;  solange  ist  es  die  Pflicht  unseres  Bundes  fest  und  stark  bei  seinen  Grund- 
satzen  zu  stehen  und  deren  Befolgung  zu  verfechten.  Es  muss  das  Ziel  unserer 
Bestrebungen  sein,  den  deutschen  Sprachunterricht  zu  einem  integrierenden  Be- 
standteile  des  Lehrplanes  der  Volksschule  zu  machen.  Der  deutsche  Lehrstoft 
unserer  High  Schools  und  Universitiiten  sollte  in  organischer  Verbindung  mit  dem 
der  Volksschule  stehen.  Nicht  nur  deutsches  Lesen  und  Schreiben,  Grammatik 
und  tibersetzen  sollten  unsere  Ziele  sein,  sondern  unsere  Schiller  sollten  mit  der 
Kenntnis  der  deutschen  Sprache  auch  deutschen  Geist  und  deutsche  Denkungsweise 
in  sich  aufnehmen  und  verstehen  lernen.  Das  Panier  deutscher  Erziehungs-  und 
Unterrichtsprinzipien,  die  auf  wahre  Bildung  hinarbeiten,  sollte  von  unserem 
Bunde  unentwegt  hochgehalten  werden.  Dann  wurde  der  Nationale  Deutschame- 
rikanische  Lehrerbund  nicht  nur  in  dem  gegenwartigen  Kulturkampfe  des  Deutsch- 
tums  in  unserem  Lande,  das  sich  endlich  seiner  Bedeutung  fiir  unsere  werdende 
Nation  bewusst  wird,  der  wichtigste  Faktor  sein,  sondern  er  wiirde  auch  unserem 
gesamten  Schulwesen  eine  Forderung  gewiihren,  deren  Segnungen  sich  noch  in 
ferner  Zukunft  fiihlbar  machen  wiirden. 

Max  Griebsch,  President. 

Dieser  Bericht  wurde  angenommeii.  Herr  Martin  Schmidhofer  von  Chicago, 
der  einige  Tage  vor  der  Konvention  nach  Europa  gereiat  war,  hatte  seinen  Schatz- 
meister-Bericht  iiber  das  verflossene  Vereinsjahr  eingeschickt.  Nach  diesem  Fi- 
nanzausweis  betrug  am  20.  Juni  1908  der  Kassenbestand  des  Lehrerbundes  $278.80. 
Der  Bericht  wurde,  wie  iiblich,  an  ein  Revisions-Komitee  von  Dreien,  das  der  Prtl- 
sident  ernennen  soil,  verwiesen.  Eine  Dank-  und  Gliickwunsch-Depesche  von  der 
Tagsatzung  des  Nordamerikanischen  Turnerbundes  wurde  verlesen  und  ange- 
nommen. 

Hierauf  kam  das  Verlesen  des  Verfassungsentwurfes  an  die  Reihe.  Hr.  Stern, 
der  Vorsitzer  des  Spezialkomitees,  an  welches  clieser  Entwurf  zur  Durchberatung 
verwiesen  wurde,  schickte  voraus,  dass  das  Komitee  den  vom  Vollzugsausschuss 
unterbreiteten  Entwurf  zur  Annahme  empfehle  bis  auf  einige  Abanderungen.  Die 
wichtigste  davon  enthalte  der  Paragraph  9,  der  lauten  solle:  ,,Jedes  Migtlied  ist 
solange  zur  Zahlung  des  Jahresbeitrages  von  zwei  Dollars  verpflichtet,  bis  es  sei- 
nen Austritt  schriftlich  beim  Schatzmeister  anzeigt." 

Dr.  Fick  von  Cincinnati  begriisste  diesen  Vorschlag,  der  einstimmig  angenom- 
men  wurde,  mit  Freuden  und  meinte,  dass  dies  das  einzige  Mittel  sei,  aus  dem 
Lehrerbunde  ein  festes  Gefiige  zu  machen  und  die  Mitglieder  zusammenzuhalten, 
wiihrend  unter  dem  bisherigen  System  niemand  wiisste,  wieviel  Mitglieder  der 
Bund  eigentlich  ziihle.  Manche  kiimmerten  sich  jahrelang  nicht  um  den  Verband 
und  so  kam  es,  dass  derselbe  in  einem  Jahre  30,  im  andern  300  Minglieder  stark 
war. 

Eine  zweite  Abanderung  der  Statuten  bezieht  sich  auf  die  Form  der  Mit- 
gliedschaft.  Wahrend  bisher  Zweig-  und  Lokalverbande  der  deutschamerikani- 
schen  Lehrerschaft  als  solche  dem  nationalen  Lehrerbund  angehoren  durften,  sol- 
len  von  jetzt  an  nur  Einzelmitglieder  dem  Bunde  angehoren  konnen. 

Schliesslich  wurde  noch  vorgeschlagen,  die  bestehende  Prtifungskommission 
des  Lehrerseminars  in  Milwaukee  aufzugeben  und  mit  ihren  Pflichten  den  Lehr- 
ausschuss  zu  betrauen,  der  aus  den  sechs  im  Seminarvorstande  befindlichen  Mit- 
gliedern  des  Lehrerbundes  gewilhlt  wird.  Zur  Bestreitung  der  Auslagen  des  Prti- 


ProtoTcoll  des  36.  Lehrertages.  199 

fungsausschusses  bezahlt  die  Bundeskasse  dem  Verwaltungsrate  des  Seminars  all- 
jahrlich  die  Summe  von  sechzig  Dollars. 

Die  von  dein  Spezial-Komitee  vorgeschlagenen  Abanderungen,  sowie  die  ganze 
Verfassung  wurde,  nachdem  sie  paragraphenweise  verlesen  war,  einstimmig  ange- 
nommen.*) 

Nach  der  Erfrischungspause  hielt  Emil  Kramer  von  Cincinnati  seinen  Vor- 
trag  iiber  ,,Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers".  Die  Debatte  dariiber  wiirde  bte 
zur  Freitag-Versammlung  verschoben. 

Dr.  Fick  verlas  hierauf  den  Bericht  der  Priifungskommission  des  Lehrersemi- 
nars  fur  das  vergangene  Jahr,  der  wie  folgt  lautete: 
An  den  Priisidenten  und  die  Mitglieder  des  Nat.  D.  A.  Lehrerbundes. 

Die  wahrend  der  letzten  Tagung  des  N.  D.  A.  L.  ernannte  Priifungskommis- 
sion erlaubt  sich  folgenden  Bericht  zu  unterbreiten : 

Wahrend  des  Jahres  hat  Herr  Leo  Stern,  Milwaukee,  dem  Seminar  seine  be- 
sondere  Aufmerksamkeit  zuteil  werden  lassen.  Bei  der  Schlusspriifung  war  ausser 
ihm  noch  H.  H.  Fick,  Cincinnati,  anwesend,  wilhrend  das  dritte  Mitglied  der  Kom- 
mission,  Herr  H.  Woldmann,  Cleveland,  nicht  zugegen  war. 

Das  Seminar  zahlte  am  Schlusse  des  Jahres  5  Zoglinge  in  der  ersten  Vorbe- 
reitungsklasse,  3  in  der  zweiten,  8  in  der  ersten  und  10  in  der  zweiten  Normal- 
klasse,  im  ganzen  26  Schiiler,  wo  von  nur  zwei  mannlichen  Geschlechtes.  Es  ist 
unbegreiflich  und  in  hohem  Grade  beklagenswert,  dass  immer  noch  so  wenige  sich' 
der  ausserordentlich  giinstigen  Gelegenheit  bedienen,  eine  au'sgiebige  fachliche 
Vorbildung  fiir  den  Erzieherberuf  zu  erlangen,  und  besonders,  dass  so  wenige  junge 
Manner  sich  dazu  melden.  Die  Hilfsmittel  des  Seminars  sind  in  jungster  Zeit 
bedeutend  vermehrt  worden  und  iibertreffen  die  der  meisten  Anslalten  ahnlicher 
Art,  wodurch  die  Leistungsfahigkeit  auf  eine  hohe  Stufe  gebracht  worden  ist. 
Der  Nationalbund  und  andere  Korperschaften  habeii  es  sich  angelegen  sein  las- 
sen, namhafte  Summen  als  Stipendien  fiir  von  ihnen  zu  bestimmende  Zoglinge 
zu  bewilligen.  Das  gute  Werk  sollte  fortgesetzt  und  erweitert  werden.  Immer 
kin  muss  aber  in  allererster  Reihe  Sorge  getragen  werden,  der  Anstalt  Schiiler 
zuzufiihren. 

Die  schriftlichen  Priifungsarbeiten  der  zweiten  Normalklasse,  deutschen  und 
englischen  Aufsatz,  deutsche  und  englische  Grammatik,  sowie  Weltgeschichte  um- 
fassend,  sind  von  samtlichen  Mitgliedern  der  Priifungskommission  einer  genauen 
Durchsicht  unterzogen  worden.  Sie  verdieneii  nach  Form  und  Inhalt  durchweg 
voiles  Lob.  Miindlich  wurden  die  zweite  Normalklasse  in  der  deutschen  tind  in 
der  englischen  Literatur,  der  Erziehungsgeschichte  und  in  der  Piidagogik  gepriift, 
wie  auch  statutengemiiss  die  iibrigen  Seminar klassen  ein  Examen  in  den  wahrend 
des  Jahres  zum  Abschluss  gelangten  Wissensfiichern  ablegten.  Von  den  Unter- 
richtsproben,  welche  die  Abiturienten  in  den  Klassen  der  D.  E.  Akademie  vornah- 
men,  waren  sechs  in  deutscher  und  vier  in  englischer  Sprache.  Die  Leistungen 
waren  durchweg  befriedigend  und  bekundeten  die  Befahlgung  der  Lehramtsbewer- 
ber,  sicher  auftretend  vor  Schulern  zu  erscheinen  und  wohlvorbereitete  Lektionen 
geschickt  und  erfolgreich  durchzufiihren.  Auf  Grund  des  Priifungsbefundes  und 
im  Einklang  mit  dem  Urteil  des  Lehrerkollegiums  wurde  das  Diplom  des  Semi- 
nars erteilt  dem  Herrn  Theodor  Charly  und  den  Fraulein  Mathilde  Bilger,  Agnes 
Caspar,  Alida  Degeler,  Irma  Desebrock,  Anna  Erlwein,  Viola  Hall,  Clara  Ische, 
Elsa  Kahlo  und  Edith  Roller. 


*)     Die  neue  Verfassung  des  Lehrerbundes  ist  an    anderer  Stelle  der  ,,Mo* 
natshefte"  abgedruckt. 


200  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Unter  den  jungen  Damen  befindet  sich  eine  von  nichtdeutscher  Abstammung, 
deren  Beherrschung  der  zweiten  Sprache  mustergiiltig  genannt  werden  muss.  Im 
Hinblick  auf  die  stets  wachsende  Schwierigkeit,  in  geniigender  Zahl  geeignete 
Lehrkrafte  fiir  den  deutschen  Unterricht  zu  beschaffen,  sollte  die  erwahnte  Tat- 
sache  ein  Fingerzeig  fiir  begabte  nichtdeutsche  Lehramtsaspiranten  sein. 

Die  Jahrespriifungen  im  Seminar  finden  nach  einem  vorgeschriebenen  Plane 
statt.  Sie  sind  ausgedehnt  und  ermudend  und  stellen  Anforderungen  an  dieKan- 
didaten  und  Kandidatinnen,  welche  diese  physisch  in  hohem  Masse  in  Leidenschaft 
ziehen.  Es  mochte  sich  empfehlen,  die  umfassende  miindliche  Priifung  durch  den 
Klassenlehrer  von  der  Kommission  zu  vereinfachen,  abzukiirzen  oder  durch  ein 
anderes  Verfahren  zu  ersetzen. 

An  manchen  Orten  des  Landes  bilden  sich  strebsame  und  tiichtige  junge  Leute 
privatim  auf  den  Lehrerberuf  vor,  bestehen  die  vorgeschriebenen  Priifungen  und 
beginnen  dann  die  Schularbeit,  ohne  die  Vorteile  praktischer  tibungen  im  Klas- 
senzimmer  genossen  zu  haben.  Die  Priifungskommission  mochte  der  Seminarver- 
waltung  nahe  legen,  auf  Mittel  und  Wege  zu  sinnen,  'einen  kurzen  Sommerkursus 
fiir  Lehramtskandidaten  einzurichten. 

Der  Leitung  und  dem  Lehrkorper  des  Seminars  gebiihrt  der  Dank  fiir  die 
Miihe  und  den  Eifer,  der  schweren  Aufgabe  der  Anstalt  in  immer  hb'herem  Grade 
gereclit  zu  werden.  Achtungsvoll  unterbreitet, 

H.   H.  Fick,  Cincinnati. 
Leo  Stern,  Milwaukee. 

Milwaukee,  am  27.  Juni  1908. 

Nach  Annahme  dieses  Berichtes  richtete  Herr  Stern  die  dringende  Bitte  an 
die  Lehrerschaft,  in  ihren  Kreisen  darauf  hinzuwirken,  dass  sich  mehr  junge  Leute 
dem  Lehrerberufe  widmen.  Wahrend  Lehrer  und  Lehrerinnen  des  englischen 
Sprachunterrichts  oft  monate-  und  jahrelang  auf  Anstellung  warten  miissen,  seien 
Lehrer  der  deutschen  Sprache  stets  gesucht.  Besonders  sollten  dem  Lehrersemi- 
nar  mb'glichst  viele  Zoglinge  zugefiihrt  werden;  das  ware  noch  notiger  als  Geld, 
obzwar  auch  dieses  willkommen  sei.  Von  Herrn  Griebsch  wurde  dieser  Appell 
aufs  wiirmste  unterstiitzt. 

Die  Herren  Purin  und  Stern  ermahnten  sodann  die  Alumnen  des  Lehrersemi- 
nars,  die  Begeisterung  filr  ihren  erst  letztes  Jahr  gegriindeten  Verband  nicht  so 
schnell  erkalten  zu  lassen,  worauf  Herr  Straube  ankiindigte,  dass  die  beim  Leh- 
rertag  anwesenden  Alumnen  am  Freitag  vor  der  Hauptsitzung  zusammenkommem 
wiirden,  um  ihren  Verein  neu  zu  beleben. 

Ein  Schreiben  der  23.  Tagsatzung  des  X.  A.  Turnerbundes  beziiglich  Ertei- 
lung  des  Turnunterrichts  im  Seminar  wurde  verlesen. 

Vom  Seminardirektor  Griebsch  wurde  die  Angelegenheit  eingehend  erortert, 
worauf  Dr.  Pfister  seine  Ansicht  iiber  den  Fall  aussprach.  Auf  Antrag  von  E. 
Kramer  wurde  das  Schreiben  auf  den  Tisch  gelegt,  da  die  Angelegenheit  nur  den 
Verwaltungsrat  des  Lehrerseminars  angehe.  Der  Antrag  solle  darum  nicht  als 
eine  Missachtung  des  Turnerbundes  angesehen  werden. 

Als  Vorsitzer  des  Nominationsausschusses  unterbreitete  Herr  Schonrich  fol- 
genden  Bericht: 

Der  Nominationsausschuss  'empfiehlt  der  36.  Tagsatzung  des  Nat.  D.  A.  Leh- 
rerbundes  f olgende  Mitglieder  als  Bundesvorstan  d:  Carl  Engel- 
mann,  Milwaukee;  Dr.  H.  H.  Fick,  Cincinnati;  Max  Griebsch,  Milwaukee; 
Dr.  A.  Hoelper,  New  York;  Anna  Hohgrefe,  Milwaukee;  Emil  Kramer, 
Cincinnati;  Matilda  Neeb,  Dayton;  C.  0.  Schonrich,  Baltimore;  Ernst 


ProtoTcoll  des  36.  Lehrertages.  201 

Wolf,  St.  Louis.  Als  Komitee  zur  Pflege  des  D  e  u  t  s  eh  e  n: 
Dr.  H.  H.  Fick,  Cincinnati;  Leo  Stern,  Milwaukee;  Mathilda  Neeb,  Day- 
ton, O.;  Mathilda  Grossart,  Cleveland,  O.;  Carl  Herzog,  New  York. 

Als  Ort  fur  die  nachste  Tagsatzung  empfehlen  wir  die  Stadt  New 
York. 

Ehe  zur  Beschlussfassung  iiber  diesen  Bericht  geschritten  wurde,  unterstiitzte 
Dr.  Hoelper  die  Empfehlung  des  Nominationsausschusses,  den  nachsten  Lehrer  - 
tag  wieder  im  Osten  und  zwar  in  New  York  abzuhalten,  in  beredter  und  herzli- 
cher  Weise.  Er  versicherte,  dass  die  Besucher  sich  ganz  gewiss  auch  in  der  Me- 
tropole  am  Hudson  vortrefflich  amiisieren  wurden;  dabei  erinnerte  er  noch  da- 
ran,  dass  daselbst  auch  gleichzeitig  das  silberne  Jubilaum  des  ,,Vereins  derDeut- 
schen  Lehrer  von  New  York  und  Umgegend"  gefeiert  wurde. 

Der  Bericht  des  Nominationskomitees  sowie  auch  die  Einladung  des  Herrn 
Dr.  Hoelper  wurde  durch  Erheben  von  den  Sitzen  angenommen. 

Der  Vortrag  von  Herrn  Eiselmeier  sowie  auch  die  Verlesung  des  Spanhoofd- 
schen  Vortrages,  die  beide  noch  fur  diese  Sitzung  auf  der  Tagesordnung  standen, 
raussten  wegen  Zeitmangel  ausfallen,  denn  es  war  bereits  halb  ein  Uhr,  als  Ver- 
tagung  eintrat. 

Am  N  a  ch  m  i  1 1  a  g  wurde  zunachst  unter  Fuhrung  von  Herrn  Eiselmeier 
die  Lehrmittelausstellung  besichtigt,  und  gegen  Abend  begaben  sich  samtliche  De- 
legaten  des  Lehrertages  zum  Festessen  nach  Whitefish  Bay,  das  vom  Milwaukee!* 
Musikverein  veranstaltet  worden  war.  Das  geplante  Sommernachtsfest,  das  dem 
Bankett  folgen  sollte,  musste  der  nasskalten  Witterung  wegen  ausfallen.  Im 
Pavilion  wurden  indessen  die  Festteilnehmer  durch  Musikvortrage  der  gastieren- 
den  Truppen  des  Resorts,  sowie  besonders  durch  die  schonen  Lieder  des  Musik- 
vereins  reichlich  entschadigt. 


Schlussversammlung. 

Freitag,  den  3.  Juli  1908. 

Der  stellvertretende  Vorsitzer,  Dr.  Fick,  eroffnete  kurz  nach  neun  Uhr  die 
Schlusssitzung,  worauf  der  Schriftfiihrer  das  Protokoll  iiber  die  Verhandlungen 
des  vorhergehenden  Tages  verlas,  das  angenommen  wurde.  An  den  Kollegen  The- 
odor  Meyder  von  Cincinnati,  eines  der  altesten  Mitglieder  des  Bundes  und  regel- 
iniissigen  Besuchers  der  Lehrertage,  wurde  aus  Anlass  seiner  schweren  Erkran- 
kung  eine  Kondolenz-Depesche  abgeschickt,  worin  ihm  baldige  Genesung  ge- 
wiinscht  wird. 

Bei  der  Debatte  iiber  den  Vortrag  von  Herrn  Kramer  erklarte  sich  Herr 
Rathmann  von  Milwaukee  vollig  einverstanden  mit  den  in  dem  Vortrag  niederge- 
legten  Ansichten  iiber  die  Fortbildung  der  Lehrer.  Herr  Stern  sagte,  dass  in 
Milwaukee  der  Versuch  mit  den  Lehrer-Fortbildimgsklassen  sich  sehr  gut  be- 
wahrt  habe.  Die  Literaturklassen  seien  dabei  am  besten  besucht  gewesen. 

Als  hierauf  einige  geschaftliche  Angelegenheiten  erledigt  wurden,  richtete 
Frau  Charlotte  Neeb  von  Cincinnati  an  den  Seminardirektor  die  Frage,  ob  auch 
Farbige  als  Schiller  in  seiner  Anstalt  aufgenommen  wurden.  Herr  Griebsch  gab 
zur  Antwort:  ,,Wir  kennen  in  unserem  Seminar  weder  Religions-  noch  Rassen- 
unterschiede.  Jeder,  der  die  deutsche  Sprache  erlernen  und  sich  in  derselben  ver- 
vollkommnen  will,  ist  herzlich  willkomraen." 

Frau  Neeb  dankte  Herrn  Griebsch  und  meinte,  dass  sich  ihre  farbige  Schiile- 
rin,  Margaret  Davis,  herzlich  freuen  werde,  wenn  sie  die  Nachricht  erhielte,  dass 
sie  im  Milwaukeer  Seminar  aufgenommen  wird. 


202  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  P'ddagoglk. 

Auf  Antrag  von  Herrn  Kramer  wurde  beschlossen,  dass  der  Verlag  der  ,,Mo- 
natshefte"  eine  geniigende  Anzahl  Separatbeziige  der  neuen  Konstitution  her- 
stelle. 

Professor  James  Taft  Hatfield  von  der  North  Western  Universitat,  Evans- 
ton,  111.,  hielt  sodann  einen  Vortrag  iiber  ,,Deutsche  und  angelsiichsische  Verhalt- 
nisse  in  Amerika".  Nach  der  Pause  wurde  die  Diskussion  dieses  Vortrags  aufge- 
nommen,  wobei  Dr.  Hoelper  meinte:  ,,Als  Begriindung  der  Meinungsverschieden- 
heit  zwischen  Deutsch-  und  Angloamerikanern  wird  bedauerlicherweise  immer 
wieder  die  Alkoholfrage  in  den  Vordergrund  gedrangt.  Dies  entspricht  nicht  den 
wahren  Tatsachen.  Es  sind  vielmehr  nur  die  Umtriebe  der  englischen  Kirche, 
die  das  Deutschtum  und  vor  allem  die  personliche  Freiheit  angreifen.  DieseHer- 
ren  sollten  von  der  Kanzel  herab  die  wahre  Religion  predigen,  aber  nicht  Politik 
treiben  und  hetzen." 

Als  letzter  Vortragender  erhielt  hierauf  Professor  Ernst  Voss  von  der  Wis- 
consin Staatsuniversitat  das  Wort,  der  sich  das  Thema  gewahlt  hatte:  ,,Die 
Volksschule  einer  modernen  Republik,  eine  Bildungsanstalt  moderner  Idealisten".  * 
Bei  der  diesein  Vortrage  folgenden  Debatte  dankte  Frau  Marie  Diirst  von  Day- 
ton, O.,  eine  geborene  Schweizerin,  Herrn  Voss  fiir  die  ihrer  Heimat  gezollte  An- 
erkennung  mit  den  Worten:  ,,Dass  unsere  Jugend  in  der  Schweiz  bei  weitem 
fortgeschrittener  und  gebildeter,  daher  enverbstiichtiger  ist  als  die  amerikaniache, 
ist  auf  einige  ganz  natiirliche  Erscheinungen  zuriickzufiihren.  Zuniichst  wird  in 
unseren  Schulen  von  den  Schiilern  mehr  verlangt,  ferner  ist  der  Respekt,  den  die 
Zoglinge  vor  dem  Lehrerstande  haben,  em  bei  weitem  grosserer  als  hierzulaude, 
wo  meist  von  Respekt  iiberhaupt  gar  keine  Rede  ist.  Last  not  least — beschiiftigt 
sich  der  15  oder  IGjiihrige  Junge  in  der  Schweiz  in  seiner  freien  Zeit  mit  Schul- 
arbeiten  oder  sonstiger  Fortbildung  und  liiuft  nicht — wie  sein  amerikanischer  Al- 
tersgenosse — mit  jungen  Madchen  ins  Theater  oder  gehort  soundsovielen  Klubs 
und  geheimen  Verbindungen  an.  Und  trotzdem  sind  unsere  Schweizer  Kinder 
keine  Mucker,  sondern  ein  lustiges,  frohliches  Volkchen." 

Das  vom  Prasidenten  ernannte  Revisionskomitee,  G.  J.  Lenz  von  Milwaukee, 
Hermann  Schrader  von  Cincinnati  und  Frl.  Anna  Nahstoll  von  Jeffersonville,  Ind., 
berichtete,  dass  es  sowohl  den  Finanzausweis  des  Schatzmeisters  M.  Schmidhofer 
als  auch  die  Rechnungsablage  des  stellvertretenden  Schatzmeisters  Carl  Engel- 
mann  mit  den  Belegen  und  dem  vorhandenen  Kassenbestand  in  ubereinstimmung 
gefunden  habe.  Darnach  waren  wiihrend  der  Tagung  an  Mitgliedsbeitriigen 
$430.00  eingelaufen  und  vom  Milwaukeer  Lehrerverein  $8.40  Kopfsteuer,  also  zu- 
sammen  $438.40. 

Der  friihere  Schatzmeister,  Herr  Louis  Hahn  von  Cincinnati,  hatte  kurz  vor 
dieser  Tagung  seine  Schatzmeisterbiicher  nebst  Schlussbericht  eingeschickt.  Zu- 
f  olge  dieses  Berichtes,  der  in  der  Sitzung  verlesen  wurde,  schuldet  Herr  Hahn  dem 
Lehrerbunde  noch  einen  Restbetrag  von  $8.96,  der  zum  Teil  erst  nach  der  letzt- 
jahrigen  Tagung  eingegangen  ist.  Dem  Berichte  war  noch  folgende  Nachschrift 
zugefugt:  ,,Da  nun  das  Amt  des  Schatzmeisters  die  meiste  Zeit  wahrend  des 
Jahres  und  bei  dem  Lehrertags  in  Anspruch  nimmt,  so  glaube  ich,  dass  ich  zu 
einer  Vergiitung  berechtigt  bin.  Vierzehn  Jahre  habe  ich  mein  Amt  verwaltet 
und  ich  erlaube  mir  25  Cents  per  Woche  zu  berechnen.  Der  Lehrerbund  hat  seine 


*  Leider  sind  wir  nicht  imstande,  den  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Voss  in  diesem 
Hefte  zum  Abdruck  zu  bringen,  da  er  uns  vor  seiner  Abreise  nach  Europa  das 
Manuskript  nicht  zurtickgelassen  hatte.  Wir  hoffen  jedoch  bis  zum  Novemberhefte 
im  Besitz  des  Vortrages  zu  sein.  D.  R. 


Proiokoll  des  36.  Lehrertages.  203 

JBeamten  immer  sehr  liberal  bezahlt,  und  ich  glaube,  dass  mein  Verl&ngen  berech- 
tigt  1st." 

Der  erste  Schriftfiihrer  wurde  angewiesen,  Herrn  Halm  schriftlich  aufzufor- 
dern,  den  Restbetrag  unverziiglich  dem  jetzigen  Schatzmeister  einzuschicken.  Be- 
ziiglich  der  Vergiitung,  im  Gesamtbetrage  von  $182.00,  solle  er  Herrn  Hahn  mit- 
teilen,  dass  sich  der  Lehrerbund  durchaus  nicht  veranlasst  sehe,  dem  Verlangen 
zu  entsprechen,  da  samtliche  Amter  des  Bundesvorstandes  stets  als  Ehrenstellen 
betrachtet  worden  seien. 

Wahrend  'einer  kurzen  Pause  organisierten  sich  die  in  den  Bundesvorstand 
gewahlten  Mitglieder  wie  folgt: 

Prasident:     C.  O.  Schonrich,  Baltimore. 

Vizeprasident:     Dr.  A.  Hoelper,  New  York. 

Schatzmeister:     Carl  Engelmann,  Milwaukee. 

1.  S  ch  r  i  f  t  f  u  h  r  e  r :     Emil  Kramer,  Cincinnati. 

2.  Schriftfiihrerin:     Anna  Hohgrefe,  Milwaukee. 

Der  Bericht  des  Ausschusses  fur  Beschliisse  wurde  wie  verlesen  angenommen. 
Derselbe  lautet  wie  folgt: 

Es  wird  empfohlen,  Allen,  die  zum  Erfolg  des  deutschen  Lehrertages  ihr  mog- 
lichstes  beigetragen  haben  und  den  Gasten  eine  so  gemiitlich  deutsche 
Aufnahme  zuteil  werden  liessen,  den  Dank  der  Versammlung  auszuspre- 
chen.  Besonders  wird  der  deutschen  Presse  von  Milwaukee,  dem  Mil- 
waukee Mannerchor  und  dem  Musikverein  herzlichst  gedankt. 

Dem  Komitee  zur  Pflege  des  Deutschen  eine  Summe  bis  zu  50  Dollars  zu  be- 
willigen. 

Den  vom  Verein  deutscher  Lehrer  von  New  York  und  Umgegend  einge- 
brachten  Antrag  bezuglich  der  Presse  gutzuheissen. 

Dieser  Antrag  lautet: 

An  die  Herausgeber  und  Mitarbeiter  der  deutschen  Zeitungen  in  Amerika. 

Sehr  machtige  Faktoren  sind  es  vor  allem,  die  zur  Erhaltung  und  Pflege  der 
deutschen  Sprache  unerlasslich  sind: 

Die  Familie,  die  Schule,  die  Kirche,  die  Vereine,  die  Biihne  und  die  Presse. 

Familie  und  Schule  beschaftigen  sch  eigentlich  nur  mit  dem  heranwachsenden 
Geschlechte  und  legen  die  Grundlage  fur  jene  deutschen  Bestrebungen,  die 
in  der  Kirche  und  im  Vereine  ihren  Ausdruck  finden. 

Der  Beruf  und  die  Pflicht  der  Presse  ist  'es  aber,  das  deutsche  Gefiihl  der  Fa- 
milie zu  starken,  die  deutsche  Gesinnung  der  Kirche  zu  unterstiitzen,  die 
Bestrebungen  der  deutschen  Vereine  zu  fordern  und  die  Ziele  der  deut- 
'schen  Biihne  und  Schule  zu  heben. 

Der  deutschen  Familie,  vor  allem  der  heranwachsenden  deutschen  Jugend,  soil 
die  deutsche  Zeitung  einen  Lesestoff  bieten,  der  sich  nicht  nur  durch  rich- 
tiges,  einf aches  und  klares,  von  Fremdwortern  und  insbesondere  soge- 
nannten  Amerikanismen  moglichst  freies  Deutsch  auszeichnet,  sondern 
auch  frei  von  alien  jenen  Berichten  ist,  die  der  verderblichen  Grossmanns- 
sucht  und  dem  widerlichen  Protzentum  Vorschub  leisten. 

Die  deutsche  Presse  soil  der  Familie  einen  gesunden  Lesestoff  bieten,  'soil  es 
sich  angelegen  sein  lassen,  der  deutschamerikanischen  Jugend  die  ge- 
schichtliche  Bedeutung  des  Deutschtums  im  rechten  Lichte  und  in  richti- 
ger  Darstellung  klarzumachen.  Die  deutsche  Presse  soil  nicht  auf  die 
nahezu  auf  den  Nullpunkt  gesunkene  deutsche  Einwanderung  warten,  um 
ihren  Leserkreis  zu  vermehren  oder  wenigstens  zu  erhalten,  sondern  sie 


204  Monutsliefte  fur  deutsclie  Spraclie  und  Padagogilc. 

soil  die  Jugend  'erobern  und  auch  in  amerikanische  Kreise  dringen,    um 
hier  neue  Leser  und  Anhanger  zu  finden.      Wir  erwarten,  dass  die  deut- 
schen  Zeitungen,  nachdem  jetzt  die  neue  deutsche  Rechtschreibung    tiber 
fiinf  Jahre  im  Gebrauch  ist,  endlich  auch  ihre   Setzer  veranlassen,   sich 
jener  Rechtschreibung  zu  bequemen,  die  bereits  uberall,  soweit  die  deut- 
sche Zunge  klingt,  eingebiirgert  ist,  nur  nicht — mit  wenigen  Ausnahmen — 
bei  den  deutschen  Setzern  der  deutschen  Zeitungen  in  Amerika. 
Der  36.  deutschamerikanische  Lehrertag  hofft,  dass  die  deutsche  Presse    des 
Landes   diese   Beschliisse   erwagen,   wohlwollend  berticksichtigen  und   all- 
mahlich  durchfiihren  werde:     Zum  eigenen  Nutzen  der  deutschen  Zeitun- 
gen, zum  Wohle  ihrer  Leser  und  zum  Heile  unseres  glorreichen  Volkes. 
Die  Beschliisse  wurden  einstimmig  gutgeheissen,  ebenso  der  folgende  schrift- 
Hch  eingereichte  Antrag  von  Herrn  Stern: 

,,Der  N.  D.  A.  Lehrerbund  verdammt  auf  das  starkste  die  Verwendung  vom 
Kindern  zu  Zwecken,  die  mit  der  Agitation  zur  Beschrankung  der  per- 
sonlichen  Freiheit  in  Verbindung  stehen.  Ein  derartiges  Vorgehen  ist 
weder  vom  moralischen  noch  vom  padagogischen  Standpunkte  aus  zubil- 
ligen." 

Herr  Prasident  Griebsch  erklarte  hierauf  mit  einigen  wohlgesetzten  Worten 
den  36.  Lehrertag,  den  er  als  einen  der  erfolgreichsten  bezeichnete,  fur  vertagt. 
Fiir  den  Nachmittag  war  eine  Dampf erf ahrt  auf  dem  Michigansee  vor- 
gesehen;  allein  wegen  des  Regens  musste  auch  diese  Vergniigungsnummer  in  letz- 
ter  Stunde  noch  abgeandert  werden.  Dafiir  hatte  das  Unterhaltungskomitee  im 
Seminargebaude  ein  solennes  Kaffeekranzchen  arrangiert,  wobei  die  Teilnehmer 
unter  Tanz  und  Frohsinn  den  Lehrertag  zum  schonen  Abschluss  brachten. 

Emil  Kramer,  Schriftfiihrer. 


Jahresversammlung  des  Allgemeinen  Alumnen-Vereins  des  N.  D.  A.  Lehrer- 
seminars.  Der  vor  eiriem  Jahre  in  Cincinnati  gegriindete  Verein  ehemaliger  Zog- 
linge  des  Lehrerseminars  wurde  wahrend  der  Tagung  des  Lehrerbundes  in  Milwau- 
kee durch  Schaffung  einer  permanenten  Organisation  und  durch  Annahme  der  im 
Vorschlag  gebrachten  Konstitution  auf  eine  f este  und  sichere  Basis  gebracht.  Die 
Versammlung  fand  am  Vormittag  des  3.  Juli  im  Seminargebaude  statt  und  zeich- 
jiete  sich  durch  einen  starken  Besuch  und  lebhafte  Begeisterung  aus.  Folgende 
Beschliisse  wurden  einstimmig  gefasst: 

(a)  Einen  jahrlichen  Beitrag  von  25  Cents  pro  Mitglied  zu  erheben; 

(b)  Einen  jiihrlichen  Beitrag  von  $1.50  pro  Mitglied  zu  erheben,  der  dem  Sti- 
pendienfonds  des  Lehrerseminars  zufliessen  soil; 

(c)  Die  nachste  Jahresversamnilung  wahrend  der  Dauer  des   Lehrertages   ii 
der  Stadt  New  York  abz;ihalten. 

Zu  Ehren  des  Andenkens  des  vielgeliebten  und  leider  zu   friih   verstorbenen 
Seminarlehrers  Herrn  Paul  Gerisch  erhoben  sich  die  Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 
Dem  scheidenden  Seminarlehrer  Prof.  Oskar  Burckhardt  zollten  die  AlumneM 
ihre  Anerkennung  durch  Stiftung  eines  Geschenkes. 

Folgende  Beamten  wurden  fiir  das  Jahre  1908—09  gewahlt: 
Prasident:    Herr  Bernhard  Riemer,  Carlstadt,  N.  J. 
Vize-Prasident:    Herr  C.  B.  Straube,  Milwaukee,  Wis. 
Schatzmeisterin :    Frl.  Emilie  Rieger,  Milwaukee. 
Sekretar:    Herr  W.  von  der  Halben,  Cincinnati,  0. 


Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Padagogik.  &05 

Alle  ehemaligen  Studenten  des  Lehrerseminars  werden  hiermit  aufgefordert, 
sich  dem  Verein  anzuschliessen  und  gebeten,  sich  behufs  Anmeldung  an  den  Sekre- 
tar  W.  von  der  Halben,  3135  Bishop  St.,  Cincinnati,  0.,  zu  wenden. 

In  dieser  aus  jungen,  fur  die  Sache  der  deutschen  Erziehung  und  deutscher 
Sprache  begeisterten  Lehrkraften  bestehenden  Vereinigung  erblicken  wir  eine  zu- 
kunftige  Stiitze  und  treue  Gefolgschaft  des  Lehrerbundes.  Sie  bilden  den  Nach- 
wuchs  des  Bundes  und  werden,  so  hoffen  wir,  die  alten  Kampen  einst  ersetzen  und 
die  Fahne  hochhalten,  die  diese  aus  der  erschlafften  Hand  miissen  fallen  lassen. 

Schon  die  Tatsache,  dass  die  Organisation  auf  einem  Lehrertag  ins  L'eben 
gerufen  wurde  und  die  Jahresversammlungen  gleichzeitig  mit  dem  Lehrertag 
stattfinden,  biirgt  dafiir,  dass  die  Alumnen  sich  fiir  die  Bestrebungen  des  Lehrer- 
bundes stets  interessieren  werden. 

Der  Besuch  des  Lehrertages  wird  nunmehr  seitens  der  friiheren  Zoglinge  des 
Lehrerseminars  ein  starkerer  sein,  als  es  bisher  der  Fall  war;  denn  es  kann  schon 
vorher  rege  Propaganda  in  den  einzelnen  Stadten  dafiir  gemacht  werden. 

Und  somit  durfen  wir  wohl  in  dieser  neuen  Organisation  einen  weiteren  Fak- 
tor  erblicken,  der  bei  der  Verbreitung  deutscher  Erzielumgsmethoden  und  der 
Erhaltung  der  deutschen  Sprache  in  diesem  Lande  gewaltig  mithelf en  wird. 

Im  Auftrage  C.  B.  Straube. 


Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Padagogik, 


Von  Dr.  A.  Hoelper,  New  York. 


,,Ewig  wechset  der  Wille  den  Zweck  und  die  Kegel,  in  ewig 

Wiederholter  Gestalt  walzen  die  Taten  sich  um. 

Aber  jugendlich  inimer,  in  immer  veranderter  Schone 

Ehrst  du,  f romem  Natur,  ziichtig  das  alte  Gesetz ! 

Immer  dieselbe,  bewahrst  du  in  treuen  Handen  dem  Manne, 

Was  dir  das  gaukelnde  Kind,  was  dir  der  Jiingling  vertraut, 

Nahrest  an  gleicher  Brust  die  vielfach  wechselnden  Alter; 

Unter  demselben  Blau,  iiber  dem  namlichen  Griin 

Wandeln  die  nahen  und  wandeln  vereint  die  fernen  Gesclilechter, 

Und  die  Sonne  Homers,  siehe !  sie  lachelt  auch  uns." 

Diese  herrlichen  Worte  des  grossten  Lehrers  unseres  Volkes,  unseres 
Lieblingsdichters  Schiller,  mahnen  uns  daran,  dass  es  in  der  Padagogik 
eigentlich  keine  Keformbestrebungen  gibt;  denn  die  Natur  hat  uns  so 
klar  und  deutlich  den  einzuschlagenden  Weg  gewiesen,  dass  nur  ein 
Stumper  oder  ein  tibelwollender  von  diesem  Pfade  abweichen  kann.  — 
Doch  ist  die  Erziehung  nicht  so  leicht  und  einfach  und  der  gebahnte  Weg 
des  Unterrichts,  die  Methode,  nicht  so  leicht,  wenn  man  bedenkt,  dass 
jeder  Mensch  ein  Individuum,  und  jeder  Lehrgegenstand  ein  endloses 
Wissensgebiet  darstellt.  Diesen  Menschen  harmonisch  zu  entwickeln, 
diese  einzelnen  Lehrgegenstande  griindlich  zu  beherrschen,  das  muss  das 
Ziel  aller  padagogischen  Eeformbestrebungen  sein. 


206  Monatsliefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Pddagogilc. 

Vom  grauen  Altertum  bis  auf  den  heutigen  Tag  hat  es  hervorra- 
gcnde  Manner  gegeben,  die  sich  mit  der  Auffindung  der  besten  Erzie- 
hungsform  beschaftigten.  Alle  sind  sich  darin  einig,  dass  das  Schicksal 
oines  Volkes,  seine  Bliite,  wie  sein  Verfall,  von  der  Erziehung  abhangt, 
die  der  Jugend  zuteil  wird.  ,,Der  Mensch  kann  nur  Mensch  werden  durch 
die  Erziehung;  er  ist  nichts,  als  was  die  Erziehung  aus  ihm  macht",  wie 
der  grosse  Konigsberger  Philosoph  sagt.  Wenn  man  von  dem  hohen  Be- 
rufe  eines  wahren  Yolkserziehers  durchdrungen  ist,  versteht  man  auch  den 
begeisterten  Ausruf  eines  Plato:  ,,Es  gibt  nichts  Gottlicheres  —  als  die 
Erziehung  \" 

Ich  will  mich  nicht  weiter  in  Zitate  verlieren  und  gelehrte  Abhand- 
lungen  iiber  philosophische  oder  psychologische  Fragen  in  der  Padagogik 
vorbringen,  —  dadurch  wiirde  ich  nur  Bekanntes  nachbeten  — ,  sondern 
ich  beginne  mit  meinen  Vorschlagen  auf  dem  Gebiete  der  Erziehung  und 
des  Unterrichts  in  unseren  Schulen  und  werde  dabei  6'fter  einen  Vergleich 
mit  dem  Erziehungswesen  in  Deutschland  ziehen. 

Unsere  Volksschule  soil  das  Fundament  bilden,  auf  dem  alle  anderen 
Schularten  weiterbauen  konnen.  Wenn  auch  die  Privatschulen  das  Beste 
leisten  konnen,  muss  uns  der  gemeinsame  Unterricht  der  Volksschule,  an 
dem  die  Kinder  aller  Stande  teilnehmen,  als  hochstes  Ziel  vorschweben. 
Die  nach  deutschem  Muster  eingefuhrte  achtjahrige  Schulzeit  halte  ich 
fiir  eine  richtige  Massnahme. 

Wahrend  man  in  Deutschland  dartiber  klagt,  dass  von  der  Volks- 
schule bis  zum  Gymnasium  der  nationalen  Erziehung  zu  wenig  Beachtung 
geschenkt  werde,  ist  man  hier  in  sehr  vielen  Schulen  in  den  entgegenge- 
setzten  Fehler  verf alien,  indem  man  die  Jugend  zu  einem  hysterischen 
Patriotismus  erzieht,  der  sich  dann  spater  in  einer  masslosen  Verachtung 
fremder  Volker  und  ihrer  Geschichte  aussert  und  als  Mr.  Jingo  den  Mon- 
sieur Chauvin  weit  in  den  Schatten  stellt.  Die  so  erzogenen  Yankees 
mochten  dann  am  liebsten  eine  chinesische  Mauer  um  Amerika  ziehen, 
wie  sich  dieses  schon  in  der  Einftihrung  des  Schutzzolles  gegen  die  Ein- 
fuhr  von  fremden  Waren,  ferner  in  dem  eigenen  Gewichtssystem,  in  den 
oigenen  Lange-  und  Hohlmassen  und  seinem  eigenen  hohen  Geldfuss  zeigt. 

Dort,  wo  in  den  deutschen  Schulen  von  einer  patriotischen  Erzie- 
hung wirklich  die  Rede  sein  kann,  erscheint  es  mir,  dass  der  Partikularis- 
mus  noch  immer  in  voller  Bliite  steht,  dass  das  Unkraut  der  Standezwie- 
tracht  —  das  propter  invidiam  -  -  heute  ebenso  wuchert,  wie  zu  Zeiten 
Hermanns,  des  Cheruskerfiirsten,  wahrend  hier  bei  der  patriotischen  Er- 
ziehung, abgesehen  von  den  erwahnten  schadlichen  Auswiichsen,  selbst  der 
Gegensatz  zwischen  Nord  und  Siid  fast  ganzlich  wegfallt.  Der  mit  dem 
roten  Adlerorden  und  dem  Exzellenz-Titel  ausgezeichnete  deutsche  Ge- 
lehrte konnte,  was  patriotische  Erziehung  betrifft,  von  der  jiingsten  School 
Ma'am  im  entferntesten  westlichen  Dorfe  noch  vieles  lernen. 


Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Pddagogik.  207 

Auch  in  Betreff  der  Behandlung  der  Kinder  glaube  ich?  dass  die 
iibertriebene  Strenge  des  deutschen  Schul-  und  Zuchtmeisters  im  Ver- 
gleiche  zur  liebevollen  Behandlung  der  amerikanischen  Lehrer  zu  unseren 
Gunsten  spricht.  Unsere  Nachsicht  darf  jedoch  nicht  so  weit  gehen,  dass 
die  Schiller  anmassend  werden;  es  muss  unbedingt  vermieden  werden, 
dass  die  Kinder  zuviel  in  den  Vordergrund  geschoben  werden ;  das  scha- 
det  dem  Ansehen  des  Lehrerstandes,  abgesehen  davon,  dass  sich  der  Schil- 
ler dann,  wie  dies  hier  b'fter  geschieht,  als  eine  Art  Mittelpunkt  betrachtet, 
um  den  sich  alles  dreht.  Und  diese  verderbliche  Sucht  zur  Selbstandig- 
keit  hat  uns  und  unserem  Lande  den  Vorwurf  Heines  eingetragen,  das 
Land  des  Freiheits-  und  Gleichheitsflegel  zu  sein. 

Ich  bin  durchaus  nicht  fiir  die  schliesslich  in  Grossenwahn  ausar- 
tende  Uberhebung  des  Lehrers,  aber  ich  verlange  von  ihm  einen  ausge- 
sprochenen  Berufsstolz;  er  ist  berechtigt,  zu  zeigen,  dass  er  es  ist,  der  den 
Menschen  zum  brauchbaren  Mitgliede  der  mensclilichen  Gesellschaft  er- 
zieht  —  das  Spriichlein  vom  armen,  demtitigen  Schulmeisterlein  muss  ein 
fiir  allemal  in  das  Meer  der  .Vergangenheit  versenkt  werden. 

Dass  in  unseren  Schulen  noch  zu  viel  Drill  ist,  miissen  wir  zuge- 
stehen,  und  was  die  Anschaulichkeit  des  Unterrichts  betrifft,  ganz  beson- 
ders  die  richtige  Fragestellung  und  ununterbrochene  Anregung  zum 
stelbstandigen  Denken,  da  liesse  sich  noch  recht  viel  reformieren.  Es 
scheint,  das  Volk  lasst  die  Politiker  fiir  sich  wahlen,  die  Zeitungen  kauen 
den  Massen  alles  Wissenswerte  vor,  und  die  Lehrer  oder  vielmehr  die  Leh- 
rerinnen  denken  fiir  ihre  Schiiler.  Dass  Eltern,  Schulbehorde  und  Lehrer 
es  den  Kindern  hier  zu  leicht  machen,,  ist  wohl  am  besten  dadurch  bewie- 
sen,  dass  man  hier  von  einer  so  tiefen,  grundlichen  Gelehrsamkeit,  wie  in 
den  meisten  europaischen  Kulturstaaten,  noch  wenig  verspiirt. 

Ob  das  englische  spelling,  dieses,  wie  Max  Miiller  sagt,  furchtbare 
Nationalungliick  der  Englander,  die  ITrquelle  des  englisch-amerikani- 
schen  Schuldrills  ist,  will  ich  nicht  vollinhaltlich  bestatigen,  aber  auch 
nicht  widerlegen. 

In  Betreff  der  Lehrgegenstande  sollte  allgemeine  Geschichte,  Gram- 
matik  und  Formenlehre  mehr  Beachtung  finden.  Der  Handfertigkeits- 
unterricht  muss  auf  das  richtige  Mass  beschrankt  werden ;  in  vielen  Schu- 
len wird  die  Zeit  fiir  diesen  Lehrgegenstand  mit  Kinkerlitzchen  vergeu- 
det.  Die  Frage,  ob  die  Kinder  der  untersten  Klassen  ebenso  voile  fiinf 
Stunden  Unterricht  haben  sollten,  wie  die  der  obersten  Stufen ;  ferner,  ob 
nicht  eine  Zwischenstunde  von  12  bis  1  IThr  zur  geistigen  Erholung  zu. 
wenig  ist,  ob  statt  des  freien  Sonnabends  zwei  freie  Nachmittage  empfeh- 
lenswerter  seien,  ob  der  Schreibunterricht  nicht  ausschliesslich  nach  der 
Lautiermethode  erteilt  werden  und  ob  nicht  eine  Einschrankung  des  Un- 
terrichts in  der  vaterlandischen  Geschichte,  wenigstens  auf  den  unteren 
Stufen,  zu  wiinschen  ware,  das  sind  Fragen,  die  seit  Jahrzehnten  die 


208  Monatshefte  fur  deutscJic  Sprache  und  Padagogik. 

Lehrcrkreise  beschaftigen.  Wie  im  naturgeschichtlichen  Unterricht  ein 
auffallender  Fortschritt  zu  verzeichnen  1st,  so  wird  auch  in  den  erwahnten 
Fachern  das  Gute  sicherlich  dem  Besseren  weichen  miissen. 

Dort.  wo  eine  Trenmmg  der  Geschlechter  moglich  1st,  besonders  vom 
Beginn  der  Pubertat  an,  sollte  dieselbe,  meiner  Ansicht  nach,  durchge- 
fiihrt  werden.  Es  mag  ja  sein,  dass  die  Schwester  den  wilden  Bruder 
veredelt,  und  der  wilde  Bruder  die  schiichterne  Schwester  selbstandiger 
macht;  ob  aber  die  Wechselbeziehungen  der  Geschlechter  auch  in  der 
Schule  als  ununterbrochener  elektrischer  Strom  in  erzieherischer  Hinsicht 
sich  erweisen,  mochte  ich  sehr  bezweifeln.  Fiir  mich  besteht  noch  immer 
des  grossen  Dichters  ernster  Mahnruf : 

,,Nach  Freiheit  strebt  der  Mann, 
Das  Weib  nach  Sitte  — " 

und  ich  mache  mich  keiner  Ubertreibung  schuldig,  wenn  ich  behaupte, 
dass  die  Sittlichkeit  unsercr  Frauen  und  Madchcn  durch  die  Freiheiten, 
die  sich  Jungamerika  ihnen  gcgeniiber  herausnimmt,  nicht  gefordert 
werde;  dabei  denke  ich  nicht  einmal  an  die  beriihmten  Botanisierausfluge 
der  Knaben  und  Madchen  jener  wcstlichen  Hochschule,  allwo  die  Dirn- 
lein  und  Biiblein  statt  zu  botanisieren  bei  Champagner  und  ,,Sandwiches" 
verbotene  Friichte  vom  Baume  der  Erkenntnis  pfliickten. 

An  den  Universitaten  last  sich  selbstverstandlich  eine  Trennung  der 
Geschlechter  nicht  durchfiihren,  cs  ist  iibrigens  auch  nicht  notwendig,  da 
die  Studierenden  auf  dieser  Stufe  nur  zu  wohl  wissen,  dass  sie  des  Studie- 
rens  halber  in  den  Horsaal  kommen. 

Der  Mangel  an  hoheren  Gewerbc-  und  Handclsschulen  nach  deut- 
schem  Muster  macht  sich  immer  noch  merklich  flihlbar.  Ich  spreche 
nicht  von  den  sogenannten  ,,business  schools",  wo  die  typewriter  girls" 
Stenographistinnen,  Buchhalterinnen  und  andere  weisse  Skavinnen  aus- 
gebriitet,  auf  die  harmlose  —  manchmal  auch  nicht  so  ganz  harmlose  — 
Geschaftswelt  losgelassen  werden,  sondern  ich  spreche  von  den  wirklichen 
gewerblichen  Fach-  und  Handelsschulen.  Dieser  Mangel  aber  wird  wohl 
in  absehbarer  Zeit  verschwinden,  da  die  selbst  in  padagogischer  Beziehung 
bis  vor  Kurzem  riickstandigste  Stadt  —  die  Hudson  Metropole  —  bereits 
einen  guten  Anfang  macht  und  neben  den  Handels-  und  Gewerbeschulen 
(Commercial  und  Manual  Training  High  Schools)  jetzt  auch  gewerbliche 
Fachschulen  eroffnen  will. 

Um  meinen  Standpunkt  in  der  Frauenfrage  klarzustellen,  will  ich 
hier  gleich  bemerken,  dass  ich  unsere  weiblichen  Berufsgenossinnen  nicht 
nur  nicht  in  meine  vielleicht  sarkastischen  Bemerkungen  einbeziehe,  son- 
dern ihnen  meine  riickhaltsloseste  Anerkennung  und  vollste  Bewunderung 
dafiir  ausspreche,  dass  sie  seit  Jahr  und  Tag  den  Grundsatz  verfechten: 
,,Fiir  die  gleiche  Arbeit,  gleiche  Bezahlung";  und  dass  ich  ihnen  Erfolg 
wiinsche,  brauche  ich  wohl  nicht  besonders  zu  betonen. 


Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Padagogik.  209 

Wenn  einmal  das  Bediirfnis  fiir  gewerblich  vorgebildete  Leute  da  1st, 
dann  wird  auch  jeder  Arbeiter,  der  vorwarts  kommen  und  nicht  sein  Le- 
ben  lang  ein  Lohnsklave  bleiben  will,  diese  Fachschulen  besuchen,  dann 
wird  aber  auch  der  Import  von  deutschen,  franzosischen,  belgischen  und 
anderen  Ingenieuren,  Chemikern,  Webereileitern  u.  s.  w.  aufhoren  und 
unsere  heimische  Industrie  wird  in  den  Handen  unverfalschter  Ameri- 
kaner  ruhen. 

Der  hier  allgemein  durchgefiihrte  vierjahrige  Kursus  (vier  Jahre 
Elementary,  vier  Jahre  Grammer,  vier  Jahre  High  School  und  vier  Jahre 
College)  hat  entschieden  vieles  fiir  sich,  und  ich  weiss  wirklich  keine 
padagogischen  Bedenken,  die  gegen  diese  Einrichtung  sprachen. 

Auch  die  halbjahrigen  Versetzungen  kann  ich  nur  vom  giinstigen 
Liche  aus  betrachten. 

Die  sogenannten  padagogischen  Schaustellungen,  als  da  sind: 
Wb'chentliche  Versammlung  in  der  ,,Assembly"  der  Volksschule  mit  obli- 
gaten  Deklamationen,  Musik  u.  s.  w.  und  endlosen  Eeden  der  Prinzipale 
(die  Anwesenden  natiirlich  ausgenommen),  der  Drill  fur  gewisse  Feier- 
tage,  die  Graduationsfestlichkeiten  mit  ihren  zur  Eitelkeit  und  Ver- 
schwendungssucht  geradezu  herausforderndem  Schaugeprange,  die  „ Com- 
mencements" und  .,'Classdays"  u.  s.  w.  haben  ja  manches  fiir  sich,  aber 
padagogisch  gehoren  sie  ebenso  in  die  Rumpelkammer,  wie  der  Stock  oder 
der  Fleisszettel.  Auch  die  Reliquie  des  Bill-Langsaster'schen  Erziehungs- 
systems,  die  Monitors  oder  Klassenaufseher,  werden  und  miissen  aus  den 
amerikanischen  Schulen  weichen. 

Was  den  deutschen  Unterricht  in  unseren  Schulen  betrifft,  so  bin  ich 
selbstverstandlich  dafur  und  iiberhaupt  fiir  eine  Bevorzugung  der  neueren 
gegeniiber  den  klassischen  Sprachen,  ohne  den  grossen  kulturellen  Wert 
der  letzteren  zu  verkennen. 

Von  modernen  Sprachen  kommen  hier  nur  die  deutsche  und  franzo- 
sische  in  Betracht,  denn  ich  glaube  iiberzeugt  zu  sein,  class  unsere  spani- 
schen  Anhangsel,  denn  Kolonien  und  Provinzen  darf  man  ja  nicht  sagen. 
viel  friiher  amerikanisiert  sein  werden,  als  die  Amerikaner  das  Spanische 
erlernen. 

Die  Lehrer  der  deutschen  und  franzosischen  Sprache  sollen,  wenn 
auch  hier  geboren,  in  Wort  und  Schrift  der  betreffenden  Sprache  voll- 
standig  machtig  sein.     Das  Ziel  des  fremdsprachlichen  Unterrichts  soil 
nicht  die  Aneignung  eines  Sammelsuriums  von  regelmassigen  und  un- 
regelmassigen  Haupt-  und  Zeitwortern  sein,  soil  nicht  auf  den  altausge- 
tretenen  Geleisen  der  geistreichen  Ubersetzungen  sich  bewegen: 
,,Haben  Sie  das  Haus  des  Generals  gesehen?" 
,,Das  Schloss  des  Konigs  ist  sehr  schon/' 

,,Die  Tochter  unseres  Tanzlehrers  haben  mit  dem  Sohne  unseres 
Gartners  gesprochen"  u.  s.  w. 


210  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Wenn  Sie  noch  einige  dieser  geistig  anregenden  und  erzieherisch 
wirksamen  Proben  wiinschen,  dann  schlagen  Sie  bitte  irgend  eines  der  in 
der  Lehrmittelausstellung  aufliegenden  Textbiicher  —  die  der  anwesen- 
den  Verfasser  ausgenommen  -r-  nur  nach. 

Der  moderne  Sprachunterricht  soil  anregend  und  fruchtbringend 
sein,  d.  h.  die  Schiiler  sollen  mit  den  fiir  daheim  und  fiir  die  Feme  aller- 
nb'tigsten  Phrasen  bekannt  gemacht  und  gleichzeitig  soil  ihnen  der 
Schliissel  zu  den  unerschopflichen  Schatzen  der  betreffenden  Literatur  in 
die  Hand  gegeben  werden. 

Ich  halte  es  fiir  ausserst  vorteilhaft,  dass  der  Schiiler,  der  z.  B.  La- 
tein  gewahlt  hat  und  findet,  dass  er  im  Latein  nicht  gut  vorwarts  kommt. 
oder  fiir  die  Erlernung  der  Sprache  des  Horaz  nur  sehr  wenig  Talent 
besitzt,  dass  er  statt  des  Lateinischen  einen  anderen  Gegenstand  wahlen 
darf,  aber  wahrend  des  Semesters  sollte  ein  Wechsel  aus  padagogischen 
und  disziplinaren  Griinden  nicht  stattfinden.  Wer  freiwillig  schlecht  ge- 
wahlt hat,  soil  unfreiwillig  biissen,  abgesehen  davon,  dass  der  Schiiler 
vielleicht  doch  noch  im  Laufe  der  weiteren  Unterrichtsstunden  Lust  und 
Liebe  fiir  den  anfangs  verhassten  Gegenstand  gewinnt.  Unbedingt  ver- 
werflich  ist  es,  wenn  das  Deutsche  als  Lehrgegenstand  aufgenommen 
Avurde,  bei  der  Versetzung  jedoch  nicht  zahlt.  Dass  die  Schiiler,  beson- 
ders  amerikanische  Kinder,  auf  einen  solchen  Lehrgegenstand  Imsten 
und  auf  den  Lehrer  pfeifen,  brauche  ich  nicht  naher  zu  begriinden. 

Die  zahllosen  Priifungen,  die  man  hier  unseren  Schiilern  zumutet, 
haben  sich  allmahlich  zu  einem  Unfuge  entwickelt.  Wenn  einer  die  High 
School  absolviert  hat,  sollte  er  mit  seinem  „  Certificate"  ebenso  unbe- 
schrankt  im  College  Aufnahme  finden,  wie  ein  deutscher  Abiturient  mit 
seinem  Keifezeugnisse  an  jeder  Universitat  zum  Studium  zugelassen  wird. 
Dabei  setze  ich  voraus,  dass  die  ersten  beiden  Jahre  (Freshman  und 
Sophomor)  der  Sekunda  und  Prima  des  deutschen  Gymnasiums  im 
Grossen  und  Ganzen  entsprechen.  Wenn  ein  Trust  von  Colleges  noch  be- 
sondere  Aufnahmepriifungen  verlangt,  so  hat  wohl  die  Priifungstaxe  mit 
dieser  Forderung  etwas  zu  tun  ;ist  es  nicht  der  Fall,  so  nehme  ich  gerne 
meinen  Vorwurf  zuriick.  Natiirlich  setze  ich  voraus,  dass  einheitliche 
Lehrplane  fiir  die  einzelnen  Hauptgegenstande  im  ganzen  Lande  aufge- 
stellt  werden. 

Seit  einem  Menschenalter  wird  Klage  dariiber  gefiihrt,  dass  die 
Schulerziehung  die  Frage  der  Korperpflege  vernachlassige,  und  die  Zahl 
der  Schriften  iiber  diesen  Gegenstand  ist  bereits  Legion.  Hier  sollte  der 
Staat  durch  Anstellung  von  Schularzten  Abhilfe  schaffen.  Die  arztlichen 
Untersuchungen  sollen  sich  jedoch  nicht  nur  mit  dem  Aufspiiren  von 
Augen-  und  Zahnleiden  beschaftigen,  sondern  diese  Arzte  sollen  in  Ge- 
meinschaft  mit  den  Schulvorstehern  und  den  dem  Biirgerstande  entnom- 
mcnone  Sehullvommissaren  auch  auf  die  Ernahrung  und  korperliche  Ent- 


Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Padagogik. 

wicklung  der  Schiller  ihr  Augenmerk  richten.  Wenn  dieses  gewissenhaft 
geschieht,  dann  werden  solche  widerlichen  und  zur  eigenen  Beweihrauche- 
rung  in  die  Welt  gesetzten  Schauergeschichten  einer  New  Yorker  Schul- 
superintendentin  (eine  Feindin  des  deutschen  Unterrichts  trotz  ihres 
deutschen  Namens),  dass  die  Kinder  ihres  Schulbezirks  dem  Hunger tode 
nahe  seien,  vermieden. 

Zur  korperlichen  Ausbildung  miisste  schon  in  jeder  Yolksschule  der 
Turnunterricht  nach  deutschem  Muster  eingefiihrt  werden.  Dass  in  sehr 
vielen  hoheren  Schulen  der  athletischen  Ausbildung  mehr  Beachtung  ge- 
schenkt  wird,  wie  dem  ernsten  Studium,  ist  in  jiingster  Zeit  von  hervor- 
ragenden  amerikanischen  Gelehrten,  besonders  von  dem  wiirdigen  Prasi- 
denten  von  Harvard,  wiederholt  betont  worden.  Auch  hier  heisst  es: 
Masshalten!  Ich  kann  nicht  umhin,  einen  mir  bekannten,  besonders 
drastischen  Fall  zu  erwahnen.  In  einer  Hochschule  im  Osten  hat  ein 
Lehrer  in  seiner  Klasse  fast  lauter  in  der  Athletik  vollkommene  Schiller; 
da  er  selbst  zu  einem  der  Klubs  der  Schiller  gehort,  hat  sich  in  seiner 
Klasse  eine  Vertraulichkeit  zwischen  Mirer  und  Lernenden  gebildet,  die 
geradezu  an  Respektwidrigkeit  grenzt.  Gelegentlich  des  Besuches  eines 
Berufsgenossen  musste  dieser  Musterlehrer  mehrere  Male  die  Burschen 
ermahnen,  doch  nicht  zu  schlafen;  die  von  ihm  in  fast  unterwiirfigem 
Tone  gestellte  Bitte  an  einen  herkulisch  gebauten  Schiller:  ,, Don't  sleep. 
Jimmy.,  go  on!"  ist  bezeichnend  fiir  die  Lotterwirtschaft  in  manchen 
Schulen,  in  denen  der  Sport  eine  zu  grosse  Bedeutung  gewinnt.  Von 
derselben  ,,High  School"  war  in  dem  Wochenmagazin  der  Anstalt  ein 
riihrender  Artikel  von  einem  eingewanderten  Juden.  In  diesem  Aufsatze 
beklagt  sich  der  junge  Student,  dass  man  aus  jedem  Baseball-  oder  Foot- 
ball-Spieler, der  sich  das  Schien-  oder  Nasenbein  verletzt  hat,  einen  Mar- 
tyrer  macht,  wahrend  iiber  einen  armen,  schlecht  genahrten  Jungen,  der 
sich  durch  iibereifriges  Studium  den  Tod  geholt  hat,  einfach  zur  Tages- 
ordnung  iibergegangen  wird. 

Gegen  diese  Auswiichse  des  Sports  in  den  Schulen  gibt  es  nur  ein 
Heilmittel :  Turnunterricht  nach  deutschem  System. 

Ich  halte  es  fiir  einen  grossen  Vorzug  des  amerikanischen  Schul- 
wesens,  dass  die  Freiziigigkeit  der  Schiller  auch  insofern  anerkannt  ist, 
dass  z.  B.  ein  Seminarist,  oder  Lehramtskandidat  zum  Anwalts-,  Arzte- 
oder  Geistlichenberufe  iibergehen  kann,  wenn  er  hierzu  mehr  Lust  und 
Fahigkeit  besitzt,  als  fiir  die  Schulmeisterei  und  vice  versa.  Mancher 
deutsche  Geistesriese  ist  schon  in  der  Tretmiihle  des  Alltagslebens  ver- 
kiimmert,  weil  ihm  ein  Maturitatszeugnis  oder  ein  Doktorexamen  gefehlt 
haben. 

Zur  Frage  der  Schulverwaltung  und  Lehrerbildung  habe  ich  folgen- 
des  zu  bemerken:  Der  Schulvorsteher,  ob  er  nun  ein  College-Prasident 


212  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

oder  ein  ,,Prinzipal"  1st,  sollte  sich  weniger  als  Oberaufseher  iiber  seine 
Lehrer  betrachten,  sondern  daran  denken,  dass  er  nur  der  primus  inter 
pares  ist.  Der  Amtszopf  —  red  tape  —  auch  Vielschreiberei  genannt, 
sollte  mehr  in  den  Hintergrund  treten,  damit  die  ,,Flachsmanner"  nicht 
als  Verzieher  ihr  Unwesen  treiben.  Dass  ich  fur  eine  lebenslangliche 
Anstellung,  fiir  Besoldung  nach  Dienstalter  und  Fahigkeit  und  fiir  ein 
angemessenes  Ruhegehalt  nach  mindestens  20  Dienstjahren  (bei  Un- 
glucksfallen  sofort)  bin,  ist  selbstverstandlich.  Ein  weiterer  Vorschlag 
von  mir  ware,  keine  Lehrperson  langer  als  40  Jahre  dienen  zu  lassen;  die 
Altersgrenze  sollte  nicht  nur  fiir  die  Anstellung,  sondern  auch  fiir  die 
Pensionierung  gelten. 

Die  beste  und  griindlichste  Vorbildung  der  Lehrer  halte  ich  fur  eine 
unbedingte  Notwendigkeit,  denn  wahre  Bildung  macht  uns  nicht  nur  frei, 
und  tiefes  Wissen  verleiht  uns  eine  hohe  Macht,  sondern  auch  unsere  amt- 
liche  und  gesellschaftliche  Stellung  wird  immer  mehr  gefestigt,  je  gebil- 
deter  und  tiichtiger  wir  sind. 

Ein  grosser  Zug  zur  Beformierung  unserer  padagogischen  Bestre- 
bungen  kennzeichnet  unsere  Zeit,  hiiben  und  driiben.  Schon  hat  der 
Bund  in  den  einzelnen  Staaten  in  ihren  Verwaltungskorpern  Schulkom- 
missare  und  ahnliche  Schulbehorden  vorgesehen.  Es  fehlt  nur  noch  hier 
der  wichtige  Schritt,  dass  in  Washington,  wie  in  den  Staatshauptstadten 
selbstandige  Sekretariate  fiir  Erziehung  und  Unterricht  geschaffen,  und 
dass  in  die  Erziehungsbehorden  (board  of  education)  der  Stadte,  Bezirke 
und  Staaten  auch  Fachmanner  mit  beratender  und  beschliessender  Stimme 
gewahlt  oder  ernannt  werden. 

Die  Macht  der  Schule  und  der  Einfluss  der  Lehrer  miissen  von  Tag 
zu  Tag  wachsen,  wenn  jene  sich  frei  iiber  die  Parteien  erhebt  und  diese  in 
der  Ausiibung  ihres  schwierigen  Amtes  die  einzige  und  hochste  Berufs- 
pflicht  erblicken.  Die  Schule  soil  ununterbrochen  dem  Geiste  der  Men- 
schenentwicklung  und  Menschenbildung  dienstbar  sein,  und  als  Priester 
dieser  hoheren  Volksreligion  sollen  sich  die  Lehrer  betrachten.  Die 
Schule  ist  die  wahre  Kirche,  in  der  der  Geist  des  Fortschritts  auf  flam- 
menden  Altaren  leuchtet,  und  die  Lehrer  sind  die  Priester,  welche  dieses 
ewige  Feuer  nahren  miissen.  Halte  sich  keiner  von  uns  zu  gering,  an 
diesem  Werke  mitzuarbeiten  und  trage  jeder  sein  Scherflein  dazu  bei,  um 
den  Tempel  der  Menschheit  zu  einem  gwaltigen  Dome  der  wahren  Huma- 
nitat  und  echten  Bildung  auszubauen: 

,,Damit  das  Gute  wirke,  wachse,  fromme, 
Damit  der  Tag  dem  Edeln  endliche  komme." 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht. 


Von  Ernst  Wolf,  Leiter  des  deutschen  Unterrichts  in  der  McKinley  H.  S. 

St.  Louis,  Mo. 


1.  Geschichtlicher  Riickblick,  Humanismus  und  Realismus. 

2.  Die  neue  Zeit  und  ihr  Ideal,  der  Realismus. 

3.  Die  Notwendigkeit  neuer  Hilfsmittel  zu  seiner  Erreichung;  die 
Schwierigkeiten  des  Sprachunterrichts. 

4.  Die  neuen  Hilfsmittel : 

A.  Lehrbiicher. 

B.  Jugendschriften. 

C.  Modelle. 

D.  Bilder;  a)  fiir  die  Aussprache;  b)  fiir  den  Realien-Un- 
terricht;  c)  in  Yerbindung  mit  der  Lektiire  —  geogra- 
phisch  und  historisch. 

E.  Landkarten. 

5.  Schlussbemerkungen. 

Wenn  wir  den  vor  mehr  als  40  Jahren*)  aufs  heftigste  entbrannten 
Kampf  um  die  Methode  noch  weiter  bis  in  seine  ersten  Anfange,  die 
Jahrhunderte  zuriickliegen,  verfolgen  und  nach  seinen  ersten  Ursachen 
forschen,  werden  wir  uns  wohl  kaum  der  Erkenntnis  verschliessen  kon- 
nen,  dass  er  in  seinen  Ursachen  auf  verschiedenen,  einander  entgegenge- 
setzten,  einander  aufhebenden  Weltanschauungen  beruht.  Der  Kampf 
um  die  Methode  des  Sprachunterrichts  ist  historisch  wie  sachlich  zuriick- 
zufiihren  auf  die  alte  Kontro verse  des  Humanismus  und  des  Realismus. 

Das  Wiederaufleben  der  alten  griechischen  und  romischen  Literatur 
und  Wissenschaft,  also  der  Humanismus,  kann  fiir  die  kulturelle  Ent- 
wickelung  der  Menschheit  gewiss  nicht  iiberschatzt  werden,  und  es 
ware  ein  torichtes  Unterfangen,  seine  Verdienste  verkleinern  zu  wollen. 
Doch  wenn  man  so  weit  ging,  die  Beschaftigung  mit  den  Klassikern  als 
einzige  Grundlage  fiir  alle  und  jede  Bildung  anzusehen,  wenn  man  sie 
schlankweg  das  einzige  Bildungsmittel  fiir  die  Jugend  genannt  hat, 
so  muss  hierin  doch  ein  verhangnisvoller  Irrtum  erblickt  werden. 

Ein  kurzer  Riickblick  auf  die  padagogisehc  Geschichte  des  16.  und 
17.  Jahrhunderts  ist  zum  Verstandnis  der  Bestrebungen  unseres  Zeital- 
ters  eine  Notwendigkeit. 


*)   ,,Die  neusprachliche  Reform -Literatur"  von  Hermann  Breymann  nennt  als 
erstes  Werk  ,,Klotzsch,  die  Grundztige  der  frz.  Gr.  etc.  1876". 


214  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Auf  die  Periode  des  Aufbliihens  der  humanistischen  Studien  folgte 
eine  Periode  des  Verfalls,  in  welcher  auf  das  Eingehen  auf  den  Gedan- 
keninhalt  der  heidnischen  Schriftsteller  verzichtet  wurde,  und  ihre 
Werke  nach  grammatischen  und  stilistischen  Gesichtspunkten  durchge- 
arbeitet  wurden  ;die  einzig  wichtige  Frage  war  und  blieb  eben  auf  lange 
die  der  Rechtglaubigkeit,  die  durch  die  Beschaftigung  mit  der  Gedanken- 
welt  der  ,,Heiden"  nicht  gefordert  werden  konnte. 

Aber  in  dieser  Epoche  des  Niedergangs  keimte  anderswo  neues  Le- 
ben  auf;  und  diese  Epoche  ist  eine  Zeit  gewaltigen  Fortschritts  auf  dem 
Gebiete  der  Naturforschung  geworden.  Bislang  hatte  man  aus  den 
Schriften  der  Alten  alle  naturwissenschaftlichen  Kenntnisse  geschopft, 
jetzt  richtete  man  die  Augen  von  den  toten  Buchstaben  weg  auf  die 
D  i  n  g  e,  auf  die  umgebende  N"  a  t  u  r  selbst,  und  lauschte  ihr  die  wun- 
derbaren  Geheimnisse  ab,  deren  Entdeckung  die  Namen  eines  Koperni- 
kus,  Galilei,  Kepler  und  Newton  unsterblich  gemacht  hat.  —  Eine  neue 
Weltanschauung  ist  uns  aus  ihren  Werken  erwachsen. 

Das  Gangelband  der  Alten  wurde  abgeworfen  und  auch  fiir  die  Pa- 
dagogik  bliihte  neues  Leben  auf,  als  Baco  von  Yerulam  in  England, 
Montaign  in  Frankreich,  Ratichius  und  -Comenius  in  Deutschland  das 
Banner  des  Realismus  entf alteten,  und  namentlich  der  letztgenannte 
die  Realien  als  den  Kern  wissenschaftlicher  Bildung  der  Kenntnis  der 
alten  Sprachen  voranstellte.  Er  fand  den  Unterricht  erstarrt  in  dem 
trockenen  Formelwesen  der  Scholastik  und,  sich  stutzend  auf  die  Leh- 
ren  Bacons,  wollte  er  die  gesamte  Unterweisung  auf  die  Anschauung  der 
natiirlichen  Welt  begriinden,  und  man  kann  wohl  sagen,  dass  seine  Werke 
alle  spateren  Errungenschaften  der  Padagogik  schon  im  Keime  enthal- 
ten;  so  ist  er  auch  der  Begriinder  des  Parellelismus  von  Sach-  und 
Sprachunterricht  und  hiermit  der  Begriinder  der  modernen  Reformbe- 
strebungen  geworden.  Durch  seine  Lehre  ist  er  der  Vater  des  Realis- 
mus geworden,  der  die  Padagogik  dazu  leitete,  nicht  mehr  bloss  aus  Bii- 
chern,  sondern  ,,aus  dem  Himmel,  der  Erde,  den  Eichen  und  Buchen" 
zu  lernen  durch  unmittelbare  Anschauung  auf  dem  Wege  der  Induktion. 

So  wechseln  auch  die  Erziehungsideale,  wie  alle  anderen  Kulturide- 
ale.  Eine  neue  Zeit  verwirft,  was  die  vorhergehende  als  allein  wiin- 
schenswert,  als  allein  moglich  und  denkbar  in  den  Himmel  hob.  Wir  ma- 
chen  diese  Beobachtung  uberall,  wo  noch  Leben  herrscht,  von  der  Klei- 
dermode  an  bis  zu  den  Hohen  der  Kunst,  der  Wissenschaft  und  der  Tech- 
nik,  und  wir  machen  sie  ebenso  bei  den  sittlichen  und  gesellschaftlichen 
Anschauungen ;  was  gestern  noch  verpont  war,  heute  ist's  erlaubt  —  und 
wohl  auch  umgekehrt  ;wir  zucken  die  Achseln  und  riimpfen  die  Nase 
iiber  mancherlei  Sitten  und  Gebrauche  und  moralische  Anschauungen 
einer  vergangenen  Epoche,  und  die  Wenigen,  die  noch  aus  derselben  un- 
ter  uns  weilen,  sprechen  von  ,,den  guten  alten  Zeiten^,  wie  ja  auch  die 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht.  215 

Volker  iiber  die  Verderbnis  der  anderen  Volker  die  Hiinde  liber  dem 
Kopfe  zusammenschlagen  und  ausrufen:  ,,So  etwas  kann  bei  uns  nicht 
vorkommen." 

Alles  fliesst,  und  es  ware  ein  vergebliches,  ja  sogar  ein  kulturfeind- 
liches  Bemiihen,  wenn  wir  uns  gegen  den  Kulturstrom  stemmen  wollten. 
Niemand  lebt,  der  den  Mut  besasse  zu  gestehen,  das  er  dies  wolle;  im 
Gegenteil,  wir  wollen  dem,  was  wir  in  dem  Neuen  als  gut  und  gesund, 
und  darum  als  erstrebenswert  anerkennen,  den  Weg  ebnen  helfen.  Wir 
wollen  mit  unserer  Erzieherarbeit  nicht  immer  alte,  ausgetretene  Geleise 
wandern,  wir  wollen  unsere  Arbeit  bef ruchten  lassen  von  den  neuen  Ideeii 
einer  neuen  Zeit. 

Und  die  neue  Zeit  steht  unter  dem  Zeichen  des  Realismus,  der 
vielleicht  in  froher  Kampfeslust  und  sicherem  Siegesbewusstsein  zu  Zei- 
ten  den  Kopf  zu  stolz  erhebt.  Moge  zum  Heile  der  Menschheit  die  eine 
Richtung  —  der  Humanismus  —  so  lange  durch  die  andere  —  den  Rea- 
lismus  —  korrigiert  werden,  bis  sie  sich  zu  einer  harmonischen  Einheit 
werden  verschmolzen  haben. 

Die  neue  Zeit  fordert  nicht  allein  Schongeister,  sondern  auch  Man- 
ner, die  mit  klarem  Auge  und  mit  sicherem  Blicke  die  grossen  wirtschaft- 
lichen  Bewegungen  im  Gesamtverkehr  der  Kulturvolker,  sowie  die  Fort- 
schritte  auf  den  technischen  und  merkantilen  Gebieten  zu  verfolgen  und 
gedeihlich  zu  beeinflussen  imstande  sind,  denn  in  der  menschlichen  Ent- 
wickelung  sind  stets  die  wirtschaftlichen  Tnteressen  im  letzten  Grande 
entscheidend  gewesen.  Und  zur  Losung  dieser  Fragen  ist  eine  Bildung, 
die  auf  den  Naturwissenschaften  und  den  modernen  Sprachen  aufgebaut 
ist,  von  ungleich  hoherer  Bedeutung  als  die  Beschaftigung  mit  den 
Alten. 

Wir,  wir  leben!    Unser  sind  die  Stunden, 
Und  der  Lebende  hat  Recht. 

Und  wir  lassen  uns  auch  nicht  irre  machen,  wenn  man  uns  des 
Mangels  an  Idealismus  bezichtet.  Unser  Idealismus  ist  nur  anderer 
Art.  Victor,  der  Rufer  im  Streit,  sagt:  ,,Der  Neuphilologe  ist  mehr 
als  ein  Sprachmeister.  Er  ist  im  Grossen  und  Kleinen  der  Dolmetscher 
des  fremden  Wesens  daheim  und  eigener  Art  im  Auslande,  ein  interna- 
tionaler  Friedens-  und  Freundschaftsstifter.  Nicht  Zwei-  oder  Dreibund 
—  unser  Ziel  ist  der  Weltbund  der  Kulturvolker  auf  Grand  gegensei- 
tigen  Sichverstehens."  Dieser  Idealismus  ist  allerdings  anders,  und  ich 
darf  wohl  sagen,  hoher  geartet,  als  das  siissliche  Gesausel  und  Geschwar- 
me,  das  man  in  der  Vergangenheit  damit  bezeichnete,  so  dass  man  sich 
fast  schamen  musste,  das  Wort  Idealismus  iiberhaupt  noch  in  den  Mund 
zu  nehmen.  ,,Idealismus  ist  gerade  die  derbste,  handfesteste  Sache,  ist 
schweres  Hausbackenbrot,  nicht  Konfekt  fur  Leckermauler ;  bei  jedem 


316  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

wahren  Idealismus  geht  es  auf  Leben  und  Tod",  schreibt  ein  wackrer 
deutscher  Schulmeister,  selbstverstandlich  ein  ,,Moderner". 

Welcher  Zusammenhang  besteht  nun  zwischen  dem  Gesagten  und 
meinem  Thema? 

Das  neue,  realistische  Ideal  hat  uns  ein  neues  Ziel  gesteckt,  zu  des- 
sen  Erreichung  wir  anderer,  neuer  Hilfsmittel  benotigen.  Das  alte  Ideal 
hatte  sich  in  bewunderns-  oder  bedauernswerter  Geniigsamkeit  mit  der 
alten  einfachen  Dreiheit  Grammatik,  Lesestoff  und  Worterbuch  zufrie- 
den  gegeben. 

Heute  ist  es  anders  geworden !  Ich  gestehe  Ihnen  off  en,  dass  ich 
es  schon  lange  aufgegeben  habe,  die  angebotenen  Lehrmittel,  deren  Zahl 
ins  Ungeheure  gestiegen  ist,  alle  zu  kennen  --  von  Priifen  kann  schon 
erst  recht  keine  Rede  sein,  und  oft  habe  ich  mich  gefragt:  ist  das  Zeug 
denn  wirklich  auch  alles  notwendig? 

Nun,  die  Schwierigkeiten,  die  wir  zu  bewaltigen  haben,  sind  wirk- 
lich ungeheure,  und  der  gute  Wille,  der  uns  hierzu  neue  Hilfsmittel  an- 
bietet,  verdient  dankbar  anerkannt  zu  werden,  selbst  wenn  sie  bei  nahe- 
rem  Zuschauen  oft  als  unzulanglich  verworfen  werden  miissen.  Schwie- 
rigkeiten! Da  ist  die  Allmacht  der  Muttersprache,  die  Gewohnheit,  in 
ihr  zu  denken,  ihr  bestandiger  Gebrauch  in  der  Schule,  in  der  Familie, 
im  Freundeskreise,  in  der  Kirche,  im  Theater,  beim  Spiel,  bei  der  Zei- 
tungs-  und  Unterhaltungslektiire  u.  s.  w.  Unseren  Kollegen,  den  Ma- 
thematikern  ist  auch  nicht  das  angenehmste  Los  zuteil  geworden  —  aber 
ihnen  ist  doch  wenigstens  die  M  u  1 1  e  r  sp  r  a  ch  e  eine  Hilfe,  die  sie  in 
ihren  Dienst  stellen  konnen.  Und  gerade  die  Muttersprache  ist  es,  die 
WIR  als  unsere  gefahrlichste  Feindin  ansehen  miissen.  Kame  uns  beim 
fremdsprachlichen  Unterricht  noch  die  den  englischen  Unterricht  stiit- 
zende  standige  Reproduktion  der  Sprachgebilde  zu  statten,  so  mochte  es 
noch  gehen,  so  aber  hemmen  und  verdrangen  die  englischen  Worte  be- 
standig  die  miihsam  erworbenen  deutschen  Laute  und  Vorstellungen. 

Aber  das  ist  nicht  die  einzige  Schwierigkeit,  die  sich  uns  in  den 
Weg  stellt,  wenn  sie  auch  wohl  die  entmutigendste  ist.  Hierzu  kommt 
das  nationale  Vorurteil  gegen  Auslandisches,  die  ungeheure  Schwierig- 
keit, sich  in  eine  fremdlandische  Umwelt  zu  denken,  in  ein  anderes  Zeit- 
alter,  in  einen  anderen  Kulturzustand,  in  andere  politische  und  ethische 
Anschauungen. 

Die  Schwierigkeit,  den  wirklichen  Gedankeninhalt  eines  einzigen 
Wortes  zu  erfassen,  ist  enorm,  gibt  es  ja  doch  wohl  kaum  ein  Wort,  das 
in  der  englischen  Sprache  denselben  Gedankeninhalt  hat  wie  in  der  deut- 
schen. 

Die' Zahl  der  Laut-  und  Schriftzeichen,  die  wir  zu  iibermitteln  ha- 
ben, ist  unabsehbar,  und  wie  schwer  bleiben  sie  haften,  und  wie  leicht 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht.  217 

werden  sie  bei  der  Jugend  durch  andere,  ihr  mehr  Interesse  einflossende 
Eindriicke  verdrangt. 

,,In  der  Jugend  1st  ihm  ein  froher  Gefahrte  der  Leichtsinn." 

Die  Schwierigkeiten,  die  Gedankenarbeit  eines  fremden  Volkes,  so 
verschieden  durch  die  nationalen  Eigentiimlichkeiten  von  der  vaterlan- 
dischen,  dem  widerstrebenden  Schiilerhirn  zum  Verstandnis  zu  bringen, 
sind  in  der  Tat  enorm,  und  in  dankbarer  Freude  mlissen  wir  jedes 
brauchbare  Hilfsmittel  willkommen  heissen;  wir  diirfen  uns  kaum  wun- 
dern,  dass  eine  Zeit,  die  sie  nicht  kannte,  wenig  befriedigende  Erfolge 
aufzuweisen  hatte. 

