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Full text of "Monatsschrift des Wissenschaftlichen Vereins in Zürich"

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in Böhmen. 


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Erſter Jahrgang. 


| 110008 Prag . im Berlag des böhmifchen Drufeums. 
1827. 











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Geſellſchaft 
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vaterlä ndifchen Muſeums 
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Erfter Jahrgang. 


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Prag, 
im Verlag des böhmifchen Mufeums, * 


1827, 


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Acht Jahre ſind bereits verfloſſen, ſeitdem der patriotiſche 
Aufruf unſers verehrten Landeschefs die Geſellſchaft des va— 
terländiſchen Muſeums in Böhmen in's Daſein rief; und 
vier Jahre ſind es jezt, ſeit die allerhöchſte Gnade Seiner 
Majeſtät, durch Sanction der Statuten dieſer Geſellſchaft, 
den Kreis ihrer nationalen Wirkſamkeit zu beſtimmen geruhte. 
Der Ausſchuß, dem die Geſellſchaft die Verwaltung‘ ihrer 
vaterländifchen Angelegenheiten anvertraute, hat feit feiner 
Einfezung mit raftlofem Eifer fih bemüht, dem in ihn ge— 
fezten Bertrauen zu entfprechen. In die Mitte einer edlen 
Nation geftellt, beauftragt, die theuerften Intereffen eines 
wahren Patriotisomus zu pflegen, ergreift er jedes ihm zu 
Gebote ftehende Mittel, das zu dem Zweke führt, die Liebe 
zu unferm Vaterlande durch die Kenntniß desfelben zu weken, 
und die Wiffenfchaften , die Künfte und Induſtrie darin auf 
alle mögliche Art zu fördern und zu unterſtüzen. Die Ge: 
ſellſchaft des Mufeums hatte fich vorzüglich in diefer vater: 
ländifchen Abficht aus der Mitte der Nation felbft gebildet : 
aber in ihrem Entſtehen nothwendig zuerft mit ihrer, eige= 
nen inneren Einrichtung befchäftigt, mußte fie bisher das zu 
ihrer vollen Wirkſamkeit wefentlich nothwendige Organ ent= 
behren, welches fie in eine innigere vielfeitigere geiftige Berüh— 
tung mit der Nation fezen follte, Denn ihre bisherigen Mit: 
theilungen an das Publitum, die jährlichen Berhandlungen 
des Mufeums, waren vorzugsweife nur über die materielle 
Bunahme und die innere Verfaſſung diefer Anftalt Aufkläs 
rungen zu geben beftimmt. 

Die Gefellfchaft des Mufeums hat daher, um den vor= 
gefchriebenen Zweken, und felbft den vielfach geäußerten Wün— 

1 * 


+ 


fehen des Publifums zu entfprechen , mit bereits erfolgter 
allerhöchfter Genehmigung, fich entfchloßen, zur Herausgabe 
zweier Zeitfchriften, einer böhmiſchen und einer 
deutfchen zugleich zu fehreiten, weil der literärifche Ver— 
Fehr in unferem Vaterlande durch dieſe beiden Sprachen 
zweifach geteilt ift. Die deutfche Zeitfchrift wird unter dem 
Titel: „Monatfchrift der Gefellfchaft des vater- 
ländifhen Mufeums in Böhmen“ in monatlichen 
Heften erfcheinen, die böhmifche aber in vierteljährigen Hef- 
ten, unter dem Titel: „Cafopi3.fpoleinofti wlaften- 
echo Mufeum w Cehdch.“ Beide Zeitfchriften werden 
zwar diefelben vaterländifchen Zweke verfolgen: fie follen 
jedoch, nach den verfchiedenen Bedürfniffen ihres Publikums 
und nach den Leiſtungen ihrer Mitarbeiter, unabhängig von ' 
einander redigirt , und jede mit eigenen Driginalauffäzen 
ausgeftattet werden. 

Diefe Zeitfchriften werden, fo wie das Mufeum felbft, 
vorzugsmweife eine vaterländifche Zendenz fefthalten. Im Al: 
gemeinen fol darin alles, was den Böhmen als Böhmen 
intereſſiren kann, mit derjenigen Freimüthigfeit und derjeni— 
gen Mäßigung zur Sprache gebracht werden, welche dem 
aufrichtigen Patrioten und dem redlichen Staatsbürger na= 
türlich iſt. Alles, was den vaterländifchen Einn anzufas 
chen und rege zu erhalten, was die Wiffenfchaften, die 
Künfte, die Induſtrie im Vaterlande zu fürdern geeignet 
ift, hiftorifche Erinnerungen aus der Vorzeit, Mittheilun: 
gen aus der Gegenwart, erfreuliche Erfcheinungen geiftiger 
Thätigfeit im Volke, Aufklärungen im Gebiete der Wiſſen— 
ſchaften, werden den Inhalt diefer dereinft wo möglich 
wahren Nationalblätter bilden. Sie werden alles hiftorifch 
ſammeln, was im Leben, fo wie in der Wiffenfchaft und 
der Kunft, die Nation berührt, oder von ihr erftrebt wor: 
den iſt; fie werden endlich den vielfach gewünfchten Verein— 
punft für die gefammte literäriſche Thätigkeit im Vater: 
lande bieten. 


5 


Snsbefondere bilden nachfolgende Gegenftände den In— 
halt der deutfchen Monatfchrift: 

1. Hiftorifche Aufſäze aus der böhmifchen Gefchichte, 
und zwar a) Darftellungen einzelner merkwürdigen Be— 
gebenheiten oder ganzer Epochen der allgemeinen vater— 
Ländifchen Gefchichte. b) Berichtigungen oder Erläu- 
terungen über noch zweifelhafte oder beftrittene Angaben 
älterer Schriftfieller. ec) Unterfuchungen über einzelne 
Punkte der alten innern Staat3 = und Nechtögefchichte, 
der Gefezgebung und der Berfaffung. d) Einzelne Nach— 
richten über die alte Staatöverwaltung Böhmens, in 
Hinficht auf die Hof= und Landesämter, auf die Ju— 
ftizpflege, Die Polizei, das Finanzwefen und die Kriegs— 
macht. e) Auffäze aus der Eulturgefchichte Böhmens, 
wie im Allgemeinen, fo auch insbefondere über die 
Pflege einzelner Wiffenfchaften und Künfte, über Die 
alte Kriegskunft, über die gefammte Bolksinduftrie, 
über Sitten und Gebräuche, über das Religions = und 
Kirchenwefen, u. ſ. w. 9) Rüfblife auf die gleichzeitige 
Geſchichte der einft zur Krone Böhmens gehörigen Län— 
der, Mähren, Schlefien, die Laufizen, zum Theil auch 
Brandenburg und üzelburg, in wiefern fie fih auf 
das Mutterland bezieht. g) Darftelungen aus. der 
allgemeinen Gefchichte der üfterreichifchen Monarchie, 
feit dem Verbande Böhmens mit derfelben. I) Biogra= 
phien und Charakteriftifen ausgezeichneter Böhmen und 
Mährer, in wiefern die leztern auch in Böhmen ge= 
wirkt haben. i) Genealogifhe Notizen, fowohl über 
die Schon erlofchenen, als auch die noch beftehenden 
ausgezeichneten Familien des Vaterlandes. k) Stati- 
ftifche Abhandlungen aus der Gegenwart und der Ver— 
gangenheit. M Hiftorifch = topographifche Auffäze. m) 
Kritifche Unterfuchungen über die Quellen der böhmi— 
ſchen Gefchichte, über alte Denkmäler aller Art, Mün- 

zen, Wappen, Inſchriften, Urkunden, u. f. w. «) 


Einzelne wichtigere Urkunden und Aktenſtüke aus ber 
vaterländifchen Gefchichte, mit beigefügten nöthigen Er— 
läuterungen;z Mittheilungen aus Archiven, aus wichti= 
gen Handfchriften oder feltenen ältern Büchern. 0) 
Auszüge aus ausländifhen Quellenfchriftftellern, welche 
die böhmifche Gefchichte aufklären. 

Auffäze aus dem Gebiete der Naturwiffen- 
fhaften und deren Anwendung auf Aferbau, Künfte 
und Gewerbe, mit befonderer Berükfichtigung des Ge- 
meinnüzigen und Anziehenden, insbefondere a) Auf: 
fäze über Gegenftände der phufifalifchen Geographie, 
der Länder= und Völkerkunde, der Geognofie und Geolos 
gie; b) Auszüge des Wiffenswürdigften naturwiffen- 
fchaftlichen Inhalts aus Neifebefchreibungen, die theils 
wegen der fremden Sprache, theils wegen ihrer Koſt— 
barkeit fich nur in wenig Händen befinden; c) Bes 
richte über merfwürdige neue Entdefungen im Thier-, 
Dflanzen= und Mineralreihe; d) Anzeigen von neu 
erfchienenen wichtigen Schriften und Prachtwerfen aus 
dem Fache der Naturgefchichte; e) Auffäze über neue 
Entdefungen, Erfindungen oder Verbefferungen im Ge— 
biete der technifchen Chemie, der Mechanik und der 
Landwirthfchaft. 


. Auffäze aus dem Gebiete der ſchönen Litera— 


tur: Proben vaterländifcher Poeſieen in jeder Dich- 
tungsart, Ueberfezungen böhmifcher Nationaldichtun= 
genz vaterländifche Sagen und Erzählungen, maleri= 
fche Neifebefchreibungen, Schilderungen einheimifcher 
Eitten und Gebräuche; Auffäze über Kunft und Lite: 
ratur, ‚wie überhaupt, fo auch insbefondere iiber die 
vaterländifche. Die Aufnahme diefer Auffäze hat nicht 
fowohl die Abfiht, die Monatfchrift zu einer gewöhn— 
lichen Unterhaltungsfchrift zu machen, als vielmehr den 
poetifchen Zalenten im VBaterlande den Weg zur Publi- 
cität tzu bahnen, und zur Bildung des Geſchmaks in 


7 


der Nation beizutragen. Nur Werke der in Böhmen 
eingebornen Dichter, die entweder durch ihren Stoff 
ein vaterländifches Intereffe anregen, oder durch Neu— 
heit und Originalität, durch ächt poetifchen Gehalt zum 


‚Beleg der poetifchen Schöpfungsfraft in der Nation 


4. 


dienen können, werden in dieſe Blätter mit ſtrenger 
Wahl aufgenommen. Es wird daher jede, wahres Ta— 
lent bewährende, Erſtlingsprobe eben ſo willkommen 
ſeyn, wie die ausgezeichneten Leiſtungen unſerer bereits 
bewährten und gewürdigten Schriftſteller. 

Vaterländiſche Anzeigen aus der Gegenwart, 
insbeſondere: a) Geſchichte der Geſellſchaft des vater— 
ländiſchen Muſeums ſelbſt, Nachrichten über ihre Ver— 
handlungen, Namhaftmachung aller bedeutendern Bei— 
träge, Würdigung der im Muſeum bereits befindlichen 
naturhiſtoriſchen Schäze, ſo wie der hiſtoriſchen und 
literäriſchen Denkmäler. b) Anzeigen von den in ver— 
ſchiedenen Bibliotheken Böhmens und Mährens befind- 
lichen handſchriftlichen Schäzen, ſo wie auch von den 
Bohemicis im Auslande. c) Kritiſche Reviſion des 
Wichtigeren, was im In- und Auslande über die Ge— 
ſchichte und den gegenwärtigen Stand Böhmens durch 
den Druk befannt gemacht wird. d) Anzeigen über 
alle Erfcheinungen im Gebiete der Literatur und der 
fhönen Künfte in Böhmen, fo wie auch über alle in 
böhmifcher Sprache erfcheinenden Werfe überhaupt. e) 
Berichte über die Wirkfamkeit der vaterländifchen In— 
ftitute, der königl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, der 
öfonomifch = patriotifchen Gefellfchaft, der Akademie 
der zeichnenden Künfte, des Confervatoriums der Muſik, 
des technifchen Inſtituts, der wohlthätigen Anftalten 
und Bereine, n.f.w. f) Nachrichten über die gefammte 
Snduftrie Böhmen: im Handel, in der Landwirthfchaft, 
im Bergbau und den Gewerben; Gefchichte einzelner 


‚ bedeutenden Fabriken im Lande; ausgezeichnete Leiſtun— 


gen oder Erfindungen vaterländifcher Mechaniker im In— 
und Auslande, u. f. w. 8) Eine fortlaufende Chronik 
des Tages, welche fich über alle wichtigeren und in— 
tereffanteren Ereigniffe Böhmens im öffentlichen und 
gefelligen Leben verbreite. Dahin gehören unter andern 
die Veränderungen in den wichfigeren Hof- und Lan— 
desämtern, im höhern Clerus, auf der Univerfität und 
auf andern bedeutendern Lehranftaltenz edle, patrioti= 
fhe Handlungen und Auszeichnungen; gemeinnüzige 
Unternehmungen ; jährliche Erfcheinungen in den böhmi— 
fhen Badeörtern; vorzügliche Leiſtungen der vaterlän- 
difchen Bühne; öffentliche Unterhaltungen, Volksfeſte, 
u. f. w. h) Ein möglichft vollftändiger Necrolog aller 
Böhmen, welche in irgend einer Hinficht fich befonders 
ausgezeichnet, oder einen bedeutenden Einfluß im Va— 
terlande ausgeübt haben, ſei's durch ihren Stand, durch 
Aemter, durch Vermögen, ſei's durch VBerdienfte um 
Staat und Vaterland, um Wiffenfchaft, Kunft und 
Smöuftrie, u. ſ. w. 

Die Nedaction der beiden Zeitfchriften des Mufeums 


beforgt, im Einverftändniß mit einem aus der Mitte des 
Ausfchußes der Gefellfchaft gebildeten Comité, der vaterlän= 
difche Eiterator, Hr. Franz Palacky. 


Die Gefellfchaft hofft durch diefe Unternehmung einem 


wirklichen Bedürfniß unferes Vaterlandes zu begegnen, und 
felbft dem Auslande, das von unferer Thätigkeit Kenntniß 
nehmen will, einen willfommenen Dienft zu erweifen. Um 
fo verfrauensvoller fieht fie einer thätigen Theilnahme bei allen 
Freunden des Vaterlandes und der Aufklärung entgegen. 


Prag, im Suli 1826. 


Don dem Ausfchuße der Gefelfchaft 
des vaterländifchen Mufeums in Böhmen. 





FE EEE 
ausdemepifhen Gedichte: Wlaſta 
von 
Karl Egon Ebert. 

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Eingang. 





Ihr Berge, ſtolze Berge, du ſchwarze Wäldernacht, 

Ihr golderfüllten Ströme, ihr Au'n in grüner Pracht, 
Ihr ſanftgewölbten Hügel in blumigem Gewand, 

Euch nenn' ich freudig rufend mein ſchönes Vaterland! 


Du Erde, heil'ge Stätte, du Grab ſo vieler Kraft, 
Ihr Trümmer alter Baue, in Schutt dahin gerafft, 
Ihr Reſte hohen Geiſtes, der jedes Herz entbrannt, 
Ich nenn' euch hochbegeiſtert mein großes Vaterland! 


Den Stein am Boden Fü’ ich, d'rauf einſt mein Ahn gewallt, 


Und in Ruinen wein’ ih, drin öd' mein Wort verhallt, 
Und d'rin in nächt'ger Stunde bei rauber Winde Weh’n 
Gekrönte bleihe Schatten durch morſche Hallen geh'n. 


D Flänge meine Harfe wie mächt'ger Donner Hall, 

D brauste meine Stimme wie ſchwerer Stürme Schall, 
Daß weitum rings erBlänge der Ruhm der alten Zeit, 
Des alten Sinnes Würde, der Thaten Herrlichkeit. 


10 


Dort binter grauem Schleier, dort wogt es ber und hin 
ie dämmernde Geftalten, die nahen und entflieh'n, 
Sie ſchweben hin und wieder vor meinem blöden Blik, 
Und winken, und zerfliegen in leeren Duft zurüf, 


Ha, weld ein Schnen drängt mich, welch Hoffen, welches Glüh'n 
Nach jenem Nebeldunkel, nad jenen Bildern bin! 

ie pohen mir die Pulfe, wie jagt des Blutes Lauf, 

Der Borwelt Schleier faf ich, ich heb' ihn muthig auf! 


Doch weh’ mir! was erblik' ih? wo hab’ ich in der Haft, 
Sn fieberhaftem Taumel den Schleier angefaßt ? 

Das ift Fein Bild der Freude, das iſt des Echrefens Bild, 
Das meiner Heimath Fluren mit Graus und Mord erfüllt. 


Hier wälzen breite Ströme in ihren Beeten Blut, 
Gehüllt in blut'ge Tücher erfheint der Sonne Gluth. 
Blut ift die einz'ge Farbe, die hier mein Aug’ erkennt, 
Iſt denn in diefer Schöpfung das Blut ein Element ? 


Dort feh’ ich blüh'nde Weiber, mit hartem Stahl bedekt, 
Sie fihreiten durch die Ströme, den Fuß von Blut belekt, 
Sie ſchwingen fange Schwerdter in wuthentglühter Hand, 

Und ſchleudern in die Haufer den rothen Feuerbrand. 


Und dieſes fol ich fingen? Die höchfte Unnatur, 

Die fchreflichfte Entartung, die je die Welt erfuhr? 
Lobt fih in diefem Bilde des Gräuls mein Vaterland? 
Wohin hat mic) verleitet die allzu raſche Hand! 


DoH ja, ich kann es fingen — denn nur der Himmel zeugt 
Ein ſchrekliches Gewitter, dem fich die Erde beugt, 

Der Feld nur, wenn er vollet,, zerjchmettert und zerjchlägt, 
Und nur das Meer vernichtet, wenn fih’8 im Sturm bewegt. 


11 


Nur Großes kann entarten zu großer Innatur, 

In ewig gleichem Gleiſe bewegt ſich Kleines nur, & 
Die höchſte Kraft zeugt Schrefen, der höchſte Muth den Grauf, 
Die Grille kann nur jchrilfen, der Löwe bat Geheul. 


D’rum will ich dennoch deuten das blutdurchdrung'ne Bild, 
Das, blindem Triebe folgend, die rafhe Hand enthüllt, 
Und auch im diefem Bilde ſey, meiner Väter Heerd, 

Sep, theured Land der Böhmen, im Liede mir verehrt ! 


DNANANDNANANNARNSAN 


Der Liebeszauber. 
(N Bud, NR. 8.) 





Ein aold’ner Sommermorgen erfeuchtete das Land, 
Erwarmte Flüſſ' und Bäche, durchglühte Erd’ und Sand, 
Das jede Blume jhmadhtend in's fiefe Gras ſich bog, 
Daß alles Wild mit Lechzen in’s Waldesdunkel 309. 


Der Aar ſelbſt floh die Eonne, und barg fich ftill im Hyrft, 
Die Vögel fuchten flatternd den Fühlften Quell im Forſt, 
Der Sandmann hinter'm Pfluge trieb ſacht' der Hütte zu, 
Al, was nur lebt und athmet, verſank in trage Ruh. 


Auh Wlafta, müd' geworden von langer heißer Jagd, 
Zu der fie ausgezogen, da Faum ed noch getagt, 

Saß glühendroth und Feuchend in dichtem Tannenhain, 
Und grub die heigen Hände in’s Fühle Moos hinein. 


Zur Seit' ihr ruhte Scharfa, und vor ihr eine Schaar 
Von flinfen Jägermädchen mit lodgelöstem Haar, 

Die ſchlanke Hunde hielten, die an den Hirſchen leften, 
Die, mitten inne liegend, die ftarren Glieder ftreften. 


12 


Lang blikte Mlafta mieder auf ihres Pfeiles Beute — 


„Sieh, Schark a,“ rief fie freudig, „wie glüklich war ich heute! r 


„Die Sagd ift gut geweſen; doch Schade, daß es Wild, 
„und daß dies Blut nicht lieber aus Feindesbufen quillt.“ 


„Ha, lüg’ mir fo zu Füſſen der eitle Primistaus, 

„Und ftrefte jo die Glieder, die biutgetundten, aus! 

„Erjag’ ich diefen einmal, dann Bogen, ſollſt du ruh'n, 

„Dann gibt’s nichts mehr für Wlafta und ihren Pfeil zu thun,“ 


Kaum fpricht ſie's aus, da rauſcht es im Dificht nebenan, 
Ein Hirſch von felt’ner Größe tritt ernft und ftolz heran, 
Doch plözlich ſteht er finzend, legt das Geweih' zurüf, 
Und in drei mächt’gen Säzen entſchwindet er dem Blik. 


Doch hurtig auf iſt Wlafta, und folgt des Wildes Spur, 
Bald findet jie es raften auf lichter off'ner Flur, — 
Schon ſpannt ſie ſtraff den Bogen, ſchon legt ſie zielend an, 
Da jagt der Hirſch ſchon wieder den nahen Wald hinan. 


Bon wilder Haft ergriffen, jagt Wlaſta bintenher, 

Den Wald hinauf, bernieder; fie wirft den langen Speer, 
Doch fehlt die jchwere Waffe, und doppelnd feinen Lauf 
Springt jejt der Hirſch, als flög’ er thalnieder und bergauf. 


Bald dicht Geſträuch durchbrechend , und bald in feuchtem Moos, 
Bald unter dunflem Schatten, und bald der Sonne blos, 

Sezt über Felfenfteige, jezt über Kluft und Bad 

Sezt fie dem flücht’gen Milde mit flinfem Fuße nad). 


Und plözlich fieht fie ferne ein breit Gewäſſer ſchimmern, 
D’rin büpfend muntre Wellen wie taufend Sterne flimmern, 
Es iſt Die blaue Moldau — am Ufer ſteht das Wil, 

Und wendet ſcheu fich rükwärts, von banger Furt erfüllt. 


13 


Doch Faum erfieht’s die Feindin, da ſpringt es im die Fluth, 

Und ſchon am Strand’ it Wlajta, und voll von Waidmannswuth 
Stürzt in den Strom fie nieder, und hochauf 06 den Wogen - 
Mit einer Hand nur vudernd, halt fie den ftraffen Bogen. 


Sie kommt an's and’re Ufer, fie laßt fi Feine Raſt, 
Von kühlem Waſſer triefend, enteilt in neuer Haſt 

Die Kräftige dem Thale, und ficht bald dort, bald bier 
Durd) Büſche und Gezweige das mattgehejte Thier. 


Mit einem: Mal verliert fie die Spur des Wildes ganz, 
Cie ſteht am Rand der Wälder, und heil im Mittagsglanz 
Ragt, pfeilesweit faum ferne, die Herzogsburg Libin 

Mit ihren glatten Zinnen in’s gold'ne Luftmeer hin. 


Zurük in’s Waldesdunkel tritt Wlaſta tief empört: 

„Eon habt ihr, unt’re Götter, mic durd ‚dies Wild bethört, 
„Daß ih den Siz des Feindes fo nabe vor mir eh’, 

„Allein, und machtlos Enirjhend vor diefen Mauern ſteh'!«“ 


Sie ruft es aus, als plözlich nicht fern am Waldesrand 
Sie einen Mann erjchauet, der, von ihr abgewandt, 

In tiefem Sinnen ſchreitet; fein Kleid, fein ſtolzer Gang, 
Sein firahlend Schwerdt zur Seite befunden hohen Rang. 


Ha, wohl denn! denkt nun Wlafta, entjchlüpfte mir ein Wild, 

Will id ein and’res jagen, dad bejjer mir vergilt. 

Sie denkt's, und ſchreitet leiſe, doch fihnell dem Manne nah‘, 
Und ſteht mit bloßem Schwerdte ihm ſchon im Rüfen va. 


„Du bift des Todes!“ ruft fie mit dumpfer Stimme aus — 
Er wendet ſich voll Schrefens — fie bebt, 's ift Primislaus, 
Er ſteht verjteint und ſprachlos, verlegen irrt fein Blik, 

Doch Wlaſta, wie entgeiftet, wanft ſchaudervoll zurük. 


FE 


14 


Set, alle Kräfte jammelnd, rafft Primislaus ſich auf, 
Das Schwerdt von jeiner Hüfte ſchwingt er voll Ingrimm auf — 
„Du, die jo lang mich höhnte, zum Tod erjchienft du bier, 


„Fall' ein auf mih, Verruchte, und Fampfe rafch mit mir!“ 


Das Haupt hinweg gewendet, dringt Wlaſta auf ibn ein, 
Doch plözlich trifft ihr Auge des Herzogs Augenſchein, 

Da finet ihr Arm entkräftigt, fie wendet bang ſich ab, 
Und fiiert mit ftumpfen Bliken vor fi in’s Grab hinab. 


Berwundert ruft der Herzog, doc aufgeregt in Zorn: 
„Warum, du arimme Feindin, du alles Jammers Born, 
„Du, die den Freund mir wußte, den Theuerjten, zu fällen, 
„Warum nun fechft du zaudernd, aud) mid) ihm zu gejellen ?°* 


„Ha, kampf’, und wenn du fiegeft, dann ſchleife mich bei'm Haar 
„on. Blut nad) deiner. Vefte, dort zeige deiner Schaar 

„Von jehaamentblößten Weibern die Leiche ftarr und fabl, 

„Und jtefe fie, genüber Libin, auf einen Pfahl.“ 


„Dann raube meine Krone, befteige meinen Thron, 
„Ermorde meine Diener, erwürge meinen Sohn, 

„Den Fleinen Nezamysl, der mit Geheul mich fucht, 

„und ftirb , kommt deine Zeit einjt, verachtet und verflucht!“ 


Doch woget Wlaſta's Bufen, ihr heißer Athem jtöhnt, 
Die glüh'nde Lippe zittert, Das malte Auge thrant, 
Sie wendet fih zum Gehen, winkt mit der Hand zurüf, 
Und gebt, und wendet einmal noch ihren naſſen Blik. 


Dann, feſt die Hände preffend auf ihr entflammt' Geficht, 
Ruft fe: „O, ſchauſt du fo mich, du gold’nes Sonnenlicht !“ 
Cie ruft’s, und gebt, und fehwindet in Waldesnacht hinein; 
Erjtaunt, umd tief ergriffen ſteht Primislaus allein, 





Wlafta und Samoslaus. - 
U Buch, N. 12.) 





Die Nacht wird leichter, dünner, das Schwarz verfließt in Grau, 
Es rauchen bach die Berge, ed dampfen Feld und Au, 

Es wogen zwijchen Himmel und Erde trüb und ſchwer 
Zerriſſ'ne Wolfenbilder in ſchwankem Zug umber. 


Die mächt’gen Tannenwälder, noch halb in Nacht gewebt, 
Errauſchen in-ten Wipfeln, vom Morgenwind belebt, 
Seitab nimmt eine Wolke den Mond in's Dunkel auf, 
Genüber zieht allmählig die Dämmerung herauf. 


Da ſtrebt und dehnt ſich eben der rieſ'ge Samoslaus, 

und fpringt empor vom Boden, und ruft, noch taumelnd, aus: 
„Auf, Wrfch! empor vom Lager, erwachet, Smil und Mlad, 
„Wladyken, auf! verſchlaft nicht Die befte Zeit zur That! 


„„Ei — fpottet Wrfch, und hebt fih — wir kommen immer früh, 
„„Die Mägde fehlafen fange, das Schlafen Tieben fie, 

„„Ach, für die armen Schönen wohl Sammer g’nug und Noth, 
»» Wenn wir auch immer Famen in hellem Morgenroth!““ 


Er ſagt's, und plozlich ftürzt er auf's Angeficht dahin, 

Und ächzt, und grabt die Finger mit Frampfigem Bemüh'n 
In's Gras und in die Erde, umd knirſcht, und will empor, 
md fallt mit mattem Wimmern auf's Antliz wieder vor. 


Auf reißt ihn Samoslaus, doch Schreken ftraubt fein Haar, 
Er halt im Arm den Bruder, ſchon alles Lebens baar, 

Ein Pfeit ſtekt ihm im Leibe, jo tief hinein gejagt, 

Daß kaum die Hand erfaſſet, was noch nad) aufen ragt. * 


16 


Erftaunt ftehn rings die Andern —da ſchlägt's an Kraſo n's Schild, 
Ein Pfeil durchdrang die Wehre, daß Blut vom Arm ihm quillt, 
Ein zweiter, mattern Fluges, an Rohon's Panzer klirrt, 

Indeß ein dritter faufend an Stofc vorüber fchwirrt. 


Jezt ſinnlos halb, halb raſend, eilt Samoslaus zu Pferd, 
And Rohon fihnallt den Harnifh, und gürtet ſich das Schwerdt, 
Und raſch aus hartem Grunde reift Mlad den langen Speer, 
Und alle nun enteilen in blinder Wuth zum Heer. 


Dort ftarrt ſchon fterbend Einer, im Haupt den ſpizen Pfeil, 
Ein And’rer krümmt fi eben mit graßlihem Geheul, 

Schon mande Wunde blutet, fhon mander Arm ift lahm, 
Und Niemand denkt und weiß noch, woher die Waffe Fam, 


Da jagt im wilden Fluge jet Samoslaus hervor — 

„Dort — jhreit er — dort im Walde verbirgt ſich wohl das Chor 
„Der hinterfift'gen Mägde in Bufh und Nebelgraun, 

„Und läßt fih, feigen Herzens, im off'nen Feld nicht ſchau'n.“ 


Er ſchreit's, und fprengt in's Freie; doch mitten halt er ein, 
Und plözlich glänzt bernieder der Sonne erfter Schein, 

Und nah’ ihm gegenüber ftellt Wlaſt a's keke Schaar 

Am düſtern Waldesende in langen Reih'n fih dar. 


Voran auf hohem Rofje, umfügt von blanfem Erz, 

Schwingt Wlaftiilamwa drauend das Schlachtfchwerdt fonnenwärts, 
Sie fteht wie eine Tanne, voll von gefundem Mark, 

So ſchlank zum Himmel ftrebend, und doc jo riefig ftarf. 

An's Schild fhligt Samoslaus, und brüllt in grimmer Wuth, 
„Ei, Wlafta, Dirnden, Schade um dein fo ſchönes Blut, 
„Denn der, den hier du fchaueft, nicht ch’ fich jchlafen legt, 
„CEh' deine Leich? er lachend am Speer nad) Haufe trägt.“ 


17 


„„Wohlan — ruft Wlaſta glühend — treibt dich fo ſtolzer Drang, 
„„So thu’ mit mir, du Frecher, allein den Todesgang, 

„„Laß ruh'n dein Heer, ich meines, bis Eines von uns fällt, 
„„Bis ich dein Haupt dir, oder du meined mir zerfpellt,« 


„„„Doch glaube mir, du Prahler, du Schreier, ftetd ergeimmt, 
„„Daß fo die hoben Götter zum Siege mich beftimmt, 

» » Von Keinem deiner Krieger das Land die Kund’ erfährt, 
„„Wenn's nicht die Naben jhwazen, vom Aafe rükgefehrt.« « 


Und ihm entgegen fprengt fie, fo flüchtig hingetragen, 
Das ihres Roſſes Hufe die Bruft des feinen ſchlagen, 
Das fcheut zurük, und baumt fi), er aber fteht empor, 
Und über'm Haupt des Roſſes haut er nah Wlaſta vor. 


Die wendet raſch fich feitab, entweicht dem Streich gewandt, 
Und ftarr auf ihren Gegner dad Auge bingebannt, 

Lenkt jchnell fie un, und jagt nun im Kreije rings um ihn, 
Und ihre Schläge fallen bald da, bald dortenhin. 


Doc jest, da fie ihm eben, rings Freifend wie ein Rad, 

Zu madht’gem Schlag ſich fammelnd, im Rüken wieder nah't, 
Reißt er das Roß zurüfe, lenkt um, und fehmetternd dringt 
Sein Schwerdt in ihre Schulter, wo jie Fein Erz umringt. 


Weit Haft der ehrne Panzer, und aus dem Riffe warn 
Entquillt das Blut der Heldin, und jehlotternd ſinkt der Arm, 
Doch, Faum die Wunde fühlend, dringt neu fie auf den Feind, 
Daß fie, jtatt matt geworden, voll neuer Kräfte fcheint. 


Sie dringt ihm nah’ zu Leibe, und trifft ihm Streich auf Streich 
Die Bruft, den Arm, den Schenkel, noch ch’ der Rieſ'ge gleich 
Sich dep zu währen fähig, und ſchon bald bier, bald dorten 
Entquillt's ihm dunkelpurpurn aus weit erfhlof’nen Pforten, 

2 


18 


Dem Hagel raſch entweichend, forengt flugd er jest zurük, 

Er nimmt den Speer bebende, wirft ihn mit ſich'rem Blik, 
Wirft ihn an's Haupt der Feindin, daß dumpf der Helm erbröhnt, 
Und rings der Hall vervielfacht im Walde wiedertönt. 


Den Naken ſenkt die Kühne, als zög’e8 fie hinab, 
Doch, plözlich aufgerichtet,, wirft fie. den Helm herab, 
Die Schärpe fohlingt fie eilig um's Lofenhaar herum, 
Und blift dann hellern Auges und muthig um und um. 


Jezt faßt auch fie die Lanze, fie trifft des Roſſes Stirn, 
Der harte Schädel praffelt, heraus dringt das Gehirn. 
Es kniken die Gelenke, gerad’ im halben Schritt, 

Es ſtürzt, und feinen Reiter begräbt's im Falle mit. 


Vom Roſſe ſchwingt ih Wlafta, und eilt im Kluge bim, 

Doch jhon entrang der Starke mit ängſtlichem Bemüh'n 

Der jehweren Lajt fich wieder, entgegen tritt er wild, 

Das Haupt gefhirmt vom Schwerdte, die Bruft gedeft vom Schild. 


Und nun beginnt von Neuem ein fürchterlicher Strauß, 

Weit tönt’s vom Hall der Panzer, von lauten Schwerdtgefaug, 
Ihr Blut entfhaumt in Bächen, in Strömen ftürzet fein’, 
und nod) ermüdet Keine, und noch ergibt ſich Kein’s. 


Allmahlig doc wird matter und matter ſtets der Streich 
Des rieſ'gen Samoslaus, fein Angeficht wird bleich, 

Cein Fuß ſcheint oft zu ſchwanken, fein Athem wird Gejtöhn, 
Und graufig ift fein Auge, das rollende, zu jeh’n. 


Dft, wenn er vorwärts fehreitet, zwingt wieder ihn zurük 
Der Kniee heftig Beben; mit finkendem Genik 
Neigt er ſich oft zur Seite, wenn er den Streich geführt, 
Der bald nur halb gelinget, bald ganz fein Ziel verliert. 








19 


Noch einen Schwerdtſchlag thut er — es war fein Tester Schlag — 
Bor feinen Bliten flirrt e8, zu Nacht wird ihm der Tag, 

Das Schwerdt entfällt den Fingern, bin finft er auf die Hand, 
Doch die au, niederfnifend, hält ſolcher Laſt nit Stand. 


Der Rief'ge ftreft fi nieder , gedehnt vom Falten Tod, 

Und färbt mit dunklem Blute ringsum die Blumen roth, 

Und wie des Sturmes Braufen, wild wüthend durch das Meer, 
Ertönet freudig Jauchzen im kühnen Jungfrau'nheer. 


Und, rafch fich niederbüfend, ſchnallt Wlaſt a von der Leiche 
Den fhweren blanfen Panzer, zerhau’'n von mandem Streiche, 
Sie löſ't vom Leib den Gürtel, den Helm vom ftarren Kinn, 
Und fireft die Beute dankend hoch gegen Himmel hin. 


Da fallt, die Luft erregend, der Mägde Heerborn laut, 
Daß drüben allen Männern in tieffter Seele graut, 

Da jubelt's taufendftimmig: „Ihr Feigen, nun heran, 
Uns lüſtet's, euch zu thuen, wie Wlafta ihm getban!“ 


—ZIc HD 





Zur Geſchichte 


des 


großen Zwiſchenreichs in Boͤhmen, 


in den Jahren 1439 — 1453. 


Don F. Palacky. 
4 2% 5 I Zn 


A. DBerhandlungen über die neue Königswahl 
im Sahre 1440. 


Mir Kaifer Sigmund erloſch (1437, 9. Dec.) der Kö— 
nigftamm der Lüzelburger, der 127 Jahre lang in Böh— 
men geherrfcht hatte. Er hinterließ nur eine Tochter, Eli— 
ſabeth, die feit 1423 an den Herzog Albrecht von 
Defterreich vermählt war. Dem geliebten Schwieger- 
fohn die Nachfolge in Ungarn und Böhmen zu fichern, war 
des alten Kaifers angelegenfte Sorge, und der vorzüglichite 
Grund jener Ihätigkeit, welche er in den lezten Jahren 
feines Lebens entwifelte. In Böhmen follte fein Wunfch 
um fo leichter erfüllt werden, als dieſes Neich, nach Gefez 
und Herfommen, bisher immer erblich gewefen, und übers 
dies die unter K. Karl IV. gefchloffene Erbeinigung der 
Häufer Böhmen und Defterreich einen Fürjten aus dem 
legten Haufe auf den Ihron von Böhmen berief. 

Aber Kaifer Sigmund war, obgleich längſt zuvor 
als vechtmäßiger Erbe in Böhmen anerkannt und auf dem 
Prager Schloffe ald König gekrönt, doch felbit, nach dem 
vieljährigen blutigen Huffitenkriege, erſt in Folge von Un: 


21 


terhandlungen und Verträgen in den Beſiz des Königreiches 
gelangt; und wenn er auch feinen angebornen Rechten in 
feinem Punkte entfagt hatte, fo hielten doch die Huffitifchen 
Stände Böhmens fi) nur infofern an ihn gebunden, als 
fie fih durch die neuen Verträge felbft gebunden hatten. 
Huffens neue Lehre, und die dadurch herbeigeführten un: 
geheuren Stürme im Innern des Neihs, hatten dem Ge- 
meinwefen Böhmens in Furzem eine ganz veränderte Ge— 
ftalt gegeben; das Intereſſe der neuen Kirche war in allen 
Gemüthern das vorherrfchende geworden, und nach demfel- 
ben wurden alle göttlichen und menfchlichen Gefeze bemeffen. 
Im bfutigen Streit mit der ganzen übrigen Ehriftenheit, 
zwölf Sabre Yang von der vereinten Mebermacht von halb 
Europa immer neu angegriffen und ftets unbefiegt, Fonnten 
die Huffiten nur durch friedliche Unterhandlungen mit dem 
Basler Eoneilium zur Nuhe und zur Einigkeit mit der 
Kirche gebracht werden. Die Eompactate wurden (5. Juli 
1436) zu Iglau ausgewechfelt, die Dbedienz von Geiten 
der Böhmen und Mährer an demfelben Tage geleiftet. 
Aber es blieben noch wichtige Punkte unentfchieden, wie 
die Einfezung eines utraquiftifchen Erzbifchofs, der Ge— 
brauch der böhmifchen Sprache bei dem Gottesdienft, die 
Eommunion der Unmündigen u. a., welche das Eoneilium 
erft nad) empfangener Dbedienz zu erledigen, der Kaifer 
aber fich für eine günstige Erledigung derfelben nachdrüklich 
zu verwenden zugefichert hatten. Und als, nach erlangten 
Beſiz von Böhmen, K. Sigmund ſich darin weniger eifrig 
erwies, ald man gewünfcht oder gehofft hatte, ertünte von 
neuem die wilde Klage über Täufchung und Treubruch durch 
alle Kreife Bbhmens. Die Zahl der Unzufriedenen wuchs 
täglich ; vier Kreife griffen fehon in Maffe zu den Waffen; 
der kranke Kaifer flüchtete eiligft aus dem Lande, das, wie 
ein nicht ausgebrannter Vulkan, in erneuertem Ausbruch 
ihn mit den Seinigen in feinem Schutt zu begraben drohte, 
um über der Gränze ein ruhigeres Grab zu fuchen. 


de) 
1 


Herzog Albrechts Anfprüche auf die Nachfolge in Böh: 
men waren unbeftreitbarz felbft feine heftigften Gegner wag—⸗ 
ten es nicht, fie geradezu zu läugnen. Daß aber diejeni- 
gen, welche fchon feinem Schwiegervater den Gehorfam auf 
gekündigt hatten, ihm num denfelben freiwillig Teiften wür— 
den, war defto weniger zu erwarten, je verhaßter er ihnen 
durch die thätigfte Verfolgung des Huſſitenweſens gemworz 
den war. Zwar famen die gefammten Stände auf dem 
Landtage (27. Dec. 1437) in gewiffen Artikeln überein, 
nad) deren Genehmigung fie ihn ald König anzuerkennen 
fi anheifchig machten. Als er aber einen derfelben, die 
verlangte Einverleibung des Landes Defterreich zu Böhmen, 
geradezu verwarf, einen andern, worin die Zurüfgabe der 
Eaiferlichen Verfchreibungen auf Mähren gefordert ward, zu 
erfüllen zögerte, und als auch die Verwendungen der huſſi— 
tifhen Stände für feine mehr als ffiefmütterliche Schwie- 
germutter, die Kaiferin Barbara, die er gefangen bielt, 
nicht jenen Erfolg hatten, den fie fich verfprochen haben 
mochten: da erklärte ein großer Theil der böhmifchen 
Herren und Nitter, und mit ihnen vier und zwanzig fefte 
Städte, fämmtlich eifrige Huffiten, fich für frei und ent: 
bunden von der ihm früher angelobten Pflicht, und wähl— 
ten den unmindigen polnifchen Prinzen Caſimir zum Ge 
genfönig, nicht blos wegen der Sprachperwandtfihaft beider 
Völker, wie Aeneas Sylvius behauptet, fondern vielmehr, 
weil Polen überhaupt, troz den orthodoren Bethenerungen 
des alten Königs Wladiflaw Jagiel, unter allen Ländern 
fih dem HuffitenthHum von jeher am günftigften erwiefen, 
und hiedurch viele eifrige Anhänger unter den huffitifchen 
Böhmen erworben hatte. So wurden denn auch hier alt: 
geheiligte Gefeze und Verträge außer Acht gelaffen, weil 
man, aus langer Gewohnheit des Sieges, ſich getraute, 
die neu erfundenen Anfprüche mit den Waffen in der Hand 
geltend zu machen. 


23 


Es entfpann fich ein neuer Bürgerfrieg in Böhmen, 
eben fo blutig als je zuvor, aber nicht fo entfcheidend. Erft 
nach beiderfeitiger Erfchöpfung fchloß man einen Waffen: 
ſtillſtand, und schritt zu Unterhandlungen, die aber eben 
fd wenig zur Entfcheidung führten. In diefer gränzenlos 
verworrenen Lage der Dinge, wo felbft während der allge 
meinen Waffenruhe blutige Privatfehden das unglüfliche 
Land verwürteten, und endlich, um das Maß des Jammers 
voll zu machen, die furchtbare Pet eine ungeheure Men: 
fhenmenge durch ganz Böhmen dahin raffte: — ſtarb König 
Albrecht in Ungarn eines zu frühen Todes, am 27. Det. 
1439. Auch er hinterließ nur zwei unmündige Töchter; 
feine Witwe befand fich jedoch in Hoher Schwangerfchaft. 
Und fein Tod — es ift traurig, dies bemerken zu müſſen — 
war 'gleichfam das Signal zum Ausbruch neuer Priwatfeh: 
den in unfrem zerrütteten VBaterlande. 

Noch kurz vor. K. Albrechts Tode waren Abgeordnete 
der böhmifchen Stände, Zbyniek Zagiec von Hafenburg aus 
dem Herrenz, Johann von Smitic und Nikolaus Sokol 
von Lamberg aus dem Mitterftande, nebft einigen Prager 
Bürgern, bei ihm erfchienen, von deren Anfuchen nur das 
befannt ift, daß fie die Königin Elifabeth einluden, fich fo 
bald als möglich auf dem Prager Schloffe als Königin in 
Böhmen Frönen zu laffen. Durch diefelden machte K. Al 
breit feine legten Verordnungen den Böhmen befannt; und 
feine Witwe ernannte die beiden Ritter gleich am 1. Nov. 
zu ihren Abgefandten an die Böhmen, mit dem Befehl 
an die Stände, fich fogleich zu einem Landtage zu verfam- 
meln, darauf nach der (von K. Albrecht?) an fie erganges 
nen Inftruetion, ihr, ihrer Kinder und des Landes Wohl 
in fleifige Berathung zu ziehen, und endlich über alles, 
was fie befchließen würden, ihr fchleunig zu berichten *). 

*) Das Original diefes Schreibens iſt im fürftl. Schwarzenberg⸗ 
fhen Archiv zu Wittingau vorhanden. 





24 


Nun hielt man wohl in Prag feierliche Erequien für des 
verjtorbenen Königs Seelenruhe: ob, und inwiefern man 
aber auch feinen lezten Verordnungen fich fügte, läßt ſich 
nicht angeben; menigftens Fam fein Teſtament in Böhmen 
eben fo wenig, wie in Ungarn und Defterreich, zur Ausfüh— 
rung. Das ift aber gewiß, daß die Königin Elifabeth, Die 
nun felbft die Regierung in allen ihren Neichen übernehmen 
zu wollen fchien, fich in ihrem Vertrauen auf den willigen 
Gehorfam der böhmifchen Stände gleich Anfangs bitter ges 
tänfcht fand. Man achtete ihre Befehle fchon darum nicht, 
weil fie in Böhmen als Königin weder gefrönt noch aner: 
kannt war; wie fie fih denn felbft nur „„Erbin des Könige 
reihs Böhmen,“ nicht aber „Königin in Böhmen“ zu 
fchreiben pflegte. 

Es Fam nun vorzüglich auf dad Benehmen und die 
Stimmung der Hänpter beider Parteien an, ob das Neid) 
endlich zu einiger Nuhe gelangen follte. An der Spize der 
Partei K. Albrechts ſtanden: der erfte und mächtigfte aller 
Barone Böhmend, Ulrih von Rofenberg, ein Mann 
von gebildetem durchdringenden Geifte, ein Meiſter in der 
Berftellung und der Intrigue, überall auf feinen Vortheil 
bedacht, außer wo es galt, feinen unauslöſchlichen Haß 
gegen alle Huffiten (was er Anfangs felbft gewefen) zu bes 
friedigenz; Meinhard von Neuhaus, Oberftburggraf 
des Königreichs, ein gemäßigter Compactatift, mit mehr 
gutem Willen als eingreifender, ausharrender Thatkraft; 
Zbyniek Zagiec von Hafenburg, anerkannt als ein 
Mann von erhabenem rechtlichen frommen Sinn, und darum 
von allen Parteien gleich hoch geehrt; Hanus von Ko 
lowrat, Hauptmann der Prager Städte, im Handeln der 
entfchloffenfte und vüftigfte von allen. Die Hänpter der 
polnischen Partei dagegen waren: Hynce Ptacek von 
Pirkftein, aus dem Gefchlehte Lippa, gleich. ausge 
zeichnet als Feldhere und als Staatsmann, uneigennüzig 
und unbeftechlich, aber in feinen Grundfäzen und Entſchlüſ⸗ 


25 


fen bis zum Eigenfinn beharrlich; dies verfchaffte dem fel- 
fenfeften Manne in diefer vielbewegten Zeit eine außeror- 
dentliche Popularität und ein beinahe Fünigliches Anfehen 
im Lande; den oberften Landesfämmerer, Ales Holicky 
von Sternberg zeichnete feine patriotifhe DBeredfam: 
keit und fein Beftreben, alle Intereffen zum Beten des 
Landes zu vereinigen, noch im feinem hohen Alter aus; 
dagegen zeigte der Faum zwanzigjährige Georg von Po 
diebrad ſchon jezt jene geniale Thatkraft und den hohen 
Ehrgeiz, die ihm in der Folge zum Königsthrone felbft den 
Weg bahnten. Auch der tapfere ſtaatskluge Ritter Pribif 
von Klenau, und der ehemalige Priefter Bedẽich von 
Straznic, einft Zizka's Feldprediger, jezt Herr von Kolin 
und Kriegsoberfter der Zaboriten, hoben, durch ihre gläns 
zenden Feldherrntalente, das Anfehen der polnifchen Partei. 
An Zahl und Macht geringer, war diefe Partei ihren Geg- 
nern an Genie überlegen. Es fcheint wohl, nur ein per 
fünlicher Haß gegen Albrecht von Defterreich, wegen feines 
raſtlos thätigen Eifers gegen die Huffiten, habe diefe Männer 
vermocht, in Polen gegen ihn Hilfe zu fuchen: denn nad) 
feinem Tode gaben fie (mit Ausnahme der Taboriten und 
ihrer Anhänger) nicht nur die Partei Caſimirs, der fie 
wicht befriedigte, freiwillig auf, fondern fie proteftirten 
fogar fortan gegen die Einmifchung der Polen in die innern 
Angelegenheiten Böhmens. 

Auch war die Partei Ptaẽëeks die erfte bereit, zum 
freundfchaftlichen Vergleich die Hand zu bieten. Schon 
um die Mitte Novembers 1439 begab fich Ptaẽek felbft zu 
dem DOberftburggrafen Meinhard nach Neuhaus, wohin, 
nebft andern Baronen, auch Ulrich von Nofenberg eingela= 
den wurde. Hier beſchloß man, beide Parteien follten am 
nächften Eucientage (13. Dec.), die Abrechtinifche zu 
Prag, die Praceffche in Melnik fih zum Landtage 
verfammeln, und ſich dann gemeinfchaftlich berathen, wie 
die Eintracht und die Ruhe des Reichs herzuftellen wäre. 


26 


Es follte ein vielentfcheidender Landtag werden; alle Herren, 
Ritter und Städte wurden durch alle Kreife aufgefordert, 
dabei zu erſcheinen; der Adel perfönlich, der Bürgerftand 
durch Abgeordnete. Auch die Stände der zur Krone gehö— 
rigen Länder wurden dazu ausdrüflich geladen. 

Sn diefer wildbewegten Zeit, wo die beftehenden Ge 
feze größtentheild nur dann in Acht genommen wurden, 
wenn man fie zum eigenen Vortheil geltend machen konnte, 
bedurfte es eines Herrfchers von ungemeiner Willenskraft 
und weifer Feftigfeit des Charakters, um das loſe Band 
der Staatögefellfhaft wieder fefter zu knüpfen, und eine 
dem Wohl des Ganzen gedeihliche Drdnung der Dinge her: 
zuftellen. Elifabeth war zu fhwach dazu. Ohne Men: 
ſchenkenntniß, reizbar und den Eindrüfen des Augenblifs 
bingegeben, handelte fie nur zu oft ohne Umſicht und Bor: 
bedacht, bei der Schwäche ihrer Mittel ſelbſt Intriguen 
nicht verfchmähend; fo ward fie fehr bald von jenen gewal- 
tigen Dynaften abhängig , über die fie regieren zu können 
mwähnte. Mehr im Leiden ald im Handeln feft und aus: 
dauernd, erlag fie der Macht der Ereigniffe, die fie von 
allen Seiten bedrängten. Zu dem böhmifchen Lucienland- 
tag Eonnte fie, wegen der Kürze der Zeit, da fie überdies 
noch mit den ungarifchen Angelegenheiten voliauf zu thun 
hatte, Feine gehörig inſtruirten Bevollmächtigten fchiken. 
Sie ſchrieb jedoch (von Altofen, den 6. Dec. 1439), und 
ermahnte die Stände, „ſich jedes Aktes zu enthalten, und 
nicht etwa in Lebereilung etwas zu unternehmen, was ihrem 
und ihrer Kinder Necht entgegen wäre; bald wolle fie ihre 
feierliche Botſchaft an fie abfertigen; und nachdem fie mit 
Gottes Hilfe ihr nahes Kindbett überftanden haben werde, 
wolle fie an einem nähern Ort ihre perfünfiche Zufammenkunft 
mit den Ständen halten, um mit ihrem Nathe alles, was zum 
Frieden und zum Nuzen des Reichs gehört, zu beforgen +).** 





*) Ein Brief dieſes Inhalts an rich von Roſenberg, befindet 
ſich im Wittingauer Archiv. 


— 


27 


Der Landtag dauerte von der Mitte Decembers 
1439 bis zu Anfang Februar 1440. Daß man darauf, 
nach dem Wunfche der Königin, nichts über die Wahl des 
fünftigen Königs befchloß, war wohl mehr die Folge der 
unglaublich verworrenen Lage der Dinge, als der königli— 
chen Ermahnungen. Bor allem mußten die einfichtsvollern 
Patrivten an die Verfühnung und Vereinigung der getrenn: 
ten Parteien denken. Darum ward auch zwifchen Prag 
und Melnik lebhaft unterhandelt, bis endlich, zu Anfang 
Jänner 1440, die gewünfchte Vereinigung, vorzüglich durch 
das Zuthun des edlen Ales von Sternberg, glüklich zu 
Stande Fam. Die Stände vom Melniker Landtag begaben 
fi fämmtlih nach Prag; worüber die Prager Herren fo 
erfreut waren, daß fie fich bald zu ſolchen Zugeftändniifen 
willig finden ließen, die fie nachmals oft zu bereuen Gele: 
genheit hatten. Man befchloß zuerft eine vollfommene 
Sühne: alle bisherigen Fehden, jede Zwietracht, jeder 
Groll follten beiderfeits gänzlich aufhören, alle verübten 
Feindfeligkeiten vergeflen, alles Böfe, fo weit es in menſch— 
liher Gewalt ftehe, wieder gut gemacht werden. In den Anz 
gelegenheiten der Kirche machten fich die Stände insgefammt 
anheifchig: die Compactate, fo wie fie lauten, gewiſſenhaft 
zu beobachten, für die endliche Erledigung der darin noch feh: 
lenden Punkte, fo wie für die wirkliche Einfezung des M. 
Hohann von Rokycan als Erzbifchof in Prag, fich bei dem 
Basler Eoneilium gemeinfchaftlich mit Nachdruf zu verwen: 
den, und died auch dem gemeinfchaftlich zu wählenden König 
zur vorzüglichften Pflicht zu machen. In Neichsangelegens 
beiten famen fie überein: alle Verfchreibungen weiland K. 
Albrechts, welche entweder der Krone Böhmens, oder auch 
nur der Partei, die ihm entgegen war, nachtheilig ſeyn 
fönnten, fofort aus vereinter Machtvollkommenheit aufzu= 
heben; dann follten alle in vorhergegangenem Kriege feind— 
lich befezten Güter ihren frühern Befizern wieder abgetre: 
ten, alle Kriegsgefangene ohne Löfegeld auf freien Fuß ges 


28 


fteift werden u. ſ. w. Ferner entwarf man Verordnungen 
zum Behufe der dürch alle Kreife zu errichtenden Landfrie— 
den, entfchied Iandtäglich über einige befondere Vorfälle 
und Nechtöftreitigkeiten, und machte fich auch verbindlich, 
die verwitwete Kaiferin Barbara, welche einft zu den Come 
pactaten viel beigetragen hatte, in ihren Gerechtfamen nicht 
nur in Böhmen zu ſchüzen, fondern auch ſelbſt bei den une 
garifchen Ständen zu unterftüzen. Endlich, da der Herren- 
ftand dem Nitterftande das von ihm in Anfpruch genom: 
mene Necht, dem größern Landgericht beizufizen (jedanj w 
lawicjch), noch immer nicht einräumen wollte, befchloß 
man, die Sizungen felbft follten ausgefezt bleiben, bis der 
fünftige König darüber entfchieden haben werde *). 

Diefe wichtigen Berbandlungen des erften allgemei— 
nen Landtags nah KR. Albrechts Tode gaben an ſich ſchon 
binlänglichen Anlaß, die neue Königswahl noch aufzuſchie— 
ben; um fo leichter Tiefen fich die Stände bewegen, die 
Niederkunft der Hochfchwangern Königin abzuwarten, bevor 
fie zu dem Akte felbft fehritten. Aber die Haupturfache 
diefes Auffhubs war wohl der den bisherigen Hiftorifern 
unbekannte Umftand, daß die Stände unter fich felbft über 
die Frage, „wem eigentlih das Wahlrecht gefezlich zu: 
ſtehe?“ nichts weniger ald einverftanden waren. Eine ſolche 
Königswahl, wie man fie jezt im Sinne hatte, war ja in 
Böhmen auf gefezlihem Wege noch nie vorgenommen mor- 
den; denn die bisherigen fogenannten Königswahlen waren 
eigentlich nur Einwilligungen der Stände, dem durch das 
Gefez und das Herfommen jedesmal beftimmten Ihronfol- 
ger ihre Huldigung zu leiften. Daher ftritt man jezt viel 





*) Das Driginal diefed wichtigen Landtagſchlußes ward dem 
Dberfiburggrafen Meinhard von Neuhaus eingehäntigt, und 
befindet ſich noch unverſehrt im gräfl. Ezernin’fchen Archive 
zu Neuhaus. Es hängen 68 Sigille daran, 


29 


darüber, ob die böhmifchen Stände für fich allein, oder mit 
Zuziehung der mährifchen, fehlefifchen und laufizer Abge— 
geordneten, die Wahl ausüben follten? und in Böhmen 
ſelbſt, ob nur der Herrenftand allein, oder auch der Nit- 
terjtand und die Städte an der Wahl Theil zu nehmen be: 
rechtigt wären? Der Landtag löste ſich auf, ohne über 
dieſe Fragen etwas entfchieden zu haben: es ward aber zu 
diefem Zweke fogleich ein neuer Landtag auf den achten 
Tag nach Georgi, d. 1. den 30. April desfelben Jahrs ans 
geſezt. 

Im Monate März wurden, dem obigen Landtagſchluß 
zu Folge, durch das ganze Land Kreistage gehalten, worauf 
fih namentlich alle Gutsbefizer, Adelige und Städte, zu 
dem vorgefchriebenen Landfrieden befannten. Zur Hands 
babung der öffentlichen Ruhe und Drönung wurden in allen 
Kreifen neue Hauptleute gewählt, und ihnen eigene Kreise 
räthe, Adelige und Bürgerliche, beigegeben. Diefe Kreise 
bauptleute waren: im Kaufimer Kreife Hynce Ptacek von 
Pirkftein, nebſt feinem Stellvertreter Johann Cabelidy 
von Sutic; im Caslauer Johann Hertwif von Ruſinow; 
im Ehrudimer Bohus Koftka von Poftupie; im Könige 
geäzer Dietrich von Miletinef. Diefe vier Kreife, im Eifer 
für den Huffitismus allen übrigen vorangehend, verbanden 
fich noch befonders (zu Caslau, am 17. März 1440) unter 
einander, und wählten zu ihrem oberiten Hauptmann den 
Heren Ptacek, deffen Macht und Anfehen hiedurch noch 
höher flieg. Georg von Podiebrad war, nach dem Zeugniß 
der Urkunden, Bunzlauer, nicht wie die Chroniken fagen 
Königgräzer, Kreishauptmann. Die übrigen waren: im 
Bechiner Kreife Ulrich von Nofenberg; im Prachiner der 
Strafonizer Grandprior Wenzel von Michalowic; im Pils- 
ner Hynek Kruffina von Schwamberg; im Saazer Burian 
von Guttenftein;z im Leitmerizer Jakob von Wẽeſowic; im 
Riper Zbyniek Zagiec von Hafenburg; die Namen der 
Hauptleute im Wiltawer und Podbrder Kreife find unbes 


30 


kannt. Die Verbindlichkeit diefer Kreisfrieden follte bis 
zur Wahl des Fünftigen Königs und dann noch drei Mo: 
nate fang nach feiner Krönung fortdauern. 

Sndeffen ward die Königin Eliſabeth am 22. Febr. 
1440 zu Komorn in Ungarn mit einem Gohne entbunden, 
der bei der Taufe den Namen Ladislamw erhielt. Dies 
Ereigniß, fo wie die Erbanfprüche des neugebornen Kindes 
auf die böhmifche Krone, Fonnten die böhmifchen Stände 
feineswegs ignoriven. Ulrich von Nofenberg, als Chef 
der Stände, fertigte an die Königin eine Gefandtfchaft mit 
dem Anfuchen ab, fie möchte auf den nahe bevorftehenden 
Landtag ihre Bevollmächtigten fenden, um dafelbft die „an— 
feheinenden‘“ Erbanfprüche ihres Sohnes darzuthun. Die 
Gefandten befanden fih am 6. April bei der Königin in 
Komorn. Gie zeigte ihnen den Säugling in der Wiege, 
und bat fte rührend, die arme Waife von ihrem natürli= 
chen Erbtheil nicht zu verftoßen; fie Fünnten ja vor, Gott 
und der Gerechtigkeit Feine gültige Königswahl vornehmen, 
fo lange nur Ein Sprößling ihres Füniglichen Stammes 
am Leben fey; der Termin des Landtags fey zu Furz, fie 
fönne ihren Bevollmächtigten, Ulrich Grafen von Eilley, 
bis dahin nicht nach Böhmen abfenden, da fie feinen Bei— 
ftand in Ungarn jezt nicht entbehren könne; fie bat daher, 
man möchte den auf den 30. April angefezten Landtag bis 
zum Tage Johannis des Täufers (24. Juni), oder wenigs 
ftens bis zum Fronleichnamstage (26. Mai) verfchieben. 
Bon der hilflofen Lage der Königin tief gerührt, entfchloß 
fi der edle fein gebildete Prokop von Nabenftein, fich ganz 
ihrem und ihres Sohnes Dienfte zu widmen. Er über: 
nahm e8, ihre verfannten Nechte allwärts laut zu verküns 
den und zu befehüzen, und hielt treulich Wort. 

In der Ihat mußte Eliſabeths Lage bei edlen Seelen 
tiefes Mitleid weken: denn viel fehlimmer noch, als in 
Böhmen, ftanden ihre Angelegenheiten in Ungarn, und 
ſelbſt in Dofterreich zeigten ‚fie fich nicht eufreuficher. Die 


34 


ungarifchen Prälaten und Neichsbarone hatten fie zu der 
Erklärung im Neichsrathe gezwungen: „fie, obgleich Erbin 
des Neichs, fey zu deffen Verwaltung zu ſchwach; daher wil- 
lige fie ein, daß man einen Mann auf den ungarifchen Thron 
berufe, jedoch fo, daß fie dabei an dem väterlichen Neiche 
ihren Theil behalte *).*° Sogleich beeilte man fich, den jun= 
gen König Wladielam von Polen nach Ungarn einzuladen, 
Ihre fpätern Proteftationen Dagegen waren fruchtlos. Der 
größere Theil der Nation erklärte fich gleich Anfangs für 
Wladislaw; und auch die ihr Treugebliebenen wurden 
von ihrer Partei bald entweder abgeloft, oder abgefchrekt, 
oder doch meiſt unthätig gemadht. Wladislaw Fam zu 
Ende April 1440 ſelbſt nach Ungarn, wohin ihm feine 
Partei den Weg gebahnt hatte. Es entfpann fich hieranf 
zwifchen den beiden Parteien ein langer blutiger Bürger: 
frieg, in welchem fich Elifabeth nur durch die ſieggewohn— 
ten Waffen der in Böhmen und Mähren geworbenen Trup: 
pen, unter Anführung des Johann Giskra von Brandeis, 
behaupten Eonnte. 

Sn Defterreich aber trübte Familtenzwift die Lage 
der Dinge. Herzog Friedrich von Steiermark (der nach— 
malige Kaifer) bewog die Stände Oeſterreichs bald nach 
K. Albrechts Tode, ihn in Folge. der Familiengefeze des 
Hauſes Habsburg, entweder ald Fünftigen Erben, oder als 

alleinigen Vormund anzuerkennen, je nachdem Clifabeth 
eine Tochter oder einen Sohn gebären würde, und ihm 
die Verwaltung des Landes fogleich einzuräumen. Dage— 
gen verband fich Elifabeth mit feinem jüngern Bruder Herz 
zog Albrecht, mit welchem Friedrich in ſteter Swietracht 
lebte , und übergab ihm die VBormundfchaft über ihren 
Sohn, fo wie die Regierung des Landes. Diefer übereilte 
Schritt, ein Beweis ihres Teidenfchaftlichen Benehmen, 


4 
*) S. Engel, Geſchichte des ungr. Reichs, III. 28. 


32 


309 ihr den größten Nachtheil zu. Die Quellen ihrer or 
dentlichen Einfünfte waren größtentheils verflegt; der vers 
fchwenderifche Herzog Albrecht Eonnte fie in die Länge nicht 
wirffam unterftüzen, und nur durch die größten Opfer von 
ihrer Seite ließ der gefränfte K. Friedrich fich bewegen, 
ihr in ihrer außerften Noth mit geringen Darlehen zu Hilfe 
zu fommen. 

Den Wunſch der Königin, daß der auf den 30. April 
angefezte böhmifche Landtag verfchoben werden möchte, bez 
herzigten wohl die Herren von der ehemals Albrechtinifchen 
Partei, welche Prokop von Nabenftein darum perfönlich 
gebeten hatte. Der Oberftburggraf Meinhard von Neu: 
haus Fam deshalb mit dem Herrn Ulrich von Nofenberg 
und den Prager Städten überein, daß der Landtag erit 
am Fronleichnamstage (26. Mat) gehalten werden folle; 
und fie liegen dies alfenthalben im Lande verfünden. Das 
von wollte aber Praceks Partei nichts wiſſen; ſchon zu 
Anfang Mai fing fie an, fich in Prag zu verfammeln. Die 
Albrechtiner fuchten daher durch abfichtliches Zögern von 
ihrer Seite ihren Zwek zu erhalten; und fo Fam ed, daß 
der Landtag erft nach Pfingften (15. Mai) feinen eigente 
lichen Anfang nahm. 

Indeß war Elifabeth, beftürzt über die Fortfchritte, 
welche der polnifhe Wladislaw in Ungarn machte, nur 
mit den Mitteln befchäftigt, wodurch fie ihrem Sohne die 
Krone Ungarns fichern könnte. In der Nacht auf den 13. 
Mai verließ fie Komorn, in Begleitung des Grafen Eilley 
und einiger ungarifchen Magnaten, und eilte über Dotis 
(Tata), wo 2000 Mann böhmifcher und mährifcher Trup⸗ 
pen zu ihr ftießen, bei Tag und Nacht nach Stuhlweißen— 
burg, wo fie am 17. Mai *) ihren Säugling mit Ungarns 





*) „sn de phinngft am Grichtag‘‘ nach dem Berichte eines Ro— 
jenbergifhen Boten, im Witlingauer Ardiv. 





35 


heifiger Krone krönen ließ. Daß fe dabei ihre Gewalt: 
boten auf den Prager Landtag zu fchiken verfäumte, iſt 
feichter zu erklären als zu entfchuldigen. Sie ſchrieb blos 
an Ulrich von Nofenberg am 13. Mai, ihn bittend, ſtand— 
‚haft bei ide und ihrem Sohne zu bleiben, und auch andere 
zu gleicher Treue anzuhalten. Einft nah Beendigung diefer 
Unruhen wolle fie es allen großmüthig vergelten. Sie fo: 
wohl als der Eilleyer überließen fich zu fehr dem Vertrauen, 
daß ihre Getreuen die Anerkennung Ladislaws auf dem 
Landtage ohne Anftand durchfezen würden. In diefem Ver— 
trauen forderte Eliſabeth noch am 13. Juni die böhmischen 
Stände auf, ihr gegen Wladislaw von Polen, der fich den 
Königstitel in Ungarn widerrechtlich anmaße, hilfreich bei— 
zuftehen. ß 

Der Landtag begann mit Tangwierigen Debatten über 
das Wahleecht. Die Kronländer Mähren, Schlefien, die 
Laufiz und die Sechs-Städte wurden gleich Anfangs davon 
ausgefchloffen; vielleicht ſchon darum, weil fte größtentheils 
Ladislaw bereits anerkannt hatten. Nun brach aber, der 
alte Streit zwifchen dem Herren und dem Nitteritande aufs 
neue aus. Die Herren behaupteten, fie allein feyen be— 
rechtigt, den König zu wählen: dagegen erklärten die Nitter, 
niemanden als König anerkennen zu wollen, zu deſſen Wahl 
fie nicht auch zugelaffen würden; fie trügen ja zum allge: 
meinen Beſten des Landes eben fo viel bei, wie die Herren. 
Und während diefer Streit noch dauerte, erhoben auch die 
Städte, deren Macht in den lezten Kriegen hoch geftiegen 
war, für den Bürgerftand diefelben Anfprüche. Lange wi: 
Derftanden die Herren dem. Anfinnen beider Stände; end: 
lich aber willigten fie ein, bei feterlicher Verwahrung des 
ihnen allein gebührenden Vorrechts, dag für dieſen Fall 
einige Deputirte des Nitterjbandes an der Wahl Theil 
nehmen follten. Nun drangen die Städte um fo heftiger 
darauf, daß ihnen ein Gleiches zugeftanden werde; und 
nad langem Streit fahen fich die Herren genothigt, um 

3 


34 


neuen Bürgerkrieg zu vermeiden, auch ihnen darin auf Die: 
felde Art nachzugeben; welches, fonderbar genug, die Ritter 
ihrerfeitS wieder hoch übel nahmen”). Am St. Veits— 
tage (15. Juni), alfo einen ganzen Monat nach dem Anz 
fange des Landtags, faßte man darüber einen förmlichen 
Landtagſchluß ab: die Stände des Neichd, Herren, Nitter 
und Städte, hätten bei der nunmehr nothwendig gewor— 
denen Königswahl, nach glüflicher Befeitigung gewiffer 
darüber unter ihnen entftandenen „Anſtöße,“ ſich dahin 
vereinigt, daß fie dem Eünftigen Herrn und König unter 
einander gemeinfchaftlich zu wählen hätten‘, jedoch ohne 
daß dadurch den beftehenden Vorrechten irgend Jemandes 
unter ihnen zu nahe getreten werde. Dann aber folle der 
fo gewählte und gefrönte König über diefe Sache nad) 
Gerechtigkeit entfcheiden, daß Jedermann, nad feinem 
Stand und Rang, in feinen Gerechtfamen geſchüzt werde. 

Hierauf wurden von den Gtänden diejenigen Perſo— 
nen aus ihrer Mitte ernannt, welche die Königswahl aus: 
üben follten. Es waren folgende: 1) achtzehn Herren 
und Barone; Ulrich von Rofenderg, Meinhard von Neu— 
haus, Ales Holicky von Sternberg, Hynce Ptacek von 
Pirkſtein, Hynek Krufina von Schwamberg, Georg von 
Podiebrad, Johann von Niefendberg, Haſſek von Wald: 
ftein, Hanus von Kolowrat, Nikolaus und Zbyniek Zas 
giec von Hafendburg, Hynek Kruffina von Lichtendburg, Pe: 
ter Smwieretidy von Wartenberg, Ales von Seeberg, Georg 
von Wiffemberg, Benes Libun von Duba, Jaroslaw Plichta 
von Zerotin und Bores von Oſſek; 2) vierzehn Ritter: 
Johann Hertwif von Nufinow, Zohann von Smitic, Ales 





*) Ausführliher berichtete hierüber Ulrich von Rofenberg an 
tie Väter des Basler Eonciliums. Cine jtellenweis fehler: 
bafte Copie dieſes Xerichtes befintet fi im Archiv zu Wit: 
tingau. 


39 


Wẽestiowſky von Niefenburg *), Nikolaus Trefa von Rippa, 
Safob von Wiefomwic, Dietrih von Miletinef, Albrecht 
von Biesfowic, Wilhelm von Mectin, Johann Stiepano- 
wec von Wrtba, Bohus Koftka von Poſtupic, Ulrich Mo— 
&ihub von Kralowic, Johann Malowec von Pacow, Hum— 
precht von Tasnowic und Wenzel Zurzlik von Swoyſſin; 
3) der Landesunterfämmerer Johann von Kunwald; die 
drei Bürgermeifter von Prag, Peſſik von Kunmald von 
der Altftadt, Paul Dietfihomec von der Neuftadt, Martin 
Kacerowie von der Kleinfeite, und endlich zehn Abgeord- 
nete anderer Städte: Makik von Saaz, Wanief von Leit: 
meriz;, Tinsky von Königingriz, Ambros von Kuttenberg, 
Kantor von Gaslan, Gindra von Tabor, Hubac von Pifef, 
MWenda von Klattau, Fogelif von Pilſen; der Name des 
lezten, der ein Abgeordneter von Schlan oder von Nim— 
burg gemwefen, tft aus den bisherigen Quellen nicht zu ent= 
nehmen. Nachdem diefe Wähler ſchon ernannt waren, 
drangen mehrere Ritter und Städte darauf, daß auch M. 
Sohann von Rokycan, als erwählter Erzbifchof, zur Wahl 
zugelaffen werde: was denn auch die Herren, nach einiger 
Weigerung, zu genehmigen fich genöthigt fahen. 

Als man hierauf die Eidesformel entworfen hatte, 
wodurd fi) die Wähler verpflichten follten, die Wahl 
nicht nur redlich und gewiffenhaft zu üben, fondern auch 
aufs ftrengfte geheim zu halten, entitand ein neuer Streit, 
indem mehrere Wähler, vorzüglich ſtädtiſche Abgeordnete 
von der Secte der Taboriten, den Eid zu leiften fich mei: 
gerten, weil das Evangelium das Schwören überhaupt 
verbiete. Nicht ſowohl die gelehrten Deductionen für die 
Zuläffigkeit des Eides felbft, als die categorifche Erflä- 
rung der Stände, wer den Eid nicht leiſte, müſſe der 
Wahl entfagen, bewirkte, daß fich endlich eimer nad) dem 


-*) Der im J. 1433 — 1436 geivefene Gubernator von Böhmen. 
3* 


36 


andern zur Eidesleiftung bereit finden ließ. Die Wähler 
begaben fih dann in die Metropolitanfirche zu St. Veit, 
wo fie, nach abgehaltenem Hochamte, in der St. Wence: 
Slate Kapelle den vorgefchriebenen Eid, vor dem Evangelium 
und dem heil. Grucifir, auf ein Mefbuch, welches der Dom: 
dechant mit Beiftand eines Domherrn hielt, jeder * der 
Reihe knieend leiſteten. 

In der Nacht vor dem Wahltage hielt Ulrich von 
Roſenberg eine geheime Zuſammenkunft mit einigen Wäh— 
lern ſeiner Partei, um ſich mit ihnen vorläufig über jene 
Fürſten zu beſprechen, welche man zur ordentlichen Wahl 
vorzufchlagen gefonnen war. Er übergab ihnen ein ganzes 
Verzeichniß Derfelben, mit ——— für oder gegen 
ihre Wählbarkeit. 

Daß man bei allen dieſen Anſtalten das natürliche 
Erbrecht Ladislaws, welches jede fernere Wahl ausſchloß, 
außer Acht ließ, war nicht nur Folge des geiſtigen Ueber— 
gewichts der Ptaceffhen Partei, ſondern zum Theil auch 
wirklicher Drang der Umftände. Man fühlte in Böhmen 
allgemein das Bedürfnif eines männlichen Fräftigen Königs, 
der durch feine Macht und Weisheit die unglaubliche Ver— 
wirrung im Lande zu Löfen wermöchte. Er follte das fehr 
Iofe gewordene Band, wodurch Mähren, Schleften, die Lauſiz 


und die Sechs-Städte an der Krone Böhmens hingen, wieder 


feiter Enüpfen. Sein königliches Anfehen follte das Conci— 
lium zum endlichen Abſchluß der Eompactate und zur Con— 
firmation Rokycana's als Erzbifchof bewegen; denn feit dem 
Tode des Biſchofs Philibert von Coutance war niemand da, 
der den utraquiftifchen Prieftern die geiftliche Weihe ertheiz 
len konnte oder wollte; daher auch der Mangel an denfel- 
ben immer fühlbarer ward. Auch über die oben berührten 
Etreitfragen unter den Ständen follte er entfcheiden; bevor 
dies gefchehen, Fonnte das oberfte Landgericht nicht wieder 
befezt werden. Endlich harrten feiner eine Menge Privat: 
zwijte der einzelnen Stände unter ſich, deren gerichtliche 


37 


Beilegung fir die Zukunft war aufgefchoben worden. Da- 
ber drang Ptaẽceks Vorftellung bei der Mehrzahl der Stände 
durch: „das Land müſſe ohne Verzug mit einem Könige 
verfehen werden, der der Regierung desfelben gemachfen 
fen; über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Erbanfprüche 
des Föniglichen Kindes brauche man nicht abzufprechen; es 
ſey genug für Ladislaw, wenn er einft als Mann zur Re— 
gierung gelange, wozu ihm dev Weg nicht für immer ver: 
fchloffen bleiben werde. * Mit foldhen Anfichten gingen die 
meiſten Wähler ans Wahlgefchäft. Ob und welche Fürften 
fih den Ständen zur Wahl angeboten Hatten, ift noch un: 
befannt. Als aber der erwählte römifche König Friedrich, 
Herzog von Steiermark, von dem Herrn von Nofenberg 
angegangen ward, zu der Wahl zu coneurriren, antwortete 
er: „Ich ſtehe um jenes Neich nicht an; die Böhmen willen 
ja, wen fie für ihren König halten ſollen!“ 

Am Wahftage ſchlug zuerſt Ulrich von Roſenberg, als 
Chef der Stände, alle jene Fürften, welche ihm wählbar 
zu ſeyn fchienen, den Wählern namentlich vor, fie ermab: 
nend, mit veifer Ueberlegung zu prüfen, wer zur Negierung 
in Böhmen der tirchtigite ſey; wollten fie aber außer den 
von ihm Genannten noch Jemand in Vorfchlag bringen, 
fo fey er für feine Perfon nicht abgeneigt, deffen Anſprüche 
in Berathung ziehen zu laffen. Die Wähler verlangten, 
er, der Erfte im KRönigreiche, follte feine Stimme zuerit 
abgeben. Er ftelfte nun zuerft die, im Folge der unter 
Kart IV. gefehloffenen Erbeini; gung, dem Haufe Deiterreid 
zuftehenden Erbanfprüche zur Krone Böhmens dar *); mit 


— — 


*) Ulrich von Noſenberg erzählt dies im vorerwähnten Ferihte 

ſelbſt auf folgende Weiſe: „Eso vero sciens ef ndtitianı 
nhabens proscriptionum, quae sunt inter terra ı Bo- 
* hemiae et domum Aus’riae, sciens ı am, ddamvis 
post tantas monitiones Regi Romanorum per 'me et 
alios factas, suprafatus D. Rex una cum D. Rezin.a 


38 


der Bemerkung, daß, obgleich weder die Fürften diefes 
Haufes, noch aud) die Königin Elifabeth mit ihrem Sohne, 
ihre bevollmächtigten Gefandten zu dieſem Landtage gefchikt 
hätten, diefer Umftand fie Feineswegs um ihr natürliches 
Recht gebracht haben könne. Da jedoch die Fürften diefes 
Haufes ftetd auf den unmündigen Ladislam, als den: eis 
gentlihen Erben der Krone Böhmens, hinwiefen, und die 
Wähler, aus oben angeführten Beweggründen, nur einen 
dem Negierungsgefchäft gewachfenen Fürften, zu wählen 
gefonnen waren, fo Tiefen fie diesmal Ladislaws Anfprüche 
gänzlich durchfallen. Roſenberg nannte hierauf den König 
von Polen Wladislaw und feinen Bruder Cafimir: aber 
troz der eifrigen Fürſprache der taboritifch = gefinnten Wähler, 
wollten felbft jene Herren, die den Prinzen Eafimir vorher 
gegen K. Albrecht gewählt hatten, nichtd mehr von ihm 





molliter se habeant, et praesertim, quod D. Rex di- 
xerat, quia pro hac vice nollet instare pro regno: 
attamen ego ipse, cernens justitiam quam videtur 
habere,, et proscriptiones inter terras, ipsım D. Re» 
gem Romanorum pro regimine regni Bohemiae valen- 
tiorem omnium,-esse nominavi, Si autem praefatus 
D. Rex per se renuerit, tune ut dignaretur- fratrem 
suum germanum Albertum, vel patrunm suum D. 
Fridericum ducem Stiriae loco sui disponere. Et cum 
D. Rex per se non instaret, sed dixisset: „tamen 
sciunt Bohemi, quem pro domino habere debeant;‘‘ 
Regina etiam cum negligebat legationes facere pro 
ostendenda ipsiug justitia: ego tamen non immemor 
futurorum, quae consequi possent, si in hoc facto 
‚Prageipitanter egerimus, electorum oculis anteposui 
‚;Poscriptiones et justitiam, quam habere videntur D. 
‚Rex Romanorum et Regina cum nato suo., Attamen 
‚cum propter nimis involutum, regni negotium peri- 


„„eulosum sit sine rectore persistere, consequenter no- 
minavi Regem Poloniae et fratrem ejus“ etc. 


39 


hören; fie Fennten beide polnifhe Fürften recht gut, fagten 
fie, und wären überzeugt, daß fie der Regierung in Böh— 
men nicht gewachfen feyen. Nun empfahl Rofenberg den 
alten Kurfürften Friedrih von Brandenburg und feine 
Söhne, wegen feiner Macht, Weisheit und vielfältiger 
freundfchaftlicher Verbindungen; fein Anfehen bei dem 
Eoneilium gebe auch die befte Hoffnung, den endlichen 
Abſchluß der Compactate durch ihn zu erlangen, und 
feine Söhne, ihres Vaters nicht unwürdig, würden ihn 
bei dem Regierungsgeſchäft am beſten unterſtüzen kön— 
nen. Viele wendeten aber gegen ihn ein, er ſelbſt ſey 
ſchon zu alt, um eine neue Regierung übernehmen zu. kön⸗ 
nen: und es ftehe zu befürchten, feine. vielen Söhne könn— 
ten dereinft eine Theilung der: Länder der böhmischen Krone 


veranlaſſen. Gegen Albrecht von Baiern, den: Rofenberg 


zunächft vorfchlug, mußte niemand etwas einzuwenden; 
ihn empfahl nicht nur ſeine anſehnliche Macht und fein 
edler Charakter, ſondern auch die nähere Kenntniß der 
böhmifchen Sprache und Sitten, die er in ſeiner Jugend 
am Hofe K. Wenzel‘ erworben. ‚hatte... Der Pfalzgraf 
Ludwig fchien dagegen, gleich, Anfangs der Mehrzahl der 
Wähler unmählbar, fowohl wegen feiner Jugend, ‚als auch 
wegen Der großen Entfernung feiner. Erbländer von dem 
Königreiche. - Nach vielen Debatten kamen die Wähler 
überein, daß blos über. folgende vier Fürften abgeſtimmt 
werben ſollte; über Friedrich von Brandenburg, Wladi- 
slam von Polen, Albrecht von, Baiern und über den Pfalz: 
graf. Bei der erſten Abſtimmung hatte König Wladislaw 
fünf Stimmen für ſich Albrecht von Baiern vier, der 
Pfalzgraf eine; ‚Die, übrigen. alle waren für den Kurfürften 
von Brandenburg. Die Eonferenzen darüber dauerten vier 
Tage lang. Während derfelben änderten aber die meiften 
Wähler ihre Geft innungen; fie: fielen von dem Kurfürſten 
Friedrich, vorzüglich wegen feines zu hohen Alters ab (wie 
er denn auch einige Monate darnach ftarb), und erklärten 


40 
ſich, aus verſchiedenen Gründen, für Albrecht won 
Baiern. Diefes neue Uebergewicht zog auch Wladislaws 
Anhänger, mit Ausnahme der ftrengen Taboriten, auf feine 
Seite; und als endlicd) auch Roſenberg fich für ihn erklärte, 
‚war feine Wahl zum König in Böhmen beinahe einftimmig 
entſchieden. 

Dieſes Reſultat der Wahlverhandlungen blieb vor der 
Hand. ein ſtrenges Geheimniß unter den Wählern; es 
wurde den auf dem Landtage verfammelten Ständen nicht 
mitgetheilt. Man ſchikte aber insgeheim den Herrn Jaz 
roslaw Plichta von Zerotin und den Nitter Johann Ma— 
lowec von Pacow fogleich an den erwählten König, um 
noch vor der Erklärung feiner Wahl ſich zu erkundigen, ob 
er die Krone annehmen, und in die ihm von den Stän— 
den angebotene Kapitulation willigen, insbefondere, ob er 
fein Erbland der Krone Böhmens einverleiben, die ver— 
pfändeten Eöniglichen Domainen im Lande zu feinen Hans 
ten auslöfen, und die auswärtigen Befizungen, die von 
der Krone weggefommen, wieder an die Krone bringen, 
endfich, ob er die Compactate fhüzen und deren völligen - 
Abſchluß ſich angelegen feyn laſſen wolle? Mittlerweile 
ward der Landtag aufgelöst, und ein neuer auf den näch— 
ten Jakobitag (25. Juli) angefezt, wo nad) eingehofter 
vorläufiger Antwort des erwählten Königs die Wahlers 
Härung vor fich ‚gehen follte. 

Erft nachdem der Landtag größtentheild aus ——— 
gegangen war, langten die Abgeordneten der Königin zu 
demſelben an. Sie hatte, im allzugroßen Vertrauen, daß 
die Böhmen, ihre kraͤftigſte Stüze in Ungarn, ihr im eis 
genen Lande nicht ungetreu werden würden, die wichtigite 
Zeit zw deren Abfendung verfäumtz denn der Graf von 
Gilfey, den fie zu dieſer Gefandtfehaft beftimmt hatte, war 
im Kriege gegen Wladislaw in Ungarn immer vollauf bes 
ſchaͤftigt, und gerieth felbft am 26. Juni bei Hochitraß in 
feindliche Gefangenſchaft. As aber Elifabeth die ungün— 





4 


ffige Wendung erfuhr, melde das Wahlgeſchäft in Böh: 

men genommen hatte, eilte fie, fehon zu fpät, ihre Boten 

dahin zu fenden. Die wenigen Stände, die fie noch in 

Prag antrafen, erklärten fi für unbefugt, auf ihre Bot: 

fehaft irgend eine Antwort zu geben, und wiefen auf den 
* nächit abzuhaltenden Landtag hin. 

Wie aber, und wo diefer Zafobi- Landtag zu Stande 
Hefommen fey, laͤßt fich nicht angeben. Alle unfere Chro— 
nifen ſchweigen darüber eben fo wie die Urkunden; nur in 
den Briefen der K. Elifabeth gefchieht desfelben Erwäh— 
nung. Sn Prag ift er kaum gehalten worden: denn eben 
Freitag nad Jakobi (29. Zult) wagten die Taboriten, un: 
ter Anführung des Herrn Joh. Kolda von Sampach, Herrn 
auf Nachod, des Nitterd Benes von Mokrowus und des 
befannten Bedtich von Straznic, jenen nur zufällig verei- 
telten nächtlichen Einfall in Prag (vermuthlih, um Prag 
in die Hände des Königs Wladislaw von Polen zu fpies 
len, dem fie fortwährend eifrig anhingen); was fte bei voll 
verfammeltem Randtage fehmwerlich unternommen haben wür—⸗ 
den. Es fcheint daher, diefer fogenannte Jafobi= Landtag 
fey nur eine erneuerte Öffentliche Zufammenkunft der Wäh— 
‘fer gewefen, um nach Einholung der vorläufigen Antwort 
Herzog Albrechts die ferner zu treffenden Maßregeln zu 
verabreden. 

Diefe Antwort (welche fih im Original”) noch im 
Archiv zu Wittingau befindet) it von München am 19. 
Juli 1440 datirt. Herzog Albrecht dankte darin den böh— 
mifchen Ständen für ihren guten Willen, den fie ihm 
erzeigt haben, und nachdem „als fie uns folich Wird und 
Ehr herheim gefchift und bracht haben (fehrieb er), fo 
wollen wir uns der nicht wehren noch entflahen, funder 
gerne ihr Konig ſeyn,“ jedoch erft dann, wenn nach ges 


) Hr. Kurz bat jie daraus in Freih. v. Hormayr's Archiv be: 
reits im J. 1815 im Mai dem Publikum mitgetheilt. 


42 


pflogener Unterhandlung mit ihnen ſich ergäbe, daß er 
rechtlich und nüzlich ihre König und Herr, feyn Eönne: 
„wann wir ungeren Konig feyn wollten, wir mochten dann 
alfo regieren, daß der Kovan (die Krone) und und gemei— 
ner Landfchaft Foblich,nüzlich und ehrlich, wäre.‘  Geine 
Erbländer der Krone Böhmens zu verfchreiben, geftatteten 
ihm die Familiengefezei feines Haufes nicht; die Ausld- 
fung der verpfändeten Krongüter verfprach er wohl binnen 
Sahresfrift zu bewerfitelligen, fo wie. die miderrechtlich 
abgeriffenen Beftzungen wieder, an die Krone zu bringen: 
Ueber die Compactate gab er diesmal gar Feine Antwort; 
Er befchied aber die böhmifchen Stände zu einer Zufams 
menkunft auf den. nädhften Barthelomäitag (25. Aug.) 
nad) Cham. 

Nun hielten die Wahler ihre getroffene Wahl, 3 
länger mehr geheim. Sie ließen ſie, wie es ſcheint, auf 
dent Jakobi-VLandtage öffentlich verkünden, ‚ohne daß fie 
für nöthig erachtet. hätten, lifabeths erneuerte Mahnuns 
gen und Bitten hierüber einer befondern Aufmerkfamkeit zu 
würdigen, oder auch nur. zu beantworten. So von allen 
Geiten getäufcht und verlaffen, jedes Fräftigen männlichen 
Beiftandes entbehrend, felbft vom äußerſten Geldmangel 
gedrüft, mußte die unglüfliche Königin endlich zu dem, bie- 
her verfchmähten K. Friedrich ihre Zuflucht nehmen. Der 
Bischof Silvefter zu Chiemſee und der Reichskanzler Rafpar 
Schlif waren die vorzüglichten Vermittler bei dem Ver⸗— 
fohnungswerke. Durch fie kam am 23. Aug. zu Haimburg 
ein Vergleich zwifchen Friedrich und Elifabeth zu Stande, 
wodurch. fich der erſtere verbindlich machte, gegen Weber: 
nahme. der Vormundfchaft und der Landesverwefung in 
Defterreich, ‚derer ih Herzog Albrecht begeben mußte, die 
Königin und ihren Sohn „gegen den fo ihnen widerwärfig 
find, am furderleichiften fo das befchehen mag, mit Schrei— 
ben, Botſchaften und Tagzumachen vathfam und furdere 
lei zu ſeyn, ob ihre Sachen zu befferm Stand kommen 





43 
mugen*).* . Zugleich ward Ladislam nebſt feinen beiden 
Schweftern von der Burg Forchtenftein anbergebracht, und 
dem Könige zur Verforgung und Erziehung übergeben: wo—⸗ 
gegen Friedrich die Königin neuerdings mit Darlehen uns 
terſtüzte. 

In der That nahmen ſeit dieſem Vergleich die ge—⸗ 
ſammten Umſtände eine für die Königin günſtigere Wen—⸗ 
dung. Während ihr ſiegreicher Feldherr Giskra ganz Ober: 
ungarn in ihre Botmäßigkeit brachte, und dadurch den pol 
nifchen Wladislaw von feinem Exblande abfchnitt, forgte 
K. Friedrich, duch Verwendung bei Albrecht von Baiern, 
dafür, daß die Krone Böhmens ihrem GSohne nicht ver- 
Ioren gebe. Er bedeutete dem Herzog, als römifcher König 
und als ältefter Fürft des Haufes Defterreich werde er es 
nimmermehr zulaffen, daß die Krone Böhmens feinem 
Haufe, dem-fie in Folge alter Erbeinigungen gehöre, ent: 
zogen werde, indem er felbft, nach dem etwaigen Abgang 
Ladislams, ihr nächfter Anwärter ſey; er warnte ihn, eine 
unbefugt unternommene und daher ungültige Wahlnicht an: 
zunehmen, wenn er fih und feine Länder in Frieden er 
halten wolle. In gleichem Sinne fchrieb er auch an die 
böhmifchen Abgefandten nah Cham; denen auch Elifabeth 
in einem neuen Schreiben die Nechtswidrigfeit ihres Vor— 
babens vorftellte, und fie für alle unglüflichen Folgen, die 
Daraus entfpringen würden, verantwortlich machte. 

Die böhmifchen Abgefandten erfchienen zur beftimme 
ten Zeit in Cham. Es waren. folgende: Ulrich von Ro: 
fenberg, Ptacek von Pirkftein, Georg von Podiebrad, Joh. 
Hertwil von Nufinow, Joh. von Smiric, Bohus KRoftka 
von Poftupic, Wenzel Zmrzlik von Swoyſſin, die drei 
Prager Bürgermeifter und ein Abgeordneter von Klattau; 
Meinhard von Neuhaus war verhindert worden, mitzugehen. 





*) ©. Kollar, Anal, monum. Vindob. 11. 845 sq. 


44 

Herzog Albrecht nahm fie freundlich und mit vielen Epren: 
bezeigungen auf, zeigte fih aber gleich Anfangs in alfen 
Verhandlungen fehr zurükhaltend, ja unfchlüffig. Denn 
auch abgefehen von der Weife, wie er gewählt worden, 
mußte ed dieſem frommen, von allem Ehrgeiz entfernten 
Fürſten bedenklich fcheinen, eine Krone anzunehmen, die ihn 
ans feiner glüklichen Ruhe reifen, und in eine unabfeh: 
bare Kette höchſt fchwieriger Verhältniffe verwikeln mußte. 
Seine Bedenklichfeit ward durd K. Friedrichs indeffen 
nach Cham gefommene Warnung noch erhöht. In diefer 
Derlegenheit begab er fich einft bei Nacht, in Begleitung 
eines feiner Näthe und zweier Kämmerer, heimlich zu dem 
Heren von Roſenberg, zu dem er von jeher ein befonderes 
Vertrauen gehabt, ihm um feinen aufrichtigen freund- 
fogaftlichen Rath erfuchend. Vorzüglich wünfchte er nähere 
Aufſchlüſſe über die Verhältniffe der Böhmen mit dem 
Concilium, und über die Gefinnung des leztern in Betreff 
der verlangten Beendigung der Compactate; dann über 
den Inhalt der alten Erbeinigungen zwifchen Böhmen und 
Defterreih. Er ftellte auch die Hilfsmittel dar, welche 
ihm, wenn er die Krone annähme, zu Gebote ftehen wir 
den, um die alten Verfchteibungen des Königreichs einzu: 
löfen und fi auf dem Throne zu behaupten. Rofenberg 
erzählte ihm hierauf umftändlich die Ereigniffe und Mo: 
tive, welche feine Wahl veranlaßt hätten, fo wie den ganz 
zen bedenflichen Zuftand der Verhältniffe Böhmens. Das 
befondere Zutrauen des Herzogs dankbar würdigend, rieth 
er ihm, zuerft bei K. Friedrich und bei Eltfabeth einige 
Mittel zu verfuchen, ob fie fich dadurch bewegen Tießen, 
ihren Anfprüchen zu feinen Gunften zu entfagen? Sollten fie 
ſich aber diefer Anfprüche um keinen Preis begeben wollen, 
dann geſtand er offenherzig, daß er fir feine Perfon dem 
‚Herzog nicht rathen wolle, eine Krone anzımehmen, die 
er mit feinem binfänglichen Rechtsgrunde, fondern nur 
mit den Waffen in der Hand ſchüzen und behaupten Ednnte; 





45 
denn ein neuer Parteifrieg Aaväre dann in Böhmen um 
fo umvermeidlicher, als die Kronländer dem Eöniglichen 
Kinde größtentheils ſchon gehuldigt hätten. Er fügte zulezt 
die Bitte hinzu, daß der Herzog dieſen treuberzigen Rath 
gütig aufnehmen, und vor feinen Mitabgefandten geheim 
halten möchte. Mit heiterer Miene und feitem Tone dankte 
Albrecht für den wohlmeinenden Rath. . Dasselbe hätten 
auch feine Näthe ibm gerathen, fagte er; fein Entſchluß 
ſey nun gefaßt; ohne Beiftimmung des römifchen Königs, 
der K. Eliſabeth und des Basler Conciliums werde er den 
böhmischen Thron nimmer befteigen. 

Die öffentliche Antwort, die er hierauf den böhmi— 
ſchen Abgeordneten gab, war fo abgefaßt, daß fie ihnen 
alle Luft benahm, in den Unterhandlungen weiter fortzus 
fahren. Er dankte ihnen nochmals für das hohe Ders 
trauen, das fie ihm bewiefen, indem fie ihn zu ihrem Kö— 
nig gewählt; er wolle ihnen auch gerne aufs Wort glau— 
ben, Daß fie es zu thun berechtigt gewefen, obgleich ihm 
von der Königin Elifabeth das Gegentheil wäre verfichert 
worden. Da jedoch beide Länder, Böhmen und Baier, 
zum deutfchen Neiche gehörten, fo halte er es für noth— 
wendig, Diefe Sache vorher an dad Neichsoberhaupt zur 
Entfcheidung zu bringen, damit nicht etwa der Friede diefer 
Länder und des ganzen deutfchen Neichs geftört werde, wenn 
er gegen den Willen des römifchen Königs fich in den Be: 
fiz von Böhmen fezte. In Betreff der Compactate und 
Rokycana's fey er willig, alles treulich zu erfüllen, was 
das Concilium für das Geelenheil der Böhmen bereits 
befchloffen habe und noch befchliegen würde, In den min: 
der wichtigen Punkten der Capitulation zeigte er fich den 
Ständen vollkommen willffährig. Zulezt fügte er aber 
die Claufel hinzu: wenm es ſich ergäbe, daß er mit gu— 
tem Necht und Gewilfen von dem böhmifchen Reiche Be— 
fiz nehmen könne, fo verlange er auch von den Stän— 
den die. Sicherftellung darüber, daß die Krone Böhmens 


46 


bei feinen männlichen Defeendenten in alle Zukunft erblich 
verbleibe. 

Es bedarf feiner weitern Erklärung, um den eigent: 
lichen Sinn diefer Antwort zu faffen. Im den Hauptpunf: 
ten lautete fie den Wünfchen der Böhmen gerade entges 
gen. Der neue König folte die Nation ſowohl gegen KR. 
Friedrich, ald auch gegen das Eoneiltum vertreten: und er 
erklärte fchon vorhinein, fich feldft der Entfcheidung diefer 
Autoritäten unterwerfen zu wollen. Und das Erbrecht 
mochten ihm die Wähler um fo weniger zugeftehen, als fie 
eben jezt fich ein Wahlrecht anzumaßen anfingen, und Al 
brecht nicht einmal feine Erbländer der Krone Böhmens zu 
verfchreiben verfprochen hatte. Höchſt mißvergnügt ver 
Yiegen fie Cham, in der Abſicht, alfogleich einen Landtag 
zur neuen Königswahl zu berufen. Einige wollten fogar 
Auf dem Rükwege, in Pilfen, Schon zum Akt einer neuen 
Wahl fehreiten, und Rofenberg hatte Mühe, ihnen die 
SmeElofigkeit diefes Vorhabens einleuchtend zu machen, ine 
dem fie ja zu nichts weiter berechtigt wären, ald das Re— 
fultat diefer Unterhandlunger dem vollen Landtage vorzu— 
legen , und deffen weitere Befchlüffe abzuwarten. Sie Fin: 
digten alſo einen alfgemeinen Landtag auf Simonis und 
Judä (28. Det.) an, und begaben ſich indeffen jeder nach 
Haufe. 

Das Näthfelhaftefte im ganzen Verlauf diefer Ge: 
fhichte ift das Benehmen des Herrn Ulrich von Nofenderg. 
Als Negierer feines Haufes, hatte diefer mächtige Baron, 
nach der böhmifchen Verfaffung, in allen ftändifchen Anges 
legenheiten feiner Zeit felbft vor dem DOberftburggrafen den 
Vortritt; er nannte ſich, zunächft dem König, den eriten 
Nechtspfleger des Reichs (prwnj popramce po Frali), und 
die andern Barone machten ihm diefen Titel nicht ſtreitig; 
feine Geburt, fein Vermögen und fein feiner Geift verfchaff: 
ten ihm einen Einfluß, der ſelbſt die außerordentliche Pos 
pularität Ptaceks aufwog. Schon bei Lebzeiten K. Sig— 








47. 


munds hatte er fich mit den Fürften des Haufes Defterreich 
aufs innigfte verbunden, und vorzüglich feiner Verwen—⸗ 
dung hatte König Albrecht den Beſiz der böhmifchen Krone 
zu danken; er ftand fortwährend in enger Verbindung mit 
der K. Elifabeth, die ihm ihr ganzes Vertrauen ſchenkte, — 
und doch fah man ihm ſich dem Einfluge Ptaceks bei der 
Königewahl fat gar nicht widerfezen, und die Wahl Al 
brechts von Baiern mit einer Leichtigkeit genehmigen *), 
die nur entweder durch einen ungewöhnlichen Leichtfinn, 
oder durch eine eben fo feltene Ireulofigkeit erflärbar zu 
feyn ſcheint. Vor dem erftern Vorwurf fchüzt ihn aber 
feine ganze übrige Handlungsweife; und gegen den zweiten 
fpricht ein Brief der Königin Eliſabeth vom 9, Det., worin 
fie ipm für die „große Treue“ dankte, die er iht fo eben 
beiwiefen habe. : Daher dringt fich die Vermuthung mächtig 
auf, er habe, den Erfolg vorausfehend, dem ſtürmiſchen 
Derlangen der Mehrzahl der Stände für den Augenblik 
nachgegebeit, und die Wahl auf den ftillen, frommen Her: 
509 von Baiern gelenkt, um fie dann bei dieſem felbft um 
fo leichter vereiteln zu Eonnen. Der Kunftgriff war wohl 
gewagt, aber er lag nicht außer der Handlungsmweife diefes 
böchft gewandten Unterhändlers. Wer wäre hiebei nicht 
geneigt, einer in ihren Folgen fo ſchönen That, eben fo 
Schöne Motive zu unterlegen? Leider aber wird durch die 
kaum halbverhüllten Geftändniffe Rofenberg’s felbit der 
Verdacht nur zu fehr begründet, es fey diefem ſelbſtſüchti— 
‚gen Manne nur vorzüglich darum zu thun gewefen, eine 





*) Ales von Sternberg bat ihm ſpäter (in einem Briefe vom 
20. Febr. 1449) fogar den Vorwurf gemacht, daß er der 
Erfte gewefen, der dem Herzog von Baiern feine Stimme 
gab. „Masli to dietẽ (fr, Ladislawa) za prirozeného Erale: 
mily prieteli, Fam jme geho w ty chwjle byli deli, kdyz me 
byli wolili gednojwornd Eneze Aldrechta Baworffeho ? A tys 
mily prieteli pronj hlas E tomu dal.“ 


45 


bedeutende Schuldforderung, die er an die Erben des K, 
Alprechts hatte, durch Abfall von denfelben nicht einzubüßen. 

Der Simonis- und Zudä = Landtag war einer der 
ftürmifchften, obgleich nur von Wenigen befucht. Die Leis 
denfchaften der Parteien waren new aufgeregt, Das gegen 
feitige Mißtrauen, die Anarchie im Lande erhoben fich wie: 
der. Vorzüglich war man gegen K. Friedrich aufgebracht, 
der das Neich weder felbft. übernehmen, noch einem andern 
gönnen wolle. Bei der geringen Zahl der Anwefenden 
wagte man e8 nicht, irgend einen Landtagfchluß zu fallen; 
man fezte aber einen allgemeinen Landtag auf den nächiten 
Mariä Lichtmeße Tag (2. Febr. 1441) an, und forderte 
nachdrüklich alle Landherren und Stände, und felbit die 
Kronländer auf, dabei zu erfeheinen. Indeß befchloß man 
an K. Friedrich eine eigene Gefandtfchaft zu fchifen: und 
Roſenberg wußte es dahin zu bringen, daß ihm diefe Ger 
fandtfchaft allein anvertraut wurde. Er begab fih mit 
einem glänzenden Gefolge von SO Pferden an den Hof K. 
Friedrich; und nachdem er dafelbft fieben volle Wochen 
zugebracht, erhielt er zur Antwort: da das Anliegen der 
böhmischen Stände von großer Wichtigkeit fey, fo wolle 
der römifche König fich erft mit den Kurfürften des Reichs 
darüber berathfchlagen, und ihnen dann nach feiner Rük— 
Eunft aus dem Neiche den verlangten Befcheid geben. 


(Kritifche Demerfungen und urfundliche Belege zu dieſem Aufſaze 
folgen im nächſten Hefte.) 








“ 


Eonette von J. Kollar. 
Aus dem Böhmifchen überfezt von Jof. Wenzig. 
re 
u. ı 

Erſchaffe dir ein Bild aus Duft gewoben, 

Die ſchönſte Seele in der ſchönſten Hülle 

Durchſchimmere des’ Körpers reiche Fülle, 

Die body ſich über Irdifches erhoben. 

Im Auge fpiegle fih Vertrau'n nad oben, 

Und wahrer Erdenliebe reiner Wille; 

Die Stirn erhebe fih, ald ob fie ftille 

Das füge Schmeichelmündchen wollte loben. 

Zwei Kränze laß das Lofenhaupt umfangen, 

Drin Blümchen aller Horen, aller Zonen, 

Wie Regenbogenfarben, lei ſich wiegen; 

Und endlich möge auf ven zarten Zügen 

Der Zauber flaw’fher Frauenwürde thronen : 

Und vor dir fiehft du — Ihren Schatten prangen. 

| x 

Nie ift der Morgen aus dem Blumenbeete 

Des Oſt's in jenem Glanz zurüfgekehrt, 

Mit dem Ihr herrlich Augenpaar verzehrt, 

Sn welches Lada Bliz’ und Flammen ja'te. 

Des Frühlings Pinfel hat die duftummehte 

Mairofe nie mit jener Gluth verklärt, 

Die Ihres Mundes Blüthenpforten nährt, 

Und fie verſchönt mit ewigfriſcher Röthe. 

Nie war die gold'ne Sehne in dem Bogen 

Des Swatopluk, vor dem das All ſich beugte, 

Geſchmeidiger, als Ihres Armes Bug; 

Und was erdachte Fabeln kuͤnſtlich logen, 

O ſieh, das iſt's, was hier die Wahrheit zeugte: 

Ein Fuß, der kaum den Sand berührt im Flug. 
4 


50 


3. 
Die Wangen, die aus Nojen Purpur fogen, 
Der Mund, um den ein fchaffhaft Lächeln ſchwebt, 
Der weiße Naken, der ſich ſtolz erhebt, 
Der Scwanenhals mit gold'nen Lokenwogen, 


Die Sonttenftirn, der Brauen fanfter Bogen, 
Der ftrenge Blik, in dem die Huld dody lebt, 
Der Seufzer, den Sie zu verhehlen ftrebt, 

Ein ſüßes Wörtchen, das Ihr halb entflogen: 


Ach alles dieſes bringt mein Herz in Gährung, 
In taufend Schlingen lokt mic Amors Lift, 
Indem er täuſchend feines Worts vergißt; 


Bis endlih Sie in Fiebliher Verklärung 
Dem Streit und Kummer wehrt, der Sinn und Geift 
und Geift und Sinn in frete Wirbel reift. 


4, 
Der Polin Sprache flötet fanfte Klänge, 
Die Serbin weiß durch Anmuth anzuregen, 
Die Mädchen unferer Slowaken pflegen 
Der treuen Herzlichkeit und holder Sänge, 


Die Ruffin herrfchet gern im Weltgedränge, 
Die Böhmin tritt dem Kampfe Fühn entgegen; 
Doch Slawa wünſchte fih der Einheit wegen 
Im Ganzen diefer Blüthengaben Menge, 


And es befahl dem Amor fchnell die Hehre 
Zur Harmonie die Theile zu verweben, 
Daß all der Schmuk nur eine Slawin Frone: 


Drum einen bier, wie dort die Flüſſ' im Meere, 
Si) alle ſlaw'ſchen Reize, wie fie leben, 
Die ſlaw'ſche Tugend, Grazie und Schöne, 





5. 
Kaum, daß die Sinne fih in Deinem hehren 
Geweihten Kreife nur zu regen wagen: 
So pflegt der Reiz zu Boden fie zu fihlagen, 
Der fie ist blind vermochte zu bethören, 


Du gibft nur Hoffnung, ohne zu gewähren, 
Dein hoher Adel bringt den Geift zum Zagen, 
Als ſchüzte dich, vom Sturm herabgetragen, 


Mit Sieg und Furcht ein Heer von Himmelschören. 


Aus Liebesſaat erblüh’n mir Tugendfrüchte, 
Der Veſta opfer’ ich in Cyperns Tempel, 
In Amor durft’ ich einen Genius finden. 


Co weiß ſich Liebe ſelbſt zu überwinden, 
Die Leidenfhaft empfängt der Sehnfuht Stempel, 
Wer Erde fucht, erbfifet Himmelstichte. 


6. 


ALS jüngft der Mond auf jenen Bergeszinfen 
Im vollen Blüthenftrahle aufgegangen, 

Bedünkt' es mich im fehnfuchtsvollen Bangen, 
Als ſäh' ich dort Dein glühend Antliz winken. 


Sch eilt’ ihm zu, um Dir ans Herz zu finfen, - 
Ich ſchwazte viel mit ihm, vom Wahn befangen; 
Da hört’ ih Taut der Berge Spott im langen 
Gelächter halfen bei der Sterne Blinken. 


Und aufgefchreft von dem Gefpenfterfpufe 
Beklagt' ich) mich in Zorn und Scham bei ihnen, 
Und fie, die Sterne, ſprachen janft und leiſe: 


„Weißt du denn nicht, daß wir aus unf'rem Kreije 
- Die jhönfte Schweiter an Geftalt und Mienen 
Der Slawa fendeten zum reihen Schmufe ?“ 

4* 


51 


7: 
Ihr Schnitter faget, babt ihr nicht beim Mähen, 
Da ihr die Aehren ſchnittet zum Gebind', 
Im Feld ein wunderlieblich Schnitterkind 
Mit einem goldnen Aehrenkranz geſehen? 
Ihr Hirten, die ihr treibt auf grüne Höhen 
Die weißen Lämmlein, die ſo fromm geſinnt, 
Habt ihr ein wunderlieblich Hirtenkind 
Nicht irgendwo auf grüner Höh' geſehen? 
Vernahmt ihr Droſſeln, Täubchen, Felſen, Quellen, 
Ihr Sträuche, deren Zweiglein ſaftig jehweilen, 
Nicht Ihre Stimme, die ſo lieblich tönt? 
Erbarmt euch meiner reinen Herzenstriebe, 
und helfet Sie mir finden, die ich liebe, 
Seid milder, als das Schikſal, das mich höhnt! 
8. 
Vernehmt mic Berge, hohe Felsgefteine, 
Und thürmt euch Berg auf Berg zur Wolfenbahn, 
Erbaut mir eine Leiter himmelan, 
Daß ich die Ferne ſchaue, die ic meine: 
Vernehmt mid) Berge, hohe Selögefteine! 
Vernehmt mich Ström' im donnernden Vereine, 
Eh' ihr dahinbraust in den Ocean, 
Und tragt Shr Hymnen zu im Liebeswahn, 
Und diefe trüben Thranen, die ich weine: 
Bernehmt mic Ström’ im donnernden Vereine! 
Mas feid ihr ftill geworden Lüft’ und Winde? 
O wehet meine Seufzer bin zu Ihr, 
Erbarmt euch meiner, eilet, eilt geſchwinde: 
Was feid ihr ftill geworden Lüft’ und Winde? 
Bringt mich zu Ihr, geheime Geifterheere, 
Bringt mich zu Ihr hin, oder Sie zu mir, 


Ob Sturm, ob Naht, ob Schrefen es euch wehre: 


Bringt mich zu Ihr, geheime Geijterheere! 











53 


Was gewinnt die böhmifche Gefchichte durch die 
Monumenta Germaniae historica, welche die Ge- 
felfhaft für ältere deutfhe Gefchichtsfunde ver- 
anftaltet, wovon der erfte Band bereits 
(Hannover 1826) erfchien 





Bon 3. Dobromjfy. 
— 


Da ſich Geſchichte auf Ausſagen bewährter Zeugen grün— 
den muß, ſo ſind unſers Coſmas Nachrichten von den 
früheſten Zeiten (von Krok und ſeinen Töchtern bis auf 
Hoſtiwit herab) wohl Sagen, aber noch keine Geſchichte 
zu nennen. Er ſelbſt will feine Erzählungen im erſten 
Buche bis Borimoy für nichts anderes angefehen wiffen. 
Seine Duelle, woraus er fie fehöpfte, waren nur fabelhafte 
Erzählungen alter Leute. Perpauca, fpricht er in der 
Vorrede, quae didici senum fabulosa narratione — ne 
omnino tradantur oblivioni, pro posse et nosse pando 
omnium bonorum dilectioni. Er konnte Fein Seitbuch 
finden, worin die Begebenheiten vor 894 chronologifch ver: 
zeichnet gewefen wären, daher er auch Fein früheres Da— 
tum anzugeben wußte. Annos autem, fagt er, dominicae 
incarnationis ideirco a temporibus Boriwoy primi dueis 
catholici ordinare coepi, quia in initio hujus libri nec 
fingere volui, nec Chronicam reperire potui, ut quando 
vel quibus gesta sint temporibus scirem. Die Aufzäh— 
lung der heidnifchen Herzoge befchließt er mit der Bemer— 
fung, es werde von ihrem Leben und Tode gefchwiegen, 
weil zu jener Zeit niemand da war, der ihre Ihaten fehrift: 
lich verzeichnet und fo der Nachwelt aufbewahrt hätte. 


54 

Horum igitur prineipum de vita aeque et morte siletur, — 
quia non erat illo in tempore, qui stylo acta eorum com- 
mendaret memoriae. Doch nimmt feine Befchreibung des 
Krieges zwifchen dem böhmifchen Herzoge Neklan und dem 
Eifer (Saazer) Fürften Wlaſtislaw eilf ganze Seiten ein. 
Coſmas ijt aber fo aufrichtig zu befennen, daß er dies nur 
von Hörenfagen wiffe (quod referente fama audivimus), 
und überläßt e8 ganz dem Urtheile des Lefers, ob er Diefe 
Erzählung für eine wirkliche Begebenheit oder für eine Erz 
dichtung halten wolle. Et quoniam haec antiquis refe- 
runtur evenisse temporibus, utrum sint facta an ficta, 
leetoris judicio relinquimus. 

Auf diefe Art hätten wir Böhmen, von der Beltz: 
nahme des Landes durch Slawen bis über die Hälfte des 
neunten Sahrhunderts, wohl einheimifche alte Sagen, die 
uns der würdige Dechant Eofmas aufbewahrte, aber noch) 
feine wahre Gefchichte, Feinen Bericht eined glaubwürs 
digen Zeugen. Wir find alfo gendthigt, unfere älteſte 
Gefhichte aus den Jahrbüchern unferer Nachbar, der 
Deutfchen, zu fhöpfen. Dank fey es der preismürdigen 
Geſellſchaft für ältere deutſche Gefchichte, daß fie ung die 
deutfchen Annalen in einer neuern vichtigern Ausgabe dar- 
bietet. | 

Wenn Pelzels Abhandlung über Samo im erften 
Bande der Abhandlungen einer böhmifchen Privatgefell: 
ſchaft gültigere Beweife für fih Hätte, als ſchiefe und ges 
zwungene Auslegungen der Worte Fredegars (deffen Nach: 
richten von Samo nicht unbedingt zu trauen ift), fo hätten 
wir doch Urfache, dem Könige Samo, der fchon im Jahre 
630 mit dem Dagobert zu thun hatte, eine Stelle in un: 
ferer Gefchichte einzuräumen. Allein da Fredegar im erften 
von Hrn. Archivar Pers herausgegebenen Bande Scripto- 
rum nod nicht erfehtenen iſt, fo wollen wir einftweilen 
den uns feit 1775 aufgedrungenen Samo den Karantanern 
willig überlaffen, und jezt zur Prüfung derjenigen Stellen in 





55 


deutſchen Annalen, aus welchen die böhmiſche Geſchichte Erz 
weiterung oder Berichtigung zu erwarten hat, übergehn. 
Karls des Großen ſiegreiche Waffen, nachdem ſie die 
Sachſen bezwungen, die Avaren vertilgt haben, erreichten 
. endlich auch die flawifchen Völker, die Obodriten, Wilten 
(Wilzen) und die Böhmen. Im J. 805 unternahm Katl, 
fein Sohn, einen Feldzug gegen die Böhmen, weil fie 
durch ihre Einfälle die Avaren in Defterreich, die unter 
dem Schuze des Kaifers ftanden, beunruhigten. Die Stelle 
in den deutfchen Annalen, worin der Name des böhmifhen 
Herzogs oder Heerführers, der damals erfchlagen ward, 
vorkommt, entging zwar unfern Gefchichtsforfchern nicht z 
aber alle nannten ihn Lecho, weil fie fo in den frühern 
Ausgaben gedruft fanden. Allein nun wird in der neuen 
mit Eritifhem Fleiße beforgten Ausgabe diefer Name ans 
ders gelefen. Es heißt nun in Einhards Annalen: Eodem 
anno (d. i. 805) misit (der Kaifer) exereitum suum cum 
filio suo Karlo in terram Sclavorum, qui vocantur Be- 
heimi. Qui omnem illorum patriam depopulatus, du- 
ceın eorum nomine Bechonem oeccidit. Für die Niche 
tigkeit diefer Lesart werden fieben Zeugen angeführt, Die 
viel wichtiger find, als die Zeugen für die Lesart der ältern 
Ausgaben, d. i. für Lechonem, Es ift begreiflih, wie 
becho in lecho verändert werden konnte. Auch ift der 
Name Bech, Becho, bei den Böhmen noch im XIV. und 
AV. Jahrhundert üblich gewefen, wie ich es aus mei- 
ner Sammlung der böhmischen Perfonen- Namen aus Urs 
kunden beweifen kann. Den Namen Lech, Leho, habe 
ich noch nicht entdeken können. Die hergeftellte richtige 
Lesart Becho ift alfo ein wirklicher Gewinn für die böh— 
miſche Gefchichte. Polnische Gefchichtfchreiber werden nun 
nicht mehr verfucht werden, fich den Heerführer Lecho zus 
zueignen, und unter diefem Namen einen ihrer erdichteten 
Leszek zu fuchen. Daß diefer falfch gefchriebene Lecho 
(auch Letho) in den FZulder Annalen fogar König genannt 


56 


wird, bat nichts auf fih, da die Ehroniften mit diefem 
Titel ſehr freigebig waren, und ihn den Häuptlingen unter 
fremden VBölfern ohne Bedenken beilegen. 

Die Annales Tiliani wiederholen (S. 223) die ganze 
Stoffe aus Einhards Annalen, doch mit der Abweichung, 
daß fie lechonem für bechonem und Ginu für Beheimi 
leſen. Da die ganze Stelle aus Einhard entlehnt ift, fo 
ift es wahrfcheinfich, daß hier der Name Beheimi verftüm- 
melt worden. Die Sylbe beh mag verblichen und nur 
eimi lesbar gewefen feyn. Aus eimi ward endlich einu. 
Sch kann daher des Herausgebers Vermuthung, der cihu 
für einu leſen will, nicht bilfigen. Er glaubte in Cihu, 
wenn es wie Cichu ausgefprochen würde, den einheimifchen 
Namen Tſchech zu finden. Allein die Böhmen werden in 
den deutfchen Annalen nie anders als Beheimi, Behemi, 
Behaimi, Behemanni, Behemenses, feltenee Bohemi, 
genannt, wobei die Ableitung von dem Namen des Landes 
Bohemum, Beheim, immer noch Fennbar bleibt. An den 
Mawifhen Namen Czech ift bei der Verftümmlung cinu 
gar nicht zu denfen. 

Ansführlicher ift der Bericht in den Meger Annalen 
von Diefem Feldzuge nach Böhmen. Drei Heere brechen 
von drei Seiten, aus Franken, Baiern und Sachſen, in 
Böhmen ein. Auf einer Ebene des Landes vereinigen fie 
fih und lagern fich nicht weit von einander: Venientes au- 
teın undique in planitiem Behemi , universi prineipes 
diversarum gentium in conspectu regis Karoli pervene- 
runt, Castrametati sunt autem, haud procul a se illi 
innumerabiles exereitus distantes. Die richtig angebrachte 
Interpunction nach Behemi (der Genitiv im Singular von 
Behemum) hätte unfern Fritifchen Dobner vor einer Ueberei: 
fung verwahren können. Er nahm Behemi für den Plural, 
verband e8 mit universi principes, und glaubte daher, daß 
fi) im böhmiſchen Heere mehrere flawifche Fürften befun— 
den hätten. Allein nad) dem weitern Bericht der erwähn: 








57 


ten Annalen waren die Böhmen auf einen Widerftand gar 
nicht vorbereitet. Sie flohen in unwegfame Gegenden und 
Wälder. Sed Sclavi invia (nicht in vias, wie ehedem) 
et saltus penetrantes se minime ad pugnam praeparave- 
runt. Dierzig Tage dauerte die Verwüſtung des Landes, 
und da es zulezt an Futter für Pferde und an Mundvor: 
rath gebrach, verließen die Feinde Böhmen, und Fehrten in 
ihre Heimath zurüf. Wo mag nun wohl diefe Ebene zu 
fuchen ſeyn, auf welcher fich die deutfchen Heere lagerten? 
Hierüber gibt dad Chronicon Moissiacense ©. 307 gute 
Auskunft. Das Heer der Sachſen zog über Hwerenofelda 
und Demelchion, und nachdem fie den König Semela 
(einen forabifhen Fürften), der feine zwei Söhne als Gei: 
feln itelfte, bezwungen hatten, brachen fie über Fergunna 
in Böhmen ein. Bei Fergunna ift wohl nicht an Fünf: 
bunden in Böhmen zu denken, fondern vielmehr an einen 
forabifchen Gau. Nun kommen fie an die Eger; hier treffen 
alfe drei feindlichen Heere zufammen; beremnen Camburg 
(Canburg) und verwüjten das Land bis an die Elbe hin. 
„Et venerunt ad fluvium, qui vocatur Agara, illi tres 
hostes insimul et inde venerunt ad Gamburg, qui et 
illum obsederunt et vastaverunt regionem illam in eir- 
euitu Albiae (nad) einer andern Lesart: in ista parte Al- 
biae et ultra Albiam). Et postea cum victoria regres- 
sus est Karolus rex in Francia. Bei Kamburg (au) Kan: 
burg) dachte der Herausgeber an Kammerburg, das wegen 
der weiten Entfernung von der Eger und der Elbe nicht ge 
meint feyn Eonnte, wenn es auch wirkfich ſchon damals be- 
fanden Hätte. Wahrfcheinlicher rieth Dobner auf Kaden, 
weil da in alten Zeiten eine fefte Burg war. Wir wollen 
- die Lage diefer Burg lieber unbeftimmt laffen, da fie ihren 
alten Namen längft verändert haben mag. Dies geht deut: 
lich genug hervor, daß die Ebene, worauf die feindlichen 
Heere zufammenftießen, unfern der Eger war, und feine 
andere feyn Eonnte, als die Gegenden um Saaz, Poſtel— 


58 


berg, Laun. Bon hier an der Eger fortzichend, gelangten 
fie an die Elbe bei Leitmeriz. Wenn man im Texte liest: 
Anno 805 Karolus Imperator misit flium suum Karo- 
lum regem cum exereitu magno ad Cichu-Windones, 
fo muß ich bemerken, daß die monftröfe Zufammenfezung 
eine bloſe Conjectur des Herausgebers ift, die fich nicht 
vechtfertigen läßt. Er hatte nur zwifchen super Windones 
und ad euhuvidines zu wählen. Gegen die erfte Lesart 
ift Doch nichts einzuwenden; die zweite ift ein offenbarer 
Schreibfehler, deffen Entftehung immer unerflärbar bleiben 
mag. Wie? wenn aus adversus Windones das unge— 
heure ad euhuvidines entftanden wäre? Des Herausge— 
bers Geftändniß: eichuwindones veram lectionem esse 
conjeci, erfaubt uns die Frage, worauf fol ſich diefe Eon: 
jeetur gründen? Doch wieder nur auf eine unwahrfchein: 
liche Gonjectur, indem er auf Seite 223 den Lefer verwei- 
fet, wo er cihu für einu leſen will, ohne jedoch eihu in 
den Tert aufgenommen zu haben. Alfo, wie dort, follte 
auch hier die blofe Eonjeetur nicht in den Tert aufgenom: 
nen werden, weil super Windones mehr für ſich hat, als 
die gemagte Eonjectur, In den Annalen S. Amandi fteht 
beim J. 805 Wenedonia für Böhmen, wenn gleich fonit 
Wenedonia ein flawifches (wendifches) Land überhaupt bes 
deutet. So ift denn Cichu vor Windones nicht nur über: 
flüſſig, ſondern ganz verwerflich. 

Warum hat nun Coſmas dies höchſt wichtige a 
vom J. 805 in feine Gefchichte nicht aufgenommen? Regi— 
no's Chronik und deffen Continuator Eonnte ihm doch nicht 
unbekannt feyn, da er ihm die fremden Nachrichten (felbit 
Boleslaws Bezwingung) vom $. 930 bis 951 theils buche 
‚ftäblich, theils auszugsweiſe nachgefchrieben. Jedoch wußte: 
er, daß Böhmen unter Karl dem Großen dem deutfchen 
Neiche zinspflichtig geworden, indem er beim J. 1040 den 
böhmifchen Slawen die Worte in den Mund legt: Semper 
salvo tenore nostrae legis fyimus et hodie sumus sub 





59 


imperio Karoli regis et ejus suecessoribus. Er mußte 
auch, worin der auferlegte Tribut beftand, nur mochte er 
in der Perſon desjenigen, der ihn auferlegte, irren, indem 
er Pipin anftatt Karl nennt: Talem enim nobis legem 
instituit Pipinus, magni Karoli regis filius, ut an- 
nuatim Imperatorum successoribus CXX. boves elec- 
tos et D. Marcas solvamus, Marcam nostrae monetae 
CC. nummos dieimus, 

Etwa dreißig Jahre nah Coſmas (er ftarb 1125) 
batte ein Benedictiner zu Hradifch in Mähren ein altes 
Ehronifon vor fich, mit welchem er die einheimifchen Be: 
gebenheiten, die er aus Coſmas und feinem Fortfezer 
nahm, verband, und einiges noch felbft hinzufügte, Aus 
diefem entlehnte er nun auch folgende Stelle; A. 805 Im- 
perator misit filium suum Carolum cum excereitu in 
Boemiam, qui depopulatis omnibus ducem terrae illius 
nomine Lechonem oceidit. Da dies, fo wie manches ans 
dere, mit der Ursberger Chronif wörtlich übereinfommt, 
fo ift Elar, daß auch der Ursberger Abt Conrad dasfelbe 
alte Chronikon benuzte, Bei Dobner (Mon. III.) find die 
Excerpte aus dem Wiener Coder (Hist. eccl. N. L.), der 
ehedem dem Klofter Opatowic in Böhmen gehörte, fehr une 
vollftändig, daher bei ihm die angeführte Stelle nicht zu 
leſen ift. 

Aus den Fulder Annalen Iernen wir beim J. 872 
fünf böhmiſche Fürften, nach der neuen Ausgabe noch einen 
fechsten kennen. Die Stelle lautet nun nach der älteften 
Handfohrift, wie folgt: alii destinantur contra Behemos, 
qui duces quinque his nominibus Zventisla, Witi- 
slan, Heriman, Spoitamor, Moyslan, Goriwei, eum 
magna multitudine sibi rebellare nitentes Dei auxilio 
freti in fugam verterunt, et alios quidem oeciderunt, 
alios vero vulneraverunt, quidam etiam in fluvio Ful- 
daha submerserunt, Sonderbar genug, daß fünf gezählt 
und ſechs genannt werden. In andern Handſchriften, die 


60 


hier manches wegliegen, fehlt auch der Name Goriwei, 
weil fie etwa genauer zählten, und fich ftrenge an das. vor— 
hergehende quinque hielten. Für Zventisla leſen andere 
Zwentislan; nad) flawifcher Ausfprache müßte slau (slaw) 
für slan gelefen werden, folglich Zwentislau, und fo auch 
Witislau, Moyslau. Für Spoitamor — * andere zum 
Theile richtiger Spoitimar. Ganz ſlawiſch müßte er Spi- 
timir gefchrieben werden. Fuldaba, nach einer Handſchrift 
auch Waldaha, ift unſre Moldau, im böhmifchen Munde 
Wltawa. Wer foll aber Goriwei feyn? VBermuthlich der 
Herzog Borivoy. Bofimoy war Goftimits Sohn, Spi— 
tignews und Wratislaws Vater, den Coſmas für den erften 
chriftfichen Herzog ausgibt. Bifchof Method fol ihn in 
Mähren 894 (wohl fihon zwifchen 871 und 881) getauft 
haben. Heriman fcheint, nach feinem Namen zu ſchließen, 
ſchon ein getaufter Fürft gewefen zu feyn. Denn ſchon im 
J. 845 hat K. Ludwig vierzehn böhmifche Fürften taufen 
laffen, wie e8 die Fulder Annalen berichten: Hludovicus 
14 ex ducibus Boemanorum cum hominibus suis chri- 
stianam religionem desiderantes suscepit et in octavis 
theophaniae baptizari jussit. Unter dieſen Fann gar wohl 
Weriman gewefen feyn. Ueber die vielen Fürften darf man 
ſich nicht wundern, da Böhmen in den älteften Zeiten, wie 
Rußland, Polen, Schlefien, aus mehreren Zürftenthümern 
beftand. Daß unter diefen die Prager einen Vorrang 
hatten, erhellt aus einer andern Gtelle der Fulder Anna— 
fen, worin beim 3.895 erwähnt wird, daß alle böhmifchen 
Fürften, die der mährifche Herzog Swatopluf mit Gewalt 
von den Batern abwendig gemacht hatte, zum Neichstage 
nach Negensburg gekommen wären, und ſich dem Könige 
von Deutfchland imterworfen hätten. Unter diefen werden 
Spitignew und Wratislaw als die erffen genannt: quo- 
run primores erant Spitiguewo, Witizla. Im Miener 
Codex fteht ui utizlaz der Abfchreiber hatte uratizla vor 
fi), das er nicht gut las. 








61 


Bei der umrichtigen Lesart Behin (lies Behim) in 
den Bertinifchen Annalen ©. 496 wird Note 74 erinnert: 
legenduin Bechin; Behemi, fortasse a duce suo Bech 
anno 805 oceiso nomen sortiti. Unmöglich kann die De: 
nennung des Landes Böhmen von diefem Bech abgeleitet 
werden, da der Name des Landes viel älter if. Schon. 
Tacitus leitet Bojemum von Bojen ab: Manet adhuc 
Bojemi nomen, significatque loci veterem memoriam, 
Germ. c. 28. 

Beim 3. 90 kommt in der Fortfezung des Negino ' 
unfer Herzog Boleslaw vor: Boemorum princeps Bolizlav- 
In den St. Galler Annalen, wo des unglüflichen Zuges, 
den 1040 K. Heinrich gegen Herzog Bracislav oder Breti- 
slav unternimmt, erwähnt wird, Iefen wir: Boemanum 
ducem Pezpremonem — edomare aggressus. Wer würde 
e8 hier errathen, daß Pezpremo unfer Bretislaw feyn fol! 





NMotizen über die Bevölkerung Prags. 


Ä Bon Dr. Franz Gteljig, 
4 k. Phyſikus der Altſtadt Prag. 





Die richtige und genaue Angabe des Bevölkerungs— 
ftandes der Hauptftadt eines Landes ift in hiftorifcher und 
ſtatiſtiſcher Hinficht darum vorzüglich intereffant, weil deffen 
Veränderungen den ffeigenden oder finkenden Wohlitand 
nicht nur diefer Stadt, fondern auch des Landes felbft, 
deſſen Metropole fie ift, jedesmal am natürlichften und 
ſicherſten anzeigen. 

Die meines Erachtens wohlgegründete Behauptung, 
daß umfere uralte Königftadt zur Zeit ihres höchften Flors 


62 


im Mittelalter, zu Ende des XIV. Jahrhunderts, wo der 
deutfche Kaiferhof viele Fürften und Edle Deutfchlands und 
der böhmifchen Kronländer, der blühende Zuftand der Uni: 
verfität die fEudierende Jugend aus allen benachbarten Staa— 
ten, und der hier fo fehr begünftigte Handelöverfehr Künft- 
ler, Handwerker und Kaufleute aus halb Europa zuſam— 
menftrömen machte *), — daß fie damals das Doppelte 


iprer gegenwärtigen Bevölkerung gezählt haben 


mag; — diefe Behauptung ift unlängft in einer Zeitfchrift 
aus dem Grunde ald umnhaltbar angegriffen worden, weil 
„wenn bei der gegenwärtigen Bevölkerung von Prag in 





*) Der päpftliche Legat Rudolph, früher Bifchof von Lavant, 
dann von Breslau, ſchikte den Pragern nad) tem Tode K. 
Georgs im J. 1471 ein ausführliches Ermahnungsſchreiben 
zu, worin ſich folgende Aeußerung über Prags ehemaligen 
Zuftand befindet: ‚„„Recogitate providi viri, qualis vestra 
Praga fuit, olim inclyta civitas, quando sub hoc pon- 
tificatu fideliter stetit, quales habuit cives et incolas 
ditissimos, nobilissimos et döctissimos utriusque sta- 
tus eminentissimos. Nec fuit Pragae similis urbs in 
multis nationibus; non Nurberga, non Vienna, non 
Wratislawia, neque inclyta Colonia illi aliquando 
poterat comparari; nescimus an Roma, Venetia aut 
Florentia aut alia quaecunque sub coelo civitas Pragae 
tunc similis fuit. Sed proh dolor! postquam Praga 
pseudoprophetas admisit et magistros erroris suscepit 
novum ritum adinvyenientes, omni miseria substrata 
est, nobilissimum regnum lacerum fecit, aedıficia 
pulcherrima amisit, incolatum perdidit, in ruinam et 


miseriam redacta est, ut vix hodie inter nationes. 


magis misera urbs habeatur, cujus cives in omni terra 

spreti sunt et abjecti. Pensate ista et cogitate, quo- 

modo ad pristinum splendorem gloriae vestram urbem 

et vos ipsos, filios et successores vestros reducatis.“ 
(uſaz d. Ned.) 





63 


den nun zahlreichern und mit mehreren Stokwerken verfe: 
benen Häufern nicht alle Bewohner Unterkunft finden, und 
man ſich gendthigt fehe, Vorftädte anzulegen und zu er 
weitern, — die angeblich nod einmal fo große Anzahl 
Menfchen zu Zeiten K. Karls IV. und feines Sohnes 
Wenzel unmöglich in einer geringern Zahl von niedrigern 
Häufern habe Raum finden können.“ 

Alfein wer ift wohl im Stande die Zahl der unter 
Karl IV. und Wenzel erbauten Häufer jezt noch genau ans 
zugeben? Der Umfang der Stadt war damals nicht ger 
ringer, als er jezt iſt; und faßt er denn nicht, befonders 
auf der Neuſtadt, eine Menge von Holz, Obſt- und Kü— 
hengärten in fi), von deren Dafeyn die älteften Stadt— 
und Gefhichtsbücher fehweigen? Die in diefen Gärten 
noch häufig befindlichen Trümmer, die Spuren ehemaliger 
Keller, deuten fie nicht Elar genug auf Wohngebäude hin, 
die einft da geftanden haben müflen? Und wer weiß es 
nicht, daß fpäter, im XVI Jahrhunderte, die Jefuiten 
anf der immer am ftärkften bevölferten Altftadt mehr als 
fünfzig Brivathäufer Fauften, fie abtragen, und dann das 
gigantifche altftädter Sefuitencollegium, weldes jezt bei- 
nahe ganz unbewohnt fteht, erbauen liegen; fo wie auch, 
daß zu Zeiten Karls und Wenzels die Juden auch auf der 
Neuſtadt, am fogenannten Judengarten, wie jezt auf der 
Altſtadt, ihre eigene Abtheilung, daher einen eigenen Stadt: 
theil hatten, den fie bewohnten; wo jezt meiftens Gärten, 
und nur hie. und da erbaute Ehriftenhäufer fich befinden. 

Vergleicht man ferner die gegenwärtigen höhern mit 
den ehemaligen niedrigen Häufern, und dagegen die ſon— 
ffige Genügfamfeit mit den Bedürfniffen des gegenwärti= . 
gen Lurus, — wo nämlich ehemals (noch vor 30. Jahren) 

fo mancher Handwerker oder Künfkler ein einziges Gemad) 
zw feinem Arbeit, Wohn-, Kinder: und Schlafzimmer 
verwendete, welcher jezt gar oft ein Arbeitzimmer für fic), 
ein zweites für feine Gefellen, ein drittes und viertes zum 


64 


Schlaf, Siz- oder Kinderzimmer bendthigt: fo laͤßt fich 
wohl nicht bezweifeln, daß ehemals ein Eleinered Haus 
mehr Einwohner ald jezt ein viel größeres faffen Eonnte; 
um fo mehr, da man hierorts fonft auch unterivdifche Ge- 
wölbe und fogenannte Dachftübchen bewohnte, welche erftere 
jezt gar nicht mehr bewohnt werden, die leztern aber megen 
Feuersgefahr, erft dann bezogen werden dürfen, wenn deren 
Mauern feuerfeft erbaut find. Zudem wird fi wohl Se: 
dermann erinnern, daß ebenfalls des zunehmenden Lurus 
wegen erft feit etwa 30 Sahren außerordentlich viele eben- 
erdige Wohnungen zu Kunft:, Galanterie:, Handlungs: 
und Puzgewölben, fo wie auch zu Kaffee: und Punſch— 
fneipen umgeftaltet worden find, welche vorher Taufenden 
von gewerbführenden Einwohnern zur Herberge dienten. 
Ferner fteht jezt noch die majeftätifche E. Burg ganz, 
und die meiften großen Herrfehaftshäufer, befonders auf 
dem Hradfehin und auf der Kleinfeite, beinahe halb unbe: 
wohnt, wo einft der ganze Hofftaat,: hohe ausländifche 
Herrfchaften u. a. m. refidirten. Auch ift die Zahl der 
fonft da beftandenen Klöfter einerfeits durch die gräßlichen 


Zerftörungen der Huffiten, amderfeits aber durch deren 


Aufhebung unter K. Zofeph II. auf den achten Theil herabs 
gefezt, u. f. w. 

Der Einwurf wegen der neu angelegten Prager Vor—⸗ 
ftädte hat feinen haltbaren Grund. Nicht wegen der Ueber: 
bevölferung der Stadt werden fie angelegt und erweitert; 
indem ja bierorts viele große Wohnungen, befonders Die 
foftfpieligern, Jahr aus Sahr ein unbezogen ſtehen blei— 
ben, — die Gefuhe um Abfchreibung der Hausſteuer bei 
den Behörden beweifen es, — und eine Menge einzelner 
Zimmer, Aftermiethen an Studierende u. a. dgl. dffent- 
lich angeboten, aber nicht angebracht werden. Und ob- 


gleich fich die innere Bevölkerung Prags feit vier Jahren \ 
felbft unglaublich vermehrt hat: fo verdient ed wohl bes 
merkt zu werden, daß dennoch Feine Wohnpartei aus Prag 





65 


deshalb gezogen iſt, weil fie da etwa Feine Unterkunft 
mehr finden Eonnte, fondern vielmehr aus dem Grunde, 
um in den Vorſtädten wohlfeiler leben, wohlfeiler woh— 
nen, für ein Eleineres Entgeld dort das Bürgers oder Meis 
fterrecht erlangen, oder eine Handlung errichten zu können. 

Daß ſich Prag einft einer viel zahlreichern Bevölke— 
rung, als gegenwärtig, erfreut haben müffe, leuchtet von 
felbft auch Demjenigen ein, der mit der Geſchichte unbes 
Fannt, nicht nachzumeifen vermag, wie viel diefe Stadt 
durch die langen blutigen Huffitenkriege, durch den eben fo 
verheerenden dreißigjährigen Krieg, durch bösartige Volks— 
krankheiten und felbft durch Hungersnoth in ältern "Zeiten 
an Population verloren hat. Erſt etwa feit der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts, feitdem Feine Belagerung, Feine 
allgemein wüthende Volfskranfpeit Prags Bewohner mehr 
traf und jeder Hungersnoth vorgebeugt wurde, feitdent 
Künfte, Gewerbe und Handel fi von neuem zu heben bes 
gonnen, erfreut fi) Prag wieder eines fortwährenden Zus 
wachfes der Population, ſowohl durch innere Vermehrung, 
als durch herbeigelofte Fremde des In- und Auslandes. 

Wie groß aber der Berölkerungsftand Prags vor 
Zeiten gewefen ſey, fonnte man wohl vermuthen, aber nie 
ganz beftimmt angeben, weil ehemals hierorts feine Volks— 
zählung beftand, und man diefelbe erft nach der im J. 1784 
erfolgten Vereinigung der vier Magiftrate zu Stande brach: 
te; denn in der frühern Zeit conferibirte man erſt gar nicht, 
und dann nur jede Stadt — jezt Stadtviertel genannt — 
für fich, nach eigener Manipulation und Gutdünken. Erft 
nad) dem $. 1789 herrfchte die gehörige Ordnung in diefem 
wichtigen Amtsgefchäfte, und es ergab ſich daraus die Po— 
pulation Prags mit 73,780 Einwohnern, welche Zahl aud) 
Schaller, der daraus gefhöpft zu haben fcheint, in feiner 
Topographie Prags vom J. 1794 angibt, 

Nachher aber befümmerten ſich alle nachfolgenden Ge⸗ 
ſchichtſchreiber und Geographen wenig oder gar nicht um 

5 


66 


diefe Quelle. Einige gaben eine beiläufige runde Zahl 
an, andere trauten dem Hörenfagen, und wieder andere 
fehrieben von einander ab, ohne zu fragen, welche Quellen 
ihre Vorgänger benüzt, oder wie viel Jahre früher fie 
ihre Werke niedergefchrieben, und wie fehr fich nachher 
die Bevölkerungs-Verhältniſſe Prags geändert haben moch— 
ten? — 

Man überzeuge fich hievon im Converſations-Lexikon, 
im Hyllog, in Schießlers Beiträgen zur Topographie Prags, 
in Prof. Bifingers vergleichender Darftellung der Grund: 
macht u. f. w. Des auffallendften — vielleicht auch unverz 
zeihlichften — Vergehens machte fich aber hierin der Auctor 
des Lehrbuches der neueften Geographie für die k. k. Gym— 
naften, Wien 1824, fchuldig, wo er die Bevölkerung Prags 
(Seite 17) mit 79,606 Einwohnern angibt; um fo mehr, 
da fie doch einige Jahre früher andere Geographen um meh— 
rere Taufende höher angegeben hatten. 

Aus 

über den Bevdlferungsitand 





Klafjification des einheimifhen männ— 
lihen Gejchlechtes. 









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> 
"8 u nen 
= e |&r Ss 'S Sıo 
pr 2a 1.828 F-7 — 8 
J = 212 = On 
Stadtviertel | - | & ss PeSiselE I250. 
> = © SIne2| 3. Es Lass 
ei = ]8|% | 28 |282|883|88|2°8 
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* — in je Fe} Sur, 
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* > 2 zo RESTE |: S Eu 
818 MIO, RER ER ER N 62219 |S |F585 


Altftadt .. 4 9505 5948 299 — 4 2188] 50)134] 6489 
aut . 4 278] 1652 10| 2] 21] 2621 
Meujtadt. . „112698 7387 120 Br — 1881} 90/173] 9420 
Kteinfeite . . +1 5231 3353 J 225| 647| 709| 60| 541 3343 
Hradſchin . «E 188] 723 28] 87| 120 188] 7231 64] 28] 87} 120] 1011731 8241 173] 824 
Summa —— 5|2 32081100631527|8831209315608[ 2121555122697 1 





*) In der Rubrik Adelihe find alle Familienhäupter, fammt 
ihren männlichen Sproſſen, und andere fedige adeliche _ 
Herren begrifen; in den Rubriken: Beamte, Honoratioren, 








67 


Mein Verfuch einer medicinifchen Topographie von 
Prag (1824) dürfte wohl das erfte Buch gewefen fern, 
worin der Bevölkerungsſtand Prags vom J. 1822, aus 
den Gonferiptionsliften entlehnt, nicht nur untrüglich in 
der Gefammtzahl angegeben, fondern auch die Einheimi— 
fhen von den Fremden getrennt, und beide in einzelnen 
Summen, nad) den verfchiedenen Stadtvierteln, die fie 
bewohnen, abgetheilt wurden. Damals beftand die ganze 
Population Prags, mit Einfchluß des Wyffehrads und der 
Sarnifon, aus 105,915 Seelen. 

Doch da Diefelbe feit diefen vier Sahren auffallend 
zugenommen, und ich auch damals nur die in jedem Stadt: 
viertel beftehende Gefammtzahl angegeben, ohne auf Stand, 
Alter, Gefchlecht u. f. w. Nüfftcht genommen zu haben, 
fo dürfte hier eine nähere diesfällige tabellarifche Auffläs 
rung über die Einwohnerzahl des Jahres 1826 Jedermann 
erwünfcht erfcheinen. 

weis 
Prags vom Jahre 1826 ° ee Zaerr 1820 73, © 00 













SE, Fremde 85 
s I=3| = m wer 2 = IS8 
= 13°] = Se.l2s | 3 Je] & 132 
ze 1251 2 | > Bsäl:: | 121 & I 28 
sızsle !3 15715 |2 18:15 183 
u a ee EI EI 
1 
3513| 6602 4773 > * 
976| 2094 180 
32422138135] 4567| 843513208] 5634 3% En 15385417396 
* 1636| 3446 2589 ei 9 
352| 801 781 
Lo 2 en eye ern Fa 253 
11044|21378 13957| 6615766 





Künſtler, Bürger u. f 19, erfcheinen alle Samilienväter (ohne 

ihre Nachkommen); ferner ledige Beamte, Iedige Bürger 

u. ſ. w. insgefammt blos männlichen Gefhlechts ; das weibli- 
5* 


65 


Diefem zu Folge beträgt der Civilbevöl— 
ferungsitand . N . r ‚ 103,338 

hiezu die Bevölkerung von Woffeprad A 1,337 

und jene der Garnifon R N 1432354 


Geſammtzahl 117,029 
Aus dieſem jetzt Erwähnten geht hervor, daß Prags 
Bevölkerung ſeit dem 17891en, beſonders aber ſeit dem 
1822ſten Jahre ungemein zugenommen hat. 
Der Grund der anhaltenden Steigerung derfelben, 
feit diefer 3Tjährigen Epoche, dürfte wohl eines Iheils im 
den bereits oben berührten, unter Kaifer Sofeph IL. eine 
geleiteten, und unter der glorreichen Regierung unfers 
guten Landesvaters Franz I. zur Vollfommenheit gefteiz 
gerten Staatöverfügungen, anderer Seits aber — befons 
ders die Iezten zwei Sahrzehende betreffend — in der ges 
fezlichen Einführung der Schuzpofen = Impfung aufzufin— 
den feyn, weil durch Erftere die innere Bevölkerung un— 
gemein begünftigt, und durch die Leztere feit mehr als 
20 Jahren jeder ſtark verheerenden Blatter » Epidemie 
nicht nur vorgebeugt wurde, fondern auch deshalb die 
Sterbefälle der einzeln an Blattern Geftorbenen von Jahr 
zu Jahr ungemein abnahmen, und jezt ſchon beinähe 
gänzlich verfehwunden find; wo hingegen meinen, in den 
bei dem Prager Magiftrate voriindlichen Sterbeprotofolfen 
vom Sahre 1780 bis 1S00 genau vorgenommenen Zäh— 


che Geſchlecht erfcheint ohne Rükſicht des Standes u. fr w., wie 
die Einheimifchen, fo die Fremden, nur in der Gefammtzahl ; 
nur muß auch bemerkt werden, daß in der Total» Summa 
der Fremden des weiblichen Gefhledhts mehr denn zwei Dritte 
theife Domeftifen vorkommen, indem fich, nach der bei der 
f. & Stadthauptmannfchaft genau vorgenommenen Berech— 
nung, bierorts 12,093 weibliche. und 1724 männliche Dienjts 
boten vorfinden. 











69 


lungen zu Folge font — nämlich vor der Einführung der 
Baccination — im 2Ojährigen Durchfehnitte, ohne Dazwi— 
ſchenkunft einer Blatter-Epidemie, alljährlich zwifchen 72 bis 
73 Kinder und Erwachfene an Menfchen: Blattern ftarben, 
und bei eingetretenen Blatter s Seuchen — welche meiftens 
zwifchen jedem den bis 6ten Jahre unausbleiblich zurük— 
kehrten — die Zahl der daran Geftorbenen, im nämlichen 
Durchſchnitte berechnet, jedesmal auf 942 Individuen ans 
wuchs. Mithin wurde Prag alle Sahre von 239 Indivi- 
duen entwölfert, die jezt durch die Impfung erhalten wer: 
den; um fo mehr, da es erwiefen ift, daß leztere Feines: 
wegs andern fremdartigen Krankheiten unterworfen find, 
und auch deren Sterblichkeit fich bei eintretenden Schar— 
lach-, Stiefel: und Mafern: Epidemien gegenwärtig nicht 
bedeutender einftellt, als fie ſich vor der Einführung der 
Daccination eingefteflt hat, Berükſichtigt man aber noch, 
daß die Bevölkerung gegenwärtig von jenen durch die 
Schuzpofen am Leben erhaltenen Individuen wieder pro— 
greffiv vermehrt wird, fo ergibt fich ein auf Die zweite 
Stufe gefteigertes plus, und es Feuchtet hervor, warum 
erftere, befonders nach den Frtegerifchen Epochen — folg- 
lich feit dem Sahre 1813 — fo augenfcheinlich zugenom: 
men, und fich daher bis zu der angeführten hohen Summe 
emporgehoben hat. 
Indeſſen würde diefe fo auffalfende Sunahme der 
Bevölkerung Prags durch das bloße Verhältnig der jähr: 
lich Gebornen zu dem der Geftorbenen ſich noch immer nicht 
erklären laffen, wenn man ihren Grund nicht auch in der 
häufigen Einwanderung der Fremden, welche der Haupt— 
ftadt der Studien, der Handlung, der Gewerbe wegen 
u, ſ. mw. täglich zuftrömen, nachzumweifen vermöchte. Da: 
durch bat fich befonders in den 4 verfloffenen Sahren die 
Volkszahl fehr gehoben, da vom 3. 1822 — 23 2054, 
vom 5. 1823 — 24 1659, vom J. 1824 — 25 2054, vom 
3. 1825 —26 3498, folglih in der Gefammtzahl 8812 


70 


In- und Ausländer, theils männlichen, theild weiblichen 
Geſchlechts, ſich nach Prag begeben und da angefiedelt 
haben. 

Noch dürfte eine vergleichende Darftellung des Zus 
ftandes und der DVerhältniffe der Bevölkerung der Haupts 
ftadt unfers Kaiferftaates zu denen dev Stadt Prag nicht 
unwillfommen erfcheinen. Wir theilen fie hier, aus guter 
Quelle gefchöpft, unfern Lefern mit. 


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über den Bevdlkerungsftand Wiens vom Jahre 1825. 














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daher die Gefammtzahl 281,762. 


Aus diefer vergleichenden tabellarifchen Darftellung 
ift erfichtlich, daß Böhmens Hauptftadt über die Hälfte 
weniger Hausnummern zählt ald Wien, daf fie aber in 
der Zahl der Wohnzimmer, wenn man im Durchfchnitte 
für jede Wohnpartei (die Taufende von den oben ſchon er- 
wähnten Wohnzimmern der Herrfchaftshäufer, und die 
Aftermiethen, die im Gonferiptions = Ausweife nicht als 
Wohnparteien angeführt werden, mit eingerechnet), 2 % 
Zimmer annimmt, der Nefidenzitadt Wien nicht viel nach— 








71 


ſteht, indem daraus die Zahl von 61,247 Wohnzimmern 
entfpringt. 

Sm Verhältniß der tabellarifch bezeichneten wech— 
felfeitigen Bevölkerung zählt Prag beinahe die Hälfte mehr 
Geiſtliche als Wien, dafür aber wieder die Hälfte weniger 
Adelihe, beinahe % mehr Honoratioren und Beamte, 
% mehr Bürger, Künftler u. f. w. Die Zahl der Land» 
wehrmänner ift in beiden Städten beinahe ganz gleich vere 
theilt, und das Verhältniß der Fremden zu den Einge— 
bornen ftellt fih in Wien um die Hälfte geringer als in 
Prag dar. Am auffallenditen aber differiren beide Städte 
von einander in der Anzahl des weiblichen Gefchlechtes ; in— 
dem Wien unter den Eingebornen 40,747 mehr Srauenzimmer 
als Männer zählt, und nur durch die größere eingewans 
derte Zahl der Fremden des männlichen Gefchlechtes, und 
umgefehrt durch die verhältnißmäßig viel geringere Menge 
der fremden weiblichen Individuen, wird in fo weit ein 
günfkigeres Verhältniß herbeigeführt, daß im Durchfchnitte 
dann nur 10,340 Frauenzimmer vorwalten, wo es hingegen 
in Prag 5713 mehr einheimifche Frauenzimmer als Män— 
ner gibt, und wo nur durch die bedeutende Zahl von 17,396 
eingewanderten weiblichen Individuen ein derlei Verhält— 
niß bergeftellt wird, dag man hierorts im Ganzen nur 
7724 mehr Frauenzimmer als Männer auffindet *). Ferner 
erfcheinen über ein Drittheil WVerheirathete weniger in 
Prag als in Wien, und daher diefem angemeſſen auch eine 





*) Dieſes Mißverhältniß ift behoben, wenn man anderer Seits das 
Uebergewicht des männlichen Gefchlechts der Garnifon in Ans 
betrat zieht. Unter der eben angegebenen Gefammtzabl 
der Garnifon befinden jih 10,519 vom männlichen und 1835 
vom weiblihen Geſchlechte. Diefem zu Folge befteht die Be: 
völferung Prags aus 58,326 männlichen und 57,366 weib⸗ 
lihen Individuen, unter denen fih 3620 Juden und 4334 
Südinen befinden. 


72 


verhältnigmäßig größerer Zahl ſowohl der Iedigen Frauen— 
zimmer als der fedigen Mannsperfonen. 

Die Ehen betreffend, ftellt fich das ungünftige Ver: 
hältniß der weniger in Prag als in Wien gefchloffenen 
Ehen, nicht nur in diefem angeführten einjährigen tabellariz 
ſchen BVerzeichniffe, fondern auch im zehnjährigen Durch— 
fehnitte genommen, eben fo dar; indem hierorts erſt unter 
135 Menfchen jährlich eine Ehe gefchloffen, wo hingegen 
in Wien ſchon unter 124 Individuen ein derfei Bündnif 
eingegangen wird). 

Die Fruchtbarfeit der einmal gefihloffenen Chen 
ift anderer Seits in Prag wieder größer als in Wien, indem 
bierorts Familien von acht, zehn, zwölf bis vierzehn Kin: 
dern anzutreffen, Eeine feltene Erfcheinung ift. Im zehn— 
jährigen Durchfehnitte Hingegen, wenn man die Zahl der 
Todtgebornen zu jener der Getauften und Befchnittenen 
zählt, und davon die Gefammtzahl der unehelich Gezeuge 
ten abzieht, ergibt fih’s, Daß auf eine Ehe etwas mehr als 
vier Geburten fommen, wo hingegen in Wien im nämli— 
hen Durchfchnitte nur drei Geburten auf eine Ehe ausfallen, 

Anders tritt aber das Verhältniß wieder hervor, 
wenn die Neugebornen der Chriften von den der hierortis 
gen Juden getrennt werden; dann neigt fich Das Ueberges 
wicht auf die Geite der leztern, indem fich im zehnjährigen 
Durchſchnitte das Verhältniß der Kinder = Erzeugung bei 
denjelben etwas höher ald 4 ';, das der Chriſten hingegen 
nur wie 3 darſtellt. Und diefes mag auch Urfache 
feyn, warum die Juden, ohngeachtet ihrer beftimmten Fa= 
miltenzahl, verhältnigmäßig an innerer Bevölkerung mehr 
als die Ehriften zunehmen, 

Nicht wenig trägt aber auch zur Bevölkerung unfere 
auffallend große Anzahl der unehelich Gebornen bei, indem 





*) Siehe medic. chirurg. Insbruker Zeitung 1825 II. B. ©. 
383. 








73 


bekanntlich diefe fo an Zahl zunehmen, als verhaͤltnißmaͤ⸗ 
ßig die Schließungen der Ehen ſich ſeltener ereignen. 

Das Verhältniß der Lebend- zu den Todtgebor— 
nen ift in Prag im zehnjährigen Durchfchnitte wie 23 7, 
zu 1, wo hingegen in Wien e8 ſich wie 25 zu 1 darftellt. 

Das Gefhlecht betreffend, werden in Prag, fo wie 
in allen gemäßigten Zonen, mehr Knaben ald Mädchen, 
und zwar ohngefähr 1050 vder 21 Knaben gegen 1000 
oder 20 Mädchen geboren. Doc wenn man mieder die 
Gefammtzahl der durch 10 Zahre Gebornen mit denen in 
diefer Zeit Geftorbenen vergleicht, fo fieht man beinahe 
ſchon durch Mehrzahl der Sterbefälle des männlichen Ge— 
fchlechtes in diefen wenigen Jahren ein gleiches Verhältnig 
zwifchen denfelben wieder hergeftellt ; weil den hierorfigen 
Sterbeprotofollen zu Folge, in den erften Lebensjahren 
mehr als %, und in den fernern Kinderjahren mehr als 
4, vom männlichen Gefchlechte, bis zu Ende des 10er Jah⸗ 
res, mit Tode abgehen. 

Bei der alljährlichen Abnahme der Bevölkerung 
durch Sterbefälle, zeichnet ſich Prag von andern eben 
ſo volkreichen Städten hierin aus: daß bei ihren Ein— 
wohnern in den verſchiedenen Lebensperioden nicht nur ein 
eigenthümliches Sterbeverhältniß obwaltet, ſondern daß 
ſich ſogar hierin im Vergleich zu anderen Städten Deutſch— 
lands ein auffallendes Mißverhältnig offenbart. 