Es  ist  nun  unmoglich,  nalier  auf  mein  Thema  einzugehen  und  dabei 
die  Methodenfrage  ausser  Acht  zu  lassen,  da  ja  natiirlich  der  Lehrer  seine 
Hilfsmittel  auswahlen  wird  in  Ubereinstimmung  mit  der  Methode,  die 
er  anwendet.  Von  einer  Darlegung  meiner  eigenen  Ansichten  iiber  Me- 
thodik  sehe  ich  ab,  da  ich  mich  hiermit  auf  ein  Feld  begeben  wiirde,  das, 
heute  wenigstens,  einem  anderen  und  Wiirdigeren  gehort.  Ich  will  mich 
begniigen  mit  der  Andeutung,  dass  ich  auf  der  Seite  der  Reform  ein  be- 
scheidenes  Platzcheii  unter  den  Radikalen,  ziemlich  weit  links,  einnehme. 

Die  Auswahl  der  Hilfsmittel,  die  ich  gebrauche  und  empfehle,  wird 
also  von  diesem  Standpunkte  aus  zu  bewerten  sein. 

Weit  davon  entfernt,  die  Biicher  verwerfen  zu  wollen  -  -  wie  bose 
Menschen  behaupten  —  machen  die  Reformer  einen  weit  ausgiebigeren 
Gebrauch  davon  als  man  dies  friiher  tat,  und  ich  beginne  denn  also  mit 
diesem  Hilfsmittel.  Zu  der  Grammatik,  die  wir  dem  Schiller  bei  sei- 
nem  Eintritt  ins  neunte  Schuljahr  als  treue  Begleiterin  durchs  ganze 
Schulleben  in  die  Arme  driickten,  griindlich,  vollstandig,  wissenschaft- 
lich,  wie  sie  natiirlich  sein  miisste,  gesellen  sich  nun  Elementargram- 
matiken,  Grammatiken  fur  die  mittlere  und  fur  die  obere  Stufe,  in  deut- 
scher  oder  englischer  Sprache  geschrieben,  induktiv  oder  deduktiv,  ganz 
nach  Wunsch ;  Paralellgrammatiken  f iir  a  1 1  e  Sprachen  nach  einheit- 
lichem  Plane  bearbeitet.  Konversationsgrammatiken  gehb'ren  auch  wohl 
hierher;  zur  tibung  in  der  Aussprache  hat  man  Texte  in  phonetischer 
Umschrift  geschaffen. 

Lesebiicher  fiir  Anf anger-  und  die  anderen  Stufen;  Sight  Transla- 
tions; Lesebiicher  zur  Einfiihrung  in  die  fremde  Kultur-  und  in  die 
Landeskunde,  sog.  Realienlesebiicher,  solche  fiir  Handelsschulen,  solche 
enthaltend  naturwissenschaftliche  Stoffe,  Chrestomathien,  Schriftsteller- 
texte  aus  alien  moglichen  Spharen,  in  jeder  moglichen  Zubereitung,  Ab- 
rundung,  Ausstattung,  Erlauterung;  Fragehefte  hierzu;  Ubungsbiicher 
zum  tibersetzen  aus  dem  Englischen  ins  Deutsche  fiir  die  verschiedenen 
Stufen;  Anleitungen  zu  freien  schriftlichen  Arbeiten,  Brief schulen  und 
Aufsatzmodellbiicher  (meistens  aus  Deutschland  bezogen  und,  nach  mei- 
ner Erfahrung,  wenig  brauchbar  fiir  unsere  Zwecke)  ;  Gesprachsbiicher, 


218  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Bilderbiicher  zur  Ubung  im  miindlichen  und  schriftlichen  Gebrauch  der 
Sprache,  Lehrbiicher  nach  der  Gouinmethode,  Beschreibungen  zu  Bil- 
dern,  dichterische  Anthologien  verschiedener  Art,  solche  bestehend  aus 
lyrischen  Gedichten,  andere  aus  Balladen,  wieder  andere  aus  beiden  Dich- 
tungsgattungen  ;noch  andere  ausschliesslich  zum  Auswendiglernen. 
Liederbiicher,  Vokabularien  und  Phraseologien — die  mir  bekannten  sind 
alle  in  England  und  Frankreich  erschienen  —  hieran  schliessen  sich: 
Worterbiicher,  grosse  und  kleine.  Vielleicht  ist  iiber  Nacht  noch  etwas 
hinzugekommen,  vielleicht  ist  mir  noch  einiges  entgangen,  was  in  der 
Wechselrede,  die  meinem  Vortrag  folgen  wird,  aus  Tageslicht  gebracht 
werden  wird. 

Die  methodischen  Hilfsbiicher  fiir  den  ausschliesslichen  Gebrauch 
des  Lehrers  mussten  hierbei  vollstandig  unberiicksichtigt  bleiben. 

Auch  kann  ich  die  f iir  die  Schiilerbibliotheken  brauchba- 
ren  Biicher  nur  im  Voriibergehen  beriicksichtigen ;  und  verweise  auf  die 
Listen  der  aus  Lehrern  bestehenden  deutschen  Priifungs-Ausschusse  fiir 
Jugendschriften.  Die  von  diesen  Ausschlissen  aufgestellte  Fordenmg, 
dass  eine  Jugendschrift  frei  sein  miisse  von  Tendenzen,  die  ausserhalb 
des  kiinstlerischen  Zweckes  liegen,  ist  besonders  vertrauenerweckend. 
Fiir  uns  hierzulande  bietet  die  Auswahl  geeigneter  Jugendschriften  noch 
ganz  besondere  Schwierigkeiten.  Die  weitaus  meisten  Jugendschriften 
sind  irgend  einer  an  sich  guten  Absicht  zu  Liebe  entstanden;  die  Ge- 
schichten  sollen  entweder  belehren  oder  moralisch  bessern  oder  auch  re- 
ligios  oder  patriotisch  anregen,  und  meist  soil  die  lobenswerte  Tendenz 
zugleich  das  Manko  des  dichterischen  Gehalts  verdecken.  Eine  so  kiinst- 
lich  aufgepropfte,  agitatorisch  wirkende  Tendenz  muss  natiirlich  eine 
unkiinstlerische  Wirkung  haben,  und  Biicher  dieses  'Charakters  sind  von 
den  Ausschiissen  daher  verworfen  worden.  Nun  diirfen  wir  bei  der  Aus- 
wahl der  Lektiire  auch  nicht  vergessen,  dass  sich  die  amerikanischen  An- 
sichten  iiber  ethische  Fragen  nicht  immer  genau  mit  den  deutschen  An- 
sichten  decken;  die  Geschichte  lehrt  es  uns  ja?  dass  die  Vorstellungen 
von  Gute  und  Bose  in  jeder  Gesellschaftsordnung,  in  jeder  Phase  der 
menschlichen  Entwickelung  anders  sein  m  ii  s  s  e  n.  Alle  schonen  Ke- 
densarten  helfen  uns  nicht  dariiber  weg,  dass  diese  Vorstellungen  von 
Gut  und  Bose  nichts  anders  sind  als  die  ideologische  Verklarung  der  je- 
weiligen  materiellen  Interessen  der  betreffenden  Gesellschaftsordnung, 
die  eben  das  gut  nennt,  was  ihr  niitzt,  und  das  schlecht,  was  ihr  scha- 
det.  Was  den  Siidstaaten  z.  B.  als  Ausdruck  hochster  und  reinster  Va- 
terlandsliebe  erschien,  darin  erblickten  die  Kordstaaten  nichts  anders  als 
verbrecherischen  Verrat.  —  Also  Vorsicht  bei  der  Auswahl!  Ich  wiirde 
vor  dieser  Gefahr  nicht  warnen,  hatte  ich  noch  keine  iiblen  Erfahrungen 
gemacht.  Die  Listen  der  Ausschiisse  sind  bei  den  hohen  Anforderun- 
gen  keineswegs  gross,  und  die  Zahl  der  fiir  unsere  Bediirfnisse  in  Beriick- 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht.  219 

sichtigung  kommenden  wird  auch  noch  betrachtlich  verkleinert  dadurch, 
dass  das  fiir  unsere  Schiller  sprachlich  Angemessene  inhaltlich  ihrem 
Alter  und  ihrer  geistigen  Entwickelung  nicht  entspricht,  und  das,  was 
d  i  e  s  e  n  Anf orderungen  entspricht,  in  den  meisten  Fallen  zu  schwer 
sein  diirfte. 

Ich  wende  mich  zu  der  nachsten  Klasse  der  Hilfsmittel,  die  haupt- 
sachlich  dem  Anschauungsunterricht  dienen. 

Nun  sollte  dieser  Teil  von  Eechts  wegen  eingeleitet  werden  durch 
eine  Abhandlung  ,,tiber  die  Verbindung  des  Sprach-  und  Sach-TJnter- 
richts",  dessen  Berechtigung  in  den  Elementarklassen  wohl  heute  nicht 
mehr  beanstandet  wird;  seine  Anwendung  beim  Unterricht  in  unseren 
Mittelschulen  bricht  sich  langsam  Bahn;  noch  vor  wenigen  Jahren  hat 
man  ihn  ,,einen  wertlosen  Zeitvertreib,  ein  verderbliches  Spielen,  em 
blosses  Lockmittel  fiir  die  leicht  zerstreute  Jugend"  genannt.  Yiele  ha- 
ben  es  nachgebriillt,  Schlagworter  regieren  ja  in  der  Welt. 

Zur  Erklarung  und  tibung  der  Aussprache  verzeiclmen  die  Lehrmit- 
telkataloge  allein  wohl  ein  halbes  Dutzend  verschiedene  Serien  von  Ta- 
feln,  mit  und  ohne  phonetische  Umschrift,  Abbildungen  der  Sprachor- 
gane,  Bilder,  worauf  die  Stellung  der  Sprachorgane  zur  Hervorbringung 
der  verschiedenen  Laute  photographisch  dargestellt  sind.  Hierzu  kom- 
men  noch  plastische  Modelle  der  Sprachwerkzeuge. 

ISTatiirlich  gibt  es  auch  hier  wieder  solche,  die  nichts  von  der  ISTeu- 
erung  wissen  wollen,  die  jegliche  phonetische  Unterweisung  verwerfen. 
,,Haben  die  Lehrer,"  sagt  Koerting,  ,,eifrig  Lautphysiologie  und  theore- 
tische  Phonetik  getrieben,  so  sind  sie  fiir  die  Praxis  meist  vollends  ver- 
dorben,  denn  sie  haben  sich  dann  eine  buchmassig  korrekte  Aussprache 
angequalt,  welche  zu  der  natiirlichen  sich  etwa  so  verhalt,  wie  die  Bewe- 
gungen  einer  Gliederpuppe  zu  denen  des  lebendigen  Leibes,  u.  s.  w." 

Als  Hilfsmittel  fiir  den  Anschauungsunterricht  auf  der  Elementar- 
stuf e  kommen  zuerst  die  Gegenstande  selbst,  oder,  falls  diese 
nicht  erreichbar  sind,  ihre  Modelle,  und,  wenn  solche  nicht  vorhan- 
den  sind,  Bilder  in  Betracht. 

Gerade  auf  dem  Gebiete  der  Modelle  sind  ganz  neue  Leistungen  zu 
verzeichnen :  Modelle  von  Ackerbaugeriiten,  Wohnungen  und  Gebau- 
den,  den  verschiedenen  Raumlichkeiten  und  ihren  Geraten;  von  Beforde- 
rungsmitteln,  Kirchengeraten,  Werkzeugen,  Spielsachen,  Pflanzen, 
Friichten,  von  Schmucksachen,  Musikinstrumenten,  Waffen,  Gefassen 
und  Farben.  Die  vollstoendige  Sammlung  in  8  Glaskasten  kostet  M100. 
Einzelkasten  von  M12 — 14.  Anschauungsuhren  in  verschiedener  Aus- 
fiihrung  gehoren  ebenfalls  hierher;  ich  halte  diese  Uhren  fiir  unentbehr- 
lich  zur  Bestimmung  der  Zeit;  ausserdem  hat  Friedrich  Rausch  Modelle 
zur  Veranschaulichung  der  vaterlandischen  Kulturgeschichte  verferiigt. 


220  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Vom  Steinkeil  und  der  Pfahlbauhiitte  bis  zum  Orden  des  goldenen 
Vliesses,  dem  Rosenkranz,  Gutenbergs  Buchdruckpresse  bis  zur  Allonge- 
perriicke,  und  der  Tonpfeife  mit  Fidibus  —  alles  ist  zu  sehr  massigen 
Preisen  zu  haben. 

Der  Schwarze  Adler-Orden  ist  heute,  unter  der  glorreichen  Regie- 
rung  Wilhelm  II.,  nicht  mehr  so  schwer  zu  erhalten  wie  friiher,  in  dieser 
Modellsammlung  kostet  er  ,,mit  Stern"  nur  M2.00. 

Dass  in  jedem  deutschen  Schulzimmer  eine  Wandkarte  des  deutschen 
Reiches  und  seiner  Nachbarlander,  also  des  g  a  n  z  e  n  Deutschlands  im 
ethnographischen,  nicht  nur  im  politischen  Sinne,  hangen  muss,  ist 
selbstverstandlich. 

Die  Realien-Frage  glaube  ich  meinem,  in  den  Monatsheften  ver- 
b'ffentlichten  Erier  Vortrage  —  den  ich  allerdings  ,,by  proxy"  gehalten 
habe  —  geniigend  beleuchtet  zu  haben;  ich  habe  seitdem  meinen  Stand- 
punkt  nicht  geandert,  sondern  finde  fast  taglich  neue  Griinde  fiir  die 
Unentbehrlichkeit  des  Realien-Unterrichts.  Goethe  sagte  einmal  zu  einem 
Englander:  ,,Sie  haben  wohlgetan,  dass  Sie,  um  Deutsch  zu  lernen,  zu 
uns  heriiber  gekommen  sind,  wo  Sie  nicht  allein  die  Sprache  leicht  und 
schnell  gewinnen,  sondern  auch  die  Elemente,  worauf  sie  ruht,  unseren 
Boden,  Klima,  Lebensart,  gesellschaftlichen  Verkehr,  Verfassung  und 
dergleichen  mit  nach  England  im  Geiste  hinubernehmen."  Besser  hatte 
es  kein  Schulmeister  sagen  konnen. 

Eine  gute,  klare,  sich  auf  das  Typische  und  Wichtige  beschrankende 
Wandkarte  wird  hierzu  wohl  das  wesentlichste  Hilfsmittel  sein.  Eine 
Kenntnis  des  deutschen  Landes,  die  sich  natiirlich  nicht  auf  das  Auswen- 
diglernen  von  Fliisse-,  Gebirgs-,  Staaten-  und  Stadtenamen  beschranken 
darf,  ist  eine  notwendige  Voraussetzung  zum  Verstandnis  der  Geschichte 
und  der  Kultur.  Nur  e  i  n  Beispiel !  Die  zentrale,  offene  Lage  ist  die 
Erklarung  fiir  die  deutsche  Geschichte.  Wie  oft  ist  jene  dieser  verhang- 
nisvoll  geworden. 

Vom  Osten  her,  der  Donaustrasse  folgend,  brachen  verwiistend  die 
Hunnen  herein,  durch  deren  Yorstoss  fast  alle  deutschen  Stamme  in  Be- 
wegung  gesetzt  wurden.  Durch  dasselbe  Tor  drangen  spater  wiederholt 
die  Magyaren,  bis  Heinrich  I.  und  Otto  I.  ihren  rauberischen  Goliisten 
ein  Ziel  setzten. 

Ebenfalls  vom  Osten  her  kamen  liber  die  offene  Grenze  die  Slaven, 
das  Land  bis  zur  Elbe  fiillend,  nachdem  die  friiher  hier  sesshaften  deut- 
schen Stamme,  vom  Strudel  der  Volkerwanderung  erfasst,  westwarts  ge- 
zogen  waren. 

Durch  die  offene  Westgrenze  sind  die  Franzosen  im  SOjahrigen 
Kriege  eingedrungen  und  trugen  als  Beute  das  Elsass  davon.  Dann  folg- 
ten  die  Kriege  Ludwigs  14.,  deren  zweiter  Lothringen  an  Frankreich 
brachte,  und  deren  dritter  die  Pfalz  verwiistete. 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht.  221 

Kaum  100  Jahre  spater  sind  die  Franzosen,  am  siebenjahrigen  Kriege 
teilnehmend,  wieder  mitten  in  Deutschland.  Dann  folgen  die  Kevolu- 
tionskriege,  im  Anschluss  daran  die  Gewaltherrschaft  Napoleons;  die 
franzosische  Grenze  wurde  iiber  Hamburg  und  Liibeck  bis  an  die  Ostsee 
verlegt.  Durch  die  offene  Westgrenze  herein  und  durch  die  offene  Ost- 
grenze  hinaus  walzte  sich  dann  die  ungeheure  Armee,  die  Napoleon  gegen 
Kussland  ins  Feld  fiihrte.  Und  als  dann  sein  Stern  zu  erloschen  begann, 
da  wurden  all  die  Schlachten,  in  denen  das  Schicksal  ganz  Europas  zur 
Entscheidung  kam,  naturgemass  in  Deutschland,  dem  Mittelpunkt  des 
Erdteils,  ausgefochten.  Im  Nor  den  hatten  sich  seit  dem  SOjahrigen  Krieg 
die  Schweden  festgesetzt  ;selbst  das  kleine  Danemark  versuchte  eine  Zeit 
lang  in  einem  deutschen  Lande  wie  in  seinem  Eigentum  zu  schalten. 

Dazu  kommt,  dass  selbst  fremde  Nationen  viele  ihrer  Kriege  unter- 
einander  zum  Teil  auf  deutschem  Boden  ausfochten,  ohne  dass  es  sich 
dabei  um  deutsche  Interessen  handelte.  (Der  schwedisch-polnische  Thron- 
streit  1655-60,  der  spanische  Erbfolgekrieg  1701-14,  der  nordische  Krieg 
1700-21,  der  polnische  Thronstreit  1701-14,  der  nordische  Krieg  1700-21, 
der  polnische  Thronstreit  von  1733-35,  der  osterreichische  Erbfolgekrieg 
von  1740-40.) 

Wir  sehen :  Deutschland  ist  infolge  seiner  zentralen  Lage  und  seiner 
offenen  Grenze  durch  Jahrhunderte  der  Kriegsschauplatz  fur  ganz  Eu- 
ropa  gewesen.  Es  hat  denn  auch  kein  Land  so  viele  Schlachtorter  als 
Deutschland. 

All  das  muss  ein  Lehrer  des  Deutschen  wissen,  um  seinen  Schiilern 
einige  der  .augenscheinlichsten  Erscheinungen  des  deutschen  Lebens  der 
Gegenwart  zu  erklaren.  Wie  schimpft  fast  die  ganze  zivilisierte  Welt 
iiber  den  deutschen  Militarismus,  wie  leicht  ist  die  Unkenntnis  —  oder 
ist  es  boser  Wille?  —  geneigt,  das  deutsche  Heer  als  eine  bestandige  Be- 
drohung  des  Weltfriedens  anzusehen,  wahrend  in  Wirklichkeit  die  Ge- 
schichte  lehrt,  dass  Deutschland  gezwungen  ist,  zum  eigenen  Schutz  diese 
enormen  Opfer  zur  Erhaltung  seiner  Selbstandigkeit  und  Unabhangigkeit 
zu  leisten. 

Das  Militarwesen  greift  so  tief  in  das  personliche  Leben  des  Indivi- 
duums  ein  ,es  ist  im  Auslande  so  schauderhaft  missverstanden,  dass  unsere 
Schiller  nicht  allein  dariiber,  sondern  auch  iiber  die  Griinde  seiner  Ent- 
stehung  und  seines  fortgesetzten  Bestehens  unterrichtet  sein  miissen. 
Ahnliche  Griinde  liessen  sich  noch  viele  anfiihren,  ware  es  heutzutage 
iiberhaupt  noch  notig,  den  Eealienunterricht  zu  begriinden. 

Der  moderne  Sprachlehrer  ist  also  auch  Geschichts-  und  Geographic-, 
ja  sogar  Mathematiklehrer.  (Man  lese  dariiber  noch  Prof.  Kerns  Auf- 
satze  in  No.  3  und  4  des  laufenden  Jahrganges  der  Monatshefte.)  Ohne 
ausgiebigen  Gebrauch  der  in  Hiille  und  Fiille  angebotenen  Hilfsmittel  ist 
es  ihm  aber  kaum  moglich. 


222  Monatshefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Padagogik. 

tiber  ,,Bilder"  im  allgemeinen  als  Hilfsmittel  wird  wohl  in  einem 
spateren  Vortrage  viel  Interessantes  mitgeteilt  werden.  Ich  beschranke 
mich  darauf,  einiges  iiber  Bilder  als  Hilfsmittel  in  Verbindung  mit  der 
Lektiire  zu  sagen,  und  zwar  habe  ich  hierzu  die  Behandlung  des  ?,Tell" 
—  eines  zwar  nicht  neuen,  abber  immer  interessanten  und  alien  gegen- 
wartigen  Themas  —  ausgewahlt. 

Wie  toricht  ware  es  z.  B.?  von  Schulern,  die  zwischen  den  Alleghanies 
und  dem  Felsengebirge  geboren  und  gross  geworden  sind,  zu  verlangen, 
den  Tell  zu  verstehen,  ohne  ihre  Phantasie  durcli  gate  Darstellungen  der 
raumlichen  und  zeitlichen  Verhaltnisse,  aus  denen  die  Handlung  heraus- 
wachst,  zu  unterstiitzen.  Man  iiberlege  nur,  was  es  eigentlicli  heisst, 
amerikanischen  Kindern  zuzumuten,  sich  in  ein  fremdes  Land,  4000 
Meilen  weit  entfernt,  zu  versetzen  ;nun  kommt  dazu,  dass  die  Topogra- 
phic der  Schweiz  so  grundversehieden  ist  von  der  unseres  Landes,  es 
kommt  dazu,  dass  die  Handlung  sich  in  einem  Zeitalter  vollzieht,  dessen 
Eigentiimlichkeiten  zu  verstehen  so  iiber  alle  Massen  schwer  sein  muss. 
TTnsere  Schiiler  konnen  sich  keine  Gebirgslandschaft  natiirlich 
vorstellen,  wenn  sie  cine  solche  bisher  weder  in  der  Natur  noch  im  Bildo 
geschaut  haben.  Das  eigenartige  Naturpanorama,  welches  die  Gletscher 
der  Alpen  dem  Auge  darbieten,  kann  ihrer  Vorstellung  nicht  nahe  ge- 
bracht  werden,  wenn  wir  ihnen  diese  Erscheinung  nicht  im  Bilde  vor- 
fiihren.  Zur  Belebung  der  Vorstellungstatigkeit  miissen  wir  also  den 
Schulern  wie  im  erdkundlichen  so  im  fremdsprachlichen  Unterricht  auch 
naturgetreue  bildliche  Darstellungen,  besonders  Landschaftsbilder,  zeigen. 
Diese  iibe  nauf  das  jugendliche  Auge  eine  grosse  Wirkung  aus.  Mag  der 
vorliegende  Text  eine  Landschaft  noch  so  schon  und  anschaulich  schil- 
dern,  es  wirken  die  gedruckten  Worte  auf  das  Vorstellen  der  Schiiler  nicht 
so  ein  wie  eine  bildliche  Darstellung.  Wenn  ich  die  erste  Szene  des  2. 
Aktes  im  Tell  erreiche  und  an  die  Stelle  komme,  wo  der  alte  Attinghausen 
zu  Rudenz  spricht : 

—  Das  Fraulein  ists, 

Bertha  von  Bruneck,  die  zur  Herrenburg 

Dich  zieht,  dich  fesselt  an  des  Kaisers  Dienst, 

Das  Ritterfraulein  willst  du  dir  erwerben 

Mit  deinem  Abf all  von  dem  Land  —  Betriig  dich  nicht ! 

Dich  anzulocken,  zeigt  man  dir  die  Braut; 

so  entfalte  ich  vor  den  Augen  meiner  Schiiler  das  Lehmann'sche  Bild  ,,Im 
Eittersaale".  Hier  sehen  wir  eine  Szene  dargestellt,  die  der  von  Rudenzens 
Werbung  um  Berthas  Han  din  vielen  Stiicken  ahnlich  ist. 

Vom  strengen  Standpunkt  der  Realien-Enthusiasten  lasst  sich  ja 
manches  gegen  solchen  Gebrauch  einwenden,  dem  Kiinstler  hat  sicherlich 
nicht  Gessler,  Bertha  und  Rudenz  vorgeschwebt,  und  den  Schulern  gegen- 


Die  Hilfsmittel  im  modernen  Sprachunterricht.  223 

iiber  darf  man  nicht  unterlassen,  dies  klar  zu  stellen,  aber  die  Punkte  der 
Ahnlichkeit  sind  doch  viel  zahlreicher  als  die  Punkte  der  Unahnlichkeit, 
und  es  ist  gewiss  keine  unberechtigte  Forderung,  wenn  man  von  den 
Schiilern  verlangt,  ihre  Einbildungskraft  ein  ganz  klein  wenig  anzu- 
strengen,  nachdem  man  ihr  ein  so  grosses  Stuck  entgegengekommen  ist. 
Oder  nehmen  wir  eines  der  vielen  Landschaftsbilder  von  der  Schweiz. 
das  Hoelzelsche  ,,das  Berner  Oberland",  oder  die  von  Benteli  Stucki,  oder 
die  von  Geistbeck  und  Engleder,  so  wird  es  nicht  schwer  fallen,  ihnen  zu 
zeigen,  wie  das  Zuriickgehen  des  Naturlebens  durch  die  stetige  Abiiahme 
der  Warme  mit  der  Hohe  des  Gebirges  bewirtk  wird.  Die  Zone  des  Baum- 
wuchses,  die  Zone  des  Graswuchses,  die  Schneeregion  kann  beobachtet 
werden,  und  Melchtals  wundervoller  Bericht: 

,,Durch  der  Surennen  furchtbares  Gebirg. 
Auf  weit  verbreitet  oden  Eisesfeldern" 

gewinnt  eine  Bedeutung. 
Und  spater : 

,,Denn  bis  an  diese  letzte  Grenze  selbst 
Belebter  Schopfung,  wo  der  starre  Boden 
Aufhort  zu  geben,  raubt  der  Vogte  Geiz." 

Diese  Stellen  wie  hunderte  von  anderen  horen  auf  tonende  Worte  zu  sein, 
mit  denen  sich  keine  Vorstellung  verbindet. 

Die  Art  und  Weise,  wie  Viehzucht  betrieben  wird,  wie  sie  vollstiindig 
durch  die  bestehenden  Yerhaltnisse  bedingt  ist,  warum  der  Hirt,  der 
Senne,  wahrend  der  ganzen  Weidezeit  mit  der  Herde  dort  oben  verbleiben 
muss,  da  die  Kiihe  unmoglich  den  weiten  Weg  aus  dem  Tal  nach  der  Alp, 
der  hochgelegenen  Bergwiese,  taglich  hin  und  zuriick  machen  kann,  son- 
dern  erst  wenn  der  Schnee  geschmolzen  ist  und  die  Wiesenmatten  sich  in 
junges  frisches  Griin  kleiden,  und  warum  der  Hirte  singt: 

,,Ihr  Matten  lebt  wohl ! 

Ihr  sonnigen  Weiden! 

Der  Senne  muss  scheiden, 

Der  Sommer  ist  hin. 

Wir  fahren  zu  Berg,  wir  kommen  wieder, 

Wenn  der  Kuckuck  ruft,  wenn  erwachen  die  Lieder, 

Wenn  mit  Blumen  die  Erde  sich  kleidet  neu, 

Wenn  die  Briinnlein  fliessen  im  lieblichen  Mai/' 

Und  ebenso  Gertruds  Worte: 

„ —  und  der  Kinder  Scharen, 
Der  glatten  Pferde  wohlgenahrte  Zucht, 
Ist  von  den  Bergen  gliicklich  heimgebracht 
Zur  Winterun  gin  den  bequemen  Stall  en." 


224  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

—  all  das  muss  und  kann  dem  nach  Konkretem  diirstenden  Verstande  des 
Schiilers  veranschulicht  werden. 

Einen  nicht  hoch  genug  einzuschatzenden  Vorteil  bieten  diese  Bilder 
noch  dadurch,  dass  die  Schiller  sofort  beim  Betreten  des  deutschen  Klas- 
senzimmers  in  die  Umwelt  des  Tell  versetzt  werden,  und  dass  hierdurch 
die  notige  Stimmung  erzeugt  wird.  Unsere  Schiller  kommen  viel- 
leicht  aus  einer  Geschichtsstunde,  der  Kollege  hat  sie  durch  seine  eigene 
Begeisterungsfahigkeit  in  die  Welt  der  Puritaner  versetzt,  die  dadurch 
erzeugte  Stimmung  klingt  in  ihren  empfanglichen  Herzen  noch  nach; 
was  konnte  in  hoherem  Masse  geeignet  sein,  diese  Stimmung  durch  eine 
andere,  fiir  unsere  Zwecke  allein  brauchbare,  zu  ersetzen  als  solche  Bilder. 

Diese  Hilfsmittel  setzen  uns  ausserdem  in  den  Stand,  die  Mutter- ' 
sprache  fast  ganz  zuriicktreten  zu  lassen,  den  Unterricht  in  deutschen 
Fragen,  auf  welche  deutsche  Antworten  folgen,  zu  erteilen,  sie  im  Ge- 
brauch  der  Sprache  zu  iiben  und  so  das  bisherige  tote  Wissen  in  lebendiges 
Konnen  umzusetzen.  Das  Eindringen  in  die  fremde  Sprache  geht  doch 
cinigermassen  ahnlich  v6r  sich  wie  das  des  Kindes  in  die  Muttersprache, 
und  das  Verfahren  kennzeichnet  sich  damit  als  ein  naturgemasses  und 
psychologisch  richtiges.  Der  sprachliche  Ausdruck  verbindet  sich  so  eng 
init  der  geschauten  Sache,  dass  er  dem  Schiller  in  Fleisch  und  Blut  iiber- 
geht,  der  Wunsch  sich  auszudriicken  wird  reger,  vollere  Gemeinsamkeit 
aller  Schiller  bei  der  Arbeit  erhoht  den  Lerneifer;  ein  erster  Schritt  zur 
Entwicklung  des  Sprachgefiihls  folgt.  Der  ausschliesslich  miindliche,  aus 
Fragen  und  Antworten  bestehende  Betrieb  notigt  zur  Aufmerksamkeit, 
der  Schiller  kann  sich  nicht  in  sein  Buch  vergraben  und  eigenen  Gedan- 
ken  und  Traumereien  nachhangen,  wozu  das  Ubersetzen  so  leicht  verleitet, 
sein  Blick  haftet  am  Munde  des  Lehrers,  der  ganze  Unterricht  gewinnt 
einen  frischen  und  lebendigen  Karakter. 

,,Wird  nicht  Auge  und  Ohr,  Fassungskraft,  tiberlegimg,  Tatkraft, 
Selbsttatigkeit,  Selbstbeherrschung,  vor  allem  aber  Liebe  und  Lust.  Feuer 
und  Eifer  des  Schiilers  in  ganz  anderer,  weit  kraftigerer  Art  angefacht, 
wenn  ihm  die  lebendige  Sprache  auch  viva  voce  entgegentritt,  wenn  statt 
des  papierenen  Lehrers  dem  Schiller  der  wirkliche  Lehrer,  Leben  gebend 
und  Leben  weekend,  zu  fesseln  weiss  ?" 

Die  Moglichkeit  ist  dazu  geboten,  wenn  wir  nur  ernstlich  w  o  1 1  e  n. 
An  Hilfsmitteln,  die  von  Tag  zu  Tag  sich  mehr  und  mehr  dem  tadellosen 
und  vollkommenen  Ideal  nahern,  fehlt  es  wahrhaftig  nicht  mehr.  Ein 
Blick  auf  die  Lehrmittel-Ausstellung,  durch  welche  sich  die  Herren  Kol- 
legen  vom  Lehrerseminar  ein  unschatzbares  Verdienst  erworben  haben, 
geniigt,  uns  ein  Bild  von  der  nimmer  rastenden  Arbeitsliebe  unserer  Zeit- 
und  Berufsgenossen  zu  entwerfen.  —  Aber  prachtig,  wie  sie  ist,  das  letzte 
Wort  ist  damit  auch  noch  nicht  gesprochen.  Wir  stehen  auch  hier  vor 
keinem  Abschluss.  Wir  ruhen  nicht,  zufrieden  mit  dem  Erreichten,  auf 


Unsere  LeJirmittelausstellung.  225 

unseren  Lorbeeren;  wir  wissen,  die  nach  uns  kommen,  werden  auf  man- 
ches,  auf  dessen  Erreichung  wir  mit  Stolz  blicken,  mitleidig  herabschauen. 
Darum  werden  wir  fortfahren  miissen,  zu  suchen  und  zu  forschen,  mit 
Ernst,  mit  Begeisterung,  vor  allem  mit  Wahrheitsliebe,  mit  Stolz  auf 
unseren  hehren  Beruf ,  denn  ,,W ir  bekennen  uns  zu  dem  G  e- 
schlechte,  das  aus  dem  Dunkeln  ins  Helle  streb t." 


Unsere  Lehrmittelausstellung. 


Von  John  Eiselmeier,  Lehrerseminar,  Milwaukee. 

Die  Lehrmittelausstellung  spricht  fur  sich  selber,  und  somit  kann  es 
hier  nur_meine  Aufgabe  sein,  auf  manches,  das  dem  Besucher  bei  der 
Kiirze  der  Zeit  nicht  auffallt,  hinzuweisen. 

Die  deutschen  Buchhandlungen,  welche  dem  modernsprachlichen 
Unterricht  grossere  Aufmerksamkeit  schenken,  stellten  eine  bedeutend 
grossere  Anzahl  Biicher  aus,  als  unsere  amerikanischen.  Obwohl  die 
deutschen  Buchandlungen  sich  nicht  alle  beteiligt  haben,  wahrend  die 
meisten  amerikanischen  auf  der  Ausstellung  vertreten  sind,  ist  die  Zahl 
der  aus  Deutschland  kommenden  Biicher  bedeutend  hoher. 

Unter  der  1.  Gruppe,  Padagogik,  ist  das  encyklopadische  Handbuch 
der  Padagogik  von  Dr.  Wilhelm  Eein  aus  Jena  besonders  hervorzuheben. 
Das  Werk  steht  einzig  in  seiner  Art  da,  denn  es  gab  zu  keiner  Zeit  ein 
Werk,  das  mit  diesem  Monumentalwerk  verglichen  werden  kann.  Bis 
jetzt  sind  von  der  zweiten  Auflage  8  Bande  erschienen,  welche  auf  etwa 
8000  Seiten  das  ganze  Gebiet  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  behan- 
deln.  Da  in  der  neuen  Auflage  auch  das  ausserdeutsche  Schul- 
wesen  beriicksichtigt  wird,  so  sollte  das  Werk  auch  bei  uns  in  keiner 
grosseren  Bibliothek  fehlen.  Besonders  hervorzuheben  ist  der  Umstand, 
dass  die  Artikel  iiber  das  ausserdeutsche  Schulwesen  nicht  von  Deutschen 
geschrieben  sind,  sondern  dass  es  Dr.  Rein  gelungen  ist,  in  jedem  Falle 
einen  Schulmann  des  betreffenden  Landes  zu  finden.  Das  sichert  dem 
Werke  das  Urteil  von  Mannern,  welche  die  Verhaltnisse  aus  eigener  An- 
schauung  griindlich  kennen.  tiberhaupt  sind  fiir  dieses  Werk  Gelehrte 
aller  Richtungen  zur  Mithilfe  herangezogen  worden. 

In  der  Gruppe  Kulturgeschichte  sind  weit  mehr  Biicher  ausgestellt, 
als  unter  Geschichte.  Das  scheint  anzudeuten,  dass  man  der  Kultur- 
geschichte einen  grosseren  Wert  beilegt  als  friiher.  Hier  mochte  ich  be- 
sonders auf  drei  Werke  hinweisen:  ,,Diedrichs  Deutsches  Leben  der  Ver- 
gangenheit  in  Bildern";  Reiche,  ,,der  Gelehrte"  und  besonders  das  Werk 
von  Reiche:  ,,Der  Lehrer." 


226  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

In  dieser  Verbindung  mochte  ich  auch  auf  die  Wandbilder  zur 
deutscher  Gotter-  und  Sagenwelt  aufmerksam  machen.  Diese  herrlichen 
Bilder  miissen  dazu  beitragen,  das  Interesse  der  Kinder  an  der  Vergan- 
genheit  unserer  Ahnen  machtig  anzuregen.  Zu  gleicher  Zeit  sind  die  Bil- 
der der  schb'nste  Wandschmuck.  Aus  Bildern  wie  ,,Walkiiren  auf  dem 
Schlachtfeld"  oder  ,,Walhalls  Wonnen"  gewinnen  sogar  wir  Erwachsene 
klarere  Vorstellungen  von  der  Anschauungsweise  unserer  Ahnen. 

Unter  der  Gruppe  Geographic  sind  es  besonders  die  Wandkarten,  auf 
welche  ich  Sie  aufmerksam  machen  will.  Dieselben  sind  von  Schulman- 
nern  und  Geographen  entworfen;  deshalb  sind  auch  nur  die  wichtigsten 
physikalischen  Merkmale  zu  sehen;  diese  aber  auch  so  deutlich,  dass  die 
Karten  auch  dem  entfernt  Sitzenden  alles  bieten.  Ich  kenne  keine  Kar- 
ten,  die  in  diesem  Punkte  die  hier  ausgestellten  von  Holzel  oder  Flem- 
ming  iibertreffen,  oder  ihnen  auch  nur  nahe  kommen. 

Auch  die  vorziiglichen  geographischen  Bilder  von  Holzel  verdienen 
hier  besondere  Erwahnung.  Die  Anschauung  ist  das  Fundament 
aller  Erkenntnis.  Wie  aber  kann  man  den  Kindern  klare  und  sichere 
Vorstellungen  in  der  Geographic  vermitteln,  wenn  die  notwendigen  An- 
schauungsmittel  fehlen?  Die  Bilder,  welche  Gebirgspartien  darstellen, 
sind  besonders  fur  den  Anfangsunterricht  in  der  Geographic  geeignct. 
Wo  die  konkreten  Anschauungen  fehlen,  wie  das  in  unserem  flachen 
Westen  inbezug  auf  Gebirge  der  Fall  ist,  konnen  nur  die  besten  Hilfs- 
mittel  sie  ersetzen. 

Die  5.  Gruppe,  deutsche  Sprache,  ist  die  wichtigste  und  grosste. 

Unter  der  Abteilung  Methodik  haben  wir  cine  grosse  Anzahl  neuerer 
deutscher  Werke;  ein  Beweis,  dass  die  deutschen  Padagogen  der  Methodik 
des  Sprachunterrichtes  noch  immer  grosses  Interesse  entgegenbringen. 
Ein  einziges  englisches  Werk  in  dieser  Abteilung  ist  eine  tibersetzung: 
,,Bahlsen,  The  Teaching  of  modern  Languages." 

In  der  Behandlung  poetischer  Stoffe  ist  in  den  letzten  Jahren  ein 
ganz  neuer  Grundsatz  zur  Geltung  gekommen;  der  Grundsatz,  das  Ge- 
dicht  als  Kunstwerk  aufzufassen  und  zu  ubermitteln.  Ich  mache  Sie  be- 
sonders auf  Lamey,  ,,Das  kiinstlerisch  gestaltete  Lesestiick";  Linke, 
,,Poesiestunden"  und  Lomberg,  ,,Praparationen  zu  deutschen  Gedichten" 
aufmerksam. 

Der  Grundsatz,  dass  die  Anschauung  das  Fundament  aller  Erkennt- 
nis ist,  wird  driiben  viel  mehr  gewiirdigt  als  hier;  das  beweist  die  grosse 
Anzahl  der  theoretischen  Abhandlungen  liber  den  Anschauungsunterricht, 
besonders  aber  die  vielen  vorziiglichen  Bilder  fiir  denselben.  Ich  empfehle 
Ihnen  die  Bilder  zur  genauesten  Besichtigung,  besonders  die  von  Holzel 
und  Meinhold. 

Dann  kommt  die  Fibel:  ein  kleines,  aber  nicht  unwichtiges  Buch. 
Den  beiden  Methoden,  die  seit  Jahren  das  Feld  behaupteten,  hat  sich  in 


Unsere  Lehrmittelausstellung.  227 

den  letzten  Jahren  eine  neue,  die  phonetische,  zugesellt.  Zwei  Fibeln 
sind  nach  diesen  Grundsatzen  bearbeitet:  ,,Erste  Fibel  nach  den  Grund- 
satzen der  Lautlehre  und  Eechtschreibung  bearbeitet  von  W.  Brink- 
mann",  und  ,,Fibel  nach  den  Grundsatzen  der  Phonetik  von  W.  Bangert." 
Auch  das  farbige  Bild  ist  in  den  letzten  Jahren,  angeregt  durch  die  Be- 
strebungen  der  Kunstfreunde,  in  die  Fibel  eingedrungen.  Diese  beiden 
Fibeln  beweisen,  dass  man  in  neuerer  Zeit  der  Phonetik  iiberhaupt  viel 
mehr  Aufmerksamkeit  schenkt,  als  das  friiher  der  Fall  war.  Das  bewei- 
sen auch  die  Schriften  unter  der  Abteilung  Phonetik.  Es  sind  deren  acht. 
Kein  Lehrer  des  Deutschen  kann  diesen  Zweig  des  Sprachunterrichts 
iibersehen;  er  wird  sich  mit  demselben  befassen  miissen.  Es  seien  als 
erste  Werke  besonders  die  Schriften  von  Vietor  genannt :  ,,Die  Aussprache 
des  Schriftdeutschen",  und  ,,Kleine  Phonetik".  Nicht  nur  im  Deutschen, 
sondern  auch  im  Franzosischen  und  Englischen  finden  wir  eine  Anzahl 
von  neueren  Werken  iiber  die  Aussprache. 

Eine  grosse  Anzahl  mehrbandiger  Serien  deutscher  Lesebiicher  liegen 
vor.  Dieselben  sind  alle  neueren  Datums  und  beriicksichtigen  die  neueren 
Schriftsteller,  wie  sie  auch  die  neuesten  methodischen  Forderungen  nicht 
ausser  Acht  lassen.  Unsere  amerikanischen  Serien  haben  den  einen  Punkt 
voraus:  sie  sind  viel  alter.  Ich  empfehle  die  deutschen  Lesebiicher  den 
Volksschullehrern  einer  genauen  Durchsicht.  Vielleicht  konnen  neue 
Gesichtspunkte  fur  die  Neubearbeitung  der  einen  oder  der  anderen  Serie 
gewonnen  werden. 

Unter  den  zahlreichen  Lehrbuchern  zur  Erlernung  der  deutschen 
Sprache  sind  natiirlich  die  amerikanischen  Buchhandlungen  am  starksten 
vertreten.  Hier  ist  die  Zahl  derjenigen  Biicher,  welche  die  zu  lehrende 
Sprache  zur  Unterrichts  sprache  macht,  heute  bedeutend  grosser 
als  vor  etwa  15  Jahren.  Dasselbe  lasst  sich  auch  iiber  die  Lehrbiicher  in 
der  englischen  und  franzosischen  Abteilung  sagen. 

Die  Gruppe  Grammatik  enthalt  nicht  nur  die  besonders  hier  in 
Amerika  erschienenen  Grammatiken  der  deutschen  Sprache,  welche  in  der 
Eegel  in  der  englischen  Sprache  abgefasst  sind,  sondern  auch  eine 
Anzahl  von  Werken  fur  deutsche  Schulen;  wir  begegnen  hier  manchem 
alten  Freunde  in  modernem  Gewande,  wie  z.  B.  der  Sprachschule  von 
Baron,  Junghans  und  Schindler. 

Im  Aufsatzunterricht  ist  schon  vor  Jahren  eine  Eeform  eingeleitet 
worden;  unter  den  Werken  iiber  den  Aufsatz  finden  wir  natiirlich  auch 
solche,  welche  die  neue  Eichtung  vertreten.  Ob  man  sich  nun  mit  der 
Eeform  einverstanden  erklart  oder  nicht,  so  soil  man  sich  doch  wenig- 
stens  mit  derselben  bekannt  machen.  Besonders  empfehlenswert  erschei- 
nen  rnir  die  Werke  ,,Bargmann,  Anleitung  zum  Aufsatzbilden"  und 
,,Scharrelmann,  Im  Eahmen  des  Alltags".  Das  letzte  Werk  ist  erst  in 


228  Monatsliefte  fur  deutsche  Spraclie  und  Padagogik. 

diesem  Jahre  erschienen  und  enthalt  die  Gesichtspunkte  der  neuen  Rich- 
tung  am  klarsten  ausgefiihrt. 

Die  grosste  Abteilung  ist  die  Abteilung  ,,Deutsche  Klassiker".  Unter 
den  Dichtern  ist  Schiller  am  starksten  vertreten,  und  unter  seinen  Wer- 
ken  Tell  14  mal. 

Auf  keinem  Gebiete  ist  wohl  eine  grossere  Umwalzung  zu  verzeich- 
nen,  als  auf  dem  Gebiete  der  Jugendlektiire.  Die  96  Biicher  in  dieser 
Abteilung  sind  von  Ausschiissen  zur  Priifung  von  Jugendschriften  begut- 
achtet  worden.  Besonders  empfehlenswert  sind  zwei  Serien.  Die  Serie 
des  Lehrerhausvereins  von  Linz,  Oberosterreich,  und  die  Serie  von  Ger- 
lach  und  Wiedling  in  Wien. 

tiber  die  iibrigen  Biicher  kann  ich  ja  schnell  hinweggehen.  Die 
beiden  Gruppen  Franzosisch  und  Englisch  beweisen,  dass  man  besonders 
in  Deutschland  diesen  beiden  Sprachen  sehr  grosse  Aufmerksamkeit 
schenkt.  Nicht  weniger  als  475  in  Deutschland  erschienene  Biicher  sind 
in  diesen  beiden  Sprachen  ausgestellt. 

Schliesslich  mache  ich  Sie  noch  auf  die  vorziiglichen  Bilder  der 
Photographischen  Gesellschaft  in  Berlin  aufmerksam.  Diese  eignen  sich 
besonders  zur  Ausschmiickung  der  Schulzimmer.  Wer  die  Bewegung  in 
Deutschland  verfolgt  hat,  der  weiss,  wie  viel  die  deutschen  Volksschul- 
lehrer  dazu  beigetragen  haben,  dass  die  Schulzimmer  endlich  mit  wirklich 
schonen  Bildern  geschmiickt  werden  konnen. 

Als  letzten  Gegenstand  haben  wir  unsere  Lehrmittelsammlung  aus 
dem  Seminar  und  der  Akademie  vorgefiihrt. 

Zum  Schlusse  spreche  ich  noch  den  Wunsch  aus,  die  Ausstellung 
moge  sich  zu  einem  Museum  oder  wenigstens  einer  bleibenden  Bibliothek 
entwickeln.  Die  Kosten  waren  gering,  und  die  Verwaltung  wird  das 
Seminar  gerne  iibernehmen. 


Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers. 


Von  Emil  Kramer,  Cincinnati,  O. 


,,Alles  Grosse  und  Bedeutungsvolle  wird  nur  lebendig  imd  wirksam 
im  Volke,  wenn  es  von  Seele  zu  Seele,  von  Person  zu  Person  iiberspringt. 
Was  im  Gemiite  der  Jugend  keimen  soil,  das  muss  in  der  Seele  des  Leh- 
rers als  .ein  Stuck  seines  Innenlebens  Wurzel  gefasst  haben,  dort  gewach- 
sen  und  erstarkt  sein."  Mit  diesen  Worten  leitet  Professor  Wilhelm  Rein 
im  ersten  Band  seiner  ,,Padagogik"  das  Kapitel  iiber  Lehrerbildung  ein. 
Damit  weist  der  Leiter  des  Padagogiums  in  Jena  und  einer  der  hervor- 
ragendsten  Schulmanner  der  Gegenwart  auf  die  Wichtigkeit  der  Vor-  und 
Fortbildung  des  Lehrers  hni.  Wir  alle  sind  wohl  von  der  Walirheit  dieser 
Worte  iiberzeugt. 


Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers.  229 

Damit  stossen  wir  aber  auch  sof ort  auf  die  Frage :  ,,Was  1st  Bil- 
dung?" Die  Antwort  darauf  ist  ebenso  schwer  zu  geben,  wie  auf  die  ewig 
denkwiirdige  Frage,  die  einst  Pilatus  an  den  grossen  Nazarener  richtete: 
,,Was  ist  Wahrheit?"  Der  Begriff  ,,Bildung"  wird  gar  verschieden  auf- 
gefasst  und  definiert.  Die  einen  erblicken  sie  in  der  harmonischen  Ent- 
wicklung  der  drei  Seelenvermogen,  so  dass  ein  klarer  Verstand,  ein  fiir 
alles  Edle  empf  angliches  Gef iihl  und  ein  fester  Wille  ihre  Merkmale  sind ; 
wahrend  andere  diese  drei  Merkmale  des  Begriffes  ,,Bildung"  nur  dann 
anerkennen,  wenn  das  notige  „  Wissen"  damit  verbunden  ist.  Ohne  mich 
hier  auf  eine  gelehrte  Auseinandersetzung  einzulassen,  wie  viel  Wissen  zur 
Bildung  gehort,  und  ob  z.  B.  Sokrates  und  die  samtlichen  Weisen  des 
Altertums  gebildete  Menschen  waren  oder  nicht,  will  ich  zunachst  auf  die 
Allgemeinbildung  des  Lehrers  und  zwar  des  Volksschullehrers  —  den  ich 
in  meinen  Ausfiihrungen  hauptsachlich  im  Auge  habe  —  ubergehen. 

Dass  der  Volksschullehrer  eine  gediegene  Allgemeinbildung 
haben  muss,  wenn  er  sich  nicht  dem  Vorwurf  der  Halbbildung  oder  der 
einseitigen  Fachbildung  aussetzen  will,  ist  heute  selbstverstandlich.  Die 
Zeiten  des  alten  Fritz,  als  man  ausgediente  IJnteroffiziere  als  Lehrer  an- 
stellte,  sind  langst  voriiber.  Das  Mass  der  Allgemeinbildung,  ihre  Tiefe 
und  Weite  wird  bestimmt  durch  die  Forderung,  ein  tragfahiges  Funda- 
ment fiir  die  berufliche  oder  Fachbildung  zu  sein.  Dies  wird  dadurch  her- 
gestellt,  dass  mittels  eindringender  Beschaftigung  mit  dem  sprachlich- 
historischen  wie  mit  dem  naturwissenschaftlich-mathematischen  Lehrgut 
nicht  nur  ein  Schatz  positiven  Wissens  erobert,  sondern  auch  ein  Kreis 
von  Interessen  gepflanzt  wird,  die  als  ethische  und  intellektuelle  Trieb- 
krafte  den  Fortgang  des  innerpersonlichen  Bildungsprozesses  verbiirgen. 
Der  wahre  Gewinn  der  allgemeinen  Bildung  soil  nicht  sowohl  in  einem 
Wissen  von  diesem  und  jenem,  als  in  der  Formung  und  Yeredlung  der 
Personlichkeit  gesucht  werden,  wiewohl  damit  der  Wert  des  positiven 
Wissens  keineswegs  unterschatzt  werden  soil.  Denn  erst  muss  die  voile 
Beherrschung  des  Stories  vorhanden  sein,  ehe  an  eine  kiinstlerische  Ver- 
arbeitung  im  Dienste  der  Jugend  gedacht  werden  kann.  Ein  liicken- 
haftes  und  oberflachliches  Wissen  vermag  dem  Lehrer  nicht  die  Sicherheit 
und  die  stolze  freie  Beweglichkeit  innerhalb  der  Materie  zu  verleihen,  die 
er  fiir  den  erziehenden  Unterricht  notig  hat.  Mit  anderen  Worten,  was 
man  selbst  nicht  griindlich  kennt,  kann  man  auch  nicht  griindlich  unter- 
richten!  Denn  halbgebildeten  Lehrern  werden  die  besten  Textbiicher 
und  Leitfaden  nicht  viel  niitzen. 

Die  erste  Aufgabe,  die  in  dem  griindlichen  Erwerb  einer  tiichtigen 
Allgemeinbildung  besteht,  hat  der  Lehrerstand  mit  anderen  hoheren  Be- 
rufsstanden  gemeinsam.  Aber  sie  muss  bei  ihm  im  vollen  Masse  erfiillt 
sein,  ehe  die  zweite  Aufgabe,  die  sich  auf  die  Berufs-  oder  Fachbildung 
bezieht,  in  Angriff  genommen  werden  kann.  Welche  Wissenschaften  und 


230  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

welches  Quantum  davon  sowohl  f  iir  die  Allgemeinbildung  des  Lehrers  als 
fiir  seine  Fachbildung  in  den  Lehrerseminarien  oder  in  den  hiesigen  Nor- 
malschulen  gelehrt  werden  sollen,  das  festzustellen,  kann  nicht  meine 
Aufgabe  sein;  denn  ich  will  mir  nicht  anmassen,  hier  einen  Lehrkursus 
oder  einen  Studienplan  fur  die  genannten  Lehranstalten  zu  unterbreiten. 
Jedenfalls  muss  bei  einem  graduierten  Seminaristen  die  Allgemeinbil- 
dung oder  sein  Wissen  soweit  gehen,  dass  er  spater  imstande  ist,  sich  auf 
Grund  dieses  Wissens  weiter  zu  bilden.  Erschopfend  kann  ja  in  den  we- 
nigen  Seminar jahren  keine  Wissenschaft  behandelt  werden. 

Die  beste  Allgemeinbildung,  das  allergrosste  Wissen  wiirde  schliess- 
lich  aber  dem  angehenden  Lehrer  wenig  niitzen,  wenn  nicht  das  Konnen 
hinzukame,  das  den  Seminarzoglingen  durch  die  eigentliche  Fach-  -oder 
Berufsbildung  beigebracht  werden  soil.  Diese  philosophisch-padagogische 
Bildung,  die  sich  bekanntlich  auf  die  Facher  Physiologie,  Ethik,  Metho- 
dik  und  Padagogik  im  engeren  Sinne,  und  insbesonderes  auf  die  Praxis 
in  der  Ubungs-  oder  Musterschule  erstreckt,  diese  Fachbildung  ist  sicher- 
lich  ebenso  wichtig  und  unerlasslich  fiir  den  Lehrer  als  die  Allgemein- 
bildung. Das  grosste  und  griindlichste  Wissen  ist  fur  einen  Lehrer  zweck- 
los,  wenn  ihm  nicht  die  natiirliche  oder  die  angelernte  Gabe,  das  Kon- 
nen zu  Gebote  steht,  sein  Wissen  den  Schiilern  mitzuteilen.  Diese  Be- 
hauptung  wird  wohl  niemand  bezweifeln  wollen.  Mancher  der  hier  An- 
wesenden,  der  in  Deutschland  sein  Gymnasium  besucht  hat,  erinnert  sich 
gewiss  an  verschiedene  Professoren,  an  die  sogenannten  ,,gelehrten  Hau- 
ser",  die  bei  all  ihrer  'Gelehrtheit  ihren  Schiilern  herzlich  wenig  beizu- 
bringen  vermochten.  Nur  die  voile  Beherrschung  ihres  Faches  half  da  zu- 
weilen  iiber  manche  Unzulanglichkeit  im  Lehrgeschick  hinweg  --  ,aber 
nur  zuweilen. 

Die  harmonische  Ausbildung  des  Volksschullehrers,  d.  h.  seine  ge- 
diegene  Allgemeinbildung,  verbunden  mit  griindlicher  Fachbildung,  ist 
selbst  im  alten  Vaterlande  noch  neueren  Datums.  Noch  vor  wenigen 
Jahrzehnten  wurde  ,,driiben"  die  allgemeine  Bildung  bei  den  Volksschul- 
lehrern  sehr  vernachlassigt,  dafiir  aber  die  padagogische  Seite  betont  und 
ausgebildet.  Fur  die  Lehrer  an  den  mittleren  und  hoheren  Schulen  da- 
gegen  wurde  wohl  hinsichtlich  der  humanistischen  oder  der  naturwissen- 
schaftlichen  Studien  gut  gesorgt,  aber  die  erzieherische  Aufgabe  bis  vor 
ungefahr  zwanzig  Jahren  ganzlich  vernachlassigt.  Professor  Rein  nennt 
in  treffender  Weise  die  eine  Bildung  einen  Bau  ohne  Fundament,  die  an- 
dere  einen  Bau  ohne  Dach — in  beiden  Fallen  eine  Halbheit.  Dies  kam 
daher,  das  man  sich  nicht  klar  gemacht  hatte,  was  es  heisst  Lehrer  -  Per- 
sonlichkeiten  auszubilden;  nicht  Lehrer  nur,  die  Unterricht  geben,  son- 
dern  ganze  voile,  echte  Personlichkeiten. 

Die  besten  Lehrerinstitute  der  Neuzeit  mogen  nun  ausgezeichnete 
I^ehrkrafte  heranbilden,  die  den  hochsten  Anforderungen  inbezug  auf  all- 


For-  und  Fortbildung  des  Lehrers.  231 

gemeine  Bildung  und  Fachbildung  entsprechen ;  ob  solchermassen  Aus- 
gebildete  spater  ideale  Lehrer  werden,  das  1st  eine  andere  Frage.  Erzie- 
hungskiinstler  heranzubilden,  das  kann  kein  Seminar  und  kein  Padago- 
gium  garantieren.  ,,Handwerker,"  sagt  Eein,  Classen  sich  bilden,  Kiinst- 
ler  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade.  Das  Beste  muss  bei  ihnen  aus  tie- 
feren  Quellen,  nicht  von  aussen,  sondern  von  innen  her  hinzukommen. 
So  auch  bei  dem  Erziehungskiinstler.  Er  muss  ein  sittlicher  Charakter 
sein.  Dieser  ist  nicht  denkbar  ohne  Gemut.  Je  reicher  das  Gemiitsle- 
ben,  umso  gottbegnadeter  der  Erzieher.  Aber  das  Gemiit  lasst  sich  nicht 
von  aussen  her  durch  den  Willen  eines  anderen  einpflanzen."  Kurz,  der 
Erziehungskiinstler  wird,  wie  jeder  andere  Kiinstler,  geboren  und  nicht 
erzogen.  Die  Lehrerseminarien  konnen  und  sollen  also  wohl  gute, 
brauchbare  Lehrer  ausbilden,  aber  mehr  konnen  sie  nicht,  sowenig  als 
eine  Universitat  Dichter  oder  Koryphaen  der  Wissenschaften  erzeugen 
kann. 

Ehe  ich  nun  zum  zweiten  Teil  meines  Themas,  zur  Fort-  oder  Wei- 
terbildung  des  Lehrers  iibergehe,  mochte  ich  zuvor  die  amerikanischen 
Lehrerseminarien  oder,  wie  sie  hier  genannt  werden,  die  Normal  Schools 
und  die  Teachers'  Colleges  ein  wenig  unter  die  Lupe  nehmen.  Es  wird 
den  Erziehern  hier  von  hohen  Staatsbeamten  so  oft  gesagt,  das  der  Leh- 
rerberuf  der  hochste  und  wichtigste  von  alien  sei;  denn  von  seiner  Wirk- 
samkeit  hange  die  Zukunft  der  Nation  ab.  Entsprechen  nun  die  hiesigen 
Institute,  woselbst  die  Jugenderzieher  ausgebildet  werden,  den  hohen  An- 
forderungen,  die  man  an  den  Lehrerberuf  stellt?  Ein  allgemeines  Urteil 
dariiber  zu  fallen,  ist  ausserordentlich  schwierig.  Wie  Sie,  meine  Da- 
men  und  Herren,  wohl  selbst  wissen,  hat  hierzulande  nicht  allein  jeder 
Staat,  sondern  sogar  jede  Stadt  und  jedes  'County  eine  eigene  Normal- 
schule  oder  Teachers'  College,  oder  wenigstens  eine  Lehrer-Priifungsbe- 
horde.  Ein  offizieller  Ausweis  oder  gar  eine  vergleichende  Zusammenstel- 
lung  iiber  die  Einrichtung  und  Tatigkeit  dieser  Lehrerbildungsanstalten 
gibt  es  hier  nicht.  JSTach  den  Prospekten  zu  urteilen,  die  diese  Institute 
alljahrlich  ausschicken,  um  Zoglinge  zu  kodern,  das  ware  zumeist  sehr 
irrefuhrend.  Um  sich  ein  Gesamturteil  iiber  die  Leistungsfahigkeit  die- 
ser Anstalten  zu  bilden,  miisste  man  sie  eben  alle  personlich  besuchen  und 
untersuchen  —  das  kann  man  aber  nicht.  Professor  Barandun  von  Pitts- 
burg,  Pa.,  lasst  sich  in  einem  diesbeziiglichen  Artikel  sehr  bitter  aus  iiber 
die  Berufsbildung  des  Lehrers,  soweit  sie  seinen  Heimatsstaat  betrifft.  Er 
schreibt:  ,,Die  Berichte  der  meisten  hiesigen  Normalschulen  zeigen  nur 
zu  klar,  wie  wenig  sie  ihrem  Zwecke  entsprechen.  Schon  die  Anordnung 
eines  solchen  Berichtes  kommt  dem  kritischen  Auge  etwas  verdachtig 
vor,  insofern  sie  einen  Schluss  auf  das  erlaubt,  was  den  Leitern  einer  sol- 
chen Schule  von  der  grossten  Wichtigkeit  zu  sein  scheint.  Da  werden  z. 
B.  die  Gebaude  und  Einrichtungen  beschrieben  und  photographiert,  na- 


232  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

tiirlich  mit  einigen  hiibschen  Madchen  im  Vordergrunde,  die  ausserst  zu- 
friedene  Gesichter  zeigen,  um  zu  beweisen,  das  ihnen  nichts  abgeht.  Die 
schone  Umgebung,  die  Aussichtspunkte  werden  ebenfalls  im  Bilde  vor- 
gefiihrt"  u.  s.  w.  Nun,  man  kennt  ja  solche  hiibsch  ausgestatteten  Re- 
klame-Prospekte  und  Jahresberichte  zur  Geniige.  In  diesen  Berichten 
werden  zwar  auch  alle  die  Facher  aufgezahlt,  die  unterrichtet  werden, 
und  mit  besonderem  Stolze  wird  darauf  hingewiesen,  dass  die  Anstalt 
auch  eine  Musterschule  besitzt.  Aber  wie,  besonders  wie  griindlich,  in 
dieser  Anstalt  unterrichtet  wird,  ob  die  angehenden  Padagogen  wirklich 
ein  klares  Bewusstsein  dessen  haben,  was  sie  in  der  Musterschule  tun, 
oder  ob  sie  bloss  dem  gedankenlosen  Schlendrian  folgen,  dariiber  gibt  der 
Bericht  natiirlich  keinen  Aufschluss.  Professor  Barandun  behauptet, 
dass  die  Normalschulen  seines  Staates  zum  Teil  ganz  and  ere  Ziele  ver  fol- 
gen, als  tuchtige  Lehrkrafte  heranzubilden ;  dass  sich  die  Graduierten 
dieser  Schulen  nach  wenigen  Jahren  einem  anderen  Berufe  widmeten, 
dass  sie  Arzte  oder  Advokaten  wiirden.  Wie  weit  dieses  herbe  Urteil  Ba- 
randuns  auch  auf  andere  Staaten  und  Stadte  zutrifft,  kann  ich  nicht 
entscheiden. 

Mit  giinstigeren  Augen  betrachtet  Professor  Krug  von  Cleveland  die 
amerikanische  Lehrerausbildung  und  unsere  Normalschulen.  In  seinem 
Vortrage  ,,Die  Fortbildung  des  Lehrers  im  Amte",  den  er  vor  nunmehr 
acht  Jahren  in  Philadelphia  hielt,  finden  sich  folgende  Satze :  ,,Unsere 
Volksschullehrer  (Lehrer  und  Lehrerinnen)  sind  fast  alle  Graduierte 
einer  Normalschule  oder  irgend  einer  anderen  hoheren  Anstalt  von  der- 
selben,  vielleicht  auch  einer  hoheren  Rangordnung.  Diese  Schulen  er- 
fordern  einen  Vorbildungskurs  von  12  Jahren,  namlich  8  Jahre  in  den 
Elementar-  und  Mittelschulen  und  4  Jahre  Hochschule.  Da  die  Nor- 
malschule  einen  Kurs  von  zwei  bis  vier  Jahren  umfasst,  so  ergibt  sich 
eine  Gesamt-Bildungsdauer  von  14  bis  16  Jahren.  Die  Lehrerbildungs- 
anstalt  priift  jeden  Aufnahmswerber  und  scheidet  unfahige  Elemente 
immer  aus,  und  sie  tut  beides  in  viel  strengerer  Weise  als  die  Universi- 
taten." 

Mit  diesem  hohen  Bildungsgrad  des  amerikanischen  Volksschulleh- 
rers  mag  es  nun  seine  Richtigkeit  haben.  Bei  uns  in  Cincinnati  miissen 
die  Graduierten  der  Hochschule,  wenn  sie  nur  simple  Elementarlehrer 
werden  wollen,  voile  vier  Jahre  die  dortige  Universitat  besuchen  und 
nachdem  diese  absolviert  ist,  noch  ein  ganzes  Jahr  als  Lehramtskandida- 
ten  hospitieren,  ehe  sie  endgiiltig  in  den  stadtischen  Volksschulen  ange- 
stellt  werden  konnen.  Mir  diinkt,  dass  da  fur  einen  Elementarlehrer  etwas 
zu  viel  Wissenschaft  und  Gelehrsamkeit  verlangt  wird.  Bewiesen  wird  da- 
mit  noch  lange  nicht,  dass  die  solchermassen  ausgebildeten  sich  in  der 
Praxis  auch  als  gute  Lehrer  bewahren.  Die  Erfahrung  hat  schon  wie- 
derholt  das  Gegenteil  gezeigt.  Wundern  wird  man  sich  dariiber  um  so 


Vor-  und  Fortbildung  des  Lehrers.  233 

weniger,  wenn  man  erfahrt,  dass  mit  dem  Cincinnatier  Teachers'  College 
der  Universitat  keine  Muster-  oder  Ubungsschule  verbunden  1st.  Man 
wird  also  wohl  behaupten  diirfen,  dass  in  Amerika  die  Ausbildung  des 
Volksschullehrers  vorlaufig  noch  weit  vom  Ideal  entfernt  ist,  indem  in- 
bezug  auf  seine  Allgemeinbildung  libers  Ziel  geschossen,  seine  Fachbil- 
dung  aber  imnier  noch  sehr  vernachlassigt  wird.  Wissen  zu  viel,  Kon- 
nen  zu  wenig. 

Doch  der  Amerikaner  ist  ja  in  der  Erwerbung  der  Kiinste  und  Wis- 
senschaften  vom  besten  Willen  beseelt;  besonders  die  Vervollkommnung 
seiner  Schulen  steht  ihm  obenan  —  niemand  wird  das  ernstlich  bestrei- 
ten  wollen.  Was  ihm  also  in  der  richtigen  Vor-  und  Ausbildung  seiner 
Volksschule  hier  noch  mangelt  im  Vergleich  mit  den  alten  Kulturlan- 
dern,  das  wird  er  sicherlich  in  absehbarer  Zeit  nachholen.  Am  guten 
Willen  fehlt  es  darin,  wie  gesagt,  dem  Amerikaner  nicht. 

Im  Anschluss  an  dieses  Kapitel  iiber  die  Vorbildung  des  Lehrers 
mochte  ich  noch  erwahnen,  dass  ich  von  samtlichen  Lehrerbildungsan- 
stalten  hier,  so  weit  ich  sie  kenne,  das  Deutschamerikanische  Lehrersemi- 
nar  in  Milwaukee  fur  eine  der  besten  halte.  Diese  Anstalt  mit  ihrer  Mu- 
sterschule  kommt  den  deutschen  Lehrerseminarien  inbezug  auf  Leistungs- 
fahigkeit  jedenfalls  am  nachsten.  Die  bisherigen  Eesultate  haben  dies 
bewiesen. 

Ein  Lehrer  mag  nun  hier  oder  draussen  seine  Ausbildung  genossen 
haben,  und  diese  Vorbildung  mag  noch  so  sorgfaltig  und  gediegen  gewe- 
sen  sein  —  eines  hat  jeder  notig:  die  Fortbildung.  Ich  bin  der  An- 
sicht,  dass  ein  Lehrer  die  Fort-  oder  Weiterbildung  sogar  notiger  hat  als 
irgend  eine  andere  Berufsklasse.  Wenn  sich  z.  B.  ein  Arzt  mit  den  Fort- 
schritten  auf  medizinischem  Gebiet  nicht  auf  dem  Laufenden  halt,  so 
schadet  er  sich  vielleicht  nur  selbst,  indem  er  als  riickstandiger  Quack- 
salber  alsbald  seine  Praxis  verliert;  ein  Lehrer  aber,  der  sich  in  seiner 
Allgemeinbildung  und  in  seiner  Fachbildung  nicht  weiterentwickelt,  der 
schadet  seiner  Schule  und  damit  dem  Gemeinwesen.  Die  Kultur  kennt 
keinen  Stillstand,  sie  ist  in  einem  fortwahrenden  Fortschreiten  begriffen., 
und  kein  Lehrer  kann  seinem  Berufe  entsprechen,  der  sich  diesem  Fort- 
schritte  verschliesst.  Denn  dem  Volksschullehrer  fallt  die  schwere  Auf- 
gabe  zu,  der  grossen  Masse  des  Volkes  jene  allgemeine  Bildung  zu  iiber- 
mitteln,  welche  der  Staat,  die  Nation,  ja  die  gesamte  zivilisierte  Mensch- 
heit  an  sie  stellen.  Ich  werde  wohl  kaum  die  Notwendigkeit  unserer 
Fortbildung  naher  zu  begriinden  brauchen.  Ein  Lehrer,  der  diese  Not- 
wendigkeit  nicht  einsehen  kann,  der  aus  Selbstgeniigsamkeit  oder  aus 
Selbstiiberhebung,  oder  aber  aus  Tragheit  sich  nicht  fortbildet,  der  sollte 
in  den  Ruhestand  versetzt  werden,  wenn  er  das  Pensionsalter  hat,  und 
wenn  er  von  dieser  Grenze  noch  weit  entfernt  ist,  sollte  er  zur  Resignation 
gezwungen  werden. 


234:  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Es  taucht  nun  die  Frage  auf,  wie  soil  sich  der  Lehrer  weiterbilden, 
welches  sind  die  Mittel  zu  seiner  Fortbildung?  Als  solche  mochte  ich 
fiinf  empfehlen:  Lekture,  Fortbildungskurse,  Schulbesuche,  padagogi- 
sches  Vereinsleben  und  Keisen. 

Jeder  Lehrer  sollte  wenigstens  eine  padagogische  Zeitschrift  lesen 
(hierzulande  eigentlich  zwei,  namlich  eine  in  deutscher  und  eine  in  eng- 
lischer  Sprache).  Altmeister  Diesterweg  lasst  sich  iiber  diesen  Gegen- 
stand  folgendermassen  aus :  ,,Ich  halte  es  fur  einen  Lehrer  nicht  nur 
fur  eine  Schande,  wenn  er  keine  padagogischen  Blatter  liest,  sondern  ich 
spreche  ihm  auch  alien  Standessinn  ab,  wenn  er  diejenigen  seines  Stan- 
des,  die  vorzugsweise  fur  denselben  arbeiten,  nicht  unterstlitzt.  Kann  er 
es  durch  druckwiirdige  Beitrage,  desto  besser;  kann  er  es  nicht,  so  halte 
er  ihre  Blatter !"  Ferner  sollen  wir  uns  mit  den  Werken  der  alteren  und 
neueren  padagogischen  Schriftsteller  vertraut  machen.  Dies  gilt  beson- 
ders  fiir  die  jiingeren  Lehrer,  die  wahrend  der  wenigen  Seminar  j  ah  re  we- 
der  die  notige  Zeit  hatten,  eingehend  diese  Werke  zu  studieren,  noch  auch 
die  Geistesreife  sie  vollig  zu  verstehen.  In  der  spateren  Praxis  geht  das 
viel  leichter.  Ein  sich  fortbildender  Lehrer  darf  natiirlich  auch  nicht 
die  Liter atur  der  Klassiker  vergessen,  und  wir  Lehrer  des  Deutschen  sol- 
len auch  mit  der  neueren  und  neuesten  Literatur  einigermassen  vertraut 
sein.  Dass  endlich  ein  Lehrer  eine  Tages-  oder  eine  Wochenzeitung  liest, 
um  in  der  Zeitgeschichte,  in  den  sogenannten  current  events,  auf  dem 
Laufenden  zu  bleiben,  ist  wohl  selbstverstandlich.  Ob  man  die  Fach- 
schriften  und  die  Liter aturwerke  nun  privatim  liest  oder  in  Lesezirkeln 
(Round  Tables),  das  ist  wohl  gleichgiiltig.  Allerdings  diirfte  man  einem 
gut  geleiteten  Lesezirkel  den  Vorzug  geben,  weil  daselbst  durch  gegensei- 
tiges  Fragen  und  Besprechen  manches  klargestelt  werden  kann,  was  bei 
der  Privatlektiire  vielleicht  nur  halb  begriffen  wird.  Bei  verniinf tiger 
Einteilung  seiner  freien  Stunden  wird  man  schon  die  Zeit  zur  Bewalti- 
gung  dieser  Lektiire  finden,  und  dabei  auch  noch  die  notigen  Erholungs- 
stunden  iibrig  haben.  Woher  soil  aber  ein  Lehrer,  besonders  ein  Anfan- 
ger  im  Amte,  das  Geld  nehmen,  sich  all  diese  Biicher  und  Zeitschriften. 
speziell  die  kostspieligen  Fachwerke  zu  beschaffen?  Diese  Frage  ist  frei- 
lich  schwer  zu  beantworten.  Die  Kollegen  in  einer  Stadt  konnen  durch 
gemeinsames  Anschaffen  solcher  Werke  und  durch  gemeinsames  Abon- 
nieren  auf  Fach-  und  Zeitschriften  dem  Geldiibel  leicht  begegnen;  eine 
Lehrerbibliothek  kann  daselbst  ebenfalls  leicht  gegriindet  und  erhalten 
werden.  Was  soil  aber  in  dieser  Beziehung  der  einsame  Kollege  mit  ge- 
ringem  Gehalte  in  einem  kleinen  Stadtchen  oder  in  einem  Dorfe  tun? 

Ein  in  neuerer  Zeit  sehr  beliebtes  Mittel  zur  Weiterbildung  des  Leh- 
rers  sind  die  sogenannten  Fortbildungskurse,  wozu  die  University  Ex- 
tensions und  die  Teachers'  Institutes  gehoren.  Biicherstudium  allein  er- 


For-  und  Fortbildung  des  Lehrers.  235 

scheint  in  vielen  Fallen  nicht  ausreichend ;  es  bedarf  der  Demonstratio- 
nen  und  der  anschaulichen  Beispiele,  urn  besser  vorwarts  kommen  zu 
konnen.  Dazu  dienen  draussen  die  Lehrer-Fortbildungsschulen  oder  wie 
sie  dort  genannt  werden,  die  Padagogien.  Beriihmt  ist  das  Padagogium 
in  Wien,  dasjenige  in  Jena  unter  Professor  Rein  und  die  Viktoria-Fort- 
bildungsschule  fiir  Lehrerinnen  zu  Berlin.  Diese  Padagogien,  sowie  auch 
die  hiesigen  Universitats-Fortbildungskurse  bieten  den  Lehrern  die  Ge- 
legenheit,  sich  weiter  auszubilden  und  sich  vielleicht  auf  ein  hoheres  Exa- 
men  vorzubereiten.  Hier  verfolgen  die  Teachers'  Institutes  oder  die 
Normal  Weeks  (Worte,  die  sich  schwer  verdeutschen  lassen),  sowie  die 
padagogischen  Vortragskurse  im  Laufe  des  Schuljahres  dieselben  Ziele. 
Beide  halte  ich  indessen  fiir  unzulanglich  und  wenig  zweckdienlich.  Die 
Vortrage,  die  in  der  Eroffnungswoche  des  Schuljahres,  in  der  sogenann- 
ten  Normalwoche  zumeist  von  auswartigen  Instruktoren  abgelagert  wer- 
den,  sind  inhaltlich  zu  allgemein  gehalten.  Die  Zuhorerschaft  ist  ge- 
wohnlich  zu  gross  und  zu  ungleich  vorgebildet,  weil  da  Elementarlehrer 
und  Hochschullehrer  beisammen  sind.  Von  direkter  oder  individueller 
Anregung  kann  da  kaum  die  Rede  sein.  tiberdies  wird  auch  in  kurzer 
Zeit  zu  viel  geboten  —  taglich  fiinf,  sechs  Vortrage  hinter  einander  ge- 
niessen  und  zwar  eine  ganze  Woche  lang,  das  kann  der  beste  padagogische 
Magen  nichi  verdauen.  Die  Vortragsserien  wahrend  des  Schuljahres  lei- 
den  ungefahr  an  denselben  Mangeln,  sie  haben  aber  den  Vorzug,  dass 
diese  Vortrage  auf  einen  grosseren  Zeitraum  verteilt  sind. 

Ehe  ich  nun  zu  einem  weiteren  Fortbildungsmittel  iibergehe,  mochte 
ich  inbezug  auf  die  zwei  bereits  besprochenen,  Lektiire  und  Fortbildungs- 
kurse,  vor  dem  verderblichen  77Zu  viel"  warnen.  Der  Amerikaner  neigt 
bekanntlich,  seinem  impulsiven  Charakter  gemass,  zur  Ubertreibung,  und 
er  reitet  auch  gerne  Steckenpferde,  besonders  im  Erziehungswesen.  Als 
in  den  letzten  Jahren  hier  von  leitenden  Padagogen  und  Schulsuperin- 
tendenten  die  Parole  ausgegeben  wurde,  die  Lehrer  miissen  sich  mittels 
Lektiire  und  Fortbildungskurse  weiterbilden,  da  schossen  die  Reading 
Circles  oder  die  Round  Tables  und  die  University  Extensions  uberall  wie 
Pilze  aus  der  Erde.  Die  Lehrer  und  Lehrerinnen  liefen  nun  sofort  nach 
dem  Unterricht  ein-  oder  zweimal  wahrend  der  Woche  in  einen  ,,Lese- 
zirkel",  woselbst  besonders  Psychologic  misshandelt  wurde,  und  obendrein 
besuchten  sie  noch  einen  Universitatskursus,  um  Vortrage  iiber  Ethik, 
Methodik  und  Padagogik  zu  horen.  Zuhause  vertieften  sie  sich  noch- 
mals  in  die  gelehrten  Biicher,  um  iiber  das  Gehorte  nachzulesen  und 
schriftliche  Arbeiten  dariiber  abzufassen.  Das,  meine  Damen  und  Her- 
ren,  ist  nach  meiner  Ansicht  des  Guten  zu  viel,  das  ist  Ubertreibung.  Wo 
bleibt  bei  solchem  Parforce-Studium  die  geistige  Spannkraft  fiir  die  Ar- 
beit in  der  Schule  ?  Direkt  nach  dem  Unterricht  sollten  iiberhaupt  keine 
gemeinsame  Lesestunden  oder  Vortrage  stattnnden,  weil  alsdann  der  ge- 


236  Monatshefte  fur  deutscke  Sprache  und  Pddagogik. 

wissenhafte  Lehrer  zu  abgespannt  1st.  Ein  Spaziergang  im  Freien  (oder 
aber  fiir  die  Herren  ein  Stiindchen  am  Stammtisch)  1st  viel  gesiinder 
und  erspriesslicher.  Die  Universitatskurse  sollten  auf  einen  Abend  oder 
auf  den  freien  Samstag  verlegt  werden,  oder  noch  besser  auf  die  Ferien. 
Sie  werden  mit  mir  auch  ubereinstimmen,  wenn  ich  behaupte,  dass  nur 
die  jiingeren  Lehrkrafte  sich  mit  Lesezirkeln  und  Fortbildungskursen  be- 
fassen  sollten.  Ein  alterer  Lehrer  sollte  damit  verschont  bleiben;  die 
Privatlektiire  sollte  fiir  ihn  geniigen. 

Das  Besuchen  anderer  Schulen,  sei  es  nun  in  demselben  Berufsort 
oder  in  anderen,  oder  sogar  in  anderen  Landern,  wie  es  in  allerneuester 
Zeit  Mode  wird,  ist  ganz  gewiss  auch  ein  gates  Fortbildungsmittel.  Man 
kann  da  vergleichende  Beobachtungen  anstellen,  man  kann  sehen,  wie 
andere  die  padagogische  Kunst  betreiben,  man  kann  vielleicht  auch  ler- 
nen,  wie  man's  nicht  machen  soil.  Auf  alle  Falle  sincl  solche  Schulbe- 
suche  fiir  jeden  Erzieher,  ob  alt  oder  Jung,  belehrend. 

Ich  komme  schliesslich  zu  den  beiden  letzten  Fortbildungsmitteln, 
zum  padagogischen  Vereinsleben  und  zum  lieisen.  Der  Nutzen  und  die 
Notwendigkeit  von  Lehrervereinigungen,  der  Besuch  ihrer  Versammlun- 
gen  und  ihrer  Jahreskonvente  ist  Ihnen  schon  so  oft  und  dringlich  ans 
Herz  gelegt  worden,  dass  ich  hier  nicht  naher  darauf  einzugehen  brauche. 
Wir  deutschen  Lehrer  haben  die  Vereinigung  unter  uns  doppelt  notig, 
namlich  nicht  allein  zur  Fortbildung,  sondern  auch  zur  Abwehr  von  An- 
griffen  auf  den  deutschen  Unterricht.  Leider  sieht  man  dies  noch  im- 
mer  nicht  genug  ein,  trotzdem  die  Erfahrung  zeigt,  dass  in  den  Stadten, 
wo  die  deutschen  Lehrer  nicht  organisiert  sind  und  darum  auch  keine 
regelmassige  Versammlungen  mit  belehrenden  Vortragen  haben,  dass  es 
in  diesen  Stadten  mit  dem  deutschen  Unterricht  schwach  bestellt  ist,  der 
friiher  oder  spater  eingeht. 

Die  angenehmste  Art  der  Fortbildung  ist  jedenfalls  das  Reisen;  man 
darf  jedoch  dieses  Mittel  durchaus  nicht  als  gering  betrachten.  Reisen 
bildet  bekanntlich;  Land  und  Leute  aus  personlicher  Anschauung  kennen 
lernen,  ist  unzweifelhaft  viel  besser  als  sie  nur  aus  Biichern  zu  studieren. 
Nicht  mit  Unrecht  dringen  darum  viele  Schulleiter  darauf,  dass  ihre  Leh- 
rer alljahrlich  eine  grossere  oder  kleinere  Ferienreise  machen.  Wenn  der 
Geldbeutel  dies  erlaubt,  so  ist  das  gewiss  gut  und  schon,  und  doppelt  so, 
wenn  man  damit  gleichzeitig  den  Besuch  einer  Lehrerkonvention  verbin- 
den  kann.  Lehrer  und  Lehrer innen,  die  nie  aus  ihren  vier  Pfahlen  her- 
auskommen  —  leider  gibt  es  solche  —  die  kann  man  nur  bemitleiden, 
denn  nach  den  Worten  ,,im  engen  Kreis  verengert  sich  der  Sinn",  wer- 
den solche  allmahlich  geistig  verknochern  und  vertrocknen. 

Jegliche  Fortbildung  aber  —  das  mochte  ich  zum  Schluss  ganz  be- 
sonders  betonen  —  muss  aus  freiem  Antriebe  erfolgen,  aus  der  Liebe  zum 
Berufe.  Ein  Lehrer,  der  sich  nur  darum  weiterbildet,  nur  deshalb  an 


Methoden  des  Unterrichts  in  modernen  Sprachen.  237 

Lesezirkeln  teilnimmt  und  Universitatskurse  besucht,  damit  er  so  und  so 
viele  Punkte  oder  Credits  dafiir  bekommt,  die  ihm  zur  Gehaltsaufbesse- 
rung  oder  zur  Beforderung  niitzen  sollen,  ein  solcher  Lehrer  1st  nur  ein 
Taglohner  im  Weinberge  des  Herrn.  Das  sogenannte  Meriten-System  in 
der  Fortbildung,  das  sich  nur  auf  die  Utilitat  stiitzt,  ist  des  Lehrerstan- 
des  unwiirdig. 

Ein  Lehrer,  der  naeh  obigen  Andeutungen  richtig  vorgebildet  ist  und 
der  sich  aus  eigenem  Antriebe  stets  weiterbildet,  der  wird  gewiss  seinem 
Berufe  gerecht  werden.  Er  erf iillt  die  Forderung,  die  Diesterweg  an  den 
Erzieher  stellt:  ,,Der  kiinftige  Lehrer  soil  weit  iiber  den  Gegenstanden 
stehen,  die  er  zu  lehren  hat.  1st  dieses  nicht  der  Fall,  so  rennt  er  sich 
in  Formen  fest,  sieht  seinen  kleinen  Lebenskreis  fiir  die  Welt  an,  ist 
selbst  ungebildet,  kann  daher  auch  nicht  bilden,  halt  das  kleine  Gebiet, 
in  dem  er  zuhause  ist,  fur  das  Universum,  bleibt  ein  beschrankter  Mensch 
und  wird  unausbleiblich  ein  anmassender,  selbstzufriedener  Pedant.  Das 
Wissen  blaht  nicht  auf,  sondern  das  Halbwissen  und  das  Nichtwissen." 


Psychologische  Grundlage  fiir  die  Methoden  des  Unter- 
richts in  den  modernen  Sprachen. 