Im Allgemeinen genommen, ftellt fich bierorts im 
angeführten Durchfchnitte das Sterbeverhältniß zu dem 
der Lebenden wie 1 zu 24 ;, in Wien hingegen wie 1 
zu 22 '% 

Anders verhält es fih aber, menn man die — 
gen Geſtorbenen der Chriſten von denen der Juden trennt; 
dann ſtirbt ſchon unter 22 4, Chriſten einer, wo hingegen 


unter den Juden das Verhältnif fich wie 1 zu 26 darftellt. 


Einzeln genommen, iſt die Sterblichkeit in Prag im 
eriten Lebensjahre ungewöhnlich Hoch, fo zwar, daß im 


74 


zehnjährigen Ducchfchnitte zu Ende desfelben von 1000 
Gebornen 423 wieder hingefchteden find, wo hingegen in 
MWien ebenfalls in diefem Durchfchnitte in derfelben Zeit: 
frift von derfelben Zahl der Gebornen nur 338 fterben. 
Die Sterblichkeit in den darauf folgenden Kinderjahren, 
ferner beginnenden und ausgebildeten mannbaren Alter be— 
trägt 0 von 1000 Gebornen, und daher bleibt für 
das übrige Lebensalter nur noch die Summe von der 
angegebenen Zahl der Gebornen zurüf. Die Gterblich- 
Feit des ausgebildeten mannbaren Alters iſt noch hie und da 
etwas beträchtlicher als in Wien und andern Hauptftädten 
Deutfchlands ; dagegen weicht aber diefelbe vom ZOfen pie 
Toten Lebensjahre von den Gterbefällen anderer Haupt: 
ftädte bedeutend ab, und gewiß übertrifft fie dann in den 
meitern Progreffionen alle Hauptitädte Deutfchlande — 
wenn nicht fogar Europens. — Zum Beweife der erften 
Behauptung verweife ich auf meine medicinifche Topogra— 
phie (©. 74 und 76 J. B.), und zum Belege der lestern 
will ich die dort ©. 75 befindliche Stelle wörtlich anfüh— 
ven: „Sicher ift e8, daß wenige Hauptitädte, ja ich kann 
behaupten, fogar wenige Länder, das ruffifche ausgenom— 
men, fih rühmen können, fo viele Einwohner, die ein 
fo Hohes Alter erreichten, wie es der Fall in unferer Stadt 
in 10 Jahren war und nod) ift, gehabt zu haben. Sm zer: 
freuten Angaben findet man zwar, daß in manchem Lande 
und in manden Städten unter vielen Jaufenden der 
Geftorbenen, fih einige Individuen, die bis gegen 100 
Sahre oder etwas darüber lebten, befinden; doc find die— 
fes nur Geltenheiten, die nicht alljährlich ficher, fondern 
nur als Ausnahme zur Verwunderung der Menfchen er— 
ſcheinen, und auch oft als folche durch Zeitungsblätter bes 
kannt gemacht werden. Anders verhält fih die Sache in 
Prag. Der bier von gefunden Aeltern geborne, in der 
phyfifhen Erziehung nicht vernachläßigte, durch Arbeit 
abgehärtete und mäßig Iebende Bürger trägt meiftens 








75 
den Keim eines hohen Alters in ſich; nicht felten erreicht 
mancher in Kraft und Fülle das gOfe bis 100% Jahr.“ 
Und jezt verfließt Fein Jahr, wo im Durchſchnitte von 
jährlichen 4100 Todten, nicht wenigftens 50 das neun 
zigfte, 14 das fünf und neunzigfte, 9 das hun 
dDertfte, und beinahe 5 dag hundert und fünfte, hun 
dert und zehnte, oder Hundert und fünfzehnte 
Lebensjahr erreicht hätten. 

Diefen Beweis foll folgender aus dem Gterbeproto: 
Eolle des prager Magiftrats zufammengeftellter zehnjähris 
ger Ausweis gänzlich herftellen: 


Vermög diefes Ausweifed 












von rolten biszum 
zsiten Sahre, 
von 75, bis zum 80, 
von 80, bis zum 85. 
von 85. bis zum 90, 
von 90, bis zum 95. 
von 95. bid zum 100. 
von 105, bis zum 110, 
von 110, bis zum 115. 


von 100, bis zum 105, 
= 


Sefammtzahl. 








18171101] 98| 53) 54) 13 9] 2]2|=} 332f 130) 202 
1818] 95] 93| 50| 50] 1510| 3] =|=| 316$ 120) 196 
48191103) 103| 55| 59) 13) 8| 3) 2|=| 346} 142] 204 
18205102| 96] 51] 52] 1611| 2) 1]1$ 332] 138) 194 
1821] 93] 97| 52] 54 1410| 3) -|=| 323 135| 188 
1822] 97| 97, 51| 58, 15, 8| 5,112] 334) 141, 193 
1823] 99| 961 51) 50) 13) 9 4|=|-| 3227 120] 202 
18241125) 144| 58| 44| 15| 6 5|=|=| 397} 183) 214 
1825] 94 96| 53) 34) 13111) S|1/=| 3105| 140) 170 
18267104 1061 54! 49| 15110 512]-F 5 F 184 


Sım [1013 1026 5281504 142,02 2/40) 9 '3]3357] 1410 1947 
2 a 1 a a a RK 


Doch nicht allein diefer zehnjährige Ausweis, fondern 
auch mein weiteres rüfwärtiges Forfchen in den berührten 
Sterbeprotofollen, und die gegenwärtig fich hier befind- 


76 


lichen Menfchen, die gegen das hundertfte Jahr und noch 
darüber eben, zeigen, daß dieſe höhere Lebensfähigkeit 
unfern Stadtbewohnern eigenthümlich war, und ihnen bei 
gehöriger ungefünftelter Lebensart noch ferner feyn dürfte. 
Auch gehet daraus hervor, daß das weibliche Gefchlecht 
fih hierin eines bedeutenden Uebergewichts erfreut, in: 
dem % mehr Frauenzimmer zu jenem Greifenalter ge: 
langen, als Männer, Ferner daß diejenigen, die diefe 
Lebensjahre erreichten, meiitentheils Menfchen waren, die 
verehelicht und kümmerlich zu diefer hohen Stufe des Als. 
ters gelangten, und Daß daher umgekehrt Fein Hochade— 
licher, Fein Neicher, Fein Hageftolzer oder ein ledig ges 
bliebenes Frauenzimmer das Y5fe his 115° Jahr erreichte, 
Sm Verhältniffe zu Wien erfcheinen in Prag in zehn: 
jähriger Durchfchnittsberehnung unter 4100 Geftorbenen 
alljährlich 23 Individuen, die von 90 bis 100 Jahre 
lebten, wo hingegen in Wien im nämlichen Durchfchnitte 
von jährlich 10,530 dahin Gefchiedenen ſich Höchitens nur 
838, daher beinahe % weniger befinden, Die feld ein 
hohes Alter erreicht haben”). 
Bon 100 bis 105 Jahren erfcheinen alljährlich in Prag 
—unter den Geftorbenen vier Individuen, mithin follten 
in Wien ebenfalls alljährlich zehn dieſes Alter, erreichen, 
welches aber der Fall nicht ift, indem dort meiitens jähr- 
lich kaum ein einziger Menſch zu der hohen Stufe des 
Lebens gelangt. Eine Perfon, die von 105 bis 115 Jahren 
gelebt hat, Fann Prag alljährlich aufweifen, Wien hingegen 
bei ihrer fo fehr überwiegenden Bevölkerung kaum in fünf 
Sahren einmal ſich eines ſolchen Ereigniſſes erfreuen. 





x*) Insbruker medic. hirurg, Zeitung 1821 J. B. S. 368. 18221. 8. 
&.270. 182311. 8. S. 78. 1824 ©. 447. 1825 II. B. ©. 383., 
III.B. S. 398, IV. B. S. 16, 45, 127, 143, 335. 





77 


Vaterländiſche Nachrichten. 





Zur Chronik des Tages. 





Seine P. F. Majeftät haben mit einem an den F. f. erften 


Oberſthofmeiſter, Fürften zu Trautmannsdorf = Weinsberg, am 
29, Sept. 1326 erlaffenen allerhöchften Cabinetts- Schreiben den 
f. ko Oberfiburggrafen in Böhmen, Grafen Franz von Kol 
wraf, zum ®, E Staats und Conferenzminifter zu ernennen, 
und ibm zugleich die Leitung der politifhen Section im k. k. 
Staats: und Eonferehzratbe anzuvertrauen geruhet. 


Zugleich geruhten Seine Majeſtät nachſtehende allerhöchſte 


Dandſchreiben zu erlaſſen: 


An den Haus-, Hof- und Staatskanzler, Fürften von Met: 


ternich: 


„Lieber Fürſt Metternich!“ 

„Da es Mein Wille iſt, daß die bisher zu Meiner Zu— 
friedenheit unter dem Vorſize des Staats- und Conferenzmi— 
niſters, Grafen v. Zichh, Statt gehabten Miniſterial-Con— 
ferenzen unverändert in ihrer Wirkſamkeit verbleiben, ſo finde 
Ich es Meines Dienſtes, Ihnen, in Ihrer Eigenſchaft als 
älteſtem Staats- und Conferenzminiſter, das Präſidium der— 
ſelben anzuvertrauen.“ 

„Alle jene Geſchäftsgegenſtände, welche unmittelbar von 
Mir an die Eonferenz geleitet werden, oder wo ed die Chefs 
Meiner Hofftellen ‚dem Beften des Dienfted angemefjen finden 
jollten, eine Conferenzial: Berathung zu pflegen, haben Sie 
demnach unter Beiziehung derjenigen Individuen, welche Ich 
für nöthig erachten werde, oder welche Ihnen, oder den Chefs 
der Hofitellen als ſolche, in Beziehung auf die jedesmaligen 


Geſchäftsgegenſtände, erfcheinen follten, auf dem vorgejeichner 


ten Wege in Conferenzial: Berathung zu nehmen, jo wie die 


78 


jedesmaligen Nefultate der Conferenz Meiner Entfheirung zu 
unterziehen.“ ; 

„Zum Referenten, und Protofollführer der Conferenz bes 
ftimme Ich den Hofrath v. Gervay.“ 

„Bon diefer Meiner Anordnung haben Sie die Chefs der 
Hofitellen in Kenntniß zu ſezen.“ 

„Wien, den 29. Sept. 1826.“ 

„Franz, m. p-“ 
An den Dberftburggrafen in Böhmen. 
„Lieber Graf Kolowrat!“ 

„Ihre ausgezeichneten Gejchäftsfenntnife ſowohl, ald Ihre 
bei jeder Gelegenheit erprobte Anhänglichfeit an Meine Perfon, 
haben Mich bewogen, Sie zum Staats - und Conferenzminifter 
zu ernennen, und Ihnen zugleich die Leitung der politifchen 
Section Meines Staatsraths fowohl, als alle auf das Perſo— 
nale in Meinem Staats - und Eonferenzrathbe Bezug habenden 
Geſchäfte anzuvertrauen.“ 

„Sie werden übrigens diefe Ihre neue Beftimmung, fo 
bald e3 feyn kann, antreten.“ 

„Wien, den 29. Sept. 13826. 

„Franz, m. p:“ 
Am 3. Det. desſ. Sahrs haben Se. Majeftät, mit höchſtem 
Refeript von diefem Tage, den &£, wirklichen Kämmerer, geheimen 
Rath und Hofkanzler, Herrn Karl Grafen von Chotek, 
zu Ihrem Oberftburggrafen und Präfidenten des k. böhmijchen 
Guberniums zu ernennen geruhet; in welcher Eigenfchaft derfelbe 
am 12. Det. den Dienfteid in Sr. Majeftat Hände abgelggt hat. 
"Am 16. Det. wurde der von Sr. Majeftät für das König: 
reich Böhmen ausgefchriebene Poftuläten - Landtag, unter der Leis 
tung Str. Ercell. des Herrn Staats: und Conferenzminifters, Franz 
Grafen von Kolowrat = Liebfteinfiy, als abtretenden Oberſtburg— 
grafen in Böhmen, nad) der herkömmlichen Weife auf das feier 
lichſte abgehalten. 
Zum FE. Principalepmmifjär war von Er. Majeftat des 
Herren Oberſtlandrichters und Landrecdtspräfitenten, Johann Gra— 


— — 


J 


79 


fen von Lajanfty Excellenz, und zu Mitcommiſſären der k. k. 
Kämmerer und Landesausfchußbeifizer, Johann Graf von Küenburg, 
und der kak. Hofrath Johann Wenzel Ritter von Böhm ernannt. 

Nach abgehaltenem Landtage verfügten fih die Herren 
Stände in die Wohnung Sr. Ercellenz; des abtretenden Herrn 
Dberfiburggrafen, um Hochdemfelden ihre Glükwünſche zu der 
neuen erhabenen Würde eines Staats = und Conferenzminifters 
darzubringen, zugleich aber auch die Gefühle des tiefen Schmerzes 
über die bevorftehende nahe Trennung von ihrem, durd einen Zeit 
raum von mehr denn fechzehn Sahren an der Spize der Landes— 
verwaltung gejtandenen Landeschef und Oberfiburggrafen, den fie 
beute zum leztenmal den Poftulaten = Landtag abhalten fahen, fo 
wie die Verfiherung der innigen Verehrung und Anhanglichkeit 
auszudrüfen, welche Se. Ercellenz, als der aufrichtige Zoll für 
Shre treue Pflihterfüllung im Dienfte für Fürjt und Vaterland 
während einer fo fangen Reihe von Sahren, von Seite der Herren 
Stände fowohl, als eines jeden Landeseimwohners, auf Ihren 
neuen erhabenen Poften begleiten. 

‚Am 25. Nov. it Se. Ereell, der Herr Staats- und Confe: 
tenzminifter, Graf von Kolowrat, von Prag, begleitet von den 
berzlichften Segenswünjchen, an feine neue erhabene Beftimmung 
nah Wien abgereist. k 

Am 2, Dec. nad Mittag ift Se. Ercell, der Herr Oberſt— 


burggraf, Karl Graf Chotek von Chotfowa und Wognin, fammt 


Familie, in Prag glüklich angefommen. 

Am 6. Dec, wurde Se. Excell. der neue Herr Oberjtburg: 
graf und Gubernialprafident durch Se, Ercell. den Herrn Oberſt— 
landhofmeiſter, Kaſimir Pre von Deym, im k. Gubernialhaufe 
inſtallirt. 

Se. Ef. Majeſtät haben mit allerhöchſter Entſchließung vom 
9% Sept. d. J. die erledigte rafonizer Kreishauptmannsitelle dem 


7 überzähligen P. F, Heren Gubernialrath, Joſeph Grafen von Auers— 
berg, am 13, Sept. aber von den zwei erledigten Kreishaupt- 
mannsſtellen zu Königgräz und Budweis, die erjtere dem BE, F, 


Guberniafjecretär Johann Krticka Ritter von Jaden, und die 


so 


zweite dem erſten budweiſer F. Kreiscommiſſär Kranz Höniger, 
allergnädigft zu verleihen geruhet. 


Auch gerubten Se. Majeftät den Herrn PViceprafidenten bei 


dem inneröfterreichifch = Eüftenlandifchen Appellationsgericht, Raphael 
Kreiheren Neil von Nellenburg und Damenafer, in gleicher Eigen: 
fhaft nad) Prag zu überjegen, und die erledigte Kronhüterftelle 
im Königreich Böhmen von Seite des Ritterftandes, dem Beifizer 
des böhmifch = ftandifchen Landesausſchußes und der k. k. Erbfteuer: 
Hofcommifjion , Anton Freiheren von Bretfeld zu Kronenburg 
zu verleihen. 





Bon der k. böhm. Gefelfchaft der Wiffenfchaften. 


Die £. böhm. Gefellfchaft der Wiffenjchaften zu Prag, macht 
die von der bhiftorifchen Klaſſe entworfene Preisaufgade: Aus— 
führliche Würdigung der böhmifhen Geſchichtſchrei— 
ber vom erften derfelben bis zur Dagefifhen Ehre 
nit herab, hiermit befannt. 

Die Lörung der Aufgabe foll enthalten a) eine gedrängte 
Zufammenftellung alles deſſen, was in Bezug auf befagte Schrift: 
fteller von biographiſchen Notizen in Balbins Bohemia docta, 
in Knolls Mittelpunften der Geſchichtsforſchung und Geſchicht— 
fhreibung, in Böhmen und Mähren, in Meinerts Auffäzen über 
bie böhmifchen Gejchichtfchreiber des erften Zeitraumes (Wiener 
Sahrb. der Lit. B. XV. und XVI.) vorgefunden wird, und fonft 
noch aus andern Quellen erganzt werden Fann; 5b) eine genaue 
Prüfung der Ausgaben jener Gefhichtjchreiber mit, Rükſicht auf 
den Werth der Handſchriften, woraus fie geflofen, nebft Anzeige 
anderer noch ungebrauchten Handſchriften, aus denen fi ein befferer 
Zert herftellen liege ; c) eine auf den ganzen Inhalt und Ton der 
Erzahlung, auf den Zwek des Schriftftellers und dad Verhältniß 
feiner Lage gegründete Beurtheilung jeiner Glaubwürdigkeit, oder 
Treue in Benuzung früherer Quellen. 


A Ed Ar 


81 


Der Preis für die beſte Bearbeitung dieſer Aufgabe beſteht 
in 50 kaiſerlichen Dukaten in Gold, nebſt 250 Eremplaren von 
der auf Koſten der Gefellfhaft gedruften gefrönten Preisihrift. 

Die in deutfcher Sprache verfaßten Auffaze der Herren Concur: 
renten müſſen von einer fremden Hand leferlich gefchrieben, mit einem 
Motto und befonders verfiegelten Zettel mit dem Namen des Ber: 
faffers verfehben, vor’ Ende December des Jahres 1827, an den 
unterzeichneten Secretär der k. Geſellſchaft eingefendet werden. 

Die verfiegelten Zettel jener Bewerber, die den Preis nicht 
erhalten, werden verbrannt; die Handfhriften aber auf Verlan— 
gen den Einjendern nah dem Motto zurüfgeftellt. 

Prag, den 25. Suni 1826. 


Prof. David, 
Secretär der Gefellfchaft, 





Rükblike auf bie Leiftungen der Prager fländifchen 
Bühne im S. 1826. 


Alle Gebilde der Kunft haben zu viel Intereſſe für jeden 
Gebildeten, in ihnen fpricht fich zu laut das geiftige Leben eines 
Volkes aus, ald dag eine Zeitfhrift, die einer Seits Organ, und 
anderer Seits ein Spiegel diefes Lebens zu feyn unternimmt, ihre 
Aufmerkſamkeit ihnen entziehen Fönnte. Der produeirende Künftler 
gehört dem Volke und der Zeit an, mit dem und in der er lebt, 
und in feinen Werfen muß ſich der Geift beider ſpiegeln. Die 
Theilnahme an ihnen ift himwieder ein fiherer Gradmefjer für die 
Cultur jener, vor denen /fie aufgeftellt wurden. Die Kunft des 

Mimen und des Sängers, die 
{ „Zur Luſt ded Augenbliks geboren, 
Entflieht im leichten Tanz der Horen“ 
wie flüchtig und vorübergehend fie auch ſey, doch die Gebildeten 
am öfteften. und zablreichften in ihren Zauberfreis lokt, verdient 
‚um fo mehr dieſe Aufmerkſamkeit, als ihre Gebilde, ein anmuthi- 
ges Schattenbild im Gemüthe gleichſam ſchlummernd, nur in der 
6 


82 


Rükerinnerung, durd treulihe Mittheilung fortlebend und ange: 
frifht,, einen dauernden, ja gefteigerten Nachgenuß gewähren ; 
wodurd ferner allein ihrem Schörfer durd gerechte Anerkennung 
feines Fünftlerifchen Geifted und feines Eiferd der verdiente Preis 
zu Theil werden Fann. Darum hat die Retaction auch dem Ur: 
theile über die Leiſtungen unferer Bühne diefe Blätter geöffnet. 
Gewiffenhafte Unparteilichfeit, gerechte Würdigung des Guten, 
Gelungenen, offene, doch befcheidene Hinweifung auf Mängel, 
deren Abftellung nicht Zeit - und Ortsverhältniffe hindern, — Dinge, 
die man leider bei vielen Berichterftattern vergebens fucht, welche 
die Zeitfchriften des In - und Auslandes mit Urtheilen füllen über 
das, was fie gefehen, und nicht gefehben, was fie verfteben, und 
nicht verftehen — macht fih Schreiber diefes zur Pflicht, zum 
unverlezbaren Gefeze. 

Mit einem Rükblike auf die Leiftungen im eben verfloffenen 
Sabre wollen wir beginnen, und dann Schritt halten mit der 
Zeit. Ueber die dramatifchen Werfe werden wir nur dann ein 
ausführliches Urtheil fprechen,, wenn fie neu, oder Erzeugnife von 
Männern unferes DVaterlandes, unferes Kaiferftaates find; über 
das Befanntere fprechen wir nur dann ein Urtheil, wenn ed von 
dem berrichenden in der Sournaliftif oder ım Publifum abweicht. 
Um nicht ohne Noth den Raum der Blätter zu füllen, werden wir 
nur das Ausgezeichnete oder das Auffallende in den Leiſtungen der 
Künftler bemerken. Auch was die Direction thut, um das Publi— 
Fum zu befriedigen, um ihren Paz gehörig zu behaupten, was fie 


etwa noch zu wünſchen laßt, wobei jedoch billige Rükſicht auf die 


zu Gebote ftchenden Mittel genommen wird, foll gleichfalls befpro- 
chen werden. 

Referent Fann nicht umhin in freudige Rüferinnerung jene 
Glanzepoche unferer Bühne zu bringen, wo die drohenden Wetter: 
wolfen aufgedrungener Fremdherrſchaft aus Deutfchland einige der 
eriten Talente in unfere, unter des allverehrten Herrſchers ſchir— 
mender Dand im tiefen Frieden fihere Mauern führten, wo Wür— 
diges würdig dargeftellt ward, wo unfer Theater Fühn fi zu. den 
eriten Deutſchlands jtellen durfte, Diele fohieden aus dieſem Ver— 


% <A 





83 


eine, einem ehrenvollen Rufe folgend ; Miele fchieden ungern, durch 
unfreundlihe Verhältniffe gedrangt ; Einige, und in der That ge: 
hören diefe zu den Trefflihern, barrten aus bei und. Wie das 
Gute, das Ausgezeichnete bier Anerkennung fand, wie manches 
Gepriefene hier nicht Stand hielt, den höhern Anforderungen un— 
feres Publikums nicht entſprach, iſt bekannt. Die größten Talente, 
die bedeutendften Künftler fanden fich durch den Beifall eines fo 
gebildeten Auditorium, als fie bier trafen, geehrt. Ein Sffland, 
Matauſch, eine Bethmann, Schröf, Koch, Betty Nofe, Fifcher, 
Gerſtäker, Mad. Schüz, Catalani, ein NRomberg, Durand, 
Poledro , Rovelli, Bärmann u. a., waren mit der Gajtlichfeit 
der Bewohner Prags wohl zufrieden. Die Heroine Schröder ging, 
wo möglich, noch vollendeter von uns zur Hauptbühne der Kaiſer— 
ftadt ; die Gefchwilter Löwe, den finnigen, Funfteifrigen Wilhelmt, 
die trefflihe Grünbaum erhielt Wien, die Tiebfihe Sonntag er- 
bielt — Europa, möchte ic) Tagen — von uns, und Biele zieren 
die bedeutendften Bühnen Deutſchlands, die bei und den erften 
Flug gewagt, bei und fich zur Fünftigen Meifterfehaft vorberei— 
tet haben. 

Das Unweſen, was überall einrig, daß Über dem Beiwerfe 
das Hauptwerk verfäumt,, daß dramatifche Kunſt herabgewürdigt 
wurde, um der blos finnlichen Schaufuft zu fröhnen, dag Bühnen: 
pomp endlich die Bühnenkunſt erftifte, dag endlich, um den Auf: 
wand zu beftreiten, der für Unwürdiges gemacht wurde, zu noch 
Unwürdigerem gegriffen werden mußte, wenn es nur lokte, — Die: 
ſes Unwefen lieg leider auch uns nicht verfchont. Ja, es gab eine 
Zeit, wo man für einen wafern Künſtler, den man hinweggenekt, 
das Publifum hinlanglich entfchadigt glaubte durch einen Elephan— 
ten von Pappendefel, der, allenfalls für ein Puppentheater ſchlecht 
genug, bei dem Zuge eines Imperators oder Saraftros elephanten- 
mäßig, d. b. plump und ungefchift über die Bühne gefchleift wurde. 
x Die neue Direction, aus Hrn. Polawſky für das Schau- 
friel, Hrn. Kainz für die Oper, Hrn. Stiepanef für die 

 Bonomifche Verwaltung zufammengefest, bat mande Unzukömm— 
lichkeit der Art beſeitigt; worunter wir auch die Gitterfogen im 
6* 


34 


Profcenium rechnen, von denen drei bereits gefchlofien find, und 
die vierte wohl bald wird. Sie hat ſich bemüht, manche Lüke, die 
fie vorfand, auszufüllen, und wenn es nicht ganz gelang, fo Tiegt 
ed weniger am Willen, ald an den Verhältniffen der Zeit. Daß 
wir und bejcheiden müffen, daß wir mit Hofbühnen nicht concur- 
riren können, ſieht wohl jeder ein: aber auch hier war die Direc— 
tion bemüht, und forgte für das Vergnügen, indem fie das Aus: 
gezeichnete mehrer in Gaftrollen ung zuführte. Wir erinnern nur 
an die Bemühungen, einen guten Darfteller für jugendlihe Hel— 
den und Liebhaber zu erhalten. Alle Verlufte zu erfezen, Eonnte 
allerdings noch nicht gelingen. Dem ungeachtet fönnen wir immer: 
bin behaupten, daß unfere Bühne zu den beffern gehöre; im Kai: 
ferftaate gehört ihr nächſt dem Hoftheater der Kaiferftadt der er: 
fie Plaz. 

Polamffy, font der erfte Darfteller fogenannter Cheva— 
fierd und Bonvivants, deſſen Schwäzer, Graf vom der Mulde, 
Ricaut, Klingsberg, gewiß noch in der Erinnerung ergözen, ein 
trefflicher Marinelli, den er auf eine originelle Weiſe erfaßte, und 
fo das Verhältniß zum Prinzen wahrer und gefälliger motivirte, 
nun ein eben fo glüflicher Darfteller für launig gemüthliche Alte, 
auch ald Hamlet, Franz Moor, Clavigo, ehedem eine nicht une 
willkommene Erfoheinung, — Bayer ald Heldenfpieler und in 
ungeftümen Alten ausgezeichnet, der als Michael Angelo im Co: 
vegio, als Wallenftein, wie einſt als Mar, als Pofa, Hugo, 
Rudolph in Hedwig neben den größten Darfellern unübertroffen 
ta ſteht, der ald Daliner, Macbeth, Eſſex, Oberförfter, und in 
fo mandem Charakter fi ald großen Künftler bewährt hat: find 
zwei Schaufpieler, wie deren nur fehr wenige Bühnen aufzumeifen 
haben, Ihnen zur Seite fieht Frau von der -Klogen, nun 
mehr verchelihte Binder, eine der glüflichften Darftellerinnen 
naiver und gemüthliher Rollen, deren Gurli ung am allerwenig- 
ften bizarr erfohien, die ald Urifa jeden rühren muß, deren Organ 
überhaupt fo weich ift, fo zum Herzen fpricht, wie nicht Teicht 
ein anderes. Mad. Brumetti, die felbft in Rollen, die ihrer 
Individualität umd ihrem fonjtigen Sache ganz fern liegen, billige 


85 


Nichter befriedigt, ja Aberraiht, als Phadra, Lady Macbeth, 
Milford, ein in Launigen und Eiferfüchtigen trefflih; die ge 
wandte Allvam, die viel verfprechende fleifige Dem. Doleif ch, 
Dem. Hrrdft, der etwas mehr Natürlichkeit den Beifall der 
Billigen gewiß fihern würde, Dem. Schifaneder in fchlichte, 
ren Alten recht brav; die Herren Allram, Regiijeur des Schau. 
ſpiels, in grämlich lebhaften Alten, gemeinern Juden fehr bravr 
und bei etwas mehr Vielfeitigkeit gewiß noch) brauchbarer — Gun 
tram in Sohann Montfaucon, Hans in Fridolin, können nich: 
leicht beſſer dargeftellt werden, aber den Seni im Wallenftein 
follte man weder ihm noch uns aufbürden; — Ernft, dem eine 
rihtige Aussprache zu wünfhen wäre, um bei feinem angenehmen 
Aeußeren vortheilhafter anzufprehen; Feiftmantel, im der 
Pofe eine ergözliche Erfheinung, auch im Luftfpiele recht brav; 
Haas, Sohn, der mit feiner Geftalt durch emfiged Studium 
ſich zum bedeutenderen Künftler emporfhwingen Fönnte; Dart: 
mann, häufig durch Uebertreibung verlezend, bei feiner Vielfeitig, 
Eeit aber fehr brauchbar; Köhler, in vielen Darftellungen lobens— 
werth, 3. B. ald Valeros, Borotin, Mufifmeifter Müller u. a.’; 
Moriz, im Luftfpiel ausgezeichnet, und ſelbſt im höheren Kunjt: 
fiyle Gutes Teiftend, mehr noch verfprechend bei forgfältigerem 


Studium der Declamation, genauerer Berechnung der ihm zu Ge⸗ 


bote ſtehenden Kunftmittel, wenn er vollends eine würdigere Halz 
tung ſich eigen macht; — Schifaneder (zugleich Regiſſeur der 
Dper), der nichts verdirbt, und in der Pole fowohl als im Schau: 
ſpiel und in der Oper recht waker hilft: bilden gewiß einen Verein 
für das recitirende Schaufpiel, der billigen Anforderungen bei 
forgfamer Einübung gewiß Genüge thut. Eine Zierde diejes Vereins 
iſt, dem ehrenvollen Rufe nah Wien folgend, in dem befrrochenen 
Zeitraum von und gefchieden. Dem. Betty Piftor, im feineren 
Luſtſpiel unübertrefflich, und felbft in höherem Drama, aud) als 
gefühlvolle Declamatrice trefflih ; wir nennen nur ihre Sulia, Eboli, 
Emilia, Luife, Delena im Fauft, Wilhelmine im Hötel de Wi- 
burg u.a.; wie ihre jüngere. Schwefter Minna in Kinderrollen 
eine überrafhende Erfheinung; deren Vater, ein gebildeter Mann, 


86 


der den Geift feiner Rollen genau zu erfaffen wußte, nur über die 
Wahl der Darftellungsmittel nicht immer im Reinen war, aus: 
gezeichnet als Marchefe in Houwalds Bild, ald Appiani u. a.; 
und dejien Gattin, auch in gemeinern breitgefchwäzimn Alten 
recht brav. Den Berluft der erjteren zu erfegen, wurde Dem. 
Roſalie Wagner berufen, deren Reiftungen wir jedoh unferem 
Plane gemäß erſt in der Folge befprechen Eönnen. Bolze, in 
Alten Rollen recht gut verwendbar, ift zugleich Snfpieient. 

Die Oper hat an Kainz einen Fundigen Director, einen 
geübten Sänger, der noch immer Tüchtiges Teiftet. An die Stelle 
der Dem. Sonntag ift mit Recht als Liebling des Publikums 
Dem. Eomet getreten, die mit einem feltenen Umfang der 
Stimme Präcifion und fihere Intonation, Geläufigfeit der Kehle 
mit Kraft und Fertigkeit verbindet, die ald Sängerin kühn mit 
mancher Gefeierten fich meſſen kann, und die nur an Lieblichkeit 
auferer Formen, aber auch in der Darftellungskunft ihrer Vor— 
gängerin nachſteht. Mad. Ernft bat viel Gefenfigkeit, und ift 
felbft ald Darfiellerin in heiteren Charafteren brav; nur ift für 
höhere Partien ihre Stimme zu wenig voll und rund. Dem, 
Herbſt, Schülerin des Conjersatoriums, hat eine trefflihe Alt: 
ftimme, nur wäre ihr mehr Sicherheit zu wünſchen; ihr Tancred 
fieß uns viel Gutes für die Folge erwarten, da es ihr auch an 
Darftellungsgabe weniger gebricht, ald das gewöhnlich bei Sänge: 
rinnen der Fall. Die Dem. Schifaneder, in Iofalen Ging: 
fpielen bejonders Mad. Allram, fingen ebenfalld. Kürzlich 
wurde Dem. Schulz, auch auf der Violine ausgezeichnet, als 
dritte Sängerin engagirt, und Dem. Klara Wagner. An Hrn. 
Binder haben wir einen fehr geübten Tenor, und alla camera 
fonnte man fi nicht einen befern wünfchen, doch hat er auch 
Kraft genug für die Bühne, gehört unftreitig als muſikaliſch ge: 
bildeter Geſangskünſtler, befonderd was Sicherheit, Bindung der 
veriihiedenen Chorden und Tragen der Stimme betrifft, zu den 
Ausgezeichnetften Deutſchlands; nur wäre ihm mehr Darftellungs: 
gabe zu wünſchen. Dieſe laßt Podhorſky weniger vermifjen, 
nur verliert er immer mehr an Höhe, wahrend die tieferen Töne 


ur 


87 


doch micht zur Kraft des Barytenors anzufchwellen vermögen. Dr. 
Wiedermann bat in der Art eine treffliche fonore biegjame 
Stimme erhalten, und hat durch Fleiß für ihre Ausbildung viel 
gethan; auch ald Darjteller bat er nicht unbedeutende Fortjchritte 
gemadt. Hr. Mihalefi wird machgerade als Baſſo etwas zu 
‚Schwach, doch ift er noch immer recht braudhbar. Schikane— 
ders haben wir fohon oben erwahnt; auch Feiftmantel, Alt 
ram, Schimef, Hartmann, wirfen mit. Zu bedauern war, 
dag man einen jungen Dann, der eine überaus weiche Baßſtimme 
befaß, und für feine muſikaliſche Ausbildung viel gethan hatte, 
der auch ald Dilettant in böhmischen Opern glänzende Proben feiner 
Anftelligkeit gegeben, nicht feft zu halten fuhte. An Trieben- 
fee bat die Oper einen Eundigen erfahrenen Leiter, und jeinem 
Unterrichte dürften viele Mitglieder unjeres Perjonald weit mehr 
zu verdanten haben, ald dem Director einer auswärtigen Hofbühne, 
der von jeinen Verdienſten diesfalls in der Theaterzeitung viel 


Aufſehens mahte. Das Orcheſter, defien Director Hr. Piris 


iſt, zugleich erſter Violinift, der auch auf der Violine und der 
Biola im Conjervatorium Unterricht ertheilt, und tüchtige Schüler 
‚sieht, ift gewiß eines der bravſten, und nicht felten wird raufchen- 
der Beifall feinen Leiftungen zu Theil. 

Noch hat Die jezige Direction, bejonders Hr. Stiepanek, 
den Dank von einem großen Theile der Bewohner unjerer alten 
Königsftadt dadurch verdient, dag fie in der angemefjenen Sahres- 
zeit des Nachmittags Schau: und GSingjpiele in der öchifhen 
Landesſprache veranftaltet, welches Vergnügen die Freunde diejer 
Sprade lange Zeit hindurch gar nicht, und fonft nur einigemal 
genogen. Die Oper bejonderd muß anziehn, da die böhmijche 
‚Sprache, wie ihre ſlawiſchen Schweitern, bei ihren voll austönen- 
den, mannigfaltig abwechjelnden Vocalen, ihren pracifen Längen 
und Kürzen, ihrem mannigfaltigen reihen Rhythmus, worin fie 

ganz den alten Sprachen gleicht, fih mit der italienifchen unter 
allen lebenden Spraden am meiften zum Gefange eignet, und wenn 
der Verfaſſer des Tertes leicht vermeidliche Härten zu umgehen 
verſteht, jo wird das Ohr in der That ſehr anmuthig getäujcht. 


88 


Sm Schaufpiel und in der Oper wirfen einige treffliche Dilettan- 
ten, und von dem Bühnenperfonal Dem. Comet, Doleifh 
Schulz, die Hrn. Mihalefi, Podhorſky, einmal in Rofii. 
ni's Othello ſelbſt Binder, Schimek, und Swoboda, der 
nur fleigiger im Einftudieren der Rollen jeyn, und mehr für feine 
Ausbildung forgen follte, um in beiden Sprachen eines der ausge 
zeichneteren Mitglieder unferer Bühne zu werden. Ueber die ein, 
zelnen Vorftellungen, da der Raum jchon zu enge wird, im nächſten 
Sahresberichte, der im folgenden Hefte geliefert werden fol. 

Auch für eine zwekmäßigere Einrichtung des Haufes wurde 
unter der gegenwärtigen Direction, durch die Munificenz feiner 
Eigenthümer geforgt. Die Bühne, auf der die Schaufpieler un, 
ter dem Dache ftehend, im Winter und Sommer jedem Einfluife 
der Witterung blos geftellt waren, ift verſchallt, und wie das 
Theater — im Sinne der Griechen, der Raum nämlich für die 
Zuſchauer — mit Luftheizung nah Meißners Methode verfehen; 
doch ftrömt im Fälterer Jahrszeit, wo man die Heizung oft noch 
nicht nothwendig glaubt, eine ziemlich fharfe Luft aus den Deffnun- 
gen heraus. Für die Verfertigung von, Decorationen hat ein tüch, 
tiger Landſchaft- und Architecturmaler, Hr. Anton Sachetti, 
eigens von den Derren Ständen, und zum Theife von der Direction 
befoldet, zu forgen. Vieles follte wohl umgemalt, vieles minde- 
ftens aufgefrifht werden. Die Garderobe ift freilich nicht glän- 
send, und Fann ed auch nicht ſeyn, doc ift fie öfters genügend, 
und nur zuweilen tritt dem Zuſchauer etwas Störendes entgegen. 
Die Comparferien find feit der vorigen Direction gewöhnlich zwek— 
mäßiger eingerichtet, als fie cd ehedem waren. 

In Opern und im Schaufpiel führen Gruppen - und Grotesk— 
tanze, denen mehr Mannigfaltigfeit fehr zu Statten Fame, Herr 
und Mad. Pfeifer, Dem. Schifaneder jun., die HH. Fei- 
gert, Brunettiund Küffel aus, 

Somit hatten wir die Kräfte unferer Bühne bezeichnet ; über 
ihre Leiftungen im Einzelnen nächſtens. 





Dee 








— — 


— u ar 
Paz — * — 


—* 


89 


Literäriſche Anzeigen *). 





Plantarum Brasiliae icones et descriptiones hactenus 
ineditae. Auctore Joa. Em. Pohl, M.D.&c. Fasc.l. Vindo- 
bonae 1826. Fol. 9 Bogen (Tert. 25 Abbildungen. 

Es gehört unter die erfreulichften Erfcheinungen für die Wif- 
fenfchaften, dag in unfern Tagen, vorzüglich feit 10 Jahren durch 
unmittelbare Unterftüßung der Souveraine Europa’3 nicht blos 
bedeutende Entdefungsreifen unternommen und ausgeführt, fonz 
dern was weit wichtiger ift, die mitgebrachten Naturſchäze fogleich 
wifienfhaftlich beftimmt, in den Sammlungen aufgeftellt, und im 
Druf herausgegeben werden ; wodurch felbft in dem Falle, daß die 
Sammlungen, die fo vielen Veranlafjungen der Zerftörung ausge— 
ſezt find, zum Theil verloren gehen follten, der Gewinn für die 


Wiſſenſchaften gefihert ift. 


Das Werk, welches wir hier ankündigen, ift die erfte Frucht 
der merkwürdigen naturbiftgrifchen Erpedition, welhe Se. Maj. 
der Kaiſer von Defterreih nach Brafilien ausgerüftet hat. Es er: 
fheint auf allerhöchiten Befehl des Souverain's, auf Koften der 
Privat: Schatulle desjelben. Herr Dr. Pohl, Euftos des braſi— 
lianiſchen Mufeums, der ald Naturforfcher bei diefer Erpedition 
angeftellt war, und drei Jahre in Brafilien verweilte, beforgt die 
Beftimmung und Beſchreibung der Pflanzen. Die Abbildungen 
find von dem bekannten geſchikten Pflanzenzeichner Hrn. Sandler- 





*) Die Redaction dieſer Blätter wird ſich angelegen feyn Iaffen, alle Bohe- 
mica gleich nach deren Erfcheinen anzuzeigen. Bohemica find alle Bücher ı) in 
böhmifcyer Sprache gefchrieben, 2) in was immer fir einer Sprache von Böh— 
‚men verfaßt, 3) von wem immer gefhrieben, aber in Böhmen gedruft oder 
aufgelegt, 4) wo immer gedruft, aber über Böhmen gefchrieben. Wir erſu— 
hen daher nodymals alle Schriftiteller und Berleger folder Werfe, uns diefel- 
ben ſogleich nad) ihrem Exfcheinen zur Anzeige zufommen zu laffen; nad ge= 


? machtem Gebraud) werden wir biefelben dem Cinfender zurüßftellen, oder, 


wenn er eö verlangen follte, an die Bibliother des Nationalmufeums abgeben; 
von dein. Leztern wird im monatlichen Mufeumsberidyte jedesmal die Anzeige 
gemacht werden, 


90 


Um ſowohl diejenigen Pflanzenliebhaber zu befriedigen, die 
Prachtausgaben vorziehen, als den Botanifern, die nicht in dem 
Fall find, ſich fehr Foftbare Werke anzufchaffen, die Mittel zu ver: 
fhaffen, das Neue und Seltene, das hier dem wien fchaftlichen 
Publikum dargeboten wird, nicht zu vermiſſen, erſcheinen zwei 
verfhiedene Ausgaben: die erjte auf Groß- Folio Velin- Papier 
mit rein illuminirten Abbildungen zu 30 fl. C. M.; die zweite 
auf Klein: Folio VBelin- Drufpapier mit fohwarzen Umriß-Stein— 
abdrüden asfl.E.M, Vier Hefte bilden eine Centurie oder einen 
Band. Die Vorrede und die Namen der Subferibenten auf die 
Prahtauflage werden mit dem vierten Hefte ausgegeben werden. 

Das erfte Heft beginnt mit einer neuen Pflanzengattung, 
welche dem großen Mäcen aller wiſſenſchaftlichen Anftalten, vor 
züglich der Botanif, Sr. Maj. dem Kaifer gewidmet ift. Die 
Gattung Franciscea, aus der Familie Scrophularinae, ift mit den 
Gattungen Vinca und Brovalia nahe verwandt, doch dur Blü: 
thenbau und Frucht hinreichend gefchieden. 3 neue Arten davon 
werden aufgeführt, namentlich ftrauchartige Gewächſe, worunter 
Franciscea hydrangeaeformis unter die ausgezeichnetften Zier— 
gewächſe ‘gerechnet werden Ffann. Der Baum, von welchem die 
brafifianifche Chinarinde gewonnen wird, den Ruiz und Pavon 

in der Flora peruviana unter dem Namen Cosmibuena be: 
fhrieben hatten, wird bier unter dem Namen Buena hexandra 
genau auseinander gejezt. Mehrere unter Croton und Ja- 
tropha früher aufgenommene Pflanzen, die fi durch beftimmte 
Gattungscharaftere unterfheiden, werden hier von jenen Gattun- 
gen getrennt, 5. B. Adenoropium ellipticum (Jatropha ofli- 
einalis 4 Martius). Alle zu diefer Gattung gehörenden neuen 
Arten von Martius, gleich) wie jene der Altern Botaniker unter 
Croton und Jatropha verborgenen, werden im Tert namhaft ge: 
madht. Für Die übrigen Pflanzen diefer Abtheilung wird. der 
ältere Gattungsname von Plumier und Tournefort (Manihot) vor: 
zugsweiſe gewählt, 16 Arten davon befchrieben. und abgebildet, 
und die beiden fonft öfter verwechfelten Pflanzen, welche dad Ma— 
niocmehl Tiefen, das die Hauptnahrung ded gemeinen Mannes 











9 


und Sandbewohners der füdlihen Halbfugel ausmacht, merden auf 
eine beftimmte Weife, und ald zwei verfchiedene Arten unter dem 
Namen Manihot aipi (Jatropha duleis) und Manihot utilis- 
sima befchrieben und abgebildet. 

Sn dem II. Heft, welches zur nächſten Oſtermeſſe erfcheinen 
fol, werden noch 23 Arten von diefer Gattung nachfolgen, in 
welcher fi die Natur in Verſchiedenheit der Blattformenbildung 
gleichfam erfchöpft zu haben fcheint. 

Die Ausftattung diefed Werkes läßt Peineh weitern Wunſch 
übrig. 





Berichte über die fortfchreitende Vervollkommnung des 
vaterländifchen Mufeums *). 


(Dctober und Nov. 1826.) 


In die Klaffe der wirkenden Mitglieder dieſes pa- 
triotifhen Vereines, ift im Verlaufe der angegebenen Zeit, und 
zwar durch feine Erklärung zum jährlichen Syftemal - Beitrage, 
eingetreten: H. Anton Schmidt, fammtlicher Rechte Doctor, 
in Prag. 

Zu Pleineren jährlichen Beiträgen haben fih 
verbunden : 

9. Vinzenz; Chriſtian Rubeſch, bifhöfl. Notar, 
Dechant und Rector in Haida: — H. Leopold Tig, Dedant 
in Kretſch: — 9. Joſeph Kruis, Pfarrer in Zahorz: — 

9. Joh. Pira, Kaplan daſelbſt: — 9. Karl Hanslow— 
fcy, Pfarrer zu Kreſchtiowitz: — D. Joſeph Kronberger, 
Caplan daſelbſt: — H. Veit Cyza, Lofalfeelforger zu Albrech— 
fig: — 9. Andreas 3loch, Pfarrer zu Putim: — D. Mar— 





bu) Als Fortſezung der bisherigen Quartald= Artikel im ber Prager Zeitung 
über died Inſtitut. 


92 


tin Rziha, Lofalfeelforger zu, Paraczow: — 9. Mathias 
Takftein, Pfarrer zu Ginin: — 9. Thomas Pawelka, 
Pfarrer zu Sedlig: —und 9. Johann Stiepanef, Admini- 
firator zu Cifomwa. | 

An Materialien hat das Mufenm feit dem dritten 
diesjährigen Quartalsbericht erhalten: 


Für die Mineralien und Peträfacten- Samms- 


lung: 

Bon Sr. Ere. dem Herrn Staats -und Eonferenzminifter 
Franz Grafen von Kolowrat- Liebfteinffy: eine 
Yartie ausgezeichneter Mineralien, worunter ein Kryftall vom 
St. Gotthardsberge. — Vom 9. Abbe Franz Hocke: eine 
Kifte mit Gebirgsarten und Mineralien von Nonsberg, als 
Fortjezung feiner früheren Einfendungen. — Bom 9. Emilian 
Petrzik, Eapitular und Provifor im F. Pramonftratenfer- Stifte 
Strahof: eine Partie Mineralien von Mühlhaufen. — Vom. f. 
Gpmnafialprofeffor H. Ottomar Madlener in Pifek: eine 
Partie Mineralien und Trilobiten. — Vom 9. Martin Ko: 
petzky, Bürgermeifter in Ellbogen: einige Steinkohlenftuffen. 
— Vom 9. Franz Bohadſch, Wundarzt im Prager allge 
meinen Krankenhauſe: eine Partie Goldfand aus der Wattawa. 

Für die zoologifhen Sammlungen: 

Bon Sr. Ere. dem k. £. Heren General, Grafen von 
Noftis: einen Adler und eine Heidefihnepfe. — Vom 9. Gra— 
fen Eugen Cjernin: ein gehörntes Rebhuhn. — Vom 9. 
Grafen Sohbann Kolowrat:Krafowffy: eine Heidefchne: 
pfe. — Dom 9. Soh. Ejermaf, ftandifhen Weinauffchlags- 
einnehmer in Deutfhbrod: einen ausgeftopften Storch, und eine 
ausgeftopfte Pfeifenente. — Bom 9. SafobLauterer, Amts- 
verwalter in Theufing: eine auf einem dortigen Teiche gefangene 
große Meve .(Larus). — Vom 9. V. C. Rubefd in Haida: 
eine große Seemuſchel. — Vom H. Wundarzt Bohadſch: eine 
Suite böhmiſcher Perlen aus der Wattawa. 

Für die botaniſchen Sammlungen: 
Dom 9. V. C. Rubeſch in Haida: eine Sammlung von 





93 


335 verfchiedenen erotiichen, größtentheils brafilianiihen Holzar— 
ten im Beinen Tafeln. - 
| 7 Für die Bibliothek: 
7 Bon Sr. Ere. dem Herrn Staats: und Conferenzminifter 
Franz Grafen von Kolowratstiebfteinfky: 3 felte 
! ne alte Drukſchriften. — Vom H. Abbe Joſ. Dobromfty: 
68 verſchiedene Drukſchriften über die böhmifhe Sprade. — 
Dom 9. Barth. Kopitar, k. E. Hofbibliothefscuftos in 
- Bien: den Abdruk eines Marienbildes mit einer flawifchen 
Hymne. — Bom 9. Joh Wenzel Sudhanef, Handels— 
mann in Eibekofteleß: ein Eremplar feines Handbuches der Wed: 
felarbitragen. — Vom 9. V. C. Rubeſch in Haida: 2 von 
ibm verfaßte und gedrufte lateinifche Gelegenheitsgedichte. — 
Dom Doctor und k. k. Profefior H. Adolph Pleiſchl: eine 
Sammlung mehrerer von ihm verfaßter und gedrufter chemiſcher 
Aufſäze. — Dom 9. Karl Winarzisgky, Prager fürfterzbis 
| fhöflihen Ceremoniär: eine Sammlung der in Kupfer geſtoche— 
nen Statuen auf der Prager Brüke. — Vom H. Georg Corda 
in Prag: 2 alte Drukſchriften mit Kupfern. — Vom H. Joſ. 
Hentſch, k. k. Gymnaſialprofeſſor in Eger: ein Exemplar ſei— 
mes gedrukten Aufſazes über lateiniſche Conjugationen. — Vom 
D. Georg Wahner, Weltprieſter und jubilirten Pfarrer in 
— Prag: 24 lateinijche und deutjche gedrukte vaterländijche Reden. 
Ä — Dom 9. Joh. Pichler, penfionirten Weltpriefter in Stra— 
konitz: 2 Drukſchriften. — Vom 9. Joſ. Schön, f. k. Gym: 
naſialpräfect in Piſek: einen genealogiſchen Kalender, und 2 
I Jahrgänge der Wiener: und der allgemeinen Zeitung. — Dom 
Anton Liſchka, k. F. Gymnaſialpräfect in Bochnia: 2 
7 vaterländiſche Drukſchriften un® die Zeihnung eines alten Denk: 
Bi. — Vom 9. Sof. Beinmann von Weinfeld, 
r k. Feldcaplan in Neuhaus: 3 ältere Drukſchriften. — Dom 
9.9. U.D. Anton Shmidt in Prag: Glafeys Geſchichte 
öhmens. — Dom 9. Ignaz Anton Nowak, Cooperator 
J an der Pfarre zum h. Nikolaus in Prag: ein Exemplar ſeines 
gedrukten hiſtoriſchen Aufſazes über dieſe Kirche. 
















94 


Für die Eammlung der Handfhriften: 

Vom hochw. Herrn Franz Pöllner, Domſcholaſticus und 
f. k. Oymnafial- Direftor: ein im XVI. Sahrhunderte auf Per: 
gament verfertigted Prachteremplar der Statuten ded Ordens 
vom goldenen Vließe: — und ein mit der Feder auf Pergament 
Funftreich gezeichnetes Portrait weil. S. Maj. KR. Leopold I. vom 
Sahre 1689. — Vom 9. Anton Fifhkfa in Bohnia: den 
Katalog eines vaterfändifhen Archives. — Vom k. k. Gymna— 
flalprofefor 9. Wenzel Swoboda: ein Fragment einer gla— 
golitifchen Hiftorifhen Handſchrift. — Bom H. Leopold Ti 
in Kretſch: ein böhmifches biftorifhes Ms. des XVII. Sahr: 
hunderts. 

Für die Münzfammlung: 

Dom H. Joh. ECjermaf in Deutfhhrod: 1 Frankfurter 
Thaler, und 3 Feine Goldſtüke. — Vom H. Karl Winarzitzky 
in Prag: 1 alten böhmifchen Thaler. — Vom 9. Anton Stifa, 
Schullehrer in Schlan: 1 jehr gut erhaltene Silbermünze vom 
böhm. Herzog Spitignew dem IT. — An verfihiedenen Eleineren, 
vaterländifchen und fremden, Silber: und Kupfermünzen: Bom 
D. Joh. Peterka, Mag. der Chirurgie und Geburtshilfe zu 
Prag: 14 Stüke. — Vom 9. Joſ. Homolfa, Amtmann zu 
Roſtok: 12 Stüfe. — Vom 9. Karl Uhlirz, Brauhaus- 
pächter dafelbft: 5 Stüke. — Vom 9. Barth. Labler, Hof 
pachter in Selz: 6 Stüke. — Vom 9. V. C. Rubeſch in 
Haida: so Stüke. — Vom H. Joſeph Schön in Piſek: 2 
Stüke. — Von der Frau Wirthſchaftsräthin Nettwal in 
Prag: 20 Stüke. — Vom H. Joſeph Kruis in Zahorz: 5 
Stüfe. — Vom 9. Lauren; Maſchek, Dechant in Pifek: 
3 Stüfe. — Tom 9. Thomas Narera, Kaplan daſelbſt: 
s Stüke. — Vom 9. Joſ. Kronberger in Krieſchtiowitz: 
ı Stüf. 

Für Die etbnographifhen Sammlungen: 

Don den FE. E. Kreisämtern de8 berauner und rafo 
nizer Kreifes: die Abvrüfe von den Sigillen der Stadte und 
Märkte jener Kreife. — Bom H. V. €. Rubeſch in Haida: 


er a PT 





— —— 





95 


einen kleinen Altar mit Schnizwerfen aus Elfenbein: 2 bemalte 
Seemufheln: und 1 altes Trintglas. — Vom 9. Michael 
Weis in Prag: ein alterthümliches Schnizwerk aus Hol. — 
Bon der Frau Wirthihaftsräthin Nettwal: einen alten be 
malten Teller aus Majolik. — Bom 9. Sof. Weinmann 
von Weinfeld in Neubaus: 2 alte Gemälde. — Vom D. 
Anton Hofmann, KRechtshörer im 3. Sahrgange: ein altes 
Thongefhirr aus Mies. — Vom 9. Euftos Burde: ein Ka 
ftenfhlog vom J. 1317: einen Pflafterziegel aus der Klingen: 
berger Zurgfapelle: einige metallenen und gläfernen bei Podmokl 
und Nifhburg gefundenen Refte von Arbeiten der Vorzeit: und 
2 Holjverfteinerungen. 


— Hm 


Verlagsartikel des vaterländifchen Mufeums. 


2 Grundriß der k. Hauptfladt Prag, aufgenommen 


vom F, k. Artillerie - Hauptmann Hrn. Sofeph Süttner, 
1820. Schwarz auf feitem weißen Papier: 5 fl. C. M. 
Schwarz auf Belin: 6 fl. C. M. Illuminirt auf Velin: 
aufgezogen: zum Zufammenlegen abgetheilt, und mit Schu— 
ber: 9 fl. C. M. 

Bei Hrn. Bibliothefar Hanka im Mufeo: und in 
der Kunftbandlung des Hrn. Zimmer zu Prag. 


U. Lehrgebäude der ruffifhen Sprache: nah dem 


Lehrgebäude der böhmischen Sprache des H. Abbe Dobrowſty. 

Von Anton Saroslaw Puchmayer. Prag. Haaſe. 

1820. XLI. und 288. ©. in 8. brojdirt 2 fl. C. M. 

Bei H. Vibliothefar Hankfa im Mufeo: dann in den 

Buchhandlungen der HH. Kraus und Enders zu Prag. 
II. Reliquiae Haenkeanae, seu descriptiones et 
icones plantarum, quas in America meridionali et 
boreali, in insulis Philippinis et Marianis collegit 
Thaddaeus Haenke, Philosophiae Doctor, pby- 
"tographus regis Hispaniae. Cura Musei Bohemici. 
Fasc. Imus cum tabulis XII. aeri incisis. Pragae. 
Calve. 1825. mit der Lebensbeſchreibung des H. Boct. 
Hänke. XV. und 84 Eeiten in Folio: 6 fl. C. M. 

. Bei 9. Eufios Doctor Pregl im Mufeo: und in 
der Calveſchen Buchhandlung zu Prag. 


96 ; 


IV. Berbandlungen der Gefellfhaft des vater— 
landifben Mufeums in Böhmen, mit lithographi— 
ſchen Beilagen: gedruft in der v. Schönfel d'ſchen Bud- 
druferei, in 8. In böhmiſcher Sprade: 1. Heft. 1823. 


64 ©. — 2. Heft. 1824. 132 6. — 3, Heft. 1825. 886. 


1f. EM. — In deutſcher Sprade: complette 
Exemplare: 1. Heft. 1823. 77 S. — 2. Heft. 1824. 144 
S. — 3. Heft. 1825. 100 ©. — 4. und leztes Heft. 1826, 
586%. 1fl.30 fr. C. M. 

Bei H. Bibliothekar Hanfa im Mufeo : dann in den 
Buchhandlungen der HH. Kraus, Enders, wie aud 
Kronberger und Weber zu Prag. \ 





8ur Nachricht. 
LEERE Un 


Mehrere Anfragen und Mifverftändniffe veranlaßten 
und zu der wiederholten Erklärung, daß bei der Pramus 
meration auf die Zeitfchriften des Mufeums Fein 
Schlußtermin beftimmt wurde, und man daher auch fer 
nerhin darauf pränumeriren Fönne, indem der erhöhte La— 
denpreis jedesmal erft bei der Erfcheinung eines neuen 
Jahrgangs, für den zulezt vollendeten eintreten wird. 
Der ganzjährige Präanumerationspreis auf dieſe Monate 
fohrift beträgt im Bureau des vaterländifchen Muſeums 
(Prag, Altftadt, im Annahofe N. 211) Sechs Gulden E.M. ; 
bei allen E. E. Poſtämtern mit portofreier Verfendung, 
7f. 20 fr.; in allen Buchhandlungen (durch die 
Hrn. Krondberger K Weber in Prag) innerhalb der Mo— 
narchie 7 fl., im Auslande aber 5 Thlr. ſächſiſch. Es wird 
auch halbjährige Pranumeration angenommen. — Die ein: 
zelnen Hefte werden im Bureau des Muſeums am Sten und 
den folgenden Tagen jedes Monats von 10 — 1 Uhr, gegen 
Vormweifung der Pränumerationsfcheine, ausgegeben; Die 


Redaction kann fich jedoch mit der Verfendung der 


Eremplare an auswärtige HH. Pränumeranten keineswegs 


befallen. 





Redacteur: $. Palacky. 





v. Schönfeld's Papier und Druk. 





Wi 








1. Zwer und Man dieſer Monatſchrift 


2. Bruchſtüke aus dem epiſchen Gedichte Wlaſta, 
von Karl Egon Ebert — 
3. Zur Geſchichte des großen ide in Böh⸗ 
men in den Sahren 1439—1453, von F. Palacky 
(A. Berhantlungen über die neue Königswahl im 
JeO 


4. Sonette von J. Kollar. Aus dem Böhmiſchen über: 
fezt von —— Wenzig » 


5. Was gewinnt die böhmiſche Geſchichte durch die 
Monumenta Germaniae historica? Von J. 
Dobrowffy * * — + 3— [3 [3 . “ * 


6. Notizen über die Bevölkerung Prags. Bon Dr, 
Branı Btelhig nn a ar a 
7. Baterländifhe Nachrichten, a) Zur Chronik des 
Tages.  b) Preisaufgabe der Fön. böhm. Geſell⸗ 
[haft der Wiſſenſchaften. ©) Rüfbtife u. f. w. 
.d) Eiterärifhe Anzeigen, e) Bericht vom vater: 
lantifhen Muſeum. 





Monatfrift 
der 
I} Geſellſchaft 
IE des 
| vaterla — Muſeums 
I in Böhmen, i 


“ 


Erſter Jahrgang. 


J ag, im Berlag des bohmiſchen Muſeums. 
18 2 7. 















m * * 


Geſellſchaft 
vaterlandiſchen Muſeuns 


in Böhmen. 





Erfer Jahrgang. 


> - 
R 


Februar. 





Br. Prag, 
Im Verlag des böhmifchen Muſeums. 


1827, 


st 


- 








Horimir und fein Roß Semif; 


in vier Nomanzen. 





Don 
Prof. Anton Müller, 
OH 


I. 
Das Fürftenmal, 





Droben auf dem Wyſſehrade 

An der dunkeln Fluth der Moldau 
Saß der Woywod Kreſomysl 
Mit den Edlen, den Wladyken; 
Unter ihnen Horimir, 


Alle fangen, alle fehlürften 

Süßen Meth aus gold’nen Schalen ; 
Horimir allein trank Waſſer, 
Trank's aus einem Bürfelhorne, 

Er allein nicht wollte fingen, 

Sinfter fhaut’ er, ſann und ſchwieg. 


Auf dem Knie den Ellenbogen 
Seiner Linken, alle Finger 
Eingewühlt im fohwarzen Barte, 
Zog er feine Brauen nieder, 
Cap er, wie aus Erz gegofien, 
Stumm und unbeweglich da. 

1 Ei 


4 


Das verdroß Herin Krefomysl 
Und er fprad zu Horimir: 

„Lange hab’ ich zugefehen, 

„Länger Fann ich's nicht mehr dulden ; 
„Wiſſe, troziger Gefelle ! 

»Wilfe, daß dein Herr dir zurnt,“ 


„Ale meine Edelleute, 

„Wenn ihr MWoymod fie befchieden, 
„Reiten goldgefchirrte Roſſe; 

„Du allein den alten Gemif 

„Mit dem wüften, breiten Kopfe ; 
„Striegeljt Faum den Bauerngaul.“ 


„Alle meine Edelleute, 

„Wenn fie fteh'n um ihren Woywod, 
„Führen goldbefchlag'ne Meifer 

„In dem ſchmuken Ledergürtel; 

„ou allein, du Ungeſchlachter! 
„Trittſt mit deinem Elafterlangen, 
„Alten Schwerdt vor meinen Stuhl.“ 


„Ale meine Eoelfeute, 

„Wenn ihr MWoywod fie geladen, 
„Trinken Meth aus meinen Schalen; 
„Du allein füllt mir zum Hohne 
„Waſſer in dein Büffelhorn.“* 


„Alle fingen, alle jauchzen, 

„Mich, den Woywod, froh zu jchauen ; 
„Du allein bift ungezogen, 

„Stemmft dein Haupt und wühlft im Barte: 
„Lange hab’ ich zugejehen, 

„Länger kann ich's nicht mehr dulden. 
„Ehr' ich dich als Tifchgenoffen, 

„Was verdirbft du mir das Mal? 








Langſam feste fih der Ritter 

Aufrecht, nabm das Wort und fpradh: 
„Weil du frägit, jo will ich reden: 
„Sonſt, wenn Horimir will jchweigen, 
„Steht er feinem Gehen Rede, 
„Keinem Eden, außer dir!“ 


„Gar jo breit ift meines Gemits 
„Stirne nit, wie du gefagt haft; 
„Dätten denn die Keufenfchläge, 
„Die in mander Schladht ihn trafen, 
„Breit gefchlagen feinen Kopf.“ 


„sa, in zwanzig heißen Schladhten 
„Diente mir und dir der Semik. 
„Die Marbanen, die von Lukan 
„Wien ihn, wie mich zu nennen ; 
„GSemik ift ein Rittergauf.« 


„Struppig, das ift wahr, ift Gemik, 
„Nicht weil ich die Striegel ſchone, 
„Struppig ift er von Geburt. 
„Gtruppig, Woywod! bin ich felber, 
„Nun fo paßt das Roß zum Reiter; 
„Schwer zu kämmen, ſchwer zu zäumen 
„Iſt der Gemif, wie fein Herr.“ 


„Gut haft du mein Schwerdt gemeffen, 

„Zähl' auch aljo feine Scharten! 

„Gold und Silber jhmüft die Sungfrau, 

„Aber Männer ziert das Eifen, 

„Ziert die Pflugfchaar, ziert das Schlachtſchwerdt; 
„Eifen gib mir — gutes Eifen 

„Und behalte dir dein Gold.“ 


„Und mein Büffelborn — ich nabm es 
* \ 
„Einem deutſchen Reiterfüriten, 


„Den ich, niederfchlug im Zweikampf, 
„As wir an der Elbe fiegten ; 
„Seitdem trink ich gern Daraus.“ 


„Aber daß ih Wafler trinke, 

„Daß ich fehmeige, wenn ihr finget, 
„Will ich offen ſagen; magft du 
„Zürnen, Woywod! oder nicht.“ 


„Du und deine Edelleute — 

„Berge wühlt ihr dur und Hügel, 
„Dingt euch Hunderte von Knappen, 
„zreibt den Pflüger von der Brache, 
„Zwingt ihn in den Schaht.zu fleigen, 
„Suchet euer Heil im Gold.“ 


„Darum habt ihr gold’ne Schalen, 
„Goldgeſchmükte Dolch’ und Roſſe; 
„Aber Brod ift Fein’s im Lande, 
„Unf’re guten Gehen hungern, 
„HDungern alle, außer eud).“ 


„Denn ihr fehlagt den Knecht zu Boden, 
„Der euch eure Hirfche tödtet, 

„Preßt ihm unter Fluch und Dräuen 
„Aus dem Schranf den Testen Biſſen; 
„Herr! das thut mir weh im Herzen: 
„Sing' ein and’rer, ich Fann’s nicht!“ 


„Eu’re Augen feh’ ich ſprühen? 

„run fo zürnt; ich rede Wahrheit. 
„Warum fragte mich der Woywod? 
„Hätt' ich Waſſer nicht getrunfen, 
„Zürntet ihr vielleicht noch mehr.“ 


„Eines thut mir weh, mein MWoywod . 
„Daß ich dir das Mal vervorben, 








= Wan? Fe 


%. 


„Daß ich micht ſchon längſt gegangen: 
„Dies vergib und — lebe wohl!“ 


Alſo ſprach der Neumeteler, 

Hob fih auf von feinem Size, 
Beugte fih vor Kreſomysl, 

Nahın fein langes Schwerdt und ging. 


Alle die Wladyfen murrten ; 

Aber wer am meiſten zürnte, 

War — nicht Herzog Kreſomysl, 
Denn der kannte feinen Ritter — 
Zlatislam von Pribram war ed: 
Shm, ibm fuhr der Pfeil der Rede 
Brennend bis in’s tiefſte Mark. 


ie der Bliz aus fchwarzen Wolfen 
Dort vom Rande grauer Hügel 
Unheilſchwanger leuchtet, zufte 

Aus der dichten, ſchwarzen Wimper 
Des Wladyken Racheblik. 





u. 
Ein Zag auf der Jagd. 





Rothbeglänzt vom Morgenhimmel, 
Angehaucht von Fühlen Lüften, 

Bis in's Herz erquikt und heiter 

Mit dem Schwerdt, mit Pfeil und Bogen, 
Keitet Horimir den Gemif 

Aus dem Thore feiner Burg. 


Lenkt vorüber an den Stoppeln, 
Sieht die hochgethürmten Schober, 
Golden, ſchwer, von Segen ftrozend ; 


Trabt entlang den grünen Anger, 
Gieht die Rinder, fieht die Lammer, 
Sieht fie ziehen, fpringen, grafen, 
Blifet auf zum weiten Himmel: 
„Perun! Daft mic hoch gefegnet ; 
„Laß mir, was du gnädig gabjtle 


Eich! und blutig walzt die Sonne 
Sid) empor aus ſchwerem Nebel, 

Und ein Windſtoß nimmt des Ritters 
Fromme Worte von den Lippen, 
Streut fie in die weiten Raume; 
Raben links vom nahen Felde 
Slattern auf und krächzen, Ereifen; 
Heute, Ritter! fieh’ dich vor! 


Wohin lenkt er nun den Gemif? 

In den Fort. Am Rande hält er, 

An dem Rand des tiefen Örabeng; 
Hebt den Bogen von der Schulter, 
Nimmt den fchärfiten feiner Pfeile, 
Streichelt feinen guten Gemit, 

Beugt fih vor — hui! ſteht der Reiter 
Drüben in ded Waldes Nacht. 


Kaum zehn Sprünge jagt er einwäarts, 
Treten aus dem nahen Dificht 
Knurrend, fletfhend, glüh'nden Auges 
Hoch geftraubt die grauen Haare, 
Zwei gewalt’ge Wölfe. Schwirrend 
Fliegt der Pfeil vom glatten Bogen, 
Trifft in's Leben ; heulend, zukend 
Krummt der eine fih im Blut. 


Rükwärts taucht der ande’ in’s Dikicht, 
Semik ſchließt die beiden Augen, 





Springt ihm nach; doch in der Mitte 
Bleibt er ftefen hart und feit. 

Erf als Horimir die Aeſte 

Mit dem langen Schwerbte Fappte, 
Konnte Semik durch's Gezweige, 
Konnte Horimir den Flüchtling 
Suchen mit ded Bogens Kraft. 


Lange muß der Gemik traben 
Vorwärts, rüfwarts, in die Runde, 
Sieben Pfeile ſchikt der Ritter 
Fluchend nah — dem Ungethüme. 
„Blendet Gernobog mein Auge? 

„Will der Pfeile Feiner treffen %° 

Holt den achten aus dem Köder, 

Sagt den guten Semik weiter, 

Sagt ibn, bis der Abend finfet, 

Bis ihm's vor den müden Augen 
Sunfelt. Brummend blift er aufwärts, 
Wiſcht den Schweiß fih von der Stirne, 
Brummend halt er. Hebt vom Boden 
Einen Kiefel auf und Ienfet 

Rükwärts durch des Haines Schauer ; 
Schlägt den Stein an feinen Sarras, 
Daß der Bliz der rothen Funfen 
Rükwärts fcheuche Bar und Wolf. 





Kaum geritten taufend Schritte 
Schlägt ein Feuer auf von ferne, 

4 Blutig färben ſich die Wolken. 

R „Das iſt Brand!“ wie Feindes Meſſer 
J Zukt ihm Schreken durch die Bruft. 
Bange lenkt er feinen Semik 

Durch die rothbeglänzten Eichen, 

Reitet ſchneller, immer ſchneller, 

Fliegt den Graben bleich hinüber. 


m 


10 


Reh! — Zerftreut am Anger vannte 
Scheu und brüllend feine Heerde; 
Ale Schober auf den Stoppeln, 
Alle feine Scheunen brannten, 

Nur die Ställe ftanden noch. 


Keinen ſchaut er feiner Knechte. 
„Löſcht denn Feiner meiner Knechte ?“ 
Blizſchnell fliegt er zu den Gtällen ; 
Wie er anfprengt an die Thore, 
Schnaubt der Gemif, bäumet fid. 


Ah! am Boden lag der Meier, 

Blei) und blutend, leiſe ftöhnend, 
Neben ihn geftreft ein Bergmann, 
Zunder, Kien, zwei blut'ge Meſſer 
Zu de3 treuen Dienerd Füffen ; 

Kaum noch fo viel konnt' er ſprechen: 
„Nahe, Herr! an dem von Pribram! 
„Deine Knechte find gemordet, 
„Wladyk! du bift arm geworden ; 
„Räche dih an Zlatislaw!“ 


EEE ER 





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Hu! wie zufen dem die Arme; 

Hu! wie Flappern ihm die Zahne. 
Springt vom Gaufe, fliegt um Haber, 
Liest den Zunder auf vom Boden, 
Schlägt den Semik auf die Hüfte; 
„Mach es Furz! friß hurtig! hurtig! 
„Unſ're Jagd iſt nicht zu Ende; 
„Mußt nach Pribram, izt zur Stell!“ 





ren 


11 


III. 
Der Gerichtstag. 





Zeitig früh am andern Tage 

Sagte Horimir den Semik 

Blaß und Feuchend, Schweiß vergiegend 
Dur das Thor von Wyffehrad. 

Denn e8 war Gerichtötag droben. 
Schon ſaß Woywod Kreſomysl 

In der Halle des Gerichtes, 

Drunten in dem weiten Burghof 

Um ihn die Wladyken, rükwärts 

Mit dem Schwerdt der Henker. Keuchend 
Stieg der Horimir vom Gemit, 
Beugte fi vor feinem Woywod, 

Sezte fih zu den Wlatyfen. 

Hoch und hehr ragt’ aus dem Kreife 
Ktrefomysi’s ſtrenges Antliz, 
Schauer ging vor feinem Blik. 


Lange — lange ſaß der Woywod, 
Hielt die Matzeit auf dem Richtſtuhl; 
Niemand Elopft an’s Thor, zu Flagen. 
Endlich als der Tag ſich neigte, 

Hoben fih von ihren Sizen, 
Heimzufcehren, vier Wladyken 

Und der Fürft entließ fie fchweigend, 
Winkte mit der Hand zum Abfchied, 
Und fie neigten fi und gingen ; 

Unter ihnen Horimir. 


Querein zu des Woywods Mearftall, 
Seinen Semik ſich zu zäumen, 
Schreitet raſch der Neumöteler, 
Raſch, als jagt ein böfer Geift ihn. 


12 


Warum eilt er fo? was ift ihm? 


Warum auf des Stalles Schwelle 


Blikt er bang und ſcheu zurük? 


Kaum gegangen war der Ritter, 
Schlägt e8 dreimal an das Burgthor 
Und die Riegel Elirren, raſſeln, 
Sauſend thun fi auf die Flügel 
Und drei Knappen, blaß wie Leichen 
Treten ein. Mit dumpfem Kraden 
Fliegt das Burgthor wieder zu. 


Aber feufzend, feuchten Auges 
Schreiten jene vor zur Halle, 

Beugen fich vor ihrem Woywod, 

Der fie ſchweigend mißt und ſpricht: 
„Traun! wie fohwarze Raben Fommt ihr 
„Mit der Damm’rung eingezogen. 
„Faßt euch Furz! der Abend finft.“ 


„Morauf Elagt ihr?“ Und fie riefen 
Durcheinander: „Mord! Verwüſtung! 
„Brand!“ Zufammen fuhr der Woywod; 
„Wer? wo?“ fchrieen die Wladrken. 
Endlich hebt der Fürſt die Rechte, 

Da wird's ſtill. „Es rede einer; 

„Du, der Aelteſte! dir ziemt's!“ 


Und der älteſte der Knappen 

Nahm das Wort und ſprach beklommen: 
„Ja, Herr! deiner Gauen Zierde, 
„Sie — die Mutter blanken Silbers, 
„Unſer Pribram iſt nicht mehr. 

„Was wir bauten, Stoll' an Stolle, 
„Liegt zertrümmert, eingerollet; 

„Und die Höfe und die Scheunen 
„Weggebrannt bis auf den Boden; 





‘u 





„und dies Alles that der Frevler 
„Horimir in einer Nacht.“ 


Auf die Bruft ſchlug fich der Woywod, 

Es erfhrafen die Wladyfen, 

Und fo fuhr der Bergmann fort: 

„Er war’s. Ald wir wollten löfchen 
„Wehrt' es und das Ungeheuer, 

„Mäht' um fich mit feinem Schwerdte, 
»Zlatislam Liegt ſchwer getroffen; 
„Blut und Leih’ auf Schutt und Aſche — 
„Das ift Pribram. Nahe, Woywod, 

„An dem Unhold Horimir!“ 


Ha! wie rollte Kreſomysl 

Geine braunen Feueraugen: 

„„Wann, du heiſ'rer Rabe, that er's?““ 

„Geſtern Nachts, Herr!“ — „„Nein!““ — „Ja 
Woywod. 

„„Nein, bei Perun! Vor der Sonne 

„„Ritt er heut in meine Burg.““ 


Alle fohrie'n aus einem Munde: 
„Herr! fein Semik hilft ihm freveln; 
„Semik fliegt mit Adlerſchwingen. 
„Frag' ihn felber; Lügen kann er 
„Nicht, der ſtolze Horimir.“ 


Eben zieht er aus dem Marftall 
Seinen Semik, fieht und fehaudert ; 
Bis in's Herz traf ihn des Richters 
Zornentglühter Prüfeblik. 


Und fo fpriht Herr Kiefompsl: 
„Näher tritt, daß ich dich höre! 

„Schnell dad Schwerdt von deinen enden ; 
„Leg's zu meinen Füſſen nieder ! 

„Denn du jtebjt vor deinem Richter,“ 


Schweigend tritt der Ritter naher, 

Schnallt das Schwerdt von feinen Lenden, 

Legt es vor dem Woywod nieder 

Und der Woywod frägt ihn jo: 

„Weißt du, daß die Gilbergruben 

„Pribram's find verrollt, verſchüttet? 

„Daß in Schutt die Höfe liegen? 

„Daß die Knappen ſind gemordet ?** 

„„Ja !“ccü, „und wer’s gethan 2°— Auch dies! « 
* 


ste hat Horimir gelogen; 
„„Ich that's. — An den feifen Buben, 
„„Die mein Habe mir verbrannten, 
„Meine Diener mir erfchlugen, » 
„„An den ſchwarzen Knechten eines 
„„Schurken hab' ih mic) gerächt !*“ 


Auf vom Stuhle ſprang der Woywod: 
„Ha, Vermeſſener! du konnteſt 
„Sündigen auf deines Woywods 
„Huld? vergeſſen, daß ſein Richtſpruch, 
„Wie die Streitaxt, fällt und trifft? 
„Konnteſt ſizen in der Halle 

„Des Gerichtes, ein Verbrecher? 
„Wohl! du biſt dem Tod verfallen; 
„Izt zur Stelle mußt du ſterben. 
„Henker, vor! Hau' ihn in Stüke; 
„Auch die Mähre haue nieder, 

„Weil ſie freveln half dem Unhold. — 
„Das iſt Kreſomysl's Spruch.“ 


Auf von ihren Sizen ſtunden 
Die Wladyken. Horimiren 
Flirrt es dunkel vor den Augen; 
Endlich faßt er ſich und ſprach: 





„Edler Woywod! du vergönnſt mir 

„Durd das Schwerdt zu enden. Dank dir! 
„Kriegern ziemt der Tod durch's Schwerdt. 
„Died auch, dag mit mir der Gemif 
„GSterb’, ift weife. — Er gehorcht nur 
„Mir, und nicht drei Furze Tage 

„Lebt der Gemik ohne mid) ! 

„Dennoh, Woywod! ein’s gewähre 

„Mir dem Sterbenden; 's ift meine 
„Erfte, meine lezte Bitte. 

„Sag mit meinem Schwerdt mid richten, 
„Laß mich auf dem Gemit enden; 

„Nik“ Erfüllung deinem Knecht!“ 


Finfter nikt Herr Ktefomyst. 
Seinen Gemif holt der Ritter, 
Führt ihn vor die Richterhalle ; 
Semik hängt den Kopf zu Boden, 
Athmet bange, tief und ſchwer. 


Dort am jähen Felfenabhang, 

Den die feihte Mauer Franzet, 
W Dort am Fels, der ſchroff binabreicht 
Sn die dunkle Fluth der Moldau, 
Schroff und tief an vierzig Klafter, 
Alldort haft der Horimir, 


Mit des Ritters breitem Schlachtſchwerdt, 
Feft den Griff in beiden Fauften, 
Screitet zögernd vor der Henker. 

Nahen ficht ihn unfer Ritter, 

Kalten Schweiß auf Stirn’ und Wange. 
Seitwärts blikt er auf die Mauer; 

Er erbebt, ſchaut auf gen Himmel, 
Küßt ven Semik, raunt in’s Ohr ihm. 
Semik hebt empor die Stirne, 





16 


„Schauer eines nahen Gottes 


Tritt gemach drei Schritte rükwärts; 
Droben fit der Horimir. 


Schon — ſchon fteht der Henker nahe, 
Semi ſchaudert dehnt ſich rükwärts; 

In die Lüfte hebt das Schwert ſich, 
Sieh! da ſtäubt's — drei raſche Sprünge, 
Hui! fliegt's über das Gemäuer, 

Hui! war Roß und Mann hinab. 


Allen ſträubten ſich die Haare, 

Alle taumelten zur Mauer, 

Fliegen ſah'n ihn noch die Erften, 
Ringen mit der Fluth die Zweiten, 
Schon dem Ufer nah die Dritten; 
Endlich) fteigt er aus. Gottlob! 


Und zu Zdislam fpriht der Woywod: 
„Beim allmächt’gen Donn’rer, Zdislam! 


„Faßt mich. Sa! ein BElbog flügelt 
„Ihn auf ungefeh'ner Schwinge 

„Nieder. Kann ich zürnen — id — ein 
„Menſch, wenn Götter jo ihn fhirmen ? 
„Nimm dein Roß! bring’ ihm fein Schlachtſchwerdt! | 
„Sag’ ihm, daß ich ihm verzeihe. 
„Sol mit feinem Gemif kommen! 
„Jag' ihm nah! geh’, eile, Zdislam! 
„Hörft du? Komm’ nicht ohne ihn!“ 








IV. 
Horimird Trauer. 





Drei der Tag’ und einen halben 
Mußte Kreſomysl warten; 
Endlich kam am vierten Tage 
Mit dem Zdislaw Horimir. 


Barfuß, ohne Schwerdt und Haube, 
Aſche in den jhwarzen Daaren, 

Bleid — mit feuchten, matten Auge, 
Stand der Reke, wie ein Lamm. 


Drüber ſtuzte Köeſomysl. 

„Hat der Zdislam dir verſchwiegen, 
„Daß ih dir verzieh'n? Wo iſt dein 
„Semik, wo dein Schwerdt geblieben? 
„Was für Poſſen treibſt du? Sprich !« 


Sieh! da traten ſchwere Thränen 
In des Ritters Augen. Seine 
Lippen bebten. Kaum vermocht' er 
Antwort feinem Herrn zu geben, 
Endlich faßt' er ih und ſprach: 


„Nichts vergaß der gute Zdislaw, 
„Du vergibt. Doc laß mic) leben, 
„Laß mid fterben — wenig acht’ ich's; 
„Denn der Semik, Herr! ift todt.« 


„Als ich Flein noch war, ein Knabe, 
»Peitſchte mic die Mutter blutig, 
„Wenn ich ihr nicht weinen wollte. 
„Nun bin id ein Mann geworden 
„Und muß weinen, wie ein Knabe, 
„Semik, Gemif, Herr! ift todt. 


O! wie ſeufzt' er auf dem Heimmeg, 
» Bor dem Thore meiner Ställe 
»Braden ihm die Kniee, ftürjt’ er, 
„Sah mid an mit feuchtem Auge, 
„Hob jein Haupt und ſank zurüf.s 


„Herr! du frägft nach meinem Schwerdte ? 
»lleber's Knie hab’ ich's gebroden, 
-»Warf’s dem Gemit in die Grube; 


% 
am 


17 


18 


„Nur auf Semik fonnt’ ich's ſchwingen — 
„Und nun ift der Gemif tode ! — 


„Als fie mir mein Haus verbrannten, 
„Wie die Wölf’ in meine Heerden 
„Fielen, blieb mir doch mein Semik; 
„Nun erſt bin ich arm geworden. 
„O, daß ich mich rächen mußte, 
„Daß ich ihn vom Felſen ſprengte! 
„Sch hab’ ihn gemordet, ich.“ 
„gürne nicht, daß ich verweilte; 
„Mußt' ih Gemik nicht begraben, 
„Nicht ihm Todtenfeuer zünden ? 
„Diefe Aſch' in meinen Haaren 

„Sit vom Grabe meines Semik. 
„Keine Poſſen treib' ich, Woywod. 
„Blut'ge Thränen möcht' ich weinen, 
„Denn mein Semik, Herr! iſt todt.“ 


Auf vom Stuhle ſtand der Woywod, 
Führt ihn rechts an ſeine Seite, 
Streichelt' ihm die ſchwarzen Loken. 
Faßte traulich ſeine Hand. 


Sieben fette Weizenäfer, 

Zwei der fehönften feiner Roſſe, 
Schwerdt und Helm von altem Eiſen, 
Viel gelobt ihm Kiefomyst 

Für den guten, freuen Semik. 
Dennoch ſaß, den Blik am Boden, 
Freudenlos der Hori mir. 

Erft nad) dreimal dreißig Tagen 
Waͤhlt er wieder ſich ein Leibroß, 
Schön und ſtark und flinf und muthig ; 
Dennoch ihm, den guten Gemit, 

Ihn vergaß der Ritter nie! 


m — — — 





19 


Ueber das Vaterland der Erdäpfel und ihre 
Berbreitung in Europa, 


Bon Grafen Kafpar Sternberg. 
—t+r tr 


Dar Anbau der Eerealien, der Hülfenfrüchte, des Mais, 
auf weldhem die Fortdauer des Menfchengefchlehts beruht, 
dem von allen Nationen die Civilifation der Völker zuge: 
fehrieben wird, verliert. fih in die Mythen der älteften 
Volksſtämme, ohne uns auf die Spur zu leiten, wo mir 
mit Beftimmtheit den’wildwachfenden Weizen oder Mais 
finden Fönnten, Bei den Xegyptern wurde Sfis als Er— 
finderin des Getreidebaues verehrt, die ihn durch Tripto— 
lemus dem Volke lehren ließ; den Griechen hatte es 
Geres in den eleufinifchen Myſterien verkündet; bei den 
Mömern waren nebft der Eeres noch mehrere Gottheiten, 
welche einzelnen wichtigen Momenten der Vegetation vor- 
fanden. Alle diefe Gottheiten hatten ihre Feſte, an wel- 
chen Kränze aus Aehren geflochten die Bildniffe derfelben 
fhmüften, Garden und Kuchen aus Mehl ihnen geopfert 
wurden. Die erfte Garbe mußte bei den Sfraeliten im 
Tempel geopfert werden; früher durfte die Ernte nicht ber 
ginnen. Den Mais hatte eine Jungfrau, vom Himmel 
kommend, mit der Bohne und der Tabakpflanze, als ein 
mohlthätiges Geſchenk für die Menfchen gebracht. Bei 
ben Feften der Göttin der Erde und des Getreides Een: 
teotl (die auch als Ernährerin, unter dem Namen Tonas 
cajohua, von den indifchen Völkern verehrt wurde), welche 
acht Tage währten, wurden ebenfalls Maisfrüchte gefpen: 
bet. Alle Nationen haben in einem übereinftimmenden 
richtigen Gefühl, die Feldfrüchte als die größte Gabe des 


20 


Himmels anfehend, ihren Dank vor allem dem göttlichen 
Geber dargebracht. Unſerem philofophifchen Sahrhundert 
ift blos das Symbol des Erntefranzes zurüfgeblieben. ı 

Die Erdäpfel, deren Anbau bei den indifchen Völkern 
wabhrfcheinlich eben fo lang befannt ift, als jener des Mais, 
mögen auch ihre Mythe haben: fie iſt uns aber unbekannt 
geblieben. Die Entdefer des neuen Welttheils fanden ſowohl 
im Süden als im Norden bei denfelben diefe Frucht als 
die allgemein verbreitete Nahrung der meiften Volkſtaͤmme. 
Wo aber die Erdäpfel eigentlich frei und ohne Eultur wach— 
fen, bat felbft Alerander von Humboldt bei feiner Reife 
durdy Mexico, die fo unendliches Licht über jene Länder 
und Völker verbreitet hat, nicht ausmitteln Eönnen. Eben 
fo Herrfchen über ihre Verbreitung in Europa noch verfchie- 
dene widerfprechende Meinungen, welche wohl auch daher 
fommen Fönnen, daß man mehr als eine Art oder Abart 
von Erdäpfeln zur Eultur benüzt bat, und daß im XVI. 
Sahrhunderte, ald die Erdäpfel in Europa befannt wurden, 
mehrere efbare Enollentragende Gewächfe mit einander ver 
wechfelt worden find. 


I. Ueber das Vaterland der Erdäpfel (Kartoffehr, 
Solanum tuberosum Bauhini, Papas der Sndier, Pota- 
toes der Engländer). 


Den erften wildwachfenden efbaren Erdapfel entdefte 
Feuille in Peru, und zwar zwei Abarten. Dies ift aber 
nicht derjenige, welcher in Amerika und Europa allgemein 
gebaut wird, fondern dad Solanum montanum und deffen 
Varietät S. arenarium von Dunal, das nur felten von den 


Menſchen genpffen, größtentheils für die Maftung des Bor: 


ftenvieh3 verwendet wird. 

Nach einer Note von Decandolle in den Memoires du 
Museum T. 11. fol Don Eloi Balenzuela, Pfarrer zu Buccaz 
ra, im 3. 4809 am Ufer des Malavé-Flußes auf einer Höhe 
von 41600 Toiſen einen eßbaren Erdapfel gefunden haben, 


a 





— “ 


21 


dem Decandolle den Namen Solanum Valenzuelae beigelegt 
bat. Diefer Erdapfel ift jedoch feitdem nicht näher befannt 
geworden, ſcheint auch nicht nad) Europa gefommen zu feyn. 

Molina in feiner Geſchichte von Chili hatte ſchon 
vorlängft gefagt, die Erdäpfel würden auf allen Feldern 
gefunden; diejenigen, welche wild wüchſen und von den 
Indianern Maglia genannt würden, brächten fehr Eleine 
Knollen und wären fehr bitter. Diefe Nachricht ift von 
den Botanikern Eeiner befondern Aufmerkfamfeit gewür— 
digt worden. 

Die wichtigften Nachrichten über dieſen Gegenftand 
bat der befannte englifche Botaniker Herr Aylmer Bourfe 
Lambert in dem Supplement feines Prachtwerfes über die 
Zapfenpflanzen (Coniferae) zufanmengeftellt, aus melden 
wir fie entlehnen. 

Sm 3. 1817 erhielt Lambert zwei Briefe von Don Jofe 
Pavon, der viele Jahre mit den Botanifern Ruiz und Doms 
bay in Südamerika gelebt hatte, den erften vom 23. Sept., 


den zweiten vom 10. Nov., in welchen beiden Pavon ver— 


fihert, der Erdapfel (Solanum tuberosum) wachſe wild 
bei Lima in Peru, und 14 Meilen von Lima gegen die 
Küftez er felbit habe ihn dort, Nuiz aber und Dombay 


in Chili gefunden. Die Indier cuftivirten diefe Pflanze 


im großer Menge in Ehili und Peru, wo fie Papas ge 
nannt würde. Diefe Briefe waren von einem getrofneten 
Eremplar des Solanum tuberosum, und einer Varietät 
desfelben, des Solanum montanum begleitet. Durch Don 
Francisco Zea, Gefährten und Freund des Botanikers 
Mutis, der ebenfalls lange in Südamerika verweilt hatte, 
erfuhr Lambert, daß die Erdäpfel auch in den Wäldern 
nächſt Santa Fe de Bogota mwildwachfend gefunden werden. 
Wenn Alerander von Humboldt, der in jenen Gegenden 
botanifirte, das S. tuberosum dort nicht gefunden haber 
ſo Liege. diefes blos darin, daß er nicht hinreichende Zeit 
gehabt habe, jene Gegenden nach allen Richtungen zu durch— 


22 


ftreifen, und daß ihm, als einem Fremden, der in 
Standort nicht bekannt geworden fey. 

Dr. Baldwin, ein amerifanifcher Botaniker, der uns 
längft von der füdamerifanifhen Küfte zurükgekehrt ift, 
bat das 8. tuberosum ebenfalls, jedoch auf einem ‘ganz 
andern Standort entdekt. Er berichtet hierüber in einem 
Driefe an Hrn. Frazer in London: „Ich habe auf meinen 
Ereurfionen in Südamerika manche Pflanzen gefunden, die 
mir neu foheinen. Viele davon hatte ich das Vergnügen 
Hrn. Bonpland vorzuzeigen, der fich in der Umgegend von 
Buenos Ayres angefiedelt hat, und war nicht wenig erfreut, 
das S. tuberosum in der Gegend von Montevideo, wo 
diefe Pflanze gar nicht gebaut wird, zwifchen Felfen wild 
wachfend gefunden zu haben. Sch fand fie auch an derfel- 
ben Slußfeite in der Nähe von Maldonado.* Da au 
Eoimmerfon ein Solanum mit Wurzelfnollen in jener Ge- 
gend gefunden hatte, welches Dunal in der Monographie 
der Solanen als 8. Commersonii befchreibt, fo vermuthete 
“ Lambert, das Solanum von Baldwin Fönne wohl diefelbe 
Pflanze feyn; er 309 hierüber Erfundigungen ein, und Eas 
pitän Bowler, der längere Zeit in Buenos Ayres verweilte, 
und erjt vor Eurzem von diefer Station zurüfgefehrt war, 
verficherte ihn, daß er diefe Pflanze fehr gut kenne; fie 
würde gleich andern Unfräutern in den Gärten der Umge: 
bungen Ddiefer Stadt, wo fie häufig wächst, ausgejätet; 
fie erzeuge Fleine Knollen, wie die Potatoes der Engländer, 
diefe wären jedoch viel zu bitter um genoffen zu werden. 
Eben diefe Nachricht beftätigte auch Dr. Dikfon aus Lie 
verpool, der ebenfalls unlängft aus Buenos Ayres zurük— 
gekehrt ift. Herr Lambert verfchaffte fich einige Ableger 
diefer wild wachfenden Pflanze, die Mr, Coldeleugh mit: 
gebracht hatte, aus dem Garten der Horticulars Gefell 
fhaft, und überfezte folhe im feinen eigenen Garten, mo 
fie etwas größere und weniger bittere Knollen erzeugten. 
Un der Artverfihiedenheit ded S« Commersonii von S. tu- 





23 


berosum zweifelt Lambert, fo fehr fie auch von H. Sabine, 
Secretär der Horticular= Gefellfchaft, vertheidiget wird; 
auch hält er die Golderdäpfel der Spanier (Patatas ama- 
rillas), die 16 Meilen von Lima wild wachen folfen, eben: 
falls für nichts anderes, als eine Varietät des S. tube- 
rosum, 

Bei Pflanzen, welche feit Sahrtaufenden cultivirt 
werden, hält e8 in der That fchwer, die Abarten von den 
wahren Arten zu unterfcheiden; Die zwei äußerften Glieder 
einer großen Reihe von Modificationen fcheinen oft fehr 
weit entfernt zu ſeyn; kann man aber alle Formen der 
Reihe nad) zufammenbringen, fo geräth mam in große Ver— 
legenheit, wo eigentlich der Abfchnitt zu machen fey. 

Wie fehr ſich die Varietäten der Erdäpfel in der 
neueren Zeit vervielfältiget haben, fann man aus einer 
Abhandlung von Decandolle abnehmen, die er in der Agrie 
eultur= Gefellfchaft in Genf im Jahre 1821 vorgelefen, in 
welcher 154 Varietäten des Erdapfels befchrieben werden. 

Ohne das nun entdefte Vaterland der Erdäpfel bes 
ftreiten zu wollen, das, aller Wahrfcheinlichkeit nach, in 
Merico oder in Peru gefucht werden muß, erlauben wir 
und doch die Bemerkung: Fönnte nicht, da Niemand anzu— 


‚ geben weiß, wo in jenen Ländern vor der Eroberung der 


Europäer die einheimifchen Volksſtämme ihre Papas gebaut 
haben, der ehemals cultivirte Erdapfel durch Uncultur in 
feine Urform zurüfgefehrt feyn? fo wie im Gegentheile der 
Eleine Erdapfel aus Montevideo ſich in den Gärten Englands 
wieder verbeſſert? Daß er in Wäldern, auf Felfen, an 
Drten, wo jezt Feine Erdäpfel gebaut werden, auf bedeu: 
senden Höhen gefunden worden, beweifet nichts Dagegen. 
In Chili werden fie auf einer Höhe von 1956 Toifen gez 
baut, wie Alexander von Humboldt nachgewiefen hat. 
Rn dem Hänfifhhen Herbarium, der in jenen Gegen- 
den fleifig botanifirte, wurde Eein Exemplar des frei wach⸗ 
ſenden Erdapfels gefunden. 


24 


1. Die Verbreitung der Erdäpfelnad und 
durch ganz Europa. 

Ueber die Priorität, wer zuerft die Erdäpfel nach 
Europa gebracht habe, die Engländer Walter Naleigh oder 
Drake aus dem nördlichen Amerika, oder die Spanier un: 
mittelbar aus dem füdlichen Amerika, berrfchen verfchies 
dene Meinungen unter den Schriftftellern, Die durch Karl 
Cluſius und Kafpar Bauhin begründet wurden, von denen 
erfterer diefe Priorität den Spaniern, lezterer den Englän: 
dern zufchreibt, Die meiften Schriftfteller bis im unſere 
Tage haben einem oder dem andern diefer beiden nachges 
fchrieben, ohne viel neues Licht über den flreitigen Gegen: 
ftand zu verbreiten. ine gleich verfchiedene Meinung 
herrſcht auch über die Frage, ob Kafpar Bauhin oder Karl 
Cluſius die Priorität der erften wiſſenſchaftlichen Befchreis 
bung diefer für Europa fo wichtigen Frucht gebührez mir 
wollen verfuchen, diefe verfchiedenen Meinungen zu erkläs 
ven und zu vereinigen. 

Die erften Schriftfteller, welche unfere Erbäpfel 
unter dem Namen Papas befchrieben haben, find durchaus 
Spanier, Zarate, der im J. 1544 Schazmeifter von Peru 
gewefen war, Cieça ein Krieger in feiner Chronik, Lopez 
de Gpmara und Joſeph Acofta in der Gefchichte Indiens; 
ans allen Ddiefen Schriften erfahren wir jedoch nichts ans 
dered, als daß die Papas eßbare Wurzelfnollen tragen, 
welche gefotten, gebraten oder getrofnet ald Brod genpffen 
werden Nach Acoftas Nachrichten zu urtheilen, ſcheint 
es, daß zur Seit der Eroberung die ganze Berölferung des 
Reichs von Atabalipa und feined Bruders Huescar, wel 
ches fich über Peru, Neu: Grenada, das Königreich Quito 
bis an Chili und Tucuman erftrefte, fich vorzugsmweife von 
Mais und Papas genährt habe, Eine deutliche Befchreis 
bung der Pflanze felbft iſt nicht angegeben; Gieca vergleicht 
fie mit dem Mohn (Papaver), welches, wie Cluſius hinzu: 
fügt, einem Krieger wohl nachzuſehen iſt. Cardan, der alle 


i 








25 


Nachrichten, die zu feiner Zeit über die nene Welt bekannt 
wurden, fammelte, erwähnt ebenfalls im J. 1557 die Papas 
als eine eßbare Frucht, die der Trüffel ähnlich it. Das Kö— 
nigreich Quito und Potoft wird als ihr Vaterland angegeben. 

Daß die neu angefommenen Krieger fich mit der ge— 
wöhnlichen Nahrung des Volkes haben begnügen müffen, daß 
fie diefe ihnen ganz unbekaunten eßbaren Knollen bei ihrer 
Rükkunft in ihr Vaterland zurüfgebracht haben werden, läßt 
fi mit vieler Wahrfcheinlichkeit vermuthen. Bowles, in 
der Einleitung zu der Naturgefhichte Spaniens, fagt aus: 
drüffich, die erften aus Amerika gebrachten Erdäpfel wären 
in Gallicien gebaut worden, wahricheinlich zunächit den 
Häfen, wo die aus Peru Eommenden Schiffe Tandeten. 

Die erften Erdäpfel möchten daher von den Spa— 
niern zwifchen den Sahren 1560 und 4570 nach Europa 
gebracht worden feyn. 

Walter Raleigh, der unter der Negierung der Köni- 
gin Elifaberh den erften Erdapfel nach England gebracht 
‚haben foll, landete in der Bucht von Roenoco, oder 
‚Noenoque, im J. 1585; er nannte das ganze Land, das 
‚er für England in Befiz nahm, Virginien; diefer Lanz , 
dungsplaz gehört aber dermalen zu Carolina, Andere 
Schriftſteller ſagen, Sir Francis Drake habe fie im J. 
4590 nad) England gebracht. Gerard foll fie im J. 1597 
unmittelbar aus Virginien erhalten, und in feinem arten 
gebaut haben. Dieſe lezte Angabe wird durch Aiton den 
jüngeren nach dem Herbartum von Gerard beftätiget ). 

Alle diefe Daten find fpäter, als jene der Einführung 
der Erdäpfel Durch die Spanier; die weitere Verbreitung 


ging aber von nun an von zwei verfchiedenen Punkten aus. 
Bon den Spaniern fcheinen fie zuerft nah Burgund, und 


in das füdliche Italien wahrſcheinlich durd die Kriegs: 


voölker gemandert zu feyn, von wo fie über Niederland zuerft 


*) D Hort. kew. ed. ?da Solanum tuberosum eult. 


4597 by Mr. John Gerard. Ger. Herb. 781. 


26 
nach Deutfchland gebracht wurden. Karl Elufius erhielt 
‚nämlich im 3. 1588 von Herrn Siwry von Walhaim, Präs 
fecten in Mons, zwei Erdäpfel, der fie von einem Diener 
des päpftlichen Nuntius erhalten hatte; fie wurden in dem 
Garten gepflanzt, dem Elufius vorftand; die hieraus er— 
wachfene Pflanze in der Blüthe getreu abgebildet, und nach 
der Sitte der damaligen Zeit, die Pflanzen aller Weltgegen— 
den in Griechenland zu fuchen, als Arachnida Theophrasti 
genau befchrieben. Es war die Varietät mit runden ziem— 
lich glatten Knollen. Cluſius fagt beſtimmt, der Erdapfel 
wäre unmittelbar aus Spanien oder Peru felbft nach Ita— 
lien gefommenz er fey in manchen Gegenden fehr gemein, 
würde mit Schöpfenfleifch gegeffen, aud den Schweinen 
zum Futter gereicht; in Pavia wäre er aber unbefanut ge 
blieben, bis Elufius von Frankfurt aus einige Knollen das 
bin gefchift habe. Die Erdäpfel aus PVirginien, die 
Openauk genannt würden, feyen von diefen wenig unter 
fehieden. Der Umftand, daß nach Angabe von Elufius die 
Erdäpfel im 3. 1590 in Padua noch ganz unbekannt waren, 
berichtiget eine Stelle aud Samiel Kucheld Reife, der um 
1586 Italien befuchte, und auf dem Damme, auf welchem 
die alte Feftung Lido bei Venedig ftand, Angurien, Gur— 
fen, Melonen und Erdäpfel im Anbau gefehen haben wollte; 
höchſt wahrfcheinfich waren diefe Erdäpfel eine kleine Art 
von Kürbis in Geftalt von Aepfeln, die wie andere Kür— 
biffe auf Erdhaufen gebaut wurden, wie bereits 9. Hofrath 
Hormayr in der Note zu diefem Zert in feinem Archiv 
41820 ro. 64 bemerft hat. 
Kaſpar Bauhin erhielt den Samen von Erdäpfeln 
unter dem Namen Papas Indorum, und eine Abbildung 
von Dr. Scholz aus Breslau, in deffen und Dr. Ehmiel- 
nic Garten diefe Pflanze gebaut wurde; er beftimmte die 
Pflanze ganz richtig als ein Solanum, dem er den Bei— 
namen esculentum beilegte; er befchrieh fie zuerft in feinem 
Phytopinax, ließ fie in dem Prodromus abbilden, welde 





97 


Abbildung er auch fpäter in feine Ausgabe der Commentare 
Mathiols in dem Dioscorides einrüfen ließ. Die hier ab: 
gebildete Varietät ift der längliche etwas gekrümmte Erd- 
apfel mit vielen Keimaugen, vielleicht der nordamerifani: 

ſche Erdapfel, der aus England über Hamburg nach Breslau 
gekommen ſeyn Eonnte; Bauhin weiſet ihm wenigftens Vir⸗ 
ginien als Vaterland an, wo er Openauk genannt würde. 

Er erzählt ferner, die Erdäpfel würden in Burgund häufig 
gebaut; man pflege dort die Schößlinge niederzufegen und 
mit Erde zu bedefen, um mehrere Früchte zu erhalten, und 
ihnen den in etwas unangenehmen Gefchmaf zu benehmen; 
in Deutfchland würden fie mit Butter und Pfeffer genoffen. 

Tabernomontan hat in den erften zwei Auflagen von 
1588 und 1589 die Erdäpfel noch nicht gekannt; was in 
den fpäteren Auflagen vorföümmt, ift Elufius und Bauhin 
nachgefchrieben. 

Wem von beiden, Elufius oder Bauhin, die Priorität 
gebühre, hat zwar Dunal in feiner Monographie der So— 
lanen Eurz entfchieden, indem er fagt, Cluſius habe in feis 
tier Hist. pl. vom 5. 1591. II. p. 79 den —* zuerſt 
beſchrieben, und Bauhin in feinem Prodr. vom J. 1592 
babe dem Elufins nachgefchrieben. Allein — daß 
GCEluſius und Bauhin jeder eine ganz verſchiedene Varietät 
der Erdäpfel ganz unabhängig von einander beſchrieben 
baben, fo ift auch in Feiner Bibliotheca Botanica, weder 
. bei Geguier, noch Haller, noch Decandolle eine Hist. p). 
von Elufius vom J. 1591, noch ein Prodromus von Bau: 
bin vom 3. 1592 zu finden. Zudem hat Bauhin den Erd: 
apfel nicht zuerft im Prodromus, fondern in dem Phyto- 
pinax vom J. 1596 befchrieben, und Clusii Hist. pl. ift 
vom J. 1601. Die botanifhe Priorität kann Bauhin 
- in Eeinem Falle abgejtritten werden, da er diefe Pflanze 

als ein Solanum richtig beftimmte, indeg Clufins die 
 Arachnida Theophrasti , Cortufus das Picnocomon des 

Dioscorides, zwei himmelweit von einem Solanum vers 


28 
fehiedene Pflanzen, zu fehen glaubten. Die Priorität des 
Anbaues und einer originellen Abbildung gebühret Cluſius. 

So viel ijt aus allen Schriftftellern diefer Epoche zu 
entnehmen, daß die Erdäpfel am Ende des XVI. Zahr: 
hundertd in Deutfchland in allen Gärten, in Spanien, 
Burgund, in einigen Gegenden Italiens, und vielleicht in 
Irland, zum Theil auch außer demfelben gebaut wurden, In 
ihrem Vaterlande nannte man fie Papas, in England Po- 
tatoes, in Stalien Tartuffoli, woher wahrfcheinfich die ſpä— 
tere deutfche Benennung Kartoffeln abzuleiten iſt; die 
Pflanze nannte man damals in Deutfchland Grüblingbaum. 

Der Anbau diefer Brodfrucht feheint, nachdem der 
Neiz der Meuheit fich verloren hatte, im XVII. Sahrhun: 
dert Feine fonderlichen Fortfchritte, befonders in den Volks: 
Hafen, gemacht zu haben. Vorurtheile und die Macht 
der Gewohnheit laſſen ſich fo leicht nicht überwältigen. 
Die deutfchen und flawifchen Volksſtämme an Mehl-, Milch: 
fpeifen und Hülfenfrüchte, der Staltener an feine Polenta 
aus Maismehl, der Franzofe an Gemüſe und Brod gewohnt, - 
wollten ihre alte Koft gegen diefe neuen Ankömmlinge, die 
fie für ein Schweinfutter hielten, nicht vertaufhen. Die 
Literatur der Erdäpfel vom Anfang des XVII bis in die . 
Hälfte des XVILL. Jahrhunderts ift ziemlich, dürftig; auch 
fehlt e8 nicht an Werfen, die den Genuß der Erdäpfel der 
Gefundheit fehädlich hielten, wie ſchon Bauhin erwähnt, 
fie wären in Burgund verboten worden, weil fie den Aus: 
faz verurfachen follten. Aus einer Agricultur-Geſchichte 
des Großherzogthums Toscana von einem Mönch von Ball 
ombrofa, Die im J. 1625 in Venedig gedruft wurde, Die 
auch Zargioni Tozetti anführt, erfieht man zwar, daß 
durch barfüßer Karmeliter- Mönche Erdäpfel aus Spanien 
und Portugal eingeführt wurden, zu deren Anbau Vor— 
fohriften gegeben werden; fie fcheinen aber Fein Glük ges 
macht zu haben, da fie nach eben diefem Tozetti erft im 
3. 1767 eigentlich von neuem eingeführt werden mußten; 





29 


in Deutfchland finden fih einzelne Spuren ihres Anbaues; 
allein in feinem Zehend-Regiſter, in Feiner Deputat- Ta- 
belle, oder fonft einer beweifenden Urkunde, läßt fich im 
ganzen XVU. Zahrhundert ihr Anbau auf offenem Felde 


mit Gewißheit nachweifen. 


In ökonomiſchen Werken wurde zwar ihr Anbau ge— 
lehrt, wie in Hochbergs adeligem Land- und Feldleben 
1615, in Hoppes kurzem Bericht von den eßbaren Erd— 
äpfeln, Wien 1747; allein ihr Anbau machte Feine Forte 
fehritte. Der Succeffionskrieg, und der bald hierauf wie: 
der begonnene fiebenjährige Krieg fiheint wenigftens im et: 
nigen Gegenden den erften Impuls zu einem ausgedehnte- 
ren Erdäpfelanbau, vorzüglich in dem Gebirge, gegeben zu 
haben. Friedrich der UI. König in Preußen, ſchikte Erd: 
äpfel in die fchlefifchen Aemter, mit dem Befehl, fie zu 
vertheilen, und über den Erfolg ihres Anbaues zu berich- 
ten. In den Dresdner gelehrten Anzeigen vom J. 1757 
werden fie fchon als ein großer Gegen Gottes für das Ger 
birg gerühmt, In England mag die rafcher vorgreifende 
Lebervölferung, die Mehrzahl der Armen in den niederen 
Klaffen, und die Nothwendigkfeit, die zahlreichen Fabrik- 
arbeiter mit einer wohlfeilen Koft zu verfehen, die Verall- 


. gemeinung des Erdäpfelbaues früher bewirkt haben. 


In Böhmen wurden die Erdäpfel zuerft durch die 
irländifchen Francisfaner, die in Prag ein Klofter hatten, 
und unter dem Namen Hiberner befannt waren, aus ihrem 
Vaterland eingeführt; fie pflanzten fie in ihrem Garten, 
aus welchem fie in andere Gärten übergingenz in das in— 
nere des Landes vermochten fie nicht zu dringen. Die 
Bergleute aus dem Erzgebirge brachten fie in die Gegend 


von Joahimsthal und Schlaggenwald, und aus dem fehle: 
ſiſchen Gebirge gingen fie in das böhmifche Niefengebivge 


über. Die Böhmen, feit den preußifchen Kriegen gewohnt, 


alle preußischen Unterthanen Brandenburger zu nennen, nann- 


ten auch die Erdäpfel alfo, weil fie folche aus preußiſchem 


30 


Lande erhielten, woher durch Verftimmlung der böhmifche 
Name Brambory gekommen feyn fol. Die Eultur der 
Erdäpfel blieb jedoch auf das Gebirg beſchränkt; im Innern 
ded Landes wollte Niemand, am mindeften der Bauer, 
davon hören. Mehrere Gutöbefizer hatten von den Hi- 
bernern Erdäpfel erhalten; fie bauten fie in ihren Gär: 
ten auf dem Lande, ließen davon an die Bauern austheis 
len, die fie zu ihrem Anbau aufmunterten; allein verge 
bens; fie gaben fie den Schweinen, felbft das Hausgefinde 
verbat fich diefe Koft. Man verfuchte das Mittel, welches 
fpäter Parmentier nicht ohne Erfolg in Frankreich ange 
wandt hat; man baute fie ins Freie, um fie von den Hit: 
ten und Kindern ftehlen zu laſſen; es würde jedoch eine 
längere Zeit gebraucht haben, ihren Anbau allgemein 
zu madhen, wenn nicht die naffen Sahre 1771 und 1772 
eine Mißernte und Hungersnoth herbeigeführt hätten, die 
ein jedes Gurrogat willfommen machte, das vom Hungers 
tode retten konnte. Da erfchienen die Erdäpfel, obgleich 
in der Qualität viel fchlechter, als in den vorhergehenden 
Sahren, als ein höchft angenehmes Gefchent, wenn fie nur 
in binteichender Menge vorhanden gewefen wären. Bon 
dieſem Zeitpunft an hat fich eigentlich erft der Erdäpfelbau 
zu verbreiten angefangen. Die Befizer weniger Grundſtüke 
kamen endlich zu der Ueberzeugung, daß die Erdäpfelernte 
eines Eleinen Feldes für eine weit längere Zeit Nahrung dar: 
biete, als die veichfte Ernte von Halmfrüchten, die man 
erft fehneiden, drefchen, malen und verbafen muß, ftatt 
daß man den Erdapfel nur in heiße Afche zu legen braucht, 
um ihn fogleich genießen zu können. Zwanzig Kriegsjahre 
am Ende des XVILL und Anfang des XIX. Sahrhunderts, 
mehrere Mißernten in diefem Zwifchenraum haben den un: 
berechenbaren Vortheil des Erdäpfelbaues ermwiefenz die 
Oekonomie hat eine neue Geftalt erhalten, die ſich auf den 
Erdäpfelbau gründet. An die Stelle des Korns, das font 
zu Brod und der Branntweinerzengung zugleich verwendet 





31 


wurde, traten die Erdäpfel; der Nufftand der Erdäpfel bei 
dem Branntweinbvennen wurde zur Maft des Viehes, oder 
Fütterung der Schafe benüzt, der Viehſtand vermehrt, 
mehr Dünger erzeugt, ein größerer Kleebau eingeführt, die 
Production gehoben. - Sm 3. 1777 erhielt bereits Die 
Herrſchaft Ginez im berauner Kreife eine Belobung von . 
der Aferbau: Gefellfchaft in Prag, wegen vorzüglichen Anz 
- bau von Erdäpfeln und Klee. 

Ob ein fehr weit ausgedehnter Anbau der Erdäpfel 
den Preis des Korns nicht immer herabfezen wird, wenn 
keine Mifernte eintritt, wollen wir nicht widerfpreden; 
allein ein niederer Getreidpreis ift an und für fich fein Un 
glük, wenn die Preife aller Feilfchaften und der Dienftlohn 

in gleichen Verhältniffen ftehen, wie es in früheren Jahr— 
hunderten der gewöhnliche Fall war; nur dann wird e8 ein 
ſolches, wenn die Erzeugung dem Werthe des Erzeugten 
nahe kömmt, oder wohl gar erreicht, weil dann hierdurch 
ein Unverhältnig der. Grundfteuer erzeugt wird, die den 
Werth des Erzeugten überfteigt, und eben darum den Er: 
zeuger unverhältnigmäßig belaitet. 
Sn jedem Fall bleiben die Erdäpfel ein ficheres Mit: 
+ tel, die fteigende Bevölkerung ſelbſt bei einem Mißjahr der 
Halmfrüchte mit aller Wahrfcheinlichkeit gegen Hunger zu 
ſchüzen; fie find im diefer Hinſicht ein höchſt wichtiges Ge: 
ſchenk für die Menfchheit, 
£ Wer ed nun immer gewefen feyn mag, der zuerft diefe 
x Sottesgabe im Europa eingeführt hat: er fey uns geſeg— 
A net; er hat durch diefe Wohlthat die blutigen Opfer gefühnt, 
{ welche die Eroberung jener Erdhälfte, aus welcher wit fie 
erhielten, gefoftet hat. Vielleicht ift Europa beftimmt, 
durch eben dieſe Frucht jenem Mutterlande einen Gegen— 
dienſt zu erweiſen; — ſchon im Jahre 1826 ſind mehrere 
rolle Schiffsladungen mit Erdäpfeln von Hamburg nach 
A Amerika gefegelt, wo die Erdäpfelernte mißrathen war, 


5; — rr —— — 






2 








52 


Zur Geſchichte 


des 


großen Zwifchenreichd in Böhmen, 


in den Sahren 1439 — 1453, 


Bon F. Palacky, 
009000 


B. Kritifher Nachtrag zu dem (im vorigen 
Hefte mitgetheilten) Anffaze: Verhandlungen 
über die neue Königswahl im J. 1440, 


Di Weltgeſchichte ift ein Weltgericht, — freilich nur 
ein irdifches, menfchliches, und daher weder untrüglich, 
noch vollitändig. Es haben jedoch felbft die ausgezeich- 
netften Männer, welche jemals die Weltbühne betraten, 
Achtung für diefes Gericht gehegt; fie haben fich damit ges 
teöftet, auch an dasfelbe appellirt, wenn fie fich von den 
Zeitgenoffen verfannt oder gemißhandelt fühlten. Und in 
der Ihat, der wahre Hiftorifer übt im Namen der ge 
ſammten Humanität ein nicht minder bedeutendes Nichter- 
amt aus, als derjenige, der als Nepräfentant der Gefeze 
im Staate zu Gerichte fit. Nur ift fein Gefchäft um fo 
fchwieriger, als er fein Zeugenverhör unter den Todten 
anjtellen und die Zeugen felbft auffuchen muß, und es für 
ihn ein feltenes Glük ift, wenn er alle bendthigten Zeuge 
niffe für und wider zu fammeln und zu überfehen vermag. 
Se mehr er nun die Wichtigkeit feines fehwierigen Berufs 
erkennt, je inniger er von dem Geifte ächter Humanitit 
durchdrungen iſt: um fo gewiſſenhafter, zurüfhaltender 





35 


wird er feinen Bericht an die Menfchheit abfaffen, um 
nicht aus der Stellung des Nichters in die der Parteien 
zu verfallen. Er wird fich daher auch um fo williger finden 
laifen, das von ihm angeftellte Zeugenverhör öffentlich zu 
wiederholen, je weniger es ihm einfallen wird, ſich felbit 
in feiner Handlungsweife dem höhern Gerichte der Menfch- 
beit entziehen zu wollen. 

Um den Gang der Erzählung nicht zu oft unterbre= 
chen zu müſſen, habe ich in dem vorigen Auffaze mich aller 
Fritifhen Bemerfungen enthalten, fo häufig fi auch Ge— 
legenheit dazu bieten mochte. Ich kann jedoch nicht unter- 
laffen, fie bier nachzutragen ; theils um meine abweichen: 
den Anfichten diefer Begebenheit zu rechtfertigen, noch 
mehr aber, um auf die Befchaffenheit unferer hiftorifchen 
Quellen felbit aufmerkfam zu machen. 

Die hiſtoriſche Darftellung ift ganz aus handfchrift- 
lichen gleichzeitigen Quellen, — Landtagfchlüffen, Briefen 
und Berichten, deren Originale oder glaubwürdige Eopien 
fih noch in einigen Archiven Böhmens vorfinden — ge: 
fhöpft. Den bei weiten größten Iheil derfelben verdanfe 
ich der edlen Liberalität, womit Se. Durchlaucht, der re= 
gierende Fürſt von Schwarzenberg, mir das für die ältere 
Geſchichte Böhmens unfchäzbare, einft Nofenbergifche Fa: 
milien= Archiv in Wittingau zu benüzen erlaubte. Ich will 


- Die noch ungedruften Quellen, denen ich gefolgt bin, ein: 


zeln nach der Zeitfolge anführen, obgleich an die vorzügli: 
ern fchon im Auffaze felbft erinnert worden. 

Es find folgende: 1) Schreiben der K. Elifabeth an 
die böhmischen Stände, nad) dem Tode K. Albrechts, d. zu 
Adon, 1459 am 1. Nov. Driginal im Wittingauer Archiv. 
(S. im Urkundenbuch, Beilage I.) 2) Des Herrn Ales 
Holicky von Sternberg Schreiben an Ulrich) von Rofen: 
berg, d. 1459, 44. Nov. (in böhmifcher Sprache), nebft 
einer Antwort darauf, in einer alten Handfchrift der gräfl. 
Sternbergifihen Bibliothek in Prag. 3) Schreiben der 

3 


54 


K. Elifabeth an Ulrich von Nofenberg, d. zu Altofen, 
1439, 6. Dec. Drig. im Witting. Arhiv. (©. Bei: 
lage II.) 4A) Böhmifcher Landtagfchluß vom J. 1440, 
29. San. (mw patef po fw. Pawlu na wieru obracenie). 
Drig. im gräfl. Gzernin’fchen Archiv in Neuhaus. 5) 
Lanofriede des bunzlauer Kreifes, d. zu Nimburg, 10. 
März (ten ütery po drujbadlney nedeli), — und 6) Lande 
friede der vier Kreife von Kautim, Caslau, Chrudim 
und Königgräz, d. zu Caslau, 17. März (ten ätwrtek po 
ſw. Rehoki papeji) — beide in einer alten Handfchrift der 
fürftt. Lobkowiz'ſchen Bibliothek in Prag. 7) Schreiben 
der K. Elifabetb an Ulrich von Roſenberg, über die Vers 
tagung des angekündigten Landtags; nebft einem Glaub: 
brief für Prokop von NRabenftein, d. in Komaron, Vi 
die April. Drig. im Witting. Archiv. 8) Ulrichs von 
Roſenberg Brief an einen böhmifchen Landherrn über das— 
felbe, d. zu Krumau, 1. Mai (w nedeli den fw. Filipa a 
Jakuba). Drig. Concept ebendaf. 9) Schreiben der K. Eli: 
ſabeth an Ulrich von Roſenberg in derfelben Angelegenheit, 
d’Gumarn (Komorn) am Sonntag vocem Jocunditatis (1. 
Mai). Drig. ebdaf. 40) Schreiben derf. an denf, d- Kos 
morn, am Freitag vor Pfingften (15. Mai). Sie ermahnt 
ihn zu ftandhafter Irene, Die fie einft geoßmäthig zu beloh— 
nen verfpricht; fie will dann „von diſem Lannd Hungern 
nemen, vnd das dir vnd andern vnſern getrewen von Behem 
miltiglich mittailen.“ Jezt aber könne fie ihm die ver: 
langten zwei taufend Ducaten nicht ſchiken, weil „wir 
yezund vaft plod an gelt fein Nach dem der Kunig von 
Polan yezt In vnſer Kunigreich Hungern zewcht, vnd vers 
maint vns vnd vnſern Sun darin zu beſchedigen, dadurch 
wir vil und groß darlegen und aufgeben müſſen.“ Orig. 
ebdaf. 44) Bericht eines Nofenbergifchen Boten über feine 
Verrichtungen bei der K. Elifabeth.  Drig. ebdaſ. 12) 
Schreiben der K. Elifabeth an die böhmifchen Stände, 


worin fie um Beiftand gegen Wladislaw von Polen bittet, 


55 


und ihre Bevollmächtigten nächftens zum Landtage zu ſchi— 
fen verfpricht, d. Prefburg, feria LI, ante Viti (13. Juni). 
Drig. ebdaf., 415) Landtagfchluß der ‚böhmifchen Stände 
über die Königswahl, d. Prag, den 15. Juni (w jtfedu 
den fw. Wita). Copie in mehreren gleichzeitigen Hand 
fehriften. 414) Eidesformel der Deputirten zur Königss 
wahl, — aus dem Privilegienbudhe der Altitadt Prag, 
wohin fie ald Denkmal der Theilnahme der Städte an der 
Koͤnigswahl gleichzeitig eingetragen wurde. (S. Beilage 
11.) 15) Schreiben der K. Elifabeth an Ulrich von Ro— 
fenberg, über die Verfpätung ihrer Sendboten zum böhm, 
Landtage, Ein undatirtes Driginal in böhm. Sprache, 
im Witting. Archiv. 16) Schreiben derfelben an die böh— 
mifchen Abgefandten nach Cham, d. Haimburg, 27. Aug. 
Gopie ebdaf. (S. Beil. IV.) 17) Schreiben K. Friedrichs 
an diefelben, in gleicher Angefegenheit, d. Wien, an Guns 
tag nach fand Bartholomestag (28. Aug.). Copie ebdaf, 
18) Antwort des Herzogs Albrecht von Baiern auf die 
Werbung der böhmifchen Abgefandten zu Cham, in (mans 
gelhafter) böhmifcher Heberfezung, ohne Datum, eine ber 
fchädigte Eopie ebdaf, 419) Schreiben der K. Elifabeth 
an Ulrich von Nofenberg, worin fie ihm für -die fo eben 
bewiefene Treue danft, d, Preßburg, Sonntag vor Colo— 
manni (9. Det.). Drig. ebdaf. 20) Ausführlicher Ber 


richt über die Verhandlungen bei der böhmifchen Königs: 


wahl im J. 1440, von Ulrich von Nofenberg an einen der 
Väter des Basler Coneiliums gefandt, Diefer Bericht 


war die Hauptquelle des obigen Auffazes; Teider ift die 


gleichzeitige Eopie desfelben im Wittingauer Archiv offens 
bar lükenhaft und nachläffig gefchrieben, Uebrigens ſtand 


mir eine nicht unbedeutende Zahl von Landtagichlüffen, 
Berhandlungen, Berichten und Briefen aus der frühern 


und fpätern Zeit zu Gebote, welche insgefammt zur Auf 
klarung dieſer Epoche weſentlich beitragen. 


3 * 


56 


Es it wohl unnöthig den Beweis zu führen, daß 
folhe Quellen, mit Unbefängenheit benüzt, die geſchicht— 
liche Wahrheit ſicherer, als die Berichte der Chroniken zu 
Tage fördern. Urkunden und Aktenſtüke find ja Der beite 
Prüfftein aller hiftorifchen Angaben. Daher habe ich auch 
in der obigen Darftellung von der bisher üblich gemefenen, 
wo fie fich nicht bewährte, nicht blos abweichen dürfen, 
fondern ich mußte es thun, wenn ich der Geſchichte treu 
bfeiben wollte. Eine gedrängte Prüfung diefer Abweichun: 
gen wird dies Verfahren nicht nur rechtfertigen, fondern 
fie dürfte auch als Beifpiel geeignet feyn, den Grad der 
Berläßlichfeit zu bezeichnen, auf welchen einige der angefe- 
benften Gefchichtswerfe Böhmens Anfpruch machen können. 
Menead Sylpins, der Ältefte Berichterftatter über 
die böhmifche Rönigswahl im J. 1440, hat 1) durch fals 
ſche Daten die fpätern Hiftorifer zu manchen Mißgriffen 
geleitet. Er fagt, der zur Königswahl auf den achten 
Tag nach Georgi (30. April) angefezte Landtag wäre auf 
den Tag nach Georgi (VIIL cal. maias, 24. Aprif) ans 
gefezt gemefen, und die böhmifchen Abgefandten (unter 
welchen er dem allerdings wakern Prokop von Nabftein, 
aus perfönficher Freundfchaft, eine über die Gebühr wich» 
tige Nolle zutheilt) wären erft zwei Wochen vor dem Ans 
fange diefes Landtags bei der Königin erfchienen. 2) Auch 
läßt er den Joh. Nofycana ans’ feinem „Eril‘* von Könis 
gingräz ſchon zu Anfang diefes Zahrs nach „Haufe“ (nad) 
Prag) zurüffehren, und hier all fein Unmefen von neuem 
beginnen m f. w. Bu dem Landtage Fam er allerdings 
nach Prag; er durfte ſich aber hier nicht einmal lange auf: 
halten, viel weniger geiftliche Functionen ausüben, indem 
die utraquiftifche Geiftlichkeit von Prag damals unter den 
zwei erwählten Adminiftratoren Johann von Pribram und 
Prokop von Pilfen ſtand, die er als erwählter Erzbifchof 
nicht anerkennen wollte, und dagegen auch von ihnen als 
folder nicht anerkannt wurde. Erſt nach der Eroberung 





37 


Prags durch Georg von Podiehrad im J. 1448 wurde er 
nad) Prag berufen und in die Zeinfirche eingeführt. 3) 
Den größten Fehler beging Aeneas Sylvins darin, dag 
er Gefandte der K. Elifabeth auf dem Wahl: Landtage er 
fcheinen und hier für Ladislaws Erbanfprüche öffentlich pe— 
roriren Jieß, — während es aus den Briefen der K. Eli: 
fabeth felbft gewiß ift, daß Feine folhe Scene in diefem 
Jahre vorfallen konnte. Daher fallen auch alle dabei an: 
geführten Declamatipnen, ald bloße Uebungen feines Wizes, 
weg. 4) Solcher felbit erfundenen rhetoriſchen Flosfeln 
konnte er fich bei der Antwort Herzog Albrechts um fo we: 
niger enthalten. Der Fall, daß ein Herzog eine ihm an: 
gebotene Königskrone ausfchlug, hatte feine Phantafie zu 
lebhaft ergriffen, als dag er ihn ungeſchmükt hätte laſſen 
follen. Wie wenig er dabei das eigentlich Sefchichtliche 
diefer Antwort auffaßte und darftellte, ift leicht zu entneh: 
men. 5) Gleich darauf hüpft er mit einigen Worten über 
die Gefchichte dreier Jahre hinweg, und verleitete da= 
durch alle feine Nachfolger , die Gefchichten des Jahrs 
4443 in die des J. 1441 zu verweben, wodurd im Ganz- 
zen viele Verwirrung veranlagt worden. 6) Daß endlich 
er, der Zeitgenoffe und fait Augenzeuge, fo wiele der wich: 
tigften Punkte diefer Verhandlungen mit Stillſchweigen 
überging, darüber läßt fich mit ihm nicht rechten. 

Eine bisher ungedrufte böhmifche Chronik eines 
Ungenannten, gibt zwar Feine falfchen, aber Doch fehr man— 
gelyafte Nachrichten, insbefondere über den Lucien: Land: 
tag im J. 1439, wo fie nur von der Zufammenkunft der 
Ptacek'ſchen Partei in Melnik, und von deren nachmaliger 
Bereinigung mit der Albrechtinifchen zu Prag mit Ber 
ſtimmtheit fpricht, der gleichzeitigen Zufammenkunft der 
leztern in Prag aber gar nicht erwähnt. Auch fagt fie, 
Albrecht von Baiern habe blos darum die Krone nicht an— 
nehmen wollen, weil er die ibm angebotene Gapitulation 
unangenehm und befchwerlich gefunden habe. 


33 


Wenzel Hayek von Libocan, weicher die eben 
erwähnte Chronik meift wörtlich copirt hat, fuchte ihre 
Nachrichten mit denen des Aeneas Syloins zu verbinden, 
und erlaubte fich ſchon willführliche, fowoHl Bermuthungen 
als Eombinationen. Unter den nach Cham abgefandten 
Böhmen nennt er auch die Ritter Hynef Wamberſky von 
Nohatee und Johann Dobes von Diefow, aus unbekann- 
ter, aber gewiß unrichtiger Quelle. Die Antwort Albrechts 
fteigert Hayek ſchon dahin, daß er fich erklärt habe, lieber 
fogleich eines gewaltfamen Todes fterben, als in die ihm 
vorgelegten Artikel Cinsbefondere wegen der Compaetate) 
willigen zu wollen. 

Zach. Theobald hat ſich der ärgſten Mißgriffe 
ſchuldig gemacht. Auf Hayeks Vermuthungen und Anden: 
tungen baute er ſchon wieder Thatſachen, und unterſtüzte 
dieſelben nicht nur mit neuen Details, ſondern, was un- 
glaublich feheint, feldft mit Reden und mit Briefen eigener 

Erfindung. So brachte er freilich eine detaillirte, aber 
fetder nur zu oft wie aus der Luft gegriffene, Gefchichte 
diefer Zeiten zu Stande. Der Brief, den er die Stände 
vom Melniker Landtag (Donnerftag nach Luciä) an die 
Gegenpartei fchreiben läßt, Fann unmöglich ächt ſeyn; Im: 
halt und Form zeigen es offenbar. Denn erſtens: er 
bat augenfcheinlich Feinen andern Zwef, als einem über- 
fpannten Haß gegen das Papftthum zu einer unfinnigen 
Hypotypoſe zu dienen: nun waren aber die Zeiten in Böh: 
men fchon lange vorüber, mo es Sitte gewefen, gegen den 
Papſt zu declamiren. Wie hätten auch die utraquiftifchen 
Stände, nach freiwillig geleifteter Obedienz, und nachdem 
fie die Suprematie des Papftes fererlich anerkannt hatten, 
fo unbefonnen handeln, und durch eine in empdrenden Aus: 
drüken verfaßte Schmähfchrift, ſich jede Ausficht verderben 
können, die fo fehnlich gefuchte Beendigung der Compactate 
vom Papft und dem Concilium zu erlangen? Zweitens 
beißt es in dem Briefe: „derhalben, weiln wir die Vers 


5 





— 
— 


39 


fambleten zu Melnick erfahren, daß jr euch auff künffti— 
gen Newen Jars-Tag zu Prag... zufammen kommen 
wollet u. f. w.“ Wie hätten fie fo fchreiben können, da 
ed aus den oben von mir Num. 2) und 5) erwähnten 
Briefen, fo wie aus dem Briefe des Herrn Hanus von 
Kolowrat an den Erzbifchof von Mainz, d. Prag, Donnerftag 
vor Luciä (10. Dec.) 1439 (©. Boecleri, historia rerum 
Frideriei tertii iınp., Argentorati, 4685, pag. 185) ges 
wiß ift, daß ein allgemeiner Landtag ſchon lange zuvor auf 
den Lucientag nad) Prag ausgefihrieben war, wozu fogar 
auc alle Kronländer öffentlich berufen worden find? Zwan— 
zig andere Unfchiklichkeiten diefes Theobaldiſchen Briefs 
will ich Kürze halber nicht erwähnen: nur in Hinficht auf 
den Styl muß ich bemerfen, daß fchon diefer allein hin— 
reicht, Diefes Machwerf wenigftens verdächtig zu machen. 
Su allen böhmifchen Briefen aus diefer. Zeit herrfcht durch— 
aus ein einfacher prunklofer Vortrag, eine Fernhafte Kürze, 
die ihren Gegenftand unumwunden erfaßt und darftellt: 
im Iheobaldifchen zeigt fi) dagegen eine ermüdend weit— 
ſchweifige, pomphafte rhetorifche Spiegelfechteret‘, zu deren 
Schmufe fogar Helivgabal (an welhen man in Melnik 
eben fo wenig als an Zorvajter gedacht haben mag) feinen 
Namen hergeben mußte. Und fo wie diefer Brief nun er— 
Dichtet it, fo iſt auch die darauf folgende Antwort vol 


von kleinern Merkmalen, welche ſeine Zeitwidrigkeit be— 


weiſen, — die ich aber, um nicht zu weitläufig zu werden, 
nicht einzeln verfolgen will. Auch den Wahl-Landtag be: 
ſchreibt Iheobald fo umftändlich, als wenn er dabei gewe— 
fen wäre, — und erzählt nur dasjenige nicht, was fich da= 
felbft eben zugetragen hat. . 

Aus diefen fo fehr trüben Quellen haben alle unfere 
fpätern Hiftorifer, ſelbſt Pelzel und Pubitſchka, mit vollem 


Vertrauen gefchöpft: ob fie nun daraus die lautere Wahr: 


beit haben fchöpfen können, iſt von felbft einleuchtend. 


— — — — 


40 4 


Sonette von J. Kollar. 


Aus dem Böhmiſchen überſezt von Joſ. Wenzig. 
TEL ET Er T Se 


II. 1. 


O Liebe, Liebe, o du ſüßes Wähnen! 

O Becher du unausempfund'ner Wonnen! 

Wo ſich ein Herz vom andern fühlt umſponnen, 
Und Erd’ und Himmel glüh'n in unſerm Sehnen. 
Daß jeder ſchnell genöße deiner ſchönen 

Und heitern Zeit, verborgen vor der Sonnen, 

Eh’ ihm ein Sturm, wie mir, zu weh'n begonnen, 
Und Kahn und Ruder wild zerfplittert dröhnen! 
Wo bift du Tochter aus des Himmels Höhen, 

Du Gaft, von dem mein Herz verrathen worden, 
Du Blüthenfind, du Quelle holder Wehen? 

Ah fruchtlos ſchifft' ich deinem Port entgegen, 
Denn meine Roje brad) ein Sturm aus Norden, 
Und Dornen blieben mir von all dem Segen! 





2. 
Der Frühling keimt, die Sonne glänzet klar, 
Zephyre wiegen koſend ihre Schwingen, 


Die Bäume ſchatten, Nachtigallen fingen 
Im Blüthenwipfel lieblich Paar um Paar. 
Die Saat ergrünt im jungen Segensjahr, 

Die Rehlein hüpfen und die Farren ſpringen, 

Der Blumengarten wogt von Schmetterlingen, 

Die Aente fhwimmt , es fummt der Bienen Schaar. 
Und alles freut ſich, jubelt oder ſchmachtet, 

Es walten Liebe, Scherz und Anmuth nur, 

Sch — feufze tief. und weine gramumnachtet. 

Nur ich mag nichts von Lenz und Sommer wiſſen, 
Mid rühret Sonne nicht und nicht Natur, 

Seit mir des Lebens Seele ward entrifen. 


3. 


Willkommen Schwalbe aus den fernen Reichen, 
Hier, wo die Fluren rings im Lenz zerthauen, 
Beginn’ dich wieder bei mir amzubauen, 

Und um mein Fenſter heimifch binzuftreichen. 


Doch mögft du früher noch dich zu mir schleichen, 
Bon deinen Fahrten ſchwazen im Vertrauen, 

Und fagen, ob du mir von jenen Auen 

Und Ufern Eeine Botfchaft bringft, Fein Zeichen ? 


„Bol Neugier flog auch ich zu jenen Kreiyen, 
Daß ich mit eig’'nem Aug’ das Wunder fehe, 
Das alle Vögel wonnetrunfen preifen ;‘* 


„Doch ward ich fo verwirret von der Nähe, 
Die Hoffnung von der Wahrheit fo beihämet, 
Daß fi) mein Wort no immer fühlt gelähmet.““ 


4, 


Der junge Tag im gold’nen Glanze graut, 

Der Adler fteigt empor auf ftolzem Flügel, 

Es ſchwimmt der Schwan im See, zum Kräuterhügel 
Enthüpft der Sammer Schaar und fpielt vertraut, 


Der Sproffer weket flötend feine Braut, 

Boll Thaues glänzt die Blume, wie ein Spiegel, 
Bon jedes Menfhen Thüre fliegt der Riegel, 
Und in der ftilen Weite wird es laut; 


Und von fich fchleudert alles luſtdurchdrungen 
Den alten Tag, und weihet froh und leicht 
Dem neuen Strahlenfürften Huldigungen! 


Wann wird auch mir ein folher Morgen ftrablen, 
Ein Morgen, welcher meine Nacht vericheucht, 
‚Und meines Herzens ewigheiße Qualen ? 


4 


42 


Dein denk’ ih, wenn die nächt'gen Schatten fliehen 
Und Morgenftrahlen auf den Bergen liegen ; 

Wenn über'm Birfenhain emporgeftiegen 

Der Mond erfcheint, und Sternenwolten ziehen! 


Di hör’ ich, wenn in fügen Harmonieen 
Die Wellen fi vertraut an Wellen jchmiegen ; 
Auf Blumenwieſen fih die Lüfte wiegen, 
Einftimmend in des Waldes Melodieen! 


Dich feh’ ih, und Dich wähn' ich zu erfennen, 
Wenn wo ein Pilger naht, vom Staub umfchleiert ; 
Wenn über Thalern ſchwimmet Nebelihimmer ! 


Mit Dir nur leb’ ih, Dein bin ich noch immer, 
Mag ung ein Sahr, mit Klagen ad! gefeiert, 
Und mögen uns auch neid'ſche Kernen trennen ! 


6. 


Ihr gold'nen Haare, theure Weberrefte 

Des Schmerzerluft’3, von dem mein Tiefited wund, 
Merth, dag euch Pope und der Göttermund 
Homers verherrlihe, der Welt zum Feſte! — 


Und böte man mir Vließe und Palläſte 

Und Sultans Zepter, nicht für's Erdenrund 
Gäb' ich o Zeugen euch von meinem Bund, 
Die ich ſo oft ſchon an die Lippen preßte! — 


Verſchließt mein Herz, ſo lang es nicht verdorrt, 
O ihr mein Schaz, das Kleinod meiner Liebe, 
Vor jedem fremden Reiz und nied'rem Triche. 


Und weht der Wind einft meine Afche fort, 
So ſchwebt empor zu jenen Sternenfränzen, 
Wo auch die Loken Bereniced glänzen! 





Te 
Seht, wie ih falb die Huthhoͤh'n umgejtalten, 
Und Stadt und Dorf nun dient zum Zufluhtsort ! 
Wo Werte wehten, braust der rauhe Nord, 
Still liegt die Flur, wo fonft Gefange ballten, 


Der Kranich ziehet fhon aus unfern Falten 
Bezirken mit der warmen Sonne fort ; 

Es treibt die Donau Blumen, die verdorrt, 
Und Rebenblätter hin mit Sturmgewalten. 


Allein nicht Tange wird das Schmerzgewand 
Der bleihen Erde Blik und Sinn betrüben, 
Bald naht der Mai und ſchmüket frifch das Fand, 


Mir aber wird Fein Frühling mehr erbfüh'n, 
Von allen meinen Lebensjahren blieben 
Mir todte Herbfte ohne Licht und Grün! 


8. 
Kennft Du das Rand in Paradieſeshoͤhen, 
Der Schönheit Heimath und der Geiſter Zonen, 


Wo Lieb’ und Tugend mit einander wohnen, 
Und ſich im ew'gen Sonnenglanz ergeben ; 


Wo leife Windeslispel duftig wehen, 

Wo fih die Palme wölbt zu Schattenfronen, 
Wo Nachtigallen fanft auf Myrthenthronen 
Für jeden Gram mit Liedern Troft erflehen ? 


43 


Kennſt Du das Land, wo Nacht, wo Gluth verſchwindet, 


Die Roſe ohne Dornen blüht und ſprießet, 
Und jeder Epheu ſeine Ulme findet? 


Dort, wo kein trüber Strom der Zeit mehr fließet, 


Wo Gattin und wo Schweiter eind bedeuten, 
Ad) dort biſt du einſt mein für Ewigfeiten! 


— r e — — 


44 


Geſchichte der k. k. patriotifch - öfonomifchen 
Gefellfchaft. 


Nach Beendigung des ſiebenjährigen Krieges war es eine 
der erſten Sorgen der aufgeflärten Regentin Kaiſerin Ma: 
ria Iherefia, die durch fo viele Kriege erfchöpften Länder 
durch zwekmäßige innere Einrichtungen wieder empor zu 
heben. Die Wiederbelebung des Aferbaues und der freien 
Künſte war daher ihre erfte Sorge. Sie verordnete zu 
biefem Zwefe im Jahre 1767 die Errichtung einer Afer- 
bau= Gefellfchaft in Böhmen, welche, da Feine Vorbereis 
tung vorhanden war, erft im 3.1769 unter der Benennung 
einer „Gefellfchaft des Akerbaues und der freien Künfte‘* 
zu Stande Fam, und mit dem A. Januar 1770 in Wirk 
famkeit trat. Sie beftand aus einem Director, dem da= 
maligen oberften Landrichter, Grafen Franz Pachta, ober 
ſten Münz- und Bergmeifter in Böhmen, acht Näthen, 
einem Kanzler, einem Secretär und drei correfpondirenden 
Mitgliedern. Ihre erfte Aufmerffamfeit richtete die Ges 
feufhaft auf die Verbefferung des Flachsbaues, der, Bies 
nenzucht und der Veredlung der Schafheerden, indem fie 
die Vertheilung der fpanifchen und Paduaniſchen Schafe 
beforgte, welche Ihre Majeftät die Kaiferin nah Böhmen 
gefchift Hatte. Cie ließ auch mehrere dfonomifhe Schrif- 
ten über Verbefferung der Schafzucht, über Anbau von 
Klee und Knollengewächfen in Die Brache ꝛc. erfcheinen. Im 
J. 1774 wurde der Plan zu einer Iandwirtgfchaftlichen 
Schule entworfen, und bei dem eingetretenen Mißjahr 
Samen von Wafferrüben, mit einem Unterrichte zu deren 
Anbau, unentgeltlih im Lande vertheilt, auch mehrere 
öfonomifche Abhandlungen aufgelegt. Im J. 4772 wurde 
Die erite Preisaufgabe fund gemacht, welche bei der einge: 


U — — 


45 


tretenen großen Theuerung ſich darauf bezog: ob und durch 
welche pragmatiſche Geſezgebung oder andere Anordnung 
der Gefahr des Abganges, oder einer übermäßigen Stei— 
gerung der Getreidpreiſe zuvorgekommen werden könnte, 
daß der Akerbau dadurch angeeifert, und zugleich der bil— 
ligfte Mittelpreis am ficherften erreicht würde. Der Preis 
wurde der Schrift des Dr. Michael Schmidt, Profeſſor 
in Klagenfurt, zugetheilt. In den J. 1773 und 1774 be 
fchäftigte man fid) vorzüglich mit Aneiferung der Obftbaume 
zucht, zu welchem Zweke aud Prämien ausgefezt wurden. 
Sm J. 1775 wurde in der Perfon des Hrn. Prof. Butfchek 
der erfte Lehrer der Defonomie angejtellt, und der von der 


Geſellſchaft vorgefchlagene Lehrplan genehmigt; im J. 1776 


ein Lehrer der Bienenzucht in der Perfon des’ Hrn. Bell: 
mann. Abhandlungen über den Anbau von Futterfräutern 
und Knollengewächſen wurden ausgetheilt, und da man fich 
durch Zählung des Viehes überzeugt hatte, daß der Vieh— 
ftand zugenommen babe, im 3. 1777 den Wirthfchafte- 
Ämtern Hofowiz und Radniz wegen Verminderung der 
Brache und Kleebau, Ginez wegen vorzüglihem Anbau 
von Erdäpfeln und Klee Belobungsdecrete ausgetheilt. 
Aehnliche Belobungen von allen Arten von Verbefferungen 


in der Defonomie, Prämien für die Emporbringung der 


Dpfteultur wurden in allen nachfolgenden Jahren ausge: 


theilt, und viele Heine dfonomifhe Schriften um geringe 


Preife in Umlauf gefezt oder umfonft vertheilt; dies hatte 
den ermünfchten Erfolg, daß bereits 1786 39,191 Mezen 


Obſt auf der Elbe ausgeführt wurden. Die Begriffe einer 


Berbefferten Landwirthfchaft waren bereits hinreichend vers 
breitet, um den Wirkungskreis der Gefellfchaft zu. ermeis 


tern; Se. Maj. der Kaifer Zofeph ließ der Gefellfchaft 
einen Plan von Leopold Langbein zu diefem Zweke zum 
Gutachten vorlegen, und die Gefellfehaft benüzte diefe Ges 


legenheit, um ihre Wünfche fir eine zwekmäßig erhöhte 
Tpätigkeit anzugeben. Diefes hatte zur Folge, daß mit: 


46 


telft eines allerhöchſten Organifirungs » Patents vom 1, 
Detober 1788 eine neue zahlreichere Gefellfchaft, unter dem 
Titel: „k. k. patriotifch= dfonomifche Geſellſchaft,“ errich— 
tet, und dieſer ein ausgedehnterer Wirkungskreis zugewie⸗ 
ſen wurde. 

Aus dieſem Organiſations-Patent iſt leicht zu ent— 
nehmen, daß die Abſicht des Monarchen dahin gerichtet 
war, die ökonomiſche Geſellſchaft zu einer allgemein ein— 
greifenden practifchen Lehranftalt einer rationellen Land» 
wirthfchaft zu erheben. Zu diefem Zweke wurde eine 
perennirende Profeffur der Landwirthfchaft bei der Uni— 
verfität in Prag beftellt, und mit der ökonomiſchen Ge: 
fefchaft in Verbindung gefeztz in die Zahl der 20 Mit: 
glieder, aus welchen die Gefellfehaft in Zukunft beftehen 
folte, der Protomedicus, die an der Univerfität angeſtell— 
ten Lehrer der Naturkunde, der Kräuterfunde, der Vieh— 
arzneifunde, der Mechanik und Technologie, der Staates 
güter- Ndminiftrator und der Lehrer der Landwirthfchaft, 
als perennirende Mitglieder der Geſellſchaft erklärt, Die 
übrigen aus Güterbefizern, Inſpectoren und Wirthfchafts- 
beamten zu wählen anbefohlen , und 32 correfpondirende 
Mitglieder aufzunehmen aufgetragen worden, Vom 4, 


Mai an follte Fein Wirthfchaftsbeamter mehr aufgenoms 


men werden, der nicht von dem Profeffor der Landwirth: 
fchaft und zwei Mitgliedern der Gefellfcehaft eraminirt, und 
nach erhaltenen guten Zeugniffen bei felber immatrieufirt 
worden fey ıc. 20, Wenn alle guten Abfichten des Souve— 
räns, die in dieſer Organifation lagen, nicht erreicht wer— 
den Fonnten, fo lag es nicht im Mangel an Tpätigkeit und 


Eifer der Gefellfehaft, fondern in der Unbiffe der nachfol- 


genden Zeit, die manches gute und zwekmäßige Inftitut 
zerrüttet, alle wenigftens im ihren Fortfchritten gehin— 
dert hat. 

Sm 3. 1789 befchäftigte fi die Gefenfchaft unter 
ihrem neuen Prafidenten, Grafen Lajansfy, damaligen 





47 


Präfidenten der böhmiſchen Landrechte, mit ihrer neuen 
inneren Einrichtung, Vertheilung der Gefhäfte, Inſtruc— 
tionen 2c., und fuhr fort, nach dem Vorbilde ihrer Vor: 
treter, Prämien für Erweiterung der Obſt- und Bienen: 
zucht auszutheilen. In der mwechfelfeitigen Ueberzeugung, 
daß ein Inftitut diefer Art ohne einen ftabilen Fond (der 
bisher nicht vorhanden war) Feine großen Fortfchritte mas 
chen fünne, daß ferner das Landvolk außer feinem Kalen: 
der nicht Leicht fich Bücher anfchaffe, wenn fie ihm noch 
fo wohlfeil angeboten werden, verfiel man auf den Gedan— 
fen, einen größeren und einen Eleineren Kalender von der 
Geſellſchaft ausgehen zu laſſen, und diefe ſtatt der gewöhn— 
lichen Kalenderanhängſel von Mährchen, Anekdoten und 
Schwänken, mit leicht faßlichen öfonomifhen Abhandlun— 
gen auszuſtatten. Der vorgelegte Plan wurde allergnä— 
digft genehmigt, die erbetene Stempelfreiheit, um den 
Preis recht niedrig halten zu können, im 3. 1791 ertheilt, 
und der doppelte Zwef der Belehrung der Nation und der 
Bildung eines Fonds für die Gefellfhaft erreicht. Die 
Sefeltfchaft trat nun in einen weiteren Bereich durch nä= 
here Verbindungen mit den Landesitelfen, die in dfonomi- 
fhen Gegenftänden die Meinung der Gefellfhaft erforfch- 
ten; fie unterftüzte und förderte die Herausgabe ökonomi— 
\ fcher — die einzeln aufzuführen zu weitläufig wäre. 
Sm J. 1795 verlor die Geſellſchaft ihren Präfidenten, 
- Grafen Lazansky, der zum DOberftdurggrafen, und hierdurch 
zum Protector der Gefellfchaft befördert wurde. An feine 
* Stelle trat Herr Graf Malabaila Canal, k. k. geheimer 
- Math und Kämmerer, der diefelbe mit regem Eifer, unver— 
droſſener Thatigkeit und großmüthiger Freigebigkeit bis 
= in er hohes Alter durch 35 Jahre verwaltete. 
| Nachdem die Auflage der Wirthfchaftsfalender mit 
Be zwefmäßiger okonomiſcher Auffäze geregelt 
war, und mit Beifall aufgenommen wurde, ging die Ge: 
ſellſchaft zu der Herausgabe einer eigenen Jahresſchrift 


48 


über, von der im J. 1796 das erſte Heft unter dem 


Titel: „Abhandlungen zur Beförderung der Landwirth-⸗ 


fhaft““ erſchien. Im J. 41797 verfiel die Gefellfchaft 
zuerft auf den Gedanken, unter der Direction des Aſtro— 
nomen der k. k. Sternwarte, Strnad, Witterungsbeob- 


achtungen in verſchiedenen Kreifen unternehmen zu laffen, 


zu welchem Zweke die nöthigen Infteumente angefchafft 
wurden. Zu Prag wurden durch Hrn. Prof. Mikan Ber: 
ſuche über die Abfchmweflung der Steinkohle vorgenom- 
men. Dem Fortfchreiten der ökonomiſchen Wiffenfchaften 
folgend, und auf die Bedürfniffe des Inlandes vorzüglich 
aufmerffam, war die Gefellfchaft unermüdet in der Auf 
munterung der Flache, Obſt- und Forfteultur; fie ließ 
ferner aus ihren eigenen Mitteln Zuchtftiere aus Tirol 
bringen, und verkaufte fie um billige Preife an die Land: 
wirthe, um die Nindviehzucht zu. verbeffern; fie fuhr fort, 
ihre Abhandlungen herauszugeben, und fügte dem VIIten 
Bande derfelben, der im J. 1802 erfchien, die vollftindige 
Sammlung aller im landwirthfchaftlihen Face bis Ende 
December 1804 erfchienenen Gefeze bei; auch machte fie in 
- diefen Abhandlungen auf die Gewinnung des Zuferd aus 
dem Safte des Ahorn aufmerkffam, alfo lange vor der 
Eontinentalfperre von Europa, welche die Zufererzeugung 
aus inländifchen Producten in Anregung brachte. Nachdem 
die Kriegsunruhen fi im J. 1805 der Gränze Böhmens 


genähert hatten, fah ſich die Gefelfcehaft im J. 1806 ger 


nöthigt, die Herausgabe ihrer Abhandlungen mit dem 


Alten Band zu ſchließen. Die Geſellſchaft fuhr indeſſen 


fort, durch Austheilung von goldenen und filberhen Me— 
daillen, Berichte an die Landesftellen und kleine Abs 
bandlungen in den Kalendern die dfonomifchen Zweke zu 
fördern. Indeſſen war die bedenkliche Zeit der Gurrogate 
eingetroffen; die Gefellfchaft war hierin in den J. 1810, 
4814 und 1812 befonders thätig, und ihr Präfident machte 
einen Aufwand von 15,000 fl,, um die Zufererzeugung im 


* 





49 


Großen zu Ihren. Die Begebenheiten der J. 1813 — 1815 
machten dem Gurrogaten-Bedürfniß ein Ende; man Fehrte 
daher wieder zu der eigentlichen Landwirthfchaft zurüf, zu 
deren vielfeitigen Zwefen die Geſellſchaft mit Thätigkeit 
mitwirfte. 
Da die früheren meteorologifhen Beobachtungen 
nicht ganz dem vorgehabten Zweke befriedigend entfpra= 
chen, fo wurden die Gternwarten der 16 Kreife Böhmens 
mit neuen Inſtrumenten verfehen, und die meteorologi- 
ſchen Beobachtungen mit dfonomifchen Berichten in Ver— 
bindung gebracht, worüber eigene gedrufte Inftructionen 
ertheilt wurden. Im J. 1819 hatte fi), durch das thä— 
tige Beftreben des befannten Pomologen Rößler, Dechant 
zu Podiebrad, ein pomologifcher Verein gebildet, der im 
J. 1820 feine Sanction erhielt, und unter dem Prafidium 
des Hrn. Grafen Hartmann Excell., von einem Ausſchuß 
geleitet, noch fortwirket; eine Sammlung auserlefener 
Obſtſorten in Drangerie: Eremplaren wurde von dem Hrn. 
Präfidenten, Grafen Canal, in feinen Garten aufgenom— 
men. Im J. 1821 wurde durch Hrn. Infpector Fifcher 
und andere Mitglieder ein Prämium für den verdienteiten 
Studierenden der Landwirthfchaft gebildet. Im J. 1825 
wurden Verfuche mit der Anwendung der feinen einheimis 
ſchen Siegenwolle gemacht, die nicht ohne Erfolg waren. 
Hr. Director Auge in Karlftein und Hr. Juſtiziär Lamb 
in Hohenelbe haben fich dabei vorzüglich ausgezeichnet, und 
die goldene Medaille erhalten. Unentgeltliche Vertheilun: 
gen oder Verkauf für fehr geringe Preife von Maulbeer- 
bäumen, aus der Plantage der Gefellfchaft zur Beförderung 
der Zucht der GSeidenwürmer, Anleitung zur Befdrderung 
des Flachsbaues und feiner Bereitung, fo wie der Obft: 
enltur, bleiben an der Tagesordnung. Berichte an die Lanz 
desſtellen über mancherlei ökonomiſche Gegenſtände wurden 
Alle Jahre abgegeben, und die Auffäze in den Wirthfchafts- 
Kalendern, die von Jahr zu Jahr beliebter wurden, nad) 
A 


50 


den zunehmenden Fortfchritten des öfonomifchen: Publi⸗ 
kums in nr. Inhalt gefteigert. 

Sm J. 1825 nahm die Gefellfehaft die feit längerer 
Zeit unterbrochene Herausgabe ihrer Abhandlungen wieder 
vor; es erfchien ein Heft meteorologifcher Beobachtungen 
in 4., und ein Heft öfonomifcher Abhandlungen in 8. Am 
20. Februar 1826 verlor die Gefellfchaft ihren würdigen 
Präfidenten, Grafen Malabaila Canal, im sıfen Jahre 
feines Kebensalters. Am 9. März wurde an feine Stelle 
Herr Graf Kafpar Sternberg, k. k. geheimer Nath und 
Mräfident des Mufeums, gewählt, und am 2. April von 
Sr. Majeftät dem Kaifer beftätigt. In der Gizung vom 
15. Mai hielt derfelbe feine Antrittsrede und übernahm 
die Gefchäftsführung. 





Bericht über die Baccination in Böhmen 
im Sahre 1825. 


cr Mr 
In dieſem Sahre wurden in 268 Städten, in 270 Markt 


flefen und 10,925 Dörfern 130,550 Individuen geimpft. 

Diefes Ergebniß ftellt ſich ſowohl an fih, als im 
Dergleiche mit den Leiftungen verfloffener Sabre als hochſt 
erfreulich dar, 

Erfteres, weil von den in diefem Jahre Gebornen 
(155,181) nur 118,166 das erfte Lebensjahr überlebt haben, 
die Zahl der vorgenommenen Impfungen aber diefe Zahl 
um 12,164 überfteigt. 

Lezteres, weil ungeachtet die Zahl der im J. 1825 
nach Ablauf des erften Lebensjahres am Leben Verbliebes 
nen gegen jene des Jahres 1824 blos um 11,045 höher 
ausfällt, die Mehrzahl der Impfungen 13,810 beträgt, 
und überhaupt die Gefammtzahl der Impfungen des J 


— — 


51 


1895 jene aller vorhergegangenen Impfjahre, felbft des 
J. 1822, welches die meiften Impflinge zählt, überfchreitet. 

b Bei 125,686 Impflingen hat man fich zur Fortpflane 
jung der Impfung des flüßigen, bei 4644 dagegen des tro= 
fenen Smpfitoffes bedient. 

Den leztern mußten die Impfärzte bei den im Winter 
ausgebrochenen DBlatterepidemten anwenden. Häufig ers 
mangelte indeffen derfelbe des gewünfchten Erfolges. 

Hecht zeigten fih die Schuzpofen bei 122,381 Indie 
viduen; unächt verliefen fie bei 2550; gar Feine Hoffnung 
- äußerte fich bei 5599. 

Unter die unächten Impfungen wurden auch alle jene 

gereiht, wo die Impfpuſteln aufgefrazt wurden, wo nur eine 
amd nicht ganz regelmäßige Poke zum Vorfchein Fam, und 
die geſezliche Nachficht wegen unterlaffener Stellung der 
Geimpften zu derfelden nicht vorgenommen werden Eonnte. 

Als Urfachen der unächten und Fehlimpfungen wer— 
den von den Impfärzten geltend gemacht: fchwächliche 
Eonftitution, Kachexien, chroniſche Hautausfchläge, fehr 
vorgerüftes Alter, fchlehte Pflege, das Impfen im Win: 
ter, zumal mit trofenem Gtoffe. 

Die Zahl derfelben wurde übrigens auch in diefem 
Fahre dadurch gefteigert, daß mehrere Individuen, bei 
denen die Impfung in früheren Sahren zu wiederholten 
- Malen, jedoch ftets fruchtlos verfucht wurde, abermal zu 
derſelben gezogen, und verfuchöweife auch bei jenen die 
- Smpfung wiederholt wurde, bei denen die Schuzpofen in 
frühern Jahren zwar regelmäßig, jedoch etmas fehneller 
 berlaufen, oder aber nur eine einzige, übrigens regelmä- 

ßige, Schuzpofe zum Vorfchein gefommen mar. 
— Bei den leztern ſtellten ſich bei der neuerlichen Impfung 
ſt nur unächte Poken ein. Nur in einigen Fällen ent— 
wikelten ſich bei jenen, die vordem ſchon eine Schuzpoke 
überftanden hatten, auf dem Arme, mo diefe geftanden 
hatte, unächte, auf- dem andern hingegen ächte Impfpufteln. 
4 * 


or 
15) 


Vergleicht man die mißlungenen Impfungen mit der 
Gefanmtzahl der Geimpften überhaupt, fo zeigt es fi, 
dag jede ein und fünfzigfte Impfung eine unächte, und 
jede vier und zwmanzigfte eine ganz erfolglofe war, Auf jeden 
Fall bietet aber diefes Ergebniß eine größere Beruhigung, 
als die diesfälligen Wahrnehmungen des Teztverfloffenen 
Sahres dar. Denn im J. 1824 war fehon jede fünf und 
vierzigfte Impfung eine unächte, und fchon jede drei und 
zwanzigſte fehlug ganz fehl. 

Ungeimpft blieben 41,607, daher 178 mehr als im 
J. 1824, wo die Zahl der ungeimpft Verbliebenen blos 
44,455 betragen hatte. Bei den im Allgemeinen fo aufs 
fallend günftigen Refultaten diefes Impfjahres kann diefe 
minder erfreuliche Beobachtung wohl nirgends anders, als 
in der ſtets verläßlicheren und genaueren Aufzeichnung der 
Smpfbedürftigen ihren Grund haben, und der Angabe, daß 
die ungeimpft Verbliebenen blos wegen Kränklichfeit oder 
zu zartem Alter der Impfung nicht unterzogen werden 
konnten, voller Glaube beigemeffen werden. 

Der Fall, daß ein in der That ächt geimpftes Indiz 
viduum von wahren Menfchenblattern ergriffen worden 
wäre, wurde im Laufe diefed Jahres nicht beobachtet. 
Wohl aber wurde nicht felten bei den ausgebrochenen 
DBlatterepidemien wahrgenommen, daß jene geimpften In: 
dividuen, welche mit den Blatternfranken in eine etwas 
nähere Berührung Famen, von einem puftulöfen Ausfchlage 
befalfen wurden. 

Befondere merkwürdige Erfcheinungen Famen bei den 
Geimpften nicht vor. Blos bei den am Wechfelfieber lei— 
denden Jmpflingen äußerte fich eine VBerfpätung in der Ent— 
wiklung der Jmpfpufteln und eine längere Dauer des ganz 
zen Smpfprozeffes überhaupt. 

Während des Verlaufs der Impfung wurden an den 
Impflingen folgende Krankheiten wahrgenommen: Augen: 
entzündungen, Huſten, Durchfälle, Zraifen, ſchweres Zah: 











55 
nen, Anfchmwellungen der Ohrdrüfen, Geſchwüre an den 


° Simpfitellen, FSriefel, ein allgemeiner mafernähnlicher Aus: 


flag, der ohne Abfchuppung endete. Alle dieſe Zufälle 
verfchwanden jedoch nach überftandener Impfung ohne alle 
Nachteile für die Gefundheit. 

Der Gefundheitsftand der früher Geimpften wurde 
auch in diefem Jahre ungetrübt befunden, und mwohlthätig 
bewährte fich wiederholt die Impfung bei den an chroniz 
fhen Augenentzundungen leidenden Kindern. Selbſt zwei 
abzehrende Kinder fah man nach der Impfung genefen, 
und eine Verhärtung des Zellgewebes nach derſelben ver⸗ 
ſchwinden. 

Zum offenbaren Beweiſe der ſtets wachſenden und allge: 
mein verbreiteten Ueberzengung von der wphlthätigen Wirk: 
famfeit der Impfanſtalt, erfcheint in dem diesjährigen Aus: 
weife als Renitent ein einziges Familienhaupt verzeichnet. 





Bemerkungen über das alte mährifhe Reich. 


Beranlaßt durch einen Auffaz in dem von H. Greg. Wolny 
in Verbindung mit mehreren Gefchichtöfreunden herausgege- 


benen Zafchenbuch für die Gefchichte Mähren: und Schles 


fiens, * Jahrgang, 1826. Brünn bei Traßler, 
IV. u. 316 Seit. in 8.) 


Bon 3. Dobrowffn. 
ttr4t 


Der erfte Auffaz in dieſem Taſchenbuche ift überfcehrieben: 


„das großmährifche Neich und deffen Bekehrung zum Ehri- 
ſtenthume, von Franz X. Richter, Weltpriefter und 


54 


Bibliothekar zu Dlmüz.* Das Ganze, ein gedrängter 
Auszug eines größeren, ſchon feit Jahren zum Drufe be— 
reiteten, Eritifhen Werkes, gleicht einem Gewebe, das 
aus ftarfen, feften, aber auch aus ſchwachen, morfchen 
Fäden befteht. Aus Mangel einer einheimifchen Gefchichts: 
quelle mußten die zerftreuten Nachrichten in deutfchen Jahr: 
büchern zur Grundlage dienen. In Hinficht des Firchenge- 
ſchichtlichen Theiles nennt der Hr. Verf. felbft die Acta 
SS. Bollandi, die Briefe Papft Sohannes VIH. an Mes 
thod und Swatopluk, die (den) Ungenannten von der Be: 
fehrung Kärnthens und die Klagfchrift der baterifchen Bis 
fchöfe an Papft Johann IX. als Quellen. Aber gar oft 
mußte er bloße Vermuthungen und Combinationen der 
Umftände zu Hilfe nehmen, um die Iofen Theile nothdürf: 
tig zu verbinden. Nach probhältiger Kombination und Los 
calität zu fchließen, follen die Slawen (©..4) von den 
Farpathifchen Gebirgen fpäteftend kurz vor Der Avaren- 
Zeit ın das Land Mähren eingedrungen feyn. Welche 
Zeit ift wohl hier gemeint, das fechfte, fiebente oder achte 
Sahrhundert? Daß die Marchflawen in denfelben Ver— 
pältniffen zu den Avaren ftanden, wie die Karantaner: 
Slawen, follte doch erft erwiefen werden. Daß (©. 5) 
der avarifche Fürft Ihudun das Land zwifchen der Wag 
und dem Granfluße mit der Hauptftadt Neutra von Karl 
dem Großen erhalten habe, ift ganz willführlich angenom: 
men. Sein Gebiet lag am rechten, Moymars Land (Maͤh— 
ren) am linken Ufer der Donau. Papſt Eugenius fchrieb 
um das J. 824 an die Bifchdfe und die Fürften Hunntens 
und Mährens, Hunniae, quae et Avaria dieitur, et Mo- 
raviae. Diefe Stelle im Eingange des Briefes überfezte 
hier Hr. N. umichtig: „in Hunnien, das auch Avarien 
und Mähren heißt.‘ Richtiger ift die zweite Stelle: Hun- 
niae, quae et Avaria appellatur, sed et Moraviae (©. 8) 
überfezt worden: „Hunniens, das auch Avarien heißt, Mäh— 
rens,“ wiewohl auch hier sed et überfehen ward. Von den 


r 





\ 





5 


vier Bisthümern konnte nur Neutra ficher beftimmt, die 
drei andern nur muthmaßlich nachgewieſen werden, und 
zwar nah Hrn. NR. Faviana ein Drt am linfen (?) Do- 
nauufer naht Wien; allein Faviana ift ja da zu fuchen, 
wo Wien felbit liegt, d. i. am rechten Ufer der Donau, 
Speculijulium oder Soriguturum, nah errigen Olmüz, 
nad) andern Saroſchiz in Mähren; follte es Galagius, 
der es für Teben erklärt, nicht beffer getroffen Haben? 
Vetwar, Olmüz oder Welehrad; wahrſcheinlicher ift dies 
in Ihuduns Gebiete auf der Südſeite der Donau zu fuchen. 

Daß Herzog Moymar (©. 12) das Gebiet zwifchen 
der Wag und Gran vom K. der Deutfchen fürmlich zu 
Lehen empfangen, und Damit wieder einen Anverwand: 
ten (2), den damals noch ungetauften Privina belehnt 
babe, wird wiederum nur vorausgefezt, nicht erwiefen. 
Läßt fi wohl der Name Chozil, Hezilo, fo hieß Privina’s 
Sohn, Heinrich deuten? Mit welhem Rechte wird (©. 14) 
Privina's Gebiet Unterpannonien ein zweites mährifches 
Reich, Klein- Mähren, genannt? In der flawifchen Sprache 
bieß Kozel der Blatiner Fürft, und fein Gebiet muß alfo 
das Blatiner Fürftenthum heißen, nicht Klein Mähren. 
Blato ift der flawifche Name des Plattenfees. Im deutfchen 
Annalen findet man fein großes und Fein Fleines, fondern 
nur ein Mähren auf der Mordfeite der Donau belegen. 
Kaifer Conftantin allein fpriht von einem Groß- Mähren, 
mworunter er aber auch Pannonien begreift. Man follte alfo 
das eigentliche alte mährifche Neich nicht einmal Grof- 
Mähren nennen, weil es fein Eleinmährifches gab, fondern 


ſchlechterdings nur das mährifche Reich, das freilich weiter 
ausgedehnt war, als das heutige Markgrafthum Mähren. 
Mad) Moymar wird deffen Neffe Raſtislaw (Naftiz) im 
8. 846 von K. Ludwig eingefezt. Daß der neu eingefezte 
Herzog noch ein Heide war, iſt gar nicht wahrfcheinlich, 
hier aber nur deshalb angenommen, weil die mährifche Le: 


‚gende von feiner duch Cyrill und Method empfangenen 


56 


Taufe fpricht. Allein nach der aͤltern Legende war das 
Volk, folglich auch der Fürft Raſtislaw fchon getauft, als 
er Lehrer vom Katfer Michael verlangte. Eben fo grundlos 
ift auch die Behauptung (©. 17), dag Raſtislaw Neutra 
an Privina habe zurüfgeben müffen. Er behielt e8, wie 
ed ſchon Moymar im Beſiz hatte. Nah ©. 22 foll Ra: 
ffislaw die Ungarn ald Bundesgenpffen 862 aus Lebedias 
berbeigerufen haben. Diefe follen Pannonien verwüſtet ha= 
ben. Unmöglih, denn um diefe Zeit Eonnte noch Fein 
Huf ungarifcher Neiterei Pannonien betreten. 

Wann eigentlih Smwatopluf, Naftislam’s Neffe, in 
den Befiz von Neutra Fam, wußte bisher noch niemand 
auszumitteln. Hr. R. brachte dies (©. 23) nad) feiner bes 
liebten Combinationsmethode, nach welcher willführliche 
Annahmen für bewährte Zeugniffe gelten, gar leicht heraus. 
Er will fogar wiflen, daß Raſtislaw fich von Rarlmann, mit 
dem er fich verbunden hatte, deshalb abgewendet, weil diefer 
die Abtretung des Neutraer Gebietes an Privina’s Erben for: 
derte. Seit welchem Jahre Swatopluk dafelbft herrfchte, od 
feit S62 oder 868, tft, wie gefagt, mit Sicherheit nicht 
anzugeben. In den Sahrbüchern wird feiner vor dem J. 
869 nicht gedacht, — Drei flawifche Füriten, Naftislam, 
Swatopluk und Kozel in Unterpannonien, fenden an Kaifer 
Michael nach Eonftantinopel eine Botfchaft, um von dorther 
tüchtige Glaubensprediger zu erhalten. So Hr. NR. ©. 25, 
wo er wenigftend Neftors Snterpolator für fich hat. In 
beiden Legenden, der italifchen und mährifchen, wird viel 
richtiger Raſtislaw allein genannt. Noch im J. 865 feierte 
der Salzburger Erzbifchof Adalvin die Weihnachten auf der 
nenerbauten Mosburg bei Kozel. Diefer Eonnte alfo keinen 
Antheil an der Herbeirufung der flawifchen Apoftel has 
ben. — Ref. kann nicht umhin, eine fhöne Stelle, womit 
der 4.9. ©. 27 befchloffen wird, hier mitzutheilen: „Sp 
hatte denn Raſtislaw feinen fehnlichen Wunfch erreicht. 
Seine Mährer erhielten das Licht des wahren Glaubens 








- 


57 


und mit diefem zugleich die flawifche Nationalfchrift, das 
durch fie in die Reihe gefitteter Nationen traten, ohne 
ihre Sprache aufzugeben. — Die Sache verliert nichts an 
ihrer welthiftorifhen Wichtigkeit dadurch, daß die Mährer 
duch die Unbilden der Zeit der Föftlihen Gabe beraubt 
wurden, womit fie von ihren Apofteln befchenft worden 
find; zur Stunde erfreuen fih 56 Millionen Slawen in 
Rußland, Polen, Ungarn, Bulgarien, Servien, Bosnien, 
Montenegro, Dalmatien, Eroatien und Slavonien, der herrs 
lichen Erfindung, dadurch Conjtantin weit über Ulphilas, 
den Cadmus der Deutfchen, hervorragt.“ 

$. 5. Wie Eyrillus den flawifchen Gottesdienft vor 
dem heil. Eollegio zu Rom vertheidiget. Hier ift alles un- 
zuverläffigen Legenden nacherzählt. Nicht Eyrill, fondern 
lange nach deffen Tode ward Method deshalb zur Nechen- 
fchaft gezogen. Unter Eyrill gab ed noch Feine Ankläger, 
die den flawifchen Ritus anfeindeten. — Auch die windifche 
Mark (©. 55) fol im Befize flawifcher Glaubensprediger 
der Deutfchen entbehren zu können geglaubt haben. Wann 
und woher fie dahin gefommen, wird nicht angezeigt. ©. 
54 wird fogar der DBlatiner Fürft Kozel in die windifche 
Mark verfezt. Sein Gebiet war ja befanntlich in Unter: 
panonnien am Plattenfee. — Raſtislaw huldigte zwar S64 


dem deutſchen Könige, daß er aber das Fürſtenthum Neutra 
zu Gunften Kozel’8 habe zurüfgeben müffen, mo fteht da= 


von auch nur ein Wort? S. 38, wo nebft der Sorben 


auch ihrer Nachbarn, der Guifler, gedacht wird, ftehen in 


der Parenthefe die Worte: die einige für Schlefier halten. 
Es follte aber noch dabei jtehen: mit Unrecht. — K. Lud— 
wig ließ 870 den durch Swatopluk ausgelieferten Raftislam 


blenden und in ein Klofter fperren. Wer wird aber mit 


Hrn. R. behaupten oder nur vermuthen wollen, Swato— 


pluk hätte es Lieber gefehen, wenn das Todesurtheil an 
feinem Oheim wäre vollzogen worden! Ihm ift daher auch 
begreiflich, was die Legenden erzählen, dag nämlid Swa— 


58 


topluf feinem Oheim heimlich (wann und wo, etwa gar zu 
Regensburg?) Gift habe reichen laffen. Die vorangefihikte 
Erzählung von dem Vorfalle zwifchen Oheim und Neffen, 
die aus den Fulder Annalen entlehnt tft, ftraft die Legen: 
den einer Entitellung der wahren Begebenheit. Sie erzäh— 
len nicht nur, daß der Neffe den Oheim habe vergiften, 
fendern auch, daß er ihn habe blenden und aus dem Lande 
fortjagen wollen, da wir doch aus beffern Quellen wiffen, 
dag Swatopluf feinen Dheim wirklich gefangen nahm und 
dem Karlmann übergab, und daß K. Ludwig ihn blenden 
ließ. — Wie konnte der Verf., der mitten unter einem 
gutmüthigen Völkfein von Slawen lebt, die abfchenliche 
Schilderung der flawifchen Naturen (©. AA) entwerfen? 
Ref. ſelbſt ein Slawe, der aber dem flawifchen Grundfaz 
der Nache nicht Eennt, hält es für überflüßig, auf diefe 
unverzeihliche Schmähung zu antworten. Es bleibe Hrn. 
Schaffarik überlaffen, die Ungezogenheit eines Uebermü— 
thigen in der zweiten Auflage feiner Gefchichte der ſlawi— 
fhen Sprache zu züchtigen. — Woher Eommen denn in 
einem chriftlichen Lande die Gözenpriefter, im deren Arme 
ſich Swatopluf (S. 48.) geworfen haben fol? Dies, fo 
wie der Bann, mit weldhem Method den  ftarrföpfigen 
Fürften belegt haben fol, ift wieder blos Legenden nacher— 
zählt. Auch verließ Method im J. 871 Mähren nicht, 
um feinen Bruder, der ſchon im J. 868 geftorben war, 
von Rom zu holen, und fo brauchte auch Swatopluk Feine 
Sefandtfchaft an Method zu fchiden, um ihn zur Rükkehr 
zu bewegen. Allein Hr. R. ift ordentlicy froh, wenn er 
Gelegenheit findet, buchitäblich überfezte Stellen aus la— 
teinifchen Legenden feinen Lefern hier noc einmal vorzu— 
legen. — Sehr entbehrlich wäre (©. 52) die Note über die 
Lage von dem Fluße FZuldaha. Wer kann wohl glauben, 
daß die fünf genannten böhmifchen Häuptlinge oder Anz 
führer mit ihren Scharen bis ins Fuldaifche vorgedruns 
gen feyen? Hätte doch Hr. R. unfern Dobner hierüber 








59 
nachgefchlagen. Wenn er nur die Worte: Fuldaha flu- 


vxriaus procul dubio haud alius est a Wltava seu Moldava, 





gelefen hätte, Eonnte es ihm noch zweifelhaft bleiben, wel: 
cher Fluß unter Fuldaha zu verftehen fey? Die Böhmen 
nennen die Moldau noch heute Wltawa. Diefe Erflärung 
billigt nun auch Hr. Pers in der neuen Ausgabe Seripto- 
rum Germaniae, wie es nicht anders zu erwarten war, — 
Sm J. 874 fchifte Swatopluk Gefandte nach Forchheim. 
An der Spize der Gefandtfchaft ſtand Johannes von Ve 
nedig. Nun heißt es in der Note: „Dies berechtigt zu 
der Vermuthung, daß fich die flawifche Conföderation 
bis an die Küften des adriatifchen Meeres erftrefte, durch 
den Eleinmährifchen Fürften Kozel nämlich, welcher ver: 
muthlich dem allgemeinen Slawenbunde beigetreten 
war.“ Weil fih ein Priefter von Venedig zur Gefandte 
ſchaft brauchen ließ, Soll ſich der (ohnehin nur erdichtete 
oder fehr lokere) Slawenbund bis ans adriatifhe Meer er: 
jtreft Haben. Welch ungeheurer Schluß! Und Kozel in 
Unterpannonien am Blattenfee (nicht in der Windifchen 
Mark) blieb doch, wenn gleich Method in deffen Gebiet 
predigte, dem deutfchen Reiche treu, und darf durchaus 
nicht zur flawifchen Eonföderation gezogen werden. — Die 
flawifhen Buchitaben hat befanntlih Cyrill, Method’s 


- Bruder, nicht Method erfunden. Wie fonnte nun ©. 55 


gefagt werden: „bis Methodius durch feine unlängft er: 
fundenen flawifchen Buchftaben die lateinifche Sprache und 


\ den römifchen Eultus dem Volke verekelte.* Aventin bat 
die Worte noviter inventis slavinis literis, die er in der 
alten Schrift de Conversione Carantanoruın las, unrich— 


* 
FR, 


tig auf Method bezogen. Es müßte ja a se noch vor in- 


| entis ſtehen, wenn der ungenannte alte Verfaſſer hätte 


ſagen wollen, daß Method der Erfinder der ſlawiſchen 


Buchſtaben ſey. Er wollte aber nur fagen, Method habe 
ſich der neu erfundenen flawifchen Buchitaben bei Einfüh— 
tung des flawifchen Ritus bedient. — Warum ſchreibt 


60.. 


Hr. R. ©: 57 Szentopulchrus, Sz für Sf oder Sph? 
Wenn des Papftes Johann Brief vom J. 880 mit der 
Ueberfchrift Sfentopulero glorioso Gomiti, wie Niemand 
zweifelt, den mährifchen Knes Swatopluk angeht, fo fonnte 
doch der frühere Brief vom J. 879, mit der Heberfchrift 
Tuventaro de Marauna, nicht an den glorreichen Fürften 
Swatopluf, fondern er mußte an einen andern Herrn ges 
ringern Standes gerichtet gemwefen feyn. Schon Affeman 
dachte bei dieſem Namen an einen bulgarifchen hohen Be: 
amten. Wahrfcheinlich war er Statthalter in der Stadt 
Morawa, wohin guch der griechifche Katalog der bulgariz 
Then Bifchöfe felbft den Siz Method’s verfezt. — Die 
Note ©. 58 ift abermal ein Beweis von der Combina— 
tionsgabe des Verfaffers, mit deren Hilfe er alle ſchwie— 
rigen Aufgaben, worüber fi andere Gelehrte die Köpfe 
zerbrechen, leicht aufzulöfen weiß. Papft Johann, meint 
er, babe gar wohl den flawifchen Ritus, den fein Vor: 
gänger Adrian gutgeheißen hatte, mißbilligen können. 
Die Umstände hätten fi) geändert; den Papft Johann 
müßte feine gute Abficht, die Unkenntniß der Localverhält- 
niffe und das Beifpiel der Slawen vom lateinifchen Ritus 
in der Salzburger Diöceſe entfchuldigen u. f. w. Allein 


bat denn Adrian wirklich je den flawifchen Ritus gutges 4 


heißen? Aſſeman leugnet es ſtandhaft und zwar mit allem 
Rechte. Nur unter der Vorausſezung, daß ſchon Cyrill 
vor der Verſammlung der Kirchenvorſteher zu Rom die 
von Legendenſchreibern concipirte Apologie für die ſlawiſche 
Sprache und deren Geſtattung beim Gottesdienſte hielt, 
könnte und müßte angenommen werden, Daß Adrian den 
flawifchen Ritus geftattet Habe. Da aber bier dem Eyrilf 
beigelegt wird, was eigentlich erſt Method bewirkte, fo 
fällt der Widerfpruch der zwei Päpfte und die ganze Schwie— 
rigfeit, Diefen Widerfpruch zu heben, von felbit weg, — | 
Kaifer Karl den Diken läßt Hr. R. zweimal (im I. 834 - 

und SS5) in die Ditmark fommen. ©. 70 fagt er: „Der 








61 


mäbrifche Großherzog, umgeben von feinen Vornehmen, 
fheint damals das eroberte Pannonien von dem Kaifer zu 
Lehen erhalten zu haben.“ Dies ift doch viel zu wichtig, 
als daß es mit einem ſcheint abgethan werden Fünnte. 
Hierüber müffen auch ungarifhe Gefhichtsforfcher, Sala— 
gins, Katona und andere gehört werden, die gerade das 
Gegentheil behaupten. Man lefe doch mit Aufmerkfamfeit 
folgende Stelle der Fulder Annalen auf das Jahr 884: 
Imperator per Bojowariam ad orientem profieiscitur, 
veniensque prope flumen Tullinam, monte Comiano col- 
loquium habuit. Ibi inter alia veniens Zventibaldus 
Dux cum principalibus suis, homo, sieut mos est, per 
manum Imperatoris eflieitur, contestatus illi fidelita- 


tem juramento, et usque dum Carolus vixisset, nun- 
quam in regnum suum‘hostili exereitu esset venlurus. 


Kann man glauben, daß Swatopluk bei diefer Gelegenheit 
auch nur verlangt hätte, mit Pannonien, d. ti. mit Arnulf’s 
Lande, das er zwar graufam verheert aber nicht erobert 
hatte, belehnt zu werden? Feindlihe Einfälle, Verwü— 


- flungen, nach denen man fich wieder zurüfzieht, find noch 


feine bleibende Eroberung zu nennen. K. Karl hatte alfo 
gar Feine Urfache, den Herzog Swatopluf mit einem fremz _ 
den Lande zu belehnen. — „Das mährifche Gebiet,‘* fährt 
Hr. R. fort, „reichte jezt nicht blos an die Donau, fons 


dern vom Nabfluge anzufangen, auc über die Donau bis 


binab an die Drau, wie noch fpäter gezeigt werden foll.‘* 
Wo und wie ift dies gezeigt worden? Man höre. Die 


deutſche Gefandtfhaft (S. 75) nahm im J. 892 den Weg 


| 


in die Bulgarei zu Waſſer auf der Save und nicht durch 
Pannonien zu Lande, weil fie den Nachftellungen Swato— 
plufk's ausweichen wollte. Nun heißt es in der Note: 
Wer fieht hieraus nicht, daß Swatopluk Herr in Pan 
Nonien zwifchen dem Rabfluße und der Donau müffe gewe— 
fen feyn. Denn warum hätten diefe deutfchen Gefandten 
den weit geradern Weg zu Lande oder die Fahrt auf der 


62 


Donau hinab vermieden, wenn Pannonien, wie vor dem 
J. 885, noch in den Händen deutfcher Grafen gewefen 
wäre.“ Schließt endlich gleichfam triumphirend: „Auf 
diefen Punkt haben die Herrn von der füdflawifchen Anz 
ficht noch nicht genügend geantwortet.‘ Nef. will in ihrem 
Namen darauf antworten oder vielmehr ihre Antwort, die 
Hr. R. etwa nicht beachtet oder nicht gelefen, nur wieder: 
holen. Die Fahrt auf der Donau konnten die Gefandten 
nicht wählen, weil die nördlichen Ufer derfelben zu Swa— 
topluf’s Gebiet gehörten. Eben fo wenig ficher glaubten 
fie fih, wenn fie den Weg zu Lande unfern von der Donau 
genommen hätten, weil Swatopluf’s feindliche Einfälle, 
die er in frühern Jahren auf die Eüdfeite wagte, noch in 
frifhem Andenken waren. 

Kozel wird (S. 70) wieder nur aus feichter Combt- 
nation, für Brazlavs Vater gehalten. Auch follte Brazlav 
nicht durch Wratislam erklärt werden. Bracislaw und 
Wratislaw find wefentlich verfchiedene Namen. Des etz 
ftern Wurzel ift braku, davon der Imperativ braci, des 
zweiten wratiti. — Wenn Method (©. 71) unfern Her: 
309 Bokiwoy getauft hat, fo kann es nicht Furz vor 890, | 
fondern es muß viel früher gefchehen feyn, weil Method 
etwa 882 nach Nom ging und da verblieb. Daß die böhe 
miſchen Großen ihren Herzog wegen Annahme des Chris 
ſtenthums vertrieben hätten, ift ein bloßes Legendenmähr— 
chen. Es gab ſchon feit S45 viele getaufte Fürften in Böh— 
men. — Im J. 894 ftarb Swatopluf. Db und wie er 
fein Reich theilte, weiß Niemand. Aber Hr. N. combi: 
nirt fo: „Kurz vor feinem Tode theilte er fein Neich in 
drei Theile, und wies jedem feiner Söhne den feinigen an. 
Das größere Gebiet erhielt Moymar ald Erftgeborner. 
Ihm follten die jüngern Brüder Swatobog (Svetboch) 
und Zubur unterthan feyn.“ Die wahre Gefchichte Fennt 
nur zwei Söhne, Moymar und Smwatopluf (Zwentibald); 
Zubur, der das Neutraer Gebiet erhalten haben fol, iſt 








63 


ein Hirngefpinft. Nef. erlaubt fi die Frage: Wenn Swa— 
topluf der Vater (nach ©. 78) fo getheilt hat, daß Moy— 
mar das dftlihe, Swatopluf (fo hieß er, und nicht Swa— 
tobog) das weftliche, Zubur hingegen das Neutraer Gebiet 
erhielt, wem fiel dann Pannonien zu? Hr. R. fcheint hier 
darauf vergeffen zu haben. Doc fagt er ©. 79: Pannos 
nien wurde von Mähren noch in diefem Jahre (895) abges 
riſſen. Aber in der Theilung, die im J. 894 geſchah, 
hätte es doch vorkommen follen. Allein Pannonien hat 
Swatopluk nie befeffenz er Eonnte es folglich auch feinem 
feiner Söhne zum Erbtheile anweifen. — ©. 80. Daß 
der unbekannte Zwetboch, dem K. Arnulf 898 anfehnliche 
Güter in Karantanien anmwies, Fein anderer feyn Fönne, 
als der jüngere Swatopluk, ift noch fehr zweifelhaft. 
©. 85. „Der heil. Methodius war um das J. 900 
entweder fchon.geftorben, oder, was viel wahrfcheinlicher, 
gleich nad) Swatopluk's Tode nach Nom gegangen, wo er 
für das Wohl feiner mährifch = flawifhen Kirche, fo wie 
für das Moymarifche Haug bei dem Papfte Formofus aus— 
giebiger wirken konnte, ald wenn er während des Bruder: 
zwiftes in Mähren geblieben wäre.“ Da Papit Johann 
feine Rükreiſe nad) Nom, die Method dem Papſte meldete, 
im J. 881 erwartet, fo ift zu ſchließen, daß er fchon da= 
mals Mähren verließ. Daß Method eher als Swatopluf 
geftorben, dafür kann man einen Zeugen, den griechifchen 
Verfaſſer der Biographie des bulgarifchen Erzbiſchofs Cle— 
mens, anführen. — ©.55. Auf Moymars Verwendung 
Method's Eräftiges Mitwirken fällt weg) beim Papſte 
Dohann IX. wurden Eurz vor 900 der Erzbifchof Johann 
und die Bifchöfe Daniel und Benedict nad) Mähren ges 
ſchikt, um neue Bisthümer zu errichten, wogegen die baieri— 
ſchen Biſchöfe bittere Klagen führten. Hr. N. ſagt num, 
fie (die von Nom gefandten drei Biſchöfe) hätten die Kir- 
| chenſorgfalt über die mährifch-pannonifchen Ehriften alfo- 
eich übernommen. Wie Fonnte es ihm aber entgehen, 


64 


daß diefe päpftlichen Gefandten einen Erzbifchof und drei 
Bifhöfe ordinirten und in Mähren (nicht in Pannonien) 
einfezten. Wie diefe hießen und wo fie ihre Size hatten, 
darüber wollte er ſich den Kopf nicht zerbrechen. Gollte 
ihn feine Sombinationsgabe hier verlaffen haben? — Durch 
den Einfall der Ungarn ging (im X. 904 oder 907) das 
mährifche Neich zu Ende. Wann Moymar ftarb, wird 
nicht gemeldet. Was von der Einnahme der Stadt Neutra, 
von dem Schiffale des Herzogs Zubur, dem ungenannten 
Motar des Bela nacherzählt wird, find doch nur armfelige 
Erdichtungen, die Feine Erwähnung verdient hätten. Es 
läßt fich aber erwarten, daß Hr. R. bei der Ausgabe ſei— 
nes kritiſchen Werkes unfere Erinnerungen brauchen und 
nicht ganz verfehmähen wird. — 


Nachtrag. Cofmas rechnet zu den Ländern, die Omas 
topluf feinem Gevatter Arnulf zu danken hatte, nebft Böh— 
men, von diefer Seite das Gebiet bid an die Dder,. von 
jener gegen Ungarn bis an den Fluß Gran. Pulkawa fügt 
fhon Polen und Rußland bei. Aeneas Sylvius Kap. 15 
fezt wieder Ungarn dazu. „So weit,“ bemerfte fchon 
Bundling, „hat fich die Herrfchaft Feines mährifchen Prin- 
zen erſtrekt.“ (S. Gundlingiana 44° St. N. II.) Dob- 
nern (in f. Erit. Abhandl. über die Gränzen Altmährens 
1784) gelang zwar der eine Beweis gegen Salagius, daß 
das heutige Mähren auch zu Swatopluk's Neiche gehörte, 
nicht aber der andere, daß es fich über Pannonien bis Sir— 
mium erftrefte. Den Prof. S;klenar, der fogar Dacien 
dazu rechnete, hat Katona gründlich widerlegt. Nowot— 
ny's Eritifche Bemerkung zur Berichtigung der Gefchichte 
des großen mährifchen Reichs (Wien 1805) ift ganz une 
kritiſch. 





— 


65 


Nekrolog. 
Leopold Leonhard, Fürſt-Biſchof zu Paſſau. 


Dieſer ſo allgemein geliebte, und beſonders von Prags Bewoh— 
nern hochgeehrte Fürſt, ſtammte aus der Familie der Grafen 
von Thun und Hohenftein böhmifcher Linie, und wurde den 17. 
April 1748 auf dem Schloſſe Tetjchen geboren. Seine Mutter 
war aus dem berühmten fürftlihen Haufe der Hohenzollern - De- 
hingen, fein Water im Befize aller böhmiſchen Majorate, Klö— 
ſterle, Tetſchen und Koldiz. Seine Bildung erhielt er durch 
haͤusliche Erziehung unter der Oberaufſicht eines ſtrengen Vaters. 
Franzoſen waren feine erſten Lehrer, nach der damaligen Sitte. 
Ausgezeichnet unter venfelben waren ein Graf Sevigni, ein Abbe 
Robine. Später übernahm feine Leitung ein braver Böhme, mit 
Namen Hilbert. Mebft dem Studium der franzöfifhen Sprache 
wurde auch die lateinifche betrieben, worin er in Kurzem bedeutende 
Fortſchritte machte. Schon frühzeitig verrieth fein Geift Hinnei— 
gung zum Religiöfen. Seine Unterhaltungen in freien Stunden 
bezogen fich größtentheils auf gottesdienftliche Handlungen und 
kirchliche Ceremonien. So früh jehon that -fih am Kinde die 
Neigung zu dem Berufe Fund, welden er als Jüngling gewählt, 
und für fein ganzes Leben gefolgt. Am jedoch mit Würde und 
Kenntniffen den geiftlichen Stand wählen zu Fünnen, verlegte er 
ſich auf das ernfte Studium der Philofophie, und dann der Theolo 
gie und aller ihrer Zweige. Seine Lehrer in diefen Wiſſenſchaften 
waren Coſmas Schmalfuß, Aoys Fiker, Cafimir Raudnicky und 
andere gelehrte und ausgezeichnete Männer des Auguftiner-Ordens, 
Ir: Im Fahre 1768 wurden ihm durch beſondere Gnade Gr. 
ajeſtät Kaifer Sofeph IT. die primae preces *) für das Eapi: 









*) Diefe beftanden in dem Nechte, vermöge deffen ein jeder Kaifer nad) der 

Krönung ein Eanonicat an allen Capiteln Deutſchlands, jedoch nur einmal, 
an taugliche und feiner Wahl frei fiehende Individuen vergeben konnte 
Sie hießen primae, weil alle andern Geſuche diefen nachſtehen mußten, 


5 


66 


tel an der Kirche zu Paſſau zu Theil. Solche Auszeichnung ward 
nur Jünglingen von wiffenfhaftlicher Bildung und ausgezeichnetem 
guten Rufe. Das folgende Jahr verfügte er fih an den Ort feiner 
Fünftigen Beftimmung, und machte unter der Regierung des Car. 
dinald Fürften von Firmian fein erftes Reſidenzjahr. Nach diefer 
Probe Fehrte er nad Böhmen zurüf, erhielt in Prag vom Fürften 
Erzbifhofe Manderfheid das Cubdiaconat und Diaconat, und 
wurde im Sahre 1772 zu Leitmeriz vom Herrn Bifchofe Grafen 
von Waldftein zum Priefter geweiht. Von nun an, ald das Ziel 
feined Strebens und jeiner Wünſche erreicht war, widmete er ſich 
mit Genauigkeit und criftlihem Eifer an der Kirche zu Paſſau 
dem Dienfte der heiligen Religion, von deren Wahrheit, Wohl 
thätigfeit und Gottlichfeit er gründlicd überzeugt und innig durd: 
drungen war. Ihre Wahrheiten waren die Leuchte feiner Seele, 
bildeten feinen Wandel, ordneten feine Gedanken, Begierden und 
Wünſche. So Fannten ihn auch feine Mitcapitularen. Bald ges 
fang er zur Würde des Probſtes am Kapitel, und im Sabre 
1794 ernannte ihn der damals erwählte Fürft Thomas Thun zu 
feinem Weihbiſchofe. Doch traf ihn bald die traurige Pflicht, 
diejen feinen innig geliebten Freund nad) einer zamonatlihen Re 
gieruug zu Grabe geleiten zu müfen. Kein Wunder, dag fih 


nun feine Freunde ihm naherten, und den Wunjd äußerten, ibn 


ald Nachfolger feines verklärten Freundes auf dem fürſtbiſchöflichen 
Stuhle zu fehen. Aber die Größe und Wichtigkeit diefer erhabes 
nen Beftimmung durchblikend, wies er ihren Antrag mit allem 
Ernfte zurük. 

Als jedoch am Wahltage alle Stimmen fi für ihn erhoben, 
ſah er es als einen Wink der Vorfehung an, folgte ihrem Rufe, 
und beftieg 1796 den fürftbiihöflichen Siz zu Pafjau, — der Vierte 
aus dem hohen gräaflichen Haufe Thun und Hohenftein, welche diefe 
erhabene Würde in der Kirche und unter den geiftlichen jouverai- 
nen Fürften des heiligen römischen Reiche beffeidet haben. 

Sezt auf dem erhabenen Poften eines Biſchofs und Regenten 
ging alles Beftreben Leopold Leonhards dahin, diefem großen Be: 
rufe zus entfprechen. Das Gefühl der doppelt fehweren Pflicht, für 


) 








67 


geiftliche und leibliche Wohlfahrt fo vieler taufend Menſchen zu for- 
gen, ergriff feine ganze Seele. 

Ohne Verzug wurden mit feinen Räthen, in deren Wahl er 
olüflich war, und die mit ausharrender Anhänglichkeit ihm ergeben 
waren, die zwefmäßigften Anftalten zum Vortheil des Landes getroffen. 

Seine erfte Verordnung gebot die Abfhaffung der Todes: 
firafe in feinem Gebiete. Mit Wärme und Nachdruk griff er in 
die verfchiedenen Zweige zur Beförderung der bürgerlichen Glük— 
feligkeit ein. Er begünftigte Schifffahrt und Hantel, unterftügte die 
Betriebfamfeit unbemittelter aber fleifiger Gewerbsleute durd) 
unverzinsfiche Geldvorfchüße, und munterte andere zu vortheilhaften 


— Unternehmungen auf. Immer bemüht an Ort und Stelle die Mängel 


fennen zu lernen, um die wirfjamften Mittel vorfchreiben zu Fön: 
nen, ſah man ihn fowohl im geiftlichen Rathe, als in den Orts— 
ſchulen, und oft unvermuthet in Gefängniffen. Seinem Blife 
entging ed nicht, dag das Volk ſich vornehmlich nach dem Mufter 
der ihm vorgefezten Geiftlichfeit richte, deshalb war er im der 
Aufnahme und Wahl diefer Volksbildner fehr fereng und gewiſſen— 
haft, verfhärfte die Prüfungen, und gab Feine Crlaubnig zur 
Aufnahme in die reihen Klöfter, bis feine Pflanzfchule für junge 
Priefter hinlänglich verfehen war. Arme junge Theologen unter: 
ffüzte er mit guten Büchern oder mit Geld zum Ankauf derjel: 
ben. Die Tugend der Freigebigkeit beſaß er im höchſten Grade. 
Arme und Dürftige waren der ftete Gegenftand dieſes Fürften; 
nie ging einer unbemerkt und unbeſchenkt an ihm vorüber. 
Eintracht und Berufötreue, wie im geiftlichen jo im welt: 
lichen Geſchäftskreiſe, wurden hochgefchäzt und befeftist, Cultur 
und Wiffenfhaft befördert und junge Künftler unterftüzt. Aus, 


gezeichnete Männer um ſich zu verfammeln, war fortwährend fein 
Beſtreben. Mit Hochachtung dürfen hier die Namen eines E. F. Hof: 


F 
d 


“ 
“A 


raths von Rademacher, eines Fürften-Erzbifchofs zu Wien, Grafen 


von Firmian, eines Cardinal» Erzbifchofs zu Mailand, Grafen 

Gaisruck, genannt werden, die ehemals an feiner Seite wirkten. 
Ein raftlofer Trieb, das Gute fo viel möglich aud) außer [fih 

zu verbreiten, eine ungefuchte tiefe Ehrfurcht vor Gott, und von 


5* 


68 


dankharer Ergebenheit durchdrungenes Herz, unerfchrofene Wahr: 
heitsliebe, unerjehütterliche Treue in der Freundſchaft, die ferengfte 
Forderung an die Sittlichfeit feiner Umgebung, tiefer Ernft auf 
feiner Stirne, und väterlihe Herablafjung im Umgange, Gnade 
und Strenge zur rechten Zeit» Diefes find eigenthümliche Züge 
diejes ‚guten Fürften, die jedermann an ihm ſchäzen mußte. 

Sp thätig er übrigens in Vollziehung feiner Entwürfe war, 
fo gelang es ihm doch nicht, fie alle während feiner Regierung aus— 
zuführen. Der unglüfliche Krieg, der von Weften ber ſchon ganz 
Deutfchland überzogen, ald er zur Regierung Fam, und ſchon mans 
chem Lande unfäglihen Schaden zugefügt hatte, brachte vieles in’s 
Stoken, und war der Ausführung durchaus hinderlih. Oft mußte 
er flüchten, und jeine Refidenz feindlichen Anführern überlaſſen. 
Die traurigen Folgen diefes Krieges wurden immer fühlbarer und 
für das deutfche Reich gefährliher. Der Lüneviller Friede vom 9. 
Februar 18041, deſſen auf das deutſche Reich Bezug habende Bes 
ffimmung von den Fürften und Ständen des Reihe am 7. März 
ebenfalls genehmigt wurde, legte bereits den Grund zu den großen 
Veränderungen, welche nachher durch eine außerordentliche Reichs— 
deputation, unter Vermittlung der beiten Mächte, Rußland und 
Frankreich, zu Regensburg naher entwifelt und verhandelt wurden. 
Diefe Berhandlungen endigten bekanntlich mit dem Reichsdepu— 
tationsrecefje vom 23. Februar 1803; Fraft desſelben erhielten 
nicht nur die Territorien der meiften weltlichen Reichsſtände einen 
andern Umfang, jondern die ſämmtlichen geiftlichen Reichsſtände, 
mit Ausnahme dreier, verloren mit ihrem Gebiete auch ihre 
Unmittelbarfeit ; und fo theilte diefer Fürft das Schikſal mit meb- 
rern deutſchen Fürften, und erbielt für fein abgetretenes Land eine 
Suſtentation von 50,000 fl. Reichswährung, mit der Befugniß zu 
leben, wo es ihm beliebe. Endlich, als auch fein Eapitel ihn ver: 
laſſen mußte, fah er ſich genöthigt, vom Sturme der Zeit gedrängt, 
fein geliebtes Paſſau mit Genehmigung des heiligen Stuhles, dem 
er itets fehr ergeben war, zu verlaffen, und feine Zuflucht zu feinem 
Baterlande zu nehmen. 





69 


Dft unternahm er freiwillig in Prag die Ausfpendung der 
heiligen Sacramente ; doch war es ihm nie Gefchäft, fondern immer 
ein Act der Erbauung. Er ertbeilte das heilige Sacrament der 
Firmung und weihete junge Priefter ; fo erhielt der hochwohlgeb. 
Herr Graf Chotek, gegenwärtig Weihbifchof zu Olmüz, das Pres- 
byterat durch feine Hände. 

Als im Sabre 1817 das Eoncordat zwifchen dem heil. Stuhle 
zu Rom und dem Königreihe Baiern zu Stande Fam, ging fein 
fehntichfter Wunſch, die Wiederauflebung jeiner Kirde, in Er 
füllung ; aud bot er alles auf, um feine Kirche den andern Kir— 
hen des Königreich gleich zu ftellen. 

Aber die Gebrehlichfeit feines von Natur ſchwachen Körpers, 
die Mühfeligkeit des Alters, und oftmalige höchſt ſchmerzhafte und 
gefährliche Anfälle eines chroniſchen Gichtübeld benahmen ihm alle 
Hoffnung, je wieder dem bifchöflichen Amte vorftehen zu Fönnen. 
Er verledte nun feine lezten Tage in ftiller Abgefchiedenheit auf 

ſeiner Fleinen Befizung bei Prag im faft immerwährender Kranf- 
lichkeit. Auch hier ward er der Segen der Gegend, der Beſchüzer 
in Gefahr, der Wohlthäter im Unglüfe. Sn keiner Hinfiht aber 
wurde dabei feines Paſſau's vergeſſen. Die höchſt wohlthätigen 
aber dürftigen Anftalten der barmherzigen Brüder und der Elifa- 
betbinerinnen erbielten reichliche Unterftüzung. Doc erfuhr feine 
Linke nicht, was feine Rechte that. Als Vater der Armen hörte 
man ihn nur dann lagen, wenn nicht alle befriedigt werden konn— 
ten. Mander Plan wurde blos deshalb entworfen und ausge- 
führt, damit Künftler und Handwerker Berdienft, und Taglöhner 
Brod erhielten. ’ 
* Wenn er in den Tagen der ſchönen Jahrszeit die frohe aus 
der Hauptſtadt ſeinem Wohnſize zuſtrömende Menge vom Balkone 
überbliken, oder ſich unter ſie führen oder tragen laſſen konnte, 
vergaß er gewöhnlich feiner körperlichen Leiden. Die Vormittags— 
ſtunden widmete er ganz allein der Lectüre, und vorzüglich der Er— 
bauung. Nie wurde das vom der Kirche vorgeſchriebene Brevier 
einem andern Buche nachgeſezt, oder verſäumt; verhinderte ihn 
Krankheit, diefer Pflicht ſelbſt Genüge zu feijten, jo mußte es ihm 


70 


von feinem Secretär vorgebetet werden. Eben jo ftreng beobachtete 
er das Faftengebot, obſchon fein ſiecher Körper nicht nur eine 
Ausnahme geftattet hätte, ſondern fie fogar rathlich gewefen wäre. 
Nachmittags lebte er einige Stunden dem Zirfel guter Freunde. 

Das Ende feiner Tage fürchtete er keineswegs, fondern fah 
ihm mit jener Kraft chriftlicher Weisheit, die nur den Frommen 
eigen ift, ruhig entgegen. Als er im Herbfte des Jahre 1323 
das Unglük hatte, in einem Anfalle von Schwindel mitten in 
feinem Zimmer das rechte Schenfelbein zu brechen: dankte er Gott 
inbrünftig für die Gnade, fo fterben zu dürfen, wie der heil. Vater 
Pius der VIIte, der Eurz zuvor durch dieſelbe Veranlafung das 
Leben verloren hatte. 

Seine Stunde aber war nod nicht gefommen. Er hatte 
noch den erguifenden Troft, im 3. 1824 den 9. Juni mit dem 
allerhuldreichiten Befuhe Sr. Majeftät des Kaifers unſers allge: 
liebten Sandesvaters, und Ihrer Majeftät der Kaiferin unferer all- 
verehrten Landesmutter, wie aud) des Kronprinzen Faijerlichen Ho: 
heit, allergnädigft beehrt zu werten. Diefen Tag zählte der ge- 
fühlvolle und dankbare Fürft unter die glüklichſten feines Lebens, 
und lieg ihn dur ein eigenes Denkmal, welches er aus feinem 
Fenſter fehen Eonnte, verewigen. 

Aber am 18. October 1826 Morgend wurde er von einer 
allgemeinen Schwäche befallen; er ahnete feine Auflöfung, ftärkte 
fi) durch den Empfang der heil. Sarramente, und ſank nad einem 
stägigen Kranfenlager am 22. October im 79. Sahre feines Alters, 
mit dem froben Hinblike in ein befiered Leben, in die Arme des 
Todes. 

Kaum hatte fich fein Hinſcheiden in der Hauptſtadt verbrei- 
tet, ald die Bürgerfhaft, die fih ſchon fo oft für das Edle und 
Gute fo ehrenvoll ausgefprochen hat, von allgemeiner Theilnahme 
ergriffen, ſich die Erlaubnig erwarb, dieſen menfhenfreundlichen 
Fürſten auf ihren Schultern zu Grade tragen zu dürfen. 

Nach der leztwilligen Anordnung des Vollendeten follte feinen 
entfeelten Körper Feine Gruft umſchließen, jondern auf dem allge- 
meinen Gottesafer der Kleinfeite Prags, mitten unter feinen Mit— 











71 


chriſten, ſollte er zur Ruhe gebracht werden; welches auch am 2%. 
Detober Abends bei Fakelſchein, unter Begleitung der bürgerlichen 
Schüzencorps zu Fuße und zu Pferde, geſchah. 

Mit dem Höchftverblichenen verloren das ehemalige heil. rö- 
mifche Reich feinen festen Fürften,, die Kirche zu Paſſau ihren lez— 
ten exemten Bifchof, das Waterland eine Zierde, und die Armen 
einen Bater. 

Sein Andenken lebt im Herzen eines jeden, der diefen Für: 
ften von jeltenen Eigenfhaften näher Fannte, und wird fih auf 
die fpätefte Zeit init dankbarer Rührung fortpflanzen, im Anblife 
feiner Grabftätte auf dem gemeinfamen Ruheplaze für die Einwoh— 
ner der Kleinfeite, und im Hinblife auf den verlafienen Wohnort 
Cibulka, wo er den Reft feiner Tage verlebte. 

Wie mandyer wird auf der Heerſtraße, an welcher feine 
Befizumg liegt, im Gefühle der Wehmuth vorübergehen, und jeuf- 
. zend ausrufen: Hier lebte der gute Fürſt-Biſchof von Paſſau. 
Heil ihm und Dank! — Franz Hole, Weltpriefter. 





Literärifhe Anzeigen. 


4. 

Gedihte von ©. W. Shiefler. I. Band, 244 ©. 
und II. Band XXIV. u. 236 ©. in 8. Prag 1326. Im Ber: 
lage bei C. W. Enders. 

....Hr. ©. gehört unftreitig zu den fleigigften und beharrlichſten 
unferer Belletriften. Die einzige Ekloge ausgenommen gibt ed von 
der Inrifchen Kleinigkeit bis zum Drama hinauf Feine Dichtungs- 
art, in der er fich nicht mehrmal verſucht hatte. Aber es ijt nicht 
allein die Fruchtbarkeit feines Talentes, Die des Ref. Aufmerk: 
ſamkeit auf ſich zog, fondern auch der gerade Widerfpruc der Ur- 
theile, die in öffentlichen Blättern über den Werth feiner Dich⸗ 
Hungen gefällt worden. Während die Einen unbarmherzig auf ihn 
losgeißeln, erheben ihn die andern zu dem Nange eines ausgezeich- 
neten Dichters. Ganz recht hat Keiner; aber verdrießen muß es 


72 


jeden, dem die Ehre feines Vaterlandes am Herzen liegt, daß es 
gerade unjere Lobhudeleien find, aus denen das Fritifche Ausland 
feine Geißel fliht. Wer Fann ſich noch an das „sine/ira‘ des 
Tacitus halten, wenn gewiffe dramatiſche Dichtungen, die unter aller 
Kritik find, bei und ald „geniale Producte öffentlich angekündigt 
werden? — 

Hr. ©. hat fih- in mehreren Gedichten, als da find: Did: 


terglük Cl. 128), Natur und Kunft (I. 136), der Glükliche (11. 


171), der dramatifche Künftler (I. 137), Penzgefühl CHI. 11), 
Geſellſchaftslied (II. 25), des Dichters Loos (II. 47), Selbſtge— 
nuß (IH. 53) — über das Wefen, über den Werth und die Selig: 
Feit der ſchönen Kunft ausgefprohen. Wiewohl ich nun nicht ver- 
hehle, daß ich das Sonett „der dramatifhe Künſtler“ nicht recht 
gerftche, und die Kunft zum Gegenfaze der Mutter Natur nie 
Bafe genannt hatte: jo geftehe ich ihm mit Freuden zu, daß 
dem Seher „aus den Spiegeln der Welt das Ewige zurüßftrahle,“ 
und daß am Ende fi) „alles in den Kuß“ auflöfe, 
den einft Amor, der Gott, Pfychen der Sterblichen gab, 

Aber wie foll ich mir in dem Gedichte „des Dichters Loos“ 

die folgenden Verſe erflären: 


Bon Tag zu Tag wuchs ihre Herzenögluth, 
Sie fühlt des ſchönen Mufengottes Stärke; 
Jedoch fein armer Sünger thut 
Noch ſtets, als ob er's nicht bemerfe, 


Welch' eine zweideutige Rolle ſpielt in der ganzen Geſchichte 
das Schooßkind des Zeus, des Apollo, der Grazien, der Themis, 
der Minerva, des Eros, des Dionyſos! ꝛc. Wie kann er, „der 
keiner irdiſchen Gnade bedarf,“ in maskirten Angriffen auf das 
Herz eines Weibes losrüken, das ſeine Worte im höchſten Enthu— 
ſiasmus der Gegenliebe ſo ſpiz zu ſtellen weiß, als ob es an einem 
Pariſer Complimente drechsle? Ich kann mir „den Feldzug‘ dieſes 
reinen, aber blutarmen Jüngers des Apollo nicht mit dem hohen 
Selbſtgefühle zuſammenreimen, mit welchem Hr. S. ſo gern auf 
den Nicht-Dichter herabſieht. 

Ueberhaupt wundert es mich, unter den vielen Ausſprüchen 
über Werth und Weſen der Dichtkunſt die Wahrheit vermißt zu 








73 


baben, daß, wihrend der plajtifhe Dichter hinter feinen Stoff zu: 
rüftreten darf und muß,der lyriſche Dichter fich felbft gebe und erft 
dann für die Ewigkeit jchreibe, wenn die zwei Seelen, über deren Zwie— 
fpalt ih Hr. ©. (B. II. ©. 32) fo rührend beklagt, in volle Harmonie 
gefezt find. . Erft mit diefer Harmonie beginnt ed in der Seele des 
Dichters heil und Flar zu tagen, und der Strahl der Sonne, die in 
ihm leuchtet und wärınt, mag ſich in den Farben des Elegijchen und 
Tragiſchen oder des Komiſchen brechen, es iſt immer nur ein 
und derſelbe Sonnenſtrahl. Erſt dann beginnen die qualen: 
den Augenblife, in welchen der Dichter ein „Ich möchte und Fann 
nicht * gerade in dem Momente ausruft, wo der Baum blüht, das 
Beiden duftet und der Vogel fingt (Siehe B. I. ©. 11), immer 
feltener zu werden; die innere Eklipſe dauert nur eine Furze Zeit, 
und wenn fie fich einftellt, fo legt der Dichter die Lyra nieder. 
Jene Harmonie iſt aber undenkbar ohne richtige Anſichten von 
Menſchenwerth und Menſchenglük. Vernehmen wir Hrn. ©. 
über diefe Punkte in feinem Lied von der Misere, in feinem Lied 
des Guffaftenmannes, im Paradies des Lebens, in Timons Mor: 
genlied, in feinem Leider! im feinem Lebensbild, — und man 
wird fih wundern, wie er- bei feiner eben fo vernichtenden als 
profaifchen Lebensanfiht ein einziges heiteres Lied und über, 
haupt Gedichte ſchreiben konnte, deren Stoff aus dem Leben ge: 
griffen ift. Ich bin Hrn. ©. Meinung, dag Liebe den wahren 
Werth und zugleich die wahre Seligkeit des Menſchen ausmache. 
Aber welche Liebe *— Wirklich begegnet es dem Dichter nicht felten, 
daß er die himmlifche Liebe mit der irdifchen verwechjelt. Seine 
„Heliodora““ rühmt fih vor Gott, noch feinen Mann geliebt zu 
haben und — Gott ftößt fie darum aus der Gemeinde der Gläu— 
bigen! Man vergleiche mit diefer Pfeudolegende den „neuen Paris‘‘ 
und ſage mir, ob der Dichter noth hatte, mit der Moral (2) zu 


ſchließen 
Und Jupiter iſt lange todt, 
I Ach ſagt: wer endet unf’re Noth? 
Der häufig wiederkehrende Grundſaz, daß der Dichter weiter 
niichts zu thun habe, als im Buche der Natur zu leſen, und was 
ſie ſchafft, im jeigem Geiſte zu.verflären, umfaßt nicht das Ganze 


en 


74 


feines Berufes. Er darf einen Blik in das Allferheiligfte wagen, 
wenn er fich dem Vorhange ded Tempels mit reinem Herzen nähert. 
Hat er aber Herz und Auge geweiht und geftarft am Heiligen, 
dann fieht er in den Legenden einer frömmeren Vorzeit nicht das 
bloße materielle Wunder, fondern den Zwek desfelben. Oder hat 
Hr. ©. eine eigene Theorie der Legende? Ich muß geftehen, daß 
mich „die fromme Lift, der neunzigfte Pſalm, der beftrafte Frevel 
und die Marienlegenden“ mit tiefer Indignation erfüllt haben, und 
Hr. ©. mag mir darum verzeihen, daß id) fie mit Stillſchwei⸗ 
gen übergehe. 

Aber macht denn Enthuſiasmus für das Heilige und Lebens— 
weisheit den Dichter aus? Nein! Sie charakteriſiren überhaupt 
den Menſchen, wie er ſeyn ſoll. Ich habe auch nicht mehr be— 
hauptet, als daß ſie dem Dichtergenius nicht fehlen dürfen, wenn 
ſeine Lieder nicht Irwiſchen gleichen ſollen, die in bunter Farben— 
pracht aufglühen, um wieder zu verlöſchen, oder ſchillernden Blu— 
men, an deren Wurzel der Wurm nagt. Wie nun? Iſt Hr. S. 
wirklich ein Genius? — Ich ſpare mir eine genügendere Auskunft zu 
einem Aufſaze auf, in welchem ich mich über ſeine dramaturgiſchen 
Leiſtungen ausſprechen werde. Für izt nur ſo viel, als mir in 
Betreff jener Frage in den zwei Bänden ſeiner Gedichte auffiel. 
So oft ſich Hr. ©. über die Galanterien, Kartenſtüke und 
Schwänke der Poesie amusante erheben will, ift e8, als ob 
feine Schwingen gelähmt wären, oder ald ob fich ein böfer Damon 
an feine Ferfen Elammere, oder ald ob ihm vor den Höhen ſchwindle, 
die ſich unermeßlih ober ihm aufthun. Es ift dies auch feinem 
tiefinnerften Gefühle nicht verborgen. Sm zweiten Bande, Seite 2, 
fagt er von fich ſelbſt: 

Wohl fühl ich IE Farben in mir leben, 

Die Schwungkraft fühl ich fordernd in mir walten, 
Gewiß geläng’s zum Lichtraum aufzufchiweben, 

Der Farben Reichthum aus mir zu entfalten, 

Wollt mir der Genius den Kuß der Weihe geben, 
Könnt? ich von ihm das Salbungsworf erhalten; 


Ich hübe raſch das Haupt mit Elaren Augen 
Und würde Gluthfloff aus der Sonne faugen. 





i 





75 


Zum Unglüke bat fih der Verf. hie und da Stoffe gewählt, 
die von großen Genien theild in derfelben, theild in einer andern 
Form behandelt worden, ohne zu bedenken, daß das Kleine neben 
dem Großen zum Kleinwinzigen werde. Wer kann Waldſteins Ende 
(1. 229) und dad Todesmal (II. 177) Iefen, ohne mir beizuftim- 
men? Die Gefhichte Böhmens ift eine unerfchöpfliche Fundgrube 
fowohl für den Romanzen- und Balladenfänger, ald für den epi- 
fhen und dramatifchen Dichter; allein hat Hr. S. den hiſtori— 
ſchen Stoff beſſer verarbeitet, ald der gute, alte, ehrwürdige Reim— 
freund Dalimil?.... 

Meines Erachtens wird Hr. ©. in dem ungeheuren Gebiete 
des Großen, Erhabenen und Tragifchen Feine Palmen breden, — 
und id werde der erjte feyn, der dies Urtheil widerruft, fobald 
mir Hr. ©. eine Probe vom Gegentheife gegeben hat. Aber muß 
denn immer in Zetteld Weife: (S. Sommernadhtstraum) 

Der Felfen Schooß 
Und toller Stoß 
Zerbricht dad Schloß 
Der Kerkerthür, 
Und Phöbus Karen 
Kommt angefahrn 
Und macht erftarın 
Des ftolzen Schikfald Zier — 
muß denn immer in diefer Weife gefungen werden? Herr Caftelli 
nennt feine Dichtungen poetifche Kleinigkeiten, und gefällt gerade 


in dem, was nicht aus Löblicher Befheidenheit, fondern feinem 


Weſen nad) alfo heißt. Aber ed gehört mit zu den Thorheiten der 
Zeit, in allem feyn zu wollen, was man nur in einer Art feyn 
fann. Auch im Kunftleben gilt die goldene Regel: Kenne Dich 
ſelbſt; ftand fie ja doch über dem Tempelthore des Mufengottes. 
Weiß denn Hr. ©. nicht, daß Anafreon feinen hohen Ruf eben 
der poetiſchen Kleinigkeit verdanfte? Oder wenn er nicht Anafreon 


ſeyn mag, warum follte er ſich fhamen, mit Caftelli auf einer 
Stufe zu ſtehen, und feine Muße ausfchlieglid der Erheiterung 


und Ergözung feiner Zeitgenofjien zu widmen? Hr. ©. ſcheint mir 
ganz dazu gemacht zu ſeyn, die edle Reimkunſt ald die gaya cienca 
ter alten Troubadours zu treiben, und id bin als fein Lejer in: 


76 


terefjirt, wenn ich ihm rathe, es mit ganzer Seele zu thun Möge 
uns Hr. ©. in einem dritten Bande vecht viel Gedichte geben, 
wie es die Aufrichtige, die Genügfame, die Klage eines AB EC: 
Schüzen, das Wiegenlied für große Kinder, die Klage eines Käz— 
chens, das Tirolermädchen, Hannchens Morgenlied und der Dich: 
ter an fein Stübchen iſt, und id) bürge ihm für ein eben fo zahl 
veiches als dankbares Publikum. 
— sta. 
2: 

Flora Sicula exhibens plantas vasculosas in Sieflia 
aut sponte crescentes, aut frequentissime oultas, secun- 
dum systema naturale digestas. Auctore C.B.Presl, Tom. ı. 
Pragae, sumptibus A. Borrosch. 1826 XLVI. 216. 89% 


Sicilien, zwijchen Europa und Afrika gleichfam in der Mitte, 
unter einem milden füdlichen Himmel gelegen, deſſen mittlere ganz: 
jährige Temperatur am Meeresufer bei Palermo + 14. 4, in den 
Sommermonaten + 19. s, in den Wintermonaten + s. 9 be: 
tragt, an einzelnen Sommertagen fi) wohl au) bis über + 30 
erhebt, fo wie an einzelnen Winterfagen + 0. 2 Reaum. herab: 
finft, indeg auf den Gebirgen von Madonia und den Aetna bis 
zu einer Höhe von 10,488 Fuß der Schnee bis in den Monat Juli 
serweilt, bietet dem Botaniker zugleich eine jubtropifche und eine 
fubalpine Flora, im welder fih afrikanifhe und europaifche 
Pflanzen begegnen. Diefe Fülle einer merfwürdig gemengten höchſt 
anziehenden Vegetation, hat, wie wohl zu erwarten fand, vie 
Aufmerffamfeit der Botaniker auf diefe Infel gezogen. Allein un: 
geachtet ſchon in dem Anfang des vorigen Sahrhunderts Boccone, 
Cupani, Bonanni Vater und Sohn, in dem jezigen Ueria, Bar: 
tolotti, Bivona-Bernardi, Tineo und mehrere europaifche Rei— 
fende fieilifche Pflanzen befchrieben und abgebildet haben, blieb eine 
fieififche Flora noch immer ein frommer Wunſch, der von einem 
jeden Reiſenden, felbft noch in der neueften Zeit laut ausgefpro- 
en wurde. Hr. Dr. Preff hat ihn nun auf eine würdige Weife 
in Erfüllung gebracht. Sollten ihm als einem reifenden Botaniker, 
Der nicht eine jede einzelne Schlucht oder Bergkuppe in verfäjiedenen 





77 


Sahrszeiten bejuchen Fonnte, auch wirklich einzelne Pflanzen ent: 
gangen ſeyn, fo wird dieſe geringe Lüke dem einheimijchen Bota— 
niker gar leicht auszufüllen ſeyn. 

Der Berfaffer beginnt mit einer Einleitung, in welcher mit 
gebrängter Kürze die biftorifche und phyſiſche Bedeutſamkeit diefer 
Inſel dargejtellt wird. 

In botanifch = geographifcher Beziehung wird fie in fieben 
Regionen eingetheilt. 

Die erfte nennt er die fubtropifche Region. Sie umſchließt 
blos jene Pflanzen, die vom Ufer des Meeres bis zu einer Höhe 
von 100 Fuß wild wachen, oder gepflanzt im Freien ausdauern. 
Hieher werden gerechnet: die Dattelpalme, die Bananen, das Zus 
kerrohr, Sterkulien, Erptprinen, Mimofen, Acacien, Cyperus, 
Papyrus ıc. ' 

Die zweite Region des Hügellandes, die bis zu der Höbe 

von 2000 Fuß heraufreicht, wo der Weinbau endet, wird in die 
niedern und höhern Hügel abgetheilt. Auf der erſten Stufe wird 
der beſte Wein, Mais, Reis, Weizen, die Baumwollſtaude, 
die Heſperideen und Piſtacien gebaut; ſie ſchließt mit dem Oelbaum. 
Die Cyperaceen, Seirpeen, viele Gräſer ſind hier gemein; die 
Pinie und die Meerſtrandsfichte erſcheinen einzeln, immer grüne 
Strauchgewächſe jind nicht felten, der Dleander häufig. Auf der 
zweiten Stufe ift der Wein von geringerem Gehalt, der Mais 
und Weizen trägt geringere Erndten, die Piftacien, der Reis, 
die Hesperideen, der Oleander u. ſ. w. find verſchwunden; Kreuz: 
Ehlumen, Leguminofen, Dolven= Pflanzen, u. f. w. treten an die 
Stelle. In diefer Region erfcheinen Pflanzen des füdlichen Frank— 
$ reiche ‚ aus Spanien, Calabrien, dem nördlichen Afrika und den 
griechi ſchen Inſeln; nur wenige aus Portugal und Corſika, einige 
aus der tauriſch-kaukaſiſchen Flora. 
Dirie dritte Region zwiſchen 2000 und 4000 Ruß wird die 
ere Waldregion, oder jene der Kaftanien » und Eichenwälder ges 
ſannt. Im Diefer wird das meifte Korn gebaut, Apfel: und 
ienbäume fommen. einzeln vor, verfchiedene Eichenarten bilden ge— 
- fihlofiene Wälder, Ahorne finden ſich einzeln, der Adlerfarn ift gemein. 











78 


Die vierte Region der hoheren Wälder, oder der Buchen: 


und Nadelholzwälder zwifchen 4000 und 6000 Fuß, endet fchon- 


mit Alpenpflanzen, die Buche fteigt höher herauf als die Kiefer, 
erjheint am Ende ald Strauch, das Korn gedeiht nur fparfam, 
am Aetna findet fid) unfere gemeine Birfe und eine eigene Art, 
von deutfchen jubalpinen Pflanzen Arabis alpina, Draba aizoi- 
des, Filago alpestris, Allium flavum u. f. w. 

Die fünfte, fechste und fiebente Region finden fi blos auf 
dem Netna, find aud) wegen der Trofene des vulfanifchen Bodens 
fehr dürftig. Füglic hatte Die fechdte Region mit der fünften 
vereinigt werden Fünnen, da fie nad) des Verfaſſers eigener Angabe 
nur wenige Pflanzen enthalt, die nicht ſchon in der fünften vorge, 


fommen wären, und ihr von jener auch blos Berberis aetnensis, _ 


Astragalus siculus, und Juniperus hemisphaerica fehlen. 

Die fiebente und lezte Region der Flechten von 9000 bis 
9200 Fuß ift Auferft dürftig, Stereocaulon paschale dig am 
meiften verbreitete Pflanze. Der übrige Theil des Aetna bis zu 
10,488 Fuß ift durchaus öde und pflanzenleer. 

Nach diefer allgemeinen geographifchen Darftellung der ſicilia— 
nifchen Flora folgt eine Aufzählung der Familien aller in derſel— 
ben enthaltenen Pflanzen. Die Definitionen der für neu ange: 
gebenen Arten find unter dem Tert beigefezt. Es wäre fehr zu 
wünſchen gewefen, daß es dem Berfaffer gefallen hätte, zur Ver: 
vollftändigung einer geographiſchen Weberfiht, und zum Vergleich 
mit andern füdfichen Floren, am Ende diefes Verzeichniffes ein 
Schema beizufügen, in welchem die Zahlenverhältnijfe der einzelnen 
Familien gegen die Oejammtzahl der Flora angegeben worden 
wären. Wir hoffen es wenigftens im zweiten Bande zu erhalten. 

Diefer erfte Band fehliegt mit den Rutaceen. Die Bear 
beitung nad) den neueften Echriftftellern iſt umſichtig. Durch 


Gründe bewogen, hat ſich der Verfaſſer manche Aenderungen oder 


Unterabtheilungen in neue Gattungen erlaubt. Die Definitionen 
find beftimmt und deutlich; Die wichfigften Synonyme, die vor— 


züglichiten Abbildungen allenthalben angeführt. Cine nähere bo— 


taniſche Zergliederung liegt außer dem Zwek diefer Zeitjehrift. 





79 


Bi 
Theorie der Differenzial: Rehnung () und 
ihre Anwendung zur Auflöfung der Probleme der 
 KRectification, der Complanation und der Cubi— 
rung, unabhängig von der Betrachtung der unendlich Kleinen 
oder verſchwindenden Größen, der unendlichen Annäherung, oder 
der Gränzverhältniſſe w. f. w. von Franz Zaver Moth, ſuppli— 
rendem Profefjor der höheren Analysce), Geometrie, Mechanik und 
Hydraulik an der Univerfität zu Prag. Mit einer lithographirten 
Tafel. Prag. Kronderger & Weber. 1827. XVI.u. 260 ©. ins. 
Wohl dürfen wir hoffen, daß diefes Buch, mit dem Hr. 
Moth feine fehriftjtellerifhe Laufbahn beginnt, allen Freunden 
der höheren Mathematif eine erfreulihe Erſcheinung 
heißen werde; wenn auch nicht eben wegen desjenigen, was der 
Verfaſſer und ſchon bier geleiftet hat, doch wegen der Erwar— 
tungen, zu denen uns fein jugendfiches Alter, fein Fleiß und 
feine Talente nach einem folden Anfange erft für die Zukunft 
berechtigen. Der Zwek diefer Blätter erlaubt ung aber nur 
W eine Furze Anzeige des Inhaltes fowohl ald auch der Eigenthüm- 
| lichkeiten des Buches. — 
Die Einleitung gibt von der Analyfis die Erklärung, 
daß fie der Inbegriff der allgemeinen Gefeze fen, nad welchen fich 
I die Form und der Werth einer Function Andert, wenn fich der 
| Werth und die Verbindungsart ihrer Beftandtheile äntert. Hieraus 
folgt ihre Eintheilung in zwei Haupttheile, deren der Eine die 
1% Geſeze entwifelt, nad welchen ſich die Form einer Function ver- 
ändern kann, wenn ihr Werth bleiben fol; der Andere aber 
| von den Geſezen handelt, nach welchen ſich der Werth einer Fun— 
tion ändert, wenn die Beſtandtheile derſelben ihren Werth 
ndern. 
Auf diefe Einleitung folgen zwei Abſchnitte, deren der 
e (S. 7 — ©. 96) die Weberfhrift: Formenlehre der 
unctionen, der zweite (S. 97 — Ende) die Meberfehrift: 
arftellung der Differenzialrehnung, und jeder meb- 
rere Unterabtheilungen hat, 





* 


80 


Den vornehmſten Inhalt des erſten Abſchnittes aber macht 
die Lehre von der Entwiklung der Functionen in Reiben, 
wobei Hr. M. die Schwierigkeit‘, welche Die zwijchen der Reihe 
und der urjprünglichen Function angenommene Gleichheit des 
Werthes verurjaht, dadurd zu heben fuht, dag er der Reihe 
noch ein erganzended Glied von unbeftimmter Form zufest, übri— 
gens aber nur das Gefez, nad welchem die Glieder ver Reihe 
fortſchreiten, betrachtet wiſſen will, und in diefer Hinficht behaup— 
tet, Daß jede eigene Function aud eine eigene Form der Reihe 
habe, und umgefehrt. 

Sn dem Art. 17 heißt ed, daß eine Function f x, von wel: 
her eine andere R nad) einem beftimmten Gefeze abgeleis 
tet ift, durch Diefe andere und durd das Gefez der Ableitung völlig 
beſtimmt jey. Um diefen Verſtoß, und den gleichfolgenden Art. 18 
nur einigermaßen zu begreifen, muß man vorausjezen, der Ver: 
faſſer babe hier blos die Art der Ableitung im Sinne gehabt, 
nach der wir eine gegebene Function in eine Reihe auflöfen. 

Unter der Ueberſchrift: Darftellung der Functionen 
durch Bedingungsgleihungen, gibt Hr. M. eine rein 
analytiihe Ableitung der befannten Functionen ax, a*, log. 
(1+ x), Sin. x, Cos. x, u. f. w., indem er willführlich gewiſſe 
Bedingungen annimmt, denen die zu findende Function ent- 
fprehen fol. Die drei erftern find ihm recht gut gelungen, da die 
Bedingungsgleihungen, die er hier annimmt: i 

fkx+y)=fx+fy 
fx+y)=fx- fy 
f&k-y=fx+fy 
fi) feiht und natürlich genug darbieten. Um aber auf die tri- 
gonometrifhen Aunctionen Sin. x, Cos. x zu fommen, gebt 
er (wie auch ſchon Antere) von den Bedingungen aus: 

a -Y)+Pk+V=29x-.pY 
NEN RR 
wobei man billig fragt, was zur Aufjtellung einer jo zuſammen— 
gefezten Bedingung veranlajfet habe? 


























hy 81 
In der Darſtellung der Functionen mit Hilfe der 
 Produete vom unbeftimmter Anzabl der Factoren 
kommen einige Lehrſäze über ſymmetriſche Functionen, und 
in der, Darſtellung der Functionen in Form der Ket— 
tenbrüde eine recht einfache Entwiklung diefer Brüde vor. 


Im zweiten Abfchnitte geht der Verfaſſer von dem Begriffe 


! 
. 








9 ! df 7 : . F 
aus, daß A — diejenige Function von x bezeihne, welche aus 
E * BY f e fi 2 
Ber) 2 erhalten wird, wenn man i — 0 fejt. Hier- 


|; nächſt lehrt er das erſte fowohl als auch die folgenden Differen- 
iale der Functionen xm, ax, log. x, Sin, x, Cos. x, und alt: 
derer daraus zufammengejester Functionen finden. 
df td) dfk+N 
dx J di 
fen, wird der Taylorſche Lehrfaz, und der noch allgemeinere : 
fa+AD=fx+fr(Agr)+}, - fx. (Ayx)++» 
j (1) (2) 
abgeleitet; worauf dann noch die Gefeze der Differenziation für 
Functionen von zwei und mehreren veränderlichen Gröfen, und der 
erweiterte Taylorſche Lehrſaz folgen. 
ü Unter der Ueberihrift: Einige Anwendungen der 
Differenziationsmethoden, findet man la Grange's 
Lehrſaz, die Werthbeſtimmung des Bruches 3, die Lehre vom 
‚Gröften und Kleinſten nad) einer eigenen (aber nicht eben beſſe— 
ven) Methode; und unter der Ueberfhrift: Einige allgemeine 
Befradtungen über Differenzialgleihungen den 
bekannten Euler'ſchen Lehrfaz: 
dP 820 &@R 2 
EN er 
uf eine einfache Art erwiefen; dann wird noch von den Differen- 
ialgleihungen, welche durch Eliminirung einer Conjtanten entiteben, 
fezt der Taylorſche Lehrſaz auf noch eine andere Weiſe entwifelt. 
Unter ter Meberfhrift: Einige allgemein giltig* 
Säaze über die Werthbeſtimmung der Funmctionen, 
j 6 


Aus der Temerfung, dag 





82 


kommen einige Lehrfäze vor, die zu den folgenden Methoden der 
Rectification u. f. w. gebraucht werden, aber unrichtig dargeſtellt 
find. So wird ©. 219, ob durd einen bloßen Druffehler, iſt 
ſchwer zu entſcheiden, die Gleichung angeſezt: 
Fo=zfßk)+w-i 
(1) (1) 
wo w eine Function von x und i bedeuten foll, und S. 220 wird 
aus ter Vorausfesung, dag F &) eine vr &) abhängige 
1) 
Zunction fen, die Erlaubniß hergenommen : 


Eu 


zu ſchreiben, wo a) das Functionalzeichen iſt, und diefer Ausdruf j 


wird alabald in 
EP 19 + 2.1 
verwandelt, wo Q eine Function von x und i bedeutet. 
Zulezt folgen Anwendungen der Functionenlehre 
auf einige Gegenftände der Geometrie. Erſt eine 


Furze Darjtellung der vorzüglichften Säze der analytifchen Geome: 7 


trie; dann die Lehre von den Berührungen des erften und höherer 


Grate, größtentheils nad la Grange, endlich der intereffantefte 7 
Theil des Buches, die Lehre von der Rectification, Quadri: 


rung, Complanation und Cubirung. Dieje vier Aufgaben 


werden ohne Betrachtung des unendlich Kfeinen, ohne die Annahmen 
des Archimedes, und ohne die Methode der Gränzen auf eine Weiſe ge: 
‚löst, welche dem Ref. in der That die richtige fheint, ob er gleich 
gegen ihre Darjtellung durd den Verfaſſer fehr Vieles einzu: 
wenden hätte. Diefem möchte man überhaupt rathen, daß er die — 
alte mathbematifhe Methode, fo viel an ihr weſentlich ift, ge Ei 
nauer beobachten wolle, weil nur fo zu erwarten ftehef, daß er & 
Fehlſchlüſſe vermeiden, und feinen Begriffen die jo nothwendige Ber 


ftimmtheit und Deutlichfeit geben fernen werde, 


Den neuen Integraltafeln, die er am Schluße an- h 


kündigt, ſehen wir mit Vergnügen entgegen. 
N Bolzano, 


TEE DD 


y 
— 





NRN 


35 


— Muſikaliſche Anzeige, 


rer 


Meſſe in Es dur für 4 Singftimmen, 2 DViolinen, Viola, 2 Flö— 
ten, 2 Clarinetten, Fagott, 2 Hörner, Trompeten, Pauken 
Drgel, mit Bag und Violonzell (sic), verfaßt von Joh. 
Flor. Kluger, Regenschori der Sandesfürftlihen Pfarr: 
kirche zum heiligen Geift. 


So viel uns bekannt ift, hat ſich der DVerfaffer diefes Werks 
in früherer Zeit jehr angelegen jeyn laſſen, den Carneval mit nö— 
| thiger Muſik zu verfehen, und ſich dadurd um die frifche, Fanzluftige 

Jugend fehr verdient gemacht. Erſt fpäter, als ihm diefe arfi- 
ſtiſche Minderjährigkeit läftig wurde, nahm er es ernfter mit 
der eigenflihen Kunft, und vertraute fih bei Studien in der 
Harmonie der Leitung des Herrn Tomafcher an. Auf diefem 
Wege erwachte in ihm die Liebe zur Compofition für den Gefang, 
und er verforgte meiftentheild die Beilagen der Zeitſchrift Hylios 
mit Liedern. Dieſe Zeitſchrift erreichte bald ihr Ende, und Hr. 
Kluger machte darauf eine fehr lange Generalpaufe ; bis endlich 
fein Genius ven höchſten Flug wagte, über deſſen Gelingen und 


Vollbringen uns das vorliegende Werk Kunde gibt. Läge es nicht N 


ganz außer der Tenden; diefer Zeitſchrift, ſich mit detaillirten Be: 
urtheilungen der mufifalifchen Erzeugnife zu befafien, fo wäre es 
uns um fo leichter, bier alled, was wir zu fagen haben, gehörig 
nachzuweiſen, als in diefem ganzen Werfe jene Klarheit der Ideen 
und ihrer barmonifchen Verbindung herrſcht, die überall da fern 
muß, wo ein Werk den Kunftverftändigen und den Laien zugleich 
3 befriedigen ſoll. Indeß wollen wir hier nur im Allgemeinen auf 
die Beurtheilung dieſer ausgezeichneten Compoſition eingehen. Beim 
Lyrie können wir uns mit dem Eingange nicht befreunden ; wir 
finden diefe Melodie abgeſchmakt, trivial, und dem Ganzen fehr 
nadıtheilig. Von dem abgejehen ift darin manches Gute und Treff 
liche enthalten. Dagegen find Gloria und Credo zwei Fräftige, 
R 6 Er 3 





* 


84 Fi 
mit Umſicht und Gewandtheit durdgeführte Säze; überall athmet 
feifches Leben, überall findet ſich ein jchönes reines Verhältnig 
zwifchen den Eingjtimmen und der Inftrumental - Begleitung. Der 
Verfaſſer löste die jo ſchwierige Aufgabe glüflich, derer ein Tonjezer 
nur zu bald umfichtig wird, wenn er den in der Empfindung jo) 
febr contraftirenden Tert einem Tempo und einer Tactart unters 
ordnen will, ohne jedoch dem Wortausdruf und der richtigen De: 
clamation etwas zu vergeben. Die Eleine Fuge (cum sancto) mit 
ter Ueberſchrift (meno moderato) hemmt allerdings den raſchen 
Gang des Gloria, und erfheint hier eigentlich gegen das Gefez 
der Steigerung, doch liegt die Rechtfertigung diefer veränderten 
Bewegung im Thema felbft, das, aus lauter Furzen Noten befte: 
hend, ein fehnelles Tempo nicht verträgt, wenn nicht alles undeut- 
lich und verworren feyn ſoll; auch wird ohnehin gegen das Ente in 
das erfte Tempo wieder eingelenft, und fo das Gloria gefchlofien. 
Das Et incarnatus ift eine der Ölanzftellen, wodurd ſich dieſe 
Meſſe vorzüglich auszeichnet. Die überrafchenden, durd den Tert 
gleichfam erzeugten Modufationen bei crucifixus, passus etc. find 
wahrhaft erfhütternd, und durch die effectvolle Baßführung bis 
zum Scauervollen gefteigert. Sanctus ift erhaben, jo wie das 
Benedictus wahrhaft gratiös ift, und durd die obligate Clarinett 
an Lieblichkeit ungemein gewinnt. Agnus ijt der einfachfte Sa 
im ganzen Werke, doch fteht er im Ausdruf und Innigfeit feinem 
der übrigen nad, Dad Kyrie ald Dona beſchließt dann das 
Ganze. Indem wir dem Verfaſſer für diefe ahtbare Bereicherung 
der Kirchenmufit danken, hoffen wir, er werde fi) fortan in der 
Kompofition thätiger zeigen und dadurch den Beweis geben, nicht 
in diefem Werfe allein habe ein fihtbarer Genius ihn mächtig um: 
terftüzt. Denn aud das ſchönſte Lorbeerblatt ift noch Fein Lor— 
beerfranz. Das Aeußere des Werkes it nett, der Stich jehr 

_ deutlich, und der Preis 8 fl, W. W. jehr billig. 








u a —— R 


85 


Abſchiedsfeier St. Exc. des k. k. Staats- und 
Conferenz-Miniſters, Grafen von Kolowrat, 
in Prag, im November 1826. 





Das erhebende Schauſpiel anerkannten Verdienſtes, in der 
Huldigung eines Volkes ſich ausſprechend, bot uns, im verfloſſenen 
Novembermonat, der Abſchied dar unſeres bisherigen Oberſtburg— 
grafen und Gubernialpräſidenten, nunmehrigen Staats- und Con— 
ferenz- Miniſters, Sr. Exc. des Hrn. Grafen Franz Anton 
Kolowrat-Liebſteinſky. Daß er ganz im Geiſte unſeres 
aliverehrten Landesvaters unferem und feinem Vaterlande vorge: 
fanden, darüber war nur eine Stimme; feine Humanität, Milde, 
Gerechtigkeit, Thätigkeit, feine Treue gegen feinen Herrfcher, feine 
Anhänglichkeit an alles Deimifche, feine Liebe zw allem, was gut 
und fhön, hatten ihm Aller Herzen gewonnen. Und fo gab feine 
Abreife Anlag zu mehreren Feften, in denen ſich die freudigftolze 
Theilnahme an feiner Erhebung, einem neuen Beweife von der 
Huld und dem Vertrauen Sr. Majeftät unferes allgeliebten Kai— 
ſers, mit dem berberen Gefühle gepaart, Fund gab, den miffen 
zu müffen, der fo fegenreich in einer langen Reihe von Jahren mit 
verfhiedenen Würden betraut, in unferer Mitte gewaltet hatte, 

Zuerft am ısten November verfammelten fih die Derren Gu— 
bernialräthe mit dem Herrn Vicepräfidenten und ven zugetheilten 
Herren Hofräthen und andern Würdeträgern in dem eigens hiezu, 
auch der vorgerüften Sabreszeit gemäß decorirten Saale des Bu: 
bentjcher fogenannten Baumgartens um ihren verehrten Führer und 
Vorſtand, zu einem feftlichen von ihnen veranftalteten Male. Toajts 
auf den allverehrten Souverän, auf die geliebte Landesmutter, und 
auf den Edlen, dem das Feft galt, und feine Gattin, verfaßt von dem 
hochwürdigen Herrn Gymnafial:Director und Domfcholafter Franz 
Pöllner, wurden von den Angefebenften in der Verfammlung aus- 


gebracht. Zugleich wurde ein Gedicht von tem Humanitäts-Pro— 


feffor des altftädter Gumnaftum, Hrn. Anton Dittrid, Sr. 


86 


Greelfenz. überreicht. Hierauf trugen Sänger Empfintungen der 
Mehmuth aus den Herzen feiner Verehrer vor, Worte von Hrn. 
WA. Gerle, Profeffor beim Confervatorium, die melodienfe 
Muſik von dem beliebten Kapellmeifter der Metropofitanfirche Hrn. 
Mittaffel. 

Am 2eſten war große Tafel bei dem Primas des Königreichs, 
dem Hrn. Fürft: Erzbifhof. Da wurde im Namen des Clerus 
gleichfalls eine Kantate von dem Pramonftratenfer = Priefter am 
Strahof, Hrn. Bonifaz Oppelt, abgefungen, wozu die Muſik 
ein junger. Theolog verfertigt hatte. 

Am 2sſten desf. wurde Abends um 10 Uhr, vom Magijtrate 
im Namen der Bürgerfehaft veranftaltet, eine Cantate, Worte 
von. Hrn. Herbfi, Mufit von dem Regenschori der Teinfirche, 
Adalbert Stifa, vor dem oberfiburggräffichen Hotel aufge: 
führt. _ Deputirte vom Magijtrate und Repräfentanten der Ges 
meinde brachten perfünlih Sr. Ereellenz ihre Gefühle und derer, 
die fie abgeordnet hatten, dar. r . 

Den folgenden Tag wurde vom k.k. Kleinfeitner Gymna— 
ſium ein von dem Humanitäts  Profeffor Hrn. W. A. Swoboda— 
verfaßter „Nachruf““ übergeben, und mit Beweifen von Rührung 
empfangen. Wir heben aus ihm zwei Strophen heraus, in denen 
ſich ein edler Patriotismus ausjpriht , und der Errichtung des 
Muſeum gedacht wird. 


Wo des Ruhmes Banner glänzend wallen, 
Wo des Ruhmes hohe Lieder ſchallen, 
Glänzt und tönt dein Preis, o Vaterland! 
Mit dem Lorbeer deine Scheitel kröne, 
Den die Mannheit deiner wakern Söhne, 
Das Verdienſt dir deiner Edlen wand. 


Doch ſo manches Blatt von deinem Ruhme, 
Aus der Vorzeit manche Sangesblume 
Lag verwelkend tief im Moderwuſt. 
Kolowrat ruft fie zu neuem Glanze, 
Windet fie zum furbenreihen Kranze, 
Freudig hebt ſich jede Eechenbruſt. 


Abends verſammelten ſich die Vorſtände der Univerſität im 
Hofe des ehemaligen Jeſuiten-Collegium bei St. Niklas, und 
zogen von da, einem Fakelzuge von ſechzig Studierenden voran, 





87 


vor die Wohnung Sr. Ercellenz, wo fie einen von Hrn. Profejior 
der Nefihetit Anton Müller verfaiten, von Hrn. Gelen in 
Vocalchor gejesten Abfchiederuf fangen. Es iſt ein ernſt gefühl- 
voller Nachtgeſang, dem fernen Herrſcher und feinem Stellvertreter 
von feurigen Gemüthern dargebracht. So lautet der Eingang: 

Bom hohen Himmelsdome 

Blizt gold’ner Sterne Glanz; 

Ruh’ fanft am Kaiferftrome 

Du unfer Vater Franz! 

Wir fteh’n in weiter Ferne da, 

Dod) Deinem Herzen find wir nah”; 


Halt aud) der Böhmen heut gedacht, 
Hab’ Dank, o Vater! gute Nacht! 


Pen hätten die beiden legten Strophen nicht begeiftern müſſen, 


wo es heißt: 
Wir fteh’n in frauter Runde, 
Kein Hehl in junger Bruft, 
Es füllt uns diefe Stunde 
Mit heifger Thatenluft. 
Laßt all'und heben Herz und Hand 
Für Kaifer, Gott und Vaterland ! 
Für Recht und Fug und fromme Sitt! 
Nimm diefen Schwur dem Kaifer mit; 
Und taufend „„Gott erhalte 
Bon Seiner Treuen Schaar. 
Der Weltenfönig walte 
Ob Deft’reihd Doppelaar ! 
Und fegnen mög’ er allzumal 
Dein Biederwort im Kaiferfaal! 
Mit Gott! Leb’ wohl! Ob nah’, 06 fern 
Du unfer Stolz und Segenöftern ! 


Hierauf wurde der in Bubentſch vorgetragene Gefang, unter 
des Compofiteurs Leitung, auf vielfältiges Verlangen wiederholt, 
und nun folgten Abjchiedsworte, verfaßt von Hrn. Doctor und 
Profefior der Botanik, Chrifian Mikan, Gefangsmelodie, 
wie verlautete, von dem Hrn, Univerſitäts-Rector, dem vielfeitig 
gebildeten Doctor der Mevdicin, 3. Th. Held, der Mittelfaz für 
Dlasinftrumente von Hrn. Wittaffek, abwechſelnd in Solo— 
fimmen, Duetten, Terzetten und Chören, zur denen der Tert aus 
den vorgehenden Strophen fehr paſſend herausgeboben if. Wir 
wollen die auf dad Muſeum, das feine Entftehung zunächſt Er. 
r said verdankt, ſich beziehende Strophe herausheben: 





88 


Sein Schuz war's, unter deſſen Schwingen 
So Kunſt als Wiſſenſchaft gedieh; 
Auch hier das Gute zu vollbringen, 
Berließ Shn Kraft und Wille nie. 
Er ift der Schöpfer und Genoffe 
Um Mufenfiz , der neu ſich hebt, 
Den eines edlen Stammes Sproffe *) 
Reich auögeftattet und belebt. 


Chor. 


Die Wiſſenſchaft, die Kunft gedieh 
Sm Schuz, den Seine Kraft verlieh, 
Durch die gefchaffen und belebt 

Ein Mufenfiz fih neu erhebt. 

Die Ordnung, die troz dem Zuftrömen fo vieler Menjchen 
herrſchte, mag Bürge feyn für die Empfindungen, welche die An- 
wefenden durchdrangen. Nah Wiederholung des bemeldeten Ab: 
fchiedsrufes ging unter einem Lebehoch, dem geliebten Herrſcher 
und der neuen Zierde feines Rathes dargebracht, der Zug zurüf. 
Anm ꝛosſten des Morgens, kurz vor der Abreife, verfam: 
melte fih im Prafivial: Apartement, auf Veranlaſſung der Herren 
Stände, das Opernperfonal, und fang ein vom Hrn. Zimmer: 
mann, Humanitäts = Profefor des Kleinjeitner Gymnaſiums, 
verfaßtes herzliches Lebewohl, das, wie man es von diefem Dichter 
gewohnt it, im der That diefes Prädicat verdiente. Die Mufik 
war von Hrn. Rapellmeifter Triebenfee. Wie warm empfun: 
den find folgende Strophen: 
| So wirft Du Hoher, unfer bleiben 

Auch mitten in dem Staatenbund: 
Der Stamm mag weite Xefte treiben, 

Die Wurzel ruht im heim’fhen Grund, 
Hier ift der hohen Ahnen Wiege, 

Hier fingt der Böhme ihren Ruhm, 


Sm Fürftenrath, im Kampf und Siege, 
Und in der Kirche Heiligthum. 


Hier ſahſt Du felbft das Licht der Eonne, 
‚ Der Böhmen Leu, er war Dein Schooß, 
Hier wart Du Deiner Eltern Wonne, 
Hier 309 der Ahnen Bild Did) groß, 


— — ñe — 


*) Se. Excellenz Graf Kaſpar von Sternberg. 








89 


Fort Iebet hier Dein fhöner Wille, 
In mandhem Werke treu gehegt ; 

Wer liebte nicht mit Liebesfülle, r 
Was er gefchaffen und gepflegt? 


p So bleibft Du uns mit heil’gen Banden 

Bereint und freundlich zugefehrt, 

So bleibt, was unter Dir eritanden, 
Auch heilig uns und unverfehrt. 

Wenn jezt der Böhme froh erkennet 
Die Wunder al’ im Vaterland, 

Biſt Du ed, den er freudig nennet, 
Der fie geeint mit frommer Hand, 


Wenn dem Guten die Trennung von den Seinigen, wäre es 
auch nur auf Furze Zeit, das Herz erweicht, wie weit ftärfer muß 
die Rührung ſeyn, wenn er fo viele Beweiſe der Liebe, der Achtung 

empfängt, wie bier der Fall. Auch ſprach ſich diefe wehmüthige 
Rührung in Wort und Gebärde deutlich aus, und dieſes fchöne 
Gefühl allein hätte dem theueren Sohne unferer Deimath alle Her: 
zen gewinnen müſſen, wenn fie nicht fehon durch fo manches heilige 


Band an ihn gebunden wären. 
A bdw. 





Rükblike auf die Leiftungen der Prager ftändi- 
hen Bühne im I. 1826. | 





Wir haben einen Furzen Ueberblik der Leiftungen unferer 
Bühne im verflofienen Sahre verfprohen. Eine ausführliche Beur— 
theilung auch des Neuen allein wäre nicht im Verhältniſſe zum 
NRaume und zur Tendenz diefer Blätter, und ein blos fummarifches 
Verzeichniß nicht interefiant genug; wir wollen daher blos einiger 
Leiſtungen erwähnen. 
* Was das Schauſpiel betrifft, müſſen wir wohl im Ganzen 
eingeſtehen, daß Converſationsſtüke meiſtens in der Darftellung ſehr 
gelingen, oft fogar trefflich find. Im höhern Drama ragen wohl 
‚einzelne Charaktere hervor, aber ein harmoniſches Zuſammenwirken 
erfordert feldjt für minder bedeutende Rollen einen Künftlerverein, 


90 4 


wie ihn vielleicht nur wenige Hofbühnen Deutfchlands aufzuweifen J 
haben; auch muß man eingeſtehen, daß die neuern Erzeugniſſe derx 


dramatiſchen Kunſt wenig geeignet ſind, die Bildung tragiſcher 
Künſtler zu fördern. Das Leben ſelbſt liefert des Großartigen 
nicht genug, daß ſich ein Künſtlergemüth daran erwärmen könnte. 
Eine gewiſſe Schule, die auf ſonderbare Weiſe Vielſeitigkeit mit 
Beſchränktheit vereinte, ſcheint noch immer fortzuwirken. Der 


Geſchmak iſt ferner, wie wir leider geſtehen müſſen, geſunken; 


nicht ein gediegenes, harmoniſches Ganze wird erfordert, man be— 
gnügt ſich mit ergreifenden Momenten; nicht harmoniſche Gebilde, 
ſondern grelle Effecte machen Glük, und leider gilt das von allen 
Künſten. Der Schauſpieler, wie jeder Künſtler, iſt natürlich zu 


viel Menſch, um ſich zu iſoliren; er gibt, was gefordert wird, und 


man kann es ihm wahrlich nicht verargen. Die Kundigen werden 
ſelten laut, und werden ſie es, ſo ſind ſie „die Stimmen in der 
Wüſte,“ und haben haufig, wenn auch minder gewaltfam, das 
Schikſal derfelben. Die laut gewordenen Stimmen gehören oft 
parteiiſchen Schreiern an, oft find fie klanglos, "weil gehaltlos, 
und man kann — komme man wohin man wolle — fagen: tout 
comme chez nous. 

Die GaftlichFeit erfordert, dag wir zuerft der fremden Künſt— 
fer erwähnen, und wir müfen es der Piberalität der Direction 
Danf wiffen, daß fie bemüht war, das Entfernte und nahe zu 
bringen. Zwei ausgezeichnete Erfcheinungen brachte und dieſes 
Sahr,, Hrn. Eflair, Regifeur des Münchner, und Dem. So— 
phie Müller, Mitglied des Hoftheaters in Wien. Erfterem, 
der vor etwa 25 Jahren unferer Bühne angehörte, war fein gün— 
ftiger Ruf sorangegangen , und hatte Aller Erwartungen gefpannt, 


zumal. da kurz zuvor Tiecks dramaturgifche Blätter hier befannt 7 


wurden. Ein von der Natur fo reich begabter Künftler findet ſich 
gewiß felten; feine impofante und durch harmonifihen Bau der bei- 


nahe riefig Eraftigen Glieder felbft anmuthige Geftalt, fein herr: 
liches Organ, das vom Gelifpel zartliher Rührung und fherzens 


dem Gekoſe bis zum Donner der Leidenfchaft immer gleich ange 


nehm anzufchwellen vermag, verfündigen den gebornen Deldenfpier 


* 





Ku 


91 


fer. Zu bedauern iſt vielleicht nur, daß, während er Einzelnes mit 
Borliebe durdyführt, er Einiges gleichgiftiger behandelt, was die 
Harmonie zuweilen ftört. 
| Zuerſt erfchien Hr. Eplair als Wilhelm Tell, und ſchon 
fein Auftritt war eine würdige Erpofition diefes Charakters, der 
in der That eine fhwierige Aufgabe if. Es war ein Heros, ein: 
geengt in die fchlichte Hütte des Schweizers ; der Landmann, mit 
dem Gefühle der Kraft, die fich ſelbſt in der läſſigen Haltung, in 
dem fehlendernden Gange beurfundete, lebte vor und. Der Glanz: 
punkt war die Erzählung von dem Zufammentreffen mit dem Vogt, 
ter mit electrifcher Kraft auf alle Gemüther wirkte, und darin 
überbot er den finnigen Anſchüz und unfern wafern Bayer, die 
beide in diefer Rolle ihre Meifterfchaft bewährten, jeder nad) feiner 
Individualität. Die Scene mit dem Apfel bot ebenfalld eine inter: 
eſſante Vergleihung dar; doch möchten wir Anſchüz den Preis zus 
erkennen, ter und und felbft die Mitjpielenden am menjchlichften 
rührte. In dem Monologe, worin allerdings der Dichter dem 
Darjteller eine ‚fehwierige Aufgabe zumuthet, ia; Bayer nad) 
unſerem Ermefien den erften Paz. 
AB Dallner in Ifflands Dienftpfliht rührte Eplair 
Aller Herzen durch die zarte Behandlung diejes Charakters, Ob 
Tiecks Aeußerung nicht das Urtheil Einiger beftimmte, der diefer 
Rolle den Preis zugeftebt, wagen wir nicht zu beftimmen. Re: 
ferent aber glaubt, die Aufgabe des Darftellers ſey nicht für 
ſich und durch fich zu gefallen, fondern die Handlung zu moti— 
viren. Die Mängel des Stüfes find genug befprochen worden, 
daß wir jeder Wiederholung überhoben find. Aber wird das 
‚peinliche Gefühl, was uns die moraliihe Schwäche und völlige. 
Charakterloſigkeit des jungen Dallner einflößt, nicht zur Seelen— 
er, wenn dieſe ſchwächliche Scheu nicht durch eine ſichtliche 
enge des Vaters wenigſtens erklärbar, wenn die Unbehaglich— 
t, ‚die fie erzeugen muß, die alles poetiſche Intereſſe zerjtört, 
icht einigermaßen gemildert wird? Ein Kind, das einem fo 
liebevollen Vater, wie Hr. Eflair war, feine DBerirrungen vers 
ſchweigen, ihm dadurch jo Franken, und ein fo zärtliches Vaterherz 





92 h 
durch die lezte graufichfte Unthat zerreigen Fann, muß das nicht h 
Abſcheu einflögen? Kann das ein Künftler auch nur mittelbar 
dulden? Hat ihn nicht Iffland ald unbeugfam ftrenge geſchildert ? 
Auf Thefeus in Racines-Schillers Phädra waren Alle 
insbefondere begierig. Die Maske zeigte und eher einen aſiati— 
fen König als einen griechifchen, vollends von einem Abenteuer 
heimkehrenden Heros. Die Attituden, der Mantehwurf war überaus 
plaſtiſch; nur glauben wir zwifchen dem Mimen und dem Darfteller 
dramatiſcher Charaktere fey ein bedeutender Unterſchied. Im Fluch 
jedoh, im Gebete an Neptun, in der Anagnofe zeigte fih Eplair 
in feiner ganzen, herzenerfhütternden Größe. 4 
Sein Wallenſtein ift von Tieck befprodhen worden. Wir 4 
wollen die hiſtoriſche Wahrheit dieſes Charakters, den felbft in 
Klio's hellem Reiche noch verhüllende Nebel umfchweben, nit uns 
terfuchen,, wollen nicht fragen, ob nicht auf andere Weife ihm 
tragifches Interefie abzugewinnen war, auch ohne Aftrologie, ohne 
fein Schiffal an das der beiden Liebenden zu Enüpfen, und deuten 
auf Sean Pauls treffendes Urtheil (S. Vorſchule zur Aeſthetik) 
bin, das zugleich Die Schwierigkeiten für den Darſteller zur Ger 
nüge erklärt. Hr. Eßlair hat feine Aufgabe wohl begriffen, den ' 
in ſich brütenden Seherglauben, dem ſtolzkräftigen Helden feiner 
Zeit, der gewohnt it, die Menfchen unter ſich zu fehen, Hauptzüge 
diefes Charakters, wie der Dichter ihm aufgefaßt, zeigte er ung zwar, ° 
doch trat er einigemal zu viel aus fich heraus, Große, hinreißende 
Momente waren auch bier, einer der größten feine Zurükkunft 
vom Balfone nach dem mißlungenen Verſuche, den Aufruhr zu be 2 
fhwichtigen, und der mit Mar. Am Eoftume hätten wir die 
breite, die Näthe verkleidende gallonenartige Stiferei weggewünſcht. 
Unübertrefflich aber war ſein Mathan. Da war auch nicht 
ein Zug anders, als er eben ſeyn mußte. Der Adel der Geſinnung, 
mit Feinheit gepaart, das ganz nach dem Charakter der Perſonen, 
mit denen er es eben zu thun hat, berechnete, und bei allem Wechſel 
doch zur Einheit geſchloſſene Benehmen, die väterliche Innigkeit gegen 
Reha, die Wärme gegen ihren Retter, von der anfänglichen h 
Schüchternheit bis zum biederben Humor bei naherer Kenntnig 





95 


gefteigert , die anftändige Klugheit beim Cuftan, der herrliche 
Vortrag der Fabel von den Ringen, mit Der feinen Berüffidti- 
gung feloft örtlicher Verhältnifie, der ihm erwiefenen Liberalität 
angemefien, der derbe Humor gegen den derben Albafi, der ſchä⸗ 
kernde gegen die ihm unbedeutende Amme, alles das bildete ein 
gediegenes harmoniſches Ganze, was jeden Freund der Kunſt erhe— 
h ben , entzüfen mußte. 
Bin In Lear glaubten wir, habe Anſchüz Unerreihbares gelei- 
feet; und doch mußten wir auch in diefem tragiſchen Riefen den 
wakeren Eßlair anſtaunen. Daß er dieſe Bearbeitung gerade ge— 
wählt, befremdete und; denn fie ſteht der von Anſchüz gewählten 
bei weitem nad, bis auf den Schluß, der uns mit Lear’s Tode 
— weit befriedigender, weit poetiſcher ſcheint, wiewohl Anſchüz gerade 
hierin das Größte geleiſtet. Auch feine Maske war gegen jenen 
im Nachtheil. Dem Stolze auf feine Würde, der Anerkennung 
unbedingt fordert, einem Hauptzuge in Lear’s Charakter, hätte 
das ärmlihe Grau des Wamfes, das wie verfahlte Braun der 
Schaube mit ſchmalen Hermelinſtreifen kaum, aber die ſeltſame 
Kopfbedefung wohl am allerwenigften genügt. In vielen herrlichen 
Momenten hätte man fi, wenn Geftalt und Anzug nicht wider 
ſprachen, überredet, Anſchüz zu ſehen und zu hören, in Vielem, 
namentlich in der Wahnfinnsfcene, war Eßlair nod) größer, nod) 
 ergreifender, bis auf den Zug mit der Elle, die der Riemgurt 
etwas Heinfich vorftellen follte. Kurz Beiden gebührt eine Krone. 
Auch ein neues Erzeugniß der dramatiſchen Mufe brachte 
uns Eßlair, den Belifar von Schenk. Die keineswegs hiſto— 
riſch begründete Sage von dem Undanke gegen ſein Verdienſt, von 
feinem Unglük im hohen Alter, durch Marmontel und mehr noch 
ch Gemälde bekannt und verbreitet, liegt der Fabel des Drama 
Grunde. Ein hiſtoriſches können wir es nicht nennen; denn 
die Zeit, noch die bedeutenderen Charaktere derſelben treten 
vor, und das romantiſche Element mit dem Traume, der 
ich eine Art Schikſalzwitter erzeugen ſoll, halb chriſtlich, halb 
beidniſch, ſcheint und eben nicht glüklich gebraucht zu ſeyn, weil 


8 mit zu viel Willkühr gehandhabt wird, welche die Erfennung— 






















94 


fihtbar beredinetermaßen — zı weit hinausſchiebt, und weil es 
überdies in der Folge ganz in den Hintergrund tritt. Wie der 
Patriotismus, der felbft Das geliebte Kind aufopfert, ein Grund, 
oder auch nur Vorwand zu folder Strafe fern Fönne, fehen wir 
auch nicht ein, fo auch, wie fi) mit Suftinians fonftiger Würde 
die inquifitorifche Finte gegen des: Verbannten Verleumder ver: 
trage, als er ihre Tüfe ahnt. Wir möchten das Werk eine 
Reihe zum Theil gelungener , pathetifcher,, zuweilen acht dra— 
matifcher Situationen nennen, aber ein Drama kaum; denn 
das fordert organifche Entwifelung der Handlung aus den Cha— 
rafteren, und diefer aus jener. Die Sprache ift wohl edel, 
worauf man jet Teider weit mehr Gewicht legt, als man füg- 
lich sollte; aber die zwifchen die Jamben eingeftreuten Trochäen 
wollten uns doch nicht fonverlich behagen. Das brittifhe Drama 
ſteht dem fpanifhen in zu Vielem entgegen, daß fich beide Ele: 
mente anders denn ald discordia semina rerum vereinigen lies 
fen. Hr. Eplair fpielte den Belifar mit fichtlicher Liebe, und 
wenn er hie und da mehr auf äußerlich prunkhafte Neprafentation 
binwirkte, ald auf Darlegung feines Innern, fo mag einen Theil 
der Schuld mindeftens das Gedicht fragen. Unterftüzt wurde der 
Hauptheld im Ganzen, befonders durch Dem. Piftor und Hrn. 
Moriz, Belifars Kinder, ſelbſt durch Mad. Erunetti, Antonina, 
‚recht gut. 

Auch auf dem Soccus, wie auf dem Kothurn bewegt fi) 
Hr. Eßlair mit vielem Glüfe. Sein Eſſigkrämer und der 
Pachter Berger in Holbeins „Verräther“ waren liebe Erſchei— 
nungen, eben ſo der Oberförſter Warberger. Mehrere dieſer 
Rollen wurden wiederholt, Lear hätten wir noch einmal, Nathan 
wohl auc zum drittenmal zu fehen gewünfcht. 

Einen Beweis, daß cr mit feiner Aufnahme zufrieden war, 


gab und feine Rükkehr noch im Derlaufe des Sommers. Dod 


fheint die Fühle Aufnahme Belifars, die fich jedoch gewig mehr 


auf das Gedicht, als auf feine Darftellung bezog, ihn etwas vers 
ffimmt zu haben. (Paſſend war es auch freilich nicht, einen fü 


ausgezeichneten Künftler mit jehr mittelmäßigen Sodfern alterniven 





95 


zu faffen, die obendrein nicht einmal ihre heimathlichen Lieder brach— 
ten, ſondern meiſt Geſänge aus Localpoſſen, die wir ſonſt auch 
vielleicht nur zu oft zu hören bekommen.) Neu war diesmal 
Zar Peter, der uns den unſern nicht vergeſſen machte, dem 
aber Mad. Binder als Chatinka glänzend zur Seite ſtand, und 
Macbeth. Dieſer war im Ganzen ein großartiges Kunſtge— 
bilde, zumal die Scene vor und nad) dem Morde, und bei der 
Entdekung desfelben. Die ruhige Haltung des Körpers, während 
nur das Auge der Spiegel der ſchuldgequälten Seele blieb, — alles 
war vortrefflih. Das Spiel mit der Kette war nicht nothwendig, 
um den Eindruk zw erhöhen; die Kunft Eßlairs Fonnte diefen 
Behelf leicht entbehren. Auch das Hinftürzen bei der Geifter- 
erſcheinung während des Gaftmals fhien uns eines folhen Künft- 
lers nicht ganz würdig, eben fo wenig, daß er auf der Bühne 
fallen wollte. Solches fagt nur jenen zu, denen zujufagen eben 
nicht rühmlich ift. Doc wo fo vieles glänzt, follte man Kleiner 
Fleken, der vielleicht nothwendigen Zuthat an jedem Menfchenwerke, 
gar nicht erwähnen; — aber was fo auffallend zur Vollkommen— 
i beit beftimmt ift, wünjchten wir auch in aller Vollkommenheit zu 
ſehen. Möge nur Hr. Eplair recht bald uns wieder den Genuß 
# bieten, den er uns heuer gewährte. i 
E (Beihluß folgt,) 









N 
® daterländifchen Mufeums. 


I (December 1326.) 


—4 Material-Beiträge. 

J— Für die Mineralien- und Peträfacten-Samm— 
fung: 

IR Von der Frau Gräfin Aloyfia Sternberg, Stifts— 
| ‚ Dame: ein Stüf blaues Steinfal; und ein Polyhalit von Iſchl. 
Bon 9. Chriſtoph Cafpar, Pürflih Kinſtyſchen Forftamts- 
I arjunet in Rennersdorf: ein Kiftchen mit Mineralien der Herr: 
hat Böhmiſchkamniz. | 


| 
N. 





.96 


- Kür die Bibliothef und Sammlung der Han: 
fhriften: j 

Von der Calvefhen Buchhandlung in Prag: 150 Stüke 
ihrer Berlagsartifel, worunter einige Prachtexemplare mit Kupfer: 
ftihen und Landfarten. — Dom E. f. Hauptmann 9. Johann 
Ritter von Rittersberg: ein Exemplar feiner gedruften 
Gefhichte des FE. k. von Klopffteinfchen Infanterie- Regimentes. — 
Bon: H. Chriftoph Liebich, k. k. Cameralforftingenieur in 
Prag: das vierte Heft feiner Forftfhrift. — Bon 9. Joſeph 
Devoti, Pfarrer und Wyſſehrader Chrencanonicus in Sedliz: 
ein jeltener handfchriftficher oder über das Kuttenberger Berg- 
recht mit gemaltem Titelblatte: und 10 Fleinere vaterlandifche, 
größtentheils von ihm felbft herausgegebene Druffchriften. — Bon 
9. Benzel Hanka, Bibliothekar de Mufeums: drei Sahr: 
gänge von Crell's chemifhen Annalen. — Bon 9. Nekwaſil 
in Prag: einige Sahrgange der ehemaligen Prager Zeitfchrift 
Apollo. — Bon H. Bonifazius Dppelt, reg. EChorherrn 
und Prediger im E. Präamonftratenferftifte Strahow: der erfte 
Band der von ihm herausgegebenen chriftfatholifhen Betrachtun— 
gen zur Beförderung der hausfichen Belehrung und Erbauung. — 
Don H. Karl Pöſchl, Schullehrer in Ejerniz: zwei gedrukte 
böhmifhe Leichenreden aus dem 17ten Jahrhundert. 

Für die DBiplomatifhe Sammlung: 

Bom budweifer E.F. Kreisamte: eine böhmiſche Dri- 
ginal-Urfunde des Rofendergfhen Kanzlerd Wenzel von Ruben, vom 
Sahre 1500. — Bon 9. Franz Shama, Schloßcaplan in Wor- 
lik: drei abfehriftlihe Diplome über die Stadt Prachatiz. 

Für die Mün;:- Sammlung: 

Bon H. Joſeph Kral, Eaplan in Branna : eine feltene 
böhmishe Medaille aus tem XVI. Sahrhunderte, und zwei Meiß⸗ 
ner Grofhen, — Bon 9. Jakob Weinhuber, Dedant und 
Bezirksvicär in Gojau: 6 alte kleine Silbermünzen. * 

Für die ethnographiſchen Sammlungen: F: 

Von H. Joſeph Heide, k. k. Poligeioberrommifar in 7 

Prag: eine Partie verfchiedener Siegelabdrüke. 2 





Nachricht. Die oben ©, 33 — 35 erwähnten Urkunden werden wir 7 


in einem befondern Urkundenbuſche, mwelhes eine Beilage zu biefer Mo: 


natſchrift bilden foll, nächftens nachliefern. 


4 





Redackteurt: F. Palackv. 


RI RL N PETE a ee 
v. Schönfeld Papier und Druf, 








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Saba It 


1. Dorimir und fein Roß Semik; in vier Romanzen. 
Don Prof. Anton Müller. » 0.0. ° 
2, Ueber dad Vaterland der Erdäpfel und ihre Verbrei: 
tung in Europa. Bon Grafen Kafrar Sternberg. 


3. Zur Geſchichte ded großen Zwiſchenreichs in Böh⸗ 


men in den Jahren 1439—1453 , von 5. Palady. 


B. Kritifher Nachtrag zu dem Cim vorigen Hefte 
mitgetheilten) Aufſaze: Verhandlungen über die 
neue Königewahl im Sahre 1440. . » + - =» 


4. Sonette von 3. Kollar. Aus tem Böhmifhen über- 


fezt von Sof. Wenzig (Bweite Hälfte) - B% 


5. Geſchichte der k.k. patriotifch-öfonomifchen Geſellſchaft 
6. Bericht über die Vaccination in Böhmen im J. 1825 


7. Bemerkungen über das alte mährifhe Reid. Von 
3 Dobrowſky. . ..®. “ “ . . . D . & 


S. Nekrolos. Leopold Leonhard, Fürſt-Biſchof zu 


Paſſau. . . G . ® [7 0 . . * © . . ‚6: 


9, Literärifhe Anzeigen. (1) Schießlers Gedichte. 2) 
Prefrs Flora Sicula. 3) Moth, Theorie der Differenz 
zialrechnung 0 0 00 0 0 nn 0“ 


10, Mufikalifhe Anzeige. Klug er's Meſſe). „3“ * 
11. Abſchiedsfeier Gr. Exc. des k. k. Staats » und Cons 
ferenz-Minifters, Grafen von Kolowrat, in Prag, 
im November 1826... 0.0. ne 
12. Rükblike auf die Leitungen der Prager ſtändiſchen 
Bühne im J. 1826. (Zortfgund. » » . . » 


—— — 


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71 


80 


13. Bericht vom saterlandifhen Mufeum . . 0 + 9 





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Monatſchrift 
der 
Geſellſchaft 
des 


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in en 


Erfter Jahrgang. | 


Prag, im Berlag des böhmischen Muſeums. 


1827 








Monatſchrift 
| der 
Geſellſchaft 


des 


iterländiſchen Muſeums 


in Böhmen. 





Erfer Jahrgang. 


“ Prag, 
im Verlag des böhmifchen Mufeums. 


=... 1827, 





pe EHEHRREHRHEHEHEHEHRRRHERRRFERE HERE 


Der zwölfte Hornung, 





Zur Geburtöfeier 
Seiner Majeftat des Kaifers 


gedidhtet 


von Prof. Anton Müller. 
hr 


G; war ein Früblingsmorgen, ald mich die Sehnfucht tries 
Den Gipfel zu erſteigen des alten grauen Rip; 

Und ſingend ſtand ich oben im kühlen Morgenduft, 

Und jauchzte frei und ſelig hinaus in's Reich der Luft. 


Und ſah die reihen Gauen bis an der Berge Rand, 
Und dankte Gott vom Herzen für’s liebe Vaterland, 
Für meine jungen Kräfte, für meinen frijhen Muth, 
Und für das leichte, warme, das gute Cechenblut. 


Da ſah ich durch die Lüfte dort gegen Mittag hin 

Mit ſtolzem Flügelſchlage hoch einen Adler ziehn. 

"Zur Donau 3089 der Adler, die Schwingen weit gefpannt ; 
{ Da dacht' ic) an den Kaifer am fernen Donauftrand. 


Und, horch! vom Thale hob fi ein leifer, frommer Klang, 
Auf feinem Feld der Pflüger ein „Gott erhalt’ ihn“ jang, 
Und weiter ſang's ein and’rer, rings ward das Echo wach, 
„Erhalte Gott den Kaijer ! rief ich dem Adler mad. 

4 5 





4 


Und wieder einmal ftand ich den Stab in meiner Hand 
Auf einem Felfengipfel in Hofer's Waterland, 

Und hundert hohe Berge — ein ftoljer Riefendor — 
Erhoben ihre Häupter zum Himmelsdom empor. 


Da faltet’ ich die Hante und pries den Herren laut, 

Daß er tie bundert Burgen fo leicht und Fühn gebaut, 

Und daß ein waf'res Völklein drin in den Burgen wacht, 
Ein Volk mit ftarfen Armen am Pflug und in der Schlacht. 


Da fieh! von dort herüber, mo Rudolphs Wiege ftand, 
Stürmt an ein ftolger Adler dorther vom Schweizerland. 
Zur Donau zieht der Adler, die Schwingen weit gejpannt ; 
Da dacht' ih an den Kaifer am fernen Donauftrand. 


Und auf zu mir vom Thale, horch! Heerdenglofenflang 
Bor feiner Hütt’ der Senne ein „Gott erhalt’ ihn!“ ſang; 
Ind weiter ſang's ein and’rer, rings ward das Echo wach, 
„Erhalte Gott den Kaifer!““ rief ich. dem Adler nad. 


Da litt e8 mich nicht langer auf öden Bergeshöh’n ; 

Es zog mich fort zur Donau, den Kaifer wollt’ id) fehn. 
Und in den vollen Straßen wie ftand ich fehnend da, 

Der zwölfte Hornung war ed, ald ich den Kaifer jah, 


Sein mildes blaues Auge, die Stirne heil und hehr, 
Den lit, als ob er Allen ein trauter Vater wär’; 
Und fie, die gute Herrin, wie freute fie fich ftill, 
Daß jeder gern den Kaifer, den Vater jehen will! 


Lines an mir ein Lombarde und rechts ein Ungar fland ; 
Mir ſchwoll das Herz im Bufen, ich nahm fie bei der Hand. 
Das ſah und trat uns naher ein deutfcher Bauerdmann, 
Wir alle ftimmten herzlid ein „Gott erhalt’ ihn!“ am. 


„Gott ließ ihm uns genefen den Kaifer, fromm und mild, 
Er wird ihn fürder fehirmen mit feinem Önadenfchild, 
uUnd fegnen feine Länder, und fegnen fein Geſchlecht. 
Denn fromm ift, den er falbte, und bieder und gerecht! 


Und fieh! ob unfern Hauptern am Himmel, blau und Bar, 
Mit weitgefpannten Schwingen zog fol; ein Königsaar 
Im feierlichen Fluge heran vom Kaiferftrom, 

& Und lieg am Kreuz ſich nieder des alten Stephansdom. 


j Wir freuten und des Zeichens und drüften uns die Hand, 
H Und ſchieden drauf ein jeder in's theu're Heimathland ; 
Und wie wir viere dachten, viel Taufend denfen fo, 

Und find des lieben Kaifers und ihrer Heimath froh. 





Die Ruine 
Bon 
Karl Egon Ebert. 
hr 


(Spätabend, Eine Anhöhe mit ben Trümmern einer Vefte, Kurd, Gott- 
wald und Guido Fimmen herauf.) 


Kurd. 


Mir find am Ziel; doch welche Taufchung zeigte, 
Als wir vom tiefen Thal emporgefchaut, 

Auf diefer Höh' uns einen Wunderbau ? 
Entfernung jhmolz die Theile in einander, 

Das gier’ge Auge füllte jede Lüfe, 

Und goß die einzlen Stüfe in ein Ganzes, 

Das ald ein Ungeheuer uns erjchien. 

Nun ftehn wir bier, und fehn mit bangem Blik 
Ein armliches, verwitterted Gemäuer, 

Zerfall’ne Thürme, eingerollte Bogen, 

Drein blöde Eulen dumpf’ge Nefter bau'n, 

= Drin fih der Sturm verirrt, drauf trokne Diftefn, 





DER 


Vergelbtes Reihgras und verfrümmte Fahren, 
Die einz’gen lebenden Geſchöpfe, ſchwanken. 

D mußt’ ich bieher gehn, den alten Gram 
um die Vernichtung alles Herrlichen, 

Um alles Ird'ſchen 2008, der Dinge Wandel, 
Durch folhen Anblif neu mir zu erwefen ? 
Was ſeh' ich hier, als ein erbärmlich Bild 
Der furdtbar waltenden Vergänglichkeit, 

Und ihres Schergen, des gejhäft’gen Todes ? 
Was feh’ ich bier, ald eine morfche Leiche 
Der Kraft, ein elend Grabmal des Erhabnen, 
Als einen Gottesafer großer Zeit? 

OD daß der Menſch es liebt, fein eigen Loos 
Sn Bildern der Zerftörung anzuftaunen, 

Daß ich es liebe, meinen düft'ven Sinn 

An der Betrahtung folhen Grau'ns zu weiden! 


Gottwald. 


Du ewig trüber, ewig bitt'rer Freund, 

Was dachteſt du zu finden hier, als Trümmer, 
Erinnerungen an verrauſchte Zeit, 

An Thaten, die empor aus ſolchen Mauern, 
Wie Eichen aus dem heim'ſchen Boden, wuchſen? 
Mir blüht bei ſolchem Anblik die Geſchichte, 
Die Sag' erhält mir Grund, die graue Vorzeit 
Erdämmert mir, und die Geſtalten d'rin 
Gewinnen Klarheit, Farbe und Bewegung. 
Jedweder Stein ſpricht von Geſcheh'nem mir, 
Die morſchen Bogen, die, im Grund gelöst, 
Sid zu einander neigen, ſcheinen mir 

Bon alter Zeit fi heimlich zu befprechen, 

Der greife Thurm der Föhr’ auf feinem Haupte 
Ein wundervolles Mährchen zu erzählen, 

Indeß dort. die zerjunfene ‚Kapelle 





Sich in das ſchöne Sonſt zurüfe träumt, 

Da noch Gefäng’ in ihren Hallen tönten. 

Mo ift das Trübe da, das dich ergreift ? 
Geſchehn muß, was gefchieht, und mic) erfreut’s 
Zurükzuſchau'n in die verfunf'nen Tage, 

In das gewalt’ge Meer gelung’ner Thaten, 
Sefpannten Strebend, und gebrod'ner Kräfte, 
Das hinter uns in emw’ger Ebbe liegt ; 

Wem dies nicht Hocgewinn, den nenn’ ih arm, 
Denn der Genüße höchſter ift ihm fremd. 


Guido. 


Ich rühme mich weit reicher doch, denn du. 
Indeß der Anblik der Ruine dir 

Die Wiſſenſchaft belebt, den regern Geiſt 
Zurüke leitet zum Geweſenen, 

Belebt er mir die Phantaſie, und bildet 

Zur Gegenwart mir die Vergangenheit. 

Ich ſehe keine Trümmer mehr vor mir, 

Nein, eine mächt'ge, unverſehrte Veſte 

Mit glatten Zinnen, rieſ'gen Thürmen, ſteigt 
Vor meinem Blik im Abendnebel auf. 

Dort ſchlängelt ſich der ſchmale Burgweg hin, 
Dort liegt die Brüke, d'ran das Gitterthor, 
D'rin ſteht der Pförtner mit dem Schlüſſelbunde, 
Gewalt'ge Doggen lagern rings um ihn. 

Auf hoher Mauer fchreiten ernite MWachter 

In blanfen Waffen langfam hin und ber, 
Indeß ein Antrer, hoch am Thurm erfcheinend, 
Die rothen Fahnen abnimmt, und verjhwindet. 
Doch auf dem Göller droben, ver fo Fühn 

Ob jähem Abgrund ſchwebt, fizt ftillerfreut 
Der alte Ritter; ihm zur Geite fteht 

Der junge Sohn in herrlich buntem Wams, 
Und am Geländer lehnt das Zörhterlein, 


Und ſchaut weitum in's tiefe Land, und ſpielt 
Mit ſchnee'gen Fingern in den goldnen Loken. 

Da tönt mit einem Male Glokenklang, 

Und mit entblößtem Haupte kniet der Greis, 

Und Sohn und Tochter, Wächter, Pförtner knie'n, 
Und ſprechen leid und fromm den Abendſegen. 


Gottwald. 


Du fhwarmft, wie ftetd; doch dich beglüft dein Schwärmen, 
Und was beglüft, ift gut. Doch, auf nun, auf! 

Schon breitet tiefed Dunkel fih ringsum, 

Und no, Gedanken taufchend, ftehn wir da, 
Bergefiend, die Ruine zu befchauen. 


Guido. 


Laß uns noch weilen, bis der Sterne Licht 
Zum Gang uns leuchtet. Sieh, ſchon klärt ſich leicht 
Daß tiefe Grau dort hinter dem Gemäuer, 
Schon lichtet fih ein Kreis, der fichtlich machst, 
Schon drängt der Nebel flüchtend fich hinweg, 
Schon dringen einzle Strahlen raſch hervor, 

O fieh, ſchon fteigt der volle Mond empor ! 
Sezt, ob mir gleich die ſchöne Täuſchung weicht, 
Als fteig’ ein fefted Schloß hier in die Lüfte, 
Genieg’ ich doch ein neues Bild, da heil 

Der Mond fih in die fehwarzen Trümmer fenft, 
Die er durchfließt mit zauberifhen Glanze. 


Kurd 


Sa, ſchauerlich erfheinen nun die Maffen 

Des vielgeſtalt'gen, efigen Gefteines, 

Das ordnungslos und feltiam bier ſich hauft, 
Da, weit zerftreut, nur hier und dorten ragt. 
Durch alle Fugen, alle leeren Raume, 
Durch die zerfall’nen Fenfter, dur die Riſſe 


*Zerfprung'ner Wände fheint der bleihe Mond, 
Wie durdh ein modrig riefiges Geripp. 
E Das ift das wahre Bild nun der Vernichtung, 
Die mich empört; doch wunderbar, daß mich 
‚ Ein fonderlih Gelüfte immer treibt, 
Dem, was mir in der tiefften Seele widert, j 
Mit ftet3 erneutem Triebe nah zu gehn! — 
Kommt, Brüder, laßt und die Ruine fehn. 


(Sie wollen in die Ruine, als plözlih aus derfelben ein zweiftimmiger Geſang 
ertönt. Sie bleiben beſtürzt ſtehn.) 


Erfte Stimme. 


Die Zugbrüf’ nieder, auf das Thor ! 
Mir dauht, es naht mein Sohn, 

Mir fchlägt fo füg an's ftumpfe Ohr 
Befannter Stimme Ton. 


Ah, Fonnt’ ich doch vom Lager auf, 
Dran mich das Alter fehliegt ! 

Doch horch, — die Treppen kommt's herauf — 
D Sohn, fey mir gegrüßt! 


Zweite Stimme. 


Den Gruß, o Bater, dreifach dir, 
Bei dir nun ruh’ ich aus, 

Es ward wohl heiß und ſchwülig mir, 
Sch kämpfte harten Strauß. 


Erfte Stimme. 


Gewiß, ich ſeh's an deinem Blik, 
Gewiß, du baft geſiegt, 

Du bringſt die Tochter mir zurük, 
Der freche Räuber liegt, 





10 


Zweite Stimme. 


Sm Haine fiel das Ungethüm, 
Bon ew'ger Naht umflort, 
Doch ab), Gifelda neben ihm, 

Bon feinem Dolch durdbohrt. 


Erfie Stimme. 


Ach weh! mein Kind, der Nofe gleich, 
Verhaucht ift deine Gluth! 


Doch, Sohn, um Gott, auch du wirft bleich, 


Aus deinem Wams quillt Blut! 


Zweite Stimme. 


Bringt einen Sarg mir, einen Sarg, 
Geſchmükt mit Schild und Schwerdt, 

Sch war wohl Fühn, ich war wohl ftarf, 
Und bin der Ahnen werth. 


O Dater, mir verfinft das Licht, 
Und Stimmen rufen hohl, 

Die Kraft ift bin, das Leben bricht, 
D Bater mein, Ieb’ wohl! ' 


Erfte Stimme. 


Zwei Särge bringt, zwei Sarg’ herauf 
Für Sohn und Töchterlein, 

Und einen dritten noch thut auf, 
Und legt mich felbft hinein. 


Mein alter Stamm, du bift nun aus, 
Du ruhft in dunkler Truh', 

So ftürz’ auch du, mein altes Haus, 
Und def’ und Todte zu! 





41 


&ottmwald (chaudernd). 


Was war dad? welcher jchauerlihe Sang 
Aus diejen öden Mauern ? 


Kurd. 


Mir erbebte 
Das Her; im Bujen. 


Guido. 


Seht, mas fchreitet dort 
Aus ten Ruinen? zwei Geftalten, bleich, 
Gleichwie ter Mond, mit langen Silberbarten, 
Gehüllt in dunkle, ſchleppende Talare. 
Das find der Ahnengruft entftieg'ne Geifter, 
Die ihren eingeftürzten Siz durchwandeln. 
Flieht! flieht! fie jehreiten her! 


Gottwald. 


Laß fort uns eilen, 
Sey's, was es fey, es ift nicht gut bier weilen. 


(Zwei Einfiebler nähern fih, Der Eine ruft:) 


Erfter Einjfiedler. 


Ihr Wand’rer, fürchtet nichts; wir find nicht Schatten, 
Nicht Geifter, wie ihr meinen mögt, wir fühlen 

Wie ihr, in unfern Adern rollet Blut, 

Ob träg’ auh, da uns Greifenjahre drüfen. 

Zwei Klaufner find wir, die in diefe Trümmer, 

Das ächte Bild der ird’fhen Nichtigkeit, 

Sich ihre Klaufe bauten, unbefümmert, 

Ob über Nacht vielleicht die Mauer ftürzt, 

Ob fie ein Sturm aus lofer Fügung reift, 

Und ihre Hütte, und fie ſelbſt zerfchmettert. 


42 


Den Augenblif erfehnend, der uns fanft 
Hinüberleite zu dem Ewigen, 

Schau'n wir ringsum in die VBerganglichkeit, 

Uns über fie in heil’gem Stolz erhebend ; 

Das Leben ſcheint ung Tod, der Tod und Peben, 
Die weite Erd’ uns eine Stufe nur, 

Auf der wir betend auf zum Himmel fteigen. 
Bon folhen Greifen fürchtet nichts, und tretet 
Getroft uns naher, und in unfre Klaufe. 


Kur 


9 welche felt’ne, heit’re Anficht deſſen, 
Was mir fo finfter, fo entſezlich fcheint ! 


& wid o (mit den Uebrigen näher Eommend)» 


Sagt an doch, welder rathfelhafte Sarg 
Erſcholl fo eben, wie aus Geiftermund ? 


Zweiter Einfiedler. 


Mas ihr gehört, das war die düftre Gage 
Bom Iintergang de8 Stammes diefer Burg. 
Biel and’re Sagen wiſſen wir von ihr, 

Die wir in, Liedern uns und Wand’rern fingen, 
Wie wir das Lied auch fangen, das euch fchrefte. 
Es thut ung wohl, in den verlafi'nen Mauern 
Vergang'nes Leben wieder aufzurufen, 

Uralten Sinn im Neuen zu bewahren, 

Und gleihfam Stimmen todter Zeit zu feyn. 
Geliebt’8 euh, einzugehn in unfre Hütte, 

So werd’ euch Alles, was wir wiſſen, Fund. 


Gottwald. 


Die Trümmer wollen wir zuerſt durchgehn, 
Dann ſollt ihr uns in eurer Klauſe ſehn. 


15 
Erfter Einfiedler. 


So geht, indeß wir unfre Gloke ſchwingen, 
Gebete ſprechen, und das Nachtlied fingen. 





(Ale gehen in die Nuinen, Bald darauf ertönt die Glofe der Einfiedelei, und 
der Einfiedler Nachtlied :) 


Alles ruht und fehweigt hienieden, 
Nur der milde Vater wacht, 

Sendet Labung aus und Frieden, 

Hüllet ind und Fühl die Müpden 
Sn die ftille Nacht. 


Aus des Himmels blauem Bogen 
Blikt fein liebend Aug’ ald Mond, 

Der, von ſanftem Schein umzogen, 

In des Aethers leichten Wogen 
Ruhverheißend thront. 


Dater, heut aud) wolle lindern 

er Jedem Trüben jeine Pein, 

Laß auch diefe Nacht den Sündern, 

Laß fie allen deinen Kindern 
Süßes Labſal ſeyn! 





14 


Skizzen nah dem eben, 


Von 


Prof. Anton Müller. 
rrEhrret— 


I. Doralice Prefi. 





Mein Freund , ein wiürdiger Ordenspriefter, hatte in 
Gefellfchaft und auf Koften des Kaufmannes M... Ita= 
lien befucht. Gleich am erften Abende nach feiner Rükkehr 
erzählte er mir unter andern ein Abenteuer, das ihm zu 
5... begegnet war. „Mer. ,“ fagte er, „nöthigte mich 
in eines der befuchteiten Kaffeehäufer und beftellte zwei 
Becher Eis. Weil ich nun in meinem Leben noch nie Eis 
genommen hatte, fo faßte ich auf den erften Löffel fo viel 
auf, daß ich die ganze Ladung auf den Boden fpufen mußte. 
Derlegen fah ich mich in der Stube um; aber vor allen 
Gäften richtete gerade der ungebetenfte feine Augen auf 
mich. Nahe an der Ihüre, in einen Winkel gedrüft, ſtand 
ein hohes, hageres, ſchwarzgelbes Weib. Das abgefchof- 
fene, ärmliche Gewand verrieth die Bettlerin auf den er— 
ften Blik; aber die Armuth, die fonft zu Boden drüft, 
ſchien fie in die Länge geftreft und ihren Naken geftählt 
zu haben. Gie ftand aufrecht und wie in den Boden ge 
wurzelt. Shre Augen glommen, wie verlöfchende Kohlen ; 
die dunklen Brauen contraftirten fonderbar mit einem 
GStreife eisgrauer Haare, der unter der nachläßig gebuns 
denen Haube herabhing; die dünne, gebogene Nafe fenkte 
fih fait bis zum Kinn herab. Ohne zu zittern hielt fie 





15 


die flachgeftrefte Nechte den eintretenden Gäften entgegen, 
und richtete Doch ihren Blik auf mich, und doc) fagte ihr 
Blik nichts mehr, als ob fie die Wand anfähe. Manche 
mal zuften ihre Lippen, als ob fie reden wollte, oder ihre 
Bruft regte fih zu einem halbunterdrüften Seufzer; font 
aber fand fie unbeweglich, wie aus Gtein gehauen. Mir 
ward eisfalt. M... faß mit dem Nüfen gegen fie und 
zählte Ducaten in die hohle Linke. Go behutſam er e8 
auch that, fo Eonnte er das verrätherifche Klimpern des 


Goldes doc nicht verhindern. Endlich fiel ihm fogar ein 


Ducaten auf den Boden. Sogleich heftete die bettelnde 
Eumenide ihre fchwarzen Augen auf das Goldftük und auf 
Mi.., der es haftig aufhob, und ein fatyrifches, ich 
möchte fagen, fehadenfrohes Lächeln flog über ihr braus 
nes Antliz. Me... bezahlte das Eis, und mir Elopfte 
das Herz bei dem Gedanken, an der Bettlerin vorüber zu 
müffen. Ich zupfte M... am Xermel. „Sehen Cie 
denn nicht?“ fagte ih. „„Was?““ fragte er. „Dort 
im Winkel. — „ „Ei!“ fagte er, „„am Ende fürchten 
Sie ſich vor der Hexe?““ fezte den Hut ſchief und fchritt, 
ein italtenifches Liedchen trillernd, der Thüre zu. Aber 
mit einem ftechenden Blife hatte fie bereits M... ing 


Auge gefaßt. Sie holte Athem und rief, gerade als er 
vor ihr ftand, die biblifchen Worte: „Und der Reiche 


ward in der Hölle begraben.“ Der hohle, ſchauerliche, 


‚tiefe Ton, in welchem fie fprach, ihr funkelndes Auge und 
die gerade, ftolze Haltung ihres Körpers, und ein Zug 
von Hohnlächeln um die fein gefchnittenen Lippen, brachte 


mic aus aller Faſſung. M... legte ihr eine Lire auf 
die flahe Hand; ich aber warf ihr meine ganze, kleine 
Barſchaft vor die Füße und eilte meinem Freunde nad), 
Wir erfundigten uns- bei unferem Hausmwirthe um das 


ſonderbare Weib, und ich hatte kaum angefangen zu bes 
ſchreiben, als er mir in die Rede fiel. „Ganz recht!“ 
ſagte er, „das iſt die Doralice Preſti. Ich kann von 


16 


ihrer Jugend nichts erzählen; denn ich bin num volle dreißig 
und Fenne fie einen Tag wie den andern — immer fo ſtolz, 
fo hager und fo lang; im Gegentheil, fie feheint mir in 
den lezten fünf Jahren um eine gute Palme größer gewor- 
den zu feyn. Uber ich weiß von meinem Vater, daß fie 
einer adelichen Zamilie entfproffen, und durch die Ränke 
ihrer reichen Verwandten um ihr einziges Erbe — eine 
Heine Billa in der Nähe — gefommen fey. Mehrere reiche 
Familien nahmen fie hinter einander in ihr Haus; allein 
ihr Stolz, ihre Halöftärrigkeit, und die üble Sitte einer 
trozigen Schmeigfamfeit, machten fie überall verhaßt, bis 
fie am Ende aus eigenem Antriebe den Bettelftab ergriff. 
Mich wundert es, daß fie die Lire behielt; aber das Geld, 
fo Sie ihr vor die Füße warfen, iſt im ftrengften Ginne 
hinausgemworfen. Legen Sie ihr eine Nole Ducaten vor 
die Füße, und ich will verdammt feyn, wenn fie fich darum 
büft. Sie wohnt in einem Verfchlage unter der Haupt: 
ftiege des alten Pallaftes Prefti; aber ich rathe Ihnen nicht, 
fie zu befuchen, denn entweder fie antwortet Ihnen gar 
nichts, oder was fie fpricht, fehneidet in Ihre Seele, wie 
Scheermeffer.“ „„Und gehörte denn,“ unterbrach ich 
meinen Hauswirth, „„der Pallaft Prefti Doralicens 
Ahnen?““ — „Ja,“ fuhr er fort, „das habe ich ver: 
geffen. Freilich gehörte er ihnen. Wie das ungerechte 
Gut hie Zinfen bringt, fo kamen auch die Verwandten der 
Doralice fo tief herunter, daß fie den Pallaft um ein 
Spottgeld verkaufen mußten, und weil es den Käufer vers 
droß, von Jahr zu Jahr Summen in den GSteinhaufen zu 
ftefen, fo ließ er den linken Flügelwurz zufammenfallen, 
und eben höre ich heute, daß nun auch im rechten die Defe 
des großen Saales eingebrochen fey. Ich verfichere Sie, 
dag mich ein Schauer anwandelt, wenn ich bedenke, daß 
die Doralice — ein Weib von SO Fahren — unter den 
Trümmern ihres Stammhaufes am Hungertuche nagt, und 
daß fie das erfte Erdbeben Yebendig begraben Fann. Uber 


47 


wie gefagt, befuchen Ste fie nicht, am allerwenigiten Sie 

Herr M...; denn fie hat allen Reichen Haß geſchworen.“ 

Troz dem guten Rathe meines Hauswirthes Faufte ich am 

anderen Tage eine Flafche Eyperwein und fuchte den Ver: 
ſchlag im Pallaite Prefti auf. Die Thüre, die ihn fonit 
verfchloffen haben mochte, Iehnte mit ihren Bändern links 
am Eingange. Das Licht fiel von der rechten Geite herein. 
Sch traf Doralicen zu Haufe. Sie faß auf ihrem Stroh— 
lager, las in einem abgegriffenen Buche, und ich erftaunte, 
wie fie mich bei meinem Eintritte fo ruhig und freundlich 
anfah, als ob fie meinen Befuch erwartet hätte, „Do: 
ralice!“ fagte ih, „Sie fehen an meinem Gewande, 
daß ich außer dem Gehorfam und der Keuſchheit dem Herrn 
auch Armuth gelobt Habe. Sch bin arm und fehe in der 
armen Doralice meine Schweiter.* Gie lächelte, nikte 
mit dem Kopfe und reichte mir ihre Hand. „Ste mögen 
um einige zwanzig Jahre älter feyn, als ich,“ fuhr ich 
fort. „Dem Alter thut ein Labetrunf wohl, Stärken 
Sie fi) mit diefer Flafhe!* Sie fah betroffen bald auf 
die Flafche, bald auf mich, richtete fich gerade, fehüttelte 
ihr Haupt und winkte mir, fie zu verlaffen. „Dorali— 
e!“ fagte ich, „iſt es recht, jtolz zu feyn und ein Labfal 
zu verfchmähen, das ich Ihrem Alter bringe?“ — Da verz 
finfterte fih ihre Stirne vollends, ihre Lippen zuften, fie 
riß mir die Flaſche aus der Hand, und fchlug fie mit ita= 
lienifcher Heftigfeit auf den Boden, Natürlich, daß ich 
erſchrak. „Micht Doch!“ fagte ih. „Nicht fo zornig! 
Don wen heift es denn: Nicht einmal das zerbrochene 
Rohr wird er zertreten.* Nun hielt fie fich nicht mehr, 
„„Hebe Dich hinweg, Verſucher!““ rief fir „„Soll 
ich von dem Tranke Foften, den das verhaßte Gezücht der 
Neichen ſchlürft? Wenn, Du arm bift, was bringft Du mir 
nicht einen Trunk Waller? — Oder haft Du den Höllens 
trank von dem Praffer gebettelt, den Du begleiteft? Aber 
’ ich ſage Dir, es wird ihr Stolz fallen, wie dieſe Mauern, 

2 
































15 


und ihr Gefchlecht wird Gott in alle Winde freuen, wie 
Spreu, und ihrer Namen wird im Himmel nicht gedacht 
werden; denn eher geht ein Schiffstau durch ein Nadel- 
öhr, als ein Neicher in den Himmel.“ Cie blätterte 
in ihrem Buche, hielt mir es vor die Augen und zeigte 
mit dem Finger auf den citirten Text. „„Da nimm die 
Lire!““ fuhr fie mit funfelnden Augen fort, „„und bringe 
fie dem Mammonsknechte, deſſen Knecht Du biſt.““ Ein 
conpulfivifches Schluchzen erfolgte auf diefe heftigen Worte, _ 
Sch trat aus dem Verſchlage, denn ihre Augen fprühten 
Feuer. „„Du haſt mir geftern Geld vor die Füſſe gewor— 
fen,““ fchrie fie mir nad. „Da haft Du eine Lire für 
den Bettel,““ und fchleuderte die Lire fo heftig auf das 
Pflaſter, daß fie an die entgegenftehende Mauer flog. Ich 
aber verließ den Pallaft Prefti mit Zittern und Beben.‘ 

„Und haben Sie von ihr weiter nichts erfahren 2% 
fragte ich nach einer langen Paufe. 

„O ja! antwortete mein Freund. „ALS wir einen 
Monat darauf von Neapel nah F... zurüffamen, hörte 
ich, daß man fie vor einigen Tagen in ihrem Verfchlage 
todt gefunden und bereits begraben habe. Durch die Güte 
unferes Hauswirthes gelangte ich zu dem einzigen Vers 
mächtniffe der Doralice, zu diefem Gebetbuche.“ 

Er zog es aus dem Bufen und fhlug mir den Text 
vom Schiffstan und dem Neihen auf. Mich überlief es 
eisfalt, und als ich mein Auge erhob, fchien es mir faft, 


als ob das fchauerliche Weib in einem Winkel der Stube | 


ftünde, und ihre Hand um ein Almofen ausftrefe, 





1. RNonikee 


Sch weiß mich auf Niemanden zu erinnern, der mei: 
nen Großvater nicht von ganzem Herzen geliebt hätte. 





19 


Was aber uns Kinder vorzüglich am ihn zog, war feine 
DBereitwilligkeit zu. erzählen. Darum verging auch felten 
ein Abend, an dem wir ihn nicht befucht hätten. Sobald 

h er den Hammer weggelegt hatte (denn er war ein Schmied), 
fobald die Abendfuppe gegeffen und fein Pfeifchen geraucht 
war, rüften wir ihm zu Leibe und baten um eine Ge 
fhichte. So verfammelten wir uns auch an einen? Falten 
Decemberabend ein Stüfer fieben oder acht Enkel in der 
Stube des Großvaters. Die Nägel plazten auf den Schin— 
Deldächern; ein diker, zäher Qualm lag vor den Fleinen 
Fenftern, und das pfeifende Gefreifche der Räder verrie- 
then und von weitem den Laftwagen, der unferem Dorfe 
zufuhr. Wir fühlten und alle fo behaglich um den warmen 
Dfen, und unfer Großvater mufterte uns mit fo wohlges 
fälligen Blifen, daß wir uns im voraus auf die ſchönſten 
Gefhichten freuten. Wirklich legte der Großvater etwa 
nach ſechs Zügen die Pfeife weg; aber wir hatten: uns ver; 
rechnet. „Hat mich doch fehon lange nicht fo fehr nach 
einem Trunk Bier verlangt, wie heute!“ fagte er zur 
Großmutter. „„Ei, was fällt euch ein!““ verfezte die 
Großmutter. „Man jagt heute feinen Hund vor die 
Thüuͤre, und es ift eine gute Viertelftunde zu gehen.“ “ 
Indeß lie fie meine Schweiter nicht ausreden. Sie for: 

i derte Geld, ließ fih ein- Wikeltuh um den Kopf legen 
und flog mit dem Kruge davon. Die erfte Viertelftunde 
war mein Großvater guter Dinge. Als fich aber Die zweite 
zu Ende neigte, fing ihm an bange zu werden, Er fezte 
feine Kappe auf, ging zur Stube hinaus, Fam wieder und 
ch halblaut für fih hin, wie er es immer zu thun 
gte, wenn ihm etwas im Kopfe lag. Als endlich auch 
die dritte Viertelftunde porüber war. und die Grofmutter 
ſagte: „„wo nur das Kind bleibt!““ rieb er »fich ‚Die 
Stirne, und blieb mitten in der Stube ftehen, als ob eine 
Nette vorgezogen wäre, „Um Gottes willen!“ rief er aus. 
J muß durch den Seiler-Wald; es iſt finſter; ſie 

2 2* 













20 


bat ſich verirrt; — fie haben ihr zu trinfen gegeben, und 
nun fizt fie wo im Schnee und erfriert.* Der Kammer: 
ton, in welchem er fprach, und der Schein prophetifcher 
Gewißheit, der in feinen Worten lag, ergriff ung Kinder 
fo gewaltig, daß wir ein lautes Geheul auffehlugen. „„Hab' 
ich e3 nicht geſagt?““ rief die Großmutter, „„Gdrge! 
Veit! Hannes! (fo hiefen die Lehrlinge meines Groß: 
vaterd) die Laternen angezündet! Shr faulen Ranzen 
ihr! Da ftrefen fie die Füffe von fich und das arme Kind 
gibt den Geift auf.““ Aber in dem Augenblife trat meine 
Schweſter in die Stube und rif das Wifeltuch vom Kopfe. 
Natürlich, daß uns allen ein Stein vom Herzen fiel, und 
wir, wie fie fo frifch und gefund vor uns ftand, gar nicht. 
begreifen fonnten, warum wir geweint hatten. „„Nicht 
zum Ofen!““ fehrie die Großmutter. „„Ja, das erfriert! 
Maulaffen Hat fie feil gehabt.‘ Aber der Großvater rief 
fie zu fich auf die Bank, drüfte ihren Kopf an feinen Bruft: 
laz und gab nicht nah, bis fie den erften Trunk gethan 
hatte. AS der Krug die Runde gemacht hatte, fprach die 
Großmutter: „„Aber fagt mir doch, warum ihr gleich fo 
ängftlich thun könnt, daß einem das Herz im Leibe zittert 2° 

„Das will ich Dir ſagen,“ verſezte der Großvater. 
„Es fiel mir eine Gefchichte ein, an die ich nicht denken 
fann, ohne traurig zu werden.“ 

„Eine Geſchichte?“ riefen wir und rüften näher. 

Der Großvater ſtrich meiner Schwefter die Haare 
aus der Stirne, fah fie an und erzählte, wie folgt. „Ich 
arbeitete in meiner Jugend in dem Dorfe £... hart unter 
dem Rieſengebirge. Im diefem Dorfe lebte eine arme 
Witwe mit einer einzigen Tochter, die gerade fo alt war, 
als dur, mein Kind. (Er meinte meine Schwefter.) Auf 
einmal wird die Mutter gichtkrank und Fann fi nicht 
rühren. Die Gemeinde nahm ſich eine lange Zeit liebreich 
um die Unglüklichen anz als aber. die Krankheit ein ganzes 
Jahr dauerte, erfaltete der Eifer. Das zwölfjährige Mäd— 





lid ee m m 


ie. * 


i 





24 


chen (fie bie Monife) mußte am Ende von Haus zu 
Haus betteln, und von den Brodfrumen und Pfennigen, 
die fie heimbrachte, der Mutter felbft die Suppe kochen. 
D, ich fehe das arme Kind noch immer, wie fie in unfere 
MWerkitätte hereintrat und feufzend in einem Winkel ftand, 
bis fie die Meifterin entweder gehen hieß, oder ihr ein 
Stüf Brod reichte. Ihr „Bezahl's Gott“ Flang wie ein 
Grablied, und wenn fie das blaue, matte Auge auf mich 
richtete, und ich Eein Geld hatte, fo war mir nicht anders, 
als ob ich den Hammer follte- fallen laffen. Nur wenn e8 
hieß, die alte Annelieſe ftirbt, und die Sterbglofe dazır 
geläutet wurde, dachte die Gemeinde an die zwei Unglüf- 
lichen mit dem Erbarmen, welches der Chrift feinem är- 
meren Bruder fehuldig ift. Aber fobald fich die Kranfe 
befferte, mußte Monife wieder betteln gehn. Es war 
tief im Spätherbfte, und ein ungewöhnlicher Schnee be— 
defte das Gebirge, ald ich eines Abends vernahm, daf es 
mit der Gichtbrüchigen ſchlimmer ſtehe, und daß fie vor 
der Frühmeffe die Sacramente der Sterbenden empfangen 
babe. Wiewohl ich es nicht zum erften Mal gehört hatte, 
fo traf mich heute die Nachricht ganz befonders. Es ließ 
mir nach der Abendfuppe Feine Nuhe mehr; ich zündete 
meine Laterne an und befuchte die Kranke. Mit bangem 
Herzen trat ich in die Stube; nur das Licht meiner La— 
terne erleuchtete fie. Sch ſah mih nah Monifen um; 
aber ich fand Niemanden als ihre Mutter. Wechzend, lei: 


chenblaß und mit eingefallenen Augen Tag fie auf dem La— 


ger ihrer Schmerzen. Sie ſtarrte vor fich hin und fehien 
mich nicht zu bemerken.“ 
„Wo habt ihr eure Monike? fragte ich.“ 


dh, mein Kind, mein Kind!“ rief fie und rich 
tete fich auf, fah fih um und ſank wieder zuruk. „„Er: 
ſtoren iſt fie. Sie ift todt und ic) lebe.““ 


„Mir ward eisfaltz denn mir fiel ein, daß mancher 


Sterbende weiſſage. Wo iſt fie hingegangen? fragte ich.“ 


22 


„O Gott!“ fröhnte fie. Meinetwegen — über die 
Berge — nach Schleſien — in dieſem Schnee — und 
allein.“ 

„Nur mit der äußerſten Anſtrengung konnte fe mir 
erzählen: Monife habe geftern Abends erfahren, es fey 
ein Wunderdoctor in Schmiedeberg angefommen, der die 
hartnäfigfte Gicht durch ein Elixier heile. Cie habe der 
Mutter Heute Morgens noch eine Suppe gefocht, fich hierauf 
wärmer angezogen, habe die Echneereifen zu fich genome 
men, und troz allen Bitten der Mutter den Weg über 
das Gebirge angetreten. „OH, fie tft todt,“ ſchloß die 
Mutter, „ich fehe fte nicht mehr, denn meine Minuten 
find "gezählt. Sch rief fogleich eine Nachbarin herbei, 
bot meine Kameraden auf, und in weniger als einer Vier: 
telftunde fezte fich unfer Zug in Bewegung. - Wir waren 
aber kaum taufend Schritte hinter dem Dorfe, als wir die 
Armeim Schnee fanden. Cie lag, als ob fie auf Flau— 
menfchliefe, die Augen gefchloifen, den Mund halb gedff- 
net, als ob fie eben „Gott bezahl's“ gefagt hätte, die Linke 
auf dem Herzen und in der Nechten eine Medicinflafche. 
Es ſchien mir unmöglich, daß fie todt fey. Sch Iud fie 
auf'meine Schulter, trug fie in die Unglüfshütte, im wel 
cher fie das Licht der Welt erblift hatte, und fand ihre 
Mutter — im Sterben.  Gie richtete das halbgebrochene 
Auge auf mich, ihr Athem ftofte und fie war verfchieden. 