Von  Prof.  A.  Werner  Spanhoofd,  High  Schools,  Washington,  I).  C. 


Da  ich  in  einem  kurzen  Vortrage  iiber  die  psychologische  Grundlage 
fiir  die  Methode  des  Sprachunterrichts  nur  einige  der  wichtigsten  Punkte 
beriihren  kann  und  Detailfragen  unerortert  lassen  muss,  so  trete  ich 
gleich  in  die  Sache  ein  und  beginne  mit  einer  kleinen  Begebenheit  aus 
der  Vergangenheit  des  Darmstadter  Gymnasiums,  die  uns  Ferdinand 
Dieffenbach  erhalten  hat. 

,,Setz?  Dich,  Liebig!    Du  bist  ein  Schafskopf." 

Der  so  sprach,  war  Herr  Johann  Justus  Storck,  Conrector  am  Gym- 
nasium zu  Darmstadt,  ein  gefiirchteter  Schulmonarch,  der  sich  durch 
seine  Ausgaben  der  Fabeln  des  Phaedrus  und  des  Cornelius  Nepos  auch 
eine  gewisse  Unsterblichkeit  von  kurzer  Dauer  im  Kreise  der  hessischen 
Schuljugend  erworben  hat. 

Der  mit  dem  Titel  ,,Schafskopf"  Beehrte  war  Justus  Liebig,  der 
vierzehnjahrige  Sohn  des  Materialisten  Georg  Liebig  zu  Darmstadt.  Lie- 
big  sass  mit  noch  zwei  Ungliicksgefahrten  untenan,  auf  dem  Platzchen, 
auf  dem  man  in  der  Schule  nicht  minder  grosse  Qualen  aussteht,  als  sie 


238  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

wohl  jemals  ein  armer  Teufel  auf  der  Armsiinderbank,  dem  man  vor  sei- 
nen  Augen  das  Stabchen  zerbrach,  erdulden  musste. 

Der  Conrector  hatte  gerade  einen  schlechten  Tag,  denn  ebenso  un- 
befriedigt  schied  er  von  dem  unter  Liebig  sitzenden  Jungen,  Georg  Ger- 
vinus,  dem  dreizehnjahrigen  Sohne  des  Darmstadter  Gerbers  Gervinus. 

Nun  drohte  sich  das  Unheil  iiber  dem  Haupte  desjenigen,  der  zu  al- 
lerunters  sass,  dem  eigentlichen  Ultimus,  dem  vierzehnjahrigen  Johann 
Jakob  Kaup,  gleichfalls  einem  Darmstadter  Biirgersohn,  zu  entladen. 
Allein  der  Gestrenge  zog  es  vor,  statt  diesen  auf  die  Folter  zu  spannen, 
wieder  zu  dem  jungen  Liebig  zuriickzukehren. 

,,Was  willst  Du  werden,  Liebig?" 

,,Chemiker." 

,,Dummkopf  —  was  ist  denn  das?"  entgegnete  Herr  Storck  mit  ver- 
achtlichem  Achselzucken.  ,,Seht  Ihr,"  fuhr  er  fort,  ,,Ihr  drei  seid  un- 
wiirdig  in  die  Hallen  der  Wissenschaft  einzutreten.  Kb'pfe  habt  Ihr 
zwar  grosser  und  dicker  wie  alle  anderen,  aber  der  Spiritus  fehlt  darin. 
Spart  Euch  die  Miihe  und  Euren  Eltern  das  schb'ne  Geld!  Liebig,  Dein 
Latein  reicht  gerade  aus  zum  Apotheker ;  Du  Gervinus,  kannst  weder  La- 
tein  noch  Deutsch,  und  Du,  Kaup,  kannst  iiberhaupt  gar  nichts." 

In  der  Tat  wurde  Liebig  —  es  war  im  Jahre  1814  —  bald  darauf  zu 
einem  obskuren  Apotheker  in  Heppenheim  in  die  Lehre  getan,  und  Ger- 
vinus wurde  Lehrling  in  dem  in  Darmstadt  noch  bestehenden  Ellenwaa- 
rengeschafte  von  G.  Schwab.  Einige  Jahre  langer  hielt  es  Kaup  aus, 
wiewohl  auch  er  die  Anstalt  nicht  absolvierte. 

Alle  drei  sind  in  der  Folge  hochberiihmt  geworden,  dem  Conrector 
Storck  aber  bleibt  der  Ruhm,  die  drei  grossten  Manner,  welche  iiberhaupt 
noch  auf  den  Banken  des  Darmstadter  Gymnasiums  sassen,  fur  Dumm- 
kopfe  erklart  zu  haben. 

Aus  diesen  Mitteilungen  iiber  die  Schulzeit  der  drei  grossen,  deut- 
schen  Gelehrten  konnen  wir  uns  ein  paar  sehr  niitzliche  Lehren  ziehen. 
Dass  der  Conrector  Storck  einen  Fehler  begangen  hat,  leuchtet  sofort 
ein ;  denn  geben  wir  auch  zu,  dass  eine  offentliche  Schule  eigentlich  nicht 
fiir  das  Genie  eines  Liebig,  sondern  vielmehr  fur  die  grosse  Menge  der 
Durchschnittsknaben  berechnet  ist,  so  kann  ihm  das  doch  keineswegs  zur 
Entschuldigung  dienen,  wenn  er  seine  Schiller  verkennt  und  ihre  geisti- 
gen  Anlagen  groblich  unterschatzt.  Man  darf  aber  schon  etwas  Nachsicht 
iiben,  zumal  ein  solches  Versehen  auch  heutzutage  sicher  nicht  zu  den 
Seltenheiten  gehort,  in  etwas  milderer  Form  sogar  sehr  oft  vorkommt. 
Diese  Beobachtung  lasst  sich  nicht  bloss  an  unerfahrenen  Lehrern  ma- 
chen,  sondern  grade  an  Leuten  wie  der  Conrector  Storck  mit  vorziiglicher 
Vorbildung  zu  ihrem  Berufe,  die  vor  allem  dazu  neigen,  sich  selbst  und 
ihrem  Lehrstoffe  eine  viel  zu  hohe  Bedeutung  beizumessen,  und  dann 


Methoden  des  Unterrichts  in  modernen  8prachen.  239 

wohl  in  eine  vb'llig  einseitige,  meist  nur  iiberlieferte,  buehstabenglaubige 
Lehrmethode  verfallen,  die  den  Bediirfnissen  und  der  geistigen  Entwick- 
lung  unserer  Kinder  nicht  Kechnung  tragt.  Zeigt  nun  ein  Schiller  kein 
Interesse  an  dem  Lehrstoff,  so  heisst  es  wohl,  er  sei  faul;  vermag  er  den 
Erklarungen  des  Lehrers  nicht  zu  folgen,  so  ist  er  eben  ein  .Dummkopf. 
Die  Schuld  wird  immer  den  Kindern  in  die  Schuhe  geschoben. 

Wenn  wir  uns  doch  stets  erinnern  wollten,  dass  der  Schiller  im  Un- 
terrichte  immer  die  Hauptperson  ist,  wahrend  der  Lehrer,  den  der  be- 
gabte  Schiller  zuzeiten  auch  wohl  entbehren  kann,  mit  all  seiner  Weisheit 
einen  verhaltnismassig  untergeordneten,  bloss  vermittelnden  Posten  ein- 
nimmt.  Die  Kunst  einer  solchen  Vermittlung,  das  Unterrichten,  kann 
niemand  an  sich  selber  erlernen,  noch  anderen  Lehrern  abgucken.  Wer 
sich  diese  Kunst  nicht  durch  eingehendes,  eifriges  Studium  der  mannig- 
f altigen  Probleme  der  Kindesseele  und  vor  allem  durch  auf merksame  Be- 
obachtung  der  ihm  anvertrauten  Kinder  erwirbt,  der  mag  es  in  seinem 
Berufe  vielleicht  zu  einem  Schuldespoten,  einem  schablonenmassigen 
Driller  bringen,  aber  nie  zu  einem  Erzieher  der  Jugend. 

Dass  in  dieser  Hinsicht  arg  gegen  die  Natur  gesiindigt  wird,  brauche 
ich  kaum  zu  erwahnen.  Es  gibt  ja  an  unseren  Hochschulen  noch  Tau- 
sende  von  Lehrern,  die  in  ihren  Klassen  mit  dreizehnjahrigen  Kindern 
dieselbe  Lehrmethode  benutzen,  wonach  sie  ihr  eigenes  Deutsch  am  Col- 
lege gelernt  haben.  Von  Originalitat  keine  Spur,  alles  ist  gedanken- 
loser  Abklatsch  des  am  College  Erschauten.  Gegen  College-Methoden  an 
sich  habe  ich  natiirlich  nichts  einzuwenden.  An  einigen  unserer  Colleges 
und  Staatsuniversitaten  wird  Vorziigliches  geleistet,  was  mich  schon  hin- 
reichend  iiberzeugt,  dass  auch  die  Art  und  Weise  des  Unterrichts  ihrem 
Zwecke  vollkommen  entsprechen  muss.  Das  liefert  uns  aber  sicher  noch 
nicht  den  Beweis,  dass  wir  nun  alle  Schiller,  einerlei  welchen  Alters,  iiber 
denselben  Kamm  scheren  miissen.  Bleibe  doch  jeder  Schuster  bei  sei- 
nem Leisten !  Wenn  einige  Professoren  sich  mehr  um  ihre  eigenen  An- 
gelegenheiten  bekiimmerten,  oder  wenigstens  mit  ihren  unpraktischen 
Vorschriften  und  haprigen  Hypothesen  zu  Hause  blieben,  wenn  die 
Hochschullehrer  ihren  fiinf  Sinnen  etwas  mehr  zutrauten,  ihre  Schiller 
aufmerksam  beobachteten  und  sich  die  Erfahrungen,  die  sie  im  eigenen 
Klassenzimmer  wohl  am  besten  sammeln  konnen,  zu  Nutze  zogen,  statt 
sich  eitel  darin  zu  gef alien,  einem  Universitatsprofessor  nachzuaffen  und 
Elementarlehrer  zu  kritisieren,  es  wiirde  darum  sicher  nicht  schlechter 
stehen  um  den  deutschen  Unterricht. 

Es  liegt  mir  fern,  zu  behaupten,  dass  die  Lehrer  der  verschiedenen 
Abteilungen  unseres  Schulsystems  sich  nicht  mitteilen  sollten.  Im  Ge- 
genteil,  ich  finde  es  sogar  hochst  bedauerlich,  dass  dies  nicht  mehr  ge- 
schieht.  In  Deutschland  arbeiten  die  Lehrer  der  unteren  Klassen  mit 


240  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

denen  der  oberen  taglich  als  Freunde  und  Kollegen  unter  demselben  Da- 
che.  Hier  bei  uns  herrscht  nicht  selten  Entfremdung,  kleinliche  Eifer- 
sucht,  stockfinstere  Unwissenlieit  unter  Lehrern  einer  Abteilung  von  den 
Funktionen  und  Zielen  der  Lehrer  anderer  Abteilungen.  Ja,  wir  konn- 
ten  schon  sehr  viel  von  einander  lernen,  wenn  wir  uns  bloss  das  mitteil- 
ten,  was  wir  konnen  und  wissen.  Mit  dem  Kritisieren  und  Vorschriften- 
machen  hat's  aber  vorlaufig  noch  keine  Eile. 

Zum  Kritisieren  gehort  vor  allem,  dass  man  die  Sache  auch  selbst 
versteht.  Da  horte  ich  nun  kiirzlich  einen  Hochschullehrer  alien  Ern- 
stes  behaupten,  dass  der  fremdsprachliche  Unterricht  an  der  Elementar- 
schule  nur  Zeitverschwendung  sei.  Und  welchen  Grund  fuhrte  er  ins 
Feld?  —  weil  den  Kindern  an  der  Elementarschule  nicht  mehr  deutsche 
Grammatik  beigebracht  wiirde,  als  sie  auf  der  Hochschule  in  zwei  Mona- 
ten  lernen  konnten.  Da  haben  Sie's,  meine  Damen  und  Herren,  von  der 
Elementarschule!  Zu  Ihrer  Beruhigung  will  ich  aber  hinzufiigen,  dass 
der  deutsche  Unterricht  auf  der  Hochschule  nun  auch  bloss  Zeitvergeu- 
dung  ware,  weil  wir  unseren  Schiilern  keine  Kenntnis  der  Literatur  und 
Philologie  mit  aufs  College  geben  konnen.  Man  hat  uns  Hochschulleh- 
rern  auch  schon  allerlei  Wunderdinge  zugemutet,  doch  kleine,  unschul- 
dige  Kinder  mit  abstrakten  grammatischen  Eegeln  abzuqualen  -  -  nein, 
da  lehre  man  doch  lieber  Literatur  und  germanische  Philologie  auf  der 
Hochschule.  Sollen  die  Kinder  nun  einmal  geschunden  werden,  so  sei's 
auf  der  Hochschule,  denn  dort  stehen  sie  wenigstens  unter  keinem  Schul- 
zwang,  und  konnen  zu  Hause  bleiben,  wenn  ihnen  die  Schinderei  zu  gross 
wird. 

Wenn  die  verschrobene  Meinung  von  der  Unzweckmassigkeit  des 
fremdsprachlichen  Unterrichts  an  der  Elementarschule  nicht  gerade  un- 
ter den  Hochschullehrern  so  weit  verbreitet  ware,  so  brauchte  ich  hier 
kein  Wort  dariiber  zu  verlieren.  Diese  Ansicht  griindet  sich  namlich 
auch  nicht  auf  psychologische  Tatsachen  --  Psychologen  allerorts  behaup- 
ten,  die  Spracherlernung  beruhe  zum  weitaus  grossten  Teile  auf  Nach- 
ahmung  und  Gedachtnis,  und  nriisse  darum  unternommen  werden,  wenn 
das  mechanische  Gedachtnis  am  stiirksten  und  der  Geist  fiir  Aneignung 
fremder  Sprachformen  am  empfanglichsten  sei,  also  etwa  vom  sechsten 
bis  zum  zwolften  Lebensjahre — nein,  sie  wird  dem  Ausschuss  der  Zwolfe 
nachgebetet,  der  in  seinem  Berichte  folgendes  sagt:  "It  is  not  worth 
while,  as  a  rule,  that  the  study  of  a  foreign  language  be  taken  up  in  the 
primary  grades  unless  the  beginner  has  at  least  a  prospect  and  an  inten- 
tion of  going  on  through  the  secondary  school.  The  reason  for  this 
opinion  is  that  what  can  be  acquired  of  a  modern  language  in  the  primary 
grades,  even  with  the  best  of  teaching  and  under  the  most  favorable  con- 
ditions, is  good  for  nothing  except  as  a  foundation.  For  while  it  is  true 


Methoden  des  Unterrichts  in  modernen  Sprachen. 

that  children  learn  quickly  and  easily  the 'rudiments  of  "conversation"  in 
a  foreign  tongue,  it  is  also  true  that  they  forget  them  no  less  quickly  and 
easily".  —  Wer  also  seine  Studien  nicht  in  der  Hochschule  fortsetzen 
kann,  oder  wer  das  in  der  Schule  Gelernte  vergisst,  der  fange  lieber  gar 
nicht  an,  denn  sonst  hatte  die  Sache  ja  keinen  Wert.  Nun,  ich  kenne 
meine  Pappenheimer  von  der  Hochschule  auch  ganz  gut;  wenigstens  90 
Prozent  der  Schiller,  die  unsere  Hochschulen  verlassen,  werf en  ihre  deut- 
schen  Bucher  auf  Mmmerwiedersehen  in  die  Ecke,  und  haben  das 
Deutsch,  das  wir  ihnen  einst  beibrachten,  in  fiinf  oder  sechs  Jahren  total 
vergessen,  trotz  des  zaheren  Gedachtnisses,  das  man  ihnen  in  obiger  Be- 
griindung  nachriihmt.  Die  College-Studenten  lassen  sich  in  dieser  Hin- 
sicht  auch  nicht  lumpen. 

Also  ein  Kind  lernt  die  Anfangsgriinde  der  Konversation  schnell 
und  leicht.  Es  freut  mich,  dass  man  den  Kindern  das  noch  lasst.  Wei- 
ter  wird  ihnen  aber  auch  nichts  nachgeriihmt,  und  das  Wort  Conversa- 
tion" sorgfaltig  auf  Gansefiisschen  gesetzt,  was  wahrscheinlich  auf  Ganse- 
f utter  anspielen  soil.  Nun  bin  ich  ja  fest  iiberzeugt,  dass  es  uns  auf 
der  Hochschule  und  dem  College  nie  vornehmlich  auf  das  Sprechen  an- 
kommen  darf,  nicht  weil  das  Sprachkonnen  etwa  minderwertiger  ware 
als  das  blosse  Sprachwissen,  sondern  weil  wir  unsere  Schiller  ohne  Hilfe 
der  Elementarschule  mit  dem  besten  Willen  nie  iiber  ein  Kadebrechen 
hinausbringen,  ohne  andere  Werte  zu  vernachlassigen,  die  sich  fiir  ihr 
Alter  besser  eignen.  Was  die  Kinder  in  der  Elementarschule  lernen  kon- 
nen,  lasst  sich  nich  durch  die  paar  Worte  ,,rudiments  of  conversation" 
abtun.  Sie  erwerben  sich  dort  mancherlei,  was  wir  sie  iiberhaupt  gar 
nicht  mehr  lehren  konnen,  wie  eine  gute  Aussprache,  die  unbewusste. 
richtige  Anwendung  grammatischer  Formen  und  Eegeln,  den  idiomati- 
schen  Gebrauch  der  Fremdsprache,  kurz,  ein  lebendiges,  gesprochenes 
Deutsch,  statt  des  toten,  papierenen  unserer  Schiller,  dem  man  auf 
Schritt  und  Tritt  anmerkt,  dass  es  wortlich  aus  dem  Englischen  iibersetzt 
ist.  Dass  die  Kinder  im  deutschen  Unterricht  der  Elementarschule  nicht 
nur  deutsche  Worter  lernen  —  fiir  ein  Kind  gibt's  nur  Begriffe,  kerne 
Worter,  —  sondern  iiber  alle  moglichen  Dinge  aufgeklart  werden,  dass 
sie  sich  ausserdem  eine  griindlichere  Kenntnis  der  englischen  Sprache 
aneignen,  will  ich  nur  nebenbei  bemerken. 

Xun  ja,  die  Kinder  vergessen  viel.  Das  hangt  aber  nicht  allein  von 
der  Eigentiimlichkeit  ihres  Gedachtnisses  ab,  sondern  auch  noch  von  der 
Art  der  Einpragung  und  dem  Interesse,  das  sie  einer  Sache  entgegen- 
bringen.  Professor  Gordy  bemerkt  in  seinem  Buche  ,,New  Psychology" 
ganz  richtig :  "Talk  to  an  old  man  about  his  past  life,  and  you  will  find 
that  the  events  of  the  last  year  he  but  dimly  remembers;  but  when  he 
speaks  of  his  boyhood,  the  incidents  of  the  time  crowd  themselves  upon 


242  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

him  as  though  they  had  happened  but  yesterday.  In  that  far-off  happy 
time,  when  his  heart  was  light  and  his  mind  was  free  from  care,  the  most 
trivial  events  received  a  degree  of  attention  sufficient  to  stamp  them  on 
his  memory  forever".  Um  also  das  Vergessen  moglichst  zu  verhiiten. 
sollte  der  Lehrer  vorerst  in  Erfahrung  bringen,  was  iiberhaupt  Eindruck 
auf  die  Kinderseele  macht,  durch  welche  Mittel  es  sich  im  Gedachtnis 
des  Kindes  befestigen  lasst,  und  darnach  den  Unterricht  zu  regeln. 

Ubrigens  vermindert  es  den  Wert  eines  guten  Unterrichts  durch  aus 
nicht,  wenn  das  Kind  etwas  vergisst.  Beim  Lernen  kommt  es  in  der 
Schule  ja  nicht  auf  das  Was  an,  sondern  aufs  Wie.  Es  muss  naturge- 
mass  und  zielbewusst  gelehrt  werden,  dann  bleibt  es  sich  fur  die  geistige 
Entwickelung  eines  Kindes  vollig  gleichgiiltig,  ob  es  nun  Englisch, 
Deutsch,  Franzosich,  Latein  oder  -Chinesisch  lernt.  Dass  da  irgend  ein 
TJnterrichtsfach  besondere  Vorrechte  gepachtet  habe,  darf  man  dem  En- 
thusiasmus  der  Lehrer  gutschreiben,  wird  aber  durch  die  Psychologic 
nicht  begriindet.  Von  Wichtigkeit  ist  nur,  dass  man  den  Karren  nicht 
vor  den  Gaul  spannt,  und  zum  Beispiel  die  kleinen  Kinder  der  Elemen- 
tarschule  mit  Arithmetik  und  Algebra  krank  fiittert,  wo  von  sie  ja  doch 
kaum  die  Halfte  begreifen,  wahrend  man  den  fremdsprachlichen  Unter- 
richt, der  gar  nicht  zu  fruhzeitig  unternommen  werden  kann,  auf  ein 
Lebensalter  verschiebt,  wenn,  wie  auch  President  Eliot  sagt,  die  beste 
Zeit  eine  Sprache  zu  erlernen  schon  vorbei  ist.  Dann  kommt  der  Lehr- 
stoff  nur  noch  seines  etwaigen  praktischen  Wertes  wegen  in  Betracht.  Aus 
diesem  Grund  allein  gebiihrt  der  englischen  Sprache  hierzulande  unter 
alien  Lehrgegenstanden  der  erste  Rang,  ihr  folgt  unmittelbar  die  deut- 
sche Sprache,  nicht  bloss  wegen  ihrer  Weltstellung  in  Literatur,  Wissen- 
schaft,  Industrie  und  Handel,  sondern  schon,  weil  sie  die  zweite  Landes- 
sprache  der  Vereinigten  Staaten  ist. 

Wird  nun  der  Unterricht  von  der  Elementarschule  bis  zur  Univer- 
sitat  in  einer  naturgemassen,  der  Kindesseele  stets  angepassten  Weise  er- 
teilt,  so  ergibt  sich  der  stufenweise  fortschreitende  Gang  desselben  ganz 
von  selbst,  und  die  Tatsache,  dass  uns  so  viele  Schiller  verlassen  miisscn, 
ehe  sie  etwas  Tiichtiges  gelernt  haben,  ist  dann  zwar  immer  noch  bedau- 
erlich,  kann  aber  dem  Werte  unserer  Lehrtatigkeit  in  keiner  Weise  Ab- 
bruch  tun.  Was  Professor  Laurie  vom  Lateinunterricht  sagt,  das  gilt 
auch  fur  uns,  iiberhaupt  fur  jeden  Lehrer:  "That  our  method  be  such 
as  to  give  to  every  pupil  the  full  benefit  of  the  training  and  discipline 
which  the  language  is  presumed  to  afford  and  which  the  pupil's  age  ad- 
mits of,  at  whatever  point  he  may  cease  to  study  it.  Herein  lies  one  of 
the  claims  which  all  method  permanently  makes  on  the  teacher  —  that 
it  assures  this  admirable  result.  Each  day's  lesson  justifies  itself". 

Wie  ich  mir  nun  den  fremdsprachlichen  Unterricht  in  den  verschie- 
denen  Abteilungen  unseres  Schulwesens  vorstelle,  was  nach  meiner  Mei- 


Deutsche  und  angelsdchsische  Verhdltmsse  in  America.          243 

nung  auf  jeder  Stufe  betont,  was  unterlassen  werden  miisste,  welcher  Mit- 
tel  man  sich  bedienen  konnte,  urn  moglichst  gute  Eesultate  zu  erzielen, 
die  praktische  Durchfiihrung  also  der  hier  nur  in  groben  Umrissen  kurz 
angedeuteten  Methode,  die  werde  ich,  wenn  Ihnen  meine  heutigen  Worte 
gefallen  hatten,  in  einer  der  naehsten  Nummern  unserer  Monatshefte 
mitteilen. 


Deutsche  und  angelsachsische  Verhaltnisse  in  Amerika, 


Von  Prof.  James  Taft  Hatfield,  Ph.  D.,  Northwestern  Uni.,  Evanston,  111. 


Mein  zweikopfiges  Thema  soil  nicht  darauf  hindeuten,  dass  wir  hier 
als  feindliche  Elemente  auf  einander  stossen:  alle  sind  wir  gleichberech- 
tigte  Amerikaner,  stolz  auf  unser  gemeinsames  Vaterland,  gleich  bestrebt, 
auf  unser  Geschlecht  und  die  kommenden  Geschlechter  ethisch  einzuwir- 
ken.  Ich  komme  mit  keinem  Tropfen  Blut  in  meinen  Adern,  der  nicht 
englisch-puritanischen  Ursprungs  ware,  aber  ich  komme  als  freier 
Mensch,  nicht  als  Vertreter  irgend  einer  Sekte  oder  Partei.  Noch  weni- 
ger  masse  ich  mir  an,  hier  als  Gesetzgeber  oder  Prophet  aufzutreten. 
Nur  zwei  Dinge  verspreche  ich  Ihnen  redlich:  erstens,  don  Mut  meiner 
tlberzeugungen ;  zweitens,  die  Ehrlichkeit,  eine  halbstiindige  Eede  nicht 
liber  30  Minuten  hinauszudehnen.  In  letzterer  Hinsicht  ist  mancher 
sogenannter  Biedermann  ein  gewissenloser  Frevler. 

Professor  Burgess  hat  vor  kurzem  mit  meisterhaftem  Weitblick  die 
Summe  der  Griinde  gezogen,  durch  welche  die  deutsehen  und  angelsach- 
sischen  Stamme  heute  die  Weltherrschaft  iiber  den  romanischen,  kelti- 
schen  und  asiatischen  Rassen  f iihren :  der  magische  Schliissel  liege  in  dem 
einen  ethischen  Begriff,  Pflichtgefiihl.  Mit  dieser  Eigenschaft 
verbunden  oder  aus  derselben  hervorwachsend  findet  er  auch  bei  den  bei- 
den  Volkern  in  hervorragendem  Grade  praktische  Tiichtigkeit,  politische 
Fahigkeit,  Selbstbeherrschung,  Unternehmungsgeist,  Urkraft  und  (last, 
but  not  least)  einen  hohen,  echt-poetischen  Idealismus. 

Es  ist  zwecklos,  die  Tatsache  zu  verkennen,  dass  die  Fundamente 
unserer  amerikanischen  Zivilisation  vorziiglich  von  den  neuenglischen 
Puritanern  gelegt  worden  sind.  Dem  deutsehen  Naturel!  waren  just 
diese  Staatsgriinder  nicht  ganz  unsympatisch ;  man  denke  an  den  ,,festen, 
strammen,  geradezu  eisernen,  altdeutschen  lutherischen  lowenherzigen 
Vater  Klopstocks",  wie  ihn  Erich  Schmidt  in  ciceronianischer  Reihen- 
folge  beschreibt.  Beide  Schillerschen  Eltern,  wie  auch  Goethes  Vater, 
gehorten  in  dieselbe  Klassc  zum  Vorteil  ihrer  beriihmten  Sohne. 


244  Monatsliefie  fur  deutsclie  Sprache  und  Padagogik. 

Lange  vor  ihrer  Flucht  nach  Holland  mid  Amerika  hatten  die  Puri- 
taner  mit  Hintansetzung  von  Gut  und  Leben,  dem  festen  Vorsatz  der 
machtigsten  Konigin  der  Neuzeit,  die  Selbstandigkeit  des  freien  Men- 
schen  zu  beugen,  getrotzt.  Ihr  Kampf  war  fur  die  Freiheit,  ihr  Einfluss 
ist  eine  unschatzbare  Erbschaft  des  ganzen  amerikanischen  Volkes.  Hire 
Ethik  war  eine  alltagliche,  hausbackene;  sie  hatten  einen  tiefliegenden 
Abscheu  vor  Unehrlichkeit  und  Unsittlichkeit,  sie  waren  arbeitsam,  tiich- 
tig,  sparsam,  durch  viele  Priifungen  abgehartet.  Sie  betonten  die  Staats- 
und  Gemeindepflichten  imd  gingen  nie  den  schweren  Lasten  eines  guten 
Burgers  aus  dem  Wege.  Wie  fest  legten  sie  die  Fundamente  einer  freien 
Selbstregierung !  Der  von  ihnen  in  der  Kajiite  der  ,,Mayflower"  unter- 
schriebene  Vertrag  gilt  mit  Recht  als  die  demokratischste  Staatsver- 
fassung,  die  die  Welt  bis  dahin  gekannt.  Obwohl  das  Mittelalter  noch 
seinen  Schatten  iiber  ihren  Verstand  warf,  waren  sie  doch  Manner  des 
Gedankens,  geradezu  die  damaligen  Idealisten  Englands.  Unter  den 
neuenglandischen  Pilgern  war  eine  A.nzahl  "county  gentlemen",  die  an 
die  Wiirde,  die  Autoritat  ihrer  Klasse  gewohnt  waren ;  es  fehlte  bei  ihnen 
nicht  an  ritterlichem  Geiste,  an  Hoflichkeit  und  Zartgefiihl,  an  die  man 
eher  in  Verbindung  mit  den  englischen  Kavalieren  denkt.  Dass  es  bei 
ihnen  nach  der  Seite  des  frischen  Frohsinns  hin  gemangelt  hat,  ist  wahr. 
Sie  verbannten  verschiedene  lebenskraftige  Taten  und  Ausserungen 
plastischer  Krafte  und  Triebe  im  Menschen;  aber  sie  retteten  die  dama- 
lige  englische  Gesellschaft  aus  dem  schweren  Banne  des  Materialismus. 
Sie  beschamten  fiir  alle  Zeitalter  die  Empiriker,  die  nur  das  schatzen, 
was  sie  sinnlich  verbessert.  Im  ungeheuren  Kampfe  zwischen  der  Befrie- 
digung  des  Gliickseligkeitstriebes  und  der  Erfiillung  moralischer  Gesetze 
stellten  sie  sich  unentwegt  auf  die  Seite  des  Geistes. 

Ich  mochte  vor  allem  weitherzig  und  ohne  alle  gesellschaftlichen, 
konventionellen  und  sittlichen  Vorurteile  sprechen.  Ich  habe  den  geist- 
reichen  Vortragen  Frau  Eegina  Watsons  gelauscht,  worin  die  Eiickkehr 
des  attischen  Hellenismus  in  Bausch  und  Bogen  verlangt  wird;  ich  rede 
mit  aller  gehorigen  Furcht  vor  Herrn  Georg  Sylvester  Viereck  und  den- 
noch  halte  ich  es  mit  den  Deutschen  Schiller  und  Kant :  ,,Die  moralische 
Zweckmassigkeit  bleibt  das  Palladium  unserer  Freiheit."  Eineni  deut- 
schen  Publikum  brauchc  ich  nicht  zu  sagen,  dass  die  Puritaner  die  Moral 
weder  entdeckt  noch  erfunden  haben,  aber  Neu  England  diente  als  eine 
fruchtbare  Pflanzschule  sehr  holier  Begriffe,  die  dem  amerikanischen 
Volke  und  der  ganzen  Welt  zu  gute  gekommeii  sind.  Um  es  mit  e  i  n  e  m 
groben  Wort  klar  auszusprechen,  verdanken  wir  den  Puritanern  die 
iiberzeugende  Verwerfung  (nicht  durch  das  Wort,  sondern  durch  das 
Leben)  des  alten  festsitzenden  Wahnes,  dass  sexuelle  Funktionen  zum 
blosson  Zeitvertreibe  dienen  diirfen.  P]s  gibt  Stimmen  genug,  welche  die 


Deutsche  und  angelsachsische  Verhaltm$se  in  Amerika.          245 

urgermanische  Anschauung  als  ,,engherzig"  verschreien.  Man  hort  selir 
viel,  besonders  in  Paris  und  Neapel,  von  einer  ,,gesunden  Sinnlichkeit" 
und  ihren  unbedingten  Rechten,  aber  die  tropische  Erotik  ist  im  grunde 
asiatisch  und  romanisch,  nicht  germanisch.  Zu  bedauern  ist  es  hierzu- 
lande,  dass  so  oft  ,,German  tendencey"  vor  dem  amerikanischen  Publi- 
kum  als  gleichbedeutend  mit  ,,Simplicissiniuss"  und  Wedekind 
vorgestellt  wird.  In  den  grossen  Katastrophen  der  Weltpolitik  mag  bald 
ein  Tag  konimen,  .an  dem  wir  Deutsche  und  Angelsachsen  unsere  hoch- 
sten  Giiter  bewahren  miissen. 

Zuweilen  iiberf  allt  uns  wohl  ein  lahmender  Skepticismus :  sollen  wir 
Amerikaner  die  Fiihrer  der  gesamten  Zivilisation  werden,  da  wir  noch 
gewissermassen  kaum  selbst  ein  Kulturvolk  sind?  Wo  Umstande  in  un- 
sern  grossten  Stadten  vorwalten,  die  die  Tiirkei  entwiirdigen  und  ein 
montenegrinisches  Bergdorf  beschamen  miissten?  Der  greuliche  Schinutz 
und  Unrat,  den  man  neulich  in  Chicago  zur  Zeit  des  republikanischen 
Konvents  mittelst  Zaunen  aus  Leinwand  verdecken  musste,  ist  allzu  ty- 
pisch  f  tir  den  Barbarismus,  der  in  vielen  Schichten  unseres  privaten  und 
offentlichen  Lebens  vorherrscht.  Und  ach!  der  liebe  Reiz  des  alten 
Europa,  Landes  der  Ordnung  und  des  geregelten  Lebens,  ein  Reiz,  der 
uns  so  oft  mit  Sehnsucht  erfiillt  und  mich  fur  meine  Person  unrettbar 
jeder  Ausstellung  beweglicher  Bilder,  deren  Films  aus  dem  Atelier  Pathe 
Freres  in  Paris  stammen,  in  die  Arme  treibt. 

Fur  die  unseligen  Missverstandnisse  von  heute  biete  ich  kein  Uni- 
versalheilmittel  an.  Das  Problem  ist  und  bleibt  schwierig;  es  sind  hohe 
sittliche  Werte,  die  in  Konflikt  mit  einander  geraten,  und  dabei  empfin- 
det  man  die  herzzerreissende  Verschwendung  moralischer  Energie.  Oft 
sind  es  auch  die  elendsten  Kleinigkeiten,  die  die  peinlichste  Regung  der 
Gremiiter  hervorrufen.  Die  typischsten  Vertreter  der  beiden  Elemente 
werden  recht  oft  in  den  Hintergrund  verwiesen,  indem  sich  die  laut- 
schreiende  Mittelmassigkeit  breit,  sehr  breit  macht.  Wir  leben  in  einer 
Demokratie,  wo  man  mit  Massen  zu  tun  hat,  und  dem  oberflachlichen 
Geschmack  sind  diese  Massen  oft  recht  unsympatisch  und  gar  nicht  po- 
etisch  oder  anziehend.  So  stehen  oft  die  zwei  grossten  und  tiichtigstcn 
Gruppen  unserer  Bevolkerung  verfeindet  und  verbittert  da,  oft  scheint 
es  sogar  unmoglich,  die  Meinungsverschiedenheiten  ohne  beleidigendeu 
Anstoss  einmal  zu  erwahnen.  Der  erste  Schritt  zum  Versohnen  aber 
ist  die  Lage  der  Dinge  zu  formulieren.  Ich  will  also  lieber  versuchen, 
einige  Fragen  klar  zu  stellen  als  sie  zu  losen. 

Vielleicht  ist  der  abstechendste  Unterschied  zwischen  beiden  Ele- 
menten  die  Jenseitigkeit  des  Angelsachsen.  Die  eiserne  Konse- 
quenz  des  Englanders  findet  eine  Hauptanwendung  in  seiner  Religion, 
und  er  empfindet  eine  moralische  Befriedigung  in  dieser  ausgefiihrten 
Logik.  Er  ist  im  grunde  von  der  Alleinherrschaft  der  christlichen  Re- 


246  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

ligion  und  von  der  Allmacht  der  kanonischen  Schriften  iiberzeugt  (nota 
bene,  mit  gewissen  sehr  frei  ausgearbeiteten  praktischen  Ausnahmen,  z. 
B.  Zinsen  fur  ausgeliehenes  Geld,  gegen  alle  biblischen  Vorschriften) 
und  nach  diesem  Vordersatz  fahrt  er  fort,  so  gut  es  nur  geht,  sein  irdi- 
sches  Leben  auf  himmlischem  Fusse  hinzubringen.  Wo  Sie  Deutsche 
ein  Vergniigen  finden,  Volkslieder  in  frohlichem  Chor  anzustimmen, 
sucht  sich  der  angelsachsische  Amerikaner  (resp.  die  Amerikanerin) 
durch  die  Gebetstunde,  die  Lagerversammlung,  den  -Christian  Endeavor 
Convent,  die  Y.  M.  C.  A.  Konferenz  eine  Erleichterung  der  Prosa  unse- 
rer  irdischen  Existenz  zu  verschaffen.  Die  Erweckungsposaune  eines 
Billy  Sunday  ruft  ihn  demiitig  vor  den  Altar,  und  auf  den  Befehl  die- 
ses Ersten  unter  den  heutigen  Aposteln  lasst  er  mitten  in  der  Woche  das 
Geschaft  einer  ganzen  Stadt  stocken.  Millionen  auf  Millionen  fliessen 
alljahrlich  in  die  Koffer  der  Missionsgesellschaften,  die  die  ganze  Welt 
(inklusive  das  dunkelste  Deutschland)  mit  ihren  Aposteln  erfiillen.  Im 
Dienste  dieses  religiosen  Ideals  widmet  mein  Stammesgenosse  den  Sonn- 
tag  ganz  und  gar  der  stillen  Andacht  und  Beschaulichkeit.  (Das  glau- 
ben  Sie  nicht,  aber  er  tut's  doch!) 

Was  die  Zukunft  der  amerikanischen  Eeligion  sein  wird,  lasst  sich 
kaum  ahnen.  tiberlebte  Konfessionen  und  konfessioneller  Zwang  sind 
heute  kaum  im  Absterben  begriffen.  Viele  Interessierten  beuten  diese 
Religiositat  der  Andachtigen  schlau  und  unbarmherzig  aus,  aber  das 
Herz  unsers  Volkes  ist  ernst,  fromm  und  aufrichtig.  Die  Deutschen  ste- 
hen  mehr  fiir  eine  lebensfreudige  Diesseitsreligion  ein  (wenn  man  lo- 
gisch  von  einer  Diesseitsreligion  reden  kann).  Nun,  wenn  sich  der  armo 
Mensch  in  seinem  dunklen  Drange  einen  gelegentlichen  Rausch,  sei  es 
durch  Wein  und  Bier,  sei  es  durch  Erweckungsbegeisterung  erlaubt, 
brauchen  wir  nicht  zu  sehr  liber  ihn  zu  triumphieren.  Und  wenn  er 
jetzt  auch  nur  verworren  dient,  mag  wohl  der  grosse  Herr  droben  ihn 
bald  doch  in  die  Klarheit  fiihren.  Vorlaufig  Respekt  vor  dem  guten 
Willen,  der  Selbstaufopferung,  der  Treue,  die  sich  in  dieser  oft  fanati- 
schen  Hingabe  offenbaren! 

Bei  weitem  auffallender  ist  die  Reibung  entgegengesetzter  Meinun- 
gen  in  der  Frage  alkoholischer  Getranke.  Seien  Sie  ausser  aller  Sorgc. 
Geliebte  in  dem  Herrn,  dass  ich  jetzt  eine  sogenannte  Temperenzrede 
loslasse.  Mutig  wie  ich  bin,  und  selbst  wenn  ich  Prohibitionist  ware, 
besitze  ich  nicht  die  Kuhnheit,  hier  an  Ort  und  Stelle  die  Fundamente 
dieser  imposanten  Frage  zu  durchwiihlen.  Die  geduldigen  Deutschen, 
die  ihre  eigenen  Gewohnheiten  kennen  und  pflegen,  sind  es  endlich  herz- 
lich  satt,  sich  darum  als  grundschlechte  Menschen  und  Trunkenbolde 
verschrieen  zu  horen  —  und  aucli  gewisse  andere  Leute  finden  es  keines- 
wegs  angenehm,  sich  durchweg  als  Duckmauser,  Mucker,  Scheinheilige 
und  Wassersimpel  abfertigen  zu  lassen. 


Deutsche  und  angelsdchsische  Verhdltnisse  in  Amerika.          247 

Bei  der  unmassigen,  man  diirfte  sagen  ausschweifenden  und  lieder- 
lichen  Bekampfung  des  Alkoholismus  seitens  heisskopfiger  Fanatiker 
muss  man  den  fatalen  Missgriff  bedauern,  dass  die  gute  poetische  Sache 
der  gesellschaftlichen  Eeform  mit  den  diistern  Zwecken  der  Prohibition 
identifiziert  wird.  Auch  widerspricht  es  dem  gesunden  moralischen  Ge- 
fiihl,  dass  der  Staat  ohne  weiteres  das  gestrige  legitime  Gut  des  Brauers 
auf  einen  Schlag  einstreicht.  Wenn  man  ohne  Umstande  den  Stab  iiber 
dem  ,,Saloon"  bricht,  lasst  man  der  Sache  keine  Gerechtigkeit  widerfah- 
ren,  da  doch  dies  Institut  (in  der  Meinung  solcher  ersten  Autoritaten 
wie  Jane  Addams)  auf  eine  legitime  Weise  den  gesellschaftlichen  Be- 
diirfnissen  des  armen  Mannes  entgegenkommt.  Der  „  Saloon"  1st  nicht 
hauptsachlich  um  des  Saufens  willen  da:  es  sind  nicht  bloss  die  verwor- 
f ensten  Leute,  die  da  verkehren :  es  handelt  sich  mehr  um  Gemiitlichkeit, 
Zeitungen,  Spiele,  menschlichen  Verkehr.  Der  Wirt  hat  oft  ein  warmes 
briiderliches  Herz,  eine  hilfreiche  Hand. 

Schliesslich  ist  die  W.  C.  T.  U.-Ethik  eine  Knechten-  und  Sklaven- 
moral  und  nicht  eine  fiir  die  Kinder  des  Hauses.  Man  miisste  schliessen, 
die  Gesetzgebung  sei  bloss  um  der  Verkommenen,  der  Schwachlinge  wil- 
len da.  W  i  r  haben  die  Entarteten  nicht  geschaffen  und  wir  verzichten 
auf  die  plenare  Verantwortlichkeit  fiir  ihre  Perversitaten. 

Das  Wichtigste  auf  diesem  gef  ahrlichen  Gebiete  ist  zweif elsohne  der 
Bericht  des  New  Yorker  "Committee  of  Fifty  of  the  Sociological  Group", 
das  das  Alkoholproblem  untersuchen  sollte,  ein  Komitee,  das  aus  den 
besten  Mannern  zusammengesetzt  war,  die  unsere  Zeit  aufzuweisen  hat 
und  dessen  unparteiische  strengwissenschaftliche  Schliisse  alle  Achtung 
verlangen,  wie  es  auch  in  den  gediegenen  Schriften  der  U.  S.  Brewers' 
Association  (die  ich  Herrn  Fox  verdanke)  anerkannt  wird.  Unter  die- 
sen  Mitgliedern  waren  Pras.  Eliot,  Seth  Low,  Felix  Adler,  Charles  Dud- 
ley Warner,  Secretary  Bonaparte,  Carroll  D.  Wright,  Pras.  Gilman  und 
General  Francis  A.  Walker,  der  von  der  Universitat  Halle  als  ,,der  Griin- 
der  der  wissenschaftlichen  Statistik"  gekront  wurde. 

Jeder  denkende  Mensch  gibt  freiwillig  zu,  das  es  keines  Berichtes 
bedarf,  um  festzustellen,  dass  das  existierende  amerikanische  Saloon-Ge- 
schaft  seine  Schattenseiten  habe.  ,,Ich  habs  fur  sieben  iaren  gewist, 
das  huifnegel  eisen  sind."  Der  Bericht  gibt  Einzelheiten :  Die  kon- 
servativste  Statistik  lasse  25%  der  unverbesserlichen  Armut  aus  dieser 
Quelle  fliessen;  von  verwahrlosten  Kindern  sei  45%  in  Elend  aus  die- 
sem Grunde  geraten;  von  Kriminalf alien  komme  31%  direkt  von  der- 
selben  Ursache. 

Bei  aller  gerechten  Verdammung  wasserscheuer  Fanatiker  muss 
man  doch  Eiicksicht  auf  solche  herzzerreissende  Tragodien  nehmen,  die 
in  fast  alle  Familienkreise  eingreifen  konnen. 


248  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Nichts  1st  mir  mehr  aufgef alien  bei  meinem  kiirzlichen  einjahrigen 
Aufenthalt  in  Deutschland  als  das  Eingreifen  deutscher  Gemeinden  (ge- 
wiss  weder  Kopf hanger  noch  Duckmauser)  gegen  die  Trunksucht.  In 
vielen  Ratshausern  (z.  B.  im  intelligenten  Weimar)  hangt  man  physio- 
logische  Warnungen  aus,  die  die  grasslichen  Konsequenzen  des  alkoholi- 
schen  Missbrauchs  anschaulich  darstellen.  Eine  bezeichnende  Eigentiim- 
lichkeit  des  grossen  National-Parteitages  der  sozialdemokratischen  Partei 
Deutschlands,  Sept.  1905  in  Jena  abgehalten,  wo  Bebel,  Singer,  Rosa 
Luxemburg,  Diederichs  u.  a.  eine  Hauptrolle  spielten,  war  eine  umfang- 
reiche  systematische  Ausstellung  zur  Bekampfung  des  Alkohols,  wo  in 
all  ihrer  bunten  Farbenpraeht  die  erschreckenden  Tafeln  hingen,  die  di- 
rekt  von  meiner  ehemaligen  lieben  Freundin  Frances  E.  Willard  stam- 
men! 

,,Weniger  Gebrauch  geistiger  Getranke  bedeutet  anstandigeres  Be- 
tragen  und  mehr  Frieden  in  der  Gemeinde",  sagt  der  erwahnte  Bericht 
(der  entschieden  gegen  Prohibitionsgesetze  eintritt)  und  ich  schatze  we- 
nig  den  Kopf  oder  das  Herz  des  Menschen,  der  keinen  Pulsschlag  der 
Entriistung  gegen  das  existierende  tibel  empfindet,  der  keine  Stimmc 
und  keine  Tatigkeit  in  Bewegung  setzt,  um  demselben  zu  steuern.  (Der 
recht  verspatete  und  sehr  motivierte  Eifer  der  Brauer  in  ihrer  funkel- 
nagelneuen  Kampagne  gegen  die  Verbrecher  mag  flir  so  viel  gelten  als 
er  wert  ist.) 

Nur  auf  diese  Weise  konimen  wir  zum  Verstandnis  des  schwarme- 
rischen  Eifers  der  Prohibitionisten,  die  das  erhabene,  an  und  fiir  sich 
sehr  zu  schatzende  Ideal  pflegen,  einem  schrecklichen  Ubel,  dem  ,,Fluch 
aller  Fliiche"  durch  einen  heroischen  Schlag  ein  unbestrittenes  Ende  zu 
machen.  Ihre  Stimmung  ist  heldenhaft,  ihre  Logik  unter  aller  Kanone. 
Diese  asketische  Stimmung  herrscht  vor  allem  in  den  grossen  amerika- 
nischen  Kirchen.  Will  man  die  dort  gepflegten  Anschauungen  naher 
kennen  lernen,  so  hore  man  ein  paar  kostliche  Worte  aus  der  Rede  der 
gesamten  Bischofe  der  Methodist  Episcopal  Church,  wie  sie  im  vorletz- 
ten  Monat  vor  der  Baltimorer  General-Konferenz  ausgesprochen  wur- 
den:  ,,Dieses  schleichende  gesetzzertretende  morderische  Geschaft.  Es 
beansprucht  weder  Schonung  noch  Menschenliebe.  Es  gibt  kein  Gesetz, 
das  es  willens  ist  zu  respektieren,  keinen  Eid,  den  es  heilig  halt,  kein 
Kind,  das  es  nicht  unrein  zu  machen,  kein  Weib,  das  es  nicht  zu  er- 
niedrigen,  keinen  Mann,  den  es  nicht  zu  entehren  sucht.  Es  frisst  sich 
satt  von  unehrlichem  Betragen  und  von  der  Schande  des  Bordells.  Es 
facht  alle  Rachsucht  an  und  lasst  den  Morder  auf  der  Leiche  des  Erschla- 
genen  tanzen.  Kein  Geld  in  den  Taschen  der  Arbeitsgeber,  keine  Steu- 
ern im  Schatze  des  Staates  wiegt  die  finanziellen  Verluste  der  Nation 
durch  dieses  Geschaft  auf.  Kein  Gewinn,  noch  so  ungeheuer  und  reell, 
ersetzt  die  Korruption  unserer  Politik,  das  Elend  des  verodeten  Hcims, 


Deutsche  und  angelsdchsische  Verhdltnisse  in  AmeriJca.          249 

die  Uberfullung  der  Gefangnisse  und  der  Graber.  Erhebet  euch  jetzt 
und  schworet  unablassige  Fehde  gegen  diesen  Feind  der  Menschen  und 
Gottes!" 

Nun,  ich  kenne  alle  diese  eifrigen  Bischofe  sehr  gut  und  versichere 
Sie,  dass  es  Leute  von  mehr  als  durchschnittlicher  Intelligenz  sind.  Einer 
von  diesen  ist  mein  Schwager,  ein  liebenswiirdiger  und  charaktervoller 
Mensch,  der  nebenbei  National-Prasident  der  Amer.  Anti-Saloon  Liga 
ist.  Auf  besagten  feurigen  Aufruf  bin  sprang  die  ganze  Konferenz  auf 
die  Fiisse  und  rief  hundertmal  Hoch  aus  voller  Kehle.  ,,Amerika"  wurdo 
angestimmt  und  der  ganze  Saal  schallte  von  dem  begeisterten  Gesang, 
worauf  ,,Glory,  Glory,  Hallelujah,  Our  God  is  Marcbing  On!"  folgte. 

,,Schrecklich",  sagt  Schiller,  ,,ist  der  falsche  Idealismus.  Er  ver- 

lasst  den  f esten  Boden  der  Natur  ganz  und  gar" aber  in  unserem 

trockenen  geschaftsergebenen  Lande  verehre  ich  doch  den  Namen  des 
Idealismus,  auch  in  dem  gesudelsten  Konterfei;  es  sollte  Ihre  Aufgabe 
sein,  meine  teuren  Deutschen,  diesen  Idealismus  eher  zu  retten  als  ver- 
achtlich  zu  finden.  Fein  und  begeistert  war  der  Appell  des  heiligen 
Bernhard  an  den  rb'mischen  Kaiser  deutscher  Nation  im  Dome  zu  Frank- 
furt, sich  doch  auf  den  Weg  des  Kreuzes  zu  begeben,  wie  imselig  auch 
dieser  Kreuzzug  ausgelaufen  ist. 

Zum  Schlusse  mochte  ich  die  Anmerkung  hinzufiigen:  Die  ganze 
alkoholische  Frage  ist  im  Grunde  eine  wissenschaftliche  und  kei- 
neswegs  eine  bloss  historische,  religiose,  romantische  oder  subjektive. 
Weder  die  angenehme  Warme,  die  sich  iiber  das  ganze  System  verbrei- 
tet,  noch  das  schnellere  Schlagen  des  Herzens,  noch  die  zufriedenen  Ge- 
danken,  die  das  Gehirn  fiillen,  wodurch  alles  als  Freude  und  Licht  und 
Leben  vorkommt,  alles  inwendig  und  auswendig  in  Kosenfarben  schim- 
mert  —  weder  diese  subjektiven  Erfahrungen  haben  darein  zu  reden 
noch  die  vermeintliche  Autoritat  der  althebraischen  Schriften,  richtig 
oder  unter  Zwang  gedeutet.  Der  jetzige  Fehlschlag  der  Prohibition 
schliesst  wissenschaftlich  nicht  aus,  dass  doch  die  Menschheit  bei  mehr 
Licht  freiwillig  und  riicksichtsvoll  auf  Alkohol  verzichte.  Prinzipiell  mo- 
gen  die  Deutschen  vielleicht  zur  einstigen  Anschauung  der  alten 
Schwaben  zuruckkehren,  die  es,  wie  Julius  Casar  berichtet,  verboten,  den 
Wein  iiberhaupt  bei  sich  einzufiihren,  .,da  sie  meinten,  dadurch  wiirdon 
die  Manner  verweichlicht  und  so  verzartelt,  das  sie  nicht  mehr  zum  Er- 
tragen  barter  Arbeit  taugten." 

Und  da  diese  Frage  eine  rein  wissenschaftliche  ist,  so  sind  begrenzte 
und  massige  Experimente  willkommen.  In  Evanston  z.  B.  hat  man  auf 
jungfraulichem  Boden,  der  an  die  Regierung  aus  den  Handen  der  Indi- 
aner  kam.,  solchen  Versuch  gemacht,  und  kein  Mensch  unter  seinen  20,- 
000  Einwohnern,  welcher  Basse  oder  Ansicht  er  auch  sei,  mochte  dort 
die  Bierwirtschaft  heute  einfiihren,  und  doch  war  der  Einfluss.  der 


250  Monatshefte  fur  deuische  Sprache  und  PddagogiJc. 

Brauer  immer  auf  der  Seite  der  kiihnen  Einbrecher,  die  diesen  Versuch 
eitel  machen  wollten.  Es  scheint  mir  die  Pflicht  aller  weitherzigen 
Menschen,  die  Privilegien  eines  unabhangigen  Gemeinwesens  zu  achten 
und  Einfluss  gegen  das  riicksichtslose  Eindringen  und  Niederreissen 
seiner  Anstalten  auszuiiben.  Hier  gilt  das  freimiitige  Gedicht,  Uhlands 
Hausrecht : 

Tritt  ein  zu  dieser  Schwelle! 

Willkommen  hier  zu  Land! 

Leg'  ab  den  Mantel,  stelle 

Den  Stab  an  diese  Wand! 

Sitz  obenan  zu  Tische! 
Die  Ehre  ziemt  dem  Gast. 
Was  ich  vermag,  erfrische 
Dich  nach  des  Tages  Last! 

Wenn  ungerechte  Rache 
Dich  aus  der  Heimat  trieb, 
Nimm  unter  meinem  Dache 
Als  teurer  Freund  vorlieb! 

Nur  eins  ist,  was  ich  bitte: 
Lass  du  mir  ungeschwacht 
Der  Vater  fromme  Sitte, 
Des  Hauses  heilig  Reeht! 

Das  im  Trinkgeschaft  ausgelegte  Kapital  betrug  1896  etwa  $957,- 
000,000  und  ungefahr  2,000,000  Personen  sollen  sich  von  diesem  Er- 
werb  ernahren.  Diese  grossen  Interessen  sind  keineswegs  notwendig 
auf  der  Seite  der  Unmassigkeit,  aber  sie  wirken  ungeheuer  stark,  durch 
Geld  und  Einfluss,  gegen  jede  Einschrankung  ihrer  bedenklichen  Macht. 
Wohl  dem  unabhangigen  patriotischen  Burger,  der  den  Mut  hat,  es  auch 
mit  dieser  mehr  als  kaiserlichen  Herrschaft,  wenn's  die  Pflicht  verlangt, 
auf zunehmen !  Ich  weiss,  man  hat  gut  reden,  wo  einen  kein  dummes 
Gesetzchen  driickt,  ich  weiss  auch  sehr  gut,  dass  ich  vor  kurzer  Zeit,  als 
ich  einige  Tage  in  Wisconsin  zuzubringen  hatte,  sogleich  nach  Zigaret- 
ten  verlangt,  und  dieselben,  die  auf  dunklem  Wege  gekommen  sind,  in- 
stinktiv  ohne  weiteres  Bedenken  geraucht  habe,  —  aber  es  interessiert 
uns  alle,  die  Gesetze  als  solche  hochzuhalten,  soil  nicht  Amerika  als  Fein- 
din  der  Ordnung  gelten. 

Neulich  wurde  ein  Evanstoner  verhaftet,  weil  er  sein  Automobil 
ruchlos  durch  die  kinderreichen  Strassen  unserer  idyllischen  Vorstadt 
gehetzt  hatte.  Als  er  ins  Polizeiamt  gefiihrt  wurde,  schlug  er  mit  Bit- 


Deutsche  und  angelsachsische  Verhaltnisse  in  Amerika.          251 

terkeit  auf  das  dort  aufgehangte  Nationalbanner  mit  dem  Atisruf: 
,,Pfui  iiber  eine  Flagge,  die  keine  Freiheit  schiitzt!"  Ich  lobe  ihn  nicht: 
die  Fahne  und  die  Gesetze  meines  Vaterlandes  sind  mir  teurer  als  eine 
unbedingte,  selbstische  Lizenz. 

Aus  allem  Vorhergehenden  leuchtet  es  ein,  dass  die  Beiberei  und 
die  Meinungsverschiedenheiten  in  dieser  Sache  sehr,  sehr  weit  auseinan- 
der  fiihren.  Auch  ist  es  klar  wie  der  Tag,  dass  hier  die  extremsten  An- 
sichten  nicht  miteinander  zu  versohnen  sind:  entweder  ist  die  Lb'sung 
ein  erbitterter  Kampf  heisser  Partisanen  oder  ein  verniinftiger  Ausgleich 
durch  freundliche  Annaherung  derjenigen,  die  einen  goldenen  Mittelweg 
einschlagen  wollen.  Mogen  sich  in  diesem  Sinne  die  besten  Deutschen 
und  Angelsachsen  die  Hande  zum  Versohnungsversuch  und  im  Interesse 
der  reinen  Wahrheit  reichen! 

Eine  sich  iiberhebende  Unkenntnis  bewahrter  angelsachsischer  Werte 
seitens  der  Deutschen  wirkt  immer  entziindlicli  auf  das  angelsachsische 
Gemiit.  Um  das  Allerwinzigste  zu  erwahnen,  die  Deutschen,  die  in 
der  englischen  Schrift  die  grossen  Buchstaben  I  und  J  nicht  unterschei- 
den,  und  daher  solche  Worte  wie  ,,Importers",  ,,Interlaken",  kaltblii- 
tig  mit  einem  Anfangs-J  drucken,  sind  verantwortlich  fiir  eine  intensive 
Verachtung  des  deutschen  Intellekts.  Auch  eine  ignorante  Absprechung 
bedeutender  Verdienste  der  Angelsachsen  in  der  Gelehrsamkeit,  der 
Kunst,  dem  Fortschritte  der  Menschen  macht  boses  Blut.  Wenn  Pro- 
fessor Knortz  in  seiner  Abschatzung  gelehrter  Leistungen  in  Amerika 
die  Werte  dann  und  wann  verkehrt;  wenn  die  ausgezeichnete  Edna  Fern 
vom  Prasidenten  der  Harvard-Universitat  als  von  ,,James  Elliot" 
schreibt,  so  empfindet  der  Neu-Englander  dasselbe  Grauen,  das  Sie  iiber- 
laufen  wiirde,  wenn  Sie  in  einem  gelehrten  englischen  Buche  gewisse  Gei- 
steshelden  Deutschlands  unter  den  Namen  ,,Ulysses  S.  Goethe",  ,,Theo- 
dore  E.  Luther"  fanden.  Wer  das  amerikanische  Publikum  zu  hoheren 
Idealen  fiihren  will,  darf  nicht  eine  mehr  als  eulenhafte  Blindheit  ge- 
geniiber  unseren  besten  Leistungen  an  den  Tag  legen. 

Unter  alien  Volkern  aber 

Sind's  die  Deutschen,  die  am  meisten 

Uns  damit  zu  schaffen  machen. 

Ich  weiss  mir  zwei  brillante  Ausnahmen  auf  diesem  Gebiet:  Kuno 
Francke  und  Frau  Amalie  von  Ende.  Auch  Schiller  und  Goethe  mach- 
ten  recht  bedauerliche  Missgriffe  in  ihrer  Schatzung  englischer  Werte. 
Wer  eine  Kritik  iiber  amerikanische  geistige  Errungenschaften  ausiibt, 
soil  nie  seine  geistige  Nacktheit  Emerson,  Lowell,  St.  Gaudens,  Whit- 
ney, Holmes,  Child,  Sargent,  Richardson  gegeniiber  entblossen.  Solange 


252  Monatshefte  fur  deutsche  Sprachc  und  Padagogik. 

Deutsche  und  Angelsachsen  sich  gegenseitig  als  unmiindig  ansehen,  so 
lange  bleiben  sie  getrennt.  Lassen  wir  lieber  das  Bestrittene  mit  mehr 
gegenseitiger  Achtung  gewahren  und  wenden  wir  uns  zum  positiven  Wir- 
ken.  Das  Beste  wird  dann  das  Fehlerhafte  verdrangen. 

Der  nachste  Weg  zu  einer  erfolgreichen  Yereinigung  scheint  mir  in 
der  Bekampf  ung  der  Nichtachtung  des  Schonen  in  Amerika  zu 
liegen.  Wie  ich  im  Anfang  gesagt  habe,  und  ich  hoffe  in  keinem  eng- 
herzigen  Sinne,  muss  das  Einzige,  was  uns  beide  begeistern  kann,  ein 
ethischer  Zweck  sein.  Aber  ich  glaube  fest  mit  Schiller,  dass  der  Aus- 
gleich  streitender  Ansichten  auf  dem  Wege  der  asthetischen  Be- 
trachtung  stattfinden  miisse :  der  hochste  Begriff  der  Kunst  sei  ein  mora- 
lischer.  ,,Wie  oft  ist  diese  hohe  gottliche  Thalia  eine  Spassmacheriii 
des  Pobels,  oder  Staubleckerin  an  sehr  kleinen  Thronen?"  Bei  alien  ho- 
heren  Unternehmungen  diirften  die  Deutschen  mehr  als  leitendes  Ele- 
ment hervortreten.  Ein  Unternehmen  nach  dem  anderen  scheitert  an 
Mangel  an  Interesse.  ,,Die  Glocke  Glocke  tont  nicht  mehr!"  Moge  es 
dem  tapferen  ,?Vorkampfer"  besser  ergehen! 

Haben  die  Deutschen  im  allgemeinen  die  brennende  Entrustung. 
die  saeva  indignatio  gegen  die  Vulgaritaten  der  amerikanischen  Stadt- 
politik  ausgesprochen,  wie  es  sich  gebiihrt?  Ich  kann  nicht  finden,  dass 
der  erquickende  Zug  einer  hohen  Begeisterung  durch  solche  Kampagnen 
geweht  ist,  oder  dass  sie  uns  zu  dem  Tage  viel  naher  gebracht,  an  dem 
man  mit  der  Schrift  sagen  kann,  ,,und  ich  will  machen,  dass  deine  Vor- 
steher  Frieden  lehren  sollen,  und  deine  Pfleger  Gerechtigkeit  predigen." 


Also,  ich  habe  genug  (vielleicht  viel  mehr  als  genug)  gesagt,  um 
den  Zusammenstoss  der  Meinungen  hervorzuheben.  Durch  Gewalt  sind 
diese  nicht  wegzuraumen,  sondern  durch  die  reine  und  praktische  Ver- 
nunft  beider  verniinftigen  und  gediegenen  Volker.  Also,  kein  Zwang, 
kein  Terrorismus,  kein  Ducken  vorm  Gelde,  vor  der  offentlichen  Meinung 
oder  vor  Pf affenautoritat ;  der  Mut  —  ja,  wo's  Not  tut,  der  Zorn  —  der 
freien  Rede;  gegenseitige  Achtung,  offener  Sinn  —  so  schreiten  wir  ge- 
wiss  erfolgreich  weiter  und  wir  ken  ethisch  auf  unser  eignes  Geschlecht 
und  auf  die  kommenden  Geschlechter  ein! 


(Offlziell.) 

Verfassung  des  Nationalen  Deutschamerikanischen 
Lehrerbundes. 


Angenommen  vom  36.  Lehrertag  in  Milwaukee   1908. 


/.     Zwecke. 

§  1.     Der  Rationale  Deutschamerikanische  Lehrerbund  bezweckt: 

a)  die  Erziehung  wahrhaft  freier  amerikanischer  Staatsbiirger ; 

b)  Propaganda  zu  machen  fur  naturgemasse  (entwickelnde)   Erzie- 
hung in  Schule  und  Haus; 

c)  die  Pflege  der  deutschen  Sprache  und  Liter atur  neben  der  engli- 
schen,  und 

d)  die  Wahrung  der  Interessen  der  deutschen  Lehrer  in  den  Verei- 
nigten  Staaten. 

§  2.    Die  Bundeszwecke  werden  angestrebt : 

a)  durch  eine  alljahrlich  abzuhaltende  Versammlung ; 

b)  durch  Ernennung  und  Unterstiitzung  eines  Bundesorgans ; 

c)  durch  Teilnahme  an   der   Verwaltung  des    Nationalen    Deutsch- 
amerikanischen Lehrerseminars. 

II.     Organisation  des  Bundes. 

§  3.  Die  oberste  Vollzugsbehorde  des  Lehrerbundes  ist  der  Bundes- 
vorstand,  Dieser  besteht  aus  neun,  von  dem  Bundeslehrertage  zu  wah- 
lenden  Mitgliedern  und  bleibt  bis  zum  Schlusse  der  nachsten  regelmassi- 
gen  Tagsatzung  im  Amte.  Die  Vorstandsmitglieder  wahlen  aus  ihrer 
Mitte  einen  Prasidenten,  einen  Vizeprasidenten,  einen  ersten  und  einen 
zweiten  Schriftfiihrer  und  einen  Schatzmeister. 

§  4.  President,  Yizeprasident,  Schatzmeister,  erster  und  zweiter 
Schriftfiihrer  bilden  den  Vollzugsausschuss  des  Bundes vorstandes.  Der 
Vollzugsausschuss  besorgt  alle  laoifenden  Geschafte  nach  den  allgemeinen 
Anordnungen  des  Bundesvorstandes,  er  bewirkt  nach  Kraften  die  Aus- 
fiihrung  der  Beschliisse  und  Auftrage  der  Bundesversammlungen ;  er  hat 
das  Recht,  sich  zu  erganzen,  und  soil  die  Hauptergebnisse  seiner  Beratun- 
gen  im  Bundesblatte  bekannt  machen.  Dem  Vollzugsausschusse  liegt  die 


254  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Agitation  fiir  die  Bildung  von  Lokalvereinen  ob.  Er  hat  mit  Beriick- 
sichtigung  berechtigter  Wiinsche  der  Lokalvereine  und  des  Ortsausschus- 
ses  die  Geschafts-  und  Tagesordmmg  fiir  den  Bundeslehrertag  festzustel- 
len  und  sie  mindestens  zwei  Monate  vor  der  Konvention  im  Bundesor- 
gane  zu  veroffentlichen.  Er  empfangt  von  den  einzelnen  Ausschiissen 
Berichte  iiber  deren  Tatigkeit,  verwaltet  das  Bundeseigentum,  veroffent- 
licht  durch  den  Schriftfuhrer  die  Protokolle  des  Bundes,  fiihrt  die  Mit- 
gliederliste  und  sorgt  fiir  deren  Abdruck  in  der  ersten  dem  Lehrertage 
folgenden  Nummer  des  Bundesorgans ;  er  erstattet  dem  Bunde  am  Bun- 
deslehrertage  Bericht  und  iibergibt  am  Ende  der  Tagung  dem  neuerwahl- 
ten  Bundesvorstande  das  Bundeseigentum. 

III.     Ausschusse. 

§  6.  Der  Bundeslehrertag  ernennt  standige  Ausschusse  fiir  verschie- 
dene  Zweige  des  Erziehungswesens  und  des  Unterrichts,  sowie  fiir  die 
deutschamerikanische  Schulstatistik. 

§  7.  Der  Lehrerbund  erwahlt  alljahrlich  ein  Komitee  zur  Pflege  des 
Deutschen,  das  aus  fiinf  Mitgliedern  bestehen  soil.  In  das  Bereich  der 
Tatigkeit  dieses  Komitees  sind  alle  solche  Massnahmen  zu  ziehen,  die  zur 
Hebung  und  Forderung  des  deutschen  Unterrichts  in  den  Schulen  des 
Landes  beitragen  konnen.  Es  soil  sich  besonders  iiber  den  Stand  dieses 
Unterrichts  in  den  einzelnen  Ortschaften  Kenntnis  verschaffen  und  durch 
Vorschlage  und  Berichte  etwaige  Verbesserungen  herbeizufiihren  suchen. 
Das  Komitee  hat  der  Jahresversammlung  iiber  seine  Tatigkeit  aus- 
fiihrlich  Bericht  zu  erstatten.  Zur  Ausfuhrung  seiner  Arbeit  wird 
dem  Komitee  alljahrlich  vom  Lehrertage  eine  von  diesem  festzusetzende 
Summe  zur  Verfiigung  gestellt. 

IV.    Lehrerbund  und  Lehrer seminar. 

§  8.  Die  Teilnahme  an  der  Verwaltung  des  Nationalen  Deutschame- 
rikanischen  Lehrerseminars  ist  folgendermassen  geregelt: 

a)  Dem  Verwaltungsrate  des  Lehrerseminars  gehoren  als  standiges 
Seminar komi tee  sechs  Mitglieder  des  Lehrerbundes  mit  dreijahriger  Amts- 
dauer  an,  von  denen  alljahrlich  zwei  ausscheiden.    Der  Lehrerbund  oder, 
falls  die  General versammlung  des   Seminarvereins  vor  dem  Lehrertage 
stattfmdet,  der  Bundesvorstand  schlagt  vier  Mitglieder  zu  seinen  Vertre- 
tern  im  Verwaltungsrate  vor,  von  denen  der  Seminarverein  zwei  erwahlt. 

b)  Der  von  dem  Verwaltungsrate  des  Seminars  aus  diesen  sechs  Ver- 
tretern  des  Lehrerbundes  ernannte  Lehrerausschuss  bildet  zugleich  den 
Priifungsausschuss.     Derselbe  hat  dem  Lehrertage  iiber  die  Arbeit  des 
Seminars  und  iiber  das  Ergebnis  der  Priifung  Bericht  zu  erstatten. 


Verfassung  des  Lehrerbundes.  255 

c)  Zur  Beistreitung  der  Auslagen  des  Priifungsausschusses  bezahlt  die 
Bundeskasse  dem  Verwaltungsrate  des  Seminars  alljahrlich  die  Summe 
von  sechzig  Dollars. 

V.    Mitgliedschaft  und  Beitrdge. 

§  9.  Die  Mitgliedschaft  des  Nationalen  Deutschamerikanischen 
Lehrerbundes  konnen  erwerben: 

Lehrer  und  Erziehungsfreunde. 

Die  Mitglieder  zahlen  einen  regelmassigen  Jahresbeitrag  von  zwei 
Dollars. 

Jedes  Mitglied  ist  so  lange  zur  Zahlung  des  Beitrages  verpflichtet,  bis 
es  seinen  Austritt  schriftlich  beim  Schatzmeister  anzeigt. 

VI.     Vermogensverwaltung. 

§  10.  Die  Bundeskasse  wird  von  dem  Schatzmeister  verwaltet.  Der 
Vollzugsausschuss  setzt  die  Hb'he  der  Biirgschaft  des  Schatzmeisters  fest 
und  hat  das  Eecht,  fiir  ausserordentliche  Zwecke  bis  zu  fiinfzig  Dollars 
innerhalb  eines  Jahres  zu  verwenden.  Der  Bericht  des  Schatzmeisters  soil 
mit  dem  Tage  vor  der  Jahresversammlung  abschliessen. 

VII.     Abstimmungen. 

§  11.  a)  Allgemeine  Abstimmungen  bei  der  Tagsatzung  des  Lehrer- 
bundes sollen  durch  einfache  Majoritat  der  anwesenden  Mitglieder  ent- 
schieden  werden.  Zur  Bewilligung  von  Geldern  und  bei  Vorschlagen  zur 
Abanderung  der  Statuten  ist  eine  zweidrittel  Mehrheit  der  Stimmen  aller 
anwesenden  Mitglieder  erforderlich. 

b)  Die  Wahl  des  Bundesvorstandes  geschieht  durch  Stimmzettel ;  alle 
anderen  Abstimmungen  in  Versammlungen  finden  viva  voce  statt,  doch 
muss  auf  Veranlassung  eine  Teilung  vorgenommen  werden. 

VIII.     Statutendnderung. 

§  12-.  Ein  Antrag  auf  Abanderung  der  Statuten  kann  in  irgend  einer 
Sitzung  des  Bundeslehrertages,  ausser  der  Schlusssitzung,  gestellt  werden, 
darf  aber  erst  in  der  nachsten  Sitzung  derselben  Tagung  zur  Debatte  und 
Abstimmung  gebracht  werden. 

IX.     Nebengesetze. 

§  13.  Nebengesetze  konnen  vom  Bunde  jederzeit  den  Statuten  hin- 
zugefiigt  werden,  falls  sie  nicht  den  oben  niedergelegten  Bestimmungen 
zuwiderlaufen. 


(Offiziell.) 

Schreiben  des  BundesprlKsidenten. 

An  die  Mitglieder 

des  Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 

Es  war  mir  nicht  vergonnt,  bei  der  Schlusssitzung  des  jiingsten  Leh- 
rertages  nach  erfolgter  Prasidentenwahl  einige  entsprechende  Worte  an 
Sie  richten  zu  konnen,  da  ich  schon  am  Abend  zuvor  das  schone  Milwau- 
kee hatte  verlassen  miissen,  um  noch  rechtzeitig  an  der  Seekiiste  einzu- 
treffen.  Die  erste  Kenntnis  von  der  Wahl  kam  mir  auf  der  Eiickreise 
durch  eine  Drahtnachricht  in  der  Tagespresse  zu,  und  bald  darauf  erhielt 
ich  von  unserem  Yizeprasidenten  Dr.  Hoelper  eine  briefliche  Mitteilung 
nebst  Zeitungsausschnitten,  die  mich  iiber  die  Verhandlungen  und  Yor- 
gange  am  letzten  Sitzungstag  belehrten,  sowie  auch  eine  Zuschrift  unseres 
Schatzmeisters  €.  Engelmann,  worin  er  mir  anzeigte,  dass  bis  dahin  214 
Mitglieder  ihre  Beitrage  fiir  das  laufende  Jahre  einbezahlt  hatten  und 
dass  nach  Abzug  aller  von  ihm  berichtigten  Rechnungen  und  Anweisungen 
7Air  Zeit  $415.51  in  der  Bundeskasse  seien,  welche  Summe  er  in  dem  Bank- 
liause  von  Marshall  &  Ilsley  in  Milwaukee  niedergelegt  habe.  Beiden 
Herren  hiermit  meine  dankende  Anerkennung. 

Ich  nehme  nun  die  erste  Gelegenheit  wahr,  Ihnen,  werte  Kollegen 
und  Kolleginnen,  fiir  das  ehrende  Yertrauen,  das  Sie  mir  durch  die  Wahl 
zum  Prasidenten  des  Lehrerbundes  bezeigten,  meinen  warmsten  Dank  zu 
ubermitteln.  Es  ist  der  Ausdruck  des  ein  berufsfreudiges  deutsches  Leh- 
rerherz  belebenden  Gefiihls,  desselben  Grefiihls,  das  uns  alle  zusammen- 
gebracht  hat  und  vereinigt  —  und  was  so  vom  Herzen  kommt,  mag  auch 
jedem  zum  Herzen  gehen. 

Lassen  Sie  uns  nun  hoffnungsfreudig  in  die  Zukunft  schauen  und  ein 
jedes  nach  Kraften  wirken,  um  sie  unseren  hohen  Zielen  entsprechend  zu 
gestalten.  Unter  giinstigen  Umstanden  sind  wir  in  das  neue  Yereinsjahr 
eingetreten.  Auf  einem  ungemein  anregenden  Lehrertag  hat  unser  Bund 
durch  Annahme  einer  geeigneten  Yerfassung  eine  festere  Gestaltung 
erfahren,  wir  haben  eine  fiir  unsere  Yerhaltnisse  ansehnliche  Summe  in 
der  Bundeskasse,  unser  Seminar  ist  besser  ausgestattet  als  je,  die  Univer- 
sitaten  begiinstigen  mehr  und  mehr  unsere  Ziele,  und  die  notigen  Schritte 
zu  einer  engeren  Yerbindung  von  Westen  und  Osten,  die  unser  Wirken 
verstarken  und  erweitern  soil  und  muss,  sind  eingeleitet  worden. 

Um  nun  in  unseren  Bestrebungen  erfolgreich  zu  sein,  muss  ein  jedes 
einzelne  Mitglied  in  seinem  Kreise  und  nach  besten  Kraften  zielbewusst 
wirken,  und  das  ohne  Yerzug.  Zunachst  mochte  ich  jedem  raten,  die  in 


Schreiben  des  Bundesprusidenten-.  257 

diesem  Hefte  enthaltenen  Yortriige  und  Beschliisse  vom  jiingsten  Lehrer- 
tag  mit  Musse  zu  durchlesen,  um  sicli  in  die  geeignete  Stimmung  zu  brin- 
gen  oder  sie  zu  vertiefen.  Daiin  wirkeii  Sie  fiir  kraftige  Unterstiitzung 
unseres  Bundesorgans,  und  das  nicht  lediglich  durch  Sammeln  von  Abon- 
nenten,  sondern  vielmehr  dadurch,  dass  haufig  Berichte  aus  Ihrer  Stadt 
oder  Gegend  darin  erscheinen;  das  ermuntert,  halt  uns  mehr  zusammen 
und  zieht  Leser  an.  Nehmen  Sie  sich  in  diescr  Beziehung  unseren  ge- 
treuen  Berichterstatter  in  Cincinnati  zum  Yorbild.  \Verden.  Sie  auch 
nicht  miide,  mit  Kollegen  und  Schulfreunden  in  Ihren  Kreisen  zu  bespre- 
chen,  wie  von  dort  die  Interessen  unseres  Seminars  am  bcsten  gefordert 
werden  konnen,  und  womoglich  die  notigen  Schritte  dafiir  zu  treffen. 

Und  dann  mochte  ich  Ihnen  ans  Herz  legen,  fiir  die  Erweiterung  und 
Festigung  des  Nationalbundes,  dem  wir  ja  als  Kb'rpcrschaft  schon  ange- 
horen,  in  Ihren  Kreisen  unentwegt  zu  arbeiten.  Wenn  wir  bei  unseren 
Schulbestrebungen  da  und  dort  Fusstritte  erfahren  haben,  so  miissen  wir 
uns  das  doch  selbst  zuschreiben,  weil  wdr  uns  eben,  allzu  bescheiden,  ans 
Schwanzende  gestellt  batten;  mit  den  im  Nation albund  vereinigten 
deutschen  Genossenschaften  konnen  wir  uns  durch  einmiitigcs,  selbstbe- 
wusstes  Vorgehen  auf  politischem  Gebiet  ans  Kopfende  stellen.  Das  ist 
bereits  an  einigen  Orten  mit  bedeutendem  Erfolg  geschehen.  Und  dabei 
haben  die  Damen,  wenn  sie  das  Stimmrecht  auch  nicht  besitzen,  ,,mit 
sanft  iiberredender  Bitte"  wacker  mitgeholfen. 

Ferner  kann  ich  nicht  umhin,  meine  auf  dem  jiingsten  Lehrertaj^ 
eri'olgte  Befiirwortung  des  Allgemeinen  Deutschen  Sprachvereins  hier  zu 
betonen.  Die  Sache  wird  voraussichtlich  bei  der  nachsten  Tagung  wieder 
aufgebracht  werden,  und  es  ist  ratsam,  dass  alle,  die  desscn  Wesen  nicht 
naher  kennen,  sich  inzwischen  damit  vertraut  machcn.  Unser  Kollege 
Dr.  Hoelper  ist  Sekretar  des  bliihenden  New  Yorker  Zwoigcs,  er  wird  sehr 
gerne  jede  gewlinschte  Auskunft  erteilen. 

Gedenken  Sie  auch  unseres  Ausschusses  fiir  die  Pflcge  des  Deutschen, 
wenn  und  wo  Sie  etwas  Einschlagiges  beobachten  konnen.  Die  betreff en- 
den  Mitglieder  werden  Ihnen  fiir  jedwede  Mitteilung  schr  dankbar  sein. 

Zur  Abhaltung  des  nachsten  Lehrertages  sind  wir  nach  New  York 
eingeladen  worden.  Die  Kollegen  und  Schulfreunde  dort  werden  gewiss 
alles  aufbieten,  um  ihn  zu  einem  erfolgreichen  und  angenehmen  zu  gestal- 
ten.  Die  Reise  vom  Westen  ist  nun  etwas  kostspielig,  und  da  darf  ich 
vielleicht  den  dortigen  Freunden  den  Gedanken  nahe  bringen,  von  jetzt 
an  jeden  Monat  eine  gewisse  Summe  daftir  zuriickzulegen.  Wer  einmal 
nach  dem  Osten  kommt,  mochte  gewiss  auch  etwas  langer  da  verweilen, 
und  es  werden  den  Besuchern  Platze  empfohlen  werden,  wo  sie  nach 
Schluss  des  Lehrertages  zu  Piaten  kaum  hoher  als  in  heimischen  Sommer- 
iVisclicn,  etwa  $8  die  Woche,  verweilen  konnen.  An  der  schonen  Chesa- 
peake Bai,  nahe  Annapolis,  sind  solche  schon  von  $6  an  zu  finden. 


258  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Sollten  Sie  irgend  welche  Katschlage  oder  Wiinsche  inbezug  auf  die 
nachste  Tagung  haben,  dann  werden  Sie  mich  zu  Dank  verpflichten,  wenn 
Sic  micli  davon  in  Kenntnis  setzen  wollen. 

Gestatten  Sie  mir  schliesslich  noch  einige  personliche  Worte.  Es 
haben  sicli  viele  gewundert,  dass  ich  mir  in  diesem  Jahre  die  Tropenwelt 
zur  Sommerfrische  auswahlte.  Nun  ware  ich  ja  freilich  liebcr  im  Winter 
hieher  gekommen,  da  mir  das  aber  meine  Berufsarbeiten  unmoglich 
machen  und  ich  mich  sehnte,  meinen  Sohn.  der  seinen  Posten  als  Berater 
des  Gouverneurs  der  provisorischen  Regierung  von  Cuba  nicht  verlassen 
kann,  wieder  einmal  zu  sehen,  liess  ich  mich  bestimmen,  der  Einladung  zu 
folgen.  Ich  finde  die  Temperatur  ganz  und  gar  nicht  so  lastig,  als  ich 
mir  vorstellen  liess,  sic  stieg  so  weit  nicht  liber  3(H  Grad  Celsius  (87  Grad 
Fahrenheit)  und  wird  stets  durch  frische  Seewinde  gemildert.  Ich  habe 
die  Insel  bis  ans  karaibische  Meer,  und  der  Lange  nach  auf  einige  hundert 
Meilen  bereist,  meistens  im  Automobil,  und  iiberaU  die  Temperatur  ganz 
ertraglich  gefunden;  eine  Hitze,  wie  ich  sie  schon  in  New  York,  Chicago 
und  anderen  amerikanischen  Stadten  erlitten  habe,  sclieint  hier  undenk- 
bar  zu  sein.  Dabei  sind  auch  Wohming,  Kleidung  und  Lel^ensweise  dem 
Klima  entsprechend,  iiberall  sind  den  kiihlenden  Seewinden  Tiir  und  Tor 
offen,  Glasfenster  gibt  es  nicht,  und  in  der  Stadt  Havana  gibt  es  weder 
Fliegen  noch  Moskitos.  Diese  Stadt  mit  ihren  geradezu  uubeschreiblichen 
Naturschonlieiten  ware  in  der  Tat  ein  idealer  Platz  fiir  einen  Lehrertag. 

Und  nun  wiinsche  ich  Ihnen  alien  ein  recht  angenehmes  und  erfolg- 
reiches  Berufsjahr. 

Mit  kollegialischem  Gruss 

Carl  Otto  Schoenrich. 

Havana,  Cuba,  im  August  1908. 


Stimmen  /um  36.  Lehrertage. 

Einen  Kommentar  zum  36.  Lehrertage  soil  ich  liefern?  Das  diirfte 
ein  Ijeichtes  sein;  denn  die  Eindriicke  waren  so  lebhaft  und  giinstig,  dass 
sie  meinen  Daytoner  Kolleginnen  und  mir  noch  ganz  frisch  im  Gedacht- 
nis  sind. 

Auf  die  Vortrage  einzugehen,  ware  zwecklos,  da  dieselben  in  dieser 
Nummer  erscheinen.  Jeder  aufmerksanie  Leser  wird  zugeben,  dass  es 
lauter  vorziigliche,  gediegene  Leistungen  sind,  packend  und  praktisch. 
Man  fiihlte  sich  gehoben  beim  Anhoren  dieser  Vortrage;  das  Berufsge- 
fiihl  wurde  geweckt;  man  war  stolz  mit  solchen  Lehrkraften  fur  eine  ge- 
meinsame  Sache  arbeiten  zu  dtirfen;  dankbar  fiir  gute  Winke,  mit  fri- 
schem  Mut,  mit  neuer  Begeisterung  fiir  unsern  hehren  Beruf  ging  man 
von  dannen. 


Stimmen  zum  36.  Lehrertage.  259 

Aber  —  die  Beteiligung  war  bei  weitem  nicht  so  stark,  wie  man  es 
(und  zwar  mit  Recht)  erwarten  durfte  und  erwartet  hatte.  Die  Reihen 
der  Alten  lichten  sich;  die  jungen  Lehrer  blieben  weg  vom  Lehrertage, 
wo  sie  das  Niitzliche  mit  dem  Schonen,  Prof essionelles  mit  Erholung  ver- 
binden  konnten. 

Was  Milwaukee  uns  an  Unterhaltungen  geboten,  war  geradezu  ein 
Hochgenuss.  Ich  mochte  besonders  den  Gesang  des  gutgeschulten  Kin- 
derchors  bei  der  Eroffnungsversammlung  hervorheben.  Das  Herz  ging 
einem  auf  beim  Anblick  dieser  frohen  Kinderschar,  die  unter  der  sichern 
Leitung  von  Herrn  Griebsch  die  sinnigsten  deutschen  Volkslieder  so  schon 
vortrugen. 

Und  erst  die  Festvorstellung  im  Pabsttheater !  Die  Auffiihmng  von 
Goethes  klassisch  schonem  Schauspiel  Iphigenie  auf  Tauris  mit  vorziig- 
licher  Rollenbesetzung  und  herrlicher  Biihnenausstattung  ist  ein  Genuss, 
der  einem  nicht  jeden  Tag  geboten  wird.  Man  war  denn  auch  vollig  im 
Bann  gehalten  und  konnte  nicht  recht  zu  sich  selber  kommen,  als  man 
so  urplotzlich  von  Dianens  Hain  auf  die  Oneida-Strasse  versetzt  wurde. 
Freundlichen  Dank  dem  Ortsausschuss  flir  die  schone  Zugabe. 

Dass  die  Konstitution  dahin  abgeandert  wurde,  dass  keine  Kopf- 
steuer  mehr  an  den  Lehrerbund  zu  entrichten  ist,  und  dass  die  Liste  der 
Mitglieder  ganz  definitiv  aus  denjenigen  Personen  bestehen  soil,  die  den 
jahrlichen  Beitrag  von  $2.00  entrichten,  wird  allgemein  begriisst  werden. 

Marie  Durst,  Dayton,  0. 


Er  hat  so  sehr  recht  gehabt,  der  brave,  alte  Simon  Dach,  als  er  dich- 
tete: 

,,Die  Red'  ist  uns  gegeben, 
Damit  wir  nicht  allein 
Fiir  uns  nur  sollen  leben 
Und  fern  von  Leuten  sein ; 
Wir  sollen  uns  befragen 
Und  sehn  auf  guten  Rat: 
Das  Leid  einander  klagen, 
So  uns  betroffen  hat." 

Das  Gefiihl  der  Richtigkeit  dieses  Ausspruches  gab  den  Anstoss  zur 
Griindung  des  Lehrerbundes.  Im  Osten  und  Westen,  im  Nordeii  und  im 
Siiden  haben  seit  1870  die  Jahresversammlungen  stattgefunden,  sind 
deutschamerikanische  Lehrer  und  Lehrerinnen  zu  fruchtbringendem  Aus- 
tausch  von  Ansichten  und  Erfahrungen  zusammengekommen.  Was  die 
Tagungen  vor  allem  wertvoll  und  nutzbringend  macht,  zeigte  sich  auch 
dieses  Mai  wieder  in  Milwaukee:  echte  Kollegialitat  und  Begeisterung 
fur  die  gute  Sache.  Die  Stunden  der  Vorarbeiten  fiir  die  Versammlung. 


2()0  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagoyik. 

doch  in  hoherem  Masse  diese  selbst,  bei  dcr  die  Beteiligten  aus  der  Eou- 
tine  und  dem  Einerlei  des  engen  Wirkungskreises  und  der  tagfichen  Ar- 
beit herausgerissen  werden,  sind  wohl  noch  mehr  zu  schatzen  als  die  treff- 
lichsten  Eeden  und  eingehendsten  Erb'rterungen.  Aber  auch  iiber  den 
gebotenen  Zerstreuungen  und  Vergniigungen,  welche  fiir  den  3 6 ten  Leh- 
rertag  vorgesehen  waren,  und  deren  Genuss  das  ungiinstigste  Wetter 
kaum  beeintriichtigte,  gelangte  der  Ernst  des  Programmes  zu  seinem 
Eecht.  Die  Vortrage  gewahrten  Anregung  in  Hiille  und  Fiille.  Am 
schwerwiegendsten  fiir  Wohl  und  Wehe  des  Lehrerbundes  wird  sich  ge- 
wiss  der  Beschluss  erweisen,  welcher  die  Mitgliedschaft  zu  einer  dauern- 
den  und  nicht  zu  einer  vom  zufalligen  Besuch  des  Lehrertages  abhangi- 
gen  macht.  Hierdurch  wird  eigentlich  erst  ein  Bund  geschaffen,  der  auf 
eine  bestimmte  Zahl  von  Zugehb'rigen  rcclmen  kann.  Und  gerade  in  die- 
ser  Beziehung  mochte  ich  wiederholen,  was  ich  vor  Jahren  einmal  den 
Mitgliedern  des  Lehrerbundes  zurief:  ,,Lehrer  und  Schulfreunde,  deut- 
sche Erzieher,  steht  fest  zusammen,  achtet  die  Grundsatze,  welche  wie 
dereinst  noch  heute  ein  ehrendes  Zeugnis  eurer  Anschauung  und  tiber- 
zeugung  sind,  erlahmt  nicht  in  eurer  Apostelschaft  der  Vollmenschlich- 
keit  und  seid  vereint  im  Streben  fiir  wahre  Bildung,  fiir  deutsche  Sitte 
und  Sprache,  fiir  alles  Wahre,  fiir  alles  Gute  und  fiir  alles  Schone." 
Cincinnati,  0.  Dr.  H.  H.  Pick. 


Geehrter  II err  Griebsch! 

Es  ist  Ihr  Wunsch,  in  der  Lehrertagsnummer  der  Monatshefte  auch 
einen  Laien  unter  den  Besuchern  mit  einem  kurzen  Eesume  tiber  den 
Lehrertag  in  Milwaukee  zu  Worte  kommen  zu  lassen;  und  ich  will  die- 
sem  Wunsche  gerne  willfahren. 

Die  36te  Jahresversammlung  des  N^ationalen  Deutschamerikanischen 
Lehrerbundes,  welche  in  den  Tagen  vom  30.  Juni  bis  3.  Juli  dieses  Jah- 
res  in  Milwaukee,  Wisconsin,  stattfand,  war  hauptsachlich  aus  den  mitt- 
leren  Weststaaten  beschickt.  Sie  war  nicht  so  zahlreich  wie  ich  vermutet 
hatte,  einige  Stadte  wie  Chicago,  Indianapolis,  St.  Louis  waren  augen- 
scheinlich  durch  wenige  Lehrer  und  Lehrerinnen  vertreten.  Nur  St. 
T^ouis  hatte  einen  wiirdigen  Reprasentanten  in  der  Person  des  Herrn 
Ernst  T^.  Wolf  gesandt,  welcher  tiber  ,,Hilfsmittel  im  modernen  Spraoli- 
luiterrj'cht"  einen  interessanten  Yortrag  hielt. 

Es  ist  wirklich  schade,  dass  so  viele  vermisst  wurdcn,  welche  hatten 
da  sein  sollen,  dcnn  es  war  in  der  Tat  in  Milwaukee  vieles  zu  sehen  und 
manches  zu  lernen.  Die  deutschen  Vereine  und  Einwohner  taten  ilir 
Besies,  um  es  den  Giisten  angenehm  zu  machen. 

Der  Empfang  am  Abend  des  30.  Juni  mit  Eeden  und  Gesang,  be- 
sondcrs  der  grosse  Kinderchor  unter  der  Leitung  von  Pi-ofcssor  Max 


Umschau.  261 

Griebsch,  war  herzerquickend,  danach  das  frohliche  Zusammensein  von 
Einheimischen  und  Gasten  in  der  Halle  des  Turnvereins  stellte  scbnell 
unter  alien  ein  freundschaftliches  Verbal tnis  her. 

Bei  den  Sitzungen,  welehe  im  Saale  des  Deutschamerikanischen  Leh- 
rerseminars  stattfanden,  wurden  interessante  Vortrage  gebalten,  die  oft 
zu  lebhaften  Diskussionen  flihrten. 

Die  Lehrmittelausstellung,  welche  sich  in  den  oberen  Raumen  des 
Seminars  be  f  and,  war  eine  fleissig  zusammengetragene  Sammlung  von 
L-ebr-  und  Kinder-Biichern,  die  ohne  Zweifel  Lehrern  und  Lehrerinnen 
viele  Fingerzeige  gab. 

Die  Vergniigungen,  welche  der  Deutsche  Lehrer-  und  Seminarverein 
fiir  die  Gaste  arrangiert  hatte,  batten  nicbt  schoner  sein  konnen,  denn 
keiner  der  Besucher  wird  so  leicht  die  Festvorstellung  von  ,,Iphigenie  auf 
Tauris"  im  Pabsttheater,  am  1.  Juli  nachmittags,  vergessen.  Dass  das 
Wetter  bei  dem  Ausflug  nach  Whitefish  Bay  nicbt  schoner  war,  dafiir 
konnten  die  Milwaukeer  nichts.  tibrigens  ging  es  bei  dem  glanzenden 
Male  sehr  vergniigt  zu  und  es  kehrte  sich  niernand  an  den  Wettermann. 

Die  Milwaukeer  Lehrertage  waren  im  ganzen  genommen  frohliche, 
nutzbringende  Tage,  und  die  sich  daran  beteiligten,  werden  sie  sicher 
nicht  so  bald  vergessen. 

Evansville,  Ind.,  Sept.  25,  '08.  Dr.  W.  A.  Fritsch. 


Umschau. 


Vom       Lehrerseminar.        Der  Oscar     Burckhardt,     der     dem 

neue  Jahreskursus   des   Seminars  Lehrkorper  des  Seminars  17  Jahre  ange- 

wurde   am   14.   September  eroffnet.     Am  hort  hatte,  reichte  kurz  vor  Schluss  des 

Samstage    vorher    hatte    die    Aufnahme-  Schuljahres   sein   Entlassungsgesuch   ein. 

priifung   stattgefunden,    und    es    wurden  Nur   mit   Widerstreben   nahm   der   Voll- 

18  neue  Zoglinge  aufgenommen.     Da  am  zugsausschuss  dasselbe  an.     Herr  Burck- 

Schluss    des    Vorjahres    10    Abiturienten  hardt  hatte  den  verantwortlichen  Posten 

mit    dem    Zeugnis     der     Reife    entlassen  eines    Lehrers     der     deutschen     Sprache 

worden   waren,   so   bedeutet   die   Anzahl  und    Literatur    in    den    Oberklassen    des 

der     neuaufgenommenen     Schiller     einen  Seminars     inne.      Mit     aussergewohnlich 

Zuwachs  von  8  gegen  die  Gesamtschiiler-  grossem  Wissen  verband  er  eine  bis  ins 

zahl    des    Vorjahres.      Erfreulich    ist    es,  kleinste     sich     zeigende    Gewissenhaftig- 

dass  unter  den  Schiilern  6  junge  Manner  keit   und  bedeutende   Arbeitskraft.     Die 

sich  befinden.  besten      Wiinsche       seiner      zahlreichen 

Die   Schlusspriifung  des   Semi-  Freunde   und    Schiiler   begleiten   ihn   bei 

nars  fand  vom  24.  bis  26.  Juni  statt  und  seiner     Ruckkehr     in'     seine  Vater'stadt 

wurde  von   den   Herren  Dr.  H.   H.   Fick  Wien,  wo  er  sich  vorlaufig  niederzulas- 

und    Leo    Stern    geleitet.     Der    Bericht  sen  beabsichtigt. 

dieses  Ausschusses  iiber  die  abgehaltene  In  die  durch  den  Weggang  von  Herrn 

Priifung  befindet   sich   in   den   Verhand-  Burckhardt  vakante  Stelle  wurde  Semi- 

lungen  des  Lehrertages. —  Es  ist  erwah-  narlehrer  Georg  J.  Lenz,  der  bereits 

nenswert,    dass    die     Abiturienten  im    letzten    Schuljahre    dem    Lehrkorper 

des    Seminars    bereits    am   Be-  des    Seminars    angehort    hatte,   gewahlt. 

ginn     dieses    Schuljahres     mit  Durch      seine    Beforderung     wurde      die 

Stellungen     versehen     waren,  Stelle   eines   Lehrers    der    Naturwissen- 

ein  Umstand,  der  andere  junge  Leute  be-  schaften   vakant    und    Otto    Victor 

wegen  sollte,  ins  Seminar  einzutreten.  Thiele   aus   Milwaukee,   ein   Graduier- 


262 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


ter  der  Staats-Xormalschule  von  Mil- 
waukee und  der  Staatsuniversitat  von 
Wisconsin,  wurde  fur  diesen  Posten  ge- 
wonnen. 

In  der  Deutsch  -  Englisch'en 
Akademie,  der  Muster schule  des  Se- 
minars, fand  gleichfalls  bei  Beginn  die- 
ses Sclmljahres  ein  Lehrerweehsel  statt, 
indem  R.  W.  Adams,  der  den  Handfer- 
tigkeits-  und  den  naturwissenschaftli- 
chen  Unterricht  in  der  Akademie  leitete, 
ausschied  und  H.  G.  McComb  an  seine 
Stelle  trat. 

A  u  s  Cleveland  kommt  erf reu- 
liche  Xachricht.  Wie  unseren  Lesern 
bekannt  ist,  wurde  durch  Beschluss  der 
dortigen  Schulbehorde  im  August  des 
Jahres  1906  der  deutsche  Sprach- 
unterricht  vom  Lehrplan  der  un- 
teren  vier  Grade  gestrichen.  Mit  Recht 
rief  diese  Massnahme  allgemeine  Ent- 
riistung  unter  den  Freunden  dieses  Un- 
terrichtszweiges  hervor;  sie  fiihrte  zur 
Grundung  des  deutschen  Schulvereins, 
der  es  sich  zur  Aufgabe  machte,  das  ver- 
lorene  Gebiet  zuriickzuerobern.  Schon 
damals  wurde  durch  den  Superintenden- 
ten  und  die  Schulbehorde  die  Versicher- 
ung  gegeben,  dass  es  nicht  ihre  Absicht 
sei,  den  deutschen  Sprachunterricht  zu 
schiidigen,  sondern  dass  sie  es  sich  wiir- 
den  angelegen  sein  lassen,  dessen  Wirk- 
samkeit  zu  erhohen.  Die  Erfahrungen 
der  letzten  beiden  Jahre  miissen  wohl 
doch  Zweifel  an  der  Zweckmassigkeit 
der  Hinausschiebung  des  Unterrichts  im 
Deutschen  bei  den  zustandigen  Behorden 
wach  gerufen  haben;  vielleicht  trug 
auch  die  Wachsamkeit  des  Schulvereins 
das  ihrige  dazu  bei  —  kurz,  Herr  Su- 
perintendent Elson  empfahl  seiner  Be- 
horde  unterm  17.  August  d.  J.  d  i  e 
Wi  edereinfiihrung  des  Deut- 
schen in  den  vierten  Grad,  und 
seine  Empfehlung  wurde  prompt  gutge- 
heissen.  Dieselbe  lautet  im  Wortlaut 
wie  folgt: 

Cleveland,  17.  August  1908. 
An  den  Schulrat. 

Hirer  Aufforderung  nachkommend, 
fibergebe  ich  Ihnen  hiermit  meinen 
Bericht  iiber  den  deutschen  Unterricht 
in  den  Elementarschulen. 

Vor  zwei  Jahren  wurde  infolge  der 
Unzulanglichkeit  des  Erfolges  im 
deutschen  Departement  das  Studium 
des  Deutschen  in  den  unteren  vier 
Graden  abgeschafft  und  erst  im  ftlnf- 
ten  Grade  begonnen.  Diese  Anderung 
erforderte  eine  Revision  des  Studien- 
plancs  und  einige  Modifikationen  der 
Arbeit  im  allgemeinen.  Der  Unter- 
richt wurde  in  der  Folge  intensiver 


gestaltet,  mehr  Nachdruck  auf 
Sprachiibungen  gelegt  und  dieselben 
Priifungen  in  diesem  Unterrichts - 
zweige  vorgenonimen,  wie  in  den  an- 
deren.  Der  Supervisor  hat  einen  voll- 
stiindig  neuen  Studienplan  entworfen 
und  hiiufig  init  den  Lehrerinnen  Kon- 
ferenzen  gepflogen.  Es  herrscht  jetzt 
ein  lebhaftes  Interesse  ftir  den  Unter- 
richt, und  zweifellos  wird  der  Unter- 
richt griindlich  und  in  it  entschiedenen 
Resultaten  erteilt. 

Diese  neue  Ordnung  der  Dinge  regte 
die  Frage  an,  w  a  n  n  der  Unterricht 
in  einer  fremden  Sprache  zu  beginnen 
liabe.  Die  Padagogen  stimmen  so 
xiemlich  in  dem  Glauben  iiberein,  dass 
das  Kind  zuerst  eine  gute  Grundlage 
im  Englischen  haben  solle,  ehe  es  eine 
zweite  Sprache  dazu  nehme;  ferner. 
dass  das  Studium  einer  fremden  Spra- 
che nicht  zu  spilt  beginnen  solle,  d.  h. 
das  Studium  soil  beginnen,  ehe  die 
Sprachorgane  ihre  Geschmeidigkeit 
verloren  haben.  Eine  sorgfaltige  Be- 
obachtung  wahrend  der  letzten  zwei 
Jahre  hat  mich  zu  dem  Schluss  ge- 
fiihrt,  dass  noch  bessere  Resultate  er- 
/ielt  Averden  wiirden,  wenn  der  Unter- 
richt schon  im  vierten  Grade  beganne, 
statt  erst  im  ftinften.  Damit  stimmt 
Supervisor  Krug  uberein.  Im  folgen- 
den  sind  einige  Griinde  dafiir  angege- 
ben: 

Im  fiinften  Grade  ist  der  Unterricht 
mehr  formeller  Natur;  die  Lehrerin 
unterrichtet  unter  Zugrundelegung 
von  Lehrbiichern,  wahrend  im  vierten 
Grade  der  Unterricht  noch  meisten- 
teils  mundlich  ist.  Deshalb  beginni 
man  im  fiinften  Grade  mit  neuen 
Lehrbiichern  sowohl  in  Arithmetik, 
wie  in  Geographic,  wie  im  Deutschen. 
Dies  vergrossert  die  Schwierigkeiten 
und  biirdet  dem  Kinde  neue  Lasten 
auf  zu  einer  Zeit,  wo  es  unabhangig 
ans  Studium  gehen  soil  und  wo  zum 
ersten  Male  von  ihm  verlangt  wird, 
aus  Biichern  Kenntnisse  zu  gewinnen. 
Dazu  ist  die  miindliche  Kontrolle  der 
Sprache  am  wichtigsten  und  der 
miindliche  Unterricht  des  vierten 
Grades  ist  fiir  den  Beginn  des  Unter- 
richts besonders  geeignet. 

Durch  den  Beginn  des  deutschen 
Unterrichts  im  vierten  Grade  wiirden 
die  Schiller  eine  gute  Grundlage  der 
Sprache  sich  aneignen,  ehe  sie  in  die 
kritische  Periode  des  fiinften  Grades 
eintreten,  und  der  Fortschritt  wurde 
sehr  vereinfacht  werden.  Dies  ist  in 
Buffalo  der  Fall,  wo  das  Deutsche 
auch  vom  vierten  Grade  an  gelehrt 
wird.  Fiir  den  vierten  Grad  ware  ein 


Umschau. 


263 


einfacher  Kursus  im  Lesen  mit  leich- 
ten  Konversationsiibungen  als  Vorbe- 
reitung  fiir  die  ernsthaftere  Arbeit 
des  fimften  Grades  zu  empfehlen. 

Da  viele  Lehrerinnen  des  Deu.tscb.en 
keinen  voll  besetzten  Stundenplan  ha- 
ben,  so  wiirden  die  Mehrkosten  sehr 
gering  sein.  Es  wiirden  vielmehr  die 
bisher  nicht  voll  beschaftigten  Lehrer- 
innen etatsmassige  Stellen  erhalten. 
Nur  seKr  wenige  neue  Stellen  brauch- 
ten  geschaffen  werden. 

Aus  diesen  Griinden  empfehle  ich, 
dass  das  Studium  des  Deutschen  in 
den  Elementarschulen  in  ubereinstim- 
nmng  mit  dem  oben  angefuhrten  ein- 
facheu  Lehrplan  im  vierten  Grade  wie- 
der  eingefulirt  werde.  In  dieser  Ver- 
bindung  mochte  ich  noch  meiner  fe- 
sten  uberzeugung  von  der  Bichtigkeit 
des  oben  angegebenen  padagogischen 
Prinzips  Ausdruok  geben,  dass  nam- 
lich  die  Kinder  erst  eine  gute  Grund- 
lage  im  Englischen  erhalten  sollten, 
ehe  sie  mit  dem  Studium  des  Deut- 
schen beginnen. 

Achtungsvoll  unterbreitet, 

(gez.)  W.  H.  Elson. 
Zu  dem  obigen  mochten  wir  nur  noch 
bemerken,  dass  wir  nicht  einsehen  kon- 
nen,  warum  ausgerechnet  der  vierte 
Grad  in  Erwagung  der  von  Herrn  Elson 
angefuhrten  Griinde  der  geeignetste 
zum  Beginn  des  deutschen  Sprachunter- 
richts  sein  sollte.  Diese  Griinde  spre- 
chen  eben  dafiir,  dass  man  mit  dem  Un- 
terricht  moglichst  friih  beginne.  Dass 
das  Englische  nicht  darunter  leidet,  auch 
wenn  die  Kinder  schon  im  ersten  Grade, 
ja  im  Kindergarten  einen  padagogisch 
verniinftigen  deutschen  Unterricht  er- 
halten, hat  die  Erfahrung  zur  Geniige 
gelehrt. 

Mit  Bedauern  horen  wir,  dass  der 
Vorsteher  des  deutschen  Unterrichts  an 
den  Schulen  Clevelands,  H  e  r  r  Jo- 
seph Krug,  sich  wahrend  der  Ferien 
einer  schwierigen  Magenoperation  unter- 
ziehen  musste,  von  der  er  sich  nur  lang- 
sam  erholt.  Die  Schulbehorde  hat  ihn 
infolgedessen  bis  zum  31.  Dezember  be- 
urlaubt.  Die  herzlichsten  Wiinsche  sei- 
ner Freunde  fiir  seine  baldige  Wieder- 
herstellung  seien  ihm  hiermit  ausgespro- 
chen. 

Das  Cannstadter  Volksfest 
des  Schwabenvereins  von 
Chicago  fand  in  diesem  Jahre  am  23. 
urid  24.  August  statt.  Es  war  die  ein- 
unddreissigste  Wiederkehr  dieses  Festes, 
das  sich  in  der  Tat  zu  einem  Volksfeste, 
in  dem  wahre  Gemiitlichkeit  und  iiber- 
sprudelnder  Humor  in  gleichem  Masse 


zu  ihrem  Recht  gelangen,  ausgebildet 
hat.  Vor  uns  liegt  die  Festschrift,  die 
auch  diesmal  dem  Feste  als  Vorbote  vor- 
ausgesandt  wurde.  Aus  ihr  erhalten 
wir  ein  vortreffliches  Bild  von  dem  vor- 
nehmen  Charakter  des  Vereins.  Es 
wiirde  hier  zu  weit  fiihren,  auf  den  In- 
halt  der  Festschrift  einzugehen.  Wir 
beschranken  uns  darauf,  einige  der  Mit- 
arbeiter  an  derselben  zu  nennen:  Frau- 
lein  Isolde  Kurz,  Edna  Fern,  die  Herren 
Giegold,  Minuth,  Drescher,  Hartig,  Rohr. 
Biirkle  u.  a. 

Professor  Eugen  Kiihne- 
mann  von  der  Universitat  Breslau,  der 
bereits  zweimal  die  deutsche  Austausch- 
professur  fiir  Harvard  bekleidete,-  und 
der  durch  seine  Schriften  und  Vortrage 
weit  iiber  die  Grenzen  der  Universitat 
heraus  sich  Freunde  und  Verehrer  zu  er- 
werben  imstande  gewesen  ist,  wird  auch 
in  diesem  Schuljahre  in  Hai-vard  tatig 
sein,  und  zAvar  ist  ihm  die  Vertretung 
des  auf  em  Jahr  beuiiaubten  Professors 
Kuno  Francke  iibertragen  worden.  Wenn 
er  darum  wohl  durch  seine  akademische 
Tatigkeit  diesmal  enger  gebunden  sein 
wird,  so  hoffen  wir  doch,  dass  seine  An- 
wesenheit  auf  dieser  Seite  des  Ozeans 
auch  diesmal  zur  Forderung  der  Aufga- 
ben  des  Deutschamerikanertums  beitra- 
gen  wird. 

Eine  wohlverdiente  Beforderung  wur- 
de dem  Pr  aside  n  ten  des  Leh- 
r  e  r  b  u  n  d  e  s,  C.  0.  S  c  h  o  n  r  i  c  h  durch 
die  E  r  w  a  h  1  u  n  g  zum  Professor 
der  deutschen  Sprache  und  Literatur  an 
dem  Baltimore  City  College  zuteil.  Diese 
Stelle  wurde  durch  die  infolge  Erkran- 
kung  vorgenommene  Pensionierung  ihres 
bisherigen  Inhabers  Professor  Raddatz 
vakaiit.  Es  bewarben  sich,  wie  wir  ei- 
nem Schreiben  Kollegen  Schonrichs  ent- 
nelimen,  15  Kandidaten,  meist  Doktoren 
der  Philosophie,  um  den  Posten,  wah- 
rend er  selbst  in  dem  Palaste  von  Ha- 
vana in  der  Familie  seines  hochbegabten 
Sohnes,  der  trotz  seines  jugendlichen 
Alters  bereits  eine  bedeutende  Vertrau- 
ensstellung  in  der  amerikanischen  Re- 
gierungskommission  auf  Cuba  einnimmt, 
die  Ferienruhe  genoss.  Trotzdem  wurde 
seine  Anwartschaft  in  Betracht  gezo- 
gen  und  ihm  die  Stellung  bei  seiner 
Ruckkehr  angeboten,  die  er  denn  auch 
annahm.  Ahnliche  Stellungen  ausser- 
halb  der  Stadt  waren  ihm  zu  wiederhol- 
ten  Malen  angeboten  worden;  er  wollte 
jedoch  seiner  Familie  wegen  seinen  alten 
Ankergi-und  nicht  verlassen. 

In  St.  Paul,  Minn.,  starb  im  be- 
sten  Mannesalter  der  bewilhrte  und  aucli 


264              Mon&tshefte  filr  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

in  weiteren  Kreisen  bekannte  P  r  o  f  e  s-  tauschdienst  bestiinmten  Amerikaner : 
s  o  r  G  e  o  r  g  Rink,  Superintendent  William  A.  Averill,  Monmouth,  111. ; 
des  deutschen  Unterrichts  in  den  offent-  John  Franklin  Brown,  Laramie,  Wyo. ; 
lichen  Schulen  der  Stadt.  Er  erreichte  James  Andrew  Campbell,  Lawrence, 
ein  Alter  von  58  Jaliren,  von  denen  er  Kans.;  Howard  Wadsworth  Church, 
dreissig  in  unserem  Lande  verlebte.  Er  New  Haven,  Conn.;  F.  E.  Emmons, 
war  zuerst  in  New  York  und  spater  in  Clean,  N.  Y.;  John  Lewis  Gillin,  Iowa 
Milwaukee  (an  der  Deutsch-Englischen  City,  Iowa;  Frederick  D.  Green,  Detroit, 
Akademie)  als  Lehrer  tatig,  bis  er  vor  Mich.;  Stephen  B.  Harvey,  Hillsdale, 
24  Jahren  nach  St.  Paul  iibersiedelte,  Mich.;  Herman  Charles  Henderson,  Mil- 
wo  er  sich  in  verschiedenen  Lehrerstel-  waukee,  Wis.;  Frederick  W.  Oswald, 
len  und  zuletzt  als  Superintendent  des  Madison,  Wis.;  Harry  Bradley  Smith, 
deutschen  Unterrichts  um  das  Schulwe-  Waterloo,  N.  Y.;  Lyman  G.  Smith,  Cam- 
sen  und  die  deutsche  Sprache  grosse  bridge,  Mass.  Ihre  Hauptarbeit  wird 
Verdienste  erwarb.  darin  bestehen,  eine  Reihe  von  Konver- 

Fin       dentsohe    Verein     sohii  sationskursen  zu  geben,  in  welclien   den 

le     ist     ^Boston   h1sVLbengelCeten.  deutschen   SchulernGelegenheit   geboten 

Bisher  wurde  nur  in  einzelnen  Jrosseren  wird»    slc.h  .m    «n«  »^eF    SPrache    "ber 

Vereinen  deutscher  Sprachunterricht  er-  amenkanische     Verhaltmsse     zu    nnter- 

teilt,  jedoch  war  der  Erfolg  ein  geringer,  r 

teils    weil    es    den    Schulen  an   System  Stiftung        eines       Pensions- 

mangelte,     teils     weil     die     geeigneten  f  o  n  d  s.     Die  Altersversorgung  der  Leh- 

Raumlichkeiten     sowie     die    Geldmittel  rer  der  Stadt  Harrisburg  in  Pennsylva- 

fehlten.     Nun   aber  gelang  es   dem   Zu-  nien,  seit  einem  Jahre  vom  gesetzgeben- 

sammenwirken    der   Bostoner    deutschen  den  Korper  beschlossen,  ist  jetzt  organi- 

Vereine  zu    erwirken,     dass    der    neuen  siert  worden.     Als  Leiter  fungieren  der 

Vereinsschule  am  Sonnabend  jeder  Wo-  Stadtschulvorstaml  und  zwei   Schulrats- 

che   ein  Volksschulgebaude    in    Jamaica  mitglieder,  denen  ausserdem  zwei  Lehrer 

Plain  zur  Beniitzung  tiberlassen  wird.  ziir  Seite  stehen.     Ferner  sollen  die  je- 

Als   Leiter  der   Schule   wurde   der   be-  weiligen    Schriftfiihrer    und     Schatzmei- 

kannte  Herr  C.  M.  Ackermann,  ein  ttich-  &ter   der   Schulbehorde   der   Pensionsver- 

tiger  Schulmann,  angestellt;    der  grosse  waltung  in  gleicher  Eigenschaft  dienen. 

Andrang  von  Schiilern  machte  es  jedoch  Die  jHlirliche  Beisteuer  der  Lehrer  be- 

notig,  dass  jetzt  schon  zwei  Hilfslehrer,  tragt    zwei    Prozent    ihres    Gehaltes,    so- 

Herr  Dr.  Waldemar  Kloss  und  Fran  Se-  lange  sie  weniger  als  zehn  Jahre  ini  Amt 

lina    E.    Berthold    angenommen    wurden,  sind.  dagegen  drei   Prozent,     wenn     die 

und     weitere    zwei   Lehrkrafte     werden  Amtszeit    zehn   Jahre    iibersteigt.     Kein 

noch   angeworben.      Der    Unterricht    ist  Lehrer  darf  jedoch   mehr  als  $50  in  ei- 

kostenfrei,    und    die    Lehrmittel    werden  nem    Jahre    einbezahlen.       Die     Schulbe- 

zum    Selbstkostenpreis    verabfolgt.      Die  horde    selbst    ist    ermachtigt,    am    Ende 

Schiilerzahl  soil  sich  bereits  auf  275  be-  eines    jeden    Schuljahres    eine    Beisteuer 

laufen.     Dieses    neue   Unternehmen    ist  zum  Pensionsfonds  in  gleicher  Hiihe  wie 

umso  freudiger  zu  begrtissen,  als  gerade  der   Gesamtbeitrag   der   Lehrerschaft   zu 

in  Boston  deutsche  Bestrebungen  irgend  entrichten.      Freiwillige    Zuschiisse    von 

welcher  Art  bislang  auf  Schwierigkeiten  Seiten   Privater   sind   stets   willkommen. 

stiessen,     wie      sie    keine    andere    Stadt  Voile  Pension  erhalten  Lohrer,  die  das 

kennt,     und     eben     aus   diesem   Grunde  sechzigste  Lebensjahr  erreicht  und  min- 

sollte  ihm  jedmogliche  Unterstiitzung  zu  destens    dreissig   Jahre   unterrichtet    ha- 

teil  werden.  ben;   von  diesen  dreissig  Jahren  miissen 

scher  Lehrer  wird  bereits  im   September  *st  ,^e!^h   de7   Halfte   **  "   Ze^   dea 

begonnen     werden.       Von     Deutschland  R«cktrittea    bezogenen    Gehaltes    bemes- 

werden   12   Lehrer   cntsendet,     und     die  *en-     Der   Mmdestbetrag  der   .]Rhrlichen 

gleiche   Anzahl   Amerikaner    werden    an  Rente  ist  vorlaufig  auf  $300,  der  Hochst- 

deutschen  Mittelschulen  tatig  sein.    Wir  ketrag   auf  $800   festgesetzt  worden. 

geben  hier  die  Namen  der  fiir  den  Aus-  G.  L. 


Vermischtes. 


Jean   Paul  als   Richard  Wag-  sind,  und  um  derentwillen  so  viele,  viele 

n  e  r  -  P  r  o  p  h  e  t.     Es    1st   vielleicht   in  Menschen  im  Kerker  schmachten.     Vie- 

diesen  Tagen,  die  dem  Andenken  Rich-  len  wird  dieser  Gedanke  als  ein  Scherz, 

ard  Wagners  geweiht  sind,  an  der  Zeit,  als      paradox,      erscheinen,      tatsachlich 

an  eine  Bemerkung  Jean  Pauls  zu  erin-  aber    ist   er   die    einfachste,     unzweifel- 

nern,     deren     Zufalligkeit     retrospektiv  hafte      Wahrheit.      Tatsachlich      wtirde 

die    Bedeutung    einer    Prophezeiung    ge-  nichts  mich  so  vollkommen  befriedigen. 

winnt.     E.    T.   A.    Hoffmann,   einer   der  mir  eine  solche  Freude  bereiten:   in  ein 

Hauptvertreter     der     literarischen     und  gutes,    echtes    Gefangnis     miisste     man 

auch    der   musikalischeri   Romantik,   die  mich  setzen,  ein  stinkendes,  kaltes  und 

Richard  Wagner   spiiter     zur     hochsten  hungriges.     Sie  haben  klar  ausgedruckt. 

Vollendung    ftihrte,      veroffentlichte    im  was  ich  nur  dunkel  und  unbestimmt  ge- 

zweiten    Dezennium    des    vorigen    Jahr-  wiinscht   habe.     In     der     letzten     Zeit 

hunderts    seine    beriihmten    ,,Phantasie-  ftihle  ich"  mich   so  gliicklich,     denke   so 

stiicke    in    Callots    Manier",      und    Jean  oft   dariiber,    ob    es   irgend   etwas   gibt, 

Paul    erklarte    sich    bereit,      zu    diesem  das   ich   wtinschte,     und   kann   es   nicht 

Werke   ein   Vorwort   zu   schreiben.     Ge-  finden.     Jetzt  kann  ich  mich  nicht  ent- 

gen  Ende  desselben  bemerkt  er,  er  habe  halten,   von   ganzer   Seele   zu   wtinschen, 

von  Freunden  Hoffmanns   gehort,     dass  dass  Ihr  Vorschlag  nicht  als  ein  Scherz. 

dieser  ausser  seinen  literarischen  Fahig-  sondern    als    eine    Massregel    akzeptiert 

keiten   auch    ein   grosses      Talent     zum  wtirde,      die    alle    diejenigen    beruhigen 

Tonkiinstler      besitze.      Nun    ftigt    Jean  konnte,  denen  meine  Schriften  und  ihre 

Paul   hinzu:      .^Desto   besser   und   desto  Verbreitung  unangenehm   sind,    und  die 

seltener!     Denn  bisher  warf  immer  der  mir    andererseits    in    meinen    alten    Ta- 

Sonnengott  die  Dichtgabe  mit  der  Rech-  gen,    kurz  vor  meinem   Tode,   eine   auf- 

ten    und    die   Tongabe    mit    der    Linken  richtige   Freude   und   Genugtuung  berei- 

zwei      so      weit      auseinanderstehenden  tete,    mich   gleichzeitig   von    der   ganzen 

Menschen  zu,  dass  wir  noch  bis  zu  die-  schweren    Last    des    bevorstehenden    Ju- 

sem  Augenblicke  auf  den  Mann  harren,  bilaums      befreiend.        Freundschaftlich 

der  eine  echte  Oper  zugleich  dichtet  und  drticke   ich  Jhnen  die   Hand.      13.    (26.) 

setzt".      Datiert      ist      dieses    Vorwort:  Marz   1908.     Leo   Tolstoi." 
,,Bayreuth,    24.    November    1813",      also 

im   Geburtsjahre   Richard  Wagners   und  Aufrichtigkeiten. 

von     dem   Orte,     an   welchem   dem  von  Von  Oskar  Blumenthal. 


vom 

Tier    nicht    durch    die    \ernunft    unter- 

Ein       Brief       Leo       Tolstois,  scheidet,   sondern    nur   durch   den   Miss- 

Wahrend   die   literarische   Welt   daruber  branch  der  Vermmft. 
ratschlagt,  wie  man  den  80.  Geburtstag 

des     grossen     russischen     Dichters     am  Auch  die  Dummkopfe  beginnen  unter 

wiirdigsten    feiern    solle,      hat      Tolstoi  dem  Fluch  des  Epigonentums  zu  leiden, 

selbst     erklart,     der     beste   Modus   der  und   jeder   Narr  ist   nur    der    Plagiator 

Feier  ware  —  ihn  in  ein  russisches  Ge-  eines    andern    Narren. 
fangnis     zu     setzen.     Er  hat  an  A.  M. 

Bodianski  in  Charkow,  der  wegen  Ver-  Perlen    bedeuten    Tranen?    .  .  .       Das 

breitung  Tolstoischer  Schriften  zu  sechs  wird   auch    dadurch   bestatigt,     dass    es 

Monaten    Gefangnis     verurteilt     worden  ebenso  viel  unechte  Tranen  wie  unechte 

1st,      nachstehenden      Brief      gerichtet:  Perlen  gibt. 
,,Teurer       Alexander        Michailowitsch  ! 

Ich   habe   Ihren   Brief   an   Gussew   gele-  Beriihmte    Nam  en    werden    oft   ebenso 

sen,  in  dem  Sie  so  schon  zum  Ausdruck  rasch    von    der    Vergessenheit      bedeckt, 

bringen,   welches    die   einzige   und   beste  wie  Schriftzeichen,  die  in  eines  Baumes 

Art   der   Feier  meines   Jubilaums   ware,  Rinde  eingekerbt  sind,  vom  Moos  tiber- 

eine  Art  der  Feier,  die  mir  wirklich  an-  wachsen  werden. 
genehm    sein   und    mich   vollstandig   be- 

friedigen   wtirde:    mich    fiir    die    Abfas-  Schriftsteller,  die  vorzeitig  den  Ruhm 

sung  jener  Werke     ins     Gefangnis     zu  der  Originalit&t  erlangen,  werden  allzu- 

werfen,    ftir    deren    Verbreitung    Sie    zu  bald  die  Nacliahmer  ihrer  selbst. 
sechs      Monaten      Gefanornis      vorurteilt 


266 


Monatvhefle  far  deutsclic  tijtnii-hc.  and  Padagogik. 


Wer  schon  viel  iind  iiber  Vielerlei  ge- 
schrieben  hat,  steht  schliesslich  vor  der 
heikelsten  stilistischen  Aufgabe:  sich 

selbst   auszuweichen. 

*  *     # 

Viele  Menschen  entlehnen  iiicht  bloss 
ihre  Worte,  sondern  auch  ihre  Empfin- 
dungen  aus  dem  Zitatenschatz.  Sie 
ftihlen  nur,  was  ihnen  andere  vorge- 
fUhlt  haben.  Sie  lieben  und  hassen 

mit    Anfiihrungszeichen. 

*  #     # 

Selbst  das  Lob,  das  uns  gespendet 
wird,  duftet  bisweilen  nach  Neid  und 
Missgunst.  Es  gibt  auch  ein  iibelrie- 
chendes  Wohlwollen. 


Ein  Schulstreit. 

Herr     Lichtfreund     und     Herr     Dunkel- 
mann, 

Die  huben  jtingst  zu  streiten  an, 
Ob's  recht  sei,  dass  das  Volk  man  bilde, 
Dariiber  stritten  sie  wie  Wilde; 
Der  Wortkampf  branute  lichterloh. 
Da  sprach  Herr  Lichtfreund  endlich  so: 
Wir  beide  zanken  nutzlos,  mein  ich, 
Denn  um  ein  Haar  sind  wir  doch  einig, 
Und  unser  Streit,  der  handelt  sich 
Ini  Grunde  nur  um  einen  Strich. 
Fort-Bildungsschulen!   fordern  wir. 
Fort,  Bildungsschulen !  fordert  ihr. 

(Sachs.  Schlztg) 


Eingesandte  Biic  her. 


Der  S  c  h  w  i  e  g  e  r  s  o  h  n.  Eine 
Schneidergeschichte  von  Rudolf 
Baumbach.  With  notes,  vocabulary 
and  illustrative  exercises  by  Otto 
Heller,  Ph.  D.,  Professor  of  the  Ger- 
man Language  and  Literature  in  Wash- 
ington University,  St.  Louis.  New  York, 
Henry  Holt  &  Co.,  1908. 

Experimentelle  Padagogik 
mit  besonderer  Rucksicht  auf  die  Erzie- 
hung  durch  die  Tat  von  Dr.  W.  A.  Lay. 
224.  Bandchen  der  Sammlung  wissen- 
schaftlich-gemeinverstandlicher  Darsfel- 
lungen :  Aus  Natur  und  Gei'stes- 
welt.  B.  G.  Teubner,  Leipzig,  1908. 
Preis  M.  1.25. 

A  First  German  Book  by 
George  M.  Howe,  Ph.  D.,  Professor 
of  German  in  Colorado  College.  New 
York,  Henry  Holt  &  Co.,  1908. 

Neid  von  Ernst  von  W  i  1  d  e  n- 
bruch.  Edited  with  introduction, 
notes  and  vocabulary  by  C.  William 
Prettymann,  Ph.  D.,  Professor  of 
German  in  Dickinson  College.  Boston, 
D.  C.  Heath  &  Co.,  1908.  Price  35  cts. 

Deutsche  Schulausgaben. 
Goethe,  Iphigenie  auf  Tauris. 
Fur  Schulgebrauch  und  Selbstunterricht 
herausgegeben  von  Dr.  G.  F  r  i  c  k. 
Preis  70  Pf.  —  Goethe,  Dichtung 
und  Wahrheit.  Fur  Schulgebrauch 
und  Selbstunterricht  herausgegeben  von 
Dr.  0.  Kastner,  Direktor  der  Hohe- 
ren  Madchenschule  zu  Landsberg  a.  W. 
Preis  M.  1.50.  —  Kleist,  Prinz 
Friedrich  von  Homburg.  Fiir 
Schulgebrauch  und  Selbstunterricht  her- 
ausgegeben von  Dr.  H.  G  a  u  d  i  g.  B. 
G.  Teubner,  Leipzig,  1908. 

En  France.  Guide  a  travers  la 
langue  et  le  pays  des  Francjais.  Mit 


deutselier  ubersetzung,  einem  granima- 
tischen  Anliange  und  einem  phonetischen 
Worterverzeiclmisse  von  Paul  Mar- 
tin, Paris,  und  D  r.  O.  T  h  i  e  r  g  e  n  , 
Dresden.  E.  Haberland,  Leipzig-R. 

German  Inflections.  Arranged 
in  parallels  by  H.  C.  B  i  e  r  w  i  r  t  h  ,  Ph. 
D.,  Ass't.  Professor  of  German  in  Har- 
vard College.  Henry  Holt  &  Co.,  New 
York,  1908.  Price  40  cts. 

G  e  s  c  h  i  c  h  t  e  n  aus  Homers 
1 1  i  a  s.  Dem  deutschen  Volke  und 
seiner  Jugend  erzahlt  von  Paul  L  e  li- 
ma n  n  -  Schiller  (Dr.  F.  W.  Paul 
Lehmann),  Direktor  des  Schiller-Real - 
gymnasiums  in  Stettin.  Mit  8  Zeich- 
nungen  von  A.  Kolb.  B.  G.  Teubner. 
Leipzig  und  Berlin,  1908.  Preis  M.  2.40. 

Ein  F  u  h  r  e  r  d  u  rchs  Lese- 
huch.  Erlauterimgen  poetischer  und 
prosaischer  Lesestucke  aus  deutschen 
Volksschul-Lesebuchern  von  Frie- 
drich Polack,  Kgl.  Schulrat  und 
Kreis-Schulinspektor  a.  D.,  und  D  r. 
Paul  Polack,  Kgl.  Seminar-Direk- 
tor.  Zweiter  Teil.  Fiinfte  vermehrte 
Auflage.  B.  G.  Teubner,  Leipzig,  1907. 
Preis  M.  6. 

Aus  Natur  und  Geisteswelt. 
Drei  Bandchen.  Deutsche  Volks- 
feste  und  Volkssitten  von 
Her  in  S.  Rehm  in  Berlin.  —  Deut- 
sche Kunst  im  taglichen  Le- 
b  e  n  bis  zum  Schlusse  des  18.  Jahrhun- 
derts  von  Berthold  Haend'kc.  — 
Das  deutsche  Volkslied.  tiber 
Wesen  und  Werden  des  deutschen 
Volksgesanges  von  J.  W.  B  r  u  i  n  i  e  r. 
B.  G.  Teubner,  Leipzig.  Preis  des  BKnd- 
chens  M.  1. 

Kurzgefasste  Methodik  des 
Unterrichts  in  der  deutschen 


Eingesandte  Bucher.  267 

Sprache  zum   Gebrauche    in    Lehrer-  lage.     Leipzig,   Ernst  Wunderlich,   1908. 

seminaren  und  zur  Vorbereitung  auf  die  Preis  M.  2.80. 

zweite  Lehrerprufung  von  OskarKo-  Beitrage     zur     Theorie     und 

b e  1 ,  Koniglichem  Praparandenanstalts-  Praxis  des  deutschen  Sprach- 

vorsteher.    2.  verbesserte  und  vermehrte  unterrichts.      Bine    Sammlung   von 

Auflage.     Breslau,  Max  Woywood,  1907.  Aufsatzen     iiber     alle     Zweige     dieses 

Preis  M.  3.  Lehrgegenstandes    von    Ernst     Liitt- 

Praparationen    fiir    den    geo-  ge.     2./3.  durchgesehene  und  erweiterte 

graphischen      Unterricht       an  Auflage.       Leipzig,     Ernst    Wunderlich, 

Vplksschulen.       Fiinf     Teile.      IV.  1908.    Preis  M.  2. 

Die    Lander    Europas.     Ein   me-  Menschenkunde        und        Ge- 

thodischer  Beitrag  zum  erziehenden  Un-  sundheitslehre.           Praparationen 

terricht.       Von     Julius     Tischen-  von  Dr.  Richard  S  e  y  f  e  r  t.     Vierte 

d  o  r  f,  Direktor  der  stadtischen  Schulen  verbesserte      Auflage.        Leipzig,      Ernst 

in  Netzschkau  i.  V.  19.  verbesserte  Auf-  Wunderlich,  1908.     Preis  M.  2.50. 


Hiermit  diene  zur  gefalligen  Kenntnisnahme,    class    noeh    eine    bo 
schrankte  Anzahl  von  Exemplaren  des  Kataloges  der 


vorhanden  1st,  die,  soweit  der  Vorrat  reicht,  gegen  Einsenduug  des  Be- 
trages  von  25  cts.  fiir  das  Stuck  abgegeben  werden. 

Die  ausgestellten  Gegenstande  werden  auch  nach  auswarts  auf 
begrenzte  Zeit  leihweise  versandt,  unter  der  Bedingung,  dass  deren  Eiick- 
gabe  schriftlich  gewahrleistet  wird.  Fiir  verloren  gegangene  oder  beschii- 
digte  Gegenstande  ist  ihr  Kostenpreis  und  das  Porto  fiir  den  Neuankauf 
zu  entrichten. 

Wegen  Bezug  des  Kataloges  und  des  Leihens  von  Ausstellungsgegen- 
standen  wende  man  sich  an  Seminarlehrer  John  Eiselmeier,  558  —  568 
Broadway,  Milwaukee,  Wis. 

Der  Vollzugsausscbuss  des  Lehrerseminars. 


Mitgliederliste 

des 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 
1908-1909. 


Name. 

Andrae,  Hilda  J., 
Andressohn,  John  C., 
Bechmann,  Albertina. 
Becker,  Joh.  Walter, 
Bergmann,  E.  F., 
Bergmann,  E.  F.,  Fran, 
Brach,   Emma,, 
Broetzler,  Adolf, 
Broetzler,  Adolf,  Fran, 
Baumann,  C.  C., 
Beck,  Louise  P., 
Beck,  Mathilde, 
Bernhard,  Adolph, 
Bach,  Marie, 
Bauer,  Emily  C.,  , 
Bauer,  Marie, 
Becher,  Max  A., 
Bensel,  Martha, 
Bergmann,   Emma  M., 
Bergschmidt,   Clara, 
Best,  Augusta, 
Bird,  Selena, 
Braun,  Adolf  R., 
Breckow,  Anna, 
Bunsen,  Sophia, 
Burckhard,  Oscar, 
Buss,  Flora  E., 
Becker,  Ida, 
Christensen,  Dorothea, 
Diebel,  Amelia, 
Duerst,  Marie, 
Duerst,  Ursula, 
Dreger,  Alvin,  Frau, 
Dallmer,  Eberhard, 
Dallwig,  Olga, 
Dapprich,  Emma, 
Doerflinger,  C.  H., 
Dudenbostel,  Louise, 
Durow,  Martha, 
Eichner,  Marie, 
EinWaldt,  Anna, 


Wohnort. 
Milwaukee,  Wis 
Milwaukee,  Wis 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  O. 
Davenport,  la. 
Dayton,  O. 
Dayton,  O. 
Green  Bay,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wig. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Springfield,  O. 
Wheeling,  W.  Va. 
Cincinnati,  O. 
Dayton,  O. 
Dayton,  O. 
Mayville,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Cincinnati,  0. 
Milwaukee.  Wis. 


Schule. 

23rd  Dist.  Sch.  No.  2. 
2nd  Dist.  Sell.  No.  1. 
Jackson  School. 
Vine  Street  School. 
16th  Dist.  School. 
212  Calhoun  St. 


308  Harrison  St. 
Steele  High  School. 
41  Cambridge  Ave. 
West  High  School. 
19th  Dist.  Sch.  No.  3. 
10th  Dist,  Sch.  No.  4. 
781  Jackson  St. 
South  D.  High  Sch. 
7th  Dist.  School. 
8th  Dist.  Sch.  No.  2. 
17th  Dist.  Sch.  No.  1. 
16th  Dist.  Sch.  No.  2. 
17th  Dist.  Sch.  No.  1. 
North  D.  High  Sch. 
10th  Dist.  Sch.  No.  3. 
Germ.    English  Academy. 
Nat.   Germ.   Am.   T.   Sem. 
22nd  Dist.  Sch.  No.   1. 
189  Yellow  Spring  St. 
4tb  Ward  Sch. 
Garfield  Sch. 
Steele  High  Sch. 
152  Eagle  St. 

8th  Dist.  Sch.  No.  1. 
90  Knapp  St. 
8th  Dist.  Sch.  No.  1. 
254— 9th  St. 
6th  Dist,  Sch.  No.  2. 
6th  Dist.  Sch.  No.  1. 
23d  Dist.  Sch. 

Dist.  No.  2,  Town  Milwau- 
kee. 


Mitgliederliste  des  Lehrerbundes. 


269 


Name. 

Eiselmeier,  John, 
Engelmann,  Carl, 
Engelmann,  C.,  Frau, 
Epstein,  Tillie, 
Fick,  H  .H.  Dr., 
Frahm,  Alma  K., 
Fritsch,  W.  A.  Dr., 
Fritsch,  Laura, 
Fahsel,  Agnes, 
Fuchs,  Theresa, 
Geige,  Emma, 
Glaser,  Amanda, 
Gerber,  Lina  M., 
Grebel,  Johanna, 
Greubel,  Otto  W., 
Griebsch,  Max, 
Gummersheimer,  Hilda, 
Herrle,  Henry, 
Herrle,  Karl, 
Hottendorf,  Elizabeth, 
Hutzler,  Emma, 
Heinz,  Flora  H., 
Heeger,  Elenora, 
Haack,  Paula  J,, 
Haessler,  Henrietta, 
Hamann,  Friedrich, 
Hamann,  Fr.  Frau, 
Henkel,  Almira, 
Hillenkamp,  Carl, 
Hillenkamp,  C.  Frau, 
Hoerig,  Gertrud, 
Hohgrefe,  Anna, 
Hohgrefe,  Elise, 
Herzog,  Carl, 
Hoelper,  Alois,  Dr., 
Ische,  Alvina,  L., 
Jonas,  Minnie  W., 
Judell,  Anna, 
Knoebel,  Eugenia  L. 
Kramer,  Emil, 
Kramer,  Emil,  Frau, 
Kleinhans,  Sophie  D., 
Kehr,  Clara, 
Kahl,  Henry, 
Keller,  Marie  V., 
Kenkel,  J.  I., 
Kessler,  Doris  H., 
Klingeberger,  Marie, 
Koenig,  Ella, 
Krahnstover,  Augusta, 


Wohnort. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Cincinnati,  O. 
DaA^enport,  la. 
Evansville,  Ind. 
Evansville,  Ind. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Dayton,  O. 
Dayton,  0. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  0. 
Davenport,  la. 
Evansville,  Ind. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
New  York  City. 
New  York  City. 
Milwaukee,  Wis. 
Berlin,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Belleville,  111. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Crawfordsville,   Ind. 
Evansville,  Ind. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 


Schule. 

N.  G.  A.  Teachers'  Sem. 
West  D.  High  Sch. 
409— 24th  St. 
10th  Dist.   Sch.  No.   1. 
1828  Fairfax  Ave. 
709  East  15th  St. 

621  Third  Ave. 

21st  Dist.  Sch.  No.  1. 

10th  Dist.   Sch.  No.   1. 

51  High  St. 

Emerson  School. 

16th  Dist.  Sch.  No.  2. 

20th  Dist.  Sch.  No.  2. 

114  Knapp  St. 

Nat.  Germ.  Am.  T.  Sem. 

6th  Dist.  Sch.  No.  2. 

Whittier  Sch. 

Oyler  Sch. 

801  Richmond  St. 

10th  Dist.  Sch. 

Woodbine  Normal  Sch. 

Carpenter  Sch. 

4th  Dist.  Sch. 

20th  Dist.  Sch.  No.  1. 

North  D.  High  Sch. 

13th  Dist.  Sch.  No.  ]. 

2nd  Dist.  Sch.  No.  L 

1136  Island  Ave. 

409— 24th  St. 

6th  Dist.  Sch.  No.  1. 

976— 10th  St. 

477  W.  140th  St. 

Freie  Deutsche  Schule. 

22nd  District  Sch. 

DeKalb  Township  II.  S.,111. 

19th  Dist,  Sch.  No.  2. 

15  E.  E.  St. 

14th  Dist.  Sch. 

1334  Broadway. 

High  School. 

Columbia  Sch. 

21st  Dist.  Sch.  No.  2. 

1st  Dist.  Sch. 

55— 15th  St. 

15th  Dist,  Sch.  No.  2. 

1st  Dist.  Sch. 

2nd  Dist,  Sch.  No.  2. 

99  North  Ave. 


270 


Monatsheftc  filr  deuische  SpracJie  und  Padagogik. 


Name. 

Krauslach,  Emma, 
Krauslach,  Kate, 
Krieger,  Frida, 
Kroetz,  Millie  E., 
Krug,  Richard  E., 
Krug,  R.  E.,  Frau, 
Krull,  Lilla  C., 
Kerwer,  Philippine. 
Linane,  P.  M., 
Linane,  Emma,  Frau, 
Lad  wig,  Valesca, 
Lenz,  G.  J., 
Lenz,  G.  J.,  Frau, 
Liebig,  Elsa, 
Lienhard,  Henry, 
Loewe,  Arthur  P., 
Lucas,  Ph., 
Lucas,  Ph.,  Frau, 
Luebke,  Ottilie  E., 
Lueders,  Victoria, 
Limbocker,  A., 
Maier,  Wilhelmine, 
Muhleisen,  Hannah, 
Malachowitz,  Emma, 
Kleiners,  Anna, 
Meiners,  Louise, 
Meinicke,  Emily, 
Merkt,  Fannie  M., 
Mitchell,  Margaret  E., 
Mueller,  Alma  E., 
Mueller,  Amelia, 
Mueller,  Corinne  C., 
Mueller,  Hermann, 
Mueller,  Sofie,  Frau, 
Mueller,  Wilhelm,  Frau, 
Mutterer  Frederick, 
Xahstoll,  Anna,  C., 
Neeb,  Charlotte,  E., 
Neeb,  Gilcher  E., 
Xeeb,  Lewis  S., 
Xeeb,  Katherine, 
Neeb,  Mathilda  A., 
Xiehus,  Stella, 
Xienow,   Emily  A., 
Ochs,  Luise, 
Perkins,  Agnes  S., 
Papenhagen,  Martha  M., 
Partenfelder,  Martha  H., 
Piepenbrink,  Louise, 
Purin,  Chas.  M., 


Wohnort. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Youngs  town,  O. 
Chicago,  111. 
Chicago,  111. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Springfield,  O. 
Cincinnati,  0. 
Crawfordsville,  Ind. 
Milwaukee,  Wis 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Terre  Haute,  Ind. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  O. 
Dayton,  O. 
Dayton,  O. 
Dayton,  O. 
Milwaukee,  Wia. 
Dayton,  0. 
Delaware,  0. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis 
Milwaukee,  Wis. 


Schule. 

13th  Dist.  Sch.  No.  1. 
21st  Dist.  Sch.  No.  3. 
8th  Dist.  Sch.  No.  3. 
17th  Dist.  Sch.  No.  2. 
North  Div.  H.  Sch. 

4th  Dist.  Sch. 
Ray  en  High  Sch. 
1800  Barry  Ave. 

10th  Dist.  Sch.  No.  2. 
Germ.  Am.  Teachers'  Sem. 

llth  Dist.  Sch.  No.  2. 
12th  Dist.  Sch.  No.  1. 
2nd  Dist.  Sch.  No.  2. 
School  Board,  City  Hall. 

10th  Dist.  Sch.  No.  1. 
10th  Dist.  Sch.  No.  3. 

431  Shillito  St. 

High  School. 

20th  Dist.  Sell.  No.  1. 

llth  Dist.  Sch.  No.  2. 

9th  Dist.  Sch.  No.  2. 

13th  Dist.  Sch.  No.  3. 

9th  Dist.  Sch.  No.  2. 

10th  Dist.  Sch.  No.  1. 

14th  Dist.  Sch.  No.  2. 

Germ.  English  Academy. 

800  Van  Buren  St. 

2821  Clarke  St. 

420  Vliet  St. 

112  Juneau  Ave. 

Ind.  State  Normal  School. 

3rd  Int.  School. 
1705  Sycamore  St. 
1705  Sycamore  St. 
419  Hickory  St. 
419  Hickory  St. 
Ruskin  School. 
10th  Dist.  Sch.  No.  1. 
Hoffmann  School. 
High  School. 
10th  Dist.  Sch.  No.  4. 
20th  Dist.  Sch.  No.  2. 
llth  Dist.  Sch.  No.  2. 
East  Div.  High  Sch. 


Mitgliederliste  des  Lehrerbundes. 


271 


Name. 

Paarlberg,  Mary, 
Phelps,  A.  W., 
Ruedy,  P.  J.,  Ffau, 
Riemer,  Bernhard, 
Roessler,  Hanna  M., 
Rieman,  Bertha  L., 
Roessler,  Elsie  E., 

Rahm,  Selma, 
Rieder,  Rudolph, 
Rader,  Minnie  Ev 
Rathmann,  Julius. 
Rathmann,  Lina, 

Renz,  Emilie, 
Rieger,  Emily  M., 
Ruebhausen,   Ella  E., 
Ruemelin,  Emily, 
Ruschhaupt,  Anna, 
Roessler,  J.  E., 
Roemer,  Emma  Marie, 
Schoenrich,  C.  O., 
Springe,  Malvine, 
Schrader,  Marie, 
Schrader,  Herm.  H., 
Suptus,  Emily, 
Schmidt,  Christine, 
Salomon,  Elsa, 
Sarnow,   Emily, 
Schaffrath,  Wm., 
Schapekahm,  Florence, 
Schauermann,  Carl, 
Schauermann,  Alice, 
Schoon,  William, 
Schroeder,  Ella, 
Schroeder,   Elizabeth, 
Schroeder,  Martha, 
Schuerbrock,  Josephine, 
Senti,  B.  L., 
Sidler,  Agnes, 
Spangenberg,  Clara  B., 
Spangenberg,   Thekla  H. 
Spies,  Elizabeth, 
Spies,  George, 
Stern,  Leo, 
Stern,  Clara,  Frau, 
Stern,  Julia, 
Straube,  C.  B., 
Stuckert,  John  T., 
Schildknecht,  Th., 


Wohnort. 
Oakglen,  111. 
Reading,  Pa. 
Bangor,  Wis. 
Carlstadt,  N.  J. 
Chicago,  111. 
Cincinnati,  0. 
Cumberland,  Wis. 

Evansville,  Ind. 
Madison,  Wis. 
Milwaukee,  Wis . 

Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Valparaiso,  Ind. 
Waukesha,  Wis. 
Baltimore,  Md. 
Chicago,  111. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  0. 
Milwaukee,  Wis, 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Madison,  Wis. 
New  Holstein,  Wis. 


Schle. 

Thornton  Township  H.   S. 
Boys'  High  School. 

Public  School  No.  1. 

LaSalle  School. 

18th  Dist.  Sch. 

1542  Oakdale  Ave.,  Chicago, 
111. 

Chestnut  School. 

University. 

13th  Dist.  Sch.  No.  3. 

22nd  Dist.  Sch.  No.  1. 

Layton  Park  Sch.,  Milwau- 
kee County. 

21st  Dist.  Sch.  No.  3. 

7th  Dist.  Sch. 

East  Div.  High  Sch. 

763  Weil  St. 

267— 26th  St. 

University. 

High  School. 

Baltimore   City   College. 

Schley  School. 

1st  Dist,  School. 

Lincoln  School. 

3224  Glendora  Ave. 

1700  Sycamore  St. 

17th  Dist,  Sch.  No.  1. 

15th  Dist.  Sch.  No.  1. 

South  Div.  High  Sch. 

llth  Dist,  Sch.  No.  2. 

21st  Dist.  Sch.  No.  2. 

1333— 6th  St. 

5th  Dist.  Sch.  No.  1. 

10th  Dist.  Sch.  No.  1. 

22nd  Dist.  Sch.  No.  2. 

774— 6th  St. 

Germ.   English   Academy. 

10th  Dist.  Sch.  No.  2. 

Germ.   English  Academy. 

12th  Dist.  Sch.  No.  2. 

16th  Dist.  Sch.  No.  1. 

1st.  Dist.  Sch. 

20th  Dist.  Sch.  No.  1. 

City  Hall. 

106  Garfield  Ave. 

West  Div.  High  Sch. 

21st  Dist.  Sch.  No.  3. 

University. 


272 


Monatehefte  fur  deuischc  Spraclie  und  Padagogik. 


Name. 

Stedinger,  Ferd., 
ter  Jung,  Augusta, 
Ulrich  John, 
Vogel,  Thekla, 
von  der  Halben,  Wilh., 
von  Cotzhausen,  Laura, 
von  Gumpert,  Emmy, 
Werneburg,   Pauline, 
Walsh,  Ella  A., 
Wegelin,  Christian, 
Wolf,  Christine  M., 
Wolf,  Louise,  M., 
Wagner,  Frieda, 
Warnecke,  Aug., 
Wedekind,  Edward, 
Wedekind,  Martha, 
Weihe,  Herm.  J., 
Weltzien,  Lina, 
Wirth,  Lillie, 
Wissbeck,  L., 
Wuerst,  Frances,  A. 
Wolf,  Ernst  L., 
Welch,  A.  J.}  Frau, 
Zahl,  Else, 
Zahn,  Nettie, 


Wohnort. 
Rockford,  111. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Chicago,  111. 
jr.,  Cincinnati,  O. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Chicago,  111. 
Cincinnati,  0. 
Cincinnati,  O. 
Cincinnati,  O. 
Fort  Wayne,  Ind. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  W7is. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
St.  Louis,  Mo. 
Wauwatosa,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 
Milwaukee,  Wis. 


Schule. 
High  School. 
19th  Dist,  Sch.  No.  1. 
6th  Dist.  Sch.  No.  3. 
Jas.  Madison  Sch. 
Horace  Mann  Sch. 
North  Div.  High  Sch. 
Germ.   English  Academy. 
Lake  High  Sch. 
Jackson  School. 
N.  E.  Court. 
Winton  Place  School. 
623  Canal  St. 
22nd  Dist.  Sch.  No.  2. 
9th  Dist.  Sch.  No.  1. 
2nd  Dist.  Sch.  No.  1. 
23rd  Dist.  Sch. 
19th  Dist.  Sch.  No.  1. 
14th  Dist.  Sch.  No.  2. 
Germ.   English   Academy. 
385— 13th  St. 
9th  Dist.  Sch.  No.  1. 
William  McKinley  High  S. 

13th  Dist,  Sch.  No.  1. 
19th  Dist.  Sch.  No.  2. 


Monatshefte 

f(ir  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:    Padagogische  Monatshefte.) 

:         A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen   Deutschamerikanischen   Lehrerbundes. 


IX*  November  1908,  Reft  9* 


Deutsche  Vereinsschulen.  Das  September-Oktoberheft  dieses  Jahr- 
ganges  berichtete  in  seiner  Umschau  liber  die  in  Boston  ins  Leben  geru- 
fene  deutsche  Yereinss'chule.  Einige  der  grosseren  deutschen  Vereine 
unterhielten  wohl  dort  auch  schon  friiher  Schulen,  in  denen  deutscher 
Unterricht  erteilt  wurde.  Aber  es  mangelte  an  System,  da  die  geringe 
Schiilerzahl  und  die  beschrankten  Mittel  gewohnlich  nur  die  Anstellung 
eines  einzigen  Lehrers  erlaubten,  der  alle  Klassen  gleichzeitig  unterrich- 
ten  musste.  Nunmehr  aber  haben  sich  die  deutschen  Vereine  der  Stadt 
Boston  zusammengetan  und  haben  eine  gemeinsame  Schule  gegriindet, 
deren  Besuch  den  Kindern  ihrer  Mitglieder  frei  steht.  Welche  Vorteile 
diese  Einrichtung  ftir  den  Erfolg  des  Unterrichts  einschliesst,  ist  fur 
jeden,  der  mit  der  Schularbeit  vertraut  ist,  klar  auf  der  Hand.  Dass  sich 
die  deutsche  Bevolkerung  Bostons  gleichfalls  dieser  Vorteile  bewusst  ist, 
beweist.  der  Umstand,  dass  es  im  Laufe  dieses  Schuljahres,  mit  dessen 
Beginn  die  Vereinsschule  gegriindet  wurde,  infolge  der  rapiden  Zunahme 
der  Schiilerzahl  notig  wurde,  das  Lehrer  personal  von  einem  auf  sieben  zu 
erhohen.  Ein  Umstand  verdient  noch  besondere  Erwahnung:  die  Ver- 
einsschule, in  der  jeden  Sonnabend  unterrichtet  wird,  befindet  sich  in 
einem  der  offentlichen  Schulgebaude,  welches  die  Schulbehorde  fur  dieses 
Unternehmen  zur  Verfiigung  gestellt  hat. 

Das  Vorgehen  der  Deutschen  Bostons  verdient  riickhaltloseste  Aner- 
kennung.  Wir  begriissen  es  als  eines  der  wichtigsten  Zeichen,  wenn  nicht 


274  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

das  wichtigste,  ernes  neuerwachten  deutschen  Lebens.  Was  Grosseres  und 
Besseres  gabe  es  wohl  fiir  uns  zu  tun,  als  der  deutschamerikanischen  Ju- 
gend  wieder  mit  der  deutschen  Sprache  deutschen  Geist  und  deutsche 
Gesinnung  einzuflossen,  und  in  ihr  den  Stolz  auf  die  deutsche  Abstam- 
mung  zu  wecken!  Den  Zweigen  des  Deutschamerikanischen  National- 
bundes  liegt  es  ob,  die  Fiihrung  in  dieser  Bewegung  zu  ubernehmen. 
Hier  bietet  sich  ihnen  das  Feld  zu  einer  Betatigung,  die  ihren  Kraften 
entspricht,  deren  Erfolge  ihnen  selbst  zugute  kommen  und  ihrem 
Bestehen  eine  hohere  Berechtigung  sichern.  Auf  die  Einzelheiten  der 
Eiiirichtung  solcher  Schulen  einzugehen,  wiirde  hier  nicht  moglich  sein. 
Diese  miisste  den  lokalen  Verhaltnissen  und  dem  Schulermaterial  gemass 
getroffen  werden.  Nur  das  sei  hier  ausdriicklich  gesagt:  diese  Vereins- 
schulen  sollten  nicht  bloss  in  solchen  Stadten  gegriindet  werden,  in  denen 
kein  deutscher  Unterricht  in  den  Volksschulen  erteilt  wird,  —  auch  in 
den  Stadten,  in  denen  der  deutsche  Unterricht  besteht,  diirfte  eine  solche 
Vereinsschule  von  Segen  sein.  Nur  die  Unterrichtsziele  miissten  ver- 
schieden  sein.  Wahrend  im  ersten  Falle  es  zunachst  die  Aufgabe  der 
Vereinsschule  sein  miisste,  den  Schiilern  die  elementaren  Kenntnisse  der 
deutschen  Sprache  zu  vermitteln,  so  konnte  im  anderen  Falle  eine  solche 
Schule  sich  hohere  Ziele  setzen  und  solchen  Unterricht  erteilen,  der  in 
dem  Lehrplan  unserer  offentlichen  Schulen  nicht  vorgesehen  ist.  Wir 
erwahnen  nur  Weltgeschichte.  Bin  wirksameres  Mittel,  die  Jugend  von 
der  hohen  Bedeutung  des  deutschen  Stammes  im  Kulturleben  der  Volker 
zu  iiberzeugen,  als  dieses  Fach  gibt  es  nicht,  ganz  abgesehen  davon,  dass 
diese  Schule  auch  der  geeignete  Platz  ist,  der  Stellung  des  Deutschameri- 
kanertums  in  unserem  Lande  gerecht  zu  werden.  Gelingt  es  einer  solchen 
Schule  noch,  in  den  Kindern  auch  die  Liebe  zur  deutschen  Literatur  und 
zum  deutschen  Liede  wachzurufen,  so  diirfte  der  Erfolg  jeden  Aufwand 
von  Miihe  und  Kosten  lohnen.  Aber  griindliche  und  ernste  Arbeit  ist 
notwendig.  Sie  ist  leichter  moglich,  wenn  die  einzelnen  Vereine  nicht 
ihre  Krafte  zersplittern,  sondern,  dem  Beispiele  Bostons  folgend,  gemein- 
sam  an  ihr  Werk  gehen.  M.  G. 


Die  Schule  der  Zukunft.  In  der  Lehrerkonferenz  Nordenglands  zu 
Bradford  hielt  Mr.  Sykes,  der  President  des  englischen  Lehrerbundes 
(60,000  Mitglieder),  einen  Vortrag  iiber  Reform  in  der  Volksbildung, 
dem  wir  folgendes  entnehmen: 

Es  gibt  keine  Reformen  in  der  Volksschule,  die  nicht  Geld  kosten, 
sagte  Mr.  Sykes.  Wenn  wir  nicht  bereit  sind,  fiir  die  Volksschule  oder 
in  der  Volksschule  mehr  Geld  auszugeben,  so  sind  alle  Diskussionen  iiber 
Reformen  unniitz.  Unter  den  jetzigen  Verhaltnissen  ist  der  Lehrer  der 


Die  Schule  der  Zukunft.  275 

Volksschule  am  Ende  seines  Witzes  angekommen ;  er  hat  nichts  mehr  zu 
lernen. 

Aber  iibergebt  einem  ernsten,  tiichtigen  Lehrer  ein  Dutzend  Kinder, 
sagt  ihm,  dass  sie  mit  vierzehn  Jahren  in  die  Welt  hinaus  miissen,  um 
ihr  Brot  zu  verdienen,  heisst  ihn,  deren  Fahigkeiten  zu  entwickeln,  dass 
sie  daraus  den  grossten  Nutzen  ziehen,  ihre  moralische  und  geistige  Ein- 
sicht  zu  starken,  gebt  ihm  freie  Hand,  wie  er  seine  Arbeit  einzurichten 
hat,  und  ihr  stellt  die  schwierigste  Aufgabe,  die  ein  Mann  unternehmen 
kann. 

Ein  Dutzend  Kinder,  nicht  fiinf  Dutzend.  Ich  kann  mir  das  Zim- 
mer  vorstellen,  das  er  notig  hat.  Es  ware  draussen,  wo  Luft  und  Sonnen- 
schein  ist,  in  Feld  und  Blumen.  Manche  der  jetzigen  (englischen)  Schul- 
gebaude  konnten  zur  Aufzucht  von  pramiertem  Vieh,  Schweinen  und 
Gefliigel  vermietet  werden,  mit  dem  unausweichlichen  Erfolg,  dass  sie 
nie  mehr  einen  Preis  erhielten.  Die  Grosse  der  Schule  fiir  die  zwolf  Kin- 
der wiirde  bequem  Sitzplatze  fiir  hundert  Leute  bieten.  Ausriistung  und 
Apparate,  Bilder-,  Marchen-  und  Geschichtenbiicher,  wenn  es  gute  gibt, 
werden  angeschafft.  Schulkiiche,  Speisezimmer  und  Schulbad  fehlen 
nicht.  Der  Lehrer  wird  auch  das  Schulkleid  verlangen,  dass  die  Schiller 
bequem  und  warm  gekleidet  sind.  Mantel  und  tiberschuhe  bleiben  im 
Garderoberaum.  Gummischuhe  geben  einen  leichten  Schritt;  ein  gut 
genahrter  Korper  und  regelmassige  korperliche  tibung  erzeugen  eine 
Leichtigkeit  der  Einsicht,  die  iiberrascht. 

Ich  setze  die  Klasse  auf  zwolf  an,  weil  die  Erziehungsaufgabe  um  so 
schwieriger  wird,  je  weiter  abwarts  wir  in  der  sozialen  Skala  gehen.  Der 
junge  Sprossling  koniglichen  Blutes  hat  einen  Professor,  oder  mehr  als 
einen,  ganz  fiir  sich  allein.  Das  Kind  eines  Millionars  kommt  mit  fiinf 
anderen  zusammen  zu  einer  Klasse  von  einem  halben  Dutzend.  In  der 
Volksschule  verliert  ein  Kind  seine  Personlichkeit  vollstandig;  es  taucht 
in  der  ,,durchschnittlichen  Anwesenheit"  von  sechzig  unter;  einzig,  weil 
unser  Land  noch  nicht  erkannt  hat,  dass  es  der  Miihe  wert  ist,  das  Kind 
des  Arbeiters  zu  erziehen.  Ich  schlage  zwolf  Kinder  vor,  damit  der  Leh- 
rer mit  den  Eltern  in  personlichen  Kontakt  kommt.  Der  erste  Erfolg 
ware,  dass  sich  die  Eltern  um  das  kiimmerten,  was  in  der  Schule  ge- 
schieht.  Dann  ware  kein  Kampf  um  die  Schulsteuer.  Sie  wiirden  immer 
dem  Kandidaten  stimmen,  der  ihrem  Freund,  dem  Lehrer,  gibt,  was  er 
braucht.  Wer  sagt,  es  ware  das  Geld  nicht  wert?  Das  ware  die  beste 
Anlage  der  offentlichen  Gelder;  denn  der  Reichtum  einer  Nation  liegt  in 
ihren  Kindern.  ,,Die  Nation  wird  leben  durch  den  Atem  ihrer  Kinder." 

Jiingst  sprach  Professor  Armstrong  von  einer  Morrison  Pille,  die  alle 
tibel  der  Volksschule  heilen  wiirde.  Sendet  zwei  oder  drei  Inspektoren, 
um  den  Lehrern  zu  zeigen,  wie  sie  unterrichten  miissen.  Wieder  der  alte 


276  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Ruf :  Hier  1st  ein  Lehrer,  zeigt  ihm,  wie  er  lehren  soil  und  setzt  ihm  einen 
Inspektor,  um  nachzusehen,  dass  er  nichts  Ubles  tue.  Als  einer  derer,  mit 
denen  Professor  Armstrong  experimentieren  will,  sage  ich:  Gut,  kommen 
Sie.  Stellen  Sie  sich  in  der  dumpfen  Atmosphare  einer  Slum-Schule  vor 
eine  Klasse  von  sechzig  Knaben,  fur  sechs  Monate  einmal,  sagen  wir  vom 
Oktober  bis  April,  keinen  Tag  weniger,  Tag  fiir  Tag,  mit  dem  schabigen 
Mobiliar,  den  diirftigen  Mitteln,  die  eine  sparsame  Schulkommission  ge- 
wahrt,  und  kein  Lehrer  des  Landes  ware,  der  sich  nicht  freute,  alles  zu 
lernen,  was  Sie  ihn  in  dieser  Zeit  lehren  konnten. 

Wir  brauchen  nicht  mehr  Inspektion,  nicht  mehr  Verwalter.  Aber 
bessere  Arbeitsbedingungen  miissen  wir  haben.  Alles  kommt  darauf  hin- 
aus :  Ist's  der  Muhe  wert  ?  Die  Leute  unseres  Landes  sagen  Nein.  Wenn 
sie  ihren  Irrtum  einsehen,  so  sagen  sie  Ja,  und  wir  konnen  unsere  Eeform 
ins  Werk  setzen. 

Stellt  den  tiichtigen  Lehrer  unter  richtige  Verhaltnisse,  und  er  wird 
nicht  anders,  als  lehren  konnen,  wie  ein  Kiinstler  nicht  anders,  als  zeich- 
nen  kann,  wenn  er  sich  in  einer  schonen  Landschaft  befindet;  denn  der 
wahre  Lehrer  ist  ein  Kiinstler.  Er  kann  nicht  nach  Mass  arbeiten,  noch 
nach  zahlreichen  Vorschriften,  mogen  sie  noch  so  geschickt  abgefasst  sein. 
Sein  vollendetes  Ziel  ist  ein  gesundes,  starkes  Kind.  Dieses  sollte  das 
verwendete  Geld  wert  sein.  Mit  einer  Klasse  von  zwolf  ware  die  Arbeit 
noch  schwierig  genug.  Mit  einer  Klasse  von  sechzig  ist  sie  unmoglich; 
der  Lehrer  kann  dabei  seinen  Blick  nicht  auf  die  wirkliche  Aufgabe  rich- 
ten.  Ich  plaidiere  fiir  Freiheit  fiir  den  Lehrer,  Freiheit  zu  versuchen, 
Freiheit  selbst  Fehler  zu  machen;  je  mehr  der  Staat  dem  Lehrer  Freiheit 
gibt,  um  so  mehr  an  Wert  wird  der  Lehrer  dem  Staat  zuriickgeben. 

(Schweizerische  Schulzeitung.) 


Modern  Languages  Taught  as  Living  Languages, 


By  Marie  Duerst,  High  School,  Dayton,  111. 

It  is  with  some  diffidence  that  I  offer  to  read  a  paper  before  this  Asso- 
ciation. What  induces  me  to  do  it  is  the  hope  that  it  may  elicit  a  discus- 
sion by  which  I  may  be  benefited  and  so,  perchance,  benefit  others. 

There  is  every  reason  to  believe  that  this  is  a  time  of  transition  and 
reform,  of  growth  and  development  in  the  teaching  of  modern  languages. 
Their  value  has  been  recognized  in  nearly  all  our  schools  and  colleges  by 
the  increased  facilities  provided  for  the  study  of  these  languages,  as  com- 
pared with  those  of  former  years. 


*  Paper  read  before  the  17th  annual  convention  of  the  Modern  Language  Asso- 
ciation of  Ohio,  Springfield,  O. 


Modern  Languages  Taught  as  Living  Languages.  277 

But  the  conditions  of  work  in  modern  language  teaching  still  vary 
more  than  perhaps  those  of  any  other  subject.  Would  it  then  not  be  well 
for  us  to  hold  counsel  with  each  other,  to  compare  notes,  to  see  how  we 
can  supply  to  the  best  of  our  power  the  bright  young  minds  that  come  to 
us  for  instruction  with  that  which  will  most  help  them  to  fill  their  future 
place  in  the  world? 

Surely  this  assembly  must  be  rich  in  experience  and  ideas,  being  com- 
posed of  such  various  elements.  I  think  I  see  before  me  some  staid,  con- 
servative teachers  of  the  old  school,  clinging  tenaciously  to  technicalities; 
some  energetic  reformers,  perhaps  a  little  too  radical,  employing  exclusive- 
ly the  so-called  natural  method;  then,  again  some,  who  are  eclectic,  and, 
seeing  much  that  is  commendable  in  each  of  these  methods;  they  choose 
what  is  good  from  all  and  endeavor  to  apply  it  to  the  best  of  their  ability. 
To  this  creed  I  confess  myself,  believing  that  its  adherents  are  pursuing 
the  right  course  to  teach  the  modern  languages  as  living  languages. 

I  beg  my  hearers  to  bear  in  mind,  that  I  do  not  presume  to  present 
any  new  ideas,  still  less  would  I  attempt  to  teach  here,  where  I  came  to 
learn  much.  Allow  me  also  to  state,  that  in  my  remarks  I  have  reference 
to  French  and  German. 

While  books  and  methods  are  of  vital  importance  and  should  be  well 
and  judiciously  chosen,  the  all  important  factor  is  the  instructor.  To 
teach  the  modern  languages  as  living  languages  he  must  be  not  only  con- 
versant with  the  language  to  be  taught,  but  must  possess  a  thorough  com- 
mand of  it.  His  vocabulary  must  be  an  inexhaustible  treasure,  from 
which  he  may  draw  what  the  given  occasion  demands.  He  must  have  at 
his  beck  and  call  a  wealth  of  linguistic  information,  of  idiomatic  expres- 
sions, sayings,  proverbs  etc.  which  he  uses  discriminately  and  with 
ingenuity. 

He  must  also  be  well  versed  in  the  vernacular  of  his  pupils,  to  use  it, 
if  need  be,  in  the  class  room,  to  compare  it  with  the  language  they  are 
studying;  to  correct  mistakes  they  may,  and  in  fact  do  make  in  their  own 
tongue.  Moreover,  it  is  my  firm  belief  that  the  pupil's  esteem  and  respect 
for  their  teacher  of  foreign  languages  is  in  proportion  to  the  knowledge 
he  shows  of  the  use  of  their  mother  tongue. 

Last  but  not  least,  the  teacher  must  have  love  and  enthusiasm  for  the 
languages  he  is  to  impart.  He  must  be  convinced,  that  his  is  the  widest 
opportunity  for  the  enlargement  of  the  mental  horizon,  for  the  exercise  of 
the  higher  activities  of  the  mind,  for  shaping  character  and  giving  broad 
culture.  To  him  is  assigned  a  noble  part  in  the  great  work  of  education. 

What  a  power  for  the  mental  and  moral  good  is  put  into  his  hands ! 
Happy,  if  he  wields  it  well,  and  with  it  succeeds  in  imparting  his  own 
intellectual  life  to  his  pupils.  Let  us  now  consider  how  we  can  best  meet 
the  demands  made  on  the  instructors  of  modern  languages. 


278  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Some  of  our  students  come  to  us  with  a  purely  utilitarian  object  in 
view,  knowing  that  when  seeking  employment  they  have  an  advantage  if 
able  to  speak  some  German;  some  wish  to  learn  French  or  German  as  an 
accomplishment;  some  mainly  for  an  acquaintance  with  the  literature; 
some  because  their  parents  intend  to  go  abroad  with  them  as  soon  as  they 
shall  have  finished  the  High  School  course;  others  study  it  in  order  to 
meet  a  requirement  of  the  college  they  wish  to  attend;  still  others  do  it 
with  a  view  to  scientific  pursuits,  which  they  cannot  follow,  unless  they 
are  able  to  read  the  best  professional  works,  which  are  often  written  in 
French  or  German. 

We  cannot  have  regard  for  special  purposes  and  circumstances;  not 
as  long  as  we  have  large,  mixed  classes.  The  question  for  us  to  consider 
is,  how  to  use  the  very  limited  time  to  the  best  advantage,  so  that  we  may 
take  the  student  to  the  farthest  possible  point  on  the  road,  toward  a 
mastery  of  the  tongue  we  profess  to  teach.  We  must  seek  to  offer  such 
instruction  as  will  do  the  greatest  good  to  the  greatest  number. 

Wherein  shall  this  consist? 

To  my  mind  in  an  efficient  correlation  of  conversation,  grammar, 
reading,  translation  and  composition. 

The  living  language  to  be  taught  must  be  spoken  by  the  teacher,  so 
that  the  student  learns  French  or  German,  not  merely  facts  about  those 
languages. 

Not  that  English  need  be  proscribed;  it  must  not  be,  cannot  be,  if 
progress  is  to  be  made,  but  it  should  be  used  as  little  as  possible,  and  only 
when  repeated  attempts  to  make  intelligible  an  explanation  in  French  or 
German  have  failed. 

The  writer  believes  that  on  the  very  first  day  a  beginner  should  hear 
the  sound  of  the  language  he  desires  to  learn,  and  that  he  should  be  taught 
in  that  language  as  far  as  possible.  The  ear  must  be  habituated,  the 
understanding  developed,  and  pronunciation  learned  by  imitation. 