Ich legte den Leichnam zum Leichnam; es läutete die 
Sterbeglofe, und eine feierliche Stille herrfchte in der 
vollgedrängten Stube. „Laſſet uns beten!‘ rief eine Nach: 
barin, und wir ſanken alle auf die Knie und falteten uns 
fere Hände. Aber es fonnte Keiner das Vater — unfer 
ohne Schluchzen zu Ende beten. Du lieber Gott! Jezt, 
da fie erlöst waren, weinten wir über ihr Elend.‘ 

„Die Trauergeſchichte verbreitete fich mit Blizes— 
fehnelfe auf drei Meilen in die Runde. Man wallfahrtete 
zu der Leiche des frommen Kindes, und alles beeiferte fidh, 


235 


die recht feierlich zu begraben, auf die man in ihrem Le— 
ben fo wenig geachtet hatte. Selbſt der ehrwürdige Vica— 
rius von D..., ein Greis von SO Jahren, machte den 
befchwerlihen Weg über Berg und Schnee, um die Leichen 
einzufegnen. Zehn Priefter gingen vor ihm ber, jeder 
trug einen Nosmarinzweig mit einem weißen Bande und 
eine Kerze in der Hand; die Schuljugend von fünf Ge— 
meinden eröffnete den Zug. As wir auf dem Kirchhofe 
angekommen und der gemeinfchaftlihe Sarg eingefenft 
war, redete der Herr Vicarius die Schuljugend ungefähr 
fo an: „Liebe Kinder! Es ſteht gefehrieben: Du ſollſt 
Dater und Mutter ehren, auf daß es dir wohlgehe und 
du lange lebeft auf Erden. Und nun begraben wir den 
Leib eines Kindes, das feine Mutter mehr liebte, als das 
eigene Leben; der Bettelftab, liebe Kinder! ift ein ſchwe— 
res Holz; und doch trug ihn die felige Monife fo man 
ches Jahr mit chriftlicher Geduld. Wie oft mag fie an 
| eueren Ihüren vor Kälte gezittert haben um ein Stük 
Brod? wie oft geweint haben, wenn ihr ein Hartherziger 
ie die Thüre wies? — Arme Monife! — Und für all dies 
Elend Hatteft dur keinen Lohn, als den Dank einer Franken 
d Mutter! Und damit das Maß deiner Liebe voll werde, 
gingft du auf Leben und Zod einen Gang, vor welchem 
felbft dem Manne graut, und ftarbft wie eine Frühlings: 
blume, welche am Morgen aufbfüht und Abends hinmelft— 
durch einen Spätfroft. — Und doch fteht es gefchrieben: 
Auf dag du lange lebeſt und es dir wohlgehe. Aber, Tiebe 
— Kinder, laßt euch dadurch nicht irre machen! Seht mid) 
an! Ich bin ein Greis von achtzig Jahren. Achtzig 
Sahre freue ich mich der lieben Sonne und fo vieler guter 
Menfchen und eurer, Liebe Kinder! von denen mein Hei— 
land fagt: Ihrer ift das Himmelreich; und ich fehe noch 
Scharf und höre fo gut, als einer von euch. Ein glüffiches 
Greifenalter ift eine hohe Gabe des Himmels; und fo ge 
wiſſenhaft ich mich auf mein nahes Ende bereite, fo bitte 





94 


ich Gott Do jeden Abend, mir noch einen Tag zuzulegen. . 
Aber was ift das längfte und glüffichite Alter gegen den 
Himmel? Keinen Schnee gibt e8 drüben, EFeinen Bettel- 
ftab und Feine Ihränen. Immer und ewig Elingen die 
Harfen der Engel Freude und Seligfeit, und es iſt nichts 
zu fehauen als Licht, Schönheit und Wonne, und Alles 
freut fih, dem Vater näher zu feyn und fein Antliz zu 
fhauen. Ich habe meine Eltern auch geliebt, und ich gäbe 
was darum, MWenn ich eine alte Mutter zu pflegen hätte; 
aber, wie euere Monife habe ich meine Eltern nicht gez 
liebt. Darum hat mir zwar Gott ein langes Leben ver: 
lieben; fie aber hat er zu fich genommen, wie etwa ein 
Großvater feinen Enkel auf die Knie nimmt und fein „lie 
bes Kind“ heißt. Als fie der Engel des Todes im Schnee 
fand, that es ihm weh, das Kind von der geliebten Mutter 
zu trennen, und fo trug er denn beide, in dem einen Arme 
die Mutter, im andern die Tochter in das Himmelreich. 
D, was wird das für ein Wiederfehen gemefen feyn, und 
für ein LiebEofen und für ein Willkommen von taufend 
Engeln. Ja, liebe Kinder! freut euch darüber, daß Gott 
der frommen Monike lieber den größeren Lohn, als ein 
Yanges Alter gegeben hat, und betet, daß wir alle, die wir 
bier um ihr Grab ftehen, uns einmal droben wiederfinden. 
Alte Leute haben die Thränen nicht weit; aber ich will nicht 
weinen, fondern mich freuen in Chrifto, und diefer hochzeitli— 
che Zweig fol fortan auf meinem Betftuhle liegen. Nehme 
num jeder eine Hand voll Erde, und erweife den fterblichen Ne: 
ften zweier Verklärten die lezte Ehre.“ Go redete der Herr 
Vicarius (fuhr mein Großvater fort), und wenn er auch ges 
fagt hatte: „Ich will nicht weinen,“ fo fielen doch zwei 
fhwereiTropfen in das Weihwaſſer, mit welchem er den Sarg 
zumtlezten Male befprengte, Und nun, Alte! wirft du wohl 
einfehen, warum mir die Gefchichte heute einfallen mußte.‘* 
Mein Großvater verfuchte hierauf mehrere heitere Gefchicht: 
chen; aber ed wollte nicht recht fort, bis er uns heimfchikte, 











Ballade 
von 


©. K. Madäcef. 
; rt 


Am Strand der Loire im hohen Zelt 
Saß Karl im Herrfchergewande, 
Der Sohn, die Großen der Lande 
Im Kreif’ um den hohen Herrn geftellt, 
Zur Mallftatt berufen in blanfem Stahl. 
Bor tritt der Herold, und ruft zumal: 
Wer gekränkt fi fühlet in feinen Rechten, 
Der mag fie frank und frei verfechten. 


Und hervortritt aus der erlauchten Scaar 
Sieh da, DOgier, ter Mauren Schrefen, 
Der waferfte fhier der Karolörefen, 

Ein Weifer im Rath, im Kampf ein Nar. 
„Was iſt's, was fo tief den Helden kränkt, 
„Daß das greife Haupt er zu Boden ſenkt? 

„Wer durfte an dir zu freveln wagen ?« — 

So hört den großen Karol man fragen. 


Ogier alebald das Haupt erhebt, 
Ihm rollen die Augen im Grimme, 
So Flagt er mit bebender Stimme, 

Der nimmer den Schrefen, dem Tode gebebt: 
„Entehrt ift, o Kaifer, mein graues Haar, 


„Verwaiſt vor dir fteh’ ich, ein gelähmter Aar, 


„Gie baben die Brut mir erjchlagen, 
„Ich fomme die Schmad dir zu Elagen.“ 


25 


26 


„Des Alters Schuz, des Vaters Hort, 
„Baldwin, mein mwaßerer Sproife, 
„So jung fhon mein Waffengenoffe, 
„Er fiel, getroffen von blutigem Mord. 
„Der Schmerz, der Gram, fie tödten mic) jihier, 
„Drum fordre id, Kaijer, den Mörder von dir, 
„Gebeut, daß fi) ftelle der Kühne 
„Dem Scwerdte des Vaters zur Sühne.“ 





Und lautes Murren im Kreif’ ertönt, 
Auf ſteht der Kaifer entrüjtet: 

„Wem hat nad dem Blute gelüftet ? 
„Sprich, ‚wer hat des Landes Frieden gehöhnt ? 
„Er iſt dir verfallen beim ewigen Hort, 
„sch verpfande dir hier mein Kaiferwort, 
„Nicht entgeht er dem blutigen Lohne, 
„Und galt es dem eigenen Sohne.“ — 


„Dem gilt!s aud Herr, bei deiner Hulp! 

„Mein Baldwin, fein treuer Gefährte, 
„Er fiel von Karlmanns Schwerdte; 
„Sieh hin, wie fein Aug’ ihn zeihet der Schuld! — 

„der Schmerz, der Gram, fie tödten mich ſchier; 
„Drum fordre ih, Richter, den Mörder von dir, 
„Gebeut, daß fich ftelle der Kühne 
„Dem Schwerdte des Vaters zur Sühne !“* 


Der Kaifer ſinkt, durchbohrt von Schmerz, 
Die andern find ihm entriſſen; 
Er foll nun den Einzigen mijjen? 
Da blutet Das arme Vaterherz : 
„Laß Dgier ab von ſolchem Begehr, 
„Richt qual’ o Vater den Vater fo ſchwer, 
„Nimm bin die Hälfte von meinen Landen, 
„Nur löſe mic) son des Gelübdes Banden!“ 


er 


— — e 


* 


27 


Drauf Ogier: „Als mein Baldwin erblaßt, 
„Hat's auch mir im Herzen getobet, 
„Und Rache ihm hab' ich gelobet, 

„Und fürder nicht hab' ich Ruhe noch Raſt, 
„Bis ich mein Schwerdt in den Mörder getaucht, 
„Bis die Seele vor mir er ausgehaucht; 

„Ich kann von dem Schwur nicht laſſen, 

„Und ſollt' ich ſelber erblaſſen!“ 


„Ha Stolzer! dein Herz iſt Stein und Eis! 
„Doch will ſich nicht Solches gebühren; 
„Kann dich der Vater nicht rühren, 
„Wohlan, ſo vernimm des Kaiſers Geheiß: 
„So fürder du liebſt zu ſchauen den Tag, 
„So fortan jeglicher Rach' entſag', 
„Entfleuch' vor meines Grimmes Toben, 
„Mein Schwerdt it gezükt, ſollſt's bitter erproben !« 


Dor treten die Herrn: „Beim ewigen Hort, 
„Halt inne, bei deinen Hulden! 
„Richt wolle fo fchwer dich verfchulden ; 
„Ein Kaiferwort, ein heilig Wort! 
„Dein Sohn ift verfehmt um des Friedens Bruch, 
„So treff’ ihn denn der Gejeje Sprud, 
„Und galt’s dem eigenen Sohne; 
„ou fhwurft ed dem Räder, der Krone.“ 


Dem Kaifer die Hand vom Schwerdte finft, 
Er vermag ob des Zornes Gemwalten, 
Wie das Herz auch blutet, zu fehalten. 

Er finfet zurüß, erblaßt, und winft: 

„So nehmt ihn hin — noch diefen Kuß, 
„Der Bater dem Kaifer weichen muß.“ 


Er ſagt's, und dag Niemand die Thräne gewahre, 


Verbirgt er das Haupt im weiten Talare. 


28 


Und ernſt der Schöppe dem Schuld’gen naht, 
Führt ihn von des Thrones Stufen, 

Und „Gnade“ hört man rufen, 

„Nicht laß ihn vergelten die raſche That, 
„Vergib, wie hart dich verlejte, die Schuld, 
„Daß milder dich richte die ewige Huld, 

„Der Vater will für des Theueren Leben 

„Die Hälfte ja feiner Reihe dir geben.‘ 


Doch Ogier grimm nad) dem Opfer ftiert : 
„Gerecht ift meine Sade; 
„Dem Schmerze gleihe die Race. 
„Nur Fürften mit Recht die Krone ziert, 
„Mir beut Fein ftrahlender Kaijerthron 
„Erſaz für theuern, geraubten Sohn. 
„Für des Herzens furdtbare Qualen, 
»Für Blut kann Blut nur bezahlen !« 


Und ftille wird's, wie in der Gruft. 
Den Kaifer fein Purpur nicht ſchüzet, 
Die das Schwerdt in der Sonne nun blizet, 

Wie das Schwerdt DOgiers durcdfaufet die Luft: 
Da — nein doch, er wirft es weit in den Sand, 
Und bietet dem Junker milde die Hand, 

Bon ded Waters Schmerze gerühret, 

Und bin zum Throne ihn führet. 


Und Subel erfchallet für und für. 
„Sieh Kaifer den Ogier zu Füſſen, 
„Laß Gerechter die Hand mich küſſen, 
„und nimmer gedenfe die Trübfal mir. 
„Wohl iſt's das fehwerfte von allen Weh'n, 
„zum Grabe ein Kinderlofer gehn, 
„Auf dein heilig Haupt ſoll's nimmer fallen, 
„Mich mag's nur treffen, den Einen von Allen !“ 


re ei — —— 


29 


Und freudig der Kaiſer den Sohn umarmt, 
Laut jauchzen die Herren und Mannen, 
Und Thranen allen entrannen, 

Und umarmt den Helden, der fih erbarmt ; 
Und „Heil“ erfhallt ed, „dir Karol groß, 
„Freu' dich, du bleibeſt nicht kinderlos! 

„Und Heil Ogier, dem edelen Reken, 

„der Freunde Zier, der Feinde Schrefen |“ 





Die ftrenge Sühne. 


Es war im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts, als 
in Böhmen, — und zwar vermuthlich in Prag ſelbſt, — 
Peregrin genannt Puſcho, und Proczko, einſt von 
Pottenſtein, ermordet wurden; der zweite wahrſchein— 
lich vom erſteren; dieſer aber nach der Hand vom Sohne 
des zweiten, Nikolaus von Pottenſtein. Dies ver: 
anlafte, wie in den meiften ähnlichen Fällen jener fehde: 
reihen Zeit, einen blutvollen Kampf zwifchen den beider: 
feitigen Angehörigen. Auf der einen Seite der ftreiten- 
den Parteien befanden fih: Agnes, die hinterlaffene 
Witwe Peregrins, feine Schwefter; dann die Söhne, 
Verwandten, Schwäger und Freunde desfelben, nament- 
lih: Jeklin, ein Neffe; Klaris mit feinen Söhnen 


Nikolaus, Peter und Andreas; Heinrih Puſcho 
mit feinen Söhnen Nikolaus und Frenslin; bie 
- Söhne Burghards, Herrmann, Nikolaus, Kon 
rad und Niklin; Berthold Pirkner; Wolfram mit 


feinen Söhnen Meinhart und Bohuslaw; Konrad; 


Heinrich von Stein mit feinen Söhnen; Nikolaus 


von Chotzen; Nikolaus von Keffel; und Burghard 


50 


der fhwarze, früher in Peregrins Dienften, Zur Gegen: 
partet aber gehörten: Nikolaus von Pottenftein; 
fein Bruder Potho von Pottenftein; feine Verwand— 
ten, Schmwäger und Freunde, namentlih fein Oheim 
Potho von Pottenftein;z und Bretislamw von Nie 
fenberg mit feinen Brüdern und Verwandten. 

Nachdem man lange mit wechfelndem Glüfe gekämpft, 
wurden zur Beilegung diefer Fehde als Schiedsrichter 
erwählt: Berthold von Henneberg, Heinrich von 
Willnau, Albert von Hohenlohe und Philipp 
von Falfenftein. As Bürgen hatten fich verpflichtet: 
Albert und Potho, beide von Friedland, Heinrich 
Krufina; Johann von Dobruffta, Tobias von 
Bechin, Ernſt von Talmberg, Boleslam von 
Smeena, Wilhelm von Hirftein, Sulislaw, 
Hroznata und Milota, drei Brüder von Pnietluf, 
welche für den genauen Vollzug nachfolgender, von den 
obigen Schiedsrichtern beftimmten Anordnungen zu haften 
gelobten : 

41. Soll von nun an zwifchen den beiden Fämpfenden 

Parteien Friede und Einigkeit herrfchen, 

2. Sol der des Mordes überwiefene Nikolaus von 
Pottenftein der Prager Teinfirhe an jährli- 
chen Einfünften fo viel anmeifen, daß von einem 
dazu vorzugsweife beftimmten, und ſtandesmäßig da= 
von lebenden Priefter, täglich eine heilige Meffe für 
die Seele Peregrins gehalten werden könne, womit 
fhon am nächſten Himmelfahrtstage Mariens anzu— 
fangen ift. 

. Soll Nikolaus in dreißig Klöftern den damals 
beftehenden geiftlichen Verbrüderungen beitreten, und 
in jeder ſolchen Brüderfchaft tanfend heilige Meilen 
für Peregrins Seelenheil halten laſſen. 

4. Soll er, fobald er aus der Föniglichen Haft entlaffen 

feyn wird, zu demfelben Zweke eine perfönliche Wall: 


© 


40. 


„4. 


12. 


51 


fahrt nah Nom unternehmen. Dieſelben Walfahr: 
ten follen auch vollziehen: 


. Ullrich von Brandeis, fobald er feiner Feffeln 


entledigt feyn wird; 


. und der Diener Gerhart, beide nad) &t. Sag. 
. Der Diener Blahota aber nah Aachen zum dortis 


gen Marienbilde. Ueber die wirkliche Ausführung die— 
fer Wallfaprten haben alle vier durch befondere Zeugs 
niffe fich auszuweiſen. 


. Die Söhne Burgbharts, Nikolaus und Kom 


rad, den Sohn des Klaris, Peter, dann den 
9. Nikolaus von Keffel (weldhe in jener Fehde 
durch den 9. Bretislam von Zambach gefangen 
worden), fol Nifolaus von Pottenſtein los— 
kaufen und gänzlich befreien. 


. Dem Minoritenklofter zum h. Jakob in Prag foll 


er zu Peregrins Heil zehn Mark Denare leichtes 
ren Gewichtes fpenden. 

Zu feiner befondern und öffentlichen Demüthigung, 
fol er mit Hundert anderen (von ihm felbft dazu 
auszumählenden) Perſonen, vom Klofter zum 5. 
Elemens in Prag bis zum Haufe der Witwe 
Agnes (vielleicht in der Nachbarfchaft von St. 
Safob) eine Proceffion unternehmen. 

An die Gemeinde und an die Bürgerfchaft der Stadt 
Prag, wird er im Baren foviel entrichten, als die 
genannten Schiedsrichter erſt fpäterhin beftimmen 
werden. 

An die Witwe Agnes aber, und an die Verwandten 
Peregrins, wird er ein taufend und fünf 
hundert Marf großer Denare leichteren Gewichtes, 
ſechs und fünfzig Groſchen auf eine Mark gerechnet, 
in drei Eurzen Terminen zu fünf hundert Marken, 
bezahlen; welche baren Beträge im Unterlaffungsfalle 
der Entrichtung durch ihn felbit, unter Beiſtand des 


Königs, des oberften Neichsfanzlers, des Landrich- 
terd, Notars, und der übrigen Staatsbeamten, von 
den Beftzungen und Einkünften der genannten eilf 
Bürgen erhoben werden follen. 

Ueber diefe gefammte Verhandlung wurde zu Prag 
bei St. Safob am 10. April MCCGCKXIL eine befondere 
Urkunde errichtet, deren Abfchrift in einem theils auf 
Pergament, theils auf Papier gefchriebenen großen Eoder 
des Archives auf dem Nathhaufe der Eöniglichen Altitadt 
Prag — Liber vetustissimus statutorum et deeretorum 
veteris urbis Pragensis — fol. 35 und 36 enthalten ift. 

Was war wohl die VBeranlaffung zu jenem 
fo fhwer beftraften Morde? — Und welches 
waren die näheren Umftände jener Fehde? — 
Für die Zeit» und Sittengeſchichte des Vaterlandes dürfte 
die Erörterung diefer beiden Fragen — follte der Zufall 
Jemanden in die Kenntniß der hiezu erforderlichen Mate 
rialien verfezen — ohne Smeifel in mehreren Hinfichten 
von befonderem Intereſſe feyn, 





ca 
U 


Einiges über den jezigen Zuftand der Bergwerke 
von Südamerika. 


Nach Heads Rough Notes taken during some rapid 
Journeys across the Pampas and among the Andes. 


London, 1826. 





Bon. B Sommer. 
HH — 


Es iſt aus Öffentlichen Blättern zur Genüge befannt, wel- 
chen ſchlechten Erfolg die Unternehmungen mehrerer brittis 
ſchen Actien= Gefellfchaften zur Bearbeitung der ſüdameri— 
Fanifchen Gold- und Gilberbergwerfe in den lezten Jahren 
gehabt haben, und welchen großen Verluften die Theilneh— 
mer daran preisgegeben worden find., Weniger befannt 
find die Urfachen davon. Daß fie großen Iheils, wo nicht 
gänzlih, in der völligen Unfunde der geograpbi- 
fhen Befhaffenheit jener Länder überhaupt, und der 
drtlihen Verhältniſſe insbefondere zu fuchen feyen, 
geht unter andern aus dem oben angeführten Neifeberichte 
des englifchen Capitäns Head hervor, welcher in den 
S. 1824 und 1825, im Auftrage einer brittifchen Berg- 
werfs- Gefellfchaft und in Begleitung mehrerer Bergleute 
aus Cornwallis, eine Neife nach den La Plata: Staaten 
und Chili unternahm, blos in der Abficht, die dortigen 
Bergwerfe zu befichtigen und zu unterfuchen, ob fie fich 
mit Vortheil durch europäifche Bergleute dürften bearbei- 
ten laffen. Ungeachtet der Verfaffer hier blos als Dritte 
und mit Beziehung auf fein Vaterland, namentlich auf Die 
3 


54 


Bergwerke von Cornwallis fpricht; fo halten wir doch, 
abgefehen von dem allgemeinen geographifchen Intereffe 
des Gegenftandes, eine kurze Mittheilung feiner Bemer— 
fungen auch für Deutfchland nicht überflüfftg, um fo mehr, 
da noch ganz neuerlich deutfche Bergleute unter glänzenden 
Verſprechungen zur Auswanderung nach Amerika verleitet 
worden find. 

Der plözlihe Aufſchwung und Untergang, fagt der 
Verfaſſer in der Vorrede, das unvermuthete Auftreten und 
Wiederverfehwinden fo vieler Bergmerks = Gefellfchaften, 
muß in der Fünftigen Gefchichte unferes Vaterlandeg fei- 
nen, wenn auch nur Fleinen, Plaz finden, und wenn das 
Entzüfen derer, welche gewonnen, und die Betrübniß 
derer, welche verloren haben, Längft vergeffen ift, wird 
der Gefchichtfchreiber ruhig die Urfachen des Entjtehens 
und Vergehens diefer Gefellfehaften unterfuhen. Daß 
große Fehler begangen worden, läßt fih nicht läugnen; 
eben fo wenig, als daß diefe Mißgriffe nicht blos auf ein- 
zelne Perfonen oder Vereine befchränkt gewefen, fondern 
gleich einer anftefenden Seuche alle Volksklaſſen ergriffen 
haben, und daß in den Verzeichniffen der Theilnehmer 
Perfonen des höchften Nanges und der beften Erziehung 
gefunden worden find. 

Indeſſen hat man durch die erlittenen Verlufte eine 
große, obwohl theuere Erfahrung gemacht und einfehen ge= 
lernt, daß Beides, fowohl die Errichtung ald der Verfall 
jener Bergwerks-Geſellſchaften eine gemeinfchaftliche Haupt: 
quelle habe, nämlich die Unbefanntfehaft mit dem Lande, 
welches zum ee. der großen ir be= 
ſtimmt wurde, . 

Denkt in Habe Hr. Head ©. 275, über die unges 
heuern Neichthümer, welche einige Bergwerke Amerika’s 


geliefert, und über die großen Summen nach, welche bei 


andern verloren worden; fo fieht man, wie fehwierig Die 
Unterfuchung folcher Gruben ift, auf deren Bearbeitung 





55 


ein anfehnliches Gapital verwendet werden fol. Man ver: 
fährt entweder zu muthig oder zu furchtfam. Im erften 
Falle baut man auf Hoffnungen, die nie in Erfüllung geben, 
im zweiten verliert man einen Gewinn, welchen Muth und 
Ausdauer dennoch mit der Zeit ficher herbeigeführt haben 
würden. Unſer Gemüth wird nie heftiger bewegt, und 
unfer Vortheil nie häufiger beftochen, als wenn es fich 
um den Erwerb der fogenannten „edeln Metalle“ Handelt. 

Wenn dies fhon der Fall in gefitteten Ländern ift, 
wo man fchäzbare Erfahrungen gefammelt hat, der zu un: 
ternehmende Bau mit andern blühenden oder zu Grunde 
gegangenen unmittelbar verglichen, und bei der ganzen 
Ausführung des Unternehmens mit vollfommener Sach— 
fenntniß zu Werfe gegangen werden kann: wie viel ſchwie— 
riger muß das Urtheil über die Bearbeitung einer beftimme 
ten Grube in einem weit entfernten, Faum halb gebildeten 
Lande und in einer Gegend ſeyn, der es an Einwohnern 
und Hilfsquellen mangelt, und zu welcher der Weg nur 
durch traurige Wüften und über unwirthbare Gebirge führt! 

Das Erfte, worauf man bei jeder Grube feine Auf: 
merffamkfeit zu richten hat, iſt ihre Gehalt an edeln oder 
fonft baumwürdigen Metallen. Diefen Gehalt hat man in 
England gewöhnlich blos nach dem Anblif und der Unter: 
fuhung einzelner Erzftufen beftimmt. Ein fehr irriges 
Derfahren! Micht die einzelne Stufe, fondern die ganze 
Mine muß unterfucht werden. Ein weiter Gang, in dem 
fich hier und da einzelnes gold= oder filberhältiges Geftein, 
fey dies auch noch fo reich, vorfindet, ift dennoch weniger 
baumwürdig, als ein Eleiner, aber durchaus mit edelm Erz 
erfüllter Gang, wenn Dies Leztere auch beträchtlich ärmer 


‚als jenes wäre. Ferner kommt e8 darauf an, ob die Grube 


nach der Tiefe hin an Reichthum zu- oder abnimmt. Ber 

fonders hätte man bei den füdamerifanifchen Bergwerfen 

nicht blos auf den Werth des zu Tage geförderten Metal- 

les, fondern auch auf die großen Koften der Bearbeitung 
3 Er 


36 


KRükficht nehmen follen. Man würde dann gefunden haben, 
daß das in den Anden gewonnene Silber, nachdem es den 
weiten Weg nach England gemacht hat, kaum noch fo viel 
werth ift, als hier eine gleich fehwere Eiſenmaſſe, und daß 
das aus England nad Buenos-Ayres und Ehili gefhikte 
Eiſen, wenn es dort anlangt, den Werth einer gleich 
ſchweren Gilbermaffe haben wird. 

Der Verf. unterfcheidet dreierlei Arten von Hinder- 
niffen und Schwierigkeiten, welche fi der Bearbeitung 
der Bergwerfe in den La Plata: Staaten, durch englifche 
Gefellfehaften, entgegen jtellen: phyſiſche, moraliſche 
und politifche, 

Die phufifchen find : erftens die großen Entfernungen, in 
welchen die dortigen Bergmwerfe theils von einander felbft, 
theils von den nächften Ortfchaften liegen, aus welchen fie 
ihren Bedarf an Arbeitern, Werkzeugen, Lebensmitteln ıc. 
beziehen; ferner die ſchlechten, ja felbft Höchft gefährlichen 
Wege, welche dahin führen; Flüffe und Bäche ohne Brü— 
fen; die Lage der Gruben felbft, mitten zwifchen hohen 
und unwirthbaren, einen großen Theil des Jahres mit 
Flafterhohem Schnee bedeften Gebirgenz die eigne Beſchaf— 
fenheit des Climas, namentlich der große Waflermangel 
während des Sommers, der das Anlegen von Wafchwer: 
fen und die Anordnung der Mafchinen verhindert; die 
nachtheiligen Wirkungen der Hize auf die Europäer; der 
ungeheure Weg, den das gewonnene Metall bis zum Ein- 
fhiffungshafen, durch eine wüſte und unfichere Gegend 
(die Pampas) zu machen hat, und welcher, von dem öſt— 
lichen Abhange der Andes bis Buenos: Ayres, mehr als 
1000 englifche oder 200 deutfche Meilen beträgt; endlich 
die Armuth der La Plata-Minen, verglichen mit denen 
- von Merico oder Per, 

Die moraliſchen Hinderniffe, auf welche die frem— 
den Unternehmer ftoßen, liegen: in der geringen Bevölke— 
rung der dortigen Gegend und in dem Charakter der an 


37 


Bildung gegen die Europäer noch fehr zurükſtehenden Ein- 
mwohner, indem die Neichern nichts von Gefchäften, und 
die Armen eben fo wenig etwas von ſchwerer Arbeit hören 
wollen, und beide Klaffen durchaus Feinen Begriff von 
einem Vertrage oder von pünktlicher Haltung desfelben 
haben; ferner die Wildheit und Naubfucht der herum: 
fehweifenden Gau os; der Mangel an Erfahrung bei den 
von der Gefellfchaft aufgeftellten Werfführern; die Ge— 
miüthsart und die Gewohnheiten der aus Europa hierher 
verfezten Bergleute, welche hier gerade fo arbeiten wollen 
wie zu Haufe, fich nur fehwer in die veränderten Verhältniffe 
fügen lernen, durch die gute Bezahlung zum Wohlleben und 
befonders zum Trunfe verleitet, oder durch die ungewohnte 
Hize träge, Fraftlos und krank werden; die Unmöglichkeit, 
fo weit aus einander liegende Werfe oft zu befichtigen, und 
daher die Nothwendigkeit, die Leitung der Arbeiten ſowohl 
als die Ausbeute unbewährten oder nicht gehörig unterrich- 
teten oder gebildeten Perfonen anzuvertrauen. 

Die politifchen Urfahen, warum die Bergwerke 
nicht blos von Buenos-Ayres, fondern auch von den an— 
dern füdamerikanifchen Nepubliken jezt nicht mehr mit dem 
Dortheil, weder von Europäern noch felbft von Eingebor: 
nen, bearbeitet werden können, liegen hauptfächlich in den 
neuen Staatöverfaffungen diefer Länder. Als diefe noch 
fpanifch waren, wurde der Bergbau nicht nur vorzugsmeife 
und mit Zurüffezung faft aller übrigen Gewerbszweige, 
fondern auch blos durch gezwungene Arbeiter betrieben. 
Gegenwärtig aber hat fich der Gewerbfleiß der Einwohner, 
fd weit er durch den Verkehr mit den Europäern, welche 
die Häfen diefer Länder befuchen, gewekt worden ift, auch 
auf andere nüzliche Befchäftigungen gerichtet, und die jün— 
geren Perfonen, welche fich den befchwerlichen Arbeiten des 
Bergbaues widmen follen, können nur durch hohen Lohn 
dazu vermocht werden. Nur einige ältere Eingeborne, von 
Jugend auf daran gewöhnt, bleiben bei dem alten Hand» 


38 


werke, und begnügen fi mit geringerer Bezahlung. Wäh— 
rend der langen Nevolutionsfriege haben die meiften Ars 
beiter, gezwungen oder freiwillig, ihre Gruben verlaffen: 
und find auf dem Schladhtfelde gefallen oder fonft durch 
das lange Soldatenleben dem vorigen Gefchäfte fremd ges 
worden. Der Preis der Arbeit ift alfo in diefen Ländern 
geftiegen, während der Preis der edeln Metalle und an— 
derer Minenerzeugniffe noch immer der nämliche ift. 

Befondere politifche Gründe, warum namentlid) in 
den DBereinigten: Staaten des La Plata die Bergwerfe 
nicht auffommen können, find: die Beftandlofigkeit und 
"Schwäche der jezigen Negierung; der geringe Gehorfam, 
welchen die entfernteren Provinziale Behörden den von der 
Hauptitadt ausgehenden Befehlen leiften; die Plakereien, 
welche die Bergmwerfsunternehmer von jenen zu erdulden 
haben; die Schwierigkeit für den Fremden, bei eintreten: 
den Streitigkeiten gefezlihe Hilfe und Necht zu erlangen 
u. dgl. m. 

Um einen Begriff von der Befchaffenheit der Berge 
werfe in den Anden zu geben, theilen wir des Verfaſſers 
Reife nach der zu Chili gehörigen Silbermine von San 
Pedro Nolasco mit, 

Sobald wir von der Goldgrube Caren, heißt es ©: 
214, nach Santiago (der Hauptftadt von Chili) zurükge— 
Eehrt waren, beftellten wir frifche Maulthiere, und mad 
ten und am nächften Morgen noch vor Tages Anbruch nad) 
der Gilbermine von San Pedro Nolasco auf den Weg, 
welche ungefähr 75 Cengl.) Meilen füdweftlicd von Santia— 
go, in dem Andes- Gebirge liegt, Einige wenige Meilen 
ging es durch Die Ebene von Santiago, welche durch die 
kühle Nachtluft verfrifcht war; danıı kamen wie an den 
Fuß des Gebirges und zogen, als ed ſchon Tag war, einige 
Stunden lang an dem linken Ufer eines ftarfen Bergftro: 
mes auf einem fteilen Pfade hin, der fenkrecht über dem 
Waſſer zu hängen ſchien. Viele Meilen weit war der 


59 


Weg mit Kirfch- und Pfirfihbäumen eingefaßt, deren reife 
Früchte fi bis auf den Boden herabfenkten. Die Erde 
war noch mit Kernen vom vorigen Jahre her bedeft, und 
wir ftellten Betrachtungen an über die Taufende Föftlicher 
Früchte, welche hier, ungenoffen von Menfchen, verdorren. 

Nach etwa 50 Meilen führte der Weg über eine Hän— 
gebrüfe aus Lederriemen, deren Fußpfad aus Flechtwerf 
beftand. Troz des heftigen Schwanfens derfelben kamen 
wir glüflich hinüber. 

Am nächften Morgen brahen wir aus unferm Nacht: 
lager fehon vor Sonnenaufgang auf und folgten vier bis 
fünf Stunden dem Laufe des Flußes. Das Thal wurde 
immer enger und die Bäume und Sträuche in dem Maße, 
als wir höher in's Gebirge hinauf kamen, immer Eleiner - 
und verfrüppelter. Ringsum fahen wir die Andes mit 
Schnee bedeft. Der Weg war an vielen Stellen äußerft 
gefährlich, und im buchftäblichen Sinne nur einige Zoll 


breit, auch überall mit Iofern Steinen bedeft, melde 


jeden Augenblif unter den Füffen der Maulthiere fortz 
und in die Tiefe hinabrolften. Gern wäre ich abgeftie: 
gen, aber es war Fein Plaz dazu vorhanden, und ich 
würde das Ihier aus dem Gleichgewichte und in die Ges 
fahr gebracht haben, in den Abgrund zu ftürzen. Das 
Leben des Neifenden ift bier am gefichertften, wenn er 
fi ganz feinem Maulthiere überläßt. 

| Nachdem wir zwei oder drei heftige Wildbäche über: 
fezt hatten, welche von den Gebirgen über uns in den 
Abgrund unter uns hinabftrömten, kamen wir zu einem, 
der fchlimmer ausfah, als alle bisherigen. Indeffen hatten 
wir nur die Wahl, entweder durchzuwaten, oder nad 
Santiago zurüfzufehren. Wir begannen die Maulthiere 
durchzutreiben; aber das erfte hatte Faum den Fuß hinein: 
gefezt, als es vom Gtrome fortgeriffen und die Kifte, 
welche es trug, zertrümmert wurde. Wir banden uns 
nun mit ledernen Niemen um den Leib feit und kamen nach 


40 


unfäglicher Gefahr, indem das Waffer an manchen Stellen 
bis über den Hals der Thiere ging, glüklich an's andere 
Ufer. Wer war froher als ih! Da unfer Leben in Lon— 
don fir eine große Summe verfichert war, fo dachte ich 
oft an die armen Verficherer, welche, wenn fie diefe ſchrek— 
lichen Bergpfade und diefe fürchterlichen Ströme gefehen 
hätten, gewiß von ganz andern Empfindungen befeelt. wor: 
den wären, als diejenigen find, mit welchen fie an ihrem 
Pulte die zu gewinnenden Procente berechnen. 

Der Weg wandte fi) nun füdlih, und wir erftiegen 
jezt den Berg San Pedro Nolasco, melden ich nicht 
beffer befchreiben kann, als wenn ich ihn den fteilften unter 
allen Bergen nenne, die wir auf der ganzen Neife durch 
die Anden bisher überftiegen hatten. Fünf Stunden lang 
mußten wir uns unaufhörlich an den’ Dhren oder dem Halfe 
unferer Maulthiere anhalten. Endlich kamen wir über die 
Gränzen der Vegetation hinaus. Der Pfad ging in Zikzak 
und war oft Faum zu erkennen. Wäre eins von den vor- 
dern Thieren gefallen, fo hätte es alle nachfolgenden mit 
fih in den Abgrund hinabgeriffen. 

Summer hatten wir beim Hinauffteigen den Führer ges 
fragt, ob die Spize, die wir über uns fahen, ſchon der 
Gipfel des Gebirges fey; aber ald wir oben waren, fanden 
wir, daß es noch höher hinaufging. Zu beiden Geiten 
des Weges erblikten wir Gruppen von Eleinen hölzernen 
Kreuzen, welche die Stellen bezeichneten, wo Bergleute 
von Stürmen überfallen worden und zu Grunde gegangen 
waren. Endlich langten wir glüflich auf dem Gipfel des 
Berges an, und befanden uns bei der Gilbergrube von 
San Pedro Nolasco. Bor uns ftand eine Fleine ein- 
fame Hütte, und wir wurden von zwei oder drei ganz 
elend ausfehenden Bergleuten empfangen, deren blaffe Ge— 
fichter und abgemagerte Leiber mit der Befchaffenheit der 
umliegenden Bergfläche vollfommen übereinftimmten. Die 
Ausſicht von diefer Höhe war erhaben, aber zugleich fo 





1 


ſchreklich, daß uns alle ein unwillkührlicher Schauer 
befiel. 

Obſchon es mitten im Sommer war, fo lag doch der 
Schnee, nach der Verfiherung des Werfauffehers, an den 
Stellen, wo ihn der Wind zufammengetrieben hatte, zwan— 
zig bis hundert und zwanzig Fuß tief, während an andern 
Orten das fehwarze Geftein zu fehen war, Unter uns lag 
in fehauerlicher Tiefe das Ihal des Maypo⸗-Flußes, deffen 
zahlreiche Nebenflüffe wir gleich filbernen Fäden ſich durch 
die Felsfhluchten winden ſahen. Wir hatten von unferm 
Standpunfte aus eine Ueberſicht der ganzen Andenkette, 
wie fie nur der Condor in feiner Iuftigen Höhe haben kann, 
und bliften auf eine Menge von Berggipfeln hinab, die 
fämmtlih mit ewigem Schnee bedeft waren. Ningsum 
bot die ganze, von allem Pflanzenwuchfe entblöste Lande 
fchaft das Bild einer vollendeten Wüfte dar. Aus einem 
der nahen Berggipfel flieg eine dife Nauchwolfe empor: 
e8 war der Dulcan von San Francisco, und die Silber: 
grube vor und ſchien und zu dem Herde diefes Feuerberges 
führen zu wollen. 

Was für ein fchreflicher Aufenthalt muß diefe Ge— 
gend nicht erft im Winter ſeyn! dachte ich, und erfundigte 
mich im diefer Beziehung bei dem Führer und den Berg- 
leuten. Sie deuteten auf die Kreuze, welche man nad) 
allen Richtungen fah, und fagten mir, daß, obwohl die 
Mine im Winter fieben Monate lang unzugänglich fey, 
die Arbeiter doch das ganze Jahr fich hier aufhielten. Die 
Kälte fey äußerit heftig; was man aber am meiften zu fürch- 
ten habe, feyen die fehreflichen Temporales oder Schnee: 
ſtürme, welche fo plözlich einträten, daß ſchon viele Per: 
fonen davon überfallen und begraben worden feyen, wäh— 
rend fie Faum noch hundert und fünfzig Schritte von der 
Wohnung entfernt geweſen. .... Befonders die eine 
Gruppe von Kreuzen verewigte eine fehr traurige Begeben- 
heit. Während eines ungewöhnlich ftrengen Winters was 


42 


ren die Lebensmittel der Bergleute, meiſt aus Dörrfleiſch 
(mit Salz eingeriebenem und an der Sonne getroknetem 
Rindfleiſch) beſtehend, auf dem Punkte auszugehen, und 
einige von den Arbeitern unternahmen, um ſich und die 
Uebrigen vom Hungertode zu retten, eine Wanderung über 
den Schnee nach dem Maypo-Thale hinab. Sie hatten 
kaum die Hütte verlaſſen, als ein Schneeſturm kam und 
ſie bedekte. Die Kreuze ſind gerade an der Stelle aufge— 
richtet, wo man die Leichname ſpäter gefunden hat. Sie 
lagen alle feitwärts von dem Wege; zwei dicht neben eine 
ander, ein dritter zehn Schritte davon, und ein vierter 
auf einem Felfenblof, den er wahrfcheinlich erftiegen hatte, 
um nach der Hütte um Hilfe zu rufen. 

Ein eiskalter Schauer überfiel mich, und ich murde 
mit tiefem Abfchen für das Gefchäft ergriffen, Das ich 
übernommen babe; ich erſchien mir jezt nur noch als ein 
Diener niedriger Gewinnſucht, welche feinen Anftand 
nimmt, ihren Zweken Menfchenwohl und Menfchenleben 
zu opfern. 

Don den Gruben, weldhe auf San Pedro No 
la8co fonft bearbeitet wurden, ift feit langer Zeit nur 
noch eine im Bau, und diefe wird blos von einigen weni— 
gen Perfonen ganz nach der alten fpanifihen Art betrieben, 
an welche die eingebornen Bergleute von Jugend auf ge: 
wöhnt find. 

Wir mußten in den Schacht auf eingeferbtem Pfla= 
fter hinabffettern, wie fie überall in den amerikanifchen 
Bergwerken, ftatt der Leitern (Fährten) gebräuchlich find. 
Nachdem wir am 250 Fuß hinabgefommen waren, führte 
uns ein wagrechter Weg zu der Stelle, wo die Leute ars 
beiteten. Es war zum Erftaunen, mit welcher Kraft fie 
ihre fehweren Hammer ſchwangen, und mit welcher Aemftge 
Eeit fie zu Werke gingen. As wir Alles befichtigt und 
mehrere Stufen gefammelt hatten, ſtiegen wir, in Beglei— 
tung mehrerer mit Erz belafteten Träger vor und hinter 





45 


und auf dem vorigen Wege wieder hinauf. Diefes Hinauf: 
Flettern war Außerft befchwerlich und ermüdend, um fo 
mehr, da die Leute hinter und, melde mit einem Stok 
verfehen waren, in deffen gefpaltenem Ende ein brennendes 
Licht ftefte, und unaufhörlich antrieben, vorwärts zu gehen 
und fie nicht aufzuhalten. Nur an gewiffen Stellen gab 
der vorausfteigende Anführer durch einen Pfiff das Zeichen 
zum Ausruhen, welches aber nur einige Secunden dauerte. 
Wäre er ausgeglitfcht, fo hätte er durch feinen Fall uns 
alle zufammen in die Tiefe mit hinabgeriffen. 

Ganz erfchöpft kamen wir endlich an der Mündung 
des Schachtes an. Da die Sonne fchon Fängit unterge- 
gangen und wir fehr erhizt waren, fo flüchteten wir uns 
vor der Falten Nachtluft in die Hütte, und fezten und um 
den Tifch herum, auf welchem unterdeflen eine Malzeit 
bereitet worden war. Nachdem wir uns geftärft hatten, 
fohifte ich nach einem der Träger mit feiner Ladung. Ich 
verfuchte fie von der Erde aufzuheben, war es aber nicht 
im Stande, und als fie mir von einigen meiner Begleiter 
auf die Schultern gelegt worden, konnte ich nicht einen 
Schritt damit vorwärts gehen. Eben fo wenig Fonnten 
dies unfere Bergleute, und nur dem.einen, welcher unter 


- die ftärfften Männer Cornwallis gehörte, gelang es mit 


großer Mühe. 

Die Hütte war mit einem fchlechten Talglichte ers 
leuchtet, das in einer Flafche ftefte; kaum drei Schritte 
davon lag ein lederner Sak mit Schiefpulver. Wir faßen 


in einer Efe auf unſern Sätteln und tranken Waſſer mit 
Branntwein. Unterdeſſen waren die Arbeiter, die wir im 


Schacht geſehen hatten, abgelöst worden, und kamen 


ebenfalls in die Hütte, Ohne fich im mindeften um uns 


zu befümmern, fchritten fie zur Bereitung ihres Nachtmals. 
Sie nahmen die Lichter aus ihren Stäben, fteften ein 
Stük Dörrfleifeh in die Spalte, hielten es eine Zeit lang 
über die heiße Afche am Boden, verzehrten es dann und 


44 


tranken dazu aus einem Kühhorn geſchmolzenes Schnee: 
waffer. Als dies vorüber war, ftreften fie fich auf ihre 
Schaffelle Hin und pflegten der Ruhe. Keiner ſprach ein 
Wort mit dem andern. Einige bliften ſtarr auf den Afchen- 
haufen, während -die Andern ihren Gedanken nachzuhängen 
fhienen. Sch gab ihnen all meinen Branntwein und fragte 
fie, ob fie nicht auch dergleichen hätten. Sie antworteten, 
mie gewöhnlich, daß die Bergleute keinen trinken dürften, 
und fihienen fih über diefes Verbot nicht fonderlich zu 
haͤrmen. 

Welcher Contraſt ihrer Lage mit dem unabhängigen 
und fröhlichen Leben des halbwilden Gaucho! Wie war 
es möglich, daß ſich dieſe Leute freiwillig einem ſo be— 
ſchwerlichen und elenden Berufe widmen konnten! 





Auszug aus dem Tagebuche der Geſandten des 
Böhmenkönigs Georg an Ludwig XI., König 
von Franfreih, im J. 1464. 


Wie unvollftändig, lükenhaft, und ſelbſt in dem, was 
man für abgethan hält, oft unbegründet die Geſchichte un: 
feres Baterlandes ift, fühlt jeder nur zu fehr, der mit 
hiftorifchem Geifte prüft, was in diefem Felde bereits ift 
geleijtet worden. Micht nur daß, wie bei allen Völkern, 
die Urzeit in ein chaotifches Dunkel gehüllt ift, ſelbſt in 
weit fpäteren Zeiträumen ftößt der Gefchichtforfeher auf 
Lüken, ſtößt auf Berichte, in denen nicht die Stimme der 
Wahrheit, fondern Leidenfchaft, Parteilichkeit fich verneh— 
men läßt. Wohl ift noch manche Quelle, aus der wir 
hiftorifche Wahrheit fchöpfen können, verborgen, und Dank 
verdient, wer fie auffindet und zugänglich macht. Viele 





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45 


find leider verfiegt oder verfchüttet durch Bosheit oder In: 
dolenz. 

Befondere Aufmerkffamfeit verdient ein Fund, den 
Hr. Palacky im Archive der Fönigl. Stadt Budweis ge 
macht, und den er im erften Hefte der böhmifchen Zeitz 
fehrift des Mufeum dem Publikum mitgetheilt. Für jene, 
denen unfere Mutterfprache fremd iſt, fey diefer Auszug 
beftimmt, worin wir nur die für Gefchichte, oder für die 
Charakteriſtik der Zeit bedeutendften Züge ausheben wollen. 

Die Stellung König Georgs zu feiner Zeit, zu feinem 
Lande, zu den Nachbarftaaten, zur Kirche, ift befannt, 
und wie ſchwierig fie war, weiß jeder, der feine und feiner 
Seit Gefchichte nur einigermaßen Fennt. Die ihn bisher 
neben ſich, vollends die ihn fich gegenüber fahen, Fonnten 
es nicht ertragen, ihn über fich zu fehen, und feindeten 
ihn an. So murde er denn in Nom angeklagt, daß er 
fi) immer mehr von dem Gehorfam der Nechtgläubigen 
gegen den apoftolifchen Stuhl entferne, und fein fcharfer 
DIE fah die Stürme, die ſich von allen Seiten gegen fein 
Haupt, das faft nur der Krone Lat, beinahe nie ihre 
Freunden fühlte, erhoben. eine vorforgende Klugheit 
fann bei Zeiten auf Mittel, den Sturm zu befchwören, 
und ein friedliches Vernehmen mit dem heiligen Vater ſo— 
wohl ald mit den benachbarten Königen und Fürften wie: 
der herzuftellen. } 

Wie die chriftlihe Kirche fih in ihren Vorftänden 
verfammelte, um ihre Angelegenheiten zu berathen, die 
Spaltungen auszugleichen, die Irrthümer und Unordnuns 
gen jeder Art zu befeitigen; fo follten auch, nach Georgs 
Meinung, — der an Einficht und Ihatkraft feinen Zeitges 
noffen überlegen, groß im Leben, noch größer im Tode 
fih bewährte, — die weltlihen Monarchen der Ehriften: 
heit zu beftimmten Zeiten ſich zu einem Fürftentage ver: 
fammeln, dort ihre Zwifte als vor einem tribunal parium, 
Gerichtshofe von pairs, vor dem Gedinge Gleicher, Eben: 


46 


bürtiger, ausgetragen, und auch die Anftände zwifchen der 
weltlichen und geiftlihen Macht, zwifchen Staat und- 
Kirche beigelegt werden. Der Krieg mit all feinem un: 
feligen Gefolge follte verbannt feyn aus den Herzen hrift: 
licher Fürften, follte nicht mehr Völker und Länder zer: 
fleifchen und verwürten, er follte nicht mehr die beften 
Kräfte aufzehren, Die weit fegenreicher zum Wohle der 
Nationen anderwärts verwendet werden könnten. Das 
Uebel, das Heinrich IV. die Hohenftaufen traf, das Böh— 
men Eurz zuvor, und leider noch damals zerfleifchte, follten 
Eommende Gefchlechter nie mehr fchauen. Nationalhaß, 
Mißtrauen, Groll, Furcht follten verfchwinden. Gewiß 
eine große, ehrwirrdige Idee. Und wie fehr ftimmte fie zu 
Georgs eigenem Vortheil und Bedürfnig! Vor einem 
folhen Gerichtöhofe Fonnte er fich gegen die, Stimme der 
Verleumdung, die nur im Geheimen, nur durch niedrige 
Kanäle fchleichen mag, zu rechtfertigen, feine Unfchuld 
darzuthun, und felbft vom römifchen Stuhle Billigfeit und 
Anerkennung, und wenn die Wahrheit geprüft wide, auch 
Gunft zu erlangen hoffen. 

Schon im J. 1465 befchäftigte, ihn diefer Gedanke, 
und er bemühte fih, die mächtigern Fürften dafür zu ges 
winnen. Antonio Marini de Grazioli, des Königs Rath, 
ein italienifcher Edelmann, beinahe an allen Höfen Euro: 
pa’s befannt, ein gewandter Staatsmann, verhandelte 
diefen Plan, und wurde gegen dad Ende des benannten 
Sahres heimlich an Eudwig XI. abgefandt. Diefer hatte 
eben das Königthum in Frankreich befeftigt, fich über den 
Tadel der Zeitgenofien hinwegfezend, und eben das fo ges 
lungene Streben diefes Fürften, feine Macht, fein Anfehen, 
liegen unfern Georg hoffen, er fey der Mann dazu, diefe 
Idee in’s Leben zu rufen. Auch Matthias Corvin, fein 
Eidam, und Gafimir von Polen, gaben dem Plane ihren 
Beifall, und verfprachen ihn zu unterftizen. Hierauf 
ordnete er im folgenden Jahre eine feierliche Gefandtfchaft ° 


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an den König von Frankreich, mit deffen Ahnherrn die 
böhmifchen Könige aus dem Haufe Lüzelburg bekanntlich) 
in frenndfchaftlichen Verhältniffen ftanden, denen fie auch 
in dem unheilvollen Kampfe mit England manches Opfer 
gebracht, um die alten freundfchaftlichen Verträge zu er— 
neuen, und diefes wichtige Gefchäft zu betreiben. 

An der Spize der Gefandtfchaft fand Albrecht Koſtka 
von Poftupic, damals Vogt der Mark Laufiz, einer von 
Georgs getreueften und gefchikteften Räthen; ihm zur 
Seite der darin ſchon vielverfuchte Grazioli. Auf vierzig 
Noffen ritt das Gefolge, meift Koftka’s eigener Hofitaat, 
Panoſche, Edelfnappen genannt, deren einer Namens Ja— 
roslam eben Diefes Tagebuch führte. Der Erfolg der Ge: 
fandtfchaft ift bekannt durch die öffentliche Urkunde des 
Königs von Franfreich, die fhon Goldaft in feinem Buche 
von den Rechten und Privilegien des Königreichs Böhmen 
berausgab. Darin vereiden fich die beiderfeits mit gehö— 
rigen Vollmachten verfehenen Gefandten im Namen und 
auf das Gewiffen beider Könige dahin: quod a modo fu- 
turisque temporibus dicti Keges inter se invicem amo- 
rem, dilectionem et fraternam charitatem mutuo obser- 
vabunt, eruntque fratres, amici et colligati perpetuis 


 temporibus, taın pro bono, utilitate et honestate regno- 


zum personarumque suarum, quam fidei catholicae et to- 
tius reipublicae christianae. Der in Antrag gebrachte Für: 
ftenbund aber Fam weder damals noch) fpäter zu Stande, weil 
die geiftlichen Näthe Ludwigs dazu nicht ffimmen wollten. 
Ob nicht diefe Verhandlungen in dem Stammpvater 
der gegenwärtigen Dynaftie Heinrich IV., deffen Stellung 
viel Aehnlichkeit Hatte mit der unferes Georg, die befannte 
Idee feiner respublica christiana angeregt haben, iſt 
fhwer zu beftimmen. Unferem Jahrhundert war es vorbe— 
halten, Georgs Idee zur That geworden zu fehen durch den 
heiligen Bund der mächtigften Herrfcher des hriftlichen Eu: 
ropa's. Doc, nun wollen wir den Jaroslaw vernehmen. 


48 


Am Mittwoch nach St. Sophia (46. Mai) um die 
dreizehnte Stunde (der großen oder italieniſchen Uhr) fuh— 
ren wir von Prag über Beraun, Pilſen, Tachau, wo 
wir bei Hrn. Burian (von Guttenſtein ?) über den Pfingft: 
fonntag (20. Mai) bewirthet wurden. Die Mönde in 
Waldfaffen empfingen uns gaftfreundlich. Vor dem Stifte 
etwa eine halbe Meile begegnete und ein Haufe deutfcher 
Krenzfahrer, der gegen die heidniſchen Türken zog. Sn 
Wunftedl, einer Stadt des Markgrafen von Brandenburg, 
wo wir übernachteten, fah man uns fcheel an. Man be 
wahrt dort Büchfenkugeln, welche einft die Böhmen in die 
Stadt geworfen (in den Huflitenfriegen), und die als 
Heiligthümer an Ketten an der Kirche hängen. Auf dem 
Wege von dort nach Baireuth nahmen wir den Morgenim: 
big zu Fars (?), wo ein Priefter uns Wein, Bier, Brod, 
Heu, alles pfundweife und fehr theuer verkaufte, Daß wir 
zwei ungarifche Goldgulden (Ducaten) zahlen mußten. 
Das fehöte Nachtlager hielten wir zu Gräfenderg, einem 
zur Krone Böhmens gehörigen ummauerten Gtädtchen, 
das zwei Nürnberger Bürger als Lehn befizen. In Nürn— 
berg wurden wir mit zwölf Humpen mälfchen, Franfen- 
und anderen Weines beehrt. Man zeigte und die Stadt 
und aud das Schloß. Da ging ein Priefter mit dem 
Leibe des Herrn über den Marft weit in eine Gaffe, und 
Niemand folgte ihm, ja einer vitt fogar diefelbe Straße, 
der St. Urban vorftellen wollte (ed war gerade Urbans— 
tag, 25. Mai), viel Volk mit einer Fahne, Männer und 
Weiber, zog hinter ihm, und Keiner blikte den Priefter 
an, oder beugte die Knie; aber an den Wirthshänfern 
zechten fie. (Darüber hält fich der Böhme auf!) In Ans 
fpach, wo der Markgraf von Brandenburg Hof hält, fpeis 
ften wir an der fürftlichen Tafel; Hr. Koftfa und Antonio 
ritten mit dem Markgrafen auf die Jagd, der und aud) 
in die Gemächer feiner Gemahlin führte, was Wenigen 
widerfährt, Auch gab uns der Marfgraf ein Geleite zu 








ui - 


49 


den Grafen von Wirtemberg, zu denen wir über Dünfels: 
bühl und Schwäbifh- Gmünd, Canftadt nad) Stuttgard 
zogen. Dort Iuden uns viele ſchöne Frauen und Jung: 
frauen ein, fie zu befuchen; andere kamen mit Gürteln 
und Dorfen, die fie zum Verkauf anboten, fo daß Herr 
Bawor (von Barau?) bedauerte, verheiratet zu feyn. (Be: 
Fanntlich wurde ftrengere Zucht von Umverehlichten weni: 
ger gefordert.) Bon hier erhielten rir ein Geleite bis 
Pforzheim, von wannen wir am Sonntag (3. Juni) in 
Baden anlangten. Der Markgraf fandte uns Wein und 


- Wildpret, und lud uns den folgenden Tag zur Tafel, wo 


er und die Marfgräfin, des Kaifers (Friedrich IV.) Schwe— 
fter, uns fehr beehrten. Wir badeten uns in den Warm: 
quellen, und unfere Genofjen tanzten mit der FZürftin und 
ihrer Tochter, und beim Ave-Läuten knieten alle, jeder mit 
feiner Tänzerin, nieder. 

Don da zogen wir mit Geleite und einem Empfehl 
vom Markgrafen gen Straßburg, wo ung die ftolzen Stadt: 
herren willfommen hießen, mit Wein und Fifchen beſchenk— 


ten, und nach dem Befinden unferes gnädigften Herrn und 


Königs fragten. Und fie fagten dem Hrn. Koftfa, daß 
wir ungefährdet nicht durchfommen würden, mögen wir 


den Rhein hinab nach Köln, oder ftromaufwärts fahren, 
und fie trugen uns 50 oder 100 Neifige zu Noß an, die 


uns durch die Päſſe geleiten follten, und warnten ung bes 
fonders vor dem Grafen Hans von Ebersburg, der, wie 
wir auch in Eonftanz nachher erfuhren, auf den Bergen 
uns auflauerte; Doch bei unferer Vorficht mochte er ung 
nichts anhaben. Er Fam auch in unfere Herberge nach 
Straßburg, ſprach viel verftelltermaßen mit Hrn. Koitka, 
doch Fonnte ich nicht alles bemerken, und es aufzeichnen. 


Mit 50 rüftigen Neitern, darunter 28 Ranzenfnechte, zogen 


wir bald nach Mitternacht ftromaufwärts 6 Meilen bis 

Schlettſtadt, wo wir frühftükten, und dann gen Villa, 

was den Straßburgern gehört, wo, erhaltener Warnuns 
4 


50 


gen zu Folge, die 50 Neiter noch eben fo viel Knechte zu 
Fuß dungen; und Antonio fehrieb in franzöfifher Sprache 
an den Hauptmann des Herzogs von Lothringen um Ge- 
leit, der uns denn auch 50 Fußfnechte an die Gränze ent- 
gegenfchifte. So zogen wir nach St. Diez, dem Herzog 
von Lothringen gehörig, der Vaſall der Krone Frankreich 
ift, und damals war es der Sohn des Königs von Sici— 
lien. Don bier geleitete uns befagter Hauptmann über 
Raon bis Lenftadt (Luneville). Wir zogen gen Zoul, 
wo ein Bifchof Hof hält, ein junger Mann, des Marfchalls 
in Dienften des Herzogs von Burgund Sohn. Dann ging 
es über St. Aubin (2?) nach Bar le duc, wo der König 
von Sicilien, vermuthlich Johann Heinrich d'Anjou, Res 
nes, den die berüchtigte Johanna adoptirt hatte, Sohn, 
Prätendent gegen Ferdinand von Arragon, feinen Hof hielt. 
Hier wurden wir mit Ehren empfangen, erhielten Audienz, 
und Hr. Koftfa und Antonio befprachen ſich lange in des 
Königs Cabinett, und erhielten auch ein Antwortfchreiben. 
Am St. Veitötage (15. Juni) fuhren wir nach Schu: 

miz (2?) in der Champagne; das Land hat wenig Wafler, 
Wälder und Dörfer, der Boden ift Freidigt, Häufer, Kir- 
che und andered Gemäuer ift von Kreide. Hierauf Famen 
wir nach Rheims, wo in der fehönen Marienkirche die Kö— 
nige gefalbt werden. In St. Denis legen fie dann die 
Gewänder Karls des Großen an, und werden endlich. in 
Paris gefrönt (?). Hr. Antonio meinte, die Stadt fey 
wohl fo groß wie Prag, worin ich ihm aber nicht beiſtim— 
men Eonnte. Den folgenden Tag kamen wir über die Sana 
(nicht die Seine, wie Jaroslaw glaubt, fondern die Aisne — 
Aſna — die mit der Dife verbunden, unterhalb Paris in die 
Seine mündet) nad) Laon, wo man die Leute gefchift um 
ihr Geld bringt; es war dort ein Wallfahrtsort, Ueber 
St. Quintin, Lihons, Corbie Famen wir in drei Tagen 
nach Amiens, wo wir den König von Eypern ſah'n, und 
da erft erfuhren wir, wo fi) König Ludwig aufhält; denn 





51 


er zog auf Jagden umher, ohne irgendwo lange zu verwei- 
len. Den Morgen (22. Juni) fuhr Antonio mit feiner 
Dienerfchaft und mit Jaroslaw nach St. Pol, einer be: 
deutend Eleinern Stadt, als Böhmifchbrod, dem Herzog 
von Burgund (Philipp dem Guten) gehörig, mit einer 
Burg darin, zum Könige. Antonio bat ihn, zu beſtimmen, 
wo und wann er unfere Botfchaft vernehmen wolle. Cr be: 
ſchied uns nad) Abbeville, wo er fpäteftens Mittwochs (27.) 
eintreffen werde. Dahin fuhren wir denn; doch der König 
kam nicht, fondern nach Dumpir (?), einem Dorfe, in deſſen 
Nähe mitten zwifhen Sümpfen eine Vefte fteht. Dorthin 
war auch die Königin mit ihrem Bruder, dem Könige von 
Enpern (vermuthlich Ludwig von Savoyen?) gefommen. Ans 
tonio ging dahin, und wir wurden auf den 50. Juni beſchie— 
den. Den 28. bewirthete Hr. Koftka einen Rath des Herzogs 
von Mailand und einige ältere Bürger, die fich wunder: 
tem, dag wir Böhmen fo gut zu tafeln veritehen. Endlich 
gingen wir nach jenem Jagdſchloſſe, Antonio mit noch 
jiveien voran, um die Stunde zu erfragen; und etwa 4 
Uhr des Nachmittags (nach der Prager etwa um die. 20fte 
Stunde) fam er zurüf, worauf wir zum Könige ritten, 
und einer von den Großen des Hofes mit Nittern kamen 
uns vor dei Dorfe entgegen, der und zu feiner Wohnung 
führte. Wir gingen nun zur Veſte, und mußten ziemlich 
lange warten, ehe man uns vorließ. Hr. Koftfa überreichte 
fein Ereditiv vom Könige von Böhmen, Antonio vom uns 
garifchen und polnifchen, die der König, den vom böhmi— 
fhen zuerft, feinem Rathe felbit vorlas, und dem Hrn. 
Koſtka und Antonio Size anwies, die fie nicht eher ein— 
nahmen, bis man ihnen bedeutete, fo fen es Sitte, Fönige 
liche Gefandte zu empfangen. Hr. Koftfa, von zwei Räs 
| then bedeutet, kurz feines Auftrags ſich zu entledigen, ſprach 
an eine Stunde, wie e8 ihm leichter wäre, ritterlich zu 
wagen, als vor fo einem mächtigen Könige zu fprechen, 
| wie der König von Böhmen ihn bitte, als den alferchrift- 
| 4* 


52 
lichſten, und für das Geſammtwohl des chriftlichen Glaubens 


beforgten König, ‚eine Verfainmlung aller chriftlichen Mo: 


narchen zu Stande zu bringen, daß fie perfünlich, oder ihre 
Käthe mit Vollmacht zufammen träten, und mehr, was 
ich nicht Wort für Wort verzeichnen Eonnte. Auch Antonio 
fprach Iatein im Namen des Polen = und franzdfifch im 
Namen des Ungarnfönigs, weit mehr noch ald Hr. Koſtka, 
wie am Hofe des Lezteren einige Bifchöfe ihn in Bann 
thun wollten, was er dort über König Ludwig gehört, 
wie der Papft ihn getadelt, und von feinen Begegniffen in 
Polen, und wie ed ihm erging, da er von Franfreicd an 
die Herren von Venedig gefandt war; wie Die Könige, 
das Volk, infonders ihm dem Könige von Frankreich und 
feiner Krone, und auch die von Venedig, infonders die 
böhmifchen Barone zugethan wären. — Der König erwies 
derte durch feinen Kanzler, die Sache fey wichtig, fordere 
Erwägung, und hieß uns den Befcheid in Abbeville abwarten. 

Der Patriarch von Ferufalem, der Bifchof von Broi— 
con (Bloid?), der Kanzler und andere Näthe Famen von 
dem Könige zur Stadt, fandten fehr oft nad) Hrn, Anto- 
nio, und fritten mit ihm, infonders wegen des Fürften- 
tages und anderer Dinge, und forderten Vorweiſung der 
Vollmacht. Diefe wollte Hr. Koftfa nur dem Könige felbit 
überliefern, doch wollte er dann zu den Näthen damit hin— 
gehen. Antonio aber ftellte ihm vor, «wie man gegen ihn 
(Koftka) nicht fo vertraulich fich äußern werde, daß es fo 
Sitte fey des Königs, bis er fie ihm endlich übergab. 
Abermals erhob fich viel Streit, daß unfere Vollmacht 
nur auf Erneuerung der Verträge laute. Einige Tage dar— 
auf befchieden fie uns in die Wohnung des Kanzlerd, und 
nur die beiden Herren wurden zu den Näthen eingelaffenz 
Ruprecht, Wenzel Strachota und ich horchten am Fenfter, 
wie fie ftritten: das ftehe dem König von Böhmen nicht 
zu, zumal ohne Zuftimmung Sr. Heiligkeit des Papites 
und des Kaifers der Chriſtenheit; am eheiten komme es 








55 


diefen zu, folches zu verhandeln, und daß felbit diefes 
Freundfchaftbindnig ohne Vorwiſſen des heiligen Vaters 
nicht follte gefchloffen werden, und folcher beigenden Neden 
mehr. Antonio ereiferte fich fehr und fchalt mit lauter 
Stimme. 

Auch Hr. Koftka entgegnete, daß wir wohl beachten, 
was dem heiligen Vater zufteht, und Faiferlicher Majeftätz 
aber wunderbar ift es, fprach er, daß ihr Prüälaten es uns 
gerne fehet, wohl auch nicht zulaffet, daß wir Laien etwas 
Gutes unter und felbft ausmachen, fondern alles fol durch 
eure Macht und eure Würde gehen, und von allen weltlie 
hen Dingen follt ihr geiftlihe Herren wiffen. Ferner 
fagte er: Freundfchaft könne man pflegen mit wen immer, 
ohne Jemandes Erlaubniß zu bedürfen. Das fprach er 
deswegen, weil man gefagt hatte, es zieme fich nicht, mit 
dem Böhmenkfönige fi) zu befreunden, dieweil er im Banne 
des Papftes fey; und weil man fogar hinter unferm Rüken 
von Böhmen aus gefchrieben hatte, vom Könige und von 
der Königin, und von uns, feinen Machtboten, daß wir 
alle Kezer find, und des Schändlichen noch mehr, wie es 
und Ludwigs Näthe felbft entdeft. Ach Tieber Gott, laß 
fie zur Erkenntniß fommen, und erleuchte fie, auf daß fie 
ja nicht mehr auf Unheil und Schmad der Krone Böheims 
binftreben! 

Am St. Margarethentage (10. Juli) Fam der König 
nach Abbeville, und er hat nie erfüllt, was er ung gefagt; 
denn er fam um eine Woche fpäter, und auch das Ber: 
fprechen, uns binnen ſechs Tagen abzufertigen, bielt er 
nicht. Er befchied uns nach Dieppe, einer recht hübfchen 
Stadt an der Kite, Doch wegen des Fifchgeruches unge: 
fund; auch find in der Nähe Salzfiedereien. Dahin fuhren 
wir nun mit dem Könige, der aber unterwegs in Sentrin 


Mittagsruhe (Sieſte) hielt, wo wir nicht einmal Brod be- 
Famen.. Da beginnt die Normandie. Der König bezog 


des Morgens ein Schloß, am Abhang eines Berges gele— 


54 


gen, weder feſt noch ſchön, wohin man uns befchied, weſſen 
fih Hr. Koftfa jedocdy weigerte. Den 15. Juli zog der 
König auf die einfame Veſte eines Bürgers von Dieppe, 
Nouville, wohin man uns befhied. Doch nur Hr. Koftka, 
Antonio, und andere Näthe waren zugegen, und der erftere 
wurde in den Geheimenrath des Königs aufgenommen, und 
erhielt einen Majeftätsbrief, um aller Vortheile und Ge— 
rechtfame als höchfter Nath theilhaftig zu feyn, und wurde 
darauf vereidet. Ein Gleiches erwarb er auch für den Bi: 
ſchof Jodoc (Jobſt von Rofenberg) von Breßlau, und ſchwur 
an feiner Statt, bis diefer den Eid in die Hände eines 
Rathes von Ludwig ſchwören würde, der um Aller Heili— 
gen nach Böhmen kommen follte. Da gebot der König 
dem Patriarchen und Bifchof, die Briefe und Verträge 
ungefäumt anszufertigen, und wie Hr. Antonio fagte, fol 
er zu den Bifchöfen gefagt haben: Gey es wen immer 
lieb oder unlieb, ich will mit dem Könige von Böhmen 
in Freundfchaft ftehen. Hierauf nahm Hr. Koftfa Abfchied 
yom Könige, und wir fuhren nach Dieppe zurüf, 

Den Tag darauf zeigte man uns die Verträge und 
Bundesbriefe nach ihrem Belieben, die aber in vielen Ar: 
tifeln mißfielen; darum verlangte man die Zufammenfunft 
aller Räthe auf Morgen, den Dinstag. Da fam man 
denn in der Wohnung des Patriarchen zufammen, wo die: 
fer behauptete, der uns vorgewiefene Brief genüge. Dem 
widerfprah Hr. Koftfa, weil darin zur ausdrüflichen Be: 
dingung gemacht wurde, daß dieſes Freundfchaftbündniß ° 
feineswegs dem Herzoge von Burgund entgegen feyn folle, 
infonders in Betracht der Graffchaft Lurenburg, indem er 
ausführlich darlegte, wie der Vater des izigen Königs 
(Karl VII.) diefe Ländereien von der polnifchen Königin 
gekauft um 60,000 Ducaten, und wie König Ludwig fte 
feinem väterlichen Freunde, dem genannten Herzoge (Lud— 
wig von feinem Vater verwiefen, hatte an Philipps Hofe 
Schuz gefunden) geſchenkt. Der Patriarch entfchuldigte 





55 


diefes Verfahren; Hr. Koitfa aber erwiederte, daß wir 
keineswegs gefommen find, deshalb Unterhandlumgen zu 
pflegen, daß aber die Königin Feineswegs ein Necht gehabt, 
dieſe Länder zu verfaufen, indem Ladislam Fein rechtmä— 
figer Erbe der Krone Böhmens gewefen, noch feine Schwe— 
fter, jene Königin, eine Erbin; fondern der Erfte fey ges 
wählt worden. Und wenn der Herzog fein Recht behaupten 
wolle, fo fey dem Könige von Böhmen die Summe von 
60,000 Ducaten nicht zu hoch, falls er die Länder wieder 
haben mwollte; keineswegs hätte aber jene Königin fie je 
manden als erbliches Eigenthum verfaufen dürfen. Wir 
jedody wollen fie nicht entreißen, noch auch durch dieſe 
Derhandlungen darauf verzichten, indem wir deshalb nicht 
abgefandt wurden; wir wiffen wohl, wie diefe Länder 
durch die Könige von Franfreich der Krone Böhmen zum 
ewigen Eigenthum zugefchrieben wurden. Mehr wurde 
deshalb gefprochen, was ich nicht verzeichnen Fonnte, auch 
darüber, ob der Titel: „Herzog von Luxenburg,“ von un: 
ferm Könige, oder vielmehr die Form der älteren (wahr: 
ſcheinlich mit Johann) abgefchloffenen Briefe beibehalten 
werden follte. In das Leztere willigten wir denn ein. In 
dem neuen VBollmachtbriefe, den wir ihnen den fommenden 
Tag übergaben (18. Juli), war ihnen der mittlere Titel: 
„Georg von Gottes Gnaden König von Böhmen, Marke 
graf von Mähren, Herzog von Echlefien, Markgraf von 
den Laufizen‘‘ u. f. w., anftößig; es follte nur ftehen: 
„von G. G. König von Böhmen“ und auch Ludwig wolle 
fih nur König von Frankreich fehreiben. Go mußten wir 
denn nach ihrem Willen wieder neue literas commisso- 
rias auffezen, was den 20. Juli gefhah, die fie endlich 
nad) forgfältiger Prüfung annahmen. 

Nun begehrten wir Auswechslung der Verträge, und 
der Patriacch und der Secretär Roland gaben und den 
frühern Vertrag, den wir fehon damals nicht annehmen 
mochten, und der leztere fagte, er habe fchon das Diplom _ 


56 


in diefem Sinne abgefaßt und verfiegelt. Wir nahmen 
das aber nicht an, erklärten, daß wenn und der König 
von Frankreich nicht andere Verfiherungen gegeben hätte, 
wir Eeinen Schritt aus Böhmen herausgegangen wären, 
daß ein folcher Vertrag dem Könige von Frankreich wie 
dem Könige von Böhmen Noth thue, und führten eine 
ziemlich hohe Sprache, fo daß fie uns nichts entgegneten; 
doch fagten fie, wollten wir eine- andere Uebereinkunft 
treffen, befonders in Betreff Lurenburgs (man fehe, wie 
fie die Nebenfache zur Hauptfache machen!) müßten wir 
den König neuerdings angehen, worein wir aud) willigten. 
Sie beriethen ſich darüber und fagten: es fey nicht nöthig, 
daß wir dahin zögen, fie wollen felbft es thun, Antonio 
nur folle mit; und fo gefhah es. Antonio brachte die 
Botfchaft, daß des Königs Gnaden uns nach unferem 
Willen abfertigen wolle, und was wir immer für eine 
Verbündung im Namen unferes Königs abfchliegen, daß 
auch feine Räthe eine gleichlautende uns dagegen ausferti= 
gen follen. 

Demungeachtet gefehah das nur mit vieler Mühe von 
unferer Geite; denn der Kanzler, zugleich Giegelbewahrerr 
wohnte in jener Stadt, und der Gecretär, der die Briefe 
auffezen follte, wieder in einer andern, fo daß wir nicht 
nur im Namen unferes Königs, fondern auch im Namen 
Ludwigs ausfertigen mußten, die der Kanzler, andere 
Näthe mit dem Secretär (fannte Georg Ludwigen fo ge 
nau?) befchwuren und verfiegelten, und zwar in Rouen, 
latein Rotomago., Am 22. Juli fuhr der König in die 
Nähe von Rouen, und wir in diefe Stadt. Auf dem 
Wege dahin jtahl man dem Hanufh Cauſar feinen He: 
roldsbrief. Den folgenden Tag beurlaubten wir ung mit 
Antonio, und ließen den Wenzel Strachota und Leonhard 
zurüf, um den Kanzler und Gecretär zu erwarten, daß 
fie die ſchon aufgefezten Briefe fertigen und fiegeln. Wir 

- fuhren bis St. Clair, und von da nad) St. Denis unter 


57 


Pontoiſe, wo wir zuerft das eigentliche Franfreich betras 
ten. Sm derfelben Stadt hatte ein Treffen zwifchen den 
Franken und Schweizern Statt gefunden. In St. Denis 
zeigte man uns eine Menge Kleinode, die Krone, zwei 
Grucifire von der Größe fiebenjähriger Knaben in Gold 
gegoffen, und vieles andere, was man fehr forglos auf: 
bewahrt. Don da fuhren wir 5 Leufen (lieues), eine 
gute böhmifche Meile, nach Paris, wo wir uns recht er 
gingen, und von den Ihürmen von Notre Dame überfa= 
ben wir die ganze Stadt. Den folgenden Tag befuchten 
wir nahe Klöfter außerhalb Paris, und mittlerweile Fam 
Wenzel Strachota mit den erwarteten Briefen. Wir fer: 
tigten einen berittenen Boten, Claus, mit dem Berichte 
über den Erfolg unferer Sendung, und daß wir über 
Wälſchland die Heimreife antreten wollten, nach Haufe 
ab. So fuhren wir denn auch nach Estampes (?) und 
von da nach Drleand, was ein Herzogthum und Bisthum 
bat. Da fließt ein großer Strom, über den eine lange 
Brüfe führt, und 60,000 Engländer follen bier gefchla= 
gen worden feyn von einer Jungfrau Johanna (d’ Arc), 
wie uns die Franzofen erzählten. 

Ueber Pierrefitte fuhren wir nach Bourges (31. Juli), 
einem Fürftenthume, dem Bruder des Königs, Karl gehö— 
rig, wo wir ein Prachthaus fahen, deffen Bau 100,000 
Ducaten, ein einziger vergoldeter Kamin 1000 Ducaten 


‚gefoftet Haben fol. Dort nahmen wir drei Franzofen in 


unfere Dienfte, die Teppiche und Tapeten in Böhmen 
machen follten, ſich aber nad und nach alle wegitahlen. 
Ueber Dun le Roi, Bourbon, wo ein Warmbad, deffen 
wir uns auch bedienten, fuhren wir nach Moulins, mo 


der Herzog von Bourbon refidirt, der eine Tochter des 
Königs, doch weiß ich nicht was für eine, zur Gemah— 
lin hat. Ueber Varennes, la Paliffe fuhren wir nad) 
Lyon, wo viele Kaufleute aus Nürnberg und andern Dr: 
‚ten zue Meffe waren. Diefe riethen Hrn. Koftka, nicht 


58 


über Mailand zu fahren, was eim zu großer Ummeg fey, 
fondern über Conftanz, 70 Meilen von Lyon, und Ulm, 
wo der Weg näher, ficherer, und auch zu Wagen fahrbar 


fey; und fo fuhren wir denn am 10. Auguft mit einem, Na— 


mens Pidrmann, der weder den Weg noch irgend eine 
nothwendige Sprache Fannte, nach Genf, einer Neichsftade, 
wo uns Hr. Koftfa, der zu Noß über die Gebirge reiste, 
einholte. Wenzel Strachota aber fuhr mit einem Dom: 
beren vom Grabe des heiligen Jakob (Eompoftella) nach 
Wälfchland in die Studien. Wir Famen über die Rhone 
mit Gefahr in das überaus gebirgige Savoyen nad) Genflel, 
wo der Herzog diefes Landes Hof hält. Der Weg war 
gräßfich, und man hätte dort das Leben verwünfchen mö— 
gen. In Genf Famen wir im größten Negen an, und ein 
hirnloſes, reiches, altes Weib, bei dem wir einfehrten, 
jagte und hinaus, als fie erfuhr, dag wir aus Böhmen 
wären, und fchalt und Kezer. Im vierten Haufe von da 
erbaten wir uns Herberge. Es Famen zwei angefehene 
Bürger zu ung, und als fie erfuhren, daß wir ein Bünd- 
niß gefchloffen mit dem Könige von Frankreich, erfchrafen 
fie; denn fie haben viel mit ihm zu fehaffen, dieweil er fie 
anter feine Botmäßigfeit bringen will. Den folgenden 
Tag (15. Aug.) erit langte Hr. Koſtka an. 
Ueber Lauſanne, Moudon, wo wir erft die Schweiz 
betraten, Freyburg, Famen wir nah Bern, dem Hauptort 
der Schweiz, wo wir gemeinfchaftlich badeten, und fofort 
über Longetel, Baaden (in der Schweiz), Yarau, wo wir 
abermald badeten und guter Dinge waren, und auch der 
Bicar des Kojtnizer Biſchofs und andere Geiftliche mit 
andern. Am 24. Aug. fuhren wir nach Conſtanz, wo M. 
Joh. Huß verbrannt wurde. Da war ein furchtbares Ge— 
witter, daß man die ganze Nacht Wetterläuten hörte, be— 
fonders bei Gt. Peter in summo, mo fie ihn zum Tode 
verdammt hatten. Ueber den See fuhren wir nach Bre- 
genz in Etſch (Tyrol), dem Herzog Sigmund gehörig, 


59 


dann nach Pludenz, Landef, Petenau, wo wir auch ver: 
fozert wurden. Am 1. Sept. famen wir zu Innsbruf 
an, der Refidenz des Herzogs, der fich jedod, fammt der 
Fürftin vor der Pet geflüchtet hatte. Dann fuhren wir 
nad Halle, und von da den Inn herab über Nattenberg, 
Waflerburg, dem Herzog Ludwig von Baiern gehörig, 
bei Mühlberg und Detting vorbei über Braunau in vier 
Tagen nach Paſſau. Dort hörten wir von der Epidemie 
in Böhmen, und daß der König deshalb aus Prag nach) 
Brür gezogen fey, was uns alle fehr betrübte. Am 8. 
Sept. langten wir zu Budweis an, und in Tweraz, eine 
halbe Meile von Krumau, dem Hrn. von Nofenberg ge: 
börig, wurde Hr. Koftka krank, daß er Faum nad Gul- 
denfron in’s Klofter Eommen konnte, woher ihn der Abt 
den andern Tag auf feinem Wagen uns nachſchikte. In 
Budweis. erfuhren wir, unfer gnädigfter König fey zu 
Iglau, und der Abt führte Hrn. Koftfa nah Hlubofa 
(Frauenberg), denn auch hier begann das Sterben. Den 
andern Tag fuhren wir nad Neuhaus, von da nach Iglau, 
wo Hr. Koftka fein Gefolge verabfchiedete und nach Leu— 
tomifchel fandte; wir aber drei mit ihm fuhren über Mes 
feritfh nach Tifhnow, wo wir aus Furcht vor Näubern 
einen Umweg machten... Freitags am 14. Gept. langten 
wir endlich in Brünn an, wo wir Gr. Föniglichen Gna— 
den unfere Brieffchaften übergaben. Dem Allmächtigen 
fey dafür Preis in Ewigkeit. Amen. 


J —bdw— 





60 


Notizen über die Bevölkerung Böhmens, 
| +++ 444 


Don Dr Franz Aloys GStelzig, 
k. Phyficus der Altftadt Prag. 





Wie in den, im erſten Hefte dieſer Monatſchrift mit— 
getheilten, Notizen über die Bevölkerung Prags, ſo mö— 


Ausweis nach 










Namen der Kreiſe. 





REGEL. — TR, 

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re SR 146609 6 4 6 
BR a N 7 55 
BE NE rn EZ 55 


Anmerfung. Die oben bei den einzelnen Rubrifen rechts 
ftehenden abgetheilten Ziffern — von 1 bis 16 — zeigen, 
der leichtern und fchnellern Ieberficht wegen, die Stufe an, 
auf welder diefer oder jener Kreis zu einem andern fteht ; 
fo 3. B. Eömmt der bunzlauer hinfichtlid feiner Dörfer, 
Häuſer und Wohnparteien an die erfte Stufe, der fanzer 


64 
mögen auch hier tabellarifche Ausweiſe zur Grundlage 


„der nachfolgenden Berechnungen und Darftellungen aus 





dem Grunde dienen, weil fie ftets eine leicht faßliche 
Ueberficht Kiefern, und aus ämtlichen Quellen gefchöpft, 
jeden etwa dagegen gehegten Zweifel alfogleich beheben. 

Zu Folge des über den erhobenen Bevölferungsftand 
Böhmens im Jahre 1826 verfaßten Summariums ers 
fcheint folgender 


den Kreifen. 

















zahl der 
DE — Bi nn —— 
Städte. ee — * Dörfer. Häuſer. Pe: 
BD ges ERBEN TEA Guuer) (2-1 I TEE SEEN DICN) EEE I SEE en 
25 1 8 |ıa7 7| 680% | 25565 ® | 40884 * 
ge — 54 *| 840 ° | 31724.3 |50127 * 
—X 5 —140* 716 ° | 26515 ° | 42856 " 
37:1 6 ”’| 9® | 1034 *| 58698 . | 89586 * 
30 ”Iı 5®:] a2®e| 942 ®| 55269 *| 83559 ? 
9145 ?2j a9 ST 641 * | 35005 5% | 56521 * 
16 ®| 29 * | 24 ®| sıo ® | 49652 3 | 72280. ° 
10 143 ®I 2a ®| 761 ® | 443535 2467944 ® 
15 —141 *| 22 *| 985 ? | 35060 ® | 54704 ® 
gr dor As 640 ? | 22524 © | 36501.” 
15 175144 | 665 27624.“ | 44990“ 
10 ° Bad 22 ı# 771.73 23820 ..7 374241" 
2a — 1 | 464° | 21987 " | 31783 * 
1°’ — 82 518 » | 22988 * | 56616 * 
7 1361413 2| 615 ® | 33788.” | 51457 
s“|l 4 °| 29 2| 896 * | 27691 " | 45544. ° 


hingegen an die 168° folglich Teste Stufe zu fiehen. Doc 


“ anders verbält es fich bei der Anzahl der Städte; da ſteht 


der janzer Kreis an der zen Stufe und der bunzlauer 
nur um zwei Stufen höher; indem er auch hierin den er- 
> ften Plaz behauptet. 


62 


Vermöge diefer Tabelle beträgt der Flächeninhalt 
Böhmens 956 D Meilen — Prag ausgenommen — und 
zählt SS Gectionen, 285 Städte, A411 Vorſtädte, 276 
Märkte, 11,946 Dörfer, 542,043 Häufer, 741,473 Wohn: 
parteten. Zieht man das Hauptfummarium der erften — 
im 3. 1770 eingeführten, und bis zum 1793ſten Jahre fort 


Ausweis über den Bevdlferungd 





Klafification des männlichen 


Namen der Kreife. 
Bürger, 
gr und | Gewerbe: 
Geiſtliche. Adeliche. Honora- | . Inhaber 


tioren, „un 
A Künſtler. 


449 °| 1891 * 
326 


Kaufimer . 
Gafluer . 
Zaborer. . 


Er 182 

197 ” z 

47m) 177 386.8 DZ 
6 
4 


Bunzlauer . » . | 294 °| ss 8] 678 ?| 6965 * 
Leitmerizer. . . ] 360 °| 110 *| 850 | 6515 * 
Bidfhower. „. . | 192 2] 70 % 427 | 2820 " 
Königgräzer . . 1 311 2| 78 * 559 °| 4665 * 
Ehrudimer. . . 1243 °| 56 ®] 458 | aası ® 
Pradiner . » . 1 218 ?| 148 °| 589 °] 5796 ” 
Klattauer . ... 1 150 %| 60 2] 384 *] 2019 * 
Bilfner . 2.2.1] 233 °| ss #] 426 1 3568 * 
Berammer . 2... 1 159 %| 76 7 396 ®] 1195 
GSaazr . » ».. 17205 °| 82 7] Bar *| 4945 * 
NRafonizer . » . 1 196 "| 31 *| 420 2) 1962 * 
Elibogner . ».. 1 228 7) 155 J 507 | 6910 * 
Budweifer -. » . 1 257 ?| 89 °| 578 "| 2540 * 


Mithin befinden fih in Böhmen — Prag nicht mit 
eingerechnet — unter den Einheimifchen 3589 Geiftliche, 
1588 Mdeliche, 7799 Beamte und’ Honorativren, 59,985 
Bürger, Künftler und Gewerbsinhaber, 141,714 Bauern, 
4761 Häusler, Gärtler und Menfchen von anderer Beſchäf— 


65 


‚gefezten Eonferiptionen in Erwägung, fo geht hervor, daf 
feit diefen 55 Jahren die Zahl der Städte in Böhmen um 
44, die der Dörfer um 662, und der Häufer um 158,908 
fi vermehrt habe, und daß daher während diefer Epoche 
dasfelbe ungemein an Bevölkerung zugenommen, was auc) 
aus folgender Auseinanderfezung zu erfehen ift. 


fand Böhmens vom Jahre 1826. 






Darunter befinden ſich 







Geſchlechts. Das weiße | Summemännl. Gefchlechts. 
— | {ie Ges | des einheis h 
äuster, | Glecht | mirden 





Verheiras | Ledige und 
tefe. Witwer. 


Zn —— überhaupt, Jmännlichen 
ner /B 


— —— Geſchlechts. 








8251 "| 178 4 91965 "I 85448 "f31673 "| 55549 * 


11374 *| 238 "Jı16056 "1105475 158717 °| 69515 7 
9771 ’| 212 "] 94880 "J 85907 "132521 °| 55886 * 
42410 ?| 582 197557 "189615 165098 444484 
10203 *| 575 "11754172 1160566 156660 ?] 99195 
9104 °| 190 "]124079 °F 91497 "441602 °| 71604 
8506 "| 584 "165099 1145337 151969 °]| 93655 
9890 °| 255 "149348 *133477 150570 *| 82998 
9989 294 "126851 15465 444235 °| 75539 
6710 "| 259 | 83738 "f 75344 "26760 "| 50277 


8556 °| 482 | 97849 "| 86139 432272 "| 56345 
7385 “| 166 "| 85852 "| 75947 128134 ®| 49946 
5527 "| 315 °| 66295 ®| 55905 “21950 “| 38377 " 
6840 "| 137 "| 83195 "| 73876 "J27160 *| 48685 
6456 | 491 114722 “102187 "125682 “| 68104 
41459 °| 218 "J110690 | s2641 "133235 °| 59967 ® 


* 


tigung. Hier muß aber bemerkt werden, daß in der Summe 
der männlichen einheimiſchen Bevölkerung auch noch die 
zum Militärdienfte Vorgemerkten, die zeitlich Befreiten, 
Die Minder- und Gänzlichunanwendbaren, die Jugend von 
4 bis 417 Jahren — die leztere macht allein für ſich die 


64 ; / - 


Summe von 752,384 aus — ferner die Landwehr u. f. w. 
mit einbegriffen find, deren Gefammtzahl für fich allein 
1,574,346 beträgt. Mithin erreicht die einheimifche Bevöl— 
ferung der Chriften die Summe von 3,542,219, worune 


Ausweis über den vom Jahre 1826 





Namen der Kreife. x 
Verheira⸗ 


tet. 








Kaufimer. . 


Ellbogner. . 
Budmweifer . 


als se ae 697 ° | 2062 * 
Zaboree 92.22 08% 0 7102] 654% 1:4649,° 
EDTIE (0 Ta oe Er EN 577.4: 929 
Leitmerizie 300. . 1 368 ? | 909 ? 
Bidfhower . * 2 0. r 342:’* 1. 802.° 
Konigatäger = » 000% r 255 * 626 * 
Ehrudimr . .». . . 1 350 ® | 968 ” 
hinrer. 595 ° | 1686 * 
Blauer ern kerary . 1245 ° | ı2a8 ° 
Pilfner N ae 717 ? | A861... 
Deratiniet ansehe size 544 9 | 41589 ° 
Saazer — on? I BB 
Nakonizer. . Erg 556 ’ | aası ’ 


Daher in der Gefammtzapl Fremde und Ausländer . 


& 
».929» er) Suden „ „ . 


Zu diefen die obenangeführte Zahl der einheimifchen 
und die im erften Hefte dargeftellte Bevölkerung Prags 


fo ift das Summarium der gefammten Bevölkerung 








249 ° 


4152 * | 1955 
908 " | 1201 


65 


ter fich 1,663,3501 Individuen des männlichen, und 1,878,918 
des weiblichen Gefchlechtes befinden. 


Zu diefer Summe noch der 


erhobenen Bevolferungszuftand der 





den Erde mdee 












biefes Landes das weib- 
aus dem liche Ge⸗ 
Auslande. ſchlecht 


überhaupt. 


das weibliche 


Geſchlecht aus dem 
* nãmlichen 
überhaupt. Bezirke, 





aus andern 
Bezirken, 


Dan |. 17280 are‘ 
2759 I 631 514 1052 5.” 5“ 
2156 * | 2549 727 ’1 85° 25 % a7 
41398 " | 1148 874 »1402 > | a87 .?| 55 ? 
41567 "1 671 "995 ? so ® | 267 ? 47 

764 1 32 ® | 617 

5 5 + 

4200 * 251 4 


1291 
920 
656: 
465 
656 

1207 
499 

2955 


405 12 23 ı1 54 12 
4183 16 9 14 4A 11 
350 14 14 ı2 84 6 
657 ® 72 278 
453 41 45 13 413 5 
1047 \ Ara ZA 
251 % 51 °| 490 * 
552 21495 | 58 5 


"4630 ° 
2677 ° 
2025 * 
1495 ” 
1992 7 
1601 ° 
554 * 


— 67° - POICHBR NEAR» Sup. DERTRr BES BEN = 


3,0 
754 85 178 35 ° 
577 » 88 52 * 5, 


. R . . 50,514 
[2 . . . 56,190 

Gumma . 86,504 
° s ‘ ..15,542,249 
. . . * 103,338 
— 3732,0601. 


107 





66 / 

Vergleicht man biefe Summe mit der ehemaligen Be- 
völferung Böhmens, fo geht daraus hervor, daß erftere - 
feit 54 Sahren um ‚787,860 Individuen, und zwar vom 
J. 1793 bis 1800 jährlicdy im Durchfchnitte um 12,800, 
vom J. 1800 bis 4810 jährlich um 6280, von 1810 bis 
1820 jährlich um 26,600, von 41820 bis 1826 hingegen 
alle Sahre beinahe um 58,800 Individuen zugenommen 
hatte, und daß daher feit diefer Epoche Diefelbe fat um 
den vierten Theil geftiegen ift. 

Bekanntlich hängt aber die fleigende Bevölkerung 
nicht nur von dem Uebergewichte der alljährlich Gebornen 
zu der Minderzahl der Geftorbenen, fondern auch von der 
Einwanderung der Fremden und Ausländer, fo wie auch 
von den aus Militärdienften Ausgetretenen ab. Im J. 
1826 find 5894 mehr Fremde und Ausländer nah Böhmen 
ein= ald ausgewandert, und 420 Individuen mehr find 
vom Militär zurüfgefommen als dahin abgegangen, mit- 
hin betrug die. Vermehrung durch Geburtsfälle nur die Zahl 
von 55,454 Seelen. Vergleicht man die Hauptitadt mit 
dem flachen Lande, fo bemerkt man hinfihtlid des Zu: 
wachfes der Fremden und Ausländer einen verhältnißmä— 
Big auffallenden Unterfchied, indem Prags Bevölkerung 
vom J. 1825 bis 1826 durch die Anzahl von 3498 Frem— 
den — daher nur um 462 Individuen weniger als das ges 
fammte Land — vermehrt wurde, 

Bringt man den Flächeninhalt Böhmens mit der Ge- 
fammtzahl der Bewohner in ein Verhältnig, fo kommen 4 
auf eine DI Meile 3909 Individuen, wenn Prags Einwoh— 
ner aber hievon getrennt werden, nur 3748 '%. 

Anders verhält fihs aber, wenn man den Flächen 
inhalt der einzelnen Kreife mit der Zahl der Bewohner 
zufammenftellt,; dann wohnen: 

im Faufimer Kreife auf einer TG Meile 4794 7% 
„Saſlauer » mn.» 99. 3805 
„taborer » nm.» 9.9906 








im bunzlaner Kreis auf einer DD Meile 1816 
„ teitmerizget 3 HH nm 491 
„bidſchower 5» » » nn 5481% 
„ Föniggräer » » 9» nn „m 5197 
„chrudimer 5» m» m nm m 479% 
„prachiner 2» » » m» » 2749% 
» Mattauer it 83866 


„ Pilfner mn m 2780 % 
beranmer rar yet 76 
„» faazer ”» » » » »„ 5006 


rakonizer nn 9984 
„ellbogner » 9» nn» 3965 
„» budweifer » 2508 Menfchen. 

Diefem zu Folge ift die dichtefte Bevölkerung im 
bidfchower und Eöniggräzer, die ſchütterſte aber im bud- 
weifer, prachiner und pilfner Kreife. 

Berüffihtigt man hingegen anderfeits die einzelnen 
Wohngebäude, und ftellt fie mit ihren Einwohnern in 
eine Parallele, fo tritt wieder ein ganz anderes Verhält- 
niß ein, indem für ein Haus im Faufimer Kreife 7%, im 
caflauer 4%, im taborer 7%, im bunzlauer 6%,, im leit- 
merizer 6 %,, im bidfchower 6%,, im Eöniggräzer 6%, im 
chrudimer 6/, im prachiner 7, im Flattauer 7%, im pilfner 

6%, im berauner 74, im faazer 5%, im rafonizer 7%, 
im ellbogner 6%, im budweifer 7% Bewohner ausfallen; 
daher dann die dichtefte Bevölkerung im berauner, klat— 

tauer, taborer und rafonizer, hingegen die ſchütterſte 

im eaflauer Kreife angetroffen wird. 

Diefe auffallende jährliche Vermehrung der Bevölke— 
zung verdankt unfer Vaterland zunächit den weifen Maps 
| regeln unferer gegenwärtigen Regierung, die jede drohende 
 Hungersnoth befeitigt, Wohlſtand herbei führt, und jeder 

ſtark verheerenden Epidemie durch medicinifch= polizeiliche 
| . Anftalten und Anordnungen, befonders den fonit fo gräßlich 
wüthenden DBlatterfeuchen durch die gefezlich eingeführte 


5* 


68 ‘ 
Vaccination entgegenftenert. ı Berechnet man, daß das. 
flache Land fonft im Durchſchnitte, Epidemien mit einge: 
rechnet, alljährlich durch Menfchenblattern um 9 bis 10, 000 
Individuen entvölfert wurde *) — indem, nach glaubwürdi- 
‚gen Sterbeliften, vor der Einführung der Impfung über: 
haupt der zwölfte Theil der Verftorbenen ein Opfer der 
Poke war — mo jezt im zehnjahrigen Durchſchnitte all- 
jährlich nur etwas über. 900 daran fterben, fo ift der 
Beweis ſchon aus dieſem Umſtande hergeſtellt, fo wie 
auch, daß nur deshalb feit einem Zahrzehend ſich Böhmens 
Bevölkerung augenfcheinlicher vermehren mußte, weil ſchon 
in diefem Zeitraume die durch Die Impfung am Leben Er— 
baltenen zur progreffiven Steigerung der Population das 
ihrige beigetragen haben. 

Die Elaffen der Einwohner anbelangend, ſtellt ſich 
das Verhältniß der Geiftlichkeit zur gefammten Bevölke- 
rung — Prag ausgenommen — wie 1 zu 1011, das der 
Adelichen wie 1 zu 2614 4, das der Beamten und Hono— 
ratioren wie 4 zu 458%, das der Bürger, Gewerbsinha— 
‚ber und Künftler wie 1 zu 60%, das der Bauern wie 1 
zu 25%, das der Häusler, Gärtler u. f. w. wie 1 zu 
762°, das der Juden wie 1 zu 65 %, dar. 

Wie und wo ferner in den einzelnen Kreifen diefe 
oder jene Elaffe der Bewohner vorwaltet, bezeichnet in der 
obigen Tabelle die feitwärts in jeder einzelnen Spalte vor: 
findliche Stufenzahl. 

Das Verhältniß des männlichen zu dem weibli- 
chen Gefchlechte betreffend, überwiegt Tezteres das erjtere — 
weil in der Geſammtzahl 1,731,466 männliche und 1,897,257 
weibliche Individuen conferibirt erfcheinen — um 165,791 
Seelen; daher verhält ſich das männliche zum weiblichen 


*) Sm Sahre 1799 und 1300 fiarben in Böhmen mehr denn 
34,000 Kinder an der damaligen Blatterepidemie. 





D 


69 


-Gefchlechte wie 1 zu 4%. Ein ganz anderes Verhältniß 
tritt aber bei den Juden hervor, indem unter denfelben 
das männliche Gefchlecht das weibliche um 468 Indivi— 
duen überwiegt. 

Der Zuftand der Verheirateten zu dem der Le- 
digen ftellt fih — indem es unter den Landbewohnern 
614,818 Berheiratete und 1,086,822 ledige Perfonen gibt — 
wie 1 zu 1%, darz folglich fteht es im Allgemeinen bei- 
nahe im ganz gleichen Verhältniffe mit dem der Bewohner 
Prags. Dach fpeciell betrachtet, weichen einige Kreife von 
einander wefentlich ab; fo 3. B. behauptet den erften Plaz 
in der Mehrzahl der Ehen, und folglich geringern Zahl 
der Ledigen und Witwer der cajlauer Kreis, indem dort 
das Verhältniß der Verehlichten zu dem der Ledigen und 

Witwer fich wie 1 zu 1% darftellt, wo hingegen den lezten 
Plaz hierin der ellbogner Kreis deshalb einnimmt, weil 
unter feinen Bewohnern das Verhältnig der Verheirateten 
zu dem der Ledigen nur wie 1 zu 2%, ausfällt. Den zweis 
ten Plaz behaupten ferner wegen ihrem diesfalls wie 1 zu 


» 4% ausgefallenen Verhältniß , der taborer und chrudi⸗ 


mer Kreis; der faufimer, bunzlauer, leitmerizer, bidſcho— 
wer und pilfner Kreis Fommen hingegen wegen ihrer Pro: 
portion wie 1 zu 1% am dritten Blaze — folglich an dem 
der Stadt Prag; der füniggräzer, prachiner, Elattauer, 
berauner, faazer, rafonizer und budweifer hingegen am 
vorlezten zu ftehen, weil fih da die Gefammtzahl der Ehen 
zu der der Ledigen und Witwer wie 1 zu 1% verhält. 
Nicht allein aus diefer gegenwärtigen einjährigen Dar: 
ftellung , fondern auch, wenn man ed im zehnjährigen 
Duurchſchnitte berechnet, geht hervor, daß in Böhmen ver⸗ 
bältnigmäßig weniger Ehen gefchloffen werden, als ges 


ſchloſſen werden könnten. Im Allgemeinen wird auf dem 
flachen Lande im berührten zehnjährigen Durchfchnitte unter 


44 Menſchen erſt ein Ehebündniß geſchloſſen, wo be— 
anntlich ſich ſchon der Fall in Prag unter 158 Einwoh— 


70 


nern ereignet. Doch ein fehr überrafchend verändertes 
Berhältniß ſtellt ſich hier bei den ifraelitifchen Bewohnern 
dar, indem unter denfelben erſt unter 584 Individuen ein 
Ehebündniß eingegangen wird. 

Anders aber tritt dieſes erftere Verhältnig hervor, 
wenn man die Population der einzelnen Kreife mit den 
gefchloffenen Ehebündniffen vergleicht, dann wird im be= 
vauner Kreife unter 14417, im bidfhower unter 156%, 
im budweifer unter 149, im bunzlaner unter 137, im chru= 
dimer unter 155 Y,, im £aflauer unter 440, im ellbogner 
unter 451, im Faufimer unter 155, im Elattauer unter 
145 Y,, im Eöniggräzer unter 451, im leitmerizer unter 
444°, im pilfner unter 449%, im prachiner unter 147, 
im vafonizer unter 146, im faazer unter 151%, im tabo— 
rer unter 140% Perfonen eine Ehe gefchloffen. 

Den Zuwachs durch Geburten betreffend, fällt im All 
gemeinen auf dem flachen Lande im zehnjährigen Durchs 
fhnitte auf 25%, und in Prag befanntlich auf 25% In: 
dividuen ein Neugeborner. aus. Doc machen hierin die 
Suden wieder eine Ausnahme, indem im nämlichen Durd): 
fehnitte bei denfelben ein Neugeborner erft unter 57% Pers 
fonen erfcheint. 

Speciell nach den Kreifen berechnet, kommt im be 
rauner Kreife auf 28%, im bidfchomwer auf 24%, im bud» 
weifer auf 27, im bunzlauer auf 24%, tim dhrudimer auf 
27%, im Eaflauer auf 25%, tm ellbogner auf 284, im 
faufimer auf 23%, im Elattauer auf 24’, im königgräzer 
auf 26%, im leitmerizer auf 27%, im pilfner auf 25 '%, 
im prachiner auf 26°, im rafonizer auf 26%, im faazer 
auf 26%, im taborer auf 24% Menfchen jährlich ein Ge 
burtöfall. 

Das Geſchlecht betreffend, werden in Böhmen, fo 
wie im Ländern, die in einer gemäßigten Zone liegen, 
mehr Knaben als Mädchen, und zwar ungefähr 1051 over 
21 Knaben gegen 1000, oder 20 Mädchen geboren. Doc 


8 


——— 


— ——— 


71 


zieht man die Geſammtzahl der durch 40 Jahre Gebornen 
mit denen in dieſer Zeitfriſt Geſtorbenen in Erwägung, ſo 
ſieht man beinahe ſchon bei der Mehrzahl der Sterbefälle 
des männlichen Geſchlechtes ein gleiches Verhältniß zwi— 
ſchen beiden Geſchlechtern wieder hergeſtellt. 

Die Fruchtbarkeit der Ehen ſtellt ſich auf dem 
flachen Lande im Allgemeinen etwas günſtiger als in der 
Hauptſtadt dar, indem bekanntlich in Prag im zehnjähris 
gen Durchſchnitte auf eine Ehe A Geburten ausfallen, wo 
hingegen unter den KLandbewohnern fih das Verhältnig 
beinahe wie 4 zu 5 darftellt. Fruchtbarer find aber ande: 
rerfeits wieder die Juden, weil im nämlichen Durchfchnitte 
bei denfelben aus einer Ehe 5%, Kinder entfpringen. 

Doch auch diefes erftere Verhältniß ift nicht in allen 
Kreifen gleich; fo 3. B. gehen aus einer Ehe im Allgemei- 
nen im berauner Kreife im zehnjährigen Durchſchnitte 5 Yo, 
im bidfehower 4, im budweifer 4%, im bunzlauer 4%, 
im chrudimer 4%, im Eajlauer 4%, im ellbogner 4%, im 
kaufimer 5, im Elattauer 5%, im föniggräger 4Y/,, im 
leitmerizer 4%, im pilfner 5, im prachiner 5, im rafonizer 
4%, im ſaazer 44, und im taborer 5 Kinder hervor. 

Die unehelich gezeugten Kinder betreffend, ftellt fich 


im der Durchfchnittszahl ihrer Frequenz, fo in allgemei- 


ner, wie in fpecieler Darftellung, ein bedeutender Unter: 
fehied dar. Bekanntlich ift in Prag jede 5° Geburt eine 
uneheliche, doch auf dem flachen Lande erfcheint im zehn: 
jährigen Durchfchnitte das Verhältniß wie 1 zu 874. Anz 


ders verhält es ſich, wenn man die einzelnen Kreife gegen 
einander ftellt; dann entfpringt das Verhältniß im berau⸗ 
ner Kreife wie 4 zu 19, im bidfchower wie 1 zu 10’%, im 


budweiſer wie 1 zu 6%, im bunzlauer wie 4 zu 8%, im 


chrudimer wie A zu 7%, im Eaflauer wie 1 zu 9%Yor im 
ellbogner wie A zu 5, im Faufimer wie 1 zu 9%, im Flat: 
tauer wie 1 zu 7%, im königgräzer wie 1 zu 9'/, im leit— 
merizer wie 1 zu 7%, im pilfner wie A zu 7, im prachiner 


72 


wie 1 zu 9’, im rafonizer wie 4 zu 10, im faazer wie 1° 

zu 5'/4, im taborer wie 1 zu 9% 

Das Verhältniß der Lebend= zu den ——— 
ſtellt ſich auf dem flachen Lande im Allgemeinen wie 95 
zu 1 dar, wo hingegen in Prag im nämlichen Durchſchnitte 
unter 23 Geburten ſchon A Todtgeborner zur Welt kömmt. 
Doch auch hierin findet eine große Abweichung in den eine 
zelnen Kreifen Statt; fo 5. B. ftellt fi das Verhältniß 
im berauner Kreife wie SS/, zu 1, im bidfehower wie 91 
zu 4, im budweifer wie 140 zu 1, im bunzlauer wie 85% 
zu 4, im chrudimer wie 88 zu 4, im Cajlauer wie 59 7% 
zu 4, im ellbogner wie 72 zu 4, im faufimer wie 57% zu 
4, im Elattauer wie 98 zu A, im Eüniggräzer wie 122% 
zu 1, im leitmerizer wie 99 zu 4, im pilfner wie 98 zu 4, 
im prachiner wie 127 zu 4, im rakonizer wie 99 zu 4, im 

faazer wie 151 zu 1, im taborer wie 63 zu 4 dar. 

Die alljährliche Abnahme der Bevölkerung durch Ster⸗ 
befälle anbelangend, zeichnet ſich das flache Land von der 
Hauptftadf hierin aus: daß in den verfchiedenen Lebend- 
perioden bei deffen Bewohnern nicht nur din eigenthümli- 
ches Sterbeverhältniß obwaltet, fondern fich fogar hierin 
im Vergleich zu den Bewohnern Prags ein auffallendes 
Mißverhältniß offenbart. 


Sm Allgemeinen ſtellt fih im zehnjährigen Durch-⸗ 


feynitte das Sterbeverhältnig zu dem der Lebenden auf dem 
Lande wie 4 zu 40'4 dar, wo e8 fich befanntlich in Prag 
nur wie 1 zu 24% offenbart. Doch die Juden erfreuen 
ſich hierin eines günſtigern Verhältniffes, weil unter den— 
felben im benannten Durchfchnitte erft unter 92 Lebenden 
ſich 1 Todesfall ereignet. Doch auch hierin waltet ein 
Unterfcehied unter den gefammten Bewohnern der einzelnen 
Kreife ob; fo 3. DB. ftirbe im berauner Kreife im benann— 
ten Verhältniſſe alljährlich der 42ſte, im bidfchower der 59%, 


im budmweifer der 44ſte, im bunzlauer der 3S?®, im chrudimer 
der 40f®, im cajlauer der At, im ellbogner der-56ft, im 


! 





73 


Faufimer der 57°, im klattauer der 37°, im Eöniggräzer 


der Aoffe, im leitmerizer der 3oſte, im pilfner der 34, im 


a 





prachiner der 39°, im rakonizer der 44ſte, im faazer der 
zoſte, im taborer der 37fe, 

Einzeln genommen ift die Sterblichfeit auf dem Lande 
in den erften Lebensjahren viel geringer, als in der Haupt: 
ſtadt; denn dort fterben unter 1000 Gebornen im erften 
Lebensjahre 567 ', Individuen, wo fich hingegen in Prag 
das Verhältnig wie 1000 zu 425 darftellt. Die Sterb— 
lichkeit in den folgenden Kinderjahren, ferner im begin- 
nenden und ausgebildeten mannbaren Alter beträgt in Prag 
%/,, von 1000 Gebornen; auf dem Lande aber um den Adten 
Theil weniger; dafür hingegen ereignen fich auf dem flachen 
Lande im ausgebildeten mannbaren Alter bis zum 6HFer 
Sahre im Durchſchnitte mehr denn Y%, Sterbefälle, als in 
der Hauptitadt. 

Die Sterblichkeit ftellt fih zwar in den einzelnen 
Kreifen auch einzeln genommen vom 5fen bis 6bſten Jahre 
beinahe" ganz gleich dar; doch waltet aber in den übrigen 
Lebensperioden ein wefentlicher Unterfchied. ob; fo z. B. 


ſterben unter 1000 Gebor⸗ von 10)0 Geſtor⸗ von ıo00 Geſtor⸗ 
nen im eriten Les benen lebtenvom benen lebten 
bensjahre 65. zum 100, Sahre über 100. Jahre 


im berauner Kreife 255 4 — VD —— 


chewer 2435 4645364 
id 66 
„ bunzlauer ,„ 269 ae | 3 
etubimer „ 227%, . 172°%, 2, 
flaner 200 00" 165% 1 

60 One 
———7—7— 


6—33 a 


„, königgräzer ,, 226 Yo Ss 4 
yleitmeriger 29 a WE. Yo 
„pilſner an BIN a ee Yr 
„prachiner  . 229 BERERETEN ————— 
er . 0, 08537, ak 
3, faazer SORT, 7, * 
» taborer Pr) 207 Va Ed > Yı 


74: 
Diefem gemäß ergibt fih zwifchen den Bewohnern 


des flachen Landes und den der Hauptftadt nicht nur eine, 


auffallende Differenz der Sterblichkeit im erften, fondern 
auch im Iezten Lebensjahre; weil man befanntlich in Prag 
im zehnjährigen Durchfchnitte unter 1000 Geftorbenen 100 
Smdividuen antrifft, die das 65ſte bis 100ſte Jahr erreicht 
haben, wo hingegen auf dem Lande fich das Verhältnig 
wie 1000 zu 172 /, darftellt. Fälle, wo Menfchen in Prag 
über 100 Jahre gelebt haben, ereignen ſich im zehnjähri: 
gen Durchfchnitte alljährlich einige, fo zwar, daß man bes 
Fanntlich unter 1000 Geftorbenen immer einen auffindet, 
der zu diefer hohen Stufe des Lebens gelangte, und fomit 
gehört im Allgemeinen auch hierin den Landbewohnern der 
Dorzug, weil bei. denfelben unter 1000 Todesfällen 1% 
Smdividuen angetroffen werden, deren Lebenslauf ſich über 
das 400ſte Jahr erſtrekte. 

Gewaltſame Todesarten ereignen ſich, ſo wie überall, 
auch in Böhmen, doch ſicher viel ſeltener als in andern an— 
gränzenden Ländern. Im Allgemeinen zählen wir auf dem 
flachen Lande im zehnjährigen Durchfehnitte alljährlich 
82%, Selbftinorde, 35%, Ermordete, und 424%, die 
durch Unglüfsfälle, und 21 7/,, die an der Hundsmwuth ges 
ſtorben find, wo es in Prag im nämlichen Durchfehnitte 
nur 3%, Selbfimörder, 1%, von Andern Ermordete, 5 
an der Hundswuth und 19%, durch Unglüfsfälle nen 
bene gibt. 

Speciell nach den Kreifen tritt aber ein ganz verän: 
dertes Verhältniß hervor; dann gibt e8 im zehnjährigen 
Durchſchnitte alljährlich 


n ber 
von Andern durch Unglüks— Hundewuth 
Selbſtmörder Ermordete fälle Geftorbene Geftorbene 


im berauner Rreife 29%: 4 Yo SR 
„ bidfhower , a A Bu 2 
badweiſe 8 
buereeeee ER 





75 


R an ber 
von Andern durch Unglüks⸗ Hundömuth 
Selbſtmörder Ermordete Pau! Seftorbene kr 


im hrudimer Kreife 5 Yo. AYo 
33 39 Wr io 
DB. 0 A DD re 
ie 3,1. ee 2 8 
au, Hattauer „3 Yo... 8 Ya a 
3, föniggräzer BEE 7,27 «8 
3a leitmerizer „. AT Yo 0 Yo» Al . Var 
„pilſner ————— I, 
BEER En a ee 1,7025 
GEHEBEDBEE N u he Fan BA BER, 
„ſaazer 6 No 
rer er ee hatihei, Tui 
Wer follte wohl beim Schluße diefer Abhandlung 
nicht eine Fortfezung wünfchen, die uns zugleich auch über . 
den moralifchen, phyſiſchen und pathologifchen Zuftand der 
Bewohner der einzelnen Kreife Böhmens genaue Aufflä- 
rung geben möchte, Nur bei Erfüllung diefes Wunfches 
dürfte dann dieſe Zufammenftellung mehr an Intereſſe ge: 
winnen, und als Materiale zu einer medicinifchen Topp: 
graphie Böhmens dienen Fünnen. Mögen daher unfere, 
befonders auf dem Lande wohnenden Statiftifer, Geogra— 
phen und Phyſiker uns bald mit derlei Beiträgen erfreuen, 
und dieſe gegenwärtige vaterländifche Zeitichrift damit bes 
reichern. 





76 


Seltenere Pflanzen, | 
die im botanifchen Garten der k. k. Univerfität 
zu Prag geblüht haben, 


Den Freunden der Botanif, deren Prag nicht wenige zahlt, 
dürfte es willfommen feyn, auf die felteneren Pflanzen des bie: 
figen k. k. botanischen Gartens aufmerkfam gemacht zu werden. 
Sn diefer Vorausjezung foll ein Verzeihnig der merfwürdigeren, 
wie fie von Monat zu Monat blühen, mit Angabe ihres Vater: 
landes, fortlaufend in diefer Zeitfhrift erfeheinen. Die Monate, 
mit denen dieſes Verzeichnig beginnt, find freilich bei uns die 
ärmften an Blüthen, weldhe nur in dem erfünftelten Clima der 
Gewächshäufer bei größtentheils trübem Winter - Himmel ſpärlich 
hervorgebracht werden. Reichhaltiger wird dann diefes Verzeich- 
niß in unferem Frühling und Sommer ausfallen. Mehrere Pflan- 
zen blüben 2 oder 3 Monate, mande — mit geringer Unter— 
brechung — faft das ganze Sahr hindurch. 


Joh. Chrift. Mikan, 
Profeſſor der Botanik. 


Sm Monat November 1826 haben geblüht: 
Cassia corymbosa Lam. aus Merifo. 


Crinum erabescens Ait. — dem tropifchen Amerika. 
Curcuma longa L. — Df - Indien. i 
Cymbidium altum W. — Reit - Indien. 

Erica arborea L. — Giüp - Europa. 


— concinna Ait. 
—  conspiena Ait. ) vom Cap. 
—  strigosa Ait. 
Jatropha urens L. 
Passillora amethystina Mik. ' 
aus Brafilten. 
—  racemosa Brot. 


Salvia splendens Her. 





77 


Sanseviera guineensis W. aus Guinea. 
Stapelia grandiflora Mess. | 

Cap. 
Strelitzia humilis Link. | ER 
Thea Bohea L, aus China. 


Sm December 1826. 


Achania tomentosa mitgetheilt vom F. Iniverfitäts- 
‘ garten zu Warfchau. 

Das Vaterland unbejtimmt. 

— foliolosus Ait. aus Nord: Amerika. 

Cactus truncatus Link. aus Brafilien. 

Clematis florida Thunb. — Sapan. 

Clifortia obcordata L. vom Cap. 

Dracaena terminalis Jacg. aus Ojt - Indien. 

Echium giganteum L. fil. von Teneriffa. 

Erica fascicularis L. fil. 

— hispidula L. fil. 

— ignescens Andr. 


Aster Cineraria Dietr, 


e h vom Cap. 
— margaritacea Ait. 


—  pubescens L. 

—  procera Wendl. 
Globularia longifolia Ait. von Miatera. 
Hedysarum gyrans, L. fil. aus Bengalen. 
Helicteres jamaicensis L. — ‚Jamaika. 
Lantana reticulata Turpin von St. Domingo (Hapti). 
Lebeckia cytisoides Thunb. 
Malva divaricata Andr. 
Passerina spicata L. fil. Bon ER: 
Phylica acerosa W. 
Sempervivum glutinosum Ait. von Mavera. 


Sm Sanuar 1827. 


(Mebſt einigen aus den vorigen Monaten fortblühenden.) 
Albuca setosa Jacg. vom Car. n * x 
Cactus (Rhipsalis) salicornoides. Haw. aus Oft = Indien. 





78 


Daphne odora Thunb. aus Japan. 
Erica absinthioides L. vom Cap. 
Lopezia miniata Lag. aus Meriko. 
Muraltia mixta Dec. (Polygala mixta Thunb.) vom Cap. 
Phylica buxifolia L. 
* vom Cap. 


—— paniculata W. 

Pogostemon plectranthoides Desf. Das Vaterland un: 
beſtimmt. 

Solanum auriculatum Ait. aus Madagaskar. 





Literäriſche Anzeigen. 
ERLITTEN 


Ar 


29H rı Dr} 
von den Witterungsbeobachtungen, welche die k. E. pa= 
teiotifch = öfonomifche Gefellfchaft in den Kreifen Böh— 
mens veranftaltet hat, von Prof. Aloys David. Erſte 
"Lieferung 1817— 1819, Prag 1825 5 zweite Liefe- 
rung 1820 — 1821, Prag 1826. 


Dou ökonomiſche Geſellſchaft hat im J. 1816 die ſchon 
früher beſtandenen meteorologiſch-ökonomiſchen Beobach— 
tungsorte vermehrt und mit neuen Inſtrumenten verſehen, 
und war geſonnen, dieſe Beobachtungen in Verbindung 
mit dfonomifchen Berichten herauszugeben. Dieſe Heraus— 
gabe wurde jedoch zufällig verfpätet, und folgt nunmehr 
nachträglich. Haben gleich diefe Beobachtungen dadurch 
in ihrem Bezug auf die dfonomifchen Verrichtungen, bes 
fonders da fie nur fparfam mit dfonomifchen Berichten 
ausgejtattet find, vieles von ihrem Intereſſe verloren; fo 


Be ———— 


79 


bleiben ſie doch in rein meteorologiſcher Hinſicht wichtig, 
und dienen zur Grundlage künftiger gleichzeitiger Beobach— 
tungen. 

Im erften Heft ©. 10 ift eine Tabelle eingefchaltet, 
auf welcher 24 Beobachtungsorte mit genauer Beftimmung 
ihrer geographifchen Länge, Breite und der Höhe über dem 
Spiegel des Meeres aufgezeichnet find. Der niedrigite 
Beobachtungsort ift Prag mit 94% Klaftern, der höchſte 
Rehberg mit 455 % Klaftern. Das Marimum der Eulturs: 
gränze feheint an den beiden Ertremen durd) diefe Verthei— 
lung der Beobachtungsorte nicht ganz erreicht worden zu 
feyn. Der Gedanfe, öfonomifche Erfahrungen mit einem 
Nez von meteorologifhen Beobachtungen über ein ganzes 
Land von einem Umfang nahe an 1000 I Meiien in Ver: 
bindung zu bringen, dürfte noch in feinem andern Lande 
verfuccht worden ſeyn. Er berechtiget zur Erwartung wich 
tiger Nefultate, vorzüglich wenn das über das Land ges 
fpannte Ne; von Beobachtungen fid) auf eine Art austhei— 
len läßt, daß die Nadien der Beobachtungen von dem nie= 
drigften zu den höchiten Punkten der Eultursflächen fo ge: 
zogen werden Fünnen, daß die Nande des Horizonts des 
Gefichtsfreifes der Beobachter einander berühren oder we— 
nigftens nabe fommen, die-öfonomifchen Berichte größere 
Flächen umfaffen, und nad) gleichen Grundfäzen fich aus— 
fprehen. ©. 57 ift eine Iabelle, welche den mittleren 
Stand des Baro- und Ihermometers von allen Beobach— 
tungsorten angibt. Prag Barom. 27, 5. 7. Iherm, 7°, 9; 
Rehberg Baroım. 25, 5. 0. Therm. 4°, 5. Hierauf folgen 
die Tabellen der monatlichen Refultate aller Beobachtun— 
gen an jedem einzelnen Beobachtungsorte, und die ganze 
jährigen mittlern fowohl aus fämmtlichen Beobachtungen, 
ald aus dem höchften und niedrigiten Stand der Inſtru— 
mente, 





80 


2. 


Abbildungen der wichtigſten deutfhen Hol; 
pflanzen, mit beigefügter Befhreibung und Anweiſung zu deren 
Anbau und Benüzung, in deutfcher und böhmiſcher Sprache. Von 
3. 6. Rietfd. 


Diefes Werf, welches heftweife erfcheint, ift vorzugsweife 
für Forſtſchulen und junge Forftleute beftimmt. Jedes Heft ent: 
hält zwei Bogen Tert und zwei Abbildungen. Der Tert, nad 
Bechſtein und Hartig bearbeitet, liefert ſowohl eine ausführliche 
Beſchreibung der Pflanze, als eine hinreichende Anweiſung zu ihrer 
Cultur und Benüzung; die Abbildungen in der Manier von Abel 
und Reiter ſind gefällig; die Zergliederungen der Blüthen und 
Früchte genau, bei manchen auch die Entwiklung der Pflanze ſorg— 
fältig angegeben. Vierzehn Hefte ſind bereits erſchienen; der 
Preis jedes Heftes auf weißem Drukpapier zu 20 kr., auf Velin— 
Bapier zu a0 fr. C. M. ift fehr mäßig. Es wären den Unterneh: 
mern mehrere Abnehmer zu wünſchen, damit die Herausgabe etwas 
rajcher vor fich gehen könnte. 


3. 


Sefhihte der Suden feit dem Rüfzuge aus der 
babylonifhen Gefangenfhaft bis zur Schlacht bei 
Aza, in welher Judas der Maccabäer fiel. Enthält das 11. 
und 12. Bud) der jüdifhen Antiquitäten des Flavius Joſephus, 
üderfezt und durch Anmerfungen erläutert von Dr. M. Horfchesfy. 
Mit einer Vorrede von M. 3. Landau, Prag 1826, getruft 
tei Pandau, XX. und 203 ©. in 3’ 


Mit Recht werden die 20 Bücher von den jüdifchen After: N 


thümern in der erwähnten Vorrede tes Deren Landau ald das vor— 











81 


zügfichite Werk des Joſephus Flavius erklärt. Sie enthalten die 
Geſchichte der Juden feit den älteften Zeiten bis zum Anfang des 
jüdifhen Krieges in den festen Jahren der Regierung Nero’s, und 
rechtfertigen durch die vortrefflihe Schreibart den Beinamen des 
„griechiſchen Livius,“ womit danfbare Leſer längſt verfloffener 
Jahrhunderte des Verfaſſers Verdienſte anzuerkennen bemüht waren. 
Wenn daher dieſes Werk für den Alterthumsforſcher überhaupt 
ſehr wichtig, ja in mancher Hinſicht ſelbſt unentbehrlich iſt, fo 
wird es gewiß jedem Freunde der Geſchichte, dem ſeine Verhält— 
niſſe tiefer in das Heiligthum der Wiſſenſchaft einzudringen nicht 
geſtatten, angenehm ſeyn, durch den Hrn. Dr. Horſchetzky einen 
Theil desſelben in die deutſche Sprache übertragen und durch An— 
merkungen erläutert zu wiſſen. Die Ueberſezung enthält das 11. 
und 12. Bud) des genannten Werfes, welche mit der Rükkehr der 
Juden aus der babylonifchen Gefangenfchaft beginnen, Serufalems 
und ded Tempels Wiedererbauung erzählen, die Gründung eines 
neuen, von ben PVerfern zwar abhängigen, doch im Innern der 
Leitung eigener Hobenpriefter und Aelteften überlafienen Staates 
in Judäa, jo wie die merfwürdigften Schiffale feiner Bewohner 
unter dem Scepter Aleranderd des Großen und des Königs von 
Negupten Ptolomaus, bis zu dem denfwürdigen Zeitpunfte dar: 
ftellen, wo die Juden von den Syrern unterjocht, durch des Königs 
son Syrien Antiohus IV. deutlich ausgefprodenen Borfaz, fie zum 
Abfalle vom Gefeze Mofis zu zwingen, auf das Aeuferfte gebradt, 
in DVertheidigung ihrer Religion eine Nationalkraft entwikeln, der 
wir noch heute unjere Bewunderung nicht verfagen können. Ma— 
thias, ein frommer Priefter, widerfezt fih den Syrern, und fam- 


‚melt in Judäas Gebirgen eine Schaar ähnlich denfender Glau- 
bensgenoſſen um fih. Nach des Helden Tode übernahm fein dritter 


Cohn Judas, genannt Maccabäus, ald Oberpriefter und Heer— 

führer die Anführung feiner Partei. Bon feinen Brüdern unter: 

füzt, eroberte er Jeruſalem, reinigte das Land vom Feinde und 

som Gözendienjte, bis er endlich feldft im ruhmvoll fortgefejten 

Kampfe für jeines Volkes Freiheit in der Schlacht bei dem Berge 

Aza fiel. Mit des Tarfern Falle endigt das 12. Buch des Jo— 
6 


Ä 


82 


fephus und Herrn Horſchetzky's Ueberſezung. Beigefügt finden wir 
der leztern eine Furze Abhandlung über die Zeitrechnung, deren 
Joſephus fih in diefem und den folgenden Büchern bedient ; wie denn 
auch die meiften Anmerfungen, durch welche der Hr. Ueberſezer 
den Tert des Joſephus für die mit der älteften Gefchichte der Ju— 
den minder vertrauten Lefer zu erläutern jucht, fih auf Chronologie 
und Geographie beziehen. 


4. 


Geſchichte des PR. f. N. ar. erledigten Freiherr 
von Klopfteinfhen Lin. Inf. Regiments, feit dejfen 
Erridtung im 3. 1682 bis auf die neuefte Zeit. Mit 
Furzer Ueberſicht der militäriſchen Zeitgefhichte diejfer Epoche, von 
Sohann Ritter von Rittersberg, Hauptmann in der F, F, 
Armee und Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlicher und Kunjtvereine. 
Prag, 1827, bei C. W. Enders. 10s ©. in s. 


Diefed Werfchen dürfte niht nur dem NRegimente, deſſen 
Geſchichte ed auf eine bündige Art abhandelt, fondern auch jedem 
andern Militär und Nicht - Militär, wegen damit verbundener 
gedrängter Durchführung der militärifhen Zeitgefhichte eines Zeit: 
raums von beinahe anderthalb Sahrhunderten, eine willfommene 
Erfcheinung feyn. Der Verf. wußte beim Einweben der Zeitge- 
fhichte in jene des Regiments den reichhaltigen Stoff derfelben jo 
zu behandeln, daf fie nirgends auf Koften der leztern hervortritt, 
und nirgends den Hauptzwek in den Hintergrund ftellt. Für das 
böhmiſche Vaterland hat diefe gelungene Arbeit noch überdies die 
Bedeutung, daß fie von einem Mifitärförper fpricht, welcher über 
ein halbes Sahrhundert Böhmen angehörte, und aus deſſen Söhnen 
zufammengefezt war. Beigefügt find dem Werkchen die Bildniſſe 
unfers hocverdienten Landsmanns, des F. ?. General: Feldzeug- 
meifters Grafen Franz Kinſky, und des E. k. ©. F. 3. M. Frei— 
beren von Vogelfang, in Steindruf. Der Preis 3 fl. W. W. ft 
der correcten und gefälligen äußern Austattung angemeijen. 




















Neuftadt ob der Mettau. 


Um 2. November v. J. verlor diefe Stadt durch den Tod einen 
fehr gelehrten Mitbürger, den Herrn Sohbann Maler, der 
freien Künjte und der Philofophie Doctor, gewejenen Präfect und 


- Brofefjor der Logik und Metaphyſik an ver F. E. therefianijchen 


Nitterafademie in Wien. Ein Sohn des hiefigen Bürgermeijters 
Franz Matef, war er am 2. September 1770 in unjerer 
Stadt geboren. Nachdem er die Humaniora in Braunau und 
Königingräz zurüfgelegt hatte, abjoloirte er zu Prag die Philo- 
fopbie unter v. Seibt, Meißner, Cornova, Wydra, v. Blaha mit 
ausgezeichnetem Erfolge, und war ein erflärter Liebling des Pro- 
fefiors v. Seibt. Im Jahre 1799 erhielt er den ehrenvollen Ruf 
als Profejjor zugleih an die F. E. Univerfität nah Prag und an 
tas TIherefianum in Wien. Er 309 den leztern vor. In demfelben 
Sahre erſchien fein tief gelehrtes Werf: „Beweis vom Da- 
ſeyn Gottes aus Gründen der theoretiihen Ver— 
nunft.“ Wien 1799, gr. 8. mit einer böhmifchen. Zueignung 
an feine Eltern, die er acht Findfich verehrte. Dies und eine 
frühere öffentlich? WVertheidigung fchwerer wathematijcher Thefen, 


erwarb ihm 1800 das Diplom ald Doctor der freien Künfte und 


ter Philoſophie, das ihm die Prager k. k. Univerfität unter dem 
Rectorate Wydra’s in den fhmeichelhafteften Ausdrüken ertheilte. 
Gleich nad) abſolvirter Philofophie hatte er an der k. k. Univer- 
fitat in Wien das Studium der Rechte angetreten, und ſolches 
unter berühmten Männern, wie de Luca, v. Zeiller, Scheidlein, 
Watteroth, Fölſch rühmlichft vollendet. Alſo mit Gelehrſamkeit 
ausgerüſtet, lehrte er am Thereſianum von 1799 bis 1805 Lo— 
gik und Metaphyſik, überdies aber eine Zeit lang Moral. Zu 
Oſtern 1808 erſchien in Wien fein „Entwurf der reinen 


54 


Philoſophie.“ Die Iebergabe des Therefianums an die PP. 
Piariften machte feinem Lehramte ein Ende, und verfeßte ihn in 
ten Penfionsitand. Seitdem privatifirte er als Gelehrter in 
Neuftadt im Kreife feiner Anverwandten, und blieb unverehlicht. 
Ein kurzes Kranfenlager endete die Laufbahn feines irdifchen Le: 
bens, und berief ihn in jene befjere Welt. Unter feinen nachge— 
laffenen Papieren hat man Bruchftüfe verfchiedener gelehrter Auf- 
ſäze in franzöfifher und englifcher Sprache, welde er neben der 
fateinifhen, griechiſchen, deutſchen, böhmiſchen und italieni- 
ſchen vortrefflich ſprach, vorgefunden, die aber zu ſehr Bruch- 
ſtüke ſind, als daß ſie der Publicität übergeben werden könnten. 
Friede ſey ſeiner Aſche! 
W. E. Gautſch. 


2. 


Am 14. December 1826, Nachmittags um 3 Uhr ent— 
ſchlummerte zu Piſek im Frieden Herr Sofeph Dlabac, Pro— 
feſſor der zten Humanitätsclaſſe am k. k. Gymnaſium daſelbſt, 
geboren zu Nimburg am 28. Februar 1790. Ein Neffe des 
gleihbenannten, dur fein Lericon böhmifcher Künftler und fon- 
ftige werthvolle wiljenihaftlihe Arbeiten im Baterlande nicht 
unberühmten Chorherrn und Bibliothefärs im Prämonftratener: 
ftifte Strahow, ftrebte er diefem würdigen Vorbilde nach. Gleiche 
Neigung zu den Künften und Wifjenfihaften, derſelbe Eifer in 
deren Betreibung, diejelbe Liebe zu dem Vaterlande überhaupt 
und der Mutterfprache insbefondere,, fhufen ihn zu einem viel: 
feitig gebildeten, um die Aufnahme und Verbreitung der wieder 
auflebenden böhmischen Sprache wohlverdienten Mann. Man: 
es gemüthvolle Gedicht, manches artige Liedchen von ihm lebt, 
bie und da felbft im Munde des Volkes. Gediegen und Fräftig 
war aber auch fein Tateinifher, fein deutjcher Vortrag, im ge- 
bundener und ungebundener Rede. Manche Belege davon find 
feloft in Druf erjchienen, und manches, was anderweitige Ge- 
ſchäfte oder ein beſcheidenes Nichtadhten, der Welt bisher ent» 








4 


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85 


zogen, wird man nach genauer Sichtung feiner hinterlaſſenen Ya: 
piere, als das feste Opfer eines wakern Sohnes, auf den Altar 
des Vaterlandes zu legen traten. 

Es dienten ihm übrigens literärifhe Arbeiten zur Erho— 
lung von feinen, mit einer Anftrengung die ihm, bei einer ſchon 
serrütteten Gefundheit, in der lezten Zeit manchen freundſchaft— 
lichen Vorwurf zuzog, ausgeübten Berufspflichten ald Gymnaftal- 
profefior, anfangs zu Gitfehin, wo er feit 20. Sanuar 1820 in 
der obern Grammatifalclafje fupplirte, dan zu Piſek, wo er 1. 
April 1820 als wirklicher Humanitätslehrer angeftellt wurde, nad) 
vielfältigen pädagogifhen Verdienften, um die Stadtfchule zu Nim— 
burg berathend, wirfend ald Erzieher in adelichen Haufern zu 
Prag. 

So emfig andere bildend, und nad) eigener Vervollfomm- 
nung raftlos ftrebend, wurde er feinen frauernden Freunden, den 
Wiffenfhaften und feiner Familie entriffen, im zweiten Sahre 
einer eben jo mufterhaften Che, als fein ganzes Leben gewe⸗ 
ſen war. 

Joſeph Schön, 
k. Gymnaſial⸗Präfect. 





Berichte über die fortſchreitende Vervollkommnung des 
vaterländiſchen Muſeums. 


(Sanuar 1827.) 


Geſellſchaft. 


In die Claſſe der wirkenden Mitglieder ſind eingetre— 
ten: in Folge ihrer Erklärungen zum jährlichen Syſtemal-Bei— 
trage von 20 fl. C. M.: Hr. Johann fFreiberr von Senf: 
tenberg, und Hr. Sobann Freiberr von Stentſch; — 
in Folge der durch eigene Verlagsartifel im Syſtemalwerthe von 
200 fl. C. M. gelieferten Materialien, die Ealve’ihe Bud): 
handlung in Prag. — Ferner hat der Verwaltungsausfhug in 


s6 


feiner am 23. d. gehaltenen Sizung $. s aus mehreren wichti— 
gen Rükſichten beſchloſſen: die bisherige Elafje der fammeln- 
den HH. Mitglieder ın eine Clafje von beitragenden Mit: 
gliedern zu verwandeln, im diefe lejtere (nebſt den bisherigen 
fammelnden HH. Mitgliedern) auch alle jene aufzunehmen, welche 
nah den 89. 4 umd 5 der von Gr. F. k. Majejtät allergnädigit 
genehmigten Grundgefeze diejes patriotiihen Vereins, zur Auf: 
nahme in denfelben geeignet find, und zu einem jährlichen Bei: 
trage für den Fond des Mufeums von wenigitens fünf Gulden 
C. M. ſich fehriftlich erflären; in Bezug auf die fammelnden 
HH. Mitglieder aber, es in Zufunft, wie bisher bei den wir- 
fenden HH. Mitgliedern, bei jedem Einzelnen zu bemerfen: 
dag er zugleich jammelnd fey, und wo. — Auf welche Weife 
nad dem Inhalte ihrer früberen Erflärungen, aus der bisherigen 
Claſſe der ffiftenden Mitgliever, ſogleich nachſtehende Indi— 
viduen in dieſe neue Claſſe ver beitragenden HH. Mit: 
alieder aufgenommen wurden: 9. Sof. Födiſch, E.E. Zoll 
Tegftatteinnehmer in Königgräz. — Dr. Sof. Franz, FF. Berg: 
oberamtscafjier in Pripram, — H. Wenzel Klitzpera, k. k. 
Gpmnafialprofefjor in Königgräz. — 9. Lauren; Laske, k.k. 
Oberamtsbuchhalter in Pribram. — Der hochw. Curatclerus 
des bifchöflihen Eufamwizer Bicariats in der Budmweijer Diö— 
ces. — Der hochw. Curatclerus des bifhöflihen Pilgra- 
mer Bicariatd in derfelben Diöces. — 9. Leopold Rabu- 
ſty, Bürgermeifter der freien Stadt Brür. — 9. Vinz. Chri— 
ffian Rubeſch, bifhöfliher Notar, Dechant und Rector, zu: 
eleich ſammelnd, in Haida. —H. Leopold Shrottenbad, 
Yergrath in Lukawez. 


Materialien. 


Für die Mineralien: und Peträfacten 
Sammlung: 

Vom beitr. und ſamml. Mitaliede, 9. Mihael Schön: 
bet, Dock. und Prof. der Theol. zu Budweis, zwei Verjteine- 
rungen aus der Gegend von Krumau. 

Für die zoologifhe Sammlung: 

Dom Ehrenmitgliede, H. Joh. Chrift. Mifan, Dort. 
und Prof. der Med. in Prag, das Skelett eines Delphins (Del- 
phinus Delphis), welcher von den Matrojen ver f. k. Fregatte 
Augufta auf der Rükreiſe aus Brafifien im Ocean harpunirt 
wurde, — und den zum Ausjtopfen gehörig vorbereiteten (wie 
auch ſeitdem bereits ausgejtopften) Balg eines braſilianiſchen Rüſſel— 
khiers (Nasua fusea). — Bon 9. Klier, Resident in Obkiſtwy, 
eine ausgeitopfte Goldamfel (Oriolus Galbula, Männchen). 





87 


Für die botanifhen Sammlungen: 

Don 9. Doct. und Prof. Mikan, einen Duerabjchnitt 
von dem Blumenfchafte der in Brafilien wildwachſenden Fourcroya 
gigantea, von den Einwohnern Pita genannt, und ſtatt des 
Korfes gebraucht; — dann ein in Brafilien gewöhnliches Trinfge: 
fhirr der Neger und gemeinen Leute, aus der getrofneten Hälfte 
ter ihres Inhaltes entledigten Frucht des Kürbisbaumes (Cres- 
eentia Cujete), Cuja genannt. — Bon 9. Doct. und Prof. 
Skhönbed, eine unreife Kokosnuß jammt ihrer Scale. 

Für die Bibliothek und Sammlung der Hand: 
fhriften: 

Vom Ehrenmitgliede H. Joſeph Freiberrn von Hor- 
mapnr zu Wien, den Jahrgang 1527 des Archivs für Geſchichte 
u. ſ. w. mit pofttäglicher unentgeltliher Zujendtung. — Dom 
wirt. und ſamml. Mitglieve, O. Franz Aloys Wacef, De: 
chant in Kopidlno, ein Eremplar feiner gedruften böhmifchen Fa— 
ftenbomilien, 1826. — Bon H. Peter Fiſcher, k. k. Gub. 
Eoncipiften, ein Eremplar von Theobalds Hufitenfrieg, 1609. — 
Bon H. Med. Doct. und Affiitenten Linhart, Wußins Le— 
xicon. — Bon 9. Ignaz Seibt in Prag, feine practifchen 
Uebungen zur lateinifhen Grammatıf, 1827, und feine Ausgabe 
son Juſtins Hist, Philip. 1827. — Bon 9. Franz Winter, 

Buchbinder in Pifef, 3 ältere vaterländifhe Drufjchriften. — 
Dom dortigen Gymnaſialſchüler Mathias Pitra, ven weit: 
phaliichen Friedensſchluß, deutih und böhmiſch, 1648. — Don 
H. 305. Wernhard, Dedant in Rothrzetſchiz, ein Erem: 
plar feiner gedruften böhmiſchen Beifpiele der geiftlihen Bered— 
famfeit, 1821. — Bom Ehotiefhauer Suftiziar DH. Herrmann, 
das böhmiſche Landesrecht, 1564. — Vom Dobraner Eaplar 9. 
Mayer, vasjelbe erneuert, 1627. — Bon 9, Philip» 
Forfiner, Picariatsverweier in Böhmiſch-Reichenau, einen 
lateinijhen auf Papier geſchriebenen Commentar über die 4 Evan- 
gelien, aus dem XV. Jahrhunderte, und ein vollftändiges Exem— 
plar der ganzen böhmijchen Bibel mit Kupfern vom Prager Bud: 
drufer Paul Sewerin aus Kuttenberg, 1537 in Folio. — Bon 
9. Borroſch, Buchhändler in Prag, 6 vaterländiihe Druk— 
fhriften aus feinem erlag, vom 9. 1826. — Bon 9. M. 
Schmelfes, Buchbindermeiſter in Prag, ein feines gebundenes 
Eremplar eines bebraifhen und deutſchen Briefjtellers. — Bon 
9. Prof. Fr. Joh. Swoboda, ein Eremplar der böhmiſchen 
Drukſchrift: der Weihnachtsabend, 1827. — Von 9. Anton 
Kopecky , Pfarrer in Kolinez, Fragmente von Handſchriften 
aus dem XVI. Sahrhunderte. — Bon H. Abbe Dobrowſky, 
die Roſenbergiſche Handſchrift getruft, volljtäandig, Prag 1598. 


* 


88 


Für die Diplomenſammlung: 

Bon H. Doct. und Prof. Schönbeck, 2 abfhriftliche Ur— 
kunden der Ritter von Michnis auf Sonnberg, fammt einem Ab 
druk ihres Siegels, und ein böhmifches gedruftes Steuer: Mifiv 
vom J. 1625. 

Für die Münzfammlung: 

Don H. Dechant Wacek, 2 alte böhmiſche und 1 Meiner 
Grofhen. — Vom Zerbowizer k. E. Pojtmeifter H. Ackermann, 
s ‚größere und Fleinere alte Silbermünzen. — Bon 9. Karl 
Holly, Pfarrer in Obriſtwy, einen alten ſächſiſchen Thaler. — 
Vom beitr. und famml. Mitglieve, 9. Iof. Schön, FE k. 
Gymnaſialpräfect in Pifef, eine römifhe Kupfermünze. — Bon 
wirf. und ſamml. Mitgl. H. Doct. und Prof. Adalbert Se: 
dlackek in Pilfen, 3 Halbbrafteaten. — Bon 9. Adolph 
Hruby, Dedbant in Humpolez, eine Kupfermünze. — Bon 
H. Jakob Smrejfa, Bürgermeifter dafelbit, 4 Eleine Sil- 
bermünzen. — Bon 9. Emmanuel Prechlik, Berwalter in 
Selau, eine Fleine Silbermünze. — Bon 9. Grafen Sylva— 
Taroucca in Frauenthal, 2 Eleine Silber- und 7 Kupfer: 
münzen. — Von 9. Sachs, Pfarrer daſelbſt, 5 Fleine Silber: 
und 4 Kupfermünzen. — Bon DH. Profop Brauf, Gymna— 
fialprofefior in Deutjhbrod,, 5 Kupfermünzen. — Vom dortigen 
Humanitätsfhüler Friedrid Hellmann, eine mejingene 
Zubiläumsmedaille. — Bon H. Doct. und Prof. Shönbed, 
eine Silbermünze. — Von 9. Sof. Wobiſch, Pfarrer in 
Hammern, 15 alte Silber - und s alte Kupfermünzen, worunter 
2. römifche. 

Für die ethnographiſche Sammlung: 

Don 9. Franz Plahta, Rentmeiſter in Obbkiſtwy, 
einen bei Tabor gefundenen alterthümlihen Sporn. — Von 9. 
Präfect Schön, einen Ziegel mit Umſchrift aus der Klingen: 
berger Burgcapelle. — Vom f. k. Rath H. Doct. und Prof. Mi: 
chael Schuſter, einen alterthümlihen, mit bemaltem Frauen- 
glas verzierten Sonnenjhirm. — Von der Frau Altgriian Salm, 
gebornen Gräfin Pahta, ein aus verjilbertem und vergoldeten 
Kupfertrabt verfertigtes, mit Schmelz und Fünjtlichen verſchie— 
denfarbigen Steinen befeztes zierlihes Käjtchen vom 3. 1690. 





Redacteurr F. Palacky. 


—— — — —ñ — — — — 


v. Schönfeld's Papier und Druk. 
— — — — —— — — — — 





a a ke 9 


41. Der zwölfte Hornung. Zur Geburtsfeier Seiner 


Majeſtät des Kaiſers, gedichtet von Prof. Anton 
Müle ale ea 
2. Die Ruine. Don Karl Egon Ebert. . . . .» 
3. Skizzen nach dem Leben. Yon Prof. Anton Müller. 
1) Doralice Prefti, 2) Monike. .. . .. 
4. Dgier. Ballade von ©. 8. Machacek. . . 


5. Die firenge Sühne. Bon M.M. . .. u. 


6. Einiges über den jezigen Zuftand ber Bergwerfe 
von Südamerita. Bon J. G. Sommer. .„.- 


7. Auszug aus dem Tagebuche der Gefandten tes 


Böhmenkönigs Georg an Ludwig Xl., König 


von. Frankreich, im 3. 1464. » 2.» 2 
8. Notizen über die Berölferung Böhmene. Bon || 
Dr. rang Mops Steig. . » . 0 0 2.060 


9. Seltenere Pflanzen, die im botanifhen Garten 
der k. k. Iniverfität zu Prag geblüht haben. 


—mt 


Bon Prof. Johann Chriſt. Mikan. . 9 hl 


10. Riterärifihe Anzeigen. 1) Nachricht von den Witterungs- 
beobachtungen in den Kreiſen Böhmens. 2) Abbildungen 


der wichtigften deutſchen Holzpflanzen, von F. G. Rietſch. 


2) Geſchichte der Juden. 3) Geſchichte des F. k. Lin. Inf. 


Regiments Neo, 47, von Sohann Ritter von Nitteröberg, 
\ — 


11. Nekrolog . 1) Johann Macek. 2) Joſeph Dlabaẽ. 


12. Bericht über die fortſchreitende Vervollkommnung * TER 
des vaterländifhen Mufeums. (Sanuar 927) . . f 





| Monarsrift 
_. der 


Geſellſchaft 


des 


vaterlandiſchen Muſeums 


in Böhmen. 


Erſter Jahrgang, 


EIPAPISIFGIE 


Drag, im Verlag des böhmifchen Muſeums. 





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Geſellſchaft i a” 





des 


vaterländiſchen Muſeums 


in Böhmen. 





Erſter Jahrgang. 
April. 


Br BR * Prag, 
Bun Nur * Verlag des böhmiſchen Muſeums. 
—* 1827. 


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Nordifhe Sage 
von | 


Karl Hugo. 
rt 


I. 
Siegeösfunde, 





Von des Königshaufes Zinnen 
Schauet Ir tha bang in’s Thal, 

Sn der Sungfrau feuchtem Auge J 
Spielt der Abendſonne Strahl. 


Röthlich ſchimmern Blatt und Blüthe 
Sn der Damm’rung mildem Schein, 
Böglein bergen fi in Zweigen, 
Schlummern leife zwitjchernd ein. 


Ruhig liegen” Wald und Höhen, 
Ruhig wogt das alte Meer, 

Ruhig ſchlagen alle Herzen, 

Shres nur fchlägt bang und fehwer. 


Ah gezogen ift ihr Vater 
König Gormal in die Schlacht, 
Und noc Feiner bat ded Sieges 
Frohe Kunde ihr gebracht. 

1* 





. Und im ahnungsvollen Geifte 

Hört fie, wie der Schladhtruf fchallt, 
Bon den Bergen, aus den Thälern 
Doppelt furdtbar wiererhallt. 


Bor dem trübumflorten Auge 
Breitet fi) dad Kampfgefild, 
Speere faufen, Schilde dröhnen, 
Und das Blut der Kampfer quillt. 


Da erhebt fie hoch die Arme: 
„Götter, die ihr droben wohnt! 
Höret einer Tochter Flehen, 

And den greifen Water ſchont!““ 


Horch! da fehmettert’s durch die Stille, 
Und es hebt fi GSiegesfang, 

Munter immer nah und näher 

Schallet drein des Schlachthorns Klang. 


Und ein Ritter hoch im Bügel, 

Stahl vom Wirbel bis zur Zeh’, 
Herrlich, wie der Gott der Schladhten, 
Saget nad des Schloſſes Höh'. 


Grüßt hinauf zur hohen Zinne: 
„Schönes Königstöchterlein!, 
Trofne dir die feuchten Augen, 
Laß die frohen Sieger ein.“ 


„Shüttle nicht das gold’ne Köpfchen, 
Schmüke dich zu Feft und Tanz, 

Um des alten Vaters Lofen 
Schlinget fi) der Siegeskranz.“* 


Und im Thal beginnt’s zu funfeln, 
Und es drängt fih Speer an Speer, 
Und den König an der Spüe 
Sagt tie frohe Schaar einher. 


’ 
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F 

* 


—â— — — 





— 













„Holger!“ jubeln alle Streiter, 
„Oolger!“ jauchzt der Königsgreis, 
„Meiner Kämpfer Stolz und Krone! 
Deim iſt dieſes Tages Preis!«“ 


Da ſenkt ernſt ſein Haupt der Ritter, 
Aber Irtha hold und mild- 

Flötet von der Zinne nieder: 
»Dolger, bobes Heldenbild !« 





1. 
Der kohm 





Es haut, ein Zauberbau im ftolzer Pracht, 
Die Königsvefte leuchtend durch die Nacht, 
Auf ftiller Meerfluth bebt der Wiederſchein, 
Und Mond und Sterne funkeln freundlich drein. 


Bon jedem Arme finft der Schildesrand, 
Der Panzer weicht dem feitlichen Gewand, 
Und jedes Aug’, aus welchem Kampfesgluth 
Zuvor gefunkelt, lacht in frohem Muth. 


Die ſchlanken Jungfrau'n all ſo hold und ſchön, 
Die Helden hoch und herrlich anzuſehn, 

Sie jubeln alle in des Feſtes Glanz, 

Und durch die Hallen windet ſich der Tanz. 


Doch wie die Rofe in der Blumen Kreis 
Selbſt vor der herrlichiten gewinnt den Preis, 
Und wie des Demants Gluth und Feuerſchein 
Verdunkelt ſelbſt das köſtlichſte Geſtein: 


So raget Irtha aus der Jungfrau'n Chor 
Der Roſe und dem Demant gleich hervor, 
Die zarten Wangen färbet roſig Blut, 


Und aus dem Auge ſtrahlt des Demants Gluth. 


Mer aber fehreitet ftille durch den Saal, 
Vom Wirbel bis zur Zeh’ im roft’gen Stahl? 
Mer führet noch die Lanze und den Schild, 
Als ftünde er auf blut’gem Kampfgefild ? 


Das ift der Holger, den nod Feiner zwang, 
Der jeden Gegner fiegreich niederrang, 

Das ift der Holger, der den Feind gefallt, 

Sn König Gormals Scaar der. befte Held. 


Der fchreitet durch die reichgeſchmükte Schaar 
Der frohen Tanzer, alles Schmufed bar, 

Mit Speer und Schild im fehlichten Eifenkleid, 
Faft wie ein Geift aus langfiverflung'ner Zeit. 


Der König fpriht: „Du wakerer Gefell! 

Wirf ab den Panzer und den Schildrand ſchnell, 
Du baft erfochten uns das frohe Heil, 

Sp nimm dir auch davon den beiten Theil.“ 


„Das reichte, herrlichite Gewand fey dein, 
Beſä't mit Gold und felt'nem Edelſtein, 
Drin follft du prangend mir zur Geite ftehn, 
Und jedes Auge dich mit Staunen jehn.“ 


„Dein altes Haus fteht öd' und ohne Dach, 
Die Winde ziehn durch Halle und Gemach, 
Ich wandle dir's in einen folgen Bau, 

Der ragen foll hoc) in des Himmeld Blau.‘ 


„Darin foll walten friſch ein rüft’ger Troß, 
Und. in den Ställen wiehern Roß an Roß, 
Du follft der Reichfte feyn im Land nad mir, 
Du meined Thrones feite Saul und Zier.“ 


Der Holger fpriht: „DO Herr! du macht mir bang, 
Für deine Goldgewänder fag’ ich Dank; 

Ih würde fremd mir in dem neuen Kleid, 
Und nimmer ſchlüge mir das Herz fo weit!“ 


+ 





—* Aa IR 








„Auch lag die alte Burg mir ohne Dad, 

Laß ziehn den Wind durd Halle und Gemach, 
Sch würde fremd mir in dem neuen Haus, 
Der Ahnen Heldengeifter zögen aus.“ 


„Doch hältft du Herr mic eines Lohnes werth, 

©» fey mir eine Bitte mild gewährt, 

Bor deinem Schloß ein alter Eihbaum fteht, 

Um den der Sturm wohl manch Sahrhundert weht.“ 


„Bald ift der edle Stamm dahingerafft, 

Ein Zweiglein treibt noch) feine lezte Kraft, 
Das fchlanfe Zweiglein reihe Irtha mir,‘ 
Das fey mein Lohn und meines Hauptes Zier.“ 


Der König lächelt und jhon Irtha winkt, 
Sn ihren Händen bald das Zweiglein blinkt, 
Es ſchimmert frifh und grün in felt’nem Glanz, 
Erröthend biegt fhon Irtha es zum Kranz. 


Und wie der Holger vor die Sungfrau Eniet, 
Auch feine Wange roth und röther glüht, 

Und wie das Zweiglein feinen Helm umkränzt, 
Im Aug’ ihm eine Freudenthräne glänzt. 

Und freudig ruft er: „Holdes Minnebild! 
Du haft ver Seele tieffien Wunfd erfüllt, 
Und füge Ahnung fagt mir, dieſem Kranz 
Entjtrablet meiner Zukunft Ruhm und Glanz.“ 


Il. 
Die Wahl. 





Des Koönigsthrones Stufen 
Umftehn die Ritter all, 
Von’ihrem Deren berufen, 
Ein hoher Eifenwall. 


Der König fist zur Throne 
Im ſchimmernden Talar, 
Es funfelt heil die Krone 
Dom greifen Silberhaar. 


D Bild voll Schmerz und Wonne ! 
Wohl jedem wird's zu Muth, 

Als ſänke eine Sonne 

Herab in Meeresfluth. 


Und ihm zur Seite blühet 
Schön Irtha hold und mild, 
Und Freia's Reiz umglühet 
Das königliche Bild. 


O Anblik voller Wonne! 

Wohl jeder ſtaunt und glaubt, 
Es hebe eine Sonne 

Aus roſ'ger Fluth ihr Haupt. 


Da ſpricht Herr Gormal trübe: 
„Bald werd' ich Töchterlein, 
Gedenkend deiner Liebe, 

Mich in Walhalla freu'n.“ 


„Vergebens nach dem Sohne 
Schweift meiner Sehnſucht Blik, 
Dem ich die gold'ne Krone 
Der Bäter ließ zurük.“ 


„Der blüht in ew'ger Friſche, 
Frägt nicht nach Kron und Thron, 
Und preist an Wodans Tiſche 
Des Heldentodes Lohn.““ 


„Wenn meines Lebens Flamme 
DVerlodert trüb und eis, 
Bleibſt du vom alten Stamme 
Das lezte junge Reis.“ 


„Doch nicht allein fol fizen 
Zu Thron das zarte Weib, 
Ein Schild foll fie beſchüzen, 
Des ftarfen Mannes Leib. 


„Drum blik' um dich und wähle 
Aus meiner Helden Zahl 

Mit Luft und freier Seele 

Den Fünftigen Gemahl.‘“ 


Da wird ed laut im Saale, 
Da dröhnet Erz an Erz, 
Und unter feinem Stable 
Schwillt jedes Heldenherz. 


Der Holger nur, der blifet 
Aus freiem Aug’ umher, 

Und lehnet unverrüfet, 

Wie vor an feinem Speer. 


Da hebt nad Elifenweife 
Schön Irtha fih empor, 
Da wird es fill im Kreife, 
Da laufchet jedes Ohr: 


„sn weiter Himmelsferne 
Frug meines Sehers Blik 
Den heil'gen Kreis der Sterne 
Um meines Lebens Glük.“ 


„Und was er da erfahren 
Im großen Sternenbuch, 
Das will ih treu bewahren, 
Und ewig ſteht fein Sprud.‘ 


„Wer Fühn in's Weite ziehet, 
Wer friſch meerüber fahrt, 
Und wenn der Frühling blühet, 
Der Reich ſte wiederfehrt :“ 


10 


„Den ſoll ich fröhlich kränzen 
Und grüßen als Gemahl, 
Bon feinem Haupt foll glanzen 
Der BVäterfrone Strahl.“ 


Da ftürmen alle Gtreiter 

Mit Subelfhall hinaus — 
Der Holger ftill und heiter, 
Der bleibt allein im Haus ; 


Greift nah dem Eifenhute, 

Blikt nad) dem Kränzlein ſchnell, 
und ſpricht mit frohem Muthe: 
„Bleibſt du nur grün und heil.“ 





IV. 
Meerfahrt. 





Golden Meer und Land umſäumend, 
Strahlt der junge Morgenhimntel, 
Und am Strande auf und nieder 
Wogt ein fröhliches Gewimmel. 