With  some  ingenuity,  alertness  and  pleasing  gestures  on  the  part  of 
the  teacher  the  pupils  will  readily  understand  and  quickly  pick  up  the 
ordinary  expressions  and  phrases  used  in  the  work  of  the  class  room.  They 
are  delighted  to  be  addressed  in  the  foreign  tongue.  It  is  an  inspiration 
to  have  some  25  pairs  of  bright  eyes  looking  at  one  while  intently  listening 
to  what  you  tell  them,  trying  to  understand  the  new  foreign  tongue,  seek- 
ing to  imitate  and  to  reply  as  best  they  can. 

The  more  pupils  are  accustomed  from  the  very  beginning  to  the 
thought  that  French  or  German  is  to  be  learned  less  from  the  book  than 
from  the  mouth  of  the  teacher,  the  more  quickly  will  intercourse  between 
teacher  and  pupil  in  the  foreign  language  be  attainable,  and  the  pupil's 
shyness  of  expressing  himself  in  the  foreign  tongue  disappear. 


Modern  Languages  Taught  as  Living  Languages.  279 

I  make  it  a  daily  practice  with  all  my  pupils  on  their  entering  the 
class  room  to  spend  a  few  minutes  in  exchanging  some  remarks  in  German 
or  French  on  what  ever  presents  itself  most  readily  and  naturally. — The 
lesson  of  the  day,  the  weather,  a  new  period  in  the  school  calendar,  a  holi- 
day in  store,  current  events,  the  reason  of  some  one's  absence  on  the  pre- 
vious day,  something  seen  on  the  way  to  school,  something  heard  in  a 
general  assembly  on  that  morning,  a  newspaper  article  of  general  in- 
terest etc. 

My  object  in  doing  so  is  to  familiarize  their  ear  again,  and  to  prepare 
their  organs  of  speech  for  what  is  to  be  done  in  the  foreign  tongue,  of 
which  they  have  not  heard  a  sound  since  they  left  my  class  room.  I  do  it 
also  that  a  few  words  may  be  added  to  the  vocabulary;  an  acquisition 
which  I  then  ask  them  to  put  to  use. 

If  German  or  French  is  distinctly  and  correctly  spoken  in  the  class 
room,  every  sentence — whether  spoken  or  read — will  be  a  drill  in  the  noun 
and  adjective  declensions,  in  the  conjugation,  in  the  government  of  pre- 
position and  in  the  elementary  rules  for  arrangement.  The  constant  use 
of  the  language  in  the  class  room  may  largely  take  the  place  of  special 
exercises  in  grammar,  of  which  I  mean  to  speak  next. 

Though  we  may  have  a  religious  regard  for  the  spirit  rather  than  the 
letter  of  the  language,  we  cannot  teach  it  without  the  use  of  grammar, 
else  our  pupils  will  play  a  parrot-like  part ;  they  will  be  the  proud  posses- 
sors of  a  number  of  phrases  and  idioms  they  have  heard  or  learned,  but 
without  the  ability  to  form  new  sentences  in  a  grammatically  correct  way, 
since  they  are  destitute  of  the  principles  and  rules  of  the  language. 
Grammar  deals  with  the  facts  and  the  laws  of  the  language,  so  we  cannot 
dispense  with  it ;  nor  can  we  afford  to  teach  it  but  incidentally. 

Let  us  reduce  it  to  a  minimum;  let  us  teach  only  the  essentials,  and 
do  this  rationally,  but  thoroughly.  True,  the  pupil  finds  it  hard  work. 
What  of  it?  He  is  supposed  to  be  preparing  in  school  for  life,  and  when 
he  gets  out  of  school  he  will  be  reminded  at  every  turn  that  valuable 
acquisitions  have  to  be  worked  for.  There  is  no  royal  road  to  languages 
and  French  and  German  are  not  to  constitute  a  part  of  the  so-called  "soft 
electives." 

Our  task  is  arduous  too,  especially  when  it  comes  to  correcting 
manuscripts  of  large  classes,  in  some  of  which  we  are  disappointed,  be- 
cause we  see  the  pupils  did  not  grasp  the  point  we  meant  to  make  clear. 
There  is  many  an  evening  when  I  feel  that  my  pupils  have  taught  me 
more  on  that  day  than  I  was  able  to  teach  them,  and  that  they  have 
pointed  out  to  me  a  way  to  make  myself  better  understood  the  next  day. 
How  true  what  Carlisle  says:  "Thou  that  teachest  another,  teachest  thou 
not  thyself?"  And  this  not  only  in  grammar. 


280  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

And  then,  the  difficulties  the  learning  of  a  foreign  language  presents 
can  be  largely  reduced,  if  not  obviated,  by  the  teacher's  skilfull  diversify- 
ing the  grammatical  exercises,  of  which  an  endless  variety  may  be  given. 
How  interestingly,  for  instance,  the  tense,  mode,  number  and  person  of 
the  verb  may  be  practiced  by  transposing  at  sight  a  pleasing  anecdote  or 
fable  that  has  just  been  read  and  is  thoroughly  understood  from  one  per- 
son to  another,  from  one  tense  to  another. 

Translation,  reading,  dictation,  reproducing  of  a  short  story,  memor- 
izing an  exquisite  poem,  paraphrasing  a  little  ballad,  writing  a  description 
of  the  season,  giving  a  synopsis  of  a  bright  scene  of  a  play  read  in  a  class 
— all  these  can  be  made  very  interesting  and  useful,  and  are  conducive, 
each  in  its  own  way,  to  familiarize  the  student  with  the  language  he  is 
learning. 

Some  weeks  ago  one  of  my  colleagues  had  been  asked  by  a  pupil  to 
excuse  her  15  minutes  before  the  close  of  the  recitation  in  order  to  attend 
a  class  in  cooking,  to  which  she  had  taken,  a  great  liking.  The  request  had 
been  granted — but  the  signal  for  dismissal  rang  before  that  pupil  had 
even  thought  of  looking  at  the  clock.  I  call  this  making  a  language  lesson 
intensely  interesting. 

I  mentioned  translation.  Some  teachers  claim  to  do  entirely  without 
it.  I  fain  would  have  them  tell  me  how,  especially  with  beginners.  Trans- 
lation, clear,  accurate,  simple,  adequate,  yet  idiomatic  is  the  best,  in  fact 
often  the  only  test  of  the  knowledge  of  both  idioms. 

It  is  doubtless  well  to  make  from  the  very  beginning  systematic 
efforts  to  induce  the  student  to  connect  the  new  words  with  the  things 
themselves  and  not  with  the  words  of  his  native  language;  but  on  the 
other  hand  there  is  no  economy  of  time  or  strength  in  persistently  reject- 
ing the  help,  which  the  student's  native  language  offers,  when  we  wish  to 
make  clear  to  him  the  meaning  of  a  new  word  or  idiom. 

Let  the  translation  be  made  mostly  into  the  language  the  student  is 
seeking  to  acquire ;  but  let  him  also  translate  into  the  mother  tongue  fine 
valuable  passages  which  we  fear  he  does  not  adequately  appreciate.  But 
let  us  see  to  it  that  it  be  translation,  not  transliteration. 

As  a  pleasing  exercise  for  my  older  pupils  and  to  guard  them  against 
the  tendency  toward  literal  translation  we  sometimes  compare  the  proverbs 
and  idioms  of  one  language  with  the  other.  Thus  we  find  that  the  Eng- 
lishman "falls  out  of  the  frying  pan  into  the  fire;"  the  German  "kommt 
aus  dem  Kegen  in  die  Traufe,"  and  the  elegant  French  "tombe  de 
Charybde  en  Scylla."  Every  one  has  his  hobby;  Jedem  Narren  gefallt 
seine  Kappe;  Chacun  a  sa  marotte.  One  must  not  have  too  many  irons 
in  the  fire;  Wer  zwei  Hasen  auf  einmal  jagt,  bekommt  keinen;  Qui  trop 


Modern  Languages  Taught  as  Living  Languages.  281 

embrasse,  mal  etreint.  He  makes  mountains  of  mole  hills ;  Er  macht  aus 
jeder  Miicke  einen  Elephanten;  Faire  (Tune  mouche  un  elephant.  Speak 
of  angels  and  you  hear  the  rustling  of  their  wings;  Wenn  man  vom 
Schelm  spricht,  kommt  er;  Quand  on  parle  du  loup,  on  en  voit  la  queue. 

As  to  reading,  the  longer  I  teach  the  more  I  am  convinced  that  we 
cannot  do  too  much  of  it.  It  is  reading  that  will  furnish  the  student  with 
a  varied  and  useful  vocabulary,  and  make  him  acquainted  with  turns  of 
expression,  with  forms  of  phrase,  with  syntactical  constructions  and  idio- 
matic combinations.  It  is  -the  best  means  of  rendering  the  pupil,  through 
practice,  familiar  with  the  material  of  the  language  and  with  the  laws 
governing  its  use. 

Literature  is  the  one  great  treasure  house  which  must  be  opened  to 
the  student,  and  there  is  a  wealth  of  information,  culture,  delight,  beauty, 
power  and  inspiration  in  the  French  and  German  literatures,  both  classical 
and  modern.  There  are  so  many  good  reading  texts  offered  us  that  often 
one  is  at  a  loss  which  to  choose. 

Of  all  the  exercises  in  language  teaching  it  is  reading  that  can  be 
made  most  pleasing.  After  a  good  drama,  or  a  little  comedy  has  been 
read  and  understood,  the  members  of  the  class  are  delighted  to  take  the 
individual  roles  and  they  acquaint  themselves  very  creditably.  And  when 
allowed  to  cast  the  play,  it  is  remarkable  how  judiciously  they  assign  the 
various  parts  to  those  who  can  best  perform  them. 

One  of  the  conditions  I  most  regret  is  that  we  may  not,  cannot  expect 
our  pupils  to  read  much  outside  of  school.  With  four  or  five  studies  to 
prepare,  lessons  in  music,  painting,  dancing,  domestic  science,  attendance 
at  the  gymnasium,  there  is  very  little,  if  any,  time  left  for  outside  reading. 

So  all  we  can  do  is  to  introduce  them  to  the  best  literature  of  the 
language  they  are  learning  and  create  in  them  a  thirst  for  more.  The 
mortifying  consciousness  that  we  do  not,  cannot  accomplish  as  much  as 
we  should  like  to  is  surely  not  peculiar  to  the  teachers  of  foreign 
languages,  and  need  not  discourage  us.  We  learn  every  day  how  to  im- 
prove our  instruction,  how  to  better  adapt  it  to  the  needs  of  our  pupils, 
and  by  efforts,  daily  renewed,  by  earnest  work  and  sincere  devotion  to  our 
profession  we  give  them  the  best  that  is  in  us,  and  though  it  be  not  a 
visible  amount  in  just  so  much  of  French  or  German,  it  is,  I  hope,  some- 
thing that  may  serve  them  well  in  after  life.  So,  notwithstanding  the 
difficulties  we  have  to  overcome,  the  failings  and  disappointments  we  ex- 
perience, I  think  it  a  delightful  calling  to  teach  modern  languages  as 
living  languages. 


Stoffe  fur  den  Anschauungsunterricht 


Aus  der  Praxis. 


You  Uhlenkruger. 


Der   Hund.      (Fortsetzung.) 


L.  Der  Hund  kann  und  tut  noch  mehr !  Denkt  einmal,  wenn  er  auf 
dem  Felde  1st  und  er  da  nichts  welter  zu  tun  hat !  1.  K.  Er  macht  sich 
hinter  die  Hasen.  2.  K.  Er  schnappt  Fliegen.  3.  K.  Er  jagt  die 
Krahen  weg.  L.  Alles  richtig;  aber  ich  denke  noch  an  was  anders.  ( — !) 
Auf  dem  Felde  laufen  manchmal  noch  andre  kleine  Tierchen  herum !  K. 
Die  Mause !  er  greif t  sich  Mause.  L.  Ja,  aber  wie  macht  er  das  ?  Die 
kriegt  er  doch  nicht  immer  gleich !  K.  Er  kratzt  mit  seinen  Pfoten  tiefe 
Locher;  manchmal  guckt  bloss  noch  der  Schwanz  raus.  Und  die  Erde 
fliegt  immer  so,  und  mit  einmal  hat  er  sie.  2.  K.  Manchmal  kratzt  er 
auch  ein  ganzes  Mausnest  raus. 

Nun  wollen  wir  uns  mal  besinnen,  wie  der  Hund  isst  und  trinkt  und 
was  er  sehr  gern  fressen  mag.  K.  Er  mag  gern  Knochen,  die  zerbeisst 
er.  2.  K.  Manchmal  verwahrt  er  sich  auch  einen.  L.  Wie  macht  er 
das?  K.  Er  kratzt  ein  kleines  Loch  mit  einer  Pfote,  und  dann  legt  er 
den  Knochen  daran  und  dann  macht  er  das  Loch  mit  der  Schnauze  zu. 
Das  sieht  schnurrig  aus.  L.  Warum  macht  er  das  wohl?  K.  Damit  er 
hernach  auch  was  hat.  L.  Er  machts  also  grad  so  wie  ihr,  wenn  ihr  euch 
einen  schonen  Apfel  irgendwo  im  Stroh  versteckt,  nicht  wahr?  2.  K.  Ich 
hab  gesehen,  wenn  er  einen  Knochen  hat  und  knabbert,  dann  darf  ihm 
keiner  in  die  Nahe  kommen.  Dann  beisst  er  gleich.  L.  Aber  wenn  der 
Hund  trinkt,  wie  macht  er  das  ?  K.  Er  lappt  das  Wasser  mit  der  Zunge. 
L.  Ja,  die  ist  recht  lang.  Das  ist  gleichsam  sein  Loffel.  Aber  manch- 
mal lasst  er  diesen  Zungenloffel  recht  weit  raushangen.  Wer  hat  das  schon 
gesehen?  K.  Ich,  wenn  er  sehr  gelaufen  hat,  dann  gischt  er.  2.  K.  Ich 
weiss  noch  anders :  Wenn  es  sehr  heiss  ist,  dann  schwitzt  ihm. 

Ihr  habt  nun  doch  auch  gewiss  den  Hund  mit  der  Katze  zusammen 
gesehen.  Was  machen  denn  die  beiden.  K.  Unsere  konnen  sich  gut  ver- 
tragen;  manchmal  spielen  sie  zusammen.  Aber  manchmal  hackt  sie  ihn 
auch  mit  den  Krallen.  Dann  beisst  er  sie.  2.  K.  Unser  Hund  liegt  mit 
der  Katze  dicht  zusammen.  Aber  wenn  der  Hund  spielt,  dann  macht  er 
sich  so  fein.  L.  Wie  denn?  K.  Er  macht  dann  solchen  krummen 
Riicken  und  lauft  so  flink,  immer  hin  und  her.  Und  manchmal  springt 


8 toff e  fur  den  Anschauungsunterricht.  283 

er  im  Satz  iiber  die  Katze  riiber.  L.  Seht,  wie  fein  ihr  die  Augen  aufge- 
macht  habt !  Ihr  habt  aber  alles  schon  gesehen.  Da  kann  ich  noch  wohl 
gar  von  euch  lernen.  Nun  mocht  ich  noch  gern  wissen,  ob  ihr  wohl  noch 
sonst  etwas  am  Hunde  gesehen  habt.  Ernst,  hast  du  nicht  mal  zu  deinem 
Bruder  Karl  gesagt :  Du,  Kadel,  kik  eis,  wat  hei  nu  meckt  unwo  datt  lett ! 
Ja,  schmunzelt  der  Ernst.  1.  K.  Ich  hab  gesehen,  dass  er  manchmal  auf 
drei  Beinen  lauft.  2.  K.  Manchmal  kratzt  er  sich  die  Haare,  wenn  ihm 
was  beisst.  „  3.  K.  Wenn  er  unter  der  Ofenbank  liegt  und  schlaft,  dann 
traumt  ihm  was;  dann  winselt  er  ein  bisschen.  4.  K.  Wenn  die  Mutter 
in  der  Kiiche  mit  den  Tellern  klappert,  dann  springt  er  hoch.  Dann  weiss 
er,  dass  es  Mittag  gibt.  5.  K.  Wenn  der  Vater  sich  die  Stiefel  anzieht, 
dann  kommt  unser  Hund  angelauf en  und  springt ;  dann  weiss  er,  dass  der 
Vater  weggeht,  dann  will  er  mit.  6.  K.  Ich  weiss  noch  etwas  anderes : 
Wenn  unser  Hund  geschlafen  hat  und  er  wacht  auf,  dann  macht  er  sich 
ganz  lang  und  reckt  sich  und  reisst  das  Maul  auf  und  macht  die  Zunge 
krumm.  Der  Riicken  wird  ganz  hohl.  7.  K.  Unser  Hund  kann  sich 
hiibsch  machen  und  die  Pfote  geben.  Wenn  wir  einen  Kniippel  wegwer- 
fen,  dann  lauft  er  hin  und  holt  ihn  wieder.  L.  Nun  will  ich  euch  noch 
mal  nachdenken  helfen.  Wer  hat  an  den  Augen  des  Hundes  schon  mal 
was  merkwiirdiges  gesehen,  wenn  er  im  Dunkeln  sitzt.  K.  Ich,  dann 
glanzen  sie  so,  als  wenn  da  ein  Licht  drin  ist.  L.  Gut,  ich  hab  mich  mal 
davor  sehr  gefiirchtet,  als  ich  so  klein  war  wie  ihr  und  als  ich  mit  einmal 
unterm  Bett  zwei  solche  kleinen,  griinen  Lichter  sah.  Aber  nun  denkt 
einmal  an  seine  Haare !  Wisst  ihr  da  noch  was  ?  K.  Die  Haare  gehen 
ihm  manchmal  aus.  Dann  sagt  meine  Mutter :  Du,  lass  den  Hund  gehen, 
er  haart  und  macht  dir  die  Kleider  voll. 

So,  ich  freue  mich  sehr,  wie  klug  ihr  seid.  Und  ich  muss  mich  sehr 
wundern,  wie  gut  ihr  Bescheid  wisst  mit  dem  Hunde.  Er  ist  aber  auch 
ein  guter  Kamerad,  der  die  Kinder  gern  mag  und  gern  ein  bisschen  mit 
ihnen  spielt  und  der  gern  mit  ihnen  spazieren  geht.  Aber  nun  habt  mir 
diesen  guten  Kameraden  auch  recht  lieb  und  neckt  und  stosst  und  schlagt 
ihn  nicht.  Was  meint  ihr,  gefallt  euch  das  wohl,  wenn  euch  immer  einer 
stosst  und  qualt?  Wie  wirst  du  nun  fur  deinen  Hund  recht  sorgen?  K. 
Ich  werde  ihm  ein  schones,  weiches  Nest  machen.  2.  K.  Ich  werde  ihm 
die  Knochen  geben.  'L.  Yergesst  auch  nicht,  dass  er  ofter  Durst  hat. 
L.  Also  noch  einmal:  Ihn  nicht  qualen  und  schlagen!  Der  Hund  ist 
unser  Freund.  Dariiber  werde  ich  euch  nachstens,  wenn  ihr  fleissig  ge- 
wesen  seid,  noch  schone  Geschichten  erzahlen. 

Aufgaben  zur  Wiederholung. 

1.  Was  der  Hund  alles  hat.    a)  am  Kopf,  b)  am  Leibe. 

2.  Wozu  er  das  alles  hat. 

3.  Was  der  Hund  alles  muss. 


284  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

4.  Was  er  noch  alles  kann. 

5.  Wenn  ein  Fremder  kommt. 

6.  Wenn  er  mitkommen  darf. 

7.  Wenn  er  zu  Hause  bleiben  muss. 

8.  Wenn  er  schlaft  und  wenn  er  aufwacht. 

9.  Wenn  er  spielt. 

10.  Wenn  er  bose  1st. 

11.  Wenn  er  Junge  hat. 

12.  Wie  er  mal  recht  klug  gewesen  1st. 

13.  Als  wir  unsern  Hund  bekamen. 

14.  Als  wir  ihn  verkauften. 

15.  Wir  wollen  einen  Hund  malen. 

Seht,  so  den  Hundekopf. 

16.  Wer  denkt  sich  mal  eine  Geschichte  vom  Hunde  aus  und  erzahlt 

sie  mir. 

*         *         * 

Somit  ware  denn  ja  wohl  der  Hund  fur  diese  Stufe  gehorig  ausbeutet 
—  fast  bis  auf  die  Eingeweide  —  wenn  nicht  gar  erschopft.  Und  wieder 
aufs  neue  ist  mir  klar  geworden,  was  doch  ein  Hund  fiir  ein  reiches  Leben 
hat.  Man  vergleiche  all  seine  Kiinste  und  Ausserungen  mit  andern  Tie- 
ren!  Goethe  mag  recht  haben:  Dem  Hunde,  ist  er  gut  gezogen,  wird 
selbst  ein  weiser  Mann  gewogen  —  obwohl  er  sonst,  wie  erzahlt  wird,  keine 
Hunde  leiden  konnte.  Aber  nun  die  Kinder.  Wie  genau  und  scharf  und 
ins  einzelne  gehend  haben  sie  beobachtet !  Und  wie  weicht  die  Scheu  und 
wie  leicht  fliesst  ihnen  das  Wort  vom  Munde,  wenn  auch  in  ihrer  Sprache 
und  Art. 


II.     Die  Katze. 

(Ein  Entwurf.) 

Ein  anderes  Tier  im  Hause  und  auf  dem  Hofe  ist  die  Katze.  Die 
lauf t  da  auch  nicht  zum  Spass  herum ;  denn  auch  sie  hat  ihre  Arbeit.  Aber 
sie  versteht  doch  lange  nicht  so  viel  wie  der  Hund,  obwohl  sie  in  manchen 
Dingen  auch  ganz  geschickt  ist.  Ihre  Arbeit  ist  das  Mausefangen;  denn 
das  Ungeziefer  richtet  manche  Dummheit  an.  Bald  ist  das  Brot  ausge- 
hb'hlt,  dann  ist  die  Wurst  angefressen,  und  da  ist  gar  eine  in  die  Milch- 
schiissel  gefallen  und  ist  da  in  lauter  Siissigkeit  ertrunken.  Da  ist  die 
Mutter  aber  bose  geworden  und  hat  ein  ,,ekliges  Gesicht"  gemacht  und 
hat  schnell  die  Milch  ausgegossen  und  dann  nach  der  Katze  gerufen.  Die 
sollte  endlich  mal  aufraumen  unter  dem  kecken  Gesindel. 

Die  ist  gern  gekommen  und  hat  ganz  still  in  der  warmen  Kiiche  ge- 
sessen,  ganz  dicht  am  Kodhherd ;  denn  sie  mag  gern  sein,  wos  recht  warm 


Stoffe  fur  den  Anschauungsunterricht.  285 

1st.  Da  hat  sie  gesessen  und  war  beinahe  eingeschlaf en ;  die  Augen  f ielen 
ihr  schon  zu,  und  sie  schnurrte  so  ganz  gemiitlich.  Aber  da  mit  einmal 
raschelt  da  etwas  hinterm  Brotspind,  und  gleich  fangt  was  an  zu  knab- 
bern.  Die  Katze  spitzt  die  Ohren,  springt  schnell  herunter,  schleicht  ganz, 
ganz  leise  ans  Spind;  denn  das  versteht  sie  besonders  gut.  Und  nun  sitzt 
sie  ganz  muckmauschenstille,  die  Augen  funkeln.  Da  plotzlich  wippt  die 
naschhafte  Maus  heraus  aus  der  Ecke  und  will  untern  Tisch.  Sieh  da! 
wie  die  Katze  zuspringt,  und  zwischen  ihren  scharfen  Krallen  zappelt  die 
Maus.  Was  nun? 

Die  Katze  frisst  sie  nicht  etwa  gleich  auf.  Nein,  so  dumm  ist  sie 
nicht,  und  Hunger  hat  sie  auch  nicht.  Erst  ein  bisschen  spielen.  Sent, 
wie  krass  sie  mit  der  Maus  im  Maul  aus  der  Kiiche  lauft !  Der  Mause- 
schwanz  hangt  nach  unten.  Und  nun  geht  auf  dem  Hofe  das  Spielen  los. 
Das  habt  ihr  natiirlich  schon  oft  gesehen.  Wie  macht  sies  doch?  Zuerst 
lasst  sie  das  arme  Mauschen  los,  dass  es  freudig  fortlauft  und  denkt: 
Mein  Leben  ist  noch  einmal  gerettet.  Aber  gleich  ist  der  Mausejager  wie- 
der  hinter  her,  und  es  sitzt  schon  wieder  zwischen  den  Krallen.  Nun 
laufts  wieder  und  wieder  wirds  gefangen.  Zuletzt  ist  es  schon  so  miide; 
es  sitzt  zitternd  da  und  mag  und  kann  garnicht  mehr  laufen.  Seht,  wie 
die  grossen  Ohrmuscheln  wehen.  Nun  schiebt  die  grausame  Katze  die 
Maus  mit  der  Pfote  fort,  damit  sie  sie  noch  einmal  fangen  kann;  so 
grossen  Spass  macht  ihr  das  Spielen.  Aber  endlich  ist  es  ihr  auch  leid 
geworden;  ein  tiich tiger  Biss,  und  das  Tierchen  ist  tot.  Nun  wirds  auf- 
gefressen,  mit  dem  Kopf  zuerst,  noch  hangt  der  Schwanz  aus  dem  Maule. 
Horcht,  wie  es  knirscht !  Muss  die  Katze  aber  scharfe  Zahne  haben ! 

Aber  nicht  bloss  im  Hause  hat  die  Katze  zu  tun.  Auch  in  den  Stal- 
len,  in  der  Scheune,  auf  den  Boden  macht  sie  Jagd.  Manchmal  geht  sie 
auch  aufs  Feld  und  sitzt  und  wartet  dort  lange  vor  dem  Mauseloch.  Da- 
bei  kommt  es  garnicht  drauf  an,  auch  mal  ein  andres  Tier  zu  fangen. 
Bekommt  sie  einen  Vogel,  so  nimmt  sie  ihn.  Manche  Leute  wollen  sogar 
gesehen  haben,  wie  sie  die  kleinen  Vogelkinder  aus  dem  Nest  zwischen 
dem  Korn  auffrisst,  und  die  Mutter  dazu.  Doch  das  kann  ich  ihr  gar- 
nicht zutrauen,  solche  Schandtaten.  Aber  wie  sie  mit  einem  ganz  jungen 
Hasen  vom  Felde  gekommen  ist,  das  habe  ich  doch  ofter  als  einmal  ge- 
sehen. Auch  hab  ich  bemerkt,  dass  sie  ofter  einen  Spatzen  wegfing,,der 
vor  der  Scheune  sass  und  sich  Kornlein  suchte.  Ja,  einmal  sah  ich,  wie  sie 
eine  arme,  kleine  Meise,  die  sich  Brosamen  vom  Fensterbrett  holte,  griff 
und  sie  sofort  totbiss.  Da  bin  ich  aber  wirklich  sehr  bose  auf  den  Vogel- 
rauber  gewesen;  denn  da  hort  doch  die  Gemiitlichkeit  auf.  Mause  und 
Eatten  will  ich  ihr  gern  gonnen;  aber  weiter  nichts. 

Gar  zu  gern  mag  sie  auch  siisse  Milch.  Und  wenn  die  Mutter  den 
Milcheimer  nimmt  und  nach  dem  Kuh stall  geht,  um  zu  melken,  dann 


286  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  PddagogiJc. 

passt  sie  ganz  genau  auf .  Dicht  lauft  sie  hinterher  und  dicht  setzt  sie  sich 
an  die  Mutter  und  schnurrt  und  spinnt  und  mochte  am  liebsten  in  den 
Eimer  steigen,  wenn  die  warme  Milch  aus  dem  runden  Euter  ,,strullt". 
Jetzt  steht  die  Mutter  auf,  da  fangt  die  Katze  an  zu  miauen  und  halt  den 
Schwanz  kerzengerade.  Nun  bekommt  sie  ihren  Teller  voll.  Seht,  wie 
zierlich  sie  die  Milch  mit  dem  kleinen,  roten  Zungenlloffel  auslappt. 
Selbst  an  den  Schnurrhaaren  sitzen  kleine  Tropfchen. 

So,  nun  ist  sie  satt.  Nun  schlafen,  irgendwo  in  der  Sonne,  wos  recht 
warm  ist.  Doch  nein,  erst  putzen  und  waschen.  Sie  setzt  sich  aufs  Fen- 
sterbrett  und  dann  gehts  los.  Wie  macht  sies  nun?  Zuerst  leckt  sie  sich 
die  Vorderpfote,  dann  streicht  sie  sich  damit  libers  Gesicht,  iiber  die 
Augen;  dann  macht  sie  mit  der  Zunge  wie  mit  einem  Kamm  die  Haare 
auf  dem  Eiicken  rein  und  fein.  Und  manch  ein  Schmutzfink  unter  euch 
kann  von  dem  reinlichen  Waschkatzchen  lernen.  Ist  sie  satt,  dann  schla- 
fen: zusammengerollt  oder  langgestreckt ;  manchmal  viele  Stunden  hin- 
tereinander.  Dann  lasst  sie  Maus  Maus  sein ;  auch  wenn  die  Mause  rings- 
um  im  Stroh  rascheln.  Sie  schlaft.  Da  hah  ich  schon  oft  gedacht:  Na, 
du  bist  mir  auch  ein  schoner  Mausejager !  Schamst  du  dich  nicht  ?  Aber 
vielleicht  ist  sie  ja  in  der  Nacht  so  ,,arg  wiist"  hinterher  gewesen,  wahrend 
wir  schliefen. 

'Manchmal  schlaft  sie  nicht  so  fest.  Dann  richtet  sie  sich  von  Zeit  zu 
Zeit  auf,  macht  einen  hohen  Buckel,  reckt  sich  und  streckt  sich,  reisst  das 
Maulchen  weit  auf,  macht  sich  wieder  dicht  zusammen ;  die  runden  Augen 
werden  wieder  ganz  eng  und  schmal,  so  dass  es  aussieht,  als  habe  einer 
mit  einem  scharfen  Taschenmesser  zwei  Knopflocher  in  das  weiche 
Katzenfell  geschnitten.  Nun  schlaft  sie  wieder.  Aber  manchmal  kommt 
auch  der  Storenfried,  der  Hund.  Der  springt  auf  sie  los  und  treibt.sie 
weg.  Seht,  wie  sie  lauft  und  springt,  mit  langen  Satzen.  Nun  klettert 
sie  auf  den  Apfelbaum;  aber  nicht  allzuhoch.  Da  sitzt  sie  nun  und  sieht 
den  Hund  scharf  an  und  lasst  ihn  bellen,  bis  er  immer  argerlicher  wird; 
sie  riihrt  sich  nicht.  Aber  nicht  immer  lauft  sie  weg.  Wenn  sie  grade 
mutig  ist,  dann  reicht  sie  dem  Hund  mit  ihrer  Pfote  ein  paar  rechts  und 
links,  dass  die  Blutstropfen  an  der  Nase  sitzen.  Da  ist  ihm  die  Lust 
vergangen.  Aber  zuweilen  spielen  sie  auch  miteinander,  und  das  sieht 
sehr  drollig  aus.  Sie  kb'nnen  ihre  Leiber  dann  wunderhiibsch  bewegen. 

Aber  immer  betragt  sie  sich  auch  nicht  so,  wies  recht  ist.  Ihr  wisst, 
warum  man  sie  Naschkatze  nennt  und  wie  sie  gleich  auf  dem  Tisch  sitzt, 
wenn  mal  die  Tiir  often  steht  und  niemand  drin  ist.  Und  die  Katzen- 
musik  am  Abend  habt  ihr  auch  wohl  schon  gehb'rt.  Aber  wenn  Kinder 
gut  zu  ihr  sind,  das  mag  sie  doch  sehr  gern;  dann  schnurrt  sie  wie  ein 
Spinnrad  und  buckelt  sich  und  macht  den  Schwanz  steil.  Tut  ihr  kein 
Unrecht. 


Eduard  Mortice.  287 

Aufgaben. 

1.  Was  die  Katze  alles  hat. 

2.  Was  sie  damit  alles  kann. 

3.  Wenn  sie  Mause  fangen  will. 

4.  Wie  sie'spielt. 

5.  WTie  sie  mit  dem  Hunde  zankt. 

6.  Wie  sie  sich  putzt. 

7.  Warum  sie  fein  und  rein  aussieht. 

Auch  dieser  Stoff  ist  durch  die  Arbeit  der  Kinder  zusammengetra- 
gen  und  vom  Lehrer  geordnet  und  dargestellt  worden. 


Eduard  Morike. 


It  is  strange  that  the  German  lyric  poet  whom  a  good  many  Germans 
would  honor  next  to  Goethe  is  so  little  accessible  to  American  students. 
But  if  an  edition  of  Goethe's  poems,  or  those  of  Heine,  who  is  popular 
in  this  country,  will  not  pay,  as  publishers  have  assured  me,  it  might  safely 
be  assumed  that  an  edition  of  Morike's  lyrics  would  meet  the  same  fate.  So 
much  the  greater  pity  since  there  is  practically  no  (rfhex,  way  of  approaching 
Morike  than  through  his  lyrics — if  one  excepts  the  wBtstory  Mozart  auf  der 
Reise  nach  Prag,  which  has  been  published  in  an  American  edition.  Our 
students  know  Goethe  in  Hermann  und  Dorothea,  Faust  and  in  a  number  of 
dramas,  Heine  they  know  in  the  Harzreise,  and  they  know  both  of  these  writers 
in  numerous  lyric  poems  that  have  been  taken  into  current  collections  of 
German  verse.  In  the  same  way  they  become  acquainted  with  Uhland.  But 
Morike  is  unfortunately  excluded.  It  may  occasion  less  surprise  that  none  of 
his  poems  are  to  be  found  in  Klenze's  Deutsche  Gedichte  compiled  before  1895, 
than  that  only  one  is  to  be  found  in  Hatfield's  German  Lyrics  and  Ballads, 
which  came  out  in  1906.  For  there  is  no  doubt  that  in  these  ten  years  Morike's 
fame  grew  rapidly  and  steadily.  In  1905,  when  he  had  been  dead  thirty  years, 
and  his  works  became  free  to  all  publishers,  an  edition  that  had  cost  $5.00  in 
one  weekjcould  be  bought  in  the  next  for  $1.50.  In  the  36th  edition  of  Echter- 
meyer's  Auswahl  Deutscher  Gedichte  (Halle  1907)  Morike  has  found  honorable 
recognition,  there  being  taken  from  him  beside  gems  like  Das  verlassene  Magd- 
lein,  Um  Mitternacht  and  Denk'  es  o  Seele,  the  longer  and  much  beloved  Der 
alte  Turmhahn. 

Accustomed  to  think  of  Heine  as  indisputably  the  first  lyric  poet  of  the 
19th  century  in  Germany,  I  was  surprised  to  hear  Professor  Witkowski  say  in 
a  lecture  some  years  ago  that  Morike  was  the  poet  whom  he  would  like  to 
place  next  to  Goethe.  By  this  he  may  have  meant  either  in  general  significance 
or  in  similarity  of  nature,  which  of  course  may  be  entirely  different  things. 
He  perhaps  meant  the  latter,  as  it  is  certainly  true,  and  the  former  statement 
would  imply  an  idle  comparison.  Morike's  friends  began  early  to  compare  him 
with  Goethe.  Hermann  Kurz  laughingly  threatened  to  accuse  him  of  having 
found  a  number  of  Goethe's  lost  lyrics  and  published  them  under  his  own  name. 
There  are  not  many  men  that  could  find  such  poems  as  Goethe  would  be  likely 
to  lose,  no  doubt.  In  his  monograph  Morike  und  Goethe  Ilgenstein  begins  with 
these  words:  ,,Liest  man  in  den  einschlagigen  literarhistorischen  Werken  die 


288  Monatshefte  filr  deutsche  Sprache  und  PddagogiJc. 

oft  sehr  karg  bemessenen  Stellen  tiber  den  Schwaben  Eduard  Morike  nach,  so 
wird  fast  liberal  1  in  kurzer,  aber  beinahe  iibereinstimmender  Weise  auf  eine 
Verwandtschaft  dieses  Dichters  mit  Goethe  hiugewiesen."  So  Harry  Maync, 
the  best  biographer  of  Morike,  declares  the  relation  between  him  and  Goethe 
to  be  of  the  most  intimate  nature,  not  a  matter  of  parallel  passages  and  hindred 
motives.  Adolf  Bartels  in  his  lampoon  on  Heine,  which  he  has  strangely  called 
a  DenJcmal,  thinks  the  place  next  to  Goethe  has  been  finally  assumed  by  Morike 
(page  281).  Many  have  applied  directly  or  indirectly  to  the  Swabian  poet  the 
well  known  words  in  Dichtung  und  WaJirhcit :  ,,Die  wahre  Poesie  kiindet  sich 
dadurch  an,  dass  sie  als  ein  weltliches  Evangelium  durch  innere  Heiterkeit, 
durch  ausseres  Behagen,  uns  von  den  irdischen  Lasten  zu  befreien  weiss,  die 
auf  uns  driicken."  And  indeed  they  are  eminently  true  of  Morike — heiter  was 
a  favorite  word  with  Goethe,  as  it  represents  an  essential  trait  of  his  nature ; 
it  may  be  affirmed  likewise  of  Morike.  Lack  of  declamation,  cheerfulness, 
chiseled  certainty  of  expression,  clearness  of  imagery  are  as  characteristic  of 
him  as  of  Goethe.  A  glimpse  into  his  life  shows  him  to  be,  as  an  eminent 
painter  remarked,  poet  all  day  long,  and  not  merely  at  his  desk. 

It  is  true,  Morike  is  very  German,  yes  even  Swabian,  and  this  may  seem 
to  hinder  bis  entrance  among  us,  though  it  should  not  if  we  wish  to  understand 
German  culture.  Moreover  he  is  surely  universal,  as  all  poetry  is  universal  if 
it  is  poetry  at  all.  If  we  are  to  give  our  students  only  what  "appeals"  to  them 
we  are  defeating  our  chief  aim.  If  an  edition  of  Morike  "won't  sell,"  or  even 
of  Goethe  and  Heine,  it  is  time  to  ask  whether  we  are  not  neglecting  that  most 
German  of  all  forms  of  German  poetry — the  lyric.  Nor  can  the  publishers  be 
blamed.  They  must  publish  what  they  can  sell,  a  principle  to  which  no  one 
objects  as  long  as  the  right  motive  be  openly  assigned,  namely  bread  and  meat. 
For  this  must  be  assigned — and  it  is  all  right — not  any  great  enthusiasm  for 
the  promotion  of  Germanics  in  America.  This  is  not  their  business.  But  it  is 
the  business  of  teachers  in  high  school  and  college.  Morike  can  be  made 
"interesting,"  as  those  who  have  conscientiously  tried  will  attest.  Back  of 
worit  sell  is  always  won't  buy,  and  it  is  for  those  who  won't  buy  to  think  of 
their  reasons  for  refusing.  The  question  has  to  do  with  others  than  Morike — 
it  concerns  Hebbel  and  Grillparzer  and  all  the  rest.  Fortunately  German  edi- 
tions, Reclam  for  example,  are  open  to  those  of  us  whose  needs  are  not  met 
fully  by  the  American  texts. 

Certainly,  if  a  Morike  edition  is  still  out  of  the  question  we  might  expect 
more  of  his  poems  to  be  taken  into  some  good  selection  of  German  lyrics. 

Lynchburg,  Va.,  May  23,  1908.  T.  M.  Campbell. 


Berichte  und  Notizen. 


I.     Korrespondenzen. 


Milwaukee.  von  Ferullos  Musikkapelle  sowie  denje- 

nigen  des  hiesigen  Mannerchors  zu  lau- 

Dank  den  Bemuhungen  des  Staatsver-  gcnen  Den  Qlanzpunkt  des  Abends  bil- 
bandes  des  D.-A.  N.  B.  wurde  die  dete  jedoch  die  gehaltvolle,  sinnreiche 
Feier  des  Deutschen  Tages  umi  wohldurchdachte  Festrede  des  Hrn. 
hierselbst  festlich  vollzogen.  Ein  zahl-  prof.  A.  R.  Hohlfeld  von  der  Staatsuni- 
reiches  Publikum  hatte  sich  eingefun-  versitat.  Die  folgenden  Punkte  wurden 
den,  um  den  mustergtiltigen  Vortragen  vom  Redner  besonders  hervorgehoben. 


Korrespondenzen. 


289 


(Der  hier  folgende  Abschnitt  ist  wegge- 
lassen,  da  die  Umschau  dieses  Heftes, 
die  bereits  im  Satz  war,  als  wir  diesen 
Bericht  erhielten,  gleichfalls  die  Grund- 
gedanken  von  Prof.  Hohlfelds  ernstem 
Appell  an  das  Deutschamerikanertum 
wiedergibt.  D.  E.) 

Der  zweite  Redner  des  Abends,  Staats- 
senator  Fairchild,  schilderte  in  meister- 
hafter  Weise  den  wichtigen  Einfluss, 
welchen  das  deutsche  Element  auf  die 
sozialpolitische  Entwickelung  des  Lan- 
des  stets  ausgeiibt  habe  und  noch  jetzt 
ausiibe.  Beide  Reden  wurden  mit  gro- 
ssem  Beifall  aufgenommen,  und  die  An- 
wesenden  verliessen  die  Halle  mit  dem 
Gefiihl,  einer  gediegenen,  echt  deutschen 
Feier  beigewohnt  zu  haben. 

Die  erste  diesjahrige  Versammlung 
des  Milwaukeer  Verbandes  deut- 
s  ch  e  r  L  e  h  r  e  r  fand  am  28.  September 
statt.  Die  Sitzung  wurde  von  dem 
Supt.  des  deutschen  Unterrichts,  Herrn 
Leo  'Stern,  eroffnet.  In  einem  kurzen 
Ruckblick  auf  die  vorjahrige  Tatigkeit 
wurde  besonders  des  erfolgreich  verlau- 
fenen  deutschen  Lehrertages  Erwahnung 
getan.  Der  erzielte  uberschuss  wurd'e 
der  Kasse  des  Deutschen  Lehrervereins 
iiberwiesen.  Weiter  erorterte  Herr  Stern 
die  Stellung  des  deutschen  Unterrichts 
an  unseren  offentlichen  Schulen.  Die- 
selbe  sei  'eine  befestigtere  als  je  zuvor. 
Um  aber  dem  deutschen  Unterricht  stets 
weitere  Grenzen  und  eine  grossere  Be- 
deutung  zu  verschaffen,  miisse  jeder  ein- 
zelne  Lehrer  ziel-  und  selbstbewusst 
wirken  und  auftreten  und  alien  etwai- 
gen  Versuchen,  die  dem  deutschen  Un- 
terricht zugemessene  Zeit  zu  beschran- 
ken,  energisch  die  Front  bieten.  Recht 
so!  Aufrecht  gehe  der  Mensch,  denn 
das  allein  unterscheidet  ihn  etc,  und  das 
Kriechen  hat  von  jeher  Tyrannen  ge- 
schaffen.  Nach  Verlesung  des  Jahresbe- 
richtes  wurde  der  folgende  neue  Vor- 
stand  erwahlt:  Pras.,  Chas.  M.  Purin; 
Vizepras.,  Frau  Emma  Dapprich;  prot. 
Sekretar,  Henry  Lienhard,  und  korresp. 
Sekretarin  und  Schatzmeisterin,  Frl. 
Ella  Schroeder. 

Unser  eifriger  und  tatkraftiger  Supt. 
des  Deutschen,  Herr  Stern,  wird  auch  in 
diesem  Schuljahr  einen  Vortrags- 
kursus  fiir  Lehrer  abhalten,  und 
zwar  wird  derselbe  auf  die  neuere  deut- 
sche Literatur  Bezug  haben.  Es  wird 
von  den  Teilnehmern  Arbeit  erwartet, 
wie  sie  etwa  in  den  Seminarklassen  der 
Universitaten  ttblich  ist. 

Der  Bericht  des  Komitees  fiir  Regeln, 
wonach  eine  15  bis  20  Prozent  betra- 
gende  Erhohung  der  Gehalter 
der  Lehrer,  Prinzipale,  Supervisoren  und 


Hilfssuperintendenten  erfolgen  soil,  ist 
bis  zur  nachsten  Sitzung  des  Schulrats 
zuruckgelegt  worden.  Hoffentlich  er- 
weist  sich  die  geplante  Erhohung  nicht 
als  ein  Lehrerwahn. 

Wie  es  amtlicherseits  verlautet,  ist 
die  diesjahrige  Teilnahme  an  dem 
deutschen  Unterricht  in  den  of- 
fentlichen Schulen  eine  ausserst  rege; 
dieselbe  betragt  in  den  Graden  I  bis  VIII 
iiber  90  Prozent,  in  den  Hochschulen  'et- 
wa 55  Proz.  der  Gesamtzahl  der  Schul- 
kinder. 

Mit  elf  gegen  zwei  Stimmen  wurde  die 
Empfehlung  des  Komitees  fiir  Priifun- 
gen  und  Ernennungen,  den  acht  von  der 
Nat.  Civic  Federation  ausgewahlten  Leh- 
rern  der  Milwaukeer  Schulen,  zwecks  ei- 
ner Studienreise  nach  Europa  einen  mo- 
riatlichen  Urlaub  bei  vollem  Ge- 
halt  zu  erteilen,  von  unserem  Schulrat 
gutgeheissen. 

Unter  den  fiir  die  Wintersaison  von 
der  Schulverwaltung  veranstaltet'en 
freien  Vorlesungen  sind  be- 
sonders zu  erwahnen: 

Eine  Serie  von  6  Vortragen  iiber  an- 
steckende  Krankheiten,  ihre  Ursachen 
und  Verhiitungsmittel,  von  Prof.  W.  D. 
Frost,  Madison. 

Gleiche  Anzahl  von  Vortragen  iiber 
Wetterkunde  gibt  W.  C.  Devereux  von 
der  hiesigen  meteorologischen  Station. 

Prof.  S.  W.  Gilman,  Madison,  spricht 
an  sechs  Abenden  iiber  Buchf iihrung  und 
Probleme  im  Handelsleben. 

In  der  am  12.  Okt.  abgehaltenen  Ver- 
sammlung der  Hochschullehrer  empfahl 
unser  Supt.  Herr  Pearse  die  E  i  n  f  ii  h  - 
rung  einer  Nachhilfestunde, 
in  der  die  minderbegabten  Schiiler  ihre 
Lehrer  um  Rat  und  Beistand  angehen 
konnten.  Es  wurde  ferner  erwahnt,  dass 
die  Gesamtzahl  der  Schiiler  in  den  Hoch- 
schulen in  den  letzten  vier  Jahren  eine 
Zunahme  von  50  Prozent  zu  verzeichnen 
habe. 

Die  sogenannten  Fraternities 
und  Sororites  der  hiesigen  Hoch- 
schiiler  haben  unserem  Schulrat  schon 
viel  Schweiss  und  manche  kummervolle 
Stunde  bereitet.  Ob  die  Herren  Direk- 
toren  es  wirklich  wagen  werden,  die 
Schiilervereine  abzuschaffen  und  somit 
dem  Unwesen  ein  Ende  zu  machen,  steht 
zu  bezweifeln.  (Laut  Beschluss  der 
Schulbehorde  vom  3.  Nov.  sind  alle  ge- 
heimen  Schiilervereinigungen  von  diesem 
Tage  an  aufgehoben.  D.  R.) 

Der  Unterri cht  an  denAbend- 
s  ch  u  1  e  n  ist  seit  dem  20.  Oktober  in 
vollem  Gange.  Schon  am  ersten  Abend 
hatten  sich  2221  Schiiler  gemeldet.  Die- 
selben  verteilen  sich  wie  folgt:  Elemen- 


290 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


tarschulen    1520,    Kochschulen   483     und 
Hochschulen  218. 

Auf  Anregung  des  Prof.  Hohlfeld  von 
der  Staatsuniversitat  wurde  am  23.  Okt. 
hierselbst  eine  neue  Vereinigung  ins  Le- 
ben  geruf en  —  die  deutsche  lite- 
rarischeGes'ellschaft.  Etwa 
zwanzig  Personen  —  Lehrer,  Schauspie- 
ler,  Kaufleute,  darunter  auch  eine  An- 
zahl  Damen,  haben  sich  am  ersten  Abend 
zur  Mitgliedschaft  gemeldet.  Das  fiir 
die  nachste  Zusaminenkunft  festgesetzte 
Programm  bringt  eine  kurze  Bespre- 
chung  von  Otto  Ludwigs  ,,Heiteretei" 
von  Dr.  Baer  und  einen  Vortrag  von 
Herrn  Karl  Schauermann  iiber  den  Ly- 
riker  Gustav  Falke.  Wir  wiinschen  dem 
zeitgemassen  Unternehmen  den  besten 
Erfolg.  C.  M.  P. 

Newark,  N.  J. 

Dr.  Wilhelm  Julius  Eckoff.f 
Rasch  tritt  der  Tod  den  Menschen  an. 
Diese  alte  Wahrheit  mussten  kiirzlich 
die  Freunde  und  Kollegen  von  Dr.  Wil- 
heim  Julius  EckoflF  wieder  auf  neue  er- 
fahren,  als  sie  die  Kunde  von  dessen 
plotzlichem  Dahinscheiden  vernahmen. 
Am  Freitag,  den  25.  September,  versah 
er  sein  Amt  als  Prinzipal  der  Oliver  St. 
ofFentlichen  Schule  noch  wie  gewohnlich, 
ohne  dass  er  iiber  irgend  welches  Un- 
wohlsein  geklagt  hatte.  Am  Abend  stell- 
ten  sich  innerliche  Schmerzen  bei  ihm 
ein,  und  schon  am  Sonnabend  Vormittag 
musste  er  sich  wegen  Blinddarmentziin- 
dung  im  deutschen  Hospitale  einer  Ope- 
ration unterwerfen.  Die  Operation  selbst 
nahm  zwar  einen  giinstigen  Verlauf, 
aber  am  nachsten  Tage  stellten  sich  be- 
denkliche  Symptome  ein.  Der  Patient 
wurde  zusehends  schwacher  und  erlag 
am  Dienstagmorgen  dem  Allbezwinger 
Tod. 

Der  Verstorbene  war,  obwohl  kinder  - 
los,  gliicklich  verheiratet.  Er  vermahlte 
sich  im  Jahre  1892  mit  Miss  Alice  M. 
Lockwood,  Lehrerin  an  der  Hochschule 
in  Jersey  City  und  Tochter  eines  Metho- 
disten-Geistlichen. 

Dr.  Eckoff  wurde  im  Jahre  1853  in 
Hamburg  geboren.  Im  dortigen  Semi- 
nare  bildete  er  sich  zum  Elementarleh- 
rer  aus  und  kam  etwa  urns  Jahr  1875 
nach  Amerika.  Nachdem  er  einige  Zeit 
an  dem  Sachs'schen  Institut  in  New 
York  und  an  der  Hobokener  Akademie 
unterrichtet  hatte,  erhielt  er  1877  An- 
stellung  an  der  hiesigen  d.  e.  Greenstr.- 
Schule.  Im  Herbst  1880  tibernahm  er 
die  offentliche  Schule  in  Woodridge  bei 
Carlstadt,  N.  J.  Dort  blieb  er  nur  'ein 
Jahr,  um  dann  nach  New  York  iiberzu- 
siedeln,  wo  er  sehr  lohnende  Beschafti- 


gung  als  Privatlehrer  fand  und  nebenbei 
literarisch  tatig  war.  Im  Jahre  1883 
folgte  er  einem  Rufe  der  Regierung  der 
Republik  Nicaragua,  um  dort  die  Lei- 
tung  und  Reorganisation  des  gesamten 
Schulwesens  zu  iibernehmen.  Nach  Jah- 
resfrist  kehrte  er  jedoch  nach  den  Ver- 
einigten  Staaten  zuriick  und  erhielt  An- 
stellung  als  Lehrer  fiir  den  deutschen 
Unterricht  an  der  Hochschule  in  Jersey 
City.  Hier  widmete  er  sich  neben  sei- 
ner Schularbeit  padagogischen  und  phi- 
losophischen  Studien  und  erwarb  sich 
1891  von  der  Universitat  von  New  York 
die  padagogische,  und  etwas  spater  von 
der  Columbia  Universitat  die  philoso- 
phische  Doktorwiirde.  Im  Jahre  1893 
iibernahm  Dr.  Eckoff  eine  Professur  fiir 
Philosophic  in  Colorado  und  1894  eine 
solche  fiir  Padagogik  in  Illinois.  Doch 
zog  es  seine  Frau  wieder  nach  dem 
Osten.  Er  griindete  1895  in  Suffern,  N. 
Y.,  ein  Privatinstitut,  die  sogenannte 
Herbart  Preparatory  School.  Da  das 
,von  ihm  gemietete  Schulgebiiude  im 
Jahre  1902  in  andern  Besitz  iiberging, 
verlegte  er  sein  Institut  unter  dem  Na- 
men  Woodcliff  School  nach  'South  Or- 
ange bei  Newark,  N.  J.  Die  Schiiler- 
zahl  war  nicht  gross.  Er  erhielt  aber 
von  den  Pensionaren,  den  Sohnen  sehr 
vermogender  Eltern,  ansehnliches  Schul- 
und  Kostgeld,  so  dass  er  sich  finanziell 
sehr  gut  stand.  Wegen  Herzleidens  sei- 
ner Frau,  der  die  Fiihrung  des  Haushal- 
tes  oblag,  gab  er  1905  die  Schule  auf 
und  iibernahm  eine  Prinzipalstelle  in 
Newark,  und  zwar  an  der  Siid-16.  Str. 
Ein  Jahr  spater  wurde  er  als  Prinzipal 
an  die  Oliver  St.  Schule  versetzt.  Er-ver- 
waltete  sein  Amt  mit  der  grossten  Ge- 
wissenhaftigkeit  und  viel  Geschick. 

Dr.  Eckoff  beteiligte  sich  wahrend  sei- 
nes friiheren  Aufenthaltes  in  Newark 
mit  Begeisterung  an  den  Bestrebungen 
des  Nat.  D.  A.  Lehrerbundes ;  er  war 
President  des  11.  Lehrertages  in  New- 
ark im  Jahre  1880  und  fleissiger  Mitar- 
beiter  der  ,,Erziehungsblatter".  Zur  Zeit 
seines  Wirkens  in  Jersey  City  war  er 
ein  eifriges  Mitglied  des  ,,Vereins  der 
deutschen  Lehrer  Newarks  und  der  Um- 
gegend".  Er  hielt  wiederholt  gediegene 
Vortrage  und  beteiligte  sich  stets  leb- 
haft  an  den  Debatten.  Im  Jahre  1903 
schloss  er  sich  dem  Vereine,  der  jetzt 
den  Namen  ,,Verein  deutscher  Lehrer 
New  Yorks  und  der  Umgegend"  fiihrt, 
zum  zweiten  Male  an.  Doch  schickte  'er 
vor  2^2  Jahren  seine  Resignation  ein, 
da,  wie  er  sagte,  seine  Zeit  anderweitig 
zu  sehr  in  Anspruch  genommen  sei. 

Der  Verstorbene  war  ein  Mann  von 
beneidenswerten  Geistesgaben  und  be- 


Korrespondenzen. 


291 


sass  ein  ausserordentlich.es  Lchrge- 
schick.  Er  hatte  ein  fabelliaftcs  Ge- 
dachtnis  und  eine  seltene  Rednergabe. 
Er  sprach  fliessend,  und  wenn  er  sich  an 
Debatten  beteiligte,  so  nahmen  seine 
Ausfiihrungen  gewohnlich  die  Gestalt 
eines  zweiten  Vortrages  an.  Die  Besu- 
cher  des  26.  Lehrertages  in  Buffalo  im 
Jahre  1896  werden  sich  noch  erinnern, 
wie  Dr.  Eckoff  bei  der  Debatte  iiber  den 
Vortrag  des  jetzigen  Seminardirektors 
Herrn  Max  Griebsch  ,,Die  Gegner  des 
Herbartschen  Erziehungs-  und  Unter- 
richtssystems"  sich  mit  dem  Vortragen- 
den  vollstandig  einverstanden  erklarte 
und  im  Anschluss  an  diese  Erklarung 
aus  dem  Stegreif  einen  brillanten  Vor- 
trag hielt,  worin  er  seiner  Begeisterung 
f  iir  die  Herbartsche  Philosophic  und  Pa- 
dagogik  Ausdruck  verlieh. 

Fur  fremde  Sprachen  besass  Dr.  Eck- 
off besonderes  Talent  und  grossen  Eifer. 
Die  englische  Sprache  beherrschte  er 
nach  kurzem  Hiersein  in  hohem  Grade. 
Infolge  seiner  Berufung  nach  Nicara- 
gua studierte  er  eifrig  Spanisch  und 
lernte  es  in  kurzer  Zeit.  Lateinische  und 
griechische  Schriftsteller  studierte  er  im 
Originaltext.  Er  las  franzosische,  itali- 
enische,  hebraische  und  hollandische 
Werke.  Den  Landaufenthalt  wahrend 
seiner  Ferien  benutzte  er  gewohnlich  da- 
zu,  um  ungestort  zu  studieren.  Bei  sei- 
nem  letzten  Ferienaufenthalte  in  Hali- 
fax begann  er  ein  Buch  iiber  die  Philo- 
sophic des  Aristoteles  zu  schreiben.  Er 
wollte  es  zuhause  vollenden,  aber  der 
jiihe  Tod  machte  leider  einen  Strich 
durch  die  Rechnung. 

Dr.  Eckoff  war  ein  durchaus  ehren- 
werter  Charakter.  Wer  ihn  in  Ruhe 
liess,  den  liess  er  auch  in  Ruh.  Er  zeigte 
sich  zuweilen  als  Sonderling,  besonders 
wenn  seine  hochgewabhsene  Gestalt  er- 
hobenen  Hauptes,  die  Augen  in  unbe- 
stimmte  Feme  gerichtet,  niemanden  be- 
achtend,  wie  ein  Autokrat  durch  die 
•Strassen  schritt.  Manchmal  schien  er 
ganz  unzuganglich,  mitunter  aber  war 
er  der  unterhaltendste  Mensch  von  der 
Welt,  vornehmlich,  wenn  er  mit  alten 
vertrauten  Bekannten  in  Beruhrung 
kam.  Dann  riss  der  Faden  der  Unter- 
haltung  nie  ab.  Er  war  ein  scharfer  Be- 
obachter  und  wusste  die  Personen,  mit 
denen  er  in  Beruhrung  kam,  nach  kur- 
zer Zeit  richtig  abzuschatzen. 

Am  Donnerstag,  den  24.  September, 
besuchte  er  den  Einsender  dieses  Nekro- 
loges  zum  letzten  Male.  Es  war  einen 
Tag  vor  dem  Auftreten  der  todbringen- 
den  Krankheit.  Die  Unterhaltung  mit 
ihm  von  nachmittags  4  Uhr  bis  abends 
9  Uhr  war  mir  ein  Genuss  wie  immer. 


Er  erfreute  sich  der  besten  Gesundheit. 
Da,  am  Dienstag,  ohne  dass  ich  von  der 
Krankheit  erfahren,  brachte  die  Nach- 
mittagszeitung  die  Nachricht  von  sei- 
nem  Tode! 

Die  sehr  einfache  Leichenfeier  fand 
am  nachsten  <Donnerstagnachmittag  2 
Uhr  im  Trauerhause  statt.  Unmittel- 
bar  darauf  wurden  die  sterblichen  tiber- 
reste  des  Dahingeschiedenen  nach  dem 
Roseland  Friedhofe  ubergefiihrt,  um 
dort  im  Krematorium  in  Asche  verwan- 
delt  zu  werden.  H.  G. 

New  York. 

Die  Versammlung  des  Ver- 
eins  deutscher  Lehrer  von 
New  York  und  Umgegend  am 3. 
Oktober  in  den  Raumen  des  Deutschen 
Pressklubs  war  gut  besucht.  Die  Erle- 
digung  der  Vereinsgeschafte  nahm  den 
grosseren  Teil  der  Zeit  in  Anspruch. 
Neu  aufgenommen  wurden  die  Herren: 
Dr.  M.  Grossmann,  Plainfield,  N.  J.; 
Theodor  Stefani,  Kurt  E.  Richter  und 
Paul  Kammerling,  New  York;  J.Frahm, 
Newark,  N.  J.,  und  Otto  Hoch,  Carl- 
stadt,  N.  J. 

Samtliche  Beamten  des  Vereins  hat- 
ten  im  vergangenen  Jahre  ihres  Amtes 
so  trefflich  gewaltet,  dass  sie  auf  allge- 
meinen  AVunsch  wiedergewahlt  wurden, 
und  zwar  Herr  Dr.  Tombo  als  Vorsitzen- 
der,  Herr  Hugo  Geppert  als  Vizeprasi- 
dent,  Dr.  Alois  Hoelper  als  Sekretar  und 
Dr.  Hahner  als  Berichterstatter.  Herrn 
Dr.  Tombo  1st  der  Verein  fur  die  Wei- 
terfiihrung  seines  Amtes  zu  besonderem 
Danke  verpflichtet.  Nur  seinem  unei- 
genniitzigem  Interesse  am  Wohle  des 
Vereins  ist  'es  zuzuschreiben,  dass  er  eine 
Wiederwahl  nicht  energisch  ablehnte. 
Trotzdem  sein  Gesundheitszustand  oft 
vieles  zu  wiinschen  ubrig  liess  und  er 
anderweitig  mit  Geschaften  uberhauft 
war,  fand  er  doch  immer  Zeit,  die  Ver- 
einssitzungen  in  meisterhaf ter  Weise  zu 
leiten  und  tuchtige  Krafte  fiir  die  Vor- 
trage  zu  gewinnen.  Sein  ruhiges  We- 
sen,  sein  feiner  Takt  und  seine  ausge- 
dehnte  Erfahrung  auf  dem  Gebiete  der 
Padagogik  werden  dem  Verein  auch  im 
neuen  Jahre  sehr  gut  zustatten  kom- 
meu. 

Dem  vor  kurzem  verstorbenen  fruhe- 
ren  Mitgliede  des  Vereins,  Herrn  Dr. 
Eckoff  von  Newark,  widmeten  die  Her- 
ren Von  der  Heide,  Hugo  Geppert  und 
Dr.  Monteser  warme  Worte  der  Aner- 
kennung  seiner  Verdienste.  Alle  Anwe- 
senden  erhoben  sich  zum  ehrenden  An- 
denken  an  den  Verstorbenen  von  ihren 
Sitzen. 


292 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


Darauf  erstattete  Dr.  Hoelper  kurzen 
Bericht  iiber  die  Verhandlungen  desLeh- 
rertages  und  sprach  sich  hochst  aner- 
kennend  iiber  den  gelungenen  Verlauf 
desselben  und  speziell  iiber  die  gedie- 
gene  Gastfreundschaft  der  Stadt  Mil- 
waukee aus. 

Die  Nachricht,  dass  der  Lehrerbund 
ira  kommenden  Sommer  in  New  York 
tagen  werde,  wurde  mit  ungemischter 
Freude  begriisst.  Sofort  schritt  man 


zur  Ernennung  eines  Komitees,  dessen 
Aufgabe  es  sein  wird,  einen  angemesse- 
nen  Festplan  zu  entwerfen  und  die  iibri- 
gen  deutschen  Vereine  der  Stadt  zur 
Teilnahme  an  der  Feier  heranzuziehen. 
Die  Herren  des  Komitees  werden  es  sich 
angelegen  sein  lassen,  dass  den  Teilneh- 
mern  am  nachsten  Lehrertage  das  Best- 
mogliche  in  jeder  Hinsicht  geboten 
werde.  L.  H. 


II.     Umschau. 


Die  Feier  des  deutschen  T  a  - 
g  e  s.  Auch  in  diesem  Jahre  ist  der  deut- 
sche Tag  iiberall  in  den  VereinigtenStaa- 
ten,  wo  Deutsche  wohnen,  in  festlicher 
Weise  begangen  worden.  Besonders  fei- 
frlich  war  wohl  der  Tag  in  Germantown 
selbst,  wie  wir  aus  einem  langeren  Be- 
richt der  New  Yorker  Staatszeitung  ent- 
nehmen.  Gelegentlich  der  zweihundert- 
undfiinfundzwanzigsten  Wiederkehr  des 
Tages  der  Landung  von  Franz  Daniel 
Pastorius  wurde  in  Germantown,  der  er- 
sten  deutschen  Pflanzstatte  auf  ameri- 
kanischem  Boden,  der  Grundstein  zu  ei- 
nem Pastoriusdenkmal  gelegt.  Ferner 
wird  zur  Erinnerung  an  den  Tag  der 
Grundsteinlegung  ein  Buch  mit  dem  Ti- 
tel:  „  Buch  der  Deutschen"  herausgege- 
ben.  Aus  der  ganzen  Union  waren  Ver- 
treter  erschienen.  Die  Redner  des  Ta- 
ges waren  Pastor  von  Bosse,  der  deut- 
sche Geschaftstrager  Graf  Hatzfeld- 
Wildenburg,  der  den  Gruss  des  Kaisers 
tiberbrachte,  Dr.  C.  J.  Hexamer,  Prasi- 
dent  des  Deutschamerikanischen  Natio- 
nalbundes,  Hermann  Ridder  aus  New 
York,  Gouverneur  H.  Stuart  von  Penn- 
sylvanien  u.  a. 

Aus  Houston,  Texas,  ging  uns  cine  32 
Seiten  starkeFestausgabe  der  deutschen 
Zeitung  zu,  deren  Inhalt  —  es  befinden 
sich  darunter  gediegene  deutschamerika- 
nische  Gedichte  und  Novellen,  —  bered- 
tes  Zeugnis  von  der  Begeisterung  ab- 
legt,  welche  die  Bestrebungen  des  Nati- 
onalbundes  sogar  in  den  fernen  Stadten 
der  Union  getragen  haben. 

Die  Feier  in  Milwaukee  war  auch  in 
diesem  Jahre  eine  wtirdige  und  das  In- 
teresse  an  der  Sache  vielleicht  lebendi- 
ger  als  je  zuvor.  Vor  'einer  dichtge- 
drangten  Zuhorerscharft  hielt  Herr  Pro- 
fessor Hohlfeld  von  der  Staatsuniversi- 
tat  zu  Madison  im  Hippodrom  die  Fest- 
rede,  in  welcher  er  in  ernster,  iiberzeu- 
gender  Weise  den  Deutschamerikanern 
ihre  Pflichten  vor  Augen  ftihrte. 


Leider  konnen  wir  von  dieser  herrli- 
chen  Rede  nur  einige  der  wichtigsten 
Punkte  hervorheben: 

Als  gute  Deutsche  miissen  wir  uns 
ruckhaltlos  zu  der  tiberzeugung  beken- 
nen,  dass  auch  das  Deutschamerikaner- 
tum  wahrhaft  kulturelle  Erfolge  von 
bleibendem  Werte  und  werbender  Kraft 
nur  dann  erzielen  kann,  wenn  sie  der 
Ausfluss  einer  wahrhaft  wiirdigeu 
deutschamerikanischen  Gesinnung  sind. 
Bei  all  den  Ruhmestaten,  auf  die  wir 
zuriickblicken,  ist  es  noch  nicht  gelun- 
gen,  ein  wirklich  bodenwiichsiges 
Deutschamerikanertum  zu  schaffen; 
dies  zu  erzielen  wird  eine  unsrer  vor- 
nehmsten  Aufgaben  sein.  Stolz  auf  sein 
amerikanisches  Biirgertum,  wie  auf 
seine  deutsche  Abkunft,  soil  desDeutsch- 
amerikaner  mit  gleicher  Liebe  am  alten 
und  am  neuen  Vaterlande  hangen.  Statt 
des  schwachenden  Gefiihls  der  Heimat- 
losigkeit  muss  er  es  lernen,  das  Wohl 
und  Wehe  eines  verdoppelten  Heimats- 
sinnes  als  Starkung  zu  empfinden.  Nicht 
nur  in  zwei  Sprachen  muss  er  zu  Hause 
sein,  sondern  in  gewissem  Sinne  in  zwei 
Kulturwelten.  Zum  mindesten  soil  er 
bestrebt  sein,  aus  beiden  das  Beste  sich 
anzueignen  und  das  Unzulangliche  ab- 
zustossen.  Im  Mittelpunkt  all  unsrer 
Bestrebungen  steht  das  Bemiihen  um  die 
Erhaltung  der  deutschen  Sprache,  denn 
ohne  sie  konnen  wir  die  Rolle  deutscher 
Kulturvermittlung  gewiss  nicht  spielen. 

Soviel  nun  auch  schon  geleistet  sein 
mag,  so  muss  zu  dem  BestehendenNeues 
treten,  das  noch  feb.lt.  Professor  Hohl- 
feld empfahl  sodann  als  im  Interesse  al- 
ler  deutschamerikanischen  Bestrebun- 
gen: 

Grtindung  einer  Vereinigung  einfluss- 
reicher  Biirger,  die  sich  ahnlich  wie  die 
germanistische  Gesellschaft  in  NewYork 
kultureller  Veranstaltungen  aus  eigener 
Initiative  annehmen  kann. 


Vmschau. 


293 


Schaffung  einer  deutschen  literari- 
schen  Gesellschaft,  die  den  Besten,  wel- 
che  sich  fiir  Literatur  interessieren,  als 
Sammelpunkt  dienen  konne. 

In  Stadten  mit  starker  deutscher  Be- 
volkerung  die  Bestande  der  Bibliotheken 
an  deutscher  und  deutschamerikanischer 
Geschichte  und  Literatur  nach  Kraften 
zu  vermehren. 

Milwaukee  sollte  ein  tiichtiges  Mu- 
seum fiir  deutsche  Kunst  besitzen. 

Die  deutsch-geschichtliche  Forschung 
des  Staates  Wisconsin  mus  neu  belebt 
werden  durch  Errichtung  einer  geeigne- 
ten  Gesellschaft  fiir  die  Geschichte  der 
Deutschen  Wisconsins. 

An  der  Staatsuniversitat  zu  Madison 
sollte  eine  Professur  fiir  deutschameri- 
kanische  Geschichte  und  Literatur  ge- 
griindet  werden. 

Die  zu  Ehren  von  Karl  Schurz  an  der 
Staatsuniversitat  gestiftete  rotierende 
Professur  fiir  deutsche  Gelehrte  ist  nach 
Kraften  mit  Geldmitteln  zu  unter- 
stiitzen. 

Vor  allem  aber  ist  es  Pflicht  Milwau- 
kees  und  Wisconsins,  voranzugehen  im 
weiteren  finanziellen  Ausbau  des  in  ih- 
ren  Grenzen  gelegenen  Nationalen 
Deutschamerikanischen  Lehrersemi- 

nars,  das  seine  Daseinsberechtigung  un- 
ter  den  driickendsten  Verhaltnissen  im- 
mer  aufs  neue  bewahrt  hat.  Denn  nur 
bei  ausgedehnter  weiterer  Unterstiitz- 
ung  kann  es  zu  dem  werden,  wozu  'es  be- 
rufen  ist. 

Friedrich  Paulsen.f  Der  in  der 
ganzen  gelehrten  Welt  riihmlich  bekann- 
te  Dr.  Friedrich  Paulsen,  Professor  der 
Philosophic  an  der  TJniversitat  Berlin, 
ist  am  14.  August  im  Alter  von  62  Jah- 
ren  an  einem  unheilbaren  inneren  Lei- 
den gestorben.  Nicht  allein  die  Fach- 
wissenschaft,  auch  weitere  Kreise  Ge- 
bildeter  beklagen  sein  Hinscheiden,  denn 
er  war  einer  der  hervorragendsten  Gei- 
ster  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie 
und  Padagogik.  Als  Lehrer  hatte  er  au- 
sserordentlichen  Erfolg;  zwar  nicht 
durch  den  Glanz  seiner  Rede,  'aondern 
mehr  durch  sein  ausgezeichnetes  pada- 
gogisches  Geschick.  Die  Scharfe  seiner 
Auffassung  spiegelte  sich  wider  in  der 
Klarheit,  mit  welcher  er  den  Stoff  ent- 
wickelte.  Diesem  Vorzuge  verdanken 
seine  Werke  ,,Einleitung  in  die  Philoso- 
phie", ,,Ethik",  ,,Geschichte  des  gelehr- 
ten Unterrichts",  ,,Das  deutsche  Bil- 
dungswesen  in  seiner  geschichtlichen 
Entwicklung"  ihre  grosse  Wirkung.  Zu 
all  den  mannigfachen  padagogischen 
Fragen  der  Gegenwart  hat  er  in  seiner 
massvollen,  jedoch  entschiedenen  Weise 


Stellung  genommen.  Obgleich  Idealist 
und  Optimist,  hatte  er  jedoch  keine 
Nachsicht  fiir  die  Verirrungen  zeitge- 
nossischer  Oberflachlichkeit,  und  noch 
kurz  vor  seinem  Tode  sprach  er  mit  bei- 
nahe  ungeduldigem  Tadel  von  dem  neu- 
en  philosophischen  Spielzeug,  dem  soge- 
nannten  Pragmatismus. 

Paulsens  Interesse  beschrankte  sich 
indessen  nicht  auf  sein  deutsches  Vater- 
land,  auch  hier  in  Amerika  nahm  er  leb- 
haften  Anteil  an  der  Entwicklung  der 
Wissenschaft.  Als  die  philosophische 
und  piidagogische  Abteilung  der  Colum- 
bia Universitat  ins  Leben  trat,  gab  er 
bereitwilligst  Ratschlage  und  Anregun- 
gen  und  freute  sich  herzlich  iiber  den 
Erfolg  des  Unternehmens.  In  gleicher 
Weise  ist  ihm  das  Teachers'  College  in 
New  York  verpflichtet. 

Aus  seinem  Lebenslauf  erwahnen  wir 
nur,  dass  Friedrich  Paulsen  als  Sohn 
einfacher  Bauersleute  zu  Langenhorn  in 
Schleswig  aufwuchs.  Zu  Altona  be- 
suchte  er  das  Gymnasium  und  studierte 
in  Erlangen,  Bonn  und  Berlin,  erst  kurze 
Zeit  Theologie,  dann  Philosophie.  1875 
trat  'er  als  Privatdozent  in  den  Lehrkor- 
per  der  Universitat  Berlin,  woselbst  er 
1878  ausserordentlicher  und  1893  ordent- 
licher  Professor  wurde. 

Ein  Englander  iiber  die  Ko- 
edukation  in  den  Vereinig- 
ten  Staaten.  Ein  ungenannter  Ver- 
fasser  veroffentlicht  einen  Artikel  in 
der  Londoner  Times  iiber  ,, Co-Education 
and  Secular  Education  in  the  United 
States",  der  in  der  ,,Educational  Re- 
view" abgedruckt  ist. 

In  wohlwollender  und  zugleich  ver- 
standnisvoller  Weise  bespricht  der  Ver- 
fasser  die  Verhaltnisse  an  den  amerika- 
nischen  Schulen.  Wir  wollen  bloss  die 
hauptsachlichsten  Ziige  heraus  greifen. 

Was  in  Amerika  immer  wieder  ver- 
gessen  wird,  ist  die  Tatsache,  dass  der 
Erziehungsprozess  nicht  in  einem  me- 
chanischen  Zusammentreffen  von  Text- 
buch  oder  Idee  mit  dem  Verstande  be- 
steht,  sondern  in  dem  Verkehr  lebender 
Wesen  unter  einander.  Deshalb  ist  auch 
des  Lehrers  Personlichkeit  ein  bei  wei- 
tem  wichtigerer  Faktor  als  das  Text- 
buch.  Wenn  nun  auch  in  Amerika  der 
Lehrerstand  sich  immer  grb'ssere  Opfer 
auferlegt,  um  seine  berufliche  Vorberei- 
tung  in  jeder  Weise  auszudehnen  und  zu 
vervollkommnen,  so  ist  das  Einkommen 
diesen  Opfern  und  Anstrengungen 
durchaus  nicht  angemessen.  Ein  verein- 
tes  Vorgehen  nach  dem  Beispiel  der 
,,Labor  Unions",  um  hohere  Geh alter  zu 
ertrotzen,  wurde  zwar  angeregt,  aber 


294 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


als  verwerflich  und  dem  Lehrerstande 
unwiirdig  aufgegeben. 

Wohl  infolge  des  karglichen  Einkom- 
mens  sind  die  mannlichen  Lehrer  merk- 
lich  hinter  den  weiblichen  zuriickgeblie- 
ben,  so  dass  heute  unter  zehn  Lehrkraf- 
ten  etwa  8  Damen  sind.  Deshalb  kaun 
es  vorkommen,  dass  im  Gesprach  mit 
Schuljungen  unter  18  Jahren  ein  Herr 
mit  ,,M'am"  angeredet  wird,  besonders 
wenn  der  betreffende  Herr  ein  Lehrer 
ist.  In  Elementarschulen  mag  dieses 
tiberwiegende  weibliche  Element  gute 
Dienste  leisten;  vielleicht  dass  auch  die 
amerikanische  Denkweise  richtig  ist,  die 
einen  Mann  gering  achtet,  der  willens 
ist,  seine  Zeit  und  Kraft  dem  verwickel- 
ten  Getriebe  des  Elementarunterrichts 
zu  widmen,  wo  doch  die  Geduld,  Sym- 
pathie  und  Einsicht  der  Frau  besser  be- 
greift  und  die  unsteten  Gemiiter  besser 
zu  behandeln  weiss.  Aber  in  den  ,,High 
Schools"  sogar  kommt  es  vor,  dass  Kiia- 
ben  im  Alter  von  18  Jahren,  deren  phy- 
sische  Entwicklung  besondere  Sorgfalt 
erheischt,  von  Damen  unterrichtet  wer- 
den,  die  oft  kaum  wenige  Jahre  alter 
sind  als  ihre  Schiller.  Viele  Manner  ge- 
stehen  heute  offen,  dass  sie  in  jener  kri- 
tischen  Periode,  die  keinem  Jiingling  er- 
spart  bleibt,  infolge  dieses  Systems 
empfindlichen  Schaden  genommen  hat- 
ten.  Es  gibt  jetzt  schon  zahlreiche  Leh- 
rer und  Lehrerinnen,  die  es  als  einen 
Nachteil  beklagen,  dass  in  den  Mittel- 
schulen  und  den  Oberklassen  der  Ele- 
mentarschulen Damen  in  der  uberzahl 
sind. 

Diese  Verhiiltnisse  miissen  wir  in 
Verbindung  mit  dem  System  der  Koedu- 
kation  betrachten.  Die  Mehrzahl  der 
amerikanischen  Lehrer  ist  der  Ansicht, 
dass  dieses  System  mehr  als  ein  ande- 
res  geeignet  sei,  geschlechtlichen  Fehl- 
tritten  und  leidenschaftlicher  Spannung 
vorzubeugen.  Andere  Ergebnisse  aber, 
weniger  ausgezeichnet  und  weniger  in 
die  Augen  springend,  verdienen  gleich- 
falls  Beachtung.  Ihre  tiefgehendste  und 
bleibendste  Wirkung  iibt  die  Koeduka- 
tion  auf  Knaben  wahrend  der  Reifeperi- 
ode  aus.  Madchen  kommen  viel  rascher 
dariiber  hinweg;  schon  im  Alter  von  14 
Jahren,  beim  Eintritt  in  die  Mittelschule 
ist  das  Madchen  zwei  bis  drei  Jahre  dem 
Knaben  voraus.  In  Zielbewusstsein, 
ausdauerndem  Fleiss  und  weiblichen  In- 
stinkten  ist  sie  schon  Weib;  des  Kna- 
ben Geist  und  Korper  jedoch  befmden 
sich  noch  zwei  bis  drei  Jahre  lang  in  ei- 
nem  Zustand  der  Garung;  kein  Wunder 
also,  dass  tiberall,  wo  Sammlung,  Kon- 
zentration  erf  order  lich  ist,  das  Madchen 
den  Knaben  hinter  sich  lasst.  Da  in 


den  meisten  ,,High  Schools"  die  Mad- 
chen zahlreicher  sind,  gestalteten  sich 
naturgemass  die  Schulkurse  selbst  so, 
dass  sie  mehr  den  Fahigkeiten  der  Mad- 
chen als  denen  der  Knaben  entsprechen. 
Dazu  kommt  noch,  dass  in  Klassen,  wo 
Jungen  mit  Madchen  zusammen  von  Da- 
men  unterrichtet  werden  in  Fachern,  die 
wiederum  den  Madchen  besser  angepasst 
sind,  als  den  Knaben,  letztere  bei  der 
Lehrerin  nicht  das  Verstandnis  finden, 
das  ihnen  eben  nur  ein  Mann  entgegen 
bringen  konnte.  Der  einmal  nicht  zu  un- 
terdriiokende  Drang  zur  Nachahmung 
macht  dann  aus  den  Knaben  eine  Art 
minderwertige  Madchen,  d.  h.  sie  nehmen 
die  Zartheit  und  Empfindsamkeit  der 
letzteren  an,  ohne  aber  weder  die  weib- 
lichen noch  die  mannlichen  Charakter- 
vorziige  zu  besitzen.  Diese  Knaben  er- 
reichen  weder  die  Frau  noch  das  Mad- 
chen, und  wenn  sie  schliesslich  in  den 
Besitz  aller  ihrer  Krafte  gelangt  sind, 
miissen  sie  bemerken,  wie  sehr  ihre 
mannliche  Wiirde  geschiidigt  ist,  sie  ha- 
ben  das  Selbstvertrauen  verloren,  und 
dies  ist  der  grosste  Verlust,  den  ein 
Mann  erleiden  kann,  denn  ein  Charakter 
ohne  Selbstvertrauen  ist  undenkbar. 

In  richtigem  Verstandnis  dieser  Um- 
stiinde  hat  ein  Chicagoer  Schulvorstand 
damit  begonnen,  Knaben  und  Madchen 
wahrend  dieser  kritischen  Periode  zu 
trennen,  um  sie  daran  zu  gewohnen, 
diese  charakteristischen  Abweichungen 
zu  zeitigen,  und  dieser  Schritt  kann  nur 
gelobt  werden.  Dieselbe  Erscheinung 
kann  Stilrke  im  Mann  und  Schwache  bei 
der  Frau  bedeuten,  und  was  bei  der  Frau 
gut  erscheint,  diirfte  im  mannlichen  Cha- 
rakter verhangnisvoll  werden.  Nach  der 
Tugend,  welche  christlich  und  ge- 
schlechtslos  sein  mag,  kommt  noch  eine 
andere  Tugend,  die  eben  die  beiden  Ge- 
schlechter  charakterisiert.  Diese  tiefer 
liegende  mannliche  Tugend  muss  der 
Amerikaner  zu  erhalten  suchen;  denn 
ein  Mann,  eine  Nation,  eine  Zeit,  die 
weibisch  wird,  muss  notwendigerweise  in 
ihrem  Werte  sinken.  Und  in  der  Tat 
scheint  gerade  im  Falle  Amerikas  keine 
andere  Frage  so  nachaltig  mit  der  natio- 
nalen  Grosse  zusammen  zu  hangen  als 
eben  die  der  nationalen  Mannhaftigkeit. 
Betrachten  wir  die  politische  Verderbt- 
heit,  ist  sie  nicht  ein  direkter  Angriff 
auf  die  Grundfesten  der  Demokratie? 
Wenn  auch  der  eine  oder  andere  sich  da- 
rtiber  ereifert  und  das  Einschreiten  der 
gesetzgebenden  Korperschaft  verlangt, 
so  geschieht  doch  nichts,  obwohl  diese 
Politiker  einen  verschwindenden  Bruch- 
teil  der  Bevolkerung  ausmachen.  Zu  ei- 
nem  entscheidenden  Schritt  fehlt  der 


Umschau. 


295 


moralische  Mut,  und  wenn  wir  auch  an 
dem  Sinn  fur  Rechtlichkeit  nicht  zwei- 
feln,  so  ist  doch  iiberall  die  gleiche  Tat- 
sache  f estzustellen :  sie  finden  sich  mit 
den  Verhaltnissen  ab  und  tun  gar  nichts, 
weil  die  Reform  vielleicht  mit  Schwie- 
rigkeiten  verkniipft  ware.  Gerade  so 
macht  es  der  Schiller  in  der  "High 
School",  der  von  zwei  Kursen  den  leich- 
teren  wahlt,  wenn  er  auch  zu  nichts 
fiihrt. 

'  Einer  der  letzten  Artikel  des  verstor- 
benen  Prof.  Friedrich  Paulsen  in  der 
Berliner  Internationalen  Wochenschrift 
betitelt  sich :  ,,Eineneuedeutsche 
Universitat  im  Oste  n".  Die 
Schrift  enthalt  den  ernstgemeinten  Auf- 
ruf,  die  gegenwartige  Akademie  zu  Po- 
sen  in  eine  vollgiltige  Universitat  umzu- 
wandeln.  Paulsen  beklagt  die  Entwick- 
lung  solcher  Riesenuniversitaten  wie 
Berlin,  Miinchen  und  Leipzig  und  hofft, 
dass  eine  neue  Hochschule  zu  Posen  be- 
sonders  Berlin  etwas  entlasten  wiirde. 
Er  ist  iiberzeugt,  dass  eine  solche  Uni- 
versitat fur  die  deutsche  Kultur  in  Po- 
sen dieselbe  Friichte  zeitigen  miisse,  wie 
dies  Strassburg  seit  1870  in  Elsass-Loth- 
ringen  getan.  Da  seit  dem  deutsch-fran- 
zosischen  Kriege  nur  eine  einzige  neue 
Universitat  gegriindet  wurde  trotz  der 
inzwischen  um  70  Prozent  gesteigerten 
Bevolkerungszahl,  ware  es  die  hochste 
Zeit,  eine  Anzahl  neuer  deutscher  Uni- 
versitaten  ins  Leben  treten  zu  lassen. 

Aus  den  statistischen  Berichten  ii  b  e  r 
deutsche  Kolonisation  entneh- 
men  wir,  dass  im  ganzen  Jahre  1907 
nicht  mehr  als  37  Personen  nach  Afrika 
auswanderten.  So  gewahrt  Deutschland 
das  eigenttimliche  Bild  eines  nach  iiber- 
seeischen  Provinzen  trachtenden  Staates, 
dessen  Bevolkerung  jedoch  mit  ausseror- 
dentlicher  Zahigkeit  am  Vaterlande  fest- 
halt.  Die  Einwanderung  nach  den  Ver- 
einigten  Staaten  ist  ebenf alls  schon  seit 
den  letzten  zehn  Jahren  bedeutend  ge- 
sunken;  selbst  die  letzten  Jahre  ausser- 
ordentlicher  Wohlfahrt  in  der  Union  ha- 
ben  die  deutsche  Auswanderung  nicht 
steigern  konnen.  Aber  auch  Brasilien, 
dessen  deutsche  Bevolkerung  sich  auf 
iiber  eine  halbe  Million  belaufen  soil,  er- 
halt  so  zu  sagen  gar  keine  deutschen 
Auswanderer  mehr;  dort  sind  jahrlich 
noch  1890  durchschnittlich  5000  Deutsche 
eingewandert,  1902  zahlte  man  nur  807, 
1907  bloss  noch  167.  Ebensowenig  emp- 
fangt  Argentinien  mit  seinen  gtinstigen 
Lebens-  und  Ansiedelungsbedingungen 
deutsche  Einwanderung.  Wenn  man  an 
deutsche  Verhaltnisse  die  Auswande- 
rungszahl  als  Massstab  anlegen  kann  ftir 


die  Zufriedenheit  des  Volkes,  so  kommen 
wir  zu  dem  Schluss,  dass  zur  Zeit  eine 
ungewohnlich  gleichmassige  Befriedigung 
daselbst  herrschen  muss.  In  den  Jahren 
1902  bis  1907  hat  die  jahrliche  Auswan- 
derung durchschnittlich  31,000  nicht 
iiberschritten.  Mit  einer  Bevolkerungs- 
ziffer  von  liber  60  Millionen,  die  auf  ei- 
nem  Fllichenraum,  kleiner  als  der  des 
Staates  Texas,  zusammengedrangt  sind, 
gewinnt  Deutschland  tatsachlich  mehr 
durch  Einwanderung,  als  es  durch  Aus- 
wanderung verliert. 

,,DieErl6serinnen  der  deut- 
schen Volksschul  en"  nennt  Lud- 
wig  Gurlitt  in  einem  Artikel  (Zukunft 
No.  42)  die  Lehrerinnen,  indem  er 
schreibt:  "In  den  Vereinigten  Staaten 
liegt  jetzt  die  Schulerziehung  auch  der 
mannlichen  Jugend  fast  ganz  in  den 
Hand  en  von  Frauen  und  Miidchen.  Nach 
den  Zeugnissen  all  derer,  die  sich  darii- 
ber  offentlich  geaussert  haben,  ist  der 
Erfolg  durchaus  erfreulich.  Die  sonst 
so  trotzige  amerikanische  Jugend  beugt 
sich  mit  einem  friih  erwachenden  Gefiihl 
von  Ritterlichkeit  der  weiblichen  Auto- 
ritat.  Unter  der  milderen  Zucht  erwach- 
sen  starke,  harte  Manner.  Die  deutschen 
Volksschullehrerinnen  leiden  noch  zu 
sehr  unter  der  Abrichterei  in  den  Semi- 
naren,  die  sie  zu  Lern-  und  Lehrautoma- 
ten  macht;  sie  leiden  auch  noch  unter 
anerzogenem  Mangel  an  Selbstvertrauen. 
Wenn  sie  erst  die  Hochachtung  vor  dem 
mannlichen  Vorbild  verlernt  haben,  dann 
ist  gerade  von  ihnen  eine  Erlosung  un- 
serer  Volksschulen  aus  allem  Elend  zu 
erhoffen." 

In  demselben  Artikel  kiindigt  Herr 
Gurlitt  ein  grosseres  padagogisches 
Werk  an,  so  dass  sich  die  Leipziger  Leh- 
rerzeitung  der  Bemerkung  nicht  enthal- 
ten  kann:  ,,HofFentlich  beschrankt  sich 
der  Verfasser  dabei  auf  das,  was  er  ver- 
steht  —  wenn  seine  geistige  Sehkrakt 
nicht  iiberhaupt  Schaden  gelitten  hat  — 
auf  den  Unterricht  an  Gymnasien  und 
die  Erziehung  im  Hause." 

Der  deutsche  Un  t  e  rr  i  ch^  in 
England.  The  Educational  Times 
berichtet,  dass  Prof.  Kirkpatrick,  wel- 
cher  in  den  Edinburger  Ferienkursen 
sprach,  auf  das  Studium  des  Deutschen 
hingewiesen  und  sein  Bedauern  dartiber 
ausgesprochen  habe,  dass  dieser  Gegen- 
stand  in  England  so  vernachlassigt 
werde. 

In  Russland  und  Frankreich  und  vie- 
len  anderen  Landern  ware  Deutsch  eines 
der  Hauptfacher  der  Erziehung,  und  alle 
wtissten,  dass  Deutsch  absolut  unerlasa- 
lich  ftir  den  akademischen  Schiller,  den 


296 


Monatshefte  fur  deutsclie  Sprache  und  Padagogik. 


Mann  der  Wissenschaft,  den  Mann  der 
Literatur,  den  Geschaftsmann  ware. 
Man  hatte  es  oft  sagen  horen,  dass  diese 
,,schrecklichen  Deutschen"  sie  sowohl 
auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  als 
auch  auf  dem  des  Geschaftes  ausstachen. 
Der  Grund  dafiir  ware  einfach,  dass  die 
Deutschen  betriebsamer  und  ausdauern- 
der  seien;  und  anstatt  feindliche  Tarife 
in  diesem  Lande  zu  errichten,  um  ,,diese 
schrecklichen  Deutschen"  auszusperren, 
wiirde  es  unendlich  viel  besser  sein. 
wenn  die  britische  Jugend  die  deutsche 
Sprache  lernte.  Er  konnte  nicht  verste- 
hen,  warum  die  Autoritaten  auf  dem  Ge- 
biete der  Erziehung  in  ihren  Schulen 
nicht  auf  dem  Unterricht  des  Franzosi- 
schen  und  Deutschen  bestiinden.  Es 
schiene  ihm,  als  wenn  ihre  Schulen  und 
ihre  Erziehungs-Autoritaten  das  Deut- 
sche getotet  hatten,  was  doch  eines  der 
Dinge  sei,  dessen  sie  am  meisten  bediirf- 
ten.  Auch  die  ,,Educational  Times"  be- 
merkt  dazu:  ,,Wo  die  Schuld  auch  im- 
mer  liegen  mag,  es  kann  kein  Zweifel 
sein,  dass  Prof.  Kirkpatricks  Behaup- 
tung  von  der  Notwendigkeit  des 
Deutschunterrichts  richtig  ist." 

Deutsch  als  Weltsprache 
der  Wissenschaft.  Vom  15.  Orien- 
talistentage  zu  Kopenhagen  teilt  die 
Zeitschrift  des  Allgemeinen  Deutschen 
Sprachvereins  mit,  dass  'etwa  450  Ge- 
lehrte  aus  alien  Enden  der  Welt  vertre- 
ten  waren,  darunter  26  amtliche  Vertre- 
ter  deutscher  Staaten,  Universitaten  und 
wissenschaftlicher  Anstalten,  ausserdem 
noch  etwa  75  deutsche  Gelehrte,  im  gan- 
zen  iiber  100  Deutsche,  also  etwa  ein 
Viertel  aller  Teilnehmer.  Von  den  82 
im  Bericht  angefiihrten  Vortragen  und 
Berichten  wurden  nicht  weniger  als  43, 
also  iiber  die  Halfte,  in  deutscher  Spra- 
che abgehalten,  in  englischer  Sprache 
nur  23,  trotzdem  ungefahr  90  Gelehrte 
aus  englisch  sprechenden  Landern  ver- 
sammelt  waren.  Deutsche  Vortriige  aber 
wurden  nicht  nur  von  Reichsdeutschen 
und  Deutschosterreichern,  sondern  auch 
von  Russen,  Ungarn,  Polen,  Hollandern, 
Amerikanern,  Griechen,  Schweden  und 
Danen  gehalten.  Wieder  ein  Beweis  da- 
fiir, dass  Deutsch  immer  mehr  zur  Welt- 
sprache der  Gelehrten  wird. 

Ein  Erfolg  der  Frauenrecht- 
lerinnen  ist  die  Neuordnung  der  ho- 
heren  Madchenbildung  in  Preussen.  Nie- 
mals  vorher  hat  die  preussische  Unter- 
richtsverwaltung  modernen  Anschauun- 
gen  so  viel  Zugestandnisse  gemacht,  als 
es  hier  geschehen  ist.  Die  Grundsatze 
und  Bestimmungen,  auf  denen  die  Mad- 
chenschulbildung  aufgebaut  war,  datie- 


ren  von  1894,  sind  also  nur  14  Jahre  in 
Geltung  gewesen;  sie  sind  aufgehoben 
worden,  weil  sie  nicht  mehr  den  fortge- 
schrittenen  Anforderungen  der  Zeit  ge- 
niigen  und  die  der  Madchenbildung  an- 
haftenden  Mangel  nicht  ausreichend  zu 
iiberwinden  vermocht  haben.  Die  neuen 
Bestimmungen  sind  ein  Schulbeispiel  da- 
fiir, wie  inoderne  Ideen  und  Anschauun- 
gen  ihren  Siegeszug  im  Sturmschritt 
vollenden,  sobald  sie  auf  realem  Boden 
stehen.  Den  realen  Boden  stellen  die  1^ 
Millionen  Angehorigen  des  weiblichen 
Geschlechtes  dar,  die  nicht  heiraten  kon- 
nen,  weil  es  an  Mannern  fehlt.  Die 
Mangel  des  heutigen  Madchenschulwe- 
sens  sind  gut  erfasst,  wenn  es  heisst: 
,,Es  ist  zu  verhiiten,  dass  die  asthetische 
und  die  Gefiihlsbildung  zu  sehr  iiberwie- 
gen,  dass  hauptsachlich  die  Phantasie 
angeregt  und  das  Gedachtnis  in  An- 
spruch  genommen  wird,  wahrend  die 
Verstandesbildung  sowie  die  Erziehung 
zu  selbsttatiger  und  selbstiindiger  Beur- 
teilung  der  Wirklichkeit  zuriicktreten." 
Das  richtige  Gegengewicht  gegen  die  ein- 
seitige  Gefiihlsbildung  ist  mit  der  Ein- 
fiigung  der  Mathematik  in  den  Lehrplan 
und  in  der  grosseren  Betonung  des  na- 
turwissenschaftlichen  Unterrichts  er- 
fasst, nur  mutet  es  eigentiimlich  an, 
wenn  ,,Religion  und  Deutsch  nach  wie 
vor  im  Mittelpunkt  der  Madchen-  und 
Frauenbildung  stehen"  sollen;  es  sollten 
vielmehr  Deutsch  und  Naturwissenschaf- 
ten  im  Mittelpunkte  stehen.  Die  Neu- 
ordnung der  hoheren  Madchenbildung 
macht  den  Frauen  die  Bahn  frei  bis  hin- 
auf  zur  Universitat,  trotz  einiger  Ein- 
schrankungen  fiir  In-  und  besonders 
Auslanderinnen.  Auch  die  Volksschule 
wird  indirekt  beriihrt.  Den  Volksschul- 
lehrerinnen  wird  die  Berechtigung  zur 
Ablegung  des  Mittelschulexamens  ver- 
liehen,  und  da  man  ihnen  nach  abgeleg- 
ter  Mittelschulprtifung  die  Zulassung 
zur  Rektoratspriifung  schwerlich  wird 
versagen  konnen,  so  diirfte  es  nicht 
lange  mehr  dauern,  bis  die  ,,Frau  Rek- 
torin"  in  preussischen  Stadten  das  Scep- 
ter schwingt.  Die  Folgen  der  Neuord- 
nung werden  zweifellos  in  'einem  wach- 
senden  weiblichen  Einfluss  auf  alien  Ge- 
bieten  der  Kultur  bestehen.  Ob  dieser 
Einfluss  erwiinscht  ist,  muss  die  Zu- 
kunft  lehren. 

Quousque  tandem.  In  Norwegen 
kampfen  die  Lehrer  um  Gleichberechti- 
gung  mit  den  Lehrerinnen.  Der  Lehrer- 
verein  in  Christiania  fasste  jiingst  fol- 
gende  Entschliessung:  Christiania  larer- 
forening  findet  das  bestehende  Verhalt- 
nis  von  Lehrern  und  Lehrerinnen  unbe- 


Vermischtes. 


297 


friedigend  aus  padagogischen  und  sozia- 
len  Griinden;  bei  Stellenbesetzung  sollte 
dahin  gearbeitet  werden,  dass  den  Leh- 
rern  ebensoviel  Platz  in  der  Schule  ein- 
geraumt  werde  wie  den  Lehrerinnen.  In 
Knabenabteilungen  sollte  gewohnlich 
von  der  3.  Klasse  an  ein  Lehrer  eintre- 
ten.  Das  Prinzip,  dass  kein  Kind  die 
Schule  verlasst,  ohne  von  Lehrer  und 
Lehrerin  unterrichtet  zu  sein,  das  jetzt 
fur  die  Knabenschule  gilt,  sollte  auch 
in  der  Madchenabteilung  durchgefiihrt 
werden.  (Allg.  Deutsche  Lehrerzeitung.) 

Osterreichisch'e  M  a  d- 

chenlyceen.  Unterrichtsminister 

Dr.  Marchet  hat  eine  neue  Priifungs- 
ordnung  fur  Madchenlyceen  herausge- 
geben,  die  schon  in  diesem  Schuljahre 
in  Kraft  tritt.  Ihre  Grundsatze  stim- 
men  mit  jenen  der  Priifungsvorschrift 
fiir  die  Gymnasien  und  Realschulen 
iiberein.  Die  schriftliche  Priifung  be- 
steht  aus  einem  Aufsatz  in  der  Unter- 
richtssprache  mit  freier  Wahl  aus  drei 
verschiedenartigen  Themen,  aus  einem 
franzosischen  Aufsatz  erzahlenden,  be- 
schreibenden  oder  schildernden  Charak- 
ters  oder  einer  Uebersetzung  aus  dem 
Deutschen  ins  Franzosische,  sowie  'einer 
Uebersetzung  aus  dem  Englischen  ins 
Deutsche.  Als  Hilfsmittel  ist  fiir  die 
fremdsprachigen  Arbeiten  ein  Schul- 
worterbuch  gestattet.  Die  miindliche 
Priifung  'erstreckt  sich  auf  die  Unter- 
richtssprache,  ein  zweites  Sprachfach 


(Franzosisch  oder  Englisch),  Geschichte 
und  Geographie  (beschrankt  auf  die 
Vaterlandskunde)  und  Naturlehre. 
Mathematik  bildet  keinen  Priifungsge- 
genstand.  Priifungsdispens  aus  einzel- 
nen  Gegenstanden  findet  nicht  statt. 
Das  Hauptgewicht  ist  nicht  auf  die 
Einzelkenntnisse,  sondern  vielmehr  auf 
die  erreichte,  der  Aufgabe  der  Mad- 
chenlyceen entsprechende  Gesamtbil- 
dung  zu  legen.  Una  das  Abfragen  ge- 
dachtnismassig  angeeigneten  Lerhstof- 
fes  zu  verhiiten,  kann  die  Priifung  mehr 
die  Form  eines  freien  Kolloquiums  an- 
nehmen.  Die  Reise  wird  entweder  mit 
Stimmenmehrheit  oder  Stimmeneinhel- 
ligkeit  ausgesprochen.  Fiir  die  Zuer- 
kennung  der  Reise  mit  Auszeichnung 
geniigt  die  einfache  Mehrheit,  bei  Stim- 
mengleichheit  entscheidet  die  Stimme 
des  Vorsitzenden.  Eine  Kandidatin 
kann  fiir  reif  'erklart  werden,  auch 
wenn  sie  in  einem  Gegenstande  nicht 
vollig  entsprochen,  im  allgemeinen  aber 
nach  dem  Urteile  der  Priifungskommis- 
sion  den  Beweis  der  Bildungsreife  er- 
bracht  hat.  Wiederholungspriifungen 
aus  einem  Gegenstande  finden  nicht 
raehr  statt.  Das  Reifezeugnis  wird 
keine  Einzelnoten  enthalten.  Die  Re- 
probation erfolgt  auf  ein  halbes  oder 
ein  ganzes  Jahr.  Im  ersteren  Falle  be- 
halten  die  bei  der  friiheren  schriftlichen 
Priifung  erlangten  giinstigen  Noten  ihre 
Giltigkeit. 

G.  L. 


III.     Vermischtes. 


Schiilerbeurteilung  durch 
Schiiler.  Nichts  ist  so  wichtig  fiir 
einen  gedeihlichen  Unterricht,  als  dass 
der  Lehrer  seine  Schiiler  richtig  beur- 
teile,  nichts  aber  wiederum  so  haufig, 
als  die  Tatsache,  dass  die  Schiiler  von 
ihren  Lehrern  falsch  beurteilt  werden. 
Bekanntlich  ist  dies  meistens  das  Los 
derjenigen  gewesen,  die  es  spater  zu 
Grosse  und  Beriihnitheit  brachten.  So 
wurde  der  junge  Schiller  als  Zogling 
der  Solitude  von  seinen  Lehrern  als 
durchaus  mittelmassig  bezeichnet,  und 
einer  derselben  schrieb  von  diesem  be- 
riihmtesten  Zogling  der  Schule  und  ei- 
nigen  seiner  Mitschiiler :  ,,Der  grosste 
Teil  der  Menschen  ist  in  Ansehung  des 
Genies  in  eine  gewisse  Grenze  einge- 
schlossen,  welche  gegenwartig  noch  kei- 
ner  von  diesen  zu  durchbrechen  scheint, 
zufrieden,  wenn  sie  bis  an  den  Grad 


kommen,  der  ihre  Einsicht  begrenzt." 
Ganz  anders  lauten  dagegen  die  Cha- 
rakteristiken,  die  auf  des  Herzogs  Be- 
fehl  die  Schiiler  iibereinander  und  also 
auch  iiber  Schiller  geben  mussten.  So 
schreibt  z.  B.  einer:  ,,Schiller  ist  ein 
sehr  lebhafter  und  aufgeweckter  Geist. 
Ein  jeder  seiner  Gedanken  ist  voll  na- 
tiirlichen  Witz.  Noch  nie  habe  ich  ihn 
traurig  gesehen.  In  guten  Tagen  ist  er 
nicht  allzu  erhaben  und  im  Ungliick 
nicht  niedergeschlagen.  Gott  fiirchten 
halt  er  fiir  seine  erste  und  vornehmste 
Pflicht.  Seine  sehr  guten  Gaben  wen- 
det  er  zur  Erlernung  der  schonen  Wia- 
senschaften  an,  und  er  scheint  zur 
Poesie  Genie  zu  haben"  usw. 

Sollte  es  sich  nicht  empfehlen,  in  un- 
seren  Schulen,  insbesondere  den  hohe- 
ren,  von  Zeit  zu  Zeit  einmal  solche 
Schiilerbeurteilungen  iibereinander  an- 


298               Monatshefte  fur  deutsche  SpracUe  und  Padagogik. 

fertigen  zu  lassen?     Natiirlich  wird  sie  gramm   ausschliesslich     auf     praktische 

der  Lehrer  immer  kritisch  aufzunehmen  und  produktive  Reformen,  auf  eine  sehr 

haben.     Aber  ein  Mittel  mehr,  zur  Per-  ausgedehnte      Erweiterung    des    Stimm- 

sonlichkeit    seiner    Schiller    hindurchzu-  rechtes,    eine    Regulierung    der    Stellung 

dringen  und   sich  vor  allzu  groben  Irr-  der  Frau,  die  Befreiung  des  Volksschul- 

tiimern    zu    bewahren,     sind    sie    jeden-  unterrichts    von    allerhand     mittelalter- 

falls;    und    ihre    Beriicksichtigung    wird  lichem   Kram   u.   s.  *w.   gerichtet  ware." 

es   vielleicht   manchem   Lehrer   ersparen,  Heute  besitzt  Norwegen  das  allgemeine, 

in  der  spateren  Biographic  eines  seiner  gleiche   Stimmrecht   fiir   die   Manner,  ja 

beriihmt  gewordenen  Schiller  eine  allzu  auch  fiir  alle  jene  Frauen,  die  entweder 

klagliche  Rolle  zu  spielen.  selbst    Steuer   zahlen    oder   mit    Steuer- 

Allg.  Deutsche  Lehrerzeitung.  tragern    verheiratet    sind;    sein    Volks- 

schulunterricht    zahlt    jetzt    zu    den   be- 

Ibsen    und    die    Volksschule.  sten    in    Europa.     Dort    haben    sich    die 

Im   Nachlasse  Ibsens     findet     sich     ein  Ideen  des  Dichters  zum  grossen  Teil  be- 

Brief  Ibsens  an  Bjornson    (aus   Annalfi.  reits  verwirklicht. 
12.  Juli   1879)     aus  der  Zeit,     wo     das 

,,Puppenheim"    vollendet    wurde.      Ibsen  D  i  e  N  u  1  1.     Auch  Satanas  hat  sei- 

schreibt   da:     ,,Wir   haben   bei   uns   nur  nen  Teil  an  der  Schopfung  der  Welt.  Er 

eine   einzige   Sache,  die  ich  eines   Kam-  schuf   zwar   nicht   viel,     aber   das   Ding 

pfes    fiir   wert   halte,     und   das   ist   die  zieht  lang  hin  wie  ein  Faden,  der  kein 

Einfiihrung    eines     zeitgemassen   Volks-  Ende   nimmt.     Er   machte   namlich    die 

schulunterrichts  .  .  .        Ich     habe      ver-  Zahlen,  und   deshalb  ist  alles,   was   mit 

sucht,    mich    mit    unserem    Unterrichts-  diesen  zu  tun  hat,  der  Holle  verfallen. 

wesen,    den    Schulplanen,    Stundentabel-  Das  haben  wir  gefiihlt,  als  wir    in  der 

len,      Unterrichtsstoffen      vertraut      zu  Schule  vor  unseremRechenlehrer   sassen, 

machen.      Es    ist    emporend,     zu    sehen,  und   dass   die  Kassierer    und     Bankiers 

wie    die    Unterrichtszeit    namentlich    in  schliesslich  der   Gottseibeiuns   holt,    das 

den   niedrigeren   Volksschulen     auf     die  kann    man    jeden    Tag    in    der    Zeitung 

altjiidische    Mythologie      und      Sagenge-  lesen. 

scliichte    und    auf    die    mittelalterlichen  Der   Bose   machte   sich    damals    seine 

Verballhornungen        einer        Morallehre  Arbeit  recht  bequem.  Er  schuf  der  Zah- 

draufgeht,    die    in    ihrer    urspriinglichen  ien  neun,  gab  jeder  ein  besonderes  Kleid 

Gestalt    zweifellos    die   reinste   war,   die  und  gebot  ihnen  dann,  zu  langen    Rei- 

jemals  verkiindet  worden  ist.     Hier  ist  hen     zusammenzutreten    und   so   Gottes 

das  Feld,  wo  alle  wie  ein  Mann  verlan-  Welt  brav  zu  verwirren. 

gen  sollten,  dass  uns  die  ,,neue  Flagge"  Ais   er   nun    aile     ausstaffiert     hatte, 

gezeigt   wird.     Befreit   die   Geister  vom  giaubte  er  fertig  zu  sein;  aber  da  horte 

Monchtumsmal,      entfernt    das    Zeichen  er  ejne  feine,  diinne  Stimme:   ,,Ich  habe 

der   Vorurteile   und   der   Kurzsichtigkeit  ja  noc}l  gar  ^ein  Kleid." 

und     der     Blodsichtigkeit  und   der  Un-  Satanas  verwunderte  sich  und  fragte: 

selbstandigkeit      und      des      grundlosen  ))Wer   bist   du  denn?   Ich   Be^e   ft^    ja 

Autoritatsglaubens,      so    dass    der    ein-  gar  nicnt." 

zelne  in  den   Stand  gesetzt  wird,  unter  ?  Und  doch  bin  ich  die  wichtiggte  von 

eigener  Flagge  zu  segeln."     Im   ,,Volfo3-  allen«  lautete  die  AntwOrt,  ,,ohne  mich1 

femd"      entwickelt      dann       neben     Dr.  k6nnen  die  anderen  nichts  Rechtes    be- 

Stockmann    dessen    Tochter     die    .lunge  ^nnen      Gib  mir  auch  mein  Gewand  — 

Volksschullehrerin    Petra,      diese    Ideen  -^  bjn  dje  j^uu « 

fiber      Volksschulreform         Petra       die  }    h  H     ^^^    wie   nur    er    zu 

hellste     weibhche     Idealgestalt     Ibsens  l    fc rf     versteht    und  er    meinte:       j 

das  Madchen,  das  selbst  arbeiten    selbst  ^   Haken    sind     yert;n!' 

SS^^^^bSi^fSSS  D«*  wart'  einmal!     Du  bist  zwar  das 

^fer  bringt,   nie   a™ iTSSfuSbSSS  Nichts    aber^  du  sollst  aussehen  wie  ein 

gung  zum  Opfer  bringt.     Ein  schon  Ian-  voller  Sack. 

Jer    bekannter    Brief    Ibsens    an    Bjorn-  Und  nun  gab  'er  ihr  em    Kleid,     das 

son  aus  Rom,  28.   Marz   1884,  der  sehr  hatte  weder  Ecken  noch  Kanten,  so  dass 

scharfe  Urteile    fiber    die  Bauern,    ins-  sich   kein  Mensch  daran    stossen     oder 

besondere    die    ultramontane    Bauernbe-  ritzen  konnte;  es  war  uberall  rund  und 

volkerung  in  Tirol   enthalt,  fiihrt   aus:  wich  aus,     wenn  einer  sie  greifen  oder 

,.Ginge  es  nach  mir,  so  miissten  bei  uns  packen  wollte.     So  trug  sie  ein  wohlge- 

alle   die   Unprivilegierten     sich     zusam-  nahrtes   Gemiit  zur   Schau,  und  es  war 

mentun  und  eine  starke,  resolute  Partei  nichts  darin  oder  daran,    was     sich    als 

von  Draufgangern  grlinden,  deren  Pro-  Schwarzseherei   bezeichnen   liess. 


Vermischtes. 


299 


In  solcher  Gestalt  trat  darauf  die 
Null  in  die  Welt,  und  bald  bedeutete  sie 
rnehr  als  alle  die  anderen.  Sie  war 
zwar  nichts,  und  doch  wohnte  in  ihrein 
seltsamer  Zauber.  Sie  war  klug  genug, 
niemals  voranzumarschieren ;  ganz 
sacht  trat  sie  hinter  die  Eins  und  ihre 
Gesellen,  und  diese  gewannen  dadurch 
zehnfach  an  Kraft  und  Wert.  Das 
merkten  die  Menschen  bald;  es  schien 
ihnen  ausserordentlich  zu  sein,  und  nun 
stellten  sie  die  Null  tiberall  bin,  um 
Wunder  zu  tun.  Vor  allem  ward  sie 
dazu  berufen,  die  Volker  zu  leiten  und 
zu  regieren.  Man  offnete  ihr  die  Pfor- 
ten  der  Schlosser  und  der  Ministerien, 
sie  bekam  Zutritt  zu  den  Kathedernder 
Universitat  und  sogar  zu  der  Rednertri- 
biine  der  Parlamente.  Sie  hat  Heerean- 
gefiihrt,  und  wenn  sie  geschlagen  ward, 
so  bekam  die  Eins  die  Schuld;  aber  bei 
den  Erfolgen  der  Eins  erntete  sie  mit 
Vergniigen  Ruhm  und  Ehre  ein.  Kurz 
und  gut,  es  geht  ihr  wohl,  und  sie  bleibt 
immer  satt  und  rund.  Welch  einen  ver- 
hungerten  Eindruck  pflegt  dagegen  ge- 
wohnlich  eine  Eins  zu  machen!  Man 
wende  nicht  ein,  dass  sie  den  Vorzug 
geniesst,  manchmal  ein  Denkmal  zu  er- 
halten.  Ein  Vorzug?  Ach,  nichts  in  der 
Welt  wird  ofters  in  Marmor  ausgehau- 
en  oder  in  Erz  gegossen,  als  die  Null! 

Nun  dtirfte  uns  auch  klar  geworden 
sein,  weshalb  die  Null  so  oft  oben  ein 
scheinbar  iiberfliissiges  Anhangsel  hat, 
jenen  Bogen  oder  Haken,  der  so  selbst- 
bewusst  und  aufrecht  in  die  Welt 
'schaut.  Sie  muss  doch  etwas  haben,  wo- 
ran  sich  gewisse  Dinge  auf-  und  aus- 
hangen  lassen.  Und  es  ist  wirklich  sehr 
notig;  denn  nur  selten  gelingt  es  einem 
Orden  oder  einem  Titel,  an  einer  Null 
vorbeizukommen. 

(Georg  Ruseler,  in  ,,Die  Hilfe".) 

Struwelpeter  in  ver- 
schiedener  Beleuchtuag.  — 
Auf  einem  Ballfeste  der  ,,bosen  Buben" 
in  Berlin  gab  'es  als  literarische  Fest- 
gabe  ein  Bilderbuch,  das  der  Kunst  im 
Leben  des  Kindes  gewidmet  ist.  Die 
,,bosen  Buben"  hatten  im  vollen  Be- 
wusstsein  ihrer  ethischen  Pflichten  Mit- 
arbeiter  von  bedeutendem  Rufe  —  wir 
nennen  nur  Gerhart  Hauptmann,  Gabri- 
ele  d'Annunzio,  Maxim  Gorki  —  gewon- 
nen,  die  den  —  Struwelpeter  so  umge- 
dichtet  hatten,  dass  er  auf  die  Psyche 
des  Kindes  veredelnd  wirken  musste.  — 
Einige  Beispiele  mogen  zeigen,  in  wel- 
cher  Art  das  hohe  Ziel  erreicht  wurde. 
Wir  greifen  den  Anfang  der  Geschichte 
vom  Daumenlutscher  heraus,  die  in  ih- 
rer stilwidrigen  Hilflosigkeit  also  lau- 
tet: 


Konrad,  sprach  die  Frau  Mama, 

Ich  geh'  aus,  und  du  bleibst  da. 

Sei  htibsch  ordentlich  und  fromm, 

Bis  nach  Haus  ich  wieder  komm*. 

Und  vor  allem,  Konrad,  hor'! 

Lutsche  nicht  am  Daumen  mehr; 

Denn  der  Schneider  mit  der  Scher' 

Kommt  sonst  ganz  geschwind  daher, 

Und  die  Daumen  schneidet  er 

Ab,  als  ob  Papier  es  war'! 

Gabriele   d'Annunzio  hat    diesen  Vers 
in   folgender  Weise   umgearbeitet : 
,,O  Konrad!"     Wie  die   Abendluft    ent- 

stromte 

Der  schone  Name  ihrem  Muttermunde, 
Der  eingerahmt  von  edlen  Lippen  war, 
Als  hatte  Settignano  sie  gemeisselt, 
Als  hatte  Gherlandajo  sie  geschwungen, 
Als  waren  sie  ein  Werk  des  Sansovino, 
,,Lutsch'  nicht  an  deinem  Daumen,  des- 

sen  Nagel 
Von  jenem  Rot  sind,  das  wir  gern    be- 

wundern 

An  den  Madonnen  Pintoricchios, 
Von  jener  Zartheit,    wie    nur     ein    del 

Sarto, 

Ein  Maccaroni  oder  ein  Risotto 
Sie  meisterlich  zu  bilden    hat    verstan- 
den"  usw.  usw. 

Gerhart  Hauptmann  sendet  folgende 
Umarbeitung: 

,,Kunradla!"  hot  de  Mutta  g'flucht, 
"Kunradla!     Perschla!     Ei  verpucht! 
Kummt's  asu,  oder  kummt's  asu. 
Wer  weess  ok  wie's  kummt! — Derheeme 

bleibst  du. 

Ich  gah  zu  de  Hulzmandla 
Oder  zu's  Rutandla, 
Un  steckste  den  Daum'n  ins  Maul  und 

die  Zenne, 
Dann :    Schiff sko j enne ! " 

Maxim  Gorki  lasst  sich  so  verneh- 
men: 

,, Konrad owitsch,"  sagte  Mutter  Paw- 
lowna,  ,,siehst  du,  ich  muss  jetzt  fort 
ins  Zuchthaus.  Die  verdammten  Rei- 
chen  sperren  mich  ein,  weil  ich  ihnen 
etwas  von  ihrem  iibernussigen  Gelde 
weggenommen  habe.  Konradowitsch,  du 
wirst  jetzt  allein  sein,  denn  dein  Vater 
Michailowitsch  ist  in  Sibirien  auf 
Zwangsarbeit,  dein  Bruder  Pepel  iat  in 
einer  Korrektionsanstalt,  dein  Onkel 
Konstantinowitsch  in  einem  Nachtasyl 
und  deine  Schwester  Nadja  in  einem 
bffentlichen  Hause.  Hat  nichts  zu  sa- 
gen,  siehst  du,  hat  nichts  zu  sagen.  Lut- 
sche nur  nicht  an  deinem  Daumen. 
Denn  besser  als  an  seinem  Daumen  ist 
es,  am  Bonbon  zu  lutschen,  und  wenn 
du's  dem  reichen  Nachbarsohne  stehlen 
miisstest.  —  Ach,  was  ist  das  fur  ein 
Leben,  das  wir  ftihren!" 


A  Bibliography  of  English  Translations  of  German  Novels.* 

By    Professor  Charles  H.  Handschin,  Miami  University,  Oxford,  0. 
(Concluded.) 


Hauff.     Lichtenstein,    tr.    and    adapted    by    Weedon.     Heath,    '01.      75cj    also 
Button,  '01. 

The  Caravan,  Sheik  and  Inn,    tr.  Mendel.     Mac  Millan.    $1. 

The  Caravan,    tr.  Mendel.     Mac  Millan.     30c. 

Arabian  Days  Entertainments.     Houghton.     $1.50. 

Fairy  Tales,    tr.  P.  E.  Pinkerton.     McKay.     75c. 

Constant  Lover,    tr.  J.  Nisbet.     London  1833.     Unwin. 

Inn  in  the  Spessart,   tr.  S.  Mendel.     London,  1894.    Bell. 

Marie  von  Lichtenstein,   tr.  R.  F.  Craig.    London,  Bigby,  1897. 

Caliph  Stork,    tr.  E.  J.  Cunningham.     Sonnenschein.     London,  1905. 
Heine.     Works,    tr.  C.  G.  Leland,  Brooksbank  and  Armour   (12  vols).     Button 
&  Co.,  '06.     Same,  8  v.     Scribner,  $12;    same,   8  v.,  $6  and  $10  each. 
Crosscup. 

H  e  y  k  i  n  g.     Letters  which  never  reached  him.     Button,  '04.     $1.50. 
H  e  y  s  e.    Larabbiata,  tr.  Florer.    Wahr.  '02.    35c. 

The  same  and  other  Tales,    tr.  Wilson.     Low,  '67.     2  sh. 

Tales  from  the  German.     Burt,  '06.     (Foreign  Fiction  Series.) 

Tales  from  the  German  of  P.  Heyse.     Ormeril,  '03.     $1. 

Tales.    Appleton.    60c,  25c. 

Barbara  and  other  Tales,   tr.  L.  C.  S.    Low,  '74. 

Incurable,   tr.  W.  H.  Eve.    Nutt.  '90.       6  sh. 

Two  Prisoners,    tr.?     Simkins.  '93. 

The  Bead  Lake  and  other  Tales  from  the  German,  tr.?     Low,  '70.    2  sh. 

The  Bivided  Heart,    tr.  Copeland.     Brentanos.     35c. 

In  Paradise.     Appleton.     $1.50 

The  Children  of  the  World  (3  vols.).    Chapman,  '82.    31  sh.  6  d. 

The  same.    Holt  &  Co.    $1.25. 

Marchesa,  a  Story  of  the  Riviera,  tr.  J.  P.  Phillips.     Stock,  '87.     5  sh. 

The  Road  to  Fortune,   tr.?    Laird.    25c. 

The  Romance  of  the  Canoness,    tr.  Percival.     Appleton,  '88.     75c,  50c. 
Hoffmann,  E.  T.  A.     Nutcracker  and  Mouseking  and  the  educated  Cat.    tr.? 
Unwin,  '92.    2  sh.  6  d. 

The  Elementary  Spirit    (Elementargeist).    tr.  Oxenford.     London,  '44. 

The  Bevil's  Elixir.    Edinbourgh,  1824. 

The  Strange  Child.     London,  1852. 

The  Golden  Pot,  tr.  Carlyle  (in  German  Romance,  v.  2).     Edinburgh,  1827. 

The  same,    tr.  F.  H.  Hedge   (in  Prose  Writers  of  Germany).     N.  Y.  1855. 

The  Serapion  Brethren,  tr.  Ewing.     Mac  Millan,  '02. 

The  same,  tr.  Ewing.    Bell,  '92.    3  sh.  6  d. 


*  For  translations  of  tales,  etc.,  in  magazines  see:  German  Literature  in 
American  Magazines  prior  to  1846,  by  S.  H.  Goodnight.  Bulletin  of  the  Uni.  of 
Wisconsin  No.  188.  (Can  be  had  free  of  charge  upon  application  to  the  libra- 
rian of  the  University  of  Wisconsin.) 


English  Translations  of  German  Novels.  301 

Wierd  Tales  (from  Serapionsbriider  and  Nachtstiicke),  tr.  Beally.     Scribner, 

'85.    $2.50. 

The  same,   tr.  Beally.    Nimmo,  '84. 

The  Deed  of  Entail  (from  Das  Majorat),  tr.  R.  P.  Gillies  (in  German 
stories  from  the  works  of  Hoffmann,  De  la  Motte  Fouque",  Pichler, 
Kruse,  a.  o.  (3  vols.)  Edinburgh  and  London,  1826. 

Master  Flea,   tr.  G.  Sloane  (in  Specimens  of  German  Romance).  Lond.  1826. 
Keller.     Clothes  make  the  man,   tr.  A.  S.     New  Castle  upon  Tyne,  1876. 
The  same,   tr.  K.  F.  Kroeker.    Unwin,  '95.    3  sh.  6  d. 
Tales    (Dietegen,  Die  verlorenen  Liebesbriefe),  tr.  K.  F.  Kroeker.     Unwin, 

90.    6  sh. 

Dietegen,   tr.  Oscar  Bloch.    N.  Y.  1894. 
Kleist,  H.  von.     Michael  Kohlhaas,    tr.  Oxenford  and  Fielding   (in  Tales  from 

the  German).     London,  1844. 
The  same,    tr.  Lloyd  and  Newton.     London,  1875   (under  the  title  Prussia's 

representative  Man). 
St.  Cecelia,  or  the  Power  of  Music,    tr.  Oxenford  and  Fielding    (in  Tales 

from  the  German).     London,  1844. 
M  e  y  e  r ,  C.  F.    The  Monk's  Wedding,  tr.  S.  H.  Adams,  De  Wolfe,  '87.    50c,  $1.25. 

The  Tempting  of  Pescara,   tr.  Bell.    Peck.    25c  and  75c. 
M  or  ike.     Mozart's  Journey.     Presser.     40c. 

von  Palenz.    The  Land  of  the  Future,  tr.  Lily  Wolffsohn.  Brentanos,  '04.  $1.25. 
R  a  a  b  e.     Hunger  Pastor,  tr.  Arnold.    Chapman,  '85.     21  sh. 

Abu  Telfan,  or  the  Return  from  the  Mountains  of  the  Moon,    tr.?     Chap- 
man, '82. 
Reuter,  F.    Old  Story  of  Farming  Days.    Munro.    25c. 

In  the  year  '13,   tr.  C.  L.  Lewis.     Low.  '67;  Munro,  1900  (?). 
Richter.     Works,   Extracts   from,    tr.   Lady   Chatterton.     Parker   &    Son,   '59. 

3  sh.  6  d. 

Campanerthal,  or  the  Immortality  of  the  Soul.    Gilpin,  '58.    2  sh.  6  d. 
The  Death  of  an  Angel,    tr.  Kenney.    Black.  '49.    9  sh. 
The  same,   tr.  R.  Holcroft   (in  Tales  from  the  German).     London,  1826. 
Hesperus,  or  the  forty-five  Dog  Pest  Days.     Trlibner,  '65.     21  sh. 
The  same,   tr.  Brooks.     Cambridge,  Mass.,  1865. 
Levana.    Heath,  $1.40;  Mac  Millan,  $1. 

Sketches  of  and  from  J.  P.  F.  Richter.    Bennet,  1859.     3  sh.  6  d. 
Titan,  a  Romance,    tr.  T.  Brooks.    Trtibner,  '62.     18  sh. 
The  same,   tr.  T.  Brooks.    Cambridge,  1868. 
Walt  and  Vult,  or  the  Twins,    tr.  Lee.    Boston,  1849.     12  sh. 
Flower,  Fruit  and  Thorn  Pieces,  Mac  Millan.    $1.00. 
The  same,  tr.  A.  Ewing.    Bell.  '77.    3  sh.  6  d. 
The  same,   tr.?    Low.  '71. 
The  same   (or  The  Married  Life,  Death  and  Wedding  of  the  Advocate  of 

the  poor  F.  S.  Siebenkas),   tr.  Noel.  W.  Smith,  '44. 
Army  Chaplain  Schmelzle's  Journey    to    Flaetz,     tr.    Carlyle    (in  German 

Romance,  vol.  3).     Edinburgh,  1827. 
The   Life   of   Quintus   Fixlein,    tr.    Carlyle    (in   German   Romance,   vol.    3). 

Bohn. 

Maria  Wug,  tr.  F.  and  R.  Storr.    Longmans,  Green  &  Co.,  London,  '81. 
The  Moon,  a  Tale  of  the   Imagination,    tr.   Holcroft    (in   Tales   from   the 
German).     London,  1826. 


302  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

The  'same,  tr.  Oxenford  and  Fielding  (in  Tales  from  the  German).    London, 

1844. 

Riehl.     Kulturgeschichtliche  Novellen;    litly.   translated.     Cornish,   '90. 
Rosegger.    My  Kingdom  of  Heaven.    London.    Hodder,  1907. 

Light  Eternal.    Unwin,  1907. 

Earth  and  the  Fullness  thereof,  a  romance  of  modern  Styria,    tr.  Skinner. 
Putnam,  ?02.    $1.50. 

I.  N.  R.  I.,  a  prisoner's  story  of  the  Cross,   tr.  Eliz.  Lee   (6  ill.  in  color). 
McClure,  '05. 

The  God-Seeker,   tr.  Skinner.     Putnam.     $1.50. 

The  Forest  Schoolmaster,    tr.  Skinner.    Putnam,  '01.     $1.50. 

Scheffel.     Ekkehard,    tr.  N.  H.  Dole,  with  a  biog.  sketch.     Crowell,  '02.     60c,' 
70c  and  $2. 

The  same,   tr.?    Industrial  Pub.  Co.    80c  and  $1.50. 

The  same,   tr.?    Gottsberger  Peck  &  Co.,  N.  Y.,  1890. 

The  Monk  of  St.  Gall   (dramatic  adaptation  of  Ekkehard),  tr.  Ross.     Bell 
&  S.  79.    5  sh. 

The  same,   tr.?    Peck.    80c,  $1.50. 

Ekkehard,  A  Tale  of  the  Tenth  Century,   tr.?    Low.  '72.    4  sh. 
Spielhagen.     Through  Night   to   Light,    tr.?     New   York,   '69;    also   Holt   & 
Co.     50c. 

The  Breaking  of  the  Storm,   tr.  Stephenson.    Bentley  &  S.  '77.     31  sh.  6  d. 

Quisisana,  tr.  H.  E.  Goldschmidt.    Nimmo.  '80.    2  sh.  6  d.  and  3  sh.  6  d. 

The  same.    Munro.    25c. 

The  Village  Coquette,    tr.  J.  L.  Laird.     Chapman,  '75.     4  sh. 

Problematic  Characters,    tr.  De  Vere.     N.  Y.  '69.     $2;  also  Holt  &  Co.,  50c. 

Baroness  Susan,   tr.  Hilda  Skae.    Brentanos,  '05.    25c. 

The  same,   tr.?     Maclaren,  1904. 

Hammer  and  Anvil,   tr.?     Holt.     50c. 

The  Hohensteins,    tr.  De  Vere.     Holt.     50c. 

Lady  Clare  de  Vere,   tr.  Appleton.    25c. 

The  Blockhouse  on  the  Prairie,  or  German  Pioneers.     City  of  London  Co., 
'82.    10  sh.  6  d. 

The  Skeleton  in  the  House,   tr.  J.  Marsden.    Kolckman,  '82.    3  sh. 
S  p  y  r  i.    Heidy,  tr.  H.  S.  White.    Crowell,  '02.    35c,  60c,  75c. 

Same.    Ginn.    40c,  65c. 

Same,    tr.  H.  A.  Malcolm.     Burt,  '01. 

Same,   tr.  L.  Brooks.    De  Wolfe.     $1.50. 

Dorris  and  her  Mountain  Home,  tr.  M.  E.  Ireland.    Presb.  Pub.  Co.,  02.  75c. 

Moni,  the  Goat-boy,  and  other  Stories,    tr.  E.  F.  Kunz.    Ginn,  '06. 

Rico  and  Wiseli,   tr.  L.  Brooks.    De  Wolfe,  '85.    $1.50. 

Gritli's  Children,   tr.  L.  Brooks.    De  Wolfe.    $1.50. 

In  Safe  Keeping,    Rosenresli,    Lisa's  Christmas,    Basti's   Song  in   Altdorf, 

tr.  Lucy  Wheelock.    Lathrop  and  Co.,  J87. 

Swiss  Stories,  tr.  Wheelock.    Lothrop.    $1. 

Uncle  Titus,   tr.  Wheelock.    Lothrop.    $1. 

Veronica,   tr.  Brooks.    De  Wolfe.    $1.50. 
S  t  i  f  t  e  r.    Abdias,  the  Jew.   tr.  ?    Bentley,  '51.    3  sh.  6  d. 

Castle  Crazy  and  Marosheley  Stories,    tr.?    Bentley,  '51.    3  sh.  6  d. 

My  Great  Grandfather's  Note  Book,   tr.?    Bentley,  '51.    3  sh.  6  d. 

Pictures  of  Life;  Tales,  tr.  M.  Howitt.    Hodgson,  '52.     1  sh. 


Bucherbesprechungen.  303 

Rural  Life  in  Austria,  tr.?  (3  v.)     Bentley,  '50.    31  sh.  6  d. 

Heathervillage,    tr.  C.  C.  Mackley.     Marlborough,  '68.     1  sh.  6  d. 
Storm.     Immensee,   tr.  Ann  Heath.     Mosher,  '02.     75c. 

Same,   tr.  B.  Schimmelpfennig.     Crowell,  '04.     30c,  50c. 

Same,    tr.  ?     Hinds,  '04.     50c. 

Stormy  Wedding,   tr.  Mrs.  Bryan.     Street  &  S.  1906. 
Sudermann.     The  undying  Past,    tr.  B.  Marshall.     Harper,  1901. 

Regina,  or  the  Sins  of  the  Fathers   (Katzensteg) ,    tr.  Marshall.     Lane,  4th 
ed.,  '05.    75c. 

Same,    tr.?     Hill.    25c. 

The  Wish,   tr.  Lily  Henckel.    Unwin,  '91.    6  sh. 

The  same,   tr.  Lily  Henokel.     Appleton,  $1. 

Dame  Care,   tr.?     Osgood,  '91.    2  sh.  6  d. 

The  same,   tr.?     Harper.    $1. 
S  u  1 1  n  e  r.     Lay  down  your  Arms !     tr.  Holmes.     Longmans,  '06.     75c. 

Ground  Arms!     A  Romance  of  European  War,    tr.  A.  Abbott.     Me  Clurg, 

'06.    7th  Ed.  $1.50. 

Tieck.     Fair  haired  Eckbert;    Trusty  Eckhart;    Runenberg;     The   Elves;     The 
Goblet  in  Vol.  2  of  German  Romance,    tr.  Carlyle.     Scribners  and  Bohn. 

The  Elves,   tr.  Hedge  (in  Prose  Writers  of  Germany).    N.  Y.,  '55. 

Stories   (in  Beauties  of  German  Literature).     Warne.    $1. 
V  o  s  s  ,  R.     The  new  God,    tr.  ?     Harper.    $1.25. 

Sigurd  Eckdal's  Bride,    tr.  M.  J.  Safford.     Little.     $1. 

Amata,    tr.  Boutell.     Neale.     $1. 

Mother  of  the  Catos,   tr.?    Neely.    $1.25. 

Nubia  of  Saracenesco,   tr.  H.  E.  Miller.     Saalfield.    50c. 
Zschokke.     Tales,    tr.?     Winston.     50c,  75c;  also  Putnam.     $1. 

Same.    Coates.    75c. 

The  Poor  Vicar,    tr.  Hedge  (in  Prose  Writers  of  Germany).     N.  Y.  '55. 

Sylvester  Night's  Adventure,    tr.  M.  B.  W.     Clarke.     75c. 

Dead  Guest,    tr.?     Appleton.     50c. 

The  Galley  Slave,   tr.?     Truth  Seeker  Co.     50c. 

Selections   (in  Beauties  of  German  Lit.).    Warne.    $1. 

Alamontade,  the  Galley  Slave.     Truth  Seeker  Co.    50c. 

Christmas  Stories,    er.?     Coates.    75c. 


Biicherschau. 


I.     Bucherbesprechungen. 

Oto     Ernst,     tiberwunden.  kes  anzuweisen  und  sich  dabei  von  'sei- 

Edited  with  introduction  and  notes  by  ner  Sympathie,  wie  sie  der  Herausgeber 

James    Taft   Hatfield,   Prof es-  fur  den  Verfasser  f  iihlt,  doch    nicht  zum 

sor  in  Northwestern  University.    New  tiberschwang  verleiten  zu  lassen,    ist    in 

York,  Henry  Holt  &  Co.,  1908.    X+66  der  Tat  eine  bedeutsame  Leistung.  Dass 

pp.    Cloth,  30  cents.  freilich  der  Herausgeber  mit  der  Wahl 

Man  wird  unter  unsern    Schultextbii-  gerade  dieses  Textes,     der    stellenweise 

chern  lange  suchen  dtirfen,  bis  man  wie-  geradezu  physisch  peinigenden  Geschich- 

der  einer  so  feinsinnigen  Einleitung  be-  te   von  dem   zuerst   so   jahzornigen  und 

gegnet  wie  der  zu  diesem  Werkchen.  Es  verzweif  elnden,  schliesslich  der  Schwind- 

ware  ihm  darum  auch  weiteste  Verbrei-  sucht     erliegenden    Schulmeister,     einen 

tung  zu  wtinschen.  Einem  noch  lebenden  besonders  glticklichen   Griff  getan  habe, 

Schriftsteller  mit  soldier  Treffsicherheit  mochte  ich  nicht  so  bestimmt  bejahen; 

seine  Stellung  im  Schrifttum  seines  Vol-  gewisse  Teile  der  Erzahlung  den  Schtt- 


304 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


lern  geniessbar  zu  machen  diirfte  ein 
ganz  besonderes  Feingefiihl  des  Lehrers 
erfordern,  wahrend  es  Professor  Hatfield 

—  ich  ftirchte,  etwas  allzu  optimistisch 

—  beim     Durchschnittspadagogen     vor- 
auszusetzen    scheint.  —  Der    Schwierig- 
keit  wegen  wird  der  Gebrauch  des     Bu- 
ches  kaum  vor  dem  letzten  Jahre    eines 
vierjfihrigen  Sekundarschullehrgangs 
oder  der  entsprechendon  Stufe  im    Col- 
lege anzuraten  sein.       Auf    die  Textge- 
stalt  ist  ungemeine  Sorgfalt  verwendet; 
nur  S.  14,  Z.  19/20  ist  hniaus  in  hinaus 
zu  verbessern,  und  S.  15,  Z.  19,  20  und 
28;  S.  16,  Z.  26  und  S.  17,  Z.  18  ist,  der 
Vorlage   entsprechend,   das  Wort    p  e  r  e 
jeweils  ohne  Akzent  zu  schreiben,    da  es 
einen  Fehler  im  Schulerheft  vorstellt. 

Die  Anmerkung  iiber  Stradivarius  (S. 
6,  Z.  10)  hatte  dahin  erganzt  werden  sol- 
len,  dass  der  Gebrauch,  in  billige  Nach- 
ahmungen  der  Modelle  der  alten  Geigen- 
bauer  deren  Namen  einzukleben,  hiiben 
wie  driiben  weit  verbreitet  ist.  —  Das 
Franzosisch  von  S.  10,  Z.  15  ware  wohl 
besser  mit  "That's  all"  wiederzugeben. 

—  In  der  Anm.  zu  S.  23,  Z.  20  sollten 
,,Die     Piccolomini"     aus     padagogischen 
Griinden  als  zweiter  Teil    des  ,,Wallen- 
stein"  genannt  werden.  —  Der  Hinweis 
auf  Curme's  Grammar  unter  diesem  ab- 
gekiirzten  Titel  scheint  mir  —  leider! — 
deshalb  anfechtbar,  weil  dieses  treffliche 
Werk  langst  nicht  nach  Gebiihr  bekannt 
ist  und  gebraucht  wird.  —  Zu  der  Anm. 
zu  S.  45,  Z.  5  mochte  ich  wenigstens  ein 
Fragezeichen  setzen. 

August   Sauer,    Literatur- 

geschichte     und   Volkskunde. 

Rektoratsrede,     gehalten  in  der  Aula 

der  K.  K.  deutschen  Karl-Ferdinands- 

Universitat  in  Prag  am  18.  November 

1907.      Prag,   Selbstverlag    der    K.  K. 

deutschen  Karl  -  Ferdinands  -  Univer- 

sitat,  1907.     42  S.  80. 

In  dieser    schonen     und     gehaltvollen 

Rede  verlangt  der  verdiente  Prager  Li- 

terarhistoriker,      der     Herausgeber     des 

,,Euphorion",    eine    innigere  Verbindung 

der   Literaturforschung    mit  der    immer 

mehr     erstarkenden      wissenschaftlichen 

Volkskunde  und  zeichnet  fur  gegenseiti- 

ge  Durchdringung  und  Befruchtung    die 

Wege  vor.     Er  fordert  eingehendere  Ver- 

wertung     der     Familiengeschichte      und 

Aufstellung    verlasslicher    Stammbaume 

fur  alle  bedeutenderen  Dichter,   stamm- 

heitliche  oder  landschaftliche  Provinzial- 

literaturgeschichten  neben  der  allgemei- 

nen    deutschen  Literaturgeschichte    und 

grb'ssere     Berucksichtigung     der    Ergeb- 

nisse     der     volkskundlichen     Forschung, 

die  ihrerseits  ihre  Hauptaufgabe  in    der 


Charakteristik  des  deutschen  Volkes 
nach  Stammen  und  Landschaften  sehen 
miisse;  auch  sei  ,,der  Versuch  zu  ma- 
chen, einen  Abriss  der  deutschen  Litera- 
turgeschichte in  der  Weise  zu  liefern, 
dass  dabei  von  den  volkstiimlichen 
Grundlagen  nach  stammheitlicher  und 
landschaftlicher  Gliederung  ausgegangen 
werde,  dass  die  Landschaften  und  Stam- 
me  in  ihrer  Eigenart  und  Wechselwir- 
kung  darin  mehr  als  bisher  zur  Geltung 
kommen  und  dass  bei  jedem  Dichter,  je- 
der  Dichtergruppe  und  jedem  Dicht- 
werke  f estgestellt  werde,  wie  tief  sie  im 
deutschen  Vblkstume  wurzeln  oder  wie 
weit  sie  sich  etwa  davon  entfernen." 
Anhangsweise  gibt  Professor  Sauer  'eine 
sehr  wertvolle  Bibliographic  zu  seinen 
Ausfuhrungen.  —  Zu  bedauern  ist,  dass 
in  den  Anmerkungen  die  Hinweise  auf 
die  Seiten  der  Abhandlung  nicht  stim- 
men,  sondern  die  Zahl  jeweils  um  16 
vermindert  werden  muss  (so  dass  also  z. 
B.  S.  20,  Z.  5ff.  eigentlich  fur  S.  4,  Z. 
5ff.  steht);  der  Rede,  die  als  besonders 
paginierter  Abdruck  vorliegt,  wenn  auch 
nicht  auf  dem  Titelblatt  als  solcher  ge- 
kennzeichnet,  ging  beim  ersten  Druck 
offenbar  ein  anderer  Artikel  des  ge- 
nannten  Umfangs  voraus.  Es  ware  des- 
halb dringend  zu  wiinschen,  dass  Son- 
derabziige  aus  Zeitschriften  und  Sam- 
melwerken  unter  alien  Umstanden  die 
urspriingliche  Seitenzahl  aufweisen 
mochten  und  nur  diese,  —  jede  andere 
Seitenbezeichnung  fiihrt  in  der  Halfte 
aller  Falle  zu  Verwirrungen  und  Miss- 
verstandnissen. 

En  France.  Guide  a  travers  la  langue 

et  le  pays  des  Frangais.     (In  Frank- 

reich.    Ein  Fuhrer  durch  die  Sprache 

und  das  Land  der  Franzosen.)     Mit 

deutscher  ubersetzung,  einem  gram- 

matischen  Anhange  und  einem  pho- 

netischen     Wb'rterverzeichnisse     von 

Paul  Martin,  Paris,  und  D r.  O. 

Thiergen,    Dresden.     Leipzig-R., 

E.  Haberland,  o.  J.     219  S.  8°,  mit 

6  Planen.    Gebunden  3  Mark. 

Eine  ganz  vorzugliche  Leistung!   Dass 

das     Buch     nicht,     wie    das    Vorwort 

meint,   ,,infolge   seines  geringen  Umfan- 

ges  leicht  in  der  Tasche  getragen  werden 

kann",  ist  eher  ein  Vorzug  als  'ein  Nach- 

teil;  denn  es  sollte  zu  Hause  griindlichst 

studiert  werden,  ehe  man  die  Reise  ins 

schone  Frankreich  antritt,  —  und  wenn 

man    die    Reise    nur    auf     Fliigeln     der 

Phantasie   machen   kann,    so    lasst   sich 

keine  prachtigere,    liebenswiirdigere  Be- 

gleitung  denken,  —  im  Handkoffer  mag 

man  zu  gelegentlicher  Auffrischung  der 

Bekanntschaft  mit  Sache  und  Ausdruck 


Bucherbesprechungen. 


305 


den  Fiihrer  immerhin  mitnehmen.  Der 
Stoff,  der  einen  schier  unerschopflichen 
Schatz  an  Wendungen  und  Redensarten 
bietet,  zerfallt  in  vier  Teile:  Die  Reise 
(eines  Ziirichers  und  seiner  Frau),  Paris, 
Das  Alltagsleben,  Die  Umgebung  von 
Paris;  wir  'erfahren  alles  Wissenswerte 
aus  Gesprachen  und  Briefen,  denen  in 
der  rechten  Spalte  eine  gute  deutsche 
Ubersetzung  beigefiigt  ist,  die  nur  bis- 
weilen  etwas  knapper  gefasst  sein  diirfte 
und  ein  paarmal  auch  einen  nicht  ganz 
deutschen  Ausdruck  durchschliipfen 
lasst.  Die  Reichhaltigkeit  des  Inhaltes 
auch  nur  annahernd  erraten  zu  lassen, 
miisste  ich  einen  Teil  des  Inhaltsver- 
verzeichnisses  ausschreiben,  wozu  hier 
der  Raum  fehlt.  Es  sei  indes  wenigstens 
auf  die  Fahrplane,  die  Muster  von  Brie- 
fen  und  Billets,  Firmenschildern  und  An- 
noncen  yerwiesen.  Der  Anhang  (46  Sei- 
ten)  bringt  in  klarer  Darstellung  das 
Wichtigste  der  franzosischen  Gramma- 
tik.  Das  Worterverzeichnis,  alphabetisch 
nach  Stichwortern  geordnet,  gibt  zu  je- 
der  Eintragung  die  Umschrift  nach  dem 
System  der  Association  phongtique.  Das 
Buch  ist  jedem  Lehrer  des  Deutschen 
hierzulande,  der  Franzosisch  im  Neben- 
amte  oder  zum  Vergniigen  betreibt,  aufs 
warmste  zu  empfehlen. 

(1)  Dichtung     und     Wahrheit. 
Von  Wolfgang    von    Goeth'e. 
Fiir  Schulgebrauch  und  Selbstunter- 
richt     herausgegeben     von     D  r.     O. 
K  a  s  t  n  e  r  ,     Direktor    der    hoheren 
Madchenschule  zu  Landsberg  a.  W. 
Leipzig  und  Berlin,  B.   G.   Teubner, 

1907.  219  S.  8°.     Geheftet  M.  1.20; 
geb.  in  Leinwand  M.  1.50. 

(2)  Iphigenie   auf   Tauris.     Ein 
Schauspiel   von   Wolfgang   von 
Goethe.     Fiir  Schulgebrauch   und 
Selbstunterricht    herausgegeben  von 
D  r.  G.  F  r  i  c  k.    ebd.  1908.    75  S.  8°. 
Geheftet  50  Pfennig;  geb.  70  Pf. 

(3)  Prinz  Friedrich    von    Horn- 
bur  g.     Ein   Schauspiel  von  H  e  in- 
rich  von  Kleist.     Fiir  Schulge- 
brauch und  Selbstunterricht  heraus- 
gegeben von  Dr.  H.  G  a  u  d  i  g.    ebd. 

1908.  VI  +  127  S.  8°.     (Ohne  Preis- 
angabe;  geh.  etwa  70  Pf.,  geb.  etwa 
1   Mark.)      Alle   drei   Bandchen   aus 
der  Sammlung:   Deutsche   Schulaus- 
gaben,    herausgegeben    von  Dir.  Dr. 
H.  Gaudig  und  Dr.  G.  Frick. 

Wer  Teubners  deutsche  Schulausgaben 
zum  ersten  Male  in  die  Hand  nimmt, 
dem  wird  das  schmucke  Gewand  und  die 
vorziigliche  Ausstattung  angenehm  auf- 
f alien;  Papier  und  Druck  (klare  Schwa- 
bacher  Korpuslettern,  massig  weit  ge- 


setzt,  Durchschuss  Achtelpetit)  entspre- 
chen  den  weitgehendsten  Anforderungen 
der  Schulhygiene.  —  Bei  (1)  und  (2)  be- 
schrankt  sich  der  angehangte  editorielle 
Apparat  auf  13  bezw.  7  Seiten;  kiirzere 
Bemerkungen  sind  hie  und  da  in  Fusa- 
noten  untergebracht.  Beide  Nummern 
geben  in  diesem  Anhang  zunachst  eine 
Zeittafel  zu  Goethes  Leben  und  Wer- 
ken,  sodann  einen  Durchblick  und  end- 
lich  einen  Riickblick  auf  den  Roman 
bezw.  das  Drama,  die  sprachlich  an  ame- 
rikanische  Studierende  zuweilen  zu  hohe 
Anforderungen  stellen.  Willkommen 
werden  alle  drei  Heftchen  da  sein,  wo 
der  ganze  Unterricht  von  einem  tiichti- 
gen  Lehrer  in  deutscher  Sprache  geleitet 
wird:  wo  diese  Voraussetzungen  nicht 
zutreffen,  zumal  beim  Selbstunterricht, 
wird  man  wohl  hierzulande  besser  zu 
den  bewahrten  amerikanischen  Ausga- 
ben,  wie  der  von  Prof.  v.  Jagemann 
(Goethes  Dichtung  und  Wahrheit,  Selec- 
tions from  Books  I — XI,  Henry  Holt  and 
Co.)  und  der  von  Prof.  Winkler  (Iphige- 
nie, ebd.)  greifen.  Weder  der  Durch- 
schnittslehrer  noch  der  Schiller  in  Ame- 
rika  ist  imstande,  sich  ohne  ausfiihrli- 
chere  Erlauterungen  zurechtzufinden. 
Wahrend  ich  jedoch  (1)  und  (2)  nur  be- 
dingungsweise  fiir  unsere  Verhaltnisse 
empfehlen  kann,  stehe  ich  nicht  an,  Gau- 
digs  Ausgabe  des  Prinzen  von  Homburg 
schlechtweg  fiir  ein  Meisterwerk  zu  er- 
klaren,  das  zum  mindesten  neben  jeder 
anderen  Ausgabe  seinen  Platz  finden 
sollte.  Der  Herausgeber  entwickelt  in 
der  Einleitung  (4  Seiten)  und  im  An- 
hang (43  Seiten),  wie  der  aufmerksame 
Leser,  ohne  weitere  Voraussetzungen 
mitzubringen  als  die  Absicht,  das  Kunst- 
werk  als  Gesamterscheinung  zu  genies- 
sen,  das  Ganze  in  alien  Einzelheiten  mit- 
erlebend  nachschaffen  kann;  ein  glan- 
zendes  Beispiel  asthetischer  Einfiihrung 
und  Leitung  fiir  Schule  und  Selbstunter- 
richt. Der  geschichtliche  Rohstoff,  mit 
dem  ja  Kleist  vollig  frei  geschaltet  hat, 
und  dessen  Kenntnis  man  zum  Genusse 
des  Dramas  ganz  entbehren  kann,  ist  auf 
den  letzten  drei  Seiten  des  Anhangs  ent- 
sprechend  kurz  behandelt. 
Univ.  of.  Wis.  E.  C.  Roedder. 

Der  We  g  zum  G 1  u  ck.  Zwei  Erzah- 
lungen  fiir  die  Jugend.  Selected  and 
edited,  with  Exercises,  Notes  and 
Vocubulary,  by  Dr.  W  i  1  h  e  1  m 
Bernhardt.  Boston.  D.  C.  Heath 
&  Co.  1908. 
Ein  leichter  Text  mit  vollstandigem 

Apparat,  der  sich  also  zum  Gebrauch  in 

den  Elementarklassen  der  High  Schools 

empfiehlt. 


306 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogilc. 


Dass  die  deutsche  Literatur  aus  lauter 
klassischen  Dramen  und  sentimentalen 
Liebesgeschichten  bestehe,  ist  eine  Mei- 
nung,  die  man  leider  oft  genug  bei  den 
Schtilern  der  High  Schools  antrifft.  Ei- 
ner  solchen  Meinung  lassen  sich  diese 
beiden  Erzahlungen  von  den  bekannten 
Jugendschriftstellern  Viktor  Bliithgen 
und  Julius  Lohmeyer  hiibsch  entgegen- 
halten. 

,,Der  Riigenfahrer"  ist  die  heitere  Be- 
schreibung  des  Ferienausflugs  eines  14- 
jahrigen  Gymnasiasten,  wobei  dessen 
niirrischer  alter  Onkel,  ein  reicher 
Deutschamerikaner  aus  Milwaukee,  ihn 
unerkannt  begleitet  und  auf  die  Probe 
stellt.  Aus  Pauls  Briefen  an  seine  Mut- 
ter, worm  seine  Schulweisheit  glanzend 
zur  Gcltung  kommt,  und  aus  denen  uns 
eine  begeisterte  Naturliebe  entgegenla- 
chelt,  erfahren  wir,  was  geschah,  und 
wie  er  die  Probe  bestand. 

,,Tot  oder  lebendig"  ist  dlisterer  und 
streift  das  Tragische.  Hier  wird  uns 
der  sorglose  Apothekerssohn  Otto  vorge- 
fiihrt,  der  durch  seine  Unachtsamkeit 
um  ein  Haar  seinen  liebsten  Freund  ver- 
giftet  hiitte.  Als  ein  anderer  Mensch, 
reifer  und  besonnener,  geht  er  aus  die- 
sem  schrecklichen  Erlebnis  hervor. 

Der  Grundgedanke  beider  Erzahlun- 
gen, der  in  der  Einleitung  durch  ein  Zi- 
tat  vom  Prasidenten  Roosevelt  zum  ker- 
nigen  Ausdruck  gebracht  wird,  lautet: 
Fleiss  und  Gewissenhaftigkeit  bahnen 
den  ,,Weg  zum  Gltick".  Eine  gesunde 
und  zugleich  interessante  Jugendlektiire, 
die  namentlich  die  Knaben  anziehen 
wird.  Dass  keine  von  beiden  Erzahlun- 
gen hohen  literarischen  Wert  bean- 
sprucht,  schadet  nichts. 

Anerkennenswert  ist  das  gute  Voka- 
bular,  welches  ausser  den  tiblichen  An- 
gaben  auch  die  Langen,  die  Betonung 
und  etwaige  Eigentiimlichkeiten  der 
Aussprache  anmerkt.  Das  Biichlein 
scheint  tibrigens  ausserordentlich  fehler- 
frei  zu  sein.  Nur  ein  kleines  Versehen 
(,,Kinderparadise",  iv,  letzte  Zeile),  ist 
mir  bei  der  Durchsicht  aufgefallen. 

Die  beiden  Freund e.  Eine  Erzah- 
lung  von  Genera.l-Feldmar- 
schall  Graf  Helmuth  von 
Moltke.  With  Introduction,  Notes 
and  Vocabulary,  by  Karl  Detlev 
Jessen,  Ph.  D.  (Berlin).  New 
York,  Henry  Holt  and  Company, 
1907. 

Ein  Erstlingsversuch  des  Autors,  der 
zwar  von  technischen  Unebenheiten  nicht 
ganzlich  frei  geblieben  ist,  aber  wegen 
der  patriotischen  und  abenteuerlichen 
Elemente  eine  htibsche  Lektiire  fur  etwa 


die  hoheren  Klassen  in  der  High  School 
bietet.  Leider  aber  stimmt  der  edito- 
rielle  Apparat  schlecht  zu  diesem  Zweck. 

Die  Einleitung  —  abgesehen  von  dem 
langeren  Zitat  aus  Graf  Schlieffens  Rede 
—  ist  schwerfalligen  Stils  und  enthalt 
manchen  Germanismus  und  sonstigen 
Verstoss  gegen  englischen  Sprachge- 
brauch  ("his  early  deceased  beloved 
wife";  "one  is  safe  to  say";  "deals  of 
Moltke"  u.  s.  w.)  Statt  der  an  dieser 
Stelle  sehr  entbehrlichen  Vergleiche  von 
Moltkes  Stil  mit  dem  von  Julius  Casar, 
Xenophon,  Tacitus,  Goethe  und  Bis- 
marck, und  statt  der  Konstatierung  der 
literarischen  Einfliisse,  wobei  die  Namen 
von  Eichendorff,  von  Kleist,  Tieck,  Kor- 
ner  und  Friederike  Lohmann  Erwah- 
nung  finden,  ware  eine  kurz  gehaltene 
sachliche  Darstellung  des  geschichtlichen 
Hintergrundes  der  Erzahlung  —  des  sie- 
benjahrigen  Krieges  —  viel  zweckdien- 
licher  gewesen.  Dieses  fiir  das  voile 
Verstandnis  der  Erzahlung  so  wichtige 
Thema  wird  in  zwei  kurzen  Anmerkun- 
gen  (zu  3,  1  und  41,  20),  im  ganzen  8 
Zeilen,  abgetan. 

Die  Anmerkungen  selber  sind  Sehr 
knapp  gehalten  und  lassen  manches  zu 
wiinschen  iibrig.  ,,Der  heilige  Nepomuk", 
z.  B.,  der  bereits  6,  20  erwahnt  ist,  steht 
gar  nicht  im  Vokabular  und  wird  erst  in 
der  Anmerkung  zu  63,  6  erklart,  wah- 
rend  ,,der  heilige  Calvarius"  nirgendwo 
als  im  Texte  Erwahnung  findet.  Falsche 
Seiten-  und  Zeilenzahlen  erschweren  fer- 
ner  den  Gebrauch  der  Anmerkungen;  z. 
B.  auf  S.  87:  (Z.  8)  20,  22  =  17,  22;  (Z. 
11)  19,  19  =  19,  6;  (Z.  15)  37,  24  =  37, 
23,  u.  s.  w.  Auch  mit  der  iiblichen  gram- 
matischen  Terminologie  scheint  der  Her- 
ausgeber  im  Streite  zu  liegen:  "the  in- 
finite part  of  the  verb"  (S.  85);  "sub- 
junc.  of  irreality"  (S.  86) ;  "The  first  ad- 
jective is  endingless"  (S.  90). 

Das  Vokabular  soil  scheinbar  nur  beim 
ubersetzen  als  Hiilfsmittel  dienen,  denn 
es  sind  keine  Genitivformen,  keine  Be- 
zeichnung  der  Langen  und  Kilrzen,  nur 
ein  paar  Akzente  und  einige  Pluralfor- 
men  vorhanden.  Die  beiden  letzteren 
sind  durchaus  nicht  konsequent,  sondern 
scheinbar  nur  in  willktirlich  gewahlten 
Fallen  angewendet.  (S.  124:  "Ring,  m., 
-e.  Ritt,  m.,  -e.  Ritter,  m.  Rohr,  n., 
Ross,  n."). 

S.  H.  Goodnight. 

Univ.  of  Wis. 

Die  Erste  Oberosterreichische  Lehr- 
und  Lernmittel-Anstalt  des  Lehrerhaus- 
Vereins  fiir  Oberosterreich  in  Linz,  Leh- 
rerhaus,  versendet  eben  'einen  n  e  u  e  n 
Lehrmittelkatalog,  der  zufolge 


Bucherbesprechungen. 


307 


seiner  Ausstattung  und  Reichhaltigkeit 
einen  wertvollen  Wegweiser  auf  dem  Ge- 
biete  des  Lehrmittelwesens  darstellt.  Es 
sind  in  demselben  alle  Unterrichtsge- 
biete  behandelt  und  die  besten  und  neue- 
sten  Lehrmittel,  sowohl  Bilderwerke  als 
Apparate,  aufgefiihrt.  Dem  kiinstleri- 
schen  Wandschmuck  ist  ein  besonderer 
Abschnitt  gewidmet.  Im  Anhange  fin- 
den  sich  zwei  ziemlich  umfangreiche 
Verzeichnisse,  von  denen  das  eine  em- 
pfehlenswerte  Jugendschriften,  das  an- 
dere  geeignete  Biicher  ftir  Lehrerbiblio- 
theken  enthalt. 

Zweifellos  wird  durch  diesen  neuen 
Katalog  der  gute  Ruf,  den  die  junge, 
aufstrebende  Anstalt  in  weiten  Kreisen 
geniesst,  nur  noch  fester  begrtindet. 

Der  Lehrmittelkatalog  wird  an  alle 
Lehrpersonen,  die  denselben  mittels  ei- 
ner  Korrespondenzkarte  verlangen,  um- 
sonst  zugesendet. 

Preisausschreiben  fiir  K  ii  li- 
st 1  e  r  -  Modellierbogen.  Um  die 
hausliche  Beschaftigung  unserer  Knaben 
bildend  zu  gestalten,  hat  die  Firma 
B.  G.  Teubner  in  Leipzig  ein  Preisaus- 
schreiben erlassen,  um  eine  ktinstlerisch 
einwandfreie  Serie  von  Ktinstlermodel- 
lierbogen  der  sehaffenslustigen  Jugend 
bieten  zu  konnen.  Aus  den  weit  tiber 
100  Entwiirfen,  viele  von  anerkannten 
Kunstmalern  und  Architekten  stam- 
mend,  ergaben  sich  folgende  Gegen- 
stande  zur  Weiterfiihrung  des  Unter- 
nehmens:  Die  Kogelburg  bei 
Volkmarsen  (von  Merseburg  und 
Westphal  in  Dresden)  als  typisches  Bei- 
spiel  einer  mittelalterlichen  Schutz-  und 
Trutzstatte ;  eine  niedersachsi- 
sche  Dorfkirche  (von  Geschwister 
Hamens  in  Bremen)  nebst  dem  dazu  ge- 
horigen  Bauernhaus  als  Beispiel  fiir 
echte  Volkskunst ;  ein  r  u  m  an  i  s  c  h  e  s 
Bauerngehoft  (von  Schaale  in  Pa- 
sing),  das  die  EigentUmlichkeit  eines 
fremdlandischen  Lebens  recht  plastisch 
vor  Augen  ftihrt.  Ausser  den  genannten 
wurden  folgende  vSllig  neuartigen  Mo- 
dellierbogen fiir  die  Kleineren  preisge- 
kront:  ein  zu  humoristischer  Betatigung 
einladendes  Schattentheater,  ein 
lebensvoller  Kramraarkt  (beide  von 
Geigenberger  in  Miinchen),  sowie  ein 
Bild  aus  Hansel  und  Gretel  (von 
Th.  Hermann  in  Hamburg),  das  echten 
Marchenzauber  atmet.  Ausser  den  pra- 
miierten  Gegenstanden  werden  noch  aus- 
gefuhrt  eine  Pfahlbauansiedlung  zur  Be- 
friedigung  des  archaologischen  Interes- 
ses,  ein  volkskundlich  interessanter  alt- 
wendischer  Bauernhof,  sowie  endlich  ein 
im  Landhausstil  gehaltenen  Stationsge- 


baude  einer  Kleinbahn,  das  den  Sinn  fiir 
moderne  Heimatkunst  zu  beleben  im- 
stande  ist.  Aus  all  dem  erhellt  sicher, 
dass  mittels  des  Preisausschreibens  die 
gute  Sache  um  ein  Betrachtliches  gefor- 
dert  worden  ist  und  auch  weiterhin  auf 
freundliches  Interesse  aller  beteiligten 
Kreise  rechnen  darf.  Auch  die  neue  Se- 
rie wird  in  tadelloser  Ausfiihrung  auf 
starkem,  holzfreiem  Karton  erscheinen 
und  sich  dadurch  vorteilhaft  von  vielen 
ahnlich  gearteten  Unternehmen  abheben. 
So  wird  wie  durch  die  padagogische  und 
kfinstlerische  Durchfuhrung  auch  durch 
die  Giite  des  Materials  Sorge  getragen, 
dass  die  kleinen  Baumeister  Freude  an 
ihrer  Hande  Arbeit  haben. 

Dies  und  Das.  Ein  Buch  fiir  die 
Kleinen.  Zusammengestellt  von  H. 
H.  F  i  c  k  ,  Supervisor  of  German, 
Cincinnati  Public  Schools.  American 
Book  Co. 

Wer  da  weiss,  wie  wichtig  es  ist,  dass 
unsere  jungen  Schiiler  vom  ersten  Tage 
an,  an  dem  sie  in  die  Geheimnisse  des 
deutschen  Lesens  eingefiihrt  werden,  mit 
Interesse  an  die  Arbeit  gehen,  der  wird 
diese  neue  Gabe  mit  Freuden  begriissen. 
Sie  ist  dazu  bestimmt,  Erganzungsstoff 
fiir  den  ersten  Leseunterricht  zu  bieten, 
und  zwar  solchen,  den  die  Schiller  mit 
Vergniigen  lesen  werden.  Er  ist  ihrem 
Anschauungskreise  entnommen;  er  er- 
zahlt  ihnen  kleine  Geschichten  von  den 
Personen,  Tieren  und  Gegenstanden  aus 
ihrer  Umgebung;  er  nimmt  Teil  an  ihren 
Spielen  und  ihrer  Arbeit  —  alles  das  in 
einer  der  Auffassungskraft  der  Schiiler 
angemessenen  Form.  Das  ganze  Buch 
verrat  von  neuem  den  feinfiihligen  Dich- 
ter  und  Schriftsteller,  sowie  den  'erprob- 
ten  Schulmann.  Es  sei  hiermit  aufs  an- 
gelegentlichste  empfohlen. 

Sprachiibungen  (in  sieben  Hef- 
ten).  Im  Anschluss  an  die  Lesebii- 
cher  der  Serie  Weick-Grebner.  Be- 
arbeitet  fiir  den  deutschen  Unter- 
richt  in  amerikanischen  Volksschu- 
len  von  Emil  Kramer.  Zweite 
Auflage.  Verlag  von  Gus.  Muehler, 
Cincinnati,  O.  Preis  fiir  das  Heft 
5  cts. 

Im  6.  Jahrgange  (Marzheft)  dieser 
Zeitschrift  wiesen  wir  in  einer  lUngeren 
Besprechung  auf  das  vorziigliche  Werk- 
chen  hin,  das,  aus  der  Praxis  entstanden, 
so  recht  fiir  den  praktischen  Gebrauch 
berechnet  ist.  Die  Tatsache,  dass  nach 
verhaltnismassig  kurzer  Zeit  die  'erste 
Auflage  erschopft  war  und  die  Heraus- 
gabe  einer  zweiten  notig  wurde,  spricht 


308  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

tleichfalls  ftir  die  Vortrefflichkeit  dieser  tikalischen  Unterricht  zu  erleichtern,  zu- 

prachiibungen.  Wir  haben  keinen  Zwei-  gleich  aber  auch  erfolgreicher  und  nutz- 

fel,  dass  auch  diese  Auflage  gleichen  An-  bringender  zu  gestalten.     Doch  auch  da, 

klang  nnden  wird.     tiberall  da,  wo   die  wo  andere  Lesebiicher  im  Gebrauch  sind, 

Lesebuchserie  von  Weick-Grebner  in  der  werden  die  Sprachiibungen  manch  wert- 

Volkssehule     gebraucht     ist,     wird     das  vollen  Fingerzeig  fiir  den  Unterricht  in 

Werkchen  dazu  beitragen,  den  gramma-  der  Grammatik  geben.  M.  G. 


II.     Eingesandte  Biicher. 


Dies  und  Das.     Ein  Buch  fur  die        Encyklopiidisches  Hand- 

Kleinen.      Zusammengestellt   von   H.    H.    buch     der     Padagogik.      Von    W. 
Pick,    Supervisor   of   German,     Cincin-    Rein.     Zweite  Auflage.     6.  Band,  erste 
nati  Public  Schools.     American  Book  Co.    und  zweite  Halfte.     Langensalza.     Her- 
mann Beyer  &  Sohne,  1907. 


Hiermit  diene  zur  gefalligen  Kenntnisnahme,    dass    noch    eine    be- 
schrankte  Anzahl  von  Exemplaren  des  Kataloges  der 


vorhanden  ist,  die,  soweit  der  Vorrat  reicht,  gegen  Einsendung  des  Be- 
trages  von  25  cts.  fiir  das  Stuck  abgegeben  werden. 

Die  ausgestellten  Gegenstande  werden  auch  nach  auswarts  auf 
begrenzte  Zeit  leihweise  versandt,  unter  der  Bedingung,  dass  deren  Riick- 
gabe  schriftlich  gewahrleistet  wird.  Fiir  verloren  gegangene  oder  bescha- 
digte  Gegenstande  ist  ihr  Kostenpreis  und  das  Porto  fiir  den  Neuankauf 
zu  entrichten. 

Wegen  Bezug  des  Kataloges  und  des  Leihens  von  Ausstellungsgegen- 
standen  wende  man  sich  an  Seminarlehrer  John  Eiselmeier,  558  —  568 
Broadway.  Milwaukee,  Wis. 

Der  Vollzugsausschuss  des  Lehrerseminars. 


Monatshefte 

fur  deutsche   Sprache  und    Padagogik. 

(Friiher:    Padagogische  Monatshefte.) 

A  MONTHLY 

DEVOTED  TO  THE  STUDY  OF  GERMAN  AND  PEDAGOGY. 

Organ  des 

Nationalen  Deutschamerikanischen  Lehrerbundes. 


IX*  De-ember  1908.  Reft  10. 


Weihnachtslied. 

Vom  Himmel  in  die  tief sten  Kliifte 
Ein  milder  Stern  herniederlacht ; 
Vom  Tannenwalde  steigen  Diifte 
Und  hauchen  durch  die  Winterliifte, 
Und  kerzenhelle  wird  die  Nacht. 

Mir  ist  das  Herz  so  froh  erschrocken, 
Das  ist  die  liebe  Weihnachtszeit. 
Ich  hb're  feme  Kirchenglocken 
Mich  lieblich  heimatlich  verlocken 
In  marchenstille  Herrlichkeit. 

Ein  frommer  Zauber  halt  mich  wieder, 
Anbetend,  staunend  muss  ich  steh'n: 
Es  sinkt  auf  meine  Augenlider 
Ein  goldner  Kindertraum  hernieder, 
Ich  ftlhrs,  ein  Wunder  ist  gescheh'n. 

(Theo.  Storm.) 


The  Use  of  Phonetics  in  Language  Teaching. 

By  John  L.  Hulshof,  Public  Schools,  42  Bronx,  New  York. 


The  study  of  phonetics  is  recognized  by  authorities  as  the  initial  step 
in  the  mastery  of  a  foreign  language.  The  teacher  should  therefore  con- 
cern himself  during  the  first  few  lessons  with  the  imparting  of  the 
knowledge  of  the  vowel  and  consonant  sounds  preparatory  to  the  subse- 
quent study  of  the  language  itself. 

Now,  there  is  perhaps  no  subject  in  language-teaching  upon  which 
opinions  are  more  at  variance  than  that  of  phonetics.  Some  language 
teachers  are  enthusiastic  for  it,  whilst  others  discourage  the  systematic 
teaching  of  phonetics  altogether.  Perhaps  the  reason  for  this  difference 
of  opinion  may  be  found  in  the  fact,  that  the  strongest  opponents  of  the 
system  are  either  ignorant  of  phonetics,  or  else  they  never  had  a  chance  to 
observe  the  practical  application  of  phonetics  teaching  in  a  language. 