Stolzer Schiffe Maſten ragen 
Hoch empor im Morgenglanze, 
und die bunten Wimpeln flattern 
Mit dem Weſt im leichten Tanze. 


und der Helden Auge ſchweifet 
Suͤchend nach der Meeresweite, 
Träumend von gewalt'gen Schlachten, 
Siegesruhm und gold'ner Beute. 


Und gelöſet find die Anker, 

Und die lichten Segel ſchwellen, 

Und die Schiffe alle treiben 

Weit hinaus in’s Reid) der Wellen. 


* 


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—— 790 





— * 


— — 


Inter lautem Lebewohl 

Scheiden ſie vom Vaterlande, 
Rükwärts fliegen alle Blike 

Zu der Heimath theurem Strande; 


Hangen an der Königsveſte, 
Deren blanke, helle Zinnen, 
Wie zum Gruß die Morgenſtrahlen 
Dicht mit ihrem Gold umſpinnen; 


Spähen, ob ſich Fürſtin Irtha 
Wohl am hohen Fenſter zeige, 

Bild des Troſtes, Bild des Glanzes, 
Lieblich ſich herunterneige. 


„Königshaus, wie du zum Abſchied 
Herrlich prangeſt, glanzumzogen, 
Alſo tauche einſt zum Gruße 
Leuchtend auf am Himmelsbogen.“ 


„Schüze treu das holde Bildniß, 
Das in deinen Hallen weilet, 
Und um deſſen goldnen Preis 
Unſer Kiel die Wogen theilet.“ 


Bald verhallen weit im Meere 

Des Gefanges- lezte Töne; 

Mas auf fernen Fluthen ſchwindet, 
Sind es Schiffe, find ed Schwäne? 


„Fahret wohl ihr hohen Helden! 
Sahret wohl ihr ftolgen Schiffe !« 
Rufet Einer ftark und hallend 
Nieder von dem Felfenriffe. 


Schwingt an feinem Jägerſpieße 
Sich dann leicht und flint hinunter, 
Bliket nad) dem Königsſchloſſe, 
Ziehet feines Weges munter. 


12 


Tief in Thalern, hoch auf Bergen 
Schweift er dur die Wälder jagend, 
Und auf feinem Eifenhute 

Stolz ein Eichenfranzlein tragend. 


Holger, fprich du ftarfer Holger, 
Was bift du nicht ausgezogen, 

Um die Verle aller Bräaute 

Ningend auf den Meereswogen ? 





V. 
Der Raub. 


Der König wandelt am Meeresftrand 

Sn milder Abendlüfte Weh'n, 

Die Dämmerung webet ihr glühended Band 
Auf ftiller Fluth, um waldige Höh'n. 


Durch's tiefe Blau ded Aethers ſchwimmt 
Der Mond, umwallt von filbernen Slor, 
Und mählig Stern an Stern erglimmt 

Und Ereift und tönt im melodifchen Chor. 


Da ſchauet der alte König hinan, 

Und athmet tief aus der müden Bruft : 

„Ihr fhimmernden Pilger auf himmliſcher Bahn, 
Shr wandelt in ewiger Iugendluft.‘* 


„Ihr Teuchtetet freundlich mit goldenem Strahl 

Dem Knaben zum Spiele, dem Manne zur Schladt, 
Dem müden Greife zum vollen Pokal, 

Und werdet mir leuchten in Grabesnadht !“ 


Und er wirft auf's ruhige Meer den Blik, 
Da tauchet mand) feltfam Gebilde herauf ; 
Ihm wird ed, ald Fehre neu zurüf 
Verſunkener Jahre vollbrachter Lauf. 








Und leicht gewoben aus Nebelglanz 
Gewahrt er ewig fein eigen Bild, 
Es fpielt ein Kind mit Band und Kranz, 
Es ſchwingt ein Knabe Speer und Schild. 


Es fährt ein Süngling wohl über's Meer, 
Es kehrt ein hoher Held zurüf, 

Der Sungfrauen ſchönſte hoch und hehr 
Umfängt ihn mit treuem Liebesblif. 


So tauchen ein langes, ein firahlended Band 
Die alten verfunfenen Tage all 

Bis auf den lejten, von Geifterhand 
Befhworen, aus tiefem Meeresfchwall. 


Da ruft der Greis mit glanzendem Blik: 
„O Shr, die ihr webet das irdifche Loos, 
Beſchworet ihr altes Leid und Glük, 

So enthülfet mir aud) der Zukunft Schoos.“ 


Da haͤllt's durd die Stille jo graßlich wild, 
An’s Ufer raufchet ein leichter Kahn, 
Ihr Götter, das ift Fein Nebelbild! 
Das ift Fein taufchender Zauberwahn ! 


Schon fpringen die grimmen Räuber heraus, 
Und greifen den König mit frehem Muth, 
Bald treibet der Kahn in die Wogen hinaus, 


Und furchet mit fhimmernden Streifen die Fluth. 





VI. 
Der Bote. 


Bon des Königshaufes Zinnen wallen 
Schwarze Flöre traurig nieder, 


Durch die Säle ftöhnt es, durch die Hallen: 


„Hoher König Eehre wieder Is 


15 


14 


Fürftin Irtha weilt in dunkler Kammer, 
Tief verhüllet, gram befangen, 
Aus dem trüben Auge fliert der Sammer, 
Leichenbläffe deft die Wangen. 


Unverwandt lehnt fie am Fenfterbogen, 
Lange Nächte, lange Tage, 
Seftgebannt das Auge auf die Wogen, 
Ohne Thrane, ohne Klage. 


Und ein Tote naht mit fehwanfem Schritte: 
„Zog umher in weiter Runde, 

Seded Schloß und jede Bettlerhütte 

Horte meine böfe Kunde.“ 


„Ah die Velten trauern leer und öde 
Um die Herrn auf fernem Meere, 
Und die Hütte gab der Schmerzensrede 
Nur des Schmerzes bitt’re Zähre.“ 


„und noch eines Doffnungsfternes Flimmer 
Seitete mich freundlich weiter, 

Neu erlabet folgt’ ich feinem Schimmer, 
Denfend an den beften GStreiter.“ 


„Aber bald mit Flagendem Gebraufe 

Rief der Sturm aus Holgers Thoren: 
Ich allein bin Herr in diefem Haufe, 

Und dein Mühen war verloren.“ 

Da ruft Irtha: „Unglüfsbot’ entweiche! 
Blutet, blutet Herzenswunten! 

Sch vertrieb die Delden aus dem Reiche, 
Und auch Holger ift verfhwunden.“ 


— — 


15 


vo. 
Der Helden Heimkehr. 





Sm Sonnenglanze fohweben, ein leichtes Wolkenheer, 
Gefchwellt vom Hauch des Windes viel Segel über's Meer, 
Bon reichgeſchmükten Maften viel Wimpel Iuftig wehn, 

Und hoch auf den Berdefen viel edle Helden ftehn. 


Und jeder blifet fröhlich auf das verraufhte Jahr, 

Gedenft der blut’gen Schlachten, des grimmen Sturms Gefahr, 
Und freuet fi) der Zeute, die ihm fein Schwerdt gewann, 
Und dankt der firengen Norne, die's aljo wob und fpanı. 


Und Fühne Hoffnung fehwellet die ftolge Heldenbruft, 

Und jeder wähnt des Gieges in voraus fih bewußt, 

Schaut frohen Augs die Schäze, die in gedrängten Reihn 
Sein Schiff bewahrt, und dünket der Reichſte fih zu feyn. 


Denn was dem Süden eigen, auf defien Blüthenau 
Die warme Eonne lächelt aus ewig beit’rem Blau, 
Mas feine reihe Erde auf ihrem Rüken trägt, 

Was fie im tiefften Schoofe geheim bewahrt und hegt, 


- Was unter jenem Himmel, von Penzesduft umfacht, 


Des Bildners Geift erfonnen, des Bildners Fleiß vollbradt, 
Davon hat fi das Lefte erkämpft der Helden Schwert, 


- Davon trägt nun das Beſte ihr Kiel zum DBaterheerd. 


Gediegen Gold und Silber glänzt in der Sonne Schein, 
Dazwiſchen ſtrahlet funkelnd das edelſte Geſtein, 
4J Perlen Prachtgeſchmeide, dem Meeresgott geraubt, 


Es iſt bereit zu ſchmüken der ſchönſten Fürſtin Haupt. 


Und köſtlich edle Stoffe zu feſtlichem Gewand, 

Und feltne Ring’ und Spangen zu ſchmüken Arm und Hand,- 
Begegnen rings dem Blike in glanzvoll reiher Zahl, 

Und jedes einzle Kleinod, es ladet ihn zur Wahl. 


46 


Manch herrliches Gemälte im wundervoller Pracht, 

‚Bald fügen Frieden athmet, bald Graus und blut’ge Schlacht, 
Manch Meiſterwerk des Meiſels den hochentzükten Geiſt 

Sn ſeine Welt voll Wunder mit Zauberbanden reift. 


Und Vögel, deren Schwingen in allen Farben glühn, 
Die in der warmen Heimath durch Blüthendüfte ziehn, 
Erfüllen rings mit Sange und wunderlichem Schall, 
Sm Norden nie vernommen, die hohen Schiffe all. 


Was iſt's, was wie ein Schatten am Himmelsrande fehwebt, 
Und dunkler, immer dunkler fih aus dem Meergrund hebt? 
Und alle Helden jauchzen: „Das ift der Heimathöftrand, 
Das ift das Land der Väter, das ift das Vaterland!‘ 


Und Hörnerklang erjchallet und Sang und Gaitenfpiel, 
Und ſchneller, immer ſchneller hinbraufet Kiel an Kiel, 
Doch wie fih ohne Schleier die nahe Küfte zeigt — 

Da fihweigen alle Hörner, und Sang und Jubel fchweigt. 


Und alle Helden rufen: „DO Todesweh und Graus! 
Sp grüfeft du die Söhne, du altes Königshaus! 
Du lachteſt, als wir fehieden, in Glük und Sonnenfdein, 
Und hüllſt dih, nun wir fommen, in Grabeszeichen ein.“ 


Die Sıhiffe find gelandet am öden leeren Strand, 

Und zum Willfommen firefet fi) Feines Freundes Hand, 
Aus Feinem Auge firahlet des Wiederfehens Gruß, 

Und feine Lippe öffnet zu Jubel fi und Kuß. 


Bon den Verdeken fehwanfen die Helden ernft und ftumm, 
Und regen Feine Miene und fehen ſich nicht um, 

Und hinter ihnen fhreitet der Träger lange Schaar, 

Die Schäze blinfen trübe, faft alles Glanzes bar. 


Und jeded Antliz ftarret, fo eifig und fo bleich, 
Ald wäre feine Heimath das dunkle Geifterreich ; 
So wallet ohne Leben ein fohauerlicher Chor, 

Der Zug in langer Reihe zur Königsburg empor. 


j 


J 


*7 


Schon ſtehen ſie am Ziele und halten vor dem Haus. 

Die Eiſenpforte knarret, fhon Irtha wankt heraus, 

Faſt wie der Mond hervorſchwimmt aus dunklem Wolkenkranz, 
Mit trübem, fahlem Scheine, mit faſt erſtorb'nem Glanz. 


„O wehe, daß ihr auszogt, daß ſo ihr wiederkehrt! 

Und weh', daß ich euch thöricht vertrieb vom Vaterheerd! 
Indeß nad) Gold und Schäzen ihr fuhrt zu Meer und Land, 
Hat euch daheim den Beſten der grimme Feind entwandt.“ 


„Nicht über diefe Schwelle foll mir das eitle Gut, 

Mas foll dem bleichen- Schatten des rothen Purpurs Blut ? 
Und was der Schmuf der Perlen? Mein Aug weint ihrer mehr 
Als je auf feinem Grunde gehegt das alte Meer.“ 


„O Helden, reihe Helden ! wie ſeyd ihr doch fo arm! 
Scheucht ihr mit euren Schäzen des Herzend Gram und Harm ? 
Senkt ihr mit eurem Golde in diefes Buſens Froft 


‚Ei n wärmend Hoffnungsflämmchen, ein lindernd Tröpflein Troft ?« 


Die Fürftin hat's geſprochen, die Pforte rajelt zu, 
Auf allen Helden liegt es, wie dumpfe Todtenrub, 
Kaum hebt, die Götter fuchend, ihr Aug ſich wolfenwärts, 


Und im beflemmten Bufen pocht fehwer und bang das Ders. 





VIII. 
Der Reich ſte. 





Wie der Falk durch's Reich der Luft, 
Wie der Pfeil von Waidmanns Bogen, 
Alſo jagt ein leichter Kiel 
Rauſchend durch die Meereswogen, 
In der Frühlingslüfte Spiel. 

2 


48 


Statt der Wimpel hoch vom Maft 
Gfanzet eine Königskrone, 

Weht ein purpurner Zalar, 
Droben wie auf einem Throne 
Weben Morgenlichter Elar. 


Wie das Schiff am Strante ruht, 
Hebt auf des Gefanges Schwingen 
Lauter Subel fi empor, 

Und die Freudentöne dringen 

Zu der bleichen Fürftin Ohr, 


Süfe Ahnung in der Bruft, 

Eilet fie hinab die Höhe, 

Und es fühlt ihr mwundes Herz 
Des geliebten Herzens Nähe, 

Und in Wonne taucht der Schmerz. 


Bon der Küfte halt es laut: 
„Heil dem Königlichen Gafte ! 
Defien Krone heil und Klar 
Glänzet von dem hohen Maſte 
Mit dem purpucnen Talar.“ 


Schon an Irtha's Schwanenbruft, 
Bon der Theuern Arm umfangen, 
Liegt der Eönigliche Greis, 

Und von feinen bleiben Wangen 
Rinnt die Freudenzahre leis. 


Seitwärts fteht ein hoher Mann, 
Lehnt im fchlichten Eifenkleide 

Sid auf's Schwerdt in jüßer Ruh, 
Schaut dem Jubel und der Freude 
Still und heiter lächelnd zu. 


49 


Sinft trug er ein Eichenreis, 

Doch das Reislein wuchs zum Krane, 
Und der Blätter reiche Zahl, 

Spielend heil im Sonnenglanze, 

Dekt nun ganz des Helmes Stahl. 


Und in feines Kindes Arm 

Ruft, dem Helden zugewendet, 
König Gormal hoch erfreut: 
„Den die Götter mir gefendet — 
Sieh ihn bier — der mich befreit. 


Und der Wange zarten Sammt 
Seiht von Purpur überflogen, 
Lispelt Irt ha fanft umd wei: 
„Du bift über's Meer gezogen, 
Du kömmſt nun vor allen reich!“ 


Und der Held ſich ſittig neigt: 

„Goldesbar, fo Fehr ic) wieder, 
Meinem Kiele war's zu fehwer, 
Denk es drükt zur Erde nieder, 
Und jo gab ich es dem Meer.« 


„Dieſes Schwerdt — das alte Haus 
Mit dem eingeſunk'nen Heerde — 
Und der Eichenkranz von dir, 

Sind auf dieſer weiten Erde 

Meine Habe — meine Zier.“ — 


Irt ha ruft: „Du ſtolzer Held! 

Der den König ſeinem Volke 

Und den Vater mir gewann, 

Sah wohl je des Himmels Wolke 

Noch auf einen reihern Mann! !« 
92 * 


Und es foricht der Königsgreis: 
„Mehr als glänzende Kleinoden, 
Mehr ald Gold und Silbererz 

In der Erde Schooß und Boden 
Wiegt dein reiches Heldenherz.“ 


„Darum nimm die Tochter bin, 
Dir, dem Reichften nah und ferne, 
Geb ich gern fie zum Gemahl, 
Denn ſo wollen es die Sterne 

Und des eignen Herzens Wahl.“ 


— — — 


IX. 
Der Eichenkranz. 





Mer ſizt in weiter Halle 

Beim Mal und Saitenſchalle? 

Und weſſen Stirn und Haupt 

Sf von dem Eichenfranze, 

Sm frifhen grünen Glanze, 

Sp reich und voll und fon umlaubt ? 


Der Holger iſt's, der Reiche, 
Dem weht das Laub der Eiche 
Um Stirn und Schläfe lind, 
Der fizet froh im Saale 

Zur Seite dem Gemahle, 

Dem wunderholden Königskind. ' 


Und Irtha ſpricht: „Die Sterne 
Aus ihrer heil’gen Ferne 

Sie fprahen wahr und Klar, 

Du zogeft frifh meerüber, 

Du kamſt im Lenz herüber, 

Reich wie Fein König ift und war. 





„Drum mußt du ja auch prangen, 
Don meinem Arm umfangen, 

Zur Seit’ mir ald Gemahl; 
Drum muß ich dich befränzen, 
Und dir vom Haupt foll glänzen 
Der Väterkrone gold’ner Strahl,“ 


„Drum Vater, gib dem Sohne 
Der Ahnen alte Krone, 

Der Ahnen Purpurkfeid, 

Er foll fortan es tragen, 

Sein Herz; wird drunter ſchlagen, 
Wie unter'm Eiſen frei und weit.“ 


Und Gormal reicht dem Kinde 

Die Kron’ — und fanft und linde 
Nimmt fie den Eichenfranz 

Bon des Geliebten Haupte, 

Das lange er umlaudte, 

Und taufcht ihn mit der Krone Glanz. 


Und König Holger fchreitet, 

Von allen froh begleitet, 

Das Kränzlein in der Hand, 

Aus feines Schloſſes Pforte, 

Und ſpähet nach dem Orte, 

Wo einft der morjche Eichbaum fand, 


Dann foriht er: „Manch Sahrhundert 
Standft du hier hoch bewundert 

Du ſtolzer Königsbaum, 

Und unf're Väter träumten 

Unter deinem gofdumfäumten 

Gezweige manchen ihönen Traum.“ 


22 


„Drauf bift dur alt geworden, 
Der rauhe Sturm aus Norden, 
Der Wolfen grimme Gluth, 
Sie wühlten dir im Marke, 
Und du der Stolze, Starfe, 
Erlageft ihrer wilden Wuth.“ 


„Doch ſollſt du neu erftehen 
Und in ten Lüften wehen, 
Bom reihen Laub umgrünt. 
Es fehnet fi) zur Erde, 
Daß er zum Baume werde, 


Der Zweig, der mir zum Kranz gedient. 


„So fenfe ich ihm nieder, 

Und gebe treu dir wieder, 

Was ich dir einft geraubt, 

Und aus dem zarten Keine 
Hoch in des Himmels Räume 
Erhebe dein verjüngtes Daupt.“ 


„Ron Hofger, von dem Reihen 
Sollſt du ein ſtolzes Zeichen 

Den Fünft’gen Tagen feyn. 
Umraufht von deinen Blättern, 

So ziehe zu den Göttern 

Eint Holger’s lezter Enkel ein.“ 


— 


X. 
Holger's Eiche. 





Wie Holger prophezeiht, fo iſt's geſchehen, 
Und friſch und grün gedieh der junge Baum, 
Die Sonne wob aus ihren Himmelshöhen 

Um ſeine Krone ihren gold'nen Saum; 

Und Holger's Enkel, in des Lenzes Wehen, 
Sie träumten unter ihm mand ſchönen Traum, 
Mie ihn zur Zier in feiner Kindheit Tagen 
Der hohe Ahn einft auf dem Helm getragen. 


So hat er lang, troz Sturmeswuth und Wetter, 
Sabrhunderte gegrünet und geblüht, 

Dis unter janften Rauſchen feiner Blatter 
Erklang des lezten Enkels Schwanenlied, 

Der ſpät geladen in das Haus der Götter 
Siegreich aus dieſes Lebens Kampfe ſchied; 

Da auch begann der alte Stamm zu modern, 
Und ſeine Kraft allmählig zu verlodern. 


Längſt iſt der Baum — und längſt die Burg verſchwunden, 


Der Fels nur ragt noch über's Meer empor, 
Doch flüſtert dort in ſtillen Dämmerſtunden 
Von jenen Tagen viel der Elfen Chor, 

Und manches trugen von den Heldenkunden 
Die Abendlüfte zu des Wand'rers Ohr, 
Davon er ſich im Tiefſten fühlt durchdrungen, 
Und was er hörte — bat er Euch gefungen, 


— — —  — 


25 


24 


Joh. Norb. Zatolil von Löwenbruf, 


Tagebuch der Belagerung Prags durd die 
Schweden im J. 1648 *), 


Aus dem in böhmifcher Sprache verfaßten Original 
in Auszug gebracht 


von Johann Ritter v. Nittersberg. 
re 


Am 26. Juli 1648, um 2 Uhr nach Mitternacht, ergab ſich 
folgendes unglüfliche merfwirdige Ereigniß. Es hielt ſich 
fett langer Zeit in der Eleinen Stadt Prag (Kleinfeite) 
ein Lieutenant reformirten Glaubens, Namens Ottowalſky, 
als Gaft auf. Diefer erfpähte alle Zugänge zu der fönige 
lichen Burg und den Feſtungswerken und Schanzen, welche 
man in jener Zeit hinter dem Strahower und Kapuziner 
Klofter, an der Seite des weißen Berges, theils neu auf 
zuführen, theils auszubeffern anfing. Da er bemerkte, 
daß an einer Stelle der unvollendeten Schanzen hinter 





*) Der Verfaſſer diefes Tagebuhs, Zatneil von Löwen: 
beruf, Bürger und Kanzler der Altſtadt Prag, hielt fi 
zu diefer Zeit ſelbſt bei der Studenten-Compagnie auf, und 
verzeichnete täglich, was ſich bei ter Eelagerung zugetragen. 
Gein Werk erfhien zuerft im 3. i6s5 in Druf, nachdem 
er „oreißig Jahre und darüber gewartet, ob Jemand feiner 
Landsleute das Andenken diefer gefährlichen Belagerung durch 
eine in vaterlandiiher Sprache verfaßte Schrift bewahren 
werde.“ Geiner Bejchreibung waren nur zwei frühere in 
deutjcher und lateinifcher Sprache vorangegangen. Gr ließ 
fi) feinen Bericht von vier Zeugen beftätigen, und widmete 
fein Bud den Stadträthen der Alt = und Neuftadt. 


2b 


dem Klofter der Kapuziner der zugänglichite Punft für den 
Feind wäre einzudringen, und fich des Nefidenzfchloffes 
©r. F. k. Majeftät nebft der Eleinen Stadt Prag zu bes 
mächtigen: fo eilte er zum General Königsmarf, welcher 
unfern von Eger mit der ſchwediſchen Armee Iagerte, und 
binterbrachte ihm feine Entdefung mit der Verficherung, 
(wie es Dttowalffy nad Ueberrumplung der Kleinfeite 
ſelbſt Vielen geitand) das er fich ohne Verluſt eines ein— 
jigen Mannes der Burg und der Kleinfeite bemächtigen 
fönne. Er felbft trug fih an, fih an die Spize. feiner 
Kriegsfhaaren zu ftellen und fie dahin zu führen. Königs— 
mark wollte zwar anfänglich nicht recht feinem Berichte 
Glauben beimeffen; allein Chrgeiz und Luſt nah Raub 
und Beute, welche Dttowalffy verſprach, beftimmten ihn 
endlich dennoch, mit feiner ganzen Macht aufzubrechen, 
und bei Tag und Nacht ununterbrochen fort zu marfchie 
ren. Als er aber um Mitternacht beim Kloiter St. Mar: 
gareth anlangte, wurde bei den Kapuzinern zur Mette 
geläutet. Königsmark erfchraf darüber, wähnend, man 
gebe in Prag durch Glofen das Sturmzeichen, und feine 
Ankunft fey verrathen. Ottowalſky redete es ihm aus und 
befehrte ihn, eö fey dad Zeichen für die Mönche zur Vers 
richtung des mitternächtlichen Gebets, worauf ihm eine 
Schaar von 1000 Neitern unter Anführung des Oberften 
Eopy anvertraut wurde, mit der er, da ringsum alles 
till und ruhig war, durch das Thal vom Klojter St. Mar: 
gareth bis an die Schanze beim Kapuzinerklofter vordrang, 
wo hart am Bollwerk hHochaufgefchüttetes Erdreich, das 
man noch nicht weggeführt hatte, lag, über welches leicht 
binaufzufteigen war... Hier fprangen die Schweden von 
ihren Roffen, und beeilten fich hinter ihrem Führer Otto— 
walffy die Schanzen zu erfteigen. Vor allem wurde die 
Schildwache getödtet. Hierauf wandten fie fich zum Stra: 
bower Thor, in welchem der Gapitänlieutenant Ammon 
vom Waldftein’fhen Negimente gefangen, die Thorwache 


26 


niedergemacht und verfprengt, und das Thor erbrochen 
wurde, um Königsmark, der mit feinen übrigen Völkern 
draußen harrte, einzulaffen; diefer zog, nad) eigenem Ge: 
ftändnig, zwifchen Traum und Wirklichkeit fchwebend ein. 
Ohne Verzug vertheilte er feine Neiterfchwadronen an den 
Schanzen und Thoren, mo die Faiferlichen Wachen übers 
wältigt wurden, und ließ den Ring und die Hauptgaffen 
der Kleinfeite befezen, Damit Niemand zu den Waffen 
eilen Eönne, Es war 5 Uhr früh, der größte Theil der 
Bevölkerung lag im tiefem Schlummer und träumte von 
feinem Feinde. Was fich fpäter an Fenftern und Gaffen 
blifen ließ, und nad) dem, was vorging, fragte, wurde 
ohne Nüfficht auf Gefchlecht niedergefchoffen , erfchlagen 
und aus einander gejagt, fo daß viele, die vom Feinde 
nichts wußten, elend auf den Gaffen zu Grunde gingen. 
Da DIherftlieutenant Schmidt, vom Negimente Waldftein, 
auf das Gerücht, der Feind habe ſich der Schanzen bes 
mächtige und halte die Kleinfeite befezt, nach der Brüfen- 
mache und von dort auf die Altftadt eilen wollte, ftieß er 
in der Nähe des Sacfenhaufes auf Feinde, und blieb von 
zwei Kugeln getroffen auf dem Plaze. Dem Fähnrich Pöi— 
chowſky gelang es dennoch, obwohl tödtlich verwundet, iiber 
die Brüke zu dringen, und den Altftädtern die unglükfelige 
Kunde, Königsmark habe die Kleinfeite überfallen, zu 
bringen, Kaum erhielt der altftädter Primas, Nikolaus 
Franz Turef von Rofenthal, Dberftwachtmeifter der Bür— 
ger: Kompagnien der Altftadt, diefe Nachricht, ließ er uns 
verzüglich durch alle Gaffen die Lärmtrommel rühren, die 
Bürger zu den Waffen und in Bereitfchaft rufen, und den 
Hauptleuten befehlen, fich mit ihren Compagnien und Fah— 
nen auf den großen Ning aufzuftellen und dort weitere Bes 
fehle zu erwarten. Bald verbreitete fich auch auf der Neu— 
ſtadt die Kunde, wie ed auf der Kleinfeite zugehe. Unver— 
züglich fammelte auch da der k. k. Stadtrichter und Oberſt— 
wachtmeifter der neuftädter Bürgermiliz, Wenzel Kawka, 





27 


die Eompagnien unter ihre Fahnen, und ftellte fich mit ihnen 
für jede nöthig werdende Bewegung in Bereitfchaft. Es war 
in jener Zeit eine große Menge Studenten in den Prager 
Städten. Auch diefe verfammelten fi im Carolin, und 
fehiften einige aus ihrer Mitte an den genannten alt: 
frädter Primator ab, um ihn zu erfuchen, fie mit Waffen 
und anderem Kriegsbedarf zu verfehen, weil ihre Fahne, 
unter welcher ihre Vorgänger fehon im J. 1659 die Pra— 
ger Städte gegen des fehwedifchen Feldheren Banners Anz 
geiffe vertheidigen halfen, fich ohne alle Waffen in diefem 
Eollegium befinde. Diefen ihren männlichen und beiden 
müthigen Sinn gewahrend, befahl Turek von Nofenthal 
unverzüglich einem Wachtmeifter- Lieutenant, fich in das 
Haus zum rothen Adler in die Eifengaffe, wo der Nürn- 
berger Kaufmann Waldtmann 500 neue Muffeten befaß, 
und zum grünen Kreuz auf dem Tandelmarkte, wo die 
Zuden Muſketen und Waffen verfchiedener Art heimlich 
aufbewahrt hatten, zu verfügen, foldhe den Eigenthümern 
abzunehmen und den Studirenden im Carolin abzuliefern. 
Nach diefem Befehl nahm der WachtmeiftersLientenant aus 
beiden Häufern 650, und aus dem Deboyſiſchen Haufe 
100 Stük NMuffeten in Empfang und führte fie im Carolin 
ab. Ein Geiler, der Hauswirth vom ſchwarzen Hirfchen, 
mußte ihnen zwei Gentner Strife (Lunten) dazu liefern. 
Gegen 7 Uhr früh fchifte Turef von Nofenthal, damit 
der Feind es nicht wage, auch auf die Altitadt hinüberzu— 
fegen , eine Compagnie der Bürgermiliz, unter Befehl 
Adalbert des jüngern Had von Proſeẽ, an das Brüfen- 
thor, wo man in kurzer Zeit in den Gaffen der Kleinfeite 
ein fortwährendes Plänfeln und Schießen und gewaltfa= 
mes Erbrechen der Häufer vernahm; man fah die beflas 
genswerthen Bewohner auf Dächern und Dachrinnen Eries 
hend die Hände ringen und nach der Altjtadt winken, und 
hörte ihr Klag= und Angftgefchrei. Aus dem Sand: und 
Augezder Thore zogen fehwedifche Streiffehaaren, und man 


28 


glaubte beinahe, als wollten die Feinde gegen Mittag nach 
Ausplünderung der Kleinfeite mit Beute, Raub und Ges 
fangenen wieder abziehen, und die Kleinfeite dann vielleicht 
in Brand ftefen; denn man hoffte, fie würden die fönig- 
lihe Burg nicht übermwältigen. Aber gegen alle Erwartung 
bemächtigten fie fich gegen 9 Uhr der Brüfe am Burgthor 
und hierauf auch der Föniglichen Burg, und fehon um die 
zehnte Stunde gefchahen von der Baftion unter dem Fürit 
Lobkowiz'ſchen Haufe aus einer Halbfartaune nach der Alte 
ſtadt Schüffe, wovon der erfte das Zollhaus, der zweite 
die Apothefe des Kafpar Schwengfeld des älteren, und der 
dritte das Sachſenhaus traf; woraus men erkannte, daß 
der Feind nicht nur der Föniglichen Nefidenz, fondern auch 
des Zeughaufes und der ganzen Ausrüftung desfelben Herr 
geworden fey. Hierauf wurde befohlen, Niemanden mehr 
von der Kleinfeite auf die Altftadt, noch von diefer hin: 
über zu laffen, weil die bereits bewaffneten Studenten über 
die Brüfe zu fezen und die Schweden anzugreifen Willens 
waren. Gleich darauf wurde auch dad Fallgitter herabge- 
laffen und das Thor verrammelt. General Eolloredo und 
Wenzel Graf Michna von Weisenhofen hatten ſich, jener 
aus feinem Haufe auf der Kleinfeite bei dev Eleinen Inſel, 
diefer aber in Podſkal mit Nahen über den Fluß fezen 
laffen, und waren erfreut, als fie auf das altjtädter Rath— 
haus angefommen viel Volk unter Waffen erbliften. Ge— 
gen 41 Uhr fing das Schießen auf die Schweden, mo fie 
fich blifen liegen, aus Doppelhafen und gezogenen und ges _ 
wundenen Stuzen, vom Zolhaufe, vom Brüfenthurm, 
vom Gpitalthürmlein und von der Eleinen Inſel, welche 
Oberſt Prichowſky mit einer Abtheilung des Waldftein- 
ſchen Negiments befezt hielt, heftig an. Die Studenten, 
vom Nector des clementinifchen Zefuitencollegiums, vom 
Decan der Philofophie, von den Profefforen der Metaphy— 
fit, Phyſik und Logik, dann vom Pater Georg Plachy, 
welcher im Leben und Tod mit den Bürgern, Gtudenten 


29 


und Angeworbenen auszuharren ſich anheiſchig machte, zur 
Freue und Tapferkeit ermahnt, rüften vom Carolin, wo fie 
fih am Morgen verfammelt hatten, auf den Paz vor das Cle⸗ 
mentinum, befezten das Zollhaus und wurden, nachdem fie 
bier gemuftert waren, im acht Eorporalfchaften eingetheilt, 
- welche anfänglich 745 Mann zählten. Bei diefer Gelegen- 
beit wählten fie Johann Kaufer zu ihrem Hauptmann. Am 
folgenden Iage (27. Juli) wurde ihnen vom General 
Eolloredo und anderem höheren Militär und bürgerlichen 
Dffieieren die Strefe, welche fie zu vertheidigen hatten, 
angewiefen, welche beim Spital der Kreuzherren mit dem 
rothen Stern anfing und bis zu den Patern des Klofters 
zum großen heiligen Kreuze hinzog. General Eolloredo, 
welcher fah, daß er in der Alt= und Neuftadt Bewaffnete 
genug hatte, um mit ihnen alle Poſten ſowohl gegen die 
Kleinfeite zu, als auf der andern Geite der Stadtmauern 
befezen zu fünnen, hatte Kunde, daß General Buchhaim mit 
einigen Negimentern im königgräzer Kreife an der glazifchen 
Gränze ftehe. Ohne Zögern fehikte er ihm durch die Port 
den Auftrag, auf das eiligfte gegen Prag zu ziehen, umd 
dem fehwedifchen General Wirtenberg, welcher unfern Groß— 
glogan mit feiner Armee ftand, und ohne Zweifel dem Gene: 
ral Königsmarf zur Eroberung der beiden Prager Städte 
beizuftehen nicht unterlaffen werde, zuvorzufommen. Wels 
ches auch geſchah; denn Buchhaim Fam Donnerftag (30. 
Juli) Mittags mit feinen Leuten an, welche er in Wirth 
bäufern auf dem Ringe unter den Lauben der Altitadt und 
auf dem Roßmarkte der Neuftadt verlegte. Königsmarf 
zog das Gefchüz aus dem Zeughaufe nach verfchiedenen 
Poſten; beſonders wurde der vom Gandthor bis zum kö— 
niglihen Luſthaus mit einer Batterie von 18 Halbfartaus 
nen befezt. Auch ließ er Gefchüz auf den Schinderberg, auf 
die Eulen= und Petrjilfifchen Mühlen bringen, aus welchen 
er vom Montag bis zum Samftag (27. Juli — 1. Aug.) 
Die Altftadt beſchoß. Die meiſten Schüffe zielten nad) 


50 


dem Waller» und Brüfenthurm, dem Faiferlichen Salz 
baufe und nach den Hauptgaffen der Stadt und der Juden: 
fchaft. Aus drei Pöllern, welche an verfchiedenen Orten 
ftanden, Tieß er glühende Granaten werfen, fo daß in 
diefen ſechs Tagen 1455 Schüffe aus Gefchüzen auf die 
Alt» und Neuftadt fielen. Granaten wurden 53 dahin 
geworfen. Dagegen wurde auch von der Altftadt auf den 
bereitd angegebenen Stellen, befonders von der Eleinen 
Snfel, aus Doppelhafen und gezogenen Nöhren (Kano— 
nen hatte man feine) auf die Feinde gefeuert und ihnen 
großer Schaden verurfacht. Auf der Inſel machte man der- 
gleichen, als ob man von da in nächtliher Weile auf die 
Kleinfeite überfezen wollte. Auch die Schweden feuerten 
aus gezogenen Nöhren vom Jefuitengarten, und befonders 
aus dem Kirchlein, auf die Ufer der Altftadt herüber. 
Samftag, am 1. Aug., fah man vom Rathhaus: und 
Theinthurm und von mehreren andern Orten einen ſchwe— 
difchen Neiterhaufen von der Staubbrüke her gegen Lieben 


‚ziehen, dort über den Fluß auf die Inſel Brüfen fohlagen, 


und dem General Wirtenberg, der feine Zelte zwifchen den 
Dörfern Wofocan und Hlauptetin aufzufchlagen und zu 
lagern begann, entgegen reiten. Als Colloredo davon vers 
läßlichen Bericht erhielt, befahl er dem Bürgermilitär fo- 
wohl als den Angeworbenen, unverzüglich auf die öftlichen 
CStadtmauern und zu den Thoren derfelben zu eilen. Die 
Compagnie des Adalbert Had von Profed des Altern, bei 
ihr Fähnrich Faber mit der Fahne nebft zwei Eorporal- 
fchaften Studenten, und Kapitänlieutenant Bader mit 20 
Mann des Waldjtein’fchen Regiments, blieben am Brüfen- 
thore und auf der Brüfe zurüf, wo den Studenten beim 
Erucifir, den Angeworbenen gegenüber, ein Poften ange: 
wiefen war, meil der Feind auf der Brüke, auf welcher er 
eine ftarke Quermauer, hinter die er zwei Kanonen ftellte, 
erbaute, immer näher gegen die Altitadt rüfte, Colloredo 
übergab das Poticer Ihor dem Johann Kleplot, Yaupe 


51 


mann eines Fähnleins Bürger, und dem Hauptmann So: 
hann Beder vom Negimente Waldftein, mit einer Anzahl 
von deſſen Mannschaft, nebft der Strefe von den Helmifchen 
Mühlen bis zum Kuttenberger Thor *) (Neuthor) zur Vers 
theidigung; dem Karl Schufter v. Goldburg mit dem Haupt—⸗ 
mann Iafe vom Regiment Conti und mit 50 diemundirs 
ten Dragonern des Regiments Gallas **) und zwei Corpo= 
ralfchaften Studenten das Ruttenberger Thor mit dem Korns 
haus und die Mauern bis zum Garten Balthafar Werners 
des älteren, und von da bis zur Gr Baftion dem Adal- 
bert Had von Profed dem jüngern. Von den neuftädter 
Compagnien wies er dem Johann Severin Eye nebſt zwei 
Eorporalfchaften Studenten die Strefe von der 6 Bas 
ftion nebft dem Roßthor an; Paul Temanus von Oſtra⸗ 
wa hatte das Schweinsthor (blinde Thor) nebit der hin— 
ter dem Karlshof außerhalb der Stadtmauer liegenden 
Schanze, Daniel Nathaniel Kunftat den Poften in Slupp, 
Jeremias Braunfhmid mit der Compagnie des Georg 
Witaſſek von Gemfenfeld und dem Johann Mecheyt den 
Wyſſehrad, endlich Matthias Müller den Podſkal zu verz- 
theidigen. Die Eaiferliche Neiterei gewahrte den Feind 
auf dem Spitalsgrunde feine Noffe tummelnd, worauf eis 
nigen DOfficieren, unter welchen fi) Fähnrich Ferdinand 
Ceyka von Olbramowic befand, erlaubt wurde, mit einiger 





*) Auf dem großen, vom Hauptmann Cyrill Geer gezeichneten 
Plane von der fhwediihen Belagerung, den der Augujtiner: 
Frater Henricus in Kupfer geftoben, und nad) welchem 
Zatocil den jeinigen verfertigen ließ, beißt dies Thor in 
der beigefügten Erflärung das Galgenthor. So nannten 
Ay ‚ed die Deutſchen, weil es zum Galgen führte. 
u) Von den bier genannten Regimentern find im Militär-Sche- 
matismus und in der Gejhichte der k. k. Negimenter die 
j Regimenter Waldftein und Confi nirgends zu finden. Gal- 
1% las Dragoner iſt gegenwärtig Schneller 51° Chevaurlegers: 
| Regiment, früher Klenau. 
| 


Mannfchaft auszufallen. Der gegenfeitige Angriff war von 
den Stadtmanern und vom Portcer und Kuttenberger Thor 
febenswerth. Bald wurden die Schweden bis in ihr La— 
ger gejagt, bald wieder mußten die unfern, als ein ftärfe 
ver Haufen Schweden gegen fie anfprengte, vom Spitals— 
grunde bis zu den Schafchkifchen Mühlen oder der ©t. 
Pauluskirche weichen. 

Oberſt Kreuz fchifte durch das Wyffehrader Thor am 
Sonntag (2. Aug.) um die Besperftunde einige Mannfchaft 
auf Necognoseirung aus. Diefe brachte Napport, General 
Wirtenberg ziehe mit Artillerie über die Felder bei Hrödlorez 
gerade auf den Galgenberg zu. Hierauf entfendeten die 
Belagerten einige Schaaren, welche Befehl erhielten, die 
uralte Paulskirche nebft dem Hof auf dem GSpitalsgrund, 
dann die Gemeinde= oder fogenannten Schaſchkiſchen Mühe 
len, welche mit großen Koften erbaut wurden und ihres 
gleichen im ganzen Königreiche nicht hatten, nebft zwei 
Papiermühlen, von welchen eine Gemeind-, die andere 
Srey’fches Eigentum war, abzubrennen. Nur die Glofen 
wurden vom Ihurme herabgelaffen und nach der Stadt 
geführt, fonft loderte alles, was vom Zizkaberg bis zum 
Wyſſehrad an Preſſen, Keltern und Hütten in den Wein: 
gärten befindlich war, noch vor Abend des gedachten Sonn: 
tags in Flammen auf. Zur Nachtzeit fezten fich die Schwer 
den auf dem Galgenberg feft und fingen an, vom Zizka⸗— 
berg gegen das Kuttenberger Thor Laufgräben aufzumer: 
fen und fich mittelft diefer den Stadtmauern zu nähern, 
und diefes fo fleifig, Daß fie in der einen Nacht bis zur 
Schanze vor dem Kuttenberger Thor, welche vor zehn 
Jahren der Ingenieur von Pfenden zum großen Nachtheil 
der Stadt aufgeworfen hatte, gelangten. Hierauf fingen 
fie, da ihnen von der Kleinfeite am Sonntage hinlänglich 
Kanonen und Munition zugeführt worden waren, am Mons 
tage früh an, das Kuttenderger, Poricer und Roßthor 
und die Stadtmanern zu befchiegen. Diefes geſchah aus 


53 


Batterien; vom Galgenberge aus 5, vom Kreuze an der 
Heerftrage vorwärts des Sijfaberges aus 8, vom Schind- 
lerifchen Weingarten aus 10, vom Woxrikowſtiſchen aus 7, 
und vom Alfterlifchen aus 12 Gefchüzen. Die Belagerten 
hatten in der Nacht 2 eiferne Dreipfünder auf das Kutten— 
berger Thor hinaufgezogen, und fingen aus denfelben auf 
die Schweden zu ſchießen an. Nach drei Schüſſen, deren 
fich diefe nicht verfehen hatten, richteten die Feinde ihre 
Geſchüz auf diefes Thor und feinen Thurm, und zerfchmet- 
terten in Eurzer Zeit Näder und Lavetten beider Stüfe, 
fo daß hieraus fein Schuß mehr gemacht werden Fonnte, 
bei welcher Gelegenheit zwei Bürger todt blieben und eini- 
ge verwundet wurden. 

20 Am folgenden Tage (4. Aug.) dauerte das Schießen 
bis in den Abend hinein. Bis zum 9. wurde die Stadt 
fortwährend mit Granaten und ſchwarzen Dragonern (?) be— 
worfen. Die Belagerten antworteten vom Heinrichsthurm, 
vom Roßthor und aus dem Strucifchen Garten aud Dop— 
pelhafen und gezogenen Röhren, und erlegten dem Feinde 
viele Leute. Als tüchtiger Schüze verdiente nebft andern 
bei diefer Gelegenheit vorzügliches Lob Paul Udalrich Wol- 
fins von Kruffee und Rofenfeld, altftädter Stadtrath. Den 
Verluſt an Leuten, fo der Feind erlitt, und befonders den 

Tod zweier Conftabler, welche ihm an den Kanonen im 
Schindlerifhen Garten niedergefchoffen wurden, zu rächen, 
fing er von- neuem vom Galgenberg aus die Stadt zu bes 
[hießen an, fo daß Kugeln bis zum altijtädter Nathhaufe 
flogen, wobei der Prior der Kreuzherren mit dem rothen 
Stern, nebft einem Bürger und Neiter getödtet wurde, 
Sn der hierauf folgenden Nacht kamen von ©r. k. k. Mas 
| jeftät aus Linz, vom 30. Juli datirt, zwei gnädige Schreis 
ben an die beiden Prager Städte an, worin Se. Majeftät, 
fuür Ihre Getreuen väterlich beforgt, fie ermahnte, treu 
| “ tapfer in der Vertheidigung der Stadt auszuharren, 
| in allem den Befehlen und Anordnungen Ihrer beiden 
| 5 


— 


54 


Feldmarfchälle, der Grafen Eolloredo und Buchhaim, Folge 
zu leiſten; auch verfprachen Ge. Majeſtät nicht nur bal- 
dige Hilfe, fondern auch gnädige und glänzende Belohnung 
für dewiefene Treue. Diefe Schreiben wurden Tags dar— 
auf öffentlich verlefen und gaben den Belagerten neue Kraft 
und Tapferkeit, und jeder war entfchloffen, für den aller: 
gnädigften Herrn und das theure liebe Vaterland Gut und 
Blut aufzuopfern. Unter den Magiftratsperfonen beider 
Städte zeichneten fi) durch unermüdete Thätigkeit in allen 
Zweigen Der Vertheidigung und Bethätigung der Unter: 
thanentreue vor andern befonders folgende aus: Balthafar 
Werner von Gaiersberg der ältere, Daniel Worifowfty 
von Kundratic, Johann Khobr von Khobersberg, Samuel 
Globie von Budin, Georg Stiepanef von der Wltawa, 
Kanzler der Altitadt, Georg Foyt, Wenzel Samuel Hla— 
wacef, Martin Kratochwile und Martin Krupffy. 

Den Dberälteften der Zuden wurde befohlen, auf 
den altitädter Ning oder den Fiſchmarkt täglich eine Bes 
reitfchaft von 100 Köpfen mit Hafen, Feuerhafen und 
naffen Ochfenhäuten zur ftellen, um zum Löfchen und Feuers 
wehren bei der Hand zu feyn, weil Königsmarf von der 
Kleinfeite glühende Kugeln und Granaten herüberwarf. Am 
Tage nad) diefem feurigen Kugelvegen feuerten fowohl Wir: 
tenberg als Königsmarf heftig von beiden Seiten auf die 
Stadt, in welche fie neuerdings Granaten warfen. Zu— 
gleich fah man, wie ſich die Schweden auf der Prager 
Brüke verjtärkten, und auf dem Galgenberge zu vielen 
Hunderten verfammelten und in die Laufgräben eilten. 
Deshalb Tieß die Generalität mit allen Glofen im der 
Stadt das Gturmzeihen geben. Um 12 Uhr Mittags 
befahl Königsmarf die Brüke zu flürmen, und eine weiße 
Sahne mit einem fehwarzen Löwen aufzuftefen, worauf bei: 
läufig 50 Mann aus ihrer Verſchanzung heraus rannten. 
Einer von ihnen trug ein Pechfäßchen, welches er vor den 
Poſten der Studenten beim Grucifir an den Schranfen 





35 


hinlegte und anzimdete. Die Feinde wurden von den Stu: 
denten und Soldaten, welche fchlachtfertig da ftanden, dann 
vom Brüken- und Wafferthurm fo tapfer begrüßt, daß fie 
wieder bald dahin zurüfeilen mußten, wo fie hergefommen 
waren. Am Abende riefen die Belagerten den Schweden fpot= 
tend zu, fie möchten doch auf einen Trunk Warmbier nach der 
Altftade fommen, und ihr Glüf weiter verfuchen, worauf 
die Schweden von der Brüfe und vom Schinderberge ant— 
worteten, fie würden um Mitternacht, wenn zum Bräuen 
des bittern Biers es an Feuer fehlen follte, Feuer nad) 
der Altſtadt ſchiken, wie fie auch wirklich .in diefer Nacht 
über 18 Bomben aus Mörfern, die fie am andern Moldau= 
ufer hatten, auf die Brüfe warfen, um dadurch den- Po— 
ften der Studenten und Angeworbenen von der Brüfe zu 
vertreiben. Eine einzige diefer Bomben traf die Brüfe 
ohne jedoch irgend jemanden zu ſchaden; die übrigen fielen 
zum Theil an beiden Geiten der Brüfe in’s Waffer, zum 
Theil auf den Plaz vor der Salvatorsfirche und dem Spital. 

Wuthentbrannt, daß der Sturm mißlang, ließ Kö— 
nigsmark am folgenden Tage (9. Aug.) aus allen Geſchü— 
zen, fo über der Bruffa, an der Sommerlehne (Leine, 
jezt Belvedere), auf dem Schinderberg und bei den Eulen— 
und Petrjilfifhen Mühlen aufgeführt waren, den ganzen 
Tag nad dem Brüfen- und alt= und neuftädter Waſſer— 
thurm, dann dem Gt. Francisci- Spital heftig feuern. 
Binnen fünf Tagen fielen bei anderthalb taufend Kanonen 
ſchüſſe in die beiden Städte und mehr denn 100 Granaten, 
wodurch die Juden, welche beim Löfchen verwendet wurden, 
vollauf zu thun befamen. Die in Prag befindlichen Regi— 
menter fingen wegen Mangel an Eebensmitteln und befon: 
ders an Pferdefutter zum Theil an undienftbar zu werden; 
denn es war nicht thunlich, auf Fouragirung ftreifen zu 
laſſen. Dies bewog den General Buchhaim zu dem Ent: 
ſchluß, insgepeim mit einem Theil der Neiterei aus der 
Stadt zu ziehen, und fi) mit dem General Goltſch, der 
f 5* 


56 


mit einigen Kreisvölfern bei Budweis lag, zu verbinden, 
um dann mit anfehnlicherer Macht den Prager Städten 
defto eher zu Hilfe eilen zu Fünnen. Er zog am 15. Aug, 
um 41 Uhe vor Mitternacht, als alles ruhig war, bei Fa— 
Felfchein, fo daß ihn die Schweden vom weißen Berg und 
aus ihren Verfhanzungen fehen Fonnten, zum Wyſſehrad 
aus, und nahm den Weg gegen Budweis. Nur das Re: 
giment des Dberften Göze und einige Compagnien vom 
Regimente des Dberften Kreuz blieben. in der Stadt zurüf. 
Seinen Abzug gewahrend, folgte ihm Wirtenberg, welcher 
feit einiger Zeit die Stadt aus mehreren Urfachen weniger 
heftig belagerte, durch den wltawer Kreis auf dem Zuße 
nad. Er Hatte Durch Kundfchafter erfahren, dag Buch— 
haim, ohne von feindlicher Verfolgung etwas zu befürdh- 
ten, unbeforgt auf Budweis zumarfehire. Am 49. Bor: 
mittags holte er ihn durch Eilmärfche auf dem Damme 
des Teiches Bezdrew unweit des Schloffes Frauenberg ein, 
als eben die Hälfte feines Kriegsvolkes hinübergefezt hatte, 
griff feinen Nachzug raſch an, und nahm ihn mit vielen 
vornehmen Grafen, Herren und Dfficieren gefangen. Er 
ſchikte diefe, um Fünftig ausgemwechfelt zu werden, nach der 
Kleinfeite Prags, ihr Feldgeräth aber nebft anderem Naube 
behielt er für. fich und die Seinen als Beute. 

Nach diefer Niederlage fand Wirtenberg niemanden 
mehr, der ihm im Felde die Stirn bieten Fonnte. Ohne 
Hindernig durchkreuzte er daher dem bechiner und einen 
Theil des prachiner Kreifes, brandfchazte die füniglichen 
und unterthänigen Städte, und vaubte Geld und goldene 
und filbernes Geräthe. Es kamen ihm Verftärkungen an 
friſcher Mannſchaft. Nun legte er ſich vor die Stadt Ta- 
bor; denn er erhielt Kunde, daß viele Kreisbewohner hö— 
heren Standes ihre Schäze bieher geflüchtet hatten. Eine 
ganze Woche lag er vor der Stadt. Endlich nahm er fie 
mit Sturm, und erpreßte darin große Reichthümer an 


Geld, Silber und Kleinodien, * 


37 


Während er nun fo im flachen Lande hauste umd 
plünderte, Tießen die Altjtädter zwifchen dem Poricer und 
Kuttenberger Thor einen neuen Navelin aufführen, der bei 
der folgenden Belagerung von großem Nuzen war. Auch 
wurde das Poricer, das Kuttenberger, dad Roß- und das 
Schweinsthor durch vorgelegte fpanifche Neiter, Schanz: 
pfähle und Verhaue mehr befejtigt und verfichert. Alles 
diefes gefchah nach Befehl des Generalen Don Innocentio 
Conti, der durch freundliches Betragen gegen Jedermann 
die Liebe aller Stände Prags gewonnen hatte. 

Diefer tapfere und Eluge General befichtigte alle Po: 
ften auf beiden Geiten der Stadt, befonders auf dem Wy— 
fiehrader Fort, wie auch die Feldfehanzen und Ummallung 
der Feinde vor der Stadt, von woher große Gefahr drohte. 
Er felbft legte Hand an, um zu zeigen, wo neue Linien 
und Bollwerke aufgeworfen, wo Wehrbalfen und Schanz⸗ 
pfähle gelegt, und wo Minen gegraben werden follten. Er 
hieß durch die Gartenmauern Deffnungen bredden, um zum 
Rükzuge der Mertheidiger im nöthigen Falle zu dienen, 
und thätigft an allen Gattungen Vertheidigungswaffen ars 
beiten. Weil es zur Verfertigung der Handgranaten au 
Erz und Metall fehlte, fo ließ er zwei Glofen mittlerer 
Größe, welche ſich auf dem altftädter Nathhaufe befanden, 
von welchen Niemand wußte, wo fie herfamen, noch wen 
fie angehörten, zerfchlagen, nach dem alten Gericht füh— 
ren und dort Granaten daraus gießen. Dem biezu beftell: 
ten Schreiber Johann Etibor trug er das Geſchäft auf, 
darüber gehörig Ausweis zu führen. 

Da die f. k. Generalität Nachricht erhielt, daß Wir: 
tenberg nicht Tange bei Tabor weilen werde, fo wurden 
alle Perfonen höheren Standes, alle Oberften, Hauptleute 
und übrigen Dfficiere verftändigt, ſich auf dem altitädter 
Nathhaufe einzufinden, wo man fich befprach und berieth, 

wie die Alt» und Neuftadt am beften vor dem Feinde ge: 
ſichert werden könnte. Es wurde befchloffen, alle Dienft- 





58 


leute zu bewaffnen und in Compagnien einzutheilen. Der 
Befehl dazu wurde gegeben und durch Trommelfchlag be— 
kannt gemacht. Die Kriegsofficiere waren Tags darauf 
eben mit der Durchſicht der Einfchreibungsrollen diefer 
Leute auf dem Nathhaufe befchäftigt, als ganz unvermu— 
thet Sohann Anton Loft Freiherr von Lofenthal und Ales 
Wratislaw Freiherr von Mitrowiz, Hauptmann der Neu: 
ftadt, mit feinem Gapitänlieutenant Chriftoph Bek von 
Lilienthal mit ihren Frei-Compagnien, in welchen fi) 
Angeftellte bei verfchtedenen föniglichen Behörden und an- 
dere Dienende mit gezogenen Röhren und frefflihen Waf— 
fen befanden, die einen fehönen Anblik gewährten, als 
treue Unterthanen und Wehrmänner des theueren Vater: 
landes angezogen Famen und bei dem Nathhaufe aufftell- 
ten. Nun wurden auch die Eompagnien der Handwerker 
und Dienftleute organifirt, ihnen Fahnen gegeben, und'der 
Eid abgenommen. Die Studenten- Compagnie, welche der 
Kaifer zu einer Frei= Compagnie erhoben hatte, und die 
bei ihrer erften Errichtung an 700 Köpfe zählte, wurde 
bei Wirtenbergd Abzug fehr vermindert, weil viele höhe— 
ren Standes diefe Gelegenheit nüzten, fich von Prag zu 
entfernen, und mit ihnen, fowohl von den Gtudirenden 
als anderen Freien, viele zu ihren Eltern fortzogen. Georg 
Kaufer blieb ihr Hauptmann, Ehriftoph Kyblin, Profeflor 
der Inftitutionen, war ihr Auditor, Julius Röthle von 
Hirfchfeld ihr Lieutenant. Fähnrich war Nikolaus Franz 
Faber, Wachtmeifter Nikolaus Merz, Adjutant Daniel 
Waldhaufer, Führer Chriſtoph Norbert Knaut, und Karl 
Ferdinand Schebl ihr Fourier. Nachdem diefe Eintheis 
lung in Compagnien gefchehen, wurden neuerdings alle 
Oberſten, Dberftlientenants, Dberftwachtmeifter und die 
Anfennlichften höheren Standes auf der Hauptwache verz 
ſammelt. Namentlich waren hier die Oberften Göz, Kreuz 
und Baßvee, und von andern Stabsofficieren Piſchery, 
Hübner, Letiky, Priamond, Maßeri, Laborda, Bek und 





59 


Mulzer gegenwärtig. Von Standesherren waren zugegen: 
Wenzel Burggraf von Dohna, Ferdinand Ernit Hiferle 
Here auf Chodau, Nikolaus Freiherr von Schönfeld, Wil- 
beim Wenzel Franz von Talemberg, Wenzel Cabelicky 
Freiherr von Sautic, Ferdinand Nabenhaupt von Sucha, 
Karl von Rjcan, Karl Prihonfiy, Albrecht Kapaun von 
Swoyfow, Don Bartholomäus Delafaga Paradifo, Don 
Martin Paradis, Wenzel Wieznik, Rudolph Ceyka von 
Dlbramomwic, und Richard von NRagersdorf, Jedem von 
ihnen find Poften angewiefen worden, als dem Oberften 
Göz das Roßthor, dem Baßvee der Wyſſehrad, dem Obere 
ften Krenz die Breche, den übrigen die Poften am Karlss 
hof, im Podfkal, auf der Inſel und in den Gaffen zur 
Unterftüzung anderer. Mit dem zurüffehrenden Abge- 
pröneten Eamen von Linz zwei in lateinifcher Sprache 
gefchriebene Briefe vom Kaifer an die Studenten-Compa— 
gnien aufmunternden und huldvollen Snhaltes. Als diefe 
der auf dem Tummelplaz verfammelten Compagnie am 15. 
Sept. öffentlich vorgelefen wurden, betheuerten alle mit 
unbefchreiblichem Enthufiasmus, Leib und Leben für ihren 
allergnädigften Katfer und Herrn vielfach wagen zu wollen. 

Ehe noch Wirtenberg von Tabor gegen Prag zurüf- 
fehrte, zogen die Oberften Göz und Kreuz täglich mit einer 
Anzahl ihrer Leute aus, um von Wiefen und Feldern Ge— 
treide, Heu und Stroh nach der Stadt zu bringen. Zu 
gleichem Zweke fendeten die Bürger ihre Knechte aus. Die 
Krenzifchen fuchten eben am Vorabend des St. Matthäus 
(20. Sept.) in der Gegend von Zlatnif nach Lebensmit- 
teln und Fourage, ald fie vom Liber’fchen Berge Haufen 
ſchwediſchen Volkes von Eule herunterziehend erbliften. 
Sie eilten bei Zeiten nad dem Woffehrad zurüf, um den 
Belagerten die Nachricht von Wirtenberg's Annäherung zu 
bringen. Bald fah man auch in der Ihat vom Wyſſehrad 
und von den Schanzen am Karlshof der Schweden Zug 
gegen Straſchniz und Malefchiz. Oberſt Göz kehrte gerade 


40 


zu felber Zeit von Brandeis zurük. Wie er vom Profyfer 
Berge herunterzog, ſtürzten die Schweden auf feine Nach— 


hut, machten da einige Knechte gefangen, und zwangen 


die übrigen zur Flucht nach der Gegend von Brandeis. 
Oberſt Göz jedoch hielt Fämpfend den Schweden Stand, 


und defte mit feinen Leuten die Fouragirer, welche Lebens 


mittel und Heu und Stroh auf ihren Pferden geladen 
hatten, und brachte diefe glüklich nad) der Stadt. 

Am 22. Sept. hatte Wirtenberg, mit vieler Beute 
bereichert, fein früheres Lager bei Wolfchan wieder bezo— 
gen. Er gewahrte bald an dem zwifchen dem Poricer und 
Kuttenberger Thore neu aufgeführten Navelin, an den aus: 
gebefferten Stadtmauern, an der durch fpanifche Reiter 
und Schanzpfähle verftärften Befeftigung, und an feinen 
zugeworfenen Laufgräben die geänderte Lage der Sachen. 
Er ruhte hier einige Tage, dann hatte er mit Königsmark 
eine Sufammenfunft. Diefer beredete ihn, ihm einen Theil 
feiner Mannfchaft anzuvertrauen. Mit ihr fehikte er den 
Oberſten Copij nad) dem an Böhmens Gränze liegenden 
fetten Schloffe Tefchen, wo DOberftwachtmeifter Zobel mit 
150 Mann vom Waldjtein’fchen Negimente in Befazung 
lag. Diefer Feige überlieferte fehon am folgenden Tage 
das Schloß an Eopij, ohne daß die Schweden einen ein- 
zigen Kanonenfchuß darauf abgefenert hätten. So fiel 
abermals ein feftes Fort und ein Schlüffel des Königreichs 
mit großer Beute in Feindes Hände. Bei feiner Rükkehr 
bewältigte Oberſt Eopij ein anderes feftes Schloß bei der 
Stadt Brür, und fpielte im faazer, fchlaner, leitmerizer 
und ſelbſt auch im bunzlauer Kreife, wo er nad) Belieben 
hauste und die Bewohner bramdfchazte, den Herrn. In— 
deffen wurden die Prager Städte durch fortdauernde Be— 
ſchießung und Stein = und Granatenwürfe hart hergenom- 
men. Generäle und Kriegsofficiere konnten ſich über die 
Unverdroffenheit der Bürger, der Studenten und der Neu: 
geworbenen, welche über alle Befchwerden und Gefahren 








4 


nicht im geringften murrten, des Feindes nicht achteten, 
in ſchönſter Eintracht handelten, und einander, wo es 
galt, willig und fehnell unterftüzten, nicht genug verwun— 
dern. An Proviant war durchaus Fein Mangel. Fäſſer 
von Bitter- und Weißbier und Wein, wurden zur Stär— 
fung der Vertheidiger auf den Poften vertheilt. Bierver— 
leger bereiteten reichlih Malz und die Bäfer bufen täg- 


‚lich Brod und fandten es nach den Poften, Und um den 
Vertheidigern nody mehr Aufmunterung zu geben, wurde 


auch wöchentlich nach Verhältniß Geld unter fte vertheilt. 
Um die Geldmittel zu vermehren, ſchikten die Zefuiten aus 
dem Collegium St. Clemens einen goldenen Becher, wel: 
cher einige Mark Goldes wog, in die Münze. Auch die 
Neicheren vom höheren und vom Bürgerftande fchiften 
öfters Geldbeiträge., So war beinahe an allem Ueberfluß, 
nur daß es in etwas am Fleifch und Geflügel fehlte, weil 
die Moldau und die nad) der Stadt führenden Landitrafen, 
auf welchen die nöthigen Zufuhren gefchehen mußten, ges 
fperrt waren. 

Sn der Ebene von Owenez bis Holefchowiz, und am 
Moldauufer bis Bubna, weideten große Heerden Nind- 
und Schafviehes, welches Wirtenberg aus dem Gebirge 
berbeigetrieben hatte. Nach ihnen warfen Bürger und 
Soldaten oft traurige Blife. Da fie von der Generalität 
die Erlaubniß erhielten, den Verfuch zu machen, davon 
etwas zu fangen, fo fezten einige vor Abends nach der 


großen Infel über, und wateten auf einer befannten Furth 
vor Sonnenaufgang durch den Fluß. Am jenfeitigen Ufer 
fanden fie eine Kuh, welche fo eben gefalbt hatte. Diefer 


nahmen fie das Kalb, und eilten damit durch die nämliche 


- Furth zurük. Die Kuh um das Kalb, welches nad) ihr 


Zr 


biöfte, brülfend, rannte dem Waffer zu und ftürzte ihm 
nach) in den Fluß. Andere Rinder folgten ihr und ſchwam— 
men mit hinüber. Als ihrer eine gute Anzahl Cüber dritt 
halb Hundert Stüfe) beifammen war, wurden fie in den 


42 


Hohl: oder Gartenweg bei den Schafchfifhen Mühlen 
durch das Poricer Thor nach der Stadt getrieben. Die 
Schmeden erfuhren erft nach gethaner Sache, was gefcher 
ben war, und rächten fich durch vergebliche Kanonenfchüffe 
auf das Thor. Die Beute wurde am andern Tage vom 
Generaladjutanten im drei Theile getheilt. Bon diefem 
Fam der ſchönſte und befte nach der Hauptwache, der zweite 
wurde denen, ſo Das Vieh herbeigetrieben hatten, der 
dritte den Militär - und Bürgeroffieieren hingegeben. Die 
Soldaten und Bürger genogen ihren Antheil am beften, 
da fie auch das fchlechtefte Stüf um 25 bis 30 und mehr 
Gulden an Fleifchhauer und Juden verkauften, und von 
innen das Pfund zu 6 und 7 fr. wieder Fauften, wobei 
auch diefe feinen Schaden hatten. Damit die Viehheer: 
den nicht mehr im Angefichte der Belagerten grafen foll- 
ten, trieben fie die Schweden alle in den Eaiferlichen Thier⸗ 


garten. 
Befhluß folgt.) 





Nächtliche Sicherheits » Anftalten der vaterlän— 
difhen Vorzeit, 


re 


Reicht war es den Böfen, ihre Grauen erregenden Unthas 
ten, befonders in großen Städten, zu üben unter dem 
Schuze der Nacht, fo lange man an Feine allgemeine und 
ftandhafte Gaffendeleuchtung dachte. Mm jedoch dieſem 
Uebelftande wenigitens zum Theil zu begegnen, wurde in 
Prag fehr zeitlich, nämlich fhon unter der Regierung une 
ferer Herzoge, verordnet: daß zur Nachtzeit Nie 
mand ohne Licht (das nur der Böfe feheut) die Stra— 
fen betreten dürfe, fen es nun eine Fakel oder 
wenigjiens eine Laterne 


45 


Doch ging es im diefer Hinficht nicht beffer, als in 
taufend ähnlichen Fällen, wo die Menfchen felbft zu dem, 
was für fie ganz entfchieden wohlthätig ift, gewiſſermaßen 
gezwungen werden wollen. Darum wurden auch hier fehr 
bald mehrere, und zwar wichtige Strafen für die Leber: 
treter jener heilfamen Anordnung eingeführt. So 3. B. 
hatte Herzog Sobẽslaw der II. (geftorben im 3. 1180) 
in feiner für die am Porid zu Prag — po vece, d. h. am 
Sluße, nämlich an der Moldau — wohnenden Deutfchen 
ertbeilten, fpäterhin von den Königen Wenzel, Dttofar 
und Johann beftätigten, und in einem Copiario privile- 
giorum antiquae Pragae enthaltenen Nechtsverfaffung ver: 
fügt: „Daß jene Deutſchen nicht einmal belangt werden 
fönnen, wenn etwa jemand des Nachts in ihren Straßen 
erfchlagen würde, und es fich zeigen follte, daß er Feine 
Fakel hatte.‘* (Si per vicos Teutonicorum aliquis iret 
de nocte, et facem non habuerit, si ille oceiditur, Teu- 
tonici sint inculpabiles.) 

Aehnlicher Mittel zu dieſem Zwefe hatten auch noch 
fpäter die Vorfteher der Prager Stadtgemeinde fich be— 
dient. Insbeſondere wurde im J. 1522 an der heiligen 
Zmölfboten-Tage, als fie verfendet wurden (d. i. am Tage 
der fogenannten Apofteltheilung, 15. Juli), eine merfwürs 
dige, in den handfchriftlichen Statutis eivitatis Pragensis 
abfchriftlich vorfommende deutfche Urkunde ausgefertigt, 
in welcher die Nichter, die Schöppen und die Gemeinde 
der Hauptftadt Prag befannten, das fie um des Friedens 
und Gemachs willen (Gemächlichkeit, Bequemlichkeit) feſt— 


ſezten, wie auch fo lange, als es ihnen gut dünken würde, 





v genau zu beobachten eidlich gelobten: es folle Niemand 
ohne Licht in der Stadt umherwandeln, fobald man mit 
des Nichters Glofe zum drittenmal geläutet haben wird, 
(Was zur Winterszeit vieleicht fehon um 6, im Frühling 
amd Herbft um S, im Sommer um 10 Uhr Abends gefäjes 
ben feyn mag. In mehreren Provinzialftädten Böhmens 


44 


gibt es noch bisher ähnliche Glofen; jedoch fo viel mir be— 
kannt ift, gegenwärtig ohne irgend einen polizeilichen Zwek. 
Sene auf dem Nathhaufe der Eöniglichen befreiten Berg. 
und Kreisftadt Budweis tönt, ohne Rükſicht auf die Jahrs— 
zeit, täglich mit dem Schlage der neunten Abendftunde.) 
Sollte jemand vom Stedtrichter felbft, oder auch nur von 
feinem Gefinde, nämlich von der bürgerlichen Schaarwa— 
he, ohne Licht betreten werden, der habe zur Strafe zum 
erftenmal entweder ein Schok großer Pfennige zu erlegen, 
oder wenn er etwa diefen Betrag nicht befizt, im Thurm 
an der Brüfe beim Spital, (d. i. im damaligen alten Brü⸗— 
Fenthurme hinter dem Stifte der Krenzherren mit dem ro— 
then Stern, fomit am Arbeits = oder fogenannten Spinn: 
haufe, von welchem Ihurme jedoch gegenwärtig Feine Spur 
mehr vorhanden ift), acht Tage lang für diefen Frevel zu bit- 
fen; zum zweitenmal entweder zwei Schok zu zahlen, oder 
vierzehn Tage in jenem Kerker zu bleiben; zum drittenmal 
entweder drei Schof zu entrichten, oder drei Wochen lang 
in jenem Ihurm zu liegen, überdies aber auch, ohne alle 
Widerrede, die Stadt zu verlaffen, und ein ganzes Jahr 
fang im derfelben fich nicht erblifen zu Taffen, während 
ein Drittheil jener Gelöftrafen dem Stadtrichter, die übri— 
gen zwei Drittheile aber den Stadtfchöppen zugefprochen 
wurden. Welche Einrichtung dann ohne Zweifel bis zur 
Einführung der allgemeinen Beleuchtung, fo dürftig und 
fihwerfälig fie Anfangs auch gewefen feyn mag, fich er: 
halten haben dürfte. 

Vorzugsweiſe heißt e8 noch in einem am 26. Sept. 
4374 (ſomit noch unter Karl dem IV.) unter den Ga: 
rolinifchen Univerfitätsrectoren Konrad von Weftphalen 
für die theologifche, medicinifche und philofophifche Facul- 
tät, und Berthold von Waching für das vereinte (canoni— 
ſche und bürgerliche) juridifche Generalftudium, mit Ge— 
nehmigung aller Doctoren,, Profefforen, Senioren und 


Vorgefezten der gefammten Univerfität errichteten (in einer 


u Fa nr 








45 


Handſchrift der Prager Metropolitan-Bibliothek K.XIX. 
vorfommenden) Vertrag oder Eoncordat, mit bedingter 
Anwendung jener allgemeinen Vorſchrift auf die damali— 
gen, der Jurisdiction des jeweiligen Nectors ausſchließlich 
untergeordneten akfademifchen Bürger: „„Praeterea ordina- 
verunt praediceti judex et scabini, quod si qui studen- 
tium aut servitorum eorumdem , tempore noctis, post 
tertium pulsum campanae (judicis) in plateis sine lumi- 
ne per eos (scilicet judicem et scabinos) aut eorum ser- 
vitores deprehensi fuerint, et se studentes appellaverint, 
absque ulla violentia et injuria personali, debeant in 
domo judicum in aliquo honesto commodo (Kammer) 
sine vinculis et laesione corporis custodiri usque mane, 
et tunc, sicuti inventi fuerint cum rebus suis, absque 
ulla poena ab eisdem exacta, suo Rectori praesentari. 
Quos si Rector studentes juxta modum praedictum 
(nämlich nach Angabe feiner Matrifeln) invenerit, casti- 
gabit. Si vero tales non fuerint, de eorum defensa et 
judicio ea vice se nullatenus intromittat: u.f.w. War 
die Vorzeit im dieſer Hinficht nicht gleich fo gut, wie die 
Gegenwart es ift, fo war fie doch offenbar weit beffer, 
als mancher denft. M. M. 





Die Ruine Maidftein, 


hr 


Sie befindet ſich im budweiſer Kreife, auf dem Gebiete 
des fürſtlich Schwarzenbergifhen Herzogtums Krumaı, 


anm linken Ufer der Moldau, zwiſchen dem ehemaligen königl. 


Eiftercienfer- Stifte Goldenfron, und der fchon mehr als 


| fünfhundert Jahre lang dem Eijtercienfer = Stifte Hohen— 





furt einverleibten Pfarre Payrefchau, nahe an dem zu die— 
fer Pfarrgemeinde gehörigen Dorfe Prabſch. Aus welcher 
Urfache fie von Budweis und Kruman aus nicht felten 
befucht zu werden pflegt. 


46 


Wenn gleich auf einem über dem Wafferfpiegel be: 
deutend erhabenen Hügel erbaut, ift fie dennoch) von weit 
höheren Bergen und dichten Wäldern dermaffen umfrängt, 
daß fie nach Feiner Himmelsgegend hin die bei Burgen der 
Vorzeit fo beliebte Fernficht gewährt, und von der Ferne 
her fogar auch felbft dem fpähenden Blike ſich birgt. 

Diefer Umftand mag es wohl größtentheild verane 
laßt haben, daß fie weder in der Müller’fchen Karte Böh— 
mens, noch in Schallers Topographie erfcheint. Aber 
auch felbft in der bekannten handſchriftlichen Nofenber- 
ger Hauschronik wird ihrer Errichtung nicht gedacht. 

Für ihren urfprünglichen Umfang, und für die ver: 
ſchiedenen Abtheilungen ihrer ehemaligen zahlreichen Ge— 
mächer, fprechen laut genug noch bisher ihre Trümmer, 
mit welchen — ohne eine Verewigung derfelben Durch die 
plomatifche Daten — das Andenken an ihr Dafeyn vielleicht 
ſchon im nächften Jahrhunderte gänzlich entſchwinden würde. 

Erbaut wurde fie durch den oberften böhmifchen Lanz 
deskämmerer Jodok den J. von Nofenberg, nachdem 
er kurz zuvor die Gubernatur dieſes damals noch ſehr mäch— 
tigen Dynaſten-Stammes und ſeiner weitläufigen Beſizun— 
gen übernommen hatte. 

Die dazu ertheilte königliche Bewilligung, — 
welche als ein Beitrag zu H. Pelzels Urkundenbuche in 
feiner Lebensbeſchreibung K. Karl des IV., im Urkunden: 
buche diefer Zeitfehrift, ©. 7-8 nach) ihrem ganzen Inhalte 
angeführt worden tft, fagt ausdrüflich: castrum quoddam 
in regno Bohemiae, Diewöikamen in vulgari bohe- 
mico nuncupatum. Das Driginal derfelben dürfte wohl 
auch im fürftlid Schwarzenberg’fhen Archive zu Wit: 
tingau vorhanden feyn. Ausgefertigt wurde eö zu Mainz 
am 25. Juni 4549. Wodurch zugleich H. Pelzeld Angabe 
berichtiget wird, daß K. Karl damals über 14 Tage — 
namentlich zwifchen dem 21. und 25. Juni jened Jahres — 
fih zu Frankfurt aufgehalten habe. 


47 


Im Böhmifchen, wie wir fo eben ſahen, Diewtikä- 
men, d. i. Mädchenſtein, im Lateinifchen urkundlich 
Meidenstein, im Deutfchen eintt Madlitein (was an 
den Berg Mädlſtein im Riefengebirg erinnert), gegen- 
wärtig Maidftein (vom alten Worte Maid für Magd) 
genannt, läßt fehon der Name felbft die Beſtimmung 
diefer Veſte gewiffermaffen errathen. Denn mit Rüfficht 
auf denfelben, wird man es nicht unwahrfcheinlich finden, 
daß fie zum Wohnfize der noch unverheirateten 
Roſenberg'ſchen Stammtöchter erforen war, die der 
Gubernator nicht füglich bei fich felbit in feiner eigenen 
Hofburg zu Krumau haben Fonnte, und doch in feiner 
Nachbarſchaft Haben wollte, und für die er fomit diefe, ſo— 
wohl in feiner eigenen, als auch wegen des Gottesdieniteg, 


. zugleich in der Nähe der Goldenkroner Stiftskirche liegende 


befondere Burg errichten ließ. Wofür auch noch der Une 
ftand fpricht, daß ſelbſt Jodok — laut Balbins Genealo— 
gie der Nofenberge — fünf nad) der Hand an die Stern— 
berge, Leipe, Leuchtenburge, Kunftadte und Pottenfteine 
verheiratete Schweftern zählte. 

Maidftein hatte einft auch feine eigenen Burggrafen, 
zu welchem Amte bier, wie an den übrigen zwei und 
zwanzig Nofenberger Öurgen jener Zeit, der klei— 
nere in den Umgebungen begüterte Adel gewählt zu werden 
pflegte. Namentlich erfchienen in diefer Eigenfchaft: 1) 
Wopytiecho (Adalbert) de Krasilow, burgravius in Mei- 
denstein, als Zeuge in einer Urfunde des 9. Heinrich 
von Roſenberg für die damaligen Eremiten bei Wittingaur, 
vom J. 1400. Später war er es auf der, feinem Stamm:: 
ſize Krafilow im prachiner Kreife weit näheren Helfen: 
burg, die von den Rofenbergifhen Brüdern Peter, Jo: 
dok, Ullrich und Johann, nach Erhaltung einer ähn:: 
lichen Bewilligung K. Karl des IV. datum Pisis, anno 


Domini willesimo tercentesimo quinquagesimo quinto, 


indictione octava, duodecimo calendarum Junii (21 Mai 


48 
1555, folglich am Tage des berüchtigten Aufruhrs ſelbſt), 


regnorum nostrorum anno nono, imperii vero primo, — 
nahe an Wittiegowiz, izt Wittiz, auf dem Berge Maloffin 
(deſſen Name vom Volke bereits vergeffen iſt) erbaut, ge- 
genwärfig gleichfalls eine ftattliche, jedoch weit umher ficht: 
bare Ruine bildet. Seine Brüder Johann und Leopold 
von Krafilow waren um diefelbe Zeit Burggrafen zu 
Chauſtnik und Grazen. 2) Matthias Weichfel, Burg— 
graf auf Madlitein, in einer Urkunde vom Himmelfahrts- 
tage Mariens 1412, in der Nofenberger Chronik. — Das 
Gefchlecht der Herren von Weichfeln, Paffern und Wet: 
tern, welche drei Dörfer nahe an Kruman liegen und einft 
Edelfize waren, kömmt in jener Gegend und in den Diplo: 
men derfelben zeitlich und öfter vor, hat fich dafeldft noch 
lang erhalten, und führte ein liegendes Faß im Wap- 
pen. Ein vriginelles Eupfernes Giegel-typarium des Hrn. 
Dittrich von Weichfeln, Paſſern und Wettern, aus dem 
XVI. Sahrhunderte, wurde dem vaterländifhen Mufeum 
fhon im J. 1820 vom H. Joſeph Ihür, Schullehrer in 
Kirchſchlag, dargebraht. Den lezten Mann, Johann 
Weichfel, auch Wiffnie genannt, trafen die Folgen der 
Schlacht am weißen Berge. Worauf feine Befizung vom 
Foniglichen Fisens eingezogen, und fpäter an die Stadt 
Kruman verfauft worden ift. 

Die Zeit, wann die Veſte Maidftein zerbrochen 
wurde? wie auch die Veranlaffung dazu, find zwar nicht 
bekannt. Doch läßt ſich vermuthen, daß dies nicht ſchon in 
den huffitifchen Stürmen, fondern vielleicht erft bei dem be— 
tannten Einfalle des Paffauer Kriegsvolfs im J. 1644 
geſchah *). M. M. 





*) Der in der böhmiſchen Geſchichte des XVten Sahrhunderts 
wohl befannte Herr Ulrich von Rofenberg, der die Gu— 
bernatur feines erlauchten Haufes ſchon im 3. 1351 jeinem 





Ta he 


49 


Weber das frühere Verhältniß des Fürſtenthums 
Troppau zu Böhmen, 





Bon F. Eng, Prof. zu Troppau. 
TE 2 2222 2 See 


Ki meinen jüngften Forſchungen über die alte Gefchichte 
des Fürſtenthums Iroppau fand ich in Urkunden und glaube 
würdigen Sahrbüchern mehrere Ihatfachen, welche den bis— 
herigen Angaben über die Entftehung und die erften Bes 
berrfcher diefes Fürftenthums zu widerfprechen feheinen. 
Alle ältern und neuern Gefchichtfchreiber erzählen eine 
ffimmig, daß bei der Theilung Schleſiens unter die drei 
Söhne des polnifchen Herzogs Wladislaus 1165 das Fürs 
ſtenthum Troppau dem oberfchlefifchen Herzog Mieslaus zus 
gefallen, und bis auf Mieslaus 11. bei der Piaftifchen 
Dynaftie geblieben fey; nach deffen unbeerbtem Tode aber 
mwäre 28, mie Cromerus fagt, Durch Erbfchaft an Wen 
ceslaus I. König von Böhmen gefommen, welcher es feiz 
nem Sohne Nikolaus nothus ſchenkte (er hatte aber feinen 
Sohn mit diefem Namen); nad) Math. de Miechovia aber 
habe es Piemysl Dttofar II. mit Gewalt an fich gebracht 
und ebenfalls einem Sohne Nikolaus nothus gefchenft. 
(Sommersberg ©. 752.) Nach einem böhmiſchen Chro— 


älteſten Sohne Heinrich übergeben hatte, zog nach deſſen 
am 25. März 1457 erfolgtem frühzeitigen Ableben, ſich auf 
die Burg Maidftein zurük, um daſelbſt ten Reit ſeines 
Lebens (er ftarb den 23. April 1462) in ftiller, frommer 
Einfamfeit zuzubringen. Es iſt daher gewiß, daß die Burg 
Maidſtein nad den Huſſitenkriegen noch bewohnbar war, 

! (Anmerkung der Ned,) 


4 


50 


niften ®) follen gar die ITroppaner Stände (Primates) den 
Wenceslaus zu ihrem Heren P) gewählt haben. (Pachaly 
LI, 71.) 

Schon diefe verfhiedenartige Angabe beweist, daß 
jene Gefchichtfchreiber, von Quellen verlaffen, die Muth: 
maßung zu ihrem Führer gewählt haben. 

Da fie nun ivregeleitet durch polnifche Ehroniften — 
welche wir fo oft die Wahrheit ihrem Nationalftolze aufs 
opfern fehen — jenes Fürftenthum in die heutige Begrän- 
zung Schlefiend aufnahmen, was ijt natürlicher, ald daß 
fie dasfelbe dem oberfchlefifchen Herzoge Mieslaus zufpra- 
- chen? Als fie aber fpäter die böhmifchen Könige über das— 
felbe verfügen fahen, fo mußten fie es wieder von Schle— 
fien trennen, und fuchten fich jeder einen andern Tren— 
nungsgrund. 

Es iſt aber höchſt wahrſcheinlich, daß Troppau 
nie den Piaſten gehorchte, und gewiß, daß es lange vor 
Mieslaus LI. Tode, zu Mähren gehörend, unter böhmi— 
ſcher Oberherrfchaft geftanden, und erft von Ottokar IL. zu 
einem eigentlichen FürftenthHum erhoben worden fey. Denn 


4. zeigt und die Gefchichte wohl, daß Troppau unter 
Bretislaus Markgraf von Mähren °) mit diefem 
Lande vereinigt, nirgends aber, daß es wieder davon 
getrennt worden fey; 

2. erwähnen die älteften Chroniken bei ihrer Aufzählung 
der oberfchlefifchen Fürftenthümer niemals des Trop— 
pauer Gebiets; (Sommersberg Sil. rerum script. 
11. 9 et 10.) 

5. findet fich in der ziemlich vollftändigen Urfundenfamm 
lung von Troppau Feine von einem Piaftenz 

4. unterfchrieben fich die Piaftifchen Herzoge von Ober: 
fehlefien immer nur Duces Opolienses et Ratibo- 
rienses, niemald aber Oppavienses. (Sommersberg 
11. 307. 654 et seg. und 896.) Und fo nannten fie 





J 


51 


auch Math. de Miechovia, Dlugossus und andere; 
(Sommersberg 11. 505. 673 et 674 und 752.) 


5, fagt Cl. de Monse, Pachaly und andere, fich feldft 


widerfprechend, daß Iroppau bis auf die Zeiten Ot— 
tofars II. zu Böhmen gehört habe; (Moravia auct. 
Pilarz et Moravetz pag. 154.) 


6. nennen fich die niederfchlefifchen Herzoge Heinrich VI. 


7. 


und fein Bruder Boleslaus, welche nah Nikolaus I. 
Tode Troppau bis 1518 ©) pfandweife befeflen, 
Zilesiae et Oppaviae duces dominique Wratislaviae. 
Sie zählten alfo Troppau nicht zu Schlefien; (Some 
mersberg II. 355.) 

fest Boguphalus episcopus Poznaniensis, welcher 
1253 geftorben, die Stadt Kofel im Fürftenthum 
Dppeln an die Gränze von Mähren. (Sommersberg 
I. 31.) Er rechnete alfo das Fürftenthum Troppau 
und Zägerndorf zu Mähren; 


8. beweist ein von Dttofar J. im 3. 1224 der Stadt 


Troppau ertheiltes Privilegium, welches noch heute 
im biefigen Stadtarchiv in der Urfchrift zu fehen ift, 
fo wie eine Schenkung des im Troppauer Gebiete ge= 
legenen Dorfes Stibrowiz an das Klofter Welehrad 
von eben diefem Könige im J. 1228, daß diefes Für: 
ſtenthum fchon damals zu Böhmen gehörte, und nicht 
erft nach Mieslaus IL. Tode, welcher im J. 1246 
erfolgte, an König Wenceslaus I. gefommen fey, 
wie alle Gefihichtfchreiber offenbar falfch behaupten. — 
Es fcheint fogar, daß K. Wenceslaus nie unmittele 
bar darüber geherrfcht habe. Denn als nach dem 
Zode Dttofars I. fchon im folgenden Kahre 1247 auch 
deffen Bruder Wladislaus N) Markgraf von Mähren 
geftorben war, fo fezte Wenceslaus feinen Sohn Pie- 
mysl Dttofar über Mähren, dem er noch das Gebiet 
von Troppau binzufügte 5), um diefen Ländern einen 


Vertheidiger gegen den Eriegerifchen Zriedrich von 
24* 


52 


Defterreich zu geben. (Dubrav. fol. 96.) Auch findet 
fih in der Urkfundenfammlung' von Troppau Feine 
von Wenceslaus, fondern es folgen auf die von Otto: 
Far I. gleich mehrere von Dttofar IL; 


9, fagt Dubravius lib. XVII. f0l.106: Ottocarus filium 


10. 


41: 


Nicolaum nothum regione Oppaviense, a Moravia 
avulsa, donavit appellavitque Ducem Oppaviensem. 
Premysl Ottokar hat alfo das der Markgraffchaft 
Mähren zugehörende Gebiet von Troppau erft von 
jenem Iosgeriffen und e8 zu einem befondern Fürften- 
thum gemacht; 

bezeugen Dlugossus, Math. de Miechovia und Du- 
bravius einftimmig, daß die Fürſten von Troppau 
ihren Urfprung von Nikolaus J., einem natürlichen 
Sohne Dttofars II. herleiten, indem Iezterer dieſes 
Fürftenthum von neuem (de novo) gegründet habe; ") 

fteht in den Privilegien der böhmifchen Könige Wen 
cesfaus IV. vom 5. 1411 und Sigismund vom F. 
1420: Nobilitas Oppaviae juribus utetur, quibus 
nobilitas et incolae in marchionatu Moraviae utun- 
tur, quo jam ab antiquo usi fuerunt, (Hennel. 
Il. cap. XI. pag. 1029.) 

Indeſſen ift es wahrfcheinlich, daß Mieslaus II. die 


frühern Anſprüche des Piaſtiſchen Hauſes auf dieſes Gebiet 
erneuern, und fein Bruder und Nachfolger Wladislaus 
fich mit Gewalt desfelben bemächtigen wollte. Nach miß— 
lungenem DBerfuche aber Fehrte er wieder in feine Beſizun— 
gen (ad propria) zurüf, und Nikolaus blieb im ruhigen 
Defiz feines Fürftenthums. (Sommersberg Il. 678.) 


Alles Gefagte läßt fih auch auf das Fürftenthum 


Sägerndorf anwenden, welches erft fpäter aus dem Für— 
ſtenthum Troppau erwuche. 





FRE — 


— 22 


ur 
© 


Erläuterungen und Ergänzungen von 3. D. 


a) Unter den böhmifchen Chroniften kamn wohl fein 
anderer ald Pulfawa (Dobneri Mon. hist. 111.) gemeint 
ſeyn. Diefer fpricht beim J. 1237 von K. Wenzels J. 
Zuge wider den Markgrafen von Mähren, feinen Bruder 
Piemysl, der fich nach Ungarn geflüchtet. Auf die Für: 
fprache des Königs von Ungarn nahm K. Wenzel feinen 
Bruder zu Gnaden auf, und wies ihm zu feinem Unterhalt 
die Troppauer und Olmüzer Provinz an: Tandem vero, 
fehließt Pulfawa, Rex fratrem suum Premysl praediclum 
mediantibus Regis Ungariae precibus in suam recepit 
gratiam, ei provincias Opaviensem et Olomucen- 
sein pro vitae necessitatibus, quibus eontentus fuerat, 
assignando. 


b) Die Teoppauer Stände haben den K. Wenzel 


“für ihren Herrn anerkannt, ihm gehuldigt, nicht eben erft 


gewählt. 

e) Vor 1182 kann Fein mährifcher Fürft Markgraf 
genannt werden. Konrad war der erfte Markgraf, und 
erft feit 1197 fängt mit Wladislaw, Dttofars I. Bruder, 
die ununterbrochene Neihe der Markgrafen von Mähren an. 

a) Nicht erft nach Nifolaus I. Tode, fondern gleich 
nach deſſen Entfezung Eonnten die fchlefifchen Fürften das 
Troppauer Herzogtum pfandweife befizen. Denn Niko— 
laus jtavb 1518 zu Brünn, wie es Peter, Abt von König: 
fal, bezeuget: iste dux senior Nicolaus, frater Regis Wen- 
ceslai fundatoris Aulae regiae, illegitime tamen per Re- 
gem Ottocarum genitus, exstitit, et ducatum Oppa- 
viae annis pluribus tenuit, sed advenientibus contrariis 
eventibus eodem ducatu usque ad mortem suam priva- 
tus fuit, ipse hoc anno (1518) satis pauper rebus sed 
dives virtutibus in Brunna moritur, et in ecclesia fra- 


54 


tram Minorum ibidem circa festum beati Jacobi sepeli- 
tur. (Dobneri Mon. hist. V. p. 569.) 

e) Nicht bis 1518, fondern nur bis 13141. Denn 
als König Johann 1314 nad) Olmüz Fam, begab fi) auch 
der Breslauer Herzog Boleslaw zu ihm, und trat ihm uns 
ter gewiffen Bedingungen das Troppauer Gebiet, das er 
eben noch befeffen, freiwillig ab, wie e8 Peter in der Ko: 
nigfaler Chronik umftändlich erzählt: Venit etiam tunc 
ad Johannem Regem Boleslaus dux Weratislaviensis, 
qui dominium tenuit ducatus Oppaviensis, interve- 
nientibus quoque ibidem pluribus tractatibus Rex cum 
Duce amicabiliter concordavit et Regi dux terram Op- 
paviae voluntarie resignavit, nam ducatus Oppaviae 
ab antiquo ad regnum pertinuit Bohemiae; insurrexe- 
runt autem quidam Barones de ducatu Oppaviae 
contra Nicolaum ducem, verum ipsorum Dominum, 
qui frater exstitit Domini Wenceslai regis Bohemiae, 
fundatoris Aulae regiae, et ipsum ducem expulerunt, 
seque Boleslao duci Wratislaviensi ultronei cum civita- 
tibus subdiderunt, qui dominabatur eis usque ad prae- 
sentiam istius Johannis regis. (©. 270.) Um zu erflä- 
ven, warum Nikolaus ein Bruder Wenzels genannt wird, 
fehrieb eine gleichzeitige Hand am Rande der Gedlezer 
Handfchrift, aus welcher Dobner diefe Chronik herausgab, 
Folgendes bei: Nota: iste fuit degener natus de filia 
Corringeri. 

f) Hier find drei Wladislawe, Markgrafen in Mäh— 
ren, zu unterfcheiden. Wladislaw, K. Dttofars J. Bru—⸗ 
der, flarb ſchon im J. 1224, ſechs Jahre vor Dttofars 
Zode. Nach ihm war Wladislaw, K. Ottofars I. Sohn, 
Markgraf in Mähren. Derjenige Wladislaw aber, der 
nach Miesko's Tode im folgenden Jahre, d. i. 1247 ftarb, 
war 8. Wenzels I. Sohn. 

gs) Wenn K. Wenzel I. nie unmittelbar über 
Zroppau herrſchte, fo it dies Gebiet nicht erft unter dem 





55 


Markgrafen Pkemysl Dttofar zu Mähren hinzugefügt wor: 
den, fondern es mußten fehon die frühern Markgrafen 
Herren von Troppau geweſen feyn. 

h) Allerdings hat Dttofar IL. zu Gunften feines na= 
türlihen Sohnes Nikolaus das Gebiet Troppau zu einem 
Fürften- oder Herzogthum erhoben. Dies bezeugen auch 
ältere Ehroniften. Franciscus fagt: Rex vero inter ce- 
teras virgines familiares (die mit Margareth nah Böh— 
men famen) unam elegit, quae habebat tonsuram viri- 
lem et ideo Palczierzik vulgariter vocabatur,, et genera- 
vit ex ea primo anno filium, nomine Nicolaum, et 
postea filias plures, qui quidem filius aetate adveniente 
Dux Oppaviae fuit factus. (©, 25.) Benes von Wait- 
mül nennt diefen Nikolaus den erften Troppauer Fürs 
ften: Habuit autem Princeps Boemiae praefatus (Wenzel 
11.) fratrem, nomine Nicolaum, filium regis Ottocari, 
licet illegitimum, primum videlicet Ducem Oppaviae, 
virum strenuum, in consiliis et agendis prudentem. 
(Seript. rerum Boh. II. 200.) Er fpricht auch von feiner 
abermaligen Einfezung: Eodem anno (1348) Johannes 
Rex Boemiae ducatum Oppaviae restituit in eodem Ni- 
colao duci, filio regis Ottocari illegitimo, quem here- 
des sui usque hodie obtinent. Da aber Nikolaus in dem 
felben Jahre ftarb, ward fein Sohn Nikolaus mit dem 
Fürſtenthum belehnt, worüber er eine Urkunde ausftellte, 
die Pulfawa in feine Chronik aufnahm. Daß Troppau 
früher zu Mähren gehörte, und erjt Dttofar mit diefem 
Gebiet feinen natürlihen Sohn belehnte, bezeugt auch 
Pulkawa ©. 222: Tulit Piemysl unam de illis, quam 
prae ceteris diligebat, filiam Domini de Kunring de 
Austria, de qua primo anno generavit filium nomine 
Nieolaum, quem postea fecit ducem Oppaviensem, nam 
antea spectavit Oppavia ad Moraviam, sed data fuit 
Nicolao, ut a regno Boemiae in feudum dependeat perpe- 
tuis temporibus affuturis. Hiermit ift noch der ſchazbare 


56 


Beitrag zur Gefchichte König Dttofar II. von I. ©. Mei⸗ 
nert (im XXII. B. der Wiener Jahrbücher der Literatur, 
Anzeigeblatt ©. 54 — 51) zu vergleichen. Merkwürdig 
iſt Die dafelbit abgedrufte Urkunde Ottokars über die Gränz— 
beitimmung zwifchen Mähren und dem Herzogthum Oppeln. 


ANANANAAAANANDNAN 


Ueber Bene? Krabice von Waitmül, 


Das er mit dem Minoriten Benes, deſſen Chronik weit 
in's XV. Jahrhundert reicht, nicht zu vermwechfeln ift, darü— 
ber kann die Vorrede zum 2er Bande Scriptorum rerum Bo- 
hemicarum (Prag 1784) nachgelefen werden. Benes ftarb 
als dritter Baudireetor und Archidiacon des faazer Kreis 
fes, im 3. 1375, wie e8 die Inſchrift über feinem fteiner- 
nen Bruftbilde auf der Gallerie der Domfirche ausweiſet, 
wenn gleich obiit ganz verblichen ift. Da aber bei den 
frühern und fpätern Baudirectoren die beigefezten Jahr: 
zahlen fich auf ihren Tod beziehen, fo ift auch 1575 für 
das Todesjahr anzunehmen. Co ftarb Bufeo, der erfte 
director fabricae, 1550, Nikolaus Holubef, der zweite, 
im J. 13555. Unfer Benes, als dritter Director, ftand 
alfo dem Baue 20 Jahre, das ift bis zu feinem Todes- 
jahre (1375) vor. einen Sterbetag gibt der Liber por- 
tionum quotidianarum ecelesiae Pragensis an, nämlic) 
VI. Kal. Augusti, d. ti. den 27. Juli. Auf der Infchrift 
ftebt wohl die ..... mensis, aber gerade die Zahl tft 
ganz verblichen. Andreas Kotlik, fein Nachfolger, kommt 
ſchon am 7. Dctober 1375 als director fabricae vor. Dies 
fer ſtarb, laut der Inſchrift über feinem Bruftbilde, im 
J. 1550. Man begreift nun, warum Benes feine Ehro: 


[4 


57 


nif (Chronica ecclesiae Pragensis) nicht über das Jahr 
1574 fortfezen Eonnte. Gein Ieztes Datum im vierten — 
Buche iſt der 19. November des J. 1574. Er ward vor 
der St. Wenzelöcapelle begraben. Simon Fagellus Bil: 
laticus, Probſt an der Eollegiatfirche Allerheiligen, ge: 
denft feines Grabes in feinen opusculis (Lipsiae 1538) wie 


folgt : 
Tumulus Benessii Grabice a Waytmil 


Canonici Pragen, 


Hac quondam sacra reverendos inter in aede 
Praelatos, multo ceultus honore pater, 

A Waytmil Crabice in tellure Benessius ista, 
Sub lapide hoc tandem post sua fata jacet. 

Qui quoniam patrum *) tumulos euravit, id ipsum 
Promeruit fieri jure bono ipse sibi. 

Cui grata est pietas, sibi reddat praemia Christus, 
Laudabit factum vivida posteritas. 


Es fommt aber auch unter den Prager Domberren 
ein Benessius de Waytınuel senior, in den Jahren 1378 — 
4584 vor, der von unferm Baudirector und Chronijten 
unterfchieden werden muß, an deffen Sterbejahr 1575 nun 
nicht mehr zu zweifeln ift. ’ 





*) Benes übertrug 1373 die böhmifchen Herzoge und Könige, 
und 1374 die Prager Biſchöfe in den neu aufgebauten Chor 
der Domkirde. 


53 


Bemerkungen über die vormalige und jezige 
Forfteultur in Böhmen, 


(Bon einem practifchen Randmwirthe.) 


Bohmen beſtand in uralter Zeit, ſo wie Deutſchland und 
Mitteleuropa überhaupt, größtentheils aus Waldungen. 
Erſt in Folge der zunehmenden Bevölkerung wurden dieſe 
vermindert, und zum Theil in Akerland und Wohnpläze 
verwandelt. Aber felbft bis in die neueften Zeiten nahmen 
die Waldungen noch immer einen fehr anfehnlichen Theil 
der Oberfläche Böhmens ein, und ed ergab fich bei der im 
S. 1787 vorgenommenen Gteuerregulirung ein Waldftand 
von 2,519,811 Soc, oder, 10,000 Joch auf eine Qua 
dratmeile gerechnet, fait 252 Quadratmeilen, folglich un: 
gefähr %, der 956 Quadratmeilen betragenden Oberfläche 
des ganzen Landes. Dieſes Verhältniß hat fich bie 1825, 
wo die Waldungen noch in 2,516,223 Joch 354 % Auadrat- 
Elaftern bejtanden, beinahe gar. nicht geändert. Wären 
dieſe Waldſtreken über das ganze Land gleichförmig ver: 
theilt, fo würde der Holzbedarf wohl überall reichlich ge: 
deft feyn. Aber nur die Gränzgebirge beftehen, mit Aus— 
nahme eines an Mähren ftoßenden Theils, noch ganz aus 
Wald, und die Holjpreife find daher in folchen waldreis 
chen Gegenden, namentlich an der baierifchen Gränze, fo 
gering, daß die Klafter gefchlagenen weichen Holzes kaum 
um 4 fl. Conv. M. anzubringen ift. An andern Orten 
befteben dagegen, wegen Entlegenheit der Waldungen und 
Koftfpieligkeit der Zufuhr, fehr hohe Holzpreife, die höch— 
ften insbefondere an der, übrigens waldreichen, fächftfchen 








59 


Gränze, wo aber der Abfaz ins Ausland und der Verbrauch 
der dortigen zahlreichen Fabriken fehr beträchtlich ift. 

Es leuchtet ein, daß in frühern Zeiten, wo die Wal- 
dungen noch wenig gelichtet und dem Holze noch wenige 
Abfazwege eröffnet waren, dieſes folglich einen nur gerin— 
gen Werth hatte, an eine eigentliche Eultur derfelben noch 
nicht gedacht wurde. Man überließ den Wiederanbau der 
abgetriebenen Waldftrefen größtentheils der Natur. Die 
Waldauffiht wurde gemeinen, von aller forftwiffenfchaftlis 
chen Bildung entblößten Jägern übertragen, und befchränfte 
fih auf das Gefchäft, Holz= und Wilddiebftähle zu verhü— 
ten. Der befte Schüze galt für den beiten Förfter. Die 
Söhne der Jäger oder wohlhabender Bauern wurden, wenn 
fie nur nothdürftig lefen und fchreiben gelernt hatten, als 
Lehrlinge aufgenommen, traten nach der Freifprechung bei 
ihren Grundherren als fogenannte Büchfenfpanner oder Leib: 
jäger in Dienfte, und wurden fpäter zu Zörftern und Forſt— 
beamten befördert. Es läßt fih denfen, wie wenig dadurch 
für eine ordentliche Forfteultur geforgt war. 

Erft um die Mitte des vorigen Sahrhunderts, als 
der bier und da eintretende Holzmangel fühlbar zu werden 
anfing, richtete man fein Augenmerk auf eine beffere Eultur 
der Waldungen, und die Regierung felbft that hierin die 
erften entfcheidenden Schritte. Die Waldordnung vom 5. 
April 1755 enthielt ſehr zwekmäßige Vorfchriften zur Be: 
handlung der Wälder. Im J. 1772 wurde 9. Ignaz Ehren: 
werth als grafl. Nottenhan’fcher, fpäter (1791) als k. k. 
Eameralforftmeifter für die Staatswaldungen Böhmens anz 
geftellt, unter deſſen Leitung die erften planmäfigen Eultu= 
ven und Spftemifirungen in’s Leben traten, welche bald 
auch von den übrigen Gutshefizern nachgeahmt wurden. 
Die Hofdecrete vom 24. März 1737, 17. März 1789 und 
10. Mai 1798 beauftragten die E. Kreisämter mit der ge— 
nauen Aufficht über die Befolgung der Waldordnung. Ei— 
nem andern Hofdecrete vom 21. Mai 1787 gemäß wurde 


60 


ein allgemeiner Unterricht über die Waldcultur öffentlich 
befannt gemacht. (S. Kropatſchek's öſterr. Staatöver: 
fafung, 5. Band, ©. 605 u. fllg.) Die ſchon in den 
Jahren 1728 und 1745 erlaffenen Jagdordnungen wurden 
Durch das allgemeine Sagdpatent vom 28, Febr. 1786, 
welches fowohl die Gerechtfame der Sagdberechtigten als 
ihre Verpflichtungen gegen Die Unterthanen beftimmte, vers 
vollftändigt. 

Diefe weifen Maßregeln der Negierung waren um fo 
mehr an der Zeit, als in Folge der damaligen Zerftüfes 
lung vieler obrigkeitlichen Meterhöfe auf Staats-, geiftli- 
chen und Privat Dominien,, die Bevölkerung Böhmens 
anfehnliche Fortfihritte machte, Fabriten und Manufactus 
von entftanden, und dadurch ein größerer Holzverbrauch 
herbeigeführt wurde. Es trat daher fat überall eine, we: 
nigftens relativ, beffere Forfteultur ein. Schon von 1750 
an hatte man einfehen gelernt, wie zwekwidrig es fey, den 
Wiederanbau gelichteter Waldftrefen bloß der Natur zu 
überlaffen. Man fing jezt an, Samen von allen Gattungen 
der Forftgemwächfe zu fammeln, denfelben riffenweife anzu— 
bauen, dann die zu Dicht ftehenden Pflanzen auszuheben, 
und fo ganze Holzfchläge, nachdem fie von Stöfen gehörig 
gereinigt waren, damit zu befezen. Auf der fürftl. Kinsky— 
fhen Herrfchaft Böhmifch » Kamniz, findet man noch der- 
gleichen, unter dem Forftmeifter Pompe angelegte und cu 
tivirte, Holzfchläge von 40 bis 50 Jahren, welche, fo wie 
einige andere auf Privat: und Staatsherrfchaften, als 
Muster der damaligen Forfteultur angefehen werden können. 
Auch fing man ſchon damals an, die Waldungen mit ihren 
verfehiedenen Holzbeftänden geometrifch aufzunehmen, in 
ordentliche Schläge einzutheilen, darüber Lagerbücher an: 
zufertigen, und die abgetriebenen Streken im nächften 
Sahre mit Samen und Sezlingen zu bepflanzen. 

Sp beträchtlich indeſſen diefe Fortfehritte der Wald: 
wirthſchaft bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts auch 


61 


waren, fo mußte man doch gleichwohl bedauern, daß die 
ganze Forfteultur noch immer großentheils empirifch behanz 
delt und erlernt wurde. Es gab bis im die neueren Zei— 
ten, wie auch anderwärts, Feine zwekmäßigen, den Gegen— 
ftand wiffenfchaftlich behandelnden Forftlehrbücher, noch 
weniger ordentliche Forftlehranftalten. Tham's Forft: 
Eatechismus war lange Zeit das einzige Buch für Lehr: 
linge. Nach dem 55. $. der k. k. Waldinftruction wa— 
ven zwar im jedem Kreife einige Forftbeamte als Exami— 
natoren angeftellt, bei welchen fich jeder freizufprechende 
Lehrling einer Prüfung unterwerfen mußte, ehe er als 
„holzgerechter‘ Zäger anerkannt werden konnte. Ermägt 
man aber, daß diefe Forftbeamten felbft nur eine geringe 
Bildung erhalten hatten und früher größtentheils Büchfen- 
fpanner gewefen waren: fo läßt fich ſchon im voraus den— 
fen, daß, wie gut auch die Eraminanden in ihrer Prüfung 
beftanden haben mochten, dies dennoch Feine hinlängliche 
Bürgfchaft für ihre Tauglichkeit feyn konnte. 

Wenn ſchon diefe unvollfommene Bildung der Beam: 
ten die Verbefferung des Forftweiens aufhalten mußte, fo 
wurde diefes noch mehr durch die von den Jahren 1799 
bis 1817 eingetretenen Umftände gefährdet. Bekanntlich 
wurde damals das Kaufen und Wiederverfaufen von Land: 
gütern ein eigenes, bis dahin unbekannt geweſenes, Spe— 
eulationsgefchäft. Hinter den zu einer außerordentlichen 
Höhe geftiegenen Preifen aller landwirthſchaftlichen Arti— 
fel waren auch die Holzpreife nicht zurüfgeblieben, und die 
Klafter wurde in manchen Gegenden zu 25 bis 30 fl. ver: 
kauft. Speculanten Fauften alfo damals mit geringem Vers 
mögen und Eleinen Darangaben große Güter, liefen die 


Wälder abtreiben, bezahlten aus dem gelösten Gelde den 


größten Theil des noch übrigen Kauffehillings, und ver: 
Fauften die Befizung mit großem Gewinn wieder an andere, 
welche es eben fo machten. Die böhmifche Landtafel zeigt, 
daß auf diefe Weife manches Gut in 10 Jahren 10 Befte 


62 


zer zählte, deren natürlich jeder das Seinige zur Verſchlech⸗ 
terung des Gutes, beſonders aber der Waldungen, beitrug. 
Der durch dieſe ſchlechte Wirthſchaft eintretende Holzman— 
gel ward an manchen Orten ſo groß, daß nicht einmal die 
Obrigkeiten den eigenen Bedarf mehr deken konnten. Die 
ſpäteren Gutsbeſizer waren daher in die dringendſte Noth— 
wendigkeit verſezt, der Forſteultur die höchſtmögliche Auf— 
merkſamkeit zu widmen. 

Aber ſie wurden auch durch die weiſe Vorſorge der 
Regierung ſowohl, als durch die allgemeinen wiſſenſchaft— 
lichen Fortſchritte der neueſten Zeit kräftig unterſtüzt. Mit 
der Gründung des böhm. ſtändiſchen techniſchen Inſti— 
tuts zu Prag entſtand zugleich eine wiſſenſchaftliche Vor— 
bildungsſchule für künftige Forſtbeamte. Go werden ge— 
genwärtig nur mit Kenntniſſen ihres Fachs wohl ausgerü- 
ftete Männer als Forftbeamte angeftellt. Mehrere ausge: 
zeichnete Schriftfteller traten im Forftfache auf, welche 
neue, von der vormaligen Verfahrungsart abweichende, 
jedody zwefmäßigere Grundfäze für die Behandlung der 
Forſten aufitellten,; wodurch freilich zwifchen den Altern 
Sorftbeamten, die von ihren angeerbten VBorurtheilen nicht 
abgehen wollen, und den neuern Forftauffehern häufige 
Mißhelligkeiten entftehen. Burgsdorf, Cotta und Hartig 
haben zuerſt die Bahn geöffnet. Die Holsfchläge werden 
jezt alle Jahre mit Koſten- und Müheaufwand cultivirt, 
theils befäet, theils mit Pflanzen ausgefezt, Hiebei ift 
nun von den Neuern als Hauptgrundfaz angenommen wor: 
den, daß man die Pflanzen, damit fie fich beffer bewurzeln 
und gefchwinder empor wachen können, nicht mehr fo dicht 
als vormals ausfezen fol. Die mit zu dichtem Holz be: 
festen Waldftrefen werden durchgeforftet, d. h. die 
Dürrlinge und verkrüppelten Bäume, welche feinen Nach: 
wuchs verfprechen, werden ausgehauen, damit die übrig 
bleibenden fich freier ausbreiten und beffer gedeihen Eönnen. | 





65 


Die Beobachtungen an den Baumftöfen bewähren 
nämlich, daß jene Bäume, die von Jugend auf hinlänglichen 
Raum zum Bewurzeln haben und freitehen, an den jähr: 
lichen Holzringen einen größern Zumachs zeigen, und in 
45 — 60 Xahren bei Nadelholz ein fchlagbares Holz, ja 
ſelbſt Wände und ſchwache Tramen liefern, dagegen im ges 
ſchloſſenen dichten Wäldern die Bäume einen längern Zeitz 
raum zur Schlagbarfeit benöthigen. 

Sowohl das [hüttere Bepflanzen als diefe 
Durchforſtungen haben anerkannte Vortheile. Indeſ— 
fen darf weder das Eine noch das Andere übertrieben wer— 
den. Es unterliegt feinem Zweifel, daß eine Baumpflanze, 
wenn fie von Jugend auf freifteht und fich gehörig bewur— 
zen kann, beffer fortkömmt und gefchwinder fortwächst, 
als eine im Dichten ftehende Pflanze, wo eine Wurzel der 
andern in den Weg tritt, und der meift magere Waldbos 
den nicht genug Nahrung für fo viele Pflanzen Kiefern kann. 
Bei dichten Pflanzungen fterben allerdings alljährlich meh— 
rere Pflanzen nad) und nach ab, fo daß kaum ein Zehntheil 
der aufgefeimten Pflanzen übrig bleibt, und der Wald 
lichtet fich auf diefe Art (wie die alten Forftmänner fagen) 
von felbft. Indeſſen haben fich die zurüfgebliebenen Pflan— 
zen doch gleich von Anfang an fchlecht bewurzelt und find 
in ihrem Wachsthum die erften Sabre fo zurufgefezt und 
zum Theil felbit verfrüppelt worden, daß diefe Baumfeze 
linge nicht fo gefchwind fortwachfen Eönnen, als eine ur: 
fprünglich frei ausgefezte Pflanze. Diefe Pflanzungen dürf: 
ten jedoch nie zu fohütter angebaut werden, da der Maif 
befanntlich immer großen Befchädigungen von ungünftigen 
Witterungen, dürren Zahrgängen und dem Winde ausges 
ſezt bleibt, fo daß man immer auf den Verluft der Hälfte 
der Pflanzungen rechnen muß. Bei zu fohütterm Anbau . 
würde daher ein zu fehütterer Wald erzeugt werden, wel: 
her, wenn er auch früher ſchlagbares Hol; lieferte, doch 
den Wind- und Schneebrüchen zu fehr ausgefezt bliebe, 


64 


und die Erzeugung der nöthigen Baumſtangen und ande— 
ren Geräthholzes würde dabei leiden. In dieſer Hinſicht 
kann man der von H. Forſtmeiſter Andre in feinem 
Werke: „Die vorzüglichiten Mittel, den Wäldern einen 
höhern Ertrag abzugewinnen,“ Prag, 1825, — vorge: 
fehlagenen Ausfezung der Planzungen in größerer Ent: 
fernung nicht beiffimmen: wohl aber muß man der von 
ihm angerathenen Aushebung der ein= und zweijährigen 
Baumpflanzen mit dem Stecheiſen und deren Ueberfezung 
ſammt den Erdballen vor allen übrigen Waldeulturen, fo 
wie feiner vorgefchlagenen Forftorganifation vor andern 
den Vorzug geben. 

Im Grunde werden die Durchforftungen der Wäl- 
der, wodurch man fie von dem dürren, verkrüppelten Uns 
terwuchs reinigt und dem zurüfbleibenden Holz einen beffern 
Wachsthum verfchafft, ſchon feit Jahrhunderten von den 
Unterthanen in den obrigfeitlihen Wäldern Böhmens be: 
trieben. Man kann e8 daher Feine neue Erfindung nens 
nen. Man frage alle Obrigfeiten Böhmens, ob die auf 
ihren Gütern angeftedelten Häusler und Inleute fi) das 
Brennholz anfaufen? Sie haben feit jeher unter dem 
Vorwand des ihnen gejtatteten HolzElaubens ihren Holz- 
bedarf aus den ohrigfeitlichen und Gemeinde: Waldungen 
geholt. Der jährliche Bedarf diefer Familien an Brenn: 
holz in Bohnen, wenn man für eine Familie nur 6 Klaf: 
ter des Jahrs anfchlägt, ift ungeheuer groß, und es ift 
zum Erftaunen, wie unfere Wälder fo vielen Tauſenden 
diefer Familien feit jeher den Holzbedarf haben liefern 
fonnen, ohne daß man doch diesfalls eine merflihe Ber 
fehädigung der Wälder wahrgenommen hat. Diefe Durch- 
forftungen, welche fonach die Unterthanen bis jezt ausge: 
übt haben, werden nunmehr von den Forftbeamten, aber 
freilich mit mehr Methode, zu Handen der Obrigkeiten 
vorgenommen, und gewähren nicht nur einen bedeutenden 
jährlichen Holzertrag, fondern auch einen beſſern Nach— 


65 


wuchs für das zuritfbleibende Hol. Sie müſſen jedoch 
mit VBorficht ausgeübt werden, damit der Wald nicht zu 
ſehr gelichtet und den Windbrüchen ausgefezt werde; es 
iſt daher beſſer, folche lieber öfter zu wiederholen, als * 
einmal allzuheftig einzuleiten. 

Seit drei Jahren werden von mehreren obrigkeiten 
in Böhmen dieſe Durchforſtungen regelmäßig eingeleitet, 
und gewähren Jedem, der einen zwekmaͤßig durchforſteten 
Wald ſieht, die beruhigendſte Ueberzeugung, daß das beſſere 
Wachsthum der zurükbleibenden Stämme durch Hinweg— 
räumung des ſchlechten Unterwuchſes gelingen muß. Selbſt 
die ältern, fonft jeder Neuerung und Verbeſſerung abge— 
neigten Forftmänner, -werden auf diefe Weiſe durch den 
Augenfhein von der Nüzlichkeit diefes Verfahrens über: 
zeugt. 

Indeſſen wäre, zur beffern Emporbringung des böh— 
mifchen Forftwefens, noch fehr zu wünfchen, daß eigene 
Sorftlehranftalten eingeführt würden, wie z. DB. in 
Marienbrunn für Defterreich, und in Mähren bei dem 
würdigen. Sorftmeifter Hlawa in Datſchiz, wofelbit 
die mit einigen Vorkfenntniffen ausgerüfteten Jünglinge 
in kurzer Zeit zu brauchbaren Forftbeamten gebildet wer- 
den. Eben fo wäre (an der k. £. Univerfität zu Prag, 
der am polytechnifchen Inftitute) eine eigene Lehrkan— 
zel für die Forftwiffenfchaft ein wefentliches Bedürfnig, 
damit ed Jünglingen , die fi der Forjtwiffenfchaft wid: 
men wollen, nicht an Mitteln zur gehörigen Ausbildung 
fehle. 





ur 


66 


Nähere Unterfuhung des Brusfa - Salzes: 


als Beitrag zu Prags medicinifher Topographie, und zur 
Berichtigung der Urtheile über das einft ald Arzneimittel fo 
berühmte Prager Luftwaſſer. 


Von G. F. B—d. 
Her 


Ka die Reihe der Panaceen (Univerfalmedicinen), die als 
Irrlichter nicht lange erft erlofchen, gehört auch das nächſt 
Prag aus Bruska's Felfenwänden reichlid) auswitternde 
Salz, vormals unter dem Namen Luftfalz (oder Luft: 
waffer, wenn es in reinem Waffer aufgelöst worden) im 
Sn: und Auslande allgemein gefannt, — von Tauſenden 
als Himmelsgabe gepriefen, — von Vielen verachtet, — 
von den Wenigften billig, — nur von Einzelnen richtiger 
beurtheilt. 

Ueber diefes Salzes Wefenheit ffimmen ältere wie 
neuere Meinungen mehr oder weniger mit Gegnisens *) 
Ausfpruche überein: „Das Luftfalz oder Luftwaffer, womit 
vor einigen Jahren ſo großer Unfug getrieben ward, iſt, 
„ungeachtet ſeines übermäßigen Preiſes, eine ſchlechte und 
„ekelhafte Bereitung. Nach angeſtellten Prüfungen großer 
„Scheidekünſtler waren Bitterſalz nebſt etwas Glauberſalz, 
„nach andern auch noch Urinmagma die Hauptbeſtandtheile 
„dieſes hermetiſchen Präparats.“ 

Richtiger, obſchon ſehr unbefriedigend, hatte Gmelin 
mit den wenigen Worten darüber abgeurtheilt: Quicquid 





*) ©. deſſen Arzneimittellehre vom 
vervollkommnet von Burdach, 2. 


1812, berichtigt und 
heil ©. 558. 


2* 








67 


decantatus liquor sub specioso titulo „Ruftfalzwaffer‘‘ 
eredulis venditus unquam salutarium virium exseruit, 
id sali amaro potissimum debere, sana Chemia docuit. 

Unbeachtet blieb, wenn gleich höherer Würdigung 
werth, was Doctor Zaufchner fhon im J. 1768 in einer 
eigenen Differtation *) darüber entfchieden. Doc vor 
Allen fehien e3 dem verewigten Prof, v. Freismuth vorbes 
halten gewefen zu feyn, uns eine richtige Anficht diefes 
Maturerzeugniffes zu geben, in welcher Daritellung es felbit 
dem Scheidefünftler einige Neuheit zumendet, fo wie es 
auch ihm ganz eigenthümlich in feiner Zufammenfezung 
erfhien; aber der Tod war nur zu fehr der Ausführung 
feines Vorhabens, dies Galz einer genauen Analyfe und 
Befchreibung zu unterwerfen, vorgeeilt. 


Diefes Salzes 


- Kerngeftalt: ift ein fhiefes, wenig gefhobenes Prisma 


mit vier Seiten. 

Blätterdurhgang: ein fehr deutlicher; ein anderer we: 
niger deutlich parallel mit den Seitenflächen; ein 
dritter den Grundflächen parallellaufend. 

Abänderungs-Kryftallifationen: a) Ein wenig ges 
ſchobenes vierfeitiges Prisma, die ftumpfen Kanten 
mehr oder weniger abgeftumpft; oder vierfeitige Sau—⸗ 
le mit gegenüber ftehenden abgeftumpften Kanten. b) 
Ein mehr gefchobenes vierfeitiges Prisma, an den 
ffumpfen Kanten abgeftumpft, die Endflächen mit 
vier auf den Geitenflächen auffizenden Flächen zu: 
gefpizt. Die Seitenflächen der Kryftalle der Länge 
nad) geftreift, die K. glänzend, vom Glasglanze, 
durchfichtig, im Blätterdurchgang ſtark glänzend, 
an der Luft, in mäßiger Wärme unter Einwirkung 





*) De sale a Mineralogis haud descripto ete. etc. 
5* 


\ 


68 


der Sonnenftrahlen nad) und nach matt und uns 
durchfichtig werdend, 

Strahlenbrechung: einfad. 

Härte: wird vom Gypsſpath gerizt. 

AuflöslihEfeit der Kryftalle: beinahe in gleichen 
Theilen. 

Verhalten im Feuer: auf glühenden Kohlen ſich auf— 
blähend, hohle Perlen bildend. 

Geſchmak: bitterlich mit ſüßlichem (ſcharfen) Nach— 
geſchmak. 

Fundort: Bruska, wo es aus einem mit Gyps und Kalk— 
ſpathblättern hie und da durchzogenen Grauwaken— 
ſchiefer, mit eingeſprengtem Schwefelkies, auswit— 
tert, und in feinen bis % Zoll langen Kryſtallen 
anfchießt. 

Analytifhe Bemerkungen: nad Prof. v. Freismuths 
vorläufigen Unterfuchungen, ift dies Salz, das 
man der Kryftallgeffalt nad) für Bitterfalz halten 
follte, eine Verbindung des Bitterfalzes mit Alaun, 
die jedoch ganz die Kryitallform des Bitterfalzes 
annimmt, was um fo merfwürdiger tft, da man 
beiden Salzen, einzeln genommen, ungefähr gleiche 
Kryitallifationg = Energie zugeftehen darf, und eher 
dem Alaun die größere; es alfo nicht zu erwarten 
ftand, daß die des Bitterfalzes die Uebermacht er= 
langen würde, und daß überhaupt eine vollfommene 
Erpftallifirte Verbindung beider Statt finden Eönne. 
Auch enthält es fchwefelfauren Kalk, aber in fo 
unbedeutender Spur, daß man diefen Feineswegs 
als wefentlich betrachten könne; überdies ift d. ©. 
mit etwas Eifenoryd verunreinigt. 

Die Entftehung des Brusfa: Salzes wird im der Anz 
nahme erfaßlich: dag durch Einwirkung des Waf- 
ferdunftes der Atmosphäre, zunächft der im Thon— 
fchiefer eingefprengte Schwefelkies in Eiſenvitriol 





69 


umgeändert werde; dieſer aber wird wegen größe: 
rer Anziehung des Kalt im Glimmer, und des 
Thones im Thonfchiefer zur Schwefelfäure, in 
Alaun; — fo wie wegen größerer Anziehung des 
Talkes im Maunfchiefer, auch wohl im Glimmer 
zur Schwefelfäure, in Bitterfalz; — beides un 
ter Abfcheidung des Eifenoryds im Eifenvitriol, 
umgewandelt; dem auch die Verunreinigung des 
Salzes mit diefem Metallfalfe zugefchrieben wer: 
den muß. 

Es darf nicht unbeachtet bleiben, daß die Werfitätte, 
worin die Natur das hier in feiner Eigenthümlichkeit dar— 
geftellte Salz bereitet, nur die Felfenfchlucht Bruska fey, 
deren Wände jenes Lager von Graumafenfchiefer bildet, 
das fich weftnördlich in den Prager Schloßberg, öſtlich ges 
gen das Belvedere verlauft, um die füdlichen Abhänge des 
linfen Moldauufers zu bilden, worauf noch izt, wie einft un- 
ter Karl des IV. glorreicher Negterung, die Burgunder Nebe 
üppig wächst. Zwar fieht man auch dort, meift nach warmen 
Frühlingsregen, den Fels mit einem ausmitternden Salze 
befchlagen, deſſen mehr oder weniger fcharfer, mwidrig zu: 
fammenziehender, dintenähnlicher Geſchmak aber ſchon hin— 
reichend erweifet, daß ed von dem Bruska-Salze wefent- 
lich verfchieden fey, und mit diefem nicht verwechfelt wer— 
den dürfe. 


Welche Einwirkung das Bruska - Salz auf den menjch- 
lien Drganism äußere, welche Heilkräfte es befize; 


dies würde Faum je zur Sprache gefommen feyn, wenn 
Charlatanerie nicht ihr Teichtfinniges, Fefes Spiel damit 
getrieben, und die ausfchmweifendften Lobeserhebungen es 
zum Polychreſt gemacht. 

Doch mehr ald unzureichend waren die hierüber an— 
geftellten Forfchungen, zu partetifch und verworren die Un: 


70 


terfuchungen diefes Naturerzeugniffes, ald daß man aus 
den verfchiedenen Meinungen und fich mwiderfprechenden 
Urtheilen, das Wahre vom Falfchen genau zu fondern, 
unzweidentige richtige Folgerungen daraus zu ziehen, im 
Stande gewefen wäre. Hiezu Fam noch, daß Gewinn. 
fucht in der Bereitung mancherlei Eünftlicher Zufammenfe: 
zungen unter dem Namen Luftwaffer und Luftfalz bald 
einen reichen Erwerbsquell zu finden, mit diefen den Ana= 
Iyften, Arzt und Kranken zugleich zu täufchen und irre zu 
Yeiten gewußt, was noch) andererfeitö durch die Verwechs—⸗ 
lung und Unterfehiebung der in den Umgebungen Prags 
auswitternden Salze gefchehen. Hierin liegt auch der zu— 
reichende Grund der Entftehung fo verfchtedener chemifcher 
Kunftproducte und ihrer wenigen Webereinftimmung mit 
jenem Naturerzeugniffe der Brusfa, gleihwie die Ver— 
fehtedenheit ihrer Einwirkung auf den menfchlichen Orga: 
nism, unter übrigens möglichft gleichen Umftänden von 
Sachkundigen beobachtet, die weder vorgefaßte Meinung 
noch Parteigeift beherrfchte. 

Wie erweislich, ging der Auf außerordentlicher Heil: 
Eräfte des Luftfalzwaflerd von jenem Galzbefchlage aus, 
welcher in der Felſenſchlucht Bruska meift nad) warmen 
Frühlingsregen hervortritt, wo er in möglichfter Neinheit 
eingefammelt, aus der noch beigemifchten Erde mittelft 
Regenwaſſers ausgelaugt wurde, ohne, der Vorſchrift nad), 
durch Eünftlihe Wärme und Feuer die Löfung des Salzes 
auf irgend eine Art fördern zu dürfen. Die vollfommenfte 
Klarheit der Flüßigkeit war durchs Sezenlaſſen (Sedi— 
mentiren) derſelben und Durchſeigen durch dichte feine Lein— 
wand erreicht; der Salzgehalt, nach der gebräuchlichen 
Soolwage, beiläufig auf S Grade feftgefezt. Die genaue 
Befolgung diefer Bereitungsmweife des Luftfalzwaflers mußte 
jenen um fo wichtiger werden, die darauf bedacht gewefen, 
alle mittelft reinen Waffers ans dem Brusfer Thonſchie— 
fer ausziehbaren Stoffezu erhalten, indem während der 





74 


Bereitung mit heißem Waffer, und durchs Abdampfen 
der Auflöfung, fchwefelfaurer Kalf und das Eifenoryd aus 
der Verbindung mit dem Bitterfalze und Manne tritt, und 
die Flüßigfeit felbit die fein im fich zertheilt (fuspendirt) 
erhaltene Thonerde fallen läßt, welche Beftandtheile ſonach 
auch nothwendig in den durchs Abdampfen gewonnenen 
Salzkryſtallen kaum nachgewieſen werden können. — Hie— 
mit wäre auch über den Werth aller Nachfünftelungen 
und hermetifchen Präparate, welche unter den Namen Luft: 
falz oder Luftfalzwaffer je aus den chemiſchen Werkftätten 
hervorgegangen, entfchieden: Dagegen dürfte ſich aber 
die Meinung behaupten laffen: daß einnad er— 
wähnter Vorſchrift genau bereitetes Luftfalze 
waffer einem Heilquell ähnlich, eben fo eigen: 
thümlich inder Wirffamfeit als unnachahmlich 
» in feiner Zufammenfezung und ganzen Wefen 
heit fey. 

Dem zu Folge muß das nach Freismuths Urtheile fo 
eigenthümliche (und im Syſteme bisher noch ganz 
unbekannte) Bruska-Salz eben fo ausgezeichnet in ſei— 
ner Einwirkung auf den Eranfen menfchlichen Körper fenn. 
Dies ift es auch, was am meiften zur Erforfhung, Ber 
fätigung oder Wiederlegung der ihm zugemutheten Heil- 
fräfte auffordert, die nur in der Einheit der Gefammtwir- 
fung feiner Beftandtheile erfpähet und erkannt werden dürf— 
ten, da es gewiß ift, daß fich eben fo wenig, ja noch we— 
niger im Voraus, beftimmen laffe, ob und welche Verän— 
derung in der Wirkſamkeit eines Körpers durch gleichzeis 
tiges Beifammenfeyn mit einem andern Statt finde, am 
wenigiten dann, wenn diefe in irgend eine chemifche Ver— 
bindung getreten, und daß nur einzig die Erfahrung es fey, 
der das Necht zufteht, über deren Einwirkung als Heilmittel 
mit Verläfligkeit zu entfcheiden, ohne der Chemie nach Hu: 
felands Ausfpruche die Würdigung der Naturförper in Ber 
ziehung ihres Verhaltens auf das Lebende zu überlaffen, 


72 


Da die Vermuthung, daß an fich unbedeutend ſchei— 
nende oder in verhältnigmäßig geringer Menge vorhandene 
Stoffe für die Wirfung des ganzen Gemifches von Bedeu: 
tung und Wichtigkeit werden können, durch Erfahrung immer 
mehr zur Gewißheit erhoben wird: fo dürfen auch,“ wenn 
gleich die Analyfe die Menge des fchwefelfauren Kalkes, 
des Eifenoryds und der Ihonerde im Verhältniß zu den 
übrigen Beftandtheilen des Luftfalzwaffers, namentlich der 
fehmwefelfauren Talkerde (Bitterfalzges) und dem Mlaun, 
noch fo gering angeben follte, doch im ärztlicher Hinficht 
in diefem Vereine und Gefammtheit der eigenthümlichen 
Einwirkung auf den Franfen menfhlichen Körper, aller 
Aufmerkfamkeit zu würdigen feyn, wofür auch die Behaup- 
tung laut fpricht: daß das Luftfalzwaffer, das alle im 
Waſſer auflöslichen und aufnehmbaren Stoffe aus dem 
Brusker Thonfchiefer ausgezogen, mächtiger als die reine 
Anflöfung des Bruska-Salzes *) fey, weil während deffen 
Bereitung durchs Abdampfen die Lauge**) den ſchwefel— 
fauren Kalk fammt dem Eifenoryd und der Thonerde früher 
abfezt, als dieſes zur Kryftallifation gefommen. 

Schon in Feiner Gabe wirffam, minder unangenehm 
ſchmekend als die meiften der als Arznei gebräuchlichen 
Salze, ward das Luftfalzwaffer bald zu einem der belieb: 
feften und hochgerühmten Hausmittel erforen, an dem man 
nicht zweifeln mochte, daß es, wenn nicht ftets nüzen, doch 
wenigftens in feinem Falle fehaden könne; welcher Glaube 
nothwendig aufs höchfte gefteigert werden mußte, ald man 
mehrmal gegen alle Erwartung der Aerzte einzig dadurd) 
glüfliche Umformungen der Krankheiten, Rettung aus den 
größten Lebensgefahren und vollfommene Genefung erwirft 
zu haben beobachtete. Nicht felten fah man dem Gebrau- 


*) oder diefes an fich ſelbſt 
**) Das feiner Zeit jo Foftbare Luft: (Salz) Del war nichts an- 
deres, als ein äußerſt gejättigter Auszug (oder Kauge)- 








75 


che des Bruska-Salzes Fritifhe Ansleerungen, meift 


Schweiße, Darmausleerungen,, feltener Erbrechen oder 


Naſenbluten, diefen fehnelle Heilung der Kranken folgen. 

Daß eine große Zahl folcher Genefungen nicht das 
Werk der Heilfräfte diefed Salzes, fondern irgend einer 
andern wohlthätigen Einwirkung gewefen, läßt fich aller: 
dings vermuthen und erweifen; gleichwie gegenfeitig Theo— 
rie und Erfahrung darzuthun vermögen, daß die Beftandtheile 
des Luftwaffers in ihrem Vereine, wie vereinzelt, manch 
Großes und Eigentbümliches zu Teiften im Stande find. 

Schon des Salzes Analyfe, wie nicht minder ärztli— 
che Erfahrung, verbürgt insbeſondere des Luftfalzwaflers 
fanfte Einwirkung auf den menfchlichen Körper. In die 
Reihe der, ald darmansleerende Mittel, gebräuchlichen 
Salze geftellt, dürfte es fich als ein den Magen und 
Darmfanal am wenigften fchwächendes, Fräftig, aber auch 
fehr milde einwirfendes behaupten; für Kindes» und Grei— 
fenalter vorzüglich geeignet; im Allgemeinen in jenen Fäl- 
len angezeigt, wo (gaftrifche) Unreinigkeiten aus trägen, 
gefhmwächten Gedärmen auszuführen find. 

Sollte etwa ein Neutral oder erdiges Mittelfalz in 
der Nuhr angezeigt feyn, wie Clark, Nuffel, Monro, 
Adair u. a. das Bitterfalz an und für fich zur Heilung 
diefer Krankheit angewendet und gerühmt, fo müßte — 
weniger das Bruska-Salz — als das vorfhriftmäßig ſorg— 


faͤltig bereitete Luftfalzwaffer, mehr als irgend ein ande— 


res dieſen Forderungen entfprechen können. 

Genen, die dem Blutandrange (Eongeftionen) im Un— 
terleibe ausgefezt find, auf reiner Schwäche der Baucheinges 
weide beruhend, und das Hypochondrifche wie das Hämor— 
thoidalleiden begründend, kann Faum ein angemeffeneres 
Abführungsmittel gereicht werden, als dies, wenn ja Heil- 
anzeigen Ähnliche Arzneien aus der Reihe der Salze fordern. 

Vor allen aber dürfte dies Salz als minder erfezbar 
vor andern für jene Momente der Unentfchiedenheit im 


7A 


Verlaufe der Krankheiten erfcheinen, mo der entzumdliche 
Charakter in den nernöfen übergeht, während deffen es noth, 
wendig werden, und Umftände es erheifchen Fönnten — bei 
mangelnden gehörigen Darmausleerungen — mittelft abfüh- 
render Arzneien auf diefe Organe einzumirken. 

Die Gabe des Brusfa- Salzes iſt zu | dr., des Luft- 
(Salze) Waſſers von beiläufig S Grad Stärke nach der ger 
wöhnlichen Soolwage: zu iv. Une. milchlau genommen. 





Gifenbahn in Böhmen 
(3ur Einrüfung eingefendet.) 


Vor einiger Zeit wurde vorläufig erwähnt, es habe ſich 
in Prag ein Verein patriotiſch-geſinnter Männer zum 
Ban einer Eifenbahn gebildet, welche die Hauptftadt Boh— 
mens mit der in commercteller Rükſicht ihr zunächft ſtehen— 
den königl. Kreisftadt Pilfen verbinden, und den Trans— 
port der diefer Straße zufallenden fehr bedeutenden Naturz- 
und Kunftproducte erleichtern und befördern foll. — Diefes 
wichtige vaterländifche Unternehmen fchreitet in feiner Ent: 
wiflung vorwärts; denn nachdem die erften Eingaben und 
Gefuche des Vereins von der hohen Staatsverwaltung nicht 
nur günftig aufgenommen wurden, fondern auch allen Schuz 
und Unterftüzung erhalten haben, — find die ſchon feit zwei 
Sahren um diefes große Werk bemühten Vereinsmitglies 
der mit den erforderlichen Vorarbeiten bedeutend vorgerüft, 
fie haben die trace nivelliren, vermeffen und aufnehmen 
laffen, folche dann, perfönlich prüfend, bereifet, ſie haben 
die diefer Straße zufallenden Transportgegenftände, das 
zum Bau erforderliche Materiale, den Zeit, Arbeitd- und 
Geldaufwand forgfältig erhoben und berechnet, find in die: 
fen Verrichtungen fo weit vorgefchritten, und haben Die 


75 


Reſultate ihrer Arbeiten fo befriedigend gefunden, dag nur 
die unbezweifelt erfolgende definitive Verleihung des aller: 
böchften Orts angefuchten Privilegiums erwartet wird, um 
das Beginnen diefes Unternehmens öffentlich auszufpre- 
chen, und das Publifum zur Theilnahme mittelft eines 
Actienplanes einzuladen. 

Der Zwek der Eifenbahn ift zu bekannt, ihre Nuzen 
bei zwefmäßiger Anlegung zu entfchieden, um darüber im 
Allgemeinen etwas zu ſagen; es Fann hier nur die Frage 
ſeyn, in wiefern Dertlichkeit, Koftenaufmwand und die an- 
zuboffenden Frachtgüter im vorliegenden Falle dem Zweke 
entfprechen, und zur Erwartung eines lohnenden Erfolgs 
berechtigen. — Der Umftand, daß diefe Bahn die wald: 
reichften Gegenden des rafonizer und pilfner Kreifes, dan, 
eine der größten und wichtigften Steinfohlenablagerungen 
des Landes in langen Strefen durchfchneidet, folglich ganz 
vorzüglich geeignet ift, die Hauptitadt mit diefen großen 
Bedürfniffen aufs billigfte zu verforgen, wäre beinahe allein 
hinreichend, diefe Frage beruhigend zu beantworten; um 
fo anfhaulicher wird der Nuzen bei Betrachtung fo vieler 
andern Gegenftände, die in Bedeutenheit und Menge fich 
zum Transport auf diefe Bahn drängen. — Dabei tritt 
der weitere höchft wichtige Vortheil ein, daß das für den 
Lauf der Bahn ausgemittelte Terrain den Bau ungemein 
begünftiget, und den Koftenaufwand im Verhältniſſe zu 
diefem großen folgenreichen Werke weſentlich erleichtert, 
was aus den forgfältig verfaßten Heberfchlägen befriedi- 
gend hervorgehet. 

Don großer Wichtigkeit ift auch die Betrachtung, daß 
die Bahn bis an die fchiffbare Moldau gleich unter Prag 
geführt wird, folglich zu der Hoffnung berechtiget, manches 
izt unter feinem Werthe liegende, vielleicht gar nicht bes 
nüzte Product werde dann einen Weg zum Abfaz felbit in 
das entfernte Ausland finden, und die Möglichkeit ent: 
fprechender Concurrenz erlangen. Die vom Verein nicht 


76 


unbeachtet gelaffene Ausficht, dereinft die Bahn von Pil- 
fen bis an Baierns Gränze fortzufezen, iſt zur Erweiterung 
diefer Hoffnung mefentlich geeignet, da nicht zu zweifeln 
ift, die für Aufnahme der Induſtrie fo kräftig beforgte kö— 
nigliche baierifche Negierung werde eine weitere Verlänge— 
rung der Bahn an die zwekmäßigſten Punkte ihres Reichs 
zu befördern gewiß bereit feyn. 

Wenn diefe gedrängten Angaben die Ausführbarfeit 
diefes Unternehmens begründen, und ein lohnendes Reſul— 
tat erwarten laffen, fo möchte über beides wohl jeder Zwei— 
fel behoben werden, durch die Bemerfung, daß die Ver: 
einsmitglieder in ihren Berathungen und Vorarbeiten fich 
mit hoher Genehmigung des Beiftandes des rühmlichft be= 
fannten und hochverdienten k. k. Herrn Gubernialraths, 
Franz Nitter von Gerfiner, erfreuten, und daß die Theil- 
nahme der die Bahn begränzenden Dominien fich fehon izt 
fo entfcehieden ausgefprochen hat, daß mit Grund angenom: 
men werden kann, es werden für den Betrag der zum gan- 
zen Bau erforderlichen Materialien Actien genommen, und 
dadurch der beträchtlichfte Theil der Koften gedeft werden. 

Ein fo geartetes Unternehmen ift wohl ganz vorzüg- 
lich geeignet, eine allgemeine, rege Iheilnahme zu finden, 
die ihm um fo weniger entgehen wird, als ſich nicht nur 
den Privatintereffen vielfeitige Ausficht, fondern felbft dem 
vaterländifchen Ruhm und Wohlftande ein fchöner Zuwachs 
eröffnet, 








77 


Kell 
Karl Graf von Clam- Martini. | 


— 5 5 E 5 X 


Wenn dem Manne der Geſchichte mitten in ſeiner glaͤn— 
zenden Laufbahn der Tod in den Weg tritt, und ſeinen 
hohen Entwürfen mit einem Male ein Ende macht: ſo ver— 
nehmen wir die Schläge der Gloke, die uns ſein Hinſchei— 
den kündet, mit einem eigenen Schauer. Es erſchüttert 
ung der Gedanke, daß der Große und Gewaltige dieſer 
—* das Loos der Zeitlichkeit mit dem Aermſten und Nie— 

igſten theile. Mit andern Empfindungen folgen wir der 
Leiche des Mannes, der, wenn ihm die Wahl freigeſtan— 
den zwiſchen äußerem Glanze und den Freuden des Wohl: 
thuns, lieber das leztere wählte, und an jedem Abende 
feines heilbringenden Lebens die Nechnung mit der Pflicht 
und mit feinem Herzen abſchloß. Wir fegnen fein Anden- 
fen mit Ihränen inniger Rührung, und die Blume, wel- 
che die dankbare Menfchheit auf fein Grab legt, iſt mehr 
werth, als alle Denfmäler und Infchriften. Mag die 
Erinnerung an fein Leben immerhin der Effecte erftaunli: 
her Ihaten ermangeln, es begleitet fie die ftille Erbauung, 
mit welcher fih das edlere Herz an jedem Tugendmufter 
tröftet und ſtärkt. Und fo kann ich den Freunden des Va— 
terlandes getroft das Andenken eines Mannes zurüfrufen, 
der in feinem 67ſten Jahre noch immer zu früh ftarb. Es 
ift dies Ge. Excellenz der hochgeborne Herr Karl Graf 
von und zu Clam-Martinis, k. k. wirklicher geheimer 
Nath und Kämmerer, Commandeur des Leopoldordeng, 
Malthefer-Nitter, wirkliches Mitglied der k. k. patriotifche 
dfonomifchen Gefellfchaft, der Privatgefellfihaft patrioti— 
ſcher Kunftfreunde und des Vereins zur Beförderung der 


78 


Tonkunſt, lebenslänglicher Protector und Ausſchußpräſident 
der allgemeinen  Verforgungsanftalt für ohne Verfcehulden 
verunglüfte Männer und ihre Witwen und Waifen zu Prag, 
und ehemaliger Director des Prager Privatvereins zur Un: 
terftüzung der Hausarmen ꝛc. 

Der edle Mann erblifte das Licht der Welt im Jahre 
1760 zu Linz, wo fein Vater, der E. k. Kämmerer, Gott: 
lieb Graf Clam, dem oberöfterreichifchen Gubernium vor- 
ftand. Seine Mutter Karoline war aus dem Gefchlechte 
der Grafen Desfours. Zur Vollendung der im väterli- 
chen Haufe begonnenen Erziehung übergaben ihn feine Eltern 
den Benedictinern des Stiftes Kremsmünfter. Die Ge 
lehrfamfeit diefer Geiftlichen und die päterlihe Sorgfalt, 
mit welcher fie fih um die Bildung des talentvollen Jüng- 
lings annahmen, mußten ihm Kremsmünfter zu einem eben 
fo angenehmen als erfprießlichen Aufenthalte machen. Mit 
unermüdetem Fleiße verlegte er fich auf die mathematifchen, 
hiftorifchen und juridifchen Wiffenfchaften, und noch in 
feinem fpäteren Alter erinnerte er fich feiner väterlichen 
Sugendlehrer mit dankfbarer Rührung. Edle Wißbegierde 
und ein zur Frömmigkeit frühzeitig gebildetes Herz hieß 
ihn außer den übrigen Disciplinen auch das Studium der 
Theologie betreiben, und es ift nicht zu zweifeln, daß feine 
Vorliebe für ein frommes, geräufchlofes, zwifchen Wohl 
thun und wiffenfchaftliche Befchäftigungen getheiltes Leben 
fhon in den flilen Mauern Kremsmünfters feinen Anz 
fang nahm. 

Allein weit entfernt, fi) mit dem Schaze des ge: 
fammten Wiffens in die Einfamfeit zurüfzuziehen, folgte 
er vielmehr dem Beifpiele feines würdigen Vaters und des 
von ihm dankbar verehrten väterlichen Freundes, Grafen 
- von Nottenhan, und bot dem Staate feine Dienfte an. 
Don Kornneuburg nach Innsbruf und bald darauf nach 
Linz überfezt, ward er endlich im Jahre 4789 bei den k.k. 
Landrechten in Böhmen zum Nathe ernannt, gerade zu 








79 


einer Zeit, als gefährliche Srrthümer unter dem Schimmer 
einer weltbeglüfenden Politik feldft in edleren Herzen Ein: 
gang fanden, und die heilige Schen vor den Gerechtfamen 
der Kirche und des Ihrones von Grund aus erfchütterten. 
Aber dem hellen Geifte des jungen Staatsmannes Eonnte 
die Unausführbarfeit jener gewagten Theorien eben fo we: 
nig entgehen, als fie ſich mit den heiligften Gefühlen, zu 
denen er erzogen war, vertragen wollten. Je verderblicher 
die Folgen der franzöfifhen Staatsummälzung hereinbra= 
hen, mit defto heißerer Liebe ſchwur er in feinem Herzen, 
treu zu bleiben dem Glauben der Väter, der geheiligten 
Perfon des Monarchen und den Grundfäzen echter Ritter: 
lichkeit, in deren Darnachachtung er allein die Ehre fei- 
ned Standes fuchte und fand. Treu feyn, Rechtthun 
und Wohlthun war fein Wahlfprud. Die Witwen zu 
fhirmen und die Waifen, dem Hilfsbedürftigen zu helfen 
und gegen das Unrecht zu Fämpfen, hielt er für heilige 
Pflicht einer höhern focialen Stellung. Sein mildes Auge 
glühte vor Unmuth, wenn fein Gefühl für Necht und Bil 
ligfeit in der Unbill des Anderm verlezt wurde. Mit rük— 
fihtslofer Offenheit, nicht felten mit aufwallender Heftig- 
feit, erklärte er fich gegen jede felbftfüchtige Handlung. 
Nicht weil es ihm fein Dienft zur Pflicht machte, fondern 
weil er das Unrecht hafte von ganzem Herzen, übte er die 
ſtrengſte Gerechtigkeit. Die oberflächliche Abfertigung eines 
Dienftgefhäftes ohne gründliche und umfaffende Einficht 
in den Sachbeſtand war ihm in der Seele zuwider. Aber 
eben, weil er feinen Dienft als eine heilige Angelegenheit 
betrieb, eben darum galt fein Wort im Rathe. 

Das Jahr 1791 bildete einen erfreulihen Abfchnitt 
in feinem Leben. Er vermäbhlte fich mit der Gräfin Ma: 
tianne von Martinis, der lezten ihres Gefchlechtes. Gern 
bewilligten Se. Majeftät die Bitte des Neuvermählten, 
feinem Familiennamen den der Martinige zu vereinigen, 
und folchergeitalt einen altberühmten Namen auf die fpätee 


80 


ften Enkel fortzupflanzen. So ward der Verewigte Stammes 
vater der Linie Clam-Martinitz. { 
Nicht lange nach diefem glüklichen Ereigniffe ‚bewpg 
ihn eine drohende Augenkranfheit, die Landrathswürde 
niederzulegen. Allein fo zärtlich er auch an feiner jungen 
Gemahlin hing, und fo wünfchenswerth die feinem liebes 
vollen Herzen fo theueren Vaterfreuden ihm das Privatle- 
ben machen mußten, fo betrat er feine öffentliche Laufbahn 
doch zum zweiten Male, nachdem er in der Zwifchenzeit 
von den k. böhm. Ständen zum Ausfchußbeifizer des Her: 
venftandes gewählt und in diefer Stelle zweimal beftätigt 
worden war. Mit der ihm eigenen Umficht und Liebe zur 
guten Sache referirte er feit 1800 durch fehs Jahre als 
k. k. Gubernialrath im Commercial = und Studienfache. 
Noch in fpäteren Jahren erinnerte er fich feiner Vorſchläge 
und Arbeiten mit dem frohen Bewußtfeyn deffen, der ge— 
funden und gethan hat, was gut und gedeih!ich war, und 
die Annalen unferes polytechnifchen Inſtitutes werden fei- 
nen Namen unter denjenigen nennen, die mit Nath und 
Ihat zu feinem Gedeihen wirkten. Auch hierin folgte er 
feinem innig geliebten Vorbilde, dem Grafen von Notten- 
han, welchem die fo nüzliche Anftalt größtentheils ihr Das 
feyn verdanft. - Aber indeß waren feine Söhne längft der 
Kinderftube entwachfen. Die Verwaltung feines Vermö— 
gens forderte eine Aufficht, die fi) mit dem öffentlichen 
Dienfte faum vertragen fonnte. As nun auch feine an- 
gegriffene Gefundheit eine Veränderung der Lebensart räth- 
lich machte, legte er feine Würde in die Hände des Kai: 
fers zurüf, und lebte von nun an den Pflichten des Fami— 
lienvaters und der Wohlthätigkeit; denn wo er nicht nüzen, 
nicht wohlthun Eonnte, hatte das Leben für ihn weder Neiz 
noch Bedeutung. Weit entfernt in den Nüffichten für das 
eigene Wohl eine willfommene Entfchuldigung zu fuchen, 
feine Sorgfalt und feine Kräfte dem allgemeinen Beften 
zu entziehen: Iebte er vielmehr erft jezt in feinem, eigen: 





u 


81 


thümlichen Elemente. Bei keinem menſchenfreundlichen Un— 
ternehmen vermißte man den Namen des edlen Clam-Mar— 
tinig. Er war in jenen Jahren der allgemeinen Noth der 
erfte gewählte Präfident der damals gegründeten Numfors 
derfuppenanftalt. In eigener Perfon leitete er die Verthei— 
Iung auf dem Hradſchin; die Armenfüche war in feinem 
Haufe, und felbft, als fih mit dem Frieden der Wohl- 
ftand zu heben begann, felbit dann, als ihn das fo wohl 
thätige, aber in feiner Leitung fehwierige Witwen- und 
MWaifeninftitut mehr als je in Anfpruc nahm, Eonnte er 
ſich der ihm zur füßen Gewohnheit gewordenen Sorgfalt 
einer täglichen Speifung der Armen nicht entfchlagen. Aber 
zu feinen fchönften Lebensfreuden gehörte e8, den Armen 
zu begegnen und zu helfen, die lieber darben als betteln 
wollten. Kein Wunder, wenn ihn bei dem feligen Bes 
wußtſeyn erfüllter Liebespflicht die häuslichen Freuden dop— 
pelt beglüften. Ein Abend, unter feinen Lieben zugebracht, 
machte ihn auf die Sorgen des heißeften Tages vergeffen. 
Mit dankbarem Herzen erfannte er in der zuporfommenden 
Zärtlichkeit feiner Gattin, in den Fortfchritten feiner Kine 
der und in den unverfennbaren Zügen ihrer Gutherzigkeit 
dem irdifchen Lohn feiner Tugend. Alle feine Vorgefezten 
waren feine Freunde geworden, und der Arme Eonnte den 
milden, ermuthigenden Blik, mit welchem er half, nie ver= 
geffen. Mit welcher Liebe mußten jene an ihm hängen, 
denen fein Herz in all feiner Frömmigkeit und Milde erz 
ſchloſſen war! Aber es hat auch felten ein Vater fo viel 
Freude an feinen Kindern erlebt, als der Verewigte. Die 
mit fo glüflihem Erfolge betretene militärifche Laufbahn 


feines älteften Sohnes, das Vertrauen, womit Ge. Ma— 


jeftät ihn im wichtigen Angelegenheiten zu wiederholten 


Malen huldreichſt beehrten, fo wie der rühmliche Waffen: 


dienft des zu früh geftorbenen zweiten Sohnes, war fein 
gerechter Stolz. 


Auch ihm felbit wurden ausgezeichnete Merkmale der 
Zufriedenheit feines Monarchen zu Theil. Schon im Jahre 
1805 hatte Se. Majeftät den Gubernialcath zu Ihrem ge: 
heimen Nathe ernannt. Sm Jahre 1820 ward er mit der, 
durch den Hintritt des von ganz Böhmen betrauerten und 
ihm felbft als Freund unvergeßlichen Fürften Anton Lobko— 
wis, erledigten Oberft Landesfämmerers- Würde beffeidet, 
und als er auf diefelbe im Jahre 1824 wegen feiner zer= 
rütteten Gefundheit refignirte, gewährte e8 ihm eine unend- 
liche Freude, diefelbe feinem Alteften und treueften Freunde, 
dem Grafen Franz von Sternberg, übertragen zu fehen. 
Er erhielt bei diefer Gelegenheit das Commandeurkreuz des 
k. dfterr. Leopoldordens. 

Den Verluſt zweier zärtlich geliebten Kinder abge— 
rechnet, Eonnte der Verewigte einem glüflichen Greifenal- 
ter entgegenfehen: um fo ſchreklicher war aber für feine 
Lieben der 7. Januar des Jahres 1821. Ein apoplek: 
tifcher Anfall, der hauptfächlich das Gehirn traf, war 
der Anfang eines traurigen Dafeyns. Die Schwingen 
feines Geiftes waren mit einem Male gelähmt. Er, der 
in den Studien Erheiterung des Geiftes zu finden ges 
wohnt war, er, der nie las, ohne das ©elefene auszu— 
ziehen oder zu commentiren, oder zu berichtigen, der es 
liebte, fich über die Gegenftände feiner Lieblingsftudien 
mit Männern vom Fache zu befprechen, mußte in der Ver: 
gleihung zwiſchen fonft und jezt fein nahes Ende fühlen. 
Eine nie bemerkte Schwermuth hülfte feinen Geift in me— 
Yancholifche Schatten. Aber auch in diefer düſteren Vers 
funfenheit leuchtete ihm das Licht der Neligion. Die 
Schriften des neuen Bundes und des echt chriftlichen Tho— 
mas von Kempten (die unter feinem Kopffiffen lagen) bat: 
ten fich zu tief in feine Geele geprägt. Ein neuer Anfall, 
der feine linfe Geite lähmte, und die im September des 
Sahres 1826 hinzugetretenen Symptome einer tödtlichen 
Lungenlähmung, liegen Feiner weitern Hoffnung Raum. 





85 


Er ftärfte fih am 24. mit den Sacramenten der Sterben: 
den, und ſchon am 26. hatte er in einem befferen Leben 
jene Klarheit und Heiterkeit des Geiftes wieder erlangt, 
mit welcher er in den Thälern des Jammers das Gute 
übte und von den Laften des Tages ausruhte. Er ftarb 
in der erften Nachmittagsftunde auf dem Schloſſe Smecna 
in dem Alter von 66 Jahren und 20 Tagen. 

Nie wirft der Glaube an die Unfterblichkeit und die 
Hoffnung eines Wiederfindens über dem Grabe wohlthäti- 
ger, als wenn wir den edleren Menfchen zum lezten Male 
athmen fehen. Mögen wir über den Verluſt des thätigen 
Menfchenfreundes nicht die Freuden vergeffen, denen fein 
Geift durch die Nacht des Todes entgegenging! Möge 
jeden, der an feinem. Grabe meint, ein Blik nach oben 
erinnern, daß es ein Gemeinwefen edlerer Geelen gibt, 
welches ſich weit über diefe Erde hinaus durch alle Himmel 


verbreitet! 
BR 





er 


Seltenere Pflanzen, 
welche in den Prager Gärten geblüht haben. 


Im Monat März; 


Acacia alba Willd. Vaterland Portorico. B. ©. *) 

— heterophylla Lam. Insula Franciae. B. ©. 
Achania Malvaviscus L. Jamaica. ©. ©. 
Banksia marginata R. Brown. Noya Hollandia. ©. ©. 
Calendula Tragus Linn, Cap b. Sp. B. ©. 
Camelia japonica fl. rubro et albo simpl. B. G. ©. ©. 