Another  potent  factor  lies  no  doubt  in  this,  that  in  English,  a 
language  with  some  45  arbitrary  vowels,  diphthongs,  thriphthongs  and 
aphthongs,  not  to  mention  digraphs  and  trigraphs,  it  is  well-nigh  im- 
possible to  apply  a  system  of  phonetics  that  can  be  made  practical  and 
helpful  in  the  schools.  Hence  the  lack  of  interest  in  this  essential  re- 
quisite in  language  teaching.  And  right  here,  I  admit  that  the  teaching 
of  phonetics  is  a  more  or  less  arduous  task,  particularly  when  the  classes 
are  large  and  the  time  allowed  for  the  study  of  the  foreign  language  has 
to  be  economized. 

However,  the  benefits  derived  from  the  teaching  of  phonetics  will  be 
apparent  from  the  following  reasons : 

1.  The  pupils  will  thereby  better  understand  the  elements  of  speech, 
both  in  English  and  German. 

2.  They  will  acquire  greater  accuracy  in  the  ennunciation  of  their 
own  mother  tongue,  as  well  as  in  that  of  the  foreign  language  they  are 
to  study. 

3.  The  pupils  will  quickly  grasp  the   idea   of   what   is   meant   by 
articulation  and  pronunciation,  instead  of  blindly  imitating  whatever  they 
hear  from  their  teacher.    This  is  particularly  the  case  with  older  pupils 
and  with  those  whose  power  of  linguistic  imitation  is  poorly  developed. 

The  Method  itself. 

The  teacher  may  begin  by  explaining  in  a  practical  way  that  a  word 
consists  of  sounds  and  that  a  letter  is  simply  the  sign  of  some  elementary 
sound  of  the  human  voice. 

Explain  what  you  mean  by  a  sign. 


The  Use  of  Phonetics  in  Language  Teaching.  311 

?,  !,  &  are  signs,  but  these  signs  do  not  represent  any  sound. — 
5,  8,  $,  R>  are  also  signs,  but  entirely  different  from  the  first.  (Use  B.  B.) 
This  has  aroused  the  interest  of  the  pupils,  and  here  is  your  psychological 
moment  to  make  them  understand  what  a  letter  really  is.  Show  the 
pupils  that  in  the  so-called  alphabet  the  letters  are  arranged  in  certain 
groups,  the  vowels  being  distributed  at  regular  intervals  throughout. 
Thus  for  instance  there  are  three  consonants  between  the  vowels  a  and  e, 
five  between  the  vowels  i  and  o  etc.  This  little  scheme  will  bring  the 
vowels  into  greater  prominence  and  these  primary  sounds  will  appear  to 
the  pupils  in  a  new  light.  To  further  impress  upon  the  pupils  the  real 
meaning  of  a  letter,  i.  e.  a  sign  of  some  elementary  sound  of  the  human 
voice,  ask  them  what  they  would  say  if  at  this  moment  a  pretty  white 
pigeon  should  alight  right  before  them  on  the  chair  railing,  so  that  they 
could  caress  it.  They  will  answer  with  a  spontaneous  accord — a — . 

Now  write  this  letter  on  the  B.  B.  and  say :  here  is  the  sign  or  letter 
that  represents  that  sound  in  German.  (Do  not  take  any  more  letters  at 
that  time,  or  you  will  confuse  them.) 

The  letter  a  is  really  the  simplest  and  most  common  sound  in  the 
language  and  presents  no  difficulty  to  the  pupil,  and  hence  requires  no 
demonstration  as  to  how  this  sound  is  produced  by  the  vocal  organs. 

Now  combine  this  vowel  a  with  consonants,  such  as:  da,  am,  kam, 
hat,  war,  alt,  kalt,  etc.  Let  the  pupils  read  the  words  thus  formed  in 
concert,  read  singly,  then  form  such  short  sentences  as:  Karl  war  da. 
Anna  hat  das  Band.  Karl  kam  am  Samstag,  etc.  etc.  The  pupils  may 
also  copy  these  short  sentences  from  the  B.  B.  on  slips  of  paper.  Care 
must  be  taken  that  no  other  vowel  sound  appears  in  the  words  except 
that  of  plain  a.  In  conclusion,  let  the  teacher  show  this  on  the  B.  B. : 


far 
fall 
fat 
ask 
made 


da 

kam 

war 

krank 

hat 


Let  the  teacher  read  both  columns,  the  English  words  as  well  as  the 
German.  Let  the  pupils  read  in  the  same  manner.  Call  the  attention  of 
the  pupils  to  the  variations  of  the  letter  a  in  the  English  language,  and  to 
the  uniform  sound  of  that  same  letter  in  German.  This  is  very  important, 
because  the  pupils  will  now  see  and  understand  that  in  German  the  same 
letter  always  represents  the  same  sound,  no  matter  what  position  the  let- 
ter may  occupy  in  a  word.  This  is  quite  sufficient  for  one  lesson. 

Before  beginning  with  the  next  vowel  sound  it  is  necessary  to  review 
the  previous  lesson  almost  step  by  step,  then  proceed  with  the  next  vowel 
sound. 


312  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Class,  attention!  This  letter  represents  the  sound  of  — e — .  Class 
repeat,  again,  once  more,  noch  einmal,  recht  so.  The  teacher  may  now 
write  on  the  B.  B.  such  words  as:  rede,  lebe,  bete,  hebe,  dem,  den,  der; 
also  such  words  as:  rate,  bade,  sage,  habe  etc.  Now  form  sentences  like 
the  following : 

Wer  war  da?    Emma  war  da. 

Was  hat  der  Knabe?    Er  hat  den  Besen. 

Der  Garten  hat  lange  Beete,  etc.  etc. 

The  five  plain  vowels  a,  e,  i,  o,  u  may  thus  be  taught  and  incidentally 
a  small  stock  of  vocabulary  be  acquired.  The  first  modified  sound  or  a 
may  then  be  taken  up.  This  sound  presents  no  difficulty  to  the  English 
speaking  pupils,  because  the  identical  sound,  though  not  the  identical 
vowel  is  found  in  the  English  language;  for  it  must  be  remembered  that 
the  German  word  "Bar"  and  the  English  word  b  ear  do  not  appeal  to  the 
child  in  exactly  the  same  manner.  From  a  psychological  standpoint  these 
contrasts  are  very  interesting  and  from  a  pedagogical  point  of  view,  very 
useful.  (The  absolutely  new  does  not  gain  our  interest  in  the  same  way 
as  the  comparatively  old.) 

The  modified  6  and  ii  require  much  practice  and  patience,  because 
these  sounds  are  absolutely  foreign  to  the  English  language.  With  some 
ingenuity  and  tact  these  strange  sounds  can,  however,  be  easily  mastered, 
and  we  now  proceed  to  the 

Diphthongs. 

Strange  as  it  may  seem,  it  is  nevertheless  a  fact  that  the  great  ma- 
jority of  our  pupils,  even  in  the  upper  grades,  are  woefully  ignorant  as  to 
the  combination  of  two  or  more  vowel  sounds  in  one  syllable,  which  form 
diphthongs  and  triphthongs.  A  very  simple  test  like  the  following  will 
convince  you  of  this.  Write  on  the  B.  B.  something  like  this : 


beat 

toil 

boat 

new 

beau 

buoy 

brief 

round 

beauty 

quoit 

fair 

crowd 

Oall  on  some  bright  pupil  to  read  the  words,  and  then  call  on  other 
pupils  to  cross  off.  the  letter  in  the  word  that  is  not  pronounced,  and  you 
will  soon  find  how  little  definite  knowledge  your  pupils  have  regarding 
diphthongs  and  triphthongs.  Needless  to  say  that  a  lesson  on  such  an 
essential  part  of  their  own  grammar,  if  given  with  precision,  will  clear 
away  many  of  the  prejudices  your  pupils  may  have  when  confronted  with 
similar  combinations  in  a  foreign  tongue. 

The  question  now  naturally  comes:  has  the  German  language  any 
diphthongs  or  triphthongs? 


The  Use  of  Phonetics  in  Language  Teaching.  313 

Yes,  the  German  language  has  diphthongs  but  no  triphthongs. 
The  teacher  now  proceeds  with  au,  and  forms  such  words  as:  aus, 
blau,  laut,  laufen,  kaufen,  rauben,  etc.  etc.,  after  which  he  forms  short 
sentences,  such  as : 

Der  Baum  hat  griines  Laub. 
Das  Kind  hat  blaue  Augen. 

1st  Frau  Braun  zu  Hause?  etc.  etc. 

*  *         * 
Ich  schreibe  zwei  Seiten. 
Das  Buch  hat  drei  Teile. 

Ich  habe  keine  Zeit.  etc.  etc. 

*  *         * 
Der  Freund  ist  mir  treu. 
Eugen  ist  immer  freundlich. 

Deutschland  ist  in  Europa.  etc.  etc. 

*  *         * 

Wir  spielen  auf  der  Wiese. 

Der  Diener  bringt  die  Stiefel. 

Ich  liebe  dieses  schone  Spiel,  etc.  etc. 

Care  should  be  taken  not  to  take  more  than  one  new  vowel  or  diph- 
thong in  any  one  lesson;  but  the  previous  lesson  or  lessons  should  always 
be  reviewed  before  any  new  sound  or  combination  of  sounds  is  presented 
to  the  pupils.  This  is  most  essential. 

The  work  here  outlined  requires  about  four  weeks  of  the  time  allotted 
for  the  teaching  of  the  German  language  in  the  New  York  public  schools, 
and  if  the  teacher  has  been  judicious  in  his  choice  of  a  vocabulary  and  has 
made  use  of  proper  material  at  hand,  the  pupils  in  his  class  will  now  be 
familiar  with  the  names  of  objects  in  the  class-room,  the  parts  of  the 
human  body,  and  clothing,  as  well  as  with  such  expressions :  Karl  ist  ein 
Schiller.  Wo  ist  die  Kreide?  Gehe  an  die  Tafel,  Karl.  Schreibe  das 
Wort  an  die  Taf el.  Das  ist  richtig.  Wer  f ehlt  heute  ?  Wo  ist  die  Thiir? 
Emil,  offne  die  Thiir.  Was  ist  das?  Da  sist  ein  Buch,  eine  Feder,  ein 
Bild.  etc.  etc. 

All  this  and  much  more  can  be  taught  along  with  phonetics.  In  fact, 
it  must  not  be  supposed  that  any  one  lesson  should  be  devoted  to  the  teach- 
ing of  phonetics  exclusively.  The  experienced  teacher  will  find  his  own 
way  to  intersperse  a  practical  drill  in  sounds  with  colloquial  forms  in  a 
variety  of  ways.  To  some  the  time  thus  spent  in  the  teaching  of  phonetics 
may  seem  slow  and  tedious,  nevertheless  it  is  the  most  essential  prepara- 
tion we  can  give  our  pupils  for  the  final  aim,  and  that  is — comprehensive 
reading  of  the  foreign  language,  which  in  turn  will  create  a  taste  and  due 
appreciation  of  the  literature  of  that  language. 

"Still  all  that  we  can  remember  of  our  studies  in  the  end, 
is  what  we  have  been  able  to  find  practical  use  for/'      Goethe. 


Vom  Lesen  von  Buchern, 


Yon  Friedrich  Naumann. 

Die  meisten  von  uns  haben  dreierlei  verschiedenen  Lesestoff  zu  be- 
waltigen,  namlich  die  notwendige,  die  nutzliche  und  die  tmterhaltende 
Lektiire.  Der  Zweck  der  notwendigen  Lektiire  ist  die  Ausiibung  des  Be- 
rufes,  der  Zweck  der  niitzlichen  die  Vermehrung  der  allgemeinen  Bildung 
und  die  Veredlung  des  Charakters,  der  Zweck  aber  der  unterhaltenden 
Lektiire  ist  die  Sattigung  der  Einbildungskraft  mit  wechselnden  Vorstel- 
lungen  und  Formen. 

Ein  und  dasselbe  Buch  kann  von  verschiedenen  Menschen  zu  ver- 
schiedenen Gruppen  gerechnet  werden.  Beispielsweise  liest  der  Geschichts- 
lehrer  viele  Dinge  als  notwendig,  die  uns  anderen  nur  als  niitzlich  er- 
scheinen.  Schillers  Dramen  oder  Eankes  Geschichtsdarstellungen  konnen 
in  alien  drei  Gruppen  vorkommen,  auch  Eeisebeschreibungen. 

Die  unterhaltende  Lektiire  kann  auf  die  Dauer  nicht  entbehrt  werden, 
weil  ohne  sie  die  freie  Elastizitat  der  Einbildungskraft  verkummert. 
Wenn  sich  in  den  Jahren  der  erwachsenden  Jugend  ein  Heisshunger  nach 
Unterhaltungslektiire  einstellt,  so  soil  man  zwar  Vorsicht  in  der  Auswahl 
der  geistigen  Speisen  walten  lassen,  aber  nicht  den  Hunger  selbst  als  Un- 
recht  verdammen.  Grosse  Feldherren  und  Philosophen  haben  mitten  in 
ihren  schweren  Arbeiten  ein  Bediirfnis  nach  leichterem  Lesestoff  gehabt. 

Man  soil  sich  nicht  scheuen,  ein  gutes  Buch  zweimal  zu  lesen.  Oft 
findet  man  erst  beim  zweiten  Lesen  die  inneren  Zartheiten  der  Begriffe 
oder  Gestalten  und  gewinnt  ein  Ohr  fur  die  besondere  Musik  der  Sprache. 
Sieh  dir  deine  Biicher  darauf  an,  welche  von  ihnen  du  ein  zweites  Mai 
lesen  mochtest!  Das  Verzeichnis  dieser  Biicher  wird  eine  Art  Lebens- 
beschreibung  von  dir  selbst  sein. 

Wer  eine  fremde  Sprache  gelernt  hat,  soil  nie  ganz  aufhoren,  in  dieser 
Sprache  zu  lesen,  und  zwar  keineswegs  bloss  deshalb,  um  die  Kenntnis  der 
f remden  Sprache  zu  bewahren,  sondern  vielmehr  noch  deshalb,  weil  wir  an 
der  Fremdsprache  sorgfaltiger  und  feiner  lesen  lernen,  als  es  uns  vielfach 
bei  der  eigenen  Sprache  gelingt.  Das  Gefiihl  fur  die  Form  der  Sprache 
wachst  leichter,  wenn  die  Form  uns  zunachst  einige  Schwierigkeiten 
macht. 

Es  ist  nicht  notig,  dass  wir  immer  das  lesen,  was  alle  Welt  liest.  Oft 
sind  die  Biicher,  von  denen  heute  jedermann  spricht,  schon  im  nachsten 
Jahre  vollig  vergessen.  Es  ist  aber  gut,  von  Zeit  zu  Zeit  sich  ein  ganz 
altes  Buch  hervorzuholen,  weil  mit  ihm  eine  gang  andere  Zeit  und  Denk- 


Vom  Lesen  von  Buchern.  315 

weise  emportaucht.  Etwas  von  Luther  selbst  gelesen  zu  haben  1st  besser, 
als  vieles  iiber  ihn.  Frage  dich,  welche  Biicher  dein  Grossvater  lieb  gehabt 
hat !  Vielleicht  sind  sie  gerade  wieder  einmal  voll  neuen  Saftes  fur  dich. 

Biicher,  denen  man  anmerkt,  dass  sie  langsam  geschrieben  wurden, 
wollen  auch  langsam  gelesen  sein,  weil  sonst  von  vornherein  ein  Unter- 
schied  im  Ehythmus  zwischen  dem  Schriftsteller  und  dem  Leser  vorhan- 
den  ist. 

Man  soil  sich  von  Zeit  zu  Zeit  zwingen,  ein  schweres  und  ernsthaftes 
Buch  zu  lesen,  weil  nur  dadurch  die  geistigen  Muskeln  straff  gemacht 
werden.  Es  ist  ein  Zeichen  von  weichlicher  Selbstschonung,  dass  die 
Deutschen  ihre  starksten  Denker  und  Redner  so  wenig  lesen:  Lessing, 
Kant,  Fichte,  Schopenhauer,  Bismarck,  Lasalle! 

In  jiingeren  Jahren  soil  man  von  einigen  Buchern  sich  Ausziige  her- 
stellen,  um  ihren  Aufbau  nachzuerleben.  Auch  spater  ist  es  gut,  auf  dem 
letzten  Blatte  des  Buches  sich  neben  dem  gedruckten  Inhaltsverzeichnis 
noch  ein  personliches  anzulegen,  um  das  leicht  wiederzufmden,  was  beson- 
deren  Eindruck  gemacht  hat.  Auch  Bleistiftstriche  innerhalb  des  Buches 
sind  nicht  zu  verbieten,  obwohl  sie  die  Schonheit  der  Blatter  beeintrachti- 
gen.  Deine  Kinder  werden  vielleicht  spater  einmal  an  deinen  Bleistift- 
strichen  sehen,  was  dir  wertvoll  oder  zweifelhaft  gewesen  ist. 

Gehe,  wenn  du  in  die  Grossstadt  kommst,  in  den  Lesesaal  der  offent- 
lichen  Bibliothek  und  wandere  recht  still  und  behaglich  an  den  Biicher- 
standen  bin,  damit  du  eine  Ahnung  bekommst,  was  iiberhaupt  vorhanden 
ist!  Es  macht  einen  grossen  Unterschied,  ob  man  ein  Buch  jemals  ge- 
sehen  hat  oder  nur  aus  anderen  Buchern  weiss,  dass  es  existiert. 

Es  sollte  in  den  Schulen  mehr  vorgelesen  werden,  damit  Lesen  und 
Vorlesen  gelernt  wird.  Als  ich  Gymnasiast  war,  las  uns  unser  Geschichts- 
lehrer  lange  Stiicke  aus  Archenholz,  Mebuhr,  Mommsen  und  Treitschke 
vor,  damit  wir  den  ersten  Schreck  vor  solchen  Werken  iiberwinden  sollten. 
Er  konnte  freilich  vorlesen,  weil  er  sich  erst  selbst  ganz  hineingelesen 
hatte.  Erst  beim  Vorlesen  merkt  man,  ob  der  Schriftsteller  die  Sprache 
beherrscht. 

Solange  ich  ein  Buch  lese,  muss  ich  Achtung  vor  seinem  Verfasser 
haben,  denn  er  redet  selber  mit  mir.  Der  Mann,  dessen  Worte  ich  in  mich 
aufsauge,  darf  mir  kein  Gleichgiiltiger  bleiben,  es  sei  denn,  dass  es  sich 
um  blosse  ausserliche  Zusammenstellung  handelt.  Finde  ich  in  einem 
Buche  keine  lebendige  Person,  dann  stelle  ich  es  in  das  Regal,  ehe  ich  es 
fertig  gelesen  habe.  Ich  suche  seinen  Verstand  oder  seinen  -Charakter 
oder  seine  Art,  die  Welt  anzusehen,  oder  seine  Laune  oder  seine  Art,  sich 
geistig  zu  geben.  Davon,  dass  wir  ihn  suchen,  braucht  er  aber  selbst  beim 
Schreiben  gar  nichts  zu  wissen.  (Aus  Nr.  38  der  ,,Hilfe".) 


316  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

Unbegrenztes  Fragerecht.  Das,  was  in  einer  ,,neuen  Schule"  ganz  in 
den  Vordergmnd  trate,  ja,  was  das  einzige  ware,  was  den  Lehrplan  er- 
setzen  sollte,  das  ware  das  unbegrenzte  Fragerecht  des  Kindes. 

Heute  fragt  nur  ganz  selten  ein  Kind  den  Lehrer  im  Unterrichte. 
Vielleicht  geschieht  es  dann  und  wann  am  Ende  eines  Abschnittes,  wenn 
der  Lehrer  sich  vorher  erkundigt  hat,  ob  alle  es  verstanden  haben.  Sind 
nach  dessen  Frage  dann  wirklich  noch  Kinder  da,  die  zu  fragen  wagen, 
denn  die  meisten  getrauen  sich's  nicht,  weil  ihnen  bei  gar  zu  naiven  und 
leichten  Sachen  oft  Unaufmerksamkeit  vorgeworfen  wird,  so  ist's  dem 
Lehrer  schliesslich  gar  nicht  recht,  wenn  sich  jemand  meldet,  da  er 
glaubte,  alles  so  vorziiglich  erklart  zu  haben,  dass  alle  es  hatten  verstehen 
miissen.  Und  nun  doch  wieder  welche.  Er  ist  enttauscht  von  seinem 
Erfolge.  Und  doch,  er  hat's  so  gut  gemacht.  ,,Du  hast  nicht  ordentlich 

aufgepasst !  Also,  hor  nochmals  drauf !" ,,So  I" ,,Hast  du's 

nun  verstanden?"  Und  die  Antwort  lautet  selbstverstandlich :  ,,Ja!"  — 

Dass  die  Kinder,  die  noch  fragen,  es  oft  am  meisten  verstanden  haben, 
oft  am  aufmerksamsten  gewesen  sind,  wird  kaum  bedacht.  Sie  haben  sich 
in  die  Materie  wohl  eingelebt,  aber  sie  sind  kritisch,  und  machen's  nicht 
so,  wie  die  anderen,  die  alles  iiber  sich  ergehen  lassen  und  auf  Wunsch  so 
wiedergeben,  wie  der  Lehrer  es  haben  will,  ohne  dass  sie  etwa  zum  Stoff  ein 
inneres  Verhaltnis  gewonnen  haben,  ohne  dass  er  fur  sie  zum  inneren  Er- 
lebnis  geworden  ist.  Wie  sollte  er  auch.  Er  lag  ja  ihrem  Gedankenkreise 
so  fern  trotz  aller  Vorbereitung.  Sie  wissen  ja  gar  nicht,  dass  sie's  nicht 
verstanden  haben.  Warum  sollten  sie  fragen?  Sie  wollen  ja  gar  nicht 
mehr  wissen.  Es  ist  genug,  was  sie  zu  merken  haben.  Sollten  sie  sich 
diese  Last  noch  vergrossern? 

Aber  anders  mochten  sie  fragen.  Sie  mochten  wissen,  wie  die  Elek- 
trische  geht  und  der  Kinematograph,  wo  die  kleinen  Katzchen  hergekom- 
men  sind  und  wie  Blatter  wachsen,  warum  es  hagelt  und  woher  die  Wolkeh 
kommen,  und  so  viel,  so  unendlich  viel.  Aber  ach,  davon  haben  sie  nicht 
gesprochen.  Der  Lehrer  hat  auch  keine  Zeit,  das  zu  erklaren,  denn  schon 
muss  etwas  anderes  drangenommen  werden. 

Das  kann  so  unmoglich  weitergehen!  Nimmermehr!  Unbegrenztes 
Fragerecht.  Was  die  Kinder  wissen  wollen,  das  muss  der  Lehrer  ihnen  — 
natiirlich  stets  in  einer  fiir  das  betreffende  Alter  angemessenen  Form  — 
erklaren.  Aber  nicht  bloss  selbst.  Er  kann's  von  andern,  die's  wissen, 
erklaren  lassen.  Wie  stolz  fiihlte  sich  neulich  ein  kleiner  Siebenjahriger, 
als  er  den  andern  mitteilen  konnte,  warum  der  Riese  Goliath  einen  eiser- 
nen  Panzer  angezogen  hatte.  Und  die  andern  lauschten. 

Was  doch  die  Kinder  alles  wissen  wollen.  Es  ist  wirklich  wahr,  was 
das  Sprichwort  sagt:  Ein  Kind  fragt  mehr,  als  zehn  Weise  beantworten 


Unbegrenztes  Fragerecht.  317 

konnen.     1st  ja  auch  nicht  notwendig,  dass  alles  beantwortet  wird,  aber 
manches,  vieles.    Einiges  kaim  verschoben  und  aufgehoben  werden. 

Aber,  dann  1st  es  doch  leicht  moglich,  dass  der  Lehrer  einmal  die 
Frage  eines  Kindes  nicht  beantworten  kann.  Muss  dann  nicht  seine  Au- 
toritat  leiden  und  werden  ihn  die  Schiiler  dann  nicht  mit  schiefen  Augen 
ansehen?  Auf  diesen  Einwurf  bin  ich  gefasst. 

Sagt  mir  nur :  Soil  denn  der  Lehrer  Autoritat  sein  ?  Muss  das  Kind 
von  ihm  glauben,  er  wiisste  alles,  und  alles,  was  er  sagt,  sei  richtig?  Wer 
das  verlangt,  der  stellt  sich  selbst  ein  Armutszeugnis  aus,  er  bekennt  offen 
dadnrch  seine  geistige  Unreife. 

Miissen  wir  uns  aber  dann  wundern,  wenn  die  Menschen  so  autorita- 
tenglaubig  werden,  sobald  der  Lehrer  solchen  Glauben  ziichtet. 
Wer  kann  heute  alles  wissen  ? 

Es  wird  niemanden  in  den  Augen  seiner  Schiiler  heruntersetzen, 
wenn  er  ihnen  sagt :  ,,Das  weiss  ich  nicht,  ich  will  aber  mal  nachsehen 
und  euch  dann  dariiber  Aufschluss  geben",  oder  ,,Das  habe  ich  vergessen !" 

Wenn  die  Kinder  aber  fragen  diirfen,  so  fragen  sie  mehr  und  immer 
mehr,  und  es  wird  sich  dabei  erst  herausstellen,  wofiir  sie  alles  Interesse 
haben.  Und  das  wird  nicht  zu  wenig  sein.  Alsbald  wird  frisches  froh- 
liches  Leben  einziehen.  Es  wird  auch  bei  gegenseitigen  Erklarungen 
durcheinandergehen.  Aber  was  schadet's  ?  Die  Erfolge  konnen  nicht  aus- 
bleiben. 

,,Meinst  du?"  werde  ich  lachelnd  gefragt,  ,,was  soil  das  nur  fiir  eine 
Bildung  geben,  die  so  regel-  und  planlos  sich  vollzieht?  Nichts  Geschlos- 
senes,  nichts  Ganzes,  nur  Bruchstiicke !" 

Nein.  Die  Bildung  wird  trotz  aller  Lehrplanlosigkeit  so  geschlossen 
sein,  wie  sie  bisher  noch  nicht  war.  Sie  wird,  das  gebe  ich  zu,  nicht  ge- 
schlossen sein  nach  schulmeisterlich  getrennten  Sachgebieten  —  aber  was 
ist  oft  nicht  fiir  ein  Widersinn  in  dieser  Trennung  —  aber  sicher  wird  sie 
einheitlich  sein  nach  dem  Gedankenkreise  und  Fassungsvermogen  des 
Kindes.  Es  wird  erreicht  sein,  was  bei  der  Trennung  in  Sachgebiete  und 
dem  Gang  nach  Lehrplanen  nur  vergeblich  angestrebt  werden  kann,  den 
Unterricht  zu  begriinden  auf  die  psychologischen  Qualitaten  des  Kindes. 
Hier  aber  werden  diese  massgebend  sein,  und  zwar  ganz  allein.  Es  wird 
eine  Einheitlichkeit  und  Geschlossenheit  des  Gedankenkreises  die  notwen- 
dige  Folge  sein,  und  die  Bildung  wird  beim  Austritte  aus  der  Schule  so 
abgeschlossen  sein,  wie  sie  das  in  einem  solchen  Alter  iiberhaupt  sein  kann. 

Dazu  kann  uns  das  unbegrenzte  Fragerecht  der  Kinder  verhelfen. 

(Walter  Kluge,  Leutzsch-Leipizg.    Sachsische  Schulzeitung.) 


318  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

liber  Verbalismus  und  Materialismus  in  unserem  Schulbericht  urteilt 
Professor  W.  Eein-Jena  (Heft  50  der  ,,Woche",  1906,  S.  2188)  also: 
,,An  zwei  Grundfehlern  krankt  unser  gegenwartiger  Schulbetrieb :  am 
Verbalismus  und  am  didaktischen  Materialismus.  Beide  Fehler  hangen 
innerlich  zusammen.  Weil  die  Lehrplane  iiberfiillt  sind  (didaktischer 
Materialismus),  muss  der  Lehrer  sich  mit  Worten  (Verbalismus)  begnii- 
gen.  Er  hat  nicht  die  Zeit  zu  griindlicher,  verweilender  Anschauung;  er 
muss  eilen,  um  sein  Pensum  zu  erfiillen  und  der  Schulinspektion  gerecht 
zu  werden,  selbst  da,  wo  die  Moglichkeit  unmittelbarer  Anschauung  sich 
von  selbst  darbietet,  wo  die  Schule  in  eine  Umgebung  hineingestellt  ist, 
die  von  einer  Fiille  natiirlichen  Anschauungsmaterials  geradezu  strotzt. 
Es  miissen  nur  die  Sinne  hierfiir  geweckt  und  eingestellt  werden.  Aber 
gerade  hierfiir  scheint  keine  Zeit  zu  sein;  fur  das  Notwendige,  das  Fun- 
damentale  fehlen  Verstandnis  und  guter  Wille.  Dafiir  hallen  die  Schul- 
raume  wider  von  dem  Gerausch  der  Worte,  wahrend  die  Schulschranke 
sich  mit  Akten  fiillen,  beides  zum  Ergotzen  des  Schulregiments,  das 
hochst  befriedigt  ist,  wenn  die  Schiller  die  notigen  Worte  bereit  und  die 
Lehrer  die  betreffenden  Nummern  ordnungsmassig  ausgefiillt  haben.  — 
Je  weiter  die  Schule  sich  von  dem  Prinzip  der  Anschauung  entfernt,  um 
so  mehr  verflacht  sie,  und  um  so  mehr  bringt  sie  sich  selbst  um  ihre  beste 
Wirkung.  Worte  gehen  rasch  verloren,  aber  sinnliche  Eindriicke  unmit- 
telbarer Art  bleiben.  Was  der  Schiller  z.  B.  auf  einer  Schulreise  selbst 
erlebt,  ist  ihm  fur  sein  Leben  unvergessen,  wahrend  vieles,  das  er  durch 
das  Medium  der  Worte  nachempfinden  soil,  verschwindet,  ohne  bleibende 
Spuren  in  seinem  Geistesleben  zu  hinterlassen.  Zeichnen  und  Modellie- 
ren  sind  deshalb  so  iiberaus  wichtige  Gegenstande,  weil  sie  den  Zogling 
notigen,  scharf  zuzusehen.  Darum  spricht  Goethe  so  begeistert  von  sei- 
nem ,,bisschen  Zeichnen",  das  ihm  das  Tor  auch  in  das  Bereich  allgemei- 
ner  Begriffe  und  hoherer  Anschauungen  geoffnet  habe." 


Lehrerpersonlichkeit.  Die  Jugend  hat  ungeheuer  feine  Instinkte. 
Der  Lehrer  kann  sie  wohl  inbezug  auf  das  Wissen,  das  er  ihr  beibringt, 
mit  faustdicken  Liigen  traktieren,  aber  iiber  seine  personlichen  Qualita- 
ten  kann  er  sie  weder  durch  Tyrannengebarden  noch  Hanswursteleien 
hingewtauschen.  Der  unbandigste  Junge  unterwirft  sich  ohne  weiteres 
der  starken  Personlichkeit,  dem  reinen  Willen,  der  noblen  Gesinnung, 
deren  Ausfluss  Gerechtigkeit  ist,  wohingegen  ein  stumpfer,  beschrankter 
Geist,  dem  es  an  Schwungkraft  der  Seele  fehlt,  der  sich  durch  norgelnde 
Pedanterie  oder  polternde  Strenge  ein  Ansehen  zu  geben  versucht,  sofort 
durchschaut  wird.  Dazu  kommt  noch  der  bei  den  meisten  gut  veranlag- 
ten  Kindern  vorhandene  Scharfblick  fiir  das  Lacherliche  im  ausseren  Ge- 
bahren.  Einem  guten  Lehrer,  und  ein  solcher  ist  jeder,  den  die  Jugend 


Zur  Vorbereitung  im  AufsatzunterriM.  319 

als  eine  freie,  starke  Personlichkeit  emjrandet,  wird  es  ungemein  leicht, 
seine  Schiiler  fur  den  Gegenstand,  den  er  lehrt,  zu  begeistern,  und  er  wird 
in  den  raschen  Fortschritten,  die  sie  maehen,  und  in  der  stiirmischen  An- 
hanglichkeit  fiir  seine  Person  eine  Befriedigung  finden,  wie  sie  so  schon 
und  stetig  wohl  keinem  anderen  Berufe  beschieden  ist;  denn  die  Ver- 
ehrung  fiir  einen  geliebten  Lehrer  dauert  gerade  bei  feineren  und  reiche- 
ren  Naturen  weit  iiber  die  Schuljahre  hinaus,  manchmal  ein  ganzes  Leben. 
hindurch  an.  Der  arme  Schacher  von  Lehrer  aber,  der  jahraus,  jahrein 
seine  Weisheit  trocken  und  schwunglos  wieder  vorbringt,  nur  darauf  be- 
dacht,  seiner  vorgesetzten  Behorde  zu  geniigen  und  sich  die  nichtsnutzigen 
Jungens  vom  Halse  zu  halten,  um  in  seiner  Philisterbehaglichkeit  nicht 
gestort  zu  werden,  der  wird  nie  seine  Saat  herrlich  aufgehen  sehen,  nie 
das  Hochstgefuhl  kennen  lernen,  den  Werdenden  ein  verehrter  Freund  zu 
heissen.  (Ernst  v.  Wolzogen:  Deutscher  Friihling.  Heft  1.) 


Zur  Vorbereitung  im  Aufsatzunterrichte.  (Yon  Fritz  Zill.)  Das 
Thema  war  gegeben  und  zwar  so,  dass  das  Interesse  aufloderte.  —  Wie 
steht  es  nun  mit  der  Vorbereitung  im  Aufsatzunterrichte?  Sie  muss  da- 
rauf hinzielen,  das  Interesse  noch  zu  erhohen.  Es  sind  Scheite,  die  der 
Lehrer  ins  Feuer  zu  legen  hat,  damit  es  desto  mehr  aufflackert.  Wie 
geschieht  das?  Nicht  durch  Aufstellung  von  Dispositionen,  dass  somit 
das  ganze  freudige  Ereignis  des  Kindes  —  Geburtstagsfeier,  Ausflug  — 
in  ein  bestimmtes  Schema  gezwangt  wird,  oder  gar,  dass  einige  Satze,  die 
vom  Lehrer,  wenn  auch  mit  Hilfe  der  Kinder  aufgestellt  worden  sind,  an 
die  Tafel  geschrieben,  eingelernt  werden.  Die  eigenen  GTedanken,  die 
Ansichten  des  Kindes,  die  in  der  Seele  aufsteigen  wollten,  werden  da- 
durch  nur  zuriickgedrangt.  Was  das  Kind  selbst  erlebt,  gefiihlt  oder  sich 
durch  lebhafte  Phantasie  ausgemalt  hat,  kommt  nicht  zur  Geltung;  es 
wird  sich  alles  scheu  in  einem  Winkel  der  Seele  verbergen.  Geangstigt 
wird  sich  das  Kind  aber  f ragen :  Hast  doch  nichts  vergessen  ?  Hast  du  auch 
die  vorgeschriebene  Ordnung  genau  eingehalten?  Und  dabei  wird  die 
eigene  Schaffensfreude,  die  Arbeitslust,  die  Selbsttatigkeit  verloren  gehen. 
Wir  leben  im  ,,Jahrhundert  des  Kindes"  nach  dem  Ausspruche  einer 
geistreichen  Frau.  Es  gilt,  die  Krafte,  die  dem  Kinde  innewohnen,  her- 
auszulocken  und  sie  frei  entfalten  zu  lassen,  der  personlichen  Eigenart 
des  Kindes  gerecht  zu  werden.  Das  Kind  —  ein  Kiinstler  und  hier  im 
besonderen :  das  Kind  —  ein  Schriftsteller.  Du  wirst  gewiss  manches  in 
der  Seele  des  Kindes  schlummernd  finden,  versuche  es  nur,  von  einem 
sprachlich  schwerfalligen  Kinde  ausser  dem  schriftlichen  Aufsatz  auch 
noch  den  gemalten  Aufsatz  anfertigen  zu  lassen  —  und  du  wirst  es  besta- 
tigen :  das  Kind  —  ein  Kiinstler.  Freilich  musst  du  ablassen  von  einem 


320  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

strengen  Urteil,  von  einer  wegwerfenden  Kritik.  Das  kindliche  Produkt 
will  mit  Liebe  beurteilt  sein,  sonst  wird  in  Zukunft  das  Kind  scheu  zu- 
riicktreten.  Ja,  was  denn  da?  —  wirst  du  fragen.  1st  der  oben  verwor- 
fene  Weg  in  der  Praxis  nicht  immer  iiblich  gewesen?  Soil  ich  mich  von 
dem  gewb'hnlichen  Wege  wegwenden,  und  wie  soil  sich  die  Vorbereitung 
dann  gestalten  ?  —  Ein  Beispiel :  Es  war  im  November,  der  erste  Schnee 
war  gefallen.  Wir  batten  im  4.  Schuljahre  vom  Sperlinge  gesprochen 
und  ihn  als  den  Gassenjungen  hingestellt.  Das  Gedicht  ,,Zilp  und  Schirp" 
war  gelesen  worden.  Die  Deutschstunde  nahte.  Das  Thema  lautete: 
,,Was  sich  die  Spatzen  erzahlten,  als  der  erste  Schnee  fiel."  Einige 
Schiiler  standen  vorn  und  erzahlten,  als  wenn  sie  selbst  Spatzen  waren. 
Sie  redeten  von  der  Kalte,  die  nun  kame,  von  der  Futternot,  die  nun  ein- 
trate,  von  dem  Fenster,  das  jeden  Morgen  aufginge,  wie  Heinrich  ihnen 
imnier  Futter  streue.  Was  war  denn  das?  Ein  Zischeln,  Lacheln  — 
einige  standen  und  lachten  seelenvergniigt  iiber  die  Spatzen,  die  doch 
keine  Fliigel  hatten.  Es  bedurfte  nun  weiter  keiner  grossen  Aufforderung 
zur  Niederschrift  des  Spatzengespraches.  Ein  jeder  griff  schnell  zum 
Federhalter,  ein  jeder  wollte  das  beste  liefern.  —  Was  soil  dadurch  gezeigt 
werden?  Intensivste  Anschaulichkeit  des  zu  beschreibenden  Stoffes  (im 
angefiihrten  Beispiele  durch  Gesten,  Gebarden,  Handbewegungen)  ist 
notwendig,  um  die  freudige  Anteilnahme  zu  starken  und  die  individuelle 
Auffassung  zu  bewirken.  Noch  ein  zweites  hat  die  Vorbereitung  zu  be- 
achten.  ,,Frei  von  der  Leber  weg"  soil  das  Kind  reden  und  auch  schrift- 
lich  niederschreiben.  Wiirde  man  nun  dem  Kinde  freien  Lauf  lassen,  so 
konnte  die  Folge  sein,  dass  gerade  dann  der  Aufsatz  missgliickt.  Hier 
gilt  es  auch  wiederum,  Ziigel  anzulegen,  die  Zucht  walten  zu  lassen,  jedoch 
dermassen,  dass  sich  das  Kind  nicht  beengt  und  beeintrachtigt  fiihlt. 
Durch  das  Vorbild  des  Lehrers  sollen  die  kindlichen  Krafte  in  die  rechten 
Bahnen  gelenkt  werden,  und  das  geschieht  auch  zugleich  durch  den 
Musteraufsatz,  den  der  Lehrer  bietet.  Dem  Kinde  wird  es  manchmal 
schwer  fallen,  den  gedachten  Aufsatz  schriftlich  wiederzugeben.  tiber 
diese  Klippe  soil  der  Musteraufsatz  hinweghelfen.  Er  soil  nun  bei  weitem 
nicht  zur  Nachahmung  dienen.  Nur  wenige  werden  sich  an  diesen  klam- 
mern,  fiir  den  grosseren  Teil  soil  er  anregend  wirken,  so  dass  sich  die 
Kinder  veranlasst  fiihlen,  auch  so  etwas  niederzuschreiben.  Das  klingt 
doch  schon,  das  ist  ja  wirklich  so  gewesen,  wie  ich  es  erlebt  habe ;  und  das 
und  das  hat  sich  auch  noch  zugetragen.  Hat  die  Vorbereitung  in  dieser 
Weise  —  namlich  durch  intensivste  Anschaulichkeit  und  durch  einen  dar- 
gebotenen  Musteraufsatz  —  fur  die  Erhohung  des  Interesses  Sorge  getra- 
gen,  so  wird  das  Kind  das  Bediirfnis  empfinden,  etwas  niederzuschreiben, 
und  der  Aufsatz  wird  dann  in  seiner  Eigenart,  nach  seinen  charakteristi- 
schen  Ziigen  ein  kleines  Kunstwerk  sein,  der  Aufsatzunterricht  selbst  ein 
Mittel  der  Kunstbildung  werden. 


Tiber  die  mundUche  Klassenkorrektur.  321 

IJber  die  miindliche  Klassenkorrektur  fiihrte  J.  Schink  auf  der  letz- 
ten  Schles.  Provinzial-Lehrerv.  folgendes  aus:  Die  einzige  Korrektur,  die 
wirklich  etwas  leistet,  ist  die  miindliche  Klassenkorrektur.  Dabei  werden 
einzelne  Aufsatze  vorgelesen  und  zur  Kritik  der  ganzen  Klasse  gestellt. 
Die  grammatischen,  logischen,  stilistischen  und  asthetischen  Fehler,  Feh- 
ler  der  Auslassung,  Ubertreibung,  Verbindung  u.  s.  w.,  die  die  Schuler 
selbst  finden  konnen,  lasst  man  sie  finden,  die  iibrigen  berichtigt  der  Leh- 
rer,  und  sofort  werden  an  besonders  hervorstechende  oder  schwierige  Falle 
miindlich  einige  tibungen  angeschlossen,  die  die  Wiederkehr  des  Fehlers 
verhindern  sollen.  Nach  solchen  Stunden,  in  denen  die  Klasse  ungemein 
regsam  ist,  haben  die  Schuler  das  bestimmte  Gefiihl,  dass  sie  sprachlich 
und  stilistisch  ein  Stuck  gewachsen  sind.  Ob  die  Schuler,  deren  Aufsatze 
vorgelesen  worden  sind,  nachher  noch  eine  schriftliche  Fehlerverbesserung 
machen  oder  nicht,  ist  vollig  belanglos.  Die  Fehler  sind  durch  die  ge- 
meinschaftliche  Klassenkritik  erkannt  und  das  Sprachbewusstsein  ist 
durch  die  neuen  Falle  gescharft  worden.  Damit  hat  die  Korrektur  alles 
geleistet,  was  man  von  ihr  verlangen  kann.  Einen  positiven  Einfluss  auf 
die  schriftliche  Darstellungskraft  des  Schiilers  hat  die  Korrektur  nicht. 
Sie  wirkt  nachtraglich  lauternd  und  klarend.  Das  ist  auch  wichtig,  aber 
es  ist  nicht  alles. 

Dagegen  habe  ich  die  hausliche  Korrektur  in  dem  bosen  Verdacht, 
dass  sie  die  Hauptschuld  an  den  Misserfolgen  im  Aufsatzunterricht  tragt, 
deshalb  namlich,  weil  der  Abscheu  vor  ihr  vielfach  eine  so  genaue  Yor- 
bereitung  des  Aufsatzes  verschuldet,  dass  der  Schuler  zu  einer  selbstandi- 
gen  Arbeit  nicht  mehr  kommen  kann.  Schlimmeres  kann  aber  dem  Auf- 
satzunterricht nicht  wiederf ahren,  als  wenn  die  Selbsttatigkeit  der  Schuler 
unterbunden  wird 


Johann  Balhorn.  Seit  der  zweiten  Halfte  des  17.  Jahrhunderts  steht 
bekanntlich  der  Liibecker  Buchdrucker  Johann  Balhorn,  weniger  genau 
,,Ballhorn"  geschrieben,  dessen  Drucke  bis  1528  zuriickgehen,  in  dem 
Geruche  eines  Verschlimmbesserers.  Wohl  mit  Recht  machte  man  ihm 
den  Vorwurf,  er  habe  in  einem  1571  bei  ihm  herausgekommenen  Neu- 
drucke  von  Eivii  Epitome  sich  mit  zugesetzten  Stellen  aus  Cicero  und 
anderen  Autoren  breit  gemacht.  Vor  allem  aber  gab  man  ihm  schuld,  in 
einer  bei  ihm  herausgekommenen  Fibel  zweifelhafte  Verbesserungen  an- 
gebracht  zu  haben.  Erst  um  1800  tritt  die  Behauptung  auf,  er  habe  in 
seiner  Fibel  den  Hahn,  der  den  Kindern  als  Vorbild  eines  Friihaufstehers 
abgebildet  zu  werden  pflegte,  ohne  Sporen  dargestellt,  dagegen  einige  Eier 
beigefugt  und  deshalb  sein  Buch  stolz  als  ,,verbessert  durch  Johann  Ball- 
horn"  bezeichnet.  Nun  ist  aber  tatsachlich  bis  jetzt  keine  bei  Balhorn 


322  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogilc. 

gedruckte  Fibel  aufgefunden  worden,  und  dann  macht  Arthur  Kopp,  der 
kiirzlich  ein  Schriftchen  iiber  B.  bei  Gebr.  Borchers  in  Liibeck,  den  jetzi- 
gen  Inhabern  der  Balhornschen  Druckerei,  erscheinen  liess,  darauf  auf- 
merksam,  dass  dieser  Vorwurf  seinen  Ursprung  vermutlich  dem  Witze 
Karl  Arnold  Kortiims  verdanke;  denn,  wie  den  Lesern  der  ,,Jobsiade" 
erinnerlich  sein  wird,  veranstaltet  Hieronymus  Jobs  eine  ,,nagelneue  Edi- 
tion" des  ABC-Buches,  worin  er  das  fit,  das  sch  und  sp  als  neue  Buch- 
staben  und  den  ungespornten  Hahn  nebst  Ei  einfiihrt;  diesen  bildet 
Kortiim  auch  getreulich  ab.  Da  er  auf  diese  Weise  aber  seinen  Jobs  die 
Eolle  Balhorns  spielen  lasst,  so  macht  er  sich  noch  den  besonderen  Spass, 
den  alten  Liibecker  in  den  Stand  der  Unschuld  zu  versetzen,  indem  er  die 
,,Ballhornschen  Ausgaben"  als  die  bisher  gebrauchten,  von  Jobs  aber  nun- 
mehr  verbesserten  bezeichnet.  Zu  bemerken  ist  schliesslich  noch,  dass 
Balhorn  —  oder  richtiger  die  beiden  Balhorne,  die  von  1528 — 1597  druck- 
ten,  wahrend  die  Firma  noch  bis  1603  bestand  —  eine  achtbare  Tatigkeit 
entfalteten  und  sich  namentlich  durch  den  Druck  zahlreicher  Biicher  in 
plattdeutscher  Sprache  urn  diese  verdient  machten. 


Kauderwelsch  auf  Speisekarten.  Trotz  dem  leuchtenden  Vorbilde 
des  deutschen  Kaisers,  der  rein  deutsche  Tafelkarten  fiihrt,  spielen  die 
franzosischen  Speiseausdriicke  bei  uns  noch  immer  eine  grosse  Rolle  — 
leider  aber  auch  oft  eine  klagliche  Rolle.  Denn  die  Meister  der  Kiiche 
sind  gewohnlich  keine  Meister  der  Sprache.  Von  den  unglaublichen 
Schreibfehlern  und  Wortverdrehungen,  die  auf  unseren  Speisekarten  vor- 
kommen,  gibt  das  von  dem  Deutschen  Sprachverein  herausgegebene  Ver- 
deutschungsbuch  ,,Die  deutsche  Speisekarte"  in  der  Einleitung  einige 
ergotzliche  Proben.  Beefsteak  erscheint  mit  Vorliebe  als  Befsteak,  ja 
auch  als  Beufsteack,  Bouillon  als  Boullion,  das  Schaumgeback  Baiser  als 
Baisser,  auch  Sahnenpesai  und  sogar  Sahnenpissee,  pommes  frittes  (ge- 
backene  Kartoffeln)  als  pommes  de  fruits.  Durch  falsche  Schreibung 
verwandelt  sich  ein  F  i  s  c  h  salat  (Mayonnaise  de  poisson)  in  einen 
Gift  salat  (Mayonnaise  de  poison) .  Zuweilen  sehen  sich  selbst  Kenner 
geradezu  vor  ein  Ratsel  gestellt.  Was  bedeutet  Din  de  fasse,  das 
stolz  auf  einer  deutschen  ( !)  Speisekarte  prangte?  Es  soil  eine  gefiillte 
Truthenne  bezeichnen,  Dinde  farcie.  Was  ist  ein  Kalbskopf  a  la  Wiener 
Greth?  Diese  Wiener  Grethe  ist  nichts  anderes  als  eine  kiihne  Umdeu- 
tung  des  franzosischen  a  la  vinaigrette,  das  heisst  saure  Sosse.  Auf  einer 
Speisekarte  war  Entrecote,  Zwischenrippe,  Mittelrippenstiick,  verwandelt 
worden  in  Antokot.  Am  schonsten  aber  sind  zwei  Formen,  die  sich 
in  zwei  siiddeutschen  Gasthofen  auf  dem  Speisezettel  fanden,  Puleori 
und  Hemetex.  Hier  gehort  geradezu  Scharfsinn  dazu,  um  diese  Wort- 


Trotzdem;  wie  —  als.  323 

gebilde  zu  entratseln.  Puleori  1st  nicht  etwa  italienisch,  wie  man  nach 
dem  Wortbilde  vermuten  konnte,  sondern  es  1st,  wie  die  meisten  Kiichen- 
ausdriicke,  franzosischen  Ursprungs,  freilich  nicht  ganz  richtig  geschrie- 
ben.  Es  bedeutet  junges  H  u  h  n  mit  Eeis,  poulet  au  riz.  TJnd 
Hemetex?  Auch  dies  ist  nicht,  wie  man  nach  der  fremdartigen  Form 
denken  sollte,  eine  neue,  aus  weiter  Feme  eingefiihrte  Speisebezeichmmg. 
Es  ist  nichts  weiter  als  Schinken  und  E  i  e  r ,  freilich  nicht  in 
deutscher  Sprache  —  das  konnten  die  guten  Deutschen  nicht  verstehen  — , 
sondern  auf  Englisch,  namlich  ham  and  eggs.  Man  lacht  iiber  solche 
Sprachfehler.  Aber  gerade  die  sprachlich  Gebildeten  tragen  durch  ihre 
Vorliebe  fiir  Fremdworter  die  Mitschuld  an  solchem  Unwesen.  Denn 
gewiss  wiirde  es  keinem  Koch,  keinem  Gastwirt  einfallen,  Ausdriicke  einer 
fremden,  ihm  nicht  gelaufigen  Sprache  zu  gebrauchen,  wenn  ihn  nicht  die 
Kiicksicht  auf  seine  Gaste  dazu  notigte.  Darum  fort  mit  dem  leidigen 
Kiichenwelsch !  Deutsch,  wie  wir  selbst  reden,  sei  auch  die  Sprache  der 
Speisekarte ! 


Trotzdem;  wie  — als.  Aus  einer  Brief kastennotiz  der  Zeitschrift  des 
Allg.  Deutschen  Sprachvereins  entnehmen  wir  die  folgenden  Erlauterun- 
gen  iiber  den  Gebrauch  der  vorstehenden  Bindeworter.  ,,Trotzdem"  fiir 
-,,trotzdem  dass"  als  Bindewort  vor  einem  Nebensatze  zu  gebrauchen,  hal- 
ten  wir  fiir  ganz  unbedenklich,  weil  es  sich  vollig  in  den  Bahnen  einer 
regelrechten  Sprachentwicklung  bewegt.  Es  steht  auf  derselben  Stufe,  die 
,,indem"  und  ,,nachdem"  schon  langst  eingenommen  haben,  ebenso  das 
freilich  seltenere  ,,wahrenddem",  wofiir  gewohnlich  mit  noch  weitergehen- 
der  Kiirzung  ,,wahrend"  gesagt  wird  (,,wahrend  er  wartete").  Gewiss  ist 
diese  Verwendung  von  ,,trotzdem"  j linger,  aber  doch  haufig  genug  gewor- 
den,  so  dass  auch  von  seiten  des  Sprachgebrauches  nichts  mehr  dagegen 
einzuwenden  ist.  Auch  Matthias  (Sprachleben  Par.  287)  und  Heintze 
(Sprachhort  u.  d.  W.)  erkennen  den  Gebrauch  an.  Das  nebensatzliche 
,,trotzdem"  darf  nicht  nur  fiir  richtig,  sondern  sogar  fiir  eine  Bereiche- 
rung  des  Sprachschatzes  erklart  werden,  weil  es  eine  gewisse  nachdriick- 
liche  Kraft  vor  P,obwohl,  obgleich"  voraus  hat.  —  »Wie"  fiir  ,,als"  nach 
der  zweiten  Steigerungsstufe  (Komparativ)  und  nach  ,,anders"  ist  vollig 
zu  verwerfen.  Es  muss  heissen:  ,,grosser  als  sein  Bruder",  ,,anders  als 
er";  richtig  dagegen  bei  Gleichsetzung :  ,,ebenso  wie,  ebenso  gross  wie". 
Zwar  nndet  sich  das  falsche  ,,wie"  vereinzelt  auch  bei  klassischen  oder 
doch  sprachtiichtigen  Schriftstellern,  so  bei  Klopstock  (,,schoner  noch  wie 
die  Sommernacht"),  Freytag  (,,arger  wie  am  Markttag"),  Greif  (,,flinker 
wie  ein  Vogel")  u.  a. ;  und  heute  nimmt  der  Gebrauch  in  der  Sprache  des 
Umgangs,  der  Briefe,  Zeitungen  und  Biicher  einen  beangstigenden  Um- 


324  Monaisliefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

fang  an,  so  dass  man  an  der  Mb'glichkeit  einer  erfolgreichen  Bekampfung 
zweifeln  konnte.  Trotzdem  1st  es  die  Pflicht  aller  Sprachfreunde  und 
-lehrer,  den  Missbrauch  aufs  nachdriicklichste  zu  bekampfen  und  damit 
die  reinliche  Unterscheidung  zwischen  dem  ,,als"  der  Ungleichheit  und 
dem  ,,wie"  der  Gleichheit  zu  schiitzen. 


Tagung  des  Nationalen  Erziehungsvereins  zu  Cleveland,  0. 


Vem  29.  Juni  bis  zum  3.  Juli  1908. 


Die  grosse  Tagung.  des  Nationalen  Erziehungsvereins  liegt,  an  der 
Schnelllebigkeit  unserer  Zeit  gemessen,  schon  weit  hinter  uns.  Die 
mannigfachen  Eindrucke,  die  man  aufgenommen,  verniichtigen  sich  mehr 
und  mehr,  und  die  Taten,  die  auf  eine  Verwirklichung  der  angeregten 
Ideale  hinzielen,  sind  zu  vereinzelt,  sowohl  zeitlich  wie  brtlich,  um  eben 
so  augenfallig  zu  werden,  dass  sie  rasch  und  sicher  auf  die  Arbeiten  der 
Tagung  zuriickbezogen  werden  konnen.  Es  ist  aber  wahr,  das  Geleistete 
entbehrte  weder  der  Wucht  noch  des  Ernstes,  es  fehlte  weder  der  weite 
Blick  noch  die  warme  Hingabe  an  das  Einzelne  und  Kleine.  Die  mannig- 
faltigen  Darbietungen  beriihrten  alle  Interessensgebiete  des  weitschichti- 
gen  Erziehungswesens.  Der  Humanismus,  der  Eealismus,  der  individuelle 
und  der  soziale  Standpunkt,  die  Erziehung  zur  geschickten  Einsicht  und 
die  Erziehung  zur  einsichtigen  Fertigkeit,  der  Schiller  und  der  Lehrer, 
Erziehungsarbeit  und  Erziehungsorganisation,  Kunst  und  Handwerk  — 
alle  batten  ihre  Zungen  und  predigten  vor  vielkopfigen  Versammlungen. 
Sie  hatten  Worte  und  Klang,  sie  hatten  Geist  und  Kraft,  und  das  hallen- 
fiillende  Amen  der  Horer  verkiindete  die  Empfanglichkeit  und  Spontani- 
tat  des  grossen  seelengefiigten  Eesonanzbodens. 

Bei  alle  dem  denke  man  aber  durchaus  nicht  an  einen  jahrmarkt- 
massigen  Wirrwarr.  Es  hatte  vielmehr  die  Oberleitung  alle  Ereignisse, 
Arbeiten  und  Erholungen  in  die  Beschrankung  der  Zeit  und  des  Ortes 
planvoll  hineingeordnet.  Nur  dem  indifferenten  und  ungeweckten  Teil- 
nehmer  konnte  das  ^embarras  de  richesse"  die  Brust  einengen  und  ihr 
den  Verzweiflungsschrei  des  ,,quo  me  vertam?"  entringen.  Der  Intellekt 
hatte  die  Stoffmasse  gestaltend  durchdrungen  und  die  nutzbringende  Teil- 
nahme  wesentlich  ermoglicht  und  erleichtert. 

Die  Stadt  selber,  unsere  parkumschlungene  Waldstadt  Cleveland,  hat 
durch  ihr  Entgegenkommen,  durch  ihre  Gastlichkeit,  durch  ihre  Veran- 
staltungen,  durch  ihren  Schmuck  und  ihre  rege  Besorgtheit  um  die  Gaste 
sich  selber  und  der  grossen  Sache  eine  gewisse  Wiirde  gegeben  und  einen 
ausseren  Glanz  verliehen.  Das  alles  ist  um  der  Sache  selbst  willen  des 
grossten  Dankes  wert. 


Tagung  des  Nationalen  Erziehung  svereins.  325 

Die  Masse  der  Gierigen,  derer,  die  da  Hunger  batten  nach  Weisheit 
und  Wissen,  nach  Belehrung  und  Anregung,  nach  Sympathie  und  Ermuti- 
gung,  nach  Klarheit  und  Licht  —  diese  Masse  war  kleiner,  als  wie  die  Er- 
wartung  sie  gesetzt.  Doch  sollte  man  nie  vergessen,  dass  die  Zahl  eben 
nicht  das  Mass  aller  Dinge  sein  kann,  und  so  wage  man  auch,  und  die 
Schatzung  wird  richtiger  und  gerechter.  Gewogen  und  gezahlt  —  so  war 
die  Beteiligung  immer  noch  eine  sehr  gute,  und  selbst  in  den  Teilversamm- 
lungen.  soweit  das  Auge  eines  Einzelnen  sie  iiberschauen  konnte,  machte 
sieh  nirgends  eine  Leere  breit. 

Der  allgemeine  Eindruck,  den  die  Versammlung  hinterliess,  war  ein 
guter,  die  gelieferte  Arbeit  eine  ernste.  Die  Fiille  aber  verringerte  die 
Nachhaltigkeit  der  Eindriicke.  Die  werden  eben  durch  die  Veroffent- 
lichung  der  Vortrage  und  der  Yerhandlungen  aufgefrischt  und  vorteil- 
bringend  gemacht  werden  miissen.  Erst  auf  diese  Veroffentlichung  bin 
wird  sich  dann  eine  eingehende  Wiirdigung  der  Leistungen  griinden 
lassen. 

Sollen  jetzt  noch  die  einzelnen  Leuchten,  die  Fiihrer,  die  Vorkampfer 
und  Yerteidiger  allgemeiner  oder  besonderer  Erziehungsprinzipien  oder 
Erziehungstheorien  vorgefuhrt  werden?  Nicht  jetzt.  Sie  einmal  gesehen 
oder  gehort  zu  haben,  fiihrt  noch  lange  nicht  sicher  zu  passendem  Urteil. 
Es  ist  ja  wahr,  dass  man  echte  Begeisterung,  griindliche  Kenntnis,  tiefes 
und  warmes  Empfinden,  aufrichtige  Hingabe  an  die  beruflichen  Aufgaben 
oft  der  Erscheinung,  dem  Auftreten,  dem  Worte  entnehmen  kann,  doch 
der  objektiven  Beurteilung  geniigt  nimmer  des  Augenblickes  kurze  Dauer 
noch  des  Augenblickes  doch  nur  zu  oft  noch  triigerischer  Glanz.  Auch 
der  momentane  Erfolg  misst  nicht  voll,  er  fullt  nur  Vergehendes.  Hier 
aber  auf  dem  Felde  der  Erziehung  muss  die  Maxime  gelten:  Was  Wert 
hat,  wachst,  das  Wachsende  nur  bleibt.  Lassen  wir  also,  wie  es  auch  beim 
Drama  und  seinem  Schopfer  der  Fall  ist,  die  Person  hinter  das  Werk  zu- 
riicktreten.  Es  wurden  gewichtige  Worte  gesprochen,  mogen  viele  Augen 
sie  vielen  Seelen  zufuhren!  Dass  die  eigentliche  Lehrerschaft  mehr  in 
den  Vordergrund  getreten  ware,  das  ware  der  ganzen  Erziehungssache 
wegen  schon  sehr  wiinschenswert  gewesen. 

Die  Lehrerfrage  aber  schon  an  und  fur  sich  drangt  immer  deutlicher 
auf  eine  gerechte  Losung  bin.  Man  wird  doch  hoffentlich  bald  allgemein 
einsehen,  dass  es  sich  beim  Erziehen  sowohl  wie  beim  Unterricht  um 
Seelen  und  Herzen  handelt  und  nicht  bloss  um  einen  starren  Mechanis- 
mus.  Das  Bewusstsein,  dass  besondere  Krafte,  besonders  vorbereitet,  fur 
besondere  Funktionen  besonders  notwendig  sind,  scheint  mehr  und  mehr 
zu  erstarken.  Und  wenn  sich  dieses  Bewusstsein  einmal  zu  Klarung  von 
Wehrstand,  Nahrstand  und  Lehrstand  emporgearbeitet  hat,  dann  wird 
schon  viel  gewonnen  sein.  Man  adelt  die  Erziehung  schon,  wenn  man  die 
Erzieher  nicht  zu  Sklaven  macht. 


326 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 


Von  den  einzelnen  Abteilungen  der  Tagung  nur  ein  Wort,  und  das 
natiirlich  soil  der  Abteilung  fiir  Fremdsprachen  gelten.  Hier  erhob  die 
Beform  und  zwar  die  gemassigte  Eeform  ihre  Stimme  und  forderte  Gehor. 
Es  ist  das  die  Bichtung,  die  sich  vor  der  Tatsache  des  Bestehenden  beugt : 
so  ist  die  Sprache,  und  so  muss  sie  gelernt  werden !  Es  ist  die  Bichtung, 
die  Kennen  und  Konnen  betont.  Diese  Bichtung  appelliert  nicht  allein 
an  den  Intellekt;  auch  das  Gefuhl,  auch  die  Sinne  miissen  mitverarbeiten. 
Sie  hat  mehr  und  mehr  mannigfaltigere  Mittel  fiir  den  Lehr-  und  Lern- 
betrieb  verfiigbar  gemacht,  als  wie  das  friiher  der  Fall  war.  Dieser  For- 
derin  des  Guten  ein  f reudiges  vivat,  crescat,  floreat ! 

Biickblickend  sei  noch  einmal  hervorgehoben,  dass  die  Tagung  eine 
wirklich  grosse  war.  Grosse  Fragen  wurden  in  fahiger  Weise  behandelt, 
fahige  Vertreter  verliehen  ihr  ein  Ansehen,  das  weit  iiber  die  Grenzen 
unserer  Staaten  hinausreicht.  Hoffentlich  wird  sie  auch  Taten  setzen 
helfen,  die  der  Grosse  und  Grossmut  der  Nation  einmal  voll  wiirdig  sind. 


Berichte  und  Notizen. 


I.     Korrespondenzen. 


Cincinnati.  * 


Die  Wahlschlacht  ist  ge- 
schlagen,  der  Pulverrauch  hat  sich 
verzogen,  und  wir  gedenken  der  Toten, 
der  Toten.  Auf  der  Wahlstatt  blieben 
manche  Gefallene,  die  man  aber  hier 
gar  nicht  sehr  betrauert;  so  z.  B.  unser 
Staats-Oberhaupt,  ein  ganz  ehrenwerter 
alter  Herr,  der  nur  hundert  Jahre  zu 
spat  auf  die  Welt  kam.  Der  gute  Mann 
wurde  mit  seinen  riickstandigen  Tem- 
perenz-Schrullen  am  3.  November  griind- 
lich  begraben,  und  darob  freut  sich  na- 
tiirlich  die  gesamte  liberale  Bevolke- 
rung  Ohios  im  allgemeinen  und  unser 
deutschamerikanischer  Staatsverband 
im  besonderen.  In  einer  ,,Stump"-Rede 
zahlte  namlich  der  Herr  Gouverneur  den 
Verband  zu  den  ,,Machten  des  Bosen" 
(wau!)  —  dieser  Schimpf  musste  ,,ge- 
rochen"  werden.  Der  furor  teutonicus 
entflammte  —  was  leider  hierzulande 
nur  zu  selten  geschieht  —  und  bereitete 
dem  Kandidaten  eine  Niederlage,  die 
sich  hoffentlich  unsere  mit  den  Prohibi- 
tion&fanatikern  so  gerne  liebaugelnden 
Politiker  ad  notam  nehmen  werden. 


Doch  die  Qual  der  Wahl  ist  gliicklicher- 
weise  voriiber,  und  der  Korrespondent 
hatte  wahrlich  alle  Ursache,  nunmehr 
unpolitische  Themata  zu  besprechen. 
Allein  das  Resultat  der  Volksentschei- 
dung,  soweit  sie  wenigstens  Ohio  be- 
traf,  war  ein  solch  erfreulich.es,  dass  die 
nachtragliche  kurze  Abschweifung  auf 
politisches  Gebiet  wohl  entschuldbar  er- 
scheinen  mag.  Und  da  wir  gerade  dabei 
sind,  soil  des  weiteren  noch  erwahnt 
werden,  dass  bei  dieser  Wahl  auch  un- 
sere Staatslegislatur,  die  letztes  Friih- 
jahr  den  hiesigen  grossen  Schulrat  abge- 
murkst,  oder  vielmehr  von  27  Mitglie- 
dern  auf  sieben  Mitglieder  reduziert  hat. 
verdientermassen  selbst  abgemurkst 
wurde.  Auch  dariiber  frohlockt  das 
Cincinnatier  Deutschtum. 

Am  21.  November  waren  es  just  sech- 
zig  Jahre,  dass  die  Cincinnati 'er 
Turngemeinde  als  erster  deut- 
scher  Turnverein  in  den  Vereinigten 
Staaten  gegriindet  wurde.  Die  Mutter- 
gemeinde  der  deutschamerikanischen 
Turnerei,  die  die  Grundsatze  des  N.  A. 
Turnerbundes  stets  treu  und  ehrlich  be- 


*  Der  erste  Teil  dieser  Korrespondenz  war    fttr   das  Xovemberheft   bestimmt, 
kam  aber  ftir  dieses  zu  spat.    D.  R. 


Eorrespondenzen. 


327 


folgt  hat,  beging  diesen  Ehrentag,  ihr 
60.  Stiftungsfest,  wiirdig  und  eindrucks- 
voll.  Als  Vorkampferin  und  Verfech- 
terin  vernunftgemasser  Erziehungprinzi- 
pien  hat  sich  die  alte  Turngemeinde  je- 
denfalls  die  Achtung  und  Anerkennung 
der  hiesigen  Biirgerschaft  erworben,  und 
mit  Stolz  kann  sie  auf  ihre  Vergangen- 
heit  zuriickblicken. 

Im  Monat  Februar  kommenden  Jahres 
wird  hier,  wie  wohl  iiberall  in  den  Ver- 
einigten  Staaten,  Lincolns  100. 
Geburtstag  in  denkwiirdiger  Weise 
gefeiert  werden.  Unser  „  Schoolmasters' 
Club",  der  diese  Zentenarfeier  zuerst 
anregte,  hat  bereits  samtliche  deutsche 
und  englische  Vereine  und  Korperschaf- 
ten,  vielmehr  deren  Delegaten,  zu  den 
vorbereitenden  Komitee-Sitzungen  ein- 
geladen.  Der  Klub  beabsichtigt,  den  12. 
Februar  zu  einem  grossen  nationalen 
Geburtstagsfeste  zu  gestalten,  an  dem 
'sich  die  ganze  Stadt  beteiligt. 

Wahrend  der  vergangenen  Wochen 
wurden  hier  die  Grundsteine  fur  unsere 
zwei  neuen  palastartigen  Hochschulge- 
baude  gelegt,  wobei  besonders  die  Feier 
fiir  die  Woodward  Hochschule  eine 
massige  Beteiligung  auf  die  Beine 
brachte.  Der  neugewahlte  Prasident 
hielt  dabei  am  Tage  nach  der  Wahl  die 
Hauptrede  —  und  ein  neugebackenes 
Landesoberhaupt  sofort  nach  seiner  Er- 
wahlung  von  Angesicht  zu  Angesicht 
sehen  zu  konnen  —  das  zieht  doch. 


In  den  letzten  Jahren  wurden  in  un- 
seren  b'ffentlichen  Schulen  eine  Reihe 
neuer  und  eigenartiger  A  m- 
t  e  r  geschaffen,  von  denen  man  vordem 
keine  Ahnung  hatte.  Ganz  abgesehen 
von  den  Vorstehern  fur  die  verschiede- 
nen  Departements  wie:  Singen,  Zeich- 
nen,  Schreiben,  Turnen,  deutschen  Un- 
terricht  und  neuerdings  auch  fur  Ko- 
chen  und  Handfertigkeitsunterricht  — 
haben  wir  jetzt  hier  auch  einen  Custo- 
dian, einen  Ober  -  Truant  -  Of- 
ficer (diese  Amter  lassen  'sich  schwer 
verdeutschen) ,  einen  Ober  -  Inge- 
n  i  e  u  r  ,  einen  Ober  -  Janitor, 
einen  Geschafts  -  Direktor,  ei- 
nen Ober  -  Gesundheitsbeam- 
t  e  n  mit  einem  Stab  von  einem  Dut- 
zend  Arzten,  sogar  einen  Ober-  Kri- 
t  i  k  e  r  und  ditto  Kritikerin,  and 
what  not! 

Der  Custodian  (sollen  wir's  mit  Buch- 
hiiter  oder  Buchwachter  oder  Aufseher 
iibersetzen?)  hat  mit  seinen  Gehilfen 
und  hubschen  Gehilfinnen  die  Verteilung 
der  freien  Schulbucher  und  des  tibrigen 
Unterrichtmaterials  zu  iiberwachen ; 
ier  Truant -Beamte  muss  mit  seinen 


beiden  Assistenten  hinter  den  Schul- 
schwanzern  her  sein;  der  Ober-Ingenieur 
ist  wahrend  des  Winters  fiir  die  rich- 
tige,  zumeist  aber  fiir  die  unrichtige 
Heizung  der  Schulhauser  verantwort- 
lich  —  in  den  Sommermonaten  verdient 
er  sein  Gehalt  wahrscheinlich  als 
Schneeschaufler  in  den  Schulhof en ;  der 
Ober-Janitor  hat  darauf  zu  achten,  dass 
die  Hausmeister  die  Weisheitstempel 
peinlich  reinlich  halten,  damit  sich  ja 
kein  Staubchen  hinter  Bildern  und  Bu- 
cherschranken  ansammle;  zu  den  Oblie- 
genheiten  des  neugebackenen  Geschafts- 
direktors  und  seiner  Unterbeamten  ge- 
hort  die  Besorgung  der  Einkaufe  fiir  die 
Schulen  und  des  Unterrichtsmaterials. 
auf  dass  der  arme  Custodian  oder  Ober- 
Aufseher  damit  nicht  iiberbiirdet  wird 
—  dies  ware  unverzeihlich.  Der  Gesund- 
heitsbeamte,  dessen  medizinische  Gehil- 
fen zweimal  die  Woche  samtliche  Schu- 
len zu  besuchen  haben,  ist  fiir  die  Ge- 
sundheit  unserer  lieben  Schuljugend 
verantwortlich ;  er  hat  da  Epidemien 
vorzubeugen,  auch  einer  gewissen  iiber- 
tragbaren  Krankheit  des  Kopfes. 

Seit  letztem  Schuljahre  sind  wir  auch 
noch  mit  einem  padagogischen  Kritiker 
nebst  Kritikerin  begliickt.  Der  Herr 
Kritikus,  der  nebenbei  Professor  der 
Padagogik  an  der  hiesigen  Universitat 
ist,  sowie  seine  Kollegin  haben  die  neu- 
angestellten  Lehrkrafte,  sowie  auch  die 
substituierenden  Lehramtskandidaten 
und  Kandidatinnen  in  ihrer  erzieheri- 
schen  Tatigkeit  zu  beobachten  und  da- 
riiber  an  den  Schulsuperintendenten  zu 
berichten.  Von  deren  Bericht  hangt  als- 
dann  hauptsachlich  die  Beibehaltung  be- 
ziehungsweise  die  Anstellung  der  beob- 
achteten  Lehrbeflissenen  ab.  Man  er- 
zahlt,  dass  die  Kritiken  gegen  die  ar- 
men  Opferlammer  in  der  Regel  sehr 
entmutigend,  ja  geradezu  verletzend 
ausfallen.  Ob  die  kritischen  Personlich- 
keiten  in  jedem  Falle  die  schwierigste 
aller  Kiinste,  die  Erziehungskunst,  wohl 
besser  ausiiben  konnten?!  Die  Beweise 
haben  sie  bisher  noch  nicht  erbracht. 
Wie  leicht  ist  bekanntlich  das  Kritisie- 
ren!  Vordem  war  das  padagogische 
Richteramt  den  Schulprinzipalen  iiber- 
tragen,  ebenso  wie  die  Aufsicht  tiber 
die  Hausmeister  —  und  beides  lag  da 
zumeist  in  guten  Handen.  Warum  also 
die  Anderung  und  die  SchafFung  neuer 
Amter?  Da  hatte  ich  beinahe  verges- 
sen  zu  erwahnen,  dass  auch  unserem 
Gebaude-Superintendenten  ein  weiterer 
Beamter  als  Stiitze  zur  Seite  gegeben 
wurde,  namlich  ein  Ober-Architekt,  der 
die  Plane  fiir  die  neuen  Schulpalaste  zu 
begutachten  hat.  In  frtiheren  Korres- 


328 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


pondenzen  1st  schon  iiber  die  luxuriose 
Ausstattung  der  neuen  Schulbauten  be- 
richtet  worden;  da  mag  dieses  Mai  nur 
noch  hinzugefiigt  werden,  dass  kiirzlich 
das  Fronttor  einer  neuen  Distrikts- 
schule  mit  bemaltem  Porzellan  einge- 
legt  wurde,  das  allein  750  Dollars  koste- 
te.  Wenn  der  Steuersackel  das  alles  auf 
die  Dauer  aushalt,  soil's  dem  Korres- 
pondenten  ja  so  recht  sein. 

In  die  erste  Woche  dieses  Monats  fiel 
die  Versammlung  des  Oberlehrer- 
v  e  r  e  i  n  s  und  des  Lehrervereins. 
Vor  den  deutschen  Oberlehrern  hielt 
Kollege  W.  G.  Cramer  einen  Vortrag 
tiber  ,,Englische  Schauspieler  in 
Deutschland  im  16.  Jahrhundert"  und 
im  Lehrerverein  sprach  Dr.  Morgenstern 
tiber  das  heikle  Thema  der  E  volutions - 
theorie  und  iiber  die  Abstammung  des 
Menschen.  Beide  Themata  waren  von 
den  genannten  Herren  sorgfaltig  und 
mit  Sachkenntnis  ausgearbeitet ;  allein 
wir  sind  der  Ansicht,  dass  diese  Vor- 
trage  fur  Lehrerkreise  nicht  recht  am 
Platze  waren.  Auf  padagogischem  so- 
wohl  wie  auf  literarischem  Gebiete 
gibt  es  sicherlich  noch  Fragen  und  The- 
mata genug,  die  einer  Besprechung 
wert  sind  und  dankbaren  Stoff  fur  einen 
Vortrag  liefern;  allerdings  ist  es  nicht 
so  leicht,  den  passenden  Referenten  da- 
fur  zu  finden.  Die  armen  Vorstands- 
mitglieder  konnen  in  dieser  Beziehung 
gewiss  ein  Liedchen  singen. 

E.  K. 

Milwaukee. 

Das  Hauptereignis  des  Schuljahres, 
der  56.  Konvent  der  Wiscon- 
siner  Lehrer,  brachte  eine  bedeu- 
tende  Anzahl  Erzieher  —  man  sprach 
von  etwa  5000  Besuchern  —  in  unsere 
Stadt.  Erzieherische  Massregeln  der 
mannigfachsten  Art  gelangten  zur  Be- 
sprechung. Besondere  Erwahnung  ver- 
dient  die  Frage  beziiglich  der  Umarbei- 
tung  des  Lehrplans  in  der  Volksschule. 
Ein  Ausschuss,  bestehend  aus  erfahre- 
nen  Erziehern  in  alien  Teilen  des  Staa- 
tes,  wird  sich  der  Aufgabe  widmen,  den 
gegenwartigen  Lehrplan  einer  sorgfalti- 
gen  Priifung  zu  unterwerfen,  um  die 
Spreu  vom  Weizen  zu  sondern  und  so 
der  uberbttrdung  des  Schtilers  zu  steu- 
ern. 

Sehr  lebhaft  und  anregend  war  die 
Debatte  inbezug  auf  das  Verhaltnis 
zwischen  der  Hochschule  und 
der  Univer'sitat.  Den  Grundton 
bildete  der  Satz:  Los  von  der  Universi- 
tat!  Die  Hochschule  hat  ihre  eigene, 
den  Erfordernissen  des  Lebens  ange- 
messene  Sendung  zu  erftillen,  ist  also 


nicht  als  Vorbereitungsschule  fur  die 
Universitat  oder  das  College  zu  betrach- 
ten,  weshalb  auch  der  jetzige  Lehrplan 
eine  durchgreifende  Anderung  erfahren 
sollte. 

Die  National  New  Educa- 
tional League  scheint  mehr  und 
mehr  an  Boden  zu  gewinnen.  Dieselbe 
bef iirwortet  unter  anderem  die  Annahme 
der  Stephensonschen  Vorlage,  wonach 
ein  besonderes  Erziehungsministerium 
geschaffen  werden  sollte.  Dass  die 
Forderuug  eine  angebrachte  ist  und  die 
Gewahrung  derselben  einen  wesentlichen 
Fortschritt  fur  das  gesamte  Erziehungs- 
wesen  bedeuten  wiirde,  steht  nicht  zu 
bezweifeln. 

Auch  die  ewig  alte  und  stets  neue 
Frage  der  Lehrerpension  kam 
wieder  aufs  Tapet.  Es  wurde  darauf 
hingewiesen,  dass  die  Anzahl  der  mann- 
lichen  Lehrer  im  Staate  Wisconsin  bin- 
nen  eines  Jahres  von  2000  auf  1700  zu- 
sammengeschrumpft  ist.  Grund:  Nie- 
drige  Gehalter,  hauptsachlich  aber  das 
Fehlen  einer  von  staatswegen  festge- 
setzten  Pension. 

Von  besonderem  Interesse  fiir  die 
Lehrer  der  modernen  Spra- 
ch en  war  die  Sitzung  am  Freitag,  dem 
13.  Nov.  Eine  permanente  Organisation, 
unter  dem  Namen  ,,Wisconsin  Modern 
Language  Teachers'  Association",  wurde 
ins  Leben  gerufen.  Die  erwahlten  Be- 
amten  sind: 

Pras.t    Leo  Stern,    Hilfssupt.,    Mil- 
waukee ; 
Vizepras.:    B.  Mack  Dresden,    Nor- 

malschule,  Oshkosh. 
•Sekr.     und     Schatzmeister :      Georg 

Lenz,  Lehrerseminar,  Milwaukee. 
Das  Exekutivkomitee  besteht  aus: 
Prof.  A.  R.  Hohlfeld,  Staatsuniversi- 

tat,  Madison; 

Frl.  Elizabeth  Waters,  Fond  du  Lac; 
Fir.  Wilke,  Monroe,  und 
Prof.  F.  0.  Reed,  Staatsuniversitat, 

Madison. 

Die  folgenden  Vortrage  wurden  ver- 
lesen : 

1.  The  Two-Year  Course  in  German. 
Are  the  Scope  and  Results  Satis- 
factory?     Supt.    W.    H.    Schultz, 
Eau  Claire. 

Discussion  —  A.  D.  Tarnutzer,  Prin- 
cipal High  School,  Sheboygan. 

2.  The  Middle  Ground  in  the  Method 
of  Teaching  a  Modern  Language. 
Prof     B.     Mack     Dresden,     State 
Normal,  Oshkosh. 

Discussion  —  Prof.  Dr.  M.  B.  Evans, 
U.  of  Wis.,  Madison. 


Korrespondenzen. 


329 


3.  The  Claim  of  French  for  a  More 
General  Introduction  into  Wiscon- 
sin High  Schools.  Prof.  F.  0. 
Reed,  Univ.  of  Wis.,  Madison. 

Redner  traten  fur  die  Ausdehnung  des 
zweijahrigen  Kursus  auf  vier  Jahre  'ein, 
sowie  fur  die  Anwendung  des  ,,Middle 
Ground"  Prinzips  beim  modernen  Sprach- 
unterricht,  wobei  mehr  Gewicht  auf  die 


Konversation  und  weniger  auf  den 
grammatikalischen  Teil  des  Unterrichts 
zu  legen  sei.  Belehrend  fur  uns  und  zu- 
gleich  besch  amend  fur  Wisconsin  sind 
die  von  Prof.  Reed  gesammelten,  den 
fremdsprachlichen  Unterricht  betreffen- 
den  statistischen  Zahlen.  Dieselben  'sind 
dem  Bericht  des  Erziehungskommissars 
fur  das  Jahr  1906  entnommen  und  ent- 
halten  die  folgenden  Tabellen: 


Name  des  Staates 

Anzahl   der   Schiller,    welche   sich   dem 
fremdsprachlichen   Unterricht   widmen 

Anzahl  der 
Schiller 
per  1000, 
welche 
fremde 
Sprache 
studieren. 

Franzosisch 

Deutsch 

Latein 

Massachusetts   

20,638 
12,821 
2,448 
2,527 
1,417 
1,253 
1 

8,776 
30,580 
14,110 
11,310 
7,726 
6,247 
7,064 

19,000 
41,636 
27,246 
23,652 
11,778 
11,555 
5,394 

17 
12 
7 
8 
8 
11 
6 

New  York  

Pennsylvania  

Illinois          

Michigan 

Minnesota 

Wisconsin  

Somit  hatte  der  deutscheste  Staat  der 
Union  eigentlich  wenig  Anspruch  auf 
diesen  stolzen  Namen! 

Am  21.  November  hielten  die  A 1  u  m- 
nen  des  Lehrerseminars  ihre 
erste  diesjahrige  Versammlung  ab.  Die 
folgenden  Beamten  wurden  wiederge- 
gewahlt : 

Pras.t  William  0.  Becher; 
Kor.  Sek.:   Chas.  M.  Purin; 
Schatzmeister :    William    Schaffrath. 

Neuerwahlt  wurden: 

Vizeprasidentin :   Agnes  Sidler; 
Prot.    Sekretar:    Carl    Schauermann. 

Es  steht  zu  hoffen,  dass  die  Alumnen 
es  sich  zur  Aufgabe  machen  werden,  das 
jeweilige  Arrangementskomitee  auch  in 
diesem  Jahre  nach  Kraften  zu  unter- 
stiitzen.  C.  M.  P. 

New  York. 

Der  Verein  deutscher  Leh- 
rer  von  New  York  und  Una  ge- 
gend.  Unter  dem  Vorsitz  des  Herrn 
Dr.  Rudolf  Tombo  sen.  fand  am  7.  No- 
vember im  Deutschen  Pressklub  eine 
gut  besuchte  Versammlung  des  Vereins 
statt.  Bei  der  Erledigung  der  laufen- 
den  Geschafte  wurde  beschlossen,  auch 
fiir  das  Jahr  1909  dem  Deutsch- 
amerikanischen  Schulverein 
den  iiblichen  Beitrag  zu  iibersenden.  Die 
Einladung  des  Deutschen 
Vereins  an  der  Cornell  Uni- 
versitat,  am  16.  November  im 
Neuen  Deutschen  Theater  der  Vorstel- 
lung  von  „  Alt -Heidelberg"  durch  ameri- 
kanische  Studenten  belzuwohnen,  wurde 
angenommen;  eine  stattliche  Anzahl 
Mitglieder  wird  auch  den  der  Theater  - 


vorstelhmg  folgenden  Kommers  mitma- 
chen.  Herr  Dr.  Tombo  berichtete,  dass 
der  Ausschuss  fiir  die  Vorbe- 
reitung  des  nachstjahrigen 
Lehrertages  (29.  Juni  bis  2. 
Juli)  tiichtig  an  der  Arbeit  ist,  und  je 
drei  Vertreter  des  Vereins  der  Hoch- 
chullehrer,  der  Speziallehrer  und  der 
deutschen  Lehrerinnen  zu  seinen  Bera- 
tungen  zugezogen  hat.  Herr  Josef  Win- 
ter wurde  als  Einzel-Komitee  erwahlt, 
um  Vorschlage  entgegen  zu  nehmen,  wie 
die  Finanzierung  am  besten  zu  gesche- 
hen  habe.  Hiernach  hielt  der  zweite 
Vorsitzer,  Herr  Hugo  Geppert  aus  Ne- 
wark, einen  hochinteressanten  Vor- 
trag  iiber  dieGriindung  und 
Entwicklung  des  Vereins. 

Der  Verein  wurde  im  Sommer  1884 
ins  Leben  gerufen.  Die  Grunder  waren 
die  folgenden  Lehrer  in  Newark:  G. 
Earth,  G.  Fischer,  H.  Geppert,  J.  Groh- 
mann,  C.  Heller,  E.  Hochadel,  E.  Kayser, 
A.  Voget,  H.  von  der  Heide,  H.  Walter 
und  G.  Zollner,  sowie  die  Lehrer  R.  Gep- 
pert und  J.  Monch  in  Carlstadt  und  J. 
Range  in  Orange.  Der  urspriingliche 
Name  war  daher:  ,,Verein  der  deutschen 
Lehrer  Newarks  und  der  Umgegend." 
Nach  und  nach  schlossen  sich  Kollegen 
aus  Jersey  City,  Jersey  City  Heights, 
Hoboken,  Passaic  und  New  York  dem 
Vereine  an.  Die  New  Yorker  Mitglieder, 
deren  Zahl  schliesslich  recht  ansehnlich 
wurde,  nahmen  aber  bald  Anstoss  an 
dem  bisherigen  Namen  des  Vereins.  Sie 
konnten  sich  nicht  darein  finden,  dass 
New  York  zur  Umgegend  Newarks  ge- 
horen  sollte.  Ihrem  Lokal-Patriotismus 


330  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

wurde  denn  auch  im  Jahre  1898  dadurch  Der  nachste  Lehrertag. 

Rechnung  getragen,   dass   der   ursprung- 

liche  Name  in  ,,Verein  deutscher  Lehrer       Grossartige        Vorbereitun- 

New  Yorks   und   der  Umgegend"  umge-  gen  zur  Feier  des  37.  Nation  a- 

andert    wurde.      Der    Schwerpunkt    des  jen        Deutschamerikanischen 

Vereins  lag  in  der  Tat  wahrend  des  letz-  T     ,  •      XT         xr       i        A 

ten  Jahrzehnts  in  New  York,  da  in  die-  Lehrertages  in  New  York.     Am 

ser  Zeit  die  meisten  Versammlungen  in  28.   November    hielt    der    Ortsausschuss 

der  Metropole  abgehalten  wurden.     Seit  fiir  die  37.  Jahresversammlung  des  Nat. 

mehreren  Jahren  tagt  der  Verein  in  den  D    A    Lehrerbundes  unter  dem  Vorsitze 

welTeT  fo^^—  Ir^S  -    Herrn    Dr.  Kudo.f  Tombo  sen.  im 

fiir  die  monatlichen  Sitzungen  einen  der  Deutschen  Pressklub  erne  Versammlung 

Sale  zur  Verfiigung  stellte.     In  friiheren  ab,    welcher    auch    der  Bundesprasident 

Jahren   war   der  Verein   vorwiegend   ein  professOr  C.  0.  Schonrich  aus  Baltimore 

Wanderverein,  indem  er  die  monatlichen  .    .      .  ..  ...  .        „,..,.  ,    ., 

Versammlungen  bald  in  New  York,  bald  beiwohnte.  Der  unermudhchen  Tatigkeit 

in  den  Orten  der  Umgegend  abhielt.  des  als  Geschaftsfuhrer  erwahlten  Kol- 

Die  Organisation  des  Vereins  war  an-  legen  Joseph   Winter    ist    es    gelungen, 

fanglich  eine  sehr  lockere.     Die  Mitglie-  vier  hervorragende  Vertreter    des    New 

der   ubernahmen   in   alphabetischer   Rei-  yorker  Deutschtums  fur  die  Festbehorde 
henfolge    abwechselnd    den    Vorsitz    bei  . 

den    monatlichen    Versammlungen.      Der  zu  gewmnen.     Es   smd  dies   die  Herren 

einladende    Sekretar,   zugleich   Finanzse-  Hermann    Bidder,    der    Herausgeber    der 

kretlir  und  Schatzmeister,  war  der  ein-  New     Yorker     Staatszeitung,     Emil     L. 

zige  erwahlte  Bearnte  des  Vereins.     Erst  B  d         Generalvertreter   der   Ham- 

im  Herbste  1901  wurde  zur  festeren  Or- 

ganisation   geschritten.      Seit    der    Zeit  burg-Amerika  Lime,  Richter  Herman  C. 

werden  jahrlich  ein  President,  ein  Vize-  Kudlich,   ein   Sohn   des   bekannten   Frei- 

Prasident,   ein   Finanzsekretar    und    ein  heitshelden  Kudlich,  und  Theodor  Sutro, 


Dto  ^^ot  des   Staatsverbandes  und  der 


amten    sind:     Dr.    Rudolf    Tombo    sen.,  Vereinigten     Deutschen      Gesellschaften 

Prasident;     Hugo    Geppert,    Vize-Prasi-  von  New  York.   Der  Ehrenprasident  die- 

dent;   Dr.  A.  Hoelper,  Finanz-  und  kor-  ser  Festbehorde,  Herr  Hermann  Ridder, 

nTBt^rsta^^Vr^Zwe^de;  -chte   das    wahrhaft    fUrstHche    Ange- 

Vereins  besteht  darin,  Lehrer  des  Deut-  bot,  den  Delegaten  des  Lehrertages   ein 

schen   aller  Grade,   sowohl   der   niederen  Festbankett    im    Prunksaale   des   Deut- 

wie   hoheren   Schulen    mit    einander    in  schen    Liederkranzes    zu    geben;      Herr 

S^^l-8  nSntT^^  «mU   L.    Boas    wird   die   De.egaten   auf 

Kollegialitat  pflegen  konnen.     Ein  Vor-  emem  Luxusdampfer  seiner  Gesellschaft 

trag,  meistens  aus  dem  Gebiete  der  Pa-  zu  einem  Kommers  einladen.    Es  ist  fer- 

dagogik    oder   der    Literatur,    bildet    ge-  ner  eine  Hudsonfahrt  geplant,  und  wenn 

S±^-«  jSTenPtSTtZ:r  J    dL°t  «•  Kollegen  und  KoUeglnnen  auch  nocn 

mit  der  sich  daran  anschliessenden  De-  freie  Unterkunft  erhalten,  wird  das  Ver- 

batte    zu    gegenseitiger   geistiger   Anre-  sprechen  Dr.  A.  Hoelpers,  den  37.   Leh- 

gung  und  Belehrung.  rertag  zu  einem  glanzenden  zu  gestalten, 

Im  Jahre  1895  schloss  sich  der  Verein     .       °    ,  ?.     T7        ..          .    , 

als   Zweigverein  dem   Nat.   Deutschame-  emgelost.     Fur  die  Vortrage    smd    laut 

rikanischen  Lehrerbunde  an,  dessen  In-  Mitteilung    des    Bundesprasidenten  her- 

teressen    er    nach    Kraften    zu    fordern  vorragende      Redner      gewonnen.       Das 

suchte.      Ebenso    ist    er     Mitglied     der  Deutschtum   New  Yorks    nimmt    durch 
,,Vereimgten     Deutschen    Gesellschaften  TT      .      . 

von   New   York"   und   des   New   Yorker  Emzelpersonen    und   Verein    jetzt    schon 

Schulvereins.  an  den  Vorbereitungen  zum  Lehrertage 

Die   nachste   Versammlung   findet   am  grosses    Interesse     und    auf     allgemeine 

5.    Dezember,    4    Uhr    nachmittags,    im  Unterstiltzung    kann    gerechnet    werden. 

Press   Club    21    aty  Hall  Place    start.  Die  nScnste  Versammlung  des  Ortsaus- 
Herr  Dr.  Rudolf  Tombo  sen.  wird  emen 

Vortrag  ttber  Theodor  Fontane  halten.  schusses  findet  am  9.  Januar  1    '9  statt. 

Dr.  H.  A.  H. 


Umschau. 


331 


Briefkasten.  wir     beim    Korrekturlesen     den     Fehler 
iibersahen.      Der    betreffende    Satz    soil 

H.  G.  Newark.     An  der  Umwandlung  aiso   folgendermassen  lauten:    Er  zeigte 

des  Wortes  ,,Automat",  wie  es  in  Ihrem  sich  zuweilen   als   Sonderling,  besonders 

Manuskript  des  Nekrologes  fiir  Dr.  Wm.  wenn   seine   hochgewachsene  Gestalt   er- 

J.    Eckoff     (siehe    Novemberheft,     Seite  hobenen  Hauptes,    die  Augen    in  unbe- 

291)   lautete,  in  ,,Autokrat"  ist  nur  der  stimmte  Ferne  gerichtet,  niemanden  be- 

Setzer   schuld.     Wir   mtissen   uns    aller-  achtend,  wie  em  Automat  durch  die 

dings    insofern    schuldig    bekennen,    als  Strassen  schritt. 


II.     Umschau. 


Vom  Lehrerseminar.  Mit  dem 
Abschluss  der  Schularbeit  des  laufenden 
Jahres,  am  22.  Dezember,  schliesst  auch 
das  erste  Tertial  des  Schuljahres. 
Die  vorgeschriebenen  Klassenaufsatze  in 
der  deutschen  und  der  englischen  Spra- 
che  wurden  am  7.  und  8.  d.  M.  angefer- 
tigt.  Die  Zensuren  tiber  ihre  Leistungen 
werden  den  Schiilern  am  letzten  Schul- 
tage  iibergeben. 

Die  Weihnachtsfeier  der 
Deutsch-Englischen  Akademie,  der  Mu- 
sterschule  des  Seminars,  soil  in  der  iib- 
lichen  Weise  am  Nachmittage  des  22. 
Dezembers  abgehalten  werden. 

Wie  in  friiheren  Jahren  so  haben  auch 
in  diesem  Jahre  die  wackeren 
Schwab  en  der  Stadt  Chicago 
dem  Lehrerseminar  eine  Zuwendung  von 
$100  aus  dem  Ertrage  des  Cannstatter 
Volksfestes  gemacht.  Wie  bereits  brief- 
lich,  so  sei  hiermit  auch  offentlich  dem 
Verein  fur  sein  der  Anstalt  erwiesenes 
Wohlwollen  herzlich  gedankt. 

Eine  friihere  Seminaristin 
an  der  Universitat  Ztirich. 
Fraulein  Valeska  S.  Razall,  die  im  Jahre 
1906  sich  das  Diplom  unseres  Seminars 
erwarb,  wurde  an  der  Ziiricher  Universi- 
tat als  vollgiltige  Studentin  immatriku- 
liert.  Sie  diirfte  damit  die  einzige  Ame- 
rikanerin  sein,  die  mit  deutschen  und 
schweizerischen  Abiturienten  Gleichbe- 
rechtigung  an  Hochschulen  geniesst.  Ge- 
wohnlich  werden  Amerikaner  nur  als 
Horer  zugelassen;  allein  Fraulein  Razall 
strebte  hoher  und  mit  einigen  Nachhilfe- 
stunden  erreichte  sie  es,  eine  regelrechte 
Matura  zu  bestehen. 

In  der-Freude  ihres  Herzens  tiber  die- 
sen  Erfolg  richtete  sie  ein  Dankschrei- 
ben  an  den  Direktor  der  Anstalt,  worin 
sie  unumwunden  eingesteht,  dass  sie  nur 
der  griindlichen  Vorbereitung  im  Semi- 
nar und  seinen  ttichtigen  Lehrern  die 
Erreichung  ihres  Zieles  zu  verdanken 
habe.  Und  in  der  Tat  darf  das  Lehrer- 
seminar auf  eine  solche  Leistung  stolz 
sein. 


Professor  Felix  Adlers  An- 
trittsrede.  Der  diesjahrige  Aus- 
tauschprofessor  Felix  Adler  von  der  Co- 
lumbia-Universitat  eroffnete  seine  Ta- 
tigkeit  an  der  Universitat  Berlin  mit 
einem  Vortrag  iiber  die  Grundlagen  des 
freundschaftlichen  Verhaltnisses  zwi- 
schen  Deutschland  und  Auierika.  Wir 
geben  im  folgenden  die  Hauptziige  die- 
ser  Rede. 

Die  freundschaftlichen  Beziehungen 
beruhen  vor  allem  darauf,  dass  viele 
Deutsche  in  Amerika  eine  neue  Heimat 
gefunden  haben.  Da  aber  die  beiden 
Lander  in  einem  elterlichen  Verhalt- 
nisse  zu  diesen  Biirgern  stehen,  indem 
Deutschland  die  Mutter  und  Amerika 
den  Vater  vorstellt,  so  wird  kunftig  kein 
streitendes  Suchen  nach  der  rechten 
Mutter  mehr  notig  sein. 

Die  Amerikaner,  namentlich  die  An- 
gloamerikaner  zeigen  eine  ausgesproche- 
ne  Hinneigung  zur  deutschen  Wissen- 
schaft,  Musik  und  Literatur,  was  ohne 
Zweifel  auf  eine  geistige  Verwandt- 
schaft  der  beiden  Volker  schliessen  lasst. 

Drittens  sind  beide  Nationen  jugend- 
liche  Volker;  das  jugendliche  Deutsch- 
land besteht  erst  seit  1870,  seit  der  na- 
tionalen  Einigung;  die  nationale  Per- 
sonlichkeit  und  innerliche  Einheit  Ame- 
rikas  wurde  erst  in  den  60er  Jahren 
durch  den  Burgerkrieg  geschaffen. 

Ein  weiteres  Band  ist  in  der  gemejn- 
samen  Kulturaufgabe  zu  erkennen.  Wie 
es  heute  einen  Weltmarkt,  eine  Welt- 
politik  gibt,  so  bildet  sich  im  Geiste  der 
Besten  die  erhabene  Idee  einer  Weltkul- 
tur,  an  der  sich  alle  Volker  nach  Mass- 
gabe  ihrer  Befahigung  beteilig-en  mtis- 
sen. Sollen  aber  Volker  gemeinsam  wir- 
ken  und  sich  gegenseitig  erganzen,  so  ist 
erste  Bedingung  gegenseitige  Wtirdigung 
und  gegenseitiges  Verstandnis.  Und 
dieses  Verstandnis  zu  fordern  ist  Zweck 
und  Aufgabe  der  Austauschprofessuren. 

Man  hat  oft  der  Neigung  nachgege- 
ben,  in  irgend  einer  Eigenart  der  Natur 


332  Monatshefte  fiir  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

des   Landes  ein   Sinnbild    der    geistigen  Die      National      Educational 

Beschaffenheit     seiner    Bevolkerung     zu  Association  hat  beschlossen,  ihre 

sehen,  und  hat  das  amerikanische  Leben  nachste  Konvention   in   den  Tagen  vom 

mit  dem  Niagarafall  verglichen.     Einen  5.  bis  9.  Juli  1909  in  Denver,  Colorado, 

besseren     Vergleich     wtirde     indes     der  abzuhalten. 
Grand  Canon  in  Arizona  gewahren,  des- 

sen  Felsengewirr  von  dem  Coloradofluss  Riickkehr  zur  korperlichen 
tief  ausgewiihlt  in  alien  Farben  er-  Zuchtigung  in  New  York.  Im 
strahlt,  dessen  ganze  Anlage  durch  Anschluss  an  den  New  Yorker  Kinder- 
seine  Riesenhaftigkeit  ttberwaltigt.  gerichtshof  ist  jetzt  auch  der  erste 
Wenn  man  dort  von  dem  fiinftausend  ,,Prugelsaal"  eingeweiht  worden,  jener 
Fuss  hohen  Rand  hinab  sieht  auf  den  Saal  der  Schmerzen  und  Tranen,  in  dem 
sich  schlangelnden  Fluss,  hat  man  ein  die  jugendlichen  Sunder  leichte  Vergehen 
Bild  des  geistigen  Stromes,  der  in  dei  abbiissen.  Der  erste,  der  die  erzieheri- 
Volksseele  Amerikas  fliesst,  der  untei  schen  Segnungen  des  Gemaches  erfuhr, 
der  fast  erdriickenden  Last  der  mate-  war  der  kleine  Abie  Epstein,  der  von  ei- 
riellen  Beschaftigungen  zum  Teil  schon  nem  Wachmann  ergriffen  worden  war, 
jetzt  die  geistige  Freiheit  errungen  hat,  als  er  im  Volksgedrange  den  Taschen  ei- 
zum  Teil  in  noch  weiterem  Masse  sie  zu  niger  Passanten  allzu  nahe  kam.  ,,Wol- 
erringen  bestimmt  ist.  len  Sie  den  Jungen  gehorig  bestrafen: 

wenn  ich  ihn  laufen  lasse?"  fragte  der 

Die  Kenntnis  dieser  Krafte  und  Mach-  Richter  die  herbei  gerufene  Mutter  nach 

te    weiteren    Kreisen    der    studierenden  dem  Verhor.     ,,Jawohl,  hochst  ehrenwer- 

Jugend   zuganglich   zu   machen   ist    des-  ter  Richter,  das  will  ich;   zwei  Stunden 

halb  der  Zweck  meiner  Wirksamkeit  in  lang  soil  er  ganz  ruhig  auf  einem  Stuhle 

Berlin;      das    Ideal    des    amerikanischen  sitzen  miissen."     ,,Es  ware  besser,  wenn 

Volkes  darzulegen;    das  Ideal  der  Beja-  Sie  sich  auf  den  Stuhl  setzten  und  den 

hung  des  Willens  zum  Leben,  zum  dies-  kleinen   Abie    auf    fiinf    Minuten    tiber 

seitigen  wie  zum  ewigen,  wie  es  die  Vor-  Hire  Knie  nehmen  wollten.     Wollen  Sie 

geschichte     der    Union,    namentlich     in  das  gleich  tun,  oder  sollen  wir  ihn  ver- 

Neu-England,  beherrscht  hat;   das  Ideal  urteilen?     Jetzt  plotzlich  ist  die  Mutter 

der  Behauptung  der  erworbenen  Rechte,  bereit.     Man  bringt  den   Sunder  in  den 

welches    das    treibende    Motiv    abgab   in  Priigelsaal.     Blass  und  nichts  Gutes  ah- 

dem     Unabhangigkeitskrieg     mit     Eng-  nend,  lasst  es  alles  mit  sich  geschehen. 

land;    das    Ideal    der    Gesetzmassigkeit ;  Ein  Beamter  legt  den  ubeltater  freund- 

das    Ideal     innerer     nationaler    Einheit;  lich   iiber   seine   Knie.     Dann   iiberreicht 

das    Ideal    der    personlichen    und    politi-  man     der     Mutter     ein     schmiegsames 

schen  Freiheit  in  ihrer  gegenseitigen  Be-  Stockchen.    Und  mit  einem  Schlage  ent- 

dingtheit,  wie  es  von  den  Amerikanern  weicht     alle     miitterliche     Zartlichkeit. 

verstanden  wird.    Ich  werde  die  Friichte  Wie  ein  Flammenschwert  fiihrt  sie  den 

dieses    Freiheitsbegriffes     andeuten,     die  Stock,  und  Abie  erhalt  eine  voile  Tracht. 

guten   und   die    schlimmen.      Schliesslich  Als    der   Richter   ihn    spater   fragt,   wa- 

soll  noch  ein  Ausblick  auf  die  zu  erhof-  rum  er  bestraft  worden  sei,  sagt  er  ganz 

fende     weitere    Entwicklung     des    Frei-  zerknirscht:   ,,Weil  ich  das  tat,  was  der 

heitsideals  gewagt  werden,  wie  es  unse-  Detektiv  erzahlt  hat." 

rem  Lande  zum  Segen  gereichen  diirfte. 

Die    Verbreitung    des    Espe- 

Ein  jedes  Volk  hat  aber  auf  der  Bahn  r  a  n  t  o.    Bei  dem  grossen  Interesse,  das 

vorwarts  zu  schreiten,  die  ihm  seine  ge-  sich   jetzt    liberall   fiir    die   Weltsprache 

schichtliche   t)berlieferung    und    die  Be-  zeigt,  dtirfte  es  interessieren,  etwas  tiber 

sonderheit    seines    Wesens    vorzeichnen.  die  Verbreitung  derselben  zu  horen.    Der 

Aber  ich  mochte  erklaren  und  die  Nebel  Verfasser   ist   bekanntlich   der   russische 

unfertiger    Urteile   und   Vorurteile    uber  Arzt  Dr.  L.  L.   Samenhof  in  Warschau, 

Amerika    zerstreuen   helfen.     Ein    Glied  der  seine  Weltsprache   1887   der  Offent- 

m6chte  ich  liefern,  wenn  auch  noch  so  lichkeit   tibergab.     Lange   Jahre   machte 

klein,   zur  goldenen  Kette  gegenseitiger  Esperanto  nur  sehr  kleine  Fortschritte. 

Anerkennung  zwischen   den  zwei   mach-  Im  Januar   1904  gab  es  erst   116  Espe- 

tigen    Nationen    Deutschland     und     den  rantovereine,  heute  gibt  es  deren  bereits 

Vereinigten    Staaten    von    Nordamerika.  1057,  worunter  207  in  Frankreich,  163  in 

damit  sie  urn  so  mehr  bef  ahigt  sein  mo-  Amerika,  158  in  England,  denen  Deutsch- 

gen,  gemeinsam  Hand  anzulegen  an  die  land    mit    87    erst    in    weitem  Abstand 

Aufgabe  der  Volker  der  Erde,  die  Auf-  folgt.     In    Deutschland    wird    seit    der 

gabe     reichster,     mannigfaltigster     Ent-  grossartigen     Propaganda     in     Amerika 

wicklung    und    Veredelung    menschlicher  durch  Prof.  Ostwald  die  Esperantospra- 

Art  und  Wesens.  che  sehr  energisch  zu  verbreiten  gesucht, 


Umschau. 


333 


und  Kaiser  Wilhelm  hat  sicher  zu  den 
letzten  Erfolgen  des  Esperanto  mit  da- 
durch  beigetragen,  dass  er  sagte,  er  habe 
sich  davon  iiberzeugt,  dass  die  Einfuh- 
rung  des  Esperanto  bei  alien  Volkern 
der  Erde  kerne  Phantasterei  mehr  sei, 
sondern  sich  verwirklichen  lasse. 

Fra uenstudium  an  deut- 
schen  Universitaten.  An  den 
suddeutschen  Universitaten  waren  im 
Sommersemester  137  Frauen  reehtmas- 
sig  als  Studentinnen  immatrikuliert,  49 
in  Heidelberg,  44  in  Miinchen,  34  in  Frei- 
burg, je  4  in  Erlangen  und  Tubingen,  2 
in  Wiirzburg;  75  von  ihnen  studieren 
Medizin,  37  Philosophic,  20  Mathematik 
oder  Naturwissenschaften,  2  Staatswis- 
senschaften,  endlich  je  1  evangelische 
Theologie,  Jurisprudenz  und  Zahnheil- 
kunde.  Ausserdem  waren  an  samtlichen 
deutschen  Universitaten  (ausser  Konigs- 
berg,  fiir  das  keine  Angaben  vorliegen) 
1011  Frauen  als  Hospitantinnen  einge- 
schrieben,  und  zwar  365  in  Berlin,  108  in 
Bonn,  87  in  Breslau,  72  in  Leipzig,  71  in 
Gottingen,  je  44  in  Heidelberg  und 
Strassburg,  42  in  Freiburg,  39  in  Jena, 
30  in  Halle,  27  in  Miinchen,  19  in  Kiel, 
18  in  Marburg,  15  in  Giessen,  13  in  Tu- 
bingen, 10  in  Rostock,  6  in  Wiirzburg 
und  1  in  Erlangen.  In  Greifswald  und 
in  Miinster  sind  keine  Frauen  einge- 
schrieben.  Insgesamt  studieren  also  zur 
Zeit  1138  Frauen  an  deutschen  Hoch- 
schulen.  tiber  die  naheren  Fachstudien 
der  als  Hospitantinnen  eingeschriebenen 
Frauen  fehlen  leider  fast  iiberall  nahere 
Angaben. 

Die  akademische  Lehrfrei- 
h  e  i  t.  Der  Hochschullehrertag  in  Jena 
hat  hinsichtlich  der  Lehrfreiheit  des 
akademischen  Lehrers  den  folgenden  Be- 
schluss  gefasst,  der  vielen  anderen  Lan- 
dern,  darunter  namentlich  auch  Ame- 
rika,  als  nachahmungswert  empfohlen 
werden  darf:  Die  wissenschaftliche  For- 
schung  und  die  Mitteilung  ihrer  Ergeb- 
nisse  miissen  gemass  ihrem  Zweck  un- 
abhangig sein  von  jeder  Riicksicht,  die 
nicht  in  der  wisenschaftlichen  Methode 
selbst  liegt,  —  demnach  unabhangig 
insbesondere  von  Traditionen  und  Vor- 
urteilen  der  Massen,  unabhangig  von 
Autoritaten  und  gesellschaftlichen  Grup- 
pen,  unabhangig  von  jeder  politischen 
tiberzeugung,  unabhangig  von  Interes- 
senten.  Auch  aus  der  amtlichen  Stellung 
eines  Forschers  oder  Lehrers  kann  keine 
Beschrankung  seiner  Forschungs-  oder 
Lehrfreiheit  abgeleitet  werden,  weder 
unmittelbar  aus  seiner  Stellung  noch 
mittelbar  auf  irgend  eine  andere  Weise. 
Ausnahmen  von  obigen  Satzen  sind  auch 


fiir  die  akademischen  Lehrer  der  Theolo- 
gie nicht  anzuerkennen. 

DerKampfgegendie  Schund- 
literatur.  Einen  neuen  Plan,  um 
das  Interesse  fur  gute  Literatur  in  den 
unteren  Volksklassen  zu  heben,  bringen 
jetzt  Volksfreunde  in  Magdeburg  zur 
Ausfiihrung.  Mittels  Rundschreiben  wird 
der  Plan  und  die  Kosten  den  Familien 
vorgelegt,  worauf  ein  Bote  das  erste 
Buch  iiberbringt.  Letzteres  enthalt  je- 
desmal  einen  fesselnden  Roman,  der  da- 
rauf  berechnet  ist,  Aufmerksamkeit  und 
Lust  zum  Lesen  zu  erwecken.  Gegen 
eine  kleine  Gebiihr  von  10  Pfennigen 
kann  man  das  Buch  eine  Woche  behal- 
ten.  In  der  folgenden  Woche  wird  es 
dann  abgeholt  und  umgetauscht  gegen 
ein  anderes,  dessen  Charakter  etwas  bes- 
ser  ist;  und  so  hofft  man  durch  allmah- 
liche  Steigerung  der  Giite  des  Lesestoffes 
die  Leser  nach  und  nach  zu  einem  besse- 
ren  Geschmack  zu  erziehen,  bis  sie 
schliesslich  gar  kein  Verlangen  mehr 
nach  Schundgeschichten  empfinden. 

Die  Notwendigkeit,  gegen  die  Schund- 
literatur  einzuschreiten,  macht  sich  auch 
in  vielen  anderen  Orten  geltend,  und  auf 
mancherlei  Weise  sucht  man  ihr  Grenzen 
zu  setzen.  So  glaubt  man  durch  kiinst- 
lerische  Illustrationen  gute  Biicher  an- 
ziehender  zu  machen,  und  so  hat  es  die 
Deutsche  Dichter-Gedachtnis-Stiftung  in 
Hamburg-Grossborstel  mit  staatlicher 
Hilfe  unternommen,  eine  Reihe  guter 
Volksbiicher,  Romane  etc.  mit  Titel-  und 
Textillustrationen  neu  heraus  zu  geben 
und  zugleich  den  Verkaufspreis  so  viel 
als  moglich  zu  verbilligen. 

Deutsche  Sprach'  —  eine 
schwereSprach'!  Die  Zeitschrif t 
des  Allgemeinen  Deutschen  Sprachver- 
eins  enthalt  ein  Eingesandt  aus  der  Fe- 
der  von  Dr.  T.,  das  wir  hier,  weil  es  uns 
besonders  angeht,  im  Wortlaut  wieder- 
geben : 

Als  deutsches  Mitglied  des  soeben  be- 
endeten  ,,Internationalen  Kongresses  zur 
Bekampfung  der  Tuberkulose"  muss  ich 
dagegen  protestieren,  dass  dessen  Pro- 
gramm  in  einer  Weise  verdeutscht  wur- 
de,  die  geradezu  beleidigend  fiir  die  deut- 
schen Teilnehmer  des  Kongresses  ge- 
nannt  werden  muss.  Wahrend  die  fran- 
zosische  und  spanische  Wiedergabe  des 
englischen  Originals  nur  unbedeutende 
Fehler  aufweist,  zeigen  nachstehende 
Proben  aus  der  angeblich  deutschen 
tibersetzung,  dass  sie  anscheinend  von 
einem  Schuljungen,  der  sich  nur  unvoll- 
kommen  der  Hilfe  eines  englisch-deut- 
schen  Worterbuches  zu  bedienen  ver- 
mochte,  elend  zusammengestoppelt  wur- 


334 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  uncl  Pddagogik. 


de.  Das  sollte  mit  dem  Deutschen,  das 
mit  Recht  als  zweite  Landessprache  gilt 
und  von  alien  Gebildeten  verstanden 
werden  sollte,  nicht  verbrochen  werden. 
Beachten  Sie  gef.  nur  nachstehende  Pro- 
ben: 

,,Der  sechste  international  Tuberkel 
Kongress  wird  in  Washington,  D.  C.. 
von  September  21  bis  October  12,  1908 
versammeln. 

,,Die  allgemeine  Sitzen  werden  am 
Montag  begegnen. 

,,Die  Associat-mitgliede  bezahlen  zwei 
Thaler.  Sie  erhalten  nicht  die  driicken 
Anzeigen  des  Kongress  ...  sie  erhalten 
aber  ....  die  driickene  Anzugen  die  man 
giebt  wiihrend  des  Kongress. 

,,Man  bittet  jeder  Sprecher  einen  kur- 
ze  Kamf endium einrichten. 

,,Jeder  Sprecher  muss  seine  Ansprache 
schreiben  und  sie  zum  Sektion- Sekretar 


eher  als  das  ende  des  Versammlungs  ge- 
ben,  um  sie  zu  driicken. 

,,Der  Preis  des  Geschafts  wird  $15.. 
sein. 

Am  schonsten  ist  der  Schluss: 

,,Der  Sekretar  jeder  Sektion  schreibt 
die  Noten  und  Geschafte  der  Sektion 
und  giebt  ein  Erzahlung  dem  President 
der  Sektion  der  giebt  die  Beide  dem  Se- 
kretiir-General,  so  wie  als  die  ansprache 
der  Sektion  to  present  —  einreichen." 

Ist  das  nicht  kostlich?  Ist  ohne  eng- 
lischen  Text  garnicht  zu  verstehen. 
Hier  ist  er: 

"The  Secretary  of  each  Section  is  to 
record  the  minutes  and  transactions  of 
the  Sections  and  furnish  a  report  to  the 
President  of  the  Section,  who  is  respons- 
ible for  the  presentation  of  the  proceed- 
ings to  the  Secretary-General,  including 
the  papers  and  discussions  of  the  Sec- 
tion." G.  L. 


III.     Vermischtes. 


Ein  altmodischer  Schul- 
mann.  Der  Rektor  einer  grossen  eng- 
lischen  Schule  fasste  einmal  das  Ge- 
heimnis  seiner  Erfolge  als  Erzieher  in 
die  folgenden  Satze  zusammen:  Sei 
freundlich  gegen  den  Jungen  —  und  er 
wird  dich  verachten;  setze  ihm  den  Fuss 
auf  den  Xacken  —  und  er  wird  dich  ver- 
ehren.  Ein  Lehrer,  der  kein  sehr  star- 
ker Charakter  und  kein  grosser  Gelehr- 
ter  ist,  soil  sich  einmal  bemiihen,  des 
Jungen  Freund  zu  sein;  er  soil  freund- 
lich mit  ihm  reden,  nach  seiner  Gesund- 
heit  fragen,  ihm  Strafarbeiten  erlassen. 
die  Rute  sparen  und  ihn  zur  Menschen- 
liebe  ermahnen  —  der  Junge  wird  ohne 
Zweifel  darauf  eingehen,  aber  in  seiner 
Weise.  Er  wird  sich  merkwiirdig  schnell 
ein  Urteil  iiber  den  Lehrer  bilden,  er 
wird  ihm  einen  Spitznamen  geben,  in 
dem  ein  Fiinkchen  Wahrheit  liegt,  er 
wird  verfangliche  Fragen  tun,  um  des 
Lehrers  Unwissenheit  blosszustellen ;  er 
wird  seine  Wohltaten  mit  Verachtung 
von  sich  weisen;  er  wird  ihm  das  Leben 
sauer  machen  und  ihn  auch  noch  nach 
der  Schulzeit  verachten. 

Lass  hingegen  einem  Lehrer  von 
mannlichem  Charakter  und  offenbarer 
Tiichtigkeit  sich's  zur  Aufgabe  machen. 
Buben  zu  beherrschen  und  zu  schulen; 
er  soil  keine  unnotigen  Gesprache  mit 
ihnen  fiihren,  soil  sie  zur  Arbeit  treiben. 
soweit  ihre  Kraft  reicht,  und  durchset- 
zen,  dass  die  Arbeit  auch  geschieht;  er 
soil  sich  nicht  scheuen,  sie  streng  zu  be- 
strafen  und  gelegentlich  ttichtig  zu 


schelten,  soil  alle  gleich  behandeln,  ohne 
Gunst  und  Parteilichkeit,  selten  aber 
feurig  loben,  sich  jedoch  hiiten,  in  ha- 
mischer  Weise  zu  spotten.  Ein  solcher 
Lehrer  wird  seinen  Dank  bekommen.  Die 
Jungen  werden  zwar  auf  dem  Spielplatz 
und  beim  Heimgehen  iiber  ihn  schimp- 
fen,  aber  dabei  immer  seine  Herrscher- 
gabe  schatzen;  sie  werden  mit  Freude 
daran  zuriickdenken,  wo  er  Angeber  ent- 
larvte  und  Gecken  mit  Strenge  bestraf- 
te;  sie  werden  einen  passenden  Spitz- 
namen erfinden  und  dem  folgenden  Ge- 
schlecht  iiberliefern;  sie  werden  ihm  voll 
Bewunderung  auf  der  Strasse  nachlau- 
fen,  und  die  Bewunderung  wird  um  so 
grosser  sein,  je  mehr  sie  mit  Furcht  ge- 
mischt  ist.  Selbst  die  Priigel  von  einem 
solchen  Manne  sind  es  wert,  dass  man 
sie  bekommt,  und  in  spateren  Jahren 
riihmt  man  sich  ihrer.  (Aus  Jan  Mac- 
laun:  ,,Eine  Schule  in  der  guten  alten 
Zeit.") 

Eine  Petition.  Vor  etwa  150 
Jahren  lebte  im  Schulhauschen  zu  Pe- 
tersberg  im  Altenburgischen  ein  Lehrer, 
der  zum  Sterben  zu  viel,  zum  L«ben  zu 
wenig  hatte.  Nach  unermiidlichen  Ver- 
suchen,  auf  dem  Instanzwege  sein  irdi- 
sches  Los  zu  verbessern,  fasste  er  end- 
lich  den  Entschluss,  sich  direkt  an  den 
Fiirsten  zu  wenden,  und  entwarf  zu  die- 
sem  Zwecke  ein  untertanigstes  Gesuch, 
das  seine  ganze  Lebens-  und  Leidensge- 
schichte  bis  ins  kleinste  enthielt,  wan- 
derte  mit  seinem  Dreimaster  nach  Al- 
tenburg  und  legte  sein  Opus  zu  des 


Vermischtes. 


335 


Herrschers  Fiissen.  Als  die  Voluminosi- 
tat  desselben  bemerkt  wurde,  erhielt  er 
die  Weisung,  sein  Gesuch  kurz  und  biin- 
dig  zu  fassen.  Umgehend  sendet  der  re- 
signierte  Bittsteller  folgendes  Schreiben 
an  die  hochste  Stelle:  ,,Mich  hungert's, 
friert's  und  diirstet's." 

Zeitgedanken.     Von   Ludwig   Klarmann. 

Manche  ^Reformer"  schelten  die  alte 
Schule  ein  Handwerk  und  versuchen  es 
darum  mit  dem  Mundwerk. 

Was  einer  berechtigten  Neubewegung 
noch  immer  geschadet  hat,  war  der 
Hochmut  minderbefahigter  Parteiganger. 

Padagogischer  Hochmut,  gerade  wie 
christlicher  Hochmut:  die  schonste  con- 
tradictio  in  adjecto. 

Weshalb  sich  die  ,,Alten  und  Jungen" 
so  oft  nicht  kennen  und  begreifen?  Weil 
sie  mit  dem  Riicken  gegen  einander  ste- 
hen,  die  einen  dem  Sein,  die  anderen  dem 
Werden  zugekehrt.  Es  ware  gut,  sie 
wendeten  manchmal  um. 

Padagogischer  Larm  wird  von  man- 
chen  als  padagogisches  Leben  ausgege- 
ben. 

Massenbewegung  ist  notwendig  zur 
Verbreitung  neuer  Gedanken,  setzt  aber 
keine  Neuerung  wahrhaft  durch.  Deren 
Wirklichkeit  ist  an  die  stille,  versuchen- 
de,  innerste  Arbeit  des  einzelnen  gebun- 
den. 

Es  ist  immer  schlimm.,  wenn  ein  Vor- 
gesetzter  seine  Stellung  dem  Berufe  vor- 
setzt. 

Der  Lehrberuf  braucht  Geist  und  Frei- 
heit.  Neben  dem  Druck  von  oben  scha- 
det  ihm  nichts  mehr  als  die  subalterne 
Lehrernatur. 

Heute  gibt  es  so  viel  padagogische 
Hennen.  Man  erkennt  sie  an  ihrem  so- 
fortigen  Gegacker,  wenn  sie  ein  kleines 
Ei  gelegt  haben. 

Wir  leben  in  einer  hastigen  Zeit.  Da- 
runter  leiden  auch  die  Ideen.  So  viele 
werden  nicht  mehr  reif. 

Idee  und  Ausfiihrung  sind  wie  Auge 
und  Fuss.  Der  Blick  ist  den  Schritten 
immer  weit  voraus. 

In  der  Padagogik  auf  einen  Namen, 
ein  System  schworen,  ist  eigentlich  ein 
klein  wenig  Beschranktheit.  Die  Praxis 
erfordert  durchaus  Eklektiker. 

Das  ist  des  Alters  schone  Tugend, 
wenn  sie  den  ehrlich  suchenden  und  red- 
lich  wollenden  Feuergeist  der  Jugend 
ehrt,  mag  er  auch  einmal  irre  laufen. 
Wo  nur  echte  Warme  ist,  da  werden  si- 
cherlich  Keime  geboren  und  entwickelt. 
(Frankfurter  Schulzeitung. ) 

Lehrer:  ,,Welches  Verbrechen  haben 
die  Sohne  Jakobs  begangen?"  —  Schtt- 
ler:  ,,Sie  haben  ihren  Bruder  Jakob  ver- 


kauft."  —  Lehrer:  ,,Und  fur  wieviel?"— 
Schiller:  ,,Fur  zwanzig  Silberlinge."  — 
Lehrer  (Im  Hinblick  auf  die  schnode 
Lage  der  Missetater) :  ,,Und  was  machte 
ihre  Tat  noch  verdammenswerter  ?"  — 
Schiller:  ,,Dass  sie  ihn  so  billig  verkauft 
haben." 

An  die  Esperantisten. 
(Gelegentlich     des    Esperantisten-Kon- 
gresses    zu    Dresden    im    August    d.    J. 
wurde  Goethes  ,,Iphigenie"  in  der  Espe- 
ranto-Sprache  zur  Auffiihrung  gebracht. 
D.  R.) 
Als  niitzlich  hab'  ich  Euch    bisher     ge- 

schiitzt. 
Doch    dem,    der    Goethe    frevelnd    iiber- 

setzt, 
Dem  mocht'  ich  meine  Meinung  mit  Be- 

hagen 

Auf  gut  deutsch  —  nicht  auf  Esperanto 
-  sagen!  Bim. 

Vorsicht.  Ein  Geistlicher  in  Elber- 
feld,  der  durch  seine  Leutseligkeit  und 
Menschenliebe  sich  allgemeinster  Ach- 
tung  erfreute,  schritt  einst  liber  die 
Strasse  dahin.  Vor  einem  Hause  sah  er 
einen  Knaben  stehen,  der  sehnsiichtig 
nach  der  Schelle  blickte,  die  fiir  ihn  un- 
erreichbar  war.  Der  Geistliche  trat  her- 
zu  und  fragte  ihn,  was  er  wolle.  Der 
Knirps  erwiderte,  dass  er  gern  schellen 
mochte,  aber  die  Klingel  nicht  erreichen 
konne.  Der  Pfarrer  sprach:  ,,Lieb,  Kind, 
ich  will  dich  heben,  damit  du  schellen 
kannst!"  Das  geschah.  Aber  kaum 
hatte  der  kleine  Schelm  kraftig  gezogen, 
als  er  dem  Pfarrer  angstlich  zuriefr 
,,Nun  ist  es  aber  Zeit,  dass  wir  uns  beide 
fortmachen,  denn  sonst  bekommen  wir 
beide  Priigel!" 

Das  folgende  wahre  Ge- 
schichtchen  erzahlt  die  Deutsche 
Zeitung:  Dem  Schulausschusse  zu  Grau- 
stadtel  liegt  das  Gesuch  des  Realschul- 
lehrers  Dr.  phil.  Pendel  ,,Die  Anschaf- 
fung  eines  Schrittzahlers  fiir  das  physi- 
kalische  Kabinett  der  Realschule  betref- 
fend"  zur  Genehmigung  vor.  Nach  lan- 
gerer  Debatte  ,,fiir  und  wider"  wird  das 
Gesuch  infolge  der  kraftigen  Gegen- 
sprache  der  Herren  Stadtverordneten 
Backerobermeister  Miiller  und  Gasthof- 
besitzer  Schulze  mit  grosser  Mehrheit 
abgelehnt,  mit  der  Begriindung,  dass  an- 
gesichts  wichtigerer  Ausgaben  die  An- 
schaffung  eines  Schrittzahlers  fttr  voll- 
standig  unnotig  erachtet  werden  miisse." 
Schon  in  der  nachsten  Sitzung  desselben 
Ausschusses  hat  Herr  Dr.  Pendel  wieder 
ein  Anliegen.  Diesmal  handelt  es  sich 
um  die  Bewilligung  eines  Pedometers, 
eines  Instrumentes,  das  wegen  seiner 
einfachen  und  dabei  feinsinnigen  Kon- 


336  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

struktion  jedem  Menschen  bekannt  sein  nik  und  Wissenschaften  geradezu  an  In- 

miisse,  der  Anspruch  auf  Bildung  erhe-  teresselosigkeit  grenze,  ein  so  wichtiges 

ben  wolle.   Anfangs  meldet  sich  niemand  Instrument,    wie    der    ,,Pedometer"    sei, 

zur   Sache.     Endlich   fragt   Herr    Stadt-  noch,  1™%*T  en.tb^ren.  z?  mussen-  A  So 

jerordneter  Scnulze,  Wie  es  denn  komme  ™*  ^^^^^^  *£ 

dass  em  so  wichtiges  Instrument  mcht  |timming   der   Ankauf    eines    ,,Pedome- 

schon  lange  unter  die  Lehrmittel  aufge-  ters"   beschlossen,    nachdem    man   sechs 

nommen  worden  sei,  worauf  Herr  Ober-  Wochen     vorher     einen     ,,Schrittzahler" 

meister  Muller  darauf  hinweist,  dass  es  fur  ein  vollig  iiberfliissiges  Spielzeug  er- 

bei  den  raschen  Fortschritten  der  Tech-  achtet  hatte.  G.  L. 


Zeitschriftenschau. 


Von  Prof.  E.  C.  Roedder,  Ph.  D.,  Univ.  Wisconsin. 


(Vergl.  Juniheft,  S.  189). 


Die  Neueren  Sprachen  (Marburg,  Elwert;  ed.  Wilhelm  Victor),  Band  XV, 
Heft  7  (November  1907),  S.  396—410;  Heft  8  (Dezember),  8.  470—486;  Heft  9 
(Januar  1908),  8.  537—550:  Heft  10  (Februar),  8.  577—593;  Band  XVI,  Heft 
1  (April),  8.  13—30:  H.  Biittner—Elberfeld.  Die  Muttersprache  im  fremd- 
sprachlichen  Unterricht. 

Die  neu  hinzukommenden  Kapitel  (vgl.  unsere  Zeitschriftenschau  vom 
Dezember  vorigen  Jahres)  behandeln :  III.  Die  Lektiire  (ubersetzen  in  die 
Muttersprache  und  einsprachiger  Betrieb),  nebst  Anhang  zu  I — III:  Das 
Sprechen  der  fremden  Sprache  als  Unterrichtsmittel  und  Unterrichtsziel ;  IV. 
Die  Vokabelfrage  (1.  Worm  sie  besteht;  2.  Einsprachige  Worterbiicher ;  3.  Die 
Rossbergsche  Reformbibliothek ;  4.  Das  muttersprachliche  Wort  als  Bedeu- 
tungsvermittler ;  5.  Forderung  der  muttersprachlichen  Wortkenntnis  durch  den 
fremdsprachlichen  Unterricht;  6.  Neue  Schulausgaben ;  7.  Die  fremdsprach- 
liche  Worterklarung  beim  miindlichen  Verfahren ;  8.  Das  Vokabellernen  im 
Anfangsunterricht).  Seine  Ausfiihrungen  fasst  Buttner  am  Schlusse  in  fol- 
gende  Thesen  zusammen,  die  wir  gekiirzt  wiedergeben :  1.  Hauptmittel  der 
Sprachaneignung  ist  das  Sprechen  der  zu  erlernenden  Sprache;  in  diesem 
Sinne  ist  also  der  freie,  d.  h.  nicht  auf  tibersetzung  beruhende  mundliche  Ge- 
brauch  der  Fremdsprache  zu  pflegen  —  nicht  im  Hinblick  auf  eine  als  selb- 
standige  Zielleistung  zu  erstrebende  Sprechfertigkeit,  fur  deren  spatere  Er- 
werbung  der  Unterricht  vielmehr  nur  moglichst  giinstige  Bedingungen  zu 
schaffen  hat.  2.  Als  Unterrichtssprache  tritt  die  Fremdsprache  allmahlich  iu 
dem  Masse  an  Stelle  der  Muttersprache,  als  das  voile  Verstandnis  fur  den 
Unterricht  dabei  gesichert  erscheint.  3.  Auf  alien  Gebieten  des  Sprachwissens 
(Grammatik,  Stilistik,  Wortkenntnis,  Phraseologie,  Synonymik)  und  auf  alien 
Stufen  des  Unterrichts  konnen  zur  Herbeifuhrung  des  Verstandnisses  einer 
sprachlichen  Erscheinung  die  fremde  und  die  Muttersprache  einander  gegen- 
ubergestellt  werden.  Dagegen  muss  das  ubersetzen  in  die  fremde  Sprache  auf 
der  untersten  Stufe  des  Unterrichts  durchaus  unterbleiben,  da  es  hier  die 
Sprachaneignung  vielmehr  stort  als  fordert.  4.  Das  ubersetzen  in  die  Mutter- 
sprache, das  im  Anfang  zur  Vermittelung  des  Verstandnisses  nicht  zu  entbeh- 
ren  ist,  unterbleibt  mehr  und  mehr  da,  wo  das  Verstandnis  des  Textes  auch 
ohne  dasselbe  verbiirgt  erscheint,  bezw.  auf  einsprachigem  Wege  sicher  ver- 
mittelt  werden  kann.  Dagegen  ist  von  Zeit  zu  Zeit  Musteriibersetzungen  in 
die  Muttersprache  eine  Stunde  zu  widmen.  5.  Der  Lektureunterricht  hat  die 
Schiiler  dahin  zu  bringen,  dass  sie  fremden  Text  verstehend  lesen,  d.  h.  ohne 


Z  eitschriftenschau.  337 

tibersetzung  verstehen.  Weiterhin  client  die  Lektiire  auf  der  (Unter-  und) 
Mittelstufe  des  Unterrichts  vorwiegend  der  eigentlichen  Spracherlernung,  wah- 
rend  auf  der  Oberstufe  literarisch-asthetische  Interessen,  die  Einfuhrung  in 
die  Kultur  der  fremden  Volker  und  die  allgeineinen  Aufgaben  des  Unterrichts 
mehr  in  den  Vordergrund  treten.  6.  Der  Erwerbung  eines  reichen  und  gesi- 
cherten  Besitzes  an  Vokabeln  und  Ausdriicken,  als  der  Grundlage  aller  Sprach- 
erlernung, 1st  grosse  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Die  Einpragung  zwei- 
sprachiger  Wortgleichungen  aber  widerstrebt  der  Richtung  des  Unterrichts 
auf  freien  Gebrauch  der  Sprache  und  auf  verstehendes  Lesen  und  1st  deshalb 
nach  Moglichkeit  zu  vermeiden. 

Band  XVI,  Heft  1  (April  1908),  pp.  1—12:  P.  Pfeffer-Karlsruhe, 

Seid  einig!    Elne  zeitgemasse  Erorterung  methodischer  Fragen. 

Ziel  am  Ende  des  neusprachlichen  Lehrgangs  auf  dem  Gymnasium  mtisse 
sein:  1.  eine  richtige  Aussprache;  2.  einige  tibung  im  miindlichen  und  schrift- 
lichen  Gebrauch  der  Fremdsprache ;  3.  die  Fahigkeit,  einen  nicht  allzu  schweren 
franzosischen  (englischen)  Originalschriftsteller  lesend  zu  verstehen;  4.  eine 
genaue  Kenntnis  der  Grammatik,  d.  h.  ,,vollige  Beherrschung  des  Gewohn- 
lichen" ;  5.  Kenntnis  einiger  der  wichtigeren  Werke  der  klassischen  und  neueren 
fremdsprachlichen  Literatur;  6.  ein  Einblick  in  die  literatur-  und  kulturhisto- 
rische  Entwicklung  des  fremden  Volkes  vom  klassischen  Zeitalter  bis  auf  un- 
sere  Tage.  Als  vorziigliches  Unterrichtsmittel  fiir  das  Franzosische  empfiehlt 
der  Verfasser  das  ,,Lehrbuch  der  franzosischen  Sprache"  von  Metzger  und 
Ganzmann.  Als  Beitrag  zur  Herbeifiihrung  der  in  der  tiberschrift  gewunschten 
Einigkeit  der  deutschen  Neusprachler  in  der  Lehrweise  ist  der  Artikel  von 
wenig  Belang. 

eld.,  pp.  30 — 36:  Konrad  Weichberger-Bremen,  Schulausgaben. 

Verwirft  die  gewohnlichen  Textausgaben  mit  ihrem  den  jugendlichen 
Schiiler  abstossenden  editoriellen  Apparat  und  empfiehlt  an  deren  Stelle  die 
Einfuhrung  illustrierter  Originalausgaben  des  betreffenden  Landes,  so  furs 
Franzosische  die  Nouvelle  Collection  illustree  des  Verlags  Calman-L6vy.  Der 
Gedanke  an  sich  ist  vortrefflich  und  ist  ja  auch  schon  langst  da  und  dort  aus- 
gefuhrt  worden,  wenn  auch  kaum  in  dem  Umfange  und  so  systematisch,  wie  es 
der  Verfasser  zu  wiinschen  scheint.  Einer  riicksichtslosen  Durchfuhrung  stiin- 
den  ohnehin  uniiberwindbare  Hindernisse  im  Wege ;  z.  B.  sind  viele  der  hierzu- 
lande  im  Unterricht  verwendeten  Erzahlungen  nicht  einzeln  im  Handel  zu 
haben;  und  welche  illustrierten  Ausgaben  wiirde  man  uns  fiir  die  klassischen 
Dichtungen  empfehlen  konnen?  Ich  mochte  iibrigens  die  Gelegenheit  nicht  vor- 
iibergehen  lassen,  ohne  auf  zwei  eigenartig  schon  ausgestattete  Biicher  des 
Diisseldorfer  Verlags  Fischer  und  Franke  aufmerksam  zu  machen:  ,,Deutscher 
Balladenborn  fiir  Jung  und  alt.  Herausgegeben  vom  Hildesheimer  Priifungsaus- 
schuss  fiir  Jugendschriften.  Mit  Bildern  von  Franz  Stassen,  Hans  von  Volk- 
mann,  Ernst  Liebermann  u.  a.  und  volkstiimlichen  Singweisen  zu  zehn  balladen- 
artigen  Volksliedern" ;  ausserdem  die  ,,Lieder  und  Bilder  fiir  jung  und  alt. 
Herausgegeben  vom  Kb'lner  Jugendschriften-Ausschuss."  Beide  Biicher  kosten 
in  charakteristischem  Originalleinenband  je  nur  zwei  Mark  und  konnen  manch 
eine  Unterrichtsstunde  zur  reinen  Freude  fiir  Schiiler  und  Lehrer  machen. 
Auch  die  Sammlung  deutscher  Volkslieder  aus  alter  und  neuer  Zeit,  ,,Neues 
Wunderhorn",  mit  Bildern  und  Singweisen,  zusammengestellt  und  herausgege- 
ben  von  K.  Henniger,  im  selben  Verlag  erschienen,  ist  fiir  vorgeriickte  Klassen 
aufs  warmste  zu  empfehlen.  Desgleichen  wiirde  sich  mit  einzelnen  Heften  des 
,,deutschen  Spielmanns"  (Miinchen,  G.  D.  W.  Callwey,  das  Heft  zu  einer  Mark) 
ein  Versuch  reichlich  lohnen. 


338  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

ebd.,  p.  61:   Ludwig  Geyer,  Internationaler  Schuleraustausch. 

Kurzer  Bericht  tiber  dies  1903  von  Professor  Willemin  in  Epinal  ins  Leben 
gerufene  Unternehmen,  das  sich,  wenn  auch  noch  in  den  Anfangen  (nach  den 
Berichten  sind  noch  nicht  ganz  dreissig  Schiller  zwischen  Deutschland  und 
Fraukreich  ausgetauscht  worden),  ausgezeichnet  anzulassen  scheint.  Der  Ge- 
danke  ist  die  logische  Fortsetzung  des  internationalen  Schiilerbriefwechsels, 
aus  dem  er  auch  meines  Wissens  erwachsen  ist. 

Heft  2  (Mai),  pp.  Ill — 113:   Ludwig    Geyer,    Besprechung    von 

Anton  Stangl,  Die   Verbesserung   der  schriftlichen  Arbeiten   aus  Franzoslsch 
und  Englisch. 

Zu  Nutz  und  Frommen  und  zum  Troste  der  Leidensgenossen  seien  einige 
Satze  des  Heftchens  angefiihrt:  ,,Das  iibermass  der  schriftlichen  Arbeiten  ist 
fur  den  Unterricht  nutzlos,  fur  den  Lehrer  schadigend  ....  Je  genauer  der 
Lehrer  verbessert,  desto  mehr  leidet  sein  Auge,  sein  Nervensystem,  seine  Spann- 
kraft  und  sein  eigenes  Wissen  ....  Das  Sprachgefiihl  bedarf  der  Entwicklung 
durch  Lesen,  Lesen  und  wieder  Lesen.  Sogar  der  Lehrer  des  Deutschen,  der 
doch  aus  dem  unerschopflichen  Schatz  der  Muttersprache  Tag  fur  Tag  schopft, 
kann  des  Lesens  zu  diesem  Zwecke  nicht  entraten,  nun  der  Lehrer  einer  frem- 
den  Sprache!  Zuna  mindesten  sollte  er  ebensoviel  Zeit  dafiir  verwenden  als 
fur  die  Hefte,  daher  muss  fur  das  Lesen  erst  Raum  geschaffen  werden!" 

-  Heft  3   (Juni),  pp.  129 — 144:    Max  Fdrster-Wiirzburg,  Der  Bil- 
dungswert  der  neueren  Sprachen  im  Mittelschulunterricht. 

Von  der  richtigen  Erwagung  ausgehend,  dass  es  wenig  helfen  kann,  sich 
fiber  den  Weg  zu  streiten,  solange  man  sich  nicht  vollig  klar  ist,  wohin  man 
gehen  will,  will  der  Verfasser  bei  der  Beantwortung  der  Frage:  ,,Wie  soil  sich 
der  neusprachliche  Unterricht  der  Vielseitigkeit  des  neusprachlichen  Lehrstoffs 
gegenuber  verhalten?"  zunachst  das  Unterrichtszier  festgestellt  wissen.  Mittel- 
punkt  des  gesamten  neusprachlichen  Unterrichts  miisse  die  Lektiire  der  Klassi- 
ker  sein,  der  ebensowohl  von  der  verstandesmassigen  wie  von  der  phantasie- 
vollen  Seite  beizukommen  sei.  Erfolgreicher  Betrieb  der  Lektiire  auf  der 
Oberstufe  setze  moglichst  sichere  Aneignung  des  Sprachmaterials  auf  Unter- 
und  Mittelstufe  voraus.  Die  Sprechiibungen  sollen  zur  Verstandigungsfahig- 
keit  fiihren.  Fiir  die  Lektiire  seien  nur  Werke  zu  wahlen,  die  nach  Inhalt  und 
Form  einen  Platz  in  der  Literaturgeschichte  beanspruchen  dtirfen.  Zu  ver- 
langen  waren  dazu  Schulausgaben  mit  griindlichem  Sachkommentar,  statt  der 
heute  iiblichen  kargen  Wortubersetzungsnoten.  Nicht  nur  sicheres  Wortver- 
standnis,  sondern  allseitige  Ausschopf  ung  und  Durchdringung  des  Gedanken- 
inhaltes  sei  anzustreben.  Dabei  durfe  weder  der  rein  asthetische  noch  der 
psychologische  noch  der  eigentlich  literarhistorische,  sondern  nur  der  kultur- 
geschichtliche  Gesichtspunkt  ausschlaggebend  sein.  Kultur  durfe  aber  nicht 
gleichgesetzt  werden  mit  den  Realien,  den  ausseren  Dingen,  deren  Kenntnis  an 
sich  natiirlich  nicht  verachtet  werden,  aber  doch  nur  ein  Nebenergebnis  des 
Unterrichts  sein  sollte.  Die  Mittelschule  miisse  allgemeinbildende  Unterrichts- 
anstalt  bleiben;  erzahle  der  Lehrer  gelegentlich  seine  Reiseerlebnisse  in  zwang- 
loser  Form,  so  sei  das  fruchtbringender  als  die  Lektiire  von  Realientexten. 
Auch  Literatur  und  Kultur  seien  nicht  dasselbe ;  manch  ein  grosses  Dichtwerk 
liefere  nur  ein  unzulangliches  oder  selbst  fehlerhaftes  Bild  der  Kultur  seiner 
Zeit,  indem  es  politische,  soziale  und  religiose  Stromungen  dieser  Zeit  nicht 
beachte  oder  schief  auffasse.  Kultur  sei  die  Gesamtheit  aller  geistigen  und 
materiellen  Errungenschaften  eines  Volkes.  (Ware  es  aber  nicht  ratsam,  hier 
nach  der  von  Houston  Stewart  Chamberlain  eingefiihrten  und  von  Karl  Lamp- 


Zeitschriftenschau.  339 

recht  angenommenen  Terminologie  scharfer  zwischen  diesen  beiden  Gruppen 
als  Kultur  und  Zivilisation  zu  scheiden?)  Der  Schiller  miisse  das  gelesene 
Werk  als  Teilerscheinung  der  Kultur  seines  Volkes  und  seiner  Zeit  auffassen 
lernen.  Einleuchtend  und  mustergiiltig  fiihrt  uns  der  Verfasser  dies  am  Bei- 
spiel  Shakespeares  vor,  den  er  als  Renaissanceinenschen,  Englander  und  Ger- 
manen  charakterisiert.  Solche  Dinge  liessen  sich  dem  Verstandnis  der  bes- 
seren  Schiller  erschliessen,  wenn  auch  von  deni  frei  Vorgetragenen  manches 
Samenkorn  auf  steinichten  Grund  fallen  wiirde.  Zur  geschichtlichen  Auffas- 
sung  der  fremden  Kultur  miisse  die  Lektiire  deshalb  fiihren,  well  Sinn  fiir 
geschichtliches  Werden  das  Hauptcharakteristikum  fiir  den  gebildeten  Men- 
schen  1st.  Die  Schule  solle  das  junge  Geschlecht  erziehen,  frei  von  lebensmii- 
dem  Pessimismus,  kraftelahmenden  Dogmatismus  und  aufzehrenden  Radikalis- 
mus  dem  Ausland  gegeniiberzutreten  in  ruhigem  nationalen  Selbstbewusstsein 
und  feinfiihlendem  Verstandnis  fiir  das  Fremde. 

ebd.,  pp.  166 — 169:   Caroline  T.  Stewart,  Current  Publications. 

Wortlich  derselbe  Artikel,  den  wir  unter  gleichem  Titel  im  Aprilheft  d.  J. 
brachten.  Schon  der  Zeit  des  Erscheinens  nach  kann  er  kein  Abdruck  aus  den 
Monatsheften  sein.  Offenbar  hat  die  Verfasserin  ihr  Manuskript  zugleich  an 
die  Leitung  beider  Zeitschriften  eingesandt. 

-  Heft   4    (Juli),   pp.   225—221:    Paul   Foulon- Cognac    (France), 
Histoire  et  de'veloppement  de  la  metUode  directe  en  France.    I. 

Die  ,,direkte  Methode"  wurde  1902  auf  Anordnung  des  Unterrichtsministers 
fiir  den  neusprachlichen  Unterricht  in  alien  Schulen  Frankreichs  obligatorisch 
eingefiihrt.  Soweit  sich  aus  diesem  ersten  Teil  der  Arbeit  ersehen  lasst,  sind 
die  Ergebnisse  ausgezeichnet.  Besonders  interessant  ist  das,  was  Foulon  iiber 
die  Ausstattung  des  neusprachlichen  Lehrzimmers  sagt:  Karten,  Bilder  und 
Plakate  jeder  Art,  charakteristische  Nippsachen  u.  dgl.  versetzen  den  Schiller 
sofort  in  eine  vollig  fremde  Umgebung,  reizen  seine  Neugier  und  rufen  die  zur 
Spracherlernung  notwendige  empfangliche  Stimmung  hervor. 

-  Hen  6  (October),  pp.  321 — 331:   B.  Uhlemayr-N urnber g,  Wie  ist 
der   fremdsprachliche    Unterricht  naturgemdss   umzugestalten?      (Vortrag,   ge- 
halten  auf  der  5.  Hauptversammlung  des  Bayerischen  Neuphilologenverbandes 
in  Wurzburg,  12. — 14.  April  1908.) 

Die  natiirliche  Spracherlernung  konne  nicht  auf  die  Schule  iibertragen 
werden.  Der  Lehrer  konne  froh  sein,  dass  der  Lernende  seine  Muttersprache 
besitze,  und  solle  sich  ihrer  bedienen.  Die  kiinstliche  miisse  1.  dem  Zwecke  der 
Schule,  an  der  die  Spracherlernung  geschieht,  2.  der  Natur  der  Sprache,  3.  der 
Natur  der  jugendlichen  Schiller  gerecht  werden.  Die  Bedeutung  fremder  Spra- 
chen  fur  die  Bildung  erschopfe  sich  vollig  mit  der  Kenntnis  und  dem  Verstehen 
derselben.  Das  Lehrziel  des  neusprachlichen  Unterrichts  an  einer  Erziehungs- 
schule,  an  der  er,  wie  an  der  Oberrealschule  und  am  Realgymnasium,  iiber  eine 
entsprechende  Anzahl  von  Stunden  verfiigt,  sei  verstehendes  Lesen  der  ge- 
samten  Kultursprache,  verstehendes  Horen  der  Alltagssprache  und  aktiver  Ge- 
brauch  der  Alltagssprache  in  dem  von  Felix  Franke  geforderten  Umfang  von 
etwa  3000  Wortern.  Als  naturgemasse  und  darum  beste  Methode  der  kiinst- 
lichen  Erlernung  einer  Fremdsprache  erscheine  die  auditive  Methode  (mit 
jeweils  nachfolgenden  visuellen  ubungen),  die  vom  schulhygienischen  Stand- 
punkt  betrachtet  das  Auge  nach  Moglichkeit  entlaste  und  kulturell  genommen 
dem  Ohre  wieder  einen  Teil  der  Arbeit  auferlege  und  sichere,  die  es  vor  der 
Erfindung  des  Buchdrucks  und  speziell  vor  unserem  papierenen  Zeitalter 
leistete.  Zu  beginnen  sei  mit  der  Alltagssprache.  Die  methodische  Grundlage 


340  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 

des  fremdsprachlichen  Unterrichts  bilde  ein  Horkurs,  der  in  drei  Jahren  bei 
durchschnittlich  vier  Wochenstunden  taglich  etwa  sieben  neue  Worter  einzu- 
pragen  und  den  oben  geforderten  aktiven  Wortschatz  zu  schaffen  und  zu  festi- 
gen  habe.  Der  im  vierten  Jahre  einsetzende  Lesekursus  habe  dann  die  Kultur- 
sprache  im  engeren  Sinne,  die  Buchsprache,  rezeptiv  zu  vermitteln.  Elne 
aktive  Beherrschung  der  gesamten  Fremdsprache  sei  unmoglich;  der  Bildungs- 
wert  dieser  liege  aber  obnehin  in  ihrer  passiven  Beherrschung. 

American  Educational  Review  (Publisher:  American  Educational  Co., 
Chicago,  III.),  vol.  XXIX,  No.  7  (April,  1908),  p.  303  f.:  A  New  School  for 
Women  in  Germany. 

Gemeint  ist  das  vor  kurzem  von  Frl.  Paula  Hofer  ins  Leben  gerufene 
Amerikanische  Institut  fur  Lehrer  der  deutschen  Sprache  und  Literatur  in 
Berlin,  das  sich  den  Zweck  setzt,  amerikanische  Studentinnen  in  der  Wahl 
ihrer  akadeinischen  Kollegien  zu  leiten,  sie  mit  deutschem  Leben  und  deutschem 
Wesen  inniger  vertraut  zu  machen,  als  dies  auf  sich  selbst  angewiesenen  Aus- 
landerinnen  moglich  ware,  und  durch  Vortrage  iiber  deutsche  Sprache,  Litera- 
tur und  Kunst,  sowie  Besuch  der  Theater,  Opern,  Galerien  und  Museen,  durch 
Ausfluge  u.  dgl.  im  Gebrauche  der  deutschen  Sprache  zu  fordern.  Die  Vor- 
steherin,  die  in  Deutschland  und  Italien  ausgezeichnete  Vorbereitung  genossen 
und  uberdies  vier  Jahre  in  Mount  Holyoke  College,  Mass.,  unterrichtet  hat, 
wird  von  Andrew  White  und  Francis  S.  Peabody  stark  empfohlen. 


Eingesandte  Bucher. 


Aus  dem  Verlage  von  Ernst  Wunder-  <5sterreichische           Dicht'er. 

lich,  Leipzig:  Ausgewahlt,  mit  biographischen  Notizen 

Die     Praxis     der     Lesebuch-  und  Anmerkungen  versehen  von  Adolf 

behandlung      als      Anleitung      zur  M  a  g  e  r  ,  k.  k.  Professor  an  der  Staats- 

Selbstbildung      durch      Lektiire.        Von  Oberrealschule   im   II.   Bezirk    in  Wien. 

Ernst  Liittge.    Preis  M.  4.60.    1908.  4.  bis  6.  Tausend.    B.  G.  Teubner,  Leip- 

Der  Deutschunterricht.    Ent-  zig.    Preis  M.  1.50. 

wiirf e   und   ausgef  iihrte   Lehrproben   f iir  German    Exercise    Book.      By 

einf  ache    und   gegliederte   Volksschulen.  M.    Blakemore     Evans     and    E  d- 

Von  Gustav  Rudolph  (Dr.  Rudolph  ward  P  r  o  k  o  s  c  h.     Ginn  &  Co. 

Schubert).     I.   Abteilung:     Unter-     und  Jugendblatter.      Gegriindet    von 

Mittelstufe.      4.     und    5.    Auflge.      Preis  Isabella     Braun.       Schrif tleitung : 

M.  2.50.     1908.  Lothar    Meilinger,    Oberlehrer    in 

Freie       Kinderaufsatze      aus  Miinchen.     Preis  des  Jahrganges  von  12 

dem    dritten,   vierten,    ftinften   und    sie-  Heften  M.  4.20,  des  Heftes  35  Pf.     Ver- 

benten  Schuljahre.     Gesammelt  und  her-  law  der  Jugendbibliothek,  Miinchen  II. 

ausgegeben  von  Alfred  Wolf.     Preis  The    vision     of    Sir    Launfal 

M-  2-  and  Other  Poems  by  James  Rus- 

Lotti,  die  Uhrmacherin  von  sell  Lowell.  Edited  with  an  intro- 
Marie  von  Ebner-Eschenbach.  duction  and  notes  by  Julian  W. 
Edited  with  introduction  and  notes  by  A  b  e  r  n  e  t  h  y  ,  P  h.  D.,  Principal  of  the 
George  Henry  Needier,  Asso-  Berkeley  Institute  ,  Brooklyn,  N.  Y. 
ciate  Professor  of  German  in  University  New  York,  Charles  E.  Merrill  Co. 
College,  Toronto.  Henry  Holt  &  Co.,  Roun  d  Abo  ut  England,  Scot- 
New  York,  1908.  Price  35  cts.  land,andlreland.  Edited  with  ex- 

Otto  Schroeder.  Vom  papier-  planatory     notes     by     Prof.     Dr.     J. 

nen     Stil.       Siebente     durchgesehene  Klapperich.     With    18    illustrations 

Auflage.     B.  G.   Teubner,  Leipzig,   1908.  and  11  maps.     Berlin  und  Glogau,  Carl 

Preis  3  M.  Flemming,  1908. 


Inhaltsverzeichnis. 


Offizielles.  in  the  High  Schools  of  Ohio 136 

Alumnen  des  Lehrerseminars . .  .133,   165  Kramer,  Vor-   und  Fortbildung  des 

Aufruf  zum  36.  Lehrertage.  .97,  129,  161       Lehrers 228 

Entwurf    einer    Verfassungsabande-  Lenz,  die  Besoldung  der  Lehrer  und 

rung  des  Nationalen  Deutschame-  Lehrerinnen   in   den   New  Yorker 

rikanischen  Lehrerbundes    168       Schulen 78 

Nationaler       Deutschamerikanischer  M.  G.,  Deutsche  Vereinsschulen . . . .  2T3 

Lehrerbund 97,  129,  161  M-  G->  Prasident  Roosevelts  Anspra- 

Neuer  Jahreskursus  des  Lehrersemi-  che  an  die  Schulsuperintendenten .  139 

nars   134,  165   M-  &»  zum  neuen  Jahr 1 

Programm  des  36.  Lehrertages Naumann,  vom  Lesen  von  Buchern.  314 

.99     131     163  Purin,     deutscher     Sprachunterricht 

Protokoll  des  36.  Lehrertages! ....'.  194  und  bewusstes  Deutschtum . 42,  71,  104 

Schreiben  des  Bundesprasidenten. . .  256  'Skinner,    inwieweit    darf    man  sich 

Verfassung  des  Nationalen  Deutsch-  beim  Unterricht  in  der  deutschen 

amerikanischen  Lehrerbundes    ....  253  Sprache  des  ubersetzens  ins  Eng- 

lische  bedienen?    9,  33 

Aufsatze.  Spanhoofd,     psychologische     Grund- 

Bartsch,  Ellen  Key   170  lage  fur  die  Methoden  des  Unter- 

Campbell,  Eduard  Morike    287  richts  in  den  modernen  Sprachen  237 

Cutting,  iiber  Schillers  Drama tik...   108    Stewart,  Current  Publications 121 

Durst,  zum  36.  Lehrertage 259  Uhlenkriiger,     Stoffe    fur    den    An- 

Diirst,    Modern    Languages    Taught  schauungsunterricht :      der    Hund, 

as  Living  Languages  276       die  Katze  176,  282 

Eiselmeier,    The    Training    of    the  Woldmann,  zur  Frage:   1st  die  Fa- 
Teacher  of  German   3  higkeit    im    mundlichen  Gebrauch 

Eiselmeier,     unsere     Lehrmittelaus-  der  deutschen  Sprache  vom  Lehrer 

stellung 225       des  Deutschen  zu  f ordern  ? 7 

Evans,  the  Training  of  the  Teacher  Wolf,  die  Hilfsmittel  im  modernen 

of  German    76       Sprachunterricht 213 

Feierfeil,  der  Humor  in  der  Schule.     47  Deutsch  -  Sprachliches. 

Fick,  zum  36.  Lehrertage 259  Deutsch  als   Weltsprache   der  Wis- 

Fritsch,  zum  36.  Lehrertage 260       senschaft    296 

Grummann,   Prof.  Karsten  t 65  Deutsche  Literatur  im  franzosischen 

Hatfield,   deutsche  und  angelsachsi-  Staatsexamen    174 

sche  Verhaltnisse  in  Amerika 243  Ein    Franzose     tiber    die     deutsche 

Hoelper,     Reformbestrebungen     auf  Sprache    9 

dem  Gebiete  der  Padagogik 205   Johann  Balhorn    321 

Htilshof,    the    Use    of  Phonetics  in  Kauderwelsch   auf    Speisekarten 322 

Language  Teaching    310   Lutherisch  oder  lutherisch? 16 

Kern,   eine   Rechenstunde   im   deut-  Phonographische     Aufnahme      deut- 
schen Unterricht  68,  100       scher  Mundarten    184 

Kief  ert,     Report     on     the     Present  Trotzdem 323 

Status  of  Instruction  in  German  Wie  —  als   323 


IV 


Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Padagogik. 


Allgemein  -  Padagogisches. 
Deutsches  und  schwedisches  Turnen    50 
Einpragung    des    Wortbildes    (Prof. 

Kirk) 29 

Gegen    die    libertriebene   Weichheit 

im  Unterricht    83 

Lasst  die  Kinder  sprechen 175 

Lehrerpersonlichkeit     (v.   Wolzogen)  318 

Padagogischer  Anarchismus    15 

Recht  der  linken  Hand 14 

Schttlerbeurteihmg  durch  Schiller...  297 

Statistische     Untersuchungen     iiber 

die  Art  und  den  Grad  des  Inte- 

resses     bei    Kindern     der    Volks- 

uber   die   miindliche   Klassenkorrek- 

tur    (Schink)    321 

Unbegrenztes   Fragerecht    (Kluge) . .  316 
Verbalismus       und       Materialismus 

(Rein)   318 

schule    142 

Wir  wissen's  nicht  49 

Zur  Arbeit  im  ersten  Schuljahre 144 

Zur  Psychologic  des  Prtigelns 57 

Zur  Vorbereitung  im  Aufsatzunter- 

richt    (Zill)    319 

Vermischtes. 

Altmodischer   Schulmann    334 

Aussprache  des  Wortes  Illinois 29 

Ansteckungsgefahr        bei       Kinder- 

krankheiten     17 

Blumenthal,   Aufrichtigkeiten    265 

Brief  Leo  Tolstois   265 

Die  Null    298 

Goethes  Garten    155 

Goethe  iiber  das  schone  Schreiben . .  145 

Ibsen  und  die  Volksschule 298 

Jean    Paul     als     Richard    Wagner- 
Prophet   265 

Lehrernervositat  und  ihre  Ursachen  153 

tiber  die  Kindheit   59 

Zeitgedanken    (Klarmann)     335 

Berichte. 

Die  Schule  der  Zukunf t 274 

Englander  iiber  die  Koedukation  in 

den  Ver.  St 293 

Roedder,  25.  Jahresversammlung  der 

M.  L.  A.  of  A 171 

Tagung  der  N.  E.  A.  zu  Cleveland,  O.  324 
Briefkasten. 

An  H.  G.  Newark 331 

Lehrertagiana  (C.  O.  SchBnrich) 150 


,,Merit"- System   27 

Seminarangelegenheit    27 

Korrespondenzen. 

Baltimore  (C.  O.  S.) 146 

California   (V.  B.)    52 

Cincinnati  (E.  K.) 19,  53,  84, 

147,  180,  326 

Cincinnati  (H.  H.  Fick) 182 

Milwaukee  (C.  B.  S.) . . .  .20,  54,  85,  124, 

147,  181 

Milwaukee  (C.  M.  P.) 288,  328 

Newark  (H.  G.)   55,  299 

New  York  (L.  H.) 21,  56,  125,  148, 

181,  291,  329 

New  York,  zum  Lehrertag 330 

New  York  (F.  M.)     56,  149 

Prag  (Otto  Heller) 22,  85 

St.  Paul   (A.  N.) 25 

Umschau. 
A  m  e  r  i  k  a. 
Baltimore,     Schonrichs    Amtsjubi- 

laum 127 

Boston,     neue    deutsche    Vereins- 

schule 264 

Chicago,      Cannstatter     Volksfest 

des  Schwbenvereins 263 

Chicago,  Entf  ernung  des  Schmutzes  29 
Cleveland,  Fortschritt  im  deut- 

schen  Unterricht    262 

Cleveland,  Krugs   Erkrankung 263 

Deutsch-Englische  Akademie. 

Lehrerwechsel 262 

Unterstiitzungsfonds 28 

Weihnachtsfeier 28 

Deutsche  Sprach' — schwer  Sprach'  333 

Deutscher  Tag   292 

Fehler  des  amerikanischen  Erzie- 

hungssystems     128 

Fremdgebornene  in  unserem  Lande  127 
Handhabung  der  Schiesswaff en . . .  183 
Houston,  Tex.,  Lehrerverein  fiir 

moderne  Sprachen    28 

Karsten,  Gustav  E.  f    57 

Koedukation,  amerikanische  Stim- 

me 152 

Koedukation,  Prof.  Sachs   28 

Kiihnemann  in  Harvard  263 

Lehreraustausch 264 

Lehrerseminar. 

Alumnenverein  von  Milwaukee    28,  87 

Alumnenverein  von  Newark 87 


Irihaltsverzeichnis. 


Austritt   Oscar   Burckhardt 261 

Erfolg  einer  fruheren  Schiilerin  331 
Geschenk  des  Schwabenvereins .  331 
Neuanstellungen  von  Lehrern. .  261 

Neuer   Jahreskursus    261 

Schluss   des  Jahreskursus 157 

Schlusspruf  ung 261 

Stipendium  von  Chicago 28 

Stipendium    des    Unabhangigen 

Bttrgervereins   von   Maryland.   157 
Suetterle,    Vorsitzer    des   Semi- 

narkomitees 87 

Weihnachtsferien 28 

Lieber,  Hermann  f   126 

Mangel  an  mannlichen  Lehrkraf- 

ten 58 

Mannliche     und    weibliche     Lehr- 

krafte    31 

Massenbesuch  amerikanischer  L'eh- 

rer  in  Europa   87 

National  Education  Association.. 

28,  332 
New  York,  Riickkehr  zur  korper- 

lichen    Ziichtigung    332 

New  York,  Schulbudget 128 

New   York,   Maxwells   Vorschlage 
zu    Verbesserungen    im    Schul- 

system 30 

Oslikosh,    eine    Abstimmung 29 

Resultate  im  Buchstabieren 29 

Rink,  Paul  f   263 

Schonrichs  Bef  orderung    263 

Soldan,  F.  Louis  f  126 

Stif tung  eines  Pensionsf onds 264 

Unterricht  im   Englischen 58 

Verbreitung  des   Esperanto 332 

Vereinfachte     englische      Schreib- 

weise 29 

Washington,  Empfang  des  Super- 
indenten  im  Weissen  Hause ....   128 

Zur  Natur  zuriick    127 

B  e  1  g  i  e  n. 

Gemeinden  ohne  Schulen 89 

Deutschland. 
Adlers      Antrittsrede      als      Aus- 

tauschprofessor 331 

Akademische  Lehrfreiheit    333 

Berlin,   Zentralverband  gegen   den 

Alkoholismus 127 

Deutsche   Kolonisation 295 

Deutschland  als  Erzieher  derWelt  152 


Erfolg  der  Frauenrechtlerinnen. . .  296 
Erloserinnen  der  deutschen  Volks- 

'schulen 295 

Flachsmann  als  Erzieher   154 

Frauenstudium  an  deutschen  Uni- 

rersitaten 333 

Freiluftschulen 31 

Frequenz  der  deutschen  Universi- 

taten 88 

Jena,  Ferienkurse    127 

Kampf  gegen  die   Schundliteratur  333 
Koedukation     in     deutscher     Be- 

leuchtung 153 

Koedukation    (Prof.  Hertel) 29 

Latein  in  den  saehsischen  Lehrer- 

seminaren 88 

Mannliche     und     weibliche    Lehr- 

krafte 31 

Neue     deutsche     Universitat     im 

Osten 295 

Neuordnung     der     hoheren     Mad- 

chenschulen 296 

Paulsen  t 293 

Weimar,  Goethe -Schiller  Denkmal    59 
Wilmersdorf,      Mossesche      Erzie- 

hungsanstalt 88 

England. 
Deutscher  Unterricht  in  England  295 

Nobel-Preis  fur  Kipling   89 

tiberhandnahme    der  Madchen    in 

den  Lehrerseminaren    89 

uberfiillung  der  Schulklassen 89 

Frankreich. 
Deutsche    Literatur    im    franzosi- 

schen   Staatsexamen    174 

Primarschulbericht 151 

Holland. 

Volksschulwesen  in  Holland 154 

N  o  r  w  e  g  e  n. 

Kampf   um    Gleichberechtigung . . .  296 
Schulverhandlungen  im   Storting..     89 
5sterreich-Ungarn. 
Beseitigung  des  deutschen  Sprach- 

unterrichts 89 

Madchenlyceen 297 

Neue  LehrplUne    ftir    die  Btirger- 

schulen 59 

Wien,  ungeteilter  Unterricht 88 

Wien,     weibliche     Universitatsdo- 

zenten 88 

S  c  h  w  e  i  z. 
Lehrerbesoldung  in  der  Schweiz..  154 


vi  Monatshefte  fur  deutsche  Sprache  und  Pddagogik. 

Gedichte.  Biicherbesprechungen. 

BBtticher,  Sett»terkenntni8    ........  185  Bernhardt    der  w      zum  Glttck   (& 

Bin  Schulstreit   ...................  266  H    Goodnight)                                  305 

Kck,  beim  Schulanfang     .......         193  ^  ^^                ;  .....  |     307 

L,ebschen,    Amos  Comemus    an  der 


storm,  wdhn^htsued'v::::.::::::  309  .  <*  a  *<«  .•-••.•;•.•--  *» 

Gaudig,  Kleists  Prinz  Fnedrich  von 
Humoristisches.  Homburg  (E.  C.  Raedder)  ........  305 

An  die  Esperantisten  .......    ......  335   HatfieM>      t)berwunden      von     otto 

Antwort  im  Geschichtsuntemcht  .  .  .  156 


Aus    dem    Aufsatz     einer    hoheren  Heu8er  ^    D 

Tochter  .......................  185        (J.  L.  Kind)    .  61 

Aus  Karlchen  Miessnicks    Aufsatz- 

Holz,  der  Sagenkreis  der  Nibelungen 

••  92 


, 

Der  erledigte  Storch  ..............  155   Ho/n> 

Der  hofliche  Herr  Schulrat  .........  156       der     ^teraturgeschichte      (E.     C. 

Die  reifere  Jugend    ...............  155           Roedder>   ...................     93 

Die  verhangnisvolle  Rippe  .........  185Jessen,     die     beiden     Freunde     von 

Eigene   AuSassung    .  .     ...........  60       Moltke  (&  H.  Goodnight)  ........  306 

Eine    Petition    ....................  334  Kastner,      Goethes     Dichtung     und 

Eines  Vater  Brief   ................  156       Wahrheit   (E.  C.  Roedder)  .......  305 

Entschuldigungsschreiben  ........  60   Kl^6.  ™™*r  Deutsch   (E.  C.  Roed- 

Entschuldigungszettel  ............  185       der)  ..........................     92 

Entweder  —  oder    ................  156   Kramer,  Sprachtibungen   (M.  G.)  .  .  .  307 

Geteilte  Andacht   ..................  185   Lange  u.  a.,  die  hohere  Madchenbil- 

Immer  Fachmann   .................  185       dung    (x)    .......................     91 

Kathederbliiten  ..................  156   Langhans,  Deutsche  Erde  (M.  G.)  .  .  158 

Kindermund  .....................  155   Lehrmittelkatalog    des    Lehrerhaus- 

Lateiner  ........................  60       Vereins  zu  Linz   (M.  G.)  .........  306 

Netter  Schulwitz    .................  60   Martin  und  Thierge,  en  France   (E. 

Priifung  .........................  156       C.  Roedder)    ....................  304 

Revision  in  einer  elsassischen  Schule  60   Meyer,  Herodes  und  Marianne  von 

Satze  mit  Prapositionen   ..........  185       Hebbel   (J.  L.  Kind)  .............     94 

Schrittzahler  —  Pedometer   ........  335   Rein,        deutsche        Schulerziehung 

Struwelpeter  in  verschiedenen  Fas-  (Pencil  Vania   )  .................     62 

sungen  ........................  299   Rein,     encyklopadisches     Handbuch 

tibersetzungen   lateinischer   Zitate..  185       der  Padagogik  (M.  G.)  ...........  157 

Verbrechen  der  Briider  Jakobs  .....  335  ,Sauer,        Literaturgeschichte       und 

Verirrung  im  Schulpalast   .........  60       Volkskunde   (E.  C.  Roedder)  .....  304 

Vom   Eierlegen    ..........  ,  ........  185   Schneider,   Typen-Atlas    (M.   G.)  .  .  .  158 

Vorsicht  ........................  335   Sieper,  Shakespeare  und  seine  Zeit 

Wahre   Geschichte    ................  335        (E.  C.  Roedder)    ................  159 

Warum  ging  Hannibal  tiber  die  Al-  Teubners   Ktinstler  -  Modellierbogen 

pen?  ..........................  60        (M.  G.)    ........................  307 

Vos,    die    Harzreise  von  Heine    (C. 

Biicherschau.  B.Wilson)    .....................     92 

Handschin,  Bibliography  of  English  Wolff          tischer  Hausschatz  (M.G.)  157 

Translations  of  German  Novels.. 

186,  300 

Katalog  der  Weinhold-Bibliothek.  .  .  91    Eingesandte  Biicher  ......  32,  64,  96,  159, 

Roedder,  Zeitschriftenschau  ....189,  336                                                      266,  308,  340 


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3003 

M6 

v.9 


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