*) Die Buchitaben B. ©, bedeuten Botanifher Garten, ©, ©, Graf Salz 
mifcher Garten, 
6 * 


84 

Camelia var. fl. pleno albo et rubro, stellata, paeoniae- 
flora, alba et rubra, coronata, striata, varada, 
Japan, China. ©. G. 

Cineraria cruenta. L’Herit. Ins, Canar. B. ©. 

— Petasites. Sims, Mexico. B. ©. 
Dianella nemorosa, (Dracoena Linn.) India. ©, ©. 
Diosma villosum Thumb. Cap b. Sp. 2. ©. 


Erica floribunda Wendl, ibid, B. G. 
— ignescens Andr. ibid, ©. ©. 
— imbricata Linn. ibid, B. G. 
— pubescens Linn. ibid. S. G. 
— strigosa Ait. ibid. ©. G. 


Gardenia florida Linn, India. ©. ©. 
Gesneria tomentosa Linn. Amer. mer. ©. ©. 
Hakea gibbosa Cav. Nov. Holl. 8, ©. 
—  tuberculata ?. 8. 6. 
Hibiscus pedunculatus Thumb. Cap b. Sp. ©. ©. 
— phoeniceus Linn. India. B. G. 
— »ppiralis Cav. Mexico. ©. ©. 
Iris susiana Linn. Susiana. ©. ©. 
Mesembryanthemum diminutum Haw. Cap b. Sp. 8.6. 
—_—— rubricaule Willd, ibid. B. G. 
Osteospermum pisiforme Linn. Cap b. Sp. B. G. 
Passiflora alata. Ait, Ind. or. ©. ©. 
Primula sinensis Lind. China. ©. ©. 
Ruellia coceinea Wahl. Am. mer. B. G. 
Salvia splendens? Brasilia. ©. ©. 
Sida periptera, Sims. Mexico, B. ©. 


‘ 





, Ca 
3 

dt 

5 * 
f 
* 


# 


55 


Rükblike auf die Leiftungen der Prager ftändifchen 
Bühne. 


Beihluß.) 
ö — 2 5 X 2 


‘ Dem. Sophie Müller it eine eben fo reichbegabte 
Künftlerin; und ihr Gemüth, ihre Seele noch reicher, auch durch 
die höhere Bildung. ine edle Geftalt, ein Gefiht in fchönen, 
faft griechiſchen Verhäftniffen, ein fprehendes Auge, ein umfang— 
reiches , metallvolles Organ, find Gaben ver gütigen Natur, die 
ihren Beruf zur Künftlerin ſchon beim erſten Anblik bewähren; 
mehr noch das empfängliche Herz, der Seelenadel, der fih fo- 
wohl in ihrem Kunjtleben als in ihrer Häuslichkeit offenbart. 
Aber durch diefe Gaben ift ihr auch der Kreis angewiejen, in 
welchem fie fi bewegen foll; das Hohe, dem jo Wenige ih nahen 
dürfen, ift ihr heimischer Paz. Sie trat zuerft als Fady Rutland 
in Banfs altem Trauerfpiele Graf Eſſex auf, — ein Stoff, der 
einer beffern Bearbeitung wohl würdig wäre, indem die Mängel 
nicht allein in einer veralteten, unbebilflichen Sprade, fondern 
viel tiefer liegen, weßhalb denn M. v. Collins Bearbeitung kaum 
genügen dürfte. Seltſam ift es, dag man fich hier auch nicht 
die geringe Mühe geben wollte, wenigſtens diefe einzujtudiren. — 
Ref. fah diefe Rolle von ver Maas in ihrer jhönften Zeit, und 
er muß der jüngern Darftellerin derfelben den Preis zuerfennen. 
Das nenne ic mir einmal Poeſie in der Darftellung, da jah man, 
wie der Mime, wenn ihm auch das Urbild im Worte des Did): 
ters gegeben wurde, noch als Selbſt-, als Mitjchöpfer ſich be— 
währen könne. Gleich ihr erftes Erjcheinen belebte aller Herzen; 
die Sicherheit im Gefühle ihrer Liebe, die weiche Hingebung, die 
Kraft in all den Stürmen, alles war trefflich charafterifirt. Aber 
am größten erſchien fie in den lezten Scenen. Die Worte :.,‚wefe 
mid) doch,“‘' wo fie das hereinbrechende Unheil nur für ein äng— 
ftigendes Traumbild halt, kann man Fühn den größten Wundern 


der Kunft beizäbfen. Eine Schröder als Eliſabeth ihr ge 


86 


genüber, — dachten wir —, weld ein Genug! Mad. Brunetti, 
die fie ung vertrat, hätte fich doch wenigftens durch angemeffeneres 
Eoftume mehr äußere Würde zu geben bemüht feyn follen ; zumal 
da nad) unferer Meinung das Coftume, in welchem diefe Königin 
gemalt wird, zugleich recht Fleidfam ift. Hr. Bayer als Effer 
fand ihr würdig zur Geite, und bewährte fich als den großen 
Künftler, den wir in ihm — um mit Collins befanntem Wehr: 
mannsliede zu reden: „wenn er nur will“ — gerne ehren. Auch 
die Nottingham (Dem. Herbft) wurde befriedigend, bei 
uns wenigftens Faum je befier, dargeftellt. 

Als Donna Diana zeigte fie abermals, wie fie e3 verftehe, 
zu veredeln, zu idealifiren. Nicht das herzlofe Spiel weiblicher 
Eitelfeit, fondern den Sturm eines lange verirrten, nun plözlich 
durchglühten Herzens, fahen wir, und au) hierin geben wir ihr 
den Preis felbft vor jener Künftlerin, die hierin einft allgemein 
bewundert wurde. 

Bertha in der Ahnfrau war gleich trefflih, und der Ge: 
fang des Liedes zeigte die Bielfeitigfeit der Künſtlerin. 

Sn oder Präcioſa bedauerten wir, ſolche Kraft an fo we: 
nig Würdiges verfhwendet zu fehen. Wer das Große vermag, 
überlafe das Niedlihe denen, die nur Kraft haben zu diefem ; 
Raphael und Rubens würden es verfhmähen, van der Werf’s 
zu malen. 

Sfabella in den Qualgeiftern ift zwar eine würdigere Auf: 
gabe, aber wir gewannen die Künftlerin in ihrer eigenen Sphäre 
zu lieb, um, troz der Lieblichfeit ihres Humors, nicht mit ver: 
langendem Blife die erhebenderen Erinnerungen zu verfolgen. Hr. 
Polawſky bewegte fi mit ungealteter Friſche als humoriſtiſches 
Gegenftüf zu Sfabella, Linden. 

Die Jungfrau von Orleans war ein großes, echt poetifches 
Gebilde. Schon die bedeutfame Attitude, — fie ſaß unter dem 
Druidenbaume, — im Borfpiele, zeigte den feinen, richtigen Tact ; 
der Körper ruht, während die Seele der Seherin in höhern Re— 
gionen fhweift. Den Monolog hörten wir nie aud nur fo gut, 
fo echt dramatifch fprehen. Das Ganze war jo barmonifh, dag 


® 7 
> 


87 


es ung ſchwer wird, einen einzelnen Moment bejonders hervorzu- 
beben. Die Scene mit Lyonel war unübertrefflih fhön. Der 
‚Effect der Kerferjcene ging durch die Ungefchiklichkeit der Traban- 
ten, welche der Jungfrau die Ketten anlegten , verloren, mehr, 
weil die Künftlerin dadurch befangen werden mußte, als weil das 
Wunder der Kettenfprengung nit in Erfüllung ging. Beifällige 
Erwähnung verdient die Anortnung der Schlußfcene nad Rambergs ' 


Idee aus den Zlättern zu diefer Tragödie in der Minersa, nur 


hätte aud) die bedeutfame Senfung fammtlicher Fahnen beibehal- 
ten werden follen. Ref. glaubt, dag, wenn jhon Pomp gefucht 
wird, man wenigftend das Würdige damit ausftatten follte. Die 
Scenerie im brennenden Lager dagegen ließ um fo mehr zu wün— 
ſchen übrig. 

Auch ein neues Werf der dramatifchen Mufe brachte uns 
bie gefeierte Künftlerin, Raupachs Sfidor und Olga. Ueber 
das Werk des Dichters wollen wir nur Einiges fagen. Sfidor, 
eines Fürften natürliher Sohn, zum Künftler gebildet im Aus- 
ante, lernt die Fürftin Olga fennen, liebt und wird geliebt. 
In feines liebevollen Baters Macht ſteht es, ihn, feiner Sklavin 
Sohn, den Freien gleich zu ftellen; aber bevor er es gethan, 
firbt er. Der rechtmäßige Erbe liebt feinen Halbbruder wahr 
und warm, und empfängt ihn als Bruder auf feinen Befizungen. 
Aber auch er liebt Olga, die in der Nähe auf ihrem Gute wohnt, 
und als er fih um Sfidors willen ungeliebt weiß, nüzt er im 
Wahnfinne der Leidenjhaft fein barbarifches Vorreht, den Bru— 
der ald Sklaven feiner Geliebten vorzuführen. Der Mißhandelte 
vergißt fih, und greift zu der Waffe, die feiner Entwürdigung 
Zeichen ift, zum Hirfchfänger. Als Verbrecher wird er in den 
Kerker geworfen, und nur durch Vollziehung der Ehe mit dem 
Raſenden vermag die Fürſtin, die einfehen gelernt hat, daß es 
immer eine unheilvolle Verirrung fey, fih über die Schranfen 
hinwegzuſezen, welche in der Gefellihaft einmal beſtehen, ihren 
Geliebten vom verwirften Tode zu retten. Diefer, frei gewor— 
den, fordert feinen num nüchterner gewordenen Beleidiger, und 
Beide fallen, ein Opfer der Nemeſis, die ihre eigenen Berirrun: 


88 


gen und die Sünden der Väter in ihnen ftraft. Perſonificirt ift 
dieſe in Offip, einem Sklaven des Fürften, der mit allem Feuer 
eine Mitfflavin liebte, ohne Billigung von dem Herrn erlangen 
zu Fönnen, ja der für das fich auflehnende Gefühl überdies hart 
gezüchtigt ward. Er ſucht Rade, er fhürt die Flammen im gli: 
benden Herzen des folgen Erben, wenn er aud) gegen fich ſelbſt 
wüthet; denn Iſidors Mutter war eine ihm liebe Verwandte. — 
Politifirende Allfegorie ift hier unverfennbar, und kaum dürfte 
das dem Werke zur Empfehlung dienen. Der Charafter Offins 
ift mit bejonderer Liebe vom Dichter gezeichnet. Die Trennung 
der Stände, mehr durch ihre Tildung, hat der Dichter damit be- 
zeichnet, dag er die höhern im Sambos, die niedern in Profa 
ſprechen läßt. — 
Dem. M. als Ol ga gab ein treffliches Bild wahrhaft edler 
Weiblichkeit ; zumal die Scene, wo fie ald des Fürften Gaft Zeuge 
von der Entwürdigung ihres Geliebten ift, war meifterhaft. Die 
Verlegenheit, der Sturm des gefränften Herzens, beherrjcht 
durch die Pflichten des Anftands eben ſo, als durch das Bewußt- 
feyn der innern unveräußerlichen, darum auch durch äußere Ge: 
walt unverlezbaren Würde rührte aller Herzen, und die Rührung 
brach dann in frürmifchen Beifall aus. Hr. Bayer war Sfidor, 


und war es ganz; nur glauben wir, hätte in ter Scene, wo ihm, 


das Sklavenkleid gebracht wird, er und weniger ein Bild der ge= 
brochenen Kraft geben müſſen, vielmehr diefe, troz der äußern 
Demüthigung, hervorheben follen. Hr. Moriz löste jeine Auf- 
gabe, die Darftellung des leidenfchaftlichen Fürften, mit Geſchik. — 
Dffip, foll er der Idee des Dichters entiprechen, muß innere 
Würde, ein warm und innig fühlendes Herz entfalten, feine Rach— 
begier muß großartig erfiheinen, Refultat der fehwerverlejten, aber 
tiefgefühlten Menfchenwürde. Bon Schleichen, von Fiſtuliren 
durch die Zahne, von Frummer Haltung des Körpers, den ges 
wöhnlichen Behelfen der Intriguants , darf bier Feine Spur feyn, 
fonft wird er zum widrigen Zerrbilde, und die Unnatur Fann nicht 
leicht Semanden zuſagen. Bayer hätte die Aufgabe gewiß mei: 
fterhaft gelöst, und fie wäre jeiner werth. Auch Hr. Polawſky 











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89 


bätte wenigftens die Saiten zarferer Empfindung anflingen laſſen; 
und die Künftlerin hätte es wohl verdient, in fo gewählter Um— 
gebung zu erfcheinen. 

Sn Shafesyears Julia fahen wir ganz die ſüdliche Gluth, 
die der fihöpferifche Dichter in diefem Charafter ausgehaucht, ge— 
paart mit aller Mädchenhaftigfeit, der nichts, als die faft he— 
roifhe Geftalt der Darftellerin feheindar widerfprah. Bayer 
Mercutio, Polawſky Capulet waren echt Shafespear’iche 
Geftalten. Ob die Antithefen in Lorenzo’s Munde — weniger 
ein Werk des Dichters nad) unferem Bedünfen, ald Zuthat feiner 
Zeit — fo eng in das Werk verwachſen, fo nothwendig find, 
möchten wir fehwerlich bejahen. Solche Dinge find es meift, die 
und dieſem großen Dichtergeifte noch entfremten. Die Amme 
wurde brav dargeftellt. — Die Rutland, Donna Diana und Dlga 
wurde wiederholt. Möge die gefeierte Künftlerin, der trefflichen 
Schröder Ebenbild mehr denn Nahbild, recht bald wiederfeh- 
ten. Eine Phädra, eine Stuart von ihr müßten ein begei— 
fternder Kunftgenuf jeyn, ein Gegenftüf zu den meijterhaften Lei⸗ 
ſtungen des vielgeftaltigen „Feenfindes“ Unzelmann. 

Doch wir haben uns von diejen freundlichen Erinnerungen 
fo hinreißen lafjen, daß wir, um nicht zu ermüden, uns nun ganz 
kurz faſſen müſſen. Darum werde nur Ciniges erwähnt. Die 
Familie Piftor gab „Erbvertrag von. Vogel nad Hoffmanns 
Erzählung. Zu den Feineswegs erfreufichen Zeichen der Zeit ge— 
bört ed, daß fo viele Novelten auf das Theater gebracht werten. 
Es ift das offenbar eine Verirrung, entfprungen aus der Ver: 
wechslung des epifchen und dramatiſchen Elements. Das Leben 
als äußere Erſcheinung, die den Willen des Geiftes in’s Werk ſe— 
zende Menſchen- und Naturfraft, die fihtbaren Erfolge derielben 
find Objecte des Epifers. Der Lyriker fpricht das innere Ge- 
müthsleben, die Empfindungen, als Reflere des Lebens im Ge- 
müthe aus. Der Dramatifer hingegen hat die äußere Erfcheinung 
des Lebens aus dem innern Gemüthsleben zu entwifeln, er ftellt 

das Leben als Werdendes dar, und entfchleiert die jhaffenden Kräfte 
und die Gefeze, nad) welden fie jhaffen. Im Roman wird frei: 


90 


lic) auch der Nefler des Lebens im Gemüthe der darin lebenden 
Perfonen dargeftellt, aber feine Baſis ift weniger Handlung — 
was wir im Leben felbit fehaffen — ald Begebenheit, als das 
Erlebte, infofern es fih in unferer Seele abfpiegelt. Der Ro— 
man it fomit Iyrifh=epifh, und zwifchen der Charakfteriftif des 
Romans, vie pfochologifeh fihildernd, das Factum analytiſch er- 
klärt, und des Drama, das fonthetifch den handelnden Menfchen 
vor ung conftituirt, ift ein himmelweiter Unterfchied. Die Miß— 
Penntnif diefer Wahrheit hat in unferen Tagen fo feltfame Erfchei- 
nungen hervorgebracht. Einige führen uns blos außere Begeben- 
beiten vor, wie die meiften Rettungskomödien, die über den 
Rhein zu uns herüber flattern; andere hingegen geben ftatt Hand: 
lung eine Reihe innerer Situationen, oder die Empfindungen, die 
längſt vollbrachte Thaten erzeugen, geben die Folgen der That 
für die That felöft, wie Müllners Schuld — von ihren fonftie 
gen Mängeln noch abgefehen — wie das Meifte von Houmald. 
Eine erhebende Welt: und Lebensanfiht, die Bedingung aller 
Kunft, vermißt man vollends ; graufer Spuf, lähmende Empfin: 
delei, verlegende Unnatur, oder Flachheit, fplitternafte Gemeins 
beit, find an der Tagesordnung. Weil nun vollends Walter Scott 
Charaftere fo trefflich zu fehildern weiß, daß fie mit dem Schaue 
plaze ihres Wirfens vor der Phantafie des Lefers leben, weil er 
rfuchologifch = harakteriftifhe Dialoge zu führen weiß, fo meint 
man, ſchon halbe Arbeit ganz fertig gebracht zu haben, wenn man 
tie Erzählung und Schilderung theild noch in den hie und da ge- 
kürzten Dialog fliht, oder dem Decorateur und Schaufpieler 
überläßt, und das opus ift fertig. Ob echt dramatifches Leben 
darin, wie es hineinzutragen, welcher Moment aus dem Cyklus 
der Begebenheiten dramatifch behandelbar fey, darnad) fragt man 
nicht. Aus Jvanhoe wäre 3. B. Rebecca's Schikſal gewiß 
dramatiſch darftellbar; aber was für ein Ungethüm hat der Bear: 
beiter zu Stande gebraht? Der Erbvertrag hat nebft den 
angedeuteten Mängeln aud noch den Fehler, dag die Handlung 
einigemal zu Ende if. Das DVorfpiel ift abgefchloffen, und nicht 
einmal das Intereffe der Neugier bleibt rege. Gleichwohl müffen 








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9 


wir, was wir bier ſahen, in der Erpofition des Stükes ſelbſt 
noch einmal hören, und fragen und: warum wir es denn hätten 
anfehen müſſen? Faft mit jedem Actſchluße fragt man ſich, nicht: 
„was wird nun kommen?“ fondern vielmehr: „was kann denn 
noch kommen?“ Daniel leidet, die Andern thun nichts; was 
foll bier alfo dramatiſch ſeyn? Gefpielt aber wurde diefer Da— 
niel von Bayer meifterhaft, mit erſchütternder, und doc fo 
wenig als möglich verlezgender Wahrheit. Von demjelben Verfaſſer 
ſahen wir noch Adelma, eine Reihe von Theatercoups ohne in- 
nern Halt, eine Parodie, fo zu fagen, von Wernerd Kuni— 
aunde. Mad. Schmidt bewährte fi darin als eine finnvolle 
Darftellerin edlerer Frauen , fie ift eine gute Acquifition für un— 
fere Bühne. 

Die Oper bot ung zwei befonders bemerfenswerthe Novitä— 
ten. Die bejauberte Roſe nad Ernſt Schulze’s fo beliebtem Ge— 
dicht von Gehe, in Mufif gefezt von unferem Landsmanne, Wolf: 
ram, Bürge meifter in Tepliz. Wenn ein Mann, defien Kraft 
ein ernftes, oft befchwerliches Amt in Anfprucd nimmt, feine Er— 
bolung nad der Anftrengung des Gefchäftes im — Feineswegs 
mühelofen — Schaffen des Künftlers ſucht; fo freut ſich gewiß 
ein jeder jchon der fehönen Liebe zur Thätigfeit, die der Mann 
dadurch bewährt, und freut fich doppelt, wenn der Luft die Kraft 
nicht fehlt. Schon in feinem frühern Werke, Alfred, von 
Koßebue, einem unfeligen Machwerfe diefes Polygraphen, blizte 
mancher helle Sunfe hervor. Hier ſehen wir ihn wirklich im Fort: 
fohritte. Der Tert ift von unfern richtfertigen Berichterftattern 
fo angepriefen worden, daß Referent nur ſcheu feine Meinung 
auszufprechen wagt, es fey halt eben — ein Operntert. Die Muſik 
ift angenehm , oft charafteriftifh, Einiges verrath aud Tiefe, 
und fo befremdete es uns, daß die Oper fo wenig Theilnahme 
fand; zumal, da fie recht bras gegeben wurde, und aud von 
der Direction würdig ausgeftattet war. Sollte dag „Nemo in 
patria propheta‘ hei uns wirklich mehr wahr feyn, als irgend= 
wo? Die zweite Gabe war, die weife Frau vonBoieldieu, 
wozu der Tert aus Guy Mannering entlehnt ift, nur verflacht 


92 


und verwäfert. Aber die Muſik ift charakteriftifch, und im fran— 
zöfffhen genre gehört dieſes Werk gewiß zu den beiten, ſchon 
darıım, weil manches Tonjtüf darin nicht ftreng zu diefem genre 
gehört. Der Einfall, ein Auctionsprotofoll in Muſik zu fezen, 
ift neu, ob aber auch gut, ift eine andere Frage. Das Ende ift 
überaus lang und langweilig, Hr. Binder fang und fpielte feis 
nen Part mit Virtuofität. Mad. Ernft als Pächterin ergözte 
durch ihren Humor, Dem. Comet, wie immer, fang recht brav. 
Die Romanze von Avenell als Chor im Finale hat uns befonders 
zugefagt und wurde gut vorgetragen. 

Manches Gute wurde uns noch gebraht, ‚aber der Raum 
geftattet nicht mehr, es zu befprehen. Stüfe, worin die Men- 
fchennatur fich zur Thiermaske erniedrigt, Gaukler anderer Art, 
Aegquilibriften und ſolche Dinge, fiheinen ung eine Entwürdigung 
des Haufes zu jeyn, das für höheren geiftigen Genug beftimmt 
it. Es wäre zu bedauern, wenn man fie durch die Nothwendigs 
Feit zu entfchuldigen berechtigt wäre. 


bdu. 





Literäriſche Anzeigen 
—DD 


Neue Schriften der E. k. patriotiſch-ökonomiſchen Geſell— 
ſchaft im Königreiche Böhmen. Erſter Band, erſtes Heft, Prag 
1825, zweites Heft 1826. 


Mit diefen neuen Schriften hat die Gefellfhaft die ſeit dem 
J. 1806 unterbtochene Herausgabe ahnliher Abhandlungen wies 
der aufgenommen. Das erfte Heft liefert das Verzeihnig ſämmt— 
fiher Mitglieder, und die Gefchichte der Gefellichaft son ihrer 
Entftehung im $. 1767 bis 1789, eine Abhandlung über das 
Verhältniß zwifchen Sutter, Streue und Dünger, vom Wirth: 





95 


ſchaftsrath Seidl, Mitglied der Geſellſchaft. Die ſehr beſtimm— 
ten Berechnungen ſind auf eben ſo genaue wiederholte Verſuche 
geſtüzt; eine zweite Abhandlung über den Nuzen der Chemie in 
Hinſicht der unentbehrlichſten Bedürfniſſe des Menſchen, von 
Profeſſor Adolph Martin Pleiſchl, Mitglied der Geſellſchaft. Die— 
ſer Auszug aus der öffentlichen Vorleſung, mit welcher der Ver— 
faſſer ſeine Vorträge über allgemeine und pharmaceutiſche Chemie 
eröffnete, behandelt Allgemeines und Bekanntes mit Sachkenntniß 
und ſteter Rükſicht auf die Bedürfniſſe des Menſchen. Das zweite 
Heft beginnt mit den Veränderungen, die ſich in dem Perſonal— 
ftand der Gefellihaft zugetragen haben. Die Gejhichte der Ge: 
fellfhaft wird von dem 5. 1790 bis zu dem Schluß 1324 fortge- 
fest. Die erſte Abhandlung über tie Erfchöpfung des Bodens 
durch die Ernten, und über den Erſaz für folhen durch Dün— 
gung, von W. R. Seidl. Die gründliche Auseinanderfezung diefes 
oft befprochenen Gegenftandes, der von fo hoher Wichtigkeit für 
den Defonomen ift, und die Art, wie ihn der Verfaſſer behan- 
delt, wird gewiß jeden Defonomen anfprechen und die baldige 
Fortfezung mit Ungeduld erwarten lafien. Die zweite Abhandlung, 
über die verfchiedenen Verfahrungsarten aus dem Mehle des aus: 
gewachfenen Roggens Brod zu bafen, von Dr. und Prof. Pleiſchl, 
Mitglied der Gefellihaft, wurde durch ein Bedürfnif der Zeit 
hervorgerufen; fie enthalt viele practifch = nüzlihe, auf Verſuche 
geftüzte Erfahrungen, die jedoch für die Bäker und Hausfrauen, 
die fich ausfchliefig mit dem Brodbafen befhäftigen, etwas zu 


weitläufig und nicht populär genug ſcheinen. 








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Berichte über die fortfehreitende Vervollfommnung des 
vaterländifchen Mufeums. 


(Februar 1827.) 





Geſellſchaft. 


In die Claſſe der wirkenden Mitglieder ſind eingetreten: 
mittelt Erklärungen zum jährlichen Syſtemalbei— 
trag: H. Karl Wenzel Wolfram, der ſämmtlichen Rechte 
Doctor und beeideter Landesadvofat in Prag. — Das bisherige 
beitragende Mitglied, H. Leopold Rabuffy, Bürgermeijter 
der freien Stadt Brür. — Die St. Johannes Silber - und 
Steinfohlen » Gewerfihaft in Budweis. — Mittelt Material: 
Beiträgen (und zwar eigenen Verlagsartifeln) im Syitemal- 
werthbe: H. Anton Karl Kronberger, Budhhändler in 
Prag. — In die Elafje der beitragenden Mitglieder wurden 
aufgenommen: Der hochw. Curatclerus der erzbifchöflichen 
Vicariate von Pilfen und von Teifing. — 9. Paulin Schu— 
ter, Capitular, wie auch Secretär im Ciftercienfer = Stifte 
Hohenfurt. 


Geldbeiträge. 


Zu einem Fleineren jährlihen Beitrage hat ſich 
erflärt: 9. Joſeph Kropil, Schloßcaplan in Großfelowiz. — 
Ohne Verbindlidfeit für die Zufunft haben Geld: 
beiträge geleiftet: Hr. 3. 9. B. T. F. in B. — 9. Joſeph 
Minide, Handelsmann in Neuhaus. . 


Material: Beiträge, 


Für die Mineralien- und Peträfacten: 
Sammlung: 

Don H. Arnold Berger, Cooperator in Haida, 2 
BVerfteinerungen, dann einige Kryftalle und angefchliffene Steine. — 
Bon Hrn. Ignaz Lößl, Juſtiziär in Falkenau, eine Kifte mit 
38 Gebirgsarten der Herrſchaften Falfenau, Neudek und Graßliz 
im ellbogner Kreife. — Bom wirf. Mitgliede, 9. J. U.D. An: 
ton Schmidt in Prag, aus feiner eigenen Sammlung nad der 
Auswahl des H. Euftos Zippe, 12 Stüke vorzügliher Mine: 
ralien und 3 ſolche Verſteinerungen. — Anmerfung. Indem 





95 


diefe beiden Sammlungen des Mufeums bereit3 fehr reichhaltig, 
wie auch mit ausgezeichneten Stüfen ausgeftattet find, wird hie— 
mit erfucht, daß in Zukunft blos auserlefene und wohl condi— 
tionirte Stüfe, an denen die Kryftalle gut erhalten und kennbar 
find, auf eine zwefmäßige Weife verpaft, für diefelben eingefen- 
det werden möchten. 
Für die zo0logifhe Sammlung: 
Bon 9. Ferdinand Freiberrn von Hildprand, ein 
ausgezeichnet fchönes Rennthier = Geweih. 
Für die Sammlung der Kondilien: 
Don Demoif. Auguftfa Scheinert in Haida, 100 
Stüfe Eleiner See - Schnefen und Mufceln. 


Für tie botanifhen Sammlungen : 


Don 9. Eooperator Berger, einen ausgewachfenen See— 
ſchwamm. 


Für die Bibliothek: 


Vom wirk. Mitgliede, H. Joſeph Heyde, k. k. Poli— 
zeiobercommiſſär, s größere Werke und 1 Fascikel mit verſchiede— 
nen kleineren vaterländiſchen Drukſchriften. — Von der Calve— 
ſchen Buchhandlung, 4 Stüke ihrer neueſten Verlagsartikel in 6 
Bänden. — Vom wirf. Mitgliede, H. Kronberger, 32 ver: 
ſchiedene Berlagsartifel desfelden. — Vom beitr. und ſamml. Mit: 
gliede, 9. Binzenz Chriftian Rubeſch, Dechant in 
Haida „Mathiols Herbarium. — Bon 9. Franz Ladislaw 
Gelafowffy, 2 alte Iateinifche Drukſchriften. — Bon 9. 
— Ferdinand Auguft Rietgen, Doctor und Profefor zu 
Gießen, 2 von ibm verfaßte naturhiftorifhe Drukſchriften. — 
- Bon 9. Sohann Bednarz, Factor der Haafe’fhen Buch— 
drukerei, einen Prager Ehrenfalender vom J. 1762 mit Kupfern. 


Für die Sammlung der Handfdhriften: 


j Bon Sr. fürftl. Gnaden dem Prager Hrn. Fürſt-Erzbiſchof 
Wenzel Leopold p). tit. (zur Aufftellung und Benüzung im 
Muſeo), eine Handſchrift des XV. Jahrhunderts, mannigfaltigen 
Indhalts, und ein dipfomatifches Copiarium mit Urkunden von 
1420 bis 1629. — Bon 9. Abbe Joſeph Dobromffy, ei- 
ty nige Blätter mit Denkſprüchen und eigenhändigen Unterfohriften 
aus einem Stammbuche des XVII. Sahrbunderts. — Bon 9. 
?  &elatomity, 1 MS. som Ende tes XVI. Sahrhunderts. — 
- Dom fürfterzbifchöffichen Alumner, 9. Georg Peſchitz, Deus 
ſtüke einer homiletifchen Handfhrift des XV. Sahrhunderts. 
Vom k. k. Landesbaudirections = Practicanten, 9. 3 ofen 





96 — 




























Pachl, die erſte aus 12 Stüfen beſtehende Lieferung feiner Dri: 
ginal = Abtrüfe der älteften Clateinifhen und böhmiſchen) Gloken— 
Inſchriften in Böhmen, worüber feiner Zeit ein bejonderer Auf: 
faz nähern Aufſchluß ertheilen wird. 
Für die Diplomenfammlung: 
Bon den löbl. Magiftraten zu Reichenberg und Reichftadt 
im bunzlauer Kreife, die Abjchriften der von weil. Sr. Maj. 
K. Rudolph IT. über die Wappen diejer beiden Städte ertheilten 
Diplome, 
Für die Münzfammlung: 


Bon Gr. Ere. dem H. Johann Profop Grafen Hart: 
mann von Klarjtein, eine. Eleine, bei Dimofur in Böhmen 
sefundene Silbermünze von Kaijer Nero. — Bon 9. Joſeph 
Fiſcher, F. k. Poſtmeiſter in Zdiz, einen fächfifchen Thaler 
vom erften Säcularfejt der Reformation. — Von 9. Karl Hu- 
ſchek, Weltpriefter und Privaterzieher, einen fpäteren fachfifchen 
Thaler. — Von 9. Dechant Rubefh, einen amerifanifchen 
Thaler mit s Eleineren Silber - und Kupfermünzen. — Bon der 
Frau Magdalena Görner in Haida, 4 verfihiedene Sil— 
ber = und 1 Rupfermünze. — Bon H. Factor Bednarj, eine 
alte römische Kupfermünze. 

Für die etbnographifhe Sammlung: 

Vom wohllöbl. bunzlauer k. k. Kreisamte, die Abdrüfe von 
den Giegeln der Städte und Märkte diefes Kreifes. — Bom F.F. 
Polizeiobercommifjäar H. Heyde, einen Abdruf des alten großen 
böhmifchen Rechtsfiegeld (Cornova in Stranſky's Staat von Böh- 
men. 7.8. ©. 297). — Bon 9. Jakob Pfannfhmidt, 
Eriminalbureau = Practicanten bei dem löbl. Magiſtrate der k. 
Hauptftadt Prag, eine alterthümliche vaterländifhe Standuhr 
vom 9. 1568. — Bon H. Dechant Rubeſch, eine Medaille mit 
4 Eöniglich = franzofifchen, in Elfenbein flach erhaben geſchnittenen 
Vorträten. — Dom k. k. Wafjerbaudirectiong = Zeichner, H. 3 0: 
ſeph Shembera, 2 Kupferfiihe mit Darfiellungen der Grab: 
ftätte feines Vaters. 





Redacteur: F. Palacky. 
N ——— zn „un lb ee Age en 
v. Shönfeld’s Papier und Druf, 








2. — Norb. Zatokil von — Tagebuch der 
Belagerung Prags durch die Schweden im J. 1648. 


In Auszug gebracht von J. Ritter von Rittersberg. 


3. Nächtliche Sicherheits Anſtalten der vaterlandifchen 
Borzeit. - Bon M. MI . . . . . . . . 


4. Die Ruine Maidftein. Bon MM). » .. & 


5. Ueber das frühere Verhältniß tes Fürſtenthums 
Troppau zu Böhmen. Von F. Ens, Prof. zu 


Troppau. Mebſt Erläuterungen und Erganzun⸗ 


gen von J. D. ) Fe A TB 
6. Ueber Benei Stradice von Waitmül. (Don J. D.) 


7. Bemerkungen über die vormalige und jezige Forfte 
eultur in Böhmen.  o - 2. . 


8. Nähere Unterfuchung des Bruska » Salzes (Bon 


G. F. B—d.) . 0 8 8. 8 — *”. ; 


9, Eifenbahn in Böhmen. (Eingefendet). . „ 


30. Nefrolog. (Karl Graf von Elam» Martinig.) © » 
11. Geltenere Pflanzen, u. ſ. w. Mär)...» 
12, Rükblike auf die Leitungen der Prager ſtändiſchen 


Bühne Beihluß).- 0.0 ei wege 


13. Literärifhe Anzeigen. (Neue Schriften der  E, pas 


triotiſch⸗ okonomiſchen Geſellſchaft in Böhmen) « - - 


2. I 
: 14, Bericht vom vaterländiſchen Mufeum. (Eebruar 1827.) 94 | 





Monatfhrift 
der | 
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des 


vaterlandiſben Ruf eums 


in Böhmen. 


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Monatfchrift 


Geſellſchaft 
vaterländiſchen Muſeums 
| | in Böhmen. 





| Prag, 
im Verlag des böhmifchen Mufeums. 


1827, 


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Böhmen 


Production, Gonfumtion und Handel im erften 
Viertel des neunzehnten Jahrhunderts, 


Ben Gubernialrath K. A. Neumann. 


| 444 


| B etrachtungen über den Zuſtand und die Fortſchritte der 
Induſtrie eines Volkes, in einem beſtimmten Zeitraume, 
intereſſiren, wenn ſie die neueſte Periode betreffen, jeden 
Gebildeten, und deren begründete Reſultate bewirken rich— 
tige Beurtheilung der Maßregeln der Regierung zur Erhe— 
bung der Cultur, die mit jenen gleichen Schritt hält. 
Wird dieſe Betrachtung in Beziehung auf Böhmen 
unternommen, fo ergeben ſich den Patrioten erfreuende 
Reſultate. Ernſtliches Bemühen der Staatsverwaltung, 
Streben der Bewohner nach Verbeſſerungen und entſpre— 
chende Erfolge, Steigerung der Ur- ımd Gewerbsproduc—⸗ 
tion, mit der Bevölkerung und deren Conſumtion mög— 
lichſt gleihen Schritt haltend, geben Beweiſe von dem 
Sortfchreiten der Induſtrie und des phyſiſchen Wohl: 
ſtandes. 
1 * 


Daß Urproduction nur allein durch angemeffene Ge— 
werbsproduction belebt und belohnt werden kann, daß aus— 
gedehnter Gewerböbetrieb nur durch zureichende Urproduc- 
tion vortheilhaft unterhalten und gefichert wird, find Er— 
fahrungen aller gefitteten Völker. Zwifchen beiden befte- 
ben aber natürliche Verhältniffe und Gränzen, die nicht 
ohne Nachtpeil überfchritten werden. Die reichite Urpro: 
duction vieler Länder läßt deren Bewohner ohne Gewerbs— 
production in einem kümmerlichen Zuftande, und neuere 
Ereigniffe in England haben gezeigt, welchen Erfehütterun: 
gen der Wohlftand eines Volfes preisgegepen ift, deſſen 
Gewerböbetrieb nicht auf eigene Urproduction geftüzt und 
Dadurch gefichert ift. In wiefern in Böhmen zwifchen bei— 
den Productionsarten, mit der Confumtion und dem die— 
felben vermittelnden dritten ftaatswirthfchaftlihen Mo— 
mente, dem Handel, ein der Eultur feiner Bewohner anz 
gemeffenes Verhältniß beftehe, ift die Abficht, im folgen— 
den Betrachtungen zu zeigen. 

Wenn das Fortfcehreiten eines Volkes in der Indus 
ftrie fein Fortfchreiten in ‚der Cultur überhaupt bezeichnet, 
und nach den Mitteln zu fchäzen ift, Die zur Beförderung 
desfelben dienten: fo verdienen aud diejenigen Mittel 
befonders bezeichnet zu werden, deren Wirffamfeit am 
meiften in die Augen fällt. Da denfelben jedoch 
in diefer Zeitfchrift eigene und nähere Würdigung gewid— 
met wird, fo darf ihrer hier nur mit wenig Worten ge: 
dacht werden. 

Sn der erften Hälfte des verfloffenen Jahrhunderts 
ftand die Induftrie in den meiften Ländern Deutfchlands 
auf einer niedern Stufe, und war in Böhmen durch lang- 
wierige und verheerende Kriege, in den erſten Regierungs— 
jahren der Kaiferin Maria Therefia, noch mehr herabge: 
drükt, und Erſchöpfung aller Stände herbeigeführt. Ernſt- 
lihe und zwekmäßige Mafregeln zur Erhebung derfelben 
waren vor allem erforderlich, Bald nad) Beendigung des 


EEE BEE WESER EIN ——— 


DEE TEEN 





5 


fiebenjährigen Krieges befchloß die uber alles Lob erhabene 
Negentin die Errichtung einer diefen Zwef im Auge haben 
den Gefellfchaft fachfundiger Patrioten, die Benüzung aller 
der Eultur entzogenen Gemeindegründe, und mehrere die 
Erhebung der Landwirthfchaft insbefondere bezwefende 
Anftalten. 

Sm J. 1768 wurde die Zertheilung der Gemeinde: 
gründe und deren Umwandlung in Aker- und Wiefenland 
verordnet, und dieſe auf 25 Jahre für fteuer= und zehen: 
tenfrei erklärt. Dabei wurde Aufhebung der Brache, Kunft: 
futterbau und Stallfütterung empfohlen; fpanifche und pa= 
duanifhe Schafe wurden in Böhmen vertheilt, und die 
Benüzung der bei den in Böhmen garnifonivenden Eavalle: 
rieregimentern befindlichen Hengfte, von fremden und edlen 
Nacen, anfangs geftattet, fpäter angeordnet. Durch diefe 
Verfügungen wurde der erfte Grund zu einem verbefferten 
Landwirthfchaftsbetriebe, insbefondere zu der im neuerer 
Zeit fo wichtig gewordenen verbefferten Schafzucht, und 
zu der im 5. 1780 die erfte Organifation erhaltenen Be— 
fhälanftalt gelegt. In diefen Seitraum fällt auch die Er- 
richtung und das Beſtehen einer eigenen Profeffur der 
Bergwiffenfchaften an der Prager Univerfität, die bis 
zum 3. 1772 beitand, in welchem die Bergakademie zu 
Schemniz errichtet und dadurch jene überflüfig geachtet 
wurde. B 

Die im J. 1767 angeordnete Errichtung einer Ge- 
fellfchaft zur Beförderung der Induſtrie überhaupt, Fam 
im 5. 1769 unter der Benennung: Geſellſchaft des 


Akerbaues und der freien Künfte, zu Stande und 
mit Anfang des J. 1770 in Wirkfamkeit. Da in der, in 


dieſen Blättern (im 2. Heft ©. 44 — 50) bereits gelie- 


ferten Gefehichte diefer im J. 1788 mit der Benennung: 


Ef. patriotifheöfonomifhe Geſellſchaft, neu 
organiſirten Geſellſchaft, ihre Wirkſamkeit vorzüglich 


durch im ihren Schriften und Kalendern enthaltene, der 


6 


Faſſungskraft niederer Volksclaſſen angemeffene Belehrun- 
gen, Durch Prämien, durch Vertheilung von Zuchtftieren, 
Sämereien, Bäumen u. m. Mittel, bereits gefchildert 
worden, fo wird bier nur der Wunfch geäußert: es möge 
auch die in dem Drganifationspatente vom A. October 1788 
$. 4 enthaltene Vorfchrift zur Ausführung gelangen : daf 
fein Wirthfchaftsbeamter mehr aufgenommen werden folle, 
der nicht von der patriotifch = öfonomifchen Geſellſchaft das 
Zeugniß über die Prüfung aus den ökonomiſchen Willen: 
fchaften beigebracht habe, und dadurch die größere Zahl 
diefer Beamten gezwungen werden, ſich die für ihre Bes 
ffimmung erforderlichen Kenntniffe, in einem größern Maße, 
als bisher, zu erwerben ; denn die fich diefer Prüfung bis— 
ber unterzogene Zahl derfelben, die in einem Zeitraums 
von 13 Sahren (von 1814 bis 1826) nur 209 Defonomen 
und 125 Forftmänner betrug, ift zu gering, um dem Be— 
dürfniffe des Landes und der Abficht des Gefezgebers zu 
entfprechen. 

Zur Erwerbung der, die erften Bedürfniffe der Men: 
fehen betreffenden, wiffenfchaftlihen Kenntniffe, wurde an 
der Prager Univerfität im 3. 1775 ein eigener Profeffor 
der Defonomie, im $. 1785 auch ein Lehrer der Vieharznetz 
Eunde angeftellt ; und diefe Vorforge wurde durch ein Hof: 
decret vom 16. November 1811 dahin erweitert, daß auch 
an den bifchöflichen theologiſchen Didcefanlehranftalten, zu 
Leitmeriz, Königgräz und Budweis, Lehrftellen für die 
Landwirthfchaft errichtet wurden ; wodurch auch denjeni= 
gen Staatsbürgern, die den größten Einfluß auf die Bil: 
dung des mit der Urproduction fich befchäftigenden Volkes 
haben, Gelegenheit zur Erlangung diefer Kenntniffe gegeben 
wurde, 

Die im 3. 1805 durch die allferhöchfte Gnade ©r. 
€. Majetät Franz II. veranlaßte, durch die Munifi: 
cenz der —3 böhmiſchen Herren Stände gegründete 
und im J. 1806 eröffnete polytechniſche Lehranſtalt 


all a te 





7 


zur Bildung von Land- und Forftwirthfchaftsbeamten und 
von Vorftehern der die Urproducte veredelnden Gewerbe, 
bat im Laufe von zwanzig Jahren ihrer Beftimmung der: 
geftalt entfprochen, daß die von derfelben ausgegangene 
zwefmäßige Belehrung, in den erften vierzehn Jahren 
ihres Beſtandes — von 1807 bis 1820 — 

3585 der Land» und Forftwirthfchaft, 

1006 den Fabriken und der Handlung, 

950 dem Landmeffen, der Baukunft, 

1758 dem Militär, den NRechtswiffenfchaften und der 

Theologie fich widmenden, alfo überhaupt 

7277 Studirenden zu Theil wurde; die in der Betrei— 
bungsart vieler Gewerbe und in mehreren Theilen der 
öffentlichen Verwaltung ſchon wahrzunehmen ift. Durch 
diefe Lehranftalt erhielten viele bürgerliche Gewerbe Ge— 
fchäftsleiter, deren erlangte höhere Bildung das Fort: 
fhreiten des Auslandes weniger fühlbar werden ließ, und 
mehrere von der Staatsverwaltung unternommene Ber: 
befferungen wurden von Schülern derfelben zwekmäßig aus: 
geführt. 

Das von einem Verein patriotifcher Freunde der 
Wiſſenſchaften und Künfte im J. 1818 gefliftete vater: 
ländifhe Mufeum wird nur namentlich angeführt, weil 
deffen Wirkfamkeit erft im Beginnen ift, und davon in die: 
fer Zeitfchrift ſelbſt Rechenſchaft gegeben wird. 

Neben diefen Anftalten zur Erhebung der Induftrie 


> Durch Belehrung, find als befonders wirkffame zu bemer- 


fen: die directe Befhränfung des Verbrauchs aus 
ländifcher Gewerbsproducte, durch das im J. 1784 
für die ganze öſterreichiſche Monarchie gegebene Verbot 
des freien Handels mit denfelben, und deffen nähere Be— 


zeichnung durch die allgemeine Zolfordnung vom 2. Jänner 


1788; und die bereits unter der Regierung der Kaiferin 
Maria Therefia begonnene Verbeſſerung der zum innern 
und äußern Verkehr dienenden Straßen. 


‚Gegen Ende des Leztverfloffenen Sahrhunderts, im 
S. 1796, beftanden in Böhmen 61 Längenmeilen, im J. 
1805 80 Meilen und 1209 Klaftern Kunſtſtraßen. Am 
Schluß des Militärjahres 1825 waren bereitd 506 Meilen 
ausgebaute Commerciale Haupt» und 44 Meilen Verbin: 
dungsftraßen, zufammen 547 Meilen, in die Unterhaltung 
der Staatsverwaltung übernommen. Werden aber auch 
diejenigen Strefen zwekmäßig hergeftellter Straßen gerech- 
net, die von der Staatsverwaltung in die Unterhaltung 
noch nicht übernommen, und deshalb nicht genau bekannt 
find, fo kann ohne Webertreibung angenommen werden, 
dag dermalen in Böhmen beiläufig 500 Meilen Kunftitras 
fen beftehen, wovon wenigftens 400 erſt in diefem Jahr: 
hunderte gebaut worden find. Mit dem Bau einer Eifen: 
bahn, zur Verbindung des Verkehrs auf der Donau und 
Moldau, zwifhen Mauthhaufen und Budweis, wurde im 
J. 1825 begonnen, und von der ganzen, ungefähr 17 Mei: 
len betragenden Länge derfelben, bereits 6479 Klaftern herz 
geitellt. 

Die Schifffahrt auf der Elbe, die wichtigfte Waffer- 
frraße für Böhmens Verkehr mit dem Auslande, die no h 
vor wenig Jahren durch Zölle und Vorrechte dergeftalt er: 
ſchwert war, daß davon nur höchft beſchränkter Gebrauch 
gemacht werden EFonnte, wurde auf VBeranlaffung unferer, 
das Intereſſe des Volkes forgfältig würdigenden Regierung, 
duch die im J. 1821 zwifchen den Regierungen, deren 
Länder diefer Fluß, vom Austritte aus Böhmen bis in 
die Nordfee, durchſtrömt, abgefchloffene Elbefchifffahrts- 
acte dergeftalt erleichtert, daß die wohlthätige Wirkung 
ſich nicht nur durch wohlfeilere Beifchaffung ausländischer 
Bedirfniffe, fondern für Böhmen vorzüglich dadurch er— 
wiefen bat, daß es feitdem möglich geworden ift, mehreren 
böhmifchen Vroducten des Akerbaues und der Gewerbe eis 
nen lohnenden Abfaz im Auslande zu verfihaffen und meh— 
vere Snduftriezweige zu erweitern, 


| 
| 





9 


MWird die Urproduction Böhmens einer nähern 
Betrachtung unterzogen, fo iſt nicht zu überfehen, daß von 
feiner ganzen 956 Quadratmeilen betragenden Oberfläche, 
188 Quadratmeilen durch völlig unfruchtbare Felfen, Süm— 
pfe, Riſſe, Klüfte, Sandftrefen, oder dur Ströme, 
Flüffe, Bäche, Straßen, Wege und Wohnpläze entzogen 
find, und daß dieſer Benüzung 
im Sabre 1789 7,783,660 Joche 7535 Quadratklaftern, 
im ,„ 4AS15 7,774,440 284 3 
im 0 1825 7,7764,264ñ 827% 5 
oder beiläufig nur 778 Quadratmeilen, und zwar 
Yo zur Waldeultur, 

Yo als Wiefen, 

%/o zum Aferbau, und 

Yo zur Garten, Obſt- und Weincultur und als Hutweis 
den, Triften und Teiche 

gewidmet waren. Die in neuerer Zeit fich zeigende Ver: 

minderung der der Eultur unterzogenen Bodenfläche, rührt 

wahrfcheinlich nur von genauern Vermeffungen ber, und 

ift keineswegs als factifch anzunehmen. 

Wird in Erwägung gezogen, daß diefe den angege: 
benen Cultursarten unterliegende Bodenfläche in den mei: 
ften Jahren nicht nur hinreichende, fondern überflüfige 
Nahrungsmittel für eine Bevölkerung lieferte, die ſich im 
„Sabre 1762 auf 1,640,609 

„»„ 1768 ,„ 1,990,539 

» 1780 „ 2,565,521 
in 41790 5» 2,927,557 

„ 1800 ,„ 5,047,740 
5.4810 „ 3,196,903 

54820 3,484, 295 

1825 3,650,223 Menfchen belief, die fich mit: 
bin feit — Jahren verdoppelte: ſo iſt, da es ohne 
wahrgenommenen Abbruch der Conſumenten, und, mit 
Ausnahme nur weniger allgemeiner Nothjahre, ohne fremde 


40 


Beihilfe gefhah, nicht zu verfennen, daß es nur durch 
vergrößerten Ertrag der Urproduction und durch 
vermehrte Induſtrie möglich war; weil e8 on zuverläffie 
gen Nachweifungen fehlt, Daß bei geringerer Bevölke— 
rung, im verfloffenen Jahrhunderte, größere Quantitäten 
von Producten des Aferbaues ins Ausland verführt wor— 
den wären. 

Durch die Waldproduetion, welche in früherer 
Zeit lediglich der Natur überlaffen, einen beinahe werth— 
loſen Ueberfluß an allerlei Holzarten lieferte, der zu Folge des 
Sofephinifchen Gataftralabfehlußes vom J. 1789 2,519,811 
Soche und 557 Quadr. Klft., im J. 1825 aber nur 2,516,223 
Soche und 354 Quadr. Kift. gewidmet waren, werden der: 
malen wenigfteng zwei Millionen Klaftern Brennholz, jede 
zu beiläufig 60 Cubikklaftern Holzmaffe, und mehr ald das 
erforderliche Bau und Nuzholz gewonnen. Der größte 
Tpeil diefes Ertrags dient zur Befriedigung erfter Bedürf- 
niffe der Landesbewohner, zum Schuz gegen die Strenge 
des Clima's; ſchon feit undenklichen Zeiten aber auch zur 
Verwendung bei veredelnden Gewerben ; und noch immer 
kann Böhmen den wenigen europätfchen Ländern beigezählt 
werden, in welchen Urwaldungen vorhanden und mehrere 
bolzverzehrende Gewerbe, Glas- und Eifenerzengung, mit 
Dortheil zu betreiben find, und auch ein Theil des Ueber— 
flußes benachbarten Kändern überlaffen werden fann. Da 
in neuerer Zeit Ueberfchreitung des jährlichen Ertrags der 
Wälder mehr als vormals verhütet, auf deren neuen Anz 
bau größere Sorgfalt verwendet, auch wirthfchaftliche Be— 
nüzung des Holzes fo wie der vorhandenen Steinfohlen:, 
Braunfohlen: und Torflager mehr verbreitet worden, fo tft 
mit Zuverficht anzunehmen, daß Böhmen, auch bei fort 
währender Steigerung feiner Bevölkerung, noch lange im 
Beſiz der aus feinem Waldreichthume fließenden Vortheile 
verbleiben werde, wenn Befihränkfung der Ausfuhr der 
Verwendung beim Gemerböbetriebe vorgezogen wird. 








* 


41 


Die Wiefenproduetion ftellt fich auf der derfelben 
gewidmeten Fläche, die im J. 1789 mit 798,595 Jochen und 
1060 Quadr. KI. angegeben wurde, im 3. 1825 aber 798,720 
Joche 1567 % Quadr. Klft. wirflihe Wiefen betrug, da 
deren Ertrag nur mit acht höchſtens neun Millionen Cent: 
nern Heu und Grummet angenommen werden kann, nicht 
bedeutend, und für eine dem Bedürfniffe der Bewohner ange: 
meffene Viehzucht kaum hinreichend dar. Da der Werth die- 
fer alle übrigen Productionsarten unterjtizenden und bele- 
benden Production jedoch immer mehr erkannt, und durch 
zwefmäßigere Behandlung und Düngung der Wiefen und 
durch Fünftlichen Futterbau, insbefondere des Klees, ver: 
mehrt, auch durch Beiziehung eines Theils der ald Hut- 
meiden und Teiche verzeichneten Bodenfläche erweitert wor— 
den: fo fteht diefe Production dermalen in einem viel an— 
gemeffeneren Verhältniffe, als vormals, und läßt noch 
weitere Verbefferungen hoffen. 

Durch den Akerbau, dem im J. 1789 3,829,497 
Joche 569 Quadr. Kift., im 3. 1825 aber 3,825,875 Joche 
585% Quadr. Kift., verzeichnet waren, wovon 
3,606,345 Joche 1412 Quadratflaftern ordentliche aferbare 

Gründe, und 
219,527: „275% 3 Triſchfelder find, wer— 
den alle Getreidearten Weizen, Roggen, Gerſte, Hafer 
und Hülfenfrüchte, als die gewöhnlichiten Nahrungsmittel 


der Bewohner Böhmens, produeirt. In welchem Ver: 


bältniffe diefe Production überhaupt, oder die der ein: 
zelnen Artikel in neuerer Zeit gefteigert oder vermindert 
wurde, ift mit Zuverläffigkeit nicht zu erforfchen; es ge— 
nügen aber darüber auf Ihatfachen geftüzte allgemeine Be— 
merfungen: | 

Bei dem Gataftralabfehluge vom Jahre 4789 und 
deffen Nectification im Jahre 1795 wurde ein Brutto = Erz 
trag von 


42 


1,866,647 Mezen Weizen, 
10,071,529 „Roggen, 
4,145,5375 „  G©erite, 
8,258,795 Hafer, 


zuſammen von 24,322,349 „Körner, und dabei an⸗ 
genommen, daß hievon 


400,000 Mezen Weizen und Roggen und 

300,000 Hafer über den Bedarf 
an Saamen und zur Ernährung der damaligen, beiläufig 
2,700,000 Menfchen betragenden Bevölkerung und des vor- 
bandenen Zugviehes, zur Ausfuhr erübrigen würden. Bon 
dem neueften ftatiftifchen Schriftfteller über Böhmen (Schna: 
bel: Statiftifche Daritellung Böhmens. Prag 1826. ©. 27) 
werden 50,720,000 Mezen Körner als dermaliger Brutto: 
Ertrag des Aferbaues angenommen. Diefe Annahme fann 
eher zu niedrig als zu hoch geachtet werden, wenn gehörig. 
erwogen wird: daß im J. 1795 von hundert Mezen des 
Brutto Ertrag ungefähr 3 Mezen zur Ausfuhr erübrig- 
ten, wahrfcheinlich aber nicht wirklich fo viel — 700,000 
Mezen — ausgeführt wurde; daß feit dem J. 1818 wirf- 
lich alle Jahre 300,000 Mezen mehr ins Ausland überlaffen 
als eingeführt wurde; daß die wirkliche Ausfuhr des — 
1825 mit Inbegriff des nach Oeſterreich verführten, derje— 
nigen gleich geſchäzt werden könne, welche im J. 1795 
nur als möglich und zuläſſig gedacht wurde; daß die Be— 
völkerung ſeit dem J. 1793 ſich um 800,000 Menſchen, 
mithin beinahe um dreißig auf Hundert vermehrte, hinge— 
gen die Production nur um zwanzig auf Hundert vermehrt 
angenommen wird. 

Daß mit der Vermehrung der Bevölkerung auch die 
Körnerproduction, wenn auch nicht in ganz gleichem Ver— 
hältniffe geftiegen, Fanın auch deghalb angenommen wer— 
den, weil feit 40 Jahren fehr viele Grundftüfe in Erbpacht 
verliehen, und die Sahl der Grundeigenthümer vermehrt 





\ 


15 


worden ift, die das Brachfeld vermindert, den Getreide: 
bau aber vermehrt haben. 

- Daß in neuer Zeit durch den vermehrten Anbau 
der Kartoffeln viel Getreide erfpart werde, ift gegrün— 
det; dadurch iſt aber nur ein verändertes Verhältniß der 
Akerproduction, keineswegs aber auch eine verminderte Ge— 
treideproduction bewiefen. Weniger gegründet fcheint aber 
die fehr verbreitete Meinung zu ſeyn: daß durch den vermehrt: 
ten Anbau der Kartoffeln die Körnerproduction nicht nur 
befchränft, fondern fogar unterdrüft werde. Mach mehre- 
ren auf gut verwalteten Wirthfchaften gemachten Erfah: 
rungen, kann diefer Meinung mit Beftimmtheit widerfpros 
chen werden; weil von denfelben feit dem vermehrten Anz 
bau der Kartoffeln, mobei der Boden mehr und forgfältie 
ger bearbeitet wird, auch ein größerer Ertrag an Getreide 
ausgewiefen wird. Daß durch den Anbau der Kartoffeln 
in Böhmen dem Getreidebau nicht fo gar viel Grund ent— 
zogen werde, zeigt fich bei einem nur flüchtigen Ueberblik 
der damit bebauten Flächen, die gewöhnlich nur in der 
Nähe der Wohnftellen, und Feineswegs in einem größern 
Derhältniffe, ald in andern deutfchen Ländern, wahrges 
nommen werden. Uebrigens iſt nicht in Abrede zu ftellen, 
daß die Kartoffeln auch in Böhmen zur Ernährung eines 
großen Theils der Bevölkerung dienen, daß fie hauptfäche 
lich Nahrung der gemeinen Claffen und nicht felten das 
einzige Erhaltungsmittel der Gebirgsbewohner ausmachen; 
größtentheils werden fie aber zur Unterhaltung des Vieh: 
ftandes und zur Darftellung des Branntweins benüzt, und 
e8 werden in Böhmen von dem ärmften Theile des Volkes 
mehr Mehtfpeifen genoffen, als in vielen andern deutſchen 
Ländern. 

Außer der zur Ernährung dienenden Aferproduction 
wurde die Erzeugung einiger Gewerbömaterialien in 
neuerer Zeit zwar nicht auffallend vermehrt, aber doch noch 
immer betrieben. 


14 


Der Flahsbau, vormals in Böhmen fehr bedeu— 
tend und Iohnend, ift durch den feit dreißig Jahren mehr 
verbreiteten Gebrauch baummollener Stoffe, überall fehr 
beeinträchtigt worden; dennoch wurde derfelbe in Böhmen 
fortwährend in einem Umfange betrieben, daß dadurd Ma 
teriale zu vielerlei Leinenwaaren, nicht nur für das Ber 
dürfniß des Landes, fondern auch für einen noch immer 
große Nükficht verdienenden Nctivhandel, gewonnen wurde. 
Da zum Anbau diefer Pflanze im J. 1825 nur allein 
10,560 Gentner rufifcher Leinfaamen zur Ausfaat einges 
führt wurde, der weit größere Theil des Anbaues aber 
mit inländifhen Saamen beftritten, und hievon auch ins 
Ausland verführt wird, fo Fann auf die Wichtigkeit diefes 
Eulturzweiges gefchloffen werden. | 

Durch den bereits im J. 1771 von der patriotifch- 
ökonomiſchen Gefellfcehaft veranlaßten, in neuerer Zeit unger 
mein vermehrten Anbau des Klees, iftnicht allein Eräftigere 
Ernährung eines vermehrten Viehftandes und vermehrte Kör- 
nerproduction bewirkt, fondern durch Erzeugung des Klee: 
faamens aud ein XUctivhandelsartifel gewonnen worden, 
der in den lezten Jahren eine große Bedeutung erlangte. 
England und andere nördliche Länder, in denen diefer 
Saame nur felten eine vollfommene Reife erlangt, mußten 
denfelben vormals aus Frankreich allein beziehen, weil aus 
andern Ländern derfelbe durch fehnelle Landfracht theurer 
zu ftehen Fam, und bei wohlfeilerer aber langſamer Waf- 
ferfracht nicht frühe genug zur Frühjahrsausſaat angelangt 
wäre. Durch die neu regulirte Elbefchifffahrt ift unfere 
Ausfuhr fo weit befchleunigt und wohlfeiler geworden, daß 
jezt böhmifcher Kleefaamen eben fo frühe als franzöfifcher 
in nördlicher liegenden Ländern anlangen Fann, und feiner 
Güte wegen vorgezogen wird. Dadurch ift für Böhmen 
ein Ausfuhrartifel entjtanden, der im J. 1825 18,206 Etr., 
im leztverfloffenen Sahre aber bedeutend mehr betrug, und 
wohl eine Million Gulden W. W. einbrachte. Cs tft zu 





15 


hoffen, daß diefe Thatſache die Landwirthe zur Vermeh— 
rung dieſes die Aferproduction begünftigenden Anbaues 
noch weiter aneifern werde. 

Durch in Böhmen erzeugten Hopfen wurde in frü- 
berer Zeit das Bedürfniß mehrerer Länder allein befrie— 
digt, und es war derfelbe ein wichtiger Erportationsarti- 
kel, der bedeutende Summen baren Geldes ins Land zog. 
Mit der Verbreitung feines Anbaues in andern Ländern 
ift diefe Ausfuhr zwar gefunfen, und es find in Mißjahren 
bedeutende Quantitäten, fogar aus Nordamerika, auf eu: 
ropäifche Märfte gebracht worden. Demungeachtet ift da— 
durch, dag von dem in Böhmen erbauten Hopfen das Be: 
dürfniß des Landes und benachbarter Provinzen alljährlich 
beftritten, und im $. 1825 audy noch 14,992 Eentner ins 
Ausland verführt wurden, die befondere Güte diefes Lanz 
desproductes und die Wichtigkeit der Fortfezung feiner 
Cultur bewiefen. 

Ward, Wau, Eihorienwurzelnu. m. a. Han 
delögewächfe werden zwar in einigen Gegenden deö Landes 
mit gutem Erfolge, aber nicht in fo bedeutendem Umfange 
eultivirt, dag dadurch Zufuhr aus fremden Ländern ganz 
entbehrlich würde. 

Gartengewädfe, deren Eultur im J. 1789 
85,712 Soche 722 Quadratklaftern, im J. 1825 85,014 Joche 
635 Quadratklaftern gewidmet wurden, find in Böhmen im: 
mer hinreichend producirt und in Gränzgegenden auch an das 
Ausland überlaffen worden. Wenn jedoch von einigen Ars 
tifeln und in einigen Gränzgegenden mehr ein= als ausge: 
führt wird, fo ift es nur deshalb, weil folche fchneller 
vom Auslande als aus dem Innern des Landes zugeführt 
werden. 

Durch die Obfteultur, die fehon feit langer Zeit in 

mehreren Gegenden, befonders aber im leitmerizer Kreife, 
mit großer Aufmerkfamkeit betrieben wird, wurde fortwäh- 
vend ein bedeutender Weberflug gewonnen und dem Aus: 


46 


lande zugeführt. Schon im J. 1785 wurden allein über 
das Waffermautamt zu Loboftz 59,194 Mezen frifches Obft, 
in manchem Sahre fir mehrere Hundert taufend Gulden, 
und im $. 1824 wurden 6825 zweifpännige Fuhren frifches 
und 20,024 Gentner getrofnetes Obſt ausgeführt. 

Die Weincultur, wozu im J. 1789 4482 Joche 
672 Quadratflaftern, im J. 1825 4480 Joche 1092 Qua 
drafflaftern verwendet wurden, ift im J. 1789 mit 34,897 
Eimern Ertrag angegeben, der aber für das Landesbedürf: 
niß nicht hinveicht. Da böhmifcher Wein nach zwekmäßi⸗ 
ger Behandlung auch im Auslande von Kennern gefchäzt 
wird, fo dürfte bei vermindertem Taglohn deffen Eultur 
wieder mehr lohnend und beachtungswerth gefunden werden. 
As Hutweiden und Geftrippe wurden im J. 
1789 613,151 Joche 1209 Quadratklaftern, im J. 1825 
610,466 Joche 608%, Duedratflaftern verzeichnet. Hievon 
kann zwar ein Theil zeitweilig als Aker oder Wiefe be, 
nüzt werden ; der größte Theil ift aber fteriler Boden, der 
dem PViehftande nur wenig Nahrung bietet. Deshalb muß 
der größte Theil des Viehes in den meiften Gegenden im 
Stalle unterhalten werden, und fordert eine Eoftfpielige 
N lege und Fütterung. 

Don den wichtigften Arten der Viehzucht wurden 
gezählt: 

im Sabre Rindvieh. Pferde. Schafe. 
1780 0. — . 164,556 . — 
175 .. — . 156,794 . — 
1793 . . 1,217,568 . 150,774 . 2,095,659 
4800 % — 420,257 — 
1805 . . 988,542 . 164,182 . 1,197,942 
ABAON 883,796 5 1102 950,958 
1815 W, 7 826,757 '. 115,408 958,753 
1820 . . 886,748 . 153,481 . 1,000,965 
1825 . . 902,525 . 140,890 . 1,246,277. 





47 


Diefe Ueberficht weifet deutlich auf Die beftandenen 
Kriege als Haupturfahen der Verminderung des Vieh: 
ftandes überhaupt ; feit deren Beendigung ift, ungeachtet 
der vermehrten Confumtion von Pflanzenftoffen durch Men: 
fehen, wieder Zunahme des Viehſtandes ſichtbar. 

Rindvieh wird in Böhmen meiftens nur der Milch: 
und Düngernuzung und mehr der Feldbeftellung als des 
Sleifchnuzend wegen gehalten, weshalb auch die Anzahl 
der Kühe dreimal fo groß als die der Dchfen ift. Die 

Anzucht von Schlachtvieh kommt wegen der mühfamen 
Pflege und theuren Fütterung weit höher, als im benach— 
barten Polen, Ungarn und Rußland; deshalb wird aus 
dieſen Ländern ein Theil des erforderlichen Schlachtviehes 
bezogen, bievon aber wieder ein Iheil, nebit im Lande 

erzogenen Kalbinnen und Kühen, ausgeführt; das Fleifch- 
bedürfnig des Landes jedoch größtentheils durch inländie 
| fhe Zucht beftritten. Indeſſen würde durch Schäzung und 





— 


Dergleichung des vor = und dermaligen Rindviehftandes 
nach der Anzahl der Stüfe allein, ohne Rükſicht auf deffen 
vor⸗ und dermalige Befchaffenheit, eine falfche Anſicht er- 
. langt werden. Durd) die bereits im Iezten Viertel des 
verfloſſenen Jahrhunderts begonnene Anſchaffung von ty— 
roler u. a. Hornvieh und deſſen Vermiſchung mit dem klei— 
nern einheimifhhen Schlage, durch aufmerkffamere Wahl 
der Nachzucht und durch beffere Pflege ift die Veredlung 
des Nindviehes ſchon weit gediehen und ein ziemlich ver— 
eiteter Mittelfehlag entftanden, von welhem nicht allein 
ehr Mil, Butter und Käfe, fondern aud) mehr Fleifch 
nd mehr Zugkraft gewonnen, und dadurch eine vormals 
ößere Zahl überwogen wird. 

- Die Pferdezucht würde, ohne befondere Einwirkung 
der Regierung, zwar für die Aferbeftellung und den innern 

erkehr eine taugliche und hinreichende Anzahl Pferde, aber 
r von geringerm Schlage, liefern. Aber durch die auf - 
| Koſten des Staats ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts beſte— 


| 













2 


48 

benden Befchälanftalten ift deren Anzucht nicht allein er— 
Veichtert, fondern aud) fo weit verbeffert worden, daß ſchon 
viele Hengfte von eigener Landeszucht als Befchäler ver 
wendet, eine bedeutende Zahl böhmifcher Pferde für mehrere 
Arten des Militärdienftes angefauft, und auch viele zum 
landwirthſchaftlichen Gebrauche in benachbarte erbländifche 
Provinzen und felbft ins Ausland geführt worden. Luxus— 
pferde werden zwar eingeführt, der Werth derfelben kann 
jedoch den der in weit größerer Anzahl ausgeführten nicht 
erreichen. 

Mie moplthätig und bedeutend die auf Koften des 
Staates in Böhmen beftehende Befchälanftalt auf die Pfer- 
dezucht einwirfte und diefelbe verbefferte, zeigen folgende 
nähere Daten. Im J. 41790 wurden in Böhmen nur 90 
Reitz und 260 Zugbefchäler für nothwendig geachtet und 


unterhalten, deren Anzahl aber fo weit vermehrt ward, * 
die Zahl der 








Stuten 
Hengite trächti 
g 
belegte gebliebene 


TE a ET eV er eh EEE — 
im Jahre 1805. . 479 | 18,539 | 9050 
l 


2 Ya aa 1. aka 485 1 20,725 | 11,000 


» » 1310. . 515 26,483 14,599 


27 72 1815 513 57,251 20,473 


” 2 77 1820 524 33,579 20,514 


4 


En 558 | 33,998. | 20,811 





19 


betrug, und in den lezten zwanzig Jahren überhaupt 615,235 
Stuten belegt wurden, wovon 356,940 trächtig blieben. 
Wenn angenommen wird, daß, nach befanntem Naturge: 
feze, von der Zahl der trächtig gebliebenen Stuten nur 
balb fo viele Fohlen das vierte Lebensjahr erreichten, fo 
würde der Zuwachs brauchbarer Pferde in zwanzig Jahren 
wenigitens 178,470 Stük betragen haben; und da die 
Dauer eines Pferdes im Durchfchnitt auf zwanzig Jahre 
angenommen wird, die im J. 1825 vorhandene Zahl aber 
nur 140,890 Stük beträgt, fo konnten in diefen zwanzig 
Jahren 57,580 Stüf, und in einem Jahre 1879 Stük er= 
übrigen. Daß diefe Zahlen eher zu niedrig als zu hoch 
angenommen find, bleibt nicht zweifelhaft, wenn erwogen 
wird, daß unter dem lezten zwanzig Jahren fünf Kriegs: 
jahre waren, und die Armee dreimal ausgerüftet wurde, 
wodurch allein über 30,000 Pferde weggenommen wurden; 
daß alljährig nur allein auf den Märkten zu Chrudim meh— 
rere hundert Pferde für Defterreich aufgekauft werden; und, 
daß in den lezten zehn Jahren vom höchiten Nerarium 5499 
Eavallerie= und 4049 Fuhrwagen = Pferde, mithin durch— 
fehnittsweife in einem Sahre 1000 Stüf Pferde für den 
Militärdienft aufgekauft wurden. 
a Die Schafzucht erfcheint, wenn der numeräre 
Stand der Schafe allein ins Auge gefaßt wird, in den 
lezten 25 Jahren geringer, als in früherer Zeit. Wird aber 
die in diefem Zeitraume durch Anfchaffung fremder Schafe 
fo seifrig als mit Erfolg bewirkte Veredelung bedacht und 
erwogen, daß noch am Ende des verfloffenen Sahrhunderts 
- Die meifte in Böhmen erzeugte Wolle einen ungleich gerin: 
R gern Werth hatte, als dermalen, und daß die dermalen 
geringere Zahl von Schafen ungleich beffer genährt wird, 
amd deshalb auch für den Getreidebau einen höhern Werth 
hat; fo muß die Schafzucht als einer der wichtigften und 
‚  einträglichtten Productionszweige Böhmens gefchäzt werz 
‚den. Der größte Theil der feinen Wolle wird ins Aus: 
2 ur 


n | 
Yand verführt, dagegen aber gröbere aus Ungarn und an: 
dern erbländifchen Provinzen zum Gebrauch der beftehen- 
den Tuhe, Zeug: u. a. Wollenmanufacturen eingeführt, 
weshalb der eigentliche Werth der böhmifchen Wollproduc— 
tion nicht genau angegeben, aber auf mehr als 50,000 Gent: 
ner gefchäzt werden kann. | 

Die Schweine, Ziegen: und Federviehzucht 
verdienen nur deshalb Erwähnung, weil deren Production 
nicht nur zum Landesbedürfnig hinreichend ift, fondern 
davon auch in manchem Jahre bedeutende Quantitäten ins 
Ausland verführt werden. So wurden im J. 1825 73,709 
Stüf Schweine, die im weftlichen Theile von Böhmen, 
im taborer, budweifer und prachiner Kreife angezogen wer— 
den, und 7055 Gentner Gänfefedern ausgeführt. 

Die Teihfifcherei, der im 5.1789 132,634 Joche 


7435 Quadr. Kift., im J. 1825 aber 133,485 Joche 785 ° ' 


Quadr. Klft. (wovon 65,515 Joche 970 Quadr. Klft. mit 
Wieſen, 67,145 Joche 1373 Quadr. Klft. aber mit Aker 
verglichen werden,) zugeſchrieben ſind, iſt zwar nicht mehr 
ſo wichtig, als in früherer Zeit, aber noch ein bedeutender 
Zweig der Induſtrie, und liefert vorzüglich Kar pfen und 
Hechte nicht allein für das Landesbedürfniß, ſondern auch 
für das angränzende Oeſterreich und die Stadt Wien. 
Das Wildpret, welches in einigen Waldungen, 
größtentheils aber in eingefchloffenen IThiergärten, gehegt 
wird, und vorzüglich aus Hirfhen, Schweinen, Neben, 
Hafen, Enten, Rebhühnern, Schnepfen und Fafanen, 
beftept, wird nur erwähnt, weil deffen Verzehrung in 
Böhmen und der Nefidenzftadt Wien noch immer fehr be: 
deutend ift, und auch davon ind Ausland verführt wird. 
Böhmens Neichthum an Mineralien, von größter 
Mannigfaltigkeit, wird allgemein anerkannt; nicht fo be— 
fannt dürfte aber feyn, daß in Benüzung derfelben die 
Vorzeit übertroffen werde. Bei Vergleihung der Berg: 
production verfloffener Sahrhunderte mit der dermaligen 


21 


wird gewöhnlich nur ein einzelnes Product, Gold oder Gil- 
ber, ausgehoben, in Erinnerung gebracht, was der böhmifche 
Bergbau durch eine Neihe von Jahren lieferte, und anges 
führt: daß im vierzehnten Jahrhunderte bei Kuttenberg in 
80 Jahren 1,200,000 Mark, mithin in einem Jahre im Durch: 
fehnitte 15,000 Mark; zu Anfang des fechzehnten Jahrhun— 
derts bei Ellifchau 10,000 Mark; bei Nudolphitadt in 34 
Sahren 100,000 Mark, mithin in einem Jahre 5000 Marf; 
und bei Joachimsthal in 85 Jahren 1,500,000 Marf, mite 
bin in einem Sabre 17,700 Mark, Silber gewonnen wur- 
den. Ohne zu berüffichtigen, daß in jener Zeit der Bau 
auf Silber der einzige Gemwerbsbetrieb der bezeichneten Ge: 
genden war, und daß wegen geringer Preife aller Lebens- 
bedürfniffe, mit dem damaligen Werthe der Ausbeute einer 
mehrmal größern Zahl von Arbeitern Subfiftenz verfchafft 
werden Eonnte, als in der folgenden Zeit, in welcher der 
Werth edler Metalle fo fehr gefunfen, und dagegen die 
Preife anderer Bedürfniffe vielfach geftiegen, bedarf es 
nur der Bemerkung: daß Durch die Ueberſchwemmung Eu— 
ropa's mit amerifanifchem Golde und Silber nicht nur in 
Böhmen, fondern in ganz Europa für den Bergbau eine 
Kataftrophe eingetreten ift, die deffen Fortfezung nur ges 


-ftattete, wenn derfelbe von befondern Naturverhältniffen 


begünftigt, mit in früherer Zeit ganz unbefannten oder un- 
benüzten Hilfsmitteln betrieben, oder auf andere Gegen: 
fände gerichtet wurde. Nur in denjenigen Ländern Euro: 


pa's, wo man jene benüzte und diefe gehörig achtete, Fonnte 
ſich Bergbau auf edle Metalle erhalten. Dadurch, dag auch 
- in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Böhmen ein 
F bedeutender Bergbau auf Silber betrieben, und namentlich 


bei Sottesgab und Katharinaberg in den J. 1756 — 1761 


jährlich über 10,000 Mark Silbers ausgebeutet wurden, iſt 


wenigſtens dargethan, daß man in Böhmen in Benüzung 


dieſer Naturfchäze und zwefmäßiger Hilfsmittel nicht zurük— 


geblieben. Das die genannten Punkte aber nicht die ein— 


22 


zigen waren, fondern fortwährend auch an andern Orten 
Bergbau betrieben wurde, ift befannt, umd wird durch 
einen, bie Jahre 1782 — A801 umfaflenden, ämtlichen 
Ausweis, der bei den deutfchböhmifchen theils koönigli⸗ 
chen, theils gemerffchaftlichen Gruben des Erzgebirges 
gehabten Ausbeute bewiefen ; nach welchem in diefem Zeit: 
raume im Durchfchnitte jährlih: 5000 Mark Silber, 
1000 Gentner Blei, 100 Gentner Kupfer, 5 Gentner 
Wismuth, 100 Gentner Arfenif, 1700 Gentner Zinn, 
50 Centner Braunftein, 1500 Gentner Gift: und Farb: 
fobalt, 1300 Gentner Alaun, 900 Gentner Schwefel, 
und über 3000 Gentner Vitriol, allein in diefem den 
Eleinften Theil von Böhmen begreifenden Gebirge, ges 
wonnen wurde. Was zu jener Zeit an andern ebenfalls 
Bergbau treibenden Orten, und was insbefondere an Ei— 
fen und Schwefelverbindungen gewontten wurde, darüber 
fonnte Feine genügende Auskunft erlangt werden. Daß 
in früheren Jahrhunderten von den hier genannten Pro— 
ducten alle oder einige auch gewonnen wurden, iſt nicht 


Die Erzeugung be 






1825, im’ 










ine. f. Werfen, 
und von Privaten 
eingelöfet. 


im deutſchböh⸗ 
mifchen Erz: 
gebirge. 








Mark. |Loth. Mn ine, u. Ei. — 






VRR ID 1; 4 sale, 
Silber, in Joachims— 
»  Pribram. . 






2176 8 | 1407| 3 
— — 112148| 6 1 ls 







25 


zu bezweifeln, aber mit Recht, daß die ganze Berg: 
production jemals fo bedeutend gemwefen fey, ald am 
Schluß des erften Viertels diefes Jahrhunderts, im 
Sabre 1825. Der Mangel beftimmter Nachrichten über 
den Umfang und ganzen Betrag der vormaligen Berg— 
produetion nöthigt, fich damit zu begnügen: den Werth 
der dermaligen neben den der vormaligen Gilberproducz 
tion zu ftellen. Wenn jene unverbürgten Angaben, daß 
im fechzehnten Sahrhundert die Ausbeute an Silber zu 
Elifchau 10,000, zu NRudolphftadt 3000, und zu Joa— 
chimsthal 17,700 Mark in einem Sahre betragen habe, 
als richtig angenommen werden, und auch, daß noch an 
mehr andern Orten auf Gilber eben fo glüklich gebaut 
und überhaupt 40,000 Mark in manchem Jahre gewon— 
nen worden fey: fo hätte der Werth derfelben, nach heuti— 
ger Schäzung, doch nur 944,000 fl. betragen, und es zeigt 
fih, daß nur der Werth der dermaligen Silberausbeute, 
Feineswegs aber der Werth der ganzen dermaligen Berg— 
und Hüttenproduction gegen die Vorzeit zurükbleibe, 


trug, im Sabre 





ganzen Lande 


— ee en a ge van —— 





von Privat: Geldwerth 
überhaupt. in ' 

Gewerfen. Eonv. Münz. 
j EEE ñ — — 
Mark. Lth. | Qit.| d. J Mark. Lth. Qtl. d. fl. | Er. 
Ei — 5l a5] 1] 2 4442 | 45 

j 44 

od Aa Ir }lızoso 11l— | 51 322,865 | 54 


Die Erzeugungbe 





1825, im 
TEE EEE TSETEREEEEREN — 
in k. k. Werfen, 


und von Privaten 
eingelöſet. 






im deutſchböh⸗ 
miſchen Erz⸗ 
gebirge. 











Centner. | Pf. | Centner. 






















Stein: u. Braunkohlen 






| 

Goldquarze*). . m 350 1 — 
Dlei . 42 | 60 _ — 
Bleierz, ſilberhalt.r 8 — — I 32,599 21 

» ohne Silber⸗ 

gehalt ; — — 4744 65 

Dleiglätte. . .. — — 1 10,904 50 
NUDE . 5 ,% 10 | 98 wu — 
Kupfervitriol. .. 577 | 25 _ — 
Wismuth. ls 55 | 49 _ — 
Arſenik.. hing 156 | 25 — — 
Zinn. .11106664 54 1 45%, 
Braunſtein . . 60 | — — — 
Gift- und FarbEobalt 2327 | 86 44 3 
Eifenftein. . .„ .]14,055 | 56 — — 
Eifen, rohes. 1 9773 385 — — 

„ Buß: . . D e-- — en ur 

» Schmiede: — — — — 
Bann |, — — — — 
Blech, ſchwarzes und 
veißhe — — * + 
Schwefel . . . 4149 | 98 — — 
Bitriolund®. Stein — | — — — 
Bitrolo — — — 
Schmefelfäure . = e 
2 »tası 1.7 VE Pr — 
An 1715 | 20 — 


*) Mit enthaltenden 4 Mark, 10 Loth, 1 Quentchen, 2 
x**) Mit darin enthaltenen 13,232 Mark, 5 Loth Silber, und 


" 


25 


trug,stim Sabre 





ganzen Lande 
ne nn u na nz ——— 


son Privat: Geldwerth 
überhaupt. i 
Gewerken. Conv. Münz. 


m—— — Er Eule EZ —— TEEN Eger —— — — 
Centner. Pfund. Eentner. |Prund.| fl. 
4 





N In 
324,508 | 9 24,508 | 9 
5010 | — 6510 | — — — 
— — 52,599 | 21 — _ 
13,310 | 40 18,022 1 5 441,173 | 21 
— — 10,904 | 50 125,596 | — 
1090 | 11%, 144 | 56% 56,241 | 19 
74 — 74 — 29 | 36 
152 | 70 173 | 75 1925 | 51 
83,700 | — 83,700 | — — — 
156,991 | 80 156,991 | 80 — — 
38,564 | 63 38,561 | 63 165,725 | 41 
104,757 | 10 104,757 I 10 789,546 | 26 
207 | 50 207 | 50 2075 | — 
1635 | — 16355 | — 63,498 | 12 
2425 | 65 2425 | 65 58,265 | 39 
39,835 | 91 39,855 | 91 164,605 | 37 
5455 | 58 5455 | 58 91,062 | 16 
1800 | — 1800 | — 21,600 | — 
2334| — 2341 — } 702 | — 
853145 855 | 15 5118 | — 
1,504,784 | 79 | 1,504,784 | 79 165,073 | 21 
2,154,141 | 58 


Denar Gold. 
14,168 Centner so Pfund Blei. 


26 


Die dermalige Ausbeute an Gold ift freilich unbe: 
deutend und nur Beweis eines fortdauernden Strebens, 
diefe Erwerbsquelle nicht verfiegen zu laffen. Es ift in- 
deffen Hoffnung, dag, nach Meberwindung natürlicher 
Hinderniffe, der bei Eule und Bergreichenftein fortdau— 
ernde Goldbergbau wieder Iohnend und bedeutend werden 
dürfte. 

Sn Silber zeichnet ſich in neuerer Zeit Pribram 
fhon mehrere Jahre mit reicher Ausbeute aus, erfcheint 
bedeutender als die ergiebigfte Grube in Sachſen, der Him— 
melsfürft, und läßt nach den bereits getroffenen Vorkeh— 
rungen ein noch höheres Steigen hoffen. 

Bedeutend ift die Gewinnung der Bleierze, ſowohl 
folcher, deren Gehalt an Silber fo reich, daß die Ausfchei- 
dung desfelben vortheilhaft ift, als auch folcher, deren 
Silbergehalt zwar nicht unbedeutend, die Ausfcherdung 
jedoch nicht lohnend ift. Von diefem wird der größte 
Theil im Inlande, bedeutend aber auch ind Ausland ab: 
geſezt. 

Auf Kobalt, Kupfer, Wismuth, Arſenik 
und Braunſtein, wird wegen ihres geringen, die Bau— 
foften allein nicht defenden Werthes, Fein eigener Berg- 
bau mehr betrieben; erfterer wird nur mit Gilbererzen ge- 
wonnen, und Ieztere als Nebenproduete nicht befonders 
geachtet. 

Der Bau auf Zinn ift für Rechnung des Nerariums 
beinahe ganz aufgegeben; die Benüzung der reichen Gru— 
ben bei Schlafenwald und Schönfeld ift fogenannten Eigen- 
löhnern überlaffen, die diefe Production, fo wie die am 
Erzgebirge noch beftehenden Privat Gewerffchaften, mit 
wenig Muth und nur gering lohnend fortfezen, weil der 
Preis diefes Metalls, durch die in Sachfen und England 
unter weit günftigern Verhältniſſen beftehenden Gewerk— 
fchaften, äußerft herabgedrüft ift. 


27 


Durch Eifen, Schwefel, und die aus Verbin: 
dungen des Schwefels beftehenden Säuren und Salze hat 
in der neueften Zeit die böhmifche Berg» und Hüttenpro- 
duction eine größere Wichtigkeit als jemals erhalten; 
fie erfezen reichlich den Abgang, den diefelbe durch die 
Derminderung des Baued auf Gold und Silber erlit- 
ten bat. 

Daß die Eifenerzeugung aud in frühern Jahr: 
hunderten in Böhmen bedeutend war, ift gewiß, deren 
Betrag aber nicht nachzumeifen. Daß diefelbe in neuefter 
Zeit geftiegen, zeigen ämtlihe Ausweife, nach welchen an 
Guß- und Schmiedeeifen 
* im Jahre 1810 111,571 Centner, 

» » 1815 125,565  » 

3... 41820 414,305 

„„1828 143,118 5 
erzeugt worden find. 

Aus den in mehreren Gegenden vorhandenen mächtt- 
gen Lagern von Schmwefelfiefen, wurde durch meh: 
tere Sahre viel Schwefel gefchieden, und die Rüfftände 
zur Darftellung von Vitriol und Vitriolfäure benüzt. Das 
Vorkommen von mächtigen Stein: und Braunfohlenlagern 
in der Nähe mehrerer Schwefelfieslager erleichtert und 
begünftigt diefe Production ungemein, und es ift noch 
große Steigerung derfelben zu hoffen; wozu der durch 
die Elbefchifffahrt erleichterte Abfaz dieſer Producte ins 
Ausland befonders auffordert. Mit Bearbeitung diefer 
Gegenitände allein wurden im 5. 1825 3588 Perfonen be: 
ſchäftigt. 

Die Gewinnung von Stein: und Braunkohlen 
war zwar im Anfang diefes Jahrhunderts ſchon bedeutend, 
doch weniger als dermalen. Durch das Steigen der Holze 
preife wurde deren Benüzung vermehrt, weniger jedoch in 
Hauspaltungen, als bei manchem Gemwerböbetriebe. 


28 


Es wurden 


| 1819 ERRE TEEN SE AS 


ausgebeutet Arbeiter Arbeiter 
Centner. | beihäf-f Centner. | beihäf: 
ip ⏑ tigt. 
Steinkohlen . .| 901,117 1,037,415 | 844 
Draunkohlen. .| 594,498 467,571 | 610 








4,495,645 | 4424 | 1,501,784 | 1551 


deren Werth zu ] 542,918 fl. W.W.] 165,073fl. Ev. M. 
angegeben wurde. 


Wie viele Perfonen die ganze Berg- und die davon 
abhängige Hüttenproduction überhaupt befchäftige, iſt nicht 
genau befannt; es kann aber angenommen werden, Daß 
fieben bis. acht taufend Familien dabei Erwerb finden. 

"Auf die in allen Kreifen Böhmens vorhandenen 
Torfmoore, von der Größe einiger hundert Quadrat- 
Elaftern bis zu jener von mehreren taufend Jochen, wovon 
mehrere bisher weder gekannt noch benüzt wurden ; die 
Aequivalent von wenigftend fünfzig Millionen Klaftern 
Brennholz enthalten, wird erft in der neueften Zeit Be: 
dacht genommen. An mehreren Orten find bereits Anftalten 
zu deren Benüzung getroffen, und es ift zu hoffen, dag die- 
fer Brennftoff bald mehr gefchäzt und benüzt werden wird. 

Bon Böhmens unzählbaren PMineralquellen haben 
die Koriphäen ihren alten Ruf nicht nur erhalten, fondern 
vergrößert. Die Vermehrung der Wohnungen an den 
warmen Heilquellen zu Tepliz und Karlsbad, die Entites 
hung ganz neuer Colonien an denen zu Eger und Marien: 








29 
bad, der größere Zufluß von In- und. Ausländern an dies 
ſelben, find Beweife von dem Steigen und der Wichtig- 
feit diefer Quellen eines ausgedehnten Erwerbes; der da— 
durch nad) vermehrt wird, daß von Franzensbrunn, Ma: 
rienbad, Bilin, Püllna und Liebwerda, alljährlich große 
Duantitäten Mineralwaffer in alle erbländifchen Provinzen, 
und im 3. 1825 allein nad) dem Auslande 225,520 Fla- 
fhen, verfandt wurden. 

Die im nordweftlihen Böhmen in großen Lagern 
vorfommende Porzellanerde wurde zu Anfang diefes 
Sahrhunderts nur in einer Porzellan- und in drei Steine 
gutfabrifen benüzt; im J. 4825 aber wurde fie in fechs 
Porzellan- und ſechs Steingutfabrifen zu allerlei Geſchir— 
ren verarbeitet, und hiedurch über fünf hundert Perfonen 
Erwerb verfchafft. Die Producte derfelben zeichnen fich 
durch geſchmakvolle Formen und billige Preife aus, und 
finden im In- und Auslande guten Abfaz. 

Die Erzeugung von Hohl-, Fenſter- und Spie 
gelgläfern wurde im verfloffenen Jahrhundert und im 
Anfange des gegenwärtigen in mehreren Hütten als ders 
malen betrieben. An mehreren Orten mußte diefer Ge- 
werbsbetrieb einer vortheilhaftern Holzbenüzung weichen. 
Die Verwendung von Steinfohlen und Torf wurde dabei 
zwar verfucht, machte jedoch nur geringe Fortfchritte. In— 
deffen murden im J. 1825 doch noch 58 Glashütten unter- 
halten, und darin 574 eigentliche Glasmacher befchäftigt. 
Durch weitere Bearbeitung des Glafes, durchs Schlei⸗ 


fen, Schneiden, Poliren, Malen, Vergolden u. f. w., 


und durch die Verfertigung von Spiegeln, Luftern u. a. 
Artikel, wodurch der Werth des rohen Glafes vielfach ver 
mehrt wird, wurde 5521 Familien ein ziemlich lohnen— 
der Verdienſt. Nocd immer wird der größte Iheil der 


Öfterreichifehen Monarchie durch böhmifche Glaswaaren aller 


Art verforgt, und ins Ausland wurden im J. 1825 mehr 


als 50,000 Eentner verführt. 


50 


Mit weiterer Verarbeitung im Lande felbft gewon- 
nener oder aus andern Provinzen bezogener Metalle, Gold, 
Silber, Kupfer, Mefing, Zinn, Blei und Eifen befchäf- 
tigten fi im J. 1825 8266 Handwerker und Künfkler, 
Sie liefern Werkzeuge und Geräthe für alle Arten des 
Gewerbsbetriebes und die feinften Galanteriearbeiten, be— 
fonders Eifen = und Stahlwaaren, die auf den Märkten zu 
Wien, Peſth und Brünn, fo wie in den italienifchen Pro- 
vinzen, manche auch im Auslande reichlichen Abfaz finden. 

Die Bearbeitung des Flachſes zu allerlei Gemwe- 
ben, zu Zwirn, Spizen u. m., feit Sahrhunderten ein wid) 
tiger Erwerbszweig Böhmens, bat fi) auch in dieſem 
Sahrhunderte erhalten, aber mancherlei Störungen und 
große Schmälerung erlitten. Durch das im J. 1806 einge 
tretene und durch fieben Jahre beftandene Continentalfy- 
ftem, erlitt die deutfche Leinenerzeugung und der Vertrieb 
ihrer Producte im Auslande eine gewaltige Verminderung, 
und die böhmifche einen Stoß, der durch die Emiffion des 

Papiergeldes noch vermehrt wurde, indem die damals ab- 
gefezten Leinenwaaren den Verlegern mit weit weniger 
Perth vergütet wurden, als die Erzeugung gefoftet hatte, 
wodurch der größte Theil der Betriebscapitale verfchwand. 
Das Eontinentalfpftem zwang die an deutfche Leinwand ge- 
wöhnten Weftindier, Afrikaner,  Südamerifaner u. m., 
diefe Waare anderweitig herzuziehen, felbft zu erzeugen, 
oder fi) an die Baummollenwaaren, die England nebft 
fchottifchen Leinen überall hinführt, zu gewöhnen. Nach 
Wiederherftellung des Eontinentalfriedens zeigte fich zwar 
auch im Auslande wieder Begehr böhmifcher Leinenwaa- 
ven, doch bedeutend ſchwächer, und felbft in den dfterreicht- 
fehen Provinzen nicht mehr fo groß, als vormals, da aud) 
bier der Gebrauch baumwollener Stoffe zugenommen bat. 
Deshalb zeigt fich auch die im SG. 1801 mit dem Weben 
und Zurichten verfchiedener Leinenwaaren befchäftigte Zahl 
von 80,645 Perfonen, im J. 1825 auf 50,091 vermindert, 


31 


dagegen die hierunter nicht begriffene Zahl der Flachsſpin— 
ner noch durch diejenigen vermehrt, welche früher durch 
das Baummollfpinnen Erwerb fanden. 

Zu den Baummollengewerben murde ſchon 
unter der Negierung der Kaiferin Maria Therefia und des 
Kaifer Joſephs aufgemuntert, und deren ſchnelle Erhebung 
durch ein Verbot der Einfuhr aller baummollenen Fabri— 
Fate bewirft. Unter der Regierung Sr. Majeftät des jezi- 
gen Kaifers wurden jedoch erft große Gapitale dahin ver: 
wandt, diefes Gewerbe fehr erweitert, im ganzen Lande vers 
breitet, und die Zahl der dabei Befchäftigten ungemein ver: 
mehrt. So lange indeffen baummollene Waaren theurer als 
Leinen: und Wollenftoffe verblieben, brachte die Erweiterung 
der Baummollengewerbe feinen fühlbaren Nachtheil; Flachs— 
und Wollenfpinner und Weber gingen dazu über, fanden fie 
lohnender, und nicht allein die Gränzgegenden, fondern 
auch das Innere des Landes wurden damit angefüllt. Die 
fchnelle Vermehrung der Handfpinner, derer im J. 1785 
nur 9676, im J. 1788 ſchon 28,747, im $. 1792 34,548 
und im J. 1799 40,283 gezählt wurden, war noch nicht 
hinreichend, das Verlangen nah Baummollengarn zu bes 
friedigen; es mußten bedeutende Quantitäten Garn aus 
andern Provinzen und felbft aus der Schweiz bezogen wer- 
den, um die in allen Kreifen des Landes vermehrten Baum— 
wollenweber damit zu verfehen. Die Erfindung der Baum: 
wollfpinnmafchinen, deren fchnelle Vermehrung in England, 
und die Ueberſchwemmung des ganzen Continents mit dem 
beffern Producte der englifhen Mafchinen, führte zur er= 
ften Schmälerung Ddiefer Gewerbe. Die Handfpinnerei 
verfiegte zuerit und fo fehnell, daß im J. 1800 nur noch 
50,596 Individuen damit befhäftigt waren, und endlich 
fo weit, daß im J. 1825 nur 5394 Perfonen gezählt wer⸗ 
den, die Erwerb beim Spinnen der "Baummolle auf Ma 


ſchinen und-größtentheils nur an den Gränzen des Landes 


finden. Spinnmafchinen wurden in Böhmen zwar früher 


32 


als in mehreren andern deutfchen Ländern in Anwendung 
gebracht, und es erlangte diefes Gewerbe zur Zeit der 
Eontinentalfperre auch einige Bedeutung, jedoch nicht fo 
viel Stärke und Umfang, daß dadurch die Weberei hin 
reichend und mwohlfeil genug hätte verforgt werden fönnen. 
Die Erfindung der Mafchinenweberei, die Aufhebung der 
Eontinentalfperre und ein weiterer Verein nachtheiliger 
Umjtände, führten für alle Baummollengewerbe , insbes 
fondere aber für die Weberei, eine neue Kataftrophe ber: 
bei. Sie wurden in.die nachtheiligfte Concurrenz mit dem 
Andrange ausländifher Fabrifate verfezt, und faſt ganz 
auf die Gränzbewohner befchränft; da die zum Schuz der- 
felben in Ausübung ftehenden, aber nur unter den frühern 
Berhältniffen ausreichenden Anftalten, durch die fchlaueften 
Gegenmittel überboten wurden. euere zum Schuz der: 
felden ergriffene Maßregeln find zwar nicht ohne Erfolg, 
aber doch nicht hinreichend, dieſe Gewerbe zu derjeni- 
gen Ausdehnung zu bringen, deren fie bei dem großen Be— 
dürfniffe von Baumwollenwaaren aller Art, befonders in 
der Weberei, Färberet und Druferei in Böhmen fähig 
wären. Mit diefen befhäftigte Perfonen, wurden im J. 
1800 15,540, im 5. 1825 23,064, ohne viele Hilfsarbei- 
ter, gezählt. Bei diefen Gewerbszweigen find die neueften 
Erfindungen der Chemie und Mechanik fehr glüflich in An- 
wendung gebracht und ihre Producte fo weit verbeflert 
und verfchönert worden, daß fie den ausländiſchen Feines- 
wegs nachftehen; wegen Billigfeit der Preife werden fie 
in der ganzen Monarchie vorgezogen, und wegen ihrer 
Schönheit finden einige auch im Auslande Abfaz. 

| Andere vegetabilifche Stoffe, Holz, Stroh, Bat, 
Schilf, Wurzeln u. m. werden in allen Theilen des 
Landes bearbeitet, und daraus von mehr ald 2000 Fami- 
lien Haus: und Wirthfchaftsgeräthe, Geflechte, Siebe, 
Tifchler = und Drehslerwaaren verfertige, die auch im 
Auslande gefucht find. RT 


35 

Sn zwei Zuferraffinerien wurden im J. 1825 
mehr als fechzig Arbeiter unterhalten, über 25,000 Gentner ' 
Zukermehl verarbeitet, und dadurd mehreren hundert Fa— 
milien Erwerb verfchafft. An raffinirtem Zufer und Eyrup 
lieferten fie bereit3 mehr, als in Böhmen verbraucht wird; 
daher ein Theil in andere Provinzen verführt, und Die 
Einfuhr im Auslande vaffinirten Zufers im J. 1826 bis 
auf 1752 Gentner vermindert wurde. 

Die Wollengewerbe waren im verfloffenen Jahr: 
hunderte die wichtigiten in Böhmen, durch die Zeitums 
ftände fehr begünftigt, und hatten bedeutenden Abfaz im In— 
und Auslande. Diefer und der weit größere Abſaz im 
Inlande erhielt ſich auch durch die Kriegsjahre und belebte 
vorzüglich den Gewerbsbetrieb vieler Ctädte. Im J. 1800 
befchäftigten diefelben über 70,000 Handfpinner und 22,756 
Perfonen durch Wehen, Streifen, Färben und Appretiren. 
Auch diefe Gewerbe haben in neuerer Zeit durch Einfüh- 
rung der Spinnmafchinen für Krampelwollproducte und 
durch andere ungünjtige Umjtände, befonders durch verz 
minderten Abfaz nah Rußland und Polen, Schmälerung 
erlitten, fo weit, daß im J. 1825 nur noch 48,145 Per: 
fonen duch Spinnen und 15,730 durch das Weben und 
Appretiren der verſchiedenſten Wollenwaaren ihren Un— 


 terhalt fanden. Durch Benüzung der neueften Forte 


fehritte in den Verfahrungsarten find deren Producte weit 
beffer, als vormals, und finden in Stalien und andern 


Provinzen der Monarchie, auch in der Levante noch im— 


| mer Abfaz. 


ey = 


Die Seidenmanufacturen wurden durch Die 
Kaiferin Maria Iherefia fehr aufgemuntert und begünftigt, 
und vermehrten fich dergeftalt, daß im J. 1785 497, im}. 
1792. 4640 Perfonen mit Weben, Färben und Zurichten 
feidener Zeuge und Bänder Erwerb fanden. Noch im J. 


4800 wurden deren über 4500, im 5. 4825 aber nur 520 


gezählt. Die ſehr bedeutenden Seidenfabrifen in Wien 
5 


54 


und in den italtenifhen Provinzen, haben diefen Indus 
ffriezweig Böhmens herabgedrüft. 

Mit Bearbeitung mancherlei thierifcher Stoffe, Häu- 
te, Haare, Hörner, Knochen, Federn m a, 
wobei im J. 1785 nur 2775 Perfonen gezählt wurden, 
fanden fih im 3. 1825 4411 Familien befchäftigt, die Le— 
der, Hüte, Bürften, mancherlei Drechslerwaaren u. a. 
Artikel darjtellen, wovon bedeutende Quantitäten nach an— 
dern Provinzen, einige auch ind Ausland verführt werden. 

Künftler und Handwerker, die allerlei mecha— 
nifche, mufifalifhe u. a. Inftrumente, Werkzeuge und 
Hilfsmittel für andere Gemwerbtreibende verfertigen und 
mancherlei Landesproducte veredeln, wurden im 5. 1800 
1587, im $. 1825 1756 gezählt. Muſikaliſche Inſtru— 
mente aller Art finden im Auslande Abfaz. 

Diefe nur fizzirte Darftellung der Gewerbsinduftrie 
Böhmens, mobei eine Aufzählung der einzelnen Gewerbe 
ermüden würde, dürfte zeigen, daß wenn das Landesbe- 
dürfnig auch nicht in allen Gewerbsartifeln durch eigene 
Arbeit befriedigt wird, die wichtigften doch nicht mangeln, 
und die fehlenden von der Art find, daß fie aus andern 
Provinzen der Monarchie in einem vortheilhaften Tauſch— 
Handel zu beziehen find; daß es dagegen weit mehrere Ge— 
werbsproductionen gebe, die einen wichtigen Activhandel 
mit den übrigen Provinzen der Monarchie begründen, und 
auch manche, die zur Ansgleichung für die aus dem Aus⸗ 
lande erforderlichen Artikel dienen. Ob der Werth frem⸗ 
der und ausländifcher Artikel damit genau ausgeglichen 
oder überwogen, und in welhem Maße Böhmen dadurd 
bereichert werde, könnte nur durch ein tiefes Eingreifen 
der Staatsverwaltung in den Privatverkehr ansgemittelt 
werden, welches diefelbe mit großer Liberalität vermeidet. 
Deshalb können auch Verſuche ſolcher Schäzungen auf fein 
befonderes Vertrauen Anfpruch machen. 





35 


— Daß der Gewerbftand in Böhmen in der Iezten 
Zeit nicht in der Intelligenz zurüfgeblieben fey, fondern 
vielmehr bedeutende Fortfchritte gemacht, und die neueften 
Entdefungen des In- und Auslandes benüzt habe, zeigt 
die Vervollkommnung mehrerer Artikel auf einen Grad, 
der im Auslande noch nicht erreicht werden Fonnte. Vor— 
urtheilsfreie Ausländer haben anerkannt, dag böhmifche 
Glas: , Eifen = und mehrere Baumwollenwaaren, ähnliche 
ausländifche Producte übertreffen. Ein gleicher Vorzug 
mürde fehon mehreren Gewerben zu Theil geworden feyn, 
wenn nicht ein Verein von Umftänden die Concurrenz in 
den Preifen mit den Ausländern unmöglich machte, und 
den zu Gewerbsverbefferungen erforderlichen Aufwand ge— 
fährdete. 

Wird das Entftehen, das Fortfchreiten und der tem 
poräre Zuftand mehrerer Gewerbe in Böhmen mit Sach: 
kenntniß betrachtet, fo iſt nicht zu verfennen, daß darauf 
außer der Intelligenz der Bewohner, das vor einigen und 
‚vierzig Jahren (durch die allgemeine Zollordnung vom 2. 
Januar 1788) eingeführte Verbot des Handels mit meh— 
reren ausländifchen Gemwerbsproducten, wobei jedoch der 
Verbrauch, gegen Entrichtung von fechzig u. m. Procent 
Zoll, geftattet geblieben, und deifen mehr oder weniger 
wirkſame Aufrechterhaltung, den größten Einfluß hatte, 
und mehrere jezt fehr bedeutende Gewerbe erft feit jener 
Zeit entftanden find. Und wenn ohne Vorliebe für gewiffe 
moderne Handelömarimen geurtheilt wird, fo muß einges 
fanden werden, daß in Böhmen die Gemwerbsinduftrie 
nicht allein, fondern auch der Akerbau vor dem bezeichnes 
ten Seitpunfte auf einer fehr niedrigen Stufe ftanden, und 
feine Gründe vorhanden find, nach melden anzunehmen 
wäre, daß derfelbe nicht auch noch darauf ftehen würde, 
wenn die Staatsverwaltung die Befolgung einfeitiger 
Grundfäze ftaatswirthfchaftlicher Schriftfteller und. der, 


alle unbequemen Anforderungen einer mit Rechtsgrundſa— 
3* 


56 


zen vereinbarten Staatswirthſchaft befeitigenden , Zauber: 
formel: Man müſſe die eigene Erzeugung unterlaffen oder 
wieder aufgeben, wenn man anderwärts wohlfeiler kaufen 
könne, — der Gorge für nüzlihe Befchäftigung und Er: 
haltung des größten Theils der Bevölkerung vorgezogen 
hätte. ' 
Daß in der dfterreichifehen Monarchie keineswegs das 
ausgedehntefte Propibitivfpftem beftehe, zeigt die geftattete 
Einfuhr der erften Bedürfniffe, wie Getreide, Schlacht: 
vieh u. dv. a. Artikel, die weder ganz verboten, noch mit 
hohen Zöllen belegt find. Daß jezt aber am wenigften der 
Zeitpunkt zum Nachlaffen der beftehenden Mafregeln fey, 
wo in andern Staaten, befonders in folchen, wohin meh— 
rere unferer Snduftrieproducte vormals bedeutenden Abfaz 
fanden, neue und verftärfte Beſchränkungen eingeführt 
werden, muß auch dem einfachten Verftande einleuchtenz . 
wenm nicht gefordert wird, daß dadurch die Noth der be= 
reits gefcehmälerten Gewerbe auch auf andere übertragen 
werde. 

Böhmens phyſiſche und politifche Lage ıft von der 
Art, daß ohne Befchränfung der Handelsfreiheit mit aus: 
ländifchen Gewerbsprodücten, weder fein dermaliger Wohl: 
ftand noch die Ernährung feiner zahlreichen Bevölkerung 
gefichert wären. Böhmen ift meift von getreidereichen und 
in dem Landbau fortfehreitenden Ländern umringt, und 
feine fruchtbarften Gegenden befinden fich mehr in dem 
nördlichen Theile, wo die Elbe die wohlfeilfte Ausfuhrs— 
ftraße darbietet. Die Getreidepreife find aber in ganz 
Morddeutfchland fo niedrig, und es findet fich in den nord» 
deutfchen Häfen fo viel Eoncurrenz von ruffifchen, polni— 
fhen, däniſchen und meflenburgifchen Getreide, daß der 
ansländifche Abfaz des böhmifchen Getreides in den mei— 
ften Fällen auf einen Theil des ſächſiſchen Erz= und des 
ſchleſiſchen Sudetengebirges beſchrankt iſt; und fehr oft 
kann der böhmifche Antheil des Niefengebirges wohlfeiler 


57 


aus Schleſien, ald aus dem böhmifchen Inlande mit Ge: 
treide verforgt werden. Sollte diefe Speculation auch nicht 
immer Gewinn abgeworfen haben, fo beweist fie doch, daß 
auf vortheilhafte Getreideausfuhr nur unter fehr bes 
fchränften Umftänden, alfo nie mit einiger Sicherheit zu 
rechnen ſey, und am wenigiten nach der neueften englifchen 
Berordnung über den freien Getreidehandel, da nad) 
derfelben, Verführung des Getreides aus Böhmen nad 
England nur dann zuläffig erfcheint, wenn der englifche 
Einfuhrzoll vom Weizen über Hundert Procent feines 
Mreifes in Böhmen beträgt. Die Meinung: Böhmen fey 
ein blos für den Akerban geeignetes Land, es bedürfe nicht 
fo viel Gewerbe, dem Akerbau würden dadurch nur die 
Arbeiter entzogen, — kann daher nur Mangel an Kennt: 
niß feines Zuftandes und feiner vor= und dermaligen Ber: 
bältniffe ausfprechen. In feinem europätfchen Lande wird 
die Wahrheit des ſtaatswirthſchaftlichen Sazes deutlicher 
und durch neuere Erfahrungen beftätigt: Erhöhte Urpro= 
duction und Vermehrung der damit befchäftigten Bevölke— 
rung, ift nur durch einen angemeffenen Gewerbaftand mög— 
lich und nur durch) diefen gefichert. Die Erhaltung des Ge: 
mwerbsftandes, und zu deſſen Eicherung die Befchränfung 
der Einfuhr und das Verbot des Handels mander Ges 
werbsproducte des Auslandes, ift für Böhmen mehr als 
für jede andere Provinz der öfterreichifchen Monarchie, die 
wohlthätigfte Maßregel, deren Aufgebung gänzliche Ver: 
armung des größten Theils feiner Bewohner unmittelbar 
zur Zolge haben müßte; da fehon die, durch äußerſt nie 
drige Preife ausländifcher Baummwollenwaaren in neuerer 
Zeit veranlaßte, Umgehung diefer Maßregel, den Verluſt 
großer Capitale, die früher auf folche gegen auswärtige 
Eoneurrenz gefchäzte Gewerbsanftalten verwendet wurden, 
zur Folge hatte, und auch dem Grundbefizer fehr fühlbare 
Wunden gefchlagen hat, 


EIS) 


Wenn Böhmen bei feinen Naturfchäzen durch Befol- 
gung jener Handelsmarime: alles im Auslande zu Faufen, 
was es wohlfeiler liefert, und ihm alles zu verkaufen, 
was ihm wohlfeiler geliefert werden kann, auch nicht in 
wenig Jahren dahin gelangen follte, fo viel gefauft und 
verfauft zu haben, daß ihm Feine Mittel zum fernern Kau⸗ 
fen und Verkaufen erübrigen: fo kann diefer Zeitpunkt doc) 
weder unendlich entfernt, noch deffen Eintritt ald unmög- 
lich gedacht werden; derfelbe liegt für ganz Europa viel- 
Veicht näher, ald moderne Staatswirthe glauben. 

Diefe Maßregeln werden vielleicht in feinem Staate 
mit mehr Liberalität für die Confumenten, als in dem 
dfterreichifcehen ausgeübt. Wenn dadurch einem andern 
jtaatswirthfchaftlichen Momente, dem Handel einige Be- 
fhränfung auferlegt worden, fo Fünnte Dadurch doch nur 
in dem Falle abfoluter Nachtheil erwachfen, wenn die Bei— 
fhaffung ganz unentbehrlicher Bedürfniffe, oder die zu 
deren Darftellung erforderlichen Gewerbsmaterialien, be 
fonders beläftigt oder ganz verhindert wären. Billige For: 
derungen der Confumenten find fo weit geachtet, daß ge: 
gen mäßigen Zoll viele ausländifche Gewerbsproducte ein- 
geführt werden dürfen, die bei minderer Begünftigung der 
Eonfumenten im Lande erzeugt werden könnten. Wenn 
jedoch das Streben zahlreicher Gewerbsclaffen, denen anz 
dere Wege des Ausfommens verfchloffen find, die aber 
fehr bedeutende Beiträge zu den Staatshbedürfniffen liefern, 
“und die bedeutenden Gewerbscapitalien, welche ohne dieſen 
Schuz für die Nation ganz verloren gingen, mehr geach— 
tet werden, als die zarten Beforgniffe Einzelner, daß die 
Eonfumenten manchen Artikel um einige Procente theurer, 
als im Auslande zahlen müßten: fo Fann weder der Men: 
fehenfreund, noch der die Rechte aller Staatsbürger berüf- 
fihtigende Staatswirth, in dem Mangel einer abfoluten 
Handelsfreiheit befondern Nachtheil auffinden. 








59 


Da Böhmen fhon wegen feiner phyſiſchen Lage für 
einen ausgebreiteten Zwiſchenhandel nicht befonders 
geeignet ift, und der befchränfte Reichthum feiner Bewoh— 
ner hierauf nicht fo vortheilhaft, als auf andere Erwerbs: 
zweige verwendet werben kann: fo ift ed damit auch größ— 
tentheils auf den Tranfito einiger Producte des füdlichen 
und füdöftlichen Europa’s befchränft, und e8 muß der wich- 
tigfte Theil des Handels in Böhmen fih auf die Gegen— 
ftände eigener Production und Conſumtion beziehen. Hierin 
genießt derfelbe aber alle mit andern Staatsrüffichten vera 
einbarte Freiheit. 

Das Sammeln landwirthfchaftlicher Producte in klei— 
nen zu größern Quantitäten, wird größtentheild durch die 
zahlreichen Sfraeliten mit nur Eleinen Gapitalien, nicht 
felten höchſt mühfam und mit geringem Handelögewinn 
betrieben, und fie werden von diefen entweder an die Ge— 
werbtreibenden oder Eonfumenten, oder an den mit größern 
Sapitalien verfehenen Handelöftand überlaffen. Go viel 
‚gegen diefe Vermittelung der Production mit der Confume 
tion eingewendet werden kann, bei welcher Bevortheilung 
nicht zu verhindern ift, fo. ift diefelbe doch auch dadurch 
nüzlih, daß mancher Gegenftand vom Untergange oder 
nuzlofer Verwendung gerettet, im Werthe zum Vortheile 
der Producenten erhöhet, und dem Landwirtbe die Zeit 
zur Verführung unbedeutender Quantitäten auf die Märkte 
der Städte erfpart, und überhaupt mit geringen Unfo- 
ften geführt wird. Der Großhandel mit Landesproducz 
ten ift gar feiner Befchränfung unterworfen; jeder Staats— 
bürger ift zue Verwendung feiner Capitalien in demfelben 
befugt. 

Der Vertrieb von Gemwerbsproducten wird im In— 
lande, theild von den Bewohnern der Städte, Märkte 
und Fleken, durch Selbfterzeuger ganz unbefchränft, in 
größern Quantitäten aber vorzüglich durch den Fabriks— 
und Handelsitand, beim Befuche der Märkte zu Pilfen, 


40 


Prag, Linz, Wien, Perth, und auch durch mehrere böh— 
mifhe Fabriks- und Handelscommanditen in Stalten wa, 
Provinzen vermittelt. Diefer Verkehr hat wegen der aus: 
gebreiteten Gonfumtion böhmifcher Gewerbsproducte in 
allen Provinzen der Monarchie die größte Bedentung, 
und wird noch dadurch vermehrt, daß auf den genannten 
Pläzen auch ein großer Theil des Abfazes ins Ausland, 
befonders in die Levante, bewirft wird. Da derfelbe 
allen Producenten freigelaffen, und durch Feine Smifchen- 
zölle an den Gränzen der’ öfterreichifchen Provinzen bes 
fehränft ift, fo ift der Umfang desfelben nur im Allge— 
meinen als fehr bedeutend, befonderd in Eifen-, 
Leinen, Baummollen = und Wollenwaaren zu bezeichnen, 
nach dem eigentlichen Werthöbetrage aber nicht zu fchäzen. 

Außer den auf dem bezeichneten Wege ins Au 
land gelangenden böhmifchen Induſtrieproducten, wird 
ein großer Theil derfelben, befonders Glas—, Leinen und 
Wollenwaaren, fowohl durch die Erzeuger felbft, vorzüg— 
lich aber durch den Handelöitand auf ausländifche Markt 
und Handelspläge, für eigene Nechnung verführt. Nicht 
nur in Europa, fondern auch in Aften und Amerifa bes 
ftehen in diefer Abfiht böhmifche Handelshäufer, deren 
Stämme, ihren Siz vorzüglich im leitmerizer Kreife ha— 
bend, ihre Zweige nicht felten über mehrere Welttheile 
verbreitend, durch die ihnen zufließenden Nemeffen die 
böhmifhe Induſtrie fortwährend und um fo nüzlicher be— 
leben, da diefelben, wenn in einem oder dem andern 
Lande zeitweilig Hinderniffe des Abfazes unferer Pros 
ducte eintreten, bald neue Auswege dafür aufzufinden 
wiffen. Es bedarf nicht der Anführung von Umftänden, 
die den Handel aller Länder und MWelttheile im Laufe 
diefes Jahrhunderts fo fehr erfchütterten, fie find befannt 
und auch, daß dadurch der Handel mit böhmifchen Indu— 
jfrieproducten im Auslande fehr große und nachtheilige 
Störungen erlitt. So lange diefe nur zeitweilig zu ſeyn 


Fir 





Ai 


ſchienen, und die mehrmal erneuerten Kriege eine unges 
zügelte Gonfumtion aller Gewerbsproducte im Inlande 
veranlaßten, waren fie im Ganzen weniger fühlbar, als 
nach Beendigung des Krieges. Weit fühlbarer find die- 
felden durch die prohibitiven Maßregeln geworden, die 
mehrere fremde Negierungen zur Erhebung der Gewerbes 
induftrie ihrer Unterthanen ergriffen haben. Die Urſa— 
hen find überall deutlicher fihhtbar und dringender gewor— 
den, die es nothwendig machen, die Fräftigiten Mittel anz 
zuwenden, wodurd die Production für die eigene Conſum— 
tion begünftigt und dem Bedürfniß entfprechend werde. 
Dei einzelnen unferer Gewerbsproducte fcheinen zwar jene 
vom Krieg unmittelbar ausgegangenen Umftände nur zeit- 
weilige Störungen und Stokungen des Abfazes herbeiges 
führt zu haben, indem z. B. der Abfaz des Glafes ins 
Ausland fich wieder fehr gehoben hat und zu glauben ift, 
dag Böhmen in diefem Artikel feine ganz eigenthümliche 
und durch Jahrhunderte behauptete Superiorität nicht bald 
verlieren werde; aber von allen Producten find gleiche 
Vollkommenheit, Vorzüge und Eigenthümlichkeit nicht zu 
behaupten, noch ‚weniger iſt mit. Grund zu vermuthen, 
daß die prohibitiven Maßregeln in andern Staaten wieder 
aufgegeben werden dürften, bevor die Kunftfertigfeit zu dem 
Grade gefteigert ift, der mehrere böhmifche Productionen 
auszeichnet. Die folgende Angabe der wichtigften Artikel 
diefes Verfehrs gewährt, bei Uebergehung unbedeutender 
Artikel, zwar nur eine unvollfommene Ueberfiht, dürfte 
aber doch als Stoff zu deffen Würdigung dienen. 


42 


Es betrug die 





Bergwerks- u. a. Mineralproducten ; 

als: Alaun, Bleiglanz, Graphit, 

Schmalte, Schwefel, Vitriol und 

RtIDIDL ., . . — 5 ,, Bencner 5890 
Steinfoblen . » » 2 2. Meen 17,941 
Mineralwmaflr . .» 2. Flafchen 25,259 


Eifen und verfchiedene Eifenwaaren Etr. 6653 
und für . . I ch fl. 22,543 
Metallmaaren aller Art 2 nn a 95 
une. mie. 117% mm, fl. 6794 
Porzellan und Fayence —— fl. 7108 
Brenn, Bau: und Nuzholz .. fl. 94,453 
Pech, Theer, Feuerſchwamm und Pot: 

2 A ae 5917 
a al Be 1a a 8209 
und für . . fl. | 1,675,570 
Butter, Als Sqhmalz, Feder, 

Fleiſch ꝛc an ae a Ctr. 3292 
Schafwole > —— an 5452 
Getreide aller Art. vn... "Mezen _ 
Kreefaamen IH ee 466 
Eeinſagamen eh 3829 


WDDRIEN. ». ne BEN RN 17,625 
Obſt, frifhes . . Au für fl. 78,715 
* gedörrtes, Nüſſe und Sulzen Etr. 6524 
Holze, Drechsler:, Tifchler: und anz 
Be Baar eine ie fl. 238,529 
Leinenwaaren . .., Eir. 55,250 | 
eg fl. 42,258 
MWollenwaaren . » re Ne 5006 
Der blos auslandifche Gegenſtände der Eon: 
fumtion betreffende Handel, ift, da die wichtigften Con— 
fumtionsartifel im Lande feldit erzeugt werden, und des— 
halb die gleichen ausländifihen außer Handel gefezt find, 
nicht von großer Bedeutung, nur hinfichtlich der als Ges 
werbömatertalien dienenden von Wichtigkeit und einer nä— 





43 


Ausfuhr, im Jahre 






























































































6514 5270 11,556 11,763 
18,345 20,600 4550 1129 
35,205 61,813 176,350 225,320 
12,992 70,520 8685 12,530 
48,590 30,907 17,243 47,199 

in 4 218 202 
25,400 23,250 1518 497 
17,688 13,340 7435 8227 
99,035 82,172 56,319 215,703 

1551 1594 1805 4585 
16,716 29,692 9806 23,780 

144,964 186,504 90,010 214,857 

3794 5204 8295 4589 
10,036 8665 23,408 35,901 
— 4064 557,584 405,427 

213 173 2941 418,206 

4352 1492 2080 4404 

20,978 16,020 7062 11,992 
166,576 75,002 27,912 46,900 
6020 8442 6952 14,559 
145,669 108,790 66,402 62,545 
6364 15,236 4873 9526 
- 61,682 42,600 3664 52,488 
7848 8297 2924 1957 





bern Betrachtung werth. Sogenannte Colonialproducte 
werden bei den meiften Handelsconjuncturen am vortheil- 
hafteſten aus nördlichen Handelspläzen,, vorzüglich von 
Hamburg und London , folche hingegen, die vorzüglich 
durch den nordamerifanifchen Handel nad) Europa gelan- 
gen, gewöhnlich wohlfeiler aus Trieft, nach Böhmen be: 


ah 


zogen. Der Bezug aus dem Norden ift durch die Elbe: 
ſchifffahrt feit einigen Jahren nicht nur erfeichtert und ver: 
kürzt, fondern auch bedeutend wohlfeiler geworden. Le— 
vantifche Producte Eommen größtentheils über Trieſt, ein 
Theil derfelben auch über Ungarn und Galizien. Im Fol- 
genden werden die Hauptgegenftände dieſes Handels be- 
zeichnet; wovon aber viele Gewerbsmaterialien,: Gegen: 
fände des Abfazes in andere Provinzen und ind Ausland, 
dem eigentlichen Paſſivhandel Böhmens nicht zuzurechnen 
find. 


Es wurden eingeführt, im Jahre 





| 1505 | ısıo | 1815 | 1820 | 1525 





Arfenit. . „ 3560 263 315] 508] 226 
Baumwolle, 
 % 219| 1413531 
Baummwollengarn 
Etr. 2452 2670 
Dleizufr . „ 125 778 
Draunftein. 5 73 161 
Bücher... 255 234 
Gaffe . . 3651| 13,004 
Garden oder We⸗ 
berdiſteln. Etr.| 235 : 2ı2l 656] 716 


752| 3247| 6580 


44) 1525| 2170 
744 8389| 1205 
448] 209| 495 
484 545 459 


Maun . . Er. 558] 3788 9481 580] . 549 
8505| 4446| 6677 


Gitronen und Po— 

meranzen . Etr.] 3856] 12653 

Cochenille . „ 46 — 

Särberröthe und 

Krapp. . Ctr.J 4566! 71241 4912) 4177110,294 

Feigen . . 401 120 3507| 376] 309 

Selle und Hänte | 
Stükl 67,410] 77,726| 40,938!96,699|15946t. 

Fiſchbein, Bars 

te. "Mt. Bft: 1029 604 5656| A54l 305 

Fiſche, trofene „, 1614 2315| 4342| 1478] 1448 

Häringe 5 1575 ; beit 2155| 1905 


5165] 5130] 2290 
50 15 13 


—X 
— 
© 





45 


E83 wurden eingeführt, im Jahre 


1805 | 1810 | 1815 | 1820 | 1825 
| | 


Fifchthran . tr. | 7606] 82171 7198| 7576| 8768 
Flachs.. „ ] 13,770] 4783| 13,570| 2554) 4360 
Butter: u. Rauch⸗ 

werf . Stf. 1204,894'133,375|115,813]23,740[366tr. 
Galläpfel . Etr.| 205l A126 Aral 1495| 140 
Garn, wollenes „, 245 202 47 17 26 
„kameelhaa⸗ 

renes . . Etr. 13 20 39 3 34 
Getreide aller 

Art . Min. 194,448 161,8441) 40,076137,372|70,047 
Grünfpan . Etr. 174 272 2051 4137| 119 
Gummi. . „ 7801 v7A 570| 1082| 1440 
Banf |... %, 4405| 1702|] 4791| 4450| 1678 
Holz und Wurzeln 

zur Särberei Etr. | 9444! 12,729| 15,928|10,872]15,296 
Song : . 5 867| 1090| A69| 6758| 6% 
Enaber ;,--: 4415| A3451 A115] 767| 678 
Sndig . . 580| 2054 4881 470| 561 
Inftrumente und 

Werkzeuge, mes 

chaniſche fürfl. 4609 4810 4726| 2468] 2118 
Sohannisbrod Et. 714 800 2981 206] 277 
Suchtenleder ,, 42471 18381 41176) 5314| 604 
Kienruß . 1225l 1859| 5051 977| 5735 
Kreide. » » 5562] 28801 6864| 2592| 3035 
Kreuzbeeren 5 — 7116| — 559| 194 
Mandeln . 4451 925 41622] 1690| 1862 
Del, Baum⸗, Rüb⸗ 

und Lein-, Etr. 6511 4798 6529} 5612] 9992 
Delean.. .. „ 65 75 46 14 29 
Pantoffelholz, | 

-Stöpfel . 73 HH Aa 9) 7 
Pfeffer . . 1249| 2572| 12581 1527| 733 
Potafhe » 2126 545 4126| 230 57 
BB 20 9.5 10,283| . 3372 2160| 1760] 859 
et. 9 68| A777) 4041 4301 175 
Rofinen . ; 4619| 3920| 6719| 4256| 5237 


* 


46 


Es wurden eingeführt, im Jahre 


| 1805 | 1810 | 1815 | 1520 1825 


Kleefaamen Etr.] 8007| 2305] 4297| 5651| 2101 





Reinfaamen — 7172| 6426| 2644]10,560 
Ballon: 45% 28 59 384 3521|... 49 
Safran. .5 29 56 45 12 48 
Steinkohlen „ — J24,3441 51,695[31,890]52,720 
Strazzen . 4414 787 422 52] 449 
Süßholzſaft » 430 236 254| 5350| 362 


Unſchlitt . » 1052] 3756 967| 4417| 479 


Dich, Schlacht—⸗ 
Stüf 4060 2404 790 482 26 
Wahs. . Ctr.| aa 644) 7a 5653| 76 
Waid u. Waı ,, BAM 98] 8053| 1032] 463 

Waſſer, minera- 
lifches . Flafhen]| 3505| 5605| A717) 4070| 4920 
Zinn . . Ctr. 78 87 1289 145 396 
Zuker, Mehl: , — — 4592| 2613126,430 
„ taffın. „ | 41,220] 41,446| 410,825|16,239| 4682 
„ Syrup „ | 16,524| 6756 7 6415| 267 


Es ift jedoch nicht außer Acht zu laffen, daß alle bei 
der Aus» und Einfuhr angegebenen Zahlen nur den Betrag 
der Verzollung an böhmifchen Zollämtern, keineswegs 
aber die wahre Eonfumtion Böhmens umfaffen. Manche 
in Böhmen zur Confumtion verzollte ausländifhe Waaren 
gehen im andere Provinzen der Monarchie über; mehrere 
gelangen bereits verzollt aus andern Provinzen nach Böh— 
men. Diefe Zahlen werden nur in der Abficht mitgetheilt, 
um die Wichtigkeit einzelner Gegenftände bemerkbar zu 
machen, und deshalb wäre die fpecielle Angabe aller Arti: 
kel überflüflig. 

In diefen Betrachtungen follte nur die Bedeutung 
der drei ftaatswirthfchaftlihen Momente, Production, 
Gonfumtion und Handel für Böhmen bezeichnet, Feines- 
wegs aber der ganze Umfang derfelben erfchöpft werden. 





47 


Beſchränkt auf wenig zuverläffige Daten, die für eine ein: 
zelne Provinz eines großen Staates höchſt fehwierig zu er= 
langen find, mußten Andeutungen genügen: daß im erften 
Diertel diefes Jahrhunderts in Böhmen eine dur Ber: 
mehrung des Gewerbsbetriebs hervorgerufene bedeutende 
Bevölkerung, durch eigene Urproduction ernährt, und vor: 
zuglich durch innern Handelsverfehr, wenn auch nicht ohne 
alle Störung mit gleicher Lebhaftigkeit befchäftigt, doch 
fortwährend unterhalten und vor Rükſchritten bewahrt 
wurde. Einfihtsvolle Staatswirthe, denen die Verfchie- 
denheit der Marimen, nad) weldhen im Staats- und im 
Privathaushalt erworben und erhalten wird, deutlich vor— 
ſchwebt, werden des Verfaſſers Abficht, die Wichtigkeit 
der Gewerbsproduction und des innern Handelsverfehrs 
für Böhmen zu zeigen, und feine Anfichten über die hiezu 
geeigneten Mittel, würdigen; ohne das Urtheil derjeniz 
gen zu beachten, die das einfeitige Intereffe weniger Con— 
fumenten der Erhaltung oder auch nur dem Woplitande 
aller übrigen Staatsbürger vorziehen. 

Zum Schluß glaubt der Verfaſſer noch bemerken zu 
müffen, daß feine Anfichten anders feyn würden, wenn fie 
fih nicht auf Böhmen, fondern auf einen andern Staat - 
bezögen, wenn Böhmen nicht Provinz eines Staates wäre, 
deſſen Hauptitärfe nicht auf einem gewinnreichen Zwifchen- 
handel, fondern auf Anwendung der phyfifchen und geifti- 
gen Kräfte feiner Bewohner, feinen natürlichen Reichthü— 
mern und einem lebhaften gegenfeitigen Austaufch derfel- 
ben beruht. In einem andern Staate, unter andern Ver: 
bältniffen, würden wahrfcheinlich ganz verfchiedene Maß: 
regeln empfohlen werden, auf jeden Fall aber nur folche, 
die den vorher erforfchten Verhältniffen ſowohl als den ges 
gebenen Zeitumftänden angemeffen fchienen. 





48 


Berhandlungen der Geſellſchaft des vaterländi- 
fhen Mufeums in Böhmen 


in der fünften allgemeinen Berfammlung 


am 25. Mär} 1827.- 


J. ortrag 
des Geſchäftsleiters Maximilian Millauer. 


ee 


Hochanſehnliche! 


Kt auch der Zeitraum eines einzelnen Jahres an fich 
nicht fehr bedeutend, fo gewährt er, mittelft der Befchaf- 
fenheit unferes patriotifchen Inſtituts, dennoch wieder 
reichlihe Stoffe zu jenem Berichte, welchen der Verwal- 
tungs= Ausfchuß nach dem 16. $. der von Er. k. k. apo— 
ftolifchen Majeftät allergnädigft: genehmigten Grundgefeze 
unferes Vereins, der geſammten Geſellſchaft jährlich zu 
erftatten hat, und zu deffen Vernehmung Sie heute neuer— 
dings fich Hier verfammelten. Wobei ich jedoch theild wer 
gen des Zweks diefes Berichtes, theild wegen des Wir 
kungskreiſes der Gefchäftsleitung, vorzugsweife blos auf all- 
gemeine, eine richtige Ueberficht gewährende Angaben, in 
der fchon in den bisherigen Vorträgen diefer Art beobach— 
teten Reihenfolge derfelben, mich wie fonft befchränfen zu 
ſollen erachtete. 

Im Stande der Geſellſchaft haben demnach feit 
der lezten Generalverfammlung im März 1826 nachftehende 
Deränderungen ſich ergeben; 


19 


Entriffen hat uns der Tod zur gerechten Trauer des 
gefammten Vereins: 

Aus der Claffe der wirkenden Mitglieder: den 
Hrn, Fürften Wilhelm Auersperg; — deu Hrn. Für- 
ften Johann Clary; — den wirkt. E. E. Kämmerer, 
Freiherrn Joſeph Wanczura von Brachfeld; — den 
k. k. Feldmarfchalllieutenant, Freiheren Franz von Kol 
ler. Welchen Verluft das Mufeum durch den Tod des 
Leztern erlitt, wird bei einer anderen Veranlaffung aus 
dem Berichte über Jenes hervortreten, was derfelbe, nach 
feiner eigenhändigen Zufchrift, im Laufe der Zeit für un— 
fere Anftalt Teiften wollte, und zum Theil in den lezten 
Monden feines thatenvollen Lebens auch ſchon wirklich ge— 
leiſtet hat. 

Aus der Claſſe der Ehrenmitglieder: den Ritter 
Johann von Spir, Mitglied der E. Akademie in Mün— 
den; — und Ge. Exc. den Grafen Joſeph Marimilian 
Tenezin-Dffolinfky, E. E, geheimer Rath und Hof: 
bibliothefspräfeet in Wien. 

Aus der Elaffe der fammelnden Mitglieder: den 
9. Franz Nowotny, Pfarrer in Luſchtieniz. 

Dagegen ſind eingetreten: 

In die Claſſe der wirkenden Mitglieder: durch 


Erklärungen zum jährlichen Syſtemalbeitrage: Se. Exc. 
der gegenwärtige Herr Oberſtburggraf, Karl Chotek 


Graf von Chotkowa und Wognin, pl. tit. — Hr. Jo⸗ 
bann Freiherr von Senftenberg; — H. Johann Frei: 
herr von Stentſch; — das löbl. pharmaceutiſche 
Gremium in Prag; — H. Anton Schmid, Doctor der 


Rechte in Prag; — die Budweiſer St. Johannes Berg: 


Gewerkſchaft; — H. Karl Wenzel Wolfram, der 
ſaͤmmtlichen Rechte Doctor und beeideter Landesadvocat 
in Prag; — und H. Leopold Rabuſky, Bürgermeiſter 


der freien Stadt Brüx. 


50 


Durch Materialbeiträge im Syſtemalwerthe: 
Das frühere Ehrenmitglied, H. Doctor und Profeffor 
Georg Ilg; — die Calve'ſche Buchhandlung in Prag; 
— und der hiefige Buchhändler, H. Anton Karl Kron— 
berger. 

In die Glaffe der fammelnden Mitglieder: 9. 
Vitus Daniczek, Gapitular des Prämonftratenfers 
Stiftes Selan und E. f. Gymnaftalpräfeet in Deutſch— 
brod; — H. Leopold Titz, Dechant in Kiez; — und 9. 
Joſeph Hagislaw Windiſch, Pfarrer zu Nechaniz. 

Durch mehrere wichtige Nüffihten dazu beftimmt, 
Hat der Ausſchuß in feiner am 21. Jänner d. 3. gehalte- 
nen zgten Sizung $. 8 befchloffen, dieſe bisherige Elaife 
von fammelnden Mitgliedern in eine Claſſe von bei: 
tragenden Mitgliedern zu verwandeln, in dieſe leztere 
(nebft den bisherigen fammelnden HH. Mitgliedern) auch 
alle Jene aufzunehmen, welde nach den SI. 4 und 5 der 
Grundgefeze zur Aufnahme in diefen vaterländifchen Verein 
geeignet find, und zu einem jährlichen Beitrage von wer 
nigftens 55fl. Conv. M. fehriftlich ſich erklären; in Bezug 
auf die fammelnden Mitglieder aber, bei jedem Ein: 
zelnen in diefer Elaffe fo, wie es bisher bei jenen in der 
wirkenden gefhah, es ausdrüflich zu bemerken, daß er 
zugleich fammelnd fey, und wo? Auf welche Weiſe mit 
Rükſicht auf ihre entweder ſchon früher, oder erit feitdem 
erklärten und auch wirklich geleifteten jährlichen Beiträge, 
in diefe Glaffe von beitragenden Mitgliedern aufge 
nommen wurden: 9. Joſeph Födifch, E. k. Zolllege 
ftatt- Einnehmer in Königgräz. — 9. Joſeph Franz 
f. E. Bergoberamtscaffier in Pribram. — 9. Wenzel 
Kligpera, k. k. Gymnafialprofeffor in Königgräz. — 
9. Laurenz Lasfe, k. k. Oberamtsbuchhalter in Pilz | 
bram. — Der hochw. Guratclerus des Lufawizer Bica— 
riatd in der Budweifer Didces. — Der hochw. Euratcle: 
rus des Pilgramer Vicariats in derfelben Didces, — 








51 


Der hochw. uratclerus des Pilfner Vicariats in der 
Prager Didces. — Der hochw. Euratclerus des Rokiza— 
ner Vicariats in derfelben Didces, — H. Vinzenz Chri— 
ffian Rubefch, bifhöfliher Notar, Dechant und Rector, 
zugleich fammelnd in Haida. — 9. Leopold Schrotten- 
bad, Bergrath in Lukawez. — 9. Paulin Schufter, 
Gapitular und Gecretär im ECiftercienfer - Stifte Hohen- 
furt. — Der hochw. Euratclerus des Schüttenhofner 
Vicariats in der Budweiſer Didces. — Der hochw. Eurat- 
clerus des Teifinger Vicariats in der Prager Didces. 
Unter den wirkenden correfpondirenden Mit: 


, gliedern haben 9. Joſeph Liboslaw Ziegler, Doctor 


der Theologie und Stadtdechant in Chrudim; unter den 
fammelnden 9. Joſeph Hagislam Windifc, 
Pfarrer zu Nechaniz im föniggräzer Kreife, beide durch 
befondere, auf eigene Koften gedrufte und vertheilte Cir— 
Eulare und Protofollsbogen (wovon mit Rükſicht auf ihre 
früheren Leiftungen der befte Erfolg fich gewärtigen läßt), 
dann H. Binzenz Chriſtian Rubeſch in Haida dur 
die Sammlung und Einfendung mehrerer Eleineren Geld- 
beiträge und intereffanten Materialien, um unfere Anftalt 
fi) befondere Verdienfte gefammelt. 

An Materialien für feine Sammlungen, 
hat das Mufeum im Jahre 1826 von Sr. Exc. unferem 
hochverehrten Herren Präfidenten erhalten: 

Für die oryktognoſtiſche und geognoſtiſche 
Sammlung: Die Suite ſammtlicher Minerallörper und 
Verjteinerungen, welche die böhmifchen Pyrope begleiten. 

Für die botanifhe Sammlung: 500 getrofnete 
Pflanzen. 

Für die Bibliothek: 156 Bände mit 1747 Kupfer: 
tafeln neuer und älterer naturwiffenfchaftlicher Werke; 
worunter das erfte Heft der Prachtauflage der Braftlianer- 
Pilanzen, die auf Befehl Sr. Majeftät des Kaifers von 
Dr. Job. Emmanuel Pohl in Wien herausgegeben wer 

4* 


62 


den, welches Seine Majeſtät dem Herrn Präſiden— 
ten allergnaͤdigſt verehrt haben, — die ſchönſte und wer— 
theſte Zierde der Bibliothek ausmachen wird. 

Die übrigen, in drei Artikeln der Prager Zeitung 
vom 2. April, A. Juli und 5. October, dann im erſten 
und zweiten Hefte der deutfchen Zeitfhrift des Mufeums, 
einzeln bereits angeführten Materialbeiträge des Jahres 
1826 gewähren folgende fummarifche Nefultate: 

Fir die Bibliothek, dann für die Sammlungen 
der Handfhriften und Diplome gingen ein: 556 
Drukſchriften. 411 Handfchriften. 44 Stüke von Land: 
Farten, Planen, Zeichnungen, Kupferflichen und Stein— 
drüfen. 30 Driginalurfunden, und 60 Abfihriften von 
Diplomen aus den Stadtarhiven von Deutfchhrod, Kom: 
motau und Tepliz. Nebſt der Fortfezung der Kataloge: 
arbeiten und der Gopirung diefer Urkunden, wurden in 
diefem Fade vom H. Bibliothekar einige Centurien von 
einzelnen phyſikaliſchen Differtationen verzeichnet und geord⸗ 
net; der allgemeine Nominalfatalog der Druffchriften aber 
ganz vollendet. Gein Inhalt weist es aus, daß die Dis 
bliothef des Muſeums ſchon mehr ald 7000 größere und 
kleinere gedrufte Werfe enthält. 

Für die zoologifche Sammlung gingen ein: ¶ aus⸗ 
ländiſches Saäugthier (Nasua rufa). 10 Vögel, unter wel: 
chen ein gehörntes Rephuhn. 64 böhmifche Fifche. Eine Fleine 
Suite böhmifcher Perlen, von der unreifen bis zur reifen. 
11 Tafeln mit anatomifch präparirten Zähnen von 10 
Säugthierarten, verfertiget und dargebracht vom wirken: 
den Mitgliede, dem H. Doet. und Prof. Georg Ilg. 

Für die botanif che Abtheilung wurde nebft den 
fhon oben angezeigten Gegenftänden auch dargebradt: 
. Eine Sammlung von mehr als 300 ausländifchen, vorzüge 
ih brafilianifhhen Holzarten, vom beitragenden und 
- fammelnden Mitgliede, H. Dechant Rubeſch in Haida. 
Nebft der Vollendung des zweiten, und Vorbereitung 








55 


des Tertes und der Abbildungen zum dritten Hefte des 
Werkes: Reliquiae Henkeanae, wurde in diefem Fache 
die Beſtimmung und Einfchaltung der neuen Pflanzen, die 
Reviſion des Herbariums, und die Vervollftändigung des 
Kataloge bis zur 44ten Linneifchen Claſſe, fortgefezt. 

Für die Mineralienfammlungen find im 
Laufe des Jahres 1826 eingegangen: 6 Partieen und 9 
einzelne Stüfe, worunter ſich befonders auszeichnen: ei= 
nige Mineralien von Sr. Ercellenz unferem unvergeßlichen 
Iherftburggrafen, dem gegenwärtigen Hrn. Staats= und 
Eonferenzminifter, Franz Grafen von Kolowrat-Lieb— 
fteinffy; 2 Stüfe fihirifches Rothbleierz von Hrn. Grafen 
KarlClam-Martinis; ein Stüf blaues Steinfalz 
von der Frau Gräfin Lonife von Sternberg; und 
ein 10 Loth fehweres Stük des Elbogner Meteoreifens, 
vom dortigen löbl. Magiftrate. 

Die Peträfactenfammlungen erhielten einen 
Zuwachs von 9 Lieferungen, worunter fich befonders aus- 
zeichnen, einige ſchöne Echiniten vom Platſchberge der 
Steyermarf, von Sr. Exc. dem 9. Gouverneur, Franz 
Grafen von Hartig. 

Für die geognoſtiſche Sammlung wurden 4 Lie⸗ 
ferungen eingefendet, unter welchen einer befonderen Er- 
wähnung würdig find, die Vorkommniſſe der Gegend von 
Ronsberg im Flattauer Kreife, gefammelt durh 9. 
Abbe Franz Hofe. 

Der Stand der vaterländifhen oryftogno 
fifhen Sammlung beträgt 1588 Eremplare, 115 Par- 
tieen von loſen Kryſtallen und Eleineren Stüfen, 152 grö— 
ßere Schauſtüke. Es ergibt fi) daher in diefem Jahre 
eine Vermehrung jener Sammlung von 18 Eremplaren, 
418 Partieen lofer Kryftalle und 7 Schauftüke, welche theils 
durch Kauf, theils auch durch Taufch erworben wurden. 

Die ſyſtematiſche Mineralienfammlung erhielt 


größtentheils durch Tauſch einen Zuwachs von 106 Erem: 


54 


plaren, 23 Schauftüfen, 162 Partieen von loſen Kryſtallen 
und kleinen Stüken, wodurd die Anzahl der Species die 
fer Sammlung fi) um 16 vermehrte. Der Stand derfel: 
ben beträgt fomit gegenwärtig: 5766 Eremplare, 332 Par: 
tieen loſer Kryftalle und Eleiner Stüfe, und 455 Schau: 
ftüfe, zufammen 255 Species des naturhiftorifchen Mine: 
ralſyſtems. 

In der geognoſtiſchen Sammlung wurden die 

durch das löbl. k. k. caſlauer Kreisamt eingefendeten dor: 
tigen Gebirgsarten beſtimmt und geordnet, wie auch dem 
Zweke dieſer Sammlung gemäß ſo gereiht, daß ihre Auf— 
ſtellung eine Ueberſicht der Formationen dieſes Kreiſes im 
Allgemeinen, und der Vorkommniſſe der einzelnen Domi— 
nien insbefondere, gewährt. 
Das im vorigen Jahre begonnene Ordnen und Be— 
flimmen der Berfteinerungen des Thierreiches 
aber, mußte wegen einer in dem für dieſe Sammlung be⸗ 
ſtimmten Local neuerdings nothwendig gewordenen Baure⸗ 
paratur, unterbrochen werden. 

Mit dem Berkaufe der Duplicate wurde fort» 
gefahren, und es kamen im lezten Jahre 880 fl. 50 Fr. 
W. MW. dafür ein, welche zur Vervollkommnung diefer 
Sammlungen verwendet wurden. 

Für die Münzfammlung wurden im Ganzen 583 
mannigfaltige Münzen und Medaillen eingebracht; durch 
unfer wirfendes Mitglied, H. Profeffor Helbling von 
Hirzenfeld aber, aus dem noch unbeftimmten Vorra- 
the, neuerdings 4 Golödftüfe, 673 Silbermünzen und 266 
Kupfer und andere Metallmünzen geordnet und eingelegt. 

Für die ethnographiſche Sammlung gingen an 
Alterthbümern so, an Kunftproducten 46 ver: 
fohtedenartige Stüfe ein. Beide Iezteren Abtheilungen 
wurden in den dazu beftimmten Käften auf eine zwekmaͤßi⸗ 
gere und gefälligere Weife aufgeftellt; im Gebiete der 
Sphragidothef aber (das auf Verwendung unferes 





55 


wirfenden Mitgliedes, des hiefigen politifchen Magiftrats: 
rathes, 9. Johann Ehmidt, durch die von den loͤbl. 
k. k. Kreisämtern faft aller Kreife Böhmens eingefendeten 
Abdrüfe der Siegel aller Städte und Märkte derfelben, 
mworunter mehrere Abdrüfe von fehr intereffanten Typarien 
aus dem XII. und XIV. Zahrhunderte vorkommen, bes 
trächtlich fich erweiterte) wurden etwa 1000 Stüke von 
Familienfiegeln, mit den erforderlichen Bemerkun— 
gen darüber, in alphabetifcher Drdnung eingereiht. 

Als eine ganz neue, und in mehreren Beziehungen 
fehr intereffante Unternehmung des Verwaltungsansfchus 
Bes, ftellt an die übrigen Zweige unferer wiffenfchaftlichen 
Anftalt ſich anfchliegend, wie auch zu fhönen Erwartungen 
lerechtigend, das Inftitut der Zeitſchriften des 
Mufeums fih dar. Es wurde in der zweiten Hälfte 
des verfloffenen Jahres auf eine gleich zwefmäßige, als 
auch der gefammten Verfaffung unferes Vereins entfpre- 
chende Weife organifirt. Die Zeitfchriften ſelbſt follen 
ſowohl den Titerärifchen Smefen des Mufenms, als auch 
dem oft und laut geäußerten Wunfche der Nation möglichft 
entfprehen: im Allgemeinen gleichfam der Lebensanzeiger 
der Gefellfchaft, das Organ ihrer Bedürfniffe und Beſtre— 
bungen, der Verfündiger ihrer Erfolge ſeyn, der Alles 
liefert, was im Leben, wie in der Wiffenfchaft und Kunſt 
die Nation berührt, auf fie zu wirken beftimme ift, und 
von ihr erftrebt werden Fan. "Schon diefe Zweke an fich 
reichen hin, ihre ununterbrochene Fortdauer zu verbürgen. 
Alles übrige, was auf diefen Gegenftand fich bezieht, wur: 
de bereits im der befonders abgedruften und vertheilten, 
wie auch in die beiden erften Hefte dieſer Zeitfchriften aufs 
genommenen Kımdmahung darüber zur öffentlichen Kennt: 
niß gebracht. In wie weit jedoch die daſelbſt ausgefpro- 
henen Zweke ſchon durch die bisher erfchienenen Hefte er: 
reicht wurden, fällt der Beurtheilung eines ſachkundigen 
und zugleich billig denkenden Publikums anheim. 


56 


Die bisherige Theilnahme daran ift nach einer dief- 
fälligen Eröffnung der Redaction im Allgemeinen beruhie 
gend. Insbeſondere rühmte fie den Eifer, womit zwey 
Mitglieder unferes Vereins, nämlich die Herren Sedla- 
cek und Peſſina, jeder in feinem Wirkungskreiſe, die 
Zeitfchriften zu verbreiten bemüht waren. An der böh- 
mifchen ſprach fich die vorzüglichfte Theilnahme in eini- 
gen Vifariaten des Elattauer, prachiner und tabo- 
rer Kreifes: an der deutſchen die geringfte im nord» 
weftlichen Iheile Böhmens aus. 

Ueber den Bermdgensftand der Gefellfchaft 
kommen in der zur Uebergabe an die heute zu erwählen- 
den Herren Neviforen vorbereiteten Rechnung des Jahres 
1826 nachftehende Daten vor: 
Am Schluffe des Jahres 
1825 verblieben n . 114,518 fl. 46. kr. W. W. 
Hiezu kamen im Jahre 1826; 


An Intereſſen -» Re U 4857 = WI % 2909 
An Beiträgen . — A703 24:5. 540 9900199 
- Für Verlagsartifll. . . 297 2.451 5: 9009 
An Motien 0, ai de F 4075⸗ 48 


Summe des Empfangs 128,452 fl. 26 fr. W. W. 
Verwendet wurden im Jahre 1826: 
Zur Tilgung des Neftes vom J. 1825 1419 fl.50 Er. W.W. 


Zu Befoldungen . . . 44892 — 2:99» 
Zur Einrichtung . . 2072 = 29% 2» » 
Zur Miethe fammt En me 9A 240 Ei gas 
Zu Derlagsartikeln . — 983 566 


Zu den Sammlungen — 849⸗ 
Zu kleineren Bedürfniſſen. 64 
An abgeſchriebenen Reſten. “hr RO — 
Summe der Ausgaben 14,356 fl. 31 kr. W. W. 
welche vom obigen Empfang abge⸗ 
rechnet, einen Reſt bilden von . 417,096fl. 55 kr. W. W. 


* 


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57 


Woraus für das Jahr 1827 nach⸗ 
ftehender Vermögensſtand fi er: 


gibt: — 
An Sapitalien r . . .97,975fl. 47 kr. W.W. 
An Verlagsartifeln ‘ 40,010 = 572 5 5 


An Rüfftänden A 4 h Tr — ey 
An Barichaft f i 196 825 ⸗A4⸗ 
Summe, wie oben: 147,096 fl. 55kr. W. W. 

Die Syftemal: und größeren jährlihen Bei: 
träge wurden im verfloffenen Jahre einerfeits um 60 fl. 
vermindert, anderfeitd um 480 fl. vermehrt, folglich nach 
Abſchlag der Verminderung um 120 fl. C. M. erhöht. 

Ueber die im obigen Empfang berührte Poſt „an 
Aetien aber, habe ich hier nachträglich noch Folgendes 
zu bemerken: 

Vorzugsmeife dazu beftimmt, die wiffenfchaftliche 
Bildung im Vaterlande zu befördern, findet ſich das vater: 
ländifche Mufeum in der unverfennbaren Nothwendigkeit, 
nebft den Zeitfchriften auch noch andere Werfe herauszu— 
geben, deren Zwekmäßigkeit und Nuzbarkeit entfchieden ift. 
Allein nachdem der Ausfchuß es fich zum Gefeze gemacht, 
das GStiftungscapital des Mufeums in feinem Falle an: 
zugreifen: reicht das jährliche Einkommen desfelben wegen 
der außerordentlihen Ausgaben für die noch durch einige 
Sahre fortzufezende innere Einrichtung der Säle, um die 
ftets zumachfenden Naturalien und Bücher zu unterbrins 
gen, Feinerdings hin, einen Fond zur Herausgabe folder 
Werke zu bilden. Da es fich eigentlich blos um einen 
Vorſchuß fir einige Jahre handelte, welcher fpäterhin vom 
jährlihen Einfommen ohne Schwierigkeit berichtigt wer— 
den könnte: der mittlerweile eintretende Verluſt an Zeit 
und nüzlicher Einwirkung auf das Publitum aber, doc 
gar zu bedauerlich wäre: glaubte der Ausſchuß im Ver: 
trauen auf die fo vielfach erprobte Theilnahme der wirfen- 
den Herren Mitglieder unferes Vereins, Ihnen den Vor: 


58 


ſchlag zu einer Anleihe von etwa 4000 fl. W. W. in 160 
Actien zu 25 fl. auf 3 Jahre ohne Intereffen, machen zu 
dürfen. Dies gefchah mittelft eines befonderen Cirkulars 
vom 15. Mai 1826, das zugleich die Verfiherungen ent- 
hielt, daß das Mufeum mit feinem Vermögen für die 
fihere. Rüfzahlung dieſer Anleihe bürge, daß die Actien 
ihre Nummern nach der Zeitfolge der GSubfeription und 
Berichtigung erhalten, und in ein eigenes Verzeichniß 
eingetragen werden, woraus jedem H. Actionär zu feiner 
Defung ein Auszug zugeftellt wird; daß im Mai des 
vierten Jahres, je nachdem der Stand der Kaffa ed ge- 
ftattet, entweder die Hälfte oder doch der dritte Theil dieſer 
Aetien durch Verlofung gezogen, und im Juni darauf be- 
zahlt, der Neft derfelben mit 5 pCt. verintereffirt, in den 
folgenden zwei Jahren jedesmal im Mai gezogen, und im 
Juni berichtigt werden fol, während es jenen Herren Ace 
tionären, die dies vorziehen würden, unbenommen bleibt, 
ihre eingelegten Beträge auch durch Abnahme der Ber: 
lagsartifel des Muſeums nad den feitgefezten Preifen 
derſelben auszugleichen. 

Der Erfolg dieſes Cirkulars rechtfertigte die ver: 
tranenspolle Erwartung des Ausſchußes. Sämmtliche 160 
Actien wurden in kurzer Zeit durch 52 Actionäre vergrif 
fen, wodurd dies Gefchäft gefihloffen worden. Das Opfer 
von Sjährigen Intereffen eines an fich geringen Capitals, 
wird durch die gemeinnüzige Verwendung desfelben zu Un: 
ternehmungen, welche der Nation Ehre bringen, ſich felbit 
lohnen, und hiedurch neuerdings den thätigften Gemein— 
fin für alles Gute und Müzliche bewähren, der in Böh— 
men aus freiem Antriebe fchon fo manche Inftitute, Die 
dad In= und Ausland mit gerechter Anerkennung preist, 
ins Dafeyn rief, und in ihrer vielfeitig wohlthätigen 
Wirkfamfeit erhält. 











59 


IE a Baia 
des 
— Grafen Kaſpar Sternberg. 


vu nn 7 27 22 2700 


Meine Herren! 


Da Nuzen einer veiffenfehaftfichen Arbeit ſteht nicht im: 
mer im geraden Verhaͤltniß zu ihrer Vollfommenheit; es 
hat mehr Wahrfcheinlichkeit, daß felbft weniger vollfom- 
mene Keime, nad und nad auf einer großen Oberfläche 
ausgeftreut, Früchte bringen werden, als vollkommene zu— 
gleich auf einer einzigen Stelle *). Dieſe beſonders in 
Bezug auf die Naturgefchichte fo richtigen Worte von 
Friedrich Cuvier glauben wir auch bei unſeren Vorträgen 
in Anfpruch nehmen zu dürfen. Mit befchränften Mitteln, 
in dem fü ich täglich erweiternden Gebiete der Naturwiffen: 
ſchaften, das Vollkommene oder wenigſtens Vollſtändige 
zu erreichen, iſt dem Einzelnen felten gegönnt. Keime 
auszuftreuen, die ſich entwifeln und Früchte bringen, verz 
mag ſelbſt in einem engeren Kreiſe ein jeder, der genau 
beobachtend, die Spuren des Naturlebens verfolgend, die 
Erdkruſte durchforſcht, die von den Ereigniſſen der Vor— 
welt Kunde gibt. Aufregen zu fortgeſezten Betrachtungen 
durch Mittheilung einzelner Entdekungen, durch Berichti— 
gung ſchwankender Anſichten, kann ein jeder, und beides 

iſt ein unvergänglicher Gewinn für die Wiſſenſchaft. Die 





.*) Fred. Cuvier Obs. sur la structure des plumes, Ann. 
des Sc. nat, T. IX. p- 114. 


60 


Gefchichte der Wiffenfchaften ift die Gefchichte einzelner oft 
zufälliger Entdefungen und des Jichtvollen Geiftes geniali- 
feher Menfchen, welche fich diefer Entdefungen und Be 
obachtungen bemächtigend, die gefammelten Erfahrungen zu 
einem wiffenfchaftlihen Ganzen ausgebildet haben. Jahr: 
hunderte find zu Entdefungen von Pflanzen und Minera: 
lien verwendet worden, Sahrhunderte in mühevollen Ver: 
fuchen von Syſtembildungen vorübergegangen, bis ein 
Linnée, ein Zuflieur, ein Werner, ein Mohs, und andere 
große Männer in jedem Zweige der Wilfenfchaften erftan- 
den, und die vorhandenen Entdefungen und Erfahrungen 
in ein wiffenfehaftlihes Ganze umbildeten , das zwar auch 
noch Vieles zu vervollfommnen übrig ließ, doch gewiß 
unvergänglich bleiben wird. Ohne porangegangene ein- 
zelne Entdefungen und Beobachtungen wäre es feinem ges 
lungen, in der Furzen Dauer eines Menfchenlebens fo Gro- 
fies hervorzubringen. Wir mögen uns daher nicht fchä- 
men, die einzelnen Erfcheinungen, die uns das Vaterland 
in dem Naturreiche vielleicht vollftändiger und Iehrreicher 
darbietet, als in andern Gegenden, aufzufaſſen und der 
Nachwelt aufzubewahren. 

Wir haben im verfloſſenen Jahre die allgemeinen 
Verhaͤltniſſe der Naturkörper unſeres Vaterlandes zum gan: 
zen Naturreiche in Umriſſen dargeſtellt; es bleiben uns nune 
mehr nur einzelne, Folgenreihen, Gattungen oder Mine: 
ralfpecies in den verfchtedenen Abtheilungen unferer Sam: 
lungen zu betrachten übrig; es gewähren aber auch, diefe 
eine genauere Einficht in den Reichthum an Naturkförpern 
Böhmens ; Durch die richtige Auseinanderfezung derfelben 
kann für die Wifjenfchaft manche Berichtigung, ‚wohl auch 
neue Anfi chten gewonnen werden. 

Als Gegenftand einer folchen befonderen Betrachtung 
wählen wir heute die Mineralfpecies „dodekaedriſcher Gra⸗ 
nat“ in jenem Umfang, wie fie von Mohs in feinem nattır 
biftorifchen Mineralfgftem aufgeführt iſt. Dieſe Species 





61 


umfaßt eine zahlreiche Menge von Varietäten, welche fich 
durch verfchiedene Farben, Grade der Durchfichtigkeit, Ver: 
hältniffe der Zufammenfezung, felbit bedeutende Abweichuns 
gen in dem eigenthümlichen Gewichte und den Härtegra= 
den unterfcheiden, aber in allen diefen verfchiedenen Kenn 
zeichen zufammenhängende Neihen bilden, durch welche un- 
unterbrochene Lebergänge der einzelnen Varietäten in eins 
ander hervorgehen, fo daß ſich nach unferer dermaligen 
Kenntnif der Varietäten diefer Species nirgends ein ſchar— 
fer Abfchnitt zwifchen denfelben erkennen läßt. Aus die— 
fem Grunde finden ſich in diefer Species alle Mineralien 
vereinigt, welche Werner in feinem Mineralfyftem unter 
den befonderen.Benennungen Grofiular, Melanit, Pyres 
näit, edler und gemeiner Granat, Pyrop, Kolophonit und 
Allochroit als befondere Gattungen und Arten aufgeführt 
hatte. So verfchieden nun alle diefe durch befondere Na— 
men unterfchiedene Mineralfubftanzen, befonders in ausge— 
zeichneten Varietäten, erfcheinen mögen, fo ift ihre Ver— 
einigung zu einer einzigen naturhiftorifchen Species dennoch 
durch die Uebergänge begründet, und von den neueren Mi: 
neralogen faft allgemein anerfannt. Darum ift jedoch die 
Trennung einiger Vartetäten, als befondere für fich befte- 
hende naturhiftorifche Species, nicht unmöglich, wenn durch 
neuere Entdefungen und Beobachtungen fchärfere Irene 
nungsmerfmale als bisher nachgewiefen werden Eönnen. 
Mohs felbft fheinet fie geahnt und gleichfam vorverfündet 
zu haben, indem er in feinem erften Zufaz zu dem phyfio- 
graphifhen Schema der Species dodefaedrifcher Granat 
fügt: „Daß die zahlreichen und mannigfaltigen Abände: 
rungen diefer Species zum Theil folhe Eigenfchaften be— 
ſizen, welche der Vermuthung, daß fie zu mehr als einer 
Species gehören dürften, nicht entgegen find ; insbefondere 
feyen die Grade der Härte und des eigenthümlichen Ge: 


wichts zwifchen weiteren Gränzen, als man fie ſonſt zu 


finden gewohnt ift. Die bisherigen naturhiſtoriſchen Uns 


62 


terfuchungen reichten aber nicht hin, diefe Species. mit 
Gründlichkeit zu fondern.“ Wir werden die Nothwendig- 
Feit einer folchen Trennung dei dem böhmifchen Pyrop dar- 
thun, ob er gleich erft unlängft, nach der hemifchen Ver: 
wandtfchaft feiner Beitandtheile, zu dem dodefaedrifchen 
Granat gereiht wurde; müſſen jedoch noch vorher einige 
Betrachtungen über das Vorkommen des Granats im All: 
gemeinen vorausſchiken. 

| Die urfprüngliche Lagerftätte des Granats iſt das 
Urgebirge Werners, der Granit, Gneis, Weißitein, Glim- 
merſchiefer, Talk und Chloritfchiefer, Urfalf, dann Ger- 
pentin und Hornblendgefteine. Er bildet theils einen un— 
wefentlichen Gemengtheil diefer Gebirgsarten, theils findet 
er fih auf Lagern in einigen derfelben. Nirgends zeigt er 
fih als Erzeugniß jüngerer Felsarten; fein Vorkommen 
in demfelben und in einigen vulcanifchen Maffen ift fecun: 
där. Er fiheint, als fchwerer zerftörbar, bei Auflöfung 
oder Zertrümmerung der älteren Feldarten in die jüngeren 
übergegangen zu ſeyn; fo findet er fich im Sande der Flüſſe 
und Bäche, im aufgefhwenmten Lande unter der Damm- 
erde, oder eingehüllt in Laven. Aehnlich ift fein Vorkom— 
men in Böhmen, mit Ausfhluß unferer alten vulcanifchen 
Gebirgsmaffen. (Beilage A.) 

Wir übergehen bier die verfchiedenen Varietäten, 
die wir aus unferen Urgebirgen befizen, um und vorzüg- 
lich mit jener zu befchäftigen, welche, ihrem Mutterge- 
fteine entriffen, auf ferundären Lagerftätten in jüngeren 
Selsarten eingehüllt, oder im aufgeſchwemmten Lande 
zerftrent gefunden wird, welche von Neuß unter dem 
Namen Karfunfel, von Werner als Pyrop, als ſelbſt⸗ 
ſtaͤndige Gattung aufgeführt, und allgemein als geſchäz⸗ 
ter Edelſtein unter dem Namen des böhmiſchen Granats 
bekannt iſt. 

Die Fundorte und die Art des Vorkommens desſel⸗ 
ben am füdlichen Rande des Mittelgebirges hat Neuß in 





63 
feiner Orographie genau angezeigt *) 5: doch find diefe nicht 
die einzigen Fundorte diefes Minerals; es erfcheint eben: 
falls an der Iferwiefe im Sande der. fer, und wahr: 
fheinfih noch an mehreren Stellen des Jfergebirges von 
den nämlichen FZündlingen begleitet. H. Moteglef hat dem 
Mufenm aus jener Gegend eine bisher noch nicht befannte 
Darietät von regelmäßiger Geftalt überlaffen, woraus 
hervorgeht, daß die Kryftallform des Pyrops von jener 
des Granats verfchieden ift; fie ift nämlich das Heraeder, 
während der Granat meiſtens als Nautendodefaeder und 
Leueit und in Combinationen Ddiefer beiden Formen ers 
fcheint. Dieſe Entdefung leitete H. Euftos Zippe auf die 
Unterfuchung der Merkmale der Härte, die fih als 7,5 
verhielt, und auf jene der Eigenfchwere, die bei den Lich- 
teren und Eryftallifivten Varietäten 3,69, bei den dunfle- 
ven 3, 78 betrug, indeß jene der durchfichtigen rothen Va— 
rietäten, der edle Granat Werner’3 oder Almandin, ſtets 
über 4 hinausreicht. Wir halten uns hierdurch berechti- 
get, den Pyrop Werner’s wieder als eine eigene Spe— 
eied unter dem Namen bexaedrifcher Granat aufzufüh- 
ren. (Beil. B.) 

Das gengnoftifche Vorkommen des heraedrifchen Gra— 
nats in Böhmen gehört unter die höchſt feltenen und be- 
fonders merkwürdigen Erfeheinungen auf unferer Erdfrufte, 
wegen der äußerft mannigfaltigen und fonderbaren Mi— 
ſchung von Geftein und Schalthierverfteinerungen, die ihn 
begleiten. Der Pyrop wird gefunden 

1. am füdlichen und füdmweftlihen Fuß des Mittelge: 
birges, auf den Herrfchaften Tribliz und Dlazkowiz, bald 
unmittelbar unter der Dammerde, bald 1 — 2 Klafter- 
unter derfelben in einem Gerölle von Quarz und Bafalt, 
von der Größe eines Straußeneies bis zu jener einer 





— Orographie des nordweſtlichen Mittelgebirges in Böhmen 
von F. U. Neuß. Dresden 1790. 


64 


Erbfe, gemifcht mit noch feinerem Sand und wenigem Thon. 
Bei dem Waſchen und Sieben der Granaten werden neben 
ber. ausgefchieden, Schwerfpath, der bishero überfehen 
wurde, Spinell von blaßblauer und von ganz ſchwarzer 
Farbe, font Pleonaft oder Eeylanit genannt, Korund von 
blaulich und grünlicher Zarbenmengung, graulich weißer 
Quarz, Ehryfolit von fpargel= oder olivengrüner Farbe, 
feinen Kryftallformen nad) von jenen Chryfolitförnern ver- 
fhieden, die in den Baſalten des Mittelgebirges unfern 
von Meroniz und Liebshaufen von Neuß angegeben wer: 
den, dodefaedrifcher Granat, Zirfon von weißer, grauer 
und gelber Farbe, magnetifcher Eifenfand, fonft unter dem 
Namen Sferin bekannt. (Beil.C.) Neuß führet noch ein in 
einem Felde gefundenes Eleines Gefchiebe von Smaragd und 
Zurmaline an, die und noch nicht vorgefommen find. 
Von Schalthierverfteinerungen werden ungefähr 10 Arten 
vorhanden ſeyn, meiftens fehr Eleine Exemplare aus den 
Gattungen Heliciten, Cerithiten, Turitellen und QZurbis 
niten, beſonders merfwürdig erfcheinen darunter Eleine 
Korallenverfteinerungen zu den Turbinoliten Lamares ge 
börig. Zwiſchen harten Gefchieben eingemengt, findet man 
diefe Verfteinerungen faft durchgehende gebrochen oder we: 
nigftens befchädiget, wodurch die Beftimmung fehr er: 
ſchwert wird; fo viel läßt fi) dermalen mit großer Wahr: 
feheintichkeit behaupten, daß wo nicht alle, doc gewiß 
die meiften den Gebilden der tertiären Formation angehö— 
ren, und mit den Verfteinerungen aus dem Grünfand und 
Eifenfand der englifchen Geologen die größte Aehnlichkeit 
haben. 

Ein zweites ganz verfchiedenes Vorkommen des Py- 
rop8 findet man bei Meroniz, etwas nordweftlich von den 
früher genannten Fundorten; bier wird der heraedrifche 
Granat in einer Tiefe von 8 bis 12 Klaftern im feiten 
Geftein eingehüllt gefunden. Gerölle von fehr verfchiede: 
nen Steinarten aus Urgebirgen und vulcaniſchen Gebilden 


| 
| 
| 
| 
| 








65 


liegen über demfelben und führen Feine Pyrope mit fich. 
Das feſte Geftein ift bald lichtgelblih, bald grau, matt, 
mit Säuren ftarf aufbraufend, beim Anhauchen Thonges 
ruch gebend. In diefem Geftein liegen die einzelnen Kör- 
ner ziemlich gleichförmig zerftreut, laſſen fich mit Leiche 
tigkeit auslöfen, find aber meiftens fehr zerriffen und gleich: 
fam ſchalig zerffüftet, zeigen auf den Zerflüftungsflächen 
einen emailartigen Ueberzug ; diefes Geftein gehört wahr- 
feheinfich zur Formation des Plänerfalfs, welcher einen 
großen Theil der Abdahung des füdlichen und meftlichen 
Mittelgebirges überdeft. Die zweite Pyrop enthaltende 
Gefteinart ift leberbraun, ftellenweife Tauggrün , olie 
vengrün und gelblidhgrau, von vollkommen flahmufchli- 
chem Bruch, bedeutend fettartigem Glanz, nur in dünnen 
Splittern durchfcheinend und der Verwitterung unterwor- 
fen. Nach dem eigenthümlihen Gewicht (2,2), der Härte 
und leichter Zerfprengbarfeit zu urtheilen, ift diefes Ge— 
ftein fehe nahe mit Dpal verwandt. Geglüht läßt es eine 
bedeutende Menge Waſſer entweichen, vor dem Löthrohr 
brennt es fich weiß, ohne Spur von Schmelzung. Es 
feheinet eine mit Opalmaffe innig durchdrungene Abände- 
rung des vorigen Gefteins zu feyn; dergleichen Opalcon- 
eretionen kommen im Mittelgebirge auch an anderen Dr: 
ten vor. In diefem Geftein ift der Pyrop noch mehr ver: 
ändert, die Körner haben fi an der Oberfläche innig, 
gleichfam chemiſch mit dem umgebenden Geftein verbuns 
den, und laſſen fich nicht mehr von demfelben ablöfen, 
auch find fie noch mehr zerklüftet. 

Eine dritte Verfchiedenheit des Vorkommens wird 
nächft der fogenannten Granatenſchenke zwifchen Tkibliz 
und Dlazkowiz in einem Walde gefunden, wo einige Ger: 
pentinblöfe liegen, deren ſchon Reuß erwähnt, die einge: 
büllten Pyrop enthalten. Das Mufeum erhielt ausge: 
zeichnete Stüfe davon von den Hrn. Grafen Friedrich 
Karl Schönborn und Franz Klebelsberg. Diefer Ger: 

5 


66 


pentim ift fehr dunkelfärbig, zwifchen graufich und ſchwärz— 
fich grün, in der Zufammenfezung mehr feinförnig als 
dicht, und hat durch irgend eine Einwirkung eine anfan- 
gende Zerftdrung erlitten, Der Pyrop ift in der Maſſe 
zerftreut, von einem weißen, matten, fehr dünnen Ueber: 
zuge umgeben, feft und innig mit der Maffe verbunden und 
verwachfen, fo daß es durchaus unmöglich wird, ein ein— 
zelnes Korn in feiner Gänze abzulöfen; unter dem Hamz 
mer wird der Pyrop zugleich mit der Maſſe zerfprengt. 
Ob man wohl auch anderwärts, 3. B. bei Zöbliz in Sad: 
fen und im Easlauer Kreife Pyrop im Serpentin gefuns 
den hat, und man durch Diefes Vorkommen am beften den 
Chromgehalt des Pyrops zu erklären vermag, fo bleibt es 
doch zweifelhaft, ob der Serpentin das urfprüngliche Meute 
tergeftein des Pyrops ſeye; wenigftens ift er nicht Das 
einzige. 

Wäre der Serpentin das Muttergeftein des Pyrops, 
fo müßte fich der Pyrop in ſelbem am frifcheften, am beften 
erhalten haben, und in felbem am eheften fich mit deutlich 
ausgefprochenen Kryftallformen zeigen; es findet fich aber 
gerade das Gegentheil; die Pyrope im Gerpentin find zer: 
lüfter und zerborften, zeigen einen Anfang von Auflöfung 
und Zerftörung,. Wäre der Gerpentin das Muttergeftein 
der zahllofen Pyrope, die am Fuße des Mittelgebirges ges 
funden werden, fo müßte eine Spur eines noch anftehenden 
Serpentingebirges in jener Gegend vorhanden feyn, oder 

wenigſtens in den noch vorfindigen Gerpentinblöfen die 
übrigen mit dem Pyrop vorkommenden Mineralien in fel- 
bem vorgefunden werden; allein weder von dem einem noch 
von dem andern ift auch die Teifefte Spur vorhanden. Dies 
fe Umftände leiten zu der Vermuthung, das zu der Zeit 
der Einhüllung der Pyrope in andere Steinmaffen, der Py— 
rop als Ueberreft früher zerftörter. Gebirge allein, ohne feiz 
ne dermaligen Begleiter vorhanden war, umd in die neue 
Bildung aufgenommen wurde, Ob diefe Umbüllungen zu 


67 


gleicher oder zu verfchiedenen Zeiten eintrafen, ob die Auf: 
löſung, begonnene Zerftörung und Zerfplitterung der Py— 
rope bei allen Einhüllungsmaffen von ein und derfelben 
Urfache abzuleiten feye, ob bei den Gerpentinen vielleicht 
eine höhere Temperatur eingewirkt, die vulcanifche Bafalt- 
bildung in dem Mittelgebirge darauf Einfluß genommen 
babe, find Fragen, deren Beantwortung wir ferneren 
Beobachtungen heimftellen müffen. Daß aber die Lofen 
Pyrope, die, mit fo vielen andern Gefteinen und Vers 
freinerungen gemengt, im Gerdlle gefunden werden, zu ei: 
ner andern Zeit auf ihre gegenwärtige Lagerftätte gebracht 
wurden, und diefe Begebenheit mit dem ganz ähnlichen 
Vorkommen der Pyrope auf der Sferwiefe in einem Zus 
fammenhange ftehe, möchten wir ſchon jezt ausfprechen. 

Die geognoftifhe Sammlung hat in diefem Sahre 
einen einer befonderen Erwähnung werthen Zuwachs er— 
halten. Das lobenswerthe Beifpiel des Caslauer Kreis: 
amts und Euttenberger Bergamts hat Feine Nachahmung 
gefunden, unfere hierauf gegründete Hoffnung bat ſich 
nicht bewährt. 

Die Peträfactenfammlung wurde reichlicher begabt. 
Ein oberes Stük eines Elephanten= Fangzahns bei einer 
Ausgrabung in dem Hofraume zu Smidar im bidfchomer 


Kreiſe in einer Sandfchicht gefunden, erhielt das Mufeum 


von Sr. Ercell. dem Hrn. Grafen Prokop Hartmann z «8 
iſt zwar in feinem Inneren fehr verwittert, zeigt aber im 
Aeußeren die Tertur des Elfenbeins fehr deutlich. Ueber 


die ſchwer zu beftimmenden Scalthier = VBerfteinerungen 


der Vorwelt behalten wir uns bevor, nähere Auskunft zu 
geben, wenn wir felbe in größerer Vollſtändigkeit verſam— 
melt haben werden, und erwähnen blos eine fehr ſchöne 
Derfteinerung eines Gaumzahns von einer merkwürdigen 
vorweltlihen Rohen- Art. Aehnliche Zähne, die unter 


dem Namen Buffoniten bekannt find, kommen in Deutfche 


land in der Graffhaft Mark bei Bochum und in England 
\ 5* 


68 - 


vor, allenthalben, wie es feheint, in den Gebilden der 
tertiären Formation. Der unfrige wurde in dem Sande 
am Ufer der Sfer bei Benatef im bunzlaner Kreife gefun: 
den und für das Muſeum angefauft. Er ijt vollftändig, 
unterfcheidet fich jedoch von jenen, welche Knorr, Parfin- 
fon und Schlotheim abgebildet haben *), darin, daß jene 
7 — s Zahnblätter ohne alle Abzeichnung befizen, der 
unfrige hingegen nur 5 mit 3 Punkten auf dem mittleren 
Zahnblatte oder erhöhten Streifen, wie die Abbildung 
(Kig. A.) nachweist. Db dieſer Unterfchied auf eine andere 
Fiſchart aus derfelben Gattung, oder nur auf eine andere 
Zahnreihe deute, wollen wir näheren Bergleihungen über: 
laffen, zu welchen uns die Materialien fehlen. 

Aus dem Gebiete der Zoologie haben wir anzuzeigen, ein 
felten vorfommendes Naturfpiel: ein gehörntes Repp— 
huhn. Es wurde auf der Herrfhaft Chudeniz im Elattauer 
Kreife gefehoffen, und von dem Hrn. Grafen Eugen Czernin 
dem Mufeum ausgeftopft verehrt. Diefes Nepphuhn war 
in Größe und Geftalt dem gewöhnlichen faft gleich, nur 
daß der Kopf fi) nach vorne mehr ald gewöhnlich verſchmä— 
lerte; es lebte gleich andern feiner Gattung in Geſellſchaft. 
Der hornartige Auswuchs fizt unmittelbar af dem Kno⸗ 
chen des ganzen Dberfopfs, ift (wenigftens im trofenen 
Zuftande) feft mit felbem verbunden und bedeft denfelben 
ganz mit feiner Grundfläche, indem er vorne über den bin: 
tern Theil der Stirne, hinten über den vordern Theil des 
Hinterhaupts, feitwärts bis gegen den Augenhöhlenrand 
fih ausbreitet. An der Grundfläche beträgt diefer Aus- 
wuchs nach dem Längendurchmeffer 874°, nach. dem Quer: 
durchmeſſer 7°; von hier anfangend verdikt ſich derfelbe 





*) Buffonites: Knorr, v. Wald, Naturgefhichte der Verfteine- 
rungen T. II, p. 2 p.206. T. VIII. H. ı. a. Parfinjon 
org. rem. Vol. III. T. XIX. f. 18. Schlotheim. Peträf. 
Nachtr. a p. 70. T. XIII. f. za.b. ce. 








69 


und erreicht 5 ober der Grundfläche feine größte Dike, 
fteigt gerade empor und theilet fich gabelfürmig, fo daß 
beide Theile der Länge nach hinter einander ftehen. Von 
dem Theilungspunkte geht beiderfeits eine Furche zu der 
Grundfläche herab; diefe Furche ift an der Rükſeite durd) 
ein Schrot vom Schuß verlezt. An den ſtumpfen Spizen 
des getheilten Horns find diefe 6 weit von einander 
entfernt, das vordere 1° 2°, das hintere 1’ 4 hoch, 
4“ dik und 5 breit. Neben diefem Auswuchs an der lin- 
fen Seite zwiſchen dem Grunde desfelben, dem linken Auge 
und der linken Geite der Schnabelwurzel, find zwifchen 
den Kopffedern mehrere geringe Unebenheiten (Ererescen- 
zen) zu bemerken. Die Oberfläche des Horns ift uneben, 
der Länge nach unregelmäßig gefurht, ſchmuzig meiß, 
ftellenweife gelblich weiß, gegen die Grundfläche horn— 
braun, von einer deutlich Iamellofen Textur, die Lamellen 
laufen ftrahlig nach der Länge des getheilten Horns, die 
Kanten und. dünnen Splitter find durchfcheinend. Mit 
dem Nagel kann man leicht Eindrüfe machen und Splitter 
ablöfen; die Splitter find biegfam (Fig. 2.). Im frifchen 
Zuftande wäre es leichter gemwefen, durch genaue Unterfu- 
hung des Kopfs und Gehirns diefes Thieres, die Urfache 
tiefes feltfamen Auswuchfes zu entdefen, die wahrfchein- 
lich in einem Franfhaften Zuftande des Kopfes gefucht 
werden muß. 

Ein zweites für unfere zoologifhen Sammlungen will: 
kommenes Gefchenk war ein Nennthiergemweih von fel- 
tener Größe (Fig. 3), das jenem der Parifer Sammlungen, 
melches Cuvier unter Nro. 15 abgebildet hat“), zwar ähn— 
lich ift, in der Größe der Schaufeln und in der Zahl der 
Eproffen aber felbes übertrifft; es wurde in einem böhmi— 
fhen Landfchloffe gefunden und von dem Freiherrn Ferdi- 





5 Cuvier Recherches sur les ossemens fossiles T. IV. 
pl. IV. Nro. 15. 


70 


nand von Hildbrand dem Muſeum geſchenkt; von wen, zu 
welcher Zeit, und woher ed nad) Böhmen gebracht wore 
den, ift nicht befannt. Diefes Geweih ijt nach der Art 
diefer Thiere glatt, vom erften Augenfproffen an flach, erſt 
rükwärts aus:, dann oben wieder einwärts gebogen, Die 
beiden Stangen etwas verfhieden, die Nofen mit runden, 
glatten Warzen befezt. Die Maßverhältniffe beider Stanz 
gen find folgende: 





Ausbugs⸗ 


Verticale Länge vine Entfernung Augen⸗ 
Höhe nach dem | nad ruf» | beider fprofjen: 
der Stangen. | Ausbug. | wärts, | Stangen. länge. 





Rechte | Einte | R. |. |R. | 8. | Mitteloven]| R. | 8. 





z4u 341 314 5 40 6 484 11 18" azıgı 94“ 108 1264 


S = 23 

Endbreite. Zweiter End: |Scyaufe:-|23| 3 
Sproffen breite. | breite. > BE 2 

Länge. 50 3 = 


Re TE ER. Ber 


24 g 6 6’ 16° u 16% 5 54 6° 4 Ta 6% 1guzas 


In der Mitte der beiden Geweihe nach rükwärts ift 
noch ein Eurzer Sproffen mit 2 abgeftumpften Enden anges 
deutet. Den Geweihenden und feiner Größe nad) zu ur: 
theifen, muß das Thier wenigitens 10 Jahre alt gewefen 
feyn. 

Die für die vergleichende Anatomie wichtige, zur Bes 
ſtimmung vorweltliher Ihierarten unentbehrliche, Samm— 
lung von Skeletten, erhielt einen namhaften Zuwachs durch 


71 


ein Geſchenk von dem Herrn Fürſten Rudolph Kinſty, 
von 19 Säugthieren, 38 Vögeln und 3 Amphibien, wel: 
che bereits in einem eigenen Kaften in der zoologifchen 
Sammlung aufgeftellt find. Sehr wünfhensmwerth wären 
noch die Skelette, oder wenigitens der vollftändige Schä: 
del mit den Zähnen eines Bären und eines Wolfs, zur 
Dergleihung mit Höhlenbären und Hyänen der Vormelt, 
die fo häufig in Deutfchlands und Englands Berghöhlen 
gefunden werden. Eine zu ähnlichem Zweke und für das 
Studium der Zoologie wichtige Sammlung von Zähnen 
der Säugtbiere, auf zierliche Tafeln gereiht, wurde dem 
Mufeum von ihrem wirkenden Mitgliede, dem 9. Prof. 
Sg, dargebracht. Auf jeder einzelnen Tafel erfcheinen 
die Zähne beider Kiefer, jedesmal ein und desfelben In— 
dividuums, nad der geraden Anſicht, und zwar auf der 
einen Hälfte derfelben von der rechten Seite und äußeren 
Slähe, auf der andern Hälfte von der linfen Seite und 
inneren Fläche dargeftellt. Die Zähne jener Ihierarten, 
wie zum Beifpiel des Pferdes, des Schweines, bei wel- 
chen fie nach der Verfchiedenheit des Gefchlechts weſentlich 
verfchieden find, werden auf zwei befondere Tafeln gereiht. 
Diefe Sammlung, die nur nad) und nad) vervollftändigt 
werden kann, foll aus drei Abtheilungen beftehen. Die 
erfte derfelben wird von jeder Sängthierart die Zähne nach 
ihrer vollftändigen Zahl beim gänzlich ausgewachfenen 
Ihiere, nad) dem bereits "vollig beendeten Wechfel der 
Milchzaͤhne, und wo möglich in ihrem vollfommenen Zu: 
ftande, erhalten. In der zweiten Abtheilung ebenfalls die 
Zähne von denfelben Thierarten in einer und mehreren Pes 
rioden des Wechfels der Milchzähne, und in der dritten 
Abtheilung ebenfalls die Zähne von denfelden Thierarten 
in ihrem ſchon im hohen Grade abgenüzten, oder fonft 
durch ihr höheres Alter in der Form und Natur veränder: 
ten Zuftande erfcheinen. Zum. Schluße der Sammlung 
fol eine vierte Abtheilung nachfolgen, welche die innere 


72 


DIrganifation der Zähne darftellen wird, um dadurd) der 
ganzen Sammlung von diefer Seite eine größere Vollſtän— 
digkeit und Ausdehnung zu ‚geben. 

Diefe Sammlung wird nicht blos die ſchon angedeu— 
teten Zweke erfüllen, fondern überdies den Naturforfchern 
und Phyfiologen wefentlich nüzlich werden. Der Natur: 
biftorifer wird durch diefelbe mit einem einzigen Blik die 
Zähne jeder Thierart, nicht nur der Zahl oder Reihen: 
folge nach in beiden Kiefern, fondern auch in Anfehung 
der Äußeren Form derfelben, in ihren Kronen und Wur— 
zelm leicht und ſchnell überfhauen und Eennen lernen. Dem 
Naturforfcher und Phyfiologen aber wird fie außerdem noch 
befonders dienen zur Einfiht und Kenntniß der bis jezt 
größtentheild nur noch wenig gefannten genaueren Vers 
hältniffe und Perioden der Entwillung und Ausbildung 
der Zähne bei den verfchiedenen Thierarten, fo wie des 
MWechfels der fogenannten Milchzähne; zur Kenntniß der 
Zähne im Zuftande der vollfommenen Ausbildung; zur 
genauen Einficht der verfehiedenen Formen und Größen- 
verhältniffe der Zähne in ihren Kronen und Wurzeln, fos 
wohl zwifchen den verfchiedenen Gattungen und Arten der 
Thiere überhaupt, als zwifchen den verfehiedenen Abtheiz 
lungen der Zähne einer jeden einzelnen Thierart insbefon- 
dere; endlich zur Kenntniß des Zuftandes der Zähne in 
den fpäteren Lebensperioden der Thiere, wo diefelben bei 
verfihiedenen Thierarten nicht nur einen verfchiedenen 
Grad der Abnüzung ihrer Kronen, fondern bei vielen auch 
fehr auffallende Beränderungen der Form und des Wefens 
ihrer Wurzeln erleiden. Die Wichtigkeit des Studiums 
der Zähne der Säugthiere ift allgemein anerkannt, ein 
eigenes Werk von Euvier*), welches jedoch fehr langſam 
vorfchreitet, der Befchreibung diefer Zähne gewidmet; 





*) Des dents desMammiferes consideres comme caracteres 
gtologiques par M. F. Curier. 


73 


eine vollftändige Sammlung diefer Art aber bisher noch 
in keinem Naturaliencabinet vorhanden. Zehn Tafeln find 
bereits im Mufeum zur Anficht aufgeitellt. 

Der Zuwachs der botanifhen Sammlungen wurde 
von dem Hrn. Gefchäftsleiter angezeigt; wir haben bier 
blos der Herausgabe des zweiten Heftes der Reliquiae 
Haenkeanae zu erwähnen, das im Laufe diefes Jahre 
vollendet wurde. Die fhon bei Herausgabe des erften 
Heftes gemachte Beobachtung, dag ungeachtet fehr viele 
Botaniker neuerlich diefelben Gegenden von Südamerika 
beveifet haben, in weldhen unfer Landsmann Ihaddäus 
Hänke vor 40 Jahren fein Herbarium gefammelt hat, 
viele von ihm entdefte Pflanzen von den fpäteren Reiſen— 
den nicht wieder gefunden wurden, bewähret auch diefes 
zweite Heft, und vermehret die Trauer um den niemals 
nad) Europa gelangten Nachlaß diefes Naturforfchers, und 
die in Cadir während einer 30jährigen nachläffigen Auf: 
bewahrung zu Grunde gegangenen Pflanzen. Die im zwei— 
ten Hefte abgehandelten Pflanzenfamilien gehören größ- 
tentheils zu jenen, welche eben fo ſchwer zu trofnen als 
aufzubewahren find; dies ift wohl auch die Urfache, war: 
um manche diefer Familien nur wenige Pflanzen enthal- 
ten, wie 3.3. die Fluvialen, Najadeen, Liliaceen u. f. w. 
Sm Ganzen werden aus 25 Familien 69 Gattungen und 
158 Arten befchrieben, worunter 14 Gattungen, alfo bei: 
nahe % und 43 Arten, beinahe %, als neu angefprochen 
werden. Bei einzelnen Familien ift das Verhältniß des 
neuen noch weit größer, fo zählt 3. B. die Familie der 
Drchideen unter AS Gattungen 7 neue, unter 28 Arten 25 
neue Arten. Die Beftimmung diefer Pflanzen wurde 
durch den Profeffor der Botanik in Königsberg, Dr. Ernft 
Meyer, und H. Euftos Karl Preſl allpier beforgt. Für 
das dritte Heft find Text und Kupfer vorbereitet. 

Aus der zweiten Abtheilung unferer Sammlungen 
der Bibliothek und Alterthümer wollen wir nur einige 


74 


Handfchriften aufführen,” die eine Nachlefe für die Ger 
fhichte verfprechen. 

Das Gedenkbuch des Ritters Nifolaus Dakicky von 
Heflowa in böhmifcher Sprache, eingefendet von dem ſam⸗ 
melnden Mitgliede Hrn. Dechant Ziegler, iſt zwar eigent= 
lich blos eine Chronik der Bergftadt Kuttenberg, in wels 
her Die beiden Dacicky, Andreas der Vater, und Nifo- 
laus deffen Sohn, von dem Fahre 1510 bis 1626 gelebt, 
und vieles aufgezeichnet haben. Die meiften Notizen ha— 
ben nur ein örtliches Sntereffe fir Kuttenberg und feine 
Umgebungen, aber auch die allgemeine Gefhichte Böh— 
mens, vorzüglich unter den Negierungen Rudolph des II., 
Mathias, und Ferdinand des II., wird duch Dacicky's 
treuherzige Erzählung vielfach beleuchtet. Gie bietet man 
chen Beitrag zur Sitten- und Eultursgefchichte feiner Zeit, 
verbreitet Licht über die Gefchichte des Münzweſens zu 
Kuttenberg, und ift befonders für den böhmifchen Genea— 
flogen von entfchiedenem Werth. 

Bon allgemeinerem Intereffe find zwei Handfchriften, 
welche der H. Fürft- Erzbifchof Wenceslaud mit gewohn— 
ter Liberalität dem Mufeum zur Aufftelung und Benüzung 
überließ. Die erfte in Folio ift zwar nur ein Copiarium 
aus dem XVII. Jahrhundert einzener wichtigen Urkunden 
von der Zeit König Sigismunds bis zu dem Jahre 16295 
ed fcheinen jedoch dem Abfchreiber richtige Originale zu 
Gebote geftanden zu haben; die in vielen Handfchriften 
vorfommende Kriegsdisciplin von Johann Zijfa von Troc⸗— 
now ift hier nach einer älteren und vichtigeren Handfchrift 
nachgefchrieben. 

Das zweite Manufeript in böhmifcher Sprache, aus 
dem XV. Sahrhundert, enthält nebft mehreren Abhandlun- 
gen und Actenſtüken 1) die felten vorfommende Dotation 
der E. Burgen und feften Schlöffer, mit Angabe des an 
die k. Kammer zu bezahlenden Heberfchuffes von diefer Do: 
tation, oder der hierauf unmittelbar angewiefenen k. Dies 





75 


ner, in deren Verzeichnif fich der erfte befannte böhmifche 
Botaniker Ehriftannus de Pracdatiz, Leibarzt K. Gigis: 
munds befindet. 2) Die alten Prager Stadtrechte mit den 
erdichteten fogenannten Sobieslawifhen Gefezen. 

Diefe abenteuerlihen Gefeze, in weldhen der Bür- 
germeifter von Prag über die Stände und den Prager 
Burggrafen erhoben, und ihm dad Necht eingeräumt 
wird, bei getheilten Stimmen in der Herzogswahl mit 
den Bürgern von Prag die Wahl zu beftimmen, und uns 
- ter der Strafe die Nafe zu verlieren geboten wird, daß 
fein Deutfcher oder Ausländer irgend ein Amt im Lande 
Böhmen befleiden dürfe, — haben troz aller chronologiſchen 
Unrichtigkeiten und geſchichtlichen Widerſprüchen, die fie 
zur Schau tragen, blos weil fie Hajek in feine Chronif 
aufgenommen, nicht aus der Gefchichte vertilgt werden 
fönnen. Sie find aus Hajek's deutfcher Weberfezung in 
Goldaſt's Beilagen, aus diefen in Lünig's Neichsardhiv 
übergegangen, und 9. von Naumer in feiner Gefchichte 
der Hohenftaufen wurde hierdurch zu der Anfrage veran- 
laßt, ob man die Driginalurkfunde diefer Gefeze nachwei— 
fen könne? Diefe Anfrage werden wir, durch die Eritifchen 
Bemerfungen unferes Mitgliedes Hrn. Abbe Dobrowſky 
unterftüzt, im Kürze beantworten. 

Daß Herzog Sobieslaw der II., der während feiner 
Regierung (1174 — 41178), die bei Dobner abgedruften, 
in Tateinifcher Sprache verfaßten Gefeze, zu Gunften der 
Deutfchen, gegen deren Aechtheit nichts einzuwenden iff, 
gegeben hatte, nicht der Verfaffer jenes unfinnigen, mit 
Abfchneiden der Nafe verpönten Gefezes gegen die Deut: 
fhen feyn könne, mußte wohl jedem Gefhichtsforfcher auf- 
fallen; um diefem Widerſpruche zu entgehen, rüfte Hajek 
diefe 6 Artikel in das Jahr 1135 unter Sobieslaw den I. 
hinauf, wo fie jedoch eben fo wenig gefchichtlichen Grund 
finden, fih auch gar nicht Hätten halten Eönnen, wenn 
Hajek nicht den Eingang und den Schluß weggelaffen hätte, 


76 


deren gefchichtwidrige Unmahrheit fich jedem befonnenen Le⸗ 
fer von ſelbſt aufdringt. Pubitſchka findet wichtige Gründe, 
um an diefer Begebenbeit zu zweifeln, und meinet, einige 
Artikel müßten eher Sobieslaw dem II., der gegen die 
Deutſchen fehr erbittert gemwefen, und anderen fpäteren 
Herzogen zugefchrieben werden. Allein fchon der Eingang 
zu den erwähnten Gefezen, worin gefagt wird, Daß Her: 
zog Sobieslaw in der vor Prag vorgefallenen Schlacht, 
von welcher die Gegend den Namen Bogiffte, das ift 
Schlachtfeld, Kampfplaz erhielt, feinen jüngeren Bruder 
überwunden, gefangen genommen, und in ein Gefängniß 
der größeren Stadt Prag gefezt habe, widerfpricht gänze 
lich der Gefchichte. Denn nach dem fehr genauen und um: 
ftändlihen Berichte des gleichzeitigen Abtes Gerlaf, hat 
Friedrich, König Wladislams Sohn, welden Sobieslaw 
im Sabre 1475 verdrängt hatte, nun von Kaifer Friedrich) 
unterftügt, im Jahre 1478 Prag eingenommen, worauf 
Sobieslaw bis Skal flüchten mußte. Im Jahre 1179 
verfuchte Sobieslaw in Friedrichs Abwefenheit, der von 
Kaifer Friedrich auf einen Neichötag befchieden war, Prag 
zu überrumpeln; Doch diefer Anfchlag wurde durch die Bes 
fonnenheit der Elugen und waferen Elifabeth, Friedrichs 
Gemahlin, welche die Befazung zur tapferen Gegenmwehr 
anfmunterte, vereitelt. Nach diefem mißlungenen Berfus 
che wagte es Sobieslaw mit feinen Anhängern dem anti 
kenden Friedrich den Eintritt in Das Land zu vermehren, 
Diefer drang jedoch bis an den Bach Lodeniz vor. Hier 
gelang es dem Herzog Sobieslaw Friedrichs. Heer am 23. 
Sanuar zu fehlagen, worauf diefer mit dem geretteten Theile 
feines Heeres nach Petfchiz eilte, um fich mit dem znaimer 
Fürjten Konrad, der ihm zur Hilfe zog, zu vereinigen. 
Auf eine von der Herzogin Elifabeth erhaltene Kundfchaft 
über die Bewegungen des feindlichen Heeres, zogen beide 
mit verftärkter Macht gegen Prag, wo fie am 27. anlange 
ten; fie ftellten ipre Heere auf einer Anhöhe auf, die ſich 





77 


durch die von Elifabeth zum Andenken des Sieges hinter 
Sct. Stephan erbaute Kirche in der Umgegend des blinden 
Thores bezeichnen läßt. Sobieslaw griff an, ward aber 
gefehlagen, bis Proſik verfolgt, mit Noth erreichte er fei- 
ne Seite Skal, und nachdem auch diefe fich ergab, räumte 
er dad Land und ftarb außer Böhmen im Jahre 1180. 
Während diefer Zehden, die für Sobieslaw unglüklich en= 
deten, hatte er wohl fehwerlich Zeit, die Stände zufamme 
zuberufen, und neue Gefeze zu Gunften der Stadt Prag 
zu geben, die in den Händen feiner Feinde war; früher 
hatte er aber Gefeze zu Gunften der Deutfchen gegeben, 
und die Deutfchen der Vorftadt Prag erfreuten fich feines 
Schuzes. Daß aber Sobieslaw bei der Schlacht von Lo— 
deniz gegen die Deutfchen, die gegen ihn gefochten hatten, 
in Zorn entbrannte, und einigen, die er gefangen, bie 
Naſe abfchneiden ließ, erzählt felbft Abt Gerlaf. Diefe 
Thatſache hat Dalemils gereizte poetifche Smagination fo 
fehr ergriffen, daß er Haß gegen die Deutfchen mit reinem 
Patriotismus verwechfelnd, Sobieslaw als einen Wüth— 
rich fhilderte, der einem jeden Deutfhhen, der ihm auf 
flieg, die Nafe abfchneiden ließ, ja um die Böhmen zu 
gleicher Unthat aufzumuntern, jeden, der ihm 100 Nafen 
lieferte, mit 100 Mark Silber belohnte. Daß ein erzürn⸗ 
ter Feldherr noch in der Glut der ausgefämpften Schlacht 
ſich zu einer fhändlichen Rohheit verleiten ließ, davon lie 
fert die Gefchichte wohl mehrere für die Menfchheit befla=' 
genswerthe Beifpiele, aber mit Befonnenheit und Falter 
Ueberlegung die Unthat in ein Gefez zu verwandeln, wie 
felbft bei barbarifchen Völkern Feines nachzumeifen ift, 
widerftrebt dem gefchichtlichen Charakter Gobieslaws und 
feiner Zeit. 

Die widerfinnigen, der alten VBerfaffung Böhmens 
widerfprechenden Artikel felbft find fo auffallend, daß 
fie kaum weitläufig geprüft und gerügt zu werden verdies 
nen, Den erften in Bezug auf die Deutfehen haben wir 


78 


bereits widerlegt; der zweite, vermög welchen, wenn fein 
Herzog oder Erbe im Lande wäre, der Bürgermeifter von 
Prag das verwaiste Land regieren, auf gemeine Unkoſten 
fich auf dem Rathhauſe aufhalten, der Burggraf von Prag, 
die Landrichter und alle Offiziere ihm als einem gewaltis 
gen Negenten gehorfamen follen, ift fo verfaffungsmwidrig, 
dag man nicht begreift, wie ihn ein Hajek, dem die böh- 
mifche Verfaffung doch nicht fremd war, habe aufnehmen 
können. Der dritte Artikel befreiet die Stadt Prag von 
der Behörde des Unterfammeramts, und ftellet fie unmite 
telbar unter den Herzog. 

Nach dem vierten Artikel fol der Bürgermeifter der 

Stadt Prag die Stände zu der Wahl eined Herzogs eins 
berufen, und bei getheilten Stimmen er und die Prager 
Dürger die Wahl entfcheiden. In welcher Epoche unferer 
Geſchichte hätte fich wohl der mächtige Herren- und Rit— 
terftand zu der Beftimmung eines ſolchen Gefezed bequemt? 
Selbſt der fünfte Artikel, vermög welchen der nad Böh— 
men Eommende Herzog mit einem Eide die Rechte und 
Freiheiten aller Stände befräftigen fol, paßt nicht auf 
Sobieslaws, fondern nur auf fpätere Zeiten. 
Der fechste Artikel endlich, nach welchem im Zalle 
der Fürft fein Land mit Raub oder Andern antaften ließe, 
oder was immer zu großer Unehre des Landes gereicht, 
nicht abwehren würde, die Herren, Städte- und Landein: 
wohner der Stadt Prag beitreten follen, um fich gegen 
diefes Unrecht zu vertheidigen, auch dem Fürften Feine 
Folge mehr leiften, und in fo lange Feine Steuer bezahlen 
folfen, bis er feinem geleifteten Eide Genüge thun würde, 
paßt blos auf jene Zeiten, worin die Prager mit dem her- 
beigerufenen Fithauifchen Fürften Sigmund Koribut ihr 
Spiel und ihren Spott trieben; ein Sobieslaw hätte fich 
ſchwerlich anf eine ähnliche Weife behandeln laffen, am 
allerwenigften ein ähnliches Gefez felbft gegeben. 





_—_ ñ —— — — 


79 


Dieſe abenteuerlichen Artikel ſollen gemeinſchaftliche 
Beſchlüſſe der zwei Herzoge Sobieslaw und ſeines über— 
wundenen Bruders (der nie lebte), und der Landesſtände 
ſeyn, welche alle folgenden Herzoge bis auf Wenzel den 
Dritten, den lezten Sproſſen des Pkemysliſchen Stammes, 
beftätiget haben, namentlich Jaroslaw, Bketislaw, Do— 
maslaw, Boleslaw, Waͤclaw (Wenzel der Zweite), Wras 
tislaw, Nadslam (oder Radslaw). Es kommen wohl Bo— 
leslaw, Bietislaw, Wratislaw in der Reihe böhmifcher 
Negenten vor, allein lange vor Gobieslaw; die andern 
aber, Wenzel ausgenommen, find alle erdichtet, wie das 
ganze elende Machwerk eines mit der wahren Gefchichte 
Böhmens gar nicht vertrauten Verfaffers, der, zu Gunften 
der Stadt Prag, deffen Bürgermeifter über alle Land» 
jtände und Landämter erhob, und diefe felbiterfundenen 
Gefeze den Prager Stadtrechten angehängt hat. 

Die Abfaffung diefer Artikel fallt nach aller Wahr— 
fcheinlichkeit in die Zeit der größten Erbitterung gegen Die 
Deutfchen , die Zeit der Anarchie unter Sigmund oder 
nach Sigmunds Tode; auf Feinen Fall vor Koributs 
Ankunft, oder vor dem Caslauer Landtage vom 3. 1421. 
Das auffallendfte ift wohl in diefer Sache, mie fie eine 


gegen alle gefchichtliche Wahrheit, gegen Sitte und Her: 


kommen, felbft gegen den Geift der Zeit fo gröblich ver— 
ſtoßende Erdichtung fo lange habe erhalten können; und 
diefes verdankt fie allein der beliebten Chronik von Hajek. 
Zwar gab es auch unter feinen größten Verehrern einen 
Balbin, der diefe der Stadt Prag eingeräumten Vorzüge 
faſt übermäßig fand (prope nimiis honoribus et immu- 


 nitatibus, quas apud Hagecium legereest, ornavit); mehr 
zu fagen, wenn er e8 auch fühlte, erlaubte ihm feine Ehr— 
furcht für den Chroniften nicht. Beftimmter und derber 
hat ſich der Eritifche Dobner in feinen Annalen darüber 


ausgefprochen, indem er diefe Sobieslaiſchen Gefeze, eine 
Mipgeburt von Gefezen (Legum monstra), und ihren Urs. 


80 


heber einen in der Gefchichte ganz unbewanderten Menfchen 
(earummque fabrum hominem rei historicae imperilissi- 
mum) nannte; ein Urtheil, welches ein jeder nüchterner 
und Eritifcher Gefchichtöforfcher als treffend und gefchicht: 
lich begründet anerkennen wird. 

Mittheilungen von älteren Handfchriften und Werken 
über Böhmens gefchichtliche Vorzeit find dem Mufeum der: 
mal um fo erfreulicher und fchäzbarer, als die feit dem 1. 
Sanuar dieſes Jahrs begonnene Herausgabe zweier Zeit: 
fhriften die Gelegenheit darbietet, die Gefchichte des Va— 
terlandes im Einzelnen zu ergänzen oder Eritifch zu beleuchz. 
ten, und hiedurch die Bahn zu der Herausgabe einer ums 
faffenden, vollftändigeren, diplomatifch begründeten, von 
Mährchen gereinigten, von Leidenfchaften und Parteigeift 
entfeffelten Gefchichte zu ebnen, und damit einem von 
allen echtpatriotifch denfenden Böhmen längft gehegten 
Wunſche entgegen zu Eommen. 

Sind nun gleich die Gegenftände, über welche zu 
fprechen uns gegönnt war, von feinem allgemeinen und 
hohen Intereffe, fo werden Sie M. H. die Gleichförmig— 
keit in unferem Streben, die Einheit in unferem Handeln, 
die Sorgfalt, mit welcher wir befchränfte Mittel benüzen, 
um das Inſtitut, welches unferer Leitung anvertraut ift, 
feinem Zweke entgegen zu führen, nicht verfennen. Wir 
fühlen fehr wohl, wie weit wir noch vom Ziele entfernt 
find; doch find es felten diejenigen, die dem Ziele am 
Anfang vorſchnell entgegen eilen, die es am erften und 
fiderften erreihen. Die Mittel, um vorfchreiten zu kön⸗ 
nen, müffen wir von dem gemeinfinnigen Eifer, von dem 
patriotifchen Geifte und dem Vertrauen der Nation erwar: 
ten; fie auf das befte und zwekmäßigſte zu verwenden, tft 
unfere ftrenge Pflicht. Wie wir diefe erfüllen, zeigen un— 
fere Sammlungen, unfere ftets dem Belehrung Suchenden 
offenen Säle, beweifen die jährlich zu allgemeiner Kunde 
gebrachten Rechnungen und eritatteten Berichte. Wir has. 





81 


ben mit Vertrauen eine durch Gemeingeift entftandene neue 
Schöpfung in Obhut übernommen; wir haben Keime aus- 
geitreut auf die mütterliche Erde, fie haben Früchte getra= 
gen, die eine reihe Ernte verfprehen. Schon manches 
früher Heberfehene ift gefammelt, das Gefammelte beftimmt, 
das Meue in die Wilfenfchaft eingeführt worden, die Mittel 
zur Belehrung find vervielfältiget, manches. ift vorberei= 
tet, mehreres in der Idee vorhanden, der Zukunft harrend, 
die es ins Leben rufen fol. Auch diefe Zeit wird kom— 
men, und in Einheit vollenden, was in Einheit begonnen 
wurde. 


Beilage A 


Die Varietäten des dodefaedrifchen Granates, deren 
Dafeyn in Böhmen bis jezt bekannt geworden, nad) 
den Felsarten, in welchen fie vorkommen, gereiht. 


I. Sn ältern Felsarten als Uebergemengtheil zeigen 
fich folgende Vorkommniſſe: 

1. Im Granit. a) Kleine rundliche Körner und uns 
vollfommene Kryftalle von dunfelfirfchrother, ins 
Schwärzlihbraune fih ziehender Farbe, ſchwach 
‚durchfcheinend, einzeln eingewachfen in feinförnigem, 
aus grauem Quarz und weißlichen Feldfpath ge— 
mengten, faft glimmerfreien Granit, in der Gegend 
von Tabor. Diefes Vorfommniß wurde dem Miu: 
feum mitgetheilt von Hrn. Grafen Friedrich Berch— 
thold. b) Kryitalle, von der fogenannten Leucit— 
form (C 4), faft in der Größe einer kleinen Wall: 
nuß, dunfelgelblichhraun, beinahe undurchfichtig, in 
-glimmerlofem, Eleinkörnigen Granit, bei Maierhö— 
fen im pilfner Kreife. Aus der Lindaferifchen 

6 


82 


Sammlung.) ce) Die Leueitform (C 4) bis zur 
Größe eines Hühnereies, in fehr großförnigem, aus 
Quarz und Glimmer mit wenig Feldfpath beitehen- 
dem Granit, welcher wahrſcheinlich als Gang in 
Grünftein auffezt, am rothen Berge bei Ronsberg 
im Elattauer Kreife. 


2. Sm Gneife. a) Kleine Körner und Kryftalle.(C 1), 


eolombinroth, mehr oder weniger durchfichtig, au 
mehreren Drten der Gegend von Kutfenberg und 
Caslau, namentlich in dem ſehr feldfpathreichen 
Gneife am 44 Nothhelferftollen bei Gedlez. b) Eben 
fo in dem Gneiſe, aus welchem in einzelnen, oft 
mehrere Schuh mächtigen Schichten der Glimmer 
faft ganz verdrängt ıft, fo Daß das Geftein blos 


aus feinförnigem Feldfpath und fehr wenig Quarz 


beiteht, und fih dem Weifftein nähert, am Wobo— 
va im Zbislauer Fafangarten, auf der Herrfchaft 
Sehufhiz. e) Ganz ähnlich in der Gegend von 
Habern im Eaflauer Kreife, d) Nuß- bis eigroße 
Knollen, von dikfchaliger, zumeilen efigkörniger Zus 
fammenfezung, eolombinroth, durchfichtig; daun, fein 
eingefprengt, oft mit dem Geftein innig gemengt, 
in glimmerreichem braunen Gneife, bei Zbislau im 
caflauer Kreife. e) Keyftallifirt, als Combination 
des Nautendodefaeders und der Leucitform (D, CA), 
von der Größe einer Hafelnuß, dunkelbraun, fait 
undurchſichtig, in nicht fehr feſtem, feldfpathrei= 
chen Gneife, welcher fih in zerftreuten Blöfen bei 
Kulm im leitmerizer Kreife gefunden hat; dem 
Mufeum mitgetheilt von Hrn. Doctor. Bifchoff in 
Zepliz. 


3. Sm Glimmerſchiefer. a) Sehr Eleine Kryftalle (C 4), 


dunkelröthlichbraun, Durchfcheinend, einzeln im Glim— 
merfchiefer bei Albenreith im .elbogner Kreife. b) 
Sehr unreine Kryftalle von der Dodekaederform, 


85 


braun, im Glimmerfchiefer bei Hartenberg im elbog- 
ner Kreife. 

4. In Hornblendegefteinen. a) Die Leucitform (C 4) 
ftarf geftreift, von Erbfengröße, Eirfchroth , durdhe 
fheinend, einzeln eingewachfen in Eörnigem, mit 
Quarz gemengten Hornblendegeftein, am Tillenberge 
im elbogner Kreife. Die Kryftalle laffen fich leicht 
aus dem Geftein vollfommen auslöfen, und Eommen 
auch loſe in der Gegend vor. b) Kleine, unvoll: 
fommen ausgebildete Keyftalle, fehr unrein, einzeln 
eingewachfen in grünlichgrauem körnigen Hornblen- 
degejtein in der Gegend von Iheufing im elbogner 
Kreife. ec) Faſt erbfengroße, röthlichbraune, durch— 
fheinende Körner und unvollfommene Kryftalle, ein= 
zeln ein= und mit dem Geftein feft verwachfen, in 
dunfelgrünem, etwas Eifenfies haltenden Hornblene 
defchiefer, bei Tepl im pilfner Kreife. 

5. Sm Urkalkſtein. Dodefaeder, gelblichbraun, nur in 
Splittern durchfcheinend, in feinförnigem, mit Tre: 
molit gemengten Kalfftein, ftarf mit dem Geftein 
verwachſen, fo daß die Umriffe der Kryftalle nicht 
immer deutlich, und felbe vom Geftein nicht trenn— 
bar find; zu Haslau bei Eger, auf derfelben Lager: 
ftätte, wo der fogenannte Egeran (pyramidale Gra— 
nat) vorfömmt, welcher fi) in derben Partieen 
gleichfalls in demfelden Urkalkftein findet. Eben da 
finden ficy mit dem Egeran auch deutliche glattfläs 
ige Dodefaeder von gelblichbrauner Farbe und ans 
fehnlicher Größe im Quarz eingewachfen. 

6. Im Serpentine. a) Kleine Körner, dunfelblutroth, 

ſtark durchfcheinend, in dunfellauggrünem Gerpenz 

tin bei Auhrow im aflauer Kreife. b) Aehnlich 
am Granatberge auf der Herrfchaft Petfchfau, und 

e) an der Berglehne bei Radboẽ im eaflauer Kreife. 


6* 


84 


Dieſe Vorfommniffe des Granates gehören theils zu 
derjenigen Varietät, welche man mit dem Namen Alman: 
din oder edler Granat belegt, theild zum fogenannten ges 
meinen Granat; die im Serpentin vorkommenden, wenige 
ftens zum Theile, zum Pyrop. 

11. Auf Lagern kommen folgende Varietäten vor: 

1. Ganz Heine, gelblih= und fehwärzlichbraune Kry- 
ftalle von der Leucitform (CA) mit Quarz, Magnet: 
eifenftein und Talk verwachfen, die Kryftalle mei— 
ftend fo dicht gehäuft, daß fie eine derbe Maſſe von 
Heinkörniger, leicht trennbarer Zufammenfezung bil- 
den, fo daß fi) die Kıyftallform in die Körnerform 
verliert, zu Neudek im elbogner Kreife. 

2. a) Derb, von feinkörniger, faft verfchwindender Zus 
fammenfezung, vöthlichbraun, mit Kalkfpath ges 
mengt, und b) derb, von nicht mehr erfennbarer 
Zufammenfezung (dicht), von dunkelgrünlich= und 
gelblichgrauer Farbe, im Bruche feinfplitterig, ganz 
das nämliche Mineral, welches Werner unter dem 
Namen Allochroit in feinem Syſtem als eigene Gat- 
fung aufführt. Beide auf den Magneteifenfteinlas 
gern zu Schmiedeberg im elbogner Kreife. ec) Aehn— 
lihe Abänderungen unter denfelben VBerhältniffen 
bei Drpes im elbogner, und d) am Erzfelfen (Ruda) 
auf der Herrſchaft Malefhau im Eajlauer Kreife. 

Dies find die uns durch eigene Anficht befannten 
Darietäten des Granates, weldhe in Böhmen auf ihrer 
urfprünglichen Lagerftätte gefunden werden. Nach Neuß 
kömmt dies Foffil auch noch vor am Kupferhügel bei Ku— 
pferberg, mit Hornblende gemengt; ferner am Kremsger 
und am Hohenfteine bei Unterhals, zu Nonnengrün im 
elbogner Kreife, an der Sommer: und Winterleite im 
faazer Kreife, und zu Böhmifch- Neuftädtl im bunzlauer 
Kreife, angeblich mit Zinnftein und Arfenifkies. Nach 
einer Mittheilung des Hrn. Profeffors Steinmann findet 


S 





85 


fih Granat in der Gegend von Biſtrau im chrudimer 
Kreiſe. Wahrſcheinlich kömmt dies Mineral auch vor im 
Urgebirgszuge des Böhmerwaldes im budweiſer, prachiner 
und klattauer Kreiſe; allein es fehlen uns die Angaben 
und Belege hierüber, ſo wie über das Vorkommen desfel- 
ben im Riefengebirge, und e8 wäre merfwürdig, wenn 
der Granat in diefen beiden mächtigen Gebirgszügen ganz 
fehlen ſollte. 





Beilage DB. 


Schema des heraedrifchen Granates, 

Syn. Pyrop: Werner. Karfunkel: Neuß. Böhmi- 
fher Granat. 

Grundgeftalt: Heraeder. ! 

Einfache Gejtalten: H. 

Unregelmäßige Geftalten, Körner. 

Theilbarkeit, nicht wahrnehmbar. 

Bruch, vollfommen mufchlig. 

Dberfläche der Heraeder rauh und ſtark gekrümmt, die 
der Körner uneben, rauh, feltener geförnt. 

Glasglanz, fehr wenig in den Fettglanz geneigt. 

Farbe, dunkelhyacinthroth bis dunfelblutroth, die 
kryſtalliſirten und einige andere Varietäten etwas Lichter, 
und bei durchfallendem Lichte ins Gelbliche geneigt. 

Strich, weiß. 

Durchſichtig bis durchfcheinend, 

Härte 7,5. 

Eigenthümliches Gewicht ; die kryſtalliſirten und die 
Varietäten von hellerer Farbe 3,69, Die dunflern 3,78, 





86 
Beilage cC. 


Die Mineralien, welche den heraedrifchen Granat im 
Mittelgebirge begleiten. 


1) Schwerfpath, fehr Eleine, vollfommen theilbare Bruch- 
jtüfchen von hellgrauer und graulichweißer Farbe. 

2) Spinell, fehr Eleine Gefchiebe von blaßviolblauer, 
ind Graue fallender Farbe, und geringer Durchfich- 
tigkeit. 

3) Spinell, fehr Heine Geſchiebe und abgerundete Kry- 
ftalle, fhwarz, undurchfichtig, auch wohl Pleonaſt 
und Zeilanit genannt. 

4) Korund, kleine Geſchiebe und abgerundete Kryſtalle 
von blauen und grünen Farbenabänderungen, theils 
durchſichtig, theils faſt undurchſichtig. 

5) Quarz, ſehr kleine Geſchiebe von graulichweißer Farbe. 

6) CEhryſolith, ſehr kleine Kryſtalle, an welchen häufig 
8 bis 10 Flächen von verticalen Prismen erkennbar, 
die Flächen der horizontalen ‚Prismen und Pyrami- 
den aber verbrochen find, dann Fleine Körner von 
fpargel= und olivengrüner Farbe. 

7) Granat (dodefaedrifcher Granat), kleine Kryftalle, 
(C. 1.) 

8) Zirfon, Eleine verbrochene Kryſtalle und Gefchiebe 
von weißen, grauen und gelben Farben, theils durch— 
ſichtig, theils undurchſichtig. 

9) Kleine Geſchiebe von ſogenanntem magnetiſchen Eiſen— 
ſand, dem nämlichen Minerale, welches uns unter 
dem Namen Iſerin bekannt iſt. 








87 


Weber Thadd. Hänke's Tod ). 


(Aus einem Privatbriefe.) 





Malaga, den 24. März, 1827. 


REN Darch Zufall kam ich vorige Woche mit dem Gene— 
ral Don Merander Gonzales in einer Geſellſchaft zuſam— 
men, welcher lange Zeit in Peru war und unlängſt von 
dort zurükgekommen iſt. Da er ſelbſt mit feinem Regi— 
mente in Cochabamba in Garnifon gelegen iſt, fo bat er 
meinen Onkel Ihaddäus Hänke perfönlich fehr gut gekannt. 
Sch theile Ihnen beiltegend die Nachricht mit, die ich 
fehriftlich von dem Herrn General erhielt..... 

„Herr Thaddaus Hänke wohnte in Cochabamba, wo 
er fehr viele Pflanzen und Mineralien fammelte, die vor: 
züglich geeignet waren, Krankheiten zu heilen.‘ 

„Im $. 1818 war im Zollamte von Cochabamba ein 
ganzes Magazin voll Säfe mit Pflanzen und Mineralien; 
auch eine Menge Kiften mit China = Ertrac. In einem 
andern Magazin waren feine Bücher und Inſtrumente; 
unter den Büchern auch einige von ihm felbft im Concept, 
in deutfcher und Iateinifher Sprache gefhrieben. Man 
fagte in demfelben Sabre, daß viele Kijten mit Büchern 
und andern fhönen Sachen nad Lima gefandt worden wä— 
ren, um foldhe nach Madrid zu befördern, allein man - 
weiß nicht, ob fie dahin abgingen.“* 





*) ©. die Vorrede zum erften Bande der Reliquiae Haen- 
‚keanae, Pragae, (cura musei Bohemici , ı825, fol.) 
— und daraus in 3. G. Sommers geographiſchem Taſchen— 
buche für 1827. 


85 


„Herr Hänfe hatte ein großes Landgut, 50 Meilen 
von Cochabamba, auf welchem er eine GSilbermine und 
auch andere Mineralien gefunden hatte, woraus er bedeu: 
tende Einfünfte 309. In Cochabamba hatte er einen bota= 
nifchen Garten angelegt, mit allerlei Pflanzen, über deren 
Gebrauch er fehriftliche Bemerkungen hinterließ.“ 

„Herr Hänfe ftarb durch einen unglüflichen Zufall. 
Er war Frank, und verlangte von feiner Magd eines von 
den Fläſchchen, welche er auf feinem Tiſche hatte: das 
Mädchen verftand ihn nicht vecht, ergriff eines mit giftie 
gem Spiritus, vom welchem Hänfe eine Eleine Quantität 
nahm, und auch fogleich erfannte, daß er Gift genommen 
babe; — es war aber Feine Rettung mehr möglich, denn 
er lebte nur noch einige Minuten.“ 

Der Herr General hat mir auch gefagt, daß Herr 
Hänke bei ſeinem Tode 40,000 ſpaniſche Thaler im Baaren 
hatte, welche die Regierung in Empfang nahm.. . .. Er 
bat mit ihm während feines Aufenthalts in Cochabamba 
öfter muſicirt, und verficherte mich auch, daß Hr. Hänke 
von Jedermann geehrt wurde, und daß, wenn ihn der Tod 
nicht überrafcht hätte, er ein überaus reicher Mann ges 
worden wäre, indem er im lezter Zeit fogar mehrere Fär— 
bereien anzulegen anfing... .. 


— — — 


Ueber die muſikaliſchen Leiſtungen in Prag während 
des vergangenen Winters. 


Der unfreundliche Gaſt, der die Bäume ihres grünen Schmu— 
kes beraubt, die freundlichen Sänger der Lüfte verſcheucht, die 
belebte und lebloſe Schöpfung erſtarren macht, wekt andere Klänge, 
ſchafft in den geſelligen Kreiſen der Menſchen manche Wonnen, 
uber die man der entbehrten Freuden nicht ungern vergißt. Nicht 








89 


von der raufchenden Luſtigkeit des Carnevals wollen wir frrechen, 
die Referenten wenigitend eben fo unfreundlic anſpricht, wie 
Tief in feinem Phantaſus berichtet ; fondern von den reinern und 
befieren Genüßen der Kunft. Unſer Vaterland ift, und wahrlich 
nicht mit Unrecht, das fangesreihe, die Heimat der Tonkunſt 
genannt, und man wird daher auch mit Fug vorausfezen, daß in 
ter Hauptftadt desfelben fich des Beſſeren viel vereine, was dag 
Leben verjchönert, was die Gemüther erheitert und erhebt. Rüh— 
men muß man es von Prags Bewohnern überdies, daß fie mit 
den Genüßen der Kunft faft immer das höhere, edlere Vergnü- 
gen des Wohlthung paaren. 

So eröffnete den Reihen auch heuer ein Concert zum Be: 
ften der dürftigen Hörer der Philofophie, das durch feine An- 
ordnung und auch durd gute Ausführung ſich empfahl. Nur mug 
Referent geftehben, daß er das unzeitige Vortreten von Kindern 
und Halbfindern Feineswegs billigen Fann, einmal weil vom Un— 
reifen immer nur Halbheit zu erwarten fteht, die, wenn überall, 
um fo mehr in der Kunjt nicht geduldet werden follte; dann aber 
befonders darum, weil er einen nachtheiligen Einflug auf den 
Charakter folher vor der Zeit zur Deffentlichfeit emporgetriebe- 
nen Perfündhen fürchtet. Auch damit Fann er ſich nicht fonder- 
lich befreunden, dag man jo viel Rofini, und immer nur Roſ— 
fini zu hören befommt. Referent verfennt Feineswegs das Gute 


an dieſem italiſch- mufifalifchen Kogebue, und gehört nicht zu 


denen, die alles von ihm unbedingt verwerfen ; aber er verfennt 
auch den nachtheiligen Einfluß nicht, den diefer auf producirende 
und reproducirende,, oder richtiger erequirende Künftler übt. Zu 
feinem Erftaunen zwar mußte er von einem fehr befannten Ton— 
Fünftler Wiens hören, Roſſini habe den Gefang wieder in feine 
Rechte eingefezt. Diefe unnatürlichen Gurgeleien, Faum mit hals 
ber Stimme ausführbar, diefe immer wiederkehrende, eigentlich 
nur dem englifchen Horne zufagende Begleitung - Figuration der 
Bafji und Alti, Fann man diefe wohl Geſang nennen? Wie ſehr 
die Stimme leide, wie fie für den wahren, Empfindung hauchen— 
den Gefang, wo die Töne gehalten, geſchwellt, gefragen werden 


90 


wollen, allmählig immer weniger tauge, davon hat gewiß jeder 
Beobachter feldft im Kreife feiner Bekannten manchen Beweis. 
Auch die fo gefeierte Sonntag ſcheint mir, feit fie die Manier 
der Fodor- Mainville angenommen (diefer vielleicht von der Noth— 
wendigkeit, von der Macht der allentraffenden Zeit geboten), eher 
zurük-, als worgefehritten zu feyn. Weberhaupt befommt man oft 
wunderfame Urtheile zu hören: „Diejer Componift — heißt es — 
bat Feinen Gefang.““ Aber die Empfindung hat er richtig aufge 
paßt, trefflid vorgetragen. Jezt erfchallt eine Polonaife, und 
ein Todesurtheil wird damit verfündigt, oder Abfchied vom Leben 
genommen. „Das ift Gefang, das ift Mufif für's Ohr! — 
D ja — aber für weldes! — 

Unter die befferen Leiftungen zahlt man die beiden Concerte, 
welche die Profefjoren des Confervatorium, Hüttner und Piris, ges 
geben, denen Ref. und noch manchem Andern nicht beiwohnen Fonnte. 

Etwas Neues für und, war ein Concert fpirituel von Ca— 
rellmeifter Triebenfee. Um diefen Namen ganz zu verdienen, 
hatte freilich die weltlihe Muſik nicht die größere Halfte der Zeit 
wegnehmen müſſen; indeß der Baum fallt nicht auf einen Streich, 
und wir wollen hoffen, daß Hr. Tr. im Fünftigen Sahre ein Ora- 
torium von den alteren beiferen, und irgend ein ausgezeichnetes 
Werk der heiligen Muſik ung darbringen wird. Diesmal hörten 
wir Webers Duverture zum Oberon. ine ältere, angeblich zu 
Peter Schmolfe, einer unvollendeten Oper, die wir am Weih⸗ 
nachtfeſte hörten, gefiel Ref. beſſer, wiewohl über eine Ouver— 
ture ſchwer ein Urtheil zu fällen iſt, ſo lange man die Oper ſelbſt 
nicht kennt. Dieſer folgte Zumſteegs Muſik zu Bürgers Lenore 
für 4 Stimmen und Chor und für das ganze Orcheſter geſezt 
som Concertgeber. Daß Ginzelnes in diefer Compofition trefflich 
fey, weiß wohl jeder, und mehr ift vielleicht von der ganzen 
Gattung nicht zu erwarten. Einiges wurde auch durd die In— 
firumentation bedeutend noch gehoben , befonders im zweiten 
fhaurigen Theile, 3. B.: „Laßt ung den Leib begraben.“ In— 
defien ift die Ballade nad) unferm Bedünken zu ſolchem epifch = dra= 
matifhen Vortrage nicht recht geeignet, und weil. Rößlers Werk, 








91 


der fie in diefem Geifte componirte, vielleicht ſchon darum nicht 
einmal befannt geworden. Noch weniger Fann es Neferent gut 
heißen, daß drei weiblihe Stimmen mit dem Baffo die Partieen 
auszuführen haben. Warum nicht lieber den Erzähler dem Tenor, 
die Lenore dem Sopran, die Mutter dem Alt vertrauen? Die 
leztere befonders war nicht in den beſten Händen; die zahllofen 
Rouladen , übel und ganz gegen allen Geſchmak angebraht, und 
mit Unficherheit durchgeführt , entftellten die ſchlichte Compofition 
398. ganz und gar. — Zum Schluffe Fam unferes Landsmannes, 
des trefflihen Tomaſchek, Requiem, was eigentlich dem Concerte 
feinen Namen gab. Wir Eönnen ftolz feyn auf den Mann und 
fein Werk, und behalten uns vor, im nädften Hefte ausführli- 
der darüber zu berichten. Hier nur von der Ausführung und 
der Aufnahme desfelben. Die erftere lieg faft nichts zu wünfchen 
übrig; nur dürfte für den Raum die Befezung etwas zu ftarf 
gewefen feyn, wodurch, wenn das Accompagnement nicht äußerſt 
telicat ift, was man bier nicht immer rühmen Fann, zumeilen 
die Singftimmen troz allem Fleiße der Sänger, zumal die Goli- 
einien, wie bier des Alt im Benedictus, gedeft werden. Auf: 
fallend war es mir, daß der herrliche Canon „Hostias‘ nicht den 
Effect hervorgebracht, den ich mir — ich hatte ihn früher gele- 
fen und gehört — davon verſprach, und ich weiß nicht, wem die 
Schuld beisumefjen. Aufgenommen wurde es mit lautem, ein- 
müthigen Beifalle. Nicht nur des Verfaſſers Freunde, auch die 
Unparteiifhen, Gleichgiltigern , ja felbft die minder Günftigen, 
wenn fie Sinn für Gutes und Schönes haben, zollten gerne dem 
BVerdienfte feine Krone. — An dem Orte, für den es eigentlich 
beftimmt , mit gleich gewählter Bejezung muß die Wirkung noch 
größer feyn. Tom. hat die feit mehreren Jahren vollendete Par— 
titur auf eigene Koften ftechen laffen, und hoffentlich werden alle 
Sreunde der Kunft, infonders alle, die ſelbſt ihrem Dienfte fi) 
weihen wollen, ja jeder, der Freude an dem Guten hat, was auf 
der heimifchen Erde gedeihet, das treffliche Werk fih anfchaffen. 
Auf die Concerte des Confervatoriums freuen fi alle Mu- 
fiffreunde, weil die auffeimenden Talente jhöne Hoffnungen für 


92 


die Zufunft beleben, und die Pracifion, mit der die jungen Leut- 
chen ihre Aufgabe löſen, ſchon in der Gegenwart einen hoben 
Genug gewährt. Diefen Vorzug mußten wir in der neueften 
Symphonie des nun in die Heimat der Sphärenharmonien hinüber 
gegangenen genialen Beethovens bewundern. ef. gehört zu den 
aufrihtigften Verehrern diefes Genius, der zumal in der Anti- 
theſe Meifter ift, und contraftirende Mittel zur effectvollen Ein- 
heit, wie Shafespeare, weiß zu verweben, der oft durch Ein- 
fachheit rührt, oft durch verfehwenderifhe Fülle die Gemüther bes 
zwingt. Auf diefes Wert, worüber die widerfprechendften Ur— 
theile und von Stimmfähigen verlautet hatten, war aller Erwar- 
tung fehr hoch gefpannt; aber wir Fonnten nur mit Bedauern ei: 
nen fo Eräftigen Geift in fo Franfhafter DVerirrung fehen. Auch 
aus diefem Chaos leuchteten wohl Blize des Genius hervor ; aber 
fie vermochten nicht, das Dunkel zu gewaltigen. Das Scherzo 
indefjen zeichnete ſich auch durch Klarheit aus, und ſprach daher 
am meijten an. Unter den Zöglingen,, die ihre Fortfchritte dar- 
legten, zeichneten fich mehrere vortheilhaft aus, befonders der 
Eellift und zwei Violiniften. Auch Fonnten wir beifällige Aner- 
Fennung der Klappentrompete nicht verfagen, die Khayll, nun- 
mehr dem Confervatorium zugehörend, erfunden, und wodurch 
tiefes Inſtrument, fonft nur zu rauhfehmetternden Klängen, zum 
Durchſchrillen im Enfemble des Orchefters geeignet, fahig wird, 
auch zum Vortrage gefälliger Melodien. Die Sängerinnen gehö— 
ren auch zu den befjeren, die aus diefer Anjtalt hervorgegangen. — 
No wurden von den Zöglingen diefer Anftalt zwei Concerte zum 
Beften des Armenhaufes gegeben. Zu häufige Folge von Varia— 
tionen, die ohnehin die partie honteuse der Tonfunft find, follte 
wohl vermieden werden. 

Der Frauenverein zur Erziehung armer Waifenmädchen hatte 
auch ein Concert veranftaltet; auch wurde eines für das Blinden- 
und Taubftummeninftitut gegeben, von denen Ref. nur das lezte 
befuchen konnte. Zu diefem und dem vorlezten hatte Prof. Zim- 
mermann die Prologe verfaßt, deren erfter fich beſonders durch 
eine trefflihe Fiction, die dem Ganzen zum Grunde liegt, der 


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95 


andere durch angemefjene Beziehung auf den auch in der Kirche 
geheiligten Tag — den Palmfonntag — auszeichnete. Dem. Barth ı 
überrajchte durd ihr trefflihes Spiel auf dem Pianoforte auf 
das angenehmfte. Feuer, Präcifion, eine Leichtigkeit, die über 
die größten Schwierigfeiten fpielend ſiegt, zeichnet fie aus. Gie 
frielte Variationen von Nies über rule Britannia. Das ift 
denn auch ein Thema, das man fi) gefallen lajien Fann. Ihrem 
Vorgänger wäre mehr Correctheit, mehr Sicherheit im Ton zu 
wünſchen, bevor er fi an ungemeſſene Scwierigfeiten wagf. 
Mad. Podhorſty (Comet) fang die Aria von Mozart mit Bravour 
und Empfindung. Das Quartett für die Hörner von D. Weber 
und das Duett für Clarinetten ſprach auch fehr an. 

Außerdem hörten wir einen, nad) mehrjähriger Abwefenheit 
bheimgefehrten Landsmann, Swoboda, auf einer Kleinen, und 
wenn auch in ihrer Art vollfommmeren, doc zu größeren Leiftun- 
gen unzureichenden Harfe mit bedeutender Virtuoſität fpielen. 
Unter den Compofitionen gefiel befonders das melodieufe Adagio 
von Witaffee. So fehr wir übrigens die Harfe zum Gefange und 
alla camera lieben, fo wenig glauben wir fie zum Concertin- 
firumente geeignet. Mehr noch gilt diefes von der Manvoline, 
‚ter felbft der berühmte Vimercati nur Geklingel, aber nicht Töne 
entlofen konnte. 

Im Eonvictfaale gab Hr. Kinderfreund auch drei Concerte, 
. in denen manches Gute gut durchgeführt wurde. Im erften lern— 
ten wir ein von Balfe neu erfundenes Inftrument, Aiolodicon 
genannt, fennen. Es ift ein Zungenwerf, und nähert fid) der 
Physharmonica, nur daß die Mittel- und tiefen Töne viel jtar- 
fer, aber etwas breit gequetjcht erfcheinen, ein Hebeljtand, für 
den Abhilfe vielleicht zu finden ware. — Hier fang Hr. Gelen 
Tomaſchek's Compojition zu der Ballade „Hohenfurts’s Stiftung“ 
von Frau von Pichler. Das Gedicht ift eben nicht vortheilhaft 
für mufitaliihe Behandlung, aber Tomafchef hat Trefflihes dar— 
aus geſchaffen. Bejonders zeichnen fi aus der Sturm, das Ge: 
bet Rofenvergs im Momente der höchſten Gefahr, vor allen aber 
der Uebergang von der Wetternacht zur freundlichen Helle beim 


94 


Erfiheinen des Engels, charafteriftiich durd den Hebergang von 
der Dominante von F moll in A dur bezeichnet. Die Tempi 
waren fajt durchgehende etwas zu ſchnell, die Gtelle z. B. „bald 
freudig, halb erfchrofen‘“ wurde trefflich vorgetragen. Uebrigens 
ift Referent Fein befonderer Freund von jogenannten Verzierun- 
gen, zumal in Tonftüfen diefer Art. Freiin von Ripke zeigte 
eine feltene Virtuoſität auf der Guitarre. 

Der Berein zur Beförderung der Kirhenmufif gab am Ge- 
burtfefte des Kaijers eine Meſſe von Vogler, ein Motett von 
Mozart, und einen Chor von Händel, worüber aber Ref. aus 
obigem Grund nicht berichten Fan. Die zweite Production in 
der Charwoche in der den Forderungen der Afuftif fehr entſpre— 
enden Set. Clemens - Kirhe machte ihm viel Vergnügen , weil 
man des Guten und Geltenen aus alter Zeit fi erfreuen Fonnte. 
Ein impofanter Chor von Hafie, ein Motetto von M. Haydn, 
deſſen Eingang ſehr effectvoll ift, die erften 3 Nummern des Stabat 
mater von Pergoleſe, ein feierlicher, majeftätifher Chor aus 
Händels Meſſias, einer von Tuma, in weldhem einigemal die 
Harmonie fic) nicht recht einfand, ein mehr moderner, doch Fräf- 
tiger Chor von Sachini, von Graun ein großartiger Choral, und 
zum Schlufe Briris Miferere Cin der Domkirche alljährig in der 


Charwoche zu hören), erfreuten die Freunde aller echten foliden 


Tonkunſt, die noch nicht entwürdigt ift zur Dienerin der Ohren— 


luft. Die Ausführung unter Witaſſek's Leitung war gelungen. 


Wenn es ung vergönnt iſt, einen Wunfch auszufprechen, fo wäre 
es der, ftatt diefer mufifalifchen Chreftomathie irgend eines diefer 
trefflihen Werke, denen die Zeit leider fo entfremdet it, 3. B. 
Tod Sefu von Graun, ganz zu hören, wodurd die Würde des 
Orts, und die Feier der Zeit gewiß nicht beeinträchtigt würde. 
Die Chorregenten Herren Stifa und Kluger unternahmen es, 
Allegri’3 berühmtes Miferere, welches in der Sirtinifhen Capelle 
mit fo ungenteinem Erfolge feit Sahrhunderten gefungen wird, auf: 
zuführen. Ref. glaubt, dag der Eindruf, den es dort macht, jehr 
son den dortigen Kunftmitteln, von örtlihen Verhältnifen, von 
dem durch Tradition, möchte ich fagen, von Geſchlecht an Geſchlecht 


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95 


vererbten Augdrufe abbänge. Golf es hier gelingen, ſelbſt mit 
Rükſicht auf unfere Ortsverhältniffe, fo müfen die Stimmen mit 
forgfältiger Wahl zufammengefucht, und mit ihnen das Ganze ges 
nau eingeübt werden. Nach allen Berichten derer, die das Werf 
an Drt und Stelle gehört, hängt die Wirkung desjelben von den 
gehaltenen und gefchwellten Tönen ab, in welden die Sänger es 
vortragen. Hier war ein Hauptfehler wohl der, daß ein großer 
Theil mehr parlando vorgetragen wurde. Zu dem Ende hätte 
dielonga der Partitur den Sängern in Einzelnoten, dem Rhythmus 
des Tertes angemejjen, abgetheilt werden follen. 

Die Tonfünftler zum Beten ihres Witwen - und Waifen- 
fonds gaben Händels Timotheus in einer Verdeutſchung, die we— 
niger das Gedicht wiedergeben, als dem Geſange fih anſchmiegen 

ſollte. Die Idee des Gedichtes ald Thema für ein Oratorium: ift 

wohl trefflih, nur hat die Ausführung fie nicht ganz erreicht. 
Das Tongebilde Handels ift gewiß claſſiſch, und ein großer Theil 
des Werkes fteht als Norm da für alle Zeiten. Aber Einiges 
darin gehört weniger dem Schöpfer an, als feiner Zeit, über vie 
fi) in manchem Guten die unfrige aufgefhwungen. Wenn man 
aus einer Sprade in die andere überſezt, warum follte man es, 
vorausgefezt, daß ein verwandter Geift fih dazu fande, aus 
einer Zeit in die andere nicht auch thun dürfen? Dadurch würde 
uns das Trefflihe in der Gejtalt erſcheinen, in der es der Schö— 
- pfer ſelbſt ung geboten hätte, wir würden ung mit ihm befreun- 
den, das ©ediegene lieb gewinnen, und alles Verfehlte, Unreife 
müßte fchneller untergehen in wohlverdienter Vergejienheit, um 
tem Befjeren Plaz zu machen. Wir fliegen mit dem folennen 
Spruche der Römer: Quod felix faustumque sit. 





giterärifde Anzeigen. 





Romanzen, Lieder und Sonette von Manfred. 


Prag, Kronberger und Weber. 1326. 12. Geiten 136. 





vr. Herr Manfred (Dräxler) hat uns in einem ſauber gedruften 
Duodezbanddhen nicht nur Romanzen, Lieder und Sonette gelie- 


96 


fert, ſondern noch obendrein Gnomen, Gloſſen, Ritornelle, Zenien, 
und manches andere Gedicht, welches weder Romanze, noch Lied, 
noch Sonett iſt. Er dedicirt das Büchlein Herrn Friedrich Rückert 
und ſchließt das Weihgedicht mit den Worten: 

Glük auf, wenn nur ein einz'ges Dir gefallen, 

Der Du allein der eine mir vor Allen! 

Weit entfernt, mit Hrn. Manfred über die Wahl ſeines 
Vorbildes rechten zu wollen, finde ich es überhaupt ſonderbar, daß 
er ſich an ein Vorbild gebunden hat. Hr. Manfred dichtet ſchon 
eine ſo geraume Zeit, und ich habe ſeinen Namen unter ſo vie— 
len kritiſchen Aufſäzen geleſen, daß ich der feſten Ueberzeugung 
war, er ſey längſt über die Periode hinaus, in welcher der junge 
Adler keinen glüklichen Flug zu thun glaubt, außer er fliegt einem 


ältern nach. Wer ſo viel recenſirt hat, als Manfred, ſollte doch 


endlich eingeſehen haben, daß weder Schiller, noch Göthe, noch 
Friedrich Rückert der Eine ſey vor Allen, und daß in der Kunſt— 
welt das Anſehen der Perſon und die Tyrannei der Mode keine 
Gewalt habe. Die Natur wiederholt ſich nie, und Hr. Manfred 
wird am beften thun, lieber von ganzer Seele Manfred zu feyn, 
als etwa Sadi, oder der Dichter des weft - öftlichen Divans, oder 
Friedrich Rückert. 
Das der Inhaltsanzeige vorgetrufte Motto lautet: 

Gib einen Frühlingstraum 

Dem Wald und jedem Baum, 

Der Flur und jedem Strauch 

Und deiner Liebften auch. 

Entweder ich habe diefen Wahlfpruch nicht verftanden oder 
ic) muß ihn geradezu verwerfen. Dichten und Traumen find jo him— 
melweit verjchieden, ald Wahen und Schlafen. Das Auge ded 
Dichters ift offen, und mag es auch glühen und funfeln, es flieht 
dennoch heil und fcharf. Heißt er doch mit einem uralten, be: 
deutungsfchweren Worte „Seher!“ Er traumt nit, wenn er 
dichtet, fondern er ift erwacht zu einem fhöneren Leben, als es 
die fechzig oder fiebenzig Sahre find, in welchen der Menſch alle 
vier und zwanzig Stunden einmal zu Bette geht. Und iſt denn 
jedes Manfred’fhe Gedicht ein Frühlingstraum? Man lefe 
das graufenhafte Gedicht „des Buhlen Geift““ mit all feinen Irrlich- 
tern, Todtenbeinen, ejpenfterreigen und Donnerfchlägen und 
läugne noch, 06 ein Schwarzgalliger in der höchften Fieberangft 
fhauerliher träumen könne, als Hr. Manfred. Aber icy eile 
zur Sache. 

Die Mehrzahl der Manfred’fchen Gedichte find erotifchen 
Inhalts. Der Dichter theilt fie in feinem Epiloge ſelbſt ein, 
indem er fügt; 





97 


Riebeszauber, Schmerzenwunber 

Und ihr Lieder weich und graus 

Steigt hinunter! ftelgt hinunter! 
Nein! Nicht alle follen hinunterjteigen. Diele von den zarten 
Lievesliedern mahnen an die Innigfeit und Treuberzigfeit der 
alten Minnefänger, und die Bilder, am welchen der Dichter fein 
Empfinden feſthält, ftimmen dem Gefühle zu, weldes er aus- 
fprehen will. Nur daucht es mir, als 0b die weichen Lieder bie 
und da allzuweich wären, ald ob die Treuherzigkeit nicht reht vom 
Herzen Fame, und an der Zufammenftellung der Bilder der Wiz 
mehr Antbeil babe als das Gemüth. Alle drei Fehler finden ſich 
in dem Gedichte „Nachtigall und Roſe“ vereinigt. Die Lieder 
„aus der Ferne“ und dad Schmerzenslied „der Mond‘ gehören zu 
den beiten. Aber was fiel Hrn. Manfred ein, feine Geliebte 
in einem Ritornelle mit der Sixtiniſchen Madonna und fid) ſelbſt 
mit dem Kinde zu vergleihen? Ic begreife nicht, wie er die 
' Scheu vor ten Manen des größten Malers fo ganz bei Seite 
ſezen und das Unheilige diefer Parallele nicht fühlen Eonnte. 

Eben jo unbegreiflich ift ed, wie ein Dichter, der eg liebt, 

aus Sternenjchein und Blumenduft ein Liebeslied zu weben, ſich 
an Gefpenfterfrazen ergözen und in ein Gebiet ſchweifen kann, in 
welches fid) Faum die den Xegıg des Aiſchylos verirrt. Aber 


fehlerhafte Extreme berühren fih. Hr. Manfred tänfcht fich, 
wenn er vom Leſer mit dem gefunden Herzen erwartet, daß ihn 
feine Schmerzenslieder durchglühen werden, und wenn er fortfährt : 

Da feyd ihr wohl furchtbeivegt, 

Wie's drinnen da graus fich regt, 

Und würdet im Wahnfinn auffchrei’n, 

Geht ihr erſt dad Herze mein, 
Ich laſſe ed, ohne für meine gefunden Sinne zu bangen, auf die 
Probe anfommen und verfihere Hrn. Manfred, daß ich mich vor 
feinen Geſpenſtern nicht im geringiten gefürchtet habe; und doch ift 
mir die Ahnung fleifch = und blutlofer Wefen fo wenig fremd, daß ich 
faſt anftehe, es öffentlich zu befennen. Möchte doch Hr. Manfred be: 
denken, daß fid) der Dichter ſelbſt im Wege ſteht, der es abſichtlich 
auf eine Phantasmagorie anlegt. Indeß entwifelt Manfred in den 
graufen Liedern eine reihere Phantafie als in den weichen. Geine 


Roſen, Sterne, Lilien und Nachtigallen kehren doch gar zu oft wieder, 





j Hr. Manfred wird wohl thun, wenn er in einem Pünftigen 

Bändchen weniger auf die Theilnahme feiner Lefer baut. Das 
ewige Seufzen, Stöhnen, Sammern und Klagen tödtet am Ende 
das lebhafteſte Mitgefühl. „Aber Flagt denn nicht auch Petrarca ?“ 
Sa! aber es Flagt Petrarca. Se weiter wir ihn fingen hören, 
defto lebendiger tritt und das Bild der Deißgeliebten mit dem 


7 


95 


Ausdrufe jener Tugenden entgegen, welche das Herz des edlen 
Mannes mit fefteren Banten an das Weib feſſeln, als ein küßli— 
cher Mund, ein reizender Morgenanzug oter ein Gewand nad 
dem Schnitte der Nitterzeit. Wie Finnen wir aber Manfreds 
Gluten tbeilen, wenn er uns von feiner Geliebten immer nur 
die Schale weist. Wer jein Empfinden jo hoch anſchlägt als Man- 
fred, jollte uns doch aud den Werth des Gegenftandes zu Ge- 
müthe führen. In einem feiner Schmerzenslieder denkt er ſich, 
während feine treufofe Geliebte ihre Bermählung feiert, Dem Hoch— 
zeitsfanle gegenüber auf einem Thurme. Der laute Jubel der 
Gäjte zerreißt fein Herz. Endlich wird es file: j 

Die Kerzen verlöfchen nad) und nach; 

Pur eine noch im Brautgemad) ! 

Zertrümmre Thurm, zerftürze Welt, 

Wirf dich hinab auf's Haus, 

Zerbrich du Herz, von Schmerz zerfpellt, 

Jezt liſcht die lezte aus! 
Kann man fi bei diejer Lear'ſchen Verwünſchung eines Lächelns 


erwehren ? — Even fo fonderbar ſchließt das Schmerzenslied ©. . 


s2. Was die Liebe für den Dichter Hohes hat, liegt ja nicht 
im Befize und Genuße. Sehr darafteriftifch find die lezten Verfe 
des Schmerzensliedes ©. 75. Ein Süngling grämt fih über die 
intreue feiner Geliebten zu Tode. Als nun feine Leiche vor ihrem 
Haufe vorbeigetragen wird, 

Da fieht die Falſche wohl heraus 

Mir glübendrothen Wangen. 
Warum denn nicht mit leichenblaffen Wangen? Ein Madden, 
das beim Anblife der Leiche eines treulos verlafenen Sünglings roth 
werden fan, als ob fie eben auf einer Lüge ertappt worden wäre, 
verdient nicht, daß man ſich um fie gräme. Hr. Manfred ver- 
fteht ſich trefflich auf den Romanzenton; aber auch feine Roman— 
zen find durchaus liebſchmerzlichen Inhalte. Iſt denn.das Leben 
und die Gejhichte an nichterotifhem Romanzenftoffe fo gar arm? 

Recht erfreulich waren mir, bei der ermüdenden Einerleiheit 

der Dichtungen Manfreds, feine Neifelieder. Die dritte Nummer ift 
vortrefflih. Seder gute Sohn und jeder gute Vater wird dem Dich— 
ter für diefe fhöne Gabe Danf wifjen. Auch das Gericht an Clemen— 
tine Ruß ift recht gelungen. Hr. Manfred irrt fih, wenn er fagt : 

Einerler und einerlei 

Sit das endlich nicht zum Haffen? 

Und kömmt's einmal zweierlei, 

Wißt ihr's erſt nit anzufaſſen. 
Er gebe uns nur ein ſchönes Mancherlei; wir werden es gewiß 
anzufaſſen wiſſen! 

Nur noch einige Worte über Manfreds Hinneigen zum Driens' 


J 








99 


taliemus. Auch er ſcheint zu denjenigen zu gebören, welde Gölbe's 
weft-öftliher Divan und jene Dichtungen Rüderts, die er ten Mor: 
genlandern mit fo vielem Glüke nachgebildet bat, entbrannt haben 
mehr zu fehen, als der Deccident, 
Aber ich fürchte in allem Ernfte, Hr. Manfred habe in den 
erften vier Strophen feined „Sadi“ fich felbft verurtheilt. Er, 
der faft alle Tagesbläatter mit Recenfionen verfieht, hat nody nicht 
eingefeben, daß Geſchwäz Geſchwäz bleibt, mag ein Drientale 
ſchwazen oder ein Dceidentale, umd daß fid) jeder, der fein Heil 
im Bizarren ſucht und im Bombafte, die weite und befchwerliche 
Reife in das Morgenland erjparen könne. Wer die tauben Blü— 
then, die von dem übervollen Lebensbaume orientalifcher Poefte 
zu Boten: fallen, ſäuberlich aufliest und in ein Riechſäkchen näht, 
ter hat noch nicht orientalifch gedichtet. Aber geht denn Gottes 
liebe Sonne nur über Arabien und Perfien auf? Und (wenn 
die Ekſtaſe augerlih bewirft werten fol) thut nicht ein Becher 
alten Rheinweins befiere Dienfte, als eine Pille Opium ? — Wenn 
bei der Werthſchäzung der orientaliichen Poeſie nicht blos tie 
Sinnlichfeit und Phantafie der Morgenlander in Betracht kommt, 
fondern ihre Lebensweisheit und Neligiofität, was hat denn der 
Morgenländer vor dem vhantafiereichen Abendlänter voraus ? Wir 
können weije und fromm ſeyn troz dem weifeiten und frömmiten 
Drientalen; auch unfere Natur ift reich und ſchön, unfere Ge— 
fhichte gehaltsoller und bedeutſamer, als eine Deſpotenchronik, 
und unfere Religion eben fo wahr als poetifh. Manfred hat 
Herders Schriften gelefen — denn was hat ein junger Dichter und 
Kritifer unferer Zeit nicht alles gelefen ? — möge er fie aber aud) 
ftudiren,, und ich bin überzeugt, er wird die orientalifche Poefie 
lieben, ohne gerade orientalifch dichten zu wollen. 

Und jo hätte ich mich denn durch das Gefagte auch iiber den 
Gehalt der Manfred'ſchen Sonette ausgeſprochen; denn fie find 
entweder erotifch oder jnmbolifirend. Was aber ihre Form betrifft, 
fo möchte ih Hrn. Manfred ein angelegentliches Studium des Pe- 
trarfifchen Sonettes rathen; vielleicht würde er dann lieber Ro— 
manzen und Lieter ald Sonette dichten. 

Möge Hr. Manfred meine Bemerkungen als einen wohlge— 
meinten Rath hinnehmen, und in ter Sorgfalt, mit welcher ich 
feine Gedichte gelefen habe, den Beweis finden, daß ich ihn von 

jenen Dichterjüngern zu unterſcheiden wife, über vie es befier 
iſt, zu ſchweigen. Möge er ſich weniger von der Schule und von 
der Morde hinreifen laſſen, als von dem wahrhaft Schönen, 
welches über Zeit und Klima erhaben if. 

; Anton Müller. 





100 


Seltenere Pflanzen, 
welche in den Prager Gärten geblüht haben. 


@ 


Sm Monat April. 


Gebirgs- und Alpen= Pflanzen des k. k. botaniſchen Gar⸗ 
tens, denen einige mit Grodpfl. bezeichnete Grundpflanzen 
beigefellt find. 


Andromeda polifolia L. Paterland : Nord - Europa. 
Androsace villosa L. Die Alpen Deutfchlands. 
— nana Hornem. Süd-Europa. 
Anemone hybrida *) Mik. Das Gebirge bei Leitmeriz in Böhmen, 
— intermedia Schult. Süddeutſche Gebirge. 
— patens L. Gibirien, Polen, Böhmen, Ungarn. 
— ochotensis Fisch. Davurien. 
—  trifolia W. Mittel- Europa, Sibirien. 
Aquilegia atropurpurea W. var. elata. Gibirien. Grdpfl: 
Arabis alpina L. 1 
— bellidifolia Lg, ren. 5 
— ceaucasica W. Taurien. Grödpfl. 
—  petraea Lam. Voralpen. 
—  procurrens Waldst. et Rit. Bannat. 
Arnica scorpioides L. Alpen. 
Aubrietia deltoidea Dec. Güd- Europa und der Orient. 
Azalea procumbens L. Alpen. 
Cardamine trifolia L. Mittel: Europa. 
Clematis (Atragene) sibirica L. Das Uralgebirge. 
Corydalis aurea W. Nord = Amerifa. 
Draba aizoides L. Alpen. 
—  confusa Ehrh. 
— centorta Ehrh. L — = Sem. 
— lasiocarpa —? Aus dem Pejiher k. Univerfitäts - Öarten 
mitgetheilt. Das Vaterland nicht angegeben. 





*) Sit eine im natürlihen Standorte bei Leitmeriz aus der Anemone palens 
und A. pratensis entfiandene Baftard-Species, was mehriährige Beob⸗ 
achtungen beftätigt haben. Auf gleiche Art fheint aus der Anemone 
Pulsatilla und pratensis die, auch bei Baden und in der Briel nächſt 
Wien von mir bemerfte, Anem. intermedia entftanden zu feyn. 

Mikan, 








101 


Draba Liljebladii Wallm. Das nordlihe Schweden und Nord— 
Amerika. 
—  rupestris R. Br. Schottland, Norwegen. 
Erinus alpinus L. Alpen. 
Goldbachia tetragona Led. Aus dem Warfchauer k. Univer- 
fitäts » Garten mitgetheilt. Das Vaterland nicht angegeben. 
Hyoscyamus orientalis Biebrst. Taurien. 
Potentilla salisburgensis Haenke. Galjburger Alpen. 
Primula carniolica Jacg. Krainer Alpen. 
—  integrifolia Jacg. Defterreichijche und andere Alpen. 
— warginata Curt. Schweizer Alpen. 
— minima Jacg. Das Riefengebirge, der öſterreichiſche 
Schneeberg und andere Alven. 
Ranunculus alpestris L. Alpen. 
— montanus Willd. Alpen. Grdpfl. 
— Thora L. Der öſterreichiſche Schneeberg und an— 
dere Alpen. 
Saxifraga cordifolia Haw. Gibirien. Grödpfl. 
— exarata Villars. Die Dauphine, die Pyrenäen. 
—  irrigua Fisch. Gibirien. 
Soldanella alpina Jacq. Alpen. 
— montana Mik. Waldige Gebirge. 
er — Wulf. 8 Gebirge Deutſchlands. 
Valeriana montana L. 
—  tripteris L. 
Vinca herbacea Waldst. et Kit. Ungarn. Gröpfl. 
Viola biflora L. Das Riefengebirge, der öfterr. Schneeberg 
und andere Alpen. 
ns a Nord: Amerifa. Grdpfl. 
Waldsteinia geoides Willd. Ungarn. Grpdpfl. 


Alpen. 


Glashaus- Pflanzen 
des £. £, botaniſchen und des gräflih Salmiſchen Gartens. 
Acacia armata Ait. Meuholland. B. &.*) 


— dodonaeaefolia W. (viscosa Schrad. et Wendl.) Neu— 
holland. ©. ©.. 





*) 3. G. bedeutet k. k. Botanifher Gatten, S. G. Eraf Salmifher Gar— 
fen; was auch für künftige Verzeichnifie gilt. 


102 


Acacia heterophylla W. Inſel Mascaren. 8. G. ©. ©. 

— paradoxa Dee. Meuhollant. B. ©. 

— vertieillata W. En. Meuholland. ©. ©. 

Alonsoa linearis. R. et P. Süd: Amerifa. B. &. 
Andromeda calyculata L. Sibirien und Nord: Amerifa, ©. ©. 
Aster fruticulosus L. Gay. S. ©. 

Begonia nitida Ait. Jamaika. 8. ©. 

Cassia ligustrina L. Amerika's Tropenlanter. 8. 6. 
Cheiranthus scoparius W. Teneriffa. B. ©. 

Cineraria discolor Sw. Samaifa. B. ©. 

— Jlactea W.. Neue Hebriden. 8. ©. 
Crataegus indica L. Dftindien. B. ©. 
Daphne collina Smith. Stalien. Creta. ©. ©. 
Diosma ciliata L. 

—  foetidissima Spr.) Car. 8.6. 

— villosa Thunb, 
Brica albens L, Cay. 8. ©. 

— australis L. Sid- Europa. 8. ©. 

— baccans L. Cap. 8.6. ©. ©. 

—  barbata Andr. 

— empetrifolia L. Car. 8.6. 

—  fugax Salisb. Paterfand undetimmt. 8. ©. 

— . »igrita L.. Cap. B. G. ©. ©. 

—  persoluta L. Cap. ©. ©. \ 

—  tabiflora L. Var. purpurea, Cap. 8. ©. 
Eucalyptus diversifolia Bonpl. Vaterland unbeftimmt. 8. ©. 
Gazania pavonia Andr. Cap. 8. ©. 

Genista canariensis L. Cpanien. Canarijhe Inſeln. B. ©. 
Gesneria tomentosa L. Gid- Amerifa. B. ©. 

Gladiolus gramineus L. Cap. 8. ©. 3 

Gnaphalium congestum Lam, Süd-Afrika. ©. ©. 

— grandiflorum L. Cap. ©. ©. 

Grevillea juniperina R. Br. Neuholland. ©. G. 
Kaempferia longa Lk. En. Oſtindien. B. ©. 
Kenedia monophylla Vent. Neuholland. B. ©. 

—  rubicunda Curt, 

Lachenalia tricolor Ait. Cap. B. G. ©. ©. 

Linum arboreum L. Creta. ©. ©. 

Malpighia aquifolia L. Amerifa’s Trorenlänter. ©. ©. 
Mesembryanthemum aurantium Jacq. 

— — diminutum Haw. li 
€ 


Haworthi Donn. Sr. 8. 6, 





striatum Haw. 
villosum L. 











105 


Monsonia lobata Ait. Cap. B. ©. 

Muraltia (Polygala) Heisteria Dec. Car. 8.6. ©. ©. 
Passerina spicata L. fl. Cap, 8. ©. 

Polygala myrtifoliaL. Cap. B. ©. 

, virgata Thunb. Car. ©. ©. 

Primula sinensis Lindl. China. 8. ©. 

Ribes aureum Purshı. am Miſſuri. 8. ©. 

Bubus rosaefolius Smith. Inſel St. Mauritius. B.G. © 6. 
Puellia formosa Andr. Braſilien. B. ©. 

Sparmannia africana L, ſil. Cap. 82.6. ©. 6. 

Ulex provincialis Deslong. Sud - Europa. 8. ©. 








Berichte über die fortfchreitende Vervolllommnung des 
vaterländifchen Mufeums. 


(Marz, 1827.) 


Geſellſchaft. 

Sn die Claſſe der wirkenden Mitglieder traten ein: Ge. 
Ere. der Herr Oberftdurggraf, Karl Chotef Graf ron Chot- 
Fowaund Wognin pl. tit., — und zwar durch Erffärung zum 

jabrlichen Spftemalbeitrage, 
In der am 28. d. gehaltenen allgemeinen VBerfammlung wur— 
den mit mündlicher Stimmeneinheit erwahlt: Zu Ausfhußmit: 
gliedern: diefelben, welde nad) $. 14 der Gruntgefeze in der 
am 25. zuvor gehaltenen Sizung, das Loos zum Austritte getrof- 
fen hatte, namlich Fürft Rudolph Kinfev» und H. Abbe So: 
fepb Dobrowſky. — Zu Reviforen der Rechnung des Jab— 
red 1826 dieſelben, welche zur NRevifion der Rechnung des Jahres 
1825 erwahlt worden waren, namlid Se. Erc. Graf Franz 
Wrtby; — Graf Friedrid Schönborn; — Graf Johann 
Thun; — und 9. Magiftratsratb Sobann Borſchitzky. — 
- Zu Ehrenmitgliedern: H. Friedrich von Mobs, k. k. 
- Brofefior der Mineralogie an der Wiener Univerfität; — 9. Wil— 
beim von Heidinger, Mitglied mehrerer gelehrten Gefellfhaf- 
ten, zu Edindurg in Schottland; — H. Karl Auguft Neu- 
mann, wirft, ka k. Gub. und Commerz- Rath in Prag; — 9. 


3 


104 


Ignaz Rihard Wilfling, Dock, und emerit- Decan der Phi⸗— 
Iofophie (S. ©. E. K.), k. F. Rath und Vorfteher des Bücherre— 
viſionsamtes, wie auch mehrerer gelehrten Gefellichaften Mitglied ; 
— und H. Franz Kreibich, Doctor der Philoſophie, Leitme: 
rizer Ehrendomherr und Conſiſtorialrath, Dechant in Schütteniz. 


GSeldbeiträge. 


Zu Heineren jährlichen Geldbeiträgen haben ſich erflärt: 9. 
Franz Klein, Dechant in Birfftein; — 9. Arnold Ber- 
ger, Cooperator in Haida; — DH. Ignaz Meisner, Caplan 
in Zwickau; — 9. Philipp Zlatnif, Caplan in Bezdiekiz ;— 
und H. Stiegler, Rentmeifter zu Woſſow. 

Ohne Verbindlichkeit für die Zukunft haben baare Geldbei- 
träge geleiftet: Im Haida: 9. Joſeph Weletſchka, Ef. 
Straßencommiſſär; — 9. Johann Klein, geprüfter Rath; — 
H. Wenzel Großmann, FF. Poftmeifter; — 9. Ignaz 
Stumpa, Doctor ver Medizin; — 9. Karl Hiefe, Apotbe- 
fer; — 9. Sohann Weigel, Waldbereiter; — dann Die dor= 
tigen Handelöleute: H. Joſeph Hantſchel; — 9. Anton 
Hantihel; — Fr. Elifabetb Hantſchel; — 9. Anton 
Schneider; — Fr. Maria Schneider, — Hr. Magda— 
ſena Görner. Sn Sirkſtein: H. Ferdinand Mifomwe;, 
Amtsdirector; — 9. Joſeph Hendridh, Nentmeifter; — 9. 
Franz Arndt, Waifenverwalter. — Ferner 9. Erneft Plo— 
ner, E. £. Straßencommifjär in Brür — und 9. Johann Alt- 
bammer, Bräuhauspächter in Pihle. 


Materialbeitrage 


Für dieMineralien- und Peträfacten-Sammlung: 
Dom wirkenden Mitgliede H. Joſeph Rößler in Kra— 
drop: 3 Kiften mit Gebirgsarten und Verfteinerungen , worunter 
ein Ammonit von feltener Größe; — von H. Anton Berger 
in Haida: einige Mineralien und eine dortige Erdart, 
Für die zoologiſche Sammlung: 

Bon Sr. Ere. dem Hrn. Grafen Hartmann: ein im Hof: 
raume zu Smidar in einer Sandſchichte gefundenes Bruchſtük eines 
Elephanten = Sangzahnes; — von der Frau Magdalena Gör- 
ner: die zweite Genturie von Fleinen Seemuſcheln; — von 9. 
Arnold Berger: zwei größere Kondilien. —— 


GBeſchluß folgt.) 


— — — — —ñ 


Redacteur: F. Palackv. 





v. Schönfeld's Papier und Druk. 


— — — — — — — — — 





2% 
KA 
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3: nt 
— — 
Seite 
1: Bohmens Production, Conſumtion und Handel 


im erſten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts. 
Von Gubernialrath K. A. Neumann. 8 


2. Verhandlungen der Geſellſchaft des vaterlandiſchen 
Mufeums in Böhmen in der fünften allgemeinen 
Derfammlung am 28. Mär; 1827: 

I. Vortrag des Geſchäftsleiters Mar. Millauer. . » 
II. Rete des Präaitenten Grafen Kafpar —— 
Mebſt Beilagen.) . + or. 2 ee ee 


3, Weber Thadd. Hänke's Tod. aus einem Brie 
VUatdriefe). - 0. ei... 


4. Ueber bie muſikaliſchen Leiſtungen in Prag wah— 
rend des vergangenen Wintersß..— 


Literäriſche Anzeige. (Manfreds Gedichte) 


. Seltenere Pflanzen, welche in den Prager Gärten” 


geblüht haben. (Monat April 1827.) . . »100 | 


Beriht som vaterländifhen Muſeum. (März er 103 | 





Monatſchrift 
der 


Geſellſchaft 


des 


bvaterlindiſchen Muſeums 


in Böhmen. 


Erſter Jahrgangs. 


| ER du, im Berlag des boͤhmiſchen Muſeums. 
J | 1 827, 








| Monatfhrift 

| By Geſellſchaft 
vaterländiſchen Muſeums 
in Böhmen. 





Erſter Jabrgang. 


— | 





Prag, 
im Verlag des böhmiſchen Mufeums. 


1827, 







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Wolterſchutternden Mntergäng und Fröffie) Emporsfühn 
Maͤchtiger Reiche, des Gottes Hab und der Menfäpeit Erföfung; 
Tpaten der Helden , darod der Räunende Erbfreid fi ſtill ſteht, 
Eing’ ich. Nicht mehr gejiemt mir für a meine Wurde zu ſtreiten. 
— sim due 
Die, Battane 
—ñNi *0 
Es leuchtet vom hohen Zoo 
Dernieder die ‚Sonne fi ihon, 
Ringsum die holden Sterne, 


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Die ef ftehn. 


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Es tritt ein. jung er Au, 
In den —— En ———— 
1, he "Aa „3 


Stark greift er in’s Gold der Saiten, 
Veit tönet das frohe Lied; 
Er fingt von den Himmelftürmern, 
Kalt blieb der Frauen Gemüth. 

4 * 


4 
nn Rod Härter shlägtmerbie Saiten, 


Bon der berrlihen Roma Fall 
Erbraust die gewaltige Stimme, 
Kalt blieben die Frauen al’. 4 


Um Gott! So, vermag id bepn nimmer __ 
ARE HTERMOEROUE NER ELERTEELT 
Wohlauf mein"Sang, fv finge 


Ton ‚ter Liebe bitter rz. 
113997 fe ale 


3 Königstochter, ſchwanket 
Gar trüb’ am Ufer hin, 
Sie fieht ’nen armen Fiſcher 
Des Wege Yorliperzieh'n.“ & 
—R ei, Fighter, gchet (ft PIE TTERERNAINN M 
ururalıd Di ira‘ ‚dinen Königejot ae I 8 ar ur 
olift, haben für das ‚Biicen | 4 


su ui ‚901 434 nsindd 
iden, re 5 
aaa — reihen „ ı eichen —* som re dr ed 


„Sie wird die gold'ne Kette 

Am Schwanenhals gewahr, 

Sie veicht dem armen Fiſcher © 
Die gold'ne Kette dart 


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„Der sicher "bat 96 129, ee —8* E17] 
0 —* 


Der Fiſcher —— um 
Die Maid um ) r dei 
Und ftürzt mit ni ns Pe % ne 


Die Frauen 8366 — ee on 


Des —— hei “ Kinn — 


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Und koſtbare Perlen rinnen 
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Die Rofenwangen e entf ang. 
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noiibomsahın norni 
Zwei Liebende wandeln zum erſten Mal m 
Allein, gopmamit yore mini «ia IR 


Dep freuen Te, „Bjmmel, und, Bera, un, Tbat 
Und Hain. Ph i 
mersinn Arm ut ide db Anl 


Der Himmehihgeb\ euch mein Kleid von Azur, 
Ausrief; ai id ug db u 
Schön Dank , wir (hauen WE sie 


Uns tief, 
mind mi tdsp f) um 30 SR 


Das Blümlein? Mein“ Seel ich gebeuch zur Stund’ 
Den Duft Imsnanina AliB wien m 


Schön Dank , wir hauchen md weg vom Mund 


Die Luck, nat mh, A Ey ; 
ale AR ei re ie 


Die Beere verdißt ihr Herzblut md ent U. 
Genuß, 20a mama oe 
Schön Dant, Fenid Beere, ie mehr“ erfreut‘ 
Ein Kuß. dn 7 nn Hank? 


mar mi in si mund‘ 
Die Birke Aal ir: "34 N lüftee leif 


Eu we. u sis Su 


Schön Danf, Ant Mader uf bon on er 


WE du ee N rn Ian 
smmeaR 919 And „ar 2 mi 


Der Bogel entfotet, ein himmliſch Lied, , .n 


Der Bruft; * 
ALTEN Pol male. land 
O Lied! Dir horchet ein Gem heb 
Mit Luſt. Iımd ur hi 
led ae Fe 


* — J 
— 2 


seyn; nu Yun TEN ar 





Die Romauze. 





Fluren wieder auferwachten, 
AU die Vöglein wieder fangen, ve 
All die Bädlein wieder forangen, 

AU die Bluͤmlein wieder tasten. SUR Re 


Und es geht Herr Muth —9 
War Herr Muth ein tapfrer Ritte 
Wußte nicht ſo gut die Zither 

Als don Degen zu regieren. 


Wie er num fo geht im Haine, 
Tritt ihm auf den blum'gen Wegen 
Ein anmuthig Bild entgegen, 
Und es trifft ihn gut die Eine, 


64 | 
Seit Herrn Muth dies Bild erfhionen, 
St Herr Muth gar feige, worden, 
» Und ten Nittersmann aus Torten 
Sieht man wie 'nen Sklaven dienen. 


Sänger Fann er nicht ertragen Aut 
Flamme, tie ihm brennt im Herzen, 
Und die Qualen und die Schmerzen 
Will er enden durd) ein Wagen, 


Andacht nannte fih die Fraue, 
Und er wußte, dag die Fromme 
Sn das nabe Kirchlein Fomme, 
Täglich einem ſich erbaue, 


Schlich Kir Mutk mit treuem. 24 
Eines Tags in die Capelle, 

Riß die Frau von heil'ger Stelle, 
Schwang ſich mit ihr auf den Rappen. 








* 


en 


Fort nad Franfen ging's im Fluge, 
Und es ſchien, daß die Entführte 
Des Entführers Liebe rührte, 

Schalt ihn nicht ob dem Betruge, 


Denn ein Mädchen ihm gebar fie, 
Welches fie Romanze nannten, 
Alle , ‚die fie fab'n, bekannten, ,. ... 
Ihren Eltern gleih’ auf's Haar fie. 


Luſt zum Streit und Sieg im Streite 
Hat vom Pater fie erbalten, 

Doch das gottgefäll'ge Walten, 

Erb’ it's von der Mutter Seite. 


Sagt, we Gaben, jo erlefen, 1» 
Solchen Paares ſich verbinden, 
Mus nicht aller Glanz verihwinten 
Aller Wefen vor dem Weſen? 


Doch wozu, daß ich d'ran mahne, 
Da dies längſt ſchon ſteht geſchrieben, 
(nd wie berrfih!) in dom lieben 
Sarbenreihen Octaviane? 





Die fegende 
Der Herr, der für ung modt’ am Kreuze fterben, 
Im uns das Leben im Tod zu erwerben, 
Predigt’ einft vor gar vielen Leuten, 
Doch ſchien's ihnen eben nicht viel zu bedeuten, 
Die Einen fchrieen, die Andern lachten, 
Die Andern noch andern Narrentheiding machten. 
Den Herrn in feiner Langmuth hat’s nicht verdrojen, 
Er rredigt fort, bis die Rede gefchloffen, 


Drauf geht .er hinaus, mit. den Süngern. allen 

Sn feines allmächtigen Vaters Hallen, 

Und läßt vor den Felſen, den himmelanftrebenden, 
Ertönen die Worte, die ewig lebenden, .. - 
Und Fündet den Blumen, den Bäumen, den Bäcen, 
Die Lehre des Heils in ſchlichten Gefpräden. 
Die Felfen verneigen die Häupter in Demuth, 
Die Blumen ergreift unendlihe Wehmuth, 
Beginnen ſich Findlich an ihm zu fchliegen, 

Diel Thränen des heißeſten Danks zu vergießen, 
Die Bäum' umſchlingen ſich feſt mit den Kronen, 
Dem Lehrer der Liebe durch Liebe zu lohnen, 
Und jegliche Well' im Vorübergleiten 

Singt Hallelujah dem Gottgeweihten. 

Die Jünger darob verwundert ſchienen, 

Doch der Herr verſezt mit lächelnden Mienen: 
Wenn Leben, als wär es ein Todtes, handelt, 
Iſt's billig, daß Todtes in Leben ſich wandelt. 
Die Jünger verkündigten aller Orten, 

Wie bei des Herrn geheiligten Worten 

Die Schoͤpfung ſich wunderbar hat gereget, 

Kein Auge blieb trofen, Fein Herz unbeweget, 
Die Väter erzählten das Wunder den Söhnen, 
Die Söhne liefen’s den Enfeln ertönen, 

So ift zu Vieler Nu; und Frommen 

Die Mähr auf vie foätefte Zeit gekommen, 





D a s Sonett 





In weſſen Herz fih nur ein Fünkchen regt + 
Von jener» Flamme, welche nie verglühet, 
Iſt im Sonett zu. zeigen ‚gleich bemühet, «11° 
Daß ihm die reihe, Dichterader ſchlägt. 





Ob ſich das Ganze noch ſo ſteif bewegt 9 
Ob auch der Reiz der Neuheit nicht drin blühet, 
Wenn nur der Reim: viermal herkommt und fliehet, 
Den ſich der * ee — * nd 


Mein sielgeliebtes Dihterfein, r ſo hör’: ' 
Einft lebt ein ‚Junges Blut, ein. Sqhneiderblut, 
Es dette feinen Kort ein dingerhut, re 
Und Frieden a, er. durch ein Nadeloͤht; 
Von dieſem lern’ erſt ſchmiegen dich und drehen, 
Wil, = zu jhreiben ein Spnett, verſtehen! 





« — Touran a - ‚€ 
u» Da ID ——— HI UELTE + 


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—X u‘ use NO 





Hörtet ihr iwoht vom Dichternferde ſprechen, 

Welches den ungewohnten Reiter abwirft,  _ 

Aber mit, dem, der, es verfteht zu lenfen, 
Sleugt fr die Lüfte? j 


Wiſſet, * —* bin ie; die Ode!” 

Günſtling Apolls! Ich biete dir den Rüken, 

Tauch' in den Aether deinen ird'ſchen Bufen, 
Pflüfe,din Sterne! U © 


Sing’ in den alten, Fräft’ger gen, fhlihten Lauten 
(Gerne vernimmt" 2 dein‘ Re) vom ewig alten, " 


Sange genug am ‚Grab tes Heirgen Sängers 
Hart’ ich sergefen! 7 er ad 


3 179% mu im! 9 





nm 129 meinen 
8 “8:Ddra m a. 
ur Ir A een ö 
Imn 17 re Meeres Tiefe" 
Mae ift fie gegen eines Herzens Tiefe ? 
Ein ſchwer ergründlich h Weſen iſt der Menſch, 
Und von fich ſelber wird er oft verfannt. 





Doch gibt es einen Spiegel; der ihm treu | ı 
Zurükſtrahlt feiner Bruſt verborg’nes Treiben, - 
„Der MRegungen und Wünſche luftig Deer, 
Das ſtachelnde Verlangen und ter Thaten 
Erjeugerin, die kühne Leidenſchaft, 
Wie ſie ſich Teif’ entfpinnt in einer Salto ” 
Des ferniton Winkels, wachfend um’ ſich greift, 1 
Und nun mit ‚einemmal den Staubgebor nen 
Bald unter Götter und Heroen trägt, 
Bald unauflösbar an die Hölle knüpft. 
Dreimaf beglükt, der, was er bier erſchaut, 
Zu feinem Bortheil Flug zu nüzen weiß! 
Anfämpfen fieht er gegen ‚eine Welt 
Doll Trug die Tugend, aber aus der Afche 
Des Leids fteigt fie ein neu verjüngter Phönix, 
Denn oben wacht ein heilig Bateraug’ 
Und nicht ein blind Geſchik, das mit der Erde 
Geſchlechten, wie der Herbſt mit Blättern, frielt. 
Was gibt es Schöneres, als diejen Spiegel, 
Des Menjchen Abbild und des Menſchen Lehren? 
Br * * J 


Der Diaten 


Pe 





Wie reich bin ich! Dies And Die ae meine! 

O Gott! Nicht würdig bin id folder Freude! 

Shr ſeyd ja Alle mein! Nicht braucht das Eine, 
Daß es das And're um den Werth beneide; 

Es Hleipt ja jedem Cinzelnen der feine, 

Und jedes Einzle ift mir) Augenweide! - 

Brih Herz vor Wonne! Rinnet Freudenthränen ! 
Schön int das Leben in dem Reich des Schönen! 


——— — — 


* 





41 


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Wi. reich unfer Vaterland v von nn begabt, de, 
mie warm wir es auch dieſes Vorzugs wegen lieben müffen, 
wer, weiß das wicht, der nur Gelegenheit hatte, einige 
Striche, des herrlichen Landes ducchzupilgern, Die anmuz 
thigen Stvomthäler mit, dem üppigen -Wiefengrün, worau 
fih das Auge fp gerne weidet, das die finnige Freiin von 
Fouquẽe eigens „böhmifches Grün“ ‚nannte in ihren Neifeers 
innerungen, und Particen, die durch Größe das Gemüth er- 
heben, ja erfchüttern, wechfeln mit dem wogenden Gaaten- 
meere, dem dunklen Grün der Malern dem reizenden 
Laube der Gärten ab, - 
Einer der fhönften, Striche, duvch Wechlol dor Nas 
turanfichten,, durch Die vielen Trümmer dor Vorzeit , im 
das neue ‚Leben herabblikend, gleich intereffant, iſt das 
Iſerthal von Benatef an bis zu den Quellen dieſes Flußes, 
Am vochten Ufer Die ebengenannte Stadt mit der filberhell 
Hlänzenden Thurmkuppe, weiterhin die Trümmer yon Drems 
die mit dem herrlichen Feuſterbogen, noch ‚weiter das an⸗ 
muthige Horka mit der ſtolz auf der Höhe thronenden Kir⸗ 
che, das auch durch hiſtoriſche Erinnerung dem Böhmen 
bedeutſame Jungbunzlau, mit den faſt mährchenhaften 
Trümmern der Burg Michalowie, mit dem geſprengten 
Thurme, deffen obere Hälfte nur aufliegt auf dem Unter: 
gemäuer an des Thales nordöftlicher Gränze, dem niedli⸗ 
chen Kofmanos gegenüber z fchon diefe zwei Thäler gewäh- 
ven einen angenehmen Anblif, Noch fehöner wird das weis 
ter geöffnete Thal um Münchengräz, Gegen Süden ift es 
begränzt durch die Berge von Kofmanos, am rechten durch 
eine mäßige Bergiehne, über die hier der dunkle Poſig (Bez 


12 
dẽzy) mit ſeiner Kloſterruine, dort der bläuliche Roll, Ral, 
darauf der Waldſteine nun int Truͤmmern liegende Stamm: 
burg, Ralſko (Wartenberg); bier auf der Lehne die Ruine 
der ſchon wohnlicheren Veſte Zwetetic, nur durch die runde 
hohe Warte an die Veften des Mittelalters erinnernd, wei: 
ter das alte Schloß Klofter mit einem trefflichen Doraab 
ſtimmen zu Gedanken des Ernpen"" i — 

DAR andere Ufer" dehnt ſich weiter unde flacher aus 
mit einigen freundlichen Dorfchen, und hier iſt auf einem 
maßigen Hügel uber dem Fluße Münchengraz mit’ dem 
blanken neuen Schlofſe sin munteres Staͤdtchen, deſſen 
Kirche die Liebe eines Sohnes mit einem einfachſchoͤnen 
Denkmal verzierte, "ein Grabmal, das General Koller!ſel⸗ 
wer Mutter don weißem Re durch Schadow in Rom 
meißeln und Hier in feiner Heimat aufſtellen Tiegl Wi 
terhin ſieht man eine Felfenkette , mie eine Kyklopenſtadt, 
mit den aus dunklem Nadelholz wie Baftionen ind Thüb— 
me vorfpringenden Shndwürfeln und Sandkegeit!' In eis 
nem ſolchen eingehanen mit ſehr wenigem Mauerwerk droht 
die verfallene Vefte Walekow, und am Ende gegen Oſten 
ragen fiber dieſe Felfeninfel , the Baſis, die beiden Fels: 
ſpizen Troſka mit den zwei BurgkronenIm Norden er⸗ 
blikt man die Vorhut des Rieſengebirges dei’ Veſchken 
vor Reichenberg den Friedſtein / den Kozakow über Tur⸗ 
au hinaus)" Auch Hier gewährt das Thal einen ſehr ai: 
genehmen Anblik. Hier die oben erwähnte Felfenftade feit: 
waͤrts von Turnau dein’ Kozakow ‚gegenüber ſich bis gegen 
Stein hinziehend, ein zweites, nur weniger düſteres Aders⸗ 
bach mit der Ruine Waldſtein, mit den durch Benes Her⸗ 
manow (ſKöoniginhofer Handſchrift) zwiefach merkwürdig 
gewordenen Felſenſchloſſe Großſtal, am Ende weithin ta: 
gend die ſchon erwähnten Trofka. Dort das altergraue 
Schloß Swijan, wie es ſcheint von demſelben Baumeiſter 
aufgeführt)" der das Eernin'ſche Palais in Prag gebaut, 
weiterhin Das neu und’ größer aufgeführte Sychrowge⸗ 


\ 





43 


genüber mit ſeiner hübſchen Kirche, Jenfhowiz,n mittenbins 
durch ein grader Streif die Straße nach Reichenberg. Hier 
im, Thale am linken Iſerufer Turnau, ‚gegenüber auf bro⸗ 
keiner, delswand kubn hingebaut Rohogee mit der foſt in 
der Luft ſchwebenden Schloßenpelle ; wahrlich wer Sinn für 
— für, das Beſſere hat, und Muße dazu, eu 
wird gerne dahin wandernwird ſich freuen des herrlichen 
Bandes, Das; ihn, gedars ,,9 en ae 
OSdberhalb Turnau x citen Die, Berg naher gegen den 
Strom das, Thal wird euger die Höhen, wachfen „nur 
ein ſchmaler Streif des, Himmels, iſt ſichtbar, ‚die Natur 
wird düſtrer, und endlich kommt man an einen Felſendamm, 
den der Fluß anf Wa —— vielleicht durch⸗ 
beochen ‚hat. Am linken Ufer vagen nur niedrige Würfel 
in des ‚Stromes Nähe, heben ſich ‚aber etwas entfernter 
zu fhwindelnder Höhe, von verfhiebenen, Seiten. im Mond: 
licht betrachtet, der Phantafte bald eine ungeheure Pyramis 
de, bald einen rieſigen Tempel und andere Bilder vorgaus 
fe 1b," Am rechten ufer ſirebt wie ein Thurm der Fels 
⸗ r, und ; zieht fich, eine mächtige Säufenreipe, hin bie 
in die y von Liebenau. An der ſüdoſtlichen Seite ſieht 
man Reſte eines“ ‚Rundgebäudes , 06 der Schloßeapelle 
oder eines a ae ift ungewiß, — 8 iſt das alte 


G HE Lein 
; ee Seifen Wie HN Steige und. Bequeine Pfade 
der gegenwärtige Beſiz iser, zacharias er von Rbomiſch, 
1246— 
zugaͤ gli gemacht, daß ein ‚jeder I, uns eine neue, 
artige, bald idoliſch⸗ freun dfiche, bald důſtre Er⸗ 
re um uführt. An der Reihe, der zolfen erblikt man 
A N der ‚Sätopeuine 7 Friedftein;, unmittelbar 
al ‚eine — delfentadt; Aehnliches (fromab- 
= au den ® ir en, von deren einem jenfeite wenige 
— ed ber. de te Bbiro D J ſſtbar werden. Felfen⸗ 
treppen führen zu ‚einem enge auf ‚der böcgften Sein 
Euppe und. au einem. Balcon, gleichfam | über dem, Stußbette. 


14 
Aber den Beſizer trieb fein warmes Gefühl für alles 
Bike und Schöne, in diefen Felſenhallen ſeine Verehrung 
fir Verdienſt jeder Art auszuſprechen. Es iſt Fein bedem 
tender Mann, dem nicht ein Plaͤzchen gewidmet wäre; eine 
Inſchrift, ein in den Felſen gehauenes Monument erinnert 
an fein Wirken und Stteben Eine genaue Beſchreibung 
all des Schönen, was die Natur und des Beſizers Kunſt 
finn Hier geſchaffen, mit dem Ergüßen eines fit alles Ber 
fere empfanglichen Gemüthes, das der Anblik begeiſterte, 
haben wir nächftens zu erwarten vom Hrn. Prof. Effen⸗ 
berger in Giein, worauf wir hienit aufmertſam machen 
wollen: in won Im un me re 
Was mir die Emnbfindung —* beim Anblike jener 
Zelfenwunder , alsich fie nach mehrjähriger Abweſenheit 
wieder beſuchte — meine Heimat, Nawarbw, liegt in det 
Nähe — möge bier zum Schluße ſtehn⸗ Anl 


haniun u 
Zeugen des Schöpfungtägs J ihr himmelan ragenden Helfen, 
Was von ter Vorwelt Grau n küntet, vem Waller ihr an? 
Saget, was war? Die wurden, ‚was in? = Schon, hör’ ich 
— — 
Sb —59 tem Sr, N "rufet ihr alfo mir zu —— 
boch ob unſerem "Haupt hin brauf ten machtige Baer, Tr 
„Wo jest vaget der Fels, wog unermeplid) das. * * 
„Und d'rauf ſenkten die Waſſe er ſich nach beit Binke der Gottheit, 
‚Nur, noch im elſendamm ſchaumte unmuthig rt er 
„Aber es brach der ‚Damm, un i über die Niederung bi a * 
„Weithin vetwüftend die Slur r aun "die, entfeſe elte Fin * 
Welche ein Ser, geraufcht, die Balı ſer od, uinferen ih 
— „ließen ein ſanfter Strom, jezo um wiferen. Fuß ai 
Was als Kuppe ſich varg, ſteht nun ein ragender zei 
Drohend ön, und der Grund. hob ih, zu ng ‚HH 
„wo das erſtorb' ne Geſchlecht einſ ſchnell verjihnsinbende e Pr 
„Schiffend zog, da zieht dauernde jezo der Stier. Bee 
„Lieblich erſchallt im Thal⸗ der Klang gefelfige er gebe, af * * 
Wo das ftumme Geſchlecht einſt bat je ie gebaut. 


a, 4 





15 


Manch Jahrtauſend werflogs eh’ fo ſich Alles geſtaltet, 
„Manch Jahrtauſend vernimmt einft nöd die Kunde von ung.‘ 
So von ter * der Natur, von der —* des Vaters im 
3 nSG. zn A " Himmel‘ ' 
Redet der game an wahrlich ein —* ** br 
ia .1D han Gl 
Zeugen der Zeit. ’ —* kündet ihr, hochragende Ki 
Sagt „ was kündet ihr, mir von. dem, Geſchöpfe der Zeit ? 
Saget, was hauften für Völfer um euch, was zogen für Stämme 
Euch vorüber dereinft, folgend der Sfara Lauf? 
Mefen wagender Muth hat euere Gipfel zur Wohnſtatt 
Sich erforen , wer bat hier doch zu haufen gewagt ? 
Baute den fiheren Horft fi bier ein Ritter vom Bügel, 
Welcher bes Kaufmanns Schweiß hier und des Landmanns ver: 
‚praßt ? 
Suchte bie Minne vhs Haß Me Tugend vor ihren Verfolgen 
Eine Freiftatt bei euch ? Saget es, Felfen, mir an! — 
Aber umfenft, ihr gebet mir nicht vom VBergänglichen Kunde, 
Spottend des Fragers Wort tönt nur die Echo zurük. 
Gleich den Zeichen der Prieſter am Nil', undeutbar dem Forſcher, 
Stehen vom Menſchenwerk einzelne Trümmer noch hier. — 
Wer doch hat euch zerfchellt ? Ein Feind in grimmiger Fehde ? 
Oder zürnte Natur alſo vermefienem Bau ? 
Daß euch Pfeile umſchwirrt, entfendet. der Sehne won Männern, 
Als noch Muth fih mit Muth Fräftig gemefen im Kampf; 
Daß euch Geſchüz umkracht, daß ihr menſchlichem Donner gezittert, 
Seit aud) der Feigling von fern mordlich den Tapferen trifft; 

Dep gibt Kunde der Foren umher, und lehret, daß immer 
Sich das Brudergeſchlecht haͤſſend und mordend verfolgt. 

Aber tie Namen der Stolzen, die Ruhm duͤrch blutige Thaten 
Sich zu fihern gehofft, fehet, doc fihd fie berhallt. 

Ia es verfällt der Kranz, den fih der Verwüſter gemunden, 
Dauernd nur ift der Ruhm, den du dir fhaffend gewinnt, 


Und was kündet ihr einſt Ihr Zeugen unſerer Tage, 
Sagt, mas Findet ihr Fünft’gen Geſchlechtern dereinit 2 


16 
Daß, wo der; Meiften Ders verſchrumpft war in kleinlicher Gelbit- 


ae FIT er, ai ie ee 
Sich der feligen, Schay bier hat ein Weiſer gefreut > 
Daß an der Mutterbruſt der Natur er freudig geruhet, 

Nicht nach betrüglichem Preis ſtrebend im Weltengewühl. ı". 
Und auch gut war Er, und gönnte dem pilgernden Bruder, 

All die jelige Schau die ſo erhebet den Geiſt mu. 
Welche die Allmacht Bier vor dert Auge des Menden zweiten, 

And jein — er und adelnd erhob . 


Bencesiam Aloys ——— 





Herz und Blume... 


ze r 1 n 
a In ie 3900 TO, Amin i 
Dörte oft das Herz vergleichen 
Einer Perle, zart und bei, „., En Bi 


‚Dem Demant ,, dem feuerreihen; „u. 
‚Dimmelklarem Siperauell, un. un ind ba m 


Oft Hört ich" den Zorn Auch ſagen: uni 


ge, du mußt ei ·Eisball fein! h vn a 3 
Und die Wehmuth wieder klagen · 

weder) du * ein Re Stein! 4 n Ih 

mn ii 3 hun In 


"Söhmeiterling und eld ne Falle int Min 99 
Nannten Manche es im Scherz, nt © 

£ an Do mic) däucht fie irrten- Alle — un" 94 © 
Eine Blume iſt das Herz 


TREE 16 


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pen Ar 


one, Blumen’ Beimen auf in Lenzen, 
4 en Ann 
etmon "Serge in der Jugend’ Glanz: 
Blumen, ‚einen, ſich su, Kränzen, a, TITTEN 
‚Herzen N ich zum Liebe eskran c. Dun 








Blumen ftorf im’ Wärmei bien," nur 
Winner Blik gior Herzen Kraft, © 
Blumen ſeugt des Mittags Gruben, rich 
Herjeh” ghühnde Leidenfchaff 


nid. asulR Ban tank mm 190 
Blumen iſt der Than ein. Segen 007 
Milde Iprän’, erfriſcht das Ders; .o. u” 
Blumen knikt der wilde Regen, 1.7 1.9 
Derzen bricht der wu ‚Samen. 


‚sl 28 Am Sr 

Blumen Froh um Tage oriegen, 
Verzen da, wo Liebe dacht 5.1 sun ı 
Blumen Nachts, die Kelche jhliegen, 
Derzen ſchließt des Haſſes Racht. 7 
Schnee muß Eon der Blume geben 
Herz derweirk, vdenn Alter droht z 
und fo IPs ein Blumenleben, 
Und fo ſtirbt's den Blumentod,.., „it 

- mindE 11h garen eo anını 


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Bon Aug. Pfitzmaher. 
a ge bi α 


— ara ee hr 
Mein Hanf graun die Wert iſt todt, uo 
Im Herzen’ minzuwie 08° und leer! 00 or. 
Auf Amborſts Klippe ſiz ich da Inn mu 
Und ſchaue kalt hinaus ins Meeris’ 997 vol. 
Der Nord, der laut mein Schloß umbrüllt, 
Hat dieſe Glieder nicht gebeugt mn ur ol 
Ein ander Weh bat mic verzehrt, 

Und vor der Zeit mein Haupt geneigt: 
2 





Mit dürrem Laub befireut die Sluth, 
Der Wind, der klagend RR „jaust, 
Die Wolfe, jagt. in, grauer, doh nie 
Und auf. zu mir ‚die Zrandung braust. F 
Der Kranich zieht nach Sluren bin, 

Wo blau ein wärm'rer" Himmel lacht, — 
Ich zog einſt weit und habe mir 
Ein Ders —* Gram nur heimgepraditi 
inf glüͤruch — ———— 


Nannt' ich’ wohl tapf're BÜHRRn iR * 
Din find fie, Alles iſt dahin, — 
Nur ich noch bin, nur ich allein DW 
Nun, wert Me Stirn von Nebel feucht 
Und in der Seeluft weht, mein, Haar, 
Erfeufz’ id bang aus tiefſter Bruſt, 4 
Und denke ſtill was einſt ich war, j 


Verwüftung ift am Falten Heerd, | 

Die Eul’ in meiner Väter Thurm, 

An morfher Mauer Unkraut ſchleicht, 

Und in den Fenftern heult der Sturm. 

Und Tag und Nacht erlauſch' ich nichts 
Als wie der Rabe flatternd krächhtt 
Und fehlagend an des Schloſſes Fuß 


Die —— Woge ächzt. 
44 . . j 1— 


f} uk 

Dier harr' ich ——— Steh, 
Bis fern ein Schiff vorübergeht — 

Du Schifflein dort; wohin ſo ſchnell 
Die Nacht iſt kalt, die Stunde patlı 9% wi 
Nah Oſt einft ſchweift' ich und. nach Weſt, — 


Zog raftlos durch die Welt, wie Du, 
Sch ſollte nun am Hafen ſeyn 
Und ſuch' umſonſt, * nimmer Ruh!/ 10% 

1o un aD 





sa ı Irak 1 an 


2 Se 


na u 


49 


Joh. Nord. Zatokil von Löwenbruk, 
Tagebuch der Belagerung Prags durch die 
an —— im Ka 1648. 





* dem. in böpmifiher Sprache verfaßten Original, 
in Anszug gebracht 1— 


von Johann Ritter v. Rittersberg. 
— 


Befhluß.) 


Dboerſt Copy, der nach Einnahme der beiden feſten Schlöfe 
fer mit großer Beute zu Königsmark zurüffehrre, brachte 
ihm und Wirtenbergen die fröhliche Nachricht, daß ſich 
Karl Guftav, Pfalzgraf vom Rhein, mit feinem Heere der 
böhmischen Gränze nähere, und dem fchwedifchen Völkern 
nach Prag zu Hilfe ziehe. Aus diefer Urfache wurden ſchnell 
aus dem Zeughaufe der Burg alle noch in felbem befindli= 
den Kanonen, fogar auch die Karthaune „der Teufelds 
tanz“ herausgezogen, und nad) den Höhen der Bruska, 
des Eaiferlichen Lufthaufes, des Strahowerthors und des 
Laurenzberges geführt. Als er ſich amı3. October der 
Staubbrüfe näherte, wurde alles Geſchüz ſcharf geladen, 
nach der Stadt gekehrt, und hierand eine Freudenfalve ges 
geben, welcher Dedargen aus Musfeten folgten. Diefes 
wurde wiederholt, als er auf der Kleinfeite bei feiner Woh— 
nung (der Pfalzgraf weigerte fi) durchaus, die königliche 
Burg zu beziehen, wie fehr ihn auch Königsmarf dazu bes 
reden wollte) aus dem Wagen flieg. Froh über feine An: 
Eunft zechten die Schweden Die ganze Nacht über beim 
Schmettern der Trompeten und Wirbeln der Trommeln, 
2 288 


20 


und fo oft Gefundheit getrunfen wurde, donnerte Das Ge: 
ſchüz vom Schinderberg amd den Eulene und Keihfeitner 


Müplen, 
Weil die Blleherten faben, "HR bie Gefahr Kin ie 

Städt he ‚fo‘ griffen mu auch die Geiſtlichen und 
Mönche zu den Waffen, welche vorausſahen, daß, wenn 
fie in ber Schmieden Hände fallen follten, e8 ihnen nicht 
fondertich wohl gehen würde, da diefe gedroher hatten die 
Papiften nac Eroberung der Stadt aus allen Kirchen zu 
perfreiben,, und dieſe mit ‚ihren, Pradi canten und, ‚Paftoren 
zu befegen. An 70 Köpfe ftarf, zogen aus dem Collegium 
der Jeſuiten bei St. Cleinens und aus dem der Neuſtadt 
Prieſter bewaffnet nach der Hauptwäce. Ihrem Beifpiele 
folgten bald andere Kloftergeiftliche. So die Benedictiner, 
die Franciscanee bei St. Safob, die Paulaner bei S 
Sälvätor , die Carmeliter bei St. Gallus, die Serv 
bei St. Michael, die Kreuzherren mit dem vorher Stern 
an der Brite nen. De ein Se de! — Kloſters 
wis NERER ” re RE RR 

dent‘ Conti ——— alles * heinai ewe 
— Vorzüglich ließ er die Graben vor den Pali— 
faden mit Fußangeln und Eggen, mit eiſernen Magelu ans 
füllen, und dieſe, damit fie der Feind nicht bemerke, mit 
Stroh überdeken Nach der Hauptwache ließ er die Mus 
nition und alles vorhandene Kriegsgeräthe zuſammeufüh— 
rem, Er überzeugte ſich perſönlich von dem Zuftanberalfer 
Vertheidigungspoſten vom Porieer bis, zum Schweinsthor 
Auch die Minen durchſuchte er ſelbſt, und verordnete überall 
Berbifferungen, wo ſie nöthig waren Wie Conti in Kriegs⸗ 
ſachen, fo ſorgten die Jeſukten in geiſtlichen Augelegenhei⸗ 
ten, emſig und fleißig den ſchwer und — om 
ten auf allen Poſten Höheren Troſt bringend ı W 

Am 4October früh ſezten ſich die Säwereiicnf — *— 
Meinfeite, in Bewegung. Der Pfalzgraf mit der Genera⸗ 
lität folgten ihnen um die neunte Stunde ins Hauptquar⸗ 











21 


tier nach Wolſchan. ı Nachmittags fing man,im. feindlichen 
Lager anziBatserien für das Geſchüz zu errichten, Schanz⸗ 
korbe zinglechten „und die zugeworfenen Lanfgraben ıneuers 
dings, zu „Öffnen. Da ſehr viel Volk daran arbeitete ſo 
war alles am Sonntag früh fertig, obwohl die Belagerten 
heftig auf die Arbeiter feuerten. Am. Montag wurden die 
Thore, Schanzen, Baſtionen und Stadtmauern aus 658 
Stüfen unaufhoͤrlich fo ſcharf befhoffen,, daß beinahe nach 
jedem Schuß Theile der oberen Einfaſſung der Scham⸗ 
** wie herabgeſchnitten herunterfieleny. E 

ı Nach diefem Befchießen fam am 7, Detober ein Enke 
ai zu den Belagertem geritten, welchen der Pfalzgrafyan 
die Commandanten mit, der Aufforderung zur Uebergabe 
abſchikte. Er drohte falls er die Stadt mit, Warfenges 
walt und Sturm nehmen würde, Niemanden, am wenig— 
ſten aber den Prieſtern und Studenten, welche er mit nie— 
drigen Schimpfnamen belegte, Quartier zu geben. Dem 
Trompeter wurde, die kurze Antwort gegeben, die Stadt 
gehöre kaiſerlicher Majeftät, und böhmifchem Könige, nicht 
aber den, Commandanteny. welche ſie mit den. Ihrigen ‚bis 
zum Neußerften vertheidigen: und. ſchüzen werden, Deshalb 
mochte der Pfalzgraf, wenn es ihm fo. gefiele ‚mit: feinem 
Volke immerhin ankommen, es ſey alles zu feinem Ems 
pfange, bereitet. Gegen. 9 Uhr fehoben ‚die, Feinde einen 
hohen ſchmalen Thurm, in welchem oben nur für, zwei Porz 
fonen Raum ‚zum Nebenejnanderftehen ‚war, und den fie 
in, dem Hoblgäßchen, das vom Schwihanifhen Weingar⸗ 
tens herabführt,, aus diken ‚Pfojten erbaut hatten, ‚unter 
beftigem Feuern auf Walzen. bis an die Stadtmauern. vor· 
Man konnte, von feiner Höhe den Poſten auf der Haupt⸗ 
wache und. mehrere ‚andere einſehen. Dieſes geſchah eines 
Jägers willen, welchen Wirtenberg, als er von Tabor zu⸗ 
rükkehrte, auf der Herufchaft, Konopiſcht angeworben hatte, 
Diefer, ein, vortrefflicher, Schüze, ſtand oben hinter einer 
feften- Blende, und ſchoß auf den Poſten jeden, nieder, * den 


22 


er fich zum Ziele erfah. Der erfte, der durch feine Kugel 
fiel, war Johann Schmied, Tambour der Freicompagnie 
der Studenten, welcher aus 6 Gallas’fchen Stüken (Ein 
Pfündern) auf diefen Thurm feuerte. Schmied war mann: 
haft und herzhaft, und hatte fich bereits bei mehreren Ge: 
legenheiten gegen die Schweden ausgezeichnet. Sein Ber: 
luft wurde fehr bedauert. Auch ein Jeſuit, P. Johann 
Meſſe, fiel’ in dem Augenblike, als fein Opfer, wo er dem 
auch von ihm niedergefchoffenen Bürger Ehriftoph Berka 
im Zodesfampfe die Namen Zefus Maria ins Ohr rief, 
Am folgenden Tage jagte er dem Wenzel Cabelicky Freiherrn 
anf Sautic, als er eben vom Begehen der Poften riach der 
Hauptwache zurüffehrte, unter den Panzer durch das linke 
Schulterblatt eine Kugel, welche bei der Bruft herausflog, 
durch den Leib. Der tödtlich Verwundete ermahnte die Um: 
ftehenden mit heldenmüthigem Sinne zur Treue gegen Gott 
und den Landesherrn, und zur Vertheidigung des Vaterlan- 
des bis zum Iezten Blutstropfen, wie er ihnen das Bei⸗ 
fpiel dazu gebe. Er verfehted am dritten Tage in den Ars 
men des Zefuiten Bohuslaw Balbin. Der altftädter Ma- 
giſtrat ließ ihn in die Teinfirche, two feine Vorfahren ruh⸗ 
ten, mit militärifchen Ehren zur Erde beftatten, und dort 
für das Heil feiner Seele ein feierliches Requiem halten. 
Bei Sonnenuntergang wiederfuhr gleihes Schikſal dem 
Oberſtlieutenant Hanauffy. Die Namen mehrerer Bürger, 
Studenten und Soldaten, welche durch diefen Buben, der; 
dem DVernehmen nah, vertragsmäfig täglich 9 Leichen 
liefern mußte, fielen, wurden nicht angemerkt. Um dies 
fem Unfug zu fteuern, befahl die Generalität einen Ausfall. 
Diefen unternahm um 14 Uhr vor Mitternacht Hauptmann 
Mulzer vom Regimente Conti und Heinrich Nofenblatt, 
Corporal von der Freicompagnie der Studenten, mit 200 
Mann, melde aus allen Belagerten gewählt wurden. Die 
Hälfte diefer Leute ſtürzte ſich anf die ſchwediſchen Wachen 
in den Laufgraben und vertrieb diefe, die andere Hälfte 





25 
ne mit — und Stroh "und anderem Zündgerä⸗ 
ebracht twitede, den Thurm in Flammen, und 
ih — nach Audchieng des ganzen" ſchwediſchen 
Sagete, ohne  Bertuft eines eingigen Mannes in die Stadt 
‚polo, 190, Aa dm. aa AIDS F 
ne —* erhaitene abſchlagige Antwort ließ der Pfatz⸗ 
graf am 10, Oet. neuerdings aus allem Geſchue ſo heftig 
feuern, ats ober die Stadt vom⸗ Grunde aus jerftören 
wollte. "As das Feuer ſchwieg, ſah man auf der Wok 
ſchanet Fahrſtraße ſtarke Haufen mit blaten, gefben und 
‚weißen Fahnen (das war das Keibregiment bes Pfalzgra⸗ 
fen am Rhein) ſchnell nach der Pfentiſchen Schanze mars 
ſchiren. Auf dem Schinderberge aber eine Menge Meißner 
mit weißen Säfen, "welche, wenn die Stadt vom Feinde 
eröbert worden hr) plündern und taubeh’ helfen wollten. 
gap Troinmehfeichen , ‚welche um die vierte Stuude 
in erwähnter Schanze gehört wurden, ſprang in Mann 
in eineme ſchwediſchen Pelze, mit einer Partiſane in der 
Hd ‚us der Schanze, und führte die Schweden gerade 
daB" Nikteiberger Thor zu. Die Fapnenträgerfehmeiits 
ten ihre Fahnen, und ehe fich deffen die Unferen am Thore 
2 hatten ſich die Schweden auf die Eke der andern 
Seite gewendet dort die Schanzpfähle an der" Eourtine 
umgewotfen und peräusgeriffen, und die Schänze erſtiegen · 
Sie drängten die Belagerten, welche nicht ſchnell genug 
zur Befthnung kommen konnten, "aus den Bollwerken dies 
ſes Thores und waren in ‚weniger Zeit Herten der gan⸗ 
zen Schanze und des: Kuttenberger Thores, Bei 'diefer 
Gelegenheit blieben an 70 der Bürger und Soldaten, Der 
Commandant des Thores, Karl Felix Schufter von Gold» 
burg, würde todtlich verwundet, Dem Fahnentraͤger mit 
der Fahne und den iibrigen Vertheidigern blieb nichts übrig, 
als fich eilends in die Stadt zu werfen. 
General Conti, der dieſes gewahrte, befehligte ſchnell 
100 Mann von der Bereitſchaft mit den Galas’fchen Dra- 


4 


genern, und einer Anzahl, Studenten, an ‚die, Berpalifadis 
SUNG BURG nel, dig Gaſſe gegenüber vom, Thore ſperrte. Dex 
Reitevei, befapl, er abzufizen und aus ihden Rarabinen auf 
die Schweden, „welche vom. Tpore uud, feinen Thuͤrmen ders 
tig in die Stadt ſchoßen und viele der Belagerten, unter 
dieſen den altſtadter Richter —— todtlich vers 
handeen; au feuern. iur sun ar on .. d 
ein Heines Fenfterchen, Hatte, eine ee aushrecheng ii 
welche, Stroh Holz, Pechfaſſer und Krauze und Pulvers 
pafe, eworfen und, angezündet wurden, „Ehe, fi, deſſen dig 
Feinde verfahen, flog die Thurmdeke * und die Flammen 
verſchlangen, was ſich da befand. Die ſich von dem Seide 
auf ;den, Galerien der Außenwand, befanden, glichen wi 
ihven ‚brennenden, Gewändern zähneblöfend holliſchen Geis 
Bern, Sie, mußten lg, ob fie wollten ‚oder nicht, ins 
deuer Hinabfpringen und, Thurm und Thor-perl Dos 
Larm und das Nugſtgeheul hier, das Stuͤrmen der Gloton 
in der Stadt, das Klaggeſchrei in den Gaſſen, war unbe⸗ 
fHreiblich. ,. Die, halbyerbrannten, Schweden, retteten ſich 
in die Saufgraben, , ‚General Conti, Die ganze Naht; ums 
ermüdet, thaͤtig, ließ fortwährend ‚das —— 
Mannſchaft angreifen; bis auch der lezte Schwede hier und 
aus der Schanze wieder, ‚vertrieben war. Wahrend es au 
dieſem Thore ſo berging,,., wurde dem Oberſten Kreuz und 
Baßvee hefohlen, das Lager, der, Schweden vom Wyſſehrad 
ber zu, allermiren. ‚Die Ausgefallenen bewaltigten die Ve⸗ 
dette uud⸗ ihren Unterſtüzungspoſten, überfielen die Lager- 
wache, nahmen ‚bier nebſt andern einen Major; gefangen, 
verfprengten, Die übrigen, und, kehrten mit, ‚ihren ‚Gefanges 
nen, ohne Verluſt zurük. Diefer, Major, fagte, unter, ‚andern 
ans, Königsmark, und, Wirtenberg hätten. dem, Pfalzgrafen 
gerathen und ihn herebet, mit feinem Regimente, welches 
ganz aus Schweden und Lappländern beftand, deu Sturm 
au ‚verfuchen,, Gelinge er, ſo würde der Pfalzgraf dadurch 





35 


ar Serge nenne ne —— 
niht,ife: wollten, fs, daun gemeinſchaftlich ‚wirken , und 
beide ihm zur Er oberung der Stadt;.mit alfer Macht be⸗ 
hilflich ſeyn. Da der Sturm ihm nicht nach Willen ges 
mW, ließ er am folgenden. Tage heftig nad) den Thür⸗ 
feuern, und begrub felbit ſeine in, der, Schanze des 
enberger, Thors erfchlagenen, Schweden unter, Stein 
und, Schutt. Diefe Schanze wurde; ſo zu Grunde gerich⸗ 
tet. daß fie. ferner weder den Belagerten noch dem Feinde 
zur Wehre dienen, konnte. Der früher, sermähnte Jäger 
hatte ſich an gelegenem Orte eingegraben, und ſchikte, ‚bins 
ter dem Schuze ſeiner Blende, einige, Bräuerburſchen und 
Weiber, welche gekommen, waren, Die beider Schanze ges 
fallenen ‚Bürger und Soldaten zu beſehen, in die andere, 
Belt. Man ließ bei Trommelſchlag verkünden, daß dem⸗ 
jenigen eine Belohnung von LO Ducaten / werden ſolle, der 
ihn erſchießen ‚oder. auf welche Art immer aus der Welt 
würde Zwei. Jägers, deren einer in Colloredi— 
ſchen der anderes iu, Contis Dienſten ſtand, verbau⸗ 
dem; zu ihn eheſtens noch Gebuͤhr zu lohnen, Sie 
(lichen, ‚am folgenden Tage; am jene, Stelle ,,;mp ein 
Theil der Stadtmauer noch ganz,.umd, die für Doppelhaken 
angebrachten Oeffnuugen unverſehrt waren. Von dieſen 
effnungen ſchloßen ‚fie unverzüglich zwei, mit Mauerzie— 
„pop ‚der dritten ‚offenen blieben fü ie, mit ihren Stuzen 
in, ſchlag Atehen ;. zugleich. ließen fie, ‚einen, ‚vor diefelbe 
Uten Hut fortwährend. bewegen. ‚Der, Berderber 

hatte die Gewohnheit, nad) jedem, Schuß den ‚Kopf hinter 
der Bleude herauszuſteken und, nach, dem Drte, wo er hin: 
geiglt; hatte, zu.fehen, Vermuchend, es ſchaue Jemaud 
zu der gedachten Oeffnung heraus, ſchoß er nach dem Hute, 
— ſchnell mit, dem, Kopfe vor, ‚um nachzuſehen, Ju 
elben Augenblife drükte der Collorediſche Jäger los, 

‚ber Boſewicht ſtürzte rüklings und wähte ſich die 
0 hinab... ‚Groß. war die Freude, Haß er 


26 
nun nicht mehr ſchleßen werde" Colloredo's Fager'nahın 
Bie'o Dircaten, erhielt Hoch mehrete von dei‘ Offieieten, 
and theilte mit ſeinem m Gefahrten! werd ndi —* 
Gefangene ſagten ans, daß der an ge 
fr Thöre Bis zur Hauptwache Hin”) eifrig Minen 
Die Belagerten gruben entgegen und ſuchten ihm — 
lichen Hinderniſſe zů legen. "Die Schweden gruben ſich in 
den Keller des unweit · des Kuttenberger Thores liegenden 
Kornhauſes ein. "Sit dtefem Hauſe hielten die’ Belagerten 
immer eine ſtarke Wache, und vor deit Kelfer'ffand ein 
Mann. Dieſer gewahrte eines Abends durch "die Thür⸗ 
ſpalte die Schweden’ and s und"einfricchen, wies es dei 
Cameraden, welche es dem Corporal und Diefer dem Ge 
neral Conti meldete. "Conti" eilte ſchnell zum Keller," und 
überzeugte fih durch eigenes" Sehen daß die Schwilben 
fehon 6 Tonnen Pulver in den Keller geſchafft hatten und 
hier eine Mine legen wollten. Er ließ zwei wor dein Korn? 
Haufe fiegende Mustetdns ſtark laden, durch den Corporal 
Schmied von Gallas Dragonerm nachdem die Kellerthüre 
eingemotfei ward, in Die Schweden feuern. Dieſe kro⸗ 
hen unter dem lauten Geſchrei: Helft! Helft un Gottes 
Willen Helft 1° | eifig” aus dem Keller zdie Angeworbenen 
ſtiegen auf Leitern hinab, wälzten die 6 Pulverfäſſer fort, 
verrammelten das gegrabene Loch mie Palifaden ;" führten 
von ſtarken Balken und Pfoften eine 'Querwand "in dem 
Keller auf und Iegten eine Wache hinein. Das vorgefuns 
dene Pulver war den Belagerten bei ſpater⸗ erſoigthn ei⸗ 
eigniſſen von großem Nuzen. u m 
Ein bei einem Ausfall — 2* EN der befragt wurde, 
was e8 im ſchwediſchen Lager Neues gebe, antwortete in 
feiner Einfalt, man höre dort von nichts, als von einem 


langen Sen veden (er meinte den Pater Georg Pas 


ai) 


*) Das Hauptquartier, auf der Charte bei Zatoeil mit G be. 
jeichnet,, war im Gtreöower Garten links vom Rofthor,'— 








27 


chy *), von welchem behauptet werde, er fey ein großer 
Zauberer und gebe feinen Studenten täglich gewiſſe Zettel 
zu freſſen, wodurd er fie feft mache; denn es folle ihnen 
keine Waffe etwas anhaben. Man habe dort hoch und 
theuer gefchworen, ihn, falls man ihn befäme, Tebendig 
zu ſchinden. Plachy, der das ihm geltende Mähtchen 
hörte, lachte über den Schweden und reichte ihm ein Laib 
Brod, welches einer der Umftehenden im der-Hand hielt, 
wozu er ihm einen Trunk Bitterbier geben ließ, mit den 
Morten: „Du Narr, folhe Zettel gebe ich meinen a. 
denten alle Tage zu freffenz; da nimm, friß und ange N 
—* auch feſt werden.‘ 

Oberſt Götz beobachtete vom Ropthior, daß fi) füge 
Ki in der Früh eine große Menge Schweden hinter der 
Mauer, die ſich von der alten Saliterei bis zum Alſterl⸗ 
feld hinaufzog, verſammle. Er ermangelte nicht, diefes 
durch feinen Adjutanten der Generalität mit der Vorſtel⸗ 
fung melden zu laffen, es fiheine, als hätten die Schwe⸗ 
den hier etwas Neues vor, weil man durch Fernröhre fehe, 
wie mehrere zu Pferde bis hart an die Brefchen anfprens 
gen und andere zu Fuß folgen, wie die erfteren von Pfers 
den Regen, er von ige — — * der Stadtmauer 
—M hl 
— 

Dieſer Jeſuit — 6 Fuß 6 Zoll. .& as Pier 48 
* ae —A — Ba 

 Budwie. e Soc. Jesu, in obsidione "Pragensi defensor 
" patriae, Pater militantik juventutis acade, Frag, * 
PM Die. unter feinem Porträte beigeſezten Verſe: 


you 0: 0, Quem sibi Collẽegam helli admisere Dynastae, zur 
I TOT dure sequi potuit gens'studiosa ducem, 
* Pro ‚patria atque Deo sacra. in arıma ‚paratu 


Horruerant i ipsi nati Aquilone Duces, 
„gaben Anlaß, ihn für den Anführer der Studenten auszu⸗ 
geben. Er hielt ſich im Dauptgliartier er 2 lie ns 
8 ei jener Gelegenheit brauden. 


28 


nach deu, Poſten ‚der, Belagerten ſehen und fpäben, und daß, 
ſich unter ihnen felbit Königsmark, der einen Falben veite, 
mit feinen Adjutanten öfters ſehen laſſe, Da die hinter dieſer 
Mauer ſtehenden Schweden außer dem Bereich der Muske— 
ten beim Roßthor waren, ſo erſuchte Oberſt Götz um die 
eiſerne Kanone, welche früher auf dem Kuttenberger Thore 
band , um drei layettenloſe Stüke, Die, von Worlik zu 
Waſſer angekommen waren, und um zwei, Säffer im Korn⸗ 
Haufe erbeuteten Pulvers. Dann ließ er vor Abends Zimz 
merleute rufen/ von ihnen am Roßthore aus Pfoſten und 
Balken eine Art Batterie errichten, und zu den Stüken, 
fo gut e8 in Eile ging, Lavetten verfertigem, dieſe auf 
Rider und Achfen von Bränerfarren legen und mit eiferz 
nen Klammern und Ketten befeſtigen. Statt, dev Schanzs 
körbe ließ er Schweidnizev Bierfäſſer, die, mit Stein und 
Schutt angefüllt waren, aufſtellen. Alles geſchah in der, 
groͤßtmöglichſten Stille, Die drei, Stüfe wurden in die 
Batterie eingeführt, das vierte eiferne hart am Thor hin⸗ 
geſtellt. Götz ſelbſt richtete bei Tagesanbruch die drei Ka— 
nonen nach, der Mauer, Die vierte übergab er Dem Eons, 
ſtabler zu richten. „AS. die Sonne aufging, ſah man 
Bund, Fernroöhre eine große Menge Schweden herreiten, 
welche von den Pferden ſtiegen und dieſe feitwärts in die 
MWeingärten führen Tiefen, Fußgänger im Kollern und 
Feldbinden mit Partifanen, andere mie Musfeten, "Kata: 
binen and Piſtolen und anderen Waffen verſehen, verſam⸗ 
melten ſi ch wie bereits ſeit einigen Tagen an der gedach⸗ 
ten Mauer; Neiterhaufen ſtellten ſich in den Weingärten 
auf, Jezt flieg augenbliklich ein diker Nebel auf, der fie 
und die Gegend ganz einhüllte. Dieſer hatte ſich in einer 
halben Stunde gelegt und heiter ſchien die Sonne herab. 
Götz prüfte nach einmal die Nichtung feiner Kanonen und 
befahl nach den Schweden hinter die Mauer zu feuern, 
dann ließ er ſchnell laden und einen zweiten Gruß nach⸗ 
ſchiken. Die Schuͤſſe fielen mit, Kuga: Wirkung, Man 





29 


ſah won dem Thuͤrmchen des Strecower Gartens id’ die 
Hanptwache war won dem Heinrichsthurme und von den 
Stabtmauern die Schweden ftürgen undeinihrem Blute 
ſich Warzen. Auf die dritte Badung, welche Gotz nach Dem 
Feinde abfenern Fe, wurden noch einige niedergeſchmet⸗ 
tere, die übrigen’ Hohen biligſt in die Laufgräben. "Unter 
den Vekwundeten weren wie man fpäter erfuhr, mehrere 
vornehme Dffieierei Die Schweden, über den erfifteneit 
Berluſt außerſt erbittert, richteten einen großen Theil ihres 
Geſchuzes nach dem Roßthor und zertrümmerten durch hef— 
tiges Schießen die neue Batterie. Auch ließen fie das 
Roßthor heftig beſtürmen, bei welcher Gelegenheit Johann 
Severin" Eye von Kriegsfeld Hauptmann einer Bürger) 
fahne der? Neuſtadt durch den Mund und das Genik ge 
ſchoſſen wurde, An dieſem Tage fielen nach der Gegend 
des Noß⸗ und Schweinsthors 1453 Schiffe und 19 Gra: 
naten· Der Feind fenerte zum Theil auch deshalb fo hef⸗ 
kig; um feine Verwundeten mit mehr Sicherheit ind Ruhe 
aufı Wagen laden und mit ihnen Auf’die Kleinſei te eilen 
zu können, welche) dort in das Profeßhaus der Jeſuiten 
in die Kloͤſter St. Thomas) der Carmeliter, St. Maͤgda⸗ 
lena in · das waͤlſche und‘ kleinſeituer Spital," zu do Ind 
mehr Kopfen vertheilt wurden, "Die verwundeten Offieiere 
wurden in den Wohnungen der vornehmſten Bürger unter⸗ 
gebracht. en ee ehe ur 
0 Bon nz) brachte Abgeſandte der Prager ‚won Or! 
kaiſerlichen Majeſtat zurükkehrend Nachricht Von Succurs 
Die! Generale Got, Soeuſa und⸗ Myſlyk Hatten bei’ Bude 
weis an 7000 Mann verſammelt, mit weichen fie bereits bei 
Worlik lagerten.Dieſelbe Nachricht mochten auch die 
Schweden erhalten Haben, denn man ſah am 24,’ Deti, wie 
fie ſich im Schindleriſchen und Wokikowſkiſchen Weingar—⸗ 
ten in Schlachthaufen aufſtellten woraus man ſchloß, daß 
ſie an dieſem Tage ftürmen wollten Um 40 Uhr, da ein 
Kapuziner⸗ Monch auf der Wachtſtube des Kuttenberger 


50 


Thores eben, Meſſe Tas, und nad der Wandlung fein no 
bis quoque, peecatoribus ſprach, praſſelten hier die Mi⸗ 
nen auf, welche bis zum Werneriſchen Garten ihre Wir: 
fung ‚thatens Auch, was an dieſer Stelle von der Stadts 
mauer noch ſtand, hatten die Schweden untergraben und 
es mit hölzernen Balken geſtüzt. Wie dieſe das um ſie 
angelegte Feuer verzehrte, rollte das Mauerwerk hinab, 
für die Schweden eine Art Brüke bildend, über: welche fie, 
ebe fich ihrer Jemand verfah, in Staub und Rauch gehüllt, 
in die. Stadt und auf. die Belagerten heftig einftürmten) 
und ſie mit Granaten bewarfen. Einer ihrer Führer in 
grauem ſchwediſchen Pelze mit einer Partiſane in der Hand, 
winkte den Seinen fortwährend, das Kornhaus anzugreifen; 
Andere mit blanfen Degen jagten fie von hinten dahinsvor, 
Doc) es barg fich ‚einer hinter ‚den andern, wo er Foiintes 
Sie hatten hier in der That einen ſehr harten Stand, denn 
fie trafen. auf vierfache Poſten, melche hintereinander anf 
geftellt waren. ,. Auf der, Schanze des Kuttenberger Thors 
kamen ſie ins Feuer, der Contifchen, und weiter ‚oben! in 
jenes der Gallas’fchen Mannfchäft, welche ihnen ſo heftig 
zuſezte, daß fie zweimal vom Sturme ablaſſen mußten 
Beim dritten Sturmverfuch ‚der heftiger als die früheren 
war, ſtrekte der erfahrene und altgediente Corporal Schmid 
den gedachten Anführer in dem Augenblike durch einen 
Schuß zu Boden, als er in den Graben beim Kornhauſe 
hinabſtieg. Nach dem Falle dieſes Anführers waren die 
Schweden hier zu keinem weiteren Sturme zu bringen, un⸗ 
geachtet fie ihre Officiere durch Schläge und Stöße dazu 
treiben wollten. : Sie flohen hinter ihre Bruftwehren am 
Kuttenberger Thor, und von da durch die Laufgraben nom 
Sturme weg. Corporal Schmid zog ben verwundeten Anz 
führer mit einem an einer langen Stange befeftigten Hafen, 
mit dem er fich in den Umfchlag feines Pelzes einwühlte, 
an. den Poften, zog ihm den: Pelz aus und legte ibn. auf 
ein Bret hinter die Bruſtwehre. Man fagte, es ſey der 





5 


Dberſtlieutenant vom, Leibregiment ‚des Pfalzgrafen gewe: 
ſen Ex, mplite auf, die ‚pon den Officieren an, ihn geſtell⸗ 
N u antworten, begehrte nur ‚einen Trunk 
— aſſers und perſchied nach kurzer Weile. 
Alnm Nachmittage fingen die Schweden abermals zu 
ſtürmen an. Die, Thurmwaͤchter, ſolches gewahrend, fchlus 


ſchen au wo es mit Keulen, Dreſchflegeln und andern 
Waffen mie, blind, in die Feinde rannte, und jeden, den 
es, erreichen, Eonnte, mit dem, Zurufis.,,da, haft du’s“ (tu 
mad), niederfchlug., ‚Es waren aus, beiden Städten bei au 
derthalb hundert Braͤuersburſchen, welche viele Feinde eve 
fhlngen. *) , Indeß wirkten ‚die Minen von neuem, fehr 
ſtark. Bei den Brefchen flogen Balfen und. fteingefüllte 
Schanzkörbe in die Höhe, Menſchen, ‚mit, ihnen mehrere 
Studenten „welche hier einen Poften-hatten, warf die ges 
fprengte Mine bis anf das Dach der Kunftatifchen Scheuer, 
Dem, Studenten Fleiſcher riß fie Kleid, und, Beinkleider 
vom, Leibe. General Eonti ‚befahl, ihm, gleich ‚fein eigenes 
Scharlachkleid zw reihen, „Die Studenten fochten bei dies 
ſem Sturme mannhaft. Am meiften zeichneten ſich hier 
rei Lur, Beneſchowſky und Datius aus, ‚Die 
Schweden, welche ſahen, daß die Ihrigen wichen, eilten 
ihnen ‚haufenweife ‚aus den Weingärten mit Leitern, Ras 
rabinen und entblößten Degen zu Hilfes Dieſe trafen ge: 
rade auf die Graben, mo Fußangeln und Eggen gelegt wa: 
ren, ‚und wo die Belagerten izt dag darauf zerftreute Stroh 
und, Pulver anzündeten und heftig. auf die. Stürmer feuer 
ten. Da ‚von dieſen einer deu, andern, drängte, konnten 
weder die einen aus, noch die andern indie Stadt, Wes 
nige nur kamen aus diefen Graben wieder zuruf: In, Haus 
und ER, nat re 
"Rei Hrn. Caufup, Bierverleger, wird die ihtgeheure Trom⸗ 
om mel von dieſer Belagerung noch aufbewahrt. j 


3 


feit Tagen ſie Hier orfi — fLinander. Dieſer Stutin 
dauerte a Die Belagerten Haren dabei 


biele Berwundete. Unter ie Hat 309. eo Käufer, 
Hauptmann der Studenten ,"Chriftbrh Wi Pi PM 
——— — 
me nicht unthätig auf dieſem Poſten weilen wollte And} 
Hauptbreſche eilte die Studenten Kafpar Winſch, Schwih, 
Bochauffa und Stibera, undder! Fahnrich von der Eon 
pagnie Had don Profee des jüngern, Chriſtian Müllet 
um die Pflege der verwundeten Soldaten Stuͤbenten und 
Bürger hatte ſich vor Allen damals der Arzt Zeh Karl 
Kiechmaher vonRychwie verdient gematht.VBdn ven 
Braͤuern waren 18 gebliebenn Konigsmark ſelbſt hatte den 
Sturm befehligt und die Seinen dazu angetrieben. Er ber 
lor dabei viele von fernen Netter‘, welche abſtzen uni 
Fuß die Infanterie unterſtüßen müßten" 9 ne 
Am ſolgenden · Tage nu fruh a eu 
garten des Danel Wokikolbſky von Kundrattz ein ſchwedi⸗ 
fcher Tambour dukch bekannke Troͤmmelfehla ge nach Krlegs⸗ 
gebrauch ein eichen daß er mit den Belagerten parlamen⸗ 
riten Wo" Es wurde ihm bewilligtEt zeigte amg daß 
der Pfalzgraf eine dreiſtündige Waffenruhe begehre, Ant 
feihe beiden! Breſchen Erſchlagenen fortzuſchaffen und zů 
begraben Sein Begehren wurde zugegeben? Karin Ant 
ten. die drei Stunden verfloffen, machten die Schweden 
ſchon· wieder 837 Kanbneuſchuſſe auf die Stadt," und Tre 
fen gegen) vi! Mittagsſtunde von neuem zum Sturme, bei 
welchem Koͤnigs mark beſonders anf —— 
Adalberts Had von Proſeẽ eindringen ließ zaber da diefe 
vonn den übrigen gut unterſtuͤzt wurde müßte "er neuer⸗ 
dings mir Schande abziehen, nachdem von den Seinen über 
109 auf dem Plaz geblieben waren! Die Belagerten er: 
warteten num mit Sehnſucht baldige Hilfe, hauptſächlich, 
weil bei diefem Sturme ihr ganzer Pulvervorrath beinahe | 
aufgegangen war. Indeſſen vergengte man bei Tag und | 


[>20 





35 


Naht in den Pulverfammern unter dem Wyſſehrad Puls 
ver, weldhes man auf Defen trofnen mußte, und es kam 
den Belagerten gut zu Ötatten, daß fi die Schweden 
am folgenden 26. Det., außer daß fie 47 Kanonenkugeln 
und 7 Granaten nach der Stadt fchiften, ruhig verhielten, 

Am 28, Det, Fam ein Ueberläufer zum Pokicer Thor 
und fagte, er habe den Commandanten Wichtiges zu ente 
defen. Er wurde eingelaffen und auf die Hauptwache ges 
führt, Dort meldete er, es fey am 27. aus dem Reich 
von General Wrangel ein Brief gekommen, welcher dem 
Pfalzgrafen und feinen Generalen nicht fonderlich zu behas 
gen ſchien. Zugleich fezte er bei, man rüſte fich im ſchwe⸗ 
diſchen Lager für den kommenden Zag wieder fehr zu ei: 
nem neuen Sturm, weshalb ſich die Belagerten wohl ver: 


ſehen möchten. Mit Sonnenaufgang fielen 265 Kanonens 


ſchüſſe Auf die Stadt und die Schweden liefen Sturm; 
doch fie wurden diesmal fo empfangen, daß fie ſich nicht 
einmal den Stadtmauern und den Bruftwehren nähern 
konnten, fondern woher fie Famen wieder umfehren muß⸗ 
ten. Abends verbreitete man die Machricht, daß die Kais 
ferlichen fchon bei Zlatnik und Kundratiz nachtlagerten, 
und noch vor Fünftigem Vormittage beim Wyſſehrad ans 
kommen würden, Diefe Nachricht war falfch und wurde 
nur verbreitet, um den Muth der Belagerten zu heben. 
Am 1. November meldete Dberft Götz vom Nofthor 
der Generalität, der Feind habe in der Nacht aus dem 
Alfterlifchen Weingarten alles Geſchüz abführen laſſen und 
ziehe feinen Poften nach und nad) ein. "Zwei Dragoner 
vom Wyſſehrad, welche fich in der Nacht nahe zum ſchwe⸗ 
difchen Lager gefchlichen hatten, berichteten, der Gefchüze 


zug habe, mit noch einer Menge anderer Wagen, gegen. 


den Judenofen feine Richtung genommen. Die Ihurms 

wächter des altftädter Rathhauſes, des Tein⸗ und des 

St. Heinrihsthurms fagten Abends aus, fie hätten eine 

Menge Proviant: und übrige Wagen mit Kriegsbebarf, 
5 


3% 


auch Kanonen über die Brüke bei Lieben und von, da nach 
der, Kleinfeite zufabren gefehen.. Dem Commandirenden 
ſchien die Sache nicht recht begreiflich, weil die Schweden 
noch am frühen Morgen, diefes Tages 45 Schüſſe vom 
Galgenberg ‚auf die Stadt gethan hatten. _ Man beobadh- 
tete daher genau nach allen Seiten. und gewahrte zwei 
ftarfe, Neiterhaufen , einen auf der, Höhe, des, Kinzlifchen 
Feldes, den andern in dem Alfterlifhen Weinberge hal— 
tend. Dieſe waren ohne Zweifel aufgeſtellt, um die Fuß— 
gänger, fo noch in den Laufgräben waren, aufzunehmen, 
und das vom Galgenberg abziehende Geſchüz zu deken. Um 
10 Uhr ſah man deutlich, wie der Pfalzgraf und Wirtens 
berg mit dem ganzen Heer und allem Geſchüz und Gepäk 
über die Wyſocaner und Hlaupietiner Felder nach Brandeis 
zogen, und Königsmarf mit feinem Volke der. Kleinfeite 
zueilte. Kaum erblikten diefes Die Belagerten, ‚als ‚gleich 
mehrere Bürger, und Studenten über Mauern; und, Bruſt— 
wehren in die feindlichen Laufgräben und Berfchanzungen 
hevabfletterten, und: in. Weingärten und, Hoblwegen ‚den 
Schweden nachliefen. General Conti trieb. fie mit gezoge— 
nem. Degen zurüf und befahl, es habe fich bei Lebensftrafe 
Niemand von feinem Poften zu entfernen, da es ſchon oft 
vorgefommen fey, daß der Feind bei großen Feſtungen, ls 
ftigen Abzug heuchelnd, ſich auf die ausgefallenen, Bela 
gerten, während fie mit Plünderung feines verlaffenen La: 
gers beſchaftigt waren, ſtürzte und mit ihnen zugleich in 
die Feſtung drang. Gegen 41 Uhr kehrten Götziſche und 
Kreuziſche Reiter zurüf, welche von dev Generalität aus: 
gefandt waren, zu erfunden, nach welcher Seite, fich ‚der 
Feind gewendet Habe. Sie rapportivten , er ziehe geraden 
Wegs gen Brandeis Auf diefe Nachricht, wurden; alle 
Gloken geläutet und ‚ein Tautes „Herr? Gott, wir Toben 
dich“ gejubelt. Alles eilte nach den. Kirchen. Der Mas 
giftrat beider Städte legte ein Gelübde ab, zu ewigem Ges 
dächtniß jährlich das Feft Auer Heiligen mit dem ganzen 


35 


untergeordneten Perfonale und allen Gemeindes und Zunfts: 
vorftehern für fi) und ihre Nachkommen durch Beichte und 
Communion, die Altftädter in der Tein=, die Neuftädter 
in. der. St. Heinrichskirche, feierlich zu begehen, Nach— 
mittag wurde allen Vorgenn erlaubt, ſich zur Stadt hin⸗ 
aus zu begeben. 

+ Bei diefer Belagerung waren nebft den ſchon genannte 
ten drei Feldherrn mehrere der vornehmften geheimen Räthe 
der Krone Schwedens gegenwärtig. Von diefen wurden 
namentlich angemerft Axelille von Löwenhaupt, Magnus 
de la Garde Echke u. mm, welche alle Zeugen waren des 
beroifchen. Muthes und tapfern Entſchlußes der Belager: 
ten , lieber bei der Vertheidigung ihr Leben zu laſſen, als 
vom Bunde der Gott und dem Kaifer gelobten Treue ab: 
zugeben. Nach eigener Angabe der Schweden fielen von 
ihnen bei Prag an 5000; welches fehr glaublich ift, weil 
bei Stürmung des: Kuttenberger Thores allein vom Leibe 
vegimente des Pfalzgrafen, das 4500 Mann ftarf war, 
4400 auf dem Plaze blieben. Von den Belagerten waren 
todt 2 Geiftlihe, 45 Studenten, 4104 Soldaten, S1 alte 
ftädter, 22 neuffädter Bürger, Einwohner und Handwer— 
ker u,  w. Verwundet waren 6 Priefter, 45 Studen: 
ten, 150 Soldaten, 495 Alte ,»79 Neuftädter. Der Ge 
fammtverluft an Zodten und Verwundeten betrug an 694 
Kopfe. | 

Am 2. Nov, ein Poſtillon aus Linz die * 
liche Nachricht von zwiſchen dem Haufe Defterreih, dem 
römifchen Neiche, dann Frankreich und Schweden gefchlof 
ſenem Waffenftillftande, welchem der Friede, will's Gott, 
bald folgen ſolle. Von dieſem eingegangenen Waffenftill- 
ftande hatten die Schweden am 27. Det. fhon Kunde, und 
dennoch ſtürmten fie noch am folgenden Tage, Wäre es 
ihnen geglükt, die Prager Stadt zu erobern, fo war, wie 
fie ſelbſt es verfiherten, aus Baer Gründen zum Frie⸗ 
den keine Hoffnung. 

% * 


36 


Am 3. Nov, endlich Fam der lange erwartete Entfaz 
angerüft, als ſchon alles vorliber war (kdyz giz po kaſſi 
bylo) und Tagerte bei Kre. Auch die Schweden machten 
an diefem Tage den Waffenftillftand auf der Kleinfeite be 
Fannt, und noch an demfelben Abend Iuden ſich Studenten 
und Schweden gegenfeitig nach der Altitadt und Kleinfeite; 
und tranfen einander, auf Kähnen und Fähren hin’ und ber 
fehiffend, auf weitere Bekanntfchaft und Cameradſchaft in 
Wein und Bier Gefundheit zu. Doch traute man einander 
nvoch nicht ganz, bis erft am dritten Tage, wo die Genes 
vale felbft einander zu Banketen und Tafelfrenden luden, 
Bei einen Feftgelage, welches der Pfalzgraf den Faiferlis 
chen und fehmedifchen Generalen bereiten Tief, wünfchte er 
den Priefter Georg Plachy auch unter feinen Gäften zu fer’ 
bem  Diefer, ein Mann echt mannhaften heldenmüthigen. 
Sinnes, erſchien mit anderen Officieren auf diefelbe Art 
und Weife und in demfelben Gewand, das er bei der Ber 
Tagerung zu tragen pflegte, gefletdet, Er that den ihm’ 
zutrinfenden und mit vollen Gfäfern auf ihn eindringenden 
Schweden waker Befcheid, und brachte viele von ihnen, 
die ed darauf abgefeben hatten, ihn trunfen zu machen, zu 
ruhiger Bewußtloſigkeit. Als alles recht Iuftig war, fragte 
unter Anderem Königsmark die Belagerten, wie lange ſich 
wohl die Prager Etädte hätten halten Eonnen? Man gab 
ihm zur Antwort, daß vor dem lezten Sturme nur noch 
ein einziges Fääßchen Pulver vorrathig war, Auf diefe 
Antwort fprang Königsmarf wüthend von der Tafel, warf 
feinen Hut auf den Kopf, rannte brüllend wie eine Löwe: 
nach dem Fenfter, das er heftig durchbrach, fo daß die 
Glasſcheiben auf die Gaffe flogen und ſchrie zornig: „Ich 
habe es gefagt, daß fie Feine Munition mehr Haben, ihr 
aber Habt es mir nicht glauben wollen z“ woranf er ſich 
ſchnell aus dem Zimmer entfernte und nad) feiner Woh— 
nung ging. Noch an felbem Tage wurden alle Pälfe, Lands 
fragen und Feldwege durch und auf welchen Lebensmitteln 





37 


fiher nach Prag gelangen konnten, frei gegeben. Auch die 
Brüfe war nicht mehr gefperrt. Die Schweden ließen nur 
eine Garnifon in der Kleinfeite und zogem mit ihrem übri: 
gen Volke ab. Somit war fernen nichts mehr von —* 
desgefahr zu beſorgen. 

Die Generale erhielten Befehl, die Freicompagnie * 
Studenten und der Handwerker aufzulöfen, Die erſtere 
wurde. bei dem Carolin verfammelt, und General Conti 
hielt in Gegenwart des Fünigfihen Statthalters eine Rede 
am fie, in welcher er ihnen im Namen kaiſerl. königl. Mas 
jeität dankte, und der Wehrpflicht, die fie gegen Gott, 
König und Vaterland fo ſchön geübt hatten, entließ, mit 
dem bedeutfamen Zufaz, dag der Monarch, ihres heroifchen 
Betragens wohl gedenfend, jedem nad), Verdienft zu ewis 
gem Gedächtniß mit befonderer Gnade zu lohnen geruhen 
wolle... Wer aus ihnen von der Generalität Zeugniffe feiz 
ned Wohlverhaltens zu befommen wünfche, dem wirden 
fie unentgeltlich ausgefolgt werden, Wie auch gefchah, 
Hierauf wurden gleich Fahne und Waffen nach dem Carver 
lin getragen und dort niedergelegt, Auch die Magiftrate 


beider Städte entliegen die Compagnien der Handwerfer 
and Dienftleute ihres Eides und verfprachen jedem, "der 


fih von den Entlaffenen in Prag anfällig machen und eine 
bürgerliche Nahrung treiben wolle, wenn er hiezu die Eig— 
aung habe, und ſich mit einem glaubwürdigen Zeugniffe 
feines Hauptmanys ausweifen könne, das Bürgerrecht 
unentgeltlich extheilen zu wollen.  Diefem Verfprechen 
gemäß erhielten auf) in den folgenden Jahren viefe vor 
diefen dad Bürgerrecht unentgeltlih, . Der Oberftburg- 
graf und erfte Statthalter des Königreichs, Jaroslaw Bor 
Fita Neichsgraf von Martiniß, Sprach dem hohen Ver 
Dienfte der Prager Bürger bei faiferl, königl. Meajeität 
warm und eifrig das Wort und war bei den Gnadenvers 
deipungen des Monarchen mächtigfter, Nathgeber. Leider 
zeritörte ein früher Tod diefen wohlthatigen Wirfungsfreis, 


Der altftädter Magiftrat ließ allen Gemein = und 
Privatſchaden in glaubwürdiger Schäzung verzeichnen, wels 
her einige hundert taufend Gulden betrug, und bat den 
Kaifer und König nicht nur um Erfaz desfelben, fondern 
auch um Beftätigung alter und Ertheilung neuer Privile 
gien, Mit diefem unterthänigiten Bittgefuche wurden Da: 
niel Worifonfty von Kundratiz aus dem Mathe, und Ehri- 
ſtian Deter von Adelspfing, königlicher Procurator, aus 
der Zahl der Gemeindälteften nach der Refidenzitadt Wien 
abgefandt. Alles was fie begehrten, wurde am 20. —* 
1649 bewilliget. 

Auch der neuftädter Magiſtrat ſchikte Abgelandte nach 
Hof, um Ertheilung neuer Privilegien und Gnaden unter 
thänigit zu bitten, Sie erhielten diefe am 5. Mat desfel: 
ben Jahres, | u) 

Einige der den Pragern ertheilten Gnaden waren fok 
gende: a) Vermehrung und Verſchönerung ihrer Stadt: 
wappen. b) Der Titel Ehrenveſte. ce) Ein Gnaden: 
geſchenk von 300,000 fl. rheinifch als Schadenerfaz, das 
auf die Wein- und Bierfteuer (Taz) angewiefen wurde, 
d) Siz ımd Stimme bei den Landtagen nach dem Mit: 
terſtande. e) Anftellungsfähigkeit beim Hoffammerges 
richt und mehreren Landesämtern, F) Erlaffung’ aller Art 
Steuern von dem auf 3 Meilen in der Umgegend Prags 
mwachfenden Weine auf 50 Jahre, vom Jahre 4649 an ge 
rechnet. 8) Erhebung der Rathsherren beider Städte in 
den Melftand. Auch follten die Namen der bei den Bür: 
gercompagnien angeftellten Dffictere in die beiden Städten 
neu ertheilten Privilegien eingetragen werden, u. f. w. 
Diele der Milttäroffictere, Bürger und Studenten, welche 
ſich mit Zeugniffen der Generalität und der Magiitrate 
nach Hofe begaben, wurden theils in den Adelftand erho- 
ben, theild trugen fie goldene Ketten, goldene Gnaden: 
pfennige, Aemter und Anftellungen davon. So wurde 
der Hauptmann der Studenteneompagnie, Joh. Georg 





‚39 


Kaufer, zum Doctor beider Rechte und Rath beim königl. 
‚Appellations = Tribunal erhoben, mit dem Ehrenprädicate 
„non Sturmwehr““ begabt und mit einer goldenen Gnds 
denkette beehrt. Der Gtudentencompagnie erwirkte er 
die Gnade, daß die Freien derfelben den Adelsgrad mit 
dem Ehrenprädicat von "der böhmifchen Hofkanzlei un— 
entgeltlich erhielten, und die Unterthänigen von ihren 
Erbherren für frei erklärt wurden.  Ueberdies twirden aus 
‚den Steuerfonde des Landes 5000 fl. rheinifch zur Ver 
theilung unter fie angemiefen, wovon ein — Er * 
erhielt. J 
Die Magiſtrate verwendeten 5000 fl., welche fie * 
son dem bemwilligten Gratiale erhoben, zur Wiederheritels 
lung der Gemeindgründe, und vor allem zur Ausbefferung 
ihrer Wafferthürme und des altfrädter Brükenthurms, wel— 
her an der Wertfeite von den Kugeln der Schweden nam; 
haft gelitten hatte und durch ſtarke Balken geftüzt werden 
mußte. Zum Gedächtniß der Belagerung wurde dem Thurm 
auf diefer Seite eine Steintafel mit lateinifcher Auffchrift 
eingefügt, von der wir nur die zwei — ONE 
Verſe anführen wollen ; 

Haee turris Gothici fuit ultima meta furorisz 

Sed fidei non est haec ultima meta Bohemae. 

Ferner liegen die Magiftrate aus diefen Geldern den 

Witwen und Waifen der gebliebenen Gatten und Väter, 
wie auch dem ſchwer Verwundeten lebenslängfiche Gehalte 
anmeifen, oder diefe in Verforgungshäufern verpflegen. 

Kaifer Ferdinand ließ mit frommem Gemüthe zu Ehre 
und Dank dem Ewigen und zu ewigem Gedächtniß auf dem 
altitädter Ring vor der Teinkirche im J. 1649 eine Stein: 
fänfe mit dem Standbilde der Jungfrau Maria errichten *), 





*) Zu dieſer Statue führten die Sefuiten jährlich ihre Schul: 
jugend in feierlicher Procefion, 


40 


Um den Prager Gemeinden aus den bewilligten Gna- 
dengeldern ein dauerndes unvergängliches Andenken zu ev: 
werben, benüzte der altitädter Magiftrat die Gelegenheit, 
da Joh. Hartwig Neihsgraf von Noftis, Oberſtkanzler 
des böhmifchen Königreichs, die Herrfchaft Lieben feilbot, 
diefe für 82,000 fl. rheinifch anzufaufen, worüber der 
Kaufeontract am 47. Juni 1662 zu Papier gebracht, v 
Kaifer beftätigt und in die Landtafel mit dem ausdrükl 
hen Beifaze eingetragen wurde, daß es für gegenwärtige, 
fünftige und ewige Zeiten, Niemanden, er fey wer er 
wolle, und unter Feinerlei Vorwande erlaubt fey, auf diefe 
Herrfchaft etwas verfihern, davon etwas verfanfen oder 
was immer im Befizftande ändern zu laſſen. Diefem Beir 
fpiele folgte auch der Magiftvat der Neuftadt Prag, und 
kaufte die Güter Kiefchtiowiz und Audrafch von den Erben 
des Kosenffy von Tereſchow und von den Lipowſtiſchen 
Erben. 

Der Verfaffer ſchließt fein intereffantes Tagebuch mit 
folgenden Worten: „E. ©. ihr Herren von Prag habt es 
daher Eueren Vorfahren zu danken, daß fie für die Ge- 
meinde fo forgten, und fih und E. ©, ein gwiges Ge 
dächtnig hinterließen.“ 


— — — — 





4 


int 1; 
Omeber Rarienban. 


NN ENT 15 





—V — — 7 


Se Bon Dr. Heidler. 


J 
Bi 73 


Unter den vielen Naturfchäzen Böhmens, verdient befons 
ders die große Menge und Verſchiedenheit feiner Heilquel— 
len bewundert zu werden. Den Adel der vorzüglichiten 
aus ihnen hat die unveränderte Fortdauer ihres ärztlichen 
Rufes, durch allen Wechfel der medicinifhen Syſteme feit 
Saprhunderten , im ganz Europa hinreichend bewährt. 
Den berühmten Namen von Karlsbad, Tepliz 
und Franzensbad hat ſich in den drei lezten Decennien 
Marienbad wetteifernd beigefellt. Man fucht vergebens 
ein Beifpiel, daß es irgend einer andern Heilquelle gelun: 
gen wäre, in fo wenig Jahren eine faft unzugängliche Eins 
dde in einen Eurort vom Range der — in 
Deutſchland zu verwandeln. 

Die Heilkräfte ſeiner Mineralquellen ſind jedoch weit 
länger bekannt, als fein gegenwärtiger Name *), Der 





*) Er verdankt ihm dem frommen Sinne eines feiner leiten 
Befizer, welcher diefes neue Aſyl für Leidende unter dem 
bimmliichen Schuze ter heiligen Maria am ſicherſten alaubte, 
Marienbad ift das Eigenthum der ſchönen Prämonftratenier: 
Abtei Tepl, von welcher es zwei Stunden entfernt it. Man 
zahlt auf ter Tepler Herrſchaft allein gegen fiebenzig Mi— 
neralguellen und eine unermeflihe Menge Ausjtörungen 
von kohlenſaurem Gas, Diefe lezteren beobachtet man am 
baufgften in Marienbad und in feiner Umgebung. Rechnet 
man die nicht unbereutende Anzahl mineralifher Quellen 

auf den angranzenten Dominien Königswart, Weſeriz, 

Yetihau u. a, m. binzu, fo muß man wohl zweifeln, ob 
die Natur an irgend einem antern Punkt der Erde die 
Wohlthat diefes Erzeugniffes fo verſchwenderiſch geſpendet 
habe. 


42 


vaterfändifche Hiſtoriograph Balbin (Miscell, hist. Dec. 
I. 1679 L. I: p. 66) erzählt von ſechs Mineralquellen bei 
dem Dorfe Aufchowiz auf der Herrfchaft Tepf, deren eine 
der Salzbrunnen, in einem nahen Walde gelegen, 
von dem Schlaggemwalder Arzte Raudemius dem Freiherrn 
Joachim Liebſteinſky von Kolowrat, Herrn auf Rabenſtein, 
Liebkowiz, im J. 1609 verordnet worden ſey, und fa 
daß der nämliche Arzt dem Abte Ebersberg in einem B 

das Verfprechen gegeben habe, eine medieinifche Befchreis 
‚bung diefer Heilquellen zu liefern, Im J. 1665 hatte der 
Abt Reimund auf Anrathen des Karlsbader Arztes Düeler, 
von dem genannten Brunnen, dem gegenwärtigen Kreuz 
brunnen, Gebrauch gemacht. Den jezigen Namen erhielt 
diefe Quelle von dem eifernen Kreuze, welches man auf 
feiner uralten Einfaffung früher gefunden hatte. Ferner 
fagt Balbin, daß D. Prudentius, kaiſerl. Rath unter 
Rudolph IL, auf Veranlaffung des Egerer Arztes Hörnid, 
den Stänfer bei Auſchowiz und den dafigen Säuer— 
ling angewendet habe, und dadurch von einer hartnäfigen 
Gicht befreiet worden fey, als man in Prag alle Hoffnung 
für ferne Wiederherftellung aufgegeben hatte. Erftere Quelle 
heißt gegenwärtig Marienbrunnen  Gie wird aud 
jezt noch ausfchließlich zu Bädern bemüzt. Ihre frühere 
Benennung tft vom dem frarfen Schwefelgeruch, welchen 
fie befonders des Morgens und Abends, und bei plözlicher 
Wetterveränderung um fich her verbreitet. Unter dem 
Säuerling iſt der jezige Ambrofiusbrunnen ‚gemeint. 
Er wurde zum Andenken eines Präfaten fo genannt. 

Diefe Angaben Laffen Feinen Zweifel übrig, daß die 
benachbarten Aerzte von den woplthätigen Wirkungen Dies 
fer Gefundbrunnen genau unterrichtet, und daß fie folglich 
auch ſchon fange zuvor häufig gebraucht worden ſeyn muß—⸗ 
ten. Ob aber ſchon damals Wohnungen und andere Anz 
ftalten zum Baden und Trinken an den Quellen: felbit be= 
ftanden hatten, Läßt fich nicht nachweifen. 








as 


Noch um hundert Jahre älter find die Nachrichten 
über die Ferdinandsquelle. Diefe liegt eine Eleine 
Viertelitunde vom Gurorte entfernt. Sie wurde früher 
ebenfalls Salzbrunnen genannt. Obige Benennung gab 
ihr der gegenwärtige Hr. Abt Neitenberger. Cie erins 
nert uns an den Befuch, womit Se. fatferlihe Hoheit uns 
fer durchlauchtigfter Kronprinz im J. 1824 unfern Gurort 
beglüft haben ; und zugleich an das ältefte Document über 
diefe Duelle. Dasfelbe it ein Brief von Kaifer Ferdis 
nand I., unter der Addreffe: „Dem Andächtigen und ge: 
trewen unfern lieben Antony, Abte zu Tepl.“ Gein In— 
„> iſt folgender: 
u „Ferdinand von Gottes Gnaden zu Hungarn und 
„Böheimb König, Infant in Hifpanien, Erzherzog zu 
DOeſterreich, Marggraf zu Mähren.‘ 
„Andächtiger, getrewer Lieber. Unns hat Chris 
„ſtoph von Gundorf unterrichtet, welcher maſſen Du 
„ihme angezeiget, daß Du auf Deinen und des Convents 
„zu Tepl Gründen einen Salzbrunnen, wie Du Dich 
"„bedunfen laſſeſt, haben folleft. Lind dieweil Wir dann 
„bedenken, dag Wir Unns und unfern Königreich zu 
",Böheimb nicht Fleinen Nug und Fürderung durch ein 
„Salz-Bergwerk oder Galzfieden aufrichten möchten; 
"demnach empfehlen Wir Dir mit Ernft, und wollen, 
„daß Du ohne Verzug förderlich, diefen gegenwärtigen 
„unſern Rammerboten zu demfelben Salzbrunnen zu 
„führen verordneft, und ihme Gelegenheit der Sachen 
„Deines weges vorhalteft, davon foll er Waffer in Fla— 
„ſchen fhöpfen, und Uns weiter zu Unferer Nothdurft 
„zu verſuchen und zu ermuftern überantworten. Da— 
„eon thueft Du unfere ernftliche Meinung. Geben auf 
„unfern Föniglihen Schloß Prag am XXVII. Tag 
„Aprillis Anno 4528. Unfer Reiche im andern.“ 


erdinand I.“ 
„derd „Vidit Joannes de \Wartemberg.‘“ 
„Ad mandatum Regiae Majestatis :“* 
„D. Zabka, Secretarius. “ 


44 


Daß man damals zur Gewinnung des Salzes aus 
diefer Duelle wirklich Anftalten getroffen Haben mußte, be 
weist unter andern die alte Einfaffung derſelben, welche 
man im 5. 4849 unvermuthet entdekte, Bis zu diefem 
Jahre, wo die Quelle gereinigt, nen gefaßt, und in die 
Reihe der Marienbader Gefundbrunnen eigentlich erſt auf: 
genommen worden ift, ftellte fie einen tiefen Sumpf dar. 
Er war von den nahen Dorfbewohnern mit mehreren Baumes 
ſtaͤmmen überlegt worden, um das Vieh beim Weiden in 
der Nähe vor dem Ertrinfen zu ſchüzen, welches eben fo 
wie das Wild eine große Vorliebe für diefe falzhaltigen 
Mineralquellen zeigt. Als man in genannten Jahre das 
Waller einige Fuß tief abgeleitet hatte, Fam im ganzen 
Umfange des Sumpfes ein altes Schrottwerf von ftarken 
Fiefernen Pfoften zum Vorſchein, welches endlich nach ſei⸗ 
ner völligen Ausräumung ein wohl erhaltenes Baſſin von 
beinahe zwei Klaftern Ziefe und einem Inhalte von ſechs 
bis fieben Eubifkfaftern fehen ließ. Was Cechura *) von 
der Bereitung eines reinen, weißen und fcharfen Salzes 
aus diefer Duelle fagt, bezieht fih auf den Bau Diefes 
Baſſins. Die Bergbeamten von Schlaggenwald follen je- 
doch gegen die Errichtung einer Galzfiederei, aus Gorge 
über einen möglichen Holzmangel für die Betreibung ihres 
naben Zinnwerfes, Bedenklichkeiten erhoben haben; und 
da man überdies die zuftrömenden Tagewaffer nur ſchwer 
gewältigen konnte, fo fcheint das Ende diefer Unterneh: 
mung von ihrem Anfange nicht weit entfernt gewefen zu 
feyn. Vielleicht hatte man ſich auch bald überzeugt, daß 
der bei weitem größte Theil des gewonnenen Salzes nicht 
aus Kochfalz, fondern aus dem abführenden Glauberfalze 
beitand. 

Einen medicinifchen Gebrauch hat diefe Quelle früher 
nie gehabt, 


*) Mare philosophicum etc. Pragae 1724. 








45 


Selbſt der bereits erwiefene Ruf der drei anderen ges 
nannten Gefundbrunnen hat ein Jahrhundert lang feinen 
Schritt für ihre weitere Aufnahme zur Folge gehabt. Die 
genügende Erklärung darüber findet man wohl in der da= 
maligen Landesverfaffung, in den beftändigen Kriegsunru⸗ 
pen jener Zeiten, in dem Mangel an Intereffe für diefes 
a —*— von Seite mehrerer Grundherren und 
dgl. m. 

Es mangelte biefen Ealten Tepler Heilquellen ein 
Protector, wie ihn die, um fünf Stunden entfernten, 
warmen Gefundbrunnen am Teplfluße, mad) einer tau⸗ 
fendjährigen ungenüzten Kenntnif ihrer Eriftenz, endlich an 
Kaiſer Karl IV. gefunden Hatten, welcher fie nach Bru⸗ 
ſchius *) Bericht: „mit Gebäuden erhoben, ein Schlöß: 
fein an einen Felfen gegen die Mark befriedigt, und nach 
feinem Namen und Gebrauch Karlftadt geheißen.““ 

Indeß war das Vertrauen, melches fich auch unfere 
Mineralquellen bereits erworben hatten, zu fehr auf Wahr: 
heit gegründet, als daß es felbft bei aller Ungunſt der Aus 
fern Verhältniffe hätte wieder zerftört werden können. 
Die Landleute in der Nahbarfchaft hatten fie fortwährend 
gegen eine Menge von Krankheiten als Hause und Univer: 
falmittel benüzt; und den Gtiftsgeiftlichen, fagt Balbin, 
wurden fie von ihren Aerzten immer mit beftem Erfolge 
verordnet. Es kann ihnen aber auch in weiterer Entfers 
nung nie an ftillen Verehrern gemangelt haben. 

Dafür zeugen zwei Schriften, womit man fid) im 
ber, Geſchichte Marienbads unvermuthet überraſcht fieht. 
Der — der erſten war D, Scrinci“), kaiſerlicher 





9— —* — des Fichtberges. Nürnberg, 1683. 


. Tractatus de fontibus sbieriis Toeplensibus i in regno 
— Bohemise, atque eorum praestanlissimo sale, nec 
non usu in diversissimis affectiibus morbosis. In ma- 

ximam aegrorum salutem Conscriptus. Augustae Vin- 


46 


Rath und Profeffor der medicinifchen Klinik und der, Exrpe- 
rimentals Chemie und Phyſik in Prag. Er liefert in die— 
fer Schrift zugleich Die erfte befannte Analyfe unferer. Ges 
fundbrunnen, welche man da noch unter den Namen Schwe 
felbad oder Stänfer, Orbinari Irinffauerbrunn, 
gefalzener Sanerbrunn, aufgeführt ‚findet... ‚Neben 
der Anempfehlung ihres Gebrauchs an Drt und-Stelle, ber 
müht fich der Verfaffer vorzüglich, das aus der lezten 
Quelle (Krenzbrunnen) bereitete Salz, in, warmen, Waſſ 
aufgelöst, als Surrogat des Sprudels in Karlsbad, anzu 
preifen. Von der Gebrauchsweife, die er S. 42. angibt, 
ſagt er, fie ſey Diefelbe, welche fchon ſeit vielen, Jahren 
nicht nur im Königreiche, fondern auch in;den benachbare 
ten Ländern. mit, beitem Erfolge im Gange geweſen iſt 
Bei den Wirkungen (S. 44) nennt ev ‚die Beifpiele der 
Genefenen nah Zaufenden (quod anillena atque millena 
exempla coinprobant). Dieſes Salz war damals als 
Sal teplensis (Tepler Salz) auch in ‚den Apotheken einge⸗ 
führt, und man kann heute noch hie und da in einer alten 
Officin feinen Namen finden, Tr 
Die zweite Schrift hat D. Zaufcner =) fech6, Jahre 
ſpaͤter bekannt gemacht. Wir verdanken ihre Entſtehung 
einem Ef, Hofdecrete, in welchem die unfterbliche Kaiferin 
Maria Iherefia ihre Aerzte aufforderte, ‚alle in den.diter- 
reihifchen Staaten ‚befindlichen Mineralquellen forgfältig 
zu prüfen, umd über ihre Eigenfchaften und. Wirkungen 


delicorum 1760. in 89% Ginen Auszug aus Biefer Särift 
lieferte der Berfafer unter dem’ Titel’: Abhandlung von 
dem Tepler Gefundbrunnen,, wie auch von deſſen vortreff- 
lichſtem und fehr nuzbaren Salze. _ Augsburg 1760, 

*) Dissertatio inanguralis medica de elementis eb viri- 
bus medicis trium aquarum mineralium Teplensium. 
Pragae 1766. 89%. Auszüge aus diefen beiten. Abhand— 
lungen finden fi fpater in den befannteren Brunnenſchrif— 
ten von Cranz, Kühn, Sheidemantelu.a. m.“ 


AT 


Bericht zu erſtatten. Diefes Werk liefert eine neue, voll- 
ſtandigere Analyfe unferer Heilwaſſer. S e werden. hier 
ſchon unter den Namen Kreuzquelle, grien und 
Ambrofienquelle (Aqua erucis, Mariana und Ambro- 
siana) abgehandelt *). Im practiſchen Theile vermiffen 
wir jedoch den Werth der eigenen Erfahrung ; und derfelbe 
dient daber blos zur Beftätigung deffen, was uns die Tra— 
dition Vortheilhaftes über die Heilkraft diefer Gefundbruns 
nen bis zur neueſten Zeit,aufbewahrt hat. Zauſchner fagt 

unter, andern. (S. 504), die, öffentliche, Beftätigung deffen, 
was; ich, bisher über,die. Wirkungen des. Kreugbrunnens an⸗ 
geführt habe, findet, man im dem Vertrauen derjenigen, 
welche aus der Nachbarfchaft von allen Eeiten zu ihnen, 
wie zur lezten Hoffnung, ihre Zuflucht nehmen. . Bei der 
Marienquelle ſpricht er (S. 310) von, wunderähnlichen 
Wirkungen, wodurch, nad) der Erzählung der Bewohner 
der Umgegend, die hartnäkigften Uebel bezwungen worden 
feyn, ſollen. Raum begreiflich iſt es nun, wie die Ge— 
ſchichte dieſer Heilquellen, ungeachtet fo vieler Beweife von 
Anerkennung aus. der Nähe und Ferne, abermals nur ganz 
unmerklich derjenigen: Epoche entgegen ging, mit welcher 
durch. Anſtelluna des leztverſtorbenen Stiftsordinarius D, 
Nehr, im J. 4779, die Entſtehung des heutigen Marien⸗ 
bades als Curort eigentlich begin. 1 1; 4 


0 4538 su umslinpeniuulssn oT, | 

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— — — — $ Te F 44 


*) Erſt in ſpäterer Zeit. Dune * Auslichten des Waltes 
od eine andere, wegen ihres ftarfen Eiſengehaltes merk: 
wuͤrdige Quelie entdeft, Sie war bis zum I. 1818 als 
Neubrumn bekannt, 10 unjere inhigft verehrte Landes— 
mutter Paifeil. Majeſtät zu erfaven gerühte, daß tiefe 
Quelle nach, Aller höchſtihrem Namen, — 
genannt wurde. 


48 
ana MRTTBR N KUr® 
Ueber eine unverfändfice Stelle in der Chronit 
des erften böhmiſchen a Er * — 


nolmah,.. lade 
PET aL ’ 4 f} ri I’ 
i a a dam — * 
MH 


Als Herzog Weatielan im ar 1068. —2 Lanezb 
einen Ausländer, zum Bifchof von Prag ernennen wollte, 
entftand in der Verfammlung von Böhmen, die des Her: 
3098 jüngften Bruder Jaromir begünftigten, ein diefe Wahl 
mißbilligendes Murren. Pfalzgraf (comes palatinus) Ko⸗ 
jata redete in ſtarken Ausdrüfen dagegen, und indem er 
Wratislaws Bruder Otto in die Seite ſtieß⸗ ſprach er: 
quid stas, ana noc aypac, quare non adjuvas fra- 
trem tuum, Wie find num die drei unlateiniſchen Wörter 
zu verftehen ?: Freher glaubte fie in feiner Ausgabe aus: 
lajlen zu dürfen, Da er fie doc in dem Eoder, aus wel: 
chem feine Abfchrift gefloffen, gewiß finden mußte, Wir 
aber Cich und Pelzel) verfuchten e8, diefe Wörter aus dem 
Böhmifchen zu erflaren und mußten, da fie nicht böhmiſch 
find, natürlich fehl greifen. (Siehe Script. rerum —* 
Pragae 1783 T. I. p. 145 Note . 

Da ich im J. 4792 denjenigen alten Goder, | den bie 
Schweden nach der Einnahme der Kleinfeite Prags aus 
der Föniglichen Burg nahmen und nad) Stofholm fihikten, 
an Ort und Stelle ſelbſt einzufehen Gelegenheit hatte, fand 
ich diefe Wörter mit größern Buchitaben ohne Abtheilung 
darin fo gefehrieven: ANANOCAYPAC, Allein auch diefe 
Schreibart ließ mich noch nicht vermutben, daß dies zum 
Theile Wörter einer andern Sprache wären. Zufällig aber 
entdefte ich vor. mehreren Jahren in einer Handfchrift des 
Boetius im erften Buche Consolationis Philosophiae nad) 
den Worten: sentisne, inquit, haec, atque animo illa- 








49 
bodtur tab? nit lateiniſchen Buchſtaben noch Folgendes 
geſchrieben: „ano noe aypar,| ; Dies’ brachte: mir fogleich 
die aupeRänblicen und unglüklich erklaͤrten Wörter im 
Coſmas ana noc aypae ing Gedachtniß. Nun ftehen im 
Boetius nach illabuntur tuo gewöhnlich esne Ovog rrgog 
Aupevr. Schon dies lief vermuthen, daß Cofmas ind 
angeführten Stelle den Boetius nachfihried. "Im der: 
tischen Ausgabe Renati Vallini, Lugd. Batavorum 1656, 
die ich meinem Freunde FB. v. St. verdanfe, wird 
der Tert wichtiger geleſen vesne'ovog' kuvgag ,) wo zirgleich 
in den Noten erinnert wird daßı einige Codices an für 
esne leſen⸗ ·XSo hat nun auch‘ Eofmas in feinem Boetius 
dieſe Stelle geleſen und nachgeſchrieben 3) an! d'vog Avgas, 
woraus durch nnaufmerkſame Abſchreiber das unverftänd: 
liche ana noe aypae entflanden ft: Wir aus Argeg' wenn 
ed der Eopift fir lateiniſch hält, aypac entftehen kann, 
iſt jedem begreiflich ‚der da weiß, "daß der alte Zug des 
Sigma dem lateinifchen' Cigleicht. "Der Fehler anoe für 
vvog —— — auf Rechnung der unwiſſenden 
Copiſten. orilneea d auchlam-Jımm 
lan AL, malaall onn md a 1 


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50 


Actiengeſellſchaft zum Bau einer Kettenbrüke 
bislgat ine "über die Moldau: zu Prag. nme 
ats wisatt ann: ch rs A . ET ETLTIRTETE RUFEN, 
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PER Zeit: iſt die Hexftellung seiner: weiter) Bruke 
über ı die, Moldaw in Prag ein- allgemein ‘ausgefprochener 
Wunſch;ʒ weil: dadurch dem lebhaft gefühlten Bedürfniſſe 
vermehrter Communicationswege zwiſchen dem rechten und 
linken Ufer abgeholfen würde. vun mil mo m 
Die von mehr als 400,000 Menſchen bewohnte Haupt⸗ 
ſtadt Böhmens iſt durch die Moldau in zwei Theile ge⸗ 
theilt, die mittelſt einer einzigen, 280 Klafter langen ſtei⸗ 
nernen Brüke verbunden ſind über, welche alles ſchwere 
Fuhrwerk unvermeidlich fahren muß u) Ind mm m 
0 » Der Andrang von Wagen: und Menfhen aufdiefer 
Brüke an Markttagen, bei feierlichen Aufzügen, bei Volks⸗ 
feſten iſt eben fo bekannt, als es die Schwierigkeiten find, 
mit welchen das beladene Commercialfuhrwerk zu kämpfen 
hat, theils wegen des Schloßberges und der fteilen Hohl 
wege ‚die es überfteigen, theils wegen der engen, krum⸗ 
men Wege, die es durchziehen muß, um von dem Reichs⸗ 
und Karlsthor zu dem Hauptzollamte hinab, oder von da 
hinauf zu gelangen. Am auffallendften ſtellten fich die Be⸗ 
ſchwerlichkeiten, und ſelbſt die Gefahren der häufigen Ar⸗ 
tilleriezuge, Pulver-⸗ und ſonſtigen Militärfuhren auf dem 
langen Wege über die einzige fteinerne Brüke in der lez— 
ten Kriegsepoche dar: 

Auch fpricht ſich allgemein die Ueberzeugung aus, daß 
alle in der Iezten Zeit angewendeten, mit bedeutenden Ko: 
ften verbundenen Anftvengungen, um Böhmens Hanptftadt 
ein gutes Straßenpflafter zu verfchaffen, beinahe vergebens 
ſeyn würden, fo lange, als jenes ſchwere Fuhrwerk das 
Pflafter ſtark und ſchnell abnüzt. 





51 


Die Theilnahme des Publifums an den ſchoͤnen An: 
lagen des Baum⸗ und Thiergartens, und der reizenden 
Umgegend am linken Moldauufer, war bisher durch die 
weite Entfernung der Alt⸗ und Neuſtadt, und durch die 
fir Fußgänger und Fahrende gleich Läftigen Anhöhen, iiber 
welche man allein dahin gelangen kann, erſchwert und ger 
hindert. 7.2 
“Dies Hinderniß würde durch den beabfichtigten Brü⸗ 
kenbau in der Nenftadt gegenüber dem Belvedere, das die 
Ausſicht über das fhöne, vom Moldaufluß begranzte, mit 
Alleen nach allen Richtungen bepflanzte Thal öffnet, geho—⸗ 
ben, fo wie Dadurch den oben gefchilderten Beſchwerlichkei⸗ 
ten für die Laſt⸗ und Frachtwagen abgeholfen würde, wel⸗ 
che vom der Leipziger, Rarlsbader und der Neichöftrage in 
die Stadt tommen, und auf die Wiener, Brandeifer, oder 
die Budiner Strafe’ fortjiehen, weil fie dann auf der her⸗ 
geſtellten Verbindungsftrafe won Karlsthor um die Stadt 
herum , bis zur Bubnaer Anhöhe, und von dort über die 
neue Brüke durch eine einzige breite Gaffe zu dem Zolle 
hauſe, und fo wechfelmeife zu dem genannten Hauptſtraßen 
gelangen Fönnten. 7 m ınmalnz anna mund war 
mo Schon in’ den J. 4805 undı41804,.darı mein! Vater 
dieſem Lande) als Oberſtburggraf vorzuſtehen das Glük 
hatte zo find Mannervom patriotiſcheu Geifte befeelt zu⸗ 
fanmengetteten, um dem von Jedermann gefühlten Ber 
dürfniſſe, die Hauptſtadt mit dem jenſeitigen Ufer von 
Kleinbubnga in unmittelbare Verbindung zu bringen, durch 
die Herſtellung einer eiſernen Brüke entgegen zu kommen. 
Die Fonds wurden ohne alle Ausſicht auf Verzinſung, 
Rükſtellung oder Gewinn, blos durch freiwillige, für 
immer dem Unternehmen geopferte Beiträge zuſammenge⸗ 
bracht; doch die damals eingetretenen, minder begünſtigen⸗ 
den Umſtände haben die Ausführung dieſes Vorhabens 
nnd om ee uoi 
PD Be IE) TE DETIEET Bean np rer 
4 * 


u 


Seine Excellenz der Here Staats und. Conferenzmi⸗ 

niſter Graf Kolowrat, haben dieſe Idee „von dev; Tpeil- 
nahme aller Stände, Böhmens im voraus überzeugt, neuen 
dings angeregt, und ‚alle Behörden bis zur höchſten Hofe 
ftelle ſich bereitwillig. mit Hochdemſelben vereinigt, damit 
dies ande ies In inne ee“ 
gerufen werde. wo — — 
Von gleichem Eifer „wie, mein Vorgänger durch⸗ 

drungen „ fühle ich mich hocherfreut, meinen Einfluß und 
meine Krafte zur endlichen Ausführung eines ſo gemeinnü⸗ 
zigen Planes widmen zu Fönnen: 4140 welin han munlı® 
Es iſt mir geglükt, einige dersanfehnlichften „7 durch 
Einſicht und. Patriotismus ausgezeichneten Güterbeſizer, 
Honoratioren und acereditirte Handelsleute für die Aus⸗ 
führung dieſes Planes zu intereſſiren, und ſie mit den Lo⸗ 
calautoritäten und Kunſtverſtändigen zu einem Vereine 
zu verbinden/ um eine Actien-⸗-Geſellſchaft zu organiſiren, 
die Grundlagen des Geſellſchaftsvertrags zu beſtimmen, 
und die vorbereitenden Einleitungen und Maßregeln zur 
Ausführung des Bauplans zu berathen. o) on shuad 
Von dieſem bereits zuſammengetretenen Vereine ſind 

die, Pläne und Koſtenanſchläge vorlaufig geprüft, die Sta⸗ 
tuten entworfen; der Tariff dev) Brükenmautgehühren zur 
Erwirkung der: allerhöchſten Genehmigung: vorbereitet, der 
Bauplaz und die Bauart beſtimmt, und die Aufbringung 
der Baukoſten durch Actien beſchloſſen — 
Man hat ſich für den Bau einer eiſernen Kettenbrüke 
entſchieden, weil fie in einem ſchiffbaren Fluße, deſſen Beet 
durch Pfeiler und Damme nicht verengt werden darf, vor⸗ 
zugsweiſe anwendbar, und weil durch dieſelbe da ſie nur 
auf einem Mittelpfeiler ruhen folk, die Zuſtimmung der 
Militärbehörde bedingt iſ 917 man enkaed 


. Fe Man hofft das Baucapital durch Actien am leichte⸗ 


ſten aufzubringen, weil nach der Erfahrung in andern Laͤu⸗ 
dern durch gut combinirte Actienvereine die größten, Die 
A) 





55 


ungeheuerſten " Unternehmungen ausgeführt" werden, und 
weil nach dem, diefen Vereinen zum Grunde Tiegenden 
Prineip bei "Unternehmungen, 'zin welchen große Fonds 
ſchwer Nufbringlich find „viele Eleine Capitale productiv 
werden konnen/ ohne daß ſelbſt im dem’ ungimftigften Falle 
die Gefahr eines theilweiſen Verluſtes für die einzelnen 
Intereſſenten ſehr fühlbar ſeyn Farm’ Man hat die Ein⸗ 
lage für jede Actie nur auf 200 MIC NMIbeftiinme‘, und 
den Erlag dadurch zu erleichtern geſucht, daß nur der 
diewt er Theil dieſes Botrags vor’ dem’ Beginneh des 
Baues der Ueberreſt dagegen in‘ drei halbjährigen glei⸗ 
chen Friſten eingezahlt werden kann men 
Dich gleich üͤberzeugt bin, daß bei der Ausführung 
dieſes⸗Plaus die kalte Berechnung / oblund wie viel dabei 
gewonnen werden koönne dein’ Wunſche werde uüntergebrd⸗ 
net werde, "zur Zuſtandbringung eines fo nüzlichen und 
ruhmlichen Unternehmens beizutragen, fo kann doch bei 
den vben dargeſtellten Vorhältniffen bei dem lebhaften 
Verkehr auf den zu der angetragenen Brüke führenden 
Straßenzügen, und dem dadurch fir das Publikum erleich⸗ 
tert er des Baums und Thiergartens und der übri— 
ger it i — —— Moldauufer, an einem 
für den Bedarf, nämlich zur Beftreitung der Unterhals 
tungs = und Negiefoften, der Dividende für die Actionäre, 
und zur allmähligen Hereinbringung des Baucapitals mehr 


als Hinlänglihen Mauterträgniffe nicht gezmeifglt werden, 

Erg ol pode mie DIT Wsarehhihn Dah SL 
Aetieninhaber wahrend der Dauer des Privilegiums mehr 
als die landesüblichen Zinfen von 5pr&t. beziehen werden, 
wie in dem $. 9 deb Statuten darauf hingedeutet wird! 
- Sollte diefes aber auch wirklich nicht ſeyn, ſo glaube ich 
dennoch, auf die Erfahrung geſtüzt, daß bei keiner Veran— 
laſſung die Gefuͤhle der Nation für alles, "was groß und 
ſhon ik, fruchtlos in Anſpeuch genmmem worben find, 
mich der erfreulichen Hoffnung? eines nicht minder günſti— 


54 
gen Erfolgs der gegenwärtigen Aufforderung überlaſſen zu 


dürfenn sdnmied Hr HONTE TR ann an nn 

200 Sch; wider mich glüklichıfehägem wenn es meinem 
Beftreben und meiner: Einwirfung gelingen folkte den wies 
len. Denfmälerit des — meine Landsleute auszeichnenden — 
Gemeinfinnsi und Patxiotismus ein Neues, von ſo vielſei⸗ 
tigem Nuzen, das zugleich zur Verſchönerung der Haupt⸗ 
ſtadt des Konigreichs weſentlich beitragen wird, binzuges 
fügt zur [chen n ig rree n n 
Die Erklarungen der Subſeribenten für die Anzahl 
der Actien mit welchen Sie Intereſſenten an dem Bau⸗ 
unternehmen zu werden wünſchen, können unmittelbar am 
mich, auf dem Lande,an die, Kreishauptleute, oder an die 
in dem beigefügten Verzeichniſſe genannten Vereinsmit— 
glieder und erſten Gründer der Actiengeſellſchaft eingeſchikt 
werden, Die, fich zur, Sammlung der Subſcriptiouen für 
die Artienabnahme und zur thatigen Mitwirkung bei dem 
bezwekten Unternehmen mit edler Bereitwilligkeit herbeige⸗ 
laſſen «haben manspnı. apa We ur er er 
ht Prag am 26. Maͤrz Aß270 cn oh 
sirdi VIE Ar rer — Inu 8 ir DEN Ra — — 
LEER Be | Re D4 19155 alas ; 193 BR 2 is: Ha, sp 
nahe *—— fg * urggtaf a 
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m® —J aln 

der ir —* der: Ketten Ketiengefelicaft zum. * Bau einer 
on a Kettenbrüfe, über, BE RETE —— 
el re RR runs en 
Nerentdak, Ritter won, Kuh. Hofrath 0 9 on m a 
Böhm, Nitter vom, k. k. Hoſrotho —DD——— 
Buquoi, Graf von. tan pnudntsd sid Jun ‚(bass 
Bretfeld, Freiherr non an. Landesausſchußbeiſizer und 
Kronhüter des Ritterſtandes. MI mim) 
Ehlumdanfky ,. Zürfterzbifhof. 0 mon 0 Bin 


EDIT 








— ——— — Excellenugg 
on, Dderfibutggräf. mm t 
Fiedler, Großhändle. AL JET ee m 
Gerftner, Ritter von, ——— —R 
Hartmann, Graf von, Excellenzz. 
Hoch, Edler von, kak. — enn in 
Kalina von Satpehfeiny BU DRfl RU, ‚nid — 
Kinſty Fürſt vom, rt Rammeranl od un. 0 nn 
Kinſty/ Graf voii, FM ns Win mn 
Sammel, von, Größhändlen.? u sum mann 4 
Lion; Graf von, FOR. Gb. Rath und Kreishauptmaun. 
Pariſh ; Freiherr von Senftenberg." 7 03 un 06 
ProchaskaRitter von,k. EGuüb Rath und Rreish 
am winann ·ic 2 DE Be E17 17212 Zen Zu DIT TEN TR 
' Schönborn, Graf von ln 7 Mmmliaat mimanplin 
Schufter, EI E Rath und Profeſſor · om u" 
Singerz Großhändler; unm vum a mund 
Sporfhil, E08.) Appellationsrath und Bürgermeifter. 
Sternberg, Graf won; 'Ereellenz) "U md In nal was 
Strobady,; ©. F &traßenbandirecton. To" m mn mon 
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Wrona, Grafiwehilii Michi? sj9ig jun mar wrdi ‚arm‘ 
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Zdekauer Großhändler. 1177 muss dia Opa 
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lee: die neuen Wollmärkte in Böhmen." 

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Durch die mittelit hochſten Hoffammerdserets nom 2rißes 
bruar d. 3. für Böhmen bewilligten zwei Wollmärkte 
haben Se. Majeftät einen wiederholten Beweis Ihrer lan—⸗ 
desväterlihen Fürforge für das Wohl der Grundbeſizer an 
den. Tag gelegt 3 da die Abficht dieſer höchſten Anordnung 
dahin geht, den Wollproducenten einen vortheilhaften Woll⸗ 
abfaz zu verſchaffen, und den Eifer für Veredlung der 
Schafzucht in den f. k. Erbftaaten, welcher durch die zus 
rükgehenden Wollpreife zu erfälten anfing, neu zunbeleben. 

So wie aber jede nene Anftalt-Hinderniffe und Wis 
derfpruch findet: fo vernimmt man auch jezt ſchon von meh⸗ 
reren, Grundbeſizern Aenferungen der Beſorgniß, daß ſie 
ihre Wolle auf dem Wollmarkte nicht vortheilhaft anbriu⸗ 
gen, fondern mit Koftew wieder zurüfzuführen oder zu hin⸗ 
terlegen gezwungen feyn werden; daher fie Anſtand neh—⸗ 
men, ihre Wolle auf diefe Märkte zu führen 

Allein dieſe Beſorgniß iſt ungegründet, wenn die 
Grundbefizer mit vereinten Kraͤften dahin wirfen,'die 
MWollmärkte durch Zufuhr feiner, reiner Wolle in guten 
Ruf zu bringen, 

Man bedenke, daß, -ungeachtet-einer nicht geringen 
Anzahl von Wollfäufern in Böhmen, doch der Wollhandel 
ins Ausland nur in den Händen weniger Großhändler ift, 
die mit auswärtigen Handlungshäufern, befonders in Eng: 
land, mohin fich bisher der vortheilhaftefte Wollabfaz er: 
gab, in unmittelbarer Verbindung fteben, und jederzeit in 
Kenntnif der im Auslande beftehenden Wollpreife und der 
günftigen Verfaufszeit find, welche Kenntniß ſich einzelne 
Grundbeſizer nicht immer verfchaffen fünnen, und daher 





57 
oft zur Unzeit zum Verkauf gedrangt, bei dem Umftande, 
daß nur wenige Käufer auf dem Plaze ſind ſich zu gerin⸗ 
gen Preiſen bequemen mirffen. Auf dieſe Weiſe ziehen dieſe 
Käufer aus der Wollproduction ohne große Mühe den größ- 
ten Gewinn , der dadurch dem Geld-, Mühe: und Sorge: 
verwendenden Producenten entzogen wird, Je weniger In⸗ 
tereſſe diefe Käufer demnach haben, zum guten Erfolg det 
Wollmarkte mitzuwirken, um ſo mehr muß das vereinigte 
Beftreben der Wollerzeuger dahin gerichtet feyn, Diefer ſo 
vorteilhaften Veranftaltung allen’ möglichen Vorſchub ztt 
beiftenns 1 Es iſt mit! Grund zu erwarten), daß bei einer 
größern Concurrenz der Wollkaͤufer aus dem Auslande 
‚ober: andern ‚öfterreichifchen: Provinzen auf den Wollmaͤrk⸗ 
ten ein befferer Wollpreis erreicht werden wird, als wenn 
der Wollanfauf weiterhin einigen Großpändlern überlaſſen 
würde, da ein günſtiger Abſaz nur durch größere Concur⸗ 
renz der Kaufluſtigen erzielt werden kann. Selbſt die böh⸗ 
miſchen Tuchfabrikanten werden ſich auf den Märkten eins 
finden, und ihren kleinen Wollbedarf unmittelbar von dem 
Wollproducenten kaufen, den fie bisher im zweiter Hand 
bei den Wollhandlern ſuchen mußten — 
— Die Vortheile welche die Wollmaͤrkte den Produ⸗ 
eenten gewähren, find demnach unverkennbar." Damit je⸗ 
doch die Wollmärkte den beſtimmten Zwek erreichen, äſt 
es nothwendig, daß, wo nicht alle, doch die meiſten Grund⸗ 
beſizer ihre Wolle dahin zuführen, und daß hinreichende 
‚Wolle für die Nachfrage vorhanden ſey. Insbeſondere iſt 
eine groͤßere Wollzufuhr in dieſem Jahre zu wünſchen, das 
mit die auswärtigen Käufer für die Zukunft nicht abge⸗ 
ſchrekt werden, die bohmiſchen Wollmarkte zu‘ beſuchen, 
wenn ſie nicht hinreichende Auswahl daſelbſt fanden. Die 
Grundbeſizer erhalten dabei Gelegenheit, mit den auswaär⸗ 
‚tigen: Kaufern undiden inlandiſchen Fabrikanten nicht nur 
für die Gegenwart den Verkauf unmittelbar zu fchließen, 

ſondern audi, wenn ihre Waare ſich als’ gut bewahrt für 


58 


die, Zukunft Uecorde einzugehen, ohne der Zufuhr: auf die 
Märktezunbsdürfeneumnite ng hin Mahn an en 
1010 Böhmen, hat große, Fortfchritte in der Veredlung der 
Schafzucht gemacht, «und mehrere Vbrigkeiten erzeugen 
Wollen, die der ſächſiſchen und fpanifchen nicht machitepen. 
Auch ‚find wohl bei einigen eigene Waſch⸗ und Sortinungss 
anftalten errichtet worden z. aber noch immer nimmt der 
größte Theil der, Gutöbefizer zu wenig Bedacht aufodiefes 
Geſchäft, wodurch die Wolleivon allen unreinen Beifäzem 
befreit, und nach ihrer, Feinheit und Reinheit in mehrere 
Gattungen, ald prima, secunda, tertia, abgefondert werdem 
ſoll. Sollte diefe Vernachläſſigung dem Rufe ihrer Wolle 
bisher geſchadet, und ihre Preiſe unter die der ſächſiſchen, 
und großen Theils auch dem mahriſchen, herabgedrükt haben, 
fo gewähren ihnen die Wollmärkte das ficherfte Mittel zur 
Wiederherſtellung des erften und Erhöhung des lezten 
» Da ed nun. dem Käufer auf dem Wollmarkte weder 
möglich. tft, jeden Sak Wolle und jedes einzelne" Stük zu 
unterfuchen , noch auch gleichgültig, wenn er verunreinigte 
Wohle mit Mühe; fortiven und Schmuzwolle  ausfcheiden 
muß, fo ift es von der hochſten Nothwendigkeit, daß die 
Grundbefizer anf die Wäfche mehr Mühe und Koften vers 
wenden, um auf die, Wollmärfte möglichft reine Kaufe 
mannswaare zu bringen; mund der böhmifchen Wolle einen 
befondern. Eredit im Auslande zumwerfchafften. um non m 
Wie die Waſche und Sortirung vorzunehmen fey; iſt 
durch ſo viele hierüber in Oruk erſchienene treffliche Anlei—⸗ 
tungen bekannt, und dieſes Geſchäft iſt bei weitem nicht 
ſo ſchwierig, wie die Beamten und Schäfer es ſchildern 
Es gibt der Wollſortirer, die bei den Wollhändlern das 
Geſchaͤft betrieben, ſehr viele, die ſich herbeilaſſen werden, 
gegen eine angemeſſene Belohnung, zur gehörigen Sorti⸗ 
rung der Wolley gleich bei der Schur den eigenen Dienſt⸗ 
leuten die Anweiſung zu ertheilen, welche dann in Zukunft 
die gehörige Abſonderung beſorgen konnen. Wobei jedoch den 














54 


Leuten unter eigener Haftung und gegen zu leiſtenden Scha⸗ 
denerſaz die Einmengung jeden Schmuz⸗ oder Sterblings⸗ 
wolle unter Die reine Wolle unterſagt, und hierüber eine 
ſtrenge Controlle bei der Schafſchur beſtellt werden muß. 
Wenn nun die Wolle, rein gewafchen und gut ſortirt 
zu Markte gebracht wird, fo iſt nur noch zu erinnern, daß 
von jedem Sak ein treues Probeſtick am Markte bereit ges 
halten: werde, um den Kaäufern die Beſichtigung und Uns 
terſuchung der Wollerzuierleichternin um) „un IF 9 
yon Die Beichwerlichfeiten der Zufuhr mad Prag oder 
nach Pilſen z; mit: Beigebung. eines. Beamten, die beimicht 
erfolgtem Verkaufe mogliche Unannehmlichkeit einer Zurük⸗ 
nahme oder Deppnirung; werden durch den für die Zukunft 
geſicherten beſſern Wolabfazı reichliche Bergeltung finden; 
Die Zufuhrskoſten ſiud keinen men zuwachſende Laftzı denn 
nur ſelten ereignet es ſich daß ‚eine Dbrigkeit ihre, Wolle 
auf dem Gute felbſt verkauft, und der Käufer ſie daſelbſt 
abholt z jede, Obrigkeit iſt ſchon daran · gewohnt, ihre Wolle 
nach Prag oder an einen andern Wohnort des Kaufers zu 
ro. ‚einen Beamter oder Conducteur mitzuſenden, 
bei der Uebergabe der Wolle und der 
har mann Geldes, gegenwärtig war. Dieſe Unko⸗ 
ſten werden daher durch die Wollmaͤrkte nicht vergrößert; 
nud da die Grundbeſizer auf den Märkten ſelbſt anweſend 
ſeyn/ oder auch einen Beamten im Orte zur Aufſicht beſtel⸗ 
len können; fo ſind ſie auch gegen Unterſchleife oder Vers 
kürzung am Gewichte beſſer geſichert. Auch iſt bereits durch 
das Hofkammerdeeret / vom 2. Febr. I. Is dafür geſorgt, daß 
die auf dem Markte nicht verkaufte Wolle auf kürzere oder 
langere Zeit gegen einen geringen Lagerzins hinterlegt wers 
de welches jedoch die meiſten Obrigkeiten gar nicht, beub⸗ 
thigen werden; daß ſie ihre Haͤuſer und Wohnungen: in 
Prag haben, welche fie dazu brauchen können. , 14% 
Uebrigens verdient es wohl bemerkt zu werden, daß die 
bohmiſchen Wollmarkte unter weit günſtigern Bedingungen 


60 


bemwilfigt find, als alle bereits im Auslande beſtehenden; in⸗ 
dem auf den leztern allgemein, und zwar mitunter ziemlich be⸗ 
trächtliche Abgaben von der zu Markte gebrachten Wolleient: 
richtet werden müſſen; "wogegen auf den’ böhmifchen Mark 

ten, den Höffammerdecrete zu Folge, die Wolle mit Nach⸗ 
ſicht aller Hädtifchen Abgaben zur Stadt gebracht, und ohne 
alle Marktgebühr aufgeſtellt werden kann, mit alleiniger 
Ausnahme der ſehr unbedeutenden Collienmaut von Akr 
C. M. pr. Centner und der Abwaggebühr wonn2rfripe 
Centner, während außer der Marktzeit von der Wolle nicht 
unbedeutende ſtädtiſche Abgaben entrichtet werden müſſenen 
Endlich da nebſt dem zu Prag beſtimmten Wollmarkte 
auch in den folgenden 14 Tagen ein zweiter in Pilſen ange⸗ 
ordnet ift, fo wird dem Grundbeftzer des pilfner, klattauer, 
elbogner, faazer, zum Theil auch des berauner und prächiner 
Kreiſes eine noch nähere, minder koſtſpielige Zufuhr wars 
ſchafft; die Wollverkaͤufer, welche ihre Wolle am Prater 
Markte nicht an Mann brachten, konnen ſie nach Pilfen zum 
Verkaufe zuführen, und die Räufer aus dem Auslande oder 
ans andern öfterr. Provinzen konnen, wenn fie in Prag nicht 
befriedigt find, am Pilfner'Markte ipre Einkäufe förefegen” 
Es iſt daher durch dieſes höchſte Hofkammerdecret für 
Alles geforgt, was den Wollproducenten einen gunſtigen Ab⸗ 
ſaz verſchaffen kann.) Und da der Verkehr zwiſchen Käufern 
und Verkaufern durch eine Wollmarktordnung noch erleich⸗ 
tert worden iſt, ſo iſt an dem erwünſchten Erfolge der Woll⸗ 
märfte, die im Auslande zum beiderſeitigen Vortheil der 
Producenten und der Käufer ſich fort erhalten auch bei 
uns nicht zu zweifeln, wenn die Obrigkeiten, dieſe Vor⸗ 
theile beherzigend, ſich angelegen ſeyn laſſen, dieſen Woll⸗ 
markten durch ausgiebige Zufuhr reiner, gut ſortirter Wolle 
gleich im erſten Jahre einen guten Ruf zu verſchaffen 
Prag, am 29. April 182707 © soon al, m 

o. 3006 udn mind Idanı Ayanaıdım ansps dal) 

1ygnupmaarg DEEyAR Ten TEL: Be RATTEN: —— nincad 











61 


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enm Stand der Geſellſchaft 2 


des vaterlandiſchen Pufeumd, in Biene ve 
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Se. Bi Aigentnseedhandesiäeit, 
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H. Abbe Zofeph Dobrowſky 1 10 ulm 
Graf Johann Kolowrat-Kriato wſty non — 
von Ger ſt n ex, k. k. Waflerbaudivector. 
9 Maximilian Millauer, Doct. und, fsErProf. 
der Theologie, Geſchaͤftsleiter — 
— Joſeph Steinmaun, ‚Prof, der, Chemie an der 
De — —V—— — 
Wirkende Mitglieder. Im“ 
durſtin Thereſia Arenberg,"gebörne. Gräfin Win— 
a nam ar r⸗ 
Ritter Chriſto ph von Andrei. 
Se. Erc. Graf Joſe ph Anersperg TI m) 4 
Freiherr Joſeph von Badenthal. —45444 
9. Franz Becher, Handelsmann in Pilſent 
—Placidus Benefh, Abtin Braungu und St. 
Margareth. Annmalgid 399 
Graf Kajetan Berchem⸗ Haimhauſent 1 19u 


62 


9. Johann Borſchitzky, Magiitratsrath. " 
Die böhmiſcheLeſegeſellſchaft en 
Die k. Stadt ee 
Die boktige &r. & —E drget Gewerkſ 7 ft. 
EEE Prageii 19 spnD m 
Se. fürftlichen Gnaden Wenzel Leopold EHlumcan- 

fEy Ritter von preſtawtt und Ghlumean, Furſt. Erʒ 
biſchof. — 
Se. Exc. Graf —* — Chotfowa und 
Wognin, Oberſtburggraf. 
Graf Karl Clam-Märtintg." 
Gräfin Rofina Collpwedo,,geh; Gräfin, PS 
Se. Ere. Graf Rudolph zernin. 
9. Franz FPoſeph Damık, Dort der’ Med. und aus: 
übender Brunnenarzt in Kartebad. aaa 9.ndk, Kt, 
— Aloys DAN ON EIE Prof. und Aſtronbm· —8 
Graf Franz Deym. Bu 77 
9. Jakob Dobrauer von Treneiwald; ’ Bürger: 
meifter der k. Stade Kommotan." "1" 7 aaa. 
— Adalbert Fahnrich/ Abt in Selnii" 00 le” 
— Anton Feyertag, Hr. R D und Umiverfitäts: 
Eſyndieusn a7 RRERTET EEE BETEN. RR (E90) 
— Anton Felir Freudig Magiſtratsrath. 7 
Furſt KarleEgon von/gürenberg min 
9. Zacharias Gradlz Beſtzer des Su" Nuketen⸗ 


dorflas. 1383 49110 ——— 


Sraf Ermn ſt Harxach. eier 
Ge. Exc. Graf Franz Hartig, —— der Steyer⸗ 
mark. Re a a ao 


Se. Ere. Graf Profop Hartmann 1.0 nd sd 

9. Joſeph Haufen, —* ie Per uas) auglech ſenn 
melnd eh 

Nitter, Joh. 5 — von Hi czerfeld⸗ k * 
der Diplomatik. 

H. Joſe phHHeyde,k. k —— iD) 





63 


Freiherr Franz Hildpramb. mu Vinci 
Freiherr Anton von Hodhbergun 10, 
9. Johann Hofer, Director in Zitolieb. 
— Joſeph Yurdalef, IVO ELITE — — 
— Joſeph Jebausfy, Magiftratsrarh. "10. 10% 
— Georg Ilg, k. k. Prof. der Anatomie. 0 4 
— Joſeph Kanka, der ſ. R. D. und —— 
Freiherr Joſeph von Kapaun, t.Abbellationsrath. 
Se. kaiferk Hoheit RR Rärkarisunt.d 
Er. Exc. Graf Franz Klebelsberg, ui —* * 
cepraͤſident in Böhmen. —VV — — 
Ritter Joſeph Kleeborn. tr aalmı ik 1m) 
Se. Exc. Oraf Ho os KolomeutsKratonfey, Bir 
ſchof zu Königgrägin ) nm ind © 
Ser Exc. — ———— 
k. k. Staats- und Conferenzminiſter © 
H. Anton Karl Kronberger, —* Ind 
Freiherr Leopold de Laingı un li aus an. men, 
H. M. J. Lam dau, Inhaber ‚einer Buchdruterei 2. 
. Graf August Ledebour. 1— 
Freiherr Anton von Lewenehr ı IH 44 
Fürſt Johann Läſch te nſte in. Dans) 
Fürſt Auguſt Longin Lobkowitz, Gouverneur ih 
Galizien. la Da ri 
H. Joſeph Löhmner, der ſ. R. D. und Landesadvbocat. 
Graf Hieronymus Bingo, k.k Gubernialrath und 
Kaufimer Kreishauptmamin. 17. mW 
Graf Rudolph Lüsom inüäh oO mon Halnı nik 
9. Vincenz M eis wen;t. k. Gubernialrathe 17 -< 
Fürſt Clemens Metternid, E k. Staats: om 
TR ferenzminiſter. 2020 123—440 
H. Vincenz Milde, Biſchof zu —— 
Die graͤflich Midl le ſaian o'ſche Verlaſſenſchaft. 3 Ag 
Sreiherr AdalbentiMladotauınn nandol muliıı 
HIohann Nadherny, Befizer von Dub und chabrin 


64 


Kitter Friedrich von Nenpauer un 1), maisıh 
9. Franz Nittinger, fürſtlich Fürſtenberg'ſcher Hof- 
rath in. Mifhlärgi 1eimiit. 4 
Graf Johannu Moſſt itz nn in na an J 
Graf Joſe phMoſtitz. . ve 
9. Philipp Dpis, kak. ‚Ssegntniifine 
kanzelliſt. IT te Re FIN sind das 
Graf Karl Pacht ‚uns * ua dasta 2 ill 
9. Benedict Pfeiffer; Abt im Strahoff. 
Das pharmackeut iſſche Gremium in Prag. rn) U 
Die k. Stadt Pilfen eds u Insonhrgar 
Graf Adolph Pötting. rc das 1A, ayslad ui 
Hr Emmanuel Pohl, Doct. der Med. und Erf. Cu⸗ 
ftos des brafilianifchen Gabinettes im. Wien) 
— Johann Poſpi un ** — — 
zu Königgräg imumnend 9 ——8 
Die k. — ————— Yärus dt Ira mais A 
Freiherr Joſeph Puteami.ı ı 4402 BER —— 
H. Leopold Rabufky, Bürgermeiſter der ſreien Stadt 
Bru 30043 63 A u gut Iarid 
— Sofeph Röfler,Mineralögrin Kradrop. a 
— Erneft Ruziécka, Biſchof zu GERD las. Nu 
Herzogin von Sag an . min na 1, gi * müuß 


Graf Franz Salm. RN 
9, Anton Schmid, der ſ. R. Doctöri 1. dusıak -2 
— Johann Schmidt, Magiſtratsrath. 1444 d*ꝛ 
Graf Friedrich —öAVV ‚ 1m, 


Nitter Safob von Schönfeld. w ht 4.14% 1979 


J 


H. —* der N Dean und FE. # 


od Moefeſſor⸗ 3 4 bimasiis ann» 12 Th 
— Adalbert pe Doct. und dot der Pbhilo⸗ 
ſophie zu: Pilſen, zugleich· ſammelnd · 


Fürſt Joſ ſer h Sqhu. arzenberg, Herzog von xumai 
Freiherr Johann von Senfteiiberg In U" 
Graͤfin Moni Sompſſch is, gebe Freiin v. Sant 





65 


Graf Philipp Stadion. 

Freiherr Johann von Stentſch. * 

Graf Johann Wilhelm Sternberg: en... 
ſcheid. 

Gräfin Aloyſia Sternberg, Stiftsdame. 

H. Joh. Nep. Stiepanek, Director und Mitunter: 
nehmer des ſtänd. Nationaltheaters. 

— Anton Stolz, Doc. der Med. und ausübender 
Arzt in Tepliz, zugleich fammelnd. 

Die gräfih Sweſer t s'ſche VBormundfchaft. 

Tepl, Abt CH. Karl Reitenberger) und Stift. 

9. Jfidor Zeutfhmann, Abt in Dobeahn, 

Graf Johann Thun. 

Graf Joſeph Thum 

Fürft Karl Alerander von Thurn und Taris. 

Graf Ferdinand Trautmannsdorf. 

9. Jakob Veit, Befizer von Liboch ꝛc. 

— Franz Wacef, Dechant in —— zugleich fan: 
melnd. 

— Franz Wagner, Befizer der rn Schönwald. 

Graf Erneft Waldftein. 

Graf Stephan Dlivier- Wallis, 

Fürſt Alfred Windifhgräß. 

Fürſt Veriand Windifhgräß. . 

9. Anton Wolf von Wolfsberg. 

— Karl Wenzel TOMB) er R. ern und Lan: 
desadvocat. 

Graf Jo ach im Woraticky. 

Graf Eugen Wratislamw. ww 

Graf Joſeph Wratislam, . | 

Gräfin Gabriela BEFORE geb: Gräfin Desfons. 

Graf Eugen Wrbna. 

Se. Exc. Graf Franz BWreby. 

HH, Mori; Zdekauer, Großhändler, 

Ritter Franz Zezinger von Pirnis,. 


5 


66 


9. Joſeph Liboslaw Ziegler, Dock: der Thenfp- 
gie und Gtadtdechant in Ehrudim, zugleich ſam⸗ 
melnd. 


Ehrenmitglieder. 


9. Prof. Aghard in Lund, Gecretär der vboſotrati⸗ 
ſchen Geſellſchaft daſelbſt. 

Graf Friedrich Berchthold. 

Ritter von Berzelius, Secretär der & Geſellſchaft der 
Wiſſenſchaften in Stokholm. 

Hr von Blumenbach, k. hannoverſcher Sofrat in Göt⸗ 
tingen. 

Graf Bray, Praͤſident Der botanifchen reife in 
Negensburg. 

Graf Auguft Breuner, E £ Kämmerer in Wien, 

H. Doct. Bufland, Bicepräfident der zoologiſchen Ge⸗ 
ſellſchaft in Orfort. 

— Karl Martin Cron, & £& Gub. und Di Se⸗ 
eretär in Prag: 

Baron von Cuvier, Gecretär der naturhiftorifchen Ab⸗ 
theilung bei der k. Akademie der en in 
Paris. 

Ge. königl. Hoheit Prinz Chriftian von Dänkinärti 

9: von Göthe, Sachſen— WBeimar-Cifenachfcher J 
miniſter und geheimer Rath. 

— Wilhelm von Heidinger, Mitglied — * ge⸗ 
lehrten Geſellſchaften, zu Edinburg in Schottland. 

— Hofrath Joſeph Freiherr von Hormayr zu Hot: 
tenburg, in Wien. 

— Nikolaus Hoft, Dock, der Med. und & f. Leib: 
arzt in Wien, 

Baron von Jaquin in Wien: 

Se Faif Hoheit Erzherzog JZohanm 

Ritter Peter von Köppen, . rufifch = Eniferlicher bof⸗ 
rath in Petersburg. 








67 


Sr Franz Kreibich, Doct. der Philofophie, Ehren: 

domberr zu Leitmeriz, Gonfiftorialrath und Dechant 
in Schütteniz. j 

— Franz Kurz, reg. Chorherr und Pfarrer zu St. 
Florian. 

Nitter Karl Friedrich von Martius, Mitglied der 

Akademie in München. 

Der k. hannoverfhe H. Dekonomieratd Mayer in Göt— 

tingen. 

H. Doct. und Prof. Joh. Chriſtian Mifanin Prag. 

— Friedrich von Mohs, k. k. Profeffor der Minera- 

logie an der Wiener Univerfität. 

— Nees von Efenbed, Präf. der Karlr Leopold. Ge 
ſellſchaft in Bonn. 

— Karl Auguf Neumann, wirft. k. k. Sub. und 
rare Mitglied mehrerer gelehrten Geſell— 

aften. | 

— Prof. Nilfon in Lund, Vorfteher der afademifchen 

Sammlungen daſelbſt. 

— Pers, k. großbritanniſcher Archivs: Gecretär. 

— Doct. und Prof. Joh. Swatoplufk Preflin Prag. 

Ge. k. Hoheit der Herr Großherzog Karl Auguſt 
von edle era Eifenach. Sad 

Baron von otheim, großherzogl. Sachfen: Gotha: 

>  feher Kammerpräfident. 

H. Hofrath und Prof. Heinrih Schrader in Gdttingen. 

Nitter Franz de Paula von Schranf, Akademiker 
in Müncen. ef 

Der fi prenfifche H. Staatsminifter Freiherr von Stein 

rein gm. Naffau: y 2 

Se. Exc. H. Staats: und Tonferenzratd Andreas Jo 
feph Freiherr von Stifft in Wien 

H. Ignaz Richard Wilfling, Dock. der Philofophie, 

E & Rath (S. C. € K.), Vorſteher des k. k. Bü— 

cherreviſions amtes in Prag. 


J Beitragende Mitglieder. 
H. Fr as ? Auge, Director im KRarlftein, zugleich ſam⸗ 
meln 


— oh. Blum, Director in Drhowl, zugleich ſammelnd. 
— Zgnaz Anton Bremm, Bergamtsadjund in Lu: 
kawez, zugleich ſammelnd. 
— Bitus Danicek, kak. Gymuaſialpräfect in Deutſch⸗ 
brod, zugleich fammelnd, Ri 
5 


63 \ 


9. Joſeph Devoti, Pfarrer und ı Ehrencanonicus in 


a Sedles zugleich ſammelnd nun u; nad 
— Franz Si h nrich, Dechant n —* zugleich ſam⸗ 
on u un wi? 


— ad am Sialfa, Stadt - ung Barltedogantin Schi 
«tenbofen,," zugleich ſammelnd. 

— Joſeph Ö * iſch, Boliegitatteinnepmer Yin: — 
gräz: TR BE: 

— JoſeyhFran i f. Bergoberamtscaffier in Pribram. 

— Genrg Fit, Ei Beogenthn in Van diugihgl, 
zugleich fammelnd. 

— € ebaftian Grüner, Magiftrateratd. im Go, zu⸗ 

gleich fammelmd. © 

Au Wenzel Rombald von —— ER Berge 
‚meister in Kuttenberg, zugleich fammelnd. 

Wenzel Settel, ı Berge und, — in 
Ranſko, zugleich fammelnd. 

— Ad albert Juhn, infulirter Erzpriefter in Neuhaus. 

— Wenzel Klibpera, k. k. sig an. in 
Königgräz. 

— Sofepb Kreibid, emerit. Seiner weil, Sr. k. 
Hoheit des Herrn Herzogs Albert vom Sachſen-Te⸗ 
fen, in Wien, zugleid) fanimelnd. 

— LaurenzLaſke, kak. Oberamtsbuchhalter in Ptibram. 

— Joſeph Lindauer, Dechant in Peeſtiz, zugleich 
ſammelnd. 

Der hochw. Euratelerus des biſchöflichen Lukawizer 
Vicariats in der Budweiſer Didces. 

9 Anton Marek, Pfarrer in Tein, zugleich ſammelud. 

— Joſeh Nenel, ba in Holubfan, zugleich 
ſammelnd. 

— Anton Oppelt, Wirthſchaftsrath in Neufiſtriz, au 
gleich fammelnd. 

— Wenzel Peſſina, Pfarrer zu Lautſchitz i im’ Mähren. 

Der hochw. Guratelerus des biſchöflichen Pilgeam er 

' Vicariats in der Budmweifer Didces. ,., 

Der hochw Curatelerus des erzbiſchöflichen a 

Bicariats in der Prager Dibces. 

H. Franz Pöſchl, k.k. Bergmeiſter in Mies, auge 
famnmeld. 

— Andreas Polak, Dechant und. Bezirksviear in Ro⸗ 

kizan, zugleich ſammelnd. 

— Johann Rafim, —— in Ben zugleich 
fammelnd. | 





69 


Der hochw. Curatelerus des erzbifchöflichen Nofizaner 
Vicariats in der, Prager, Didcess \ 

9. Bincenz Chriftian Rubefch, Sechant und Ree⸗ 
tor in Haida, zugleich fammelid. nr5 ni Abbau 

— Josſeph Schön, k. k. Gymnafialpräfeet in Pifer, 
zugleich fanmelmd 77 

— Michael Shönbed, Doct. und Prof. der Theolo— 
gie zu Budweisy zugleich fanmelnd: 

Der hochw. Euratclerus des bifhöflihen Schüttenhof: 

Vicariats in der Budweifer Didces. 

9 id Schrottenbad, Bergrath in Cufaney. 

— Yaulin Scchuſt er Capitular und Serretär im Gi: 
fterctenfer = Stifte Hohenfurt. 

— AntonSeid“l, — in Yeraım, a 
melnd. f 

— Johann Ta chezi, Donmſen lor in, Leitmeriz zur 
gleich fammelnd. 

Der hochw. Curatclerus "des erzbifchöffichen Feifinger 
Vicariats in der Prager Didces. anigin » ga 

9. Leopold Tiny Dechant in Kiee, zugleich: — 

— Jakob Weinhuber, Dechant in Gojau, zugleich 


ammelud. 
— —D agisTam ——6 Pfarrer in Necha⸗ 
Hniz zugleich ſammelnd eigcad 
A sonigle 1ursgnd 
Redacteur der Bene des SRRICHAS ; * 
H. Eranz'pa far ey. mn 9 ug allise N. 
Bibliothekar, ‚Aechivar, wie ea, Bat is ah 
famıplung: . I sılolısamy syerlixsl 
9. Wenzel Dankan., j ERS eiloligeol — 
Cuſtos der zoologiſchen und b chanſchen Sammlungen: 
9. Karl Bokiwoy Preft, Pe Mid. — 


Guftos der mineralogif—hen un aaa i x 
9.,8ran3 4 Faver Sippe —8 


A J — — 5 „Isllr — 


Cuſtos der ethnographifhen Camalaerh 
9. Joſeph BundiemWVorfteher, der, Bildergallerien der 
Privatgeſellſchaft patriotifcher Kunftfreunde zu Prag. 





70 


Seltenere Pflanzen, 
' welche in den Prager Gärten geblüht haben, 





Sm Monat Mai 


Brit s und Alpen» Pflanzen des k. k. Briten, 
Gartens. 


Achillea Clavennae L.) Schneeberg in Defterreich und andere 
Androsace lactea L. Alpen, 
Astrantia earniolica Jaeg. Krainer Alpen. 
Braya alpina Sternberg. Kärnthner Alpen. 
Campanula alpina L. 
Clematis alpina Lam, (Atragene L,)> Alpen. 
Erigeron alpinum L. An: 
Gymnadenia viridis Rich, (Satyrium L.) Baltige ‚Gebirge, 
Ononis rotundifolia L. Kärnthner Tirofer u. Schweizer Alpen. 
Papaver alpinum L. Alpen, 

— _ eaucasicum Bieberst, Gebirge des, Caucafitd. 
Potentilla aurea L. Das Riefengebisge und ‚Alpen, 
Primula farinosa L, Feuchte Bergwieſen. 

—  Tongiflora All, Kärnthner Tiroler und andere Alpen. 
Saxifraga cuneifolia L. Alpen, 

N longifolia Lapeyr. Tirofer Alpen, m. 

— ımoschata Wulf, dr au 30 id 

— stellaris L. "N Alpen. 
Valeriana saxatilis L. — a 
Veronica Alpina L. Das Miefengebirge und Alpen. ‚ 

— aphylia L. Schneeberg in — u, andere Alpen. 

—  saxatilis li. Alten. 
Wulfenia carinthiaca Jacq. Kärnthner Alpen. 


rn, ar 
; J - 











71 


—Glashaus⸗Pflanzen 
des k. k. botaniſchen und des gräflich Salmiſchen Gartens. 


Acacia pulchella R, Br, Neu-Holland. B. G. S. G. 
Andromeda speciosa Mich, Rört-Ameita,8;0) 
— — .ß. pulverulenta Pursch. u lei 
Arctotis bicolor W. En, Cap. 83. ©. 
Astragalus Tragacantha L, Güd- Europa, B. ©. 
Azalea viscosa L. Var, odorata Ait. Mord-Amerifa, BG, 
Borbonia cordata L. ‚Süd: Afrifa, ©. ©, j j 
Boronia pinnata Smith, Wew: Holland, S. ©, wi 
Chorizema. nanum Sims. Meu - Holland. B. G, &, 6, 
Cistus ladaniferus L, Spanien, Portugal, B. ©. 
—  laurifolius L, Das ſüdliche Franfreih, Spanien. DB, G, 
Columnea coccinea ? Vaterland? ©. ©, 
Crowea saligna Smith, Neu:Holland, ©, ©, hrmo‘l 
Cytisus linifolius Lam, — 9 Sid: Europa, 3.6, 
— _spinosus Lam. (SpartiumL,) dt ö 
Diosma alba Thunb. Cap. 3,6, 2 
—  fragrans Sims. { Cap, S. G. 
— _ uniflora Schrad, 
Dracaena fragrans Ker. (Aletris Jacq.) Afrika. ©. ©, 
Dryandra floribunda R, Br, eu: Holland. ©. ©. 
Edwardsia grandiflora Salisb. Meu - Seeland. ©. ©. 
Epacris grandiflora Smith, Meu: Holland. 8. 6. ©. ©. 
— _ pulchella Cav, Neu-Holland. ©. ©. 
Erica cerinthoides L 
colorans Andr. 
eylindrica Thunb, Cap. ©. ©. 
hbirta Thunb, j 
laevis Andr, Cap. 8.6. ©. ©. 


Linnaeana Dryand. Cap. ©. ©. 


‚ti karl 


resinosa Sims, 
sexfaria Ait. Cap. B. ©. 
tenuiflora Andr. Cap. ©. ©. 


72 


Erica translucens Wendl, Cap. 8.6, ©. ©. 

—  viscaria,L. Cap. S. G. u 1 ad 
Gladiolus tristis L. Süd-Afrika. 8. ©. 

Helicteres brasiliensis Mikan. Brafilien. B. G. 
Hermannia flammea Jacg. Cap. B. ©. 
Kalmia angustifolia L, Nord: Amerifa. 8. ©. = 
Kennedia coccinea Vent.. Neu: Holland. ©... | 
Maranta zebrina Sims. SBrafllien. ©. ©. Tee 177 
Mentziesia polifolia Juss. (EricaDaboecia.L.) Irland. 8. * 
Ovieda corymbosa Spr. (Ixia Thunb.) Cap. B. ©, 
Pimelea linifolia Smith. Neu Holland. ı S. G. 
Pittosporum Tobira Ait. China, Japan. S. G. 
Platylobium bifolium ? Vaterland? ©. ©. wii 
Polygala cordifolia Thunb. Cap. S. ©. 

a speciosa Bot. Reg. Cap! ©. G. a⸗ 
Pomaderis phylicaefolia Link. Neu-Holland. ©. ©. 
Pothos lanceolatus L. Süd-Amerika. B. G. 

—— speciosa ? Vaterland? S. ©. Ei 
Stylidium fruticosum R. Br, Neu: Holland. 8. ©. ©. © 
Tillandsia speciosa?_ Vaterland? S. G. 


Tritonia crocata Rer. Cap. 8. ©, 


- 


—  fenestrata Ker. { 
Voliherke Jacguiniana Spr. (fem.) Ober - Italien, Süd— 
Frankreich, Nord: Amerifa, Neu: Holland. 3: ©. 








75 


Seiterätirihe Anyergen 
a 


m 1. Jakın Be j 
Der Schloßbbrunnen zu Karlsbad, literäriſch, ge: 
ſchichtlich, phyſi kaliſch, chemiſch und medicinifch dargeftellt von Dr. 
Johann Pofhmann. Erfter Theil. Prag, bei Enders 1826. 
XII. und 162 ©. in sro⸗ * ac 
Wenige Geſundbrunnen in Europa Tonnen fich einer fo zahl⸗ 
reichen Bibliothet ruͤhmen, als Karlsbad. Da man nun aus 
dieſen eben ſo bequem als aus den Syrudelquellen ſchöpfen kann, 
ſo werden die neueren Schriften auch i immer bandereicher ; Dies ift 
auch der Fall bei der Monographie des S chloßbrunnens, welche 
auf mehrere Bande berechnet iſt. Der erſte Abſchnitt von 72 
Seiten beſteht faſt ausſchließig aus Citaten Älterer Werfe und 
weitläufigen kritiſchen Noten, die bis in das Kleinlichſte ausarten. 
So nimmt es z. B. ter Verfafier tem Dr. Harrer ſehr übel, 
dag er ten — Schloßhůgel genannt habe; da er doch 
jefoft i in der Tabelle ©. 138 den Ausfluß des Schloßbrunnens nu 
42 Fuß - Zoll über der Zapfenöffnung bei dem Sprudel angibt. 
Die Erhöhung, welcher der Schloßbrunn entquillt,, ift blos ein 
fortlaufender Bergrüfen des Hirſchenſprung⸗ Berges, die rükwärts 
des Thereſienbrunnen vorbeizieht und bei dem Spital ſich berab⸗ 
ſenkt, gegen die Tepl aber prallig abfällt. 
Im zweiten Abjchnitte gelangt man zu dem eigentlichen Anz 
fange des Werkes, ter Enttefung des Schloßbrunnens, die dem 
Verfajer von noch lebenden Augenzeugen mitgetheilt wurde ; fie 
fallt in das Sahr 1769 ; wird blos dem Zufall verdankt, Eben 
ſo zufällig wurden die Heilfrafte dieſer Quelle bemerkt, die ih 
ter Folge durch die chemiſchen Analyſen des um Karlsbad iv hoch 
verdienten Dr. David Becher und durch Klaproth wiſſenſchaftlich 
begrumdet wurten. Diefe Quelle erwarb ſchnell einen großen Ruf. 
Auf Andringen der Badegäfte wurde fie im Jahre 1797 gefaßt 
und in den nachfolgenden Sahren 1799 und 1800 für einige Be: 


74 


auemlichkeiten der Curgafte bei diefer Quelle gejorgt. Von S. 94 
bis 104 werden 15 Heilungsgeſchichten, mitunter von großer Be: 
deutſamkeit, aufgeführt, aus Erzählungen von Hausbefizern, die 
zum Theil felbft zu dem Gebrauche diefer Quelle gerathen hatten. 
Sind denn von den Karlsbader Herren Aerzten und von dem 
Verfafier felbft in feiner ſechsjährigen Praris in, diefem Bade gar 
feine Kranfheitsgefhichten beobachtet und aufgezeichnet worden, 
dag er genöthiget war, feine Zelege für dieſe Heilquelle von 
Hausbefizern zu erborgen? Das Verfiegen des Schloßbrunnens 
durch ten Sprudelausbruch im Jahre 1800, ſo wie die wieder- 
holten mißlungenen Verſuche dieſe Quelle wieder zu gewinnen, bis 
zu dem Sabre 1823, wo fie ſich ſelbſt wieder zeigte, und durch 
Anftalten der Regierung wieder bergeftellt wurde , ſchließen dieſen 
zweiten Abjchnitt, 

Der dritte Abſchnitt ift unftreitig der wichtigfte Diefes Ban: 
des. Sind gleich die Beobachtungen, die der Verfaſſer mit löb— 
lihem Eifer unternommen bat, viel zu lüfenhaft und nicht mit 
jener Genauigkeit durchgeführt, welche bei ähnlichen Beobachtun— 
gen ftreng gefordert werten muß, find audy nicht alle angeblichen 
Refultate als richtig anzuerkennen, fo führen fie doch auf Thatja- 
chen von großer Wichtigkeit, welche die Aufmerfiamfeit der Re: 
gierung und wiſſenſchaftlicher Beobachter erregen müſſen, 

Der Zwek der Beobachtungen des Verfaflerd war dahin ge- 
richtet, zu erforfhen ; ob die Waffermenge des Ausfluges und die 
Temperatur des Waſſers ter Schloßbrunnquelle ſich ftets gleich 
bleise ? Db die Veränderungen, die ſich ergeben, in der Conftruc- 
tion und Faſſung der Quelle allein, oder in ihrer Abhangigkeit 
son den Sprudelguellen zu fuchen feven? Ob der Druf der at: 
mospbärifchen Luft, und die Veränderung der äußeren Tempera- 
tur, Einfluß auf die Waſſermenge und die Temperatur der Quelle 
ausüpe? Um dieſe Fragen beftimmt zu föfen, wäre es nöfhig 
gewefen, erprobte, mit der Sternwarte in Prag verglichene, ganz 
genaue Barometer und Thermometer und ein richtig abgerichtetes 
Eylindermaß zu befizen, die Beopachtungen wenigitens täglich ein: 
mal und zu jeder Zeit, fowohl wenn die Brunnen gebohrt wer⸗ 








75 


den, als vorzüglich im Sommer, wor man ſie während der Curzeit 
in Ruhe läßt, durch ein ganzes Jahr zu beobachten, Dies Fonnte 
jedoch mit der medicinifhen Praxis nicht vereinbaret ‚werden ; 
im Sommer wurde gar nicht beobachtet, in den andern Mo- 
naten nach Umſtänden; am häufigften bei Störungen durch Vor— 
richtungen an diejer Quelle felbft oder am Sprudel und der Hy— 
gieensquelle, wodurd die Beobachtungen über die Einwirkung der 
Atmosphäre allen Werth verlieren mußten, 
Der Verfaſſer gibt erſt zwei Tabellen, die eine liefert die 
Ueberfiht des Niveaus ſämmtlicher Karlsbader Quellen im Ver: 
baltnif zu dem Horizont der alten Zapfenöffnung bei dem Spru: 
del; die andere die Verhältniffe der verfchiedenen Quellenausfluß- 
Öffnungen. _ Ganz am unſchiklichen Orte wird zwijchen diefen bei- 
ten Noten eine 5. Seiten lange Note gegen den verftorbenen Dr. 
Ziegler in Regensburg eingeichaltet, die eine vor ungefähr zehn 
Jahren erſchienene Schrift über Marienbad betrifft, in welcher 
die damals ausgejprochenen fanguinifchen Lobeserhebungen des fo- 
genannten Falten Sprudels in Franzensbad, wo Dr, Pöſchmann 
tamals Badearzt war, gerügt wurden, Jene Schrift hat mit 
dem Schloßprunnen gar feinen Zufammenbang, 
Die tabellariſchen Beobahtungen über die Waflermenge und 
Temperatur des Schloßbrunnens liefern folgende Refultate: 
1. Der Schloßbrunn fteht in einem offenbaren Zufammenhange 
mit dem großen Wafjerbefen unter der Sprudeldeke im Fluße 
Tepl. Dies beweifet die regelmäßige Abnahme des Waſſers 
in der Schloßbrunnquelle , ſo oft der Zapfen im Fluße ge: 
s "Dffnet, die Ständer am Sprudel und an der Öygieensquelle 
weggenommen und dieſe gebohrt werden, 
2. Der in. der erften Periode der Beobachtungen fehr niedere 
Stand der Temperatur des Schloßbrunnwaſſers ift offenbar 
in dem zu hohen Ständer und dem entweichenden Waſſer 
und Waſſerdämpfen bei dieſer Quelle ſelbſt zu ſuchen; da 
von dem Augenblike an, wo man die Ausflußröhre tiefer 
nn. ftellte, und die Quelle feldft die geringen innern Spalten 
des Felſens verfintert hatte, die Temperatur ftets zwifchen 


76 


433 bis +35 ſich erhielt, und höchſt wahrfheintich, 
wenn man die Koften nicht geſcheut hätte, noch etwas tiefer 
herabzurüken, auf + 38 gejteigert worden wäre. 

3. Die Beobachtungen über den Einfluß des atmosphäriſchen 
Drukes und der äußeren Temperatur müſſen aus ven ſchon 
angegebenen Gründen als —— und — * er⸗ 
klaͤrt werten. vie la 

4. Am 21. Suni und 6. Nov. 1825 bemerkt der Verfaſſer eine 
Zunahme von 2 Seiteln Waffermenge in einer Minute am 
Schloßbrunn, welde er Davon ableitet? „daß die vermehrte 
Waſſermenge dem hohen Waſſerſtande im Flußbette der Tepl 
und über die Röhrenöffnungen ter Sprudelquellen zuzuſchrei⸗ 
ben jey,“ ohne fih näher über das Wie zu erflären. "Daß 
"Fein Waffer aus der Tepl in die Schloßbrunnquelle eingedrun⸗ 
gen fey, iſt dadurch offenbar, daß am 21. Junindie Tem- 
peratur der Schloßbrunnquelle auf + 35% ſtand, welche 
das maximum ſeines gegenwärtigen Wärmegrades iſt, und 
am 6. Nov. die Temyeratur von 33 Y%, auf'337/'geftiegen 
iſt, da fie, wenn ſich Faltes Waſſer mit der warmen Quelle 
vermifcht hätte, nothiwendiger Weite hätte ſinken müſſen 
(mit was für einem Thermometer bedbbachtet worden fey, 
der ſich in % 74 theifen ließ, iſt nicht wohl zu erklaren) 
Wir wollen eine Erklärung des don dem Verfaſſer ange: 
führten und nicht befriedigend gelösten Phänbmens verſu— 
hen. Die Sprudel - und Hygieensquellen werden‘ ſtoßweiſe 
durdyelaftiihe Waſſerdämpfe emporgetrieben ; "eben diefe 
Dämpfe find wohl auch der Hebel, welcher die Waſſer des 
Schloßbrunnens a2 Fuß hoch emportreist. Wenn der Fluß 
Tepl nur wenig Waſſer führt, ſo ſieht man allenthalben 
aus der Sprudeldeke Waſſerdämpfe entweichen, wodurch die 
Spannung unter der Sprudeldeke vermindert wird Bei 
Gelegenheit einer Ueberſchwemmung, wo eine größe Laſt 

wilden Waſſers auf der Sprudeldeke laſtet, wo Telbit die 
‚Röhrenöffrungen des Sprudels won diefen Waſſern überdeft 
find, wird die Entweichung der Waſſerdünſte geſtört und 








77 


+ gehindert, die Spannung muß daher unter ‚der Sprudeldeke 
zunehmen, und die Quelle des Schloßbrunnens einen größe- 
ren Zufluß mit höherer Temperatur.erhalten. Sehr verſtändig 

und richtig ſchließt der Verfaſſer ſeine Beobachtungen mit der 

Bemerkung: „Hiedurch iſt aljo die nahe, Verbindung des 

+. »Shloßbrunnens mit den jammtlichen Sprudelöffnungen.. . .. 

anz außer Zweifel gejezt, und die Nothwentigfeit evident 
erwieſen, daß man zur, Erhaltung des Schlofbrunnens und 
„ur Verhütung des unaufbörlichen Schwanfens feiner phy— 

„ſiſchen Eigenfchaften , dem Zuftande, ver. Sprudelöffnungen 
— die größte Aufmerkſamkeit und Sorge witmen, 
und bei allen nötbig  fheinenden Veränderungen derjelben 
©» mit weifer und genauer Umſicht vorgehen müſſe,“ welcher 
wir. durchaus beipflichten,, nicht, jo jedoch feinen aus den 
Beobachtungen abgezogenen arztlihen Schlußfolgen, die auf 

feinen analytischen Prämiſſen beruhen, da ein Schwanken 

von 2 Seideln Waſſer und 2 Graden Wärme fhmwerlich eine 
„bedeutende Verſchiedenheit in. den Verhältnifien der ſoliden 
und flüchtigen Beitandtheile der Quelle nach fich ziehen Kann. 
Der vierte Abſchnitt beſchränkt fih auf die Tabelle der ver- 
gleichenden Analyjen von, Becher und Berzelius, die in einem 

Zwifchenraume von #0 Sahren durch die Fortichritte der hemifchen 

Wiſſenſchaft in demſelben ſich wohl verſchieden gejtalten mußten, 

in, den Dauptbejtandtheilen dennoch nicht zu merklich abweichen. 

Der Verfaſſer verdienet Lob und Anerfennung dafür, daß 
er mit regerem Eifer für das Wohl der Menjchheit, als viele fei- 
ner. Collegen ſeit David Becher „ mit fo vieler Beharclichfeit die 
ibm zu Gebote ftehende Zeit auf Die Beobachtung dieſer beilbrin: 
genden ‚Quelle ‚verwendet ‚hat. ı Die von ihm gegebenen Winke 
werden bei einer weijen Regierung nicht unbeachtet bleiben. 

Die Quellen von Karlsbad find und bleiben eine merkwür— 
dige Naturerſcheinung, welche die wiſſenſchaftliche Welt eben jo 
fehr wie die leidende Menſchheit anfpreden. Ihre Entjtehung 
und Fortdauer , fo wie ihre Miſchung und Wirfung ift, ungead- 
tet alles dejien, was darüber gejchrieben worden, noch nicht ge: 


73 


nügend dargethan. Gewöhnliche prackifche Badeärzte find nicht 
geeignet, ſolche Beobachtungen und Analyfen mit jener Genauig⸗ 
keit durchzuführen, welche erfordert wird, um den Zuſammenhang 
aller Quellen unter ſich und ihre Wechſelwirkung untereinander in 
phyſiſcher und mediciniſcher Hinſicht entſprechend und befriedigend 
zu beſtimmen. Es wäre zu wünſchen, und einer umſichtigen, alles 
Gute fördernden Regierung würdig, daß ein Mann von geprüf- 
ten geoanoftifhen, phyſiſchen und chemiſchen Kenntniffen, mit ge- 
nauen Inſtrumenten wohl nusgerüftet, nad) Karlsbad abgeordnet 
würde, um dafeldft durch ein ganzes Jahr den Schloßbrunn, in 
Verbindung mit dem Sprudel, Neubrunn und Therefienbrunn, 
täglich zu beobachten, allen Operationen, die an den Quellen 
vorkommen, beisumohnen, einen Pan über den wahrfcheinlichen 
Zufammenhang der Quellen mit dem Hauptbehälter unter dem 
Spiegel der Tepl zur entwerfen, bei fi ergebenden Schwankun— 
gen in der Waffermenge oder Temperatur der Quellen, eine ge- 
naue Analyfe derfelden vorzunehmen, und nad) den Nefultaten 
aller diefer Veobachtungen mit Zuziehung der Aerzte und der er- 
fahrenften Bürger Karlsbads ein Regulativ für die unerläßliche 
Ausbohrung der Quellen, won welder die gleihförmige Erhaltung 
derfelben abhängig ift, zu gänzlicher Beruhigung der Aerzte, der 
Bürger Karlsbads und der Badegäfte in Vorſchlag zu bringen, 
und die Regierung in den Stand zu ſezen, dieſe höchſt Born 
Dorkehrung unter fieter Controlle au halten. ' | 


2, | 

Das SaidfhizerBitterwajfer, hemifch unterfucht 
son Prof. Steinmann; hiſtoriſch, geognoſtiſch und heilkundig 
dargeftellt von Dr, Reuß, FE Bergrath. Prag 1827. P- 
129, 87% ; 2 

Die Entdefung früher nicht bekannter Beftandtheile der 
Mineralquellen durd die Fortfchritte der analytiſchen Chemie, ba- 
ben den Fürften Ferdinand Lobkowiz, Befizer diefer Quellen, be: 
ſtimmt, eine wiederholte Analyfe ver Saidſchizer (eigentlih Za⸗ 
gelizer) Quellen durd ‚Hrn. Prof, Steinmann unternehmen zu 





79 


faffen. Hr. Bergrath Neuß, der früher eben diefe Quellen un: 
terfucht und befchrieben hatte, läßt eine fehr genaue Geſchichte der 
Quellen und geoanoftifche Beſchreibung der Umgegend vorausgehen. 
Als Hauptformationen, welche die Quellen umgeben, werden nad- 
gewieſen: der Mänerfalf, der Kreide: Mergel, Duaderfandftein, 
wohl auch Grünfand, die Formation des plaftifchen Thons mit 
ver Braunkohle, welder auch in verändertem Zuftande als Por: 
zellanjaspis oder Dalbopal erfcheint, und die vulcaniſchen Gebilte 
der Bafalte, Fafalttuf, Mandelfteine, Wake und Wafentbon, 
jeltener. Phonolithe, aus welchen Gebilten, vorzüglich dem Krei- 
de-Mergel und dem Bafalt, die Quellen die feſten Beftandtheile 
ausſcheiden, welce ihre Heilfräfte veranlaſſen, wie Struve ſchon 
früber dur die Analyfen dieſer Mineralfubftanzen nachgewie— 
fen bat. 

Nah einer Furzen Angabe der Sage und des Eubifinhalts 
der Quellen folgen die phyſiſchen Cigenfchaften des Bitterwaſſers, 
und die neueſten Analyſen desfelben durh Hrn. Prof, Steinmann. 
Die vergleihente Tabelle diefer Analyſen mit jenen von Dr. 
Etruve zeigt zwar einige Abweihungen in den quantitativen 
Berbältniffen der feften Beftandtbeile; doch ahnliche Verſchieden— 
beiten find ſelbſt bei Analyſen urfprüngliher Quellen nichts felte« 
ned, bei fecundären Quellen wie dieje, deren größerer oder ges 
ringerer Gehalt von der Zu: oder Abnahme der Wafler im Ser: 
pina:Moor abhängig, nad) den Sahrszeiten veränterlich ift, find fie 
unvermeidlich. Hr. Bergrath Reuß zeiget jedoch in dem Abfchnitte 
über die Deilfräfte und den Gebrauch der Quellen, den befannten 
und gewöhnlichen relativen Unterfchied umter denjelben, den Ge: 
winn, den die Ärztliche Behandlung durch die neu entdeften Sub: 
fangen und Verbindungen in diefen Waſſern gemacht hat, und be: 
ſtätiget durch #1 Heilungsgeſchichten ihre nuzlihe Anwendung und 
Gebrand in verſchiedenen Krankheitsformen. 


J 


50 


fi 2 Sr 
der — (‚) dder Ha Me über 
— — der Arithmetik ſammt ih— 
ren Urſache n (Gründen). Verfaßt von Jakob Koref, Leh— 
rer an der Prager iſraelitiſch-deutſchen Mädchenſchule. Prag, 
1826. Gedrukt bei M. 3. Landan., (15 Bogen im, PO 
Das ganze Puch ift aus fünf von einander job Tuer 
gen: Beitandtheilen , : welche der Hr. wa Capitel — 
zuſammengeſezt. an 
Das erfte Eapitel: Regeln über verfhiedene neue 
Kopfrechnungsfälle überfhrieben, liefert von S. 1 — 36 
einen Beitrag zur. Kunft des Kopfrechnens, ver hoffentlich ven: 
jenigen, die ſolche Rechnungen brauchen, nicht unwillEommen ſeyn 
wird. Wie wir dem Hrn. Verf. wohl aufs Wort glauben Fön: 
nen, ſo find Die 18 hier gelieferten Auflöfungen im den bisheri- 
gen gedruften Anweifungem zur diefer Art von Rechenkunſt mod 
nicht zu finden; nur Die ſechs lezteren find bereits von ihm felbft 
in den Schulfreund Böhmens (B.'5. Quart. 1. des J. 
1821, Heft 1 u. 2) eingerüft worden. ind im 
Das zweite Eapitel hat die Heberfhrift: "Von der 
Regel de tri, und zwar von der geraden und verkehr: 
ten, dann von der ganz geraden, verkehrten und halb 
verfehrten Regebguinque, wie folhe mit Bortheil 
als eine bloße wachen. nn behandelt 
werden können. Es reiht von Sus — 79, und das Ver: 
fahren des Hrn. Ke — rom darin, daß er das vierte 
ng in der Proportion 
yasni erh ee + | n 
worin a und ec, bund x die gleichnamigen Glieder vorftellen, 
findet, indem Ver b nur mit dem Bruche 9 multiplicirt; was 
denn in vielen Fällen freilid) eine beträchtliche Abfürzung gewährt ; 
wenn nämlich diefer Bruch entweder fich ſelbſt abfürzen Täßt, 
oder in Theile zerlegt werden kann, er die Multiplication mit 
b leicht zu verrichten if. Wird nun 53. B. gefagt, daß s Ellen 
73 fl. 36 Er. Foften, und frägt man, was s Ellen Foften; fo iſt 





81 


x — (15 fl. 36 m) %— 073 fl. 36 ir), + %), welches 
ſehr leicht zu berechnen. Es ift recht löblich, daß man dem An: 
fänger dergleichen Anleitungen: zu einer durch etwas Nachdenken 
gu findenden Abkürzung gibt. Nur hätte Hr. K. bemerken follen, 
daß das zu findende x — b auch als ein Product aus P/, im e 
angefeben werden Fönne, was oft zu ähnlichen Abkürzungen führt, 
uf. w. 

Der größte und wohl auch der fhäzbarfte Theil des Buches 
find die im dritten Capitel von ©. so — 135 vorfommenden 
90 algebraifhen Öleihungen aus Fichtner, Maier 
Hirfh und einer Brofhüre (Gräj, 1820), ohne Hilfe 
der Buchſtabenrechnung, arithmetiſch aufgelöfet, 
mit beigefügten Urfahen (Gründen). Ref. geftehet un: 
verbolen, dag er die von dem Derf. gewählte Methode, Glei: 
Hungen diefer Art zu löfen, für weit geeigneter halte, um den 
Verftand im Denfen zu üben, als die gewöhnlihe, die, wenn 
die Aufgabe einmal aufgefezt ift, eines beinahe nur mechaniſchen 
Verfahrens noch bedarf; er glaubt aljo, daß die Methode des 
Verf. Allen, die fih des Rechnens vornehmlich als einer Uebung 
im Denken bedienen wollen, empfohlen werden Fönne. Viel Raum 
hätte Hr. 8, erjparen mögen, wenn er Auflöfung und Ur— 
jahe (d. h. Beweis) gleich miteinander verbunden hätte, denn 
was unter der Heberfhrift: Auflofung, fteht, wird durd) das- 
jenige, was gleich darauf unter der Ueberſchrift: Urſache, folgt, 
faſt ganz entbehrlich gemacht. 

Das vierte Capitel (S. 186 — 212) handelt von den 
Kennzeichen, ob eine jweiziffrige Primzahl in einer 
gegebenen Zahl ohne Reſt aufgehe, fammt den Ur: 
ſachen. Diefe Kennzeichen find im Grunde nichts anderes, als 
eine, nur auf befondere Art verjuhte Divifion der Primzahl 
in die gegebene Zahl, Die Art des Dividirens, die der Verf. 
ih bier erdacht hat (man Eönnte fie im Gegenſaz mit der ge: 
wöhnlihen die verfehrte nennen), beftehet darin, dag man 
mit der niedrigiten Ziffer des Divifors in die niedrigfte Stelle des 
Dividendus hinein dividirt, dadurch die niedrigfte Ziffer des Duo- 


6 


82 


tienten zuerft , und dann allmählig aud) alle folgenden findet. Sie 
läßt ſich eigentlich allgemein anwenten, nur daf- bei Diviforen, 
deren niedrigfie Ziffer 2, 4, 5, 6 oder 8 ift, gleich Anfangs 
eine Zweideutigfeit entftehet, die bei Primzahlen oder überhaupt 
bei Diviforen, deren niedrigfte Ziffer 1, 3, 7 oder 9 ift, nicht 
eintreten Fann, weil fih die Vielfache (von 1 bis 9) bei diefen 
vier Zahlen in ihrer niedrigften Ziffer insgefammt unterfceiten. 

Dad Teste Capitel befchaftiget fih mit dem Probleme: 
die Addition und Subtraction in ganzen und gebro- 
henen Zahlen in die Form eines Kettenfazesd zu 
bringen, und der. beicheidene Verf. geſtehet ſelbſt, daß fein 
bier angegebenes DBerfahren nicht ‚für die wirkliche Anwendung 
fey, und will fih ſchon für belohnet-halten, wenn Sacfenner 
feinen Verfuch eines flüchtigen Ueberbliks würdigen werden. Sein 
Berfahren beruhet nun lediglich. darauf, daß man ftatt a F b 
bekanntlich auch a cı + P/, ) ſchreiben kann; daher fir) denn die 
zu findende Summe a + b aud) durdy die Proportion 

at ent Yansı. & 

finden lat. 


Bolzano. 





33 


Die Kunſtausſtellung der Akademie bildender Künſte 
in Prag im Jahre 1827. 


— 9 





Auch heuer wurden in der von Kunſtfreunden gegründeten 
Anſtalt die Leiſtungen unſerer Künſtler geſammelt, damit ein jeder 
mit Einem Male überſehe, wer, und wie weit einer vorgeſchrit— 
ten, damit er ſich in einer Stoa Poikile erfreue an den Kunſt— 
gebilden, bevor fie ſich zurüfziehn in die, nicht Jedem offenfte: 
henden, Gemäder ihrer glüßlichen Befizer, Die Anzahl der Werfe, 
mannigfaltig in Art und Werth, belief fih auf 178 Nummern. 
Daß in einem Jahre von einem im Grunde doc nicht allzugrogen 
Kreife von Künftlern und Dilettanten zu viel nicht zu Stande 
kommen Fann, daß felbft manche Schöpfung an den Ort ihrer 
Beitimmung abgehen muß, bevor fie hier aufgeftellt wurde, fieht 
jeter ein. Und wenn auch Mancher wünfchen mag, lieber den 
Genug feltener, aber veiner und höher zu haben, fo müſſen wir 
ihm die Frage entgegen ftellen: Werden auch einen größeren Zeit: 
raum hindurch die Kunſtwerke zurüfbleiben können, um die Aus» 
ftellung abzuwarten? — Bei mehreren Künftlern ſah man einen 
bedeutenden, ſehr erfreulichen Fortjhritt, Nur über das Beſſere 
wollen wir im Einzelnen ſprechen, wollen fagen, welchen Cindruf 
es auf ung gemacht, und auch hierin müſſen wir Furz jeyn, weil 
der Raum diejer Blätter Ausführlichfeit nicht zulaßt. 

So beginnen wir denn mit der biftorifhen Kunſt. Ein 
großes Bild (10, a.), die heilige Eliſabeth, Markgräfin von 
Thüringen, neun Figuren in Lebensgröße, brachte Sohann Gruß. 
In einem gothiihen Gemache nahe am Fenfter in vollem Lichte 
fit die Heilige im hellweißen Gewande, im Schmufe mehr 
der fürftlihen Hausfrau, denn der Fürftin an einem runden 
Tiſchchen, eben befchäftigt, ein frommes Werk chriftlicher Liebe 
zu ſchaffen, den Blik links hingewendet mit theilnehmender Er: 
barmung auf den Gegenftand, der ihre vorforgende Milde eben 


84 


in Anfprudh nimmt. Das faft in Thränen ſchwimmende Auge, 
der Zug um den Mund verbürgen die Rührung, über der auf 
der Stirne ruhige Hoheit zu thronen fcheint. Ihr zur Rechten 
auf dem Etuble Fniet das Töchterlein in rofenfarbenem Gewande 
mit dem Dberleibe auf- den Tiſch gelehnt, und nach demſelben 
Gegenitande den Blif mit Findliher Theilnahme gerichtet, und 
ihen zur Fürbitte bei der milden Mutter bereit. Diefer Theil: 
nahme jeheint die hinter ihr ftehende Zofe, die geichäftige Ver— 
traute ihrer Wohlthätigkeit, die Richtung näher zu bezeichnen, 
indem fie fih wie zuredend zu dem Kinde niederbeugt,, und mit: 
dem Finger dahinweif’t. Die jüngere Tochter im bimmelbfauen. 
Gemwande, ein lieblihes Engelsfind mit den goldenen Loken, kniet 
am Toten der Mutter zur Linfen, und reicht ihr ein gelbes Tuch. 
aus tem Korbe, von dem jie zu dem eben erbeijchten Liebeswerfe. 
Gebrauh machen fol. Am Fenfter im Schatten fijt eine andere 
Zofe, eben mit Nähen beichäftigt, aber fo ergriffen, dag fie voll 
fhmerzlihen Mitleids die Hand gegen tie Bruft preßt, als wolle: 
ihr Das Herz fpringen beim Anblike foldhes Elends, als übers: 
manne ſie die Erinnerung, dag auch fie aus gleiher Noth durch 
ihrer Herrin Milde gerettet worden. Der gemeinjame Gegen—⸗ 
fand, auf den die Aufmerkjamfeit dieſer Gruppe ſich lenkt, ift 
ein vom Froſt ſchier erftarrtes halbnaftes Kind von etwa 14 — 
15 Jahren, das ein Engel in die Stube führt, der Milde feines 
Schwefterengeld, der Fürftin, es zu vertrauen. Das arme Kind 
faltet die Hände über der Bruft, bittend vorgebeugt. Es iſt 
mit ungemeiner Wabrbeit ausgeführt; der Engel ift eine fchöne 
Geftalt, nur jhadet ihr vielleicht, dag der Maler fie in den dunk— 
lern Theil bingeftellt. Zwiſchen diefen zwei Gruppen erblift man, 
im furzen, ſehr dunflen Hintergrunde einen greifen Landmann, 
am Dfen fih wärmend, im Gemache der Fürftin, die ja die 
Mutter ift der Armen, und von der auch er eben befleidet wor: 
den zu ſeyn ſcheint, wie die zum Rofe herausfhauenden Schuhe 
andeuten. Auf feinen Scenfel lehnt ſich bebaglich ein Knabe, 
forglos fein empfangenes Stük Brod verzehrend; auch dieſe blifen 
nad) dem armen Waifenfinde, dad Niemand bat, als Gottes 


85 


Engel, der ſich jein erbarmte. Durch das Fenfter ſieht man einen 
Theil ver Burgcarelle, und über jchneebedefte Tannenwipfel in 
den froftigen Winterhimmel hinaus, Wie verftändig. der Künſt— 
ler alles angeordnet, erhellt fhon aus dem Geſagten, und aud 
die Ausführung ift lobenswerth , zumal wenn man bedenft, daß 
ed das erfte Werk von diefer Größe üft, das er unternommen, — 
Ob die Theilnabme der Heiligen nicht lebhafter ſeyn follte, als 
ſich mit der, auf Gemüthsruhe binweijenden Stellung der Sizen— 
ten verträgt, wagen wir nicht zu entjheiden. Wenn fie entgegen 
ginge der armen Waife, oder nur im Begriffe wäre aufjuftehen, 
fäme dann nicht mehr reges Leben in das Ganze? Doc fcheint 
ter: Künftler zu enifchuldigen zu feyn , indem die ihm gegebene 
Höhe des Bildes — es ift für die Mädchenſchule in Leipa be- 
fiimmt — die volle, würdige Ausführung der Hauptfigur aufrecht 
nicht zuließ. Auch möchten Cinige vielleicht, gegen Einzelheiten 
bie und da etwas zu erinnern haben, als gegen das alljugrelle 
Gelb: des vom knienden Kinte dargereichten Stoffes, das der 
Farbenbarmonie Eintrag thut , gegen die Falten unter der Bruft 
der Heiligen, gegen: die etwas harten Falten der am Fenfter fizen- 
tem Zofe ;. doch wir möchten entgegnen mit Dindeutung auf das 
befannte „ubi plura nitent.‘* 

Bon demelben war noch da ein Ecce homo-Bruftbild (11.), 
eine. Madonna (11,) Knieſtük, eine Madonna auf dem Halb: 
monde (13.), ein rundes Bildchen, Sefus, Maria und Johannes, 
gleichſam Gegenftüt zu Raphael della Sedia, welde leztere 
auch derjelbe und außer ibm noch Joh. Birnbaum copirte. 

Wenzel Manes gab einen ſchönen Alten, halbe Figur, dem 
nur etwas mehr Kraftausdruf zu wünſchen wäre, um ald Mofes 
(1.) au ohne die Gejejtafeln erfannt zu werden. Dieſes Bild 
zeugt von bedeutenden Fortſchritten, nicht minder die andern, 
wenn auch noch Manches zu wünfhen erübrigt. So ſcheinen uns. 
ander heil, Katharina von Siena (4,) die Hände etwas zu flei- 
ſchig, das Roth im Gefihte für eine Nonne zu frifh, Yon den 
andern zweien ſcheint uns die heilige Familie mit fechs Siguren 
(3. Ndas beſſere. 


86 


Bon Franz Nadorp ift Johannes ald Kind mit dem Lamme 
5.) fehr gut gedacht und ausgeführt in Betreff der Zeichnung, 
nur der Karbe wünfchten wir mehr Saft. Der Chriftus am 
Kreuze (o.), dem wir nur etwas mehr Adel wünfchten, ſprach 
uns fehr an. Befonders die Landſchaft, und der eigene Lichtton 
darin ift fehr bedeutend, es ift das Eifengrau eines wetterſchwan⸗ 
gern Himmels bei einer Sonnenfinfternig. Gar zu graus und 
würdelos hingegen ift der die Treppe hinabwanfende gegeißelte 
Heiland (3.) in dem Purpurmantel, 

Bon unfern watern Künftlern, die nun in Rom, im Olymp 
der Kunft weilen, von Tkadlik und Führich, waren aud) zwei 
Gemälde da. Dom erfteren ein Pleiner Ehriftusfopf mit der Dor— 
nenfrone, auf Hol; gemalt, worin befonders der edle Schmerz, 
mehr ein Mitleid mit den Urhebern desſelben, ald das Gefühl 
der eigenen Leiden uns anſprach. Vom zweiten fahen wir eine 
Matonna mit dem Sefusfinde und Johannes. Der leztere ijt 
fehr gelungen, nur glauben wir, das ftraffe Haar waffe e — * 
recht zum Orientalen. 

Die Charitad von Frau Therefe Eifel in Graz ſchien uns 
in der Idee nicht neu zu ſeyn, wiewohl in Zeichnung richtig, 
Eompofition und Ausführung lieg Einiges zu wünſchen übrig. 

Die Madonna von Mrniaf (5,), und Sefus mit der Sa— 
maritanerin am Brunnen (5. a.) find gleichfall® gegen die frühe— 
ren Seiftungen desfelben im Vortheil; das erfte feheint beinahe 
Portrait zu feyn, aber den Charakter der Madonna vermochten 
wir nicht herauszufinden. 

Auch ein Vorpojtengefecht im Gebirge bei Rieti von Günzel 
fahen wir, an dem der Maler ſelbſt Theil genommen, Es ift gut 
angeordnet und mit Geſchik ausgeführt. 

Mit Freuden erwähnen wir eines Thonmodells von dem erft 
ahtzehnjährigen Joſ. Max, ein vom Kreuz herabgenommener Ehri- 
ſtus. Er liegt — eine edle Geftalt — den Oberleib auf einen Stein 
geftüzt, Maria hinter ihm finft todeswund vor Schmerz zufammen ; 
ein Engel — den wir etwas größer wünfchten — hemmt ihren Fall, 
dahinter ragt einfach das Kreuz, eine fhöne Gruppe fürwahr! 





87 


Auch Das ſchlafende Kind nah Fiamingo von Fortner in 
Silber getrieben ift beachtenswerth; eben fo das Elfenbein: Bas: 
relief von Teinezky. 

Bon ven Zeichnungen können wir nicht befonders Rühmli— 
ches fagen. Der Streit der Trojaner und Griechen (63.) ift zwar 
‚reich an Figuren, aber nicht an Leben. Patroffus, den man ge: 
wohnt ift, fich als Jüngling zu denfem, erſcheint viel zu alt. 

Ergözlih find die Nationaljcenen von unjerm Landsmanne 
Georg Opitz, nun Prof. in Leipzig. Ungern vermißten wir auch 
die Compofitionen für den Preis, zumal wir nad) einem Gerüchte 
boffen durften, auch die Leiftungen der übrigen Vewerber nebjt 
den gefrönten zu ſehen, wodurch vielleicht das Urtheil der Richter 
noch mehr bewahrt würde. 

Unter den Copien in Del verdient befonders die Madonna 
auf Wolken, von Engeln umgeben, nad Luca Giordano von Lud- 
‚wig Geyer in Dresden, bemerkt zu werden; dod Fünnen wir, un: 
befannt mit dem Original, über die Treue nicht urtheilen. Die 
Madonna ift eine edle Geftalt, weniger fagten und die Engel zu, 
und zumal der Spiegel in der GSeitengruppe ftörte ung fehr. 

An unferm Landfhaftmaler Anton Manes hatten wir 
viele Freude. Da iſt Wärme , Friſche, Kraft, Saft, und eine 
Sicherheit des Pinſels, daß wir zu behaupten wagen, er könne 
furchtlos ſich neben die beſſern Künſtler Deutſchlands hinſtellen, 
ohne verdunkelt zu werden. Unter den drei Abbildungen der Ruine 
Okor hat die eine das Grün nach einem Regen, das aber etwas 
Falt fcheint, hingegen die beiden andern durch günftige Beleuch— 
tung an Wärme gewannen. Die Anficht des Hradſchins im Abend- 
dufte, mit der Sonne dahinter — weife hinter dichtbelaubten 
Bäumen am Ufer, die den rechten Vorgrund bilden, verborgen — 
zog uns ungemein an, wie auch die Ruine von Lipniz. Don jo 
Eunftfertiger Hand die herrlichen Gegenden unferes Vaterlandes 
dargeftellt — dachten wir — und in einer Halle vereint, wie die 
fhönften Gegenden feiner Herrihaften Se. Durchlaucht Fürſt v. 
Schwarzenberg gefammelt bat zu Frauenberg in Guache, — wahrlic) 
dadurch müßte die Liebe zum ſchönen Vaterlande befebt , geftei- 


‚83 


gert werden. — Aber auch in feinen Compofitionen bewährt er 
fi) als Meifter, befonders in der Felſenlandſchaft mit der ſchlich— 
ten Holzbrüfe (34.), unter der der Strom ſchäumt, während 
der Wind in den Giſcht hineinzutofen fcheint. Zunächſt würden 
wir diefem die Gebirgsgegend (32.) anreiben; doch auch die 
Waldgegend ift brav. Später brachte er noch ein trefflihes Stu: 
dium nad Everdingen. Wenn er in Stand gefezt würde, zu rei— 
fen, den herrlihen Himmel Italiens zu fehen, und die Natur: 
wunder diesfeitiger Fander und jener Halbinfel, würde er, bei 
feinem ernften Streben und fonftigen achtungswerthen Eigenſchaf— 
ten, fehnell am Ziele der Vollendung feyn. 

Die Frau Altgräfin Salm bewies, daß ihre Liebe zur Kunft 
nicht erfaltet fey, umd erfreute uns durd zwei treffliche Land— 
fihaftcopien, ein Seeufer nad; Iſaak Oftade, und eine Gegend 
mit antiquen Ruinen, meift Eolonadentrümmern von Eatel. 

Ein Dilettant, Karl Krumpiegel, gab uns drei Landfchaft- 
ftudien nad der Natur und eine Landjchaft im Mondlicht, in 
denen man den fleigigen und glüflichen Schüler des wakeren Pie- 
penhagen nicht verfennen Fann, Warum aber fahen wir vom 
Meifter felöft gar nichts? Daß er feiere, können wir nit glau- 
ben, und wir müffen es bedauern, wenn er ung den Anblik feiner 
mit jo emfigem Fleiß durchgeführten Schöpfungen entzieht. 

Unter den Portraiten zeichneten fih die Meiften durch über— 
raſchende Wahrheit aus. Das Auge befonders der Schaufpielerin 
Dem. Rofalie Wagner von Kühne in Dresden, hat viel Leben, 
der Körper fiheint in diefer Haltung verzeichnet ; die Farben find 
wie grieficht aufgefragen. Die Fleine Hely von Hortitta, beſon⸗ 
ders der prächtige Blumenkranz, 9. Prof. Fiſcher von W. Ma— 
nes; der H. Artillerieoberſt nebſt feinem Sohne, H. Hauptmann 
von Rittersberg, H. Orcheſterdirector Pixis ſämmtlich von Ma— 
chek, gehörten zu den gelungenſten. In Nr. 19 iſt das Blau der 
Augen von der Natur zu fehr entfernt, 

Das Blumenftüt von Hellig (54.) war gelungen, noch befjer 
aber die Trauben von Böhm (53. a.). Auch in Miniatur war man- 
ches Gute aufgejtellt, befonders die Eopie nad) Vandyk, dann 





89 


W. Manes von Hübner (132. a.) nebſt gelungenen, Porträten 
von Anton Gruf und Prokop. 
ar Unter den ‚gezeichneten Copien bemerken wir den heil. Franz 

von Schneider (142.), und den Baum nad Poſtel (132.).von Hölzel. 
Wir ſchließen unſern Bericht mit dem Wunſche, daß die Au— 
Kalt gedeibe, daß der Künftler immer mehr fih dem. Sreife an: 
fliegen, daß fie freudig fchaffen, und Anerkennung finden in 
Wort und Ihat. 
N er De | baw. 





BIEFA ) ; ‘ 

Berichte über die fortfchreitende Vervollkommnung des 
Zr vaterländifchen Mufeums. 

wm am Mear; 1827. Befhlug,)- 


J. 114 





Materialbeiträge. 


J Für die Bibliothek: 

Vom k. k. Hauptmann, D. Johann Ritter von Rit- 
tersbe erg, dns 1. und 2. Deft der von ihm verfaßten Biogra- 
phieu ausgezeichneter öſterreichiſcher £. FE, Feldherren. Prag. 1827, 
mit Kupfern. — ‚Don 9. Stanislaus Zauper, Capitular 
des ‚Prämonftratenier - Stiftes. Tepl und F, Ef. Gymnaſialprofeſſor 

in Pit en, ein Eremplar der, von ihm verfagten und berausgege- 
Yin deutſchen proſaiſchen ueberſezung der Odyſſee Homers. Prag. 
1827, 28 — Von 9.5.6. S., ein Exemplar des Prager 
Et. Adalberti - Kalenders. vom J. 1750, jammt einem genealogi- 
Aa, Berzeichniffe des geſammten damals lebenden böhmiſchen 

ed, — — Bom wirkenden Mitgliede und Chrudimer Stadtdechant, 
9.3 Sofenb Liboslaw Ziegler, eine alte böhmiſche Bibel 
und 5 Eleinere ältere und neuere vaterländiſche Drufjchriften. — 
Don H. M. D. Stumpa, 3 fpanifde gedrufte Werke mit einer 
Landkarte. — Von H. Aloys Joſeph Doſtal, Capitular des 
Pr Pramonftratenjer- Stiftes Strahow und Gymnaſialprofeſſor in 
Saaz, eine altere vaterlämdifhe Drufjicrift. — Bon 9. Sobamn 
Weinmann, Pd. f Regimentscaplan in Neubaus, 2 alte böb: 
miſche Drukſchriften. — Bon einer Leſegeſellſchaft in Piſek, 
die Fortjezung der Wiener und der allgemeinen Zeitung vom I. 181261 

Für die Sammlung der Handſchriften: 

Bon 9. J.U.D. und wirkenden Mitgliede, Sofenrb Wolf- 
ram, eine Karte des griecbifhen Archipels vom —* 1626 auf 
Pergament, und eine Handzeichnung des neuen —3 in 
Bien. — Vom beitragenden und fammlenden Mitgliene, d . De: 


90 


Want Rubefch in Haita, eine handfchriftliche, von H.Adauct 

Voigt verferficte Sammlung lateinifher Getichte. — Vom bei: 

tragenren und fammelnden Mitgliede, H. Präfect Schön in Piſek, 

Auszüge aus dem Gedenkbuche der Pfarre zu Zahor. — Vom 

fürſterzbiſchöflichen Alumner, 9. Georg Peſchiz, eine theolo- 

giſche Handfihrift des Mag. Peter von Königingräz, vom 3. aain, 
Für die Diplemenfammlung: 

Von H. Abbe de Neuville in Prag, eine erzbiſchöfliche 
Trierfihe Driginalurfunte auf Pergament vom 3. 1227 jammt 
Siegel. — Vom Necdwalizer Pfarrer H. Wilhelm Gewin: 
ner, einen originellen Kaufcontract vom AUfUBBE des XVII. 
Sahrhunderts.: 5 NE 

Für die Münzfammlung: 

Bon H. Debant Rubefch, einen weftphäfifchen Thaler 
und 6 Kleine Kupfermünzen. — Bon 9. M. D! Stumpa, einen 
Meißnergrofhen. — Bon der Frau Magdalena Görner, 
eine filberne Denfmünze, und eine, italienijhe Kupfermünze. — 
Bon 9. Johann Hude;, Amtsſchreiber in. Milin, 9 ſehr 
alte und 5 neuere Fleine Silbermünzen. — Bom Qimelizer Pfarrer 
und biſchöfl. Vicar H. Joſeph Neuhbaufer, 2 alte Fleine 
Silvermünzen. — Bom Ehrudimer F. k. Kreisingenieur H. Mo: 
riz Jahn, eine alte boöͤhmiſche Silber: und 2 joldhe Kupfermünzen. 

Für tie ethnographiſche Sammlung : 

Bon 9. Grafen Eugen Wrobna, eine Fleine zu Horo⸗ 
wiz in Eiſen gegoſſene Büſte Sr. k.k. Majeſtät. — Vom lödl. 
Magiſtrate ver k. Kreis: und Leibgedingſtadt Ehrudim, eine 
fogenannte Hakenbüchſe. — Von H. Hu detz in Milin, einen alter: 
thümlichen, bei dem Dorfe Bitis gefundenen, zierlic) gearbei⸗ 
teten eifernen Schlüſſel. — Vom Stiekner Pfarrer 9. Sobann 
Czerwenka, ein alterthümliches Doppelgemälde auf Doll. 


(April1897.) 


Gefellfhaft. — 
In die Claſſe der wirkenden Mitglieder, traten, —* 
zwar durch Erklärungen zu jährlichen baaren Syſtemalbeiträgen, 
ein: Se. Durchlaucht Fürſt Karl von Löwenfein- Wert, 
beim, und Graf Karl Kinjey, £. F. Kämmerer und er 
marjchalllieutenant. 
Material: Beiträge. 


Für die Mineralien- und — — 
Sammlung: 

Von Sr. Exc. dem Grafen Franz Hartig, Gouver— 

neur der Steiermark und wirkenden Mitgliede, die Borkomitnife 





9 


der Salzformation von Aufe. — Bon H. Bürgermeifter in Leoben, 
zwei Pflanzenaborüfe ans feinem Leobner Steinfohlenwerf, — 
Bon 9. Haufhka in Brünn, Mitglied mehrerer gelehrten Ge- 
jelfihaften ‚ einige mähriſchen Fofilien. 
1 Für die zoologiſche Sammlung : 
Vom Ausfhugmitaliede, Fürften Rudolph Kinfty, Ske— 
fette won 10 Saugtbieren, 38 Vögeln und: 3 Amphibien, gan 
neu „serfentigt duch D.Seik:im Prag, — Vom kak. Hofrath, 
9. Sobann Lera Ritter von Aehrenthal, einen bei, Do— 
van gi Alan wilden Schwan, — Bon H. Grafen Kaunig, 
einen zahmen Schwan. — Bon H. Grafen Joſeph Mathias 
Thun, einen ausgeftopften grauen Reiber (Ardea einerea). — — 
Bon H. Biafoletto, Apotheker in Trieſt, eine Kiſte mit ver— 
ſchiedenen Seethieren, Konchilien, Krebſen, Meerigeln See⸗ 
fernen, Polvypen, und eitter ſeltenen Schlange (Vi ipera Ammo- 
dytes). — Bon 9. Pelzel, Juſtiziär in Raudniz eine Abart 
der Eijter. — Bon der Frau Zelenfa, ein Doppelkäftchen, mit 
bei Brezina gefangenen Schmetterlingen. e 
Für die botanifhen Sammlungen 9 


Bon 9. Biajoletto in Trieft, eine Sammking von 
Höfern der im Öfterreid)iichen Littorale ſelteneren u” und 
Gefträuche. 

Für die Bibliothek: 

Bon H.Doct. und Prof. CaffianHallafhfa in Prag, 
ein Eremplar feines gedruften Aufjazes über die geographiſche Orte: 
beſtimmung von Steinſchönau, jammt der dazu gehörigen Karte der 
Herrſchaft Böhmiſch-Kamniz von H. Dedant Kreibicd. — Bon 
9. Bonifacius Oppelt, regulirten Chorberrn und Predi— 
ger im k. Pramonftratenjer : Stifte Strabow, ein Eremplar vom 
2. Bande feiner crijtfatholifhen Betrachtungen zur Beförderung 
der häuslichen Belehrung und" Erbauung. Prag. 1327. in s.— 
Von 9. Albin Heinrich, k. k. Gymnafialprofefior in Te- 
ſchen, die von ihm verfaßten Denephriften , namlih: Scallers 
Wörterbuch. 1826. 2 8. in s.; Scherfhnifs Denkmal. 1324. 

1 8. in s.; und Verſuch einer Geſchite⸗ des Herzogthums Te— 
ſchen. 1818. 1 B. in 8. — Vom Prager Buchhändler, H. Mar: 
tin Bohuslaw — —— s eigene Verlagsartikel des— 
ſelben in 44 Bänden, 


Für die Sammlung der J—— 
Don H. Georg Peſchiz, fürſterzbiſchoͤflichen Alumner 
in Prag, ein Fragment eines böhmiſchen Paſſionals aus dem 
XV. Jahrhundert. 


t 


92 


„Für, d die : Diplom enfammlung: 

Von der loͤbl Kanzleid irection der Prager Univer⸗ 
ſi tät, aus der Regiſtratur derſelben, einen Fascikel mit Stamm- 
bäumen und copirten Familienurfunden der Freiherren von Prom⸗ 
niz auf Weichenau. — Bon H. Dock, und Prof. Hallaſchka, 
eine böhmiſche Originalurkunde auf Pergament aus dem XVI. 
Jahrhundert. — Vom beitragenden und ſammelnden Mitgliede, 
9. Dechant Lindauer in Preeſtiz, + Urkunden auf Papier aus 
dem XV. Jahrhundert, namlich 1 Original, 1 Een und 
2 einfache Copien, / 


Für die Münzfammfung! 


Don H, Doct. und Prof. Haitalhte, eine römiſche 
Kupfermünze vom K. Diocletian. — Bon H. Nikolaus Top 
per, Gtadt:. und Bezirfsdechant in Vergreichenitein , 14 alte 
Fleine Kupfermünzen, worunter 2 römiſche. — Bon 9. Eujtos 
Bu rde, Gypsabdrüke von 2 graͤflich Schlid’ ſchen, auf den im 
xVI. Sahrhundert verftorbenen Arzt und erſten Schriftſtellet über 
Karlsbad, Menzel Babyer aus Eidogen, geprägten Dentmingen, 


Für die etbnograpbifde Sammlung : 4 


Wom wirkenden Mitgliede H. Grafen Eusen Vröbna, 
wei iebensgroße in Eiſen gegoſſene Büften Ihrer k. * HGoheiten 
der Erzherzoge Ferdinand und Franz Karl. — Vom n Dit 
fenden Mitgliede 9. Leopold Rabuſky, Bürgermeift rin 
Brür, ein aus Eifen verfertigtes Facsimile eines großen eifer- 
‚nen in der dort benachbarten Ruine der im J. 1650 zerftörten 
Veſte Lands wert, im I: 1826 gefundenen Burgthorſchlüſſels. 
— Bon Hd Long in; bürg. Kammacher in Prag, ein: Stüf von 
seinem Elepbantenzahn mit zwei darein Bmhaihienen — Fr 
nen Gewehrtugeln 

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Redacteur: F. Palackye 








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Seit 
1. Weitſtreit der Dichtungsarten. Don Dr. Ludwig ; 
Seitieſee u 
. Kteinffal. Bon Wenceslaw Aloys Swoboda. 

. Herz und Blume. Don Karl Egon Ebert. . » 

. Der Berfaffene. on Aug. Pfigmayer. : . . . 
Sob. Norb, Zatolil von Löwenbruk, Tagebuch der 
Belagerung Prags durch die Schweden im J. 1648. 

In Audzug gebracht von J. Ritter von Rittersherg. 
Beihluß) > . 00. e ———— 
. Ueber Marienbad. Von Dr. Heidler. .. 
. Heber eine unverftändfiche Stelle in ter Chronik tes 
Sofmas. Bon J. Dobrowffy. 2 - . . £ 
Actiengefelfhaft zum Bau einer Kettenbrüfe über 
die Moltau zu Prag. (Eingefentet) „ 
Weber die neuen Wollmärfte in Böhmen. « . . 
Etand der Geſellſchaft des vaterländifchen Mufeums 
in Böhmen am Tage der fünften allgenteinen Ber: 
fanmfung bderfelden den 23. Marz 1827. . . . 
Eeltenere Pflanzen, welche in den Prager Gärten 
geblüht haben. Monat Mai 1827.) . 2» 2. 
Literärifche Anzeigen. 1. Der Schloßbrunnen zu Karis- 
bad. Bon Dr. Johann Pöſchmann. 2. Das Saibſchizer 


Bitterwarfer. Von Prof. Steinmam und Dr. Reuß. 3, 
Der Arithmetiker, ꝛc. Bon Jakob Koref. 2 


Die Kunftausjtellung der Afademie bildender Künfie 

in Prag im Jahre 1827... ne 

14. Bericht vom vaterländiſchen Mufeum. (März 1827. 
Beſchluß. SEN IBDTE) Ta DR ie 











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